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89 d7
a
A 1
Die erdfunde
vom
Aſien,
Carl Ritter.
Band VII. Erſte Abtheilung.
Dad Stufenland des Euphrat- und Zigriöfgftemd.
0
Berlin, 1843.
Gehrudt und verlegt
bei G. Reimer.
Bu we
Die Erdfunde
' ie Verhältniß zur Natur und zur Gefchichte
des Menfchen,
oder
allge meine
vergleichende Geographie,
al s
ſichere Grundlage des Studiums und Unterrichts in
phyſicaliſchen und hiftorifchen Wiffenfchaften
von
Carl Ritter,
Dr. und Prof. ‚p. ord. an der Univerfität und allgem. Kriegsfchule in
Berfin unb Mitglied der Koͤnigl. Academie der Wiffenfchaften ꝛc.
— — —
2
Zehnter Theil,
Dritte! Bud. Weſt-⸗Aſien.
Zweite Bart vermehrte und umgearbeitete Ausgabe,
— — — 1 — — — —
Berlin, 1843.
GSGedruckt und verlegt
bei ® Reimer.
De
„Citius emergit veritas ex errore, quaın ex confusiore.“
Baco doe form. calid. Aphor. X.
Bormworf.
? Weniges ift bier vorläufig zis bemerken, da dem Sn:
: des vorliegenden Bandes felbft die nothwendigſten Erlaͤu⸗
ngen mit eingefchaltet find; aber hierauf aufmerkfam zu
ben, ift die Abficht dieſes Vorworts.
Zur Ausarbeitung des Vorliegenden warten mehrere Sabre
,„ ſo wie eine Reife nach England, auch vielfach perſoͤn⸗
e Belanntfchaften anzulnüpfen hothwendig, tum nur in
Beſitz eines vielfach erwünfchten, aber unendlich zerſtreuten
ıterialeß der noch nicht veröffentlichten oder ſchwer zugaͤng⸗
en Quellen zu gelangen, die zuvor noch niemals für eine
sgraphie Vorderafiend benugt wären. Es mußten zugleich
der Unbraucdhbarkeit der bisherigen, erft von neuem bie
sten in Handzeichnungen sonftruirt werden, um zur Eins
€ der richtigen Raumverhältniffe zu gelängen, von benen
Rede fein folte. Der Drud des flarfen Bandes bauerfe
m ein volles Jahr; indeß ſtand die Wiffenfchaft, die Ent:
kung nicht fill, Wenn die erfie Verzögerung biefed zehn⸗
a Bandes darin ihren notbwendigen Grund hatte, daß es
a Berfafier, der aus Indien und Perfi en kam, nicht moͤg⸗
war den Euphrat zu überfchreiten, ohne durch die Res
'ate der Eupbrataufnahme, die aber nur auf dem Boden
Hands zu erringen wären, in Worberaften feſten Fuß zu
vi Vorwort, |
faffen, fo war bie Fartographifche Entfaltung der bis dahin i
chaotiſch gebliebnen Tauruslandſchaften, durch die kaum erſt
beendeten Laͤnderaufnahmen der preußiſchen Officiere ein
zweiter eben fo triftiger Grund, in feiner Darlegung der geo⸗
graphiſchen Werhältniffe ded Stufenlandes vom Euphrats und
Tigrisſyſtem nur fehr allmälig vorwärts zu fchreiten. Denn . m
ein ganz neues Fehd der: Forſchung und der Betrachtung hat
ſich hiemit, wie durch die Ergebniſſe der Londner Geogr. Soc.
erſchloſſen, was wir mit Zuverſicht gegen alle fruͤhern Ver⸗ x
fuche ähnlicher Art ausfprechen dürfen, Da nicht uns, jonvern il
Andern, durch vieliährige muͤhſame Anſtrengungen und Ar⸗
beiten im Drient, der große Schatz von neuen Thatſachen
und poſitiven Wahrheiten verdankt wird, den wir nur *
gluͤclich fi ſind unſrer Wiſſenſchaft anzueignen , und bem Leſer
in geordneter Weiſe vorlegen zu koͤnnen.
Fuͤr dieſe Art der Bearbeitung iſt es aber, daß wir die ks
Nachſicht der Leſer in Anfpruch nehmen müffen. Denn wenn *
wir uns auch des Dargebotnen freuen dirfen, fo fonnte ein =
ſolcher jüngfter Fortſchritt während diefer Ausarbeitung ſelbſt, =
der Form nad), doch nicht unſichtbar bleiben. Daher folgen *
ſchon in der zweiten Hälfte des Bandes mehrere Berichtigun: '®
gen und Erweiterungen nach, die in der erften Hälfte deffel: 5
ben noch nicht. hervortreten konnten. Ja es mußten eigne =
Nachtraͤge, wie z. B. 812 — 825, deshalb eingefchaltet wers =
den, dit wir gleich vom Anfang an den Zefer nicht zu übers =
fehen bitten, Manche Berbefferung ergab fi ſi ch erſt mit dem
Foriſchritt der Unterſuchung unter der Hand von ſelbſt, durch
verbefferte Lesarten, Kartenfortſchritt, neu erſcheinende Schrif— =
ten und durch befreundete, zumal aus armeniſchen, perſiſchen, |
arabifchen und ‚andern. orientalifchen minder befannten Quellen
heworgehende hanbſchꝛiftliche Mittheilungen. So erſchien auch
22
{
Vorwort. Va
Answorth’3 Reifewerk in 2Bänden erfl ‚gegen das Ende des
Druds unferd zehnten Bandes, und von W. Hamiltons
Asia minor Eonnte in ber erfien Hälfte ber Titel bes Wera
tes noch gar nicht genaunt werben, wenn [chen von S. 388
an die Seitenzahlen yon Th. I. citirt find, da durch die zu⸗
vorkommende Güte des Verlegers, Mr.. Murray, mit Be⸗
willigung des Autors, uns nur die Aushaͤngebogen des er⸗
ſten Bandes fo fruͤhzeitig zu Theil wurden, daß wir. bei unſrer
; Arbeit ſchon auf. fie Rüdficht nehmen konnten, denn dad Wert
— — — — — ——
erſchien erſt öffentlich mit dem Schluſſe unſers Bandes, obwol
deſſen ganzer Inhalt ſchon vollſtaͤndig in unſrer Beſchreibung
mit aufgenommen war.
Eben fo konnte von Colon, Chesney's Werk über die
Euphraterpedition, deſſen Drud erſt gegemwärtig von ber
Admiralität in Gang gefeht wird, doch ſchon ein wichtigfter
Theil der Handfchriften, fo wie der noch unebirten Karten,
durch die zuvorkommendſte Liberalität des Autord wie ber
engliſchen Behörden mit benutzt werben. Da aber zugleich
— — — —
— —— —
unter unſern Augen die neuen, demnaͤchſt erſcheinenden Blaͤtter
der Karte vom Taurusgebiet und Kleinaſien durch die uns be⸗
freundeten preußiſchen Officiere und Herin Kieperts Bemühungen
zu Stande kamen: fo konnte deren Inhalt zugleich als Grund⸗
lage auch unſrer Arbeit zu gute kommen, ein nicht geringer
Gewinn, der vorzuͤglich dem Beiſtande jener mittheilenden
Freunde auf einem bisher fo rathloſen Gebiete verdankt wird,
So bat fih, um nur diefes bedeutendften zu erwähnen,
noch vieles andre theilö fchon vollendete, theild erft im Ents
fichen begriffene zufammengefunden, was dem Einfichtigen
einen Aufſchluß über den innern Zortfchritt unfrer vergleichen
den Erkunde geben mag, der und nun unaufhaltfam gegen
das befreundete Europa forttreibt, fobald wir ungefäumt da⸗
vui | Vorwort.
hin über Arabien, Palaͤſtina, Kleinaſien fortſchreiten koͤnnen.
Einen gleichen Schritt mit unſerm Texte halten die von dem
Herrn Verleger gefoͤrderten, unſrer Erdkunde zugehoͤrigen
Kartenwerke der Herren Mahlmann und Zimmermann,
von welchem letzteren wir insbefondere auf die vier Blaͤt⸗
ter von Oſt-Perfien, auf dad Werfnüpfungsblatt Khora⸗
fan zwifchen Oft und Weſt und an die daran'fich ſchließenden vier
Blätterivon WeftsPerfien mit bem Tigrislande, die
Aufmerkfamkeit aller Freunde des Landkartenweſens zu erres
gen und die Erlaubniß nehmen dürfen, weil diefelben eine
ſolche in jeder Hinfiht in hohem Grade ald bedeutender dort: |
ſchrit verdienen.
Berlin, den. 4. April 1849,
| 8, Ritter.
|
Inhaltsverzeihniß und Blattweiſer.
Allgemeine Erdkunde Th. X.
Asien
Band VII. Dritte Abtheilung.
| Drittes Bud. |
Weſt⸗ Aſien.
Band IV.
Dritte Abtheilung.
Die Uebergänge in den Naturformen von Hod>
Iran zum Zieflande und zu VBorder-Afien.
Erfier Abſchnitt. Die Waſſerſyſteme und Stufenländer
gen Süden. Dad Stromfuftem des Euphrat und Tigris.
$-. 29. Einleitung. Neberfiht, S. 1—6.
Erſtes Kapitel. SHiftorifcher Ueberblick auf vie Stromgebiete
des Euphrat und Tigris. S. 6— 66.
I. Quellen ältefler Zeit: Herodot, Xenophon, Alerander. S. 6—66.
1) Nah Herodot im Jahre 440 vor Chr. Geb. S. 6-9.
2) Nach Zenophon: Cyrus des Jüngern Feldzug nach Babylon
(401 v. Chr. Geb.). S,A—24. |
3) Zur Zeit Alexander DM. (331 — 323 v. Chr. Och.) ©. 24
76.
Die Erdfunde
a fie MM
Carl Kitter.
Band VII. Erſte Abtheilung.
Das Stufenland des Euphrat: und Tigrisſyſtems.
— — — —
Berlin, 1843.
sedrucktund verlegt
bei G. Reimer.
DE
Die Erdfunde
im Berhältniß zur Natur und zur Gefchichte
des Menfchen,
oder
allgemeine
vergleichende Geographie,
phyſicaliſchen und biftorifchen Wiſſenſchaften
von
|
| als
fihere Grundlage des Studiums und Unterrithts in
|
|
Sarl Ritt er,
, Dr. und Prof. .p. ord. an ber Univerfität und allgem. ſan⸗
| Berlin und Mitglied ber Koͤnigl. Academic der Wiflenfcha
Zehnter Theil,
Drittes Bud. Weſt⸗Aſien.
Zweite ſtark vermehrte und umgearbeitete Ausgabe.
—S — — —— — —
Berlin, 1843.
GSehbrudt und verlegt
bei G. Reimer.
Pe]
nCitius emergit veritas ex errore, quain ex eonfusione.“
*
Baco de form. calid. Aphor. X-
[5
8.
AInbaltsverzeichniß. xm
Die Araxes⸗-Ebene. S. 456— 463. _
Sr. Dnbois Umwanderung der obern Araxes-Ebene von Etſh⸗
miadzin bis Kulpi, und zurüd bis Arghuri am Nordfuße des
Irarat. ©. 463— 479.
Das Dorf Arghuri oder Agorri am Nordfuße des Ararat, und
das St. Jakobs-Kloſter. S. 479 — 485.
Der große Ararat und feine dreimal: wiederholte Erfteigung.
©. 456 — 495.
Refnliate über die Bebirgsbefchaffenheit des großen Ararat, über
feine $lora, feine ewige Schneegrenze und feine Seitenattraction.
©. 496 — 504.
A. Bebirgsbefchaffenheit.
B. Ararat : Flora.
C. Ewige Sıhneegrenze am, Ararat.
D. Seitenattraction.
Der fleine Ararat und feine Erſteigung. ©. 504— 507.
Anmerfung. Das Grobeben und der Einfturz am Ararat!
(1840). S. 507 — 514.
5. 36. Grlänterung 4. Etſhmiadzin, der Patriarhalfig der Armes
nier. Ihre Literatur und Sprade; ihre Golonien und Derbrei-
tungen in der alten Welt. S. 514—645.
1.
2.
Etſhmiadzin oder Utſh Kilifeh, d. i. Dreilirchen, der Patriarchen:
fip Armeniens, an der Stelle der alten Gapitale Vagharſhabad.
©. 514 - 538. |
Fortſchritt der Kunde des armenifchen Landes und Volfs durch
die Wiedererwedung der altzarmenifchen Literatur und durch
Das wieder erwachte Studium der armenifchen Sprache feit dem
Anfange des 18. Jahrhunderts. S. 538— 577.
Spradyverwandtichaft der Armenier; eingewanderte Colonien ber
Fremdlinge in Armenien; Answanderungen der Armenier und
ihre Derbreitung über vie alte Well. S. 577 — 634.
A. Die Sprache der Armenier. S. 577.
B. Die Sinwandernungen der Fremden nach Armenien. S.585
bie 594.
Ehronologifche Reihe ver Ginwanderungen in Armenien:
1) Die Berölferung von Halasdan ;
2) aus Kannan;
3) ans Afiyrien;
4) von Hebraͤern;
5) von Medern;
6) von den Kuppabociern;
7) von den Hindn;
8) von den Bulguren;
ar
nCitius emergit veritas ex errore, quaın ex confusione.“
Baco de form. calid. Aphor. X.
[a . Zi
Vorwort.
r Weniges iſt hier vorlaͤufig zu bemerken, da dem In—
des vorliegenden Bandes ſelbſt die nothwendigſten Erlaͤu⸗
ngen mit eingeſchaltet find; aber hierauf aufmerkſam zu
hen, ift die Abficht dieſes Vorworts.
Zur Ausarbeitung des Vorliegenden waren mehrere Sabre
‚ fo wie eine Reife nach England, auch vielfach perföris
: Belanntfchaften anzufnüpfen hothwendig, um nur in
Beſitz eines vielfach erwünfchten, aber unendlich zerſtreuten
terialeß ber noch nicht veröffentlichten oder ſchwer zugaͤng⸗
a Quellen zu gelangen, bie juvor noch niemals für eine
graphie Borderafiend benugt waren. Es mußten zugleid
der Unbrauchbarkeit der biäherigen, erſt von neuem bie
ten in Handzeichnungen conftruirt werden, um zur Eins
: der richtigen Raumverhältniffe ju gelängen, von benen
Rede fein ſollte. Der Drud des flarfen Bandes bauerfe
e ein volled Jahr; indes ſtand die Wiffenfchaft, die Ent-
ung nicht fill. Wenn die erfte Verzögerung dieſes Jehn:
| Bandes darin ihren nothwendigen Grund hatte, daß es
ı Berfafler, der aus Indien und Perfien Fam, nicht mög:
war den Euphrat zu überfchreiten, ohne dur die Res
ate der Euphrataufnahme, die aber nur auf dem Boden
Hands zu eiringen waren, in Borbirafien feſten Fuß zu
zer
xvi Inhaltsverzeichniß.
Anmerkung, Nachtrag und Berichtigung zum 3. Kapitel.
(Dies diem docet.) S. 812—825.
$. 40. Viertes Kapitel. Der mittlere Lauf des Euphrat von
dem Zufammenfluß des Frat und Murab durch Mejopotamien
zum Lande ver Eanäle im alten Babylonien. &.826—898.
Erläuterung 1. Der vereinte Cuphratlauf durch die Taurusfettem
bis zu feinem Ginteitt in die Ebene Mefopotamiens. ©. 827.
1. Gifte Beſchiffung des Cuphrat von Kjeban Maaden bis Gar
mofat. ©. 827 —834,
3. Weſiliche Zuflüffe des Euphrat, zumal des Tolmaſu, Melas der
Alten, bls zur Stadt Malatia in der Landſchaft Melltene.
©. 84 —864.
3. Das Land des Cuphrat-Durchbruchs durch bie Cataracten- Kette
516 Samofat und die Uebergänge der fühlicflen Gliederungen
des füblihen Taurusfyflemes aus Melitene zum enphratenfifcyen
Baffageland. S. 664 — 898.
1) Die Ueberſahrt über ven Cuphrat bei Iſoglu und ber Fels
mit der Kellinfchrift bei Kümürfan am Barfhiam-fa; Tomifas
©. 864— 888. .
2) Der Cuphrat⸗Durchbruch unterhalb ber Kette der Eataracten
von Berger, Kalhtah, über Ehoros bis zur Thalweitung von
Samofat und der Südwendung des Stromes. S. 868-882.
8) Gebirgspaffagen durch den Taurus ans Melitene nach Eoms
magene; mit ben drei Guphratzuflüflen, dem Kahlthah (Kiachta),
dem Fluß von Adlaman und dem Goölſu. ©. 882.
A. Die öftlicgfte Straße am Kafkkah: Flufe. ©. 889,
B. Die mittlere Straße über den Fluß von Adiaman. S. 884.
©. Die weflliche Paſſage am Goͤt ſu über den Erkenel-Paß,
über Belvereh [Berre) und Beheeni zum Euphrat. ©.889,
D. Der Kara fü. ©. 897.
541. Erläuterung 2. Die ſyriſche Vorſtuſe des Taurus gegen Mes
fepotamien; won Samoſat bis zur Gütwenbung des Enphrat bei
Balis und Thapſalus. S. 898—1003.
I. Hypſometriſche Berhältnifle: I. am Atares; IT. am Frat; IH, am
Rurab; IV. am vereinigten Caphrat; V. am Tigris. ©. 898
bis 908.
Gebirgsarten, geognofifcge Berhältnife. &. 909 — 917.
Elima nnd Begetationsverhältnifie. S. 917 —921.
Topographie des Cuphratthales mit den Städten Samofata,
Anmtalah, Bir. S. 921-925:
I) Samofata, Samifat bei Ebn Haufal, Samefate bei Eorif,
Eamosdia ber Armenier, Shamſad der Syrer, Shamifhat bei
Bar Hebr. Daher Shamſhath bei Abulfeda, Sumaiſat der
Pa»
Inhaltsverzeichniß. ;xvz
Araber, Gimifat des türfifchen Geographen, . Samofat oder
Samfat der Europäer. ©. 925 — 831,
2) Romtalah, Numkaleh; Kala Rumitha oder Kalat ol Ram ber
Syrer, Kalat or Rum bei Abulfeda; Hrhomgla oder Hrhoms
elai, au Bla Korhomagan ber Armenien, vulgair Uchnm:
gala.. ©. 931 - 948.
3) Bir (Bira), Al Birat bei Abulfeda, Biradjik der Türken bei
Niebubr, Beredſhik, valgair Beledſhil. ſalai Bea, das Gaftell.
©. MI— 959.
Anmerlung. Ueber das Land der Zeugma's am Auyhrat von
Samoſata bis Thapſakus. ©. 959 — 1003.
1. Die Lage der beiden Hauptübergaͤnge am Zengma und bei
Thapſakus. S. 9859984. -
2. Die 9 audern hiſtoriſch bekannt gewordenen Uebergänge über
biefen Theil bes mittleren Cuphratlaufes. &.984—1003.
58. Grlänterung 3. Die ſyriſche Borfiufe des Taurus gegen Mes
fopotamien von Samoſat bis Thapfalns; Fortfepung: hiſtoriſche
Berhältaife. S. 1008.
2. Kriegezuftände am Euphrat, welche bis zum Jahr 1839 zur ge⸗
naueren geographifchen Kenntnig der mittleren Euphratlaudſchaf⸗
ten geführt hatten, bis zum Schlachttage bei Nizib (23. Juni
1839). ©. 1004— 1012.
2 Die Schiffbarkeit des Cuphrat von Bir abwärts, und die Dampf
ſchiffahrt⸗Erpedition auf diefem Strome durch Colonel Er. Chess
uey (1834 bis 1837). ©. 1012— 1031.
Grläutesung 4. Die fyriihe Vorſtufe; Fortſetzung: bie Uferorte
zu beiven Seiten des Cuphrat, Bir abwärts bis in bie Gegend
von Thapfalus. S. 1032.
Der Sadſhur⸗Fluß (Sajur); Aintab, Doliche. S. 1033.
Serabolos. Curopos. S. 108 —10.
Cecilia. ©. 1040.
Bambidfh, vulgair Mambidſh; Hierapolis, dus Heiligthum ber
Dea Syra; Runbedj 5. Edriſt, Mambegj b. Abulfeda; Mans
besja und Manbesium in Vita Salad.; Menba, Manba im
Index geogr. Alb. Schult.; Bambyr, Baupßrun b. Strabo;
Bambyce und Magog (Mabog) 5. Plinius; Hierapolis (Iega
zelss b. Neliau; dv “Ispg nos b. App. Parth. 137) b. Strabo
u. a.; Vetus Ninum (Hiezapoli vetere Nino 5. Amm. Marc.
xIV. 8, 7). Hieropolis auf Münzen. S. 1041 — 1061.
5. Kalaat on Nebfhin, das Geſtirnſchloß, bis zu deu Kara Bam⸗
buch s Bergen, der Ichten Ginichnärung des Cuphratthales.
©. 1062-- 1065.
6. Balis (Barbalifus), Baulus, die BaysQuelle, der Darabars
Prer
oe
KU Inhaltsverzeichniß.
Aluß. Das Heutige Bales auf der Nalutgrenze au der Oſt⸗
wendung bes Cuphrat. S. 1065-1074.
7. Kalat Zlaber (ſprich Gaftell Oſhaber oder Dſhaaber n. v. Sams
mer); früher Kalat Danfer (Dauxar b. 3. Solius); Gjabar
oder Gjabar bei Albufeda; Dgiabar b. Degnignes; Galogenbar
bei DIN. Tyrins. — Das Saudi Saffain (‚Sfefin oder
Stun). S. 1074 — 1080..
8. Gura b. Biokmänsd; Ura and: Sura s Plinius; ‚Sure Tab.
Peut.; Beled Surieh b. Balbi; +0 Zodger nölssua b. Bro:
cop; Surorum oppidum; Ehura bi Firduſi; Seuris b. Roufs
ſeau; Suriheh b. Chesney. ©. M80.-1087. -
9 Sergiopolis, Riſapha, ar Roſzafat, eine Stallon! der großen
Palmyra⸗Noute, nahe dem Kreuzwege mit der großen Wüſten⸗
route von Baſſora über Taibe nach Aleppo. Weber die Maaße
- in ber Wuſte. S. 1087-1088.
». Die alte palmyrenifche Straße zum Bupbratgebiete ©. 1080.
Nädelfe der Kaufleute der englifchen Factorei von Balmyra
nach Haleb im 3. 1691. ©. 1083— 1115. |
5.43. Bünftes Kapitel. Der Stromlauf des Belik (Bllecha)
im obern Meſopotamien zum Cuphrat, und fein Mündungs⸗
land mit der Stadt Rakka (Niccphostum, Callinitum). &.1115
bis 1149.
Grlänternng 1. Der Bellt: Fluß, Bilecha bei Ifivor, Baliffus bei
Appian, Baleech bei Golins; Balyſche bei Beauchamp; Belikh and
Belig bei Chesney. Des Iſtdorus parthifche Stationen an bier
fm Stufe abwärts bis zum Cuphrat. ©. 1117 — 1125.
Iſidorus Charac. parthiſche Stationen von Apamia am Zeugma
durch das obere Mefopotamien bie Nicephorium. ©. 1116-1125.
Grläuterung 2. Die Sriechenſtadt Philiscum, Nicephortum, Cal:
linicum, Leontopolis; die Landſchaft Mygbonia, mit ihrer einhei⸗
miſch⸗ſyriſchen und fremden griechtſchen Colonlſation; das obere
Neſopotamlen als Grenzland der Römer und Parther. e: 1135
bis 1198.
Erlantetung 3. Rakta, die Mähamedaner: Stadt," von ther Gruͤn⸗
dung dis auf die Gegenwart. S. 1139-114
N rar Kon
Drittes Bud,
Reft- alien
Band V.
Kitten Erdiuxe X. EN
du |
-—.
a
BB 7
on
Drittes Bud.
Beflt-Afien
Dritte Abtbheilung.
Die Vebergänge in den Naturformen von
Hoch⸗Iran zum Tieflande und zu
Vorder⸗Aſien. |
Erfter Abfhnitt.
Die Waſſerſyſteme und Stufenländer gen Süden.
Das Stromfpfien des Euphrat und Tigris.
6. 29,
| Einleitung.
Ueberſicht.
| Die Betradytung des Weſtrandes von Hoch⸗Iran und feiner Glie⸗
verung in Barfiftan, Loriftan und Kurdeſtan, welche wir
mt der Erforſchung des Alypenlandes um ven Mrmia- und
| Van⸗See beſchloſſen, dieſe hat uns überall ſchon an die Grenz⸗
sxxiete des Araxes⸗, De Tigris⸗ und Euphratſyſtemes
wvwhrt, in welche wir nun unmlitelbar üͤberzuſchreiten haben. Schon
gleicher Zeit witteinheimiſch geworden im o bern Gebirge⸗
| lanfe aller zum Oſtufer des Tigris ziehender Zuflüffe beffelben
| Iigeimehifch in Berg und Thal vielfach zerriffenen "Grblrgälanbes,
\ wesen wir bie zu den großartigen Naturformen Aderbijans
m Sande ver Begrenzung Berfifcher, Armenifcher und Kurs
diſcher Bölkergebiete vorgerückt, obne ſevoch noch alle natüre
: . 72
4 MWeflsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 29,
lichen Verbältniffe jener Landſchaften erſchöpft zu haben, weil biefe
ald überall in andere große Naturformen übergreifende ericheinen.
Durch Eeine mathematifche Linien, gleich Inhaltleeren Räumen, von
einander zu fonvern, find fie vielmehr recht inhaltvolle, deren gegen-
feitige Beziehungen fortwährend, trog der fcheinbaren politiichen
Schelvungen, niemals getrennt waren, und in ihren Wiloniffen un»
abhängig von den willlürlihen ſtets wechſelnden Sagungen ihrer
Gebteter, fig ihr ven eignen. volfäthümlichen Bufammenhang ‚ihr eis
genthümliches, In fich verwildertes, hiſtoriſches Leben Son den äl-
| teften Zeiten an bis auf die Gegenwart durch alle Wechfel der '
Zeiten, der Herrſchaften, ver Religionen, ber Gultureingriffe be⸗
wahrt haben.
- Auf folchem uebergangsgebiete vom raniſchen Hoch⸗ und
Alpenlande zur grandioſen Naturform des größten vorberaftatifchen
Stromſyſtems, dad längs ber Grenze ber beiden unaufbörlich ver-
feinveten größten, vorberaflatifchen, politiſchen Mächte des Perflichen
und Türfifchen Reiches fi ein paar hundert Meilm wet vom -
Hochgebirg zum Inpifchen Deere’ hinſtreckt, war die genauere Bes
obachtung, alle Iabrhunderte hindurch wegen fortvauernder Hem-
mungen feindlicher Beftrebungen ungemein erfchwert, lange Zeit⸗
räume hindurch ganz unmöglich. Unzählige Irrthümer waren Dede
halb über fle in unfere Karten, in unfere Bücher eingetragen, und
erſt feit 6. Niebuhrs (1761) und Beauchampeé (1781) Zeiten
fing die Eritifche Beobachtung In jenen Bebleten des Cuphrat⸗
ſyſtems an, mehr Licht über fie zu verbreiten. Seitvem bat e8 Jahr
für Jahr an europäiſchen Reiſenden in jene Gegenden nicht gefehlt,
aber der fcharfen und forgfältigen Beobachter ver großartigen Natur«
verhältniffe find immer nur wenige gewefen, die ihrem erften Vor⸗
gänger Hätten zur Seite geflellt werben können, und wir führen
unter biefen nur die Namen eines Olivier, EL Rich, 3. Fraſer
und die unſerer verehrten Freunde Col Cheſsney und W. Ains-
worth mit ausgezeichneter Hochachtung und Dank an; obgleich fehr
vide dazu recht ſehr geeignet waren, bie Lichte und Schattenfeiten
des dafigen politifchen und vollöthümlichen Lebens aufzufafien, und
manche Ichrreiche Schilderungen von ihren dort erlebten Begegniffen
den Zeltgenofien zu überliefern. Zum Glück bat auch Hier auf
viefer großen Durchfahrt der Volkerſtraßen und des Weltverkehrs
zwifchen Orient und Octident, nachdem bie KRriegführung lange Jahr-
hunderte hindurch faft einzig das Ihrige gethan, auch der Handel
fein altes Vorrecht, vie Natur der Landſchaften und ven Reichthum
Waſſerſyſtem des Euphrat. Einleitung. 5
ihrer Gaben zu entſchleiern, geltend gemacht, und uns in jüngfter
Zeit durch neue Mittel ver Wegbahnung der Ströme, durch Dampf-
ſchiffahrt, Auficlüffe über diefe Stromgebiete in Länber-, Fluß⸗
und Küften «Aufnahmen gegeben, die und erft zu einer pofltiven
i Kmmtniß jener Raumverhältniſſe verhelfen mußten, welche bie
Grundberingungen zur genauern wiffenfchaftlichen Erörterung ber
bortigen DBergangenheit abgeben, bie an Inhalt das Intereffe der
seriunfenen Gegenwart fo welt überbieten und einen ficherern Blick
in eigen vielleicht zu erwartenden, auf jeven Fall fehnlichft erofiten
Auffhwung Eünftiger Zeiten geftatten.
Ä Es fanımeln fih am Südrande von Iran weſtwarts Sie zum
| Armeniſchen Hochlande und in den vielfachen DVerzweigungen des
Zaurußfoftems nah Anatoli hin alle fließenden Waffer in ven
Etufenlänvern der großen Zmwillingsftröme (f. A. IL 60), die
anfangs innerhalb des Hochgebirgslandes nahe beifammen entquellen
und firömen, dann fich weiter aus einander begeben, eine Strede
hin mit einander in parallelem Kuufe, doch hald mehr und mehr
cenyergirend, in der Normalvirektion gegen SO. fließen, und endlich
unter dem Namen des Stromes der Araber, d. i. Shat el
Arad, vereint dem Perſiſchen Meerbuſen zueilen. Nachdem fie von
ven Quellen an, vie nur150 Geogr. Meilen in birefter Diftanz von’
der Mündung abfteben, in boppelt entwidelter Stromfrüummung an
300 Geogrt. Meilen meit ein Stromgebiet von nahe an 12,000 Geogr.
Quadratmeilen bewäflert haben, finden fie in jener großen, in
gleicher Normalvireftion fi ausbreitenden Thalweitung ihrem ocea-
wide Fortfegung, die mit dem Strombette jener eine großartige
Einfenfung des Continents bildet, und ald ein großer Naturtypus,
an Thalſpalt faft von Meer zu Meer, als eine von der Natur felbft
| geebnete Bahn zwifchen dem Indiſchen Oſten und dem Euro—⸗
väiſchen Weſten durch die continentale Mitte Vorder—⸗
Aſiens, vom Indiſchen zum Mittelländiſchen Culturmeere, betrachtet
| werben muß. |
E Jene beiden Ströme find, als Euphrat und Tigrid welt
bekannt, das dem Raume nach geringere, doch immer noch höchſt
bedeutende dritte Paar aflatifher Doppelſyſteme, mit
gleicher Richtung des Stromlaufes gegen den Sonnenaufgang (üvınv
:4elleso ulonv Baßvlüva nsonoag, Dionys. Perieg. v.980), wie
„DB Gangesfyflem; dem Südabfalle des Stufenlanved von ran
rut voIig parallel, aber auch der ſyriſch⸗ arabifchen, flachen, tiefen
. Eenpwäße nicht bireft zieilenn, fondern in biagonaler Richtung
6 Wefl-Afien. II. Abteilung, I. Abſchnitt. 6.29. "
zwiſchen beiven ver alten Uramäer, Aſſyrier und Bubylonter Lande
zeichlich bewaͤſſernd, und darum nur felbft ein verhältnigmäßig ge-
ringes Waffervolumen zum Meere fendend. Die Wiege beider
Zwillingoſtrome ift zugleich diejenige der vorberaflatifchen Menſchen⸗
geſchichte; ihre Stromrinnen theilten von jeher nicht nur Reiche,
Völker, Sprachen, fondern auch Vorder⸗Aſien felbft in zwei
verfchiedene Welten, die Arabifche und Perſiſch-Mediſche mit
der Aſſyriſch-Babyloniſchen in ihrer Culturmitte, in ein
ſüdweſtliches und norbdftliches Rand, in ein dieſſeits und
jenfeit®, citerior und ulterior. Sie zogen durch ihre Welte
flellung und ihre belebende Ader Inmitten ver Wüften, noch in
einem ganz andern Sinne wie der Nilſtrom, die Augen aller
Herrſcher ver Völker des Orients, wie ber Borfcher ihrer Geſchichten
auf ſich, und auf die Begebenheiten und Thaten, die an ihnen em-
porftiegen und wie Welle auf Welle wieber in das Meer ver Bere
geſſenheit fanken. Im alter wie In neuer Zeit bildeten fie die
große Furth vom Orient zum Decident, eine Beftimmung,
die Bei einer Fünftigen Höhern Ausbildung des Planeten und feiner
Beodlkerungen noch zu ganz andern Funktionen ihrer Geſtaltungen
. führen wird.
Erſtes Rapitel
Siftorifher Rüdblid auf die Steomgebiete des Euphrat
und Tigris.
1. Quellen ältefier Zeit: Herobot, Zenophon,
Aleranbder.
1. Nach Herodot im I. 440 vor Chriſti Geburt.
Sehen wir auf bie Anfänge der Kenntniß diefer Gebiete zurück
fo ift und (ba In der Geneſis nur ber Paravelfos-Flüffe Phrat und
EHivekel Erwähnung geſchleht; 18. Moſ. 2,14) Herodot die erfte
Hiftortfche Quelle für das Euphratſyſtem. Obwol e8 keineswegs
volftändig von ihm befchrieben wird, und er wenigftend noch nichts 7
von einer Vereinigung des Euphrat und Tigris fagt, fo nennt er ã
.doch ſchon beide Ströme, gibt beider Duellen in Armenien an und,
läßt beide in das Perfiiche oder Erptärätfcge Meer einfließen (Herod, WI
1.180.189; Vl.20). Gr kennt die obern Zuflüffe des pfeilfchnellen ..
Euphratſyſtem; hiſtor. Auͤcblick; Herodat. 7
Aigtis (ſ. Erdtunde, Weſtaſien, X5..IX. ©. 517) und führt ihn
au der Stabt Opis (Sinus) vorũber, zur Mundung bei Am pe
(Apran, wohin ver Perſerkonig Derius die gefangenen Milefler
anfievelte, :Herod. VI.20), zum Meere. Er weiß, daß ber Cuphrat
darch Armeniſche Handelbleute, alſo fein oberer Lauf, Häufig bis
Babylon beſchiſft warb, cr gibt die Beichreibung der den runden
Schilden gleichen, aus Weidenzweigen gefloqhttenen Kaͤhne, mit
Hãuten überzogen, bie von zwei Bootelnechten ‚mit Stangen forte
geſtoßen werben, wie noch heute Die. Voote, Die nach Bagdad gehen.
Aach Serodot ſtrömt der Cuphrat aus Armenlen in: Oberajlen
(̊c dra Adinc LI93) nach Aſſyrien, das aber. die Hellenen, wie
er ſelbſt bemerkt, Syrien nannim (Zupsos VIL. 63)... In dieſer
Verſtſichen Satrapie war zu feiner Zeit, nach des Cyarares Ben
ſtörung von Ninive (im 3. 606 vor Ehr. ©. f, Erdk. Weftaflen,
36. IK. ©. 106), oder Ninus (Nivec I. 193), dad am Tigris
gelegen war, wie er felbft bemerkt, Babylon (Baßvawv I. 178)
bie große Prachtreſtdenz am Euphrat geworben, die ex. umflänblicher
beſchreibt; Doch lagen außer ihr nach feiner Angabe noch viele große
Gräste im Lande, über vie er jedoch ſchweigt. Er nennt nur bie
Eimvt 36 (Ic Herod. 1.179; dad heutige Hit), acht Tagerelfen von
Babylen, in deren Fluſſe das Erdharz, Asphalt genannt, in Klum⸗
ven fich finde, mit welchem man bie Mauer der großen Reſidenz⸗
ſtert aufgeführt Hatte. Ex weiß es, daß der Euphrat fehr groß,
tief, zeipenn feinen Weg verfolge, busch ein Land, in dem nur we⸗
sig Regen falle, deſſen Mangel er jenoch keineswegs, wie ber NU
Aegypitens, durch Ueberſchwemmungen erſetzen koͤnne, weil Die
Damme Dagegen ſchützten, welche die beiden Königinnen Semiramis
an) Nitokris deshalb erbaut hatten (Herod. L 184. 185). Doch
ehemals pilegte der Strom, fagt Gerobot, allerdings durch das Lies
bertreten feiner wilden Waſſer ganze Blaqhfelder wie in eine offene
Ger zu verwandeln (nelayilev bei Herod.).
Diefe Semiramis Babylons ſcheint nicht mit einer ältern, wol
nur mychiſchen, aber durch ganz Aflen vieleicht eben deshalb viel
berũhmteren Herrſcherin veifelben Namens (über 1000 Jahre vor
Ge. ©.) verwechfelt werden zu dürfen, deren Architekturen und
andere Monumente wir fchon früher in Efbatana, im Zagros und
an Bau-Exe (|. Erdk. Weftaflen IX. 6. 110, 347, 357, 984) be=
ſqichen Haben. Ihre Erzählung ift mit der Erbauung von Ninive,
uns den Siegeszügen des Ninus in Baktrien verknüpft, als deſſen
Gemaflin und Nachfolgerin... Die jüngere Semiramis des Herodot,
8 Weſt⸗Aſien. II. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 29.
welche er, obwol ohne ihren Gemahl zu nennen, als Beherrſcherin
Babylons, fünf Menſchenalter vor der Nitokris lebend, als eine
hiſtoriſche Perſon aufführt (Herodot. I. 184), würde dagegen um
die Mitte des achten Jahrhunderts vor Chr. (746 nach. Larcher)
dieſe Dämme aufgerichtet haben, da Mitofris als Großmutter ober -
(worüber die Angaben der Elafflichen Berichterſtatter freilich auch
verichieben find) Gemahlin des Labynetus (oder. Nabanidus), des
letzten ver Babygloniſchen Könige, etwa. Im Anfange des flebenten
Jahrhunderts (620 nach Larcher) gelebt Haben muß. En :ift ums
mit der Beflegurig des babylonifchen Reichs durch Cyrus (536 vor
Chr. Geb.) ein beſtimmteres chronologiſches Datum gegeben,. von
dem wir in ver Gefchichte des Cuphratlaufes, freilich nur mit Wahr⸗
fcheinlichkeiten und nad) Sagen, auf dieſen großen Landſtrom zurüd-
blicken Tönen, ver aber fchon fo frühzeitig durch die Kunſt um⸗
gewandelt wurbe, daß wir von feinem erfien Naturzuftande
gar keine Anfchauung erhalten Haben. Iene jüngere Nitefris aber
war e8, bie nach Herodot durch noch größere, Tunftreichere Waſſer⸗
bauten als ihre Dorgängerin dem Cuphrat oberhalb Babylon, der
von da nebft vielen andern Gräben auch ſchon einen ſchiffbaren
Canal (vavoınigarog bei Herod. I.. 193. Baadıxn dıiwgvk d. i.
ver Königscanal, noch heute fo, Nahr Malcha, bei ven Arabern
genannt) 2) bis zum Tigris befaß, ganz neue Bahnen wies. Der
früher gerade auslaufende Strom warb künſtlich durch Krümmungen
fo gefehlängelt, daß er vreimal zu vemfelben Orte, der Arderikka
hieß, zurückkehren mußte, bei dem man zu Herodots Zeit, nach feiner
Berfiherung, wenn man den Strom hinabſchiffte, wirflich in dreien
Tagen dreimal vorüberfahren mußte. Auch andere Veränberungen
nahm fie mit dem Flußlaufe vor, indem fle weit oberhalb Babylons
einen ungemein hoben Erddamm aufführte, zur Erhöhung befielben
unfern des Fluſſes aber, der viele Verfumpfungen bildete, einen
Umfang von 420 Stadien, d. i. 21 Stunden, fehr tief, bis ſich das
Waſſer darin zum See fammelte, audgraben und dieſen ringe mit
behauenen Steinen ummauern Tief. Sole Krümmungen des
Flufſes mit den vorliegenden Verfumpfungen und dem See follten
den feinplichen Medern die Zugänge zur Stadt Babylon erichweren;
ein trocken gelegtes Bette des Euphratarmes Tieß fle dagegen in
Babylon mit Steinbrüden überdeden. Aus ven vielen Gräben, die
ber Euphrat nährte, mußte jedoch die große Befruchtung des Landes
3) Herodot. ed. Baelır. Lips. 1830. I. p. 481. not,
Ä Euphratſyſtem; hiſtoriſcher Ruͤckblick; Renophon. 9
erſt durch vieler Häude Arbeit und Hebemaſchinen (Xepol re xad
snlarnjsoıcı, Herod. L 193) bewirkt werden, um ben Segen an
| Früchten zu erzeugen, der nach Herodots Verficherung den aller an⸗
ven Länder überbot und zum Sprichworte wurde.
| 2 Rah Zenophon. Eyrus des Jüngern Feldzug nad
Babylon (401 vor Ehre. &)
So weit die allgemeinen Herodotiſchen Berichte der älteften
Zeit, denen bald vie feines Landsmannes, des Zenophon (400 3.
ver Chr. ©.) folgen, ver freilich nur mit dem Heere des jüngeren
Gyrus von Syrien auß, ven Euphrat entlang, hinab bis zur baby⸗
| Isnifchen Ebene, zu dem unglüdlichen Schlachtfelde von Gunara
- (12 Stunden im Welt von Bagdad und 18 Stunden in NW. von
' Babglon) vordringt, dann aber ald Anführer feiner zehntaufend
Stiegen am Tigris aufwärts den Rückmarſch bis zum Großen
Zab und zum Kurvengebirge oberhalb Moful (über den Zabqtus
zur ven Zakho⸗Paß |. Erdk. Weftaflen, Th. IX. ©. 518 u. 702f.)
kit. Zwar erhielt er keinen Ueberblick des ganzen Stromſyſtems,
and durchzog die von ihm geſehenen Theile ver beiden Hauptſtröme
aur als Krieger und beichrieb feine Wanderung nur als Strateg,
und nicht al® Geograph; aber eben dadurch gewannen feine Beob⸗
«tungen um fo mehr Zofalfarbe und Sicherheit, fo daß die pofltive
Landeskunde ihm bad meifte unter den alten Autoren verdankt, und
das Kartenweſen durch feinen fcharffinnigen Gommentator ?) das
erde und beſte kritiſch berichtigte Bild beider Stromläufe, welche die
je berühmten mefopotamifchen Landſchaften einichließen.
| Noch wuind der fo bezeichnende griechiiche Name Mefopota-
I wien, des Landes zwifchen beiden Stömen (Strabo XVI.
| 746), weber von ihm noch von Herodot gebraucht; fondern er wird
erſt ſeit Aleranderd Eroberungdzug durch deſſen Gefchichtfchreiber als
Ueberfegung einer dort einbeimifchen Benennung, wie Arrian
jagt (Exped. Alex. VII. c. 7), eingeführt; nämlich aus dem Sy-
tigen, Bath Nahrin >), ver unftreitig zur Zeit des Seleufus und
feiner Nachfolger, welche jene Lanpfchaft mit Städten bebauten, bei
ven griechifchen Beherrfchern in Bang kam. Auch die benachbarten
2) J. Bennell Illustrations of the history of the expedition of
Cyrus from Sardis to Babylonia, and the retreat of the ten
thousand Greeks ete. Lond. 4. 1816. 2) &. Gr. K. Rofenmüller,
Jrdbrqh der bibliſchen Alterthumoknnde. B. J. Th. 2. p. 133.
3
10 WeftsAfien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. . 29.
Hebräer naunten ihn Aram - Naharaim (1 Moſ. XWV. 10).
d. i. das Aram oder Syrien der beiden Flüfſe. Aus beſten
belehrt Zenophon über gewiſſe bedentende Puncte ber Gtrom-
abläufe und über einzelne characteriftifche Naturbeſchaffenhelten des
Bodens jener Landſchaft, von denen, die Heeresmärfche nothwendig
abhängig find. Von den ſyriſchen Piffen, von Myriandrus, über
ven Ehalus Fluß, an dem das heutige Aleppo liegt, ging er in ges
radeſter Linie von Weft gegen Oft aus, bis er nach 9 Tagemärfchen
(iiwa 20 ©. Meilen) bei Daradar wol zuerft die äuferfe Süt-
weftbiegung des Euphrat, im Marimum der Annäherung
feines Laufes gegen das fyrifche Meer, treffen mochte, obwol er ihn
ſelbſt noch nicht bezeichnet, ſondern erft 9 Tagemärfche weiter gegen
O.S. O. an deffen Südufer hinziehend, bei. Thapſacus den Strom
zum erftenmale nennt, weil er ihn ba vom Südufer zum Nort»
ufer Überfegen mußte. Darabar (oder Dardes Xen. Anab. Lib: I.
> e. 4, 10.), wo Zenophon’ eine reiche Duelle und an ihrem Hunvert
Fuß breiten Strome den Pallaft und Park des Belesys, eines chen
maligen Statthalter8 von Syrien erwähnt, die beide Cyrus ber Jün«
gere nach Barbarenart, nieverbrennen und umhauen ließ, iſt nach
MRennells Grmittelung *) vieleicht, denn e8 laſſen ſich auch wol Gründe
dagegen erheben, die Quelle Kay ver neueren Zeit, an welder
arabifche Horben, deren Strom enilang, Ihre Zeltlager aufzufäjlagen
pflegen. Diefer große Bach fol einen Tagmarfch gegen Oft in
den Euphrat fallen, und ift wahrſcheinlich verfelbe, ver in dortiger
Gegend 5 bis 6 Stunten in N.W. von Balls (Baulis oder Bar-
baliſſus bei Pol.) unter dem Namen Rafif, von dem an ihm lie⸗
genden Orte Rajik genannt (dad Eragiza bei Ptol., Eraciha der
Tabul. Theod.), zum Euphrat flieht. Dieſes Balis, das auch
noch Abulfeda 5) als die Nordgrenze Nrabiens am Euphrat angibt,
Aft einer der vermittelſt aftronomifcher Beobachtung in neuefter Zeit,
durch Colonel Cheöney’d Dampficiffahrt auf dem Euphrat, genau
beftimmten Orte, in dieſem bis dahin auch topographiſch noch fo un»
ſichern Ländergebiete; es liegt nämlich unter 36° 1° 21” N.B. und
38° 7’ 10.5” O.28. v. Or.; ein wichtiger Punct, weil von da an auch
die Oftwendung des Euphratlaufes abmärtd gen Babylon
beginnt.
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*) 3. Rennel Mustrat. I. c. p. 68. *) Abulfedae Arabiae descri-
ptio, ed. Rommel. Gotting. 4. 1802. p. 13.
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Euphratſyſtem; hiſtor. Ruͤckblick; Xenophon. 1
Zu Thapſacus, dad nur 3 Tagmärſche vom Daradar ent
ſernt war, mußte Eyrus mit feinem Heere 4 Tage verweilen, weil
der perfifche Feldherr Abrocomas, der die wahre feinnliche Abſficht
feine Gegners durchſchaute, vieſen Poſten verlafien, vie bortigen
Schiffe, die zur Meberfahrt dienten, verbrannt, und ſich gegen Babys
lonien zuwrüdgezogen hatte. Dadurch wurde dem Cyrus nidht nur
der Uebergang erfchmwert, fondern auch fein empörerifcher Plan gegen
ven Eöniglichen Bruder entlarvt; fein weiteres Borrüden wurde num
zum förmlichen Feldzug, für welchen auch vie griechifchen Hülfs⸗
truppen durch neue Verfprechungen gewonnen werden mußten. Dies
fe Thapfacus fand Zenophun als eine ‘große blühende und reiche
Stadt; fie war fhon zu König Salomon Zeiten vorhanden, alb
vie nördlichfie Stadt feines meiten Reiches: denn von ihm heißt
ed, er herrſchte biefiett des Waſſers, d. i. im Süden des Euphrat
ven Tiphſah (oder Taphſakh, d. h. Uebergang) bis gen
Gaza (1 3. der Könige 4, 24). Sie lag an der bequemſten Stelle
zum Uebergange aus Syrien nad Babylonien wie nach Medien
und Perfien; daher fie auch fpäterhin die Gauptpaffage des Euphrat
für alle große Kriegözüge wurbe, und ver unglüdliche Darius zog
mit feinem unermeßlichen Heere bier über ven Euphrat gegen Alex⸗
ander nach Eilicien, und kehrte nach ver Schlacht bei Iſſus über
dieſelbe Stelle mit feinen wenigen Geretteten, nur 4000 Flüͤchtigen,
Aligft wieder zurüd (Arrian. de Exp. II. 13). Auch Aleranver
fegte fpäter, von Aegypten zurückkehrend, zu Thapſacus über den
Euphrat (Arrian. de Exp. III. 7), mo er an ver feichten Stelle
des Uebergangs durch eine vorausgefchidte Macedonierabtheilung
zwei Brücken hatte ſchlagen laſſen, um ſeinen Siegerfortſchritt gegen
das Schlachtfeld von Arbela zu beſchleunigen; denn von hier (Ende
Juni) ſchlug er nicht, wie Zenophon mit Cyrus Heere, gegen SD.
den directen Weg nach Babylon ein, fondern z0g nordwärts, den
Eupbrat und den Taurus Armeniens zur Linken behaltend, zum
oberen Tigris, nach Arbela (gegen Moful) hin, gegen Medien zu.
Diefe Lage des Flußübergangs auf vem Kreuzwege aus Sy«
rien nach Babylonien gab der Stadt eine fo große Bedeutung, daß,
we ſchon Mannert 5) bemerkte, Eratoſthenes fie zum Mittelpunfte
aller feiner Meffungen in Aften wählte (Strabo II. 79 u. 80).
Bis nach Ihapfarus brachten auch die Bewohner der arabifchen
Stadt Serra ihre Waaren ven Fluß aufwärtö, und verbreiteten fie
27 8. Dannert, Geogr. der Gr. und Rom. Sb. VI. 1. ©. 528,
s‘
fl
em
12" Wel-Afien. IIl. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.29.
dann auf Zandivegen in ven umliegenden Gegenden. Als aber
Mlerander in Babylon feine Flotte zur Eroberung und Umfchlffung
Arabiens bauen Ließ, und ihm’ dazu dort das Zimmerholz fehlte,
Dep er die dazu in Phönicien und auf Cypern gezimmerten und zu»
fanımengefegten Theile ver Bahrzeuge viele taufend Stadien weit,
in 7 Stationen, vom Meere ber bis nad) Thapfacus (Arrian.
VII. 19 und Strabo XVI. 741) zu Lande transporticen, um fle
von da den Cuphrat weiter obwärtd zu fchiffen. Dies find hiſto⸗
riſche Zeugniffe für die Wichtigkeit ver Weltftellung dieſes älteften
großen Hauptüberganges über den Euphrat, weswegen ihn
Strabo auch dad alte-Zeugma nennt, im Gegenfag des fpäter
gewöhnlicher geworbenen Uebergangbortes Zeugma (Zeöyun. d. h.
die Brüde), welcher bei dem nörblicher am obern Euphrat gelegenen
Rumfala, nebft einem andern benachbarten (bei Bir) auch Zeugma
genannten, 7) In der fpätern Zeit der forifchen Könige und in der Rd⸗
merzeit ber gewößnlichere warb. Denn mit ber Schwädung wer
ſyriſchen Könige, die unter Seleucus Nicator, wie ed nad
Plin. V. 24 ſcheint, Thapſacus noch in Ghren halten konn⸗
ten, und fogar mit einem andern Namen Ampbipolis belegten,
der fogar auf eine Erweiterung der Stadt (auf beide Euphrat-
ufer nämlih, da daB alte Thapſacus nur auf dem ſüdlichen ober
rechten Ufer lag) fchließen Täßt, drängte die Uebermacht der arabi-
fchen Hordenfürften von Süden gegen ven Norven, am Cuphrat fo
fehr vor, daß Hier feine ſichere Paffage mehr wie zuvor flatt finden
konnte. Deshalb verfant chen diefes fühlihe Zeugma, ober
Ihapfacus, beiden Römern in ſolche Vergeſſenheit, daß es von kei»
nem der Autoren nach Ptolemäus (Vada Euphratis juxta Tha-
psacum, Lih. V. c. 15. p. 137) wieder genannt wird, weil das
nördlihe Zeugma inCommagene (nahe Rumfala f. Strabo
XVI. 747), wie Strabo es nennt, während der Partherkriege der
Römer, die ihre Herrſchaft eben da bis an den Euphrat ausdehn -
tem, zu dem alleinigen Uebergangsorte für fpätere Heeredzüge ver
Römer, wie die von Trajan, Julian und den Nachfolgendep, nach
Mefopotamien und Babylonien wurde. Schon zu Strabos Zelt war
hier der gewöhnliche Uebergang auch ver Handelskarawanen, an dem
obern Zeugma, die von da über Anthemufla gegen OR fortfchritten
(Strabo XVI. 748). .
) K. Mannert, Geogr. der Gr. und Rom. Th. VI. 1. ©. 503.
- *
I
Eupbratfüftem; hiſtoriſcher Küdblid; Renophon. 13
Daber ift auch die genauere Localität jener altem berühmten
Stade Thapſacus in Bergefienheit gerathen, und ſchon D’Anville®)
wie Rennell, 9) welche in Zenophons Marſchroute, von Daravaz nach
Thabſacus 3 Tagmärfche (15 Parafangen), zum Arares Fluß (Cha⸗
beras) 9 Tagmärfche (50 PBarafangen), einen Irrthum vermutheten,
weil ihnen fo nahe bei der Oſtwendung des Cuphrat von Balis
aus feine Ruinenfpur einer großen antiken Stadt bekannt war,
glaubten leider den griechifchen Tert durch bie Conjectur einer Trans⸗
yeitten verbeffern zu müffen, 10) und vie 9 Tagmaͤrſche zuerft
fegen zu müffen, um weiter obmärtd am Euphrat die Lage der moder⸗
nen Stadt Der over Dar (d. 5. Thor, Paflage) zu erreichen, die
Mennell noch andrer Umflände wegen entſchieden für pas alte Thap⸗
ſacus zu halten geneigt war, wezu ihm auch gehört, daß Dar nur
etwa 2} Tagmarſch von der Einmünbung des Chaboras (Araxes
bei Zenophon) in ven Euphrat Lege. Auch Goſſelin iſt Hierin ſei⸗
zem Borgänger D’Anville gefolgt. 1)
Schon Wannert!2) indeß fand, daß vie Lage des heutigen Dar zu
weit den Euphrat abwärts führe, um ver Lage des altn Thap⸗
ſecas zu entſprechen. Reichardt bewies «8 mit flegennen Gründen
gegen Renmell, verlegte jedoch die Stadt, durch eigne Hhypotheien
verleitet, viel zu weit 19) gegen den Norden (nach Jerabolos bei
Achuhr, oder Jerabees bei Pococke) in vie Nähe von Bir, nahe dem
ahrlichen Zeugma. Die mittlere Lage zwifchen beinen Extremen,
im ver Rachbarfchaft des heutigen Rakka (was als Nicephorlum
ven Alexander erfl gegründet war, f. Isid. Charac. Mansion. Par-
ticae. p. 3.), halten wir, wie dies auch ſchon Droyſen 1%) ange⸗
dentet bat, für die wahricheinlichere Lage, und hiemit ſtimmt vie erfle
tichcige Aufnahme des Euphratlaufes durch Golon. Chesney bei
Gdegendeit der jüngft unternommenen Dampfichiffahrt- Erpebition
kberein. Hienach lagen ihre Ruinen auf der bei Eorifi von Aleppo
über Balech (Balis f. oben) und Daufer nad) Rakka beſchrie⸗
benen 15) Hauptfiraße längs dem Euphrat. Daufer, nad) Chesney's
°) D’Anville I’Euphrate et le Tigre. Paris. 4. 1779. p. 17, 23, 5l.
®) J. Rennell Illustrat. p. 60. 30) Ebendaſ. **) Strabon, trad.
franc. Paris. 1819. T. V. livr. XVI. p. 190. not. 1?) Mannert
e. «.D. S. 590. 22) C. &. Reicharbt, ‚Sammlung kleiner geogr.
Shriften. Güns, 1836. 9. ©. 48.f. :*) 9. Droyfen, Ge:
ſchichte Aleranders des Großen. Berlin, 1833. 8 S. 218. Not.
36) Edrisi G£ographie tradait. de l’Arabe p. A, Jaubert. Paris,
4. T. IL p. 186.
— —
14 WeßrAſien. IN. Abtheilung. I Abſchnitt $.29.
aſtronomiſcher Beobachtung, liegt 85° 52° N. Br. 39 327 7.5" 0
& v. @r.; es iſt derſelbe Ort welcher bei den Orientalen, aud) auf
ben Karten, Ralat Iaber, das Caſtell Jabers Heißt, nahe dem
* Dorfe Walls, 26) wo auch Menmel fon die gewöhnliche Baffage
ober Furth and Ehren nad) Mefopotsanien durch ben ſeichten Ta⸗
vhrat Tennt, und auf feiner Karte eingetragen bat, ohne jedoch vie
Lage von Thapſacus dahin zu verlegen. Ihr in Often liegt Rats
Ta am Norbufer des Cuphrat unter 350 55° 35" N. Br. und
390 3° 58" O. 8, v. Gr. nach Beob. Zwiſchen beiden Orten aber,
etwa im dſtlichen Drittheile, alſo Rakka genäherter, liegt noch heute
die Furth des Euphrat, EI Hamman genannt, mit Ruinen auf
ihrer Norbfelte, EI Harakla (Heraclen) genannt, wie auch an
ihrer Südſeite, und von dieſer drei Stunden Tanbein find die Ueber⸗
zefte einer alten weitläufigen Stabt, die bis jegt noch nicht von
Europäern näher erforſcht find, aber Feine andere als die von Thap⸗
farus fein werden. Möchten fle doch demnächſt von Europäern ber .
fucht werben, um durch das Gtublum ihrer Monumente bier einen
fichern Anhaltspunkt zu gewinnen, der und bis jetzt noch fehlt.
Da Alexander, wie Arrian ausdrücklich fagt, in Thapfacus ben
Euphrat Überfegritt, fo gewinnt bie Nachricht de Plinius (VI. 26),
daß er die Stadt Nicephorium nahe dem Strome wegen ber bes
quemen Lage gegründet habe, was auch Yfiborus beflätigte, fehr an
Sicherheit; denn allerdings bemerkte Rennell wol ganz richtig, 17)
daß biefer große Eroberer alle von ihm gegründeten Gtäbte nur
an folchen von ihm felbft Hefuchten und paffend befundnen Localitäe
ten angelegt habe. Wäre er bei Dar unterhalb, ober bei Bir ober⸗
Halb, wie Rennell und Reichardt wollten, über ven Euphrat ge-
ſchritten, ſo würde er niemald die Gegend von Nirephortum, ober
das fpätere Rakka, berührt haben. Es if alfo nicht nothwendig,
mie Rennell fich feiner Hypotheſe wegen gendthigt fah, das Zeug⸗
nißſß des Arrian von Alexanders Thapfarus » Uebergange zu were
dãchtigen.
Wir kehren zu Zenophons Nachrichten vom Euphratſyſteme
zurück, zu welchem jene beiden genannten Localltäten für ihn den
Eingang bildeten. Das Heer Cyrus des Jüngern ſah ſich gendthigt,
nach 5 Tagen Aufenthalt in Thapſacus, da bie Schiffe zur Ueber-
fahrt verbrannt, und wirklich, obwol Mannert ohne Grund dad Ge»
?#) Rennell Illastrat. p. 68. ?7) Cbend. p. 68. not.
— ö— — —
Eunphratſyſtem; hiſtor. Ruͤckblick; Renophon. 15
gencheil *5) annahm, noch ‚Feine Vruͤcke, wie ſpäter, geſchlagen wat,
ven Quphrat zu durchweten. Der Autor verfichert, ver Fluß habe
Iinen Golsaten über bie Bruſt naß gemacht (Xen. Anab. L. I,
e. 4), fo ſeicht war er damals, Ende Juni, eine feline Erſcheinung.
Ben da rüdte man In 9 Tagmarſchen, alfo an dem Norbufer des
Guybrat, bis zum Arares⸗Fluß (dem Chaboras) vor, wo noch Feine
ehe Stadt genannt wird, obwol ſchon jehr früh im Sten Jahrh.
vos Chriſte, nach dem Propheten Jeſaias X. 9., dort ein feſter Ort
Rartemifch Tag, ven Pharao Neo von Aegypten im Kriegäzuge
gegen Babylon 5 Sabre Iang befehdete (23. d. Chronik. 35, 20),
derſelbe, Der fpäterhin von Diocletian gegen bie Parther, als Grenz⸗
Re anı Chaboras, unter vem Namen Gircefium (Karkiſſa)
baut und dadurch in ben folgennen SIahrhunderten ‚berühmt
Aber auch zu Xenophons Zeit war dieſelbe Gegend ber
Feßmündung des Araxes (Chaboras) zum Cuphrat ſchon mit
viclen Ortſchaften bebauet, wo man Getraide und Wein in Ueber⸗
Hub fand, und in 3 Raſttagen hinreichenden Proviant ſammeln
fsunte, um, immer ben Cuphrat zur Rechten habend, durch Arabien
(de arabifche Seite Syriens, weil Zenophon den Namen Meſopotamien
ne nicht kennt) 5 Tagmärfche zurückzulegen. Gier fand man das ebene
Blachfe Id, Der Meevesfläche gleich (Xen. Anab. I; c. 5), nur mit Abe
14
ſethkraut bewachſen; kein Baum war zu fehen, nur bie und ba
Witenbe Sträucher und Schilf; von. ven flüchtigften Thieren, dem
wien Eſel und dem unerreihbaren Vogel Strauß, war die Wü
Penei belebt, und von den Trappen, pie wegen ihres fchwerfälligen kur⸗
ya Fluges (I. Erdk. Weſtaſ. Th. VI. ©. 590) noch jagbar wa⸗
wu Orte werben in dieſer Binöbe gar nicht genannt, mo zwar
die Laſtthiere aus Mangel an. Kütter fleln, aber nicht aus Waſſer⸗
mangel, weil’man immes nahe am Ufer des Euphrat blieb. Es iſt
we ſchon ſehr frühzeitig von Mofe (1 B. Moſ. X. 10) fogenannte
Lendſchaft Sinear (Shindar oder Schingar ver Hebräer, Sindfjär
Mr Araber), wo.Nimron Babel erbaute, ein Name, ver aber Xeno⸗
Wen unbekannt blieb. Nur ein eingiger Zufluß zum Guphrat,
Baica, und ein tweitläufiger, aber verodeter Ort Corfote, der von
dien Seiten vom Waſſer umfloſſen war, werben genannt, die beine
unbelsunt blicken. Don da an aber begann die zerriffene, vielfach
1
Kr
. 3°
10) Bersl. Q. Curtũ Rußi de gestis Alex. M. ed. Jul, Mützel,
Berl. 1841. Lib. II. c. 7. Th. 2. p. &2. not. 2.
’
16 WeſttAſten. II. Abtheitung. 1. bf nit. h.20.
unterbrochene, ſtellhuͤglige Landſchaft zu beiden Seiten des Euphrat-
Iaufes, der 13 Tagmaͤrſche hindurch ungemein beſchwerlich für
ein fo großeß Heer von mehr als hunderttauſend Dann mit Kar⸗
zen und Bagage aller Art zu durchſehen war, bis man bei ven
Bylae, ober dem Ausgangöpaffe aus berfelben anlangte, wahr-
ſcheinlich in ver Nähe einige Meilen unterhalb ver rauhen Uferlanye '
ſchaft von Hit, mit den Erbharzquellen, bie aber Zenophon nie |
nennt, wenn er fie nicht, wie Rennel vermuthet, mit dem Namen |
Charmande bezeichnet, jedoch ohne dieſe Naturmerkwürbigkeit vafelbft
anzuführen.
Nach dieſen 18 Tagmärfchen war nun erft die heiße, ſtau—⸗
bige babyloniſche Ebene erreicht (Xen. Anab. I c. 7), in
welcher man nach 6 Tagmärfcgen, immer entlang den Euphrat ge=
gen Babylon Hin, zum Schlachtfeld bei Cunara (nahe dem heutie
gen Feluja, ſprich Felud ſcha) Fam, mo Cyrus feinen Tod und
die ganze Expedition ihr unglüdliches Cude fand.
Auf biefen 6 Tagmaͤrſchen und den nachfolgenven, welde zur
Einquartirung in babyloniſche Dörfer führten und dann hinüber
zur Schiffbrüde über den Tigris bei Sitace, was Rennell füh-
wärts bed Keutigen Bagbab in die Nähe ver Trümmerfläte Se-
leucia und Cteſiphon verlegt, lernen wir durch Zenophon vie damali-
gen Zuflände jenes eigentlichen Babylonien Tannen, obgleich er ſelbſt
die Stadt Babylon nicht fah und noch mehrere Tagmaͤrſche nordlich
von ihre entfernt blieb.
Am vierten’ Tage des Iangfanen Herreömarfches kam man von
den Pylae an das Land der Eanäle, deren Xenophon dicht beiſam ⸗
men gleich mehrere erwähnt; der erfte mar ein Verſchanzungsgraben,
der, gegen ven Feind mit Damm aufgeworfen, bis zur mebifchen
Mauer lief (Anab. L. I. c. 7); die andern viere aber, jever nur
eine Parafange von dem andern entfernt und jever 100 Buß (ein
Plethrum) breit, auch tief, von Kornbarten beſchifft, verbanden Cu-⸗
phrat und Tigris und waren mit Brüden zum -Uebergange ver⸗
fehen. Ob fie freilich ale aus dem Tigris zum Euphrat: floffen,
waß hier wegen des höhern Guphratnivenus unmöglich fcheint, 06 |
fie alle in gleicher Breite ſchiffbar blieben, mas bei ber geringen |
Breite des Euphrat von etma 500 Fuß, die er nach Strabo an ver
Brücke zu Babylon Hatte, nicht wahrſcheinlich ift, und geil mehr Waffer
dazu erforbert wird, um vier Ganäle von folder Breit? und Tiefe
zu gleicher Zeit zu fpeifen, alles dies wird durch Zenophon felbft
ꝝidt näher erhärtet, da er außer Stande war, den weiten Derlauf
j
——— u m
’
.
Euphratſyſtem; Hiftorifcher Ruͤckblick; Zenophon. 17
deſſen, was er hier ſah, zu verfolgen. Es ift wol, wie fchon Ren⸗
wel bemerkt, 19) wahrſcheinlich, daß mehrere dieſer Candle nicht zur
Beſchiffung, fondern nur zur Bewäflerung des Landes dienten, aber
zu einem Ganaligfieme gehörten, deſſen Ne in den Gauptcanal
zufammmenfloß, der dann bie große Schiffahrtuerbindung zwi
ſchen Cuphrat und Tigris bewirkte, wie denn in ſolchem Alluvial-
men folder Ganäle in ſchiffbarem Stande zu erhalten.
De Cyrus den erften äußeren Grenzgraben Babyloniens uns
vertbeisigt gefunden batte, und auch an diefen Ganalübergängen
kinen Widerſtand fand, deun bie große Schugmaues war noch nicht
erreicht, To überließ ex fich die beiden folgenden Tagmaͤrſche einer
grögern Sorglofigkeit. Das Schlachtfeld von Gunara, 20) etwa
9 bis 10 geogr. Meilen in Suũdoſt der Pylae, fällt nah Rennells Bes
rechnung faſt Im daſſelbe Breitenparallel mit dem heutigen Bagdad,
| in das Marimumpder Berengung ded Blachfelves zwiſchen beiven
; Sauptfizösmen, welches, felt ver Bluͤthezeit des Ghalifates, von bem
| Sfa-Ganale (ven Sultan Iffa Ihn?!) graben lieh) vom Tigris
bei Bagdad His zum Cuphrat durchſchnitten wird, ber noͤrdlich von
Sehujah, wem ſpäteren Hafenorte der Ehalifenflast, in den Cuphrat
mänbet. Felujah Liegt etwa 6 geogr. Meilen in Wellen von
9 geogs. Meilm in NW. der Ruinen von Babylon, 7?)
Ganal wird wel ſchon damals einer von jenen durch
überfchritinen gewefen fein, werner auch fpäter erſt ſchiff⸗
und bebeutend geworben fein mag. Es iſt derſelbe,
Heute noch fahrbar iſt, derſelbe, welchen das Dampf»
Gupbrates im Juli 1838, alfo bei hohem Wafler, mit 6 bis
Ziefe, glüdlich durchſchifft hat. Feluja liegt nach aſtrono⸗
Beobachtung Col. Chesneys 330 217 9" N. Br, 43° 48'
D. 2. v. ©r.
Die retrograde Bewegung des geſchlagenen Heeres führt⸗
ven Norden über die früher verlaffenen Canäle zurück, aber
I mit gegen Nordweſt am Cuphrat aufwärtd, weil man ba Feine
i5 Sebentmeittel erwarten burfie, fonvdern man wollte burch die dia⸗
IE gemnle Bitte des Blachfeldes von Mefopotgmien, in 4 bis 5 Gil»
4 mäcien, gegen RO. zum mittleen Tigris, um biejen bei Samarra
Mi
H;
1—
1%)'5, Remmell Midstrat. p. 70. 20) Cbendaſ. ©. 87. *') nad
Gule, y. Hammer Purgſtall d. al. Sürter, Rec. Bien Jahrb.
xIn. 1821. ©. 2331 °?) Bennell L c. ©. 98.
Wr Grtinube X. B
18 Weſfſft⸗biſien. III. Abteilung. I. Abſchnitt. $. 29.
zum Weberfegen zu erreichen und fo den Rückweg nach Jonlen zu
finden. Aber ſchon am Morgen des zweiten Tagmarſches durch
einen Vertrag mit dem Perſerkoͤnig zum Stillſtand gebracht, wur⸗
den die Griechen in babylonifche Dörfer einquaztirt, wo fie
(m Welten des heutigen Bagdad) Weberfluß an Korn, Datteln '
und Wein fanden (Xen. Anab. Lib. II. e. 3).
Sie gewinnt der Grieche während eines Monates Raſtzeit ven
een Bid in die üppige Natur der Palmenvegetation und bie
Genäffe, die fle darbot, und ſelbſt ber nüchterne Keinophon fand ihre
Baben bewundernswerth. Die Fülle der Palmenwälder, bie man
dort vorfand, wie fie auch fpäter durch Kalfer Iuflans Feldzüge
dahin, die Ammian Marcellin befchreibt, beftätigt wird, zeigt: ven
bamaligen hohen ſchon son Herodot -gepriefenen Anbau des vandes
in dem es nirgendẽ an Vorraͤthen aller Art fehlte, und vie forte \
Beodlkerung der babyloniſchen Landſchaft, da Überall die Cultur ber
Balmenmälver eine ſolche nothwendig vorausſetzt. Diefe vielen
Dattelwaldungen find aber gegenwärtig bier mit. ven fo zahlreichen
blühenden Dorffchaften wie ihre Bevdlkerung verſchwunden. Die
Candle find verſandet, fle befruchten nicht mehr ˖die grünenden Ge⸗
filße, und die zahlrrichen Brücken, bie, damals zum belchten Verkehr
im beften Stande, über vie Canaͤle hinführten, daß «Herreögäge:fle
bequem überſetzen koͤnnten, finden fi gar nicht nıehe: denn das
Bebũrfniß derſelben Hat In ver Menfcheneindne und. in: dem dürren
“
Blachfelde aufgehört. Daß fle aber wirklich vorhanden und mit |
nicht gemöhnlicher Sorgfalt aufgeführt waren, wird dadurch beſtä⸗
tigt, daß man die Grundmauern von gar manchen verfelben in der
Naͤhe veralteter, jetzt troden liegender Canaͤle wieder aufgefunden hat.
Als Dr. Roß?2) am 7. Mai von Bagdads weſtlichem Tigridufet
etwa 2 Stunden weit in das innere Land geritten war, wo ein
Waſſerpfuhl fich an ven Reſt eines uralten verſchütteten Canals an⸗
lehnt, kam er zu einer Stelle, an der man im vorhergehenden Jahre
die Reſte einer antiken Brücke ausgegraben hatte, um mit ihren
Badfeinen ein Haus in Bagdad aufzubauen. Ihre Backſteine gli⸗
Gen ganz denen in Babylon, und waren mit Keilinferiptionen ver
. fehen, und mie vie dortigen mit Bitumen -aufgemmuert. Wie viele
dergleichen alter Bauten mögen feit vera letzten Jahrtauſend auf
22) Wr, John Rofs Notes om two’journeys from Bagdad to: the
roins of Al Hadhr. 1836. im Joarn. of the Roy. Geo. Soc.
Lond. 1839. Vol. IX. p. 448. Fi
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| Euphratfoftem; Hiftorifcher Rüdblid; Renophon. 19
dieſe Weiſe zerftört fein, und doch finden filh immer vergleichen noch
| in ihren Ueberreſten vor.
Die zehntaufenn Griechen, auf deren Vernichtung die PBerfer
ı Sisterlflig jannen, währenn fie ihnen vie beſten Musfichten zur
Kückkehr in die Heimath eröffneten, zogen zu ber damaligen Haupt⸗
ſtadt an dem Tigris, Gitace (Sırraxr, Xen. Anab. L. IL c. 4),
weil da eine Schiffbrücke über ven Tigris führte. Gie hatten aus
| Im Dorfquartieren dahin 5 Tagmärfche gegen SD. zurüdzulegen.
Am Ende des 3. Tagmarfches kamen fle zu ver mediſchen Mauer,
‚ Ne ans Backſteinen mit Erdharz aufgebanet war, 20 Fuß breit und
| 100 Fuß Hoch (eine vielleicht verbordene Zahl, meint Rennell), und
im nem Durchgange von dem Heere durchſetzt wurde; dann folgten
ua zwei Ganäle, die man auf Brüden überfchritt, und ein drit⸗
‚ ter bei Sitace, alles Beweiſe hoher Eultur, auch gegen ven Ti⸗
hin.
Diefe mediſche Mauer, vie Herodot noch nicht nennt, aber
weleicht unter ven bewundernswerthen Bollwerken der Semiramis
(xiuare Herod. I. 184) mitbegreifen mochte, reichte unftreitig von
Strom zu Strom, eine GStrede von 10 Stunden Wege. Gerade
| | fo lang, 200 Stadien, gibt fie fpäterfin Strabo in feiner Wefchreis
i Ä hung Babyloniens an, und nennt fie ein Werk ver Semiramis; er
‚. Mit fie abwärts der Stadt Opis (Strabo I. 80 und XI. 529)
em Tigris von da, fühweftwärtd zum Cuphrat ſtoßen, jo daß ihre
‚ serbäflihften Ruinen, wenn ſolche vorhanden fein follten, nicht
| em nem Norpweſtende der alten Stadt dab zu fuchen wären.
3 Adler Sultan kam (im I. 363 n. Chr. ©.) 700 Jahre fpäter als
' Zenephon nicht fern oberhalb des Austeitts des Nahr Malta
wer Kdnigs⸗Canals an dem linken Euphratufer, bei einem Orte
NMacepracta (Ammian. Marcell. XXIV. 2, 6.) genannt, an ihr
BGSüdweſtende, das aber in Ruinen Ing, und bald darauf an ben
‚ Infang des genannten Canals. So lich fi ihr Zug im Marie
mum der Berengung Mefopotamiens) oder im Iſthmus,
J I Bebtylonien von dem nörblichern Aſſyrien fo eigenthümlich durch
‚| Us gedfite Couvergenz beider Stromſyſteme fcheivet, einigermaßen
\5 mufemeifen.2%) Ihre MWeftimmung hatte Längft aufgehört, ſeitdem
4 Mäen und Medien mit Babylon unter einem Scepter vereinigt
| %) &: Rennells Map, the route in detail of Cyrus the younger
ärem Sardis te Babylonia and the retreat of the ten thousand Gr.
Def. Countries situated between Babylon and the Car-
809. |
92
4
20 Weſi⸗Afien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $ 29.
waren, man hatte gedacht, daß fie In den folgenden Jahrtauſenden
als unnüg gänzlich verſchwunden fe. Aber in frühern Jahrhun-
berten follte fie die fo fruchtbare Landſchaft Babyloniend fo mie ihre
Hauptftänte ſchützen vor. den Leberfällen ver Affgrier und Meder,
die fie Iange Zeiten hindurch von Niniveh her bedrohten; fie war
alfo zu demſelben Zwecke erbaut wie andere ihres gleichen: die
Ehinefifche gegen die Mongolen (Erpf. IL 125, 199, 201); vie
Indiſche in MyBoore gegen Nomaben (V. 514), die Kaukaſiſche
bei Derbent, die Gorinthifche, die Heramilia im Thraciſchen
Cherſones, die des Severud in Britannien u. a. Diefe Mauer iſt
nicht geſchwunden; ihr öftliches Ende, gegen ven Tigrid anftoßend,
wurbe wirklich in der nach Strabo zu vermuthenden Gegen» nahe
den Trümmern von Dpis (f. Erdk. Weſtaſ. IX. ©. 538) auf dem
linken Tigrisufer im Jahre 1836 von Dr. Roß 25) zuerſt entdeckt,
und dann im folgenden Jahre auch von BI. Lynch in feiner Kar-
tenaufnahme jenes Tigriölaufes verzeichnet. Wir werben unten auf
bie genauere Beichreibung dieſer Mauer, die wegen. ihrer langen
Dauer in Berwunderung ſetzt, zurückkommen und fehen, wie fie ven
gegebenen Daten ver Alten ganz gut entfpricht. Auch ein Portal fand fich
zu ihrer Durchſchreitung. Da fle aber nach Ausfage der Araber an ver
weſtl. Euphratfeite bis etwas oberhalb Feluja in den 2 Anböhen Ra⸗
melah enden fol: fo ſcheint das Schlachtfelo von Cunaxa, wo man
noch außerhalb der mediſchen Mauer ſich befand, auch etwas
weiter am Euphrat aufwärtd gelegen zu haben, und ihre Diretion
geht nicht, wie nach Rennells Kartenzeichnung, vom Cuphrat gegen
SD., fondern gegen NO. zum Tigris 14 Tagreiſen oberhalb
Bagdad, was auch mit ven Angaben ver Alten ſtimmt.
Der Canal, welcher nebft vielen andern kleinern, vie vorher
überfchritten werben mußten, unmittelbar unterhalb Sitace zum
Tigris fließ, war wol wegen feiner Tiefe und Bebeutung, denn es
führte eine Schiffbrüde von fleben Pontons das Oriechenheer über
ihn hin, und weil er die Stabt gleichfam zur Infel machte, vom Euphrat :
hergeleitet; feine Richtung entfpricht dem Sarfar-Eanal ver
Chalifenzeit; 20) er mar der kürzeſte der Communicationsgräben
zwifchen beiden Flüſſen. Sitace war eine große volkreiche Stat,
2%) DrRofs Notes on two journeys from Bagdad cetr. pag. 446. und
Lieutn. Bl. Lynch Note on the river Tigris p. 472. beive im
Journ. of the Roy. Geogr. Soc. Vol. IX. 1839. **) J. Rennell
Illustr. p. 97.
| Euphratſyſtem; biftorifcher Rüdblid; Renophon. 21
Veeisiertel Stunden (15 Stadien) vom Xigrid gelegen, wol nächſt
Babylon dem Range nad} die zweite Stabt, eben In jener für Ca⸗
pitalen geeigneten Ufergegend, wo fpäter nach ihr aus ihren Trüm⸗
mern, wenigfiend nicht fehr fern von ihr, denn ihre Situation If
bis Heute nicht ermittcht, Sele ucia und Cteſiphon im Süden,
um Bagdad im Norven entftanden find. Sie war von reichen
‚ Gärten, Dattelmäldern und Eulturen umgeben, eine Schiffbrüde von
37 Bontons führte über den breiten Tigerſtrom zu deſſen Norbufer
hirüber, auf feine Iinfe Seite, fo daß alſo hier, von Babylon
ker, ver Paß nah Sufa (nad Strabo XVI. 744), mie nach
RNedien und Armenien führte. An ihre Stelle iſt In neuerer
Zt, etwa 4 Stunden weiter aufwärts am Strome, die Schiffbrücke
u Bagdad getreten, vie ungefähr aus derſelben Zahl von Schiffen
(%, 39 bis 40, nach Niebubr 1766, Ives 1758, Thevenot 1664
! um Andern) zufammengefeßt zu fein yflegt: deshalb wenigftns
von der heutigen Breite des Stromes fo ziemlich auf die alte Breite
deſſelben, zu Xenophons Zeit, zuridzufchließen fein möchte. Ueber⸗
hanpt ergab ſich ſchon aus einer genaueften Linterfuchung vieler
ver obigen und in früheften Zeiten angeführten fpecieflen Daten
dem forfchenden Rennell das Nefultat, daß viefer Lauf des
Cuphrat und Tigris In dem genannten Marimum gegenfeitiger An⸗
näberung wenigftend verfelbe, wie im alter hiftorifcher Zeit, fo auch
bis heute, wenigftens im Wefentlichen,, geblieben, veshalb auch gar
mandhe der jüngern Zuflände bortiger Landſchaften auf jene ältern
zur Erläuterung anzuwenven fein möchten. Aber freilich nur bie
Returverhältnifie, denn die hiftorifchen Haben das Land doch fehr.
umgewandelt. Dagegen fcheint es wol, daß der untere Lauf des
Exphrarfgftems, von dem aber Zenophon Keine Kunde ertheilt, fich
feit Alexanders und Nearchs Schiffahrten auf ihm fehr veränvert
haben muß.
| Ts TZenophon in Mefopotamien eintrat, nannte er ven Theil
m Norden des Araxes (Ehabur) Syria, ven Theil zwifchen bem
Years und den Pylae unterhalb Hit, Arabia; venjenigen aber
zuifchen ben Pylae und dem Tigris bet Sitace Babylonia. Syria
begeichunete ihm alfo den fruchtbaren Landſtrich des obern Cuphrat⸗
Iaufes zu beiden Selten, Arabia aber ven untern, oden Theil des⸗
ſeben zu beiden Seiten, und Chabur war ihm zwiſchen beinen ber
@eemjfirem damaliger Zei Mit Arab ward auch Hier in feiner
“füheften Iocalen Urxbeveutung, che es noch über vie ganze arabifche
f Gelinfel (Dfpeftrat el Urab) von ven Autoren audgebehat
22 WeftsMfien. III. Abtheilung. I.Abſchnitt. 5.29. 1
ward, wie auch bei Hebräern ?7) und andern Wolkern, der wüßte |
Zandfri von Horben durchſtreift, genannt, im Gegenfag "
des Fruchtbodens von Syrien, Zu Xenophons Zeit warm 1
in biefem Gebiete des Cuphratlaufes noch Feine ver zahllofen Stänte 1
ober Ruinen von Ortfchaften, Gaftelen, Schlöffern und Ihürmen ı
vorhanden, welche die fpätern Jahrhunderte dort erſtehen und wie ·
der verfallen ſahen; Zenophon erwähnt keiner vergleichen uußer ı
den wenigen oben genannten: aud) aus Herodot wiffen wir, wie ı
gering die Kenntnif der Perfer‘ von Indien vor Darius Hyſtaspes
Velbzug zum Indus. war, und wenn auch indiſcher Handel bis Ba ı
bylon ging, fo flieg er doch nicht weiter dem Stromlauf entgegen. ı
Später erft, als ſich der graße Handelsverkehr zwifchen Indien, Bor ı
deraflen und Aegypten belebte, konnten in ſolchem Gtromgeblete über- i
all fo zahlreiche blühende Anflevlungen entflchen, die felbfflännig, '
obwol in der Mitte von Wüften, ihre Nahrung und ihren Reid
thum aus dem großen Weltverkehr fogen, bie aber auch mit deſſen
Ablenkung durch die oceaniſche Weltſchiffahrt wieder in ihr Nichts
verſanken. Die Wiederbelebung des Handels über Bafforah, Bag«
dab, Aleppo, Damascus und das Mittelmeer würde, mit Sicherflel-
ung des Eigentums und Regullrung der Dampfichiffahrt, der
Zukunft ein gleiches Schaufpiel bereiten. Die Schiffahrt zu Zeno⸗
phons Zeit ſcheint weder auf dem Cuphrat noch Tigriß fehr im Gange
geweſen zu fein, denn es iſt nie von großem Waflertransport auf
dieſen Strömen die Rebe, und wo Golbaten zum Bouragisen aus-
gehen, da fegen fle nur auf Fldßen von Häuten, mit Luft aufgebla-
fen oder mit Heu außgeftopft, über, auf ähnliche Weiſe wie dergleichen
Ueberfahrten noch heute im Gebraud find. Die Schiffbrücen md-
gen wel auf Käfnen geruht Haben, wie fle Herodot beſchrieb.
Aus der blühenden babyloniſchen Landſchäft mit wenigen gro«
fen Städten, aber voll Dorfichaften, reich an Bewaͤſſerung, Ganälen,
Brüden, Gästen, Dattelmälbern, Anbau aller Art, ging nun ber
Rüdmarf der Zehntaufend von der Tigrisbrüce zu Sitace in
15 Iagmärfchen ohne Aufenthalt immer auf dem Öftlichen Ufer
Ianbe des Tigris- Stromes gegen Nordweſt Hin, bis zu deſſen Zu»
fammenfluffe mit dem Großen Zab. Diefe Landſchaft ward zwar von
enophon Medien genannt; fie llegt dem Grenzſaume Meviens gegen
— —
ꝝegenmüter, Oandbuch der bibl. Alterthumslunde. TH. 8. 1898.
Euphratſyſtem; hiſtoriſcher Xuͤcblichz Xenophon. 23
das flache Aſſyrien auch entlang: Medjen ſelbſt aber, Höher. auf,
eberhalb der Hamrinfeiten (ſ. Erdk. Weſtaſ. IX. ©. 526), fonnte
auf diefem Zuge nicht berührt werden. Das geographliche Refultat
dieſes Marſches in Beziehung auf das Thal des Tigris und ſeiner
Zuflüfſe Haben wir ſchon früher vollſtändig mitgetheilt (ſ. Erdk
Weſtaſ. IX ©. 516 u. ff. bis 706), wo auch von ver Erſteigung
des Karduchengebirgs oder. Kurbefland, am Chaburſtrome über die
Buhtan«Kette, oberhalb Jezireh, die Rede war.
Wenn Fenophon uns nun nach alle dem etwas genauer am
mittlern Eupbrat und Xigris orientirt, und reiches Material zu
fertwhrender Forſchung Hinterlafien hat: fo verdanken wir ibm
auch noch im obern Laufe beider Ströme vie Entdeckung zweier Ihrer
Sauptquellarme. Einmal des Gentrites (Lib. VI. e. 3), ber
nach Heben mühfamften und furdtbarften Tagemärfchen durch das
wie Karduchengebirg, over dad Bergland von Kurbeflan, erreicht
werd, und vonXenophbon als ver Grenzfluß gegen das frelere,
offenese Hochland Armeniens fo beichrieben wird, daß man In ihm
ven Fluß von Bitlis, ben heutigen Bitlis Tſai, nicht verken⸗
am kann (ſ. Erdk. Weſtaß IX. ©. 1003. 1006), welcher ſchon als
ein norböflliher Quellarm des Tigris anzufehen ft, ‚ver, mit
den noch Öfllicher im Süden des Van⸗Sees In noch völlig unbe»
Ianntem Gebirgelande entfpringenven Blufle von S ert, dem Sertofu,
auch von den Gingebornen ald eine der Tigris⸗Quellen, nämlich des
Dftarınes, angeſehen wird. 23) Die wahren Quellen des Tigrig Tiegen
aber demſelben im Welten, mo fie auch von Zenophon, ber Lage
nach, wenn auch nicht gefehen, doch am zweiten Tagmarfche nady
den Uebergange über den Erntrite® genannt werben (Xen. Anab.
IV. c. 4). Dann aber, 3 Zagemärfche weiter nordwärts von biefem
Flufübergange, gelangte Xenophon im weftlichen Urmenien, am 4. Tag⸗
morjche, nachdem man 15 Parafangen zurüdgelegt hatte, auch zu
vom Bette des obern Eupbrat, den man durchmwaten mußte, wo⸗
bei mau nur bis an den Nabel in dad Wafier kam. Die Duelle
dieſes Stromes, fagte man ihm, fet nicht ſehr entfernt; rings um⸗
ber Lagen gewaltige Schneemaffen audgebzeitet (Xen. Anab. IV.
5,2) Dies war der dftlihe Quellſtrom bes Euphrat, meldher
jept unter dem Namen Morad im Vafchalit Muſh allgemein be⸗
Ianat iR, ver aber, von Zenophon damals entdeckt, von keinem der
22 . Narrative of Kurdistan voll. App. II., Information
—8 om natives, P- 876, 378
24 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 29.
folgenden Reiſenden wiever gefehen, von keinem Geographen erfannt
war, bis I. Morier 29) im Juni 1809 ihn zuerſt wieber auffand,
den Weg von Bayaziv über Diyadin feinem Strome entlang, über
Alaſhgerd gen Erzerum ziehend. Daß bier ver zweite weſtliche
Hauptfirom des Cuphrat ſchon längſt ein Jahrhundert früher
von Tournefort (im Juni 1701) 39) unter dem Namen Frat in
der Nähe von Erzerum aufgefunden war und ſeitdem für ben ein⸗
jigen Quelların deſſelben bei den Europäern galt, iſt bekannt.
Durch neuere Reiſende wiſſen wir, daß dieſer Mora in ver
Sommerzeit, bei hohem: Waſſer, nicht fo bequem >?) zu durchwaten
iſt wie bei nieverm Waflerflande zur Winterzeit, wo Zenophon ihn
fo leicht durchſehzen Eonnte, da er der Waflerfülle nah dem Weſt⸗
arme wenigſtens gleich kommt; und ganz jüngft iſt erſt ver wahre
Urfprung dieſes Morad, nahe deſſen Quelle Zenophon vorüber⸗
gegangen war, durch I. Brant (6. Sept. 1838), auf dem hoͤchſt
beſchwerlichen GBebirgsmarfche vom Vans Gere nach Diyapin, am
Südabhange des 8000 Fuß hoben Ala Dagh (Schöner Berg) 2)
ermittelt worben, von mo er dann über Diyabin gegen S. W. welter
frömt, wo er von Zenophon auf feiner directen Route zum Aras
und nad) Trebifond am ſchwarzen Meere durchſetzt fein mag.
3) Zur Zeit Alexander M. (331 bis 323 v. Chr. ©.).
Die dritte Periode der Geſchichte, der das Cuphratſyſtem feine
geographiſche Aufklärung verdankt, ift die Zeit Aleranders,
welche überall den Blick in ven fernern Orient erweitert; er iſt es, -
der fich ſelbſt zumal in deſſen unterm Gtromgebiete recht einheimiſch
zu machen fuchte, weil er nad feiner Rückkehr vom Indus von der
Idee ganz erfüllt fehlen, dad Euphratland zum VBerbindungse
gliede in dem Weltorganismus zwifchen Drient und
Decident zu erheben, und veshalb fo Großes begann, was feine
Zeit nicht verfland; denn der Euphrat blieb damals ein tobter Welt⸗
from, weil der große Mann feine Idee nicht felbft zur Ausführung
hatte bringen koͤnnen. Uber begriffen war fle doch von feinem ver-
3°) J. Morier Journey through Persia, Armenia and Asia Minor
to Constantinople, 1808-1809. Lond. 1812. 4. p. 308. 20) P. de
Tournefort, Voyage du Levant. Amsterd. 4. 1718. Tom. IE.
Lettr. XVII. p. 114. »t) M. Kinneir Journey through Asia
minor, Armenia etc. Lond. 1818. p. 378. *?) J. Brant Notes
of a journey through part of Kurdistan 1838. im Journ. of the .
Geogr. Soc. of London, 1841. Vol. X. P. III. p. 417.
[N .
>
⸗
Euphratſyſtem; hiſtoriſcher Ruͤckblick; Alexander M. 25
trauteſten Waffengefährten, dem Ptolemäus Lagi, ver num, als ihm
das Nilthal ald 2008 zugefüllen war, nebft felnen Nachfolgern dort,
feriich auf einem anvern Boden, es außführte, ven Weltwverkehr
aus Indien direct nach Alerandria zu Ienken, was Alexander, dem
De Umfchiffung von Arabien, obwol er fie fchon ahnete, noch
unbefannt geblieben war, für dad babylonifche Land, als Mittel-
glied, ſchon beabfichtigt Hatte. Go werben wir, da Herodot und
Zenophon über das Mündungsland des CEuphrat, abwärts von
Babylon, ohne Anſchauung blieben, durch die Geſchichtſchreiber Alex⸗
anders zumal in deſſen untern Stufenlande In fo welt orientirt,
daß wir die dortigen geographiſchen Berhältnifie der Gegenwart doch
einigermaßen aus dem Zuſtande verfelben in jener Vergangenheit
begreifen fünnen; wie viel mehr würbe dies der Ball fein, wenn und
Nie Schriften der Zeitgenoffen und Waffengefährten Alexanvers ſelbſt
nicht verloren gegangen wären, wie vie eines Ptolemäus Lagt,
Yritobulos, Onefleritus, Eratofthenes, Dickarchus u. U.
Nur ſchnell eilt Alexander nad Beflegung von Syrien und
Aegypten mit feinem Heere über ven Euphrat bei Thapfacus,
und über den reißenden Tigris oberhalb des Heutigen Moful; wo,
wis nicht gejagt (Arrian.. Exped. Alex. III.7.), doch wahrſcheinlich
in der Gegend des Heutigen Jezireh ihn Omar (f. Erdk. IV.
6. 700, 705, wo Beth Zabda oder Bezabde in fpäterer Zeit), 7)
weilte eben durch ſolche Uebergangsfähigkeit ihre fpätere Be⸗
dentuug erhalten mochte. Niemand wehrte ihm den Lebergang,
Darius Hatte ihn ganz unbefegt gelaffen; dieſer wurde 4 Tagemäriche
weiter ſüdwärts auf dem Schlachtfelne von Arbela überraſcht und
geſchlagen (Erdk. IX. 699); er entfloh mit den Trümmern feiner
Herrlichkeit über die Zaghroſhketten nach Medien. Alexander ſchrei⸗
‚ ven Xigris rechts zur Seite, nun elligft auf Babylon los.
fand die berühmte Stadt, wenn fie ſchon ihres hochſten Glan⸗
beraubt war: denn Darius Hyſtaspes Hatte ſchon bei der zwei⸗
Eroberung derfelben durch die Perfer ihre mächtige Mauern
ihre Thore einreißen Iafien (Herod. II. 159), er hatte Ihr
andere Bevölkerung gegeben, und Xerxes hatte nicht nur daß
Scligtfum des Tempels, vie zwölf Ellen hohe Bilvfäule des Gottes
von Gelo, (Herod. I. 185) geraubt, fonvern er hatte auch nad)
feinem fchimmpflichen Feldzuge gegen vie Griechen alle Tempel ber
L
*
—AI
22) Mannert, Geogt. d. Gr. u. R. Th. V. 2. S. 306.
26 Wefl-Afien, TIL Abtheilung. I. Abſchnitt. h. 29.
Babylonier niederreißen laſſen, und zumal ben großen Zempel des
Bel, in der Mitte der Stadt gelegen, der durch feine Größe fo ber
rüßmt war (Arrian. de Exped. AL VII. c, 16). Die damalige Des
vdlkerung von Babylon mit ihren Chaldäer Prieftern „und ben
Häuptlingen zogen dem macebonifchen Sieger bei feinem Anmarſche
zur Stabt entgegen; fe brachten ihm Gefchenke dar und übergaben
ihm die Stabt mit der Burg und ihren Schägen. Lange vermeilte
er diebmal nicht, denn noch fland ihm die Cinnahme von Sufa, der
alten Reſidenz des Perferfönigs, bevor. Er ſetzte ihnen einen neuen "
Satrapen ein, legte eine Garnifon in bie Stadt Babylon, gab ihr
Commando einem Macebonier, und ließ einen Eintreiber ver Tribute
zurück. Er befragte die Chaldäer wegen Herſtellung ihrer Tempel,
und wozu fle riethen, dad befahl er auszuführen; ihrem Vorſchlage
gemäß errichtete er dem Bel wieder ein Helligthum. Dann aber eilte er
nah Sufa, wo er nad 20 Xagmärfchen leicht eintrat, da ſich
auch diefe Königöftabt mit allen Schägen mwohlerhalten ihm ohne
. MWiverfland unterwarf. Außer den unermeßlichen Reichthümern, die
- er hier vorfand, wird auch ber Kunſtſchaͤte und der Heiligtümer
erwähnt, welche Kerze einft aus Griechenland geraubt, bie nun als
Stegerbeute von Ulerander ven Hellenenflämmen als ſchönſter Irie
umph zurüdgefanbt warb, barunter auch ein Bild ver Artemis Gercaia
und die Stanbbilder des Harmodius und Ariflogiton der Athener
(Arr. Exp. II. c. 16. VII. c. 19). Den griechiſchen Göttern wurden
. bafür im Lande des Lichtvienfted feierliche Dankopfer gebracht und
ghmnaſtiſche Spiele gefeiert. Wie eilig Alerander von hier über
den Pafltigris, das iſt den Karun- Fluß (RKuran), durch dag Land
der Urier (Arr. III. c. 7). nad Perfepolis fortſchritt, iſt ſchon frü-
her angezeigt (Erdk. IX. ©. 294— 309, wobel die Berichtigungen
zu vergleichen, welche die bortigen geographifchen Daten durch bie
forgfältigen eritifchen Noten von I. Mügel zu Q. Curtius Ruf-
Lib. V. 10, 3. V. 12, 16 und V. 20, 10 gewonnen haben). 3*)
Belehrender für und nach dem indifchen Feldzuge und ber großen,
zweiten Beftfeier in Suſa (im Frühjahr 324 vor Chr. ©.) war
Alexanders zweiter Aufenthalt im babyloniſchen Lande, ber
«(som Juni 324 bis zum 11. Juni 323) wegen feines fo ſchnell erfolge
sen Hinſterbens zwar nur kurz, aber nicht weniger thatenreich genannt
werben muß. Denn in dieſer Periode (natürlich find Hier nur bie
®4) Q. Cortii Rufi de gestis Alexandri M. cetr. ed. Jul.
- Mützel. Berlin 1841. Tb.,I. p. 414, 421, 452.
re
—— — 2*
Enpbratfoftem; hiſtoriſcher Ruͤckbblick; Alexander M. 27
auf vie Geographle einflußreichen Verhaltniffe ind Auge gefaßt) werben
alle Gauptverhältnifie der dortigen Waſſerſyſteme zum erſtenmale
durch ihn erkundet, wie nie zuvor, und wie nie wieder nach ihm
bis im Die neueſte Zeit; auch If faſt Alles was bie fpätern Autoren,
wie Strabo, Ptolemäus u. A. darüber zu fügen mifien, nur Wie -
verhelung oder Anwendung aus jener Zeit und aus verfelben Quelle,
Nearch, ver Steuermann ber inbifchen Flotte Aleranders war
an den Grenzfluß Perfiens und Suſlana's, an ven Arofis
(Orsatiß), ven Heutigen Tab» Fluß von Hinduan vorgerüdt (f.
Edt. X. ©. 134). Bon Her an konnte er, wie er felbft bemerkt,
wegen ber feichten, fchlammigen Waſſer des ‘Berfergolfs keine genauere
Berichterflattung von der Küftenfahrt mehr geben, da die Schiffe
ver Flotte nur vereinzelt Hintereinanver folgen konnten (MNearchi
Periplus in Arriani Lib. histor. Indicae, ed. Schmieder. 1798.
ap. 41). Doc ſchiffte er den erſten Tag auf viefe Weile 600 Sta-
Ken bis zur Nacht, wo die Anker ausgeworfen wurben (an 15 geo⸗
graphiſche Meilen, oder wenn wir vie Bleineen Stabien annehmen
aur etwa bie Hälfte), alio an ven Münbungen des Tigris, die er
jedoch an viefer Stelle ſeines Tagebuches nicht nennt, obwol er fie
doch kennt, da er fpäter zu ihnen auf ver Rüdfahrt zurückkehrte,
vorüber; ven zweiten Tag aber 900 Stadien, 225 geogr. Meilen,
varch tiefes Waffer, bis zur Mündung des Cuphrat (dm} zo
ersuate soo Eögpedrov). Hier ging er vor Anker, bei dem Orte
Diridotis (Teredon, bei Strabo II. 80. Ptolem. ıV. c. 20.
f. 145, uno Plin. VI. 32), wohin zu jener Zeit Kaufleute aus
den Lande der Emporien (and zjc ’Eunoelns yis, Arc. l. c.)
d. i der Araber, ihren Weihrauch (Aıßavwroc) und ihre Gewürze
Iradhten. Tigris⸗ und Euphrat»Mündungen waren alfo da»
mals noch entichieven gefonvert, fie lagen wenigſtens eine gute Tage,
reiſe weit auseinander, wenn auch ihre Berzweigungen innerhalb
ihres Deltalandes fchon, wie Mannert?°) nach den wechielnden
Gräßtungen ver Alten zu ſchließen fich für berechtigt Hält, fich ge⸗
genfeitig vermifchen mochten. Den früher beftehenden gefonverten
Lauf belger Ströme 20), der dftee hypothetiſch geläugnet wird, weil
Herchdot und Xenophon viefen Umſtand weder bejahend nor vernei⸗
neuh berũhren, beſtätigt aber des Edrifi ausdrückliches Zeugniß, das
er bei Gelegenheit der Grabung des Iſa⸗ Canals in den muhameda⸗
I ©. d. Gr. Mimer. 25. v.2. ©. 34. °*) Bari
Geogr. ed. Jaubert. Vol, II. p. 144
——
28 Weſt⸗Aſien. TIL Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 29.
niſchen Zeiten abgibt. Jene weſtlichſte NRüuͤndung, ehe beine Gtröme
NG in dem jüngern Hauptſtrom des Schat el Arab vereinten,
Tonnte wol den dortigen Rocalitäten gemäß Feine andre geweſen fein,
als dieſelbe, welche noch in ver Mitte des vorigen Jahrhunderts
3 deutſche Meilen im Güben der Stabt Basra mit dem Innerften
Winkel des Meerbufens beginnt, ver Chor Ab villa?7) genannt ward,
als Nieb uhr ihn dort erforfchte.
Aber von dieſem Hafenorte, der denn auch nach Strab o's, der
Erzäßfung des Cratoſthenes folgenden Angabe, (suyge Tepnödrog
xal sg dußoAjg so0 Eöppdzov, Strabo XVI. 766), etwa an
der Sübweftfpige der jepigen Uferinfel Dauaflz gelegen war, kehrte
Nearch, auf die Nachricht von Alexanders Ankunft mit dem
Sanbherre zu Sufa, fogleich zu biefer Hauptflabt zurüd, an ber
großen Lagune vorüberfchiffend, In welcher ver Tigris, derſelbe wel«
Ger oberhalb am zerſtbrten Ninive vorüberfloß, mündete, und dann
Suflana zur linken Hand Habend, um durch den Pafitigris
Udentiſch mit Eulaeus, dem heutigen Karun) fich mit dem Heere
feines Gebleters zu der großen Feſtfeler in jener Mefldenz zu verei⸗
nen (f. Erdt. X &. 320—323). Bon der Lagune (Aluvn 6. Arr.)
war die Länge dei Hinauffahrt zur Mündung des Tigris noch
600 Stadien (15 geogr. Meilen, wenn wir bei dem gewöhnlichen
Stabium flehen bleiben, und nicht dad Eleinere Stablum des Ariſto⸗
teles hier überall annehmen wollen) fern, wo ber Ort der Sufler
Aginis Ing, ver von Sufa 500 Stabien (124 geogr. Meilen) fern
war. Die Schiffahrt von Suſa bis zum Tigris betrug 2000 Gta-
dien ‚(50 geogr. Meilen). Da dieſe Zahl um 900 Stadien (20%
geogr. Meilen) größer als die directe Diſtanz von Sufa nach Agie
nis am Tigris, bei Nearch, angegeben iſt: fo muß biefe größere
Xänge wol die Ausvehnung der Lagune oder Limne bezeichnen, 3%)
die in großer Krümmung nad) außen um das Mündungsland des
Tigeis, unftreitig wegen großer Seichte, noch zu umſchiffen war,
um in ven Pafttigris (Kuran) einzulaufen. Die Entfernung von
der Mündung bed Cuphrat bei Diridotis bis zur Gtabt Baby
Ion gibt Near auf 3300 Gtabien (82 geogr. Meilen) an;
Strabo damit ziemlich übereinftimmend (Strabo II. 80. XVE. 739)
fagt, dahin zu ſchiffen feien 3000 Stadien (75 geogr. Meilen), und
37) G, Riebuhr Reif. Th. II. ©. 223; W. Vincent Commerce and
navigation of the ancients cetr. Lond. 4. 1807. Vol. II.
p-482 etc. ®*) Not.4. in Arr. hist. Ind. cap. 42, ed. Schmieder,
1798, pag. 222. " ö
Eupbratfyftem; Hiftorifcher Auͤckblick; Alerander M. 29
diefe mittlere Entfernung von 80 geogr. Meilen, nämlich von ber
Süpofiipige auf jener Uferinfel Dauafir, den Flußlauf entlang
Dis Hille, wo die Ruinen bed alten Babylon beginnen, ſtimmt wirk
ſich mit ver jüngflen Kartenzeichnung ver Aufnahme des Euphrat
fufje® durch Colonel Chesney genau genug überein, nach welcher
das heutige Baſrah, 15 geogr. Meilen von Dauaſir entfernt, nur
wegen ber veränderten Flußlaͤufe weiter gegen Nordoſt gerüdt, um
es Suſa mehr anzunähern, die ungefähre Gegend ver Lage "nes
alten Aginis der Sufler, aber am Shat el Arab, bezeichnen
mächte. Mißt man mit dem Zirkel auf biefer aſtronomiſch genaueren
Slußaufnahme ven Weg, ven das Schiff aus der Nähe der Ruinen
ven Gufa auf dem Shawur (ſ. Erdk. IX. ©. 321), den Kuran
abwärts, um das beutige dortige Mündungsland herum, und ben
d Arab aufwärts, HE Basra, alfo in die Umgegend des
Aginid am damals Tigris genannten Gtrome zu nehmen
wäürbe: fo entfpricht auch diefe Meffung ver. Angabe Nearchs
etwa 50 geogr. Meilen. Genauere Maaß⸗Uebereinſtimmung
RG kaum über fo vermidelte Localitäten auf fo wechſelnden
Borenverhältaiften, wie dieſe, zwiſchen ver älteften Vergangenheit und
unfrer Gegenwart erwarten; zumal wenn man bebenlt, daß, wie
ver Euphrat fein Bette im unten Laufe fichtlich veränbert hat und
in fpätern Jahrhunderten, nach Alexanders Zeit, gegen den Oſten
zum Iigris fichtlich hinübergewandert iſt, fo. auch vieler feinen
Baffererguß, von einer früherhin weit oͤſtlichern 20) an ber Grenze
Suflanas hinziehenden Dirertion feined Bette dem Euphrat fich
, verändert haben muß, wenn ſchon auf eine und noch un»
bekanut gebliebene Weife. Die Trümmer von Aginis zu Aleranvers
Zeit, an defien Stelle Plinius einen andern Ort, Aphle (VI. 31)
nennt, wie die des noch Altern Ampe zu Herodots Zeit, wohin
Darius vie Milefler - Solonie verfehte,. wird man bier. heut zu
age freilich vergeblich fuchen, zumal da wir durch Plinius willen,
daß zu feiner Zeit der Tigris unterhalb Seleucta fich in die gro= .
fen Berfumpfungen over Lagunenfen Chaldäas ausbreitete
(Lacus Chaldaicos, Plin. Hist. N. VI. 31), die einen Umfang von
70 Mill. pass. (14 geogr. M.) einnahmen, che die Tigrismünbung
ih Daraus, in ver Nähe von Eharaz, zur rechten Hand in den Per⸗
fergelf ergoß. Diefe Sagunenfeen reichten aber bis in vie Nähe Des.
Berfergeifö, weil Plinius an ihnen noch Aphle gelegen nennt.
135:
wä
H
3°) J. Rennell Illustrat. p. 75.
30 Weſt-diſten. ILL Abtheilung. IJ. Abſchnitt. $. 2
WMuklich nimmt man nach Col. Eheöney'3 Beobachtung ihre Laten
noch heute in den Sumpfgegenden am Tigris unterhalb EI Ghor
bi wahr, welche in ven Samaygah⸗ und Samidah⸗Marſchen ſu
HS gegen Korneh nahe dem Verein des Shat el Arab außberisn,.
innerhalb weren das Tigriöbette, viel ſchmaͤler und tiefer werdend A.
Bis dahin, auch flatt der groͤßern Schwingungen und Serpentiun ,
men eine ganze Anzahl mehr kurzer plügliger Wendungen geiuml,,
wedurch ver Character feined Laufes in dieſer Strecke der geg
wärtig allerdings mehr trocken gelegten Chaldaͤiſchen Seen ſich 8
lg veränbert, bu er wieder bei Eerahe Orabmel feinen —*
Characier annimmt
- ud) M.e8. zu Minus Zeit, alfo Im erſten 3 N
unfrer Zeitrechnung, daß der Buphratlauf. feine: birerte gefi
Münvung. zum perflichen Meerbufen bei Diridotis, ober ke
verloren und feine Wafler fchom mit denen des Tigris v
haben mußte: benn bie Orchenier, eine dritte dort —— 3
teilung der Ehäalväer (Orcheni tertia Chaldaeorum doetriem
Plin. H. N. VI..30.) Hätten chen vor längerer Zeit, fagt Bra
ihn abgedämmt und bie Anwohner ihn zur Benäflerung: ver
benutzt, fo daß er nur allein durch den untern Tigrislauf ſeinn
Waſſer zum Meere eingießen Tonnte.(sed longo tempore *
tem praeclusere Orcheni, et accolae agros rigantes: nec
Pasitigri defertur in mare, .Plin. ib. 31). Dennoch fcheint D
dotid Damals umter. dem nur wenig veränderten Namen. Zered
fortgedauert zu haben, und als Hafenflarion auf der Weſtſeite he
—— Cuphrat⸗ und Tigrismũndung noch immer beſucht wong!
den zu fein, obwol mehrere andre Orte ſeiidem im ber Nähe ve
wafferreichern Münbungen der vereinigten Gtromläufe von —
und Tigriß entſtanden waren. (E Parthico autem regno navy
gantibus vieus Teredon, infra confluentem Euphratis et Tigrisg!
laera fluminis Chaldaei obtinent, dextra Nomades Scenitae —
VI. 32).
- Alexander fuchte fich felbft eine eigne richtige Anſchaum
der großen babpionſchen Sanbfkröme gu verfääfle, wedhe Ifen, ba
den Iſtros wie den Indus ſchon fo erfolgreich beſchifft hatte
hochſt belehrend war, und für vie Verwirklichung feiner großartige:
Wee über vie Berfchmelzung des Orients und Dreivent6 durch bewr
Weltverkehr auch nothwendig erfchien: Nach ver Weftfeier in Sufar
übergab er dem Hephaͤſtion die Führung des Landheeres auf ver
großen Heerſtraße zum Tigris, der fuflanifchen Königäftrafe, er
;
Eupbratfoftem ; hyftoriſcher Auͤckblick; ; Alerander M. 31
(iR beſteg mit einer geringen Truppenbegleitung die Fotte Nearche
u MR: mit ihr auf dem Euläus (ober Paſttigris) zum perſiſchen
Mei. Unſern von der Strommündung Meß er den: gedfiten Theil
ber Sintte, und auch wie umtauglicher geworben Schiffe zuräd, da⸗
u fe wurih den Geltencanal, der künſtlichen Dabelung
(vr Yntige Hafar- Arm, f. Erdk. IX. ©. 322) folgend,
AMen erreichten; ex FAR afer burefehnit mit feinen Gihnie
fabzn bie Guläutmimbung und das Meer zur Tigriomündung,
m deſſen Strome entgegen bis zur Stadt Opis dufzufbeigen, wo
a wit ven Laudheere wieder zuſammen treffen wollte (Artian Exp,
& VI 7) Die Abtheilung der Flotte unter Nearchs Commando
ua aber vom perfifchen BReere, wie Ariſtobulos berichtet, zu glei⸗
u Zt auch durch Den Caphratfluß aufwaͤrte bis nach
—— fährt (ib. VH. 19).
Auf vielen Beſchiffungen Eonnten ſchon bie bodrograbhthchen
—2* gefchöpft werben, bie wir bei den Hiſtorikern zetſtreut
finden. Der Tigris, erfahren wir durch Arrian, nehme
beiden das meſopotamiſche Gebiet umgrenzenden großen
eine abfolnt niehrigere Stelle (noAd Ts Taneımöre-
vor be Arr.) ein, ald ber Cuphrat; deshalb viele Arme oder
ne wiffeen ie: PBefie ben Algrie zuführten, der, auch noch -
vun anbern Zuftrömen gefüllt (die der ſinken Seite, wie vie beiden
3ab's, ver Adhem, ber Diyalah, ver Kerkha und KRuran),
"u zum Deere elle (Arrian. Exp. Al. VIE 7). Diefe
‚ weldge die früher von &Zenophon wol nur obenhin
berichtigt (ſ. oben ©. 16) Haben die Neuern
; Rennell ®) bemerkt, daß der Euphrat bei ſei⸗
die Ebene Babyloniens auf einem höhern Niveau
fleße: venn feine Waffer haben ſich zu allen Zeiten
ofwärts und ſüboſtwärts hinüber gezogen:
gen von Tigris, weiter abwärts aber verliere der Euphrat vie⸗
ſes zietin höhere Niveau feined Waſſerſpiegels, wo er, nämlich
Auinen von Babylon und von Hille, in die Region
WE geeßen Guphrat-faganen eintritt, wo er dagegen einige Zuflüffe
ihas als Tigrisarme zurlen. Diefer merkwurdige Wech⸗
Aveaus beider Stroͤme zeigt ſich nach der jüngften Beobach⸗
ung Col Chesſneys mit Beſtimmtheit durch die erſte Abfen-
kung eines Bübarmeß (Shat el Hie, oder ver Wafet- Arm) des
An
iu
R
*%) J. Rennell Illustrat. p. 76.
30 Weſt⸗Afien. ILL. Abtheilung. 1.Abſchnitt. 4. 29.
Wirklich nimmt man nach Col. Cheoney's Beobachtung ihre Rage
noch heute in den Sumpfgegenden am Tigris unterhalb EI Ghor⸗
bi wahr, weiche in ven Samaygah- und Samidah⸗Marſchen fidh
bis gegen Korneh nahe dem Verein des Shat el Arab. ausbreiten,
innerhalb deren das Tigriöbette, viel ſchmaͤler und tiefer werdend als
Bis dahin, auch. flatt der größern Schwingungen und Serpentinen
nun eine ganze Anzahl mehr kurzer plotzlicher Wenhungen gewinnt,
wodurch der Character feines Laufes in dieſer Stredle ber: gegen-
wärtig allereings. mehr troden gelegten Chaldaͤiſchen Seen ſich vbl⸗
lg verändert, du er wider bei Corahe Grabmal feinen frühern
(haracier annimmt
: Au iſt es zu. Minius Zeit, alſo im erſten Jahrhunderte
unſrer Zeitrechnung, daß der Cuphratlauf feine: directe gefonberte
Mundung zum perflichen. Meerbuſen bei Diridotis, ober Teredon,
verleren und feine Waſſer ſchon mit denen des Tigris vermifcht
haben mußte: denn die Orchen ier, eine dritte dort angefiedelte Ab⸗
theilung ver Chaldäer (Oreheni tertia Chaldaeorum doctrina,
Plin. H. N. VI. 30.) hätten ſchon vor längerer Zeit, jagt Minius,
ihn abgedämmt und bie Unmohner ihn zur Bemäflerung: ver Ader
benutzt, fo Daß er nur allein durch den. unten. Tigrislauf feine -
Waſſer zum Meere eingießen Tonnte.(sed longo tempore Kuphra-
tem praeclusere Orcheni, et accolae agros rigantes: nec nisi
Pasitigri defertur in mare, .Plin. ib. 31). Dennoch fcheint Dir i⸗
dotis damals unter dem nur wenig veränderten Namen Teredon
fortgedauert zu haben, und ald Hafenſtation auf der Weſtſeite ber
vereinigten Eupbrat- und Tigrismändung noch immer befucht wor⸗
den zu fein, obwol mehrere andre Orte ſeildem in ber Nähe ver
waflerreichern Mündungen der vereinigten Stromläufe von Cuphrat
und Zigris entſtanden waren. (E Parthico autem regno navi-
gantibus vicus Teredon, infra confluentem Euphratis et Tigris,
laeva fluminis Chaldaei obtinent, dextra Nomades Scenitae Plin.
VL 32). | |
- Alexander fuchte ſich felbft eine eigne richtige Anfchaunng
bes großen babyloniſchen Landſtroͤme zu verſchaffen, welche Ihm, der
ven Iſtros wie den Indus ſchon fo erfolgreich beſchifft Hatte,
hochſt belehrend war, und fürs die Verwirklichung feiner großartigen
Yare über Die Verſchmelzung des Orients und Occidents durch den
Weltverkehr auch nothwendig erſchien. Nach der Feſtfeier in Sufa
übergab ex dem Gephäflion die Führung des Landheeres auf ber
großen Heerſtraße zum Tigris, der fuflanifchen Königsftraße, er
. *
' ⁊
Euphratſhſtem; hyſtoriſcher Ruͤckblick; AleranderM. 31
ſelbſt beſleg mit einer geringen Truppenbegleltung bie Flotte Mearchs
und ſchiffte mit ihr anf dem Culäus (ober Paſitigris) zum perſiſchen
Reere. Unfern von ber Strommünbung lleß er den größten Theil
—— und auch bie untauglicher gewordnen Schiffe zuräd, da⸗
mt fie vurch den Seiteneanal, ber künſtlichen Gabelung
(ver heutige Hafar- Arm, f. "Erst. IX. S. 322) folgend , ven
—7 erreichten; er ſelbſt aber durchſchnitt mit feinen Schnell»
ſeglern die —— und dad Meer zur Tigrismündung,
um deffen Gtrome migegen bis zur Stadt Opis dufzufbeigen, wo
a mit dem Landheere wieder zufammten treffen wollt (Artian Exp,
1. VIE 7). Die Abtheilung Der: Flotte unter Nearchs Commando
aber vom perſiſchen Deere, wie Ariſtobulos berichtet, zu glei⸗
Zeit auch durch den Taphratfhuß aufwãrts bie nach
Sabolon geführt (ib. VH. 19).
Auf viefen Beſchiffungen Eonnten ſchon bie horrogtabhiſchen
Beshachtunhen gefchöpft werden, bie wir bet den Giſtorikern zetſtreut
nichergelegt finden. Der Tigris, erfahren wir durch Arrian, nehme
von ven beiden das meſopotamiſche Gebiet umgrenzenven großen
Lenvſtrömen eine abſolut niedrigere Gtelle (noAd 4: Taxeıvöre-
eos few, Arr.) ein, ald ver Euphrat; deshalb viele Arme ober
Gandie veffelben ihre Baffer dem Tigris zuführten, ver, auch noch -
von anbdern Zuſtroͤmen gefüllt (vie der ſinken Seite, wie bie beiden
Zab's, ver Adhem, ver Diyalah, ver Kerkha um Kuran),
ſche wafferreiäh zum Meere elle (Arrian. Exp. Al. VIE 7). Diefe
Beobachtung, welche die früher von Xenophon wol nur obenhin
ungeführte Anſicht berichtige (f. oben ©. 16) Haben die Neuern
keRätigt gefunden; Rennell 0) bemerkt, daß der Euphrat bei feis
nem Gintritt in wie Ebene Babyloniens auf einem böhern Niveau
eis ver Tigris flleße: denn feine Waſſer haben fig zu allen Zeiten
in jener Gegend oſtwärts und ſüboſtwärts hinüber gezogen:
gegen den Tigris, weiter abwärts aber verliere der Euphrat die
fes relativ höhere Nivean feine® Waſſerſpiegels, wo er, nämlich
ebwärts ver Ruinen von Babylon und von Hille, In bie Region
ver großen Cuphrat⸗Lagunen eintritt, wo er dagegen einige Zuflüffe
ehekte, die ihm als Tigrisarme zuellen. Diefer merkwürdige Wech⸗
ſel des Niveaus beider Ströme zeigt fich nach der jüngften Beobach⸗
mg Col Cheodneyns mit Beſtimmtheit durch die erſte Abfen⸗
' ung eines Güdarmes (Shat el Hie, oder ver Wafet-Urm) des
*°) J. Rennell Illustrat. p. 76. .
Fo
J
32 Wefiifin. I. Abtheilung . I. Abſchuit. .29.
Aigris, in ver Mitte feines Laufes von Bagdad bis Kornch, bei
dem kleinen Ständen Kut al Amara, das nach aſtronomiſcher
Beobachtung unter 32° 29° 19.5" N. Br. und 44° 45° 37.5" D.
2. d. Gr. liegt, Diefer Shat el Hie durchzieht, bort direci gegen
Sud, vie ganze Breite Mefopotamiend bis oberhalb des Ortes Sheikh el
der 30° SEAN. Br. und 46° 31' 525" 0. 2. v. Gr.
gelegen IR. Derſelbe Wechſel des Niveaus weiter abwärts, im un⸗
tern Zaufe, ergibt ſich aud aus dem tiefern Ginfirimen ber Mee-
wehfluch in ven Cuphrat als in den Tigris, oberpalb beirer Zu»
ſammenfluſſes von Kornch. Diefe Beobachtung Hatten die Alten,
bie zu Meranbers Zeit überhaupt noch wenig mit Cbbe. und Fluch
vertraut fein konnten, noch wicht mitgetheilt; wir verdanken fie. zuerfi
Niebuhr; fie geht nach ihm 22 geogr. Meilen (nach feiner Karte
gemeſſen) aufwärts zum Zufammenfluß von Cuphrat und Tigris
bei Korneh, aber von da im Tigris fleigt die Fluth nur noch 5 geogr.
Meilen Höher auf bi Oſer (Uzair, Esra’s Grab); im Cuphrai
aber 14 geogr. Meilen höher bis Arbfje;*t) alfo tm Ganzen hier
38 bis 40 geogr. Meilen firomaufmärte. Oberhalb der Fluthgrenze
bei Eoras Grab, die Niebuhr angibt, ſcheint dieſelbe zur Zeit ver
Slußanſchwellung ſich auch noch tiefer lanbein In bie obengenannten
Marſchen ver alten chaldaiſchen Seen, zu beiden Seiten des Tigrid-
bettes gelegen, zu verbreiten, bie dann gegen Weit, ie; gleichem
Parallel mit ven Ramlun-Geen des Cuphrat liegend, ſich quer
durch die ganze Breite Meippotamiens bi6 zum Zuſammenhauge
mit dieſen legtern leicht ausbehnen Tonnten, und felbft auf bie
Offeite des Xigris Hinüberreichten, und fo auch ihre Anſchwellun⸗
gen durch die Waſſer des Kerkha und Karum erhielten, wie fi
dies auß den gegenwärtigen Zuſtänden der dortigen Gewäſſer nad
einer Beſchiffung des Tigrislaufes ergibt, bei welcher Col. Ches⸗
ey jenes veränderte Bette deſſelben durch die zurüdgebliebenen Ver⸗
ſumpfungen ber chaldaiſchen Seen ber Länge nad) auf 16 Gtuns
ven Weges bis zum Cora’ Grabe (Dier) verfolgte.
Der Tigris, fagt Arrian weiter, ſei ein großer Strom, her
568 zu feiner Mündung (nämlid) abwärts des heutigen Moful, denn
oberhalb fegte Alexandert Heer ja hindurch) nitgende durchgehbart
ordauou dsaßarög (Arrian. VII. 7) fei, 618 zu feiner Mündung,
weil von ihm aus Fein abgeleitete® Waſſer in künſtlichen Ganälen
Bd) über feine anliegenden Länpereien verbreite, durch welche ex
) . Riebuht, Reiſeb. IL S. 242. Anm.
nn !
.
' Enpbrarfoften; Hiftorifcher Auͤckblick; Alexander N, 33
we der Euphrat feichter werben Einne: denn fein Uferland liege
| überall Höher als fein Waſſerſpiegel, Edane daher nicht einmal zur
| Bendfferung und Befruchtung befielben dienen, und dethalb bleibe
bie Wafferfülle in feinem Bette zufammengebrängt. Obwol vieſe
Bemerkung nicht in ver größten Schärfe vom ganzen Laufe ve -
Zigris, der Heutzutage um Bagbab und weiter unterhalb auch gar
mennigfältig fein Uferland durch Kunftcanäle befruchten muß, bie
aber meiftentheild wol erſt der muhamebanifchen Zeit angehören,
oehten Fam: fo characterifirt fie doch allerdings für jene Zeit int“ _
beſendere den Lauf ded Tigris im Gegenſatz des Cuphrats.
Der Euphrat, fagt Arrian, fließe dagegen aufeinem höhern
Lausboven, aber feine FBafferfläche fiche dem Uferrande gleich (ue-
Tmpös ve Hei xal looyelnc martaxod z7 yjj Arrian. l.c. VIL
T), und überfleige mit feinen Wafiern auch zumwellen das von ihm
beſpũlte Land; Deshalb fo viele Canaͤle aus ihm geleitet, theils das
sone Jahr hindurch, theils nur zu gewiſſen Jahrtzelten gefüllt,
um das dürre Land, dem fo ſelten Regengüſſe zu Theil werben, zu
befruchten, ihn fo waflerarm machen, daß er nicht einmal als ein
fehe großer Strom ende und fogar bie und da durchgehbar werbe.
| Nach feiner Befahrung des Küftenlandes im Perfergolf. zwiſchen
Guläus- und Zigrismũndung, wo er nur fo lange verweilte, um
vie abchigen Anorunungen zur Gründung einer Hafenſtadt, die Alex-
andria genannt wurbe, zu treffen (Plin. H. N. VL 26 und 31),
ſcqiſſte Alexander ven Tigris aufwärts (arfmicı, Arr. 1. c.)
| 8 zum Lager, in nem fich Hephäftion mit dem Heere nievergelaffen
E beste, deſſen Eitmation nicht näher bezeichnet wird, die wir aber
: für das alte Sitace des Zenophon halten, weil vieß auf ber gro⸗
| en Heerſtraße von Suſa nach Babylon (fiehe oben ©. 21) Ing.
| auch zugleich zum oben Cuphrat fchiffte man nah Opis,
der Eroberer jet feine Schritte wandte, da er von da einen
| Usfeger mach Ekbatana in Mevien beabfichtigte, ehe ex ſich zu
nenen großen Unternehmungen in Babylon und auf dem Cuphrat
} OR vorzubereiten gedachte. Die früherhin fo unfichre Lage von
| Dyis (Dxsc), 4 Kagmärfche in Nordweſt von Sitace, iſt nad
ven vert aufgefundenen weitläuftigen Irümmerreflen und ven jo
Visherbleibfehn der mediſchen Mauer, von ver jedoch
tſchrelber Alexanders ganz ſchweigen, unftreitig well
vurch feine ſchnellen Siege jene ſtrategiſche Bebeutung ver⸗
hatte, wei gegenwärtig keinem Zwelfel mehr unterworfen
IX. 518, 538). Auch des Fluſſes Phy scon Get Abhem),
Ir
“
tier Exrhlunte X. &
FR
a
34 „Weft:Afien, III. Abteilung. J. Abſchnitt. $. 29.
an deſſen Mündung zum Tigris die Stabt Iag (Erbf. IX. 522),
wird von ihmen nicht erwähnt; ba Opis aber ven Diyalafluß und
deſſen Thal aufwärts, die große Heerſtraße von Chala (Holwan)
nach Etbatana ( Erdtk. IX. 476) dem Eingangepaß zunächſt, über
den Zagrofk, fowol zu Land wie zu Waſſer beherrſchte, fo begreift
man leicht, "warum Alexander fie zu feiner diesmaligen Heerſchau
mwäßlte (im Juni 324 vor Ehriftt Geburt). Auf der Schiffahrt
dahin, thalauf, gab er Befehl, alle Catarracten (Todg xarad-
6axsag Arr.) oder Hemmungen, bie von den Perſern ald künſt ⸗
liche Dämme im Strome angelegt waren, damit feine feindliche Flotte
meerwãris her. in ihr Gebiet über diefe erft gemachten Wafferfäle
eindringe, zu zerſtbren. Denn durch bie dadurch entſtehenden Stroms
ſchnellen Hatten fie die Flußſchiffahrt erſchweren wollen (vergl.
Strabo XVI. 740). Mochten auch damals ſchon gar manche biefer
Bauten, wie heute ähnliche, ven Bewäflerungsanflalten eben fo wol
angehören, fo mögen doch auch vie Vertheivigungsanftalten durch
dieſelben nicht ganz gefehlt Haben. Alexander meinte, dad fein für
ſolche, welche die Waffen zu führen verfländen, unmürbige Verthei ⸗
digungsanſtalten; auch wurden fie von ben Seinigen mit leichter
Mühe zerflört. Er Hatte Leinen Feind von ber Gerfelte her zu
ſcheuen wie die Perfer, die niemals Schiffahrt trieben; bagegen lag
‚es ihm recht fehr daran, bie Ströme und Geſtade recht eigentlich
dem großen Weltverkchr zu Öffnen, und darauf fehlen nun feine
ganze Aufmerffamfeit gerichtet zu fein. '
Bon den Empdrungöfeenen ver Macedonier in Opis berichten
die Gefchichtfchreiber; über die Märfche nach Efbatana Haben wir
früher unfere Unterſuchungen mitgetheilt (Exbf. IX. ©. 318, 329 ff.)
ſo mie über ven Rückweg durch das Gebirgoland ver Urler und
Eoffäer (Erof. IX. ©. 108, 136) nad; Babylon, wohin Ihm fchon
die Flotte Nearchs, den Eupkrat aufmärtd, entgegen gefchifft mar.
Auch die Geſandtſchaften von allen Enden ber bamals bekannten Welt
Tamen ihm, vem Sieger, huldigend entgegen, ver ſich nun audy ſchon
für den Gern ber ganzen Erde zu halten geneigt ſchien (Arr. Exp.
WU. 15. 4). Den nenen Seeweg nach Indien hatte ex fihon ent«
det, und am Nil dad Emporium für den Weften ber Erbe gegrün«
det; hier galt es ihm, in Babylonien, dem Mittelpunkte des neuen
Weltreiches, auch den Weltverkehr zwiſchen dem Morgen» und Abend-
lande zu beleben und mit jenen beiden Welten in Wechſelverbindung
zu bringen. Mit ſolchen Beftrebungen füllte ver Raſtloſe das letzte
Sabr feines Lebens auß. —
Euphratſoftem; hiſtoriſcher Ruͤckblick; Alexander M. 35
Als er in Babylon eintrat, Hatte der Cigennutz her Chaldaer
der bortigen Priefter, bisher fie gehindert, wahrhaft thätig in der
Herftellung ihres großen Tempelbaues (100 BrAov vewg Arr. VIL
17) zu fein, ven Alexander aus den alten Fumbamenten wieder em⸗
vorzurichten geboten Hatte. Die Babplonier waren fehr träge im
dem, was zuerſt gefchehen mußte, In ver Wegräumung des alten
Schuttes geweien, deshalb -faßte Alexander ven Beichluß, zur Ver⸗
herrlichung der neuen Üeflvenz felbft mit feinem ganzen Heere
Sand an Das Werk zu legen (Arr. Exp. VII. 16). Strab o's Be⸗
merkung nach durchſchnitt der Euphrat in ver Breite eines Stabi-
ums (600 Fuß) die Mitte ver Stabt Babylon, an deſſen Ufer vie
-Bängenven Gärten lagen. Ebendaſelbſt erhob fich. auch das durch
Zerres, wie man fagte, vernichtete Grabmal des Belos (0 Tov
Bniiov zapos abı6d9dı Strabo XVI. 738). Es war eine vierfeitige
Pyramide auß gebranntem Backftein, fie felbft enthielt ein Stadium in
vie Höhe, und auch jede Ihrer Seiten war ein Stadium lang. Aler-
andros wollte fie wieder aufbauen, aber das Unternehmen, fagt
Strabo, war groß und vieler Zeit erforderlich; ſchon bie Wegräu«
mung des Schuttes war ein Werk zweier Monate für zehntaufend
Menſchen. Er Tonnte es nicht vollenden, da ihn der Ton fo früh
ereilte. Nach ihm kümmerte fh Niemand darum, und auch alleß
übrige wurde vernacdhläffigt: denn was von der Zerflörung ver
Berjer und der Zeit noch übrig geblieben war, das blieb auch bei
Macedoniern mur gering geachtet, zumal ſeitdem Seleucus Ni«
cater die neue Königäfiant am Tigris, Seleucia, mit feinem
Namen erbaute. Nun verfant Babylon ganz In Eindbe. Da in
Herodots Beſchreibung von Babylon (Herod. I. 181) zwei Denk
male vorfommen, von denen er das erftere, bei ihm dad Heiligthum
ned Gottes Belus (Arc Bujkov ipöv xalxonviov), das er
ſelbſt noch ſah, genannt, nicht in dem einen Quartiere ver Stabt,
in deſſen Mitte er die Königeburg (Ta AaoıAnia) mit ihrer gro⸗
hen Ummauerung ſetzt, ſondern in ver Mitte des andern Quartieres
gelegen angibt, dann aber noch ein zweites Denkmal, in der Mitte
jenes erſten Heiligthums fich erhebend, bloß als Thurm (ndeyos
vreoroöc) bezeichnet, fo iſt die Frage, welches von beiden Denkmalen
xefört war und von Alexander wieder hergeſtellt werden ſollte.
Dwwol das erſte der Denkmale mit dem Namen eines Heiligthums
ws. Bent belegt wird, ‚aber nad) Herodots Angabe 2 Stadien zu
aer Geite, alfo 8 Stadien Umfang hatte, ver T hurm aber, bil He⸗
rodot, Durch und durch von Stein gebaut, nur ein Stadium tm
2
Bm
36 Weſt-Afen. M. Abtheilung. I, Abſchnitt. $. 29.
Quadrat auf jeder Seite enthielt, fo iſt hier wol wiefe Zahl ent⸗
ſcheidend, wie Letronne*2) bemerkt, in vem „Xapho#" des Strabo
den „Pyrgos" des Herodot wieder zu erkennen, ber mach ihm
in 8 Thürmen über einander aufgebaut war, mit ver Wenbeltreppe
und dem Tempel des Sonnengoites ober Zeus auf dem oberſten
Stock. Es iſt zugleich wol gewiß, daß bie fpätern Nusfagen A
rlans und Strabo’8 von ber „Zerfldrung” dieſes Denkmals dureh
erxes nicht wörtlich zu verfichen find, ba ja Herodot, wie er aus-
vrüdtich fagt, es noch gefehen hat und beſchrieb, und ſelbſt Plinius
vier Jahrhunderte nady Alexander verfihert, daß der Belustempel
dort noch vorhanden ſei (durat adhuc ibi Jovis Beli templum,
H. N. VL 30). Es kann alfo nur eine thellweiſe Beſchaͤdigung
veffelben zu verflehen fein, fo daß Alexander wol an eine Reftaus
ration denken konnte. Die Wiederentdeckung dieſes noch Heute in
feinen gewaltigen Trümmern ſich erhebenben Denkmals, das zuerft
von Niebupr, obwol an Ort und Stelle noch unbemußt, welchen
Bund er gethan hatte (1756), ©) aufgefunden, dann fpäter von
Beauch amp (1781) Kinneir, Ker Porter, EL-Rih und an⸗
dern gemauer beſchrieben warb, beweiſt es vollends, wie die Aude
drũdce jener Autoren zu verfichen find, worunter auch bad „eben«
bafelbf” (abros des Strabo) gehßrt, was nur im Allgemeinen
von der Stabt zu verſtehen fein kann und ſich auf das Cuphrat⸗
ufer bezieht, nicht aber von ber beſondern Stelle, wo bie Königd«
gärten lagen, auf bie es ſich zunaͤchſt beziehen ließe. Denn bie
Ruinen dieſes Belusthurms, Bird Nimrod ber heutigen dort
Angefeifenen, liegen mehr als zwei gute Stunben #) fern von ben
Sentigen Trümmern der Stabt Babylon an ver Oftfeite, wo auch
die Gärten lagen, alfo wirklich meit ab und noch dazu auf bem
Weſt ufer des Euphrat, in SB. der Stadt Hille, da jene
Ruinen im N.O. von Hille ſich ausbreiten.
Nicht 6108 anf. nie Herftellung der Gebaͤude in Babylon war
Aleranderd Aufmerkſamkeit gerichtet, und auf ben zu erneuernden
Ruhm biefe® alten Königöfiges durch feine Gegenwart; fein BId ging
auch von da gegen den Rorben zum Caspiſchen Meere Hin, wohl
er den Heraklides, des Argäus Sohn, zum dlottenbau und zu
Entdeclungefahrten in ven Rändern der Skythen bis zu ben pon⸗
*?) Letronne Not. in Traduct. de Strabon, Paris 1819. T. V.
p. 165. Riebuhr, Reifebeihe. Th. II. ©. 289. **) Kor
WW in ancient Babylohia eto. Lond. 4. 1822. Vol.
. p. 305.
Bvv
'
Euphratfgfbem ; buftorifcher Rücblik; Alexander M. 37
iſchen Sfotgen und zu den Mündungen des Iſtros ausgeſendet
fatte (Arr. Eixped. VII. 16). Zu gleicher Zeit war er beſchaͤftigt, fich
dee Blotte auf dem Euphrat zu ſchaffen, um mit ihr fich auch vie
‚ Iraber zu umterwerfen. Diefe, bie einzigen ver Völker, fagte man
(Arien. VIL 20, Strabo XVI. 741), vie ihm feine Geſandte zu⸗
gzeſchickt, noch irgend eine Ehre angetban, hätten deshalb feine Er⸗
erungegier entflammt; er habe erfahren, daß fie nur zwei Götter,
den Uranos, als Gebieter der Geſtirne fammt dem Himmel, und ven
Donyſos wegen feined Zuges nad) Indien, verehrten, feine eigenen
MWeten aber für nicht geringer als dene gehalten, um würdig als
| ihte dritte Gottheit verehrt zu werden. Wie er ven Indern Ge
: fie gegeben und bie Lebensweiſe vorgefchrieben, fo habe er es auch
| wit den Arabern im Sinne gehabt. Auch Habe ihn ihr Reichthum
wlodt, da ihr Land die Caſſia (Erdk. V. 823), die Myrrhe,
em Weihrauch, ven Kinnamom (Erdk. VI. 125), die Narde
| und viele andre koſtbare Waaren liefere, ein Rand das nicht Fleiner
ds Indien, voll Häfen, Schifferflationen, voll wohlhabender Stäpte
und reich an Bevölferung fei.
Ariſtobulos erzählte, daß zu der Flotte des Nearch, die fich
ia Babylon eingeflellt Hatte, noch eine andere gefloßen war, bie
and 2 Fünfruderen, 3 Vierruderen, 12 Zrieren und gegen 30
Jechten beſtand. Alesanver hatte fle auf ven Schifföwerften von
CTypern uns Phönicien baum und theilweiſe wieder zerlegen
leiten, um fie bequem zu Lande nach Ihapfafus zu transportiren
(mie Died neuerlich mit den Dampffchifien von Alexandrette nach
Bir wienerholt warb), und von da zufammengejeßt den Euphrat '
abwãrta uach Babylon ſchwimmen zu laſſen. Uber damit nicht zus
ſfrieden, Hatte er am untern Euphrat jelbft, in Babylonien, wo das
Zimmerbol; jo felten war, aus den Eypreffen der Gärten und
| ver Beiligen Haine, die das einzig taugliche Holz dort barbieten,
ane Flotte erbauen, auch viele andre Geräthfchaften zur Schiffahrt
fertigen lafien, viele Matrojen und Handwerker für dad Seeweien
engeworben, Fiſcher der Purpurfchnede von den Küften Phöniciens
sus anderwärtö herbeigezogen (Arr. Exp. VII 19; Strabo XVI.
741). Er fchidte den Mikealos von Klazomenae mit 500 Talen-
ws nach Syrien und Mhönicien, um immer noch mehr Seeleute nach
ver Stadt Babylon überzuficveln, ver er zu gleichen Reichthümern
; Aush Den Weltverkehr glaubte verhelfen zu können, vie jenen Län⸗
1 dem feit fo langer Zeit ſchon zu Theil geworben waren. Ja er
" Dei bei Babylon ſelbſt ein großes Hafenbeden audgraben, in
4
k
38 WeftsAfien, III. Abtheilung. I: Abfchnitt. $.29-
dem 1000 große Schiffe vor Anker Liegen konnten, und führte auch
ſchon die Hafengebäude umher auf. ö
Auch Vorläufer eines großen Unternehmens gegen ven Oſten
Hatte ex ſchon auögefandt, welche iym vom Euphrat auß, ven man
als ven Brenzftrom Arabiens anjah, Bahn machen follten bei fel⸗
ner Befignahme Arabiend. Nur unbeſtimmte, dunkle Vorftelungen,
wie ſich aus den Geſchichtſchreibern Altxanders ergibt, beſaßen die
Macebonier jener Zeit von der Lage Arablens; gewiß hatten
fon -Tängft Phönteier und Mraber, fit der Ophirfahrt zu David
. und Salomos und felt Darlus Zeiten durch Scylax von Karyanda
(Herod. IV. 44), biefe Halbinfel umſchifft, aber ven Griechen war
dles weniger bekannt geworben. Doch erzählt ver DVerfafler der
Historia Indica c. 43, daß offenbar wort das Land meerumfloffen '
fe, daß Mancher es auch verfucht habe, aus dem arabifchen Golf
bei Aegypten, dem Aufgang der Sonne entgegen, Arabien zu ums»
ſchiffen, zumal nach Cambyſes Ueberfal in Aegypten, um von da
nad) Perfien und zumal nach Sufa zurüdzufehren, aber fie hätten
keinmal ihr Biel erreicht. Nur fo Iange das mitgenommene Waſſer
auf ihren Schiffen -gereicht, feten fie vorwärts gefommen, dann aber
Immer wieber umgekehrt. So unmwahrfcheinlich dies auch fein mag,
fo ging diefe falfche Anficht der gänzlichen Unwirthbarkeit bed penin-
fularen Arabiens, bei diefem Berichterftatter wenigſtens, davon aus,
daß ſchon die nörbliche Landenge dieſer Halbinſel eine wafferlofe,
heiße Sandwüſte fel. Diefe habe von ven Plüchtlingen ver Perſer
aus Aegypten zu Eambyfes Zeit (wol die Perfer, welche zur Seit
der Rebellion in Aegypten gegen Darius, ſ. Herod. VIL 1, fid aus
dem Staube machten), ober von den Leuten des Ptolemäus Lagi
(ver ven aus Babylon durch Antigonus verjagten Seleucus mit
einem fleinen Xruppencorps zur Wievereinnahme der Stabt aus
Aegypten zum Euphrat zurüdfandte, ſ. Diodor Sic. XIX. 55 und
98), die an den Euphrat gefchieft waren, nur auf Kameelen burch-
zitten werben konnen, wozu bei der größten Schnelligkeit dach acht
Tage zu verwenden wären; daß ferner bie übergroße Hitze dazu zwinge,
dem mittäglicen Sonnenſtrahle auszumeichen, und bie Nachtzeit zu
Hülfe zu nehmen, Wie viel mehr, war nun ber falfche Schluß des
- Autors, müffe alfo die unausſtehbare Sonnenglut und Dürr gegen
den noch heißern Süben bei einer Umfchiffung der Halbinfel zue
nehmen. \
In ben demnäcdft mißlungenen Verſuchen ver Schiffer, melde
Alexander von Babylon ausfchitte, meinte ver Verichterflatter nur
HE _ _ _
Euphratſyſtem; biftorifcher Ruͤckblick; Alexander M. 39
) eine Befkätigung feiner Anſicht zu finden (Histor, Jadic. c. 43. 7).
' Yen, fagt er, diefe folten das er ythraͤiſche Meer, d. I. das
perſiſch⸗arabiſche, Arabien rechter Hand behaltenn, fo weit als mög⸗
ih beichiffen, und daſelbſt die Länder in Augenfchein nehmen. Sie
fanden auch einige Infeln und landeten an einigen Stellen Arabi«
ob, aber das Vorgebirge, das Nearch bei ver Beichiffung Karama-
niend ihm gegenüber liegen ſah, nämlich Maceta, von mo ber
Amamom und andere Gewürze nach Aſſyrien gebracht wurben
(Arr. Hist. Ind. c. 32.7, e8 iſt das Cap Muffenpom, am Ein-
gauge des Perfergolfß), Eonnten fie nicht umſchiffen, noch ihre Fahrt
ju deilen anderer Seite (dem Welten) lenken. Drei verſchiedne See⸗
capiteine hatte Alexander mit Jachtichiffen zur Erforſchung des
Perſergolfs audgefandt, von denen bereit! Archind feinen Bericht
über zwei von ihm aufgefundne Infeln abgegeben hatte. Diefe foll-
tn beine vor der Mündung des Cuphrat Hegen, vie eine nur 120
Studien (3 geogr. Meilen) vom Ufer entfernt; dieſe fei Elein, dicht
bewaldet, mit einem Heiligthum ber Artemis, von den Infulanern
bewohnt, welche Heerden wilder Hirjche und Ziegen ungeftört umher
weiden ließen, weil file, ver Gottin geweiht, nur ihr als Opfertbiere
vienen dürften. Dieje Infel, wahrjcheinlidy vie heutige Infel %e-
Iupje, berichtete Ariſtobulos, babe Aleranver mit dem Namen
Ikaros zu belegen befohlen (Arrian. Exped. Al. VII 20). Die
zweite Inſel Tylu s (TvAog bei Arr., Töooc bei Strabo), viel fer=
ner gelegen, war mit dem Jachtſchiff bei günftigem Winde erſt nach
einer Tag⸗ und Nachtfahrt zu erreichen geweſen; fle war groß, aber
weder klippig noch bewaldet, fondern fehr zur Erzeugung von Brüch-
im geeignet. Dies kann wol feine andre als vie größere Infel
Bahrain gemeien fein. Weiter war Archias nicht geihifft.
Sann war Androſthenes von Thaſos mit einer andern Jacht
ausgelaufen, eine große Strecke an der arabifchen Küfle bin, von
ver aber Arrian, nach feinem Gewährsmanne Ariſtobulos, nichts
weiter mittheilt. Strabo aber, der aus Eratoſthenes (Strabo XVI.
766) ſeine Nachrichten nimmt, nennt den Archias zwar nicht, läßt
aber den Androſthenes, einen frühen Gefährten auf Nearchs
Flotte, zu einer beſondern Fahrt ausſchiffen und behaupten, mit
dieſen, ver Perjergolf fei nicht viel geringer an Umfang ald der
VPentus Eurinus; er führt auf jener Ikaros⸗Inſel auch einen
Apellotempẽl und ein Orakel der Tauropolos (v. 1. der Artemis)
an. Gr bemerkt ferner, daß 2400 Stadien (60 geogr. Meilen) wei-
ter im einem tiefen Meerbuſen die Stadt Gerrha, von chaldäi—
\
40 Weft ⸗Afien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.29.
ſchen Flüchtlingen aus Babylon bewohnt, liege, die meiſt zu
Lande mit arabiſchen Waaren und Gewürzen einen Handel
trieben; es war unſtreitig im Innern des Landes quer durch die
Salbinfel ein Karawanenverlehr. Do ſollten fie, wie Ariſtobulss
erzählte, nad) Babylon das meifte auf Holzflögen gebracht Haben,
von wo die Waaren den Euphrat aufwärts bis Thapſacus gingen
und fo ſich weiter verbreiteten. In biefem Meerbufen iſt der heutige
Golf von EI Hadjar und der dortige Marti von EI Katif als
das Emporium jener Gerrhaͤer nicht zu verkennen. Diefe Nachricht
allen mußte fchon ſehr günflige Stimmung bei Alexander
Ausführung feiner großen Pläne herbeiführen. Dem weiter “
fenden zeigten fich flatt jener einen, Tylod genannten, Infel nach
Strabo's Berichte deren zwei, Tyros und Aradus genannt,
wit Tempeln, vie denen der Phoͤnicier ähnlich fein follten; es be⸗
haupteten ihre Bewohner, was auch fchon Herodot nach Ihren eige⸗
nen und nach Perſer Ausfagen gewußt (Herod. I. 1. VIE 89,
vergl. allgem. Erdk. V, 440 ff.), wad aber die neuere Zeit vielfältig
wieberftreitet, daß die gleichnamigen Städte ver Phönicer von Ihnen
Abkommlinge fein, vie fich exft im Welten angeflevelt Hätten. Diele
Inſeln lagen, nach Strabo's Angabe, 10 Tagefahrten von Teredon
fern von einem DVorgebirge der Macae (mol ein mehr weftlicheres
als oben genannted Maceta, bis wohin daſſelbe Volt im Oſten ber
Gerrhaͤer fich ausgebreitet Haben mochte) an ver Berengung des Golfs
aber nur eine Tagreife ab. Daß dieſe zweite Entdeckung die heuti⸗
gen Bahrain-Injeln mit den Perlfiſchereien bezeichnet, beftätigt
fid) aus Pliniuß, ver ven genauern Angaben des Königs Juba folgt (ex
adverso Tylos insula, plurimis margaritis celeberrima Plin. H. N.
VL 32).
Die dritte Entdeckungsfahrt In diefer Richtung war die des
Gliciers Hieron aus Soli, eined Steuermanned, der von allen
am weiteſten fam (Arr. Exp. Al. VII. 20). Er Hatte ven Auftrag
erhalten, die ganze Halbinfel Arabien zu umfchiffen, und eine Ein⸗
fahrt nordwarts in den aegyptiſch⸗ arabifchen Golf bis Geroopolis
zu erforichen, alfo fo weit als möglich zu dem aegyptifchen Alexandria
vorgubringen. In dieſem Auftrage allein ſchon entfaltet fih auf
das Beſtimmteſte ver große Plan #5) Alexanders, Indiens Verkehr
mit dem von Babylon und Alerandria in Verbindung zu bringen.
**) Vincent Commerce and navigation of the ancients, etc. Lond.
4. 1807. Vol. I. p. 522.
Eupbratfoften; Hifkorifcher Ruͤckblick; Aerander M. 41
Dinsel ſchon ziemlich, weit fortgeſchifft, Heißt es, habe Hie ron doch nicht
weiter zu gehen gewagt; vr brachte dem Alexander noch die Mache
zuräd, daß bie arabifche Halbinſel nicht viel geringer an Um⸗
fet als die indiſche. Er ſel bis zu einem gewaltigen Borges
— — das fich fehe weit in den Ocean hinausſtreckt;
einung des Arrian nach baffelbe, dad auch Nearch bei ver
in ven Perfergolf gefehen und von deſſen Umſchiffung ex
Habe (obiges Borgebirge Maceta); ſehr wahrſcheinlich aber
welter fünlich gelegenes (Ras el Had etwa), denn ſenes
ja keine neue Entdeckung gewefen fein, und Gieron feine
g von dem erflaunlichen Umfange der Halbinfel Arabiens
zo dc ve rqᷓ zeßoorjoov Javuaozdr etc. Arr.1.c. VIL
20. 15) dadurch Haben erhalten Fünnen: deshalb er eben wieder zu
feinem Gebieten zurückkehrte, der nun doppelter Anftrengungen zur
Audfuhrung feiner Pläne bedurfte.
Diefe fanden auch ſtatt. Wahrend ver Hafenbau von Babylon
eifrig betrieben ward, das Baſſin ausgegraben und eine Menge von
Xriremmen zur Bergrößerung ber arabifchen Flotte gezimmert wurben,
ging Alexander ſelbſt mit einigen Schiffen von Babylon ven Cu⸗
vhrat hinab, um die großen Deicharbeiten am Pallacopas, oder
vielleicht richtiger Ballacottas (Ilaltaxödrsas in Appiani (Alex.
Rom. hist. de bell. civil. Lib. II. in fin. p. 853. ed. H. Steph.
Amstel. 1670), obwol nur ausdrũcklich Appian allein dieſe Schreibe
ext aufbewahrt, da xorzag dem noch heute dort gebräuchlichen
Kuta, d. i. Durchſchnitt 40) oder Graben, entfpricht, zu befichtigen.
Dieſes Wafler, fagt Arrtan (Exp. Al. VII. 21), ſei fein aus
Queſlen entſtandener Fluß, fondern ein Canal aus dem Euphrat,
800 Stadien (20 geogr. Meilen) abwärts von Babylon gegen bie
erabtiche oder vie Weſtſeite gegraben, ver bis zu einem See von
Aerander beichifft ward. Der Euphrat fließe nämlich von den ar⸗
menifchen Bergen abwärts, in den Wintermonaten zwar mit wenig
Waſſer, mit dem angehenven Brühlinge, noch mehr aber gegen baß
Gommerfolftiz werde er jedoch durch die Schneewafler im Gebirg
ſche groß und überſchwemme vie aſſyriſchen Fluren, ja er würde
ft das ganze Sand überfluthen, wenn man feinen Ueberfluß ‚nicht
wur den Ballacopas in Seen und Sünipfe ableitete (el un ric
dsectousioas auröv xasa zöv Ilailaxonav i; za m 78
un
* v. Hammer Purgſtall aſiat. Türk. Rec. B. XIII. 1821. ©. 223.
"As9T. |
Falten
in
42° WeflsAfien, III Abtheilung. I. Abſchnitt. $.29.
tærotveis xal zäg Muvas. Arr. 1. c.) Diefe beginnen mit. dem
Bette des Canales, ftreifen an Arabiens Grenze Hin, breiten fich in
ſtehende Lagunen auß und reichen auf vielerlei mehr verborgnen We⸗
gen 518 zum Meere. Wenn nun die Schneemaſſen im Gebirge
weggeſchmolzen find, und die Waſſer des Cuphrat wie dies mit dem
Untergange ber Plejaden, d. 1. gegen ben. November der Hall if,
Heiner werben, fo würbe doch ein ſtarker Ablauf durch den Pallacopas
in die Seen fortvauern. Ja der Strom würde ſich am Enbe ganz.
in dieſelben außleeren und keinen aſſyriſchen Ader mehr bewaͤſſern,
wenn nicht Jemand für die Schliefung deſſelben Canales forgte.
Damit war.nun immer der Satrap von Babylon befchäftigt, und
wiewol dad Oeffnen megen des ſchlammigen, Iofen, ausweichenden
Bodens leicht mar, fo machte das Schließen deſſelben deſto mehr
Mühe und 10009 Menfchen waren drei, ganze Monate ſchon mit
ſolcher Arbeit beſchaͤftigt Als Alexander bies erfuhr, trieb es ihn
an, zum Vortheil des Aſſyrer etwas ins Werk zu richten, und des-
halb wol unternahm er jene Ganalfahrt, irgend eine Abhülfe für
das Uebel zu finden. ls er 30 Stadien, oder noch feine Meile
unterhalb der Ganalmündung vorgebrungen war, fand er einen fels
figen Uferrand, der allen Erwartungen entſprach. Gr befahl, Hier
einen Canal durdzufprengen, und ihn in dad alte Bette“
des Ballaropas zu leiten, deſſen frühere Mündung nun für im«
mer zugevämmt bleiben follte. So hoffte er, würde yun künftig
das Ablaſſen des Euphrat im Frühjahr, wie das Sperren beifelben
im Herbſte ein Leichtes fein“ Dann fchiffte er auf dem Pallacopas
welter bis zu den Seen ber arabifchen Seite, und da ihm bie dortige
Landſchaft wegen ihrer Schönheit gefiel und die. Gelegenheit bedeu⸗
tend erſchien, ließ er daſelbſt eine Stadt anlegen, eine Alerandria,
welche zugleich ven Eingang nad) Arabien hin Öffnete, und Baby«
lonien vor Ueberfällen der Beduinen fchügen konnte, da die Seen
und die Moräfte over Lagunen ſüdwärts bis zum Meere das
Uferland des Stromes deckten.
In neuerer Zeit Hat ſchon D’Anville in ver Wieverauffindung
diefer intereffanten Localitäten, die auf der Südweſtſeite des babylo⸗
niſchen Cuphrats zu fuchen waren, feinen Scharfjinn gezeigt. #7)
Zwei größere und Fleinere dem Gauptbette des Cuphrats auf feinem
rechten Ufer dfter nebeneinander parallel laufende Wafferbeiten, bie
*') D’Anrille l’Euphrate et le Tigre. Paris 4. 1779. p- 125. _
HE __
Euphratſyftem; biftorifcher Ruͤckblick; Alerander M. 43
ſchon oberhalb Hille vom Euphrat ausgehen und weit unterhalb in
ver Nähe von Rumahie, Diwaniyeh und Sema wat auch In
Eeitenzweigen wieber in ven Euphrat zurüdfehren, und wenigftens
Kr Ratur jenes Pallacopad mifprechen, nämlich eines neben dem
Sauptfirome herlaufenden Waſſerbetted, hielt ex wol mit Hecht, was
anch Mannert*) dagegen fcheinbar einwenven mag, für die, freilich
wel mannigfadh veränderten MUeberrefte jenes Pallacopas.
Bei Meſhed Hoffeln und Mefhen Ali, in ver Nähe des alten
Kufa, bildeten fie in frübern Jahrhunderten noch Immer große Ver⸗
fumpfungen und befruchteten an ver Grenze arabiſcher Beduinen die
vortige Landſchaft. D'Anville zeigte, daß in ver Nähe jenes zur
Nuhamedaner Zeit fo berühmt gewordnen Kufa früherhin, zur Zeit
ver Bartherherrfchaft, fich dort eine ihrer Diynnaftien, die Mondar,
nahe jenen Seen ihre Reſidenz Hira (daher Hira Mundarorum
regia) erbaut hatte, durch welche ver Name der dortigen Stabt
- Mlesandria erft verbrängt worden war. Und hiemit flimmen auch,
wie wir weiter unten zeigen werden, Maſudi, Eprifi und Abul-
feda überein. Wirklich war unter Uleranderd Augen pie Stabt
aufgeführt, mit Stadtmauern befefligt, und eine Colonie griechifcher
Soͤldner dort angeflevelt, theils Veteranen theild Freiwillige.
Strabo rühmt dieſelbe Sorgfalt für die Reinigung der Ca⸗
näle überhaupt, welche Alexander durch eine fehr. große Menge
von Menfchen beforgen ließ, fo wie die Arbeit am Pallacopad, ven
er jedoch nicht mit Namen nennt, obwol er ihn ganz übereinſtim⸗
mern mit Arrian befchreibt, fo daß kein Zweifel über ven wahren
Behand dieſer merkwürdigen, einft fo jhiffbaren, mit veni Euphrat⸗
bette parallelen Ganalführung der älteften Zeit flatt finden Tann,
deſſen Berfumpfungen unterhalb Babylons Ruinen auch‘ heute
noch, wenn auch im geringern Maaße als früher, flatt finden. 49)
Der See von Rumahie over Rumiya mar vor dem Jahr 1600
noch vorhanden, obwol er feitvem als ausgetrocknet erfcheint, und
als Niebuhr jene Gegend in Welten des Euphrat von Basra aufs
wärts bis Hille zu den Ruinen von Babylon bereifete (im Jahr
1765), beobachtete er felbft an vielen ver fünlichern Stellen das Bett
von einem jet trocknen Fluſſe, ober vielmehr eines gegrabenen
Canals, Dfjärri Zaade, over Haffar Zaadeso0) bei ven Aras
bern genannt, ver ſchon bei Hit, 6 Tagreifen im Norden von Hille,
4) Mannert ©. d. Er. u. 2. ©. 347. **) J. Rennell
| Iisstrat. p. 76. “ C. —* ieh. u. ©. 223. |
— —
44 WeftsAfien. II. Abtheilung. 1. Abfchnitt. $.29.
som Cuphrat ausgehen follte, aber an Kerbela, 5 Stunden im
Weſten vom Cuphrat, vorüber, und 10 Stunden weiter ſüdwärts
auch wirklich an Kufa und Mefhed AH N), pas nur gutt zwei
Stunden davon entfernt liegt, vorüber zog. Obwol Fein Waller
mehr zu ihm einbrang und bad Land umbes wüßte Ing, fe zeigte
ſich am ihm doch Überall Fruchtboden, der einft bebauet. war, und
die dort wohnenden Araber nannten dieſe Gegend noch Immer EI
Buheire, d. L die Seen, ober Bahhr Nepfjef, ven See
Nedſief, und behaupteten, dies ſeien die Seen Buheiret Same
gewefen, welche zur Zeit von Muhameds Geburt, d. 1. vor. alten
Seiten, ausgetrocknet fein follten. Bon ba zieht dieſelbe Canalver⸗
tiefung viel weiter gegen den Güben an Korneh vorüber, fogar
bi in Die Nähe des heutigen Basra, und von da noch 6 Stun-
den weiter abwärts felbft Bid zum Ehor Abdilla, ber alten Cu⸗
phratmündumg von Teredon. Einen dflligen Parallelzweig von
ihm verfolgte Nebuhr yon Kufa aus 5 geogr. Meilen weiter
gegen ben Süven fort zum Dorf Rumahle, mit vielen zur Gelte
liegenden, ehemals bewaͤſſernden Ganälen, bie aber jegt troden la⸗
gen, vom fruchtbarften, aber unbebauten Boden umgehen. Doch
beſtand nach deſſelben Beobachtung noch ein großer Eanal bei
Numahie, 52) der fein Waſſer etwa 3 Stunden vom Orte aus dem
Cuphrat erhielt und wol dem von Alexander zum Ballacopas
geführten Durchſchnitte entiprechen möchte; feine Waſſer kehren
erft über 10 geogr. Meilen meiter abwärts, unterhalb Lamlun,
das durch feine weiten Berfumpfungen noch heute befannt ift, deſſen
Uferfeiten bei den Arabern wegen vieler Canäle und Durchſchnitte
nur Dfjefire, d. i das Infelland, 5%) genannt werden, bei
Semane (Semamat) zum Euphrat zurüd. Diefer Seitenzweig
lag zwar ganz trocken, als Nlebuhr ihn im December, aljo bei
niederm Wafferftande des Euphrat, paffiste; aber bei hohem füllte er
ich mit Wafler, und vor nicht zu Ianger Zeit war er fogar noch
ſchiffbar geweſen, wie ver Pallacopas mit feinen Seen «8 zu Alex -
anders Zeit war. Der mehr weftlicher nad) der arabifchen Wüfte
zu gelegne große trodne Fluß des Dijärri Zaade zieht etwa
4 Stunden in Weſten ver heutigen Uferſtadt Basra an ben Rule
nm ber alten Basra oder Zobeir vorüber, mo er, einft mit
22) Ge € ieh De Beifebeir. 1.6. 261. **) Gbend. ©. 252.
Euphratſyſtem; hiſtoriſcher Rückblick; Alerander IR, 45
Valmenhainen an feinen Ufern befegt, Die Landſchaft befruchtete.
Gegenwärtig zieht er dagegen durch eine unbebaute Wüuͤſtenel ohne
Bafier, aber mit trocknem Bette hindurch, jo daß auch Alt Basra,
als es feine Waſſer, feine Fruchthaine, feine Dörfer verlor, von
Menſchen verlafien warb und das ganze Land, dem nun bie Ein-
wohner und bie Hande⸗Arbeit fehlten, über. die einft. bei flärkerer
Population Babyloniens noch ein Aleranver gebieten Eonnte, in
Eindde verfant und der Tummelplak der räuberifchen Beduinen wer
den .
Shon Niebuhr erkannte in dieſem Wechjel ver Dinge aus
ber Gegenwart bie frühern Zuflände und bie Natur des PBallacopas,
der nun, nicht mehr, wie früherhin, nebft ven Unternehmungen Alex
auvers {0 fabelhaft und phantaſtiſch ericheint. Wie volkreich mußte
ein Land fein und wie geregelt feine Verwaltung, Tagte ſchon Nies
buhr, im dem es möglich war, die gewöhnliche Menfchenkraft fo vie⸗
ler Taufende zu vereinen, um einen Ganallauf von mehr als 80
geogr. Meilen Wegs (von Babylon bis Terevon) durch einen Wü«
Reaftrich zu graben, der nicht nur zur Befruchtung des Landes, ſon⸗
bern auch zu deſſen Beichiffung dienen konnte. Schon vor Alex⸗
ander war dies gefchehen, als das Canalſyſtem von ibm nur vers
velllomnmet und zu noch andern Zwecken mehr ausgebildet werben
felte, venn er fand ja den Pallacopas over Pallacottas fchen.
vor. Es ſcheint und. baher ſehr unpaffenn, wenn Mannert, 5%)
Ust den Worten des Ptolemäus folgend, der ven Pallacopas gar
nicht einmal nennt, fondern den auf der arabifchen Seite dem Bus
Yorat parallelen Canallauf, ven Fluß Naapogens (nicht Manrfares
er Baarſares, weil er noch heute Nahr Sartjet beißt) fehr richtig
bezeichnet, deshalb ven Pallacopas zu einem blos Eleinen Quer⸗
derchſchnitte machen will), ganz verſchieden von jenem, ver blos beftimmt
geweien, von DR nach Welt, vie Wafler des Cuphrat abzapfenn,
wife im vie arabtichen Suͤmpfe zu leiten. Diefe befchränkte Anficht ver -
trägt ſich gar nicht mit Der Wichtigkeit, welche von allen Zeitge⸗
men dem großartigen Unternehmen Alexanders beigelegt wird.
Uns fcheint dad ganze Syſtem biefer Ganalführung unter dem Bes
griſſe des Pallacopas zu Alexanders Zelt zufammengefaßt zu wer⸗
vn, wovon Aleranderd Durchſchnitt nur ein Heiner Theil war.
de Rame wird aber fchon hei Strabo und Plinius nicht mehr
. geuanat, und fait deſſen führt: wol Btolemäus ven arabijchen
i
se) Naunert Geogr. d. Gr. u. R. V. 2. ©. 846.
x
48 WefisAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 29.
dieſes indeß auch früher mit dem Pallacopas bes Alexander ver Kal“
war, geht auch ſchon daraus hervor, daß die neue Alerandria an
ihm und ber Hafenbau zu Babylon nur mit Rüdflt' auf die
damals in vollem Gange beſtehende Schiffahrt auf dem Cuphrat
bis nach Teredon angelegt fein konnte, von wo jene Jachten zur Ente -
deckung der arabiſchen Küfte außgingen. Es möchte ſelbſt fehr wahr-
ſcheinlich fein, daß der auferorbentliche, fo große und ſchiffbare Pals
iacopas in frühefter Zeit ſelbſt nur ein vom Euphrat ſchon verlaffe
nes fühtweftlichftes Bette feines Stromlaufes geweſen wäre; ber ſtets
eine Tendenz zum Wandern von Weſt gegen Of gehabt Haben muß.
Wie bei andern wandernden Flußläufen, bei Nil, Ganges, Indus,
BSoangho, fo werben auch hier die früheren, zum Theil trocken geleg ·
ten, tobten Arme der Ströme, mit ihren durch Jahrhunderte ver
Görglofigkeit verfchlämmten ober verfandeten DVertiefungen, durch
Eanalverbindungen von Zeit zu Beit wieder in belebte Flußadern
durch die Nachhulfe der Menſchen umgewandelt fein,52) und als
folche erfcheint, wie der Dfjäret Bande Heutiger Zeit nach Niebuhrs
Anſchauung, 9) fo auch ver Pallaropas aus ältefter, frühefter Zeit,
als ver directeſte Stromlauf, der wol zu Nebuchadnezars Zeit, des
erſten Erbauers von Teredon, noch nach dieſem Hafen ging. Diefe
Mitung war es wol, welche zu Rearchs Zeit noch ſchiffbar
(Onesicritus. et Nearchus ab Indo amne ad sinum Persicum,
atque illinc Babylonem Euphratis paludibus etc. Plin. H. N.
VI. 28) fein mußte; denn fonft würbe er mit feiner Flotte, die
nad Babylon beftimmt war, nicht nach dem Hafen Teredon geſchifft
fein, von wo er auf Alexanders Geheiß, als diefer in Sufa angelangt
war, erft wieder umfehren und an ver Tigrismünbung zurück ſchif-
fen mußte, in die er ja ſogleich Hätte einfchiffen müſſen, wenn fie
damals, wie einige Neuere) behauptet Haben, ſchon dieſelbe einzige
Einfahrt, wie die heutige des Shat el Arab, geweſen wäre, um bie
rect mit einer Flotte nach Babylon feinen Weg zu nehmen. Könnte
man ſich denken, daß vie alten Könige des babyloniſchen Reiche,
affgriiche Könige bei Arrian genannt, deren Namen nicht näher ans
gegeben werben, denn von Nitrokris allein wiſſen wir, daß ihr
Grabmal in der Stadt Babylon ſelbſt errichtet war (Herod. I.
187), ihre meiſten Grabftätten urſprünglich in Sümpfen, und nicht
y. Rennell Illustrat. p. 76. 2 Rich x, Reife 1 1. EB.
zo *o) Mannert, Geogr. d. Gi. m. Th.
N
-
Erphretſoſtem; hiſteriſcher Käcbliet; Alerander IR, 49
vielmehr in fruchtbaren Ufergegenben, bie fpäter erſt verfumpft fein
werden, würben aufgebaut haben, wo Alexander fle, ven Pallacopas
entlang, mit feinem Schiffe bei der Rückfahrt zwiſchen Schilfwaͤl⸗
vera aufjuchte und wo bekanntlich ihm ver gewaltige Sturm zum
(dümmen Omen fein Königsdiadem eniriß (Arrian. Exped. Al.
VIL 22), worauf fein baldiger Tod erfolgte. Auch Strabo (XVI.
741) beflätigt es, daß die meiſten ‚Grabmale ver alten Könige
Babgloniens dort In ven Gümpfen gelegen waten und von Alex»
ander durchſucht wurden. In ven leten Jahren, wo Eolon. Tay⸗
lor und 3. Fraſer CU) dieſe Wilpniffe jener Berfumpfungen von
Lauilun zwilchen den Raubhorden der Monteſik Araber und ande⸗
zer beſuchten, fanden fle zwiſchen ven zahlloſen Trümmern antiker
Sqchutchũgel aud viele Scherben zumal von Sepulcralurnen
uab darunter viele von Glas und Schmelzwerk, welche wahrfchein«
B& Spuren jener antiken Königdmonumente bezeichneten, auf deren
Anböhen vie heutigen Sheiks und Sancti chre Grabſtaͤtten aufzu⸗
pflegen.
Das älteſte hiſtoriſche Datum über die früheften Zuſtãnde am
untern Eupbratlaufe ift uns glüdlicher Weife in einem Fragmente
ved babyloniſchen Schriftflellers Abydenus 62), eined Schülers des
Bersfus erhalten, woraus fich ergibt, wie frühzeitig bier, fchon
Inge vor der Macevonier Zeiten, Handel und Verkehr im Gange
waren, fo daß Aleranderd Einrichtungen dort nur ald Wieverbele-
bungen und Berjüngungen früherer Verbältniffe, auch in Beziehung
af Schiffahrt und Welthandel, angefehen werben müflen, denen
den viele Einrichtungen, vie uns freilich meift unbelannt blieben,
in veufelben Localitäten voraugegangen waren. Abydenus fagt:
Aebuchodonoſor, d. i. Nebuchadnezar (vor Eyrus Stiftung
Med Perſerreiches um das Jahr 600 vor Chr. ©.) führte einen Bau an
‚, Aa Mündung de Tigris auf, um befien Wafler einzubämmen; er
ı baute die Stadt Teredon, um den Lieberfällen ver Araber zu wehren,
‚unh ex exdffnete ven Naharmaldıa CApuaxaiyv, denn Armalchar
„hieß ex bei Aſſyriern, Plin. VI. 30, was Naher Malek ober Nahr
A Meet, Königsfiuß, bei Arabern 63) einen Ganal des Euphbrats
Aibrse uigas Eippdzen), welcher diefen Strom mit dem Tigris
*) W. Ainsworth Researches L. c. p. 177; I. Bailie Fraser Tra-
veis in Koordistan Mesopotamia etc. Lond. 8. 1834. VoL IE.
448. e e2) ſ. er Emend. temp. Fragm. p. 13, in
Vinetst Commerte and nav. Vol. I. p. 271. ts 44. °°) Abul-
fedes Tabul. geogr. de finviis b. Wüflenfelv .
Ritter Grhlune X, 8
30 Wefkften, III, Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 29.
„Äan Berbindung feste. “So ſehen wir alſo, weshalb ſchon Herodot
mit Recht von jenem Königöcanale in ältefter Zeit fprechen konnte
G. oben S. 8), ein Name den auch Polybius (Aaocdıxyr die-
ovxa; Polyb. Hist. Lib. X. c. 51), ven vie ganze folgende Zeit
his Beute beibehielt; wir fehen, wie frühzeitig Wafierbauten zur Firi⸗
tung der Tigriömänvung angelegt wurben, von denen auch heute
noch an der Mündung des Shat el Arab zu Abadan (Appha-
bana) 9%) fich Dammrefte finden ſollen, die jener ältern Anlage ent»
ſprechen mögen. Die Erbauung von VTeredon als Euphrat⸗
hafen, die bis zu Alexanders Zeit eine fo. bedeutende Hanbelsſtadt
blieb, zeigt in Verbindung mit allem vorigen, daß auch Neb uk⸗
havbnezar drei Jahrhunderie vor Albexander, ſchon dem Welt⸗
berkehr die Bahn durch ſeine Euphratſtaaten eröffnen wollte: Die
älteften Schiffer und Hanvelsleute, welche die indiſchen und arabi⸗
ſchen Waaren aus dem Oriente über ven Orcclvent verbreiteten, wa⸗
ren, da weder Aegypter noch Perfer noch Inver Weuſchiffer ge⸗
nannt werden konnten, nur allein die Araber (Idumäer) und
| ihre Stammeögenoffen die Phönicier, die am perflfchen Golf (nach
Herodot. 1.1. u. VU. 89) wie am Nilanitifchen, mo Petra, und
an dem von Heroopolis Aegypiens bi8 Tyrus, Sidon und
Aradus in Phönücien einheimiſch genannt werden ſeit dem höch⸗
ſten Alterthume. Auch den Babyloniern wurden in der Zeit der
perſiſchen Unterjochung noch ihre Gewürze und koſtbarſten Waaren
aus Arabien und Indien durch die Gerrhäer zugeführt, deren Maärkte
Nearch in Teredon nennt (f. oben ©. 27). Aber vor der Per⸗
fer Unterjochung durch Cyrus, als die Könige Babylons ihr eiges
its Stromland von Mefopotamien bis zum Perfergolf beherrichten, wer⸗
den die Babylonier, wenn fie auch Fein Schiffervolk waren: (denn zum Flot⸗
tenbau fehlte ihnen das Zimmerholz), doch wol ſchwerlich ihren Strom
ganz unbenußt gelaffen haben zum WBaarentrandport. Um fich vor dem
Einfluffe jener mächtigen arabifchen Handelsleute zu fichern, baute
nun Nebuchadnezar Terevon auf, und darin finden wir mit
Vincent 8) den Aufſchluß, warum er zu gleicher Zeit die große
Handelsſtadt Alt Tyrus im Weflen belagerte und zerflörte, und
auf dem Zuge gegen Aegypten auch Ipumäa bedrohte (Jeremias 49),
offenbar um den Handel, ver bis dahin, auf dem Meere auf ver
+) D’Anrille T’Euphrate a le ggıe p- 140; Vincent 1. e. II.
Not, 45; niebupt Reiſeb. M —8 Vincent Commoerce.
and nav. Vol. II. p. 271. |
Aa 3 — Pu — © Wr 1 a — — — — ———
Eupbratfuftem; biftorifcher Xuͤcblick; Alerander M. Si
muthirh acheim gehaltnen Wege um die arabiſche Haltinfel herum»
asfährt, Tyrus feine Reichthlimer und feinen Glanz verfchafft Hatte,
nun auf dem Flußbette des Eupbrat durch nie Mitte fei-
nes Reiches nah Babylon, und fo nah Thapſacus, und
euf dem Landıwege nach Thadmor (Palmyra) Damaseus, dab
er wie Tyrus unterjocdht hatte, nach dem Weſtmeere Vorberaflene
wu Syriens, oder dem mittelfänbifchen Meere, hinzulenken. Nach
der Eroberung des afſyriſch⸗babyloniſchen Reichs durch Cyrus ſan⸗
ken die Städte am Euphrat und Tigris, Babylon wie Niniveh
eur Opis von ihrer Höhe, weil die continentalen Perſer niemals
Schiffahrt und Welthandel trieben. Die Gerrhaͤer, durch eine Secte
Gelnäifcher Fluͤchtlinge (ſ. ob. S. 39) verftärkt und unter perfiſcher
Heheit ermuthigt und beſchũtzt, kehrten mit ihren koſtbaren Waaren
auf ven Markt von Teredon zurück, ver fly bis zur Zeit der ma⸗
ccaouiſchen Eroberung und auch nachher no bis ‚zum Zeitalter
Anguſtus erhalten: zu Gaben. fcheint, da ver Begänfligte dieſes Küt-
fers, nämlich der Dichter Dionyſtus Periegetes, ver ſelbſt an ver
Nündung des Tigris, in Charax Paflnu (Plin. H. N. VI. 39)
geboren war, dieſen Ort noch befungen Kat, als an der ſchaͤumigen
Nündung bed Euphrat zum Perſermeere gelegen (Dion. Perieg.
v. 982 extremisque vorticibus, sc. Buphrates, Teredonem prae-
wiebitu). —
Der Welthandel war alfo zu den Arabern zurlictgekehrt, und
Men Tyrus währen ver Perſerzelt aus feiner Aſche fo erſtanden,
‚ be es Alexanders acht monatlidhe Belagerung auszuhalten im
Gtanve war, che es zum zweitenmale unterging, und durch dab
urgyptifche Alexandria erfegt werben follte. Als Alexander,
ia Imwien felb von dem Zufammenhange ver Dinge wohl unter⸗
richtet, nun zum Cuphratlande zurückkehrte, fah er deſſen mercan«
Üe Wetfiellung wohl ein, und deshalb alle feine Einrichtungen am
Gupbrai und Tigris, wie feine Projerte gegen vie Araber, vie ohne
dab Gumpfficher das ihn in den Moräften an ven affyrifchen Könige«
gäsern und Im Pallacopas ergriff, und ohne feinen bald —
Ted wol in kurzer Zeit realifirt ſein würden. Der Gewinn, den
es vom Cuphratlande zugebadht hatte, ging verloren, aber ex hereicherte,
de nie Prolemder fortiekten, was ex begonnen hatte, das Nilland,
uns Alexandria im Nilvelta bluhte empor.
Jene Alexandria, an ven lieblichen Pallacopas » Sümpfen
wie Vie Alerandria an der Tigrismünbung, beide von ihm ges
gründet, konnten alfo zu Feiner großen Celebrität „gelangen ‚zu der
| 2
—
32 Weſt-Aßen. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. h. 29.
fle beſtimmt geweſen zu fein ſcheinen. Auch Tere don konnte nicht
zu ber fißer gleichzeitig beabſichtigten Aufnahme kommen·: bean
nach Aleranderd Tode war ber Kampf um bie Herrſchaft in Bor
deraflen viel zu groß und zu leidenſchafilich, als daß das Wohl ver
Völfer und das Aufblügen des Handels babe hätte gedeihen Kin
men. Erſt Bremblinge waren ed, welche auch hier, wie in Aegyp-
ken, in Bactrien und Indien, die vÄR dem ſchöpferifchen Genie eines
Meranders aufgefundnen Anfleolungspuncte für die Nachfolge zu
befruchten mußten.
; Xerebon, das unter ſolchen Umſtänden zu feinem Glanje ger
langen konnte, wenn es auch noch einige Jahrhunderte hindurch ein
GEmporlum ber Araber blieb, ſcheint bei der Vernachläffigung der
alten Gupfratmünkung fpäter gänzlich verlaſſen worden zu fein,
als nothwendige Folge der endlichen völligen Verſandung des alten
Cuphratmundes am Chor Abdil la; wogegen ihm zum Erſatz weir
ter. aufwärts am Strome ein neues Cmporium an der befahrneren,
gegen ben Often gewanberten Münbung, vem heutigen Baßra-Gtrome,
entſtand, nämlih Apologus. Diefe Gtabt nennt ver Periplus
des erythraiſchen Meeres zu feiner Zeit, etwa in ver Mitte des er⸗
fen, Griflichen Jahrhunderts, ein berühmtes Emporium cm
Euphrat, dem. Charax Paflnu, d. & die Alexandria am Tigris,
gegenüber gelegen (Asyönevor AnoAöyov, Arr. Peripl. mar-
‚Erythr., Oxon. Vol. L p. 20), wo Purpur und Zeuge gemacht 66)
wurden, wo Wein, Gold, Sclaven in Menge zu Kauf ſtanden. Und
alß auch dieſe, die unter ben Nachfolgern Alexanders und ven Par-
Ahern und Saſſanlden aufgeblüht fein mußte, obwol wir nichts nä=
heres von ihr erfahren, unter die Araberherrichaft Fam, dauerte fie
unter dem Namen Oboleh (wovon die ſtärker aspirirte Ausſprache
Obolegh die Veranlaffung zur Gräcifirung in Apologus gegeben
haben mochte) 67) noch Iange fort. Sie lag, wie aus ber Geſchichte
der arabiſchen Eroberungen unter Omar bei Abul Faradj 68) hervor⸗
geht, nahe ven Dörfern Arkan, an veren Stelle bald darauf Die
fee Sieger die Stadt Uli Basra (14 bis 2 deutſche Reim in
“) Vergl. Bochart Geogra, ıphis sacra, Lib. I. c. 6. ed. Villemandy
Luga. Bat. 1682, fol. 28. *") D’Anville sar TEophrate p. 185.
Vincent Commerc. and navig. Vol. Il. p. “)
Abul Pharaji Hist. dynastiaram etc. ed. Ed Pr Pococke. Oxon.
4. 1683. p 112; Abulfedae Annales Moslemici ed. J. Reiske.
Lips. 4, 1754. p. 67.
J
Euphratſbſtem; hiftoriſcher Nuͤcblick; Merander M. 83
S.Wdes heutigen Vasra) 9) gründete. Dieſe Stadt, bie der fyri⸗
ſche Autor Obolla ſchreibt, wurde von Omar (im I. 635 n. Chr.
@.) erobert. Obwol nun ein drittes Emporium im Mundungslande
des Guphrat, nämlich Basra, ald Erſatz des alten Terevon auf⸗
blũhte: fo blieb die zweite Stadt el Obolla, wie fie Maſudi In
der Mitte des 10. Jahrhunderts in feinen goldnen Wieſen 70) nennt,
nicht ohne Bedeutung. Er nennt vom Uferlande des Perfergolfs
lanvein, ven Guphrat aufwärts, Abbadan, Gezarah, el Obol-
lah und el Basra, und bemerkt, daß nicht bei Obollah bie
Schiffer na Basra einlaufen. Deshalb feien auf der Seite von
d Obollah und Abbadan Holzmarken, mol Pfahlreihen, errichtet,
die wie drei Sige In der Mitte der Waſſer ausfahen, auf benen
man des Nachts Feuer anzünde, um den Schiffern, pie von Oman
ud Siraf kamen ( Erdt᷑. VII, ©. 774), Zeichen zu geben, pamit fie nicht
gegen Hezarah (oder el Herarah bei Maſudi, Harharat bei Edrifi nach
Jaubert, oder Giorgari Ed.) anführen, weit fie fon unfehlbar
ſcheitern umd verunglüden würben. j
Coriſi im 12. Jahrhunvert gibt die Lage diefer Leughtihürme
Ki Ob eolla noch genauer an,?!) das zu feiner Zeit eine zwar Fleine,
aber mit ſchoͤnen Gebäuden geſchmückte Stadt, von Gärten umge⸗
ben, im jeder Hinficht blühend und ſtark bevölkert war, und mit
finen Öftfichen Quartiere am Weſtufer des Stromes (nämlich ber
Cuphratarm, obwol ihn Edrift Hier Divfel nennt), mit dem andern
«er am ber Nordfeite eined Canales erbaut war, der Nahr
ODbollæ genannt, welcher 6 Stunden weit (12 Mill) bis Balra
(namlich Alt Basra) reichte. Durch zahlreiche Canäle war aber
damals wie ganze Strecke des Landes dahin in ein großes Luſt⸗
revier vol Bärten, Palmhainen und Tieblichen Wohnungen verwan-
vet. Diefes warb deshalb von den Geographen ber fpätern Zeit,
wie von Abulfeda 72), zu den vier fchönen Paraviefen ver Modle-
men gezählt. Alt Babra war nach Eprifi ) 2 Tagreifen, 18 Stun-
ven Wegs (36 MIN.), von Abadan entfernt, einem damals Fleinem,
aber fehlen Orte, am Meeresufer erbaut, wo bie Waſſer des großen
°°) Miebuhr Reifeb. TH. II. ©. 222. °) Fl. Masudi’s Historical
eg ng —* of gold and mines of gems, from the
ab. transl. by Al. Sprenger. Lond. 1841. 8. Vol. I. p. 259.
71) Kärisi Geogr. bei Jaubert. I. p. 364. 73). Häzisi L. c.
: p. 370. Vol 1. p. 868, 369. °) Abulfedae Tabulae geo-
iese ed. F. Wüstenfeld, Gotting. 8. 1885: e eapite de
Suviis p. 70. etc.
2
54 Wefl:Afien. IE. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.29,
Stromlaufs fich zu einer tiefen Ankerſtelle und zum Marktorte ver
einten. Es Iag auf dem Weſtufer des Stromes, ber hier in unge
meiner Breite fich ausbehnte. Aber auf dem doch noch anderthalb
Stunden (6 MIN.) fich gegen das Meer ziehenven flachen Vorlaude
Hatte man unmittelbar am Eintritt des Stromes in ven Perſergolf
noch einen andern Ort auf eingefchlagene ‘Pfähle erbaut, mit Hätten
für die Küftenwächter, welche dort ihre Boote zur Beichiffung ver
Küften fichen hatten: denn dort breitete fih nun gegen Süb zur
Rechten das Gebiet ber Araber, zur Linken das ver Perſer auß.
Aus Abulfeda's genauer Angabe 7%) ergibt fi, daß bie
Stelle, wo der Euphratarm (der vierte, bei Abulfeda Maqel ge
nannt), der von ber Weſt⸗ und Norbjelte Alt Basra’s kommend, in
dem Winkel nes Obolla⸗Canals eintraf, ven Namen el Mina, d. h.
der Hafen, führte, dab aber von bemfelben Euphratarme noch
ein anbrer, ver fünfte der damaligen Eupbratarme, 4 Parajangen
(d. 1. 3 geogr. Meilen) weiter abwärts fich fpaltete, ver am Tigris
vorüberzog, direct auf Basra ging, und eben auch in Canäle ver»
theilt jenen Parapiedgarten von Obolla bewäfferte und durchſchnitt,
“DIS er wieder an einer anbern Stelle, mit dem Magel jedoch auch
bei Basra zufammentraf. Beider Ströme Gewäller, des Obolla
wie des Maqel, wurde zur Fluthzeit des Meeres aufmwärtögetrieben,
und mit dieſer ſtiegen die Schiffe aus dem indiſchen Meere bei Ab⸗
badan aufwärts nach Obolla, und durch den Obolla nah Basra
(Alt Basra), dann aus dem Magel in ven Hauptſtrom zurück.
Bei Ehbezeit aber kehrte das Waſſer auch zurück, und ver Magel
floß dann in ven Obolla, ein ewiger Wechſel, fagt Abulfeda,
da beide Flüfie einen Halbfreis bilden, zu dem ber Hauptſtrom,
der Cuphrat (ver aber bier meift Didjel ober Tigris genannt ifl,
was aber offenbar-nur der Cuphrat fein kann, da ber Oftfirem,
der eigentliche Tigris, niemald an ver alten Basra, 3 bis 4 Stun⸗
den in S.W. der heutigen Neu Basra, vorüberfloß), die Sehne
. oder den Halbmeſſer bilvet, fo daß das umfloffene Land eine In⸗
ſel, die Djeſireh bilet, die Große genannt, mit Fluren und
Bärten bevedt. Neu Basra, daß erft nach dem Verfall von Alt
Basra, wie Obolla an Teredons Statt, zu deſſen Erfah, aber an
einer ganz anbern Stelle fich erhob, warn erſt in ver erften Hälfte
des 17. Jahrhunderts, unter den Augen von Pietro della Valle
(1614—1626) und Taverniers (1650), aufgebaut.”5) Die drei ges
Te) Abulfed. Tab. 1. o. Wüstenfeld. p. 70. ?*) Nlebuhr, Reiſeb.
IL p. 211. —
Euphratfuften; hiſtoriſcher Ruͤdblich; Alerander M. 55
nannten orientaliſchen Autoren, Maſudi, Edriſi und Abul⸗
feda, find nun, hinfichtlich des Landes oberhalb jenes Alt Basra.
noch voll von den. vielen Waſſern, die ſich dort, wo jetzt Dürre
iR, ausbreiteten, und bie nur eine Folge bes älteften ——
zus des veilaurirten Pallacopas fein konnten, die früherhin bie
biſchen Wũſten und ihre Beduinen viel weiter gegen den Sühm
zuisforängten, als Dies heut zu Tage ver Ball if. Wir werben
bei der Erläuterung zu des eupbratifchen Alexandria (Hira) auf fe
jurüffonmen, wenn wir zuvor den Anſtoß berührt haben, hen
Alerander der Entwicklung geographiſcher Verhältniffe durch die
Gründung der Alexandria an der Tigrismündung gegeben hat,
Diefe Alexandria, welche fpäter unter deu Namen Gharag
Vaſin u 6) bekannter wurde, war. bei bes Tigriseinfahrt von Suig
nach Opis von Alerander ſelbſt, wie wir oben nach Plinius Anz
gabe gefchen, angelegt, um auch hier einen feilen Hafenpunct, an
vom bis Heute, wie im Nil, fehr ſchwierig aufzufindenven und wegen
feiner Seichte ſchwer 77) anzulandenden Deltalanve ves Stromes,
für feine Handelsunternehmungen in vie Nähe und Berne zu gen
winnen. "Einen Theil feiner macenonifchen unbrauchbar geimorbenen
Krieges ließ ex als Bewohner daſelbſt zurüd, und auch vie Bevdle
krung ber damals zerflörten Eöniglichen Stadt Durine (bei .Plin,
VL 31; vielleicht Dora am Tigrid in ber Nähe von Tekrit, welche
dech 100 Jahr fpäter nach Polyb. Hist. Lib. V. c. 51 wieder al
Feſtung in Antiohus Feldzuge genannt wirb) wurde dahin The
gfenelt; ven Sau nannte ex nach feines macebonifchen Hemath
Belle. Den Namm Charax (Xagak, dh. dad mit Pallis
ſaden umfchanzte Lager) erhielt fle durch ihren Anbau ayf
Dimmer zum Schuß gegen vie See; aber die Fluthen des Tigrts
wıörten fie. Durch Antiochus V. (Eupator, 163 v. Chr. ©.) wurde
fie an eines höhern Stelle wieder hergeſtellt und buch Dammbauten
gegen den Strom gefichert. Neuem Verfall nahe, bemächtigte ſich
ihrer ein benachbarter arabiſcher Emir, Paſines oder Spaſi⸗
nus genannt, nebſt der ganzen umliegenden Gegend, bie unter ben
Samen ber Safel, d. i. Mefene, befannt warb (v7009 zur Ev 19
Tiygsdı, vv Meooyrn»,.Dio Cass. LXVII 28 und Steph.
Byz. s. v. Szaolvov). Hier befefligte er den Ort von neuem und
Wehng dort feine Reflvenz auf. Hierdurch kam der ganze Gechaubel
10) Mannert Beogr. b Or. u, Röm. TG. v V. 2. 6, 421; Salımas.
ad Solin, 847. “5b ”) Riebnhr Reifeb. N. p. 208. |
56 MWefisfien, TIL. Abthellung. I. Abſchnitt. $. 29.
von Seleucia ſeitdem in die Gewalt dieſes Fürſten. Die Seeleute
„on Gharar waren fo tüchtig, daß Ihnen fpäterhin Irajan und
fein Heer bei dem bort erlebten großen Sturme (im Jahr 117
n. Chr. G., als Athambilis König zu Charax war) vorzüglich
ihre Rettung verbankten (Dio. Cass. LXVII. 28).79) Die gluͤck⸗
‚ Ice urfprüngliche Ausmittlung der Anlage dieſer Stadt durch Alex
ander, ald Schlüffel zum untern Stromſyſtem, ergibt fich ſchon
daraus, daß die Herrſchaft jenes arabiſchen Kürften ſich nicht blos
über alle Münpungen des Tigris und feiner Candle, das alte Mes
fene, fondern auch weit den Aigris Hinauf bis über die Gegend
des heutigen Korne und Die Stadt Wafet Hinaus, nah Mannerts
Schaͤtzung, erfiredite, wenn man Plinius Erzählung folgt. Zu-
gleich war ver arabiſche Beherrſcher dieſes Gebietes gegen die Ueber⸗
fälle der Parther durch Flüſſe und Dämme geſchützt. Die ältere
Lage von Charax war nach Plinius nur 10 rom. M. (2 geogr.
Meilen) von der See zmifchen dem Tigris und einem Arm des
Euläus; die fpätere 50 röm. M., alfo fünfmal fo weit, ober 10
geogr. Meilen, was in die Gegend des heutigen Hafar- Armes bei
Gabla, an den Kuran-Einfluß (Euläus) zu den Tigrisarmen fällt,
wo analoge Verhältniffe ſich auch Heute noch bei den bortigen Dy⸗
naſten wieverholen (f. Erdk. Th. IX. ©. 161, 163, 323). Pli-⸗
„ins iſt der Meinung, daß fich die Lage des Ortes nicht verändert
babe, ſondern daß dad Land um fo vieled zugewachſen ſei. Spä-
‚tere Berichte arablicher Gefandten und römifcher Kaufleute gaben
den Abſtand dieſer Stabt vom Meere fogar zu 120 röm. M. ober
25 geogr. Meilen at, womit dann wahrfcheinlich in ver Gegend
des Zufanmenfluffes von Euphrat und Tigris ein vieleicht auch
Charax genannter Ort, dv. h. ein ähnlich pallifapirter Uferort, etwa
in der Gegend des Heutigen Komme, gemeint fein mußte, das eben
24 geogr. Meilen, nah Niebuhr, Ianvein liegt, welche Gegend
bemmfelben Fürften unterthan geweſen Tein mag. Die heutige Feſtung
Korne”?) felbft Tonnte dies aber nicht fein, ba dieſe erft fpäter als
Ren Basra durch deſſen Beherrſcher AU (im 16. Jahrh.) zur
Grenzfefte erhoben und von Höffein mit Doppelmauren umgezogen
wurde. Auch Eonnte aljo dieſer tiefer landeinllegende Ort nicht das
Alerandria des Diacevoniers fein; vielleicht Ing aber das ſchon von
Herodot genannte Ampe (f. oben ©. 7), wohin Darius vie Mi«
we sro, Brande sur Geſchichte Trajans. 2ie Ku, Dueblinburg. 8.
©. 289. ?*) Miebuht Reifeb. II. ©. 21
Eupbratfoften ; hiſtoriſcher Ruͤckblick; Alerander M. 57
Iefker aus Kieinaflen verpflanzt hatte, In ver Nähe dieſer macedoni⸗
fürn Pflanzſtadt.
Es Bleiben und noch die Nachweiſe des Fortlebend ver zweiten
Aexrandria übrig, eine Anflevlung, die In der Nähe von Kufa zu
fadyen if (f. oben ©. 43), von ber jedoch jenes unmittelbare Denk⸗
mal, jede Spur verlöfcht ſcheint, ja felbft fein Anklang an den Namen
Gupbratlaufes, bis in die Terra incognita des bortigen Arabiend
hinein, doch hochſt wünfchensmerth, na kaum zu denken iſt, Daß fo
dicht an dem Sige einer der volkreichſten Weltflänte nicht auch noch
tiefer hinein in das arabifche Grenzland fich Spuren und Denkmale
früherer Giviftfation finden follten, auf einem Boden, ver freilich
gegen als unnahbare Wüſte gilt, aber dies keineswegs zu
allen Zeiten war, wenn auch vie Eultur ver Gegenwart fich völlig
won ihm abgewendet bat. Ä
In S. W. von Babylon ſetzt die TabulaPeuting. XL E. die Stat
Bologefta 18MIN, d. 1. 34 geogr. Meile, entfernt von Babylon,
eine Richtung bie ihr auch Ptolemäus (Lib. V. c. 10. 2. in Baby-
ksiae Situs fol. 145) obwol in zu großer Entfernung gibt, mobel
bemerkt, Daß fie am Baarfares,. richtiger Naarſares, Tiege.
drei Umflände, bemerkt ſchon Mannert 80), Iaffen keinen
Zweifel übrig, daß Vologeſia an ver Stelle Ing, wo fpäter Kufa
eatſtand, das 14 Meile in Oftnorboft von Meſhed Ali (v. 1.
Grab AUS) und 4 geogr. Meilen von Helle fern ift. Abſtand und
Richtung von Helle und das trockne Bett bes alten Canals befläti-
gen dies gegen D’Anvilie8 Annahme, ver fie, diefe Punkte nicht
berheffichtigend, viel weiter gegen Norven In vie Nähe von Meſhed
Diefe Stadt warb vom Partherfönige Vologeſes I. (er re
gierte vom Jahr 52 bis 90 nach Chr. ©.), wie Plinius erzählt, erſt
Burg: vorher (Plinius farb im I. 79 n. Chr. ©.) erbaut, um ber
Orbfe von Selena zu ſchaden, des auch Cteſiphon noch nicht ger
ung Abbruch that. Plinius nennt fie Vologesocerta (VI. 30),
Steph. Byz. Bologesias ( BoAoyeorag), bei Ammian. Marcell. XXIII.
:
*®) Mannert, Geogr. d. Gr. u. R. Th. V. 2. ©. 418.
58 Wefl-Aſen. EI. Abtheikung. I: Ahſchnitt F. 29.
6..23. Vologessia. Si⸗ ſcheint zu keiner großen Blithe h
gewachſen zu fein. Zwiſchen Kufa und Meſhed Alt 5*
Ofjärri Zaade, ver Pallacopas, ver 5 geogr. Meilen gegen S. O.
hinab nah Rumahie zieht, einer jetzt noch ummauerten, aber ver⸗⸗
fallnen Stadt mit 400 Häuſern, in fruchtbarer, mit vielen trocknen
Gräben durchzogner Gegend, wo verfelbe Canal, der fein Waſſer
von dem 3 Stunden weit im Oſten gelegnen Eupbrat noch heute
erhält, vor der Mitte des 18. Jahrhunderts noch ſchiffbar war. 81)
Ackerbau, Dattelgärten, Heerdenreichthum verkünden, daß dieſe Land⸗
ſchaft, vol von Trümmern von ehemaligen Ortſchaften, einſt ſtark
bewohnt war. An Bruchtbarkeit des Bodens fehlt: es burchaus
nicht. An. der. Weitfeite des berühmten Pilgerortes Meſhed
Alt, over Ali's Grabflätte, breitet fich jene niedrige mit Salz
bedeckte Gegend aus, die nach der Sage bei Mohameds Geburt ver.
trocknet 2) fein fol, EI Buheire Bahr Nepdfjef oder Bahei-
ret Sawe, fo wie die ähnliche Beichaffenheit des einft fo veich be⸗
wäfferten Bodens bei Kufa, Bataih Kufa heißt. Daß in der⸗
felben Localität, als derjenigen welche Hier, am meiflen von ben
Naturverbältniffen und dem Borgang eines Aleranverd begünfligt,
vorbersichenn immer vie flärkfie Anfiedlung an jener arabiichen
MWüftengrenze berbeigelodt Hat, auch Ale randria vie Macedo⸗
nierſtadt angelegt warb, Halten wir für am wahrfcheinlichften,
der dann in ver Nähe Vologefia die Partherftant folgte, und
diefer Hira die Saſſanidenſtadt, an deren Stelle dann Kufe
die Muhamedanerſtadt aufblühte und berühmt ward. Denn
die nachfolgende Zeit fußt auf.folhem Boden, wo bie Exiftenz gro⸗
fer Städte an die Localbeichaffenheit gebunden if, immer gern auf
worhergegangener Örunblage, zumal wo biefe Durch Ganalbauten und
Bemwäflerung eine fo anziehende Gewalt gewinnen muß. Don Bo»
logefla weiß pie Gefchichte zwar nichts; da aber ihr Gründer zu den
mächtigern Bartherfönigen 82) gehörte, der, mit ven Römern anfangs
in Kriege verwidelt, doch unter Nero den Cuphrat ald Grenz
firom beider Reiche behauptete, und dann bis zu DVespaflans und
Zirus Zeiten in Friede und Freundſchaft mit ven Römern Iebte, fo
mag feine zmeite Refidenzſtadt nicht unbedeutend geworben fein,
wenn fie ſchon die erfte, nämlih Cteſiphon, nicht erſetzen Eonnte,
22) Riebuhr, Reiſebeſchr. II. ©. 252. *2) Abulfedae Annal. Moslem.
ed. Reiske, Lips. 4. 1754. p. 2,2. 22) Tacitus Annal. XIk
’ etc.
j
|
|
'
Euphratſyſtem; biftorifcher Ruͤckblick; Alerander M. 59
welche jeboch erſt durch feinen eigenen Sohn Pacorus erweitert
und zur Winterrefidenz erhoben warb. 8%)
Daß nun in diefelbe Gegend die Lage der Stadt Hira (Mun-
darorum regia ſ. 0b. ©. 43) fällt, erfahren wir beſtimmt durch
Naſaudi, 85) nad welchem fie 3 Mill. oder eine gute Stunde,
noch zu feiner Zeit (950 n. Er. ©.) von Kufa entfernt, in ihren
Irummern lag und umbewohnt war, in ber Nähe von Nepfief
or en Najaf. Die Zeit. ihres Entſtehens iſt uns nur in fo
weit befannt,25) daß ſie ſchon während ver unmittelbaren Nachfolger
Aleranders (den Moluk Thaouaif), durch einen Fürften des Stam⸗
mes Azed aus Iemen, Malek genannt, -ver fi in Irak Arabi,
ser dem Lande der Ehalväer anflevelte, erbaut, und deſſen Sohne
Auru als Meflvenz hinterlafſen wurde. Aus der Gefchichte der
Retorianer 87) wifjen wir, daß wie zu Obollah fo auch dort zu Hirah
(ud Hirte), 3000 Schritt von Kufa entfernt, ver Sik eines
Oyiscopus war. AS die Lehre ver Iacobitifhen Chriſten
(ft ©. Jacobus Episcopuß zu Nifibis felt 320 nach chaldai⸗
füen Angaben bei Assemani, gewöhnlich erft nach Jacobus Predby-
m Baradäus, von Nifibie oder Edeſſa hergeleitet, 89) ver fpäter
578 n. Ehr. ©. ſtirbt) mit dem Mönche» und Klofterleben fich
ac in Mefopotamien auöbreitete, ward zur Regierungszeit des
Geffaniven Königs Bahrams (Vararanes IV. reg. 388—399 n.
Ehe. Geb., ver Erbauer von Kerinanſhah, f. Erdk. Weſtaſ. Theil
X ©. 374), am Sarſara⸗Fluß (0b derſelbe wie ver Baarſares over
Aarſares bei Ptolem. nahe Rufa % oder ver Canal im Oſten bes
Cupbrot gegen Babylon zu, den Chebney für ven Nahr Sarfar
Ya ?) nach chaldaͤiſchen Nachrichten durch Abdaß von Dorkena
d. L Geleuda ein Klofter St. Crucis zu Salibe (?). erbaut, und
von deffen Schüler Ebedjeſus im Jahr 392, auch auf der Weitfelte
des Euphrat, zu Hira ein zweites Klofter 89) angelegt. Bon
deſem aus wurden vie benachbarten Araber, hier Nabatäer genannt,
fo wie mehrere andere Stämme ber ummohnenven Völker zum Kreuze
se) Ammian Marcell XXIIL 7. Plin. Ep. I. 20. *°) El Masudi
meadows of gold etc. I. p. 247. 60) Herbelot
"bibl. Or v. Hira p 418. *7) Notitia ecclesiarum metrop. et
quao sunt patriarchae Nestoriano subjectae in As-
ibl. Or. T.IH. P.2. fol.DCCV. s. v. Hirta. 22) A. Re
ander, allgem. Geſchichte ver chriſtlichen Religion. 2. I. 3 Abth.
©. 1176. .0°) De Syria Nestorianis diss. b. Assemani Bibl. Or.
T. DL P. 2. tel. LX. u. LXL |
|
ke.
60 Wefi-diſien. III. Abtheilung. I. Apfchnitt. $. 29;
bekehrt. Wir vermuten, daß eben von biefem Unſſtande ber bei
den arabiſchen Autoren für vie wahrfcheinlich Jakobitiſchen Chriſten
auch in Arabien, wie in Nedjd, zu Fayd u. a. O. fo allgemein ge⸗
bräuchlich gewordene Name der Ibapiten, deſſen Entflehung noch
unbefannt ſcheint, Herzuleiten iſt, als anfänglichen Schülern des
Ebedjeſu: denn von Hira. aus landeinwärts auf ber großen
Mekka Pilgerftraße bei Fayd, halbwegs zwiſchen Kufa und
Mekka, kennt noch Abulfeva das Grab eines Ibady; fo weit
alfo drangen die Ebebjefunner damals in das Innere Arabiens von
Hira aus ein. Ebed ift aber bei den Syrern wol nur berfelbe
Name wie Ibas W) des Biſchofs von Cdeſſa, welche Form die
Araber beibehalten haben. Zu Edeſſa, Tekrit, Seleucia faß-
ten viefelben Lehren Wurzel und gelehrte Episcopen erhoben ſich
unter dem anfänglichen Schuge der Saffaniven Kürften. Nach dem
Sabre 399 ward zu Babylon, wo bis auf des Kaiſers Theodo⸗
fius Magnus (er ſtirbt 395 nm. Ehr. G.) Herrſchaft fi noch
immer viele Denkmale des Alterthums erhalten hatten, eine neue
Kirche und ihr benachbart ein Klofter erbaut, ba bei einer kurz
vorhergegangenen Ehriftenverfolgung (durch Sapor:; II.), auch durch
den Judenhaß viele chriſtliche Kirchen zerſtoͤrt waren. Deſſen Lage wird
in ver „Ecclesia Babylone in lacu, quem Danielis vocant“ an-
gegeben, eine Ausfage die und alfo wiederum an bie analogen
waſſerreichen Xocalitäten von Hira und Kufa zu verweifen fcheint,
in Babylons Nähe, wo Denkmale an ven Propheten Daniel urali
find). Es mar der Urchlepiscopus von Seleucia, Kajuma, ber
piefen Bau ausführte. Die Reihe ver Bürften von Kira, eine
Golonifatton, die von Jemen (Arabia felix) ausging, beren Herr⸗
ſchaft von ven Azek auf das Gefchlecht der Lakhmi überging, (Bas
koui nennt fie Beni Hakhem Araber), fuͤhrten den Namen ver al
Monadherah bei den Arabern, weil jever ven Titel Mondar
zu feinem Namen Hinzufügte, daher die Alamundari der Autoren,
welche zur Zeit jener Ausbreitung der Jacobiten felbft zu dieſer
hriftlichen Secte übergingen. Nooman Ben el Mondar (ober
Munfer nah v. Hammer), ver zur Zeit Mohamens lebte, fol
in dieſer arabifchen Dynaſtie ver erfte Ehrift geworben fein 9),
perfelbe der auch den Beinamen Amrulcaid führte und vajelbft
große Kirchen erbaute. Er wird von Abulfeda ald ein Weiſer an-
0) S. Abulfeda trad. franc. par M. Reinaud. p. 131. not, *?) Benja-
min. Tadel. ed. Asher. T. J. p. 106 unb Not. ‘262. *?) Abul-
fedae Descr. Jracae ed. Wüstenfeld. p. 12, not. p.98.
nn BERN
J
Enphratfuften; hiſtoriſcher xacblic Alerander M. 61
verführt, den Khosru Parviz um die Erklärung feiner boſen Träume zur
Set von Nohamede Geburt und um bie Deutung derfelben befragt.99)
Da vie Almundari, ihrem Glauben getreu, fich nicht zu den Irrleh⸗
wa der feueranbetenden Safſaniden wenden wollten, wurden fie vom
Anige Kobad verfolgt, aber von deffen Sohne Khoſroe Nu-
ſhirvan (reg. 532—579) wieder eingefegt in ihre Herrfchaft, blie⸗
Gen aber nur Statthalter der Saffaniven Könige. Sie geriethen bet
ven beftändigen Kriegen dieſer Fürſten mit den griechifchen Kaiſern
im Streit, und zumal mit den katholiſchen Kaiſern Juſtinian und
Yufin, wie fie ald arabifche Iacobiten verfolgten). Zur Seit
von Mohameds Sehurt war Amu, Modhareth el Hegiarat
betitelt, Konig von Gira; der dritte feiner Nachfolger wurbe von
Kalte, dem Feldherrn Abu Bekr's, ned erſten Khalifen, im zwei⸗
ten Jahre der Hedſchras), Im Jahre 623 unterworfen, aber,
wie Abulfeda fagt 9), auf frievfiche Weiſe durch Trihutauflegung;
ed war ihre er ſte Eroberung in Iraf. Zehn Jahre fpäter ſchickte
während ver großen Verwirrungen, vie auf dem Safſanidenthrone
4 zutrugen, eine ver letzten Beherrſcherinn deſſelben, Arzemidokht,
noch ein Heer ven 14000 Reitern gegen Gira zur berühmten Schlacht
(fe fällt in das Jahr 15. der. Heg. d. I. 636 n. Chr. ©.), die vom
hmachbarten el Kabesiyah bei den Arabern ven Namen 97) ers
Set, in der drei lange Tage vom Morgen bis zum Sonnenunter-
ung blutig gekämpft ward, bis Omar den Sieg davon trug, und
vie Berfer nah Madaun zurückſchlug. Dies war die Entfcheipung,
wereuf nach Gefechten von allen Seiten, zu Damascus, Emein,
Racca, Niſibis, Marvin, Sireefium, Arkan (mo fpäter
Batra), ganz Irak an die Moslemen fiel, und auch die Prachtrefls
benz der Doppelftadt, el Madain (Cteſiphon und Seleucla), in Aſche
serwanbelt warb 9) (637 n. Chr. ©.).
Im folgenden Jahre traf dennoch auch Hira, welche von
Gerit3sfahani®) unter 790 30 &. und 310 30’ Br. als eine der
7 Hauptſtädte von Irak angegeben wird, 2 Farſang, ober 3 Stun⸗
ven von Kufa gelegen, daſſelbe Loos. Sie wurde unter Khalif
Dmar vurd feinen Felbherrn Saad Ben Ali Vacas zerftört, und
orm) Abelfedae Annales Moslem. ed. Reiske. Lips. 4. 1754. p: 2.
°6) Greg. Abul Pharaj. Hist. dynast. p. 93. °°) ib. D- 109 =.
111. °°) Abulfedae Annal. Moslem. ed. Reiske. p. 66.
°”) Ri Masudi Hist. encycl. or meadows of Gold. p. 246.
**) Abulfeda Ann. Mosel. I. p. 69. °*°) Bei Mühtenfeld l. c.
Net. p. 96, '
62 Weſl-Aen. TIL Übrpeitung. l. Abſchaiet. $ 29,
blieb ſeitdem in Ruinen. llegen, aber in bemfelßen Zahre wurden -
ebendaſelbſt, nach Abulfeda im. Jahr 638, bie Fruchtgärten
von Kufa 19) angelegt, das unſtreitig aus ben Trümmern won
Hira und Babylon fich emporhob, aber zugleich mit Basra erſt
im Jahre 770 durch ven Khalif el Manſur ſeine Mauern hit.
So warb auch ber berühmte Pallaſt Chawernak, der außerhalb
der Stadt Hira lag, zerſtoͤrt, der von dem Könige Nooman, dem
Sohne Mondars Amrulcais, aus dem Lalhmi- Geſchlechte, durch
feinen griechiſchen Vaumeiſter Sen am ar (Sanmar bei Bakouh) zu
‚Hiea erbaut war und in der Maͤrchenwelt unter dem Namen Sha⸗-
bernack fortlebt, 1) weil der Künftler,. mit- Undank belohnt, vom
Mebel herahgeſturzt ‚feinen Lob gefunden haben ſoll. Wir erinnern
Hier nur gelegentlich daran daß jn- Miirfhombs Geſchichte der Saffa-
niven 2) der Saffaniven König Igbegert.L (reg. um das Jahr
400), in jener baulufligen Periode der Serrſcher von Kermanfhah
(Erol. IX. ©. 375 ff.) feinen Sohn. bei ven Arabern in Diezira
zu Hira durch einen gemiffen Noman, ber ein Eprift wurbe, erziehen
eß, und. biefen beauftraget, 2 Prachtſchloſſer durch einen griechiſchen
Baumeiſter Sinmar (alfo identiſch mit jenen Segamar) aufbauen
gu laſſen, von denen dad erſte, Khounak genannt, Himmelhoch war,
das zivcite aber Sedir hieß, und durch feine Beſchreibung an bie
Gonftruction ber großen Pallafthallen auf der Stelle bed. alten Cie
ſiphon erinnest.. Es ſcheint, daß auch fpäter noch aus berfelben
„Gegend von Hira nicht alle jũdiſchen und chriftlichen Bewohner, die dort
in frügefter Zeit bedeutenden Einfluß gewonnen Hatten, durch bie
Muhamedaner gänzlich verdrängt waren: denn der Name Ebadien⸗
ſio bezeichnete 3) noch unter den Abaſſiden im 9. Jahrhundert Ein»
geborne aus Hirn, wie z. B. ven Honain Ebn JIſaak, einem
chriſtlichen berühmten Rabba, d. I. Doctor und Lelbargt ) an des
Khalifen el Motawalkel Hofe zu Bagdad (ſ. Erdkunde Theil IX.
©. 287 u. fi). Ime Cinwohner von Hira nannten ſich Ebad
ober Ibad, i. e. Serrus Dei, weil fie fi um freierer Rellgiond-
übung willen in jene entlegeneren Gegenden zurückgezogen und ‚in
ver. Nähe des alten Hira fefle Burgen zu ihrer Sicherung erbaut
200) Abulfeda Annal, Mesl. p. 71/151. *) Herbelot Bibl. Or.
1. o. 418; vergl Bakoui Not. et extz. p. 43.4. ) v. Sammer
Burgfall, die aflat. Türkei. Rec. Wien. Jahrb. 1821. XIIL. &.225.
3) S. de Sacy möm. s. les antig. de la Perse in R. des Sassan.
A *):Greg. Abul Pharaj. Hist. dyaast. p. ;
ibl. Or. l. c.
Euphratfoften ; biftorifcher Xuͤckblick; Alexander M. 63
peiten. And zu Eorifis Zeit (1150) beſtand ©) noch immer Wie
Stadt Hire, die nach feiner Beſchreibung ganz gute Wohnungen auf
frugtbarem Boden hatte, aber unbeneutenn geworden war, weil die
weiten der Bewohner von ihr, wie von Cadeſta, ſich nach Kufa
übergefiedelt Hatten, woraus fich wenigſtens noch ſo wiel ergibt, daß
Kufa keineswegs ganz dieſelbe Stelle mie die ältere Gira Hatte ein«
uehmen Tönnen, jondern nur in ihrer Nähe lag. Wie vieles würde
uch anf ſolchem clafſiſchen Boden, wo man ſich bither faſt nur
lich auf das heutige Euphratufer und die Ruinen Baby⸗
ſelbſt beſchränkt hat, ‚ohne die ſenſeitigen Landſchaften einer
genauern Forſchung zu unterwerfen, zu ermitteln fein, um das Leben,
Bier zu Alexanders Zeit und feiner unmittelbar nachfolgenden
| Wmaflien Bis auf die Zeit dos Khauifats vocheerfchend war, un
Ä auch feine Monumente zurlickgelaſſen haben wird, zu. ermitteln,
ir fügen daber für Fünftige Localforſchungen auf viefem Boden,
blaher ſehr felten genauer beachtet wurde, und auf ben ‚wir
im Folgenden immer nur wie auf eine Wüfte ber Gegenwart
prũctblicken können, da und jede neuere gründliche Berichterfiattung
ſchit, wie biſsher unbenchteten Angaben des audgezeichnetften arabiſchen
Gkeriter6 über dieſe verſchwundene waſſerreiche, paradieſesgleiche
dudſchaft hinzu, durch welche und auch die frühene Perlode zu
Aexranders Zeit immer verſtändlicher und begreiflicher zu werden
ſchelat. Die einſtimmigen Behauptungen fo vieler arabiſcher Auto⸗
sen Über den frühern Meeres⸗ ober doch reichen Waſſerſtand in
Beziehung auf ven Euphrat verdienten wol ebenfalld an Ort und
Stelle von künftigen Reiſenden mehr, als biöher gefchehen, beachtet
gu werben. J u
Der HSiſtoriker el Maſudi fagt uns Im 9. Kapitel feiner
gelunen Wiefen, die er Mitte des 10. Jahrhunderts ſchrieb:
„Der Euyhrat, nachdem ver Iſa⸗Canal von ihn fh gegen Oft abge
„zweigt dat, nämlich von Feluja gegen Bagdad Hinüber (f. o. S. 17),
„segt feinen Kauf fort nah Sur, Kadr Ibn Hobairah,
ei el Kufah, el ISamin, Ahmedabad (?), el Derman
„us et Tafuf; dann ergieht ve fih in die Marſchen und Süms
„pie zwifchen el Basra und el Waſet; fein ganzer Lauf if
„RO Yarfang (371 geogr. Meilen). Der größte Theil der
„Baier des Eupbrat, führt Maſudi fort, Hatte einft ſei⸗
Aen rauf durch el Hira, fein Bert läßt " noch heute nach⸗
£
337*
°) Rdrisi Geogr. b. Jnabert 1. p. 306.
64 Weſt⸗dAſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 629.
„weiſen, es heißt Atik, d. i. das Alte). An ige wurde bie
„Schlacht zwiſchen ven Mufelmännern und Ruſtam, d. I. den Saſſa⸗
„niven, zu Zeiten Om ars geſchlagen, bie Schlacht von el Kade⸗
fiah genannt. Vor Zeiten fiel ver Cuphrat, bei dem Orte ber
miegt en Najaf Heißt, in dad abyſſiniſche Meer (d. I. dad erythräl⸗
nie, das damals auch von arabiſchen Stämmen Abyſſiniens be⸗
ſchifft wurde).“ Najaf oder Nejef Ashref in Irak Arabi
79 30, Longit. 310 30' Lat. Heißt aber ver Landſtrich bei Kufa,
wo Ali begraben ward (in an Nagiaf sic dicto haud pı a
Kufa tractu) 7), wo bis Beute der Pilgerort IR zu Neſhed ML
„Denn, fährt Maſudi fort, das Meer flieg einſt aufwärts bis
min dieſem Orte und an ihm landeten bie Schiffe von Chin
„d. & Hinterinbien oder China und Vorderindien (alfo noch
weiter als Geylon und Siraf, von: wo ber Weg freilich bis hieher
nicht mehr weit war, f. Erb. Th. VEN S. 776), die für bie
„Könige von el Hirah beſtiumt waren. Viele alte Hiflori-
‚ker, die wohl bekannt find mit den Schlachtiagen ver Araber
‚nole Hebham Ben Mohamed el Kelbi, Abu Moffnif Lut Ben
Dehva und esh Charfi Ben el Katami, zählen, daß bie Ein-
nwehner von el Hirah fi in dem weißen Thurme (baber ihm
Abulfeda el Baida i. e. albus nennt ®), von el Kabesiyah, und
‚an dem ber Beni Bokailah (aber Bakilah d. h. ver grüne)
verſchanzt Hatten (alfo zwei Beftungswerke), als unter des Khalle
sen Abu Vekr Befehle Khaled gegen fie zu Felde z0g. Died wa-
‚pen die Thürme von el Hirah, die jept In Trümmern und unbes
„wohnt ba liegen“
EI Maſudi erzäͤhlt nun, daß Khaled, ber fein Lager zu
en Najaf hatte, den tapfer vertheidigten Thurm ber arabifchen Chri⸗
fien, die er’ hier mit dem Namen eines befonbern Araberftanmes,
Xaghlebiten bezeichnet, wicht einnehmen Konnte, und fich deshalb
mit ihnen in Unterhandlung einließ, einen Tribut von 100,000 Dir«
Hemö forberte und ihnen zum Zeichen ber Abhängigkeit von ven
Moslemen gebot, eine ſchwarze Binde um bad Haupt zu tragen.
So kam der Friede durch Gapitulation zu Stande. Tag hĩab führt
Cdrifi unter den Stäbten 9) des benachbarten Arabiens (Zebala ber
nadgbart,. dad einſt beudlkert, damals aber ſchon zu einer bloßen
) El Masdi L c. 1. pı 246. ) Abulfeda Annal. Mosl. ed.
Reiske. p. 99. cf. b. Wüstenfeld Not. p. 98. *) Abulfedae
Tab. Desc. Jrac. bei Wüstenfeld. p. 12: °) Kärisi Geogr.
„bei. Jaubert. T. I. p. 365.
ee — — —
— — —
Eupbratfoftem; hiſtoriſcher Rüdblid; Alerander M. 65
Station für Karawanenreiſende herabgeſunken war) auf, als einen
Drt, in dem fi im 12. Jahrhundert fehr viele Araber zu ver
fammeln pflegten, und fehr ſtark bejuchte Märkte hielten.
Der Unterhänpler Abdel Meſih, der wegen feines ſehr hohen
Alterd und wegen feiner Klugheit unter den Arabern in großem
Aufe fand (er follte 350 Jahr alt fein), und ald der Baumeifter
5 Bakilahthurms genannt ward, gab fchon Khalen auf feine Bras
gen den Aufſchluß, daß fie fi) nicht Araber nennten, weil dies
am Beduinen bezeichne, ſondern daß fie, die Taghlebiten,
arabifche Nabatäer, daB heiße Ackkerbauer auf ber Grenze
ver Wüſte feien, welche jevoch auch ‚einige Eitten ver Beduinen bei⸗
Hästen. Diefer Bote, von Religion ein Ibapite (ein
. Serrus Dei), behauptete venfelben Boden, ver jegt fo welt entfernt
von dem Meere troden liege, einft noch mit Meer bedeckt geſehen
zu Haben, und mit jenen fremben Schiffen befahren, worüber alle
Gefährten Khaleds, die ald Zeugen zugegen waren, in Verwunde⸗
rung gerieten. Er behauptete, die Fruchtbarkeit des Landes ſei
sußerorbentlich geweſen, e8 habe fehr viele Pflanzungen, Gärten, Doͤr⸗
fer, Anbau aller Art gehabt, und überall von Canälen und Seen
berchfchmitten,, habe es in der Höchften Blüthe geſtanden. Die um«
Riuhliche weiter Erzählung, welche natürlich mit einem Wunder zu
Ehren Khaleds, und mit einer Prophezeiung bed Ihabiten über bie
Ausbreitung der neuen Religion endet, übergehen wir bier. EI
Maſudi verſichert, alles dies Hier 10) mitgetheilt zu haben, weil
e feine eigene Ueberzeugung über bie merkwürdigen
Wechſel von See und Land, und von bem geänderten Lauf ber
Flüße wit dem Berlaufe der Zeiten nur beftätige. Als die Waller
nicht mehr zu biefem Orie hinfloffen, warb das Meer zu Land, und .
rech betrage, fagte er, zu feiner Zeit bie Entfernung zwijchen el Hirah
ann Dem Meere einige Tagereiſen. „Wer en Najaf mit Aus
gen geichen hat, jo envet el Maſudi feine Erzählung, ver wird
wnb ganz verfichen.” Hierauf geht er zum Nachweis ähnlicher
Seqhſel an dem Tigris über, von denen weiter unten bie Rebe fein
wire. +
Bir führen mur hier noch an, daß Abulfeda diefelbe Sage !) im
obigen etwas grell außgepußten Gewande von einer frühen, Lan⸗
bung invifcher Echiffe in dem Gebiete der alten vor « Iölamfchen
EA wieserhelt, doch auf eine Art, die mol zeigt, wie fie eben
. 19) EI Masudi 1. 0. p. 352. :') bei BWüflenfelb 1. 6.
Ritter Erhlunde X. &
ge
66 Wefrdlfen.; MN. Abthellung. I. Abſchnitt. $.30.,
nur fich auf ven frühern großen Waſſerreichthum und auf die flär-
tere Beſchiffung wiefer ganzen Gegend bezleht, wie ſolche unftreitig
auch. zu Alexanders Zeiten flattfinden konnte. Da bie Herrſchaft
der Könige von Hira ficher auch weit den Cuphrat abwärts fich verbreis
tete, und ihr Volk zu ben feit ven älteften Beiten am Perfergolf
handeltreibenden Nabatäern gehörte, ihre Herkunft aber aus
dem hochcultivirten Jemen war: fo hat es auch wol feine Richtige
keit, daß fchon damals fo ferne Schiffe in ihrem Gebiete, wie Heut
zu Tage, bis Vasta und felbft weiter aufwärts BIS in das Land
der Könige von Kira eindringen mochten, ohne daß darum das
perſiſche Meer felbft fo weit landein zu reichen brauchte.
$. 30.
Hiſtoriſcher Rüdblid auf die Steomgebiete des Euphrat
und Tigris, (Fortfesung).
IL Zur Beit der Seleuciden, ber römifchen und
byzantinifchen Kaifer, unter parthifhen und fat:
ſanidiſchen Herrſchern.
1) Unter den Seleuchden.
Die Zeit ver Nachfolger Alexauders im ſyriſchen Reiche, ver
Seleuciden, In ihren fortwährenden Kämpfen unter ſich und mit
ihren Grenznachbaren in Aegypten, Kleinafien, Macevonien, Armes
nien, Parthien, Baktrien und Indien, war nicht geeignet, bie Frie-
venöpläne Alexanders für die Wieberaufnahme der babylonifchen
und aſſyriſchen Landſchaften zur höhern Entwidlung und Reife zu
bringen, obwol fle die merfofirdige Verſchmelzung helleniſcher mit
vorberaflatifcher Population. und Clviliſation, die unter Alexander
begonnen hatte, nicht wenig förderte. Noch weniger Eonnte jene
Gntwidlung gedeihen durch bie naͤchſtfolgende Periode der unaufe
hoͤrlichen Kriege der Römer und Byzantiner gegen parthifche
und faffanivifche Dynaftien, bie fi Ir den Beflg ver Seleu⸗
eiden «Reiche in Affgrien und Babylonien gefegt Hatten, wohet im⸗
mesfort dad Tigris- und Cuphratland der große Zummelplag
ihrer Herne, ihrer Schlachten, ihrer Belagerungen war, ungeachten
auch ba: glanzuolle Reflvenzen und Stäbte emporfliegen, bie aber auch
eben fo fhnell wieder untergingen, 618 enblich Keiner Ohnmacht in
der neuen Macht der Khalifen unterging, und durch diefe eine
HE _
ratſyſtem; Hiftorifcher Ruͤcbblick; Geleuciden. 67
e glänzendere Briedensperione für daſſelbe große
t der Doppelfirdime hervortrat, In welcher aud die geo⸗
che Keantniß deſſelben burch Meiſterwerke arabifcher Geogra⸗
Tr werden konnte.
8 tft traurig zu fehen, wie überall, ſtatt aufzubauen, in jener
nur niedergeriſſen ward, was vorhanden war, und wie ſelbſt
ste Glanz neu aufblühender Refidenzen nur durch die Plün⸗
der älteren fich erhob, die in. Eindden verfanten; wie bie
anten, flatt ſich zu erweitern, nur dazu dienten, um Schutz⸗
gegen feindliche Veberfähle abzugeben, die Dämme durchſtochen
ı, um die Lager feinblicher Herre zu erfäufen, und wie bie
reichen Hoffnungen für vie Belebung des Welthandels bes
e Strom⸗ und Küftenfchiffahrt gänzlich für den Friedensverkehr
Haffigt wurde, ja bie einzigen Slotten auf Tigris und Euphrat
n Geereßzügen der Eroberer dienen mußten. Den geringen
ritt geographifcger Kunde über daB genannte Stufenland fine
ir daher nur ſehr fragmentarifch zerftreut in ven Berichter⸗
ı der Kriegszüge und etwa gefammelter bei Strabo, der aber
tatoftfenes als feine Hauptquelle wiedergibt, fo wie bei
a8 nach Juba's Berichten, deren beiverfeitige Originale uns
verloren gegangen find; bei Ptolemäus, wahrſcheinlich
ven Armeeberichten der Trafanifchen Feldzuge vom Euphrat,
A Ammian. Marcellinus aus elgner Anſchauung als Bes
des Heereszugs Jovians an ven Euphrat und Tigrie.
dei ver Beribeilung der Statihalterfchaften wurde nach ler
Tode durch Antipater dem Seleucud, dem Beichlähaber
tären, die Provinz Babylonien zugefprochen; als er bier
umened, ver einen Feldzug nach Ierufalem vorbereitete, in
ge trieb, und wiefer mit feinem großen Heere in große Gefahr
, weil ein vom Feinde burchflochner Canal fein ganzes Lager
Bafler fegte, gelang es dieſem, fo eben noch durch eine Kriegs⸗
f einem Damm dem Untergange zu entfliehen, und ven los⸗
wen Canal wieder abzuleiten (Diod. Sicul. XVII. 3, 39. 73).
nu im Sabre parauf (315 v. Chr. Geb.) Eumenes dem Se»
9 gen Babylon fchr nahe zu Leibe ging, bediente ſich dieſer
en Mitteld noch einmal, ſchiffte zu einem Ganale und durchſtach <
Mündung, welche durch die Länge ber Zeit zugebämmt war,
a fogleich des Feindes Lager unter Wafler gefegt und Baby-
ns feiner Roth befreit warb. (Diod. Sicul. XIX, 13). Reid,
eln und Seſam, fagt Diodor, warm rn bie Haupt⸗
2
68 WeflsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.30, iü
ernten auf dieſem Boben. In ber allgemeinen Verwirrung mußte a
Seleucus, obwol er ſich ald Statthalter ven Babyloniern ziemlih *
beliebt gemacht Hatte, doch zwei Jahre fpäter vor feinem falſchen 'H
Breunde Untigonus aus Babylon, nur von 50 Reitern begleitet, ia
nach Aegypten entfliehen, wo er an feinem Waffengefährten Pto« im
Iemäusß jedoch eine Stüge fand. Mit Befien Beiſtand kehrte er zu
den Babyploniern zurüd, die Ihm ſchon vor ber Gtabt entgegen kamen,
indeß die Partei feiner Gegner aus Furcht vor der Volkswuth in
das Gaftel floh, wo Diphilus Commandant war. Dies eroberte
Geleucus nach kurzer Belagerung mit Sturm und befreite dadurch
zugleich feine Kinder und Freunde, bie man nach feiner Entweichung
nach Xegypten dort eingefperrt hatte (Diod. Sicul. XIX. 91). - MS
fpäterhin (im Jahr 310) auch ver Sohn vet Antigonus, Deme»
trius, von Syrien abgefhidt, Babylon während einer Abweſen ⸗
heit des Seleucus mit einem Ueberfalle bedrohte, und der zurück-
gelafiene Commandant zu wenig Truppen zur Vertheidigung ber
Stadt behalten Hatte, vermochte er ihre Bewohner, diefelbe zu
verlaffen, jenfeit des Cuphrat in die Wüſte zu fliehen, oder nach
Suflana zu gehen. Er felbft verkroch fi mit feinen Begleitern
Hinter den Schut der Blüffe und Candle durch beftändiges Aus-
weichen. Demetrius fand daher dad einft fo bevdllerte Babylon
nun ſchon völlig menſchenleer; nur zwei Gaftelle ober Schlöffer
waren noch mit Mannfchaft befegt. Das eine ward nach kurzer
Belagerung ohne befonvere Mühe erobert und zur Plünberung feinen
Silonern preiögegeben; da er das andre nach mehren Tagen mit
5000 Mann nicht erobern konnte, zog er ſich eiligft nach ver Küſte
- von Syrien zurüd (Diod. Sic. XIX. 100).
So das Trauerbild jener Zeit; fo der gänzliche Verfall des
Wohnfiged der einft fo gefeierten babyloniſchen Weltweifen ober
Ehaldäer, veren Weiffagungen felbft noch von Alerander wie von
Antigonud und Seleucus nicht wenig refpertirt waren, weil bie
Beobachtung der @eftirne, ver fie ſich felt taufend Jahren ergeben
Hatten, ihnen eine untrügliche Wiſſenſchaft verliehen zu haben fchien
(Diod. Sic. II. 81; XIX. 55), indeß fle doch eben nicht im Stande
waren, felöft durch eined Alexanders Begünftigungen gehoben, ſich
4 auß der Vernichtung zu retten.
Erſt als Seleucus Nicator 12) feit ber zweiten Rückkehr
wsärwr
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22) f. Gl Univerfal. hi Ueberf. der ichte der alten Welt.
BE rer mann
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| Euphratfoftem ; Hiftorifcher Auͤckblick; Seleuciden. 69
nech Babylon fich am Euphrat und Tigris auch feſtzufeten bei»
Rand, ald der klügſte und mildeſte ber Ufurpatoren jener Zeit; . fett
er feine Macht oftwärts bis nad) Indien, weſtwaͤrts bis Kleinaflen
ausgedehnt, fich den Königstitel (307 vor Chr. ©.) beigelegt, und
nach der Schlacht bei Ipfus (301 vor Chr. ©.) feine Nebenbuhler
völlig befiegt Hatte, da kehrte auch einige Ruhe und Glück an ven
Tigris zurüd. Zwei Städte gründete er als neue Refivdenzen: An⸗
tiochia mit ihrer Hafenſtadt Seleucia am Ausfluß des Orontes in
Rerien, vie fih bald zur Weltftaut erhob, und bie andere Seleucia
am Tigris, nach ihm ſelbſt benannt, die er in ver Nähe des alten Sitace
und eined Kleinen Ortes Choche (Xwyn bei Steph. Byz.), den
man wol für den ſchon früher vorhandenen Ortsnamen gehalten
det, auß den Irummern Babylons, vefien Bevdlferung er dahin
überfiebelte, aufführte und feinem Sohne Antiochus (dem
erſten, reg. von 282 — 262 vor Chr. ©.) als Refidenz der an bie
fen abgetretenen großen Ofthälfte feines Königreiches. vom Euphrat
Ks zum Indus überließ. Aus den Worten des Strabo: „nr rüv
(scil. zaAovulıny) Zeleixesay” und dem „rergllew,” das er für
wie Erbauung ever Ummauerung der neuen Stadt gebraucht, glaubt
ketronne 2) annehmen zu müſſen, daß diefer Ort nicht immer
Diefen Namen gehabt habe, fonbern zuvor ſchon ein anderer Ort, unter
dem Namen Choche etwa, das aber erſt zur Zeit von Jullans Feld⸗
zuge genannt wird, ober fonft ein unbekannter an ver Stelle von
Selencia geflanden habe, worüber und jenoch nichts näheres bekannt
Da Seleucus, deſſen Srabmal auch zu Seleucia prachtvoll er⸗
richtet ward, wie alle feine Nachfolger bi8 auf Antiohus AR. IM.
(224-187 v.Chr. ©.) eine große Vorliebe für dieſe Stadt gewon⸗
nen, in welcher vie aflatifchen Anfiedler mit ven griechifchen die Vor⸗
tztelle griechiſcher Berfaffung der Einzichtung Ihrer Gründer ver-
banften, fo blühte fie fchnell zu bedeutender Größe auf, und
wer» für die Folgezeit, wie früher Babylon am Euphrat, der
Unzicehungdpunct der Weltereigniffe am Tigrid. Das
derch wurbe feitvem die Aufmerkjamkeit von der fo berühmten Va⸗
Selen fo völlig abgelenkt, daß fie gänzlich in Vergeſſenheit gerieth
unn in Eindve verfant (Plin. VI. 30 Babylon ad solitudinem re-
dit, exhausta vicinitate Seleuciae), während die freien Bürger
Seleucia's von den Bricchen ſeitdem ſtets Babylonier (Seleu-
'") Strabe Geogr. trad. franc. T. V. 1. p. 166 unb'p. 182, note
9, par du Theil. | |
70 Weſt⸗Aſien. EIT. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.
«ia ... quae Babylonia cognominatur Plin. VI..30) genannt
ben. Griechiſches Keben und griehifche Freiheit wi
durch dieſe, wie andre fo zahlreich ſchon durch Alexander und
auch durch bie Seleuciden durch ganz Vorderaſien, von Asia 1
und Mefopotamien an bis Bactrien und Indien hin, gegrür
Staͤdte dort eingeführt, und trugen in ſofern nicht wenig zur
ven Ausbilbung des Orientes das Ihrige bei. Die Stadt
Leuela war zu Strabo's Zeiten, nach dem Verfalle des for
Neihes, an deſſen Stelle zum Theil ſchon Römer und Partiı
treten waren, zu folcher Erbße und Vendlkerung emporgema
daß fle noch den Rang vor Antiochia erhielt, dad doch Alex⸗
in Aegypten und Rom gleich war (Strabo XV. 743). In
Seleucia, bemerkt ver oben genannte Geſchichtſchreiber, ſann
fich fpäter, während ver Ohnmacht ſyriſcher Gerrſcher, noch al
berbleibſel ver frühern griechiſchen Niederlaſſungen am Cuphra
Aigrio, fo daß fle in eben dem Grabe zunahm und ‚fi 2
verfhaffte, als ſelbſt die Macht der ſyriſchen Dynaſtle hera
Die Barther ließen dieſer Stadt nicht bios Ihre alte Berfafung
lyblus nennt Adeıyavas, Diganen, als erſte Magiftrateperfor
Seleucia, Histor. Lib.V. c. 54, die allen Erklärern unbekannt
sen von ihnen die Oſtikani Armeniens 1%) ihre ebenfalls unbe
Würde und Benennung erhalten Hahen?), fondern verſchont
noch zu Strabo's Zeit mit der Einquartierung ihrer rohen
ger; doch war fle ihnen unterworfen. Später, da Irajan
als Sieger am Tigris auftrat, bis auf Sultan, war fie
-böllig freie Stadt, werlor aber ihren Olanz, ven fie unter de
leuciden erhalten, weil dicht neben ihr das Winterlager der P
-Ktefiphon, bie indeß vom kaspiſchen See zum untern Tigri—
gedrängt waren, und zumal fpäter dieſes durch die Gaffanive
naftie zu ihrer großen Blanzrefivenz erhoben warb. Leider er
wir.von Land und Bolt am igris, ſelbſt unter ber fo.berü
-Serrfgaft Unttohus HL, der nad) den Siegen In Baktrien
bis 209 vor Ehr. ©.) den Beinamen des Großen erhielt, ui
Gmpdrer Molon durch einen Feldzug bis Geleuca Hin, das «
fen Empdrung Theil genommen zu haben ſcheint (Polyb. Hi
e. 51-54), verfolgte, Teine genawsen Nachrichten mitgetheilt.
196tu845) nennt nur in dem von Ihm näher beſchtiebenen Bı
+) Petermann de Ostikanis, arabicis Armeniae gubernab
Comment. Berol. 1840. 26) Mannert Geogt. der &
». Römer TH. V.2. p. 306, 462, 456, 463,
Euphratſyſtem; hiſtoriſcher Ruͤckblick; nad Strabo. 71
des Antiochus IIL gegen Molon entlang dem Tigris einige Staͤdte,
wie Liba im Süden von Nifibis, Dura nahe Tekrit, Oricum am
bamrin (Erdkunde Th. IX. ©. 512), Apollonia (ebd. ©. 508) und
Ghale (ebd. S. 470), deren Lagen ſich nicht einmal mit Sicherheit.
genauer, als sir dies ſchon fräher verfuchten, bcammen laſen (Bet
Th. X ©.113, 513). |
2) Ra Strabo: das Dnellgeblet von Euphrat und “
gris in Taurus und den Ripbates- Ketten Armeniens.|
Vom Lauf ver Ströme gibt Strabo die erſten überſichtlichen
Beichreibungen. „Der Euphrates, fagt ex (Strabo XI. 527
„hat auf der Norbfeite ver Taurus⸗Ketten feinen Urſprung; er flie
„zuerft gegen Weften durch Armenien, wendet fi dann gegen
„Süden, durchbricht die (ſüdliche) Tauruskette und ſcheidet die Ar⸗
„nenier (im Oſt) von ben Kappadokiern und Kommagenen (im Weft).
„Dann ſtürzt er aus den Bergen hervor, tritt in Syrien ein und
„wendet fi} gegen ven winterlichen Aufgang, d, L gegen S.D.,-bi8
„gen Babylon, mit dem Tigris Mefopotamien ale ; dann
„aber ergießen fich beide in ven perſiſchen Meerbuſen, d .i. in das
„erythrãiſche Meer.
An einer andern Stelle (Strabo XI. 521.) fügt er zu obiger
fehr richtigen Angabe beö Quelllandes noch erläuternd hinzu: „Von
„dem Zaurus Giliciens (vergl. Erdk. Th. VII. ©.551) zweigt ſich
„an der einen (der ſüdlichen) Seite das Amanus⸗Gebirg ab, ‚von
: „ber andern (nörblichern) der Antitauruß, in deſſen Mitte €»
„mana (Beute el Boftan) Tiegt ; im fogerinnnten obern Kappa=
„vokien. Das Amanosgebirg ſtreicht (gegen N.O.) vor bis zum
„Buphrat und bis Melitene (heute Malatiyah), von wo Kom⸗
magene ſich Kappadotien entlang (gegen den Norden) ausbreitet.
„Auf dem Oſtufer des Cuphrat ſteigen dieſelben Bergzũge wieder
"empor, wie auf deſſen Weſtufer; fie bilden einen und denſelben
Kettenzug (was wir ſüdliches Taurus ſyſtem genannt haben,
„&eot. VII. ©. 6), ver jeboch bon dem Euphrat quer durchbro⸗
„hen wird (von N. nach' S.). Ja auf der Dftfeite gewinnt die⸗
Aer Taurus noch großen Zuwachs an Höhe, Breite und vielfa⸗
„er Verzweigung. Der ſüdlichere Zweig iſt nun der eigentliche
Aaurus, bad Sqeidegebirge (von Weſt gegen Oft ziehend)
10) Gtrabo b. Großlurd, Th. I. p.428; trad. franc. Tom. IV. I. p.819.
—
72 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 30, |
„zolfchen Armenien und Meſopotamien, denn von da an iſt
„es eben, daß vie beiden Ströme die mejopotamifche Landſchaft ges
„gen: den Süpen zu bilden beginnen, indem fie, fidh einander im⸗
„mer mehr nähernd, gegen Babylonien ziehen, und fi dann zum
„Meere ergießen. Der Cuphrat ift aber weit flärker ale ver Ti⸗
„gris, und wegen feiner flarfen Krümmungen bat er auch einen
„weit längern Lauf zu burchfirdmen.” Auch dieſe Angabe ſtimmt
mit unferer heutigen Kenntniß jener Gegenden des obern Cuphrat⸗
Iaufes vollkommen überein. Minder Mar find die fpeciellen Anga⸗
ben des obern Euphratlaufes bei Strabo; theild weil gar manche
Stelle feines Textes Hier durch fehr frühzeitige Verftümmelung ge=
fitten Hat, teils weil er vie damaligen politifchen Diſtrictseinthel⸗
Jungen, die und jetzt wenig, Überhaupt nur etwa-auß Ältern arme
niſchen Schriftfiellern einigermaßen bekannt fein Eönnen, und auch
zu verfchlebenen Zeiten gar manche Verſchiebungen ihrer willkührli⸗
chen Begrenzungen erlitten, zur Erklärung des fo vielfach ſich win⸗
denden Stromlaufed gebraucht Hat. Nimmt man nun no hinzu,
bag die pofltive Kenntniß und richtige Anfchauung dieſer Landſchaft
auf) ven unzähligen Commentatoren und Critikern viefes Autors
gefehlt Hat, da alle bisherigen Karten die größten Irrthümer von
ber Terra incognita am obern Eupbratlaufe enthielten, deſſen end⸗
liche theilweiſe Berichtigung wir erft der Gegenwart durch Forſchun⸗
gen, Meffungen und Aufnahmen an Ort und Stelle verdanken: fo
läßt es fich begreifen, warum auf dieſem Gebiete, ungeachtet ver fo
Iehrreichen Bearbeitungen eined Strabo dur einen Cellarius,
DAnville, Rennell, Mannert, Reihard, Letronne u. a.,
doch noch die größte Verwirrung vorberrichen mußte. Großentheils
wurbe diefe noch durch verfuchte Zurechtweifung des Strabd ver-
mehrt, da dieſer doch, felbft im Taurusſyſteme geboren, dort mehr
einheimifch war, als alle feine Erflärer. Wir ziehen es baber bei
unferm Zwede, mehr vie Landesnatur Eennen zu lernen, als ven
Autor berichtigen zu wollen, vor, In feinen in ver That fehr lehr⸗
reichen und nicht felten von grandioſer Anfchauung ausgehenden all⸗
gemeinen Angaben vorläufig das der Natur jenes Bodens Ent-
fprechende, ven unverflümmelt erhaltenen Stellen des Textes An⸗
gehörige mehr hervorzuheben, als bie Eonjerturen ded offenbar Ber
flümmelten burch neue Hypotheſen zu mehren, und bie zweifelhaften
.Einzelnheiten mit Scheinbarer Berichtigung bier zu critiſtren, da ſich
dazu die Nachweiſe, wo fie belchzend "erfcheinen, erſt bei der Special⸗
betrachtung mit ihrem Ergebniß vellfländig darbieten werden. So
x
en
Euphratfuftem ; Hiftorifcher Rüdblid; nach Strabo. 73
bleibt und doch gar manche pofltive Wahrheit übrig, deren Mitthei⸗
lang wir zuerfl diefem Autor zu verbanfen haben. „Dem noͤrd⸗
„iden Taurus entquellend, wieberbolt Strabo, burdfirdme
„ne Eupbrat zuvörderſt Armenin, dad er aber bir Groß⸗
Armenia (XI, 521, vergl. 527) nennt, weitiwärts bis zu
Klein=Armenia,dader zur Rechten behalte; zur Linken aber, d. i.
m Süden, liege ihm Akiliſene (Lifene). Dann wendet er
“RS gegen ven Süden und flreift in dieſe Wenpung (druorgo-
"97 1. c.) die Grenzen der Kappadoken (In N:IE.).“ Diefe
ste Wendung fann’ feine andere als ver große Weitwinkel
des Eupbrat, gegen Malatiyah Hin, fein, von mo an abwärts
bee große Durchbruch der Tauruskette beginnt, welche die kappa⸗
nähe Provinz Melitene im Nord von ver Provinz Kom»
nagene im Süd, darin Samofata die Gapitale war, ſcheidet.
‚Dean, fährt Strabo fort, diefe, nämlich die Kappadoken, und bie
Kommagenen zur Rechten (d. i. m NW. und W.), zur Linken
‚aber an jenem ſchon genannten Akiliſene“ (das alſo Im innern
Bag jener Wendung von ihm an ver Nord⸗ und Weftfelte befpült
wird) „und Sophene im großen Armenia vorüberziehenn“ (darin
Ymida, jeht Diarbefr, die Eapitale: denn beide, Sophene wie
Yhfene, waren nur ſüdliche Provinzen Groß⸗Armeniens) „ſchrei⸗
„tet ver Eupbrat gegen Syrien vor, und macht Hier wieder eine
‚andere Wendung (aAdny Znıorgogynv) gegen Babylonia und
„nen perfifchen Meerbufen.” . Diefe „andere Wendung,“ welche
wir die unterfie Oſtwendung des Euphratknies nennen
möchten, kann, da fie unterhalb Kommagene liegt, Feine andere als
vie von Rumlala an fürwärts und dann bei Baulis unter 36°
nicht. Br. im Marimum ver Annäherung zum ſyriſchen
Meere entichienen von demſelben ſich abwendende Südoſt wen⸗
dung fein, weil von dieſer nun wirklich die Normaldirection
des ECuphrat gegen Babylon bin beginnt (f. ob. ©. 5).
Diefe Angaben finden wir durch die fortgefchrittene Beobach⸗
tung vollkommen beflätigt, nur hätte Strabo, um vollſtändig In
feiner Beſchreibung des Tuphraticufes zu fein, auch bie beiden an⸗
vorn gleich ſtarken und chen fo Hararterifiifihen Strom-
wentungen ober Epiftrophen vefielben, welche zwifchen den
bekbden von ihm angegebnen obern, im Oſt von Malatiyah, und
antern, fübwärte Rumkala, fi} befinden, ebenfalls angeben ſol⸗
km, um ein richtiges Bild vom Lande, feiner Naturgeftaltung ge=
mi, zu geben. Wir werben fie zum Unterfchieve von jenen durch
74 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Ahſchuitt. 5.30,
bie beiden mittlern Stromwendungen, bie aber nicht wie
jene gegen ven Oſten, ſondern gegen ven Weſten geben, bezeich⸗
nen. Doch zu biefen beiden dadurch gebildeten Kniebieguns
68 (Gyxüvag &Alfas Dion. Perieg. v. 979) des Euphrat, ge
. gm ND. zur Duelle der Tigris Hin, und gegen S. O. zwifchen
Samojata und, dem heutigen Süvereh, gingen Feine großen Heer⸗
ſtraßen, weshalb fie vielleicht, dem ganzen römifchen, Alterthume un⸗
befannt blieben, und erſt in neuefter Zeit durch unfre preußifchen
Officiere und einige englifche Reiſende, man kann ſagen für. die Wiſ⸗
ſenſchaft, entdeckt werden mußten.
Strabo, der dem Euphrat ſeine Duelle im Norden des Tau⸗
zus ſehr richtig angewieſen bat, ſagt: „dagegen entſpringt nun ber
rtgrid in den fünlichen Theilen des Taurus, und fließt
„welter abwärts, dem Euphrat ganz nahe kommend, nach Meſopo⸗
„tamien bis Seleucia, dann aber ergießt er fich im denfelben Meer-
„bufen. Die Quellen des Euphrat und Tigris find an 2500 Sta⸗
„dien, d. 1. einige 60 geogr. Meilen, weit außeinanver gelegen.‘ “ Auch
dieſe Angabe würde der Natur der Sache ziemlich entſprechend ſein,
wenn man dieſen Abſtand nach dem gekrümmten Laufe des Euphrat
bis zur Nordquelle in der Nähe von Erzerum nach. Wegdiſtanzen
berechnet; nach birerter Diſtanz, in der Richtung der Breitengrade,
ohne auf weſtliche und äflliche Lage zu fehen, würde dieſe Angabe
aber ‚doppelt zu groß fein, da der Tigris etwa unter 380 20 N. Br.,
ver Euphrat unter 40° N. Br. feine Duelle hat. Die andere Led
art von 1500 Stabien, d. i. 37% geogr. Meilen, bürfte noch immer
um.10 geoge. Meilen zu viel fein.
Aus Strabo's 17) Befchreibung erhalten wir auch bie erften
Nachrichten von den Kortfegungen der Taurudzüge gegen
den Oſten, deren Spaltenrichtungen wir im Allgemeinen (Erdk. VII.
&.552) durch Ihre Erhebungszüge wol kennen, in deren gefonberter
Gliederung aber und noch vieled unbekannt bleibt.
0 Bom Taurus, fagt Strabo, und er fpricht von der Oſtſeite
„des Euphrat (XI. 522), laufen viele Zweige gegen ven Norden
Aus, und von biefen iſt einer ver fogenannte Antitaurus: venn
‚ao wannte ınan bie Reihe von Bergen, welche vie Landſchaft So⸗
„phene in einem Thale einfchließen, das zwifchen ihm und dem ei⸗
„gentlichen Taurus, d. i. der fünlichen Tauruskette ober dem oben
„jo genannten Scheivegebirge gelegen iſt.“ Man fleht alfo, daß
7) Strabon trad. franc. Tom.IV. P.I. p.302, not.1.
er — De
I er DH ED TE er a =
Eupbratfoffem; hiſtoriſcher Nuttblick; nach Shake, 75
Strabo dabjenige ungemein wilde, auch heute noch faſt unzu⸗
gaͤngliche Felsgebirg, welches ſich unterhalb des heutigen Ma⸗
latiyah, zu beiden Seitenufern des gewaltigen Cuphrat⸗
durchbruchs, mit feinen fenkrecht von ven Waſſerſeiten aufftei⸗
genden Felowänden emporhebt, mit dem Namen des Antitaurus
belegt, eine Benennung, die keiner geſonderten einzigen Kette zu⸗
fommt, ſondern die unfrer Anficht nach, wie am Libanon, dem Con⸗
trafte eines in der Mitte tief einſtürzenden Belsfpaltes zu dem er
hobenen Felſsgebirge der Seitenwände ihren Urfſprung verdankt, weis
&e bier überall bi zu 4000 Fuß über den Euphratfpiegel, nach
v. Mühlbach's Beobachtung, fich erheben. „Von dieſem, faͤhrt
„Strabo fort, ziehet ſich gegen den Norden, längs dem kleinen Ur
„menia, ein großes und vielzweigiges Gebirge hinauf. Ein Shell
„savon Heißt Paryadres, ein anderer die Mofhifchen»- Berge
‚(Mooxısa den), noch andere haben andere Namen; dieſe aber
„amfafien ganz Armenien bis zu den Iberen und Albanern.“
Im Baryadres möchten wir wol, als dem nörblichfien Zweige,
denjenigen Bergzug gegen N. O. zwifchen ben beiven Euphratar⸗
"am, dem Frat und Murad, wieberfinden können, welcher vort
anter dem Namen Dujik⸗Gebirge als eine über 10,000 Fuß
hohe Schnerkette von ‚weiter Auspehnung durch 3. Brant in ben
Jahren 1835 und 1838 erſt entdeckt iſt. Sie ftreicht von Kebban
Maden oberhalb des Zuſammenfluſſes beider Euphratarme ges
gen NOR dem Hohn Bingol Tagh zu, fo daß ver Frat im
Nord, wie ver Murad im Süd ihre Kängenbegleiter find. Nies
mand hat die Kette ſelbſt befucht, die durch Kurven unzugänglich
gemacht wird; aber 3. Brant erblichte fie 1835 von ber Nordſeite
ber 19), von der Plane von Erzingan, und im I. 1838 von ber
Gärfeite her 19), von Mezirah am Murad⸗Fluffe, das ſelbſt ſchon
nach feiner Mefiung 49184 Fuß Par. (= 5245 3. Engl.) abfolut
hoch lag.
Die Moſhiſchen⸗Berge können nad übereinflinmenber An⸗
ſicht aller Erklärer keine andern bezeichnen, als bie große, mit jener
des Dujik gleichlaufende, gegen O. NO. aber dem Südufer des
Murapds Armes entlang ſtreichende Gebirgskette, welche von
ven zigeiß. Quellen oberhalb Arghana Maden, die dem Oft
36) J. Brant Journey through a part of Armenia and Asia minor
1835 in Journ. of the Roy. Geogr. Soc. of Lond. Vol. VI. 1836
p-201. 10) J,Brant Notes on a journ. thr. a part ofKur-
distan 1838 ebend. Vol.X. P. III. 1841 p.36®.
76°. Wefl-Mfien, IIT. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30
ufer des Cuphrat in Sophene ganz nahe liegen, vfl« "
wärt8 birert gegen bie heutige Stadt Mofh, in welcher ver antife
Name fi noch bis Heute erhalten Hat, fortzieht, und ehe fie dieſe
erreicht, unter dem Namen des Antogh Tagh, Koſhm Tagh,
6881 %. Bar. (6800 %. Engl.) hoch, und Kizil Ag haj durch I.
Brant?20) im 3.1838 theilweiſe bereift und überfliegen wurbe. Zu
ihren ſüdlichen Höhenrüden gehören die Darkufh Tagh, 6090 &.
Bar. (6490 Fuß Engl.), und Kherzan= Berge, von denen viele
ndrbliche Tigris«Zuflüffe gegen Süben abwärts zum Tigris fli-
sen. Im Norden dieſer langen Gebirgskette breitet ſich die an 4000
Sup Hohe, wellige Plateaufläcde. von Moſh norbwärts gegen
die Quellen Brat und Aras aus. Die Kette ſelbſt aber fegt al⸗
lerdings, wie Strabo bemerkt, weiter gegen Oſt in derſelben Ner-
malrichtung bis zum Van⸗See fört, an befien Weſtende vie
ziefige Nimrud- Kette (Erf. DK. 987), noch meiter oftwärtd am
Norbufer des Gerd der über 10,000 Fuß hohe Seiban Dagh 21)
Ebend. IX. 994, 923, 1003), und endlich im aͤußerſten Norboften
deffelsen, an ven Quellen des Murad⸗Flufſes, des Murad
fat, der Hohe Ararat über. Bayazed emporſteigt (Erdk. IX.
&.915). Allerdings umfaffen diefe hohen Gebirgszüge mit ven ven
ſchiedenen Namen ganz Armenien, und fon mit der Quelle des
Arares auf dem Dingol Tagh, zwifhen ven beiden großen ndrd⸗
lichen und fünlichen Euphratarmen, konnte man damals wol fagen,
beginne in ber Nordoſtſenkung ber weiten Hochebene bes Arares
zum Kurfluffe und zum kaspiſchen Ser das Land des Iheren und
Albaner.
Strabo, ber diefe Tauruszüge noch welter gegen Mebien ver»
folgt, kehrt (XI. 522) aber auch zu der ſüdlichen Tauruskette, „vem
„Scheideg ebir g zwiſchen Armenien, Sophene'3 Indbefondre, und
„dem nörolihen Meſopotamlen zurücd, und bemerkt, daß eben dere
Selbe Kettenzug von Ginigen auch mit vem Namen ver gorbydl«
‚Adhen Gebirge (d. i. der Eurpifchen, f. Erof. IX. 517, 630
„u. a. D.) bezeichnet werde, und zu biefen gehöre auch ber die beis
„ven. Stäbte Nifibis und Tigranokerta überragende Berg Ma⸗
„sion (Mafius, jet Karadja Dagh ober Karapja Dou-
„gleri im Plural). Dann fteigt die Tauruskette (gegen N.D.) noch
„höher und Heißt Niphates; Hier etwa And die Quellen des
20) J. Brant I. c. Vol.X, P.LII. pag. 353. 21) ebend. VoL. X.
. ul. p.377, 410.
Euphratſyſtem; biftorifcher Ruͤckblick; nach Strabo. 77
„Iigris an defien Sübgehängen. Vom Niphates immer welter
„und weiter zieht fich die Bergkette (gegen &.D.) und bildet hier
„ven. Zagros, welcher Media und Babylonta fcheivet.‘
Zum Verſtändniß dieſer Stelle iſt auß der armeniſchen Hiſtorie 22)
zu bemerken, daß ſeit uralten Zeiten das ſchneehohe Gebirge an der
Sübdſeite des Arares (nach Mos. Khor. I. c. 11. p. 33) dort mit
dem Namen Mafis belegt war, aber au Agherh- oder Da⸗
gher⸗dagh, richtiger Arghidagh hieß. Die Armenier fahen dies
für ven Ararat der heiligen Schrift an. Iener Name Mafis, ver
hent zu Tag nur als ein Iocaler auf daß centrale Armenien an
gewendet zu werben pflegt, wo nad Chardin 2) die Armenier
und Perfer 56 in neuere Beit den Ararat gewoͤhnlich Maris nen⸗
nen, mag aber einft viel weiter auögebreitet auch bis zum füdli-
hen armeniichen Grenzgebirge gegen Mefopotamien gereicht haben,
weil auch hier ein Mons Masius in fehr weiter Erſtreckung bei
ven claffifchen Autoren in ven früheflen Zeiten (vergl. Erdk. IX.
©. 132) allgemein befannt iſt ald der auögezeichnetfle Name des
Bergzuges, ver ſich dort zwifchen Marbin und dem alten Amida
(Heute Diarbetr) am Tigris erhebt. Für die hohen Zwiſchenket⸗
tem dieſes in Südweſt wie in Norboft duch Maſis berge begrenz«
ten Gebirgozuges (vom 40° bis 44° äfll 8. v. Gr.), in nord⸗
SRlicher Richtung der großen Erdſpalte, welche ver Murap- Fluß
mer gegen SW. In gleichem Normalzuge bis zum Verein mit
vom Frat burchfirönft, führt Strabo den Namen Riphates an,
ver ebenfalls wie der Maflus ein alter armenifcher war, nämlich
ver Rebad oder Nbadagan 2*), um die Quellen des Murad
der Türnlichen Eupbratarmes, ver in der armenifchen Hiſtorie dadurch
berühmt wurde, daß in feiner Nähe ver armenifche König Tiridates
darch Gregorius Illuminator die erfte chriftliche Taufe empfing (Mos.
Kkor. III. c. 37.p. 275). Auch viefen gräcifirten Namen Niphates
hat Strabo, wie den des Maſtus, viel weiter gegen dad Südweſt⸗
ende des Zuges angewendet, als bis zu jener bei den einheimifchen Ar⸗
meniern nahe ven Murad⸗Quellen bezeichneten Stelle des Nbadagan.
Dies ergibt fi) aus der fortgefehten Angabe Strabo's, in
welcher er, das früher Geſagte wiederholend und beftätigenb, zu ſei—
ner Befchreibung von Armenien binzufügt (Strabo XI. 527): „Die
22) Sg, Martin M&moires historiq. et geogr. sur PArménie. Paris
1818. T. I. p.48.. - *®) Chardin Voy.. ed. Amsterd. 4. 1735.
T.L p.219. 20) St, Martin Mem. 1. c. T.1. 2.50,
78 BWeftäften. HIL Abtheilung. I. Abfchnitt, $.30,
„Berge des Maſion beherrfchen das ihnen gegen. Süd: gelegene
nMefopotumien der Mygdonier, in deren Geblete Miftbis uͤegt,
„im Nord aber die Landfchaft Sophene, weiche zwifchen dem Maflon
„und dem Antitaueus gelegen iſt. Die königliche Stabt Sophenes
ft aber Karkathiokerta. Welt gegen den Often gegen Gordyene
„(Borgodglene) Tiegt ver Niphates; dann folgt der Abos (nicht
„ſowol in Oft, als in Norb meinen Du Theil und Großkurd)2), dem
„ſowol der Euphrates als auch ver Arares, jener gegen Abend»
„dieſer gegen ven Aufgang, hervorfirömt. Dann folgt -zulegt noch
„der Nibaros (Imbaros) gen Media.“
Strabo bezeichnet hiedurch fehr beſtimmt die Sage ber armenie
{hen Provinz Sophenes, die ſich vom Antitaurus ober ven wil⸗
den Felsketten ber Cuphratdurchbrüche), bie Hier an 300 Strom⸗
ſchnellen bilden, über die weſtlichſten innerhalb ver Knieblegungen
des Cuphrat fo feltfam gelegenen Tigrisquellen fortzieht, und weiter
gegen Oſten bis zum Niphates gegen Gordyene reicht, d. 1, bis an
das Bergland der Karbuchen, dad Xenophon am Centrites (Bitlis),
einem ber Öftlichfien Tigriäquellftzöme, aufwärts im heutigen Kurbiftan,
zum füblichen Cuphratarme, dem Murad, überfliegen Hatte (f.. oben
©. 23). Es if alfo das Land am Güpgehänge ver Kette zwiſchen
don 2 Mafinöbergen, welcher fo viele Tigriszuflüſſe vom Norden
Her, oftwärts bis zum DBan«Gee, entquellen. In diefem Gebiete war
Karkathiokerta (Kaxpadıöxepra, Strabo) hie Reſidenzſtadt,
die Plimus in die Nähe des Zigeis ſeht HB. N. VL 10.
Tigri proximum Carcathiocerta), weshalb man fie für identiſch
mit der fHdnen Stadt Amida ober Diarbefe gehalten Hat.2?7) Da
aber fon Ptolemäuß fie nicht mehr in feinen Verzeichniſſen
aufführt und Feiner ‘ver fpätern Autoren fle nennt, fo bleibt diefe
Lage allerdings nur: bloße Vermuthung. Auch weicht deshalb St.
Martins Anfiht?°) davon ab, der bie Stadt Martyrepolis, welche
' im 6. und 8. Jahrhundert noch ald die Gauptflabt ber armenifchen
Provinz Tzophanene (d. i. jene Sophene bei Strabo und Pli⸗
alus) galt, für die Lage der ältern Karkathlokerta Hält, an beren
®*) Strabon Trad. fr. T. IV. 1. p. 320. Not. Grofskurd Strabo
Meberf. TH. IT. ©. 431. Not. 3. ) v. Moltke Briefe über Zu⸗
ſtaͤnde und en in ber Türket. 1835—39. Berl. IS41.
8. ©. 292, tannert Geſchichte d. Or. u. Rom. Th. V. 2.
€. 20. *) — Mem, s. lArm. L p.98; vergl. v.Sam:
Fr de afiat. Türfel, Rec. Wien. Jahrb. Kur 1821. ©. 248.
ot. 6.
#
on A —— —
Enphratfyftem; hiſtoriſcher Ruͤcblick; nach Strabo. 79
Stelle dann die heutige Miafarekein ver Araber liegt. Mite nes
5. Jahrhunderts ſammelte nämlich der eifrige Epiſckopus Maro us
tha alle Reliquien armeniſcher Martyre, vie auch durch Syrien und
Berfien zerfireut waren, und weihete ihnen dieſe Martyropolis, vie
aber ſchon früher befland und ihren heidniſchen Namen Karkathio-
kerta wahrfcheintih damals in ven chriſtlichen umgewandelt zu
haben ſcheint. Auch wurbe dies mit dem Rymphäusfluß (Nym-
pkius°b. Suidas), der nach Amm. Marcellin. XVII. 9. 2. im N. O.
von Amida, und nach Procopius (Bell. Persic. I. p. 42, 15 und
I. p. 108. 3. ed. Dind, 1833) 7 bis 8 geogr. Mellen von Amipg
entfernt, nicht an Martyropolis vorüberfloß, und damals Grenz I
fluüß zwiſchen dem rdmifchen und parthiſchen Reiche war;
zenlich ũbereinſtimmen, da auch die heutige Miafarekein, an
nem Fluſſe Ainol Haus, der für den Nymphius gelten mag,
verüberfließt, der aber nur ein Arm des Batman Su, eined aus
Rord vom Niphates herabſtroͤmenden Tigriöfluffes ift, welcher dem⸗
ch diejelbe alte Sophene, In gleicher Richtung ſüdwärts bis
nm Xigrts, der hier, biefelbe tm Süden begrenzend, von Welt ab«
wirts von Amida (Diarbekr) nach Oft fließt, in ihrer Mitte an
weierlei Gerrſcher vertheilte. Nach ver Mufelmänner Eroberung
abiekt die Stant den Namen Miafarekein (Meyafaretyn;
Roupbargin bei Armenien, Mayferketh bei Syrern), und
Hieb noch lange Zeiten die Neflvenz verfchieuner arabiicher, turfos
manutfcher und kurdiſcher Prinzen.
Die genauere Beilimmung der Lage des Berges bei Strabo,
ven er Abos nennt und als das Duellgebirg des Eupßrat und
Araxes genau bezeichnet, bat doch feine Schwierigkeit, weil der
Gupbrat einen weit audeinanderliegenden Doppelurfprung, nämlid
zwei Sauptquellarme bat, und audy am Araxes, in älterer Zeit,
verfchteone obere Arme ald Duellarme veffelben angefehen werden
tunen. Die beiden fraglichen Stellen, wo dieſer Abos Tiegen
ante, find der bekannte Bingheul bei Erzerum mit den Quel⸗
len des nordſtichſten Euphratarmes, des Frat, mo auch die Saupts
quelle des Araret (Arad) bekannt iſt; over der um einige 40 geogr.
Relen weiter gegen Dflen gerüdte Ararat, nahe welchem aller«
Wings auch, nämlich an dem gegen 10,000 Fuß hohen Seitenzweige
Ya Tagh, die Quellen des füdlichen Euphratarmes, nämlich. des
Burad, lisgen, gegen S. W. bei Diadin, nah Moriers Ent⸗
dung (f. oben ©: 24) und I. Brantd genauer Beftätigung (Im
|_ u
80 Weſt-⸗Aſien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30.
Jahr 1838); 20) denn auch von da gegen S. O. des Ararat iſt
ebenfalls ein großer Flußarm, der Alſas over Makufluß (Ero.
Th. IX. ©. 918), welcher zum heutigen Aras fält. Der mangel-
hafte Tert des Strabo, je nachdem man die Lage des genannten
A608, mehr nörhlich vom Niphates verfichen Tann, wo man ven
Bingheul trifft, wie Du Tell und @roßkurd nach veränderter
Interpunction, und zuvor ſchon Gt. Martin dieſe Stele verſtanden
haben; ober ob man in derfelben Richtung des Niphates gegen
RD. fortſchreitet, wo man denn zulegt auf den Arazat treffen muß,
eine Anficht, ver Mannert?) gefolgt, laͤßt darüber im Ungewiß⸗
heit, die auch ſchwerlich vollftändig berichtigt werben bürfte, ba noch
anbre Umflände in ven Nachrichten bei Plinius und Ptoles
mäus über ven Abo 8 und bie Euphratquellen hinzutreten, welche
bald für bie eine ober andere Auslegungsweiſe und Erflärung ver
Pofition des Abo 8 ſprechen Fönnen.
Plin ius beftätigt nämlich nad) ven Ausfagen des Domitius
Eorbulo, der ald Statthalter in Syrien unter Kalfer Nero, im
Veldzuge gegen den Partherfönig Vologeſes, bis zum Euphrat in
Armenien im Jahr 63 n. Chr. Geburt vorbrang, und alfo als
Augenzeuge gelten konnte: „Das die Quelle des Euphrat in
„ber Provinz Garanitis Großarmeniens am Aba (in monte
„Aba Plin. H. N. V. 20) entfpringe,“ der unftreitig derfelbe Ab 08
bei Strabo iſt. Ricinus Mucianus, bald darauf (im Jahr 69)
„Statthalter des .Bespaflan:;in Syrien, nennt jedoch ven Berg, an
deſſen Buße die Quellen hervortreten Capot es, XIL M. Pass.
(feine 5 Stunden Wegs) oberhalb ver Stadt Zimara gelegen,
„wo er den Namen Pyrirates führe” Schon dieſes Tönnte man
für 2 verſchiedne Localitaͤten bei fo abweichenden Benennungen ein⸗
anber fo nahe ſtehender zömifcher Berichterftatter halten, doch ſchei-
nen fie nach etymologiſchen Erklärungen einheimischer Namen die» _
felben zu fein. Der Name Aba ober Abos beider Autoren bleibt
an ſich unerklärt; aber in ver alten armeniſchen Benennung Ga⸗
zin,>!) welche die heutige Stadt Arzrum hatte, che fie ven Namen
<heopoftopolis und dann ben bis heute befannten erhielt, lebt
nach St. Martin der antife Name der Landſchaft Caranitis un⸗
ſtreitig fort, den auch Strabo an zwei Stelm XI. 528. Kapn-
®°) J. Brant en in Journ. of the Roy. "G. 8. 0f Lond, 1841.
Vol. Ba P. 1. p. 400. **) Mannert Geſc . ir. und Röm.
2.v26 20. ®1) St. Martin M&m. s, Ar. m. p- 87.
x
Enphratfüften; hiftoriſcher Ruͤcblic; nad) Strabo. 81
sisv und KU. 560. Kapava, vaher die Landſchaft Kaparisır
ed. Tzsch., obwol nicht in Verbindung mit den Cuphratquellen
bejeichnet, jedoch auch des damals Fleinen Städtchens Karana er⸗
wihet, das Mannert lieber für das heutige Kar 8 anſprechen ?2)
und Die Landſchaft Ghorzene damit iventificiren wollte, mas aber auf
za ſchwachen Gründen zu beruhen ſcheint.
Die Lage der Provinz Caranitis und der Stadt Barin,
ws heutige Arzrum, ift aber. durch ven Ep'hrad der Armenler, d. i.
wa Euphrat, bekannt genug, ber hier gayz in der nächften Um⸗
bung ver Stabt auf dem Bingdl oder Bingheul, d. i. den
Bergen der taufend Quellen, feinen Urfprung nimmt. Moſes
von Khoreme (Hist. lib. 3. c. 50. p. 309) gibt die Geſchichte ver
Erbauung von Garim, ein Name den bis Heute die Stadt Erſe⸗
sum over Arzrum bei den Einheimiſchen führt. Den Namen
Gapotes findet St Martin eben fo fidyer in ver einheimifchen
Benennung „Gaboid“ d. i. „Blau” wieder, eine Bezeichnung, bie
bei vielen Hohen Bergen Armeniend ganz gewöhnlich iſt, und zumal
verzugäweife die Berge der Kette im Süden des Aradlaufes, zwiſchen
vem wefllichen und öſtlichen Gupbratarme (Frat und Murad) bis
m Mais, d. i. bis zum Ararat bin bezeichnet.
Der Rame Byriratis, den Plinius dem obern Baufe biefeß
gibt, kommt bei Eeinem andern Autor vor, und eben
fo wenig iſt hier eine Stadt Zimara bekannt, wol aber kommt
ewa 30 geogr. Meilen weiter abwärtd am Gupbratlaufe eine Stat
dieſes Namens, nahe am Berein beider Euphratarme, bei Ptolemaeus
V. 7. fol. 127 in Armenia minor, ver Stadt Dußcuta ganz bes
anchbart, vor. Deshalb dem Plinius aber eine Nachläffigkelt vor⸗
uwerfen; wie Mannert thut, fcheint nicht nothiwendig, wenn man
berenkt, daß dergleichen Ortsnamen füch nicht felten wiederholen, und
zu eine Zimara ganz nahe den Frat⸗Quellen liegen Tonnte, vie
nur Btolemäus nicht aufgezeichnet hat. Daß Plinius Angabe
mit der Localitãt aber, wie nach feinen guten Berichterflattern zu er⸗
werten war, übereinflimmt, zeigt die Kortfegung feiner Angabe, daß ver.
Guyheat durch die Provinzen Derrene und Anaitis firdme, aber
Ruppabedien zur Geite, d. i. in N.W. liegen, laſſe (fluit Derxenen -
prime , ınox Anaiticam, Armeniae regiones, a Cappadocia ex-
dedens, Flin. H. N. V. 20). Dersene (Xerxene bei Strabo XI.
28) und Anaitis (Aciliſene bei Strabo), zwei armenifche Provin⸗
22) Meunert Serge. 2. &r. u. Rim. Th. V. 2. ©. 217.
Aitter Grhlunde X (+7
we
82 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30.
zen Rd -huch in ihren einheimifchen” armeniſchen Nainen wieder et⸗
Tender und det angegebenen Lage entſprechend. Naͤmlich Derxene
in Terbchan bei Moſ. Khor. u. U. im Weſt von Garin gelegen,
noch jet Terdjan. Anaitis war dem Gultus ber Anahid 2)
ver Armentet (dt. Diana) gewelht, die hier mie in dem benachbar»
ten Gebirgslande mehrere ihrer Errühmteften Tempelheiligthümer
hatte, und daher wol der Name ber Provinz (Procop. de bell.
Persic.'}. 17. ed. Dind. 1.:83).” Wenn die Lage des Abubberges
hienach mit dem Bingbl:an. den Arzeum» Quellen des Frat zufam«
men; fällen ſcheint, fo Hat Mannert) vaflır gehalten, ihn nach
Aemäud Ortsseflimmungen an die FüdTiche Muradquelle "ober
am bei: Urſprung des ſüdlichen, richtiger Hftlichen, Caphratarmes
ern nach heutiger aſtronomiſcher Beſtiinmung irrt Ptolemaͤns, fie
um 2 40 N. Br. auseinander tlickens, feine: Notrdquetle um
ter 420 40 Lat. und die Südquelle unter -40° Lat. Ptol. V.
e. 18. fol. 134) verlegen zu müffen,‘ wo er denn in dem hoben
Yrarat zu ſuchen fein würde. Allerdings gibt Ptolemäus (va
ſowol Strabo mie Plinius num die cine nördliche Cuphratquelle
Tennen, Zenophen nur bie eine ſüdliche kennen Iernte (ſ. 0b. 6.23),
ohne von einer zweiten nörblichern etwas zu erfahren) zum erflen-
Male unter ben Geographen des Altertfums zwei Duellarme
deſſelben an, Die er auch unter den obengenannten Breitengraden um
mehr als 30 geogr. Melle auseinander rückt, da fie. In Wirklich⸗
keit faft unter demſelben Vreitenparallele Liegen; aber ihren Längen»
abſtand von Weſten gegen Often gibt er ver Wahrheit ziemlich ge=
mäß an, indem er dem Nordweſtarme, vem Frat, 75°. 40’, dem
Cüpoftarme, dem Murad, dagegen 77° Long: gibt; aber ver Name
dleſes letztern Armes ſcheint durch den Abſchrribefehler einer ganzen
wesgelaffenen Zeile im Texte des Ptolemäus verloren gegangen zu
fin nah Mannerts Dafürhalten. Der Abos aber erhält hier
nun feine Stellung unter 77° Long. unb 41° Lat., alfo der Süd»
Mquelle zundchſt, und wärbe dann, wenn biefe Erllaͤrungsweiſe
ſich bewaͤhrte, nicht fowol auf den Ararat, fondern auf ven Ale
Tagh zu beziehen Tein. Dann aber konnte ver Nibarus-Berg
(6. Strabo XI. 527), ver fonft unbekannt 3), an einer andern Gtee
aber mit-dem W608 zuſammengeſtellt ift, mit bem Ararat identiſch
fin, da von ihm der Anfang ber merfägen Laudſcheſt ausgehen fi.
—
7 St. Martin M&m. s. TArw. T. I. p. 44. **) Maunert Weir
». Gr. n. Röm. Th. V. 8. re Pas) Gen. ©. 188.
‘
j
J
4
J
\
kuphratſyſtem; biftorifcher Ruͤckblick; nach Strabo. 83
&n diefer zweiten Stelle (Strabo X1. 531) wird gefagt, daß Abos
hr Ribaros jemfeit ver Armenier binausführen, und ver Abos
Brge nahe dem Wege, ver neben dem Tempel ber Zaris (Arte
wis, der Anahid, wofern es nicht Bagıdos vawv, ein Ayobatärium
ve großen Wlut, wovon unten, bezeichnete), 29) welchen der Arqres
bfpüle, oberhalb Artarata, alfo in der Gegend des heutigen Akhori
eu Nordfuße des Ararat vorüberfirbme. Hieraus ergibt fi, daß
der Mons Abos nit blos den Bingdl, fondern auch ven gane
ien hohem Bergzug von demſelben, oder den heutigen Ala Tagh,
6 in vie Nähe des Ararat, ver benachbart im Oſten an dieſen
ſich anreihet, bezeichnete.
Den zweiten fündftliden Cuphratarm Tennt Plinius
anch an feinen Quellen nicht, wol aber im abwärts gehenven Kaufe,
we er in dem Namen Omiras am Zufanımenfluß (Omiram vo-
cant irrumpentem Plia. V. 20) tenntlich. genug ift, woraus ver
neue verflümmelte Name Murad feinen Urſprung haben mag, gb»
det; man dieſen einem gleichnamigen Sultane zuſchreibt. Erf vom
Iufammenflufie dieſes Borirates (Frat) und Dmiras (Rurab)
ſel wer durchbrechende beftigfirdmenve felfige Strom ven Namen
Gurbrat. erhalten. |
Strabs gibt dem Arares feinen richtigen Lauf gegen Oft an
Urtazata vorüber (XI. 629), befchreibt ven Reichthum der Land⸗
ſchaft Armeniens uud berichtet nun auch Über ven Urfprung des
weiten Hauptfiromes, bes Tigris. Zu Armenien, dem
Ianbe des obern Euphratlaufes gehört auch dasjenige am oben
Zigris und Arares und deren Zuflüffen: denn urfprünglich. war
Irmmuien nach den Geſchichtſchreibern, jagt Strabo, nur eine kleine
Proeinz , file wuchs aber unter dem Gouvernement von Artarias
wb Zabriadis zu einem großen Meiche, als dieſe aus bloßen Ge⸗
ueralen des Antiochus II. nach feiner Nieberlage bei Magneſia
«u Gipylus (190 v. Chr. ©.) durch die Mömer zu Königen
wurden (Strabo XI. 528). Für den Artarias erbaute der car⸗
thegiſche Hannibal, ver vor feinen Todfeinden, ven Römern, von
eoqhns Hofe nach Armenien entſloh, an einer von ihm ſelbſt
wegen glũctlicher Gelegenheit auserwählten Stelle vie fehle Stabt
Istarata (auch Artariafata genannt), die, wie die zweite biefer
um Herrſchaft, Arxata, am Arares fi erhob; dieſe gegen bie
St. Martin Armen. L p. 264: über bie
Naıo. B. VL ©, 220 1.386.
& *
84 Wefl:Aien, HIT. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30.
Brenze von Atropatene, jene gegen bie Ebene des Arared gelegen.
Doch Hlevon wird beim Stromſyſteme des Aras das Genauere
folgen.
"Am armenifhen Euphrat Tagen damals (Strabo XI.529)
viele fefte Orte, "unter denen Strabo Artagerae (Artagira bei
Belle. Pat. und Zonarad) nennt, defien Commandant Ator ſich
ber Mömergemalt "entziehen zu Eönnen glaubte; aber des Kalferd
Auguſt Feldherrn belagerten und vernichteten Ihn, wobei Auguſts
Enkel Caj. Caeſar verwundet wurde und ven Tod fand (im Jahr 5
n. Chr. Geb.). Weder über dieſe Begebenheit, noch über die Lage der
Befte iſt eine?7) nähere Auskunft gegeben.
Nachdem Strabo nun von den großen Seen in Aderbidjan,
dem Urmid- und Van⸗See, gefprochen, worüber wir ſchon früher bie
notwendigen Berichtigungen beigebracht (f. Erdk. Th. IX. ©. 763,
782 u. ff), geht er (Strabo. XI. 529) zu dem obern Laufe des
Zigris aus dem Niphates über. Diefer fol ven Arſene⸗ ober
Ihonitld- See unvermifcht wegen ver Schnelle durchſtroͤmen, veffen
Waſſer, laugenſalzig, zum Reinigen ver Zeuge diene, aber nicht trinke
bar fe. Der Strom enthalte mehrere Arten Fiſche, der See nur eine
Art. Im Winkel des Sees falle ver Fluß in. einen Erdſchlund,
und’ fomme nad} langem unterirdiſchen Laufe in ver Landſchaft Eha-
Ioniti8 wieber Kervor, von mo er nach Opis ziehe an ber medi⸗
fen Mauer vorüber (ſ. ob. ©. 19). Daß hier Strabo falſche
Lesarten Hat ober Tüdenhaft ift, oder ganz Willkührliches, ver Loca ,
tät des langen Tigrislaufes vom Niphates bis Opis am Phyeron
Unangemeffenes vorbringt, ergibt fi von ſelbſt. An einer zweiten
Stelle wiederholt Strabo (XVI. 746) zwar biefelbe Erzäflung
vom Thonitis, doch ohne von beffen Hervortritt etwas anderes zu
ſagen, als daß dieſer fern von Gordyäa ſtatt finde. Plinius ver
von jenen Seen Ähnliches ſagt, erſcheint jedoch durch romiſche Kriegs-
führung in jenen armeniſchen Gegenden beſſer unterrichtet, und
nennt denſelben See Thonitid (f. Erdk. IX. ©. 785).
5) Blinius über die Tigriöquellen.
Doch fehlt auch dem Plinius die richtige Ueberficht des Vie
‚grisurfprungs überhaupt, denn er fpricht nur von einem Arme,
dem öͤſtlichen, und vermengt, wie fon Mannert ®) fehr richtig
"y Dame Geogt. ber Gt. u. Röm, Th. V. 2. 6.239. 22) Gbent.
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Enphrarfufteng ; hiſtoriſcher Ruͤkblick; nach Plinius, 85
benerlte, in feine Beichreibung eine andere Angabe, vie blos von
ka weftlichen Tigrisarm verftanden werden kann. Uber auch fein
Hlicher Tigrisarm iſt bis heute, nad) unferer bisherigen Localkennt⸗
ss, noch keineswegs fo leicht zu ermitteln, wie vie von ben bis⸗
feigen Erklären doch mit fo vielfach combinirten Hypotheſen ge⸗
chen iſt. Deshalb wir Hier in dieſe Betrachtung etwas genauer
ünzugehben haben. „Der Tigris, fagt Plinius A. N. VI. 31),
„atipringt im einer Gegend Groß Armeniens, fichtbar in einer
„Ebene, Elegofine genannt. Wo er langfam flieht, Heißt er Di-
„slito, beim ſchnellern Laufe Tigris, d. h. Pfeil im Mediſchen
Mrdt. Th. IX. ©. 517). Er fließt, ohne fein Wafler zu ver»
„mithen, durch den Ser Arethuſa (offenbar ein blos gricchifcher,
„ner Aretbufa in Syracus analog gehilveter Name (Plin. H, N.
JL 106), auf dem Alles Leicht ſchwimmen kann, ver immer Sal⸗
„ꝓeterdũnſte aushaudht. Auch bat vieler See nur eine Art Fiſche,
„nie nicht in das Flußbett eingeben, fo wenig als vie Zlußfifche in
„vie Wafler des Gerd einfchwimmen; feine Duschfirömung ift auch
Anders gefärbt. Da ihm nun’ der Taurus entgegen tritt, jo
Aſüürzt ex fih ineine Höhle, und bricht auf der andern Seite wieber
„hervor. Die Stelle heißt Zoroanda; der hervortretende iſt zus
„verläffig der nämliche Fluß als der verſchwindende, denn er bringt
„wiever zum Borfchein, was man im höherer Gegend hineingewor-
‚fen bat. Dann erfl fließt er durch einen zweiten See Thospitis
Ptolem. nennt ihn chen fo), verliert ſich von neuem in unterirpifche
„Gänge und kommt erſt nach 25 M. Pass. (d. i. nach 5 geogr.
„Reilen), bei Nymphaeum, wieder zum Borfchein.” Gleich
darauf fährt Plinius fort, auf Autorität des Claudius Caeſar zu
benerken: „dab ver Tigris vem Arjanias, einem Zuflufie des
Erphrat (nämlih zum Murad, oder der Murad felbft), in ber
Landſchaft Arrhene fo nahe komme, daß beider Waffer, wenn fie
Anſchwellen, aud) zuſqpmenlaufen, doch ohne fich in einander zu
„nischen, daß das leichtere Waſſer des Arſanias oben aufſchwimme,
‚nach keinen 2 Stunden Wegs (4. M. Pass.) ſich wieder abwende
And zum CEuphrat ergieße.“ Daß auch Ptolemäus jenen Ihp&«
pitia-See und an deſſen Nordſeite vie gleichnamige Stadt anſetzt,
ij ſhon früher gelegentlich bemerkt, wo auch deſſen Verſchiedenheit
m armenifchen See Dosb, d. i. der Ban, in Südweſt deſſel⸗
ben gelegen, nachgewieſen ift (Erpf. Ih. IX. ©. 785).
Dieſe Beſchreibungen, in deren Wiederholungen und Anſpie⸗
lungen ſich Die römiſchen Dichter und Ptoſaiſten damaliger Zeit er⸗
ul
86 Weſt⸗Aſien. IH. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30.
ſchopfen, würden hei Wiederentdeckung ver merfwürbigen Thatſachen
leicht zu geographiſchen Beftimmungen jener vermeintlichen Tigris ·
quellen führen (Lucanus L. III. v.261: At Tigrim subito tellus
absorbet hiatu, occultosque tegit cursus, rursusque renatum etc.; _
vergl. Dionys. Perieg. v. 983; Seneca in Q. nat. L. IH. c. 26:
idem et in Oxiente Tigris facit, absorbetur et desideratur diu,
tandem longe remoto loco, non tamen dubius an idem sit, emer-
gitur etc. und andere Stellen, f. Vibias Seq. ed. Oberlin, Notae
war. P.197). Aber bis jegt fehlte noch faſt jede unmittelbare Beob⸗
achtung berfelben; dafür ift an Vermutungen und fcharffinnigen
Combinationen fein Mangel geweſen; eine beſſere Rartenaufnahme
jener Gegenden in neuefter Zeit durch die Rontiers von M. Kin
nelr, Shiel, 3. Brant, v. Moltke und v. Mühlbach, welchen
Iegteren wir ald ven einzigen genaueren Beobachten an faft allen dfl-
Uchen Xigrisquellen ganz neue Thatſachen verdanken, iſt hier aber
unentbehrliche Vorarbeit zur vollſtaͤndigeren ſichern Grmittelung je
ner Angaben. Plinius ſcheint allerdings hier mehreres über dem
Iangen Lauf des Aigris und feine vielerlei verfchievenen Zuflüffe
compenbiarifch aus feinen Ercerpten zufammengezogen und in eine
fo unflchre Verbindung gebracht zu haben, daß es fchwer if, bie
wahre Deutung zu finden. Doc werden wir einigeß nachweiſen
tdnnen, indem wir fowol feine Daten, als bie feiner bisherigen Eom-
mentatoren mit ben wirklichen an Ort und Stelle gemachten Beob⸗
achtungen in Vergleichung bringen. Die Sen Arethufa und
:hospitiß, melde einem Öftlichen Tigrisarme ven Urfprung
geben follen, den D’Anville im heutigen Strome von Hafu, er
nennt ihn Ha⸗zour 39) (dab alte Zoroanda), wieder zu erfennen
glaubt, worin ihm auch Mannert: beiftimmt, der venfelben Strom
bet Er zen aus einem dergleichen See hervortteten und fich fünlich
unterhalb der Feſte Keifa in den von Weſten kommenden Tigris⸗
arm (den von Diarbekr) ergießen Iäßt, hat, aber bis jetzt noch fein
Beobachter geſehen.
Die einzige in neuerer Zeit erhaltene Ausſage von einer ana⸗
tog en Localität an einem dflichen Tigridarme iſt durch J.
Mic) zu Moſul von einem In jenen Gegenden des alten Niphates,
Heut zu Tage durch Kurden ſchwer zugänglichen wilden Gebirgs-
lande, wohlbewanderten Kurven mitgetheilt. Nach dieſem ſoll diefer
*°) D’Anrille, PEophrate et le Tigre p. 74; Manuert, Geogt.
Sr u Ri. 2 e W
LC
1}
_ Euphracfpfben; hiſtdriſcher dcadblictz nach Plinus; 87
tigris. bei einem fonft unbekannten Caſtell Mit 3, %).11 Stun-
dea Weges von Sulamerk ff. Erdk. IX, &.1029), aljo mol gegen
RW., enifpringen. Er breche hier plöglich auf einer Höhle im
Uerge, alſo wie an jenem Rymphäum, hervor, und. fei gleich beim,
erſten Urfprunge viel bedeutender als ver Weſtarm des Tigris von
Diarbekt. Derſelbe paſſire Sert, wo er ſelbſt bei niedrigftem af
ſerſtande ſchwer zu durchſehen ſei, und falle. in ver Mitte des, Ti⸗
srißlaufs, zwiſchen Diarbekr und Omar al Jezireh (Erdk. IX S. 709),
ti Tela Naprua, d. i. Tallsh auf v. Moltke's, Til auf Gel,
Shiel's Route, in dieſen Hauptſtrom der Tigris ein. Wenn ſchon,
dieſer Arm von den dortigen Kurden noch heute Tigris oder viele
met Did jel genannt wird, und er auch aus einer dem Nym⸗
phaum analogen Hoͤhlung hervortriit, fo fehlt doch noch nie. daran,
ihn deshalb für deu Tigris des Plinius zu halten, da ſolche Bil⸗
bangen verſchiedener und plöglich wieder hervortgetender Fluͤſſe hier
mie auch anderwaͤrts in ähnlichen Kalkiteinregignen gar nicht ſelten
zu fein pflegen, fh alſo gar leicht öfter, wiederholen koönnen, Die
fu unbelannte Route von Miks, das damals zu, dem Haklari⸗
Gebiete gehörte und von einem Verwandten bes Muſtapha Khan
(Erst. IX. ©. 650) von Julamerk befehligt wurde, nad! Sert, dab
Kinneir bejucht hat, warb von bemfelben Kurven fo angegeben,
dnzutragen wäre. Nämlich von Miks nach Berwari 6 Stunpeg,
wo ein zu ben milnen Kurbentribuß von Jezireh gehöriger zahlrei⸗
der und mächtiger. Stamm von Kurden wohnt, der viel Wachs und
Henig nach Moful zu Markte bringt. Dann 6 Stunden na Der»
gen; 4 Stunden nach dem Gaftell Koxrmas, welches dem Shir«
wen Bey gehöre, und von da 4 Stunden nad) Sert, aljo in al
km 20 Stunden Weges. en
Dieſes Sert, Sodrt (Sarit bei Mafubi 41), Sorsith bei
Grifi, Sairt bei Joſafa Barbaro, ver es Im Jahre 1471. befuchte),
wurde von D’Anville*) und. Mann ert für pie wahrſcheinlichſte
fage wer alten Tigransd- Stadt, Tigrano⸗kexta (Tagcit. Ann.
er Dur Gere Bu —
9 J.CLRich, Narrative of Kurdistan, Vol. I. app. Il. Information
from natives etc. p.378. *ı) EI Masudi, Hist. encycl..ar
| meadows of gold etc. Al. Sprenger. Vol. 1. p. 257. Lond. 1841;
Fdriai Geogr. bei: Jauhert I; p. 15%; Josata Bitbaro'Vdnellano
| Vingbis nella Persia hei Hamusio Racc.' ed. Venetia I688} Vol.
| 1. 101.6, ° "*4) D’Anriie sur PEuphrats'p.84; Munnert
e. a9. E&. 234. u J id. ar ar ... —
‘ ar ira Se «LU 14 .
88 WeflsAfien, III, Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30.
XV. 4), gehalten, die von Artarias, dem Sohn des Xigraned, nach
Bliniu und Tacitus 35 M. P., d. i. 74 geogr. Melle, im NO.
von Nifibis in Mefopotamien am breiten Nicephorius jo glanzuoll
angelegt war und von Lucullus fo ſchnell erobert ward. Dann
mäßte diefer Nicephorius, deſſen Namen Blutardy (Vita Lu-
call. 27) verfchweigt, der aber vom Siege der Nömer dieſen ſtolzen
Namen erhalten Haben mag, um dem Nicephorion, von Alexander
nach feinen Siegen am Euphrat geftiftet (Plin. VI. 30), ein Gegen»
gewicht zu geben, ver Fluß von Sert und der Bitlis⸗Fluß
(Centrites bei Xenophon, f. oben S. 23) identiſch fein mit dieſem
oſtlichſten Tigrisarme, den M. Kinneir bei feinem Beſuche
in Sert %) wieder irrig, wie D’Anville und Mannert auf ihren
Karten, mit dem Khabur bei Amadiah in einen und denſelben Kauf
zufamımenzog und verwechfelte. Col. Shiel, ver 1836, nur wenige
Jahre fpäter, ſeiniin KRandsmanne folgte, und auch wie jener von
Bitlis nah Sert und über den Tigris *) nah Moful ging,
wies Dagegen entfchieben deſſen Irrihum nach und zeigte, daß ver
Sert Su oder Fluß von Sert völlig verſchieden vom Khabur, aber
wenigftens in feinem untern Laufe identifch fe mit dem vom
Norden herabkommenden Bitlistfchai ober dem Fluß von Ber«
118. Diefer alfo würde denn als ver öftlichfte Tig risarm gel-
ten koͤnnen, ver flch bei dem Dorfe Til wirklich zum Tigris ergießt.
Auch fehlt e8° nit an orientalen Autoren, vie ihn als ſolchen
bezeichnen; wie 3. B. der von Otter #5) citixte el Aziz, wel⸗
her fagt: die Quelle des Tigris liege im Norden von Miafarekein,
unter der Feſtung Dul Karnein, womit dad Caſtell von Betlls be⸗
zeichnet iſt (Erdk. IX. S. 1004), und alſo der Fluß von Betlis
der Tigris oder Didjel genannt wird. Der naͤchſte öſtliche, aber ſehr
fern ſich einmündende Zufluß zum Tigris iſt jener oben genannte
Khabur, der hier auch Buhtan hai 4) heißt und von Shiel
gefehen wurde. Der fogenannte Tigris over Fluß von Miks kann
nun feiner von beiven Blüffeh, weder Khabur noch Sertfluß fein,
fondern muß zwiſchen beiden in der Mitte liegen. An ber Stelle des
ganz modernen Ortes Sert haben weder Kinneir, ver es wirklich
für vie alte Tigranesſtadt Hielt, noch Shiel, ver der Hypothefe
— —————— \ .
-*3) EM.Kinnejr, Journey thr, Asia minor, Armenia andKoordistan.
‚. kond. 1818. p.408—412. **) Col. Shiel, Notes og a journ.
„etc. im Journ. of the Roy..G. S. of London, Vol. VIII. P.1.p.
76 etc. 5) Otter Voy. I, p.126; vergl. Müftenfeld Abulfed.
Tab. p. 68. °*) Col. Shiel L. c.E.78.
HE _
Ewhratſyſtem; Hiftorifcher Ruͤckblick; nach Plinius. 89
&. Martins 7) von einer mehr weſtlichen Lage folgte, noch
». Moltke, @) der es zulegt (1838) in feiner jüngflen VBerwü-
fung durch des Paſchas Truppen liegen ſah, das geringfle von
aatiken Ruinen wahrgenommen, obwol man Shiel fagte, daß es derglei⸗
u dort geben ſolle. Auch fällt es heut zu Tage niemand ein,
dieſen Fluß etwa mit dem Namen Tigris zu belegen, obwol er zu⸗
weilen viel breiter und reißender durch Anfchwellung werben Tann,
als der nahe Tigrig; wie er denn dem türfifchen Truppencorps, wel⸗
ches v. Moltke begleitete, an feiner Furth Doghan fuj, wo er
150 Schritt breit war, 2 Tage Zeit zum Weberjegen koſtete, und
daher dem thätigen Militair Gelegenheit gab, einen Abſtecher nach
Sert, das offenbar nur an einem Seltenarme deſſelben Liegt, machen
zu fönnen. Der Strom riß Bagage und Heerden beim Durchfegen
auf Flößen immer 1000 bis 1500 Schritt unter ven Abfahrtsort
hinab “
Da wir nun in dem Bitlis⸗Fluß fo wenig als in dem Sert
fui, ver ſicher zu demſelben Syfteme gehört, mögen beine identiſch
fein oder nicht, worüber Kinneir und Shiel noch zweifelhaft laſ⸗
ken, keineswegs ven Tigris des Plintus nachweiſen Eönnen: fo
Uunte es nur eined der folgenden weftlichern, zwifchen Ihm und
dem Haupt⸗Tigrisarme Diarbekrs parallel la ufenden, von ber
Nordkette, dem Niphates (jetzt Haſsru Daghleri nach v. Moltke),
dem Süden zueilenden Gebirgswaſſer fein, unter denen zunächſt
ver Fluß von Erzen oder Arzen, dann der Batman ſui, dann
der Hasru und andere zu beachten wären. Als Augenzeugen haben
und ganz kürzlich erſt mit dem obern Laufe biefer Flüſſe 3. Brant ?9)
un Bollington 5) (1838) bekannt gemacht, ohne jenen Anga⸗
ben des Plinius irgend etwas analog Gebilvetes vorzufinden; vom
untern Zaufe und ihrem Ginfluffe in ven Tigris werben wir durch
Kinneirs SI) und v. Moltke’s 52) Querreiſen, von Sert bis
zu ver Weſtquelle des Tigris, unterrichtet. Der erfte viefer unter
Ah parallelen Norbzufläffe zum Tigris wird von D’Anville Erzen⸗
fiat 8) (Erfen), dv. 1. Erzen Tfchai, ver Fluß von Erzen
genannt. Er gründet diefen Namen auf die Stelle bei Procopius
#7) St. Martin M&m. s. l’Arm. Vol.I. p.167. 26) v. Moltke
"Briefe a. a. O. S.272. 409) J. Brant Notes I. c. Vol.X. P.
II. p. 855--304. #0) Yischunt Pollington Notes ib. p.448,
48. ° ®*) J. M. Kinneir Journ. thr. Asia'min. etc. London
1818. 9.411418. 2) v. Moltke Briefe S.271— 2.
34 —*5 sur r [Buplr. p. 74; v. Hammer, aſiat. Türk. Wiener
|
90 . BeftsAfien, IH. Abtheilung. 1. Llbſchaitt. h. 30.
(Bel. Pers. I. 8; ed. Dindorf. L 41,8), der die Stadt Arz a⸗
nene, 2 Xagereifen im Norb ber mejopotamifchen Stadt Eonftan«
tina (Zelfiuran) gelegen, angibt, und fagt, daß ber Feldhert Eos
Ier, um dahin von Amida zu kommen, 300 Stadien bid Martyro-
polis zuräigelegt, und dann den nahen Nymphius (Nvugioy no-
andy, ibid. I. 42, 16) überfegt Habe: denn dann erft trat man
in Arzanene ein, das felt alter Zeit als Provinz ven Perfern ges
Hordjte (ibid. bell. P. II. 45; ed. Dind. I. 217, 10). Auch Am-
ion. Marcel. (XXV. 7, 9) beflätigt unter ben 5 trandtigritanie
fen Provinzen die Arzanene, Mozoene, Zabdicene, welche
beide letztere, die Mofhifche um Mufh am Murad im Nord, uud
die Bezabde, d. i. Omar al Jezireh, im Süd der mittleren Arza -
nene gelegen find. Abulfeda 5%) nennt noch bie Stadt Arzan, bie
bier lag. Da nun Strabo den THoBpitid-«See auch Arfens
nannte, fo identificirte D’Anville ven thospitiſchen See mit einem
See, der nad dem türkifchen Beographen (Diihannuma S. 427)
zwiſchen dem Urmia und Ban in einer Plaine gelegen, der Arzen-
See 55) Heißen follte; und ihm zur Geite wird noch eim anderer,
der Duchdjek, genannt, ben wir aber nicht weiter kennen, ‚ver
denm etwa ber Arethufa des Plinius fein dürfte. Noch cher konnte
er dies wenigftend, als ber von Kinneir bafür gehaltene, faſt 6
Stunden lange, füße Nazook gol 56), richtiger Naſik gdl, im
RD. von Mufh bei dem Dorfe Altae Bayazed, d. i..bas untere
Bayazeb, gelegen, weil diefer ja viel zu entfernt unb im Norben
des Kara Su⸗Thales, alfo ſchon im Cuphratgeblete, und: demnach
gänzlich außerhalb der dortigen Waſſerſcheide zwiſchen Tigris und
Euphratlaufe ſich befindet. Die Nachricht, welche Kinne ir von
feinem Kurven erhielt, daß deſſen weſtlicher Ausfluß bei dem Dorfe
Jezira Ofa eine ver Quellen des Tigris ſei, iſt allerding / ſeltſam
genug, und Fönnte wol zu der Sage von ver Arethuſa des Plinius
Veranlaffung gegeben haben, Tann aber jener phyſiſchen Verhält⸗
nifſe wegen doch nur eine Fabel fein. Diefer Fluß Erzen kommt,
wie OttexS”) nach dem türkiſchen Geographen berichtet, von Hazou;
%%) Albufedae Tab. geogr. Armenia, ed. Reiske in Zitäinge din.
Mag. Th.V, 6.310. %8) St. Martin ‘Men. s. l’Arm. Voll.
. p 65. ) J. M. Kinneir Journ. 1. c. p.383; vergl. v. Hams
. mer, bie aflat. Türkei, Rec. Wiener Jahıb. 1821., Br. Xv.e. 24,
Note 7; die Sage des Mazuf im MM. des Mimpyp Tagh iR anf
Glascptt Map of Asia minor and Armenia to illasfrate routes of
Ainaworth, Brant, Suter and Lotd Pollington, 1840.,° *?) Otter,
‘
Enphratfuftem; Hiftorifcher Ruͤckblick; nach Plinius, 91
weſen Ort hat D’Anville auch auf feiner Cuphrratkarte oberhalb
kines Thospitis⸗Sees, ven er abwärts bei dem Orte Erzen ausflle⸗
hen läßt, eingetragen als Haſu, und oberhalb veffelben den Namen
Tigris und Zoroanva zufammengeftellt, auf den er dann den obern
Se Arethuſa und, als noch höher herabkommend, ven oberfien Ti⸗
grißquell einzeichnete. Im Texte feines Memoire gibt er flatt Haſu
aber den Ortönamen Ha⸗zour an, um auf deſſen gleichen Wortlaut,
der zweiten Sauptfolbe, die Etymologie von Zoroanda als eine wirk⸗
Ihe Localbenennung zu conflatiren. Wahrſcheinlich vermechfelte ex
aber Hiermit den viel weiter im Weften ziehenden Hasru oder Kha⸗
zero⸗Fluß, von dem welter unten die Rede fein fol. Die bes
fimmtere Kenntnig des Haſu⸗Fluſſes verdanken wir neuerlich
von Rachrichten v. Moltke's, ver an ihm aufwärts gegen die wil⸗
ven Kurven des Karſann Dagh, wie bort die Gochgebirgägruppe
des Niphates gegenwärtig heißt, im I. 1838 jene kühne Kriegder-
pebktion des Reſchid Paſcha begleitete. Als I. Brant in demfel⸗
ben Jahre von Muſh virert gegen Welt über die obern Duell
erme dieſer Tigriözuflüffe zeifte, ließ er die ſelbe hohe Gruppe,
weite er Kharzan 58) fchreibt und von ber Nordſeite ber als fafl
wanüberfieiglich, nur für Maulthiere gehbar, fchilvert, zur linken over
Gädfeite liegen, von Nejili am Kolb Su, welcher wel einem ber
mehr weſtlichen Tigrisarme, nicht dem von Haſu, fondern wol dem
des Batmanfu angehören mag.
Nah v. Moltke wird Heut zu Tage der Fluß nicht mehr
Erzen, ſondern Jeſidhane 59) genannt, wahrſcheinlich nach dort
m Gebirge überall wohnenden und den Türken jo verhaßten Jeſiden
eziden, Erdt᷑. IX.S. 748 - 762); er war 300 bis 400 Schritt breit
and reißend, an ver ſeichteſten Stelle noch immer gefährlich zu durch⸗
fegen,, denn die Infanterie ging bis an vie Bruft ins Wafler, und
vie Gefchüge kamen ganz unter ven Wafierfpiegel. Bon biefer Stelle
war nordwaͤrts nur ein geringer Marſch zu dem Fleinen Stäntdhen
Saſu (Azu”bei Tenreiro), von welchem ver Fluß feinen mobemen
Namen erhielt, welches 8 Stunden Wegs im Norven von Red⸗
wan 00) Tiegen foll. Hier fliegen mehrere Bergfiröme in ihm zu⸗
femmen aus dem benachbarten, dicht an ver Südgrenze von Mufh
Voyage en Turquie et en Perse 1737. Paris 1748. 8. Tom. I.
».124. se) J. Brant Notes 1838 in Journ. of the R. Geegr.
Soc. of Lond. 1341. Vol.X. P. Ill. pag. 356. 5°). Moltke
Briefe 6.273. 0) J. Cl. Rich PNarrat. of Kurdistan Vol.1.
App. p. 376.
92 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30.
( Moxoene) liegenden Karſann Dagh, befien wilne Kegelgipfel
v. Moltke im Anfang Juni noch 1000 bis 2000 Fuß abwärts
mit Schnee bevedt fand, deshalb er fie den höchſten Gebirgen Vor⸗
deraflend zuzählt, ver Natur eined Niphated der Alten vollfommen
entfprechennd. An dem weiteflen von Norven herabkommenden Ge⸗
birgswaſſer deffelben finden wir auf v. Moltke's Karte ven Ge⸗
birgsort Arfann im Lande der, wie zu Zenophon’d Zeit ungebän-
digten, Immer noch inpepenventen tapfern Gebirgskurden, deren Fel⸗
fenburgen eben Hier, wie bie von Papur 62), erflürmt werben muß⸗
ten, deren Dorfſchaften man unbarmherzig nienerbrannte. So hät-
ten wir denn am nörblichften Urfprung des vielfach von ven Aus
toren der ältern wie der müttleren Zeiten befprochnen Stromlaufs
auch den Urfprung feines Namens, bei Procop Aelarıyn, Agos-
ynyn, bei Amm. Marcel. Arzanena, Arzan 62) bei Abulfeda,
im Djipannuma bes türfifchen Geographen Erzen, Erfen, heute
Arfann, bei Kurden nah Rich 9) auch Herzin genannt, nach⸗
gewiefen, und zugleich die ganz irrige Zeichnung D’Anville's, ver
diefen Ortönamen weit abwärts Hazu einträgt, da er doch weit ober⸗
halb vefielden am Stromlaufe im Hochgebirge liegt. Alle andern
Kartenzeiinungen find viefem Irrthume gefolgt; von ven daſelbſt
eingetragenm und fupponirten Seen Thospitis iſt aber nicht Pie
geringfle Spur durch Augenzeugen befannt. Wenn einer der⸗
gleichen irgendwo noch zu finden wäre, fo würbe es am Außerften
Nordende des Fluſſes fein, wo bei dem Orte Erzen, 8 Stunden -
‚im Norden von Redwan 6%), ein See von vielen taufend Deziden
ummohnt fein fol. Wie aber M. Kinneir, dem man diefed im
Jahr 1814 bei feiner Durchreife zu Herbo Peri (wol Chirbi Piri
auf v. Moltke's Karte) erzählte, eben daſelbſt erfuhr, follte dieſer
Fluß, den man auch einen Tigrisarm nannte, feine Duelle im Hoch⸗
gebirge bei Sufan, im Norden von Betlis, haben. Unterhalb des
von Moltfe gewagten Ueberganges über dieſen Fluß, dem Jeſid⸗
hane, vurchfegte ihn auch Kinneir bei dem Dorfe Givers, von
Peziven bewohnt, wo er 60 Schritt breit, aber zur Zeit nur feicht
war, denn er ging den Pferden nur bis an die Knie.
Der nächfte weſtwärts gelegene, mit dieſem Hazu parallel lau⸗
fende Tigriszufluß iſt ver Batman Sui ober der Fluß von Mia—
“ı)y. Moltke Briefe S. 284. 62) Abulfeda Tab. Armen. bei
Wüftenfeld 1. c. p.41. s3) J. Cl. Rich Narrative of Kurdi-
stan Vol.I. App. p. 376, **) J.M. Kinneir Journ. tlır. Asia
- minor I. c. p4l3.
HE _
Euphratfuften hiſtoriſcher Rüdblit; nach Plinius. 93
farefein, ven wir ſchon oben unter dem Namen Nymphäus
bei Ammian und Nymphius bei Procop als den Grenzfluß
jener Zeit zwiſchen dem römifchen und parthifchen Reiche kennen
lernten, weshalb er auch Bafilimfa, 65) oder verflümmelt Baſa⸗
nifa 8) bei dem türfifchen Geogr, Bafamfa bei Abulfena 67)
heist. Wahrſcheinlich find die flarfen Gebirgsſtröme an der Weſt⸗
feite der Kharzans Berge, ver Kolb Su bei Nerjii, ver Dat
Su und der Sarum Su bei Darakol, vie ſich ſüdwärté gegen
den Tigris vereinen follen, und welche I. Brant in ihren wilden
obern Bergthälern auf feiner Duerreife®) von Oft nach Weſt paſ⸗
firte, die obern QDuellfiröme dieſes Batman Sui, pver es find
Me feiner weftlichen Zufläfle, vie bei dem türkiſchen Geographen 69)
die Namen Atak, Kefender Sarki und Gafu zu führen fihel-
wen, und die ſich an der Brücke Batman koͤpry ſchon zu dem
Hauptſtrome dieſes Namens vereinigt haben, der aber nicht dicht,
ſondern in Entfernung einiger Stunden im Oſten ver Stadt Mia⸗
farekein vorlberzieht, aber dennoch wol wegen feiner Größe eben
jmen Grenzſtrom zwifchen dem Römer - und Safjaniven- Reiche zu
Kaifer Juſtinians Zeit im Weft und Oft abgegeben haben mag, wie
Procspius verfihert. Dazu würde wol der mehr weftliche Kleinere
Flug, an welchem Miafarekein (Meia Farlkin bei v. Moltke) Heut
zn Tage wirklich liegt, wo er aus ſeinem Gebirgsſpalt heraustritt,
auch weniger geeignet geweſen fein. Er wird von dem tuͤrkiſchen
Geographen Ain ol Hauf (Ayn al haoudh) 70), Houſch nach
Duatremere, Ain Hambus oder Habuz bei Abulfeda 71)
genannt. Ob dieſes Waſſer von dem ploͤtzlichen Heraustreten aus
der dafigen Engſchlucht den Namen eines Grottenfluffes Nymphius
erhielt? ob hier das Nymphäum des Plinius gelegen haben ſoll, wo
das Waſſer des Thospitis⸗Armes wieder zum Vorſchein kommen
ſolte? Wir wiſſen es nicht; das ganze Land iſt vol Grotten und
Höhlen und Troglodyten. Bon Miafarekein, das hier auf ver un⸗
wrhen Stufe des Gebirgs liegt, ſah v. Moltke 72) ven varaus
bernerisetenben reichen Fluß in ſchoͤnen Windungen ſich hinab zur
0) D’Amville =. !Ruphr. p .83, se) Otter Voy. I. p.128. -
2) Abulfed. Prolegg. HM Ab. Tabul. ed. Wüstenfeld 1. c. p.68.
J. Brant Notes 1. c. X. P.IH. p.356. *°°) v. Hammer aflat.
Re. a. a. D. G. 254. 70) 9. Hammer a. a. D. S.254;
St. Martin Men. 's. Armen. Vol. L p. 96; Quatrem2re Not. in
Raschid Kddia Hist. d. Mongols, Paris 1836. T. I. fol. 362.
’1) Abulfedse Tabul. geogr. Mesopotamia beiReisfe in Büihinge
bifler. Mag. Th. V. &.245. 12) v. Moltle Briefe ©. 287.
——
94 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 30.
tornreichen Ebene des Tigris ſenken. Diefer Strom iſt eB, ver eine
größere Waſſermaſſe 73) vom Norden der Niphates⸗ Ketten (Kar-
fann Dagh, Kandofh Dagh, Kölb Dash, Dharkuſh Dagh und Hadru
Daghleri in ihren einzelnen. Gruppen, nad) v. Moltke's Karte)
dein Hauptarme des Tigrt& zuführt, als dieſer felbft beflkt;
‚auch bildet er eine merfiwürbige Naturabtheilung ver ihm in Werft
und Of llegenden Landſchaften, welche wol nicht weniger als er
felbſt dazu beitrug, thn zum Grenz ſtro m zwiſchen dem römifchen
und perſtſchen Reiche zu erheben. Schifft man ſich in Diyar-
befr auf dem Hauptarme des Tigris ein, fo legt man feinen Weg
auf einem breiten, feichten, fanft ſich winden den Strome
durch die: fruchtbare Diyarbefr» Ebene zurüd, bis zum Batman
Suf, wo fh der Character der Lanpfchaft 7°) plötzlich
verändert, benn bie biöher welligen unbeholzten Ufer werben von
Rellen Uferklippen zu ‚beiden Seiten verbrängt. Der Tigris wird
vlel tiefer ünd tritt in ſcharfe Zickzackthäler oder enge, höhlenzeiche
Schluchten des hohen Sandſteingebirges ein, das fi} von hier un»
mittelbar erhebt. - .
Als v. Moltke von Dft gen Weit gehend, ehe er noch bie
Stadt Minfarekein erreichte, ven Batman Suj überfegen mußte, fand
er eine alte, prachtvoll gebaute und noch wohl erhaltene Brüde (Ko
pry), ein gewaltiger 80 Fuß Hoch gefprengter Bogen von 100 uf
Spannung, über den relßenden Bergſtrom von Wels zu Fels fühe
vend, ganz in demſelben Bauftyl und wahrſcheinlich aus derfelben
Zeit, wie bie Xrüumer ver zerſtorten eben fo granbiofen Brüde,
welche einft bei Hagn Kejfa (d. i. Schloß Keffa) über ben Ih
gris gefpannt war, von ber v. Moltke es unbefimmt Iäßt, op fie
von ben armenifchen Königen, ober von griechiſchen Kaifern, ober
. bundp die Khalifen erbaut warb. Mach ver Analogie aı Du
ten Könnte man fie auch denen ber-Saffaniden vergleichen (
S. 156, 499 u. a..D.). Als Joſ. Barbaro ver Venetianer 3
J. 1471 die Brücke von Aſſanchiph, 7) wie er den Ort ſchreibt,
pafftzte, welche über ven Set (fo fchreibt er ben Schatt, d. I. die
dort einheimifche Benennung des Tigris) führte, war es jedoch
nur eine Holjbrüde, wozu bie Ramuſiſche Randbemerkung gemacht
wird, daß fpäter dort eine Steinbtücke von 5 Bogen, mit einem fehr
72) 9. Moltie Beiefe a. ©. D. &.286. 7*) Capt. Blosse Lynch
in Journ. of the Roy. Geogr. Soc. of Lond. 1861. VoLXI. P.1.
Kaum 2%) Jasmin Barbern Venetiano L c. bei Ramnsio II.
FE
Euphratſyftem; hiſtoriſcher Xuͤckblick; nach Plinins. 95
hoben Bogen in ber Mitte erbaut warb, welche für eine Art Wun⸗
derbau amgefehen werde. Hiernach würde dieſer Bau wenigftens
von füngerm Datum fein, ver im Süden von Redwan liegt, wo
nah Ewlia's Angabe ver Fluß Erſen mit vem Batman vier
Stunden abmwärtd von Redwan fi in den Tigris-ergießen fol. 76)
Jene Brüde am obern Batman Su Ifl es, zu welder ber
Bortagiefe Antonio Tenreiro 77), Mitte des 10. Iahrhunderts,
auf dem Wege von Bedlis über Hafu (Azu bei ihm) gegen Weften
au einem Morgen fortfähritt. Sie war von Stein mit 2 Thürmen,
De jetzt zu fehlen jcheinen, erbaut über einen Fluß, ven der Reiſende
Morato nennt, ver aber der Tigris war (Murad iſt fonft nur eine
Benennung des Eupbrat). Don da erreichte er in 14 Stunden bie
ale, einſt den Byzantinern gehdrige Stadt Mayfarquin (er
meint die: Martgropolis), In deren fchönen Bebäuben, Kldften, Kir⸗
Gen, obwol ihnen dad Dach fehlte, ex doch noch griechiſche Inſcrip⸗
onen und in Farbenſchmuck erhaltne Wanpgemälpne, die Apoftel
vorſtellend, antraf, aber nur wenige jacebitifche Ehriften, nie Arabifch
Hagn Kejfa oder Hößn Keif,d. 5. „das Schloß der
guten Laune,” am Südufer bed Tigris, nahe jenes Zufammen-
finfies gelegen, war früher ein wichtiger Stapelplag zwiſchen Diar⸗
bekr umd Jezireh. Beide genannte Brüden werben von Emilia unter
ven Meiſterwerken hydrauliſcher Baufunft im oßmanifchen Reiche
esfgezählt. Während dieſe letztere längft zerſtört war, iſt jene über
ven fo berühmten Nymphius, nämlih den Batman fuf, nad
v Moltke, noch in ihrer Impofanten Große erhalten.‘ Nah Kin⸗
neir 78) fol fich dieſer Batman Su, ven er auch Belespena (?)
us Barima nennt, nur eine Biertelftunne unterhalb dem Orte
Deman Khoi in ven großen Tigris, der von Diarbefr kommt,
gießen, in ver Nähe vieler dort von ven Eingebornen bewohnter
Brotten. Er mußte beide Flüſſe nahe an ihrem Verein durch⸗
kgen, und fand den Batman Su 120 Schritt breit, fehr tief und
semaltfam fortrelßend, ven Tigris, wenn fchon eben fo breit, doch
weniger tief und bequem zum durchwaten. ‚Hier .alfo konnte men,
nach der bloßen Größe zu urfbellen, in Zweifel fin, weichen ‚yon
"pn Damme: afat. Tärlei, Rec. a. a. D. ©. 248. 254.
Tenseiro Jänerario Rd. 1762. p. 876 f. b. Quatre-
) Raschid Rddin Hiat. d- Mongols. Vol. L p. 383.
’°) 5. M. Kimneir Journey 1. ce. p. 418; D’Anrille VRuphrate Ä
p. 88; Quatremöre b. "Raschid Eddin Ip. 376.
ee
9% . Weft-Afien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 30.
Beiden man ben Hauptarm des Tigris nennen folte. Den Ra-
men Barima (auch Barma-Berge find weiter abwärts am Gtrome
nahe Jezireh nach Ebn Haufal), 79) welchen Duatremere, für ride
tigere Schreibart ald Batman Hält, obwol dies gegenwärtig bie
allgemeine Bolföbenennung iſt, leitet D’Anville nach Tavernier
vom Tſchal Barman, dem Fluß Barman ab; dies fol nach ihm
der Rocalität „ad Tigrim“ in der Thbul. Theodos. entfprechen, doch
war ber Name einer Batman⸗Stadt bafeldft fehon zu Timurs
Zeiten bekannt, ver eine folche eroberte. Diefe. gange Anſicht von
der Ipentität des Varima mit dem Batman wird aber widerlegt
durch Edriſi, ver entſchieden den Soraith, d. i. ven Gert-Bluß,
aus 2 Flüffen beſtehen laͤßt, vie aus ven Bergen von Barema
Tommen und fi) dem Tigris benachbart vereinen und dann. zu ihm
aufwärts Jezireh bei dem Orte Til (f. 0. ©. 87) ergießen. Dieſer
Soraith, fagt,Eprifi, Hat feine Quelle in Armenien und if
bedeutend groß. Leider ift im Texte Hier eine Lüde, in welcher vie
Entfernung von dem Einguß dieſes, Barema genannten, Stromes
nahe Natira 0) identiſch mit dem obigen Tela Navrua, vermißt wirt.
Bir fommen zum vorlepten jener weſtlichen bebeutendern lin⸗
Een Tigriszuflüſſe vom Niphates herab, vie man als ſolche öftliche
Duellarme des Hauptftromes im Gegenfag des weſtlichen Diar-
befr-Arm& betrachten kann, nämlich zum Fluß von Hasrust) Hei
v. Moltke, Hazero bei J. Brant, Khazero bei Bollington.
Diefer erhält feinen Namen vom Städichen Hasru, dad am Süd-
fuße der dortigen Gebirgöpäffe gegen bie fruchtbare wellige Te
grisebne von Diarbefr erbaut ward. Sie ift eine Hauptpaffage, auf
der geoßen Heerſtraße von Oſt gegen Weit, aus ver alten- Arzas
nene nah Sophene, zugleich aber auch der Eingangspaß gegen
Nord über JIlidje durch dad Hochgebirg zum Murad. Doch ift
und dieſer Ort durch Feine ältere Beriennung aus ver römifchepar«
thiſchen ober byzantinifchefaflaninifchen Kriegäperione befannt, obwol
es wahrfcheinlich ift, daß ihm irgendwo benachbart an einem Ge
bitgopaß zum ndrdlichen Murablaufe bie Heine Befte Phiſon %2)
Ing, au der Klaufe (Kieloovgas) oder Cliſura, welche Kaiſer
Iuftinian durch zwei Thürme befefligen ließ. Daß D'Anville
?®) Oriental Geogr. b. Will. Ouseley. 1800. ®°) Bärisi
Geogr. 5. Jaubert. Vol.ll. p. 154 ®') v. halte Briefe ©. 288;,
Brant Notes L c. X. P. II. p. 359; Viscount Pollington
Fa ©. 449. *?) Mannert Geogt. d. Er. und Röm. Ih, V. 2.
. 249.
-
ð
Enphratſyſtem; hiſtoriſcher Ruͤcblick; nach Plinius. 97
dieſen Hasru mit dem weiter In Oſt gelegenen Gafu verweihfele, iſt
ben gefagt. Segen Norb Über das Gebirg erreichte v. Moltke
in einem Tagmarſche das Stäntchen Il lidſcha 83) (Ilidje) und
von da nach einem eintägigen flarten Pitt welter nordwärts das
neu angelegte Eijenhüttenwert Sivan Maaden, auf der
Bafferfchelvehöhe zwiſchen Tigris und Murad, welcher letztere nur
ein paar Stunden weiter im Rorben in feinem mädhtigen Exbfpalt,
ven Of nah We, an allen viefen gegen Süd ablaufenden
Tigrisquellen vorüberfchleßt. Sehr Üüberrafchend war es, Hier an ei»
wen oberfien Zuflüßchen des Tigris diefe Hohe Waſſerſcheide zu
erreichen, und jenfelt in einer fo geringen Entfernung von kaum
1000 bis 1500 Schritt ven fo mächtigen, bier oberhalb des Ca⸗
ſtells Balu (wahrfcheinlih vie Feſtung Khitarizum Kaiſer Juſti⸗
niens nad) Proc. de aedif. III. 2, bell. Pers. 1I. 24), &) wenn
auch nur mit Floͤßen fchon fchiffbar geworunn Cuphrat zu er⸗
bien. Die große Bedeutung biefer hydrographiſchen Configuration
der dortigen Landſchaft wurde auch von Haflz Pafcha aufgefaßt, und den
Eupbrat von da an ſchiffbar zu machen, wenigftend verfucht; ein
Umftand dem wir ven erflen Bericht über defien bis dahin un⸗
bekannten Flußlauf durch v. Moltkes Belchiffung verdanken.
J.Braut, welcher 1838 denſelben Ort paſſtrte, den er Ilijeh
(. h. warme Duelle)®S) nannte, hat dieſe Station an demſelben
Fluß im feiner Karte niedergelegt, ver ſüdwärts nach Hasru zieht,
während v. Moltke ihn an einen Öftlicher laufenden Gebirgsſtrom
verlegt. Der Ort liegt na Brant 3546 F. Parif. (3779 %. engl.)
ker dem Dieere in reichen Obſthainen, und bildet die Herrichaft
eines faſt unabhängigen Begs; vie fchönften Flaren Felsquellen, vie
us Kaltfleingebirg hervortreten, umgeben Ihn.
Es folgt noch weiter im Weſt dieſes Habru⸗Fluſſes, den wir
' pe den claſſiſchen Autoren nicht erwähnt finden, ver legte biefer
| unter fich parallelziehenden Tigrisarme bei KSineh (CKhini Hei
|
EL
aut; Heint bei Dtter nach dem Turkiſch. Geogr.; Heni bei Ar-
meniern), weicher Heut zu Tage Ambar Su 29) heißt, mehre Zu⸗
fake wie den von Piran, ven Zibeneh und andere, die J. Brant
wqh gefondert gezeichnet hat, im ſich nach v. Moltkes Zeichnung zu
sy 5, Muttke Vriefe. ©. 289. 26) Manmert Geogr. d. Br. m.
. Sim. Th. V. 2. ©. 250; f. J. Brant notes 1. c. X. P. Ill.
p- 268. J. Brant notes 1. c. X. P. UI. p. 359.
| °) 9. Meitle Briefe a. a. D.; J. Brant; Otter Voy. I. p. 124.
| St. Martin Möm. sur l’Arm. I. p. 94,
Aiütter Ewtande X. G
|
98 Woſt-Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 8.30,
sereinigen fcheuft,-ımb bann ven Namen Sebbeneh Su führt.
Bu fetten obern Duchermen gehört auch das Fluͤßchen von Sivan
Maaden, das zunächft dem Mutad auf ver vortigen Waſſerſcheide
entſpringt. Brant Hörte. biefelbe Merkwuͤrdigleit des dicht eſten
Zuſammentretens dieſer Tigrisquellen mit dem Strombette des
Murad vom Bibenchr&luffe bel ſeinem dortigen Durchmarſche
beſtaͤgt. ) Khini liegt nach ihm nur 12 Stunden Wege im OR
won Diyarbefr und Kat fehr zeichlige Quellen, die aus Belfen her
vortreten. Mehr iſt uns von dieſem Fluſſe nicht befannt, als daß
ex, wie gefagt; unter dem Namen Sebbbeneh Su nach v. Moltke’s
Kartenzeichnung fi oberhalb Diyarbeft von der Nordoſtſeite bei
ver Sehe Egil, ver Stadt Argana gegenüber, in den KHauptarm
des Tigris einglest. J
Es bleibt und nun noch ber. letzte Ga in ber angeführten
sroblematifchen Stelle des Plinius von dem dichten Zuſam⸗
mentreten bed Arfanlas mit dem Tigris, den er durch des
Claudius Garfar Autorität bekräftigt, zu erörtern übrig; glüdllicher
Weiſe iſt Hier die neuefte Beobachtung fortgefchritten genug, um
das Paradorfcelnende in jenem Ausipruche durch dad Natuwer-
hãltniß ſelbſt in feinem wahren Zufanmenhange nachzuweiſen. Doch
hier Haben wir. ed zunächſt mit dem Arfanigs des Plinius
und mit dem Hauptarme des Tigris, deſſen weftlifiem
Duellfirdme, dem von Diyarbefe zu thun, den Plinius gar
nicht einmal genannt hat, und wahrſcheinlich mit ven öftlichern
verwechſelt Haben mag.
Daß fein Arſanias in der angeführten Stelle nicht ver öſt ⸗
liche Arzen ober Arſan des Tigris in Arzanene fein Eonnte, da er
zum Euphratgebiete gehört, hateſchon D’Anville eingefehen, ob⸗
mol er deshalb noch keinen Rath zu geben wußte, ald daß man ihn
innerhalb ver großen Cpiſtrophe (grande flexion du cours du
Tigre) 89) des Aigris zu ſuchen haben werde. Unter den Neben-
‚Käffen des Euphrat kann aber diefer Arſanias fein anderer als
der ſüdliche Arm des Buphrat ſelbſt fein, nämlich der Murad.
MB ver Römer welbherr Rurufus, in ben Mihrivatifchen Kriegen,
im 93. 69 ». Chr. ®,, Tigranocertaä eingenommen hatte und von da
nad) Artarata ziehen wollte, wußte fein Gegner Xigraned, nach
Plutarchs Ausdruck (im Lucullus cap. 31. ed. Reiske Vol, III.
.. “
"2 Brant. & p. 202. **) D’änrille Möm. . 1Euphr. p. 75.
Euphratſyſtem; hiſtoriſcher Ruͤcblick; nach Plinius. 99
p- 207), daB dad Romerhert auf der ihm einzig möglichen Weg⸗
ronte ſchlechterdings den Arſaniad⸗Fluß (vergl. Tacit. Annal.
XV. 15) paſſtren mußte, und ſuchte deshalb dieſen Uebergang da⸗
durch zu verhüten, daß er am Strome ſelbſt fein Lager aufſchlug.
‚Run reicht aber unter allen Flüfſen, vie in ven Euphrat fallen, wie
ion Mannert bemerkt,29) Feiner fo weit gegen ven Oſten, daß
die zu nehmende Route zwifchen Tigranocerta am Nicephorius umd
Artarata am Araxes -über denſelben führen mußte, als der füh-
de Arm des Euphrats. Es mußte kein unbeneutender Fluß
geweſen fein, da Tigranes ben Uebergang glaubte an ihm verbin-
vorn: zu innen. Bekanntlich trug Lucullus Hier einen Sieg davon;
«is er aber in Armenien, wie Plutarch fagt, nach der armenifchen
Karthago, nämlich der von Hannibal erbauten Artarata vorbringen
weilte, traf das Romerheer ganz unerwartet ſchon um die Herbſt⸗
nachtgleiche dort eine fo rauhe Witterung und in dem durchfurchten
Berglande fo viel Schnee, Eis und Beſchwerde, daß die murren⸗
don Regionen ven Felsherm zum Rückmarſche in das wärmere Myg⸗
denten nach Niſibis nöthigten. Huch dieſes hbeflätigt bei der bes
fannten Nauheit des Hohen Armeniens bie Annahme, daß der ge»
nannte Arſanias Fein anverer als jener füdoͤſtlichſte Euphratarm
fein kann, über welchen nothwendig bie einzige Geerftraße nach vem
Daten son Muſh (Moroene) und zum Arares führen konnte.
Doch iſt ed nicht ſowol, wie Mannert vafür bielt; ner Murad
felbſt, fondern, wie ſich aus der ſeitdem fortgeſchrittnen Terrainfennt-
wi ergibt, unſtreitig fein füdoſtlicher Nebenfluß, der Kara
Su, der dort auf-der Moſhiſchen⸗Straße ven hemmenden Ueber⸗
gung bildete und demnach fuͤr den eigentlich ſogenannten Arſanias
werden muß, der ja noch heute in der Nähe von Ar⸗
fann und des hoben Kharzan⸗Gebirgs entſpringt, wo alſo der⸗
ſelbe Name gegen Norb wie gegen Süd einheimiſch war und
Ueß I aber dies die wahre Benennung des ſüdöſtlichen Haupt⸗
ans des Murad: fo kann die Stelle bei Procopius (bell. Fers.
M es nur beflätigen, daß man die Benennung diefeß-Kark Su
abwãris auch anf ven ganzen Murab-Arm des Euphrafübeitragen
Gate. „Wo ver Cuphrat, ſagt Brocop, ans Armenien und Ad
AMſene berabgetommen, nimmt er mehrere Slüffe und auch ven Ar⸗
Times (Arſaniae bei Pin.) auf, der aus Perſarmenien mit
. | |
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*°) Nannert Geogt. ver Gr und Remn. 54. V. 2. ©. 204
82.
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100 Weft-Afien. TIL. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30.
„reichen Waſſern Herabgefommen ihn fehr vergrößert, worauf er
durch Kleinarmenien zur erſten Stabt von Beveutung, nach Melitene
„(Malatia), fortftzimt” In den armeniſchen Hiſtorien wird her
Aradzani, ©) d. 1. Arfanias, der Heutige Karaſu, weicher
das Land Doson, d. 1. das Heutige Muſh, durchſtrömt und feinen
Waſſerreichthum aus dem Gebirge ber Kurden, dem Kharzan, er⸗
- hält, ſehr Häufig erwähnt, und debhalb konnte deſſen beveutungsnoller .
‚Name auch fehr wol vom oben auf den untern Lauf übertragen
werben, obwol dem Plinlus auch deſſen Benennung Omiras
(Omiram vocant irrumpentem Plin. V. 20) nicht unbekannt, doch
in Beziehung auf vie Benennung bed Arfanias, als feines obern
Zaufed, dunkel geblieben war, denn er hat beide nicht miteinander
in Berbindung' zu bringen gewußt, weil beide an fehr weit von ein»
anber entfernten Stelen von den Romerheeren überfchritten wurden.
Bet dieſer Nachweiſung der Ipentität des Arfanias mit dem
Murad bleibt jedoch noch die andere Frage übrig, ob irgend wo
eine Soralität die von Claudius Garfar angegebene wirkliche Ber-
mifhung der Murad- und Tigriswaſſer auch. möglich mache, denn
ungeachtet der größten Annäherung beider Duellgebiete in ber Nähe
von Palu, möchte vie Höhe ver wenn fon kaum 1500 Schritt
breiten Waſſerſcheide dies wol unmöglich machen. Gier müflen wir
daher ven Urfprung des Hauptarınd des eigentlichen Tigris
ſelbſt erſt genauer ind Auge faſſen.
Daß die claſſiſchen Autoren darũber fehr unwiſſend blieben, hat
fh aus dem Obigen hinrtichend ergeben. Strabo Kat gar keine
Kenutnif von der wahren Tigriöquele, gehabt, Plintus ſcheint Die,
Gegend. ded Entſtehens zu kennen, die er Glegofine. nennt, und
von einem ſichtbaren Urfprunge und langſamem ließen ſpricht,
was aber alles fehr unbeflimmt bleibt; denn die Landſchaft Elegofine
wird fonft von feinem andern Autor genannt, und es bleibt de&«
Halb auch blos hypothetiſch, wenn wir wegen ver Stadt Elegia,
die nach Plintus oberhalb der Catarrhacten des Guphrat lag, wo
ver Taurus dem Strome abwärts Malatia entgegen tritt (apud
Elegiam occurrit ei, scil. Euphrati, mons Taurus, Plin. V. 20),
wermuthen, daß der fie umgebende Gau nach ver Stadt mit dem
Nomen Elegofinwe belegt werben mochte. In biefem llegen aber "
wirklich innerhalb des Iſthmus jener doppelten Eupfeat-
winkel, im Rarimum der Annäherung des entgegengefegten
*®) St. Martin Mem. s. l'Arm. Vol. L p. 5l etc.
Euphratſyſtem; hiſtoriſcher Ruͤckblick; nach Plinius. 101
Cuphratlaufes, in einer hoͤchſt eigenthůmllchen Stellung vie wah⸗
ren Quellen des Tigris. Von dieſem Elegia auf der Grenze
Armeniens (Dio Cass. hist. Rom. lib. LXVIII. 18 u. LXXL 2)
fing Trajan mit der Demüthigung des Parıhamafirts, Königs
von Broßarmenien, feine Eroberungen Armeniens im Jahr 115 m.
Chr: G. an, deren Berichten Ptolemäus ven größten Theil feiner
vielen geographifchen Namen in viefem Lande entlehnt zu haben
ſcheint. Er if es nun, der die Quellen des Tigris in viefer
"Gegend des Diarbefr-Armes beflimmter angibt, unter 74° 40’ Long.
39° 40’ Lat., und den See, ven fle bilden, Thospitis nennt, fo wie
Die nächſte Stadt, ihm In N.W., Ihospia 74° 20’ Long. 39° 50
Lat., die nächſte gegen SD. am Ausflug des Tigris auß dieſem
Sr aber Colchis. Er iſt es, der auch Das Gebirg zunächſt im
Nordoſt des Thospitis⸗Sees, welcher auch der ganzen Landſchaft ven
Namen gibt, vie Gordyäiſchen Berge nennt, alfo dieſelben welche
her die Tigrisquellen vom Arfanias over Murad ſcheiden
(Claud. Ptol. Geogr. Lib. V. c. 13, Tabul. Armen. Maj. fol.
134 u. 135). Vom viel weiter im Often Tiegenden Niphates if
alſo bier fo wenig wie von einer Arethufa oder einem Nymphäum bie
Rede, auch von feinem Orte, ver fich mit vem Zoroanda vergleichen
Bee, fo wenig mie von alle viefem eine Spur ſich an ven Locali⸗
täten der fllichen Tigrisarme beftimmt nachweiſen ließe. Eben hie
durch kann man auf den Gedanken kommen, daß Plintus an jener
Stelle vom Urfprung des Tigris, dem er nach ihm blos zugefommenen
Berichten ohne eigene Kenntniß nachſprach, gar nicht an einen öſt⸗
Ken Tigrisarm gedacht habe, fondern die ganze hypothetiſche Ders
kegung dahin erft von den fpätern Zeiten außgegangen fei.
Bon dem Borbandenfein eines Thospitis⸗Sees wie zu
Btolemäus Zeiten, wenn auch nicht von dem Namen, erhielten wir
aber feit Kurzem allervings Beflätigung. Kinneir war bei feinem
Durchfluge von der Stadt Arg han a aufwärts am Tigris, wo er biefen
nach einer Stunde nur in einer geringen Breite von 20 Fuß paſſirte,
um zum Kupferbergwerk Arghana Maaden, 5 Stunden im
Nerven von der Stadt Arghana, vorzubringen, zum zweitenmal
an ven Tigris gekommen. Diefer Strom burchfchneidet bei dem
derügen Bergwerke in einer tiefen Spalte das Land und fommt
vom We gegen Oft vahin, fo daß er von dem gegen Nord nad)
Lharput HMeifenven zum zweitenmale, nahe an jeiner wenig
\
—
—
102 Weſt⸗Aſien. IH. Abtheilung. I.Abfchnitt, $. 30.
weſtwärts liegenden Duelle 9), wo er aber feine 20 Fuß
mehr breit iſt, vurchfegt werden muß. Nordwaͤrts dieies Quell⸗
arms paffirt man dad Norvende eines Salzwafferfees (Andere
haben diefe Eigenſchaft eines falzigen Waſſers nicht erwähnt), in
einem romantifchen Thale gelegen, ver 5 Stunden lang und 3 Stun⸗
den breit fein fol. Kinneir meinte, dies müſſe der Colchisſee
der Alten fein, nämlich ver Thospitis, dem zur Seite nach Ptole»
mäus ber Ort Colchis lag. Im Norden von ihm liegt Khar⸗
put. Es iſt fonverbar, daß wir wie von ben Altern claffifchen fo
auch von ven muhamedaniſchen Autoren gänzlich ohne genauere An⸗
gaben viefer wahren Zigriöquellen wie dieſes Sees geblichen find, obwol
beiderfeitig über viele andre Dinge die umfländlichften Nachrichten ge⸗
geben werten. EI Mafupi fagt 9%) nur, der Tigris fomme vom
Lande Amid, dad zu Diarbekr gehöre, die Quellen lägen aber im
Lande Khelat in Armenien. Auch Edriſi fleigt am Tigriöftrome in
feiner Beichreibung nur bis Amid aufwärts, und nennt nicht ein«
mal feine Quellen. 9) Abulfeda gibt zwar nad Ram el Ma-
mur den Urfprung®®) des Tigris (Digla) unter 64° 40 Long,
und 39° Lat. an, und läßt ihn, ohne weiteres zu berichten, an
Amid vorüßerziehen, führt aber zugleich feinen Urfprung im OR -
bei Bitlis an. Auch der türfifche Geograph fcheint, wie alle an⸗
dere, die wahren Quellen des Tigris 9°) bis auf die Nachricht, daß
er in einer Orotte mit großem Geräufche entftche, mit Stillſchweigen
zu übergeben und nur in Ewlia Efendi's Beichreibung „ die v.
Hammer) mittheilt, finden wir eine nähere, noch, wie e8 fcheint,
etwas romantisch ausgeſchmückte Notiz, die und von keinem Augen«
zeugen beftätigt wird, aber an vie vagen Gerüchte, die auch dem
Plinius zu Ohren gekommen fein mochten, erinnert... „Eine Tag»
„reife nördlich von Diarbefr, beißt es vafelbft, beim Schloffe Pali(?)
„in einer reizenden Öartengegend, Baghin genannt, quillt die erfte
„und Hauptquelle, Schatti Baghin au Schatti Sulkarnein,
„d. t der Bluß des Zweihörnigen (mie die Quelle bei Betlis f.
„0b. ©. 88) genannt, nach einer islamitiſchen Sage, daß Aleranver
„(ner jedoch nie in dieſe Gegend kam) das reinſte Waſſer zur Lin⸗
°ı) J. M. Kinneir Memoir on Persian empire. Lond. 4. 1813.
b- — 336. °2) El Masudi Hist. encycl. b. Al. Sprenger. -
ol.I. p. 257. **®) Edrisi Geogr. b. Jaubert. Tom. Il. p. 152.
20) Abulfed, Tab. descriptio Tigridis e. capite de fluviis etc. b.
Wüstenfeld 1. c. p.66. °®) Otter Voy. I. p. 123. **) Aftat.
Türkei, Rec. Wien. Jahrb. B. XIII. 1821. S. 254.
‚
Euphratſyſtem; biftorifcher Ruͤckblick; nach Plinius. 108
„serung feiner Schmerzen auffuchenb, bier ſtille ſtand, da er beides
„ar dieſer Stelle gefunden. Der zweite Duell ſpringt aus eine
„Goͤhle des Berges Tachti Maſcha bei Arghana mit großem Ge⸗
„Aöje; der dritte aus einem Berge Im Thale. Ifchinarli, zwiſchen
„Arghana und Demirfapı. Ale drei Quellen geben im vereinten
„Strome unter der Brüde Bardendſch hindurch, und vereinen fi
ann mit dem Strome des vierten Quells, der von Terdſchil kommt
md Schatti Terdſchil Heißt.” — Diefer im Wellen vereinte
Sauptarm des Tigris fol es nun jein, der von Welt die Stadt
Diarbekr umkreiſend vorüber gegen den Oft fließt, um daun die dſt⸗
licheren Zigrisarme in fich aufzunehmen.
So weit Ewlia's Erzählung, die wir zur weitern Nachforſchung
auf jenem Boden für künftige Reiſende über die Tigrisquellen. hier
wieberbolt haben, da unfere jüngften Beobachter dalelbſt uns andere
intereffante Daten mittheilen. '
Den Btolemälfchen Namen Ihospitis ober Colchis haben
Re aicht wieder aufgefunden, aber wol den bis dahin unbefannt ges
bliebenen See ſelbſt, Goljik genannt (nah 3. Braut, fprid
Sold ſchick), oder gedehnter geſprochen, Golendſchick (nach v.
Nählbach), Gorjik Bol bei Ainsworth, der, wenn bie eine
alt einheimifche Benennung war, wol eine DBerwandtfchaft mit dem
Namen der anliegenden Stadt Colchis haben fünnte (Kol, Eul,
Gut if ein Häufig vorkommendes innerafiatiſches Wort, die kleinen
Bergfeen bezeichnend, z. B. Erdk. VI. ©: 521). Das Gebirgs⸗
lan», in weldiem ver Tigris, ver bier vorzugsweiſe Schatt Heißt,
d. i. „wer Fluß,“ enifpringe, ik von dem obern Eupbratlaufe
an drei Seiten umfchloffen, und wenn es irgendwo gebacht werben
Ehante, Daß deſſen Waſſer fidy mit denen bed Tigris vermifchen kbun⸗
un, fo wire hier wol allein eine folche Localität zu vermuthen, bie
und aber bis jeht noch unbekannt geblichen if. Es wird nämlich.
vouſtãndig urıflofien, im Norden, im Weften’und im Süden,
und bildet daher eine wahre rhomboedriſch geflaltete Halbinſel
(wahrfcheinlich die Elegofine bei Plinius), die nur gegen Südoſſt
hydrographiſch unabgefchnitten bleibt. Aber eben hier ift es, wo
auf ihrem Iſt hmus, in einem gewiß feltfam durchfurchten Lande,
aur.2000 ESchritt vom Euphratufer entfernt, die Hauptquellen
des Tigris Uiegen M), deren Waſſer ſich erfi 200 Meilen abwärts
3* bear Cuphrat end en: Der. große en 3327 duß Par.
“e -_
I) Moltte Briefe aa . S. 236.
og |
104 WeftsAften, TIL. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 30.
nach Ainsworth über dem Meere, alfo an 1000 Fuß 9%) hoch über
der nörblich angrenzenden Ebene von Kharput (2395 Fuß Par. nach)
Ainsw.) gelegen, vicht an biefem Urfprunge des Tigris, ihm nämlich
gegen N.O., fteht, nach v. Moltke's Angabe, wenigftend in gar
feiner von ihm bemerkten Verbindung mit deſſen Stromlaufe. Bei
Argbana Maaden, jenem auch von Kinneir genannten Ku-
pferbergwerke, iſt es, mo ber Tigris aus dem Gebirge heraustritt
und gegen Diarbefr abfließt. Leider find die Refultate einer fpätern
Ereurfion v. Moltke's von Kharput aus zu den Tigriöquellen 9)
nicht mitgetheilt. Die Stant Kharput liegt (3870 Fuß Par. über
dem M. nad) Ainsw., alfo über 1400 Fuß über ver Hochebene) mehr
. al8 1000 Fuß erhaben über der fruchtreichen umgebenden Hochebene,
darin Meſireh mit ven Zigrisquellen, die ringe von hohen Bergen
eingefaßt iſt, und in fofern vielleicht dem Ausdruck des Plinius
über die Tigrisquellen von der offenen Lage in einer Ebene
entfpricht (oritur in regione Armeniae ınajoris, fonte conspicuo
in planitie, Plin.H.N.VL31). 3. Brant,.ver das Kupferberg-
wert Arghana Maaden, im N.W. ver Stadt Arghana auf Berg⸗
hdhen, in dem Tiefthale vom Tigrisarme beſpühlt, an dem die Ruine
einer Brücke liegt, mühſam erſtieg, fand deſſen abſolute Höhe 3419
Fuß Par. über dem Meere 20). Um von da nordwärts auf einer
neugebahnten Milttairftraße nad Kharput zu gelangen, wußte man
den Hauptarm dieſes Tigris überfegen, ver bier nur ein kleines Berge
waffer bildete, aber fchon unterhalb ver Mine durch den Verein vie-
ler andern Bergwaffer zu einem reißenden Strome angefchwollen
fich zeigte. Nach einem fechöftündigen Ritt zum Kurdendorfe Ki⸗
zin erblickte man durch die Schlucht, in welcher vaffelbe liegt, den
Golijik⸗See und dahinter über die fruchtbare Ebene voll we⸗
hender Kornfluren, eine der bebauteiten auf aflatiſch⸗tůrkiſchem Bo⸗
den, die kühler gelegene Stadt Kharput, die fich auf einem Hügel
mit fchroffen Felswänden über diefer Hochebene erhebt, in welcher
Meficch 3348 Fuß Par. über dem Meere gelegen if.
| v. Mühlbach !), ver im Mai 1838 ebenfalls dieſe Gegenven
bereiſte, ſchätzt die Lage veffelben Sees, ven tr Gölendſchik nennt
⸗
ss) W. Ainsworth, Researches in Assyria etc. Lond. 1638. FR —
20 etc, 385) cbenbe b: Br »00) J. Brant, Notes L, Ge
— p.365 ch Hauptmann v. Mühlbach's Mfer.,
hiemit öffentlich —* been wohlwollende Mittheilaug uufete
verbinblichen Dank fagen.
..
®.
\
Euphrarfoftem; hiſtoriſcher Naͤchlic; nach Plinius, 105
(wos nur als vialertologifche Verſchiedenheit erfcheint) und mit dem
ihm wohlbefannten Laacher See am Rhein vergleicht, auf 600 Fuß
höher liegend als die Höhe des nahen Tigristhalee. Er Fam von
jenem Meſtreh, gegen Süd einige Stunden reitend, zum Dorf Mol⸗
« lakoĩ, das von der fruchtbaren Kornflur Mefirehs nur durch einen
fauften Gügel gefchieven ift, und von einem Bache, wahrſcheinlich
ver Bokyderée⸗ auf v. Moltke's Karte, reich an Schilufröten, um⸗
fleffen, der noch zum Flußgebiet des Murad gehört. Diefer
Begt am Fuß des Wafferfcheide, vie hier alfo zwiſchen Cuphrat
und Tigris oder Schatt fi etwa 1000 Fuß ziemlich fleil erhebt.
Auf ſchlãngelnden Wegen auffleigend erreiht man In 2 Stunden
ven Göolendſchik, der einige Stunden lang und eine halbe bis
weisiertel Stunden breit iſt und nur einen geringen Ubfluß zum
Murapd,alfondrvlich, haben fol. Nach einerfpäter v. Mühlbach an⸗
geſtellten Unterfuchung, die er in Folge der jährlich zun ehmen⸗
den Ueberfhwemmung feines Uferlanded unternahm, Tönnte
derfelbe mit dem Unterfchieve von nur 70 bis 80 Fuß auch nach
einem etwa nur eine Viertelſtunde entfernt liegenden Bache ver Ti⸗
ssisquellen abgelafien werben. Hier jehen wir alfo, wie nabe
dndings Cuphrat⸗ und Tigrismafjer fich legen, und daß
wielleicht vor Zeiten irgendwo in dieſem feltfam zerriffenen Felsboden
cine Möglichkeit der Erſcheinung eines wirklichen Zufammenlau=
ſes beider Waſſer, wie ſie Claudius Cäſar angibt, vorhanden war,
ebne daß wir jedoch bis jet dieſe Localitaͤt genauer nachzuweiſen im
Stande wären. Von da überſchreitet man mehrere ſolcher Tigris⸗
bache zum kurdiſchen Dorfe Kidjan (obiges Kizin bei Brant),
7 Stunden fern auf dem Abhange eines ſcharfen felfigen Thales ge⸗
legen, in deſſen Riſſen Ende März noch Schnee Ing. Von ba ging
os über ſteiles, waldiges, faſt grasloſes, aber erzreiches Gebirg auf
unfahrbaren Wegen über das ergiebige Kupferbergwerk Arghana
Maaden, und dann zum Städtchen Arghana, 7 Stunden weit,
Yes anf einem 600 Fuß hohen Kalkfteinrüden erbaut warb, der die
weite, gegen Süd vorliegende, für dad Auge unbegrenzte, mit weni⸗
gen Felshockern beſetzte Ebene, die der Tigris von da ab durchſtrömt,
überragt. Durch die bis dahin dorfloſe und früher auch ganz weg⸗
leje Hochebene der zurüdgelegten Lanpfirede von Kharput bis
Ie — im Halſe der Cuphratpeninſul, in welche das
dadurch wohlgeſchützteſte Türkenlager vor ber At⸗
gegen Mehmed Ali verlegt war, hatte Haflz Paſcha, we man
yumor felbft zu Pferde kaum mit. großer Beſchwerde fortkommen
106 Wefſt⸗iſien. IL Abtheilung. I. Abfchnitt, $.30,
„Konnte, zwiſchen den Gteintrümmern hindurch einen 6 bis 8 Schritt
breiten. von großen Steinen beſtreuten Weg bahnen Iaflen.
Die Schwierigkeiten ver Unterfuchung ber dortigen Terrainver ⸗
haͤltniſſe find dadurch in dieſer Richtung hin erleichtert; münfcdend-
werth wäre ed, zur volftänbigeren Kenntniß des von Claudius Cã-
far angegebenen fonberbaren Umſtandes, auch noch die Thalbildun⸗
gen vom Gblendſchik·See, an ver Oſtſeite ber Kharputebene, norde
ofwärts bis gegen ven Murad ermittelt zu fehen, wohin in dem
ſehr fruchtbaren Thale von Arcyur eine beveutenne Einfenfung
zu dieſem Fluſſe zu gehen fcheint, im welcher bei Anſchwellung des
Murad doc; vieleicht deſſen Waſſer bis zu einer ver dortigen Al⸗
grisquellen vordringen und jenes Zufammentreffen beiver Stroms
waſſer veranlaffen fönnte: Der Murad braufet oberhalb zwiſchen hohen
bewalseten Bergufeen, dann zwifcgen fenkrechten prachtvollen Steine
wänben über Selötrümmer hin 2); von Palu an tritt er in eine
ebenere Gegend, und flleft zwar noch ſchnell, aber ruhiger dahin.
Eine fhöne Gehirgägruppe, ver Moftar Dagh, erhebt ſich an fee
nem linken Ufer, und jenfeit deſſelben breitet fi die weite, herzliche
Ebene von Kharput auf bem linken Ufer aus. Der Murap
wendet fi) aber von ihr wieder ab umd tritt abermals in das hohe
Gebirg des Taurus ein und erreicht den Südrand berfelben Ebene
(auf der rhomboedriſchen Euphratpeninful), doch nun fchon ald rat
und Murad vereint, alfo alßs Cuphrat, erft auf einem Ummege
von 40 Meilen. Am oben Mu rad bemerkte auch v. Mühlbach,
daß dieſer oberhalb des Ortes in feinen engen Ufern und Felswän-⸗
den ven Character eined eigentlichen Gebirgs fluſſes habe,
daß unmittelbar abwärts dieſe Formen fi mildern. Der Strom
wird breiter, theilt ſich In mehrere Arne, vie Uferhöhen treten wei⸗
tes zurüd, werben niedriger, dad Gefälle gemäßigter; die Riffe, Un«
tiefen, Belöbänte, welche dem Strome. oberhalb Palu einen treppen⸗
artigen Lauf geben, find nun meit feltner. Im allgemeinen ſchei⸗
nen die Höhen bed rechten ober nördlichen Murapslifers
(gegen die Plateaufeite Armeniens Hin) höher als vie der lin ken
Seite zu jein, obwol eben dieſe die Wafferfcheide zwiſchen Cu⸗
yhrat und Tigris bildet, jene aber innerhalb des Cuphratgebietes
Liegt. Auf dem zechten Ufer fcheint ver Gebirgszug bis weit gen
gen Weft Hin zum Anſchluß an ven Antitaurus nur eine einzige
Lücke zu haben, nämlich in ver geringen Unterbrechung, durch weiche
9) v. Moltle Briefe S. 291.
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nn
Eupbratfoftem; hiſtoriſcher RAdblid; nach Grrabe, 107
vr Enphratarm von Erzerum zum Murad tritt. Auf vem lin»
Ita Ufer des Munad dagegen iſt es anders; ba Öffnet ſich 8 Stun⸗
| Ya abwärts Palu, ſogleich Hinter der ſchönen Gebirgsgruppe des
Möoſtar Dagh, eine bei dem Dorfe Archur zum Murad ausmün⸗
vende 7 bis 8 Stunden weite ſehr fruchtbare Thalſenkung, die
a W.S. W. von der Nordſeite des Goͤlendſchik kommt, und im
Diien von Kharput mit ihrem ſchlängelnden Fluſſe (wahrſcheinlich
ver eben genannte Bokydere, mit einem ſchwachen Ausfluffe jenes
Gerd) eine faſt 14 Stunden breite Unterbrechung im Bergufer ober⸗
helb Archur macht. Dicht unterhalb derfelben tritt ver Murad wie
ver in die Berg⸗ und Felswand ein, die ſich nach der Felsſtadt und
vom Bergcafiell von Kharput 5 Stunden weit erftredkt, und in gro«
fen Bogen ben Euphrat weiter abwärts begleitet.
Hiemit glauben wir die wenigſtens wahrfcheinlichfte Loralität
einer einfligen, vielleicht zumeilen bei hohen anfchwellenden Euphrat-
weſſern entſtehenden natürlihen Communicationslinie zwi-
‚ fen dem Murad und den Tigrisquellen, die demnach keineswegs
ganz uumöglich zu fein fcheint, vielleicht vermittelft uns noch. wenie
ger bekannten Orottengänge, wie fie im Kalkſteinboden fo häufig
Rh zeigen, zu Fünftiger genauerer Erforfhung nachgemwiefen zu has .
ben, uw den Berichten bei: Plinius und andern die nächfte
Beranlafjung gegeben haben möchten. |
4) Strabo über das Ganalland des Euphrat und feine
Anfhwellungen.
Nachdem Strabo fich vorzüglich im elften Buche jeiner Erd-
beſchreibung In der Landfchaft Armenien mit ven Duellfirömen des
Euphrat und Tigris befchäftige Hat, geht ex im ſechszehnten zu
we Beſchreibung ihres Stromgebieted in Aſſyrien, Mefopota=
nien und Babylonien über, wohin wir ihn bier nody einmal zu
Segleiten Haben, um das, was wir jeiner Uinterfuchung verdanken,
nicht für die Kortbildung der Wiſſenſchaft in der Gegenwart verlo⸗
son gehen zu laſſen.
Die durch Vernadhläffigung im Texte fchwierige Stelle im An⸗
fung feiner Beſchreibung von dem, was er unter dem genannten
Namen zufauumienfaßte (Strabo XVI. 736), hat im Einzelnen wol
um hinzeihend: Grflärung 9 ‚gefunden, worauf wir bier zum
9 Strahon trad. franę. p.Letrone, Paris 1820. T. V. p. 153 eto.;
Raoul Rochetio Rec. In Journ. d. savans, 1820. pag. 694 etc.; \
Großkard Ücherf. des Strabe Th. III. ©. 208, Note. *
108 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.30. u
Verſtändniß des Autors verweilen innen. Der Gegenſtand felbft 5
gewinnt dabel an Nufflärung nur wenig, etwa bie beflimmte Kermmt« .,
niß des bei den griechiſchen Autoren herkönmlich gewordenen Ger „
brauchs, alle jene Volker und Länver ded aſſyriſch - babyloniſchen
Neiches vom Perfer-Meere, am Stromſyſteme aufwärts, bis zu dem
Golf von Iſſus und Gilicien hin, mit dem Namen der Aſ⸗ x
ſyrier und Affyria zu belegen, wofür auch Syria, Syren, |
für alle Völker aramaiſchen Stammes, wie ſelbſt für die Araber
zunächft jenfelt des Euphrat und die Rappabofen, bie noch eine fye .:
riſche Sprache rebeten, oft gleichbedeutend gebraucht ward. Mit Fi
Aturia, Atyria, im engern Sinne ward. jevod auch insbeſondre |
ı
ı
die Landſchaft am Tigris um Ninive und Arbela bezeichnet, wenn
ſchon Dio Eafflus (Lib. 68,26; R. 1141. 19. ed. Sturz. Vol. IV.
und VI. p. 632 not.) etgmologif erklärt, daß nur die Verwecht- -
lung bed s und t bei den Barbaren bie Urfache der Eorruption des
Namens von Aſſyria in Atyria gewefen fe.
Der Berflörung ber ſyriſchen, b. 1. affyrifchen Monarchie, ſagt
Strabo, folgte unmittelbar die Zerfldrung der Stadt Ninos ober
Rintve, die in ber Ebene von Atyria lag (XVI. 737); von ihren
Ruinen wird bei Moful weiter unten vie Rede fein; dann geht er
zu ber Beichreibung von Babylon und Seleucha über, wovon
fon oben das hieher Gehörige mitgetheilt ift. Nach Angabe der N
Eapitalen kehrt Strabo zu feinen Bemerkungen über dad Stromfg-
ſtem zurüd, die wir noch ald weitere Ausführung zu dem, mas
ſchon früher barüber berichtet wurbe, hinzuzufügen haben. *
„Das babyloniſche Land wird von verſchiedenen Flüſſen bemäf- *
fest, darunter Cuphrat und Tigris nach ben indiſchen die größten r
„m ſüdlichen Aften find. Der Tigris wird aufwärts 66 zum N
Marktorte Opis und bis zus Stabt Seleuca, der Euphrat bis Ba- \
„bylon beſchifft (f. oben S.34). Wlerander, der alle Hemmungen \
\
\
„biefer Schiffahrt bis nach Opis zerflören ließ, forgte auch für die
nGanäle (Strabo XVI. 740).“
„Denn“, fährt Strabo In feiner Hydrographie des Euphrate
laufes fort, ‚die ald ein weiter außgeführter Gommentar zu dem er '
ſcheint, waß' die Geſchichtſchreiber Alexander darüber gefagt at, \
und waß wir aud dem Arrian ſchon oben angeführt haben, „mit
dem Frühlinge ſchon, wenn die Schneemaffen Armenien ſchmei-
gen, beginnt der Cuphrat anzuſchwellen, gegen ven Anfang des
„Sommers aber überſchwemmt er (vergl. Plin. V. 21: increscit
. autem et ipse Nili modo statis diebus, pauluni differens, ac Me-
n
ſtem; hiftorifcher Ruͤckblick; nach Strabo. 109
inundat, sole obtinente vicesimam partem cancri:
it in virgine et leone transgresso. In totum vero
icesima,pona parte 'virginis). „Dann würbe er vie
ſch n und verſumpfen, wenn man ven Waſſerüber⸗
wie beim NU, in Ganäle ablenkte. Das hat die Ca⸗
endig gemacht, vie aber großer Nachhülfe bepürfen. Denn
tief, weich und nachgiebig, fo daß fle von dem Strom⸗
t weggefchwenmt wird und bie Ebenen entbloͤßt, bie
z fült, und der Schlamm bald ihre Mündungen ver-
nn erfolgen von neuem gegen bie Xänbereien am Meere
hwemmungen, Seen, Sümpfe, die fi mit Schilfmäl-
m, aus denen vielerlei Geräthichaften geflochten werben,
man fie mit Erbpech überzieht, zu waffervichten Fahr⸗
ıen fönnen, denen man auch Segel aus Schilfmatten
Ueberſchwemmungen gänzlich zu verhindern iſt wol
ich; aber das mögliche zu thun, um ihnen vorzubeugen,
icht der Regierungen. Dieſe Hülfe befteht aber darin,
arfer Seltenerguß durch Cindämmung, die Ausfüllung
mm dagegen durch Reinigung ber Ganäle und durch
ag ihrer Mündungen verhindert werde. Diefes iſt leicht,
die Eindämmung, if fchwierig und bevarf vieler Bände,
Ere ausweichende Boden den dämmenden Schutt nicht
vie Berftopfung hindert. Die größte Eile iſt dabei noth-
a die Canaͤle ſchnell zu fchließen, bevor fich alles Waſſer
'!ann. Denn bei fparfamen Waſſer in der Sonmnerzeit
der Strom feicht, und wenn er einmal erichöpft iſt, kann
nenn es am meiftlen Noth thut, vem von der Sonnen
glühten und verbrannten Lande dad zur Befruchtung
ye Waſſer nicht mehr Tiefen. Ob dann bie Feldfrüchte
zmaaß der Wafler erjaufen oder durch Dürre umkom⸗
leich ververblih. Auch vie Beichiffung, von beiden Ver⸗
abhängig, kann nicht beſtehen, wenn nicht durch fchnelle
‚. und Deffnung das Waſſer ver Candle in einer Mittel
ten wird, um dem Weberfließen wie dem Berfeichten zu
mm oben war es, was Mleranber bei feiner Arbeit am .
(f. oben S. 41) beabfichtigte, wie Strabo, dem Berichte
uns folgend, nachzumweifen bemüht if. „Alexander,
trabo XVI. 741), bemerkte an einem Ganale (er nennt
110 Weft-Afien. II. Abtheilung. 1. Abſchnitt. . 30.
nie nicht mit Namen), der ſich vorzüglich zegen ‚bie Seen ynb
„Gümpfe Arabiens wandte, daß ſeine Mündung zum Cuphrat we
„gen feines weichen Bodens fo ſchwer zu war. Deshalb
„öffnete er. einen andern Canal, etwa 30 Sffbien lang, keine wolle ı
„Delle, im durch fehlen, feligen Boden führend, und wandte ſo
„sie Waffer nach jener Seite: je Arbeiten hatten zugleich noch
„ven andern Zwed, daß Arabien, ivegen, ber Waſſermenge ſchon in⸗
„ſelaͤhnlich, durch die Seen und Sümpfe nicht vdllig unzugänglich
gemacht ‚würde: deun er Hatte dieſes Land zu erobern ben Wlan
aefaßt." B
. Wenn Strabo in biefer Iegtern Angabe um wol etwas über
triebene Borftellungen zeigt, fo folgt er darin dem Eratoſthenes, deſ⸗
fen mangelhafter Erkenntniß jener Gegenden man auch noch vie fol⸗
gende Stelle von dem unterirdiſchen Zuſammenhange ved Cuphrat ⸗
Taufe zu Gute Halten muß, eine Vorſtellung, die bei dem. häufigen
wirflichen Vorkommen folder Erfchemungen auf dem Boden Grie⸗
chenlands durch bie theoretifche Anficht des Ariſtoteles (Meteorol
Lib. I. c.13) unter feine Zeitgenoſſen eine zu verallgemeinerte Ane
wendung gewonnen zu haben fcheint, gegen meldhe aber ſchon Strabo
feine befcheivenen Bweifel mit Recht ausſprach. Eratofthenes, ver
die Seen in ber Nähe Arabiens fannte, fagte (Strabo XVI. 741),
daß dieſe Waſſer, venen ver Abfluß fehle, ſich unterirdiſche Ausgänge
eröffnet Hätten, bis zu ben Cdleſyriern. Dort bringe. ed wieder in
ven Gegenven um Rhinpfolura (EI Ariſh) und. ven Berg. Kaflon
(Mons Casius) hervor und bilde die bortigen Seen und Barathra
oder Wafferfchlünde. Ich zweifle, fügt Strabo Hinzu, daß es glaube
Tiches geſprochen; denn jene, bie Sem und Sämpfe bei Arabia bil
denden Ergießungen bed Cuphrates, find dem Perſermeete benachbart,
und ber Zwiſchenraum weder breit noch felflg, fo daß viel wahr ⸗
ſcheinlichet fich das, Waffer von biefer Seite her ven Ausgang bla
an bad Meer bahnen wird, fi es unterhalb der Erbe ober oberhalb,
viel eher, als daß es 6000 Stabien (150 geogr. Meilen) weit einem
fo wafferlofen und ausgebörrten Weg zurücklegen ſollte, in beffen
Mitte felbft noch Bergketten, wie Libanon und Antilibanen und- Gar
‚ Mus, ausgebreitet liegen. Bel dieſer Verichtigung des Gratofhenes
hat jedoch Strabo,- mie fon Letronne *) bemerkt, ſelbſt einen
großen Irrthum begangen, indem er den Mons Casius bei Antiochia
“) Strabon trad. franc. T. V. p. 177, not.; vergl. Großferd Gtrab.
Uebgf. Tg. III. ©.217, Rote 3.
Euphratſhſtem; hiſtoriſcher Ruͤckblick; nach Strabo. 111
in Rorbfgrlen mit veni Mons Casius an ber forifchen: Grenze Ae⸗
sopten® vermechfelee, wodurch jedoch Die Widerlegung ver Oypothefe
gar SE tens Beränverung erleidet, denn nach ber einen wie nach der
audern Richtung iſt beides völlig undenkbar.
Nachdem Strabo- nie bloß theoretiſchen Behauptungen des Po⸗
Vitus, Daß ver Cuphrat gar keine Waſſeranfchwellungen wegen zu
großen Abſtandes vom Gebirge babe, und weil vie vordern Berge,
nämlich die füblicheren gegen ven Tigris, zu niebrig würben, um
viel Schnee zu tragen, widerlegt bat, fügt er eine Fehr gehalt⸗
reihe Bemerkung binzu, mit meldher wir das Wefentliche feiner
Mittheilungen über dies Stromſyſtem fchließen können, va alles
übrige nur topogtaphiſche Merkwürdigkeiten betrifft, die fpäter, in
den zugehörigen Localitäten ihre Stelle finden werden. „Allerdings,
„jagt Strabo, ſteigen die Quellgebirge (Strabo XVI. 742) des Eu-
ꝓphrat gegen Norden Höher auf, aber nicht blos dies, ſondern fie
ewinnen auch an Umfang und Ausdehnung; gegen ven Süden
„ernledern fie fih. Uebrigens hängt vie Menge des Schnes nicht
„blos von ihrer Höhe ab, fondern auch von ihrer nörblichen Lage
„und ihrem Abdachungen (Toig xAlgagı, d. i. pen Seitenlagen, Schat⸗
„tenfeiten und Sonnenſeiten der Berge). Derſelbe Berg wird auf
„nem Nordgehänge mehr befchneit als auf dem füblichen, unb jeneß
„sewahrt ven Schnee längere Zeit als vieſes. Der Tigris alfo, wel⸗
‚ger aus kan fünlichfien und von Babylonien wenig entfernten Ge
„sirgshähen Armeniens das Schneewaſſer, deſſen auf der Süpfelte
Aherhaupt nicht viel iſt, empfängt, wird weniger überfchwenmen.
„Der Eupbrat hingegen empfängt die Waller von beiden Seiten
‚umo nicht blos aus Einem Gebirgszuge (vie der Tigris aus Nie
Aheates ‚und Gordyene), ſondern aus vielen, wie dies in obiger Be⸗
Aqhteibung gezeigt iſt, wo er das große wie das kleine Armenien
‚is fo langem Laufe durchzieht, und vann noch aus Klein⸗Armenia
„sub Kappadokia den Taurus durchbrechen muß, um nach Thap⸗
aus ſtrõmend das untere Syrien von Meſopotamien zu. Icheiven,
ue daun Babyionien und die Meeresmündung zu erreichen, was
eime Siromlänge son 36,000 Stadien ausmadht.” — Die
egsaphiicde Meile zu 40 Stadien gesechnet, würbe dies eine
Unge von 900 geogr. Meilen machen, die wenigftens das Doppelte
der wahren Stromlänge geben würde; daher wol das Kleine Sta-
Sum zu rechnen, —— etwa die Hälfte der Länge geben möchte, °
bie —8 und) immer zu groß iſt
Bertrefflich dat Strabo Hier ven weſen tlich verſchiede⸗
112 Weft-Aſien. M. Abteilung. 1. Abfhnitt. $..30.
nen hydrographiſchen Charaſeter beiner Gtromläufe aufge
faßt, aber ohne daß die Großartigkeit dieſer Anfchauung von den
fpätern Geographen beachtet und für die Wiſſenſchaft fruchtbar ges
macht worben wäre. Wir fehen darin die erfte Erwähnung ber
beiden ganz verſchiedenen Claſſen von Strombildungen, bie wir
durchbrechende und blos ablaufende Stromfpfteme, over
Hintere und vorbere in Beziehung auf Ihre Geſammtentwicklung
zu ben Gebirgsſyſtemen genannt haben, und wozu ver Indus zu
jenem, ver Ganges zu dieſem bie entfprechende Analogie in ihren
Verhãltniſſen barbieten.
5) Kaiſer Trajans Feldzug am Euphrat 15-117 nach
Chr. Geb.).
Saft einzig nur, wie oben gefagt, ven Kriegkgeſchichten des Al-⸗
terthums wird der dortſchritt der geographiſchen Kenntniß jener
Landſchaften von dem armeniſchen Ouellgebiete bis zum ſuſianiſchen
Mündangslande am Perfergolfe verdankt, und diefe wurben felt der
Auflöfung des großen vorderaſiatiſchen Reiches der Seleuciden durch
die mehrere Jahrhunderte dauernde Nebenbuhlerſchaft ver Römer
und Partherherrfchaft um das zerfallene Beſitzthum der Geleuchden
berbeigeführt,
Mit dem Verluſte von Asia minor ober ber Weflhälfte un⸗
ter Antiochus II. an die Römer, deren polktifche® Uebergewicht num
auch auf die Eultur diefed Landes und feiner Bewohner einen fo
entſchiedenen Einfluß gewinnen konnte, ver ſich bis heute in feinen
reichhaltigen Dentmalen Kleinaſiens nachweiſen laͤßt, mußte das ſy⸗
riſche Reich, vie Oſthälfte, dagegen in ein blos orientali«
ſches zurüchfinten, obgleich auch Gier griechiſche Anfleolung, griech-
ſche Sprache, griechifcher Gottercult und Sitte, ja felbft Stäptener-
faflung und beilenifcherepublifanifche Ginrichtungen feit Alexanders
Zeit ihm noch immer das Außfehen eines europälfch gewordenen gas
ben. Im Guphratgebtet concentrirte ſich allerdings der Mittelpunct
dieſer wie im Weften, fo bald auch im Oſten durch den Abfall von
Indien und Baftrien mehr und mehr befägränften Monatchie, bie
noch unter Antiohus vom Indus und Orus bis an daB ägäiſche
Meer gereicht hatte. Bald Fehrte auch die ſchlechte aſiatiſche Ver⸗
waltungemelfe, bie Geldnoth, das Zerwürfniß der Herrfcherfamilie,
die orientaliſche Wilfähe der Minifiergewaht in biefe Enphratgebiete
ein, die, auf der einen Seite von Barthern und Armeniern,
auf der andern von Arabern, Juben und ſyriſchen Empdrern
Euphratſuſtem; hiſtor. Xuͤcblick; Trajans Feldzug. 113
vielfach gedrangt, laͤngſt in Ohnmacht verſunken waren, ala die Ro⸗
mer nun auch ben Taurus überſchritten und den Cuphrat nicht
mehr wie anfänglich alg. ven Grenzſt rom des Reichs der „Römer
und ver Parther gelten laſſen wollten. _ -
Di Mithridatiſchen Kriege führten, bie römifchen Leglonen un⸗
ver Lucullus Commando, der im Koͤnigreiche am Pontus die zuge⸗
horigen Reſtdenzen Comana, Amiſus, Sinope erobert und ſich Klein-
Armenien am Cuphrat unterworfen hatte, zuerſt in das obere
Guphrat- und Tigriögebiet, weil zu Tigranes, dem bamals
noch mächtigen Könige von Armenien, ver aus dem Felde geſchla⸗
gene Mithridates geflohen war und Schutz geſucht Hatte. Dur,
Buculls Eroberung. der neuen Golonifation Tigranocerta's und
Die gewonnene Schlacht gegen Tigraned auf ber Moſhiſchen⸗ Hoch⸗
ebene am Arſanias, durch ſeine Belagerung der armeniſchen Koniga·
reſidenz Artarata am Aras (ſ. oben S. 99) und, durch die Em⸗
pirung ſeiner Legionen über die Beſchwerden der Veldzüge in ſo
rauhem, unwegſamen armeniſchen Hochlande kamen dis erſten geo⸗
graphifchen. Kenntniſſe dieſer bis dahin unbekannt gebliebenen. kand⸗
ſchaften durch Augenzeugen nach dem Occident.
Als Pompejus M., des Lucullus Nachfolger, den Küng yon
Pantus, Mithridates m, zum zweiten male aud dem Felde ge»
ſchlagen und ven Slüchtigen, ber über ven Euphrat und. Baucafuß
zur Tautica Gherfonefus entflohen war, bis gegen: Artarala ver⸗
felgt Hatte, Ich er wol ein, daß Broß- Armenien ſchwer zu bes
er ee
Red demfeiben Könige: T igranes gegen Srihuszahlung, em —
Lacull feine ihm früher zugehoͤrigen Provinzen von. Klein
menien: Sophene am. obern- Euphrat und, Tigrif,. wie a
Istien, Cilicien, Phönicen und Syrien” ſchon entzijjen .} waren und
auch von feiner Herrſchaft getrennt blieben,
Diefe. an die Rdmer foͤrmlich abgetretenen Bopringen eihieften
Beimese, jedoch meiſt nur temporair herrſchende Bürften, die, non den
** Belbheren cingefegt und, beftäligt, au der Mönzerguenge bje
ber großen Herrſchaften hrachen je ‚rn ‚denk. benachbgrft
mehr als jene gezuͤgelt werben fonnten. So hatten. Cp-
7 am wefllichen Guphratufer, Chalc ‚nähe, pen hrutigen
Alepyo, Epeffa zu: Orfa eigene Dynaften er alten, von denen bie
ſch⸗ ſyriſche Stadt 30 unter — DA "deB
eu Ihn Düchneiie uber Orrhöcne,, ſchon I fiber Pori-
jeit, ſeit 146 * Chr. Geb. ſelbſtanvig, auf (ana: eis Jahrhun⸗
114 Wefichiſien. II. Abiheiinng. I. Abſchnitt. *
verte hinaus, ja ſogar bis An Ha Mittelalter der Mreuggäge, '
Eriſtenz 5), wenn fehon mit: mancherlel Wechſeln, behaupten .
vbern Mefopotamlen, zwiſchen dene Cuphrat und Tigris, am Ueber⸗
gange vom Gebirgslande Armenientz zur Cbene Miefopbtatnlend, im
ver Gegend ded heutigen Urfa ober Drfa lvon Orrhoa verſtüm ·
welt) ©), war die Stellung auf bem Grenzgebiete der parthiſchen
wie der romiſchen Hetrſchaften der Met, daß die Politik dieſes klei⸗
nen Staates es erforderte, ed mit einem ber mächtigen Nachbarn
gu verberben, wodurch eben bei kluger Leitung bie laͤngere Selbſt-
erhaltung durch die melſten der borlibergehenen. Wechſel möglich
Wurde.Die Geriſchaft dieſes vodthoeniſchen Reiches, eine der vielen
uf ſhriſch⸗ aſla tiſcheni Boden Älteren eigenthümmlichen ulacedoniſchen
Colonifationen anfãnglich auch Autiochla genannt (Plin. V. 21:
Edessa quae 'gnondam Antiochia’ dieebatur, Callirrho& a fonte
ominata), mit’ fortvauernben Ariftofratien, mit BVürgerfteißelt und
"gricdgifäem Leben, unter eigenen Fürften, warb nicht immer vom
Water ® auf im Ebtn fortgeerbt. Die Angeſehenen, deren Abſtam ⸗
’ mung unbekannt geblieben, wählten ſich aus den benachbarten Wbl«
tern immer einen Mann an bie“ Sride hrer Republik, um fle ge=
Bi af: —— fu ſchuͤden, wie gegen die übeln ‚Folgen einer
ober Anarchie ohne fih'mächtig zu fen, bie“ beſtehewen
ah Ynmätiftopen. Sn folther Konigbrelhe der flebenit · war
er har Abgar, der’ in Tigraner Herre gegen Lrientk dieute,
‘der: ſohlelch als die Rhmer die Sleger geworden, nach Brieitaßen
Art auf derer Seife getreten und imit Ihnen in Verbinduntz geblue·
Ven wit: Diaſelbe wär e8, der nz veram cuch dem Monheins
"Arie ag’ aglt mb ihn duic Gäßarruben Dienfte Teihete.
ESy wutdot · die localen Inteteſſen der verſchledenſten Bewohner
vei ennbrneififihen? Landfchaften Inniet mehr und mehr In vie wo⸗
Titjt. ihrer beiden großen Rachbatrelche verwidelt, denn asiih- aibere
"Widder h ere Dynuſten, veren Entſtehungegeſchichten uns über meift, wie
‚Die Untkigin — wenig bekannt wurden, tie arabiſche Wmire,
8 N efüheten "A Bonbart vom Gira, -bie dorften
San {at "Säakr) Hrio 'unbete, wie le Stabtrepubfkten geisthi-
ſcer aa malen· aberall "if bein @tehggebieten beider: unit
er Rigung: hervor⸗ mb ‚ihren Yiralm auch. mehr
67
re
Euphratſyſtem; hiſtor. Ruͤdblick; Trajane Felbyug. 245
wa mehr In die Specialgeographie jener, Eegenden ein. Vor allen
mußte Armenien, von Ärger als ein mächtigen, daß. meſopotami⸗
ſche Flachland dominirendes Hochgebirgsland, mit den wenigen Paß⸗
ciagãngen und ven Gaupt- Duelfizdmen, Hierauf von Einfluß fein,
daher auch dieſes Land durch alle folgende Jahrhunderte ver große
Zummelplag und das Schlachtfeld. oder die zu erflürmenne Völker⸗
burg zwiſchen ven firsitennen Weltmächten im Welten. und-O fen
wer. und blieb. "Aus Groß und Klein- Armenien. beſtehend 7)
und meift zuvor von geſonderten Königen aus:-werfeblenenen. Fami⸗
len beherrſcht, his des. Mithridates Magnus. Schwiegerſohn, Tigra⸗
web, auf kurze Zeit beide Konigreiche vereinigte, wurden dieſe durch
de zämsifche. Poliul in der Tolgezeit Immer wieder getrennt, um je⸗
dem lisbergewicht ver. Macht dort zuvorzukammen: Pompeius,
im Srieden mit Tigranes, ſonderte beine zwiſchen Vater und Sohn;
Yuguftus riß Klein⸗Armenien durch Schenkung anu Pharner⸗es,
ven König Kappadociens, von dem ſehr geſchwächten Groß⸗Arme⸗
wien ab, vefien ambitiöfe Parteien dagegen, mehr unter den Eine
Anh ver parthifchen Könige geftellt, bald um vie Protection her Pay
(ger, bald um die ver Römer. pur Einfegung ihren ſchon zu halben
Vaſallen — Fürſten buhlten, fo daf rin lange Reiha yon
werıken * Unser Kalfer Nerv. hatte der Porther⸗ Konig
BSologefes J. den Armeniern ſeinen Bruder Aridatet zum Ko⸗
nige.anfgessungen, er. nad) manchen Kämpfen, ‚in denen. Corbulo,
BB. Kacıtus Pieblingähel, fo. firgseich auftrat, auf, veifen„Wetrieb
weisen Nere in: Rom feine Krone echielt, ‚mel ex, ihm, icin Kb⸗
u als ramiſches KHehen zugeſtand. Unter. Kaiſer Do mike
Han war eb Üzebarus, ein von Barthern Beihüpter, den Kalfer
Zrajam aber nicht :916, König anerkannte und deshalb den Par⸗
qectigig Oarhoes over Chosroes (es iſt Narſes J.xctg. von
298-120 nmach Chr. Geb.) 9) aufforderte, ſeine Truppen. aus Ax⸗
zudem guräfzuglehen · und jenen feinen. € zu üborlaſſen.
Be inne 006, vömifägen ieichs hielt ver ſolze Römer durch ‚die
Pi Parthers ‚gerlegt und rüftste fich, da nicht ſogleich
geboten wurde, zum Kriege gegan den Orlent. Da
an vwnrkuch ein Romerheer zum Aufbruch Jam das Khoroes alle
2: Bi) Richter,
| fie ii: — ende. znb Safanfıcı Dir
s. S. 140.. Zr .5.
5 2
a.
sig 1
"E16. WepsAfiens: TIL. Abtheilung. I. Abfchnitt. 5.30,
urſache zu fürchten’ Haite, ſchicte er dem Trajan bis Athen 9) feine
Beſandten mit Freundſchaftsverſicherungen, mit zeichen Geſchenken
und der Bitte entgegen, einem anbern Sohn des Pakorus, dem parte
thiſchen Prinzen Parthamaſiris die Krone von Armenien und feinen
Beiſtand zu verleihen. Die Geſchenle nahm Trojan nicht an und
ließ dem Partherfönige antworten: „Freundſchaft bewährte fi durch
Waten, nicht dutch Worte” Seinen Marſch fepte Trajan’ (bet
ber unfichern Chrönslogie am wahrſcheilichfien ii den Jahren 114
bie 117 n. Gr. Geb) durch Klein-Aflen: bis Antiochia An Eyrien
fort, wo vor ihm mit reichen Geſchenken vie mefopotamifchen Ge-
ſandten jenes Abgarus (Adyagos; d. der Titel) von Ds-
r hoen a #fälenen, der fein: Meines Königteich erft für ſchwerrð⸗Geld
vom: vorigen Partfeefönige Vakorns ertauft hatte, und ed, durch
feine Lage dazu gendthigt, weber mit Chostoes noch mit Trajan,
Beide fürdhtend, verderben wollte. Trajan ruͤckte indeß, nachdem
fi von einem fürchtbaren Erdbeben, das ihn In Antlochia ge-
troffen, erholt Hatte, ohne Widerſtand (im I. 115 n. Chr. G.) mit
feinen Legionen bis Thapſacus, Beugma und Samofata (Dib
Cass. Hist.: Rom. Lib. LXVIII. Trajanus 19) am Cuphrat vot,
Ye ſich bhne Erſtütmung Ihm ergaben; und ohne fich durch "Bär-
ihamaſiris heuchleriſche Botſchaften im geringſten aufhalten zu laf⸗
Sen, drang et aim Euphrat immer welter aufwärts, buray KR Ar«
nlens PEHE; über Satala (1à Zarara bei Die! Eaff,, die Lage
iſt udoch unbekannt) 29) vor, bis Elegla ("Eityad sic Möpenlag
bel Dio Caſſ., wobeide mal daſſelbe gemeint iſt und keineswegs
verſchledene wie Mannert 12) meint, bad Ih Süden von Melitene,
Aahe den’ Euphratcataracten gelegene, und das viel ndrofegerd nahe
den Cuphratquellen), das nahe ben Cuphratquellen und dem heuti⸗
gen Erferum ti Wi noch im Ramen zu Jlija fortdauett. Dieb»
Yin, ine ‘Gerz von Hoch· Armenien, von Armenia magna; ivo er
Andhialue, ben: kleinen Gebirgekonig ber Machelonen und Senlocher
ves pontifchen Grentgebirges (Korar), der fi ihm freiwillig unter-
worfen, wie alle Neguli von Armenla ſehr huldreich Ale
bfing, hatie Krafdn:den von Parthern eingefepten König Gtoß-
Armenkens; Partfiemafirie, der ſich ſelbſt In feinem Schretben
in Zeilen Fo'ttuik: halte, zur Audienz beſchieden. Er erſchien im
Bye £ Dr. Brandt ui yelanate Zu Ttajaus und feiner Zeitgenofin,
men ——— . 818. En VE E20
Euphratſyſtem; hitor. XRudblick; Itejans Feldzug. 117
Lager vor Trajan, er legte auf die Stufen’ des Thrones zu deſſen
Füßen feine Eönigliche Tiara (mie einft Tiripates vor Nero gethan)
nieger, in der Erwartung des Wiederempfangs aus ver Kaiſerhaud.
Das Hömerbeer erhob aber, da es den gevemüthigten Barbaren⸗
König von der Krone entblößt da flehen fah, das wilde Jubelgefchret,
ben Kaiſer mit dem Titel ald Imperator und Armeniacus begrüßend.
fo gewaltig, daß der erſchreckte Partherfönig die Flucht ergriff. Von
den Soldaten bald fefgehalten und vorgeführt, erklärte er nun mit.
Freimuth, daß er kein. Kriegägefangner, kein Beflegter ſei, ſondern
freiwillig ſich hierher verfügt Habe, in der Erwartung, mar werde
feine Königswürde beflätigen. Trajans Antwort war: „er werke:
„Armenien Niemand ald Königreich geben, fonvern zur römifchen
„Brovinz machen; ihm perſonlich gebe er die Sreiheit.” Go die
Erzählung des Die Cafſius. Die Duellgebiete des Cuphrat und:
Tigris wurben fo in eine Provinz des römiſchen Reichs ver⸗
wandelt, und Das Gebot ging aus, daß jeder Armenier in feiner
Seimath verbleibe. Der Hartgetäufchte und verſtoßene Parthama⸗
ſtris empoͤrt, ergreift die Waffen und fällt in dem erſten Gefechte.
Run fiel dem Sieger ohne Schwertftreich . auch) das ganze Asia
extra Taurum zu, ober die vier kleinern norbifchen an Armenien
angrenzenden Königreiche Kolchis, Iberien, Albanien und
Sarmatica afiatica, fo daß feine Verbindung bid zum Sauro⸗
mates II., dem König am fimmerlichen Bosporus, reichte, Doch nur.
fo lange, als Romerheere dort fanden ; das konnte nicht Tange fein.
Die armeniſchen Städte und Zeiten erhielten zwar ihre römi-
fe Garniſonen, aber Trajan wandte fich, nun ſüdwärts mit’ ſei⸗
ner Macht nach Mefopotamien, wo er in Kurzem gleiche Triumphe
davon srug. Sein Mari führte ihn zunächft nah Edeſſa (Orfa),
beifen König Ubgarus (Dio Cass. LXVII. 21), ver ihm mol-
ter Geſandte und Gaben geſchickt, aber nie felbft Ihn aufgefucht,
Batte, ihm Hier perjdnlich entgegen Fam und 250 Pferde mit Rü⸗
kungen uun 60000 Pfeilen als Befchenke entgegen trug. Für biele
Demütbigung erhielt der König für diesmal Verzeihung; bei einem
Goßmahle, das er in Edeſſa dem Sieger gab, mußte er ſich doch
Idne geringe Herabwürdigung gefallen laſſen, denn fein ſchöner Sohn
Arbonved mußte vor dem Kaiſer nad) Barbarenart tanzen. Ende
I wurde fogar von ihm Abtretung feiner Gerrfchaft verlangt, und dieſer
derderung folgte, ba Abgarus fich nicht dazu verfland, durch ven
Lucius (Lyflab in ven Act. Martyr.) foͤrmliche Belagerung
np Zerſtorung feiner: ſeit hundert Jahren emporgeblũheten feſten
118: WeftsÄften, III. Abtheilung. 1. Abſchnitt. $.'30,
HOaupiſtavt, die wegen ihrer fchönen Duelle von Plinius andy Gal-
Ikrhoe (V. 21. Callirhoen a fonte' nominatam) genannt wird,
bern Bewohner, ſowol Helden wie ſyriſche Chriften, 12) daſſelbe
Schickſal traf. Unter den dabei fallenden Martyrern des Ehriften-
thums wird auch Barſimaͤus Episcopus von Edeſſa genannt, und mit
ihm mehrere Glieder feines Hauſes. Coeffa blühte fpäter wieder auf,
und iſt durch die forifche Legende vom gläubigen Abgarus, der dem
Heilande feinen Schuß zufagte, durch pie Reliquie des Schweißtuchs,
wie durch die muhamedbaniſche Gage, daß Hier Abraham feinen Al⸗
‚tar izu Iſaaks Opfer erbant Haben foll, und aus ver Perlobe der
Kreuzzüge durch den chriftlieden Comes von Edeſſa bekannt.
Traian zog von Exeffa gegen andere Philarchen ober lleinere
Säuptlinge Meſopotamiens, deſſen zerriffenen polttifchen Zuſtand In
jenet Periode mir eben nur aus den fehr unvollflännig überliefer⸗
ten Nachrichten 4%) von -veffen Rriegezug kennen lernen. So wird
zunächft Sporaces, der Häuptling von Anthemus (oder Anthe⸗
mufla, b. Plin. H. N. V. 21 und VI. 30), das zwiſchen dem Eu-
phrat und Edeſſa (Strabo XVI. 748) nur 4 Schönus (oder 6 geo⸗
graph. Meilen) fern von biefer Stadt Ing, genannt, der es auch
verfäumt hätte, nem Sieger entgegen zu kommen, aber Verzeihung
erhielt. Auch Mannus, König eines dem Eupfrat benachbarten
Aribiens, wahrſcheinlich Verbündeter der Parther, der feine Huldigung
aufgeſchoben, ſandte jet Herolde und Friedensboten; aber ihm
traute Trajan- nicht, denn er hatte dem Koönige von Adiabene,
Mebarfapes, Hülfstruppen geſchickt, die fchon von ven römifchen Le⸗
gionen aufgefangen waren. Auch Manifared, ein mefopotamifcher
Fürf, der, von Chosroes bekriegt, fich In den Befitz eines Iiheifes
von Armenien und Mefopotamien geſetzt hatte, machte Verſprechun⸗
"gen, aber Trajan ließ ihm wiffen, er müſſe flch perfönlich ein⸗
fielen. Allen dieſen zweideutigen Freunden im Enphratlande kam
Trajan zuvor; erfl z0g er nad Adiabene (das Aturia am Nie
gris im Often von Ninive, vem heutigen Moſul) gegen Manns
und Mebarfapes, nahm aber auf diefem Marſche unter dem
Berge Singara die gleichnamige Stadt Singara (die heutige
Sinjar, Erdk. IX. ©. 749) ohne Gefechte ein, bie fpäter zu einer
bedeutenden roͤmiſchen Grenzfeſte erhoben wurbe. Die flarfe Feſtung
— — — r
12) De Syris Nestorianis rn in ——— biblI. or. Romae 1720.
ut. IL P. ;2. fol. ; LX. .,. Abulpha
pru . cap.
Hist. dmast.. 7, v. —* ur e Tra ans a.
Br u a sur Geſch. Traj
Euphratſyſtem; yiftor. Xuͤckblick; Trajans Feldzug. 119
bes Mebarſapes, Adenyſtraͤ, deren Lage wir nicht näher kennen,
ging durch Verrath an ihn über; die, von Parthern befekten Stähte
Batana und Niſibis, welche Iehtere noch Heute in ihren Ruinen
unter desnfelben Namen Nifibin im .S.D. von Marvin und des
Maſius⸗Berges gelegen ift, wurden aber vorzüglih durch Lucius
Duintus Anftrengungen mit Gewalt erobert. So erwarb fih Tra⸗
jan zum Zitel des Armeniacus noch den des Apiabenicuß,
und der Senat in Rom ließ Münzen ſchlagen, auf denen Trajan
mit einer Lanze im Kriegskleide zwifchen ven Symbolen: des Tigris
und Euphrates ſtehend, zu feinen Füßen bie gefeſſelte Armenia
figen hat, mit der Umſchrift: Armenia et Mesopotamia in pote-
statem P. R. redactae !5), So warb auf Mefopotamien römi.-
{de Provinz, und da ver Partherfönig um Waffenftilftand bat
und Geißeln jrhidte, nannte ber Senat ihn auch: Optimus Parthicus.
So endete der erfte Feldzug am obern Euphrat und Xigriß;
das Heer lag, für den nächften (116 n. Chr. ©.) fich eifrig rüſtend,
in ven Winterquartieren ver feflen Ortfchaften Armenien? und Mes
fopotamien®, und borchte auf ven Ausſpruch des Drafeld zu Helio⸗
polis im Libanon mit Begier, pas fich über ven Ausgang des Krie=
ges vernehmen lafien follte. Denn es war Trajans Ehrgeiz, dem
Alexander gleich, auch Babylon zu erobern, die parthifche Königsſtadt
zu Rürzen, und dem indifchen Meere feine Blicke zuzuwenden. Bei
vom Bedürfniß einer Transportflotte auf dem Tigris, deſſen Ufer
ohne Baumwuchs waren, wurden bie Wälder bei Nifibis gefält
zur Schifftzimmerung, und bie zufammenzufügenden Stüde auf
Laſtwagen zum Sirome geführt (Dio Cass. Lib. LXVIII. Trajan.
26). Wohin, fagt feiner der Autoren; wahrfcheinlich zur nächten
ſchiffbaren Stelle des Tigrid, wo Trajan auch unter den gor⸗
dyäiſchen Bergen (xazd zö Kapdvvov Ogos, bei Dio Cass.
bi Die Buhtan-Kette des Zagrod bei Jezireh el Omar, nörd»
Eh des Zab, die alte Bezabbe, ſ. Erdk. IX. ©. 705) feine Brüde
über denſelben Strom fchlug, ven Uleranver ohne eine folche an
cqhalicher Stelle (ſ. ob. ©. 25) durchſetzen mußte. Diefer Ueber-
‚gang geſchah Dieamal nur mit Mühe, weil am jenfeitigen Ufer ber
deind ihn wehrte, und nur die Uebermacht der Schiffe und. ber
Irugpen den Sieg davon trug.
Run erſt konnte die eigentliche Adiabene⸗Provinz auf dem Oſt⸗
ufer des Tigris gänzlich unterworfen werben. Der Zug ging von
0) Richter hiſtoriſch⸗ lriiſcher Berfuch a. a. O. S. 188.
=
120 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. 1. Abfdjnitt:$. 30,
da über Babylon, alfo zum Euphrat, und dann wieder zum Tigris
gegen Etefiphon fort; aber Teiner If vie Berichterflattung darüber
ſehr karg, fle artet bei Div Caſſ. faft nur in Anecvotenfrämerei auß,
fo daß für Lanvesfenntniß wenig daraus hervorgeht. Don Baby«
Ion wird, außer der vagen Befchreibung eines Asphaltſees, vermuthlich
bei Is (Hit), ven Trajan bewundert haben foll, fo wie feines feierlichen
Befuchend und des Todtenopfers im Haufe worin Alexander geftorben
war, nichts beſonderes erwähnt, als daß Trajan befchlofien haben
ſoll, ven Euphrat durch einen Canal in ven Tigris abzuleiten, um
zu einer Brüdenfchlagung über venfelben feine Flußſchiffe hinabzu⸗
ſenden; da er jevoch eingefehen, daß ver Tigris in einem viel hoͤhern
Niveau fließe, Habe er feinen Entfchluß geändert, au Sorge, ber
Euphrat möge dapn nicht ſchiffbar bleiben, wenn alle feine Waſſer
dem Tigris zugeführt würben (Dio Cass. LXVIII. Traj. 28).
Deshalb Habe er an der Stelle des geringften Abftanves zwifchen
beiden Strömen, deren Entfernung unbebeutend ſei (d. I. etwa zwi⸗
fchen Feluja und Bagdad, wo ver Nahr Malcha over Flumen re-
gium, den er eben hätte müffen veftaurixen laffen, gegen Cteſiphons
Ruinen zieht, |. ob. ©. 49), die Schiffe zu Lande von Fluß zu
Fluß hinüber fchleifen laſſen. Unterhalb dieſer Gegend ergieße fich
nämlich der Eupbrat in Sümpfe (f. ob. ©. 47), bevor ex fich wies
ber mit dem Tigris vereine. Diefe Zugmafchinerie (0Axol vewr)
war vielfach im Gebrauch bei ven Alten. Ammian Marcellin (XXIV.
6) läßt die Flotie durch ven von Trajan gereinigten 'großen Ganal
abwärts fchiffen, und nicht zu Lande überfchleifen. Daß derfelbe
feine am obern Tigris aus den Wäldern von Niflbis erbaute Ti⸗
grisflotte zu vemfelben Zwecke einer Brüdenfchlagung hätte abwärts
ſchiffen laſſen, wird nicht gefagt; er mußte alfo auch auf dem Eu-
phrat noch eine zweite Flotte befefien haben. Diefe mochte auch aus
den obengenannten Wäldern von Niflbis, nämlich an den Quellen
des Ehaburas, gebaut und diefen Fluß abwärts gefchifft fein, va
derſelbe wirklich eine ganze Strede von feiner Mündung zum Euphrat
aufwärts ſchiffbar iſt, wie dies durch das Dampfichiff Tigris unter
Golon. Chesſsneys Euphraterpebition 10 im Jahre 1836 erwleſen
wurbe. Des Uebergang über den Tigris warb bier zum zweiten
male bewerfftelligt, und als Sieger, wie es fcheint, ohne Widerſtand,
120) Colon. Chesney General statement of the labours and
ceedings of the expedition to the Euphrates im Journ. o ‘the
Roy. Geogr. Soc. of Lond. 1837. Vol. VII. p. 426.
Eupbratiyften; hiſtor. Ruͤcblick; Trajans Feldzug. 121
zog Trajan in die blühende Winterreflvenz ver Parther Könige, in
Gtefipbon, ein, die fich felbf ihm ergab. Hier warb er nun von
feinen Xegionen, noch zu den vielen andern, mit dem ruhmvollen
Vtel Imperator Parthicus begrüßt, wie die Münzen mit dem
Trajans⸗Kopf beftätigen, auf deren Revers bie Tropäe mit parthi⸗
[den Waffen, unter venen zwei gefangne Parther abgebilbet, vie
Unterſchrift zeigt: Parthia capta. Leider fehlt auch hier jede ſpe⸗
cielle Beichreibung dieſer Stabt, deren Entflehen wir früher bezeich⸗
wien (f. ob. ©. 69). Hier ließ fich das fo folge Parther⸗Volk vom
stmischen Sieger die Binfehung eines neuen Königs, ded Partha⸗
mabpates, der dem Chosroes Feind war, und freilich auch den
Thron fogleich wiener verlor, als Trajan den Rücken wendete, ge=
fallen, und der Bürger Roms bewunderte daheim mit Stolz vie
Münze feines Trajane, auf deren Revers er ven König auf dem
Tribunal als Schievsrichter der Welt fiten fah, ihm zur Seite
einen römifchen Feldherrn, vor ihm ven Partber mit gebeugtem
Knie und gefalteten Händen, mit der LUnterfchrift: Rex Parthis
datus.
Auch die griechiſche Republik und große blühende Colonieſtadt
Seleucia am rechten Ufer des Tigris, zu der die Schiffe hinab⸗
geführt waren, muß von Trajans Truppen ohne Hinverniß beſetzt
wersen fein, weil nichts von ihrem Widerſtande gefagt wird, wol
aber fpäter von ihrer Empörung wider die Nömer die Rebe iſt.
Eben fo difnete dem Sieger von Aſſyria und Babylonis nun auch
vie große Königärefldenz in Suflana freiwillig ihre Thore; er machte
dort die Tochter des geflüchteten Chosroes zur Gefangenen und,
erbentete den aus maſſivem Bolve gefchmieneten Thron der Pariher⸗
Binige zu Sufa, vor dem fo mancher Mächtige im Staub ge-
legen. |
Nach dieſen Exroberungen, fagt Dio Eafj. (Dio Cass. LXVII.
28), ergriff den Kaiſer die Begier (mol in folgenden Jahre 117 n.
Ger. 9.), mit der Flotte, wie einft Alexander M., fein ſtetes Vor⸗
bio, zum erptbräifchen Meere hinabzufegeln. Ohne Kämpfe fam er
in Beflg der Deltainfel des Tigris, Mefene (Mesene b. Ammian.
Marc. XXIII 6, 23; am xoAnog Mauroarlıng 6. Ptol. VI. 7.
p. 15%, daher Maisan oder Dost Maisan, Campania Misan bei
Absifeda, Tahul. deser, Jrac. bei Wüstenfeld pag.. 7,95), weil
de der Herrſcher von Charar Paflnu, Athambilis, ihm auch in der
Sturnmmnoth ergeben blieb Ci. ob. ©. 56). Im Angeſicht des Dre
and, beim Anblick eines nach: Indien ſegelndeu Schiffes, fell Trajan
\y’
122 Wieſt⸗Aften. N. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.30.
ausgerufen habın, wenn er noch Jung wäre (er war aber im 64.
Fahre), würde er nach Inbien gehen. Wol find es nur Uebertrei⸗
bungen wer Schmeichler, welche dieſe ven Ruhm des Regenten ſchein⸗
bar erhöhenden, aber ver "Innern Kraftentwidlung des römifchen
Reichs fo verberblichen Feldzüge noch über die Grenzen des Wahr
hinaus ausmalen. In Rom flaunte man über den Umfang feiner
Siege und beeretirte Triumphe, aber an einen inbifchen Feldzug
Zonnte Trajan ſelbſt fchwerlich denken; fein Ziel war ihm näber
gefteeft, und während er noch auf feinem Schiffe mit der Beſichti⸗
gung der Waflerbauten und Flußmündungen befchäftigt war, bra⸗
chen fchon Hinter feinem Rüden viele Völker und Stäbte wider
ihn in Empörungen aus, weil ex feine Eroberungen nit behaspten
tonnte. Ganz Aſſyrien fiel ab, und mußte wieder mit Gewalt
eingenommen werben; felbft wider bie Stabt Seleucia, von ber
Prüher nicht einmal die Rede geweſen, wurben bie Legaten Erucius
Clarus und Julius Alexander abgeſchickt, um fie erſt zu erobern
and dann niederzubrennen (Dio Cass. LXVIII. 30). Zwar konnte
dadurch, bei dem ſchnellen Rückzuge Trajans und feinem unmittel⸗
bar darauf erfolgten Tode, die große Stadt nicht gänzlich zu Grunde
gehen, doch war dies ein Vorſpiel ihres gänzlichen Untergangs, der
kein halbes Jahrhundert ſpäter erfolgte, als Marc Aurels College,
Lucius Verus, im J. 162 n. Chr. Geh. dieſelbe Stadt ſammt
dem Pallaſte des Partherkonigs Vologeſes III., der in Cteſiphon
erbaut war, fo völlig zerſtörte und in deinen Aſchenhaufen verwan⸗
velte (Dio Cass. LXXI. Marc. Ant. 2), daß ſit noch 40 Jahre
ſpäter, als Kaiſer Sept. Severus im Jahr 201 n. Chr. G
hindurch zog, um Cteſiphon zu demüthigen, in ihrem Schutt ganz
menfchhenleer valag, wie Babylon (Dio Cass. LXXV. Severus, 9).
Es ift zu bedauern, daß die ein halbes Jahrtauſend dauernde Glanz⸗
periode Seleucias (ambitiosum opus Nicatoris Seleuci, b. Am-
mian. Marc. XXIII. 6, 23) fo fpurlos für die Gefchichte verloren
gegangen ift, und fein einheimifcher Autor in dieſer Griechenſtadt,
fals ſie Geſchichtſchreiber ihrer Begebenheiten (einen Philoſophen
Seleunkos aus Seleucia führen Poſidonius und Strabo IM. 174 auf),
herbergte, auf die Nachwelt gefommen ift, wie dies doch bei ihrer
gleichzeitigen ſo monumentenreichen Rivalin Alexandria der Fall
war, mit der fie an Größe, Reichthum, Welthandel wetteiferte, wenn
sg ſchon weniger für Künfte und Wiſſenſchaften ergiebig, wit dieſe,
«Fit die Nachwelt ward. Selbſt ihre zwee Nebenbuhlerin, Antlo-
Mia in RPierien, die von ihr nach Straben, un: Bedeutung überboten
—
0
Eupbratfüften; biftor. Ruͤcblick; Trajans Feldzug. 123
wurde (f. ob. ©. 70), hat mehr geſchicheliche Denkmale binterlafien,
vie uns noch kürzlich von Meiſterhand in wiſſenfſchaftlichem Zu-
emmenhange 17) vorgeführt wurden, wie dergleichen von Seleucia
zu unternehmen unmöglich fein würde. Son einem einzigen Kunft-
werfe Seleucias hat Amm. Marcell, XII. 6. 24 die Spur ber
Erinnerung: erhalten; e8 iſt die Statire des Gomeifchen Apollo (Co-
mei Apollinis), welche bei der Plünderung der Gtabt durch die Ge
nerdle des Verus nah Rom kam, und dort von ven Prieftern im
Tempel des palatinifchen Apollo aufgeſtellt ward. Da ein Ort ver
Gegend, wo Seleuria legt, auch den Namen Coche führte (Amm.
Mare. XWV. 6, 2), fo meinte Salmaflus, daß dies für bie Statũe
ns Cocheifchen “Apollo zu halten fei.
Bir haben ſchon oben (&.69) Het der Angabe ihrer Entſtehung
Verauf hingewieſen, wie Seleucia, ſtatt der großen Cuphratſtadt
Babylon, ſpater der Anziehungspunct der Weltereigniffe am
ieris werben mußte, wo wiederum ihre Steflvertreterinnen Cte⸗
ſiphon, Madain und Bagdad ans ihren: Trümmern hervor⸗
dingen. An ber Communicationslinie beider Hauptftröme zugleich,
bean Der Königliche Euphrateanal mündete unterhalb Seleucia zum
Agrie, und Seleucus verkürzte die Verbindung beider noch durch
nen von ihm angelegten Zwifchencanal (in confluente Eu-
phratis fossa perducti, atque Tigris, Plin. VI. 30), gänftiger
angelegt, ven bequemer zu erreichenden Mündungen und ven Per»
fe Meere etwas näher gerüdt, wie ven Landſchaften Suflanas,
Nedlens und Perfiens, wurde. fie darum dem Abendlande Nicht mehr
entfremdet als fine, und durch die Vortheile, die ein Weltreich Ihr
ja ver freien Berfaffung (Seleucia, libera hodie ac sui juris Ma-
eedonumque moris; Plm. H. N. VI. 30), und ver Gunſt ver
Veherrſchet Hinzufügte, Bald die Roma de Orients, welche derjeni⸗
gen des Occkdents zur Zeit Ihres höchſten Flors, nach Strabo,
am Umfang wol wenig nachgegeben zu haben ſcheint, und nach Pli⸗
ud an 600,000 Einwohner zählte (H. N. VI. 30). Im frucht-
Seren Boben (drum totius orientis fertilissimum, -Plin. VI. 30),
ut ren Mauern wie ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln gele⸗
get (situm rero moenium, aquilae pandentis alas, ibid.), die
wißehinen ‚Rechte ihted Brlnders bewahrend, ohne In vie Weite
vr Barbaren außzuarten. gr potens, septa muris neque | in
7) C. Or. Müller Antiquitätes Antiochenae. Commentt. duae.
124 Weſt-dißen. IIJ. Abtheilung. I. Abſchnitt. $: 30,
barbarum corrupta, sed conditoris Seleuci retinens, Tacit. An-
nal. VI. 42), im Schuß des mächtigſten Staates, frei vom Druck
bes Oberhaupteß, flieg fie felbft unter. per Berwaltung ihrer. 300 nad).
Anfehn und Weisheit erwähllen Senatoren mit. ihren Diganen
ſchnell, Hoch und reich empor, und blieb mächtig, fo lange fie in
fi einig. war, daß jener Verſuch, fie zu überrumpeln, felbft ven.
Gewalt habenden Parthern mißlingen, mußte (quoties concordes
agunt, spernitur Parthus, Tacit. Annal. VI.42). Gegen vie un«
ter dem Parthereinfluß entflannene Ausartung ihrer Verfafiung In
Ariftofratie hatte jedoch das Volk -Öfter Kämpfe mit Erfolg burdh
geführt. Durch babylonifche Ueberfiedlung hatte vie Stadt einen
Theil ihrer anfänglichen Bevdlferung erhalten, mehr aber waren:
Macevonier und Griechen und eine große Menge Syrer dort: ein⸗
heimiſch geworden, und zu Zeiten auch Juden, 18) deren Zahl durch
Ueberflevlung aus dem jüdiſch⸗babyloniſchen Raubflaate Neharda
(Neagd« b. Joseph., Naaoda b. Steph. Byz.; Fl. Joseph. Antiq.
Jud. XVII. cap. 9. ed. Haverc,) ein folche® Uebergewicht befam,
daß bei den auch Hier entſtehenden Judenverfolgungen, nady Joſe⸗
yhus Angabe, 50,000 Männer verfelben von ihrer Gegenparthei,
den Griechen und Syrern, erſchlagen wurden.
Die Parther konnten ſolchen innern Gährungen nicht wehren,
oder wollten es nicht, zu ihrem eigenen Vortheil, weil der Großhan⸗
del der Stadt Seleucia ihr unermeßliche Reichthümer und alſo auch
ihnen große Einkünfte brachte. Nicht durch Parther, ſondern durch
Römergewalt und Plünderungsgier ward die Stadt heruntergebracht
und endlich vernichtet; zuerſt unter Trajan, dann unter L. Ve⸗
rus, deſſen Feldherr Avidius Caſſius die,freundliche Aufnahme der
Romerteuppen durch treuloſe Vernichtung vergalt (Jul. Capitolin.
Verus c. 8.), wobei damals, nach Orofius, noch 400,000 Bewoh⸗
ner gefangen wurden (Paul. Orosii Histor. Lib. VII. c. 15).
Bon dieſem Schlage erholte fih Seleucia nicht wieder, denn
Kaifer Severus, den wir ſchon angeführt haben, fand fie menſchen⸗
leer, und dem Katfer Sultan, anderthalb Jahrhunderte fpäter (im
Jahr 363 nach Chr. ©.), zeigten nur vie hin und wieber zerſtreu⸗
ten Nuinen mit geringen Neubauten bie Stelle, wo einft die ber
rühmte Königeftant geflanden hatte. Noch weniger iſt es, mad heut
zu Tage biefelbe Localität von Mabain dem Beobachrer Date
bietet.
Oo 3 ar
20) Mannert, Beogr. der Gr. und Roͤm. Th. V; 24 393. .-
Euphratſhftem; hiſtor. Ruͤckblick Srajans Feldzug. 125
Indeß nun die Legaten uns Feldherrn Trajans mir ver Be
limpfung: der Empdrungen in den verſchiedenen Theilen Aſſyriens
beſchaftigt waren, wobei auch die Stadt Niſibis und die blühende
Edeſſa durch Lucius (oder Luſtus) Quintus das Schickſal der
Berheerung ttaf, Hatte ſich Trafan auf feinem Ruͤckmarſche gegen
ven Welten einen beſondern Neberfall vorbehalten gegen den arabi⸗
ſchen Stamm der Atrener (Arenvol, Dio Cass. LXVIII. Trajan.
31), der aber nicht in Arabien nomadifirte, ſondern in der Mitte
Neſopotamiend (Arabia Mesopotamica, wie bei Zenophon; f. ob.
6. 15) ſelbſt, zwifchen Cuphrat uns Tigris, füdwärts des heuti⸗
gen Moful und Sinjar (Singam); in einer ſchon von Natur: fo
ſchwet zugänglichen Lage ch noch mit Ummauerungen vesfchanzt
hene, daß Trajand Auſtrengungen vergeblich waren, bagegen an⸗
wiärmen;, und auch ſpätethin eine: Belagerung bes: Kaiſer Sept.
SEeverus erfolglos: blieb Dio Cass. LXXV. Sererus 10). Irrig
ſuchte man früher dieſen Ort Atra in dem Innern. Arabien, unb
leß auch dorthin den: Irafan einen fernen Kriegszug unternehmen,
shwol doch Stephanus die Lage: innerhalb Mefopotanniens beftimmt
genug bezeichnet (Bteph. Byz: s. v. Area: nölıs uerate Evpoa-
wu zal Tiyonzas und s. v. Aıßaval) und die Stadt Libanae
a Gyrla der Stadt Atra benachbart genannt hatte Ihre Lage
Ueb uber, weil. auch: ihr Name Veränderungen erlitt, und fie ſelbſt
unbelannterer Zels in Trümmer verfant, bis in die jüngſte Zeit
unbekannt, His D’Anville und Mannert!N) nad der Spur ves
türfifhen Geographen, ven neuern Namen der Ruinen von Hadr
uchtig anf das von Ammian beb’Iultans Feldzug ſchon In Ruinen
wefalline Habra deuteten (Anun Marc. XXV. 8; itinerihus ma-
is prope Hetramz venimes, vetus oppidum in media solitudime
positums «iimqus desertum),: deſſen wirklich noch vorhandne merke
wärdige architectoniſche Arlimmer aber erſt ganz Fürzlich unter dem
dert -eiueimifchen Nam :UL Hadhr wieder entdeckt find, und
dederch thee Lage genauer beſſiumt ward (von John Roße)
1836 und 1897 met, von. All. Aineworth— 4840 genaur
eiferſchti). 37, OL LM UN i rer peigiil
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128 Weſt⸗Aſien. mi. albtheilung. I. Abſchnitt. $. 30.
6) Kaiſer Septim. Severus im obern Mefopotamien 195,
und fein Feldzug bis Etefiphon mit der zweimaligen,
vergeblichen Belagerung von Hatra (Al Hadhr) im dabr
200 und 201 n. Chr. Geb.
Das obere Mefopotamien auf dem Grenzgebiete zweien Welt⸗
reiche erhielt durch deren Jahrhunderte hindurch fortgeführte wech⸗
ſelvolle Kämpfe eine immer höhere Bedeutung, welche zu mehr
ſelbſtſtändiger Entwicklung einiger Eleineren Kriegerftaaten innerhalb
beider Ströme führte, deren Bewohner fi. nur durch eigne Tapfer-
keit ihre Eriftenz einigermaßen zu fichern im Stande waren. So
treten eben dort Edeſſa ober DOsrhoäne, bedeutend durch feine
Lage am Karamanenwege, durch feine fchöne Duelle, wie durch
feine mehr ariſtokratiſche Verfaſſung hervor; Niſibis, wichtig
durch die Wälder, die in ſeiner Nähe in dem ſonſt baumloſen Lande
das einzige Zimmerholz zu ven Transportflotten ber Eroberer lie⸗
ferten; fo Bezabde in Adiabene durch feine. fefte Lage am Ti⸗
grisübergange; fo Atra ober Hatra Durch. feine ſichre Stellung in
der Mitte der unnahbaren Wüfte mit Waarenniederlagen, vie ihm
Meichrhlümer brachen.
Kalfer Septim. Severus ging fchon im Jahr 195 n. Chr.
Geh. in’ den Orlent, um an diefen Eleinen Staaten ſich zu raͤchen
wegen der Hülfe, die fie einem feiner Gegner bei beffen Ginfällen
auf Nömergeblet geleiftet. Wären fle 'unter ſich einig: geweien, fo
würden fie leicht fih vor ſolchen Rachezügen haben ſichern koͤrnen.
Aber vie kleinen Gebieter befehdeten fidy unter einander, wie. die
großen. Die Fürften von Osrhoëne (CEdefſſa) und Adiabene bela-
gerten das zwifchen ihnen beiden gelegme Niſibis, umd ſo gelaug
dem Servus ihre Beftrafung, fo wie bie Eroberung eines großen
Landſtrichs Im Norboften, großtentheils Parthergebiet von Niſibis,
das er nun zum Hauptorte einer rom iſchen Statthalterſchaft
erhob, bevor er nach Byzanz zurückkehrte. Kaum hatte er dem Cu⸗
phrat den Rüden gekehrt und ven Bosporus überſchritten, fe bra⸗
hen bie beleidigten Parther von neuem los, uüberf hweinmten mit ih⸗
sen Reiterfchaaren Meſopotamien und belagerten Nifisis, das
aber diesmal tapfer vertheivigt wurde und die Feinde zur Rüstkehe
nöthigte, weil Bamtlienzwift das Partherhaus damals im Innern
des Reichs in gleiche Verwirrungen In Ofen verwidelte, wie dies
Bei den roͤmiſchen Cäfaren im Welten der Erbe ver Ball war.
Eupbratf.; hiſtor. Nuckb.; Sept. Geverus Feldz. 200. 129
Bald darauf erſchien Kaiſer Severus (im I. 200-n. Chr.
Geb.) zu neuem Heereszuge, und in feinem Gefolge mit dem ver»
| ſteßenen Bruder des damaligen Partherkönigs (Bologefus IV.),
ver den Römern dad Eindringen ven Tigris entlang‘ mit Flotte
| und Gepäck bis zur dden Stätte von Seleucia, und ſelbſt bis nad
ı Eiefiphon erleichterte. Deiien Bewohner waren zwar meiſt ent⸗
| flöfen, als man bie Hauptſtadt erreichte, doch fielen daſelbſt noch
| 100,000 in vie Hand des flegenven Heeres, dem die Partherrefldenz
| zer vollſtändigen Plünderung und Verheerung preiögegeben war
| (Dio Cass. LXXV. Server. 9). Das Schickſal diefer und fo vie⸗
ker anderer Unglüdlicden bleibt vSllig unbelannt. Weiter verfolgte
Severus feinen Feind nicht, ſondern Lehrte, nachdem er feine Mache
gefühlt, Hier um. Da das ganze durchzogene Land verheert, ver⸗
beannt und jever Vorrath erſchoͤpft war, fo blieb nur der Rückweg
mit der Flotte an und auf dem Tigris übrig, zu deren Hinaufzie-
ben vie Kraft eines großen Theiles des Heeres verwendet werben
mußte. Um die Stromauffahrt möglich zu machen, mußte jedoch
nach des ſpätern Ammians Berichte, denn Dio Eafflus jagt nichts
’ beräber, der große Banal, ver Königdcanal, der in der Gegend
Seleucias ven Euphrat und Tigriß verband, vom Sande, wie zu
Arajans Zeit, „gereinigt werden, was auch Kaiſer Julian fpäter
wießerbolte,, weil fchnelle Verſandung dieſen Ganal fo leicht un⸗
brauchbar machte (Amm. Marcell. XXIV. 6, ventum est hinc
} ad fossile flumen Naharmalcha nomine, quod amnis regüm
imterpretatur, tunc aridum. Id antehac Trajanus, posteaque
| Sererus, egesto solo fodiri in modum canalis amplissimi studio
‘ earaverat summo, ut aquis illuc ab Euphrate transfusis naves
ad Tigridem commigrarent). Nach obigem Berichte bei Die Caſ⸗
us follte Irajan in diefen Canal, ver auch zu Ammians Zeit
troden lag, kein Waſſer haben einftrömen laſſen (f. ob. ©. 120).
Severnus fcheint aber ſich deſſelben bedient zu haben; auf welche
Weiſe Hleibt ums jedoch unbelannt, denn was Ammian weiterhin
von hineinrauſchenden Wafler und von der Flottendurchfahrt fagt,
sehe ſich nur auf Sultans Unternehmung.
⸗ Die Stromauffahrt auf dem Tigris muß ſehr beſchwerlich ge⸗
veſſen fein; es wird nichts Genaueres darüber mitgetheilt; doch muß
. man etwa wie Gegend des heutigen Tekrit oder, gar Moſul erreicht
eb, um' von da mit vollſtäͤndiger Kriegsrüſtung die ſchon oben
bexichnete Belagerung der Stadt Atra (Al Gadhr) in der Mitte
vr Vüſte auch nur verſuchen zu können, durch wel jene in ih⸗
| Riter Erdkunde X.
130 Befts%fin. NI. Abtheilung. J. Abſchuitt. $. 30,
sen ſchoͤnen Trümmern wiederaufgefundene Localltät ein noch erhäh-
teres Interefle gewinnt (Dio Cass. LXXV. 10, 11, 12).
In 4 Tagmärſchen haben ‚neuerlich Dr. Roß von Tekrit und
Dr. ®. Ainsworth von Moful aus diefe Ruinen erreichen kbn⸗
men, von denen EI. Rich, 2) ber in Erfahrung brachte, daß fie
24 Stunden Wegs von Moful entfernt liegen, ſtets durch Raub-
orden, bis zu ihnen zu gelangen, abgehalten worden war. Bon
welcher Geite her aber Severus Truphen diefe Stadt erreichten, er⸗
fahren wir nicht. Aber aus Div Caſſius Erzählung geht hervor,
daß Severus dieſes damals mächtige veiche Gandeldemportum, deſ⸗
fen Innere ältere Geſchichte uns, wie die des benachbarten Palmyra, |,
gänzlich unbefannt geblieben, zu zwei verſchiednen malen zu em )
Rürmen verſuchte. Mache trieb ihm dazu an, dieſen unabhängigen
kriegeriſchen Staat, deſſen Fürſt, er foll Barfuma (Barzemius, N
Beth Seme, d. 5. Haus der Sonne nad) St. Eroiz) 2%) geheißen |
baten, ein Freund des Peöcenninus Niger, Todfeindes des Severuß,
gewefen war, ind Verderben zu flürgen. Aber bel feinem erften
Ueberfalle erfuhr der Kaifer ſchon, daß der Ort zu feft fel, ald daß
er ihn nur gelegentlich Hätte erobern können; nachdem er viele Sol-
»aten vor den Stabtmauern verlosen hatte, und auch feine Belage
zungsmafdinen verbrannt waren, mußte er feinen Vorfag aufgeben
und abziehen.
Die Feſtigkeit des Orts verdankte die Gtabt aber keineswegs,
wie Herodlan (Läb. UL c. 9. und Xiphil. in Severo Lib. XXV.
«.10. ed. Sturz Vol. VI. p. 796) fagt, ber in geographiſchen Dingen
keine Autorität iſt, etwa ver Lage auf einem Steilfels; denn davon
WM keine Spur in ber blos mit geringen Gypsklippen befehten hü⸗
geligen Gegend der Ruinen von Al Hadhr zu finden, bie fogar
in einer geringen Vertiefung liegen, fonbern ber großen Tapferkeit
ihrer Bewohner, ihren trefflihen Bogenfgügen und Wurfgeſchoſſen,
un ihrer tüchtigen Ummauerung, die noch Heute in Verwunderung
ker.
Sehr bald kehrte Sept. Senerus, ver ſich noch längere Beit
in Syrien aufhielt, wahrſcheinlich gleich im folgenden Jahre, 201 n.
Gpr. Geb., da er es für zu ſchimpflich hielt, daß, nachdem Alles
umher fid) Ihm ergeben, biefe Stabt allein noch ihm widerſtehe, wohl⸗
geräftet zu einer förmlichen Belagerung nach Atra zurück, bei der
ı
'
4
TCeracs
33%) 5. CL Rich Narrative etc. Vol. Il. p. 109. »e) St. Croix
sur Io gouvernement des Parthes in Mdm. Ac. d. Inser. I. p. 74.
Euphratſ.; hiftor. Ruͤckb.; Sept. Severus Feldz. 1. 131
fin Herr abermals ſehr große Verluſte erlitt und feine Belngerungk-
wafchinen verbrannsen. Diele feiner Leute wurben beim Futterholen
zievergehauen, ba die feinvliche arabiſche Reiterei der Atrenſer im⸗
mer ſchnell und mit Heftigkeit über fie herſtürzte, ganz fo wie noch
heute Der Beduinen⸗ Tribus Shammar ven engliſchen Reiſenden I.
Roß bei den Ruinen von A Hadhr überfiel. 277) Die Schützen
ans der Stadt hoffen mit ihren Pfeilen fehr weit in vie Ferne
und fchleuverten aus Ihren Maſchinen viel Geſchoß auf die roͤmi⸗
fen Schifoträger. Jede der Mafchinen warf 2 Geſchoſſe zugleich,
mit einer Wolle von Pfellen, vie von der Hand und den Bogen
abgeſchickt wurden. Am meiften fchabeten ſich die Angreifenden,
wenn fie der Mauer nabe Tamm, und noch mehr, wenn fie eine
Dreſche in dieſelbe gemacht Hatten: denn dann wurden fie auch mit
andern Dingen überfäättet, zumal mit asphaltartiger Naphta
(vapza 5 aogalswdsc bei Die Cafſ.), die Menfchen und Ma-
finen in Brand fegte. Alles dies mußte der Kaiſer von fehler
Tribũne, von der er dad Commando lJeitete, mit anſehen, und nes
ben ihm wurden öfter feine Satelliten durch die Pfelle aus ber Berne
zu Boren gefiredt. Nur fein Jeldherr Priseus, der bei einer.
frühern Bertheivigung von Byzanz fich ſchon großen Ruhm erwor⸗
Sen Hatte, wußte feine Leute gegen das Heuer ver Feinde zu. fchügen,
zus vanı auch durch feine Erfindungen einen Sturm auf die Stabt
mbgfich zu machen. Schon war. die äußere Mauer eingeflürzt, ja
Gelvaten waren ſchon in eine der reichſten Städte zur Erflürmung
ver zweiten Mauer, in der Hoffnung ber reichen Plünberung, vorge
veungen, als Severus aus Furcht, wie außerordentlichen Gelder
un) vie Schäge, vie er im dortigen Tempel des Sonnengotteß
(sd sed 'Hllev avadıyara) zu finden erwartete, der Plünberung
yors geben zu müflen, zum Rückzuge blafen ließ, in ber fichern
Erwertung, daß die Atrener, um ber. Sclaverei zu entgehen, capitu⸗
Iken wären. Aber wie groß war die Täufchung; ein ganzer Tag
ueſtrich ohne Meldung von ven Belagerten, worauf am folgenden
Lage Geverus, nachdem jene in der Nacht nie Mauer wieder herge⸗
hs Hatten, zum zweiten Sturm ven Befehl gab. Aber im Zorn
seweigerten nun bie europälfchen Truppen, die allein etwas aus⸗
sten kounten, ven Gehorſam, und die forifchen Truppen, bie mit
Ganelt vorgeirichen wurpen, erlitten eine fo vollſtaͤndige Nieverlage,
aß der Kalſer nach feiner 20tgigen erfolglofen Belagerung ganz
87) 5, Bofs 1. c. 1839. Vol. IX. p.455.
. | 32
134 Weſt-Aſien. TIL. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.30.
verlegt wird) 3%) bei vielen Monumenten eines Sonnen-Eultus vor«
findet, obwol die Nachbarſtädte Nifibis, Edeſſa, Singara und ans
bere insgeſammt eine fo wichtige Rolle in ver Geſchichte der Tori
ſchen Kirche gefpielt Haben. Doch bleibt bei alle dem noch man⸗
ches in der Geſchichte von Atra dunkel, und es ift faum glaublich
der Angabe Benjamins von Tudela zu folgen, wenn unter feinem
Chardah oder Chadrah wirklich Al Hadhr verflanen werben. kann,
daß zu feiner Zeit (1160 n. Chr. &eb.) dort 15,000 Juden gelebt
haben folen.) Wenigftens zu Ahulfeda's Beit, 200 Jahre fpäter,
war DI Hadhr unbemohnt. 30)
Die Stant Edeſſa (Dsrhoene), im Weſten von Nifibis ges
legen, erlitt auch durch Nömergewalt ſtarke Eingriffe, indem bald
darauf Kalfer Caracalla (feit 211 n.Chr. Geb.) während feines dor-
tigen Aufenthaltes den König dieſes ariflofratifchen Staates treulo⸗
fer Weife gefangen fegte, die Stadt zu einer römifhen Mili«
tair⸗Colonie machte und ihr ven Rang ver erflen Stadt Meie-
potamiend gab, ven bis dahin das ihm benachbarte etwas fünlichere
Karrhae gehabt Hatte. So wurde fle nun der Sit Ealjerlicher Gar⸗
den, und durch ihre Grenznähe der leichtere Ausgangspunkt von
Kriegsoperationen in Feindesland.
Mitten unter ven folgenden immer fortwährenden Wirren in
den Euphratländern führte dad Aufblühen der Saffaniven-Dy=
naftie den Sturz ver in fi ſchon ganz zerrifienen, vielfach zer⸗
fpaltenen parthifchen Herrſchaften herbei. Die Parther (Arfaciven),
von nicht perflicher, mehr tatarifcher Herkunft (Erdk. IH. VILS.721),
bemerkt Schlofier 37) fehr belehrend, vom Nordoſt ber fich verbrei-
tend, traten niemals aus ihrem Nomabenzuftanve heraus; fle über-
ſchwemmiten die Länder, ohne fie zu erobern; ihre Beherrſcher nah⸗
men den Titel König ver Könige an, behaupteten aber gar nicht
eine Monarchie, denn da eine Anzahl ihrer Prinzen ven Königstitel
führte, fo erfolgten unaufhörlidge Tihronflreitigfeitn. Den Armes
niern und den griechiſchen Stäbten in Allen gönnten fie völlige Un⸗
abhängigkelt; daher die bisher angebeuteten geographiſchen Zuflände
der eupbratenilichen Stufenlandichaften, daher wurben die Thaten
der Parther auch gar nicht einmal in den perflfchen Annalen er⸗
220) v. Sammer -Burgkall, die aflat. Türkei. Rec. in Wiener Jahrb.
1821. Bd. XIII 36) Benj. Tudel. ed. A. Asher.
Berlin 1840. —* i. p. 8. VoL II. p. 135, Nr.257. ®*) Abul-
fed. Tabul. Mesopotamis ed. Reiske b. Bäfding Mag. Th. IV.
6246. 27) Shlofer, Univerſalhiſt. TH. II. 3. ©. .
%
Euphratſyſt.; hiſtor. Ruͤcblick; unter Saffaniden, 135
wähnt. Dit dem Sohne Gafjand, Ardefhir Babegan (Aria-
zerzeß J., feit dem Jahr 226 n.Chr. G. ſ. Erdk. IX. ©. 146, 151),
beginnt Dagegen auch für das Zuphratland eine neue Aera; aus
ven Trümmern von Seleucia und Gtefiphon tritt mit den Saffani-
ven ihre Doppelſtadt Mapdain (EI Madain, Medinata bei Syrern,
binae urbes) 3®) mit neuem Glanze hervor, und fortwaͤhrende Streif⸗
jüge gegen den Römerfeind bis gen Kappadocien bin gehören zu
von Lebenszeichen der neuen Dynaſtie. Die ausgebildete Kriegskunſt
wer Römerheere, die aber meift nur noch aus Barbaren⸗Söldlingen
beſtanden, Eonnte über die verjüngte Kraft des neuen Perferreiches
nicht mehr fo leicht glänzende Siege davontragen, und hätte dieſes
ein befier geordnetes Kriegbſyſtem gehabt, fo möchte es bei den fort⸗
währenden Berwirrungen im römifchen Kalferregimente deſſen gan⸗
zen Beſitz in Vorderafien leicht haben verfchlingen können. Alex.
Severus im vierjährigen Kriege (230 — 234 n. Ehr. Geb.) konnte
gegen dieſen Berferfeind bei den beften Operationsplänen nichts aud«
sichten, und mußte fih mit dem Verluſte von zwei Drittbeilen ſei⸗
ner Mannſchaft zurückziehen. Shahpur (Sapor I., j Erdf. VII.
6.834) überfält die Nömergrenzen, belagert Nifipis, bis er ed nach
langem wiederholten Wivderſtande befiegt; er bedroht fel&f unter Kai⸗
ſer Gordian Antiochia und dringt bis Kappadocien und Cilicien vor;
Gordian weiß fih nur dadurch zu helfen, daß er vie tapfern untere
drückten Oſsrhoener wieder auf feine Seite zieht, Indem er einen
Sproͤßling ver Familie ver Abgarus von neuem als felbftännigen
König ihred Staates anerkennt. Philippus Urabs erfauft den Frie⸗
ven von den Perſern mit großen Opfern; Kaiſer Valerian warb
ven Sapor I. überliftet und in graufamer Gefangenfchaft: gehalten
(Erpk. Tb. VI. ©. 834), vie Prachtſtadt Antiochia von ihm er⸗
ſtäürmt und vermwüftet, und feinen Eroberungen erſt durch Ode⸗
nathus Tapferkeit eine Grenze geſetzt.
Auf dem Rüdmarfch von Antiochla, beim fchwierigen Ueber⸗
gange feined Heeres, überfiel Odenathus, der tapfre Bürger von
Balmyra, ven fremden Ueberzügler, verfolgte ihn, brachte ihm vor
Eeſſa eine flarke Niederlage bei, entriß ihm Niſibis, vertrieb ihn
mblich ganz aus Mefopotamien, und erwarb ſich fo den römifchen
Chrentitel eine® Dux orientis, ſich felbft ſeit feinem erſten Siege
em Guphrat (im 3.260) einen König von Palmyra nennend. Wie
groß würbe ver Gewinn für das Euphratgebiet geweſen fein, wenn
20) Abmifodae Tabul. Descr. Iracae, ed. Wüstenfeld p.15.
ri
; WeftsAfien, III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 30.
nun bier unmittelbar einkehrende Friede und ber Einfluß einer
m Staatöverwaltung, wie die von Palmyra, wo Handel, Künfte
Wiffenfchaften in fo Hoher Blüthe ſtanden, dauernder geweſen
m, als die wenigen Jahre bis zum plöglichen Sturz der Zeno⸗
und ver Zerflörung ihrer Prachtreſidenz Palmyra (im I. 273)
h Aurelian, womit nicht nur das fo glänzend auffteigenne Me
diefes Staates unterging, fondern auch die Nachbarfchaft mit-
n mußte. Palmyra war ver Eentralmarkt des großen Landver⸗
3 mit ven Loflbarften Waaren, mit Gold, Edelſteinen und zumal
de und Seidenwaaren, die Aurellan vor allem ausgeliefert
n wollte Nicht wie früher im Dccivent war biefer Stoff nur
den Großen, ſondern nah Ammiand Zeugniß (XXIN. 6, 64;
I. Erpf. VIII. ©. 692, 700 u. a. ©.) aud bei den "unterften
nben im römifchen Reiche zum allgemeinften Bebürfniß ges -
den; ein Bedürfniß, dad nur aus Serica bes befrievigt werben
ite, deſſen Transport mit den großen Landkarawanen von ben
hratmündungen über Atra und Palmyra nad) Byzanz und
randria ging, und mit den außerorbentlichfien Summen die Une
änbler bereicherte. Diefe emigrirten aber vor der grauſamen Ver⸗
tung Palmyras mit ihren Schägen und Handelsbüreaus nad
tandria. Die folgenden römifchen Kaiſer bemühten fich, denſel⸗
Handelsverkehr über ihre mefopotamifhen Städte zu leiten, zu⸗
‚ wie Diocletians Unterhandlungen mit den Saffaniven zeigen,
die zur Grenzfeſtung des Römer Reichs erhobene Nifibie,
halb er auch das von ihm behauptete Mefopotamien mit vielen
en Feſtungswerken, Mauern und Schanzen verjehen ließ, vie
mian ruhmvoll erwähnt. Die große Tüchtigkeit der kunſtvoll
chanzten Niſibis und ihre tapfere Vertheidigung gegen bie Ue⸗
älle der Saffaniven hatte den Kaiſer Eonftantins veranlaft,
N.W. von Ihr, an ven Bergpäflen Armeniens, am obern Tigris,
zweites Bollwerk der Art in der Burg von Amida (jetzt Diar⸗
, |. Amm. Marcell. XVIH. 9) zu errichten, deren fefte Sage fich
y in ver Folge ſtets bewährt hat. Aber alle viefe Vorkehrungen
nten die Oftgrenzen des römifchen Reichs nicht ſichern. Blieben
nal die Saffaniven, durch innere Thronftreitigkeiten abgelenkt, von
m Ueberfällen zurück, fo brachen dagegen nun auch, offenbar weil
e palmprenifche Oberherrichaft ihre Gewalt mehr wie zuvor zu
eln und zu leiten vorhanden war, große Schaaren von arabifchen
uinen aus ihren benachbarten Wüften hervor, deren Horden bie
Htbaren und von römifchen Unterihanen befiedelten Landſtriche
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Eupbratf.; hiſtor. Ruͤckblick; Julians Feldzug, 363. 137
Meiopotamiens von der Sünfelte her verheerten, wie bie Berfer von
ver Öftfeite. |
Die dringendfle Gefahr rief den Kalfer Eonflantius von ber
norvifchen Völkerwanderung an der Donau zum Schu am Tigris
und Euphrat terbei, wo im Jahr 360 die erneuerten Saflaniven-
Ucberfälle den Römern jelbft ihre Burgen Amida, Bezabde,
Sing ara entriffen hatten und das Land mit meitern Einmärfchen
bedrohten. Da ihn felbft der Tod fhon auf dem Wege zum Orient,
in Cilicien (im 3. 361), eveilte, führte nun fein Nachfolger, Kalfer
Iulianus Apoftata, den Berferfrieg (im I. 363) aus, dem
er durch Annahme ehrenvoller Frievensvorfchläge von Seiten Shah⸗
pur (Sapor IL, reg. von 309— 381) wol hätte entgehen Finnen,
den aber fein Stolz und feine Eitelkeit in einen thörichten Rache⸗
zug verwandelte. Wie alle Verſuche folcher Art endete auch diefer
nur mit den größten Selbſtſchwächungen der Nömermacht unter
Jovian.
M Kaiſer Julians perſiſcher Feldzug bis nach Cteſi⸗
phon im Jahr' 363 nah Chr. Geh. Ä
Da Kalfer Ju lians Feldzug uns zum letzten male durch rö⸗
mifche Schriftfteller einen mehr zuſammenhängenden Blick in bie
damalige Befhaffenheit der Euphratländer vor der
mehr modernen Umgeftaltung durch die Mohamedaner⸗
Zeit geftattet und auf hiſtoriſchem Wege In venfelben immer heis
mifcher macht, fo werden wir hier ehe wir zu ven rein geographifchen
Berhältniffen der ſpätern Zeiten und ver Gegenwart fortjchreiten,
au Iulians Heereszug, 9) wie die von Xenophon, Alex⸗
ander und Irajan, begleiten.
Bon Antiochia brah Julian am 5. März des Jahres 363
nach Chr. ©. auf, um über Hierapolis auf der dortigen Schiffbrücke
den Euphrat im Süden von Bir zu überfchreiten. Ob er auß Un⸗
fhlüffigkeit oder Mangel an gehöriger Einficht ) erſt gegen ben
Norden z0g, als wollte ex dem Tigris folgen, dann aber gegen ben
Süden zum Cuphrat zurüdbog, oder ob dies aus Kriegälift ges
32°) Ammian. Marcell. XXIII. 2 bi6 XXV. 8; Zosimus ex recogn.
L. Bekkeri, Lib. III. c. 12 bis c. 31. pag. 143—167, Joannis
Malalae Chronographia ed. L. Dindorfii, Lib. XIII. Julian. imp,
p- 326-334. “°) Schloffer, Univerf. hifl. TH. TII. 2. ©. 348;
vergl. Gibbon, Geſch. des Berfalls des rom. Reiche, Meberf. TH. V.
Gay. 24. ©. 460 u. f.
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138 Weft:Afien. TIL. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30.
ſchah, um die Perfer zu täufchen, die ihn bier ſchon mit ihren plöß-
lichen Ueberfällen beläftigten, oder um in Carrhae, feinem Aberglau-
ben huldigend, erſt der dortigen Anaitis, der Luna, wie Ammian
fagt, nämlich ver Monbgdttin, ein feierliches Opfer zu bringen, lafien
wir dahin geftellt. In Carrhae (jet Haran over Charan), nur 2
Tagereifen im Süpoft von Eovefja, berüchtigt für Roͤmer⸗Heere durch
Eraffus Niederlage, fpalteten fi} die beiden großen perflfchen Ko⸗
nigsſtraßen, die eine linko durch Adiabene am Tigris, vie andre
rechts durch Affyrien am Cuphrat entlang (Amm. Marc. XXIH.
c. 3) führen. Uuf jener follte eine Geereßabthellung ‚von 30,000
Mann unter zweier Feldherrn, Procopius und Sebaftian, Befehlen
gegen Nifibis ziehen, dort vor ihrem Uebergange über den Tigris
die Streifereien der Perfer abwehren, dann, Adiabene durchziehend,
die fruchtbaren perfiſchen Lanpichaften mit Feuer und Schwert ver-
beeren, und mit dem Hauptcorps, das Julian anführte, dann gleich“
zeitig vor der Hauptſtadt Eteflphon zufammentreffen. Auch ver Kö-
nig Armeniens erhielt Weifungen, wie er zum Beiflande der Römer _
mit feinen Streitfräften zu verfügen habe, denen zu gehorcdhen ihm
aber gar nicht einfiel. Julian felbf wandte fi, den Feind täu=
ſchend, plögli) (ipse exitu simulato per Tigrim, quod iter etiam
' re cibaria de industria jusserat instrui, flexit dextrorsus. Amm.
Marc.) durch das Blachfeld von Carrhae zum Euphrat, wo er am’
dritten Tagmarſch, am 27. März, vie Feſte Callinicum erreichte,
Der Weg dahin, der und heut zu Tage unbekannt iſt, ging über
das verfchanzte Lager Davana am Fluß Belias (jet Belik oder
Belejit), der in deſſen Nähe entjpringt und nad) Ammian dann in
den Euphrat füllt (noch heute im Often von Rakka). Ehe Julian
das verſchanzte Lager auf feinem Pferde, dad „ner Babylonier”
bieß, erreichte, flürzte dieſes, durch einen Schlag ſcheu gemacht, zu
Boden, und wälzte fich auf feinem mit Gold und Cdelſteinen bes
feßten Sattel und Zeuge, was von den Umftehenden und von Ju⸗
lian ſelbſt als das glüdlichfle Omen mit Jubel befchrieen wurde,
wobei der Kaifer in die Worte ausbrach: „pa Liegt Babylon zur
Erde geſtreckt und feines Schmuckes beraubt!” —
Ballinicum, früher Nicephorium Alexanders (ſ. ob. S. 14),
von Seleucus Callinicus verſchoͤnert (jedoch dem Sophiſten Calli⸗
nicuß, der Hier ſtarb, zu Ehren genannt), 1) bezeichnet Ammian als
eine ſtatke Feſtung und eine durch ihren einträglichen Handel fehr
201) Mannert, Geogr. der Br. und Röm. Th. V. S. 207.
“
Euphratſ.; hiſtor. Ruͤckbl.; Julians Feldzug 363. 139
angenehme Stadt. Das Euphratwaſſer war hier im Wachſen, als
man am folgennen Tage am Ufer des Yluffes abwärts zog. «Hier
naheten verfchiebene Emire arabifcher Horden (Saracenorum reguli
gentium bei Amm.), deren Huldigungen mit Freuden angenommen
wurden, um ihrer Gewandtheit im Eleinen Kriege fich gegen pie Per⸗
fer zu bedienen. Noch während ver Audienz in dem eltlager fchiffte
auf dem Euphrat die große Blotte heran, die das Landheer beglei⸗
tete und den fonft breiten Strom fichtbar verengte (classis advenit
.... quae latissimum flumen Euphraten artabat) ; denn fie bes
fand aus 1000 Laflfchiffen von verfchiebener Bauart (von Holz
oder dıa Avpowv, Joann. Malnlae Chronic. Lib. XIII. p. 329, ed.
Dind., Hier wol von Schläuchen) mit Provtant, Waffen und Kriegs⸗
mafchinen, wozu noch 50 eigentliche Kriegsfchiffe Tamen, und 50
andere Flachboote, die zum Schlagen der Schiffbrüden beflimmt was
sen. Gier, an ver Einmündung des Chaburas, fcheint der Vereins⸗
platz fämmtlicher Schiffe, die auf dem oben Euphrat und wahr⸗
fiheinlich auch, wie zu Trajans Zeit, aus den Wäldern von Nifibis
am Chaburad gezimmert waren, zur. Smbarkation bes großen Heeres
beſtimmt geweſen zu fein.
Mit den arabifchen Hülfsvölkeen vereint, rückte Sultan Ans
fangs April in Cercuſium (Eirceflum, Kerliffa, dad Karkemiſh ver
älteften Zeit, f. ob. ©. 15) ein, vie fehr feft und kunſtreich (muni-
mentum tutissimum et fabre politum. Amm. M. XXIII. 5) an
ver Einmündung ded Grenzflufies beider Reiche, des Abora (Cha⸗
ur, Araxes bei Zenoph.) oder Chaboras zum Euphrat wie auf
einer Infel erbaut war. Diocletian hatte viefen zuvor Kleinen und
unſichern Ort als äußerſte Orenzfeftung des römtfchen Reiche
noch kurz zuvor mit hohen Mauern und Ihürmen gegen bie rafchen
Ueberfälle der Perfer umgeben lafien. Nach dem Aufenthalt einiger
Tage zur Verfammlung ver zahlreichften Krieger von 65,000 Mann,
aus der geübteſten Reiterei, aus Fußvolk, von Römern und Bar
beren beſtehend, mit fliegennen Corps von ſcythiſchen und faracenis
ſchen Reiten und einer Leibwache von Balltern, um dad Gepäck
und den Troß nebft ver Armee ſelbſt auf ver Schiffbrüde über ven
Chabur fegen zu laſſen, folgte Julian unter dem Schall der Trom⸗
yeten zus leberfchreitung der Reichögrenze, und hielt nur, dem Ge—
brauch gemäß, feine Rede mp die Legionen, fie zu Ehren des Vater
landes gegen daß treulofe Perferwolt und zur Rache anfeuernd, mit
HBimreiſung auf die Thaten und Verluſte ver Vorfahren und auf
vie eier von Triumphen für die Zukunft und die zu gewinnende
140 Wefl:Afien, II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30,
Beute. Dazu erhielt jedweder Dann ein Geſchenk von 130 Silber⸗
ftüden. Einen großen Troß überflüffiger Ramelee, der fly der Sitte
des Orients gemäß dem Heereszuge anfchließen wollte, zwang er
zur Rückkehr, Tieß dagegen die über den Grenzſtrom gefchlagene
Brüde alsbald zerflören, um vie Hoffnung des Heeres ganz allein
auf den glüdlichen Fortfchritt des Kriegszuges zu ſtellen. Doch
ficherte er vie Grenze durch Zurücklaſſung von 4000 Bann zu Eire
eeflum, wodurch die Garnifon dieſer Grenzfeſte zu ber bebeutenben
Macht von 10,000 Mann erhöht wurbe.
Das Nömerheer zog auf Beinbeögebiet in 3 Colonnen denſel-
ben Weg dicht am Flußufer abwärts, wie Xenophons Truppen;
nur mußte bier die Flotte, obmol fie von Windung auf Windung
im Euphrat traf, doch dem Heere immer zur Seite bleiben. Der
Kern des Fußvolks und des Heers ging in der Mitte; der rechte
Flügel aus den verjchievenften Völkern, unter Nevittag Commando,
blieb immer im Angeficht der Flotte, und ven linken Flügel vedte
die Reiteret unter Arinthäus und dem Perferprinzen Hormisdas.
Die Fronte und die Flanken wurden unter Lucillian durch ein Corps
von 1500 Dann fliegenver Reiterei gedeckt, der Nachtrab durch ben
Befehlsbaber von Ddrhoene. Das Heer breitete fich in feinen Außer-
ſten Gliedern auf eine Strede von 10,000 Schritt au, um dem
Feinde um fo mehr zu imponiren. Nach ven erfien 2 Tagmärfchen vom
Chaboras Fam man über Zaitha (Zavdcb. Zoflmus) nah Dura
(4oũoo bei Zof.). Zaitha bezeichnete, nach Ammian, in damaliger
Lanvedfprache einen Delbaum (mie noch heute im Arabifchen, Erf.
IX. ©. 135); von da aus erblidte man ſchon aus weiter Ferne
ven Erdhügel (tumulus 5. Ammian), der dad Grabmal des Kaifers
Gordian war, der hier (im Jahr 244 durch Philippus Arabs) fel-
nen Tod gefunden. Da Zofimus es In die nächfle Stabt Dura
verjeßt, fo mußte es wol im Bereiche des Blickes von Zaitha, nabe
bet der genannten Stadt gelegen fein. Die Stadt Dura war ganz
verodet. Die Solvaten erlegten bier einen fehr großen Löwen, vie
aus den arabifchen Wüften fi) auch noch heute bi8 dahin, obwol
felten, ausbreiten (Erdk. VI. ©. 713). Die Tödtung viefes Königs
der Thiere (Amm. Marc. XXI. 5, 8) galt vem Julian und
feinen philoſophiſchen Schmeichlern. als das ficherfie Omen eines
Triumphes über den feinvlichen König, Abwol die etrusciichen Wahre _
fager der Armee eben darin eine Warnung fahen, den Feldzug auf-
zugeben. Wo NRaubthlere, da muß auch Wil fein; der umgebenven
Wüfte ungeachtet fprengten bei Dura doch fehr zahlreiche Schaaren
Euphratf. ;biftor, Ruͤcblic Julians Feldzug, 363. 141
von Antilopen (greges cervorum b. Amm. Marc. KXIV. 1,
5) vorüber, um fi} durch Schwimmen über ven Strom zu retten,
wobei denn für die Solvaten eine reiche Jagd abflel, weil durch
Pfeile und Ruderſtangen viele dieſer Thiere erlegt wurben, bie
das Heer mit frifcher Nahrung derſahen. Auch eine böfe Wolke,
die ſich am 7. April Abends nad) Sonnenuntergang in jenem Heis
tem Simmel wie ein Fleiner fchwarzer Fleck zeigte, aber in Fürzefter
J
Zeit die dichteſte Finſterniß über den ganzen Himmel verbreitete
(ex parva nubecula zubito aëre crassato usus adimitur lucis),
fegte das abergläubifche Volk als böfes Omen in Schreden,, zumal
da ein fürchterliched Donnern und Blitzen erfolgte, und ein Reiter,
der noch dazu Jovianus hieß, mit feinen beiden Pferden, mit denen
es eben von der Iränke aus dem Strome kam, erfchlägen wurde
(Amm. Marc. XXIIL 5, 12). So Haracteriftifch biefe plöglich
auffleigenden Meteore wie zu Atra und hier, für jenen affyrifchen
Simmel, vor alten Zeiten waren wie noch heute, fo merkwürdig
iR es, daß eben Hier an verfelben Stelle, nahe bei Anah, wo in
neuefter Zeit durch den furchtbarftin Wirbelfturm zu Werbi das
eine der beiden Dampfichiffe ver Eupbraterpebition, dad Tigris⸗
Schiff, bei ganz heitern Himmel plöglih in den Grund gebohrt *2)
wurde, daß es mit feiner ganzen Mannſchaft im Strome begraben
ward — auch Bei Julians Durchmarſch ein folder Orkan erregt
warb.
Bon Dura an war man nämlich 4 mäßige Tagmärfche weiter-
geſchifft, als man fich ver Feſtung Anatha näherte, bie wie meh»
rere andere vom Euphrat umflofien wurde (quod ut pleraque alia
ärcumluitur fluentis Euphratis; Amm. Marc.). Zoſimus (Lib,
III. e. 14) unterjcheivet aber hier ven Ort Phathuſa, dem gegen-
üßer die Inſel im Fluſſe liege, mit dem fehr ſtarken Eaftell, deſſen
Ramen er jeboch nicht nennt. Dies kann aber fein anderes als
Anatha fein, weil verfelbe Commandant veffelben, Puſaeus,
auf Zureden des Perfer Prinzen Gormisdas feine Feſte und ſich
ſelbſt dem Kaiſer übergab, worauf er ven Lohn des Verraths durch
Anftelung ald Tribun erhielt, die Familien der Feſte aber mit ihrer
Gabe als Colonie nach Chalcis in Syrien verpflanzt wurden. Am
Tage darauf schob fich der furchtbare Orkan, ein Wirbelfturm, ver
ausre Wirbel erregte (ventorum turbo exortus, pluresque verti-
34?) Colon. Chesney General statement 1. c. im Journ. of the Roy.
G. 8. of Lond. Yol. Yl. p. 427.
— — ln nn.
142 Weft-Afien, II. Abchellung. 1. Abſchnitt. $.30,
gines excitans; Amm. Marc.), und alles was er traf, nieber warf,
Soldaten und Zelte, und das Lager aufriß. Der Durchbruch eini⸗
ger Schleufen brachte zu gleicher Zeit eine Ueberſchwenmung wo⸗
durch auch einige Kornſchiffe verſenkt wurden.
Die eroberte Feindesſtadt wurde geplündert und ging in Feuer
und Flammen auf; die Heutige Stadt Anah auf einer geringen
* Felshöhe zwifchen dichten Dattelwälvern, unter 34° 27':27" N.Br.
und 51° 58° 46" D.2. v. Gr., nach ol. Eheöneys Obfervation,
am füblichen oder rechten Ufer des Cuphrat vor einer ganzen Reihe
von Flußinſeln gelegen, Hat ven Namen jener alten Anatha bewahrt,
deren Ruinen ‚nur in geringer Entfernung davon noch wahrzunch-
men find. "Von dem Namen der näcjften Bergfeftung, die Thiln-
tha bei Ammian hieß, Hat fich Feine Namendipur erhalten; fie
8 ſich in der Mitte des Fluſſes auf einem hohen Felſen erheben,
nd dadurch von Natur ſchon fo feſt ſein, daß man nur freundliche
Ueberrevung zur Uebergabe verfuchte, worauf aber die fchlaue Ant⸗
wort am, daß die Befagung am die jehige Uebergabe nicht denke,
aber mol, wenn der römische Sieger das innere Reich in Befitz ges
nommen, nicht anftehen werde, fich ihm zu ergeben, va fie fletö ver
vorherrfchenden Macht zu folgen bereit wäre. Auch ließen fle vie
Flotte an Ihren Mauern ruhig vorüber ziehen, und gaben ihre Achtung
vor berfelben zu erfennen. Dann kam man zu einer andern Feſte
Ahaja ala, ebenfalls auf einer Anhöhe, zu beiden Seiten nom
Strome umgeben, und wurde mit gleicher Antwort abgemiefen. Den
dritten Tag warb ein ſchwächeres Eaftell, das feine Bewohner ver⸗
Iaffen Hatten, von den Römern in Brand geftedt. Und ald man bie
nächftfolgenden 2 Tage 200 Stadien (noch Feine 8 Stunden) zurüds
gelegt Hatte, kam man zum Orte Parar malcha. Da ging man
über den Cuphrat, um die 7000 Schritt davon entfernte Stadt Dia’
eira (Saxıpa bei Zofimus) zu plünbern, die zwar Feine Einwoh-
ner mehr Hatte, aber viele Vorräthe von Korn und meißem Salz,
und wo man auf einer Anhöhe auch einen Tempel fand. Die mes
nigen Weiber, die fich fehen Tiefen, wurden nievergehauen, bie
Stadt angebrannt und der Weg dann weiter fortgefekt, an ven
Erpöhl-Onellen (trajecto fonte scatenti bitumine) vorüber, zur zg
Stadt Ozogardana (Amm. Marc. XXIV. 2. 3). In dieſem
Namen iſt die Stadt Zaragardia (Zapayapdıa b. Zosim. II.
15) nicht zu verfennen, welche Zoflmus in feinem genauen Berichte
mit denfelben Umftänven, wie Ammian, aufführt, aber vorher noch
2 anbre Wamen gibt, die bei Ammian fehlen; naͤmlich Sitha®
r
Euphratfoft.; hiſtor. Rüdblid; Julians Feldz. 363. 143
(9a) und Megia (Mnyıa). Da er auch derſelben Asphalt-
quelle erwähnt, melche nad feiner genauern Beflimmung auf dem
entgegengejegten Ufer von nem, wo dad Heer 309, daß auf
ben linken marfchirte, nämlich dem rechten des Eupbrat, gelegen
war, und weil er dann unmittelbar Sitha nenne, fo iſt es wol
entfchlenen, daß er damit die herobotifche Stadt Is, jetzt Hit (f. ob.
©. 7), übereinflimmend mit ver Aipolis*) nad den Maaßan⸗
gaben des floor. Charac., bezeichnet, wodurch uns immer mehr
befannte Drtichaften an jenem Strome hervorireten. Ä
Die vielen genannten Beftungen und offenen, wohlhabenden
Städte zwiſchen Anatha und Het, welche In dieſer kurzen Bor«
überfahrt von etwa 20 geogr. Meilen, mit ven Krlmmungen des
Gtromlaufed gerechnet, aber nur 14 geogr. Meilen directen Abſtan⸗
des gegen SH., zu jener Zeit genannt werben, zeigen, obwol wir
wie wenigfien davon in ihren jetzigen Lagen mit Sicherheit wieder⸗
zuerfennen vermögen, doch vie vamals fehr flarke Vevoölkerung ver
Ufer viefed Stromlaufes, und zwar durch feheinbar von den Saffa-
nivden fehr wenig abhängige Gorporationen; denn bier iſt von kei⸗
nen pesfiichen Barnifonen die Rede, und die Feſtungen forgen für
ihre eigene Vertheidigung; die Bürger der offenen Städte entflichen,
laſſen aber ihre gefüllten Vorräthe zurüd. Der ſtarke Ganvelöver-
tchr, deſſen Bahn von jeher ver Euphratlauf bezeichnete, war wol
Ye Duelle dieſes Wohlftandes und dieſer ſtarken Bevölkerung. Auch
gab vie eigenthümliche Bildung bes. Strombetied, hier In vielem
fiippigen Berglande mit den vielen flarfen Biegungen des Stroms,
ſeinen Steilufern und von Natur befeftigten Infeln und Auen bie
Beranlaffung zur Ausbildung fo vieler kleiner Republiken. Unter⸗
halb Anah muß fich der Euphrat, ver Hier noch immer fehr ſtarke
Biegungen macht, durch eine ganze Reihe von Anhöhen feinen Weg
hindurch bahnen, die zum Theil bewaldet ober nadt find, meift aber
aus Kreidefelſen heftchen und auch heute gutes Weideland, viel
Ackerfeld, zahlreiche Dörfer Herbergen, und zu beiden Seiten die Ufer
mit zahlreichen Meften antiker Aquäpucte bedeckt zeigen, eine Erin⸗
wmeung an ihre früherhin fehr ſtarke Bevdlferung. *) Ä
In dieſe Loralitäten fallen die Namen von Thulutha, Acha⸗
je Sala, Barar malcha (over Parax malcha bezeichnet eine
90%) Mannert Geogr. der Gr. und Roͤm. Th. V. 2. S. 327.
) nach Chesoney's Nſcr.
144 WeftsAflen. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.30,
koͤnigliche Stadt) und Diacira, denen D’Anville und Mannert, *)
mit Beihülfe der Angaben von Ptolemäus und Iflvorus Charac.,
angefähre Lagen auf der Karte anmwelfen, die aber In ver Natur
noch nicht ermittelt werden Eonnten. In dem modernen Orte Zizaeri
des venetianifchen Reiſenden Balbi (im Jahr 1579), welchem vie
Bitumenquellen bei Hit ebenfalld benachbart Tiegen, wäre es nach
D’Anville wol .möglih, dad Diacira wieder zu erfenhen.
Inder Stadt Dzogardana zeigte man einen erhabenen Stein«
fit (tribunal 5. Ammian), ven man Trajans Michterfiuhl nannte,
Die Einwohner hatten die Stadt verlaffen; fie wurde verheert
und verbrannt. Man hielt Hier 2 Nafttage, und am Abend des
legten verfelben entdeckte man die erſten feinplichen Truppen, mit
denen fogleich am folgenden Morgen ein hitziges Scharmügel begann,
das für die Nömer flegreich ausfiel, venn fie rüdten weiter zum
Fleinen Orte Macepracta vor, wo ſich halbzerflörte Spuren der
Mauern zeigten, die vor alten Zeiten weit in daß innere Land forte
geführt waren, um das aſſyriſche Land vor ben Ueberfällen ver
Feinde zu fihern (Amm. Marc. XXIV. 2. 6). Es waren bie
Ruinen der mebifchen Mauer, von der fchon früher vie Rede gewe⸗
fen (f. ob. ©. 20); man trat nun in diefelben 2ocalitäten ein, vie
Jahrhunderte früher von Trajans und Eyrus des Iüngern Heeren
durchzegen wurben. Hier, wo Zenophon feine Pylae angab, auf
der Grenze des bisherigen Berglanveß und des nun fd gleichförmi⸗
ger auöbreitenden Blachfelveß, fingen vie Lieberfälle ver feinvlichen
Reiterei an, von denen ſich früher zu Julians großer Verwunderung
fein Mann hatte ſehen laſſen. Run aber Tamen, zugleich mit ber
mebifhen Mauer, die Banäle, die Fünftlichen Ueberſchwemmungen
und Moräfte zur Abhaltung und zum Verderbniß der Feinde, auf
. de Julian nicht ſcheint gerechnet zu haben. Es folgt auf dieſem
Gebiete, wo dad Heer fi nun vom Euphrat ab zum Xigris hin⸗
wendet, dad Land ver größten Bruchtbarkeit und Bemwäflerung Ba-
bylons, der flärkften Bevölkerung und des Anbaues, wie zu Zeno-
phons Zeit (f. ofen ©: 18) fo auch noch in dieſer fpätern faffani«
pifchen Pertode, aller der Verheerungen und Verwüftungen ungeachtet,
welche in verjelben Zeit doch wol nur die äußerſten Weſtprovinzen
biefer Herrſchaft getroffen zu haben ſcheinen, nicht aber den Kern
des Reichs.
246) D’Anville sur l’Euphr. P. 68; Manneıt a. a. D. Th.
V. 2. S. 322—327.
— —- nn
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Euphratſyſt.; hiſtor. Ridblid; Julians Feldz. 363. 145 -
Bon Zaragarbia, jagt Zoflmud in feinem genauern Armee
berichte, kam man zu einem Ganale, der feiner ganzen Länge nach
quer durch Aſſyrien, d. i. Babylonien, ziehe, und audy ven Tigrie
erreiche (Zoftm. IH. 16.). An viefem Iag jener Beine Ort Macepracta,
den Zoflmus zwar nicht anführt, von dem aber, wie nach Zenophons
Bericht vie mediſche Mauer und die Banalverzweigung zugleich be⸗
gann, fo auch nach Ammians Ausfage ver Euphrat fi in Arme
teilte, von denen ver eine in einem flarfen Strome in das Bin⸗
nenland Babyloniend Hineinlief (mol ver Narraga bei Plin. VI. 30,
ver heutige Nahr Iſa Canal f. ob. ©. 17), der andere Nahar⸗
maldha genannt, d. i. ver Königscanal (alia Naharmalcha,
quod fluvius regum interpretatur, Amm. Marc. XXIV. 2, 6),
an Gtefiphon vorüberzog, an deſſen Beginn fi ein hoher Thurm,
gleich einem Pharus, schob. Es iſt dieſes ver Fünlich vom heuti⸗
gen Feluja (f. o. S 129) gelegene, noch feinen Namen Nahr⸗
malcha heibehaltenne Ganal, während jener ver noch Heute fchiffbare im
Rorven gelegene, nach dem muhamebanifchen Reflaurator Ifa ge⸗
nannte, geweſen fein muß. |
Genauer ald Ammian, der nicht von ihren beiden gegenfeitigen
Abſtänden fpricht, fondern nur von dem glüdlichen Uebergange des
Heeres über den einen, den vie Neiterei unter Pfeilſchüſſen der
Feinde, vie hier eine Attade verfuchten, ‘mit Ihren Packpferden in
veller Rüftung durchſchwamm, während das Fußvolk auf vorſichtig
geſchlagenen Vrücken hinüberging, worauf die Stadt Piriſabora
erreicht ward, führt Zoflmus die beiden, eine ziemliche Strecke aus
einander liegenden Ganalübergänge gejonbert an.
An dem erflen der Uebergänge fland ver Feind im Hinterhalt
und begann Scharmühel, weil große Moräfte ſich da ausbreiteten,
m denen das Heer Gefahr lief, wo zumal die Pferde ſchwer fort
jubringen waren; dann aber, ohne weitere Verfolgung wurbe bie
Etat Berjabora (Snpoaßüpa b. Soſ. TIL 17) erreicht, nad)
Gtefiphon damals die wichtigfle Stadt in Aſſyrien, groß und feft,
ſchr ſtark bevdlkert, auf allen Seiten vom Steome umflofien. In
ihrer Mitte erhob fich auf Klippen ein Schloß, mit einer Mauer
(mit beeifacher Ummauerung nach Ammian) im Halbkreis umgeben,
wit ſchweren Zugängen, deſſen Beſatzung fi guf das tapferfte ver⸗
cheldigte, inde die Stadt von Menſchen verlafien war. Erſt am
mitten Tage ging die Garnifon, nach ver heftigſten Anſtürmung
von Seiten der Römer, durch Gapitulation an Julian über, ber
in der Freude über eine fo glänzende Eroberung jeden feiner Ro⸗
Ritter Erofunde X. K
s
146 Weſt⸗Aſien. ID. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.30,
mer mit Lob und 100 Silberſtücken belohnte. Die noch In ver
Feſtung übrig gebliebenen 2500 Mann Beſatzung beiderlei Geſchlechts
zogen frei zu ven Thoren hinaus. Weber Namen, noch beflimmte
Denkmale find von einer fo bedeutenden Stadt jener Zelt übrig ge=
blieben, die von Sullan auch, dem Gebrauche jener Zeit gemäß,
ganz zerftört und nienergebrannt wurte; doch Iäßt ihre Loralität
fih wol mit Sicherheit auf der Stelle ver mehr modernen großen
Stadt EI Anbar der Araber nachweifen.
Den erften nörvlichen Canal, ver bei Julians Gefchichtfchreibern
namenlos geblieben war, Hatte ſchon Mannert mit vieler Wahr
fcheinlichkeit in vem Narraga des Plintus wieder zu erfennen ge
glaubt, *%) und das daran gelegene Macepracta für identiſch mit
Hipparenum gehalten, vefien Mauer, nämlich die mediſche Mauer,
bie Perfer zerftört Hatten (Hipparenum, Chaldaeorum doctrina
clarum, et hoc, sicut Babylonii juxta fluvium Narragam, qui
dedjt civitati nomen. Muros Hipparenorum Persae diruere.
Plio. H. N. VL 30). $ipparenum war alfo nur die Ueberſetzung
von Narraga, wie die Stabt nach dem Canal genannt war, wo
eine berühmte zweite Secte ver babylonifchen Weltweiien, pie Hip
parener angeflevelt war, zu denen die Orchenier, als vie dritte,
gehörten, did aber weiter abwärts von Babylon. am Euphrat gegen
Teredon bin (f. ob. ©. 30) wohnten. Diefelbe Stelle wird bei.
Ptolemäus (Ptol. V. 18. Mesopot. situs, fol. 143) mit dem wirk-
lichen Namen ber Stadt Naarda bezeichnet; Naharra in Tabul,
Peuting. Es iſt viefelbe Gegend, wo einft ein Kleiner jübifcher
Raubſtaat, mit den Brüdern Afinäus und Aniläus an der Spike,
unter vemfelben Namen, nah Flav. Iofephus, an ver Spal⸗
tung des Euphratlaufes Lv. i. wo ber Canal von ihm. abs
zweigte, duadenäıv ur nozauüv nosoduevov 6. Fl. Joseph.
Antig. Jud. XVIII. c. 9) ſich auf kurze Zeit feſtſetzte. Seine
wohlbefefligten Verfchanzungen zu Nearda (Nacapda Steph. Byz.)
oder Neharda, mit ihrem geficherten Tempelfchage, und bie Kühn⸗
heit feiner Vertheidiger Tonnten ihn, bei ven Räubereien feiner Vor⸗
fieher, doch nicht gegen bie. Lieberfälle ver benachbarten Babylonier
fügen, und auch ihre nothwendig gemorbne Emigration nach Se⸗
leucia, von ber oben. ſchon die Rede geweſen, war ihnen verderblich
geworben (f. oben S.124). Doch ſcheint fi bis In das Mittel⸗
alter dort eine ſtarke jünifche Population erhalten zu haben, vie an
346) Mannert Geogr. ber Er. u. Rom. Th. V. 2. ©. 356.
/
Euphratſyſt.; hiſtor. Xuͤckblick; Julians Feldz. 363. 147
derſelben Stelle, wo früher chaldaͤiſche TBeisheit, ſich durch rabbiniſche
Weisheit auch einen gewiſſen Namen erwarb, da Benjamin v. Tu⸗
dela zu ſeiner Zeit (1160) der Synagogen in Nehardea und ihrer
Docteren ehrenvoll erwähnt.) — Naharda wird von Abulfeda nur
in geringer Entfernung von EI Ambar ober Anbar gefegt, das
ebenfalls an ver Abzweigung des Nahr Iſa⸗Canals vom Euphrat
lag, und deshalb auch ſchon von Manmert für Iventifch mit
jenem Orte, wie mit Birkfabora gehalten wurde. Diefe Meinung
wird aber durch Folgendes zur Gewißheit erhoben. Bei el Am»
bara, fagt Abulfeda, 9) unter ver Brücke Dahama, am Felde
d Feluja (i. e. terra sementi idonea), trete ver Iſa⸗Canal, wie
noch heute oberhalb Feluje aus dem Euphrat; EI Ambar over
Anbar, eine Tagreife von Bagdad, wo fich der erfte ver abbaffini«.
ſchen Khalifen, der blutdürſtige Abdul Abbas Sefah nieberließ, war
aber eine uralte, fhon von Nabochodo naſſar, dem erften
Sränder des Nahar malcha (f. oben S. 49), erbaute Stadt, ber
Bier nomadifirende Araberfamilien ale Aderbauer an⸗
fiepelte, woher ver Name des Ortes Ambar (i. e. stabili in
sede et horreo). #) Michtig iſt aber für dieſe Localität, wa®
bither zur @rläuterung von Julians Feldzuge überfehen wurde,
daß diefes Ambar oder Anbara in ver Zeit der dort verbreiteten
Reftorianer eine Epifcopalftapt mit Kirche und Kloſter war, 50) vie
aber den Namen Firuz Sabor erhielt, weil der Safjaninenfönig
(Firnz iſt ein bekannter Prinzenname der Saffaniven) dort eine
Grenzfefte gegen die Römer anlegte, welche veshalb bei ven
Syrern au Pheruz Sapor, und bei ven Juden Peruz Sci-
abbur genannt warb, ein Umſtand ver au) in Casiri Bibl. T. J.
p. 44 beftätigt wird. Die Benennung der Feſtungsſtadt Piri-
fabora, hei Ammian und Zofimus an derfelben Zocalität von Anbar,
MR alſo dadurch vollkommen erflärt, wie vie Wichtigkeit, welche auf
ihre Eroberung gelegt wurde. Die Stadt blieb, Irog der damaligen
Zerſtbrung, doch wegen ihrer eigenthümlichen Lage am Zufammen«
ini des Canals mit dem Euphrat von Bebeutung, denn ſchon daß
der erfie Der Abbaſſiden Dort reſidirte, beftätigt dies, fo wie vie
#7) Rabbi Benjam. of Tudela Itinerary tranal. 5. A.Asher, Berlin
1840. Vol I. p.92. 48) Abulfedae tabul. e cap. de flaviis ed.
Wästenfeld p. 65; ehend. descript. Jracae p. 122. *°) Abulf.
L c. in not. p. 09, nach Ibn Challikan p. 85 und Golü not, in
Alferg. p- 5. Wüstenfeld. 50) Notitia ecclesiarım Metro-
polit. et Episcopalium, quae sünt Patriarehae Nestoriano subje-
etae in Asseman. Bibl. Orient. T. IIL P. 2. (on Decv. etc.
—
148 eflAfien, III Abtheilung. I Abſchnitt. $. 30.
Ruinen feines Pallaftes, die Ebn Haufal (Mitte des 10. Jahrh.)1)
dort noch ſah, als zu feiner Zeit Anbar noch immer ein Ort mitt⸗
lerer Größe war, fehr lieblich von Dattelhainen und Fluren umge
ben, die veichliche Ernte darboten. Obwol die Lage ver heutigen
Hafenſtadt Bagdads am Euphrat, Keluja, fprich Kelunicha, unge .
fähr dieſelbe Gegend bezeichnet, und fein Name viefelbe Bedeutung
wie EI Anbar bat, alfo viefen Ort, ber auch in dem jekigen Zu⸗
flande der Verwüflung verſchwunden iſt, gleichfam zepräfentirt, fo
- af doch auch In dem Winkel des dortigen Ueberſchwemmungsbodens
zwijchen dem Euphratufer und dem Südufer des Nahr Iſa⸗Canals
in den dortigen Trümmerhoͤhen, 52) vie von der jüngſten Cuphrat⸗
expebition in Ihrer Karte eingezeichnet wurde, noch immer bie letzte
Spur jener bebeutenden von Nebuchabnezar zuerfi erbauten Ori⸗
fhaft in vem Namen Medinah, d. I. die Stadt, oder Om Barra,
d. 1. Anbar, nicht zu verfennen, und ber vorige „Tell Alar”
- möchte wol ver Fels der Arropolis fein, deſſen mit Eifen befchlagne
Mauerthore Julian felbft mit Mauerbrechern einfließ und mit der
Helepolis, dem Kriegsthurme des Demetrius Poliorketes, bedrohte.
Don Pirifabor, der Feſtungsſtadt Firuz Shahpurs,
aus deren nicht umfchanztem Stabttheile die meiften ver Bewohner
auf Kähnen entfloben waren, Fam das Römerheer nnch nicht vollen
6 Stunden Wegs (14000 Mill. Pass.) zu einem Orte, deſſen Flu⸗
sen durch Waflerleitungen eine außerorbentliche Fruchtbarkeit be⸗
ſaßen, deren Schleufen aber, wegen ver Nachricht von der Ankunft '
des Feindes geöffnet, weit und breit das Land unter Waller geſetzt
hatten (Amm. Marc. XXIV. 3, 10). Zoftimus (Ill. 18) nennt
das Gaftell nicht, aber wol eine Stabt Fiſſenia (Droonvia); jenes
war, fagt er, nach Landesart mit einem Graben umzogen, ven bie
Perſer dadurch Hoch auffülten, daß fie einen großen Theil des
Fluſſes Hineingeleitet Hatten, welcher ver Köonigsfluß (Aacdduc
nosauös, b. Zoſ.) hieß. Damit war alfo ver Naharmalcha
gemeint, welcher ſich erſt weiter im. Süpen abzweigt (mo Blinius
den Ort Maſſice nennt, V. 21: scinditur Euphrates circa vicum
Massicen: et parte laeva Mesopotamiam vadit per ipsam Seleu-
ciam) unb bis Gtefiphon fortjegt. Das römifche Heer zog aber am
dieſem Orte, von dem es nichts zu fürchten hätte, vorüber, und ließ
fi auch Durch die Fünftlichen Berfumpfungen, vie jene für unburd-
' 28°) Oriental geogr. ed. W. Onseley. London 1800. 4. p. 59.
#3) Colon. Chesney Mscr.
\ h
Euphratſyſt.; hiſtor. Xuͤckblick; Sulians Feldz. 363. 149
gehbar hielten, nicht abhalten, vorwärts zu dringen. Der Kaiſer
ging mit dem beſten Beifplele voran, bis an die Knie im Waller
watend, und ließ durch Soldaten und Handwerksleute, wo es ging,
Bäume füllen, Balken legen, durch Schläuche fie wie Flöße heben,
tanflliche Brücken fchlagen, Dammerböhungen durch Erde aufwer⸗
km u. f. w., unb führte das vorfidhtig nachrückende Heer, bis er
vie Stadt Bithra (Biſouv) erreichte, wo ein Eönigliches Schloß .
und Gebäude dem Heer Unterkommen gaben. Die Lage viefed Ortes
fo wie vie folgenden bis Seleucia nachzumelfen, ift bei unferer heu⸗
tigen Unfenntniß jenes Landſtrichs, 8) den wir von Felufe bis
Hille am Cuphrat und oflwärtd bis Bagdad und Etefiphon, ab=
värts amTigris, „nad Marimum der Berengung Mefopo-
tamiend im Lande der Hauptcanäle” genannt haben, noch
ganz unthunlich, weil dort gegenwärtig alles wüſte und veröbet,
ehne Ortſchaft und Anfiedlung iſt, daher es an trabitionell = erkenn⸗
baren Denkmalen in jenem Lanpftriche fehlt, obwol feine ganze
Ausbreitung keineswegs eine abfolute Wüfte, ſondern nur eine ver⸗
vorrte Verwilderung ift, die durch VBewäfferung und Anbau wol
meiſtentheils wieder in jenen parabieflichen Zuſtand zurüd verſetzt
werden konnte, durch den fie einft in ven fo flark bevdlferten Zeiten
eines Herodot, Zenophon, Alerander und Iulian fo hoch
geprieſen war.
Auch iſt nur eine Stimme ver Berwunderung bei allen ge=
nauern Beobachtern auf Reiſen in jenem Gebiete, 5*) wie überall
ein hoͤchſt fruchtbarer fetter Alluvialbopden vie Dede des Landes
bilvet, das von zahllofen Linien jet trocken liegender Ganalbetten
und Waflergraten nad allen Ridytungen burchichnitten if, von
unzähligen Trummerhügeln (Tells ver heutigen Bemohner) über
ragt, die wieder von weiten Schutt-Terraffen umzogen werben (Reſte
von Acropolen und offenen Städten), deren Oberfläche überall, wo
ver Tritt des Reitpferdes mit. dem Hufe die fleinharte Decke nur
ledert, Denkmale ältefter Anflevlung in mächtigen Schichten von
Backſteintrũmmern, Ziegelfteinen, Scherben aller Art, Toptenkiften,
Umen, Glasſtücken, Brandſchlacken, Kohlen u. |. w. bloßlegt. Eben
da, wo heut zu Tage tur einzelne Holzige Salzkräuter, Kappern«
sanken und Mimofengebüfch ven verbrannien, auögenorrten Boden
53) Mannert Geogr. d. Or. u. Rom. Th. V. 2. ©. 350.
s*) J. Bailtie Fraser Travelsdn Koordistan and Mesopotamia etc.
Lond, 1840. 8. T. il. p. 5 e
150 Weſt-Aſien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30.
fparfam bedecken, da Tag einft ver Garten der Welt, das fette
Mefopotamien, das überall dicht bewohnt, dicht beuölfert gewe⸗
fen zu fein, in biefen Monumenten des Bodens ſelbſt den Beweis
enthält, und zumal auch in ver ganzen Strecke von ben Ruinen des
alten Seleucia bis zu denen von Babylon Hin, welche zu jener Zeit,
wahrfcheinlich von den Seleuciern, ven ſpeciellen Namen Meſene
oder Mefjene erhalten hatte. Diefer Name kommt nur bei den
fpätern Geographen für: die Bezeichnung dieſer Lanpfchaft in der
Mitte der beiden großen Ströme vor (Amm. Marc. XXIV.3;
Dio Cass. LXVII. Traj. 28; Eutrop. VI. u. U), wo es aud)
fpeciel für den füplichften Theil Mefopotamiens , identiſch mit Ti-
gridis insula, gebraucht wird. Ungeachtet Joſephus (in ben Antiquit.
Jud. L. I. 6, 4) ‘ihn von dem vierten Sohne Arams (1.8. Mof.
10, 23), Mas, und von ven Mafandern ableiten wollte (Mn-
oüs de Mnouvalovg, Joſ.), fo ſcheint uns doch Mannert's An⸗
ficht 55) viel: wahrſcheinlicher, daß er die Bedeutung des „Mittel⸗
landes,“ wie Meſopotamia, enthielt, ja daß er vielleicht nur aus
ver Abkürzung dieſes griechiſchen Namens bei ven Bewohnern Se—⸗
leucias in Gebrauch Fam. Diefe Ableitung und den burbarifchen
Sprachgebrauch fcheint Stephan. Byz. in Mese, fluviorum regio
‚inter Euphratem et Tigrim (M£on zwr norauürv, Steph.) volle
fommen zu beftätigen. Ä
Bon viefem Buftande ber Älteren Zeit jener Gegenden finden
wir auch die Belege bei ven Berichterftattern. von Iulians Mache»
zügen, ungeachtet dieſe nur auf graujige Verwüſtung jener Zuſtände
ausgingen. Im Allgemeinen, fagt Ammian (XXIV. 1, 14), wer
es dem Soldaten erlaubt, die reichen Kornfelver, Saaten und: Frucht⸗
gebiete fammt den Wohnungen, pie man überall vorfand, in Flam⸗
men aufgeben zu lafien, wenn nur zuvor. jeder verfelben fich ſelbft
mit der Beute reichlich verforgt hatıe; und Sultans Lobredner und
Bewunderer Libanius (Erretap. 265) bemerkt, daß die Palmflänme
umgehauen wurden, die Weinſtöcke ausgerottet, alle Vorräthe zer
ftört, alle Wohnungen nievergebrannt, weil Julian den Perſern ver-
gelten wollte, was fie an Niſibis, Bezabde, Singara verſchuldet
hatten.
So ging es auch auf dem Marfche von Fiſſenia über Bithra
bis Seleucia, der durch eine ebene Landſchaft führte, die an vielen
Stellen mit Weingärien und Obſtfeldern bedeckt war und mit
288) Mannert, Geogr. der Gr. u. Röm. Th. V. 2. ©.350.
Euphratſyſt.; hiſtor. Xuͤckblick; Julians Feldz. 363. 151
ſo vielen Dattelwäldern, daß ganz Meſene (das Mittelland
zwiſchen beiden Strömen) bis zu dem großen Meere hinab wie mit
einem Balmenwalde bevedt fihien (ubi oriri arbores adsuetae
palmarum, per spatia ampla adusque Mesenem et mare perti-
nent magnum, instar ingentium nemorum. Amm. Marcell. XXTV.
3,12). Ueberal fand man Honig und Wein von Palmen und Res
ben in Ueberfluß, und an Datteln fo reihe Nahrung, daß man da,
wo man fich eher vor Hungerönoth gefürchtet hatte, vor den Folgen
der Ueberladung beforgt fein mußte. Daffelbe beftätigt Zoſimus,
der fagt, wo man auch Feine Gebäude wahrnahm, da breiteten fich
doch Palınwälder aus, von Weinreben umfchlungen, deren hangende
Trauben die Palmbaumkronen umkranzten.
In dieſen Wäldern traf man auch auf manchen feindlichen Hin⸗
‚wrhalt, zumal nachdem man an mehreren fehr fruchtbaren Inſeln
vorübergezogen war," bei einem Orte," wo fich der große Euphrates
in fer viele Arme verzweigte (prope locum, ubi pars major Ku-
phratis in rivos dividitur multifidos. Amm. M. XXIV. 3, 14).
Diefer Ort hatte nur niedrige Mauern und war deshalb von el»
um Einwohnern, es waren Juden, verlaffen, die, wie wir fchon
früher angegeben, in viefen Gegenden nicht in geringer Zahl ver
breitet geweſen zu fein fcheinen. Bol Erbitterung brannten die Sol-
dasen den ganzen Ort nieder. Wahrfcheinlich war dies der von Zo⸗
muß genannte Ort Bithra. Wollte man Ammians Worte ge
nau nehmen, fo hätte verfelbe noch am Euphratufer feine Sage ge⸗
habt, und daß Heer hätte bis dahin dem öftlichen Euphratufer fol-
gen müflen. Da aber von feiner Ueberfchreitung des Nahr malcha
oder Konigscanals, der erft fpäter bei Seleucia überfeht ward, bie
Reve ift: fo konnte dies nicht der Ball fein; man folgte vem Zuge
dieſes Ganald gen SD. und blieb auf deſſen nördlichem Ufer;
jene Judenſtadt an den Euphratverzweigungen muß alfo ſchon tief
landein in ver Mitte von Mefene gelegen haben, und diefe Verzwet-
gungen find dahin ziehenve, vom Euphrat nur abgeſpaltne Canäle
geweien. Wirklich rüdte man von Bithra zu der Gegend einer
ſcht großen und ſtark befeftigten Stabt vor, die nur noch YO Sta-
bien (d. i. 4 Stunden Wegs) von Cteſiphon entfernt lag. Zoft-
aus fpricht nur von dem felfenfeften Eaftell, aus dem ein mörde⸗
riſcher Ausfall auf ven Kalſer geſchah, der ihm beinahe ven Tod
gebracht hätte, ohne es mit Namen zu nennen, führt aber an, es
bege nahe dabei die Stadt Beſuchis (Broovyyis, Zos. Il. 20),
und aus vielen andern feſten Orten hatte ſich die Mannſchaft in vie
152 WeftsAfien, TIL Abtheilung. 1. Abſchnitt. $. 30,
Sauptfefte geworfen, zu deren Vertheidigung, weil der Kalfer aus
Zorn für ihren Ueberfall fie nun mit ganzer Macht belagern und
vernichten wollte. Die übrigen Bewohner Hatten die Flucht ergrif-
fen und fich in die Wälver verſteckt, oder waren auf den Waflern
mit Kähnen over auf hohlen Baumſtämmen ſchwimmend Eteflphon
zugeeilt. Die Burg lag auf einer Anhöhe von Steilfelfen, ſchwer
zugänglih, mit 2 Mauern umgeben, durch 16 fehr große Thürme
geſchützt und durch einen tiefen Graben. Es ift aus dem Hergange
er Erzählung Fein Zweifel, vaß dies derfelbe Ort ift, den Ammian
bie große Stant Maogamaldya (Amm.Marc. XXIV.4,2) nennt,
bei deren Recognoscirung ver Kaiſer jo kühn überfallen wurde. Die
ganze milltairifche Kraft ver Nömer war kaum hinreichend, dieſe
mächtige, mit größter Tapferkeit durch Waffen und Feuerbrand ver«
theinigte Burg zum Falle zu bringen. Durch Mauerbrecher wurde
ein großer aus Badfleinen aufgemauerter Thurm zum Cinfturze ges
bracht, und fo der Eingang von oben in die Stadt gewonnen, wie
vurch unterirhifche Minen von unten; im Sturme wurbe Alles er⸗
obert, erbeutet, Alles nievergehauen, und nach dem dritten Tage blieb
an der Stätte der.großen eroberten Stadt nichts als ein Aſchenhau⸗
fen zurück.
Bon da bis zur Landeshauptſtadt konnie das triumphirende
Heer nun weiter marſchiren, weil der Feind durch ein vorausgeſen⸗
detes Truppencorps unter des Comes Victor Commando zurückge⸗
ſcheucht war, jeder Hinterhalt aber mit grauſamer Vorſicht nieder⸗
gemacht wurde. Da in der Gegend noch mehr als ein Strom zu⸗
ſammenfließt(nämlich Eanäle), ſagt Ammian, fo mußte man über
eine Brücke nach der andern (wie zu Xenophons Zeit), und fam fo
an 2 fehr Flug angelegte Berfchanzungen (ad munimenta gemina
venimus &edificiis cautis exstructa, Amm. M. XIV. 4, 31), veren
Beſatzung aber bei Annäherung des recognoscirenden Corps die Flucht
ergriffen hatte. Meiterhin Fam man zu einer Umbegung, der Königs
Thiergarten genannt (sig meplßolor, 6v Bacıldug Irgav Exdlovv
6. Zos, III. 23), eine Pflanzung von Luſtwald vieler Baumarten, lieb⸗
lich anzuſehen; darin ein Schloß im römifhen Bauftyl (ubi
regia Romano more aedificata, Amm. M.XXIV. 5, 1) aufgeführt,
das wegen des wohlthuenden, unftreitig beimatlichen Cindrucks, denn
auch romiſche Baumeiſter, eher vermuthlich griechiſche, ſouten es
aufgeführt Haben (ſ. Erdk. IX. S. 381, 504), den Reſpect des Kai⸗
ſers wie der roheſten Maſſe gewann und ganz unverletzt blieb;
vieleicht das einzige menſchliche Beiſpiel ver Art auf dem ganzen
u.
ı
Euphratſyſt.; hiſtor. Ruͤcblick; Julians Feldz. 363. 153
Kriegszuge. Die Wildgehege In dieſen Luſtrevieren (gewöhnlich Pa⸗
radeiſe oder Bagiſtana genannt, ſ. Erdk. Th. IX. S. 49, 360, 361
u. a.) mit der ganzen Menagerie, die zur Unterhaltung ver Per⸗
ferfönige vienten, wurden aber den Soldaten preis gegeben, und bie
mähnenreichen Löwen, vie borfligen Eper, die wüthendſten Bären
und anderes Hochwild, beim Durchbruch aus ihren Gittern ins
Freie, wurde von den Meitern mit Lanzenflicden und Pfeilfchüfien
erlegt. So rüdte nun das Heer Immer weiter in der Gegend vor,
De durch Natur und Anbau zu den gefegnetflen ge»
hörte (quae loca pingui situ et cultu etc., Amm. Marc, XXIV.
5, 3), und an mehreren Gaftellen vorüber, darunter auch eind Mi⸗
na8 Sabatha, wahrfcheinlih richtiger Madain Sabat, genannt
wurde (Melvas Saßar9a bei Zos. III. 24, 5), deſſen erſte Na»
menshälfte vervorben iſt. Wahrfcheinlich aus Madain; denn zu
Abulfedas Zeit iſt eben daſelbſt noch ein Stäpichen Sabath ober
Sabat befannt, daB wegen feiner Nähe bei Madain Kosroes
(ver Doppelftadt des Saflaniven= Königs) au) Sabat el Ma=
dain 36) hieß. Diefes Mapain Sabath, von dem nichts weiter
. angeführt wird, lag aber nah Zofimus feine 2 Stunden (30
Stadien) fern von ver in älterer Zeit genannten Stadt Zochafa
(Zwyaoa), vie nach Zoflmus ſpäter Seleucia genannt wurde,
aber damals auch fchon nicht mehr vorhanden war. An dieſer Stelle
iR in den verborbenen Text des Ammian ver Name des Ortes Coche
als ivdentifch mit Seleucia eingefchoben, 57) ver aber unftreitig nicht
hicher gehört, ſondern erfl weiter unten einem jenfeit des Nahr⸗
maldya, von Seleucia wol weiter im Süben und entfernter liegenden
Drte zugehört, alſo von ver Stadt Zochaſa verfchieden war,
obwol ex auch von den neuern Erklären mit dieſem ähnlich Iautens
ven Namen identificirt worben iſt.
Bei Zochaſa Hielt daB Heer zwei Raſttage, weil Waffer und
Viehweide im Ueberfluß war; am vritten ging Kaifer Julian mit
vom Bortrab voraus, um bie Veröbung der von Kaifer Verus zev⸗
Rörten Stadt (Seleuria, f. 0. S. 122) zu recognodciren, in ber ein
mie verfiegenber Duell eine weite ſtehende See bilvete, die zum Lie
eis abflof (in qua perpetuus fons stagnum ingens ejectat, in
Tigridem defluens, Anm. Marc, XXIV. ⸗ 3). Weiterhin wur⸗
260) Abulfedae Tab. al Irak, ed. Reiske, in — Mag. Th. IV.
6.253; b. Büftenfeld a. a. O. ©.5. 57) Amm. Marc. XXIV.
5, 3, cf. ed Erferdt. Tom.Ill. p.76, not.
[3
en ⸗
154 Weft:Afien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 30,
den in ven Berfumpfungen viele Flüchtlinge gefangen, die Nömer
aber zugleich durch Ueberfälle perflfcher Truppen, vie über ven Fluß
‚(den Zigris) und aus der Stadt Cteſiphon, der Sultan ſchon
ganz nahe gefommen (jamque regionibus Ctesiphontis propin-
quans, Amm. Marc.), plöglich hervorgebrochen waren, wüthend ans
gegriffen. Von einem feiner Lage wegen faft unzugänglichen Ca⸗
flel (propemodum inaccesso, Amm. Marc.), das hier fich erhob,
wahrfcheinlich eine Vor feſte auf dem rechten Ufer nes Tigris von
der Hauptſtadt, die auf dem linken Ufer gegenüber lag, und dieſem
Vorwerke ihre Mannfchaft zu Attacken in ven monphellen Nächten
berüber fanbte, wurben dieſe Angriffe fo ververblich, daß der Kaiſer
alles daran jeßte, ehe er weiter zog, diefed Caſtell zu erflürmen. Doc
ging fle zuvor durch Verrath über und wurde nievergebrannt.
Von da, fagen Zofimus und Ammian ganz übereinflim«
mend, kam das Heer an dem Flußbette an, das nach Audfage ver,
Dortigen von Trajan angelegt fein follte, purch welchen ver Nahr«
malcha (Königscanal) fi) zum Tigris ergo. Gegenwärtig aber,
fügt Ummian hinzu, lag er troden (ventum est hinc ad fossile
{lumen Naharmalcha nomine, quod amnis regum interpretatur,
tunc aridum, Amm. Marc. XXIV. 6, 1). Ob dies der von Se
leucus aus dem Königscanale abgeleitete Seitencanal war, an
welchem einſt Seleucia lag (in confluente Euphratis fossa per-
ducti atque Tigris, Plin. VI. 30), wie ver Bericht des Zoflmus
ed wahrfcheintich macht (Zos. II. 24), oder ob es der Nahrmaldya
ſelbſt war, der wol noch fühlicher erft auf Brüden überfegt werben
mochte, bleibt unficher. Auf jeven Fall müſſen Seleucias Ruinen,
fo viel geht hieraus hervor, in dem Winkel des rechten Tigrisuferd,
oberhalb des Nahrmalcha gelegen fein, dagegen der Ort Coche erfi
auf der Südſeite, abwärts dieſes Waſſerlaufs, erreicht warb, und
alfo von Seleuciad Lokale verſchieden ift, wenn auch fpäterhin
biefer Name mit dem von Seleucta ibentiflcirt wurde.
Diefen trocken liegenden Canal aljo, den zuvor die Perfer zu
verdämmen für gut befunden hatten, ließ dagegen Kaifer Julian
wieder reinigen, und nachdem die Damme mweggeriffen waren, durch
die einftrömende Gewalt der Waffer die Flotte hereintreiben, welche
auch ˖ nach einer Fahrt von 30 Stadien Weges (feine 2 Stunden;
fo groß, alfo feheint e8, war der vertrodnete, nun wieder gereis
nigte, aus dem Nahrmalcha direct gegen Ctefiphon abzmeigenve Sei⸗
tencanal). glüflid am Tigris anfam (hacque valle purgata
avulsis catarractis undarum magnitudine classis secura, stadiis
“
Euphratſyft.; hiſtor. Nücblick; Julians Feldz.363. 155
XXX. decarsis, in alveum ejecta est Tigridis; et contextis illico
pontibus transgressus (?) exetcitus iter Cochen versus pro-
movit. Amm. Marc. XXIV. 6, 2). Ob die Brüder nun über die
felbe reſtaurirte Canalſtrecke gefchlagen wurben, ven ja dad ‚Heer zus
vor hätte troden durchſetzen können; ober ob diefe Brüden das Heer
über den ſüdlichern Hauptcanal des Nahrmalcha, der zuvor fchon
genannt war, führen follten, bleibt nody immer unſicher. Im letz⸗
teren alle, was wir für das wahrjcheinlichere halten, lag Coche
km Süpdufer des Königscanales nahe. Nur eine fpecielle Landes⸗
aufnahme dieſer Localität, in welcher ver Tigris eine fehr große
Biegung gegen ven Süden macht und dann gegen ven Nor-
den zurüdfehrt, kann über ſolche Localitäten vollſtändig entſcheiden.
Aber aus dieſer allgemeinen Situation, wobei zu bemerken, daß die
Ruinen von Cteſiphon auch Heute noch die ganze durch jene
Südbiegung gebllvete große Halbinfel, welche an 3 Seiten vom
Igris umfirdmt wird, einnehmen, gebt fchon hervor, daß Julian
anfänglich bei jener Vorfefte viefer Hauptſtadt gegen Nord⸗
weit in der Gegend ver Trümmer von Seleurta näherte, welche
Stadt nach Plin. VI. 30 nur 3 Millien von Gtefiphon entfernt lag,
dann aber in großen Bogen fie gegen Südoſt umzog, weil eben da
He Einfahrt des Nahrmalcha zum DVerfammlungsorte ſeiner Flotte,
jur Belagerung Ctefiphons vor ver Süpfeite her, offenbar am vors
ilhafteften mar.
Zu Coche wurde gelagert in einer fruchtbaren, Tieblichen, von
Gebüũſchen und Weingärten bedeckten Gegend, in welcher zumal ver
grüne Cypreſſenwald dem Auge vorzüglich wohl that; in ber
Mitte fand ein ſchattiges angenehmes Lufthaus, dad überall mit
Schildereien von königlichen Jagd⸗ und Kampficenen nach Art jener
Drientalen (ſ. Erdk. IX. S. 381) geſchmückt war.
Gier wurden einige ver größern Laſtſchiffe außgeladen, um ſo⸗
gleich in der Nacht einen Ueberfall auf ver entgegengefegten Seite
tes Tigrisufers zu wagen, wo In das höhere fteile Ufer und bie
Serſchanzung ded dortigen könichhen Paraveifos (Epvua dv na-
eudclsov Auoıkıxov, Zofim. IIN"24), welche fehr tapfer vertheidigt
werde, einen unglüdlihen Ausgang herbeigeführt haben würde,
denn fon maren ver Angreifenden viele getöbtet, und ihre Schiffe
Seuanten fchon “lichterlob in Flammen auf, nenn nicht eben dieſes
den zornmüthigen Kaijer fchnell zum Racheſturm mit der ganzen
Flette, DaB Feuer als verabredetes Signal von Sieg außdlegend, be=
wogen Hätte. Der kühne Angriff auf dad Beindedlager vor Etell-
156 Wefl-Afien, TI. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.30,
phon, obmol viel Mannfchaft Foftend, gelang. Nach Harinädigfter
Segenwehr ver zahllofen gewappneten blinkenden Neiterfchaaren,
der überall mit Schilven umgürteten Fußvölker und ver Elephanten-
‚reihen, die fi) wie Bergwände drohend emporthürmten, ‚wurde doch
Alles erft in fchwanfende Bewegung, dann in volle Flucht gefekt,
und mit wilden Kriegägefchrei und Trompetenſtoß zumal von ben
römifchen Legionen und ven gothifchen Truppen bis an die Mauern
von Etefiphon verfolgt. Selbft in die Thore der Stadt wäre
man mit der fliehenden Menge eingedrungen, wenn ver befonnene
Feldherr Victor nicht die Gefahr in der verengten Stadt für zu
groß gehulten und zum Rückzug commanbirt hätte (Amm. Marc.
XXIV. 6). Das peritfche Lager bot ohnedas ſchon den Siegern bie
reichfle Beute dar (Zoflm. III 25).
Der größte Ruhm war indeß nod zu erringen, bie
Eroberung der Stadt; aber im Kriegärathe, jagt Ammian, wurde
die Belagerung als zu fchwierig ‚abgelehnt (civitas inexpugna-
bilis, facinus audax et importunum; Amm. Marc. XXIV. 7, 1).
Durch ihre Lage war fle an fi unüberwindlich (ob, weil fie als
Halbinfel größtentheild vom Tigris umfloſſen wurde?), durch eine
ſehr flarfe Befagung noch mehr gefichert, und eine furchtbare Heeres⸗
macht war unter des Saſſanidenkönigs Befehlen im Anzuge. Der
Kaifer ſcheint zur Einſtimmung gendtbigt worden zu fein; die
ehrenvollen Friedensanerbietungen, die ihm Sapor durch Hormisdas
machen ließ, wies Julian mit Verachtung zurüd; er forberie bie
Perfer zu einer offenen Feldſchlacht auf; dieſe aber verhöhnten ihn
und riethen ihm, lieber felbft das Heer des Königs aufzufuchen.
Wahricheinlih auf ven Schiffen, denn von einer Tigrisbrücke ift Hier
gar feine Rede, Tieß er das Heer über den Strom fegen, und folgte
am dritten Tage nad jenem Siege mit feinen Leibwachen dem
Hauptheere nad), während er ein Streifcorpe zur Plünderung des
Landes und zum Bourragieren ausſandte. So kam er (aljo nun
auf der Oftfeite des Tigris) zu K: Baftell, dad die Perſer Abus
zatha (Aßoviada Bof. IU. nannten, wo er 5 Tage ruhete
und den Entfchluß faßte, den Striu plöglich zu verlaſſen, und durch
das Innere des Landes fich die Wege zu bahnen, da es auf dem
Fluſſe ſtromauf eben fo unmdglic) ſchien, als auf dem Rüdwege
entlang vem Euphrat, wo er das ganze Land Hinter ſich in eine
Wüſtenei verwandelt Hatte. I
Allem Rathe zuwider, aus Unkunde des Landes durch falſche
Wegweiſer verleitet, ſezte er, wie Ammian ſagt, feinen unglücklichen
Eupbratfoft. ; Hiftor. Xuͤckbblick; Julians Feldz. 363. 157
Einfall durch. Er verbrannte (im Juni 363) im Angeſicht ves
murrenben Heeres feine ganze fo mühfelig fortgebrachte Flotte, um
ver Mühe des Stromaufzicehens überhoben zu fein, ließ nur zwölf
Dleinere von den Kähnen zerlegen und auf Wagen zum Auffchlagen
von Schiffbrücken nachfahren. Er zog über Noorda (Noopda),
Beide genannte Orte find und unbekannt, wenn dies letztere nicht
v3 Napfa des Cedren iſt (f. Erdk. Ih. IX. ©. 418), dann über
ven Duron-Pluß (Aoöpor noraudy b. Zoſ.), vielleicht den un»
tern Diyalah, auf der alten Königeftraße, pie auch Zenophon nahm
(demd. ©. 418 u. a. D.), gegen NW. ven Weggegn Adiabene
Anfchlagend, weil man von dieſer Seite zunächſt den Zuzug deö
ermenifchen Hüũlfscorps unter ven Befehlen ver beiden römifchen
eloheren vom obern Tigris abwärts (f. 0.6.138) erwarten durfte.
User viefe Hülfe blieb wegen Entzweiung der Feldherrn unter ſich
aus und weil fie von dem Könige Armeniens nicht unterflügt wur⸗
ven. Die verrätherifchen Wegwelfer, venen Julian folgte, führten
enfänglich durch fruchtbare Lanpfchaften Immer tiefer landein, bie
Re zwifchen nadten Wilpniffen, wo Waffermangel, Sonnenhige und
Hungersnot das Heer beflel, treulos verſchwanden; und zu dieſem
Ungläd kam noch der Schrecken eines heranziehenden Perſerheeres (mol
vie mediſche Straße vom Zagros herabziehend), mit dem nun
fortwährenne blutige Kämpfe während des Weitermarfches durch⸗
jnführen waren (Amm. Marc. XXV. 1. etc.). Große Verlufte tra-
fra das Nömerheer, deſſen Wegroute aus den wenigen Angaben ver
EGecſchichtſchreiber (Joſ. II. 27 etc. nennt Dura, Baropthas, Sym⸗
bra, Nisbara, Nifchanabe, Danale, Synca acceta, Tummara, bis
zam Todestage Juliane), nicht zu ermitteln iſt, bis es endlich von
«en Seiten durch vie Perferreiterei überfallen wurde und einer ver vielen
Belle ven Durch viele böfe Omina geängfteten Kaiſer ernſtlich ver
wendete, worauf er bald in feinem Zelte den Tod fand (Amm.
Marc. XV. 4).
Aus dem Forigang der Erzählung ergibt fich, daß dad Roͤmer⸗
her unter Jovians Commando feinen Weg zum Tigrid zurüde
ne, wo Gaftellum Sumere (Zoiua b. Zofim. IN. 30) das
1 Samarrah, Charcha (mo jegt die Ruinen von Eski
"Gigpeb) SC) und die Stadt Dura Getzt Imam Dour) ®) am
| Zigrisufer von Ammlan (XXV. 6,8). genannt, und am
| Zu
a%
%5) D’Anville sur l’Euphrate p. 95, 97. ) J. Cl. Rich Narra-
tive ef a residence etc. Lond, 1836. 8. Vol. I. p. 148, 150.
mm nn
158 MWeft:Afien. TIL. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.
legten Orte, der nur wenig unterhalb Tekrit liegt, das Tigri
wirflich von den Truppen erreicht ward. Hier ſchlugen fie, 4
märfche nach dem Todestage Sultans, ihre. Zelte auf, und
Begierde, ven Berfolgungen des Feindes zu entgehen, ſchwamm
in derſelben Nacht ein Theil des Heeres mit Gefahr auf die ı
weftliche Seite des Tigriäufers; ja das ganze Heer war im Bi
am folgenden Morgen auf Flößen ober Fähren von aufgebla
Thierſchläuchen (Kellel genannt, f. Erdk. Th. IX. ©. 695) üb
fegen, als der Perferkönig Sapor, von feiner Seite auch
Noth getrieben, den erften Schritt zum Friepensfchluffe
der auch eiligft genug zu Stande kam, obwol es der ſchirapfi
(Eutropius lib. X. c. 17, der jelbft vabel gegenwärtig war, ı
ihn: necessariam quidem, sed ignobilem), der fogar, auf 30“
gelten follte, war, ven je ver römische Staat einging.
Nicht nur die. Oftfelte des Tigris, fondern auch noch 5 fı
des Tigris ihm in Welten gelegne Provinzen, die ver Großvate
Sapor den Nömern unter Diocletianus überlafien hatte, fı
zurücgegeben werben. Bisher waren die Grenzen bes vömi
Neiches immer erweitert worden; Hadrian hatte fle freiwillig
engt; jet fuchte Dad Heer oder vielmehr der Ängfiliche neue K
ſich durch ſolchen Verluft nur aus der größten Verlegenheit zu
ten. Hätte er die 4 Tage der Unterhandlungen, fagt Amm. 9
XXV.4, ftatt im Lager zu Dura, wo nun bei der großen Sun
noth des Heeres der letzte Reſt des Proviantd dadurch noch a;
zehrt wurde, ftille zu Tiegen, muthig zum Weitermarſche des H
benutzt, das nur noch etwa 100,000 Schritt (20 geogr. Mı
von der fruchtbaren und den Nömern gehörigen Provinz Cort
(Borpyene) entfernt war, fo hätte er dort in dem römifchen Fe
gen dem Perfer eheenvollere Bebingungen vorfchreiben Fünnen.
aber ging er ein auf bie Abtretung der Provinzen Arzanı
Moxrvena (in Armenien, f. 06.6.9), Zabdicena (Dfäefir
Omar f. 0b. ©. 25), Rehimena (völlig unbekannt und nu:
Ammian vorfommend, Purvaw b. Zof. II. 3), und Cordu
d. i. Gordyene, mit noch 15 Baftellen, mit Niſibie, Singara
ven fehe feften Caſtra Maurorum (nad Amm. Marc. X
6 nordbdſtlich über Niſibis gelegen, nahe dem Gaftell Sifara;
unbekannt) 0). her, jagt Ammian, Hätten fie freilich Lieber 3
mal fechten follen, ald auch nur eine dieſer Forderungen eing
| 200) Mannert, Beogr. der Er. n. Römer, Tb.V. 2. ©. 308.
u
Euphratſyft.; hiſtor. Rüdblid; Sulians Feldz. 363. 159
(Amm. Marc. XXV. 7, 9). So wurde die fo ſtark erbaute Sin-
gara, bie noch zulegt den Perſern getrogt Hatte, und ſelbſt Nifi»
biß, die unüberwinbliche efte, die tapferfte Schutzwehr des römiſchen
Reichs, die Sapor in drei verfchievenen Belagerungen nicht hatte in
feine Gewalt befommen, ohne Schwertſchlag perfiſch, ehe fie noch
ben traurigen Beichluß ahnen Tonnte. Die tapfern Bürger von
Riſibis erboten ſich freiwillig, auf ihre eigene Hand, ohne auf Un⸗
terfkügung von den Römern rechnen zu wollen, für eigne DVertheis
digung ihrer Burgen gegen ben verhaßten Perſerfeind zu forgen.
Die vergeblich flehenden Tapfern wurden von Jovian fammt ihrer
bexyxeglichen Habe mit ſchändlicher Gewalt ihrer Stadt entriſſen, mit
| ver fie Haus und Feld zurüdlafien mußten, um nah Amida (Diar-
bekr) übergeflevelt zu werben. Allgemeiner Jammer und Fluch gegen
en Kaiſer begleitete diefe Scene (Amm. Marc. XXV. 9; Zofim. IH.
3). Auf dem traurigen Nücmarfche diefes Heereß von Dura aus
wurde nun ber zu beſchwerliche Uferweg verlaffen, ver Tigris auf
Flögen und Fähren überfeht, und ver Rückweg durch die Mitte Dies
fepotamiens, gerabe aus, an den Trümmern von Hatra vorüber ge=
nemmen, jedoch ohne daſelbſt zu verweilen, denn bie furcdhtbarfte -
$ungerenoth mit der treulofen Verfolgung ver Perfer fing ſchon
an, dad Heer In Verzweiflung zu fegen. Und doch Hatte man von
da 70,000 Schritt (14 geogr. Meilen) bis zur Stadt Niſibis
darch Eindde zurücdzulegen, wo nur Abfinth, Steppenfräuter, ſal⸗
jigeö und ſtinkendes Wafler zu finden waren. Nach 6 mühevollen
ragmãrſchen, ohne die geringfte Erquickung, wurbe daß noch inner-
halb der yerfifchen Grenze gelegene Ur erreicht (ad Ur nomine
Persicum venere castellum, b. Amm. Marc. XXV. 8, 7), wo
dem Heere einige Lebenomittel von ven römifchen Grenzbefagungen
zugeführt wurven. Diefer Drt, vefien Namen Ammian allein unter
ven Römern überliefert Hat, dient nicht nur zur Orientirung ber
wehren Lage des alten Hatra, fonvern bezeichnet zugleich die Lage
vs Ur Casdim, d. i. das Ur der Ehalväer, vie hier nach Xe⸗
nsyhon in den an Armenien und Gorbyene grenzenden Bergen no=
mesifirten (Kenoph. Cyrop. II. 2,7, Anabas.IV.3,4. V. 5, 9. VIEL.
8,14), welches Abrabams Geburtsovt war (1. Mof. XI. 27,
29, 4) ven Tharah, deſſen Vater mit feiner Familie und feinen
Serben, die bier zu ärmliche Rahrung finden mochten, verließ, um
) Aieamäller, Handbuch ber bibl. Altherthumskunde. Bo. 1. Th. II.
1
160 Weſt-Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30.
nach Kanaan auszuwandern. Der nächfte Weg und ver beſte würbe
allerdings von Ur über Singara nad Nifihis gemeien fein, aber
die Römer hatten jene wichtige Seftung Singara ſchon unter Eon»
ſtantius verloren gehabt, alfo wendete ſich das Heer ſeitwärts über
Thilſaphata, die römifche Grenzflätte, wahrfcheinlih der Ort
Tell aafar ver türkifchen Geographie.) | und von da nach Nifibis
(Amm. Marc, XXV. 8, 16).
8) Untergang der Saffanidenherrſchaft und ihrer Re⸗
ſidenz Cteſiphon (al Madain) am Tigris durch den
Fortſchritt der Araber.
So endet der Kriegszug, der die Macht der Saſſaniden nicht
nur in den Euphrat⸗ und Tigriälänvern befefligt, ſondern ihnen
auch den Beflg über Armenien und Iberien erweitert, deren ‘Könige,
die römiiche Schüiglinge waren, fie unmittelbar verjagen, wodurch
ihr Einfluß durch ganz Vorderafien nicht wenig an Feſtigkeit ge=
‚ winnt. Es tft die Blütheperiode ihrer‘ Herrichaft, in der auch durch
die Siege über andre Nachbarreiche ihre Stänte durch Siegesdenk⸗
male mancherlei Art geſchmückt werben, ihr Hanbel und Reichthum
fihtbar fteigt, umd ihre Refidenzen, Ctefiphon am Tigrid zumal,
‚jenen Glanz gewinnt, der durch die ſpätern Berichterflatter vieleicht
noch übertrieben wird.
Unfere geograpbifche Kenntniß der Cuphrat⸗ und Tigrisland⸗
ſchaften Hat aber Eeinen Gewinn davon, ed fehlen die Darflellungen
der Einheimiſchen und die ruhigen Beobachtungen der Fremden.
Der fcheinbare Friede wirb immer wieder nach ver bergebrachten
Art durch Grenzfehden zwifchen beiden Reichen unterbrochen, und
ſelbſt im folgenven 6. Jahrhundert, währenn Kaifer Suflinian nach
fünfjährigen Perferkriegen (533 bis 539 n. Chr. Geb.), in venen
ſelbſt Beliſar eine Rolle fpielt,, durch 11,000 Pfund Gold ven end»
Iofen Srieven von Khosraes (Khodru Nufhirvan, reg. von 532
—579)%) erfauft, ver nichts anders bezeichnet als einen Waffenftill-
fand auf unbeflimmte Zeit, ver ſchon im Jahre 541 wieder gebro-
Ken war, gewinnen wir, ver. Beichreibungen Procops vom
perſiſchen Kriege, der nachher auch noch in Armenien und Kolchis
302) D’Anrille sur ur Euph. “RB 83; Mannert Beogr. d. Er. u Won.
<h. v 336. ichter hiſi ii, ‚Be. über bie Arja
und —8 Dynaſtie. — 1804. S
Euphratſyſtem; hiſtor. Xuͤckblick; unter Saffaniden, 161
fertgefegt wird, ungeachtet, Feine neue Einficht in die Kunde jener
£andfchaften. Am obern Cuphrat und Tigris halten fich die bei⸗
den Kaifer der großen Weltreiche im Weften und Often, die durch
taufend andre Unternehmungen und auch gegenfeitig fich wie ihre
Länder immerfort durch Ueberfall, Lift, Kabale und Treulofigkeit
ſchwächen, fo ziemlich das Gleichgewicht mit momentanen glänzen
den Streifzugen Saffanivifcher Heere auf Römergebiet, bis e8 im
Anfange des 7. Jahrhundert dem Kaiſer Heraclius (627 n. Chr.
Sb.) wider Erwarten gelingt, fein Uebergewicht durch Feuer und
Echwert gegen Khosru Parviz, den Saſſanidenkönig, bis vor die
Thore von Gtefiphon geltend zu machen, wo er nebft vielen andern
Stävten und Schlöffern felbft die glanzvollſte Neflvdenz Daſtagerd,
2 Tagreifen im Nord vom Tigris entfernt, in einen Schutthaufen
verwandelte. Doch wird hiedurch nur eine genauere geographifche
Kenntniß einiger fonft unbekannt gebliebenen Ortfchaften am Oftufer
des großen und Fleinen Tigris, oder am Didjala und an den Zab⸗
Häfen gewonnen, worüber fchon früher vie vollftänvigften Nachriche
ten über vie dabei zu ermittelnden Localitäten gegeben find (Erdk.
3. IX. ©. 445; 500 — 510). In den letzten 8 Jahren feiner
Regierung verlor aber Heraclius diefelben Provinzen, die er mühe
fm den Berfern abgekämpft hatte, an die Araber. Von ven
Euphratlandfchaften, vie in dieſer Periode ſchon fehr Häufig von ven
arabifhen Horden, damald Saracenen genannt, meift von
Bozantinern dazu aufgeregt, überfallen werben, erhalten wir gar Feine
nähere Rachrichten über ihre Zuſtände. . |
Erſt mit dem Sturz der Safſaniden durch vie Mohame⸗
daner, und durch die Eroberung Cteſiphons durch Omar,
wird der ganze Blanz und Reichthum dieſes Koönigsſitzes bekannt,
and der Verkehr fichtbar, ver dieſe Stadt zwiſchen Orient und
Derivent zu dieſer Höhe Hatte emporbeben können. Zugleich wir
fe alles ihres Schmuds beraubt und in einen Afchenhaufen ver
wandelt, von dem nur ein einziged Denkmal übrig geblieben iſt,
der wenigſtens die Stätte bezeichnet, wo fie einft geflanden hatte.
In hyoͤchſten Glanze ver Herrſchaft, da Khosru Parviz noch
nicht von Heraclius gevemüthigt war, erzählen die Mohamedaner,
habe er von dem damals noch unbefannten Bürger von Mekka bie
Gnlsbung erhalten, ihn als ven Botigefandten anzuerkennen. Er
Gabe Die Cinlabvung verworfen und das deshalb an ihm gerichtete
Ritter Ereinude X. | 2.
160 Wefl:Afien. III Abtheilung. I. Abſchnitt. $.30.
nach Kanaan auszumandern. Der nächte Weg und der befte würbe
allerdings von Ur über Singara nad Nifibis gemeien fein, aber
die Römer hatten jene wichtige Feſtung Singara ſchon unter Con⸗
ſtantius verloren gehabt, alfo wendete fich das ‚Heer ſeitwärts über
hilf aphata, die roͤmiſche Grenzſtätte, wahrſcheinlich der Ort
Tell aafar ver türkiſchen Geographie, ®) | und von da nach Niſibis
(Amm. Marc, XXV. 8, 16).
8) Untergang ber Saſſanidenherrſchaft und ihrer Re⸗
fidenz Cteſiphon (al Madain) am Tigrid dur den
Bortfchritt der Araber.
So endet der Kriegdzug, der bie Macht der Saffaniden nicht
nur in ven Euphrat⸗ und Tigrislänvern befefligt, fondern ihnen
auch den Beflg über Armenien und Iberien erweitert, deren’Könige,
die römische Schüglinge waren, fie unmittelbar verjagen, wodurch
ihr Einfluß durch ganz Vorberaflen nicht wenig an Feſtigkeit ge⸗
winnt. Es iſt die Blütheperiode ihrer‘ Herrichaft, in ber auch durch
die Siege Über andre Nachbarreiche ihre Stänte durch Siegesdenk-⸗
male mancherlei Art geſchmückt werden, ihr Handel und Reichthum
ſichtbar ſteigt, und ihre MNeflvenzen, Ctefiphon am Tigris zumal,
jenen Glanz gewinnt, ver durch die ſpätern Berichterſtatter vieleicht
noch übertrieben wird.
Unfere geograpbifche Kenntniß der Cuphrat⸗ und Tigrisland⸗
ſchaften hat aber keinen Gewinn davon, e8 fehlen die Darfiellungen
der Einheimifchen und die ruhigen Beobachtungen ver Fremden.
Der fiheinbare Friede wird immer wieder nach ver hbergebrachten
Art durch Grenzfehden zwifchen beiden Reichen unterbrochen, und
ſelbſt im folgenden 6. Jahrhundert, während Kaifer Juſtinian nach
fünfjährigen Perferkriegen (533 618 539 n. Chr. Geb.), in denen
ſelbſt Bellfar eine Rolle ſpielt, durch 11,000 Pfund Gold ven end»
loſen Srieven von Khosroes (Khodru Nufhirvan, reg. von 532
— 57978) erfauft, der nichts anders bezeichnet als einen Waffenflill-
fand auf unbeflimmte Zeit, der fchon im Jahre 541 wieder gebro«
hen war, gewinnen wir, ver. Veichreibungen Procops vom
perfiichen Kriege, der nachher auch noch in Armenien und Kolchis
303) D’Anville sur ur \Euph. 7 83, Mannert Bengr. d. Er. Wom.
Th. V 336. *s) Richter bifl. fi, „Berl über bie Arja
und —8* Dynaſtie. Leipz. 1804. S
Euphratſyſtem; hiſtor. Ruͤckblick; unter Saffaniden. 161
fertgefegt wird, ungeachtet, Feine neue Einficht in die Kunde jener
Randfchaften. Am obern Guphrat und Tigris halten fh die bei⸗
ven Kaifer der großen Weltreiche im Weften und Often, pie durch
taufend andre Unternehmungen und auch gegenfeltig fich wie ihre
Länder immerfort durch Ueberfall, Lift, Kabale und Treulofigkeit
ſchwãchen, fo ziemlich das @leichgewicht mit momentanen glänzen
den Streifzügen Saffantvifcher Heere auf Romergebiet, bis es im
Anfange des 7. Jahrhunderts dem Kaiſer Heraclius (627n. Chr.
Geb.) wider Erwarten gelingt, fein Liebergewicht durch Feuer und
Schwert gegen Khosru Parviz, ven Saffanivenfönig, bis vor die
Thore von Cteſiphon geltend zu machen, wo er nebft vielen andern
Städten und Schläffern felbft die glanzvollſte Reſidenz Daftagerd,
2 Zagreifen im Nord vom Tigris entfernt, in einen Schutthaufen
verwandelte. Doch wird hiedurch nur eine genauere geographifche
Kenntniß einiger fonft unbekannt gebliebenen Drtfchaften am Oftufer
x großen und Fleinen Tigris, ober am Didjala und an den Zab⸗
Küffen gewonnen, worüber ſchon früher die vollſtändigſten Nachrich⸗
ten über die Dabei zu ermittelnden Loralitäten gegeben find (Erf,
%. IX. ©. 445; 500 — 510). In den letzten 8 Jahren feiner
Regierung verlor aber Heraclius diefelben Provinzen, die er müh⸗
fam ven Berfern abgefämpft hatte, an vie Araber. Bon ven
Euphratlanpichaften, die in diefer Periode ſchon fehr häufig von ven
arabifhen Horden, damald Sararenen genannt, meiſt von
Byzantinern dazu aufgeregt, überfallen werben, erhalten wir gar Feine
nähere Nachrichten über ihre Zuftände.
Erſt mit dem Sturz der Saffaniven dur bie Mohame⸗
daner, und durch die Eroberung Cteſiphons durch Omar,
wird der ganze Glanz und Reichthum dieſes Königefiges bekannt,
uns der Verkehr ſichtbar, der dieſe Stadt zwiſchen Orient und
Drrlvent zu dieſer Höhe hatte emporheben koͤnnen. Zugleich wird
fe alles ihres Schmucks beraubt und in einen Aſchenhaufen ver⸗
wandelt, von dem nur ein einzige8 Denkmal übrig geblieben iſt,
| wenigftene die Stätte bezeichnet, wo fie einft geftanden hatte.
. Im hoͤchſten Glanze ver Herrſchaft, da Khosru Parviz noch
ut von Heraclius gebemüthigt war, erzählen die Mohamedaner,
habe er von dem damals noch unbekannten Bürger von Mekka vie
Gnlstung erhalten, ihn als den Gottgeſandten anzuertennen. Er
habe die Einladung verworfen und das deshalb an ihm gerichtete
Alter Erdkunde X. Zu
162 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 30.
Schreiben zerrifien; ®) worauf Ihm von Mohamed ver Ausruf
zugefommen: fo werde Allah auch das Reich Khosroes zerreißen
‚und fein Flehen verwerfen. Die Zeitangabe diefer Sage iſt natür⸗
lich ſehr ſchwankend.)
In derſelben Nacht, da Mohamed geboren war, erzählt Abul⸗
feda, 66) Habe. ein Erdbeben ven Pallaſt des Khosroes zu el
Madain fo gewaltig erſchüttert, daß 14 feiner Thürme eingeſtürzt
wären;. vie Heilige felt taufend Iahren brennende Flamme der Per-
fer ſei erlofchen, ver Baheiret Same (oder ver See am Pallacopas
f. ob. ©. 44) fei troden gelegt und ver Tigris habe große Ueber⸗
fchwemmungen verurſacht.
Dieſe böfen Omina zeigen wenigſtens die Bedeutung, welche
damals dieſe Refidenz in ven Augen ver Nachbarn Hatte. Das
letzte beflätigt der Gefchichtfchreiber EI Maſudi als eine Thatſache,
die wol auch nicht ohne Einfluß auf vie Localität jener Gapitale
geblichen ift, von ver ſchon früher das Eigenthümliche ihrer Lage
auf einer großen Halbinfel angeführt wurde, welche der Tigris von
allen, außer ver Nordſeite umfluthete. Alle Hiſtoriker wiſſen es, fo
fagt EI Maſudiss) und feht ed alfo als ein Factum voraus, daß
im flebenten Jahr ver Hegira, ald der Prophet feine Boten zum
Kisra (Khosroed) ausfandte (alfo im Jahr 628 n. Ehr. Geb.), der
Eupbrat und Tigris fo Hoch angeſchwollen waren, wie niemals zu⸗
vor. Ihre Wafler machten überall gewaltige Einbrüche und wuſchen
* Höhlungen aus, größer ald die Candle; da nun die Dämme bie
Waffer nicht mehr zurüchielten, breitete fich vie größte Ueberſchwem⸗
mung aus. Der Perferfönig Abrawaiz (vd. i. Parviz) fuchte zwar
die Waffer wieder einzubämmen und zu beberrfchen, er war ed aber
nicht im Stande, und die Strommafler nahmen damals ihren Lauf
gegen die Stelle, wo heut zu Tage (im 10. Jahrh.) vie Moräfte
fowel am Euphrat wie am Tigris liegen. Die befannteflen Land⸗
haften wurden unter Waſſer gefegt und ganze Diftricte verwandel⸗
ten fi in jene weiten VBerfumpfungen, gegen bie jeve Arbeit un
zureichend geblieben If. Denn vie Perfer wurben bald fo fehr mit
den arabifchen Kriegen beſchäftigt, daß Niemand daran denken Eonnte,
während die Waſſer Immer neue Schranken durchbrachen, dad Liebel
*2 Abulfedae Annales Moslemic. ed. J. J. Reiske. Lips. 1754.
4 p- 41 °5) Abulfedae Annales ibid. p. 22. cf. b. Wüsten-
feld. Tabulae 1. ©. not, p. 100. °**) El Masudi Hist. encycl.
the meadows of sol etc. bei Al. Sprenger. Lond. 184 8.
Vol. I. p. 254.
‘
Euphratſyft.; biftor. Ruͤckblick; unter Saffaniden. 163
wieder gut zu machen, bad Immer größer wurde. Um vie Größe
dieſer DVermüflung des Landes zu bezeichnen, führt EI Mafupt
ex, daß unter Khalif Moawiah (vem erflen ver Ommajaden; ex
ſtirbt im Jahre 679) der Tribur von Irak allein in 15 Millionen
Dirhems befand, die durch die abgefchnitinen Schilfwälder in
diefen Berfumpfungen gewonnen wurben, welche damals ver
Staat als fein Eigenthum in Anſpruch nahm. Die Wafler Hätten
aber fpäterhin immer noch mehr Verwüſtungen angerichtet, und nur
wenige Verſuche unter dem Khalifen el Walto, durch Hejjaj Ben
Iufuf, ſeien gelumgen, Ländereien wieder zu gewinnen, fo daß zu
E Maſudi's Zeit (Mitte nes 10. Jahrh.) dieſe Berfumpfungen
eine Strecke von 50 Barfang Fänge (nahe an 40 geogr. Meilen)
und eben fo viel Breite einnahmen. In ihrer Mitte bemerkte man
damals auf etwas anfleigendem VBoden die Ruinen einer Stadt, von
ver man bei Harem Wafler noch die Bauwerke und vie aufrechten
Grundmauern unterſcheiden Eonnte, wie EI Maſudi ähnliche er⸗
foffene Bauwerke im Nilvelta Aegyptend (es meint wol bie Ruinen
von Heliopolis unter Waſſer, |. Erdk. Th. I. S. 824) geichen zu
haben angibt. Die Hier gemeinte Stabt wird nicht mit Namen ges
nannt. Wir glauben nicht, daß eben Etefiphon damit gemeint fel;
aber wir bemerken hierbei, daß wol auch pie Umgebungen von Sitace,
Seleucia, Cteſiphon, el Madaim, Eoche und Rumiya, welche insge⸗
ſammt mehr oder weniger dicht benachbart in dieſelbe Localltät zu⸗
ſammenfallen, in welcher der große ſo mancherlei Wechſeln ſeines
Waſſerſtanded unterworfene Konigscanal im fpigen Winkel zum
Tigrislaufe ſtieß, dadurch mancherlei Veränderungen erlitten haben
werben, weiche das Wiedererkennen dieſer Ortslagen nothwendig er⸗
ſchweren müſſen, zumal da bis jet noch weder genaue Ortsaufnah⸗
men gemacht, noch vie feſten Denkmale daſelbſt gehörig unterſucht ſind.
Da wir ſchon von Seleucia erwähnt haben, was uns die
Geſchichte davon überliefert hat: fo bleibt ung hier zum Schluffe
nur übrig, der wenigen hiſtoriſchen Fingerzeige ebenfalls zu ges
beufen, die wir über die Partherſtadt, die Saſſaniden⸗Reſi⸗
denz &tefiphon und Al Madain, ihre Lage und Bedeutung er⸗
halten, welche ihre Denkmale auch beftätigen, deren beſondre Be
Weribung jevoch erſt weiter unten folgen Tann.
Reben Geleucda, ver Griechenſtadt, erhob fich unter den Arſaci.
uGteiiphon, die Bartherftant, die anfänglich nur ein kriege⸗
es, auch ſtrategiſch wohlgemähltee Winterlager, wie fi
ans Pelybius Beichreibung von Xendtas weldzugen 8 gegen Molon
16% WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30.
ergibt (Polyb. hist. lib. V. c. 46), für ihre ſcythiſchen Horden ab⸗
gab (f. o. S. 70), um den Seleuchern nicht beſchwerlich durch Ein⸗
quartirung zu werben. Uber die Partherfönige nahmen daſelbſt,
des milden Klimas wegen, ebenfalld ihre Winterwohnung, und fo
wurde fie zu Strabo’8 Zeit (XVI. 743) mit unzähliger Menſchen⸗
. menge gefüllt; die Könige flatteten fle mit jebem Bedarf aus, und
verforgten fie mit Waaren und Kunftwerfen aller Urt. So nannte
fie ſchon Tacitus im erften Jahrhundert nach chriftlicher Zeitrechnung,
Ctesiphon sedes imperii Parthici (ad ann. 36 p. X. n. Annal.
VI. 42), und Pliniue gibt Ihre Lage am genaueflen nur 3000 Schritt
fern von Seleuda an (H. N. VI. 30: Ctesiphontem juxta tertium
ab ea (Seleucia sc.) lapidem in Chalonitide — :alfo auf dem
Noroufer des Tigrid — condidere Parthi, quod nunc caput est
regnorum). Wenn Ammian die Stadt buch Vardanes grün-
den und durch König Pacorus mit Einwohnern und Stabtmauern
verfehen, ihr durch ihn erſt den griechiichen Namen. Etefiphon bei-
legen läßt, fo irrt er allerdings, denn fchon weit früher als Pacorus,
ein Zeitgenoß ded Marc Antonin (Tacit. historiar. lib. V. c. 9:
rex Parthorum Pacorus, Judaea potitus, interfectusque a P.
Ventidio etc.) nennt, Polybius zur Zeit von Antiochus Feldzuge
gegen den Empörer Molon (ſ. ob. S. 70) fon das Xager bei
Etefiphon (Polyb. hist. V. 45. eis nv &v ı7 Krnoipurr⸗
Asyousyn orgaronedeiav). Wenn Procoplus dagegen beide Stäbte,
Seleucia und Etefiyhon, ‚ald von den Macedoniern, den bort
nach Alexander Herrſchenden, angelegt angibt (bell. Pers. II. 28),
>
fo läßt fich nichts dagegen fagen, doch wird auch dies von feinem
der andern Autoren In Beziehung auf Etefiphon beftätigt, obgleich
der Name ein wirklich helleniſcher ifl. Plinius Ausorud „condidere
“ Parthi“ müßte dann für bloße Erweiterung der durch Griechen zu⸗
erſt begründeten Stadt gelten. Das aber konnte Procop von den
Geſandten Kaifer Juſtinians wol mit Beflimmtheit erfahren haben,
daß der Tigris die beiden Ortölager unmittelbar von einander. -
mit feinem Strome ſcheide, und, wie er ausdrücklich fagt, Fein freier
Feldraum dazwiſchen Liege, die Städte alfo unmittelbar über dem
Tigrisufer fi erhoben. Möchte er fih nur noch mehr davon haben
erzählen lafien. Daß dieſes Tigrisufer, wenigftens ftellenweife, an
der Seite Gtefipbons Hoch gelegen war und dadurch der Stabt einige
Sicherheit gewährte, ergibt fi aus dem Ueberfalle der Vorwerke
ber Stadt in Julians Feldzuge. Die Stavt blieb anfänglich, wie
es fcheint, ohne beſondre Befeſtigungswerke, denn Trajan wis Luc.
u ⏑ — —— —
Berus nahmen wenigſtens ohne Belagerung Beſitz davon, und ber
Iegtere verbrannte ſegar daſelbſt ven Pallaſt des Partherkonigs Vo⸗
logeſes III., den er ganz in Aſche legte (ſ. ob. S. 122), ohne Wi⸗
derſtand zu finden. Es ſcheint dies nur mit einer ganz offenen
unverfchanzten Lage dieſes Lagerortes ver Parther, vie ſich noch
nicht viel mit Feſtungswerken abgegeben haben werben, vereinbar
zu fen. Doch blieb fie bis gegen das Ende der Partherherrſchaft
die Reflvenz ihrer Arſacidiſchen Könige, denn als Kalfer Severus
furz vor dem Aufblühen der Safjaniven Dynaſtie jenen Zerſtd⸗
rungszug gegen Cteſiphon ausführte, entfchlüpfte ihm kaum noch
ver König mit den Seinigen aus jener Reflvenz (Herodian. III. 73),
bie den römischen Legionen ganz zu Brand und Plünderung preid-
gegeben war, und doch noch an Hunderttaufend Gefangene lieferte
(Dio Cass. LXXV. 9).
Zu gleicher Zeit war nun au Seleucia völlig der Erbe
gleich gemacht und erhob fich nie wiener, dagegen Etefiphon une
ter der neuen Dynaflie der Saffanivden (fit 226 n. Ehr. ©.)
mit verfüngten Glanze aus feiner Afche emporftieg.
Doch nit vom Anfang an fcheint e8, daß dieſes Tigrisufer
die erſten Saffanivifchen Fürſten, dort ihre Refidenz aufzufchlagen,
angelockt Hätte; denn fie bauten ſich ihre Prunkfitze anfänglich in
ihter mehr öftlichen Heimath auf, zu Shahpur und Gonbifa-
pur m. a. O.; im 4. Jahrhundert aber, als ihre Herrſchaft in Vor
deraſten fie in Anaufhörliche Fehden mit ven Byzantinern und Ara-
bern vertwidelte, wird ausdrücklich von Shahpur (Sapor II. reg,
09-381), vem Triegerifchen und eroberungsfüchtigen Zeitgenofien.
Cenſtantinus M. und Julians, gefagt, daß ex ver @rbauer®7) von
Radain der Doppelſtadt gemefen, vie er in Grund gelegt and
in en em Jahre zur Reflvenz feines Neiches erhoben, und alle Gro⸗
den feined Reichs dahin bejchieden, fle zu bemohnen. Er war e8,
ver von Conſtantin die geraubten Schäe von Nifibin zurück erhiekt,
ver Iullan den Untergang bereitete, der mit Jovian ven für vie
Berfer fo glorreichen Frieden abfchloß und zulekt noch die Truppen
ve Kaiſers Valens aus dem Felde ſchlug.
Wie bedeutend zu feiner Zeit ſchon die erneuerte Neflvenz, welche
Ammian, Zoſimus, Greg. v. Nazianz und die Griechen überhaupt
neh immer Eisfiphon, die Drientalen aber Madain nennen,
307) Mrihond Hist. des Sayganiden b. S, de Sacy Men, p. 316.
*
—68
Euphratſyſtem; hiſtor. Ruͤckblick; unter Saſſaniden. 168
166 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30,
geweien fein muß, ergibt fich daraus, daß es dem Kalfer Sullan
doch zu gefahrvoll ſchien, Die Stadt felbft anzugreifen und fürmlich
‚gu belagern. Des Lagers und Paradeiſos, nicht fern von ber Stadt,
und ihrer Stabtthore, die den Flüchtlingen geöffnet waren, geſchieht
bei den genannten Autoren allein Erwähnung. Vergeblich fieht
man fich nach anvern Angaben von ver Stadt um. Gtephanus v.
Byzanz nennt nur ven Namen Cteſiphon und hat in einem Frag⸗
mente aus einem verloren gegangenen Werke Arrians ven Namen
Choche (Xwyn n. Arrianus Parthico decimo) aufbewahrt, als
einen Ort, der zwar verfchieven von Seleucia und auch wol von
Gtefiphon, jedoch ganz In deſſen Nähe Iag; unftxeitig vaffelbe, das
Ammian im Süden des Nahr Malcha nannte, alfo Eiefiphon
gegenüber, ober doch nicht viel weiter davon abwärts, an dem rech⸗
ten Tigrisufer gelegen. Diefe Coche ift es nun, welche uns das
vermittelnde Glied wird, durch welches wir wenigſtens einen Blick
auf den Einfluß gewinnen, ven vamald Etefiphon, oder die Doppel-
ſtadt EI Madain, auch auf pas reltgidfe Leben in ven Euphrat-
ändern ausübte. Denn diefe Eo che ift es, welche und in jener Zeit ver
weiten Verbreitung ver Neftorianer aus Syrien, zumal von Edeſſa
aus, durch das perfifihe Reich (Erdk. II. ©. 285) in dem Ber
zeichniß ihrer Bifchofäflge genannt wird, ald eine Vorſtadt von
Seleucia, 68) wo ber Sig des Patriarchen ver Neflorianer,
bie Ecclesia Cochensis in Mabuza war, womit bie Provinz der
Hauptkirche des Patriarchen bezeichnet wird, Die aber an einer an«
dern Stelle auch die Vorſtadt von Cteſiphon genannt wir.
Etefiphon felbft wird unter ver Patriarchalſtadt mit Coche und
Seleucia verflanden, und diefelben zug leich Modaina, Mapdain,
bei Syrern Medinata, i. e. binae urbes genannt, welche zuvor
auch der erzbifchöfliche Sig des Metropolitan ver Neflorianer im
Driente geweien fel. Noch. ein anderer Name, veffen Entfichen uns
unbekannt, kommt gleichbeveutenn mit dem Ortsnamen Cteſiphon
bei den Neftortanern in Gebrauch, nämlih Spanira, erſt als Archi⸗
epifcopal- und dann als Patriarchalfig der Neftorianer, worüber: wir
aber feinen weitern Aufichluß erhalten. Nah Cuſebius Berichten,
der ben Berzeichnifien ver Edeſſaner folgt,®) ging die ſyriſche
»*8) Notitia ecclesiar. Metropolit. et Episcopal. etc. in Assemani
BibL Or. T. II. P. 2. fol. DCCV etc. 3. v. Coche, Ctesiphon,
Mabuza, Modain, Epanira. °®) De Syris Nestorlanis dissert.
Be Vs A 7” Ger" GE Be "177 CE EEE
— ee — ⸗
Euphratf. ; hiſtor. Ruͤckbl.; unter fyrifchen Chriften. 167
Kirchenlehre ſehr frühzeitig durch die Schüler des Thappäus uns
tr Abgarus Schut in Edeſſa (Osrhoene, f. ob. S. 118) zu ven Per-
ſern über, und ſchon deſſen zweiter Schüler, Mares, nahm feinen
ſeſen Sig zu Seleucia und Cteſiphon, dem Hauptfige der Magier,
der Madain hieß, wo er 15 Jahre lang bekehrte und taufte, und der
Eccleſia des Orients vorſtand. Nachdem er von da feine Mifflon
in vielen andern Gegenden vollführt Hatte, Fehrte er nah Mapain '
jueud (nad) 33 Jahren), wo er ven Sit des Batriarhen im
Orient wieder einnahm, vafelbft (19. Jul. 390 nach grischifcher
Beitrechuung) farb und in der großen Kirche zu Dor kena
jur rechten Seite des Altars begraben wurde. Disfed Dor Teng
der Araber, Dair Eona oder Dair kuni der Shyrer, war ein Ort .
nahe bei Eoche, und wurbe auch Beth Daraja (Bapraja bei
Abulfeda, oder Badaraja) genannt. Es blieb die Brabflätte ver
ätieften ſyriſchen Archiepiſcopen in Seleuda und wurde auch durch
fine Schule und ein Klofler bekannt, die aber erſt fpäter zu
Ehren des Mares errichtet wurden. Die Eccelefia zu Code
blieb aber die Kirche der Orbinatton für die Patriarchen
des Drients nach dem forifchen Rituale ver Chaldäer; fie wurde
daher fortwährend befucht, und Eonnte, da felbft bier in Seleuca
frũhzeitig Synoben ver orientalifchen Kirche zu Stande famen, wie
z. B. im Jahr 410, wo 40 Epifcopen verfammelt waren unter
Maruthas Borfig, nicht ohne Einfluß auf die Verbreitung ihrer
Lehre bleiben. Bon Mared erzählt die fpätere Sage, daB er in
Madain viel mit ven Magiern zu kämpfen hatte, doch eine große
Kirdye Dort erbaute, und zu Dor kena eine edle Matrone zur Taufe
brachte, Die ihr But ald Opfer darbot, worauf er das bortige Py⸗
räum, das Heiligthum in welchem das Feuer ald Symbol des Dre
muzd verehrt wurde, in einen chriftlichen Tempel verwandelte, in dem
feine Leiche nachher beigeſetzt wurde. Bon bier breitete fich vie Lehre
durch vide Orte Perfiend aus, und ganz beſonders waren bie Pa⸗
triarchen von Seleucia, wahrfcheinlich wegen des damals häufigen
Bandelsverkehrs zwifchen Etefiphon und Indien, auch vie anfänglichen
Plsger und Beichüger der Thomaschriften in Dekan, deren Dre
Dinaflonen ſtets von dem Mareöfige zu Seleucia ausgingen, die jedoch
feit dem 7. Jahrhundert von ihnen vernachläffigt zu fein ſcheinen
(f. Exot. Th. II. S. 284. Ih. V. S. 605). Hier entſtanden daher
fo manche theologifche Streitigkeiten zwiſchen den unter den Saflar
nöden fo zelotifch geworbnen verjüngten Ormuzddienern und ben
chriſtlichen Secten, die um fo heftiger waren, da bie perfifche Prieſter⸗
168 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.30.
Tafte, die Magier, Alles anwandten, ihre alte Lehre vor der neuen
zu fichern, die vielfach durch das Perferland verbreiteten jüdiſchen
—— an ihren feindlichen Anſtiftungen Theil nahmen, und
die ſchwankende Politik der Regenten gegen das —— en
nifche Nachbarreich bald die Chriſten als Schuͤtzlinge aufnahm, bald
fie im Feuereifer für ihre Staatöreligion auch wieder grauſam ver⸗
folgte.
Bon dem Einfluß, dem dieſe Zuſtände auf die Lehre des Mani
und die Verbreitung der Manichäer gegen Ende bes II. Jahrh.
zur Zeit Shahpurs I. ausgeübt Hatten, iſt ſchon früher vie Rede
gewefen (Erdk. Th. VI. S. 270. Durch längere Seit der Duls
dung der forifchen Kirche Eonnte ihr Einfluß mol fehr beveutend
werben: benn bis gegen die Mitte des IV. Jahrhunders hatte nah
keine Ehriftenverfolgung der Saffanivifchen Könige gegen viefe Kirche
flattgefunben, wie dies fi) auch aus dem Briefe Kaiſer Conflantins
an Shahpur (Sapor II.) ergibt, In welchem viefem fogar ver Schuß
ver Ehriften im Perſer⸗Reiche empfohlen wird. 79) Die erfte große
Verfolgung fand erft im I. 343 n. Chr. Geb. flatt. Die Beran-
laffungen dazu waren die Verläumbungen ver vortigen Suben und
deren politifche Anfchwärzimgen ver perflichen Biſchöfe bei dem per
flihen Monarchen und das völlige Mißverſtehen ver Lehren ver fg»
riſchen Kirche. Iene blutige Verfolgung begann mit dem ehrwür⸗
digen Greiſe Symeon, dem bamaligen Biſchof von Seleucia
Gtefiphon, 72) der der Sohn eines Föniglichen Purpusfärbers
war, mit dem Greife Guhſciatazades, dem erſten Hofbeamten
des Sapor, mit Phuſik, einem feiner erften Hofarbeiter, alle eife
tige Bekenner des, Evangeliums, woraus fich zeigt, welchen Cin⸗
fluß die Lehre ſelbſt am Hofe gefunden hatte, und mit der ‚Hinrich«
tung von hundert Geiftlihen des Landes, bie als Martyrer fielen,
In dieſer Seit und der folgenven noch 'vierzigjährigen Reihe ver
Regierungszeit Sapor Il. zeigte vie Fortdauer der Chriſtenverfol⸗
gung, daß es dort nie an Laien, Diaconen, Presbytern und Epi⸗
feopen ver ſyriſchen Kirche gefehlt Hatte, welche dem Martyrtode 72)
mit feſtem Glauben und Hohen Muthe entgegen gingen. Wenn
dann zumellen, wie während ver Verhandlungen des Kaiſers Theo⸗
doſtus II. mit Jezdegerd II., durch des Bischofs Maruthas von Tas
310) Meander Algen. Geſch. der chriſtl. Religion und Kicche. 1828.
25. I. 2 11) Neander a. a. O. ©.231; ct. b. Asse-
mani |. c. 5% LII, ’32) De Syris Nestor. b. Assemani L. c,
fol, AXXV, etc, = .
pr
Eupbratf.; hiſtor. Ruͤckblick; unter Neſtorianern. 169
grit (d. i. Tekrit am Tigris) weiſes Benehmen, 73) die Wuth der
Berfolgung von Zeit zu Zeit nachließ, fo kehrte fie doch immer
Bald wieder und zerflörte nicht nur ſehr Vieles, mas für die Ver⸗
breitung des Evangeliums ſchon gewonnen war, fondern trug auch
insbefondre fehr vieles zur Entvölferung und zum DBerfall von Ete-
fiypon und aller Ortfchaften am Tigris und. Euphrat bei, aufwärts .
bis nah Hira, Tekrit, Bezabde, Niſibis, Eveffa und -
Amida, deren Bewohner in dieſen Schreddensperioden die einzige
Rettung auf dem Geblete des römifchen Reiches finden konnten und
dahin in zahlreichen Schaaren auswanderten, obwol fie auch da
nicht felten das Loos des Martyrthums, mie 3. B. zur Zeit Ju⸗
Hans, traf. In diefer Periode war ed, daß die ganze chriftliche Bes
völferung von Niſibis zur Emigration nad) Amida gezwungen
war, daß die 9000 chriſtlichen Bewohner von Bezabde jammt ie
sen Biſchoͤfen Heliodorus, Daufas, Marjabus und Ebedjeſus 7*) in
die perſiſche Befangenfchaft abgeführt wurden, wovon vie meiften
ven Tod erlitten. Während einer kurzen Perlode der Duldung un⸗
ter Sapord II. Sohn, Ardeſchir (Artaxerxes II. zeg.. 381—388), er⸗
bielt Giefipbon, das lange ohne Epifcopus geblieben war, wieber
in Tomarſa feinen erſten Geiftlichen, ver aber ſchon 392 flarb, und
"you da gingen die Stiftungen neuer Kirchen in Hirta (movon oben
vie Rebe war, |. ©. 60), in Meſene und in andern Orten ver Eu⸗
yhratlänver auß.
Erſt als die Lehrfireitigkeiten im rönifchen Reiche im Berlauf
des V. und VI Jahrhunderts jene Spaltung 75) (durch Neflo-
sinsBerbammung 431) zwiſchen ver chriftlichen Kirche des per⸗
ſiſchen und des roͤmiſchen Reiches hervorbrachten, mußte dadurch ber
yelitifche Grund der Verfolgungen in Perſien wegfallen und dies
auf die Page ver perſiſchen Ehriften vortheilhaft zurädwirten. Wie
vie Lehre des Neſtorius, der erſt nach Petra in Arabien verbannt,
Yan in einem Klofter zu Antiochia Iebte, und endlich in ver ägyp⸗
tiihen Thebais flarb, einen fo großen Einfluß in Aflen gewinnen
kennte, ergibt fich vorzüglich daraus, daß vie berühmtefte Schule zu
Eveſſa, in welcher damals die Theologen für die forifche Kirche in
Berfien gebildet wurden, einen fehr eifrigen Neftorianer zum Vor⸗
fande erhalten Hatte, und daß der Biſchof des Orients ebenfalls
Vvartei nahm gegen vie Verfolger des Neftorius. So werden Bar⸗
’5) Meander a.0.D. ©.235. 72) De Syr. Nest. I. co. ſol. LX.
8) Meander a, a. D. S. 241. -
“
[4
17Q Weſt-Aſien. TIL. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30,
fuma, Biſchof von Nifibis, 435 618 489, aus ber ebeffenifchen Schule,
mit feinem Begleiter Narjes, ver 496 flicht, als die eifrigften Ber
breiter der Neftorianifchen Lehre in den ſyro = perfifchen Landſchaften
angefehben. Bon ihren Parteien wurde Barfuma’s Nachfolger,
Joſeph Hazita, und Babaeus 496 als Erzbifchof von Seleu-
cia erwählt, wo biefer auf der dafigen Synode im Jahr 496. die
Lehre des Neſtorius beftätigte. Dies fiheinen die Hauptmo⸗
mente geweien zu fein, welche dem Neftorianismus über Seleuche
durch, die ſyriſche Kirche ven Eingang nach ganz Oft aiſten be⸗
veiteten. 76)
Die Schule der Neſtorianiſchen Kirchenlehre, im Gegenſah der
katholiſchen der Byzantiner, fand nun an den Saſſaniden⸗Königen
eine ſtarke politiſche Stütze; fie blühete in Niſibis vorzüglich
auf, dort kamen Synoden zu Stande, deren Beſchlüſſe von den Per⸗
ſerkönigen Beſtätigungen erhielten. Die Archiepiſcopen zu Cteſi⸗
phon⸗Seleucia wurden aber als die Primaten anerkannt; ihr
Sitz, das Neſtorianiſche Patriarchat, als Haupt der Kirche im
Orient, übte immerfort einen ſehr weit verbreiteten Cinfluß im Oſten
der Erde aus. Die Neſtorianer fliegen nun als Schrriber, Bau⸗
meiſter, Kaufleute, Aerzte, Präfeeten,. Vertraute der ſaſſanidiſchen
Könige zu hohen Ehren auf, und dieſes Verhältniß ging auch ſpaͤ⸗
terhin auf ihre Nachfolger, die mohameranifchen Khalifen, über,
welche anfänglich ihnen einen ausgezeichneten Schuß gewährten 77)
(EHE Th. IX. ©.287; Xh. II. ©.285).
Dies find faſt die einzigen Nachrichten, die in die damaligen
Zuſtände des innern Lebens der großen Safſſaniden⸗Capitale einen
Blick geſtatten, woraus auch mancherlei in fabelhafte Erzaͤhlungen
verkleidete Angaben über die dortigen Hofgeſchichten, wie fie in Mir⸗
khond's Geſchichte der Safſaniden 78) von fremden Baumeiftern, von
chriſtlichen Vezieren, von Sektirern, von chriftlichen Prinzeflinnen,
z.B. Nuſchirvans Gemahlin, u. a. vorfommen, einiges Licht erhalten.
Bon diefem Khosroes Anufhirman (532—579), dem
flegreichen Gegner Kaifer Iuftinians, erzählt Mirkhond, 79) daß
er bei feiner Eroberung von Antiocdhia, der fihönften Stabt in Sy⸗
rien, fo fehr von ihr eingenommen wurbe, daß er ihren Plan zu
370) J. CL Rich Narrat. nad) Assemani Vol. II. p. 112, not.
77) Nestorianorum status sub regibus Persar. 6.2. foL LXXXVU.
und sub Chaliphis 6.8. fol.XCIV. bei Assemani Bibl. Or. T. III.
P.TL.1.c. ’®) Mirkhond, Hist. des Sassanides b de Sacy
L c. p. 327, 367 u. 0. ©. 79) ebend. p. 366.
Euphratſyſt.; hiſtor. Ruͤckblick; unter Saffaniden. 171
Bapier aufzeichnen lleß und ven Befehl gab, eine ihr ganz gleiche,
in Nichts abweichende Stadt ganz nahe bei Madain, feiner Dop⸗
yelflabt, aufzubauen, in welche er, als fie beenbigt war, alle Bewoh⸗
ner der ſyriſchen Autiochia gewaltfam verpflanzen und überfieveln
Be. Sie fol in Straßen, Plägen und allem, wad dem Geſchicht⸗
ſchreiber ſelbſt ſehr auffallend ſchien, ver forifchen Stadt gleich ges
weien fein, und erhielt ven Namen Rumia, d. t. die Römer»
Radt. Zur Zeit. Greg. Abul Pharaj, fagt derfelbe, ward fie Al
Mahuza ©) genannt. Jene Anlage wird von Procopius (bell.
Pers. II. 14) beftätigt, der aber die neue Stadt, bie doch wol feine
andere als jene Rumla fein kann, Ehosro Antiochia nennt, fie
eine Zagereife fern von Cteſiphon aufbauen, mit Circus, Bädern,
mit Wagenrennern, Muflfern und allen Annehmlichkeiten des römi«
ſchen Lebens verfehen läßt, und fagt, daß die große Zahl der dahin
übergefievelten Gefangenen bafelbft ihre eignen Gerechtſame erhiels
ten, unter keinen Satrapen, ſondern unmittelbar unter den König
zu leben kamen, und das Recht, Ihre Verwandten, die fich etwa in
Sclaverei anderer Perſer befanden, ald Freie unter ſich aufzunch-
men. Auch von der Infel Rhodus, welche damals von den Per-
ſern befegt war, erzählt Greg. Abul Pharaj, habe Khosroes 81) al«
les, was von ſchoͤnen Marmorfäulen und fonfligem Tempelichmud
vort war, zur Verfchöneruug nach feiner Hauptſtadt Madain brin-
gen kafien. Unter den vielen von biefem Regenten erzählten Hiflde
zien iſt auch die eine von dem Gefandten des Kaljerd von Byzanz
zu bemerten, ver den Pallaft zu al Madain 8?) wegen feiner
Schoͤnheit, feiner großen Pracht, feiner Größe und Höhe bewun⸗
werte, und nur einen Fehler ver Unregelmäßigfeit daran tadelte,
vie aber ald eine Folge der @erechtigleit ded Monarchen audgelegt
wurde, weil dieſer den flörenven Fleck der Eigenthümerin, vie fich
zum Berfauf deſſelben nicht hatte entfliehen Fönnen, doch nicht mit
Gewalt hatte entreißen laſſen. Den Pallaft Hatte alſo Khodroes
ſelbſt erbauen lafien; ed kann wol Fein anderer fein ald der Ai⸗
san 8) (Ivan) oder fpäterhin Tauki Khesri (Tal Kesro und
Tat Khosri bei Arabern und Perſern, Thron Khosroed) genannte,
deſſen Ruinen noch heute Die Stelle des alten Cteſiphon verkünden.
Doc bleibt die Beichichte feiner Erbauung, diefer Andeutungen uns _
°*) Greg. Abul Pharaj. Hist. dynast. ed. Ed. Pocock, pag. 49.
sı) ebendaſ. pag. 08. °8) Mirkhond, Hist. des Sassanides 1. c.
2) Nichter, hiſtor. kit. Verſ. a. a. D. ©..228.
172 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. , 30.
geaghtet, in. fo grandiofem Style noch immer ein Räthſel. Bon
vem Prunkleben in dieſem Pallaſte unter Khosru Parviz (reg.
590—628), dem Gegner des Kaiferd Heraclius, wird bei den Orien⸗
talen die übertriebenfte Schilverung 9%) gegeben, und doch Hatte er,
um böfen Borausfagungen zu entgehen, auf längere Zeit Ctefiphon
felbft vermieden, und fih zu Daftagerd feinen Refidenzfitz mit
gleichem Luxus erbaut (ſ. Erdk. IX. S. 504), wo er aber doch fel-
nem Schiefale unterliegen mußte. So dicht grenzte hier der Höchfte
Glanz des Reichs an deſſen ſchmähligſten Sturz, der unmittelbar
nah Khosru Parviz erfolgte.
Nach grenzenlofen Verwirrungen im Haufe der Saffaniben,
als die nene Lehre mit dem Koran und dem Schwert ſich aus Ara⸗
bien fhon über die perflichen Orenzlanpfchaften verbreitet hatte und
ein funfzehnjähriger Prinz, Jezdegerd, aus Iſtakhar Herbeigerufen
war, um zu Mapain im Pyräo 85) zum legten male mit ver
Tiara der Saffanivenfrone geſchmückt zu werden, wälzte ſich die Al
les mit fortreißende Lawine des Stegd und der Belehrung auch ge=
gen dieſen Obnmächtigen heran. Die tapfern perflfchen Reiterſchaa⸗
ren unter Ruftams, genannt Ferokhzad's, Befehl fuchten noch
am Guphrat in der Gegend von Hirah (f. oben S.61) dem An-
range ber Moslemen zu widerfichen. Nach den drei immer er⸗
neuerten blutigen Sthlachttagen, bie durch vie beſondern Bezeichnun⸗
gen des Tages der Hülfe, ver Beflürzung und des Gchen!s
bei den örlentalifchen Autoren 86) ausgezeichnet find, und unter dem
einen Namen ver Schlacht von Kadeſia (im I. 636) sufam-
mengefaßt werben, weil bei diefem Orte, nahe am Euphratufer, in
der Nähe des nachmaligen Kufa, die große Wahlftatt war, wurde
in der Hitze der Mittagsfonne und ver Sandwolken des vierten Tas
ges das Schiefal von Perfien auf immer entſchieden. Die Ormuzd⸗
dieneg eniflohen und vie Anhänger des neuen Propheten verfolgten
jle in ver Hitze des Sieged bis zu ben Ufern des Tigris, über ven
Nahr Schtr, den Canal, mo ihnen die Refidenz Modain Khosru,
wie fie Abulfeva in feiner Gefchichte nennt, mit ihrem fo berühm⸗
ten „weißen Pallafte” wundervoll entgegentrat. In lautem Ju⸗
bel jauchzte die Menge zur Verherrlichung Allahs auf, denn bad
fet, riefen ſie mit Staunen, das weiße von ihrem Propheten ver⸗
heißene Palatium! Es war gegen Ende des 15. Jahrs der He⸗
304) Richter a. a. O. 5.234 86) Mirkhond, Hist. des Sassa-
nides.l.c.p.416. 20) Abulfeda Annal. Mosel. ed.Reiske, p. 60.
Euphratſyſtem; hiſtor. Ruͤckblick; Saſſaniden Sturz. 173
gira (Anfang Februar des Jahres 633 n. Ehr. Geb.), als Omars
deldherr Saad, Ben Abu Wakkas, ven Tigris überfchritt; Dez-
degerd war mit feinem Haufe und fo viel Schätzen, als er hatte
davonbringen Ffünnen, zum mebifchen Gebirgälanve, nach Holwan
(Erpf. Ih. X. S. 467) entflohen. Ohne Wiverfland warb die Stabt
erſtürmt, und was ſich von Menfchenleben vorfand, nievergehauen;
der Ballaft von dem Feldherrn Saab eingenommen, das Hauptquar⸗
tir hineingelegt und ein Oratorium. zur Vorleſung des Korans
darin aufgerichtet. Dies ift unftreitig die Urfache feiner Erhaltung
gewejen, denn feine Mauern allein find auf. dem weiten Blach-
felde von Madain bis heute in ihrer erhabenen Größe ſtehen geblie⸗
ken, während alles andere in Schutt verfanf. Die Beute, bie man
darin an Koftbarkeiten aller Art, an Gold, Geräthſchaft und Klei⸗
dern vorfand, fagt Abulfena, würde zu weltläuftig berzuzählen ‘
fein; er führe nur eins flatt alles übrigen an. Einer der Säle
war mit einem foflbaren Teppich geziert, der im bunt ſchim⸗
mernden Barbenfaume, 60 Ellen breit und eben fo lang, das „Bild
‚ Led Paradieſes“ vorftellte, deſſen Gemwächfe, Blumen und Früchte
aus ben verjchievenften Edelſteinen gebilvet waren, vie ſich auf gol⸗
denen Stielen erhoben. Diefer wurde dem Ynibeil ber Soldaten an
der Beute entzogen und als Prachtflüd dem Khalifen Omar felhft
übergeben, ver aber, unbefümmert um das Kunſtwerk, den Teppich
zerſchneiden lleß und unter feine mebinenflfchen Kriegögefährten ver⸗
thellte. So groß, jagt Abulfeda, war deſſen Koftbarkeit, daß Alt
fein Stück, das ihm zufiel, allein für 20,000 Stperftüde verkaufte,
woraus man auf ven Werth des Ganzen zurüdfchließen könne.
Diefe wenigen Nachrichten von dem, was zu Etefiphon in
vie Hände ber Eroberer fiel, wozu auch eine ganze Schiffsladung 87)
ven Kampfer aus dem fernften indiſchen Dcean gerechnet werben
muß, der damals mit Wachs vermifcht zur Erleuchtung des Palla-
les diente, aber von den Arabern, venen fein Gebrauch fremd war,
um des Wohlgeruched willen wie eine Art Gewürz unter ihr Brot
gebacken ihnen dieſes nur verbitterte, fammt nen Schägen von Ge⸗
würzen, Aloe, Pfeffer, Zuder, Ingwer, Burpur, Sei»
vdengarn, ſeidenen Zeugen, Eoflbaren Stoffen, Stide-
u seien, GSilbergeräth, welche Eurz zuvor im Pallaſte Khosroes zu
Defıgard (Erdk. Th. IX. S. 506) den griechifchen Siegern des by⸗
zaminiſchen Kaiſers Heraclius in die Hände fielen, find, des völll
— —
) Herbelot Bibl. Or. 3. v. Madain.
174 Wefl-Afien, II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30.
gen Mangels näherer Nachrichten über biefen Gegenſtand ungeach⸗
tet, doch ſprechende Beweiſe für den Weltverkehr, in welchem Cte⸗
ſiphon bei fo vielem Luxus und zumal mit dem Oriente geftan-
den haben mußte.
Mit der Hauptflabt fielen auch die übrigen Städte am Tigris
und Euphrat, wie Tekrit, Mauful, Eircefium 8) u. a. ‚in
die Hände der Moslemen; die Stelle, wo früher die Doppelftapt
‚ Mapdain gelegen war, blieb nun verddet, die arabifchen Sieger ver-
ließen fie wenigftens, da Ihnen ihre Lage und ihr Elima nicht zu⸗
fagte, und Saad, ver Feldherr Omars, zog e8 vor, gleich Im fol⸗
genden Jahre in ver Nähe von Kadeſia, In den Gärten von
Kufa fein Lager aufzufchlagen, die ex deshalb abzugrenzen befahl.
In demselben Sabre ver Belegung von Madain hatte auch ver Kha⸗
N Omar ſelbſt fchon am” untern Tigris die Lage von al Bas⸗
rah zur Gründung einer neuen Stadt auserwählt und daſelbſt die
erſte Furche 8%) mit dem Pfluge um dieſelbe zu ziehen geboten; doch
erhielten beide erft ihre Ummauerungen und Umfchanzungen durch
Gräben über 100 Jahre fpäter unter den Ommajaden durch ben
Khalifen Al Manfur (im I. 771), nachdem dieſer 10 Jahre zu⸗
‚vor die erſte Grundlage zu der neuen Khalifenftabt Bagdad,
nur eine Tagereife norbmefhwärts von EI Madain, gelegt hatte (im
J. 761). 9) '
Diefe Städte treten uns als Givilifationspuncte in den Euphrat⸗
und Tigrisländern an die Stelle der bisher fo berühmt geweſenen
Namen, die meift ganz in Vergefienheit zurüdfinken. Es iſt Hier
der dit, die älteſten Nachrichten ver Mohamedaner von deren Be
gründung und früheſten Entwicklungsgeſchichte, fo weit wir fle ‘in
Bragmenten ver orientalifchen Autoren berührt finden, und hier zur
Erinnerung zu bringen, um, wo fpäter von ihren gegenmwärligen
Zufländen die Rede ift, einen Vergleihungspunft mit der Vergan⸗
genheit voraus zu haben.
300) Abulfedae Annal. Mosl. l. c. p, 71. 0) ebenbaf. p. 67.
0) ebend. pP» 147, 151. % , .
N
Eupbratf.; hiſtor. Rüdblie; zur Zeit des. Khalifats. 175
. 31.
Hiſtoriſcher rRuͤchlick auf die Stromgebiete des Euphrat
und Tigris. (Fortſetzung).
I. Zur Zeit des Khalifats. Neuaufbluͤhende
Hauptſtädte im Euphrat- und Tigrislande: EI
Badra, Kufa, Waſit, Bagdad.
1) EI Basra, die alte Stadt, ſpäter Baſſora (Balſora),
das Emporium und feine Umgebung
Dieſe Stabt, fagt Edriſi, beſtand noch nicht zur Zeit der al
ten Perſer; unter dem Khalifen Omar wurde erſt der Plan zu
ihr entworfen;. erbaut wurbe fie von Otba Ben Gazwan, 9)
dem Sohn Arars, und daſſelbe beflätigt ver erfle Augenzeuge, Ebn
Haufal, der fie Mitte des 10. Jahrhunderts felbft beſuchte Abul
Faradj ”) berichtet dagegen, nicht Otba (ven er Utbal nennt),
fondern Mifan Abu Mufa Alafhar habe von Omar ven Aufe
trag erhalten, im Lande Basra die Uraber, die mir ihm waren,
jeven nad) feinem Stamme anzufleveln, und in ihrer Mitte einen
Tempel mäßiger Größe zu erbauen, und daß er, nachdem er dies
ausgerichtet und die Stadt Bas ra zu Stande gebradit, mit feinen
Zruppen weiter gezogen fei, zur Eroberung nach Ahwaz. Der
Name der Gegend von Basra beftar aber Iange Zeit vorher, ehe
die Stadt gegründet wurde, wie fi aus den früheften Neftorianer
Berichten ergibt, und dieſe Dorfſchaften, vie dort fchon früher
befanden, find es wol, welche bei Ebn Haufal die Souad von
Basra heißen; Abul Pharaf nennt aber biefe Dorfichaften vor
Der Eroberung Omars noch mit dem bejondern Namen Arkan.
Bon Kufa nach Basra waren 12 Tagreifen, von Basra zum Meere
2 Iagreifen ober Merhileh. Die fo frühzeitige Anlage diefer Stadt,
noch während des erften Kriegsjahres, im 15. ober ſelbſt fchon
im 14. der Heg. (636 oder nach andern 635, wie Abulfeda fagt),
ſchon vor ver Einnahme von el Mabain gegen die Perfer, hatte
\ ifeen Grund darin, daß man dieſem die Zufuhr ver indiſchen Waa⸗
tem auf ver Waſſerſträße, ver einzigen, welche damals bie indie
) Bärisi Geogr. b. Jaubert T. 1. p. 368; Oriental geogr. p. XIV.
XVI. 61—65, 71, 79. °?) Gregor Abul Phärsaj. 1. c. p. 113.
pP‘ © 2 0 söe
%
176 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.31.
fhen Schiffer und Handelsleute nach ven beiden Nefldenzen Ctefi⸗
phon und Sufa, nahmen, abſchneiden wollte; denn ver Landweg an
der Küſte über Mekran, Karman und Fars war gar nicht im
Gange.ı Die Meeresflutb führte aber die größten Schiffe damals
fon, wie heute noch, aufwärts bis zu dem Hafen (EI Mina) ver
Stabt, und auch wol welter, wenn jene Sagen von Hirah, die wir
oben nach EI Maſudi anführten, auch nur einigen biftorifchen Hin⸗
tergrund haben. Die DVortrefflicgket ver Wahl dieſer Ortslage
geht aus diefem Doppelverhältnifie, als der Hafenort und Schlüſ⸗
felzum Euphrat wie zum Tigris, und Ihren Reflvenzen und Ga-
pitalen von felbft hervor. Doch war jene Stabt Alt Basra, nicht
bie neuere, erſt fpäter im 17. Jahrhundert am Euphratufer ſelbſt
gegrüntete (f. ob. ©. 52), als eine Acht arabifche Stadt auf einem
weißen Sand⸗ und Steinboven angelegt, ver an fich Fein Gewächs
trug und durch keinen Regen erquidtt wurbe, ven aber bie ——
die an ihm, in tauſend Ganäle zerſpalten, vorüberzogen, zu
paradiefiſchen Landſchaft durch Ihre Bewäflerung und —XR
umgeſtalteten.
Nahr Ailah over Rudi Allah, d. i. das MWaffer oder ver
Fluß Allah, auch Ablah (wol von Obollah), wurde biefes
Paradies genannt, und denen von’ Damadl, von Samarkand und
Shiraz gleichgeftelt. Denn vorzüglich ver Eleine Fluß, der nad
Obollah abfloß, war es, deſſen reizendes Thal fich durch fo große
Schönheit feiner Auen und Pflanzungen audzeichnete, jo wie ein
andres Zauberthal Shaab Bewan, am Fuße des Kalai Seflv;
beide aber haben von neuern Reiſenden 82) Feine nähere Beſtimmung
erhalten.
Den Schilberungen ver früheren Zeit kann man bei ven Orien⸗
talen nicht immer trauen, Ebn Haufal felbft merkte dies, wo er
fagt: daß Basra zur Zeit Belal ben Abi Bordehs von 12000 Strömen
burchfchnitten geweſen fein folle, auf denen allen Boote bin und her
gingen ; died habe ihn in Verwunderung gefegt; doch fah auch er
auf feinen Wanverungen in Basra in Mfeilfchußmweite oft mehrere
Feine mit Booten beichiffte Stromläufe, und die ganze Ausdehnung
von Basrah betrage, fagt er, 50 Farſang von Sey bis Abadan,
worunder natürlich nicht die Stabt, ſondern die ganze Landſchaft,
und zwar ſo weit die großen Dattelpflanzungen reichen, verflanden
3») Hammer Purgſtall aflat. Türkei. Rec. 1821. Wien. Jahrb. XI.
©. 217. Rot. \
v
sa
Enphratf.; hiſtor. Ruͤcblick; zur Zeit des Khalifats. 177
wird. Unter biefen liegen die Gräber mancher Heiligen und Docto⸗
on des Koran, die ald Pilgerorte beivallfahrtet werben, unter denen
Con Haukal auch dad Grab des Talhah ben Abvallah nennt, das,
sach Nie buhr bei feinem dortigen Beſuche, auch heute noch in
Ehren gehalten wird, und in der angegebenen Kocalität bes alten
Batra, 15 deutſche Teilen im Südweſt ver heutigen Stabt, jene
Lage beftärigt, die Ebn Haukal befchreibt, deren Natur fich aber
gegen jene frühere Zeit fo ungemein veränvert hat. Der Fluß
Zohan (wol iventifch mit jenem Souad), damals ein Arm des Ti⸗
gris (eb iſt der Obollah⸗Fluß), fagt Ebn Haukal, fließe 4 Far⸗
fang. (d. 1. 6 Stunden) entlang von Basra vorüber, und fel ganz
Sicht mit Palmmälern und Lanphäufern beſetzt, fo daß feine Ufer
wie ein zuſammenhaängender Garten erſcheinen. So zieht er
vom Tigsis bis Abadan. Dergleichen Slupläufe find aber
und alle durch Palmenwälder beſchattet, und in alle ſtei⸗
Fluthzeit die bittern Waſſer herauf, welche alle dieſe Gär⸗
ſſern und oft überſchwemmen. Dies iſt auch heute noch
eu Basra öfter der Fall, nach Kinneirs Beobachtung, fo
er Ort dann wie eine Infel im Deere liegt; aber jene dürre
von Alt Basta wird davon nicht mehr berührt. Ableh
alte Obollah, von dem früher die Rede geweien) war zu Ebn
Zeit noch ein kleiner, aber Tieblich am Strome gelegener
Drt, und zwar von allen in ber Umgegenb ver bebeutendfle, vor
weichem jedoch eine gefährliche Stelle im Strome, Hawer Ableh, von
alien Schiffern gemieden wurbe, um nicht unterzugehen. Es ſchien
m Ebn Haufal, ald wenn gar manche der Umgebungen jenes
Basra in frühern Zeiten trocken gelegen hätten, und erſt in fpätern
von dem Gtromarme durchichnitten und eingerifien worben wären.
Rufa, Basra, Wafet, Bagdad, Samarra, Hobeira und Holwan, fagt _
Cha Saufal, waren in jener Zeit des 10. Jahrhunderts vie größten
Gtäbte in Irak.
Gleich mit der Anlage war außer der Umgrenzung von Babra
andy bei ver Stadt ein großer Platz, Merban) genannt, (d. 1. jeder
Det, wo Kameele Halten; dann atuch Merbad ot tamri, Ort, wo
Datteln getrocknet werben, dann ein freier Marktplatz), abgeſteckt,
Ü Bazar, auf vem die Araber ver Umgegend ſich nicht bloß zum
Umfeh ihrer Waaren veriammelten, fonvern, nach ber damaligen
Elfeneh
0) Herbelot BibL Or. s. v. Basra; Abulfedae Descr. Jracae ed.
eld. p. 21 und not. 105.
Altter Gröfunde X. | M j
J
178 WeftsAfien, III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 31.
poetiſchen Richtung des Volks, auch zu wetteifernden Vorträgen,
zu difentlichen even, zu Rectationen ihrer Poefien. Dadurch er»
Iangte die Stabt großen Ruhm in ver moslemifchen fchönen Litera⸗
tur, und viele ihrer Dichter und Gelehrte find unter dem Ehren⸗
titel Basri bekannt; denn auch unter den Doctoren des Koran von
Basra und denen non andern Stäbten der Bläubigen, zumal denen
von Kufa, fanden bier fehr Häufige gelehrte Disputationen flatt,
an denen in jener Gegend alle Mufelmänner ven lebhafteſten An⸗
theil nahmen. Basra Hatte felbft feine Periode des Literarifchen
Glanzes; man braucht nur Ende des 4. Jahrhunderts der Heg. ben
Seid Ihn Rifaa 95) zu Basra, den dortigen Stifter einer ber
erften gelehrten Akademien des Mittelalters, im Sinne
eines Baco, zu nennen, der von dem Grundfage ausging, daß
dem, Verfall des Islam durch die Wiffenfchaft entgegen gearbei⸗
tet werben, feine Reinigung duch die Phiſoſophie gefchehen
müffe, daß deſſen Vollendung nur durch ven Verein griehifcher
Philoſophie und arabifcher Theologie zu Stande zu brin«
gen fei, um fidh davon zu Überzeugen; zumal da die Werke vieles
Vereins, 51 Abhandlungen unter dem Titel: „Abhanplungen
der Brüder der Reinheit” ein fo ichtvolled Streben zeigen,
daß der Kenner des Orients die Senpfchreiben jenes Süfterd, ‚ven
er ven Alcuin des Orients nennt, für weit gehaltvoller als bie
des Abendlaͤnders am Hofe Karl des Großen hält. Kein geringerer
literariſcher und religidfer Glanz fiel durch folche Unternehmen auf
dieſe Stapt zurüd, ber die Ehre jedoch nie zu Theil wurde, wie
Kufa oder Bagdad, der Sig von Khalifen zu werben. Doch pfleg«
ten dieſe ihr, als einem ver wichtigften Poſten ihres weitläuftigftgn
Reichs, auch die bedeutendſten und berühmteften Feldherrn als Com⸗
mandanten und Gouverneure zuzuſchicken. Basra war in jener
frühern Periode der Mittelpunct vieler Eleiner Orte und Flecken, bie
von ſehr Friegerifchen und leicht beweglichen Araberflämmen bewohnt
den, bie, wie die Baridier und dann die Garmathen, fich
felbft zu Zeiten zu mächtigen Herrſchern emporfchwangen, und felbft
die Khalifen in Bagdad zittern machten, wie heut zu Tage bie bag⸗
vadiſchen Paſchas.
Die ähnliche Lage von Kufa und Basra zum Euphrat und
gegen bie arabifche Seite, ihr ſtarker gegenfeitiger Verkehr brachte
295) Greg. Abal 1 Fharaj, Hist. dyn. p. 217; v. Hammer Ländervers
waltung fi. ©
Euphratf.; hiſtor : Nuͤchlick; zur Jeit des Khalifats. 170.
ven Ausdruck „Basratan" (Dualis von Basra) ober „nie bei
ven Basra“ damals für beide Städte in Gebrauch, zwiſchen denen
ga gegenfeitiger Vermittlung ihres Verkehrs auch Wafet, auf hal⸗
ben Wege zwiſchen beiden, erbaut werben mußte.
Der befonnme Edriſi in der Mitte des 12. Iahrhunnerts
ſpricht auch von den hunderttauſend Ganälen (anvere befchränfen die
Zahl auf 8000) Basra's, die alle ihre Namen haben follen, theils
von denen, bie fle außgruben, theils von den Ouartieren, in denen
fe enden, auf denen beflännig Boote oder auch Schiffe Hin und
ber fegelten.
Do war vie hoͤchſte Blaͤthe der Stadt ſchon vorüber, in der
den Ehrennamen Kubbetol⸗isſslam, d. I. „bie Kuppel
Lam,” verbiente, denn von den 7000 Mofcheen, welche Abe
Jakub in feinem Werke el Mesalek we’] Memalek angab,
Basra fliehen follten, fagt @prifi,9C) feien vie meiften zu
Zeit verlaffen, und nur noch einige, die.um die große Mo⸗
umberflänven, feien bemerkenswerth. Edriſi wiederholt aber
He Schilderung der Melze und Bortbelle, welche dem Orte durch
Die vielen Ganäle und ihr weit verzweigtes Netz, das ſchiffbar, ſtets
vurch Ebbe und Fluth angefchwellt und gereinigt, alle anliegenden
Acer und Felder befruchtenn, zu Theil werden. Denn alle, fagt er,
Ränden unter einander in Verbindung, und viele Gräben ſeien durch
Meaniyenhand in die Bärten geführt, damit fie ven Ueberfluß des
füßen Ylußwaffers ‘aufnehmen, das von ver falzigen Fluth landein
gerängt, dann die Umgebungen befruchte: Die Palmenmälber
mit von Lufthäufern und Obfigärten bilneten, von den zuſammen⸗
Hängenden Mauern umzogen, gleihfam nur einen großen Gars
ten, und fo herrlich fländen diefe Dattelpflanzungen zumal, daß ihre
Belmm alle wie aus einem Guß hervorgegangen erfchienen, over
vielmehr ald wären fie alle zu einer und berfelben Zeit gepflanzt.
Achrere Kaufleute, fagt Eprifi, die im Jahre 1141 n. Chr. ©
(536 ver Heg.) Basra befuchten, hatten ihm verfichert, daß man
wet 500 Rutl (=400 Pfund) Datteln für einen Denar kaufen
Bume. Die Datteln von Basra waren zu allen Zeiten berühmt:
au find. es bis heute; noch Nicbunr”) zählt ihrer 25 verſchie⸗
dene Sorten namentlich auf, vie auf dem Markte von Basra gefucht
fm. Den größten Wohlftand verdankte Vadra aber unſtreitig ihrem
7*83*
"PERL
?
ee) —— b. Aeben1. p. 308. 7) Riebuhr Reiſebeſchr.
M 2
180 WeflsMfien. II. Morheilung. J. Abſchnitt. $.31.
Handel, da fle durch ihre Lage das große Emporium ber indie"
ſchen Waaren für die Bedürfniſſe und ven Luxus ver Khalifenſtadt
Bagdad werben mußte, da ferner die vorlisgenden Perlbänte?®) von
Bahrein, vie Häfen des Gewürzhandels und der Aromate Ara
blens, EI Katif und Oman, wie der damald blühende Seehanbel
des Bafens von Siraf, ver bis Indien und Ehina reichte (Erdk.
Th. VIII. S. 774), vie Blütheperiove von Jondi Shapur mit
ihrer hohen Schule ver Arzneiwiffenfchaft, vie berühmte Shufter
mit Aquaeducten (Erdk. Ih. IX. 171 u. ff.), die große, und reiche
Stadt Ahwaz mit ihren Zurerrofrwälbern (ebend. S. 220 u. ff.),
als eben fo viele Bereicherungen in ihren nächften Umgebungen an«
gefehen werben müflen. Hierzu kommt noch der damals fehr flarke
Landverkehr durch die jet wüſte liegende Witte Arabiens mit ben
großen Mefien der Pilgerfahrer in Mekka und Mebina, ver auf die
Zufuhr nach Badra nicht ohne großen Cinfluß bleiben konnte. Ihre
Beherrſchung der Schiffahrt auf dem infelreichen Perſergolf gab
diefem lange Zeit hindurch ven Namm des „Meeres von Basra.“
Leider fehlen und bie fpeciellen Daten zu einer genauern Geſchichte
dieſes Basrahandeld; die einzige Bemerkung mag binreidhen, daß
fi dieſer Verkehr vafelbft ſeitdem durch alle Jahrhunderte hindurch,
auch durch die des groͤßten Verfalls dieſer Landſchaft, unter der
alles mercantiliſche Leben zerflörennen türkifchen Obergewalt, bis
heute erhalten Hat, und daß auch Heute noch die großen Kauffahrdei⸗
ſchiffe von 400 bis 500 Tonnen ®) Laſt mit ihren indiſchen Waaren
bis dahin ſtromauf fchiffen, jährlich an 50 Kaffeefchiffe allein von
Mocha und Hodelda aus mit viefem einzigen Probucte ver Kaffee
bohne beladen, dort landen, und daß faft alle Handelsnationen des
DrientS in den 72 verfchlevenen Ouartieren der Stabt dort an⸗
geflebelt find, wie Araber, Perfer, Armenter, Türken, Mohameda⸗
ner, Juden, Chriften, unter denen auch heute noch einige hundert
indiſche Samilien und viele Banjanen nicht fehlen, deren Zahl in.
jenen frühern Zeiten unenvlic größer gewefen fein mag.
‚Bu Beſtimmung ver Lage des zur Zeit Omars erbauten
Badcra, wovon ſchon früher die Rede war (f. ob. ©. 175), dient
noch Abulfedas Angabe, 300) ver fagt, auf ihrer Suͤdſeite Uege
” od Br. Stine, bie Hanbelogäge der Araber, Preisſchrift. Berlin
* buhr Reiſeb I. &. 33%.
ME Kinneir Mem. of Persia. p. 288 a. der 1%) Abulfedae
Descr. Jrac. b. Wüstenfeld 1. c. p. 21.
x.
\
je
—
Euphratſ.; hiſtor. Ruͤckblick; zur Zeit des Khalifats. 181
ein Berg, Senam genannt, ihr in Süũüd und Weſt bie Mühle, we
sr Wadi en Nesai (vallis mulierum), well dort die Weiber
Schwaͤnme fuchten. Sena liege eine Halbe Tagreife von Basra;
und in ber Wüſte fei kein einziger Adler zu finden, ver durch Regen
ſruchtbar werden Fönne. Die Stadt liege nach Atwal unter 74° 5°
Long. 30° 5' Lat.; nad) Ibn Said 74° 31’ Long. 31° 5 Eat}
‘en fo viel Lat. nach dem Ganon, aber unter 74° 40’ Long. In
ven Anmerkungen 2) zu jener Stelle heißt eö, daß der Wadi Ne«
ſai in den Tabul. Eliae Damasc. au) der Nahr ol Marati (pn.
Fluß des Weibes) genannt werde, und derſelbe, Vadineſa ober
auch Nahar Marah genannte, Strich dem Epiſcopus Metropo⸗
litanus von Basra unterwyrfen geweſen ſei, wie auch per Epiſcopus
von Rahar dair, bei Amru. In derſelben Gegend wird von dem⸗
ſelben Elias Damasc. ein Epiſcopat Daheſtan angegeben, das
Amru Dahemſan nennt, was richtiger Doft Miſan heißen muß,
denn biefelbe Gegend heißt Mefene, veren Basſra⸗Metropolis ſchon
weit früber im Jahr 310 nach den ſyriſchen Annalen. angegeben
wirb, unb bafelbfl die Metropolis der Neftorianer ven Titel „Euphra-
tes Pherat Mesene“ erhielt, was au Perat Maiſſan, oder
Bofar Heißt, übereinſtimmend mit Abulfera, ver Maiſan eine
Gegend an der äußerftien Grenze von Baßra 2) nennt; ein Name _
ver fich alfo aus ver Altern griechifähen Zeit noch bis in die arabi;
ſche hinein geltend zu erhalten wußte (ſ. ob. ©. 55). |
Unter den Umgebungen von Badra, deren Localitäten und aus
dem Zrühern fchon bekannt find, nennt Edriſi abwärts des zu fel-
ner Zeit Hlühenven Obollah 3) noch 2 andere und unbefannte Städt»
Gen, el Meftah (over Manbeg) und el Madar, vie unter ſich
an Größe, Art des Baues, des Handelsverkehrs ähnlich, aber nicht
mit dem welt größern Obolla zu vergleichen feien, weil dieſes viel
grüßere und ſchoͤnere ‚ teichere und weit zahlreichere Bevdl⸗
Iszung habe. Auf der Orenze des Gebietes von Baba, zwiſchen
ſunen Dörfern und den bebauten Ländereien, fehe man jeboch auch
viele Schilfwälder und Berfumpfungen, vie aber nicht unbeſucht
wären, denn in ihrer Mitte fehe man gar häufig viele bemannte
Beste, vie aber mit Stangen fortgefloßen werden müßten, wegen
ver Feichten Stellen und häufigen Anfülungen mit Schlamm; wenn
dam aber vie Bafıe des Euphrat und Tigrie, zumal durch Tinten
') heat. R 104. 2) Ebend. p. 7. ») Edrisi Geogr. bei
Jaubert. T.L. 9.368. |
182 WefisAfien. III. Abteilung. 1. Abfchnitt. 5.31.
gegen ſeht Hoc) anſchwellen, bann bringen fie auch in biefe Ver-
fumpfungen ein, wo danu die einen Stellen derſelben im Uebermaße
auögehöhlt, die anbern mit Schlammmafler fo verflopft werben, daß
Immerfort Veränderungen im Boben entfichen. Diefe Gegenden
find es unftreitig, welche Ebn Haufal*) Ahma und Betalah
(- L. Sümpfe) nennt, wo große Golfen und Grumlbcher fein
follen, bie fid Die Waſſer des Cuphrat erſt ausgewäßlt zu Haben
feinen. Abulfeda nennt dieſe ebenfalls in dem Gebiete Basras
mit Namen Batajceh.S) Von der Lage Ababans, des Marktortes,
des Ankerplages von Badra, 2 Tagfahrten abwärts am Strome,
wo bie Boote der Küflenwächter am Eingange des Badra-Bolfeh
oder des perſiſchen Meeres fehen, war früher die Mebe. Was
Edriſi von Obolla gefagt hat, wird noch von Abulfeha ein paar
Zahrhunderte fpäter 6) beflätigt. Doch Haste hiefer Ort wol eher abe
als zugenommen, denn er wird nur zu ben klein en Gtäbichen
gerechnet. Der Obollah⸗ Fluß, 4 Parafangen lang (6 Stunden),
wWwiſchen iht und Vadra, tsenne fie von biefer Gtabt, und der Xi
geiß umfließe fie in Blegungen, bis er das Meer von Abadan
erreiche; bie. Paläfte und Gärten an feinem Ufer Hin in gerader
Linie gereißt, jeber vom anbern durch Ganäle geſondert, durch wel⸗
Ge die Bluth zu jedem Palmhaine und zur Eleinften Palmenpflan-
zung vordringe, ohne daß fle weiterer Fuͤrſorge der Menfchen bes
busften, gaben biefer, Gegend in ben Mugen bes Orientalen jene pas
uablefifchen Reize, welcht auch Edriſi im Naht» oder Rud - Allah,
der mit dem Dbolla⸗Fluß iventifch if, geſchildert hat.
Ber Abadan fagt Abulfehn, daß ed 14 Tagreifen von Vasta
aegen Ofen liege, am perſiſchen Meere, fo eng umflefien, daß ihm
nur wenig Sand übrig Bleibe, und der Tigris exgieße ſich ihm In
Südoſt zum Meere; ex wieverholt dieſelbe Angabe von ben bort
eingeſchlagenen Pfählen und der Küſtenverdämmung zur Sicherung
der Schiffahrt, um bei Ebben und Fluthen vor dem Stranden zu
ſchũtzen. Das falzige Meerwaſſer ſteigt nach Ab ulfe das 7) Bemer-
kung im Strome aufwärts bis zum Maquel⸗Fluſſe; bei dieſem
ſchopft man nun zur Ebbezeit ſüßes Waſſer; oberhalb dieſes
Maquel wird keine Spur mehr von falziger Meerebfluth wahrges
nommen. Was zur nägern Beſtimmung ber Lage von Alt Basra
30%) Oniental seogr. Pr ©. p. 65. _®) Abulfedae Deser. Jrac. b.
I ẽ · *) @bendaf. p. 2. äbendeß.
Enphratf.; hiſtor. Kuͤcblick; zur Zeit des. Khalifats. 183
dient, iſt fchon oben gefagt; von dem Neu Basra, das feit dem
17. Jahthundert an eines andern Stelle erbaut ward, wird erſt wei⸗
ter unten die Rede ſein.
2) Kufa, die erſte Kdalifen⸗Reſidenz; Kadeſia; Hira
und ihre Umgebung.
Als Cteſiphon⸗Madarn erobert war, erzählt Khonde⸗
mir 8) tm Leben des Khalifen Omar, babe fein Feldherr Saad
diefem in einem Briefe angezeigt, daß feine Araber ſich nicht an die
Luft und das Klima von Mabain, mo er fein Hauptquartier aufs
geſchlagen Hatte, gewöhnen koͤnnten, weshalb er um Erlaubnig nach⸗
fuche, für fie eine andre Stadt am Strome zu erbauen, ber Arabien
näher Uege, wozu er auch Omars Zufage erhielt.
Hiezu wurden in der Nachbarichaft des fo ruhmvollen Sälaft.
feldes von Kapefla, das dem von Arbela hinſichtlich des akinzen-
ben Erfolges gleichzufegen ift, vie Gärten in ver Nähe ber alten
Stadt Hira ausgemäßlt, in Quartiere vertheilt, und bie’ neue
Stadt, deren Wohnungen nur aus Schilfhütten mit Erdbedachung
aufgerichtet wurden, Kufa genannt, was eben ſolche Wohnftätten
im Arabiſchen begeichnete. Doch wollen Andre ver Namen von ven
„rothen Sandſchollen“ Herleiten, welche die Umgegend charar⸗
Als nun Kufa heranwuchs, ſank, ſagt Ebn Haukal, die
benachbarte ältere Hira, deren meiſte Bewohner nach Kufa ſich über⸗
fledelten. Doch ſollen dies nur die Vorſtädte der nachherigen Kufa
geweſen fein, welche der Feldherr Saad erbaut hatte. Die nach Ei⸗
niger Angaben von den perſiſchen Piſhdadiern ſchon früh dort an⸗
gelegte Stadt wird wol eben jene obengenannte Vologeſia oder
Hira geweſen fein, die nah Ebn Haukal nur eine Farſang oder
45 Stumven fern von ihr Tag, und fi einer ſehr reinen Luft er⸗
freute. Doc macht noch ein anverer Name, Atula,?) auf das
ältere Borbandenfein und auf die Ipentität mit dem ſpätern Kufa
Anſpruch. Achoali nennt Plinius in jenen Gegenden einen ara.
biſchen Bolteflamm (Plin. H. N. IV. 2) unter den unzähligen
Namen ber dortigen mediterranen Tribus, der ven Aula ba
Greg. Abulph. im Chron. Syr. zu entfprechen feheint; und biefeö
Alula, fagt verjelbe, ſei inentifch mit dem Kufa, wohin der
) Herbelot Bibl. Or. 3. v. Cafa. °) Wüstenfeld Nola in Abul-
fedae descr. Jrac. p. 98, ad p. 10. .
184 Weft-Afien. M. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 31.
VFeloherr Sand aus ver Gtabt Jathreb arabifche Stämme verpflan«
zen ließ. Dadurch daß All, der immer fiegreiche Löwe Als
Iah8 (Assad Allah al Galeb), nach feinem Siege über die Wider⸗
facher am Tage der Kameelſchlacht bei Basra als ber vierte unter
den Khalifen nah Kufa!o) zurückkehrie, und biefen Ort zu feiner.
Reſidenz erbob, gelangte dieſelbe zu beſonderm Glan; und Ruhm,
ja zu einer gewifien ‚Helligkeit durch den baldigen Märtyrertod die⸗
ſes gläubigen Helden. Sein Grabmal blieb zwar anfänglich ver-
borgen, fo lange feine Gegner, die Ommaijaden, herrſchten; mit ven
abbaffivifchen Khalifen aber, welche zu ven Verwandten feines Stam⸗
‚meß gehörten, wurde es aufgedeckt und feitvem der große Wallfahrte-
ort für alle Unhänger Alis. Auch ver erſte ver Abbaſſiden, Khalif
Abdul Abbas Sefah, verlegte nah Kufa feine Refidenz, und
erhob fle zur Eapitale feines weiten Königreiches, obwol feine Un⸗
rube ihn bald von pa nah Anbar trieb (f. 06. ©. 147), und ee
auch da nicht lange aushielt, ſondern nach der von Ihm nahe bei
Kufaıl) im Jahr 751 n. Chr. ©. neuerbautn Haſchemiah zog,
der er nach feinem Geſchlechte der Hafchemiten den Namen gab.
Nach feinem Tode blieb fie auch die Reſidenz feines Bruders und
Nachfolgers, Abugiafar al Manfur, His viefer die neue Khali⸗
fenreſidenz Bag dad erbaute. Geitvem verlor Kufa wieder feinem
Glanz, noch iſt ihm fein Ruhm geblieben, der ihm durch vie Siege
ber Helden zu Kadeſia in feiner Nähe zu Theil ward, burch das
Andenken an Ali und die mit Ihm gefallenen Märtyrer, durch Die
Studien, Disputationen und Werke der Doctoren des Koran, unter
denen die zu Kufa fich die hoͤchſte Autorität erwarben, wie felbft
die Euflichen Texte des Koran fich in befonvderm Anfehn erhielten;
denn die ältefte Schrift der Araber, vie Euflfche, erbielt aus viefer
früheften Periode arabifcher Gelehrſamkeit von dieſem Orte ven Na⸗
men, und felbft ded Stromes rubmvoller Name, an dem bie Stadt
erbaut war, wurbe durch bie allgemein werdende Benennung bes
Nahr⸗Kufa verbringt, womit die Araber lange, Zeit hindurch
den Eupbratftrom bezeichneten.
Diefer wirklicde Ruhm wurde noch märchenhaft von den Orien⸗
talen übertrieben, inbem man Kufa zum Drt machte, wo Adams
Grab 12) war, wo bie Sünbfluth aus einem Feuerheerde hervot⸗
210) Abulfedae Annal. Mosl. ed. Reiske. p. 89. Gregor Abul
Pharoj. L c. p. 117, 118. Abulf. Descer. Jrac. b. Wüsten-
9 18 ‚ die aflat. Türke, Rec, ih
Bin vahr. ® 2 Baum 1621. ee ae “
TE Y _ —;
Eupbrarf.: hiſtor. Ruͤcblick; ; zur Zeit des Khalifats. 185
gebrochen, wo Noch die Arche beſtiegen haben ſollie, zu demſelben
in welddem vie Schlange Evens einheimifch geweſen, um den Kufl»
ten etwad anzubängen, die immer durch ihre Widerſpenſtigkeit, Durch
ihre Zankſucht und Empdrungen berüchtigt waren, u. a. m.
Wie Kufa mit dem Namen Basratan, fo wurde auch Basra
wiederum unter dem Dualis Al Kufanibegriffen, wegen ber nem
wandten Lage und Nachbarfchaftz noch bemerkt Ebn Haukal, 13) es ſei
Kufa Fleiner ald Basra, fein Wafler und feine Luft aber reiner.
Der Euphrat fließe an Ihrer Oftfeite vorüber, Kadeſia, Gira und
Khawrnak aber lägen ihre im We am Saume der arabifchen
Wähle. Bei Kadeſia fei noch flleßendes Wafler und Kulturboden,
aber von ba an, wo bie Grenze von Irak, bis zur heiligen
Stadt der Bläubigen in Arabien, bis Medinah, finde man Fein
Kiepended Waſſer mehr. Das Grab Alis, oder deſſen Meſhhed
(d. 9. Srabmal), fei zu Kufa, aber die Meinungen fein (fon im
10. Jahrhundert) darüber verfchienen, fo daß die Einen es in ber Ka⸗
yelle am Gingange Ver großen Mofchee aufinchten, Andere aber bes
Baupteten, daß es 3 Farſang entfernt davon lege.
Das in Kufa gefertigte Del1*) rühmt Ebn Haukal, nebft dem _
zu Kheiri und zu Shiraz, als daß befle, das er kennen gelgmt.
Zmeihundert Jahre fpäter zeigen Edriſis Nachrichten, 1°) daß
dieſe Gegenden, weldye Heut zu Tage faft ganz veröbet liegen, noch
immer Aniprüche auf Wohlftand machten.
Kadeſla lag auch nady Ihm an der äußerſten Grenze des bes
bauten Landes und mar felbft eine Grenzfefte Iraks gegen die ara=
biſche Wüfle, und 6 Farſang (9 Stunden) von Bagdad, alfo In
AB. von Kufa. Der Ort, einft von einem ber Khoßroer erbaut,
war nur Bein, hatte aber viel Wieſenwachs, Palmenhaine und
Bafier, war daher eine Station für Karawanenrelſende durch die
Mitte von Hedjas, um ſich mit Trinkwaſſer und Datteln auf dem
Siamwege wie auf dem NRüdwege zu verfehen. Auch Gira beftand
noch immer als ein Pleiner Ort, ber einft wol bebeutender war und
feine meiften Bewohner an Kufa verloren hatte. Doch war fen
Beden noch gut bearbeitet, die Häufer gut gebaut, Ihre Abgaben
yahlten fie nach Bagdad, und erhielten von da ihren Gouverneur
emgefeht. Edriſi beflätigt e8, daß ed im Weiten beider Stäbte,
22) Oriental Geogr. b. W. Ouseley.L c. p. 85-66. '*) Cbend.
P- 182; vergl. Abulfedae Annal. Mosl. ed. Reiske. p. 151.
°) Kdrisi . 5. Jaubert. T. I. q. 385—37.
186 Werft Afien. II. Abtheilung. 1. Abſchnitt. $.31.
von Kadeſia wie Hira, Leine fließenden Waſſer mehr gebe, dagegen
wol an ihrer Oflfelte, mit Anbau und Palmenpflanzungen, die ganz
vorzůgliche Datteln lieferten. "Beide Staͤdte lagen gegenfeitig nur
eine Tagereife auseinander, und ba Hira der Stadt Kufa viel nä⸗
ber Tag (nur eine Farſang oder 14 Stunden fern nad) Abulfeda),
fo koͤnnten wir hiedurch auch vie bisher unbelannte Lage von Hira
ziemlich ficher im N.W. von Kufa anfehen, auf halbem Wege nach
Kadeſia, alfo etwa nur wenige im S. W. von Meſhhed Höffein
( Hoͤſſeins Grabmal) und Kerbela, auf Niebuhrs Karte; aljo im
Weſt des Bird’ Nemrud ober der Muinen des alten Babylon, aus
denen alle dieſe Städte wol daß Material zu ihrer Gröauung erhal»
ten Haben mögen. J
Kufa, ſagt Edriſi, liege am Euphrat, habe ſchoͤne Gebäude,
wohlbeſetzte Bazare, gute Feſtungswerke und ſei von einer Menge
großer Doͤrfer, bebauter Felder und Palmenpflanzungen umgeben,
die natürlich ohne reichliche Bewäſſerung eines ſüßen Waſſerſtromes
nicht Hätten gedelhen können. Died iſt freilich von dem heutigen
Zuſtande, nach Niebuhr's Berichten, 16) ſehr verſchieden, da gar kein
Waſſer, ſelbſt nicht mehr durch ven Dſſaͤrrie Zaade, bis hieher dringt
und alles Land umher wüſte liegt, keine Stadt dort mehr ſteht,
keine Seele die Gegend bewohnt und ſelbſt die große Moſchee, in
der Alt durch Meuchelmord feine Todeswunde erhielt, in Ruinen
baliegt (ſ. oben ©. 58). Doc zeigen vie vielen gebrannten Bad
fleintrümmer (wahrfcheinli aus den Steinbrüchen Babylons ges
nommen), bemerkt Niebuhr, daß man vafelbft einft beffer zu bauen
yerftand wie in Basra, wo dieſe fehlen, und die vielen Münzen,
die in jenen Trümmern gefunden werden, bie man aber leiver we⸗
der fammeln, noch zu Faufen bekommen konnte, das frühere Beſte⸗
ben eines flarfen Völkerverkehrs an biefer Wüftengrenze.
Den Bau diefer Stabt vergleicht Edxiſi nah Schönheit uud
Sicherheit mit dem von Basra; pad Maffer fri füß, pas Clima ge
fund und die Bevölkerung von reiner arabifcher Abſtammung. An⸗
derthalb Stunden von der Stadt werde auf fehr hohen Säulen ein
großer Dom getzagen, zu dem die Pforte aber ſtets verichloffen
bleibe; er fer mit Eoftbaren Stoffen behängt, der Boden mit Mate
ten von Samanie bebedt; es jei dad Grabmal Alis, des Sohnes
Abu Talebs, und rund umher lägen die Grabfätten feiner Familie.
210) Miebupe Reiſebelcht. Th. n. ©. 201.
Euphrätf.; hiſtor. Rüdblid; zur Zeit des maliſat. 187.
Roh lag das Grabmal Huffeins, 17) des Sohnes Ali, etwas
entferuter, nahe Kasr ehn Hobeira, und war zu Edrifis Zeit auch
fon ſehr flark beſucht. Der Dom Alis, fagt Edriſi, fei nach
ver Zeit ver Ommaijaden, welche das Grab verheimlicht, erſt unter
von Abbafjiden durch Abul Haidja Obeid Allah, ven Sohn. Ham
dans, aufgebaut worden. Den Brundriß ihrer gegenwärtig zerſtoör⸗
ten Mauern hat Niebuhr 18) aufgezeichnet (Tab. 42, B). |
Ueber Kadeſia wienerholt Abulfena nur, was feine Bor
gänger gejagt haben, und warnt nur, es nicht mit dem andern. Ka⸗
deſia, nahe der großen Stadt Samarra am GEuphrat, :19) zu ver⸗
wechſeln, wo fich das Volk von Kades angeflevelt haben fol, und
wo eine Glasbrennerei war. Kira bezeichnet er auch als eine
vor-ißlamfche Stapt und wiederholt die Sage der Alten, daß einft
das Perfer- Meer dieſe Gegend erreicht babe (f. ob. S. 64) und bie
Schiffe der Sinen und Inder bi8 zu den Konigen von Hira ge⸗
ſchifft ſeie.
Auch er beflätigt die Lage von Kufa an dem Cuphrat, den
er aber einen Arm dieſes Stromes nennt, der gegen Weſt ausgehe.
Den el Aziz citirt er, der Kufa's Größe mit der halben Groͤße Bag⸗
dade vergleiche. Das Grab Ali's war zu feiner Zeit ein Wall⸗
fahrtsort für. Pilger aus allem Enden ver Welt. Die Ortölage,
weiche Abulfeda für dieſe Kocalitäten angibt, iſt: Kadefin n. At⸗
wal 69° 25° Long. 31° 10’ Lat., nad) Canon 31° 45' Lat.; Hira
u. Atwal 69° 25° Long. 31° 30’ Lat., nady Canon 69° 25° Long,
32° 50’ Lat.; Kufa n. Atwal 69° 30’ Long. 31° 30' Lat., n,
Rasm 69° 30° Long.. 31° 50’ Lat. Die in der Nachbarſchaft bies
feg Orte liegende Stadt Hella ober EI Hella, vie heutige Hille,
ans den Ruinen der alten Babylon eniſtanden, iſt erſt eine moderne
Gtabt, die Edriſi nicht einmal nennt. Ab ul feda 20) berichtet, nach
Yakuti, daß im Lande Babel, zwifchen Bagdad und Kufa, erfl durch
we Söhne Mazjad im Jahre 1101 n. Chr. ©. (495 d. Heg.) da⸗
ſeloſt die erſten Wohnungen errichtet fein; doch habe Die Stelle
zuvor ſchon den Namen elsBami’ain, d.h. „die beiden Tem.
vel,“ erhalten. Sie heißt bei andern Autoren auch Galla ben
Mezid und:ift noch mit drei andern ihrer Namenſchweſtern in
Irak nicht zu verweqhſeln. Leider find bie Mohamedaner ſo gleich⸗
*
) Kdrisi Geogr. b. Jgubert, Vol. M. 18) Niebuhr
x. Th. 0 — 19) * PoSitedne Descr. Iracae .bei
Reiſebeſch
Wüstenfeld p. 10, not. 98. 20) ebenb. p.9, not. p. 87.
188 . WefoAfien, TIL. Abtheilung. 1. Abſchnitt. 31.
gültig gegen die Ruinen von Babylon geblieben, daß wir durch fie
faſt gar keine Berichte über viefelben aus jenen Zeiten, nur Yabeln,
erhalten haben. Ebn Haufal?t) erkennt doch noch die alte Glorie
von Babylon an und fagt, obwol zu feiner Zeit nur ein Dorf, ſei
es doch der älteſte Ort In ganz Irak, ver dem ganzen Lande ben
Kamen Babel: gegeben babe, wo auch die großen Könige ihre Nefle
benzen gehabt, deren Ruinen dort noch zu fehen feien. Auch er
wieberholt die alberne Babel des Koran, daß Abraham dort in das⸗
euer geworfen fei. Zwei Haufen fein dort, Kudi Tereik und
Kudi Derbar, In welden vie Aſche noch zu ſehen von bem
Feuer Nimrods, in weldyes Abraham geworfen ward. Edriſi nennt
Babel nicht einmal, und Abulfeda wiederholt nur vie Worte Ebn
Gaukals. Doch au Greg. Abul Pharaj, 22) ver Chriſt, läßt
und varüber fo unwiſſend, wie feine Zeitgenofien, die Moslemen.
3) Waftt, die Mittelftadt, und ihre Umgebung.
Diefe Stadt wurde erft in Folge des Bedürfniſſes ihrer Lage
zwifchen Basra und Kufa, von benen fle gleich weit ab in ver
Mitte des Weges, wie in der Mitte zwifchen Euphrat und Tigris
liegt, im Jahre 702 n. Ehr. Geb. (83 der Heg.) noch vor Bagdad
erbaut, unter dem Khalifen Abdul Malek, durch feinen tyrannifchen
Statthalter von Irak, Hedſchadſch, Sohn Yufufs (Haglag). 7)
Bon diefer Lage erhielt fle Ihren Namen Waſit (d. h. die Mitte);
auch vie große Straße von Fars nad; Irak ging hindurch, 2*) fo
daß fie in gleicher Entfernung von Ahwaz, Kufa, Basra und
Bagdad, an 50 Barafangen abflehenn, 23) mit Recht vie Mittel-
ftadt von Irak und ber damals dazu gehörigen Statthalterfchaft
genannt werben konnte. Das Gebiet ver Stadt warb bei ven Ara-
bern Alabar genannt, d.h. „Brunnen,” well es veren vort
viele gab, auch einer ganz nahe des Neubaues wurde ber Brun«
nen der Araber (Abar al Arab) genannt. Daher zeichnete fich
die Umgegend auch durch ihre fruchtbaren Aecker und fchönen Pilan-
zungen aus, welche die fchnell aufblühenbe, ſehr volkreiche Stadt
222) Oriental geogr. b. W. Ouseley p. 3, 70. 22) Greg. Abul ’
Pharsj. Hist. dynast. p. 7, 12, 47, 62, 68 etc. ?=) Albufedae
Annal. Moslem. ed, Reiske p. 123; Abulfedae Descr. Iracae bei
Wüstenfeld pag.19; v. Sammer, bie Länderverwaltung unter dem
Khalifate, Preisichrift. Berlin 1885. 8. ©. 14. 34) Orient.
geogr. b. W. Ouseley p. 65. 86) Herbelot Bibl. Orient. s. v.
Wassit; v. Hammer⸗Purgſtall afiat. Türkei. Rec. W. Jahrb. 1881.
Bd. XIII. S 224.
Eupbratf.; hiſtor. Rüdblie; zur Zeis des Khalifats. 189
richlich mit Lebensmitteln zu verſehen im Stande warn. Ebn
Saukal fagt, daß le an beiden Liferfeiten des Dejleh erbaut
werben jet (urbs bipartita nennt fle daher Abulfeda), worunter aber
sicht der Hauptarm des Tigris felbft, wenigflens nach dem gegen
vartigen Zuflande der dortigen Stromläufe, zu verſtehen fein kann,
feabern der von Nord nach Süd, vom Tigris his zum Cuphrat, die
Mitte des dortigen mefopstamifchen Landes durchſchneidende Arm
ver Querverbindung beider Blüffe, der noch heute im Suͤden, 4 Tage
ſührten aufwärts von Basra, oberhalb Sheikh eI Shuyukh,
unter dem Namen Shat el Dejleh einmünvet, im Norven aber,
bi Rute el Amara, vom Tigris abzweigend, kürzlich erſt wieder
unter dem Ramen Shat el Hie (fprih Shatol Hal) durch die
Dampfichiif- Crpedition näher bekannt wurbe. 25) Diefer Querarm
theilt die dortige mefopotamifche Laudſchaft in eine weftliche obere
und eine öfllihe untere Hälfte, welche letztere eine vollfom-
mene Infel bilvet, bis zur Spike des Vereins von Cuphrat und
Vgris bei Korne, welche heut zu Tage großentheild ven größten
Ueberſchwemmungen unterworfen und daher wenig befannt iſt, von
ven Monteſik⸗Arabern bewohnt. Diefer Querarm durchzieht vom
Nerven abwärts zunächft Heut zu Tag ebenfalls weitläuftige Sumpfe
von Kut Hal over Kut Hie, bis In die Nähe einiger Anhöhen,
De Nuſhayet Wafit genannt. Hier thellt ex fih in 2 Arme,
Die fig abwärts wieder vereinigen und aljo eine Bleinere Flußin⸗
fel zwifchen fich einfließen, auf der die eigenthümliche Anlage ber
Iamallgen Stadt, wie ed fcheint in einer ſehr geficherten. Stellung,
in ver Mitte der Schilfwälder, fagt Abulfeda, gemacht war. Der
wörsliche oder vielmehr nordweſiliche diefer 2 Arme, ver Bu Si
Heirat, macht eine Biegung um ein altes Fort Tefaini und
zieht gegen Teli Tendhiyah, wo er fich mit dem zweiten, dem
mehr ðſtlichen Arme wieder vereinigt, welcher, weil er nicht fchiffe
bar iR, Shat el Amah, d. h. „ner Wanderer,” heißt und an
vr neueren Stadt Waſit (Waſit el Hie genannt) vorüberzieht.
Die dann wieder vereinten Ströme bilden pen Sub Bil, ver, nach⸗
den er ein Paar andere Ganäle (Bu Dukan und Shatrah genannt)
abgeſendet Hat, fly nahe dem Cuphrat bei ven Gräbern von Game
" zah wieder in 2 Arme theilt, davon nur der nörbliche oder nord⸗
weiche, Argaf, ſchiffbar ift, und dann 4 Stunden oberhalb im
36) V. Aissworth Besearches v. Hammer : Purgs
Reli afat. Türk. Rec. W. Saft. "ıkeı. —— — x 6. 256.
0
wu =“
190 Weitz Mfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 31.
Norden von Kut und des Marktortes Sheikh el Shuyukh,
und in allem etwa 13 geogr. Meilen oberhalb Korne, fich In ven
Cuphrat münnet. Das trodne Land am Euphratufer zieht fich ab⸗
waͤrtd vieſes Shat el Hie nur fo weit hin, als es burch Dattel-
pflanzungen und Dänme, auf denen Schliffätten unn bie fefleren
. Wohnungen ber Montefit« Araber ftehen, geſchützt ift; alles andere.
Land abwärts jened Marktortes und des benachbarten Omu el
Bak (d.h. die Mutter der Muskitos) iſt ein Land fort wäh⸗
render Derfumpfungen, vol von Schilfwäldern und ver»
derblichen Mückenſchwärmen. Als B. Fraſer Mitte Januar
41835 27) von dem Marktorte der Monteſik⸗Araber, von Scheikh
el Shuyukh, die Abficht Hatte, an ber Oftfeite des Shat el Hie
nah Waſit zu gehen, um von da, zu Rute el Amara ben Ti⸗
gris Überfegenn, nach Bagdad zurückzukehren, Eonnte er viefen Plan
nicht ausführen, weil die Berfumpfungen (Gores genannt) an ber
Oſtſeite des Hie größer waren als auf ver Weſtſeite, und weil
Watt zu ver Zeit von einem See umgeben war.
-Diefer Heutige Zuftand jener Lanvfchaft mag wol ald ein ver
wilverter jener früheren. Periove angefehen werden, ver erft durch
Jahrhunverte fortdauernde Bernacgläffigung ver Ganalführungen und
der Dammarbeiten zu ‚jenen allgemeinern Berfumpfungen berfelben
geführt Hat, die Heut zu Tage, wie es fcheint, oft viele Sabre hinter
einander den Boden kaum mehr verlaffen, während fie in jenen frü⸗
been Zeiten zwar auch nicht ganz fehlten, aber doch wol nicht in
gleicher Ausdehnung wie heute, und wol mehr noch auf gewiſſe
Ueberſchwemmungs⸗Perioden beſchränkt waren. Sonſt würde man
wol nicht auf den Gedanken gekommen fein, in dieſer Gegend bie
Gentralflant von Irak aufzubauen, und biefe würbe unter ſolchen
ungünſtigen Localitaͤten ſchwerlich zu ſolcher Blüthe gelangt fein;
daß fle Hätte zu den 7 Capitalen von Irak gezaͤhlt werden konnen
Daß aber vie Anlage zu ſolchen Verſumpfungen ſchon felt der Saſ⸗
fantven Zeiten vorhanden waren, haben wir aus El Maſudli's Be
richterftattung geſehen (f. ob. S.162), der auch von einem verän-
derten Laufe des Iigrisbettes im Diftricte von Waſit 29) fpricht,
den wir aber bei völliger Unkenntniß ver von ihm angeführten Lo⸗
calnamen nicht näher zu verfolgen im Stande find. An einer fol⸗
337) B. Fraser Trav. in | Mesopotamia etc. Lond. 1840. Vol. II.
x 122. °*) EI Masudi Historic. encyol meadows of gold b.
Al. Scherer 1, c. Vol, I. p. 258,
“ | |
| — — —
Euphratf.; hiſtor. Ruͤcblick; zur Zeit des Khaliſats. 191
genden Stelle fcheint es, als fei derſelbe Querarm, an weldden Wa⸗
fit erbaut ward, den Ebn Haukal Dejleh nannte, und weldger
Heut zu Tage nur während 8 Monaten im Jahre ſchiffbar iſt, doch
bamals der wirkliche Tigris ſelbſt geweſen. Zur nähern Prü-
fung für folgende Beobachtung fegen wir EI Maſudi's Worte 29)
bieber: Wenn ver Tigris Bagdad verlafien bat, nimmt er eine
„große Menge von Ganälen auf, wie ben Babnal und Nahras
ARahr Sar oder Nahr Shirt), ven Nahe Wan, nicht fern von
„Sarjaraya ed Sib und Nomaniyah. Nachdem er vie Stadt
„Waſit paflirt Hat, zertheilt fih ver Tigris in mehrere Arme; ei⸗
„nige von biefen fließen in die Marſchen von Batra, wie ver Fluß
„Barabub, der el Dahubi und ver Shami- (oder Samarri=) Arm.
„Huf dem Strome, weldyer nach el Akar geht, wird der größte
„heil der Schiffahrt von Bagdad und Waflt nach Basra betrieben.”
Auch Abulfeda 39) in Bezeichnung des Tigrislaufes beſtätigt vie,
Noch ihm fließt der Digla, d. I. ver Tigris, von Bagdad Aber el
Madain vorüber nach es Sib und Dair el Acus. Dann ge=
gen OR nad en Romanian, von da gegen SD. na Fom er
Celh, dann gegen W. nad Wafet, von va in die Seen von
Bafet, und dann gegen SO. nah Badra.
Ob die heutige bei Ainsworth Waſit el Hie genannte Stadt
be ditere von Hedſchadſch erbaute Wafit fel, pie nach dem Sturz bes
Khalifats in Bagdad durch Hulaku Khan ein gleiches Schickſal 31)
ve Zerflörung wie jene traf, iſt zwar noch nicht genau unterfucht,
dech wol ſehr wahricheinlich, nach den Angaben zu fchließen, bie
wir von der älteren bei Edriſi ſinden. 3?) Er nennt fie, da fie
a beiden liferfeiten erbaut war, die „beiden Städte Wafit,'
weiche durch eine Schiffbrüde über ven Tigris mit einander in
Verbindung flanden. In jeder derfelben war eine Mofchee erbaut.
Die Stadt an der Weftieite bie Kaskar und hatte jenen Statt
halter zum Grbauer; fie war’von Aderland, Balmpflanzungen und
Dfigärten umgeben, ihre Wohnungen ſtanden dicht beiinmmenge
sängt. Der andere Stadttheil auf dem DOftufer des Stroms, Was
fit von Irak genannt, war wie jener vortrefflich gebaut, aber mit
wetm Straßen, ſehr hoben Gebaͤuden, voll Reichthümer, zwiſchen
en Gärten gelegen. Das Elima war geſünder als In Basra,
20) Ei Masudi 1. c. Vol. L. p.258. 20) Abulfedae Tabul. e ca-
de fluviis b. Wüstenfeld p. 66. si) Greg. Abul Pharsj.
dynast. p. 339. 38) Kdrisi Geogr. b. Jaubert. Vol. I.
«367. en
*
— nn
192 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 31.
der Boden fehr gut, dad Stadtgebiet fehr weitläuftig, von Bnbra
abhängig; die Einwohner, eine Mifchlingärage von Irak und an«
dern Abkoͤmmlingen, fchön von Geſtalt, weiß gekleidet, mit großen
Turbans geſchmückt. Um Waſit ſah man damals keine Verſum⸗
pfungen. Die Entfernungen von da nah Kufa rechnet Edriſit zu
6, nach Basra zu 7 und nach Bagdad zu 8 Zagereifen. Auf dem
<igris fchiffte man damald von Waſit abwärıs bis Nahraban
in einem halben Tage, zu Lande brauchte man eine ganze Tagereiſe
dahin. Auch wird der Weg von Waflt wol auch zu Waſſer nad
vem Depjlet el Ghauza (pder D. el Ghaur) angegeben, von
da zum Nahr Ma'akel (mol ver Maquel, |. ob. S. 182) und von
biefem zum großen Strome Basra's. Genauer gibt Edriſi für
feine Zeit dieſe Waſſerfahrt 22) ſo an: Von Madain ſtromab auf
dem Tigris find 40 Mil. bis zur kleinen Stadt Dierpieraia
(Gargaraja bei Abulfeda); *) nämlih von Mabain nad) Date al
Arul 10 Paraf. (= 15 Stunden) und von da nad) Bargaraja 4
"Baraf. (= 6 Stunden). Von da 25 Mid. bis Djabet, wo ber
Einfluß des Nahrawan in den Tigris If. Bon da immer abwärts
den Tigris bis Waflt find IM. Bon Waſit geht es abwärts
zum Nahr La’an, dann nad el Farareth, dann nah Diz el
Sal, dann nah el Hawanit, d. L zu den Marktbuden; dann
nad el Gar, dem Caſtell, in ven Nahr Abil Aſad; dann in
den Depjlet el Ghauza, und von biefeni in den Nahr Abi
Ma’akel (nee Maquel bei Abulfeda) und in die großen Waſſer,
d.t. ven Euphratfirom von Basra. Bon Waflt nah Ahwaz
im Oft des Tigris rechnet man 100 Mid.
Abulfeda Hat von der Stadt Waftt felbft Leine neue Mit«
theilung gemacht, dagegen fpricht er von ven el Ba’tajceh°) ober
den Derfumpfungen zwifhen Waflt und Basra, die auch ven Na⸗
men der Sümpfe der Nabatäer führen, wo fehr viele Dorfe
ſchaften Inmitten der Waſſer liegen follen. Auch gehören dazu bie
Seen von Basra, dern Mitte nach Rasm el Mamur unter 73°
Long. und 32° Latit. zu liegen kommt. Dies follen biejelben feim,
welche feit der Zeit der Safſanidenkriege erſt entſtanden finv (f. ob.
b. Mafudi). Der Hauptort in dieſen Sen heiße el Gamida.
- Gig entfichen aus Flüffen, die unterhalb Waflt aus dem Tigris
888) Rdrisi Geor: b. Jaubert Vol. II. pag. 161. 24) Abulfedae
Descr. Iracae b, Wüstenfeld p. 17. 26) ebenv. p. 8 und e pro-
legom. ibid. p. 68,
LE
#
—
Euphratſ.; hiſtor. Ruͤcblick; zur Zeit des Khalifats. 193
treten, fo wie bie unterhalb Kufa aus den Waflern des Cuphrat
entfteßen. Der Tigris ergießt fi in den größten dieſer Waſit⸗
Seen durch einen engen mit Schilf bewachſenen Canal; aus biefem
tritt er durch einen ähnlichen Canal in den zweiten Se, und eben
fo in einen dritten und vierten, bie jevesmal durch zwoffepenfies
gende Schilfwälder von einander gefonvert find. Diefe, bei den
Yrabern Ba'tajeh, Ba’tiha ober Bahaira genannten, Sem
werben bei dem dortigen Volle „el⸗Hur“ (Hores Hörte fie Fra⸗
fer noch heute nennen) genannt. Beim Austritt aus dieſen Seen
beißt der Tigris Deglat el Baura (f. oben), und dann erſt ver⸗
zweigt er fich in vie vielen Arme und Ganäle von Basra. So ver
bier ſehr Ichrreiche Abulfeda, der und auch über bie Verzweigungen
des Stromes unterhalb diefer Sem eine ziemlich umflänpliche Nach
zit gibt, die wir hier an ber für fie geeigneten Stelle als Ver⸗
velfländigung dieſer Hydrographie In den mohamedaniſchen Zeiten
mittheilen,, obwol wir und befcheiden müflen, daß uns faft alle da⸗
bei vorkommende Benennungen unbelannt geblieben find, fo daß
wir fie mit den heutigen Zuſtänden noch keineswegs zu vergleichen
im Stande find. In der Zukunft werben Hoffentlich Beobachter an
Drt und Gtelle das Ihrige zum bereinfligen Verſtändniß derſelben
en.
Bertheillung ver Tigrisarme unterhalb ber Ver⸗
fumpfungen von Waſit nah Abulfeda. 3%) Auch unter
halb der Seen treten aus dem Oft- wie dem Weſtufer des Tigris
Sie Arme hervor. Die aus dem Oftufer abzweigenden find nicht
beſeuders berühmt, wie der Fluß von Ahwaz (Erdk. TH.IX.©.219)
zer andere. Dagegen bie des Weſtufers find be berühmteften und
fo zahlreich, Daß ihrer über 100 find. Vorzugsweiſe find e8 aber
9 Arne davon. Der erfie und oberfte der Fluß el Morra. Gr
trin aus Der Weſtſeite des Tigris hervor und bewäflert deſſen Land
im Weſten des Tigris wie Im Norden von Basra. Sein Ueberfluß
an WBaffer tritt in den zweiten Fluß, der ed Dair heißt; an
feine Mündung liegt das Martyrium des Mohammed Ihn el
Hantifijja, wo bis Heute große Schäge liegen, denn zahllofe Ver-
mblgtiniffe ver Sterbenden werden daſelbſt zum Opfer gebracht. Zwi⸗
fm der Mündung viefes erſten und zweiten Fluſſes find nur
3 Baraf. (44 Stunde) Zwifchenraum. Der dritte Fluß I ver
Bethe (i. e. raptura) Sirin, 6 Paraf. (9 Stunden) unterhalb
80) Abulfeda, Deser, Iracae 5. Wüstenfeld p. 09.
uter Erohunde X.
194 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 21.
der Dair⸗Muͤndung; doch ſoll dieſer nach Ausſage eines wahrhafti⸗
gen Augenzeugen gegenwärtig verſchwunden fein. Der vierte Fluß
if der Maquel, zu ven nobelften unb größten Basra's gehörig,
der nur 2 Baraf. (3 Stunden) unterhalb des B. Stein feinen Au⸗
fang nimmt, gegen Weſt zieht, fich dann gegen Süb mie ein Bo⸗
gen krümmt, 5i8 er an die N.W.-Selte von Badra kommt (mo
ſchon von ihm die Rede war, f. ob. S. 182). Ein Präfert el Ah⸗
naf von Basra, der im Jahr 686 nach Chr. Geb. (67 ver Geg.)
ſtarb, überrevete ven Khallf Omar Ben el Chattab, dieſen Maquel
ausgraben zu laſſen, zum Bortheil ver Bewohner von Basra. Dies
fer. fimmte au ein und befahl nem Baumeiſter Maquel Ben
Jeſar, ven Canal zu Stande zu bringen, welcher von ihm den Na⸗
men erhalten bat. Der fünfte Flußarm iſt der el Obolla (von
ihm iſt vollſtaͤndig oben Nachricht gegeben, |. S. 54). Der ſechſte
Fluß iſt der Judaei, der 6 Paraf. (9 Stunven) unterhalb dem
Obolla beginnt und nur zum Thell noch vorhanden, zum Theil zer»
fört if. Der ſiebente iſt der Abil Chocaib, 1 Paraf. (13
Stunde) unterhalb des vorigen, auch nur noch zum Theil erhalten,
zum Tell zerflört. Der achte If ver Cmiri, 1 Paraf. (14 St.)
unterhalb des vorigen beginnend, zum Theil verlaffen und nur noch
theilweiſe bebaut. Der neunte iſt ver el Condoli, der einft zur
Zeit, da Basra gegründet wurde, Beſtand hatte, aber gegenwärtig
faft gar nicht mehr vorhanden iſt. Alle diefe Flüſſe bewäſſern und
befruchten die dortigen Fluren und Gärten. Doch fügt Abulfeda
Hinzu: ein glaubhafter Augenzeuge habe ihm verfichert, daß Basra
und ihr Gebiet damald (Mitte des XIV. Jahrh.) ſelbſt an dieſen
Blüffen ſehr verddet fet, fo Daß von den 24 Dimt #7) (? wahrfchein-
lich Kirath oder Quartier), welche zu Basra gehörten, gegenwärtig
nur ein einziges noch vorhanden fe. Es ift Ichrreich, mit dieſen
Angaben Abulfenas die jüngern Darſtellungen des türkiſchen Ewlias
‚ (Mitte des XVII. Jahrh.) 38) zu vergleichen, welche im wefentlichen
jene beflätigen. Den 1ften Fluß nennt er Merre, der nach ihm
vie nörhliche Gegend von Basra bewäſſert und in ven 2ten fält
den er auch Deir nennt; das Grabmal an ihm ſchreibt er bem
Mohammen Haafis zu. Den 3tn Fluß, 6 Paraſang unter viefem,
nennt a Sibk Schirin und fagt,: übereinſtimmend mit Abukfebe,
ex verliege fich in der Wüſte. Den dien Fluß, 2 Sarfang abwaͤrtt,
— —
227) Abalfeda 1. c. p. TI. 220) v. Hammer⸗Purgſtall, aſtiat. Türk.
Rec. Wien. Jahrb. 1821. Br. XIII. 6 557. i
ee
Eupbratf. ; biftor. Rüdblid; zur Zeit des Khalifats. 195
nennt er Nehr Moakil, alfo jener Maquel, ver fi bei den .
Ruinen von Dina mit dem Obolla vereine. Diefer Obolla gebe
unter dem Nehr Moakil aus, und an feiner Mündung liege dad
Gefilve von Obolla, einem Eden glei. Derfelbe ergieße fich
mit dem Moakil wieder vereinigt in ven Shat. 4 Farfang unter
dem Obolia gehe der Nehr Jehud, d. i. ver Iudenfluß, aus,
und nahe an vemfelben der Nehrol⸗chatib, d. I. der Redner⸗
fluß; bei Ueberſchwemmungen vereinigen fich Ihre Fluthen. Cine
Sarfang näher gegen Basra als der vorige firdne Stens der Nehr
Emin, d. i. ver Scherfluß, und dann der te Nehr Kandil,
d. i der Zampenfluß. — So weit Ewlla.
4) Bagdad — Dar el Sala, d. I. die Stabt des Friedens —
Erah Babeli ver Araber, dv. i. JIrak Babylon, die Khali⸗
fenſtadt Der Abbaffiden und ihre Umgebung mit dem
Lande der Canäle zum Euphrat und am Tigris,
bis Jekrit und Waflt.
Bagdad wird für das Mittelalter im Stufenlanve des Eu-
vhrat⸗ und Tigrisſyſtems der große Gentralpunct, ver alles, was
früher Rinive und Babylon, Seleucla, Ctefiphon, Madain und Kufa
zerſtrent befaßen, in feiner Mitte vereinte, und über ein halbes Jahr⸗
taufend hindurch der Sitz des Khalifen, die Hauptſtadt des
mobamedanifchen Weltreiches, ver Mittelpunct des Handels,
ver neu aufblühenden Künfte, ver Gelehrſamkeit, der Wiſſenſchaften
wurde, bis fie mit dem Sturze des Khalifates durch pie Mongolen
mier Sulagu Khan Im Jahr 1258 nach Chr. Geh. (656 dv. Heg.)
felhR Ihren altm Glanz wie faft alle ihre Bemohner verlor und in
einen Aſchenhaufen verwandelt wurbe, fo daß die fpäter wieder het⸗
vertzetende türkifche Bagdad an ver Oftfelte des Tigris nur ein
ſchwacher Wiederſchein deſſen fein konnte, was früher unter dem Na«
men dieſer Khalifenſtadt in weiter Auspehnung zu beiden Uferſei⸗
wu des Tigriöftromes ſich Unter ganz andern weltbiftorifchen Ver⸗
häliffen zu einer ver erfim Weltcapitalen ausgebilvet Hatte,
De ſchͤn ein Ebn Haukul 9%) nur mit der Gonftantinopolis In
Tercha, der Ganounge In Indien und ver Hamban in Ehin zu
soogkitien wußte. Don der neuern Bagvab wird weiter unten an
der dazn geeigneten Stelle vie Rede fein; Hier am Schluffe unſers
hiſtoriſchen Rüdblides nur non der alten Bagdad, ver Manfuria,
3°) Oriental geogr. b. W. Ouseley I. c. p. 9. 1
N2
‚196 Weft-Afien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 31.
mit deren Untergang der moberne Zufland ber Geographie ver
Euphratlandfchaften überhaupt feinen Anfang nimmt.
Werner Mekka noch Kufa, noch Anbar, noch Gaſchemiah
(Safchimijet bei v. Hammer) wollten zu feften Mittelpuntien des
mächtigen Khalifenreiches fi eignen; endlich war ver zweite ber
Abbaſſidiſchen Kfalifen, Abu Giafar al Manfur (reg. 753 —
775 n. Chr. ©.) fo glücklich, ven rechten Punct zu treffen, der ſo⸗
wol für die Mittelprovinz (Chaldäa oder Aſſyria), nämlih Irak,
welche ſchon Omar ver Eroberer in feinem erften Bericht 0) „das Herz
„ner Erde, den Schlüffel des Orients, ven Weg des Lichts ges
„nannt hatte, welche alle Annehmlichkeiten des lebend ge
„währe,“ wie für das ganze Meich allen Bebürfnifien zu entiprechen
fehlen. Ihm war die von feinem Bruder und Vorgänger ererbte Refidenz
Haſchemiah bei Kufa durch die Empdrungen der Rawendier, bie
ihn dort In feinem eignen Schloffe belagert Hatten, zuwider +4) ges
worben, und die Nachbarichaft der treulofen, aufrührerifchen, ihm
verhaßten Bewohner von Kufa trieben ihn gleichfalld von da weg,
um mit Hülfe des Gorofcops und guter Vorbebeutungen, eine neue
Gtelle zur Bründung feiner Reſidenz zu fuchen. Ganz unbefannt
mochte vie neuerwählte Lage nicht geblieben fein, nur fehlen und au»
Ber der einen Ortſchaft, vie ſchon zuvor an der Stelle lag, wo
Bagdad erbaut warb, die Iocalen Benennungen am Weſtufer des
und nnbefannten Fluſſes Moalla, wo einer der vielen bortigen
Ganäle, fagt Abulfeda,“?) Iag, in der Ebene, wo Bagdad, ein ſtark be⸗
ſuchter Mark tort, Suk et Xhalatha genannt, ein Name, ber’
allerdings an das Qurada bei Ptolem. (V. 20. fol. 145) erinnest.
Die perfiſche Sage erzählt, daß ſchon ältere Könige (Kailaus, ver
für Nimrods Sohn gehalten wird) dort am Tigris in einem Gar
ten (Bag) einem Idole (Dad) ein Heiligthum erbaut hätten, und
daß die Gemahlin Khosroes Nuſhirwan vafelbft (vielleicht zu
Eski Bagdad, d. h. Alt Bagdad, wo vor⸗ islamiſche Ruinen
find, f. Erdk. SH. IX. ©. 500) ihren Park und ihre Herden ge
Habt, der mit ihrem Landſitze den Namen Bagdad ver neuen Stabt
gegeben. Abul Faradj ) Läft nem Khalifen durch einen bort
Enheimiſchen den klugen Rath ertheilen, fich in ver Nähe des Sorat
genannten Ortes zwiſchen den beiden Strömen Buphrat und Ti⸗
240) 3. v. Hammer, Linderverwaltang sc ©. 77. _*') Abulf. An-
nal. Moslem. ed. Reiske. p. 147. “s) Abulf. Desor. Jracae 5.
Wüntenfeld. p- 6. not. p. 95. 2 2) Gregor. Abul Pharaj. I. o.
pP |
Eupbratf.; hiſtor. Ruͤckblick; zur Zeit des Khalifats. 197°
gris anzubanen, damit Feiner ver Feinde, vom Rorden wie vom
Sünden, ihn erreichen könne, ohne zuvor über eine Brüde zu geben,
die er leicht mit feiner Macht würde beherrfchen oder abbrechen koͤn⸗
nen. Dann läge fein Wohnfig auch in ver Mitte zwifchen ben
neuerbauten Hauptfläbten feines Reichs, Basra, Kufa, Wafit,
Moful, und die beiden großen Ströme nebſt dem Fluſſe von
Sorat (0b Nahr Sares, Nehr Sartjet? wahrfcheinlich ver heutige
ſchiffbare Ifacanal, ver an Akerkuf vorüber direct auf Bagdad geht)
wären die befim VBerbinpungslinien, um von allen Weltge⸗
gaben ber feine neue Reſidenz mit allen Nahrungsmitteln über-
ffüſſig und mit allen Koftbarkeiten der Meere und Länder auf das
reichlichfte zu verſehen. Ergriffen von diefen Borzügen, habe AI
Manfur mit Begier fogleidh ven Bau ver Stabt im Jahr 145
ver Heg. (762 n. Chr. Geb.) begonnen, und die Steine dazu aus
Mapdain, die Ihore von Waftt herbei zuholen geboten, um fo
ſchneller die neue Stadt aus dem Schmud ver ältern herzuftchie.
Ja ver ganze weiße Pallaft, die Bafllica Kosroes (That Kedra
der Araber, oder That Khosru bei Perfern) zu Madain follte
nach Khondemirs Erzählung nad) Bagdad übertragen werben.
Den Rath des Viziers Chaled, eines Barmaliven, eines PBerfers,
doch nicht das gedßte und flolzefte Denkmal des alles beflegenven
delams zu vernichten, den Al Manfur aber ver perfifchen Selbfl-
gefaͤlligkeit zufchrieb, achtete er nicht, und Heß durch unzählige Ars
keiter die Zerſtbrung beginnen. Uber erft ein Kleiner Theil war
abgetragen, ald man fich überzeugte, daß der Ertrag dieſer ſehr bes
ſchwerlichen Arbeit weit Hinter den Koften, die fie verurfachte, zurück⸗
Wich. Go rief der Khallf die Arbeiter von der Ruine zurüd, uns
geachtet Chaleds Warnung, dies nicht zu thun, well nun erft bie
Nachwelt ihm nachreden werde, wie gering feine Macht, die nicht
dumal zerflören könne, was ein Perſerkonig aufgebaut. Die er
lauchten Söhne viefed Chaled, die Barmakiden, fagt v. Ham⸗
mer, 4%) waren es, welche ald Wefire den Ruhm ver Herrſchaft
wit Harun Raſchid getheilt Haben, und denen wol bie meiften Staats⸗
einrichtungen zuzufchreiben find, welche von dem mohlgeregelten
gsſyſteme des alten perflihen Reichs auf das neuwur⸗
zinde der Abbaffiven verpflanzt wurden. Mag jened auch ein wohl
efunbened Mährchen fein, «8 dezeichnet dad Großartige des alten
%) J. v. Hammer, die Länderverwaltung unter dem Khalifate. Preis⸗
hei Berlin 1835. 8. ©. 10.
‚196 Weft-Afien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 31.
mit deren Untergang ber moberne Zuſtand ber Geographie ver
Euphratlanpfchaften überhaupt feinen Anfang nimmt.
Wer Meta noch Kufa, noch Anbar, noch Haſchemiah
(baſchimijet bei v. Hammer) wollten zu feften Mittelpunften des
mächtigen Khalifenreiches fi eignen; endlich war ber zweite Der
Abbaſſidiſchen Kfalifen, Abu Giafar al Manſur (reg. 753 —
775 n. Chr. ©.) fo glüdlich, den rechten Punct zu treffen, der ſo⸗
wol für die Mittelprovinz ( Chalvda oder Aſſyria), nämlich Irak,
welche ſchon Omar ver Eroberer in feinem erften Bericht *0) „das Herz
„der Erde, den Schlüffel ves Orients, ven Weg des Lichts ge
„nannt Hatte, welche alle Annehmlichkeiten des Lebens ge
„währe, wie für das ganze Neich allen Bedürfniſſen zu entiprechen
föhten. Ihm war die von feinem Bruder und Vorgänger ererbte Refidenz
Haſchemiah Hei Kufa durch die Empörungen ver Rawendier, bie
ihn dort in feinem eignen Schloffe belagert Hatten, zuminer 41) ges
worben, und die Nachbarfchaft ver treulofen, aufrührerifchen, ihm
verhaßten Bewohner von Kufa trieben Ihn gleichfalls von da weg,
um mit Hülfe bed Horoſcoph und guter Vorbedeutungen, eine neue
Stelle zur Gründung feiner Reflvenz zu fuchen. Ganz unbefannt
mochte die neuermwäßlte Lage nicht geblieben fein, nur fehlen und au⸗
er der einen Ortſchaft, vie ſchon zuvor an ber Stelle lag, wo
Bagdad erbaut warb, die Iocalen Benennungen am Weflufer bes
und nnbefannten Fluſſes Moalla, wo einer der vielen bortigen
Ganäle, ſagt Abulfeda,“?) Iag, in ver Ebene, mo Bagdad, ein ſtark be⸗
ſuchter Marktort, Suk et Thalatha genannt, ein Name, ber’
allerdings an das. Qurada bei Ptolem. (V. 20. fol. 145) erinnest.
Die perfiſche Sage erzählt, dab ſchon ältere Könige (Kailaus, ver
für Nimroda Sohn gehalten wird) vert am Tigris in einem Gare
ten (Bag) einem Idole (Dad) ein Heiligthum erbaut hätten, und
daß die Gemahlin Khosroed Nufhirman daſelbſt (vielleicht zu
Eskti Bagdad, d. 5. Alt. Bagdad, wo vor⸗ islamiſche Ruinen
find, |. Erdk. Th. X. ©. 500) ihren Park und ihre Heerden ge-
Habt, der mit ihrem Lanbflge den Namen Bagdad der neuen Stabt
gegeben. Abul Sarapi*) läßt dem Khalifen durch einen dort
Einheimtfchen den Flugen Rath erihellen, fich in der Nähe des Sorat
omanntn Ortes zwiſchen ven beiden Strömen Cuphrat und Ti⸗
200) J. v. Hammer, Länberverwaltung sc S. 7. 1) Abulf. An-
nal. Moslem. ed. Reiske. ‚14. 48) Abulf. Desor. Jracae b.
Wüntenfeld. p- 6. not. p. *3) Gregor. Abul Pharaj. Lo.
p. 141. |
Eupbratf.; hiſtor. Ruͤcblick; zur Zeit des Khalifats. 197
gris anzubauen, damit Feiner ver Feinde, vom NMorven wie vom
Süden, ihn erreichen könne, ohne zuvor Über eine Brüde zu geben,
die er leicht mit feiner Macht würde beherrfchen oder abbrechen kün-
nen. Dann läge fein Wohnfig auch in ver Mitte zmifchen den
neuerbauten Gauptfläbten feined Reichs, Basra, Rufa, Wafit,
Moful, und vie beiden großem Ströme nebft dem Fluſſe von
Sorat (ob Nahr Sared, Nehr Sartjet? wahrfcheinlich ver heutige
ſchiffbare Ifacanal, ver an Akerkuf vorüber direct auf Bagdad geht)
wären bie befin Berbinpungslinien, um von allen Weltges
genden ber feine neue Reflvenz mit allen Nahrungsmitteln über»
flüffig und mit allen Koftbarkeiten ver Deere und Länder auf daß
reihlichfte zu verſehen. Ergriffen von dieſen DBorzügen, habe AI
Manfur mit Begier fogleih den Bau der Stadt im Jahr 145
der Heg. (762 n. Chr. Oeb.) begonnen, und die Steine dazu aus
Mapdain, die Thore von Wafit herbei zuholen geboten, um fo
fgnellex die neue Stadt aus dem Schmud ver Altern berzuftckie.
Sa der ganze weiße Pallaſt, vie Bafllica Kosroes (Thal Kebra
der Araber, oder That Khosru bei Perfern) zu Mabain follte
nach Khondemirs Erzählung nah Bagdad übertragen werben.
Den Rath des Bizierd Chaled, eines Barmaklden, eines Perſers,
doch nicht das gedßte und flolgefte Denkmal des alles beflegenven
Jelams zu vernichten, ven A Manfur aber der perfiichen Selbſt⸗
gefälligkeit zufchrieb, achtete er nicht, und Heß durch unzählige Ars
keiter die Zerflörung beginnen. Aber erft ein kleiner Theil war
abgetragen, als man fich überzeugte, daß ver Ertrag dieſer fehr be»
ſchwerlichen Arbeit weit hinter den Koften, die fle verurfachte, zurüde
blieb. Go rief der Khallf die Arbeiter von der Ruine zurüd, uns
geachtet Chaleds Warnung, dies nicht zu thun, well nun erſt bie
Nachwelt ihm nachreven werde, wie gering feine Macht, die nicht
tamal zerftören Eönne, was ein Perſerkonig aufgebaut. Die er⸗
lauchten Söhne dieſes Chaled, die Barmakiden, fagt v. Ham-
mer, 4) waren es, welche als Weftre den Ruhm der Herrſchaft
mit Harun Raſchid getheilt haben, und denen wol die meiften Staats⸗
einrihtungen zuzufchreiben find, welche von dem wmohlgeregelten
Berwaltungsfofteme des alten perflichen Reiche auf dad neumur-
eine der Abbaffiven verpflanzt wurden. Mag jenes auch ein wohl
eıfundenes Mährchen fein, eb hezeichnet dad Großartige des alten
**) J. v. Sammer, bie gändervermaltung unter dem Khalifate. Preis⸗
jchrift. Berlin 1835. 8. ©. 1
198 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.31.
Baues, ver wirklich ſtehen geblieben ift bis Heute, während Alles
neben ihm in Trümmern zerfiel und verging. Ebn Haukal %)
ſah ihn noch, ven Lieblingsſitz der Saffanivenkönige, eine Tagreiſe
im Süden von Bagdad. Er nennt dieſe Pallaftruine ven Aiwan
Kesri, (Iwan ) seu palatium bei Reiske, Taki Eiman bei
v. Sammer), der bei anbern der Thron oder ver Dom Khos-
roes heißt, und fagt: Fein größerer Bau mar im ganzen Perfer-
zeiche, und Mabain war ihre größte Stadt; am Oftufer des Dejleh
(Zigel) lag fle, aber von ver Brüde, vie Hier über dieſen Strom
geführt Haben foll, fand er Feine Spur.
Edriſi rechnet die Entfernung Madains von Bagdad auf
15 Miles (nach KRinnele*7) vom heutigen Bagbad 18 MIl. engl.), und
fagt und, daß zw feiner Zeit dort noch ein Eleiner Ort vieſes Nas
mend am Weftufer des Tigris vorhanden war, vermuthlich alfo
wol an der Stelle des ehemaligen Seleuca, ober viel wahrſcheinlicher
ey, fpäteen Coche, die ja auf dem Weſtufer Ing, und ebenfalls
unter dem Namen von Madain (Dualis von Mevina, die Stadt,
nämlich binae urbes, wie Mizraim, Basratan und andere
Dualformen von Stäbten) mitbegriffen war. Zugleich erfahren wir
von ihm, daß man auch damals dort noch fehr impofante Ruinen
und Reſte von GBebäuben, den merfwürbigften ‚in ihrer Art an
Gryoße und Hoͤhe, erblide, die größtentheild aus fehr großen Dun«
dern beſtehen, deren fehr viele zum Bau von Bagdad gebraucht feien,
und auch zu feiner Zeit (Mitte des 12. Jahrhunderts) zu gleichem
Verbrauche noch Immer dahin transportirt würben. Der Größe
dleſes Khosroed- Pallaftes fei kein anderer gleich. — Wie Babylon
zum Aufbau fo vieler Nachbarſtäͤdte als Steinbruch gevient hat,
fo alfo auch der Thak Kedra oder Dom Kesras zu Mabain, von
dem auch Heute noch fo großartige Maſſen fich erheben. Abul«
feba, ver EI Mapain mit vem Pallafte Khosroes, 1 Tagreiſe
unterhalb Bagdad, auf dem Norbufer des Tigris anführt, gibt 9)
die aftronomifche Lage nach Atwal 70° 20° Long. 38° 40’ Lat.;
nad d. Canon 70° 5' Long. 38° 10’ Lat. an. Er gibt das
Mach des Pallaſtes von einem Winkel zum andern nad) einem
treuen Augenzeugen, wie er felbft fagt, zu 95 Ellen an, und nach
@ A A def deſſen Hohe zu 80 Ellen; er Hat 3 verſchiedene Benennuns
"0t) Oriental geogr. 5. W. Ouseley. 1. c. p. @8. 70. **) Abulf.
ab. VILL al drac ed. Reiske. 5, Bäfging, Hier. Mag, 2%, IV.
©. 259. +’) M. Kinneir Mem. of Persis. p. 259. **
Desc, Irac. b. Wüstenfeld. p. 14.
?
[0
Euphratf. hiſtor. Ruͤckblick; zur Zeit des Khalifats. 199
gen befjelben aufbewahrt: Rumija el Madarn, Taifafun uns
Eſchbelun, deren Bedeutung und unbekannt geblieben. Auch bes
Isgt ex die Stabt auf dem Weſtufer des Tigris mit dem beſondern
Ramen SabatelMapdain, und eine andre ihr zur Selte liegende
mit dem Namen Nahr Schir, vermuthlich ver Ort an dem dorti⸗
gen gleidmamigen Ganalırme (vergl. 06. ©. 191). Dies find die
legten Nachrichten aus jener Periode über die Lage jener fernen
Gapitale, die nun immer mehr und mehr ver Vergeſſenheit preis⸗
gegeben ward, je ftrahlenver ihr benachbart das Geſtirn der neuen
Refldenz emporftieg. I. Rich fand in neuerer Zeit 9) in einer
Kirche des Neftorianerflofters Mar Elias, oder Deir el Munkush
ver Mohamedaner, bei Moſul eine alte Kirche von offenbar faffani-
Sichem Grundbau, deren Innered ihn auffallend an die Eonflruction
des Taf Kebra erinnerte, vielleicht ver einzig verwandte Bau biefer
Art, ver alfo eine nähere Unterfuchung verbiente. Doch fo fchnell wuchs
Bagdad noch nicht heran, da es von Grund aus neu zu bauen
wor, und heftige Fehden von Parteigängern, zumal vie von Alle
Söhnen, zu gleicher Zeit beizulegen waren. Doch zog Al Man»
fur [on im Jahre 763 (145 d. Heg.) mit feinem Heereslager in
De neue Stadt ein, die, wie noch drei andere von ihm in Sinn
(n Multan, |. Erdk. Th. IX. ©. 256), am mittellänpifchen
Meere und in Mefopotamia erbaute, den Namen Manu»
ria 60) erhielt. i
Beendet wurde der Bau erft 3 Jahre fpäter, im Jahr 766
(149 d. Geg.), und als zu jener Zeit wirflich einmal, fo felten wie
Im römifchen Reiche, an allen Enden des Khalifates Friede im
Reiche herrſchte, erhielt fie, vielleicht mit Anfpielung auf vie heilige
Jeruſalem oder auf das Paradies felbfl, ven Ehrennamen Dar
elSalam, d. i. Sit des Friedens, oder Medinet el Salam,
d. ĩ Friedensſtadt. 51) Much fcheint ed dem großen Drienta-
Bien Frähn 52) nicht unmahrfcheinlich, daß fie dieſe Benennung
(urbs salutis, vel salutationis) dem Umſtande verdanfte, daß bier
ver nıue Khalif begrüßt zu werben pflegte mit dem officiellen
Gruße: el-salam aleik jaEmir el-mumenin, i: e. salve, o impe-
rator fidelium! Die Ableitung vom Tigriönamen, der nach el Zobab
*s) 5. Ci. Rich Narrative etc. Vol. I. p. 113. *°) Edrisi Geogr.
b. Jaubert. Vol I. p. 162. st) Herbelot Bibl, Or. s. v. Bag-
dad; Abulfedae Deser. Jracae. b. Wüstenfeld. Lc.p. 3 .
ss) C. M. Frähn, Commentatio I. de aliquot numis Kufcis.
1824. p. 406. |
U
200 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 31.
auch dir Fluß des Friedens geheißen Haben fol, ſcheint ihm ganz
venverfd), .
Das umherliegende Land vertheilte Al Manfur in verfchle
dene Herrſchaften, und verſchenkte biefe an feine Freunde, und Une
Hänger, 53) die fich hier ihre Wohnungen und Paläfte errichteten.
Die neue Stadt war in runder Kreiögeftalt erbaut, und von zwei
Stadtmauern umgeben, von denen bie innere höher, vie äufiere nie=
driger war. Sie war durch Thürme flanfirt, und die Thore ber
erſten Mauer waren fo angebracht, daß fle den Thoren ver zweiten
Mauer nicht gerade, ſondern immer diagonal gegenüberſtanden, fo
daß dieß der Stadt ven Beinamen „Zauta“ ver Schiefen, oder
„mit ven ſchlefen Thoren“ gab. Der Khalifenpallaft erhob ſich
An der Mitte der Gtabt und neben ihm bie große Mofchee, denn es
ſollte jedweder ver Unterthanen gleich nahe dem Thron wie ber
Kebla fichen. Die Marktpläge und Bazare waren damals im In«
nern der Stabt angebracht, doch wurben fle bald nach außen ver-
legt, denn, erzaͤhli Abul Faradf, 9) als ein Befanbter des Kalfers
von Gonftantinopel, vom Bizier Al Manſurs zur Bewunderung ber
neuen Stadt umhergeführt, von ihm über ihren Bau befragt warb,
antwortete er: ſehr ſchon, nur iſt nicht paſſend, daß beine Feinde
mit dir zuſammen wohnen. Ex meinte dad oft aufruhreriſche Volt
der Bazare; und kaum war ber Gefandte abgereift, fo befahl der
Khalf, um ven Pöbel aus feiner-Umgebung los zu werben, bie
Marktpläge außerhalb der Stadtmauer nah Korch (Karkh) zu
verlegen (fo wurden die Vorſtaͤdte an der Weftfeite bed Tigris
gegannt), und nur ber. Bazar für Gemüfe, Del und Gffig blieb
innerhalb der Stadt, Nach Al Manfurd Tode, der auf der Wall-
fahrt nad Mekka farb, verlegte fein Sohn DI Mahodi (vg.
775—784) dad Lager feiner Truppen auf die Oftfeite bes Tigrige
ufers, daß durch den ber Meflvenzflabt gegenüber errichteten Bau
der Truppenftabt ven Namen Osfar, d. I. Eaftrum, ober Askar
ol Mahdi (Rager Mahdis) erhielt; denn auch einen neuen Pallaſt
errichtete er daſelbſt in der Mitte des Caſtrums, ver dem feines
Vaters gegenüber lag, wodurch fehr bald die Oſtſtadt Karkh
das Uebergewicht über die Weſtſtadt davon trug. 55) Diefe nun
ſchon durch Prachtbauten fehr gehobene Khalifenzefidenz fegte er
mit der heiligen Stadt Meffa dadurch in eine glänzende DBerbin«
#*®) Rdrisi .b. . e⸗) je
Be au Sie
. P- u
Euphratf.; hiſtor. Ruͤcblick; zur Zeit des Khalifats. 201
Yung, 56) für die Wallfahrt zum Grabe des Phropheten, daß er von
hier mitten durch die arabiſche Halbinfel den Weg dahin bahnte, an
jeder Station Karawanferai'd erbauen, am Wege Mellenfleine er-
sichten, Brunnen graben und bie Waflerteiche reinigen ober erneuern
Beß, und in den Ortſchaften Kanzeln zum Previgen aufrichten, der⸗
jenigen in Mevina gleich, von ver Mahomed feine Vorträge gehal-
ten hatte. Schon war vie Stadt fo groß geworden, daß ihre Häu«-
fer ich auf ver einen Seite, fagt Edriſi, 57) bis Hadith (vdieſes
Habith iſt un feiner Lage nach unbekannt), auf der andern bis
Kelwad (2 PBarafangen, d. i. 3 Stunden, fern von Bagdad, und
veppelt fo weit vom Nahrowan) 58) ausdehnten. Karun al
Rafchin, der fünfte ver Abbaſſidiſchen Khalifen, des A Mahpt’s
Eohn (reg. 786 — 808), verherrliähte fie noch durch den Bau eines
neuen Pallaſtes, oder vielmehr eines Standlagers feiner Truppen
im Oſten von Bagdad, Ruffafa 59% (er Rocafa), von dem
auch hier der ganze ſich dert umher anflevelnne Stadttheil venfelben
Namen (Babal Tauk Refafeh bei Ebn Haufal) erhielt. Doch war
ver Khalif, fo fehr ihm auch die vortreffliche Lage und die Wichtig.
keit dieſer Reſidenz einleuchtete, mit ihren treulofen, zankjüchtigen,
abtrünnifchen Bewohnern keineswegs 60) zufrieden, und zog es
vor, gegen das Ende feiner langen Regierung fich in feine Geburts⸗
ſtadt Ray nach Perfin (ſ. Erdk. Th. VOL ©. 595 u. ff.) zurüd-
zuzichen, und dieſer als Khalifenreſidenz einen neuen Glanz zu ver
leihen. Doch kehrten feine Nachfolger mit ihren Schägen ©!) nach
Bagdad zurüd, die nun auch bis zum Sturze des Khalifates vie
Aeſtdenz blich.
Zu Cdriſis Zeit?) fand fie in Höchfter Blüthe; beide Stäpte
der linken und rechten Uferfeite waren durch zwei Schiffbrücken mit
einander verbunden, die fortwährenn durch dichtgedraͤngte Paflage
bin und ber belebt waren. Die Oftftadt, fagt er, ſei merfwürbig
vurch die große Menge von Gärten und Obfibainen, welche duch
Die Waſſer des Nahrowan (ſ. Erdk. Ih. IX. ©. 418, 497, 505)
und nochieined andern (mol des Diyalah), zweier bedeutenden Flüſſe,
befruchtet und bemäflert werbe, fo daß man der Wafler des Tigris
gar nicht bevürfe. Die Umgebung ver Weſtſtadt aber werde durch
—
56) Abulfedae Annal. Moslem. ed. Reiske. p. 154. °’) Edrisi
Geogr. b. Jaubert. Vol. ll. p. 157. **) Abulf. Descr. Jracae.
b. Wüstenfeld, p. 15. - 8%) 9, Sammer, Länderverwaltung ꝛc.
©. 18. *°®) Abulfed. Annal. Mosl. ed. Reiske. p. 167.
ss) ibid. p. 69. **) Edrisi 1. c. II. p. 157.
us
,
er
202 Weſt-Afien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.31.
ben vom Cuphrat abzweigenden Iſa⸗Canal (Nahr Ifa) bewäſſert,
an deſſen Einmündung zum Tigris eine Brücke liege, die Dina
heiße. Von dieſem Iſa zweige ein untergeordneter Canal, el Sirra
genannt, ab, der nicht nur die doxtigen Felder und Gärten, ſondern
die Stadt ſelbſt mit Waſſer verſehe. Der Nahr JIſa ſei aber
durch keinen Damm gehemmt, und vom Euphrat bis nach Bagdad
ſchiffbar.
Auf dem Nahr Sirra dagegen ſeien viele SEchleuſen und an
dieſen vie vielen Mühlen angelegt. Am Nahr Ifa liege die Stabt
Badzrouia, wo ein fehr einträglicher Zol gegeben werde, auch
führen daſelbſt verſchiedene Candle bis In die Straßen und Bazare,
ud ‘alle Ufer feien mit Häufern, Dörfern, Gärten befeht, wie denn
überhaupt das ganze Land zwifchen Bagdad bis zum Eu-
phrat bei Kufa nur ein großer Garten voll von Ortſchaf⸗
ten und Dörfern fe, die von dem jchiffbaren Sarſar⸗Canale
(nur weniges fünlicher liegend, ver zwifchen dem Iſacanal im Nor⸗
den und dem Nahar Mala im Suͤden wahrfcheinlich mit beiden
mehrfach verzweigt war) reichlich bewäflert werbe, an dem, auch
nur 4 Stunden von Pagdad fern, vie gleichnamige ganz offene,
ohne Mauern gebliebene Stadt Sarfar (Gargar bei Abulfeda)
entflanven fet, mit gefüllten Bazaren, blühend und reich, mit einer
Schiffbrücke, vie fletö vol Paffage war. Die Stadt Sarfar, fügt
Abulfeda, 9) welche als erfle Stadt zur rechten Hand beim Aus⸗
tritt der Pllger aus Bagdad nach Mekka liegen bleibe, ſei das un⸗
tere Sarfar, 3 Stunden von Bagvad, aber die obere Stadt
Sarfar liege am Iſa⸗Canale. Diefer Anbau gegen Welt nahm
aber mit Sarfar noch Fein Ende, *) denn von dieſer Stabt wurde
nach Eurzer Diftanz (2 Parafang over 3 Stunden nad) Abulfeda)
der dritte, ber füplichfle jener Canäle, der von noch größerer Bes
deutung war, erreicht, der Königscanal Nahr Malcha, an defien
Ufern eine gleiche Stadt (Eorift nennt fle nicht, es ift aber offen-
bar Nahr el Malek bei Abulfena), ſtatk bevölkert, mit einer Schiffe
brüde gelegen war, mit den Herrlichften Obfthainen und Palmen⸗
wälvern umgeben. Bon dieſem Canal traf man endlich, nur drei
kleine Tagreifen von Bagdad, in der Entfernung eines Pfeilfchuffes
vom Cuphrat, die bedeutendſte und reichfle dieſer Städte, Kasr el
Hobeira, berühmt durch ihre Märkte und ihre Bauwerke. (Zwi⸗
es) Apulfed. Deser. Irac. b. Wüstenfeld. p. 14. "es, Edrsil. c. II.
pP R
v
uphratf.; hiſtor. Rüdblid; zur Zeit des Khalifats. 203
ben Rahr el Malek und Kasr Ibn Hobeira, bei Abulfeda, ©)
mat diefer zuvor noch nach 2 Parafang die Stadt Kutha, bie
ven Ramen auch von einem Ganale (Kut, d. h. Eanal) erhielt,
it Märkten, Moſcheen und Kathever, und läßt dann erft nad
Barafang,. aljo 9 Stunden, die Stadt Hobeira folgen).
Bon jenem Iſa⸗Canale, der bei Anbar vom Guphrat abs
weigt (j. ob. S. 145), der fo fehr vieles zum Ylor von Bagdad
eitzug, fagt Evriſi, daß In ven Altern Zeiten vie Waſſer des Cu⸗
beat nicht bis zum Tigris zeichten (morin er wol im allgemeinen
ri), Daß aber in der Zeit des Islam biefer Ifa 6%) gegraben
zrde, um auf ihm nach Bagdad zu kommen, und daß er zu feiner
kit ein bedeutender Strom fei, auf dem bie Segelfchiffe zur
Japktale gehen. (Mach der Berichterflattung Ewlia's foll er von
inem Sultan Iſſa Ibn Ali Ibn Abdullah Abas den Namen er⸗
yalten Haben, der und aber unbelannt geblieben). 97)
Abalfeda, der genauer in bie Beichreibung der Bewäfler
iberhaupt eingeht, belehrt über vie damals dort beſtehenden vier
Dauptcanäle auf folgende Welle: 1) Der Flug Iſa, 8) der feinen
Raum von Iſa Ben Abdolla Ben Abbas, dem Oheim AU Man
us, hat und aus dem Euphrat, dem Orte Kufa gegenüber, bei
Dahama, 68° Long. 32° Lat., abzweigt, kann nad} feinem An⸗
unge auch von el Anbar (ſ. ob. S. 147) beflimmt werben, wo
⁊ unter ver Brücke Dahama hervortritt, eben da, wo das Land
von feiner Fruchtbarkeit Felujia (el Falluga, i. e. terra sementi
idonea) heißt. Zur Zeit der Wafferabnahme des Euphrat Höre
jedoch der Ifa zu fließen auf, und dann müßten vie Gärten und
Gelder durch Waſſerräder aus deſſen ſtehenden Lagunen befruchtet
werien. Gr ziche gegen Bagdad, wohin er nach vielen abſendenden
Eritencanälen bei el Mohawwul ankommt, und ſich im Innern
ed wehlichen Stadttheiles von Bagdad in den Tigris ergieße.
Mohawwul, oder Mahul 60) abgefürzt, lag in S. W. 3 Stun«
vn (2 Baraf.) von Bagdad, und 14 Stunden (1 Paraf.) fern von
& Sendia, ein Eleined, aber zwiſchen Canälen und Palmhainen am
Ya-Ganal paradiefiſch gelegenes Stäntchen, das zu den erſten Luſt⸗
Orten Bagdads gehörte, und dem Guta oder Parapiefe von Das
*) Abulfed. Descr. Jrac. b. Wüstenfeld. p. 16. .., Edrisf
Geogr. b. Jaubert, Vol. I. p. 144. *°7) v. Hammer Purgſiall,
Mat. Türkei. Rec. Wien. Jahrb. 1821. B. XI. ©. 221.
**) Abulf. Tabul. e. cap. de fluviis. b. Wüstenfeld. p. 65.
‘*) Abalf. Deser. Jrac, b. Wüstenfeld, p. 5. not. p. 94.
204 WeftsAfien. II. Abtheilung. J. Abſchnitt. $.
madk verglichen wurde. 2) Weiter abwärts, überhaupt ſuͤdlicher
Ya, durchfchneidet eben fo wie er, alfo gewiffermaßen parallel
ihm ziehend, der Sarſar⸗Fluß (fluvius Cargarae) die X
von Ira, zwifchen Kufa und Bagdad, an Sarfar, der vorgen
ten Stadt, vorbei, alled Land befruchtenn und dann zwifchen 3
dad und el Mabain zum Tigrid fallend. 3) Der dritte If
Nahr el Malek (Nahr Mala, Königscanal), ver unterhalb fı
den Euphrat verläßt, Irak bewäflert (mo an ihm die gleichnan
ſchon oben bezeichnete Stadt Tiegt) und unterhalb, EI Deabain (1
lich bei Eoche f. ob. ©. 154) fich in den Tigris ergießt. 4)
vierte Fluß If ver Kutha (d. h. fo viel als Dammeinfcı
daher es mehrere Kutas gibt, oder Kutal, im Plural Ku
oder Kawatil, nad v. Hammer), 79) der unterhalb dem Nal
Malek audtritt und nad der Bewäflerung Iraks fich ebenfalls
terhalb deſſen Einmündung zum Tigrid ergießt. Diefen legten
dem, wie Abulfeda angibt, die gleichnamige Stadt Tiegt, hat Er
ganz unerwähnt gelafien; ob, weil ex erft fpäter zu Stande gel
men, oder unbebeutender war, Ift und unbelannt. Doch nenn
bei Gelegenheit der Ruinen von Babel, wo ein Dorf viefes
mens Tiege, an der Stelle ver von Zohak erbauten älteften €
Iraks, deren Reſte auch noch Zeugniß Ihrer ungeheuren Größe
ben, die im Oſten von dieſen benachbarte Kutharia, 71) die
nur biefelde Kutha fein Fann. Br fagt, es fei eine kleine Stab
deren Mitte jedoch Abraham, ver Patriarch, ver in Babel gewe
fi in die Flammen begeben habe (vergl. Erdk. IX. ©. 150).
beftebe aus 2 Stadten, davon die eine Kutha Itarik heiße, vie
dre Kutbaria; in diefer gebe es Hügel aus Afche, weldı
Eigenſchaft habe, anhängig zu fein, von der Art derer, bie
Nimrod kamen, in deren Mitte fi Abraham niederließ (eine
fpielung auf Babeln im Koran). Anf jeven Ball gibt und Ab
feda in feiner Beſchreibung eine fehr deutliche Vorftelung von
damaligen Zuſtänden diefer Candle, vie unftreitig durch viele ur
georonete Bewäſſerungsgraben dad ganze Mittelland, zwiſchen
beiden Hauptſtroͤmen in einen einzigen großen Gulturgarten
wandeln mußten, und ihn mit den zahlreichften Ortfchaften
Populationen füllen konnten, weil alle vajelbft ihre Ernährung
Unterhalt in ver Nähe jener Welthauptſtadt finden Eonnten.
370) 9 Sammer Purgftall._ Wien. Sabıb. 1821. Bo. x. ©. |
Not. 7°) Edrisi Geogr. b. Jaubert. Vol. II. p. 100.
Eupbratf.; hiftor, Ruͤcblick; zur Zeit des Khalifats. 205
Abulfeda fährt in jeiner Hydrographie ver Weſtſeite von Bagvad
noch weiter fort,7?) wenn er fagt: Sechs Parafangen, d. i. 44 geo-
graph. Meilen am Kutha⸗Canale vorüber, alfo abwärts deſſelben,
fpalte fich der Cuphrat in zwei Theile; ver eine, der ſüdliche,
gebe gen Kufa an dieſem Orte vorüber und ergieße ſich in die
Seen (el Batajeh); der andere größere ziehe an dem Kar el
Gobeira vorüber, unter 705° Long. und 32° 45° Lat. Diefer
größere werde gewöhnlich ver „Strom Soura” genannt (es iſt
der wahre Euphrat), er er ziehe an Kasr el Hobeira vorüber und trete
gegen Süden in die Nuinen der alten Babylon ein, in 70° Long.
3° 15° Lat. Wenn biefer nun aber die Ruinen ver Babel durch⸗
gen habe, dann verzweigen fih auß dem Soura, ver von ber
liegenden Stadt Soura ven Namen trägt, viele Eanäle, aber
vr Hauptfirom” zieht an der Stadt en Nil vorüber, und erhält
dann den Namen Es Sara (ec-Sara) und ergießt ſich weiter
dwärts zum Tigris. Auch Edriſi, dem wir in feiner Beſchrei⸗
kung der Umgebungen Bagdads gegen Wet bis Kasr el Ho⸗
heira gefolgt find, und defien Angaben wir nur durch Abulfedas
pmauere Detaild betätigt finden, führt uns von dem zuleht genann-
im Kasr oder Caſtell, das nach ihm mit Kufa in einer gemein-
men Provinz gelegen war, die den Namen es Sib führte, 73)
uch noch nach Soura am Euphratufer, die er eine Stadt von
wittler Groͤße nennt, von Palmenpflanzungen, Gärten und Land⸗
hauſern umgeben, unterhalb verfelben die Berbreitungen ver Cu⸗
pꝓhratwaſſer in die Gegend von Kufa und in die Moräfte flatt finden,
son denen wir im obigen alles und Bekannte vollftändig erfchöpft
haben. Hobeĩra nennt Abulfeva 7%) eine Stabt nahe am Haupt⸗
ame ve Cuphrat (nach el Aziz 3 Stunden), von dem Eleinere
Zweige bis zu ihr fich verbreiten; ihr liegt Kerbela, wo das
Grabmal Huffeins, des Sohnes All, auf dem Weſtufer des Euphrat
sgenäber in der Wüſte. Die Stadt und pas Gaftell (Kasr) er-
hielt den Namen von Jezid Ben Omar Ben Hobeira, einem Gou⸗
verneur von Irak unter vem Iehten der Dmaljaden Khalifen Mer-
wen, daher es auch Kabr Ihn Hobeira heißt. Nahe dabei Tiegt
Air Brhe von Eure, nafe den Duinen von Babel. Auch die
nöd Stadt, en Nil, ver nun abwärts ver Gura ober große Cu⸗
73) Abulf. Tabul. e. cApite de Auvis, l.c.p. 8. "°) Abulf.
Deser. Jrsc. 1. c. p. 7. '*) Abulf. Desor. Jrac. b. Wüstenfeld. _
p. 17.
d
206 Weft:Afien, III, Abtheilung. I,Abfhnitt, $. 31.
phratarm vorüberzieht, hat ihren Namen, wie fehr viele der dortigen
Städte nicht nur diefen, fondern audy ihr ganzes Entftehen verdan⸗
fen, anfänglich von einem Canale?s) erhalten, ven el Hebjaj Ben |
Jufuf aus dem Euphrat abzweigte und nad dem Nilſtrome Aegyp⸗
tens benannte.
Kehren wir nun von den weſtlichen Umgebungen Bagdads
am vechten Tigrisufer zu den öſtlichen am Linken Tigrisufer
zuräd: fo ergibt fih, daß jene Gegend, obwol anderer Natur, doch
nicht weniger durch dieſe, wie durch die Eultur begünftigt, zur Ver⸗
berrlichung Bagdads beitragen konnte.
Auch Hier liegt zwiſchen den beiden von Nord herablommenden
Flüffen, Tigris (Diglito, im aramäifchen und arabifchen Dinfbjlat
oder Didſhile, daher in hebr. Chiddekel) und Diyalah (Delas, d. i.
Divfpjell, d. h. ver kleine Tigris), 9%) ein 3 bis 4 Tagereifen
langer mefopotamifcher Landſtrich, bis zu den Ruinen ver alten
Dpis hinauf, ver durch feine natürliche Bewäflerung und von ber Kunſt
ber Ganalifation unterflügt, weil die zu tief liegenden Betten ber
beiden genannten Ströme zur unmittelbaren Bewäfferung nicht ge⸗
eignet find, in vie fruchtbarften Gärten umgewandelt zu werben
befähigt war. An ver Süpfpike des Vereins beider Ströme war.
die große Bagdad erbaut, die alfo zugleich die Vortheile zweier
Mefopotamien und dreier zuführenden, fchiffbaren
MWafferadern vereinigte, von denen die von ND. aus Medien
aus dem Zagrofh herabkommende, ver Dyala(Delas) oder an
lah, wenigftend in dem untern Laufe ebenfalls ſchiſfbar iſt ¶ . Erdt
Th. IX. ©. 413-516).
Noch heute Heißt dieſe breite, gegen Tekrit bis zu den erſten
huͤgeligen Hamrinketten ſich hinziehende große Ebene, am Tigris
aufwärts, dad Land ner Canäle, ungeachtet es meiſt menſchen⸗
leer, ohne Anbau und in den meiſten feiner vernachläſſigten Waſſer⸗
graben troden und dve da liegt. In jener Zeit der Uebervölkerung,
von Ortfchaften rings um die Gapitale, war es nur ein weitläuf«
tige, zuſammenhängendes Gartenland. Noch find wir zu wenig
genau genug in biefem Gebiete, wo ebenfalls große Wechſel ber
Waflerläufe vorgegangen find, orientirt, um alle die Specialberichte
jemer mohamedaniſchen Geographen über dieſe Xocalitäten in ven
beutigen Zuſtänden mit Sicherheit nachweiſen zu Binnen, und ra
878) Abulfeda Descr. Jracae 1. j 9. not. 96. b. Wüstenfeld ex
Jon Chall. p. 89. ’*) ©. PN Borbers und Mittelafien. ©. 716.
Euphratf.; hiſtor. Ruͤckblick; zur Zeit des Rhalifats. 207
iR es sur bie eine Linie bed großen, mit dem Tigris ziemlich paral⸗
lelziehenden Can als, des Naharowan, (f. Erdk. Th. IX. S. 418,
497), wahrſcheinlich ein früheres Tigrisbette, ver feinen Namen bie
heute Behalten Hat, deſſen Wiedererkennung untrüglich fcheint. Da
aber die Monumentenkunve auch dert von Jahr zu Jahr fortfchrei«
tet, durch welche ſchon manche der ältern Localitäten ermittelt, und
eine große Zahl von trodnen Neften alter Waffercanäle aufgefun«
den find, an denen jene einft urfprünglich ihre bedeutende Stellung
erhalten Hatten, M fo unterlaffen wir es auch hier nicht, vie über-
Befesten, hieher gehdrigen Angaben zu Fünftiger Iocalen Erforſchung
durch Reifende und dortige Beobachter anzuführen.
Noch ganz unverflänvlih und unvereinbar erfcheint und des
RNaſudi Bericht von den großen Veränderungen des Tigrislaufes
be Bagdad, ven er nach ven Angaben von den Beränderungen
des Euphratlaufes angibt, und als Hiſtoriker dabei feine Gewähre-
männer zu Zeugen der Wahrheit des von ihm Mitgetheilten auf
uf. Seine Worte find: 79) „Eben fo wie der Euphrat Hat auch
„Dee Zigris feinen Lauf geändert. Es iſt ein großer Abſtand zwi-
‚sen dem heutigen Tigrislaufe (im Jahr 950 n. Chr. ©.) und
em trocknen, durch Sand verftopften Strombette, das Batn el
„Jauki benannt wird. Es zieht dicht an ber Stadt Bados (N
‚a den Diſtrict Waflt von el Irak nah Daflıi (?), und wendet
SH gegen Sus in Khuziflan; daß neue Bett des Tigris dagegen
ZJeht in Oft von Bagdad an dem Drte Rakka esh Sheya-
jJiyah vorüber, und eine Ueberfhwemmung bat den Fluß ge
„gen Weſt gelenkt, wo ex gegenwärtig fließt, zwiſchen Kotrobbol und
„Bagdad, fo daß er an den Dörfern el Kobb esh Sharfi und an
Andern vorüberzieht, die zu Koteobbol gehören. Die Bewohner
„wiefer Orte fichen in Prozeß mit denen ver Oftfelte, die unter ver
Meglerung des Khalifen el Moktader und feines Viziers Abul
Heſan Al Ben Ifa im Beflge von Rakkahesh Shemaflah
‚wern. Was wohl unterrichtete Männer bei diefer Angelegenheit
“außgefagt und was wir beflätigt haben, find Thatfachen, die in
Bagdad mol bekannt ſind.“
Die von EI Maſudi bier genannten Namen find uns ihrer
'') Lientn. Blosse Lynch Note on a part of the river Tigris
between Baghdad and Samarrah in Jouru. of the Roy. G. Soc.
of Lond. Vol. X. p. 476. 7°) El Masudi Historic. encyol.
— of gold etc. b. Al. Sprenger. Lond. 1841. Vol. 1.
p. oo
208 WefbdAien, M. Abtheilung. 1. Abſchnitt. $, 31.
fperiellen Lage nach unbekannt. Nur von Kotrobbol, das wol
identiſch mit Ca'trobbol bei Abulfeda 79%) fein mag, das biefer
einen. berüchtigten Ort wegen des dafigen Zufammenfluffes von
fehlechten und leichtfinnigen Menſchen nennt, wiſſen wir die unge
fähre Rage, da es nach ihm nahe dem Städtchen Okbara am Ti⸗
gris Tiegt, deſſen Entfernung er aufwärts von Bagdad auf 15 Stun-
den Weges (10 Paraſ.) angibt. 8 übrige bleibt und noch un=
bekannt.
„Wenn das Waffer,” fügt EI Maſudi, um feine Behauptung
wegen jened angeführten Streite® über verändertes Beſitzthum von
Ländereien zu beflätigen, Hinzu, „feinen Lauf in Zeit von 30 Jah⸗
„ven um + Melle ändert, fo wird dieſe Veränverung in Zeit von
„200 Jahren eine ganze Meile ausmachen. Und wenn das Waſſer
„eines Fluſſes fd um 400 Eubitus von feinem anfänglichen Laufe
„urückzieht, jo wird dieſe Strecke wüſte liegen. Dadurch find un«
„cultivirte Gegenden entſtanden; finvet das Waſſer aber Neigung
„und Ablauf, fo erweitert die Strömung dieſe Richtung bid auf ſehr
„weite Räume, wenn ed nur Nieverung findet, und fo entfliehen vie
„Seen, Sümpfe,. Zagunen. Das if die Umwandlung ber Eultur-
„landſchaften in Wüften, und umgelehrt werben auch Wüſten wie-
„ver zu Bruchtland. Jeder Bernünftige wird dies einfehen.” Nun
führt Maſudi jene Verfumpfungen im untern Aigrislaufe aͤn, von
denen ſchon oben die Rede war.
In dem Kapitel von den Flüſſen gibt Abulfeda von ver Oſt⸗
feite des Tigris, nachdem er die beiden Sabzuftäfle erwähnt hat,
folgende „Abflüſſe“ des Tigris an.
Einmal, fagt ex, iſt e8 der obere, el Gatul, 9) au Ku-
tail genannt, ver bei Cair, d. i dem Pallafte des Motawakkel
(im I. 867), aus dem Tigris hervortritt, bei der Stat Samirra
(oder Sarramarra), welche ver Ste der Abbaſſidiſchen Khalifen,
ol Motaffem, zu feiner Neflvenz im 3. 835 (220 der Heg.) zu
bauen begann, 81) als er Bagdad wegen feiner winerfpenfligen Be
wohner verließ. Es iſt viefelbe Localität, die auch Ascar, d.i. das
Lager, beißt, meil verfelbe Khalif Motaffem bier dad Standlager
feiner türfifchen Leibgarben oder Mamelufen auffchlug, gegen welche
die arabifchen Bagdader ald eine ihnen verbaßte Neuerung feinpfeltg
auftraten. Disfer Canal Eatul Be bort durch die Felder und
370) Abulfedae Deser. Irac. b. Wüstenfeld p.12. 0) eben.
p. 00. **) Abulfedae Annal. Moslem. ed. Reiske p..100,205.
Enphratſ.; hiſtot. Ruͤckblick; zur Zeit des Khalifats. 209
bewaſſert fie ſüdwaͤrts bis zu dem „Geblete Culi“ (wir vermu⸗
then identiſch mit dem heutigen Diſtrict Khalis bei Bl. Lynch). e)
Jenſeit deſſelben verändert er aber feinen Namen, ſagt Abulfeda,
wird en Rahroman genannt und befruchtet viele Landſchaften und
Drte, bis er wieder in den Tigrid zurädfälkt, unterhalb Gar⸗
garaja, von der Oftfeite kommend, unter 705° Longit. und 33°
Latit. Diefer Ort ( Diervjeraia bei Edriſt), fagt Abulfeda, iſt
eine Stadt nahe am Tigris, die zwiſchen Bagdan und Waftt
Begt, 14 Paraſ. (21 Stunden unterhalb Madain 8) na Abul⸗
feda, 40 Mill. unterhalb Madain na Edriſt). Diefe untere Ein-
mänbung ded großen Nabrowan-Ganals, der feinen Namen
längs der ganzen Oftfeite des Tigris, von Coki, Bagdad und Ga-
marra an, fünoflwärts an Bagdad vorüber, bis Heute behalten Hat,
obwol er, im untern Laufe wenigftens, größtentheild ausgetrocknet
Begt, obgleich noch immer Dörfer und zahlseiche Dorfruinen feine
Linie durch die Eindde bezeichnen, tritt heut zu Tage unterhalb Kut
el Amara, auf halbem Wege zwiſchen Bagdad und Basra, zu
vom Tigris zurüd. Hier war ed, wo EI. Mich 86) bei feiner im
: % 1821 im Mai von Bagdad nach Basra abwärts gehenden Ti⸗
wisfahrt, nachdem er die Erpfefle Kut el Amara mit der ſüdli⸗
den Abzweigung des Shat el Hye, und dann in ven weiten Ehe-
nen viele Windungen des Tigris und feine Verfumpfungen paffirt
hatte, aun auch zu ber Stelle kam, wo er von der linken Seite
„bie Einmündung diefes Nahromwan” beobachtete, wo alio
Die Lage von Abulfedas Bargaraja zu fuchen fein wird. Hier
breiteten ſich weite Schilfwälder und dichtes Geftrüpp in den flachen,
Berfumpfungen aus, in denen man durch das Brüllen ver Löwen
erſchreckt wurde, während vie zahllofen Muskitoſchwärme mit ihren
siftigen Gtichen eine unüberwindbare Landplage find, der jedoch
vie Beni Lanı- Araber, die rechts und links dieſen Sumpfbopen be⸗
„üllern, zu trotzen wiſſen. .
Allgemeiner als viefe untere Gegend am Zurüdtritt des
Aahroman iſt vie obere Gegend bei Samarra an feinem Aus⸗
sritte an ber Dfifeite des Tigris bekannt. Schon Edriſiss) nennt
ziehe Stadt Sorra men Ra (Sermen Rai), daher contrafirt Sa⸗
22) Lieuten. H. Blosse Lynch, Note l.c. Geogr. journ. IX.p.471.
22) Abulfedae Descr. Irac. p.17; b. Edrisi Il. p. 161. °*) J.
Cl. Rich, Narrative of Koordistan Vol. II. append. p.166.
25) Edrici Geogr. b. Jaubert. Vol. II. p.146; v. Hammer: Purg-
bie aflat. Türkei. Rec. Wiener Bahrb. 1821. Bo. XIII. ©. 229.
D
Kitter Erdlunde X.
210 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 31.
merra; 80) und Täßt fie noch früher als von Motawakkel und al
Motaſſem, ſchon von dem Khalifen al Manſur, aljo gleichzeitig mit
Bagdad gründen, weshalb Abulfeda das dortige Cair oder Schloß
He Motawakkel, woͤbbei auch eine Stadt eutfland, Medinet el Mu⸗
tawekkilija 37% genannt, wol mit dem gewöhnlichen Ausdruck des
Btafar-Schloffe® (Gefarenfe, Dihaafartje, va Biafar ver Fa⸗
milienname von al Dlanfur wie von Motafiem war) belegen Eonnte.
Diefer Ort lag fchon zu Eprifi’s Zeiten (1150 n. Chr. Geb.) in
Nuinen, doch konnte man noch die verſchiedenen Schlöffer zu feiner
"Zeit unterfchelden, auch waren viele Dörfer, Märkte dort angelegt
und Truppen angefiedelt. Motaffem Hatte feinen Hof im Pallaſt
zu Sermen Rai, dem Freudenſitze, aufgeſchlagen. Motawakkel
übertrug ihn auf den in der Nähe vefielben von ihm erbauten
Dſhaafarije, der au Hira 88) hieß, weil man ihn nach dem
Borbilve des Königspallaſtes zu Kira (dem Chawrnak, f. ob. S. 62)
erbaut hatte. Montaffer, des Motawakkel Sohn, verlegte feine Res
fivenz wieder von Dſhaafarije nach Sermen Rai, dem Freudenfitze,
zurüd. Nah Edriſi lag dieſer Complexus von fläptifchen Bauten
9 Mill. aufwärts von Kadeſia, der zmeiten Stadt dieſes Na⸗
mens am Tigris (die nicht mit der tm Weften des Euphrats zu
verwechſeln if, wie Died in der Note zu Rich, Vol. I. p. 153, ge
fheben); von Sorra men Ra nah Karkh, einer Heinen Stadt
am Oſtufer des Tigris, rechnet er 6 Mill.; von da nah Halitha,
einem großen Bleden, 18 Mill.; von da an Tekrit, an ver Weſt⸗
feite des Tigris, vorüber nad Senn (Eänd b. Xenophon, ſ. Erdk.
Th. IX. ©. 518), eine Fleine Stadt von flarfen Mauern umgeben,
am Zuſammenfluß des Eleinen Zab in den Tigris, 15 Mid.
Abulfeda rühmt diefe Stadt, die er auch Sarmenran, d. h.
Breudenfig, abgefürt Samarra SM) over auch Samirra
fehreibt, obwol fie ſehr bald wieder zerflört warb, und auch bis gu
feiner Zeit am Oftufer des Tigrid gelegen, bis auf wenige Land⸗
leute, unbewohnt geblieben war, obwol, mie er verfichert, Boden und
Lage ehr gefund ſei. Der achte der Abbaſſiden, Khalif el Mo⸗
taffem, fagt er, erbaute vie Stadt; el Wathec, der Bruder Mo⸗
tawakkels, verband mit ihr vie fchon früher in ver Nähe von dem
fünften ver abbaſſidiſchen Kbeliſen angelegte Stadt el Harun, und
—
ss) C. M. Fraehn, de numis Cuficis Comment. 1. 1824. .417,
424. *7) Abulfedae Annal. Moslen:. b. Reiske pag.
»») 5. v. Hammer, Länderverwaltung ıc. ©. 26. 20) bnlfedse
Descr. Iracae b. Wüstenfeld p. 13, not. p. .
Eupbratf.; biftor. Ruͤckblick; zur Zeit des Khalifats. 211
der zehnte der Khalifen, Motawakkel, auch noch vie von el Manfur
(reg. feit 846 nach Chr. Geb.) angelegte Stadt el Giafar (ſprich
Dipaaferije), fo daß fle von außerorbentlichem Umfange wurbe.
Ihren Ruhm verdankt fie auch ven Gräbern vieler mohamedaniſcher
Heiligen, zumal mehrerer Imams, die bier lebten ober (mie ver letzte
und 12te W) dieſer Prätendenten von Al’ Krone, Muhammer
ol Montathar, im J. 868) ihren Tod fanden. Daß ihr erſter
Anbau und felbft ihre Benennung ſchon weit vor die mohameda⸗
niſche Zeit zurüdgebt, haben wir fchon oben bei Jovians Rück⸗
zuge gefehen, wo das Castellum Sumere bei Ammian genannt
wird, und derſelbe Ort bei Zoſimus (f. ob. ©.157), ja ſchon bei
, Btolemäus, Suma heißt (Zoüua 5. Ptol. V. c. 19. fol. 143). Bon
ben dortigen Ruinen, die fehr weit aufwärts am Tigris- Gtrome
fortziehen und dort unter dem vielfach verbreiteten Namen Eski
Bagdad, A) d. „Alt Bagdad,“ bekannt find, fo wie von de⸗
wen, weldye das heutige Samarrah unmittelbar umgeben und auch
weiter abwärts das oͤſtliche Tigriäufer begleiten, bis zum heuti⸗
gen Araber-Dorfe Gadeſia (dad Kadeſia des Edriſi), ja bis zum
Rahraman > Ganal, der Hier noch Waffer Hat, und im Rüden, d. i.
im Ofen, aller dieſer alten Eulturflätten vorüberzieht, bid er fi
nur eine Biertelftunde von Gadeſia dem Tigris in der Gegend ber
Rohem - Mündung und der Ruinen ver alten Opis nähert, haben
wir durch den trefflichen Beobachter Cl. Rich die erſten belehrenden
Rachrichten erhalten, venn leider find Lieuten BL Lynch's Beobach⸗
tungen nur etwas weiter fübmwärts angebeutet, aber noch nicht fo
weit norbwärts veröffentlicht worden.
Bon Telrit, am Süpfuße ver Hamrin⸗Berge (Erdk. Th. IX.
©. 527), die der Tigris oberhalb durchbrochen bat, beginnt bie mehr.
ebenere Landſchaft, In welcher ver Tigris aud den Hügeln des obern
Meſopotamiens mit erweitertem Strome und vielen Bilvungen von
tulturbarın Slupinfeln bervortritt, und nun fünmwärt® die frucht⸗
barere Landſchaft des Bagdad⸗Gebietes durchzlehen kann. Diele
Gegend liegt auf der Naturgrenze von Bagdad und Moſul,
und wird daher auch in ven politifchen Abtbeilungen bald zu ber
einen oder der andern gezogen. Zu Eprifi’s Zeit war Tekrit
von Moful abhängig, 2%) und in Ihrer Nähe war die Abzwei⸗
**) Abulfedae Annal. Mosiem. b. Reiske p. 05. *')3.0.
Narrat. 1. c. Vol. II. p. 130 etc. 22) Kdrisi Geogr. kei
Jaubert. Vol. II. p. 147.
D2
212 Wefl-Afien, I. Abtheilung. I. Abſchnitt. 4.31.
gung des Dodjail⸗Canals (d. I. des Eleinen Tigris, noch
heute Didijeil), der ihre Fluren bewäſſerte und abwärts bis
Bagdad reichte; Abulfeda rechnet Tekrit im Süden von
Mefopotamien zu Irak 9) und fängt feine Begrenzung Iraks, das,
wie er fagt, zu beiden Liferfeiten des Tigris Tiege, mie Aegypten zu
beiden Uferſeiten des Nil, mit Tefrit an und bört, nachdem er fle
bis zu dem Meere von Basra abgegeben, auch bei Tefrit wieber auf.
Da Tefrit auf dem Weftufer des Tigris liegt, wo auch heute
die moderne Stadt neben den Ruinen der älteren fiebt, fo mußte
biefee Banal längs dem weſtlichen Tigrisufer dad Land bewäflert
haben. Diefe Irrigation war ven Europäern früher gänzlich unbe
kannt gebliebn. Hier find aber auf ven 4 Tagemärfchen, welche
Dr. Roß im 3. 1836 von Bagdad direct norbwärtd nach Tekrit
jurüdlegte, um von da feine Entvedungsreife gegen Al Hadhr mei
ter fortzufeßen, die vollſtändigſten Beflätigungen jener merfwürbigen
Canaliſirung nachgewiefen. ®) Derfelbe Didjeil⸗Tanal mit vie
Ien Berzweigungen, ber auch den Namen Ifhafi (verfchienen von
- Nahr Iffa, mit dem er auf Kinneir's Karte verwechſelt ift) führt,
. reicht noch Heute von Tefrit bis an die Thore von Bagdad,
obwol er an den meiften Stellen trocken liegt, Öfter von jüngern
Durchwaſchungen in feinem Zufammenhange unterbrochen iſt, und
auch von dem veränberten Flußlaufe eined ältern (Shat Aivha
genannten) und eines jüngern Tigrishbette8, das bier fehr viele
Einbiegungen (Hami genannt) macht, nicht wenig Veränderungen
erlitten Haben mag. Denn an mehreren Stellen bemerkte Roß, daß
auch er zumeilen zwei Betten bat, wo benn ein moderner Did-
jeil in der Mitte des alten Bettes des Didjeil fließt, von dem
er dann nur immer einen ſchmalen Strich einnimmt.
Durch Abulfeda erfahren wir nämlich, daß im Südoft ver
Stadt Tekrit, die nach ihm 6 Tagereifen im Süden von Moful
auf dem Weftufer des Tigris liegt, ver Fluß Iſhaki, d. I. ver
Canal, beginne, der zur Zeit des Khalifen Motawakkel (im IX.
Jahrh.) auf Befehl Iſhak, Sohn Ibrahime, veffen Polizeilieu⸗
. temant, auögegraben wurde, daher er auch vefien Namen erhielt. 8)
Nah Ebn Haufal, fagt Abulfeda, ſei ed ver od Dahli (offen-
»*2) Abulfedae Descr. Iracae b. Wüstenfeld p. 3. ®4) Dr.John
Rofs Notes on two journ. etc. im Journ. of the Roy. G. Soc.
Vol. IX. p. 443. °®) Abulfedae Descr. Mesopotam. ed. Reiske,
b. Büſching HR. Mag. TH. IV. ©. 248,
Euphratſ.; Hiftor. Rüdblid; zur Zeit des Khalifats. 213
bar Didjeil, d. i. der Eleine Tigris, ein Name, den verfchievene
Seitencanäle beffelben führen, die leicht mit einander verwechſelt wer⸗
den Fonnten), welcher vafelbft von Tekrit abzweige, und die Sa⸗
wad, d. i. vie Länderſtrecken welche von arabifchen Zeltbewoh⸗
nern beſetzt waren, bewäfſerte. Ob beide, od Dahli und Iſhaki,
ganz identiſch waren, ſagt Abulfeda nicht; fie gehörten offenbar
dem ſelben Irrigationsſyſteme an, das ſelbſt noch in ſeinen
übrig gebliebenen Denkmalen, wie fie von Roß Schritt für Schritt
beſchrieben werben, bemunbernöwürbig genannt werben muß. Denn
aus den großartigen Dämmen, Ganalbetten, Trümmerhügeln, Mauer»
reſten, Brüden und andern Lieberbleibfeln, bie dort Schritt für Schritt
des Wanderers Aufmerkſamkeit auf fich ziehen, geht wol hervor, daß auch
bier einft die dichteſte Bevölkerung einheimifch war. Doch bemerkt.
Roß °°) ſelbſt, daß es unter den gegenwärtigen Hinbernifien borti»
ger Reifen und bei der confufen Art ver Wegweiſung und Bericht⸗
aftattung ver. dortigen Araber e8 noch unmöglich fei, ven wa hoen
Lauf jenes Ifhafi in feinen ganzen Zufammenhange von Bagdad
bis Tekrit zu verfolgen. Wie follte dies auch möglich fein, wenn
man bedenkt, wie vielen natürlichen Beränverungen in dem DBerlauf
von Jahrhunderten ſolche Waffernege unterworfen find, und wie
auch Fünftliche in fleeingreifen. Denn aus dem Berichte des Ewlia?”)
erfahren wir, daß Murtefa Pafcha, bei welchem verjelbe im Dieufte
Rand, viefen verfallnen Iſhaki⸗Canal im Jahr 1654 wieder rei⸗
nigen und herftellen ließ; und aus ven Erfunbigungen, welche Dr.
I. Roß an Ort und Stelle einfammelte, gebt hervor, daß zu An⸗
fang viefe® Jahrhunderts ein gewiſſer Selim Beg das heutige
Bette des Dijeil von neuem audgraben ließ, wodurch von vielen
Stellen Durchſchnitte alter Badfleinmauern, wahrfcheinlich ältere
Uferdämme oder Brüdenpfeller over fonft andere Localitäten, bloß»
gelegt waren. Zu den mexkwürdigſten verfelben gehört bie 35 bis
40 Fuß hohe Badfteinwand ver alten medifhen Mauer (Chalu
oder Sidd Nimrud- bei ven jegigen Anwohnern genannt, f. oben
©.19,144). Un ihrer Seite zieht ein jehr breiter Canal von. nad
©., der in das Bette eined andern Ganald, mahrfcheinlid) nes haft,
eingreift, das bier fehr gerrifien If.
Diefe Eanäle fangen dicht vor dem Kadhimein⸗-Thore des weſt⸗
lichen Bagdavs an,’®) dem das gleichnamige Dorf zunächſt vorliegt;
?®) Dr. J. Rofs Notes 1, c. Vol. IX. p. 446. 7) 9. Hammer:
Burgkall, aflat. Türk. Re. Wien. Zabrh. 1821. Bd. ki. ©. 235.-
*®) Dr. 3. Roſs Notes I. c. p. 446. |
214 Weft-Afien, I. Abtheilung, L Abſchnitt. $.31.
dem darauf gegen NW. folgenden Dorfe Khiyat el Suk, das
auch Iſhaki Heißt, Tiegt gegen Welt fchon dieſer Aquäbuct von ho⸗
hem Alter, dem es feinen Namen verdankt, nahe an befien Ufer ver
Weg hingeht. Es tft derſelbe, ver ſich nun von bier bis nad) Te⸗
krit, vier Tagereiſen weit, verfolgen läßt. An einem der großen
Waflerpfuhle in feiner Vertiefung Liegen Ruinen jener Brüde aus
Badfteinen mit Keilinferiptionen (f. ob. ©. 18); er zieht im Oſten
des großen Trümmerhaufens von Akarkuf vorüber. Mit leichten
Wendungen zieht er zwifchen nievern Trümmerhügeln, voll Back⸗
flein und Terracotta's hindurch, die Hier in großer Anzahl von Strede
zu Strede als Denkmale älteften zahlreichen Stäpteanbaues hervor⸗
treten. Sie werben mit dem allgemeinen Namen ver Tel bei den
Arabern bezeichnet. Nach einem Ritt von 8 Stunden, an mehreren
folgen Tel vorüber, fam man norbwärts von Khan Suweidiyah
durch -3 hintereinander fortſehende alte Eanalbetten und
dann zu einem großen Waſſerfleck, Tarmiyah, der mehrere
MU. einnahm und ein Thell des Shat Aid ha over des Hier einft
durchziehenden alten Tigrisbettes (ob aus Maſudi's Zeit? ſ.
ob. &. 207) iſt, welches faft eben fo breit wie ber heutige Tigeis
in weiten Windungen fich ausbreitet. Auch auf feinem Rückwege
kam Roß 9) an einer mehr nörblichen Stelle zu dieſem Shat
Aidha zurüd, in dem er fein Wafler fand, aber an feinen beiden
Ufern die Ruinen einer fehr großen Stadt voll Trümmerhügel
mit Backſtein, Terracottas, Blasfragmenten, Urnen u. a. m., von
der aber fein arabifcher Fuͤhrer keinen Namen anzugeben wußte.
Um 5 Uhr wurde auf dem Rüden eined alten Tel das Grab
Sayyed Ibrah ims paflirt, eines folder mohammeranifchen Santti,
deren heilig gehaltene Grabſtaͤtten ſehr Häufig bie Stellen alter Trüm⸗
merbügel einnehmen, deren moderne Benennungen bei ven zelotifchen
Araberflimmen leider nur zu oft vie alterthümlichen Namen ver-
drängt oder gänzlich in Vergeſſenheit gebracht haben. Bon va
wurde am Abend an einem bamals ganz troden liegenden Arme
. »8 alten Ganald, ver hier wieder Dijeil (kleiner Tigris) ge:
nannt wird, dad moderne Dorf Sumeichah erreicht, dad auch mit
dem Namen des Ganales benannt wird. Es erhält noch noch im⸗
mer von der Feuchte des durchziehenden Canals, ver ed bewüäflern
hilfi, feinen zeichen Anbau, wodurch es ein ganz bebeutender Ort
iſt, zwifchen Gärten und Palmwäldern, reich an Obſt aller Art, wie
200) Dr. J. Boss Notes I. c. p. 459.
U
Eupbrarf.; hiſtor. Rüdblid; zur Zeit des Khalifats. 215
Apfel, Birnen, Wein, Orangen und andere Probucte, vie ehedem
zur Zeit des Khalifats wol durch den großen Garten von Bagdad
überall verbreitet waren, wie zu Zenophons Zeit (ſ. oben &150),
vie aber gegenwärtig nur noch fehr fporadifch in jenem troden ge»
legten und nackend gewordenen Boden hervortreten. Nach Lynchs
Erkundigung ſollte der Ort aus 200 Haͤuſern beſtehen; im Dia
jeil 400) floß, als ex hindurch kam, Waſſer, auch ſollte ex in frü-
bern Zeiten 9 Monat Waſſer im Fluſſe gehabt haben und nur 3
Monate lang troden liegen; doch in der gegenwärtigen Zeit, wo alle
Dimme ohne Reparatur vernachläfligt liegen blieben, hatte er um⸗
gelehrt nur währen 3 Monat Waſſer, und doch war bei völliger
Eorglofigkeit des Gouvernements für jede Art der Bewäflerung bes
Dijells Diftristö fein Tribut in viefem Jahre auf 1,300,000 Pins
fer verpachtet, die wenigen Bewohner daher unter dem bärteften
Drude erliegend und daher fortmährenn emigrirend.
In verfelben Richtung gegen N.N.IB. wurden am zweiten Ta⸗
gemarfche 2) die Canalreſte bis an bie mediſche Dauer, vor den
Auinen von Opis gelegen, und noch weiterhin bis zum weftlichen
Ilgrisufer, der im Oſten liegenden mobernen Samarra gegenüber,
verfolgt. Zwiſchen allen dieſen Verwirrungen fleiniger Trümmerhü⸗
gel und ſandiger Wüſteneien auf und ab, zwiſchen Canalbetten und
Uferdämmen, Verſumpfungen und dürren, wegloſen, ganz unwirth⸗
lichen Strecken, weiter zu ziehen, verlor ſchon ber erſte Reiter ver
Roßſchen Begleitung völlig ven Muth und blieb dahinten, wie denn
allmälig auch die meiften andern, bis auf wenige, die flarf genug ſich
an Geift und Leib zeigten, folche Beſchwerden, wie fle heut zu Tage
den Wanderer auf fo weglofen Pfapen treffen müſſen, zu über»
winden. Defto dankenswerther die gewonnenen Anfchauungen, veren
Detail man verfolgen muß, um den fo allgemein gewordenen fals
ſchen Borftelungen und Einbilvungen ver Geographen zu begegnen,
als fei Meſopotamien wirklih nur ein von der Natur zu ewiger
Wüſtenei - over bloßem Nomadenleben verdammted Gebiet per Erde,
da es doch zu wiederholten Perioden ein Garten Edens fein. konnte.
Nordwärts von Sum eicha folgen mancherlei Dorfruinen, dar⸗
unter auch diejenigen, vie Babilin heißen, deren Einwohner Nach⸗
Ismmen von Eski Bagdad oder Alt Bagdad waren, melde
erſt vor einer Reihe von Jahren auch von bier ausgewandert und
00) L. BL Lynch Note 1. c. Vol. IX. P- 475. ı) Dr. 3. Rols
Notes L c. Vol. IX. p. 444.
/
216 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 31,
ſich nach Hilleh und Kerbela gezogen hatten, wo ihr Lebensunter⸗
Halt nur in Ausgrabung ver babyloniſchen Badfteinruinen zu Ver⸗
fendung uhd Verkauf dieſes alten Baumateriald beſteht, ein Ge⸗
fäft, das fie wol auch ſchon auf den Trümmern von Eski Bag⸗
dad geübt Haben mögen. Dies iſt eine Benennung, welche keineswegs
ausſchließlich nur einer geographiſch beſchraͤnkten Ortslage angehört,
fondern die vielen jener großen Trümmerſtrecken längs dem Tigris«
ufer beigelegt zu werben pflegt, fo wie auch ver Name Babylon
ſchon Iängft nach Seleucia, nach Bagdad und neuerlich alfo auch
hleher in die Nähe von Samarra verpflanzt wurde. Nordwaͤrts
dieſer Gegend, an den antiken Muinen von Tel Dhahab (ein
moberner Name, d. 5. Goldberg), vie rechts auf einer 50 Fuß
hohen Anhöhe Liegen bleiben, vorüber, gegen Beled (Balad bei
Bl. Lynch), 2) ſchon ver Tigriswendung gegen Oſt genäberter, in
Wet ver alten Opis gelegen, hatte die Landſchaft in ver erften
Maimoche ein ſehr liebliches Anfehn gewonnen durch das fchöne
Grün, weldhe ver Boden der hiefigen reichlichern Bewäflerung ver⸗
dankte. Seltencanäle waren aus dem Didjeil gezogen, und Fellahs,
jest in Zelten wohnen, die zugleich ven Ader bauen, und fi im
Winter In ihre Dorfhütten zurüdzichen, waren eben mit dem Schnei⸗
den des gereiften. Korns beſchäftigt. In der Nähe fland ein qua»
dratiſcher Bau a8 in der Sonne gebadnen Steinen, ver 30 bis 30
Schritt im Geviert groß war. Einige Dattelbäume ſchmückten Die
Gegend, und bie Gärten yon Beled waren noch umfangreicher, als
die von Sumeichah. Bis Belad, dem Hauptorte des Dijeil-
Diftrietes, aus dem auch einige Minarets hervorragen, reicht
von Bagdad aus, bemerkte Rich, °) ver ſchlammige fruchtbare
Alluvialboden, in dem Fein Kiefel zu fehen iſt; auch ziehen fich Hier
im Tigris viele Schlamminfeln Hin. Hier if ein Aufenihalt zahl»
reicher Büffelheerven und in ven Sumpfgrünven ein Iagbrevier
für wilde Eber. J |
Noch weiter an dem ruinirten Dorſe Hamirat vorüber, das
zu beiden Seiten des alten Didjeil⸗Canals liegt, über ven eine zer⸗
brochne Brüde führt. Eine ganz Itfolirte einzelne Baumgruppe,
Shejerat el⸗Asl (wie Honigbäume) iſt Hier eine weit fichtbare
Landmarke. Der Voden wird mehr fleinig, und nun folgt über
dortige Ganäle, mit Pappelreihen bepflanzt, die Brüde von Har⸗
02) Dr. J. Rols Notes I. c. IX. p. 445; Blosse Lynch 1. c.
dv. IX. p. 474 °) J. Cl. Rich Narrative I. c. Vol. II.
p» 154,
Euphratſ.; hiſtor. Ruͤcblick; zur Zeit des Khalifats. 217
bach über den Didjeil, aus der beſten Zeit der Khalifenarchitectur;
fe ruht auf 4 Langen Bogen, zwiſchen denen 3 Fleinere mitten inne
eben, ift aus fchönen rothgelben Backſteinen aufgebaut, deren beide
Mauerwände mit Iangen Zeilen kuſiſcher Inferiptionen bedeckt find.
le würben wol ein chronologifche® Datum für dieſe Canalführung
geben, wenn man fie copirt und entziffert hätte. Die Brücke iſt
52 Schritt lang, 84 Schritt breit, und bat an jevem Ende noch
eine Ausladung von 22 Schritt. Die Mauerbrüftungen find aber
fo Hoch, daß der Reiter auf ver Brüde fie nicht überfchauen Tann.
Der Strom des modernen Didjeil nahm beim Paſſiren nur einen
einzigen der großen Bogen ein. Bon ven Trümmern bes Ortes
und der Moſchee, die dicht an ver Oftfeite dieſer Brüde bervorragen,
bat fie den Namen erhalten.
Stunden weiter norbwärts, nahe dem Khan Mi-
zrakji und dem dflih Taufenden Tigris fehr benachbart, zeigt fich
wieber daß dort fehr breite Bette des alten Iſhaki⸗Canale, an deſſen
Seite fich eben Hier dicht die me diſche Mauer zu erheben beginnt.
Rorawärtd von ihr und dem Khan, mo eine große Einbiegung
(Sawi) des alten Tigris durchſetzt wurde, ſchien jede Spur des
Divfeil weggeſchwemmt; dann aber gegen N. W. wurde das weftliche
Ufesland des Tigris allmälig Höher, es wurbe durch Kiefel und
Ralkfieinconsretionen ganz wellig, und das Anfleigen war fo plöß-
Beh, daß eine Stunde fpäter nachdem man zum lehtenmale das
Bette des Didjeil ganz im Niveau ver Fläche liegen gefchen, es
bier in einer Tiefe von 50 bis 60 Buß wieder ſich zeigte, *) und
in einen Boden eingegraben, ver ſcheinbar fo hart wie Eifen war.
Mehrere alte Betten fchimen vagegen bier wieder ausgefüllt zu
fein. Da, wo nun biefer Ganaleinfchnitt, immer an der Weſtſeite
des alten Tigrisbettes (des Hawi), das hier vom heutigen Tigris
gegen Süben abzweist, hinlaufend, dem gefüllten Waſſerſtrome ves
hentigen Tigris, den Ruinen von Babefla und Samarra gegenüber,
ſich näßert, fand Dr. Roß die Ruinen von Iftabolat auf, vie
bisher unbefannt geblieben. Don ihnen waren noch 2 Stunden
auf und ab, fiber mwelligen Grund und über ein Flüßchen, das er
Sheriat el Ghazel nennt, und durch einen andern Hawi, bi8
es der Trümmerſtadt Samarrah gegenüber am weſtlichen Tigris-
arme Nachtherberge fuchte. Den Sheriat el Shazel, ver fonft
ımbefannt, Halten wir für einen ehemaligen gegen Of zum Tigris
*) Dr. J. Rofs Notes I. c. IX. p. 446.
218 WeflsAfien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. 5.31.
gerichteten Ablauf des Tharthar⸗Fluſſes, von Al Hadhr kom⸗
mend, (et Tharthar b. Abulfeda), obwol dieſer heut zu Tage, nach⸗
dem er die Hadhrwüſte von Nord nach Süd gegen Tekrit Hin durch⸗
zogen bat, im Weften dieſer Stadt fich in nen Salzfee von Aſh⸗
LIE 5) (EI Milh auf BL Lynch's Karte) verlieren fol, ven Roß
auch auf fener Karte eingezeichnet hat. Abulfeda fagt es wirklich,
daß biefer et Thartha (Thirtar b. Edrifi) von el Hadhr komme, pie
Wüfte Sangara durchziehe und fi) dann unterhalb Tekrit In ven Ti⸗
gris ergieße, obwol Einige auch ſagten, daß dies 2 Parafang oberhalb
Tekrit geſchehe.
Die Ruinen von Iſtabolat hielt er, wegen ihrer großen Res
gelmäßigkeit und Weltläuftigkeit, genauerer Unterſuchung werth. Die
zerfallnen Gebäude waren theild aus gebadnen, theils gebrannten
Backfſteinen in regulären Schichten des Mauerverbandes (die erſte⸗
ren mit Kalk ald Mörtel) aufgeführt, und In rechtwinklig ſich
durchichneidende Straßen georbnet, mit flarten Mauern, Baflionen
und Gräben umgeben, außerhalb mit mehreren zerriffenen Schutt=
bügeln (Tepes), die von Vorftänten berzurühren fchlenen. Uns ift
aus Älterer Zeit kein Ort dieſes Namens befannt; vie Bauart er=
innert an ein geregelted Lager, die nachbarlihe Stellung zu jener
von fo verſchiednen Khalifen für ihre Leibgarven, Haustruppen ober
türfifchen Prätorianer auderwählten neuen Stabtanlage nılt ver⸗
ſchiednen Burgen und Gaftellen macht es nicht unmöglich, daß auch
diefe Ruine als eined verjelben zu feiner Zelt gevient hätte.
Wir verweilen noch einm Augenblid auf dem Trümmer-
boden nes fo eben zurüdgelegten Weges, well er einft von
größerer Bereutung war, ald er e8 heut zu Tage iſt, und wir auch
durch Lieuten. BI. Lynch, der hier von ber Oftfeite des Tigris, vom
Nahraman und den Ruinen von Opis am Adhem, mit feinem
Boote auf vie Weſtſeite des Tigris herüberfchiffte, einige erläuternde
Beobachtungen zu viefem bisher nur chaotifch und wüſte erſchiene⸗
nen Terrain, mit den Reſten der mediſchen Mauer und ber
vielen Canäle und Städtetrümmer, erhalten haben.
Schifft man von der Oſtſeite zur Weftfeite ©) des Tigris
über, der bier In großer Biegung, flatt von Nord, recht von N.W.
und WN.W. gegm S.SD. feine breite Wendung, von vielen
Flußinſeln unterbrochen, nimmt, fo trifft man, auf den genannıen -
408) Dr. J. Rofs Notes 1. e. IX. p. 485; Abulfeda Tabul. e cap.
de fluviis 5b. Wüstenfeld. p. 68; Fdrisi Geogr. b. Jaubert. 11.
p. 147. °) Lieuten. BI. Lynch Note on a part, of the river
Tigris etc. im Journ. of the Bor. G. Soc. p. 473,
Euphratſ.; hiſtor. Rüdblid; zur Zeit des Khalifats. 219
Khan von Mizrakfi losgehend, zunächft die mediſche Mauer,
deren age bier von’ Lieut. Lynch beobachtet wurbe, unter 34° 3°
30" AR. Br. und 0° 21° 50" W. 2. von Bagdad. In der Nähe
Tiegen vie Ruinen Sibbarah, einer flarten Feſte oder Kleinen Stadt,
umgeben vom Dijeil (d. i. das Diminutiv von Dijlah, ſprich
Digl, Digr, Tigr, d. 5. Fleiner Tigris), und einem Eleinen Seiten-
canale von ihm, bei den Eingebormen Khidr Iliyas genannt,
(0. t Prophet Elias und St. Georg, der als deſſen Wienerer-
ſcheinung bei ven Mufelmännern fehr verehrt I) von einem Grabe
mal, DaB auf der dortigen größten Anhöhe ſteht. Setzte man an
dieſer Ruine durch das jetzt trodne Bette Dijeil, und Eletterte fein
weRlicheß fteiles Ufer empor, jo fam man unmittelbar an das
Ende einer Mauer aus Kalk und Steinen aufgeführt, mit Thür⸗
men und Strebepfeilern an ihrer Nordweſtſeite verftärft,
uud durch einen tiefen und weiten Graben. Diefe, fagt Lynch,
aemne er mit Roß, deſſen Iournale ex bier folgte, „pie mediſche
Mauer” denn bie Anwohner kennen diefen Namen nicht mehr.
Er galoppirte über eine Stunde an ihr entlang, ohne ihr Enve zu
finden, und fehrte dann um, weil er feinen aftronomifchen Arbeiten
nachgehen mußte. Die dort Einheimifchen verficherten ihn, vie
Mauer laufe bis zum Buphrates bin.
Es iſt diefelbe, pie wir nah Roß ſchon früher unter dem Na»
men Chalu ober Sidd Nimrud (Sidd d. h. Mauer oder Damım)
angeführt, auf deren Rücken er eine Strede fortichritt. Nach feinen
Mefiungen ericheint fle wie ein einfacher Hügelzug, 25 Schritt
mädhtig, 35 bis 40 Fuß hoch, In gerader Linie von NND. ı DO,
gegen SSD. 4 W. fortfireichenn, fo weit das Auge reichte, und
nad) Audfage der Beruinen bis zum Euphrat, ein paar Stunven
oberhalb Felujah, mo fle bei den 2 Hügeln Ramelah ihr Ende
finden ſoll (ſ. ob. ©. 20).
An ver verfchanzten Weſt⸗ over Nordweftſeit⸗e bemerkte Roß
ebenfalls den tiefen, 27 Schritt breiten Graben und die Baſtionen,
welche in Intervallen von 55 zu 55 Schritten auseinander liegen.
Die Dauer jelbt if, nach feiner Unterfuchung, aus ven Eleinen
Kiefeln des Landes, in einem Teig von Kalkmörkel von großer Ies
nacitãt eingeknetet, aufgebaut, woburd fie ein fo hohes Alter zu er⸗
zeichen befähigt war. Bon Arabern Hörte Lynch viefe Dauer, nach
wer er unter dem Namen Seraj (das Schloß) ſich erfundete, auch
mit den Ausprüden Motbakh und zumelln Shistat belegen.
Bon viefer Mauer ſuchte Lieuten. BE. Lynch vem Laufe des alten
m
220 Weſt⸗Aſien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. §. 31,
Flußbettes, das ſie von den Ruinen der Feſte Jibbarah trennt, zu
folgen; aber die Wege zwiſchen den vielerlei Reſten alter Dämme
und Canäale machten fo große Schwierigkeit, daß er direct ſüdwärts
auf die kleine Stadt Beled (Balad) zuging, wohin die ganze Strecke
nur mit Trümmern von Backſtein, Terracotas, alter und mehr
moderner Mauern, vielleicht von Gärten u. ſ. w., bedeckt war. Der
Ort bat nur einige 40 elende Hütten, und iſt nebſt dem ſchon frü-
ber angeführten ſüdlichern Sumeichah die einzige noch heute be=
wohnte Stelle der unftreitig einft hoch bevolkerten Lanpfchaft. 87)
Das Refultat diefer Excurfion, die am folgenden Tage fühwärts
über Sumeichah nah Bagdad zurüdging, war, daß der Britte,
nach Allem was fich dort dem Auge darbot, ver Ausfage der dorti⸗
gen Araber beipflichten mußte, daß vor Zeiten einmal der dortige .
Boden mit viefen Ruinen, einem großen Theile nach, eine Inſel
geweſen, die durch eine nahe der mediſchen Mauer beginnende
Gabelung des Tigris in zwei ſüdwärts ziehende Arme hervor
gebracht war, von der der weftliche fehr breite und große Arm,
der in fo vielen trodnen Flußwindungen fich noch heute zeigt, feine
ſtroͤmenden Waffer verloren und an ven dftlich gefrümmteren Arm
abgegeben; daß ferner dieſe Veränderung erft ſeit ver Blüthes
zeit von Opis fich ereignete, und dadurch mehrere der Ruinen die⸗
fer alten, an der Mündung ber Adhem erbauten Stadt, die einft
auf dem Oſtufer gelegen, theild abgeſchwemmt und zerftdrt, theils
aber auch durch die neue Bahnung des öſtlichen Tigrisbettes auf
die Weftfeite veffelben hinübergerückt find, und dadurch ver mebi-
fen Mauer ganz nahe liegen, obwol biefe einft erft auf ver Weſt⸗
feite ned Tigrisufers, Opis gegenüber, begann.
Noch Hleibt und die Wanverung des dritten Tags 8) mit
Roß, von den Ruinen Iftabolatd am weftlichen Ufer bis Te⸗
krit, übrig, ehe wir von da über bie Trümmerorte ver Oftfeite
des Tigris zu den Thoren der alten Khalifenftant zurückkehren.
Bon Iftabolat werden gegen N.N.W. in anderthalb Stun⸗
ben die Trümmer von Aſhik erreicht, die auf einer Anhöhe dicht
über dem tiefen Bette des Ifhaki flehen, ver hier noch weit aufwärts
das dftlicher liegende Tigrisufer begleitet. Iene Trümmer zeigen
fi aus der Berne wie eine Gruppe von Säulenbilvungen; "näher
geiehen If es ein offnes, quabratifches Gchäu mit einem Vorſprunge
407) Lieutn. Bl. Lynch a. a. O. IX. p. 474. °) Dr, J. Rols
Notes I. c. IX. p. 447—449.
Euphratſ.; hiſtor. Ruͤckblick; zur Zeit des Khalifats. 221
gegen N.O., dad Ganze im eleganteften Styl der Khalifenzeit aus
ven fchönften Backſteinen erbaut, mit 6 Pilaftern auf quadratifchen
Bafen an jever Façade, ziemlich gut erhalten, deren Zwiſchenwände
aber eingeflürzt find. Died fcheint das Gebäude Aſhik, dem auf
der andern Seite des Tigrie Maaſchuk entfprechen fol (Aſchik
und Maaſchuk, d. h. die Liebende und der Geliebte), zu fein,
von dem bie Sage 9) eine der Geſchichte Hero's und Leanders am
Bosporus ähnliche erzählt.
Hier liegen die Ruinen Samarras gegenüber, auf dem Oſt⸗
ufer; nur eine halbe Stunde weiter norpwärtd auch bie Ruinen von
Shinas, und nur eine halbe Stunde fern am Weflufer paffirt
man die pyramidale Ruine von Hawaiſilat, einen Quadrat⸗
bau noch 25 Fuß hoch, von fehr hohem Alter, wie die medi-
ſche Mauer conftruirt, jedoch noch mit dazwiſchen eingefchohnen
2 bis 3 Fuß Hohen Schichten von großen rothen Badkflein » Lagern.
Der Tigris fließt Hier zur rechten in. einem tiefen, 2 bis 4
Stunden breiten Ihale, deſſen Höhen am Weſtufer, mit vielerlei
Trümmern bedeckt, zahlreiche Vorfprünge gegen ven Strom bilden,
denen dann wieder tiefe Einbuchten (Kawis) entfprechen, vie meift
troden liegen, aber reichen Boden haben, und mit Brafung und
Zamariötengebifih überwuchert find; die hoben Vorſprünge zeigen
Felsflirnen von Sanpftein.
Zwei Stunden norbwärts wird auf folcher Uferhöhe der hohe
Trümmerhügel Mehjar erreicht, den mehrere Fleinere Schutthügel
umgeben, dem auf der Oſtſeite des Tigrisufers ſich abfpaltenden
Ganale Nahraman, an feiner Mündung zum Tigrid, genau ge -
genüber. Norowärts von Mebjar ziehen noch immer die Spuren
vs Iſhaki⸗Canals, hier Khiyat el Suk genannt, nach Colon.
Chesneys Mittheilung, Länge dem Fluſſe fort, doch fo, daß von
ihnen bie vielen Älteren Einbrüche des Tigris ober die Hawis durch⸗
fegt werven, die aljo aus weit früherer Zeit batiren müſſen. Sol⸗
Gen localen Umſtänden gemäß, vie fih auch auf der Oftfelte des
Zigris analog wiederholen, ſchließt Roß, daß ver Nahrawan,
deſſen Baumeiſter nicht wie der des Iſhaki bekannt geworden, eben⸗
falls etwa jenem gleichzeitig (d. i. im 9 Jahrh.) feine Entſtehung
erhelien haben möge. Aus allen fruchtbaren Hawis der Weſtſeite des
Tigris waren erſt feit wenigen Jahren bie Agricultoren durch bie
x . j r}
0) 8 Hammer:Burgflall aflat. Türkei. Rec. 1821. Wien. Jahrb. XII.
222 Wefl-Afien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.31.
zerſtorenden und räubertfchen Ueberfälle der Sahmmar Beduinen
aus Mefopotamten in die Flucht gejagt worden.
Gin rauher, welliger und fleiniger Boden, an deſſen Fuße nun
jede Spur des Iſhaki⸗Canals verſchwunden war, weil ver Tigris⸗
firom Hier dicht an die Oſtwand das hohe Ufer befpülte, führt bis
zu dem modernen Orte Tefrit.
Tekrit wird von Ebn Haufal!) zwar ald Stadt genannt,
aber nicht audgezeichnet; Edriſi fagt, fle habe Häufer aus Gyps
und Backſtein erbaut, und meift Chriſten zu Einwohnern; 11)
ihr gegenüber (d. i. gegen NW.) Tiege die Stadt Haphr (Atra
ſ. 06. ©. 129) am Thirthar- Fluß (jegt Tharthar) in ver Wüſte.
Die vamaligen Ehriften wernen wol Neftorianer gewefen fein, denn
Terit oder Tagrit hatte früh feine Epifcopen (z. ®. im I. 560
den Beorgiu8,12) Verfaſſer einer Epiftel), die unter dem Titel Maphri
in der Neftorlantfchen Kirche nur noch den Primas von Seleucia
als Ihr Oberhaupt anerkannten. Im 13. Jahrhundert bekleidete ver
Annalift Gergis el Mekkin (Elmakin) 13) diefe Würbe, auch
war diefe Stadt die sedes primatis Jacobitarum. 4) Won einem
böhern Alter der Stadt haben wir Feine genauere Kenntniß; D’An«
ville Hielt e8 für Birtha bei Ptol., eben fo auch Mannert. 15)
Der türfifche EmIta!E) fügt feine Angaben, daß ſchon ihr Saffani«
den Schloß von Schabur, Sohn Ardeſhir Babekans, gegründet
gewefen ſei, auf bie Ausfage bei Abulfena, 17) fügt aber hinzu, daß
eine Naphtaquelle in ihrer Nähe gelegen ſei, und daß fie bei ben
Perfern Narend ſchabad, d.t. Orangenfladt, heiße, megen Ihrer
beträchtlichen Orangen. Die Napbtaquelle Hat Fein Neuerer ges
fehen, aber fehr häufig riecht man,!8) fagt Dupre, auf ver Tigrisfahrt
von Moful nad Tekrit abwärts, einen flarfen Naphtageruch, auch
von Schwefel und Erdharz.
Die von Tavernier bei Tekrit geſehene Casſscade hat auch kei
net der jüngern Reiſenden geſehen, aber Dupré hoͤrte ihr Daſein
beſtätigen; doch werde fie nur im Frühjahr bedeutend; die Ein⸗
10) Oriental Geogr. b. W. Ouseley. p- 5 2) Edrisi Geogr.
b. Jaubert. Vol. II. p. 147. 12) — Bibl. Or. T. 1.
p. 488. 18) D’Anville sur l’Euph. p. 93.
Bibl. Or. in Notit. eccles. Metropol. etc. I. c. T. m P. 2. sub
fin. 22) Mannert Geogr. der Br. und Röm. Th. V.2. 6.3892.
10) v. Hammer » Burgflall afiat. Türkei. Rec. in Wiener Jahrb.
1821. ®b. XI. ©. 235. '?) Abulfed. Geogr. Tab. VIL Meso-
potamia b. Reiske. Büfdh. bi, m IV. p. 349. 18) Dupre
Voy. en Perse. Paris 1819. T . 133.
|
Euphratſ.; hiſtor. Ruͤcblick; zur Zeit des Khalifats. 223
wohner nennen fie Fas el Ramli. Den Namen habe die Stadt,
fügt Abulfeda, von der Tekrita, einer Tochter Wajels, der Schwe⸗
fer Becr, des Sohns Wajeli, der und übrigens unbefannt iſt.
Gegen Anfang des 15. Jahrhunderts wird Tefrit, als ein Haupt⸗
raubmeft und Schugort der Beduinen am Rande der Wüfle, von
wo die Karawanen, welche nad) Syrien und Aegypten zogen, über«
fallen und auögeplündert zu werben pflegten, durch Zimurs 19)
kühne Erflürmung feines feſten Selfenichloffes erobert, und auch bie
Stadt mit feinem Raubvol vernichtet, und aus deſſen Schäbeln, nach
ver Timuriden Art, Siegespyramiden aufgebaut. In der Nähe des
Ortes erlegte Timur auf der Löwenjago fünf dieſer Thiere, die da⸗
mals dort wol noch Häufiger gemefen fein mögen, wie heut zu Tage.
Der Drt iſt von Europäern nur felten beſucht worben; neuer⸗
id von Rich und Roß. Nach dem erfleren 20) iſt dort nur mes
nig zu fehen, außer dem gewaltigen Schutt jener zertrümmerten
Stabt, der feiner Schägung nach einen größern Raum als das heu⸗
tige Bagdad bededtt. Das Caſtell, das noch heute in feiner Ver⸗
wũſtung auf einer 200 Fuß hoben, ſenkrecht auffteigenden Klippe
den Tigris weit überſchaut, und von einem Graben umgeben wird,
den wol einſt das Waſſer des Tigris füllte, und der es von der
Stadt abſcheidet, mag allerdings ſehr ſchwer einnehmbar geweſen
fein, wie Sherifeddin berichte. Auf dieſer andern Seite des Fe⸗
Rungsgrabend lag die ummanerte alte Stabt, vie noch heute voll
von Mauern, Kammern, Gewölben mit Schutt, Kalk, runden. Kiefel-
fleinen bevedt da liegen. Die Reſte eines großen Backſteinthors
am Fuße der Feſtung in der Felsklippe iſt alles, was dort von
Bauwerken übrig blieb; die Caſtellhoͤhe zeigt überall noch Baftionen,
Sirebepfeiler, Mauern, auch bemerkte man die Nefte eines geheimen
Gewölbeganges, der durch dad Innere des Citadellfelſen auf Stufen
binabführte zum Waflerfcgöpfen an ven Tigris. Dr. Roß, der viefe weite
läuftigen Ruinen?!) der untern Stadt purdywanderte, fand darin einen
Halbkreis von Mauern, eine engl. Meile im Diameter, mit durchſetzender
Kippe, deren Beflimmung ihm ganz unklar blieb; am Südende
ver Stabt eine confufe Maffe von Mauerftüden mit nienern Thoren,
die Keniſah, d. t. die Kirche genannt, und am Nordende die Nefte
10) Cherefeddin Ali Histoire de Timur Bec, p. Petis de la Croix
ed. Delf. 1723. T. II. p. 141—154. ?°) J. Cl. Rich Narraüve
| l. «. Vol, II. p. 146. 21) Dr. 3. Rofs Notes 1. c. IX.
| p. 448. | |
224 Wefk:Afien. TIL. Abtheilung. J. Abſchnitt. $.31.
bes Kala ober des Caſtells, zu deſſen Thore noch Eine wohlerhaline ,
Treppe binaufführt. Außerhalb dieſer Mauer Tiegen die Gräber
vieler moslemifchen Heiligen. Beim Umhergehen in dieſen Ruinen
fand Dr. Roß vier in Häufern eingemauerte Fragmente von Reliefs
in Badflein, und ald die Einwohner der modernen angebauten Stabt
Tekrit im J. 1835 durch Beduinenhorden, unter Sufuls Anführung,
mit Ueberfällen bedroht wurden, fahen fie fich gendthigt, zu ihrer
Vertheidigung einen modernen Graben um ihre Wohnungen zu zie=
ben, wobei viele Bauwerke und unterirbifche Kammern aufgedeckt
wurben, in denen unter vielen andern Lieberreften auch 2 große irdne
Vaſen ſich vorfanden, dad einzige, was Dr. Roß von biefem
Funde zu ſehen bekam. Die eine zwar ohne Schmud, vie andre
aber, 3 Fuß Hoch, war rundum ormamentist durch einen Kranz von
‚Greifen und menfchlichen Geſtalten, bie ein Band zufammenhielt ;
die Ausführung ziemlich roh in gelbbraunen Thon gearbeitet. Ein
alter Heilig gehaltener Mulla, Rejeb, benutzte fie zu feinen Waſſer⸗
behälfern, und war nicht zum Verkauf verfelben zu bewegen. Die
moderne Stadt Tefrit, mit etwa 600 Käufern aus Badfleinen
aufgebaut, war im 3.1821, ald Rich fie befuchte, für 22000 Pia⸗
ſter an den Einnehmer des Paſcha verpachtet; fle hat zwar einen
eignen Beg zum Gouverneur, Roß meint aber, fie verdiene kaum
den Namen einer Stadt; er fand die Bewohner hoͤchſt ungaftlich,
und meint, ohne feinen Ferman würde er dort haben, verhungern
möüflen; fein arabifcher Führer behauptete, alle Tekriter fein Spitz⸗
buben. 2) Es war fehr ſchwer, dort auch nur auf ein paar Tage
- Proviant zur Fortfegung feined Marfches von va nach Al Hadhr
zu befommen. EI. Ric gibt die auffallenne Nachricht, daß in ver
mobernen Tekrit fih Ruinen von 10 Kirchen (06 aus ver Neftoria-
ner Zeit?) befinden ſollen; er fagt, AI Hadhr Liege von hier gegen
N.300W. 2 Tagreifen fen, nah Roß find es wenigſtens 3;
nach Kerkuk (f. Erdk. Th. X. ©. 554) fol von hier eine Karawane
nur 2 Tage gebrauchen.
Das Oſtufer des Tigris von Iman Dour bis Bagdad.
Wir ſetzen nun auf die Oſtſeite des Tigrisufers über, um am
Nahrowan⸗-Canale, von dem wir urſprünglich ausgingen, in
die näͤchſte Umgebung der alten Khalifenſtadt zurückzukehren
#33) Dr. J. Roſs l.c. IX. p. 459, 466.
Enphratſ.; hiſtor! Nackblick; zur Zeit des Khalifats. 225
Der nächte front, Tekrit etwas abwärts, iſt Imam
Your, den wir ſchon als Uebergangsort des diomerheerh Dura,
uch Jullans Tode kennen (ſ. ob. S 137); kann daher wol
nicht erſt feinen Namen Win Grabe ved BB" Yindın' 3) Mobamme
Your verdanken, weiches vaſelbſt verehrt wirs Nelmeht fſcheint ber
Det uralt zu fein, denn, obwol mar vie Umnpebuig‘ Babylınd 2%)
klR für geeigneter dazu halten möchte,- kein anderet iſt bekannt,
auf weichen fonft die Stelle im Propheten Dahil_paßte , In welcher
Dura ſchon zur Zeit Nebucadnezars ein Ort ves Bufarnmenfbiffe
bee Menſchen geweſen fein muß. Es heißt dafekbſt · Der Kdni
Nebucadnezar ließ ein’ golbeues Bild machen, 66 Ellen hoch un
6 Een breit, and ließ es fetzen im Lande Baer im KYardüra
(Daniel IH. 1), 25) welch ale feine Unterthimen anbeten folkten,
mad auch die Juden, deren banials feit der babyloniſchen Gefangen⸗
ſchaft befanntfich ſchon viele im Lande waren ; und ene gtoße Sets
verfammelung aller Beamten und Großen des Reichs wurde zur
Euweihung zuſammenberufen. Die Gefchichte ver "breit feommen
Männer im Seueröfen, welche dieſes Idol nicht? anbeten, Scheint die
Grundlage zu manchen Verdrehungen ver Aronnbbahffegen’ enge
von Abraham, ver in ven Flammen ſfich nkederſteß, zu fein vie
anf verſchicbene der Muineihägel von Babylon’ Bis: Suflinä und
bie AReher gedeutet, vort im ‚Dune ws Vene nö hente fortlebt
(6.6.18).
-- DE heutige Stat Dom 20). * ie —S obwol fie
nur von wenigen Gärten und Palmen whgebn m; de ſie iſt ein
Merit; d. h ein Pilgerdtt ver: Verehrer. AH" anid det Jmans,
ein ſeltſamer· Kegelchurm iſt old Veiligrhuum aufgerlchtet aber
ein weit Aterez Dioitiitenf‘ tft der mättge Truͤmmerhüͤgel
wer tinter der heutigen Stabt ſich erhebt.
Abwarts der Stadt iſt eine Gemmung im Zigetöfluffe, ein
Damm, Zikr, ver vom linken Ufer nicht tief in ven Fluß hin⸗
einreldht, und wol von Kalfeoncretionen gebildet “fein Fünnte; voch
festen Vie Einwohner, er ſei durch Menſchen erſt gemauert, und
nahe dabei, unterhalb dem Orte Hheimra, iſt ein zweiker Zikr,
en Beide: art, ven man Ruwalaht nannte: Der dluß war
”) Dani sur TBaphr. p. ss, . ) Bofeamüller Bi. —ES
i So. Rot, 68. 66. ss ex, Haupb.
23 ©. Da, Rot, 6 BE a. 26 ) — "
ver SORL. 3 CL Rich
Narrative Le. Vol, U. p. 8
Ritter Erdtaude X. ®
226 . Weiten. Hi, Plötheiting. I. Mbkhuitt.$. 31.
Hier, als. EI. Rich voruberſchiffte, um 2 Buß gefallen. Gr be⸗
werkie nun ‚var. Rechten. einen ſehr hedeutenden landeinllegenden Tu⸗
Rulus, Telel Mehefi, offenbar verſelbe, ven Roß beim Vor⸗
überziehen Mebiar nennen hörte (. of. ©. 221), denn gegenüber
an der Oſtſeite des Xigris zeigte man Ihm einen ausgegrabenen
Canal, der von den Schiffern dem Könige Salomon zugeſchrie⸗
be. wurde (daher Nebbi Suleimen), 27) und nach Ommeiza
zum Anl em geben follte, wo an beinen Orten Gteinbrüden, deren
—8 mit. Bleitſoampeern ;zufammengefügt wären, übe, Ihn hin⸗
g führten.. Auf Gef CheonenB Karte iſt die eins, gang Maße,
vide über. digſen Nebbi, Suleiman ‚mir. dem Namen Fantarah. ef
— Bleibrach beyihngt... Rus 20 Minnien- weiter abtndrtk,
Rich, fingen: dig Ruluen van Coti Bagdad amı ı. ..
Bar Di iſt alfo entſchieden ver Anfang bed. großen Nahzawan«
Ganale 8, en dieſen Namen zu. .Apnlienad ‚Zeit iR. weiter uni
gphlelt,, .unfireitig. weil Da: Die. gleichnamige, Stadt, Nahrawen,
ober das ältere Narbe, Ingz hier hieß ex, wie wir oben Inben „bei
Abulfena, Der.nodgse. Kasylt. aber der große Katul, im
—* ‚ver, 3 ‚Eheinesn Rarul,, welhe, 3 Stunden —8*
cbenlalls vom igris mad, Ahulfedq's Angabe, * - ae
gingen. und offenbaz ‚untergeorpuete Abtheiluugen. waxen;
„Die, Tri ‚von. EEE Dagdap, auf den. Soßen. Rieiel-
flippen des linfen Tigrisufers gelegen, find zwar yon ſehr weitem
Hanfange, aber on ſich unſcheinhate Gaufen von Kiejeifeinen,.- ohne
eriennbagsä, zufamgıenhängennes Mquerwerk; zahlloſe Risäinjeln zie⸗
ben ſich am Flußufty bin, bie: von Vegelſchaaren umfahwärıt. wage
yon, vasunter bie Yallggn der Mraker, mit langen rothen Schnäbeln,
und roth und ‚grün. An age, größer als. Tauben, di⸗e
beweglichen und zahlreichſten Zügt ‚bilden. Eine volle, Stunde⸗
hrguchte Das. Schiff, um vom Anfang, dee Trummer von GN Bag-
Rap, ie, Ende zu ‚erzeichen, daß durch ein quad ratiſches Mauer
west, de.Ahlmars genannt (‚Ghings auf Cheaneys Karte) bye
zeipnet. in. Dana, folgen. mehreng ‚Genpmungen im Fluffe, Fahr v
Seyn genannt, ‚bie Ric, für Kalkcomretzgnen hielt. bit, von men.
Ueganwehnen aber, für Reſte einer Brügke-ausgegeben werden, bie
von bier am Xrümmerhügel Hawil ubfa und bem Tel Alek,
wo ein > An Arkmme Madſchut helzt/ nach Aſ cit Valsnerite
F Fa *
a —A -IMB. 3°) Ab Tabel,
Marssehnn “m lee “ar
4
?“ 171 *
Euphratſ.; hiſtor. Xuͤckblick zur Zeit des Khalifats. 27 |
haben fell, unter deſſen quabraiiichen Pilcfterbau auf gleiche Weiſe
Ecttrorſchnellen im Tigris hervortteten. Cine Infel Hegt bier im
Aigris. Die num abwärts nach mehren Trümmerhohen unmittelbar
daran ſtoßende moderne Stadt Samarra, bie zwar auch ſchon
etumal vom Saſſanidenkoͤnige Schabur Ohulaktaf erbaut ge
weien fein foll, deren fpätere Entflehung wir oben kennen gelernt
(fr od. ©. 210), welche nach dem Dibihannuma 2) einen Umfang
ven 7 Barfang, d.i. 104 Stunden, eingenommen haben fol, hat auch
* Beute noch immer eine große Mofcheer, Malawiyah genannt, %)
von Backſtein erbaut, 200 Schritt lang und 150 breit, deren Mauern
son Strebepfeileen geflügt wernen, die aus der Berne fie wie Ihürme _
umgeben. Außerhalb ver Stadt, ihr an der Nordſeite, erhebt fich
der gleich einer nach oben abnehmennen Schraube feltfam
aufſteigende Thurm, ber fih durch pie umlaufende Spiraltreppe
in 6 Stockwerke thellt, Die an 200 Fuß hoch emporfleigen, und
vingöum von einem weiten Ruinenfelde umgeben, einen eigenen
Trauerblick gewähren.
Weit entfernt von ihm gegen den Norden erkennt man auch
ach Die Ruinen des Khalifenpallaſtes, wahrſcheinlich ves
Didaafarije, ver auch, nah el Maſudi, Hira hieß, weil er nach
dem Borbilde des zauberifchen Chawernak gebaut fein ſelte. Hier
war es, wo bie ſtolzen Khalifen fi mit dem Zuruf: „Fürſten
der Rechtgläubigen“2) huldigen, und ſelbſt mit dem Beinamen
Gettes, den fie ihrem eigenen Namen hinzufügten, beehren Ileßen.
Der Ahrouſaal des Pallaſtes hieß Rewat, fein Ehrenfig hieß Sſadr.
Dis Säle links und rechts hießen Kemin, ber eine zum Schatz,
der aubere zur Speiſekammer beftimmt, wie noch Heute im Serai zu
Goufantinopel dieſelben Abtheilungen viefelben Ramen tragen
(Cheſine we Kilar). Don bier war e8 aber auch, von wo durch
Morawaltel zuerfi die wuͤthendſten DVerfolgungen, vom Khalifen-
eng aud, gegen, vie damals zahlreichen Chriſten und Juden
Am Eupbrat- und Tigrisiande aubgingen. |
- Die modern angebante Stadt Samarra hat vie Groͤße von Te⸗
Bit Die Ruinen, welche weit abwärts von Samarra bis gegen
Open fortzichen, werben auch noch Coki Bagdad genannt. Sie
ſtes noch wenig unterſucht. Das Sculpturfragment einer Statue
2 v. — ⸗Purghall, aflat. Türkei. Rec. Wiener ee u 1821.
©. 239. s°) J. Cl. Rich Narrative I
E ——— des Spiralthurms. *1) 3. v. Hammer ander
u verweltung ic. ©. 27.
2. (
228 .Beft-Afien, TIL. Abteilung. J. Abſchnin. 5.31.
aus. grauem Granit und Baſalt fand GI. Mich Hier, ein Yhol, das
die Anwohner: GI Sanam nannten. Davon . waren aber: nur
zwei Wüße, die parallel: mebendinanber, alſo nach aegyptifcher
Art, geftellt und 18 Zoll lang waren, gut erhalten, bis zu. ven
Hüften; der obere Theil mit ver Bekleidung war zerftimmelt; der
Imam Durli folte ihn abgehauen haben, um baraus Etäfel zu
Kaffeemörfern zu machen. Die Gräber des 10. und 11ien ber 12
heiligen Imams der Alliden, die auch von der Lagerſtadt Abkar,
in ver fie geboren oder begraben wurden, ven Beinamen ver Askeri
erhielten, werben in den Ruinen von Samarra bepilgert; ſie heißen
Imam Haffan al Askeri und Alt en Raft; . die der meiflen andern
wirklichen Imams (vie nur fogenannten fiche Ext. Ah. DL.
©. 499) Hegen in oder nahe um Bagbad.
Noch weiter abwärts, fühwärts eine Meien quabratifcen
Mauerwerls am Ufer, Ghaim genannt, wo ein Fleiner Geltencanal,
der Rabe ul Erſas, vom Tigris gegen OR zum Nahrawan abs
zweigt, erheben ſich am Ufer des Tigris wieerum fehr viele
Ruinen, bie nicht affyelfcher oder babyloniſcher Eonftruction, aber
doch Alter find als die genannten aus ben Khalifenzeiten; GL
Mi, einer der einfichtsvollſten Kenner diefer Bauſtyle, rechnet fle
ven Safpanidifchen zu, deren Mauerwerk: mit Türmen und
ungebrannten Badfteinen, ſich weit ins Land hinein, längs eines
alten Aigrisbeites, verbreiten, und denen von Gteflphon uud Daſta-
gerd ganz anolog find. Der Umfang ver bort. gezogenen Gtabt«
mauer fol eine Stunde betragen. Die bortigen Landleuit nannten
den Ort Gadeſia, und fagten, er ſei aus den vor» idlamiſchen
Beiten, wobei Mich bemerkt, 32) daß die Mufelmänner niemals
die vor· ilamiſchen Ruinen als bie ihrigen ausgeben, und daher Im
dieſer Ausſage allerdings Vertrauen verbienen. Died wäre denn bie
Kadeſia W) am Tigris bei Samarra, von ber Eorifi fagt, daß
bier das Jrak⸗Glas gefertigt werde, das nad biefer Provinz den
Namen erhalten habe. Auch Abulfeda wiederholt ed, daß auch
ein el Kadeſia, eine große Stadt, bei Samarra llege, mo eine
Glashütte”) fei; nach el Tartib erhielt fie biefen Namen, weil
das Bolt von Kades ſich dort mieberlieh, Kades aber fei eine
* Etabt von Merwer Rud (Erof. Th. VOL ©. 230, IX. 101);
432) J. CL Rich Narrat. II. p. 153. 2) Edrisi 1. b. Jau-
ders Val. 1. 146. ®*) Abulfeda Deser. Iracae b. feld.
pP
Eupbratf.; hiſtor. Xuͤckblick; zur Zeit des Khalifats. 229
alfe wol aus Berfien dahin verpflanzt, wo die Kunſt der
Blasziegeln fehr weit getrieben war. Abulfeda 35) rühmt
dieſes zu Kafhan gefertigte Rımfmaterlal vorzüglich auch zu Tau⸗
sts in Aderbidijan (structa pulcherrima lapidibus Kaschanensibus
b. Abulfeda), eine Art Borgellanglafur (Porcellane de Cachan b.
Zerifewoin). Merkwürdig iſt es, daß Rich unter den Saffanibifchen
Trũmmern, die er vort vorgefunben, auch fehr wiele buntfarbige
®lasrefte nennt.
Nur eine engliſche Meile entfernt von Gadeſia zieht ver
Nahrawan, oder vielmehr ver große Katul, im Dften dieſes
Ortes und einer und noch unbekannt gebliebnen Ruinengruppe Bin,
Die auf EChesneys Karte Bir genannt wird, mit dem Benat el
Hafan, wol dem Brabe jener Imam, in ihrer Mitte, vorüber, biß
er in ver Gegend des Khan Tholiyah das Uferbette des Adhem
wife Was uns von der Mündung des Adhem und ven Rui⸗
nen von Dpis belannt geworben, ift fchen frühes mitgetheilt
(j. Crot. IX. ©. 537-538); hier nur die Wieberholung, daß auch
bei ihnen noch Spuren des prachtvollen Nahrawan⸗Canals
wahrgenommen wurben, deren Zufammenhang 25) wit dem Gros
pen Katul und mit dem Narbufer ber Tigrisbiegung un—
terhalb der Ruinen von Opis auf BL Lynchs Kartenffigze ver-
zeichnet finn. Am Khan Tholiyah am Weſtufer des Adhem iſt
noch ſteiniger Boden, aber abwärtö des Adhemmündung fängt auch
an dem Dftufer des Tigris der Alluvialboven ohne Steine
«m. Hier nun war ed möglich, in vollkommnem Blachfelde, auch
ven unten Lauf des aus dem Zagroſh herabkommenden Diala-
Stromes mit dem Tigrisftrom durch einen Canal zu verbin-
ven, um auch ben zwifchen dieſen beiden Flüſſen gelegenen meſo⸗
potamifchen Landſtrich reichlich zu bewäflern; dieſe Verbindung
in varch ven noch heute beſtehenden Nahr Khalis 37) gefchehen,
der don Diala unterhalb Adana Keug bei Dellz Abbas (ſ. Erdk.
%. X. ©. 512 u. ſſ.) verläßt und durch viele von ihm bewäflerte
mn Gefruchtete Ortſchaften, vie. alle zum Diftricte Khalis gehören,
gegen S. S. W. HE zum Tigris vorvringt, und mit dieſem oberhalb
de Dorfes Jedideh ſich vereinigt. Dies iſt denn offenbar das von
86) Abulf. Tab. ‚Armen. ed; Reiske 5. Bäfcing hiſt. Mag. Tb 25. F
©. 312; Xeriffeddin Hist. de ey imar P: La Croix. Ed.
1728. 8. Liv. III. ch. 70. p °) The Tigris een
Bagdad and Mosul by Liebtn. B Bl Lach 1839. °”7) BI. Teen
Note L c. IX. p. 471 aqq. ivıdo.o
230 WefbAfieri, III. Abtheilung. J. Abſchnin. 4.31.
Abulfeda genannte Gebiet Culi (Pagus Cali ſ. oben S. 208),
„von wo an, d. i. vom Diala oftwärts, jener Oroße Katulcanal
„feinen Namen in den des Nahrowan verändert.”
| Diefer Nahr Khalis iſt gegen deu Tigris Hin wieder im ein
paar untergeordnete Beine Arme gethellt, die zwar trocken lagen, ſo
vaß BI. Lynch auf dem Landwege von Bagdad zur Anhemmän«
hung fie durchſchreiten Tonnte, aber doch immer vie Befruchtung
über einen breitern Landſtrich verzweigen. Die Ramen ver beiden
untergeorbneten Zweige ſcheinen Rathan und Nahr Bull zu
fein ; fle dienen beide nur zur Lanvesbewäflerung, nach Col. Ches⸗
neys Mic. Der noͤrdlichere Seitencanal durchzieht nen Ort Howeiſh
zum Tigriöufer, ver fühliche zieht zwifchen Jezani und der kleinen
Stadt Denficheh eben dahin. Das noͤrdlichſte am Tigris Hegende
Dorf dieſes Khalispifirictes, der durch die gleichnamige Ganali«
fation befruchtet. wird, beißt Sindiyah, in feiner Nachbarſchaft
Hiegt ver Tel Khumeiſia. Vom Adhemſluß bis Sindiyah iſt ſelbſt
am Tigris entlang nur wenig Anbau; die Abu Keohmeh Ara⸗
ber leben Hier in Zelten und Schilfhütten auf deſſen linkem Ufer,
eben fo wie die Beni Temen Araber auf deſſen rechtem Ufer,
wie auf ben nievern Alluvialinſeln, pie fich durch das Siuken ver -
Tigriswaſſer jährlich zu bilden pflegen. Der ganze Khalispifirier,
Im Rorden von Bagdad, wird mit feinen 62 Dirfem’®) nur allen
durch den Nahr Khalis-Durchfchnitt, vom Diala zum Tigris, mit
Waſſer veriehen, da beine Stüfe wegen ihrer zu hoben Uferwaͤnde
zu folder Befruchtung der anliegenden Länvereien umtauglich fine.
Aber jo ward auch dieſe Nachbarſchaft der Khalifenſtadt in jens
reiche Ganallanpfchaft verwandelt, von welcher die Gegenwart nur
noch hie und da relzende und ertragreiche Partien aufweifet (f. Erdk.
ih. IX. &. 511-515).
Die Hauptoörfer vieles Diſtriets Khalis find nah Rich
folgende: 1) Denghijeh, nur eine gute Stunde von Bagdad am
Aigrisufer, jeßt durch die harte Tyrannei der Gebieter faſt verlaffen
2) Howeioh mit 100 Häufern, berühmt wegen feiner Garten⸗
früchte, und 14 Stunde fern von jenem. 3) Dofhala in veifen
Nachbarſchaft. 4) Hophopa, 24 Stunde von letzterem fern am
Zigris. 5) Manfuria, 25 Stunde von Howeißh. 6) Saadia,
14 Stunde von Manſuria. 7) Sindiyah. 8) Doltova und
mehrere Ortichaften am Diala gelegen. Bei Manfurta iſt viel Baum⸗
*se) 5, Cl, Rich Narrat. L c. II. p. 156.
Eupbratf,; hiſtor / Raͤcblick; zur Feit Bed Kmiſats. a
wellencultur, im Uebrigen viel Anbau von Gerfte, Korn, viel
Grafung. Ale Gonvernementsbeamte pflegen ſich in dieſen —**
baren Diſtriet zurückzuzichen, wo fe durch Erpreſſen die Bauerk
—— fie frei zu halten, wodurch ber Bortheil vis Fruchtlandes
wieder zu einer vridmben Laſt der Bewohner wirb. Bon ae
furie 29) folgt bie reicher bebaute Nachbarfchaft, mit: Dörfern, Gat⸗
in und PBalmenbäumen, hiater Venen Ste Rinarets von Bagdad
uffisigen.
Aber die große Ganalfährung m bier noch ainerwegs zu
Ende, denn eben Im Oſten des Nahr⸗Khalis, mit ven Winvungen
des Diala, zieht der ihn begleitende große Canal Nahrowan vi⸗
rect abwärtd und ſetzt auch auf dem Oſtufer ded Dlala, im Rüden
von Madaln, immer den Tigris parallel laufend fort, bid Kut el
Amara. Ja nach Einigen fol er andy von da noch welter geführt
fein, bis zum Kerkhah.“) Schon früher haben wir vort bie weni⸗
gen Spuren verfolgt, die von ihm bekannt find, und in vem Ditb⸗
mmen Narba der Saſſanivenzeit vie erfte Beranläffung Seide
algemein geworbenen Benennung Nahrowan gefunden (f. Erbk.
x. IX. ©. 418, 497, 500, 505), auch ven Ort Bakuba an ihm
kennen lernen, Überhaupt einen wichtigen Einfluß: auf vie dortige
Anfleblung von Staͤdten, Luſtſchlofſern, Tulturſtrichen, Neflvenzen,
ungeventet. Die Erbauer dieſes Canalfyſtems find unbekannt, doch
IR kaum zu zweifeln, daß die Saffaniven eine Harptaufmertfasiitet
auf daffelbe verwendet haben. Der Nahrowan verfah mit feinen
friſchen, füßen und reinen Wogen zu Ebn Haukals Zeit die Stadt
Bagdad mit Trinkwaſſer. 9) Jenes Narba over Nahrowan,
hatte auch zur Khalifenzeit noch Beſtand; es war zu Edriſis Zelt
och nur eine Meine Stadt, %) auf dem Oftufer des gleichnamigen
Fluffes gelegen, und von deſſen Mrmen vurchfchnitten, der das Ge⸗
Wet Bagdads fo reichlich bewaͤſſerte, bis nach Jokal Kent Diefen unv
Dr Dierat Hin, welche Orte 2 Tagreiſen von Nahrowan entfernt
Men Rahrowan ſelbſt, 12 Meil. von Bagdad fern, Tag gang
ia Gärten, und war von zahlreichen Dörfern und den fruchtbarſten
Pluren und Lanvflgen unsgeben. Aber den Terraffenbobtn am
Yald' aufftigern, gegen Däslaca und Holman hinaus, auf’ der
Ayate von Khotaſan, Hört bie Waſſerfülle auf, und die Baht bei
ss Narrat. 1. c. N. 7. RM ol. gsi „.
N el R Stine, 6
Geogr. b. Jaubert. Vol. I. p:158.
232 . Weftstfien, IH. Wörheilung, J. Abſchnitt. 4. 31.
. Ralmbäume; nimmt Immer mehr und mehr ab (ſ. Erdk. IX. &. 477).
Die Route von. Bagdad gibt Edriſi dahinwärts ſo an: Won Bag⸗
‚dan nah Nahrowan 12 Mill., nah Deir Barema 12, nad
Daskara 24; eine heine Stadt von Palmen und Culturen umge⸗
ben, mit einer Erdfeſte, die einft bie Mefldenz eines Fürſten ger
iwefen (f. Erdk. IX. ©. 509), vaher Daskerat el Melik. genannt.
Bon da über Halula 21 Mill., nah Kharkin 27 Mil, nach
Kasr Schirin (f. Erdk. IX. ©. 484), und fo nah Holwan, in
Summa 114 Mil. £f. Erdt. IX. .©..476).. -
Abulfena®) fügt nichts neues zu diefer Kenntuiß von Rabe
rowan hinzu; nach feiner. Angabe liegt ed indeß nur 4 Paraſ. von
Kelwada, und. viefe® 2 Paraf. von. Bagdad, alfo Nahromwan neum
. Stunden fern von Bagdad. Vom benachbarten Barapan,**) in der⸗
felben Richtung. am Dflufer des Tigris (ſ. Erdk. X ©. 491),
gibt. er nur die. Entfernung von 5 Paraf. (7 Eleine Stunden) von
Bagdad. an, und. von Bakuba in doppelter Entfernung (ſ. Erdk.
IX, ©. 498), daß es die Heimath vieler. berügunter Gelehrten ges
weſen.
Don ven Drten der Bagdad⸗ Landſchaft, bie. von ber Gapisale an,
den Tigrid abwärts, über Madain gegen Wafet Hin liegen, haben
wir noch weit unvolfländigere Nachrichten aus dem Mittelalter er
Kalten, als vie fo. eben nach den andern ſüdlichen, weftlichen
und, noͤrdlichen Richtungen bin beiprochenen. Es find nur wenige '
Namen, die wir. zur Vervolfländigung unferer Topographie des
Bagdad⸗Gebietes zur Khalifenzeit der Abbaſſiden hinzuzu⸗
fügen haben, obwol ſchon Ebn Haukal %) im 10. Jahrh. ver⸗
ſichert, daß der Anbau des Landes mit Wohnungen ſchon zu feiner
Zeit, von Bagdad hen Tigris abwärts, ſich bis an die Grenze von
Waſet gezogen habe. Von Kelwada (Kaluada auf D’Anvides
Karte des Euphrat), das noch oberhalb Madain am Tigris, nur
2, Paraſ. fern. von Bagdad lag, war ſchon oben die Rede. Unter⸗
halb Madain wirh zunaͤchſt Dair el Acul (i..e. Mopasterium
anfraetus). 6) genannt, in deſſen Nähe ver berühmte Dieter. Mor
tanabbi im Jahr 965, auf dem Wege von Namania dahin, durch
einen, Ueberfall räuberifcher Araber vom Stamme Aſſad feinen . I
fand. Dann folgt Gabbol (Iubbul bei D’Anvie), eine Stam,
+43) Abulfeda Descr. Iracae b. Wüstenfeld. l. c. p. 15 a. 16.
4) Ebeud. p. I8. *5) Oriental. Geogr. b. —* p- 66.
“*) Abulfeda Dieser. Iracae b. Wüstenfeld. p. 6.
.
-
Euphratſ.ʒ hiſtor. Ruͤcblick; zur Zeit des Khalifats. 233
welche ver Wohnflg vieler Gelehrten mar; noch weiter abwärts am
Zigriöflreme das Städtchen en Nomanta (Raamanie bei D’An-
wide), #7) bei dem auch ein Geltenfluß Zab genannt wird, der niche
weit den gleichnamigen Flüffen im obern Mefopotamien zu verwech⸗
fein if. _ Die Lage von Sina (Eina), %) zwifchen Bagbad und
Wafet, ift und unbekannt. Den Befchluß der genannten Ortſchaf⸗
ten am untern Tigris, gegen Waflt. bin, macht Kommeg Celh*)
(Bam es Gelhi b. Reste) i. e. Ostium pacis, (F um el filh
Bb. Eprifi), ein. Name, ver, na. Ibn Challicani S. 88, ver
Mañndung eines großen Fluſſes entiprechen fol, der oberhalb. Waflt
and dem Tigris hervortritt. Da Waftt, nah EI Aziz, von dieſem
Yusteittöorte 7 Paraf., d. i. 105 Stunde, entfernt liegt, fo muß bie
Bage dem heutigen Kut el Amara fehr benachbart gefucht werben,
we auch mancherlei Ruinen. auf früheren Anbau hindeuten. Aus
Abulfedad0), Annalen iſt e8 bekannt, daß der Khalif el Mamun
in Sam ſes Selhi feine glänzende Hochzeit mit ver ſchönen Bu⸗
rana feberte (im Jahr 825 n. Chr. Geb.), deren Vater, fein Wefir
Haſan, Hier feinen Wohnfig Hatte. Damals, als hier ver Braut
ein Teuſend der Thfäktähften Perlen über, daß Ömupt gefreut wurben,
uns Amberlerjen von 800 Pfund Gewicht ven Jeſtſaal erleudj-
teten, als alle anweſende Große Durch verteilte Looſe mit Dör⸗
fern und Herrſchaften ſo großartig beſchenkt wurben, muß es freilich
tim. Lande wol anders ausgeſehen haben, als heute Kam ed Seihi
Uegt nach Abulfeda 12 Barafangen, alfo an 18 Stunven unterhalb
Gebtel (Jubbuf).
Kehren wir nun nad dieſer umkreiſung der bagdadiſchen
Landſchaft zu ver Khalifenſtadt ſelbſt zurück, fo bleibt und nur
neh Die ſpeciellſte Angabe, vie wir bei Abulfena von ihren Tho⸗
en wach den verfchtenenen Weltgegenden finden, .zu erwähnen übrig,
u die Angabe der Routen, pie von biefem el nunete
ut: I vie verſchledenen Provinzen, nach Anleitung. Be is,
jenen: Heiten geführt haben.
: AEI Sarim 52) iſt zu Bagdad das Haligthum bed Ahali⸗
——— welches nach Jakut ein Drittheil ver Stadt einnimmt.
Um dvenſelben eine Mauer. gezogen, die vom Oſtufer bed Aigrie
“) Abulfeda Deser. Iracae b. Wüstenfeld. p- 16. Not. p- 101.
°*) Gbend. p. 5. *°) Ebend. p. a8. und Note p. 102; Kdrisi
Geogr. b. Jaubert. I. p. 364. ‚Abulfeda Annal. Moslem.
od. Reiske. p- 184. 9) "Abulfeda ‚Deser. Iracas b. Wüsten-
p- ®.
[tr
238 Weſt-⸗kiſten. IH. Abtheitung. I Abfmitt... 31.
anfing und in Halbmondogeſtalt wieder an ben Tigris zuruͤckführte. Dee
Thore, vie Hineinführen, find 6. Erſtlich Bab el Gorba, Dad Thor ver
Pilgerſchaft, am Zigris zunächſt. 2) Bab Suc et Xamtr, dae
MWor des Dattelmarkted, ein Hohes Thor, dad zur Zeit des Khalifen
Imam en Nager (reg. von 1179—1225) gefchleffen wurde und ach
geſchloſſen blieb. Dann folgt 3) Bab en Nubi, pas Thor ber
Mräfeeten, wo vie Schwelle liegt, weiche vie eintretenden Fuͤrſten
und Geſandten küſſen müſſen. 4) Babel Amma, dad Boll
thor, auch Amur's Thor genannt. Von da zieht bie Mauer faſt
eine Meile ohne Thor fort bis zum 5) Bab Boſtan, das Gars
tentbor, unterhalb der Anhöhe, wo Die Opfer (am 10ten und 12
Tage des Monats) geichlachtet werwhen. Dann folgt 6) Bab el
Marateb, dad Stufenthor, das noch 2 Pfeilſchüfſe vom Tigris
entfernt liegt. Der ganze. von biefen Thoven eingeichloffene Raum
heißt der Khalifenpallaft, el Harim, und hat ſeine Märkte,
feine Quartiere und viele Wohnungen des Volks; ſelbſt eine große
Capitale bildend. Zwiſchen dieſen Wohnungen des Volks ‚aber ann
dem Titris iſt noch eine ſcheidende Dauer für vie eigentlichen
PBaltaftgebäune gezogen, innerhalb deren keine Wohnungen der
Brivaten liegen. (Die. Topographie des mobernen Bagdad At Ries
buhr ‚gegeben, f. unten.)
Nur bei folder Abfonberung ber Khalifen nach —— Par %
rem eignen Verſinken nad innen in folche Ohnmacht, daß fe zus
Icgt nur, ganz unthätigen Namenkönigen innerhalb ver Mauer
des Pallafted gleih, der Spielball nicht einmal mehr ihrer Weſire,
fondern ſchon der unumfdräntten Emir ol umera 52) oder. ihrer
Majorvome blieben, wo denn die plögliche Zererummerung des ha⸗
lifats (1258, |. Erdt. Th. IX S. 837 u. f.) längft: vonbereitet wer,
konnte fi zutragen, was die Geſchichtſchreiber berichten, naß wer
letzte ver Khalifen ſchon 2 Monat hindurch in Bagyab: vom Dem
Mongolen» Heere Hulagu Khans belagert war, ohne Daß er Kuna
davon erhalten hatte, worauf fein eigner Sturz, ber Untergangber
Khalifenherrichuft und die Verwandlung Bagdads, der reichſten
Stadt der Welt, 53) in eine Ruine und in einen Aſchenhaufen um»
vermeinlich war. Zwar. wurde nach dem Brande vie Wiederherſtel⸗
lung *) ver Stabt von dem Zerflörer feinem Weſire geboten, aber
2) 3: Sammer — Ye PER Me
‚ 4) Dr e )
F. I. Abth. 2. Rafer, 1834. © m. auers
Euphratſ.; hiſtor. Ruͤcblick; zur Zeit bes. Khaliſats. 235
Bälle, Thürme und Thore waren ber Erbe gleich geworben, gegen
eine Nillion der Bewohner der Stadt und Umgegend niedergemetzelt,
die Lehranſtalten, an denen Bagdad für die Wiſſenſchaften ſo reich
geweſen, waren alle vernichtet und der größte Scha ver arabiſchen
Ziteratur, eine ſeit einem halben Jahrtauſend gefammelte Bibliothek
von mehr als 100,000 Bänben, ein Raub ber Flammen geworben.
Ben der Beoblkerung Bagdads aus jener frühen Zelt
nes hochſten Flors fehlen uns die Berichte, wenn man aber ber
Gräöhlung trauen darf, daß bei einem Begraͤbniß eines berühmten
Dextors, Ebn Hanbal, ver zu Bagdad ſtarb, 800,000 der vaflgen
Männer und 60,000 der Frauen dem Reichenzuge gefolgt fein fol«
len, fo muß ihre Beodlferung wol ber der größten Städte der Erde
gleich geweien fein, und zu dieſer flarken Population Hatte fie wähe
rend eines halben Jahrtaufends Zeit, wo fie das Gentrum des Kha⸗
Hfates war. Die Einkünfte-ves ganzen Khalifenzeiches, vie in Bags
dad zufammenflofien, vom Inbus bis zum Atlas und vom Tajo
Hi zum Nilfirom, Häuften ımermeßliche Schäpe auf; Harun hl
Raſchids Einkünfte wurden jährlich auf 7500 Gentner Goldes
angegeben. Bei einer ver letzten Prachtauvienzen, 5°) welche ver Kha⸗
Bf Moktapir einem Geſandten des byzantiniſchen Kaiſers in ſei⸗
nem Ballafte gab, figurirten 700 Kämmerer mit goldenen Gürteln,
weiße und 3000 ſchwarze Eunuchen, ein Heer von 16,000
war in Parade anfgefledt; 38,000 Tücher und Gtoffe, dar⸗
12,500 mit Bold durchwirkt, bedeckten die Wände, 40,000 Tas
veten den Boden des Pallaſtes, 100 Lowen mit ihren Wächtern
handen vor vefien Thoren. Den Thron beichattete ber berühmte
Bann mit 18 goldenen und filbernen Aeſten, mit goldenen und fils
bernen Singobtgeln, eine Nachahmung ver Platane des Xerxes (He⸗
sedot VE. 31), ein Seitenſtück zu dem golvenen Baume, ver im
Beutaygegion, dem Ballafte des byzantiniſchen Kaiſers Theophilos,
eb. Dies iſt Hier hinreichend, an vie Gewerbe, an vie Induſtrie
an den Handel, an den Luxus, an bie Verbindungen mit den ent⸗
fenteften Ländern der Erbe zu erinnern, die fich bier zufammen fan⸗
wer, fo wie an die Geſandtſchaften aus allen Königreichen, Volkern
zu Rationen der bekannten Erbe. -
"De Hauptſtraßen von Bagdav 5%) führten nach Abulfea "
ven ver Stadt nach Kufa, gegen SD., in 4 Tagereiſen; nad
5%) Dr. Ix. Rehm a. a. O. S. 82. 5°) Abulfedae Descr. Iradı
b. Wüstenfeld p 7, |
236 Wep-Afien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5 31.
Holwan, gegen N.D., in 6 Tagerelfen; nach Tekrit, gegen N. W.,
3 4 Tagereiſen. Rah Wafet, gegen S. O., find 373 geographiſche
ellen.
Edrifi gibt die Stationen ber. drei befußtehen Haupts
eouten an, ‚welche von Bagdad im XI. Jahrh. gegen N.W.
durch Mefopotamien bis Macca (Nicephorium) am Cuphrat,
dem damaligen Sauptfammelplag der Rarawanen und bem
großen Emporium gingen, auf der großen Verbindungeſtraß⸗
gegen. Welt mit Syrien und. ‚ganz Vorderaſien. Es find zwei
Routen am Eupbrat entlang, won. denen: aber. Die zweite, vie
kürzere, bie und da deſſen Ufer verläßt und bie Mitte des meſopo⸗
tamifchen Binnenlandes durchſchneidet; die dritte geht am Tigris
aufwärts. Ihre Aufzählung mache Hier den Beichluß. unferes hi⸗
ſtoriſchen Rückblicks auf bieſes Länvergebiet, zur Vergleichung mit
den Straßenzügen ver jüngern Jahrhunderte.
1) Die Euphratroute von Bagdad nach Racca, 67)
415 Tage reiſen. Sie gebt über Seldjin nach Ambar am Ans
fang des Ifacanals, wo er vom Cuphrat abzweigt (ſ. ob. ©. 145).
Ambar ift eine Eleine, aber. bevölferte Stabt mit Märkten, Fabriken
und von Obfigärten umgeben. Bon Ambar nach Zab find 21
Min, eine blühende Stat, umgeben von Dörfern und- Obſtgaͤrten
(die und. nicht weiter befannt if),
| Bon. Zab nah Hit 36 Mill, die bekannie 38 Wr Herobob
mit ihren Naphtabrunnen (ſ. oben 8 143), zu Eorifi'e; Zeit ichs,
ſtark befeſtigi und bevölfert, an ber Weſtſeite des Cuphrat gelsgen,
dem Tekrit an der Weſtſeite des Tigris entſprechend.
Bon Hit nah. Nawſ ia (Naufa bei D’Anvide) 21 Mil, eine
Eleine gut bevölferte Stabt, auf einer Infel des Buntes gelegen,
von reichen Obftgärten umgeben.
Bon Nawfia nah Rafa (Dafa. ‚oder Vaſa, der late, Git),
in einigem Abſtande vom. Euphrat, 21 Mil.. ‚Bon Nafa nach
Anat, wol dad, alte Hena des Jeſaia⸗ 37, 43; zu Eorifi's Zeit
eine. kleine Stadt, vom Euphrat umfloffen, it Marft und Kabriten;
auch noch heute eine ber Hauptfaramanen » Stationen am. Euphrat
Bon da nah Dalia 21 Mill. eine kleine Stadt am Weltufer des
Euphrat. Nah Rahabe Malek ben Taouk 30 Mif., eine
blühende Stadt am Oftufer des Euphrat, mit einer Erdmauer um
geben, mit Märkten und Bauwerken. Nach oe ur habores.
..) Bdrisi Geogr. b. Jaubert, Vol. II. p. 146,
Euphratſ.; hiſtor. Ruͤcblick; zur Zeit des Khalifuts. 237
Das alte Gircefium), den Windungen des Muffes folgend, 2' Va⸗
gereifen; es iſt eine Heine ſehr angenehme Stadt, am Cuphratufer
gelegen, wit Obfigärten. Nah: Khabuca over Kchal uea (Calluca
dei D’Anvile) 2 Tagereiſen; eine: kleine Stadt mit ſtark befnchten
Markten und vielem Verkehr. Endlich nah Racca 2 Tagereiſen.
2) Die fürgere Mittelroute durch Wüſtenſtriche und
am Euphrat entlang. 88 find nur etwa 10 Tagereifen, fagt
Eprifi 55) (over 372 Mil., wenn man die Diſtanz von Bagdad
nach Nawſia zu 86 Mill. anſetzt). Man geht über Nawſſia, ver
läßt Gier den Cuphrat und zieht oſtwärts von ihm Durch. nie Wuſte
nach Rafa, 21 Mil; dann nah Adjima 18 Mill.; nach Toben
mie durch vie Wähle 36 Mill. Daun nah Doraki 18 Mul, nad
el Fardha, ein Waarenlager, 18 Mil; nad dem Wadi'l Gehe,
d. i Das Lömenthal, ein trocknes Flußbett, das D’Anville dein
Datca bei Zenophon vergleicht, 15 Mil. Don da zum Canal: beni
Dioumap 15. Mill. und dann zu ben Bergen von Kerkiſie
Girceſium) 33 MIN; endlich nah Racca 24 Mill.
3) Die Zigrisronte nah Racca über Roful 60)
Ban begibt ſich zuerſt nach Tharthar, eine Dependenz von Te⸗
krit (Tharthar iſt der von AL Hadhr gegen Süd ziehende Fluß,
wenach wahrſcheinlich der ſũdlichſte Diſtrict am Salzſee von Aſhlik,
st ob. S. 218, genannt iſt); dann nad Okbara, eine kleine Stadt
am Oſtufer des Tigris, 15 Mill.; dann nach Badjeſa 9 Mill.
dann nach Kadeſia 21 Mill., wo vie Glashütte. Von da nach
Sermen raa 9 Mill., das in Ruinen liegt. Nah. Halitha, eis
nem großen Orte, 18 Mil; na) Senn (Come) 15 Mil, sine
Eleine von flarlen Mauern umgebene Stadt, wo ver Eleine Zab fich
zum Tigris einmünbet. Bon Tefrit liegt diefe Senn 40 Mil. fern.
— Ben Senn fegt man über ven Eleinen Zab zu deſſen Weſtufer,
an welchem einen Pfeilfhuß von ver Mündung zum Tigris Me⸗
dinet el Bewareh, 12 Mid. fern, erbaut ifl. Sie iſt von Die
Je, ver Infel, d. von Mefopotamien, abhängig und von Modhar.
Ben Senn nah Sadith find 36 Mil. Dies if eine blühende
Siadt, am Dftufer des Tigris und des Zufammenfluffes des großen
Zab mit ihm erbaut, 10MIN. fern vom Berge Barama (oder Ea-
ma lat. Edit), und nicht fern von viefem liegt die Stadt Djei⸗
Inn (Aloni, Shilon 5. D'Anville), eine nette befefligte Stabt. Beibe
Zebt find große Blüffe, fagt Edriſi, die, wenn fie vereint flöffen,
%2) Rärisi L. c. VoL IL. p. 118. °®) ebend. IL. p. 146.
238 WeflsAfien. TEIL Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.31,
die halbe Grbße de? Aigris übertseffen wärken. Von Sadith
nach Beni Tamian find 14 und nach Tekrit 21 MU.
Wer von Tekrit nach Moful will, kann in 2 Heinen Tagerei⸗
few. (offenbar zu wenig, bean heut zu Tage CU) rechnet man vom
Moful nah Tekrit 6 Tagereiſen, auf dem ‚rechten Tigridufer ent⸗
lang) dahin kommen; aber von Tekrit nach Racca find durch
dad Gebiet von Diar Nabia (d. i. das obere Meſopotamien am
Aigris und Khabur) 61) 9 Lagereifen.
NMacca, das alte Callinicum oder Nicephorium der Mactdo-
nier, hatte im VI. Jahrhundert unter dem Namen Kallbızor
durch Kaiſer Juſtinians Bauten 02) eine neue Sicherheit gewonnen,
und wer durch ‚feine güuflige Lage für ben Karawanenverkehr ums
ter van Khaliſen zu einem großen Emporium aufgehläht. Der
Mame Gallinicum wurde bei ben Juden in Chalne umgewandelt
unb auf eine ältere Stadt Aſſurs gebentet, wie wie aus Benjamin
won Audela erfahren; der Name Nicephorium war in Anikos wer
Rümmelt, wie uns Earifi 69) fage Desfelbe jagt aber auch, daß
fe Ratte und Raſeka bei den Syrern heiße, welches eigentlich
2 Stänte waren, bie füch fcheinbar berührten, aber doch wirklich von
einander noch durch Intervalle getsennt blichen, deren jene aber ihre
oguen Gebäude, große Mofcheen, zugehörige Dorfichaften und Le
kerfluß an Waſſern beige Rakka lag an der Oſtſeite des Cu⸗
phrat und wer nach Eprifi zu feiner Zelt eine hübſche Stadt, mit
seichen Sinwohnern, guten Bazaren, vielen Fabrilanten und Kaufe
leuten und vie Hauptſtadt des Landes Modhar (Dejar Modhar),
Damals ein Hauptemporism des Karawanenverkehrs, von wo wie⸗
der 2 Routen nach Aleppo und andere anderdwohin führten. Bon
Rakka waren 3 Tagereiſen für Karawanen nach Harran, eben fo
viele von da nah Ray al Ain und 4 nah Nifibin. Nach
Abulfeda, 6) ein paar hundert Jahre fpäter, fcheint der Name
ihrer Vorſtadt or Rafeka (i.e. adjutrix) auf Rakka felbft über
‚gegangen zu fein, nie auch ol Beidhao (die Weiße) genannt war,
aber zu feiner Zeit ſchon wieder in Ruinen Ing. Als Aufenthalts⸗
art des großen ſabiſchen Aſtronomen AL Bat heni (Aibategnius
see) J. Cl, Rich Narrat. etc. Vol. I. p. 123. *ı) Edrisi Geogr.
b, Jaubert, Vol. IL p. 151. °2) Procopius de aedific. Justin,
Libr. II. 7. p.230. Ed. Dindorf. Bonn. 1838. 8. Opp. III.
°2) Kdrisi Geogr. b. Jaubert, Vol. II. p.1$6, 155. **) Abulfeda
ed. Reiske; Bälching Hi. M. IV. S. 240.
— 5
Euphratſoſtem; hiſtor. Ruͤckblick; im Mittelalter. 239
Arecienſia der Abendlaͤuder), 85) ver dort feine aſtronomiſchen Beab-
achtungen machte, was dab Jahr 912 u, Sfr. Geb. (800 d. vw)
iR fe Bierasifch berügmt. |
2. |
Hiftorifcher Rüdblid auf die Stromgebiete des Euphrat
und Zigrie. (Fortfegung). ' |
IV. Bolkszuſtaͤnde in den Erphrat⸗ und Zigris«
gandfhaften im XIL bis XIV. Jahrhundert nad
jüdiſchen, chriſtlichen und mohamedaniſchen Au:
genzougen: Rabbi Benjamin von Tudela (1178),
Merce Polo von Benedig (1300) und Era \
Bu Batuta ans ‚Zanger (1346). |
= gu — wit —RE Shape iiteriſcher Bengali von
einer fo eigenthümlichen Landednatur der beſprochenen Gtromfofteme
und Gtufenländer und Ihrem Einfluffe auf wen Entwidinuwgsgang
ver Menſchengeſchichte durch die Weltftelung gehört, außer ver
Kenumig des Landes, auch Die des Volkes, welches vaffelbe be
Anchet. Dein Kriege, Herrſchaften und Gewaltthaten aller Art
ofen is den verſchiedenen auf rinander folgenven Jahrhunderten faR
anqleßlich und zur Genuͤge aus ven Geſchichten hervor, dagegen
werben im den weitläuftigen Annalen immer mus ganz nebenbei
ſeiche Thatſachen mit eingefizeut und nur felten einmal folche Ur⸗
elle won Zeitgenoſſen und Berichterftattern gefällt, welche über vie
Defbäuise der Bewohner und ihrer Heimath felbft ein wünſchens⸗
wertbes Licht verbreiteten. Wir haben im Obigen e8 verfucht, aus
dem weitläuftigen Material der vergangenen Seiten ſolche Lichtftreis
ku auf gewiſſe Localliäten zu concentriren, um beren Verhältniffe
WER daderch zur lebendigeren Anfchauung zu erheben Bei dem
ek völligen Mangel: befierex Ueberlieferungen müffen wir und zur
ung. ver -Bellsucchättniffe jener Zeiten damit beank«
wa, die Mitteilungen einiger freilich ſehr Gefangenen Augenzeugen
werigften® nicht zu überfehen, vie jedoch, von ſehr verſchiedenen Ge⸗
Iatöyuncen ausgehend, in den mittleren Jahrhunderten, jene Land⸗
Naafteis auit Apellnnhun burdgwanbezten und bie einzigen fein moͤch⸗
*5) Herbelot Bibl or. s. v. Batan,
240 Wels Afen: TE Abegeilung. LAbſchuitt. g. 32.
ten, die oine Vorſtellnug von ben damaligen. Zuſtänden vet VDevbl⸗
kerung ber verſchledenen Gonfefftonen: zu erwecken im Stande find.
Der eine, der fpanifche Rabbiner Benjamin. von: Tudela, der
im Jahr 1173 von feinen weiten Wanderungen 66) in feine Helmath
zurüdfehrte, führt und unter die Damald im Cuphratlande mitunter
noch fehr zahlreichen Gemeinden jübifcher Blaubendgenofjen
ein. Wenn auch bie Kritik an ſeinen Bahlangaben, wie dies überall
bei Volkerzaͤhlungen im Orient der Fall iſt (obwol Budingham 97)
in denſelben Euphratgegenven, bie er kürzlich bereifete, heut zu Rage,
meift noch mehr fürifche- BDewohner, als einf R. Benjamin, ange
teoffen zu haben / verſichert)/ wie am ſeinen Legenden gar : —** zu
beriöhtigen haben wurde, ſofern fte::felbft einen: richtigen Maaßſtab,
von dem fie ausgehen; konnte, befüße,. ſo kaun es doch ——**
len Localangahen, die derſelhe auf * Ip. dgmtbärgaliche Meife,
boch meift in Uebereinfliupug. mit hen Angaben anderer *
liſcher Autoren anführt,. wie mit en be und Trabitiouen,
wie. noch bis Heute in dem Cuphratlaude fertleben und beßaͤtigt find,
keinem Zweifel mehr unterworfen fein, daß er nicht felbft in Per»
fon wenigfiens gewiſſe helle bis Bagdad auf feinen Kreuz⸗ und
Duerwegen als Handelömann, ber ‚aber zugleich hie Eynago-
gen, Schulen und Gemeinden, feiner Glaubensgenoſſen eifrigft
kennen zu lernen heinuht mar, durchwanderte, wenn er ſchon im fein.
Tagebuch auch gar: Manches uur.. nach. Hörenfagen mit; aufnahm.
Nicht anders wird es mit Marco; Poko, dem Venetianer, ver Fall
fein, Der :auf:. feiner Hin⸗ und Rüdreife nad. China, Indien un
Berfien nur menige. einzelne Localitäten ned Cuphratlandes berührte
und vorzüglich in Beziehung ‘auf feine Glaubensgennffen: von dig
fen in feiner Heimath um das Jahr: 1300 Bericht gab... Eh B.a=-
tuta, der tingitanifche moßlemifche Schriftgelebrte, welcher auf. fei-
ner orientalifchen Neife im Jahre 1346 Damaskus verließ, um nach
Bagdad und weiter zu geben, ignorirt faft ganz die jüdiſche und
chriſtliche Bevdlkerung jener Lanpfchaften, führt und dagegen nur
in die Lebendverhaͤltniſſe feiner Glaubensgenoſſen, der Mohameda⸗
ner, ein, zu ihren Secten, Doctoren und Gegen, | in. u Roſcheen
zu den Gräbern ihrer Bhesiien:
“e®) The Itineräry of Rabbi Benfanin of Tudela. Trimlat, "and
edit. by A. Asher. Lond. .Beriin 18. 8. VoLI:.p 8 -
1) J. 8. Buckingham Trar. in esopotamia. Lond.1823, 4, p. 504.
Euphratſ.; hiſtor. Xucbl.; n,R. Benjamin (1170). 241
1) Die jünifche Bevdlkerung nah Rabbi Benjamin von
Zudela (1170n.66r.®.) und die verloren gegangenen |
X. Stämme Israeld.
Der RabbL Benjamin aus Tudela In Spanien kommt über
Paläfiina und Syrien, nachdem er Damask, Thadmot (Paimyra),
Bamah befucht Hat, auch an den Lauf des Euphtat, wo er zuerſt
Bales, ©) d. i. das heutige Beles (f. oben S. 10) nenitt, eine
Gtadt, In der er 10 jũdiſche Einwohner antraf. Er ift ſchnell bes
reit, wegen eines alten Thurmd, ver bort einem Bileam ben Beor
a8 Erbauer zugejchrieben wurde, höchſt willkũhrlich den Ort ſelbſt
mit dem Namen Pethor in Bileams Geſchichte (4.8. Mofe 22, 5)
zu belegen, obgleich diefer Ort in Moab und nicht am Euphrat lag.
Seide uncritifche Vergleiche, die durch daB Legendenweſen veranlaßt
werden, find allerdings bei Juben wie bei Mohamebanern und Chri⸗
Ren im Orient nur allzuberfömmli, und können deshalb bie That⸗
ſachen ſelbſt an ſich nicht in Zweifel ziehen.
Eine Halbe Tagereiſe abwärts am Euphrat kam Ben jamin
um Ralat Jaber, dem Gaftel, mit ver damals fehr gewöhnlichen
Ueberfahrt, das vordem Im Beil der Araber geweien war, wie Benj.
fat, ehe die Zurfflännme (Thogarmin) dort einflelen und bie
Iraber in ihre Wüſten zurüdwarfen. Er fand hier 2000 Juden
mit 3 Rabbinen ald Vorſtehern. Es war dies, wie wir aus Abul⸗
fa’s 09) und Deguignes Geſchichte der Seldjukiden von Alep⸗
yo ”) wiſſen, ein Uferſchloß am Euphrat, das einem arabiſchen
Gäuptlinge, Sabekeddin Jaber, gehoͤrt hatte, von dem es feinen
Ramen erhalten. Dieſer war aber mit feinen beiden Söhnen, welche
dert mit ihren Raubliberfällen die ganze Gegend in Schrecken ge=
fat Hatten, durch den Malekſchah ver Selvjufen im Sabre 1087,
rauß verjagt worden. Nur der unzugängliche Keld, auf dem bie
Sarg lag, kann Benjamin verleitet haben, ihr den Namen Sela
Igulegen, womit Petra im peträifchen Arabien gemeint war. Nur
ine Tagereife weiter abwärts führte ihn nach Rakka (Nisephorium,
86. ©. 14), die er eine Grenzſtadt Meſopotamiens, zwiſchen bies
ſen Lande und dem Reiche der Thogarmin, d. i. zwifchen dem Kha⸗
Üeie unb dem Staate der Selvjufen- Türken, von Aleppo, nennt.
*) Benjamin Itiner. L c. Vol. I. pag. 88 et Vol. Il. not. 235,
*%) Atyalfedae Tabula VII. Mesopo tamia ed. Reiske bei Büfcying,
. IV. 6.240. de 6, Geſchichte der Huunen
= * ic., überf. v. Daͤhnert —— —— en. 11. &.837,
Aitter Grotunde X. D
242 WeftsAften. TIL. Abtheilung. 1. Abſchnitt. $. 32.
Dies war ganz richtig, ob fie aber vie Ehre verbiente, die ihr Rabbi
Benjamin erweift, indem er fie mit vem Namen ver uralten Chalne
in der Gefchichte Moſe belegte, Ift eine andere Frage. Denn Chalne
wird im 1. Buch Mofe 10, 10 im Reiche Nimrops, des gewaltigen
Jägers, nebft Babel, Erech und Acad unter den vier älteften An⸗
lagen im Lande Sinear (vielleicht identiſch mit Calno bei Ie-
ſaias 10,9) erwähnt, und vom Kirchenvater Bleronymus ſchon, wie
nach den übereinſtimmenden Meinungen der neuern Commentatoren,
viel weiter nach dem Süden, in die Gegend von Cteſiphon verlegt?!)
Ob mit größerem Rechte, bleibt zweifelhaft ; wahrfcheinlich iſt es ber
römiſche, aber verſtümmelte Name Callinicum, den das alte Nice⸗
phorium trug, und die damalige Bedeutung dieſer Handelsſtadt, welche
ven R. Benjamin zu jener Deutung des moſaiſchen Namens ver⸗
leitete (f. ob. ©. 138). Die Entfernung der Tagereiſe vom Kalat
Jaber over Kala Jiaber nach Racca, welche er zurüdlegte, be
trägt wirklich 8 Stunden Weges. 72) Er fand Hier 700 jüdiſche
Einwohner mit ihren Habbinen und eine Synagoge, deren Stiftung
dem Esra auf feinem Durchzuge von Babel (Buch Esra 7,1) nach
Serufalem zugefchrieben wurde. Es wär dies bekanntlich die zweite
große Karawane der Rückkehr des Volles Israel aus der
babyloniſchen Gefangenfchaft unter Esras Leitung, welche in pas
Jahr 458 vor Ehr. G. fällt, und die Gründung einer ſolchen Schule
für die vielen im Lande der neuen Heimath zurücbleibenden Juden
ſehr Teicht möglich. Denn eben Hier beginnt Affyria, das Land
zwifchen Euphrat und Tigris, wohin das Volt Israel durch König
Salmanaffar im I. 720 vor Chr. Geb. (2. Buch ver Könige
47, 6; 18, 11) zuerft in die Gefangenfchaft geführt warb, wodurch
bie erſte flarfe Verbreitung einer jüdifchen Bevölkerung in das Stu⸗
"fenland des Cuphratſyſtems veranlaßt wurde. |
Rakka war, wie wir oben aus Edriſi's Wegrouten geſehen
haben, damals eines der großen Emporien zwiſchen Bagdad und
Syrien, auf dem Wege nach Aegypten und zum Mittelmeere, und
von bier fegte der Rabbi Benjamin, wol ven Hanvelögefchäften fol
gend, feinen Weg auf der Haupt⸗Karawanenſtraße gegen ven Nor⸗
den quer durch Mefopotamien, über Charan, Niffbis, Jezireh Den
71) pofenmäller Sandh. der bibl. Alterthumskunde, Bo. 1. TH.2.
&.37 und Note. 72) G. Long, Reports on the navigation of
the oyuphrates im Journ. of the Roy. G. Soc. of Lond. Vol. IL.
P-
——
Euphratſ.; hiſtor. Rüdbl; n. R. Benjamin (1170). 243
Dar nach Moful, dem zweiten großen Emporium jener Zeit, auf
ver Rordfiraße am Tigris gegen Klein- Aflen fort.
Eine Tagereiſe von Rakka brachte ihn nach dem alten Cha⸗
zan, 73) wo er 20 jübiiche Einwohner fand, eine Synagoge, von
Era erbaut, und vie Erinnerung an die Stätte, wo einft des Pa⸗
triarchen Abraham Hütte geſtanden, fo gefelert, bag Niemand ge
Aattet war, daſelbſt ein Haus zu errichten, und die Mohamebaner
ſelbſt auf verjelben ihr Gebet verrichteten.. Eharan ober das mo⸗
ſaiſche Haran (Carrae ver Griechen und Nömer) bat feinen Na⸗
men durch alle Zeiten behalten; feine Lage ift daher Keinem Zweifel
unterwerfen, ?*) und allen Religionsverwandten die Stätte der Ver⸗
heihnng Abrahams, von wo er in das Land Kanaans zog, ehr⸗
würdig geblieben. Von Ur (Ur Gasbim, d. i. Ur ver Chaldaͤer, vie
im alten Teſtamente Casſdim heißen), im Norden von Hatra (f. ob,
6.159), dem heutigen Urfa (Orfa), vem Geburtsorte Abrahams,
aus Ehalväa mit Haus und Heerden ziehend, farb Abrahams Vater
Xharah, 205 Jahre alt, zu Eharan over Haran (1. B. Mof.
11, 31). Don da, dem Theilungsorte großer Wegftzaßen, zog auch
Abra ham fpäter nah Kanaan Hin. Der Ort wird unter ven
Gtösten genannt, bie von ven aſſyriſchen Königeh erobert wurden
(1.Rön. 19, 12; Jeſaias 37, 12); er trieb zu des Propheten Eze-
Gel Zeit Handel mit Tyrus (Ezech. 27, 23). Den Römern wurbe
We Stadt als eine macedonifche Colonie (Kadpaı, Diod. 19,
91, Dio Cass. 37, 5) fehr befannt, mo ein Tempel der Anaitis war,
we Bompeius feine Befapung hielt, aber Craſſus von ven Barthern
geſchlagen feinen Untergang fand (Strab. XVI. 748). Bon vem-
füben Karrä over Carrhae aus (f. ob. S. 138) begann Jovian ſei⸗
um Feldzug gegen Gteflphon. Er iſt alfo immer fehr beſucht ges
weien, wozu feine Lage ihn eignete, und als Grenzſtadt des grie⸗
dicgbyzantinifchen Reichs baute Katfer Juſtinian feine Stabtmauern
vom werem auf. 7) Edriſi, der kurz vor Rabbi Benjamin feine
Gesgrapbie aufzeicnete, nennt Haran (Garran bei Edriſi) eine
Surptflabt der Sabier (Anbeter ver Geſtirne), die daſelbſt 76) einen
Gägel mit einem Bethaufe beſaßen, das fie hoch verehrten, weil fie
daſſelbe dem Patriarchen Abraham zufchrieben. Das Land ſei fehr
ober, Doc Waſſer und Bäume ſparſam; hohe Berge umgeben ven
19) Benjamin, Itinerar. 1. c. p.80._ ?*) Mannert, Geogr. d. Gr.
= Röm. V. 2> ©. 282. 76) Procopius de aedificiis Ju-
stin. et II. 7. pag.230. Ed. Dindorf. Bonnae 1838. 8. Pro-
cop. Opp. Vol. I.
70) Kdrisi b. Jaubert, Vol. Il. p. 158.
O
2
244 :MBeft-Mtien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 32.
Ort, der ſelbſt in einer Ebene gelegen ift, die ſich 2 Tagereifen aus⸗
dehnt, mit mehreren: Dorffehaften, vie von der Hauptſtadt abhängig
find. Daſſelbe wienerholt auch Abulfeva, 77) ver die Landſchaft
Diar Modh ar (dad norpweftliche Meſopotamien) nennt, der ſchon
ven Ebn Haufal als feinen Gewährsmann für nad Heiligthum
der Sabier anführt, bei dem 17 Wächter angeftellt fein follten.
Es iſt auffallend, saß ver Jude Benjamin viefes Heiligthum ver
Sabier nicht erwähnt hat; zu Abulfeda's Zeit lag dort Alles in
Muinen. Leider iſt der Ort in neuerer Zeit von Eeinem Beobachter be⸗
fucht worden; Niebuhr, 73) der ihn 2 Tagereifen in S. S. Oſt von
Drfa (Evefin) angibt, kam vielleicht an. einem feiner -Brunhen vor-
über und nennt ihn einen Eleinen Ort; Budingham 79) will auf
dem Wege von Dre nach Marvin, in einer Kerne von. 6 Stunben
Wegs gegen. S. S. W., die Ihürme von Haran erkannt haben, ob⸗
wol, wie er felbft fagt, biefer Ort in Ruinen liegt. Nah Aink-
worth ®%) iſt Haran von Orfa direct nur 8 Stunden oder 20
engl. Miles entfernt. Kinneir 3) jagt, von Haran ſei nicht wiel
mehr zu fehen übrig. 2
:.- Meber einen Ort, deſſen Name im Texte von Benjamins Iti⸗
serar lüsfenhaft: geblieben, wahrfcheinlih -Nas ol Ain b. Edrifl
RafoYining ober Refaing, i. e..caput .fontis, (b. Abulfeda), 32)
geht er zu den Quellen des. el Khabur (Chaboras), und von
da in zwei Zagmärfchen zur großen Stadt Niſibin, 83) wo ex
1000 Juden vorfindet, Die Quelle des Khabur .ift durch viele
Route genau genug bezeichnet, und man kann darunter alſo nicht, wie
e8 eine. Gloſſe im Text eingefchoben zu haben fcheint, einen andern
Fluß veffelben Namens verflchen, ‚ver fo weit entfernt von hier in
Mevien zum KRaspifchen See fließt, und als Kifil Ofen bekannt ifl.
Mir haben früher, (Erdk. VI. ©. 590) ſchon vie Hypotheſe Bo⸗
hart, ber Rennell und Rofenmäüller gefolgt fin, berührt,
nad) welcher vie Stelle über die Verpflanzung ver Gefangenen Seraels
dur Salmanafjar, im Jahr 720 vor Chr. Geh., an ven Goſan⸗
Fluß nah Alfgrien, nit an dieſen Khabur in Mefopotamien,
*'7) Abulfeda Tabula. VII. Mesopot. ed. Reiske. b. Bäfching hiſt.
. IV. S. 240. 72) Niebuhr Reife. I. ©. 2400. *2) 1. 8.
Buckingham Travels in Mesopotamia. Lond. 4. 1827. p. 133.
20) W. Ainsworth Researches. p. 153." 21) J. J. M Kin-
'neier Journ. through Asia minor etc. Lond. 1818. p. 431.
**) Ebend. S. 241; Edrisi b. Jaubert I. p. 155. **) Benja-
"min Itinerar 1. c. p. 90.
*
Eupbratf.; hiſtor. rRuͤckbl.) n. R. Benjamin(1170). 245
ſondern an. ven Kiſil Ofen in Medien verlegt wird, ber wegen des
dafigen Ortes Abhor für einen zweiten Fluß von Khabur gehalten,
und, als jolcher, mit dem Namen Bozan von ven Gommentatoren
belegt worben if. Wir haben daſelbſt auch aus Benjamins Be⸗
richt von den Jubencolonien in ven Gozanbergen, unter einem eige⸗
nen Leviten Könige, Alles angeführt, was ſich aus fpäterer Zeit zur
Unterſtũtzung jener Hypotheſe fagen ließ; ebenfo, was für die Ver⸗
legung eines Theils dieſer Eolonie nach ven Grenzgebieten ver alten
ajfgrifchen und mebifchen Reiche in vie Gegend von Holwan (f. Erdk.
IX ©. 470 u. fj.) gefagt If. Da nun auch ganz neuerlich durch
Dr. Srastd Reife an vemjenigen Khabur⸗Fluſſe dieſes Namens,
einem dritten verſchiedenen, ven wir fchon früher bei der Stabt Amas
Ya (f. Erdk. IX. ©. 713, 716) Eennen lernten, nach dem Alpen⸗
ſtaate der unabhängigen Neſtorianiſchen Chriften in Diula-
mert (ebend. ©. 670 u, 1029) vie Behauptung aufgeftellt worden
iR, im feinen Hochgebirgäthälern die wahren Sitze der zehn
verlornen Stämme Israels, eben In dieſem Neftortaner-
volke, wieder aufgefunden zu Haben,*®) fo wird e8 hier am rechten
Orte fein, am eigentlichen mefopotamifhen Khabur-Strome,
vdem wahren Waffer Bofan der Gefangenschaft, hierüber pas
Rithige zu bemerken, zumal da in ber ganzen folgenden Wanderung
des Rabbi Benjamin durch die Ortichaften des Cuphratlandes fort-
während der dortigen ftarfen jüdiſchen Population: als
ver Nachkommenſchaft der Zeiten des Exils ermähnt wird.
Bir brauchen Hierin nur mit wenigen Zufägen ven Nefultaten zu
fügen, die wir einer neueften critifchegelehrten Unterfuchung dieſes
Grgenftandeß durch unfern verehrten Freund E. Robinfon in
ſeiner Recenfion ver Graniſchen Hypotheſe verdanken. 85)
*., Monatsberichte über bie Beronungen nee Be ie eat:
funde zu Berlin. Jahrg. 1. 1841. S. 1
storians by E. Robinson review on tlıe Nestorians, fr he ont
tribes; eontaining evidence of their identity etc. by Asalıel
Grant M. D. New York. 1541.
246 Weſt-Aſien. TIL. Abtheilung. I. Abſchnitt. $, 32.
Anmerfung. Weber die jüdiſche Population im @uphratlande
aus ben Zeiten des Erils, und uber die vopotheſe von
den verlornen zehn Stämmen Jéeraels.
Die wunderbare Zerfirenung der Inden über die ganze Erde na der
völligen Zerförung Iernfalems, verbunden mit ihrer Abführung in bie
babylonifche Gefangenfhaft, lange Jahrhunderte vor derfelben, hat von
jeher reichlihe Nahrung zur Wiederaufſuchung der in die Befangenfchaft
gerathenen zehn Stämme, von deren vollftändiger Rückkehr in die Heimat
freilich teine ansbrädliche Rechenfchaft gegeben wird, veranlaßt. Mau hat
Diele für verloren gehaltuen zehn Stämme Israels in ven flars
fen Rachlommenfchaften jünifcher Gemeinden im ſüdlichen Arabien
(R. Benj. Itin. L ic. I. p. 112), over Indien, nämlih in Malabar,
auch in China, Turkeſtau und Kaſhmir (ſ. Erdk. Th. III. 5.1185 und
Th. V. S. 598) wieder zu finden geglaubt, wo zumal EL Buchanan,
die ſchwarzen von ben weißen Inden unterfcheidend, jene als eine
viel ältere Verzweigung glaubte nachweifen zu Eönnen. Eine andere, fehr
allgemein verbreitete Meinung war es in Oftafien, dag in Afghaniſtan
fehr viele der zehn verloren Stämme Jsraels angefiebelt feien, und bie
Afghanen find ſelbſt der Anflcht, fich ebenfalls von dem Königshanfe
Sauls, nnd von dem Bolfe Israel herleiten zu müflen (Erdk. Th. VII. '
©. 189, 204). Andere haben fle in noch entferntern Gegenden, felbft im
Nordamerika, wieder zu finden geglaubt, während die jüngern Verſuche,
ihre Nachkommenſchaft noch heute im alten Affyria und in deſſen nädhs
ſter Nachbarfchaft beifammen wieberzufinden, eben anf die drei genannten
Localitäten ber dreierlei Ströme hinwelfen, deren Namen Khabur
uud Goſan iventifichht werben fonnten, von denen fo eben bie Rebe
war. Nämlich der eine, der Kifil Dfen (von Rennell deshalb Goſan
genannt), mit ber Gtabt Abhor, und daher mit Khabur iventifichtt, im
Weſten der mediſchen Stadt Rai, zu der Tobias wanderte (Erdk. VIIL
©. 67, 595 n. a.), im Lande’ Diebal der Aflaflinen, am Sübufer des
kaspiſchen Sees, gelegen (f. Erdk. VIII. S. 576—592). Der zweite
Khabur, der erſt nenerlich unter diefem Namen näher belannt geworbne
Iufing zum Tigris, am Buß der Zalho-Kette, der fogenannte hſaſe⸗
mitifhe Khabur bei Jakuti, **) der ans dem Gebirgsgau von Ama:
dia (f. Erdf. IX. ©. 713 u. ff), aus dem Lande der freien Neftorianer
von Dinlamerf, kommen foll, welche Dr. Grant für die wieberanfgefuns
denen Nachkommen der zehn verlornen zehn Stämme Israels gehalten hat
(vergl. ©. 88). Der dritte iſt der befanntefle EI Khabur aller ori
#80) A. Schultens Index geogr. "in vita „Saladini; G. Wahl, Vorder⸗
und Mittelaſien. Leipzig 1795. S. 718
Eupbratf.; hiſtor. Ruͤdbl.; die X. Staͤmme Israels. 247
entalifchen Antoren, °7) der Zuflub ans Singara, ober dem obern
Wefopotamien, zum linten Ufer des Wuphrat bei Gircefinm eiumündend,
den Zenophon Arures (f. ob. ©. 15) nannte. Aber ſchon Strabo nennt
ihn, zwifchen Tigris und Euphrat gegen Anthemufla (ſ. ob. 5.118) fließend,
Abfras (’ ABBogdas,d.i.aspirirt Khabır, StraboXVI.748); Plinins
fennt feine Queſle Khabnra (H. N. XXXIL 22), der er bie Gigen-
ſchaft vor allen andern Quellen beilegt, daß fie lieblich dufte; Btolemäns
füreibt ihm Khaboras (6 Xaßugas Piol. V. 18 fol. 142), in Mefe:
potamien, und gibt fa der Nähe von Nifibis feine Ouellen ganz richtig
im Mons Masius an, feinen 3ufluß, der ihn verftärfe, nennt er Saocoras,
welchen andere Mygdonius nennen, von der Landſchaft Mygdonia,**) die
er durchzieht, die ihren Namen aber erfl von den Macevoniern wegen
ber Achnlichleit mit der macebontfchen Landſchaft gleiches Namens (f. Plin.
H. N. VL 16) erhielt, und deshalb feine volksthümlich dauernde Beuen⸗
zung werben fonnie.
Bielleiht ift dieſes derfelbe, ven Strabo auch den Königefluß, den
Befileios (Strabo XVI. 747) nennt, obwol er ihn nicht näher bezeich⸗
net; au Hermas heißt er bei den Orientalen. 22) Es if dies ders
feibe Fluß, vefien Ufer Ammian ale grünende Gefllve bezeichnet (Aborse
amnis herbidae ripae, Amm. Marc. XIV. 3,4), den Brocopius einen
großen Fluß uennt ("ABölgac nogauöc ulyas, Procop. B. Pers. I.
5), aus deſſen nahe dem Quellgebiete ſtehenden Wäldern Trajan wahes
ſcheialich feine Tigrisflotte bawen ließ (f. ob. S. 120); derfelbe, auf wel⸗
dem wahrſcheinlich audy gezimmerte Schiffe Sovians herabſchwammen, über
weichen er wenigflens bei Circeſium feine Schiffbrüde baute, um die
bamalige Grenze des römifchen Reiches zu überfchreiten (f. ob. ©. 130)
Noch hat Fein neuerer Reiſender dies Stromgebiet in allen feinen Thei⸗
len gemaner erforfchen können. Doc wiffen wir wenigflens durch Nies
buhr °°) und Er. Forbes, 22) daß die Quellen diefes Khabur von
Orfa (EMeſſa) über Ras el Ain (Gallircho& bei Plin. H. N. V. 26,
Refaina b. Steph.Byz. und Tab. Peut.) fübwärts ziehend, nahe den
Bergen von Sindſjar (Sinjar ſ. Erdk. IX.S. 740), dem alten Singara,
mehrere andere Inflüffe unter verfchiebuen Namen anfnehmen, die von
Nardin und Nifibin kommen und feine Wafler vermehren; und dies if,
da wir fpäterhin diefe Berhältniffe genauer nachzuweiſen haben, für jest
hinreichend, um uns auf biefem ausgebreiteten Länderfiriche, der leines⸗
°7).A. Schultens Index geogr. in Vita Saladin. °*) Chr. Cel-
larias Netit. orb. antiq. Lib. III. 15. p. 735 ed. Lips. 4. 1706,
9°) Abulfeda Mesopot. ed. Reiske. b. Bülding Hifler. Mag.
Th. IV. ©. 244. v0) Niebuhr Reife. Th. II. ©. 300.
. 1) Fr.Forbes Visit to the Sinjer hills 1838, im Journ. of the
Roy. G. Soc. 1839. Vol. IX. P. 11. p. 423.
!
248 Wefl:Afien, II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 32,
wege, wie es bie leeren Karten vermuihen Iafien Töunten, zu ben abfolu-
ten Wäfleneien gehört, [bie eiufiigen Aufievelungen Israels denken zu
koͤnnen.
Faſſen wir nun die Hauptpuncte, auf bie es hier ankommt, zuſam⸗
men. Swelmal mit größter Beſtimmtheit wirb erzaͤhlt, daß im netnten
Jahre Hofen’s, Könige in Israel, uud im ſechſten Sabre Hiskiah'e,
Könige in Inda, der König Salmanafjer von Aſſyria die Stadt Sa⸗
maria in Palaͤſtina einnahm, unb „führte weg Israel gen Aſſy⸗
„eien und feste fie zu Halah und an Habor, am Waſſer Go⸗
„san, nud bu die Städte ber Meder” (2 B. d. Könige 17,6 m.
18, 11). Dies geſchah im Jahr 720 vor Hrifll. Zeitrechnung. Etwa 15
ober 16 Jahre früher Hatte Tiglat Pileſer zu Afiyrien einen Einfall
anf die noͤrdlichen und öfllichen Umgebungen bes Sees von Tiberias ges
macht, und In gleicher Art das Volk von Naphtali, Balilän und Gilead,
wo Anden und ber halbe Stamm Manafie wohnten, gen Aflyrien geführt,
„und brachte fie gen Halah, Habor und Hara und ans Waffer
„Bofan bis anf dieſen Tag” (22.2. Kön.15,29,n. 12. d. Chrom.
&, 26). Den Flußnamen Habor, ober aspirirt Khabor, erkennt man
leigt im Chabur (Chaboras, Khabur) wieder;*?) der Ort Halah ober
Chalah ift wol zunähft **) im Orte Calah (1 B. Mof. 10, 11),
ober Alnanis (Mlovarks) am Ehaboras liegend, bei Ptolem. zu finden,
ober in ber mehr fünlichen, doch immer benachbarten Provinz Calachene
ber Römer und Griechen, wo man ihn fpeciell auf bie weibenreichen Hoͤ⸗
ben ‚von Holwan (Salawan, f. Erdk. IX. 464, 470) gebeutet Hat.
Der Rame Goſan fcheint in dem ver Provinz Bauzanitis (Tavim-
vl Ptol.V. 18. fol. 142), jebt Kauſchan, welche dieſer Chaboras durch⸗
zieht, aufbewahrt zufein, nnd wie Bofan felbft nur die Bedeutung des
dort zum allen Zeiten einheimifchen Dijefire, oder des Infellandes
zwiichen ven Flüſſen, gehabt zu haben. Die Trennung bes zuerfl genanns
fen Halah von dem fpäter genannten Habor fiheint es cher zu beſtaͤ⸗
tigen, daß bie beiden Localitäten etwas aus einander gerüdt lagen, als
dag man fie auf einer dicht zufammen. gebrängten Localität zu bes
beachten hätte. Da hier alle Localitäten der beiden Hauptſtellen
fi beifammen finden, bie Benennung Hara, welche nur allein
in der einen Stelle des Buchs der Chronik, vielleicht als eine Gloſſe, fo
viel als Bergland beventend, unb zur Erläuterung ber Loralität beigefügt
#®2) J. Lightfooti Opera omnia ed. Roterod. 1686. fol. Tom. II.
Hor. Hebr. in Ep- ad Corinth. Addenda ad cap. XIV. c. 3.
De regionibus sedes decem tribuum, nach thalmudiſch⸗ hebraͤiſchen
Texten erflärt. ©. 931. **) Mannert, Beogr. d. Gr. und Röm.
Far 2. 292; Rofenmäller bibl, Arch. 9, n. 10. Hauptſt.
—
Eupbratf.; hiſtor. Ruͤckbl.; die X. Stämme Israels. 249
iR, außer Betracht Tommi, fo wird es wol nicht nöthig fein, ſich zur bins
reichenden Erklärung derfelben nach andern Localitäten umzuſehen, in be
nen immer nur theilweis pafiende Benennungen vorlommen. Das eigent⸗
liche Affyrien im engern Sinne if alſo ald „das Land des Erils“
anzufehen, nebſt ven Städten der Meder (bis nad Sepahan, Erdk.
IX. ©. 43, Gufa, Rubabbar, Erdk. X. S. 402, Sarnah in Pufhtifuh,
ebend. ©. 424, und den Haftonbergen bei Holwan, ebend. S. 472, und
Rai, Erdt. VII. ©. 595, weil dahin bas beſtimmte Datum von Tobi
Banberung weiſet). In vaffelbe Land bes Crils ging wol (588 v. Chr.
Geb.) die etwa un 100 Jahre fpätere, dreimal wiederholte, mit Joj a⸗
him und Z'edekla vollführte Abführung Juda's zum Lande der
Ghaldäer in bie babylontfhe Gefangenſchaft durch Nebns
canmezar (2 B. d. Kön. 24, 14; 25, 11; Jerem. 52, 30), mit welcher
andy der Prophet Czechiel zog, deſſen Geſichte am Wafler Chebar oder
Khebar (Geh. X. 15, 22), die ſyriſche Benennung befielben Fluſſes,
dog wol in derſelben Laundſchaft fich zeigten, ba Fein anderer Fluß
Died Namens befanut if. Ausdrücklich fagt aber ber Prophet, daß ex
ale ein Wächter über Israel bei den Befangenen am Sluſſe Che⸗
bar wohnte (Ezech. A, 1; 2, 15 m. 17), und alle übrigen Angaben vers
einen ſich darin, daß bie wiederholten Deportationen, fowol von Serael
wie von Juda, in diefelben Gegenden Mefopotamiens und ber dor⸗
tigen Uferlandfchaften flattfanden. Dagegen brachte der König von Afiys
rien feine Goloniften, bie er in Samaria anflebelte, aus beufelben Gegen⸗
ven, von Babel, Eutha,?*) einer Landſchaft um Babylon, von Has
matt nm. a. D. (2 B. dv. Kön. 17. 24), weshalb dies ans biefer Dex
mifgung in Samarien entflandne Bolf fpäter den Uebelnamen ver Euthäer
RNicht alles Bolf wurde in die Gefangenfchaft geführt, fondern nur
Die Könige und Prinzen, bie Mächtigen des Landes, die ſtarken Krieges
kente, vie Priefter, alle Arbeitslente, Zimmerlente, Schmiede u. f. w.3
De Adersiente uud Winzer blieben in Palaͤſtina zurück. Während der 120
Jahre Fortdauer Inda's in Jerufalem, che dieſes ein gleiches Schickſal
wie Jorael traf, wurde Juda’s Autorität auch über Israel fortwähs
uud anerlannt; nur Samaria allein war gänzlich feiner israelitiſchen
Bemchuer beraubt worben, daher auch dorthin mur die neue heidniſche
Celeniſation einwanberte, und dort die Bermifchung ber Bevölferung vor ſich
sing. Das Eril Hatte alfo feineswegs die ganze Bollsmafle, wenn ſchon
ihren bedentendſten Kern, getroffen, womit auch die augegebnen, keineswegs
übertriebenen Sahlen von 20,000, 10,000, 8,000, 4,000 n.. a. überein
fimmen; andy war noch eim Theil des Volkls und der Kriegeleute nach
Segyptenlaud (1.2. d. Kön. 25. 28) entflohen,
°*) Roienmäller Bibl. Acc. 1 B. 2 Th. ©. 29, und Note.
250 WeftsAfien. III. Abteilung. I. Abfchnitt. $. 32.
Das gemeinfame Ungläd der beiberfeitig früherhin fo verfeindeten
Reihe Israel und Iuda that feine Wirfung, als der britte Feind
von augen Israel flug, und Juda noch im Befig feiner Selbfftän-
digkeit war; denn num ſchon ſchloß ſich Isvael an Jnda an, und zog anf
die Seflfeier zu dem Tempel nad) Sernfalem hin. Um wie viel inniger
wird das gemeinfame Unglüd der Gefangenſchaft an den Ufern des Cha⸗
hur die früherhin politifch gefchievenen Parteien wieder zur religiöfen
nnd vollsthämlichen Binheit gebracht haben. Dies war der große Rath⸗
ſchluß Jehova's, den auch die Gefchichte bewährt hat. Die Propheten
Jeremias und Gzechiel weiflagen ven Kindern Israel wie dem Volle
Juda, „daß fie beide zurädichren follen in bie Heimath, gem Sion
„(Serem. 50, 4. 5), daß die zerfirente Heerde wieder weiden foll und
„wohnen anf Carmel, Baſan und Gilead (eben. 50, 17. 19); fie
weifiagen: „das ganze Haus Jsrael (Ezech. 37, 11), ja ganz Juda
„und die Kinder Israel fammt ihren Ingethauen follen alle verfanmelt
„und ein einig Volk werben, und einen König haben, und nicht mehr
„in zwei Bölfer noch in zwei Königreiche getheilt fein”. (Gzech. 37, 16.
19. 21. 22). Die vereinigte Rückkehr in das Land der Väter ges
ſchah auch, als nicht lange nach der Eroberung Babylons und dem Sturz
des Chaldaͤer Reiches der Freibrief des Königs Cores in Perſien
(Cyrus, im 3. 536 v. Chr. Geb.) den Gefangenen die Rüdfchr nad
Palaͤſtina und deu Wiederaufban ihres Tempels geftattete (Bsra 1, 1).
Die Erlaubnig war nicht an Israel oder Juda gerichtet, fondern an das
ganze Voll. Die erfie Rüdwanderung unter Zernbabel, an 50,000,
waren, nach ben Liften, Iuben und Seraeliten;. fein Unterfchieb wurbe ges
macht, denn viele wußten fchon nicht mehr, woher fie ſtammten (Esra2,
59). Aller Zwiefpalt war alfo gehoben, die ECinheit der Hebräer
war bergeftellt, wie nuter den Heimziehenden, jo unter den Hunderttauſend
der Zurückbleibenden, bei denen damals feine Spur von Scheidung nad
Stänmen vorfommt. Als die zweite Heimwanderung nach Serufalem,
fat 80 Jahr foäter, ein Seichen, dag fie fih auch dm Khaboras wohl bes
fanden, unter Es ra's Leitung (im 3. 458 v. Chr. G., f. Gora 7, 13)
vor ſich ging, erhielt „alles Boll von Israel mit feinen Leviten
und Briekern“ vie Erlaubniß, nach Ierufalem zu ziehen.
Als 13 over 14 Jahre fpäter Nehemia im Auftrag des Perſer⸗
Königs nach Ierufalem zurädlehrte, die Diauern der Stabi zu banen, 308
feine Karawane mit ihn; das Boll war wieber vereinigt im Lande und
im ZTempelvieufl ; aber Viele waren lieber am Cuphrat geblieben, obgleich
ihnen Allen chne Unterſchied die Rücklehr freiwillig geftellt war
(Gsra 7, 13). Sie Hatten nach 300jaͤhrigem Aufenthalte daſelbſt ein
nenes Baterland gewonnen, fie fahen fi ſelbſt aljo keineswegs als Ges
fangene an, fie waren unter fih verbrübert, gemeinfame Hebräer,
allefammt wieder zn Kiudern Bines Bolles Jorael geworben, durch
Euphratſ.; hiſtor. Ruͤcbl.; die X. Stämme Israels. 251
das Unglück im Auslande wie im ber Heimath. Der Rame, ja die
Sheibung in die zehn Stämme war wirklich verloren, und
fo bildete ſich fpäterhin die Vollsmeinnug wie von dem verfchmunbenen
Briefter Johannes unter den Heiden, fo auch von ben verloren gegans
genen zehn Stämmen Israels, die man glaubte wieder in ihrem
alten Iufammenhange aufjuchen zu müſſen.
Wenn aber ſchon zur Zeit CHrifli und der Apoflel von feiner ges
ſchiedenen Abtheilnug der zehn Stämme von ven Übrigen mehr die Mebe
wor, fo kaum diefe Scheidung noch viel weniger im dten Jahrhundert zur
Zeit des Hieronymns flatt gefunden haben, ber allerbings ſchon und,
wie es fcheint, zueft von ſolchen zehn Stämmen Israels fpricht,
Die noch zu feiner Zeit in der Gefangenſchaft in Perſien feßhaft
geblieben fein follten; aber mit Worten, die einer Stelle ans Flav.
Joseph. Antiqu. XL. 5.2. entichnt find, welde, wie &. Robinfon **)
gezeigt Hat, mit allen andern Stellen deffelben Autors, wie mit den That,
fachen felbft im Widerſpruche ſteht. Robinfon hält nicht ohne Wahrs
fGeinlichleit- dafür, daß diefe Meinung zuerfl von dem Stolz der Juden
in Tiberias, den Lehrern bes Hieronymus, ansgegangen fei, um ihrer
dortigen hohen Schule und ſich felbft einen höhern Rang vor den mit
ihnen rivaliſtrenden Rabbinern der fogenannten zehn Stimme ber Ges .
ſangenſchaft im Oſten zuzufchreiben. Diefe Anficht gewinnt in der That
ihre Gtüäge dur das, was ſchon Lightfoot ?*) aus talmubifchen
Quellen nachwies, daß auch die Rabbinen der im fünften und ſechſten
Jahrhundert fo berühmten jüdifhsbabylonifhen Schulen, zu
Raarda, Enra und Bomberitha am Buphrat, fih brüſteten, ihre
Geſchlechter ans einem viel reinern Blate des Davidiſchen
Stammes herzuleiten, ale die welde eiuft heimkehrten. Sie
brhdten ſich fo aus, daß Bsra nur mit der Hefe des Volks nnd dem
Unreinen nad Serufalem Beimgezogen fei, während fie als der
seine Saame im Lande jenfeit des Euphrat zurückblieben,
weil dies Jehova durch ven Propheten im Briefe geboten habe, der von
Serufalem gen Babel geſandt war (Jerem. 29, 4. Dariu heißt es: So
fprigt der Herr Zebaoth, der Gott Israels, zu allen Gefangenen, die ich
Gabe von Jeruſalem wegführen laſſen gen Babel: Bauet Hänfer, darinnen
ige wohnen möget, pflanzet Gärten, baraus Ihr die Früchte effen möget.
Rehmet Weiber u. ſ. w.; fuchet der Stadt Befles, dahin ich euch habe“
laſſen wegführen, und _betet für fie zum Herrn: denn wenn es ihr wohl
gehet, fo gehers end auch wohl). Gin andrer Umfand, ber gewöhnlich
“95) E. Robinson The Nestorians 1. c. p. 63.
") Joan. Lightfooti Opera omnia ed. Roterod. 1686. fol. Tom. II.
. Hebr. in Ep. ad Corinth. Addenda ad Cap. XIV. c.2. De
Hebraeis in Bäbylonia et regionibus adjacentibus p. 930.
252 Wefl-Mfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 32;
als Beweis für das noch Vorhanbenfein der zehn Stämme Israels, als
folder, zur Zeit ver Serflörung Serufalems durch Titus nnd die Römer,
in ihren Sitzen am Tigris angeführt wird, iſt die Rede des jüngern
Agrippa au bie Iuben in Ierufalem, in der er fie von der Empörung
gegen die Römer abmahnt und das Thörichte zeigt, ihre Hoffnung auf
ven Frtegerifchen Beiftand „ihrer Bruder-Tribus aus Adiabene”
(ds sie "Adıapıne Opogpviows, ſ. Flav. Josephus de bell. Iud. II. 16,
4. 'fol. 196, ed, Havercampi T. II. 1726.) am Tigris zu ſetzen, was
ſich anf das damals erſt zum Judenthum übergetretue Königshaus
von Ablabene, auf den König Izates, defien Bruder Monobazes und
beider Mutter Helena, die befehrte Jüdin, bezieht, die ihren Pallaſt und
Hof in Jernſalem hielt, wo fie fi auch ihr Manfoleum als Grab bauen
ließ, fo wie auch auf diejenigen reichen und augefehenen Inden, die ſich unter
dem Schuge jenes Hungen Regenten am Tigris wol in ber Gegend des
alten Arbela, ober heutigen Diezire al Omar, und zu Moful niederges
laſſen haben mochten.
Mlerdings gab es der zerfirenten Inden fehr viele, wie zur Seit der
Apoſtel am Pontus, in Bithynien, Galatien, Cappadocien, Kleinaſien,
ſelbſt in Griechenland und Rom, eben fo auch in Aegypten, wohin fie
fon zur Zeit Mleranders verpflanzt waren, und auch in Arabien uud
Syrien, wo fle ſchon unter den Selenciden, als Eöniglihe Unterihanen
geſchützt, gleiche Rechte wie vie Griechen genofien Hatten, dabei aber immer
von allen Seiten ihre Tribute an ben Tempel in Iernfalem eiufanbien.
ben fo waren fie nuſtreitig durch ihre erſte Verpflanzung wie durch
fortbanernde Verbrüberung an dem Cuphrat und Tigris, auch zu bem
Mevern, Barthern und nad Blam verbreitet, nub im handeltreibenden
GEuphratgebiete vorzüglich zahlreich geworden, wie dies ans Benjamins
Berichten hervorgeht, ohne eben noch zu ben verlornen Stämmen Israels
mehr als andere Indenbevoͤlkernugen zm gehören; wol aber mußten fie
hier überall das Alter ‘ihrer Sie mit Gründungen von Syuagogen
durch die Propheten bes Erils felbft, und die Hohe Abflammung ihrer
Fürftengefglechter und Rabbinen aus dem reinften Blute der äAlteften Zeit
in ihren Genealogien und Grabvenfmalen, und durch unzählige Legenden zu
belegen, von denen Rabbi Benjamin reblichen Bericht gibt, defien Wan:
derung wir nun mit dem Mytigern Verſtaͤndniß wol weiter folgen fönnen.
Rabbi Benjamin geht von Niſibin weiter über Moful
nach Bagdad, von wo aus er nach längerem Verweilen deſſen
Umgebungen beſucht Hat, und dann über Wafet und Basra nady
Sufa fortichreitet. |
Von Rifibin führt ihn fein Weg über Iezire ben Omar,”)
97) R. Benjamin. lüner. I. c. p. Ol.
. Eupbratf.; hiſtor. Ruͤdbl.z n. X. Benjamin (1170). 253
das er eine Infel am Tigris nennt, die, am Fuße des Ararat gelegen,
eine Moſchee beflge, die von Dmar Ben Al Khatab aus ven
Ueberreften ver Arche erbaut worben fel, welche man von ben zwei
Gipfeln der benachbarten Berge genommen habe. Wahrſcheinlich ifl
«8 alfo wol diefer fonft unhefannte Omar, nach welchem fpäterhin
derſelbe Ort bei allen Orientalen genannt wird, Auch, führt Rabbi
Benjamin fort, fei eine Synagoge In ver Nähe ver Arche vorhan⸗
ven, bie, von Esra errichtet, von den Juden ver Stadt am Tage
ver Zerſtoͤrung Jeruſalems beſucht werde. Es lebten aber .an
4000 Juden am Orte unter drei Rabbinen als ihren Vorſtehern.
Die Lage dieſer Stadt (Cardoa, Cardu, Carduchia insula; bel
Extern und Armeniern Gozarta.d. 9. insula, oder Diezive, die
Bezabde . der Byzantiner)?E) ift uns ſchon durch ihre milktärifch wich⸗
ige Pofition und die Jebel Judi mit dem Apobatärium Noch auß
frühern Unterfuhungen bekannt (Erdk. IX. ©. 705, 742,721).
Es verbient bier nur noch bemerkt. zu werben, daß vie flarke Zahl
jũdiſcher Unflevlung in biefer Gegend wol fehr wahrſcheinlich mit
dem Schuß jüdiſch geworvener Adiabenerfürſten, gegen Enke
bes 1. Jahrhunderis nach Chr. Geb., in Verbindung flehen mag,
weshalb eben auch hieher unter. vie dortige Judenbevöolkerung
Die Chriſtenbekehrung, wie in Edeſſa fo auch In Bezabde 80)
(Gafteum Zabdaeum, dann auch Zebedaeum), ſehr frühzeitig ein
daung, und als ſyriſche Kirche ſich auf eine fo einflußreiche Weiſe
feſtſtellte. Don Edeſſa aus, jagen die ſyriſchen Annalen, ver
breitete fich gleich anfangs die chriftliche Lehre auch im erften Jahr⸗
bunbert nad Cardu over Bezabbe, und als in ver Mitte des
4. Jahrhunders die große Chriftenverfolgung unter des Saffaniven
Sapot's U. Regierung, im Jahr 352, gegen dieſe bis dahin blü⸗
hende Grenzfeſte der Roͤmer auch in Bezabde zu wüthen begann,
wurden 9000 chriſtliche Männer und Weiber mit ihren Epifcopensvo)
von diefem Orte in die perfliche Befangenfchaft abgeführt, und bie
meiften ald Märtyrer hingerichtet, bis auf 25, bie allein fich Dazu
verlanden, die Sonne auf Art der Saffaniven anzubeten; ſeit die⸗
fer Zeit der Chriftenverſolgung mag: wol die jüdiſche Beodlke-
sung wieder die Oberhand gewonnen haben, Nach 2 Iagmärfthen
abwärts am Tigris kommt R. Benjamin nad Moful 2) (DI
2) Reiske Not. au Abulfed. Mesopot. b. Büfching Hi. Dig. IY
p. ZA. Assemani Bibl. Or. T. UI. P e Syris
Nestorianis $. VI. Tor. XVII. etc. *00) ebendaſ. * Lin. etc.
») R. Benjam. Itinerar. p. 91.
254 Wefl-Afien, IH. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.32,
Mauſel 5. Abulfeda, Mofful 5. Eorifi), wo er 7000 Juden an⸗
fällig findet unter einem Oberhaupte, dem Rabbi Sakhai, der als
Prinz aud dem Geſchlechte Davids geehrt war, und unter dem Vor⸗
flande des R. Joſeph, genaunt Borhan al Phulpk, welcher ver
Aftronom ded damaligen Königd Seiffenin von Damask war, eis
nes Atabeken. Die große, ſehr alte Stadt liege an ver Grenze Ber»
fiend am Tigrisufer, durch eine Brüde in Verbindung mit der ge⸗
genwärtigen alten Niniveh, weldhe zwar nur in Ruinen liege
auf denen. und In deren Umgebung jedoch viele kleine bevdlkerte
Dorfichaften und Stäpte fih angebaut Hätten. Drei Sonagagen
feien bier, von Obadiah, von Ionah ben Amithai und von Na⸗
Gum Haelkoshi (dem Prophet von EI Kosh, f. Erb. IX. ©. 742),
angelegt. Dieſe Iange überfehene, fo hochſt wichtige Bemerkung
M. Benjamins iſt erſt ganz neuerlich beachtet und durch GL Rich
vollkommen beflätigt worden.
Dieſe Stadt Moſul oder Muſſul, ſchon zu Ghn Haukals )
Beit ein anfehnlicyer Ort, der, an der Weſtſeite des Tigriönfers
erbaut, ven Ruinen der alten Niniveh, an der Oſtſeite veffelben, ge
genüber liegt, erhielt feinen Namen von ver „Zufammenfügung,“ ?)
weil an ihrer Stelle Meiopotamien und Irak, nad, den Begriffen
ver Muhamedaner, zuſammenſtoßen follte Mofnl theilte vie Vor⸗
theile einer ähnlichen Lage mit ver Khalifenrefivenz, hob ſich aber
erſt Durch kleinere eigne kriegeriſche Dynaſtien feit 934, *) die in
den Brenzländern zwifchen dem Khalifat und dem griechlichen Reiche
zur Selbſtſtändigkeit gelangten, bis vie mächtigen Atabeken Vrüder,
Nureddin und Seiffenin, Aleppo und Moful (1145) zu Refi-
denzen ihrer beiden Königreiche erhoben. Hiernusch erft gewann bie
Stadt ein Fönigliches Anſehn, flarke Ummauerung, cin feſtes Schloß,
große Baumerke, Mofcheen, und wurde als Fabrikort und Handels⸗
ſtadt eine ber gefeierteften 5) im Orient, ein Zuflanb, von bem bie
Gegenwart nur einen Schatten barbietet, der aber in Rabbi Ben⸗
jamin, wie M. Polo und ſelbſt noch in Ebn Batuta feine Augen
zeugen gehabt hat. Noch Heute wird, wie zu R. Benjamins Zeit
De Synagoge des Propheten Jonas des Gohnes Amithäi (Ion.1, 1),
fo deſſen Grabmal, 6) das dem Dorfe Jonas (Nebbi Dunus) nahe
so3) Oriental. Geogr. b. Ouseley. p. 56. 3) Deguignes Geſch.
der Hunnen Th. IL. ©. 483. ) v. Hammer Länderver:
waltung unter dem Ghalifate a. a. O. 2 ) Edrisi Geogr
P.
b. Jaubert p. 148.; Abulfeda Mesop. b. Reiske b. Safding Bi.
MR. IV. p. 247. ) M. Kinneir Journey l. c. p. AGbI.
— —
_ =
'
Eupbratf.; hiſtor. Rädbl.; n. R.Benjamin (1170). 255
Begt, von ven Juden bepilgert, obwol nach EI. Rich über letzteren
eine Moſchee erbaut iſt, vie Fein Chriſt betreten darf.) Es foll
her früher ein chriſtliches Kloſter geſtanden, und in vemfelben ver
Brophet auf feiner Rüdwanderung nad) Paläflina geprenigt haben.
Der Ueberreſt dieſes. unanfehnlichen Baues, ver vielleicht ver alten
Synagoge zu Benjamin Zeit angehörte, ſchien in feinen Gewoͤlb⸗
bogen ſehr alt, und den Bauten der GSafjaniven zu Zendan und
Daſtagard (Exrvf. IX. ©. 500, 506) analog zu fein. Als ver Pro-
wet Jonas hier, zu Ninive, Buße previgte, war fie noch eine
mãchtige Stabt Gottes, drei Tagreiien groß (Ion. 3, 2). Moful ”
ſchlen Heut zu Tage vie berühmten Aſtronomen, vie zu Rabbi
Benjamins Zeit, und auch nach dem Zeugniß des Rabbi Pe⸗
thach ia, der kurz darauf (im Jahr 1180) ebenfalls Moſul beſuchte,
daſelbſt in Blüthe ſtanden.
Von Moſul brauchte R. Benjamin 3 Tage, um nach Ra⸗
habah, 9) dem Rechoboth am Wafler des Euphrat, zu kommen,
dab Damals 2000 Juden beherbergte, eine große, ſchöne, wohl um⸗
menerte Stadt war, und von Gärten und Obflhainen umgeben.
Reheboth war der Geburtzort Sauls, bes alten Königs ver
Soomiter, die im Lande Evom regterten, noch che Israel Könige
hatte (1 ®. Moſ. 36, 31 u. 37). Schr wahrſcheinlich iſt dieſer
fen unbelannte und alte Ort wol Inentifch mit Rahabah Man
let ben Tawk, 9) daß dieſen Beinamen fchon zu Ebn Haukals Zeit
erhalten hatte, weil es eine von Malik, einem Statthalter des Kha⸗
Ufen RNaſchid, 10) neu erbaute Stadt war. Da Ebn Haufal fie
zwifdgen den bekannten Orten Karkiſa (Eirceflten) am Khabur und
Hit nennt, und Abulfeda zwifchen Rakka (Nicephorium) und
Anah, fo kann man fie mit ziemlicher Sicherheit, obwol Ihre genauere
Lage unbelannt blieb, mit D’Anville 4) zwifchen Circeſium
und Anah anſetzen. Da aber nach Abulfeda's Angabe, ver el
Anz citiet, dieſes On Rahabah nur 44 Stunden (3 Parafangen)
abwärts von Karkiſa liegen fol, zu feiner Zeit als eine Grenz⸗
fee des Islams dienend, fo kann es nicht fo weit gegen Süben,
wie auf D’Anvilled Karte verlegt werven. Zu Abulfevas Zeit war
der Ort ſchon wieber in Ruinen verfunten, hatte aber doch noch
hehe Winarets von Tempeln aufzuweiſen, wo zum Gebete gerufen
) 3. Cl. Rich Narrative Vol. II. p- 29, 31. 2) R. Benjamin
iüner. 1. c. p. 92. ®) Oriental Geogr. p . 59. 10) Abul-
fedae Mesopot. ed. Reiske b. Bäfching Sifer, Mag. IV. p. 241.
ı?) D’Anrille sur l’Euphrate etc, p. 56.
256 1Meft-Aften, TI. Abtheilung. I. Abſchuitt. 6.32.
wurbe.. In verfelben Entfernung, abwärts dem Heutigen Abn
Said, an der Stelle. des alten Eirceflum an ber Mündungsfpike
des Khabur, feheint in neuefter Zeit, währenn ver Dampfichiffahrte-
erpevition, Col. Chesney die Ruinen des alten Caſtells von
Rechoboth wieder aufgefunden zu haben, die auf der Weſtſeite
des Euphratufers, 33 engl. Mill. in S. W. des Heinen Gtäptchens
Miaden, auf feiner ſchoͤnen Karte vom Cuphratlaufe eingetragen
find. Bei diefem Orte Samen , zu Abulfedas Zeit, die Reiſenden
aus Irak und Syrien zufammen; dies wird alfo auch wol ven
M. Benjamin hieher geführt Haben, der von da erſt in einer Tag⸗
reife, ven Cuphrat wieder aufwärts, nach Karkiſia (Karkemifch ſ. ob.
©. 15), ging, wo er 500. ſeiner Glaubensgenoſſen vorfand.
‚Auf: einem und unbelanntem Umwege kehrte Rabbi Ben⸗
jamin zum Tigris zurüd, um in 5 Tagen Chadrah, dann in
2 Tagen Okbara, unb wiederum in 2 Tagen Bagdad zu er
In Chadrah (ober: Chardah) 12) findet er 15,000 Juden,
alfo eine ſehr ſtarke jüpifche Gemeinde vor, zu deren Beftätigung
wir weiter nichts zu. fogen. haben, ale was ſchon oben als Ver⸗
muthung angeführt wurde (ſ. ob. S. 134), da dieſer Ort kein an⸗
derer als das Ehadr:over Khane bei Mirkhond und andern Ori⸗
entalen fein kann. Auch in Okbara, deſſen Lage am Euphrat ie
dem zu feiner Zeit ſtark bendlferten und gefegneten Canallande, nahe
Gatrabbol und dem alten Opis, und aus Abulfeda, 15 Stunden
Wegs oberhalb Bagdad, bekannt iſt (f. ob. S. 208), fand fi} eine
Gemeinde von 10,000 Juden anfäflig vor, in ver Stadt, deren An⸗
lage dem durch Nebucapnezar in die Gefangenſchaft abgeführten
Könige Sojachim von Juda (2 B. d. Kön. 24, 8) zugefchrieben
wurde, der allerdings der Erzählung (2 3. d. Kin. 25, 27—30)
gemäß nach langem Schmachtem im Kerker vom babylonifchen
Könige Evilmerodach befreit, freundlich, ehrenvoll und Töniglich bis
an das Ende feines Lebens gehalten wurde, und feinen Stubl, mie
es beißt, über die Stühle feßte der anvern Könige, die bei ihm
waren zu Babel. Dann würbe er, biefer Legenve gemäß, feine Hof⸗
flatt in Okbara erhalten haben; von ihm leiteten vie jüntfchen
Prinzen ver Gefangenfchaft, 13) die fich ſpäterhin in Vagdad
aufhielten, ihr Geſchlecht ab, und von ihm fagt viefelbe Legende wei
212) R. Benjamin Itiner. 1. c. p. 93, 22) ebendaf. T. IL. p. 135.
NMote 259. Zunz.
Eupbratf.; hiſtor. Rüdbl; n. R. Benjamin (1170).
ter, jeien, außer Okbara, auch die Statt Shafjataib am Eu-
phrat (f. unten) und dad Grab des J'che kel (des Propheten
ECzechieſ), daB In Kufa gezeigt ward, erbaut worben.
Bagdad war zu Rabbi Benjamins Zeit noch bie große
Sauptfladt des Khalifenreichs; aber die unıhätigen Khalifen waren
nicht mehr ver Mittelpunct . der Geſchichte des muhamedaniſchen
Staates, feitvem das Emirat oder vie Herrichaft Mitte des 11. Jahr⸗
hunderts in die Gewalt ver Sultane der Seldſchuken gekommen
war, deren Macht ihrerfeits, Mitte des 12.. Jahrhunderts gleich“
falls ſchon wieder durch Thellungen und Bamilienzwiftigkeiten gänz⸗
Eich gebrochen, und das Ned, in viele Provinzen getheilt, in bie
Gewalt einzelner Atabeken (Bäter der Fürften) gekommen war.
Nur noch die Abflammung von den Abbaſſiden, die Infignien des
Khalifats, der Stab und ver Kaftan des Propheten, nur ver Pal⸗
Iaft, in dem fie blos ihrem Harem, Ihren Eunuchen, Kämmerlingen
und Hofſchranzen lebten, fo wie die geheimnißvolle Unfichtbarkeit
ihrer gebeiligten Berfon, erhielt ven Wahn Ihrer alten Herrlichkeit
beim Volk, währenn ihre Berfon, Ihre Würde und Leben nur zur
Buype oder zum Spielball des Emir al Omras, oder des jedesma⸗
Bogen Gewaltigften oder Schlaueflen geworben war. Der Tod des
Baters, im Jahr 1160, Hatte dem Sohne Juſſuf Abul Modaffer
von Weg zu vieler traurigen Würbe gebahnt, welcher derfelben un⸗
sr vom Ramen Moſtarſhed (d. 5. Bott um Bnabe bittend) bis
zum Jahre 1170 vorfland, wo er durch feine eignen Kämmerlinge
und Leibärzte im gewaltfam erhigten Babe erwürgt ward.
Er wird von den Geſchichtſchreibern 19) als mild und gerecht,
ja als einer der noch achtungswertheſten gefchllvert, und damit flimmt
an, was R. Benjamin von ihm erzählt, denn zu feiner Regie⸗
sungszeit muß derſelbe, ver Zeitrechnung gemäß, in Bagdad gewefen
fein, obgleich er ihn nur mit dem allgemeinen Titel Emir al
Numenin (Gebieter der Gläubigen) ber Abbaffine 15) bezeich⸗
net, olme Ihm mit Namen zu nennen. Da er "ihn einen großen
Beſchkyer ver Juden nennt, deren viele als Beamte in feinen Dien-
hen flauden, da er von ihm verfichert, daß er viele Sprachen ver⸗
ſiche/ auch Die hebraͤiſche Iefe und fehreibe, und im mofatfchen Ge⸗
— bewandert ſei, fo iſt es wol mogliqh, daß die Mittheilungen bes
7 m, Geſch. des Mittelalters fell den Kreuzzügen. T
re 16) R. Benjamin Kine, p- —** 104. „1
"Atter Erdkunde x. R
258 Wehl-Afim. TI. Abtheilung. 1. Abſchnitt. 5.32.
abi über Ihn aus Berichten feiner Glaubensgenoſſen herſtammen,
die freifich nicht von Mebertreibungen frei find, venen jedoch ber
Character, daß fie von Augenzeugen berühren, nicht wol abzufpre-
hen fein möchte. Auf jeven Fall Haben wir außer ven Schilde
zungen. in ven Märchen non taufend und einer Nacht kaum andere,
die und einen. gleich. lebendigen Blick in ven damaligen, fchon fehr
berabgemürbigten Zufland der Khaliſen⸗ Capitale geſtatteten, als die
ſeinen.
Alle mohamedaniſche Fürſten erkennen, ſagt ver R. Benja min,
ben Khalifen an als ihr geifiliches Oberhaupt, wie die chriſtlichen
den Pahfl. Sein Wohafig (EI Harim ſ. oben ©. 233). Hat eine
fleine Stunde im: Umfang; ver Vallaft iſt von einem großen Part
umgeben. mit allen Arten von Bäumen zum Nutzen und zum Ver⸗
gnügen bepflanzt, darin vielerlei: Thiere und ein. Waſſerbecken, das
aus dem Tigris dahin geleitet iſt, um zur Unterhaltung der Sage
von Bögeln, Wild und Fiſchen zu dienen, wozu auch die Hofleute zur
Theilnahme eingeladen werden. Er Hat kein Einkommen, als was
er durch die Arbeit feiner Hände gewinnt, (?) deshalb wacht er
Teppiche , die sr mit feinem Siegel beſtenpelt, damit ſie feine Hofe
lente auf ven Bagarın verkaufen, wo fie von den Großen des gan⸗
zen Landes gekauft werden. Davon- heftreitet er feine Vedürfniffe.
(Allerdings mußten pie. Khalifen oft darben, während ihre Cuir el
umera, oder Majordomen, ihre Einkünfte verpraßten, bie He ger
nicht ‚in ihren Beſitz kommen ließen; doch ſcheint es ‚mit biefer Au
gabe noch eine. beſondere Bewandniß zu haben).
.... Der gegenwaͤrtige Khalif, führt ver Rabbi fort, iſt ein trefflicher |
Mann, redlich, mohlwollend gegen Jebermann, den Muhamedanern iſt
er jedoch meiſt unſichtbar. Die Pilger aus fremden Ländern, welche
ſehr häufig auf dem Wege von Mekka durch Bagdad gehen, win»
ſchen gemöhnlich ihm vorgeftellt zu werben, und zufen ihn an: Gert,
Licht der Gläubigen! aber ex felbft bleibt ihnen verborgen und
hängt nur den. Zipfel feines Kleides zum. Fenſter hinaus, der dann
von den Pilgern begierig geküßt wird, während einer ver Beamten
des Khalifen ihnen ven Gegen zuruft, ner in den Worten befteht:
Gehe Hin in Frieden, der Herr, das Licht ber Gläubigen, iſt Die
freundlich und gibt dir feinen Segen. — So ziehen fie denn voſ
Freude weiter, da fie den Khalifen ihrem Propheten gleich achten.
Auch die Familtengliever des Khalifen und feine Brüder küſſen
ihm das Kleid; fie wohnen auch in Palläften, aber fie finb in Ge⸗
wahrfam gehalten (angefeffelt fagt ber Rabbi, mas mit einzelnen
N /
Enphratſ.; hiſtor. Xuͤcbl.; n.R.Benjamin(1170). 259
mol der Ball fein mochte, nach der allgemeinen Sitte der Tyrannen
im Orient gegen vie Brüder) und Haben ihre Auffeher, um vie
Empdrungen gegen das Oberhaupt zu hindern. Doch iſt jeder in
finem Pallaſte hochgeehrt, er iſt Beflter von Dirfern und Städten,
veren Einkünfte von ihren Haushofmeiſtern verwaltet werden; fie
trinfen und fchmaufen und führen ein frößliches Lehen.
Der Pallafl des Khalifen, ver viele große Gebäude, Säulen von
Solo und Silber, Juwelen und Schäge aller Art enthält, wird nur
‘ eitimal im Jahre von Ihm verlaffen, nämlich am Feſte des Rama⸗
von. Dann befleigt er das Maulthier, im öniglichen Ornat aus
Geid und Siherfloff. Sein Turban mit ven Eoftbarften Juwelen
M jevoch zum Zeichen feiner Demuth mit einem ſchwarzen Schleier
umnbänt (ſ. Erdk. IX. ©. 720). Zahlreiches Gefolge ver Großen,
barunter Die Prinzen von Arabien, Medien, Perfien und weiter her,
ales reichgeſchmückt, begleitet ihn. Die Proceflion geht vom Pallaſt
wu der Moſchee am Botsra (mol Boftan, f. ob. ©. 234) Thore,
mo die große Bauptmofchee If. Alle vie mitzlehen, Maͤnner wie
Weiber, find in Seide und Purpur gekleldet; die Strafen und alle
Dnartiere And dann vol Sänger und Tänzer und Pefllichkelt.
Aes ruft dem Khalifen Heil enfgegen. In dem Hof der Moſchee
figf. ner Khalif ab, betritt dann Die Hölzerne Kanzel, und Iegt auf
das Geſetz aud. Die gelehrten Mahomedaner erkeben fi, be-
t für ihn, preifen feine Büte und Froͤmmigkeit, worauf er ben
ertheilt Dantı ſchlachtet er das Kameel, das als Opfer-
dahin gebracht AN, und theilt die Stücke unter die Großen
6, Bi ſie dann wieder unter ihre Freunde zur Speiſung verthei⸗
; Wein jeder iſt degierig, einen Biſſen von dem Opferthiere zu
je, DaB von ber’ Heiligen Hand des Khalifen gefallen If. Die
nun vorüber, ver Khalif kehrt in feinen Pallaſt am Ti—
wohin ihn die Großen in Booten auf dem Fluſſe beglei⸗
er allein in feinen Pallaft eingetreten fl. Denn ex kehrt
kisen Wege zurück, auf dem ex außging. Der Weg
entlang iſt das ganze Jahr fürgfam bewacht, daß er
anders betreten werbe. Hlerauf verläßt ber Khalif
fol gende Jahr feine Wohnung nicht wieder.
Sehmmizfelt, jagt R. Benjamin, Hat derſelbe auch
hewahri vaß er an der andern Seite des Waſſers an einem
| are viele große Gebäude, ganze Straßen und Kranken.
bäuker fr Arme erbaut hat, um fie darin von ihren Krankheiten
curdrin is Yaffen; an 60 Abotheten find hier va. Erdt᷑. IX
R 2
bene
&
ihr
J
gt:
| Lin R
. .
7
260 ‚Weft-Afien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.32.
©. 287 u. f.), die aus des Khalifen Vorxathakammer mit allem ver⸗
forgt werben, was für vie Patienten nöthig iſt, bis fie geheilt find;
auch ein. graßes Gebäude, Dar al Maraphtan (im Arabifchen
Dar al Morabittan, d. 5. wörtlich: Haus der Ungefetteten), darin. bie
Berrüdten, zumal während ver heißen Jahreszeit, eingefchloffen
und jeder an eine Eiſenkette gelegt wird, bis fein Verſtand zurüd-
kehrt, wo ihn vann feine Familie wieder zu ſfich nehmen fann. Des⸗
Halb ift ein Beamter des Khalifen damit beauftragt, jeven Monat
eine Infpertion zu halten und jeden wieder vernünftig geworbenen
ſogleich frei zu laſſen. Alles dies ift vom Khalifen aus ver wohl⸗
wollenpften Abficht, aus frommer Menfchenliebe eingerichtet für je-
den Fremden, der dahin kommt und. krank wird.
Bagdad Hat an 10,000 Iupen 16) unter feinen Bewohnern,
die in Frieden und Glück Ichen und durch den Khalifen viel Ehre
genießen. Unter ihnen find viele weiſe Männer, Schriftgelehrte und
Präflventen der Eollegia, darin das Studium des moſaiſchen Ge⸗
ſetzes beſrieben wird. Die Stadt hat 10 ſolcher Collegia (dies ſcheint
für die geringe Judenbevölkerung ſehr viel, vielleicht daß ſich dieſe
Angabe auch auf die zur Hauptſtadt ſonſt noch gehörigen Ortſchaf⸗
ten ausdehnen jol); des Vorſtand des großen College iſt Rabbi
Sh'muel Ben Eli, der Principal ded Collegs Geon Ja) Ge
cob. Auch vie Borflänye der Übrigen Eollegien werben vom Rabbi
im Beſondern aufgeführt, und von dem des fünften, vom Rabbi
El aſar Ben Tſemach, geſagt, daß er Meiſter der Studien ſei
und ben Stammbaum feiner Abkunft vom Propheten Sh’muel
(Samuel) beflge, daß ex ſowol wie feine Brüder die Melodien
fenne, die dereinft im Tempel, va er noch zu Sernfalem flaud,
geſungen wurden. Dieſe Vorſtände wurden die Batlanim (etwa
Laien?) genannt, weil fie Öffentliche Geſchäͤfte hatten, jeden Wochen⸗
tag Recht fprachen; nur am Montage verſammelten fie ſich in ihren
Conventen.
Das Haupt von allen ſei der Rabbi Daniel Ben Chis⸗
bai,. der Prinz der Gefangenfchaft, ver Herz, deſſen
Stammbaum fein Geſchlecht an König David anreiht; fo. werde
ex von den Juden titulirt. Die Mohamevaner nennen ihn Saibua
Ben Daoud (edler Sproß Davids); er habe unter der Auto⸗
rität des Emir al Mumenin ven Oberbefehl über alle jüdiſche Con⸗
gregationen, und darüber ſei ihm vom Khalifen das Siegel verlie⸗
#*) R. Benjam. Itinerar. I. p. 106; vergl. II. not. 265. p. 138.
2
-_
u. F oe X
Euphratſ.; hiſtor. Ruͤcbl.; n.R. Benjamin (1170), 261
ben. Jedermann, Jude wie Mohamevaner, müffe vor feinem Ange>
ſicht fi erheben, wenn ihn nicht die Strafe von 100 Streichen
. teilen fol. Seine Audienz beim Khalifeñ fei ſtets von einem gro-
den Gefolge von Reitern begleitet; er ſelbſt, in geſtickte Seide ge=
Heidet, trage einen weißen Tutban mit Diademſchmuck und vor Ihm
ber riefen die Herolde laut aus: machet Plag dem Seren, dem Sohne
Davids! Seine Gewalt erſtteckt fi über Mefopotamien, Perfien,
Khorajan, Saba in Demen, Diarbefr, Armenien und zum Lande
Kota (d. i. Cuthaea) am Ararat (b. i. am Jebel Judi), auch über
ns Land der Alanen hinaus bis zu dem eifernen Thore Alexanders
.i. Derbent, vie ‘Pforte der ’Alanen), auch über Sikbla (?) und
alle Provinzen ver Turkmanen bis unter die Aspiſiſchen Berge
(Aspisii montes am Sarartes "bei den Seythen, nach Ptolem.' Vi.
c. 14. fol. 162); fle reicht über Georgim zum Orus und bis Tü—
bet und Indien. Er geftattet in allen dortigen Gemeinden vie Wahl
ihrer Rabbinen und Diener, vie von ihm erft ihre Weihe und die
Erlaubniß zu funetioniren erhalten; mofür ihm aus den fernſten
Ländern zahlreiche Gaben zukommen.
. Diefee Bring der Gefangenſchaft Sat Bohuhäufer, ir.
ten, Baumpflanzungen und große Tänvessien in Babylonien, ererbt
von feinen Borvätern, vie ihm Niemand entreißen Tann; auch zieht
es Einkünfte von den jübifchen Herbergen, Märkten, Waaren, von
denen Zoll erhoben wire. Gr ift fehr reich, aber auch gelehrt, und
ſe gaſtfreundlich, daß tägfich eine ‚große Anzahl Iöraeliten mit am
ſeiner Tafel jpeifen. Zur. Zeit feiner Einfegung hat er jedoch große
Summen an. ven Khalifen und die Prinzen von, vefien Hauſe ‚zu,
zahles; feine Einweihung geichieht durch Hände⸗Auflegen des Kha⸗
Use in deſſen Pallaſte, worauf der Prinz unter Muſikbegleitung in
feige eigne Wohnung zurüdfchrt und bafelbft durch Auflegung der
Gänse die Glieder und Vorficher feiner großen Gemeinde einweihn
Viele der Juden in Bagdad find reich und gelehrt; fe Hatten
2 *8* Synagogen, vie theils in ver Stadt ſelbſt, theils in Al
Karl, ver Stadtian der Weftfeite des Tigrie (f. ob. S. 200), ver
We Stadt in der Mitte theilt, Liegen. Die Haupt» Synagoge des
Prinzen ver Gefangenſchaft ift durch Säulen von buntem Marmor
geſũctt, mit Gold und Silber überzogen, auf deren Pfellern In«
ſchriften von Stellen der Pfalmen mit gelbe er Buchftabenfchrift ein⸗
gerragen⸗· find. Der Altar, auf dem vie Röolle: des MPentateuch Tre
hoht iR, hat 10 Marmorfufen, auf veren ** Bl Side des
262 WeftsAfien. II. Abtheilung. J. Apfchnitt. $. 32.
Bringen ver Gefangenſchaft und ver anbern Prinzen aud dem Haufe
David fih befinden.
Der Lage der Stadt Bagdad in ihren zeichen Umgebungen
von Gärten, Obfthainen und Palmpflanzungen kommt nichts in ganz
Mefopotamien gleich; Die Kaufleute aus allen Ländern treffen zum
Handel vafelbft zuſammen; auch viele Weife und Philoſophen, die
An allen Wiffenfchaften erfahren, wohnen vafelbft, fo wie Magier,
pie in allen Arten ver magifchen Künfte bewandert find.
Nach längerem Aufenthalte in ver Gapitale Bag dad beſuchte
Rabbi Benjamin vie benachbarten Städte am Cuphrat, die ſich
durch Ihre Hoch ſchulen, Synagogen und, wie es ſcheint, durch
ſehr ſtarke jüdiſche Bevolkerung auch noch zu feiner Zeit auszeich⸗
neten. Zunächſt ging er in 2 Tagen zu einer Stadt mit 5000 jü⸗
viſchen Bewohnern und einer Synagoge, die er Gihtagin 17) (uns
völlig unbefannt) nennt, oder Ras al Aien, welches Reſen, bie
große Stadt, fei, deren Rage und nur dadurch näher bezeichnet wird,
daß der Rabbi von da nur einen Tagemarfch zu ver alten Ba»
bel gebrauchte. Indeß die Lage der alten aſſyriſchen Stadt Refen
(1. 3. Mof. 10, 12) läßt ſich nicht mehr nachweiſen, und Nas al
Aien kann wenigflend nicht der bekannte Ort dieſes Namens (f. ob.
©. 244) fein; eine fehr große Stapt, fo nahe bei Babylon, iſt uns
zu allen Zeiten völlig unbekannt geblieben.
Unter Babylons Ruinen glaubt der Rabbl noch die des
Pallaſtes Nebucadnezars (d. i. ven Mujellibe, am Oſtuſer, die
Ruine, die heute ausfchließlich mit dem Namen Babel belegt wird)
unterfcheiden zu Lönnen; noch gehe man aus Furcht vor Schlangen
und Sceorpionen nicht hinein. Er wiederholt port Die Sage von
dem feurigen Ofen, auf die Erzählungen der Orlentalen fich bezie-
Send (f. ob. ©. 188), die jedermann befannt feien. Die flarfe Be»
völferung, die er biefer Ruinengegend beilegt, iſt wol nur ein fal«
ſcher Zuſatz der Abfchreiber, fo wie vie Zahl von 10,000 Juden, Die
er der 2 Stunven ferngelegenen Stadt Hillah beilegt, eine Ver⸗
wecifelung mit Bagdad, dem diefe Summe damals ſchon, wie auch
heut zu Tage, 18) zukommen mochte, dagegen Hillah wol nur jene
in Bagdad angegebenen 1000 jübifchen Bewohner Haben mochte. In
den 4 Synagogen dieſer Stat warb täglich Gottesdienſt gehalten,
Der Ahurm, den das Bol vor ver Zerſtreuung (11.8. Nof.11) ar⸗
— ꝰ71 ⸗
eu) R. Benjamin itinera-. 1.0.0.105. i s. Beckem
Travels in Mesopotamia. * 1827. 4- p
'
’
Euhratſ.; hiſtor. Ruͤckbl.; n. R. Benjamin (1170). 263
richtete, ſagt verfelbe, liege auderthalb Stunden (auf vem Weſtufer
des Eupbrat) von hier entfernt, und ſei von Al⸗ajur, d. i. vom
Backſteinen, erbaut (ein perfijches Wort, das bei den Arabern
in Gebrauch gekommen); 19 jeine Breite fei 240, feine. Hohe 100
EGen, una ein gewundener Bang führe in Abfägen von 10: zu 10
Een Hinauf, zur inne deſſelben, von wo eine Ausficht von @
Stunden in die Runde auf die weite ungeheure Ebene. Des Him⸗
meld Feuer, das den Thurm zerichlug, fpaltete ihn, fagt er, bis auf
fein Fundament. Daß hiermit pie enorme. Ruine des Birs Nim⸗
rud gemeint ſei, ergibt fich aus den Zahlenangaben, die mit neueren
Beobachtungen gut ſtimmen; auch CL Rich 2U) erflieg den Thurni,
deſſen Stufenaufgänge noch wahruchmbar find; er ſchildert die weibe
Ausficht von ver Hoͤhe, nie bis zum Kefil oder Bid zum Grabe
Czechiels reicht, und mau verficherte ihn, Daß man ganz in bes
Harfien Morgenfrühe ſelbſt das 10 Stunden ferne Meſchhed NN
erblicken kͤnne. Auch vie Sage von der Zerſtörung dieſes babylo⸗
niſchen Thurms durch Feuer vom Himmel iſt noch bis heute: unter
von Arabern im Gange, und erhält immerfort Nahrung durch bie
ſcwatz verfihlatten und felbft verglaſeten Maſſen, 24) die, unfreitig
von der Höhe herabgeflürzt, am Buß der Ruine in Haufen umher
Nur einen halben Tagemasih von Hillah beſachte RM, Ban«
jamin sen Ort Napacha, wo 200 Iupen eine Synagoge hatten,
mit dem Grabe des Rabbi Jitſchal Napacha, der im Bien Jahrh.
in Galiläa geblüht, aber auch in Babylon geweſen fein ſoll, was
für feine Geburtöflätte gehalten wird. Der Ort ift ſonſt völlig uns
befannt, nur der Reiſende Buckingham, ver 1827 dieſe Gegenden
beſuchte, beflätigt die Nichtigkeit von Benjamins Ausjage, daB eins
halbe Zagerelje fern von ven Ruinen des Bird Nimrud die von
Anders nicht genannte Synagoge mit. dem Grabe des Napheus2)
lege, fo wie 3 Stunden ‚weiter dad Grab des Ezechiel. Da au
ia Galilãa, zu Khaifa, dad Grab deſſelben Nabbi Napacha gezeigt
warde, jo bemerkt der gelehrte Zunz 23). als Commentator bed .Di.
Benjamin, daß die meiften jener vorgeblichen Grabftätten der Heilig
Y.. 93
20) R. Benjamin Itinerar. Vol H. p. 389, not, *°) Cl. Jam.
Rich Narrativo of a journey to üs, site ——— ete.. edited
by His Vidow. Lond. 1839. 8. J. Baill. Fraser
Travels in Koordistan, Meso ie etc. Lond. 1840. 8. Vol. N.
.23. . *?).J. 8. Buckia Erayıılcn.p Alla 1* R.
ajamin Itinerar. 1. c. Vol. II. p. 141. J
264 Wehl-Aien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.32.
gehaltenen Männer wol GEybichtungen waren, um von den leicht⸗
gläubigen Pilgern Gelver einzuſtreichen, und da dies bei den chriſt⸗
lichen, zumal in Paläſtina Bekanntlich, wie bei ven mohame da⸗
niſchen Secten im Orient mit ven Grabflätten, Kirchen und Mo⸗
ſcheen fo ſehr allgemein ver Fall war, fo koͤnne es nicht in Ver⸗
wunberung feßen, demſelben Gebrauch und Wahn auch bei ven jũ⸗
diſchen Bemeinden in den Synagogen zu begegnen, Allerdings
zeigen fich hievon fehr viele Weifpiele, hoch Einen biffbehaib nicht
jedwedes höhere Alterthum verbächtigen ; es bleibt dennoch ſtets wün⸗
ſchenswerth, daß eimflchtige Beobachter und Reiſende foldye vermeint-
liche Monumente ſtets genau erforfchen, in Hinficht auf Sprache,
Benennung, SInfcription, Architecturſtyl, ſpecielle Localität, naͤchſte
Umgebung u. ſ. w., weil fie nicht felten zu Denkmalen, wenn aud
nicht derjenigen, deren Namen fie tragen, führen, doch zu foldden Ver⸗
Hältmiffen, die zu hiſtoriſchen Anhaltpuncten der Bergangen-
heit und Gegenwart führen, venen wir fchon gar manchen intereſ⸗
fanten Aufſchluß über Geographie, Voͤlker⸗ und Menſchengeſchichte
verdanken.
So führt R. Benjamin nun auch, nach 3 Parafangen (4
Stunde) Wegs von da, fern vom Ufer ded Euphrat, zum Grabe
des Propheten JI'che skel, 29) d. 1. Heſekiel oder Ezechiel,
deſſen geographiſche Lage, mag es ſein wirkliches Mauſoleum ſein
oder nicht, als eine ſehr erwünſchte Marke zum Orientiren in je
nem weiten Blachfelde und auch durch den aufmerffamen Nie-
buhr) genauer, 44 Stunde nörvlich von Mefchhen Alt, unter dem
bei den Orientalen gebräuchlichen Namen Kefil, beftimmt und auf
feiner Karte eingetragen If. Diefer Treffliche fand daſelbſt im Des
cember 1765 nur ein einfach gemauerted Grab, von einer arabiſchen
Familie gehütet, melche zugleich die Pilger, viele Hunderte von Ju⸗
den, bewirthete, welche dies Heiligthum jährlich Hemallfahrteten, auch
ein kleines ummauerted Gaftel zu ihrem Schutze gegen bie Lieber
fälle der plündernden Bebuinen aufgerichtet, von denen fie, wenn fie
einmal von venfelben umlagert worden, durch die türkifche Garniſon
in Helle leicht befreit werden fonnten, was denn ‚gewöhnlich wine
doppelte Prellerei für die Armen zu fein pflegte.
Im 12ten Jahrhundert muß unter dem Schuge der den Juden
‚geneigten Khalifen ber Ort bebeutender gewejen fein, wenn vor ber
| 2) R. | Benjamir Itin.“l. ec. bp. 107. 24) Niebuhr, Reiſe Th. II.
. . —W t oe. .
Euphratf.; hiſtor. Ruͤdbi.; n. X. Benfamin (1170). 265
Synagoge der Platz, wie R. Benjamin fagt, mit 60 Thüͤrmen be⸗
fegt war und zwiſchen je zweien ein Bethaus ſtand, hinter der groͤß⸗
tm Synagoge aber dad Grab des Propheten, über dem ſich ein ſchö⸗
se Dombau mit Kuppel erhob, vefien Erbauung man dem Könige
Jkhoniah von Jehuda (Jojachim, f. ob. ©. 256) ſelbſt zu.
ſchrieb, nebſt den 35,000 Juden, die mit ihm aus dem Gefängniß
Ismen. Deren aller Ramen follen auf ver Mauer angefchrieben ge⸗
weien fein; vet Koͤnigsname zuerfi und ber des Propheten zuletzt.
Die Bilger aus den fernften Ländern machten biefe Stelle zu ihrem
Betorte; zumal Ende September und Anfang October, zur Zeit des
Nenjahrs und der Gühnopfer waren hier große Feftverfammlungen,
zu denen fi) der Prinz der Gefangenſchaft und vie Vorſteher ver
Gellegien aus Bagdad einflellten. Die aufgefchlagenen Hütten la⸗
gen im offenen Blachfelve, in einem Umkreiſe von 8 Stunden Wegs,
und viele arabifche Kaufleute veriammelten fich dabei zur Abhal⸗
tung großer Märkte. Am Haupttage wurde aus einer großen Rolle
des Pentateuchd von ded Propheten eigner Handſchrift die Vorle⸗
fung gehalten. Eine ewig brennende Xampe, feitvem fie Ezechiel
ſelbſt angezündet, fagte man, brannte über feinem Grabe, und in dem
Ganetuar eines zur Seite ſtehenden Gebäudes warb eine zahlreiche
Sammlung von Schriftrollen aufbewahrt, deren viele fo alt, wie
ver zweite Tempel, und felbft einige gleichzeitig mit dem erfien
Tempel fein follten, da es ver Gebrauch geweien, daß. jeder, der
finberlod, feine Hinterlaffenen Schriftrollen biefem Sanctuar ver⸗
machte. Gine ſolche Sammlung würde freilich zu den merfwürbig-
fen gehören, wenn fie fih erhalten Hätte; zu Niebuhr's Zeit
ſcheint Niemand etwas von einer dort vorhandenen Sammlung ge=
mußt zu haben; doch fagt der größte Kenner ver mohamedaniſchen
Literatur des DOrientd: „ed verdiene noch heute das Grab
Tzechiels die Aufmerkſamkeit literariſcher Reifenver
bush eine ſchöͤne, von den Königen der Sefi daſelbſt
angelegte Bibliochek. 2) Die Eingebornen führten damals
alle aus der Fremde kommende Juden, zumal die aus Mebien und
Herfien in großer Zahl, wie noch heute, 2?) Tamen, zu jenem Grabe,
ihre Gebete zu halten. Auch vie vornehmen Mohamedaner kamen,
von Propheten zu ehren und ihr Gedet zu halten, zu dieſem Qrie,
den ſie Dar Pr licha (den Hieblichen Aufenthalt) nannten, zumal -
P v. — zrgtlall, bie aflat. Türkei. Rec. Wien. Jahrb. ‚1821.
27) (Rousseau) Description du Pdclialik
7 —— Paris 1800. 8. p- 77.
266 Weſt⸗ Aſien. TIL Abtheilung. I. Abfchnitt. 5.90;
auch die Araber; daher blieb, In den frühern Perioden-svenigfiend,
ſelbſt zu Kriegszeiten dieſes Grabmal ſtets in Ehren. Nur eine
halbe Stunde fern. werben noch andere Gräber und eine Moſchee
genannt, fo wie 3 Mil fern die Stadt. AI Kotſoneath 2) mis
300 Juden zu Einwohnern, und 3 Paraf. (44 Stunde) weiter, in
An Iophata, dad Grabmal des Propheten Nahum von El»
kos, das nicht blos Hier, ſondern auch im feinem Geburtöorte ge=
zeigt wird (ſiche Erbkunde Th. IX. Seite 742). Ungeachtet wir
diefe Loralitäten heut zu Tage nicht mehr nachweiſen Ennen, fo
bleibt Ihre Angabe doch Intereffant, weil wir daraus fehen, wie Rast
bevbltert ober doch befucht jene Gegend war, bie. jest ganz wüße
Uegt und Niemand ſcheint ernähren zu Eönnen. Denn nur eine Xas
gereife fern von ba lag ein perfifches Dorf (mol von Ehlten,
den Verehrern Alis und Huffeins, bewohnt, vie noch heute dieſelben
Gegenden vorzugsweiſe bepilgern, ſ. Grbf. VI. 298, 300 u. a. O.)
wo bie Sepulcra von brei Rabbis; eine Halbe Tagereiſe weiter ein
anderes, wo ebenfalls In. der Mitte ver Wüfte 3 vergleichen bewal-
fahrtet werden, und eine Tageseife fern von ihnen noch am einem
andern, nicht genannten Orte das Grabmal des Königs Zedekia
gezeigt wurde, ber fi wider feinen Verwandten Nebucadnezar em-
pörte und von ihm im neunten Jahre feiner Herrihaft geichlagen
und geftärzt warb. (2, Buch ver Könige 24,17; 25,1). In Kufa,
Das nur eine Tagereiſe fern vom biefem letzten Orte, nach Rabbi
Benjamins Berichte, von ihm beſucht warb, gibt er 70,000 Juben
ale Gimwohner an, und einen großen Bau mit einer Synagoge im
Vordergrunde, wo man das Grabmal des Königs der Gefangen-
ſchaft, Joj ach im, verehrte, der das Grab Ezechleld und Die Gtänte
Otbara am Tigris, Shafjataib am Cuphrat erbaut haben ſollte.
Rabbi Benjamin wandte fi von diefen Umgebungen des
alten Babylon weiter nordweſtwärts, den Cuphrat ſtromauf, um
noch die 3 Orte Sura, Naarda und Pombeditha, vie berühm⸗
teten babylonifchen Hauptſchulen, die Sitze der Geonim, 29) feiner
@laubensgenofien,, zu befuchen, deren Lage jedoch genauer nachgu=
weifen feine Schwierigkeit hat, weil eins Verſehung des Textes In
denjenigen ‚Stellen vorgegangen zu fein ſcheint, wo von ihnen bie
Rede iR, zumal mit Juba, welches Pumbeditha in Nehät dea
genannt wird, und. [yon an eines. frühen Stelle Im Text eingefcho-
20) R. Benjamin Itinerar. I. c. 110. ®*) Baapage Hist.
des äuifs 1706. II. p. 76. nr 9*
’
Eupbratf.; hiſtor. Ruͤckbl.; n. R. Benjamin (1170). 267
bes 30) geweſen zu ſein fcheint, obwol es als identiſch mit. dem
exft fpäter angeführten el Jubar ?1) betrachtet werden muß.
Bon Kufa lag die erſte Stadt, Sura, 14 Tagereiſen fern,
(offenbar im N.W., und nicht auf dem Oftufer, mie die fhon oben
genannte, aud) anders gefchriebene Soura, f. ob. S. 205), wol dies
felbe, weldhe auch Edriſi, zweimal Sura Sura 32) gefchrieben,
mehr oberhalb am Euphrat gelegen angibt, ohne Näheres von ihr
zu melden. Da fie indeß, nach Edrifi, nahe unter Anbar, we ber
Iſacanal vom Euphrat abzweigt, Tag, fo konnte die Entfernung
ver beiden, Soura und Sura Sura genannten, Städte nicht fehr
groß fein, und wir Fönnten wenigſtens von ihrer ungefähren Lage
fprechen, von ber ſich vielleicht der Name eines dicht am Weftufer
des Cuphrats hingeſtreckten Sees, Eſſuria genannt, nach Eolon.
Chesneys Stromaufnahme, herfchreibt, gegen welchen von Bagdad
aus bie jüngft vom Pafcha projeetirte neue Ganalgrabung zwiſchen
Zigris und Euphrat gerichtet war. Diefe Lage flimmt mit ber
Angabe, daß die jünifchen Sura und Pombeditha nur in ge
ringer Entfernung von Bagdad lagen, während andere Ortfchaften
und Diſtricte, die venfelben Namen Sura in alter und neuer Beit,
auch bis heute noch führen, viel entfernter firomaufwäris am Eu⸗
yhent gelegen find. Dieſes Sura, jagt R. Benjamin, 33) heiße
im Talmud Matha M'chasia, und fei früher die Refidenz des
Fürfen der Gefangenfchaft geweſen, wie des Vorſtandes ihrer Col⸗
leggen Die Gräber dreier im zehnten Jahrhundert fehr gefeierter
sabbinifcher Lehrer der Aca demie (Geonim) in Sura, bie acht
Zahrhunderte hindurch großen Ruhm unter den jünifchen Gelehrten
genoß, zeigte man daſelbſt, ver R. Sh’rira, Hal, Saabla, fo wie
vieler andern, die als Prinzen der Befangenichaft aus bem Haufe
David dort refidirten, bevor die Stadt zerflört ward.
Zwei Tagreiſen entfernt von va, befuchte R. Benjamin zu
Shafftathib eine Synagoge, welche vie Juden aus Grove und
Gtein erbaute, die fie aus Jeruſalem mitgebracht haben wollten
(eine Legende des Talmud), *) die fle deshalb „pie nach Nehar⸗
bea verpflanzte Synagoge” nannten. Der Name Shafla-
- l
#) R. Benjamin Itinerar. I. c. Vol. I. p. 92. u. Vol. Il. Not.
p. 138— 134 nad Zunz. °°) R. Benj. Itinerar. I. p.112.
#2) Kdrisi Geogr. b. Jaubert. Ik p. 188, 142. 22) R. Benj.
Ki . L pilll. U. p.1148.. 22) Zunz in Benj. Itinerar. Il.
p MS, Not. 281. 0 |
-
n aben, wie ein
ſolches auch j,
wird, deſſen B tung auch in
(ehe oben €, 6). Das Groß de
genannt, und mit |
| einem ſchönen Don
Segeln geſchmückt, rei
den flasf
tet, zumal von Baı
Reiſenden etwa Mir ©.
mu _ 1m
T
Eupbratf.; hiſtor. Ruͤdbl.; n. Marco Polo (1300). 269°
und feine Legenden mitiheilen, nennen ven Fluß, an dem es liege,
in bebräifcher Sprache Ahava, wodurch der Ort der Berfamm-
Lung ber Juden, welde in Begriff waren, unter Es ras Leitung
auß ver Sefangenfchaft nach Ierufalem zurüdzufehren (ſ. Era 8,
15, 21 und 31: Alſo brachen wir auf vom Waſſer Ahava ıc.),
feine Localifirung auf der Grenze von Sufiana und Babylonien
erhalten würde, wenn dieſes Datum ald zuverläflig gelten könnte.
Wirklich geht R. Benjamin Wanderung von bier nah Su⸗
fiana birüber, von wo unß. feine Berichte über Sufa und des
Propheten Danield Grab ſchon bekannt find (Erdk. IX. ©. 305
und fi.).
2) Darco Polo's Berichte (1300 n. Chr. Beh.) von den
Zigris- und Euphratfiädten und ihren Fabrikaten.
Marco Polo, ver edle DBenetlaner, berührt nur wenige Orte,
und gibt wol auch Nachrichten von ſolchen, die er nicht einmal bes
rũhrt hat, doch bleiben feine Angaben über jene von Europäern
faum beſuchten Gegenden, für jene Periode, Schluß des 13. Jahr⸗
hunderts, Immer dankenswerth. Er geht von Klein Armenien
und dem Öftlichen Asia minor, dad er Turkomanien nennt, weil es
damals die Türken erſt in Beflg genommen hatten, im 4. Kapitel
ſeines erften Buchs, nach Groß Armenien über, und von ba
über Moful nah Bagdad.
Armenia major,*!) fagt er, iſt eine große Provinz, an deren
Eingange (von NW. Her) die Stadt Arzingan liegt, wo in
einer Manufactur fehr fhöne Baummollenzeuge (Bucherame
nach Il Mill. oder bocassini di bombagio nach T. Ramuf.), *2)
fogenannte Boom baffins gearbeitet werben, vie beften, vie es gibt.
Auch viele andre Fabrikate find dafelbſt, die aufzuzählen zu um⸗
ſtändlich fein würde. Es Hat die fchönften warmen Bäder, bie
and Der Erde hervortreien. Die meiften Einwohner find Armenien,
We aber unter ber Oberherrſchaft der Tataren ſtehen. In dieſer
Provinz find viele Städte, aber Arzingan ift nie Hauptſtadt und
ver Gig des Erzbiſchofs. Die nächften Städte von Bereutung find
Argiron und Darziz.
*ı).2g, Polo Trav. ed. Marsden. Lond. 1818. 4. p. 47.
'% M. Millione di. M. Polo ed. Baldelli Boni Firenze.
197.4 T. I. p. II. und T. II. p. 2.
230 Weſt⸗Aſien. TIL. Abtheilung. J. Abſchnitt. $.32.
Arzingan, bie damalige Hauptſtadt Groß Armeniens, welche
zu gleicher Zeit als eine merkwürdige Fabrikſtadt ſich zeigt, Heißt noch
heute Erzingani ®) und Tiegt in wildromantiſcher Natur, In ſehr
fruchtbarer Umgebung, etwa 20 geogr. Mellen in S. W. von ber
heutigen Gapitale Armeniens, von Erzerum, entferht, abwärts am
Kara Su, oder dem großen Weft-Guphratarme, Eriza oder Erez)
bei Armeniern, Arzengan bei Perſern, bei Arabern, denen das
G fehlt, Arzendjan, war eine ſehr alte und berühmte Stadt, in
ben vorchriſtlichen Zeiten, durch viele heidniſche Tempel, die fie
im erften Jahrhundert durch König Tigranes II. erhalten hatte.
Später, Im vierten Jahrhundert, wurden aber eben bier dieſe
Tempel der Anahid dur St. Gregorius Illuminator ge
kürzt, und. vie Gegend durch diefen großen Mpoftel, deſſen Grab
auch bier bepilgert wird, die ckaffifche Mitte Armeniens, ver
Biſchofsſitz, der erft (päter von da in bad jüngere Erzerum
verlegt ward.
| Unter der Herrſchaft der Seldiuken und ber Mongolen in Per
flen, ber Nachfolger Holagu Khans, welche im Jahr 1242 vie
Stadt erobert hatten, zu deren Zeit Marco Polo fie ſah, war fie
fehr aufgeblüht und voll Induftrie und Handel. Von den warmen
Bädern daſelbſt If und von keinem neuern Beobachter Bericht ges
geben, und wir vermuthen faft, daß fle M. Polo mit venen zu
Elija nahe Erzerum verwechfelt Bat; dieſe Stadt iſt wiederholt
hurch Erdbeben fehr zerftört worden. Der englifche Conſul I. Brant,
der Erzingan im’ Jahre 1835 befucht hat, gibt ihr 3000 84
und meift türliſche Bewohner, darunter aber 800 armeniſche da⸗
milien.
Die zweite Stabt von Bedeutung, die M. Poto Argiron
nennt, iſt der verderbte Name der heutigen Arzerum, Erzerum,
richtiger nach Araber Benennung Arzen er rum, d. i. die Stadt
Arzen der Römer, weil fle vie legte ven Bozantinern dort zus
gehörige Stadt Armenien? war, im Gegenfag einer andern benach⸗
barten Stadt Arzen (Urbzen over Aorde ſ. Georg. Cedreni hist.
Compend. ed. J. Bekker. T. II. 1839, 8. p. 577,7), weiter dðſtlich,
die ein reiche® Emporlum ber She -Armenler war, melde aber
s+3) Jam. Brant Journ. thr. Armenia in 1835; im Jonrn. of. the
‚Geogr, —*8 L. 1836. Vol. VI. p. 202. Eug. Bor& Mémoires.
"Parig. 8. T. I. p. 383. . **) St. Martin Mem. hist, et
geogr. s. l’Armenie. T. Er p. 70.
® - x
!
Euphratſ.; hiſtor. Ruͤkbl.; n. Marco Polo(1300.) 271
ſchon im Jahr 1049 n. Chr. &. von den Seldjukiden zerflört ward
und in Ruinen liegen blieb. Ihre Bewohner fievelten fih nun
nach der roͤmiſchen Stadt Arzen über, die bi8 dahin nur ein
Kriegsplatz geweſen war, ſeitdem aber durch Bevölferung und Reid
chum ſich erſt bob. Ihr ältefter, einheimifcher Name. Barin, in
verfelben Provinz, die auch bei den Armenien Garin hieß,
wurde erft Anfang des 5. Jahrhundert? durch den Bau einer Fe⸗
fung an ihrer Stelle verbrängt, weldde die Hauptfeflung Armes
miens wurbe, und den. Namen Theodoſiopolis %) erhielt. Sie
wurde nämlich von Anatolius, einem Generale des Theobofius
des Jungern, im Jahre 415 n. Chr. Geb. erbaut, und von ihm
feinem Kaiſer zu Ehren mit. diefem Namen belegt, ven fie als
chriſtlich⸗ byzantinijche Stat auch vice Jahrhunderte hindurch bes
hielt, bis derſelbe im 11. Jahrhundert durch die arabiſche Benen- -
nung verdrängt warb, deſſen Verſtümmelumg M, Polo Hei den
Berfern vorfand, ver auch bis Heute, in Erzerum, der allgemein
gebräuchliche geblieben ift, Im der Nähe. biefer Theopofiopolis,
wie durch Anaflafius ihre ſtarke Ummauerung erhielt (Pracop. beil.
Pers. 1. 10. pag. 50. ed. Dind. I. 1833), am. Fuß ber boy
ügen Berge, lagen. warme Quellen, über welche Anatolius
Thermen erbaute. Es find unfreitig diefelben, welche noch heute
zu Itijeg46) als Bänder dienen; +8 .find 2 Quellm von 100° Fahrenh.
Temperatur, bie ſtark befucht werden, obwol die Babranftalten aus
Hohen Erphütten beſtehen. Bon ihnen aus erblidt man aber ſchon
ganz nahe gegen DR bie weißen Minaretd der großen mobernen
Stadt Erzerum. Andre Halten das noch weiter öſtlich gelegene
Saſſan kalaa, am nörvlihfien Zufluß des Axaxes, für bie alte
Thechoſiopolis, weil daſelbſt au warme Bader liegen. *7)
Die unter dem verflümmelten Namen Darziz aufgeführte Stadt
iR Beine andre als die alte Arſiſſa, die heutige Ardjiſh, deren
Lage am Van⸗See und ſchon aus frühern Unterfuchungen befannt
M (ErrE.IX. ©.785, 923, 988, 994), desen genaume Beſchreibung
wir aber erſt im Jahr 1838 dvurch I. Brantsd +8) Beſuch daſelbfi
erhalten Haben.
v
4) 5.'St Martin Mm. ». ’Arm. 1. 9.67. **) Rev.Hor.Sotth-
DR 2 our ihr, Armenlü eis. Lo Lond.1840. 8. VoL I.
Höary Ser Note on a journey from Erz Rum to
sind eis. 888. Jourd. of R. G. 8. of London 1841. Vol.
x. P. IM. p. rag “),, Hammer, aflat. Türkei. Rec. in Wiener
hr. cal. Br. XIV. 6. 35. **) Brant Notes I. c. p.402.
272 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 32.
Marco Bolo fährt in feiner Nachticht von Groß Arme- "
nien fort, daß es eine fehr weitläufige Landſchaft ſei, pie in ber
Sommerzeit zur Station eined Theils der MReiterſchaaten bir großen
Armee ver dſtlichen Tataren diene, wegen feines trefflichen Weide⸗
laudes, da aber im Winter zu viel Schnee falle, um noch Butter zu
finden, fo müflen diefe dann gegen den Süden wandern. Nabe
einem Gaftell, anf vem Wege von Tauris nach Trebifond, welches
Paipurt Heißt, If eime reiche Silbergrube. Dies tft das alte,
fon vom Kaiſer Juſtinian auf einem impofanten hohen Felſen er-
bante Eaftell Baeberbon (Bueßepdo», b. Procop. de aedif. III.
4. ed. Dind. 1838. Val. Ill. p. 253), da6 Paipert ober Ba-
pert ber älteften Armenter; 49) bei Arabern und Zürfen Baiburth
oder Baibuth genannt, im NW. von Erzerum, am Dijoroth-
> ober Tfhurut- Fluß, ber feinen Lauf von biefem Orte gegen
RD. über Ispera (Hispiratis) zum ſchwaren Meere nimmt, wäh-
rend jenfeit der benachbarten Bebirgäfette, in NW. der Giabt,
der Fluß von Guͤmiſhkhane entfpringt, ver ebenfalls in nord⸗
weſtlicher Richtung zum ſchwarzen Meere ftärzt. Dicht bei ver
Stadt Batburt iſt keine Silbergrabe bekannt; wel aber liegen mm
in geringer Entfernung von ver Stadt, an dem Wege nach Erzerum,
Kupfergruben, Ehalvar, bie aber nicht gemeint fein können.
Die ganze Umgebung ſcheint reih an Metallavern zw fen. Auch
Silbergruben find Hier, nur Hegen fle etwas entfernt von ber
Stadt; die einen in RO. im Thale des Afhoruß, gegen Isperaihin,
das 18 Stunden Wegs entfernt liegt, etwa auf halbem Wege ba-
bin, 50) im der Nähe des armeniſchen Klofters Sip Ovanes, bie
jedoch Heut zu Tage nicht mehr bebaut werden, und wenig befannt
find. Die andern liegen auf ber migegengefehten Seite, im R.B.
von Batburt, im Thale des Fluffed Gumiskhana, 14 Stun-
den fern, und haben dem Fluſſe felbft ven Namen gegeben, denn wie
Bergwerkoſtadt, welche auf ben Granitrüden des Gumish Dagh
(Stinerberge) aufgebaut ift, Heißt Bumishfhana, das heißt
„Stlßerbaus.” 51) Offenbar find. es dieſe, welche ver Benetianer
.
s4®) 5.,8t. Martin Mem. ». l’Arm. I. p. 20. ®®) W. Hamilton
Asia minor. 1842. 8. Vol. I. p. 226: **) Gbenbaf. &. 169 und
D Ban ven 1. Brant Journey 1835 im Journ. of:the G. Soc. of
L VL 1838. p. 221; Ber. Hor. Southgate
[2 of 2 tour through Armenia, Kurdistan etc. Lond. X Vol l.
Bu;
a
. -
Cuphratſ.; hiſtor. Nucblich n. Marco Polo (1300). 273
meinte, denn fle find ſeit Langen Jahren bearbeitet, fie gelten, trot
ihrer Tchlechten Bearbeitung, noch Immer für die veichften Haupt⸗
gruben, ja für die hohe Schule des Grubenbanes und Huͤttenweſens
für ganz Kleinaflen und das türkiſche Rec. Die. erfle genauere
— verdanken wir W. Hamilton; er hoͤrte
ganz ummifienden Besgwerkäpirector freilich nichts
über die enger chichte, ober ein fo hohes Alter dieſes Grubenbaues.
In der Mitte dieſes Armeniens, hörte M. Bolo, ſtehe ein
febe breiter und hoher Berg, auf welchem: nie Arche None ſihe, und
dethalb —* er den Namen „des Berges der Arche“ Gil
moste dell’ arca di Noe, n. Tefl. pi Ramuflo; im II ML. fehlt
der Name) erhalten. Dies iſt nicht der forifche (Jebel Judi, f.
Erdt᷑ IX. ©. 721), fondern der armeniſche Ararat, ver Mafls 52)
der einheimifchen Armenier, den viefe, als fie mit ver heiligen
Schrift bekannt wurben, für den Ararat der mofatfchen Urkunde
anfaben, ber bei Ihnen auch ven Namen Agherh⸗ ober Dagher-
dagh erhielt (f. 0b. &. 7% Daß dieſes rihtiger Arghi dagh
oder Arghitagh, wie im Dikibannuma bei den. Türken, heißen
mäfle, bat v. Sammer®>) bemerkt, da dieſer Name: felbft auf den Na⸗
men der Arca in. ver Geptunginta, und auf bie danach benannte
Arche ver beutfchen. Bibel hinweiſet; was durch M. Polo's An⸗
gabe eine intereſſante Betätigung abäl. . .
Den Buß: viefed Berges zu umgehen , bemerkt der edle Bene
Gamer, brauche man ‚nicht weniger als zwei Tage, °*) ihn zu be=
Reigen ſei unthunlich wegen des Schnees auf feinen Gipfeln, ber
nie füpmelze, aber immer durch neuen Schneefall fich mehre. Die
abfiinnelzenden: Schneewaſſer ‚befruchten aber, fagt er, vie umher⸗
Begenben Ebenen fo fehr, daß biefe den zahlreichften Heerden ein
fett üppigen Weiveland varbieten. Diefed Armenien grenze gegen
EB. an. die Difiricte von Moful und Mein. Die Provinz
Mofni, 55) fährt derſelbe im 6. Kapitel feiner Erzählung fort, ſei
dns Berorinz von fehr verfchlennen Völkerſchaften bewohnt; vie
duen Araber, welche Mohamed verehrten, die andern Ghriften,
«her keine ver katholiſchen Kixche,: von ber fle in vielen Gtüden abe
weder, wie ih Neftorianer, Jakobiten, over Armenier nen«
Hi
en a ar ana a TEE
v.· ut n. Kec. Diener rbücher
*8 — *8 M. olo b. Marsden. 1. c. p. 48.
—*8* — u . S
3
TA. Weit A ten, FI. Abtheilung. L Abſchnitt. 5:32.
nen. Sie Geben. einen Patriarchem, ven fle Sarolit (ober Ja⸗
kolich d: i Katholikosz nach heute: der gebräuchliche: Tirel, ſ. Trok.
. IX ©. 677) namen, der ihre Erzbiſchoͤfe, Biſchafe und Aebte con⸗
farrire unb in alle Theile Indiens ſende, fo wie nach Bagdad und
:&afro. und wo ur Chelſten wohnen, eben fo wie ber Pabſt Ser
rodmiiſchen Kirche. Wir haben ſchen früher das Fortbeſtehen dieſer
verſchledenen Secten im noͤrdlichen Kurdeſtan und am Zab und
Tigrio (f. Ertl. IX. S. 656, 732 u. ff.) kennen lernen, wie dies
ſchon im 13. Jahrhundert und weit frühes der. Fall war, und auch
hbis Heute *) noch An. Moſul sen zerfpaltuen Zuſtand ber chriſt⸗
lichen Kirche characteriſttt, ver dem Venetianer zu feiner. Zeit: ſchon
ſehr aufgefgllen zu. fein ſcheint. ME Dupro (1809) Mojul :be⸗
fuchte, 97) rechnete man auf ſeine SO,000 Cinwohnet 25000 Fyrifch-
katholiſche Chriſten, 2600 Jakobiten, 5000 Reflorianer,
750. Juden; die übrigen Bewohner waren Türken, Kurden,
Araber, Armenier lebten Bier nicht, die doch im den meiſten
Städten: jener Landſchaften einzeln angefiebelt find.
Zu .M. Polo's Zeit war Moful als großes Enporium noch
im: Orient beruͤhmt; alle jene Zeuge, fagt der Venetianer, 58) von
Gelb und Seide, welche man Muffeline nınnt'(Mosselini), wer⸗
den in Moſul gearbeitet, und alle jſene großen Kaufleute, wie fi6
ebenfalls Moffulini nemen, und alle Spererrien im Großen
auf die Märkte bringen, find aus derſelbigen Moſul Benvinz
(Diyar Mäufil, die Provinz Moſul der Araber). Die iger
Benenuung ver: Kaufleute, ‚weldhe- wie Bäfen der Lesunte- In Immer
Zeit für Venetianer, Genueien, Plfaner u. ſ. w. mit don Bram
des Orients verforgten, waren allerdingg Moblemen, Musli⸗
man, Mufelmänner; daß flo aber alle aus Mofub waren, If
kaum glaublich, und hierin wahrſcheinlich eine Verwechſlung in der
Benennung derſelben bei M. Polo vorgegangen. Die Fabrklate
and feiner, durchſichtiger, weißer Buumwolle, wie die heutigen avch
in Indien gefertigten Zeuge dieſes Ramens, und wie die Bombaffins,
wie in ver Fabrik zu Arzingan gemacht wurden, ‚haben in bei ſol⸗
genden Jahrhunderten ben Namen der Muffeline erhalten, aicht
aber jene ſeidnen, mit Gold durchwirkten Brocuite, die Ahnen Ramen
V— eſ 25-11 6. 350 f; 1,.Cl. Rich Native.
#7) Dupté Voy. en Peme. Paris 1819. 8.
on 1 ss) M. Polo 5: Marsden. 1. & p. re 130.
Enphratf.; hiſtor. Ruͤtbl.; n. Marto Pole (1300). 275
als Prunkſtoffe Balvachini, 99) von Baldak, di. Baggvad, et⸗
hielten, und vielleitht auch in Moſul zu jener Zeit gearbeitet;: vie
Berahlaffung zu jener irrigen Auslegung des Namend ver Muffe
Iine gegeben haben. Es müßte denn fehr, daß auch dieſer Name ven
Golöhrocaten, als Moſul⸗Wa are beigelegt ward. In der Nach⸗
barſchaft diefer Provinz, führt M. Polo fort, find die Orte Mine
(Mufh, f. oben am oben Murad, S. 99) und Maredin, bad
befannte Marbin, wo Baumwolle (bombagio) In Menge ges
haut wird, und woraus fie fehr viele Zeuge, Bocraffint (ein Name,
ver nicht in allgemeinen Gebrauch gekommen zu fehr ſcheint) ges
nannt, verfertigen. Auch diefe Leute, Untertanen des Tataren
Ahans in Berfien, find große Babrikarbeiter und Handelsleute. So
Hei ſehen wir mol, daß damals mehr Induſtrie und Verkehr ver
Ginheinifchen in dieſen Provinzen des Orients flatt fand, als Heut
zu Sage, wo ber Handel faft nur durch das Ausland angeregt
wird, amd felbft Moful Leine) eignen Fabriken mehr von Muſ⸗
felinen oder andern Zeugen. aufzuweiſen Bat; nur noch etwas Fürs
berei ung Druderei für vie aus Basra eingeführten Zeuge. Aber
das heutige Moſulei) nimmt auch nur etwa ein Drittheil der Große
ver ehemaligen Stadt ein, die überall mit Trümmern umgeben iſt.
In Muſſh ift aber gegenwärtig wer Manufactur noch Handel
von Bebeutung, und obwol viel trefflicher einbau daſelbſt betrie-
ben wird, fo ſcheint doch Leine 2) Spur mehr von Baumwollen⸗
cultur Dort vorhanden zu fein. Don Mardin aber ruͤhmt noch
Niehuhr (1766) 62) die dafigen guten Fabriken von Leinwand
und Baumwollenzeugen, und G. A. Olivier, der treffliche
Raturforfiher, der 5 Sage in Mardin verweilte, beftätigt auch Wie
gute Baumwollen⸗Cultur %) auf dem fehr fruchtbaren Geblett
ver Stadt Marvin; fo wie die Fabrikation guter und Yieler Baum⸗
wellenzeuge in der Stabt und den umliegendeh “Dörfern, welche ven‘
Narkt von Aleppo damit verſehen. Doch tft Ihe Hanbel gering.
Auch vanue fon; zu M. Polos Zeit, wie heute, wit die Ge⸗
gend um — ferien bedrohi durch die wilden Stänmt
ak 6 tape’ 6 f zu oder bie argitectanifcen Denlmale ıe. von
3* Berlin 188 6.241. *°) Dupré Voy. L c. I. p- 121. '
NW. Heude’ vor; 8 overland from india ‘to Hngland.
2 1819. p. 218. * J. Brant Notes 1838. in Journ. of.
5. FR, of Lond.. Ypl. X. p. II. p. 446. se, Niebuhr Reife. 18.
5. —* vier Voy.. dane ve ire Ottoman. Pati⸗
1604. 4. T.
| 2
&
276 MefbNfen, II]. dMbthellung. J. Abſchnitt. $. 32.
der Kurden (Curdi) aus ben nahen Kurpiftan-Bergen, da fje als
Raubhorden die Handeldtarawanen überfisien; ſchon zu feiner Belt
wagen fle zum Theil Chriſten, NReorianer, Iakobiten und
zum Theil, fagt ex, Saracenen, welche Mohameb anbeten, böfe
Menſchen von einer ſchlechten Raffe (uomini cattivi e di mala
sorte, 6. Ramuflo ©). ;,;
: Im 7. Kapitel ‚gibt DM: Bolg feine Rachichten von Bas ·
dad, das er ſtetq, wie alle feine Zandalewte jener Zeit, Baldacco
or Baldag®) nennt, wäßsenn Andere es auch mit dem Titel Ba«
bellonta ‚belegten. Es iſt, fagt er, eine große Stadt, vordem bie
Wefldenz ver Khalifen oder des. Bontifer aller Saracmen. Ein. gro-
her Strom (ver Zigris), vurchſchneidet die Mitte verfelben „. ‚und auf
Aha. trandportisen. Die Kaufleute ihre Waaren von und nah In=
sen; wegen der Windungen diefe Stromes - brauchen, bie Sciffe
zur, Blußfahrt 17 Tage. Diefe Indienfahrer, wenn fie den Strom
verlaſſen Haben, legen erſt zu Kifi (vie Infel Keifch ober Käs,
f. Erdt. VI. ©. 776; damals, nach Sirafs Fall, das blühendſte
Gmmporlum) an, um dann von da in Ger zu fiehen. Ehe fir aber
dieſen Ankerplag und, diefe Seeſtation erreichen, paſſiren ff} erſt bei
Balfara (dt Baffpra,, ober Balfora der verweichlichten, oe
ſprache), die von ven Palmenwaͤldern umgeben if, mie ‚die be
Datteln der Welt tragcra.
In der Stabt Baldach iſt eine Manufactur von, Seihen-
zeugen mit. Gold; (dene Baldadine), aber auch Da maſte
Damasst bei Ramuflo, wol ebenfalls nach der Stadt Damasf
Benannt) werden ba. geatheitet and auch Relluti mit Figuren
yon- Vögeln und Fhieren (drappi a © a ucell, In Zefl,
A :Miflignes 97) Sei, Rauuflo, Vellati d. L, Velvets), gemäß
Sammes, ‚Hier aber; unftreitig jene fhöngn fanmtartigen Seppiche,
durch walche ‚die Arbeiter Shiitſcher Perſer von ‚jeher berühmt waren,
* bie von ben, Saſſanidquzeiten an.folche Stickereien ‚gewöhnt F eben
& 173), weniger ſtreng als die Sunniten nicht jeden *
Vilder aus ihrem haͤusüichen Leben verbannten
Ale Perlen, ſagt M. Polo, die aus Indien nach Üuropa
tommen, find zu Baldach angebohrt worden; hier war der Groß-
Handel mit Petlenſchmuck Der Schap des Kpalifen war a Polo,
Silber und Zuwelen der größte sa der Welt. Das ohamebas
Na ea. Baldelli Boni kr ,
p- 688. *') a Ye L
R ) 3: Polo 5..Marnden, Le
4...
Euphratſ.; hiſtor. Ruͤcbl.; n. Ebn Batuta (1346). 277
aiſche Geſetz wird Hier, ſagt derſelbe, regelmäßig flubirt, venn Bag⸗
dad Hatte zur Khalifenzeit feine zahlreichen Medreſſes (hohe Schulen
und Academien); aber auch die Wilienfchaften ver Magie, ver
BHHfit, Aftronomie (d. i. Aftrologie), Geomantik (vielleicht
Geometrie?) und Phyſiognomie (vielleicht Philoſophie). Ce if
Bagdad die nobelfte und größte Stadt, vie in dieſem Theile der
Welt gefunden wird. Aber ver Iehte Khalif (Moftafem Billah), ver
legte ver Abbaſſiden, fand ein: jammervolles Ende (1258), du er
ſchwach, unthätig, außfchweifend war, von feinem Minifler an ven
— VFeind verrathen und von biejent umgebracht wurde. —
So ſchlleßt M. Polo feine Nachrichten von ? Bagvat, das er vielleicht
nur von Hörenfagen fannte.
3) Ebn Batuta's Wanderung zu den den Moslemen ge=
weihten Orten dur das Euphratgebiet. (1346 n. Ehr. Geh.)
Eben Batuta, ver gelehrte Araber aus Tanger in Maurita-
nien, der glaubwürdige und erfahrne muhamebanifche Reiſende,
noch vor- der Mitte des 14. Jahrhunderts, ift in feinen Berichten
über die fernften Länder in Inner= Afrika, in Indien und China
volftändiger als in denen über Vorderafien; 08) doch iſt es auch
hier nicht ohne Intereſſe durch ihn, wenn auch meiſt ohne allen
innern localen Zuſammenhang, mit den Augen eines ſtrengen Sunni⸗
tiſchen Moslemen einen kurzen Blick auf dieſelben Landſchaften zu
werfen, die dadurch von einer neuen dritten Seite wieder eine ganz
andre Anficht für diefelbe Periode gewähren, und zugleich in bie
verwandtere Gegenwart herübergeleiten.
Ehn Batuta gelangt von Damaskus über Medina und
Mekka, mit Pilgerkarawanen durch das arabifche Nedjed ziehend
in die ckuphramah⸗ zurück, und betritt den Boden von Irat
Arabi zuerſt bei EI Kadiſia (Kadefia ſ. ob. ©. 172), dem be⸗
rühmten Schlachtfelde, auf welchem, wie er bemerkt, ver Feuer⸗
Gultus vernichtet warn, 9) und ſeitdem die Verbreitung der
Lehre Mohameds vorwärts ſchritt.
Die einſt große Stadt dieſes Namens war zu Ebn Batu⸗
a's Zeit zu einem kleinen Dorfe herabgeſunken. Von da beſuchie
o) L. Kosegarten de Mohammede Rbn Batuta, Comment. :acad.
Jenae 1818. 4. p. 9. **) The Travels of Jbn: Batuta, transl.
from the Arab by Sam. Lee. Lond. 1829. 4. p: 31. -
778 Weſt⸗Aſien. III Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 32.
"er die Stadt Meſchhed ATi (bei Kufa), einen gut beudlferten, -
hübſchen Ort, deſſen Bewohner aber alle zu ber Rafiza Serte,
d. i. zu den Shlten gehören. Es find meift reihe und braue
Kaufleute, ein Urtheil, pas, von einem Doctor ver Sunniten ges
fat, fchon ein gutes Vorurtheil von deſſen billiger Denkungsart
gibt. Auch Hält er es werth, zur Beichreibung des gemweihten Ortes
dep ihm feinvlich gefinnten Serte noch einige Worte hinzuzufügen.
Den dortigen Garten, fagt er, umziehen mit Gyps übertündhte
Mauern, mit Malereien bedeckt, und innerhalb verfelben find Tepe
piche ausgebreitet, Ruhelager und Lampen von Gold und Silber.
Innerhalb. der Stadt iſt ein großer Schatz, ven der Tribun ver⸗
wahrt, denn ein Gouverneur iſt nicht. hier. Derfelbe beſteht aus
den Gaben und angelobten Opfern fo vieler Kranken und Schwa⸗
chen, die Hieher wallfahrten; denn biefer Garten iſt berühmt. durch
feine Mirakel; deshalb eben ver Glaube, daß dort Alis Grab ſei
(nach Abulfedas Angabe war unter den Ommaijaden die Stelle
ſeines Begräbniſſes unbekannt geblieben, ſ. ob. S. 184). Zu die⸗
fen Mirakeln gehört die fogenannte „Nacht der Wiedergeburt,”
denn am 47. Tage bed Monats Rejeb Eommen bie Krüppel 7%
aus allen Ländern von Zar, Rum, Khorafan, Irak und andern
Drten hier zufammen, und bilden Gruppen von je 20 over 30, bie
dann bald nad Sonnenuntergang über das Grab gelegt werben,
indeß fie und Andere, Gebete und Stellen des Koran recitirend und
mit Profternationen befchäftigt, vie Heilung und das Aufftchen er
harren, und um Mitternacht dann alle gefund von dannen gehen.
Dies ift ihnen eine bekannte Sache, vie mir auch von glaubhaften
Männern erzählt wurbe; doch Bin ich, fagt Ebn Batuta aufrichtig,
nicht felbfE Augenzeuge davon geweſen. Doch ſah ich mehrere ver
Patienten, die noch nicht geheilt waren, aber doch ihre ganze Hoffe
nung auf dieſe Kur in ver Nacht der Wiedergeburt ftellten.
Bon bier zog Ich, fagt derfelbe, nah Basra mit den Bada⸗
win (Bebuinen) = Arabern: denn eine andere Art fortzufommen gibt
ed bier nicht über Khafaja (? uns unbekannt). Wir kamen zu-
nächſt nah Khamwarnaf, 74) ver alten Refidenz von El Noo man
Ihn Mondhar, deren Vorfahren Könige des Tribus der Bent Ma
*'0) Ebn Batuta 1. c. p. 83. 72) @benbaf.; vergl. A. Schultens
Historia imperii vetustissimi' Joctanidarum in Arabia felice p.
120; . Monumenta vetustiora Arabiae p. Al, 30, 47. Ed,
Pocock, Specimen bistoriae Arabum; Greg. Abu Faragii ed.
White. Oxon. 1806. 4. Notae p. 69.
Euphrarf. > hiftor. Ridbl,; n. Ebn Batuta (1346). 279
el SLama (dv. 4. Söhne von himmliſcher Aubſaat) mare
Rd find NRainen dieſes Pallaſtes zu ſehen in aines großen
Ebene au einem Fluſſe, ner vom Cuphrat abzweigt —
Bk haben ſchon oben dieſes Pollaſtes der A Mundari, ver Könige
im Hira, erwähnt (ſ. oben ©. 62), deſſen Meberrefte alſo damals
nt auf wer Wege von Meſchhey All nach Basra, alſo zunächſt
ſineſtwärts von Kufa, gezeigt wurden. Schr wahrſcheinlich wür⸗
u fie denn. auch wol. noch heut zu Tage aufzufiuden fein, wenn
Reiſende fichh danach umfehen wollten. Bon da (ob über Basra,
wir nicht genauer beflimmt) wurde Waflt beſucht, der große Lande
kit, umgeben mit Gärten und Pflanzungen, befien Einwohner,
u Eon Batuta's Urtheil, vie beſten in Irak fein ſollen. Ic
ging von Da sus, fagt er, das Grabmal el Walt el Aarif, un-
ſets Herrn Ahmed von. Mephag, zu bepilgen, daß nur eine
Ingereiie fern von Waflt im Dorfe Om Obaida liegt (dieſer Ort
it und unbelannt), Ih fand daſelbſt den Enkel dieſes Scheithe,
af deu die Würde des Scheikh übergegangen war, und ber aus
gleicher Abficht, mie ich, ſchon vor mir daſelbſt angelangt war. Er
war au Scheilh Ahmed genannt und genoß alles Anfche,
wie ſein Großvater wor ihm. Am Nashmittage, nach Verlefung des
Keran, brachten die der Klaufe zugehörigen Religioſen eine große
Wenge Holz zuſammen, das fie in Brand fegten. Dann fehritten
Be in deſſen Diitte hinein, vie Einen nahmen daſelbſt Speife zu fich,
Andere wälzten ſich darauf umher und noch Andere flampften dar⸗
auf herum, bis ſle e8 ausgeldfcht hatten. Das iſt die el Rephaa
genannte Sette und ver ihnen eigenthümliche Cultus. Einige von
ihnen nehmen auch große Schlangen zwiſchen die Zähne und beißen
ihnen den Kopf ab. In Indien begegnete ich, ſagt Ebn Batuta,
Cinigen von der Hydaria⸗Secte, die auch unter Geſang und Tanz
In der Miite der Seuerflammen zu Herren des Feuers werben, wor⸗
über er fich nicht wenig verwundern mußte,
Diefe Sauklerei ner Feuerbeſchwoͤrung dieſer für Heilig gehal-
mm Secte mag damals in jenen Gegenden der Waſet⸗Landſchaft
berühmt genug geweſen fein; fie iſt nur eine der zahlloſen, welche
ie jenen Gegenden fortwaͤhrend die Phantafie des Orientalen zu ih⸗
wu eigenen Vortheile in groͤßter Spannung zu erhalten willen.
Graf. Lee, ver Ueberſetzer deß Ebn Batuta, führt über die Perſon
ve Stifters dieſer Secte aus der Schrift Nafahat El In, von
3a mi, noch folgende Notiz hinzu: dieſer ‚Heilige und Bekenner des
| laubent hand In hoher Verebrung, ba Allah
280 WeiAfen. III. Abtheilung. I. Abſchuitt. $. 32.
durch Ihn viele Mirakel getban, und viele Große durch ihn bekehrt
waren. Bon feinen Schälern find einige gut, andere fchlecht; einige
gehen In die Flammen, andere fpielen mit Schlangen. Deun dieſes
lehrte fie ihr Haupt, ver Scheikh. Allah beſchütze uns vor dem Sa⸗
tan. Er war einer der Sdhne bes: großen Imam Muſa Kazim,
der in Om Obalda wohnte; er flarb im I. 1182 (578 d. Heg.).
. Bon da ging Ebn Batuta nah Basra, dem palmenreichen,
defien Einwohner ſehr freundlich gegen Fremde waren, fo daß fich
kein Reiſender, wie er fagt, bei ihnen zu fürchten brauchte. «Gier
ift die Mofchee von Alt; darin jenen Sreitag Gebet, worauf fie wies
der bis zum nächſten Sreitag gefchloffen wird. Diefe lag vordem
In der Mitte der Stadt; gegenwärtig aber lag diefelbe 2 Miles
von der damaligen Bevölkerung entfernt (ſ. 06.S. 176). Der Koran
in dieſer Mofchee, verfichert Ebn Batuia, ſei berfelbe, ven Oth⸗
man zum Gebrauche ner Einwohner geſchickt hatte, in dem er aud
las, als er ermorbet warb; noch ſehe man die Streifen feines Blu⸗
tes auf den Schriftzügen. — Diefer Iegtere Zufag der Legende wird
ſehr unwahrſcheinlich nach Abulfeda's Bericht, der in feinen Annalen
fagt, daß dieſer Khalif, der beitte, nach zwoͤlfjähriger Herrichaft im
Jahre 655 n. Chr. Geb. (35 d. Geg.) zu Medina 72) in feinem
Haufe von den Empdrern erftochen ward, als es im Faſten und Le⸗
fen des Koran begriffen war. Daſſelbe Sremplar wird er alfo wei
nicht ſelbſt nach Basra geſchickt Haben; aber bekannt iſt ed, daß er
die genaueften Gopien ver Texte des Achten Koran 73) unter Inſpec⸗
tion von Beamten fertigen und alle anderen vielfältig Interpolirten
Texte defielden ven Flammen preißgeben lief. Gin ſolches vidimir⸗
te8 Manufcript aus ver Hand Othmans wird alfo, vermuthen wir,
wol jener Koran zu Basra gewefen fein, dem vie Legende einen noch
höheren Werth beilegte.
Bon bier ging Ebn Batuta am Born eines Sambuk
(Senbufi ver Türken), d. I. eines ſchmalen Bootes, und ſchifſte ſich nach
el Obolla ein; einft, fagt er, eine große Stadt, jegt ein Dorf (f.
ob. ©. 52), mit Gärten, 10 Miles von Basra. Don da fegelte er
durch einen Arm des Golfs und Ianvete am nächſten Morgen zu
Abbadan, einem Dorfe, dad in Anem Salzſumpfe lag (f. oben
©. 53). Sein Plan war geweien, von hier nach Bagbab zu rei⸗
fen, aber der Rath eined erfahrenen Mannes vermochte ihn Dazu,
erſt Suflana zu bereifen, worauf ex dann über die Perſerſtadt Ha⸗
#73) Abulfed. Annal. Mosl. ed. Reiske p.82. 70) chend. p. 78.
Euphratſ.; hiſtor. Ruͤcbl.; n. Ebn Batuta (1346). 28T.
weizga (d. I. Ahwaz, f. Erf. X. ©. 220 _2%0) nach Kufa:
zurückkehrte.
Kufa70) nennt er die Mutter der Staͤdte in Irak, die er aber
in Verfall antraf. Doch ſah er die Mofchee mit dem Oratorium,
an em Ali dur Ibn Maljim (f. Abalf. Ann. Mosl. ed. Reiske
p M erdolcht ward. Bon bier ging er nach Hillah, am Ufer
des Cuphrates, defien Einwohner insgefammt Anhänger ver XII.
Imams, d. i. Aliden, waren. Hier, fagt Ebn Batuta, haben fie
eine Moſchee, über deren Thüreingang ein großer ſeidener ‚Schleier
haͤngt; man nennt fie die Moſchee des letzten Imam, der vafelbft
zur verfhwand und verborgen blieb, aber fortleben und
zu feiner Zeit wieder hervorgehen foll ala Imam Mehdi, v. i.
—* Führer,“ der lange ſchon erſehnt iſt. Es iſt der Gebrauch,
daß täglich an hundert Gewaffnete zu dieſer Pforte ver Moſchee
herankommen, mit einem Roß in Sattel und Zaum, begleitet von
velm Volk mit Trompeten und Itommeln, und ihm zurufen:
„Komm hervor, Herr der Jahre, denn Tyrannei und
„Boßheit Hat überhand genommen; es ifl an der Beit,
„vaß du Hervorgeheft und Allah durch dich die Wahr-
heit von der Falſchheit ſcheilde!“ So marten fie bis in bie
Rachtzeit und ehren dann wiener heim. So iſt zu allen Zeiten
unter dem Volk, das ben Erldfer nicht Tennt, doch die Sehnſucht
nach einem Meſſias groß. Bon Hier pilgerte Ebn Batuta nah
Kerbela (liegt 5 deutſche Meilen im N.W. von Hilla nach Nie
babe) zum Grabe Iman el Huffeln, des Sohnes Ali, wo der-
ſelbe ſein Martyrium fand; es ift eine der größten Meſchheds; bie
Einwohner find alle von der Serte der XII. Imand, d. I. Anhän⸗
vr Alis ober Shliten. — Die heilige Stadt 76) des Namend, weldhe
Niebuhr daſelbſt Hefchrieb, iſt erft von fpäterm Anbau.
Nun erſt kehrte Eon Batuta in Bagdad 7%) (mahrfchein-
lich im Jahre 1325) ein, das längft feine Khalifen verloren hatte
und Reflvenz der mongolifihen Dynaſtie in Berflen geworben war,
wo ver Ichte ver Khane aus dem Gefchlechte Hulagu's, des Befie⸗
gers des Khalifate, auf dem Throne ſaß. Es war der tapfere
Ahr Said Bahadur Khan (reg. von 1317— 1335), 77) ver
ganz Iran und Kleinafien bebersichte, in Sultanich (Erof. VI.
7%) Ebn Batuta 1. c. p.43. *6) Niebuhr Reife Th. II. S. 206.
20) EBn Batuta 1. c. 9.47. 7) Degnignes Geſch. der Hunnen ꝛc,
uberſ. v. Daͤhnert, 2. III. ©. 301-307.
287 WefleMien. III. Abtheilung. J. Abſchnilt. 5:32,
©. 587, 62), das ſein Vater Khedabende Alvjakton erbaut Hatte,
und in Bagdad reflvirte und ein eifriger Mosleme geworben mer.
Noch immer, ſagt Ebn Batuta, I Bag dad eine deri ‚größten
Stäpte; die Sinwohner find meiſt von ber Serte Hanbal; über
dem Grabe des Abu Hanifa iſt ein Dom und eine Moſchee errich⸗
tet, und nicht fen davon das Grab des. Imam Ahmed Ihn
Hanbal.. Beides find Häupter der 4 Hauptſecten der orthodoxen
Moslemen, die vorzüglich ihren Sig in Bagdad Hatten.
Abu Hanifa, in Kufa geboren (ſtirbt Im Jahr 767 n. Che.
Geb.), ift der berlihmiefle ver Altern Dortoren des Koran, deſſen
Schüler fih Hanefiten nannten. Dies Maufoleum mit Moſchee
und Medreſſe (hoher Schule) wurde erft lange nach feinem Tode
von feinem Verehrer, dem Malekſhah der Selbtuliven in Bagdad,
im Jahr 1092 m. Chr. Geh. erbaut, als derſelbe Hort pie in Ohn⸗
macht verfunfuen Khalifen beherrſchte. Gem Maufoleum und feine
Moſchee in dem noͤrdlichen Quartiere Bagdads, an der Oftfelte bes
Tigris, iſt bis Heute erhalten und von Niebuhr 7%) Hefchrichen,
ver dafür Hält, daß dieſer Stadttheil fein Fortbeſtehen nur dieſem
Heiligihum verdanke. Ibn Hanbal mar in Bagdad geboren, wo
er auch im Jahr 855 (241 d. Heg.) ſtarb, ein Schüler Shaafis,
ein Gochberühmter Doctor des Koran, noch zu feinen Lebzelten ver⸗
ebrt, und bekannt durch feine Gelehrſamkeit im Geſetz, feine Pilger⸗
zeifen und feine Tugenden; derſelbe, dem das gräßte Leichengeleit zu
Grabe folgte, aus dem man vie Bopulation Bagdads zu feiner Zelt
beurtbeilen mag (I. ob. S. 235). Sein Mauſoleum ift nicht mehr
vorhanden, denn die Waffer des Tigris haben daſelbſt pas
Ufer fammt den Bauwerken weggeriffen.?9) Außer viefen beiden
führt Ebn Batuta noch 5 andere beſuchte Grabflätten moalemi⸗
ſcher Sancti in Bagdad an, die nad) einem audern Itinerar, des
EI Harawi, indgefammt In einem weftlicden Stabtviertel Bagpaps,-
Shunizia genannt, lagen und als Gräber der Abdal und Alias,
d. di. der Märtyre und Srommen, bepilgert wurden.
De Sultan ver heiden Iraks (Adjem und Arabi) und
Khorafans, wie Ebn Batuta den damaligen Herrſcher Abu
Sad 80) titulivte, nahm den Doctor ded Koran auß der Fremde
ſehr gaſtlich auf, und geflattete ihm, als er mit feinem Hofflaas
872) Miebuhr Heife. TH. II. ©. 804. 0) Bien. ©. 305
s0) Kbn Batuta I. c. p. 48. |
men et..."
Eupbratf.; hiſtor. Ruͤdbl.; n. Chr Batuta (1846). 283
Bagbad verließ, um feine Sommerreſidenz (Gultanich) zu beziehen,
ihn in der Suite zu folgen, fo daß dieſer waͤhrend der 10 Sage
Begleitung vie, wie er fagt, wunberbare Einrichtung deſſelben auf
km Marſche und die zahlreiche Armee ned Geleites kennen Terate.
Darauf kehrte er aber mit einem ver Emure über Tabriz nach Bag⸗
bay zurüd, da feine Abficht war, zum zweitenmale eine Wallfahrt
nah Mekka zu machen. Da indeß dazu nie Zeit noch nich ge
lemmen waz, wanderte er erft den Tigrisſtrom aufwärts bis Mar⸗
bin und dann wieber nach Bagdad zurüd, um auf dieſem Ge⸗
biete alle die für einen Moslemen geweihten Stationen zu fehen.
So Tom Ebn Batuta zuerſt nah Samarra, dad in Ruinen
lag, wo auch die Moſchee geſtanden, vie, wie bie in Hillah, dem
kgten der 12 Imans geweiht war (ihre Ruinen, f. ob. ©. 227 ff.).
Ben da Uber Tekrit neh Moful, dem alten fehr umfchanzten
Dre, mit feiner prachtvoll erbauten Gitabelle EI Hadka (wurd
Seiffedin den Atabeken, ſ. 06. S. 254); dann in zwei Tagen zur
Iafd Ibn Omar (Diezisch), einft eine große Stadt, von einem
Ihale umgeben, vom Zigris umflefien, deshalb bie Inſel genannt,
aber dem größten Theile nach damals fchon in Ruinen Hegenb.
Do waren die Bewohner gut unterrichtet und damals gegen
Sremde ſehr wohlwollend; alfo gerane das Begentheil von dem
taub» und morbfüchtigen Character ver heutigen kurdiſchen Gebie⸗
ter®i) biefeß Raubneſtes (f. Crot. IX. ©. 709); aber damals mar ber
Drt abhängig vom Gultan von Moful. '
Bon bier wurde in 2 Tagmärfchen bie alte Stabt Rifibine)
befucht,, Die damals meift in Ruinen, Doch noch von Wafler und
Gärten umgeben lag, und ſich burch Berfertigung trefflich duften⸗
vn Rofenwaffers außzeichnete; gegenwärtig iſt es nur ein ärm⸗
Betes Dorf, aber in fehr fruchtbarer, jedoch wenig angebauter Ebene
gelegen, in der vie Berfumpfungen 8) nur zu wenigen Netöfelnern
benntzt werben.
Dann fuhte Ebn Batuta das in neuern geiten durch die
Yeziden fo furchtbar gewordne Sinjar %*) auf, und fand bier
De kurdiſchen Bewohner, die er als ein fehr großmäüthige, ,
kriegeriſches Volk ſchildert, eine Betätigung der Vermuthung,
i) John Macdonald Kinneir, Journey thr. Asia minor etc. Lon-
don 1818. 8. p. 449. *=) Ebn Batuta 1. c. p. 49. **) Ries
bubr Reife. IL ©. 878; Olivier Voy. II. p. 345. °*) Ebn
Batuta 1. c. p.
284 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 9.3:
die wir früher fchon mitgetheilt (Erdk. IX. ©. 750), daß die De;
den daſelbſt erſt eine fpäter eingewanderte Colonie zu fein fchein«
Der Drt, jagt Ebn Batuta, iſt fo reih an Quellen und Flüfi
wie Damask; ich fah bier den Sheikh el Salih el Wali
Abid Abdalla el Kurbi, ven Theologen. Ich traf vief
Heiligen mit feiner Begleitung auf ver höchften Höhe des Berg
wo ex 40 Tage Baften Hält, nämlich nur ven Tag über, und baı
nur einer Kruſte von Gerftenbrot fich bevient, wodurch er zu
Sanctus fich qualificirt. Von ihm werben viele Mirakel erzäblt.-
Wären damals jchon die Deziven dort anfäffig geweſen, fo wür
ver orthodoxe Pilger gewiß nicht unterlaffen haben, viefer Teufel
anbeter zu erwähnen. Ein ihm bald nachfolgender Pilger, Al Haran
fügt in feinem von ©. Leer exrcerpirten Itinerar noch Hinzu, daß
Sinjar eine Mofchee von All, dem Sohn Abu Talebs, fer, pie a
dem Berge liege, und in derſelben foll ver Berg von Kambı
fein (2). Man fagt, die Arche Noah Habe auf einer Zade viei
Berges angeftoßen und dadurch ein Led bekommen, daher ſei
Stelle Sinjar (von jara auffloßen) genannt. Die Wahrh
fei aber, daß Sinjar, ver Sohn Malit, Sohn el Dhaar, diı
Stadt erbaut habe. Mit viefer etgmologifchen Lieblingserflär
wird es wol diefelbe Bewanpnig haben, wie mit Roba (pad |
Edeſſa), das feinen Namen von Roha, ver Tochter Bolai'ds; u
Amid, das von Amin, Sohn EI Somaids; Dara, dad von D
rius erbaut fein fol u. id. m. Auch die Sage von ber Arche we
breitete fich über viele verfchiedene Puncte des Morgenlandes. U
Sinjar wanderte Ebn Batuta über Dara nah Marvin, d
damals noch berühmten Befte, vie allerdings durch ihr natürli
feſtgelegnes Caſtell noch heute merkwürdig if; er rühmt den d
maligen Sultan von Marvin, EI Malik el Salih, Sohn ve
el Malik el Manfur, ald einen fehr nobeln Prinzen, vol Cdelmut
der von Dichtern viel befungen wurde, und kehrte dann nach Bay
dad zurüd, um fich zu feiner Mekla⸗Pilgerfahrt vorzubereiten.
Eupbratfuften ; das armenijche Hochlend, 285
33.
Zweites Kaptiel,
Das armenifche Hochland, das Quellland des Eu
phrat, Zigris und Arares mit. dem Tan: See und
| Ararat. ı . * J A
Nachdem wir in Hronslagifcher Rebe ung auf. einem von ber
Weltgeſchichte nach allen Richtungen und durch alle Jahrhunderte
hin ſo merkwürdig gleichſam durchackerten Boden, dem beinahe kein
Raturverhaltniß unverändert und unumwandelt geblieben, ven, ver⸗
Midenften Zeiten und Beflrebungen nad, mo bie Audjaaten der
wechſelndſten Gewalten hundertmal aufgingen und eben fo oft wie-
ver gerflört wurden, zu orientiren verfucht haben, da nur aus ber
| Vergangenheit die Gegenwart ihr wahres Verſtaͤndniß ge⸗
winnen kann: fo geben wir nun zu dieſer nach ihren Raumver⸗
lmiſſen, oder zu den eigentlichen ſpeclellen geographiſchen Be⸗
aßtuingen über. Auch in dieſen tritt ung wiederum eine Fülle
wa Thatfachen entgegen, bie wir, zumal in ihren wichtigſten Thei⸗
ln, von Forſchungen des letzten halben Jahrhunderts verdanken, die
wir hier zum erſtenmale in ihrem organiſchen, gleichſam innerlich
gewachanen Zuſammenhange, dem Weſen nach, fo vollſtäͤndig als
adglich, mit gewiſſenhafteſter Angabe der Quellen, aus denen fie
vxfloſſen find, vorzuführen haben. Dean hiemit allein nur Tann
Ve Erkenntniß der Wahrheit wachfen, und der Wiffenfchaft felbft
ein wirklicher Dienſt geſchehen, damit fie. ſich felbft bewußt werke,
was fie fchen in Wahrheit beflge, um nicht unnüg immer wieder
im heſchraͤnkter Unwiſſenheit, wie::dis®. body meiftens ber Gebrauch
iſt, Ballaſt auf Ballaft zu häufen, ;fondern wirklich zu Refultaten
uud neuen Aufgaben fortzufchreiten durch frifche Beobach⸗
tung. wu neue Vorſchung, da ſie ſo erſt imme werben wire, daß
ve Unbekannten und Wiſſenswerthen viel mehr und boheree vor⸗
handen iſt, als des ſchon Bekannten.
Bir folgen unjerm herkoͤmmlichen Gange ver“ - Unterfuchüng,
von den Hößen zu ben Tiefen, von den Quellen zu den Mündun⸗
gen fertſchreitend weil dies die geographiſche Bahn if, welche vie
* FeDR nicht blos dem Laufe der Gewaͤſſer, ſondern allem übri⸗
sen und ſelbſt auch dem Entwicktuüngtgange ver Volkerſchaften auf
286 Weftsflfien, DI. Abtheilung. I. Abſchnin. . 33.
ihren Stufenlandſchaften vorſchrieb. So kehren wir zuerſt auf dem
Hochlande Armeniens, dem Duellgebiete aller Cuphrat⸗
und Tigrisgewäffer, in welche aber zugleich das Quellland
des Arares eingreifend ift, ein, und geben von ven dftlichen
Naturgrenzen befielden, dem armenifhen Gochlande und
defien beiden Gauptformen aus, die und bafelbft als deſſen
große Grenzmarken erfcheinen, der Hohe Ararat (f. Erdk.
IX. ©. 767, 869, 915, 916, 919--923) und der Alpenfee von
Ban, 518 zu welchen beiden unfere frühere Unterfuchung fchon
fortgefchritten war (f. Erbf. R ©. 763, 784, $. 77, Seite 972—
1009).
Da wir den Ban-Gee zwar ſchon zuleht nach den Berichten
der Augenzeugen von Jaubert, Schulz, Monteith, Spiel,
Wilbraham, jedoch nur theilweiſe, kennen gelernt Haben, wir aber
ſeitdem eine vollſtändigere Umreifung und die erfte, fehr vanfend-
wertbe Aufnahme deffelben durch ven engliſchen General-Gonful
3. Brant 8) in Erzerum 1838, auch dahin einfchlagende Nach⸗
richten aus Schulzes Nachlaß, 9) und durch or. South:
gate’s e) Reife (1837) erhalten haben, wodurch eine weſentliche Bee
richtigung in der Kartographie des Sees gewonnen iſt: fo fan«
gen wir hier, mit dieſer Ergänzung des 6.27 an, ſteigen dann zum
Ararat auf, und verfolgen an deſſen weftlichen * die Eu⸗
vhratquellen durch das armeniſche Bochland.
‚+
3.
1 Erläuterung.
De Vans See und feine Umgebungen.
9 Dr Be von Bitlid na Dan an der‘ Shape
entlang —-- BB E
Noch vor wenigen Jahren war had FERBHPFRAEN: biefen Ar
penſee eine Terra incognita, gegenwärtig. tft ed eine weiche Jund⸗
€ 27 Tore T a en) |
s.. 3. Binat Notas of a jo ha of. Kurdisten in
— m don ! * Arne —* London. 184},
Yol. X.’P a Aa 8 Ed. Schuhe Mémoire
sur le lab: Fr Yan * — avrironsa, 2 Journal Asiatiqus, Paris
1840. Aur., Mai, Jnin. p.,280-323. 7) Rey. Hor. Sonti-
gate Narrative of a tur through Ärmenia, Kurdistan, Per-
sia etc..Lond. 1840. 8. Vol· I. p. 24—265.
Expbeatfoflim; Hodarmenich; der. Ban See.
geuie für das Stadium des Autiqquars und des Sprachforſchers
geworden; die Bereifung feiner Süd», OR- und Nordgeſtade if} fo
eu: vervollſtaͤndigt, und nur feine Weſtküſte iſt noch fafl un⸗
unterfweht geblieben... Durch aſtronomiſche Beobachtung von 7 wich⸗
gen Banchen: am fer: und darch Vouffoleabnahmen vom. Gipfel des
Cyan Dug. uns. andern. nachſten Umgebungen des Sees, durch U.
©.&la 8cott, den Begleiter: J. Brantb,:183B, ifb ein. fehr weſentli⸗
der Zottſchriti in ver Orientierung der: ganzen Landſchaft geſchehen,
uud ſtatt der bisher ganz wphantaftiſch eingetragenen Gontoure vie
ße Gerichtigte Kartenzeichnung #9). deſſelben gegeben, die mun jeve
früßere voͤllig verbrängen muß.
Die Lungen⸗ und Dretten⸗ Beobachtungen dieſer Orte Ar |
1) Bitlio, Haus: 888: Sheriß Beg 2:880 25 DR, m Or.
MO AU NBE 1 2. —
Ban, am Se, kn Garten ver Beni w weſta =.300
29 0" DR v. Er. : 480.10 35" Nr. :
N Arne, an der Norboftdte des Bau Grrb: ı = * sw 20”D8.
' v. ®r 43V. 28’ 50" RBr. ' ee
9 Arjiſh, am Rorbufer —2 as 58' 54 de v. . Gr. he 1
+ BORD
" Myeliivaz,: am Korte: eier Di= 38 a0" De.
2x: @r. ‚42% 35:30" NBu: .:
YMDiyarin, Im: NO. 06 Ens a m: ‚de Dale de Bor Age
ER 3 3 DR. Ar. : it,
7 Bayayer, am S.W.⸗Fuß vos Mtarat = a9 31 a doe
v Ge ODieſe Augabe der Lage iſt nur approximati.
: Bu Bitkis ward yügleih durch Dr. ED. Dickſon die ab⸗
fetatenHbhe des: Hauſes des Sherif Beg beſtimmt, — 5137
Bar. (3475° Engl.) und faſt in gleicher Hoͤhe das Niveau ned
Gpiageis vom Bas- Bere == 5129 Bar. {5467' Engl.) Kber
vom Moeere gefunden/ ſe maß wir ‚th mit Recht mit dem Namen
amt Al penfers bezeichnen Bennten. —
217 Die Nachrichten von ver Sübtüfte des Ban«Enes, vie (che
—* * Gap. wiengemn und Col. Sdie —*8* wer⸗
nr Br Bat —E rou 2 Nr. Ainsron
e 8" Glaser nee Erffärun BE b;
s tu efer Ka
Journ. of rn E oc. va X. sl
0: 14 . Ge
288° ..WBeflsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 6:33,
den durch die Montierd: der beiden jüngern: Reiſenden von Bulis
nach Dan, nämlich den Miſſionar H. Southgate, 1837,:unb Den
britiſchen Eonful zu Erzerum, 3. Brant, 1838 vervollſtäͤndigt, wie
beide in ver beiten Jahreszeit, im Iuli und Auguſt, das Land: min»
der flüchtig durcheilend beſuchten und non. einer . vortheilhafteren
Seite kennen lernten. Ihre. Wege: waren im. MWefentlichen dieſelben,
ur wenig. von. wen frühern abweichend; de Ortſchaften geben fie
‚öfter verfchienene Schreibaxten, ohne daß min ‚bie. größere Richtigkeit
der einen oder der anberw beurtheilen -Slmnsen ‚idea: fie :naift non
Kurven. herrühren. Beide beſuchten won Bitlia aus. nechwärte
dad Weſtende des Sees bei Tedavan, das fie beide Tadvan
ſchreiben. Southgate 89) Hatte einen Kurven als Wegweiſer, der
ihn in 2 Stunden norbwärts führte gegen. den Nimrut::Dagh
(f. Erbf. IX. ©. 1002), von deſſen PIE die ganze Kette den Ramen
führt; ber: Kurde erzählte ihm, auf. deſſen Gipfel falle ein tiefer
Duell fein, der mit einem kleinen See in Verbindung flehe; aus
welchem ver Kara Su entipriagen foll; eine Ausſage, die am bie
Erzählungen von Arzen in jenen Gegenden ‚erinnert. (f. ob. S. 90).
Die Beine Ebene mit vom Alemani⸗khan in Ruinen: vis bier
bald erreicht wird, nennt I. Brant Raſhwak, 9y nach einem
nahen Dorfe, unb- fagt, daß der Kham. ein Penchtbau geweſen fel,
fehr geräumig und follve, mit vielem Gemaächern, veffen Erbauer un⸗
befannt. Zur linken Seite gegen. ven Norden. heißt bie Paß hö He,
die zum Ninmrut Dagh führt, der Kerku Daghz die Gebirgäfette
aber, welche von MW., die Südgrenze teil Hochebme: van. Muſh
bildend, entlang dem Kara Su gegen S. O. fortſtreicht, iſt diefelbe,
welche Dad Südufer des Van⸗Sees zunächſt : begraizt: ı 'E&:4R hier
im Vorbeigehen zu bemerken, daß die weichere.tirklicher Miete
ſprache wie in Dagh für- Berg; flatt des -agh bei den AMbcheren
Volkern, mit: dieſer MBegenk oflwärts bei Kurven me verſchundin
ſcheint, weshalb bier nicht mehr won einem Nimrud Des few
dern vom Nimrut Tagh allgeme vie. Mebe ift, während bel den
törkifgen Benennungen immer: Dagh. geiprochen, wenn auch nicht
gefchrieben wird. Von. ver: genannten Paphöhe fleigt' mu: aufdfr
ser Nordſenkung hinab zum See und zur Bay von Tadvan.
nach 35 Stunde Weges von Bitlis thut fich zum erften : ale ke
Anblick auf dad prachtvolle Bellen des azurblauen —
über dem in MW. der sehr in *. der ‚na 8 —
1 a 0 dien
58%) Sonthgate I. p. 224. .o.J. Brant Noten X. p. 383,
j
. Euphratſoſtem; der Van⸗See; Suͤdufer. 289
gende Sipan Dag wol bis zu 10,000 Fuß ſich erhebt. Ehe man
nach Tadvan hinabſteigt, zeigt ſich über emem Sohlwege eine lange
Linie ijolirter Inolliger Selsrüden, vie über ven Boden als Lava?)
über der umher mehr verwitterten Maſſe derſclben hervorragt, welche
man die Rameele von Tadvan nennt, weil ie Bolksfage in ihr
eine Reihe verfleinerter Kameele zu jehen glaubt. Das Gehänge
zum Ufer des Sees hinab iſt bei Tadvan wie ein Obflgarten ganz
mit Obfibaumpflanzungen bedeckt. Am Weftende der Bai liegt, dicht
am Waſſer, pad Dorf Tadvan, von 40 Armenier⸗Familien bewohnt,
und dicht daran auf einem Vorgebirge liegen vie Ruinen eines klei⸗
uen Forts. Bon Bitlis bis hieher rechnete I. Brant 2} geogr.
Meilm. Southgate fand das Seewaffer nur brafifch, ‚nicht übel«
ihmedenn, und verfichert, öfter davon feinen Durft geflilt zu ha⸗
ben; 3. Brant nennt es ganz. ſalzig. Am Ufer fah er Sand,
Säxeferblätter und viele Bimsfkeine, in Kleinen gerundeten Stük⸗
In wie Korkbälle umberliegenn, und Obſidiane, wie biefe auch
am Nordufer des Sees von Kinneir (Erdk. IX. ©. 994 u. 1003)
bemerft worden find.
Das Dorf, 1 Stunde fern, au dem Oſtende derſelben Bai, nennt
Southgate Ouxrtab, J. Brant aber Ortal. Der Weg ver⸗
läßt bier. das Seeufer, man ſteigt über niedere, maleriſche Berghoͤhen,
darch reich bewachſene Thaler mit. prächtigen Baumgruppen, reichen
Daßerbachen, fruchtbaren Ohſtbaumen und Zwergeichen; man fin
det Hlühenne Kleefelder; eine reizende Landſchaft. Mit Recht wird
lhieſes Thal Guzel Dereh, d. i. das „Ichdne Thal,“ genannt.
Iuiſchen an ‚liegt: hier. am Seeufer bad "Dorf Elmali (n.
Brant,. 2. h. Apſelſtadt; Elmalcu bei So uthgate, ber bier fein
nah; s.e8 iſt das große Dorf Almaliyah, Erb. IX.
6 1000). 3. Brank ließ es links zur Seite liegen, ‚pa. er noch
weiter, am Dorf Kurdkhan vorüber, durch. Wälver aufwärts zum
Gef Sarah vorvrang, das dicht unter der dortigen Küfienkette
Begt, die hier ven allgemeinen Namen Arjeroſh Dagh ( Erdt᷑. IX.
©. 1003) führt, der: weiter im Dften durch den Namen Erdoſh
Zt auch blos Erdoz (Erdk. IX, S. 975, 1003) verdraͤngt
W: ‚eint
ber ‚eine Ebene mit mehreren Dörfern, in deren Mitte Ava⸗
taf, vs größte derfelben, alle von fchönen, zahlreichen Wallnuß-
Sänmen umgeben, wieder gegen ven See auf hohem Flippigen
Dave Hinabfleigenn, erreicht man das immer noch hochgelegene Dorf,
Sarzit (Harzuf hei Shiel, Erdk. IX. S. 1001); obwol in wen
Ritter ade X. x
290 WeſtAſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.33,
ſchonſten Umgebungen gelegen, doch ein elendes ‘Armliches Neft, nur
von 12 fehr ungaſtliche Armenier⸗Familien bewohnt, vem ein zwei⸗
tes noch kleineres Dörfchen, näher am See, in reizendſter Umgebung
zur Seite Tiegt. Gier war zu Col. Shiel's Zeit das Grenzge⸗
Biet des wien Khan Mahmund, bed Kurden. Hier hielt 9.
Brant fein Nachtquartier. Den 2ten Tagemarſch (14. Aug.)
zog er auf dem Tiebliäften Wege 92) entlang ver Küftenebene, vie
unter ben Bergen hinzieht, mit dem Blick auf ven dunkelblauen
See unterhalb, an vefien Ufer ein Kahn Holz einlub. Gier begeg-
nete Southgate einer Karawane von 50 Laſtpferden mit Baum⸗
wollen⸗Vallen von Ban belaven; beides feltene Spuren von Ver⸗
br In dieſen vereinfamten Gegenden. Nun folgten bald Kur-
venddrfer, wie Pougah, das Soutbgate nennt, und Gol⸗li
bei Brant Geulli 6. Southgate), im denen nur wenige Armenter
wohnen, wie In Golsli, wo noch 30 bi8 40 Familien angeflebelt
And. Diefe Kurdendoͤrfer fand der Mifflonar 2) viel netter von
Anſehn, als die bisherigen ver Armenien Ehriften; nicht mehr Höh-
len unter der Erde, fonbern orventlich gebaute Käufer, mit fleißigen
induſtridſen Bewohnern. Faſt in allen Dörfern von hier bis ges
gen Ban behaupteten die kurdiſchen Bewohner, erſt feit einem Dutzend
son Jahren new Angefledelte zu ſein, die ans dem füdlicher aufftei⸗
‚genden Bebirglande erſt bier eingewandert und aus Noinnben zu
feſten Anbauern geworden. Ste überflügelten bie bortigen arment«
Feen Dörfler, die fie weit in die Berge zurüdwänfdyen, weil fie an
Energie dem Kurdenſtamme weit unterliegen. Dieſe Kurven zeich⸗
nen ſich durch mancherlei Vorzüge vor Armeniern und Tütken aus.
Sie find von tüchtigem Menſchenſchlag, ihre Weiber und Kinder
flud ftiſch und ſchoͤn, beſſer gebildet als jene; die Welber ohne
"Schleier weit ſittſamer als jene; fie find beſſer gekleivet, ſehr fleißige
Adersleute ind Obſtgärtner, und nur von Imams beforgt, aber ohne
Moſcheen, fehr gaftfiäy gegen Fremde Auch I. Brant fand vide
‚Gegend gut bebaut; zu Gol⸗li traf er einen Agha, der unter ven
Befehlen des Khan Mahmud fland, deſſen frühere Umſchanzung fe»
ned Wohnhauſes ſeit der Ordnung und Zucht, die dvieſer Khan
Mahmud nach ſeiner Unterwerfung unter vie türkiſche Oberhoheit Häkt,
ganz unndthig geworden war. Denn durch feine energiſche Polizei
hatte der ehemalige Ruãüuuberhauptmann die größte Sicherheit in jenen
Gegenden gefchaffen.
ss.) J. Brant Notes x. p. 385. 2) Southgate L. P- 232,
Euphratſhftem; der Van⸗See; Suͤdufer. 291
Der Ite Tagemarſch (15. Aug.) führte auf hoben Uferwe⸗
gen über dem See im Rücken an einer Reihe kühner Vorgebirge
mit zwiſchentretenden Baien vorlber, deren Spitzen gegm NO. vor«
ſpringen, wit zahlreichen Dorfichaften auf den Vorbetgen. Das
Dorf Narnigas legt mehr Ianbein, und noch tiefer Ianvein find
wildere Kurdengchirge. Bein Auf- und Abſteigen zeigte fi, an
dem niedern Bergzuge Peleu vorüber, in einem ver Thäler das
armeniſche Klofter Khan jaik, das gafllihe Bewirthung bot; aber
Die Zeit möthigte weiter zu ziehen bis zum Dosfe Norkukh (Nur-
Inh 5. Shiel, Erbf.IX. &. 1000). In diefer Gegend ſah Sout h⸗
gate dad. einzige mal unter ven Kurben, daß fie. mit ber Sichel
Gras ſchnitten und Heu machten, eine font in biefen Gegenden
vs Orients unerhörte Benühung. Hier wurde aber auch Gerſte
und Weizen gebaut, und fchon am 6. Juli war das Kom 6 Fuß
hoch und die Ernte nahe. Micht fern von da erreicht man, über
eine marſchige Uferebene und pas Dorf Iſhkend gehend, das be⸗
nachbarte Dorf Alavansk, am äußerſten Süpende des Sees gele
gen, dem im Norven, nur in geringer Ueberfahrt 9) von 2 Stun⸗
ven Zeit, die Infel mit dem armeniſchen Kiofter Akhtamar (I.
Erdt. IX. ©. 996) liegt. Das genannte Dorf iſt Beſigthum dieſes
Kefert, Der Superior infpidtte fo eben die Ernte. Sein Boot
haute ein folides Anfehn, war aber von plumper Gonftruction. Der
Biſchof ſchien fehr unwiſſend; er rühmte die Zucht des Khan Mah⸗
mnd, der Gicherheit Im Lande ber Mäuberei geichaffen, aber freilich
ſelbu wie härteſten Crpreffungen auflege. Prof. Schulz iſt der ein⸗
Neiſende, der Die Infel, vie er Agthamar 9%) fhreibt, beſucht
"ya inet (ile 3b Gofse der alkm anmmifen Kine bajaöf
d er zwifchen andern einen runden graulichen Stein, einen Ba-
‚ fagt er, den man anfänglich für ein Siulmfüd nehmen
mitte. Ar an feinen beiden Enden fanden fih Keilinferip-
tionen (f. Ar. XX. u. XXI. Erpf, IX. 6.992) von 10 Zeilen. Die
Seiten waren pollist, aber ohne alles Ornament. Bon woher fie
auf dieſes Infeldyen gekommen, iſt unbelannt.
Zu Akavangsk wurke ein Mafltag gehalten, weil ver Paſcha
von Van erſt von ver Ankunft des Gaſtes benachrichtigt werben
muße, ver im Begriff war, fein Territorium zu betreten, und weil
im ver Näte von Vaſtan Kriegsunruhen auszubrechen brobten.
leeren
se) 3. Brant * X. p. 386. *%) Schulz Mem. I. c. im Journ.
Asiat. 1840. p. 315. !
x 2
292 WeftsAfien, II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 33.
Sputhgate wurde Gier dur Krankheit an Beobachtungen ge⸗
hindert.
Khan Mahmup, ver fo lange gefürchtete rebellifche Kurben-
Häuptling (Erdk. IX. S. 974, 998, 1000), war abweſend auf einer
Jagdpartie; er tft der Sohn des unabhängigen Kurbenhauptes im
Diſtrict Mukuſh, der an der Shofelte ver Mierofh- Berge
(gegen vie Grenze der öftlicheren Hakkari) Tiegt. Dieſes Erbe) tft
an den Sohn eines ältern Bruders übergegangen. Dem Khan
Mahmud und feinen Brüpern Hlieb nur das Raubleben übrig, und
der Kühne erfämpfte fi durch das Schwert den Belle von mehr
ald 100 Dorfichaften, die vorbem zum Pafchalif Ban gehört Hatten.
Auch auf perſiſches Gebiet hatte er mit feinen Brüdern häufige
Raubüberfälle gemacht und fi durch Plündern und Erpreffungen
große Reichthümer gefammelt, mit denen er ſtarke Truppencorps ber
Tolvete, die dem Paſcha von Ban wie den Perfern Trotz boten. Do
fchien es Ihm in der letztern Zeit rathſamer, fich durch die Vermitt⸗
Iung des Is⸗hak, Paſcha von Van, dem mächtigen Seraiöfer von
Arzrum unterwürfig zu zeigen; er ſchitkte veshalb feinen Bruber
dahin, der auch eine ehrenvolle Aufnahme erhielt. Seitdem iſt
größere Sicherheit in dieſen ſonſt furchtbaren Raubgebieten einge
kehrt. Doch Hatte ſich Khan Mahmud bis dahin noch. niemals
in die Stadt Van gewagt, obwol beide Häuptlinge Ihre Zufammen-
ünfte öfter in den benachbarten Dorfſchaften gehalten hatten, wobei
ver Khan aber ſtets von 500 bis 600. Mann Reiterei umringt er⸗
ſchien. Die Brüder find im Beſth vieler fehler Orte, darunter der
wichtigſte und feftefle das Caſtell Mahmudiyeh am gleichnami-
gen Strome (f. Erdk. X. ©. 974), in dem Khan Abdal reflbirt, fen
nächfler Bruder. Seine eigne Reflvenz if aber Paſhvansk Kaleh
(Pasvakh, das Capt. Wilbraham beſuchte, Erdk. IX. ©. 1000),
pie Dicht unter dem Hauptarm ber Arjeroſh⸗Kette, nur eine
‘Stunde fern von Akavansk, verborgen im Gebirgdthale liegt.
Den 17. Augufl. Bon hier ſchickte der Generalconful
Brant jeinen Guide, ven ihm der Sherif Beg von Bitlis zum Ge⸗
leit mitgegeben, zu feinem Gebleter zurück, und erhielt dagegen vom
BPaſcha von Ban einen andern, der In oflmärts begleiten follte.
Wir ſehen Heraus, daß vden Waffenthaten des Khan: Mahmud das
son Kr Natur gefchügte, gewiſſermaßen neutrale Felb lin Kardu—⸗
hmgebirg, zwiſ q en dem Paſchalit Van und dem Gebiet ind
6°8) 5. Brant Notes X. p. 389. 2
Euphratſyſtem ; der Van-See; Sudufer. 293
Sherif Beg von Bitlis fehr zu fatten Fam, , um hier feine inter-
mediaire Macht zwiſchen beiven türkifchen Beamten und ver na⸗
ben Berfergrenze auszubreiten. Auch kann 68 nicht leicht eine ge=
ſichertere Naturfefte, als viefe im Süben. durch das Hakkari Ju⸗
lamerk⸗ und Rewandog« Bollwerk geſchützte, geben.
Dom Dorf Akavansk führt ver Meg dicht am Ufer bin,
nah einer Stunde zu einem Borfprunge der Hauptfette, welcher
dieſe Ebene von der dſtlicher gelegnen Vaſtan⸗Ebene fcheibet.
Der große Ort Vaſtan %) ſtand einft an der ſüdöſtlichen Spitze
nd Sees, im reizender Tage, aber er iſt meift verfchwunten, nur
wenige Hütten liegen noch in Bärten hie und da verborgen, und
das Caſtell Vaſtan zeigt fih auf einem Kegel in bominirenver
höhe über dem See. Auch bemerft Southgate, daß bier feit
Bitlis wieder die erfte Moſchee mit einer Schule (Medreſſe) erbaut
fü. Unter viefem Caſtell zog des Weg hin, am Fuß des Ervosh
Zagh, der hier ohne Verzweigung wol bis zu 4000 Buß hoch aufe
Reigt, wo die Höhen noch mit Schneeflecken bedeckt waren. Dörfer,
von Baumgärten umgeben, nehmen alle höhern Ebenen an ver .
Bafis der Berge ein, und tiefer abwärts liegen Ackerfelder und
Weideland. Hier waren Khan Mahmuds Truppen in ven dafigen
Dirfern eingelagert. Nahe Baflan war ein Gottesader mit einem
hübſchen mohameranifchen Grabmal von Sandſtein, mit arabifcher
Infeription, wol aus ver. Khalifenzeit, aber fo frifch gehalten wie
von geftern. In Vaſtan, das Schulz?) auch Vartan ſchreibt,
follten nach Ausſage Antiquitäten fein, von denen derſelbe aber Feine .
Spur vorfinden konnte. Die lange in den See einlaufende Spige,
welche die Bai von Vaſtan bildet, hielt I. Brant für ein Alu
vum des bebeutenden Fluſſes Anjel Tſhai, ver ſich Hier nahe
gegen den DOften in den See gießt, und feinen Urfprung weit im
DR im Gebirg oberhalb Mahmudiyeh Kalch Hat. Da die Bai gem
genwärtig ſchon durch Sandbänke jehr feicht iſt, wird fie, meint
3. Brant, wol nach einiger Zeit ganz zugefshlämmt werden. Der
ebene Boden, dad Seeufer entlang bis zum nächften Dorfe am
Anjel Thai, iſt mit Alaunefflorescenz bevedit, der Strom nur 15
bis 20 Schritt breit, aber fo tief, daß an der Furth das Wafler
bis zum Pferbegurt reichte. , Er iſt der einzige größere Zufluß zum
See; aber auch ex kommt nur wenige Meilen weit vom Oſten herab
’*) Southgate F 2a. J. Brant.Not. X. p. 388. 7) Schulz
Mem.1.c.p. 8 W |
294 Weſt⸗Aſien. III Abtheilung. I. Abſchnitt. $.33.
aus den Bergen. Der See Hat Eeinen Abflug und doch fol fein
Waſſer mie die gewöhnliche Höhe Überfleigen.
An feinem RNordufer Hegen mehrere Dörfer; nadte Kallſtein⸗
ſchichten fenten fich von da zum See. Nach einem zweiten Dorfe
erreicht man ein grünes ampbithentralifch geſtaltetes Thal, an beffen
Anfange man einen Aquäduct 98) fleht, der an mehrern Stellen
durch Mauern geftügt tft, und In einem offenen Bette einen Waffer-
ſtrom zur Stadt Ban führt. Diefer wird ver Shemiran zuge
ſchrieben, und erjcheint auf manchen Karten unter dem Namen
Shemiram Su oder Fluß Shemiram. Die Quellen ſollen
am Urfprunge des Thales liegen, er fol vie Gaͤrten der Stadt Ar⸗
tamit umlanfen, dieſelben bewäflern, und auf feinem Wege bis Dan
einige Mühlen In Bewegung fegen. -
Schulz 9) fagt von viefem alten Waſſercanale, In veffen
Nähe er eine ſehr zerflörte Keilinfchrift fand, daß er aus fehr gro⸗
Ben, regellofen Blocken zufammengefegt fei, vie ohne Gement durch
ihr eigened Gewicht zuſammenhalten. Der Waflercanal fei quabra-
tiſch, und feine Rinne hoch genug, um: darin aufrecht zu flehen.
Er Eonnte in verfelben nur 20 Schritt vorwärts geben, well fie
dann mit großen Blöden verfperrt war. Leber dem Fleinen Thole
dleſes Aquaductes, fagt verfelbe, erhebe fi auf dem Belfen eine _
zweite Terraffe, über welche der Weg von Vaſtan nach Ban
zwiſchen gewaltigen berabgerolltien Bloͤcken hindurchführe. Zwiſchen
dieſen hindurch ergießt ſich gegen Norden ein ſehr klares Bächlein,
2 Fuß tief, 3 Fuß breit, im ſehr regulärem, doch keineswegs ge⸗
mauertem Bette. Dieſer entſpringe etwa 7 Lieues im Süd ber
Stadt Van. Man leitete ihn von da über die Felſen bis Artamit,
deſſen Gärten er bemwäffert, and von da weiter bis zur Stadt Dan
ziehend, ergießt er fich in den Ger.
Dies IR der Shamiransfu oder der Semiram- Fluß,
(w. L Shemiram rud, Erdk. IX, ©. 996). Dicht an viefem Fluffe,
auf einem 14 Buß Hohen Belöblo, der auf dem Wege von Arta= '
mit nach Baflan, oder auf jener zweiten Terrafie, eine halbe
Meile darüber in S.W. von Artamit liegt, befindet ſich bie mit 14
lesbaren Linien gut erhaltne Keilinfchrift, Ar. XIX. (Erdt. IX.
©. 991). Der Geld iR pords (pierre ponce, Bimsflein?) und
rothlich, Daher Kiziltaſch, ver rothe Fels, genannt. Die Kurden
jehen ihn als den Verſchlußſtein des dort verborgnen Schatzes an,
5°») J. Brant Notes X. p. 389. ®®) Schulz Me&m. p. 312.
BE
Euphratſyſtem; der Van⸗See; Artamit. 295
und nennen dieſen Talisman Mali Schamiram, ven Schatz der
Semisam. 3. Braut paffiste auf jenem obern Terraſſenwege 600)
eine lange Reihe von Obfigärten, bie ven Ses bis auf eine Eleine
halbe Stunde weit, bis zum Orte Artamit umfäumen, das noch
hoͤher oberhalb Iiegt und von wo ber Weg bis Dan führt. Nur
ne Halbe Stunde 2) in Wer von Artamit, etwa 100 Schritt
über dem Gee, liegt ein reizendes Fleines Thälchen non einigen Quel⸗
Im Sewäflert, voll großer Felabldcke die ſich von einer Berghoͤhe
abgeldſt Haben, vie ſich von der zweiten, hoͤher liegenden Terraſſe
ſcheldet. Auf einem viefer Blöde fand Schulz eine gut erhaline
Keilinſchrift von 6 Zeilen, davon die legten 3 faft nur Wieber-
bolung der erſten 3 find, Der Block hatte 45 Zoll Höhe und 47
Zoll Breite (f. Erf. IX. ©. 996). Ä
In der Jahrszeit, ald I. Brant in Artamit (nah Schulz;
Artemid nach Drant) eintraf, ſtand das Dorf faft leer, weil alle
Bewohner in ihre Bartenwohnungen gezogen waren. Er nahm
fein Lager unter dem Schatten eines fchönen Obſthalnes, denn Obſt
wird Hier ungemein viel gebaut, und zumal ſehr viele in ver Sonne
serörste Aprikofen machen einen Hanptartifel der Erporten aus.
Ben Alawansk bis hieher hatte man 75 Stunde zur Zurüdlegung
eines Wegs von böchftens 3 deutſchen Meilen gebraucht. Ich be⸗
merkte kein Gebäude von hohem Alter, auch erfuhr ich, fagt
I. Brant, daß es hier feine Iuferiptionen gebe. Aber auf vie
Aubfagen der Eingebornen follte fich Eein Reiſender verlafien; Schulz
batte Hier, wie wir zuvor gefehen, allerdings fchon jene Sufeription
aufgefunden.
Nach ihn I Artamit, au Atramit ?) geſchrieben, in
S. W. nahe bei der Stadt Dan gelegen, halb son Muſelmaͤnnern,
halb von Armeniern bewohnt. Es find nur einige 100 elende Hüf«
tm der Armenier, auf den hoben, uadten Selöfuppen gelegen, vie
ſich am See Hinziehen, während vie eben jo elenden Käufer her
Nuſelmänner am fruchtbaren, obwol ungefunden Ufer des Sees
hinfiegen, aber von ven ſchoͤnſten Obfkgärten umgeben, die mit jenen
nadten Klippen im größten Contraſt ſtehen. Auf einer dieſer Fels⸗
flppen liegt ein alter Mauerreſt, das Schloß des armenifchen
Eaigs genannt; an ihren Buß gegen Nord bricht eine reiche, klare
Duelle hervor, vie Haupttraͤnke des Ortes; ihr Urfprung foll un⸗
ses, J. Brant Notes p. 889. 1) Schulz Me&m. p. 812.
3) Gbew. p. 311.
296 Wefi⸗ Afien. IM. Abtheilung. I. Abſchnitt. . 33.
ter dem Felſen liegen und erſt weit hergeleitet fein. Ein 20 Schritt
langer Felscanal iſt in der Nähe ſichtbar, der vielleicht vordem zur
Waſſerleitung diente. Natürlich zeigte auch hier das aberglänbiſche
Volk den Telſem (d. i. verſtümmelt Talioman), welcher den
Eingang zu den verborgenen Schätzen zeigen ſoll; es war nichts
als ein rundes, in einen abgerifienen Felsblock eingeheuenes Loch,
ven Schulz etwa für einen alten Altar halten wollte, mit der ein⸗
gehauenen. Rinne zum Ablauf des Opferblutes. Die Gipfel ver
Uferberge im W. von Urtamit, bemerkt Schulz, find fo fehr mit
breiten Lagern von Kalkfleinfchichten belagert, wie wenn fle abflcht«
U damit überdeckt wären; alſo wol fehr regulär horizontal gela⸗
gerte Kalkſteinflötze.
Bor dem Orte Artamit, zwiſchen ven dortigen Ackerfeldern,
wo man mit Einſammeln ber Ernte beſchäftigt war, als der Miſſio⸗
när Southgate hindurchzog, Fam ein kleines Bauermäochen mit
einem Garbenbündel herbei, und fette dem Reiter dies in den Weg,
um* von ihm eine kleine Gabe (GBakſhiſh) zu empfangen. Es iſt
dies, oder wenn man etwa an einer Heerde vorüberzieht, wo dann
ein Lämmchen auf dieſelbe Weiſe in den Weg geſtellt wird, eine
ſchoͤne uralte Sitte des Orients, deren Grundgedanke wol eigentlich
a, einen gewinnbringenden Segen für das Feld oder die Heerde
vom Vorübergehenden zu erhalten, wie ſich aus Pſalm 129, V.7
und 8 ergibt, wo es heißt: „von welchem der Schnitter ſeine Hand
‚nicht füllet, noch der Bartenbinver feinen Arm voll; und die vor
übergeben, nicht fprechen: Der Segen des Herrn fer über euch,
wir fegnen euch im Namen ded Herrn.” —
In Artamtt Tamen dem britifchen Generalconful ver Kha⸗
zinahdar (Schatmeifter) des Jo⸗hak Pafıda aus Van, ihn zu be⸗
compfimentiren, entgegen, ‘fo wie der Mutfellin, ein Haklari
(Erof. IX. ©.645 u. ff.), der aber ſeit 16 Jahren in Ban wohnte.
Nach Ihm follte Djulamerk (Erdk. IX. S.1029) von Hier 40 Stun⸗
den entfernt und im Süden des Gebirges Erdoſh (Hertoshl) liegen,
deſſen Gebirgsgau durch einen eignen Hertoshi Amir, ober Gou⸗
vernenr, beberrfcht werde, ver in Shah-Tagh (G. i. Königsberg)
feine Reſidenz haben follte, vie 3 Tagereifen im Süden von Diu-
lamerk Tiege. — Ueber viefe Verhaͤltniſſe haben mir jedoch durch
Ainsworth im Jahr 1840 genauere Belehrung erhalten (ſ. unten).
If man von den Höhen von Artamit zum Seeufer binabges
fliegen, fo bleibt der Reiter auf dem einförmigen Wege der Ufer
ebene, bis er die Thore von Dan erreicht. Beide engfifche Reiſende
Euphratf.; die Stadt Ban und ihre Monumente. 297
waren gendthigt, noch ehe fie die Stadt betraten, dem Paſcha, der
im Somnterpavillon fie ceremoniell empfing, “noch in ihren Reiſe⸗
etdern und wiewol ermübet von dem Wege, ihre Aufwertung zu
machen. I. Brant wurde darauf zu dem Kiosf in einen Garten
gewieſen, wo er ſeine Zelte aufſchlagen konnte.
2) Die Stadt Ban und ihre Monumente
(vergl. Erdt᷑. X, ©. 977— 993.)
Derfelbe Iſhak, d. i. Iſhak Paſcha, ver fo gaſtlich und
wohlwollend ſich gegen den deutſchen Profeſſor Schulz gezeigt
hatie, empfing auch im Auguſt 1838 den britiſchen Generalconſul
wit größtem Wohlwollen. Schulz nennt ihn in feiner nach Europa
gefommenen Handſchrift >) einen der 5 Paſchas mit 2 Roßſchwelfen,
We unmittelbar unter dem Saradfier von Erzerum fichen. Der
bOjaͤhrige Greis war gegen Brant *) voll Büte; er erkundigte fi
nah Großbrittanien und Hindoſtan, und meinte, Beide grenzten ans
Atander. Den Urfprung det Stadt ſchrieb er der Shemiram zu
und meinte, der See habe ſich einft bis zu den Bergen ausgebehnt,
wovon doch ſelbſt die Sage nichts weiß. Er hoffte von feinem
Gaſte nun einmal endlich vie Erklärung ver Keilinfchriften des
Dried zu erfahren. Sein Großvater Hatte Die weitlaͤuftige Reſidenz,
We er bewohnte, aus in der Sonne getrodneten Badfleinen erbaut;
er felb war. in Ban geboren; ein Freund der Reform und bereit,
dab. neue Milttärfgften auch bier einzuführen. Durch ihn und die
Unterwerfung bed Mahmud Khan unter vie Oberherrſchaft des
Serasliers von Erzerum fehlen der Landſchaft ein glüdlicheres Eco
sufjugehen.
Die Stadt würde durch Sicherheit fich bald aus ihrer Armuth
tmporheben, da Ihre Lage für den Verkehr zwifchen Aderbijan, Kur⸗
deſtan und Armenien eine fehr vortheilhafte ift, und zeiche Probucte
erzielen kann. Bis jetzt aber in ver Mitte von Raubhorben fonnte
Re ihre eignen Bewohner kaum erhalten.
Shui, gibt ihr 10000 bis 12000 Häulfer; eben fo viel
Samilien hätte Eolon. Shiel; 3.” Brant nimmt 7000 Familien
an, die alfo etwa eine Zahl: von 35000 Einwohnern voraudjegen,
deruuter 5000 muhamebanifche und 2000 armenifche. Ban Hegt,
nach Schulz, nicht ganz vicht'am See, fondern $ Stunden davon
os) Schulze M&m. I. c. p. 280. ) J. Brant Not. 1. c. p. 200.
Southgate I. p. 250. En,
298 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Apfchnitt. $.33.
entfernt, in großer, einförmiger Ebene, die in D., ©. und N. vom
mehreren Bergreihen ganz monotoner, ſteiler Kalffleinzüge umgeben
if. Nur die vielen Obſtgaͤrten mit reicher Bewaͤſſerung, mit Wein-
bergen und zahlreichen Melonenfelvern, geben ihrer nächften Umge⸗
bung Abwechslung. Ban ift flolz auf biefe feine Gartenumge⸗
bung, welche die Gegend faſt 2 Stunven weit bevedit. Diefen un⸗
befeſtigten Theil ihres Wohnflges nennen fie „Baghlar,“ v. i.
die Bärten, und unterſcheiden ihn beflimmt von ver eigent-
lichen Stadt Ban Schehri (bei heutigen Armenien auch Pan
Khayhak oder Ant Kayhak, au wol Schemiram genannt),
die von 3 Selten von doppelten Staptmauern mit Binnen umgeben
und von Thürmen flankiert, mit breiten tiefen Gräben umzogen iſt
In dieſe Gärten ziehen alle Einwohner zur Sommerzeit; alle Haupt⸗
wege darin find: mit Käufern beieht; die Bärten find mit Erd⸗
mauern eingehegt, die jenen Einblick Kindern. Flüßchen, mit ſchat⸗
tigen Weidenbäumen befegt, durchziehen dieſe Baghlar, vie einem
weitläuftigen Dorfe gleichen. Den größten Kontraft bilden darin
pie ichönften Silberpappeln gegen die dunkelſchattigen Obſthaine.
Die Stadt felbf I nur ein Haufe elender GErohütten, voll
Schmug, wie alle Türfenftädte, ohne Pflafter, ohne Minarets; ſelbſt
einzelne befiere Häuſer find meift in Verfall; mit ärmlichen Buden
auf ſchlechten Bazaren und 2 Khanen; ohne europälfche Babrikate
außer venezianiſche Blasperien zum Putz ver Turbiichen Weiber;
außer von Türken auch von vielen Armeniern und Kurben bes
wohnt. “
Wenn zu Taverniers Zeiten Türken bei weitem bie Mehr⸗
zahl ausmachten, fo find gegenwärtig, fagt Southgate In Lieben
einſtimmung mit I. Brant, dort auch an 2000 armeniſche Fami⸗
len anfäfflg, vie aber meiftens fehr arm find, wenige Kirchen, 40
Briefter mit 2 Schulen und einen Bifchof haben, ver aber einige
Stunden entfernt von ber Stabt wohnt. Das Oberhaupt, ihr Ka⸗
tholikos im Klofter zu Akhtamar (Erdk. IX. ©. 996), jcheint
gar keine Obergewalt über fie auszuüben. Die Mufelmänner
haben 15 Mofcheen, 4 Medreſſen von geringer Bedeutung und 4
‚Säulen; ihre Zahl ſchäzt Southgate nur auf 5000 Familien.
Die Hieflgen armeniſchen Kirchen wie die Mofcheen, fagt Schulz,
find wie alle Wohnhäufer aus fpäter Zeit, Feine 300 Jahr alt. In
den beiden Kirchen St. Peter und St. Paul in Ban, °) die man für
*°8) Schulz Mem. 1. c. p. 298.
+
Euphratſyſtem; die Stadt Ban; ihre Einwohner. 299
ſchr alt ausgab, fand Schulz einige Keilinſchriften (Rr. XIII.-
XVL Er. IX ©. 992), fonft gar Tine Mertwürkigtit. Nach
eshen vermeiden fie an ihren Kirchen jÄbe8 Ornament, am Die Kur⸗
vn nicht zum Spott zu zeigen. Ihre Ptieſter find meiſt wir un⸗
wiſſend und koͤnnen weder leſen noch ſchreiben.
Brant beſuchte den Kojah Baſh, dad Haupt ber arme
niſchen Gemeinde; er hatte fich kürzlich ein neueß Haus gebaut, ges
tumig genug, aber doch in fehr vemüthigem Styl, mie eb die ge⸗
irädte Lage der Armenier in dieſem Lande fordert. Das Hausge⸗
ih war ärmlich; von feinem Kiosk aus genoß man bie ſchoͤnſte
Ausfcht auf Gärten und Weinberge. Es zeigte fich kein Mangel,
aber auch Feine Spur von Luxus; Feine Dienerfchaft, nur ein Knecht,
ver das Maulthier beforgte. Die Weiber beforgten felbft die Küche.
69 einfach · leben Hier alle Armenier; nur in Konftantinopel find -
Re vem üppigften Luxus ergeben. Ihre Kirche zeigte fih von außen
wie ein gemöhnliches Haus, auf Baumflimmen ruhend, von Erbe,
bunfel, ſchmutzig, mit angebauter Kapelle, in der nur ver Altar be=
malt und vergoldet war.
Die Einwohner von Ban, fagt Soutbgate, machten einen
guten Cindruck auf ihn, wie die Bewohner von Konflantinopel,
mit denen fie in vielfacher Verbindung fleben; denn viele fuchen von
Ban aus in jener Gapitale ihren Unterhalt und kehren dann nad}
einigen Jahren mit ihrem Erworbnen nach Ban zurüd. Aber nicht
bles aus der Gtabt gehen fie vorthin, fondern auch vom Lane,
ven als verfelbe Neifenne zum Dorfe Ardchek (f. Erdk. IX
©. 924) am gleichnamigen kleinen Ger, den er aber Altchet
ſchreibt, kam, fand er, daß alle bortigen Männer 6) nach Konſtan⸗
ünopel in Dienfte gegangen, die Weiber aber ala Hüter ihrer Heer⸗
ven zurlcgelaffen hatten. In Konftantinopel ziehen die Armenier.
de Berienten aus Ban wegen ihres verfländigen und gelehrigen
Wehen allen andern vor. Der geringere Drud mufelmänniichen
Stolzes, in dem fie Hier in Ban leben, macht fie ſelbſt der Bigotterie
weniger ergeben; die größere Freiheit, bie fie Hier unter Türken ge=
nießen, gibt Ihnen Höhere Anterefien und Intelligenz, Deswegen
meinte Southgate, 7) daß Van ein reiches Feld für eine Miiflons-
ernte barbieten Tünne, gleich Urmi. Doch möchten vie Armenier
und Rurben ber umliegenden Dörfer noch nicht reif genug dazu
*) Southgate Narrative I. p. 268. ) ebendaſ. p. 2ER.
*
\
300 Wefts Mn. TEL Abtheilung. I Abſchnitt. $,33.
fein: De Türken fand Southgate von Erzerum bi! Dan zwar
hoͤchſt unwiſſend, aber boch eifrig jn ihrem Ceremoniel und im. Ge⸗
bet, ofavol. nur. auf eine feß® mechaniſche Art: denn ſie beteten obne
Abwaſchungen, brachen oft mitten im Gebet ab, um ihre Befehle
an ihre Diener abzugeben und weltlichen Interefien zu folgen. Auch
in ihren Medreſſen treiben fie eine Theologie, dafür Haben fie bier
viel weniger craſſe Vorurthelle gegen die Ehriften wie die meiften
Osmanlis. Aber ihre Unwiſſenheit iſt oft grenzenlos, ihr Wahn
an Talismane, an verborgne Schätze und Magie allgemein.
Alberne Sagen vom frühern Glanze und Leben der Stadt find
zwar ſprichwörtlich im Munde des Volks, wie z. B. daß an einem
der Thore die Stadtwache an einem Tage allein 14000 Reiter als
Paſſanten zu zählen pflegte. Don’ keinerlei Blütheperiode iſt (außer
den Felsſculpturen) im Innern der heutigen Stadt vie geringfle
Spur; audy verficherte ein Greis, daß vor 70 Jahren die Stadt 9)
nicht mehr Einwohner, feiner Erinnerung nach, gehabt als heute.
Do ei früher allerdings mehr Handel hier gewefen, als der Ort
noch feine von der Pforte independenten Beherricher, wie ven Der⸗
viſh Paſcha, gehabt, ver 3 Paſcha's, die ihn abjeken wollten,
zurüdgefchlagen babe, aber doch zulegt dem Paſcha Sert Mahmud
weichen muß, als dieſem die Paſcha's von Erzerum, Karb und
Bayazed gegen Ihn Beiſtand leifteten. Dies fol vor 22 Jahren,
alfe etwa 1816, gefcheben ſein, nachdem Derviſh VLaſcha 14 Jahre
das Regiment in Ban ausgeübt hatte.
Bon den jetzigen Bewohnern der Stadt wie bed Stadtgebietes,
gu dem 75 Dörfer ‚gehören, ſollen ſtets ſehr viele gleich den Sa⸗
voyarden Ind Ausland, zumal nach Stambul, auf allerlei Erwerb
ziehen, als Arbeiter, Träger, Handwerker, Gefcyäftsführe: aller Art.
Im Jahre 1837 fol deten Zahl 31000 betragen haben, die abwe⸗
fend waren. An 3000 Eehren jährlich mit ihrem Lohne zurüd und
ernähren dann um fo leichter ihre Familien. Bei einem flarfen
Volksanwuchs und dieſem Hülfsmittel des Ermerbs liegt doch noch
das meiſte Land öde und wüſte, das bei Sicherheit des Eigenthums
und beſſerem Gouvernement feinen Bewohnern mehr Erwerb ver⸗
ſchaffen koͤnnte, als ihre Emigration. Die Unſicherheit gegen we
Kurvenüberfälle war wol die Gaupturfache ver bisherigen Armuth;
"doch, meint J. Brant, fe ſein Freund, der Iſhak Pafcha, zwar ein
ſehr braver würdiger Dann, aber doch viel zu unwiſſend und zu
02) J. Brant Notes 1. c. p. 805.
Eupbratfuftem; die Stadt Banlz ihr Handel. 301
dt, um ein fo ſchoͤnes, aber uncivilifiertes Paſchalik! ohne : thätige,
waterrichtete Beamte, und zumal nach den meunenänteeten Peinciplen
des türfifchet Gouvernements, zu verwalten.
Den Handel von Ban fand der Konſul ganz "unbedeutend,
die große Armuth Hinderte biß. jetzt jede Konfumtion europäifcger .
Babrifate. Engliſche Waaren fanden, hier noch gar keinen Abſatz.
Anf 500 Webffühlen wurden grobe Calico's gearbeitet; die Baum⸗
wolle dazu mußte aber erſt aus Perſien eingeführt werden; einiges
hiervon geht auch zum Rothfarben nach Bitlis, und kommt dann
nach Van zu eignem Verbrauche zurück. Einige Zeuge kommen
auch auß Aleppo und Damas hieher zum Verfauf; alles andre
nuß man fi aus Perflen. ober ecum zu verſchaffen ſüchen. Von
dandesprodukten gibt es — und Wein in Ueberfluß, beibe
And ſehr wohlfeil; friſches und getrodnetes Obſt bildet eine Haupi⸗
wöfuhs. Leinſaat wird gebaut zu Lampendl; Auripigment, d. i.
aachwefelter Arfenik, wird aus dem benachbarten Lande ver Hakkäti
bieher zu Verkauf gebracht, und bie gelbe Beere (von rhamnus
infectorias), welche das Schättgelb Yibt, wird En Bäypen im
ganzen Sande geſaminelt. 9
Jede ordentliche Guusfaltung in Ban. im. sit, cine ‚Haufes
in der Stadt und eines Landhaußes im Vaghlar, mit Baumgar⸗
un, Weinberg‘ und. einigen Aeckem; hiervon und durch einen: Heinen
Handel werden alle Bedurfuniſſe beſtritien. Im: Handel fe nur
din geringes Kapital von einigen hundert Thalern. Aberdieß ‚tft
Jirtichend, um dort mit der Familie ſo einfach ala moͤglich duch
inlommen.... Niemand, wird, eis paar Geldwechtler oder Schreiber
des Paſcha auſgenonnnen, wohlhabend, keiner reich. ‚Nah Bran:s
genauern Erkundigungen iſt der Preis eines dortigen großen. guten
Geriend. etwa 150. Pfd. :Sterl.; 5: Pfo.. Sterl: erhält. den: Gärtner
Lehn; der Ertrag gibt: eiwa 15: Pfo: Stesl., wobei dann sin. reiner
Geuiem.. von 10 Pfd. eiwa, oder 6 Proe., für, der. Gigenthiuner
bleibz. Nimmt: man :aber dne Summe nom Sarraf ‚ober dem
Selamecäler auf, ſo Fann :manıfle wicht unter: 418 Proe. erhal⸗
tm. Die Ankegung: ver :Kapitale im, Grundſtücken giht alſo Ir
guingen Erttag. Den Hauptvortheil gewährt.der Weinberg, in
tem. alur tin. oorzeitig einfallender Falter Winter fehr: häufig bie
Iraubenernte zerflört. : Doch werden die Trauben gefeltert, ber
Moſt verkauft; den Wein bereitet jeder in feinem eignen Bofe.
Jede Art der Induſtrie if Im höchſten Brave zurüd en dioſem Lande
302 WeflsPifien. IH. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 33.
ver älteſten Prachtarchitektur. Auf den See zählte I. Brant 9)
wur 5 bis 6 gebrechliche Boote, die zum Liebsrichiffen von Baum»
wolle und Zeugen nah Tadsan und. Bitlls dienten (vergl.
Erdk. IX. ©. 997), von wo fie Zimmerholz zurüdbringen, das
um Ban fehlt; ein eigentliches Segelfchiff fehlte. Auch verfichert
derfelbe, es fei durchaus noch Fein Verſuch gemacht, die Fiſcherei
im tiefen Wafler des Sees zu betreiben, obwol der Fleine Fiſch
(eine Sardellenart, vergl. Erdk. IX. S. 997) im Frühjahr,
wenn er aus dem See die Zuflüffe deſſelben zum Laichen aufwärts
geht, in dichteſten Schaaren mit Körben gefchöpft werden kann,
um ihn dann einzufalgen. Der See, meint I. Brant, würbe
auch in feiner tiefen Mitte wol ſehr ſiſchreich fein, da eine Menge
von Wafferndgeln, wie Kormorane, Meeven und andre, bie ſich
nur von Fiſchen nähren, Ihn umſchweben. Die genauere Ermittelung
der Gontoure des Seed gebe ihm eine von der frühern Zurunbung
ganz verfchievene Beftalt, nämlich eine größere Länge von S.W. nad
N.O., von Tadvan bis Arnis, an 15 geogr. Meilen; und von ©.
nach N. die größte Breite, Taum vie Hälfte, ein Areal von nicht
vollen 100 Quadratmeilen. Nur an den Ufern, aber nicht nach
dem Innern zu, ht er zur Winterszeit Eisfruften an, und nur
fein Außsrfieß Morbeftende, das gejchloffener, ſchenaler und feichter
if, uͤberzieht ſich in kalten Wintern ganz mit Eis, fo daß man ihn
wie auf einer Brücke überfegen kann. Das Klima iſt zwar. an
ihm milder a8 In dem .auf moch hoherer Plateauflaäche gelegenen
Erzerum, doch faͤllt hier Immer. noch ſehr viel Schnee, und nur die
Kälte erreicht wicht jene hohen iatenſtven GOrade wie dort. Dem
Sergrunde des mittleren Sees ‚gibt Schulz Meeredtieſe und
daß deſſen Infeln wie die Berge umher aus Kalkſtein beſtehen
Das Wisgtigfle, vons und in Ban vom höchſten Intereffe fein
muß, iſt jedoch Der ſeltſam in der. bene iſolirt ſtehende Felo⸗
rücken von einer guten halben Stunde Umfang, mit feinen Seulp⸗
tusen und Krtlinfcrtptionen, deren Verzeichniß wis ſchon frü⸗
her gegeben haben( Erok. IX. ©. 991-993), defſen Specialbe⸗
ſchreibumg wir aber gegenwärtig nach der von dem CEntdecer
Sulz ſelbſt nad deſſen Tode in Curopa ungelangten Handfchrift
witzurhellen ini Stande ſind. |
VUngeachtet auch bier in der bles topographifchen Beidhweibung
“as) J. Brant Dotes etc. p. 207.
Euphratſyſtem; das Felsihlok von Ban. 303
doch noch fo manches zu münfchen übrig bleibt, wie z. B. Grund⸗
ng und Aufriß und Abbildungen dieſes einzigen Monuments antiker
Semiramidiſcher Zeiten, deſſen Hiſtorie wir ſchon früher berührt
haben (Ervf. IX. ©. 984-980), fo IE Doch deſſen Bericht, ver
von einer fo ſchwer zugänglichen Lokalität nicht leicht von einem
Nachfolger forgfältiger gegeben werben möchte, feinem Wefen nach
für die Wiffenfchaft und die Vervollſtändigung künftiger Brobad-
tung bier vollfländig aufzubewahren.
Numerlung. Ban Kaleſi, oder Kaleeh Van, das Belsihlog
von Ban, oder das Gbourab mit feinen Grotten, Gculps
turen und Keilinfcripiionen, nad ber Beobadtung
von Br. 8. Saul; !°%)
Bas Mofes Khoren. von biefem Denfmale fagt, wird durch Dieb.
1. 12 beflätigt,; Diodor aber fhöpfte feine Nachrichten ans Cteſtas
Ayriaca, und diefer hatte feine Daten ans den Annalen der Perſer
ans Syrer gefchöpft, berfelben Duelle, aus der Maribas (f. Erdk.
N. ©. 984) feine Daten nahm, die Mofes Khoren. wieder gegeben hat.
Ju den benachbarten Umgebungen und Städten, wie Bitlis, Nuſh,
Ghunus und andern, die Schulz deswegen erforichte, finden ſich ders
gleichen Denkmale nicht, wie hier in dem einzigen Felfenban Dans, ver
ualer dem volfsthümlichen Namen Ghourab das ganze umliegende Laub
ver Barbaren, aller Türken und Kurden, von fly reden macht, der ſchon
aus weiter Berne von 8 bis 10 Meilen fi in der Ebene am Gerufer
erſpaͤhen läßt, während der grüne Saum ber Gärten und das Hänfchen _
der Gtabtgebäude an ſelnem Buße nur in dichter Nähe fichtbar wird.
Die Sagen und Mähren von feinen Belfen, Höhlen, Schägen, Talis⸗
manen find unerfchöpflih; aber vor Schul; war, feit Timurs Zeiten,
welleicht Sein Srembling in dieſes geheimnißvolle Aſyl eingedrungen, ſelbſt
keiner der Unterthanen von Bau, über deren Köpfen nur von den Zinnen
ber modernen mund doch wieder zerrifienen Schanzen dieſer Feleburg ein
sine zeriprungene Kanonenſchlünde ſcheinbar herabdrohten, jeden nafes
weifen ober empörerifchen Iudringlichen zu vernichten. Die Leute im
Dienfe des jedesmaligen Paſcha Tonnen, zu Schulzes Zeit noch, felbſt
sur mit einem ſchriftlichen Billet ihres Herrn und beffen Giegel in die
Aepprigen Thore dieſes geheimnißvollen Burgverließes eingelafien werben,
vas dem Baia im größter Gefahr als fein leptes Refugium erfchien.
Nur die dringendfie Empfehlung des Gerasfiers don Erzerum öffacte
*
20) Schala Mém. 1. c. p. 200 etc.
304 MWeft-Afien, II. Abteilung. I. Abfchnitt. $. 33.
Prof. Schulz, dem helvenmüthigen Antiqnare (Erdk. IX. 649), deu
Gingang. zu biefem Wunderbau, der fpäter auch von 9. Brant, BI) jem
doch mit weniger Aufiterkfamteit, beſucht worden iſt. J u
en Lage des Öhonräb,
Der in langem Rücken von Weſt nach Of, oder Südoſt, in drei⸗
fachen Knppen höher und Höher, bis über 300 Fuß hoch, aufſteigende
cömpacte Kalkſteinfels vominirt vollkommen die weite Ebene der
Stadtumgebung und des azurblauen Stefbiegels bis zum fernen, ſchneeigen
Hochgipfel des Sapau Tagh, und ift fo recht zu eiuem £nruspallafte
geeignet, und zugleich zu einem für ben Feind ganz unzugänglichen
Eihloffe. Die Kalkſteinwaͤnde fallen gegen Süd meift fieil ab, oft ſeul⸗
recht, gegen N. und N. W. etwas abgeböft, und find von mehrern Hauer
Akten and’ modern-türkiſchen Baſtivnen geftönt.: Die Shdfacgnpe zeich⸗
nete Schulz von dem Pavillon des alten Sarai des Timur Paſcha, die
Nosbfagade von ber Blaine des armenifchen Dorjes Arwanz, das bie
Mufelminner Sslele Koi, das Dorf der Hafenanlandung, nennen, weil
7) im. Norden der Stadt dem Hafen zunaͤchſt liegt. Gegenivärtig hat
dies. Schloß nur einen einzigen Eingang, von Nordweſt her, nämlich von
dem dortigen. Nordweſt⸗ Thore, dem Söfele Kapuffi (d.1. Hafen»
thor), weil dieſes zu jenem Dorfe und zu Uferftufen Goteie, escale)
bes Landungsplatzes führt. Von da fleigt ver Fels nur allmaͤlig auf;
daher auch nur bier von den Paſcha's Befeſtigungen angelegt find, die
von ben andern Steitfeiten unnütz waren. Doch find bie dorf aufgepflanz,
ten. elenden Geſchůtze nur etwa tauglich, durch Schüſſe das‘ Balramdfer
an verfünben, und, die barbarifchen Horben Kurhiftäns and der Berne in
Schrecken zu fegen. Bu |
. I...
2) Treppenflugten zum‘ Khorthor und ıu feinen gelte
fammern.
Au ver Südweffeite des dortigen Kalffteinfelfen,, ben‘ man gewöhn-
lich ben Khorfhor nennt, ſteigt man zunaͤchſt den einzigen Pfad hinauf,
der zum Schloſſe führt, nahe jenem Hafenthor. Keſie antiker Treppen
in Fels gehauen, die man beim Emporklettern bes Felſen bemerken Tamm,
fcheinen, wenn man ſich ihren Juſammenhang ergänzt, darauf Binziden:
ten, daß hier ber Haupteingang war.
Gin großer, runder, mühfam In dels gehauener Vorplatz, der ſich
zur rechten Hand zeigt, mag damit in Perbindung geftanden Haben; doch
hat eben hier bie Serförungswuth Timurs und feiner Zehntaufenb Alles
unfenntjih gemacht, obwol fie nar im Stande waren, einjelne Mauern
*ı3) J. Brant Notes I. c. p. 385—38.
Euphratſyſtem; Bar Kaleſi und die Krilinſchtiften. 305
herabzuſtürzen (Erf. IX. ©. 061). Höher hinanf am Fels fieht man
sch amphitheatraliſche Stufen, bie, zn beiden Seiten mit einer
Art Rampe begrenzt, in Fels gehanen find; biefe Stufen Tonnten zus
gleich als Bänke zn Siken dienen, die den prachtwollfien Blick über ben
See und feine Umgebung gewähren. Am Fuß des Wels, zur Linken vom
Bege, fieht man Grundmauern eines antiken Baues, ans 3 bis 4 Lagen
leleſſaler Dnaderfleine (4 bis 5 Fuß lang, 8 bis 4 Fuß breit) übereins
ander aufgebaut, ohne Bement und Gefüge, nur auf eigne Schwere baſirt.
Ein Keineres, jüngeres Mauerwerk, einft die Kirche St. Johannes ges
naunt, iſt darüber aufgeführt. Die achtzellige Keilinſchrift (Mr. I.
Edt. X. ©. 981) auf einem jener großen Quadern gibt das Zeugs
uß ihres hohen Alters. Gegenwärtig umgibt diefen Bau ein Moraft,
ber durch eine Ouelle gebildet wird, die unter ben Grunbmanern, Fri
mer gerade unter dem Quader mit der Keilinſchrift hervortritt. e
Form diefer Keilfchrift tft Hinfichtlich der Charaktere etwas verſchleden von
ben übrigen, und enthält Charaktere, die allen anbern fehlen; leider iſt fie
fe gerflört. Ä
Hat man eine Seitlang jene Spuren der alten Treypenfindht vers
folgt und wenbet fich rechts ohne Pfad an dem Bellen empor, fo tritt
man oben durch einen Jelsſpalt heraus, der an ber äußern Seite bes
Bellen endet, ummnittelbar über dem Garten, in welchem ber Kiosk bes
Sala liegt (alfo an ber Sübfelte gegen Oft hin, nahe dem Tabriz
Kapuſſi, d. i. am Tabriz⸗Thore der Stadt, dem anferhalb der Stapt
vie Reſtdenz des Paſcha zunächft liegt), Das zwifchen dem Tabriz⸗ und
vom Jokele⸗Thor im der Mitte liegende Thor, das dritte der Stadt
wauer, heißt Detah Kapuſſi, d. i. das Mittelthor. 2°) Hier flieht.
man eine Treppe von 20 Stufen, die aber fo zerſtoͤrt if, daß öfter nur
6 Zoll breite Mefle davon übrig Kind, welche abfchüffig zu einer Heinen
Grotte führt, und entlang einer fentrecht behauenen nnd glatts
dollerten Belswand, vie mit Iuferiptionen bedeckt if. Man ge
Ingt fo zu einem großen Gingangsthor ver 5 Gemächer des
Khorlhor (Hi geuannt Khorkhor mugaralari).
Jene klelne Grotte, wie alle übrigen Monnmente durch Kunſt ti
Bes gehauen, iR quadratiſch, nur B Juß breit, 44 Fuß lang und eben
ſo hech, mit einer Kleinen Bank links am Eingang, von ber ein Pracht⸗
WE auf Gtadt und Ser, anf die Obſtgarten yon Artamit unb bei
Eqentram fa füllt, wub anf die von Hier ımajeflälifch im Hinter⸗
gut von Baſtan fc ethebenden Gebirgsſpiden (des Erdoſh), welche
Nies ganze Panorama mit ihren ſchöͤnen Formen begrenzen.
Reis von der Meinen Grotte, aber über ben genannten Treppen:
UN 0)
2 J Brent, Notes l. , P-,3%: . | ee on
Atter Erhlunte. X. u
&
“
306 Weſt⸗Aſien. IM. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.33.
Rufen auf der genannten ‚pelierten Felswand, zeigen fih bie 3 gros
ben Suferiptionstafelu (IL. TIL und IV. f. Erdk. IX. ©. 991), die
nur durch einfache ſenkrechte Kinien von einander gefchieben find.
Horizontallinien trennen hier, wie auf allen übrigen, die jedesmaligen
Seilen; die Gingrabung iſt 3 Linien tief, die Schrift von vollendeter
Schönheit und NRegelmäßigfeit, aber au verjchievenen Stellen durch An:
[lagen vou Kanonenkugeln beſchädigt, fo wie auch bie legten Treppens
Aufen gänzlich zerftört find.
Zum großen. Bingangsthor wendet man ſich in einem Winkel,
und-fieht dann Linfs über biefer Pforte einen geglätteten Fels mit
Inferiptionen, während rechts der Fels feine natürliche Oberfläche ber
halten bat; doch mit Ausnahme eines Borfprungs, ber jept ganz uner⸗
reichbar ift, auf dem aber eine Tafel mit 20Ozeiliger Keilſchrift vor
treflich erhalten ift (f. Nr. VII. a. a. D.). Links find es am gegläts
teten Fels 2 Inferiptionen (Mr. V. und VI. a. a. O. ©. 991),
deren jede, 81 Zeilen enthaltend, 105 Fuß hoch und etwa 34 Fuß breit
iſt. Die Schrift iſt eben fo ſthoͤn, wie die der 3 großen Tafeln, aber
vieles davon zerflört.
Nun tritt man burch bie Rhorfhor: Pforte in das Innere ein.
Das Thor if B Fuß breit, 54 8. tief, 6 8. hoch, mit einem Rahmen
von 2 %. Breite. Es führt zu einem großen quadratifhen Fels:
gemach von 32 F. Länge, 19 %. Breite nnd 104 5. Höhe. Alle Fels:
wände find mit größter Kunft poliert, wie an den Snfcriptionstafele.
Diefe Bolitur zeigt, daß nirgends Ornamente, Sculpturen oder Inſcrip⸗
tionen vorhanden waren, die man nur für die Außenfeiten bes
Brunffchloffes verwendete. In den Beldwänden dieſes Gemaches find 10
quadratifhe Nifchen, jede 14 8. tief, 2 F. breit und 3 %. hoch, in
Lichten angebracht; fie fangen erfi 34 Fuß über dem Fußboden an; jede
hat ihren 8 Zoll breiten Rahmen als Ginfafiung erhalten. Beim, Ein;
tritt aus der großen Khorkhors Pforte in diefes Felsgemach hat man 2
Niſchen angefichts (en face) zwifhen 2 andern Pforten A und B;
2 andre rechte zur Seite der Pforte C; 2 andre in ber enigegenfichen-
den. Mauer, links zur Seite der Piorte D (alfo 6 Nifhen auf den 3
Felswaͤnden, zu denen 4 Pforten hinausführen). Zu beiden Seiten ber
großen Eingangspforte, durch die man in das quadratiſche Felsgemach
hereintrat, befinden fich je zwei und zwei Nifchen; alfo in Summa 10.
Die Niſchenpaare fliehen etwa 2 Fuß weit auseinander; zwiſchen
jedem derſelben ift in geringer Tiefe ein in den Bellen gehauenes Bier;
feit, etwa auf jeder Seite 1 Fuß breit, mit einem kleinen Loch in der
Mitte, von etwa 6 Zoll Tiefe, von diefer Geſtalt J.
Sur Seite der Pforte A bemuft man, angefichte (en fage) des
Eingangs, 2 Vierecke auf dem Boden, einige Linien tief in dem Yels
gehauen. Das eine, rechts von drrüPforte, bern hel unmikeibar“ bie
.2
Euphratſyſtem; Van Kalefi und Die Keilinſchriften. 307
Vand, iſt 8 J. lang, 6 J. breit, aber keineswegs mit feinen Selten in
Boralleliemus geftellt gegen ein andres Fleineres, das ein volllommnes
Duadrat if, jede Seite zu 3 Fuß 5 Zoll, links der Pforte und 5 Fuß
von der Wand entfernt. Links und über der Pforte A flieht man 6 Stu⸗
fen, die offenbar beſtimmt waren, etwas dahin zu flellen, nicht zum
Auffeigen als Treppe zum bienen.
Die genannten 4 Pforten, A und B, C und D, jede 6 F. hoch,
3 8. breit und 3 5. Hef, mit einer 1 Buß hohen Schwelle, führen aus
dem großen quabralifchen Felsgemach in eben fo viele, alfo in 4 Kleine
Gemäder, bie insgefammt in Fels gehauen, alle von gleicher
dorm, gleicher Größe und Einrichtung find. Tritt man in fie hinein,
fo if man, wie im Großen, angefihts zweier quabratifcher Nifchen,
benen auch andre in den Seitenwänben entiprechen, und zwiſchen denen
daſſelbe Bierfeit mit dem Heinen runden Loche eingehauen if.
Diefe 4 Tleinen, ganz leeren Gemächer haben durchaus Feine Zerſtö⸗
ug erlitten; Beldmauern, wie Buben und Dede in größter Binfachheit
uns dem Bergganzen gehanen, ſetzen durch die Kühnheit biefes ber
Gwigkeit trotzenden Baues in Grftaunen,
Diefe Gemacher zeigen nur wenig Unterfchled; in dem angefichts
v6 großen Haupteingangthors beſindlichen find mehrere Stufen in der Feld:
wand angebracht, ähnlich den 6 Stufen links über der Pforte bei A. In dem
Gemache Tinte des großen quadratiſchen Felsgemaches bei ber Pforte B
* ab Schalz in der Manerede eine Deffnung, groß genng zum Hinab⸗
Reigen für einen Menfchen, einem Brunnen gleihend. Er ließ fih am
Eid Hinab und fand in geringer Tiefe ein enges Loch, das nach unten
führte und unterwärts einen hohlen Raum zu haben fchien. Die Lampe,
vom Loche nahe gebracht, ging durch den Windzug aus und hinderte bie
weitere Beobachtung.
Der Paſcha Hielt dies für eine Verbindung mit der Waffergnelle,
bie ans demfelben Felſen kommt und in dem Kiosf feines Gartens her:
verfyeingt, der wirklich unmittelbar unter diefen Zelsfammern des Khor⸗
Der liegt. Nicht fehr fern, in demſelben Garten des Paſcha, fagt
Gäulz, fand er am Fuße des bebufchten Jelſen mehrere Stufen einer
allen in Jels gehauenen Treppe, die wol einft zu jenen obern Kam⸗
ns geführt haben mochte. |
echte von dem Fels mit der Juſcr. Nr. VIII. find, 40 Schritt un-
ter. einem der Feſtungsthürme, die von ven Türken auf dem Gipfel des
Seerlher erbaut find, noch Reſte von Stufen zu fehen,: die nach: allem
Biätungen führen. Rechts davon tiefer hinab iſt ein großes Loch ohne
alle Berbindung, weder nach oben noch unten, das ſich ſchon früherhin,
nach der Ansfage eines anf Befehl des Vaſcha hinabgelaſſenen Soldaten,
u2
308 WeflsAfien. TIL Abtheilung. I. Abſchnitt. $.33.
ganz leer, ohne Talisman (d. » ohne Infchriften) und ohne Sphähe ges
zeigt Hatte.
Die ganze Südſeite des Ghourab von hier an zeigt feine ein-
zige Spur mehr von höherm Alterthum; die Felsmaſſe if gang fleil uud
unzugänglih, doch mit ein paar ſchlechten Verſchanzungen noch ficherer
gemacht.
Nahe einer ganz ſpiten, pyramidiſch über der andern Sanptmafle
des Felſen ſich erhebenden Zelsgruppe war auf biefer Seite vor Selten
eine breite Treppe vorhanden, bie man aber zerflörte und an ihrer Stelle
‚eine Kaferne ale Gefängniß erbante, daher dies feitvem Zendan⸗Ka—
pufft, d. i. das Gefängnißthor, Heißt, weil hinter diefen Bauten ein
Thor beflanden haben foll, das aber Hein war und unzugänglih, ohne
Kelstammern und ohne Inferiptionen.
Bon diefem Sendan: Kapnffi an erreicht der Fels feine größte
Höhe, die gegen Süd nach der Stabtfeite großentheils fentrecht be⸗
hauen und umerfleiglih if, daher ohne alte ’ nachträgliche Befeſtigung;
doch flieht man diefen Gipfelfels für die Hauptfeſte bes ganzen Ghon⸗
raAb an, well anf deſſen Kücken ſich das Itſch Kalab, 6 . i. das „ins
nere Schloß“, befindet.
An der genannten, ſenkrecht behauenen Steilwand erblickt man, etwa
bei 60 Juß Höhe über dem Niveam der anliegenden Plaine, eine große
quadratiſche Yelstafel, die durch fenfrechte Linien in 3 ungleiche
Golonnen getheilt ift, davon bie erftere fo breit iR als bie beiden andern
zuſammen genommen, und alle 3 mit Keilfriften von ber größ-
ten Schönheit überdeckt. Nur die 2te und Ste Eolonne iſt etwas
beſchaͤdigt, das Uebrige erhalten, wie von. geflern ber. Da ich, fagt
Schulz, nicht zu ihr heran konnte, copirte ich file Durch das Berfpectiv
ans dem Kiosk eines Mollah (Nr. IX. X. und XL ſ. Erdk. IX. S. 991).
Nur die unterflen Linien von 2 Colonnen waren durch Erdſchutt ver:
deck, die Ifte Colonne aber ganz vollländig. Gs iſt die dreiſprachige
Inſchrift, deren eine, Send, nicht aus der Zeit der Semiramis 2°)
fein kann; wenigſtens, bemerkt Schulz, würde eine einzige perfifche
Zeile, die auf Befehl der babylonifhen Königin dahin gefept wäre,
durch ſich felbft feine ganze Borflellung über die Idiome Aflens über
den Kaufen geworfen Haben. Denn die antiten Inferiptionen ber
Semiramis könnten nur in einer Altern affyrifhen Schrift:
ſprache verfaßt fein. Deshalb, fagt derſelbe, Habe er auch ſtets dawider
geeifert, die dreifache Imfeription zn Hamadan für ein Berl der Semi:
ramis zu halten, was and; durch Gtewarts Copie beflättgt fe (f.
Erdt. IX. S. 87 — 88). So wie dieſe ein Denkmal der alten par
Tifgen Monarchie, ſo fat auch bie dreiſache Keilinfſchrift ver 8 e.
9%) Schuls M&m. I. c. p. 278.
/
Euphratfuften; Ban Kaleſi und die Reilitifihriften. 309
Ismen zu Ban (alfo verſchieven von anderk rein aſſyriſchen Fuſcriptionen,
welche aber mit vem Send und Perfifchen einerlei ober doch verwandten
Schriſtcharacter zu Haben ſcheinen) aus derfelben Zeltperiöde; denn
un 7 verſchiedenen Stellen bemerkte er darin den Namen: „Zerres,
Sohn des Darins“ mit noch mehr Titulaturen als diejenigen, welche
fd gewöhnlich ef den verſiſchen Infchriften voefanden,
3) Das Innere Schloß, Itſch Kalah ?9) mit dem
Naphtabrunnen.
Um zu vicſem auf der größten Belshöhe zu gelangen, kann man nur
einem einzigen, noch heute gangbaren Pfade folgen, der weftmirts führt.
U man den Khorkhor mit feinen Felskammern rechts, fo fleigt man,
etwa gegen N.D., empor zwiſchen einer doppelten Mauerreihe, welche die
Then Hier gegen die Attaden der Feinde anfführten. Erſt nad eini⸗
gem Auffleigen gelangt man an das große Holzthor mit Eifennägefn,
welhes ven Eingang zum Sunern des Stich Kalah verſchließt, und nie
ohne eine ganz befonbere Erlaubniß geöffnet wird. Much Innerhalb diefes
Thors tritt man wieder zwiſchen Manern, die jevoch höher und: fefter ges
Bart ſtud als die äußern. Zumal viejenigem zur rechten Hand find fchr
hech, bil, mächtig und In jeber Hinficht tüchtig. Innerhalb derſelben find
eine Menge moderner Bauten aufgerichtet, einft Wohnungen von Janit⸗
ſcheren, welche bie Garniſon der Befte bilveten; auch ein größeres, nen:
erbautes Bulvermagazin, da ein früheres durch eine Erploflon den größern
Tpell ter Feſtungsgebaͤnde zertrümmert hatte. Hie und da flanden mod
Auge geplapte Kanonen ans den Zeiten der Sultane Murad und Coll:
max, bie fie anf Ihren Erpevitionen gegen Kurbeftan mit dahin führten.
Gegenwärtig if feine Garniſon mehr Hier. In dem Umfange biefet
Hg Kalah iſt etne große Strecke des gegen bie Stadtſeite gewendeten
Pelfen; der ſich an die höchſte Felsſpide lehnt und künftlich behanen iſt;
auf vieſer Belsfpige fleht das Pulvermagaziu über der dreiſprachigen Ins
ſchtiſt. Die Jelswand iſt an 60 Buß hoch ſenkrecht abgehauen; faſt in
Meer Mitte führt ein Thor in den Innern Fels; ein Loch darüber gibt
Fe Licht. Pforte und Lichtlhoch find durch die Mohamedaner
zerfißrt, eben fo große laͤngliche Vierecke, die faft im ber ganzen
Yurtie ver Jelswand angebracht waren. Ueberall zeigt fl Verwüſtung.
Durch die Pforte tritt man in ein großes Kelegemad mit
enem Felsgewölbe im Dach, 45 Fuß. lang, 25 Fuß hoch. Die
inte —2 weniger vollfommen polirt, weniger forgfältig und regelmäßig
part als die Felskammern in Khorfhor. Diefelbe Bemerkung ergibt
ün allen folgenden Gemaͤchern.
IR “DD, p- ‚9m.
310 Weflsffien. II. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 33.
Saft en face führt eine zweite Pforte, nur 5 Buß Horb, in ein
kleineres Gemach, 10%. br., 20%. 1., die Neft koĩon, d. i. ber Na phta⸗
brannen, genannt, weil ſich daſelbſt ein fehr flarker, faum- auszuhalten⸗
der Naphtager uch bemerflih macht. Dieſes ganze Gemach war mis
einer fehr feiten, gebrannten Baditeinmauer bekleidet, die mit einer Moͤr⸗
tellage überzogen iſt. Ein Loch, in biefe Mauer gebrochen, führte zu einer
Niſche, die ganz mit ſchwarzer klebrichter Naphta erfüllt war, die burch meh⸗
tere Spalten der Backſteine fiderte und jenen Geſtank verbreitete. Der Fels
war über biefer Localität an mehrern Stellen durch Lampenrauch ge:
ſchwaͤrzto Da der Paſcha feinen Schügling für einen Kenner der Talis:
mane hielt, fo Hoffte er noch immer, berfelbe werbe ihm große Schäge
erſchließen; er hielt dies insbefondre für ein altes Grabmal, nnd meinte
um fo mehr barin Schäße zu finden. Aber die Arbeiter zerbrachen lange
Zeit erfolglos an der Härte der Backſteine ihre Werkzeuge; der Mörtel -
hatte fie fo feft zufammengefüigt, daß Fein einziger Backſtein unzerbrochen
gewonnen werben konnte. Jeder derfelben von 8 Onadratzoll und 2 Zoll
Dide war ohne alle Spur von Keilinſchrift. Selbfl dur Sprengen mit
Pulver wurde wenig gewonnen, und nachdem man einen ganzen Monat
daran gearbeitet hatte, war das Gemach doch noch nicht von Badſteinen
befreit. Sollte auch fpäter noch etwas gefunden worben fein, fo, meint
Schulz, würde doch nie etwas darüber befannt gemacht.
Ganz dicht neben diefem Neft koion, in der großen Felsmaſſe, die fi
links davon erhebt, über der dreiſprachigen Infchrift in der Tiefe, und
unter dem Pulvermagazin auf der Höhe, befindet fi ein irreguläres
Loch im Fels, etwa 5%. Hoch und eben fo breit. Durch daſſelbe gelaugt
man in eine Reihe von 5 Gemächern, fo gefellt, daß das große
Gemad (30%. h. 20%. br.) vorn liegt, mit 2 fleinern Gemächern, links
und rechts, zu denen 2 Thüren führen, dagegen 2 aubere eben fo Feine
Zimmer in gleicher Flucht hinter dem erſten liegen und zwar eins bin;
ter dem andern. Ihre Thüren befinden ſich angeflchts der Oeffnung,
die als Gingang zum großen Gemache bien. Die Mauern find hier
Insgefammt ohne Ornamente, nur nachläffig behauen, ohne Nifchen, ganz
leer; in der Ede von der einen lagen viel Staub und Menfchengebeine,
die nichts befonders Bemerfbares darboten, aber vielleicht der älteften
Semiramidifchen Dynaftie angehörten. Im Innern des Stich Kalah zeigten
fich weiter keine Denkmale.
4) Die Feleſpize mit dem Atrium und den Todtenfammern.
Aber im Fels befindet fich noch eine ungeheure Grotte, einige
hundert Schritt rechts ab von Neft foion, auf dem Gipfel eines Felſen,
aber außerhalb aller Manern nnd Befefligungslinien, welche das Itſch
Kalah umgeben. Um zu ihr zu gelangen, Hettert man am Oſtende ber
Gelfen nahe über dem Tabriz Thore vorüber, an, einer minder abjchäffigen
Eupbratfoftem; Ban Kaleſi und die Keilinſchriften. 384
GStelle. IR man oben angelommen‘, fo folgt man gegen S. W. ver lam
gen Mauer, welche von biefer Seite das Caſtell vertHeivigt. Auf diefem
Bege trifft man hie und da Nefte antiler Treppen und Bänke in
dels gehauen, jedoch zu felten, um fe darch Eombination mit aflem fliehen
gebliebenen in Zufammenhang zu bringen. Sie zeigen nur, daß anf
dieſer Belsburg Alles im großartigften und edelſten Styl angelegt war.
Rad einigen 100 Schritien gelangt man fo zu dem Reft einer noch wohl⸗
sthaltenen Treppenflucht, von 25 ganzen Stufen, deren jede 10
Taf breit im Wels gehauen if, an deren Seite rechts eine Reihe von
Grmädern auf einander folgt, indeß zur linken Hand eine gewals
tige Felsrampe vor dem Hinabſturz in die Tiefe fihert. Don dieſer
Treppe Relgt man hinab auf ein ganz in Fels gehanenes Plateau
(RE. 1, 18%. br.), glei einem Atrium vor dem großen @inganges
there gelegen; links und rechts deſſelben flieht man noch Mefle (der eine
3, der audre 17 Buß groß) einer coloſſalen Bank, welche einft, nach
euderweitigen Spuren zu fchließen, die ganze Felsplatte umgeben zu
Veaben ſcheint, and die Feſtverſammlung zugleich zu einer Pracht⸗
ensfiht über die weite Ebene, bis zu dem fernen Gebirgszug bes
Barrat Dagh gegen den Aufgang der Sonne nad Berfien hin,
einlud. Mit dieſer Ausfiht Im Rüden, fleigt man- 6 Stufen, jebe 34 Buß
keit, nm 9 Inß hohen Eingangsthor hinanf, das 44 Fuß breit mit
größter Kunſt in den‘ 60 Fuß breiten Belfen eingehanen ift, der fich fenfs
recht ale Wand, AO Fuß hoch, über jener Plattform erhebt, nnd überall
sah den Spuren ber forgfältigften Bearbeitung mit Inferiptionen und
vielleicht noch andern Schnörfeln bedeckt war, den aber wilde
Barbarenhände zerflört haben. |
Dur das Hohe Portal tritt man zuerft in ein großes quadras
tifhes Felsgemach (A), 258.1, 21%. dr., 25%. 5., ganz leer, ohne
Rifgen, ohne Ornamente, aber mit einer Politur an Wänden, Dede,
Jußboden und Thärgefims, von unnahahmlich vollendeter
Arbeit, Drei Thüren, jede 7%. Hoch, 34%. br., eine angefihte (en face)
W-Hanpteingange, bie andern beiden links und rechts, führen aus
den großem Feloſaal in eben fo viele Meine Belöfammern. Das
dauptgemach der einen, en face, iſt gleich den andern 15 J. Hoch,
von dem großen quabratifchen Felsgemach A durch eine 2 Fuß bide
Nener gefchteden. Beim Eintritt in daſſelbe fieht man zur Linken bie
ganze Länge der Nauer entlang eine Art Bank umberlaufen, 35%. h.
5, ©. br., zu der 8 Borfinfen Hinanfführen, alles’ in Fels gehanen.
das Rebengemach von A, zur Linken, iſt 33 F. l,. 9 J. br., mit ganz
Maler Felsbant, welche die lange Mauer rechts vom Eintritt ganz
cdanimmt, aber ohne Vorſtufen if; und en face endet dieſes Gemach
in einer Urt von Alkoven. Diefem Nebengemach enifpricht vas andere
. 312 Wefietfien,. II. Abtheilung. I. Abſchaltt. 4.33.
zur rechten Seite von A, iſt aber nur 18.5. 1.,.8 F. br., und die Fels.
bende Mauer hat 3 Fuß Mächtigleit.
. Me diefe Felsklammern find ohne Druamente, Seinen, ihrer
Bolitur nach zu uxtheilen, auch uie dergleichen gehabt zu haben; am
wahrſcheinlichſten Halt Schulz dafür, daß fie zur Anfnahıng der Verſtor⸗
beuen,.zu Tobtenfammern, pienten, beven Gebeine in Sarkoyhagen ber
Ursen ober fonft auf eine uns unbekannte Weife anf ven breiten: Seele
bänfen ihre Ruhbefatt erhielten. Jetzt find fie voll fniternder
Eylen und, Fledermänfe, fo daß man Birbuß's Ausſpruch bier bes
ſtaͤtigt findet: „bie Spinne ſorgt ſchon für das Net im Schloſſe
„der Cäſaren, die Eule klagt im Haufe der Afrafiab!”
Nicht fehr fern zur Rechten des Fele, deu biefe Kammern einſchließt,
fieht man zwifchen den Spalten des Hügels eime Feine, ſchwer zugäsg«
liche Oeffnung, zu der man nur auf des Steillwand von oben hinabklet⸗
tern. Tann. Hier war, bemerft Schulz, wol nie ein gebehuter Sugang,
das Loch, 3 5. h., 2 8. br, 5 & tief, ziemlich is ber Mitte des Felfen
zwiſchen Baſts und Gipfel, hat nach oben eine Art Gewölbe, wie auf
dem Allirpi nahe der Höhle des Zemzem Dagh (f. unten). Durch dieſe
Oeffnung wicht ohne Beſchwerde eingebrungen, entdeckte Schulz no
eu quadratiſches Felösgemach, 23 %.lang, 14%. hr. 12.3. hoch, an
defien Wänden gleiche Bänke wie in jenen Tobtenlammern unaherliefen,
anf denen fich aber noch eine doppelte Reihe runder Löcher bes
fand, groß genug, um eine JZwölfpfünder-Rngel zu foffen, vera
Iweck gänzlich nubekaunt blieb. (Bielleiht für Lampen wie in ber Res
veito Grotte f. Erf. X. ©. 818). Sonſt waren anch dieſe Grotun
wie bie andern genannten gänzlich leer.
5) Die Norpdfeite des Felsſchloſſes außerhalb nes
Tabriz Kapuffi. 2®) |
Die ganze Südwand bes Selezuges von dieſen Jelalaunvern
bis zum Oſtende, in der Nähe bes Tabriz⸗Kapuſſt, zeigt weiter keine Un;
tignitäten; deshalb wendet fh Schulz nun zur entgegeugeſchien, nam⸗
lich zur Nord weſt⸗ und Noxpfeite vefielben, und verfalgt biefe yon
O. nach W,, d. i. vom Tabriz Kopufli bie zum Zelele Kapuſſi, d. i.
dem Hafen⸗Thor Hin.
Blei zur Seite außerhalb des Tabriz hoee zeigen ſich voch Hehe
einer quadxatiſchen Fels tafel, JO Fuß erhabon über dem Fußbeden,
Fa gerflöch, fo wie eine aweite über ihr, welche ganz übess
i
R —X fern vom Tabru Thot,a am Wege. der won m; sum Ger
ls) Schulz Mom. l, c. p- 288.
\
Euphratfoßien; Ban Kaleſi und dic Reilinfhiften. 313
fügt, ſteht mam uuterhalb und außerhalb ber Kortificationen, welche biefe
Seite befchügen, 2 Felogroſten, die 20 Schritt anseinander liegen unb
fcht forgfültig ausgehauen find, jede 7 5. br., 84 J. t. und. eben fo hoch.
Die Dede iR gewölbt ausgemeißelt, alles einfach nud gut polirt.
Dis Grette zur Linien Hat keine Auszeichnung, bie zur Kechten hat beim
Eintritt am ihrer liaben Mauerfeite eine Keilinſcription von 29 Li⸗
nien (Nx. XII. Erdt. IX. ©. 991). Sie war halb mit Schutt zugedeckt;
ihre Charactere find groß, fehr ſchoͤn, auf das vollenvetetfie ans»
gearbeitet, auch meift bis anf wenige Stellen, wo nad nnien alte
Spalten, vortrefflih erhalten. Die Spalten waren aber ſchon vor ber
Infeription vorhanden, da man offenbar flieht, wie der Steinmeh öfter
106 ihnen die Größe oder Stellung feiner Eharactere mobificirte. Ein
andrer Theil derfelben Infchrift iſt jedoch verberbt duch ein rohe
Krenz, das Armenier fpäterhin dort eingehauen haben, wie einige arme»
slfge Schriftzüuge im fehr ſchlechtem Style, darunter angebracht, bes
weifen. Diefe Grotte wird noch heut zu Tage von Chriften mie von
Nuſelmaͤnnern verehrt. Schulz HAlt dafür, daß fie ſchon ben alten
Aſfyrern eine geweihte war, fo wie bei den Armeniern, da fie and
den Mufelmännern, die jenen Altern aorgängene nur gefolgt fein kön,
zen, zumal ihren Welbern, ‘ein Ziaret, d. 1. ein Wallfahrtsort, iſt. Die
Beiber wollten den Guropäer Kindern, die Lumpen von den Characteren
abzwreißen, die fie als Gelübde dahin zu hängen pflegten. Der Volles
wahr verlegt dahin Goldſchätze, die unter einem Khazane Kapuffi
(Thor zum Schaghanfe) liegen follen, deſſen eifernes Gitter den Eingang
zum Thefauros hindere. Zwei Männer mit Blammenfchwertern, fabelt
man, bewachen den Eingang ; jede Nacht lagere ſich eine große Schlange
vor dem Talteman (der Infeription), ziehe fih aber bei Sonnenaufgang
var ein Loch zur echten in das Innere der Grotten zurlick. Alles
Babel, ſelbſt die Schlange, von der Schulz feine Spur wahrnahm, obwol
es öfter mehrere Stunden vor Sonnenaufgang zur Erforſchung der wahren
Wände ſich daſelbſt aufhielt. Nur wenige Schritte fern von biefer
Geste: iR der Fols, behauen in fehr antiker Zeit, ſenkrecht, 65 Schritt
Ist, 60 Fuß hoch, darin B Duabertafeln Keilinfchrift, deren jede
bisfelbe, alte eine dreifache Wiederholung deſſelben Documents trägt,
Iwon'2 Tafeln, A und B, an 13 Schritt horizontal von einander gefons
veub,; Höher fichen ale die Ste, C, weldye ganz am Fuße des Felfen nur 10
Güpisb voechts unter dev Tafel A und etwa 4 Schritt links unter ber
Ya B, alfo zwifchen beiden, flieht. Die Tafel B flieht etwa 20 Fuß,
vom Beben gerechnet, an der Felswand empor, und die Tafel A tft noch
mas hoher eiagehauen (Me. XIE. XIV. XV. Grof. IX. S. 901). Jede
be Lofeln Yat einen Rahmen im Wels, 2 Fuß breit und 1 Fuß tief; A ift
IER, 6%..3 Zoll br./ mit 19 Zeilen, deren jedwede 2 Zoll 2 Knien Höhe
het. Unter der letzten Linie iſt noch ein iteier Raum von 14 Zoll, der
314 Weſt⸗Aſten. II. Abtheilung. I. Abſchuitt. 5.3
nie befcgrieben war, Die Tafel.B hat ganz biefelbe Juſchrift; die vom
iſt einige Soll höher. Die Juſchrift iſt dieſelbe wie bei A:und B, ai
fehr beſchädigt. Die Schriftzüge ſind ler von derſelben Net wie
den andern Monumenten, nur in größern Proportionen; die Buckflaben ı
1 Zoll höher ald- die am Khorkhor; es bleibt faſt unbegreiflich, wie m
biefe Inferiptionen in einen fo Parken ‚Stein voll aahtkofer Riffe hat e
graben können. -
6) Die große Felsgrotte.
Das letzte der Denkmale in dieſem wahren Wunderſchloß iſt
große Grotte, an 100 Schritt rechts von jenen 3 Tafeln, im ob:
Theile des Felſen eingehauen, ſo daß ihr Eingang hinter der Felswe
verſteckt liegt. Von unten her iſt derſelbe überhaupt ganz unzugängl
Sie bildet ein länglichtes Viereck, 70 Fuß lang, 15 Fuß breit, 8 Fuß hi
aber gegenwärtig mit Schutt und Steinblöden gefüllt. Wände und J
fond find ganz glatt, aber ohne Ornamente; nur rechts am Eingang ı
einem vorfpringenben Selfen, auf einem Raum, 24 Zoll I. und 28 Zoll
ift die 173eilige Inſchrift (Nr. XVI.) eingegraben. Die ſtarke Reſon
der Grotte macht es wahrfcheinlih, daß fie Souterrains habe, zu de
Nachgrabung auch der Paſcha Vorrichtungen getroffen hatte. Don bir
Grotte bis Jstele Kapuſſi fand Schul; Fein Denkmal weiter am Fı
einige Nifchen und Tafeln ausgenommen, aber ohne Inſcription. Da
Fels von dieſer Seite ſanftere Abhaͤnge zeigt, fo wurde er hier auch 1
fganzt. In den Mauern fieht man große Quadern eingefugt, bie ı
Kreuzen und Ornamenten überladen find, aus armenifcher Seit ſtamme
in berfelben Art, wie fie auch anderwärts auf armenifchen Gräbern v
fommen. Auch fehr große Bafaltblöde und eine Art Marmor zn Röh
ansgehauen, die vielleicht zu noch Altern Sculpturen gehört haben mög
werben hier bemerkt. .
Don den Statuen, Säulen und andern Sculpturen, deren die arı
niſchen Autoren als hier gefunden erwähnen, ‚fand Schulz nicht bie
ringſte Spur; auch den Bewohnern von Ban war ihr Vorlommen gè
lich unbelannt. ine einzige menfchliche Figur, einen menfchlihen To
in Relief, aber ſchlecht ausgeführt, bemerkte er anf einem Steine in |
Gräben der Stabt, bei dem Ortah Kapuffl (dem Mittel: Thor). An ci
andern Stelle fah man eine ganz moderne Sculptur, ben befannten |
genſtand perfifcher Darftellungen, nämlih „den Kampf des Löw
mit dem Stier“, zweierlei Stüd: anf dem einen iſt ber Stier v
Löwen anf den Rüden geworfen, auf dem andern flebt ber Löwe gri
tätifch aufrecht. ber beide find von ganz plumper Arbeit, und =
mit dem vollendeten Meißel am Khorfhor zu vergleichen. Schulz I
dieſe ſymboliſchen Sculpturen für Nachäfferei der Mufelnänuer, wie ä
%
Cuphtatſyſtem; Ban Kalefi und die Reilinfchriften. 315
ige ans den Zeiten der Seldjukiden ſich finden, z. ®. die Steine an
ven Mauern von Diarbeir, Baiburt u. a. °*)
Die Hentigen Bewohner bilden In ihrer Mobeit nichts mehr; alle
Infrriptionen ſind ihnen nur Talismane zur Bewachung von Schätzen,
oder ihres Landes; bie autilen Trabitionen find beiden, Chriſten wie
Neelenen, noch heute geheiligt. Die Orte für den Cultus antiker Böts
ver beftimmt, werben auch heute noch, wis ehedem von heidniſchen, fo von
riklihen und mufelmänntichen Weibern befucht; jene richten ihre Ge⸗
kete an Sourb⸗ lirkor oder Aftyatzatfin, diefe an Allah und deſſen Pros
voten. Jede menſchlichẽ Abbildung würden fie nur für ein Zeichen bes
Teufels oder des Autichriſt Halten, und die Mufelmänner würden fie zu
Ehren des Koram fogleich vernichten. Daher dies vielleicht eine Miturſache
ihres gänzlihen Mangels in ber Gegenwart.
T) Der Zemjem Dagh mit dem Alfirpi und dem Meher
Kapuffi oder den Mithrassthor. ??)
Aur 4 Meile im Of des Dan: Schloffes dehnt fih ein Hügel fafl
im Halbfreis aus, troden, öde, lang gefltedt, aus demſelben harten Kall⸗
fels beiehenb wie jener. Diefer, wiederholte der Pafcha mehrmals, follte
in frühern Zeiten nur eine zufammenMäingende Maſſe mit dem Schloß:
berge ausgemacht haben, aber turch eine heftige Erderſchütterung davon
- abgetrennt worben fein. Er wird Zemzen Dagh genannt. Deflen
werligen, der Stadt zugefehrten Theil nennt man Akkirpi (weißer
Igel), ein Name, der der Natur des Bergs gar nicht entipricht und
wahrſcheinlich als Verſtuͤmmlung einer ältern Benennung übrig geblieben
iR. An der Höhe dieſes Akkirpi ift eine Tafel, 14%. 73.5. 6%. br.,
in dels ausgehauen, die von oben bis unten mit affyrifchen Characteren
bededt if; ihre doppelte ECinfaſſung, die 2 Vorſtufen und die ganze Form,
and der Ferne wie eine Porta anzuſehen, hat den Wahn erweckt, es ſei
dies die ECingangoͤthur in das Innere des Berge, wozu fich die Kurden:
febel gefellte von einer großen unterirbifchen Stadt ber Dins,
Vie hier verborgen liege. Nur zwei Mittel ſoll es geben, fie zu erreichen:
wenn man den Talisman entziffert, oder den flebenten Tag nach Oftern,
ever das Sohannisfeft abwartet, weil fie fc an diefen Tagen einmal von
ſelbſt öffnen fol. Im Innern des Berge läßt von Zelt zu Jeit der
verganberte Hahn fein Befchrei ertönen. If es zur Morgenzeit, wenn bie
ir ſich öffnet, fo if es die gute Stunde, zu ber man ſich hineinwagen
mag; zu audrer Zeit würde man ſich darin nur verirren. Vor kurzem,
erbte man, ſei einer der Bewohner von Dan hineingedrungen, aber nie.
wieergurhltgelchtt. — Schulz konnte feine Spur von Höhlen In biefem
10) Schulz Memm. L 6. p. 297. ) ebenbaf. p. 300.
‘
316 Wefl-Hfen. V. Abtheilung. I LAbſchain. $. 33.
Berge wahrnehmen; aber einige hundert Schritt rechts zur Geile bes
Akkirpi, am Dftende bes Berges, befinden fich dergleichen wirllich.
Jene große Tafel mit ber Inſchrift wird Neher⸗ oder Mibr-
Kapuſſi genannt, wol höͤchſt wahrfcheinlich an Mithra erinnernd; alſo
Mithras⸗Thor, ober das Sonnen:Thor. Da aber im heutigen
modernen Perfifchen die Sonne nicht mehr, fo wenig wie bei Kurben,
Türken oder Armenien, mit dem Namen Meher bezeichmet wird, wie im
Altperſiſchen: fo iſt ihnen der hentige Name eine inhaltleere Benen⸗
nung, bie alfo um fo ehrwürdiger als eine reine Tradition aus urs
alter Borzeit erfcheint. Die Infchrift iR die größte unter allen bis
jegt aufgefunbenen, son 85 Zellen (Nr. XVII. |. Erdt. X. ©. 081).
Es ſcheinen verfchiebne, in 4 Sectionen gethellte Juſchriften zu fein. Sie
iſt ſchwer zugaͤnglich zwifchen Beleflüften, der untere Theil ſehr zerſtört,
der obere jedoch vollfommen erhalten. Die Sprünge im Fels beſtanden
auch bier ſchon, ehe die Gingrabung ber Charaltere geſchah. Sie war
einft offenbar mit einem eigenthämlichen gelben Firniß überzogen, da bie
oberften gefchästen Zeilen noch heute deutlich einen folchen Meberzug zeis
gen. Diefes Meher⸗Kapuſſi ift ein fehr geheiligter Pilgerwallfahrtsort,
zumal für Brauen, wie das KhazanesKapuffi.
Nın 10 Minuten vom Mithras: Thor, anf der höchſten Spige der
Nordoſtſeite des Zemzem⸗Dagh, dringt man durch eine Zelsfpalte biefer
hohen Felſen vor bis zum einer Felsmaſſe mit großem Cingang, faſt quas
dratifch gewölbt, 6 Fuß hoch, 8 %. breit; am Ende eines langen Eor:
ridors führt eine Treppe von 50 Stufen, bie an vielen Stellen zerflört
find, in'das Innere des Felſen. Links über diefem Gingang find an 10
Selsftufen übereinanter ausgehauen, die ans ber Ferne gefehen gegen den
GWelsgipfel zu führen fcheinen; aber fie find nur wenige Zoll Breit, ſtehen
fenfrecht eine über ber andern, die oberften erreichen keineswegs die Spige
des Felfen. Ihre Befimmung muß urfprünglich eine andere geweſen fein.
Der lange Corridor oder Felsgang, zum Innern einer Grotte führend, tft
durch 2 runde Löcher gut erleuchtet, die in gehöriger Ferne von einander
Reben und zugleich die fhönfte Ausfiht in die Ebene am Fuße bes Zem⸗
zem barbieten. Der Corridor, für 2 Mann breit genug, ohne alles Or⸗
uament, ohne Inſcription, führt an feinem Ende rechts zu einer Groite,
25 Fuß etwa im Quadrat, trregulär, die aber gegenwärtig gang voll
Steine gehäuft if. Sie fcheint von Natur gebildet zu fein, Ihre Dede
hängt voll tropfender Stalactiten. Gin Kanal, der aus ihr zur Rechten
hinab zur Tiefe führt, war durch Steinblöde verdaͤmmt; der türkifche Bes
gleiter fagte, es folge nun ein ganzes Labyrinth von Grotten, im beuen
ch vormals wol Menfchen verloren, deshalb die Paſcha's fie mit Steinen
hätten verftopfen laflen.
So viel Schönheitsfinn, bemerkt Schulz, Habe das Volk, wel:
es dieſe grandiofen Felsbauten zurädlisg, überall für tie umgebende
Euphratfuftem; Ban Kalefi und die Reilinfehriften. 317
Naturpracht gezeigt (der dem heutigen Volke ganz fehlt), daß er bei
keiner der reizendſten lanpfchaftlichen oder Zelspartien irrte, wenn er fi
zurief: follte ba nicht aud ein Denkmal ans der Seit der Gemiramis
ſein? Go ift vie Ansſicht vom Bipfel bes Zemzem⸗Dagh unbe
ſchreiblich fchöm über See und Stabt; man findet daſelbſt noch die Stu;
fen, die binanfführten, ihn zu erfleigen, und Sizbänke au den ſchön⸗
Ren Bunkten zum Genuß der herrlichen Ansficht.
Die Sage verfegt auf diefen Gipfel des Zemzem⸗Dagh ein antites
Schloß, von dem aber heutzutage feine Ueberreſte mehr vorhanden find,
falls nicht die vielen Spalten und Riſſe im dortigen Boden voll Schutt,
"Scherben und Terracotias auf eine gänzlidhe Zerflörung befielben hinwei⸗
fen. Im dem Umgebungen werben wicht felten allerlei Denkwürdigkeiten
gefunden, ausgegraben, ausgeadert, die aber won der Habgier ber Türten
verheimlicht werben, da fie jedes Metall von Werth fogleich einſchmelzen.
Kinder Gatten ſoeben einen Tleinen ſchwarzen Talisman - Gylinder gefuns
ven, der in Schulzes Befls Fam.
8) Sragmente von Inferiptionen in den Umgebungen
von Ban. !°)
Außer jenen Raunenswärbigen zum erfienmale von unferm gelehrten
Sendöemanne im Iufammenhange erforſchten Dentmalen der älteſten Bor:
ui, dem wir manchen glücklichern Nachfolger zur Vervollſtaͤndigung fel-
see nur erſt begonnenen und mitten im Laufe unterbrochenen Unter
fagungen wünfchen, haben fi ihm auch gar manche zerfirente Ueber:
te dargeboten, deren Zahl die Zukunft wol fiher noch mehren wird.
Eine Menge Dürfer, *) meift armenifche, fagt derfelbe, umgeben bie
Stadt Ban; armfelige, in deren keinem merkwürdige Baurefte, jedoch in
menche ihres Kirchen und Altäre bie und da ein Inferiptionsftein
wit eingemanert if. Die Kurden ziehen den feflen Wohnfiden das Nos
nadenleben vor und bei ihren fortwährsnden Fehden zerflören fie immer:
ft alles noch Beſtehende.
Die hoͤchſte Gebirgsketie, welche die Bau: &hene gegen Of begrenzt,
kit Warrat Dagh ?°) (vergl. Erdk. IX. ©. 976), ein fehr ſteiler
md hoher Reikfieinfels, deſſen Gipfel lange Zeit im Jahre hindurch mit
Gänse bededt bleiben; in einer dort fichenden Pleinen Kirche, ver Wars
tals Rikiffa, oder Devi:Ktliffe, fanden fih Inferiptlionen (Mr.
KIVH.—XXIX. Erd. DI. ©. 902). Huch die Inferiptionen XKIE.
ms XXVI. achören zweien armeniſchen Kirchen an, die mit drei Dörfern
is der Sm: Kegen, welche fi im RO. zwifchen dem Warrak⸗Dagh
}
“) Schulz Men. c. p. 315-329. 1°) ebend. p. 309.
»*) chend. p
N
>,
\
318 Weft-Afien. II. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 33.
und dem Zemzem⸗Dagh andbreitet; der Kirche des Dorfes Sitte und
des Dorfes Schouſchanz, wo fie als Banfteine eingemanert find. Bine
der älteflen armenifchen Kicchen if die gu Kochbanz am Fuß der Fele-
Fette Warrak⸗Dagh, 3 Lienes von Ban entfernt, wo 8 Steine mit 6 In:
feriptionen (Nr. XXX.—XXXV.) eimgemanert fi) befinden. Im Nor:
ven von Ban fand Schulz feine Spur eines autiken Denkmals vor.
Bei dem armenifchen Dorfe Kalatſchik erhebt fi ein iſolirter, ſteiler,
pyramibaler Berg mit einer Kleinen Kirche, ein fehr altes Helligthum, wo
einft ein Tempel mit einem berühmten Idol geftauden haben foll, ver
aber durch Chriſten vertilgt ward. Dort fand man unter der Erde einen
großen Stein, den man In ber Kirche ale Aitarftein angebracht hat. Er
iſt roͤthlich, und wie ein Mühlftein, 24 Fuß im Durchmeſſer, 6 Zoll
hoch, die obere und untere Seite rein, aber am Rande umher mit einer
Doppelreihe von Keilfchrift, die durch mehrere Krenze fehr be-
ſchaͤdigt If.
In Nord von Ban, 123 Lenes fern anf einer Gebirgskette, andert:
halb Lienes von Ardiſh, nad der Ausſprache im Lande, aber gefchrie-
ben Ardjiz (vergl. Erdk. IX. ©. 785, 923, 989), heißen die dortigen
dunkeln nud fchwarzen Bellen ‘von ihrer Farbe „Schwarzfels“ (Kara-
taſch); fie begrenzen im N.D. die Sumpfebene, wo bie armeniſch⸗kur⸗
diſchen Dörfer Karghin, Sionrman und Defmate liegen, fo wie bie Meine
Stadt Ardjiz. Auch kennt man fie allgemein in. Kurbeftan unter dem
Namen Ilantaſch, b.i. der „Schlauge ufels“ (vgl. Eck. IX. S.9M,.
918, 989), wo es das ganze Jahr Hinbucch giftige und beberte Schlangen
geben fol. Schulz fand Im Gebirg zwar feine Spur von Gebäuden,
aber auf einem Plateau des Karatafch, auf einem fehr gefund und
weit bequemer gelegenen Blatean als die gegenwärtige feuchte, ebene Lage
der Stabt, die Spuren vieler eiufligen Gebäude. Am Buß ver Merge,
gegen N.O. zur Gbene, ſieht man an 3 verfchiebenen Stellen 3 qua
dratifche Tafeln In Fels, 6 Zoll tief eingehanen (Erdk. IX. ©. 969), 8%.
über dem Erdboden erhaben. Jede der andern gleich iſt 38 Joll breit,
14 Suß Hoch, davon 2 mit Inferiptionen, jede von 11 Sellen, gut er
halten, indeß die ber dritten verwittert if. In den bortigen Felslöchern
ſah man eine Menge befchuppter Eideren, die fich ineinander ſchlin⸗
gen, fo daß man Feine einzeln hervorziehen ann; denn bie Schuppen hal;
ten fie feft zuſammen (alfo eine Art Giverenkönig, wie ber befannte Rat:
tenlönig). Diefe find es, welche die Anrben für beherte Schlangen hal
ten, die in den Welslöchern feſtgebannt feien. Daher per Name Jlantaſch.
Die Schlangen an andern Belfen find weniger beachtet, weil ſie ſich,
wie herfömmlich andre, frei nmherbewegen. Sie find aber noch von fei-
nem Naturforſcher näher beſchrieben. Als Ker Barter wu an ber
*31) Ker Porter Travels. Lond. 1829. 4. Vol. n. p. 86.
Euphratſyſtem; Van⸗ Se, Rorduferr. 319
Rortieite des Ararat anf der Araresebene voräberzog, bie einem ſolchen
Ilantaſch nicht fehr fern liegen follte, denn es feheint mehre Stellen deſſel⸗
ben Namens zu geben, fah er eine folder Schlangen, die, von 2 Per:
fern erfchlagen, 40 Zoll lang war und die Diele einer Musfetenfugel hatte,
grän mit ſchwarzen Streifen, die ein volles Rebhuhn verfchlungen
hatte, das ihr noch. im Leibe flad. Dies ift die einzige fpecielle Nach⸗
richt von wirflihem Vorkommen, die wir von dortigen fo oft angeführten
Schlangen vorfanden. — So liegt doch nicht felten eine gewiſſe eigen-
thümliche Natnrerfcheinung den allgemein verbreiteteten Fabeln als Folie
unter. Den Beichluß diefer fo merkwürdigen von Schulz entdedten
Meonumentenreiben macht die Infertption eines Steinblode, des Vazlu⸗
tafch (Rr. XLU.Ff. Erb. IX. S. 993), 2 Lieues in N. W. von daher, nur
wenige Minuten entferut vom Kurdendorfe Dazlutafch, das von bems
felben feinen Namen hat (d.h. „beſchriebner Bela“). Das Gebirg
iM ſehr berüchtigt wegen feiner granfamen kurdiſchen Raubhorden. Die
Tafel mit der Infchrift if im deu Fels eingehanen, 1B.tief, 7 5. im
Duadrat; es find 39 Linien Schrift von außerorbentlicher Schönheit und
Erhaltung; Schulz zählt fie zu den fchönften in ganz Kurbeflan.
3) Nordufer bed Van-Sees bis Akhlat, und erfte
Erfleigung des Sipan Dagh.
Diefen Fortſchritt der Specialfenntniß des merfwürbigen Van⸗
Erd gegen das Nordende verdanken wir der jüngften Entdeckungs⸗
wife I Brants (1838), den wir auf feiner fernen Rundreiſe
begleiten, um zu vervollftändigen, was wir früher hier nur aus
ganz allgemein gehaltenen Angaben darüber mittheilen Eonnten.
Erſter Zagmarfch, 23. Auguft 1838. Von der Stadt
Ban gegen N.W., 22) zwiſchen dem Felsſchloß und dem Uferborf
dekele Esi (Arwany bet Schulz, f. ob. S. 304), geht e8 über
welligen Boden nad; 35 Stunde zum Ala koi (vd. b. ſchönes
Dorf), wo etwa 100 armenifche und 30 Kurvenfamilien haufen.
Drei Heine Kirchen, eine im Dorf, die zweite am Buß, die britte
uf der Anhöhe über dem Dorf, zeigen die Verbreitung biefer Re⸗
Retonsferte. Die Armenier, felt Noahs Zeiten, find gute Wein-
un De bier find viele Weinberge auf weißlichem Thonboden;
‘
im J. Brant Notes of a journey through a. part of Kurdestan.
1888. Journ. of { Geosr. ‚Soc. of Lond. 1841. Val. X. p. ul,
B69B-Al2., , Din
ki. x . » ee
*
320 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. L Abſchultt. 6. 33.
viel gekelteter Wein wird von hier nach Van geſendet. Eine hier
noch niedere Berghöhe, die aber weiter gegen NO. hoch anfleigt,
ſchneidet den Anblid des Sees vom Dorfe ab. Die Bewaͤſſerung if
nur fparfan.
Zweiter Tagmarfch, 24. Aug. Gegen NO. von ba, bie
ſcheidende Bergkette entlang, geht es nach 4 Stunden Wegs durch
mehrere Fleine Dörfer wieder zum Seeufer. Der Boden iſt gut,
doh Hat man wenig Uderbau, viele Schanfe und Ziegenheerven.
Nach einem Stündchen an ver Seebucht hin führt der Weg wieber
im Rüden des Bergzugd zum Dorf Merek (6 Stunden von Als
toi), wo auf ziemlicher Berghöhe über dem See ein armenifches
Klofter, in welchem ein Marienfeſt gefeiert wurbe. Viele Bauern
waren dahin gepilgert, überale war Jubel und Mufik mehr als
Devotion. Zumal viele tanzende Weiber ſah man, vie in runden
Kreifen mit feierlichen Schritten zu den rauhen Xönen von Pfeife
und Trommel fih in Bewegung fehten. Sie waren alle gekleldet
in baumwollne rothe Inden, mit Baummollenfchleier, die über ven
Leib herabhingen. Die Züge vieler fremden Dorfichaften Tamen
mit ihren Anführern zu Pferde; die Weiber auf Maulthieren, Och⸗
fen und Eſeln, mit ihren Eleinen Kindern. Bine Muflfbanve und
tanzende Jugend zog der Gavalcade voran. Alle waren im Sonn-
tagsftaat; jede Partel erhielt ihr Lager an beftimmter Stelle am
Hügel angewiefen, doch fo, daß die Befchlechter gefchteven blieben;
alles ging fehr ernft und einfdrmig zu. Abends füllte fich die Kirche
mit dichtem Gedränge, und das Anrufen an die Matonna um Ret⸗
tung von Uebeln u. f. w. ging in das lauteſte Geſchrei fiber, unter-
brochen von Profternationen und den Geberdungen ver gräßlichften
Superflition. Der Fels, der durch feine Berührung von Sünden
befreite, folte Mirakel thun. Dan fchägte die Zahl ver verfammtel-
ten Pilger auf 5 bis 6000; deren Opfer auf dem Kirchenaltar wirb
zwifchen Paſcha und Beiftlicgkeit gethellt; jede Portion betrug etwa
50 Pf. Sterl., bei großer Volksarmuth. Der Subafht (ver Bes
amte des Paſcha) bewachte im Intereffe feines Gebleters vie Büchſe;
in der Nacht Iäßt er die Kirchthüren zwar ſchließen, abet um vor
den möglichen Eingriffen ver Geiftlichkeit geflchert zu fein, drückt we
ſelbſt des Paſchas Siegel daranf. Nicht blos Chriſten, auch Kack⸗
den nahmen an dieſer Feſtfeier, zumal am Abend, Theil durch
kriegeriſche Uebungen, Galoppaden, Zanzenwerſen u. a. m. Gr
gegen Mitternacht. Fam Alles zur Rabe.
Dritter Tagmarſch, 25. Aug. Ungeachtet Fra Poste
— 5
Euphratſyftem; Van⸗See; Nordufer. 321
Sei den Jeltlagern bed Briten waren ihm in biefer Nacht doch
2 Pferbe geſtohlen. Der Subaſhi war felbf ver vermuthliche Thaã⸗
ter, obwol er am Morgen ſeine 6 Reiter als Garden für die Wei⸗
terrciſenden ſtellte, und ihnen ſelbſt eine Strecke zum Dorfe hinaus
das Geleit gab. Auf dem Höhenzuge am Südufer ded Sees
wurde deſſen Oſtende, zu dem man aber erſt hinabſteigen mußte,
erteicht. Hier ergießt ſich von Oſt ber der Bendi Mahi Su
Giſchuferfluß) in, den See, den man ſonſt an feiner Mündung
zu durchfeßen pflegt. Jetzt aber war er zu tief, denn er ging ben
kurdiſchen Reitern über den Sattelrüden. Er mußte alfo etwa zwei
Stunden Höher aufwärts auf einer Brüde überfchritten werben , vie
jedoch nicht weniger Gefahr brachte, denn fie war Halb in Verfall.
Noch zwei Stunden oberhalb derſelben liegt Bargi kal'eh, pas
Refidenzfchloß eines Kurven DBeg, gewöhnlich Beigir (Bargerry
auf Monteiths Map, Berghiri bei Schulz, ſ. Erdk. IX. ©. 989),
genannt, an dem die Straße na) Bayazed vorüberzieht. Zwiſchen
beiden Orten, an 20 Gtunden Wegs (man fagt gewöhnlich, nur
aber irrig, 12 Stunden) auseinander, liegt Fein Dorf weiter; nur
welllges Land von Raubhorden durchſtreift. Dicht bei der Brücke
am Ufer entfpringt eine Quelle mit 10° 27° R. (55° Fahrenheit),
wos J. Brant für ihre mittlere Jahreßtemperatur hielt. Diefer
Bendi Mahi mit ſchilſigen Ufern, aber dunkelblauem breiten Waſ⸗
ferlaufe und ziemlicher Tiefe, Hat feine Quelle in ver Nähe ver
Elan Bayazen am Südgehänge in derſelben Bergkette, aus
weicher, nur weiter im Welten, ver Murad⸗Arm des Euphrat feinen
Ufpeung Hat, ver deſſen Nordgehänge entflieft (Kira Raſhid
wird dieſer Duellberg auf Monteiths Map genannt). Die ganze
Enge des Benvi Mahi beträgt in feinem Laufe nur 14 bis 16
Etunden Wegs (35 —40 Mil. Engl). °
An der Brüde lagen Bälfen zu einer Reparatur berfelben, vie
ber Paſcha beabfichtigte. Ienfeit am Norbufer, gegen ven See Hin,
Begt der Ort Arnis, und über ihm auf ver Höhe ein Kurdenlager.
Die zahliofen Schwärme kleiner GStechfliegen am tiefen Seeufer
waren jegt eine zu große lage, um daſelbſt im Orte einzukehren,
man blieb alfo auf der Berghoͤhe neben einer Fühlen Duelle im
Lagers wer Kurven, eines ſehr armen Volkchens, das ſich von feinen
Seren nährt. Sie hatten ihre Wohnhäufer verlaffen und fi
unter Ihre Zelte begeben, weil ſie dann auch von ber gewöhnlichen
befreit find, obwol fie damit zugleich Br Berpflichtung
Slitter Grofunde X.
322 WeftAfien. HIT. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.33.
Gibernehmen, für die Sicherheit der Straße und ber Relfenden zu
arten.
bef Vierter Tagmarſch, 26. Aug., Mit einer Kurden Escort,
deren Häuptling fich aber bald wieder zurüdzog, wurde nun ber
Weftweg am Nordufer des Sees eingefchlagen, deſſen äußerſtes
Dftende umgangen war. Beim Hinabfleigen zum Seeufer Tehrte vie
Plage der Stiegen wieder; das Land ıwar dbe, aber Mauerlinien,
einflige Feldmarken, zeigten, daß bier früher Anbau war; Obftgär-
ten und Weinberge, fagten die Kurven, wären hier geweien. Man
z0g an ven Ruinen eines großen Khand und an mehreren Dörfern
vorüber. Eine Gebirgslüde zur Nechten gewährte einen Blick wie
in die Seite eines eingeftürzten Kraterd; die Belfen waren ganz
ſchwarz und eine zellige, jedoch harte Lava fchien dies zu beftätigen.
Nah 34 Stunden Ritt fam auf biefem Wege, ver ein Neiterpfab
nah Erzerum iſt, dem Conſul ein Tatar des Iſha Paſcha vom
Seraskier entgegen, der Briefe überbracdhte. Ein Kleiner Küftenfluß,-
der durchfeßt werben mußte, um daß jenfeltige Dorf Haidar Beg
zu erreichen, rollte Lavabläde. Im der Höhe dieſes durchſetten
Flußthales fteht eine armentfche Kirche; der tiefer liegende See war
von hier nicht fichtbar. Nach einer DViertelftunde war aber das
Seeufer wieder erreicht, und dad Eaftell Ardjiz (fprih Ardiſh)
das dicht an demfelben erbaut iſt, Feine 5 Stunden fern von Arniß.
Beim Hinabfteigen zur Ebene von Ardjiz überfegt man mehrere
fleine und einen großen Fluß, die hier weite Verfumpfungen ver-
anlaffen. Das Caſtell iſt fehr verfallen, die eingeflürzten Bauern
laffen die Stadt ganz offen. Sie liegt mit ihren elenden Hütten,
gleich den Dörfern, Halb unter, halb über ver Erbe, entlang dem
Se hin. Die Kafabah iſt von 100 mohamedanifchen, aber fehr
wenigen armenifchen Kamilien bewohnt; doch haben viefe eine Eleine,
obmwol fehr alte Kirche. Zum Gebiete des Mutfellim gehören
20 wohlhabende Dörfer, vie zahlreiche Heerden von Rindern, Pfers
den, Schafen auf den ſchoͤnſten Weidungen befiten. Der Alluvial«
boden iſt fehr fruchtbar. Der See von bier bis zu feinem Außer-
ſten Oſtende iſt fehr feicht, der Flußſchutt füllt ihn. Die Tradition
läßt feine Wafler Hier eine einft fruchtbare Ebene bedecken, welche
vor Zeiten die Schlangenläufe. ver Flüſſe Ardſiiz und Beni Mahl
durchwanderten. Gegenwärtig fchiebt fich der Alluvialboden wieder
vor, und fol in 10 Jahren eine Viertelftunde troden Iegen. Zum
Beweis zeigt man einen vorbem undurchgehbaren Küftenmorafk,
durch beffen Mitte gegenwärtig eine trodne Straße führt. Die
%
Euphratſyſtem; der Van⸗See, Nordufer. 323
Raubſucht ver benachbarten Kurden und die ſtarke Taxe (Kiſblak)
halt die Einwohner Immer in Armuth zurüd.
Der Tribus der Haideran⸗lis unter dem Süuptling
Sultan Agha, ver fpäter in feiner fommerlichen Bergftation befucht
wurde, weibet feine Heerden in der Nachbarfchaft, und bringt bie
Winterzeit in den Arpjiz-Ddrfern zu. Ihre Dieberei hat gegen
frühere Zeiten etwas abgenommen, und der Agha erftattet fogar
zuweilen das Geftohlne wieder, wenn man ihm nur fcharf zufeht.
Der einzelne Reiſende wire zwar Häufig beraubt, doch nicht ge=
mordet, falls er Fi nur nicht wehrt. Der Winter iſt bier ſehr
ſtreng, doch nicht fo Falt wie in dem höher gelegenen Erzerum; ber
See bedeckt ſich in dieſem feichten Oſtwinkel öfter völlig mit einer
Eispedke, jo daß er dann überfchritten werben kann. Der Schnee»
fall iſt ſehr reichlich. Sehr viel Kom wurde Ende Auguft von
von benachbarten Aderfelvden auf Arabahs, d. I. Karren, heimge⸗
fahren, um ausgetreten zu werben (flatt des Drefchens) ; viel Volk,
Kinder und Gaffer Heßen fich überall fehen.
Fünfter Tagmarfch, 27.Aug. Ein Gemäuer in ver Ferne,
einer armeniſchen Kixche ähnlich, fagte man, follte das Grabmal eines
Beierfönigs fein (7). Drei Stunden Beit waren nöthig, um das
Darf Aſhraf (nur 9 MU. fern) zu etreichen, wo viele Wein⸗
Berge eine ganze Schlucht füllen, die einen recht guten Wein ges
ben. Der Weg führte immer am Südufer des Sees hin, über dem
ht ſteile Bergmände emporfleigen, hinter denen, gegen Weiten,
vr erhabene Sipan Dagh vom Fuß bis zum Gipfel majeflätifch
emporſteigt. Weiterhin, an einigen Eleinen Uferfeen, war auf ſehr
ergiebigen Feldern ein einfacher Pflug In zwerimäßiger Anwendung,
mit dem man 6 Zoll tiefe Furchen zog.
Das Dorfchen Arin (54 Stunden, etwa 14 Mil., fern von
Aſhraf) liegt nur eine Viertelſtunde vom See ab; ein Su-Baf bt,
ber bier während 2 Monaten die Eintreibung ver Ernte des Paſcha
au deren Ueberichtifugg nach Ban beforgte, empfing pie Gäſte mis
Höliskeit. Man gewinnt Hier fehr gute Waffermelonen, die
aber von den Bauern nur noch felten gezogen werden, weil bie
Narden fie ihnen meift von”ven Aeckern wegftehlen. Das Weines
Iaub iſt vortrefflich; am Seeufer fammelt man viel Soda. Die
Kurven find Hier durch Ihre Diebereien, zumal ald Meiſter im Pferdes
fishlen , bekannt.
Sechter Tagmarſch, 28. Aug. Die Nacht war fon
wieder ſehr kalt; einige der Karawanen Titten am Sieber; ver Reit
2
324 WeftsAfien, IT. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 33.
pfab führte zwifchen einigen Eleinen Zeichen und dem großen See
hin, bie wol niemals miteinander communiciren Tonnten. Dex Icker
sollte bier fo fruchtbar fein, wie ihn I. Brant fonft nirgends ge-
funden ; man verficherte, ex gebe vom Weizen ein 25-, vom Rocken
ein 50⸗, und von Gerfte ein 40faches Korn. Gegen die Stadt Ad⸗
el⸗jivaz (Adildſchuwas nach dem Dibihannuma) 2) Tagen zu
beiden Selten des Weges fchöne Wieſen und Obfigärten, aus einem
Gebirgäfee trat ein Strom mit Waſſerſtürzen hervor, der einige
Mühlen trieb. und das Land bis zum See Hin befruchtete. Hier
wohnte der Mutſellim, bei dem man dad Quartier nehmen mußte.
Die Stadt Ad⸗el⸗jivaz hat 250 muhamedanifche und 30
armenifche Familien, alſo an 1500 Seelen zu Einwohnern. Lieber
ihr auf hohem Fels, über der Tiefe des Sees, erhebt fich das Ca⸗
ftell, deſſen Mauern zu dieſem herabflürzen, aber bie Stabt doch vor
Ueberfällen fügen. Der Ort ift nur Elein, biele Haͤuſer Liegen
in Ruinen; die meiften feiner Einwohner hatten Gartenhäufer bes
zogen, die in den obſtreichen Baumpflanzungen Liegen, welche das
ganze Thal’ bedecken. Waffermelonen, Trauben und mancherlei Obſt
if in Ueberfluß. Einige 20 Weberftühle follen im Orte mit Ver⸗
fertigung grober Baummollen « Zeuge im Gange fein. Don ven
Spuren einer bafelbit einft gelegenen Stabt, von der Groͤße Bag⸗
dads, von der einft dem britiſchen Conful Rich 2*) in Moful er⸗
. zählt ward, fcheint I. Brant nichts bemerkt zu haben.
Diefer Ort war zum Raſten einiger Fieberkranke geeignet, che
die Nüdreife nad) Bayazed angetreten werben Eonnte. Diele
paar Tage benugte I. Brant zu einer Excurfion nach Akhlath*)
und zur Grfleigung des Sipan Dag, der fich im Nordoſt von
Ad⸗el⸗jivaz erhebt.
Ausflug nad Akhlath (Rhelat).
Diefer Ort, der eine kurze Zeitlang in ver Geſchichte eine merk⸗
würbige Rolle fpielt, war fräherbin ununterfgeht geblieben, und iſt
es genau genommen auch noch jegt. Nur Jaubert hatte ihn ein-
mal, mit Lebensgefahr von Melezgherd über ven Gebirgspaß Taſch⸗
Tent an einem türkischen Tekieh (Klofter) vorüber zum Seefpiegel
berabfleigend , paſſirt, ohne ſich daſelbſt umſehen zu können, und
»29) v. Hammer aflat. Türkei. Rec. Wiener Jahrb. 1821. XIV.
©. 22. **%)J. Cl, Rich Narrative etc. Vol. I. App. p. 378.
2) J. Brant Notes L c. p. 407. "
Euphratſyſtem; Van⸗See; Akhlat. 325
von Kinneir und Andern war er nur mit Namen genannt
(f. Erdk. IX. &. 973, 995, 1002).
J. Brant brauchte 6 Stunden Zeit, um ihn von Ad⸗el⸗jivaz
ju erreichen (44 bis 16 Mil. Engl.). Der Weg gebt: am Seeufer
Hin, burg ein Kleines Dorf, dann auf felflgen Pfaden von Kalk⸗
ſteingebirg hoch über den Seeſpiegel empor, nach einer Stunde zu
einer Hochebene, die mit Thonſchiefer überdeckt iſt; daun Eintritt in
ein Gonglomeratgefteln, das immer Pleinförniger wurde, bis mar
bei Akhlath auf Sanpfleingebirg trat. Der Uferweg am See iſt
hier wieder reich an Obſtwald, und vorzüglih duch Wallnuß«
bäume ausgezeichnet. Bleibt man auf der Uferhöhe über. dem
Se, fo kommt man zuerft zu. den Ruinen der alten Stadt, von ber
man erft zur Tiefe, in welcher der moberne Ort liegt, hinabſteigt
I. Brant kam zunächſt an mehreren mohamedaniſchen Grab-
mälern worüber, die donen anderer tärkifcher Orte, wie zu Crzerum,
Kaiſarieh u. a., ganz gleich jehen, aus Sandflein gehauen, fehr wiele
mit Infchriften, Davon man viele umber zerftreuet findet, in Gapel-
len, Bärten und Aedern. In einer engen tiefen Schlucht liegen bie
Ruinen der alten Stadt, vie unter ben Seldjukidiſchen Prinzen
fett Khelat heißt. Dies ſind die merkwürdigen verlaffenen Srümd
mer, auf die zuerſt E. Richs Noten 26) hinwieſen.
In ihrer Mitte erhebt fich ein Fels, ganz gleich dem in Bich⸗
(Edt᷑ IX. €. 1004), welcher unſtreitig wie jener einſt einen Pallaſt
Bir, don des Schah-Arman oder Armenier- Königs trug. Auf
der andern Seite ver Schlucht liegt ein großes Grabmal in Ruinen,
bed der Sage nad} die Gebeine eines Fürften beherbergen fol. Hier
breitete ſich ein ſehr weiter Gottesacker aus, wicht befegt mit ſehr
grehen, oft an 12 Fuß hohen Monolithen, und umher noch meh⸗
tere kleinere mit türkifchen und arabiichen Inferiptionen und vielen
Baureften, vie auf eine einft ſtarke Population und Hiftorifche Be⸗
dentung dieſer jet jo veröveten und vereinfamten Gegend zurüdichließen
fen. Die Unmiffenheit ver jetzigen Anwohner iſt fo groß, daß
Ir nichts weiter zu ſagen wußten, als hier ſei ein großer Fuͤrſten⸗
fa geweſen, und va auch I. Brant eben fo wenig in diefe Spe⸗
dalgifterte eingeweiht war, entging ihm bie Gelegenheit zu mancher
— lehrreichen Entdeckung.
Der Hinabweg führt zur modernen Gtabt Akhlath, von
deppelter Mauer und Graben umgeben, mit Thürmen flankirt, und
2°) J. Cl. Rich Narrative Vol. L App. p. 378.
326 WeftsAften. IT. Abtbeilung. 1. Abſchnitt. $. 33.
am obern Ende durch. ein Itſch Kalah oder Inner-Gaftell
befefligt. Die Mauer umgibt die Stadt auch auf der Serfeite. Die
Wohnhäufer find aus Quader und‘ Mörtel, In ähnlichem Styl wie
Bitlis aufgebaut, und, nach der Art ver Befeſtigung zu urtheilen,
noch von einem gewiſſen Alter; aber jet war Feine Iebenbige Seele
darin zu erbliden. Wahrfcheinli waren die Bewohner in ihre
Sommerquartiere gezogen. Der Mutjellim empfing die Fremd⸗
linge in feinem Garten, ver reich an Aprikofen, Birken und Waſ⸗
fermelonen war. Da beffen Vater daß Haupt der Dreher- Der-
wifche war, fo hatte er fich dem Titel eines Scheikh beigelegt.
Die Diftanzen von hier gab er folgendermaßen an: nah Tadvan
4 Stunven, nah Bitlis 8, nah Muſh 16, nah Melazghird
gegen N.O. 12 Stunben.
Khelat, bei Armenien Ghelath, 27) war eine alte arme⸗
nifche in der Provinz Beznuni gelegene Stabt, die auch bei Sy⸗
sern eben fo gefchrieben wurde, aber bei Arabern und Türken auch
Challath, Akhlath, 3) Achlath. 9) Im -IX. Jahrhundert
wurde fie von ven Arabern erobert, ihnen im Jahr 993 aber von
den byzantiniſchen Kaifern entriffen, bis fle wieder an einheimifche,
felbfländige Kurden häuptlinge, welche Hier felbft in ven Seiten
des Khallfated zu mächtigen räuberifchen Dynaſtien ſich empor⸗
ſchwangen, zurüdfil. Kine von viefen, die Meswaniden, 0)
welche zugleidh Diarbekr und Khelat befaßen, hatten fich durch
ihre Tyrannei ven Bewohnern der letztern Stadt fo verhaßt gemacht,
daß biefe lieber einen Türken, Sofman el Cothbi genannt (ob⸗
wol er nur Sclave und tapfrer Mameluf des Seldjuken⸗Hauptes
Coithb·eddin Ismael in Aderbidjan war), zu ‚Hülfe riefen, um ihr
Gebieter zu fein. Diefer vertrieb auch vie Merwaniden ſiegreich aus
Khelat und warb daſelbſt, das feitvem richtiger Akhlath Heißt,
tm Jahr 1009 (493 d. Heg.) zum Könige ausgerufen. Unter dem
alte Shad-Arman, König von Armenien, nahm berjelbe zu
Akhlath feine Reſidenz, bie nun ein Jahrhundert hindurch der
Sig einer fogenannteg ſeldiukidiſchen Dynaftie wurke, zu
gleicher Zeit, als der gänzliche Verfall des Khalifates durch ähnliche
27) J. St. Martin, Me&m. s. l’Armen. T. 1. p. 103; vergl. » Sams
mer, aflat. Türkei. Wien. Jahrb. Rec. 1821. Bp.XIV. ©. 22. |
”°) Abulfedae Tab. Arınen. ed. Beiske, b. Büſch. V. ©. 311.
29) v. Sammer, aflat. Türkei. Rec. W. I. 1821. Br.XIV. ©. 22.
20) Degnignes Geſch. der Hunnen ıc. b. Dähnert Th.I. Cinl. ©. 408,
485. Th. U. ©. 442. J
Euphratfyftem; Ban Gere, Alplat. 327
Berhältniffe unzählige ſolcher türkifchen Emirate und untergeorb-
neter Koͤnigreiche, wie in Moful, Miafarefin und andermärts, her»
vortief. Im dieſe Zeit fällt das Aufblühen und vie glänzenbe
Periode diefer bisher wenig beachteten Stabt, deren Trummer auf
vr Höhe bis heute ihre einfimalige Bedeutung beurfunden. Die
Rabe ver 9 Megenten over Athlathb-Sultane von 1099 bis
1207 31) zeigt freilich, daß nad) Schach Arman Sokman's Tode
(m 3. 1112), dieſe Eleine, aber glänzende Herrſchaft meift nur eine
Beute der Sclaven der neu berufenen Dynaſtie wurbe, von beren
um, Bektimur, ver im Jahr 1193 ftirbt, ganz kürzlich vie erfte
zu Akhlath geprägte Münze?) mit feiner vemüthigen Aufichrift
befannt wurde, gegen welde Dynaſtie die benachbarten Fleinen
frtwährenn in Tehde flanden. So kam fie im Jahr 1207 in bie
Gewalt des Malek el Auhad Ayub, eines Prinzen aus ber
Kurdenfamilie des berühmten Saladin (die zugleich abwech⸗
ſelnd die Bebieter von Erzerum, Miafarefin, Muſh, Melezghird und
anderen Orten war), der fie tapfer gegen alle Ueberfaͤlle von außen
vertheidigte, wie die Nachfolger. feined Stammes.
Nur der Uebergewalt ver mongoliſchen Oſchingiskhaniden muß»
im fie weichen, die fi die Stadt im I. 1245 unterwarfen, aber
fe einer georgifchen Prinzeſſin Thamtha abtraten, welche ſich mit
einem der kurdiſchen Prinzen von Saladins Gefchlechte, vem Sohne
Vektimurs, permählt hatte. Seitdem war dies Stadtgebiet durch
ale Jahrhunderte im Beflg kurdiſcher Prinzen geblieben, vie ſich bald
nnabhängig von ven Türfen erhielten, over fich ihnen auch temporär
unterwerfen mußten, dis ihr Gebiet dem Paſchaͤlik Ban, wie gegen-
wärtig, einverleibt wurde. Wie mächtig einft biefe Feſte Akhlath
war, ergibt fich daraus, daß fie noch vor der Mongolen-Eroberung
zweimal von dem mächtigen Khan Oſchelalleddin von Kharezmien
belagert wurde, ohne erobert werden zn können, 3?) und daß es die⸗
ſem erſt bei der dritten Belagerung im Jahre 1229, als er ſchon
den ganzen Winter vor ihr gelegen, nachdem er, 20 Belagerungs-
maſchinen von ber Seeſeite aus auf fir Hatte .fplelen laſſen, und. pie
Gungerönoth in ihr, auf das hächfte geftiegen, zum Schlachten. der
Hunde genöthigt hatte, ja das Pfund Brod mit Ducaten bezahlt
werd, gelang, dieſelbe mit dem. Schwert in der Bau au etſturmen.
") Degnignes a. a. ‚D. L. Ein. e. 307. 22) Br.. de Saulcy,
Lettre & M. Reinaud im. Journal Asiatique, Paris 1842., Avfil.
p. 2935-304 *°%) Deguignes a. a. D. IL &.607 1. |.
328 Weſt⸗ Aſien. III. Abtheilung. 1. Abſchnitt. $. 33.
Wahrſcheinlich aus jener Zeit her datiren ſchon die Ruinen der
untern Stadt, und die der obern mögen einer früheſten arabi⸗
ſchen Periode angehören. Genauere Unterfuchungen ver Inſchriften
würben hierüber wol ficher intereffante Auffchlüffe geben. Ab ul⸗
feda fpricht von dieſer Stadt am See in ven vorthellhafteften Aute
brüden wegen ihrer Gärten und Ganäle, und fagt, fie fei die erfie
der armenifchen Städte nach Abu Said und fo groß wie Damask,
Babe aber fehr Talte Winter, liege eine Tagereife vom Gebirg und
7 Barofangen von Malazgherd. Auch Bakoui ) nennt fie eine
der Hauptſtaͤdte Armeniens, gibt Ihr zu Einwohnern Mufelmänner
und Göriften, die armeniſch, perflich und türktich fprechen, rühmt
ihre Wafler, ihr Obſt, Ihre Früchte, ihren ſtarken Fiſchfang (dem
Fiſch nennt er Thamrik) und vorzüglich vie geſchickten Eifenar-
beiter, welche daſelbſt treffliche Schlöffer zu verfertigen verſtehen.
Eine künftige Unterfuchung ber genannten Ruinen möchte ſehr wün⸗
ſchenswerth fein.
Erſte Erfieigung des Sipan Tagh 3) (Seiban Dagh
der Türken).
Bon Akhlat nah Ad⸗eljivaz zurückgekehrt geſtattete es die
Jahredzeit zum erſten male, den hohen Vulkankegel des Si⸗
pan Tagh zu erſteigen, über ven wir früher nur Vermuthungen
und Fabeln mittheilen konnten (ſ. Erdk. IX. S. 923, 976). Am
31. Auguſt ging es von Adeljivaz erſt am Abend zu einem kleinen,
zwei gute Stunden entfernten Dörfchen, Rorfhunjuf, dicht gele-
gen unter dem Fuße des Sipan Tagh, um von da aus am folgen-
den Morgen die Erfteigung zu beginnen.
1.. Sept. Aufbruh um 5 Uhr, von Kurden⸗Guides geleitet,
erſt gegen RD. am Fuße des Berges Hin, dann gegen N. die Steils
feite des Kegelbergeö empor, der einen Krater zu umgeben ſchien.
Bevor man zum eigentlichen Gipfel Hinaufflieg, wandte man ſich
zwifchen dieſem Gipfel und einer andern Hauptmaſſe des Berges in
eine Einfentung, um von da aus ben eigentlichen DBulcanfegel zu
erfleigen. Man Eonnte noch immer reiten; es ging über mehrere
Schneeflecke hinweg, Hart genug, die Tritte der Pferde zu tragen,
bis der Rand des erwarteten Kraters wirklich erreicht war. BIS
dahin Hatte man zu Pferde 31 Stunde zum Erfleigen gebracht,
*°4) Bakoui in Notic, et Rxtr. Vol. II. p. 518 »*) J. Brant,
Notes 1. c. p. 409.
Euphratfuftem; der Van⸗See; Sipan Tagh. 329 '
aber von Hier an ging das Reiten nicht mehr; dieſer Stelle gegen-
über nach Nordoſt lag der Kegel, der an diefer Seite wie erſt aus
dem Krater emporgeboben zu fein fehlen; nur durch Umfchreitung
auf dem Kraterrande war berfelbe zu erreichen; denn in directer
Anie erft in deſſen Bertiefung hinab und dann wieder emporzuftel-
gen wärbe die Arbeit nur vwerboppelt haben. Um aber vom Rand⸗
rüden aus den Aufflieg zum Kegel zu erreichen ‚ dazu bedurfte es
nur eines geringen Hinabſteigens.
Am Fuß des Kegeld angelangt ſah man, wie er aus Felb⸗
fragmenten ver verfchlenenften Größen zu beſtehen ſchien, nadt,
ohne alle Erddecke, in Iofen Haufen übereinander aufgethürmt;
alles von einerlei Felsart, grau oder blaßroth, auffallend hellfarbig,
fo Iodder zufammengehäuft, daß beim Vorüberfchreiten durch jeden
Anſtoß Die Stüde raffelnd und leicht wie Schladen und Aſche von
ihrer Stelle rüdten. In dem frifchen Bruch zeigten fich überall
Heine glänzende Kroftalle, eine Maffe, wie durch Teuer calcinirt und
gleichartig bis zum Bipfel des Kegels angebäuft (mol ähnlich wie -
Kr Veſuvkegel mit feinen Schladen und Rapilli). Das Anfteigen
wurde nicht blos durch die Steilbeit, fondern durch bie außerordent⸗
B vermehrte Engbrüftigkeit ver Steigenven fehr beſchwerlich. Alle
5 bi 6 Schritt mußte man halten, um frifchen Athem zu fchöpfen.
Der Gipfel des Kegels zeigte eine mehr ebene Fläche, umgeben von
einer Kette zabllofer Fleinerer Piks, vie eine Art Umwallung.
Bilveten ; jeder von vemfelben Beflein, alfo nur eine durch gemeine
fame Dämpfe emporgetriebene Maffe. Nur ein einzelnes Frag⸗
ment von fo verfchienenem Anſehn zeigte fich, daß es einem Fels⸗
blod aͤhnlich fah, der nicht vom Feuer umgewandelt wurde; alſo
wel ein frempartiger Auswürfling, wie file auch auf Veſuv und
dern Vulkanen vorkommen. |
Man erflieg die äußere Reihe ver umwallenden Kette und zwar
nen ihrer Höchften unter ven Eleinen Pike, welcher ven ganzen Ban«
6x deminirt. Von der Stelle des Abfigens von den Pferden bis
dahin Hatte man 4 Stunden Zeit gebraucht. Gier wurbe der Theodolit
aufgeriähtet es wurden Winkelmeſſungen angeftellt. Der Bli in die
Veſe zeigte, daß das erſte Auffleigen an ver Seite einer andern
Kutervertiefung binging, in welcher ein Kleiner See, Aghri Bol
tenannt, Tag; nach Güden zu überfchaute man am Fuße des Ke⸗
vis ein großes Schneefeld (alſo wol ein Zeichen, daß ver Vul⸗
can ſchon feit langem unthätig fein mag). In dem Zwiſchenraume
zwiſchen ven Beobachtern und ver Stelle, wo man pie Pferde zu⸗
330 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 33.
rückließ, hatte der. gefchmolzene Schnee eine Lagune gebilvet, beren
Dperfläche am Morgen mit einer Eiskruſte bedeckt, aber beim Rück⸗
marfche zum Theil wieber aufgethbaut und, mit Waſſer bedeckt war.
Die Kurbenbegleiter, vie von allerlei Merkwürbigfeiten gefabelt und
der uralten Meinung nach auch von einem Schneewurm (vergl.
Strabo XI. 528) geſprochen, konnten biefen diesmal leider nicht finven.
Strabo fagte, daß in ven armenijchen Schneefelvern hohle Eis⸗
ffhollen gefrieren, welche gutes Waſſer enthalten, wie in einem
ESchlauche; daß au Thierchen im Schnee fich erzeugen, welche
Apollonives Regenwürmer, Theophanes Holzwürmer nannte;
daß auch in diefen gutes Waſſer eingefchlofien fet, das man trinfen
könne, wenn man bie Haut aufgerifien habe u. ſ. w. Sonberbar ©)
erzählt auch der armenifche Geograph vom Ararat, daß mit deſſen
Waſſerſtrömen auch Klumpen gefrornen Schnee herabſchwimmen,
MWortnug genannt, in denen man, wenn man fle zerbricht, Wür⸗
mer (Wortn) findet und auch faltes geſundes Wafler. Doch wi:
derſpricht dieſem ein moderner armeniſcher Diacon, ber biefe Eit«
wũrmer für eine Zabel ver Bauern erklärt.
Im Oſten exblidte I. Brant ven Heinen Erpjel-Ses (ſ.
Erdk. IX. S. 974), Öflich von Van; im Weſt ven Meinen Nazuf:
See, weſilich von Akhlat, einen. britten etwas weiter im, N.
einen vierten, aus dem bad Flüßchen von Ad⸗el ⸗ jivaz entſprů
In der weiten Ferne erhoben ſich gegen N.O. in klarer Luft g
veutlich die beiden Piks des Ararat und im N. W. der B
gol Tagh, und auch andere kegelgleiche, minder bekannte Piks,
der Koſeh Tagh über Toprak kal'eh in ver Maine von Ar
gerd im Paſchalik Bayazed, auf der Nordſeite des Murad⸗
waren noch zu erkennen.
Die Reiſenden fühlten große Uebelkeit; der Arzt Dr.
ſons Magenfchwäche, ver Capitain Blascott, ber die aſtro
ſchen Beobachtungen anftellte, war ganz erjchöpft, J. Bran
heftigem Kopfweh erdrückt; zwei Leute waren Wegen Erbreche
Fuß des Kegels zurüsfgeblichen, felbft, bie Hüter bei ben. 31 |
laſſenen Pferden ergriff Uebelkeit. Man fchrieb dies Öasg
mungen zu, ohne jedoch davon ſonſt Spuren wahrnehmen.
men; bad Duedfliser, durch Luftblaſen perdorben, fiel unter
war alſo unbrauchbar geworden. Dem Spiegel des Bay
— ——
420) E. A. German Dos, eufüfe Kommin, Sn 1885.
und Note 14. ©. 16. | |
‘
— — | .
—*
Fupbratfuftem; Van⸗See, Sipan Tagh. 331
batte man fhon früher auf 5467 3. Engl (5129 %. Par., f. ob.
©. 287) beflimmt. Die ewige Schneegrenze war wol nad} 74
Stunde Auffteigens noch nicht erreicht, abet es fror jebe Nacht;
Mittags fland das Thermometer Hier auf 7° 11’ NR. (48 Fahrh.),
in Adeljivaz auf 21° 33° R. (80° Fahrh.). Der böchfte Gipfel
des Kegeld war zwar von Schnee entblößt, von Gletſchern Eeine
Epur, aber in den tiefer liegenden Spalten des Berges war überall
Sänee zurückgeblieben. Nur vom Auguft bis zur zweiten Sep⸗
tmberwoche, fagten die Kurven, ſei feine GErfleigung überhaupt
udglich; und wirklich ſah I. Brant 13 Tage fpäter, am 14. Sept,
vom Norden ber, von der Plaine von Ariſhgerd, ven ganzen Kegel
fon volfländig mit Schnee umhüllt. Er ſchaͤtzt deſſen Höhe auf
ewa 5000 Fuß über dem GSeefpiegel, oder in runder Summe
10000 Fuß über dem Meere, was etma mit Monteith's An⸗
gabe (f. Erdk. IX. ©. 923) übereinftinmt.
Ale vom Berge mitzurüdgebrachten Gebirgöproben, ſagt J.
Brant, fein vulcanifhher Art,. aber weder Bimsſteine noch
Obſidiane waren darunter, obwol beide am Ufer des Sees vor⸗
tommen; es find, fagt ex, Bafalte, Schladen und vergleichen
Geſteine; Lavaftröme ſah man an verſchiedenen Stellen von dem
Gipfel hinabziehen.
Zur Rücklehr zu ven Pferden brauchte man 14 Stunden; ; con
da war in 2 Stunden Zeit, in ver jede Beſchwerde des Unwohl⸗
kind wieder verfchwunden war, das Dorf Norſhunjuk, der Aus
Gengsert, erxeicht, und 15 Stunden fpäter kehrte man nach dem
Duartier von Adeljivaz zurück. Nur Weineboven, aber ohne Heer⸗
ken, hatte man auf vem Rüden des Berges gefunden, aber feinen
Bern, feinen Straudy an feinem Gehaͤnge wahrgenommen. Ton
un Beraflora iſt feine Erwähnung gejchehen.
4) Rorbofiweg vom Van⸗See über ven hohen Ala Dash
zur Murad⸗Quelle nad Diyadin und Bayazed. ).
3, Brant iſt ver erſte Reiſende, welcher dieſe biaher voͤllig
ua Wegſtrecke (Han Jaubert und Schulz: gingen mehr
which über Melezghird und Daher, |. Erdk. IX. &.989, 993; und
Ronteith mehr öftlih über Kurfat, |. Etdk. IX. &. 923) anes
un dadurch ſehr viel zur Orientirung jener Landſchaft auf einer
Nittelſt raße beitrug, die zwiſchen den directen Routen, nord⸗
") 5. Brant Notes 1. c. X. P. Ill. 0.412428,
332 MWefl-Afien. III. Abtheilung, I. Abſchnitt. $.33.
weſtlich nach Melezghird und norpöftlich nach Bayazed, auf vie
Kreuzgpoftfiraße von Diyadin führt, wo fi die georgifche
Strafe von Eriwan mit der großen perſiſchen Karama-
nenftraße von Tauris über Bayazed nah Erzerum fchnei-
det. Wir können daher nichtd beſſeres thun, als den einzigen Füh⸗
rer auf ſeiner Wanderfchaft begleiten.
Erfter Tagemarfh — 3. Sept. Bon Adeljivaz führte
der Weg zwiſchen dem See und dem Fuße des Sipan Tagh, ver
wie befien Gipfel aus einem bafaltartigen Porphyrgeſtein beftchen
fol, gegen Oft an den Ruinen eines Armenier- Dorfes mit einer
Kirche und an einem großen Begräbnißplage vorüber. Ein Eleiner
Uferfee neben dem Dorfe Arin blieb zur Rechten liegen. Dann
flieg man zum großen See hinab, aber auf dem früher verfolgten
Wege auch wieder zu Bergen hinauf, ließ das Bergdorf Nurſhin
linke zur Seite liegen und erreichte nach drittehalb Stunden das
Doͤrfchen Gujiyeh, das wol 34 geogr. Meilen fern vom Aus⸗
gangsorte Ing. Der Boden Ift Hier Gel und ſandig, der Weg war
gut, dad Wetter ſchwül, das Land durch Räuber unſicher. Im
Dorfe wohnten 20 armenifche und 12 Kurden⸗Familien. I
Zweiter Tagemarſch — 4. Sept. Heute war nur eine
kurze Strecke an einem Doͤrfchen Ar bu zunk vorüber, In einer Ein⸗
ſenkung gelegen, und dann über welligen Voden zurückzulegen, um
das Hoflager des Sultan Agha, ded Kurbenhäuptlings der
Haideranli, zu erreichen. Sein Empfangszelt war zwar aus
. Baummollzeug, ein Geſchenk des Paſcha von Erzerum, aber feine
übrigen etwa noch umherſtehenden Zelte waren aus ganz gewöhn⸗
lichem ſchwarzen Filz, fehr ärmlich für einen fo mächtigen Kurden⸗
fürften, der feine ein bis zweitaufennd Reiter aufbringen kann und
an 2000 Zelte commandiren fol. Bon den zwei Abtbeilungen
ver Hatderanli- Kurden fcheint Ihm jedoch nur die eine zu
gehorchen, denn der andern fland fein Bruder und vefien Sohn
vor. Diefe andere Abtheilung, bemerkte ver Sultan Agha, fe
Immer gewohnt geweien, vie perfifche Nachbarfchaft zu durchziehen,
wo der Gouverneur von Aderbidjan ihre auch Weideland anweiſe;
deshalb werde fie feit dem legten Friedensſchluß auch zu Pesfien
gehörig angefehen. .
Ein folder Kurvenhäuptling wird gewöhnlich unter ven An⸗
gefehenften feines Geſchlechts won dem Tribus erwählt, um beffen
Angelegenheiten zu vertreten ; deshalb befigt er jedoch feine beſondere
Macht, ift auch) oft keineswegs reicher als viele andere refpertable
— es — —
Euphratſyſtem; der Van⸗See; Haideranli Kurden. 333
Glieder deſſelben, wie dies auch bei dem Sultan Agha ver Fall
war. Dieſer verſagte feinen Gaſte den Eintritt in das Innere ſei⸗
ned Zelte unter dem Vorwande, dies fei gegen ben Rurbengebrauch.
In Blutfehde mit feinem Nachbartribus, ven Hafan Ali, zum
Vaſchalik Muſh gehdrig, ſtehend, ſann er auf Rache, zwei Glleder
deſſelben zu ermorden, wovon ihm ber Gonful 3. Brant abzura-
then bemüht war. Er mußte zugeflchen, daß er dem Paſcha von
Erzerum ein Geſchenk zu machen Habe, aher fein Stolz wollte nicht
zugeben, daß er ihm einen Tribut, Kiſhlak, in Geld zahle. Auf
De Trage, wie es möglich fei, vaß die Kurven fich dazu verfländen,
im Winter in die fchmugigen Hütten ver Armeniee zu riechen (ihre
Binterftation) , geftand er, daß fie dies ſelbſt für ein Gefängniß
anfähen. Aber warum Haut ihr euch keine Häufer? Darauf bie Ant⸗
wert: dad verfiehen wir nicht. Die Haideranli⸗ und die Zebeki⸗
Tribus der Kurven, meinte er, feien nur mit Gewalt und wider
ihren eigenen Willen vom türkifchen Territorium weggebrängt wor«
ven. Weideland und Waffer fei ein großer Vorzug des
türkiſchen Gebietes vor dem perfifchen, vafür gebe jevoch
De mildere Winterzeit in Perfien Erſatz. Zur Sicherheit
des Landes iſt der Sultan Agha für alle Räubereien refponfabel
gemacht, die auf dem Gebiete begangen werben, wo feine Tribus
weinen. Als kürzlich einige Revan- Kurden (vd. i. von Erivan)
ein Dorf bei Akhlat ausgeplünvert hatten, verfolgte er die Räuber
und brachte das Geſtohlne wieder. Bon audern iſt dies nicht ge=
ſchehen; 16 Vanlis (d. i. von Dan) wurden auf ihrem Rückwege
ven Gonftantinopel jenfelt des Dorfes Khinis (zwiſchen Muſh
aus Melezghird) plöglich vermißt; jede Spur von ihren Pferden
um) Gepäd verſchwand mit ihren Perſonen. Sie hatten Gelber und
Commiffionen von Erzerum mit erhalten. Ale Nachforfchungen ver
Yelgas waren vergeblich geweien; der Sultan Agha meinte, vie
Räuber müßten ihre Beute jenjeit auf die zuffifche oder perfi-
ſche Grenze gebracht Haben. Die Sache If im Dunkel geblichen.
De Hieflgen Kurven» Aribus leben Immer nur in wenigen Gezelten
Wfemmen, nie über 5 bis 10. Im Frühling beweiden fie die Nie⸗
kerungen; im Sommer treiben fie ihre Heerden höher hinauf, in
der Kalten Jahredzeit wieder herab. Bei Befahren geben fie fich
See von Berg zu Berg durch Trommelfchlag, Dadurch wird es
km Sultan Agha möglich, nach feiner Ausfage, in Zeit von einer
Etunde 150 bewaffnete Reiter um fi) zu verfammeln. Ende Oc⸗
Iober ziehen fie im ihre Winterquartiere (Kiſhlaks), wo fie 5 {8
334 Wefl-Afien, I. Abtheilung. J.Abſchnitt. $. 33,
6 Monate bleiben, bis zum vorgerüdten Srühlinge. Ihre Waffe
find Lanze, Piftolen, Büchſe, Schwert und Schilb, zumellen an
Sattel noch ein Köcher mit 3 Wurfipießen. Die Haideranli fin!
gute Krieger, ihre gute Pferdezucht kommt ihnen feldft weniger zu
Gewinn, als ihren Gebietern, den Paſchas.
Dritter Tagemarſch — 5. Sept. Nach einer ſchon Falter
Nacht, obwol durch die Kurden des gaftlichen Sultan Agha escor
titt, brachte dies Doch in Beziehung auf die übrigen Kurven keinen
- Bortheil. Der folgende Tagemarfch bis zum Dorfe Kunduk wa
faft ganz dde, ohne Orte, one Geerven, obwol mit dem ſchoͤnſten
Weidelande. Erſt weiterhin zeigten fich Heerden und Zelte im be
Nähe eines armenifchen Dorfes, mit einer Kirche aus ſchwarzen Stet
nen erbaut, Kara Kilifa genannt; dahinter folgten armentfche Grab
flätten und Ruinen von mehreren Dörfern, bis der Fluß von Art:
113 im obern Laufe durdhfegt wurde, der abwärts an dem gleich:
namigen Caſtell, dad man in einer Entfernung von 5 Stunde
Wegs llegen fah, fi In ven See ergteßt. Mehrere Zuflüfie fm
es bier, die demſelben Fluſſe ver Ebene von Ardjiz zueilen, und de
ren Thaͤler und Höhen, wenn fie purchfegt find, nach 8 Stunber
Wegs zum Dorfe Kunduz-führen. Das Dorf war ganz leer
denn noch waren bie Heerden auf den Höhen; nahe vemfelben ſtan
ven Zeltlager der Kurven, die aber grob jenen Beiſtand verfagten
bis Geld fie verfühnlich machte. .
Vierter Tagemarſch — 6. Sept. Diefer fehr befchwerlich
Tagemarſch follte über Hochgebirgspäfle an den Murad- Quellen
vorüber nach Diyapin führen. Dan brach noch in ver Nacht bei
Mondſchein auf und erreichte doch erft im Dunkel ver Nacht, Abende
9 Uhr, das Ziel. Die genaue Entfernung diefer fo felten von Frem⸗
den betretenen Gebirgsroute iſt nicht angegeben. Man ritt in Fluß⸗
thälern aufwärtö, deren Ufer noch mit Weiden, Erlen, Birken, wil⸗
den Apfel- und Birnbäumen hie und da, aber überall nur von ges
ringer Höhe, bewachſen waren; dann durch bequemere Seitenfchluch-
ten zu ben Weidehöhen, wo Halderanli-Rurden in ihren Zelten
Iagerten, die eben im Begriff waren, über die Grenze nad} Berfien
hinũber zu ziehen, weil fie ven Drud der türkifcgen Paſchas nicht
mehr außzubalten vermochten. Ihre wenigen Zelte waren doch von
ziemlich zahlreichen Heerden begleitet. Sie fegten, ald man um
410 Uhr bei ihnen anlangte, trefflihen Doghurt (faure Milch),
Ereme (Kaĩmak) und Brot ihren Gäſten vor; vie Kinder Tiefen
nat in Lumpen umher, aber von Ichänftem Schlage, während man
u
Euphratſhſtem; Quelle des Muradfluffes. 335
den Erwachſenen, Männern wie Weibern, wol anſah, wie ihr har⸗
tes Leben fie frühzeitig altern mache. \
Um 11 Uhr wurde eine Gebirgskette zu erfleigen begonnen,
deren Bulmination der Ala Tagh (fprih Dagh nach tärkifcher
Ausfprache), d. 5. der ſchoͤne Berg, nad 35 Stunden erreicht
war. Sehr fleil war z Stunde lang ver nörbliche Hinabdeg im
tiefen Zelan Dereh⸗Thale, das ein anfänglich Bleiner Bach durch⸗
frült, der aber bald durch eine fehr große Menge von ven Berg-
ſeiten Hinzurollender Waffer zu einem ſchnell anſchwellenden
Strome heranwächſt, deſſfen Volumen ſich mit jedem Schritie ver⸗
größerte. Dies iſt die wahre Duelle des Murad over oͤſtlich⸗
fen Euphratarmes (ſ. ob. S. 79). An dem Nordabhaug des
| hochſten Piks dieſes Ala Tagh, den I. Brant für nicht wiel nie⸗
diiger als den Sipan Tagh hielt, ſah man den Schnee noch in
goßen Maſſen ausgebreitet liegen.
Der Strom murbe durchſetzt und fein im engen Thale meiſt
grafiges Lifer, ohne Spur von Heerden und Menſchen, aber mit
noch 3 bis 4 Zubächen, davon nur einer den Namen eines Fluſſes
verbiente, bereichert, verfolgt bis zu der erften Dorfruine am linken
Ufer. Dann feßte man zum rechten Ufer des Murap über, an
welchem nach einigen Stunden Wegs erft um 9 Uhr Abends Dis
Yadim erreicht wurde.
Naftag In Diyapin.
Der Beg des Ortes, obwol ein Bruder des Behlul Paſcha
von Bayazed, war doch nicht im Stande, Herberge zu geben. Die
Reifenden wurden auf einen Stall zum Nachtquartier angewiefen,
und auf ein Heulager flatt der Betten; die Laſtthiere Eonnten mit
der Bagage auf dem fehr beſchwerlichen zurüdgelegten Wege erft
um Mitternacht die Station erreichen. Raſt war auch ven erſchoͤpf⸗
sen Reiſenden nothwendig. Auch war die Wegftrede von hier bis
Sayazed mie gewöhnlich ehr unflcher, oder wenn auch das nicht,
wie der Beg von Diyadin, Abdur-rizak, verfiherte, doch fo völlige
Einöte ‚ohne Alles, daß ed felbft an Pferdefutter fehlte, und vie
Nähte waren ſchon zu kalt, um dad Dich im Freien zu lafien
(7. Sept.).
Diyadin iſt nur ein großes Dorf, von Armeniern und Kurven
bewohnt, auf ver Hauptroute zwiſchen Tauris und Arzerum gele⸗
gen, wodurch den Bewohnern durch vie Paflanten große Laſten zu⸗
fallen, für die fle ſich durch den Werkauf Ihrer Vorraͤche, voran
=
336 Weſt⸗Aſien. II. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 33.
von Gerfle und Stroh an die Karawanen, zu übermäßigen Preiſen,
zumal in der Winterszeit, zu entfchäbigen wiſſen.
Das Haupt der Zelanli- Kurden, vie bier hauſen, war
Huſein Agha, defin Sohn Kaflın Agha, ein unwifiender Jüng⸗
Iing von 18 Jahren, bier verweilte, aber von einem einfichtsvollen
Führer begleitet war. Er kam von der ruſſiſchen Grenze, von wo
er 60 Kurven- Familien feined Stammes zequirirte, die zwar auf
zuffifhem Boden wohnten, aber nah Perfien zurüdzufcehren
mwünfchten. Die ruſſiſchen Behörven: hinderten fie auch an ihrem
Rüdzuge nicht. Diefe Kurven gaben ed zu, daß daß bad tür⸗
kiſche Gebiet dem perſiſchen zum Wohnorte vorzuziehen fe.
In Perfien hätten fie zwar gewiffe Vortheile (mindern Tribut und
mehr Unabhängigkeit), die ihnen in ver Türkei fehlten, aber alles
dies werde vurch den Wafferreichthum und dad beffere Weines
land daſelbſt aufgemwogen.
Die Reſidenz des türkiſchen Beg lag ganz in Ruinen, und nur
fein Harem war bewohnbar. Man nannte dies, wie bie meiften
ältern Bauten daſelbſt, zumal von Caſtellen, deren Geſchichte font
unbefannt ift, einen Benuefenbau Allerdings zeigte ein Theil
der noch ſtehenden Mauern eine treffliche Conſtruction; die einen bils
den eine Steilmand gegen ven Abſturz, in beffen Tiefe ver Murad
firömt, die andern fleigen aus der Ebene auf und ſchützen gegen
Kurven Attadlen, find aber darum noch Feine fichernde Vefeſtigung;
doch folte man fie nicht ganz verfallen laſſen. Der Ort fcheint bis
‚ vor von ruſſiſch⸗türkiſchen Kriegen durch feine Kramladen für den
Durchgang ver Karawanen noch von einiger Bebeutung geweien zu
fein, da er von vielen armenifchen Yamilien, meift Kaufleuten, be
wohnt war, die aber bei dem NRüdzug der Ruſſen bis auf 3 chrifl«
liche Familien mit auszuwandern gendthigt waren, wodurch der Ort
in größten Verfall gerieth. Im viefem Zuſtande hatte ihm ver
Miffonar Eli Smith 39) befucht auf feinem Rückwege im Jahre
1831 von Khoi über Bayazed nach Erzerum (j. Erdk. IX. ©. 916).
Man vermutbet, daß Hier einft vie armenifche Stadt Zarehavan
(Zaruana ba Ptol. V. 13, fol. 135) lag, die Mitte des IV. Jahr⸗
hunderts von den Perfern zerflört ward, und damals 5000 arme⸗
nifche, 8000 jũdiſche Familien zu Einwohnern hatte und bis in bob.
IX. Jahrhundert ald Peiner Flecken fortvauerte.
°°®) Eli Smith Missionary Res. Lond. 1834. 8. p. 417. J. St. Mar-
&in Men. I. p. 124.
\
u + .
Euphratſyſtem; Uebergang nad) Bayazed. 337
Bon Diyapin nad) Bayazed rechnet I. Brant 18 engl.
Meilen (33 g. Mel, 6 türkifche Stunden, fagt Smith, zu deren
Zurüdiegung er 9 Stunden Zeit brauchte). Don 14 Metern als
Escorte begleitet, immer bei ver Bagage bleibend, wurde dieſe bee
rühmte Stadt ſchon Nachmittags halb 3 Uhr erreicht, nachdem nur
einmal Halt gemacht war, am Ufer des Gernawuk, eines fchönen
Stroms, über den eine Steinbräde Hinüber führte. Schon auf
halbem Wege dahin war aus der Ferne der Pallaſt des Paſcha zu
Bayazed fihtbar auf der Felswand, an deren Fuß zur Seite die
Stadt llegt. Diefer Flußlauf wird von I. Brant nicht näher be⸗
kimmt, was doch wünfchenswerth geweſen wäre, da ein bafelbft
norbwärts fließendes Waſſer zwar auf rufflichen Karten gezeichnet
aber nicht benannt iſt, ein folches auf Monteiths Karte gänzlich fehlt,
und überhaupt alle hydrographiſchen Zeichnungen dort über bie
füblihen Arareszuflüffe ſehr ſchwankend find. Eli Smith, ber
beufelben Weg von Bayazed nach Diyapin zurüdlegte, fagt, daß
er F Weſt der Stadt Bayazed nach Zeit einer Stunde Wegs über
einen ſchmalen Strom?) ſetzte, der rechts abfloß (alſo gegen Nord).
Ran ſagte ihm, er ſolle um die Makhu⸗Seite des Ararat,
d.i um deſſen Südoſtfuß, fließen, wo wir ſchon früher ven Makhu⸗
Sup, aus 2 Wäflern zufammenfließend, in feinen merkwürdigen
Bergdurchbrüchen kennen lernten (f. Erdk. IX. ©. 920); Smith
Börte ferner, er folle zwifchen dem Araratberge und Nakhſchivan
ſich in ven Arad ergießen; er hielt ihn daher für den größten ver
dortigen ſũdlichen Zuflüfie zum Aras, der bei ven Armeniern Degh⸗
mod) oder Deghmud, bei den türfifchen Geographen Aktſchai
heist, und welcher fich unmittelbar unterhalb Nakhſchivan mit dem
Aras vereinigt. Aber jener Makhu⸗Fluß ergießt fich oberhalb vers
ken Stadt zum Uras, ex wird in St. Martins armenifcher Geo⸗
grephie gar nicht genannt, obwol er doch fein unbedeutender Fluß
R Golon. Monteith ift von feiner Mündung in ven Aras diefen
Nakhu⸗Strom aufwärts gegangen, bis zu dem feltfamen Höhlen»
Klsh von Makhu (ſ. Erdk. IX. ©. 921). Hier zwiſchen Diyapin
un Bayazed iſt nun auch von einem unterirdiſchen Strom
We Rebe, ver aus Felſengrotten hervortritt (ebenvd. S. 922). Sollte
NS derſelbe unterirvifche Fluß fein, der ſich nach einer Ausfage*)
ki Rich dort in den Arad ergießt? der 4 Stunden entfernt
20) Bli Smith Missionary Res. 1. c. p. 416. *®) 3. St. Martin
-Lp4l. *1)5. A, Rich: tive I. App. p. 878.
Alter Erdkunde. X. d
338 Weſt-diſien. II. Abtheilung,. IJ. Abſchuitt.- h. 33.
son Bahazed, aber in keinem Thelle ſeinetz Laufes Jichtbar fein
ſoll, wol aber durch fein Toſen fich hörbar mache, und am Eins
fluß in ven Arad durch feine Barbe und feine Wirbel erkennbar
ſel Vergeblich will man Verſuche gemacht haben, ſich in ſein Bette
hineinzugraben, was mißlungen, weil es zu tief gelegen ſei. Daß
dieſer Erzählung etwas zum Grunde liegen muß, ſcheint fich auch
aus andern Angaben zu beſtätigen, wobei aber offenbar Verwechſe⸗
lungen vorgegangen find. Im Dſhihannuma wird zweimal, nach
». Sammer, %2) angegeben, daß an ver norpöftlichfien Brenze ber
türkifchen Statthalterichaft gegen Perſien, bei Bayazeb, von wo man
den Arghi tagh, d. i. den Qrarkt, erblide, und „wo die Ebene
Tſchaldiran beginne, laufe der Cuphrat 4 Stunden
lang unter der Erde fort," wobei der Recenfent die Bemer⸗
fung macht, daß künftige Reiſende dies näher zu erfragen Hätten.
Aber Hier kann nicht vom wirklichen Euphrat, fondern nur von
einem fupponirten vie Rede fein, ganz in der Art, wie vie Alten
vom unterirdifchen, verſchwindenden Tigrid aus dem Arethuſa⸗Quell
fabelten (f. ob. ©. 85). Es kann bier nur von derfelben Loca⸗
lität eines ſüdlichen Zufluſſes, zum Makhu etwa, die Rede
ſein, von deſſen Herkommen aus Awajuf Chalderan ſchen Fra⸗
ſer an Ort und Stelle erfuhr (Erdk. IX. S. 920), jedoch ohne
vom unterirdiſchen Laufe gehört zu haben, obwol er von deſſen wei⸗
teen Felsddurchbrechungen nach ver Vereinigung mit dem
Strome von Bayazev- Beriht gibt. Wenn viefer letztere auch an
ben genannten Makh u und an veffen zerriffene Thalbilvungen auf
dieſem vulcanifchen Boden erinnert, fo iſt es doch nicht dieſer Malte
ſelbſt, ſondern ein linker Zufluß zu ihm, ven Col. Montetth's
Karte mit dem Namen Alſas bezeichnet Hat, welcher an ber Nord⸗
oftfeite zwiſchen Bayazed und dem Ararat hindurchzieht, zu wel⸗
chem jener von I. Brant genannte Gernawuk als ein Zufluß
oder gar als deſſen oberfler Quellſtrom zu betrachten iſt. Leider
konnte Eli Smith ven heutigen Namen des von Ihm überfegten
Stromes nicht. erfahren, den wir jedoch für iden tiſch mit bem
Gernawuk, und dieſen für einen obern Arin des Alfas, fo
wie biefen wieder für einen weiter abwärts fich mit vem Makhu
vereinigenden Zufluß zum Aras, oberhalb ver Einmünbung des
Aktſchai zu demſelben, halten müſſen. Den Alſas⸗Fluß läßt Mon-
teith im Weſt von Bayazed oberhalb Arvab (richtiger Arzab)
— — oh
I 3. Hammer; afat. Tiorlei Dec. Wien. Jahrb. Bd. XIV. &.25.
fü
Euphratſyſtem; Lage von Bayazed. 339
aus einem Ser, Paluktey Gul, bervortreten, was aber ebenfalls ir⸗
zig zu fein fcheint, da die ruſſiſchen Karten, bie bier befier orientirt
find, diefen See, ven fie Balith Ghöl nennen, und im Nord von
Diyadin anfegen, als ein geſchloſſenes Seebecken angeben, im
weldyes ein Eleines Fluß von Oft nah Weit einfließt und fein Ende
findet.
Somit find wir alfo entfchleven Hier ſchon aus dem Gebiete
des Euphrat hinausgetreten, und an deſſen Grenz ſtadt Bas
vazed, wie an deſſen Grenzberg, dem Ararat, angelangt, von
wo wir fpäter zu feinem wahren Stufenlande zurückkehren müflen.
Bayazed oder Bajefin, auf einer Borhöhe des Alle Dagh
haut, ſcheint feine alte Stadt zu fein, in deren Nähe aber, weſt⸗
Ih von ihr, die altarmeniiche Bafovan, *) eine Stadt in der.
ameniſchen Proving Makrevan, feit dem erften Jahrhundert nach
Chr. Geh. als Colonieſtadt für Sclaven angelegt war. Auch ſcheint
vs Aſyl Arfacavana, das von Arfaces für ale Räuber, Mör«
ver, Spigbuben und Sclaven, wie Mofes Khor. (III. 27. fol. 260)
erzählt, im Rüden des Berges Maſis angelegt war und von - -
Shahpur zerflört wurde, in dieſelbe Gegend verlegt werben zu müſ⸗
fen, die von jeher für Raubgeſindel fo günftig gelegen war.
Gt. Martin weifet diefem Drte Leine Stelle an. Das Haus bes
Baldıa mit einer Moſchee und einem Minaret waren die einzigen
beſſeren Bebäube der Stadt, doch auch jenes aus älterer Zeit, wur
einem flellen Felsabhang wie ein Vogelneft angeflebt und durch
verborgene Bänge mit einer Art Citadelle in Verbindung ftehend,
in welcher die Quellen vom Trinkwaſſer der Staptbewohner liegen.
Yurch den vorhergegangenen perflfchen Krieg (1821) und den ruffifchen
Krieg (1829) war Bayazed im Jahr 1831 zu großer Armuth herabe
gefunten. +) Die Häufer find elend gebaut, die Bazare waren leer,
ve fee engen Straßen vol Schmutz; von den Armeniern waren
sur noch 190 Familien übrig, von den DMoslemen 300 bis 400, meift
Rurden, welche die Hauptbevölkerung ver Stadt wie des Landes
ensmachen; auch iſt kurdiſch vie allgemeine Sprache und die Herr⸗
ſchaft Bisher immer im Befig eines Paſchas von Furbifcher Familie
geweſen, der früberhin, wenn unabhängig, wie zu Jaubert's Zeit,
von furchtbarſten Tyrann und Räuber fpielen konnte, In neuer Zeit
aber als ein nur untergeorhneter Paſcha von zwei. Roßſchweifen
*) J. St. Martin Mém. 1. p. 124; v. Sammer a. a. O. ©. 26.
Smith u.- Res. p. 415.
92
340 Weſt⸗Aſien. IH. Abiheilung. I. Abſchnitt. $. 33,
dem Seradkler in Erzerum gehorchen mußte. Durch die erſte in
Bayazed gefcheiterte geheime politifche Miffion Buonapartes nad
Berfien erregte diefer Ort als Raubneſt damals zuerft eine allgemei-
nere Aufmerkſamkeit. Jaubert, dem zu jener Zeit unmittelbar
der Oeneral Romieux über Bagdad folgen, follte, war über Con⸗
flantinopel und Erzerum als geheimer Geſchäftsführer bis Toprak⸗
kalah und Diyadin vorgevrungen, als er am 4. Juli 1805 von
da weiter gegen ‚die Schneegipfel des hohen Ararat fortfchritt, und
abfichtlih Bayazen 2 Stunden rechts zur Seite Tiegen ließ, um
diefen Stz Mahmuds, eine berüchtigten Kurden⸗Paſchas, auf
minder begangenen Fußpfaden mit feiner Reiterescorte zu vermei-
den. Über dies half Ihm nichts; denn von dem Nachtquartier, dem
Kurvenvorfe Arz⸗ab %5) aus wurde er im nächſten Gebirgspaß,
4! Stunde fern, von Abdalla, dem Häuptling ver Sihfi- Kurven,
aufgehoben und nad) Bayazed in dad Schloß Mahmud Paſchas
abgeführt, der ſich nach dem verfatilen Character jener Orenzgebieter
jegt nicht für einga Diener des Sultan, fonbern für einen Bafall
des Padiſchah ausgab, deshalb der Eindringling in deſſen Gebiet
vor fein Forumgezogen würde. Der graufame Tyrann ſandte feinen
Gefangenen mit ſcheinbar ficherer Escorte, um fich bei ver türkifchen
Behörde ficher zu fleflen, weiter gen Eriman zur Perfergrenze;
dort aber, ald am Buße ded Ararat ver Grenzfluß beider Staaten
(wahrfcheinlih der Makhu) erreicht war, mußten feine Kurven bie
Reiſenden niederwerfen, binvden, und gefnebelt, mit verbundenen Aus
gen auf die Pferde gepadt, durch wüſte Thäler und Schleichiwege
4 Stunden weit auf eine Feſte vor ven Paſcha bringen, der vor-
gab, daß ein Ferman fie in feine Gewalt ftelle, und daß er in 40
Tagen weitern Bericht über fie aus Conſtantinopel abwarte. Indeß
waren fie natürlich aller ihrer Bagage und ihrer Eoftbaren Befchente,
die fie mit fih führten, beraubt worden, und in derſelben Nacht
wurden fie heimlich in das Schloß zu Bayazed zurüdgebracht und
in das Gefängniß der Citadelle geworfen. Wahrhaft wunberbar
war die Rettung des dem Tode Geweihten; denn vie Peft drang
noch vor den Verlauf jener Friſt von 40 Tagen in Bayazed ein,
der Paſcha ſelbſt fiel als ihr Opfer. Die gute Partei ver Stadt⸗
bürger wollte feinen Bruder Ibrahim zum Paſcha haben; aber bie
Kurven» Partei berief feinen Sohn Ahmed Bey zum Paſcha, der
*«*) P. Amédée Jaubert, Secretaire interprete du Roi etc. Voy.
en Armenie et en Perse 1805— 1806. Paris 2821. 8. p. 23.
Euphratſyſtem; Bayazed, die Stadt. 341
ben Tod des Franken und feiner Begleiter beſchloß. Aber auch ihn
tötete die wũthende Peſt, und fo warn Ibrahim Paſcha von Bas
yazed. Indeß war Zeit gewonnen; ein gebeimes Billet, das die Frau
des Gefangenwaͤrters nach Erivan geſchickt hatte, bewirkte, daß ver
Gouverneur von Erivan aus die Gefangenen und die Bagage im
Namen des perflichen Hofes reclamirte. So langte nach größter.
Verwirrung denn endlich von Conſtantinopel der Befehl zur Bes
freiung der Franken aus der Citadelle von Bayazed an; Alles wurde
zurüdgegeben, was man ihnen genommen hatte, und bie Franken
nad Trapezunt zurüd edcortirt. 6)
Wir haben dieſe autbentifche Erzählung hier mitgeteilt, weil
fe am anfchaulichften die frühern traurigen Suflände dieſes kurdi⸗
ſchen Grenzgebietes zwiſchen Perſern und Tuͤrken zeigt, denen in
neuerer Zeit durch mehr Energie der Seraskier von Erzerum, zu⸗
mal ſeit den rufſiſchen Feldzügen in Armenien, eine beſſere Wen⸗
tung gegeben iſt. Im J. 1831 fand E. Smith den noch immer
kurdiſchen Paſcha zu Bayazed dem Serasfier völlig ſubordi⸗
art, mit Ginübung der europäifchen Tactik unter feinen Truppen
befhäftigt; er erhielt bei ihm gaftliche Aufnahme und fichereß Gen
Mit mit Tataren von Dorf zu Dorf. Es war Behlul Paſcha,
ein Sohn jened tyrannifhen Mahmud, deſſen fürftlicyes Gefchlecht
felt mehreren Generationen, wie e8 fcheint, erblich im Beſitz dieſer
Würde geblieben und auch nach mannigfachen Wechfeln immer wies
der zu einer Art von Invepenvenz gelangt iſt, die nur dem Namen
af, ngn_ Erzerum abhängig erfchelnt. Mahmud war nur ein ſehr
den mit Gewalt zur Berbäſchaffung der Materialien zu feinem
. neuem Pallaſtbau nöthigte, den er auf ver Felshöhe über der Stadt
mit einer Pracht aufführte, #7) daß I. Brant ihn für ven ſchön⸗
Ren aller Palläfte erflärt, die er im ganzen türfifchen Reiche geſe⸗
hen habe. Eug. Bore *) fagt, daß aus deſſen Prachtfalon, der
vergoldet und mil Arabesken bemalt war, ver Bli auf bie Feſte
und daß einſtige Befängniß feines Landsmannes fiel. Sein früheres
Schloß Tag auf der andern Seite des Fluſſes, war Halb in bie
Vergſeite in Grotten verſteckt, voll weitläuftiger Magazine, nad) au
Pen durch viele Batterien vertheidigt, aber in unbrauchbarem Zus
**) Jaubert I. c. pag. 50, 64, 90. #7) J. Brant Notes L. c.
p. — **) Eug. Boréẽ Correspondance etc. Paris. II.
Pag. 8.
342 Weſt-Aſien. II. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 33.
ſtande, eher dem Sig eines Räuberhauptmanns gleich, als der Res
fldenz eines Paſchas. Auf dem Gipfel dieſes Felsberges, an beffen
Seite dieſe Hoͤhlenburg Tiegt, erhebt ſich noch ein Alteres Eaftell,
bad man auch hier, wie fo viele anvere, pad SenuefensGaftell
nennt. Auf welchem dieſer Felsfchlöffer gene Sculpturen fi bes
finden follen, von denen der Conſul Rich @) in Moful nach Hö«
renfagen Bericht gibt, wiſſen wir nicht; fie würden auf jeven Ball
mol die Nachfrage Fünftiger Reifenden verbienen. „Es follen anf
„Dem Fels des Bayazed⸗Caſtells drei in Stein gehauene Män⸗
„ner mit Stäben fein In ven Händen und Büchern un⸗.
‚ner dem Arm,” was an ähnliche Perferfeulpturen erinnert; und
wo folche ſich vorfinden, möchten wol audy noch andere Sculpturen
vorhanden fein. — In jenem modernen Pallafte war Iaubert
‚ eingefperrt, in einem Gefängniffe,. das mit dem Harem bed Paſcha
. ommunicrte, wodurch ihm die Befreiung möglich wurde. Der
Palaft dominirt die Stadt, nber er ſelbſt wird von den umberlie
genden Bergen beberrfcht; daher konnte er von ven Ruſſen, vie auf
diefen ihre Artillerie aufpflanzten, befchoffen werven. So kam Schloß
und Stadt (29. Aug. 1828), die bei der erften Beichießung. SO) ven
dem zweibeutigen Behlul Paſcha verlaffen warb, ver feine Flucht
in die Felsſchluchten von Maku ergriff, in ihren Beflg; die Perl
müthete dafelbft, Verfall war vie Folge. Es hörte jener Verkehr
zwifchen Revan, d. i. Erivan, ſeitdem dies in Beflg ver Ruffen
fam, die dafelbft eine Orenzquarantaine -Anlegten, und Bayazeb auf,
und der größte Theil der chriftlichen handeltreibenden Einwohner
ernf bene Reft fon die Here DEF Worte fehler hig,“ brdariig, und bie
Sitten der Kurven, ihrer Tyrannen und Gebieter, angenommen has
ben. Auch ihre kurdiſchen Herren werden ſchwerlich lange Zeit von
der alten Gewohnheit abgehen. Als im I. 1834 vie Jelall⸗Kurden
in dieſen Gegenden die perflfchen Handelſskarawanen plünderten und
Behlul Pafcha den Auftrag erhielt, viefe Thaten einer Angehörigen
zu beſtrafen, erregte er fi durch Saumfeligfeit in ber Erfüllung
feiner Vafallenpflicht den Unwillen des Seraskiers Ed'ad Paſcha
von Erzerum; er wurde abgeſetzt und durch einen andern, Demir
Paſcha, in Bayazed ſubſtituirt. Da aber dieſer ſich durch ſeine
Habſucht und Raubgier noch verhaßter bei feinen Unterthanen machte,
*4°) J. CL Rich Narrat. I. c. Vol. I. App. p.378. *60) General
Paskewitſch Feldzug, bei v. Uſchakoff 30. l. ©. 318.
II
J
Euphratſhſtem; Bayazed, die Stadt. 343
die das Paſchallk mit vdlliger Evacuation auf georgiſches Gebiet
bedrohten, ſo wurde Behlul Paſcha doch wieder in Gnaden auf
feinen Poſten eingeſetzt. Solche Schwierigkeiten ſtellen ſich überall
anf dieſen Grenzgebieten der großen Monarchien ven Verwal⸗
tungen von Landſchaften entgegen, in denen ein ſo raubſüchtiges,
kriegeriſches, ungebaͤndigtes Volk, wie die Kurden, noch immer die
erſte Gewalt beflgt. Nur durch trügeriſche Berückung weiß die tür⸗
Nie Liſt ſich zulegt von ihrer Obmacht zu befreien, wie dies,
Ende des Jahres 1838, mit dem S. 290 genannten Khan Mahmud
durch falſche Vorſpiegelungen des Seraskierd und des Dan Paſcha
gelungen iſt, ihn in das ewige Gefängniß des Van⸗-Schlofſes mit
kinm Haͤuptlingen einzujpexren. 9)
Die große, über drei geogr. Meilen breite Ebene, welche: ſich
zwiſchen der Stadt Bayazed und dem hohen Agri Tagh Ararat),
wie er bier allgemein genannt wird (Behlul Paſcha ſelbſt kannte
feinen andern Ramen), 52) außbreitet, wird an ihrem Nordende ganz
dentlich fichtbar, durch Diefen erhabenen Doppelpik begrenzt, der fidh
von allen andesen Ketten infelartig völlig ablöft und diefe mit
dem einen feiner erhabenen Schneehäupter überall. beherricht. Die
in diefer welligen Ebene hervorragenden Stlippen, bemerkt I. Brant,-
befteben aus Lavablöden, veren Lavaſtrom aber feine Diree-
tion nicht von dem Hauptkegel nimmt, fonvdern von einem Theile
der Kette, zwifchen welcher und dem Urarat die Ebene felbft liegt.
Auh Perkins?) will vorzüglih an der Weſtſeite des Ararat bie
Wirkungen feiner vulcanifchen Ausbrüche wahrgenommen haben, und
ſchreibt viefed gewaltige Geld von Steinblöden (meift von 1
8 10 und 15 Pfund Gewicht, die insgeſawmt das Zeichen des
Gefloſſenſeins an ſich tragen), das eine Strecke von mehr als acht
Stunden bedeckt, ſolchen Wirkungen zu. |
Die abfolute Höhe von Bayazed iſt unbekannt, Fann aber wol
nicht niedriger als ver Spiegel ded Van⸗Sees fein, wol zwiſchen
5000 bis 6000 Fuß; währenn viertägigen Aufenthaltes, Anfang
September, flürmten fortwährend Heftige Winde mit Staubwolfen,
welche, wie die Krankheit des Arztes Dickſon, die er filh vom Sei⸗
yan Tagh geholt, jede aflronomifche und andere Beobadhtung, fo
wie auch die beabfichtigte Beſteigung des Ararat hinderten, was zu
2) Eug. Bore Correspondance etc. Paris 1840. II. p. 92.
+2) Parrot Reiſe I. ©. 112. 2) Perkins Journ. at „Jorooraiah >
im Missionary Herald, Vol. XXXIV. Febr. 1838. p. 5 |
344 WeftsAfien, II. Abthetlung. I. Abfchnitt. $. 33,
bedauern iſt, da eine foldde von der Bayazed- Seite noch niemals
verfucht wurbe, und dieſes ganze Suͤdgehänge des Ararat geogra⸗
phiſch ſehr unbefannt genannt werden muß. In der Umgebung
Bayazeds, nur von ftreifenden Zelanli⸗Kurden durchzogen, iſt jo we⸗
nig als bei den rohen Stadtbewohnern irgend eine Spur von einer
Travition der Arche auf dem Ararat zu erwarten; das Cima würde
für die Taube, bemerkt I. Brant, wie auch fchon Tournefort *)
fagte, hier zu rauh gemefen fein, um ein Dlivenblatt zu finden.
- Die Schneefoppe des Ararat fenkte ſich hier nah Schägung etwa
2000 Fuß vom ®ipfel herabwärts, und deſſen Höhe überhaupt
ſchätzte J. Brant von diefer Seite auf 12,000 Buß. Erft in ber
Nacht vom 10. auf den 11. Sept. hatte auch ver Kegel des klei⸗
nen Ararat, der früher davon frei geblieben war, feine Schnee=
dere erhalten. Die Stadt Bayazed, zwifchen ven Felseinrifſen in
der Hochebene etwas gefchügt liegend, ift doch ſehr firengen Win⸗
tern unterworfen. Am 15. April 1831 fand Eli Smith auf fe
nem Marſch von Bayazed nach Diyadin auf den fchlechteften We⸗
gen noch fFrifhgefallenen Schnee, fo daß man Hier wol auf
der hoben Platenufläche Armenien? und Aderbidjans, am Fuß ‚des
Ararat, faft ein Halbes Jahr auf die Winterzeit wird rechnen
müffen. |
Statiftifhe Nachrichten über das Paſchalik von
Bayazed. 5°)
Da wir während der ruffifchen Befignahme des Paſchalik
von Bayazed, auf einem Halb offldelen Wege, was wir bisher
noch nicht befaßen, ſtatiſtiſche Nachrichten über dieſe früher fehr we⸗
nig gekannte Statthalterfchaft erhalten Haben, fo folgt Hier das
‚Wefentliche ihres Inhalts zur Vervollſtändigung des Vorigen.
Das Paſchalik zieht fich als schmaler Lanpftrih, von Weſt
nah Oſt, im Süden des Ararat vorüber, ein Areal von nur
2200 DO. Werft (19 Meilen) lang, und 18 bis 45 Werft (2 bis
4 Meilen) breit. Es grenzt gegen Nord an die armenifche Land⸗
[Haft und an dad Sandſchak Ober» Pafin (Pasin suffla); gegen
Oſt an das perfifhe Khanat Maku (f. Erdk. IX. ©. 919); gegen
WB. an Nieder⸗Paſin, und gegen ©. an das Sandſchakat Malez-
s+) P de Tournefort Relat. II. p. 144. 66) v. Ufchakoff, Garde⸗
obrift, Geſchichte der Feldzüge deh General Faerwug in der aflat.
Türkei 1828—29. Leipzig 1838. 8. Th. J. S
a}
\
Eupbratfuften; Statiſtit des Pafhalits Bahazed. 345
I
gherd (f. Erdt᷑. X. S. 989,994), an einem Theil des Paſchaliks von
Muſh und von Ban.
Die vier Sandſchaks oder Kreife, aus denen es beſteht, find:
1) Bayazed (840 DO. Wa); 2) Diyapin (130 DO. Wer);
3) CEhamur (102 D. Werft) und 4) Alaſhgert, das mit den
2 Difrieten Chalyaſs und Nahia (der Naja) 1128 DO. Werft
einnimmt.
Höher gelegen als feine umgrenzenden Provinzen Maku, Ban,
Nuſh, Arzerum, Kar und das übrige Armenien, iſt es bie
Waſſerſcheide der Flußſyſteme zwiſchen dem kaspiſchen See und
dem perſiſchen Meerbuſen.
Seine Gebirge find: 1) der Agri Dagh in feinem fchlängeln-
ben Zuge, welcher Bajazed von Ober-Pafln ſcheidet, und vie Zu⸗
Rüffe norbwärts zum Ararxes, fübwärtd zum Murad und zum
Mat ſendet. Am Oſtende deſſelben erhebt fich der hohe Kegel des
Großen Ararat mit feinem noch öſtlichern Trabantenkegel, dem
Kleinen Ararat. Beide find an ihrem Weflfuße durch eine tiefe,
itocne Schlucht von dem nor: weftlichern Zuge des Agri Dagh
getrennt, der verſchiedne Namen annimmt: wie Chatſch⸗Geduk,
Chadſchi Geduk, Sor Geduk, Surawa Daghz und an ber
Weſtgrenze des Paſchaliks: Turkman Kiliffar (Chatſch d. h.
Km; Sor d. h. Gewaltthat; Geduk d. h. Gebirgsrücken). Seine
hochſten Puncte werden Tchitchally, Sor Dagh und Kuſſa
Dagh genannt, ein nackter, abgelegner, 12 W. (an 3 Stund.) von
Topra kaleh entſernter Fels. Andre Berge heißen: Dram Daſh Dſhani
Daſh und Jas Dafh, welcher letztere ſeinen Namen von einem an
feinem Buße gefundenen, mit einer unbefannten Infcription
verſehenen Quaderſteine erhalten hat (0b diefelbe wie ©. 319).
2) Der Klytſche Dagh liegt in S.W. des Pafchalils, und
fondert fi von Turkman Kiliffar in der Richtung des Euphrat
ab; Hei feinem Beginn wird er auch Sopfchah und Misgrog ge=
sannt. 3) Der Allah Dagh, d. i. Bottedberg, am ſüdlichen
Ende des Vaſchaliks, vereinigt fi mit dem Klytſche Dagh im
Weiten, ift aber breiter als dieſer und Höher ald ver Agri Dagh.
Dr Schuſchink Dagh am Fluß Tſchubugli (?), Kimber Dagh,
Nenat und Tſchir Geduk an dem Cuphrat (?) find vie höchſten
Berge. Zu diefen uns unbekannten Berglocalitäten wirb die vierte
Sauptfette von Diyapin gerechnet, welche ven Allah Dagh mit
dem Agri Dagh, aljo ein von Süd nad Nord ziehenves Quer-
jo, bildet. 29 Flüſſe follen das Paſchalik nad) den nerichienens
6
346 . Wefb-Afien. III. Abteilung. T. Abſchuitt. $. 43,
ſten Michtungen durchziehen. Ein Heiner Landſee, Ballik Gdi
(ihon oben als Belt Ghol angeführt), 18. Stunnen (65 Werft)
Am Weſt vom Ararat, iſt hoch gelegen im Agri Dagh; aber nur
13 Stunde (6 Werft) lang und „ Stunde. (24 Werft) breit; : von
feinem großen Fifchreichtfum ſoll er. feinen Namen haben. Vorbem
Hatte er Im feiner Mitte eine ‚Kleine Inſel mit einer chriftlichen Kirche,
von der aber heut zu Tage nur noch vie Ruinen aus dem Waller
beruorsagen folen. Sein Abflug von 17 Stunden (60. Werft)
Ränge, beißt Ballik Su, einer der Hauptflüfle des Landes. Aw
dere find ver Gernauf (f. oben Gernawuk), ver Maku⸗tſchay, ver
Almalla (und unbekannt), ver Murad⸗tſchay, d. i. der @uphrat;
Der Scheman .(?). | . .——
Der Murad entſpringt ans 2 Ouslten im Tſchir Geduk
oder dem Bergrücken Tſchir; er durchſtrömt das Paſchalik gegen
NM. un S.W. an 25 Stunden (111 Werft) weit, bricht ſpater
"zwifchen dem Allah Dagh im Oft, und Klytſche Dagh im We,
fünweflwärtd hindurch, in Dad Sandſchakat Melezgerd, wo er im
Verein mit anvern Zuftrömen ſchiffbar wird. Sein Lauf iſt nur
mittelmäßig reißend; feine Breite ift 5 Klafter (Safchen) und. 1. bi6
2 Arſchin tief; fein Waſſer fifchreih, zumal an Forellen; feine. Ufer
find nackt. Von feinen beiverfeitigen Zuflüſſen. iſt hier nur, ber
. Scherian zu bemerken, der auf dem Choſſol Dagh (Y entkpringt.
Die gute Bewäfferung ded Bodens hebt die Vegetation una gibt
den Kornfeldern 6⸗ bis 10fachen Ertrag; nur die Umgebung: Ba-
yazeds iſt wenig ergiebig. Vom Juni bi8 October ift bad Berg⸗
land mit reichem Wieſenwuchs für vie Heerden bedeckt, fo daß ber
Paſcha, nach den Rufien, fehr gut aus eignen Mitteln des Landes
6000 Pferde zu. 4000. Dann Truppen ftellen konnte. Dagegen If
Holzmangel allgemein; nur Krummholz, Kienbolz, Wachholder⸗
geſträuch und Eleine biegfame Birken machen ven einzigen Vorrath
an Brennmaterial aus, die Bärten fehlen, man jagt wegen ver ewigen
Verheerungen; Weinbau findet wegen der hohen Berge nicht flatt.
An Mineralien fehle es nicht, obwol ſte wenig- benugt wer⸗
den. Gute Quaderſteine werden bei Diyapin und Bajazed gebros
hen, beim Dorfe Urtul porphyrähnliche; auf. dem Bergrüden bei
Diyadin, nahe dem Dorfe Alifor, ziemliche große Alabafterbläde;
Müuͤhlſteine am Klytſche und Sor⸗Dagh. Treffliher Lchm zu Toͤp⸗
ferarbeiten ift häufig. Auripigment, Schwefel, Alaun, Farberden
bei Diyadin. Die mit Salpeter geſchwängerte Erde wurde im Jahr
3828 mit gutem Erfolg von den in Bajazed ſtehenden Truppen
®
%
Euphratfyſt.; Statiſtik des Paſchaliks Bayazed. 347
zur Räucherung (gegen vie Pet?) gebraucht. Kochſalz wird aus
den Salzquellen Parinek und. Duslafſt (?) gewonnen. Das daſelbſt
angeſetzte Salz iſt auf 10,000 Pak (d. i. 60,000 Pfund) zu rech⸗
am; dennoch brachte das Monopol dem Paſcha nur 100 Eilber⸗
rubel ein, zu dem noch ein fpäter nbgetreiner Salzquell an 6000
Bund Ertrag gab, der zu 30 Eilberrubel Einnahme angefchlagen
wer. Im Dorfe Arnat durften die Einwohner im Sandſhakat
Aaſchket aus einem Kleinen Salzbache an 100 Pfund Salz ohne
Eteuerabgabe benugen. Don edeln Metallen find nur ſchwache
Epuren bekannt, und bei dem GHolzmangel auch fein Hüttenweſen
in Aufnahme zu bringen. Viele Mineralquellen find im Lande;
11 Stunden (50 Werk) von Diyadin find ‚heiße Schwefelquellen
md Gauerbrunnen, vie wie Strudel aus der Erde bervorbraufen
und wunverliche Gtalactiten bis 34 Fuß hoch aufwerfen. Nur 13
Stunde von Diyadin ift auf gleiche Art eine von der Natur.
Kühn und ſtark gewölbte Steinbrüde, 60 Schritt lang und
30 Schritt über ven Euphrat gebilvet, die in verfchienenen Farben
yrangt. Unfern jdavon iſt eine vielfarbige, durch “en ſtarken hei⸗
fen Duell, wol durch feinen Tuffabfatz gebi-* Vdhle, in die man
durch das Waſſer zu Pferde Hinginpgin- - INN. Rabe. ver Höhle geht
das heiße Waſſer in —X en Bad gegen Rheumatismen
(ehr Heiland e be Ben Quellen loden durch ihre
j Mic Wild, zumal Geflügel und Bären in ihre Näpe.
wi de ber befindlichen Sauerquellen Haben fihäpliche Ci
Das Elima von Bayazed, in einem Berake ed,
Cbenen Perfiens jo nahe gelegen, iſt doch Eühl; a Safrrensaia
ige beſtimmte und ſcharfe Contrafte. Mitte März if Frühlings
mfang, die Hitze fleigt Mitte Juli, wo die Flüſſe ihre —*
wrlieren, bis zum Auguft auf das höchſte. Der Septemb "n
Den gemäßigt, im October bevedt ſich alles mit Schnee; Ph
ovember nehmen Froſt und anhaltende Kälte überhand; doch
Reigt die Winterfälte nicht über 10° R., dauert nur bie Ende &
bruar, dabei immer hoher Schnee. Die Lage von Bayazen iſt fo
geſund, daß die reichen Fieberkranken aus Erivan dahin um
ihre Geſundheit wieder herzuſtellen. Das Volk iſt geſund blühend
und blit mit Entfegen auf-die fieberbefallnen Patienten von Gris
Ar Aber aljäprlich macht Hier vie Peſt ihre Verheerung. Der
—— * Sorglofigfeit thut Nichts, fle zu verbannen; durch
ma ſelbſt wird ſie bekämpft, wenn fie auch einge⸗
⸗
4
&
_
348 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.33,
bracht iſt. Die Neinlichkelt der benachbarten Berfer fol die Ver⸗
breitung der Peft bei ihnen verhindern, auch fagte man ven Ruffen,
ein Präfervativ dagegen fei, ſich vie Hände mit China (?) (wol
Henna?) zu färben. Die. Aerzte in Bayazed haben ein erbliches
Gewerbe, und follen ſich fehr gut auf das Heilen der Wunden und
ber Peftbeulen verftehen; als Präfervativ gebrauchen fie ſelbſt bei
dem Umgang mit Peſtkranken ein ſtarkes Pulver zum Schnupfen
und GEinreiben ver Hände, und fcheuen ven Verkehr gar nicht mit
ven Peſtkranken. Auch vie Ruſſen ‚haben ihre Kuren dieſer Art
anerkannt, bis Tiflis find fie bekannt und erwerben fich bedeut
Reichthümer.
Ueber die Bevdlkerung 50) des Paſchaliks erhalten wir
folgende Daten. Die Rufen zählten 3190 armeniſche und550 mufel«
männifche, zufammen 3740 Familien im Lande, die einen Anfchlag
der Bevölkerung auf 18,000 Seelen männlichen Gefchlechtes gaben,
fo daß auf jede Quadratwerſt nur 15 männliche Bewohner kommen ;
eine ſo geringe Anzahl bei der Begünftigung eines fo vortheilhaf⸗
ten Elimad, day aur die ſteten Berwüflungen bes Landes und bie
Gewohnheit, bei jeden. winfall eine große Menge ver Familien mit
Gewalt aus dem Lande Weyp nfennen und anbermärts üb ufle=
deln, was ſtets von Perſern und au Ruſſen, —* un⸗
ter mildern Formen, mit den Armeniern geſcheh “————
erung ſein kann. =
ſe —Se Bayazed Toll das volkreichſte fein und
auf 8174 O. Werft 2650 Familien herbergen. Der Stadt Baya F
theilte man 1735 armenifche, 310 muſelmaͤnniſche Bamilien ‚in
Summa 2045 zu; die andern 604 armenifchen und 4 türkiſchen Bus
milien des Sandſhaks hatten in 6 kurdiſchen Doffihaften ihre Sitze.
Im Sandſhak Diyadin zäflte man 266 Familien, In der Stabi
und 9 Dörfern vertheilt. Im ©. Ehamur 116 Samilien in 11,
alfo viel ‚Eleineren Dorfichaften; in ©. Alaſhgert mit ben 2 zu⸗
gehörigen Diſtricten 725 Familien, in 60 Dörfer vertheilt.
Die bedeutendſten Orte ſind die Stadt Bayazed, der Flecken
Diyadin, das befeſtigte Chamur und dad Caſtel Topra kaleh.
Von den beiden erſten Hauptorten war ſchon zuvor die Rede.
Chamur, nur die befeſtigte Refidenz eines geringen Häuptling®,
von uralten, aber verfalnen Mauern umgeben und von Nachbar⸗
56) v. Uſchakoff a. a. O. J. ©. 83.
/
% f | ,
/
Eupbratfoftem; Statiſtik des Pafchalils Bayazed. 349
hohen fiberragt, iſt unbebeutenn, und liegt an ver Mündung des
Bergſtroms Mandalych zum Murab. Das Stäntchen Topra Talch
mit 302 armenifchen und 12 mufelmännifchen Bamilten iſt als
Karawanenflation auf ver großen Süpftraße, füboftmärts von
Haffan kaleh nach Bayazed, beachtenswerth, an einem Zufluffe zum
Nurad. Es bar eine chriflliche Kirche, eine Mofchee und wird von
einem Schloß auf dem 30 Klafter hohen Steilfelien nes Agri dagh
beihüst, der nur auf einem tief im Fels eingehauenen Schneden-
wege von der Süpofifeite zugängig iſt und in feinem Innern
Duellen herbergt. Obwol dies Schloß noch von andern Höhen
überragt wird, gilt es doch für den wichtigften Pla im Sandſchak
Hafhgert. Da Topra kaleh, obwol zum Paſchalik Bayazen ge»
Brig, doch ſchon zum Thalgebiete des ſüdlichen Euphratarmes ober
des Murad gehört, fo wird erfl weiter unten bei viefem umflänb-
Biber von ihm und feinen Umgebungen bie Rede fein.
Der Zahl nad find die Türken die geringern in dieſem Pa⸗
ſchallk, aber als Eroberer vie ftolzen, eigenwilligen Herrfcher; bie
Ruffen rühmen fie jedoch als bieder und gerecht, wenn fchon weni.
ger höflich, wie ihre perflichen Nachbarn; es follen meift aus Ars
rum und Gonftantinopel Ausgemanderte fein. Bon ven Arme-
niern, ber größten Zahl der Einwohner, ihren chriſtlichen Glau⸗
bensgenofien, welche die Ruſſen auf ihr Territorium überall hin⸗
überzulodten verfuchten, geben fie in dem flatiftifchen Bericht felbft
felgende Anficht. Als Unterjochte iſt ihr Charakter auch entartet,
mterwärfig, dabei voll Cigennutz, Uft und Gefühllofigkeit. Als
keibwachen ver Paſchen gehören fie zu ven Tapferfien; die Kurden
And ihre unverföhnlichen Feinde. Ihre Melyks (Dorfuorftcher) find
gegen den Fremden ohne alle Theilnahme, bis er fie zum Beiftand
durch Gewalt over Lift zwingt. Gibt man Abends den Kindern ein
Ethl Zuder, den Eltern eine Taſſe Thee, fo fangen fie durch
Ehrentitel, wie Myrfa (Gelehrter), Jaſſyghi (Autor), oder Bent
(d. i. vorneßmer Herr), an, ihr Entgegenfommen zu zeigen, und
dies nimmt zu, je fchönered Beräth, Schmud, Uhren oder derglei⸗
en fie bemerken, und am folgenven Morgen, beim Abmarfch, find
he mit Geſuchen aller Art, und mit Bitten um Ehrenzeichen u.j.w.
bei der Hand. Den reichern Armentern wirft man bier allgemein
Stolz und Unhoͤflichkeit vor, als Geſchäftsführern ver Paſchas aber
Betrügereien, Expreffungen; bei ven Ruſſen fuchten fie durch falſche
Anklagen gegen die Türken fich Gelber zu erfchwingen. Den in
Bayazed Gebornen wirft man Trägheit und Völlerei vor; vr Maule
350 Weſt⸗Aſien. IIE Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 33,
beerbranntwein (Tuta) fol ihnen; da der Wein fehlt, ſehr ver⸗
führeriih fein. Die Archimanpriten in Etſhmiadzin, in Khoi und
Urmia fahen fie als ihre geiftlichen Vorftände an. Als Haupifig
ihrer einheimiſchen Geiſtlichkeit in dieſem 57) Paſchalik wird
am linken Muradufer das Kloſter Surp Ohannes (Sanct Jo⸗
hannes) genannt, das bei ven Türken Utſch Kiliſa (m. h.
dret Kirchen) beißt, und daher nicht mit dem Klofler von Et⸗
ſhmiadzin auf der Nordſeite des Ararat, welches dieſelbe Bes
nennung Utſch Kiliſa beim türkiſchen Geographen (im Dſchihan⸗
numa) erhalten bat, verwechſelt SE) werden darf.
Diefes Klofter Sanct Iohanned des Täufers negt bei dem
Berge Nepat an der großen Südſtraße, 3 Stunden in Weſt von
Diyadin, und ſoll, nach der Legende, eines der vielen von einem
Enkel des St. Gregor Illuminator, vom Sanctus Narfes
Magnus 0) gegründeten Heiligthümer fein. Die Ruſſen ließen
fich von den Mönchen ſagen, im. Jahr 301 nah Chr. ©; nach
J. Brant, der daſſelbe im September 1838 beſuchte, im I. 306.
Jener fol neben der einen noch beſtehenden Kloſterkirche im
Thale noch zwei andre erbaut haben, bie von ven Kurven zesftört
fein follen, davon die eine im Thale ganz verſchwunden iſt, in⸗
deß man von der andern noch Trümmer auf jenem Nepatberge
zeigt. Daher der Name Dreifichen. Dad noch befichende Klofter
iſt felbft nur ein Haufen elenver, verfallner Mauern, die aber gafle
freundliche Mönche herbergen, deren geringe Zahl von Almofen
lebt, und für ihr kleines Grundeigenthum dem Paſcha jährlich 200
Silberrubel Tribut zahlt. Die 7 älteften Patres reifen jährlich nad
Etſhmiadzin, um dort dad Myrrhon oder heilige Del zu holen.
Ste bringen Brot, Butter und Käſe dahin und werden dafür mit
allerlei Stoffen und Gerätbfchaft beſchenkt.
Obwol nicht fo geprüdt mie in Perfien, erlauben die Zürfen
doch den Armenien auch Feine Bloden, um damit zum Gebete zu
verfammeln, Eeine Waffen zum Tragen, obwol fie deren doch zu ihrer
Selbftvertheirigung gegen die Kurven als Kontrebande vom Aus«
ande einführen müſſen. Doch ehren bie Türken. ihre Cigenthum,
und die Begs ver Kurven ebenfalld vie Heiligen ver Armenier, wie
ven Surb Sartis (Sant Sergiuo), deſſen Grabmal zu Toprah
ET, uſchalo a. 5 o. I. S. 88, ss) St. Martin Mem. var
* PArmen, T. 1. p. 116. * 79 Mos. Khoren. Bist. ‚Art. Lib. IN
6% ei:
Euphratſyſt.; Statiſtit des Paſchaliks Bayazed. 351
kaleh. gezeigt wird. Vor demfelben ſchlachten fle, ehe ſie im den
Krieg ziehen, einen Widder als Opfer auf dem Steine, der auf ber
Aſche des Sanctud liegen fol, und zünven dabei Wachskerzen an,
üben fo verehren die Mufelmänner von Bayazed ven Speer,
der die Seite des Erldferd durchbohrte und als Reliquie in Et⸗
ſhmiadzin fteht, davon ſchon Tavernier ©U) eine Abbildung gab. Wenn
bie Tjährige Periode, nach ver ſich die Peſt zu zeigen pflegt, vor
übergeht, jo holen vie Patres des armenifchen Clerus dieſes Heilig⸗
thum von Etſhmiadzin ab, und zeigen es Im Gotteshauſe zu Baya⸗
ze vor, und allgemein iſt ver Aberglaube, daß dann die Wuth der
GSeuche gebrochen werde.
J. Brant, der von Diyadin aus, auf ſeinem Rückwege vom
Vm⸗See, das Klofter Utſchekiliſſa 61) am Muradufer beſuchte,
ſagt, daß es nicht fern vom Strome liege, und daß deſſen Prior
den Namen davon herleitete, Daß es von dreien Kirchen bie größte
babe. Ein Baumeiſter ver Kirche von Changeri (?) ſollte ſie zu⸗
af erbaut und dann auch die von Etſhmiadzin errichtet haben. Die
kim Klofter ſtehende Kirche ift nach Brants Urthell ein maffiver
Steinbau, größer und fchöner als vie zu Changeri, aber die zuge
Börigen Außenbauten find geringer und mehr in Verfall, ver Hof
von einer fehr Hohen Mauer umgeben. Diele der Fenſter finb mit
ESäteinen zugefeht, um die Mauern zu verftärken; die Kirche ift da⸗
darch verbüftert. Eine Ihrer Eden, die vor mehreren Jahren durch
in Erdbeben zerflört war, iſt reftaurirt, eine zweite Edle aber dem
Cinfturz nahe. Die Kirche muß ihre Einnahme an den Patriarch
von Etſhmiadzin ſchicken, und erhält dafür nur wenige Bepürfniffe
zurüd. In früherer Zeit brachte eine ftarfe Pilgerfchaft zu dieſem
Orte, wo ver halbe Leichnam Johannes des Täuferd ald Reliquie
Wunder that, der Kirche viel Einkommen. Aber vie Bigotterle hat
eben fo ab⸗, ald die Unficherheit zugenommen. Noch vor 30 Jah»
ren lag eine große Anzahl armenifcher Dörfer umher zerftreut
in viefer Ebene von Alifhgert (Ariſhgerd bei Brant), die ſich
son Diyabin bis jenfeit Mulla Suleiman ausbehnt; mehrere von
ihnen hatten 300 und 400 Käufer. Jetzt find: deren nur fchr we
nige geblieben, kaum, ner 2 ausgenommen, etwa mit 20 bis 40
Säufern. Auch war vie armeniſche Bendlferung fett der Ruffenzeit
°.», J.B. Tavernier Six voy., a la Haye. 1718. 1. 29
*ı) 3. Brant Notes etc. im Journ. of the Roy. Soc, 1541. _
Vel. X: P.:MIT. pı 438. |
352 Wef-Afien. II. Abtheilung. I. Abfhnitt, $.33.
hier fehr zufammengefchmolzen, doch Hatten, 1838, feit ein paar
Jahren ſchon 5 armenifche Dörfer, veren Familien von den Perfern
nach Erivan verpflanzt gemefen, wieder Beilg von ihrer Heimath
genommen. Dan nannte fie Tere kemeh, fie follten von perſi⸗
ſchem Herkommen, aber eine Art Zigeuner-Tribuß fein, näm⸗
lich Turkmanen, die wie Zigeuner leben, ohne vom eigentlichen Tſhin⸗
ganen» Stamme zu fein (mol biefelben, die auch Perkins Hieg bei
dem benachbarten, nur eine Tagreiſe weſtlichern Kara Eillfia antraf,
und Eurbifche Deziven nennt, Erdk. IX. ©. 759). Um das Klofter
fab 3. Brant an 15 Hütten von Bauerfamilien bewohnt, welche
die Mönche zur Cultur ihrer Ländereien verwenden, davon aber ber
groͤßte Theil wegen Mangel an Arbeitern unbenußt liegen bleibt.
Ihre Heerden an Büffeln, Kühen, Ochfen, Pferden und Schafen
find zahlreich. Das Klofter war oft von den Kurben geplünbert;
Haſar Khan, der Serdar (Gouverneur) von Erivan, hatte es aller
feiner Schäße beraubt; erft in ven legten Jahren iſt es unangetaftet
geblieben, doch find ihre Heerden fortwährend den Baunereien ber
Kurbenlift ausgejekt.
Kurz vor Brants Beſuch waren ihnen 6 Pferde geftohlen,
von denen wurben nach der zigordfer eingeführten Verwaltung
jedoch 5 reflaurirt, das fechste ſollte bezahlt werden. Oft ſtehlen
die Kurden nur in der Hoffnung, daß bei den Reclamationen etwas
werde vergeſſen werden; da der Diebſtahl weder Strafe noch Schande
bei ihnen bringt, fo iſt dieſe Erwerbbart nicht zu verwundern. Der
Murad fu fließt nur 100 Schritt vor dem Klofter vorüber; er
war Mitte September 20 —30 Schritt breit, nur Fnietief,. wird aber
im Frühjahr unfurthbar; dann kann man Ihn nur auf einer Stein⸗
brüde überfegen, vie eine Viertelftunde abwärts über ihn erbaut
iſt. Im Klofter befindet fich eine Bibliothek, die für reich ausge
geben wird; Brant fand neben: dem Kirchenaltar nur eine Kam⸗
mer vol Staub mit nicht über 100 Büchern, von denen Diejenigen,
die ihm zu Geficht kamen, nur in Venedig geprudte Bücher (wel
armenifche der Lazariften) waren, und ein armenifches Manufeript
theologifchen Inhalte. Ein anderes, dad nach dem Prior in unbe
kannter Schrift gefchrieben fein follte, war ein Moſes Khoren. mit
der lateinifchen Ueberſezung; alfo nicht einmal feine eigne armen
ſche und lateinifche Schrift konnte er Iefen. Ein Prieſter Scafi,
Begleiter des feanzöftjcgen Gelehrten Bore,6?) der im Auftrag der
_**?) E. Boré Corresp. et men. d'un Voy. en Or, Paris 1840. n. pl.
Euphratſyſt.; Statiftil des Paſchaliks Bahazed. 353
Academie des Sciences in Paris, vie Bibliotheken des Srients
zu unterfuchen, auch das Klofter Etſhmiadzin hatte befuchen. wollen,
und auf der ruſſiſchen Grenze als katholiſch⸗ armeniſcher Miſſtonaͤr
zurückgewieſen war, - machte dem durchreiſenden Engländer Brant
ber einen Beſuch. Bore erhielt als Gelehrter zwar von Tiflis
die Erlaubniß, Etſhmiadzin zu befuchen, aber Scaffi, fein Begleiter,
barfte nicht in Beorgien eintreten; er war deshalb gendthigt, von
Gümri über Kars zurüdzugehen, von wo er über Ant und Kage
Biman hieher gefommen war, in ver Abficht in Bajazed ven
ftauzöflichen Reiſenden, ven fein Weg nach Perfien fühzte ‚ abzu«
warten. So weit 3. Brants Bericht.
Den Dritten Theil der Bevölkerung des Paſchalik Bayazcen®)
maden die Stämme der Kurden aud, vie durch die aflatifchen -
Previnzen bed fich gegenfeitig begrenzenden perfiſchen und türkiſchen
Reichs ſich immer mehr und mehr, nach allen Richtungen hin, ver⸗
breitet haben. Hier ift ihre Zahl verhältnißmäßig jedoch gering, da
die Ruſſen nur 230 hier lebende Kurdenfamilien zählıen, deren
Zahl im weſtlichen Paſchalik Mufh dagegen bis zu 4000 aufs
feigt, wo daher erft umflänvlicher von Ihrer Verbreituns gegen Weſt
bie Rebe fein kann.
- Bir fließen viele Angaben über das Paſchalik Bayazed ait
deu lehrreichen ſtatiſtiſchen Notizen des zufflichen Berichtes über die
Bisher wenig bearhteten Maße, Gewichte, Münzen und
Straßenzäge deſſelben. 6%)
Die Münzen und Gewichte find denen des perflichen und
türlifchen Aſiens glei; zu ven ruffifchen ſtehen fie in folgendem
Berhaͤltniß. Türkische Münzen, ruſſiſche Bankaflignate und perfifche
Geloſorien haben Hier ihren feften Cours. Einige türkiiche Münzen
werben in Bayazed felbft geprägt. Ueblichſte Goldmünzen:
1 Stambul = 1 Rubel, 60 Kopeken Silber; 1 Taruch Talfa =
1 Ruh. 40 Koy.; 1 Rupi = Taruch Talfa = 57 Kop. Silb.;
1 Ayla, 34 Kop. Silber. Silbermünzen. 1 Ifcha rychly
= — Silb.; 1 Kuruſch oder Tech Kuruſch = 10 Kopeken
1 Bara = 4 Kop. Silber; 1 Juiſch⸗kuruſch⸗beſch⸗paralych
= — Silber. Die fiſchſchuppenähnlichen Paras
Kuh. son aiederm Schalt.
Räiugenmaße find die türkifche und vie perfliche Elle; auch
bie Umfangmaße wie Samara, Batman, Stil, find perfifche Be⸗
e2) 9, Wal a. a. D. I. ©. 90. **) Gbend. S. 0— 183.
Aitter Grofunde X. 3
352 Weſt-Afien. II. Abtheilung. J. Abſchnit. 5.33.
bier ſehr zuſammengeſchmolzen, doch hatten, 1838, ſeit ein paar
Jahren ſchon 5 armeniſche Doͤrfer, deren Familien von den Perſern
nach Erivan verpflanzt geweſen, wieder Beſttz von ihrer Heimath
genommen. Man nannte fie Tere kemeh, fie ſollten von perſi⸗
ſchem Herkommen, aber eine Art Zigeuner-Tribus fein, naͤm⸗
li Turkmanen, die wie Zigeuner leben, ohne vom eigentlichen Tſhin⸗
ganen= Stamme zu fein (mol viefelben, die auch Perkins Gig bei
dem benachbarten, nur eine Tagreife weſtlichern Kara kiliſſa antraf,
und Eurbifche Deziven nennt, Erdk. IX. ©. 759). Um das Klofter
ſah 3. Brant an 15 Hütten von Bauerfamilien bewohnt, welche
die Mönche zur Gultw: ihrer Ländereien verwenden, davon aber ber
größte: Theil wegen Mangel an Arbeitern unbenugt Tiegen bleibt.
Ihre Heerden an Büffeln, Kuͤhen, Ochſen, Pferden und Schafen
find zahlreih. Das Klofter war oft von den Kurben geplündert;
Haſar Khan, ver Servar (Bounerneur) von Erivan, hatte e8 aller
feiner Schäge beraubt; ˖erſt in den legten Jahren iſt es unangetaftet
geblieben, doch find ihre Heerden fortwährend den Baunereien ber
Kurbenlift audgefekt.
Kur; vor Brants Beſuch waren ihnen 6 Pferde geflohlen,
von denen wurden nach der zigordfer eingeführten Verwaltung
jedoch 5 reflaurirt, das fechäte folte bezahlt werben. Oft ſtehlen
die Kurden nur in der Hoffnung, daß bei den Reclamationen etwas
werde vergeffen werden; da ver Diebflahl weder Strafe noch Schande
bei ihnen bringt, fo ift dieſe Erwerbsart nicht zu verwundern. Der
Murad fu fließt nur 100 Schritt vor dem Klofter vorüber; er
war Mitte September 20-30 Schritt breit, nur Fnietief,. wirb aber
im Frühjahr unfurthbar; dann kann man ihn nur auf einer Stein⸗
brüde überfegen, vie eine Biertelftunde abwärts über ihn erbaut
iſt. Im Klofter befindet fich eine Bibliothek, die für reich ausge⸗
geben wird; Brant fand neben dem Kirchenaltar nur eine Kam⸗
mer voll Staub mit nicht über 100 Büchern, von denen diejenigen,
die ihm zu Geficht kamen, nur in Venedig gedruckte Bücher (wel
armenifche der Lazariften) waren, und ein armenifches Manufeript
theologifchen Inhalte. Ein anderes, das nach dem Prior in un be⸗
tannter Schrift gefchrieben fein follte, war ein Moſes Khoren. mit
der Iateinifchen Ueberſezung; alfo nicht einmal feine eigne armeni⸗
ſche und lateinifche Schrift konnte er leſen. Ein Prieſter Scafi,
Begleiter des franzbfiſchen Gelehrten Bore,2) der im Auftrag der
#03) E. Bor& Corresp. et mem. d’an Voy. en Or, Paris 1840. n. p. I.
Euphratfyſt.; Statiſtik des Paſchaliks Bayazed. 353
Arademie des Sciences in Paris, die Bibliotheken des Drients
zu untesfuchen, auch das Klofter Ctſhmiadzin hatte befuchen. wollen,
und auf der zuffiichen Grenze als katholiſch⸗ armeniſcher Miifionär
zurückgewieſen war, . machte dem durchreiſenden Engländer Brant
ber einen Beſuch. Bors erhielt ald Gelehrter zwar von Tiflis
we Erlaubniß, Etſhmiadzin zu befuchen, aber Scaffi, fein Begleiter,
durfte nicht in Georgien eintreten; er war deshalb gendthigt, von
Gimri über Kars zurüdzugehen, von wo er über Ant und Kag⸗
Duman hieher gekommen war, in der Abficht in Bajazed ven
frarzoͤſtſchen Reiſenden, ven fein Weg nach Perfien führte, abzu⸗
warten. So weit J. Brants Bericht.
Den dritten Theil ver Bevölkerung des Paſchalik Bayazen®)
machen die Stämme der Kurden aus, die durch die aflatifchen
| Proeinzen bed fich ‚gegenfeitig begrenzenden perflichen und türkiichen
Reichs ſich immer mehr und mehr, nach allen Richtungen bin, ver-
breitet haben. Hier ift ihre Zahl verhältnigmäßig jedoch gering, da
die Ruffen nur 230 bier lebende Kurdenfamilien zählıen, deren
Zahl im weſtlichen Paſchalik Mufh dagegen bis zu 4000: aufs
feigt, wo daher erſt umſtändlicher von ihrer Verbreitung gegen Weſt
bie vr fein Tann.
Wir fließen dieſe Angaben über das Bafchalit Bapazeb wit
den ————— ſtatiſtiſchen Notizen des ruſſiſchen Berichtes über die
biſher wenig beachteten Maße, Gewichte, Münzen und
Strafßenzäge deſſelben. ®)
Die Münzen und Gewichte find denen des perfifchen und
tizlifchen Aſiens glei; zu den ruſſiſchen flehen fie in folgendem
Berhälmnig. Türkische Münzen, ruſſiſche Bankaffignate und perfifche
GBeldforten Haben hier ihren feſten Cours. Ginige türfiiche Münzen
werben in Bayazed felbft geprägt. Ueblichſte Goldmünzen:
1 Etambul = 1 Rubel, 60 Kopeken Silber; 1 Taruch Talfa =
2 Ruh. 40 Kop.; 1 Rupi = $ Taruch Talfa = 57 Kop. Silb.;
1 Anylla u 34 Kop. Silber. Silbermänzen. 1 TIſcha rychly
= 40 Sy. Silb.; 1 Kuruſch oder Tech Kurufch = 10 Kopelen
Eliser; 1 Para = 4 Kop. Silber; 1 Juiſch⸗kuruſch⸗beſch⸗paralych
= 31, Kop. Sir. Die fifhihuppenähnlihen Paras
Inh. yon uisherm Schalt.
Lingenmaße find vie türkifche und die perfliche Ele; auch
die Umfpsugmaße wie Samara, Batman, Stu, find verfiſche Be⸗
— —
ea) v. Wahr a. a. D. I. ©. 90. **) Ebend. ©. 18.
Ritter Srofunde X. 3
354: WeftHfien, III. Abtheilung. I. Abfehnitt. 5.33.
nennungen. 3 Bayazed Samaraͤ I = 10 Batman = 9 Bub
zuff. = 360 Pfunn; 1 Samara, auf dem Lande im Gebrauch, IR
m.5 Batman, oder 44 Tab ruf; 1 Batman = 24 Nula =
36 Pfund. |
Drtsentfernungen werden nach der Zeit beſtimmt, in der
man fie zurlcklegt. Die- Einheit iſt eine Stunde, im Pferde
fehritt zurückgelegt, wie in Perfin = 7 Werft. Die weit kleinern
Pferde Der Türken koͤnnen aber nur 6 Werft zurücklegen; dies iſt
die türkiſche Agatſch (Szagath oder Benged im ganzen Kau⸗
kaſus). Auf dem Gebirgsweg von Tiflis zum Ararat rechnete Bar-
rot 44 MWerft auf eine foldhe Stunde Wegs.
Ein Fußgänger gebt täglich 30 His 40 Werft. Dies iſt ein
Karawanen-Tag. Auch nad der Hörbarkeit eines Schuffes de
Mmmt man Hier die Diflanzen. Bin Piſtolenſchuß weit Manifit,
ein Flintenſchuß weit Kuraſchun · mankfit; ein Kanonenſchuß weit
Kop- Mantfit.
Die Straßenzäge. Die elgenthümliche Weitftellung zwiſchen
Arzernm und Kars, wie zwiſchen den armeniſchen, georgiſchen umd
perſiſchen Landſchaften, und zu der Lanpesconfiguration zwiſchens
Araxes und Cuphratſyſtem, gibt dieſem Paſchallt von Bayazeı
feine Bedentung in militatrifcher wie commercteller Himficht.
Denn es Tlegt zwiſchen Ararat und Van⸗See, in. ver Mitte nes
ebenen Hochlandes; zwiſchen Aderbidjan im OR und Armenien
im Weſt; zwifchen der Gebirgsmelt Kurdiſtans im Eüb und
Beorgiftand im Nord. Die Große Hauptfirafe aus Mittel⸗
nuch Vorderaflen führt worhiwendig hindurch. Die Straße von
Xeheran nad Bonftantinoprl bat keine andere directere prae⸗
tirable Richtung, al® Aber Tauris, Khoi, Bayazen, Diyapin,
Arzerum, Sivas, Tokat. Und viefe, melde das Paſchallk im
ſelner ganzen Bänge von ED. gegen N. W. durchzieht, IM Immer
aangbar, die Periode der Flußanſchwellungen abgerediner; die an⸗
bern zwifchenliegenden Verbindungswege find im Sommer wegen
Moräften in der Tiefe, im Winter wegen zu großer Anhäfung der
Göhnermaflen auf den Höhen umprarticabel.
- Die gegen Nord und Süd von Bayazed abweichenden unter⸗
georbneten gangbaren Gommuntcationslinien, welcht ftichechin
theilweiſe ziemlich unbekannt geblieben waren , And durch rufitiche
Iruppenmärfche newerfich auf folgende Weiſe ermittelt wurden:
1) Begen RD. Von Bayazen über ven Chats⸗geduk nach Gar»
barabad uns Erivan 65 We; ein Weg, den General
Euphratſyſt.; Statiftit des Pafchalits Bayazed. 2355
Fürſt Tſchetſche wanfe im Jahr 1829 nahm, der aud
das Vervienft hat, ihn ale Miltateftrape gangbar gemacht zu
haben. ©5)
2) Gegen N.O. Bon Bayazeb über den Sar Geduk ebenfalls
nah Erivan 93 Werft; beide Wege find brauchbar, aber
auf beiden großer Mangel an Brennholz und Viehfutter, im
Winter oft gefahrvolle Schneegeſtoͤber. Der Durchgang durch
den Araxes, 12 Werft von Sardarabad, ift im Frühjahr
‚durch Die Flußanſchwellung nicht möglich.
3) Gegen Oſt. Von Bayazed, zwifchen Ararat im Norb und
Allah Dagh im Süd, nah Maku 60 Werft; ein ziemlich
brauchbarer Weg für Laftihiere.
4) Segen 8.60. Don Bayazed Über Kara Inch (K. Aineh)
nah Khoi; ihn nahm im Jahr 1828 das Armeecorps des
General Pankratief nach Perfien.
5) Gegen W. Bon Bayazev am oben Murad durch Uiſch
Kiliffa, Kara Kiliſſa, Topra Ealeh über den Koſſa Dagbe
Paß und daB große Dorf Dely Baba nach Arzerum; die
große ſüdliche Raramwanenftraße, eine ſtets brauchbare
Milttairfiraße, auf welcher auch ſtets Holz und Heu in
Ueberfluß | |
6) Gegen ®. und SW. Don Bayazed Über Kara Kiliſſa
nach W., dann aber ſüdweſtwärts Uber Tſchalkani (Tſchelkan)
und Mulah Schaladin (Chaladin) zum Muraplaufe zuräd,
nach Melesgird und Mufb; ein Weg, von General Reutt
tms October 1812 zurüdlegte. Don Tſchalkani bis Melesgird
ſind 75, von da bis Muſh 131 Werft, in Summa 206
T) Gegen ©. und S. W. Ehen dahin auf melt beſchwerlichern
Wegen über Baturp im Van⸗Paſchalik.
8) Gegen Süd. Bon Bayazen über Kifil, Diefe und Taporis
nah Ban 110 Werft; ziemlich bequem, überall Brennholz
und Dichfutter.
9 Gegen N.W. Nach Kars befleht von Bayazed nur eine ein⸗
Ase Berbindungoſtraße, nämlich über Toprah kaleh, uns
von da über ven Akbulak nah Khaghizman am Araret
so Werſ. Wie von da weiter, wird nl gefagt; in ber
“8, qjarrot Reife. 1. ©. 112.
32
356 Weft:Aien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 34.
That iſt dieſer Querweg une bis jet gaͤnzlich unbekannt ge⸗
blieben.
10) Nach den Salzgruben Kulpi führt eine fahrbare Route über
die und unbekannten Orte Muffon und Kodſchah Bullach, 90
Werft; auch ein zweiter Über den Haſſanlu Geduk (Haj-
fanlu= Rüden) 101 Werft, der nicht fahrbar iſt. Auch führt
ein Rückweg diret von Bayazed nordwärts zwifchen dem
Ararat und Agriv Dagh hindurch; der zwifchen dem Großen
und Kleinen Ararat ift aber nur von räuberifchen Kurden
beritien.
S34.
2. Erläuterung.
Der Ararat, Aghri dagh (Arghi dagh), mit ſeinen
| | Umgebungen. |
4) Das Apobatärium am Ararat, nach den älteſten
Traditionen.
Erft feit Kurzem haben wir vie Rage und die Natur des Ara
rat. näher Eermen Iernen, obwol fein Rame fich ſchon an die dun⸗
telften und aͤlteſten Anfänge der vorgefchichtlichen Zeit des Men-
fhengeichlechte, an die heilige Landung der Geretteten aus der Sünd⸗
flut, anfchließt, an die Reihe der hochgefeierten Apobatärien ©)
der alten Waſſerbedeckung, vie einen fo tief nachhaltenden,
ernten Cindruck auf das Gemüth der fich bewußtwerdenden Voͤlker⸗
entwicklung ausübten, daß die Erinnerung einer jo großen Thatſache
auch nach einer Völkerſcheidung zu Babel, und nach Jahrtaufenden ber
mannigfachften Völkerzerſtreuung, nicht ganz aus dem Bewußtſein
der Völker in DVergeffenheit hat zurüdgebrängt werden können. In
ber ‚erhabenen Epifovde des Maha Bharata, deren quellengemäße
Mittheilung wir zuerft dem großen Sanferitforfcher F. Bopp ver
banken, 67) nachdem W. Jones früher nur die ſchon geträbte
Duelle in Bhagawata Purana nachgewieſen, wie in ben Berichten
der Babylonier, vie und in Gragmenten des Berofue des
te Borballe —2 mhegehen —8 Ritter. Berlin
Bopp, undflut a dem
Maha Bparats, Roy. 1827. > " " ‘
Euphratſ.; der Atarat und ſeine Umgebungen. 357
Balprieſters und ſeines Schülers Abydenus 668) durch Flav.
Jofephus ©) und Andere erhalten worden, fo wie vorzüglich in
ven Mofaifchen und andern Schriften des alten Teflament3, find
de übereinftimmenden Thatfachen jener großen Begebenheit für
ewige Zeiten auf die einfachfte Weife zum Gedächtniß ver Dölker
niedergelegt, während in vielen andern cid= wie trans-= atlantifshen
getrübteren Traditionen biefe nur noch fo eben durchſchimmert.
Zwar auch in jenen dem Weſentlichen nach, obwel aus brei
ganz verſchiednen Quellen und Zeiten ſtammenden, iventifchen Ueber⸗
lferungen weichen fchon die Namen wie vie Localitäten in Ihren
Angaben von einander ab, bie natürlich immer den Heimath-
' figen der Grzählenden näher gerüdt find: aber in der Dar-
ı Relung von der Sündhaftigkeit des Gefchlechts, von deſſen Vertil-
gung durch Waſſerflut, von ver Rettung einer auserwälſteen kleinen
Shaar von Frommen durch den einigen höchſten Gott, von ber
Sciffahrt in der Arche, von ihrem Feflfigen auf der Bergeshöhe,
von dem Landen und Hervortreten der Geretteten mit allen Samen.
der Dinge, von dem neuen Bunde Botted mit dem Dienchengefchlecht,
drin find fie übereinſtimmend. Die invifche Ueberlieferung läßt bie
Are mit Manu (daher Manufcha, Menfchen, vie von Manu
Abſtammenden) und ven 7 Weifen (ven Riſchis) auf einem Gi⸗
pfel des Himawat, d. i. des Himalaya, feflfigen, der deshalb noch
(. i. zur Zeit des Erzaͤhlers, nämlich etwa ein halbes Jahrtauſend
vor Ehr. Geh.) Nau⸗bandhana, d. i. Schiffsbindung, Heißt,
m Brahma nad) jener genannten Reinigungszeit ver Geſchöpfe
fi zeigt, mit den Worten: „Ich bin der Herr der Gejchöpfe,
„Brahma ; höheres als ic) gibt es Nichts.” Die babyloniſche Ueber⸗
Beferung nennt, nah Beroſus und Abydenus, eben fo ben
Zifuthrus, der in der Ürche ver Flut entfloh und gerettet ward
auf den Gebirgen Gordy (Karpu, d. i. die Karduchiſchen), die noch
bente die Kurviftanischen Berge heißen, über Mefopotamien hängen,
anf denen die Stelle des Apobatäriums in den Ichel Judi And ſchon
befannt iſt (j. Exrpf. IX. ©. 721—723). Die Moſaiſche Ucher-
lieferung endlich führt, in noch größere Nähe auf dad Hochland
Armeniend, wo.die Arche. mit Noah und feinem Weibe, feinen
drei Söhnen und besen Weibern, und Paaren von allen Thieren
8) Sam. Bocharti Phaleg. |. Geograpbia sacra. ed. Lugd. :Bat.
: 1692. fol. -Lib. 1. .c. 3. fol, 13— 21. *®).Flay.. Joseph.
Antig. Ind. 1.4. $. 6 und 7. ed. Haverc. T. l. p. 16.
358 WeftsMfien. III. Abtheilung. I Abſchnitt. $. 34.
und Gefäme, nah 7 Monaten und 17 Tagen ſich nieverlich auf
den Gebirge Ararat (1. B. Mof. 8, 4); von welcher Zeit an
fih das Waſſer verktef, worauf der Opferaltar erbaut und der neue
eroige Bund gefchloffen warb zwiſchen Bott und dem Menſchenge⸗
fhlechte, zu deſſen Gedenkzeichen der Bogen in ven Wolken aufge
richtet. Diefe uralte Benennung Ararat bezeichnet bei Moſe
ein Gebirge, kann aber au ein Land bed Namens mit einem
Gebirge bezeichnen, wie im Jeſaias 37, 38 „das Lund Ararat“
genannt wird, und im Jerem. 51, 27 „nie Königreiche Ararat
und Minni,” Namen, die in allen Ueberlieferungen mit dem drit⸗
ten der Landesnamen, Thogarmah, vorkommend, immer auf ven
Norden, auf die armenifche Landſchaft hinweiſen. Denn Ia-
phets —5 find Gomer, und deſſen Kinder die Asklenas, Riphat
Thogarma (1 B. Moſ. 10, 3). In Verbindung mit Gomer,
in Ezechiels Uufruf, Kap. 38, 6, heißt. ed: dazu Gomer und
all fein Hesr fammt dem Haufe Thogarmah, fo gen Mitter
nacht liegt, ein großes Volk; und in Ezedhiel 27, 14 werben
fie mit ven benachbarten Meſchech und Thubal (Mofher und
Tibarener) 7) in Verbindung gefegt, und ihre Gewerbe näher be
zeichnet: „Thubal und Mefcheh Haben mit Dix (mit Tyrus) gehan-
„delt, und haben die Ieibeignen Leute und Erz auf beine Märkte ge⸗
. „bracht, die von Thogarma Haben die Pferde und Wagen um
„Mauleſel auf deine Märkte gebracht.” Die bei ven Armentern von
den Hebräern allerbings fehr fpät erft aufgenommene Ueberlieferung
vom Haufe Thogarma (monacdh fie fich ſelbſt Thorkomatfl nen»
nen) haben fie wenigftens mit ihrer einbeimifchen Tradition von
ihrem erften Patriarchen Haik in Verbindung gebracht, ven fie.
einen Sohn Thorgomas 71) (nicht Thogarmas) nennen, und von
dem auch alle nörblichern Georgier und Kaufafler fi als Thor⸗
gamoſianen herleiten.
Diejer Ararat ver Geneſis ſcheint alſo hochſt wahrſcheknlich
identiſch zu feln mit dem armeniſchen, mag nun dies ver um
fprünglihe Name des Berges over auch ver Hauptlandſchaft felbſt
geweien fein, die nach Mof. Khoren. Araratia 72) hieß, oder Alra⸗
rad, und unter den 15 von Ihm aufgeführten Provinzen Arme
niend zur Arſaciden Zeit die centrale Stelung von allen ein⸗
70) Rofenmüller bibl. Alterthumsk. B. 1. Th. 1. ©. 248,
71) J. St. Martin M&m. sur l’Arm. I. —— Chore-
nensis Geogr. im hist. Arm. ed. Whiston, Lond. 4 p. Hl.
Euphratfyſtem; Ararat, Wafis, Bari. 359
nahm, und ſelbſt wieder in 20 Bane zerfiel, nach weicher dann ber
Sauptberg in derſelben ſchon fehr frühzeitig feine Localbenennung
halten haben mag. Mag nun vie Eiymologie den Namen Ar |
wentend felbft von dem Ararat Minnt im Ehalsäifchen bei Je⸗
vom. 51, 27 herleiten, und dies als Harmini (i. e. Mons Minni)
wiedergeben, woraus Armen, Armon, Armenien bei Ara⸗
bern und Oecridentalen geworben; oder nach der Irabition bei Mof.
Kor. von Arai, ver Schöne, dem achten armenifchen Patriarchen, -
ver in der Ebene im Kampfe gegen Schomiram (Gemiramis) er⸗
Mlagen award, die nach ihm Araj-jarat, d.i. Niederlage des
Irai, genannt ward, wonach Hieronymus die Araresebene mit
km Ramen Ararat belegt (Hieron. im Comment. zu Jeſ. 37, 38:
Ararat autem regio in Armenia campestris est, quam
Arazes ‚flnit, incredibilis ubertatis etc.): immer bleibf®bie Locali⸗
tit dieſes Ararat in der Mitte Armeniend zu fuchen, fei es Ebene,
wer Provinz, oder Gebirgshoͤhe. Der armenifche Geograph
uud Hiſtoriker 75) iſt durchaus der Anficht des Hieronimus, der
m airarapdifchen Berg (Airaratjan Ijarn) von dem Lande
"er Gebiete Ararat (Araji arat) Herleitet, ven Namen Agridagi
aber (vulgair⸗ ameniſch Aherdage) eher no von dem Dorfe Agori,
ed an feinem Fußſte Itegt. Sowol er wie Moſes Khoren. fehen dies
fa Ararat- Dikrict als die Weltmitte (Minfchoz arſchcharhi)
wie Die Mitte Ihres Landes an, und Mofes Khor. (II. 9. fol.
239) gebraudgt dieſen Ausdruck wie einen hiſtoriſch anerkannten,
ver nicht den Berg, ſondern das Land chararterifirt, aber, wie Herr⸗
wenn bemerkt, offenbar nur der Ausdruck der alten Naturan-
fit ver Selmath IR, wie er bei ven verfchlebenften Völkern ch
gleichartig erzeugt hat, und eben darum vielleicht auch ſchon in bes
‚ wfalfehen Urkunde mit der Sage von der Arche zufammenfält.
Daß dieſe Bebirgägruppe diefelbe ift, welche, noch heute bei den
Amwohnern Mafis over Agher dagh gemannt, ſchon von Strabo
wit dem Namen Abos (f. 0. ©. 77) bezeichnet ward, Darauf führt
ein merkwürdiges Fragment des Nicolaus von Damascus, bed
em von Kaiſer Auguſtus, das bei Joſephus (Antig. Ind.
kb. Le. 3. $. 6) fi erhalten hat, wo eb Heißt: „es Liege über
‚Dinyas (das Land jener Minni) in Urmenten ein ſehr großer
„Berg, ver Baris (Bapız Aeyörevov) heiße, von dem man er⸗
_
ur Iusfhihiähenn nad) 8 „a Herrmann, dat ruſſtſche Armenien.
1835. 6. ©. 18.
360 Wefſt⸗Aſien. III. Abtheilung. 1. Abfchnitt. $. 34.
„zähle, daß ſehr Diele daſelbſt fich zur Zeit ver großen Blut ge
„tettet und daß auch eine Barfe dort hängen geblieben, von ber noch
„Golzreſte übrig, vie wol verfelben Begebenheit angehöre, von wel⸗
„cher Moſes, ver jüdiſche Geſetzgeber, Bericht gebe.”
| Zu der Benennung des Maſis, im Armenifchen richtiger Maſ⸗
ſis (Maſſis Yarn, d. i. Maffisherg), und Abos für Ararat,
von benen wir ſchon oben vie hinreichende Iocale Erklärung gege-
ben (f. oben S. 77— 80), fommt nun hier noch ein neuer Name,
Baris, hinzu, ven jenoch auch Strabo, welchem der Name Ararat
unbefannt geblieben, an ber zweiten Stelle, wo er vom. Abos
fpricht (Die erſte XL 627, vie zweite XI. 531), mit biefem, obwol
auf eine die Erklärung mit neuen Schwierigkeiten vermehrende
Welle, In Verbindung fegt. „Ein Haufen der Ainianen fol
„theild in Yıtia (beides noch dunkle Benennungen, doch letzteres wol
„bie armenifche Provinz Utia bei Mof. Ehor., Dubie bei St. Mar-
„tin), 7%) theild jemfeit ver Armenier über ven Abos und Nibaros
‚(Imbaros) Hinaus gewohnt haben. Diefe Berge find Theile des
„Tauros, und der Abos, fagt Strabo, Itegt ganz nahe dem Wege,
‚welcher neben ver Baris Heiligthum (Tjc Bagıdog veuw, nach
„Conjecturen ABapıdog) vorbeiführt nach Ekbatana.“ Da nun
Niemand eine Göttin Baris bekannt ift, 75) fo bat man ven Na⸗
men in Abarid umgewandelt, wodurch eben fo wenig für Die Er⸗
klaͤrung gewonnen iſt, oder auch in Azaris, wie Großkurd gethan,
um den Namen einer Bdttin von Azara ober Zaraetis 76) (conſe⸗
quenter wäre Zugıdog vewv), welche der perflichen Artemis ent»
ſpricht, zu erhalten; und wirklich Hat Die älteſte Stadt Armeniens
an derjelben 77) Stelle, wo fpäter das berühmte Klofter Etſhmiadzin
errichtet wurde, ven Namen Ardimet Khaghath, d. i. Stadt der
Artemis, gehabt. Diefer Veränderung ver Schreibart wiberfpricht
aber des Nicol. Damasc. Angabe; deshalb hat ſchon Bochart bie
Form Baris als die richtigere, welche auch von Seiten der Stra⸗
boniſchen Handſchriften allein Autorität hat (nach G. Kramer's Ber
gleichungen) beibehalten und fragt, 3) ob nicht damit das griechifche
Wort gemeint fel, das ein Schiff bezeichne. Die jeltne, ja einzige
Anwendung dieſes Auspruds, den nur Herodot (IL 96, Bags,
072) Mos. , .D : St. i . I. p. 66
en. 226. ho Sa oa. france. Tom, ———— Pi ie
260) Strabo b. Großkurd Th. II. S.431, Note4, 5.439, Note 2.
2) St. Martin M&m. s. l’Arm. I. pag.115. 20) 8. Bochart
Phaleg. 1. c. I. fol. 20. | |
Euphratfoftem; Ararat, Aghri⸗, Arghi⸗Dagh. 361
dog) für eine agenthümliche Art ven Kähnen bei den Aegyptlern,
sigentlich blos Fünftliche Flooße, die einer Arche wegen ver Ein⸗
falt ihre Baues am nächken ſtehen mochte, ſcheint darauf hinzu⸗
deuten, daß biefer Name keineswegs ein blos griechifcher, fondern
überhaupt orientallicher fel, der demnach hier ein in feiner Bedeu⸗
tung mehr unverflänblicher blieb. Diefe Bezeichnung, in Verbin-
vung mit der Angabe einer jenoch ſehr zweifelhaften alten Münze,
varauf eine Legende Nıv oder Noe ald eine Spur ver Ueberliefe⸗
mg von der Sünhflut enthalten fein fol, nimmt v. Sammer
a und findet barin vie Erklärung des Baoıdos veuv als eines
Schiffstempels, wonach denn die herkoͤmmliche allgemein bekannte
moderne türkifche Benennung Agher dag oder Aghri dagh
(sur unter viefem Namen war er vem legten Paſcha von Bajazed
beſannt) 79) mit dem türfifchen Geographen nach dem Dſchihan⸗
uuma in Arghi dagh, den Berg der Arche bezeichnend, zu.
berichtigen wäre, va Argha die Inpifche Benennung des Schiffes
fü.) Aber Arche ift Feine Sanferitbenennung für jenes Schiff,
und der deutiche Gebrauch dieſes Wortes, obwol auch bie arfhifche
”Aeyo ver Argonauten ein uns unbefanntes Herkommen bat, das
mit demfelben Laute allervings feltfam zufammenfällt, ift wol dem
arca ver Septuaginta entnommen. Bochart fucht noch ans
dere etymologiſche Erklärungen auf und meint, auch vom hebräl«
fen Worte „berith” (i. e. foedus contraxit) könne die Benen⸗
aung dieſes Heiligthums kommen, da diefed Hier fo gewichtige Wort
Jehovas in der Erzählung der Genefis Imal wiederholt werde (1.
Buch Mofe 9, Ders 9, 11, 12, 13, 15, 16 und 17); oder von eis
nem armeniſchen Worte „baris” oder „bariz” (i. e. exitus, der
Audgang. aus der Arche), was eben fo viel als vie Landungsſtelle
bezeichne, daher es bei Joſephus durch Apobatärium wiederge⸗
geben ſei.
Es iſt wahrſcheinlich, daß auch der Name Baris iventiich iſt
mit der einheimifchen Benennung des Berges Baraz, den Fauſtus
von Byzanz V. c. 43 in Gentralarmenien und in der Provinz Pa»
trevanten) im Süden bed Araxes (dad Bagrandavene hei Ptolem. :
V. 13. fol. 135) nennt, fo wie das Land Minni des alten Te⸗
ſaments identiſch iſt mit dem Sande ber Man avazean ber Ar⸗
darrot R. I. S. 1 so) v. Hammer Geogr. Perſiens in
Jahrb. 1819. 3. VII. ©. 228 u. 235 und deſſen afiatiſche
Zärfei. Nec. 1821. Br. XIV. ©. 38, Note 5. *ı) J.St.Martin -
Mem. p. 49, vergl. p. 265.
%
362 BWeftiien. IM. Abtheilung. I. Abſhuin. 63
menler, daß jenem Berge Varaz (Baris) ganz nahe im Süd1J
auf dem Wege zum Van⸗Sec. Dem Vorgange des Hieronymus
in feinem Gommentar zu Jeſaias 37,38, dad Land Ararat an ı
Arares uns die Landung Noe am die Berge, welche deſſen Ch
überragen, zu verlegen, find die Kirchenväter Euftath. v. Antiochi
Ghryfoftomus in Orat., Aratus (Armenise celsis instabat me
tibus arca), Iflvorus Orig. XIV. 8 und andere gefolgt. Die |
berfeßer der Bibel in die armenifche Sprache haben vie genan
Anficht, welche auch die ver Bearbeiter ver Septuaginta war, |
behalten, welche, wie ihre GSrklärer und SL Joſephus, Armen
zur Helmath des wieder verjüngten Menſchengeſchlecht
maden und ben Mafis mit dem Ararat Noahs inentifichen, wı
send bie ſyriſche Kicche mehr des Babyloniers Beroſus Anfik ı
den gorpgenifchen Bergen gefolgt if. Daher auch ver armendi
Türk und Moͤnch Haithon in feiner Hiſtorie den Berg feiner €
math nennt, welcher gemöhnlih „Arath" Heiße, ©) Höher al «
andern Berge, auf deſſen Gipfel die Arche Noch feflgeranmt
Der Benetianer Marco Polo verfichert, wie nun alle feine 3
genoffen und Nachfolger, daſſelbe und fagt, weil eben daſelbſt
Arche Noe feftgefeflen, werde auch ver Berg veshalb, „nad I
Arche Noe’s genannt (e per questa causa si chiama il mon
della archä di No&, bei Ramuflo), &) wodurch aljo die I
pothetifch berichtigte Benennung Arghi tag gerechtfertigt zu |
ſchiene; doch geben Andere wieder andere Ausſagen, und Tav
nier, der im Jahr 1655 den Fuß des Ararat beſuchte und bafıı
verfichert, gibt einen bis bahin noch) ungelannten, dort einheimiid
Namen an, nämlich Mefefoufar, und fagt, das heiße „ner Bi
der Arche.” 85) Aber dies iſt nur doppelter Irrthum, denn
richtige Schreibart If im Armeniſchen Maffiifu S'ar, und |
heißt nichts anderes ald Berg des Mafiis ©) (nach Indſe
ſchean). Kuhi Nup, dv. i. der Berg Noahs, iſt die gewöhnl
Benennung der Perſer.
Guillaume de Rubruk ober Rupsbsud, ber Minori
mönch, welcher im Jahr 1253 feine Reiſe nach Karalorum un
u aäieronyn, Sct. Opp. T. IV. p. 18, f. b. St. Martin Mm
22) Haithoni Armeni Historia orientalis, ed. 4. 16
cap. * p. V. °*) Ramusio Racc. delle narigationi *.
netia. fok 1583. Sec. vol.; Marc. Polo Lib. L co. 2. fel.
.s)7, Bapt. Tavernier, les six voy. etc. ed. à ia Haye. 17 8
Tom. I. p. 42. sg a. Herrmann, dae ruſſifche Armer
Berl. 1835. 8. S. 17.
+ Eupbrariyften; Ararat, Maſſis. 363
nahm, befuchte auf dem Kückwege au Armenien und hörte zu
Naxuam (dv. i. Rachidſchevan) Im Lande Ararat watärlich
auch, daß auf einem ver zwei Berge, an deren Fuße der Arareb
vorüberfließe und welcher Maffis 87) Heiße, vie Arche zur Ruhe
gekommen, von der, weil jeder Verſuch, den Gipfel zu em, um
möglidh war, auf daß Inhrünftige leben eines ver Mönche ein
Stud ihres Holzes als Mirakel durch einen Engel herabgebracht,
in einer dortigen Kicche als Heiligthum aufbewahrt wurde. Der
etymologiſtrende Mönchswig bemerkte damals, Maffts fe ein Ye
mininum, und die Urjache, warum der Gipfel nie erfliegen werben
fönne, (super Massis, inquit, nullus debet ascendere) „‚quia est
mater mundi,” was fich tm Vollswahn fo feftgefegt hat, daß bie
neuerlich wirklich gelungene Erfleigung des Gipfels vurch Partoı
und einen andern ruſſiſchen Reiſenden bis heute nur als verädht-
Tiche Ihorheit und Lüge bei den Eingebomen von Akhori gilt. @)
Spätere-&rgenven und Etymologien, welche fi auf die Locali—
täten des Ararat und feine Umgebungen beziehen, haben fich auf
folchem dazu für ven Volksglauben fo fruchtbaren Boden durch das
Kirchen⸗, Klofter- und Klausner-Wefen hier um fo mehr angehäuft
und feflgemurzeit, da zugleich auch ver Fuß deſſelben Ararat ber
Schauplatz der wirklichen Belehrung ver früher heinnifchen Ar-
menier und ihrer erften chriftlichen Kirchenanlagen, ihrer Martyrien
und Stiftungen wurde, unter König Tirivat und Gt. Grego-
rins Illuminator, dem Apoflel Armeniens.
So nennen die Armenier vie Heine Provinz Arhnoĩodn 8)
am Ofifuße des Maffis und leiten ihren Namen ab von armenifchen
Worten, weile „an Noehs Fuße“ benenten, weil er bier aus⸗
ſtieg; das Dorf Agorhi, Akhori oder Arghuri, ebendaſelbſt
am Nordfuße des Ararat, von arg, ». i, „er hat gepflanzt,"
und urri, „bie Rebe,“ weil er bier den Weinſtock pflanzte, von
vom einige Stöde W) auch vorgezeigt werben, vie auch gute Trau⸗
ben bringen. - So nennen fit Marand (f. Erf. IX. ©. 9086)
wach der Legende vom Weibe Noehs, die bier geftorben fei (Ma-
*7) Voyage en Orient da frere Guill. de Rubruk etc., Ed. par
"Avezac in Recnmeil de voyages et de m&moires publ. par la
de Geogr. Paris 1889. 4. T. IV. p- 883-387. ' s ) Fr.
Dubois de Montpereux Voy. autour du Caucase. Paris 1839.
8. T.II. p. 477. se) J. St. Martin M&m. I. p. 286.
0) %. Parrot, Reife zum Ararat 1829. Berlin 1834. Th. 1. ©.
110; Fr. Dubois de, Montpereux Voy. T. Ill. p. 469
364 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 34.
rand nach ber Etymologie „mater ibi,” aber wmenigftend ſchon
lange vor dee chriftlicden Zeit Hieß ver Ort Marunda, bei Ptol.
VL 2. fol. 148); und die Stadt Nachidſchevan, an der Oſtſeite
des Ararat, am Nordufer des Araxes in der Ebene gelegen, bezeich-
net der Etymologie nach: „primum descensionis locum,” 22)
ganz übereinflimmend mit der Localltät, welche Fl. Joſephus
fon einige Jahrhunderte vor ver Chriftenbefehrung der Armenier
„ben Ort des Apobatäriums“ (Anoßurngıov uersoı Tör
z0nov soüroy ’Apuivios xarovcıv, Fl. Jos. Antig. I. 35) ges
nannt hatte, eine Angabe, die um fo mehr dadurch unterftügt
wird, daß auch ſchon vem Ptolemäus (V.13. f.135 Nakovava)
dieſes Naruana, d. i. Nachidſchevan, ald eine Stabt Großarme⸗
niens ſehr wohl, alſo ſchon lange Zeit, ſo wie dem Joſephus bekannt
iſt, ehe noch eine durch die chriſtliche Kirche bedingte Legende dort
entſtehen konnte. St. Martin vermuthet daher, daß durch ſehr
frühzeitige jüdiſche Colonien, die in Armenien auch am Arares ſich
nieberlaffen konnten (f. ob. S. 249), und welche Anfang des 4ten
Jahrh. wenigftend, zumal am Araxes zu Nachivfchevan, wirklich
febr zahlreich 7) waren, dieſe Bebeutung jener Ortſchaft ent⸗
flanden fein mag. Die vielen andern dhriftlichen Legenden, welche
nur zufällig der fo Flofterreichen Umgebung des Urarat angehören
und keineswegs von ihm felbit ausgeben, laſſen wir auf fich beru⸗
ben, um nun zu ven eigenthümlichen DVerhältniffen feiner Umge⸗
dungen und feiner hoͤchſt merkwürdigen Oertlichkeit felbft überzuge⸗
hen. Doch erinnern wir zuvor zu dem, was oben von der centra⸗
len Stellung des Araratd nach der beſchränkteren Vorftellung
ber Armenier gefagt if, daß wirklich eine ſolche centrale
Stellung in Beziehung auf die gefammte alte Welt
ſtatifindet, wie dies zuerfi von K. v. Raumer 2) vortrefflich mit
prägnanter Kürze und Beflimmtheit gezeigt iſt, eine Unficht, die auch
als eine wirkliche Tharfache ihre Anerkennung gefunden hat. 9)
Nämlich darin, daß er 1) fat im Mittelpuncte der größten
Zanvlinie der alten Welt, zwifchen dem Kap ver guten Hoffnung
und der Behringöäftraße liegt; 2) daß er faft in der Mitte des gro⸗
ei) Wliston Not. in Mos. Chor. Hist. Arm. Lib. I. cap. 20. fol.
71. 3. »2) St. Martin Mem. s. l’Arm. I. p. 88. "8.
v. Raumer, der Ararat ꝛc., ein Beitrag zur biblifchen Erdkunde, im
Hertha Bo. XI. 1828. ©. 333-840. +) v. Hoff, Geſchichte
der natürlichen Veränderungen der Grooberflähe. Gotha 1834. 8.
Th. Il. ©. 368. .n
/
Eupbratfoftem; Armeniſche geographifche Quellen. 365
fen afrikaniſch⸗afiatiſchen Wüſtenzuges (wahrſcheinlich eines alten
Reerbopens),, und eben fo 3) des jenem gleichlaufennen Zuges ber
Binnenwaffer, von Gibraltar bis zum Baikal⸗See, liegt. Endlich
4) daß derfelbe in der Mitte von rings venfelben Punct umgeben-
ven Gewäffern liegt, wie kein anderer Bunct des alten Gontinents
eine ähnliche Erſcheinung darbieten möchte. v. Maumer gründet
hierauf die keinedwegs zufällige Lage dieſes Rettungsberges auf
änm weiten Erdkreiſe ver alten Welt. Dieſes Verhältniß voll«
fnmmen anerfennend, da wir auch in ver ganzen Erdplaſtik eben
je wenig, wie in den Organifationen überhaupt, einem bloßen Zus
ſale huldigen Können, fcheint uns daſſelbe Berhältniß doch weniger
wm einen Puncte anzugebören, als im Gegenſatze des centralen
ms der Geſammtnatur Vorderaſiens überhaupt, welche
wie burch „Bad Marimum ver Annäherung der brei Eon
„tinente der alten Welt mit ver Begünſtigung der fünf
„Durchbrüche großer Meeresftragen” zu characterifiren ver
fuht haben (Erdk. Th. II. S. 78), in welche auch jener Punct mit
eingeichloffen iſt, der feine größte Bedeutung erſt durch den ganzen
Gompler zufammengehöriger Berhälmiffe für die allgemeine Men⸗
ſchencwiliſation gewinnen Tann. |
2) Sortfchritt der Quellen und Hüulfömittel zur arme-
nifchen Geographie.
Wir Haben uns fchon von der OÖftfeite ber, vom perflichen
Khei aus, mie Morier und El. Smith gegen R.W. dem Ara⸗
zeäthale zu, gegen das Dflende des Araratfußes genähert, mo die⸗
fr auf ver großen Fläche der Araredebene ſteht, und durch feine
Höhe wie durch feine fchöne Form und die infrlartige Lage den er⸗
habenſten Anblid gewährt (f. Erdk. X. S. 911— 916). Wir ha⸗
ben eben fo, der mehr weſtlichen und directeren Moute von Khoi
über Bayazed gegen Erzerum folgend, vie Reiſenden Monteith,
6. Smith und Fraſer über Zavi und das feltiame Maku bis
Bugazed begleitet ( Erdk. IX. ©. 916924), wodurch und auch von
weſer Seite Ger Die landſchafiliche Natur ver Süpfelte des Ararat
entgegentrat, da wir auch von Bayazen aus den Weſtweg bis Di-
“on durch I. Brant kennen lernten. Es bleibt und aljo, fo
ſparſam auch jene landſchaftlichen Andeutungen fein mögen, voch
vorzüglich vie Durchwandetung der Nord⸗ und Weſtſeite des
Ararat une feiner Umgebung. übrig, ehe wir feine Höhen ſelbſt
in erfirigen verſuchen.
N
366 WefhäAfien. III. Abcheitung. I. Aofheitt. $. 34
Bon dieſer nördlichen Seite her, ber georgiſchen oder
der ruſſiſchen, deren Natur durch den Araxeslauf ihre Phyſiog⸗
nomie gewinnt, haben wir fett J. B. Tavernier's (1655) unt
Pitton de Tournefort's (1760) Zeiten eigentlich allein nu
genauere Beobachtungen, Meffungen und Aufnahmen erhalten, va
bie ſüdliche, Die kurdiſch⸗perſiſche Seite durch alle Jahrhun⸗
derte hinvurch bis heute viel zu unſicher war, um mehr als nur
Ourchflüge zu geſtatten. Dort aber find es zugleich Städte und
armeniſche Kirchen und Klöfler, die als Stationen durch ihr
Safttichkeit ſelbſt wiſſenſchaftliche Reiſende und Umterfischungen
geförbert Haben, welchen daher auch Kein geringerer geographiſchen
Fortſchritt in der Kenntniß dieſer Erpgebiete angehört. Bor allen
aber iſt es die Durch die Beteräburger Alapemie der Wif-
ſenſchaften veranlafte wiſſenſchaftliche Exrpeition Dr. Fr.
Parrot's 9%) (im Jahr 1829) umd. feiner Begleiter, Waſſil
Fedorow, des Aftronomm, M. v. Behaghel, des Beognoften
und zweier Studioſen der Mediein, Jul. Hehn und K. Schlie:
mann, welcher wir die wichtigſten Naturbeobachtungen verdanken
ſo wie dem unermüdeten Wanderer und Forſcher der Antiquitäten
unferm verehrten Freunde Fr. Dubois de Montpereur,) dis
intereffanteften Entdeckungen und Berichte über eine unerwartete und
bis dahin faſt unbenchtet gebliebene File von Dentmälern aller
- Art, welche oft ein wichtiges Licht auf die weniger berüdfichtigte
Geſchichte des armenifchen Landes und Volkes werfen, deſſen Kern
ſich gewiffermaßer um ven Ararat concentrirt. Als einen großen
Bortheil vor unferm erften, wenn fchon ſchwachen, doch mühſamen
Berfuche armeniſch⸗ geographiſcher Unterſuchungen (f. Erdk. ers
Auflage, 1818, TH. II. ©. 704 807) Haben wir es anzufehen, daß
fett jener Zeit, in der man ſich noch faft ganz vergeblich nach ar-
menifchem Quellenſtudium umfab, die linguiſtiſchen Arbeiten umnjers
entfchlafenen Freundes I. St. Martin in feinen bekannten Me
— 97) über Armenien erſchienen find, fo wie bie unſerer auf
dem armeniſchen Sprachgebiete fo wirkſamen jüngern Befreundeten
und Golegen, dee Herren Profefforen G. 9. Reumann °) in
206) Dr. Ir. Parrot, ccf, Reife zu m Ararat. Berl.1834. 8. Th. I. u. H.
°°) Fröderio D de Montperenz, Yorage autonr du Ceu-
. esse eto. en Annönie et ——— veo un atiss etc. Paris
1839. 8. T. III. 858488. er) 1. St. Martin, M&moires
historiques et —— sur FArménie. Paris 1816 et 1810.
2 Voll. 8. »®) C. F. Neumann, Memoire zur ia vie et les
4
Eupbrarfuften ; Zugänge zum Ararat von Rord. 367
München und 3. H. Petermann in Berlin, beren zuvorkommen⸗
von perſonlichen Belchrungen und ſprachlichen Mittheilungen aus
ven armenifchen Quellen wir für unfre. geographiiche Bearbeitung
dieſer Landſchaften, fo wie indbeſondere letzterem mehre hand⸗
ſchriftlichen Mittheilungen verdauken. Nämlich Ueberſetun⸗
sen aud des armeniſchen Geſchichtſchreibers Lucas Judſhidſheau
algemeiner Erdbeſchreibung der vier Theile der Erbe
( inn tschuritz masautz asch charhi), erfler Theil,
Arm, erſte Abtheilung, Neu Armenien, Menebig 1806, 8; des⸗
zlaichen wie aus Luc. Snpfhinfheans Werke über Alt- Armenien,
Venedig 1820. 4. Do. 1., und aus veſſen Archäologie Arme»
niens, Venedig 1835, 4 Bpe., darin das erſte Kapitel des erſten
Theiled die geographiſche Archäologie des Landes Arme
nien enthält Sierzu kommt die verbien Arbeit unſers ver⸗
cheien Freundes E. U. Herrmann, bie im Maͤrz 1835 in
Berlin über „das ruſſiſche Armenien, N) von armeniſchen
SHristftellern gefchildert” (zumal nad Indſhidſhean und
Thamtſhians Geſchichte von Armenien), 54 Selten in 8., vruden
üf, und und gütlgft mitgeteilt has.
I) Zugänge zum Ararat, zumal von der kaukaſiſchen
Rorpfelte, über das auffleigende Stufenlanp, mit ven
Profilverhältniſſen zur Hochebene des Araxes.
Iſt man den Hohen Alpenzug ber kaukafiſchen Kette vom Nor⸗
den ber in die Thalebene des Kur bei Tiflis, das an ver Kur⸗
üde doch noch 1100 9. Par. Über dem Spiegel des Meeres, ’%)
alſo noch keineswegs in einer großen Niederung der Ebene liegt,
hinabgeſtiegen, fo hat man weiter ſüdwärts, gegen ven Ararat Hin,
des Bollwerk dreifach verüberziehenver, unter ſich mehr oder
weniger paralleler Gebirgs züge zu überfteigen, ehe man pie
v90chebene des Arazes, des fürlichen Zuſtromes zum Kur,
wit Erivan um Etſhmiadzin erreicht, in deren fürlicher Nähe -
ouvrages de David Philos.Arın. etc, Paris 1829. 8.; deſſ. Vah-
rams chronicle of the Armenian Kingdom in Cilicia, London
1881. 8.; deſſen Geſchichte der Ueberfe ung der vierzigtanfend Ars
wenker im 3. 1888. Leipzig 2884
*®) Bergl. Coup d’oeil gendrel * les provinces nourellement
comquises par les Russes et appelldes par eux-mömes Terri-
ie TArmönie. Venise 1828. 700) Barrot Meife z. Ararat.
4
N
368 ef Afen, TIL Abteilung. I. Abſchnitt. $. 34.
der Arares ſelbſt am Nordfuße des Ararat, an welchem das
Dorf Arghuri fich fo eben 'anlehnt, in einer langen Stromlinie von
Wer nad Oſt vorüberzieht. Die weite Uraredebene, an ber
Furth zwiſchen Etſhmiadzin und Arghuri, liegt Hier nur 28.
über dem Waſſerſpiegel des Fluſſes, doch noch 2740 F. Par. über
dem Meere, 2) iſt alſo eine Plateauebene, die um 1640 %. höher
geſtellt iſt, als die Kurebene. Wir nennen fie daher vie erfie
nördliche ober obere Borftufe von Armenien gegen. ven kau⸗
kaſiſchen Iſthmus, von welcher jene dreifachen Gebirgsparal⸗
lele zu überſteigen find, vie fih noch zwiſchen den Araxes⸗ und
Kur⸗Thaͤlern erheben, ehe man in die zweite Stufenlandſchaft,
bie des Kurflvomes, oder nad Georgien, binabfleigt, welche mit
jener des Arares die beiden Vermittlungsſtufen zwiſchen dem
Nord⸗Taurusſyſtem und dem Kaukaſus⸗Syſtem bilden,
welches letztere eben’ hier als eine durch dieſe beiden Stufenland⸗
ſchaften vom Jranplateau abgerückte Gebirggumwallung
erſcheint (f. Erdk. Th. I. S. 38). Wirflich bleibt der Kaukaſus
noch Immer Maſſenbegleiter des armeniſchen Hochlandes,
mit derſelben vorherrſchenden Normaldirection veſſen
ndrdlicher Randgebirge gegen N.W., wie des Normalzuges
des ganzen nördlichen Taurusſyſtems, dem darum auch die
Normaldirectionen der dazwiſchen liegenden Stufenlandſchaften mit
ben Stromlaͤufen des Kur und Araxres in ihren obern Stufen-
tbälern vollfonmen parallel ziehen. Nur erſt mo ven Arares
unterhalb Nachidſhevan und Diulfa, bei Urdabad und Migri,
in feinen gewaltigen Wafferflürgen von mebr als 1000 F. Höhe
die gegen Südoft ſtreichende Gebirgskette des Alaghez ?)
mit ihren wilven Felsklippen durchbrochen hat, verändert, er plög-
lich feine Normalrihtung aus SD. gegen NO. und eilt dem Bette
und dem Delta ded Kur an ver faspifchen Niederung. zu. «Gier
tritt er alfo ganz aus den geglienerten Nordabſtufungen nes Iran-
plateaus und ſeiner nördlichen Randgebirge des Taurusſyſtems hin⸗
aus. Wir haben es daher hier nur mit ſeinem obern Stu=
fen ne ver hoben Araxesebene, zu thun, va fein unteres
dem Tiefthale des Taukaftjchen Iſthmus und feiner Gebirge- und
Thallandſchaften angehört.
Halten wir feſt an jenen Sauptverhättniffen, von denen
. 101) Barrot Reife —* Ararat. I. S. 43, . 3) Fr. Dubois vor. au⸗
tour du Caucase. Paris 1840. 8. T. w. p. 43.
m
Euphratſyſtem ; Zugaͤnge zum Ararat, von Nord. 369
alle andern nur als untergeordnete erſcheinen, fo zeigen ſich dieſe In
dem Normalzuge ver beiden großen parallelen Gebirgsſy—
feme: des nördlichen, vielfach gegliederten Taurusſyſtems,
vſſen hervorragendſtes Gebirgsglied aber eben hier, im Norden ber
Ketten, um ven Dan» See (f. ob. S. 330) mit vem hoben Ara⸗
sat beginnt, als Aghri-Tagh und AlasTagh (f. ob. S. 79),
gegm Weſten durch den Norden von Erzerum zu den Pontußfetten
frtfepreitet, und in dem großen Kaufafusfgftem, pas zwei bis
vi DBreitengrabe, over 30 bis 45 geogr. Meilen, weiter nordwärts
is Parallelism, in gleicher diagonaler Nichtung vorüber zieht.
Zwiſchen dieſen beiden Orenzketten im Süden und Norven find vie
untergeorpneten Bliederungen dieſer beiden Hauptſyſteme
mennigfach in einander verzweigt, doch fo, daß ihre äftlichen
fh mehr von einander iſollren und durch Thalſenkungen, in veren .
dner auch der Erivan«See liegt, fcheinen, ihre weftlichen aber, vie
yontifhen Ketten vund Hochthäler, höher und mafliger im
Yufammenhange bleiben, und gegen dad pontifche Geſtade Hin, wie
der Kaukaſus felbft, Höher und Höher gehoben werden, wo eben die
mehr mit der armenifchen Plateauhöhe zufammengebörigen Quell⸗
gebirge der beivden Cuphratarme, des Arares, des fünlichen
Kurfluffes (Kura) und die weftablaufenden Küftenflüffe
zum Pontus, vom Tſhorokh zum Rion und Phaſis Hin,
ihre gemeinfchaftlichen Quellgebiete haben.
Von dieſen untergeordneten Gliederungen auf der Strecke zwi⸗
ſchen Tiflis am Kur und Arghuri nahe dem Araxes am Ararat⸗
fuß, 31 geogr. Meilen Wegs (280 Werft, vurchichnittlih 44 Werft
S 1 Stunde Reiſezeit nach Parrot), 3) find es vorzüglich jene
breifachen Bebirgsparallele, vie und durch die dreifach
überfliegnen Bebirgspäffe von Agsbduk, von Beſobdal
u von Pambak, und deren Mefiungen über ven anliegenven
Übenen, zu einer genauern Kenntniß des vom Kurtbale zur Araxes⸗
ebene und zum Ararat auffleigenden Profiles von dem Nord⸗
abfalle des armenifchen Plateaulandes verhelfen. Dies
iR ver erſte beflimmte Anhaltpunc, ven wie für bie Gonftruction
und ylaftiiche Geftaltung jener Landfchaften in neuer Zeit erhalten
haben, an welche fich die frühern hypſometriſchen Angaben ver
Rafienerhebungen im öftlichen Aperbivjan und zum caßpiichen Meere
(Edt VII. ©. 15) lehrreich anfchließen, fo mie im Weſten nach
®) Barrot Reife, I. ©. 72.
Aitter rdfgpbe X. Aa
370 Wefl:Afien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 34.
der pontifchen Seite zu Die Durch I. Brant geſchehenen, wenn auch
nur approrimativen Meffungen.
Alle 3 Gebirgspäſſe, melche fünliche Seitenthäler des Kur
mit ihren zugehörigen Einfenkungen vom Kurthale felbft abichneiben,
llegen noch innerhalb deſſen Quellgebiete; erſt der dritte und Hödhfte
perfelben, der Pambat-Paf, = 7355 F. P. üb. dem Meere, iſt
zugleich Wafferfcheide zwiſchen Kur- und AraressZuflüffen,
und finft ſüdwärts unmittelbar ohne weitere Unterbrechung in die
hohe Araxesebene ab. Doch ift zu bemerken, daß vieſe Päſſe na-
türlich Ten Maß von den höchſten Gipfelfetten abgeben Tönnen,
welche eigentlich dieſes 3fache Bollwerk untergeorpneter Gliederung
am nördlichen Stufenlande Armeniens conflituiren, fonvern
eben nur von ben bequemfien Einfattlungen in venfelben, durch
welche daher die ältere große Milttärftraße von Tiflis nach der Feſte
Gümri auch für die Neifenden einigermaßen gebahnt war, bis
diefe feit dem Feldzug 1828 anderweitig verlegt, verbefiert und direc⸗
tee geführt worden if.)
Die Höhen der drei Päffe find:
1) Paß Agsbduk over von Alawerdi = 54598. P. ũb. d. M.
2) Paß Beſobdal 6268 —
3) Paß Pambak (Sambaki) . 7355 —
Aus drei Thalſtufen mit ſehr wechſelnden Niveauverhält⸗
niſſen, deren Flußläufe noch insgeſammt zu dem hydrographiſchen
Gebiete des Kur, als deſſen ſüdliche Zuläufe, gehören, Hat man
ihre Rücken zu überfteigen, ehe man tn bie vierte, in die Plateau⸗
fiufe der hohen Araresebene zum Nordfuße des Ararat ge⸗
langen kann.
1) Erſte Stufe des Kurthales bei Tifus, im Niveau
des Kurfluſſes = 1100 üb. d. Meere; allmaͤhliges Auffteigen über
meiſt flachhũgliches Bergland = 4359' empor, 618 zur Culmination
des Agsbdut- Paffes=5459'; ſüdlicher, weit fleilerer, plög-
licher Abfall von = 1211° Fuß, bis zur zweiten Thalſtufe.
2) Zweite Stufe, von Dſchallal Ogluh, = 4248’ üb. M.
bei dieſem Drte, der in der Mitte dieſer Zmwifchenebene Tiegt, die
vom Tabedah-Fluß (auh Debada oder Bortfcha), einem
Zufluß zum Pambaf und Kurfluß, von WB. gegen O. durchzogen
wird. Erſt almäßfiges, dann aber ftärkeres, ſtufenweiſes Auffteigen,
= 202%, alfo von doppelt fo hoher Bafls, aber nur Halb fo hoch
Ei
m
94) en. Paslewitſch Feldz. 1828. 6. v. Uſchakoff. I. ©. 165.
a
Euphratſyſtem; Zugänge zum Arcarat von Nord. 371
wie zuvor am Agsböuf, zur Gulmination der zweiten, nur um 766’
höbern Paphöhe ale die erfte, zum Paß Beſobdal — 6268”. Aber
von dieſem faft gleiches fünliches Abfallen wie gegen Nord, nämlich
= 2002', fübwärts zum Pambak⸗Thal bei der Kifhliak⸗Station.
Diefe Zwiſchenebene ift vom Pambak⸗Fluß durchſchlaͤngelt, der gegen
RD. zum Kur durchbricht, nachdem er. den Tabedah aufgenommen.
Dieſe Beſob dal- Barriere bildet eine wichtige natürliche
Grenzvertheidigungslinie Georgiens im N. gegen Arme
sim im S., welche durch die ruſſiſche Beftungslinie ©) von
dhallal Oglu in ver Mitte, von Gümri im W. und Ger⸗
gereh im Oſt des Ucherganges über viefelbe, zu vollfländig firates
giſcher Ausbildung gelangt war, che noch der Feldzug 1828 u. 29
ni der Erweiterung biefer Süngrenze ber ruſſiſchen Serriägaft be⸗
gann. —
3) Dritte Stufe von aifbliak im Pambak⸗Thale =
4266’ über dem Meere. Sogleich im Süden ver Kifhliak (over
Kiſhla) = Station am Pambakfluß (auch Debada genannt) fleigt
das dritte Bollwerk, gewöhnlich die Karaklis- Kette genannt, fehr
hart = 3078 empor, 618 zur Gulmination des Pambak⸗
Baffes = 7344' Über d. Meere, von welchem noch ein Rückblick
gegen Norb auf die Kaukaſusgipfel flattfindet. Sein fünlicher Abe
il = 4604 Fuß zur Araresebene findet nicht unmittelbar flatt,
fonbern erſt vermittelft ver Thalſenkung des Abar⸗Fluſſes, ver direct
gegen Süd am Oſtfuße des coloffalen Alaghes⸗Gipfels, 12871
über dem Meere, ſich bei Etſhmiadzin vorüber zum Araxes in ber
Arareöebene (= 2740’ über dem Meere) ergießt.
Diefes ift das merkwürdige Profil, das hier überſtiegen wer⸗
ven muß, um den enblich alles beherrſchenden erhabenen Ararat
gu erreichen; feine Detailverhältniffe gehen aus dem Routier der
Reifennen von ſelbſt hervor, denen wie jenes barometrifche
Nivellement 6) verdanken, welchem jene Hauptverhältniſſe ent⸗
nommen find. Die daſelbſt gemeſſenen Stationen find folgende:
I. Ueberſteigung der Stufe von Tiflis bis Ofhallal
Ogluh, über ven Agsbduk⸗Paß.
1) Von Tiflis nach Teleti, Station 2... 1662’ Par.
2) Station KRovi . ING —
3) Am Wege 8 Werft weiter en U —
) Gen. Paskewitſch ei 1828, v. uſchakoff. L. S. 151 m. '
) varret Reiſe. I. ©.
Aa 2
372 Weft:Afien. IH. Abtheilung. I. Abfchnitt. |
4) Chramfluß, 3 Fuß über dem Waſſerſpiegel 100:
5) Station Schulamer, nahe den u Golonim 1602
6) „ Same! . . 323€
7) Abhang des Agsbouk ee © ©:
8) Gulmination der Paphöhe a0 Su... 5456
9) Station Agsböuf . en dY4E
10) Station DfpallalOglu. . 0 4248
1. Ueberfleigung der zweiten Stufe von Dfhal
Ogluh His Pambak⸗Thal, zum über den Beſobdal—
1) Station Dſhallal Ogluhe. . . er v7!
2) Station Berger . . . . . 4461
3) Beſobdal Paphöhe . 2006268
4) Station Kifhliat, Pambal- <hal 200... 426
II. Ueberſteigung der dritten Stufe vom Pamb
Thal bis zur Arareschene, über den Bambat-P
1) Kiſhliak im Pambal- he . . .. 4266
2) Station Hammanluh . . 472%
3) Pambak, 10 Fuß unter der Scheidece . 734
4) Pambak⸗Paß, Culmination . 7354
5) Station eined Koſaken⸗Piquets . . 616%
6) Baſch Abaran, am Fluß Abaran, Duarantaine 593C
7) Höhe, 10 Werft (2 gute Stunden) von a . 602€
8) Am Fuß eines Berge 10 Werſt wir. . 5832
9) 20 Werft (44 Stunden) von Erfhmiadzin . 3952
10) Kloſter Etſhmiadzin, im Hofraum ber
Katbeorae . . . . 2866
11) Am Araresufer, 28. über deſſen Waſſerſpiegel 2740
Bon Tiflis aus bis an den nordlichen Fuß des nd
niedern Gebirgezweigs von Alawerdi iſt die Gegend meiſt
ausgebreitet, 7) von weiten Thaͤlern durchzogen, mit Dam
uͤberdeckt, aber es fehlt außer den gepflanzten Bäumen jeber %
wuchs die Wege entlang, wie dieſer doch auf der kaukaſiſchen
des nörblichen Terekufers hervortritt. Das rechte Kurufer 1
aus porphyrartigem Grünftein und Kalk, und iſt 3 Stunden
R
707) Barrot Reife, Th. 1. S. 72— 76; M. von Behaghel &
fungen auf feiner Reife zum Ararat au M. v. Gugelhardt; eb
Meiſe, Th. I. ©. 177— 182
v
18
Euphratſyſtem; Zugaͤnge zum Ararat von Nord. 373
ſüdlich von Tiflis bedeutend Höher (an 600 Fuß über dem Kur)
als das linke Ufer. Es dacht ſich zu flach abgerundeten Hügeln
ab, da fich das linke Ufer alsbald zu bedeutendem Höhenzuge er»
hebt. Dieſe flachen Hügel werden von einem 200—300 Fuß tiefen,
1 Werſt breiten Thale zwiſchen Teleti und Kodi (pie zwei er
fen Stattonen) durchſchnitten, darin ein Salzſee, eine Viertelſtunde
Img, mit Thon und Sanbufern und geringer Pflanzenfpur, vie
Seitenwände von Grünſteinporphyr. Eüdlich von dieſem Thale
nahm die Gegend ihren frühern Character an; flache Hügel in der
Nihe, mit ſchon am 1. September verdorrten Gräſern und Kräutern,
um nur in ber Berne höhere Berggipfel.
Nur almäplig ſenkt jidy die Gegend Hier zum Alghet, einem
Seitenfluß des Kur, der, jetzt nur feicht und fchmal, im Frühjahr
bile Trummer wälzt. Der Waſſerſcheldezug zwilchen ihm und fels
um parallelen, auch zum Kur eilenden ſüdlichern Nebenfluß ; dem
Chram, ift nur bei 1000 Fuß über dem Meere hoch, da der
Ehram ſelbſt ſchon tiefer fließt, als der Kur bei Tiflis. Das Chram⸗
Thal iſt einige Werft breit, weniger flach als dad Alghet- Thal
Das ſüdliche oder rechte Ufer iſt fiufenartig 200 Fuß über der Thal⸗
jele anfleigenn, und bedeutend Höher ald das nörpliche ober Tinte.
Jet, im Herbſt, war der Fluß feicht, vol Rollblöcke von. Bafalt
amd Porphyt. Ein alter Brüdenzeft aus unbekannter Zeit zeigte
bie ehemalige Gangbarkeit dieſer Route. Vom rechten Ehramufer
ſenkt fich die Gegend etwas gemach zum Thale von Schulameri,
von wo dann der Weg ftetig vie Eegelföürmigen hoben Vorberge des
Alawerpt binanfkeigt, wo fich zuerft feinkörniger Granit und
Vorphyr anftchenn zeigt; weiter aufwärts ragt Borphyr und
Grünftein aus dem Gerdllboden hervor. Ehe man noch ben
Öauptzug des Alamwerpi felbft erreicht, feht man, 5 Stunden
im Süd von Samezk, durch ein tiefes, enges, zu beiden Seiten von .
hoben Bergen eingefchlofienes Thal, das durch Schluchten zerrifien
RM Aus ihm ſteigt man flufenweis zwifchen Porphyr den erften
semıhaften Bergrüden empor, ver in ver Nähe des Alawerdi fich
hinzieht, und auf defien Eulmination die Wegſcheide Im Tartarijchen
Agsnduf heißt, = 5459. über dem Meere. Diefe tft oben nur
100 Schritt breit, mit Porphyr und Grünfteinkuppen beſetzt, vie
Anm Rückblick auf ven Kaufajus und auf fein Nebelmeer geftattes
tm. Bis 5 ober 6 geogr. Meilen von Tiflis ſüdwärts iſt ver Bo⸗
ben gut bebaut, zumal mit Weinreben; weiter aufwärts, wo ſich
bie Hige minvert, und ver Boden mehr Seuchtigkeit enthält, tritt
» mw
!
374 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. %. 34.
Baumpegetation auf, aber nur allmählig fi von Geſträuch zu
Baummuchd erhebend. | —
Diefe Baummaldung der Norbfeite hört aber an ber dem
trocknen Gontinentalclima ver Plateanfelte von Armenien zugekehr⸗
ten Südfeite des Ulawerpi- Zuges auf, der ſchon ganz baum
Ios if. Don einer Kupfergrube Alawerdi, pie au Griechen ver⸗
pachtet if, hat ver Bergzug felnen Namen. Bon ver Paßhoͤhe
am welt fleilem Südabfall des Berges: ald von der Nordſeite find
zur Station Agsbduk, =4946' Üiber dem Meere, nur 14 Werft,
Keine halbe Stunve, und nicht fern von da beginnt ſchon vie 4248
hohe Thalebene, welche wir mit Barrot Die Bmwifchenebene vom
Dfpallal Ogluh, zwiſchen Agsbduk und Beſobdal genannt ha⸗
ben; fie iſt früher unter dem Namen von Lori bekannter.
Hier beginnt die zweite Stufe mit einem ſehr fruchtbaren
Gebirgsthale, in welchem keine Felſen fichtbar find, das mit ergie⸗
biger Dammerbe bedeckt, und von dem 100 Schritt breiten, aber an
200 Fuß tiefen Spalte durchbrochen ift, ven der ſchon oben ge
nannte Tabevahfluß zum Kur durchſtroͤmt. Die Bafaltwände dieſes
Spaltes, mit Unterlage von porphyrartigem Geftein, fcheinen ihr
Entſtehen Hebungen aus der Tiefe zu verdanfen. Sur 15 Stun-
den fern von der Station Diballal Ogluh, an wiefem ſich ge⸗
. gen Oſt durchziehenden Ylußfpalte, Liegt Lori mit feiner Umgegend,
die in frübern Zeiten ſtark durch Armenier mit Dörfern, Burgen,
Klöftern beſetzt war, und in ven letzten rufflfchen Kriegen das Aſyl
des armenifchen Patriarchen geworden war. Lori war vorbem ber
Gig armenifcher Fürften; eine der gefichertfien, geſundeſten und
fruchtbarſten Landſchaften. Die einflige Stadt und Feſte Lori, die
jegt in Ruinen liegt, ohne Denkmale höhern Alters, Aber vol mach⸗
tigen Mauerwerks iſt auf ſteil abflürzennen Doleritfelfen 9
erbaut, die von 3 Seiten vom Fluffe umzingelt werben, auf ber
vierten Seite zeigt fich ein tiefes Flußbett, welches den fchänften
natürlichen Feſtungsgraben bildet. Die ganze Bevdlferung viefer
gegenwärtig vereinfamten und felbft faſt vergeffenen Erdſtelle beſtans
nur noch aus 5 armenifchen Familien, vie Hier in fliller Abgeſchie⸗
denheit, unbemerkt, jelbfiftändig ein wahres Aſyl gefunden zu haben
ſchienen, und fidy durch Gaſtlichkeit einen guten Namerr machten.
Unfern dem ſüdllchen over rechten Uferrande diefe® Spaltes
erhebt ſich vie Gegend nur Furze Zeit, allmählig, dann ftärfer, bis
zur Höhe von 5000° zu einem noͤrdlichen Gebirgszweig des Beſob⸗
e {N 5 \
708) Barrot Reife, I. ©. 238.
E
Euphratſyſtem; Zugänge zum Ararat von Nord, 375
val, der. auch mit Gerdll und Dammerde bedeckt iſt. Diefer vereint
fh nun mit dem Beſobdal ſelbſt und fchließt mit ihm ein halb»
offenes Gebirgäbeden ein, aus deſſen Seiten vie Gegerquellen ihren
Verein als Zufluß zum Tabedah gewinnen. Von der Südſpitze
dieſes Beckens ſteigt ſtufenweis der Hauptzug bed Beſobdal aus jas⸗
pibartigem Grünſtein empor, ver nörblich einſchießt und das
Pewhyrgeſtein durchbricht, bis zur Paßhöhe von 6268 Fuß. Aus
feinem ſehr ſchmalen Paßrücken ragen hie und da einzelne Feldſpath⸗
un Porphyrkuppen hervor. Ä
Bon da geht es durch ein tiefes, kühles, ſtark bewaldetes Ge⸗
biugothal, und dann durch eine mehr offene Thalgegend, in der die,
Dirfer Kifhliak, vie Station, und Hammamlu (Umanli) liegen.
dolgt man einem Seitenthale bis zum Hauptthale des hier durch⸗
zuhenden Pambakfluffes durch Orünſtein und Porphyrboden, fo
wift man nur ein paar Werft von Kiſhliak die ſprudelnden Sauer⸗
quellen, 4693’ über dem Meere gelegen. Der Beſobdal zei
net ji Durch feine Waldbedeckung zu beiven Seiten feiner Ab⸗
dachungen auß. ” \ J
Hier beginnt die dritte Stufe des Aufſteigens von der Ki⸗
ſhliak⸗Station bei 42661. Dieſes Pambak⸗Thal, die Scheidung
zwiſchen Beſobdal- und Pambakzug, ſchlängelt ſich zwiſchen abge⸗
rundeten Hügeln hin, die durch Nebenthäler in kleine Gruppen ge⸗
theilt Fand
Der Gebirgszug von Karaklis (nach der Hauptſtadt am
Pambakfluſſe genannt), davon der Pambak⸗Paß nur einen Theil
ausmacht, ift, nah Parrot, ?) überhaupt .nur ein öftlicher Aus-
läufer der großen Taurudfette des Sagkanlu, die fih vom
Binghöl oder Bingheul Tagh (f. ob. S. 76, 79) zwiſchen
Grzerum und Kard gegen Nordoſt abzweigt, bid zu dieſem
Bambal. |
Diefes iſt alfo wirklich eine ver nörplichfien Gliederun—
gen des nördlichen Taurusſyſtems, das wir ald wahres
Randgebirge von Hoch⸗Iran angefprochen haben, wie es denn bier
auch noch nicht zum Eaufaflichen Syſteme gehörig erſcheint. Dieſer
Gebirgszug des Pumbak feigt hier ſehr fleil an über Kalkſtein und
Srünfteintrümmer, mit Dammerde bevedt, bis zur ſchmalen Scheitel-
fläche des Gebirgspaſſes felbfl, = 7354’ (over 7355), auf der, nad}
v. Behaghel, einzelne Granitkuppen Hervorragen, und von wo
®) Barrot Reife, Th. I. ©. 75.
376 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 34.
zum legten male ver Rückblick zum Hohen Kaukaſus noch frei ſteht.
Den gut gebahnten Fahrweg über diefe Vaphöhe fand Parrot,
der viel größern abfoluten Höhe ungeachtet, doch bedeutend Teichter
zu verfolgen, als über vie früher bezeichneten niedern Gebirgspäfſe.
Doch zog man es auf dem Rückwege vor, eine um 282 %. höhere
und weiter im Often gelegene, aber kürzere, obwol noch fleilere
Noute des Rückens (7636 Hoch) zu verfolgen, well man biefe nur
zu Pferde zurüczulegen hatte. Schwache Grünfteinfchichten in Por
phyr eingelagert, zeigten fich auf ihr. Etwa 3 Stunden gegen Süd,
abwärte des Pafles, war wegen ber In Erivan herrfchenten Peft
damald (1829) die temporäre Quarantaine angelegt, welche fpäter
an den Nordfuß des Beſobdal⸗Paſſes nach Gerger 10) zur dortigen
Feſtung verlegt warb.
Die Quarantaine lag in ver Gegend, vie Baſh⸗Abaran bei
den Tataren, Abaran Pol bei den Ruſſen beißt, am Abaranfluß,
länge welchem im Feldzug 1828 durch General Paskewitſch 14)
eine neue Militäirftraße nach Etſhmiadzin gebahnt warb, dem gegen
Weſt ein fteiler, hoher, zadiger Felskamm fich ziemlich iſolirt, doch
dem Pambak anfchliegenn, emporthlirmt bis zu ewiger Schnechöße.
Dies iſt der Alaghez (auh Alt Guz der Türken, Arakadz
ber Armenier), 12) der nad) Fedoro wo trigonometifäher Meflung
fi) 10148° Par. relativ über ver Ebene des Arares, und nad Par-
rots barometrifchem Nivellement vom Arares zum ſchwarzen Meere
fih = 12871° Bar. (12766' n. v. Behaghel) 1?) über dem ſchwar⸗
zen Meere over dem Drean erhebt. Doc nur an feiner Norbfeite
Bat er an einigen namhaften Flächen ewigen Schnee, an feiner
Südfeite fah man im Auguft nur noch kleine Schneefleden auf ihm,
die fich jedoch erhalten follen. In feinem obern Theile bildet ex
ſchroffe Spigen, vie, vom großen Ararat gefehen, eine crateräßnliche
Bertiefung umfchließen. Doch bat ihn noch Fein Beobachter erſtie⸗
gen; fein fünlicher Fuß fol Baſalt fein. Vom Südfuße des Pam⸗
bat und am Oftfuße bes Alag hez zieht fich ver an 100 Fuß tiefe
Gebirgsſpalt von Nord nach Süb zur Araresebene Hin, in deſſen
Einfentung ver Abaran= Fluß (ober der von der Stadt Karpi ober
Barpi genannte Karpi Tſhah mit flartem Gefälle zum Arares
frömt. Nicht unmittelbar vom Pambak⸗-Paß kann man den
710) Barrot Reife, L ©. 236. !1) v. Uſchakoff a. a. D.IL. €. 167.
m ge Me Martin Mém. I. p. 47. 20) v. Behaghel b. Parrot
Euphratſyſtem; Ararat⸗ Umgebung. 377
Araxesgipfel erblicken, weil dieſem der hohe Alaghez vorliegt, aber
von deſſen ſüdlichen Vorhöhen, durch die Schlucht des Abaran, er⸗
Hit man 2 Tagereiſen im Norden von Etſhmiadzin zum erſten⸗
nale, vom Norden kommend, deſſen majeftätifche mit Schneegipfel
gekroͤnte Pyramide. Schon von bier aud zeigte fich deſſen nordweſt⸗
icher Abhang viel weniger fteil, als man ihn früher abzubilen
pilegte, und Parrot ſchöpfte von bier die erfle Hoffnung, ihn erſtei⸗
gen zu Finnen. An der Oſtſeite dieſes Abaran erheben ſich Ver⸗
wweigungen des Pambakzuges in mannigfaltigen Gruppirungen,
die in ihrer Mitte gegen Oft den Alpenſee von Erivan, oder
vn großen Goktſhai See einfchließen.
In paralleler Richtung mit dem Fluſſe Abaran, deſſen Schlucht
ds Hofer Einriß in die vulkanifchgebilpete Erdrinde ſich zeigt,
fam man auf einen hügeligen Seitenwege, alle Dorfichaften wegen
der Peſt vermeidenn, nach Etſhmiadzin; das Abaranmaffer
ſelbſt erreicht den Araresfluß nicht, weil es fchon vorher durch Sei⸗
tmcandle abgelenkt, zur Bewäfferung des Landes aufgebraucht
zu werden pflegt. 1%) Nur in der Schlucht des Stromes, in ver zu
beiden Seiten Doͤrfer, Burgen und armenifche Klöfter zerftreut Tie=
gen, iſt Geholz zur Feuerung; alle Berghöhen umber find hier
füon, dem allgemeinen Plateaucharacter gemäß, waldlos und
de. Auf der obern Dede des Bodens, am Wege, bemerkte von
Behaghel anfänglich umher Kalkſtein, Grünftein un Ob
ſidiantrümmer zerſtreut; weiter abwärts zeigte ich unter ber
Dammerde, öfter in bedeutendem Umfange, Iavaartiged, trach yti⸗
ſches Geſtein, ohne vie Geſtalt der Oberfläche bebeutend zu än⸗
Km, bis man das Arares- Thal felbft erreichte, als 4 bis 6
Beilm breite Ebene (30 bis 40 Werft), mit einigen armenifchen
und tatariichen Dorffchaften beſetzt, zumal aber von Klöftern ver
ermenifähen Beiftlichkeit belebt, zu denen am Eingange deſſelben das
berühmtefte von allen, Etſhmiadzin, mit feinen Nebenklöftern
gehoͤrt, welche fich bis zum Fuße des Ararat ausdehnt.
9 Die nächſte Umgebung des Ararat und das obere
Stufenland des Araxes mit feinen Zuflüffen.
a) Die Plateau- und Gebirgs⸗Umgebung.
Erf anderthalb Stunden (5 bis 6 Werft) oberhalb Etfpmi-
adzin difnen fi die Berge und Hügelreihen, und breiten fich
a —
29 Barcot Reife, 1. ©. 79; v. Behaghel, ebendafelbft II. S. 181,
378 Wefl-Afien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.34.
zur Ebene aus, in welcher alle Steine aufhören!) und nur
ein grober Kies, ver Reſt jerfegten Lavageroͤlles, von Aſchen⸗
und Schlacken reſten, bis zu Sand verkleint, vie Oberfläche des Bodens
nach allen Richtungen hin in weitem Umfange bedeckt, und ihm,
wo nur Waſſer ihn befeuchtet, die größte Fruchtbarkeit erzeugt. Et⸗
ſhmiadzin, = 2866’ Par. über. dem Meere, nur noch 14 Par.
über dem Blußfpiegel des Araxes, liegt fchon auf der Araxesebene
ſelbſt, die, 2740 Fuß abfolut, offenbar bier ven Namen, einer hoben
Plateauebene verdient. Erſt von bier aus iſt der Aublick ver
Umriſſe des Alaghez gegen N., wie des Ararat gegen ©., rein
und vollſtändig.
Der große Ararat (Aghri dagh) ſteigt, von Weſt her 10)
ſanft fich erhebend, = 13,530° Par. über ver Araresebene empor
(= 16,254' Bar. über dem Meere), und fenkt fih gegen Oft auch
in fanften Linien, aber unter flärkern Winfeln hinab, und zeigt fich
hier ald ein im ganzen abgerunveter Kegel, veffen Schneefelo faſt
volle 3000 Buß von feinem Gipfel’ herabhängt und alſo nur eine
10,000 Fuß Hohe dunkle Baſis übrig läßt, weiche den fchneemei
gen majsftätiichen Dom trägt. Durch einen flach gerundeten, nur
ſchmalen, kammartigen Höhenzug fleht dieſe Oftjenfung mit ber
zweiten Bergfpige in reinerer Kegelgeftalt, aber von beinahe 4000
Buß geringerer Höhe, in Verbindung, nämlich mit vem Heinen
Yrdrat Eutſhuk dagh oder Kutſhuk Aghri dagh), 17).der
nur = 9561’ Par. Höhe über der Ebene (= 12,284 Bar. über
dem Meere) erreicht, ohne ewige Schneedecke bleist, und mit. feinem
Gipfel um 35,064’ Bar., na) Bedoroms 18) Mefjung, von dem
bes großen Ararat in directem Abſtande gegen SD. liegt. Ihr
‚beiperfeitiger Fuß ift fanft durch jene Einfenfung des ‚Rüden ner
ſchmolzen, deſſen Thalweite eine Viehweide der Hirten abgibt, und
früher zu beiven Selten durch die DBerggipfel ein ſchwer nahbares
Aſyl für Eurpifche Raubhorden bilnete, die hier auf geficherter Höße
die Nordebene des Araxes wie die Sübebene gegen Bayazed und
den Mebergang von einer zur andern beherrichen Eonnten, fo dap
jede Verbindung verfelben ſowol zwischen beiden Berggipfeln him
durch, ald nad) außen um ihren Welt» und Oſtfuß (oft unmög-
lich war.
Die früherhin fo unfide Jage dieſer erhabenen Weenzſteine
) Fr.Dubois Voy. T. II. p.359. **) Barrot Reife, I. ©.182.
ı7) J. Morier Sec. journ. thr. Persia, Armenia etc. London
1818. 4. p. 812. 18) Parrot Reife, I. ©. 118.
Euphtatſyſtem; Ararat, Plateau⸗Umgebung. 379
des Plateaulandes iſt nun buch Fedorow's Meſſungen genau
beſtimmt, und dadurch ein wichtiger Fortſchritt für die Orientirung
ns8 ganzen Landes gewonnen. Der Gipfel des großen Ararat
liegt unter 39° 42' N,Br. und 61° 55' DR, von Ferroe, ver Gi⸗
vfel des kleinen Ararat unter 39° 39 NBr. und 62° 2 OR.
von Berror.
- Der Buß beider vereinten Berge ift, ohne alle Zwiſchenhöhen,
in N. und NO. von jener 14 bis 15 Stunden breiten Araxesebene
im großer Auspehnung von. NW. gegen SD. umgeben, die in
gleicher Richtung von NW. gegen S.D. von dem Strome des Aray
oder Araxes, der feinen antiken Namen nur in einer verweichlich»
zeren Ausfprache beibehalten Hat, mehr oder weniger in ihrer Mitte
und in vielen Krümmungen burchichlängelt wird. Leider wird ung
von feinem andern Puncte dieſer Ebene, ald nur an ver Furth des
Ararıd unterhalb Etſhmiadzin, eine Höhenmeffung gegeben, auch
fenft kein Nivellement verjelben mitgetheilt, obwol Parrot in ihr
eine anderthalb Werft Iange Standlinie 19) gemefien hat, und auch
. obere Theile derſelben befucht wurden, um einen Auffchluß über das
eigenithümliche Gefälle ded Araxeslaufes auf dieſer Platenuebene zu
abalten, ‚die wenig Senkung zu haben fcheint, obwol der Araxes⸗
lauf an manchen oberen Stellen doch reißend Sein muß.
Nur im Wellen ver Senkung des großen Ararat ſteht verfelbe
tunch feine DBerzweigungen, vie hier ven Namen Sinaf 2%) ft“
ru, mit den noch mehr weſtlicheren Bortfegungen des Ala Tagh
G oben &. 79) in Verbindung, der und ſchon unter den Gliedern
ed noͤrdlichen Taurusſyſtems befannt if. Dubois ift der erfte
Beobachter, welcher diefed Verbindungeglied des Sinak aus eigner
Efahrung namhaft gemacht Hat, da wir früher über dieſe Ge=
gend ziemlich ununterrichtet geblieben, obwol wir auch durch v. Be⸗
haghel eine Moute um das Weſtende des Ararat, von Arghuri
um St. Jakob aus, über biefen Zufammenhang ?1) hinweg nach
Bayazed erhalten haben. |
Etſhmiadzin, fagt Parrot, liegt in jenem großen
ihale, weldhes durch die Spaltung bed Tauruggebirges (vom
VBinghoͤl) um Erzerum in zwei parallele Arme, in einen
nördlichen und einen fünlichen, gebildet ifl. Der nördliche
ieht fich von Erzerum ald Saghanlu⸗Gebirge, 22) wie fchon
3%) Parrot Reife, I. S.195, 213. *°) Dubois Voy. II. ee |
21) » Behaghel b. Parrot R. II. 8.187. 32) Parrot as vum
„ Tu v
*
380 Weft-Aften. III. Abtheilung, I. Abfchnitt. $. 34.
oben bemerkt warb, im einem großen Bogen um Kars, und bilvet
eine mächtige Scheivewand zwiſchen Kur und Arared, und ver-
liert fidh in die Ebenen von Karabagh, wo der Arpatſchai zum Ara⸗
zes fällt, im W. von Etſhmiadzin. Zu feinen norböftlichen Ver⸗
zweigungen gehören ver oben genannte Pambalzug umd ver hohe
zadige Alaghez, und wahrſcheinlich noch andere bedeutende Berg⸗
rücken; denn Mitte October erblickte Parrot aus der Ebene vor
dem Ararat einen Bergrücken in W.R.W. ‚mit einer überſommer⸗
tm, alfo wahrfcheinlich ewigen Schneemaffe bedeckt, ver alfo von be
deutender Höhe war und nur dem babinmwärts liegenden noch um
bekannten Saghanlu angehören Eonnte. Der ſüdliche Arm defe
felben Taurus, der eigentlich die Quellen des Arares enthält (eben
derſelbe Binghöl), ſcheidet viefen Fluß vom Euphrat, der weitwärts
fließt, der Araxes aber oftwärts, und fchließt nach einer kurzen Un⸗
terbrechung (richtiger, in der Kette des hoben Ala Tagh fortfegend
und dann in geringerer Senkung des Sinaf) fih an bat We ſt⸗
ende des Ararat an.
Eben dieſe letztere, bisher gänzlich unbekannte Verbindung mit
dem Weſtfuß erhält durch die Genannten einigen erläuternden Fort⸗
fhritt. Auf feinem Ausfluge2) vom St. Jakobo⸗Kloſter am Norb«
fuße des Urarat, nahe dem Dorfe Arghuri, fagt v. Behaghel,
führte ihn fein Weg zuerft weſtlich durch Schluchten über Felb⸗
kämme längs dem N.W.- Abhange bald näher bald ferner am gro
Ben Ararat Hin. In einer wallgrtig von Felstrümmern begrenzten
Grasfläche zeigten fich Ueberreſte eines großen Dorfes, die Grund⸗
mauer einer Kirche und mehrere Steinhütten, über die man feine
nähere Auskunft erhalten Eonnte. Dann wurben bie höhern Beld-
wände umritten, und im Bogen wandte man ſich von Wet nad
Süd, zu gleicher Zeit fich längs dem fünlichen Araratfupe allmählig
fenkend, zu einer weiten Fläche von mehreren Quabratmellen.
Diefe wird nörblich begrenzt vom Ala Tagh, im Süd und Welt
- von Gebirgszweigen des Taurus, welche die Waſſerſchei de zwi⸗
ſchen den Quellen des Euphrat (es follte heißen Murap), näm-
lid) zu Diyapin, und des Alſas (des dluſſes von Bayazed, ſ. ob.
Ararat, I. ©. 70; vergl. Carte des possessions Russes au de la
du Caucase, indi@uant les frontieres actuelles de la Russie, de
la Turquie et de la Perse , dressee d’apr&s des documeng, offi-
ciels 1840. Paris, par F. Fonton, Carte rev. et augm. p. 18 o-
lonel Koch.
79 v. Behaghel b. Parrot R. I. S. 187. 9—
% \ u % %
u | & j 8 on.
* T
Euphratſyſtem; Ararat, Suͤdumgebung. 381 5
6. 337) bilden. Gegen DR fol ſich diefe Fläche (alfo die ſüdlich
vom Ararat gelegene Alfas- Ebene, in ver Bayazen liegt) ver Wei⸗
tung der Arares« Ebene gegen Oſt anſchließen. Diefe bald mit
Sand oder Dammerde überzogene Ebene wurve damals In Folge
ber großen Dürre von vielen zollbreiten Spalten durchzogen. Bon
diefer fünlichen Ebene, die gegen Sup hin vom Alſas⸗Flufſſe
begrenzt wird, an deſſen fühlichem Ufer Bayazen liegt, nimmt fich
ver Ararat noch mehr kegelförmig aus, als von der Nord⸗
ebene des Arared. Sein Weftabfall fleigt von dieſer Stelle der An⸗
fiht aus in vielen einzelnen Hauptabfägen bis zum Gipfel, deſſen
hoͤchſte Spige fich am Oſtende erhebt und einen Fleinen Kegel bil
det. Bon da fenkt fich der Oftabfall ohne alle merkliche Unterbres
Kung anfänglich ſtark, dann allmählig zum Verbindungsrüden bes
großen und Eleinen Ararat hinab. Auch bilvet die Gebirgd-
mafle des Ararat auf ver Süpfeite ein mehr zufammenhängenveß
Ganze, an dem feine bedeutenden Schluchten fichtbar find, wie an
der Nordſeite; dagegen traten an biefer fteil anſteigenden Seite fchroffe
Bände, zerflüftete Kämme und furchenartige Einfchnitte In den ver-
ſchiedenſten Richtungen hervor, und wie auf der Norpfelte, fo er⸗
fireden fih auch bir nah SD. trachytiſche Trümmermaf-
fen, zu bedeutenden Höhen angehäuft, weit in die Ebene hinein,
58 zum Alſas⸗Fluß. Dies iſt ver rechte Zufluß zum Arares, der
Bier die weite Flaͤche durchzieht, veffen Waſſer an ver Furth gegen
vie Stadt Bayazed im Herbft nur 15 his 20 Schritt breit und 2
Gap tief, alfo leicht zu durchſchreiten war. Die dve, völlig baum⸗
Iofe Umgebung von Bayazen gab Feine Gelegenheit zu weiterer
Beobachtung, und Ieiver mußte wegen ver Kurvenräuber der Plan
aufgegeben werben, auch den fündftlichen und Öftlichen Fuß des
Meinen Ararat zu umreiſen, 2%) wodurch wir zum erfienmale ven
Bericht eines Augenzeugen über vie Gefammtumgebung deſſelben er⸗
halten. Haben würden. Es konnte deshalb auch das Klofter St.
Aruthion, das im Norvoften von Bayazen liegt und beveutende
Reinen haben fol, nicht befucht werben. 25) j
Sr. Dubois, der die weflliche Verlängerung des Ararat nicht
überftieg, aber vom Weften her an ihrem Norpgehänge zur
Iraseöchene bis zum Nordfuß des großen Ararat bei Arghurt in
Meeres und umfichtiger Begleitung des ruffifchen Generals Bebon-
tefj, als Landeögouverneur, und feiner Beamten bereifen konnte,
®. . Behaghel b. Parrot II. S. 188. ?°) Parrot R. 1. S. S.
„se ®
€
382. Weft:Afien. IM. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 34,
Yernte daher aulh von Kulpt über Surmali, Rarafala, Ama
rat, Igdir, Dianat abad bis Arghuri die topographifchen
Berhältniffe mehr im Einzelnen und mit ihren einheimifchen Benen-
nungen kennen, als dies zuvor der Ball geweſen war.
Etwa 9 bid 10 geogr. Meilm (82 Werft nad) v. Behag heh
weſtwaͤrts von Arghuri, die Thalebene des Arares aufwärts, ver.
engt fie fh bedeutend von beiden Nord⸗ und Süpfelten und Hört
bei ven Steinfalzbergen von Kulpi endlich ganz auf, 25) von
wo an aufwärts die Ihalbildung des Arares nur in engen, ge
ſchloſſenen Gebirgswindungen fortfegt, die aber bis jegt noch von
Niemand näher erforfcht find, denn alle Beobachtung drang dahin»
wärts nur eben bis zu den genannten Steinfalzgruben vor. v. Be⸗
haghel, auf feiner Excurſion von Arghuti aus vahinwärts bie
norbaußlaufenden Flippigen Vorhöhen des großen Ararat umgehend,
die er Lavaftröme nennt, folgte dem Südſaume ver dortigen Ararrd-
ebene und nennt vie fünlichen Grenzhöhen bis Kulpi mit dem Na⸗
men Ala Tagh, von dem nur flellenmweis vefien Vorberge Trũm⸗
merzüge von Trach ytg eſt ein gegen Norb in einigen Erhebungen
ausſenden, theild in fchroffen, theils in abgerundeten Formen, bis
fi über viefe gegen Weſt eine einzige Belöfpige Über Kulpi her⸗
vorhebt. Schiemann, der biefelbe Tour mitmachte, bemerkt, 27)
daß fie am erften Tage bis zum armenifchen Dorfe Tafhburni ka⸗
men, am 2ten zum Tatarendorfe Arachperi, und dann am Mittag
des dritten Tages zu den Salzwerfen. Auf ver dürren Sand⸗
fteppe dahin war das vorherrfchende Kraut eine Aftragalus - Art.
Wo der Boden Ertrag geben follte, mußte er wiederholt bewäſſert
werden. Erſt in der Nähe des Arares fah man Weldenbäume,
auf denen Stoͤrche ihre Nefter angebaut, die auch bier, wie durch
den ganzen Orient, ald heilige Vögel gefchüßt find. Die Felder
waren vorzüglich reih an Arbufen und Melonen, viele Vögel,
wie Schwärme von Enten, Gänfen, Kropfgänfen, Reiherarten, Kra⸗
nichen und Schnepfenarten belebten die Flußufer. Tataren » Hänpt«
linge unterhielten ſich hier mit Falkenjagden. In den Salzwerken
fanden fie erft einige ruffifche Beamte.
Fr. Dubois, der viefelde Wegftrede von Kulpl, aber of-
wärts am Südrande 28) der Araredebene zurüdlegte, nennt am
Ende des erften Tagemärfches, nach Teinen vollen 6 Stunden We⸗
„ar
7 Zehegbet b. Parrot II. S. I866. 2) 1) Sölemann pr:
0 on ®) Dubois vor III. 2.453
a
7
Euphratſyſtem; Ararat, Araxes-⸗Ebene. 383
98, an den Ruinen von Karafala und an einigen Doͤrfern,
Arabkerlu und Akhmanmat, vorüber, das Eleine quabratifche
Fort Amarat, mit Erdwall umgeben und verlaffenen Ruinen weit⸗
- Täuftiger Gebäude eined vormaligen Kurvenhäuptlingd im Innern,
von welchem aus man nur den großen Ararat erblicdt, nichts
aber vom kleinen Ararat, der von jenem verdeckt wird, woraus
fi die Situation des Forts in der Richtung gegen N.W. deutlich
1
Beim Aufbruch von biefem Nachtquartier am folgenden Mor⸗
gen, den 19. März, gegen den großen Ararat hin, bemerft er nun,
daß ſich Hier die Berge Tafh Haltu und Keuroghlu⸗dagh als
eine abgelöfte Kette von der Hauptlette des Ararat gegen Er⸗
zerum bin zeigten, “und daß berjenige Theil verfelben, welcher Ar⸗
menien (dad unter ruflifcher Herrfchaft im Nord) von dem Pa
ſchalik Bayazed (b.i. dem türfifchen Gebiete im Süden) ſcheide, den
Namen Sinaf 2°) führe Es beſtehe aus zwei Parallelzüs
gen mit zwifchenliegennem Thale und dem Eleinen See Balakhli
gheul (Balikh Ghol der ruff. Karte), ver zumellen gegen Bayazed
bin audlauft (nach ver Kartenzeichnung Hat er ein gefchloffenes Bek⸗
ten). Der nözvliche Barallelzug ift der Eleine Sinat, ber ſüd⸗
liche ver große Sinaf, welcher ſeit unbenflichen Zeiten bie Grenze
zwiſchen Erivan und Bayazed bilvet. Er befteht aus ſchwarzem
Gehen, mit Trümmerfteinen bevedt von einem gefloffenen La⸗
vafrome, den man, von Surmali und Karafala kommend (v. 1.
von W. her), überfchreitet.. Da, wo Dub ois denfelben ſah, hatte
de Neigung feines Fluſſes nur einen Winkel von 2° bis 5°; feine
Dberfläche war auch keineswegs fo tumultuarifch zerriffen, wie dies
bei andern Lavaftrömen der Fall if. Die Kurden bringen ven
Gommer mit ihren Heerden ayf dem. Sinak und Reuroglu=
dagh zu, fuchen aber im Winter zwifchen ven Belsflüften der Las
ven an dem Vorgebirge des Ararat gegen die Ebene, welcher Taſch⸗
burum (alfo wie das Dorf) heißt, ober um Bulak baſchi (v. i.
Kopf ver Duelle) Schug für Ihre Schafheerden gegen vie Schnee⸗
maflen, die fly über die Höhen verbreiten. Der gewöhnliche Weg
von Erivan nach Bayazen geht Im Süd des Araxes über Sulei⸗
nanabad, Malagliou und Igdir, das nahe bei Amarat, ſüd⸗
warts, der Bebirgöpaffage genäherter liegt, wo bie ruffifche Qua⸗
miaine-Station gegen die türfiiche Örenze angelegt ifl. Zwei qute
2) Dubois Voy. Il. p. 454.
384 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.34.
‚Stunden (10 Werft) Weges weiter, nach Süb zu, liegt Alika⸗
marli, dann folgt eben fo weit ſüdwärts Kullut (ob Kul Tapa
der ruff. Karte?) oder Mullah akhmet, das letzte Dorf der
Plaine, und eines ver langen Reihe von Dörfern, welche ven Fuß
des Berges entlang ziehen. Don dieſem Kulluf, 3 Fleine geogr.
M. (25 Werl) von Amarat fern, fleigt man eben fo viel (25 Werft)
aufwärts zum Dorfe Mullah kamar, das fich auf einer Plateau-
fiufe des Sinak außbreitet. Dies ift das Ichte Dorf Arme-
niens in der Nähe des Sinak⸗Paſſes oder ver türkifchen Grenze.
Eug. Bore, der im Sept. 1838 diefen Weg von Etſhmiadzin
über Melaik, ein perfifches Coloniedorf, und Igdir 30) nach Ba-
Yazed nahm, fagt, daß nur 3 Lieues fern von Igdir gegen Süd bie
ruſſiſch-türkiſche Grenze gegen Bayazed fe, auf ber bie
Ruſſen eine Grenzſäule aufgerichtet Haben. Er felbft kam, von
einigen Kurden geleitet, glüdlich Hinüber, aber an vemfelben Tage
wurde nach alter Art doch wieder eine Kaufmanns »Rarawane, die
des Weges zog, geplündert von einem Kurden⸗Chef, Soleiman Aga,
den die Türken zu früh aus ſeiner Haft in Erzerum entlaſſen
hatten, der ſogleich wieder an 1000 kurdiſche Reiter um ſich ver⸗
-fammelt hatte, an deren Spige feine eigene" Sojährige Großmutter
auf dem wilveflen Nenner die Naubattaden zu commandiren pflegte.
Der Keuroghlu⸗dagh iſt in jener Gegend nur die Benen-
nung einer faſt uneinnehmbaren ſenkrechten Felſenpartie, die nicht
ohne Můhe erflettert werben kann, und an ven Raubflg eines gleich
namigen, bort einft haufenden und gefürchteten Kurvenhäuptlings
erinnert, der Hier ein Aſyl gegen vie Verfolger fand, dad Dubois
mit dem Felſen ver Baftei bei ver Elbe in ver fogenannten fächfl-
ſchen Schweiz vergleicht. Ä
Kehren wir nun zur Norbfelte des Urarat, denn dies iſt als
les, was und bis jegt von den andern 3 Seiten feiner Umgebun⸗
gen befannt geworben iſt, nämlih zur Araresebene zurüd, fo
iſt es zunächft ver Strom felbfl, über dem fich ver Berg der Berge
unmittelbar erhebt, der unfere Beachtung hier in feinem obern
bisher ziemlich unbekannt gebliebenen Laufe verbient.
136) Eng. Bore Correspond. etc. Paris 1840. T. II. p.58.
»«
Euphratfoftem; Arares, oberer Lauf. 385
b) Die Quellen und Dueltfiäffe bes Arares oberhalb
feines Eintritt in die große Araratebene von
Etſhmiadzin.
Ehe der Aras oder Araxes bei den Steinſalzbergen zu
Kulpi fun die große Hochebene, welche den Nordfuß des Ararat
amphitheatraliſch umlagert, eintritt, bat er ſchon eine directe
Etrede von drittehalb Längengraden (beiläuflg von 39° 30° bis 41°
4 9.2. von Ferro, im Breitenparallel von 40° N.Br.), alſo an
45 geographifche Meilen, over mit feinen großen Krümmungen wol
60 dergleichen im Gebir gslande zurüdgelegt, und durchzieht von
da, um den Oflfuß bes Ararat, durch die Hochebene noch eine
directe Strede von etwa 15 geogr. M. (bis zu feinem Zuſam⸗
menfluß mit dem Alſas oder Bayazepfluffe, vem Makhu, unter
2 45° OR. v. Ferro), oberhalb Nakhidſhevan, die Krümmungen
mitgerechnet an 20 geogr. Meilen, fo daß fein oberer Lauf in
km Duellgebirge an 60, in ver gleichförmigen Hochebene an
2%, zufammen 80 geogr. Meilen bis zu feinem Derein mit dem
Zufluffe des Alſas von der rechten Uferfelte beträgt. Diefe Strecke
iR es, deren Verhaältniſſe wir, well fie großentheilä zwiſchen ben
belden Euphratarmen hervortreten, genauer zu beachten haben, che |
wir und zu dem Ararat jelbft erheben und zu den weftlich Iaufen-
m Quellwaſſern des Cuphrat fortfchreiten.
| Die Anficht, daß der Binghöl⸗Fluß zum obern Laufe des Mu⸗
twfluffeß gehöre, 1) iſt durch die genauere Bereifung jener verwile
| Km Quellgebiete in neuefter Zeit, fo wie ver ganze Lauf des
Gab, vielfach berichtigt. Nichtig fagt Kinneir: 32) ver Arared
habe feine Quelle etwa 8 Stunden (20 Mil. Engl.) im Güpen von
Grerum im Binghol⸗Tagh, d. i. „In dem Berge der tau⸗
ad Quellen,” die hohe Gebirgskette (f. oben S. 79), die im
6üp von Arzerum, im Südweſt von Khinis oder Khunus,
in Rord von Mufh liegt. Es ift Hier, wo der Binghöl-
64,3%) di der Binghdl- Fluß, der waſſerreichere Quellfluß
det Arares, feinen Urfprung nimmt, und an den Orten Koili und
Cipler vorüber gegen N. und NO. zur berühmten Tſhöban
pri ober der Hirtenbrüde feinen Sauf durch das türftfche Ar⸗
* v. „gmne, aflat. Türkei. Mer. Wiener Sahrh, 1821. Bd. XIV. _
22) Kinneir Mem. of Persia —* 29) J. Brant
Notes lc. %. P. III. p.344; Visc. Pol ston Noten ebeit. X.
P. IIL p. 446.
Ritter Gröfuabe X. Bb
386 MBeft-AMfien, TIE Aptheiläng. I. Abſchnitt. $. 34.
menien zur Provinz Bafin ober Paſſin (im Sandſchak Medſh⸗
nekerd) nimmt. Don da flrömt er direct oſtwärts durch Tſhal⸗
diran bis zu Kulpi's Salgbergen, wo'er nun bie weite Araxesebene
bersäffert. und ebenbafelbft mit dem Norbeinfluffe des Arpatſchai,
dem heutigen Srenzfluffe zwiſchen Zürkiſch— Armenien oder
Kars im Weſt und Rufſiſch-⸗Armenien in Oſt,) das Gou⸗
ernement ‚von Grivan betritt, zu welchem bie Hochebene deß
Araæxes his zum Orenzrüden des Ararat gehört.
Den Binghoͤl Tagh over-Berg hat. noch Niemand beſtiegen,
aber auf dem Wege vom Dorfe Koili (= 5539 Fuß Par. üb. d.
Meere), 33 Stunde fünwärts, bei Ueberſteigung des Bebirgspaf-
ses von Aghv.eran, eined Kurbenvorfes, dad noch höher, an 5850
Fuß üb. d. M., auf der Waſſerſcheidehöhe zwifchen bem nörblichen
Araxes⸗ und dem fünlichen Muradſyſteme liegt, Hat man den
Binghöl Tagh an der weftlichen Seite liegen, mo er fi als lan-
ger flacher Bergzug, ven 22. Juni noch mit Schneeflecken, zeigte,
die er den ganzen Sommer über behalten fol. Zu gleicher Zeit,
wie auf dieſem Schneeberg gegen Wet, fällt auch von dieſer Wale
ſerſcheidehoͤhe ‚ver Blick gegen Oft auf ven glänzenden mit Schnee
überdeckten, aber weit entfernter hinter vielen andern Vorbergen her⸗
vorragenden Sipan Tagh (Hier Sepan genanut, ſ. oben ©. 329).
Dad Kurdendorf Koili hatte nur 11 Kurdenfamilien zu Bewoh⸗
nern, davon nur 3 In. einigem Wohlftand, mit 40 cultivirten Aek⸗
fern (wo freilich erſt Anfang Juni die Weizenausſaat beganu)
und guten. Heerden, mit einem Akſakal⸗Ii (Weißbart), d. Ael⸗
teſten, an ihrer. Spitze. Khüinis, am Südfuße des überſtiegenen
Gebirgspaſſes, ber auf dem Wege nah Mufh Tiegt, gehört
ſchon mit feinem Bache, der füboftwärts zum Murad fließt, dem
Gebiete dieſes Euphratarm es an. Koill, das Kurdendorf,
mit feinen unterirdischen Erdhäuſern am Nordabhange beffelben Ge⸗
birgspaſſes, obwol noch zum Beglik Khinis gehörig, liegt aber am
Binghöl Su, ben man Hier auch ſchon Aras nennt, und beffen
Furih mit einiger Sicherheit zu durchſetzen Lord Pollingion feine
Bagage auf eine Araba, ober sinen Zweiraderkarren von Büffel -
befpannt, bringen laſſen mußte. Als I. Brant (Ende Juni) He
durchtam, mar der Strom 50 bis 60 Schritt breit, ſehr teißend, unk>
) 9. Aſchaboff, Gardeohriſt Gefjch ichte der Feldzüge des Genercz 1
askewitſch in der aflat. The —— 829, aus em Ruf. vos
A. 6. Lammlein. Lepꝛig 1838. Th.l e 2. » _
Euphratfoften; Araxes, Quellfluͤſſe. 387
sing bis an den Pfervegurt beim Durchreiten ; zur Ueberſchwem⸗
mungsdzelt fleigt er viel höher. Das Dorf war erſt nach Auswan⸗
derung von ein paar hundert armenifchen Familien auf ruſſiſches
Gebiet von Kurden in Beflg genommen. Dies iſt ver einzige au
im Winter gangbar bleibende Paſſageort zwiſchen Erzerum und
Mufh, da alle andern Gebirgswege, vie dahin führen Eönnen, Höher
Liegen und dann ganz mit Schneemaffen verflopft werden. Es ift
Höchft wahrjcheinlich derſelbe Weg, den Kenophon zur Winters
zei, meint Nennell, 35) allein nehmen Eonnte, als er vom Gen»
tziteb (Karafu und Murad) durch das Land ver Chaoi (mo Khinis)
au dem ber Phaflanen (Paſin, Xenoph. Anab, VI. 6) gelangte.
Das von Korli 5 Stunden: im Norden gelegene nächſte Dorf an
denſelben Fluſſe, Cipler (= 5817 Fuß Par. üb. d. M., 39° 49
22° N.Br. und 21° 45° 30" DR. v. Gr.), liegt nicht minder hoch
auf derſelben Wegroute, und ernährt feine 20 Kurbenfamilien vor
züglich durch die trefflichen Bergweiden, ‚bie das Hochland bedecken,
das. freilich nur wenig Kom trägt und nur arme Bewohner her»
kergt, davon nur wenige in. einigem Wohlftande leben, vie übrigen
die Kuechte und Hirten von jenen find. Diefen vor q. Brant’s
Beiudye (1838) unbekannt gebliebenen Ortfchaften Ilegt 7 Stunden
Weges gegen Norven ver längft und allgemein befannt gewefene _
Saypeort Haffan kalah auf der großen Karamwanenfiraße
von Erzerum nah Bayazed. Um ihn zu erreichen verläßt
man von Eipler rechter Hand den Binghdl Su, der gegen N.O.
an 6 Stunden, breit, ſehr reißend zur Brücke Tſhöban Föpri
it. Dan hat direct norbwärts zmei.von Weſt nach Oft ziehende
defe Flußthäler, des Ketiven Su im Sin und Kurd Su im
Nord, zu durchjegen, deren Waldſchluchten durch einen hoben Ge⸗
birgspaß, ven Ketiven-Pap (= 6785 Fuß üb. d. M.), mit ſei⸗
nen Kalkſteinketten getrennt find. Beide firömen wild, vollufrig
gegen DR, und vereinigen ſich bald, ehe fie zu dem dritten, noch
alspficheren, mit ihnen ebenfallö parallel von Weit nach DR zie⸗
headen taleh Su fallen, welcher an Haffan kalah vorüber
sucht, nahe im Oſt von Erzerum entjpringt und oberhalb der Tſhö⸗
bau Eüpri genannten Brüde fi mit dem Binghoͤl⸗Su vereinigt.
‚ Diefer Kalch Eu ifi nun ber noͤrdliche, jener Bingbdl
& der füdliche Quellarm, und ar beide, etwa 4 Stunden
se) 1. Rennell Dlustrat. 1. c. p. 218.
| 3b 2
388 Weſt⸗Aſien. III Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 34.
unterhalb Haffan kalah, bilden nach ihrer Vereinigung ven Aras
dder Atra xes.
Saſſan kalah liegt nur eine Station von Erzerum.
Hat man dieſe Hauptſtadt Armeniens durch ihr elendes Erdthor
verlaſſen, fo durchreitet man zunachſt eine kleine Stunde 36) oſtwärts
niedere Anhöhen, zwiſchen denen ein paar kleine Flüßchen ſüdwärts
Jum groͤßern Euphratbette einfließen; jenſeit derſelben überfeeitet
man nievere nadte Hügel eines bünnblättrigen Kalkmergels, ven
Peperit überlagert, deſſen Oberfläche mit vielen Bloͤcken von Lava,
Baſalt und Bafalt-Eonglomerat beftreut if. Oftwärtd auf der Höhe
von diefem za Kurujuf (39° 5712" N.Br. u. 41° 32! OR; von
Gr.), bei 5637 $. Par. üb. d. M., 7) Hat man ben Bergräden
Deveh Boyunu (v.i. Rameelpals; ober Deveh Boint, Paß
des Kameels), *) relativ etwa 800 Fuß hoch zu erfteigen, zu
dem felfige Hohlwege die Ein⸗ und Ausgänge bilven. Schon von
da aus erblickt man die Plaine, und in der Berne das pittoreßfe
Gaftell von Haſſan kalah. Es ſenkt fich dieſe Höhe wieder hinab
in die Öftlihe Hochebene Pafin, an deren Weſtende die große
Route fogleich einen ſchmalen, feichten Strom durchſetzt, der von Sü«
den kommt, nur eine geringe Strede nordwärts und dann’ ofl-
wärts über ein weites Steinbett fließt, und che er Haſſan ka⸗
lah erreicht, ſchon durch mehrere Zubäche vergrößert, den Namen
Haffan kaleh Su, d. i. der Strom der Fefte Haffans, er
"Hält, und 20 bis 30 Schritt breit den Pferden an ber Furth bis
zum Bauchgurt reicht, aber in den Ueberſchwemmungszeiten auch
Öfter ganz undurchgehbar wird. Immer an fich unbeveutende De⸗
veh Boyunu over etwa 3 Stunden breite Bergrüden iſt vie
wahre Wafferfcheide zwifchen Arares- und Euphratfy-
em; denn der genannte Fluß, der oberhalb am Urfprung auch
Nabi Tfhai genannt wird, 39) ven rufſſiſche Berichte nach einem
Dorfe Tatu auch Tatu⸗ſu 40) genannt haben, vieler: ifl ver
nördliche, minder wafferreichere und auch Fürzere Quellarm
des Arab, beiten fübTi@ger Arm, der Binghot Su der mãch⸗
120) w. J. Hamilton Asia minor (1836). Lond. 1842. T. I. p.
382. ° *') J. Brant Not. 1. c. X. P.IH. p.341; en, Glas-
cott Map, p. 431; J. Brant Journey ebend. Vol. VI. 1836,
200. ) Am. Jaubert Voyage en Armenie 1806. Paris 1 1.
8. p.117. 20) v. Ufchaloff a.a.D. Th. II. &.133. *°) Gtas
tiftifche Bemerkungen über das Bafchalik Kars in der Tiflis Zeitung
- and in ber Petersb. Zeitung, 1829, April m und Mai.
Euphratjpftem; Apares, Queliftͤte. 389
ügere, auch Öfter ſchon von den Eingebornen (naher auch auf der
ruſſiſchen Karte) Arad genannt wirb, obmol diefer Name erft bei⸗
ven vereinten Waſſern mit Recht zukommt. Viehheerden in gro⸗
fer Anzahl, Rinder und Pferde belebten bei Hamilton's Durchzug
in Juni 1836 die Paſin⸗Ebene, obmol über 5000 Fuß über
m Deere gelegen; aber außer Zwergweiden an den Rändern na⸗
her Verſumpfungen und Rofengebüfchen war kein einziger Baum
von Urzerum 618 Haffan kalah zu fehen, ver die fo charactexi⸗
Rifhe Baumlofigkeit der Plateaulanpfchaft *) unterbror
den Hätte. Der armenifche Name *2) des Fluſſes IR Eraskh, der
georgiſche Rakhſi, bei ven Türken und Arabern verkürzt in Aras
und Ras. Der Schriftuame Araxes ber Griechen und Roͤmer iſt
der allgemein gebräuchliche geworben.: Es iſt der eigentliche Strom
ber armenifchen Provinz Araran, GentralsUrmeniend, um
welche Die andern armenifchen Provinzen im Kreife liegen; zu ber
Provinz Ararad gehörten aber 20 verſchiedene Gaulandſchaften,
be zu beiden Seiten des Urared vertheilt find, von denen bie weft»
life Im oberften Quellgebiete, an beiden Ufern des Aras, eben
Palin oder Paſſin Heft; Paſen zur Zeit ver Arſaciden bei den
Armmiern, Phasiane bei Xenophon (Anab. VI. 6), bei Byʒanti-
nern (Constantin. Porphyrog. c. 45. p. 152, ed. J. Meurs, 4611),
Paſyn bei Türken (nach dem Dſchihannuma), offenbar ſchon das
vn Zenophbon (Anab. IV. c. 7) durchzogene hohe Karduchenland
der Chaoi und Phaſianen, 7) ald er vom Murad. (Gentriteß,
1.6. S. 23) in das freiere, offenere Armenien vorbrang, und am
Arares (Phaſis) mit feinen Zehntaufend bis zum Harpafus (Ar-
yatfchai) Irre geführt, fich über Gymnias (nahe Haffan kalah)
zun Pontus rettete, von welchen Kreuz» und Querzügen erſt wel⸗
bt unten vie Erklärung folgen Eann. |
Der Diſtrict von Paſin if in 2 Begliks getheilt, in bad
öbere und untere PBafin, und. Haſſan Kalah, 7 Stunden
(18 Mil) in OR von Arzerum, tft die Refivenz des Ober-Veglits, )
iu deſſen Gebiet 120 Dörfer gehören, gegenwärtig meiſt von Mus
hanedanern bewohnt, da der größere Theil.ver Armenier und alle
ameniſchen Landleute nach dem Friedensſchluß 1829 zu Adrianopel,
in welchem die Khanate Erivan und Nakhidſhewan an den rufflichen
“) w. J. Hamilton Asia minor 1. c. I. p.183. “2) J.St.Mar-
tin Mé m. sur l’Arm. L p. 38, 106. *8) J, Rennell Illustra-
tions of the hist. of the exped. of Cyrus. eto.. 1. c. p, 213.
**) J. Brant Not, l. c. p. 341.
®. *4
390 Weft:Nfien. M. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 34.
Scepter abgetreten wurben, mit dem abziehenden Ruſſenheer nach
Georgien emigrirten. Deshalb wurde damals die Bevölkerung aller
Dorfſchaften ſehr verringert, und große Strecken Landes, bie früher
bebaut waren , blieben ſeitdem unbebaut Liegen. Eben fo im uns
tern Bafin, das vom obern, obwol nicht eben ſehr genau, Durch
den Arares geſchieden iſt, weiter im Oſten liegt, an 70 zugehörige
Dörfer zählt, und von einem Beg verwaltet wird, ver im Dorfe
Ars refldirt, nicht wegen veffen Bedeutung, fonvern well bieß Dorf
feine Heimath if. Die Herrſchaft beider dehnt ſich Über eine Strecke
von 16 Stunden Wegs, entlang am Araxes, in einer Breite von
3 bis 4 Stunden aus, über ein fehr fruchtbares Kornland, das gut
bewäffert ift und ſehr weidenreich, deſſen Dorfſchaften, nur wenige
größere ausgenommen, nicht über 40 Hütten und felten an 100
Familien ald Bewohner zu haben pflegen.
Bor Haffan kalah nähert fich vom Norden her eine Bergreite,
bie den Araxes gegen Oft ziehen macht; an ihren gerunbeten
hängen zur Ebene bemerkt man ſich beſtimmt unterfcheldenbe, hort-
zontale Parallellinien, Waſſermarken %)" vorzeitigen Waſſerſtan⸗
des, die Stundenweit allen Sinuoſitäten der nadten Bergreihen fob⸗
gen, und an vielen Stellen durch ſtärkern Graswuchs mit veicherem
Grün ſich dem Auge fehr ausgezeichnet varbieten, fo daß man hier
zur Annahme eines einfligen großen Binnenſees, ver Hier feine Aus
breitung gehabt, geneigt fein muß. Die Spuren deſſelben reichen
auch weit unterhalb 6i8 zum Zuſammenfluß des Haffan kaleh und
des Binghoͤl Su, wo eine große Allunialpläne ven obern
Arares begleitet, mit großen Kiefeln und Blöden von Grünfteln,
Bafalt und analogem Geftein beftreut, dad auch die erhärteten Sande
ſteinlager, welche die Norpfeite dieſer Araresebene begleiten, bei einer
Erploflon durchbrochen zu haben ſcheint.
An dem Süpdufer des Haffan Falch, der Stabt gegenüber, dicht
an ber Arareöbrüdke, 48) ſprudeln unzählige Heiße Quellen von
verſchiedener Temperatur und Gehalt, bitumindſe, andre eifenhaltige
oder kalkreiche; vie heiß eſten 320 44' NR. (105° Fahrh. n. Brant);
über zweien der wärmften und reichlichflen derfelben warm im 9.
1838 2 Bäder erbaut; damals vol Badegäſte. Man’ Hält bie
Stadt für eine ver alten Genueſenſtationen, und pas Baftell
als von biefen Füpnen Hanbelsführern des Mittelalters erbaut, deren
108) W. J. Hamilton Asia minor L. c. I. p· ir· is +) W.Ou-
seley Trav. Ill. p. 461.
uf
Euphratſyſtem; Arares, Quellfluͤſſe. 391
grandisfe Baudenkmale vom Genuefenthurm in Bera an, über ihre
Caſtelle am Bosporus bis Trapezunt bekannt genug find, und
fegr wahrſcheinlich auch über ihre Stationen. weit in das Innere
von Afien fortfchritten. Baiburt, Ifpir, Arzerum und Bayazed
werden für folche gehalten. Die, Sage von einer foldien Linie
von Bauten ‚ver Benuefen iſt in biefen Gegenden fehr allge»
mein, fie beweiſt wenigfiend die Erinnerung an dieſes einft Hier
fo einflußreiche, unternehmende Handelavolk. Auf dieſer Linie
werden viele Khane oder große Bauten von Rarawanferais
ihnen zugefchrieben, und in deren Nähe die Keftungsbauten zur
Beihügung ihrer Karamanenzüge, bis nach Tauris hin. Ueber vie
Denfmale von Trapezunt und Haflan falah will W. I. Hamil-
ton, #7) der auf Architecturftgt fehr aufmerkffam war, nichts ent⸗
ſcheiden, jedoch Baiburt und Is pir Hält ex entſchieden für weit
ältere ſaraceniſche Bauten, und eben ſo auch die Conſtruction
des prächtigen Khans, den Araxes weiter abwärts, an der berühm⸗
ten Iſhoban kopri (ſ. unten).
Das Caſtell zu Haſſan kalah liegt auf dem langen Sporn
eines vom Hauptzuge des Karatſhly iſolirten Berggipfels von Tra⸗
chyt· Porphyr, der 1600 3. hoch über ver Ebene die ganze Stadt
bominist. Die moderne Stadtmauer umfchließt den Ort am Fuße,
und ſtoͤßt mit beiden Enden an das Caſtell. Don einem gewifien
Haffan (2) erbaut, mag dieſer Name ven frühern, uns unbekannt
gebliebenen Namen der Stadt verbrängt haben. Man bält es zwar
auch wol für die Rage ber alten Theonoflopolis, die nach St. Mar-
tin nach obigem (S. 271) aber iventiich mit Garin und Erzerum
fin fol, und führt zur Beftätigung die allervings fehr merkwür⸗
bigen heißen Quellen an; aber dad Bad, behauptet I. Brant 8).
wenigftend, ſei entfchleven nicht von römifcher Bauart, fo wenig
als Die daran ſtoßende Brüde; auch fehle ed fonft an dieſe Hypo⸗
theſe beſtätigenden Ruinen. Nach Moſes Khor. Histor. Arm. IU.
e. 59, p- 309 wird entfchieven die Theodofiopolis auch nicht an
rm Arares, fondern an den geringern Quellen des Euphrat gele=
gen angegeben, und es kann vie Ipentiflcirung von Haflan kalah
mit Theopoflopolis (dem heutigen Arzexum) wol nur auf ber
früher’ allgemeinen Uinkenntniß der Araresquellen berufen. Des
ruſſiſche Berichterftatter berichtet, man babe vor langen () Jahren
7
“) W.J. Hamilton a. a. O. S. 1885. **) J. Brant a. a. D.
©. sa2 u |
392 WeftsAften, III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $.34,
zwifhen ven Ruinen um vie Mineralquellen 9) ein großes Baſſin,
H Gaſchen (ruf. Baden zu 7 Fuß) im Umfang, gefunden, aus
vom eienbaltige Schwefelwaſſer Hervorfprudelten, und daneben ſei
von Römern (?) eine Kuppel gewölbt geweſen, vie aber jetzt ein⸗
gefallen fet, eine unverbürgte Nachricht, welche vie Ioentität mit der
ariechiſchen Stadt wol nicht erhärten kann. Die Wärme ber
Quellen gibt derfelbe Bericht zu 2ER. an; fie feien fehr wirk⸗
ſam gegen Gicht und Rheumatism. Die Befte bildet, im Norden von
grün Weidehdhen umgeben, ein Biere, 150 Safchen lang und
30 ©, breit, mit doppelter Ummauerung und Thürmen, denen bie
Nein amphithentralifch gelegene Stabt, aus Stein ober Badflein er⸗
baut mit Holzbalfons, gegen Süd vorliegt, die vortrefflidhe® Trink⸗
waffer hat. |
Diefe Feſte mit einigen ſenkrechten Abſtürzen, durch hohe
Bergrücken gedeckt, aber freilich auch durch dieſe bei europäifchen
Kriegsoperationen bominirt, jeboch fonft durch eigne hohe ifoltzte
Rage die ganze umliegende Gegend beherrſchend, war bisher: als ver
Schlüſſſel des Araresthales anzufehen, SU) durch welches bie
große Hauptfiraße nach Arzerum führt, als der Bereinspunct
für ven Zeind, ver über Kard ober Bayazeb aus dem Oſten
kommt, und alfo die Vorhut für Urzerum, die Haupiflapt.
Aber in der letzten Periode des Muffenfrieges in Armenien hatten
pie Türken dlefe Feſtung ganz unbeſett gelaffen; die 80 Samilien,
welche fle 1828 bewohnten, gingen faft ohne Schweriftreich (24. Sunt
1829) an die Nufien über, vie fich fogleih in ven Beſitz dieſer
wichtigen aflatifchen Feſte ſetzten, und fle auch durch neue Befeſti⸗
gung zu einem wichtigen ſtrategiſchen Punet erhoben hätten, wenn,
nach der Einnahme von Arzerum, fie nicht durch die Friedenstrac⸗
taten ihre Neichögrenze weiter gegen den Oſt hätten zurüdjchieben
lafien. Die Türken haben die Feſtungsmauern in dem zerfprengten
Zuftande nach mehr zerfallen laſſen, in dem die Nuffen fle ihnen
nach ihrem Abmarfche zurückließen. Die Einwohner find zwar von
ver jährlichen Abgabentare, dem Saliyanch, an ven Paſcha befreit,
aber fie haben dafür pie Verpflichtung der Verforgung ver Poſtſta⸗
tion, was auf einer fo befuchten Hauptroute zwifchen dreien Welt-
berrichaften, wobei die Fremden immer freigehalten werden müffen,
und wenn aud fie gewöhnlich etwas bezahlen, doch die Einheimi⸗
J
’) 9. uſchakoff a. a. D. I. ©. 100. *6) General Padtewit
deldzug ꝛc. b. v. Uſchakoff a. a. ©. TH. II. ©. 121 u. e ern
\
Euphratfoftem; Arares, Quellfluͤſſe. 393
fhen gar nichts vergüten für Butter und Ouaztier, eine In ber
That fehr große Laſt if. W. I. Hamilton erwähnt eines gro⸗
Ben Steinblocks, der in einer Gegend des Eaftells auf ver Kante
Hege, und eine große Höhle in deſſen unterm. Ende eingemeißelt
zeige, mit vorfpringenden Hörnern an den Selten und oben. Er
hielt ihn für einen Altar (?) aus ältefler Heidenzeit; Nimann kannte
deſſen Bedeutung.
Der Spiegel des Saffan Talch-Zluffess!) an ver dortigen
Brüde liegt = 5140' Par. über dem Meere, das fünliche Ende der
Gehe nur 41 Fuß Höher, nämli = 5181; aber ver höchfte Pik
über der Feſte um 1703° höher, nämlich == 6843 über dem Meere.
Glascotts aſtronomiſche Beobachtung gibt die Stadtlage 39° 58
55" N, Br. und 41° 43° 30” Oeſtl. 8 v. Er. Der abfoluten
HöHe dieſes Araresihales ungeachtet find hier die Kornfelner noch
ungemein ergiebig, im Araresthale fol ver Weizen bier ven
10fachen, die Gerſte den 15fachen Ertrag der Ausfant geben. 5*)
Weiter, 2 Stunde oflwärts von Haffan kalah, am Einfall
feines Fluſſes zum Binghol Su, wo biefer Ießtere bei dem Dorfe
Yaghan aus dem Gebirgslande in eine Thalebene tritt, 3) hat
ve nun vereinigte Arares, Hier au Paſin Su, ver Fluß
von Bafin genannt, eine ſchon bedeutende Breite von 160 Schritt
gewonnen. Bel dem Dorfe Kupre Eieu over Kopri.Eol, dv. h.
| Brädendorf, auf feinem linken, nörplichen Ufer führt eine an⸗
kimlihe Brüde, die Tſchöͤban Edpri (Hirtensrüde ober
SHäferbrüde), zu vefien rechtem ober fünlichen Ufer hinüber, auf
die Straße nach Bayazed. Als I. Brant auf feiner Rückreiſe von
Bayazen Über die Station Deli Baba dieſe Brüde nach Erzerum
befiirte (19. Sept. 1838), floffen vie ‚beiden Ylüffe Haſſan kaleh
U Binghdol Su durch verfhienne Bogen viefer Brüde durch,
vereinigten fich erft unterhalb verfelben zu dem einen Araxes⸗
laufe, ver zu jener Zeit nur 100 Schritt Breite hatte, aber doch
girteltief war. 5*)
An der Nordſeite dieſer Brücke, auf fanft welligem Hügelboden
Bet dad Dorf Koprikkoi, und nur100 Schritt jenfeit die Ruine eines
Katawanſerai, im alten fararenifchen Bauſtyl von ſollden Qua⸗
a ————
N) Glaseott Map. etc. 1. c. X. P. TI. p. 41. **).J. Brant
learn. a. a. D. Vol. VI. p. 200. 2) 3. Morier Journey thr.
Persia, Armenia etc. 1808. Lond. 1813. 4. p. 817.
‘%)J. Brant Notes a. a. D: X. P. Hl. p. 480.
394 Weſte Aſien. TIL Abtheilung. I. Abſchnitt. $.34.
dern gut gemauert, Davon jedoch vieleß weggebrochen. Jede Seite
war. vurch vier. runde Thuͤrme vertheidigt. Der Süpeingang hatte
einen innern und. äußern Thorweg, beide ornamentirt durch ſchöne
Arabeöfenfculptur, und Die höhere Dauer nifchenartig ausgeböhlt, im
Form eines gothifchen Gewolbes. Noch fleht im Innern des Ge⸗
baͤudes ein fehr weiter, 20 Fuß Hoher gewoͤlbter Stall mit fünf
Reihen von Bogen auf jever Seite. Dies iſt einer ver Khame,
der auf der obengenannten Genueſenlinie erbaut geweſen ſein
fol. — ⸗
Der tief. liegende. Arares wendet: ſich von hier nicht wie die
Bayazedroute über Toprak kaleh gegen S.D., fondern vom Dorfe
Duzveren an. gegen. MO., wo an. feinem Norbufer die Lucke der
Kaſabah von Khorafan, ſchon von hier aus fichtbar, vie Route
nach. Rare zeigt, welche von ihm ablenkt und durch das Gebirg
des Saghanlu führt.
. Me Tſhöbanköpri wird von Ewlia 55) wegen ihrer
Bauart gerühmt, doch hat kein früherer Reiſender fle genauer be⸗
ſchrieben. Die verichiebenen Haupicorps der rufflfchen Armee, in
ihrem Anmarſch gegen Haſſan Talah, fließen bier zufammen, und
nahmen bier am 25. Juni ihr Nachtquartier. Dex Berichterſtatter
befchreibt daher dieſe Brüde, nennt fie groß, 56) ſchoͤn, fehr dauer⸗
haft, aus 7. höngemölbten Bogen beſtehend, ganz unbefchänigt, die
von Darius Hyſtaspis erbaut fein folle, (2) eine Sage vie ſchon
Kinneir?“) vom Sluſſe anführt, ven er nach Major Sutherlands
Bericht Aroſt nennt, aber fie irrig in die Stadt Haſſan kalah ſelbſt
verlegt. Der Ruſſe bemerkt zugleich, daß hier, von dem äftliches
kũhlern Gebirgalande herkommend, eine fo ploͤtzliche Berännerung
des Climas in nackter armeniſcher Hochebene mit fo unertraͤglicher
Sonnenhitze eintrat (20. Juli), daß um dieſe Zeit ſchon alles Grüsse
auf Belvern und Wieſen verbrannt war, und die Anſtrengungen
ver. biaher fo energifch thätigen und fiegenden Kräfte der ruſſt⸗
ſchen Truppen fichtbar zu finfen begannen.
. MW. 3. Hamilton, der aus Asia minor fam, begegneten hier
auf der Paſin⸗Hochebene bie erſten Ochfen, welche Laften trugen, >®)
eine Benutzung, bie im Wellen ungewöhnlich, von hier aber durch
2 v. . dammen Aſtat, Türk. Res Wiener Jahrb. 1821. Bo. XIV-
Ä B6. ‚8%).&, Paslewitſch Feldzug b. v. —8 I. ©. 123-
838 . Kinneir Geogr. mem. of Persia 1. c. p. 3323.
se) v. . Hamilton Asia minor l. c. I. p. 183, 106.
on
J
Euphratſyſtem; Atares, obere Zufluͤſſe. 395
ganz Iran und Indoſtan im allgemeinen Gebrauch cf; ihm begeg⸗
neten bier die er ſten, im Gontraft mit ben Moslemen. mehr nach
europäifch knapper Art angefleiveten und coſtümirten Georgier, mit
flrliedlichen Begrüßungen, die den Osmanen fehlen, eine Annäherung
an europätfches Weſen, das gegen den Kaufafus bin mehr und wege
freypant zuningmt.
Oſtwaͤris der fhbnen Brücke, die auch Tavernier kennt, un
abwärts des vereinten Araresflufies, verläßt uns faſt jede ſpe⸗
elelle Kenutniß feines Etromlaufes, wenigſtens in neuerer Zeit,
bit zu feinem Eintritt, am Verein mit dem Arpa tfhat, dem türs
kiſch⸗ruſſiſchen Brenzfluffe, in bie Araxesebene bei Kulpis
Salzbergen, two wir ven Araxes ſelbſt erſt wieder an feinen Ufern
entlang begleiten können, während wir Hier nur zu feinen Zuflüffen
und beren Gaulandſchaften unſern Wegmelfern folgen müſſen.
Nur von feinen obern Zuflüffen, und zumal von biefem be—
dentendſten ber nördlichen Zuflüffe, ver am Saghanin: ent⸗
freingt und durch das berühmte: Thal ver KarsKefte feinen un⸗
gemein gefrümmten Kauf gewinnt, ehe er oberhalb Kulpi bei Habft
Bolramlu zum Araxes, als defien Imker Zufluß, einfällt, und ver
an ihm hinführenden Gebirgäpafiage haben wir ganz kuͤrzlich erſt
einige dem obern Stromgebiete des Araxes zugehörige lehrreiche
Daten Überliefert erhalten. Das Araresthal feibft fcheint, in neuen
ter Seit wenigſtens, niemals in jener uns ziemlih unbefannt
gebliebenen Strede, von einem europälfchen Beobachter durch⸗
wandert zu fein; ja von einem bort Ginhelmifchen finden wir
kat zu Tage, wie doch fon zu Taverniers Zeiten, eine an
kinen Ufern unmittelbar hingehende Monte bezeichnet, weiche auch
Ve Heeres züge vermeiden, da die große Karawanenſt raße fich
nehr ſüdwärts abzweigt, einen Paß der Akhbulak⸗Kette ober
halb Toprakh kaleh überſteigt, und an einem Nebenzweige des Mu⸗
tabfluffes, dann durch deſſen Thal aufwärts über Diyadin nad)
Bahazed und Erivan führt. Schon Tavernier (1655) 9) be
wett, daß Die Arzerums Karamanen gewöhnlich zu Tſhöban Bpri
ein oder zwei Raſttage zu ihrer Erholung zu halten pflegen, weil
bir der Doppelweg fich fpalte, ver Südweg megen des
Araxes, der mehrmals ſehr beſchwerlich zu durchſetzen, und we⸗
den des dort boppelten Soues gern vermieden, und die Nord
209) J. B. Tavernier Six, voy. l. c. ed. 1718. 8. Tom 1.
‚2. '
396 Weſt⸗Liſien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 34.
zoute über Kars, obwol fie länger und mühſamer, doch vorgezo⸗
gen werde, weil man da von der Kameellaſt nur die Hälfte des
Zolles wie auf der andern zu tragen habe. Durch ihn allein, der
damals auch nicht vie Süoftraße über Vayazed, ſondern eine directe
Mitteliraße zwifchen Kars und Bayazed nach Erivan, im
Araresthale entlang, über Khagizman nahm, haben wis einige
Notizen über dieſes Iegtere erhalten. Wol bie Beſchwerde, welche
die wiederholte Durchfegung des wilden Arares gibt, mag bie Ur⸗
fache der neuern Vermeidung biefer Mittelftvaße fein, überhaupt
größere Wildheit bed. Landes, wenn. wir. nicht. blos die Grenzver⸗
hältniſſe und die Uinficherheit durch räuberifche Kurven als die Ur⸗
fache dieſes durchgehenden neuem Mangels von Erkenntniß dieſer
gocalitäten annehmen wollen.
Die armentiche Geographie weiß bier auf der ganzen Strecke
des obern gebirgigen Araxeslaufes von deſſen Südſeite keinen
einzigen Zufluß anzugeben, und eben ſo wenig von der Ararat⸗
ſeite, ver Hochebene, bis zum Maku⸗Fluß, over dem Alſas, ven
fie Deghmod nennt, und von dem wir ſchon oben geſprochen
haben (ſ. ob. ©. 337). Der ruſſiſche ſtatiſt iſche Bericht über
das Paſchalik Kars 60) nennt Hier allerdings 7 verſchiedene Flußna⸗
men, von denen uns jedoch nichts Näheres geſagt wird. Sie heißen
1) Demurkami, 2) Kabut, 3) Baſyrchan, 4) Shighin-
dara Su, 5) Mamakar, pie insgeſammt dem Achbulak⸗Ge⸗
birge entquellen jollen; 6) ver Ach tfhai, vom Berge Sarbaba
fommend, und 7) ber Infha fu, der auf dem Kiur- ogly (jener
oben genannte Räuberberg, Keuroghlu dagh) entipringen fol. Der«
felbe Vericht kennt dagegen von ver Nordſeite nur 2 linke Zus
flüffe mit Namen, die bei andern nicht vorkommen, nämlid: 1) den
Bajan Su, vom Adıbaba kommend, ver oberhalb ver Salzgruben
von Kulpi in ven Arares falle, und 2) ven Tſhinghäua vom
Jag ly dſha entfpringenn, der und ganz unbefannt if.
Dagegen führt vie armenifche Geographie folgende linke over
ndxoliche Zuflüffe zum Araxes von größerer Bebeutung an, bie
fit) auch in andeen Berichten wieder erkennen laffen.
Ungerbalb des Arared-Dereind:
1) Den Murts, in ver Provinz PBafin (Moses Khor. hi-
stor. Arm. Lib, u. c. 62. p. 185: in provincia Basenia, quo
u us Der Tiflis Zeitunge u. Petersburger Zeitung. 1830. pril
Ma
*
—
Euphratfgftem; Arares, Zufluſſe; der Kars tſhal. 397
is loco Marsius amnis et Eraſsches confluunt etc.), an beifen
, Yufammenfluß Balarfes, Sohn des Königs Tigranes, von feiner
Mütter auf dem Wege zum Winterlager nach Ararad, die von ben
Rutterweben überfallen warb, geboren wurbe, und fpäter daſelbſt⸗
ver Gehurtöftelle zur Erinnerung, die große Stadt Valarfavan
baute Dies iſt wahrſcheinlich der Mufis bei Plinius, ver
deſen oben Lauf des Araxes kennt (Araxes eodem monte quo
Esphrates, VI. mill. passuum: iatervallo, auctusque amne Musi.
Pin. H. N. VI. 10), aber auch nur bis zu dieſem Zufluß, ben
Et. Eroix mit dem weiter abwärts folgenden, dem Arpa tihat,
verwechſelt Hat. St. Martin) weiß ihm noch feinen neuern
Namen anzuwelien; bie neuere Kriegägefchichte hat uns fo genau
mit dent bortigen Khan tfhal,. ver. vom. Suͤrweſtabhange des
Sıghanlu herablommt, bekannt gemacht, daß wir nicht daran
zweifeln kdunen, ihnn mit dem Murts zu ibdentificiren. |
2) Der Kars tfbat, Fluß von Kars, oder Alhurean;
ve Arpah tſhai. Der zweite linke, weiter abwaͤrts darauf fol»
gende, weit beveutendere Zufluß iſt der AUlhurean der Armenier
] (nlgair‘ Akhura, Ahuran), au Kareked oder Kars tſhai, bi
I FIluß von Karg, ver alfo unverkennbar nicht fern vom vorigen
auf dem Sudoſtabhange vefielden Saghanlu entfpringt, in großem
5 enboftwärts gehenden Bogen an. ver berühmten Stadt: Kars vor.
iüberzieht und unterhalb verfelßen ven Ablauf aus dem Palagat⸗
ſit See (gewöhnlich Phalath, au Balagatfis ver. Armenier, 2)
vd. der Nord ſee, Tſhildyr EHI der Rufen) 8) aufnimmt,
weicher bei den Armenien Rhah heißt. Diefer nur in ber arme⸗
uſchen Giftorie erwähnte, aber. fonft noch. unbelannt gebliebne
Ypen-Gre tritt erſt in ver letzten Kriegsgefchichte hervor, wo in
der Bitte des Juli 1828 das ruffljche Kriegäheer mit feinen Be⸗
Igeungögefüg auf dem Marfche von Gümri und Kar nord⸗
wirts mach der Feſte Achalzik, an ihm vorbei, über das ihn umgen
bende Gebirg Tſhildyr, eine nörbliche Fortſegung des Saghanlu,
m, und an dem Gras reichthum ſeiner Ufer treffliche Nahrung
für die Pferde, in vom Fiſch reichthum feiner Waſſer und. Zuflüfſe
fir die Menſchen vorfand, 9%) deshalb an ihm ſein Lager hielt, in
in waſſerreichen Umgebungen aber zum häufigen Brücdenfälagen
“‘) L St. Martin Mem, sur PArm. I. p. 39. *?) Ebert, p- 29, ®.
‘ soul al Baetenitie deldzug 1828. b. v. uigatofl I . ©. 228.
398 WeitsAflen. III: Abtheilung. I. Abfchı
gendthigt war, um nur fortgulemmen. Zeiten: fünaflı
ber ſo durch nen Seeabfluß bereicherte Fluß von Rı
nen bedeutenden Gebirgoſtrom auf, der direct im Nord
Pleinen See, Arpa ghoͤl, entipringt, den St. Martin
ven St. Croirx wit dem. weit größeren weftlichen Pi
wechſelt bat. Erſt von ba zieht er an der Weſtſeite d
Paſſes, deſſen: Gebirgadamm er im Tiefthale durchſchne
Ser Feſtung Gümri vorüber, wo ex: unterhalbderſel
Fluß von Kars einmündet. Es iſt der Arhp'ha
Armenier, ‚ver Arpah⸗tſhai oder Arpa-Su, d. h
fluß, der heutigen türkiſchen Bewohner. An dem von
vereinten Kar aſtrome mit-dem Arpah, der nun
Arypa.sfhat auch mol beibehält, liegen auf deſſen weit
linkem Feldufer die großartigen Ruinen der berühm
armeniſchen alten Stadt Ani, deren Wiederentdeckur
Porter und W. Hamilton vernanken (im 3, 183
ver ſeit Zenophons Zeit, denſelben Namen Harnı
naoog, Xen. Anab. IV. 7, 18) trägt. und auch damals
Huß, gegen Südoſt zum Araxes (d.,i. Phaſis ‚bei Xeno
zwifchen den Chalybeern und Scythinen war, von. bei
chentorps nach/ver Verirrung nach Gymnias 60) retrog
ſelbe Strom iſt es, der noch heuie als Grenz ſtrom
türküiſchen und ruſſiſchen Armenien nur nach 3
Ten (26 Werſte) 66) :fünwärts, 2 Stunden vom Dor
fich zum Arares ergießt und an dem. Fuße des am
gegenſtehenden, auf dem Südufer des Arares gelegenen,
ges Kgache mit ben nun ſchon vereinten Waſſern des
prallt. An dieſer Einmündung des Grenzſtromes lie
daburch gebildeten ſpitzigen Landwinkeln, auf den. dort
ben des nörblichen Araxeſsufers, die. Ruinen der alten
Städte Erovantagern (over Aktcheh⸗kalaa der. Türker
türkifchen Dorfe Habji Beiramlu (Apjibayram der ruff
von Weſtufer des Arpa tfhai, und ihr. gegemübe
tabad (Erovaniafhan bei Mof. Khor.) auf ;nefle
Deren Wiederentdeckung wir Ir. Dubois im 3,1834
53) Der Fluß von Eifhmianzin, Kharfall
over Karpiſtſhai. Der Dritte öftlichere. linke Zuflu
. 166) J. Rennell Dlustrat. l..c. p. 225, 234, Al.
hois Voy. L e. 1 p. 436.
“
- — — — — ——— —— — —
Eupbratfuften; Arages, Zufläfiejber Karpi tſhai. 399
208 weiten abwärts iſt der Fla ß von Erfhmtanzin;. er Hei
Kihafagh 67) Hei Armeniern, vulgair nah heute Kharſakh aper
Kehatſalh, ergießt fih aus ven Arakadzbergen, die. bei Türken
und Aufien Alaghez, auch Aliguz gemannte 12,000 Fuß babe
Bergfette ,. von welcher auch wie. fünlich anliegenne Ebene bei. Arme
nern den Namen Aralapzenn ®) (d. i. Fuß des Arakadz)
kißt. Der Blu wien: bei den Ruſſen Abaran, oder nach eis
an: ihm liegenden kleinen autiken Oriſchaft Barps ‚ober Karpi,
We aber. durch ihre vielen Käfer: °9) in älterer Zeit berühmt war,
auch gewohnlich Karpitſhatrgenamt; er sieht. ganz nobe im
VWeſt des Moſters Etſhmiadzin vorüber, wird aber. durch, die Kultur
in.fo:siele hundert Canale 70) zextheilt und fein Waſſer dadurch auf
ven Kloſterländereien und des Umgebung fo ganz aufgebramdt, daß
6 das Urazetufer gar nicht: einupıgl erreichen Bann; ein kleines Ne
Imfläßchen an feiner. untern Weſtſelte, das aus einem Fleinen Ber,
Aigher Ghul (Hengfi- Ser), in: ganz kurzem Lauf mit feinen
übgelekteten. Canaͤlen fich vereinigt, ifl ver Kara fu, per aber. mit ap
m: ‚glektämamigen auf dem Südufe bes Arares nicht zu verweqh
ſcin iſt.
4) Der uf von Geivan, Stastlan. a). an Hurt.
van (Rhazdan b. Mof. Khor. ©. 34, 102) der Armeniex, gegen
mäztig gewöhnlich von einer geringen Stadt, vie er beſpült, Ban
gufen Ed. i. Fluß von. Zengi), daher bei Türken Zengy jui,
Zeng oder Seng, oder auch Brfhnoi-pihur Ch. i. Waller von
Peſhai) genannt. Gr iſt der wefkliche Ablauf bed großen Sevan⸗
Sees, der bei Türken und Armeyiern. „dad blaue Meer” (Kur
tſheh Darin ober. Kuktfbeh Tengis), daher offenbar in ver
Bulgairſprache Baktfhat, heißt, auch ſüßes Meer (Daria Shi⸗
rin), im böchften Algerhum bei Armeniern aber nad einem: pa⸗
triarchalifchen Könige Kegham⸗See hieß, auch nad einem am
Sudufer gelegenen; ;: durch chriſtliche Heiligthümer geweihten Ufer⸗
gaue Keghark'huni. Rufſſiſche Karten Hatten dieſem Fluſſe frü⸗
ber einen’ andern Urſprung gugeſchrieben. Er beſpült die Haupt⸗
fadt. Terſarmeniens, Exrivan, je in Ruſſiſch· Armenien, die an
ſenen Felsufer erbaut iſt.
9) Der Kerhni tſhai Gerneiſqet ver Rufen), 0
*7) 3. St. Martin M&m. =. PArm- I. p. 88, 114. .**) ebend. I.
ı9. 14, 326. ° °*) Eug.Bore Correspond. I. p. 39. . °9% Fr.
-'Dabeis. Vay. I. p. 418. . °') J. St. Martin 1 c. p- 40, 61.
300 Weflsffien. III. Abchrilung. I. Abſchnitt.
Fluß ver alten Armenter, 2) iſt doſtlich vom vorigen, in gi
Entfernung von ihm, und mit ihm parallel zum Arares fl
Seinen Urfprung ulmmt er in den wilden baſaltiſchen Felsg
am Sũdufer des Sevan⸗Sees, um bie wiln romantiſchen Bel:
des beruͤhmten antiken Kloſters Kleghart, 72) und firdmt '
Elippigen Felsthaͤlern an den großartigen Trümmern der do
ſtigen Prachtſtadt, der großen Karhni mit der Ruine des
thridates⸗Ahrones, 7% vorüber, ergießt ſich aber fchon ı
nach einem kurzen, nur etwa 5 Stunden (20 Werft) langen
nabe Atbafh,:teine volle 4 Stunden (16 518 17 Ward) far
Erivan, nachdem er hier die letzte Yelsfchlucht durchbrochen 5
die Araxesebene. Ob ver früher genannte Azad, welche
Medzamor (vd. h. Moraft) Hieß, an deſſen Zufammenfluß m
Araxes die antike Ardafhad (Artaxata) von dem Kar
Hannibal erbaut mwurbe, ver fo eben genannte Karhniſtſh
war, mit dem ihn St. Martin iventificist, ‚bleibt noch un
da die wahre armenifhe Stadt Tovin, 7%) die an feinem
Laufe gelegen war, noch nicht wieber aufgefunden iſt, un die‘
mer von Artarata, welche man dafür zu halten geneigt fein ı
viel weiter im Oſten, ſowol vom: Karhai:fhal. wie ‚vom he
Arares »lifer entfernt lieggen.
Außer diefen 5 nörblichen oberen Hauptzufläffen
weiter abmwärt® noch mehrere andere aus ven Provinzen von S
und Khapan zum Arares, wie die Fläffe: von. Nakhidſhe
Megri, Orodn und andere, jedoch nur. von geringerer (
noch oberhalb des Araxesdurchbruchs, an feinen bedeu
Wafferfüllen (K’haravaz oder K'haghavaz ver Arn
Arasbar ver Türken), unterhalb welcher € er in fein mittlere
unteres Stufenland eintritt.
e) Die Gebirgsopaſſagen des Saghanlu Dagh zu
obern Karstſhai.
Wir kehren nun zu ber genannten Aſhöobau köpri
Ara ee zurück, von welcher aus fig die Brei 5a
Routen gegen ven Often fpalten.
1) ‚Die Süproute über Dei Baba und ven 8
772) J. St. Martin M&m..l c. L p. 41. En Debois
nf. p.391. 790) ebend. III. p-335 exe 759 J. St.
Mém. I. p.117. ’e) Fr. Dubois Voy. Ill. p. 408, 405 ı
Euphratſyſtem; Mittelroute am Araxes. 401
Dagh⸗Paß nach Topra kaleh und Diyadin, von der wir
ſchon früher das hierher Gehoͤrige von Diyadin bis Bayazed und
weiter zum Arares geſagt haben (ſ. ob. S. 337), und zu ber wir
heim obern Laufe des Murad zurüdfchren werben. |
2) Die Mittelroute im Uraredthale entlang, über Kha⸗
gizman (Raguisgan bei Tavernier, Ragfeman nad v. Ham⸗
wer) bis Etſhmiadzin, von der wir nur allein bei Tavernier
belehrende Nachricht finden, und
3) die Norproute, durch das Akhurean⸗Thal, an Kar
verüber, zum Karpi thai und zum Araxes bei Etſhmiadzin.
2) Die Mittelroute über Khagizman durch das Araxee⸗
thal (nach Tapernier, 1655). 7) .
Diefe directeſte Route von Arzerum bi8 Erivan ward zu
Tavernier’& Zeit gewöhnlich von den Karamanen in 12 Tages
märichen zurdicgelegt, auf denen Die viermal wieberholten Durch⸗
kungen des Araxesfluſſes, mie der Drud der Grenzzollſtation zu
Khagizman, zwifchen dem türfifchen und perflfchen Reiche, vie
baupthemmungen und ‚Schwierigkeiten gewefen zu fein fcheinen, die
Ban durch. bie beiden nörplichen und fühlichen Seitenrouten hat ver»
Biden wollen. Die Neihögrenze wurde damals, Mitte des 17ten
dahrhunderts, zwifchen dem Großfultan und dem Nerſer⸗Schah, mie
heute gegen Rußland, durch den Arpatfhai, im Oſten von Kha-
fyman, gebildet. Das ganze auf diefer Mouse zwifchen den Aras⸗
ud Kars⸗Flüſſen liegende Gebirgsland war damals, mie e8 ſcheint,
uch ganz frei von den kurdiſchen Ueberzüglern geblieben, die
ka Murad und Araxes noch nicht nordwärts überfchritten zu ha⸗
um vum Ten
,rRarTmm
Raubparteien und zahlreich verbreiteten Hirtenflämmen gegenwärtig
bie verheerende Pet dieſer durch fie fo unfichern Landſchaften ge⸗
werden iſt. Jene Landfchaft, fagt Tavernier, war zu feiner Zeit
sur von armenifchen Chriften bemohnt und von fehr wenigen
Aubamebanern , die freilich die Obergemwalt hatten und jene im
Drug Hielten. Zwiſchen ver türkifchen und perfifchen Brenze
hatten. ie Berfer nach ihrem politifchen Syſtem jene aufblühenve
Gemzanfieslung immer wieder abfichtlich zerftört, um einen Wü⸗
knfaum von 6 HE 8 Tagereiſen Breite als ven beſten Schun
— —
Haye 1718. 8. T. I. p. M-28.
Ritter Gepfuade X | ec
") 5. B. Tuavernier, Six voyages en Turquie, Persie etc., & la
den fcheinen, während viefes kriegeriſche Volk in feinen kühnen
®
404 Weft:Afien. : TI: Abtheilung. I; Abſchnitt. $. 34.
ver Im Jahr 1700 dieſelbe Route zurücklegte, gibt feine localen Be⸗
Adgreibungen,. um ihn Schritt für Schritt begleiten zu können. Wir
erfahren von ihm .nur, daß er mit einer Karawane von Kaufleuten,
Davon etwa 200 gegen bie Raubüberfäle mit Waffen verfehen wa⸗
zen, von Arzerum in 7 Zagemärfchen, nom 6 bis zum 12. Juli,
bis Kara vorrückte. Ohne beſondre Stationen mit Namen zn nen-
nen, bemerft er nur, daß er erſt am 4. Iagmarfche die fchönen
Pinuswälver des. Gebirgd erreichte, in deren ergdglidyen
Waldſcenen er ginige Tagereifen nad) jenem Marſch über vie
ſchon verfengten Hochebenen des Araxesthales fortfchritt.. In jenen
Ebenen bemerkte er feinen einzigen Baum, aber guten Korn-
bau. und treffliche Bewäflerung der Felder, ohne welche die
Saaten durch die Sonnenhige verbrennen würden; um jo mehr fiel
e8 ibm bei der flarfen Tageshitze auf, daß zu gleicher Zeit doch
noch vie. benachbarten Hügel ihre Schneedecken trugen. Ihm war
Die Natur eined Trockenclimas, das hier ven Continent dyaracteri-
fit, im Gegenſatz eined feuchten maritimen. Climas, wie es
ih ſchon auf ven Infeln des Archipelagus, von denen er eben her⸗
fam,- zeigte, noch unbelannt. Aber er fuchte nach Erklärung der
daraus hervorgehenvden Grfcheinungen. Auf ven griechifchen Infeln,
wo es nur im Winter regnete und im Sommer die Hitze des
Sonnenftrabls felbft, wie er bemerkte, die Erde calcinirte, hatte er
doch die fchönjten Getreivefluren gefunven, während bier der arme
nifhe Boden ohne fortwährende Irrigation gar feine Saat nur
auffommen laffe. Derjelbe nährende Saft, meint er, fünne daher
nicht jedem Boden in gleichem Maaße zugetheilt fein, und jene
Snfeln fchienen ihm dem Kameele vergleichbar, dad fih nur einmal,
aber für lange folgende Zeiten vollſäüft. Er dachte nicht an bie
immerfort feuchte Atmoſphäre, welche die In feln fortwährenn ums
ſchwebt, die aber dem Trodenclima fehlt, und glaubte vie Er-
flärung. darin zu finven, daß der armenifche zu falzreiche Boden
mehr Wafler empfangen müffe, um vie Salztheile zu zerflören,
welche. fonft den Wachsthum ver zartefien Pilanzenwürzelchen
hemmen würden.
As. Zournefort nun aus feinem. beißen Araresthale in die
Walvregion des Saghanlu Fam, fand ex, daß, nachdem er in ven
Ebenen die jchönften blühenden neuen Kräuter gefunden, das Gras
erft zu fprofien begann (am 6. Buli), und daß ſelbſt in dem
fo ſchönen ſchwatzen, fetten Boden im Thale des Karstſhai das
Korn erſt fußhoch gewachlen war. Am Tage war es unerträglich
Euphratſyſtem; Nordroute am Karefluß; 405
heiß und die Nächte hindurch fror ed an allen Quellen noch Eis⸗
zapfen. Die Bflanzen, fo viel weiter im Süden, waren doch
nicht weiter vorgerüdt, als die Flora zu Paris im April ed zu fein
pflegte. Ia, was ihn noch mehr in Verwunderung fehte, gar Feine
neuen Kräuter fand er hier, ſondern diefelben Malven, Planta-
gos, Parietarien, Thalictren u. a. m, vie ihm jchon in Frankreich
fo befannte Kormen geweien. Auch das Höhenflima mit den
verwandten Floren war ihn, wie dad Gontinentalclima,
eine damals noch unbefannte Erſcheinung. Dabei fiel e8 ihm fchon
fehr auf, Daß da, wo ver gar nicht ſchwere Boden gepflügt
ward, zum Ziehen der Kurden, die doch nicht tiefer als in Frank⸗
reich gingen, nicht”? und 4, ſondern ſtets 10 bis 12 Paar Büffel,
und jedes Paar mit dem Knechte zur Seite, nothwendig ‘waren, um
durch Den harten außgetrodneten Boden nur in die Tiefe zu kom⸗
men, was auch durch neuere Reiſende 82) beftätigt wird.
Mehrere treffliche. Beobachter neuefler Zeit: Ker Borter
(1819),9) I. Brant (1835) 8) und ®. I. Hamilton (1836),85)
jo wie die jüngſte Kriegsgeſchichte, find es, deren lehrreiche
Darſtellungen ganz vorzüglich uns in Stand ſetzen, dieſe Gebirgs⸗
paſſage zum erftenmal faſt vollſtändig zu erläutern.
Erſter Tagmarſch nah Khoraſan (10 Stunden). Vom
Kan Tſhoͤban köpri verengt fich die Straße bald, auf kurze Strecke
zu einem Engpaß, zwiſchen dem Aras rechts, über. nen Die 7
Bogen reiche Brüde nach Diyapin ablenkt, und ben hoben Ufes-
bergen von Sandflein zur. Linken. . Das Araxesthal weitet ſich! aber
shwärts bald wieder, ünd nur nievere Allunialhügel aus Kies und
Send von ſüßen Waflern aufgeſchwemmt, Anfang Junt mit: ven
hönften Blumen, zumal Orchis⸗ und Irisarten gefhmüdt, bes
gleiten die Nordſeite 8 Stunden weit, bie zur erſten Etation
Khorafan. |
Zweiter Tagmärfh nad Baͤrdes do Stunden.) Auch
den zweiten Tagmarſch von Khoraſan nach Bardes (10 St.
Wegs) Hat man nach erſter Stunde aus derſelben bene gleich
artig aufgeſchwemmte Sandhügel aufzuſteigen, deren Rüden
aber, in vollkommen gleichem Niveau, der vielen ſchroff cine
22) W. Ouseley Trav. IH. p. 456. 22) Ker Porter Tray. Ik
p. 649— 662. : 1) ). Brant Journey 1835, in Geogr. journ.
VI. 1836. p. 198 — 200. ua W. J. Hamilton Asia minor, L
p. 186
406 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $.34.
ſchneidenden Schluchten und Einriffe ungeachtet, welche fie durch⸗
furchen, nur eine Plateauebene barbietet, mit volllommen hori⸗
zontaler Lagerung von Sand, die mit zahllofen zertrümmer-
tm Muſchelſchaalen (Mytilus und Avicula und wenige Fleine
Univalven) esfüllt, ſammt ven ‚horizontalen fchon früher an ihrem
Buße bemerkten Waffermarfen, die Vorflelung eines bier der⸗
einſt geſtandnen, aber. verfchwunnnen Süßwafferfees beflätigen.
Wenn die Uraredebene am Zuß niefer Hügel fihon mit Ba⸗
falt und Lavakieſeln überflreut war: fo ift es merkwürdig, daß
diefe fandige Plateauebene mit vielen Bruchflüden eines bem
fhwarzen Obſidian ähnlichen vulkaniſchen Glaſes ganz
überfireuet war, ein Zeichen, daß auch wol vukkaniſche Bildun⸗
gen an jener Trodenlegung ver Plateauebene ihren Antheil gehabt
haben. | |
Der Weg erhebt ſich nun gegen Nord, ven oſtwaͤrts ziehenden
Araredlauf verlaffend, über mehr wellige, nicht alpenartig mit
Orasdteppichen liberzogene, fondern nur mit jegt blühenven Blumen-
kraͤutern gezierte Berge, die in wenigen Wochen fpäter fonnenver-
brannte nadte Gehänge varbieten, hinweg, um dann zum engen
Thale des Kara Su (Schwarzwaifer) hinabzuſteigen. Ehe
man zu diefem Fluſſe gelangt, muß wol vordem bort das Dorf Be⸗
drowa s 86) gelegen geweſen fein, pad W. Ouſe ley paffirte, wo er
5 mufemännifche Tempel, 2 armenifche und 3 griechiiche Kirchen
fand, und in der Nähe, auf der Grenze des Arzerum und Kara Pa-
ſchaliks, Die warme Heilquelle, die ihm mit dem perfifchen Na⸗
men Abigarm, d. i. „heißes Waffer,” genannt wurde. Ker
Porter nennt es ein Schwefelbad, nahe dem Zebinfluß. Der Name
Kara Su iſt bekanntlich eine jener allgemeinen. türkifchen Benennun-
gen von Bergwaſſern, die hier unftreitig auch vemfelben Fluſſe bei⸗
gelegt wird, den der rufjifche Kriegsbericht Khantſhai nennt
(Murts ver Armenter, ſ. ob. S. 396), und weldyer ſich erſt etwas
oftwärts unterhalb Khorafan, nach ver rufflfchen Karte, auf ver er
jedoch namenlos geblieben Ift, in den Araxes einmündet. Hamil⸗
ton erwähnt deſſen Mündung nicht, ſondern trifft erſt einige Mei⸗
len landein zu deſſen Gebirgolauf, wo er im engen Thale von N.W.
reißend herabflürzt, und überſetzte, eine Viertelſtunde im bufchigen
hal aufmärtd gehend, die über ihn führende Brücke, alfo zu deſſen
öftlichem over Anken Ufer hinüber, um den fehr ſteilen Berg aus
786) W, Ouseley Trav. III. p. 459; Ker Porter Tr. II. p. 660.
u u
- Euphratfpflen; Rordroute, Saghanlu dagh. 407
yorpbyritifhen Trappgeflein, viidhen ver Kara Su um-
laufen mußte, zu erſteigen. Schon nach Der erfleh Stunde Auf⸗
feigen® wird der Gipfel der Kette arrdicht,. und Hnfs in ſteiler
Ihaitiefe der Rara Su in feinen Windungen wieder erblickt, zu
der man auch. an wem Dorfe Hadeh vorüber, in 14 Stunde wie
ver bimabflieg. An der unteren Beruhrangblinie ver Trappichtch-
ten mit anderm Geftein lagen ſehr viele große Blöcke einer gelben
jatpisähnlicdhen Yeldart, welche Hamilton al& eine durch Schmel-
zung umgeänvderte (gleich der bei Koula und Burnubat) erfannte.
Das jenfeitige Felöufer des Kara. Su zeigt ne Caftellruine
(wahrſcheinlich Medfhingert. ned. ruffifchen Armeeberichts, (2) dns
Medſhnekerd 87) der Türken; bei Hamilton bleibt fie namenlaa).
®. Dufeley®) zog an ihr ebenfalld vorüber und bemerkt, Daß
vie Gegend ſehr romantifch, vol Hügel und Thäler, Ylüffe und
Walver, aber auch voll Räuber ſei. Sie Hegt auf, dem Gipfel, iſt
ſehr maleriſch; dieſer iſt in phantaſtiſche Zinken und: Zacken zer⸗
riſſen, die, fo wie eine aͤhnliche Kette von Kegelbergen, vie. einen
großen Theil ver Höhen zur rechten Seite beveskte, leider nicht näher
mierſucht werben konnten, weil die Gegend burch Kurbenräuber. zu
unſicher war. Ihre Geſtalt ſchienen ſie dem verwitterten Trapp⸗
tonglomerat oder der Vulcanbreccie zu verdanken, bie ihrem
Hauptbeſtandtheil zu bilden ſcheint. Bei der zweiten Erreichung dieſes
Kara Su (Khan iſhai) ward fein Engthal 14 Stunden lang em⸗
porgefliegen; des Stromes vielfache Windungen mehrmals durch⸗
ſedend, wurde endlich das Dorf Kara Oran over Kara Odman
erreicht, deſſen Bewohner vorzüglich mit dem Waldfchlag und dem
Helziransport dieſes Waldgebirgs beſchäftigt find, das hier
Saghanlu dagh bei Hamilton, Suvanli dagh bei Brant, Sa⸗
ganluk oder Saganlugh des ruſſiſchen Armeebtrichts genannt
wird. —
Bei der Unficherheit durch Kurden fonnten die Reifenden. im
Dorfe nur einen einzigen Bauer ald Wegweiſer und Escorte nach
Barpes finden. Gleich oberhalb dem Dorfe bat der Fluß fi
durch wie Mitte eines Spaltes hindurchgewühlt, ver die Trapp⸗
wand 89) durchſetzt, die ſich weit von Oſten gegen Weſten auddehnt.
Jenſeit deſſelben führte der Weg im Gngfpalt am rechten ufer
u. v. Gammer »Purgftall Afiat. Türkei. Wiener Jahrb. 1821. B.XIV.
©. 34. **) W. Ouseley Trav. III. p. 459. u W. 3. Hamil-
ton a... 0.1. p- 188.
108 Weſt⸗Aſien. IH. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 34.
zwiſchen vorfpringenden Maffen von Trappconglomerat bin. Der
Fluß zweigt fi bier in 2 Ströme, deren einer von N.D. herab⸗
kommt, der anvere.von N.W.; nach Lieberfeßung des letztern fleigt
der Weg zur Felskette zwiſchen beiden Flüſſen empor, und führt in
der erften halben Stunde an den Ruinen eines alten vieredigen
Baued, von großen Quadern In cHelopifchem Style ausgeführt, vor⸗
Uber, der am Rande eined Abſturzes einft eine Schugwehr bildete.
Weiter. aufwärtö verändert fich die Lanpichaft in ein fchwarzes mo⸗
raſtiges Hochland, Über deſſen ebenere Oberfläche eine große Menge
von Trapp⸗ und Trachytbläden zerfireut umberliegt. Auf ver ent
gegengefegten Seite des Thals gegen Dft, eine Stunde fern, zeigten
ſich auf einer Steilhöbe die Trümmer eines andern großen Caftells,
das einem Kara Oglan Bey gehören follte, und auf denſelben Hö—
Sen traten Wuldgruppen mit pastähnlichen grünem Landſchaften
zomantifch hervor, währenn ber erfliegene Berg noch ganz nadt une
* war. Nach 2 Stunden Hitt auf dieſen wilden Höhen wurde
die erſte Wasferfcheide des Kara Su. überfliegen, und auf
einem Gteilpfade nach eines Stunde. Wegs gegen Rorb das durch
einen andern Fluß, ben gegen Nordweſt fließenden Bardes Su,
wohl bewäßferte und befannte vochthal der Stadt Bardes er⸗
eich. —
Wenig Blume Randen auf ben Bergen umber, nur Nadel⸗
Holz (firs), und eine anbere hohe Kette jenfeit Barbed war mit
Säulenbafaltfuppen befeßt. Das Stäptchen felbfl, von ben
Ruinen eines Caſtells in feiner Mitte Iberragt, Sultan Suleiman
kaleh genannt, ‚behersicht ven Gebirgspaß und die Brüde des
Stromes (Afhurean ?), der hier von D.SD. gegen W.N. W. fließt.
Die 300 Häufer des Ortd find nur von Türken bewohnt, deren
Hauptgefchäft In Berfertigung von Holzwaaren, zumal von Hölzer
nen Bienenftöden beſteht, aus dem Böhrenholz (fir) des Saghanlu
dagh. I. Brant, der venfelben Weg, aber von Kars aus gegen
Weſt nahm, und durch ven Waldreichthum des Saghanlu
überrafcht war, fchägt die Paphöhe, die man nad ihm leicht
für Laſtkarren fahrbar machen fünnte, auf 3500 Fuß Höhe über
dem Meer, ®) was. vielleicht als zu unbedeutend gegen die Flußhöhe
von: Haffan kaleh, die 5140 Fuß hoch gefunden wurde, erfcheinen
möchte. Sehr beveutend Höher vürfte fie wol nicht geihägt werden,
wenn man bedenkt, daß es der einzige Walvberg in der ganzen
100) J. Brant Journ. a. a. .D. VI. p- 200.
Eupbratfoftem; Nordroute, Saghanlu dagh. 409
umliegenben meiſt baumloſen Gegend von Bedeutung iſt, und daher
wol nicht eben zu den Gochgebirgen zu rechnen ſein wird, wenn
fhon das fleile Auf- und Abfleigen an ihm fehr beſchwerlich if.
E iſt es, der fomol Kars wie Erzerum allein mit Zimmer-
holz und Brennholz verfehen Tann, der ganz vorzüglich vie
großen Balfen und Stämme zu dem ruffifchen Feſtungsbau ber
Grenzflapt Gümri 9) liefern mußte, wobel die Bauern zur
nentgeltlichen Arbeit des Waldſchlags und Transportes vom hab⸗
ſichtigen Paſcha von Kars gezwungen wurden, während er bie 70000
Yucaten, weldye Rußland vafür bezahlte, in feine Taſche ſteckte
Yefer Saghanlu iſt durch bie jüngften Siege des ruſſiſchen
deeres unter Generalfeldmarſchall Paſskewitſch zu einem claſſi⸗
den Boden geworden, weil durch ſie die ſchnelle Einnahme von
Arzerum möglich wurde, und ber ganze Feldzug von 1828 und
1829 feine entſcheidende Wendung bier gewann, (davon f. unten).
Barnes ift das Bardus des türkifchen Geographen Cwlia, ein
Schloß 22) von Kerimeddin Khatun, der Tochter Aſeddins, des
herrſchers der Familie Akkojunli erbaut, wie dies eine Inſchrift über
dem Thore des Schloffes, nach Ewlias Lefung, ausfagen fol.
Drister Tagmarſch von Bardes nah Rare. (126:.)9)
Bon Bardes führt um die Ruinen des Caſtells ein Steilweg
hinab über den reißenden Bardes Su, der bier zwiſchen hoben
delſen von ED. gegen N. W. ftrömt; leider wird uns nicht gefagt,
webin er feinen. fernen Lauf nimmt; wir müflen, da uns bier alle
Kartenzeichnung verläßt, aus dem Folgenden jchließen, daß er zwi⸗
hen dem Kara Su und Kars Su entipringend, und gegen
RB. ſtrömend, alfo nicht zum Araxesgebiete gehört, ſondern ein
ſuddſtlicher Zufluß des in N.IB. vorüber ziebenden Tſharok⸗Fluſ⸗
ſes iſt, des größten pontifchen Küftenflufied jener Gegen, ver ſich
bei Datum. zum Deere ergiebt. Auf dem Gebirgswege blabt man
eben noch eine Zeit lang, an 4 Stunden, in feiner unmittelbaren
Nähe, ehe man, gegen O.N.D. eine andre Waſſerſcheidehdhe *)
überfleigend, zu der erften Hauptquelle bed Karsfluſſes
fh kommt.
Sat mun den relßenden Bardes Su zwiſchen feinen Bafalte
Häfen durchſetzt, fo beginnt das Aufſteigen gegen N.O. über Trapp⸗
21) Hamilton a. a. O. I. p. 190. *?) v. Hammer-Purgſtall, Afiat.
Türtei. Rer. Wiener Jah, 1821. Bd. XIV. ©. 37.
2) W. J. Hamilton Asia minor. 1. p. 190. ) Gbend. 1.
p. 1 5 ' '
410 :Weftstfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 3.34
und Bafaltfelfen mit Spuren irregulärer Säulenbildung. Ein
Zigeunerbande hatte -fich bis hieher veriert, in Lumpen gehüll
war fle leicht durch ihren Schmug von ven Türfen zu unterſcheider
wie durch ihre Geſichtsbildung; einige Kühe trugen ihr Gepäck un
Gezelt. Nach der erſten Stunde Aufſteigens erreichte man da
Dorf Güohler, das man das PDaila oder den Sommeraufent
halt von Bardes nannte, obwol dad Elima beider Orte nid
fehr von einander abweichen Tann. Die Einwohner waren wi
Holzfägen befchäftigt. Auf ver andern Seite des Thales fällt ei
großer Strom von S.D. in den Bardes Su. Das Land vahlı
war gut bewäſſert und bebaut; denn auch Hier if die Irrigatio:
unentbehrlich, um nach ven langen Wintern in der kurzen verfen
genden Sommerzeit eine Kornernte zu erhalten.
Mad) 2 Stunven vom Ausmarjch warb ver Bardes Su wie
wer erreicht und ein enges Seitenthal gegm D.SD. emporge
Regen, bis zu einem Gohwald von Pinus, ver nach fo lange
"Baumtlofigkeit eine fehr erheiternde Erfcheinung für den Wandere
ft. Die vorliegenden Berge beſtehen aus Bafalt und zellige:
Lava, und Die ganze Wegſtrecke war durch fehr viele Maſſen von
ſchwarzem ober braunen Obſidian, einen vulcanifchen Glaſe
beftreut, davon ſich andy ſchon Bruchflüde hei Khoraſan gezeig
hatten. Hier, wo fie auch Ouſeley %) einfammelte, in ſolche
Menge und in fo großen Blocken, war ver Weg ſtellenweis dami
orbentlich wie gepflaftert ; man hatte fih alfo vem Urfpru "g
diefes Glasfluſſes offenbar ſchon mehr genäßert.
Nach einer Viertelftunde Auffteigen im fchönen Saitenthei
zeigte fich zum erftenmale das fchöne Alpengrün der Matten
mit Blumen in Blüthe und Baumgruppen auf das reizenbfle ‚ge
färbt; die Bergſeite rechts fchien nur eine zuſammenhängend
Obſivdianmaſſe zu fein, wenigſtens waren an ihrem Buße mu
gewaltige Trümmer dieſes Geſteins aufgehäuft. Leider konnte be
merkwürdige Berg nicht erfliegen werben; aber vie reiche Entwick
lung von Feuergebilden unter den Gebirgsarten ver ganzen um
liegenden Landſchaft ſchien Kinlänglich die einflige vulcaniſch
Thätigkeit in dieſem Gebiete, und zwar in einem fehr großen
Maaßſtabe, zu characterifiren.
Um 6 uhr war man ausmarſchirt, gegen 9 Uhr er man!
»5) W, Quseley T'rav. III. p. 460.
Eupbratfoftem; Nordroute, Saghanlu⸗Paß. 411 J
die Plaine auf dem höochſten Bergrücken, von welchem
Bergketten nach allen Richtungen abzweigen; Schneefleden lagen
noch umber. Der Blick gegen ©. und S. O. ragte weit über Na⸗
whnälder zu einens Theile des Saghanlu dagh Hin; gegen DR
sog fich eine lange dichtbewaldete Bergkette vorüber, Erſt auf dem
Rüdwege von Kars ward Hamilton, 8) als er biefelben Höhm
zum zweitenmale paflirte, von ver grandiofen Gebirgsland⸗
Haft überrafcht, die fi von da gegen N.W. außbreitet, wo viele
habe Ketten mannigfaltiger Geftaltung und Färbung hinter einan⸗
ur gegen Ispir und das Tſharokthal wie ein mächtiger Ge⸗
birgswall gegen den eurinifchen Pontus fi emporthür⸗
wen. : Ein Berggipfel, eine Stunde im Norven von Bardes, zeigte
fine Kuppe ganz mit Bafaltfäulen überbedt, unter denen Ha⸗
nilton einen &avaftrom glaubte hervorbrechen zu ſehen. Ueberall,
links wie rechts von Bardes zeigten fih Bajaltfäulenzeihen,
he in verſchiedenen Stufen, Terafien über Terafſen, ſich emporhoben,
iin hoͤchſt merkwürdig gebilpete® Land, das biefen Verhältnifien nach
an die irlännifche Nordküſte yon Antrim in der Nähe des Giant
Gaufeway von gleichartiger Terafſenhildung, auf Bafaltfäulen ru⸗
hend, erinnert. Auf dieſem Rückwege folgte Hamilton zunächſt
vr Nordweſtdirection bed Bardes Sy, und überſtieg in vier
ſehr mühſamen, aber reichlich lohnenden Tagemärfchen jenen bisher
von Europäern noch un beſuch ten Gebirgöwall, der zwiſchen dem
Saghanlu Dagh ung dem Ifharokhthale, in welchem Jopir (Hißr
piratis der Alten) liegt, ich emporthürmt. Nicht unwahrfcheinlich
iR es, obwol hierüber nichts mit Gewißheit ermittelt: warb, daß der
Bardes Su ein ſüdöſtlicher Zufluß nes Tſharokh if. Die Befchrei
bung, welche Ker Porter 9) von feiner Lieberfleigung dieſes
Saghanlu⸗Paſſes, Anfang November 1819, gibt, iſt topogra-
dhiſch unbeflimmt, gibt aber ein anjchauliches Bild von nem Wal
gebirg und zeigt, daß er dem dortigen Nordpaß auf ver Sewin⸗
fraße beging, von der in der Anmerfung nah dem rujflichen
Armeebericht die Rede fein wird. (Gr trat am Morgen des zweiten
Tages, von Kard kommend, nachdem ex beifen damald noch ſtark
bevölkerte und bebaute Ebene durchzogen hatte, am 4. Nov, in die
prachtvolle und erbabene Scenerie ded engen Gebirgspaſſes ein. Ue⸗
ber dem langen, fi windenven Thale erhoben fich kühn zerriffene
— — — rer — — —
°®) Hamilton 1. c. I. p. 207— 219. ®') Ker Porter Trav. II.
p- 652—660. |
412 Weſt⸗Afien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. 6.34.
Berge vol Engſchluchten und Defiles mit überragenden Felsſtirnen,
von prachtvollen Pinuswälnern gekrönt, in ben tiefen Spalten rollte
ver Karsſtſhai feine Wafler. Die nörblichen Berghöhen über ver
vichten Waldzone waren auf ihren Gipfeln und tief an den Ge⸗
bängen herab mit Schnee überlagert, und e8 war ſchon Falt anf ver
Höhe. Die Ausficht von der größten Paphöhe, von wo der Waſ⸗
ſerſcheide ein entgegengefeßter Bergftron gegen S. W. zum Arares
abfloß, entfaltete ein weites Gebirgslabyrinth der prachtvollſten Art
für das Auge, mit Fernblick auf das tief fich windende Araresthal
und fleile dunkle Abgründe, die dennoch von ven Karawanen durch⸗
zogen werben. Aber nur ein gut bewaffnetes Geleit kann hier in
tiefen Raubſchluchten vor den Ueberfällen ver wildeſten Kurden
fügen, die von allen Seiten den Reiſenden, damals wenigſtens, be»
drohten. Die Pferde jelbft, vom Schauer ver Gefahr durchbebt, zie-
hen Hier in fchärfften Schritten hindurch. Eine Raubburg, über
dem Ausgang dieſes Paſſes fich erhebenn, und nahe dabei ein Dorf,
in dem Kurven angefievelt waren, die man gezähmte Kurden
nannte, führt Ker Porter unter dem Namen Mazengutt (mol
Mepdfhpingert?) auf; Sein Nachtquartier ſchien ihm mehr einer
Näuberhöhle gleich, und der nächfte Bergpaß, ven ex von da
‚am folgenden Morgen zu übetfleigen Hatte, um jenes von ihm ge
nannte Schwefelbad (Abigarm bei Dufeley) zu erreichen, warb
ihm der Blutberg genannt, wegen der NRäubüberfälle. «Hier traf
er viele Holzfchläger und viele hundert Paar Ochfen beifammen, bie
mit dem Transport der gefällten Zimmerbalfen nach Arzerum be
ſchäftigt waren. Nun erft erreichte er das Thal des Sewin (de
bun)⸗Flufſes.
Bon jener größten Plaine auf ver Höhe des Saghaulu Dagh
ſtieg Hamilton, ſeinen Weg nach Kars verfolgend, erſt fleil gegen
N., dann gegen NO. hinab in ein tiefe Thal, %®) deſſen Nord⸗
feite wieder wie gewöhnlich ganz nackt fich zeigte, da doch deſſen
Südſeite dicht bewaldet gewefen war. Erſt um 10 Uhr trat
man wieder in eine weit gen O.ND. ziehende Xhalebenc, an de—⸗
ren Eingang ein Fluß eintritt, die Hauptquelle des Karsfinf-
ſes (alfo ver Akhurean), deſſen einfürmigem Laufe man nun 10
Stunden Weges bis zur Stabt Kars zu folgen hat. Das Thal
Bat nichts Ausgezeichnete; man kam durch einige Dorfruinen, deren
einflige Bewohner im legten Kriege umlamen over auswanderten.
1) " '
»°8) Hamilton I. c. I. p.192.
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|| —t ww m Ei Ve
Euphratſyſtem; der Rars- Strom. 413
Nur die und da fah man Anbau oder größere Viehheerden. Wei⸗
tethin gegen S. S. O., in der Richtung gegen ven Ararat, erhoben
fh Schneegebirge (mwahricheinlic der Aa Dagh). Die anlie⸗
genden Berge gegen Nord zunächſt waren mit Eurzer Grafung
überzogen, die ihre Gebirgsart verdeckte; noch fah man in den Sei⸗
michluchten, daß Die Köpfe ver Schichten ihrer Gebirgsfeiten gegen
Ber ſteil abflürzten, gegen Oft fich fanft fenkten, und demnach
vielleicht von den fo eben überfliegenen Ketten bei ihrer vulca=
niſchen Bildung von der Seite emporgehoben wurden.
& ging an einem Därfchen zur Linken, in einem Thalgrund gele-
gen, vorüber, wo dicht am Wege fidy ein Steinbau mit Kegeldach,
wol das Grab eines türkiſchen Santon (Sanctus), erhob, indeß zur
Rechten, oder ſüdwaͤrts, nur nievere Berge das Thal begleiteten. Erſt
um 5 Uhr ſah man ven Fluß von Kars ald einen mäandern-
den Silberſtrom ſich burch die Ebene winden, ber aljo auch noch -
. abere Duclflüffe als den genannten haben muß. Eine halbe Stunde
häter zerreißt das Flußthal die von Rord nach Süd ziehende nackte
Berglette, welche dad Ende der biäher durchzogenen ‚Ebene gegen
DR begrenzt. Aus dieſem obern Thalkeſſel tritt ver. Kars⸗
from durch eine Stunde lang verengte winklige Biczadthäler nach
iner plöglichen Wendung in eine-mittlere Thalftufe ein, an des
im ampbitheatralifchen Weldeingang auf fchwarzen Bafaltflippen
me Baum, in väfterer, öder Umgebung die Stadt Kars ®) fi
jiigt, ſchwarz wie der Bafalt, aus dem fie erbaut if. Zunächſt
vorn liegt die armenifche Vorſtadt auf geringer Anhöhe an dem
entgegengeſetzten Flußufer. Das dunkle Bergamphitheater, das fich
nordwarts herumzieht, ift mit ſchwarzen Hütten und Häuſern be=
beit, die von den Felſen, auf denen fle ftchen, ſchwer zu unterſchei⸗
ven find. In der Mitte erhebt fi ein hoher Berg mit der Ruine
ver türfifchen Citadelle auf feinem Gipfel; ver Strom windet fid
hinter dieſem iſolirten Caſtell durch enge Felsthore. Man mußte
die halbe Vorſtadt erſt umreiten und viele ſchlecht gepflaſterte Stra⸗
den, dann die Brücke über ven Fluß paſſiren, um durch die Bazare
in den ummauerten ‘Theil der Stadt und in dad türkiſche Quattier
zu gelangen, das zum Raſten angewieſen war.
Hamilion L. c. I. p. is83.
414 Weſt-⸗LAfien. II. Abtheilung, I. Abfchnitt. $. 34
Anmerkung. Der Kriegsfhauplap des euffifhstärtaggen
Feldzugs von 1828 und 1829 im armenifhen Hochlande
zumal um Kars und am Saghanlu Dagh.
Da in dem legten ruſſtſch⸗türkiſchen Feldzuge, ver bie gegenwärtigen
Grenzverhaͤltniſſe Armeniens regulirt Hat, die Gegend von Kare, um
zumal der Mebergang über den Saghanlu Dagh zu einem claffiicher
Boden geworden iſt, fo wird es nöthig fein, auf die hieher gehörigen Lo:
calen Umftände des Feldzugs, bie in ſo genauer Beziehung zu dei
Terrainverhältuiflen flehen, kurz hinzuweiſen, da wir an dem Feldzuge bei
fiegenden Feldherrn felbft eine authentiſche Duelle zur Berichterftattung
befigen, und durch ſolche firategifche Operationen eine Landesnatuı
von Ihrer plafifchen Seite, im großen Zuſammenhange beı
Kriegstheater, eineungemein lebendige Anfchaunng zu gewinnen pflegt
Die Eröffnung des Feldzuges der Ruffen gegen die Türken
1828, *99) unmittelbar nach Beendigung ihrer Operationen und Grenz
regulirungen gegen bie Perſer, Eonnte von Tiflis und ven arment:
fen nörblihen Vorſtufen nicht eher beginnen, bis die tortige rauh
Sahreszeit und der langdauernde Winter erſt Sicherheit für die Schiffahrt
an den Küften des Faspifchen und fchwarzen Meeres gewährte, was nich
vor der Mitte April ver Zall iſt, und bis die Gebirgslandſchaften Hoch
armeniens durch Abnahme der Schneemaflen gangbar werben, was in de
Wegel erſt vis fpäter gefchieht. Diefes Jahr konnte der erfie Beldzu
(1828) wirklich erft in der Mitte des Monat Juni eröffnet werben.
Wir haben fchon oben zwifchen dem ruffifchen Georgien und dem
damals noch türkifchen Armenien das Grenzbollwerk der Bermitt:
Iungöftufen mit ver Befobdal- Barriere ald Örenzvertheibis
gungslinie Georgiens genannt (f. ob. ©. 369, mit den 3 Grenz
fetten Gümri am Arpa tſhai im Welt, Dihellal Oglu und Ger:
gereh in ber Mitte und im Often, beide an mörblichen Suflüffen des
Kur, und alle drei Beherrfcherinnen ber fünlicheren Paßeingänge zu
den daſelbſt vorgelagerten türkifch-armenifchen Provinzen. Diefe konnten
affein zu Depots der Magazine dienen, um von da ans beim Borfchreis
ten zum Kriegsfchauplage, bei einer DOffenfive, das Ruſſenheer mit allen
Kriegsbebürfnifien dur) Hauptiransporte zu verfehen. Hier in biefer ers
ſten Operationslinie Tonnten die Kranfen, die Bleffirten eine fihere Us
00), uſchaloff, Gardeobriſt, Geſchichte ber Feldzüge des General
Paskewitſch in der aflatifchen Türkei während der Jahre 1828 und
4829, aus dem Ruſſiſchen deutſch bearbeitet von Al. Laͤmmlein. Leip⸗
gig 1838. 8. Th. 1.; vergl. Examen raisonne de l’ouyrage \ ti-
faulé: La Russie dans l’Asie mineure du cämpagnes da
chal Paskewitsch 1828 et 1829 et tableau du Caucase p!
Felix Fonton etc. par un officier franc. Paris 1840. avec
augmenteg et corrigee par la colonel Koch.
Euphratſyſtem; ruſſiſcher Kriegsſchauplat 1828: 415
terfumft finden. Unter den verſchiedenen möglichen Cingangspäſſen aus
riſſiſchem anf türkiſches Gebiet waren die übrigen alle vor Weberfällen
ver Türen durch ſchwer zugängliche GSebirgsfetten, durch große Schnee
lager oder fonft fchon auf natürliche Weiſe mehr gefchüßt, als es im der
Achtung gegen Gämri ber Fall war. Die ruffifche Grenze war hier
von der Türkei, und insbeſondere von Kars her, ganz ungededt. )
hier fanden Feine folche natürlichen Semmnugen wie bei ben andern Paß⸗
engängen flutt, ja es konnte ein türkifches Gavallerie-Gorps von Kars
as anf diefem Wege in kurzer Zeit von 48 Stunden durch einen plößs
len Ueberfall dem ruſſiſchen Gebiete die größte Gefahr bringen, und
wa ba durch Streifcorps leicht in die andern Provinzen der ruffifch: Taus
leſiſchen Statthalterfchaft und bis nach Tiflis Vorbringen. Wenn nım
Gümri ale ſchwächſter Punct für die Defenfive galt, fo zeigte er
Rh dagegen dem Scharfblid des Strategen als ber wihtigfte Punct
fir Die DOffenfive, von wo aus deshalb die ganze Operationslinie
des Feldzuges ansgehen follte. Leicht wäre es gewefen, mit Unterflügung
der Flotte vom fchwarzen Meere ber von Ghuriel aus zu opericenz
un wäürben bie Beten Boti, am Südufer bes Phafis, Sanct Nicos
las, das Schloß Batum, am Pontus und der Mündung des Tfharof,
wit dem ganzen Kreiſe Kobaleth leichte Broberung geweſen fein; aber
ven baranf folgenden Sommer ſich in jenen hinter dem Geſtade liegens
ven Moräften one Benölferung zu behaupten, würbe die Kraft des rufs
ſiſchen Hauptheeres verzehrt haben. Biel vortheilhafter war es, ven Feld⸗
mg durch einen Marſch über Gümri nach Aklhalzik gegen bie türfifche
Ganptfefte zn eröffnen, bie von ihren tapferften Truppen, den Lagen und
Adſcharen, vertheidigt ward; ein überrafchender fihneller Ueberfall und
Ginnahme derfelben wäre entſcheidend geweien, aber bazu ließen fich bie
Kanonen nicht mit der gehörigen Schnelligkeit von der perflichen OR:
fette, wo bie Artillerie noch fand, zu der türfifchen Weſtſeite hinüber
ſchaffen. Der Hauvtſchlag follte.vaher von Gümri gegen Kare
schen nud dadurch bie Hauptbafis der feindlichen Operation durchſchnit⸗
ten werden, die In einer imaginairen Linie von Arzerum über Kars
nach Akhalzik und von ba bis zum ſchwarzen Meere fi) auspehnte.
Dar) ein gleiches Mancenvre Hatte ber Feldherr Baskewitich fur
jusor gegen Berfien geflegt, buch die Eroberung von Abbas abad bei
Retyihivan am Arares (f. Erdk. TH. IX. ©. 915), wodurch er die perfl»
ſche Linie zwiſchen Crivan und Tauris gefprengt nnd fogleih in ver
Mitte ziwifchen beiven fehlen Buß gefaßt Hatte, fo auch war der Plan
Gümri warb daher das Ceutrum ber Operationen; den armenifchen
Sesvinzen und der AraressHochebene näher konnte das Feldgefchütz
2) v. Uſchaloff a. a. O. ©. 164, |
416 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 34
am leichteflen, ohne über Hochpäfle zu gehen, uud das Belagermmgi
geſchütz von Erivaus Fefte, dahin transportirt werden; eine neue bequ
mere Fahrſtraße von Tiflis wurde dahin gebahnt, die nicht über je
Reilen Paßhoͤhen des Beſobdal führte nnd. in Zeit von einem Mon:
beendigt war, auch ein paar andere Nebenftraßen ebenfalls führbar 0
macht. Am 9. Juni langte Paskewitſch im Lager zu Gümri an; d
Türken. hatten von ber Grenze alles Land bis Kars von Cinwohnen
entblößt und beabfichtigten einen allgemeinen Auffland der Lanpbevöft
enug gegen bie Rufen. Die ruffifchen Proclamationen, die in bieft
Tagen in die türkifchen Provinzen ausgingen, gaben Berficherungen d
Ruhe, feine Plünderungen, fondera Bezahlung ihrer Bedürfniſſe, wodur
der Anffland gedämpft ward ; dagegen wurden Borfehrungen gegem d
Peſt nöthig, die in Arzerum. Berrfchte.
Die ruſſiſche Armee an der Donau halte ihren Zeldzug durch di
nebergang über den Pruth ſchon am 25. April eröffnet; anf dem arm
nifchen Hochlande konnte Paskewütſch erſt 2 Monate fpäter von hm
mit feinen 12,000 Mann und 70 Kanonen ausrüden; mit dem Dur
marfch durch den Arpa tihai von Gümri aus, am 14. Sunt 1828, w
der Feldzug anf türfifchem Gebiet eröffnet. ?)
Bon Gümri bit Kars (= 65 Werft, etwa 15 Stunden Wege
find mit Bagage 4 Tagemärfche nothwenbig; der Feind zeigte fich in d
Nähe von Kars nur in geringer Stärke; bei Meſchko fiel das erfte klei
Gefecht vor; von der Höhe überblidte man aber fchon die Pofition v
Kars, deren Feſte nicht von N.W., fondern von der Südweſtſeit e, vı
einem Seitenwege zum Dorfe Aſadköw (Azatchef der Karte), angegrifi
‚werben follte. Keine 3 Stunden von Kare, an der Brüde des Kars tſha
wurde dad Lager aufgefchlagen, und den folgenden Tag fingen bie K
nonaden und Gefechte an, wobei die Rufien, zuerft unter Paskewitſe
gegen aflatifche Truppen in Golonnen zum Kampfe geführt wurde
Kars, *) eine alte Befle von Sultan Murad IIL erbaut, galt a
eine der fefteften im türfifchen Reiche, von deren Belagerung felbk «e
Nadir Shah *) unverrichteter Sache abftehen mußte. Der Kaı
tfhai, der bier außerhalb des genannten Durchbruchs gegen OR dir
die dicht anſtoßende fünliche Uferkette des zechten Ufers ‚gegen RD. |
fliegen genöthigt wird, macht unter mehreren Windungen auch eine km
Inieförmige Biegung gegen Weit, innerhalb deren halbinfelartigem Be
gebirge, auf deſſen Höhe, der feſte Theil der Stadt erbaut if. Di
Hatte eine doppelte Dauerumfafinug und drei in einander_fiehende Cit
dellen nebft mehreren Angenwerfen. Die eigentliche Feſtung war fe
so) v. Uſchakoff a.a.D. 8.173. *) ebend. Gap. VI. &.190 m
Blan der Stadt Kars. ı)y Dem Rural, Geſchichte d
osmaniſchen Reichs. Peſih, 1832, 8. Th. Vıll.
.-
‚Enphrarfuftem; vuſſiſcher Kriegsſchauplas 1828, 417
geränmig und ſchloß bie meiften Wohnungen ein; die Gitadelle Naryn
kaleh hatte eine fehr feſte Poſition anf der Spige des Berges. Im
Norden und Weiten ift viefe Feſte mit der Stabt durch unerfleigliche Fels⸗
winde und durch ben Fluß gefidert, in Sübofl und Oft dem größfen
Theile nach durch Moräfte. Auf der, gegen Norbofl vom ber Eitadelle
«slaufenden Uferhöhe, dem Kara Dagh, liegt das beventendfie Außen:
wel. Nur von ber Gäbwellfeite iſt daher der Ort zu attadiren, wo
peiſchen dem Sumpf und dem Yluß die Vorflänte Ortafapi und Batram
‚Baia liegen. Die Feſtung foll mach ruffifchem Bericht 11,000 Mann
Sefagung und 151 Kanonen gehabt haben. Schach Nadir hatte ein
Jahrhundert zuvor die Stadt 4 Monate hindurch vergeblich belagert, Ans
fang Juni bis Mitte Ortober im I. 1744, °) und fie nicht einnehmen
Kanen, obwol er vor der Feſte gleich im Anfange der Belagerung in eis
us Regreichen achtfündigen Schlacht ein ſtarkes Türlenheer vernichten
Inte. Paskewitſch hatte nach 4 Tagen das feindliche Lager zerflört,
die Gitabelle am 23. Juni erflürmt, *) Feſtung und Stabt zur Webers
gabe gebracht, und felerte, nachdem er buch einen Generalpardou den
drieden im Drt zu erhalten gefucht, am Zöflen den Geburtstag feines
Satfers in Kars. Beim Sturme Hatte fi durch bie gefangenen Türs
len dem ruſſiſchen Heere die Peſt mitgetheilt; emergifhe Maßregeln,
ſrenge Contumazen traten der Seuche iu ihrem CEutſtehen entgegen, und
sach 20 Tagen war bie Armee im Stande, ihre Kriegsoperatiouen forts
zuſehen; an 300 Mann waren erlegen, 263 geuefen. Kars wurde nen
kefeftigt, das Heer new gerüflet; der Aufenthalt gab auch ben Türken
Zeit, ich zu verflärken, den Ruflen im Rüden, zu Akhalzik wie zu
Irgerum -
Wie leicht die Entflelluug der Daten parteiifcher Berichterfiatter if,
ergibt ih ans des Bugländers 7) ganz anders lautender Erzählung, tie
er den türfifchen Karsbewohnern nad dem Rückmarſch der Rufen nach⸗
fpricht. Auf ven Bergen hinter dem Gaftell am linken Flußnfer, welche
De Feſte beherrſchen und einen fchönen Weberblid über bie ganze Stadt -
gewähren, fagt ex, Hatten die Ruflen eine Fleine Batterie errichtet, obwol
ihre Hauptattade von der Ebene im Often ausging. Erſt nad 7 Ta
gen Belagerung foll fiy der Ort, der nah 7 Stunden hätte eingenoms
men werben können, ergeben haben, da die Garniſon ſehr ſchwach nur
ans 1000 Mann irregulairen Truppen und A000 bewaffneten Bauern
beſtanden geweien, die der belagerten Stabt ganz unnäüg waren. 300 Ras
asnen (?), die hier ohne Artilleriften gefianden, ſeien alle von den Rufe;
weggefleppt, u. |. w. u
s), Dsmaniiche Geſch. a. a. D. VII. ©. 55—58. 2, > ‚gef
a. a. O. 6.219. ?) Hamilton Asia minor I. p.18
Ritter Erdkunde X. Dd
418 Weſt-Aſien. HI. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 34
Die näcfte Aufgabe des ruffifchen Feldzugs war nun bie Belage
zung der größten Feſtung, Akhal zik, welche ihnen norbwärts im Nüde:
lag, und anf das kühnfte vertheldigt einer längern Belagerung bedurfte
über welcher das Ende ber erften. Campagne heranrüdte. Alhalzik, ®
am obern Kurfirom, wovon erft im Rurgebiete ber kaukaſiſchen Lanbiai
ten das Nähere vorfommen fann, wurde am 15. Auguft erftürmt, burd
Fener bezwungen, und damit fiel auch die Jeſte Arbaghan zwiſchen Alhalzi
und Kars. Bei ber Behauptung von Kars war nun alle türfifche Mach
zur Flucht bis zur Barriere des Saghanlu gezwungen, hinter dei
gegen Arzerum zu nur allein noch ein natürlicher Schug ſtattfand. Su
deß waren In Folge von Seiten-Öperationen auch auf bem. armenifihe
Hodjlande die Feftungen Bayazed am Alfas, Diyapin und Toprı
Talch am Murad an die Ruſſen übergegangen. Der Ball Paſfch
(Behlul, f. oben S. 342) von Bayazed ſuchte frieblicde Zugeſtaͤndniff
“der Rufen, weil er vom Serasfier in Arzerum feine Hüffe erhielt, um!
bie vielen Armenier in feinem Paſchalik, für ihre chrifllichen Glaubensge
‚noffen mehr geftimmt, den ruffifchen Heeren allen Proviant zuführten
Dagegen brachen bie nngezügelien Kurdenhaufen °) überall los um
überfielen die armeniſchen Ortſchaften. Achur, d. i. Akhuri (Arghuri)
am Nordfuße des Ararat, wurde von ihnen geplündert; von dem Ufe
des Araxes an den Salzquellen von Kulpi trieben fie den Armenien
2700 Stück Vieh weg; von Ban und Bayazed aus überfielem fie bi
noch in dem perflfchen Grenzprovinzen flationirten ruffifchen Befagungen
tie auch Salmas, Khoi; überall fingen fle Händel mit ihnen an,
die dort nur ſchwache Commandos zurüdgelaflen Hatten. Dies Hatte and
des Balül Paſcha fhwunfenden Sinn wieder gegen die Ruſſen gewendet
Nun aber, nad den Siegen in Kars, Akhalzik und zu Bott am
Phaſis, kounten frifhe Mannſchaften der Rufen zu feiner Zügelung vor
rüden. Fürſt Tſchawtſchewadſe's ruſſiſches Corps rüdte gegen Ba:
ya zed vor, fehlug dort die Türken zurück, befehte das Dorf Zangezor
im Lande zwifchen Etſhmiadzin und dem Maku⸗Fluß, worauf Balül Ba
fa bei der erſten Beichlefung von Bayazeb die Wlucht nach Make en
griff; fein für fo fett gehaltenes Gaftell fiel ſchon am 29. Auguſt 1828
mit vielem Proviant und mit 12 Kanonen in die Gewalt der Ruſſen
aber zugleich fanden fie vafelbfi die Bel. Nun fiel auch im benachbarten
Thale des Murad die Feſte Diyapin, und Topra kaleh, kaum be
droht, war rafch uberrumpelt, mit reichen Vorräthen zur Bente gemacht.
89 war nun auch ber Iugang über Sophifent zur Stadt Muſh im
gleichnamigen Pafchalit gebahnt, wo große Mehlvorräthe anfgehäuft la⸗
gem. * 19. October fielen die legten Scharmüßel bei Kiſil Kaja und
°o8) y, uſchakoff a. a. O. Cap. I4. 6.808. 9 ebd. 6.815.
— EU U u GW ©
N)
Euphratſyſtem; ruffifcher Kriegefchauplas 1828. 419
BRara Kiliſſa, im Süboſt von Topra faleh, am obern Murad vor, in wel:
chen die Ruffen ihre dortige Befignahme behaupteten.
Nun aber, mit Anfang November, nöthigte die eintretende vanbe
Witterung, die Winterquartiere zu beziehen. Die Gampague von 5
Monaten hatte vie Rufen zu Herren der 3 Bafchalife Kars, Akhal⸗
zit und Bayazed gemacht, und ihnen 6 Beflungen, 3 Eitabellen mit
313 Kanonen und 8000 Gefangenen in bie Hand gegeben, wodurch bie
Aufregung im Lande unterbrüdt, die Bergvölfer gegüchtigt waren. Die
Rufen gaben ihren Verluf an Mannichaft auf 8200 au, von denen bie
meiften buch das Glima in Imeret, Mingrelien, Guriel weggerafft was
zen; die Kriegskoſten auf 5 Millionen Rubel, davon 4 zur Proviantirung
verbraucht wurden. Bei den Türken 19) war der Seraslier Halyb Ba:
ſcha in Folge ber Berlufte abgefeht und erilttt, der Paſcha von May:
dan, Hadſchi Sale, zum Serasfier erhoben; durch neue Rüſtungen
hatte diefer 80,000 Mann zufammengebradt, vie Paſchas von Ban
ud Muſſh follten 50,000, der yon Trapezunt 40,000 fielen, fo daß
man dem Feinde an 200,000 Dann (meifl Milizen) im nächften Feldzuge
enigegenzuftellen hoffte, mit 136 Kanonen. Die Geſammtmacht ber Ruſ⸗
ka, die im Frühjahr 1820 in das Feld rücken follte, Tonute nur bis zu
12832 Mann Infanterie und 3500 Mann Gavallerie heraufgebracht wer:
den, mit 67 Kanonen. Dazu follten jeboch noch 20,000 Mann Recruten
Ren. Eine Hauptverflärfuug fuchte aber der Dberfeloherr in Befrenn;
bang mit ben Kurdenſtaämmen *!) zu gewinnen, um ihren Beiflanb
den Türken zu entziehen umd eine freie Marſchroute nah Arzerum
über Deli Baba, den Saghaulu und Haſſan kaleh zu gewinnen. In Ar⸗
jaım wollte man die Verſtaͤrkung ber Recruten abwarten, die Kurden
aber zu einer Diverfion gegen Sivas und Diarbekr in das ſüdweſtliche
Armenien gebrauchen, denn erſt Mitte Inli konnte man darauf rechnen
(vergl. oben &.90), dag die Bergwege nm Arzerum ſchneefrei für
das Mufienheer würden, um bie einzige Verbindungsmöglichkeit zwifchen
Bagdad mit Eonftantinopel zum unterbrechen, nnd fo bie Macht der
Xhrten im D. und W. zugleich zum lähmen. Zugleich follten dann die
Eilders und Kupferbergwerke um Arzerum befeht und Ginverftändniffe
mit den Paſchas von Trapezunt und Bagdad angefuüpft werben, wozu
de Beſtechung des Paſcha von Muſh ſchon den Iugang gebahnt hatte.
So der Blan des folgenden Feldzugs 1829, als die Wiederbefegung
der ſchon im Augnft 1828 durch Erflürmung der Ruſſen gewonnenen Fe⸗
hung Akhaklzik durch die Türken, Ende Bebrnar 1829, den Ruſſen
im Süden, diefen die erſte Diverflon machte, und obwol dieſelbe nach we:
nigen Tagen wieder in ruffiihe Gewalt gekommen, doch durch das im⸗
20) y, uſchakoff a. a. D. Th. I. ©.1. +") ebend. S. 12.
| ‘992
4‘
420 Weſt⸗Aſien. TIL. Abteilung. I. Abſchnitt. $. 34.
wer wiederholte Beſtreben, diefen nicht zum verfchmerzenden Verluſt ihrer
gefeiertften Hanptfefte zu erſetzen, bie Türken zum nenen Berfuchen trieb,
welche auch die Ruſſen an der Norbfeite ihrer Stellung befchäftigten.
Schon rüfteten die Türken von neuem 60,000 Dann zu Attaden
gegen Akhalzit aus, als der Saghanin zwilden Kars nnd Arze⸗
rum auf allen Berbiubungswegen am 19. Mai noch gang mit
Schnee bededt war. *?) Der Serastier von Arzerum hatte am Wells
fuß des SaghaninsPBaffes fi mit 50,000 Maun poflirt, um daſelbſt
bie Ruffen zu erwarten; überall waren noch Schneefall, Schlofien und
Regenfchauer mit Stürmen bie zu Ende des Mai vorherrſchend. Ob
der Serasfier feinen Weg zum Entfap von Alhalzik über Kars
ober Ardaghan ucehmen wärbe, blieb bis dahin zweifelhaft, als ber
Oberfeldherr feine ganze Ruſſenmacht in Kars concentrirte, um von da
gegen ven Weſten vorzubringen. Das ranhe Clima des Hodhlaus
des geftatiele nur mit dem 2. Juni die Wiedereröffnung des zweites
Feldzuges mit einem erflen Vorgefechte. Der Uebergang über den Sa⸗
ghanla gegen Arzerum warb befchlofien.
Der Weg von Kars dahin theilt fig für einen Serreszug nur iy
zwei Wege, bie fi bei dem Orte Kotanly im Afhurean» Thale, we:
nige Stunden wehtwärts der Stadt Kars, von einander fpalten und tw
wenig divergirender, faft paralleler Richtung, nur 3 bis 4 Stunden (12
bis 18 Werft) von einander abſtehend, eime ſüdliche und eine nöord⸗
liche Baffage über ven Saghanlu bilden, aber an deſſen jenfeitigen
Buße, dem Arares, ſich nahe der Tihöban föpri wieber vereinen.
Die ſüdliche Baffage wird vom ruffifchen Armeebericht ganz ri
Sig die Medſchingerter Straße (bei Armenien Mejengerb ode
Medjenkerd, !°) bei Türken Medſchnekerd) genannt, bie nörd-
liche aber bie Sewinfhe Straße Die erflere if es unverkennbar,
‚welche wir oben durch Hamilton kennen lernten, obwol im ruſſtſchen
Berichte weder die Namen bes Ortes Bardes, noch von Kara Osman
genannt werden.
Die Südftrage, die färzere, 18 Stunden Weges (80 Wer), !*)
heißt e6 da, geht von Kars links ab, über das Dorf Aspuga, übe
bie Gegend von Dely Muffa Baran, über das Dorf Sarakamyſch
and Milly Düfs, dann über das Schloß Medfchingert und das
Städtchen Khorafan, von dem, wie wit obem gefehen haben, Hamil:
tom ausging.
Die Norpfiraße, die längere, 22 Stunden Weges (100 Wer),
zieht über die Dörfer Kekiatſch, Kotanly, Tſchixichli, Kiſil Kiltfie
Kainli, an den Inſcha Su, einen zweiten Bergfirom, der von Ga:
*13) v. Uſchakoff a. a. D. TH.IL ©. 30, 54, 62. :*) St. Martin
. Mem. s». l’Arm. I. p.109 9 oUschf 0.0. I. 6.72.
—3
Euphratſyſtem; ruffifcher Kriegsſchauplatz 1828. 421
wilton nicht geuannt wird, weil er ihn nur nahe an feinem Cinfiuß
am Arares, in der Ebene nahe bei Khorafan, überſetzt haben mag, ber
aber ein weſilicher Parallelftzom vefielben Gebirgs vom Kara Su ifl,
ud nach ber zuffifchen Karte weiter yom Norden als jener herablommt, - -
und unter dem Schloß Se winn voräberzieht. Denn von Kainli führt
die Straße weiter im befien Thale über die Schlöffer Sagian mund
Gewinn (Sewin), über das Dorf Ardos zum Nrares. Diefe Straße
hatte früher Ker Porter!®) genommen, welcher die Nanıen Zebeen für
Gewinn und Ordooz für Ardos angibt, au deren Ortſchaften er vor:
idetzieht.
Die Südſtraße, von Dely Muſſa Purun faſt bis zum Araxes, zieht
ds felſiger Hohlweg, durch ben der Khan tfhay, ein Gebirgsfluß, im
Ah Baba⸗Gebirg entfpringend, abfließt (der Kara Su bei Hamilton,
er doch ein Zweig defielben). Der Rüden des Saghanln ift hier fo
hoch, daß anf feiner Wegfirede von Al Stunden (50 Werft) noch. über
hehe Schneedecken lagen, die in der Regel vor Anguft nie ſchmel⸗
vu; dichter Fichtenwald erfiredt fih bis zum Caſtell Medſhingert,
wie bis im die Gegend von Sewinn. In biefer Gegend hatten bei
Ally Düſs die Türken unter Haki Paſcha ihr Lager von fo gros
ber Beftigkeit für 20000 Mann und 17 Kanonen aufgefchlagen, daß es
ducch Verſchanzung faft unzugängli gemacht war. Dies bildete den
Bexoſten der Hanptarmee bes Serasklers, der den Feind in die dortigen
Schluchten loden, und dann mit feinem nachrüdenden Hauptcorps ver:
sihten wollte. Paskewitſch' ſtellte fi), als wollte er die Südftraße
mit voller Gewalt durchbrechen, nnd richtete anf fie, ale fei er über bie
Rorvfirage unwiſſend, einen nur [heinbaren Angriff, um auf diefe
das Hanptaugenmerk des türkifchen Lagers nud der Operationen bes
Geraskiers Au ziehen. Die Tänfchung gelang, und während ber fingirten
Attacke anf der Südſtraße marfchirte das Hampteorps ber Ruflen wirt;
lich duch den Waldweg der Nordpaſſage, ganz ungehindert vom
Feinde, über den Hochrüden des Saghanln bie zum Inſha Su, faft
2 Stunden im Rüden der Stellung Haki Paſchas. Die Türken waren
im höchſten Grabe Aberrafcht nnd verwirrt über die Umgehung mit ber
ganzen Artillerie, und ale fi bei Kainli die Kämpfe nun entipannen,
ward Das Lager bes Haupteorps daſelbſt, obwol nach tapferfter Gegenwehr,
eine Beute der Rufien, am 19. Juli 1829. Der Seras kier felbft, der
das Lager mit feiner ganzen Macht vertheibigte, wurde gefchlagen, das
Larkenſchloß Sewinn in die Luft gefprengt, und der Seraskier eutkam⸗
de auch vie Khauſchlucht, nämlich der Thalausgang des Sewinfluſſes,
ver zur Gädpaffage des verſchanzten Türlenlagere des Hall Paſcha
18) Ker Porter Trav. Il. p. 660. |
222 Weft-Afien, II. Abtheilung. I. Abfchnitt. |
führte, von Kuffen befegt war, nur mit zwei Begleitern direct nad
fan kaleh an den Arares.
Auf diefen Sieg Im untern Ausgang ber Nordpaſſage folk
unmittelbar ber zweite gegen das verſchanzte Lager vor Milly
nnter Haft Pafhad Kommando. Die ruffifche Bofltion war bi
inli, nur 3 Stunden von jenem Lager entfernt, und fland am 2
gungepuncte zweier nach Milly Dafs führenden Wege, aber ein
Gebirgerücen trennte beide Weinde, und nur fehr befchwerliche
md Hohlwege konnten fie zufammenführen. Durch die fogenannte K
ſchlucht begannen ſogleich die Altaden, und am zweiten Schla
die Erflürmung des Lagers, in dem mau noch nichts von di
berlage des Seraskiers wußte. Sobald aber biefe Nachricht bo
langte, war aller Muth dahin. Dem erften Angriff folgte die Erik
die Serfprengung und Flucht des ganzen Lagers von 20,000 Man
20. Sunt); der Haki Paſcha felbft wurde gefangen.
Der Doppelfieg war entfcheidend, ?*) und Hatte nun, ı
Sieg bei Arbela auf afiatiſchem Boden zu Alexanders Seit, eine
unmittelbar folgender Broberungen zur Folge; bei fo geringen !
die glaͤnzendſten Erfolge. Denn der Seraskier war aufer Stand
Truppen. wieder zu fammeln ober neue zu werben. Alles floh
Heimath, weber Sold noch Disciplin Tonnte Zufammenhalt geben
wenige Reiterei wurde in Haflan Faleh zufammengezogen, und mi
in die Reſidenz des Seraskiers zurüdgelehrt, um ba nenen Mu
nene Hülfe zu fammeln, in der ſich die Winwohnerfchaft, an 20,00
fenfählge, zur Vertheidigung bis auf den letzten Hann gemeldet
Aber auch dies war ohne Erfolg; das ungefänmte Nachräd
die Erſtürmuug der Feſte Haſſan kaleh ſetzte Arzerum in Ed
Pasekewitſch's Proclamationen an bie Bewohner !7) der großen
in- denen er ihnen ben Frieden verfprach, da er nur das Gouvernem
friege, verbreiteten Unruhe im Hanfen. Schlaue Verraͤther, von
beftochen, wußten das Volk zu gewinnen, fih an Rußlande Grogm
wenden; es bewüchte felbft ven Seraskier in feinem Pallaſte, daß
entfliehen Eonnte. Als nun am 2öften Iunt, nad der Einnahr
Haflan kaleh, am erften Rafttage des Heeres daſelbſt die Kircher
abgehalten war, wurde ſchon um 5 Uhr Abends das Komman!
Weiterrüden gegeben, weil die Nachricht von ver Ergebung Arzı
anlangte. Am 26ften Sunt waren bie Thore der Stabt erreid
Capitulation erfolgte; in der größten Aufregung ber Parteien
der Derwirruug ihrer Maffen wurde die Hauptſtadt Mnatoliens
die Feſtung felbit eingenommen, und der Serasfier mit 8 9
229 v. uſchakoff, a. a. ©. I. ©. 115. 7) ebend. 9
©. 12.
rn
Eupbeatfoftem; Kars, Stadt ımd Paſchalik. 423
ww Gefangenen gemacht. 2°) Hiermit war der fiegreiche Vortſchritt des
peeiten Feldzugs entichieden, und die SriedensunterhandIungen
ugebahut, halb bie neue Territorialgrenge beider Reiche über das
aweniſche Hochland feſtgeſtellt.
d) Die Stadt Kara am Kart tihay und das Paſchalik
Kars oder Karf.
Kars, das man mit Xopoa 74° 40' Long., 42° 40° Lat.,
over mit. KoAca in Armenia magna (78° Long. 39° 50’ Lat:
ki Ptol. V. 13. fol. 135 u. 136) verglichen Hat,19) Hei ven alten
Armenien Sarouts, daher Gars am Akhurean im Lande Bas
nant (früher Chorzene), 2) wurde erft feit dem 10ten Suhrh.
durch Eonflantin Porphyr. (de administ. imp. c. 44. edı
4 Bekkeri 1840. III. p. 192) mit dem Namen Kdoc als eine
Capitale Armenims bekannt, auch als Reſidenz ver Bagra=
tiven Könige von 928—961, denen Kars als ein eigen begrün-
detes Königreich folgte, das ver Ichte feiner Negenten, Kakig, 21)
an den byzantinifchen Kalfer Konftantin Ducas im I. 1064
übergab, gegen Abtretung der Stadt Dyamentav In Kleinafien.
Bean auch ver Name der Stabt erſt ſeit jüngerer Zeit hervortritt,
fo it doch ver Landesname 7% Xoplnvn, dem Kars entfpricht,
fhon dem Strabo (XI. 528) als ein noͤrdliches fchneereiches Land
Hocharmeniens nahe dem Araxes bekannt, wo der Schnee fo ho
falen folle, daß zuweilen ganze Reifegefenfchsften in demſelben ver
ſinken, wogegen fie jedoch fly großer Stangen zur Rettung bebienten.
Er fpricht am diefen Stellen auch von Thierchen, die fi im Schnee
erzeugen follten, wad Apollonives und Theophanes beflätigten, eine
Meinung die fich bis Heute am Sipan Dagh (f. ob. S. 330) er.
halten hat. Bon einer Stadt befjelben Namens iſt jevoch bei Ihm
noch nicht die Rede.
Kars wurde den Byzantinern von ven Seldjuken entriffen,
ann von Mongolen erobert, und diefen folgten vie Türken,
welche die Stadt zu einem Paſchalik mit 5 Sandſhaken 22) ober
gu a. a. DO. Th. IL ©. 145. '*) W. Ouseley Trar.
—— 454. 20) Mannert Geogr. ber Gr. u.
IL ©. 2197. 31) Se Mar Möm. sur Arm. I.
u v Nomen urghail fiat. Türkei. Rec. Wien, Jahrb.
831. 3. XIV. ©. 37.
424 WeftsAfien, III. Abtbeilung. EL Abſchnitt. $. 34
Kreifen erhoben, bie zur Zeit der ruſſiſchen Eroberung 7) She
ſhewan (Ketſchlwan von hohem Alter, aus Efraflabs Zeiten na
Ewlia), Kaghlsman, Tachtin, Shuraghel und Sarifha
biegen (früherhin aber außer ven beiden erfleren, Ardahan, Ku
ſhukkhu, Oſhewan kaleh und Zaruſhan genannt wurben), und na
zuffifcher Vermeffung ein Areal von 9465 DO. Werft einnahmen.
In frühern Zeiten war Kars einer ver beveutenbften Grenzor
des türfifchen Reichs gegen Perfien und Georgien, und vieles g
ſchah Durch Die türfifchen Sultane zur Hebung der Stadt und zu
Anbau ver Gegend, vie aber. immer wieder von ben perfifchen Nac
barreiche ſyſtematiſch zerflört wurde, wenn fie fich zu heben began
So fand es Tavernier 24) Mitte des 17. Jahrhunderts Hier, uı
als Tournefort im Juli 1700 25) dieſe Grenzſtadt paflirte, w
fie noch halbmal größer wie Arzerum, zwar von Raubvolf umge
ben und von türfiicher Beſatzung erfüllt, welche ven durchziehend
Handelskarawanen zur großen Plage gereichten, aber gut verth
digt und nicht ohne Bedeutung. Dieſe blieb ihr auch bis auf !
jüngfte Zerſtörung, wie fih aus Ouſeleys und Ker Porse
Beſuch daſelbſt (1819) ergibt.
Der Paſcha nahm W. Ouſeley 25%) gaſtlich auf; vie Sta
ſtart bevdlkert, hatte großen Umfang, viele gute mehrflödige Häu
von Stein mit Holzbalkonen, und ſchien mehr. im europälfd
Style, die DBergfeiten amphitheatralifch empor gebaut; über d
Strom ſah man 4 Brüden von Holz und 3 von Stein. Doch w
es fchwierig, die gehörige Zahl von Poftpferden zur Weiterreife
erhalten. Zu beiden Seiten, im Often und Wellen ver Stadt, uw
das Land von wilden kurdiſchen Raubhorden bevroht, gegen '
man ſtarke Cavallerie⸗Escorten nöthig Hatte.
Umflänvlicher berichtet Ker Porter, der von Nakhidſhew
kam und, dad Arpatſhai Thal vom Araues aufwärts gehend, f
von einem -Eleinen Dorfe (Marojnck? ſonſt unbekannt) aus, \
Stabt näherte, wie hier eine reichbebaute Ebene im Nordw
von den Tſhildir⸗ und Moffiane Bergen begrenzt, ihn empfü
an deren weftlichem Schluffe die Stadt Kars 27) eine jehr domi
38) f, Statiftifche Bemerkungen über das Pafchalif Kars, nad ein
Brief aus Kars in ber Tiflis Zeitung nnd in ber Betersh. Zeitu
vom 3. 1829, April und Mai; au 5. Ufchaloff a. a. DO. Ty.
©. 71—78. **) J.B. Tav. Voy. I. * u. 192 P. de Toı
nefort Voy. ed. Amsterd. 1718. 4. T. U. P- 122. 2°) W. 0
aeley Trav. L. c. III. p. 452 — 456. ) Ker Porter Tr
Lond. 1821. 4. Vol. H. p. 645.
Eupbratfoftem;. Kars, Stadt und Paſchalik. 425 |
zende Stellung einnehme, an ver Seite einer gewaltigen felflgen
Sshe erbaut, auf deren Bipfel gegen Oſt die fehr alte Citadelle fi
erhebe. Die Stadtmauern zogen in gerader Linie von Weſt nach Oft,
zand fliegen dem Fels entgegen, bis fie die Gipfel erreichten, wo fie,
wur ſtarke quapratifche und runde Baſtionen vertheinigt, an bie
mächtigen Mauern der Befte fließen, ein vollfommned Sperimen frü⸗
herer aflatifcher Befeſtigungskunſt. Yußerhalb der Mauern breitete
ich vie große Vorſtadt gegen Oſt aus, geſchützt durch 3 ober 4 in
Bentagonen erbaute Batterien, die erſt am Ende des 18. Jahrh.
Hinzugefügt waren. Alles dies gab der. Stadt aus ber Berne ein
fehr impofantes Anſehn, dazu noch Die erhabne MNadelle auf ver .
Höhe, vie Häufer faft alle aus Quadern mehrere Stod Hoch erbaut;
dagegen war ihr Inneres, von etwa 10,000 Bamillen, alfo etwa an
50,000 Menfchen, Türken, Kurven, Armeniern, Georgiern, Juden und
einigen perfifchen Kaufleuten bewohnt, eingeengt wie ein Gefängniß,
wu Schmutz und Koth, vol Gewühl von Menſchen und Dich,
überall von frei umherlaufenden Schweinen und zahllofen Schaaren
anögemagerter Hunde burihzogen. Der vamalige Kommandant war
Nufapha Paſcha von 3 Roßichweifen, ver in großem Anſehn
ſtand —
Auch der genauere rufflfche Bericht 23) ſtimmt mit dieſer An⸗
gabe der merkwürdigen Türkenſtadt ziemlich überein, und fügt fol
gendes hinzu. Der obere Theil ver Eitadelle bilvet beinahe ein
Viereck, vie beiden untern am Abhange des Berges über der Stadt
gelegenen Theile machen eine Art von Parallelogramm, und find gut
mit Kanonen verfehen. Die verlängerte äußere Mauer ver Citadelle
Röst In Oſt und Süd an die der Feſtung. _ Die Feſtung hat
4 durch irreguläre Linien verbundene Hauptecken, deren Seiten 260
Bis 350 Faden beiragen.- |
Die Nord» und Norpweftfeiten auf dem Fels haben eine ein-
fache Mauer; nah S.W.S. und D. find doppelte Mauern, von
benen die Innern höher als die äußern, Eitadelle wie Feftung
find von Stein, die erflern mit größter Sorgfalt und ſolcher Vol⸗
lendung gebaut, daß fle wol erft in fpäterer Zeit errichtet zu fein
ſcheint; 150 Gefchüge beftreichen die umliegende Gegend, veren ſteini⸗
ger Boden und Lage eine regelmäßige ‚Belagerung und Einnahme
ohne Erſtürmung fat unmöglich macht.
So iſt die Anlage Sultan Murads IL, ver im 3. 1579
38) Briefe aus Kars in der Ti. Zeitung a. a. O.
126 WeftAfien, III. Abtheilung. 1. Abſchui $ 34.
diefe Grenzfeſte gegen ven Perfer- und Georgier- Beind mit großem
Aufwand von Koftlen und Mühe zu Stande brachte. Der Umfang
der zu bauenden Mauer des obern Schloffes und ver untern Fe⸗
fung betrug nach den Gefchichtfchreibern 29) bis 40,000 Ellen.
Steben Beglerbege und Pafchen übernahmen ven Bau je de
nes ver 7 Bollwerke. Zwei Kirchen wurben in Moſcheen verwan⸗
delt, die größte, vom Seraskier erbaute, diente zum Begräbniß
eines Sheifhs, das bemallfahrtet ward. Während des Baues wurbe
eine Marmorplatte gefunden, beren SInfeription ſchon ein halbes
Sahrtaufenn früher die Namen von Erbauern einer Feſte nannte;
- fe wurde nach Emlia 0) über dem Kiblathor (gegen Mekka) ver
untern Vorſtadt eingemauert.
Bei der ruſſiſchen Eroberung mar die Feflung von Mohame⸗
danern bewohnt,’ und in 17 Magols (Quartiere) gethellt, jenes
"mit einer Mofchee, mit 850 Häufern, einer armenifchen Kirche, einem
Karawanſerai des Gouvernementd, 126 Kaufbuden und 2 Bädern.
Die Vorſtädte gegen Oft und Süd find tatarifche, vie dritte, im
Weſt auf der andern Seite des Karäfluffes, eine armenifche.
In dieſer zählte man 600, In ben beiden mohamevanifchen Bor»
ſtädten 1174 Häufer; zufammengenommen hatten fie 4 Karawan⸗
ſerais, 430 Kaufbuden, und waren In 11 Magols getbeilt, deren
jedes eine Mofchee und eine Kirche bat. Im ver armenifchen Vor⸗
ſtadt zählte man’ 2 Bäper, 2 Gerbereien, 6 Selfenflebereien, 6 Zle⸗
gelhütten. Andere Fabriken fehlten, aber die Bewohner bereiteten
fih zu Haufe ihre mwollenen Zeuge, Filzdecken, Teppiche, Hatten ſechs
Färberelen für rothe, 15 für Blaue Farbe, 7 Waflermühlen. Die
Stadt, zwifchen Gruſien, Perfien und ver Türkei gelegen, trieb nicht
unbeveutenden Handel, zumal Tranſit. Aus rufien bezog fie
Kaffee, Tuch, Seide, rufflfche Leinwand, Kattun, Rum, Weln, ges
trodnete Fiſche, Naphtha, Teppiche, Fllzdecken, Leber, Müsikeine
und Pferde aus der Provinz Kaſach. Aus Erivan, alſo über
Perſien, ihre felonen, wollnen und baummwollnen Zeuge, Baumwolle,
Reis, Zuder, Rauchtaback, getrocknete Fiſche, Früchte, Seifenpulner
und Farben. Akhalzikh lieferte Wachs, Honig, Leinwand, Früchte,
Bauholz; aus Arzerum, alſo aus der Tuͤrkei, kamen Tuch, Golb⸗
und Silberſtoffe, Wärfen, Pulver, Taback, ſeidne und leinene Waaren.
Die aus Perfien und Bruflen nad Arzerum durchgehenden Waaren
3 Hammer» Purgflall Geſch. des osmaniſch. Reiche. DeRn 129.
so) Wiener Jahrb. 1831. B. XIV. ©. 37.
z ®
Euphratſyſtem; Rare, Stadt und Paſchalik. 427
dahlten einen Zoll an ven Paſcha, der 4 Kop. vom Rubel betrug,
und damals das geringe Gefammteinfommen von 2500 Silberrubel
gab. Ausfuhrartikel waren Kor, Salz und Holz. Nach dem rufe
ſiſchen Ueberfalle iſt Kars nur als ein Muinenhaufen 31) übrig ges
blieben, den ein großer Theil ver ſtets fehr turbulenten Türken⸗
population verlaffen hatte, dem auch, wie dem ganzen Lande, bie
meiften feiner armenifchen Bevolkerung durch Auswanderung unb
Ueberſiedlung auf das zuffifche Territorium entzogen waren. J. Brant,
der die Stadt im Jahre 1835 befuchte, alfo unmittelbar nach dem
Rüdzuge ver Ruſſen, bemerkt, daß ver dortige Pafcha von 2 Roß⸗
ſchweifen eine befjere Zucht als zuvor Im Lande eingeführt habe,
und daß die daſelbſt fchlechte einheimische Volksrace nicht. mehr,
wie zuvor, Ihrer böfen Willkühr freien Lauf laſſen Fönne.
So viel von der Stabt Karb; da und jedoch durch die Zeit
Berhältnifie auch von dem ganzen fonft wenig befannt gewefenen
Paſcholik Kars, mas In diefen fernen Gebieten fo felten ift, eine
durch das ruffiſche Gonvernement auf officielle Forſchungen we⸗
nigſtens begründete ſtatiſtiſche Beſchreibung 22) deſſelben zu
Theil wurde, welche die älteren türkiſchen Beſchreibungen weit hin⸗
ter ſich zurücläßt, fo fügen wir bie belehrenden Hauptthatſachen
derſelben hier bei.
Das Paſchalik Kars oder Karß (zwiſchen 400 — 410 10
N. Br. und 600 — 61925’ öſtl. 2.) wird im Nordweſt und Nord
begrenzt vom Paſchalik Akhalzik, Im Oft durch den Arpatfhat
und Inſhu fu (letzterer uns unbekannt, doch verfchieden vom
Infha fu In W.), an deren Oftufer die Provinz Shuraghel Tiegt,
mit der Grenzfefte Gümri. Die Grenzlinie geht von Gümri
gegen N.W. durdy den Eleinen See Arpa=ghöl, aus dem ein Arm
des Arpatfhat (oder Arpa fu) gegen SD. hervortritt, über
den Bergrüden Ach⸗baba, dann durch den Tfhaldyr See
(Aſhildyr f. ob. S. 397) über das gleichnamige Gebirge, das ſich
gegen SW. zum Saghanlu unter verfchtenenen Namen (Kabach⸗
tapa, Kiſſt⸗dagh, eine vom Berge Buga⸗Tapafſy, Sanfomat, Kiflls
ghedjich und Tichma gebildete Kette) fortzieht. Gegen Weft wird
das Paſchalik durch ven Saghanlu und den Aladagh vom
Arzerum Paſchalik getrennt; gegen Säb reicht es auf bad
sı) J. Brant Journey in Journ. of the Roy-Geogr. Soc. of Lond.
18386. Vol. VI. p. 198. ”) Statiſt. Bemerk. a. a. O. unb
b. v. Uſchakoff a. a. O.
425 Weft-Afien, IH. Abtheilung. I Abſchnitt. $. 34.
rechte Araresufer hinüber, bis zur DW. Kette des Akhbulak,
der bier die Grenze gegen. das Paſchalik Bayazed bildet und ſich
oftwärts an den Agrivagh ansehe. Das ganze Paſchalik if
Gebirgsland, vie Ebene, In weldyer die Hauptflabt Kars liegt,
ift die einzige von Bebeutung, und doch Tiegt auch fie, nach SB.
Hamiltons Beobachtung des Eochennen Waſſers daſelbſt, bei 200°
Fahrenh., auf einer etwa 6000’ bis 7000' großen abjoluten Höhe
über der Meeredfläche. 33) Das Haugtgebirg iſt ver Saghanlu
in Weit, der die größte Höhe im Sandſhak Tachtin (Tacht, d.i.
Ihron, wahrſcheinlich weil die darin liegenden Dörfer Eigenthum
ber Krone waren) nahe der Grenze erreicht. Deſſen Verzweigungen
gegen Süd und Of am Arares Hin gehen über den Sandſhak
Ghetſchewan (Ketſchiwan) und Kaghisman; gegen NO. aber
über den Tſhaldyr und Arpa See in der Richtung des Sanpfhaf
Sariſchad, und durchziehen bier, In Wogen auf⸗ und abfleigend, pas
ganze Land. Die Akhbulak⸗Kette zieht am Sübufer des Araxes
Hin. Das Zufammentreffen mehrerer Bergzüge in ver Mitte des
Paſchaliks, an ven Flüffen Arpa tſchai und Kars, gibt der Stabt
Kars ebenfalls eine hohe Lage, deren Berge bei den Einwohnern
ihre befondere Namen haben (Chadſhi⸗topa, Aga⸗dewa, Goudſha-
dagh, Achny, Alydſha und Aglydſha).
Als Duelle des Karsfluſſes (Karstfhal), die auf dem S-
ghanlu entipringt, wird fperiel der Berg Tikmo angegeben; von
da an burchfchneivet der Strom das Sandſhak Tachtin von S. W.
gegen N.O. bis Kars, dann aber tritt er durch Kelsfchluchten ver
Gebirge, durch die er fi mühfem windet, bis zum Araxes. Keine
3 Stunden (20 Werft) unterhalb der Feſtung Kar wendet fidh ber
Strom yplöglih von Oſt gegen Süd, ſcheidet hier vie Sanpfhafe
Sariſhad von Shuraghel, und fällt bei dem Dorfe Jlanlju in
den Arpa tihal. Bis dahin ſtrömt er reißend, wie ein Gebirgs⸗
from anf fleinigem Grunde, 6 — 12 Baden breit, nur 2—4 Buß
tief, alfo nicht ſchiffbar, faſt überall mit gangbaren Furthen, außer
im März und April, wo er hoch anſchwillt. Sein Wafler iſt ge
fund, vol Weipfifche verfchlenener Battungen und forellenreich. Seine
fiichreichen Zuflüffe im Saghanlu heißen rechts: 1) Werifh op,
2) Parßadan fu, 3) Berna tſhai; linke: 4) Besgut tfhai,
5) Samowat-fu, 6) Dibilaus, 7) Tſhildyr fhat, aus dem
gleichnamigen See kommend. Der Arpa tſhai, deſſen Lauf wir
222) W, Hamilton Asia min. 1. p. 206.
Euphrarfuftem; Kars, Pafchalif. 429
Thon oben angaben, ſcheidet bier die Provinzen Shuraghel und
Srivan im obern Laufe von Akhalzik, im untern die letztere von
Kar; feine Breite ift 4 bis 6 Baden, feine Tiefe der des Kars⸗
fluſſes ‚gleich, wie die Natur und der Fiſchreichthum feiner Wafler,
die überall gangbare Furthen geftatten. Seine Zuflüffe werben uns
hierauf zum erftenmale namentlich aufgeführt; rechts: 1) der Ka=
rabana (Dajchbafch), der am Fuße des Ach baba entipringt und
bei dem Dorfe Baſch Schuraghel einfällt; 2) der Kapikljär, ver
auf nievern Höhen entipringt und zwifchen den Dörfern Kinak und
Koſchawjaͤnk einfält; 3) der Dſhala, mit letzterem von gleichem
Urfprunge, der aber bei Ani in den Arpa tihal fällt; 4) ver
Tichor, ver auf dem Alydſha entfpringt und 14 Stunden ober⸗
Halb des Dorfes Pakran einfällt. Bom Arasfluffe erfahren wir
außer den ſchon oben genannten Zuflüffen in ver Statiflif des Kart
Vaſchaliks nichts Neues, als Daß der. Strom überall 2 bis 6 Fuß
Tiefe habe, zwiſchen fteilen und felfigen Ufern bei 20 Faden Breite
hindurchziehe, mei furthbar, in der Anſchwellungszeit des Frühfahrs
ausgenommen.
o Das Elima des Paſchalik Kars gehdrt zu ven fchönften
des türkijchen Armentens, und das Land iſt im hohen Grabe frucht⸗
bar; beide Eigenfchaften werden ſchon von dem älteſten armenifchen
Annaliften gerühmt (Mos. Khoren. Hist. Arm. Lib. I. c. 11. p. 31).
Wir trafen, fagt der rufflfche Berichterftatter, bier das reizende Clima
unfrer Ukraine an, erblidten auf ven Tſhaldyrbergen (Ende Juli)
duftendes, faftreiche® Gras, das uns bis an den Gürtel reichte, und
die mannigfaltigften Kräuter, mit buntfarbigen Blüthen prangenb.
Der Frühling beginnt gemwöhnlih im März; ver Sommer dau⸗
ert vom Juli bis Mitte September. W. Hamilton 3) erlebte:
dort im Juni die heftigften Donnerflürme und, alle Tage Gewitter;
in ver Mitte Novembers fällt Schnee, zumellen auch früher. Die
hochſte Temperatur, nad ven Beobachtungen des Staabs⸗
Gapitein Blohm vom Generalſtaab, unter deſſen Direction das
Paſchalik Kars aufgenommen wurde, beträgt im Augnſt 350
in der Sonne; die Abende find zuweilen ſehr kühl, und nur all⸗
mältg ſteigt es von der kühlen Morgenluft zur Mittagshige; durch
dieſe gleichmäßige nächtliche Abkühlung wird die. Tageshitze un⸗
fhänli für die Geſundheit. Der Frühling bringt gewöhnlich
—
Regen und Hagel, welcher lettere oft * Saaten zerſtoͤrt. Auch
9 Hamilton Asia min 1. p.. 06.
430 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abfchnitt. 5.3
der Herbſt zeichnet ſich durch die Mehrzahl der Stürme aı
MWeftwinde find die vorherrfchenden. Der Winter hat beftäni
vielen Schnee und Froft, der Im Sanuar bis 20° fleige. 3
Krankheiten des tiefliegennen Georgiens, wie Gallenfieber, Baı
fieher, Ruhr, die auch in Armenien, Karabach, Imereti, Dlingı
lien fo vorberrfchen, find bier unbefannt; dagegen follen Str
feln und Gliederkrankheiten einheimifch und angeboren fei
Augenentzündungen finden Häufig im Sommer und Win
ſtatt, viefelben, welche Anadoli eigen find; im Herbſt bei Erkältu
gen werden Wechſelfieber herrſchend. Die verheerendſte al
Krankheiten ift bier die Peſt, vie jenodh nur durch Mittheilun
son Arzerum kommen fol. Die Vorforge der Ruſſen im Beldzı
und. ihre, Ougrantaine» Anftalten fcheinen vie. Weiterverbreitung dd
ſes furchtbagen Uebels gegen bie kaukafiſchen Landſchaften völlig |
Hinvert zu haben. Die Thäler des Paſchaliks Haben zwifchen ı
Bergreiben einen. fetten ſchwarzen Boden; bie Vorberge ver 50
Fetten haben eine mächtige Erdlage, theils aus ſchwarzer Erve, the
mit Ihonlagern; im Sandſhak Khagisman allein trifft man Le:
Jagen an. .
An Getzre ide gedeihen Gerſte und Weitzen, daher über
wo fie nur, freilig mit großer Anftrengung tief einfchneibeni
Milüge ‚und. fartmährenp, reichlicher Bewäſſerung 35) gebaut werd
gibt letzterer das zehnte Korn, die Gerſte weit mehr. Das Bi
chältniß der Ausſaat der Ger ſte zu. der des Weigens iſt wie 1:
‚Die Betreivepreife vor der ruſſiſchen Beflgnahme waren: Weite
4 Samara (d. i. 13 Pud 8 Pfd. rufl. Gew.) zu 1 Rub. 16 Kı
Silber; Gerfte, 1 Samara (= 12 Pud ruff. Gew.) 80 Kop. S
ber. Die Gärten Im Sandſhak Kaghiſman, alfo im Ararı
thale, verfehen die Umgegend mit ven fchönften Srüchten aller Aı
mit Pfirfih, Aprikofen, Mandeln, Trauben, vie vo
kommen zeifen und weit verfenvet werden. Eben fo gedeihen a
Bemäfensten. Bette und gefunde Weinen und Heuſchläge begü
fie die Viehzucht, außer im Sanbihat Kaghisman, wo ber Bor
ig If.
Balı fehlt, 618 auf den Saghanlu, der aber auch Baı
Holz, zumal Fichten ſtämme für das Bedürfniß bed ganzı
Paſchaliks liefern muß, und zumal bie Bewohner des Sandſh
ss5) W. Ouseley Trav. III. p. 456; Ker Porter Trarv. Il.
J. Brant Journ, 1. c. VI. p. 198. |
>
Euphmiſoſtem; Kars, Paſchalik. 431
ZTachtin mit Holzarbeiten befrhäftigt. In demſelben Reviere wächſt
auch Brennholz, naͤmlich niedres Geſträuch, das nur noch am Ach
Baba Berge vorkommt, ſonſt aber ebenfalls mangelt und überall,
jur Seuerung, durch getrodneten Kuhmift erſetzt werden muß.
Die eigenthümlihe Fauna ded Landes Kar iR noch fehr we
nig bekaunt; an- Wild ift Lieberfluß. Büffel, Ochfen, Schaafe, Ejel
werden in Menge gehalten. Die Rinder zeichnen fich Durch
Knochenbau, Stärke und Schönheit aus. Die Schanfe, von eigen-
thümlicher Race, find nicht von den feinwolligen, ihr Vließ iſt jenoch
weich und zu feinen Geſpinnſten fehr tauglich. Pferde find nur
ſparſam in Gebrauch und von Feiner befonvern Art. Zur Zeit der
Ankunft der ruſſiſchen Truppen waren die Viehpreife fehr mäßig.
Gin Paar. Büffel koſteten 20 — 50 Silberrubel; ein Paar Ochfen
10 — 15; eine Kuh 4— 6; ein Hammel oder eine Ziege 1 Rubel;
ein El 3 — 7, ein Pferd 10 — 30 Silberrubel. Federvieh
wud In großer Menge gezogen, das Huhn ioſtete nur 6 Kopeken
Kupfergeld u. ſ. f.
Von Mineralien iſt nur wenig bekannt; % Stunde ober⸗
halb des Ories Kaghiſsman, auf dem rechten Arazesufer, iſt ein
GSteinfalzlager bekunnt (wahrſcheinlich eine weſtliche Fortſetzung
ver Salzgruben von Külpi), dad auf 100 Baden in gerader Linie
im Bruche eine fehr ergiebige Ausbeute gibt; In gleicher Entfernung
bavon iſt eine zweite Steinfalggrube. Nahe dem Orte Magha⸗
bert (2) in Shuraghel ſoll natürlicher Salpeter gewonnen werben,
ki Ani ein Steinbruch fchönfarbiger Steine (Marmor?) fein, und
en andzer im Sandſchak Tachtin, nahe dem Dorfe Kang⸗käw.
Im ganzen Paſchalik zählte man bis zum Ausbruch des
Krieged nur 248 Dörfer; in jenem des Sanpfhafe waren bie Haupt»
fe ver Gewalthaber in feſte Burgen verwanbelt, deren ſeitdem
mehrere gänzlich zerflört wurben, wie von ven Dörfern, nach der
zuffifchen Beflgnahme, 75 zerflört ober von ben Bewohnern ver
fen waren; einzelne zerfireute Höfe zählte man nach her
Beanahme noch 1842 von Armeniern und 1887 von Türken be
wohnte, mit ven Bemohnern des Landes an 22,000 und mit Ins
begriff der Stadt Kard 29,543 oder nahe an 30,000 Seelen. . Die -
Dorfſchaften find elenve, Halb unter ver Erde an Bergabhängen
angelegte Erdgruben oder Höhlen mit vorgebauten Mauerwänden
mb Erddãchern, die nicht vom übrigen Boden zu unterſcheiden ſind,
beſſere Staͤlle für das Vieh als Wohnungen, dunkel und ſchmutzig
für Denfchen, aber im Winten unter der Erbe warm gelegen unk
432 Weſt-diſien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 34,
vom Schnee überdeckt, fo daß man ſich vie Ausgänge durchaus erſt
künſtlich durch die Schneebedten bahnen muß. Sie entfpredhen ganz
den von Zenophon angegebenen Höhlendoörfern der älteften Zeit.
Die deutlichfte Anſicht diefer ganz Armenien eigenthümlichen Bauart
hat W. Dufeley 36) gegeben. Die Dächer, fagt er, find von Holz,
aber mit Thondeden und Sandlagern überdeckt, auf denen nicht
felten Wieswachs oder @etreivefelder fi ausbreiten. An ver Bor
derſeite dieſer Erdhuͤtten ift nur felten, bei Wohlhabenden, wo es
Balken gibt, dad: Dad etwa von 4 Baumflämmen fäulenartig ge
tragen, gewöhnlich aber befteht fie nur aus einer Steinmauer, 6 bi8
7 Fuß Hoch, die zu beiden Seiten an den Erdboden flößt, oder all-
mälig nad) bee Höhe zu im fpiten Winkel gegen die Erddecke des
Daches an Höhe abnimmt. Nur an den aus trodnem Kuhdünger
als Brennmaterial aufgehäuften Kegeln vor ven Eingängen ver
Hätten, die aber meift nur zum Hineinkriechen fich eignen, und an
den bellenden Wächtern erfennt man daß Dafein von Häufern
und Dörfern überhaupt, an denen, ober über deren Dächern man
fonft, ohne fle auch nur zu abneni, hinreiten würde. Ihr Inneres
enthält meift nur einen oder einige größere Räume, vie in ver hei⸗
fen wie in der Falten Jahreszeit zu Viehſtällen dienen, in deren ei⸗
nem Winkel in der Regel nur ein etwas erhöhter Play ver Fa⸗
milte vorbehalten if. Nur bei Wohlbabenveren ift viefer mit Brei»
tern außgejchlagen, ober wol gar mit Vließen belegt. Das Licht
kann nur durch die Thüre eindringen, venn Benfter fehlen, wie
überhaupt jede Bequemlichkeit; nur Sicherheit und Wärme gewähren
fie bei firenger Winterlälte, denn felbft gegen Raubüberfälle find
fie durch die Erdumgebung und bie vordere Steinmauer mit einem
einzigen Eingange für Menjchen und Dich gefchügt.
Türken und Armenier machen die Bevdlkerung des Pafchaliis
aud; auch Zigeuner ziehen bier umher, deren man an 70 Individuen
zählte. Die Summe ver Bemohner Hatte ſich währenn ver Krieg⸗
führung jedoch um die Hälfte verminvert. Das ganze Land ſcheint
aber von Zeit zu Zeit folche vernichtende Zuſtände exlebt zu haben;
denn die Menge der Ruinen iſt weit größer als vie Zahl der An
fieolungen, und wo biefe auch gegenwärtig gänzlich fehlen, zeigen
doch viele Reſte von gebahnten Straßen, von alten Dimmen aus
se) W. Ouseley Trav. Vol. III. pag. 458 — 461. Plat. LXXIX.
. 6 u. 7: Anficht des Dorfes Fofanl; und PL. LXXVII: Anſicht
des Dorfs Bedrowas; Anficht des Baltenhaufes; PL. LXXIX, Fig.8.
Vergl. Ker Porter Trav.l. p. 650.
&
—. A — EN ce Be e
Euphratfoflem; der untere Kars⸗Fluß. 433
Daaberfteinen, welche durch die Mitte von Sümpfen hindurchführen,
und eine fehr große Menge von Flußbrücken, wennſchon nur in
Ruten, doch vie frühere Zugänglichkeit und ven Innern Verkehr
des Landes.
e. Der untere Lauf des Karstſhai mit dem Arpatſhai
vereint, ala Afhurean, bis zum Arares. Die Ruinen
von Ani, von Palaran, Erovantafhap und
Erovantugerd.
Folgen wir dem Laufe des Karsflufies oder Afhuren unter
halb der Stadt Kars, fo macht derſelbe zwifchen Belsthälern man-
che Bindung, bevor er nach etwa 2 Tagemärfchen bei dem Orte
Schuraghel mit vem Arpatfhai zufammenfällt, der nordwärts
vn Bümri herabfommt und gerade ſüdwärts nach Ani Hinabe
fest, zu welchen beiden Orten von Kats aus, ohne dem Zlußthale
des Akhurean zu folgen, die Wege gegen N. O. nah Tiflis,
gegen S. O. nach Etſhmiadzin und Erivan führen. Diefen
leſzteren Weg, wozu 9 Tagemärfche für Karawanen gehören, nahm
Zavernier. 9%) Er fand Leine regulären Stationen. Den erften
Leg paffirte er ein oͤdes Klofter, ven zweiten aber bie Ruinen
Wer großen, wie er fie nennt, Anikagaë, das heiße Stadt Ant,
De an ihrer Mauerſeite von einem reißennen Bergfirome beſpült
werbe, in den fich ver Kasöfluß ergieße. Ihre Lage fei ungemein
ff, in einem Sumpfe, durch den zwei Kunſtdämme, von denen noch
Ace übrig, den alleinigen Zugang in vie Stabt geflatteten. Auch
bewunderte er in ihr Muinen mehrere ungemein ſchoͤnen Bauwerke,
jumal von zwei beinahe volllommen erhaltenen Klöftern, von Tönig-
Der Eonftructton. Von dort paffirte er bie zwei folgenden Tage
hund mehrere Dörfer und kam fo fpäter nach Crivan.
Tournefort, ver von Kars nad Tiflis 37) wollte, nahm
Ne norvdſtliche Monte, auf dem Norbufer des Karstihei hinziehend.
Im erfien Tagemarſch über eine große Ebene, am Dorfe Barguet
und einem zerkörten Gaftell vorüber, in ein Thal; am zweiten
iber gut bebaute Ebenen, in venen ſchon ein milbere® Clima
ds Korn und ven Flachs (15. Juli) viel weiter gefdrbert batte,
a auf Der Ürzerumsäbene. Er erreichte einen kleinen Bergſtrom,
de zum Arpatſhai (alt rechter Zubach) einfiel.
286) J. B. Tavernier, Six vo. Lc.I p-24. °’. P,de Tourne
fort L. c. T. II. p. 125. u
Ritter Erblunde. X. Ge
434 Weft-Afien. HIT. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 34.
Hier thellte fich die große Straße gegen Süp und OR und Nordoſt.
Am britten Tagemarſch überſchritt er ſchon bie damals tür
Eifche Grenze und erreichte den perfiſchen, ſehr fruchtbaren Boden
‚aufsber Grenze von Georgiften, wo Ihm ver fehr tüchtige Menſchen⸗
ſchlag ver Georgier begegnete, in deſſen jchönen Bau er nad)
fo vielen Jahrhunderten noch Strabo's Beſchreibung dieſes Volks⸗
ſchlages beftätigt fand. Der Arpatfhal, den er Arpagi nemt,
ſchien ihm einer der fifchreichfien Flüſſe zu fein. Er glaubte am
folgenden und nächſtfolgendem Tage, als er die Gebirgsſtufen jenes
Hochlandes hinabſtieg, In eine ganz neue Welt eingetreten zu fein.
&r, ver Botaniker, fand nach jenen langen, dbven, baum- und
Holzlofen armenifchen Hochebenen endlich wicher ein Land mit Ge⸗
büſch und Wald. Eichen, Buchen, Ulmen, Linden, Ahorn,
Eichen zeigten fich wieder, die ex lange vermißt, auch Weißdorn,
Gollun der folgten, und Hafelnüffe, Birn-, Pflaumen»
und Apfelbäume fehten ihn durch Ihr Wiedererſcheinen und ihre
reizenden Wechſel in Entzücken. Gr pflückte wieder Erd⸗ und
Himbeeren, dad Korn wurde hier ſchon am 18. Juli gemäht,
es zeigten ſich die erſten Weinberge, bie nun bad ganze warme
Georgien überziehen, und ver Rebenſaft war hier Nectar gegen den
Wein von Arzerum. Hier begann wirklich die neue Landſchaft des
warmen Georgiftend oder Gruſiniens, von. der wir jedoch für jegt
zum nadten Hochlande der Gegenwart zurüdtehren. -
» Bon vem Oſtthore der Stadtmauer von Kar, ) in wel⸗
che einige Basreliefs von Thieren in rohem armeniſchen Styl In
Stein gehauen find, braucht man nur eima 6 Stunden Zeit, um,
gegen Südoſt reitenn, die Ruinen von Ani am Arpa tſchai zu
erreichen. Man folgt anfänglich dem Fahrwege nach Bümri, der
aber bald gegen N.O. abzweigt, wohin W. Hamilton am 12.
Juni' 1836, ald er dieſen Weg nahm, eine große Menge mit
Biffen beipannter Laftwagen ziehen: fah, melde das Zimmexholz
vom Saghanlu zum großartigen Bau ber »rufflichen Grenzfeſte
Ginmrb führen ſollten. Seltfamer Gontraft, bemestt er, daß bie
Kürten ihr Baubok au ihren Todfeind zum eignen. Berberb per»
handeln; waͤhnend ſie ſelbſt ſchwach, desorganifirt, hülfloß gegen Ahre
Nachbarn, unterrrückt von ihren eignen Gebietern, ihre Grenze ohne
Wade, ohne Schilv, ihre Städte vhne Mauern und, Befefligungen,
- 8
ohne Geſchũtz, in Trümmern liegen laſſen, et ber ruſſiche Teind,
rs j
+") W. Hamilton, Asia minor. 1. p. 185. en
\
-
= «
Euphratfgftem; Der Kars: und Arpastfbai. 435 '
art und blühend, überall an ver Brenzlinie feine gewaltigen Boll-
werke zu neuen Bebrohungen und Angriffen. — Nimmt man aber
den gegen SD. abzweigenden Weg, gegen Anti, fo liegt eine
ganz baumloſe, wellige, fanft gegen OR ſich erhebende Ebene aus
einem zellig-blafigen, vullanijchen Beftein vor, auf ber
ſich 2 Kegelberge nur 2 Stunden fern von Kars erheben, die er⸗
leſchene Bulcane zu fein fcheinen. Ihr Durchbruch nach oben hatte
eine niedere Bergreibe ihnen zur Seite mitemporgehoben, aber uns
mittelbar‘ gegen N.O. fallen fie fleiler und tiefer gegen das umkrei⸗
fende Thal des Karpa= und Arpa⸗tſhai ab. Sie zeigen, daß auch
in dieſer Direction die einflige vulcanifche Ihätigkeit der Ararat⸗
gebilde fich weiter verbreitete, Wo bier Ackerfeld fich zeigte, war
bie Ernte noch ſehr weit zurüd (Mitte Juni). Von der Nähe '
des elenden Hoͤhlendorfes Hadji Veli Kieui, wo Ruinen eines
Gaftells fich zwifchen Reihen von Bafaltfäulenbildungen er⸗
heben, die nach unten ganz dicht find, aber nach oben ſehr bla⸗
fige Textur haben und Schmelzung beweifen, nehmen bie
Zeichen vom Anbau des Landes mehr und mehr zu. Hier zeigt
ſich von diefer Seite dem Kommenven zum erftienmale ver Fern⸗
bu auf ven Aghridag, den majeflätifchen fhneereichen Ararat,
der fich hier ganz einfam mehrere taufend Buß Hoch über alle an⸗
vern Gipfel erhebt, die gegen S.D., Oft um N.D., wie im Alaghez,
aber auch gegen S. und SW. meift in vulcanifhen Kegel
formen emporflaren. Nach Durchfegung von 2 ober 3 Fleinen
Gebirgswaſſern, Die gegen NO. zum Karafu und Arpa tihat fallen,
iR des letzteren Thalrinne und das jüngere Dorf Ant unter ven _
Bergen des Karadagh erreicht, von dem nur eine Viertelſtunde fern,
im Süden, die Ruinen der alten Ani liegen.
Durch W. Hamilton, ver von hier ven Weg aufwärts gegen
Nord nach Gümri nahm, erfahren wir, daß 4 Stunden Wegs
(40 Werſt fagt Ker Porter) im Nord von diefen Ruinen von
Ani vie beiden Flüſſe Kars⸗ und Arpa-tfhat bi Shuragel
Ghurautgel bei Hamilton) 39) fich wirklich vereinen. Fruͤhere
Augenzeugen fehlten hierüber: denn Ker Porter, der im I. 1817
Mitte November von Tiflid über Gümri fommend nach Ani ging,
hatte Den DBerein beider Ströme nicht Tennen gelemt. Er Hatte
6 Kagemärfche zugebracht, um von Tiflis über die uns ſchon be=
tannten Paflagen ver beiden nörvlichen Pälfe, des Agsböuk und
l
20) W. Hamilton a. a. O. I. p. 200. |
Ee 2
436 Weſt-Aſien. II. Abtbeilung. J. Abſchnitt. $. 34.
Beiobval, am Norpfuße des Dritten dad Pambak⸗Thal mit
der Station Hammanlu @) (4720' über dem Meere) zu erreichen
(f. ob. ©. 375). Statt nun ſüdwärts den Pambakpaß direct nach
Etſhmiadzin Hin zu überfleigen, wandte er ſich erft weflwärts,
auf der alten Milttärftraße ven Pambakfluß aufwärts, um Gümri
zu erreichen, das nur zwei Tagereifen fern liegt. Nur nieprigere
Berzweigungen ver Mofhifchen Berge (Mofflan genannt) waren
bier zu überfieigen, um zum Dorfe Bedant mit einem Militär⸗
poften zu kommen, von dem noch ein geringer Bergſtrom, Tſchit⸗
ſchiana bei Ker Porter oſtwärts zum Pambal- Flug (oder Tabedah,
f. 06. ©. 370) eilt. Jenſeit diefer Station, gegen Welt, wirb in
2 Stunden ver Berg erfliegen, der das Thal zufchließt, und nad
2 Stunden über den Paß, der am 14. November ſchon ganz mit
Schnee überdeckt war, ein milderes Elima erreicht, indem man nad
einer Stunde Hinabſteigens die rufflfche Feſte Gümri gegen bie
Türfengrenze erreicht. Ihr im SD. ſteigt in Fühner Steilheit ber
Kegel des Alaghez zu 12,871 Buß Par. empor (f. ob. ©. 376),
der dem Diſtrict Shuraghel, in welchem Gümri liegt, dahinwärts
feine natürliche Grenze feht und gegen N.W. viele Bergmaffer gegen
Bümri, gegen die Feſte Shuraghel und Ani hinabfenvet, vie ſich
ale im Arpa tfhat (Arpa fu, dem Harpaſus) vereinen. An biefen
Berg, den die Armenier Arakadz (Aragaz Mof. Chor. I. 11.
Kol. 32) nennen, knüpft fich eine der älteſten ihrer Traditionen;
denn feinen Namen erhielt er nad) einem Enkel Haiks, des Stamm-
paterd von Armenien (Haikiſtan), deſſen Sohn Armenak ſich zuerft
in ver Ebene am Arares nieverließ und Hütten an deren Norpfeite
am Fuße ned Berges erbaut haben fol, dem er jelbft den Namen
feines Sohnes Arakadz belegte. Der Name Alag hez iſt alfo
nur türfifche Verflümmlung des Armenifchen, wie fo viele andere.
Gümri, auf einer Anhöhe gelegen, hat eine dominirende Gtel-
lung, deren mit großen Koften begonnene großartige und auf fliehen
Jahre zum Bauen berechnete Berfchanzung, die damals täglich 40
bis 50 Fuhren Zimmerbolz aus dem Saghanlu erhielt, wo ein
Daum nicht felten auf 50 Piaſter zu flehen kam, vielleicht nur
darum unnüß fcheinen möchte, weil vie Türken wol niemals mit
großer Uebermacht und Belagerungskunft fie von ihrer Seite ber
belagern werden. Doc if es nicht eigentlich die Stadt felbft, ſon⸗
dem die ganze Umgebung, aljo die Grenze, zumal gegen N.W.,
#40) Ker Porter Trarv. 1. p. 166.
Euphratſyſtem; der Kars⸗ und Arpa thai. 437
weiche mit Redouten bis auf weite Kernen Hin verfehen ift, mit
bombenficheren Gebäuden, Barraden und andern Werfen in einem
ſo großen Maaßſtabe, daß fle darauf berechnet fcheint, eben fowol
dat eigene Land ſelbſt im Zaume zu halten, wie Ueberfälle nach
außen bin zu flügen und Einfälle über vie Grenze von türkiſcher
—
Seite hier ganz unmöglich zu machen. Sie erhielt durch Kaiſer
Ricolaus ſelbſt den bedeutenden Namen Alexandropolis und
bat zuletzt vorzüglich Polen *!) zur Garniſon gehabt. Eine Qua⸗
zanteine gegen bie Peſt ift neben der Feſtung eingerichtet. Der
Arpa tfhai fließt Hier durch reiche Wiefen, und eine gute Viertel
ſtunde zu beiden Seiten von feinen Waſſern fleigen bie Ufer fteil
auf wie natürliche Bollwerfe und bilden ein weites Plateau-
land, das fly durch den ganzen Winkel zwiſchen ihm und dem
Kartzufluſſe fortzieht. Die Steilabfäle bei Gümri find zu beiden
Geiten mit einer mächtigen Dede von ſchwarzem Peperit vulcanifcher
Bildung überlagert; Bafaltbilvungen treten an vielen Stellen ver
Ränder deffelben als deſſen Träger hervor. Diefes Plateau, das
auch auf ver ruſſiſchen Oſtſeite des Stroms, wie auf der türfifchen
Weſtſeite mehrere Meilen weit fortziehend fih an ven Fuß jener
Kegelberge anlehnt, welches vom Weſt ber der Kardfluß durch
ſchneidet, um fich in den Arpa iſhai zu flürzgen, wird auch ſüd⸗
wärts nur vom tiefen Erpfpalt des Arpa tſhai bis Ani und
weiter durchfchnitten und durchrauſcht. Diefe Naturgrenze if
8, welhe zur Staatengrenze geworben; fie iſt vorher fchon vie
Völkergrenze geweien: venn Hier ift ver Bauer nicht mehr Ar»
menier, Türke over Kurde, ſondern Georgier over Cir⸗
kaffter in feiner knappanſchließenden Nationaltracht mit der Pelz
kappe; die Weiber verbergen fich nicht mehr hinter ven Schleier over
vor dem Fremdling. Die Dörfer aber machten nach den verheeren-
ven Kriegen durch ihr Elend den traurigften Eindrud. Die früher
hin perſiſche Herrſchaft in dieſen Gebieten hatte einft viele Tauſende
berfifhe Anfienler mehrere Meilen weit auf die Weftfeite des
Arpa tſhai hinübergelodt. Ein ſolches übriggebliebenes damals noch
m Berfern, aus Erivan, bevölkertes Dorf war Uzun Kilis
ich 2) im Welt von Gümri, auf dem Wege nad) Kard. Gie
hatten zur Zeit, da das früher perfliche Erivan von Ruſſen er-
bet ward, diefen ihren Heimathſitz mit Anfiedlungen auf türkiſchem
— — —
*) X. Bore Correspondance et mem. Paris, 1540. T. IL. p. 38,
*) W. Hamilton Asia min. I. p. 200.
3
-
438 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt.$. 34.
Gebiete vertaufcht. Nach ven Frienendtractaten zwifchen Türken und
Ruffen mußten alle viefe perflfchen Emigranten von» jegt ruſſiſchen
Zerritortum fpäterhin, wie alle ruſſiſchen Deferteure, mit denen
fie, mie es fcheint, in eine Glaffe geftellt wurden, wieder in ihre
frühern Sige zurücdgefchidlt werden, und nur wenige Hunderte wa⸗
ren auf türfiihem Boden geblieben, als W. Hamilton das Dorf
Uzun Kilifeh paffixte, von dem Kars gegen S. W. nur noch acht
Stunden Weges entfernt liegt. Das Uebergewicht ruſſtſch⸗ eurepäl-
ſcher Energie gegen türkifcheaflatifche Erſchlaffung zeigte fich hier auf
jedem Schritt und Tritt.
Südwärts von Gümri nur 5 Werft, bei Shiraghel, bemerkte W.
Hamilton, wie bei vielen Grenzorten jener Gegenden, ein großeß
oblonges, aber in Muinen llegendes Gebäude von eigenthümlicher
Eonftruetion, welches zu gleicher Zeit das Berürfniß einer Kirche
mit dem eines Caſtells zu erfüllen beflimmt geweſen zu fen fcheint.
As Ker Porter dieſe Straße 5 Werft ſüdwärts von. Guũmri ges
zogen war, bemerkte er ein altes chriftliches Dorf mit Ruinen, die
er für chriftliche Kirchen und Steinthürme hielt, die einft bier einen
Paß in Verbindung mit alten Burgruinen in der Nähe gefchloffen
haben möchten; dann aber fehte ex durch ven Karsfluß. Vermuth⸗
lich war jener Ruinenort die Stelle von Shiraghel, wem alt
armenifchen Shiragh, *) wo auch Hamilton jene oblongen
Steinbauten bemerkte. Weiter firomab iſt es, wo fih Kars und
Arpa thai vereinen; dann folgte eine Stunde jenfeit ver Furth durch
den Kars, deſſen reißenven Lauf auch Hamilton durchſetzen mußte,
ein anderes Dorf, Maurek, wo eine Kirchenruine und benachbart
auch eine Eapelle, im Styl ähnlicher Bauwerke, wie zu Ant. Be
diefem Dorfe flößt die vom Weit kommende Straße, von der Feſte
Kara, mit der vom Süden kommenden Straße, vom Arares nad
Gumri, zufammen. Hier eröffnen ſich mehrere großartige Ausfidy
ten auf ven Ararat: denn man iſt, wenige Stunden von Ant, in
dieſelbe Thalweitung in der Nähe von Hadji Beli Kieui gekommen,
von der nach Obigem zuerft fich diefe Fernblicke dem von Kurs bis
ect Kommenden eröffneten. Den Boden ver umgebenden Höhen bes
deckt auch bier noch immer jene ſchwarze Peperitdecke mie be
Gümri, darin mancherlei Spuren vulcanifcher Materien ericheinen,
darunter aber ein vünnes Lager gelben Sande, erfüllt von
zahlreihen Mufcheltrümmern, ganz dem bei Khorafan (ſ.
#*3) St, Martin Mém. 3. VArm. 1. p. WI.
=
Euphratſyſtem; Arpastfhai; Ruinen von Ani, 439
6. ©. 405) gleich. Bemerkendwerth iſt, daß dieſes Lager jedoch
bier wicht, wie dort, horizontal, fondern in gegen N.B. abfal⸗
lenden Schichten ſich gefenkt zeigt, die. ihre Schlefe unftreitig Io» -
calen Hebungen von ver Süpoftfeite verdanken, und wie fo viele
andere Berhältniffe auf einen einfligen Süßwafferfee hindeuten, aus
Kfm Mitte fich bier, wahrjcheinlich in vielen Sucrefflonen, einft in
vorgeſchichtlichen Zeiten vie zahlreichen vuleangleichen Kegelbildungen
des armenifchen Hochlandes emporhoben. Diefelbe Bodennatur, noch
mehr in Schlackenbildung und wahre vulcaniſche Aſchen und veſu⸗
viſche Rapilli übergehend, immer 200 Fuß über den benachbarten
Enriſſen der Flußbetten bleibend, zieht am Dorfe Aras Oglu nur
noch eine ſtarke Stunde vor Ant vorüber, bis man deſſen Trümmer⸗
haufen ) erreicht.
Die Ruinenſtadt Ant in Schirag (dem heutigen Shlraghel).
Schon Zavernier hatte diefer alten berühmten Stadt Ant
bes armenifchen Mittelalter8 erwähnt, ohne mehr ald Obiges (fiche
oben S. 433) von ihr audzufagen, und auch durch andere flüchtig
Vorüberziehende war nichts Gevaueres befannt, als Ker Porter,
1817 von Neuem durch feinen Beſuch bie Aufmertſantelt auf fie
hinlenkte. 5) Aber leider waren die Ruinen felbft mie die nahen
Umgebungen zu gefahrvol durch Banditen und kurdiſche Raub·
horden, um trotz feiner 10 Mann Escorte auch nur länger "als
wenige Stunden in ihnen zu verweilen. I. Morier fchmüdte de
nen Roman mit der Erinnerung an Uni. 6) Br. Dubois, vr
unter rufflichem Schuge im Jahr 1834, Mitte März, von Erffmlade .
iin ſchon bis an die Mündung des Arpat ſhai zum Araxes vorge⸗
drungen und nur noch 6 Stunden (26 Werft) #7) entfernt war
von den denfwürbigen Ruinen von Ant, die zu erforfchen ihm fo
ſehr am Herzen lag, mußte doch, weil biefe Trümmer auf dem
rechten Ufer des Stromes, alſo auf türkiſchen Boden, lagen, fich
dieſen Beſuch verſagen, weil er dann bei der Rückkehr auf ruſſiſches
Gebiet in der langen Quarantaine ſeine koſtbare Zeit hätte verlieren
müſſen, die zu weitern Forſchungen fo nothwendig war. Auch bie
benachbarte Trũmmerſtadt Pakaran mußte er unbefucht laſſen.
Nur W. Hamilton, ver von Weſt her nur auf türkiſchem Boden
durch Klein⸗Afien bis an dieſe Grenze Armeniens vordrang, gelang
**) W. Hamilton Asia minor. I. p. 203. *8) Ker Porter Trar.
I. p. 173. 46) Jam. Morier Ayesha or the maid of Cars.
Lond. 1834. _ *") Fr. Dubois Voy. a. a. DO. Il. p. 437.
I
440 WeftsAfien. II. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 34
es, unter Begleitung eines griechtichen Agenten des britifchen Con
ſuls in Kars und eines Chavaſs (Polizeidieners) vom bortige
Baia, In der Ruinenſtadt wenigftens einen ganzen Tag zu ve
weilen (13. Juni 1836). %#) Doc ſchon am Morgen des zweite
mußte er, aus Beſorgniß, von den Näubern des benachbarten Karo
dagh überfallen zu werben, dieſelben wieder verlaffen, ohne di
ruſſiſche Grenze berührt, ohne mehr als nur allgemeine Bemerkun
gen gemacht zu haben, ohne an doch fo wünjchenswerthe Meffunge
und Zeichnungen ver dortigen Architecturen venten zu fönnen, bi
wir durch einen Befuch des auf viefem Felde fo thätigen Fr. Duboi
gewiß erhalten haben würden. Es bleiben alſo wienerholte Ber
fuche zur genauern Erforſchung dieſer für die Geſchichte und Ar
chitectur des Mittelalters feit dem 10. Jahrhundert fehr intereffante
Trümmerflabt, die aber mit einer weit älteren Belle Ani ar
Euphrat, 9% welche fchon unter ven Arfaciden und Saffa
niden eine berühmte Tempelſtadt ber heidniſchen Armenier waı
nicht zu verwechjeln iſt, wünſchenswerth, deren Bedeutung ſich fü
fünftige Reiſende aus Folgendem ergeben wird.
J. St Martin gibt Über dieſe Stadt folgenne Daten, *0
Ani Heißt im Perflfchen und Arabifchen Any, bei Syrern Ana
es iſt das Avlov“ bei Cedrenus (Hist. comp. ed. J. Bekkeri 1839
T. II. p. 5856 etc.), vie Hauptſtadt von ganz Armenien im Land
Schtrag, am (richtiger unterhalb dem) Zufammenfluß des Alhu
rean und Rhah, unter welchem Iegtern hier ver mit dem Arpa iſha
ſchon vereinigte Rhah (ſ. ob. S. 397) zu verftehen fein wird. In
XI. Jahrhundert fol fie 100,000 Einwohner und 1000 Kirchen ge
habt Haben (nach Mekhithor Dict.; Schamir c. VI. p.133). $rü
ber, im V. Jahrhundert, fol es nur eine Eleine Feſte ver Gamfar
(Gamfars) Prinzen gemefen fein, vie fie im VIII. Jahrhundert aı
ven Prinz der Bagratiden Aſchod abtraten, ner im Jahre 78:
die Mauern erbaute, um vie Königäfchäge port gegen vie Raub
überfälle der Araber zu fichern, die damals Armenien verbeerten
Aſchod IIL verlegte fpäter, 961, dahin feine Reſidenz, vie e
auch bis 1045 blieb, und damals durch ihn ihre vergrößerten neue:
+8) W. Hamilton a. a. O. p. 196. “®) J. St. Martin M&m
a. TArménie T. I. p. 111 — 114; vergl. die fpeciellftien Nachrich
ten über Ant, vom Vartabed Mina in: Reife nach Lehaſtan
Denebig, 1830. Davon ein Auszug im Magazin f. d. Lit. d. Aus
1834. Rr. 128 u. 130, worin die dhronologifhen Daten von benei
St. Martins etwas abweichen, von Dr. Betermann.
Euphratfoftem; Ruinen von Ani, 441
Mauern, Wälle, Ihürme, viele Kirchen und großartige
Arhitecturen, unter denen auch ein Maufoleum der Könige
gmannt wird, in deren Aufführung vie Großen des Landes mit
ven Königen wetteiferten, erhielt. Im Jahre 993 legte Kafig 1.
(vr Bruder Sempab II.) ven Grund zu einer großen Kirche, welche
damals der Sig der armenifchen Patriarchen wurde, ven biefe
uch bis zum Sabre 1064 beibehielten. Aber 1045 wurde Ani
an de Griechen verratben, und Kakig II, ver lebte König ver
degratiden, gezwungen, fie dem byzantinifchen Kalfer Eonftantinus
Nonomachos abzutreten, um fle der römifchen Herrſchaft einzuver-
kiben, der feine Neichsgrenze nun durch einen daſelbſt eingefegten
Geuverneur gegen die Augriffe ver Mufelmänner vertheivigen ließ.
In Jahre 1064 wurde fie fchon von dem Gelvfchufiven- Sultan
Alp Arslan erobert, und erhielt unter feinen Nachfolgern tür⸗
Ne Cmirn, die daſelbſt faft als unumſchränkte Gebieter herrſch⸗
m. Alp Arslan entführte den übrigen Theil der Bewohner
Ani's, die nicht zuvor ſchon entflohen waren, nach Berflen, ver⸗
pflanzte pagegen Einwohner anderer beflegter Städte nach Ani und.
gab Ihe einen perſiſchen Statthalter. Da nun feitbem auch durch
vd Geſetz des Koran der Patriarchenfig geftürzt war, fo Eonnte
man erfi 18 Jahre fpäter mit Genehmigung des Emir Manutſché
Ye Erlaubniß erlangen, zu Ani einen neuen Patriarchen ver Ar
menier des Orients in der Perfon des Biſchofs Barfegh, oder
Yaftlius, einzuweihen und einzufegen, der von 1082 bis an feinen
ip, 1113, dieſe Würde behauptete. Uber fehr viele ver nah Ant
wrüdgelehrten Armenier, durch ven vielfach erlittenen Drud ges
Rängt, verließen von Neuem die Stabt, und damals war es, daß
Anienfer vorzüglich nad Polen (Lehaflan) auszumandern began-
um, in ein Land, das fich ſeitdem mit armenifchen Anflevlern
füllte, fo wie ebenfalls nach dem füblichen Rußland und ver Krimm, 50)
Ne fo zahlreich von ihnen bevölkert war im XII. und XIV. Jahr
hundert, daß fie in armenifchen Schriften die Armenia maritima
genannt wurde. Wieverholt traf Ani bald ein neues Trauerloos:
Ddavid, König von Georgien, eroberte es im Jahre 1124 und
führte den damals dort herrſchenden Fürſten Abulſewar als Ges
fngmen ab, beſchühte auch von Neuem in ver Stabt die chriſtliche
Sirhe und zog dadurch wiever viele emigrirte Armenier zu ihrer
Snpitale zuruͤck. Aber fchon im folgenden Jahre Fam Abulfewar's
— ———
) St. Martin im Journ. aaiatiq. 1623, Paris. T. U. p. 2.
442 Weſt-Aſien. II. Abtheilung. I. Abfchnitt. $.34.
.
Sohn, P'hadlun, aus Khoraſan mit einem großen Schwarm
von Türken und Perſern, denen fich alle armeniſchen, muſelmänni⸗
ſchen Emire zugeſellten, und belagerte Uni, das von Ivan, Sohn
Abuleth, einem berühmten georgifchen Feldherrn vertheinigt war.
Nach langem hartnädigen Kampfe drang Phadlun erft im Jahre
1126 durch Gapitulation in Ani ein, durch welche ven chrifllichen
Bewohnern Schug zugefichert und auch geflattet wurde, daß das
große Kreuz, welches auf dem Dome der Patriarchallicche errichtet
war, ſtehen bleibe. Uber fchon 35 Jahre darauf fiel Anti wieber,
im Jahre 1161, in die Gewalt ver Georgier unter König Georg IN.
zurüd, der ven georgifchen Prinzen Satun dort ald Statthalter
einjegte, der aber treulos nach Selbſtherrſchaft ſtrebend, bald an ven
Hof von Ildighiz zu den Atabeken in Aderbidjan entfloh. Nun
übergab Georg IH. die Statthalterfchaft Ani einem armenifhen
Prinzen von Furbifcher Abflammung, an Sarkis, Sohn Zafkars,
der bei ven Chriſten wegen feiner Tapferkeit zwar in Ehren ſtand,
aber noch nicht im Stande war, der Uebermacht Arslan Schah,
des Sultans der Seldſchukiden, zu widerflehen, ver Aut im 9.1163
einnahm. Aber ver Kampf um Uni brachte dieſe Capitale im 9.
1174 wieder in die Gewalt des Königs: ver Georgier zurüd, ver
fie nun vem Prinzen Ivan übergab, aus dem Geſchlechte ver-
Drpelier. Der Sultan von Aderbidjan, ver die Stabt wieber
einnehmen wollte, wurde mit Schimpf zurückgeworfen. Als nım
aber durch die Mache des georgifhen Könige Georg IN. faſt alle
Prinzen ber Orpeller ermordet waren, und ihre Ueberrefte fich nach
Berfien geflüchtet Hatten, trat der Kurve Sarkis wiener ald Prinz
von Ant hervor, und vererbte dieſe Herrfchaft an feine Nachkom⸗
men. Run fill unter dem Fuͤrſten Shahanfhah, einem Nach⸗
fommen von Sarkis, bei der allgemeinen Ueberſchwemmung ver
Mongholen auch Ani im Jahre 1239 durch Ifcharmaghann, ven
Mongholengeneral, nad) langer Belagerung in vie Hand viefer
Barbaren, welche einen großen Theil der Einwohner über vie Klinge
X
fpringen ließen, und 80 Jahre ſpäter zerſtörte, nachdem ſchon einmal, —
im Sabre 1131, eine furchtbare Erſchütterung die dortige Pracht —
firche des Erlöfers gänzlich. vernichtet hatte, ein gewaltige Erd —
heben Im Sabre 1319 die Stade vollends, veren übriggebliebene
armenifche Bewohner fich theild durch das übrige Armenien
zerftreuten, theil8 zu den Kiptſhak Tartaren in Die Gegend des heu —
tigen Aſtrakhan flohen, und von da fich auch In ver Krimm an——
fievelten, wo feitvem ihre Nachkommen bis heute anfällig find. Ni —
Fupbratfoftem; Ruinen von Ani. 443
Hat fich ſeitdem die Stadt Amt wieder erholt, nie wieber bevölkert;
fle Ilegt ‘öde in ihren Trümmern bis heute. In der Mitte des
18. Jahrhunderts fol ein Klofter noch zwifchen ven Ruinen Beſtand
gehabt Haben, das aber nach 1750 durch vie Lesghier zerflört ward,
und von dem un& Feine nähere Kunde zugefommen ifl. Heut zu
Tage liegen nur ein paar elenve Hütten neben ven Ruinen, in einem
Fels ſpalte baut, in deſſen Seiten fehr viele Höhlen, 51) welche
den alten Bewohnern von Ani als Catacomben und Grabſtätten
dienten.
Der Eindruck, ven Ani auf Ker Porter 52) machte, ergibt ſich
aus feiner Beſchreibung. Sie tft, jagt er, vol Eaftele, Thürme,
Burgen, und liber dem Eingangsthor iſt ein Leopard in Stein aus⸗
gehauen. Große Kreuze in Stein zeigen fih überall In den Rul«
nen; zerbrochne Säulen, Gapitäle, alles in wilder Verwirrung und
Endde, ohne eine lebendige Seele. Da lagen Palläfte ver einfligen
Könige Armenienb, fo groß wie eigne Städte, in ihren Ruinen,
noch prachtuoll über ale Beſchreibung; mit ven fchönften Sculptus
tn und Moſaiken in allen ihren Gälm. In der Mitte ver Stadt-
legen 2 Octagonalthürme zu gewaltiger Höhe, die wieder mit
Thinmchen beſetzt alles beherrſchten, ſelbſt die Eitaelle gegen S. W.
Wo er ging und ſtand, ſagt Ker Porter, mußte er den feſten
und ſchönen Styl in der Arditertur der alten armenifchen Könige
ſtadt bewundern, denn bie ſchönſten Eapitäle ver Säulen, vie Orna⸗
iuente der Frieſe und Anderes, übertrafen alles, was er der Art In
feiner Heimath gefehen. Die Kirchen mit hochgewölbten Dach, mit
der trefflichſten Mofalk, reich mit Raͤndern nach etrufcifcher Art, in
rothen, ſchwarzen und gelben Stein eingefaßt, mit Säulm und
Dfeilerfchmutt ganz frifch wie von geſtern ber, zeigten, daß nicht vie
Linge der Zeit, fonvern Menfchen, Krieg, Erdbeben hier gewüthet
batien. Ueberall luden armenifche Inferiptionen und Ornamente zur
nähern Betrachtung ein, aber das mordende Raubgefinvel, das ſich
verborgen gehalten, zwang zum eiligen Abmarſch.
Genauer ging W. Hamilton In die Einzelheiten ein, und
theilte dem engliſchen Architectenverein zu London folgende Daten
mit.
21) W. J. Hamilton Account of the ruins of the city of Anni
in Armenia in Transactions of the Roy. Institute of British
Architects of London Sessions 1835—36. Vol. I. P. I. Sec. Ed.
London 1839. p. 100-104; deſſ. Verf. Asia minor. L p. 197
—203. °'*) Ker "Porter 1. c. 4 p- 173.
.
444 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.34,
Die Ruinen Liegen 1 engl. Meile im Süß des mobernen
gleichnamigen Dorfs, an 24 engl. Mil. direct im O. von Kars, am
Ufer ded Arpatfhal auf der Grenze des Türkengebiets. Die Stadt
it in Triangelgeftalt auf einer Art felfiger Halbinfel er-
baut, deren Oftfeite durch Klippen vertheidigt ift, deren Buß ber
Strom in tiefer, ſich windender Felsſpalte befpült; die Weftfeite
umzieht eine breitexe troden Tiegende Kluft, deren Steilfeiten mit
Gräbernund Grotten ausgehöhlt find. Diefe beiden Schluchten ftoßen '
gegen S. an der Spige des genannten Triangeld zufammen, veffen breite
Bafls, gegen Norven gekehrt, an das große, flache, hohe Plateau⸗
land ftößt, und hier durch eine querdurchſetzende, fefle, maflive, oft
doppelte Mauer geihügt, und durch zahllofe runde Thürme ver⸗
theidigt iſt (ähnlich wie die Stantmauer Conftantinopeld). Außer»
halb liegen nur ein paar Pleine Kapellen mit armenifchen Inſcrip⸗
tionen, in demſelben Styl erbaut, wie die innerhalb der Stabtmauern.
Diefe erheben fih an mehreren Stellen bis zu 40’ und 50’ Höhe,
von vortrefflicher Conftruction, mit einer äußern Bekleidung großer
Zunftvoll zufammengefügter Steinquabern. Diefe find gelb, aber
durch abwechſelnde Zwifchenlager ſchwarzer Steinblöcke iſt eine
eindringliche Wirkung erreicht, deren Eindruck durch allerlei Orna⸗
mente, zumal ſchwarze Kreuze, aus demſelben Geſtein der Mauer
eingefügt, noch verſtäͤrkt wird.
W. Hamilton bemerkte nur 2 Thore als Stadteingänge.
Das weſtliche war durch ſehr hohe Thürme flankirt, aber durch
herabgeſtũrzte Maſſen fo zugeblockt, daß es undurchgehbar geworden.
Trat man durch das Oſtthor, dad ziemlich zur Mitte der Stadt
führt, ſo hatte man eine Doppelmauer zu durchſchreiten, und die
beiden Thore zeigten fich nicht in derſelben Are gelegen, fondern '
das innere Thor, wie bei den alten Bortificationen zu Trapezunt
und Arzerum, iſt beveutend weiter zur Linken gerüdt als das äußere
Thor, und der Weg führt alfo eine kurze. Strecke in diagonaler
Richtung zwiſchen beiven Mauern hin (wie zu Bagdad, vie deshalb
pie „ſchlefe“ hieß, f. ob. ©. 200).
An der innen Mauer, dem Eingange ver äußern gegenüber,
waren armenifche Inferiptionen und eine Thierfigur, ziemlich
roh in Stein gehauen, die Hamilton für einen Löwen (ein alls
gemeinered Ornament armenifcher Architecture ald ver Leopard) er-
Flärte. Auch viefes innere Thor iſt durch runde Thürme flankirt.
An der Bafld des Thurms zur linken Hand find 3 Niſchen dicht
an ber Bforte des Thors, jene mit einem großen Steine, datauf ein
Euphratſyſtem; Ani's Architecturen. 45
lateiniſches Kreuz eingehauen. Aber nun, im Innern des Thorein⸗
ganges, von dem die Mauern zu beiden Seiten zurückweichen, er⸗
difnet ſich der ganze volle Blick auf die wunderbare Stadt, die
zwar nicht mit der erwarteten Größe überraſchte, als vielmehr
durch ihre Cigenthümlichkeit in der Erſcheinung, und durch
das ode Schweigen ihres Verfalls, der Friſche ungeachtet, in ber
fie als chriſtliche und doch keineswegs etwa europäiſche Stadt,
in der Mitte des moslemiſchen Orients, ſeit 8 Jahrhunderten ihres
Guſturzes ganz unberührt von außen geblieben war.
Der ganze Raum innerhalb der Stadtmauer ift mit ben ver⸗
felmen Ruinen Eleinerer Bauten und Wohnhäufer erfüllt, zwiſchen
nen etwa an 20 Baumwerfe in großartigem Styl hervorra⸗
gen, meift Kirchen und Kapellen, überragt von 2 prädjtigen octo⸗
gonalen Minarets, an deren einem eine fchlecht angefügte Moſchee
und außerdem noch die Nefte zweier großen Königöpalläfte.
Das Überraſchendſte beim Eintritt iſt die große chriſtliche
Kirche, die wir wol zum Unterfchleve der andern vie Patriar⸗
chalkirche oder ven großen Dom nennen können; fle liegt faft
m Süd des Thorwegs in der Geſtalt eines Inteinifchen Kreuzes,
und IR noch gut erhalten. Das Dad iſt zugefpigt, mit großen
Steinplarten gedeckt, von Bogen getragen, die noch volllommen da⸗
fen; nur die Kuppel über dem Centrum ſelbſt iſt eingeftürzt.
ds Hauptportal tft am Weſtende des ganzen Baues, und zu befien
keiten Seiten iſt daſſelbe ganz mit armenifchen Inferiptionen -
bevedkt, Die, wenn copirt und erflärt, wol für die armenifche Ge⸗
fhichte von Werth fein möchten. Ucberkaupt iſt faſt ein Gebäupe
in Ani, das nicht mit armenifchen Inferiptionen bedeckt wäre;
wie verſchieden von ver Schweigfamkfeit der Hindus auf ihren
Ardhiteeturen , bei ver Repfeligkeit ver Aegypter und Perſer,
ren die modlemifchen Araber meift auf eine einfdrmige Weiſe
bloß durch Sentenzen des Koran gefolgt find. Das Innere viefer
Kirche beſteht aus einem Hauptfchiff und 2 Setienflügeln; des er-
km Länge vom Hauptportal zum halbkreisförmigen Altar: ift “
107 Fuß, vie Breite 66. Der Styl bat etwas altfaracenifches mit
thzantiniſcher Beimiſchung aus der Zeit vor der Einführung des
Epigbogens. Die runden Gewolbbogen erheben ſich auf luftigen
Bellen, die ihnen einen ganz verſchiedenen Gharacter vom Rund⸗
bogenſihl der Angelſachſen geben. Derſelbe Architecturſtyl if in ,
dany Ani vorberrichenn. Aber in vielen ver Gebäude iſt eine große
Roni der Ornamente und Sculpturen, die ..1 immer
%
446 Weſt-Nfien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 34
mehr dem reichen arabifchen over mauriſchen Style nähern, ve
dem ber vreichornamentirte gothiſche Styl des Mittelalters, na
HSamtltond Meinung, abgeleitet wurbe. Auf jeder Altarfelı
worin 12 Bogen, ift ein kleines dunkles Gemach mit engem wine:
ben Treppenhaus, dad zu 10 andern Bogen der zweiten Etage hir
aufführt.
Diefe Prachtkirche war, ald W. Samilton in fie eintrat, ve
einer großen Viehheerde eingenommen, die dort bei der Diittagshi
im Schatten ihre Ruhe hielt.
Unfern von diefem Domban in Weſt erhebt ſich das hohe ortı
gonale Minaret mit einer langen Infeription in arabiſche
(vielleicht kuſiſchen) Charactern, und 100 Schritt weitr im Ei
ftehen die Ueberrefte einer fchönen Mofchee mit dem zweiten Min
ret biefer Art. Sie ift auf vem Rande einer Felsklippe erbaut, d
über dem Arpatſhai binabhängt, und offenbar aus alter Saracener
zeit. Das Dach wird von nievern Eolonnen getragen, mit flache
Gapitälen. In: ven Eden zwiſchen jenen der Bogen, - in rechte
Winkel einander gegenüber, find verfählevenartige Ornamente, un
ig einigen derſelben iſt eine große Achnlichkeit nicht zu verfenne
mit denen, bie man in ber Blütheperiope des gothiſchen Styls m
aufnahm. Dieſe Moſchee iſt beinahe ein Quadrat; eine der Ede
ift mit ver Grunnmauer des Minaretd erfüllt, um dieſes zu tragen
An ihrer Außenfeite find armenifche und. arabifche Infcrip
tionen.
Am Süpvende der Stadt, nahe der Spike bed Triangels, ſtel
eine hohe Felsklippe bie in einer griechiſchen Stadt zur Acropo
gedient haben würbe; bier blieb fie. nur Privatwohnungen, die jet
verfallen ſind, überlaffen, fo wie etwa 3 bis 4 Kapellen, die auf de
Gipfeln umd an den Seiten ber Klipp£ angebaut waren. Nirgend
zeigt fich an ihr etwa eine Spur von Befefligung. An ihrer Sin
oftfeite ſteht noch eine dieſer Kapellen in einem guten, reichen, der
des Hauptdoms gleichen Styl und volllommen erhalten, mit eincı
conifh gewölbten Dad, eine Form die auch bei audern @
bäuden fich zeigt, und höchft wahrſcheinlich auch. die ber eingeſtür,
ten Kuppel ded Doms war. Nur unterhalb vom Gipfel wı
Feleberges, und entlang dem Rande feine Abſturzes, läuft eine g
ringe Mauer, welche nur. zu einer Begrenzung ver Stadt diem
konnte, va hier die Natur des Bodens jene andre Art der Verthe
digung ganz unnüg. machte. Zwiſchen viefer zu einer Arzapolis f
geeigneten Beldflippe und dem großen Dom ftehen er zwe
r
x
en
Euphratſyſtem; Ani's Architecturen, 447
ten Kirche, die aber dem Boden faſt gleich gemacht iſt; die Ruinen
ind ganz verichieven von den übrigen, weniger geborften, weniger
mit Schutt bedeckt, als wären fie erſt fpäter eingeflürzt. In dieſen
Trümmern zeigen fich mehrere Specmina der feinften Architectur.
Kehrt man: von dieſer einer Acropole gleichen Klippe zur Weſtſeite
der Stadt: zurüd, fo überrafchen mehrere Bauwerke durch ihren
reihen Styl. Zunähft eine ortogonale Kapelle von 30. Fuß im
Durchmeffer, mit. 7 kreisformigen Nifchen, von einem Dom über-
wolbt, mit dem Eingange von der achten Seite. Ueber der Gornifche,
vor dem Dom und den Seltenflägeln find 14 Eleine rundgemölbte
mge Genfer; vie Nifchen bilden aber mehr als einen Halbkreis, fo
dej das Innere fich ſeltſam außnimmt. Im Innern iſt die Archi⸗
tectur ſehr einfach, nach außen reich decorirt durch Canellirungen
und durchbrochene Sculpturen; tief eingegrabene gewundene Ver⸗
zweigungen von Verzietungen umgeben die Fenſter unter den
Gornifchen. Das Dach iſt coniſch, aber wie alle vortigen Dächer,
aus großen Steinplatten, die mit Balzen und Leiften über einander
greifen.
Im Nordoſt dieſer Kapelle fieht eine andre ſehr reich ornamen⸗
tirte Kirche, on die eine Kapelle mit einem ungemein fchönen Dach
Röbt; ihr Gewölbe iſt in Felder getheilt, mit Moſaik aus buntfarbigen
Gteinen in verſchiedenen Muftern ornamentirt; die Wänve haben
das fchönfte Sculpturwert in Arabesken, darin das Iateinifche Kreuz
häufig ald Ornament vorfommt. Das Dach wird von Rundbogen
Fer deren Interjectionen vier Spigbogen nad} gothiſcher Art
Hamilton meint, daß in dieſen Ruinen von Ani ſehr wahre
ſcheinlich der Urfprung des reichen faracenifchen und gothiſchen Styls
am volftändigfien zu ſtudiren fet in allen feinen Ihellen, in Bogen,
Sapitälen, nievern Golonnen, Säulen, Ormamenten aller Art, von
der einfachften bis zur mannichfachſten Zufammenfegung. Ueberhaupt
wären babei noch gar manche anpre Bauwerke dieſer Art zwiſchen
den Stadtmauern zu beachten: | |
Ein ganz neues Feld ver Betrachtung eröffnen am Weſtende
der Stabtmauer innerhalb der Stadt, am Rande ver trodnen Kluft,
die Ruinen eines ſehr großen, Baued, unſtreitig des Königspal-
laftes. Mehrere Stockwerke enthalten ſehr viele Gemächer; das
Eingangsthor iſt im ſchönſten ſaraceniſchen Styl wie das en ogire
in großem Bogen gewölbte eine Fenſter über, demſelben. Die
ganze Mauerfacade iſt reich durch Moſaik ornamentirt, baß Maver⸗
A48 Weſt-Aſien. TIL. Abtheilung. J. Abſchnitt. $.34.
werk iſt das vollendetſte, aus großen Quaderblocken aufgebaut, fo
daß die genaueſten Fugen mie fo eben erſt eingerichtet erſcheinen.
Bon den Grotten der anſtoßenden Felswände ſind ſehr viele im
Innern mit Sculpturen verſehen, fie find architectoniſch geordnet,
doch darin auch viele rohe unvollkommnere Figuren. In einer gro⸗
ßen Grotte nahe dem Pallaſte waren die Wänve in Säulen, mit
Gapitälen und Eornifchen, Fünftlich audgehaum, bie Dede gewölb-
artig über die Bogen ausgebreitet.
Unterhalb der großen Domfirche nimmt mar auch Mefte einer
fehr Hohen, aber ſchmalen Brüde wahr, welche einft über ven
Arpa tfhai nach ver Richtung des heutigen ruffifchen Territoriums
hinüber führt. Aber nur Pfeiler find es, vie davon zu beiden Sei⸗
tem des Stromed noch gu fehen fin.
So weit die Beobachtung Hamiltons, die wol Künfller und
Architerten zur nähern Erforfhung und Aufnahme balvigft erweden
möge, fo lange als dieſe Monumente noch ſo unberũhrt wie bis
heute bleiben.
Die Inferiptionen von Ani Gaben an Eug. Bore im
Jahre 1838 einen franzdflichen Gelehrten gewonnen, ver fit während
eines Ttägigen Aufenthalts daſelbſt, feiner Ausfage nad, co pirt,.
und ein Memoire darüber an vie Academie des Inseriptions gefanbt
Hat, welches aber gänzlich verloren gegangen zu fein feheint. 53) Gr
fagt, vaß aus dieſen Inferiptionen wie aus ven Ruinen das Zeug⸗
niß der einfligen Größe Armeniens unter den Pagratiden (Ban-
gratton) hervorgeht.
Bon Ani nur 2 Stunden fünmärts am zſtlichen ober Iinten
Ufer des vereinten Stromes bin, ver bier ald Grengfluß balb
Arpa tſhai, bald Alhurean genannt wird, Hegt das armenifche
Klofter Kotfhiran, in dieſer Wildniß und Einde ein gaftliche®
Aſyl für ven geängfligten Reiſenden. Es iſt uns nur durch Ker
Porter 5%). befannt worden, ber einzige ver von dieſer Richtung
der Straße und Bericht gibt. Auf dem Wege dahin traf er noch
lange Mauern und ungeheuer große Piedeſtals mit armenifchen In»
feriptionen, die wol zägen, daß die Architectur jener Culturzeit nicht
blos auf jene Stadtmauern beſchränkt war. Die Steinbrtüche in
ver Nähe des Kloſters habe viefe wie ale jene Prachtquadern ans
4
°53) Kug. Boré Correspondance et mémoires d'un voyage en
“ Orient. Paris 1840. T. I Ip, m not mp 14.
5%) Ker Porter Trar. ]. p. 177
Euphratſyſtem; Pakaran am Afhurean, 449
denen Ani feinen Schmud erhielt, bergegeben; ein Stein, roth,
ſchwarz ober gelb, ver eine treffliche Bolltur annimmt und bie größte
Dauer Hat (ob eine Darmorart?).
Am Wege zur Engfchlucht, in der das Klofter Höchft roman.
tiih nahe am Einfluß des Bergſtromes Akhur, eines linken Zus
Ruffes zum Akhurean, Liegt, erhebt fich ein hoher ortogonaler Wacht⸗
tharm. Die Kloſterthürme find in demſelben Styl gebaut mie
de zu Ani; die Palläſte, vie bier einft flanven, Liegen in Trümmern,
Am Akhur-Fluß dampfen heiße Quellen. Der Blid von hier
gen NW. zeigt in ver Ferne die Thürme von Ani und dad
nörpliche mit dem Alaghez in ven nobelften Formen zufammenhän«
gende, nörbliche Grenzgebirge Armeniens. Der weitere Weg gegen
SD. vom Klofter, der fi} von dem Afhureanftirom etwas mehr
entfernt, führt nah 2 Stunden Wegs zu einer zweiten altarmeni-
he Eapitale, jest Talyfh ‚genannt, eben fo menfchenleer, voll
Kirchen, großer Gebäude und weiter Stabtmauern, wie jene Anj,
ben der man zugleich dad Doppelhaupt des Ararat erblickt. Leider
erhalten wir über fle weder von Ker Porter, noch von irgend ei⸗
nem andern Beobachter eine nähere Beichreibung. Ob dieſe ober
jme Trümmer in ber Kloſternähe die alte armeniſche Capitale Pa⸗
faran bezeichnen, vie in dieſer Gegend ganz nahe ven andern
Kfdenzen, an dem Einfluß des Akhurean zum Araxes, von Ero⸗
vant Il. erbaut wurde, wiſſen wir nicht; andere bedeutendere Ruinen
als diefe, find uns in viefen Begenven wenigftens nicht befannt. -
Pakaran oder Bagaran lag nady dem armenifchen Ges
ſcichtſchreiber am Akhur⸗-Fluſſe (Moses Khoren. II. 37. p. 151),
U Stapien (asbarez? mol nur 2 Stunden) im Norden von Ero⸗
vantaſhad, das amı Verein von Afhurean und Arareb liegt. Gie
hatte viele Namen, 5°) wie Pakavan, Titfavan u. a.,vdie alle
ſo viel al8 Verfammlungsort der Obtterfatüen, Pan«
theon oder Götterburg beveuten. Denn file wurde von Ero-
dant IL, einem Ufurpator Armenien von arſacidiſcher Abſtam⸗
Rung, gegen Ende des erſten chriftlichen Jahrhunderts erbaut, nach⸗
dem’ dieſer fchon feine Reſidenz von ber öfllicher liegenden Armavir
ah Erorantafhad verlegt hatte. Da es ihm aber nicht gele=
gm war, den Zulauf des Volke bei den Opferfeften der Götter
unmittelbar in feine Neflvenzflabt zu ziehen: fo, fagt Moſes Kho⸗
renenfis, habe verjelbe in obgenannter Entfernung von ihr eine klei⸗
ss) 5. St. Martin Men. sur l’Armenie. T. I. p. 122; 297.
Ritter Erdkunde X. Li
r
u "Alten. IL
F
450 WeftAfien, III. Abtheilung. 1. Abfchnitt. $. 34.
nere Stabt erbaut mit dem fehönen Haupttempel, in welchem alle
Gdtterſtatüen, vie früher in Armavir geweſen, aufgeftellt worden
fein, und feinen Bruder Erovaz habe er daſelbſt zum Ober-
priefter eingefeßt. Auch legte verfelbe am ver Norbfeite deſſelben
Stromes eben da eine große Parkpflanzung, einen Paradeiſos,
an, den er (Mos. Khor. 1. c. 38) mit Mauern umzog, und mit
einer Menge von Wild, zumal von flüchtigen Hirfchen und Neben,
Onagern, Ebern, befeßte, fo daß dieſer Thiergarten ihm zu feinen
Yagbvergnügungen diente. Später wurde Pakaran auch eine Res
ſidenz der Bangratier (Bagrativen), die ihre Stadt Erazfavord mit
diefer Im Jahre 885 n. Chr. Geb. vertaufchten, aber doch nur kurze
Zeit in berfelben blieben. Diefe Paka van eriflirte als Stadt nody
am Enve des 14ten Jahrhunderts, Doch iſt ihr weitered Schickſal
uns gänzlich unbekannt, alſo auch, ob ſie heute noch etwa unter
ihrem eigenen ober einem fremden Namen fortbeſteht. Aber auch
über ven Ort Talyſh fehlt uns jeve weitere Kunde. Auf ver Karte
des ruſſiſchen Kriegstheaters tft er jedoch eingetragen und ihm, auf
ber türfifchen Wetfeite des Afhurean oder Arpa tihal, gegenüber bie
Lage von Mogas berd, ein Orenzfchloß, angegeben, von dem ber
türkiſche Geograph Ewlia 56) fagt, daß 6 Stunden abwãͤrts von
ihm der Strom zum Araxes falle.
Bon Talyfh mollte Ker Porter Eiſhmiadzin erreichen; er
309 alfo fünoftwärts, 9 Stunven weit, bis zu einem türkiſchen
Karamanferai, fh immer weiter von dem Oftufer des Arpatihal
entfernend, 6108 durch Eindde, ohne Menfchen und Thlere, in gräß-
ulichſter Wildniß, die nicht aus urfprünglichem Mangel, ſondern aus
zerflörter Cultur und Vernichtung aller Population hervorging, ſeit⸗
dem die Peſt ver alles vernichtenden Mongholenheere durch biefe
einft fo hoch eultivirte armenifche Landfchaften gezogen war. Diefen |
folgten fpäter vie Verheerungen ver Türken, Perſer und Ruffen.
Der Weg führt allmählig hinab von dem hochgelegeneren Boden
In die unermeßliche Hochebene des Ararat. Diefer Uebergang ift,
ohne eine Spur von Grün, 57) überall nur mit Maffen von Ai
und Scladen überdeckt, ald mären diefe eben aus einer Schmiebess
‘effe bervorgefchleudert. Bedeutende Kegelberge, die aber im Ang
ficht de8 Ararat hier zu Zwergen von Hügeln herabfinken, ſchien
Ker Porter, der fie jedoch nicht näher zu unterjuchen
9— v. —— Furgſizt Aſiat. Türk. Rec. Wiener Jahrb. 18)
V. &. 38 6?).Ker Porter Trarv. I. p. 181.
Euphratſ.; Erovantagerd am Afhurean u. Arares, 451
erloſchene Bulcane zu fein. Erſt jenfelt der Bergabhänge, im Thal
der unabfehbaren Hochebene, dicht unter den Füßen, entfaltete fich
nun ein weites Blachfeld, mit zahlloſen Dorffchaften beſetzt, Hinter
denen gegen Oſt die Thürme und Spigen ver Kirchen von Etſh⸗
miadzin fi aus weiter Berne hervorhoben.
Ehe wir aber zu dieſem ehrwürdigen Sig des armeniſchen Pa-
triarchen gelangen, müflen wir zuvor noch den Lauf des Arpa
tihai ober Alhurean 618 zu feiner Mündung In ven Arares
wrfolgen. Doc fünnen wir dies bis jeßt nur auf ver Landkarte
thun, denn wir kennen Teinen Augenzeugen, ber weber von Anl
noch von Talyſh aus diefen Weg in dem genannten Blußthale ver-
folgt Hätte; wir find alfo völlig unwiſſend Darüber. Aber an dem
Berein felbft mit dem Araxes find wir durch Dubois Unterfu-
dung jener Localität gut orientiert. Dubois Hatte Hier am Süd⸗
ufer des Araxes die Steinfalzberge bei Külpi unterfucht. Bon .
ifmen gegen N.W. verfolgte er vie Schichten ihrer blauen und ro«
iden Mergellager 69) bis zu einer DViertelftunde gegen das Südufer
det Arares, wo Schiefertbon jene überdeckt, und auf dieſem wieber
eine zörhliche Molaffe oder ein feineres jüngeres Sanpfteingebilve
fh lagert. Gegen ven großen Berg Kgache, ver birert der Mün⸗
bung bed Arpa tſhai gegenüber Tiegt, hören die nievern Mergelhü⸗
gel ganz auf. Kat man die Eleine Uferebene des Araxes paflirt,
fo ſteht man eben dicht am Buße des Uferberges Kgache, gegen
weichen ver Araxes, der hier aus den Gebirgsengen unterhalb Kha⸗
gisman in die Ebene hervorbricht, anpralit.
Unter dem Sanpftein und Mergel treten bier, offenbar erft
durch Hebungen emporgerichtete, verticale Schichten eines bunten
Sandfleins hervor, deren Köpfe gegen ven Araxes eine drohende
Mauer von Spigen, Blöden, Abflürzen bilden. Er geht von der '
rothen zur gelb gebrannten Farbe über, In Schichten von einem
und mebreren Fuß Mächtigkeit. Einige der Schichten find homoge⸗
ner, mehr oder weniger feinkörniger, zuweilen mergeliger Sanpflein;
andere bilden ein Conglomerat mit fauftgroßen Kiefeln von Por«
phyren, Schiefer und verfchiedenen Gebirgsarten (eine Art Nagel
flue?). Darin find Petrefacten fehr felten, in den mehr ſandi⸗
gen und mergligen Schichten aber Pflanzenabdrücke. Derſelbe
Sandſtein zeigt ſich auch gegenüber auf dem linken Araresufer,
wo viele feiner Schichten, unter flellen Winkeln von 50° emporges
s®) Fr. Dubois Voy. L c. T.Ill. p.434.
. 812
452 Weſt-Aſien. III Abtheilung. I. Abſchnitt.
richtet, die fchroffen Hügel des Felſenwinkels bilden, ver ſich
dem Zufammenfluß des Arpa tfhai mit dem Arared emporh
Nordufer des Arares, dem Kgache gegenüber, liegen hier |
nen einer Burg, 59) von der Duboid eine Zeichnung gegı
Aber von ihr ftehen nur noch bizarre Mauern empor,
Gonftruction man das Bunte liebte, wo immer 3 Schichten
Sanpdfteins im Mauerverbande abwechfeln mit regulairen ;
von ſchwarzer Lava. Es ift das alte Schloß von Ero
gerd, in deſſen Mitte fi das Souterrain befindet, von di
Moſes Khor. (Hist. Arın. II. 36. fol. 150) fpridht, durch
man, wie auch in manchen andern orientaliichen Seften,
Tekrit (oben ©.223), hinabſtieg, um Wafler zu fchöpfen. -
ſchieht dies vom Araxes, deſſen vorüber raufchende Fluth
einen ſubterranen Canal in dad Innere und in die Tiefe t
burg einen Zugang erhielten. Diefe Feſtung fland mit de
ufer des Arares durch eine Steinbrüde in Verbindu
der aber nur noch 4 Pfeiler fichen, aus rothem Sanpflein
was verfhobenem Mauerwerf. Des Dichters Virgil, von
Nachahmern jo vielfach miederholte, Eharacteriftif dieſes
(pontem indignatus Araxes, Virg. Aen. VIII. 728) fann
gen ver Tihöban Föpri und ber einftigen hiefigen Brüde kein
auf diefen obern Lauf de Araxes angewendet werben
beifen Hier verhältnißmäßig gegen andere Gebirgsflüſſe fehr
Lauf, meil er eben Platenufluß ift, gab P. Mela eine vi
gere Beichreibung (Araxes Tauri latere demissus, quoad
Armeniae secat, labitur placidus et silens etc. cum in aı
devenit etc. Pompon. Mela, de situ orbis III. 5. 41). ®
gil Characteriftil kann nur etwa auf den untern Araret
bruch, wo er Gataracten bildet, angewendet werben. An i
figen Brückenkopfe flieht man zunächſt dem Araxes noch
von andern Gebäuden. Reitet man durch den Arared, ver
18. März dies noch bequem geftattete, fo finden fidy auch ar
ufer, im Weſt des von Nord ber einfallenvden Arpa tſhäi,
nem felfigen Winkel zwifchen beiden Strömen die Ruh
‚einft jo berühmten Stadt Erovantagerd, zu der jenes
und auch noch Grabflätten gehören. Erobeben, Kriege und I
übergang zweier Jahrtaufende haben hier Alles zerflört. |
Grabfteine aus ſchwarzem harten Lavageſtein, deſſen Bhu
***) Fr. Dubois Voy. Atlas, Il. Serie, planche 36,
-
ni
Euphratſy.; Erovantafhad am Akhurean u. Arares. 453
in der Nähe Tiegt, Haben ſich fehr gut erhalten. Nach ihren In-
feriptionen find aber einige nicht alt, vom Jahr 1424, zu einer Zeit
aufgerichtet, ald eine jüngere Stadt dort noch fland, des
tn Ruinen fi auch noch meiter aufwärtd am Arpa tſhai bie
zum benachbarten, zwifchen Wäldern von Wallnuß- und Mandel⸗
bäumen ungemein romantifch gelegenen 60) Dorfe Hapji Bei-
tamlu verbreiten. Doch haben diefe Ruinen nur Steinmauern mit
Erbe zufammengehalten und find ebenfalls aus jüngerer Zeit. Der
delsboden des Ortes wurde zum Theil erft zurecht gehauen, zum
WMeil zu Steinbrüchen für die Erbauung der Stadt verwendet, was
ſchen Mofes von Khorene fagt. Die heutigen Dörfler haben an
dieſem reißenden Grenzſtrom des türkiſchen und ruffifchen
Reiches, zu welchem letztern aber noch jener Felſenwinkel mit der
Stadtruine als Enclave im Weſt des Arpa tſhai gezogen iſt, ei⸗
nige Mühlen erbaut. Er iſt wilder und reißender als der männ⸗
dernde, filberfarbige Araxes; den Hohen Kpfakenpferven ging beim’
Durchſetzen das Waſſer bis an ven Bauch, und die Lavablöde im
Bette machten die Baffage felbft gefahrvol.
Auf dem dftlichen oder linken Ufer dieſes Arpya tfhal,
jmer Stadtruine gegenüber, liegen die Ueberreſte einet andern Ca⸗
pitale Urmeniens, nämlich von Erovantafhad, vie berfelbe Ges
walthaber, Ero vant IL, ein wahrer Stäptebauer, wie jene zu ſei⸗
ner zweiten Refidenz gegründet hatte. Die Gefchichte fagt, daß nach
Tigranes Magnus Zeit (f. oBen S. 113), als die Herrſchaft Are
meniend an die Bebieter von Eoeffa übergegangen, nach eines Ab⸗
garud Tode aber In die Gewalt eines Königs Sanadrug, bed
Ehriftenverfolgers, gekommen war, ver die Rage der Abgare zu ver⸗
nichten bemüht, dieſer mit feinem eignen Geſchlechte, bis auf einen
einzigen überlebenden Sohn (Ardaſches), durch den Arſaciden
Erovant 61) wirklich vertilgt wurde. Ardaſches als Kind fand
unter ſeines Erziehers Sempad, des Prinzen vom Geſchlecht der
Bangratiden, Obhut ein Aſyl bei den Parthern. Erovant, der
Ufurpator, um den Thron von Armenien zu behaupten, auf dem er
König Erovant I. heißt, trat an die Römer einen Theil feiner
Beute, nämlich die mefopotamifche Provinz mit Edeſſa (Orfa), ab,
Iebte dadurch zu Veſpafians und Titus Zeit im Brieden mit ben
Römern (Mos. Khor. II. 35. ſol. 149), und verlegte feine Refidenz
°°) Ker Porter Trav. Il. p. 641. *ı) J. St. Martin Mém. sur
FArm. T. 1. p.2860 etc.
.
45% WeflsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.34.
auf das armeniſche Hochland, in die bortige alte Gapitale noͤrdlich
des Araxes, nah Armavir. Aber der von Bauwuth Getriebene
verließ viefe bald und gründete feine zweite Mefldenz weiter weſt⸗
wärts, ſchmückte fie mit Prachtbauten und nannte fie nach feinem
Namen Erovantafhbad. Auch in diefer nicht ruhenn legte ex
bald die dritte, oder bie zweite, der er feinen Namen beilegte, vie
oben genannte Erovantagerd, auf der Weſtſeite des Arpa tſhai
am Arares an. Nörblich von diefer aber die vierte, vie fchon oben
genannte Tempelſtadt Pakaran (Bagaran).
Indeß wuchs auch ver geflüchtete Sohn Sanadrugs, Arda⸗
ſches, zum Danne heran; mit Sempab, feines Erziehers, und ver
parthifchen Könige Beiftand gelang «8 ihm, ven Ufurpator bed va⸗
terliden armenifchen Thrones unter den Mauern der von Ihm er⸗
bauten Refidenzen zu belegen (Mos. Khor. IL 53, fol. 155 etc.).
Der König fiel unter der Waffe eines ‚gemeinen Kriegerd; Ero-
vaz, des Königs Bruder, ver Oberpriefter von Pakaran, warb mit
feinem ganzen Anhange umgebracht. Ardaſches belohnte feine
parthiſchen Breunde Löniglich, erhob ven Bangrativen Sempab zu
feinem Sbarabied, d. i. Kronfeldherrn (Spaspeti im Geor⸗
giſchen, Sipa⸗hed der Perſer; daher Sbahi, Spahi, Soldat der
Türken), und ſtellte nun bie ältere Arſaciden⸗Refidenz Arda-
ſhad, die berühmte von dem Karthager Hannibal weiter abwärts
am Arared erbaute Artarata (f. ob. ©. 83, 99, 113), die fchon
von Lucull bedroht, unter Eorbulo (f. ob. S. 115) aber durch Kaifer
Nero's Regionen zerflört und verbrannt war, in ihrem vollen @lanze
wieder ber, mit Tempeln und Statüm, und entriß ven Refidenzen
am Arpa that ihren ‚ganzen Schmud, um diefen Prachtfig zu ver⸗
herrlichen (Mos. Khor. II. 46. fol. 161), ven nun audy feine Nach-
felger wenigftens ein Jahrhundert hindurch in Beil behielten. Merk⸗
würpig iſt e8, daß der armeniſche Geſchichtſchreiber jagt, daB ber
Tempelort Balaran im Bells ver Magier nur unter einem andern
Borftande geblieben fei, vie große Anzahl ver Sclaven daſelbſt,
die wol zum Tempeldienſte gehörten, 500 an ver Zahl, aber nebft
dem Schage dem Sempad geſchenkt wurden, ver für fie im Rüden
des Mafis (alfo um Bayazen oder Diyabin) eine andere Stadt,
die a auch Pakaran nannte, erbaut und fie daſelbſt als eine Co⸗
lonie angepflanzt babe (Mos. Khor. il. 45. fol.160). Dies
felbe iſt es, weldye St. Martin Pakovan 62) nennt, von welcher
v2) St, Martin Mém. s. l’Arm. I. p. 124.
—
Euphratſyſtem; Erovantaſhad's Ruinen. 455
noch im 17ten Jabhrhundert Ueberreſte vorhanden geweſen fein ſol⸗
len, die uns aber unbekannt geblieben ſind. |
Bon jenen altarmenifhen Städten mag überhaupt oft we
nig mehr als der Name übrig geblieben fein; dennoch find vie heu⸗
tigen Ruinen ®) von Erovantafhad dem Umfange nach fehr
bedeutend. Bel ihrer Zerflörung in ver Mitte des Aten Jahrhun⸗
derts durch Sapor IL fol fie nach Faustus Byz., der freilich in
feinen Zahlenangaben Eeine große Sicherheit varbieten Tann, aber
doch als Zeitgenoffe im allgemeinen ein Urtheil hat, 20,000 Häufer
ber Armenier und 30,000 der jüdifchen Einwohner gehabt Haben, 6*)
welche von ven Perfern mit Feuer und Schwert zerflört wurben.
Die Armenier ald Ehriften wurden bingefchlachtet, die Juden als
Gefangene zu neuen Eolonifationen in das perfifche Reich abgeführt.
Die heutigen Ruinen zeigen ſich vom Oſtufer des Arpa tſhai 2 bis
3 Werſt weit gegen Oſt, und verbreiten ſich auf einer erhabenen
Ebene über dem Araxes, die im Norden durch lange ſteile Hügel
aus Schieferthon begrenzt iſt, die ein Lavaſtrom krönt. Dieſer
kommt von jenſeit des Arpa iſhai, wo er ale Höhen im Angeſicht
des Kgache⸗Berges frönt, dann aber plötzlich auf dem Thonmergel
ſeinen Stillſtand gefunden zu haben ſcheint. Einer der zwiſchen
dem Kgache und dem Lavaſtrom liegenden Berge ſchien Spuren vul⸗
caniſcher Wirkungen zu haben. Unter ven Ruinen dieſer ehemali⸗
gen Stabt bemerkte Duboid zwei merkwürdige chriſtliche Kirchen,
die ganz umgefehrt wurden bei ber Zerftörung. Ob diefed durch
ein Erdbeben geſchah, wie die Zerſtörung zu Ani? ob es viel⸗
leicht ein und baffelbe Erdbeben war, welches auch Ani zertrüm-
merte? Um viefe Kirchen zeigen fich aud) noch einige Spuren von
Straßen; Grabmale liegen in ven verſchiedenften Formen und in
unzäbliger Menge am Fuße des Lavaſtromes hin, und find in
ihrer einfachen Tafel⸗ oder Stelengeftalt, meift von ſchwarzer Lava,
gut erhalten; die meiſten ſind mit eingehauenen Kreuzen verſehen;
eine der entzifferten Inſchriften deutet auf das Jahr 1282 n. Chr.
Geburt. |
2) Fr. Dubois Voy. IM. p.439. °*) J. St. Martin im Nour.
journ. Asia, Paris 1830. T. V. p. 203.
456 Weftsfien, III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $.35.
35.
3. Erläuterung.
Der Ararat, Aghri dagh (Arghi dagh), mit feinen
Umgebungen. (Fortſetzung.)
1) Die Arares» Ebene.
Von den weitern Umgebungen des Ararat und aus ben mil
deren Thalgebieten ver Arareszuflüffe zu ver Hochebene des .
obern Arares am Nordfuße des Ararat zurüdgelehrt, ha⸗
ben wir dieſe noch zu ummanbern, ehe wir und zum Bipfel des
hohen Ararat ſelbſt erheben Eönnen.
Tritt man zu dem untern Laufe eines ber beiden öſtlicheren
Zuflüſſe zum Araxes, die ganz dicht beiſammen, direct dem Nord⸗
fuß des Ararat gegenüber, in ihn einfallen, von denen wir den ei⸗
nen den Fluß von Etſhmiadzin, den andern den Fluß von
Erivan genannt haben (ſ. ob. S. 398), ſo ſteht man ſchon völlig
auf dem Blachfeld der weiten Hochebene des Araxes, an deren
Südgrenze der Ararat unmittelbar, majeſtätiſch, ohne alle
Vorberge ſenkrecht emporſteigt.
Erivan, 3,312 Fuß Par. üb. d. M., 6) und Etſhmiad—
zin, 2,866 Fuß Par. Gb. d. M., find bie beiden berühmten Gultur-
mittelpuncte, von denen aus biefe ganze Landſchaft erſt ihre Heutige
Wirthbarkeit für ven Wanderer erhält. Im Norvofl von Erivan
liegt ver große Alpenfee, Zewanga ber Armenier, Goktſchai
(0. 5. blaues Waffer) ver Tataren, vom Uferkranz ver Gebirge, ein
claffifcher Boden armenifcher Gefchichten, umgeben, deſſen Ausflug,
ber Zewang- ober Erivan⸗Fluß, an der Stadt Erivan füb-
weitwärts vorüberzieht. Er durchbricht wilden, klippigen Lavaboden,
der weiter abwärts aber durch gute Bewäflerung in vie fruchtbar
fien Strecken umgewandelt wird, und fchon nad) furzen Laufe we⸗
niger Stunden hat er an feiner Mündung zum Urares deſſen ebene
Fläche erreiht. Nur ein Weg von 4 Stunden (18 Wat) führt
von biefer Stabt in noch mehr wefllicher Richtung zu dem zweiten
genannten Orte, dem Kloftr Etfhmiadzin, das im andern ganz
benachbarten weſtlichen Flußthale, am Abaran over Karpi tſhai,
s.s) Parrot Reife, Th. II. ©. 42 und 43,
—
— — — *
Euphratſyſtem; Araxes⸗ Ebene, Horizontalboden. 437
Regt, aber ſchon ganz ver unermeßlich ausgebreiteten Hoch⸗
ebene 6) angehört, im welcher felbft wellige Hebungen felten find.
Bei diefem Orte ift die Erdfläche meift mit einem Lehmboben über-
jogen, in dem bie und da Nollliefel aus Lavamaſſen zerftreut lie⸗
gen, der durch die Irrigation des völlig dadurch aufgebrauchten
Ara iſhai die höchſte Fruchtbarkeit gewinnt.
Nur etwa 3 Stunden (15 Werft) im Süd von Etſhmiadzin
ht der Arares 67) mit ziemlich raſchem Laufe in einem Bette
von Thonfchiefer mit Kallgerdl dahin gegen Oft, nur ſeicht zum
HDuchreiten und einem Steinwurf breit. Der Totaleindruck ver
Ebene ift bier vorherrſchend, der einer weiten baumlofen Steppe.
Ganz horizontaler Boden ohne allen Baumwuchs, im Soms
mer und Herbſt durch vie Hitze völlig veröbet und dürre. Nur um
De einzelnen Klöfter over ſporadiſch vertheilten Dorffchaften werben
Yiume gepflanzt; da iſt Gartenbau und Feldwirthſchaft, während
ver größere Theil der Landſchaft verddet liegt? und die wenigen be⸗
wohnten Stellen nur Daſen in einer mwenigflens zur ungünftigen
dahrszeit verddeien menfchenarmen Steppe gleichen. In wenigen
Stunden ift vom Kfofter dad linke Ufer des Arares erreicht, aber
keine Brüde, eine Fähre ©) führt auf, einer fo bepilgerten Gegend
zu rechten ober füblichen Liferfeite hinüber, ſelbſt Leine Anfuhrt
m Durchſetzen iſt gebahnt. Der Tatar muß die feichte Stelle erſt
ſuchen, wo der Steingrund und die Sandanſchwemmung ven Pfer-
den den Durchgang fichert, denen dad Waffer bis zum Bauchgurt
reicht. Dichtes Geftripp bedeckt das rechte Ufer, durch welches je⸗
dech einige gehauen Fußſteige ven Durchgang erleichtern. Aber dies
nur ein fehmaler Saum von Ufergebüfch, und dahinter breitet fich
die völlig ebene, unbebaute Thalſole, dürrer Sand und Lehmboden
ws, oft Viertelſtunden lang, wie gewagerechtet durch Waſſerſtand.
Rach einigen Stunden Wegs über vie Fläche, gerade ſüdwärts auf
dem Wege zum Fuß des Ararat, wo dad Dorf Arghuri liegt,
tmaf Barrot einen Kleinen Fluß, ven Kara Su der Tataren, oder
Schwarzbach, 9) Sew tfhur der Urmenier, 70) mas aud)
Schwarzbach heißt, wie bier viele der Eleinen Plateauflüffe genannt
werben. Ganz verfchieden von dem Hauptſtrom, ift fein Bette tief,
vom Moorgrund ganz ſchwarz, und dadurch auffallend, daß feine
°*) Fr. Dubois Voy. Ill. p. 359, 414. 7) Parrot Reife zum
Ararat. 1. ©. 79. *°®) ebend. 1. S. 103. **) Shend. a. a. O.
1. ©. 105. 70) Neumann Gefchichte der Ueberſiedlung der Arme:
nier ıc. Leipzig 1734. 8. ©. 35, Not. 24.
458 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung, I. Abfchnitt. $, 3:
Ufer einige 100 Schritt breit mit hohem und bichtem Schilf |
ſtark bewachſen find, daß feine Warler fletd im Schatten liege
Solcher Schwarzbaäche mit Schilf, dem Lieblingsaufenthalt wi
der CEber, die hier Häufig zu Jagden?1) auffordern, durchziehen mel
rere die Ebene zwiſchen Ararat und Araxes, alle von demſelbe
Character und fiſchreich, wol insgeſammt durch kleine Seitenſtri
mungen bed Araxes gebildet, die ſich in ven vertiefteren Stellen d
weiten Thalſole fortwinden, um fich unterhalb wieder in das Araxei
bette zurũckzuziehen. |
Parrot meint fogar, es feien nicht eigentliche Zuflüffe, for
dern vieleicht nur, Reſte einer Altern Waflerfluth, welche dieſe ©
gend einft bedeckte und fpäter erft Ablauf gewann; Dubois hä
die einen für wirkliche Ganäle, vie andern für Spuren von Reſte
eines ältern Arareslaufes. Diefe Bäche find für Anflevlung d
Armenier und Tataren gänftig, weil dadurch Reisbau möglii
wird, indem durch fie vie Reisfelder leicht unter Wafler gefest we
den Eönnen, was durch Die Wafler des Araxes nicht geſchehen kan
befien Bette zu tief unter dem Uferrande liegt, um Irrigation ba
aus zu verbreiten.
Diefer Kara Su iſt fehr ſchwierig zu paſſiren; man mußte elı
ſchwimmende Balfenbrüde für Bußgänger ſchlagen, Inftrumente ur
Gepäk darüber werfen und dieſe durch Geſträuch und Schilflag:
fichern; die Karren und Pferde mußten aber leer hinüber gehe
Auf einer geririgen Erhöhung am jenfeitigen Ufer wurde das Nach
lager aufgefchlagen. Am folgenden Morgen, e8 war fhon Mit
September, fah Parrot an diefer Stelle zuerſt viele Burpuı
würmchen 72) im Sand und an den Furzen Grashalmen umhe
friechen; fie nahmen in ganzen Neftern vie Wurzel der Dactyl
Dtoralis ein, ver Orasart, bie hier vorherrſchend in größter Men,
wuchs. Es waren diefelben Thierchen, die in Perfien zur Bereitun
des Scharlach8 in Menge getrocknet und verbraucht werden, die x
Repräfentant der amerifanifchen Eochenille (Coccus cacti) find, vi
von Merico, Weftindien, Jamaika, Brafllien die Märkte zur Kür
berei in Europa verfieht. Die perfifche, ver die armenifd
die vonihm aufgefunden war und zum Gebrauch in Rußland ein
geführt werben follte, vieleicht iventifch if, Hielt er für Coca
polonicus. Duboiß, der In derfelben Localität daffelbe Thierche
un Parrot R. .S. 207. 12) Ebend. S. 107; vergl. Dubo
voy. III. p. ‚si. |
Euphratſyſtem; Araxes⸗Ebene, Lavatruͤmmer. 459
es iſt die Larve eines Inſektes, in ſehr großer Menge gegen Enve
Marz antraf, beſtätigt, daß es dem Coceus polonicus ſehr ähnlich,
aber weit größer als die Cochenille ſei. Es findet ſich Hier in fo
großer Menge in ven Grafungen der genannten Dactylis, daß bie
Ehaafheerven, die man durch dieſelben zur Tränfe zu treiben pflegt,
vurch fie Öfter wie blutig außfehen. Die Mönche zu Etſhmiadzin
hmmeln dies Ihierchen ſeit langer Zeit: zu einer Farbe und
other Dinte, ihre Manuferipte damit zu fchreiben. Nach Aus⸗
lage des Biſchof Iſaak vafelbft wird es Mitte Juli und Auguſt
geſammelt. In einem Tage kann ein Mann wol ein halbes
Hund zufammenbringen; die Abfonvderung des thieriſchen Ols
von dem Pigmente bat Schwierigkeit. v. Hamel, der Academiker,
hat ſeitdem eine Differtation (1834) über dieſe Barbe herausgegeben.
Des Product iſt ſchon dem alten armentfchen Geographen, veffen
Verk man Mosis Khor. Geographia nennt, keineswegs unbekannt
geweſen, und alfo ſeit ſehr alter Zeit in Gebrauch (nascitur
in Araratia ex graminis radice vermis ad rubrum colorem in-
decendum idoneus, ſ. Geogr. M. Khor. ed. Whiston. p. 361).
| Südwärts von Hier war der Boden nun nicht mehr vieſelbe
chene horizontale Fläche wie am Arared; er erhob fi anfänglich
unmerflich, dann aber flärfer in abwechſelnden Erhöhungen und
Vertiefungen; e8 war ver Unfang, der Buß des mächtigen Berges,
den man bier betrat. Bald folgte ein fleiniger Pfad, der immer
Reiler anftieg; die Pferde hatten fchon viele Mühe, die Karren fort
' bringen, fo- viel Steintrümmer Tagen auf dem Boden; eine
Ange von großen Zayatrümmern??) und Blöden, deren Zahl
und Größe Hier wächft wie bei der Annäherung zum Veſuv ober
Aetmna. Endlich war die ganze Breite der Araxesebene völlig
quer durchſetzt, und das armenifche Dorf-Arghuri, die Einzige
Anflevlung am Fuß des Ararat, erreicht. Wirklich iſt durch dieſe
Trüm merwelt und viefes Anfteigen bie Grenze von Berg
und Ebene ganz fcharf bezeichnet. Der ganze Abhang des Berge
RM nun weit hinauf, bis zur ewigen Schneegrenze, mit diefen Trüms
men bedeckt. Sobald fie aufhören, unterhalb Arghuri, zeigt der
Boven Ichmige Erde mit Fleinem Geſchiebe mit Gerölle gemengt,
darin der vom Berge herabfommende Arghuri⸗Bach fein tiefes
Bere gerifien, der Im Frühjahr zu 6 Klafter Breite und 18 Fuß
— —
22) Parrot 1. p. 206; Dubois Voy. Ill. p. 465:
“
"460 WeflsAfien. TIL. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 35
Tiefe, mit wilder Gewalt anſchwillt, welche große Felsmaſſen mi
fortreißt und oft Thiere ertränft, währen er im Herbſt eine kurz
Strecke aufwärts, bei vem Klofter St. Jakob, Mitte Drtober faun
fo viel Waſſer Hielt, um Vieh zu tränfen.
AB Parrot auf dem Rückwege gegen ven Norden von
Arghuri⸗Dorfe die Ebene mit den Schwarzbächen zum zwei
tenmale mit größerer Aufmerkjamfelt: vurchfeßte, bemerkte er, wie ba
felbft der ſchwach bemooſete Boden mit immer Eleinern Lava:
broden vom Ararat, mit immer leichterer poröferer Ratur, über
beit war, und wie dieſes Gerdlle, je weiter nad der Ebene
immer feiner, bis zu einem ganz feinen Sande wurde, zwiſchen
dem am Schwarzbach faum noch ein Steinchen aufzufinden mar
Diefe Gleichförmigkeit In der VBertheilung ber Stein:
maſſen am Ararat, von ver Höhe zur Tiefe, nady Schwere un!
. ©röße, die von den vichteften, eifenharten, fchweren Mafien, die balı
Bafalt,- bald Ravablöcke genannt werden (die wir lieber ſchwar
308 Araratgeflein nennen möchten, um jede Nebenivee von Bil
dungsweiſe zu vermeiden), bis zum Fleinften und leichteften, foga
bimsfteinartigen Geröll, das durch fehr almählige Abſtufun
gen in feinen förmlichen Sand übergeht, meint Parrot, Finn
nicht zufällig fein. Die mechaniſche Kraft, pie dies einft nach be
ſtimmten Geſetzen bewirkte, koͤnne nichts anders geweſen fein alı
die große Fluth, die vor ſo vielen tauſend Jahren ſich hier ergoffer
habe. |
Nur die großen und fhweren Felſen konnten an ihrer einmali⸗
gen Stelle bleiben, wo ſie von Anfang geweſen; vie kleineren aba
wurden von der. wogenden Oberfläche Hin und her gewälzt; fü
nıußten weiter herabfommen, ohne jedoch bei ihrem Fall wegen bei
Waſſerwiderſtandes große Tiefen zu erreichen. Je tiefer aber du
Waſſerfläche fich fenkte, je mehr andere Berge aus ihr bervorragten,
defto fchmächer mußte ihr Wogen, vefto ruhiger ihre Oberfläche,
befto geringer ihre bewegende Kraft gegen vie Steinmaffen werben.
Nur noch die leichteren Fragmente Fonnten von ihrem Plage ge
drängt und zum Abhange Hinabgeführt werben. Endlich blieb nu
der Sund im Thale übrig, der aber unter dem gefunfenen, nun ru
higer und gleich einem See ſtehen d gewordnen Waſſerſpiegel jem
merfwürbige horizontale Fläche gewinnen fonnte, die nur ein
Folge der Wagerechtung ſtehender Waffer fein fann, und ned
heute auf der Hochebene zu beiden Seiten des Arares als das pre
chendſte Zeugniß eines ſolchen frühern Zuſtandes erſcheint, in wel
Euphratſyſtem; Araress Ebene, Trachytgeſtein. 461
chem die ganze Gegend einſt unter Waſſer ſtand. Die ſchwache
Berafung dieſes Horizontale Bodens hat an vielen Stellen, wie auf
theile diefed Bodens zur Urjache, die als förmliche SalzErufte”*)
erftallifiet, ver Oberfläche einen. Schimmeg gibt, und nach per Ana⸗
befitht.
v. Behag hel, der dieſelbe breite hohe Arareschbene noch in
einem weitern Umfange als Parrot kennen lernte, fagt, 75) fie
fange ſchon ein paar Meilen in Of von Külpi, wo die Stein-
ſalgruben liegen, an, fie ende. erjt in meitem Bogen im S. O. des
nen Ararat. Ihre Sole iſt durchgehends ebene Fläche, bis ei-
nige Meilen in N.W. pes großen Ararat, wo Trachytgeſtein,
ald wenn es ſich von demſelben herab ergoſſen hätte,
weit in die Ebene hineinzieht. Auch norböftlih von viefem Berge”
iteten in der Nähe des Araxes aus den Schilfnieverungen, gleich
Infeln, einzelne Hügel von geringem Umfange, höchftens 30’ bis 40°
sr öLtT VU WW
dern durchzogen) hervor. Nach ihm ift dieſe horizontale Weitung
ait Sand und Dammerde bedeckt; jedoch in der Nähe des Ararat
nur mit Sand und zerfalnem Trachyigerdll und Kiefel. Wo
dammerde und Sand die obere Schicht bed Bodens det, iſt
kr Boden zum Aderbau gut, aber wenig benugt, und nur ba
hagend, wo er bemäffert werben fann. Stellenwels, mo jenes Koch⸗
al; und Glauberjalz feine Effloreöcengen bildet, iſt aber derſelbe
| Doden ziemlich jteil.
J Eigenthümlich iſt es, daß das Weſtende dieſer Ebene durch jene
7 Steinfalzberge von Kulpi dammartig wie verfchloffen er-
ſcheint.
Als v. Behaghel vom Großen Ararat längs dem Südrande
der Cbene am zertrümmerten Nordfuß des Aladagh, innerhalb
der ruſfiſch⸗ armeniſchen Grenze gegen die Türkei, welche über den
Riden des Ararat und Aladagh hinmegläuft (Erf. IX. ©. 869 ıc.)
dahinwärts ritt, ragte ihm hinter ven Vorbergen von Kulpi 76)
nur eine einzige Höhere Felsſpitze über denfelben hervor. Bis auf
3 Mellen dem Orte Kulpi näßer gerüdt, hob fich ſchon der Weg,
. u u nn mn
ww‘.
und man gewann vom höher Standpuncte einen Blid guf die -
— Reife, Mi © 213. ?®) v. Behaghel b. Parrot. 11.©.182.
10) Gbend. *
der Strecke wo die Standlinie gemeſſen wurde, auch noch die Salze
lhſe aus 84,6. Theilen Kochſalz uns 14,5 Theilen Olauberfalz .
hoch (aus fhwärzlichgrauem Kalk beftehenn, mit weißen Kalkſtein⸗
462 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $.35
theile rundlichen, theils gezadten und zerflüfteten Höhen ver Um
gebung des Salgbergs. Hier nun verengt fich ſchnell die Araxes
ebene zu einem Araresthale; fie hört ganz auf, und ber Arareı
(länge fi) nur noch In feinem Bette fort; am Kgache (f. oba
©. 451) ift auch dieſes durch Felſen eingeengt.
Die Hügel von Kulpl fand v. Beha ghel mit dunkelrothen
oder gelblichem Thon überlagert, ohne alle Vegetation, ganz aus
geborrt, in Stüde ober Thonfchuppen zerfallend. Die ganze, fd
mehr als einem halben Iahrtaufend audgebeutete und noch inıme
unerfchöpfliche Salzmaffe liegt In einem Berge, ver ſich and
durch feine Außere Form völlig von den Umgebungen unterfcheivet
Sein Gipfel ift welt, flach, rund, mit trichterförmigen Vertiefungen,
vie wol durch Einflürze über hohle Räume entſtanden find. Seine
Oberfläche deckt jener gelbliche ober röthliche Thon mit gewundnen
Gypslagen von ſehr verſchiedner Mächtigkeit wechſelnd. An den
am meiſten ſchroff anſteigenden Seiten des Berges ſind, etwa in
der Mitté zwiſchen dem Fuß und dem Gipfel, die Stollen ange
Vegt, welche oft nach einer Bypslage und Thonlage von me
nigen Buß Mächtigfelt ein reines weißes Steinfalz erreiden.
Sie find in den verfchienenften Richtungen welter ganz wild, ohne
Kunftberrieb in daſſelbe Hineingebaut, in fehr verfchiepner Bart,
. Höhe und Tiefe. Im Herbſt 1829 waren dort an 300 Arbeiter
mit dem Brechen des Steinfalzes beſchaͤftigt, 77) und das Werl
ſeit einigen Jahren von der Krone an einen armenifchen Kaufmann
für 12,000 Silberrubel verpachtet.
Fr. Duboid, der ebenfalls bis zu dieſem merkwürdigem Stein"
falzgebiet und vem obern Theile ver Araxesebene vorbrang,
aber feinen Weg von Erivan an Etſhmiadzin vorüber gegm
Weſt, am Nordufer des Arares über Agdja Arkh, an den
alten Armavir vorüber, bis zur Arares- Furth bei Tourebi
nahm, und von da erfl auf deſſen Südufer nah Kulpi vorbrang,
dann aber die ganze Arazedebene auch an ihrem Südfaume wire
gegen Often zurüd, zum Ararat bereifte bi Arghuri, verdan⸗
Een wir zu obigen Angaben manche Zufüge und Bereicherung der
Kenntniß dieſer merkwürdigen Naturform, die von einem ſo ent
ſchiedenen Einſluß auf die älteſten Zeiten der armeniſchen Civilia
tion var.
eo
"
7) Schiemann b. VBarrot Reiien, 1. S. 193.
N
Euphratfuftem; obere Araresebene im Nord. 463
2) Fr. Dubois Umwanderung der obern Araxesebene 78)
von Etſhmiadzin bis Kulpi, und zurück bis Arghuri
am Nordfuße des Ararat.
Die Umgebungen von Etſhmiadzin und die ihm zugehöri«
gen Ländereien erhalten ihre Befruchtung durch die vielen Ganäle
(wahrfcheinlich erft im I. 1703 durch die Sorgfalt des Patriarchen
Rabapiet von Edeſſa angelegt), 9) in meldye vie Wafler des dorti⸗
gen Zuflufies zum Araxes, des Kharfalh oder Karpi tihai (f.
06.6.398), gänzlich aufgebraucht werben. Er bricht aus den Ber-
gm, die dem Alaghez im Often vorliegen, hervor; der 12,000
duß hohe Alaghez 90) (verweichlicht aus Arakadz, f. ob. S. 399),
der im Norden die canalifirte Fruchtebene fo kühn emporfleigenn be
grenzt, ſcheint aus feinem Krater einft oder aus den Seltenwänden
Lavaſtröme ergoffen zu haben, vie mehr oder weniger als Pro⸗
mmtorien in jene Ebene vortreten, wo ihre Enden das Ausſehn zer-
tiiener Mauerwände Haben, veren Fuße überall Trümmerhaufen
von Lavamaſſen und ähnlichem Geftein vorliegen. "U W. Ou ſe⸗
ley 81) am Südfuße dieſes Hochgebirges im Schutze des damaligen
perſiſchen Statthalters vorüberzog, hörte er bafelbft im Lager des
Sardar, daß in diefen Alaghezbergen fich öfter fromme Pil-
ger aus Hindoſtan zur Wohnung auf dortigen ſchönen Wiefen
und fräuterreichen Anhöhen niederzulafien pflegien, welche von ba
in den benachbarten Belsfpalten und Höhlen ihre Andacht ver-
tihteten. Schwefel und Salpeter fehwige da in Geftalt von Eis—
zupfen aus den Bergen, frifche Waſſer vurchraufchten fie, und hefe
tige Falte Winde wehten von ihren Höhen. Wahricheinlich, daß vie
hindoſtaniſchen Pilger in jüngern Zeiten durch das Kriegsgetümmel
gänzlich aus jenen Gegenden zurüdgefcheucht find, zu denen fic einft
wie nach Baku und anderwärts hin gewallfahrtet fein mögen, wo⸗
von wir aber in jüngerer Zeit Feine Spur wieder haben entdvecken
Annen. In die Einſamkeiten 82) dieſes Arakadz⸗Gebirges hatte
Mb ſchon fehr früßzeitig der geblenvete, unglüdliche König Diran
in der Mitte des Aten Jahrhunderts nach Chr. ©. zurüdgezogen,
und in die Grüfte ded Ortes Aghts, am Buße des Berges, hatten
de armeniſchen Bringen vie geretteten Gebeine ihrer älte-
26) Fr. Dubois Voy. T. III. pag.412—433 et 445-2488.
19) Brosset, Notice im Catalogue de la —— d’Edschmiad-
4)zin, Petersb. 1840. 8. p.15. 20) Dubois Voy. III. p.412.
s:) W. Ouseley Trav. III. p. 414. 22) Nouv. journal Asiat.
1829. T. IV. p. 407, 409, 446.
464 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $,:
ſten armeniſchen Könige niedergelegt, als dieſe durch vie verbrech
ſchen Räuberhände des Empörers Mehruſſan, vom Stamme
Ardzrunier, ihrer Ruheſtätte in ver weſtlichen Feſte Ani am |
phrat, wo bie antifen Grüfte waren, eniriffen wurden, um ı
Perfien übertragen zu werben, wohin man dadurch auch
Glück Armeniens zu bannen hoffte.
An diefen feinen Südabhängen hat, nad) Dubois, ver Al
ghez keine Quellen, wie er dies auch mit andern plutonifd
Gebirgsbildungen gemein hat. Denn feine Waller verlie
fich in feinen Spalten und Löchern und kommen erſt aut Ende
nes Lavaſtroms, auf halbem Wege zwiſchen Etfbmiadzin ı
Agypia Arkh, in dem Bafjin des Fleinen Sees, ver Aigher Gt
heißt (f. oben ©. 399), zum Vorſchein, ver wie in pordjen La
maffen eingemanert erfcheint, ohne Abfluß, aber vol Elaren tie
Waſſers if, dad im Winter gefriert. Sein alter Name war Ka
lod (d. h. voll Wölfe); 8) ein Fluß, Arhun, fol damals v
ihm ausgefloſſen und bei einer Kleinen Stadt, Dadea, vorüber zu
Arared gefloffen fein; doch iſt dieſe Angabe wol nicht ganz ſich
Heut zu Tage treten erjt in geringer Ferne von dieſem See, 1581
unter feinem Wafferfpiegel und unter Laven, die zahlreichen Quell
eines Zluffes hervor, die über eine halbe Werft im Umkreis au
einander liegen, alle in einem nicht fernen Sumpfe (Semtfht
ber Armenier) fich vereinen und einem Schwarz bache (Kara ſi
- feinen Urfprung geben. Diefe Duellen hatten am 13. März di
Temperatur von 13° Reaum.; fig frieren im Winter nie zu m
find ungemein fiſchreich. Diefer Kara fu, wahrfcheinlich der ob
gemeinte Arhun, bewäflert und befruchtet heut zu Tage die anl
gende Landſchaft am Nosoufer des Araxes ungemein; ſeine Dud
waſſer erhält er unſtreitig erſt aus untern Ausläufen des See
Keine 2 Stunden von dieſem kleinen See abwärts bemerkt man d
Ruinen jener Eleinen Stadt Dadea, bei dem heutigen Dorfe Se
dabad gelegen, die im zweiten Jahrhundert nah Chr. Geb. pe
einem armenifchen Könige an einen Perſer gefchenft ward. Mi
fern von da wurde zu Agdja Arkh in des gafllichen Piz
Dialil-Beg Winterhütte, eines alten Artillerie ⸗ Commandeurd (dä
Topſchibaſchi) des Sardar von Erivan, Nachtquartier genommm
‚wo dA impfang unter perſiſchem Pomp nicht wenig mit vem 1
cale, wo dies gefchah, worin auch das Abendeſſen in koſtbarem *
222) J. St, Martin Mem. 1. p. 63.
-_
uphratſyſtem; obere Mraresebene; Armavir. 465
* eingenommen warb, nämlich dem Pferdeſtalle, contraflirte, darin
: Aufenthalt der Menfchen von dem des Viehes nur durch koſt⸗
te Teppiche geſchieden war.
Der zweite Tagemarſch (14. März) führte, unter guter
koste, zwifchen den Orten Gurugubon (Gurdugli bei Wa-
tſchabad) 2) und. Ehagriar (der eine Vorſtadt ver alten Ar⸗
avir geweſen fein fol) in die Mitte eines ebenen Feldes, am
Ye eines Hügeld von rother Lava vorüber, ber ganz Ifolirt und
riſſen Daliegt, Topabebi Heißt, an 300 Buß Hoch über die
ene auffleigt, und gleich einer Acropole mit. einer Ruine und
a Mauer umkrönt if. Dies, fagt Dubois, ſei der Ueber
der antiken Feſte Armavir (’Apnaoviaga oder Apnaovpla
d. Palat. het Ptolem. V. 13. fol. 135 in Armenia major), im
ven des Arared auf einem Hügel gelegen, 9) vie nach Mos.
orenens. (I. 12. fel. 36) gleichzeitig mit Ninive, aljo fchon
0 Jahre, erbaut geweſen und über anberthalbtaufend Jahre bie
ven; der älteſten armenifchen Könige am Süboflfuße des Ge
8 Araladz. (Magbez) geweien fein fol. Der Hügel von Ar
vir wird ausdrücklich von Mof. Khor. einerfeits als Charakteriſtik
Lage diefer alten Gapitale bezeichnet, welche ein Enkel Armenacs,
mavir, auf demſelben anlegte (Mos. Khor. I. 11. fol. 32);
ß andererſeits neben Ihm gegen ben Araxes dfter von einem
en Sumpfe vie Rede ift, der auch das Meer ober ber See
acunia beißt (ebv. II. 4. fol. 87 u. III. 46. f. 287) und offen»
als der Ueberreft eines Sees in ver Araresebene in ältefter
erfcheint. Daß er ſehr groß war, ergibt ſich daraus, daß er
noch am Arares abwärts bei Artarata, wo er Medza⸗
: heißt (fiche oben Seite 400), genannt wird, wo er ſich mit
m Strome vereint (Moses Khoren. Il. 46. fol. 161). Ar⸗
vir ward erſt verlafien, als durch Hannibal Artarata zur
benz gegründet war. Ende des erfien chriftlichen Jahrhunderts
fe nur kurze Zeit des Erovant II. Reſidenz (f. oben &. 449),
2, weil fle nicht hinreichend Waſſer hatte, alfo wol nicht vicht
Araxes liegen fonnte, bald verließ, um fich feinen neuen Königd«
mas welter in zu, zu Grovantafpab, am wafferreichen
mc
) Me&moire de Jean Ouoskherdjan, prätre Armönien, de Wapar.
chabad in Klaproth Me&m. relatifs & l’Asie. Paris. 1826.
7 81, Dot. 4. p. 307. 6“) 3. Bi, Martin Möm. ». Arm.
.p. 133.
tier Grofunde X. ®g
466 WeflsAfien, TIL. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 35
Araxes zu gründen, die wir oben Tennen gelernt. Die Lage bieft
Armavir war zuvor felbft St. Martin unbekannt geblieben; Du
bois Hat ihr zuerft ihre Stelle bei dieſen Ruinen anzumelfen ver
ſucht; Ker Borter hatte Armavir In Kara Kala 85) aufzufinbe
geglaubt. Eine ver fchönften claffifchen Stellen bei Mos. Khorer
it es, wo er die Lage dieſer Armavir, vollfommen jener Situc
tion auf dem Topabebi gemäß, auf eine granviofe Weife befchreib
und genau durch die erſte, unverfennbare Charakteriſtik des jedo«
bei ihm namenlos gebliebenen Ararat, wie durch die poetiſch
Schilderung des Araxeslaufes, feine Darſtellungsgabe mie feine Lo
calkenntniß fo- fund gibt, daß es nur auffallen muß, daß eben Bei
intereſſante Stelle bei feinen geographifchen Gommentatoren unbe
achtet bleiben Eonnte. Wir können fie Hier leider nur nach der Is
teinifchen Ueberſetzung Whiſtons, aber nicht. nach dem armenifäen
Original wiedergeben, von welchem eine revidirte, kritiſche deutſche
Ueberfegung ein fehr erwünfchteß Geſchenk fein möchte... Moses fagt
I. c. 11. fol. 31 ed. Whiston:
?: „Nach Hatte, des armenifchen Stammvaterd, Tode zog ſein
„Enkel Armenac mit feinem ganzen Geſchlechte aus nem hohen
„Armenien (von den Euphratquellen) gegen Norbofl, und flieg hir
| 0b in. vie Ebene seiner tiefen Cinſenkung, welche auf allen Gel
„nom hohen Bebirgen umgeben war, durch welche von ber Weſ⸗
„feite Her Ströme mit flarfem Gemurmel herabflofien. Das Geb
„ber Ehene zog fich aber in ‚großer Weite gegen S.D., und ven
. „dem Buße der Berge eilten ihr vjele klare Quellen, in Klüffe wo
„ent, in die Senkung herbei, lieblich wie Jünglinge mit Iungfrums
„telbanner einherwandeln. Aber ein fünlicher Berg gegen bie Sonn
„geftellt, mit fchneeweißem, glängendem Scheitel, ragte
„gerane aus dem Boden empor,. von ſolchem Umfang, Mi
„es, nach des Armeniers Ausfage, dreier Tage zu feiner Umwan⸗
„derung bedurfte. Dieſer Berg nun, bis zur Kegelfniät
sich exhebend, raget wie ein Altvater zwifchen Jüpg
„Lingen überden andern, vie ibn umgeben, hervor 3%
„dieſer Thalebene lleß fich nun Armenac is ihrer nörklichen Ge
„aend weder, baute dort feine Wohnung am Berge, den er apfl
„feinem Sohne Aragaz (Alaghez) nannte, inde fein Sohn Kr:
„maeuß ſich auf einem Hügel anbaute, dm er Ar mavii mi
41), ZUSHTE
141 .
. J— 8 .332 u t Da > Pi .. . ; m
' Er Ker Portet Prav. 1 p. 0. ee Zee
Euphratſyſtem; obere Araxesebene, Armavir, 467 |
„feinem Sohne nannte, und deſſen Sohn Eraft dem Fluſſe Era-
„ſches (Araxes) feinen Namen gab.”
Es ift bekannt, daß Armavir zuvor die Göotterſtadt ver
hadniſchen Armenier geweſen (f. oben &. 449), vie ihren ganzen
Echmuck von Statuen an das jüngere Pantheon, Pakaran,
ütreten mußte. Vom altseinheimifchen Böttercultus gibt Mofes
v Khorene einen Fingerzeig in dee Armavirſchen Platane,
Wan vie Dodonaiſche Eiche des griechifchen Alterthums erin-
nt. „Der Enkel Araĩ des Schönen, ver im Kampfe gegen Sche⸗
„aitam fiel, (fiehe oben ©. 359), fagt er, wurde S’08 genannt:
„van er war dem Gultus gemäß in ven Platanen des Arme
„Rac geweiht worden, die in Armavir 5) waren. Denn dad
„Gellüfter der Blätter verfelben (Mos. Khoren. L 19. fol. 54, wo
„Whiſton trrig Cupressus überfegt), je nachdem ruhig ober heftig
„das Wehen des Windes war, woher auch Immer die Bewegung
„tommen mochte, beobachtete Man unter den. Zaubereien des Lan⸗
„des Armenien, und das viele Jahre hindurch.“ Da dieſe Reflvenz-
ſtadt Armavir. fhon zu Zeiten Arſchaks II, Könige von Arme-
sin, (reg. 363 — 381 n. Chr. ©.) ganz in Trümmern lag und -
Ungſt vorher verlafim war, auch mol durch die Einführung des
Criſtenthums ihre ganze frühere Bedeutung verlieren mochte, fo iſt
% begreiflich, daß von ihre felbft fo wenig übrig blieb und ihre
Ortslage fogar aus dem Gedächtniß verſchwand. Um ven Fuß je
ur Akropole mit ven Mauertrümmern lag die Stadt, nah Dubois,
Nr dort außer den Trümmerhaufen einiger einft großartigen Ges
Kunde doch Feine anderen Denkmale fand, und daraus fchließt, daß
un Hier die Wohnhäufer ver alten Armenier, wie die aller dortigen
dauptorte, nur aus Erd wanden beſtanden, die ſpurlos verfchwin«
den konnten, wie noch vie heutigen Hütten gebaut find. Die Ar⸗
winler 96) ſelbſt find über die Lage dieſer antiten Stadt verfchies
me Meinung, und Indſchidſchean verlegt fle nach dem heutigen
ühepentenden Dorfe Surmali (Siurmeli), auf dem Süpufer bes
Irazes, ver allerdings nicht fehr fern von jenen Ruinen des To⸗
Abebi vorüiberfliei. Sein Bette 87) Tiegt Hier 300° — 400’ tief
dikt dem Niveau der Araredebene, iſt ausgewaſchen in einem engen
Ile son gelblichgruͤnem Schieferthon. Ein großer Lavaftrom
at ſich über biefen Hin ergoſſen, und iſt sedßteniheie auf dem
— —
gg aun, das rn Armenien. S. 18. Not. 260) Gbens
ee Fr — vor. pe BR
g 2
4
468 Weft:Ajten. IH. Abtheilung. 1. Abfchnitt. $.
Müdlen des linken Ufers erſtarrend flehen geblieben. Hier
dieſes linke Ufer aufwärts bis Habji Bairamlu eine pro
ſenkrechte Steilwand. Der Lavaſtrom wird heutzutage vom 2
unterbrochen, fleigt aber an. vefien Südufer wieder mächtig e
wo die Orte Surmali und Karakala auf feinen Klippe
baut find. Der Thalſpalt des Arares fcheint demnach erft
quer durch den Lavaftrom hindurchgebrochenen 2
feine Entfiehung zu verdanken. Diefe Laven zeigen mehrere
einanderfolgen von Eruptionen, die von verfchledenartiger Ni
auch etagenmeife von einander gefchlenen find und bald aus eig
lichen Laven, bald aus Tuffen, Bulcanafchen, Traß u.
beſtehen. Dubotis flieg zum linken Uferrande des Urares
feiner Begleitung hinab und zog an demſelben thalaufwärts bit
Stelle, die dem Orte Turebi gegemüberliegt, wo der Araxes
li vurchritten werden konnte.
An diefer Stelle trennt fich ver Araxes in mehrere Arm,
einen fehr reißennen Strom, wie der Kur, wälzt fih von e
Ufer zum andern und. wirft überall Sanpmaffen aus. - So
- ſchwand ein ganzes Dorf, tem Turebi benachbart lag, vom li
Ufer mit feinen Gärten und Feldern, wo gegenwärtig kaum
Raum genug für einen Fußpfad geblieben, ver vorüberführ. '
fallend if} Hier, in fo einförmiger Yläche, doch ein fo tiefe 8
bette, dahingegen deſſen Waſſerſpiegel weiter abwärts, im ur
Kaufe, ganz im gleichen Niveau mit ber Plaine liegt. Diefe
alfo von Weften gegen Often eine noch weit flärfere Senkung
ben, ald der Flußlauf Gefälle, und beider Entfichen möchte ı
wol nicht einerlei Urfache fein Dafein verdanken. Der Ref
fah dieſe Differenz für einen Beleg dazu an, vaß fich das ©:
ſalz mit dem Schieferthon dieſer Ebene an ihrem Weſtende
einer Zeit in einem großen Baſſin nieverfhlug, das damals fi
von Weſt her, feinen Arareslauf Hatte, ver fich aber nod
einen See ergoß, und nun, bie Schiefertheile mit fortreißend,
feinen Weg erſt bahnen mußte durch mit Sand und Thon
mifchten Boden. Auf jeven Hall iſt das hohe Niveau diefer BI
hier die Urſache ihrer Sterilität und der völligen Vernachläfflg
‚ ihres. Anbaues. Aus dem tiefliegenden Arares ift es unmög
Bewällerungd- Kanäle zu ihr abzuleiten; ver legte vom Araret
gezapfte Canal zweigt Hinter Chagriar von ihm ab, alles wı
in W. und N.W. gelegene Feld iſt dode und verlaffen. Di €
erzählt: vor alten Zeiten habs anan auf einer Einfattlung bed La
s
0
N
*
|
|
— Ten
rn Tann
Euphratſyſtem; obkre Arareschene; Takhal Tau. 469
fromeß, der die weftlichere Thalebene des Akhurean abfcheidet, einen.
Ganal abgeleitet; ja man erzählt fogar, daß der Arares ſelbſt erſt
durch Runftarbeit feinen Durchſchnitt durch venfelßen erhalten Habe.
Da hier nur da, wo das Wafler hindringt, auch Fruchtbarkeit ſich
verbreitet, fo liegt die ganze Strecke wüſte. Den Schiefertbon fand
Dubois geuifcht mit Lagern einer großen Molaffe, darin ſehr
zrtrũmmerte Mufchelrefte. von Terttärbilnungen zerfireut; einige der
Scichten wurben jedoch ganz mufchelreich, bloß aus einer ein«
zgen kleinen Dufchelbrut (Melania Bebutorii Dab.). beftehend. :::
In geringer Entfernung ſuüdwärts vom Araxes beginnt eitie
fehr verfchiedene Formation; ein dunkelrot her Thon ſtellt feine
Schichtenden zu Tage gegen ven Strom; er If gemengt mit grauem,
Irundären Sanpftein, vol Gypsgänge; der Sandflein gewinnt zus .
weilen die rothe Bärbung des Thons und: fleht Daun ganz rofen=
wih aus. Der Thon wird Tihonmergel und gebt: fchichtenmweife Ins
Bläuliche, Grauliche, Grünliegeüher. Aufwärts ſteigend verlieren dieſe
Echichten ihre intenſive rothe oder blaue Barbe, werden einfürmig.
gran und geben in einen Mergel vol Gypecriftalle über, ver
durchaus ohne Petrefacten, dem Wafler feine Entſtehung nicht ver⸗
danken kann. Beine Formationen, Mergel wie. Sandſtein, fal⸗
kn in die Direction eines fünlichen, fich emporhebenden Bergkegels,
WE Takhal Tau, 88) und ziehen fich in einer Krümmung, biß fie,
aufwärts 2 Werft vom Arares, im Angeſicht jenes Berges: wieder
ſihtbar hervortreten. Hier zeigt fh die Succefflon- ihrer Schichten
vollſtändiger. Dan flieht, wie unter dem rothen Mergel ver
blaue Mergel viel häufiger wird. Sandſteinſchicht en treten
be und da hervor, 1 bis 2 und 3 Buß mächtig. Dom Fuß des,
Takhal Tau bis zu feinem Gipfel hat man 1,000 Fuß hohe.
Schichten über dem Niveau des Araxes erftiegen. Hier fangen nun
Bager von vulkaniſchen Bebirgstrümmern an, die auß ber
stoßen Efſe des Takhal Tau kamen, und ſich über die Mergela
und Sandſteinlager ausbreiten. Noch höher aufſteigend, nahmen
dieſe Trümmer zu; die Schichten find mehr und mehr gebrochen;
man ſieht Eleine Porphyrkeile Hervortreiben. Die Hebung der Maſſe
zagt ſich entichieren und auch mit Weuereinwirfung verbunden. Die
tulfanifchen Trümmer find eigner Urt; Umbildungen bes
Rırgel und Sand, ohne den Ort zu verändern; gleichjam ge⸗
Kim. Die rothen, blauen und grünen Mergel in eine braune,
") Fr, Dubois, 1. c. IfI. p. 422.
470 Weſt-Afien. TIL’ Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 35
grünliche,. blutrothe und auch blaͤulichcompacte Maffe verwandelt, d
aber nur von weißen Kalkſpathgängen durchſchwärmt wird. Au
hat die hebende Gewalt, Dämpfe over felbft ein Vulkan; auß groß
Tiefe: enorme Maffen von Marmor mit emporgesifien, ver fe
umgeändert iſt. Es find große Marmorblöde vom fchänften Wei
wenig geabert, grünlich ober Hläulich, indeß viele andere Taufen
grauer Warmorträmmer wieber durch Kalkſpath cementirte Blo
und Maſſen bilden, die, viele In Durchmeſſern von 10 und 12 Fu
in ganzen Haufen vie Berghänge abwärts zerfireut Tiegen. Al
alle: dieſem tritt num der Takhal Tau felbſt hervor als eime ei
zige uniforne Maſſe, ſchwarz, vol zadiger Klippen und Felsrij
ein fprechennes Zeugniß feiner durch plutoniſche Gewalt iſolirt
Erhebung, im der er die Ihm aufgelagerte Schicht der Erdrinde,
zum Theil und nad: oben bin immer mehr und meht umg
Raltend, in Fragmenten mit ſich emporriß.
Dieſer iſolirte Takhal Tau iſt nur ein gegen Nord vorg
floßenes Glied 9) des großen, vom Ararat gegen Weſt nu
Arzerum fortſtreichenden Hoͤhenzuges, der unter dem Namen d
Aladagh zuſammengefaßt wird.
Die Steinſalzbank von Kulpi ruht am Norbfufe diefi
Bulkanberges, dem ſie wol ihre Bildung verdanken mag. Sie rul
in der Mergeleinfentung, die 2 bis 3 Werft breit ven Grumd di
Bergkeſſels einnimmt und von dem Hügelkranze des rothen Merg
von allen Seiten beherrſcht wird. Gegen Weſt und Süd zeigt di
ſes Steinſalzlager einen Steilabfall von mehr als 500 Fr
fenfrechter Höhe. Gegen dieſe ganz nadte Wand iſt das Dr
Kulpi oder Kulpe (Goghp der Armenier, die das 2 durch ein’
zu erfeßen pflegen) 90) angebaut, mie ein Amphitheater auf Schieft
thonboven? den der Bach Verte marg tfhai, vom Takhal Tau hen
fommend, burchriffen Hat. In der Mitte des Dorfs unterſcheh
man kaum die Eleine Kirche mit platten Lehmdach von den übrig
Häufern, die in ganz engen Gaffen fo dicht aneinanver gebaut fü
daß man in ber fehlechten Jahreszeit bei kothigen Wegen lieber «
den Erpvächern, die engen Gaffen überfchreitenn, von einem Üi
des Orteß zum andern zu gehen pflegt. Hie hp da erheben |
noch runde Wachtthürme auf ven Dächern, um das Annaben F
difcher Raubüberfälle bei Zeiten zu erſpähen. Die Benutzung
**®) Fr. Dubois Voy. III. p. 433. °®) chend. III. p. 4
IV. p. 141. Ä |
”
Euphratſ. obere Araxesebene, Gälzberg Kulpi. 471
et hieſigen Salzfiocks mag uralt fein, wenn auch nicht eben Noah,
a) wie die Armenier behaupten, ihn ſelbſt ſchon zu ‚bearbeiten. anfing,
ei mol fie fogar die Stelle, mo dies geichehen fet, noch zu kennen
ö vorgeben. Es if wel gewiß, daß der Ort nicht immer fo unbedeu⸗
tend war, wie er es beutzutuge if. Kulpi war die Heimath 91)
zweier Schüler de® großen Literators der Armenier, des Patriarchen
Niesrob, nämlih von Joſeph und feinem Bruder Jesnik,
wie einft in die ſyriſche Landſchaft nach ver hohen Schule zu
deſſa gefandt wurden, als Interprggen, um. aus der ſyriſchen
Sprache die Werke ver Heiligen Väter in daS Urmenifche zu über
;; Men. Nachdem fle dort ihre Aufträge vollführt ‚hatten, gingen fie
w! nach Griechenland und wurden bier Ueberſetzer griechifcher claf-
ı Hier Werke, durch welche die altarmenifche Litteratur im goldenen
Setalter ihres .Aufblühens, d. i. im V. und VI. Jahrhundert, nach
Chr., ſich mit fo vielen Schägen der rlaffifchen Zeit bereichert bat.
Kaiſer Heraclius gab den Ort und die pamaligen Salinen,
al$ eine Schenkung an den Patriarchen ESdras, %) der von 628
— 440%. Ehr. ©. der urmenifchen Kirche vorfland. Ruinen von
vrei einft bedeutenden Kirchen und viele Grabmäler vol reicher
Eculptur mit vielen Inferiptionen (eine vom Jahr 951, eine andre
von 1570) wurden durch Duboid copirt und entziffert. Auch
zeigten fich Ruinen vom älteſten armenifchen Architecturftgl in
derſelben Art anderer Monumente, wie der der Kirche St. Hripfime
bei Etſhmiadzin war. Die Kirchentrümmer zu Kulpe find fo felt-
fam zerftört, daß fie, wie die zu Ani, auf ein furdtbares Erd⸗
been zurückſchließen lafien, daß bier einft in biefem Lande fo vie
In Erdbeben (wo noch im Jahr 1819 eines folchen, das einen Theil
ded Salzbergs zerriß, erwähnt wird) 9) gewüthet haben muß. Die
Eyecialbeſchreibung des Salzberged, deſſen allgemeine DBerhältniffe
wir ſchon oben anführten, ift bei Dubois nachzuſehen; 9) ver
Betrieb iſt, wie ſich bier erwarten läßt, ganz roh und der Vertrieb
für Armenien und Georgien nicht unbebeutend, obwol wegen des
einzig möglichen Landtransports durch Ochſen und Kameele fehr be⸗
ſqhwetlich und der Gewinn daher gering.
Bei den Excurfionen, vie von Kulpe aud über den Arares
um Arpa fihat und den dortigen Ruinenſtädten gemacht murven,
— —
) C. Fr. Neumann üb. armenifihe eohenge u. Litteratut, in —
Jahrb. der Litteratur. Bo. 33. 1829. ©. 195 ı St.
Martin Mem.1.p.78. *°®) Dubois Voy. III. p. 231. 3 —8*
nl. S. 429 — 433. |
* —
472 WeflsAfien, III. Abteilung. I. Abſchnitt. $. 35.
von denen ſchon oben vie Rede war (f. 06. ©. 451), kehrte der
Reiſende mit der Erfahrung zurüd, daß der milde Arares weger
feineß Kießbettes, im Gegenſahe des wilden Klippenbeties im Arpa
tſhai, eher fünfmal als diefer nur einmal zu durchſetzen ſei; Brüden
fehlen heutzutage ganz.
Bon Rulpe, dem äußerſten Weſtende, bis zu welchem bishe
die Beobachtung in der Araresebene fortfchriet, nahm au Du
bols den Rückweg an ihrem Sünfaume vorüber, zum Bergdorf
Arghuri, am Buße des Ararat, wohin wir unfern Ichrreichen
VFührer, durch jene Einöden den einzigen, nun auch zurüdbegleiten.
Der günfligen Gelegenheit, welche unjer Freund gefunden, ben
- dort commandirenden ungemein wohlwollenden General Beboutoff
auf einer Infpectionsreife zu begleiten, wodurch er ſelbſt vor jeder
Gefahr räuberiſcher Ueberfaͤlle gefichert war, welche früheren Reiſenden
faft überall die genauere Beobachtung und das längere Verweilen
unmöglich machte, verdanken wir ven feltenen Reichthum der Mit
thellungen dieſes vielfeitig gebilveten, gewifienhaften, vortrefflichen
Beobachterd, dem wir inöbefonvere noch perfönlich für viele lehr⸗
weiche geographifche und ethnographifche, auf Autopfle gegründete
anderweitige Mittheilungen bier gelegentlich, aber recht herzlich unfre
Verpflichtungen dffentich auszuſprechen vie Gelegenheit ergreifen.
Tr Weg ging auf dem rechten Ufer des Araxes, den
Strom anfangs entlang, abwärts auf ver Ebene hin, bis man, das
Kulpe Thal verlafiend, in das Tfchinfhanat-THal?5) eintrat, das,
ganz in rothem und blauen Dergel gelegen, vom gleichnamigen Zu-
bache durchzogen wird, Die Abhänge find großentheild mit Roll⸗
blöden von Lavamaſſen bedeckt, die oft mächtige Anbäufungen bil«
den. Am denannten Fluſſe im Thale etwa eine Stunde abmwärte
reitend, mußte man dann wieder cinen Lavaſtrom erflettern,, ber
200 bis 300 Fuß über ven Arareöfpiegel emporfliigt. Er ift über
eine Unterlage von Schieferthon oder Vulkantuff hingefloffen und
fließt mit fenfrechten Felswänden zu beiden Seiten ven Araxes
von ber Einmündung des Afchintfchavat eine halbe Stunde ab⸗
wärts bi8 Rarafala ein, das Araresufer jelbft mit feinen Trüm⸗
mern bevedlend. Durch gewaltige Spalten in biejem breiten Lava⸗
from, der nur ald abgeſetztes Glied der flellen Ravamauer an bem
gegenüberliegenven linken Ufer anzugehören fcheint, entſtehen wilde
Seitenſchluchten gegen ven Strom des Araxes, auf deren Feltzwin⸗
*e4) Dubvis Voy. II. p. 445.
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Euphratſyſtem; obere Araresebene; Karakala. 473
leln die beiden fchon oben genannten Orte Surmali und Kara
ala erbaut find. Die ſchwarze Lava mit Tänglichen Zellen,
welche die Direction des Lavaſtromes anzeigen, wird in ihren Mauer-
wänden Hier durch ſenkrechte Eolonnen fo beflimmt gethellt,
— Ausfehen nach ganz ven ſenkrechtſtehenden Baſaltſäulen
Karakala %) liegt von Natur feſter als Surmall; denn ein
Spaltenzweig im Lavaſtrom iſolirte es auf feiner hohen Felsecke
völlig. Zwei Selten waren durch einen ſehr tiefen Graben natür⸗
lich vertheidigt; bie dritte Seite durch den vorüberſtröͤmenden Araxes.
8 blieb nur der Iſthmus der Balbinfel übrig, auf deſſen Rücken
man einft Mauern und Thürme aufhäufte. Selbſt vie Laven⸗
sänder, obmwol an fi fehon unerfteiglih, wurden hier doch noch
mit Mauern gekrönt, und die Citadelle wurde auf ber vereng-
teflen Stelle des Iſthmus erbaut. Der Felſenreſt bebedte die hohe
Stadt, wo man aber nur noch Steinhaufen und ſchwarze Mauern
wahrnimmt; beide Thürme, welche einft das Stadtthor vertheibigten,
ſind kaum noch erkennbar. Aber die Ciadelle diente, als auch bie
Stadt ſchon zerftört war, bald ven einheimifchen Armeniern, bald
den Perſern zur Vertheidigung. Go find in die älteflen Mauern
Der GUtadelle Karakala's fo manche Reſte von Mauern und
Thüren übrig geblieben, die mit den modernen Zubauten malerifch
eontraftiren. Das alte Mauerwerk iſt von großer Trefflichkeit, die
Thore find mit prächtigen Quadern befleivet; ſchwarze Lavaſchichten
wechſeln mit Quadern von rothem Bimsſteinporphyr. An
biefen fieht man mehrere antike, in Stein ausgehauene Kreuze. Die
Neubauten find meiſt von ſchwarzen Lavaſtücken aufgeführt,
was ihnen auch den modernen Namen Karakala, d. i. Schwarz«
Burg, gegeben hat. Der alterthümliche Name ſcheint His jept
dlfig unbekannt zu fein: denn bie berühmte Tigranorerta, mes:
für Dubois gehalten, wahrſcheinlich es mit Karakala oder Kara
mid, andern Schwarzburgen, verwechſelnd, kann es nicht ſein, da
e an einem Tigrisarme Tag (ſ. ob. ©. 76 un 8). W. Ou—
leley, 97) einer der wenigen früheren Reiſenden, der dieſe Felſen⸗
Dt beſuchte und von den granviofen: Baumerfen wie von ben
ſchðnen Ausſichten ũberraſcht wurde, hatte fle für die alte Armavir
dea Ptolemaͤus gehalten. Er lernte drei Thore in den fünf Fuß
»*) Fr. Dubois Voy. III. p. 446. »7) W. Ouseley Trav. IIL
2 450; Ker Porter Trav. Il. p. 640,
*
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Pr nd I
äh P%
474 Wefl-Afien. III. Abtheilung. I.Abfchnitt. $. 35.
dien Staptmauern Eennen, fand in ven Ruinen aber nur ein ge=
singes Dorf, Im Befitz eines Grenzbäuptlings, Kaſim Beg, ver
‚mit den Kurden im Bunde fland. Ker Rorter, ver viefelbe Be-
wunderung ver Träftigen antiken Architectur dieſes Drtes mit fei-
- nem Landsmann theilt, nimmt fie ebenfalls für das Armavir ver
Alten, das es aber wegen des MWaflermangeld nicht fein Tonnte,
den Mofes Khoren. in Armavir anführt, weshalb es als Reflvenz
verlaffen wurde, va ja an biefen Ruinen der waſſerreiche Arazes
vorüberraufht. Dubois fcheint nah Dufeley und Ker Bor-
ter der erſte zu fein, der dieſe Kara Kala wieber befucht Bat;
wir finden wenigftens fonft bei Feinem Altern armenifchen over an-
dern neueren Autor eine Spur von Hindeutung auf fie.
Gegenwärtig haufeten dort ſeit der letzten perflfchen Verheerung
nur wenige armenifche Familien, die den Neiſenden In einem ſtehen⸗
gebliebenen perfifchen Prachtfanle ein Mittagseffen von Milchſpeiſen
bereiteten. Bor ver Citadelle bemerkte man einen Gotteßader, vol
Grabmäler verfchtenener Nationen, darunter auch perfliche und ta=
tariiche Inferiptionen mit Sculpturen von Widderfiguren, bie
man früher blos für Bezeichnungen armenifcher Grabftätten gehal⸗
tem hatte. Doch Fönnten diefe freilich auch Armeniern angehört ha⸗
ben, die in Perflen gelebt und Hier nur begraben waren. Ein Fleis
ned Maufoleum, ein Zehned von trefflicher Gonftruction,
und einen andern Grabftein, in Geftalt eines gefattelten Pfer-
des, bat Dubois als Proben 9) dieſer Denkmale abgebilvet mit-
getbeilt.
Am Nordfuß dieſes Lavaſtroms, der die Citadelle und die hohe
Stadt trägt, fließt der Araxes vorüber, an deſſen Südufer jedoch
eine -Uferebene vorliegt, auf welcher einft die untere Stadt mit
igren Gärten lag, bie aber gegenwärtig ganz verlaffen ifl. Nefte
einer alten ‘Bräde, vie auch von Ker Porter wahrgenoınmen wur
ven, zeigen vie ehemalige Verbindung mit dem Norbufer bed Ararced-
ſtroms. Nur eine halbe Stunde von diefem Lavaſtrome, den Arares
“entlang binabfleigend, bat man deſſen niedere Horizontal.
Ebene erreicht; die Oftwand des ſchwarzen Lavaſtroms, auf der
. Kara Kala erbaut ift, hört bier plöglich auf; die Schieferthon⸗ oder
Tuff» oder Traßhügel, über bie er fich Hingoß, ziehen fich ganz
vom Strom und feiner anliegenden Ebene gegen SD. in groben
s°) Dubois wor Atlas Serie IV. Architecture, planche 29. *
et ıpl. 28, tig. 8. —
u
. » . % * >: “
di = ” m * * d
— RR DIVAV
Euphratſyſtem; obere. Araresebene.. 476
Bogen zurüd zu dem Fuß der Berge, bie fi an ven Bug des
Aladagh oder ver Ararat⸗Kette anreiben. Diefen Bogen ent⸗
lang wurde nun die Rückreiſe nach Arghuri angetreten. Die Ara⸗
rebebene hat nun bier bie ebene Oberfläche angenommen, bie ſich,
de weite Strecke abwärts, gleich bleibt. Ste if kaum um einige
uf über dem Spiegel des Araxes erhaben, fie iſt ganz ohne Steine;
zahlreiche Ganäle nad) ‚allen Dirertionen bin bewäffern fie. Durch,
aptlfche Täuſchung ſcheint Die Plaine fogar noch niepriger als ber
Atares zu liegen, der feinen Lauf unſtrettig in ihr ſehr veränderte. Es
wird hier ſehr begreiflich, wie das alte Arta xata einft am Araxes
liegen mochte, während die jetzige Ardachar an verfelben Localität
heut zu Tage 6 Werft ober anderthalb Stunden davon entfernt Tiegen
kann, und wie fich daher jo verfchtenene Meinungen über ihre einſtige
tage erzeugt haben. Der weite, reichlich bemäfferte Lehmboden dieſer
Platine ift durch die Eandle auch befruchtet, wo er bebaut wird, und
trägt einige Dörfer, die, aus Lehmwänden mit Erddächern aufgebaut,
zwifchen fehr-einträglichen Gätten und Feldern zerſtreut umberlies
gert. Das zahlreiche Reitergefolge 9 der Karawane Im Dienfte ves
Generals fand auf diefem Blachfelde fortwährend einen Tummel⸗
play für feine kunſtgeübten Wettrennen, Kriegsfpiele und für pas
zenwerfen, das beliebte Djerid, mobei die größte Gewandtheit
der hieſigen Berittenen dem Befchauer fortwährende Luft gewährte.
An ven Ortſchaſten gingen Wechiel alter und neuer Escorten, oft
in Fehr zahlreicher Begleitung junger, fchöner, gewandter Mannjchaft
Nationaler Parade vor fi; in den Dorffchaften war überall ein
devoter Empfang ihres Gouverneurs vorbereitet. Ochſen wurden vor
Un jedesmal beim Empfang von der verfammelten Gemeinde mit
Für der Stride als Opfer nievergeflürzt, veren Leben aber je⸗
ES mal durch das frühzeitige Abwehren des Generals gerettet warb,
Be} pen ärmeren Hütten war ed ein Hammel, der zum Schlachten
bezeit Rand. So ging ed von Erivan bis Kulpe und von Kulpe
RD Eger bis zum Nrarat, nad altem herkömmlichen Gebrauch wäh
Texyp der langen perflfchen Oberhohelt. Die Regfamkeit der ganzen
TE evölfering, die zahlreichen Neiter- Escorten, fletd 70 bis 80 Gas
feriften, ihre Manceuvers und Scheingefechte gehörten in biefem
TE uberiſchen Kurdenlande zur Sicherheit. Denn auf ven nahen Berg:
ben der Aludagh und Ararat⸗-Kette lauerten fie überall, auch heute
“Roc, wie in älteſter Babelzet am Majis (Moses Khoren. II; 58.
"I
) Dubois Voy. Ill. p. 450.
‚476 WeftsAien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 4. 35.
fol. 177), zu ſchnellen Ueberfällen im Blachfelde. Seit der Ruſſen
Zeit und der dort eingeführten Dischplin Hatten Die meiften Kur-
denhorden das zufiifch-armenifche Territorium zwar geräumt, doch
waren ‘immer noch einige Raubhorden in ihren ſchwerzugänglich⸗
ſten Schlupfwinkeln zurüdgeblieben. |
Bon Karakala waren Über die Dirfer Arabkerlu und
Akhmanmiat etwa 5 Stunden (20 Werft) zurüdgelegt, bis man
Amarat, dad Nachtquartier, erreichte: Es war früher der Sig
eines Rurbenhäuptlings, der nach dem perflfch-rufitfchen Kriege mit
feinem Anhange fi auf türkifches Gebiet zurückzog. Späterhin
fuchte er, um zurüdkehren zu Eönnen, zwar um Amneſtie bei den
Ruſſen nad; dieſe wurde ihm aber verweigert, weil er fich dann
nur wieder an die Spitze feines kurdiſchen Raubhorden geftellt ha⸗
ben würde. Da dieſe ihren Näuberhauptmann verloren, find die
Zurückgebliebenen jelbft zu einem ruhigen Lebenswandel übergegangen.
Hier iſt ed, wo man am folgenden Tage, 19. März, von Ama«
rat nah Dianat-abad an 6 Stunden Weges (25 Werft) ge⸗
gen SD. auf gleiche Weile fortfchreitend, an dem Sinak und
Keuroglu dagh vorüberzog (f. ob. ©.383). Ker Porter, %9)
der denfelben Namen Kurd Dugly nennt, ſcheint ihn von den
jüngeren Siegen dortiger Kurbenräuber herzuleiten. Man blieb aber
auf vollkommener, ganz einförmiger Ebene, 1) die fruchtbar
mit Welzen und Baummollfeldern bevedt, von Araxeb⸗
canälen burchfchnitten war. Ihr Unterhalt koſtet viel Arbeit, weil
der Boden, meift Vulcanfand, Eein Wafler Hält. Der Unerfahrne,
der alle dieſe Canäle zum Araxes gehen ficht, Hält fie für Bäche,
die von ven Bergen fommen, und fo find fie meift auf den Karten,
felbR auf Khatof's Karte, eingetragen. Aber vie umberliegen-
den vulcanifchen Berge find Iinsgefammt waſſerarm, und
die ganze Plaine erhält ihre Wafler bier nur aus dem Arares.
Der erfte dieſer abgeleiteten Ganäle, der dem Buße der Berge ent-
Tang zieht, begimmt etwas unterhalb Karakala, macht einen großen
Bogen, der ſich 7 Stunden (30 Werft) vom Fluffe ſüdwärts ent-
fernt, nimmt einige der Quellen mit auf, die vom Fuße der Berge
ihm zufommen, und weiter bin dem füplichen Schwarzbache
oder Kara Su, ver fich bier entwidelt, feinen Urfprung geben. Im
Begenfag diefer verſchiedenen Kara Su oder Sem tſhur ber Ar-
menter nennt man bier biefe Canfäle mit dem Namen Kulu Su.
#00) Ker Porter Trav. Ik p.639. *) Dubois Voy. Ill. p.%457.
m
nen 1
kEuphratſyſtem; obere Araxesebene; Dianatabad. 477
Igdir mit ſeiner Quarantaine gegen die türkiſche Grenze, nach
km Bayazed Territorium zu, blieb rechter Hand liegen; mehreren
andren Dörfer zog man ganz nahe, links oder rechts am Wege, vor⸗
über ; die Dorfichaften Tokhanfhalu, Kadjar (Namen der per-
ſtſchen Dynaſtie, Erdk. VII. ©. 604), Batat (ein armenifcher
Tribus), wurde paflist, und Djanat abad zur Nachtherberge ge=
nommen. Das iſt eins der größten Dörfer ver Plaine, kaum an⸗
derthalb Stunden (5—6 Werft) vom Arares entfernt, von Mufels
märsnerm bewohnt, deſſen Gärten mit Pflrfich» und Aprikofenbäumen
Der einzige Vorzug fein möchte, ver feinen flolzen Namen, Ort des
Paradiefes, einigermaßen entfchulvigen könnte.
Das Elima war für die Jahräzeit ganz mil; in Kulpe am
Morgen des 18. März die Temperatur + 10° R. mit warmen
Regen, in Amarat am 19. eben fo; in Djanatabad am 20.
+ 74° R. mit Regen.
Dr 20fte März führte von Djanat⸗abad nah Arghuri
7 Stunden Wegs (29 Werft). Rach ven erften zwei guten Stun⸗
ven (10 Werft) wurde dad Dorf Haffan abad paflist, das ein
Bruder des Sarvar Huffein erbaut hatte, nach dem es auch ges
nanıt ward. Dann umzog man den Buß des Taſh burun,
eines großen gezackten Vorgebirges voll ſchwarzer Lavabläde, aus
La vaſtromen beſtehend, die allem Anfchein nad von dem Ara-
Tatzuge fi herab zur Plaine am Arares ergoffen hatten. In glels
Ger Diſtanz von 2 guten Stunden (10 Werft) von Haffan abad
iſt das Ufer des Kara fu (Schwarzbach) erreicht, der für ein al⸗
tes zugedämmtes Bette des Araxes, als dieſer noch weiter
an ärts näher am Fuß der Araratberge hinfloß, gehalten wird.
Seine Breite beträgt von einer viertel zu einer halben Werft, zu⸗
welllen ift fein Beite 10 Fuß tief eingeriffen unter dem Niveau
Plaint. Gegenwärtig bildete ex einen ganz unmegfamen Mo«
ap, in dem alle Quellen vom Fuß bed Ararat, vom Bulak
b ii (ld. 1. Kopf der Quelle) an, zufammenlaufen. Es ift ſehr
tenswerih, daß fomol der im Norben gegenüberliegenne hohe
a Laghez, als auch ver noch weit Höhere und ſchneereiche Ara»
FL im Süden, viefer Crhabenheit ungeachtet, doch kelnen Fluß
® TE zeugen, weil fie eben vulcanifche oder doch plutonifche
ebilde find, denen überall diefee Mangel der Quellen» und
LTußbildung vorhersichenn eigen zu fein fcheint. Ale Regen
Sletſcher waſſer, bie fie empfangen, verlieren fich unter ihren
SE Een und Vulean - Irummern; und treten ef an im Cehe
478 Weſt⸗dAſien. IH. Abtheilung. J. Abſchuitt. 5.35.
"auf dem Schieferboden hervor. Die des Ararat ſammeln ſich in
den Moräften dieſes Kara fu, bie vol undurchdringlicher Schilf⸗
waldungen ſind. Die Hauptſtelle, wo man ihn auf einer ſchlechten
Brücke überſetzen kann, iſt 2 Stunden (10 Werſt) von Haſſan
abad; bis zu Ir iſt die Ebene ohne alle Steine; die Hauptgras⸗
:art auf dieſem Boden iſt bie Dactylis litoralis, an beren Wurzel
-bie Nefter ver Purpurmürmchen (Coccus, f. 06.656.458) ſich befin-
den. Diefelbe Grabart ift die vorherrfhende Heerbenpflanze
der Bramineen, auf vielen, ja ven meiften der armenifchen Hoch⸗
ebenen. Ihre Verbreitung gebeiht vorzugsweiſe auf dem falz-
reihen Boden, ver auch die hohe Arareschene characteri⸗
ftrt, und wol nicht blos den Verſchwemmungen falziger Beſtand⸗
thelle aus dem Salzgebirg von Kulpe, ven Ararat abwärts, zugefchriehen
werden Tann, ſondern dem ganzen ebenen, aus Bulfantrümmern,
Alte, Traß, Tuff und Schlacken beſtehenden Boden urſprůͤnglich
angehoͤrt.
Bon dem Oſtufer des Kara Su 2) hatte man noch eine
Neine Stunde (4 Werſt) bis zum Fuß deq Ararat, Immer auf
Vulcanſande, ſchwarz und roth, darin ein niedres Geſtripp Calli-
gonum-(Polygonoides or. Tournefort) 3) vorherrſchend wuchert,
vas ſchon Tournefort Hier zuerfi beobachtete. Den ſchmalen geſchütz⸗
teren Uferrand des Kara fu benubien vorzügli die Kurden gern
zu ihren Winterflattonen. Schon verließen fie (20. März) Ihre Erd⸗
Yütten, um ihre ſchwarzen Filzzelte, vie fle auch in Gruppen am
Flußufer aufgefchlagen Satten, zu bewohnen, die freilich weit ange»
nehmer find mie jene dunkeln Höhlen. Ihr Reichthum beſteht in
ihren Herden: Rinder, Pferde, Schaafe, in Butter, Milch und
Käfe, wogegen fie al$ Ganz Nomaden ihr Korn, das fie nicht
Bauen, und andre Bebürfniffe von ven Armeniern einhandeln. Hat
Wie Hitze dieſen nievern Weideboden ausgetrodnet und verfengt, fo
verlafien fle ihn und ziehen auf bie benachbarten. Gebirge immer
HöGer und höher, bis auch da der Froſt fle wieder hinab in bie
Ebenen treibt. Diefelben Grenz⸗Kurden, Hier ein Miſchlinge⸗
volk von Kurden mit Perfern und. Armenien, nicht mit: ver re
nen Furvifchen Sprache, fondern mit einem Kauderweiil, ein zu⸗
ſammengelaufned Raubgeſindel, nach Art der einſtigen Baperagen
Koſaken, ganz -abgewichen von dem ächten unvermifchten Kurden
ſchlage iſt, wo ch In jeder Hinficht, durch eignen Gebrauch wie du
‚»03) Dubois voy II p. 468. ) Tonrnef. I. c. T. N. Tab. et.
J
Euppratfoftem; Norbfuß des Atarat, Arghuri. 479
ewalt, ungezügelt bleibt, wie unter perflicher Verwaltung,
bie *) nicht ausgenommen, furchtbar. Aber bier, unter
zuffifcher Herrſchaft ohne Häuptlinge, find fie zu friedlichen Noma⸗
ben geworben, wie am Südufer des Van⸗Sees unter türlifcher Zucht
zur feiten Anflevlung und zum Ader- und Gartenbau fortgefchritten.
Außer jenen Kurven find, abgeſehen von mehren angefehenen ar⸗
meniſchen Klöftern und Dörfern, größtentheild Mufelmänner, tarta«
riſcher Abkunft, die halbnomadiſchen Bewohner 5) ver
Ar axesebene, die, voll Haß gegen vie Chriſten, in Dörfern ange»
ſiedelt, Feld⸗ und Gartenbau und dabei Vich- und Pferbezudit
weißen. . Doch auch fie verlaffen in drückender Sommerbige bie
Ebene, und emigriren in die Umgebung ver Feſte Maku, deren
Khanen fie bisher zinsbar warm; dieſe Ueberwanderung aus ber
ruſſfiſchen auf die perfliche Grenze geſchieht auch Heute noch. Die
Weiber ſolcher Dörfer, deren Männer abweſend auf Arbeit waren,
Mpfingen vie Fremdlinge wie Karten, und fchleuberten auf fie, vie
ner Lebensmittel für ſich und vie Pferde für Geln forderten, von
vn Dächern ihrer Häufer Miſt und Steine herab. So war «8
Im Dorfe Syrbaghan, das Im Norboft ned Ararat liegt, wo
aber pie Männer, nachdem. fie aus. Maku zurückgekehrt, fich viel
Wngängiger zeigten. Doch bläben fie in ihrer großen Armuth um“
zemein wild und rob, zumal die Hirten vom fogenannten Tfhu=
banterah Tribus, welche‘ zu ven roheſten gehören follen, bie vol
Bigotterie und mit Haß gegen vie Chriſten erfüllt find.
3) Das Dorf Arghuri oder Agorri, am Nordfuße bes
Ararat, und das St. Jakobs Klofter.
Am Buße des Ararat, durch feharfe Hebung von der Ebene
umterſchieden, und durch die immer wachfende Menge und Größe
der Lavabldcke characterifirt, iſt ſehr bald das Dorf Arghuri oder
Tkhuri erreicht, das gewöhnlich von Etſhmiadzin aus von
Araratbeſuchern direct als das einzige zu dortigem Unterfgmmen
nv Verweilen aufgeſucht wird. Agorri nenni Indſhidſ heans)
—X Budbergs ruſſiſche Schreibart Cark-Ura in dem ſehr fabel⸗
REfien Aufſatze eines vielgeleſenen Tagblattes iſt alſo ganz zu ver⸗
>erin), 7) daſſelbe Dorf am Nordfuße des Mafls, d. i. des Arge
— te
_„..) Dubois Voy. III. p. 464. 8) Parrot Reife I. S. 195, 202, 213.
WR). 9. Herrmann, das wufffche Ünmenien a. 0. D. €. 17.
7) Mag. für vie Lit. des. Anslandes: 1834. Nr. 88.
480 Wefts:Aien, II. Abtheilung. I. Abfchnitt. $
zat, deſſen Kirche nach Ihm den Namen des heiligen Jacob N
nus, eines Patriarchen, führt, zu ver 200 Häufer eingepfarri
folen. Dubois nennt darin an 1000 Einwohner, Parrot
nur 175 Familien ald Bewohner an. Ulle Häufer waren von €
mit platten Erddächern, die nur Zuftlöcher flatt der Fenſter 5
Sie liegen am Iinfen Ufer eined Baches, im Grunde am o|
flohen Ausgange 8) einer tiefen mächtigen Spalte, vie auf
Eingewejde des Ararat an feinem Norvoflabhange aufbradh,
"welche ein magres Flüßchen von der Höhe zur Tiefe läuft, dal
im $rühlahr, zur Zeit der Schneeſchmelze, zum tobenven Wil
wird, der Steine und Zelfen mit fich fortwälzt, aber in der
Sommerzeit kaum fein trubes Schneewaſſer zur Befruchtung
Gärten bis zur Ebene bringen kann, und höher auf nicht ei
waſſerreich genug zur Viehtraͤnke iſt. Diefes Flüßchen If
einzige am Norbgehänge bed Ararat; doch auch eine Di
guten Zrinkwaflers tritt einige Hundert Schritt oberhalb des D
aus dem Yeldgrunde des Spalted hervor, mo Tröge und Mi
für die Heerden angelegt find, der Sammelplag für die W
fchöpfenven, und zumal an den Abenden für die Schaar ber fı
hen Jugend, und für daß durſtende Vieh: Vieh⸗ und Pferde
it das Hauptermerbe ber Dorfbewohner, auch Aderbau babeı
doch find die nächften Felder zu fleinig, die beſſern geben I
reichlichen Weizen. Die Obfigärten liefern Apfel, Birı
Pflaumen, Kirfhen, Aprikofen, Pfirfig, Wallni
aber noch keine Feigen. Sole Obfigärten, mit reichlichen &
ten gefegnet und einigen Elaceagnus- Bäumen (Pihat der
menter), 2) kommen auch weiter oflwärts in ver Araxesebene vor;
Blatt der letztern Fonnte vieleicht unter dem Olivenblatt der N
Taube gemeint fein (f. 0. S. 344). Von Wohlhabendern find ei
Weingärten beim Dorfe angelegt, doch wol mehr um ver '
dition von Noahs⸗Reben zu genügen, auf die fie flolz find, als
des Weine willen, der bier nicht gewonnen wird; aber Die Tr
ben 2) waren, nah Parrots Erfahrung, ſchon Mitte Sep
ber reif und fehr gut; die Meinung, daß die hieſigen R
in Folge der Sünde feine Trauben mehr tragen jollen, habe
keinen wahren Hintergrund. Die Kirche foll an der Stelle des
Noah aufgerichteten Altard fliehen, und ber Ort dem von ihm
os) Parrot Reife I. S. 108; Duboia Yo. zur. p. 465. °) 3
Reife I. S. 206, 210. a0) Cbenb. ©. 1
brasfoftem ; Nordfuß des Ararat, Arghuri. 481
m Weinberge. feinen Namen verdanken (von Argh-anel im
nischen: fegen oder pflanzen, nämlich „arg“ d.i. „er bat ge⸗
nzt” und „urri“ die Rebe; daher Arghurri, ober in
meinen Rede Aghurri, bei den Xataren Achuri, over
rri der armeniſchen Schrift). Diefe Mebenpflanzungen ziehen
4 Werft vom Dorf zur Ebene bin. Um Arghuri iſt viel
ere Luft als im untern Thale um den Araxes; denn obwol
wenig höher gelegen, fo wird bie Hige und Dürre doch fchon
gemilvert durch die größere Nähe des fchneereichen Ararat⸗
% von dem die Fältere Luftſtrömung fortwährenn herabdrückt
n der beißen Sommerzeit wohlthädg abkühlt. Deshalb wird
wi öfter von den Bornehmen aus Erivan zum Sommeraufs
t erwählt, und der vormals perfifhe Sarvar Huſſein Chan
ſich nach ver Lieblingsweiſe feine® Volks, dem Dorfe Arghurl
iber, auf einer Fühlen Anhöhe einen anfländigen Sommerfig
t, mit allen Bequemlichkeiten und zahlreichen Gemächern für
Hofftaat verfehen, aber auch) mit Mauern und Thürmen zur
heit gegen Kurvenüberfälle umgeben, ver ſeit der Abtretung
splend unbenutzt und unbewoßnt blieb.
Re Aleine Kirche 41) an ber rechten Uferfeite des Baches ges
wo auch die meiften Häufer ſtehen, iſt ganz hübſch, im Kreuz
hwarzer Lava erbaut, aus dem 8. ober 9. Jahrhundert, 54°
30° breit, ver Durchmefler ihres Doms 15‘. Seit ihrer Grüne
bat fich der Boden umber fo fehr angehäuft, daß Die Seiten⸗
ı 8 zum Querballen unter der Bodenanhäufung ſtehen.
Srabfteine umher beflätigen ihre hohes Alter. Einer berfels
vom Jahr 955 n. hr. Geb., von einem gewifien Ifaa ge»
mb wabrfcheinlich wol eben fo alt ift die Mauer, der er ein»
it. Im Innern ver Kirche, auf einem Pfeiler des Doms,
Infchrift von Kalig 1., genannt Chahorcha, Sohn Achad II,
ı Jahr 989 König von Armenien ward, und dem Dorfe Arg⸗
Befreiung von Abgaben gab, ein Vorrecht das bie Dörfler
vergeſſen Haben, die, unter einem Stephan Aga ſtehend, der
na Kitel Melik beilegt, ihre Abgaben zahlen wie alle andern
aften. As Tournefort im I. 1700 dieſen Ort, den er
In 12) nennt, befuchte, führte er nafelbfi, wie auch ſchon
din, das Klofter des Apoſtels Arasilvanc an, weil man
Fr. Dubois Voy. III. p. 465. ?'?) P. de Tonrnefort Relatio
Tun voyage du Levant etc. Amsterd. 1718. 4. p. 146.
ker Grbfunde X. 8h
482 Weſt-Aſien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $.:
vaſelbſt Reliquien von St. Andreas und St. Matthaeus gefun
haben wollte; die Kirche ſcheint To urnefort zur Herberge ged
‚zu haben.
Seiner hohen Lage ungeachtet, war doch im Herbft 18
als Barrot 1?) Hier ankam, vie Peſt auch bis in dieſes Dorf ı
genrungen; er zog ed aus biefen und andern Gründen daher
feine Station in einem 3 Werft oder breiviertel Stunden in
Schlucht aufwärts gelegenen Eleinen Klofter St. Iucob au
fehlagen, wo er auch bei wem dortigen Archimandriten, Bart
(d. i. Doctor) Karapet, eine gütige Aufnahme fand. Em wü
ger Greis in fchwarzer Kapuzinerfappe auf dem ‚greifen Hau
in abgefchabtem Gewande von blauem Zeuge, in wollnen perfif
Strümpfen und Pantoffeln, mit dem Roſenkranz in der Hand,
aus der niedrigen, einfamen Kloftermauer. heraus und empfing
ewohlwollend. Die Schlucht, in meldyer dies Klofter in einer ſeht
deutenden Höhe Liegt, fleigt mit ihren Steilwänden zu beiden t
ten 1%) an 1,000.%. über ihre Tihalfole empor, findet aber in e
Entfernung von 2,000 Xoifen, gegen das Innere des Berges
ſcheinbar ihr Ende, mo vie gefchloffene Wand des Ararat-Ke
unzerriffen ſenkrecht emporſtarrt. Diefer Einfchnitt, der an
Norvoftfeite auch ſchon aus weiter Berne fichtbar iſt, beginnt a
dings fihon am Gipfel, aber nur mit einer flachen mulbenart
—— die erſt in größerer Tiefe ſich zur Schlucht geſta
zeit ſchroffen Wänden, die durch Nebenfchluchten zu beiden S—
zerflüftet iſt. Erſt in ihrem untern helle, in ver Kloſtergeg
erweitert fie ſich und wird abwechſelnd von Steilſtufen begrenzt
fie ſich 2 bis 3,000 Fuß unterhalb bed Kloſters wieder zu fia
muldenartigen Vertiefungen umbilvet, die zulegt in die Araxesr
übergeben. Sie liegt überall voll mächtiger Felſstrümmer; bei ei
Tünftigen wiffenfchaftlichen Bejuch würde eine genauere Erforſch
des Innern Theiles dieſer Schlucht, die freilich beſchwerlich gu
fein mag, doch recht wünſchenswerth fein. Von Behaghel ent
hei einer Excurflon in dieſelbe in Ihres Tiefe einen Gletſchera
und war geneigt, ihn, wenn irgenb wie dem Ararat ein Kı
angehörte, für den Ueberreſt veffelben zu halten. -
Dubois, der in viel zu ungünfliger Jahrszeit, noch vor
231. März, 19) in Arghuri war, konnte aufwärts in ber Schl
2 Parrot R. IJ. S. 116. 10) 9, De b. Parrot Reife
. 183. .25) Fr. Dubois Voy. 2 p. vr mm '
De Bi en De
%
Euphratſ.; Nordfuf des Ararat, Klofter St. Jakob. 483
wegen des gewaltigen Schneewafſſers kaum bis zu dieſem Klofter
vordringen, obmol ihn an den von Schnee entblößten Stellen doch
ſchon die frühzeitige Blüthe einer Colchicum⸗Art (Merendera Cau-
casica) erfreute. Er fand in St. Jacob nur eine Eleine Kapelle am
Rande einer natürlichen Terraſſe von ein paar Hütten umgeben, in
denen ein paar Monche wohnten, welche die Kirche bevienten, und
dabei ein paar ſchattige Bäume, von Arghuri aus daB einzige Grün,
eine alte Krüppelmeide am Wege über dem Dorfe audgenommen,
die Hier aus einem Breite von Noahs Arche Wurzel gefchlagen
haben foll, und »iefem Umſtande ihre Erhaltung als unantaftbar ver-
dankt. |
Im Ealten feuchten Innern des Fleinen Kloſters und der Kirche,
deren Mauerwände die Schneewafler purchriefelten, fanden fich meh⸗
tere armenifche Inferiptionen, eine von Jahr 1271, eine andere vom
Jahr 1274, die aber bei der Dunkelheit und Entſtellung durch viele
hunderte roh von Pilgern darin eingekratzter Kreuze zu ſchwer zu
tntziffern waren. Nicht vom Apoftel Iacobus, fondern von einem
Mönde des Namens, erzählt bie Legende, 26) ver ven Ararat ver
geblich zu erfteigen fich.abgemüht, fer die Kirche erbaut. Nämlich an
derſelben Stelle, zu welchen er”jene Nacht wieder zurüdtrutichte, wenn
er am Tage zur Ararathöhe hinaufzuflettern verfucht Hatte. Er
Wurhe aber durch einen Engel ſchon für fein eiftiges Streben nad)
dem Uinerreichbaren mit einem Sragmente der Arche belohnt, mit
dem Bedeuten, daß es keinem Sterblichen vergönnt ſei, die Stelle
der Arche zu crrichen
Für dieſe Reliqule wurde eine Felsgrotte zu Kieghart als
Kapelle ausgehauen, wo fie bis heute gezeigt wird, obgleich fie auch
ir Eiſhmiadzin zu den dortigen Reliquien gehdten fol. Durch dieſe
Legende iſt ver Wahn der Unerfleiglichkeit des Ararat fo fehr
Img Lande fanctioniet, daß aller Beweiſe ungendhtet die wirkliche
Erſteigung von keinem Armenter geglaubt, und felbft von vem
Stephan Aga over Vorficher des Dorfes Arghuri, der wenigſtens
theilweiſe Theilnehmer an derſelben Erſteigung war, abgeleugnet
warn. Er bemerkte teonifch, feine Biegen fünnten 47) eber dort hin⸗
nflömmen als die Menſchen.
Dubois konnte am 20. Mir nicht aiamal bie dreiviertel
Gtunden über dem Kloſter gelegne Quelle mit einer kleinen Kapelle
— —
'*) Pit, de Tourmefort Refit.- I. p. 183; vamet Reiſe, I. S. 136.
\?) Dubois Voy. III. p. 471.
552
>
284 Welt: Afien, II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 33.
erreichen, weil die Schneewaffer daſelbſt noch zu tief den Boden
bedeckten. Keine freie Felswände waren anftehend, nur in den ge
wälzten Irummern bemerkte er 10 bis 15 Buß im Durchmefte
mächtige Melaphyrfelfen, in rothen und ſchwarzen vulcaniſchen Gruf
und Rapili vergraben, und verſchiedne Bragmente porphyrartigen
Sefteine. Die Gebirgsfchlucht, in deren Schug fowol das Dort!
Arghuri wie daß Kloſter St. Jacob Liegt, theile ſich wieder oberhalt
in zwei Arme. Die eine Spalte fegt tiefer in das Herz des Bergi
ein, die andere wendet fich mehr zur rechten Seite, un» zeigt nod
einige Reſte gänzlidy vergeffener Wohnungen. Tournefort. er
zö6lt, daß er bier Tiger19) gefehen, die im bürren Sommer bei
Dur zur Tränke treibe (mol Tigerkatzen over Luchfe? denn went
fon norbwärts, Erbf. IL ©. 1125, 118, 653, fo iſt uns doch
fonft £eine Verbreitung des wahren Tigers aus feiner aflatifchen
Heimath fo weit gegen’ ven Weften bekannt geworben). Auf Du:
bois Nachfrage kennt man ihre Vorkommen gegenwärtig dort nid
mehr, wol aber werden wilde Ziegen (Capra aegagrus Linn.)
und wilde Schaafe (Ovis musimon), 20) ald Bewohner der dor⸗
tigen Belsklippen genannt, von legten gab derſelbe Reifenve ein
ſchönes Cxremplar der daſelbſt erhaltnen Hörner in das Berliner
Muſenm. Barrot fpricht während feines Aufenthaltes daſelbſt von
Wölfen, 22) deren zu feiner Zeit einmal 5 Stud ein Kalb von
der übrigen GHeerde erjagien; in ber anliegenden Araresebene aber
von fehr zahlreichen und ungemein großen wilden Schweinen, bu
zur Erntezeit großen Schaden in ben bortigen Kornfeldern anrich⸗
ten, und deshalb durch Hundehatzen erjagt werben. Sie find es, die
in jenen Schilfmalbungen die breiten Wege treten und fie fo gang
bar machen. Gin. folyer erlegter Eber 22) von aufßerorbentliche
Größe wog 280 Pud (1 Pup = 40 Pfund); ein Ochfe Enid
unter dieſer Laſt zufammen; nur 2 Dchfen Eonnten die Ladung fork
Bringen. Der Edel der Mohamedaner vor dieſem Thiere läßt daſſelbe
zu ſolchem Gedeihen gelangen.
Das Leine St. Jacob Klofter, dad beinahe 6,000 8. bed
über dem Meere (5,982 %. Par. nach Meffung, 2%) alſo doch fchen
3,283 F. relativ über der Ebene des Araxes) erhaben liegt, hart am
zechten, 25 Buß Hohen Ufer des Arghuribachs, zwiſchen Mia und
vs) P. de romelen. Rel. il. p. 147. 30) Dubois Voy. III.
P: 473. e) Barrot M. 1. & 206. . 92) ebend. IL G. 43.
2) ebend. ©. 208. og
\
x
Euphratf.; Nordfuß des Ararat, Klofter St. Jakob. 485
Degradten Abhängen der Schlucht, die Hier an 600 bis 700 Fuß
Ziefe bat, wurde nun bie Herberge der Academiker, 2*) und in dem
Hofe legte man das Ohfervatorium für den Aftronomen an. Die
Geſellſchaft dieſer erſten wiffenfchaftlichen Expedition am Ararat bes
Rand aus 17 Mann und 11 Pferden; 5 Gelehrte, ein Geiſtlicher,
ein Feldjäger, 6 Kofaden, 4 Soldaten, deren einer den Koch machte.
Der Feldjäger beforgte die Nahrung aus Erivan; das Pferbefutter
war Gerfte, da Fein Hafer in ver Nähe gebaut wird. Schaafe
gaben die Heerden, die Schilfmoräfte an den Schwarzbächen wilde
Schweine und Wild, die Zlüffe gedorrte Fiſche, und der Gokiſchai
oder Erivan-See wohlſchmeckende Lachsforellen. Das Dorf Argh⸗
ari lieferte Eier, Hühner, Milch. Vorräthe aus der Ferne wur⸗
den berbeigefchafft, als Linfen, Grütze, gedörrte Aprikofen, Kiſhmiſh
(6.1. Rofinen ohne Kern), Reis, Zwieback, Salz, Pfeffer, Thee,
Zucker und Rum; der gute erivanfche Wein mußte für das fchlechte
Atinfwafler entfchädigen, da.gutes Quellwaſſer überall jenen vul⸗
caniihen Gebirgen fehlt. Loſch ift das allgemein dort übliche Brod,
wie dimne Pappe in ellenlangn Stüden, aus ſchwach gegohrnem
Zeig gefnetet, an heißes Eiſenblech geprüdt und fo gebaden, daß
es zugleich als Tifchlafen ober Serviette dient, in das man, wie in
Dad Norweger Brod, allerlei Fiſch, Fleiſch, Gemüßftengel u. f. w.
einwickelt, und dann Hinterfchludt. Der Archimandrit nannte das
Kofer St. Gregor, und jene kleinere, etwa 1,000 Fuß Köher auf
Km Nande der Schlucht angeflebte Kapelle, neben ver auch von
Dubois genannten Quelle, die St. Jacobs Kapelle. Erſt gegen
Erde von Barrots 2°) Aufenthalt wurbe er non dem mehr un.
tertichteten armenifchen Diaconen Abowian auf einen Stein in ber
Raum der Kloſterkirche aufmerkfam gemacht, der ven wahren Na-
men mihält, deſſen armenifche Infeription folgendes ausſagte:
‚A Gottes Gnaden gelobe ih Mechitar und meine Frau Tamar
„Atem Kiofter St. Jacob all unfer Geld und die heiligen Bücher
vgegen das DVerfprechen, zu unfter und unſrer Nachkommen Ges
Dichtniß viermal Im Jahre unfer in der Meſſe zu gedenken.“ Die
Finzugefügte Jahreszahl 737 nach der armenifchen Aera, die erfi 551
na) Chr. Sch. beginnt, zeigt, daß dies Document dem Jahr 1288
angehörig iſt. Der alte Archimandrit hatte, wie fich hieraus ergab,
ine Daten ſich irrig ausgelegt. |
m
%) Parrot 1. S. 147. 26) ebend. ©. 205.
486 WeftsAften. I. Abtheilung. J. Abfchnitt. $.3:
4) Der große Ararat und feine dreimal wiederhol
Erfleigung.
Ein längerer Aufenthalt von Mitte Seytembe er bis En!
Detober, mährend deſſen mehrere Erfteigungsverfuche der höchſt
Gipfelhögen verſucht und ausgeführt, und viele Beobachtungen uf
die Natur ded Gebirgs und feiner phyficaliſchen Verbältniffe, 1
aftrongmifche und trigongmetrifche Meffungen zu Stande gebra:
wurden, bereicherte die Erdkunde wit vielen neuen Ihatfachen, ver
Sauptergebniß wir in folgender: Monographie zufammenfaffen.
- Schon aus weiter Berne erfannte Parrot?) an dem Nor
abhange des 16,254 Fuß abfolut hohen, und 13,530 Fuß relaı
über der Araxesebene auffleigenven großen Araratkegels ı
tiefe finſtre Schlucht von Arghuri, die ihm einer Spal
gleich jchien, in welche der- Berg bei feiner Erhebung aufgeborft
indeffen Andere fle wol für einen audgebrannten Krater gebalt
hatten. Reineggs wollte darin einem Schlund ſehen, ver im Jal
1783 im Januar und Februar Rauch und euer ausgeworfen ba’
was ihm ohne weitered Zeugniß damals nicht geglaubt werk
fonnte, 27) was aber eine lehrreiche Beflätigung erhalten. könr
wenn der im vorigen Jahre angekündigte furdhtbare Erdbebeneinſte
im Ararat wirklich flatt gefunden Hätte, worüber wir mit Sehnſu
den wiffenchaftlichlichen Berichten ver Peteröburger Academie ent
genfehen. Der Nordabhang des Kegelö, die fleilfte Seite, nimı
eime Strecke von nicht vollen 44 Stunden (20 Werft) Länge e
der. Nordweſt⸗Abhang eine Stredde von etwad mehr ald 6 Sa
(30 Werft). Bom Gipfel abwärts, eine gute Biertelftunde (1 Wem
ſenkrecht, oder in fchräger Richtung faft eine Stunde (4 We
weit abwärts, hat er ewige Schneedede und Eis, veilen uxs
rer Rand nad ver Erhöhung und Vertiefung des Vodens au
zackt ericheint. Aber an ver ganzen nötplichen Hälfte des Bei
zieht dieſer Schnee als eine flarre von wenig Felszacken unterbrod)
Krufte hinauf zum Gipfel, und über dieſen hinweg auf ver fü
lichen Seite wieder bis zu einer etwas geringern Tiefe hinab. Di
iſt das Silberhaupt des Ararat.
Der Eleine Ararat, Feine volle 4,000 F. niedriger als ki
erhabner Nachbar, noch immer 12,284 Fuß über dem Meere, wen
»20) Parrot, Reife 1. ©. 119. 27) v. Hoff, aeiihte ber natüt
lihen Veraͤnderungen ber Erdoberfläche, 2 I. ©. 111; Ke
Porter Trav. Vol. 1. PD 189.
I
Euphratfyſt.; Großer Ararat, Erfteigungsverfuche. 487.
alfo nicht von des Montblanc und Montrofa, doch immer von des
Tyroler Riefen, des Ortles, Höhe, trägt dennoch feinen ewigen
Schnee (unter 39° 39 Nördl. Br.), fondern im September und
„ Detober, wahrſcheinlich auch ſchon im Augufl, und in. warmen -
Jahren noch früher, iſt er ganz frei von Schnee. Seine Abhänge
And viel fteiler als die feines größern Nachbars, faft rein kegel⸗
förmig auffteigend, vol feiner Furchen, vie fih vom Gipfel
ſtrahlig herabziehen, und feiner Anficht einen eigenen anziehenden
Character gehen.
Beide großartige, ſelbſtſtändige iſolirte Gipfel find jedoch „nicht
ganz ohne Verbindung mit anderen -Bergumgebungen geblieben, wie
wir ſchon oben gezeigt haben, wenn auch biefelben nur unterge⸗
OTdnete genannt werben müſſen, von denen die gegen Welt und
Nordweſt die zahlreichften find, unter denen auch einzelne fehr fleile
tgelformen auffallenn hervortreten.
Statt der frühern nur unvollfommnen, meift durch optifche
Taͤuſchung in Spige wie Höhe übertriebenen Abbildungen bei Char=
din, Tournefort, Morier, Ker Porter, 28) haben wir in
Neuerer Zeit einige genauere brauchbarere Umriſſe erhalten, vie jedoch
wegen ihrer meift einfeitigen Auffaffung und wegen des Eleinern Maaß⸗
es 29) noch keineswegs für einen fo großen und beveutenven Natur⸗
gegenftand befriedigend genannt werden Eönnen. Die beften mit größerer
Sorgfalt gezeichneten Anfichten find die von Dubois 3%) von Erivan
aus; und die 4 von Parrot gegebenen: 1) der Fleine und große
Ararat, fünlih vom Kloſter Etſhmiadzin 31) von Hagen; 2) bie
Anſicht derſelben von der NN.O. Seite, von dem Dorfe Syrbag⸗
han aus gezeichnet; 3) die nahe Anſicht vom Kloſter St. Jacob in
Aquatinta, fehr fhön, aus ver großen Schlucht ſelbſt genommen,
IND 4) vie AUnficht Keiner Gipfel von der Norbfeite von Kanakir,
i Grivan, gezeichnet.
— ——
=) Chardin Voy. Amsterd. 1735. 4. T. I. p. 210, eine Anficht von
Grivan aus; Tournefort 1. c. IL p. 139, Anfiht von Etſhmiad⸗
jin ans; Ker Porter Trav. II. p. 623. Tab. 84, Anſicht von Gri⸗
van aus; J. Morier Second. journ. Lond. 1818. 4. p. 335.
Tab. XII. von Grivan aus. 2°) W. Ouseley Trav. Ill. Plate
LXXIX. 1) Anficht von Nakhſhivan, 2) von Sharur, 3) ven Grivan.
10% Dubois Voy. Atlas pittor. Serie. II. Planche 34.
aij Parrot Reife, I. f. zu ©. 87, 125, 126, 234. Taf. 1 — 4
488 WefAfien, TIL. Abteilung. IJ. Abſchnitt. $.35.
Erfter Erfleigungdverfuch (ven 12. — 14. Sept. 1829). ®)
Gleich nach ihrer Ankunft verfuchte Parrot am 12ten September
1829 die erfte Erfleigung des Ararat. Seine Begleiter waren
der Stud. medic. Schiemann, ein Koſack und ein Iagpbauer aus
Arghuri. Es ging vom Et. Jakob⸗Kloſter in der Thalfole auf⸗
wärts bis zu ber Eleinem Kapelle, die häufig von Bayazed aus bes
wallfahrtet wird und bie ihre Errichtung wol des Elaren Quelle
verdankt, die neben ihr fpringt, der einzigen unter allen auf
den zablreihen Excurſionen Parrot, die er auf bem
Ararat gefunden, ver eben fo quellenarn wie ver Alagbez if,
ein Charakter der Vulkanberge überhaupt. Sie gilt ven Arme⸗
niern deshalb als Wunberquel. Don der Kapelle an wurde eine
begrafete Anhöhe überftiegen, welche das rechte oder äftliche Gehänge
ber Kluft ausmachte; des großen Hitze erlag zunächft ver Kofad, ver
zurücdbleiben mußte. Abends 6 Uhr wurden, nach großer Ermü⸗
bung, zmwifchen Feldtrümmern bei 11,675° die unterſten Schneefleden
an fchattigen Stellen erreicht. Die Nacht brach ein, das Thermo⸗
meter fiel auf den Gefrierpunkt und ver athletifche Iäger aus Ar»
ghuri, Sahak (d. i. Iſaak), ward in. feiner Sommerfleivung ganz
muthloß.
Am 13. September mit der Dämmerung wurbe weiter bie öſt⸗
liche Seite des Bergs emporgefliegen; man war bald dicht am Ab⸗
bange, ber fih unmittelbar vom. Gipfel herabzieht. Hinter dem
rundlichen Rafenhügeln, die auf der Aquatinta-Anfiht Nr. 3 links
zu fehen, hinter denen zadige Felskämme herabfegen, war man in
einer Region vol Klüfte angekommen, zwifchen welchen fich Gletſcher⸗
maffen einſenken. Der erfie Felskamm wurde glüdlich über
fohritten und dann auch der darauf folgenvne ſchöne Gletſcher.
Auf der Höhe des zweiten Felskamms angelangt, verlor aud
Sahaf, der noch von der Ealten Nacht erflarrt war, ven Muth, weis
ter zu fleigen. Ihn Hielt der Froſt wie jenen die Hige zurüd. Nur
2
Schiemann blieb bet der wachfenden DBeichwerde noh Parrots —
einziger Geführte Der zweite Gletſcher wurde glüdlich über =
ftlegen und der dritte Felskamm erreicht. Diefer wurde ſchräg auf—
wärts überklettert, und Hinter demfelben, bei 13,180 Fuß Höhe, dere
untere Rand der Eisrinde erreicht, die von hier nun ohne
Unierbrehung zum Gipfel hinanzieht. Nun ging e8 ven ewigen
Schneetegel ſelbſt hinan. Obwol er nur unter einen Winkel vor
033) Parrot Reifen, I. S. 128 — 138, _
a ——
En Ze
Euphratſyſt.; Großer Ararat, Erfteigungsverfuche. 489
30° über ven Horizont fich erhob, fo war fein Aufftieg in graver
Richtung doch für nur zwei Menſchen unmöglich. Alſo ging’ _
ſchräg aufwärts zu einem langen Felskamm, der fich fehr hoch an
den Gipfel Hinanzieht, Davon man auf beiden genannten Zeichnun⸗
gen Nr. 2 und 3, zur linken Seite des Berge, eine Eleine Spur
angegeben findet. Man hieb ſich Tritte mit ven Eisſtöcken ein, er
reichte den Felskamm und z0g neben ihm, wo fich ver frifche Schnee»
fal etmaß tiefer als auf dem Eife angehäuft hatte, gerade aufwärts
zam Gipfel. Die Anftrengung war groß, die Zeit fchon bis 3 Uhr
vorgerückt. Faſt das oberfte Ende des Felslammes war bei 14,550 F.,
alſo auf Montblanc⸗Höhe, erreicht. Doch lag der Gipfel noch fern,
hoch und klar vor dem Auge. Die wenigen noch übrigen Stunden
hüten bei fortgeſetztem Anſteigen dort nur mit dem Dunkel anzu⸗
kommen geſtattet; Felsſchutz für die Nacht und Lebensmittel fehlten.
Der Berg war von diefer Seite nicht unerfteiglich, fo viel zeigte
fh mit Sicherheit. Die Umkehr ward beſchloſſen. Aber das fleile
Ginabgleiten brachte zu Falle und zu unmwillfürlichen Hinabſchurren.
Schieman riß Parrot mit um und beide ſchurrten ſchon befinnungd«
los hinab, bis fie am-untern Rande des Gletſchers blutrünflig, zer-
(belt und zerftaucht noch von ven Lavatrümmern aufgehalten wur»
dem. Barometer, Chronometer u. f. w. waren zerfchmettert, alle
Sachen aus den Tafchen geichleupert, doch kamen fie glücklich genug
No mit dem bloßen Schrecken davon. Ziemlich gefammelt Eletterten
fie nun vie Klippen hinab bi zur Grasregion, mo Sahak fie er.
wartete und von gefammeltem Geftripp dad Nuchtfeuer loderte. Am
Orgen des dritten Tages nahm man um 10 Uhr die Rückkehr
Zum Kofler, wo ein gutes Frühſtück und vollfaftige Pfirfich nach
ſolcher Strapaze labten. Das erlebte Unglück wurde als Geheim-
Ni bewahrt, denn es würde nur als gerechte Strafe Gottes für ven
‚ den Berg erfleigen zu wollen, gebeutet worden fein und jeden
ferneren Verſuch unmöglich gemacht haben.
Wirklich waren alle frühern Verſuche mißglückt. Tournefort
drang am erften Tage nur bis zu der Station 33) der Hirten vor,
die port noch ihre Schaafe weideten und um feinen Preid zu bee
Wegen waren, ihn weiter aufwärts zu begleiten. Nach zwei Stun-
den Wege Höher hinauf, bis zu einer Schneeftelle, wurde ihm das
zu beſchwerlich, der gänzliche Quellenmangel verfegte In
aArdie Sorge und die Ausbeute der Kräuter war dem mit der
— —
®}) Tournefort Relat. 1. c. IL. p. 148 etc,
f_ ie
490 WeftsAfien. II. Abtheilung. I. Abfchnitt, $,35
Höhenflora noch wenig vertrauten Naturforſcher zu gering, ua
noch mehr Kräfte aufzubieten. Statt ſich zu freuen, den Geſetze
der Climatif gemäß, auf größeren Höhen die Pflanzen der Tühlere
Heimath wieder zu finden, war ed ihm ärgerlich, daß fo gemeir
Gewächſe, mie Cotoneaster, Hieratium fruticosum, Jacobaea, Fr:
garia, Euphrasia u. a. fich hier zwifchen fo wenigen neu, ung
denen er Lychnis oriental. max., Geum orientale, und einige aı
dere nennt, vorfanden. Seine Ausbeute war in ver That nur 9
sing zu nennen, Andere hatten e8 gar nicht verſucht, ven Berg 3
erfteigen, fondern immer nur nach der DBolkömeinung der Armenic
wiederholt, daß dieß ganz unmöglich Fei.
Parrot erfuhr, daß jedoch der Paſcha von Bayazed, ver Du
ter Behlul Paſcha's, vie Abficht gehabt, den Berg zu erfleigen
Dies war aber mißglüdt; er kam nur fo weit, als fein Pferd ihı
tragen Eonnte, alfo nicht einmal an den untern Rand der Schnee
grenze. Der Schach von Perfien follte einen Preis auf die Erſtei
gung des Gipfeld gefeßt Haben, ven aber Niemand gewonnen hattı
Zweiter Erfleigungdverfuch (pen 18. — 20. Sept.) *
Mit mehr Begleiteen und Xaflthieren, mit Proviant, einer Bleiplatt
und einem ſchwarz angeftrichenen Kreuz von Tannenholz, 104 Fu
hoch, verjehen, das vom ‘Priefter eingefegnet war, wurbe ber zweit
Verſuch am 18. September begonnen. Die Herren Parrot, vor
Behaghel, Schlemann, ein armeniiher Diacon Abomiaı
bildeten vie Gefelfchaft; vier armenifche Bauern aus Arghuri, vrı
ruffliche Soldaten, vier Kaflochfen mit einem Treiber begleiteten flı
und der Dorfältefte Stephan Aga Melif. Als befter Führer riet
biefer, diesmal den Gipfel von der N.W.-Seite zu erfleigen, we
diefer Abhang zwar länger, aber weniger: fteil fei als der öftlich
Man z0g die. erfie Werft am linken Thalgehänge hin, flieg dan
an ihm hinan, überfchritt quer den noͤrdlichen Abhang in weſtliche
Richtung ohne große Schwierigkeiten. Bis dahin gehen noch Vieh
pfade; anfangs fand man zwar den Voden. noch mit vwerbortter
Graſe und wenigen blühenden Kräutern bedeckt, dann aber fam maı
zu einer mit vulkaniſchem Sande und bimsfleinartigen
Gerölle bedeckten Gegend, unfltreitig viefelbe, welche aud
Tournefort erreichte und die er wegen des fo beſchwerlichen San
des und der ſchmachtenden Dürre mit einer afrikaniſchen Syrte ver
_—
34) Parrot Reifen, J. ©. 138 — 146.
Fans,
D
t
%
—
jen feit ver Behringsſtraße, dem Auge bald gänzlich verfchwin
| Euphratſyſt.; Großer Ararat, Erfteigungsverfuche. 491
gleicht 35) Parrot, ver gehbtere Höhenbefleiger, fand diefe Bes
ſchwerden übertrieben, er ging in Öftlicher, inner. ſteigender Höhe
meter, bis er Die fleinige Region erreichte, vie unterhalb ver
Grenze ded ewigen Schnees ringd um den Berg herum eine
breite Zone einnimmt und aus lauter eigen (aljo nicht gewälzten)
großen und Keinen Trümmern vunfelfarbigen, vulfanifchen
Geſteins beſteht, das chaotifeh wild bald rauhe Mauern bilver,
bald zackige Kämme mit zwifchenliegenden engen falten Schluchten,
die mit Gletſchereis gefüllt find. Gier führte nur noch ein fchmaler
Viehpfad ver Heerden, die im Hochſommer bis hieher ihr Futter.
jugen, zu einer großen, mit Gras bewachſenen, faft horizontalen
Sammerwiefe, alfo eines wahren Schweizeralpe, zwiſchen
der wildeſten Trümmergegend ‚auf ber Nordweſtſeite ausgebreitet.
Weiter konnten die Pferde nicht kommen, fie wurden mit ven Kos
ſacken zurũckgeſchickt, bis auf einen perfifchen Klepper, ver ven Stephan
Melik noch zu viel feilern Höhen hinan, trug. Die erreichte Alpe
heißt Kip⸗Ghioll, d. i. Kip- Quelle, in Folge eines früher
von dem perfiſchen Gouverneient beabjichtigten Canals, ver dazu
dienen follte, die Schnenvaffer zu jammeln und einem Bache zuzu=
führen, an bem vor Zeiten ein Dosf, Borgan, am Wege nad
Bahazed lag, das aber verlaſſen wurde, weil der Bach dieſes Bettes
ud einem unbekannt gebliebenen Grunde verfiegte. Man war bier
nach fünf Stunden Steigend um 11 Uhr auf einer Höhe von
10,862 Fuß Par. angelangt und konnte eine flärfende Suppe fochen,
weil Viehnünger binreichenves Brennmaterial gab. Gleich über dies
ſet Grasebene hebt ſich der Ararat ſehr ſteil empor, doch iſt er gut
ZU erſteigen, weil er mit etwas Dammerde bedeckt iſt und noch
Orgasmus hat. Aber bald tritt man wieder in vie öde Fels⸗
Tegion ein, die bis an die Eisregion reicht. Auf viefem Wege
lam man, unfern dem Kip Ghioll, an einen bedeutenden Gletfcher,
den der Berg mit Trümmern und Lavaſand libervedt bat, fo
daß man fhon Heutzutage das Eid nur noch in den tiefen Spalten
wahrnimmt. Bleibt daſſelbe Verhältniß ver Ueberſchüttung wie
spe dauernd, fo wird der fchon Halb verborgene Gletjcher
Auge bald ganz verſchwinden und gleich jenem von Eſchholz 3%)
und v. Chamiſſo beobachteten Polargletfcher im Kotzebues Sunde,
— —
2) Tourneſort Relat. II. 149. 20) O. p. Kotzebue Entdeckungs⸗
Reifen in die Südſee. Weimar, 1821. Th. 1. ©. 146,
\
[2
292 - WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.;
den. Parrot fihien dieſer Gletſcher Feine Fortſetzung
Eishauptes ſelbſt zu fein, vielmehr gefonvert für fich zu beflel
doch könnte er vielleicht unter ver Steindecke mit dem Gipfelglen
zufammenhängen. -
Der untere Anfang einer Schneebank, die fich un
telbar von der Schneeregion des Ararat herzog, wurde
abfoluter Höhe —= 11,844 F. Par. über dem Meere beobachtet.
Abend um 6 Uhr war bie Höhe von — 12,346 %. über dem Mi
nicht weit mehr von der Schneegrenze, erreicht: Bis dahin
ten Ochſen den Holzvorrath gefchlenpt, felbft des Meliks Kle
kam bis bieher, wo man das Nachtquartier nahm.
Dad Nachtlager bei geringem Feuer war Tal, Am Mor
des 19. Sept., bei 14° inter dem Gefrierpunft, ſetzte man fich
halb 7 Uhr wieber In Marſch. Nach zwei Stunden Zeit war
ewige Schnee und dad Eid erreicht, d. h. wo die zuſamm
hängende Eiömaffe beginnt und ihre Grenze nah un
finvet. Bet = 13,448 $. über dem Meere beginnt die ununt
brochene Eisflädhe. Der Weg bis dahin, vol fehr ſteiler F
gehänge, war durch die aufgeſtapolten Blöde mit ſcharfen Kar
nicht mehr gehbar, fondern nur mit Sand und Fuß zu überflett
zumal der Trandport des Kreuzes hatte feine Schwierigkeit, vie
doch ver Heilige Eifer eined ver armenifchen Bauern überwand.
Mit Heiligem Schauder betrat man nun erft, nach foldhen 9
firengungen, die mächtige ewige Schneepyramide. Anfä
Tich war ziemlich leichtes Fortkommen, weil die Steilhelt mäßig n
und eine Tage frifchen Schnees das Gehen erleichtert. Die wi
gen Duerfpalten im Eife waren ſchmal und leicht zu überſchrei
Aber ſchon nach wenigen hundert Schritten wurbe es Schr fi
Nun mußten Stufen in das Eis gehauen werben, In ben v
gletfherten Schnee, d. h. in den mit Waffer getränkten und n
der gefrornen Schnee. Died verzögerte nothwendig ben Fortſchr
in einer Stunde hatte man ſich in ver Felsregion etwa 1000 7—
fenkrecht erheben können, bier Eonnte man es nicht bis zu 600 |
Bringen. Oben auf dem Eisbuckel traf man auf eine 5 Fuß hr
Gisfpalte, die jedoch an einer Stelle noch hinreichend mit Sc
gefüllt war, um hinüber gelangen zu können. Don da führte
nur mäßig anfteigender Abhang auf eine faft wagredte Schn
fläche, die einen Hauptabfag an diefer Seite des Ararat- bif
vie auch in allen Zeichnungen als vie Korizontalfläche zunächft d
Gipfel zu erkennen iſt. Bis dahin gelangt, erhob ſich ein fur
Euphratſ.; Großer Ararar, wirkliche Erfteigung. 493
barer Wind. Noch drei Stunden waren, allem Unfcheine nach, zu
Grreigung des Gipfels nothwendig, aber Schneegeſtöber zu er-
warten. Hier follte das mitgebrachte ſchwarze Kreuz aufgerichtet
werden, auf einer etwas gegen den Oſten gerüdten und fo ausge
wählten Stelle, daß es, durch die vahinterliegende weiße Schnee
wand gehoben, vom Klofter Etſhmiadzin oder von Erivgn aus ges
heben werden könnte. In ein in das Eis zwei Fuß tief eingehaue-
nes Loch wurde daſſelbe eingepflanzt, mit Eisftüden befeſtigt, mit
Schnee ummauert, fo daß es die Fläche gen Erivan richtete. Die
daran befefligte Bleiplatte enthält die Inſchrift: „Auf Kaifer Nico⸗
lau Befehl errichtet 1829.“ Die Barometerhöhe gab für die Stelle
8 Kreuzes == 15,138 F. Par. üb. d. M. alſo viertehalbhundert Fuß
über Montblanc⸗ Höhe. Die Mittagsſtunde war indeß vorübergegan⸗
gen, der Himmel verdüſterte ſich, mit Hülfe der Eisſtufen kam man
Hlüdih Hinab zu der Kip Ghioll, die nun wie ein Paradies er⸗
ſchien. Der feuchte, reichlich fallende Schnee wurde im Nachtlager
am wärmenven Feuer leicht ertragen, und am dritten Tage, 20. Sep⸗
tember, Morgens um 10 Uhr Hatte man das Klofter St. Jakob
Slüdlich wieder erreicht. |
Dritter Verſuch und wirkliche Erſteigung des Gi⸗
P feld (26. — 28. Sept.).””) Das Wetter heiterte ſich wieder auf,
ES wurde ruhige Luft; das Getoͤſe herabſtürzender Eis⸗ und Fels⸗
aſſen ward ſeltener. Der Plan zu einem neuen Erſteigunga⸗Ver⸗
Gande wurde in Ausführung gebracht. Der Dorfältefte Hatte ſich
oh uicht von den Strapazen erholt, er fchlug vie wiederholte Be⸗
BSlitung aus, fandte aber doch 5 Bauern und 3 Laſtochſen; zu. die
ſen geſellten ſich noch 2 Soldaten. Der Diacon Abowian ging mit
‚und der Stubiofus Hehn folgte, um die Vegetation in grö⸗
Bern Höhen kennen zu lernen, doch nicht um die Vegetationdgrenze
Um überfchreiten. Alles Fam nun darauf an, gleich am erften Tage
dem Gipfel fo nahe ald möglich zu kommen, um ihn am Morgen
| %s zweiten fo früh als möglich erreichen zu können. Dan ritt ven
. merfien Tag, den. 26. September, bis in vie Nähe ver Grae—
de Kip Ghioll, und ſchickte von da die Pferde mit dem Kofaden
mul. Schon vor 12 Uhr war diefer Punkt erreicht; dann flieg
} Man mit ven Laſtochſen weiter bis zu ven letzten Felswänden; kann
leß man auch diefe zurück und belud ſich ſelbſt mit ven Kleidern
m Hol, Halt 6 Uhr Abends war man ber. Schneegrenze,
— —
»t) Parrot Reifen, I. ©. 158-- 178.
————
494 Weſt-Aſien. II. Abtheilung. E Abfchnitt, 8.35.
bei = 13,036 F. P., ſchon ganz nahe, alſo ſchon fo meit, wie bei
ver legten Erfleigung am zweiten Morgen erft nach 9 Uhr. Hier
‚ wurde dad Nachtquartier wegen ber größern fchügenven Felsmaſſen
gewählt; das wärmende euer und eine ſtärkende Zwiebelſuppe
räftigte die ermüdeten Glieder; der Abend mar ungemein fchön, bei
440 R. Wärme, die Unternehmung begünftigend. Mit der Morgen-
dämmerung, am 27. Sept., war ber letzte Trümmerabhang in einer
halben Stunde überftiegen, die Schneeregion erreicht. Der friſch⸗
gefallene und ſchon vergletfcherte Schnee nöthigte, gleich von Anfang
an Stufen einzubauen, was nicht ohne Ermüdung geſchehen konnte.
Schon hier blieben 3 Bauern ganz erfchöpft zurück, die andern
rückten über den großen Spalt hinweg. Um 10 Uhr war man
(alfo zwei Stunden früher als zuvor) auf ver großen Schnee»
fläche; das fchmwarze Kreuz wurde in der Entfernung einer Werft
zur Seite erblickt. Nur ein kürzerer, aber auch fleilerer Abhang
als der zuräcgelegte war zu überwinden, und zwifchen ihm unb ber
Außerfien Kuppe ſchien nur noch ein Fleinerer Anberg zu liegen. —
Aber nichts täufcht dad Auge mehr als die fcheinbare Nähe in äthe⸗
riſcher Zuftregion. Mit Hülfe von Stufen überflieg man ven erſten
fteilften Abhang und die nächfle Erhöhung. Nun aber, ftatt nahe
am Ziel zu fein, Hatte ſich dem Blicke eine ganze Reihe von
Hügeln entwidelt, die fogar ven Gipfel felbft verbediten. Do
wurben fogleich auch einige dieſer Hügel ohne Aufenthalt übers
ſchritten. Da wehte Gipfelluft; Ich trat, fagt der unermübete Parrot,
hinter einem der Schneebudel des Abhangs hervor uns — ber än-
Berfte Kegel lag vor mir. Nur no eine Eisflaͤche war mittel der
Stufen zu erfleigen und wir flanven, eine Biertelftunde nach 3 Uhr,
wirtlih auf dem Btpfel des Ararat. Kurze Ruhe auf dem
Mantel war nothwendig oben auf. der ſchwach gemölbten, faft er —
förmigen Fläche, von etwa 200 Schritt im Umkreis, die am Rabe
nach allen Seiten ziemlich fleil abfältt, zumal aber gegen Shy unbe
Nordoſt. Dies ift das flarre, vom ewigen Eife (v. h wel
mit einer Eiskruſte überzogene Schneekuppe) gebildete Silber —
haupt des Ararat, von keinem Feloſtücke unterbrogen —
Gegen OR Tief dieſer Gipfel am fanfteften aus und fians hier Mil
einem zweiten, etwas niebrigeren Gipfel durch eine Ebene’ iu
Verbindung, keiner ganzen Werft Länge (187 Telfen way Je —
do ro ws Meffung), die von der Ebene des Araxes aus wie elmmmm
fattelförmige Vertiefung erfcheint. Die aus der Araxedeben⸗
von ND. ausgehende Meſſung Fedorows gab dirſelbe vorder —
ee a
»
“
Euphratſ.; Großer Ararat, wirkliche Erfteigung. 495°
Erhöhung um 7 Fuß niebriger an als ven rückwärts oder weſt⸗
licher gelegenen Hauptgipfel, ein Unterſchied, der Barrot auf ver
Höhe felbft viel bedeutender zu fein fehien. |
Ein weites Panorama eröffnete ſich bier dem erflaunten Blicke,
aber in fo ungeheuern Abflänven, daß nur die größern Maffen zu
unterfcheiden waren. Das ganze Thal des Arares deckte ein grauer
Mebelouft, durch welchen hindurch gegen Norden Erivan und
Sardarabad nur ald dunkle, handgroße Flecke erfchtenen. Deut⸗
licher fah man im Süden die Hügel, Hinter denen Bayazed Tiegen
ſollte. Am NW. prangte das zadige Haupt des Alaghez, mit
bedeutenden Schneemaffen in feinen Vertiefungen, eine, meint Bars
ot, wahrſcheinlich unerreichbare Kelfentrone Zunädft um
den Ararat, zumal in Südoſt und weit entfernt auch gegen Wet,
ſah man eine Menge kleiner Berge, meft mit kegelförmi—
sen Zufpitzungen und Bertiefungen in ihrer Mitte,
chemaligen Eleinen Vulkanen nicht unähnlih; dann aber ganz
benachbart gegen D.S.D. den kleinen Ararat, bier nicht mehr
alt einfache Spitze, fonvern, wie bie Fläche einer abgeflugten Pyra⸗
mide, auf den Eden und in ber Mitte mit Fleinern und größern
Selimerhöähungen verfehen. Aber auch ein großes Stüd des Gokt⸗
ſchai-Sees Hinter Erivan erblidte man, eine fehöne dunkelblau
Mimmernde Fläche im Nordoſt hinter ver hohen Bergkette ſehr deut⸗
ich herüber, die den See von Süd her unmittelbar umfchließt und
de fo hoch if, daß man kaum hätte glauben können, über fie hin⸗
weg noch den Seefpiegel zu erfpähen. Das Barometer fland nur
15 Zoll 2 Linien Hoch bei — 3°,7 Gent. unter dem Geftierpunft.
Fedorows gleichzeitige Beobachtung im Klofter St. Jakob be»
die relative Höhe des Gipfels über vemfelben zu = 10,277,
die abſolute Höhe über dem Meere = 16,254 F. Par. Nachdem
den Diaronus Abowian auch ein Feines Kreuz am nord⸗
duichen / Gipfelrande fo eingefligt war, daß man ‚hoffen konnte, es
von Arghuri und von St. Jakob aus erſpäht werden, wurde
Bad keiner vollen Stunde Verweilens auf dem Gipfel der mühſame
Wicdweg angetreten und um halb 7 Uhr das Nachtlager erreicht.
Um folgenden Tage, den 28. Sept., fyon um Halb 9 Uhr traf man
wm Kip Ghioll bei den Laſtthleren und zur Mittagſtunde ins
Neſer St. Jakob cn. . | |
496 Weſt-⸗Aſien. 111. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 35.
59) Refultate über die Gebirgsbeſchaffenheit des gro»
Ben Ararat; über feine Flora, feine ewige Schnee⸗
grenze und feine Seitenattraction.
A. Gebirgs⸗Beſchaffenheit. 39) Dieſe wieverholten
Beſteigungen zeigten nach Parrot's Urtheil eine im Ganzen
einförmige vulcaniſche Gebirgs⸗Beſchaffenheit (viel⸗
leicht richtiger und allgemeiner plutoniſche zu nennen, da eigent⸗
liche zuſammenhangende Lavaſtröme und ein eigentlichen auswerfen⸗
der Krater nicht gefunden wurden). Bald, fah man allerdings ge=
fhmolzene Lavamaffen, bald Schladen, bald trachytiſches
Geftein in vielerlei Abflufungen der Farbe und Dichtigkeit, ie
nachdem die Hige mehr oder weniger auf fie eingemirft und fie
umgewandelt zu haben ſchien. Faſt durchgaͤngig tritt an viefen Fels⸗
maſſen die Natur des Porphyrs hervor, bald mehr, bald weniger
deutlich, der ja auch als ein plutonifches Product anerkannt if.
Oft zeigten die Feldarten eine überrafchende Aehnlichkeit mit ben
von dem Academiker Kupfer am kaukafiſchen Elburs befchriebenen
Gebirgsarten. Da faft überall nur Trümmer auf Trümmer gehäuft
liegen, die freilich in fo gewaltigen Maſſen bis tief hinab faft als
anſtehendes Geftein gelten können, fo bleibt noch vie Natur ver Un⸗
‚terkage over des Bergkegels jelbft unbekannt, Ä
Als Haupturten des Vorkommens zählt Parrot folgende auf:
1) ſchwärzliche Porphyr- Lava mit glafigem Feldſpath, dem Ararat
eigenthämlich; 2) fehmärzliche, fchladenartige Lava mit länglich ges
zogenen großen Xöchern voll Eiſenoxyd (eigmthümlich); 3) ſchwaͤrz⸗
liche, pechfleinartige Lava, fehr dicht und ſchwer, in ungeheygern Blöfe
ten in ven höchflen Regionen; 4) Pechſteinporphyr; 5) PRorphyd⸗
Lava; 6) ein fchönes, mittelgraues, vulcanijches Geſtein mit a
figen Feldſpath, fehr Häufig vorfommend: es iſt eine durch Feuer
veränderte Porphyrmaſſe, die eine Polktur annimmt und zu Shuud——
Keinen ‚dient; ein Kreuz wurbe daraus für die Kaiferin gefertigt IF
T) ein ſtahlgrüner Thonporphyr mit ſchwächern Merfmalen ul
niſcher Einwirkung, 9 — 10,000 Fuß hoch am Ararat in Pleite
anſtehend; 8) Traß in kugligen Maſſen, ver. in vulcaniſchen SuePcc —
und Sand übergeht; 9) eine ſchwarze, leichte, bimsſteinartige Lang
mit erbengroßen Poren, ſcheinbar anſtehend; in abgerundeten Enge
gen Stüden auch nordwärts weithin verbreitet, bis zum
geblrge; 10) Ob ſidianporphyr, in den obern und mittlern Rue
gionen ſehr Häuflg; 11) wirklicher Obſidian, In Zu
»20) Parrot Reife, 1. S. 178.
Euphratſyſtem; Ararat⸗Flora. 497
kleineren Naſſen, zumal an der weſtlichen Seite des Bergs; 12) eine
Art Salz in der finftern Schlucht am Fuße des Gletſchers auf dem
Bergſchutt. Hieraus ergibt ſich von ſelbſt, daß unſere frühere hy⸗
vothetiſche Anſicht von einigen Hier vor Zeiten gefundenen Geſteint⸗
arten, die auch ſchon durch v. „Hoff berichtigt ) wurde, irrig war.
By Ararat⸗Flora. ) Meichere Ausbente fehlte wegen des
bürren Felsbodens und ver harten nicht leicht verwitternden Lava⸗
maſſen, anf denen feine Vegetation, nicht einmal von Ylechten und
Moofen, haften kann, aber auch, weil +8 in ver Jahreszeit ſchon zu
fpät war zum herborifizen. Doch zeigten ſich noch überall die Spu⸗
son siner hohen Gebirgs vegetätion, mit auffallenden Ver⸗
inderungen im Bau im Allgemeinen, wie bei einzelnen Gebilden.
A wahre Alyenvegetation zeigte fich das Beſtreben ver Gewaͤchſe,
ſich nicht Hoch über ven Erdboden zu erheben, fondern.einen kurzen
und flgrfen ober gefrimmten und nieberliegenben Stamm ober Sten⸗
gd zu bilden, an welchem Aeſte, Blätter und Blüthen ungemein
geringe fichen. Die Pflanze, vie ein gewiſſes Maaß der Kälte
nicht mehr vertragen Tann, bleibt näher am Boden zurück, weil fie
tin Gedeihen mehr in den obern Schichten ver Atmoſphaͤre findet;
kan alle Wärme folcher Höhen geht vom Boden aus, den bie
: Gone direct oder durch Meverberation erwärmt. Da aber auch ber
Tr Wpen Der Höhe ſtaͤrker durch vie Atmosphäre abgekühlt wird, fo
ecgibt ſich daraus, wie dieſelbe Pflanze, die in der Tiefe fußhoch
wäh, auf der Höhe fchon bei ein paar Zoll über dem Boden bie
Grenze ihres Wahsihuma und Lebens finden wird. Da⸗
der verſchwinden Bäume zueft, dann Sträuder, und fo bie
Gewächſe nad) Maaßgabe ihrer gewhnlichen Bröpe ı und
Abhärtungsvermögens.
Die Wurzel bat eine. Tendenz, ſtark und groß zu werben, wo⸗
fern nur Nahrung vorhanden iſt, die Blüͤthen find ſehr vollſtändig
Run prangend mit den ſchoͤnſten Farben im reinen Sonnenllcht,
Sa find keinetkwegs etwa wegen ver Höhe Heiner ober unvollklomm⸗
er in dem Maaße, wit es die übrige Pflanze ift, niemals verkrũp⸗
Br in im Gegentheil oft viel reichlicher entwickelt, felbft Ihre Frucht:
Wa ihr Hauptgeſchaft, das Audhauchen Tuft und dunſtartiger Bes
na, wird durch die Berbünnung der Atmofphäre eher befür-
Wert als gehemmt, und u die Erhaltung und. Sortpflenzung iſt
” .9 N atürl. B d Erbdob
rer: ef, 46, Mn atfel. Berinberngen der Aebafüce
Ritter Erkunde. X. Ji
298 Weſt⸗Aßen. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. . 3
das Zlel der Naturkraft geſtellt. Aber vie Blätter, die Haut, a
Mrun an den Pflanzen verkümmetrt unit der Erhebung des Sta
ortea; obwol tiefe Theile wiel beſſer der Mälte widerſtehen koͤnn
unterliegen ſie doch einer Schmälerung ihreö Lebensproc
fes. Au Graͤſern und ſchmalblättrigen Pflanzen zeigt fich dies
niget als an den breitblättrigen, die fogar Ihre natütliche Fr
verändern muͤſſen. Sie erlangen nur noch das Anſehn einer. d
nen Membrane ohne: Grüun, werden aus grün lichtgelb; unverke
bare Wirkungen, gleichfam Erkrankungen, der verbimnten Atı
ſphäre, aus welcher die Blätter ihre Nahrungsftoffe faugen fol
-.. Durch feine Beobachtungen mir’ andern Höhbenfloren, #) auf I
Kaukaſus, In den Schweizer Alpin 'und auf ven Pyrenaͤen, h
Barrot fiih ven Maaßſtab zu dieſen lehrreichen Bergleichungen
der Ararat⸗Flora gewonnen, über vie er Folgendes mitth
Manche Bilanzen find dieſen verſchiedenen Höhenfloren gentei
fam um zeigen dann vollſtaͤndigſte Uebereinſtimmung, während
mit den ſelben Pflanzen der niedern Regionen deſſelben Gebn
oft kaum noch. fo: viel Aehnlichkeit belbehalten, daß man fie ſegl
für dieſelben erklären ‚möchte. 'So z. B. das merkwürdige Ceract
Kasbek , da6 Parrot:ſelbſt noch hoch Über der Schneegrenze
vom Kasbek⸗Gipfel des Kaukaſus mit fo eigenthümilichen Abweich
gem auffand. Daſſelbe Cerastiunr. traf der Botaniker Meyer
von Höhen bed Elbrus, und auch Hier uf Dem Ararat fan
Bareot wieder, als bie hHöchfte:vortigen Pflanzen. Undz
mit folder Uebereinfimiung im: ihres ganzen Beſchaffenheit,
zwifchen ven verſchledenen Exemplaren: des Herbariunid Peine 1
terſcheidung zwifihen dem Bipfelbewohner des Ro:
berges und des Prometheudberges zu finden war.
Diefed. Ceragtium gehört der hoch ſten alpinen: @ewäd
zone von 12,000 - 13,000 Fuß Aber vem: Mare an. - Eben
zeigte fi) Saxifraga: muscoidles mit zahlreichen Bläthen, Aber
Heinen, gegen bie Wurzel ganz. zufammngerrängten menbraki
Blättern, wähsenn;.bie. Exemplare ve niebrigeren Standes
ganz gewöhnlicher Veſchaffenheit ohren. . Aster alpinus hler
auch in den. belegen. Keclyen eine der. ——— Vierden
— —— , on A Br
a v. —— un. Be Wartoß Bei in ve Ri u
Kanfafus. Berlin 1815, 8. Th. j. ©.213: ms die Flora am *
bek; über die Flora des Mont Rosa derf. in
Br.XIX. H.4; über: bie nen bee MR
—28 Dry. 9.1. : |
Euphrarfoftem; Ararat⸗Flora. 499
rauheſten Feldgegenden; bier, wie auf der kaukaſiſchen Kasbek⸗Hoͤhe,
waren bie Blätter ganz Bein, der Stengel Baum einen halben Zoll
boch, aber vie radförmigen Blüthen ‚ganz friich, groß, mit dem fchön-
fen pioletten Blüthenſtrahl. Dazwiſchen Draba incompta, zum
heil nur noch in Blüthe, meift [hen mit Saamen; Arenaria re-
curva, Aster pulchellus, ungemein zierlich, mit ber Bluͤthenkrone
auf Fürzeftem Stengel, mit Heinen Blättern, der Gisregion ganz
nahe, aber Doch nichts von feiner ſchoͤnen Lilafarbe verlierend. Au
Campanula saxifraga ſehr characterifizente Cimaeinflüffe, wie auch
en Camp. rupestris im Raufafus und Camp. caespitosa in dea
Borenäen. Eben foldhe bei Pyrethram caucasicum im Ararat, wie
ki Pyr. alpinum in ven Pyrenäen. Desgleichen bei Trapogon pu+
allam, mit vollkräftigen Blüthen, und bei- Saxifraga. hirculus, von
en michrere Verwandte auf dem Kaufafus vorkomaun. Un
: Atragalas mollis fanden fiy feine Blüthen mehr, wol aber ſehr
| greße Saamencapſeln, die. gegen die ganz Klein zufammengezogenen
geſlederten Blätter ungemein contraflistin. Dann eine Potentilla
her, wie Potentilla grandifiora am Kaukaſus.
Die geringere, zweite alpine Zone, bie Mittelzone,
10000 12, 000 Fuß abſolute Höhe, abwärts, zeigt auf aͤhnliche,
dech ſchon minder auffallend veränderte Weiſe außer den vorigen
. 106 andere minder hoch aufſteigende alpine Pflanzen: Anthe-
; mis rigescens, hier als Stellvertreter von Anth. montana auf den
Porenien- Gipfeln, und Anth. radolphiana auf ven Kaufafus -.Hi«
Im. Eben fo Ziziphora media, Scorzonera ‚eoronopifolia, Ve-
waica telephiifolia, Dianthus petraeus, Statice echinus, Hedy-
| “rum caucasicum, Trifolium trichocephalum mit auffallend gro«
e en violetten Blüthenknöpfen gegen die überaus Kleinen Blatter.
Üben fo Pulsatilla albana , Centaurea pulcherrima und ochro-
; Imea, ganz fo, wie fie Barrot auf dem Kaukaſus⸗Hochgebirge
huden. U
Die dritte, untere Region der Vorhöhen, von 7000
' 8000 Fuß über dem Meere, abwärtß, zeigte an Sträuchern
mu. zwei Arten: Juniperus oxycedres und Cotoneaster uniflara
ut fihon reifen Früchten. Wo dis Baumvegetation am Ararat
see obere Grenze findet, iſt nicht gut zu beflinmen, ba fo be⸗
dentende drt liche Hindsentffe anderer Art (durch die: Wateau⸗
Kung bedingte und noch andere), als blos climatiſche, vorhan⸗
von find, die in der ganzen Umgebung des Ararat weit
und breit dem bortigen Fortkommen von Bäumen entgegen Trhra.
| 312
3
300 Weft:Afien, HE. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 35.
Br dem Kloſter St. Jakob, 6000 Kuh über ven: Meere, wo ned
Mammerde ter, konnten verfihtenene Baumarten noch recht gut for
tonimen; bier: ſtehen noch in der geſchützten Thalfchlucht hochſtäm⸗
mige Wallnubehume und Aprifofenbäume, auch Weinen
{Baliz alba) una: iraltenifche Bappein, die aber von fleinem
Wuchſe bleiben. Birken kommen tie 7300 Fuß über den Dis
nicht mehr ‚recht gerade und. hochſtämmig vor, können aber doch noch
wicht vom Clima verdrängt ‚werden ‚mie dies ein Birkenwäld⸗
Ken :um. Buß des Kleinen Ararat geige Auch im Raufafus
ſteigt die Birkengsienze bis zu 670P Fuß über dem Meere.
: CC) Ewige Schneegrenze am'Ararat. 2%) . Da mit
dom Hbherſtelgen ver Berge die Erdwärme wie vdie Luftwärme
abnimmt, In. einem 'ungefähren Verhaliniß, fo: daß man auf. ſede
600 Fuß fenteschte Höhe einen Grade Wärmeabnahme rei
nen konn, jo wird: in gewiſſer: Höhe eine Megion‘ eintreten, in
welcher der während des Winterd::igefallene Schnee durch die grb⸗
Bere Sommerwärme nicht wiebet:. gänzlich weggeſchmolzen werben
Iann. Der untere Rand dieſer Region, die ſogenannte ewige
Schmeegreinze wird. von örtlichen und zeitlichen Berhältniffen fehr
abhãngig und alfa sandı veränderlich fein; nach der Richtung des
Bergabbunges gegen die Nord⸗ oder Süpfelte, nach der: Steilheit
des Bodens, nach Schluchten, Ebenen, nach größerer oder geringerer
Hitze eines : Sommerd' vor dem andern, u. f. w. Dennoch, beim
Mangel durchaus conſtanter Linien im mathematiſchen Sinn, wir
doch eine phyficaliſche Linte für fie flattfinden, d. h. eine in⸗
nerhalb gewiſſer genau zu. beſtimmender Grenzen.
Die Beftimmungdzeit derſelben kann allein der Spätherbſt ſein, che
der. :Winter neuen Schnee gebracht, vie Herbſtwärme aber vom al⸗
ten Schhnwe: nachträglich mit der Sommerwärme noch vollends ab
18, was fie vermochte, hinweggefchmohen Hat. Nur Auguft ab
September find zu folher Veftimmungszelt auf Gebirgen
mittleren Breiten. wie bei Kauka ſus, Alpen, Pyrenäen um
Ararat, geeignet: : Dann erſt fegt der wirklich eintretende Wirte
dem. Schmelzprozeſſe feine Grenzen,’ Bein Ararat herrſcht vann
In der gaugenclimgegend noch ganz ungewöhnliche Hige., ‘weil ie
Getahlen ver: Mittagtſonne bie Südfeite des Berges direct: Hefchei«
nen: auf feiner MResofeie- aber, von. den. + bohen wergwaͤnden ven Gehe
J | iur
) Parret Reife, 1 Ss-ı. er
var la J 27
*
Euphratſyſtem; Ararat, ewige: Schwergringe 504
Het :aufgefangen, im Thale des Araxes bis in den. Spätherkfl-eine
wur dem trocknen Gontinentaklima eigne, ver weſtlicheren, der maxi⸗
tmen Seite ver alten Welt, ungewöhnlichere trockne Gige unterhal⸗
ten, bie im Juli und Auguft Menſchen und Wick: förmlich aus
den Ebenen vertreibt. Diefe Hige betrug ſelbſt noch im Oktober -
20° Cent. und kann unerträglich werben. Diefe heiße Sommerluft
erhebt ſich Durch ihr geringes Gewicht fortwährenn an den Seiten
es Ararat empor, erwärmt feinen. Boden und zehrt ununterbrochen
an feinen Schneemaffen.: Dadutch allein konnte fih Parrot fehl
;3 WM Nachtwärme erklären, die er Ende September in eines
Höhe von 13,036 Fuß auf feinem. Beldlager wahrnahm, mo es ihm
die Nacht hindurch auch ofne Pelzbedeckung ganz bebaglich war.
3 Dieſe heißen, nach oben gehenden Zuftfteöme und bie ifolirte Tage
r us beeiſten Ararathauptes machen, daß feine Schneedecke der Er⸗
: wirmung von. unten ber. keineswegs ſo kräftig widerſtehen kann
, me dies die größeren und zuſammenhaͤngenderen Schnoemaſſen der
- Sqhweizeralpen thun. Daher die außerordentliche Höhe der
>) Güneegrenzge am Ararat = 13,300 Fuß Bar. nach Parroi'o
et Beobachtung. Am 13. Sept. war der Rand des Cisdaches an
| mOffelte des Berges = 13,180 Fuß; am 18. und 27. Sept.
2° war berfelbe an ver Nordweſtſeite des Berges = 13,448 Fuß,
2: da6 Mittel beider aljo = 13,300 Fuß Par. Die öſtliche Seite
Ei zeigte fich hierin wärmer als die nordweſt liche, bie auch. völlig
Bi ft und iſolirt daſteht. An ver Öftlichen ragt aber in geringer
Ei Üufenung der Eleine Ararat 12,284 Buß Par. empor, auf dei»
5) fm Abhängen die Sonnenftrahlen audy ihre erwärmenke Wirkung
at aid verfagen, welche ſich ver benachbarten Schneegrenze des
@) großen Ararat mittheilen muß.
J Dieſe Eis» und Schneehülle ſendet von ihrem untern Rande
fo viele Ausläufer abwärte, als ſich unterhalb verjelben Felſenthäler
em Ararat herabzichen ; fie geben der Schneegrenze im Bernblid
des Anfehn eines fchönen gezadten Kragens von blendend weißem
Gtoff auf dunklem Grunde. Nur uneigentlich, fagt Parrot, Eönne
man diefe Ausläufer Olertfcherarme nennen. Ihr unteres Ende
ſtellt an der Oftfeite bei 11,675 Buß, an der Nordweſtſeite
aber bei 13,844 Fuß Par. als bleibende Schneemaflen einen Theil
der Schneegrenze dar. Die tiefen Cis⸗ und Schneemaſſen bleihtn
unvergänglich in ver finftern St. Jakob s⸗Schl ucht zutück. Ven
derfelben bemerkt jedoch v. Behaghel, daß in ihren Klüften ein⸗
zelne Eiämaffen, 30 bis Jo Kup mächtig, in Spalten zurück«
502 Woeft⸗Lißen. M. Mrheifung. L Abfepnitt. 4.35.
blieben, nie ihn port vom Dafein eines Gletſchers überzeug!
Hatten, ver fih ohne bemerkbare Unterbrechung %) von de
Schneeregion an bis etwa 1000 Zoifen (6000 Fuß) oberhalb wei
Klofters herabziehe. Wo fchroffe Wände vie Schlucht begrenzen
fült er fle ganz aus; wo bie Seiten weiter auseinander rücken, zieh
er: fi nur an der Weſtſeite bin. Das untere Ende dieſes Gletſcheri
iſt mit einer mächtigen Trümmerlage von mannichfachen
Grdße, alfo was In den Savoyer Alpen die Moraine heit, be
dedit. Diefe wird durch fortmährendes Nachftürzen in ven Höhlum
gen und Beränderungen der Bismaflen während des Abfchmelzen
der Schneemaffen gebildet, wodurch das fortmährende Krachen um
Getoͤſe aus ven Felswinkeln der Schlucht entfteht, das man im Klo
fer wahrnimmt. Manche dieſer Morainetrümmmer waren Trachyt
geftein, mit Gla8oyal und gemeinem Opal überzogen; wen
der Ararat einen Krater gehabt, meint v. Behaghel, fo feien bie
zunächſt die Hefte veffelben nach feinem Ginfturze zu fuchen.
Die Oſt⸗, Sud⸗ und Nordweſt⸗, wie die Süpweflfeite des gro
fen Ararat feien jedoch ebenfalls von vielem Schluchten purchriffen
einige davon fangen fchon in ver Nähe des Gipfels an, andere wel
abwärts; fle vereinigen ſich dann dfter zu ein er großen Schluch
und münden ebenfalls. als flache Vertiefungen am Fuße aus. U
der Nord» und Norpweftjeite des Berges beobachtete v. Behaghe
damals gewiffe „verdorrte Grasflädhen,” die zumellen ci
Werft und mehr im Durchmeſſer Hatten, meift jedoch Meiner ware
und faft immer nad) dem Fuße des Berged zu von weallartigen, 10
und mehr Fuß hohen Klippen, Trümmern und Gebirgsfcyutt (glei
obigen Morainen) umgrenzt waren. Aehnlliche Trümmermaſſen, mı
noch mächtigere, ziehen vom Nordweſt⸗ und Südoſtfuße des großt
Ararat weit in die denſelben begrenzenve bene hinein. Sie ſchi
nen dem Beobachter zerfallene Lavafirdme zu fein. Nach ik i
das Geſtein des Ararat Überhaupt durchweg zertrümmert, I
Maſſen von 10 und mehr Fuß Mächtigkeit. Er nennt es vorher
ſchend Trachyt, grau over rörhlich, vicht ober pordß, mit viel ob
weniger glafigem Feldſpath. Alfo große Analogie mit we
Bonner Siebengebirgäftein. Nur auf ver Norpfeite zeigte fich Bit
fein, doc fehe zertrümmert und verwittert (mie im Sande >
Araxebebene). An der Süpweftjeite fand ſich viel Obſidiaa. ©
einzige Stelle, wo in der Umgebung des Ararat einer un
'*03) v. Behaghel bei Parrot R. II. ©. 184, 185.
EEE
Eupheatſyſtem; Ararat, "Seittnattrattion. 503
dern ald einen zu ben. plutonifchen Bilpungen zu rechnenden ie
birgtart erwähnt wird, iſt erſt an ver Sühmeltfeite des gror
sen Ararat, jenfeit des Alſas⸗Flufſſes, auf Dem Wege, ven v. Be⸗
baghel nach Bayazen nahm, wo er des bortigen, vom Ararat [chen
abgelöften und von ihm unterfchievenen Vorberges gepruft, ven er
auch mit dem Namen Agridagh belegt und von dem er fagt: er
hehe fich ſchroff aus Der Ebene, von Schluchten zerklüftet, mit zab⸗
figen Felskãmmen, an welchem er nur dichten Kalkftein ) von
weißer und rothbrauner Farbe anſtehen fah.
Aus Pendelverſuchen, von Parrot am Ararat ange
ſtellt, geht nach des Aſtronomen W. Strune 8) deshalb gemach⸗
* Ma Berechnungen hervor, daß daß Reſultat derſelben eine ziemlich
ſtarke Seitenattraction der-Bergmaffe des Ararat ergibt, welche
erinnahme von großen Höhlungen widerfpricht, melde
Man gemöhnlich als unter Vulcanberg en vorhanden vorausfegt,
um fidy die tiefen Hitzheerde begreiflich gu machen, aus denen bie
Vulcanbildungen durch die Dampfgewalt emporgetrieben wurben.
Ihr Dafein findet durch diefe ſtarke Seltenattraction keineswegs im
Allgemeinen eine Widerlegung, ſondern nur in ver Zocalität des
Ararat, dem daher nicht die Natur und Entſtehungsweiſe einer
Bohlen Bulcanbildung zuzuſchreiben ſein möchte. Die Anga⸗
Ben find folgende:
| Die Bafis des Ararat Gat einen Durchmeffer von etwa 40
Beaf = 22,000 Toiſen; diefe Ilegt 456 Toiſen (2736 Buß) über
Dem Spiegel de8 Meeres. Das St. Jafob- Klofter liegt 541
Toiſen (3245 Fuß) über viefer Bafld; der Gipfel des Ararat
2253 Zolfen (13,518%.) über ver Bafis. Der ganze über die Balls
ſich erhebende Theil des Berges Hat die Form eined Kegeld, deſſen
mittlere Dichtigkeit Parrot zu 2,3 ſchätzt. (Mach den mittleren
Dichtigkeiten von 19 verſchiedenen vulcanifchen Maffen des Ararat.)
Die Richtung der Gefammtanziehbung findet Struve gegen
einen Punct S hin, ver 563 Toiſen (3178 Fuß) über der Bafls,
oder-1019 Toiſen (6114 Fuß) über dem Meere liegt, alſo faft ge⸗
nau in gleicher Höhe mit dem Klofter St. Jakob. Daraus ergibt
ſich, daß durch den über ver Baſis erhabenen Theil des Berges bie
Größe der Schwere in St. Jakob nahezu gar nicht geändert were
den kann, während die Nichtung der Schwere daſelbſt eine vielleicht
20) 9. Behaghel bei a R. 11. 6.187. *s, W. Siruve in
Barrot R Th. II.
x
504 Werks dfien.: III. Abtheilung. I. Abfchnätt, $. 35
nicht unerhebliche Aenberung erleidet. Alſo iſt die durch 6,10 Ben
delſchwingungen beobachtete Zunahme der Schwere vorzugsweif
der Einwirkung der Schichte von 456 Toiſen Dicke zwiſchen der
Niveau ver Meeresfläche und der Baſis des Kegels zuzuſchreiber
Nach Parrot würde die vulcaniſche Natur ver Gebirgsarten ar
Ararat nachgewieſen und der Ararat ein Vulcan geweſen ſein. Sin
unter den Vulcanen große Höhlen, fo muß die Schwere an ihne
eine Deränverung erleiden. - Die von Parrot beobach tete Zu
nahme der Schwere für St. Jakob widerſpricht aber de
Annahme großer Hbhlungen unter dem Ararat.
Erſt bei einer ver letzten Befttigungen der Berghöhe, 894 Fu
über dem St. Jakob⸗Kloſter, im Süden beffelben, bemerfte Parro
zuerſt dad Vorhandenſein dortiger magnetifcher Felſen. »
Parrot nennt ihn einen ſchwärzlichen Porph yr mit ziemlie
fein eingeſprengten glafigem Feldſpath und Zeichen vulcaniſcher Oihe
Die Maſſen find ungemein hart und zähe, reich an Eifengehali
dort ein Metall, das vermuthlich in einem der Oxydationagrade darlı
enthalten if. |
6) Der kleine Ararat und feine Erfleigung.
Den Beſchluß der milfenfchaftlichen Expebition, der wir te
früher mitgetheilten Schag fo neuer als wichtiger geographiicher un
phyficaliſcher Thatſachen verpanfen, machte ein Ausflug auf we
einen Ararat, der bit dahin noch nie von Buropäern befucht wa
Steintafeln, fagte man, mit unlesharen Infchriften, follten auf feine
Gipfel ftehen.
Fünf Reitpferde und 2 armenifche Führer fanden zum Dienf
bereit. |
Man ritt halb 4 Uhr am Morgen des 26flen Octobers *
von Arghuri weg, und paffirte gegen S.O. über 6 Bergräden hü
weg, ehe man zum Buße des Eleinen Ararat kam. Diefe Ben
rüden ziehen ſich vom großen Urarat herab; es find Lavamaſſe
theils anſtehend, theild in Trümmern, die aber von ben wenig
comparten Gattungen eine Grundlage Haben. An vielen Stel
find fchroffe Wände, die alle Ausficht hemmen und dem Anfche
nach wie in ben Anfang eine ausgedehnten Gebirgs verſetzen. Do
alles iſt nadt, ohne Baumwuchs. Doch um halb 7 Uhr a
Abend erreichte man am nörbliden Fuße des Eleinen Ararat d
220) Parrot Reife, I. S. 220. 'ychend. I. S.219.
Euphraiſhſtem; der Heine Marat. - 505
einzige Walbgruppe, ein Birkenwälvbchen, an 3 Werfl in Um⸗
reis, von nur bis 10 Zuß hohen Bäumen von ziemlich unxregel⸗
mäßigen Wuchſe. Das Dingen llegt auf einer Höhe von 7708
über bein Meere.
"Hier nahm man fein Nachtlager im Freien; doch wurden zuvor
die Gewehre geladen: denn hier war der gefährliche Uebergangspaß
der Kurventäuber, der aus Perfien herüber an den flachen begraſe⸗
fen Bergrüden zwifchen dem großen und kleinen Ararat Tegt. Die
Nacht war fehr kalt.
Der 27fte Detober. Auch ver Meine Ararat, ganz vulca⸗
nifchen Urſprungs, zeigte vom Buß bis zum Gipfel nichts ald vul⸗
canifche Felsmaſſen, aber in ſehr verſchiedenen Graben der Feſtig⸗
keit, der Farbe und der äußern Beſchaffenheit. Hier fchienen vie
Beichtern zerreiblichern Lavagattungen die Oberhand zu haben. Unten
zeigte ſich jener leichte grobe Lavaſand; Die vom Gipfel herablaufen⸗
den, auß ver Berne gefehenen Striche find in der Nühe wirkliche
Furchen, in den lodern Boden gezegen, die mol vom Schmelzen
des Schnees Im Frühjahr entftehen, fich erweitern und. verändern.
"Der nordweſtliche Abhang ded Berge, an dem man empor«
flleg, war an feiner oben Hälfte weniger fleil als der öftliche, doch
ſteil genug, um das Fortkommen recht ſchwer zu machen, zumal auf
Isderm fandigem Grunde. Doc iſt er ohne Eid. Gegen den
Gipfel zu waren die Sandmaſſen mehr nur in vew Vertiefungen
zu finden; es flarrten daſelbſt überall rauhe fchroife Felſen hervor.
An einem verfelben zog man entlang, und kam zu einem gewalti«
gen Felshorn, das 40° bis 50’ über den Boden bervorragte, obwol
ed in geringer Berne nur einem Steine mittler Größe gleichgefeben.
Von ba führt eine ziemlich gerad fortlaufende Gräte, mit fehr ſchrof⸗
fen Abhängen zu beiden Seiten, bis zum Gipfel. Diefer, ganz ſcharf
und fchmal, war ſchnell zu erfletten. Um 11 Uhr war er erreicht,
aber eine Wolke deckte die Außficht zu. Der Gipfel iſt das abge
Rugte Ende einer vierfantigen Pyramide, eine faſt quadratiſche
Fläche von 150 Schritt im Geviert, aber mit einzelnen ſehr ‚hohen
Belserhöhungen, zumal nach den Rändern zu, 6i8 50 Fuß hoch.
Auf dem höchkten flann das Barometer = 175 Zoll bei 6°,4 Eent.
Kälte.
Fede rows gleichzeitige Beobachtung zu St. Jacob gab dem
Gipfel des kleinen Ararat eine Höhe von. > 12,284 Buf Bar.
sder 6,302 Fuß Par. über dem St. Jacob Klofter. —
An den brödlichen, gelblich⸗ braunen kevemaſſen fanh gan
506 Weſt⸗Aſien. III. Abthellung. I. Abſchnitt. $. 35.
vulcaniſches Glas, theils im Geſtein felbft, thelld an ihm in
Arxopfen herabgeflofſſen, volllommen glänzend, durchſcheinend, vom
braun⸗grüner Farhe, ganz wie gemeines Bouteillenglad, nur
weniger feſt. Die chemifche Analyſe des Profeſſor Goͤbel zeigte,
daß dies größtentheild aus Feldſpathgeſtein gefchmolzen wurde. Bet
einem fich aufbhellenden Blick gegen ven großen Ararat ſah man
an defien Süpoftfeite viefelben Eegelfürmigen Berge wieder, wie am
Nſten, Gipfel an Gipfel, mit zugefpigten Kegelformen. An zweien
derfelben erfannte Parrot ganz deutlich gerade oben auf ber
Spige eine Vertiefung, wie den Ueberreſt eined Kraterd, die aber
gegenwärtig mit Kräutern bewachſen war.
Man Hatte von Gräbern auf dem kleinen Urarat gefprochen;
fle fanden fi auf vem Gipfel an mehreren Stellen, da, wo zwi⸗
ſchen ven höhern Felsmaſſen ver Boden ebener und lodrer iſt. Sie
hatten, im Kreife flehend, ganz das äußere Ausfchen mahomedaniſcher
Grabflätten. Un einem ver Kreife fah man auch 2 fchräg aufge
‚sichtete Steinplatten, 24 Buß lang 1 Fuß breit, roh behauen von
Lavageftein, darauf tatariſche Infchriften im arabiichen Schriftzeichen
ſehr flüchtig eingehauen; aber Eeine Zerſtbrung war daran bemerk⸗
bar, nicht durch die Zeit, nicht Durch Bemoofung ober. Flechten.
‚Ihre genaue Kopie war von ben Ginfidhtigen nur theilmelfe mög-
UN wegen Unleſerlichkeit. An einer der Infchriften endeckte man
‚gleich im Anfang den Namen Arfalan, ver einer einft im 6. Jahe⸗
hundert in PBerfien herrſchenden Bamille angehört. Weiter abwärts -«
fand: Mahmut von Maku hat's gefährieben. An einer zweiten-
Inſchrift war vieles unleferlich, doch begann fie mit: „Mein Gotta
„beine Önade fei über Mahomed. Der Gründer viefes Grabes, Di
„man, hat's gefchriehen im Monat Schemal des Jahres 650 (nach⸗
„kurdiſcher Zeitrechnung; 1292 m Chr. Geb.).“ Dennoch haben⸗
dieſe Steine durchaus nicht das Ausfehen eines fo hoben Alters -
* Der Dorfältefte von Arghurl, Stephan Meltt, war der Mei⸗
‚nung, der lebte perfiſche Sarvar Habe fich über die Fremden nur
Iuftig machen wollen, bie dort Alterthümer gejucht, und. erſt vor acht
Jahren babe er viefe Steine Hinaufbringen lafien, woran er fi
noch recht wohl erinnere. Das fchlechte Wetter zwang leider zum
eiligſten Rückmarſch. Um 2 Uhr war fihon das Birkenwäldchen
erreicht. Dann führte ver Weg über ein fpäter angeflevelteß perfl-
ſches Dörfchen, Welidſchan. Die Vegetatlonsſtufen waren sole
amı großen Ararat. Abends 7 Uhr war man ſchon wieder nah
88. Jacob zurückgekehrt.
Euphratſyſtem; Ararat, Erdbeben... 507
2». Behaghel, @) ver dieſer Exrcurflon beimohnte, wiederholt
es, daß der Eleine Ararat dad Außerfte Oſtende des Aladagh
bilde, 12,284 Fuß Hoch, aber durch einen grasbedeckten Hũgelrücken,
etwa 8000 Fuß hoch, mit dem großen Ararat zuſammenhange. Die
Felomaſſe erklärt derfelbe auch für Trach ytgeſtein, einiges zum
Theil zu grünem Glaſe geſchmolzen, und durchgängig zertruͤmmert.
Auf dem Gipfel iſt die Groͤße der Truͤmmer bedeutend, an den
Seiten bilden fie einen groben Sand.
Anmertung Das Erdbeben und der Safer, am Ararat,
1840.
Ungeachtet im Vorhergehenden ſaſt überall von onlcanifchen Produc⸗
tionen in den Umgebungen des Ararat die Rede war, ſo iſt doch zu kel⸗
ner Zeit ein hiſtoriſches Zeugniß von einer vulcaniſchen Thaͤtigkeit am
Ararat anfbewahrt worden. Bon einem: großen Erpbeben an viefem
Derge fpriht zwar Mof. Kyor. ſchon zu Aſtyages Zeiten, obwel fn
fehr unbeflimmten Auédrücken, nud auch von ber obengenannten großen
Si. Jacobeſchlucht, In deren fürchterlihem Abgrunde er den frevelnden
König Artawaft II. yon Armenien (reg. 120 — 186 n. Ehr. Geb.) einen
gramfamen Tod finden läßt, die vielleicht auf eine große Kataftrophe ver
Vorzeit hindeuten mag. Nach den Vollsliedern wurde hier -Artawaft
von der Erde verſchlungen, als rächende Gtrafe ber beleibigteh
Manen feines Vaters. 9°)
Der fehr unbefimmten Angabe des prahlerifchen modernen Raufafus:
Reifenden Reinegge, der am 13. Jan. und 22. Februar 1783 von
den höhern Gegenden des Kaufafus ven fchauerlihen Aublick eines an
80 geographifche Meilen von ihm entfernten, im Ararat fich aufthuenden
Schlundes erwähnt, aus dem er Rauch uud fogar Flammen will Haben
anffleigen fehen, hat ſchon Ker Porter widerſprochen, °°) der in den
Chronilen der Mönche zu Etſhmiadzin feine Spur einer Aufzeichnung
eines fo merkwürdigen vulcanifchen Ansbruches finden fonnte, auch Nies
mand, der davon etwas gefehen. Bon heftigen Erbbeben iſt Hocharmes
nien in früheren Seiten wie in neneren fo wenig verichont geblteben, wie
andre Theile diefes Orients. So wird fchon vom: Jahr MI u. Chr.
Geb. angeführt, dag damals ein Erpbeben die Berge Armeniens aus⸗
einandergerifien und dann wieder heftig zufammengefloßen habe, mit
furchtbarem Getoͤſe, Flammen und Rand, daß fie ſich aber dann doch
°.) v. Behaghel bei Parrot Reifen II I. ©. 185. *°) 8. A. Herr
mann, bat ruffifche Armen. a. a. 2.65. 5°) Ker Porter
Trav. I. p. 185; vergl. v. Sof, a. der natärlidjen Berändes
rungen ber Srboberfläce. Th. 1. © 412.
» , [4
a
Pr); —
508 Weftefkhr:: TE. Abtheilung. J. Ahhſchnitt. $.35.
wieder am ihre: Stelle geſebt hatten (nad Bt. Ephrem Diacen von
Edeasa). *1)
ins: der furchtbarſten herſort⸗ im 8. gahrhander nach dem Tode
Gtephans,..des 22fen Biſchofs von Stunif, ganz Balatfor. in Hocharme⸗
nien; nachdem es 40. Tage dunkel geweſen, warb ein. ganzes Thal um:
gekehrt, und damit alle ſeine Bewohner, an 10,000 Menſchen, unter bei»
fon Trümmern begraben. Dies, meint Dubols, fei nur in Verbindung
mit dem Ausbruche eines Bulcans (?) denfbar, und für einen ſolchen wellte
er den Nal Topa anerkennen. Auch das Jahr 1319 wird ale ein ſolches
Erdbebenjahr) in den armeniſchen Annalen aufgeführt, und viele
plöglich umgekehrte Städte, wie ganz Ani, die Kicchen von Erovan⸗
tagerd, Grovantafhad, Külpe und andere, viele offenbar durch Erdbeben
umgeftürzte Prachtbauten, wie 3. B. der Thron des Tirivates, beflätigen
das Furchtbare folcher öfter wiederholten Naturerſcheinungen in Hoch⸗
armenien.
Noch im November 1827, bemerkt Dubois, ward die ſchoͤne
Kuppel der Kirche von Ketfharuffe nebft fehr vielen andern Kirchen um
den Goktſchai See auf dieſe Weiſe zerflört, wo and der Hauptſitz bes
Erobebene im 8. Jahrhundert war. Und dennoch blieben bie beiden
Kirchen zunachft auf dem Ararat, zu St. Jacob nnd Arghuri, aus
fo frühen Jahrhunderten ganz unverfehrt, ja felbft die antiken Architecs
turen der Patriarchallirche zu Etfhmiadzin aus dem 4., 5. u. 6. Jahr⸗
hunderte überdauerten alle Cataſtrophen, obwol fie in der Ebene direct
in der wahrfcheinlichften Gei@ütterungelinie zwiſchen Ararat und Alaghez
gelegen find...
Das Iahr. 1840 if aber leider .nicht fo frietlich für jene hohe Land⸗
[haft vorüber gegangen, da fie wirflih von einem fo furdhibaren Erd⸗
beben heimgeſucht worden ift, daß mit einem entſetzlichen Einſturze
in der Schlucht des Ararat nicht nur das St. Sacobsflofter und
das Dorf Arghuri, oder nach Broſſet richtiger Aghu ri,*) mit allen
Bewohnern vernichtet wurden, fondern daß auch durch deſſen weitzies
hende, heftigſte, wiederholte Grfchütterungen ſehr viele Ortſchaften vom
Arya tihat bis zum kaspiſchen Meere hin zertrümmerten, hunderte
von Menfchen. das Leben verloren und an vielen Stellen die Oberfläde
des. Bodens wie der Lauf der Gewäſſer felbft die ſeltſamſten Beränderuns
gen erlitten hat. Zur Anftellung einer genaueſten Ueberficht des Krjolgs
diefer fehredlihen Begebenheit wurde vom Gouverneur Transfaufaflens,
dem General Golowin J., der Major der Berg:Ingenieure Waptoboint:
fow beauftragt, fo wie der berühmte Academiker Parrot (Vater bet
i Fr. Dubois Voy. Il. p. 975. *°) Fr. Dubois a. a. 2.
ss) Bulletin scientiflg. de T’Acad. d. Sc. de &. Petersbourg.
1841. 4. T. VII. p: 8. -
KR.
\ *
Euphratſyſtem; Ararat, Etdbeben 1810. 509.
Araraterſteigere) in der laiſerlichen Academie ber Millenfchaften in
Et. Petersburg einen Bortrag hielt, deſſen Erfolg der Beſchluß. des hohen:
Bereins war, eine Erpedition zur wiſſenſchaftlichen genaueften Erſorſchung
diefes großartigen Raturereignifies ax. Ort und ‚Stelle zu ſenden. Don
Vegterer iſt und noch keine Runde zu hell geworben. :: Des Majoro Rap⸗
port if aber in dem Journal des Minifteriums des Innern veröffentlicht,
von dem wir hier zur Vervollſtaͤndigung des Vorherlgen noch bas De
ſentlichſte zu berichten haben. *
Am 20. Juni 1840 bei’ Sommenuntergang fand das aroberen
Mit, durch weiches das Dorf Aghuri mit allen Bewohnern, fo wie das
Klofer St. Jacob und das Sonmerſchloß des: Sardar, ‚durch ‚Die! vowß
Ararat herabftärgenden. Telſen, Exve, Steine and Eisklampen verſchüttet
warb; das zugleich herabflärzende Schneewaſſer mit feinen Schlammftrönen,
deckte alles zu, und. verheerte alle Gärten und: Selber .bis. anf einen.
Raum vom 20. Werft. An demſelben Tage um 7. Ubr. Abends wurden
Mm Diſtricte Scharur, am Araxes um OR des Ararat, durch daſſelbe 3187
Vehnhaͤuſer mit Nebengebaͤuden zerſtoͤrt, wobei 33. Menſchen und 258
Staͤk Vieh umkamen, und ein Verluſt erlitten ward, den man auf 43,928
Suberrubel geichägt Hat. Zu gleicher Zeit Hatte noch weiter in R.D,, zwl⸗
den Arates nud Kur, in der Provinz Karabagh, wo bie Feſtung!
wu Ha, bad Erdbeben eine Minute lang gewüthet. Eine Kirche
ad 109. Hänfer waren gerflört, bie :öflliche Mauer des alten Tativſchen
Aoſters zerfpalten, und Felſen nahe dem Dorfe Schinger nledergeworfen.
Roc weiter ſuͤdoſtwäͤrts, das Araxesthal abwärts. am: kaspiſchen Seeufer
m Lenkoran und im Khanat Talyſhin (Erdl. VII. 006, 660), hatien
3 heftige Stoße ſtatt gefunden, die über eine Minute gebauerk, aber kel⸗
nen beſondern Schaden brachten. Gleichzeitig war candy außerhalb der
Direction bes Axaresthales gegeg ben Norden, zu Alexaundropol
(Qumti) und Tiflis, das Erdbeben geſpuͤrt, doch echne Schaden zu brin⸗
gen. Die 6 folgenden Tage, bis. um Lſten Juni, ſpürte man im gan⸗
gen fhurmalinifchen Kreife, und zumal in ven Dörfern, näher. dem Ararat,
täglich ein, jedoch ſchwachea. Crbbeben, dae nicht über 2. bie ð Minnen
anhielt.
Am 24ften Juni erfolgte wieder ein Berpkun am Ararat,
der ganze. Felomaſſen, ungeheure Cioſchollen umd Waſſerſtroͤme mit ges
waltigem Tofen und rafender Schnelligkeit herabſandte, alles vernichtete,
leine Spar. von Gärten und Saaten übrig ließ, und: einen Haan vor
2 Werſt überbeitte, wobel die Bewohner der, Dörfer Aralüch, Sſirbogan,
Araten und Dſhortluk, am Juße des Ararat, viele Hänfer verloren, und.
obwel der: Bergfturg biefelden wicht erreichte doch die Schlamm: ua), -
Bafleriröme ihre. Iluren verheerte. - | in
Die gemamsre Unterfuchung De Major. Beploteiniten ergad
nun Belgeaen.... N DE a 1 GE u —
310 WeflsAfien; IH. Abtheilung. L. Abſchnitt. $. 3:
Das Erdbeben begann am 20. Juni um 6 Uhr 45 Min. am Ar
rat, und danerte mit abwechfelnden unterirdiſchen Gtößen und wellenar
gen Schwankungen der Erde an 2 Minnten. Die 4 erſten ſtärkſt
Stöße, mit unterirbifchem Tofen, gingen vom Berg Ararat gegen O. N.«
und hinterliegen anf threm Wege Spuren ſchrecklicher Serflörung, zum
in den Kreifen von Erivan umv Rakhitſhewan, bie ia dieſer Ri
tung liegen. |
Die Nrareschene zunächft aufwärts bie, zum Kara fu (f. ob
&.457) und zur Einmündung des Arpa tfhai in den Araxes (f. c
@&.451) war bis anf eime Werft vom Flußbett fern in Reihen vı
Spalten anfgerifien, die parallel mit den Wlußläufen an einigen St
len bie zu 2 Faden Breite fi öffneten und wieder fchloffen. Suglei
zeigten fich daſelbſt Häufige Gprengungen bes Bodens, ans bem Girö
füßen Waflere, öfters wie ungeheure Springbrunnen, ans ben Rifien ha
vorbrachen, die eine Menge Flußſand und Brände (1) Hs 2 Arſchi
Hoch anfwarfen. Selbſt ans dem Grunde des Araresbeites brachen di
gleichen herwor, befien Gewaͤſſer dadurch in jo Heftige Bewegung ka
daß es an einigen Stellen auf. vas Ufer heransgeiprügt ober emporg
hoben wurde, und in der Mitte des Flußbettes eine rinnenförmige Be
tiefung zurüdlieg. An andern Stellen wurde bagegen. das Flußbett gaı
trocken während des Erbbebens ober füllte fich mit. veffen Wafler über d
gewöhnlichen Stand an, indem es wie Fochendes Waſſer anfwallte. B
Nachforſchung diefer Ausſagen Jah man Ende Anguſt wirklih noch wie
Deffaungen im Flußbette des Arares, durch welche Wafler ausgeworft
warden, fo wie Rift in demſelben, durch welche feine Waffer ſich eiı
Zeit lang umtes: der Erde verbargen. Auch die Südſeite des Ararı
iR nicht unerfihättert geblieben; in Makun (f. oben S.337) flürzte d
größere Theil der Gebaͤnde ein; in VBayazed viele Häufer,: die Wefu
fammt dem Prachtſchkoſſe (f ob. ©. 341) warb zesflört. Auch in Taı
ris, alfo anf ver Dſtſeite des Urmia⸗Sees, if daſſelbe Erobeben verfpk
worden. Am melften litten die Bewohner Atmeniens; von den 206
Bewohnern Aghuris warb feiner gerettet, Die Städte Nakhitſhewa
“and Erivan wurden ungemein beſchaͤdigt, fo wie faft alle ihnen zug
börigen Dorffhaften. Im Sharur⸗Diſtrict öffusten fi die (Exbfpa
ten mit Wafler- und Schlammftrömen, in Bontainen, auf dem linken Uf
des Arares; die Dörfer Kartfhalu, Aliſher, Katgaſſauln litten am ui
fin. Auf dem Lande zählte man 6978 zerftörte Wehrhänfer, 92 AM
len, mehrere Kirchen; in der Stadt Nakhütſhewan 779 Wohnhäufe
2 Kirchen, 5 Moſcheen; In Ordubah 466: Wohnhaänſer, die zerſtort we
ver: Roch warb das Unglät dadurch gemildert, daß die Grfüpätieun
in die Abendzeit traf, welche das Volt, nad} der dortigen Sambeofiäte; m
Serhalb der Wohuhäufer im Freien zuzubringen pllegt, daher in: Se
Doch uns etwa an 50 Menſchen ward ie Arkımteeru ihres Bchiuige
Cuphratſyſtem; Orarat, Erdbeben 1840. 511
In jener Begenb ben Tod fanden, obwol fehr viele verlegt wurden und
ihres ganzen Eigenthumse in Wohnangen und Saatfeldern verluſtig gin»
gen. Im Kreiſe Nakhitſhewan verfiegten einige 50 Duellen anf einige
Zeil, während andere ‚ein trübes, milchiges Waſſer mehrere Tage nach
einander answarfen, und noch audere viel reichlicher als zuvor flofien;
ad ganz neue Quellen wurden gebildet; aus einer Spalte des Berges
Uhimdifa’trat eine folche hervor, und um Sarbarat verboppelten 2 Onels
in ihre Waſſerfülle.
Am Berein des Arpaſtſhat und Araxes bei dem Dorfe Kara⸗
gaſſanlu, In der Shludt des Akhurean⸗Thales (ſ. ob. &.451),
varen Wirkungen der Erſchütterung mit am furchtbarſten und verderb⸗
Idften, eben da, wo wir im Opigen die Kuinen der durch Erdbeben
wngefehrten Städte Talyſh und Ant angaben. Zuerſt wurben die Bes
wohner des Dorfes, bei dem Stoß und dem Schwanken des Bodens,
durch furchtbate Donnerfchläge betänbt, die von der Höhe der umliegens
ven Berge herzukommen fohlenen. Man fah Belfen nud Steine von ben
Gipfeln Herabftärzen, als mit dem zweiten Stoß alle Erdwohnungen Tras
chend in Trümmer zerflelen und wor den Angen der Meberlebenven In ets
ner dichten Staubwolke verſchwanden. Dann fprang bie Erbe in Riſſe
ud Spalten anf und goß Waller, Sand und Senerbrände (F) hervor,
Urter Jammergeheul ſuchten die noch Lebenden die Wucht zu den höher
gelegenen Feldern zu ergreifen; aber überalk durch Erdriſſe, Waſſerſtröme
md gerflörte Wohnungen gehemmt, geriethen fie in vie größte Verzweif⸗
Img, in der fie jeden Augenblid den Untergang ber Welt erivatteten.
Vom Dorfe Aghuri find gar Keine lebendigen Zeugen übrig geblieben:
Gleich Hei dem effiten Stoße wurden von den Stellwänden der ungebenern
Eqlucht ganze Felſen niedergeſchmettert, die mit furchtbarem Gekrach
Kb mit gewaltigen Schneemaſſen in bie 6000 Fuß tiefe Schlucht herab⸗
Nuten, mit Blitzesſchnelle langſt der Senkung hinflogen und fie augen»
Mid 7 Werk weit, vericyütteten. Unter ungeheueren Eis⸗ und Schnee⸗
naſſen fah man anfänglich feine Spur mehr vom Dorf und dem Kloſter;
almählig aber fingen bie Giefüde an anfzuthanen, dadurch löͤſte ſich
da Binbungsmittel der Gefleine, und am 24. Inu, Morgens 9 Ur;
finte die gleichfam über dem Thale nur hängende Maffe von Ges
Nrgsträmmern mit unglaublicher Schnelligkeit längs dem Thale bem
Faß Kara fa entgegen, fo daß in 2 Minuten Welsftäde und Eismaffen,
verbunden mit verheerenden Schlammftroͤmen, in Bewegung, an 20
Wer weit Fortgeriflen, die anftegende Araresebene vertrüfteten. Diefer
Aety aus der leicht zerfepbaren Draffe des felbfpaihigen Trachyt tm Vul⸗
tundchkunde des Arurat If.’ ob. G.302) gebildet, der, das Waſſet fo fihnet
ſich umgenblidtich- in blaͤulichen Aäffigen Thonfchlamm
, weil unterhalb des Dorfes Kuh des Sommerſchloͤſſes des Barbak
u I 2» Aaſter hohe Thonſtroͤme auf, und in ehier- Write won IM
512 Wefl-Afien. I. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.3°
Werft alles ‚mit: feinem Schlammbette zu. Der Kara fu wurde .tbeilwel
verbämnit, feine Waſſer dadurch an Stellen oberhalb zu Ueberſchwemmu
gen. gemöthigt, wodurch dafelbft ſtehende Koſakenpoſten in große Gefal
famen. Die. Schlammfleöme trugen fortwährend eine fo große Men;
von zerriſſenen Leichen und Cadavern von Menfchen und Vieh mit zı
Tiefe, dag die Wafler des Kara fu lange Zeit unbenupbar geblieben fin!
Erſt am 5. Juli hörten die Schlammftröme auf und vertrodneten endli
ganz. Der Kamm im Innern der gewaltigen Aghuri⸗Schlucht Hatte mi
das Doppelte an Breite gewonzen nnd an Höhe bebeutenb zugenommen
zumal an ber öflligen Seite. Die Schneemafle des Arnratgipfels Hat
fih viel tiefer, al6 fie zuvor war, herabgefenft; von dem Kloſter iſt kel
Stein mehr zu fehen; die benachbarte Wiefe, auf der 30 dort campirem!
Kurdenfamilien. umlamen, if mit. einer Thonſchlammſchicht überzoge:
Auf der Strede vom ehemaligen Kloſter zum Dorfe Aghuri erhebt fl
eine Reihe. Segelfürmiger Bergkuppen ans Wels: und Gisflüden, die b
folgendem Aufthanen uud, Abwafchungen durch die Bitriolwafler, die fi
in ben Spalten gefammelt haben, einem dritten Ginflurze folgen werbeı
Die Trümmer der Dorfwohnungen, bie wieter von ben Schlammfträm
befreit wurden, haben ſich ſichtbar erhalten; aber ihr Inneres if m
Schutt und Steinmaflen ‚gefüllt; viele wurben alsbald Yon ranbgierigı
Kurden, bie bie: nad) Beute ſuchten, aufgegraben. Das Stehenbleib
ihrer Manern, auf denen die Dachballen von oben her eingebrochen w
ven, und ihre innere Ausfülung beweist, daß nicht von ber Seite, fo
dern fenfrecht von oben herabfärgenbe Maſſen den Unglüdsort plögli
vernichteten.
Nah dem Crdbeben vom 20. Zul dauerten bie Erherfchätterung
über einen Monat, bis zum 28. Juli, fühlbar fort; aber von da bis zu
1. September waren es nur noch, geringe Schwankungen. mit ſchwache
naterirdiſchen Getoͤſe, die man im Sharur⸗Diſtricte am Araxes wah
nahm. Vom 21, bis 28. Inni dauerten im Nakhitſhewan⸗Krei
die Schwankungen taͤglich fe ſtark fort, daß alle ſchon beſchaͤdigten 6
bände dadurch völlig zertrümmert wurden. Im Diſtrict Sfurmali fpär
man am 23. Juli noch drei Stöße, am Morgen um 10 Ubr, Rachmittag
um 3 und Abende am 5 Uhr; ber Stoß. Nachmittags um 3 Ubr wur
angleich aud in ber Umgegenb ber Quarantaine Igbir (f. ob. S.34
wahrgenommen. Das Erdbeben zeigte demnach kelneswege gleigmäg
Wirkungen in Armenien; in dem Gebirgeftriche Orduba, ‚Rafbitfhewsn
Sfurmali war es Heftiger als in den Ebenen; die Gelsmaflen der Bey
gipfel wurden gewaltiger bewegt, als hie Ioderen Thons unb Saxdmafa
Die Dörfer auf den Berghöhen vom Alaghez bis zum ne
(nahe dem Goltſhai See) hatten zwax viele Stöße, aber fle wann |
cher als im. Sraresihale. In dieſem blieben ‚aber auf ganz mu F
men, doch dicht nehen heftig erbebenden, andre gang ungr
®
Euphratſyſtem; Ararat-Erdbeben, 1840. 513
(von Etſhmiadzin ift gar Feine Spur der Erfhätterung Im Rapport ber
merkt). Selbſt ganz dicht am Fuße des Ararat nnd am Karafı liegende
Orte find dem Xerderben völlig entgangen, während viele entferntere lit:
ten. Die Einwirkung elaftiiher Dämpfe, weldye durch die Horizontal:
Schichten ihre wellenförmigen Bewegungen fortpflanzten, möge, meint
der Bericgterflatter, ans gewiflen Spalten unter denſelben urfprünglich
mit größerer Gewalt bervorgebrochen fein and eben an folchen Lofalitäten
das darüber Stehende hejtiger zertrüämmert worden fein. Die kalten
Answürfe des Arares erklärt er fih, weil fein Bett in einem mit jün-
geren Schuttmaflen ausgefüllten Erdſturze (Erdſpalte) zwifchen den
gewaltigen Vulkanen des großen und Keinen Ararat (?) im Süden und
denen des Alaghez and Ag Mangan im Norden liege, denen man wol
eine unterirdiſche Communication zuſchreiben mäfle. Das NAraresbette,
ſchlleßt er, fei einſt ein tiefes Seethal geweien (f. ob. S. 300, 406, 458,
10), deſſen Oberfläche durch Abſatz folher Thonſchichten, mit vulfanifchen
hen vermifcht, erſt aufgefüllt fel. Diefer Seekeffel ſei einft an der Ofl«
ſeite bei Urdabad (f. ob. S. 368) ſichtbar gefchloffen geweſen, und nad
deflen Durchbruch dortiger Ketten durch den Ablauf erfi das Araresthal .
kroden gelegt worben.
Seit diefen letzten Bergſtürzen, bemerft Maj. Woßkoͤbboinikow,
leietge nun das Herz des Araratvulkans geöffnet da; es beſtehe da⸗
"RR die Schlucht ans einer Art weißen und gelblihen Feldſpaths
vor trübem Ausfeheh, mit Griftallen und Schwefelfiefen, hin und wieder
! wnglasartigemWeldfpath, welcher entweder in ganzen großen Rin⸗
gen, oder in Kiffen, in gewöhnlichen Thon und zum Theil in fchwefelfanre
mb fogar waflerlofe Thonarten übergehe. Diefe Mafle fei entflanden aus
4 dem feflen grauen Trachyt, der dem übrigen Theil des Berges bilde
! (ob. S. 496 und zumal ©. 502) und ebenfulls Criſtalle von glafigem
deldſpath und Schwefelfies enthalte, durch Ginwirkung heißer Dämpfe,
Vaſſer und Schwefelfänre. Der genannte Thon fet aber fein elgent⸗
; Über Thon, fondern gleiche am meifen dem Cimolit; klebe an ver
"Junge, fei fett, erdig von Bruch, fauge begierig das Waſſer ein, quelle
kkigartig auf, werde dann zu einer Flebrigen, elaftifchen Mafle. In Wafs
fer getaucht, zerfalle fie zifchend in Stüde und löfe ſich in einen flins
genden, zart angnfühlenden Teig auf.
Andere Veraͤnderungen find am Ararat nicht bemerkt; off ift auch
fein Sipfel feineswegs eingeflürzt, wovon anfänglich die Rede war. Der
Alaghez ſcheint keine Veränderung erlitten zu haben, den fhon Parrot
für einen Bulfantegel hielt: Ginen dritten, der biäher noch weniger ge:
kaant war, ben Ag: Mangan, führt der Major au, ver an ber Quelle
des Rarpitihai (ſ. ob. ©. 398), alfo über Etſhmiadzin liege, au Höhe
vem Alaghez faft gleiche und einen deutlichen Krater von etwa 300 Klaks
ter im Unstreife habe. Bon ihm siehe, fagt ex, gegen SD. \ünys vrm
Ritter Orbfunde X, Kt
en mn
514 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 36.
dem öftlihen Ufer des Goktſchai⸗Sees eine Gebirgékette auf 50 Werfl
weit, auf deren Kamme ſich in gerader Linte 12 Vulkankegel erheben,
deren Schlünde von 10 bis 15, zu 100 bis 200 Klafter in Umkreis ha:
ben, von Lavamaſſen verfchüttet, hie und da Feine Bergfeen enthaltend.
Der Goktſcha⸗See ſelbſt fei nur ber tiefe Einſturz zur Seite dieſer und
in der Mitte zwifchen anderen, die ihn noch weiterhin umgeben. Dod
anf dieſes Locale, das offenbar zu dem großen plutonifchen Ararat⸗-Ge
biete in nächfter Beziehung fleht und in dem Goktſcha⸗See das Beiſpie
einer noch nicht trodeugelegteg Araresebene barbietet, werben wir wiede
an einem andern Orte zurüdfehren. Hier nur, daß es dem Stillfchweiger
zn Folge fcheint, daß dieſesmal wenigſtens ber Friede dieſes Bullan:
Gebietes, der, wie wir oben fahen, noch im Jahre 1827 geflört geweſen
an der Nordſeite des Erivan⸗Sees nicht durch das Erbbeben am Ararat am
in dem Araresthale geftört warb. |
$. 36.
4. Erläuterung.
Etſhmiadzin, der Patriarchalfig der Armenier. _ Ihre
Literatur und Sprache; ihre Colonien und
Verbreirungen in der alten Welt,
1. Etfhmiabzin, oder Utſch Kilifeh, d. i. Dreificchen, der Pa
triarchenfig Armeniend, an der Stelle der alten Gapitale
Vagharſchabad.
Den hiſtoriſchen Mittelpunkt des bisher betrachteten Lane
Ararat, daS durch ein altes, fchon 200 Jahre v. Chr. Geb. durch
Balarfaces, ven Gründer ver Arſaciden⸗Dynaſtie, gegebenes Ge
fen ausſchließlich 5%) für den Sitz ver Könige und der Erbprinzen
Armeniens beflimmt, allen andern Prinzen des Föniglichen Haufeb
aber als Wohnjig verfagt war, nimmt. ver bis heute durch all
Wechſel erhaltene Batriarchenfig der Armeniex ein, ber unter
dem Namen Etſhmiadzin allgemein bekannt, doch nur eine Rulne
der frühen glänzenden Periode geblieben if. Vagharſchabad)
»**) Nour. journ. Äsiat. Paris, 1838. T. IV. in St, Martin Hist.
‘ des r&volutions del’Armenie. p.433. *6) J. St. Martin Mem.
‘ sur l’Arm. T. 1. P. M. 218.
— v —— —r—— — —— — — — — —
Euphratſyſtem; Vagharſhabad⸗-Etſhmiadzin. 315
(d. h Bagharfh Ummaurungp), an deſſen Stelle gelegen, war
einft die berühmte Hauptfladt der altarmenifchen Provinz Godaik
oder Godakh, einer ver 16 Diftricte der alten Provinz, Araratia,
deren Name auch im Cotacene bei Ptolem. (V. 13, fol. 134),
obwol nur als Gloſſe, aufbewahrt zu fein ſcheint. Sie lag drei
Stunden in Welt von Erivan, am Ufer des Khaſagh, oder Khar-
ſakh (Khafal bei Mof. Khor.), d. i. ver heutige Fluß von Etſh⸗
miadzin, der zur Befruchtung der dortigen Kloftergüter in ver gro-
ben Ebene, Chrez 56) bei den Armesiern (Ehregh bei Whiſton),
in welcher die Stabt lag, verbraudht wird (f. ob. ©. 463), und bei
Ruflen und Türken Abaran, over Fluß Karpi, over Garpi,
Di Karpitſhai Heißt. Ihr vorchriftlicher Name bei Armeniern
bar Ardimet⸗Khaghakh, d.i. Stadt der Artemis, oder ver
Diana; fie fol fchon 600, Jahr vor unferer Zeitrechnung als Feſte
von einem armeniſchen König Vardſche erbaut geweſen und daher
Vardſches⸗Avan genannt worven fein. König Tigraneß II.
[te vort nach Mos. Khor. (Hist. Arm. I. 15 u. 62. p. 111,
188), mo ſchon ein bedeutender Marftort war, um das Jahr 100
v.Chr. ©., eine Juden⸗Colonie an, welche, vermuthlich als Ge⸗
fangene von den Mevifchen, am Chaboras, aus Nabuchononoffors
Zeit dahin gefährt, bedeutenden Kandel treiben mochte. Ende des
weiten Jahrhunderts umgab fle König Bagharfh (Balarfaces
b. Mos. Khor.) mit Mauern, nahm vafelbft feine Winter» Neflven,
un nannte fie Nor K'haghak'h, d. i. Neue Stadt, daher fie
Dio Caffius durch den Ausdruck 7 xuwn nölıg bezeichnet hat
(Hist. Rom. Lib. LXXI. M. Anton. Phil. Fragm. R. 1201, 45.
Ed, Sturz. Vol. IV. p. 452). Sie blieb die Reflvenz der Könige
bi zum Jahr 354, wo fie unter Arſaces IIL Regierung mit ihren
19,000 Häufern, die Zauftus Byzantin. ihr gibt, und mit vielen
umhberliegenvden Yeften 57) durch die Wuth des Safſaniden Sapor II.
gänzlich zerflört warb und ihre Einwohner in die Gefangenfchaft
geführt wurben. Die Patriarchen refidirten daſelbſt jevoch noch ein
Jahrhundert länger, bis 452 Obwol die Stadt gegenwärtig als
ſolche gänzlich verſchwunden ift, fo hat doch das gleichnamige Dorf
Vagharſchabad fi in ver Nähe ver Hauptkirche unter dem
antifen Namen erhalten, meldye unter dem eigenthümlichen Namen
s*) Brosset Notice sur Edchmiadzin in Catalogue de Ia biblie-
thöque d’Edchmiadzin, St. Petersbourg. 1840. 8. p. 7.
®’) Nouv. joarn. Asiat. Paris. 1830. p. 202.
Kt 2
516 Weft:Afien. III. Abtheilung. 1. Abfchnitt. $.36,
Etſhmiadzin, der nur ihr volldmäßig beigelegt mirb, als ein»
ziger, ehrwürdiger Ueberreſt jener antifen Größe übrig blieb, als
deren Begründer ver große Apoftel Armeniend, Gregorius Ile
Iuminatpr, angefeben werden muß. Er hatte fihon bier, nach
feinen vielen überflandenen Martern, feinen Sig als Patriarch ge
nommen, und deöhalb iſt hier in der fogenannten „Mutter ber
Kirchen,” die er ebenfalld erbaute, und von welcher alle anderen
Gründungen armenifcher Kirchen ausgegangen find, verfelbe Batriare
chenſitz, mit einzelnen Unkerbrechungen, bi8 -in die neueſte Gegen-
wart auch geblieben. Denn gleih von Anfang an mar mit dieſer
Kirche ausfchließlich die Würde des Katholikos, oder Oberhirten,
verbunden, welche durch eine bedeutende Reihe großer Männer vor
hoher Geburt, von Tugend, Brömmigfeit und Wifjenfchaft hochge⸗
ehrt ward. Nach der Legende hatte Gregor an derfelben Stelle,
wo heutzutage die Kirche flieht, die Erfchelnung des einigen Sohnes
im herabfommenven Lichtſtrahl gehabt, weshalb das daſelbſt erbaute
Helligthfum ven Namen Etſhmiadzin (Descensus), und ber
Sauptaltar in demſelben noch heute den Namen Idſchman⸗
deghi, 59) d. i. „Ort der Herabfunft des Eingebornen,”
erhielt, von dem dad angebaute Klofter, und nach viefem auf
der ganze Bezirk genannt worden ift (nad) Indſhidſhean). Daher
wurbe eben die biefige für die Mutterfirche ganz Armeniens aw
gefeben. Im Jahr 618 wurde das Gebäude vom ‘Patriarchen Go⸗
midas reflaurirt, die armentfchen Concile wurden hier gehalten,
und feit 1441 Haben die Patriarchen dort ohne Unterbrechung
bis heute ihren Sig behauptet. Uber erft feit 1629 59) iſt nah
den Zerfldrungen des Sanctuariums durch Shah Abba I. unter
dem Patriarchen Mofed III. die damalige Ruine von Kirde
und Klofter wieder zur Bewohnung für Mönche hergeftellt
und mit Mauern umgeben worden. In der türfifchen Geographie
beißt der Ort Utſch Kiliſeyh (Jütſch Kiliifa bei Herrmann)
von den drei Kirchen Etſhmiadzin, Hripfime und Ka
jtane, daher auch bei Europäern ver bekannter gewordene Name
Dreikirchen. Don der Hypotheſe, die Parrot vorbringt, als
komme biefer Name von ber Dreieinigkeit her, wiffen die Armenier
gar nichts. 60)
»2°%) @ 9. Herrmann, das rujflfche Armenien. S. 15 — 23.
#°) Brosset 1. c. p. 13. *°) Varrot, Reifen. I. S. 82.
‘
Euphratſyſtem; Eiſhmiadzin, Kirche und Kloſter. 517
Schon Tavernier, 1655, Chardin, 1672, Tournefort,
1700,61) Haben durch ihren Vefuch die Aufmerkſamkeit auf dieſen
Drt zu einer Zeit gelenkt, da er noch in größern Flor ſtand als
heutzutage. Große Handels⸗Karawanen zogen damals noch biefe
Wege, welche auch dem Lande Wohlftand brachten und zahlreiche
Pilger zuführten, viele reiche armenifche Kaufleute, deren Opfer
gaben die Kirche und das Klofler zur Zeit ungemein bereichert has
ben. Tavernier war erflaunt über die Kirchenfchäge, vie er dort
noch von Mohamedanern unangetaftet vorfand. Die Kirchen was
ven mit dem höchſten Luxus ausgeftattet. Als er das Klofter, in
dem er mit Gaftlichkeit aufgenommen geweien, verlaffen wollte,
wurde ihm und feinen Mitgefährten, ven chriftlichen Kaufleuten der
Sarawanen, zu Ehren vom Patriarchen zuvor noch ein Stier«
gefecht angeftellt, in dem 8 Büffel zum Kampfe gereizt wurden,
von denen zwei auf dem Plage blieben, und dieſes Feſt wurde mit
einer beſonderen Eirchlichen Geremonie von Seiten des Patriarchen
und der Geiſtlichkeit befchloffen.
Chardin gibt fhon eine Abbildung von Kirche und Klofter,
mit Grundriß und umflindlicher Beſchreibung, und die gewöhnlich
dert befindliche Zahl der Mönche auf 12 bis 15 an, obwol bie
Cinrihtung für 80 getroffen fei. Er wirft ven dort reflvirenben
Patriarchen. Neid, Ehrgeiz, Habfucht vor, vie mit ihren 20 Epifcopen
unter ihnen fich in allen Theilen des perflichen und türkiſchen Reiche
in die Händel der Welt mit einmifchten; er rühmt aber bei ber
großen Armuth und Unmiffenheit der Armenier, mitten unter den
Mohamedanern und niedergedrückt von ihnen, ihr treues Ausharren
in dem Glauben ihrer Väter. Dies iſt um fo mehr anzuerkennen,
da zu jener Zeit die lebhafteſten Beftrebungen der katholiſchen Kirche
dahin gingen, die freien, nichtunirten Armenier auf Die päbflliche
Eriteperüber zu ziehen. Xournefort, ver, von der Fruchtbarkeit
und dem herrlichen Anbau ver nächſten Umgebung des Kloſters
ganz entzückt, ed ein wahres Bild des Paradieſes nennt, von den
Dlumenparterren vol Nelfen und Amaranthen im Kloftergarten
nit Bergnügen fpricht und von dem Schmud ver Kirche, bemerkt
jedoch, daß Die dortigen geiftlichen Herren fi nur über die damıa=
gen Bropofitionen ver fatholifchen Kirche, welche fie Schiömatifer
———— —
*!) Tavernier, Six voy. 1. c. I. pag. 30 — 37; Chardin, Voy. en
Perse. Amsterd. 1735. 4. I. p. 214— 220; Tournefort, Relat,
l, c. IL. p. 138, 151. |
’
518 Weſt-⸗Aſien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 36
oder Abtrünnige nennt, die Union mit ihr einzugehen, luſtig mad)
ten und nicht daran dächten, zu ihr Überzutreten, aber vie koſtbare
Geſchenke, die ihr von verfelben und wiederholt von den Päbfte
zugefanbt würben, ganz vergnüglich einftrichen.
Der armenifche Hiſtoriker Indſchidſchean gibt die umfläni
lihfte Nachricht in feiner armenifchen Geographie von dem geger
wärtigen Zuſtande dieſes Ortes, aus der wir nur dad Bedeutendf
hervorheben. Etſhmiadzin iſt ver Sig ded Patriarchen von A
menien, welcher den Titel des Katholikos führt; pad Klofter i
mit einer Mauer umgeben, die 4 Thore hat und welche noch En’
des vorigen Jahrhunderts (1763 — 80 durch den Katholife
Simeon) neu hergeftellt if. Drei Hauptgebäude: dad Klofte
das Pilgerhaus und dad Waarenhauß nebflder Patriarcha
Kirche machen, nebft einigen untergeorpneten Gebäuden, dad Gan
aud. Im Bierfeit des Kloſters nimmt der Katholikos die gan;
Weſtſeite zu feiner Refidenz ein; auf der Süpfeite find vie zwe
Refectorien mit den Wirthſchaftskammern; die beiden andern Seite
enthalten die Zellen der Vartabede (Doctoren), oder Geiſtlichen.
Im großen Speifezimmer für die Sommerzeit find Tifche und Ei,
ale aus Stein gehauen, und am Eingange des Saales ift unter
einer Kuppel der Sig des Katholikos, wenn er mit allen gemein⸗
ſchaftlich ſpeiſet. Das Winterrefertorium ift Fleiner. Diefes Kloſter⸗
Vierſeit bat 5 Pforten. Auch das daran floßende Pilgerhaud,
das zur Herberge der Wallfahrer dient und Ghaſarapad Heißt, M
ein Vierſeit, mit einem Wafjerbaffin in ver Mitte, das fein Brun⸗
nenwafler aus dem Garten des Katholifos erhält und durch feine
Ausfluß theild die Waffermühle des Klofterd treibt, theils in Gand
len geleitet, vie Zellen der Mönche mit Wafler verflcht. Dal
Waarenhaus heißt Kerwan jerat, als Sammelplag und Waaren
lager zum täglichen Tauſchhandel für die Lebensmittel, Kleivung un!
_ andere Bepürfniffe von Etſhmiadzin; daran floßen eine Wachsfabri
für die Kerzen, Ställe, Heufcheunen u, a. m.
Die Kirche flieht im erften Dierfelt des Klofters, fie heiß
Schoghagath asdudſadéni (m. i. Strablenwurf de
Mutter) und ift im Kreuz gebaut, 50 Kas (eine ruffifche Elle
lang, 48 breit, 35 hoch; Mauern, Fußboden und Dach, alles vo
Stein, mit 3 Pforten, davon 2 nah N. und ©., die Hautpfort
aber nach Wet geht und die Pforte des Erleuchters heiß
lieber den Hauptaltar, in ver Mitte der Kirche, ver zugleich I
bes Mitte der alten Tayirale Bayharistan uk Walarſchaba
Cuphratſyſt.; Etſhmiadzin, Kirche und Kloſter. 519
Nach Herrmann) geflanden haben fol, wo, wie fich ber armenifche
Gelehrte ausdrückt, „unfer heiliger Vater Gregor ver Er—
„leuchter den furdhtbaren Mann berabfleigen fah,” er
Geht fich die Kuppel ver Kirche, deren Malereien, ganz mobern, von
einem armenifchen Künſtler aus der Zeit Shah Navirs (ver 1736
ven Thron von Perfien beflieg) berühren. Die Reliquienfammer,
an der Süpoftfeite der Kirche gelegen, bewahrt außer der rechten
Hand Gregor Illuminatord (an den Beſigz diefer Reliquie
allein ift die Würde des Katholicos unauflöslich gebunden),
einen Theil des Schäbeld der Santa Hripfime, ein flußhemmendes
Kreuz und andere Ähnliche Schäge. Außerhalb der Kloftermauern
liegt gegen Nord ein großes armeniſches Dorf an der Stelle ber
alten Gapitale, das auch bald nach diefer, bald nach dem Klofter
genannt wird. An ver andern Seite, vor der Pforte des Pilger
baufed und nahe der Mühle, fol des Palaft König Tiridats ge
fanden haben, worguf man die Marmorquadern deutet, die daſelbſt
öfter auögegraben werben. In derfelben Richtung, aber mehr gegen
Südoſt, liegt der gemeinfchaftliche Begräbnißort in einer Obftpflan«
jung, von Mauern umgeben; die Grabflätten ver Katholiken find
in den. Hallen der Kirche. Die Dörfer, welche zum Klofterbezirke
gehören, find nur von Armeniern bewohnt, fle bebauen große Wein»
berge, unter denen der Chriiki (over Khri-Egi) am meiften ges
ruhmt wird, defin Wein vom Oghamalenz-ifi und vom Megrdu⸗
menz=ifi beſonders geprieim if. (Diefe Namen erhielten fie von
ven Namen ehemaliger Beſitzer, welche die Grunpftüde, auf denen
fie gebaut werden, dem Klofter fchenkten; ifi heißt aber Garten im
Bulgärsarmenifhen). Das Klofter der Sanıta Kalane liegt ganz
nahe in Süd, hat einen Abt und einige Mönche zur Bedienung der
Kirche; eine halbe Stunde fern, gegen N.O., liegt dad Klofter ver
Sancta Hripfime, mit Prior und Möndyen; in beiden find bie
Gräber der Martyrinnen. Nach den Berichten der Armenier ließ
ver fehr gelehrte Patriarch Gomidas im VII, Jahrhundert dieſer
Heiligen einen fehr fchönen Tempel bauen; vielleicht die Grundlage
der noch heute beſtehenden Kirche; derſelbe berühmte Beiftliche dichtete
auch einen Hymmus zu Ehren der Marıyrin in ver Art der
Bialmen Davids, der fehr geehrt wurde und im armenifchen Kirchen⸗
buche aufgenommen bis heute an ven Feſttagen der Sancta Hrip⸗
fime von den Armeniern gefungen wird. 62) Noch Fleiner als dieſe
03) Neumann, Berfuh a. a. O. S. 296.
520 Wefl:Afien. IT. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 36.
beiden ift ein vierted Gebäude, ein ganz unbedeutendes Kloſter
Schoghakalhi wanf (vd. h. Ausguß des Lichts, Want d. i.
Klofter) neben dem Kelterhäuschen, darin das Grab einer Ge—
fährtin der Sancta Hripfime verehrt wird. Außer dieſen Haupt
punften trugen auch noch in der Nähe ver alten Vagharſchabad 63)
eine Kapelle, auf einem Felſen erbaut und Surb Grigor Arkaparin,
d. 1. St, Gregor vom Feld, genannt, fo wie die St. Metrob-
Kapelle im Dorf Oſchakon, bie von ©. Sergis, dem General in
Uſchi, am Fuße des Arakadz, und das Grab ©. Anania, nicht
wenig zur Heiligkeit des Dsted bei. Nur eine Viertelſtunde im
Weiten des Kloſters zieht das Bette des Khafagh, oder Karpi iſhai
vorüber, deſſen Waffer meiftend durch die Kloſterfelder vertheilt dies
felben befruchten. So welt die Beichreibung Indſchidſcheans,
wozu und die Beobachtungen ber jüngeren europäiſchen Augen
zeugen noch folgenve charakteriftiiche Angaben und Beurthrilungm
darbieten.
AS W. Oufeley auf feiner NRüdreife aus ‚Berflen nach Klein-
Afien im Juli 1812 feine Herberge *) in Etſhmiadzin fand, traf
er dort ven Padre Serafino, der In Rom erzogen war und in
Bagdad mir I. Rich nähern Umgang gehabt. hatıe. Die gaftlichen
Mönche fegten ihm ein Diner auf chinefifchem Porzellan ver, mit
trefflicher Greme, gutem Brot, Butter, Käfe, Kaviar und reich
lichem Wein. Der fehr alte und ſchwache Katholikos, ver, ob⸗
wol er in Rußland und Indien gewefen war, nur Armenifd
verftand, hatte bei der Aubienz, die er dem Briten gab, 3 Bifchöfe
zur Bedienung an feiner Seite. Zum Abendeſſen gab es felbft
Zedereien, wie Confituren und Eingemachtes aus Haleb und Bagdad,
Wein aus Georgien und weißen Wein aus armeniſchen Trauben
gefeltert. .Die Kirche, auf der Grenze vreifacher feindfeliger Nationen
gelegen, hatte ihren Beflg nur ihrer Heilighaltung bei den bigotten
Türfen wie bei den ıoleranten Perfern zu danken. Shah Abbas
felbft nahm ihr zwar einen Theil ihrer Reliquien, doch nur um fle
der armenifchen Golonie zu Dfhulfa in Ispahan (Erf. IX. ©. 47)
zuzumenden ; doch beichügte er die Mönche von Etſhmiadzin, ſchenkte
ihrer Stiftung große Geldſummen und drohte jedem feiner Nady
folger mit Fluch, der dieſelbe beläftigen wollte. Doch hat dieſes die
Perſer von unzähligen Plünverungen dieſes Heiligchums keineswegs
—
”*®) Brosset Notice in Catalogue de la bibliothöque d’Kdchmiad-
zin. St. Petersb. 8. p. 7. °*) W. Ouseley Trar. Ill. p. 444,
En
|
5
Euphratſyſtem; Erfhmiadzin, Klofterleben. 521
jurüdgehalten. 65) Der perfljche Sarvar gab zu Ouſeley's Zeit dem
‚Kofler eine Sicherheitögarve von 200 Mann, und Abbas Mirza,
der einfichtönolle Kronprinz von Perfien, war deſſen Befchüger. Der
jwetägige Aufenthalt an biefem Orte, fagt W. Oufeley, ver Jahre
in Perfien verlebt hatte, verfehte ihn zum erftenmal wieber nach
Europa. Nicht ohne einen gemiffen Pomp wurde einige Jahre ſpä⸗
ter (1816) daſelbſt der britiſche Befchäftäträger am perflfchen Hofe
und fein Begleiter, I.Morier, empfangen, ald er auf feiner Heim⸗
reife in Etſhmiadzin einkehrte. 6) Der Katholikos, erzählt derſelbe,
alt der ganzen Reihe feiner Iangbärtigen, in ſchwarze Ordenstracht
und Moͤnchskutten gehüllten Suite empfing ihn auf das feierlichfte;
ber Patriarch hatte 3 Handpferde mit Sammt und Goldgeſchirr
nach türfifcyer Art behängt zur Seite, 3 Läufer gingen nebft einem
Safnenträger voran und einer der Mönche mit einem großen Stab
mit Siiberfnopf in der Hand, alle von großer Dienerfchaar umge»
ben. Der Patriarch, der am rufflfchen Hofe gelebt, war mit dem
Stern des St. Annenordens geſchmückt, vol angenehmer Sitten
und vol Würde. Beim Befuche der Kirche wurde der hohe Gaft
von langen Reihen von Mönchen, Prieftern, Bifchöfen, Diafonen
und von Sängerchören empfangen, die fich mit ihren Bahnen, Kreuzen,
Eruifizen, mit Wachskerzen in volle Procejilon fegten. Mit dem
Aubafſadeur und dem Patriarchen drang der ganze verjanimelte
Haufe von Weibern und Kindern, von armenifchen Männern, wie
von Englänvern, Türken, Perfern und andern, die eben verfammelt
waren, unter vollem Geläute der Glocken und dem Chorgefange ver
Rinde mit hinein. Nach kurzem Gottesdienſt erhielt ver Gaft mit
dem golonen Kreuz die Benebiction und hierauf den Zutritt zur
Veſichtigung ver Reliquien, zu denen auch die heilige Lanze, welche
de Peſt aufhält (ſ. ob. ©. 351) gehört, die erſt in fpäteren Zeiten
(fit Chardins Zeit, Tavernier fah fie noch im Kieghart= Klofter
am Erivan⸗See) hierher gebracht ward. Mitte Juni war die Hitze
hr groß. Ker Porter, ver bei feinem erften Beſuche gegen Enve
November in Etſhmiadzin einfehrte (1817), fand die Luft 67) un«
gemein mild mie im Frühling, und bemerkt, daß erft im Januar,
ao fehr ſpaͤt, Hier der Winter eintrete; aber dann bei wenig Schnee
doch ſtarke trodene Kälte, bei 16° bis 18° Neaum., vorherrſchend
‚ ae. In März und Upril fallen die Negenmonate. (Dubois
— — eo
*) Parrot Reifen, I. S. 78. °e) J. Morier Second journ. 1. c,
p. 824. *’) Ker Porter Trar. I. p. 186, |
\
522 Weft:Afien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36.
fing feine Reiſe von Etſhmiadzin auf der Araresebene am 1. März
1834 an, als der Schnee von den Arareöfluren geſchwunden ‚war,
und die Lerche ihr Lied über Steinfeldern empormwirbelte.) 66) Uns
mittelbar nach dem erſten Regen tritt die Sommerluft ein, vuftig,
heiter, bald aber wird die Hitze drückend. Dom Kaufafus berfom-
mend, ſah er hier die erfle große Karamane mit Kameelen über
bie Araresebene ziehen, und ven Büffel im allgemeinen, fafl aus⸗
fchließlichen Gebrauche des Landvolks. Bei feinem zweiten Aufenthalte,
auf der Rückkehr von Perfien, in Etſhmiadzin (1819) befchäftigte
ſich Ker Porter nur mit Hypotheſen 69) über den Sig der Arche
Noah, vie er zwiſchen ven beiden Gipfeln in ver tiefen Einfenfung
wie in einem ‚Hafen gelandet fich einbilvete.
Parrot, ver 1829 vor feiner Araratbefleigung im Kloſter des
Patriarchen verweilte, beftätigt die große Hitze und Dürre, welde
bie Umgebungen veffelben brüde und faſt nur in forgfültig bewäfferten
Pflanzungen ver Klofterbezirfe Bäume geveihen lafje, und auch da
nur gewiſſe Arten, wie [hmalblättrige Weiden, PBappeln
und Wallnußbäume am häufigſten; dann auh Maulbeer⸗
und Aprifofenbäume, die Hier fehr reichliche und treffliche Früchte
geben, und der traurige Oleafter (Elaeagnus), 70) ver Pſhat beim
Armentern, Igda bei Tataren beißt, und mit feinen flarren, Tangn. -
blattarmen Aeſten und faftlofen dattelähnlichen Früchten nichts zu —
Verſchonerung der Landſchaft beiträgt.
Auf den Kloſterfluren baut man Baummolle, Ricinus zum
Brenndl, Melonen, Kürbiß, Arbufen, Tabak, und zumal ar ve
fumpfigen, nievern Ufern des Kara fu Reis; fonft auch Weiz
und Gerfte, vie Rebe nur an ven Berggehängen, nicht In ver Chen.
Ein Kraut, Kundſhut, wird bei den Armeniern als ein ſehr
liebtes genannt, weil es ihnen während ver Faſtenzeit den Gebrauc
per Butter völlig erfepen fol. Mehrere Futterfräuter für vas Vic
find hier vorzüglich, zumal das fogenannte Jondſcha, dad pererz-
nirend mehrere Jahre hindurch nur abgemäht zu merden braudp #
ohne weitere Sorgfalt. Die Kloftervörfer haben Feinen Vorzug Ei
ihrer Bauart vor den übrigen Ervhütten ber Armenier.
Parrot's Zeichnung von Etſhmiadzins Situation 7!) if
dankenswerth, obwol fle in Hinficht der Lage zum Ararat bios fire
es) Dubois Voy. III. p. 358. °®) Ker Porter Tray. ZI.
636 etc. 7 arrot, Reife I. S.80. 71) Barrot, Zeich⸗
p-
nung, I. ©.
|
4
Euphratſyſtem; Erfhmiadzin, Kirchenarditectur. 523
girt if. Nach ihm gleicht die 30 Fuß hohe Kloftermauer mehr ei⸗
ner Beflungdmauer; ſie iſt aus blos getrodneten Lehmbadfteinen
aufgeführt, mit Schiepfcharten und Thürmen an ven Eden, an
jeder Seite mit 3 Eleinen Eingängen, im Umfang von 2 Werft.
An ver OÖftfeite find die Vieh⸗ und Pferbeftälle angebaut; im Ins
nern find außer den fchon genannten Hauptgebäuden auch ſehr viele
andere für die Bäderel, das Bad, für Werkftätten, für den Bazar u. a. m.
Parrot wohnte einem feierlichen Hochamte in größtem Pompe bei,
wo bie ganze Pracht der Drnate von Seiten der Prälaten zum
Borfchein Fam; der Kirchengefang fchien ihm ein ganz feelenlofer
zu jein. Derfelbe Patriarch Jephrem, d. & Ephraim, ver ſchon
Ker Porter empfangen hatte, faß noch am Ruder, vom beften Ruf,
- aber ein Y3fähriger Greis vol Kalter Förmlichkeit und Miftraun,
der wie die meiften feiner Mönche nur Armenifch Eonnte, Fein Griechiſch,
fein Wort Latein verftand. Die Unwiſſenheit feiner Mönche ift
noch größer als die feine, da er doch In Indien unter ven dortigen
armenifchen Gemeinden gereift war und auch die in Rußland kannte.
Von den Mönchen. follen manche felt dem halben Jahrhundert die
Kloftermauern kaum verlaffen haben; ihr Bli Hat ſich fehr ver-
engt, fein Studium tödtet die Langeweile, fle ſcheinen eher lebendig⸗
todt und nur noch ald audgetrodnete Mumien umber zu wandeln.
Der tiefe Verfall ver armenifchen Kirche zeigt fich Hier in Ihrer
oberfien Spige, eine Regeneration des ganzen Prieſterſtandes, der
in die gröbfte Unwiſſenheit verjunfen, iſt nothwendig; dad Monchs-
weſen ift obenein vom verderblichſten Einfluffe. Iever Laie, ver nur
von der Gemeinde erwählt worden und feine 40 Tage unter Faften
und kirchlichen Uebungen in irgend einer Kirche durchgemacht Hat,
kann durch den Biſchof zum Prieſter geweiht, und zur Taufe,
Firmelung, Trauung, legten Delung und zur Vergebung ver Sünden
jugelaffen werden.
Genauere Nachrichten über die Kirchenarchiteetur zu Etfhmi-
. adzin verdanken wir Duboid Mittheilungen, 2) ver feine Bes
ichreibungen mit Iehrreichen Zeichnungen begleitet hat. Schon in
weiter Berne, bemerkt er, fleigen die 3 Kirchendome mie negyptifche
Pyramiden aus weiter unabfehbarer Ebene empor, an denen erft, je
näher und näher man kommt, die geringern over nievrigern An⸗
hängfel fichtbar werden. Sie allein find von der alten fehr weit
2) Fr. Dubois Voy. Ill. p. 359.
524 WeftsAften. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 36.
verbreiteten Vagharſchabad flehen geblieben, während Die ganze
Plaine nivellirt ward, da faft ale Mauern und Wohnungen vieles
Landes, nur aus Lehm aufgeführt, mit ver Zeit in fich felbft ohne
zurüdhleibende Trümmer ald bloße Erdhaufen zerfallen, welche die
Negen auseinander ſchwemmen. Der einzige bemerkbare antife
Ueberreft außer ven Kirchen iſt nah Dubois ein Haufen bebaus
“ner Duadern, welche die alte Porta der Stadt und die einft unge
mein weite Ausdehnung der Gapitale bezeichnen follen, aus deren
Mitte die 3 Kirchen allein übriggeblieben. Denn das Dorf Vaghar⸗
ſchabad, dad etwa 200 Schritt nordwärts vom Klofter anfängt fid>
audzubreiten, iſt doch nur aus jüngerer Zeit. Das Klofter von
außen flieht mit feiner Ummauerung und den überragenden Thürmen
eher einer Feſtung gleich. Dubois traf beim Abfteigen und Ein-
tritt im Innern des Hauptthors fehr viele Kaufleute und Hande
werker, die aber mit der Nacht in das Dorf fich zurüdziehen. Seine
Beichreibung der Kloftergebäude ſtimmt mit der des Inpfhinfhean
überein.
Seine Aufnahme war ungemein wohlwollend, der Biſchof Lu⸗
cas wies ihm die Zelle eines abweſenden Biſchofs ald Quartier an.
Der 60 Jahr alte Patriarch Johannes, der Stellvertreter des
weit Altern, vamald (1834) noch lebenven Katholikos Jephrem,
gab ihm im einfachen Winterſaale von ſeinem Throne, auf dem er,
mit der Tiara geſchmückt, von 12 Erzbifchdfen und Biſchöfen um⸗
geben faß, Audienz, und Tieß ihn zum Handkuß zu. Dann ertheilte
er ihm feinen Segen, ließ ihn Pla nehmen, fid) den Empfehlungsd-
brief feines Gaſtes vom General Bebontoff durch einen feiner Leute
vorlefen, worauf von ber Dienerfchaft, welche rothe Strümpfe trug,
der Thee umbergereicht wurde und die Gonverfation begann. Seine
größte Verwunderung 7°) war, daß der Fremde nicht einmal den
Pabſt in Rom gefehen, und doch fo weit hergefommen ſei, de
Patrtarhen von Armenien zu fehen, wahrſcheinlich ein flatio-
närer Gegenfland der Unterhaltung des nichtunirten, von ver römi⸗
fhen Kirche als Schismatiker angejehenen Kirchenbirten, der fid) da⸗
durch in feiner Würve geichmeichelt fühlt, denn ganz dafelbe war
por 150 Jahren die Unterhaltung mit ITournefort und zu andern
Zeiten mit andern Reifenden gewefen. i
Der große Sommerjaal war mit Pracht im perflichen Style
#’8) Dubais 1. c. III. p. 362.
0)
—
—— ——odd n«e
Euphtatſyſtem; Etſhmiadzin, Tiridats Belehrung. 525
decorirt, mit Schildereien und Arabesken, zu denen der Patriarch
ſeinen Gaſt ſelbſt hinführte, zur Bewunderung.
Die armeniſcheſchriſtliche Geſchichte concentrirt fich auf
Etſhmiadzin, die aber mit ver Legende St Gregors genau
verbunden und von einheimifchen Annalen nicht gefchieven, von
dafifchen Zeitgenofien unberührt bleibt, daher fie in ver Chronologie
manche Schwierigkeiten barbietet, aber überall ihre locale Anwen⸗
dung und Bortvauer im Andenken gefunden bat, fowol hier am
Arases, wo St: Gregor befonvers im Leben wirkte, wie am
Tuphrat um Arzingan, wo er fein Greifenalter in Einfamteit
verbrachte, feinen Tod und feine Grabftätte fand, Kocalitäten welche
dadurch elafflfcher Boden für die Armenier geworben. Zur Zeit des
Verſinkens ver Parthermacht, als ein neues Geſchlecht ven perflfchen
Thron ufurpirt hatte, brach aus Armenien, weldyed das Aſyl und,
der Zufluchtöort vieler aus dem weiten PBartherreiche verbrängten
Arfacidengefchlechter geworden war, einer ver in Armenien herr⸗
[enden Arſaciden⸗Prinzen, Khoſrov, gegen Ardeſchir Babe»
‚fan, ven Stifter ver Saſſaniden los, wurbe aber durch beffen
fiftung von einem andern Arſaciden⸗Prinzen, Anag, ben er
als Schuͤtzling bei ſich aufgenommen, meuchelmörverifch aus dem
Wege gefchafft. 7) Das ganze Arfarivenhaus wurde nun durch
rdeſchir vertilgt, und nur Khoſsrovs zwei unmündige Kin«
Der, die in Ani waren, Tiridat und feine Schwefter Khodrovi
€ ukht, wurden von Barteigängern gerettet, die mit ihnen unter römis
ſchen Schuß fich nach Rom begaben, wo ver Knabe Derdat, ven
die Nömer Tiridates nannten, feine Erziehung erhielt. Nach Ver⸗
Lauf von beinahe 30 Jahren kehrte Tirivat mit römijchem Beiſtand
&yı das Erbe feines Hauſes nach Armenien flegreich zurüd, und ver⸗
Trieb die fajjaniviichen Ufurpatoren. Es wird in die Zeit des drit
Ken Jahrhunderts verlegt, in welcher das fönigliche Geſchlecht ver
Mamigonier aus dem fernen Norpoften (Zenensis regio d. i.
Diheneftan hei Mos. Khor. U. 'c. 78, fol. 205), welche St. Mar⸗
zin?s)für Bewohner Schinadoner&hinefen, womit auch S. de Sacy
übereinflimmt, angefprochen hat, durch Wamilienzmift vertrieben,
’*) St. Martin Mé m. sur l’Arm. I. p. 308 ff. 78) St. Martin
Dissertation sur l'origine de la famille des Orpelians et Je
plusieurs autres colonies Chinoises &tablies en Arm£nie et en
Georgie, in M&m. sur lArm. T. Il. p. 15 etc. Bergl. S. de
Sacy im Journ. d. Savans 1820. p. 203.
526 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 36.
bei dem erften faffantoifchen Könige, Ardeſchir, ein Aſyl fuchte, und
dann auch in Armenien einzog, und bier ſeitdem durch politifche
Parteinahme bald eine wichtige Rolle fpielte.
Dertad Medz, d. ii Tiridates IL, ber Große genannt,
wirt, als König vom Jahr 259 bis 314 n. Ehr. Geb. regierend, In
ber armemifchen Geſchichte hochgefeiert. Während feiner wiederholten
Abweſenheit in Rom follen Einbrüche nordiſcher Völker vom Kau⸗
kaſus ber, fo wie ver Beitritt der mächtigen Famille ver Seghu⸗
nier aus dem ſüdlichen Armenien, ven faffanivifchen Shahpur
zur temporären Wieverbefegung Armeniens verholfen haben. Tiri-
dats zweite Rückkehr aus Nom, von römifchen Heeresabtheilun⸗
gen begleitet, ließ ihn bald nach flegreichen Schlachten die nordiſchen
Ucherzügler über ven Kaufafus zurüdvrängen, und durch den Bei-
tritt der Mamigonter die treulofen Abtrünnigen ver Seghunier
{oder Silghunier hei Mos. Khor. II. 81. fol. 210) zurüdichlagen,
deren Länderbefig er ven Mamigoniern übertrug. Als tapfrer und
‚flegreicher Eroberer drang Tirivat, der nun den Beinamen ves
Großen erhielt, auch in das Perfergebiet der Saffaninen ein, und
durch tapfre Thaten auch gegen vie einfallenven noͤrdlichen kaukaſi⸗
ſchen Völker verberrlicht, durch gewaltige Beute bereichert, durch eine
gluͤckliche Regierungszeit von 56 Jahren begünfligt, erreichte er ven
Gipfel: des Ruhms in ver profanen Geſchichte Armeniens. Aber
noch war er leidenſchaftlicher Diener ver einheimifchen und ver rö-
mifchen Götter, und verfolgte nach Nömerart als blinder Heide das
Chriſtenthum durch Marter und Todesqual.
Aber indeß war mit. ihm Gregor, fein Zeitgenofie, der Sohn
feined Todfeindes Anag, des Moͤrders feines Vaters, herangewach⸗
fen, und ſollte fein Bekehrer werden. Des verrätheriſchen Anag's
ganzes Geſchlecht war ebenfalls unmittelbar nach der verruchten
That niedergehauen; nur ſein Knabe Gregor gerettet und nach
Caeſarea in Caypadocien geflüchtet, wo der prinzliche Sprößling
unter Chriften feine Ausbildung erhielt. |
In Armenien frühzeitig das Evangelium verfündennd und vor
Uridat predigend, ward er von biefem zelotifchen Heinen zum Tode
verdammt und in den tiefflen Brunnen verfenft, ver aber troden
lag. Da, erzählt jeine Legende, lebte der fromme Martyrer Gregor
13 Jahre lang in furchtbarer Eingeſchloſſenheit unter Gebet und
Flehen für die Erleuchtung ſeines Verfolgers. (Der Brunnen wird
Euphrarf.; Etſhmiadzin; St. Öregorius Illuminat. 527
noch heute als Pilgerort zu Khorvirab, d. b. „trodner Brun-
nen,” gezeigt in der Araredebene). 7°)
Auch eine Eöniglihe Iungfrau, Hripfime 77) genannt, eine
Ghriftin aus dem Gebiete des römifchen Reiche, mit ihrer Wärterin
GBaiane (Kalane) und noch 50 andern Gefährtinnen bei ver Chris
firmverfolgung unter Diocletian vor der fie bedrohenden Schändung
fliehend (nad Moses Khor. Homilie der Scta Ripsime), fuchte in
Armenien ein Aſyl, in der großen Reſidenzſtadt des Tirivates,
welche eben die damals noch heidniſche Vagharſchabad (auch
Alal-Ehalaki oder Nor⸗Khaghakh genannt) war, mo fie aber
den Anforverungen des noch hHeibnifchen Könige, den fie zur Be»
kehrung ermahnte, widerſtehend, mit ihren @efährtinnen durch Stel»
nigung den Martyr⸗Tod erlitt, worauf fpäter erfi Tiridat fein
Heidenthum verläßt und zum zelotifchen Chriſtenthum übergeht. Er
ruft Gregor aus feinem Brunnen bervor, nimmt von ihm bie Taufe
an, zieht eine große Anzahl Priefter aus Syrien und Klein-Aflen
zur Belehrung feined Volks nach Armenien, das auch von den
Fürftenföhnen bis zum gemeinen Mann fi zum Kreuze drängt,
und auf immer ihm treu ergeben bleibt. So die Erzählung, nad
welcher Khosrons Ermordung in das Jahr 232 n. Chr. fällt, fein
Sohn Tirivat nach 27jährigen Aufenthalt in Rom im jugenvlichen
Mannedalter nach Armenien zurückkehrt, im Jahre 259 78) n. Chr.
Geb., wo feine Regierungszeit an 56 Jahr dauert, bis 314. Gre⸗
gor, ft 257 geboren, erhielt feinen Unterricht in Caeſarea, ſoll
fon 279 in Armenien mit Verbreitung der neuen Lehre begonnen,
aber Tirivat erſt Furz vor dem Jahre 302 getauft haben. Die
Taufe geihah am Ufer des Euphrat (Murad) Im alten Pakre⸗
vant, nahe dem heutigen Orte Melesgird (Menasgerd).
Nabe Utſch Kiliffa (f. ob. ©. 351, 355) fol König Tiriva-
tes, nach Vartam, )pem Sanet Gregor entgegengefommen fein
und daſelbſt am Fuß des Berges Nbad oder Nebad (ſ. oben
©. 77) mit feinem ganzen Heere die Taufe angenommen haben,
womit die heutige Volksſage im Klofter Utſch Kiliſſa ganz über»
einftimmt Die dortigen Möndye fagten, daß der König ihre Kirche
varauf Habe erbauen laſſen, und gaben das Jahr 306 als deren Grün⸗
dung an. 9) Gregor warb mit großem Geleit von Tirivat (Der-
»70) Dubois Voy. II. p. 481. ?°) Neumann — einer Geſch.
ber armeniſchen Literatur. ©. 54. 70) St. Martin Tables chro-
‚nologig. in Mé m. I. p. 412. 138 etc. 1°) Vartam Geogr. b.
St. Martin in M£nı. sur Arm. II. p. 427. °°, Eli Smith
Missionary Res. Lond. 1834. p. 417.
528 WeftsAfien. III. Abtheilung. 1. Abfchnitt. $. 36,
dat der Armenter) nach Cäſarea in Cappadocien gefandt, um vom
dortigen Bifhof St. Leontiuß feine Weihe als Bifchof der neuen
armenifchen Kirche zu empfangen, daher Maſhak, di. Cä⸗
farea, in ben erften Jahrhunderten bei den Armeniern als die
Metropolis Armenien galt, in ver alle ihre Bilchöfe geweiht
wurden, bis auf Sahak over Iſaak I. (390 bis 428 als Patriarch),
Alsbald wurden über ven Grabftätten jener Keinen Martyrinnen
Kicchen und Klöfter (?) errichtet, Gregor ald Erleuchter (u⸗
farovitfh der Armenier, vd. h. Erleuchter) feines Volkes wirb
der erfte ‘Patriarch der Urmenter, und an verfelben Stelle, wo in
Tigranes Neflvenz, Vagharſhabad, zuvor neben feinem Königdpal-
Iafte der Haupttempel der Artemid geflanden, und wo dem Patriar⸗
hen „ner Eingeborne im Sonnenftrahl” erfchlenen war,
ward die Hauptkirche Etſhmiadzin (d.h. Descensus) erbaut, wo⸗
zu, nad dem P. Tſchamitſch, ) St. Gregor ſelbſt ſchon im
Jahre 302 nach der Bekehrung von Aſhdidad (der Stadt der
Opfer, ſ. unten) den Grundſtein gelegt haben ſoll.
Die Tempel und vielen heidniſchen Heiligthümer des Landes,
wo zuvor ein Gemiſch verderbter Zorvdaſterlehre 82) galt, mit grie⸗
chiſchem und römifchen Goͤttercult, zumal des Aramazd (Dr
muzd), der Anahid (Anaitis, Artemis, Venus), des Mihr oder
Mithra (Mitras), nebſt unzähligen andern, meiſt von nordiſchen
Skythen und Kaukaſiern herſtammenden Götzen (wie Sbantarad,
Vahach, Parſcham, Nané u. a., aber auch indiſche, wie Keſane, De⸗
meter u. ſ. w.), wurden in zahlloſe Kirchen, Kapellen und Kiöfter
umgewandelt, deren mol Fein Sand verhältnipmäßig mehr als Ar⸗
menlen aufzuwelfen bat, und dazu wurden noch viele neue angelegt.
Schon im Jahr 344 hörte Vagharſhabad auf, Königäfig zu fein;
die Patriarchen, ald Nachfolger St. Gregorius Illuminator, blieben
aber daſelbſt noch ein Jahrhundert länger (bi8 452), von wo ab fie
fi) nah Tovin (nördlich von Artarata) 8) begaben, mo auch die
Könige fich niedergelafien harten. Das Klofter bei ver Patriarchal⸗
Kirche zu Etſhmiadzin, Surena genannt, foll ſchon im Sabre 524,
zu Patriarch Nerjes II. Zeit, nach andern erſt unter Nerſes IL. ge
gründet gewefen, und Lazar von Pharb, der Geſchichtſchreiber,
s®1) Brosset, Notice sur Edchmiadzin im Catalogue de ia biblio-
thäque d’Edchmiadzin. St.Petersb. 1840. 8. p-9, 11. +3) St.
Martin, Mé m. s. l’Arm. I. p.306. °®) Itineraire de 7
capitale de l’Arme£nie, fi St, Martin Mém. 1. —— ze
Euphratſyſtem; Erfpmiadzin, Kirchenarchitectur. 529
deſſen Abt geweſen fein. Im Jahr 618 Tag Die Patriarchalkirche
in Ruinen, al& der Patriarch Gomidas fie von neuem aufbauen
und dad Holzdach ald Steinfuppel mwölben ließ, aus vefien Zeit noch
Ueberreſte deſſen eigenthümlichen Bauſtyl documentiren.) Nerſes II.
wird dann eine Reparatur zugeſchrieben. Seitdem erlitt fie viele
wechſelnde Schickſale, davon nur zum Theil noch einzelne Docu⸗
mente in ber-gemifchten Architectur ihrer oft reſtaurirten Gebaäulich⸗
Eeiten ſich mögen auffinden laſſen. Die früheften chronologifchen
Angaben find freilich keineswegs über allen Zweifel ficher geftellt.
Erſt im Jahre 1441 kehrten die Patriarchen Urmeniend, bie
bis zum Jahre 726 in Tovin bleiben Eonnten, aber dann oft
durch die Zeitumflände gendthigt ihren Sig wechjeln mußten (mit
Aramonf, Tzoroi Bank, Aghthamer, f. ob. ©. 291, Se-
bafle, Dzamendav, Ani, Dzovk, und endlich zu Hromela,
». i. Rumfala, am Euphrat), 85) in dieſe ihre urfprünglidhe
Reſidenz, nah der Urfirche Etſhmiadzin, zurüd, und ha⸗
ben viefe feltvem bis Heute nicht wieder mit. einem anbern Sige
vertauſcht.
Als einer ver merhwürbigften Architecturen im armenifſchen
Styl hat Dubois dem Gebäude ſeine ganze Aufmerkſamkeit ge⸗
widmet, und nach Chardin's unbefriedigendem Aufriß 86) vie erſte
lehrreiche Zeichnung und Grundriß von demſelben ſelbſt aufgenom⸗
wen, auf welche wir hier verweiſen können, 87) wie auf deſſen nu⸗
dere Auseinanderfegungen und Beichreibungen des reichgeſchmückten
Baued. Sie nimmt ein volflindiged Duabrat ein und ift ald An-
deabtreuz mit überall gleich langen Armen gebaut, jo daß 4 Pfeil
In, in der Mitte des Kreuzes flchend, den Dom tragen, ber auch
über der Mitte der Kirche fich erhebt. Unter dieſem fleht der Haupt«
alter mit den Alabafterfäulen von Tauris (Erdk. IX. ©.846); das
Naterial der Kirche if rothes Porphyrgeſtein. Das Innere derſel⸗
ben iſt erſt, wie oben gefagt, in neuerer Beit (1736) von einent ar⸗
neniſchen Maler im perfifchen bunten Blumenftyk ausgemalt; ei⸗
Kge der Fenſter find zugemauert. Die Bacaden ber primitiven Kirche
'*) Eug. Bor6 Corresp. II. p.39. 8) Brosset Notice in Ca-
talogue de la bihliothtque d’Edchmiadzin. St. Petersb. 1840. 8.
pag. 19. °*) Chardin Voy. L c. I. p.214 planche IX. et X.
Profil de T&glise d’Edch-miadzin. **) Fr. Dubois Yoy. III. B.
371—875 Atlas Serie Ill. planche VL, VII. et VOL; f. auf
—— gem Bejchreil ung bei Herrmann, das zuflifhe Ar⸗
m a. a
Ritter Erdlunde X. | V—
530 Weſt-Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnin.
waren ganz andere als bie gegenwärtigen, welche durch m
wiederholten fpäteren Umbau, durch Vorſprünge, durch ‚Hallen,
aufgefegte Glockenthürme und durch viele Ornamentirungen
gefhmüdt wurden, und alfo Combinationen ſehr verfehlenener
arten darbieten, obwol biefelben "immer nur den verſchiedenen
den der eigenthümlih einheimifchen Architectur des un
bauluſtigen armenifchen Volkes angehören. Jedoch zeichnet D
dieſe Kirche ala die einzige der vielen armenifchen Kirchen,
zu unterfuchen Gelegenheit hatte, dadurch aus, daß in ih
Spuren eines griechiſchen BauftyIs vorhanden find,
allen andern fehlen. Er finvet darin den Beweis des hoben
ihrer urfprüngliden Grundlage, daß er bis auf Tiri
Urbau zurüdführt, ver als baulufliger Monarch fo fehr |
wear, die griehifche Architectur in Armenien einzuführen
Bewels dafür findet fi) in dem jonifhen Prachtpallaf
er für feine Schwefter zu Kharni (am Kharni tfhai bei Ki
im Oft von Erivan) im fchönften griechiichen Styl aufführte
her unter dem Namen Takht Terdat (Thron Tirivate
heute in feinen durch ein Erdbeben zerrütteten, aber fonft vi
men erhaltenen Rtuinen 88) wohlbekannt if. Im feiner ver
armeniſchen Kirchenbauten findet man, daß armenifche Bau
die griechiſchen nachgeahmt Hätten; die Kirche zu Etſhmiadzin
die einzige Ausnahme davon fein, wenn nicht eben biefer
törer Älteflen Grundanlage zuzurechnen wäre.
Nach Chardin's Zeit Hat die Kirche in Thinmen und
einzelnen Teilen große Umbauten erlebt, der Grundbau ble
ehrwürbiges Denkmal des böchften chriſtlichen Alterthums
jüngften Neubau führt Dubots vom Jahr 1816 an, nad
Infehrift, die auf dem Dache angebracht if; denn überall f
die fchreibluftigen Armenier ihre Infcriptionen an, mit dene
diefe Kirche bedeckt iſt. Selbſt die Glocken, deren ſehr viele
alle Räume des Gebaäudes vertheilt find, haben vie ihrigen, u:
einer derfelben entdeckte Dubois fogar eine täbetanifihe mit !
rũhmten buddhiſtiſchen @ebetformel „om mani” etc. (f. Er
167, 364, VL 594 u. a. D.), deren Herkunft jedoch Bier un!
war. Unter den vielen Inſchriften, mit denen einige Grüß
Patriarchen und bie meiſten Wänbe bedeckt ſind, follen fich
*s) Dubols Voy. III p. 887. Atlas Serie IH. Architect. |
deſſen «tat primitif,
HE»
_
Euphratſhſtem; Erfhmiadzin, Anferiptionen. 531
feine antiken. vorfinden, wegen ver häufigen Berfiörungen und Um⸗
bauten; doch bemerkte Dubois an ber äußern Norbfeite ver Kite
Genmauer eine griechiiche, Bebete emthaltenn, mit der Unterſchrift
Daniel Tirer Garikinis, 9) aus der ſich biefem Namen nach,
der Sarin, das alte Argerum, bezeichnet, auf ein fehr--Hohes Alter
zrrückſchließen ließ. Bon ver Außenfelte des Chort, . ft E. Boré,
habe er 2 griechiſche Inſchriften 9) copirt, deren Schreibart
auf die erſten Jahrhunderte der chriftlichen Zeitrechnung zurüd-
weihe, auf Fragmenten von Grabfleinen, die man aus einer frühern
: Beriope vorgefunden, und nad Art ver Armenier ale Dauerfteine
“wit in die Kirchenwand einmauerte. Da fle hriftliche Gebete mit
ka Namen Paulus und Thecla enthalten, fo fchließt er daraus, daß
f älter ald Bregorius Illuminator fein, daß alfo vor dieſem
don das Kreuz in Armenien geprebigt wurbe, daß er nur bie dor⸗
üige Belehrung vollendete, und daß vor der allgemeinen, Ende des
Um Jahrhunderts geſchehenen, Einführung des neuen, durch
Neſrob (Mos. Khoren. III. 47. fol. 288) gebildeten arme⸗
niſchen Alphabets fchon einmal griechiſche Schrift in ver
Üturgte Armeniens nebſt ſyriſcher Sprache im Gebrauch gemeim,
aber dann wieder verprängt worben ſei. Dies iſt jedoch keineswegs
ar Bore’s Entdeckung: denn fon Neumann bemerkte, U) daß
ver ältefte armenifche Gefchichtfchreiber, ver — Tiridats,
ber dem Aufblühen ver armeniſchen Literatur, ver fo berühmte
Agathangelos, welcher von feinen Landsleuten ber wahrhafte
Rann ver Geſchichte genannt wird, fein Wert, aus welchem Mo⸗
ſes von Khorene fo reichlich feine armenifch gefäreiehene Historia
Armeniaca fchöpfte, aller Wahrfcheinlichkeit nach in griechiſcher
Sprache geichrieben Hatte, und daß die griechiſchen Schulen zu
Athen und Edeſſa, wo vorzüglich grammatiſches Studium blühte,
von armenifchen Sünglingen beſucht wurben, wie auch Alexandrien,
Byzanz und Antiochin, fo daß Moſes Khor. felbft Griechenland
die Mutter und Säugamme ber Wiſſenſchaften auch für vie Armes
ter nannte. Erfahren zu fein in griechifcher Wiſſenſchaft war
auch bier das größte Lob, und daher griechiſche Schrift dem Lande
keineswegs fremd geblieben. |
— —— — *
eo #
‚nn. wn m Rn m m
®®) Dubeis Voy. II. p. 876; f. Brosset Notice tm Catalogne de
a bibliothdque ned chmiadzin p.45. ve) E. Bore- Corresp.
p. #0. GC, J. Neumann, armen. Spr. n. Lit. a. a.
5 B3. 1829. ©. 168, 194.
212
'
932 Weft:Afien. TI. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 3
Zu Dubois Zeit, 1834, wohnten im Klofter zu Etſhmiad
50 Mönde, 13 Biihdfe und Erzbifchöfe und 2 Patriarchen, ni
“ lich noch immer verfelbe Katholikos Ephrem (82 Jahr alt, ti
Parrot 93 gibt), welcher faft blind und taub und dennoch fonft
Beſitz feiner geiftigen Kräfte war, aber einen Stellvertreter im !
triarchen Johannes fich erbeten hatte: Noch Immer fchwebte
Geheimniß um die Bibliothek des Kloſters, von ber m
große Erwartungen hegte, deren Catalog zu erhalten das ruffli
Gouvernement felbft alle möglichen Sihritte gethan, ohne zum 3
gelangt zu fein, unftreitig weil es ven Mönchen nicht an mißtre
fen Vorurtheilen, wol aber felbft an wiſſenſchaftlicher Kennt
fehlte, einen folchen audzuarbeiten. Ein neuer Bibliothefäbau 1
indeß im Hof des Patriarchen mit einer Colonnabe im europälfd
Style begonnen. Eine halbe Stunde vom Kloſter, im S. O. fül
ein Weg über ven Kirchhof vol langer Grabfleine und 2 big
Fuß hoher Sarkophage, mit Infchriften auf den langen Seiten, zn
fen denen ‚bald auch das Grabmonument I. Macd. Kinneir
von europälfcher Künſtlerhand ftehen wird, ver in Tauris farb ı
' Erb. IX. ©, 880), aber bier beigefegt fein wollte, zur Kirt
Sancta Baiane, %) die aus Tirivats Zeit flammen fol. €
it gewiß manches Jahrhundert jünger, aber fehr einfach, mit t
leeren Gruft der Heiligen, ohne alle Merkwürdigkeit. In dem Pe
ticus der Kirche, zu der ein Mönch als Pricfter gehört, werden!
Patriarchen beigefegt. Die dritte Kirche, der Sancta Hripfin
und ihrer 32 Gefährtinnen, liegt nur zehn Minuten im NO. d
Klofters ; fie ift viel größer als jene, im Kreuz gebaut, mit ein
Kuppel in der Mitte, ein fehr allgemeiner Typus bei den Arm
niern. Auch fie folte aus Tirivats Zeit fein, und wenn dies,
ſchien fte einer ver erſten, rohe ſten Verfuche ver Kreuzform u
ver Kuppel in der Mitte zu ſein. Das Gewölbe ift noch gedrüt
die Außenfeite bemerfenswerth durch große Nifchen, die an anke
Kirchen, wie 3. B. in Kutais, eine fo vollendete Ausbildung erx
ten haben. Agathangelus, der Vater der armenifchen Gefchid
fihreiber, erzählt, daß unter Kalfer Conflantinus beim Kirchenb
81 Kuppeln eingeftürzt felen, bevor man, dad richtige Befeh t
Gonftruction der Strebepfeller gefunden habe, welche die Kuppel
tragen haben. Bon den Weliquien, die Tirivat in daß Grab t
Santa Hripfime einlegte, ift feine Spur mehr übrig (anderwär!
22) Dubois Voy. Ill. p. 370.
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Euphratſyſt.; Etſhmiadzin, gegenmwärtiger Zuſtand. 533
am Varak Dag beim Pan» See, wird der Ort des Martyribums
verehrt, f. Erdt. X. S. 975). Dubois fand’ das Klofter zur Zeit
des Karnevald, mie Tavernier, fehr belebt; der Klofterhof imo
bie Umgebungen waren voll Gruppen Erwachſener und Kinder:
zumal war die Plattform an ver Oſtſeite der Kirche, die niit gro»
den Lavaplatten belegt und mit Kreuzen und. Urabedfen in
Erulpturen verziert iſt, der Liehlingöfpielplag ‚zahlreicher Gruppen
von Fröhlichen. Diefe fehöne Tüfelung, überall mit dem Nanıen
ver Geber verſehen, ift ein Denkmal antiker Pietät derer, die dem
Kofler ihre Verehrung und Dankbarkeit bejeugten. Der flellvertrc-
imde Patriarch Johannes entließ beim Abfchien ven Fremdling mit
Km Segen, den er ihm auch mit Gold- und Sühber- Lettern auf
Bayer gedruckt für ihn und feine ganze Bamille mitgab. Der
Ejbiſchof Simon, ber der gefällige Begleiter Dubois gewefen,
— beim Abſchiede in feinem Buche fchriftlich aufgezeichnet zu
— jüngften ber wiſſenſchaflüichen Pilger, E. Boré, Ende
1838, zu jenen armeniſchen Sanctuarien ſchien es endlich gelungen:
den Schleier von der vielbefprochenen Klofterbibliothet am Fuße des
Ararat zu Tüften, wenigſtens ven erften Blick zu ihrem Inhalt zu
öffnen. Als einem von ver Academie des Inscriptions zu Paris
anerkanaten Sprachgelehrten des Armenifchen, war ihm außer dem
Zuſtande ver katholiſchen Kirche im Orient audh ver von
ifm als dem beklagenswerthen Schisma angehörig angefchene Zus
Rand der armenifchen Kirche und ihrer Kiteratur ein Gaupt-
gegenſtand der Erforichung. Bon feinen Anfichten und Ergebniffen,
8 Ergänzung zu dem fchon durch den gelehrten St. Martin
Bekannten, und zu dem was aus dem Obigem hervorgeht, vorläufg
nr Folgendes, ehe mir in das Genauere eingehen. -
Bol Erwartungen wichtiger Titerarifcher Entdecknngen, von
nationalen Antipatbien geſtachelt, und voll enthuflaftifcyer Hoffnun⸗
gen für vie nady feiner Ueberzeugung allein ſeligmachende römifche
Kirche, und ihre nothwendig wieder zu gewinnende Oberberr-
{haft im Orient betrat E. Bor ée den armenifchen Boden, wo⸗
durch feine Mitthrilungen auf demſelben, wie hieraus allerdings fich
von ſelbſt ergibt, eine eigenthümliche Fürbung erhlelten, welche dem
wahren Lichte oft einen falfchen Schein gibt, und Die Gegenſtände
auch wol ganz entflellt hat.
Don der Wallfahrt zum Grabe Gregorius Illuminators bei
Arzingan, deren glüdliche Vollbringung durch die Mitte der Kur«
534 Weſt⸗Aſien. II. Abtheilung. I.Abfchnitt. $. 36.
denräuber er allein ver Yürbitte dieſes Heiligen, ®) an ben er
ſich gewenvet hatte, zufchreibt, Fam er nach Etſhmiadzin, Das nad
ihm das einzige armenifche Klofter fein fol, welches nicht eine
bloße Meleret fei, ſondern noch ven Schatten von einem katholi⸗
ſchen Klofter Habe. Daher beklagt er es, daß jene armentfchen
Mönde in ihren Zellen zu Etſhmiadzin fich feiner abfoluten
Einſamkeit Hingäben, und kein Veto des Sprechens hätten. Diefe
Wunder der Pönitenz, zuft er aus, find allein eine
Brärogative des Katholicismus. 9)
| Dennoch gibt er zu, daß mit der räumlichen Entfernung
ver fathollichen Gemeinden von dem Mittelpuncte ihre Lebens⸗
princips (la papaute qui est le principe vital et regulateur
du catholicisme), nämlich vom Pabſte, alfo von Rom, als dem
gemeinfamen Gentrum, ebenfalls auch deren Verfall immer mehr
zunehme; daß aber doch vie große Wohlthat des Coeli⸗
bats 9%) noch bei der Geifklichkeit der mit ver zömifchen Kirche
unirten Armenier im Orient ſich fichtbar erweife, ba hingegen bie
Verheirathung der Geiſtlichen ver fchismatifchen oder nicht papiſti⸗
fhen zu ihrem immer tieferen Verſinken führen müſſe. Denn nur
ihre Vartabeds (Dortoren) und. Mönche leben im Goelibate. Die
Erhebung der fo tief geſunknen und als untergeornete Schavinnen
behandelten Frauen im Orient erwartet er vorzüglich vom Mas
riencultus, 9%) der feinen mwohlthätigen Einfluß hei ven katholi⸗
ſchen Armeniern auf ihr haäusliches Verhältniß verbreite, während
die ſchismatiſchen Armenier, die keine Maponnenanbetung wie
Beinen Bilderdienſt haben, dadurch weit Hinter jenen zurückſtehen
follen. Diefe und andre wörtliche Ausfagen, wie feine Beurtheilung
evangeliſcher Miffionen am Beifpiele des frommen H. Martyn
(Erdk. VII. ©. 855, IX. ©. 876), deſſen Grabflätte er in Tokat
bejucht, 97) deſſen eignes demüthiges Befenntuiß von dem geringen
Erfolg wahrhaft durch ihn Bekehrter im Orient, Bord, trium
phirend durch die Millionen ver einftigen latholiſchen Ntamenchriften
in China, Japan und beiden Amerikas, durch einen Franc. Zaverius
und Andere, mit. der Thräne des Zelöten Im Auge, über vie Jäm⸗
merlichkeit folder Wirkung des Proteflantismus und Rationa-
mus, wie er es nennt, bei Armeniern und Neftorlanern (Erik.
22) Eug. Bor& Corresp. T. II. p. 6, 27, 33. °*) ebend. S. Al.
®5) Eag, Bor&l. q. T. 1. p. 375, 377. °*) chend. ©. 386.
&T) chend. S. 337.
Euphratſvſtem; Etſhmiadzin, Kloſterbibliothek. 535
IX.:©. 925, 943, 962 - 972, 1028) unwürdig ‚belächelt, verbunden
mit grober Unwiſſenheit auf dem Saatfelvde evangelticher Miſſionen, 9)
geben und den Maaßſtab, in mie weit wir ven Ruchrichten des
enthufiafifchen, aber geifreichen und im Armenifchen wohl bewan-
derten Sendlings der Akademie überhaupt nur zu folgen haben.
Gr kam aus ver. Duaranjaine von Gümri nad) längerm Aufs
enthalte zu Ani, am Günfuße des Alaghez (d. i. Arakadz, daher das
Rand Arakadzoden), zu den geringen Ueberreſten ver Eleinen
Stadt Barpi, ”) wo einft berühmte Klöfter Tagen, wie Saghmos,
St. Augelus, St. Johan, Tegherav und andere, in biefem fo klo⸗
ſter reichen Theile Armeniend, von denen nad ihm gegenwärtig
nur noch ein einziges, Mougni mit Namen, übrig, in welchem ver
fiebenzigiäßrige Patriarch Johannes, von Etſhmiadzin, feinen Som⸗
meraufenthalt zu nehmen pflegte. Gr hatte dieſen Gig im Gpät-
herbſt chen eine Woche zuvor vertaufcht mit einem andern Wohn-
ige in dem Dorfe Aſhetarag, das nur eine Stunde fern fehr lieblich
pwiſchen Obſthainen gelegen war, wo C. Bore von ihm die bis
dahin unerhörte Erlaubniß erhielt, die Klofierbibliothel zu Et⸗
(Gmiapzin. näher erforſchen zu dürfen. Die imponisende Empfehlung
dner Pariſer Akademie, als. erſtes europäliches wiflenfchaftliches
Xribunal für dad Ausland, hatte hiezu wol das meifle beigetragen,
fo wie ver foͤrdernde Unterricht feines Führers
: Ma ver Audienz zu Etſhmiadzin, bei welcher vom Franzoſen
bes SBatriarchen vergoldeter Thronfefjel nur darum als merfwürbig
heachtet wurde, weil er „mit dem fchwarzen kaiſerlichen Adler befchattet
„war, der ominds feine Fittige noch über dem. Oberhaupte der
rmeniſchen Schiämatifer außbreitete,” wurde ey fogleich durch den
Bartaben, Pater Johann, ven einzigen Gelehrten des Klo»
ers, in die Bibliothek eingeführt, neben ver auch cirie verfallne
Druderei mit ſchlechten Typen zu bemerken war. Dieſer Vartabed
wird gerühmt, weil er dieſe Druckerei in neues Leben zu rufen ge
dachte, und als ver einzige literariſch Gebildete beiguter Kennt-
niß wer Sefchichte, ver armenifchen Patriarchen und der einheimijchen
Archive, eine Eritifche Bearbeitung der Geſchichte von Et⸗
fhmiadzin herauszugeben gebenke, was allerdings ungemein er»
wünfcht fein würde. Wirklich maren aber damals ſchon, wie der
Erfolg Ichrie, auf Veranlaffung der ruſſiſchen Regierung die Vor⸗
| }
®e) Kug. Boré I. p. 344. »®).ebend. II. p. 39.
536 Wefl-Afien, III. Abtheilung. I. Abfchnitt. 9.36.
bereitungen zu einer Catalogiſirung ber. Bibliothek angefangen, '00)
wovon jedoch Vorẽ nichts fagt.
Welche Erwartungen konnte eine feit ven hiſtoriſchen Zeiten
Gregors begründete Sammlung literartfcher Sthäge am Buße des
Ararat erregen, da, nach armenifchen Annalen, von Babylon birert
die ältefte Eultur hier herauf flieg, fehon zu Ninus und Semiramis
Zeiten mit bactrifch-mebifchen Schriftdenkmalen, die den FJelswänden
des fo benachbarten Van unveräußerlich eingegraben wurden; ba
bis hierher der diserte Einfluß ver Meder, Perſer, und wenn auch
nicht der Maeedonier, doch ver Syrer, Römer, Byzantiner ſtatt
fand, und bier dem ver Araber, Beorgier und Mongollſcher Herr⸗
fcher in den glaͤnzendſten Perioden ihrer Iiterärifchen Thaͤtigkelt be
gegnete, in deren Mitte das Heiligthum anf Ararat fi zu erhalten
“wußte, und alſs, vorandgefegt bei eimer foridauernden Pflege ber
Wiffenfchaften, in diefem Aſyl ver chriſtlichen Lehre, mitt im Ges
tünımel der Völker des Orients, fich die Annalen ber ganzen
Weltgefchichte leicht Hätten wie an feinem andern aufſammeln
können. Gier Hätte der Enthuflaft denken Lönnen von Schläffel
zur Keilfehrift, zur Lehre Zoroaſters, zu den vorberafintifchen antiken
Sprachen und Schreibweifen zu finven, Hier die Reſte ver Bibliothek
die einft zu Ninive und Eveffa von Mar Ibas von Gatima (yon
vor Chriſti Zeiten benugt wurde (Mos. Khor. I. 7. fol. 21), Hier
die Annalen ver ſyriſchen und neſtorianiſchen Kine, der Rrrugglge
im Mittelalter u. f. w.
Die älteſten Beberrfcher Armeniens, wie die Arfaciben, —*—
ihre Annalen durch Fremdlinge, nämlich Griechen und Syrer,
auffchreiben; erſt mit dem Chriſtenthum erwachte mit der einheimi⸗
ſchen Schrift die ein heimifche Literatur, vie ſich durch die Ber
bindung mit dem Abendlande bereicherte. Seit ver Trennung aber.
der armenifchen von ber abenplänbifchen Kirche, ſeit dem Kirchen⸗
concil zu Chaleedon (im Jahr 451), wurden mit dem Schiema
allerdings Ihre volffenfchaftlichen Beziehungen zu dem Abendlande
geringer und hoͤrten bei ihrer fortichreitennen religtöfen map politi⸗
fchen Ifolirung, bei der dauernden Umflürmung von Muhamevanern
‚endlich ganz auf. Dagegen erwachte im Innern eine eigne theolo-
gifche und eine fehr reiche Ueberfegungsliteratur, wie fie fein
andres bekanntes Volk gleichzeitig aufzuweiſen im Stande iſt.
2050) Brosset, Catalogue de la bibliothèque d’Edchniiadzin. 8.
St. Petersbourg 1840.
Euphrarfoftein; Etſhmiadzin, Kloſterbibiiothel. 537
Jedoch fehr frühzeitig And es auch literariſche Zerfiörungen
welche leider Hiefige Sammlungen trafen,‘ wie. denn, nad) Moſ. Khor.
(Hist. Arm. I. c. 13. fol. 40), fon Ninus felbft In feiner ſtolzen
Aufgeblafenbeit damit angefangen haben fell, alle Bücher und
Schriften. ver alten Zeit vor ihm verbrennen zu laffen, damit feine
eignen Thaten deſto glänzenver Hervorftrahlten. |
- Dann trat ein Apoſtat, ein zum Magier gewordner Berfolger des
Chriſtenthums, Mahruchan over Mehrujan (mach Faustus Byz.
ed. Venet. 1832, fol. 140) auf, und bewirkte im Jahr 381 nach
Chriſti Beburt einen Befehl von den fafjantvifchen Beinden, von '
Sapor U., alle Bücher und Handſchriften des armeniſchen Landes
dem Vrande zu uͤberliefern, ) eine Verheerung, vie Im Jahr 439 durch
Jesdedjerd II. wiederholt wurde.
Bei der Zerflörung von Ant, ver Capitale Armeniens, durch
Alp Arslan im Jahr 1064 (f. oben S. 441) gingen vollends alle
Iiterartichen. Hauptſchaͤze der Kirchen, Klöfter und⸗ Bibliotheken des
Laube: ganz unter, und nur Weniges konnte damals aus biefey
allgemeinen Verwüſtung in ven Kellern una GBrüften ver Kirchen
und Klöfter gerettet werben, wo 08: wol eben fo großem Verderben
durch die Beuchtigfeit, vie Unwiſſenheit und Gleichgültigkelt ver fol⸗
genven Jahrhunderte, wie durch vie Zeit ſelbſt ausgeſetzt gemefen
war. Dennod, Hätte bei einer Nachlefe in dem feit Jahrhunderten
von biefee Seite gefchüßten Hauptfige ver armienifchen Patriarchen
ein nicht unbedeutender literariſchet Schag erwartet werben Fünnen,
dem das Geheimnißvolle feiner Bewahrung nur einen um fo gro⸗
fern Werth zu liefern ſchien, zumal da eine unter ähnlichen Lims.
fländen zu Ardebil erhaltne Manuferipten- Sammlung ver ori⸗
entalifchen Literatur eine fo reiche Ausbeute dargeboten hatte (ieh:
Erof. IX. ©. 794).
Wirklich jchien ver Fund der Zahl nach wol nicht fo groß, man .
meinte früher an 30,000 Dlanufrripte, und es zeigten ſich nad
Eug. Bore nur etma 5 bis 6000, doc) war er nicht unbebeutend;
auch verbreitete fi ihre Gehalt nicht über ein jo weites Feld des
hoͤhern Alterthums allgemeiner Völkergefchichten und ihrer Eulturen,
aber doch zeigte fich, meint Bore, ihr Inhalt nicht unwichtig für
die einheimifche armenifche Literatur, und dadurch für den
ganzen zugehörigen Eulturfreis, mit weldyem einft die arme⸗
ı) St. Martin Hist. des rövolutions de l’Armenie in Nouv. journ,
Asiat. Paris 1830. T. V. p. 344.
538 Weſt-Afien. I. Abtheilung. 1. Abfepnitt. $. 36.
nifche Civilifation in Berkehr geſtanden und bis heute noch
fortbeſteht. Aber erſt durch M. Broffet,?) den Academiker, ha⸗
ben wir kürzlich den gedruckten Catalog der Bibliothek in
Etſhmiadzin wirklich mitgetheilt erhalten, der. jenen ſanguiniſchen
Hoffnungen keineswegs entſpricht, aber doch ein wichtiges Meſchenk
zur genaueren Runde der armeniſchen Hiſtorlen iſt. Die wahre Be⸗
dentung dieſes Fundes kann jedoch erſt aus einem allgemeinen lie
berblick der armeniſchen Literatur und der Verbreitung
der Armenter aus ihrer Heimath durch einen weiten Erdkreis
ver alten Welt, fo wie aus dem Einfluß der Rückwirkung von
biefer durch Golonifationen auf die Berhältniffe: ner armenifchen
Populationen aufgefaßt werben, werauf wir in dem * folgen.
ben hinweiſen.
2) Fortſchritt der Runde des armenifdhen Landes und
Volks durch die Wiedererweckung der altsarmenifgen
Literatur und dur bad wieder erwachte Stubium ber
armeniſchen Spraße felt dem Anfange des sum |
| JZahr tzunderte.
Die erſt ſelt Kurzem wieber erweckte Kunde bes armenifchen
Landes und Volkes ſteht in fo genauer Beziehung mit ber Ge⸗
ſchichte und Literatur der Urmenter, die und erſt ſeit ein
paar Jahrzehenden durch die Sprachforſchung und ven Drud
armenifcher Quellenſchriftſteller zugänglicher geworben, daß es hler
nothwendig wird, um zu gründlicher Betrachtung jener zu gelan—
gen, wenigftens auf die Ichrreichen Refultate fchon gewonnener oder
angebahnter Borfchungen hinzuweiſen, durch welche audy der Geo=
graphie und Ethnographie ein fehr reicher Schaf vieler That⸗
fachen zugeführt wurve, über ven fie bis dahin völlig im Dunfek
geblieben war. Erſt aus dem großen Zufammenhange mit der Welt-
gefchichte, durch ale Sahrtaufenve, geht auch dad Eigenthümliche
der geographiſchen Weltfiellung von Land und Volk,
von dem man früher faum eine Ahnung gehabt hatte, hervor.
Die europälfche Kenntniß der armenifhen Sprache uno
Literatur ift noch jehr jung. 3) Der grope Orientallft und Li—
terat Eichhorn kennt in feiner Xiterairgefchichte, bie zu Gottingen
ip) Brosset, Académicien extraordinaire, Catalogue de la biblio-
theque d’Edchmiadzin. St. Petersb. 1840. 8. °) J.St. Martin,
Mém. sur (Arm. T.1. Avant-propos p.1—16; G. F. Reumans,
Euphratſyſtem; armenifche Studien, Literatur. 539
1812 erſchien, ) nur die armentfchen Bibelüberfeger und Moſes
Kor. als die einzigen bemerkenswerthen Autoren. Es wird daher
wol an der Stelle fein, hier, wenn auch nur im Umriß, auf ihre
größere Bedeutung hinzuweiſen. Nach dem Wiederaufleben ver
Wiſſenſchaften im 16ten Jahrhundert in Curopa war der Blick ver
Gelehrten zunächſt auch auf das Gebrätfche, Chaldäiſche, Syriſche
gerichtet, 5) dad Armeniſche blieb aber noch lange unbeachtet.
Später erſt erfuhr man das Daſein einer armenifchen Bibelüber⸗
fegung, mit manchen Apokryphen und Zuſätzen zum neuen Teſta⸗
mente, die in den kanoniſchen Schriften fehlten und auf Tegertfche
Anſichten ver Kirche 9) fich bezogen. Died und einige. gedruckte
Schriften der Armenier, welche in einzelnen ihrer durch Eus
sopa und Aften verbreiteten Golonier erfchlenen, wie zu Diulfa
bei Ispahan, zu Madras in Indien, zu Conſtantinopel, Am-
ſterdam, Marfeille, Benevig, in Parts unter vem Schutze
bes Gardinal Richelieu, in der Propagande zu Nom, und zu Leip⸗
zig in ber Druderei eined Breslauer Magiſters, Andreas Acoluth,
mit armenifchen Typen, erzegten: zuerft vie Aufmerkſamkeit auf dieſe
Sprache. 3.3. Schröder (er ſtirbt 1756) gab Im Deutfchlann ven
Thesaurus linguae Armeniaeae, b. I. bie erſte armenifche Gram⸗
matif, heraus; das armeniſch⸗ lateiniſche Lericon, an welchem ver zu
feiner Zeit bemunderte Linguift La Croze (Bibliothefar und Pro⸗
feſſor in Berlin, flirbt im I. 1739) gearbeitet, erſchien nicht, aber
er war es, der vorzüglich die Gebrüder Whifton In England zur
Seraußgabe ver Historia Armeniaca 7) des Mofes von Khorene
armenifhe Sprache und Literatur, Rec. in Hermes Jahrb. ber Li⸗
teratur. Leipʒ. 1829. XXXIII. &.177—204 ; vergl. deflelben Verſuch
einer Befchichte der armeniichen Literatur, nach den Werfen der Me⸗
hitariften frei bearbeitet, Leipzig 1836, 8.; zumal nad: Quadro
della storia letteraria di Armenia estesa da Mons. Placido Su-
kias Somal, arcivescovo di Siunia ed abbate generale della
congregazione dei monaci Armeni Mechitaristi di St. Lazare,
Venezia 1829. 8. nnd Quadro delle opere di vari autori anti-
camente tradotte in Armeno. Venezia 1825. B.; f. auch Brosset,
> Datalogue de la bibliothöque d’Edchmiadzin. st. Petersbourg
8.
1840.
*) 3.8. Eichhorn, Serärgeiöhiite. @öttingen 1812. 8. I. ©.268.
°) Neumann, Verſuch a.a.D. ©.240. °) Appendix lit. Armen.
quae continet duas 44* etc. in Mos. Khoren. Hist. Arm.
ed. Whiston, p.371—384; |. Chalan de Cirbied et F. Martin,
Recherches curieuses eto., chap. XXI. p. 271—288; Neumann,
Berfud einer Geſchichte der armenifchen eh. Leipz. 1838. S. 38
7) Mosis Khorenensis Historiae Armeniacae Libri IL, * Guil.
et Georg. Whiston. Londini 1736. 4.
t
540 Weft:Afien. II. Abtheilung. I. Abfchnitt. 5.36.
in der Urfprache unterftüßte, weldde nun mit wem Beginn des dahr⸗
hunderts nebfl dem Appendix, dem unter dem Namen Mosis Kho:
renensis Geographia: (von p. 335 — 368) bekannten Compendium,
für lange Zeit die Grundlage und Hauptyuelle für bie alle
gemeinere hiſtoriſche Kenntniß Armenien blieb. Indeß bereicherte
ih Frankreich zu gleicher Seit durch feine ortentalifchen gelchrten
Reiſenden (Sevin, Fourmont) auf dem Büchermarkt, zumal in Con⸗
flantinopel, mit armenifchen Manufcripten, und fo wurde Paris
ver Haupifig der armenifchen Sprachkenntniß, zumal ſeitdem dort
Cirbied (1811) 8) armeniſche Vorlefungen begann, und I. St.
"Martin fi mit befonderm Eifer um dag Studium der armeni«
ſchen Sprache, Literatur, Geſchichte und Geographie °) große Ver⸗
bienfte erwarb: Doc konnte eben viefer letztere Gelehrte noch im
Jahr 1818 faft mit vollem Nechte 19) jagen: noch iſt die armenifche
Sprache in Europa unbekannt geblieben; keine Lexica, keine Gram⸗
matik, kein Intereſſe beftcht für ihre Literatur; ihre Unterjochung
unter die Türken führte Ihren eignen DBerfall, wie ven noch größern
Berfall ihrer Literatur herbei. Uber man .vermechfelte dieſen fpätern
Zuſtand mit ven frühern, man verband mit Armeniern nur den Be⸗
griff von Hanbeldleuten im Sinn von Schacherjuden. Man kannte
ihre gelehrte Sprache sicht, und ſah das Vulgair-armeniſch,
dad neuere Gemiſch mit türkifchen, perſiſchen, arabifchen Zufägen, für
die armenifche Spradhe an, und die europäifchen Gelehrten faßten
nur die Meinungen ver Eatholifihen Miffionare. und vie theologi⸗
fchen Zänkereien der Armenier ald den mefentlichen Beſtandtheil if
rer Literatur auf.
Aber mehr ald alle jene Vorarbeiter, fagt Neumann, wirkte
der Armenier Mechitar, geboren zu Sebaſte (Simas) Im 3.1676,
von 2 Nonnen erzogen, der in Armenien und auch zu Eiſhmiadzin
ſtudirt Hatte, durdy feine Stiftung der armenifchen Congre—
gation auf St. Lazaro. Nachdem er ſich Iange mit dem Ges
danken verjelben beſchaͤftigt Hatte, 44) eröffnete es im 3. 1700 an
°) J.M. Chahan de Cirbied et F. Martin, Recherches curieuses
sur l’'histoire ancienne de l’Asie, puisde des mscr. orientaux de
la bibl. imperiale. Paris 1806. 8., und beffelben Mscr. Arm. de
Vhistoire p. Matthieu Eretz in -Notic. et extr. des mser. Ju
Roy. 1813. T. IX. p, 280 etc. und Mém. sur le gouvernement
et ia religion des anciens Arm@niens in M&m. de 1a société des
antiquaires de France. Paris 1820. T. Il. pag.262—311.
2) J. St. Martin, Mem. historig. et geogr. sur l’Arınönie, Paris
3818. 8. Voll. I. **) St. Martinsibid. I. p.17. 21) Neu
mann, Verſuch g- 9 O. S. 262.
Euphratſyſtem; armenifche Literatur, Mechitariften. 541
neun feiner Schüler feinen Plan, einen Orden zu fliften, deſſen
Zweck fein follte, die armenifche Nation durch Religion und Wiſ⸗
ſenſchaft (wie ver Araber Riſaa zu Basra, f. oben ©. 178) ber
groben Unwiffenheit und politifchen Sclaverei, unter der fie feufzte,
zu entreißen. Bald darauf traten alle Theilhaber an ver Kirche des
armenifchen' Apofteld St. Gregorins Illuminator zu Conftantinopel
zufammen und conflitwirten ſich als den Orden. Mechitar, von
großer Thätigkeit, eniwarf die Statuten, darin ein glücklicher Verein
von religidfen und wifienfchaftlihen Vorſchriſten, ver Orbensregel
der St. Benebictiner, welche fich ebenfalls fo große Verdienſte um
Die Wiffenfchaft erwarben, am verwandteften. Schon im I. 1712
beftätigte Pabft Clemens XI. die -Eongregation 12) der Me
&hitariften nach dieſer den Benedictinern nachgeahmten Orbensre-
gel. Mechitar arbeitete vie Lehrbücher aus, die zum Unterricht in
Religion und Wifjenfchaft nothig waren, und ſchickte Miſſionen in
die verfchiedenm Provinzen Armenlens aus. Dieſer Eifer der ka⸗
tholifch unirten mit der abenvländifchen Kirche verbundenen Armes
nier mißflel dem Patriarchen ver nicht-unirten fogenannten ſchis⸗
matifchen Armenier, der zu Etſhmiadzin feinen Sig hat. Durch ſei⸗
nen Einfluß ‚Hei ver ottomanifchen Pforte, welche immer den katho⸗
lifcheunirten Armeniern abhold war, wußte er es dahin zu bringen,
daß die Ordensgeſellſchaft das türkiſche Reich verlaffen mußte, und
gendthigt war, Frankreich und Venedig um Schutz und Aufnahme
zu bitten. Die Benetianer, durch Handelsverkehr felt langen Zeiten
mit Armeniern In Verbindung, nahmen fle freundlich auf, unter
Küsten fie, erbauten ihnen zu Modon in Morea, ihrer vamaligen -
Befigung, ein Kloſter. Als fie aber im Jahr 1715 und 1716 ale
ihre Beilgungen in Griechenland an vie Türken verloren, zogen die
Mechitariſten mit ihnen nach Venedig, und erhielten von ber
Republit die früher zu einem Kranfenhofpital verwendete Infel
San 2azaro 13) zum Gefchenke, im Jahre 1717. Hier blühte
ihre Hauptanſtalt auf. Mechitar, Vartabed, d.t. Doctor (ſtirbt
74 Jahr alt im 3. 1749), heißt als Stifter bei dem Mechitari⸗
fen der Abbas Vater, deſſen Stiftung in Kirche, Klofter;
Druderei u f. w. felivem die gelehrte Schule für die Wien
dererweckung des Stupiums der armenifhen Sprache
ierigtung des Gelegtmns und den Werdienfe ———
6 erdienſten ariſten
ſ. ra, V u a. a. ——* &.278—308.
544 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfhnitt. $.36.
Chaſar Barbezi, ein fpäterer Geſchichtſchreiber im 5. Jahrhun⸗
dert, nennt Agathangelus ven mahrhaften Mann von tiefer
Wiſſenſchaft, Gelehrſamkeit, Wahrhaftigkeit in ver Hiftorifchen Er⸗
zäblung, dem niemald in ber Darfiellung ber paſſende Ausdruck
jehlte.
Agathangelus war ein Schüler ver Rethoren, vol Worte
und Fünftlicher Reden, wie andre feiner Zeitgenofien. Wahrfcheinlich
ſchrieb er feine Annalen in griechiſcher Sprache, obwol fein
Wert in der armenifchen Sprache auch für original gilt, gewiß
wol ſchrieb er es noch nicht mit armenifchen Buchflaben, denn
diefe waren zu feiner Zeit noch nicht gebildet; oder wie der Varta⸗
ben Bartan in feiner Vita Scti Mesrop 17) fih auserüdt:
St. Mesrop Habe feine göttlichen Eingebungen über vie Form ver
armenifchen Buchflaben, wesen Alphabet er erfand, damals noch
nicht bekannt gemacht gehabt. Damals ſchrieb man in Armenien
mit den Schriftzeichen ver alten Perſer (mad die gefundnen Keil⸗
inſchriften auf den Felswänden von Ban Ser bi Moſh und Ma=
Iatiga beweiſen, f. ob. 303, 318, und Erdk. IX. ©. 989), oder mit
den Schriftzügen der Syrer, da Eoefia die nächfle Schule ver
Armenier war; oder der Griechen, wie Agaibangelus, wovon die
alten griechifchen Srabinfchriften in Etſhmiadzin ein früheſtes Zeug⸗
niß geben. Doch auch laͤngere Zeit nah ber Eompofition des am
meniſchen Alpbabetd, die etwa um das Jahr 406 n. Chr. G. fällt,
brauchte man jene fremben Schriften uoch immer in den Öffentlichen
Verhandlungen, zumal in Dörfeen, Flecken und auf dem Lanze,
wohin die neue Erfindung nicht fo ſchnell vorbringen konnte.
Ein Schüler St. Iſaacs und St. Mesrobs, Borioun, mit
dem Beinamen Admirabilis bei den Armenien, den man wegen
- feines lieblichen Styls den Xenophon ver Armenier genannt Kat,
fchrieb eine armenifche Geſchichte, die bis jegt nur im Mannfeript
auf der Parifer Bibliothek fi befinde Gr erzählt darin, Def
Mesrop, ebenfalls Fäniglicher Beheimfchreiber, ver Sohn Bartans,
in Haiegaz (Bazegaz oder Hazig), einem kleinen Flecken in wem
Diſtrier Daron, der zu beiden Uferfelten am. oben Muradfiuffe
(in der armenifchen Provinz Duruperan) lag, geboren und Kiez in
ber griechiſchen Sprache gut unterrichtet geweſen ‚fe. Hazig, ge
genwärtig Ehafig, 18) beſteht noch heute, nad) Indſhidſhean (Alt
17) Menmanı a. a. D. ©. 8, 18) Neumann Verſuch a. a. D.
S. 9. Rot. 2. 4
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-.—- wen —
Euphratſyſtem; armeniſche Schrfterfindung. 345
armenten 104, Neuarmenien 191), als. geringer Ort, gehört zu
Muſh und bat in feiner Kirche dad SrabmalMesrons, das ſelbſt
von Kurden fo Heilig gehalten wird, daß fle bei ihm zu fchwören
pflegen. Diefem Mes rop gelang ed, für die an Kehl» und Zifch«
lauten fo reiche Sprache eines Bergvolkes erft nad) nielen Anſtren⸗
gungen das neue armenifche Alphabet zu fdhaffen (Moses
Khor. III. c. 52. fol. 296 sqgq.), das bis auf die Gegenwart ohne
beiondre Veränderung die Schrift der armenifchen Literatur geblichen
IR Während feiner vielen Reifen 19) hatte ver fromme Mann ger
häufig Gelegenheit, fowol die ſtudirende Jugend als das ganze are
meniſche Volk zu bemitleiven, denn vie Gebete und alle übrige zum
Gottesdienſt gehörige Schriften mare nicht allein mit ſyriſchen
Chararteren (denen ver PVerferfchrift wol fehr nahe verwandt)
geſchrieben, ſondern auch in fprifcher Sprache abgefaßt, wovon
De armenifchen Gemeinden nichts verftannen. Ude griedhiichen
Schriften waren den Armentern aber verbrannt, und das Erlernen
des Griechifchen durch Mahruſhan verboten, um fie von dem. Ber
khr mit den Griechen abzuſchneiden. Dies trieb Ihn zur Erfin«
dung des. Alphabets für die eigne Mutterſprache an (etwa um
%6 Jahr 406 n.Chr. Geb.) Den uriprünglich 36 Buchſtaben wur⸗
den fpäterhin zur Zeit ver Kreuzzüge nur noch 2 neue hinzuge⸗
fügt, fo daß fie in allem 38 Schriftzeichen hat. . Mehrere alte
perſiſche in Armenien befannte Zeichen wurden mit veränderter
Ferm und andern Werth zu Grunde gelegt, befonore Zeichen für
den Ausdruck der dem Armenifchen eigerithümlichen Laute mit ver Syl⸗
benfchrift, mit den Zahlzeichen nach dem. griechiichen Gebrauch hin⸗
jugefügt. Diefer Erfindung, fagt St Martin, verdanft man vie
Erhaltung der Sprache und Literatur der Armenier;
ohne fie würde dieſes Volk ſich höchſt wahrfcheinlich mit den Per⸗
fen und Eyrern vermifcht haben, und gänzlich. als ſelbſtſtaͤndige
Nation aus ver Weltgefchichte. verſchwunden fein, wie fo viele Völ⸗
fer veB alien Aſiens, denen folcher Vorzug fehlte, ſchon verſchwunden
find. Denn mit der Sprache und Literatur konnte fich auch erſt eine
feitfikännige, geiſtige Bildung für die Nation erwarten laſſen, und bie
asmenifche Kirche fich feſtſtellen; vie Religlon umd Bortitie
dieſes, obwol ſeit mehr als einem Jahrtauſend ſtets von außen her
unterworfen gebliebenen Volks hat fich dennoch dadurch bisauf
it
Fe
19) Menmann ebend. ©. »2.
546 WeftsAfien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36.
Die Gegenwart erhalten. Dieſelbe Wohlthat ergeigte Meſsrop audly
den nörblichen Nachbarn, dem chriftlichen Georgiern, denen er ein
eignes für Ihre Sprache paffended Alphabet gefchaffen, in dem fe
noch heutiges Tages fchreiben. ©) Auch den Albaniern (Ag-
hovans b. Mos. Khor. Il. 54. fol.:300. ed. Whist.) erfand «
ein gleiches Alphabet, das aber mie das Volt felbft bisher aus ber
Geſchichte verſchwunden zu fein ſchien. Bon viefem Alpabet aber
wii ®. Bore 2!) ein fehr antifed Manufeript In der Blollerhet
zu Etſhmiadzin wieder entdeckt haben.
Was von einheimiſcher Literatur vor dieſer Periode aiwa vor⸗
hauden geweſen, kann nur im uneigentlichen Sinne fo genannt
werben, benn was nach Obigem Ninus zerftört haben fol, Tonnten
nicht armenifche Dorumente fein, und der berühmteſte aller armeni⸗
ſchen Geſchichtſchreiber, Mofes, von Khorene gebürtig (aub
Khoren oder Khorni, einer Stadt nur 2 Stunden von Mufh, -
nahe dem Murad im Diftriet Daron, alfo des Mesrop Lanpömann),
und daher Moses Khorenasti genannt, 22) fonft auch mit dem
suhmvollen Titel Kerthogh, d. i. Grammatiker oder Poet, bes
zeichnet, beflagt um das Jahr 370 n. Chr. Geb. (er lebte 116 Jahr
lang, alfo wol bis in das 5. Jahrhundert hinein) vie Trägheit der
Armenier ald Geſchichtſchreiber. Er: felbft, ver unendlich thätige
Mann, fand bei feinem Volke nur Bolls- und Heldengefänge,
die er theils als ſolche, theils als Hiftorifche Monumente (Armenie-
rum carmina historica, Mos. Khor. Il. 45. fol. 160, wo er die
bes Olypius anführt, eines Priefters von Ani, als Sänger helliger
Zempel) benugt, und auch. einzelne Stellen verfelben wörtlich an
führt, die um. ſo willlommner And, da fonft feine Sammlnngen
perfelben übrig geblieben find (z. B. II. 47. fol. 163, 164; IL fol.
488).
Eine jene armeniſche Vorzeit betreffende Stelle bei Mofes Kher
(dl. o. 21. fol. 74), welche von den Herausgebern, Gebrüder WWhi⸗
Kon, falſch verkaumen war, hat Neumann berichtigt fo wieder ge
geben: 2°) „Winige,. heißt es bei Moſes, mögen fagen, baf ta
„biefen biößerigen. Zeiten. der Armenier (vor ibm). wenig Wiſſen⸗
aſchaften noch Butfaben vr, bagıgm aber viele Kriege im
30) Neumann Berl. & " E. Bor6 Corresp. 'ete. T. IE.
p. 49. etc. * Pig "Martin Mr 8.18; Neumann Me&m.
—— de Dar, a. X esftnann btec. in Germes
Jahrb. a. a. O. © 1
|
!
|
Euphratfoftem; armeniſche Schrift und Kieder. 547
„Lande waren; doch haben dieſe ficher nicht die richtige AUnflcht:
„denn es gab Intervallen zwifchen ven Kriegen; es gab perfifche
„und gricchiſche Buchflaben, von welchen wir gegenwärtig, von
„Sieden wie vom Lande und einzelnen Weilern, ſowol über alle
„gewöhnlichen Gerichtöverhandlungen, als im befondern auch von
„Gontracten, unzählige Bände Melationen in Händen haben; vor»
„süglih aber von denjenigen Orten, an denen vie Herrfchaft in edler
nBreiheit fich behauptet hat.“ |
Eind der von ihm aufbewahrten wildspoetifchen Fragmente
hiſtoriſcher Lieder over epifcher Gefänge, die Geburt des Wahagn
Befingend, lautet alfo: „In Beburtöfcgmerzen lag der Himmel, tm
„Geburtsſchmerzen die Erde; In Geburtöfchmerzen lag das purpurne
„Reer und in Geburtöfchmerzen lag das roͤthliche Schilfrobr im
„Meere. Aus des Mohres Munde kam Rauch empor, aus des
„Rohres Munde kam Flamme empor, und aus der Flamme entftieg
„Aends der blonde Jüngling; Beuer hatte er in den Haaren und
„dlammen hatte er an dem Barte, und bie Augen und die Obren
„warm Sonnen.”
Solche Lieder nennt Mofes ſelbſt Fabeln, und fagt, er habe
dergleichen von alten Armeniern auswendig zur Gaflagnette (bei
Vhiſton ad cymbala) recitiren hören, nach verſchiednen Geſang⸗
weiſen (Mos. Khor. 1. 5, fol. 19; 23, fol. 62). Die mit ihrer
beimath fehr vertrauten Mechitariften in San Lazaro behaupten
fine Runde von Handſchriften vergleichen alter Heldenlieder Armes
niend zu haben, ja daß noch heute die Thaten ihrer Vorfahren durch
ſolche Befänge von den Einwohnern gewiſſer Gebirgsgegenden Ar»
meniend (ob etwa auch Feſte wie Zohaks⸗Todtenfeier am Demamend,
ſ. Erot. VII. S. 561) gefeiert werden. Da dieſe Ueberreſte der
äteflen Armenterzeit diefelben Helden und ſelbſt dtefelben
Thaten befingen‘, welche den größten Theil des perfifchen Hel⸗
denbuchs Im Firduſe, das Shahnameh, ausfüllen ?*) (nämlich
son Ruſtam, f. Erdk. WII. S.183, 289), fo hat man darin einen
wichtigen Beweis auf die älteſte Stammesverwandtfgaft
der armeniſchen mitder perfifchen Nation zu finden geglaubt.
Es iR nach Indſhidſhean dieſer Diſtrict Kolthen ones Kolthan
am Araxes ganz insbeſondere, in ver Provinz Baspuragan, alſo in
ver Nähe des heutigen Grivan, wo ſolche Befänge, bie Moſes mit⸗
20), Meumanı Berfucd einer Geſchichte ic. Cinl. l.
| "Mu?
548 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36,
theilt, gefungen wurben,25) in berjelben Gebirgseinſamkeit, wohin fd
Medrop in die Einflevelei zurüdzog, ald er mit der Erfindung fer
ned Alphabets umging, und eben hier die Anhänger der Zoroafler-
lehre zum Chriſtenthum befehrte.
Die frühere Behauptung Wahls, daß ven Armeniern Poeſie
gänzlich gefehlt habe, wird baher von Neumann?6) als irrig auf
dadurch widerlegt, daß dad armenifche Geſangbuch, Scharagnoz
genannt, die vortrefflichften Lieder voll Erhabenheit beflpe, daß dleſe
nicht durch die Quantität, nicht durch den Reim gebunden ſind, aber
dur ven Parallelisnus große Aehnlichken mit den Pſalmen haben.
Die mehrſten Lieder in vemfelben find Nachahmungen ver Palmen;
ed wirb dieſes Eanonifche Geſangbuch von der Nation außerordent⸗
lich geachtet, und zu den claffifchen Werken ihrer Literatur gerechmet;
auch gehören viele darin enthaltne Geſänge zu den älteften Denf-
malen der Nation, und einige derjelben merven fogar dem Mofe®
v. Khorene zugefchrieben, wie 3. B. ber berühmte Geſang vom kr-
ben Johannes des Täufers, ver fo beginnt:
„Blänzender Stern des Morgenroths!
„Vorleuchtend dem Sonnenaufgang der Gerechtigkeit,
„DBorläufer ver Menfchwerbung des göttlichen Sohnes.”
Solchen Einfluß konnte erft dad chriftliche Element auf die ar»
menifche Literatur gewinnen, er zeigte fi auch im Kirchengefange
der Armenier wie in ihrer heiligen Poeſie; währenn das pro»
fane Element fie mit ver Cultur der Griechen -verfchwiftert, thut
es dieſes religiöfe mit ven Iſsraeliten; doch fcheint auch die ara
biſche Poeſie feit dem 7. Jahrhundert auf die armenifche nid
ohne Einfluß geblieben zu fein. In ven maß» und reimlofen, ven
bebräifhen analogen, Sefängen (mie noch heute In ven türkifchen
der Mofcheen) nahm man nur Nüdficht auf die Mopulationen ve
Stimme und auf die verſchiedenen Töne der Muſik, die noch heut:
in den Kirchengefängen ber Armenter durch beflimmte Zeichen ange
deutet find. Daß die Araber die Vermittlung bildeten, dirch
welche die Armenier erfi deren Metra und Meime nachahmten, it
durch zwei berühmte Autoren, einen Juden und einen Ar menier,
tharfäcylich bekannt, Nämlich durch den Rabbi Jehudah Hal-
levv, der um das Jahr 1140 n. Ebr. Geb. bluͤht, in feinem be⸗
26) Meumann ebend. und im Mém. sur la vie de David ote.
p. 16. 20) Neumann Verſuch a. a. D. ©. 31.
®
Euphratſyſtem; armenifche Poeſie. 549
rühmten Liber Cosri (ed. J. Buxtorf Basil. 1660. fol. p. 133,
137, 407), und durch den parthiſchen Prinzen Gregor Magi-
ſtros, von der Arfaciven Raffe, Statthalter von Mefopotanıten unter
Gonftantin Monomachos, einen der größten armenifchen Gelchrten
in der Mitte des 11. Jahrhunderts (blüht um dad Jahr 1040 nach
Chr. Geb.), welcher felbft Militair, aber dabei Ueberſeger mehrer
gtiechiſcher Mathematiker ind Armenifche 27) war, und ein fehr ge=
wandter Dichter, der bie Geſchichte des alten und neuen Teſtaments
in 3 Tagen In ein Gedicht von 1000 Verfen brachte, das einen
arabiſchen Dichter Menuſhah, einen feiner Freunde, fo fehr anſprach
nach Form und Inhalt, daß diefer ſich taufen lief. Don ihm be=
finden fich Gedichte in der Bibliothek zu Etſhmiadzin. 23) Diefer fagt,
nah Neumanns Ueberſetzung aus deſſen Schriften, daß dad Me-
ttum und der Reim in den armenifchen Poeflen von ven Arabern
überfommen fel; er nennt Sahloum, Sohn Shahpu des Chal-
Gt, und Aharon, ven Sohn KRahans, als die erften, welche Verſe
nah Art der ISsmaelier (d. i. Araber bei ven Armeniern) ges
macht, darin, feßt ver Prinz, feine eigenen Landsleute lobend, hin⸗
zu, fi eben fo wie in der Nachahmung griechifcher Hiftoriker und
Kirchenväter Armenter vorzüglich audgezeichnet hätten. Dies war
jumal fpäterhin der Kal mit dem Patriarchen Nerfes Elatetfi,
di Klajenſer, nämlich von Romfla, d. i. Rumkalah, der Nömer-
file am Euphrat fo genannt, der an der Spige der Dichter im 12.
dahrhundert ſteht. Don dieſem Nerſes befindet fich eine Hiftorifche
Cegie über den Untergang der Stadt Edeſſa im Jahr 1144, zer⸗
Rört durch den Sultan von Aegypten, in der Bibliothek zu Et⸗
ſhmiadzin. 29) Iene Stelle des Gregor. Magiftros ift von Neumann
aus dem armenifchen Manufeript des I. ECzugazy aus den Schriften
des Magiſtros über die Grammatik überſetzt, welches fich auf ver
Knigl. Bibliothek zu Paris befindet. Nr. 127. ©. 84 ff. |
Erft mit des Geheimjchreibers Und ſpätern Sanctus Mesrop
Erſindung der armeniichen Schrift begann eine nationale arnıe»
nifche Literatur. Was von einer frühern dort ſchon einheimijch
gewordnen etwa vorhanden war, wovon einzelne merkwürdige
baktriſch⸗mediſche und babyloniſch⸗ſyriſche Fragmente und
37) J. St. Martin Men. sur l’Arm. I. p. 9. ?®) Brosset Catalo-
gue de la bibliothöque d’Edchmiadzin. Petersb. 1840. p. 75.
Nr. 118. not. 11; Reumann Berfuh a. a. DO. ©. 139.
22) Brosset Catalogue 1. c. p. YA. Nr. 227, Nermann Berfuc
a. a. O. S. 153
550 Weſt-Aſien. III. Abteilung. I Abſchnitt. $.:
Andeutungen fi bei dem Annaliſten Mofes Khor. erhalten hal
wurde durch die Einführung des Chriſtenthums, als eine Heid:
ſche von dem blinden Eifer der Neubekehrten ſelbſt, ſammt alı
wa® auch in der Urchitectur und der Plaſtik gefcheben |
mochte, zerflört. Daß dies letztere nicht unbebeutenb war, er
ſich aus ver häufigen Angabe von heidniſchen Tempelgebäut
und von Gdtterftatuen, welche feit des Altern Tigranes (\.
©, 113) Eroberung Mefopotamiens, Shriens und Paläſtinas,
den ganzen Bötterfchmarm der Römer und Griechen in Statuen ı
Zempeln nady Armenien verpflanzte (Mos. Khor. II. 13. fol. 1C
nah Mofes und anneren Gefchichtfchreibern vor der Einführung
Chriſtenthums duch ganz Armenien zerftreut waren, deshalb
nur an die oben fchon angeführten in dem Pantheon zu Arm
und zu Palaran, wie an den Thron des Tirivates und an ar
Prachtbauten des hohen Alterthums um und zu Artarata (N
Khor. Il. 46. fol, 161), wo Statuen der Heroen der Arſach
Idole von Sol und Luna, und im Pyräum ein heiliged Feuer
gezündet war (Mos, Khor. II. 74 fol. 195), audy an bie des 2
Kalefi zu Schemiram oder bei Ban erinnern.
Auch das wefllichere Hohe Armenien war mit Tempeları
tecturen und Idolen ver dort verehrten Bötter, ver Ana
und des Aramazt, gefüllt, wie die zu Arzen (f. oben 270)
dem benachbarten Ant (Tpäter Gamach) W) am Euphrat, melde let
im Jahre 302 mit allen zugehörigen literarifchen Monumenten
Königlichen Tempelasrchive, wo nach Art jener Zelt viele Schri
und Befchichtäwerke aufbewahrt waren, auf St. Gregors zu eifr
Befehl ſelbſt zerflört und alles den Flammen preiögegeben wu
Der Gebirgsgau der Stadt Arzen over Arzendjan (S. ob. ©.2
am Guphrat, bei ven Urmeniern Egegheats over Egeghets
genannt, und megen ver. vielen dort den Altern Bdtterd
Zandes errichteten Tempel berühmt, vie Acilisene hei Stri
und Ptolemäus (f. oben ©. 73), fcheint fogar nah Plin
Angabe ihren Namen Anaitis (f. oben ©. 81 und 82)
zahlreichen Heiligthümern, ver Anaitis ober Diana zu verban
der einheimifchen Jagdgöttin, welcher nach Strabo die ganze &
Schaft geweiht war. Vieles muß auch da zerflört fein,
Die Fürſten und Könige der Armenier find vom Anfang
39) St, Martin Mem. I. p. 73, 2) Ebend, ©. 44.
Euphratſyſtem; Armenier 3 rchitecturen. 551
Gräptegründer und bauluftige Architecten geweſen; vie Art ihres Als
teten Bauftyls kennen wir nicht. Aus ven ‚gegenwärtig, wie zu
Zenophons Zeiten noch in gleicher Art fortbeftehennen halb ſubter⸗
reſtern Erde und Steinhütten, ald Wohnungen des gemeinen Dan-
ned, die ſchlecht genug find, ergiebt fich freilich nur, daß dieſe eigen»
thümlicher Art find, aber die von Dubois unterſuchten Ruinen
des Tirivat-Thrond zu Kharni (j. 0. &.508) geben den Beweis
hoher Vollendung ver Architectur im griechiſchen Styl zu Tiridats
Zeit, fo wie die älteſten armeniſchen Kirchen zu Etſhmiadzin nach
Dubois, zu Ani nah Hamilton, und andrer Orten !Bewelfe
einer fehr frühzeitig hochausgebilveten funftreichen Sculptur und
eines einheimifchen eigenthümlichen Ardyitecturfiyls abgeben.
Als nun das Ehriftenthum durch St. Öregor, von dem hei»
lige Reden, Kirdyenfagungen und Gebete >%) fi in ver
armentfchen Kirche erhalten haben follen, unter Tiridats mächtigem
Schutz Eingang In Armenien gefunden hatte, und ald Landeöre-
ligion mit großer Energie durch das ganze Geblet armenifcher
Bevölkerung verbreitet war, mußte der Einfluß forifcher und
griehifher Olaubensgenoffen auf Armeniens , Eulturgang
noch viel bedeutender werden, als deren höherſtehende Entwicklung
ihon zuvor auf dieſes Volt durch blos räumlich» nachharliche und
politifche Verhältniffe hätte einwirken können. |
Nicht gering war dort der Kampf des Chriſtenthums mit dem
Beidenthum, das mit großer Gewalt, mie zu Bonifacius Zeiten un⸗
er Germanen, fo auch hier unter Armeniern zu Gregors ded Er⸗
euchters Zeit, und fpäter unter ver Uebermadht der Saſſaniden,
vider deſſen Einführung ſich erhob. Um fo theuerer aber ver Sieg,
ım fo größer der Eifer für die neue Lehre, und um fo unveräußer«
iher die Anhänglichfeit an den gemonnenen Bellg, der zu einem
weuen DVölkerleben führte, daB, ungeachtet der taufend Zerwürfniffe
m Innern, durch Ihn Im fortvauernden Kampfe der nachfolgenden.
sahrhunderte doch feine Selbſtftändigkeit fich zu erhalten mußte.
Bie Bonifacius die Heiligen Eichen Germaniens fällen Tieß, fo
Bregor mehrere Jahrhunderte früher die Tempel und Gduerbilder
der Armenier.
Nur mit dem Schwert in der Hand konnte, theilweis wenig⸗
13) Neumann, Berfuch einer armeniſchen Literakur, nach den Merken
der Mechitarifien. Leipzig 1836. S. 14.
552 Weftslfien. TIL Abtheilung. I. Abfchnitt. $.36.
ftens, in Hocharmenten das Chriſtenthum zur herrſchenden Mellgion
erhoben ‚werden; den Beweis dafür gibt ein Zeitgenofie und Schü-
ler Gregors, der Syrer Zenob, 32) in feiner Geſchichte Darons
aus defien 1. 3. 1882 edirten Werken einige Daten über bad, was tı
Daron fich zutrug, Erläuterung geben, denn was in den Staͤdter
und Landichaften, wo Tiridates felbft die Uebermacht Hatte, geſchah
iR aus den Annalen des Moſes Khor. ſchon allgemein bekannt.
Daron, dad Gebirgsthal zu beiden Seiten des obern Mu⸗
rad⸗Flufſſes oder des ſüdlichen Euphratarmes, von Diyadin (f. ob.
©. 335) abwärts, der berühmtefte Sau der hoben Provinz Duro-
peran, das Geburtäland der beiden großen Männer, Mesrop un
Moſes, war damals im Beflg einer Eolonie von Hindus, ik
als eingemurzelte Idolanbeter auch am heftigften gegen das Chri
ſtenthum auftraten.
| Zenob erzäplt nun: Als Gregor nad der Taufe des Tir
dated (mahrfcheinlich gegen das Jahr 302 n, Chr. Geb.) non Gar
farea zurüdgefehrt war, blieb er einige Zeit in Sebaſte (d. i. Si⸗
was, fpäterhin die Metropolid von Armenia prima), und rigf einige
Doctoren (Bartabeds) von Alerandria, der hohen Schulein Aegypten,
herbei, vortreffliche Männer, von venen einer, Tiglarios genannt,
von ihm zum Bifchof Über das Land Tuin (Tovin 3*) im Nom
von Artarata) geweiht war. Daffelbe geſchah audy mit andern auf
Affgrien berufenen Männern. Auch mid, Zenob, fagt der Autor
felbft, ver fpäter vom Klofter Klag, dem er vorfland, auch den Be
namen Klag erhielt, Tieß er nicht nach Niftra (ob Nofä in Kap
padorien? ob Nifibin?) 3°) zurüdfchren, fo daß ich diefes meinen
Bruder Elenzar übergeben habe. Bon Sebaftegingenwir nah Thor
tan, und liefen da ven Surdinos aus Ephefus als Lehrer ve
Diſtrictes zurück (Ihortan, am Euphratarme, benachbart Arzerun
berühmt bis heute bei Armeniern, weil vafelbft fpäter die Grabflätte
Bregorius Illuminators, St. Vartapes und Huskans bepilgert wur
den). Damals ſchon war der Ort durch den Tempel eines Kandel
gottes Parſham 3%) berühmt, der aber durch St. Gregor zei
ss, Mach Nenmanns Ueberfegung aus Zenob; f. Weberficht ver men
fien Erfcheinniigen der armenifchen Literatur, eine Zeitfchrift für d
Kunde des Morgenlanpes, Göttingen 1837. 8. Band I, ©. 25!
Storia di Taronia scritta da Zenobio Clagh autore del IV. se
e continusata da Giov. Mamigonense, autore del, VII. Sec. |
| 1832, S. Lazaro. ®*) St. Martin Mem. l. p. 119. °°) Re
4 mann Berfuh a. a. DO. ©, 20. Not. 2. 40) St, Martm Meı
I. pı 14, |
\
Euphratſyſtem; Armenier, und HindusBelehrung. 553
®
fört ward. Bon da brachen wir (im Sahr 301) wiederum auf,
um und nah Charin oder Garin (d. I. Arzerum in Hoch⸗
armenien, f. oben ©. 81), und nah Hark, vie Altefte Anfiedlung
des Stammpvaterd der Armenter, (von Hair, Vater, der Plural
Hark, d. h. „Väter“) im Norboft von Daron am Murad, zu
begeben. Als aber einige ver Lanvesfürften dem Gregorius anzeig«
ten, daß im Diftriet Daron noch 2 Tempel übrig geblieben wären,
wo den Bögen geopfert würde, fo wollte er auch dahin gehen, um
fie zu zerflören.
Als er aus dem Lande ver Balunier, wol mo heute noch
die Stadt Balu am Murad (f. 0b. S. 97 und 106), in dem gro⸗
Ben Orte nabe bei der Stadt Buarh8, deren Lage unbelannt, aber
an Daron angrenzend fein mußte, ankam, um dort mit einigen
beipnifhen Prieftern zufammenzutreffen, und biefe von dem
Fürſten Haſchdeank erfuhren, daß ihre großen Otter Kifane
und Demeter alsbald zerflört werben follten, gingen fie während
der Nacht an den Ort, wo ihre Götter waren, und verbargen bie
Schäge in Höhlen. Sie ſandten alsbald zu den Prieftern nad).
Aſhdiſhad 27) (vn. i. die Stadt der Gebete oder der Opfer,
wegen der vielen dortigen Tempel fo genannt, welche alten Göttern
geweiht waren) nady Hülfe. Dies war die Capitale von Daron,
die noch lange Zeit in der dhriftlichen Periode fortbeſtand, in deren
Nähe das berühmte Klofler Surp Garabted, d. I. St. Gara⸗
bied oder Johannes dves Täufers (verfchieven von dem am
Mrares f. ob. S. 350), liegt, weldyes bis in bie neuefte Zeit einer
dee Hauptmwallfahrtsorte der AUrmenier, nach Etſhmiadzin der
Heiligkeit nach der zweite, im alten Gebiete des einft heicnifchen
Daron geblieben iſt, und wahrſcheinlich aus ven Trümmern jener
heidniſchen Sanctuarien, deren Aberglaube in den Legenden des
Sanctus daſelbſt im heutigen Volkswahn noch fortbefteht, ?®) In ver
erften Zeit der Bekehrung ded Landes hervorging. Dieſes Klofter,
won den 9 Quellen Innagnean Vank genannt, auch Klag
Bank, von feinem erfien Abt Klag (Dank im Armenifchen if
Kloſter), jest aber Changeri genannt, in größtem Verfall, wurbe
im Jahr 1838 von I. Brant beſucht. 39) Es Tiegt zwei kleine
2?) St. Martin Mem. 1. p. 101. 3:97, Cl. Rich Narratire of
Kurdistan. Vol. 1. App. p. 376. s®) J. Brant Notes etc,
in Journal of Roy. G. Soc. öf London. 1841. Vol. X, P. II,
p- 373
%
554 Weſt⸗Aſien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36.
Tagreiſen in N.W. der Stadt Muſſh im Gebirgslande, in geringer
Entfernung vom dortigen Murad, wodurch alſo auch die Lage der
alten Stadt der Gebete (nah Elifäus) oder Aſhdiſhad in
Daron, melde Audall %) Hinfichtlih ihrer Ipole mit Jagan⸗
nath over Kalt Ghat In Indien vergleicht, näher beftimmt ift.
Diefem Aſhdiſhad ward die Botichaft gebracht: „Sammelt
„Rreitfertige Männer und kommt morgen zu und, denn der große
„Kifane wird in Streit ausziehen gegen die abtrünnigen (d. i.
„chriſtlich gewordnen) Fürften. Sie flifteten auh Männer aus
Guarhs an, um bei vem Zaun der Weinberge einen Hinter
halt zu legen. Die Cultur der Weinrebe ift noch heute im Thale
des Murad um Muſh ausgezeichnet durch köſtliche Trauben, *)
wenn ſchon über 4000 Buß über dem Meere gelegen. Andere ber
Streiter verpargen fi In dem Walde. Der Oberprieſter Arzan
(vd. h. im Armeniſchen Idol), und fein Sohn Demeter nahmen
aus der Landichaft Guarhs (Guarhs adan; die Stadt Guarhs
war, nady Benob, von einem der Söhne der indiſchen Fürſten Kiſ⸗
ane und Demeter gegründet) 400 Mann Krieger mit fi, und
‚bejegten den Berg, dem Flecken Buahrs, gegenüber, und blieben fo
lange da, bis andere Truppen zu Hülfe famen. Dann fliegen fie
an den Fuß des Bergs hinab zu GStreifzügen. Gregorius dagegen
kam mit den Bürften der Arbzrunter, der Anzewazier, dem von
Anke und mit einem geringen Haufen von 300 Mann zum Berge,
wo es erſt zur Schlacht, dann zum Zweikampf kam, in dem Arzan
der Oberprieſter purch den Fürſten des Haufes Ankech erlegt warb,
In einer zweiten Schlacht im Lande Daron, wobei mit den heidni⸗
- fchen Prieflern 6946, mit den chriftlichen 5080 Mann kämpften,
fiegten dieſe Iegteren von neuem. Nun erft kam es zum Frieden;
den Heidniſchen wurde geftatter, ihre Todten zu begraben mit Dentmä-
lern, tarauf man in affyrifcher, griehifcher und iömaelifcher
Schrift (d. i. arabiſcher, alfo vorkufifcher, alfo wol bimjaritifcher
Schrift, welche durch Handelsverbindungen bis bieher vorbringen
mochte) die Worte eingrub: „die erſte Schlacht, wo man tapfer
„kämpfte; der Anführer des Kampfes war Arzan, ver Prieſterſchaft
„Haupt, welcher Hier im Grabe liegt und mit ihm 1038 Männer
*°) Joh. Audall Memoir of a Hindu colony in ancient Armenis.
in Jam. Prinsep Pburnal of the Asiatic Society of,
Calcutta 1836. 8. Vol. V. p. 832, not. **) J. Brant Not. Lc-
—— P. III. p. 852, 360; v. Uſchakoff Geſch. des Feldzugs
A
»
N
U}
Euphratſyſtem; Armenier; HindusColonie. 555
„Und dieſe Schlacht fehlugen wir wegen der Gottheit kiſene und
„wegen Chriſtus.“
Möchte dies auch etwa fpäterhin zugefügte Gloſſe fein, ſo iſt
das Inſchriftenweſen doch Im Character der Armenier, welche alle
Grabmale damit bedecken. Die Vriefter ver Idole baten mit Thrä⸗
nex in den Augen die Sieger, *2) fie felbft lieber zu töbten, als
ihre Joole zu zerflören; da dies aber geſchehen mußte, wurden ſechs
der Priefter auf der Stelle erichlagen wegen ihrer Wiverfeglichkelt.
Dann aber gelang es ven Fürſten der Siunter, die Bemohner von
Guarhs (Kuard bei Audall) dazu zu bringen, die Ipolanbetung zu
verlaffen und die Taufe anzunehmen; ihre Zahl war ohne vie Wels
ber 5050.
Die fiegende Partei ver chriſt lichen Fürſten, fährt Zenob
fort, blieb auf dem Schlachtfelde, ſchlug da ihr Lager auf und ließ
Gregor herbeirufen; die anderen aber, vie Idolan beter, ſchlugen
ihre Zelte in ver Ebene bei der ſchönen Quelle (Innagnean, d.i.
die 9 Quellen, bei Audall) am Walde auf. Diefe Ipolanbeter,
fagt Zenob, waren hoͤchſt merkwürdig anzufehen, venn fie waren
ſchwarz, trugen lange Haare und waren häßlich von Ange
fiht. Ihrer Abſtammung nad, ſagt Zenob, waren fie
Hindu. (Sonderbar, daß auch heute noch in jenen benachbarten "
Gegenden ſolche von Hindu⸗Cinwanderung vielleicht - herftammende
GStreiflinge, nämlih zigeunerartige, in zerfireuten
Haufen angetroffen werden, die in ihrem Ausſehen, langen Saar,
heimlichen Ipolencultus und ihrer ganzen Fremdartigkeit für Vorder⸗
aſien als ein dahin verfchlagened Geſchlecht erfcheinen, f. oben
S. 352 u. a. O.) Auch Eli Smith *) bemerkt auf feiner Reife
im obern Pafin auf dem Wege von Deli Baba zur Tſhöban
Köpri (ſ. ob. S. 333 u.400), daß daſelbſt außer ven wilden Kurven,
nach Ausſage feines Kurbenführere, um Mufh eine Gruppe von
600 Famlien lebe, die Zuzijed (ob DVefini? ein Schimpfname für
Spolanbeter) feien, und eine eigene befondere Sprache hätten, die
auch er zu reden verfiehe. Sie folten Sünny fein; ob Sunniten?
— es ſcheinen diefelben Vagabunden zu fein, die Hamilton ala
Zigeunerbande, Tihinganen im Saghanlu traf (f. ob. S. 410),
von demſelben Schlage derer, die Brant und Perkins anführen. |
Auch nach der Taufe hingen jene Hindu doch noch ihren heid⸗
#°) J. Audall 1. c. V. p. 339. **) Eli Smith Missionary Re-
searches in Koordistan etc. London 1834. 8. p. 439.
®
“
‘
556 Weft:Afien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 36.
nlfchen Gebräuchen fortwährend an. Die väterlichen Ermahnungen
Gregord machten keinen Binprud auf fie. Zu den armenifchen Für
ften fagten fie: laßt ihr und leben, fo wollen wir eudy dafür Dank
bringen, flerben wir aber, fo merven die Götter über euch Eommen.
Hierauf ließ einer ver Fürften fie nad Phaitakaran (zwiſchen
Kur und Arares gelegen, wo fpäter Baylafan von Tamerları aufe
gebaut ward) ) bringen, wo fle gefangen gehalten und ihr Haupt»
baar gefchoren wurde. Die Zahl viefer Gefangenen war 400.-
Die eigentliche Entflehungsurfache +5) ver Hier angeführten Idole,
fagt Zenob, war folgende: Demeter und Kifane waren indiſche
Fürften und Brüder, die gegen ihren König Tinaskeh (Dineskey
det Audall, der vergeblich fi bemüht hat, diefen Namen unter den
Indifchen Dynaſtien aufzufinden) *6) eine Verſchwörung angezebbelt,
welcher derſelbe purch ein «Heer zuvorfam, daß fie tödten oder aus
dem Lande vertreiben follte. Mit genauer Noth ver Verfolgung
entgangen kamen fie zu Waharſhak lv. I. Balarfares, regiert
149 bis 127 vor Chr. ©.), der zur Zeit des Arfaciven- und Par⸗
therkoͤnigs Arfaces Magnus von biefem, feinem Bruber, vie Herr
fchaft von Armenien überfommen hatte und In Nifibis refinirte
(Mos. Khoren. 1. 7. fol. 21). Diefer gab den Flüchtlingen das
Land Daron zum Lehen... Eie erbauten Hier eine Stadt, bie fie
Wiſhab, d. i. Dradenftapt, nannten (Viſhabadſor biek
noch fpät, nach Meſrops Zeit, das Dradyenthal in jener Ge
gend, *7) wo von des Mesrops Schüler Thathul das Klofter St.
Thathul erbaut warb; auch wurde diefelbe Gegend Kazanadzagkh,
d. i. die Höhle der wilden Beftten, genannt. (Ueber Schlan⸗
genkultus in Indien f. Erdk. III. 1086, 1093, 1162 und IV. 69),
Dann errichteten fie die andere Stadt der Gebete, Arſhdiſhad,
deren Ipolen fie dieſelben Namen gaben, mie diefe Spole in Indien
heißen, die fie dort anbeteten. Nach 15 Iahren lich aber der König
beine Brüder tödten, gab aber ihr Lehen an deren 3 Söhne: Guarh,
Mechdehs und Horchean, deren jeder eine gleichnamige Stadt
baute; der letztere die feine in der Provinz der Palunier (f. oben
&.553). Nach einiger Zeit verabreveten fich die 3 Brüder, gingen
auf den Berg Karkeh, nahe ver Stadt ver Gebete liegend, wo
- Meberfluß an Jagd und Weldeplägen, viel Wiefe und Wald war,
— .
**) St.Martin, Mem. s. l’Arm. I. p.155; Journ. des Savans, 1828.
P- 542. #5) Neumann a. a. O. 1. p. 383. *e) J. Audall
. c. V. p. 331. *’) St. Martin, Mem. s. l’Arm. fl. p. 457,
not. 17 und p. 283, not. 11.
®
Euphratſyſtem; Armenier; HindusColonie, 557
bauten da Häuſer und errichteten 2 Idole, die ſie Kiſane und
Demeter nannten, und beftellten Diener aus ihrem Gefchledjte,
diefelben zu verehren (dad Idol von Kifane war 15 Yup hoch, das
andere 12 Zuß, beide von Erz). Kifane ward cd genannt wegen
des langen Haupthaares, und auch feine Anderer ließen das Haupt«
haar wachen, was fpäterhin der Fürſt ver Armenier jedoch zu
fcheeren befahl. (Kis Heißt im Armenifchen mie in andern medo⸗
perfiichen Sprachen das Haupthaar, es find aljo £eine‘ eigentlich
inpifhen Namen, obwol viefe übrige Beichreibung dem Habitus
der beutigen Hindus nah 3. Audall vollfommen entipricht.) Als
dieſes Volk, ſetzt Zenob hinzu, fih zum Chriſtenthum bekannte,
fo hielt es keineswegs in Wahrheit an dem Glauben; fie wagten
es nur nicht, Öffentlich nad) Ren väterlichen Sitten zu chen, und
fannen auf Trug. Sie ließen das Haupthaar ihrer Kinder wach⸗
fen, damit fie fih ver Anbetung dieſer Scheußlichkeit erinnern möch⸗
ten. — So weit Zenobs Bragment. Welter unten werben wir fee
ben, daß dieſe Leute nicht die einzigen Colontjationen von fernen
Fremden im Innern Urmeniend blieben. Der mit ver inbifchen
Welt fo vertraute Laſſen 8) Hat Eeinen Zweifel gegen dieſe antike
Erzählung, nur hält er ed für kaum richtig, daß ven beiden Prine
zen naher gleichnamige Idole und Verehrung geweiht worden
felen , viel wahrfcheinlicher iſt es nach ihm, daß vie Idole und ber
Cultus fchon fertig aus Indien mitgefommen, und daß die Götter,
durch deren Schuß die Golonie ſich geleitet glaubte, von ven Armes
niern in Prinzen verwandelt worden find. Der Name des Kif-
ane oder Keifaney, fo wie, daß er mit Jang hberabwallenben
Loden abgebildet wurde, deutet auf Kris'na bin (pinlectifch
Kistan, Keſen), der ja auch Kecava, ver Lockige, heißt. Iſt viefe
Bermuthung gegründet, fagt derſelbe Sprachgelehrte, fo ift Demeter
eine an dad Griechiſche anklingenne Verſtümmelung des Namens
feines Bruders, der freilich gewoͤhnlich ganz anders, nämlid Ha⸗
bad'ara over Baleräma Heft. Dinaskey (Tinaskeh)
mäßte der böfe König Ranfa fein. Es fei dem, wie ihm wolle,
füge ex hinzu, es iſt eine ‚ähnliche Wanderung gewefen, wie diejee
nige, die fpäter die Zigeuner nach Europa brachte.
In diefer Zeit der großen Meligionsfämpfe, und zumal unmit-
telbar nach der Annahme und Verbreitung von Mesrops einheimi⸗
ſchem Alphabet, begann die brennende Begier für die Literatur
2) Laſſen in Zeitfchr. fe d. Kunde des Morgenlandee, Br. L. g. 288.
558 Weft-Afien, III. Abtheilung. 1. Abfchnitt. $. 36.
bei den Armeniern, die man nicht uneben, wenn fihon im Fleineren
Maaßſtabe, und nur als partielle, nicht allgemeine Erfcheinung, mit
der Periode ded Aufblühend der Künfte und Wiffenfchaften nad
dem Mittelalter feit Anfang des 15ten Jahrhunderts in Mittel-Eus-
ropa verglichen hat. 9) Eine .neue-Welt des Wiffend ging Ihnen
dadurch auf, ihre Studien fingen an, fidy über alle Wiſſenſchaften,
über alle Völker zu verbreiten, eine große Reihe ausgezeichneter
Männer und Echriftfteller, eine ganze Reihe von Geſchichtſchrei⸗
bern trat unter ihnen auf, deren Werke, obwol bisher wenig er⸗
kannt, doch von größter Wichtigkeit für die Ergänzung des Fadend
der allgemeinen Welt» und Gulturgefhichte für die alte Welt, wie
für die Spectalgefchichte des Volkes und Landes, dem fle angehören,
bleiben mußten. Eine überrafchende Analogie mit jener mitteleure-
pälfchen Zeit war in Armenien allervingd die Entwidlung einer
Periode ver armenifchen Kiteratur, In meldher der Ueber»
fegungöfleiß den vorherrfchenven Character abgibt, nicht die ei⸗
gene, von innen nach außen geſtaltgebende Production, wie
die urfprünglich claffifche bei Griechen; dazu war vie Nation nicht
barmonifch vorbereitet genug, und auch nach jener lieberfegung&pe
tiode trat feine dergleichen, wie die moderne Literaturperiode
bet den mitteleuropäifchen Völkern, ein, weil zu große Hemmun⸗
gen, vor allem religidfe Meinungsverfchiepenheiten und daher then»
Iogifche Zänfereien und Mangel freier, nationaler Entwicklung,
und dazu fortwährende Verlufte der politiichen Breihelt durch Kampf
und Unterjochungen von Außen flörend (fiche die rührenne Lamen-
tatio bei Mofes Khor. am Schluß feines Werfes III. 68. fol. 326
bis 331) und das Weſen verfelben erflarren machend, fo fchr ein»
wirkten, daß fie nur noch eine tobte, nicht mehr nationale bleiben
mußte, deren Wiederbelebung und Berjüngung eben die Idee Mr»
chitard wieder anftrebte. Es gejchah Hier, nach Degerando's For⸗
ſchung, einmal, was allen barbariſchen Völkern geſchieht, bie plot⸗
lich ohne verhergehangen⸗ Regſamkeit des Geiſtes und ohne vorbe⸗
reitende Erziehung von einer fremden Literatur ergriffen werben.
Eine fehon fertige überfommene Wiffenfchaft oder Piteratur, die
nicht als freies, nationales Gewächs dem Innern entfproffen, wie
für die Seele ver Wölker viel mehr zur Feſſel, ale ein Stachel
zum dortſchritt; und je weiter dieſe Wiffenfchaft ſelbſt fortgefchrittiet
war, deſto mehr nimmt fle viefenigen gefangen, welche fie in Der
Li
68) Neumann, M&m. sur ia vie de David eto. p. 12.
a
%
Eupbratf.; armenifche Literatur ale DBermittlung. 559
Witte des Dunkels der Ignoranz überrafcht. Diefe tiefgebachte Wahr-
beit des edlen Denkers weifet der armenifchen Literatur als eine na=
tionale nur ihre fecundatre Bedeutung zu, aber eben aus biefer
GEigenthümlichkeit mußte dem ganzen übrigen Kreife hiſteriſcher Wiſ⸗
fenfchaften ein beſonderer literarifcher Gewinn zu Theil werden. Sie
wurpe nicht fo reich als andere, wie 3. B. vie hinvoftanifche, aras
biſche, perfliche, chineflfche, doch Inhaltöreicher als die byzantiniſche,
und beffer gefchrieben als die arabifche; aber fie wurde durch Ihre
Chroniſten gleichzeitiger Hiftorien des Orients und Oc⸗
cidents, zumal durch ihre Vermittlung wichtig, von den An⸗
fängen der chriſtlichen Jahrhunderte bis in die Zeiten der Kreuz⸗
züge und der Mongholenreiche. Die Hemmungen brachten die po⸗
litiſchen Schickſale des Reichs nach Tiridats Tode, 314, und ber
verſatile Character von Herrſcher und Volk. Sein Sohn Khos⸗
£oo IL, mit Roͤmer Beiſtand durch Conſtantin und Licinius auf den
Thron geſetzt, zahlte Tribut an die Saſſaniden; aber dieſe
f&impflicye Unterwerfung brachte Ihm keine Ruhe, da die Alanen,
Maffageten und andere barbarliche Völker auf Anfliften der Per⸗
fer Armenien, vom Kaufafus herabkommend, zu überfallen begins
nen und eine fortwährende Landplage bleiben, gegen bie Byzanz um
neuen Beiſtand arigefleht wird. Nah Khosrovs Tode folgt fein
Sohn Diran, felt 322, deſſen Schwäche, zu gleicher Zeit doppel⸗
tän Tribut, an die Romer wie an die Saffaniden, zu zah⸗
Im und Neutralität behaupten zu wollen, ihn ſelbſt flürzt und
fein Volk in Barteiungen zerreißt. Der Erfolg der durch Sapor IL
sach unfäplichen Kämpfen in ven Kriegen gegen Arſaces II. unv
Bab (Para 6. Amm. Marcell.) verübten Greuelthaten gegen die
chriſtliche Bevölkerung war die envliche graufame erfle Thei⸗
lung Armeniens im I. 387 nad Chr. Sch. in en öftlihes
perſiſches und weſtliches byzantiniſches Bebiet, durch
welche der größte und fruchtbarſte Theil in die Saſſanidengewalt
kam, in welchem der Diagiercultuß das Chriſtenthum zu entwurzeln
ſuchte, während dem chriftlich bleibenden weftlichen, durch Byzanti⸗
ner beherrſchten Theile auch die Griechen, ihre Gewalthaber, nur
verfaßt werden mußten. Die byzantiniſchen Kaiſer wie die Saſ⸗
ſaniven⸗Konige Inden nur eine Zeit lang einheimifche Königöfa-
ürilten. den Scepter fortführen, vie aber bald fortgeſchickt ober aus⸗
aerottet wurben; dagegen ſetzten jene militairifge Magiftrate,
dieſe Markgrafen (Marzban) ein; ein Zufland, der erſt durch
Die Einfälle ver Araber verändert, abes nicht vechefiert wuwe.
560 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abfchnitt.$. 36,
Da die Armenter dem Koran miberfirebien, wurbe ide Loos unter
den zelotiichen Nachfolgern des Propheten nur noch fchlimmer als
unter den Sapord, fo daß mit wenigen Unterbrechungen bi8 zur
Dsmanen Zeit und auch dann’ noch Drud und Sclaverei
vorherrſchend ihr Loos blieb.
Das Chriſtenthum zeigte jedoch auch hier auf die bis zur
erften Einführung deſſelben ganz roh gebliebene Maſſe ſeinen befell-
genden Einfluß, wie auch, troß vielfacher Verderbung, durch alle
folgenden Wechſel ver armenifchen Geſchichten, durch die Kraft ſei⸗
ned Zufammenhaltd. Der durch Gregoriuß befehrte Tiripates
befahl, nah Agathangelus, alle Knaben in den Provinzen des
armenifchen Reichs in den Wiffenfchaften zu unterrichten, zumal vie
Söhne der heidniſchen Priefter in chriſtlichen Schulen zu verfam-
mein, in Klaffen zu theilen und gute Lehrer einzufegen. Dadurch
warb gegen Enve des 4ten Jahrhunderts das goldene ‚Zeitalter des
ermenifchen Kiteratur im Sten und 6ten vorbereitet. Die vorzügs
lichſten der befonifch-armenifchen Priefter, welche vie Taufe anges
nommen, ließ Gregor in ihren Würden und Rechten, wodurch es
fle für die neue Kirche gewann. Viele der Glaubensgenoffen jener
Periode, vor dem fpäter eintretenden Schiöma, aus dem gebilvetern
und durch Schulen ausgezeichneten Syrien und Oriechenland
berufen, ließen fi in Armenien nieder und nahmen Anthell an
dem Fortfchritt der Ausbildung der Kirche und ver Wiſſenſchaft.
Auf Koften ver Herrſcher (ſagt Eusebius Chron. ed. Venet. 181&
Vol.L. XII.) wurden viele armenifche Jünglinge dagegen in die Schu⸗
len von Edeſſa, Alexandrien, Athen, Eonftantinopel ge
ſchickt, um fi in der griehifchen und ſyriſchen Sprache zu
vervollkommnen, zugleih aber auch Philofophie und Hiftork
zu flubiven, da nach dem Ausſpruch jener Armenier zu guten Ueber⸗
fegungen fowol die Kenntniß der Sprache wie der Sache gehöre.
In Athen waren feit langem Stubirende aus allen Theilen Aſien
verfammelt; bei Juliahus waren Schüler aus Arabien, ESyrlen
und Armenien zufammengefommen, zu Anfang des 4ten Sahrkam
derts waren dieſelben dort ſchon in Landamannſchaften getreten, wol
die von. Bithynien, vom Pontus und fo auch die von Armenign
Armenier befuchten im 4ten und 5ten Jahrhundert jene Sir dea
Wiſſenſchaften, wie im 15ten und 16ten Jahrhundert bie.
die italieniſchen Univerfitäten, um dort ihre claſſiſche Buorug pe
holen. So konnten neue Schulen entſtehen, und fo bildete Fly
De große Ueberſetzerſchule für Armenien aus. Sahag fd. i.
*
uphratſyftem; armeniſche Literatur; Claſſiker. 561
sat) der Große, vom Arſacidenſtamme, ein Schüler des Pas
archen Nerſes, der beveutenpfle Patriarch zu Anfang des Sten
hrhunderis, von großer Gelehrſamkeit und Weisheit, förverte viefe
f jede Weife, und Mesrob machte fie durch die Anwendung fels
3 Alphabets erſt zu einer nationalen. Dies geht insbeſondere
8 einer Note des gelehrten Mechitariftien. Avgier zur Vorrede
nes armenifchen Eufebius hervor, mo er aus der noch ungebrud.
ı Vita .Set. Mesrop von Gorium, *) vefien Schüler, mit
Ten Worten das eigenthümliche, auß Ueberſetzungen hervorgegan⸗
ne woiffenfchaftliche eben Armeniens veutlich ſchildert. Es be=
ihten fich diefe beiden Männer, jagt Gorium, ihre Nation nicht
ein in den Wiſſenſchaften zu unterrichten, fondern auch gewandt
machen. Patriarch Iſaak legte felbft Hand an das Lieberfehen
d an die Ausarbeitung eigner Werke, nach alter Gewohnheit.
üben fchien es geeignet, die Brüder Joſeph und Jesnick für
ve Üiterarlfchen Zwecke auszuſenden (f. oben S. 471). Nach eini«
r Zeit wanderten aber noch andere Priefler von Armenien nad
rtechenland, wie Leont und ein zweiter Gortum (ber Verfafler).
8 beider, des Patriarchen wie Mesrops, Schule find die Männer
Foorgegangen, die in allen Zweigen des menfchlichen Wiſſens fich
3) Meberfeger und ſelbſtändige Schriftfteller hervorgethan haben.
le fogenannten „heiligen Ueberſetzer,“ zu denen einige 40 gezählt
pen). So Moſes Khor., David, Iednid (oder Effnig),
:ambre, Eltfä, Iofeph, Leont, Gorium u. a. (Mos.
hor. III. 60. fol. 310.) |
Diefe Ueberſetzer wurden zugleich vie Claſſiker der Nation;
: Meberfegungen ſelbſt wurden, wie bei ver heiligen Schrift, wegen
e reinen, ungefchmüdten Sprache als die claſſiſchen Mufter-
Ider haikaniſcher Rede gepriefen. Das heiligſte gab die
huſte, freiefte, fchönfte Sprache. Gleiche Urfachen brachten gleiche
irkungen in ber Literaturgefchichte anderer Völker, wie bei ben
eutſchen, hervor. Die armenifche Ueberfegung der 22 Lanonifchen
acher des alten, wie der Evangelien des neuen Teſtaments (dies
were wird Mesrop zugefchrichen), des Epifteln u.a. durch Iſaak
5ahag), den Patriarchen, wurbe nach der Septuaginta im Jahr
O n. Chr. Geb. vollendet; La Eroze, in einem Schreiben, nannte
die Königin aller Ueberfegungen überhaupt, wie fie denn au)
“) Aeumann, Rec. in Hermes Jahrb. a. a. DO. ©. 196.
Ritter Erdlunde. X. Nn
1
562 Weſt-Aſien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. 5.36.
von den Mechitariſten 50) für das Mufles der reinen haikaniſchen
Sprache gehalten wird. Gorium galt wegen feines lieblichen
Styls für den Zenophon ver Armenier; Jesnick, ver als Biſchof
von Bafrewant (f. oben S. 361) im hohen Alter flarb, deſſen voll⸗
Rändige Werke 1833 in San Lazaro gedruckt worben, ift durch
Feinheit der Diction, des Styls unter den Armeniern ausgezeichnet.
Mofes zu Khorene (Ehoruni) im Gau Daron, um das Jahr
370 n. Chr. Geb. geboren, lebte nach Thomas Ardsrunids Angabe
120 Jahre, und ſchrieb erſt nach feinen Stubien in Meſopotamien,
Alexandria, Rom, Athen "und Gonftantinopel feine gehaltreichen
Werke. Alfo erft in der zweiten Hälfte feines Lebens, gegen bie
Mitte des 5ten Jahrhunderts: denn ver Chronift Samuel vom
- Ant fegt feinen Tod in das Jahr 489 n. Chr. &. Wie vie größe
ten Männer ihrer Zeit. ift auch Mofes Khor. von ven critifiren
den Klüglingen und Nachfolgern, wie einft ein Herodot, Pytheat,
Marco Polo u. A., nicht over mißverſtanden, ver Uebertreibun⸗
gen’ und Lügen befchulvige und angeklagt worden. Wir weiſen
flatt aller andern in geographifcher Beziehung nur auf eine feine
glänzendſten Rechtfertigungen, auf die Wiederentdeckung des Pracht⸗
baue des Semiramfchloffes am Van⸗Seec durch Schulz Hin (ſ. ob.
©. 302—319 und Erdk. IX. S. 982—993). Diefe Rechtfertigung
Balten wir fefl, und bei unferer großen literarifchen Unwiſſenheit
über fo vieles bereits Verſchwundene aus ver fo inhaltreichen
aflatiichen Volker⸗ und Menſchen⸗Geſchichte, das demungeachtet
von Zeit zu Zeit immer mehr aus dem Dunkel der Vergangeuheit,
die nur für und dunkel geworben, hervortauchen wird, vertrauen
wir demnad in geziemenver Art ven Ueberlieferungen bewäßrter
Männer ver Borzeit zur unaudgefehten Erforſchung ihres Juhalth
für Fünftig mögliche tiefer eindringende Betrachtung ver wahern
Entwicklungsweiſe des Menfchengefchlechts.
Der gelehrte Mechitariſt S. Somal, Erzbiſchof von Et
nennt in feiner 2iteraturgefchichte Armenien 51) nit Necht Mer
fe8 den Fürſt Haikanifher Gelehrſamkeit, ven Bakıs
bes armenifchen Literatur, ver big an das Ende feine Ser
Send vie verfchienenartigften Werke aus verſchiedenen ——
‚ *®) Neumann, Verſuch a. a. O. S. 30, 37. sı) pL Sukiag Se
mal, arcivescovo di Siunia ed abbate di 8. Lazaro, Quadro
della storia letteraria di Armenia. Venezia 1829; vergl.
Neumann, Berſuch einer Gefdhichte ber. anmenifden, 2 IM)
dem Werken der Meczitariten hearheiket. Reigulg 838. 8,
ratſyſtem; armen, Literatur: Moſ. v. Khorene. 563
aus dem Griechiſchen, überſetzte, und' beinahe in allen Fa⸗
des menſchlichen Wiſſens auch als felbftändiger Schriftfteller
.. Ihm werden bie fchönften Lieder im armentichen Geſang⸗
(im Sharagnoz, d. H. Hymnenfammlung) 52) zugefchrieben,
heute an beflimmten Tagen in der Kirche gefungen werben;
m fol die nach griechifchen Muftern, zumal des Hermogened,
tete Rhetorik herrühren, die auch heute noch ſehr lehrreich iſt.
dle armenifche Ueberfegung der Chronik des Eufebius,
widhtigfter Bund der armenifchen Literatur feit Kurzem aus
bliotheken Serufalems nach Eonftantinopel kam, und von
echitariften wie von Zohrab, in doppelter Ausgabe, ebirt 53)
wird von den einheimiſch⸗ armeniſchen Krititern dem Mofes
fleben. Seine auf Verlangen des Fürften Iſaak aus dem
ber Bagrativen gefchriebene armeniſche Geſchichte 5%) ıf
Tanntefte feiner übriggebliebenen Werke, dad für die Ges
überhaupt auch durch Aufnahme früherer gänzlich verloren
mer biftorifcher Quellen des Auslandes unfchägbar If, aus
Befammtinhalt der armenifche Gefchichtfchreiber freilich” nur
fzunehmen beabfichtigen konnte, was zur Geſchichte ſeines
oriſchen Thatſachen armen Volkes gehörte, daher ihr Werth
ſchraͤnkt bleibt, aber wichtig iſt zur Audfüllung der Lücken an⸗
zeſchichten. Moſes ſchoͤpfte die Anfänge der patriarcha⸗
1Geſchichten feines Volkes, nachdem er in der Einleitung
faifhen Schriften, wie den Chaldäern Berofus und Abyde⸗
folgt ift, nämlich die @inwanderung der Geſchlechte ſei⸗
ammvaters Haik aus dem Chaldäerlande, deren Anſiede⸗
Berbreitung in Armenien u. ſ. w., theils aus einhei⸗
Ueberlieferungen, vorzüglich aber aus ven Geſchichtsbüchern
rers Mar Abas oder Ibas von Catina (nit Maribas,
‚IX. ©. 984), welcher anperthalbhundert Jahre vor ver
en Zeitrechnung feine Annalen zufammentrug. Als der ar
e Herrſcher des großen Partherreiches, Arſhag cover Ar⸗
ver Große (reg. 173— 136 vor Chr.), fagt Mofes, feinen
Balarfaces (oder Waharfhag ver Armenien, reg. 149
), den erften ver Arfariven, zu Mflbie als erblichen
tenmanıı, Verſuch a. a. O. S. 55. 52) Eusebii Pamphili
ronic. ed. Ang. Majus et J. Zohrabus, Mediol. 1818. 4;
. edit. Aucher, Venet. II. Voll. 4; vergl. Riebuhr, Heine Schric⸗
so) Neumann, Derfuh a. a. O. ©.46.
Nn 2
562 WeftsAfien. II. Abtheilung. L Abſchnitt.
von den Mechitariſten 60) für pas Muſter der reinen hail
Sprache gehalten wird. Gorium galt wegen ſeines li
Styls für den Zenophon der Armenier; Jesnick, ver als
von Pakrewant (f. oben S. 361) im hohen Alter flarb, deſſi
ſtändige Werke 1833 in San Lazaro gedruckt worben, if
Feinheit der Diction, ded Styls unter den Armenien audge,
Mofes zu Khorene (Ehoruni) im Gau Daron, um ba
370 n. Chr. Geb. geboren, lebte nach Thomas Ardsruniv
120 Sabre, und ſchrieb erſt nad) feinen Studien in Mefope
Alexanvria, Rom, Athen "und Gonftantinopel feine gehall
Werke. Alfo erft in ver zweiten Hälfte feines Lebens, ge
Mitte des 5ten Jahrhunderts: denn der Chronifi Samuı
Ani ſetzt feinen Tod in das Jahr 489 n. Chr. &. Wie bie
ten Männer ihrer Zeit. ift au Moſes Khor. von den ai
den Klüglingen und Nachfolgern, wie einft ein Herodot, Pf
Marco Bolo u. A, nicht over mißverſtanden, ver Uebern
gen‘ und Zügen beſchuldigt und angeklagt worden. Wir)
ſtatt aller andern in geographifcher Beziehung nur auf eine
glänzendſten Rechtfertigungen, auf die Wiederentdeckung des I
baues des Semiramfchloffes am Van⸗See durch Schulz Hin I
©. 302—319 und Erdk. IX. S. 982—993). Diefe Rechiſen
halten wir feft, und bei unferer großen Iiterarifchen Unwlf
über fo vieles bereits VBerfchwundene aus ver fo Inhaik
aflatifchen DVölfer- und Menſchen⸗Geſchichte, das demung
von Zeit zu Zeit immer mehr aus dem Dunkel der DBergang
die nur für uns dunkel geworben, hervortauchen wird, ver
wir demnach in geziemenvder Urt ven Ueberlieferungen ben
Männer ver Vorzeit zur unausgeſetzten Erforſchung ihres I
für fünftig mögliche tiefer eindringende Betrachtung ver Y
Entwicklungsweiſe des Menfchengefchlechts.
Der gelebrte Mechitariſt S. Somal, Erzbiſchof von |
nennt in feiner Literaturgeſchichte Armeniens 51) mit Recht
ſes den Fürſt haikaniſcher Gelehrſamkeit, ven $
ber armeniſchen Literatur, ver big an das Ende ſeir
Send die verfchiedenartigften Werke aus verſchiedenen Liter
‚ +°) Neumann, Berfuch a. a. O. S. 30, 37. sı) PL. Suki
mal, arcivescovo di Siunia ed abbate di S. Lazaro, (
della storia letteraria di Armenia. Venezia 1829; vergl.
Neumann, Verſuch einer Gefchichte der armeniſchen ww:
ben Werken ver Medhitariften bearbeitet. Leipzig 1886. 8,
|
U:
“ ai! vr
>
Euphratfuftem sarmen. Literatur; Mofes v. Khorene. 565°
Ede ſſa, aus dem er feine Gefchichten des Abgarus und Sana⸗
beng, nach dem Zeitfchziftfleller Lerubnas (oder Cherubnas) 50) ges
nommen, die ſich ebenfalls in dem Föniglichen Archive biefer Gtabt
befanden. Moſes Khor. verfichert noch obenein, daß er bier in
Wahrheit von Cdeſſa ſelbſt als Augenzeuge sebe, und daß dieſe
Nachrichten über Armenien, die in der genannten Bibliothek aufbe⸗
wahrt fein, bis auf König Eruand herabreichten (f. oben ©. 453).
Die folgenden Nachrichten gibt er aus des Olypius, eines
heidniſchen Priefters zu Uni, Tempelgefhichten (I. 45. fol. 160),
der gegen Ende des erften Jahrhunderts unter Artarerres, König
von Armenien, lebte, auß Bardefanes von Edeffa, ſyriſcher⸗
fpäter ind Griechiſche überfegten Befchichte, der gegen das Jahr 211
umter Kaiſer Anton. Garacella Iebte, die er durch die Tempelarchive
-zu Ani vervollſtändigte (I. 63. fol. 185); dann aus Arditheos,
eines heidniſchen Priefters, Leben des Gregor Iluminator, ver fi
zum Chriſtenthum befehrt hatte und im Jahr 300 vom Gt. Gregor
zum Bifchof geweiht war, vorzüglich aber dann aus des Ugathan-
gelus Zeitgefchichte Dirdats und Gregors, vie jedoch Moſes
soüflänbiger als fein Vorgänger ausführte (II. 64. fol. 187). Mit
dem Anfange des britten Buchs (II. 1. fol. 231) fpricht er ale
Zeitgenofle.
Diefe Angaben mögen unfere häufigen Hinwellungen auf vie
Geſchichten viefed Autors als Grundlage zu unfern Fingerzeigen
für vie alte Kunde des Landes und Volkes von Armenien rechiferti-
gen, obwol Hier zugleich zu bemerken iſt, daß bie Lieberrefte der ar⸗
mentfchen Literatur aus den Stürmen ber Zeit Teinedwegs fo rein
und unverfälicht fich erhalten Haben, wie bie ver griechifchen und
zömifchen Claſſiker, denn noch größere Unwiſſenheit ihrer Abſchreiber
als bei jenen und Nationaleitelkeit ihrer Kommentatoren hatte fie
Interpolirt.
Wie die Geſchichte des Moſes Khor., von welcher übrigens die
Nechttariſten fo eben eine neue kritiſche Ausgabe veranftaltet haben,
fo Hatte Dafielbe Loos auch die fogenannte Geographia befielben
Yuter (ed. Whist. 1736. fol. 335—368) getroffen, welche eine
harch ihn freie Bearbeitung ver verloren gegangenen Xwgoypapia
elxouueyıxn, oder ver allgemeinen Geographie des Pappus
von Alerandria, der gegen Ende des 4. Jahrhunderts unter
so, Neumann Verſuch u. f. w. ©. 3,
5
564 Weſt-Aſien. III. Abthellung. J. Abſchnitt. $. 36,
Statthalter oder Feudalkonig über Armenien und bie Nord⸗
weſtprovinzen feines Reichs einſetzte, wollte dieſer, ein Beichüger ver
Künfte und Wiffenfchaften, fly eine genauere Kunde ber Thaten
feiner Vorfahren und der Begebenheiten erwerben. Die frühen f
fogenannten Könige von Armenien aus dem Haufe Haiks waren |
wol nur Statthalter Irans und Antrans, wie nach dem Untergang
der Egrus- Monarchie unter Alexander M. dort nur Statthalter
die Gewalt Hatten (ſ. Erdk. IX. ©. 768). Valarſaces ſandte dei
"Halb ven in chalvätfcher und griechiſcher Gelehrſamkeit fehr erfahe
nn Syrer Mar Ibas (d. h. Dominus Ibas, 55) vergl. ob. S. 16)
mit Geſchenken und Empfehlungsfchreiben an Arfaces (Mor
Khor. I. 7 et 8, fol. 20 — 25) in Ninive, damit ihm ver u
gang zu den berühmten Archiven dieſes Ortes geflattet würde. Der
fand er eine Handſchrift, die, wie er berichtet, zu Alerander bes
Großen Zeit aus dem Chalpälfhen in die griechiſche
Sprache überfegt ward, von der er einen getreuen Abriß in grie
chiſcher und forifcher Sprache mit nah Niſibis zum König VBa⸗
Iarfaces zurückbrachte, weil er in ihr die wahren Anfänge ber
Geſchichten, die er fuchte, aufgefunven Hatte. Der König Balan
ſaces hielt dieſe Schrift in feiner Burg In größten Ehren und Heß
einen Theil derfelben auf eine Säule eingraben. Aus dieſer Schrift,
pie leider verloren gegangen, wurben die älteften Cintheilungen ber
Herrſchaften und Lanpfchaften und die Anfänge der wirklich ar»
meniſchen Gefchichten genommen, welche aber der Syrer Mar
Ibas nicht weiter führt, als bis auf König Arſhag L, den Som
und Nachfolger Valarfaced. Diefer reg. von 127 bis 114 vor Eh.
@eb., und die Einfälle bulgariſcher Hoörden in Armenien
unter diefem Könige find das letzte Factum, das Mofes von Ike
für feine armeniſche Gefchichte benugen konnte (Mos. Khor. IL 8,
fol. 160). Als Fortſetzung feiner Gefchichten gibt Mofed zur Duck
nun das fünfte Bud der Geſchichtsbücher * Julius Afri⸗
canus (Mos. Khoren. II. 9, fol. 101) an, ver feine Nachrichten
von armenifchen Gerrſchern aus ven Schriften ver Bibliothek zn
Edeſſa (Drfa, |. oben ©. 117, 138, 166, 243) gezogen, bie Hier
Gefchichtötafeln ver Tempel wiederum aus Niſibis und Sinope
vom Pontus zugeführt erhalten Hatten. Auch Euſebins, fagt
Mofes, bezeuge den biftorifchen Schak ver Bibliothek zu |
**) La Crose Not. in Mos Khor. fol. 2; Neumann, Berfuh «© |
( ⸗
—
Euphratſyſtem; armen. Literatur; Moſes v. Khorene. 568
Edeſſa, aus dem er feine Geſchichten des Abgarus und Sana⸗
beug, nach dem Zeitſchriftſteller Lerubnas (oder Cherubnas) *0) ge⸗
nommen, die fich ebenfalls in den koͤniglichen Archive dieſer Stadt
befanden. Moſes Khor. verfichert noch obenein, daß er bier in
Wahrheit von Evefia ſelbſt als Augenzeuge seve, und daß biefe
Nachrichten über Armenien, die in der genannten Bibliothek aufbe⸗
wahrt feien, bis auf König Eruand herabreichten (f. oben ©. 453).
Die folgenden Nachrichten gibt er aus des Olypius, eines
heipnifchen Priefters zu Ani, Tempelgefchichten (II. 45. fol. 160),
der gegen Ende des erfien Jahrhunderts unter Artarerres, König
von Armenien, lebte, aus Bardeſanes von Edeſſa, ſyriſcher⸗
fpäter ins Griechiſche Üüberfegten Geſchichte, der gegen das Jahr 211
unter Kaiſer Anton. Caracella lebte, die er durch bie Tempelarchive
zu Uni vervollſtändigte (II. 63. fol. 185); dann aus Arditheos,
eines heidniſchen Prieftere, Leben des Gregor Iluminator, ver ſich
zum Ghriftentbum befehrt Hatte und im Jahr 300 vom St. Gregor
zum Bifchof geweiht war, vorzüglich aber dann aus des Agathan-
gelus Zeitgefchichte Dirdats und Gregor, die jedoch Mofes
vollſtaͤndiger als fein Vorgänger ausführte (II. 64. fol. 187). Mit
dem Anfange des vritten Buchs (IH. 1. fol. 231) fpricht er als
Zeitgenoſſe.
Dieſe Angaben moͤgen unſere häufigen Hinweiſungen auf die
Geſchichten dieſes Autors als Grundlage zu unſern Fingerzeigen
für die alte Kunde des Landes und Volkes von Armenien rechtferti⸗
gen, obwol Hier zugleich zu bemerken IR, daß Die Lieberrefte ver are
meniſchen Literatur aud den Stürmen ver Zeit keineswegs fo rein
und unverfälfcht fich erhalten haben, wie bie ber griechifchen und
sömifchen Claſſiker, denn noch größere Unwiſſenheit ihrer Abjchreiber
als Hei jemen und Nationaleitelfeit ihrer Commentatoren hatte fie
interpolirt.
Wie die Geſchichte des Moſes Khor., von welcher übrigens bie
Mechitariſten fo eben eine neue kritiſche Ausgabe veranſtaltet haben,
fo Hatte daſſelbe Loos auch vie fogenannte Geographia befielben
Autor (ed. Whist. 1736. fol. 335—368) getroffen, welche eine
durch ihn freie Bearbeitung ver verlosen gegangnen Xmpoypapia
olzovuevixn, oder ver allgemeinen@eographie des Pappus
von Alexandria, ber gegen Ende des 4. Jahrhunderts unter
se) Neumann Verſuch n. f. w. ©. 3.
—
66 Weſt-⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36,
Theodoſius Magnus lebte, zu fein ſcheint. St. Martin, der
diefelbe Anficht hegte, ſah bet feinen. armeniſchen Studien 57) wel
ein, daß das Compendium dieſer armeniſchen Geographie Ange
ben und Namen enthalte, die dem Moſes ſelbſt zu ſeiner Zeit uns
möglich bekannt fein konnten, ed waren ihrer fo viele, daß er gegen
das Zeugniß aller armenifchen Literatoren (mie einft Schlözer gegen
den Btolemäus zu Felde ziehenn) behauptete, daſſelbe kͤnne unmögs
lich in feiner gegenwärtigen Geftalt von jenem Mofes Khore-
nenſis herrühren. Er fchloß aus jenen Interpolationen, daß «8
erſt gegen das Jahr 950 nach Chr. Geb. verfaßt fein kͤnne. Aber
der Pariſer Gelehrte Hatte damals Feine Handſchriften zum Gebrauch;
er konnte nur den von Whiſton uncritifch edirten Text benußen.
Schaffarik, ver große Forſcher ſlawiſcher Sprachen, °®) theilie,
nach Angabe des gelehrten Mechitariften Bat. Arten. Anthimo⸗
ftan, aus einem alten armenifchen Manufcript deſſelben Compen⸗
diums dieſelbe wichtige Stelle über vie erfie Erwähnung er
Slawen mit, welche aber ganz anders lautet als bei Whiſton (Geogr.
p- 347); und Anthimoflan zeigte, daß die meiften jener dem Moſet
vorgeworfnen Irrthümer gleich grundlos find, ba fle ven guten
Manufcripten des Compendiums fehlten, alfo nur der Whiſton'ſchen
Ausgabe zur Laft fallen. Auch Indſhidſhean beftätigt «8, baß
die von St. Martin angegebnen Winerfprüche meift in ven ächten
Mier. fehlen. '
Diefe Schrift fcheint eine freie Bearbeitung der Werke
des Mathematikers und Geographen Bappus, aus ver zweiten
Hälfte des 4. Jahrhunderts zu fein; .fle wird dem Mofes vie
dielet und kann auch fehr gut von Mofes herrühren, ver wahe
ſcheinlich nicht wor dem Jahre 480 n. Chr. geſtorben tft. Neumann
bat gezeigt,°9) daß auch bei diefer Arbeit Mofes nicht bloß Lieber»
feger war, daß er, wie er dies felbft verfichert (Geogr. fol. 346),
einen Auszug des Wichtig ſten mit Zuziehung des Ptolemäns,
des Theodoros von Samos und Eonftantin von Antiochie gab,
bei der Beſchreibung feiner Heimath Armenien aber uub bw
umliegenden Landſchaften wirklich viefelbe in erweitertem Umfang
#*) St, Martin M&moire sur I’&poque 'de la composition de is
geographie attribu£e & Moyse de Khoren, ın M&m. II. 9. Wl—
‚877. +98, 3. Schaffarif, über die Ablunft der Slawen nad
tor. Suromwiedi. Ofen 1828. 8. ©. 139 1. ff. 6°, Neumann,
Ya Zeitſch. fürbie Kunde des Morgenlandes. 1837. Br. 1. &. 4 —
*
Eupbratfuften ; armen. Literatur; Moſ. v. Khorene. 567
ausführte, alſo felbftthätig und ſelbſtſtändig verfuhr. Nach einer
kurzen Einleitung in die mathematiſche Geographie geht er in die
allgemeine Beſchreibung der Erdtheile über, fügt aber zu Armenien
pie Spectalbefchreibung (fol. 358362) der 15 großen Provin⸗
zen mit der Nomenclatur aller ihrer Unterabthellungn in Gaue
oder Cantone Hinzu, die ſchon Plinius Präferturen ber
Strategien nannte, deren barbartfhe Ramen ihm aber aufe
zubewahren unnüg fchien (H. N. VI. 10: Dividitur, quod certum
est, in praefecturas, quas osgasnylag vocant, quasdam ex iis
vel singula regna quondam barbaris nominibus CXX.). St. Mar»
tin nennt nur 193, aber Moſes Khor. führt vergleichen 240 al⸗
lerdings als armenifche, barbarifch Flingende Namen auf, die jedoch
Durch die Abfchreiber noch in der Whiſton'ſchen Ausgabe faft zum
Unbrauchbaren entflelt und erft durch vie Vergleichung mit ben
beffern Hanpfchriften und Lesarten in des gelehrten In dſhidſhean
geographifchen Werken zu ihrer urfprünglichen Geſtalt zurüdges
führt find. Außer dem eigentlichen Armenien wurde auch vie Geo⸗
graphle ver benachbarten Lanpfchaften am Pontus, in Eilicen,
Asia minor u. a. aud einheimifcher Kenntniß vervollftändigt, und
auch dieſe von Indſhidſhean berichtigt. Aus einer foldhen Erwei⸗
terung bei Mof. Khor. ergibt fich die fehr intereffante Thatſache,
daß armenifche Kaufleute, die feit ältefter Zelt einen bebeuten-
den Zwiſchenhandel zwifchen Nord⸗, Mittel» und Weft- Allen bes
trieben, damals fchon das kaspiſche Meer umgangen hatten,
(alfo viel früher als vie Mongholen, von denen dies als den erften
im 13. Jahrh. gerühmt wird), und zwar zu einer Zeit ald Strabo,
Blinius, Arrtan, obwol fhon Herodot den gefchloffenen Land⸗
fee kannte, das hyrkaniſche Meer noch für einen Einfluß des
Oceans hielten, Ptol. V. 9. aber über deſſen Ausdehnung noch
ſchlecht unterrichtet war. Denn Moſes fagt wörtlich: „Da es fi
„nun teifft, daß ſowol das griech iſche als das kaspiſche Meer
„von einigen unſerer Leute umgangen wurde, ſo glaube
„ich nun, daß das indiſche in demſelben Falle iſt, und daß nicht,
„wie Einige fagen, der Ocean Alles umfließe“ (St. Martin 1. c.
II. 826 überfegt dieſe Stelle nflyt genau genug). Fällt er auch in
einen andern Irrthum über dad entferntere indiſche Meer, fo fieht
man doc an der Vergleihung ven denkenden Autor. Daß aber vie
Armenter fen in fehr frühen Zeiten ben Handel nach diefen
Gegenden, ndrblih vom ſchwarzen und Faspifchen Meere, betrieben
Haben, fieht man aus Strabo XI. 506, we «6 Heißt, daß vie Me⸗
1
⸗
v
568 WeftsAften. M. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36.
ber und Armenier den Aorſen, die an dem nörblichen Kau⸗
kaſus wohnten und die ganze Küſte ver Kaspier beberrichten, in⸗
difche und babylonifhe Waaren zuführten, welche jene, bie
ihres Reichthums wegen Goldſchmuck trugen, dann auf ihren Kas
meelen weiter im Sande umber vertrieben.
Schon aus dem Genannten ergibt fi, daß die armenifche Li⸗
teratur keineswegs, wie man früher dafür bielt, fi blos mit
Ueberfegung ©) theologifcher Werke, zumal der alten Kirchenväter,
beichäftigt habe, von denen allerdings mol wenige unüberfegt blieben,
zumal im 5. und 6. Jahrhundert, wo Severianuß und bie Werke
Philo's, welche neuerlich von den Mechitariften edirt 62) worben,
im 7. aber die Kirchengefchichte ved Sokrates armenifch bearbei⸗
tet wurde. Auch die Dichter, die Philofophen, wie vie Hiſtoriker und
Philologen, wurden in das Armenifche überfegt; man kann annch⸗
men, daß ein Drittheil der griechifchen Literatur, und darunter viele
fpäter verloren gegangene Werke im Armenifchen aufbewahrt
wurden. '
Nach vorhandnen Spuren hofft man, und nidht®?) ohne Wahr
fcheinlichkeit, ven ganzen Diodor von Sicilten, ven ganzen Polyb,
und Quint. Eurtiuß, 6) die Chronik des Sy ncelluß, des Julius
Africanus, unter ven armeniſchen Manuferipten wieder aufzufinden,
wie man die Chronik des Eufebius, vie Grammatik des Dio⸗
nyfius Thrax, Werke des Plato und Ariftoteles in Davids
Bearbeitungen wienergefunven hat, und Stellen von vielen andern
Siftorifern. Die fonft verlornen biftorifchen Werke des Chaldäers Be⸗
roſus (ſ. ob. S. 356), die mebicinifchen Schriften von Hippokra⸗
tes, von Galenus, die Gedichte von Homer, werden hauſig
wie im Armeniſchen exiſtirend von Moſes und andern citirt; von
Beroſus, den Moſ. Khor. benutzte, ſcheinen noch im 12. Jahr⸗
hundert die Werke vorhanden geweſen zu ſein. Von der ganzen
hiſtoriſchen Bibliothek des Diodor von Sicilien, von ven Wer⸗
fen des Philoſophen Olympiodor, des Andronicus aus
Rhodus, von den (Bebichten des Kallimachos, waren we⸗
*°) Quadro delle opere di vari autori anticamente tradotte in
Armeno. Venezia 1825. 8. Catalogo dei libri stampati rella ti-
pografia Armena dell isola di S. Lazza o presso Venezia.
u) Ueberfegungen im 5. Jahrhundert, |. Neumann Verſuch u.a. D.
©. 72—90. **) Brosset Catalogue de la bibliothöque .d’Rd-
chmiadzin. Petersb. 1840. p. 85. Nr. 181, gibt eine armeniſche
Ueberfegun des Q. Curtius in der dortigen Bibliothek als vorkanben
**) Moses Khor. III. 1. fol, 281. Not, 1,
=
Eupbratfoftems armeniſche Literatur; David. 569
nigften® armentiche Lieberfegungen vorhanden. Bon dem ſchon
oben genannten gelehrten Arfackvifchen Prinzen Gregor Magi-
ſtros, im 11. Jahrhundert, einem Militair, find Briefe vorhanden,
in Avgier des Jüngern armenifcher Brammatl£©*) mitgethellt, aus
denen hervorgeht, daß dieſer Gregor unter andern auch mathemati⸗
ſche Werke in die armenifche Viteratur eingeführt bat.
Es fagt Gregor Magiftros in feinem Briefe: Wir haben
nicht aufgehört mehrere Werke, die nicht in unfrer Sprache vorhan⸗
den waren‘, zu überfegen, nämlih 2 Abhandlungen Platos, bie
Dialoge Timäos und Phädon überfchrieben; unter biefen vielen-
Tractaten befindet fich auch ver über die Vorfehung und vieles an⸗
dere der PhHilofophen. Jedes dieſer Bücher iſt für fich größer als
unfer Hymnenbuch. Auch Haben wir die Bücher Olympiodors in
hailaniſcher Sprache von unfern Lieberfegern gefchrieben gefunden,
weiche David als die herrlichſten und vortrefflichften Werke preifet,
und fie über jedes Product derſelben Gattung erhebt. Auch babe
ih die Werke des Kallimachus und Andronicus in haikaniſcher
Sprache gefunden, aber die Geometrie des Euklides babe ich felbft
angefangen zu überfegen, und wenn ber. Herr meine Tage noch ver⸗
längern will, fo werde ich Sorge tragen, alles vasjenige zu über⸗
fegen, was von griechifchen und ſyriſchen Autoren übrig iſt. —
Der Hier zulegt als hohe Autorität angeführte David 68) ges
hört zu den großen Elaflifern der Armenier ver erften Ueberſetzer⸗
periobe; er, war Schüler Sahags und Mesrops, Zeitgenoß und
Neffe des Mof. Khor.; ala Philofoph iſt er Das Haupt der Arme⸗
nier, 6°) und wird daher als folcher vorzugsweiſe bei ihnen Imas-
dafer titulirt. Das heutzutage nur von ben unmiffenpften
armenifchen Bauern, von fanatifchen Türken’ und raͤuberiſchen Kurs
den durchſtreifte obere Thal des Murapfluffes, von Diyapin bis
Muſh, nämlich Duroperan, war die gemeinfame Helmath, in ber
vie großen Männer Mesrop, Mofes und David dad Licht der
Welt erblicten, ihre jugenpliche Bildung erhielten und als Erleuch⸗
ter ihres Volks Heranreiften, das bier fo tief wieder verfunfen er⸗
ſcheint
Im Dorfe Herthan oder Hercan (auch Merken) im Bau Hart,
‘e) Paschal Aucher „2 grammar Armenian and English. Venice.
1829. Neumann Mem. sur la vie de David etc.
Paris 1829. p. 18 te. und befien Verſuch u. ſ. w. ©. 39.
°.) f. Werke edirt Venedig. 1838,
560° WeftsAfien, II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36,
Da die Armenler dem Koran widerſtrebien, wurde ihr 2008 unter
den zelotifchen Nachfolgern des Propheten nur noch fchlimmer als
unter den Sapord, fo daß mit wenigen Unterbrechungen bie zur
Osmanen Zeit und auch dann’ noch Drud und Sclaverei
vorherrſchend Ihr 2008 blieb.
Das Chriſtenthum zeigte jedoch auch hier auf bie bis zur
erſten Einführung deſſelben ganz roh gebliebene Maſſe feinen beſeli⸗
genden Einfluß, wie auch, trotz vielfacher Verderbung, durch alle
folgenden Wechſel der armenifchen Geſchichten, durch die Kraft ſei⸗
ned Zufammenhalts. Der durch Gregorius befehrte Ziridates
befahl, na Agathbangelus, alle Knaben in ven Provinzen bes
armenifchen Reichs in den Wiffenfchaften zu unterrichten, zumal die
Söhne der heidniſchen Priefter in chriſtlichen Schulen zu verfam-
meln, in Klaffen zu theilen und gute Lehrer einzufegen. Dadurch
warb gegen Ende des Aten Jahrhunderts das goldene ‚Zeitalter der
ermenifchen Literatur im 5ten und Gten vorbereitet. Die vorzüge
lichſten der hefonifch=armenifchen Prieſter, welche die Taufe ange
nommen, ließ Gregor in ihren Würden und Rechten, wodurch ex
fie für Die neue Kirche gemann. Viele der Glaubensgenoffen jener
Periode, vor dem fpäter eintretenden Schiöma, aus dem gebilvetern
und durch Schulen ausgezeichneten Sprien und Griechenland
berufen, ließen fih in Armenien nieder und nahmen Antheil an
dem Wortfchritt der Ausbildung der Kirche und der Wiſſenſchaft.
Auf Koften ver Herrſcher (jagt Eusebius Chron. ed. Venet. 181&
Vol. J. XII.) wurden viele armenifche Jünglinge dagegen in die Schu⸗
len von Edeſſa, Aleranprien, Athen, Conſtantinopel ge
fit, um ſich in ver griehifchen und ſyriſchen Sprache zu
vervolfommnen, zugleich aber auch Philofophie und Hiftorte
zu ftubiren, da nach dem Ausſpruch jener Armenier zu guten Ueber
fegungen fowol die Kenntniß ber Sprache wie der Sache gehöre
In Athen waren feit Iangem Stubirende aus allen Teilen Aftens
verfammelt; bei Juliahus waren Schüler aus Arabien, Syrien
und Armenien zufammengefommen, zu Anfang des Aten Jahrhuu⸗
derts waren dieſelben dort fchon in Landsmannſchaften getreten, wie
bie von. Bithynien, vom Pontus und fo auch die von Armenign.
Armenier befuchten im 4ten und 5ten Jahrhundert jene Sitze ber
Wiffenfchaften, wie im 15ten und 16ten Jahrhundert die.
die Italienifchen Univerfitäten, um bort ihre clafitfche Dllvans #
holen. So konnten neue Schulen entfliehen, und jo bildete ſich a
De große Ueberſetzerſchule für Armenim aus. Sahag G. i.
*
Euphratſyftem; armeniſche Literatur; Claſſiker. 561
Iſaak) der Große, vom Arſacidenſtamme, ein Schüler des Pa⸗
triarchen Nerſes, der bedeutendſte Patriarch zu Anfang des Sten
Jahrhunderts, von großer Gelehrſamkeit und Weisheit, förderte dieſe
anf jene Welle, und Mesrob machte fie durch die Anwendung ſei⸗
nes Alphabets erſt zu einer nationalen. Dies geht insbeſondere
and einer Note des gelehrten Medhitariftien Avgier zur Vorrede
feines armeniſchen Euſebius hervor, mo er aus der noch ungedruck⸗
ten Vita ‚Set. Mesrop von Gorium, *) dveffen Schüler, mit
deffen Worten das eigenthümliche, aus Ueberfegungen hervorgegan-
gene wiffenfchaftliche Leben Armeniens deutlich ſchildert. Es bes
mühten fich diefe beiden Männer, jagt Gorium, ihre Nation nicht
allein in den Wiffenfchaften zu unterrichten, fonvern auch gewandt
zu machen. Patriarch Iſaak Iegte felbft Hand an daB Ueberſetzen
und an die Ausarbeitung eigner Werke, nach alter Gewohnheit.
Beiden ſchien es geeignet, die Brüder Joſeph und Jesnick für
jene Üterarifchen Zwecke auszufenden (ſ. oben ©. 471). Nach eini⸗
ger Zeit wanberten aber noch andere Priefter von Armenien nad
Sriechenland, wie Leont und ein zweiter Sorlum (ver Verfafler).
Au beider, ded Patriarchen wie Mesrops, Schule find die Männer
beroorgegangen, die in 'allen Zweigen des menfchlicden Wiſſens fich
als Meberfeger und ſelbſtaͤndige Schriftfteller hervorgethan Haben
(vie fogenannten „Heiligen Ueberſetzer,“ zu denen einige 40 gezählt
werden). So Mofes Khor., David, Jesnick (over Effnig),
Mambre, Elifä, Joſeph, Leont, Gorium u. a. (Mos.
Khor. III. 60. fol. 310.)
Diefe Meberfeger wurden zugleich vie Claſſiker der Nation;
Die Lieberfegungen felbft wurden, mie bei der heiligen Schrift, wegen
ver reinen, ungefhmüdten Sprache als die claſſiſchen Mufter-
bilder haikaniſcher Rede gepriefen. Das heiligſte gab die
kühnſte, Freiefte, fchönfte Sprache. Gleiche Urfachen brachten gleiche
Wirkungen in der Literaturgefchichte anderer Völker, wie bei ben
Deutſchen, hervor. Die armenifche Ueberſetzung der 22 Tanonifchen
Bücher des alten, wie ver Evangelien des neuen Teſtaments (vles
Ichtere wird Mesrop zugefchrichen), ves Epifteln u. a. durch Iſaak
(Sahag), den Patriarchen, wurbe nad der Septuaginta im Jahr
410 n.Chr. Seh. vollendet; La Eroze, in einem Schreiben, nannte
fie die Königin aller Ueberfegungen überhaupt, wie fie denn auch
©) Neumann, Rec. in Hermes Jahrb. a. a. O. &.196.
Ritter Erdkunde. X. Na
562 Weſt⸗Aſien. IT. Abtheilung. L Abſchnitt. 9.6,
von den Medhitariften 50) für das Mufles ver reinen haikauiſchen
Sprache gehalten wir. Gorium galt wegen feines lieblichen
Styls für den Zenophon der Armenier; Jesnick, der als Biſchof
von Bafrewant (f. oben ©. 361) im hohen Alter ftarb, deſſen voll⸗
ſtändige Werfe 1833 in San Lazaro gebrudt- worden, iſt durch
Feinheit der Diction, des Styls unter den Armenien ausgezeichnet.
Mofes zu Khorene (Ehoruni) im Gau Daron, um daß Jahr
370 n. Chr. Geb. geboren, lebte nach Thomas Arberuniig Angabe
120 Jahre, und fehrieb erſt nach feinen Stubien in Mefopotamien,
Alexandria, Rom, Athen "und onftantinopel feine gehaltweichen
Werke. Alfo erſt in der zweiten Hälfte feined Lebens, gegen bie
Mitte des 5ten Jahrhunderis: denn der Ehronift Sarıuel vom
Ani fegt feinen Tod in das Jahr 489 n. Chr. G. Wie die größe
ten Männer ihrer Zeit. ift au Mofes Khor. von ben critifiren-
den Klüglingen und Nachfolgern, wie einft ein Herodot, Pytheat,
Marco Polo u. A., nicht over mißverſtanden, ver Uebertreibun⸗
gen’ und Lügen befchuldigt und angellagt worben. Wir weiſen
Ratt aller andern in geographiſcher Beziehung nur auf eine feiner
glängenpften Rechtfertigungen, auf die Wiederentdeckung des Pracht
baues des Semiramfchloffes am Van⸗See durch Schulz Hin (ſ. ob.
©. 302—319 und Erdk. IX. S. 982—993). Diefe Rechtfertigung
Halten wir feft, und bei unferer großen literarifchen Unwiſſenheit
über fo vieles bereits Verſchwundene aus ver fo inhaltreichen
aflatiichen Völker» und Menſchen⸗Geſchichte, dad demungeachtet
von Zeit zu Zeit immer mehr aus dem Dunkel der Bergangenbeit,
die nur für uns dunkel geworben, hervortauchen wird, vertrauen
wir demnach in geziemender Art den Ueberlieferungen bewäßrtes
Männer der Borzeit zur unaudgefehten Erforfchung ihres Inhalth
für künftig mögliche tiefer eindringende Betrachtung ver wahren
Entwicklungsweiſe des Menfchengefchlechts.
Der gelehrte Mechitariſt S. Somal, Erzbiſchof von Sul,
nennt in feiner 2iteraturgefchichte Armeniens 51) mit Recht Mer
ſes den. Fürft haikaniſcher Gelehrſamkeit, ven Vater
ber armeniſchen Literatur, der bis an bad Ende feines Le⸗
Send die verfchienenartigften Werke aus. verfchiedenen Literczum,
‚ ’°) Neumann, Verſuch a. a. DO. S. 30, 37. sı) PL Sukias Se
mal, arcivescovo di Siunia ed abbate di S. Lazero, Quadro
della storia letteraria di Armenia. Venezia 1829; vergl. E-®.
Neumann, Verſuch einer Gefchichte ber araenijdien 2 sabmz,, and
ben Werken ber Mechitariſten bearbeitet. Leipzig 1838. 8, &,
—⸗
Euphratſyſtem; armen, Literatur: Moſ. v. Khorene. 563
zumal aus dem Griechiſchen, überſetzte, und' beinahe In allen Faͤ⸗
chern des menſchlichen Wiſſens auch als ſelbſtändiger Schriftſteller
auftrat. Ihm werben die ſchönſten Lieder im armentichen Gefang-
buche (im Sharagnoz, d. h. Hymnenſammlung) 52) zugefchrieben,
bie bis Heute an beflimmten Tagen in der Kirche gefungen werben;
vom ihm fol die nach griechifchen Muſtern, zumal des Hermogenes,
gearbeitete Rhetorik berrühren, vie auch heute noch fehr Ichrreich tft.
Auch die armenifche Ueberſetzung ver Chronik des Eufebius,
die als wichtigfter Bund der armenifchen Literatur ſeit Kurzem aus
den Bibliotheken Jeruſalems nach Eonftantinopel kam, und von
ven Mechitariften wie von Zohrab, in doppelter Ausgabe, edirt 59)
wurde, wird von den einheimiſch⸗armeniſchen Krititern dem Mofes
mgefchrieben. Seine auf Verlangen des Fürſten Sfaak aus dem
Haufe der Bagratiden gefhriebene armeniſche Geſchichte 5%) if
das bekanntefte feiner übriggebliebenen Werke, das für die Ge
ſchichte überhaupt auch durch Aufnahme früherer gänzlich verloren
jegangener biflorifcher Quellen des Auslanves unſchätzbar if, aus
rn Gefammtinhalt ver armenifche Geſchichtſchreiber freilich‘ nur
ws aufzunehmen beabfichtigen konnte, was zur Geſchichte feines
am hiſtoriſchen Thatſachen armen Volkes gehörte, daher ihr Werth
aur beſchraͤnkt bleibt, aber wichtig iſt zur Ausfüllung der Lücken an⸗
derer Geſchichten. Moſes ſchöpfte die Anfänge der patriarcha⸗
liſchen Geſchichten ſeines Volkes, nachdem er in der Einleitung
na moſaiſchen Schriften, mie den Chaldäern Beroſus und Abyde⸗
8 gefolgt iſt, nämlich die Cinwanderung der Befchlechte ſel⸗
us Stammvaters Haik aus dem Chaldäerlande, deren Anſiede⸗
ung, Berbreirung in Armenien u. f. w., theils aus einhei⸗
niſchen Ueberlieferungen, vorzüglich aber aus ven Geſchichtsbüchern
ed Syrers Mar Abas oder Ibas von Catina (nicht Maribas,
Erdk. IX. ©. 984), welcher anperthalbhunvert Jahre vor ver
seitlichen Zeitrechnung feine Annalen zufammentrug. Als der an
ichdiſche Herrſcher des großen Vartherreiches, Arſhag over Ar⸗
aceB Der Große (reg. 173— 136 vor Ehr.), fagt Mofes, feinen
euer Balarfaces (oder Waharſhag ver Armenier, reg. 149
16 127), den erften ver Arfariden, zu Nifibis als erblichen
=, Menmanı, Verſuch a. a. ©. ©.55. es) Eusebii Pamphili
Chronic. ed. Ang. Majus et J. Zohrabus, Mediol. 1818. 4;
ber edit. Aucher, Venet. Il. Voll. 4; vergl. Niebuhr, Heine Echrif
ten. ) Neumann, Verſuch a. a. O. S. 46.
An 2
564 Weſt-Aſien. TI. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 36.
Statthalter oder Feudalkoönig über Armenien und bie Nord⸗
weftprovinzen feines Reichs einſetzte, wollte dieſer, ein Beichüger ver
Künfte und Wiſſenſchaften, fi eine genauere Kunde der Thaten
feiner Vorfahren und der Begebenheiten erwerben. Die frühen
fogenannten Könige von Armenien aus dem Kaufe Haiks waren
wol nur Statthalter Irans und Anirans, wie nad; dem Untergange
der Eyrus- Monarchie unter Alerander M. dort nur Statthalter
pie Gewalt Hatten (f. Erdk. IX. ©. 768). Valarſaces ſandte eb
"halb den In chalvälfcher und griechtfcher Gelehrſamkeit fehr erfahre
nn Syrer Mar Ibas (dv. H. Dominus Ibas, 55) vergl. ob. S. 167)
mit Geſchenken und Empfehlungsfchreiben an Arfaces (Mor
Khor. I. 7 et 8, fol. 0 — 25) in Ninive, damit Ihm ver Zu⸗
gang zu den berühmten Archiven dieſes Ortes geflattet würbe. Dert
fand er eine Handſchrift, die, wie er berichtet, zu Alexander bed
Großen Zeit aus dem Chaldäiſchen in die griechiſche
Sprache überfegt warb, von der er einen getreuen Abriß in grie
hifcher und forifcher Sprache mit na Niſibis zum König Bas
larſaces zurüdbrachte, weil er in ihr Die wahren Anfänge ber
Geſchichten, die er fuchte, aufgefunden Hatte. Der König Balar
ſaces hielt dieſe Schrift in feiner Burg In größten Ehren und lie
einen Theil verfelben auf eine Säule eingraben. Aus dieſer Schrift,
bie leider verloren gegangen, wurven bie älteften Gintheilungen ber
Herrſchaften und Lanpfchaften und die Anfänge der wirklid ar⸗
menifchen Befhhichten genommen, welche aber der Syrer Mar
Ibas nicht weiter führt, ald bis auf König Arſhag L, ven Som
und Nachfolger Valarſaces. Diefer reg. von 127 bis 114 vor Chr.
Geb. und die Einfälle bulgariſcher Horden in Armenien
unter dieſem Könige find das letzte Factum, das Mofes von item |
für feine armenifche Geſchichte benutzen konnte (Mos. Khor. IL 8,
fol. 160). Als Fortſetzung feiner Geſchichten gibt Mofes zur Quelle
nun das fünfte Buch der Gefchichtsbücher des Julius Afri⸗
eanus (Mos. Khoren. II. 9, fol. 101) an, ver feine Nachrichten
von armenifchen Herrfchern aus den Schriften ver Bibliothek zn
Edeſſa (Orfa, f. oben ©. 117, 138, 166, 243) gezogen, ie ihte
Geſchichtstafeln der Tempel wiederum aus Nifibis und Sinope
vom Pontus zugeführt erhalten Hatten. Auch Eufebins, fagt
Moſes, bezeuge den Hiftorifchen Schag ver Bibliothek zn
66) La Croze Not. in Mos. Khor. fol. 2; Neumann, Verfuch . “
D |
\ ⁊
1;
Euphratſhftem; armen. Literatur; Moſes v. Khorene. 565°
‚vr IV W
Edeffa, aus dem er feine Gefchichten des Abgarus und Sana⸗
deng, nach dem Zeitfchriftfteller Lerubnad (oder Eherubnas) 30) ge»
nommen, bie ſich ebenfalls in dem Föniglichen Archive biefer Stadt
befanden. Moſes Khor. verfichert noch obenein, daß er Hier in
Bahrheit von Cdeſſa felbft al Augenzeuge rede, und daß viefe
Nachrichten über Armenien, die in ver genannten Bibliothek aufbe⸗
wabrt feien, bi8 auf König Eruand herabreichten (f. oben S. 453).
Die folgenden Nachrichten gibt er aus des DOlypius, eines
heidniſchen Priefterd zu Ani, Tempelgefchichten (I. 45. fol. 160),
ber gegen Ende des erſten Jahrhunderts unter Artarerres, König
von Armenien, lebte, aus Bardeſanes von Edeſſa, forticher
fpäter ins Griechiſche überfegten Befchichte, ver gegen das Jahr 211
unter Kaiſer Anton. Caracella lebte, die ex durch die Tempelarchive
zu Ani veroollfländigte (IT. 63. fol. 185); dann aus Arditheos,
eines heidnifchen Prieſters, Leben des Gregor Illuminator, der fidh
zum Chriſtenthum bekehrt Hatte und im Jahr 300 vom Gt. Gregor
zum Biichof geweiht war, vorzüglich aber dann aus des Agathan-
gelus Zeltgeſchicht Dirvats und Gregors, die jedoch Mofes
volflänniger als fein Vorgänger ausführt (II. 64. fol. 187). Mit
dem Anfange des dritten Buchs (II. 1. fol. 231) ſpricht er ale
e.
Dieſe Angaben mögen unfere häufigen Hinweiſungen auf bie
Geſchichten diefed Autors als Grundlage zu unfern Zingerzeigen
für die alte Kunde des Landes und Volkes von Armenien vechtfertis
gen, obwol bier zugleiy zu bemerken If, daß die Ueberreſte der ar⸗
menifchen Literatur aus den Stürmen ver Zeit keineswegs fo rein
und unverfälfcht fich erhalten Haben, wie bie der griechiſchen und
sömifchen Claſſiker, denn noch größere Unwiſſenheit ihrer Abfchreiber
als bei jenen und Nationaleitelleit ihrer Gommentatoren hatte fie
interpolitt.
Wie die Geſchichte des Moſes Khor., von welcher übrigens bie
Mechitariſten fo eben eine neue kritiſche Ausgabe veranftaltet haben,
fo Hatte daſſelbe Loos auch die fogenannte Geographia deſſelben
Antors (ed. Whist. 1736. fol. 335— 368) getroffen, welche eine
durch ihn freie Bearbeitung ver verloren gegangenen Xmpoypapla
olxovuevınn, oder ver allgemeinen Geographie des Pappus
von Alerandria, der gegen Ende des 4. Jahrhunderts unter
‘., Meumann Verſuch u. ſ. w. G. 8,
—
66 Weft-Aſien. M. Abtheilung, I. Abſchnitt. $. 36.
Theodoſins Magnus lebte, zu fein ſcheint. St. Martin, ber
biefelbe Anficht hegte, ſah bei feinen. armenifchen Stubien 57) wel
ein, daß dad Compendium biefer armentichen Geographie Anga⸗
ben und Namen mthalte, die dem Moſes felbft zu feiner Zeit ums
möglich bekannt fein konnten, es waren ihrer fo viele, daß er gegen
das Zeugniß aller armenifchen Literatoren (wie einſt Schlözer gegen
den Ptolemäuß zu Felde ziehend) behauptete, dafjelbe Fünne unmögs
lich in feiner gegenwärtigen Geftalt von jenem Mofes Khore⸗
nenfis berühren. Er ſchloß aus jenen Interpolationen, daß «6
erſt gegen das Jahr 950 nach Chr. Geb. verfaßt fein inne. Aber
der Parifer Gelehrte Hatte damals Teine Handſchriften zum Gebrauch;
er konnte nur ven von Whiſton uncritifch ebirten Text benußen.
Schaffarik, der große Forſcher ſlawiſcher Sprachen, °®) teilte,
nach Angabe des gelehrten Mechitariften Bat. Arfen. Anthimes
flan, aus einem alten armenifchen Manufcript deſſelben Compen⸗
diums diefelbe wichtige Stelle über die erſte Erwähnung ker
Slawen mit, welche aber ganz anders lautet als bei Whiſton (Geogr.
p- 347); und Anthimoflan zeigte, daß die meiften jener dem Mofes
vorgemworfnen Irrthümer gleih grundlos find, da fle den guten
Manujcripten des Compendiums fehlten, alfo nur der Whiſton'ſchen
Ausgabe zur Laft fallen. Auch Indſhidſhean beflätigt es, daß
die von St. Martin angegebnen Widerſprüche meift in den ächten
Mier. fehlen. '
Diefe Schrift fcheint eine freie Bearbeitung der Werke
des Maihematikerd und Geograpfen Pappus, aus ver zweiten
Hälfte des 4. Jahrhunderts zu fein; .fle wird dem Moſes vis
bieirt und Tann auch fehr gut von Mofes herrühren, ber wahr
ſcheinlich nicht vor dem Jahre 480 n. Chr. geftorben if. Neumann
bat gezeigt,S9) daß auch bei dieſer Arbeit Mofes nicht bloß Ueber⸗
feger war, daß er, mie er dies felbft verfichert (Geogr. fol. 346),
einen Auszug des Wicptigften. mit Zuziehung des Ptolemäns,
des Theonoros von Samos und Gonftantin von Antiochia geh,
bei der Beſchreibung feiner Heimatb Armenien aber aub be
umliegenben Landſchaften wirklich viefelbe in erweitertem Ussfang
sv) St. Martin M&moire sur l'Epoque (de la composition de is
geographie attribu6e & Moyse de Khoren, ın M&m. II. p. 201
‚977. *%) 3. 3. Schaffarif, über bie — der ———
Lor. Surowiedi. Ofen 1828. 8. ©. 130 a. ff. 6°) Semmans,
—F Zeitſch. fürdie Kunde des Morgenlaudes. 1887. Dh. L. ©.18-—
%
—
a
Euphratfuftem ; armen. Literatur; Moſ. v. Khorene. 567
ausführte, alfo felbftthätig und felbfifländig verfuhr. Nach einer
kurzen Einleitung in vie mathematifche Geographie geht er in bie
allgemeine Befchreibung der Erdtheile über, fügt aber zu Armenien
pie Sperinlbefchreibung (fol. 358362) der 15 großen Provin⸗
zen mit ver Nomenclatur aller ihrer Unterabtheilungen in Gaue
oder Eantöne Hinzu, vie fhon Plinius Präferturen dder
Strategien nannte, veren barbariſche Namen Ihm aber aufe
zubewahren unnüß fchien (H. N. VI. 10: Dividitur, quod certum
est, in praefecturas, quas orgaznylag vocant, quasdam ex iis
vel singula regna quondam barbaris nominibus CXX.). St. Mar»
tin nennt nur 193, aber Moſes Khor. führt vergleichen 240 al
lerdings als armenifche, barbarifch Flingende Namen auf, vie jedoch
Durch die Abfchreiber noch in ver Whiſton'ſchen Ausgabe faſt zum
Unbrauchbaren entftelt und erft durch die Vergleichung mit ben
beffern Hanpfchriften und Lesarten in des gelehrten Inpfhinfhenn
geographifchen Werken zu ihrer urfprünglichen Geflalt zurüdges
führt find. Außer dem eigentlichen Armenien wurde auch die Geo⸗
graphie ver benachbarten Landſchaften am Pontus, in Cilicen,
Asia minor u. a. aud einheimifcher Kenntniß vervollfländigt, und
auch diefe von Indſhidſhean berichtigt. Aus einer foldien Erwei⸗
terung bei Mof. Khor. ergibt fich die fehr intereſſante Thatfache,
daß armenifhe Kaufleute, die feit ältefter Zelt einen bedeuten⸗
von Zwiſchenhandel zwifchen Nord⸗, Mittel- und Weit-Aflen bes
trieben, damals fchon das kaspiſche Meer umgangen hatten,
(alfo viel früher ald nie Mongholen, von venen bied ald den erften
im 13. Jahrh. gerühmt wird), und zwar zu einer Zeit ald Strabo,
Blinius, Arrian, obwol fchon Herodot den gefchloffenen Land⸗
fee Zannte, das hyrkaniſche Meer noch für einen Einfluß des
Oceans hielten, Ptol. V. 9. aber über vefien Ausdehnung noch
ſchlecht unterrichtet war. Denn Moſes fagt wörtlich: „Da es ſich
„nun trifft, vaß fowol das griechifche als das Faspifche Meer
„non einigen unferer Leute umgangen wurde, fo glaube
„ich nun, daß das inpifche in demſelben Falle ift, und daß nicht,
„vote Einige fagen, ber Ocean Alles umfliege" (St. Martin 1. c.
II. 326 überfeßt dieſe Stelle nftgt genau genug). FAlt er auch in
einen andern Irrthum über das entferntere inbifche Meer, jo ſieht
man doch an der Vergleichung den denkenden Autor. Daß aber die
Armenter fon in ehr Frühen Zeiten ven Handel nach biefen
Gegenden, nordlich vom ſchwarzen und kaspiſchen Deere, betrieben
haben, fleht man aus Strabo XI. 506, we es heißt, daß hie Me⸗
568 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36.
der und Armenier ven Aorfen, die an dem nörbliden Kau⸗
kaſus wohnten und vie ganze Küfte ver Kaspier beherrichten, in⸗
difche und babylonifche Waaren zuführten, welche jene, vie
ihres Reichthums wegen Goldſchmuck trugen, dann auf ihren Ka⸗
meelen weiter im Lande umher vertrieben.
Schon aus dem Genannten ergibt fi, daß die armeniſche Li⸗
teratur keineswegs, wie man früher dafür hielt, fih blos mit
Ueberfegung ©) theologiſcher Werke, zumal ver alten Kirdhenväter,
befchäftigt habe, von denen allerdings wol wenige unüberfegt blieben,
zumal im 5. und 6. Jahrhundert, wo Severianus und bie Werke
Philo's, welche neuerlich von ven Mechitariften edirt 61) worden,
im 7. aber die Kirchengeſchichte des Sokrates armenifch bearbei-
tet wurde. Auch die Dichter, die Philoſophen, wie die Hiſtoriker und
Philologen, wurden in das Armenifche überſetzt; man kann annehe
men, daß ein Drittheil der griechifchen Literatur, und barunter viele
fpäter verloren gegangene Werke im Armeniſchen aufbewahrt
wurden.
Nach vorhandnen Spuren hofft man, und nicht?) ohne Wahr⸗
&heinlichkeit, ven ganzen Diodor von Sicilien, ven ganzen Polyb,
und Quint. Gurtius, 6) die Chronik des Syncelluß, des Julius
Africanus, unter ven armenifchen Manuferipten wieder aufzufinden,
wie man die Chronik des Eufebius, die Grammatik des Dies
nyſius Thrax, Werke des Plato und Arifioteles in Davids
Bearbeitungen wiedergefunden bat, und Stellen von vielen anbern
Siftorifern. Die fonft verlornen hiſtoriſchen Werke des Chaldäers Be⸗
roſus (f.ob. S. 356), die mebicinifchen Schriften von Hippokra⸗
tes, von Galenus, die Gerichte von Homer, werden haͤuſig
wie im Armenifchen exiſtirend von Moſes und andern citirt; von
Berofus, ven Mof. Khor. benußte, ſcheinen noch im 12. Jahr⸗
hundert die Werke vorhanden geweſen zu fein. Won ver ganzen
hiſtoriſchen Bibliothek de Diodor von Sicilien, von den Wer⸗
fen des Philoſophen Olympiodor, des Anpronicus aus
Rhodus, von den Gedichten des Kallimachos, waren we⸗
*°) Quadro delle opere di vari autori anticamente tradotte in
Armeno. Venezia 1825. 8. Catalogo dei libri stampati rella ti-
pografia Armena dell isola di S. Lazzao presso Venezia.
9%) Ueberfeßungen im 5. Jahrhundert, f. Neumann Verſuch a. a. O.
©. 72-90. *?) Brosset Catalogue de la bibliothäque .d’Ed-
chmiadzin. Petersb. 1840. p. 85. Nr. 181, gibt eine
Ueberfeßung des OD. Curtius in der dortigen Bibllothef als vor
an, **) Moses Khor. TIL. 1. fol, 281. Not, 1. ;
Eupbratfoftem; armenifche Literatur: David. 569
nigſtens armentiche Lieberfegungen vorhanden. Don dem ſchon
oben genannten gelehrten Arfachvifchen Prinzen Gregor Magi-
ſtros, im 11. Jahrhundert, einem Milttair, find Briefe vorhanden,
in Avgier des Jüngern armenifcher Grammatif6*) mitgetheilt, aus
denen bervorgeht, daß biefer Gregor unter andern auch mathemati«
ſche Werke in die armenifche Literatur eingeführt Hat.
Es fagt Gregor Magiftros in feinem Briefe: Wir haben
nicht aufgehört mehrere Werke, die nicht in unfrer Sprache vorhan⸗
den waren‘, zu berfegen, nämlid 2 Abhandlungen Platos, vie
Dialoge Timäos und Phädon Überfchrieben; unter biefen vielen-
Zractaten befinvet fich auch ver über vie Vorfehung und vieles an⸗
dere der Philofophen. Jedes dieſer Bücher ift für fich größer ale
unfer Hymnenbuch. Auch Haben wir die Bücher Olympiodors in
haikaniſcher Sprache von unfern Ueberſetzern gefchrieben gefunden,
welche David als die herrlichſten und vortrefflichften Werke preifet,
und fie über jedes Product verfelben Gattung erhebt. Auch habe
ih die Werke des Kallimachus und Andronicus in haikaniſcher
Sprache gefunden, aber vie Geometrie des Euklides Habe ich ſelbſt
angefangen zu überfegen, und wenn ver. Herr meine Tage noch ver⸗
längern will, fo werde ich Sorge tragen, alles dasjenige zu über⸗
fegen, wat von griechiſchen und ſyriſchen Autoren übrig iſt. —
Der Hier zulegt ald Hohe Autorität angeführte David 65) ges
Hört zu den großen Elafjifern ver Armenier ver erften Ueberſetzer⸗
periode; er war Schüler Sahags und Mesrops, Zeitgenoß und
Neffe des Mof. Khor.; als Philoſoph If er dad Haupt ver Armes
nier, 66) und wird baber als folcher vorzugswelfe bei ihnen Imas-
bafer titulir. Das heutzutage nur von den unwiſſendſten
armenifchen Bauern, von fanatifchen Türken und räuberifchen Kurs
den burchftreifte obere Thal des Murapflufies, von Diyapin bis
Muſh, nämlid Duroperan, war die gemeinfame Heimath, in ber
Die großen Männer Mesrop, Mofes und David das Licht der
Welt erblidten, ihre jugendliche Bildung erhielten und als Erleuch⸗
ter ihres Volks heranreiften, das bier fo tief wieder verſunken er⸗
ſcheint.
Im Dorfe Herthan oder Hercan (auch Merken) im Gau Bart,
se) Paschal Aucher „2 grammar Armenian and English. Venice.
1829. Neumann Me£m. sur la vie de David etc.
Paris 1829. p. 18 ei. und befien Verſuch n. ſ. w. ©. 9.
°.) f. Werke ebirt Venedig. 1828,
570 WeftsAfien. II. Abthellung. I. Abfchnitt. 6. 36.
dem Urfitze Haiks, des armeniſchen Stammvaters, war David ge
baren. Bon feinen Lehrern zum Stublum ber griechifchen Literatur
nach Alexandria, Athen und Eonftantinopel gefendet, winmete er ſich
vorzugsweiſe der Philofophie, und blühte um das Jahr 490 nach
Chr. Geb. Er foll in Alexandria und Athen ein Schüler des Sy-
rianus und deſſen Schülers Broclus des Neuplatonifers geweſen
fein, deſſen berühmteſtes Wert „vom Blauben” (nepl nloveng;
in Gonftantinopel im Jahr 1435 n. Ehr. Geh. gefchrieben) an vie
Armenier gerichtet war. David felbft wurde durch feine Mebe
über dad Kreuz der Neftorianer (wol gegen Enbe des 5. Jahr⸗
hunderts ie Conftantinopel gefchrieben; er farb In Armenien erſt
zu Anfang des 6. Jahrh.) am berühmteflen; er war orthodoxer
Chriſt, und feine meiften Schriften find gegen die Schüler des Ne
ſtorius gerichtet. Außer einer Grammatik und den theologifchen
Schriften find auch philofophifche, in denen er nach Art der Neu⸗
Platoniker den Plato mit Arifloteles zu verfähnen fuchte, weil es
doch nur Eine Wahrheit gebe, von ihm verfaßt, unter denen das
Sauptwerf ven Xitel Fundamenta. philosophiae führt. Seine wid.
tigfte Arbeit maren aber feine volftändigen Ueberfegungen ver
Werke des Ariftoteles ind Armenifche, die ſich auf der Pariſer Bi⸗
bliothek in Mer. befinden, auf deren große Bedeutung zuaft Neu⸗
mann bingewiefen zu Haben das Verdienſt hat.
Es find die Werke viefes großen denkenden Geiſtes auch im bie
ſyriſche und wahrſcheinlich aus viefer in vie arabifche, perſtſche und
ceyloniſche Sprache übertragen; aus dem arabifchen find die he⸗
bräiſchen Ueberſetzungen gemacht, und Sagen von Weber=
tragungen verfelben, die allmählig mol freilich immer unver
fländlicher werben mußten, felbft in tatarifche und chineſiſche Sprache
find vorhanden. So bemerkt fehr tröftlich ein feiner gedankenreicher
Recenfent 07) der Ankündigungn des armmifchen Philoſophen:
„Die armenifhen Meberfegungen, bie hier zum erftenmale
näher befannt werben, geben ein neues Beifpiel, wie ver Ariſtotelſche
Geiſt nicht blos im Abendland wirkte. Die Schwingungen, tie von
ihm audgingen, brangen in den Orient hinüber, und wie weit fie
ſich in geheimnißvollem Zufammenbange fortpflanzten, laͤßt fich bis
jegt noch nicht einmal mit Sicherheit beſtimmen. Wenn man
in der Geſchichte fand, daß die Culture immer wit der Sonne
07) Trendelnburg ih Jahrb. (. if. Keit. Mes. 1829, Nr. 100. 6.706.
BE —
| X
Enphratſhftem; armen. Literatur; Ghrereinfluß. 571
von Of nah Weit zog, fo if doch bier, freilih nur im
einzelnem Kreife, vie fchöne Ausnahme einer bleibenden Ruͤckwir⸗
fung. Wenn das zu Tage erfcheint, was den Geiſt in feinem ei»
genften Weſen begreift: fo findet es auch allmählig den Geiſt in
jedem Bolfe. Es bleibt ein Steg des tiefen befonnenen Geiftes,
daß er, der nüchterne, bilnerlofe, felbft die feurigen und bilperreichen
Morgenländer ergriffen.” |
- Das große Verdienſt ver Mechitariften, jener gelehrten und
feommen, für ihre Nation patriotifch begeifterten Mönche, iſt es, ihr
unermüdetes Korfchen auf Wiederauffindung folder nationa=
Ien verloren gegangener Literaturwerke und auf die critifche Ser⸗
ausgabe ihrer claffifchen Autoren ihre ganze Kraft zu ver
wenden, worin fle fchon fo Großes und Ueberraſchendes erſt feit ei»
nem halten Jahrhundert geleiftet haben, und künftig noch vieles
leiften werben.
Wie die Rüdwirkung der Griechen auf die Armenier, eben ſo
iſt die ihrer nächſten ſüdlichen Nachbarn, der ſyriſchen Litera⸗
tur, auf dieſelben, obwol noch wenig erforſcht, doch keineswegs un⸗
bedeutend zu nennen, wie aus obiger Hinweiſung auf Mar Ibatz,
ven Syrer von Gatina, ſich von felbft ergibt. Zu des gelehrteften
der Syrer, zu Aſſemani, Zeit wußte man noch nicht einmal, vaß
die Armenier im Aten und Sten Jahrhundert ihren erſten Unter»
richt in den ſyriſchen Schulen erhalten hatten. Aſſemani
ſpricht nur von ihren Einwirkungen auf Perfer und Inder. Viele
ver ſy riſchen Chriſten (Erdk. I. 285 und oben ©. 118, 166)
Samen in ber frübeften Zeit nach Armenien, da die neue Lehre zu _
prebigen, &) und flifteten daſelbſt Klöfter und Bifchofsflge; fo warb
vas berühmte Klofter Surp Garabied (vb. i. St. Johannes Prae-
eursor) in Daron auf den Ruinen jenes alten Indier⸗Tempelhei⸗
ligthums wurd ven Syrer Zenob aufgebaut, den Jünger St.
Gregors (f. oben ©. 552). Defien Nachfolger in dieſem feinem
Bifchefsfige waren insgefammt bis Eude des 6ten Jahrhunderts (bis
auf Thofig im I. 600) Syrer, und bei ihnen war es nach Johan⸗
ned des Mamigoniers Zeugniß bis dahin regelmäßig geſchehen, daß
die ſyriſchen Väter dieſes Kloſters von Zenobs Zeit an alle Creig⸗
niſſe der Zeit chronicaliſch verzeichneten, fo daß dieſe Schriften
ven Namen ver Geſchichte der Aſſyrier erhalten hatten. @)
**) St Martin, Mem. L p. 10. °*) Neumann, Berfuh a. a, O.
1}
572 WeftsAfien. II. Abtbeilung. I. Abſchnitt. $. 36.
Ganz Südweſt⸗Armenien, zwifchen Tigris und Eupbrat, Amis,
Miafarekin mit ihren Umgebungen und ganz Sophene (f. ob.
S. 78, 93, 136) wurden von Syrern abhängig in religidfer und
literariſcher Beziehung. Alle dortigen Eplfcopen waren Shrer, uns
ter dem Patriarchen von Antiochia, fie fungirten und fhrieben in
ſyriſcher Sprache; ja bie forifchen Priefter waren zu Anfang bes
5ten Jahrh. in Armenien fo mächtig geworben, daß fie dort fogar
nach dem armenifchen Patriarchate firebten. Bon den Perfern ge
fügt mußten fie Hei den dortigen politifchen Wirren (j.06.&. 559)
bie Iegitimen Patriarchen zu exiliren und ſich felbft auf den Stuhl
St. Gregors zu fegen. Daher ver frühe Haß der Armenier gegen
bie Syrer, obwol fie ihnen in Glaubensſachen gar nicht fo fern.
fanden. Bor Mesrop gab es in Armenien nur ſyriſche Bibeln;
man überfehte zu Mesrops Zeiten die Werke St. Ephraims
von Edeffa, die Predigten St. Jakobus von Nifibe und anderer
Syrer ind Armenifche; Ende des 6ten Jahrhunderts vie Häretifchen
Schriften von Manes (f. obem 6.168), Theodorus von Mop-
fuefte, Baul von Samofata, die Apokryphen des alten unb
neuen Teſtaments, die Apocalypfe von St. Petrus, bie Po⸗
nitenz Adams und anderer aus Syrien verjagter Haͤretiker, die
in Armenien ein Aſyl fuchten. Ja felbft noch aus dem 13ten Jahr⸗
hundert, vom Jahr 1245, beflgt die Königliche Bibliothek in Paris, -
nad St. Martin, die Handfchrift einer Historia universalis vom
Jakobiten⸗Patriarch Michael von Antiochia, der Ende des 12ten
Jahrhunderts ſtarb, die oft von Abulfarapfch gerühmt wird, deren
ſyriſches Original verloren gegangen If, von dem die armenifche
Ueberfegung fh aber in jenem Manuferipte erhalten Kat.
Auch die Saffanivden, die Lehren Zoroaſters und de
Magier blieben nicht ohne Einfluß auf die armenifche Literatur, und
dadurch iſt bei dem Untergange ver perflfchen Schriften jener Zelten
(ſ. 0b. ©. 122, 173) in den Hanbfchriften ver Armenier auch wol
noch Manches zur Aufklärung jener Periode und Literatur für bie
Nachwelt aufgehoben. Nah ver Vernichtung des mehr ſelbſtändi⸗
gen arfacivifchen Königreich Armenien, und als immer wieber ans
ſacidiſche, aus perfiſchen Gebieten verjagte Prinzen in Armenien
ein Aſyl fuchten, um von da aus ihre glüdlicheren Rebenbuhler
vom geraubten Thron zu floßen, begünfligten bie Saſſaniden unter
ven Magtern einen neuen zelotiſch⸗bekehrenden Aufichwung, ber
ein gefährliches Borbild zur Nachfolge ihres Gegenſages, der mu-
hamedaniſchen Araber, werden wußte. Damals ſuchten dieſe Ihre
Euphratſhſtem; armenifche Lireratur, Perfereinfluß. 573
Magie ober das Geſetz Mazdezants (von Mazdei esnan, d.t.
Anbeter des Aramazd, d. i. Ormuzd) mit Gewalt des Schwertes ver
Shahpure in Armenien einzuführen. Sie machten dort viele Pro=
felgten, 7%) ungeachtet die chriftlichen Autoren flarfe polemiſche Werke
gegen die Magier ausgehen ließen; fo vie gelchrten armenifchen
Geiſtlichen Eznig, Ardſan, Ardzruni und andere. In ver Hiſtorie
der Kriege des General Vartan gegen die Perſer, von dem Ar⸗
menier Eliſä gegen die Mitte des 5ten Jahrhunderts geſchrieben,
welche die heroiſchen Kämpfe und die Standhaftigkeit der Armenler
enthält, die mit Gewalt dazu gezwungen werben ſollten, die Lehre
Jeſu mit dem Feuercultus Zoroaflers zu vertaufchen, 71) iſt ein Be⸗
fehl des perfifchen Statthalter von Armenien, Beh Mihir Nerfeh,
aufbewahrt, ver die armentfchen Ehriften zur Annahme der Religion
Sorvafter® bringen fol, darin eine Außeinanverfegung von deſſen
Lehrfägen 72) entwidelt iſt. Und nur zu verführerifch war vie Ver⸗
lockung für Viele, da oft greße politiiche Vortheile mit ver Entfas
gung verbunden waren, wie aus den furchtbaren Kriegägefchichtn
Sapors II. gegen Arfaces, Mitte des 4ten Jahrhunderts, hervor⸗
gebt, wo feldft vie angefehenften Kürftengefchlechter Armeniens, durch
Die Apoftaten) Mehruſhan vie Arbzrunier, und durch Va⸗
han die Mamigonier, zur Abſchwörung des Ehriftenthums ge⸗
bracht und dafür mit Stattbalterfchaften des öftlichen Armeniens
belohnt und zu Lünftigen Beherrfchern ganz Armeniens unter
der Saffaniven Obergewalt beflimmt wurben. Der erftere erhielt
Vasburagan, die große Provinz im Süden des Van⸗Sees
bis zum Araxes und Aderbidſchan am Urmia⸗See, der zweite
wurde Sharabien oder Generaliſſimus von Armenien (f. ob. S. 454).
Damals bewirkte der durch Haß gegen das Chriſtenthum und die
armeniſche Nation entflammte Mehruſhan ein Verbot des Perfer-
köonigs für Armenien, kein in armenifcher ‚oder griechifcher Sprache
geſchriebenes Buch zu leſen, und um noch ſchneller feine Zwecke zu
erreichen, Tieß er tm Jahr 381 alle dieſe Bücher, deren er habhaft
werden konnte, den Flammen 7%) übergeben.
Dies iſt der Zufland Armeniens, den ver Zeitgenoffe Am⸗
70) St. Martin Mem. I. p. 14. 21) Neumann, Verſuch a. a. O.
©. 64. 7°) St. Martin, M&m. ordonnance de Mihr-Nerseh
in deſſen M&m. s.l’Arm. Vol.Il. p. 472—478. ’*) St, Martin,
Histoire des r6&volutions de l’Arm£nie sous le règno d’Arsaoe II.
ndant le IV. si&cle im Nourv. journ. Asiat, Dec. 1820, Paris.
. IV. p.180, T.V. p.343. ?*) Neumann, Bra ©.ı.
574 WeftsAfien, TI. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 36
mian im Auge bat, wenn er von dem arößern Thelle Armentens,
dem Grenzlande gegen Medien fpriht, der, Artarata mit
eingefchlofien, durch ven fchimpflihen Frieden Iovland am Tigris
begünftigt (f. ob. S. 158), bald nachher in’ die Gewalt der Safſa⸗
niden, die er aber Parther nennt, gelangt fei (Amm. Marc. XXV.
7,42: Unde postea contigit, ut virus caperetur Arsaces, et Ar-
meniae maximum latus Medis conterminans, et Artaxata inter
dissensiones et turbamenta raperent Parthi). Bon viefer durch
Gewalt eroberten größern Hälfte ganz Armeniens, Oſt⸗
Armeniend, welches bei den Gefchichtichreibern auch Perſar⸗
menia beißt, ift nach Indſhidſheans Bemerkung die weit Fleinere
Provinz dieſes Namens zu unterfcheiden, welche noch bis heute
ebenfalls fehr häufig Perfarmenten heißt, weil fle unter biefem
Namen in Mofed Khor. geographiichem Compendium als die Yte
Provinz Armenia Persica, (l. c. ed. Whiston fol. 359), zwifdgen
Aars und Aderbidjan liegend, genannt wird. Bei St. Martin if
ſie zulegt, 7) als die 15te, aufgezählt, und mit jenem allgemeinen
Oſt⸗Armenien irrig als identiſch zufammengeftellt, was Indſhidſhean
berichtigt hat. Her und Sarewan (Zarovand in Geogr. Arm.) find
bie beiden Hauptdiſtricte, in denen Saghamas oder Saghamasd,
die heutige Salmas oder Stlmas, die Hauptſtadt war (ſ. Erdk.
IX, S. 913, 966).
Weit entfernt, Hier eine vollſtändige Aufzählung bes Titerarl-
ſchen Reichthums ver armenifchen Literatur geben zu wollen, vie
man in den oben angeführten Werfen zu fuchen hat, lag es bier
nur daran, bie Aufmerkfamkeit auf den Fortſchritt der ethnogra⸗
phiſchen und geographiſchen Wiffenfhaft durch fo rei
lich fließende, bisher unbenugt gebliebene Quellen Hinzulenten. Zu
diefen gehören auch noch die großen armenifchen Geſchichtſchreiber:
Elifä, 76) DVerfaffer jener Geſchichte der Verfolgungen der chriſtli⸗
chen Religion unter Vartan, welcher im Jahr 480 ſtirbt; dazu
FSauſtus von Byzanz, 77) den ſchon St. Martin benugt Hat,
Zenob von Klag, deſſen wir oben (8.552). gedachten, wie Las
zar von Pharb, Abt des Klofters Surena, d. i. Etſhmiadzin,
ber Fortſetzer der Geſchichte des Mofes von Khorene vom vahre
”8) St. Martin Mém. I. p.178. 20) The history of f Yartan
and the battle of the enians by Elinacun, Dis polen
dunians, transl. by Neumann, Lond. ———
era 5.25, und deſſen Re. iu ar Ya. 1 2. &.
upbratfuftems armen. Literatur; Indſhidſhean. 575
38 bis 485, welcher mit der Beichreibung der Provinz Ararat bes
ant, die im ihrer Art ale ein Meiſterſtück genannt wird (fein
dert edirt von den Mechitariften im I. 1793). 79) Dazu gehören
sch vie fpätern Geographen: der durch St. Martins Bearbeitung
tannte Vartan 7%) aus dem 13ten Jahrhundert (von vefien
andſchrift fich jedoch ˖noch verſchiedene unverglichene Codices vor
nden), 80) welcher Die alten und neuen Benennungen Armeniens
ergleihend gibt, und Thomas aus Cilicien, der nur einen Aus⸗
ug aus Moſes Geographie gibt, jedoch über fein Vaterland Neues
let. Auch Bahram, der Gefchichtfchreiber ver Chronik des
rmehlfchen Königreichs in Cilicien 81) aus dem 12ten Jahrhundert,
hört hieher, da wir aus feiner von Neumann überſetzten Hiftorie
anche geographifche Zuthat zu ber geringen Specialkenntniß dieſer
eineſiatiſchen Gebirgslandſchaft erhalten Haben.
Endlich iſt bier noch der nad jenem gefammten einheimi⸗
hen Literaturfchage bearbeiteten neueften Geographien des alten wie
5 neuen Armeniens von St. Martin und Indſhid ſhean zu
wähnen, die außerhalb jenes Landes das Werk mopern=europäle
hen Fleißes find, deren Titel wir fchon oben angegeben haben.
ion dem gelehrten Mecitariften Pater Lucas Snofhinfhean,
z ef vor wenigen Jahren flarb, ift zu bemerken, daß wie fein
ehrter Mitbruder Mikhail Tſhamtſhian um die Gefchichte
& durch fein großes Geſchichtswerk von Armenien, bis zum Jahr
18% ia 3 Bänden reichen, eben fo er fih um die Geographie
iberhaupt, wie um die’ feined Vaterlandes insbeſondere, die größten
Bervienfte erworben hat; denn Fein anvered Volk Aflens hat ein
eiches umfafiendes, dem Standpunete 82) der europälfchen Wiſſen⸗
chaft ſich näherndes, gelehrted und fleißig gearbeiteted Werk, wie
Kine Beichreibung der ganzen Erde, aufzuweifen (jetzt in 12 Bän«
va), von Denen für und vorzüglich bie fehr vollſtändige Geogra⸗
We Armeniens zu nennen ift: denn leider ift fein Manufeript ber “
oh wichtigern Beſchreibung Klein⸗Aſiens bei ver Ueberſen⸗
') Reumann ebend. ©. 71. 7°) St. Martin, Geographie du
Vartabied Vartan avec notes in M&m. Vol. II. p.407—471, nad
em in Couſtautinopel im Jahre 1728 erfchienenen Original.
"!) Brosset, Catalogue de la bibliothäque d’Edchmiadzin. 1840.
ꝑ. DI. Nr. 241. °s!) Neumann, Vahrams chronicle of the Ar-
menian kingdom in Cilicia during the time of the Crusades,
Transtat. from the Armenian. Lond. 8. Translat. fund. 1831.
a Paumanı in Zeitfchrift f. die Kunde des Morgenlandes. 1887.
576 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 36;
dung nach Gonftanttnopel auf immer verloren gegangen, un» ber
Aufforderungen unferd verehrten Freundes Dr. Betermann un
geachtet Hatte fich der hochverdiente Greis nicht entichließen Tünnen,
diefelbe Arbeit zu wiederholen. Sein Vaterland KHaijas dan (von
Haijk) ift ihm aus eigner Anſchauung, wie aus mündlichen und
ſchriftlichen Nachrichten feiner Zeitgenofien genau befannt; er berei⸗
chert deſſen Befchreibung durch ven ganzen, oft den Europäern noch
unbefannt gebliebenen Schatz der altsarmenifchen Kiteratur, aber au⸗
Ber Groß⸗ und Kleine Armenien geht er auch In die Specialbeſchrei⸗
bung aller einfl von Armeniern beherrſchter oder in Maſſe bewohn⸗
ter, ven Europäern fehr wenig näher befannten Begenven ein, wie
von Mefopotamten, Eilicten, ven Euphratgegenven, KleinsAften, dem
Pontus, Albanien (jegt Shirwan), Aderbidſhan u. a. m. Bon
Groß = Armenien erſchien ein Band über 500 Seiten ſtark, 1822 im
San Lazaro gedrudt, von dem St. Martin 8) eine Anzeige gab,
gegen die flch der Armenier wegen darin gemadhter Vorwürfe ſpä⸗
terbin vertheibigt hat. Erſt nach feinem Tode kamen feine Alter
tbümer des armenifchen Landes heraus, und andere da⸗
Hin einfchlagende Schriften, die bei den Fortichritten europälfcher
phllologifcher, Hiflorifcher, Titerarifcher Wiffenfchaften allerdings von
geringerem Werthe find, und nicht frei und ungetrüht von National-
eitelfeit. Der Verfaſſer fängt feine Beſchreibung mit Hocharme-
nien, wo Arzerum, an, geht in einer Spirale weiter, fühmärts
zum @uphrat, dann von Welt nach Of, um Armenien herum, bis
zum Verein des Araxes und Kur, kehrt dann an der Nordgrenze
von Oft zum Weſt zurüd, 618 zur Provinz Ararat im Centro;
noch laͤßt er ſelbſt am Schluß ein Verzeichniß nody nicht ermittelter
Rocalitäten in Alt« Armenien zurück. Er berichtigt Stellen des
Strabo, dem er Namenverflümmelung vorwirft, weil er die arme
nifchen Benennungen, 3. B. Dſophk Zupnvn (f. ob. &. 74),
Ggehenz 'Axıdlıonvn (f. ob. S. 73), Artafhao in’ Aprakara
verwandele und andere anders wiedergebe; shad wie gerd bevente nur
Stadt, daB Erbaute, wie abad der Perfer. Auch Ptolemäns
wird, Iehrreich für Tünftige Editoren dieſes mißhandelten Autors,
zurechtgewieſen, wo dfter Verſchiebungen der nordlichen und Fübk«
hen Diftricte vom Araxed zum Euphrat u. f. w. vorfommen.: Die
armentichen Namen fchon find oft lehrreich durch natürfiche Be⸗
deutſamkeit, daher viele mit dsor, d. I. Thal (fo hieß Ararat ur
#8) Journ. d. Savanı, Sept. IR. p. WIR SA2,
‘ )
Euphratſyftem; armenifche Sprache. 577
Speinglih Craſskhadſor, ®) d. i. Thal des Arares, daher
wol Gtrabo 8 "Agalıvör nedlov, Strabo XI. 527 Araxenus
campus), mit phor, 2. i. Höhlung, hovid, d. L Einſen⸗
tung, enden, und vergleichen Loralitäten bezeichnen, wovon auch
Strabo ſchon eine, jedoch unbeſtimmte, Vorſtellung Hatte, ba er
von Tigranes ſpricht, der, in ſeiner Jugend von den Parthern
zurückgehalten, feine Freiheit nur durch ein LAoſegeld von ſieben⸗
zig Thälern Armeniens erhalten konnte (Strabo XI. 532:
Aaßövza moXv Eßdounxorra alliüvag sis Apusmwias). Die
arabifchen, perflichen, türkifchen Beographen werden wegen‘ ihrer
Untenntniß über Armenien getabelt, und &t. Martin, ver ihren
geographiſchen Angaben, die zugleich alle aus fehr fpäter Zeit das
tisen, nur zu häufig gefolgt ſei, vorgeworfen, daß er dadurch, die
einheimiſchen alt⸗ armeniſchen durch arabiiche neuere Angaben zu bes
richtigen wähnend, erft. gar manche Irrthümer eingeführt habe, da⸗
ber dieſe zu vermeiden Indſhibſhean jene orientalen Quellen meift
unbeachtet ließ.
8) Sprachverwandtichaft ver Armenier; eingewanderte
Golonien. der Fremdlinge in Armenien; Aus wande⸗
zungen der Armenter und Ihre Verbreitung über
die alte Welt.
. 4) Die Sprache der Armenier.
Die alten Vollögefänge Armeniens fließen fih, wie wir oben
faden, aus gleichartiger Stammesverwandtiſchaft an bie älteſtbekann⸗
ten der Perferzeit in Firduſis Shahnameh an (f. ob. S. 547); eben
fo ſcheint die alte Sprache der Söhne Gaik's, die ihr Land
BSaiabdan, ſich felbft faft nie mit dem Ihnen fremben®) Namen
Armenier (Erminter bei Arabern und Türken) belegen, der ſich
inveß über vie ganze Welt verbreitet Kat, als ein Glled ver großen
weit verbreiteten indo⸗german iſchen und insbeſondere der weſtll⸗
Gen Sandkrit⸗Famille Aſtens, der ariſchen nach Läſſen's Aut
ven (f. Erof. VIII. S. 18, 39, 81), anzugehoͤren, obwol ein gro⸗
fer Sprachforſcher 9) es noch Immer für ſehr bedenklich Hält, fie
wirklich verſelben unterzuornnen, da fie ihrem ganzen Totaleintrud
°*) St. Martin Mém. I. p. 109. °s) Zeitſchrift f. Kumbe des
1837. eh 8 °°) rar Br. Bott, über den
— — —*2 Eneyclop. ©.
Nitter Ertſunbe X. Do
578 Weſt⸗Afien. M. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.36.
nach verfelben fehr fern Rebe. Die Armenier zwar, welche den
gigantifchen Mann, ihren: mythiſchen Stammvater Half, ven Enke
Japhets, vom Ararat hinabſteigen Iafien nach Babel zur Zeit bes
großen Thurmbauts, und nach der Sprachverwirruug auch wieder
dahin zurückkehren, laſſen ihn, nachdem er ven DVerfolger-Belus
erſchlagen hat (Mof. Khor. I. 10. fol..27), ‚ven Beſitz De at me⸗
niſchen Landes behaupten, und ſammt ſeinem Geſchlechte die
alte Sprache Noahs reden. Selpſſt die gelehrteſten unter den
Armeniern, wie Indſhidſhean, Aſhamtſhean und Aucher,
diefe Abſtammung mit veralteter Gelehrſamkeit unterftützend (f. ob
S. 363), ſuchen Ihr daher vie Würde ver älteſten Urſprache des
Menſchengeſchlechts vergeblich zu vindiciren.
Aehnliches hatte frühere Sprachforſcher, obwol bei der noch
groͤßten Unkenntniß dieſer Sprache, zumal Schröber . mb
Adelung Im Mithridates bewogen, ihr alle Sprachverwandtſchaft
mit andere Sprachen ver Völker überhaupt abzuſprechen, worde
halb fie Balbi 37) auch wieder zu einer ffolleten Gruppe gemadt
hat, ner Ihr einen bloß geographifchen Namen, ben ver kaukaſiſchen
Sprache, fehr unpaſſend beilegt. Noch frühere, wie Acoluth und
Tromler, wollten. fie der alten ägyptiſch⸗koptiſchen, vie Ihnen nd
ganz unbekannt war, anreihen. Schon Stephan v. Byzauz,
unter dem Worte Armenia, fagt, daß die Armenler fich ſelbſt
von den Phrygiern ableiteten, und ihre Sprache der. phry⸗
giſchen fehr ähnlich fei (xl 77 pam noAld Yovyllove),
eine Angabe, die fih Petermann daraus erklärt, daß der Ararat
in den ſubylliniſchen Büchern durch. ein Verſehen nah Phryglen
verieht war. Da aber. das Phrygiſche eben fo unbekannt if, wie |
daB ihm verwandt fein. follende Altthrakifche, 9) mit dem man
jene ebenfalls in Verwandiſchaft hat ſetzen wollen, fo läßt ſich Hiet
eben fo wenig weiter rechtferligen, ais Strabo's allgeumine Be
hauptung (1. 41. XVI 784), daß vie Armenier (bie fich zuwel |
Ien. allervingg auch, einmal Aramier, was mit Aramäern behcht
zu verwechſeln, nennen) in Sprache, Sitte und Korperbildung eine
nabe Verwandiſchaft zeigten mit Arabern oder Aramäcrh und
wozu er an ber zweiten Stelie auch noch vie Arianen. ‚Minze
fügt, als unter fih und mit den Armenien "Ubereinftimumgne.
Strabo ift ſchon im mdurthum, da Syrer und Aramãer ganz ver⸗
22) A. Balbi Inieodaction N Katlas *
Paris 1826. 8. p. 110. sr. Arrlung, Sinti #
\
Euphratſyſtem; armenifche Sprache. 579
ſchiedene Völker find. Allerdings zeigt es ſich wol, daß man im
Armeniſchen Analogien mit ven 3 bekannten Sprachſtämmen ber
alten Welt, dem indiſch⸗eu ropäiſchen, dem tatariſchen und
dem femitifhen findet; da aber dieſe Aehnlichkeit ſolcher im
Armenifchen in nicht geringer Zahl aufgenommener fremden Aus⸗
drüde doch mit dem femitifchen wenigſtens zu verſteckt iR: fo
konnte Strabo's Urtheil fich nicht wol darauf gegründet Haben,
fondern auf jener blos äußerlich in ver Vermiſchung ver 3 Völker
Hämme fich zeigenden Uebereinfiimmung berfelben beruben, vie
er gleich Darauf am berfelben Stelle feines erflen Buchs anführt,
wie er fie in Mefopotamien ſelbſt beobachtet Hatte. Mit ven
tatarifhen Sprachen Hat Pallas 9) vie armenifche in Verbin⸗
bung bringen wollen, der ihr in feinem vergleichenven Sprachwör-
terbuche die Stelle zwifchen den türfifchen Dialerten und ven
kaukafiſchen Sprachen anwies, weil er das Neinsarmenifche ver
elaffifhen Literatur nicht Tannte, und pas Vulgalr⸗arme⸗
nifche Damit vermechfelte, das allerdings auch viele tjirkifche MWörs
ter in fih aufnahm, und felbft mit dem Finniſchen Berührungen
zeigt. La Croze hlelt fie zu feiner Zeit für pie eigentliche alt⸗
mediſche Sprache, da fie In ihren Wurzeln mit dem Mevo-
perfifchen vieled gemein hat, und war der Wahrheit wol ſchon weit
näher gerückt, da nah Neumanns Verſicherung %) die meiften
hei Herodot erhaltnen mediſchen Wörter fi aus dem Armeniſchen
erflären laffen. Kein Wunder daher, wenn eine Sprache, fp ober-
flächlich gekannt, in einer Zeit, wo man, wie felbft ein Klaproth,
ſchon aus bloßer Wörtrfammlung ein Urtheil zu gewinnen dachte
was erſt aus dem ganzen grammatiſchen erwachſenen Bau
Sprache hervorgehen Tann, auf. die entgegengefehteften Erklärungen
gerieth, bis durch Petermannd Borfchungen, nach des ſcharf⸗
finnigen Linguiſten F. A. Potts Anerkennung, zuerft bie tiefer
Uegenden Berwanptfchaften des Armenifchen mit dem indo⸗ger⸗
maniſchen Sprachſtamme nachgewieſen 9) wurden. Auch Neu⸗
mann nahm dies als eine ausgemachte Thatſache an, uud bemerkt,
0°) J. Klaproth Asia polyglotta. Paris 1823. 4. p. 97 — 107°
vergl. Hamaker Bibliotheca critic. nova, Lugd. Batavor. 1825.
Vol. I. p. 181. 20) Neumann Berfuh a. a. DO. ©. 9.
2) in der Meceuf. Porta grammatices linguae Haicanae vom
Vardapet, d. i. Dr. Theol. P. Eduard Venez. 1833; in Jahrb.
f. Bill. Kritil. 1836. Nr. 18 und 14; und H. Petermann Gram-
matica linguae Armeniacae. Berol. 1837.
Dv2
4
580 WeflsMfien, II. Abcheilung. I. Nbfnitt.$.36.
‚ der Kundige wäre felbft mit leichter Mühe vie urfprünglichen Be⸗
| griffe altveutfchen Nechts, altveuticher Verfaffung an mehrern Keutigen
Tags noch Iebendig und Eräftig daſtehenden Wörtern ver armeniſchen
Sprache 2) nicht. ohne Nugen für die deutſche Sprache und Rechts-
Zunde nachweifen köͤnnen. Das Wort Mark (Marz im Per
fifden, wie in Marz⸗ban, d. i. Markgrafen, ſ. Erof. VIIL
©. 491, deren König Arfaced von Armenien auch 4 verſchiedene
an den 4 Grenzen jeines Reichs einfete) 9) werde 3. B. noch
heute von dem haikaniſchen Volke in feiner urjprünglichen Beben»
tung von Grund und Boden, zumal von einem. fruchtbaren,
gebraucht; Bau Heiße Lage, Landfirikh, zumal ein bewohnter; Mor
‚beige Moor, eine feuchte fumpfige Gegend (f. ob. S. 400, Mebza-
mor) u. ſ. w. Nah Pr. Petermanns Unterfudhungen, die wir
deffen gütigen handſchriftlichen Mittheilungen verdanken, und von
denen wir hier leider, Hinfichtlich ethnographiſcher Charalteriſtik,
doch nur wenig anführen Eönnen, iſt die Zahl der armeniſchen
Bußftaben (f. 06. ©. 545) größer als In ven meiſten bekann⸗
ten Sprachen; wie in ben femitifchen Dialecten beſindet fich dar⸗
unter ein großer Reichthum an Guttural⸗ und Zifhlauten.
Doch Tprechen die heutigen Armenier mehrere Buchſtaben anders
aus als ihre Vorfahren; in ber Ausſprache ber mutae iſt eine
volftändige Lautverſchiebung eingetreten, indem bie urfprünglichen
tenues jet wie mediae, und umgekehrt bie eigentlichen mediae jept
wie tenues gefprochen werben. Uxrfprünglich fehlte ihnen, wie dem
Zend, ver Buchſtabe 1; vafür das Zeichen 1j, ausgefprodhen wie
das fpanifche U; daher fie bei fremden in ihre Sprache aufgenome
menen Wörtern dafür einen andern Buchflaben einſchoben, ver jetzt
gutturaliſch gh ausgefprochen wird. (Der Saljberg Kulpiz. ®.
bei Armenien Goghp gefährieben, f. oben S. 470; Diäulfa
beißt fo bei Armeniern Oſchugha oder Oſchugh u. a. m. Dies
zeigt, wie ſchwierig hiedurch dfter die vergleichende Geographie biefeß
Landes wird, fo. daß ſelbſt St. Martin in Iektern armenifchen
Namen die erflere dort bei Türken und Perfern allgemeine. Be
nennung nicht toiebererfannte).%*) Eben fo fehlte ihnen, obwol bas
armeniſche Alphabet ein einfaches unb ein doppeltes r Bat, doch
dieſer Buchſtab im Anfange, und kein ächt armeniſches Wert fäugt
» Se ae bie Kunde des Morgenlandes. 1837. ©. T. © u8.
Hist. des r&volutions de l’Arm. in Neur.
J. int. er T.W. p. 412. **) St. Martin Mdm. I. 7. 78.
Supbratfoftem; armeniſches Bahffoftem.
mit einem r an, worin ed mit ben tatariſchen Sprachen übereln-
ſtimmt. Deshalb ift auch In St. Martind geographiſchem Wörter _
buche Armeniend ver Buchflab r faft ganz ausgefallen, und der
Name des Jluſſes Rhah (f. ob. S. 397) und Rakhſi (S. 389)
kann doch wol Fein eigentlich armenifches, ſondern nur ein vom
Norden von der Wolga Her Übertragened fremdes Wort fein.
In den Vocalen zeigt Ah die auffallende Analogie mit dem
Semitiſchen, daß Fein Wort mit einem Vocale beginnt, und zwei
Borale nicht unmittelbar auf einander folgen können, obwol bie6
im Armeniſchen nicht fo durchgreifend iſt wie dort, wis dies ſchon
ans den Namen Armenac, Ararad, Araxes (Erabkh, ſ. ob. S. 389)
hervorgeht. Durch feine nur einfilbigen Wurzeln unterſcheidet
fh das Armenifche fireng von dem. Semitismus, welcher faft nur
zweiſilbige Wurzeln kennt, ſchließt ſich dadurch aber dem in diſch⸗
enropäiſchen Sprachſtamme an. Die zu unterſcheidenden Pro⸗
nominal⸗ und Verbal⸗Wurzeln find weder fo ſtarr für fich beſtehend
wie im Tatariſchen, noch fo biegſam wie in. den ſemitiſchen Dia⸗
lecien. Am Nomen wird das Genus gewöhnlich nicht bezeichnet,
wo aber ein Unterſchied nofhwenbig, iſt dieſer, wie im Perflichen
aub Tatarifchen, durch beigeſetzte Wörter, welche „Mann“ ober
„Frau“ ausdrücken, angeveutet; doch hat es audy eine weibliche
rung uhi. Der Plural wird vom Singular auf doppelte Weiſe
durch Anbängung der Silbe ner ober er, wie im Tatariſchen, ober
durch Anfügung eines kh gebildet, dad mit ver Bluralendung
Im Indo⸗germaniſchen aufs (im Slaviſchen umgefchrt daß kine)
üßereinftiumt, das und kh auch fonft häufig in einander übergehen,
was dem Urmenifchen eine chararteriftifche Eigenthlimlichkelt in ber
Bilvung ber Haupt⸗ wie der Zeitwwörter gibt. — Als fehr charactes
riſtiſch mag Hier noch, um jenen allgemeinen Ausſpruch der Ver⸗
wenbtichaft mit dem Indo-germanifchen und doch zugleich des Kigen-
thümlichen zu belegen, Br. Petermannd Bemerkung über bie
Bahlwärter 9) beachtet werden. Die Cardinalia find unver
kennbar, aber noch hochſt eigenihümlich, mit dem In do⸗geemaniſchen
verwandt. Eins, jez, ez, im Armeniſchen (eis, unus) erinnert
an das fandksitifche Eka; die Form mi, men, mu aber an dad
griechiſche ula. Die Zwei, jerku, iſt ohne Analogie aus dem
Nomen jer, mit der Dualendung ku gebilvet, welche letztere ſich
®5) De numeralibus in Petermaun Grammatica ling. Arm.
P⸗ 150--166.
582 WeflsHften. TIL Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36.
nur allein in. biefem Zahlworte erhalten Hat: Die Drei, jerjeb;
jerr (ter), iſt aus vemfelben Nomen mit ver Pluralendung hervor
gegangen; fo daß dies „mehrere Einer,“ eine unbeftiuumte Anzahl
von Einheiten bezeichnet. Die. Bier, tschorkh @quatuor), —5
dem fansfritifehen tschatur. Die Fünf, hing (quinque), dem
ſandkritiſchen pantscha; Seh 8, wjetz, dem ſanskritiſchen schasch ;
Sieben, jertbn, euthu, dem fandfr, saptau (septem); Act,
uth: (octo), dem :fandfr. aschtau; Neun, ian, dem
ivvda, und. ift der deutſchen Korm am nächſten ſtehend. Zehn,
tasn, iſt das fandfr. dacan. Die folgenden Bablmwörter bis 90 wede
ven durch Verbindung ber Einer mit ver Zahl Zehn gebildet. Hun«
dert, hariur, ober jeriur,. ſcheint auf gleiche. Weiſe, wie pie Zahl
Drei, durch Aufügung ber PMuralendung entſtanden zu fein. Tau⸗
fen», hazor, flimmt mit dem Neuperflfchen: hezar, dem fantkr.
sahasra überein,. und 10,000, biur, eniſpricht dem getechifdhen
pvguı. Die Ordinalia werken durch Anfügung ber Ayfertivenbung
ord, word (b. h. urfprünglich „Sohn”) an pie Korm der Cardinalia
gebildet, und nur das Zahlwort primus . wird durch ehr Adjectiv
arradschin, d. i. „was zur Rechten iſt, was. vorllegt,“ ausgeerückt
Auch die Pronomina beſtätigen die genannte Ha
wie auch die Bildung des Tempus und Modus des Seitweiit
die größte Analogie mit dem Sanskrit sd.
Dad Vulgair⸗armeniſche iſt dem Weſen nach *
ams. nicht verſchieden von ver armeniſchen Schriftſprache, ‚aber:hisit
eben durch die fpätere Zeit verderbt umd verdunkelt; ‚flatt ker allen
Biegungen am Worte Hat. vie mobeme Sprache Partikeln yazeb
ſchen gefchoben, wodurch fie eben fo. unkenntlich wire, wie derch
de vielen nen aufgenommenen perfifchen und türkiſchen Wieder,
für welche fi aber im alten Hallanifchen meiſt auch ſchen
Benennungen vorfinden. Mit dem ginzlichen Berfalle ver armenis
ſchen Literatur. ſeit dem 13. Jahrhundert, 97) währen beſtͤnniger
Kämpfe und Unterdrütckungen durch Seldjuken, Orlehen Düsnanm,
verbunden mit Vernachläfſigung des Stubiums ber GI
ſich die reine Schriftſprache nur..noch hie und da vielleicht iu.uen
einſamen, geſchützten Klöftern Armeniens erhalten, obwel auch im
dieſen das Treiben der ſyriſchen und griechiichen Studien, wie zulcht
auch der lateiniſchen Spache, nicht ohne Einfluß auf: dieſe EAlieb
Die Volksſprache verſank, zumal auch durch viele ubwanberungen
»6) Neumann Verſuch a, a. S. Ss.Uu, en) —* ine |
—
%
4‘
Expheatſhſtem; ameriſche Dielecte. 583
und Zerſtreuung in: pas Uußland, in verfipieanen Dunde ctanu in bie
von · den alten ſehr abweichende Vulgairſprachen. Im 44. Jahr⸗
hundert fingen die armeniſchen Schriftſteller an in dem ver derbten
armeniſchen Idiom zu ſchreihen, wozu auch das Varbarenlatein des
Wittelalters kam, dad auch hier nicht ohne Einfluß Klick. Jahann
"yon CErziugaꝰd) (genannt Bluz), vor 1326, iſt der letzte Autor,
ber. in der claſſiſchen Sprache von. Moſes Khor. und -Elifäus,
ſchrieb und. ein Werk ũber die Sakramente des Thomas von Aquino
an Cinzelne Dialerte - erhielten ich, wie nahe am Araxat,
noch mjemlich rein, ver. Syrade im 5. und 6. Jahrhundert am
wächften ſtehend, wo auch fich eben noch Volkslieder aus jener. Zeit
erhalten Haben. ſollen. Dieſer Dialect iſt zugleich derſelbe, welcher
fr, am. maeiſten gegen Oſten 9) ausbreitete, und vorzüglich im
rafſiſchen und perſiſchen Armenien im. Munde des Belles
leht; ‚Dagegen der zweite Gauptdialeet, ber. weſtliche, der nom
Gonfantinopel, iſt derjenigze, welcher durch ‚ganz. Kleinaflen vor⸗
herrſcht, und, auch noch In rar, mit ‚nielen, suite Wirte
verualiäht, geluroden wieb, (0.2 ..; Bee
:: De Dinlech, tochcher: fs den Knfen gröaflen che, vr 1
ve Särriftfprache am -meiften wäheen fol, wird, nach Mina's ‚Reife
un ‚(ds 1. Polen) . gegenwästig, in Aſtrechan geſprochen.
Dez. verherhiefle,. ein ynbreh.Raunsrwelfch, #00) Dad völlig: unver
ſtaͤndlich geworden, fol, nach Indſhidſhean, im Norden des. Ararxes
nicht sem en aan In. Sborfoth und Me temoce
‚Con. Die. vigen einmanbssuben Gelonten int fer
au in pie. armeniſchen Landſchaften mußten frühreitig Einfluß. anf
deren Fynrache ung Benöllerung audüben, bis die ſpaͤrern Eroberng
viefer Landſtriche, wie die Mömer, Örleen, Parther, Saſſaniden
Araber, — Mongholen, Osmanen, jenen Einfluß vorherr⸗
ſchend machten und die Zerſtreuung des arme niſchen Volks
airßerhato ihrer Sehmnih herbelführten/ Ir "der" fie’ har durch bie
Berkreitung, des Über bie. ganze. Welt zerfiyeuten zudiſchen Vollkes
überholen: werden. J rear Le TI oh
— ran . J ir BEE
RT Valzarıa "hranicle of the A Rn: Aingdem in
| Ser) aan ‚during the time of the Km an.
inal. Lond. 1688. p. XVI. Eil Eli Smith End —2
Aimlonury — vet, „Lond. 183: p. 206: 299%) Reymamı
Ze de LE D. © 238. ER ta
584 WeflsPifien. THE Abthellung. I. Mbfnitt.$. 36.
Vom Euphrat bio I Indus und Druß, vom ſchwarzen
m kadviſchen Meere bis zum perſiſchen und indiſchen, wohn
ten. felt dem Anfange der Menſchengeſchichte verſchledene, aber
nach Sprache und Religion innig verwandte Stämme, von denen
bald ver eine bald ber andere ſich zur Gerrfchaft emporſchwang, und
die Freiheit und Selbſtſtaͤndigkeit der Übrigen mehr ‚ober weniger,
auf längere over kürzere Seit, in Gefahr brachte oder ganz unter⸗
prüdte; fo die Aſſyrier, Chaldaͤer, Mever, Perſer, Parther, Saſſa⸗
niden nur als verſchledene Glieder ver einen großen: medo⸗verſiſchen
Volksfamilie erſcheinen. Diefen glünkte es eine Zeitlang, ſich zu
Herrfhaft, Ruhm und Glüc emporzuffiuingen, und einen Rıimen
in ver Gefchichte zu erhalten; andern neben. ihnen, die nur bie
Abhängigkeit blieben, nämlich zweierlei Stämmen, Armenikr wis
Kurden, zwiſchen ime geſtellt gelang es aber nicht, auf eigentliche
Waſſe hertſchend zu werden über andere. Doch wußten fie ſich feit
dan älteften Zeiten, in welche bie Gefehachte zurackgehtt in hren
Seimathſitzen (die: Armenier nach Herovot, ſ. ob. S. 7, Wie
Kurven nach Xenophon, ſ. ob. ©. 23) bis Heute: —X zu
walten und unter allen Stückien, ſeli Cyrus Zelt‘, Ihre Nationa⸗
nãt zu bewahren. So lange der Diue nicht: zu unertrgiic way
um mann die Armenler wie Kurden nach eignen Geſetzen ib Gais
ben in ihren: Hohen’ Gebirgelanden Leben Ueß; gehorähten re Ihrem
fevesmalign Oterhertn und zahlten Tolbut;:' aber it dein Ein:
giiff in beldes und in Ihre bürgerlichen: Cinrichtungen traten ſie
auch tapfer und Lühn ‚ven Angrelfenden entgegen. So bie Kurden
zuallen Zeiten, ſo Br Armenier; jumal in hrent Blxtibenselfer
ae Gelben In den VHdeligiondkriegen : det; fie mit Veritkgung bebre⸗
henden Magier unter: ven Saſſanan oe vegen Die cderfaue der
a “ "
vie R . u ee trage. . . . .. - w. nn *i
— 1 IE) er de n .. .. ⸗ Pr
| y Oi⸗ cianſahcaatee ver Fremden nad, Aemenien.
‚1. Zu allen Zelten: konnte dab durch die Natur fo eigeuhüncich
geſtellte und natürlich geſchützte Land Armenien, tn feinen Gum
dert Hochthaͤlern ein Aſyl für viele Berprängte_nuh Wer-
pflanzte varbieten, vie theild freimillig dort Schug und —5*—
fachten, theils an die Stelle der durch Gewalt Vervrängten: weisber
mit Gewalt durch bie Gewalthaber, nach ber Gitie bei, Moergen⸗
laudes, feit urãlteſter Beit (f. ob. ©. 7,147, 171,248, 39 uia. Di),
ſelbſt ald Gefangne, aus anhern Gebieten bafefbt —*2 wur⸗
Eupbratfoftem; Einwanderungen in Armenien. 585
den. - So ſteht eine ganze Reihe von. Einwanderungen bin
Auswanderungen emtgegen, deren Ueberſicht hier vorzufügren
ip um den fo eigenthũmlichen Zuſtand des armeniſchen Bol:
kes in ver Gegenwart zu begreifen.
CEhronologiſche Reihe der Vinwanderungen in
- Armenien. 10) ? Ä
| 4) Di⸗ Bevoblkerung 208 Gaiasddan ſelbſt Besinnt mit
ver mythiſchen Einwanderung Halks und feines Geſchlechts (Die
Halgafan, d. i. Abköonmlinge Haiks), an 300 gigantiſche
tapfere Männer (Mos. Khor. I. 9. fol. 25), vie aus Mefopotamies
ſich dem Joche des Belus, Königs von Babylon, zu entziehen, ua
in Daran, vum am Arakadz, am Araxes und Mafls im Lande
Ararat, fich feſtſiedeln, und von da durch ganz Armenien fi ver
breiten; deren Nachkommen ſich auch noch weiter. durch andre Ge⸗
genden Aflenk ausgedehnt, und mehrere Reiche geſtiftet haben ſollen.
Da wo fie Ag. in Daron zuerſt niederließen, ſagt Moſes . Khos,
Hätten vor ihnen nur wenige audre Menſchen zerſtreut gelebt, die
Saik ſich unterworfen. Die erſte Niederlaſſung in Daron ſol
HSaigaſchen (v..i.Heilshan) genannt worden fein, der Diſtriet
Diefer Stadt! aber Hark, 102) der armeniſche Plural von hair Vater,“
alſo daB „Land. der Väter. - Nach Indſhivfheans Neu⸗Arm.
©. 145. {00 es hier noch viele Ruinen und Denkmaͤler geben, unter
denen au „das Brab des Satanas" genannt wird. Ob etwa
der, Grabhuͤgel der beflegten Hindu⸗Gotzendiener ,
2) Aus Kanaan. Zur Zeit als Joſua das Land Kan aan
eingenommen. hatte, flüchteten. füch wehrere der .Rananiter nad)
Armenien, zus, Zeit da ein Nachkomme Gails, nit Namm Sur,
Anführer der Armenter war, Don dieſen Kananltern ſſammt ter
armeniſche Stamm der Kenthunter, welchem bia zur Zeit des
Saffaniden Shahpur (Sapor J.) jener Gau Daron, an beiden
Ufern des obern Murad, in der Provinz Duroperan ‚gehörte (ſ. ob.
®. 552)...
3) Aus Affyrien. Die, Edhn· bes Afgeier Königs San
Arrib gu Ninive, Adra Molech und Sar⸗Czer, nachdem fie
ihren Vater erſchlagen hatten, flüchteten nach Armenien (2 B. des
‚Rn. 19, 37), Don Sar Cjer (San⸗aſar) ſollen die Saffunter
“) Bomann Jeitichr. f. d. Kunde des Morgenlanbes, 1837. 8.1.
8 200. 2 Neumann Beigiäte der Ueberfiebelung, a. a. D.
586 Weſt⸗Aſten. III. Abtheilung. I Ahſchnitt. $: 36-
in der Provinz Achz nik lan deu öoſtlichen Tigriequellene, in
sen, ſ. ob. S. 92), und von Adra Melech ver Stemin der Ard⸗
zrunier und Kenunier entſprurigen ſein, welche, von den arme⸗
niſchen Herrſchern freundlich empfangen, die fünliche Gmmzprovinz
Armeniens (Vasburagan) vom Dan» bis zu den weſtlichen
Tigrisquellen bevdlkerten wo auch einer ihrer ſpätern Nachkommen
um Amid, als Marzban (Markgraf Hver Pekeſhkh) eingefeht, Lan⸗
besfürft Sieb, Der Eigenname Sancherib war ‚ganz allgemein
unter den Arbzruniern gebräuchlich. Im 10. Jahrh. beſaßen fie
ſchon ala Lanveöfürften auch einen Theil ver Feſten von Daren
und Dan; fe waren vie Großwürdentraͤger, welche dem armentſchen
Könige ven Adler (Urbitv) -als Königeinfignien vortrugen, daher
fle: den Titel. Ardzrunker, die Adlert räg er, führten, "Unter ven
Arabern gu großer Würde und Hesrfchaft:gelangt; reſidirten fle mit
vem itel Könige; tin Dan, der alten: Semiramlaveſivenz; un bes
ſaßen das Land vom Iulamert, mit Urmia, Ban and Nachu-
ſhewan, bis zinn: Araxes (von —— Aus Ihnen. Haufe
wurde fogar eines: ihrer Sptoßlinge auf: den Ahron von Conſtau⸗
Anopelb erhoben, Bro der Armenier oder Leo V. (ng. '813— 820),
deſſen Geſchlecht auch als halb aſſhriſch, halb armeniſch vom pe
Weſchichtſchreibern anetkanut iſt (Geneshis' ax ;ree. C Lachmann
Bonn. 1834.:p. 281 Ws.dd ıö ya. zur& ovluylu ik ’doww-
ulwy sal ’Apuwlens dvapvelc):.: Much Baſtlius I, ver Are
grunler, und: fein Enklel Conſtantiaus Porphyrogeneta 9)
ſind aus dieſem Geſchlechte, an zehn Bögontisifgie Kaiſer von dem⸗
fealben atmeniſchen Stamme. — I ERS N
4) Bon den Hebräcrn. Mebuladnezar ſandte einen! ber
gefangenen Gebräer ‚von edler Geburt, Shambap ones Sambad,
Nach Armenlen; von dieſem ſoll der berühmte Stamm ber —R
vnnier abſtammen, vie Später als die Könige Georgiens verſttheat
ſind, deren prinzllche Nachkommemn ſich bis heute Baugrutiven ®)
Her Bangratidn nennen. Gleich anfangs wurdeafls it dahin
Sofamte belehnt, ven König Armeniens zu Trdnen, uns Tel beim
seiften chtiſtlichen Jahrhundert WE die Provinz GSber (Ui fratis,
fi 06.6.4117) DaB Erbe ihres Hauſes geweſen, das parcchiu fahr
Beſitzthum auch nach Daren, gur- Quelle des Murao;' neh Sa-
Rrevant und durch Paſen am Arareb (ſ. oben S. 336 ‚HR, acc
‚puöbreitete, bis Mefopotamien gegen Süd und Geo Tgiew gegen
108) St. Martin Mm. Ip. 361: 9— Neumann — a. D.
©. 125. ) St. Martin Mém. I. p. 418 etc.
Suphreiisfiem; Einwanderungen in Armenien. 587 |
Horb. Ihr: Tincht wuchs vorzüglich unter ber Begünfligung wer
Khalifen zu Bagdad, bie zu Dagbab fie erft im Jahre 859 zu
Emir al Omras machten, und felt 888 die Königefrone an
Aſchod EL: verlieben, während die byzantiniſchen Kalfer ihnen nur
den Titel der Archonten zugeflanden, und fie als Befreundete
der Araber nicht felten verfolgten. Sie warm es, welche bie pracht⸗
volle Stadt Ant erbauten, und dahin ihre Mefidenz verlegten (f. ob.
©. 440), während ein anberer Zweig (962— 10807 in Kar ſei⸗
nen Hof hielt. In Armenien felbft verloren diefe Bangratiden mit
König Kaligs II. Ueberfleülung nach Kappadocien, 1029, ihre Gere -
ſchaft. ©) Aber durch die Vermählung mit einer Peinzeffin des alten
Könuigsbaufes von Beorgten gehoben, ſchwang ſich einer ihrer
Nachkommen auf den Thron von Georgien. Durch bedeutende
Großerungen im Norben des Araxes bis zum Kaukaſus, zwiſchen
dem kaspiſchen und ſchwarzen Meere, theilte ſich zu Anfang des 15m
Jahrhunderts vas Königreich Georgien, unter Iweigen ber
Bangratiden, In verſchiedene Königreiche: in Kartheli where
das eigentliche Georglen, in Kakheti und Immareti. Anfangs
des 18. Jahrhunderts wurden die beiden erſtern vereint, und von
David, dem Erben ‚dos legtern georgiſchen Königs Georg XI,
bekanntlich ganz Georg ien an Kaiſer Aleranver (im Jahr 2
ũbergeben, indeß vom dritten: Zweige verſchiedne Prinzen als tärs
Tue Baſallen in ihren Provinzen vom Bangrativengefgheihte zuruch
blieben.
Auch anvere Coloniſationen der Hebräer find in Armenien in
großer Zahl- eingezogen, und daher vieleicht manche ber Ueber⸗
einſtinmungen, bie man gelegentlich in dem Menfchenfchlage. beider
wahrzunehmen glaubte. Tigranes, der Zeitgenoffe des Pone⸗
us M..(f. 06. &. 113), Hatte eine bebeutende Zahl Hebräͤer aus
Paläftina zit wiederholten malen (Mos. Khor. II. 15. fol. 111. IE
18. fol..114) nah Armenien geführt, und unter. andern auch in
Bagharſhabad (Etſhmiadzin f. ob. ©. 515) am Marktort angefle
velt, wie Samarier in ber Stadt ver Semiranis (Mos. Khor: D.
38: fol: 718), die fpäter theils Chriſten wurven, theils Juden blle⸗
ben, und als ſolche ſchen von Shahpur H. nach Perſien üben
geſtedelt wurden. Die zahlreiche Juden beyblkerung in Armenien,
welche zu des letztern Zeit, bei Gelegenheit feiner Verheerungskrieg⸗
in Armenien zur VBertilgung des Chriſtenthume, von den Geſchicht⸗
*) Neumann Vahrams ohrenide 1. c p. XI.
Ns
6
. J
588 Weft⸗Aſten. HL Abtheilung. I. Wbfebnke. $.36.
ſchreibern Mitte des Aten Jahrhunderts angeführt werben, kann nur
als vie Kolge ſolcher ‚fortgefegten Anflevlungen derſelben angefehen
werden... Denn wenn der Gefchichtichreiber Fauſtus v. Byzanz 7)
auch die Zahlenangaben fehr übertreibt, fo bleibt es immer merk
würdig, daß .er in Zarehavan damals 8000 jüdiſche Familien an-
gibt (f. ob. ©. 336), In Vagharihaban, (Etſhmiadzin f. ob.
©. 515), wohin Zigraned jene Juden am Marktorte angeſiedelt Hatte,
bergleichen; daß er zu Erovantaſhad 30,000: jübifche Häufer
siennt, als viefe Stadt zerflört wurde (ſ. ob. S. 455), zu Ban,
der Scmiramißflabt, 10,000, zu Nakhitſhewan 16,000, im Salze
thale Aliho vid (nahe Sarehavan) in Duruperan 14,000, in Are
tarata 9000. Während alle Chriſten erfählagen würben, fagt
Sauftus, ließ man Dagegen an 71,000 jũdiſche Familien am Le⸗
ben, die man aber in Ralhitſhewan zuſammentrieb, um fie dann als
Anfievler nach Perfien zu verpflanzen; wie Mofes fagt, nach Su
flaua und Xspahan®) (Mos. Khor. III. 35.. fol. 271), vu. i
IAs pahan; mad «flo: damals erſt in der Mitte des Atem; Jahrhun⸗
derts feinen Namen Dehuvia erhalten haben wird, von. dem für
Her die Rede war (Erb. IX: ©. 42):
7.5) Bon den Medern. Ein Dikran ober Zigranes I.
ns früheſter Zelt, derſelbe welchen Zenophon als Buundesgenoſſe
des. Cyrus an die Spitze der Armenier ſtellt (Xenoph. Cyri insti-
tut. II. cap. I. etc.), brachte nach dem Stege über Aſhtahal
(Aftyages) eine Dienge Meder ala Gefangene zurüd nach Armenien,
darunter felbft deſſen erfte Gemahlin Anuifch, die von Ihm. in der
Gegend von Rakhitſhewan, am Uraresufer, angeflevelt ward (Mlos.
Khor. I. 29; fol. 71), wo er der neuen Golonie ein weites Gebiet
zum Anbau preißgab. Die Plätze, welche die Nachkommen biefer
Gefangenen bewohnten, werden von Leont, einem Geſchichtſchreibert
8.10. Jahrhunderts, noch Die „Städte per Meder”. genaum.
»6) Bon ven Kappadoriern. Zur Zeit va Tigranes, der
Zeitgenoſſe des Pompefus, noch auf dem Gipfel feines Glüds al
Eroberer Paläftinad Bewohner nach Armenien verpflanzte, Hatte ex
auch Kappadocien bei feiner Eroberung menfchenleer gemacht, und
nach dem Prachtbau feiner Tigranocerta (f. ob. ©. 87) eine große
Kolonie berfelben gewaltfam verfeßt (Strabo XI. 539; Mos. Kber.
) St, Martin, Histoire des r&volut. de l’Armenie sous le digne
d’Arsace Il. in Nour. journ. Asiat. T. IV. p. 203, 252.
2) Nour. journ. Asiat. T. V. p. 341.
21
>
_ *
Euphratſhſtem; Einwanderungen in Armenien. 589
I. 29. fol. 71), von wo jedoch nach Lucullus Eroberung, wie Strabo _
fagt, von ven Kappadoken zurüdkehrte, wer Eonnte: und wollte.
: N Bon den Hindu Don ihrer Anſiedlung in Daron
iſt ſchon oben die Rede geiveien, wie von ihrer Beflegung und Der
pflanzung: zur Zelt ver Belehrung Armeniend zum Chriſtenthum,
nach Phaltalaran, zwiſchen Kur und Araxes (f. ob. ©. 552--557).
8) Bon den Bulgaren. "Die Bulgaren, melde bei
Neſtor und den biyzantinifchen ‚Schrififtelleen erſt im Tien Jahr⸗
hundert vorfommen, 9) werben von Moses Khor. (II. 6. fol. 90,
und 8. fol. 100) fon zweimal, nad Mar Ibas Hiftorien, gegen
Ende des zweiten Jahrhunderts vor Chriflo genannt. Dar⸗
aus hatte La Croze ven Schluß gezogen, Moſes Khor. fei erſt aus
fpäterer Zeit des Sten Jahrhunderts, obwol dagegen alle andern
neuern Zeugniffe des Autors flreiten. Wenn fchon die Mebergänge
der Bulgaren über ven Iſtros nach Thracien von den byzantinie
ſchen Geſchichtſchreibern erſt um das Jahr 678, unter Eonflantin IV
angegeben!) werden, doch aber fhon andre Ihnen verwandte Stämme
58 Dalmatien im Jahr 449 vorgedrungen waren,11) fo kann, ba
Das Altertum auf gar Leine Hiftorie ver farmatiichen Völker aus⸗
ging, in diefem Nichtanfüihren!?) verfelben durchaus Fein Grund
Tlegen, fräderes Vorhandenſein verfelben, mie felbft ihre Fortſchrei⸗
tungen zu bezweifeln, wie dies früher von Schlöger!?) und Ande⸗
zen geſchah. Wir Haben daher gar keinen Grund, die Cinwan⸗
derung ber Bulgaren-Golonie zu bezweifeln, die Moſes von
Khorene nach der Provinz Ararat In Armenien, unter *
zung Arſchag J., dem Sohne Wacharſchags (Valarsaces), des
Stiftets der Arfackden (Arſchag oder Arſaces L reg. 127 — 114)
nach den Bericht des Zeitgenofien Mar Ibas angibt (f. ob. S. 563).
Diefe Bulgaren, aus den kaukaſiſchen Gegenden Tommenb, ließen fich
zuerft Im Diſtricte Koch oder Kol, im Norden Armentens, in der
Provinz Daik 10) niever. Dann aber (gegen 120 v. Chr.) zogen
fle in einen holzleeren Diſtriet der Provinz Ararat, in das obere
& 8 Gebharbi Beitiäte ber Glawen und D adenben, In ag-
G. Bortj. XXXIU. 1789. I. $. 20. S. 805 etc. 9) G
Areni Histor. compend. ed. Bekkeri. Bonn. 1885. L p. 766, 10;
Constant. Porphyrog. de thematibus ib. 1840. p. 44. *') Con-
stantin. 8 hyrog. de administrando imper. ib. c. 298. p. 126.
e P. J. affarit, über die Abkunft der Slawen. Dfen 1828.
. 134 ꝛec. 18) A. 2. Schloͤzer Nord. Geſch. S. 378.
8 St. Martin Mém. I. p. 74.
590 WeftsAfien. I. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.36.
"; Bafin (f. ob. ©. 389), der früher Anapaid geheißen, welches nach
dem Anführer ver Bulgaren⸗Colonie ſeitdem Wunt (Went) bier
Manant!S) (Vanand bei St. Martin) genannt wurde, deſſen
Haupiſtadt Kars ifl. Der Name des Anführers felbft, der an pie
allgemeine Benennung flanifcher Volkerſchaften, an vie Beneber,
Wenden, Winden erinnert, fpricht ſchon durch fich ſelbſt für Die
Wahrheit ver fehr alten Erzählung.
9) Bon ven Alanen. König Arbafches II, nach einer
fiegreichen Schlacht Über nordiſche Ueberläufer, vermählte fi gegen
das I. 90 n. Ehr. ©. mit einer Prinzgeffin des Zürften der Ala-
nen (Mos. Khor. II. 47. fol. 163). Schon im Gefolge viefer Ti»
niglichen Tochter Sathinik mögen manche Alanen mit na An
menien „gefommen fein, aber bie große Anflevlung derſelben geſchah
erft fpäter, nach wiederholter Beflegung verfelben, worauf Ardaſches
uilele dieſer Alanen ald Gefangene nach Artarata führte und an
ber, Dftfeite des Maſis CArarat) anflevelte (Mos. Khor. I. 40.
ſol. 166).
10) Von den Raöptern. Auch von dieſem Vollke wer»
pflanzte berfelbe Ardaſches II., nachdem er einen glüdlichen Krieg
gegen dieſe Abtrünnigen geführt hatte, eine große Menge nebſt ih
rem Könige ald Gefangne nach Armenien (Mos. Khor. II. 60
fol. 167).
11) Bon Dſchenasdan (Xſchin), dem Lande Sin«
China), i) die Orpeller, die Mamigonier. Zur Zeit Arda⸗
ſchir Babegans (Artaxerxes L), des Stifters der Saſſaniden⸗
Dynaſtie (er ſtarb im 3. 239 n. Chr. G), der ſeinem Sohn⸗
Shapur (Sapor J. reg. 220 - 271) das neuperſiſche Königreich
hinterließ, erzählte man (Mos. Khor. II. 75. fol. 200), vaß der
Stammvpater des Gefchlechted ver Mamigonier von angeſchener
Herkunft aus Nordoſt, und aus einem trefflichen Lande, dem wen
gügliääften der noͤrdlichſten Völfer, nämlich aus Dichenasvan nad
Armenien gefommen fei, von Norvoft, fagt Mofes , offenbar, weil
man nur auf ſolchem Wege zu Ihrem Lande am Nordweſteingange,
zu Shenft, (f. Erdk. II. S. 365 u. a. O., und VII. ©. 403 u. 537
u. 0. D.) gelangen Eonnte. Es fein wel Neffen, Vechtoch um
Mamkon mit Namen, vie bei ihrem Oheim, dem Lanpehlänige
Arpag Pagur (mad Mafubi Fakfur, Brocop. Poreie. 15
216) Neumann Seitfchr. a. a. O. I. &. 383; beffen Verfach einer kit,
Geſch. S. 48; St. Martin in Nour. Journ. Asiat. T. J. 10
9 Nenmann in Zeitfchr. a. a. O. S. 8
A
=,r
Euphratfoften; Einmanderung in Armenien. 594
Jlaxovgıos nennt, f. v. a. Himmelsſohn), verläumbet waren, zum
Tode beftimmt gemein. Mamfon entfloh mit ven Seinen zu
Ardaſchir. Als dieſer flarb, lieferte auch Shahpur, vefien Nach⸗
folger in der Herrſchaft, ven Flüchtling Mamkon nicht aus, obwel
dles ber König der Diben von ihm verlangte: Doch geftatiete er
ihm auch Beinen Aufenthalt, ſondern ſchickte ihn mit allen ven Sei⸗
nen, gleich einem DBerbannten, hin zum Statthalter (Vaſallfürſten)
nach Armenia. Dem Könige der Dihen ſchickte er aber die Ant⸗
wort: Es möge dich nicht verbrießen,, daß Ich den Mamkon deinen
Händen nicht übergeben Fonnte, denn mein Vater Hatte ihm beim
Sonnenlichte den Schuß geſchworen. Damit du Dich aber beruhigen
mögeft, habe ich ihn aus meinem Lande verbannt, hin an den Rand
ver Erde, wo die Sonne untergebt, und mo ihm der Tod ficher iſt.
(Die Chineſen jener Zeit erhielten alfo Ihre abenteuerlichen Mähr⸗
chen und Die entſtellte Wahrheit über den Oecident abſichtlich vurch
die Perſer mitgetheilt).
So Tamm alſo auch Bewohner aus Ofhenasdan nach Arme
nien; mögen dies nun wirklſche Sinen (Chineſen), over nur Einwoh⸗
ser and den weſtlichſten ihnen bid zum Drus hin unterworfnen Pro⸗
vinzen geweſen fein, die ihr Aſyl eben fo gut auf Safjanivifcher
Grenze fuchen fonnten, wie, nur weniges fpäter, ber legte den von den
Arabern verfolgte Saffaniven König Degbebjerb auf cineſſcher
Seite (Erdk. II. S. 209, III. ©. 647).
Gegen die Grgählung als Thatſache iſt wol kein gweifel: dem
Moſ. Khor. iſt ſehr vortrefflich uͤber die damaligen Oſhen (das ar
weniſche kurze e in Dſhen hat einen dumpfen Ton und eine zwi⸗
füpen e und i ſchwebende Ausſprache, ganz dem perflfchen und ins
biſchen Oſhin entſprechend), vie er als ein fehr friedliebendes ſchil⸗
dert, unterrichtet, obwol er ſie von ven äfllichern, dem indiſchen Merz
anwohnmven Sinern unterfchelnet, und es iſt biefes, wie Neumann
bemerkt, 17) auch nicht zu vermundern, da fein unmittelbarer Vor⸗
gänger und Zeitgenoß, der Nömer Ammian Marrelin (RIM. 6),
Ende des IV. Iahrhumdertd nicht weniger gut, wie er, über jenes
merkwürdige Volk unterrichtet ift, und fchon fett Ptolemäus Zeit
der Seidenhandel, durch das Land der Seren geführt, mit demſelben
in Verbindgug geſetzt Hatte. Noch vor Moſes hatte ſchon der erſte
Vorſteher des Moſters Klag, aus einer griechiich gefchrichenen Ge⸗
ſchichte ner Dſhen, vie in Edeſſas Bibliothek bewahrt wurde, Aut
u
37) Neumann a, a. D. S. 886— 393.
er |
592 WeftrAien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36.
gäge gegeben, und. Agaddangelos hatte noch früher ber Oſhen er⸗
wäh.
Es ift die Flucht der. Mamigonier auch nicht‘ Die einzige Co⸗
loniſation aus Dfhenasvan, die. ſich in Armenien einfand. Schon
wor ihr ift vom einer viel frühern Einwanderung einer Colonie
and Dfhenasdan bei armenifchen Autoren bie Rebe, nämlich
der Orpelier, vie ſchon einige IMegentenwechfel vor Alexan⸗
ders M. Einfall. im Orient (in ber Regierungszeit Kalfaous ober
Kat Khosru), unter der anfänglichen Benennung ber Dfhenazi
in Georgien angelommen fein follen, fpäter aber nach ihrem Erb⸗
fürſten Orpeth die Orpethier ober Orpelier 18) genannt wurden.
Zweige dieſer Orpelier ließen ſich fpäter in Armenten nieber, wo fie
durch Verheirathungen mit den Bagratiden verwandt wurden, baber
fie auch in ihrer Gefchichte Öfter mit biefem Namen belegt werben,
indeß manche ihrer urfprünglichen Gefchlechtönamen, wie Liparid,
Eligum, Pulrthel u. a., Ihnen aus der Dſhenasdan⸗Heimath blieben.
Sie zeichneten fih in Georgien ald vie Anführer. der Kriege
aus, wie die Mamigonier in Armenien, erlitten aber, zumal im
12ten Jahrhundert, daſelbſt, ungeachtet Ihres beveutend gewordenen
Ginfluffes, doch große Verfolgungen. Die Geſchichte der Orpeller
iſt von einem ihrer illuftren Nachkommen, von Stephan!?), Ep
biſchof von Siunif, gegen Ende des 13ten Jahrh. gefchriehen und
von St. Martin herausgegeben, deren Authenticktät ganz neuerlich
durch Broſſets Mittheilung des Originals ganz außer Zweifel geſeht
18.20) Die Anfänge dieſer älteſten Colonie find chronologiſch nicht
näher zu beflimmen; ber Haupteinwurf, ven, St. Martin felbft ges
gen ihr Hohes Alter machte, und dem De Sacy?!) beiſtimmte, war,
daß der Name Chinas (Dihenaddan, Tfinä, Sina, Thinä) zu
dene Epoche, vor Aleranders Zeit, noch nicht exiflirte; da er erſt
Bei ben Begründer der großen Oynaſtie der Tain (Tg. 249—
206 vor Chr. Geh., berichtigt gegen Erb. II. S. 199) in Umlauf
gekommen ſei. Aber biefen Einwurf Hat Neumann?) durchh di⸗
Bemerkung befeitigt, daß ſchon felt dem Anfange des Iten Jahch
vor Chriſto Tain der Name eines bedentenden Feudalreichs In
22) Histoire des Hans in St. Martin Mm. s. TA
p. 57— 800. De la vie et⸗/ des Serita d’Blienne
archeröyue de Sioanle, in St, Martin Mé m. IL p.
, 20) Brosset in Bulletin scientif. de Lacad. des 358 *
bourg. 1841. T. VM. p. 180. 21)
vans, 1830. p. 200. 29) Neumann —E a. a. 28
|
Euphratfoftems; Einwanderung in Armenien. 593
Shenft war (feit deſſen erſten Regenten Feitſe, fett dem I. 897 vor
Er. Geb.), und daß gerade durch dieſes weſtlichſte Borland von
jeher der einzige Verkehr Chinas mit den Seren und ben baktriſch⸗
perfifchen Raravanen offen war; daß alfo immerhin eine Kunde von
ODſhenasdan, unter diefem Ramen, auf viefem Wege, auch nach
Georgien gelangen Eonnte. Doc find darum die andern Einwürfe
De Sacy' 8125) gegen ein fo Hohes Alter ver Orpelier Einwandrung
keineswges erledigt. So wenig wie jene Hindu ber fechflen Colo⸗
nie auß dem eigentlichen ſüdlichen Hindoſtan herzukommen braudje
ten, fondern wol eben nur von hohem Norvhinvoftan zu dem hoben
Armenien vorbringen mochten (etwa aus dem Lande der Darbi,
ſ. Erdk. IH. ©. 660), eben jo, meint De Sacy, brauditen auch
dieſe nicht eigentliche Chineſen geweien zu fein, zumal da ihre Nas
men Teine chineſiſche find, und fie bei Vakhtang in den georgifchen
Hiftorien nur Turanier, d. 1. von jenfeit des Oxus ber, genadnt
werden. Alle jene weſtlichen Königreiche ver Chinefen bis zum
Drus waren ja ihre Bafallenftaaten, und viefe ſtanden in fleter Be⸗
rührung mit Perfern, Partbern, Saffaniven und Arabern. Ein fol-
Her Tusanier mochte auch der König der Dſhen, ein chineſiſcher
Statthalter in Mittelaflen fein, von dem bei Zenob von Klag,?*)
> in feinen Hiflorien, angeführt wird, paß er im Namen des Himmels⸗
ſohns fi bemüht Habe, obwol vergeblich, einen Frieden zu vermitteln
zwifchen dem Könige Armeniens, dem Arſaciden Khosro (reg. 214
bis 259) und dem Arbafhir Babegan, dem Stifter des Hauſes der
Saſſaniden.
Jene Mamigonier, denen unſtreitig ein nicht unbedeutender An⸗
bang ihres Fürſtenhauſes gefolgt mar, da bei chineſiſchen Verfol⸗
"gungen eines Individuums auch zugleich Immer die Ausrottung des
ganzen Befchlechtes beabſichtigt wird, gewannen den größten Einfluß
auf die Entwidelung des armenifchen Volks. Als Tiridates I
(Dervat f. ob. 543) durch Römerhülfe die Saffaniven aus Ar⸗
menien vertrieben und ben Thron feiner Väter wieder beftiegen hatte
(im 3. 259 v. Chr. Geb), Fam ihm Mamkon mit den Seinigen
hülfreich entgegen. Unzufrieden mit ber Behandlung ber Saffaniven
warf er fich in die Arme ihres Feindes, des Könige ver Hall, ver
ihn und die Seinen auch zw Ehren annahm. Anfangs zogen fie
nomabdenartig im Lande umher. Aber ſchon Mamkon erwarb
223) De Sacy ebend. p. 210. 2) Neumann in Zeitſchrift a. a. O.
. 392. | |
Mitter Erdluude X. Pp
594 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 1.36,
durch feine Bervienfte ſich den erblichen Befitz des Diftricteß Daran
in Duroperan, wo er die Landesverräther, vie ed mit dem Saſſa⸗
niven hielten, die Seghunier (oder Silghunier), flug und zum
Kohn das Gebiet von Daron ald Lehen erhielt, zu dem fein Ge
ſchlecht ſpäärerhin noch andere erbliche Lehen erwarb (Mos. Khor. Il,
61. fol. 210). Seitvem blieben die Mamigonier vie wichtigfe
Stütze der armenifhen Könige, der Selbftänpigfeit der Armenier
und ihres Ehriftenthums gegen die Verfolgungen der Magier (mit
kurzdauernder, obwol ververbliher Apoſtafie des Mamigoniers
Vahan, f. ob. ©. 573). Ihr Begrabnißort ſcheint, nach Indſhid⸗
ſheans armenifchen Antiquitäten, jenes berühmte Klofter Klag in
Daron geweſen zu fein. Die Mamigonier waren fo audgezeichnet,
daß fle lange Zeit die erblichen Kriegäherzdge Armeniens
(Sharaped von Spah oder Spay, heute Sipah im Berfifchen,
fo viel ald Krieger, und Rad d. i. Oberhaupt, was im Arme
nifchen Zorawor heißt) maren, und auch nach dem Sturz der Arſa⸗
ciden dies noch unter den Saffaniven blieben. Sie erbielten ſich
al8 bedeutendes Befchlecht in Armenien bis in das 9. Jahrh., und
ein Zweig von Ihnen fol in das Kurvengefchlecht ver Manekziet
übergegangen fein, bie Heutzutag Ihre Abſtammung von den Mami-
goniern herleiten; nach Indſh. armen. Antiquitäten. Die Mamige⸗
nier find Häufig von den byzantiniſchen Gefchichtfchreibern erwähnt.
Die fpätern Colonien find in Armenien Immer mit den frems-
den Beherrfchern, den Seldjukiden, Osmanen, Türken, Perfern, Rufe
fen eingezogen. |
C) Die Aubwanderungen ber Urmenier in bie rembe
und ihre Serftreuung.
So mannidfaltig die Verbindung der Armenier mit Fremd⸗
fingen war, bie fie in ihrer Heimath in ſich verwandelnd aufnah⸗
men, eben jo mannichfalt'g iſt Ihre eigne, jedoch ſelbſtaͤndig blei⸗
bende Ueberfiedlung in frembe Länder und unter bie verſchie⸗
denften Volker des Orients und Occidents gewefen, die in wahre
Zerſtreuung des armenifchen Volks in die weiteften Kernen ver
alten Welt übergegangen if, und nur etwa an die der Ju den =
innert, die aber nicht einmal in ihrer Heimath als ein ſchwacher na⸗
tionaler Kern zurücblieben, oder an bie Araber, welche außerhalb
ihrer Halbinfel viel zahlreicher wurden als innerhalb, aber doch durch
ein gemeinſames Bank ter Sprache wie der Religion, glei Tem
Armeniern, ihre Ratkonalktär tehanatet Taken. An er Seimath find
Euphratſyſtem; Armenier: Auswanderungen, 595
de Armenter Hirten und Aderbauer geblieben, in ver Fremde aber
Dandelölente und Gewerbtreibende aller Art geworben, und eben
nes Hat ſowol zu ihrer Zerfireuung, wie zu ihrer Gruppirung in
er Zerfireuung zu compacten Gemeinden beigetragen.
Als weitreiſende Hanveldleute bis Babylon werden fie
“on von Herodot aufgeführt (f. ob. &. 7), noch früher von
vom SBropketen Czechiel bis zu dem Weltmarfte von Tyruß
(f. 06. ©. 358). Gegen ben Norven führen fie in fehr frähen
Zeiten, mit den Mevern, die Indifchen und babylonifchen Waaren
ven Aorſen am Norbufer bes Easpifchen Seed zu, und umwan⸗
dern (ſ. 06. ©. 568), wie es ſcheint, unter allen Volkern die er-
Ken, diefen Binnenfee. Brühzeitig mit der chriftlichen Bekehrung
des armeniſchen Volks find deſſen Priefter und Xehrer in ihren
Studien auf die Hochſchulen in Edeſſa, in Aleranprien, Athen
a Gonftantinopel angemwiefen, und bie große Zahl ihrer im
4. und 5. Jahrhundert im Auslande gebilveten Geiſtlichen, vom
fürkfiden Stande bis zum gemeinen Mann, mußte auch ven Blick
des ganzen Volkes mit dem Auslande vertrauter machen, als vieß
ſonſt wol in ver Negel bei den orientalen Völkern ver Fall war.
Shen im 4. und 5. Jahrhundert, hören wir, wanderten viele
Armenter nach Conſtantinopel?s) aus; fo auch das Wefchlecht ber
Saharhunier, von dem Fauſtus von Byzanz, der Geſchichtſchrei⸗
ber, abftammite. Durch vie vielen politifchen Kämpfe und Eingriffe
der Römer, Saffaniven, Byzantiner und Muhamedaner wurben durch
Me Jahrhunderte fletd die in Armenien untervrüdten Partelon ges
nöthigt, in der Fremde ihr Leben zu friften, da fie fo Häufig in der
Seimaih dem politifchen wie religiöfen Parteihaß als Opfer fielen;
hiezu Samen die Religiondtämpfe. Beides mochte vorzüglich wäh«
rend ver Saſſaniden Periode viele Armenier aus ihrer Heimath in bie
Fremde vertreiben. Diele der Unglüdlichen armenifchen Ehriften, .
ren heldenmüthige Tapferkeit damals ver Uebermacht unterliegen
nußte, denn nur fehe wenige wurben Apoflaten, entflohen zu ven
Briechen nach Byzanz ‚20) viele in den Kaufafus und in bie Kurs
Aftanberge, viele zu dem Volke der Khal dier (Chaldäer) im
Bebirg dm Sünden von Trapezunt,27) in bie unzugänglidde Hibpe⸗
itis; aber ſehr viele wurden als Gefangene abgeführt in die per
ſchen Landſchaften.
126) N 335) Menmann Verſuch a. a. O. S. 26. 260) St. Martin Précis
fl Tlistoire de "Armönie in M&m. I. p. 327. *") Constantin.
Porphyreg. de thematibus ed. Bekker. p. 80, 10.
Pw2
596 Weſt⸗Aſien. III. Abthellung. I Abſchnitt. $.36.
Als die mahomedaniſch gewordenen Turkſtaͤnme gegen Wehen
vorrückten, Perfien und vie Länder am Euphrat verheerten, brangen
fie auch im I. 1042 in Armenien ein. Hier wurde ihr Joch fo
hart, ihr Druck fo unerträglich, daß die Armenier, fagt Bahram,
es vorzogen, Fremde im fremben Lande zu fein, als Sclaven im
eignen. Sie verließen dad Land ihrer Vorfahren und entflohen in
nördliche und weftliche Regionen; Kafig II. ver König (ber
Bangrative in Ani) überließ, fagt der armenifche Ehronift, fein Land
dem Schutze des Kaiſers von Byzanz (f. ob. S.441) im Austauſch
gegen die große und berühmte Stavt 28) Garfarea und andere Orte I
in Kappadocien im Jahr 1045 (mol eine blos befchönigenwe I
Uebertreibung des Chroniften), um dort ald Ausgemanvderte zu |
leben. Die Kappadoken batten aber die frübern Mißhandlungen
die fie durch die Armenier (3. B. unter Zigranes, Strabo XII., 539)
erlitten, nicht vergeifen, und ver Haß ber vortigen Griechen gegen
die Armenier serzeugte ihnen bald blutige Verfolgung. Kalig IL,
ber’ audgewanderte, ver legte der Bangrativen Könige warb (1079)
ſelbſt erfchlagen, und die armenifchen Führer des Heeres, in Schreb
fen gefeßt, zerftreuten fi) nun mit ven Ihrigen In die weite Welt.)
Einem Theile von ihnen gelang es, unter des Ruben Anführumg,
die Ketten des Taurus ſüdwärts zu überfleigen und das armeniſche
Königreih Cilicien zu begründen, dad während ber Periode
ber Kreuzzüge burch feinen tapfern Kampf gegen die Sultane Aegyp⸗
tens und feine Befreundung mit den Pähften und ven chriftlicgen
Kreusfahren, zumal unter ven Leonen und Haithon’s, bis ge
gen Ende des 13ten Jahrhunderts (Xeo II. warb noch im J.1269
als König von Eilicien gekrönt, und Leo VI., ver letzte der Könige
von Armenia Cilicia, warb 1375 von den Mamelufen Aegyptens
zum Gefangnen gemacht) eine wichtige vwermittelnde Rolle ſpielt
zwifchen Orient und Orcivent.30) Hierdurch wurde die armeniſche
Bevölkerung auch durch Cilicien, ISfaurien und burg einem
großen Theil Kleinafiens mehr und mehr ausgebreitet. Erſt
durch die Seldjufen wirb dort ihre Gewalt gebrochen, und mit De
sen Ball werben fie dort, wie in ihrer Helmath, die Knechte der D6-
manen. Seit jener Zeit wanderten wiederum viele um ng Gun
dels willen nach Eonftantinopel, wo ſich nach und nach vie größte
ihrer Gemeinden im Auslande gebilvet hat.
120) Meumann Vahrams chronicle 1. c. p 2
VNVabram⸗
ehronicle l.op.21. '% ha Biker € in Vahrams ohron.
euphrathfiem; Armenier⸗Auswan. im Occident. 597
Als Ant, von feinen Königen verlaffen, in vie Gewalt ver By⸗
antiner, und dann mit Alp Arsland Eroberung (1064) in die
zewalt der perflfchen Oberherrn gekommen war, wurde von Teßterem
er Ueberreft der noch zurückgebliebenen Armenier in beflen perfifche
zeſttzungen zur Anfiedlung abgeführt (f. ob. S. 441). Uber der
rößte Theil derfelben hatte fich fchon mit ihren Stammgenofien
ah vem ſchwarzen Meere und auf die europäliche Seite, nach
I9zanz, nad der Moldau und bis Lehaftan (Polen) verbrei⸗
t. Dieſen folgten andere in den nächſten Jahrhunderten nad,
nd als Ani vie letzte, fechfte Eroberung durch die Mongholen im
. 1239 erbulden?!) mußte, wandten fich die GHäupter der noch
tebriggebliebenen auch nach der damald mongholifchen Tatarel,
nd ließen fi zumal un ver Wolga in der Gegend von Aftras
yan am ſchwarzen Deere nieder, während andere in ven nähern
erfifchen Begenden von Dihulfa (Oſhugh, Sjulhfa) am Arares,
on Ban, von Sis In Kleinaflen und andermärts, ein Afyl fan«
en. Die ander Wolga fortwährend von tatarifchen und mongho⸗
chen Herrſchern geprüdten und verfolgten Anienſer wandten ſich
on da an die damals noch in Kaffa auf der Krimm herrichen-
en Genueſen, und erhielten vom Oberhaupte verfelben die Erlaubs
is, fh in Kaffa nieverzulafien. Seit viefer Zeit begann dort bie
Bezeichnung (im 13. und 14. Jahrh.) der oben fchon genannten
5 maritima. Als Ani nun ganz zerflört war, zogen ſich
ie letzten ihrer Bewohner durch Baspuragan (am Dan See und
dakhitſhewan) tn die Umgebung von Aftrafhan, wo ſie fich bi8
eute die gute armenifche Sprache bewahrt haben. Andere zogen
ach Trapezunt, mo ihnen ver griechifche Kaiſer Kir Alexius
Dohnungen anwies und Gelegenheit zum Bau von Kirchen und
Möftern gab, wo fie nun mit ven früher dahin Gegangenen fich
inen Bifchof erwählten und als Armenier am PBontus In
chen®@emeinden auch durch das Land verbreiteten.
olche zahlreichen Blüchtlinge über das ſchwarze Meer zur
Donau, Moldau und Wallachai machten, daß Armenier ſich ſeitdem
a großer Anzahl durch jene untern Donaugegenven, durch Süd⸗
ußland, Polen umd Ballizien verbreiteten, wo file bis heute eine
o bedeutende Bopulation ausmachen. Nah Minas Angabe war
51) 7, Minas, des Mekhitariſten, Reife nach Lehaſtan. Demebig. 8.
" 1830, u Betermann a. . Mag. f. Lit. des Ausl. 1885,
*
598 MeftAMfien. IIE Abtheilung. I. Abfnitt, $. 36.
es Theodor, Sohn des Dux (Bräfent) Demetrius von Roth⸗Ruß⸗
Iand, der in ver Zeit ver Zerflörung Ani's (im I. 1060) in Galli⸗
zien berrfchte und die durch ihre Tapferkeit berühmten Armenier in
feine Kriegsdienſte, mit zugeficherten großen Vorrechten, aufnahm,
die auch noch ein halbes Jahrtauſend fpater vom Polen Könige
Wladiélaus IV. in dveffen Schreiben an die Armenier (im
J. 1641 n. Chr. Geb.) zu Ilwow (over Lwow, d. i. Zemberg)
anerfannt wurden. So ftevelten fich in jener Zeit ſchon tapfer
Armenier in ver Reflvenz des Dux zu Kiew an, wo noch eine
ſteinerne Kicche ver Urmenier ſtehen, aber kein Armenier mehr woh⸗
nen fol, Aber mit dem fortvauernden Unglüd der Provinz Shi
rag (1. 0b. &.439) wuchs die Zahl der Auswanderer nach Minad
Angabe bis zu 40,000 Familien an, die durch Tapferkeit fich Adel,
Wohlſtand und Unterkunft an den Ufern des Dnepr zu Kiew, web
Drieker zu Kaminieg, in ver Moldau und Wallachei, vorzüglich
aber in Ballizien zu Lemberg (Kwow over Leopol), zu Zamolsk,
Jaslowirz,??) und anderwärts erwarben, felbft, zumal durch ben
Handel, ven fie in Polen faft ganz an fich riffen und dadurch
auch den Stäbtebau erſt in Aufnahme brachten, nicht unbedeutenden
Reichthum. Auch in Litthauen erwarben fie Güter, auf denen
ihre Abkommlinge noch bis Heute Ihre armeniſchen Famillennamen
in ihren neuen Colonien bewahrt haben (mie die Grigorowiiſch,
Malchaſovski, Nuridſchan) und fich bis zu ven höchſten Würden⸗
trägern, naͤchſt dem Könige, emporſchwangen. In dieſen Anfledluß⸗
gen, deren eine in einer ber großen polniſchen Ebenen bis heute
von ihnen ven Namen Ormiani (von Urmiah) bewahrt Kat,
erhielten die armeniſchen Eolonien Ihre Sprache, ihre Religion,
ihre eigenen Inftitutionen bei, bie ihnen auch, wie ihre Frei⸗
beiten, 3. B. eigene Gerichtshdk unter einem Stammoberfar,
Woith, Richter, Gemeinde⸗Deputirte, In allen Städten, in Kam
ninez noch im Jahr 1344, in Lemberg im I.1356, durch Ey
König Kaſimirs beſtätigt wurden. Ja, fe hatten den Vorzug, Def
fle fich dabei lange Zeit ihrer ein heimiſchen Geſetze des Königs
Johann (BGovhannes oder Sempad IV. im J. 1020), aus der Dynaſti⸗
bee Bangratiden, bedienen Eonnten, die fie in Dad Lateiniſche überfeh⸗
ten, wie fe noch heute vorhanden find. Diefes günflige Seos
ber Armenier in den polnifchen Gebieten zog fpäterbin, gegen das
*
ug‘? Armeienne 06. it Hear.
08) At, Martin Analyse d’une
Asiat, 1838. T, u P. u.
%
—
Dr
— -»
Enphratfuftem; armen. Auswandr. im Occident. 599
Jahr 1500, eine fehr große Maſſe verfelben aus den tatarifchen Ge⸗
bieten, wo fie dem. härteften Drud faſt erlagen, nach Polen. Das
ergibt fid) aus ihren in tatarifcher Sprache gefchrieberien Büchern,
da fle port ihre Mutterfprache verlernt hatten, und durch Ihre Mehr⸗
zabl und ihr Uebergewicht nuch bei den polniicyen Armeniern von
nun an in Gerihtähdfen und fogar in Kirchen die tatas
riſche Sprache Eingang fand. Denn es bemerkt ver armeniſche Ver⸗
faffer der Reife nach Lehaſtan, der dort felbfi die Horen und
Dialmen in tatariihe Sprache überſetzt fand: „es ſei feiner Nation
eigenthünlich, das Eigne zu perachten und dad Frembe zu umfaſſen.“
Minas fand ein Buch’ von Rechtsſprüchen, angefangen im Jahre
1463, welches armenifch bis zum 12. März des Jahres 1521 fort
geführt war; dann begann es mit dem 26. Aug. veffelben Jahres
in tatarifcher Sprache bis zum Jahr 1564. Das Dekretalienbuch
von Lemberg fängt mit dem Jahre 1630 tatariſch an, und geht
fort bis zum Jahre 1641. Don ber Zeit an werben viele latei⸗
nifhe und polniſche Ausprüde mit eingemiſcht, und die
Sprache ver dortigen Armenier iſt ſeitdem ganz in die polniſche
umgewandelt. Erſt fpäterhin, durch nen hinzukommende jüngere
armenifehe Eolonien aus verjchievenen andern aflatifchen Gegenden,
fing man hie und da wieder an armenifch zu fprechen. Auch nach
Ungarn breiteten fi, von Polen, armenifche Colonien aus, bie
auch da Ihre elgnım Berichtändfe, Nichter und Sprache beibehielten.
Shre Ausſprache, bemerkt Minas, ber jene Eolonie bereifet, ſei nicht
ſehr verfchieden von der Der Armenier in Trapezunt, bie Ueber
bleibſel von ihnen find; nur ſei ihre Articulation flärfer und ihre
Zunge ſchwerer.
Faſt In allen bedeutenden Theilen Polens, bemerkt Minad wei⸗
ter, finve man Lönigliche Räthe aus dem Geſchlechte der Anienſer,
auch ihre Beifllichen feien angefeben. Dennoch haben viele ihren
Mitud verändert und den polnischen angenommen, und wenn nicht
iu Lemberg ein erzbifchdflicher Stuhl der Armenier wäre, fo wür⸗
ven wahrfcheinlich ale Anienfer ihren Gottesdienſt umgeännert haben,
Das Erzbisthum der Armenier in Lemberg, früher in Kiew,
und erfk jpäter zur Belt ver tatarifchen Ueberfälle, gegen ven We⸗
ſten >) verlegt, vehnte fi früher Über die Colonien Bis nach Ungarn,
ver Moldau und felbft der Tatarei aus, wie auß der auf Perga⸗
ment gefchriebenen Bulle des Erzbiſchofs Ichannes zu ſehen if.
nn '
22) Bt. NMartin in Journ. Asiat, I. pP» 25.
600 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 36.
Aber es behielt nicht mehr den erſten Titel feines Episcopus patri-
archalis, ber die Abhängigkeit vom armenifchen Patriarchen am
Ararat bezeugte, bei; im Jahr 1624 trennte ſich erfterer ganz von
der armenifchen Kirche und ſchloß ſich der römifchen an. . Gegen»
wärtig umfaßt jenes Epifcopat aber nur ben beutfchen Antheil
Bolens und iſt in 16 Parochien geteilt, deren ſämmtliche Geiſtlich⸗
von dem Erzbiſchof in Lemberg gewählt werben und unter ihm
ſtehen. In früßern Zeiten erfannte dieſer Erzbiſchof ver Golonien
aber ſtets ven Patriarchen von Etſhmiadzin als einzig rechtmäßiges
geiftliches Oberhaupt der armenifchen Kirche an. Im Jahr 1606,
als der perfifche König Shah Abbas die Armenter aus Berfien
vertrieb, bie feine Vorfahren dahin verpflanzt Hatten, fuchten viele
derfelben auch in der Tatarei und in Polen ihr Aſyl, wo fle be
deutende Kirchen und andere Bauten aufführten. Doch, bemerkt
Minas, da fie im Anfange durch Uneinigfeit ihres ſchoͤnen väter
Tichen Erbes beraubt waren, fo war es ihnen, ihres Beſtrebens
ungeachtet, in fernen Landen und unter fremden Nationen wieder
mächtig zu werben, dennoch unmöglich, ſich eines ungefldrten Ges
nuſſes ihrer Freiheit zu erfreuen. Denn als im Jahr 1795, mit
der legten Theilung Polens, dieſes Königreich als ein felbfiftändiges
aufhörte, verloren auch die Anienſer aller Orten ihre Freiheit. Geit-
dem, bemerkt berfelbe, beginnt ihre Verminderung, ihre Verarmung.
Nicht minder merkwürdig wie im Occident if bie weite
Serfiveuung ver Armenier im Orient. Die Araber hatten bie
armenifchen Landſchaften mehr, ober doch zuweilen auch durch ein«
heimiſche Statthalter, Oftitanen,3*) Emirn oder Fürſten, verwalten
Iaffen, und ihnen dadurch ein beffered Loos bereitet, daß fie wieder⸗
holt (wie 3.8. Harun al Raſhid), die Bangrativen In ihrem Anfche
begünftigten. Wie aber Urmenien durch die Nebenbuhlerſchaft der.
arabifgen und byzantinifhen Weltherrfchaft unſägliches
Elend, ald Zwiſchenprovinz, bereitet war, von bem ſie aur
in den kurzen Zwifchenperioden ſelbſtſt ändiger Königreide,
wie ber einheimffchen Bangrativen (von 859 bi6 1045 unter
9 Königen bis auf Kafig I.) in Ani, und der einheimifchen Ru«
benier in Eilicien (reg. von 1080 bis 1375, bio Leon VL),
einigermaßen erlöfet werden konnten: fo Hatten päter, felt ber Tuͤr⸗
kenherrſchaft, die Bewohner Armeniens wieder ale Leiden einer
?°%) J. H. Petermann de Ostikanis Arabicis, Armeniae guberuake-
ribus, Berol. 1840. B 57
Eupbratfoftem; Armeniers Auswan. im Drient. 601
abhängigen Grenzlandſchaft zwiſchen zwei großen. rivaliſtrenden
Weltreichen zu erleiden. Denn die neuperſiſche Politik der
Sophid EGefiden) ſetzte die Menſchenplünderungen, vie Gefan⸗
genſchaften und gewaltſamen Verpflanzungen von Colonien aus
Armenien nad) den perfiſchen Provinz a fort, die unter ben Saſſa⸗
niden begonnen hatten, durch welche fehr frühzeitig ſchon I8=
pahan eine Iubencolonig (Nehudia, f. Erdk. IX. ©. 42) erhalten
hatte. Zumal als Shah Abbas I. fih überzeugte, 3°) daß er bie
Provinz Armenien nicht mehr gegen die Türkenüber macht werbe
behaupten können, beſchloß er feinen Feinden nur das leere Land zu
überlaffen. An 24,000 armenifche Familien wurden mit Gewalt ent⸗
führt und in die verfchievenen Provinzen des Perferreiches verfeht,
wo bie meiften mit Mahomedanern vermifcht wurden, und ihre
Sprache, ihre Religion, ihre Abflammung in Bergeffenheit Tam.
Shah Abbas I. zerftörte die damals blühende Stadt Armes
niens Dfhulfa (Eski Julfa, d. i. das alteI.) am Arares, nahe
Rakhitſhewan, vie bis jet noch ein Bild der Armuth und ers
flörung geblieben ift, 3%) um auf das graufamfte im Jahre 1605
beffen ganze Bevölkerung ald Eolonie, Degni Dfhulfa, d. 1.
Neu⸗Oſhulfa 37) genannt, nah ISpahan, feiner aufblühennen
BPrachtreflvenz, zu verpflanzen, die von jener den gleichen Namen
bis Heute behielt (f. Erof. IX. ©. 47). Um die übrigen Armenler
zu fchredlen, wurben zwei der damals am meiften widerſtrebenden
Bürger dieſer Stadt enthauptet, andern die Naſen und Ohren abe
geſchnitten; viele der 24,000 Familien, 38) welche das traurigfte Loos
traf, kamen auf dem Transporte um (nad Arakel Bartap. arm.
Geſch. Amfterd. 1669). Aber ihre compactere Maſſe, vie bier bei⸗
fammen blieb, erhielt ſich ihre Nationalität, ergab ſich dem Handel
und gebieh. In Ispahan, zu Kämpfer Zeit (1650), war jene
Colonie Nen⸗Oſhulfa unter einem eigenen armenifchen Obere
haupte, Hobge Keler genannt, bis zu 30,000 Seelen herangewachſen.
Sie Hatten fich ven Umftänden gefügt und, wie die Söhne Abrahams,
ven Handel ergriffen, und der Reichthum Perfiens brachte ihrer In⸗
"ı5) Lettres edif. I. c. T. III. p. 32. 3°) W. Ouseley Trav.
Lond. 1823. 4. Vol. II. 0432, 3. Hanmay Reifen in Bers
fien. Hamburg 1754. . 11. S. 92, 373. 7) De la Croix
La Turquie chretienne etc. Paris 1685. 8. p, 196. 20) Neu
mann Beichichte der Weberfievelung von 40,000 Armeniern, die im
Sabre 1838 ans der yerfifchen Provinz Aderbaidſhan nach Rußland
answanderten. Leipzig 1834. 8. ©. 4,
602 WeftsAfien. II. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 36.
bufirie bald großen Gewinn. In wichtige Handelsverbindungen mit
dem ganzen Orient und Occident eingetreten , hatten fle bedeutenden
Meichthum zu erwerben Gelegenheit gefunden. Don da mögen fie
fi weiter durch den Orient, zumal nach Indien verbreitet haben;
aber auch wol ſchon frübzeltiger auf andern Wegen, über welche
die Geſchichte Feine nähere Auskunft gibt. Ihr SGlü war aber
dort nicht von Dauer, denn wie durch Gewalt berufen, wurden fie
auch mit Gewalt, durch Nadir Shah und Ahmed Shah, wie
der nievergebrüdt und verdrängt. Vor Navir Shahs Zeit rechnete
man in verfchievenen Städten Perſtens noch 12,000 armeniſche
Bamilien, die durch Handel und Inpuftrie überall fih zu Wohlftenb
erhoben hatten, vie jegt aber in Dfhulfa, nach den Bajeler Miſſions⸗
berichten, auf etwa 500 verarmte Familien zurüdgefunfen find. Der
jäingfte Berichterftatter, €. Bore, gibt 1800 armenifche Einmehner
von Oſhulfa an. 39) Ihr Reichthum war vom Anfang an, unter
dem desporifchen Negiment, die Urfache vieler Erprefiungen und
‚ Onalen für fle geworben, die fie Verſtellung, Betrug, Ueberliſtuug
lehrte
In Indien find armeniſche Kaufleute in großem Wohlſtand in
vielen Anſledlungen zu Bombay, Madras (Erdk. VI. ©. 331),
Kalkutta einheimiſch geworden, deren Jahl Neumann auf 20,000
anfſchlägt, obwol dies nach andern Daten zu viel zu fein ſcheint.
Frühzeitig traten fie in Berfien 9) dem beginnenden Handel ber
Engländer überall entgegen, währenn fie ber engl. oſtindiſchen
Compagnie von größtem Vortheil In ver Leitung des Handels im
Innern Hindoftand wurden. Daß fie feit ihrer Verpflanzung nad
Derften nicht blos in Paften, ſondern auch durch Indien und ale
Länder ver Türkei, bis nach Aegypten, ja im ganzen Orient, “bie
Finanziers, die Banquiers, bie Oefchäftsführer, die Secretaire
aller Fürſten, Sultane und Herren find, ift befannt, fo wie, daß fle
auch durch alle Ränder der Ruſſen, Polen, von Aſtrachan, durch die
Krimm, die Wallachet und die untern Donaulänver vie Greß⸗
Händler und Gefhäftsführer wurden.
Sie Haben in Indien einen großen Antheil am auswärtigen
Handel mit den Königreichen jenfeit de8 Ganges in Siam, Barma
| und ben englifchen Beflguugen umter den Intoschineflichen Nationen
1809) E. Bore Corresp. IE p. #62. * Hanwey 2. c. R
Bruce Annels o tie en Ind. Be 8! Du —X
Mem.Vol. I. p. 2.
2
.
‘
’
Eupbrarfoften; atmenifche Auswande, im Orient. 603
Bon Singapore ans, wo fie die reichften Kaufleute find, beſuchen
fe nah Neumann,*l) der bier auf feiner Geiſe nach Kanton als
Augenzeuge fprechen Eaun, des Handels wegen ven Öftlichen Archipel,
Java, Sumatra, Borneo und Kanton. Forbes fagte ſchon Ende des
18. Jahrhunderts, daß er ſehr viele achtungswerthe armenifche
KRaufmannsfamilien in Bombay und In andern indosbritifchen
Eofonien Tennen Iernte, die dort den Großhandel *2) betrieben,
and in Freiheit ihres Neligiondcultus Ichten. Eben fo follen le auf
Häufigen Reifen ven Handel in den Khanaten und Fürſtenthümern
Mittelaſtens betreiben, bis Vochara, Kokand, Chiva, vie Gebiete
der Sikhs bis Kafhmir durchſtreifen, und in Afghaniſtan nicht un⸗
thatig fein. |
Bon einer Eolontfation mehrerer Hundert Armenter, welche einft
durch Shah Nadir und Ahmed Shah aus Dſhulfa und Mefheh
nad Kabul gewaltfam verfeht war, fand AL. Burnes, im Mat
1832, in der Stadt Kabul nur noch 21 Armenier vor. Aber ar
mehlfche Grabinſchriften zeigten, daß dort einft mehrere ihres Stam⸗
med anfällig gemwefen, die ımter der Durani⸗Herrſchaft (Erdk. VIE
&. 202) bis zum Tode Timur Shahs hohe Aemter befleiveten,
aber fih während ver Erbfolgeftreitigkeiten mit ihren Yamillen in
andre Länder zurüdzogen. Bis an die Grenze von Ghina, auf ber
großen Handelsſtraße von Tangut nach Peking, waren fon zw
Anfang des 18ten Jahrhunderts Armenier bis auf den Marftort
Sining vorgevrungen, wo Pater Negis einen armenif chen Kaufe
mann angeflevelt fand, der das fchönfte Pelzwerk führte (Erdk. IE
177). |
Daß fle vurch ganz Vorberaflen, Syrien, Eonftantinopel, Aegyp⸗
ten u. f. mw. als Handelsleute angeflevelt find, iſt befannt: in Cairo
and Aleranpria find fie vie wohlhabendſten Kaufleute, (an 2000
gegenwärtig in Aegypten, nach Lane) ; auch nach Aethlopien brangen
fie vor; der erfle Geſandte, der von Abyſſinien nach Portugal ges
ſchickt wurde, war ein Armenier, und bad Haupt ber Kirche von
Abyfiinten war 1834 ein armenifcher Priefter. Ein Autor Hat ſo⸗
gar die Vermuthung aufgeftellt, vaß die inpifhen Chriſten,
welche ſchon Dasco de Gama in Melinve vorfand, die ihm einen
Hintu-Pllsten verfchafften, Armenier #) gewefen felen, obwol mar
Doch eher vabei an ſyriſche Chriſten von Malabar denken möchte.
“2 ) Deſſen Geſchichte der «2) J. Forbes
® Orient men. T.Lp 122. %) Alistic {ouzu, IRXT. Tal.
xx. dan, pP: 4.
%
604 Weft:Afien. II. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 36.
Einen wieberholten Abzugscanal für armeniſche Eoloni«
fatton hat in neuefter Zeit Rußland erdffnet, und dadurch einen
Theil ver alten armenifchen Heimath ungemein entvölkert, in
welcher das Volk innmerfort, während des Wohlſtandes feiner ihm
entfrembeten Brüder, durch dauernden härteften Drud der beiden
großen Nahbarftaaten, und durch den förtwährenden Stachel
in ihrer Seite in die größte Armuth an leiblichem und geifti-
gemBefigthum verfinfen mußte, nämlich durch die bort vorher
ſchend gewordnen raubgierigen Kurden, vie Armenien immer mehr
und mehr überſchwemmt haben, fo wie dies mehr und mehr im
Innern in Ohnmacht verſank.
Man kann Armenien feinge Ausvehnung nach von D. nad
W. zwifchen Euphrat und Urmia⸗See, von S. nad N. von Mar
din bis zur Grenze von Trebifond und Georgien, dem Areale nad
ganz wol mit ver größern Hälfte von Deutfchland, In runder Summe
an 5000 bis 6000 Quadratmeilen, vergleichen; im weitern Sime,
mit der armenifchen Bevölkerung des obern Mefopotamiens, C⸗
liciens u. a., zwifchen dem ſchwarzen und kaspiſchen See, und von
Syrien 518 Albanien, umfaßt e8 weit mehr. Cine bloße, aber
vielleicht noch zu hohe, Schägung iſt es, ihm 3 Millionen Bewoh⸗
ner zu geben,, was immer noch 600 Einm. auf die Quabratmeile
gibt, zwar wenig genug, aber doch immer noch viel zu viel für bie
vielen veröveten menfchenleeren Landſtriche Armeniens, auf bie
man im Durchſchnitt wol kaum die Hälfte viefer Bevölkerung rech⸗
nen darf.
Schon frühzeitig Hatte man in Rußland ven Vortheil armeni-
fer Anflevlungen Eennen lernen. Noch che die Krimm zu Muß —
land gehörte, hatte Kalferin Katharina II. im Jahr 1780 armenis
ſche Bewohner jener damals noch türkifchen Halbinfel zu einer An-
ſiedlung am untern Don, abwärts Tſherkaßk, bemogen, und diefer
den anziehenden Namen Neu Nachitfhbewan ) (zuſammenge⸗
zogen Nachtſhewan) gegeben, wo die Anflevlung, nach Whitting⸗
tons Beſuch Im Jahr 1816, von 6000 männlichen Bewohnern in
4600 Säufern, unter eignem armenifchen Magiftrate, in Aufſchwung
-und Wohlftand war. Sie hat gegenwärtig über 11,000 @inw,
a
meift Armenier, und ift die bedeutendſte Handelsſtadt am Don. Eben
fo find andre Localitäten Anziehungspuncte auf ruſſiſchem Boden
*6) Whittington * in Rob. Walpole Trav. in variong ⸗
tries of the east. Lond, 18. p. ST-46l,
y3 Yeh N
m n
. .
Eupbratfuft.; Armenier-Auswan, nach Raufafien. 605
für armenifche Anflevelung geworden. Ein großer Theil der alten
Helmath der Armenier warb nad) und mach von ben Ruffen in
wiederholten Orenzfriegen mit ven Perfern und Türken erobert. Der
größere Theil des armenifhen Volks, der nichtunirte, der eigent«
U nationale Armenter, ber unter dem ſchweren Joch ver Tür«
fen und Perſer feufzte, betrachtete feit einiger Zeit ſchon das ruſſi⸗
ſche Kaiferreich als fein neues Vaterland. Seit ven Iegten Jahrze⸗
henden ſchon wanderten deshalb nicht felten die Urmenier in Mafien
aus den ehemals perflichen und türfifchen Provinzen, aus Ghilan,
Aderbaidſhan, Erzerum und anderen, auf nie ruſſiſch gewordenen
Antheile Armeniens hinüber, und Jießen fih auch In anderen Theilen
des ruffifchen Reichs nieder. Die Armenier behaupteten ven Glau⸗
ben ihrer Väter; ihre Maſſen widerſtrebten ver Vereinigung mit
ber griechifchen wie mit der Iatelnifchen Kirche, und nur felten er⸗
eignete fich bei ihnen ein Uebertritt zum Koran, daher das chriftliche
Bolf der Armenier von feinen mohamevanifchen Herren fortwährend _
im Zuſtande der Belagerung gehalten wurde. In den, Friedens⸗
fhlüffen mit feinen fünlicden Nachbarn warb daher von Rußland
immer (aud mit den Türken 1830, f. ob. S. 423, 436) die freie
Emigration der Ehriften mitbenungen, wodurch Perfien in
der That mehr geſchwächt wurde, ald durch Abtretung ganzer Pro«
vinzen.
Die Armenier, welche es vorzogen, unter ruſſiſchem Schutze zu
leben, brauchten nicht zur Ueberflevelung gezwungen zu werben,
wie died den Ruſſen, als hätten fie dieſen Zwang ausgeübt, dfter
vorgeworfen iſt. Uber freilich feit ven letzten Begebenheiten biefer
Art find die Erwartungen ver Urmenier vielleicht zu hoch geipannt
gewefen, die Zuflcherungen ver Fürforge für fie auf ruſſiſchem Ges
biete iſt nicht in der erwarteten Art in Erfüllung gegangen, und
viele der ärmften zulegt Lebegfledelten mögen getäufcht worden fein.
Selbſt mehr ald die Hälfte der Emigranten, ging daß Gerücht, ſoll⸗
ten in den Provinzen von Eriman und Nakhitfheivan vor Hunger
umgelommen fein. #) Kein Wunder, daß nun bie Blicke vieler
Getãuſchten und Mißvergnügten, vie noch ärmer, als fie früher ges
weien, in ihre verlafiene Heimath zurückzuwandern gendthigt wa⸗
ven, im Haß gegen die Ruſſen fich nach neuer ‚Hülfe in der Fremde
umfahen, und nun ihre trügeriihe Hoffnung auf "England fehten,
we; en, Geſch. der Ueberſiedelung ©. 6, 22, 13, 74, 08, 18,
Rt. —
‘
s
606 Weſt⸗Aſien. III. Abcheilung. I Abſchnitt. $. 36.
das durch feinen temporairen Einfluß in Perſien (Erb. IX ©. 867
u. f.) eine folche Hoffnung bei Uinwiffenden auf eine vorübergehenve
Zeit auch nähren mochte, ohne fie befriedigen zu £önnen. Die früs
her unbeftimmt gebliebenen Grenzverhältniffe zwifchen Rußland und
Perfien (Erdk. IX. S. 869) hatten 1827 zu neuen Ueberfällen ber
zuffifchen Truppen nach Perfifch Armenien geführt, wobel Etfh mia»
zin und Eriwan, Nakhitſhewan und Abbasabad einge
nonmen, ber Araxes überfchritten und felbft Ardebil von Ruſſen
befet wurde (Erdk. IX. S. 794). Der Beiſtand der Armenier Hatte
den Ruffen die Ihore von Eriman geöffnet, daß fie ohne Schweri⸗
ſtreich beſetzen konnten; fie hatten Ihnen die Wege durch die Ararek-
ebene gebahnt und vie Lebensmittel zugeführt. Das Klofter zu Er
ſhmiadzin war im März 1827 zum Sauptquartier des General
Bendenvorf, und dann durch die Pflege der Geiftlichfeit zum Laza⸗
reth des rufflfchen Geereß geworben. Die Armenier jubelten vem
Kaiſer Nicolaus als ihrem Netter entgegen, und ſchloſſen ſich überall
als Führer und Kampfgenoffen ven flegreichen Kriegern am. Die
Nufien zogen in Taurid ein (19. Dct. 1827), Obrift Lazarew, von
altarmenifcher fürfllicher Bamilie aus Moskau, welche dort zu ben
großartigen Wohlthätern ihrer Nation gehörte, wurde Comman-
dant ber Stadt, und mit ihm erhielt ver Erzbifchof Nerſes von
Tiflis die provijorifche Verwaltung von Perſarmenien. Alle
Armenter fuchten nun bei ihnen ihr Hell. Der Kaiſer erkannte
die Anhänglichkeit und Ergebenheit der armenifchen Nation durch
einen Gnadenbrief an, durch den ihnen, zur 2elohnung ihrer
geleifteteten Dienfte, Borrechte bewilligt wurden; er ließ fie aufs
fordern, fih in Rußland niederzulaſſen, und ficherte ihnen, als
Blaubensgenofien und Bürgern feines Reichs, Schuß und Schir⸗
mung zu.%%) Der Befegung von Ardebil folgte ver Friedendtractat
zu Turfmentihat am Araxes (Erdk. IX. S. 880, wo Zelle 25 von
oben 1828 flart 1826 zu leſen), in welchem alles Land im Süd
des mittleren Arareslaufes, aufwärts bi8 zum Ararat, mit ben
Gebieten von Arvebil, Taurid, Khoi bis Maku und Bajazeb an
Berfien zurüdfiel, wogegen es 20 Millionen Süberrubel in gewiſ⸗
fen Terminen zu zahlen Hatte. Der Ararat felbft und bie Ara
zeßebene mit Etſhmiadzin als Enclave warb rufflfche Grenz⸗
provinz. Die Armenier konnten nun jene perſiſchen Khanate ver⸗
laſſen und ſich über ven Araxes auf ruffliches Gebiet zurüdziehen;
160) Menmann a. a. D. S. 3%, IB, AL.
Eupbratfoftem: armen, Auswandr. n. Kaukaſien. 607
im 15ten Artikel des Yrievenstractates ward allen armenifchen Cin⸗
wohnern und Beamten von Averbivfhan geflattet, binnen Jahres⸗
friſt aus der perfiichen ins ruffiiche Gebiet überzuziehen, mit Aus⸗
fuhr oder Verkauf ihres beweglichen Vermögens; für vie Entäuße⸗
zung des unbewegliden wurde eine Friſt von 5 Jahren feſtgeſtellt. Ale
Zurüdbleibenden follten die Amneſtie des Schachs von Berflen er⸗
halten; aber ſehr wenige blieben.
Die Ueberfievelung nach dem Friedensſchluß ſollte unter Obriſt
Zazarew's Leitung geſchehen. Man hatte gehofft, auch die Ne⸗
Rorlaner, die man ganz irrig, weil file einen Theil des alten
Armeniens bewohnen, für einen andern Stamm ver Armenier ges
halten, was fie aber offenbar bei ihrer ſyriſchen Sprade nicht
find (f. Erof. IX. ©. 663 — 687, 791 u. a. D.), wenn ſchon ein-
zelne Armenier unter ihnen heimifch geworben fein mögen, audh
dieſe. (an Zahl die Armenier übertreffend) mwürben mit auszumandern
geneigt fein. Dies geſchah aber nicht; ob auf Ginflüfterungen ver
Verſer, wie es hieß, oder auß Eigennug oder aus fonfligen @rün-
den, genug, fie ſchrieben ven ruſſiſchen Behörden Bedingungen vor,
auf welche dieſe nicht eingeben Eonnten, die auch nur aufridhtig an⸗
Bängliche neue Untertkanen aufzune&men ſich bereit erklärten, und
keineswegs foldhe, denen es mit fnechtifcher Hinterliſt blos um
ihres eigenen Gewinnes willen darum zu thun fel.
In den 19 Artikeln ver von ruffiicher Seite verbreiteten Pro⸗
elamationen hieß es: 1) daß Niemand follte zur Auswanderung ge=
zwungen merden. 2) Diejenigen, welche auswandern wollten, ſoll⸗
ten auf zufilfchem Gebiet freien Handel treiben koͤnnen, fruchtbares
Ackerland für ihre Familie angewieſen erhalten, und auf 3 Sabre
Freihelt von allen Abgaben, dann erft den Zehnten zahlen. Die
Unbenittelten ſollten einregiftrirt und ihnen Hülfe dargeboten wer⸗
den. Eile wurde ihnen empfohlen, um dem Drud, der Perfer zu
entgehen. Lazarew ſah e8 für das glüdlichfte Loos feiner Stam⸗
mesbrüder und Blaubensgenofien an, wenn fie unter den Schuß der
zuffiichen Sahne träten.
Mitte März 1828 wurde von den ruffifchen Truppen Tauris
geräumt; vie Auswanderung : ganzer armeniſcher Dorffchaften bes
gann; fie wurde gegen die ruffiiche Grenzprovinz Karabagh auf
dem Nordufer des Araxes dirigirt, in deren Mitte Schufcha bie
ſchũtzende Feſte if. Schreien ergriff die Perferbehdrden, die nun,
gegen Ihre Erwartung, ganze Difkricte fich entwölfern fahen. La⸗
zarew warb von ben Armenien als Netter feiner Srammeke una
608 Weft-Afien, I. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36.
Slaubendgenofien gepriefen, man nannte bie Veberflenlung eine ein⸗
zige Erſcheinung in ver Weltgefchichte, eine Bereinigung der Geelen
und der Herzen. Abbas Mirza, der Kronprinz von Perſien, dem
feine Habgierigen und blutvürfligen Beamten immer das Gluck ſei⸗
ner Unterthanen unter: perfifchem. Scepter vorgefpiegelt Hatten, ges
rieth außer fih. Diele Umtriebe 37) gefchahen, um ven Auswan⸗
berern Hinderniffe in den Weg zu legen. Den Ruffen warfen bie
Derfer Beftechungen und VBerführungen vor, ven armenifchen Prie⸗
ſtern Mißbrauch ihrer geiftlichen Gewalt, dem Kathollfos von Et⸗
ſhmiadzin, daß er die zurüdbleibenden Priefter mit Entfegung von
ihren Würben beftrafe, die Gemeinden aus der Reihe der Glaͤubi⸗
gen zu verfloßen probe, u. dgl. m. Das fchlimmfte war, daß die
perfifche Negierung es ihren Unterthanen verbot, von ven austwan-
beenden Armeniern Güter zu kaufen. Dadurch wurben viele ber
Grundbeſitzer gendthigt, zurückzubleiben. Andere opferten ihren gan
zen Wohlſtand auf, im Bertrauen zu dem neuen Schugherrn. Abe
die Maffe der Auswanderer mußte bald Noth erzeugen. Bon
Salmas, Urmia, Maragha, felbft von Kaswin her, Famen pie Emil
granten gezogen; fie trafen bei Maragha mit anderen Schaaren zu
ſammen, die aud ven Gebirgen Kurdiſtans berbeizogen ; aber ſchon
Biele wurben in den Gebirgsſchluchten von ven Kurven erfchlagen,
die wie Raubwild den wehrlofen Heerven folgten. Die Zahl ver
ruſſiſchen Beamten war viel zu gering, fie zu ſchützen. Die Noth
nahm mit dem Uebergang über ven Araxes nicht ab, Die vom Kal
fer, wie vom Gonvernement, und enblich aus ven Beivatmitiefn La⸗
zarews fo großmüthig beſtimmten Summen zum Abhelfen ver drin⸗
gendſten Moıh waren völlig unzureichend; es fehlte an Mitteln bes
Transports, an Quaxtieren, an Brpt ſchon beim erften Uebergang
von 5000 Familien über ven Araxes am 28. April. Die Arme |
nier verließen das parabieftfche, fruchtbare, reich bebaute Uferland bet
Urmia⸗Sees und das Khanat Khoi, um In ein erſt wirthbar zu
machendes Karabagh einzuziehen, wo ihnen alle Mittel des Erwerbs
fehlten, wo, wie es fcheint, durchaus Feine Bürforge zu einer Auf
nahme fo zahlreicher Ueberſiedler getroffen war. Mehr als 8000
Familien Hatten in Zeit von 34 Monat den Arares überfegt, auf
deren Unterflügung 48) 14,000 Ducaten verwendet waren. (Der
Riffionar Eli Smith ließ ſich vom Biſchof von Aderbieſhan erzaͤh⸗
14) . EL Smith Missionary Foearches in Armenia p. an.
“ Neumann a. a. D. &1
2. 44 em Ha a A Ei DH ei
.
Euphratſhftem; armen. Auswandr. n. Kaukaſien. 609
len, es ſeien 9000 armeniſche Famillen ausgewandert, an 2800 zu⸗
rũckgeblleben, und an 50 bis 60 nach ihrer Emigration wieder heim⸗
gekehrt.) ») Das neu zu organiſtrende Armenier⸗Land auf der
Nordſeite des Araxes warb in allem mit nahe an 40,000 neuen,
anhänglichen, eifrigen Lintertbanen bereichert, vie dem Grenzlande
entzogen waren und die befle Vorhut für das Reich werden konn⸗
ten. Der edle Lazare w mußte aber nach. der beforgten Auswan⸗
derung dies neue Feld der Unfievelung, wo erft durch fortgefegte
Thaãtigkeit dad Gluͤck ver Eolonie zu Stande kommen konnte, wel
der Krieg gegen die Türken im Welt bei Kars (f. ob. ©. 414) be=
gaun, verlaffen. Seitvem wurbe nichts weiter über das Schickſal
derſelben bekannt; ein furdhtbares Schweigen, dem jenes finflere
Gerücht der Verunglüdung vieler der Uebergefiebelten durch Hun⸗
gertod vorangeeilt war, fehlen daſſelbe zu beſtätigen; offenbar, wie
fi ans folgenven offlciellen Daten der gegenwärtigen Zuſtände er⸗
gibt, wenigſtens eine große Ucbertribung.
Aus des Finanzbeamten v. Chopin, der fih 10 Jahr in
Trandkeukaſien aufbielt, genaueften Xiften, welche v. Köppen der
Katferliden Academie der Wiſſenſchaften SU) mitgetheilt hat, iſt ver
gegenwärtige Zuftand der Bolkläömenge bes feit 1828
(nach ven Brievensfchlüffen mit den Perfern und Türken, in wel
chem Iegtern dieſelbe Sreizügigkeit ver Armenier aus dem Türkengebiet
bedungen war) zu Rußland gehörigen Armeniend zu erfe-
ben, obwol nur theilmeiß die Zunahme der neuen Volksmenge zur
früheren, fo wie das Berhältnig der neuen zur alten Bevölkerung
zu beurtheilen. Mehr fpertalijirte Angaben wären höchſt wünſchens⸗
werth geweien. Indeß auch diefe enthalten dankenswerthe Haupt⸗
rejultate: IJ | |
Die Sefammtbenälferung der 3 von Welt gegen Oft
fih am Morbufer des Arares BHinziehenden neuen Provinzen:
1) Eriwan, 2) Nachitſhewan und 3) Ordubad, beträgt
gegenwärtig (1841) 164,450 Individuen, davon die erfle bei wei⸗
tem bie Mehrzahl, 122,968, die Iegte die Minderzahl, 10,975, vie
zweite die Mittelzahl, 30,507 Individuen, beſitzt. Der Nellgion nach
zerfallen fie in vie belden, ſich faft das Gleichgewicht Haltenden Abe
thellungen: ver Chriften, 82,377, ver Muhamedaner, 81,749;
® D
. \ \ ' .
**) BliSmith Missionary Res. p. 3%. *0) Chopin, de l’origine
* peuples habitant la province d’Armenie im Bulletin sclentif.
de l’Acad. Impı d. Sc. St. Petersb. 1841. T.YII. p. IR.
Mitter ihlunde. X Da
610 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36.
die dritie Abtheilung beftcht aus Iefiden, nur 824; vom Juden,
die einft bier fo zahlreich waren, iſt Heutzutage Teine Rebe. Die
Iefiden find nur Momaben, in 67 Bamilten umherziehend, unter
den Muhamedanern find noch 1344 Nomadenfamilien, 14,734
Familien find anfäffig. Die Ehriften ſcheinen ohne Ausnahme
anfäffig zu fein; es find die Armenier. -
Die Zahl diefer armenifchen Ehriften vor der Ueberfiede⸗
lung war 4428 Bamilien mit 25,151 Individuen. Die neuen
ntdmmlinge aus Perfien (1828 und1829) betrugen 8036 5a»
inllien mit 35,560 Individuen. Die Zahl der neuen Ankömmlinge
auß der tärkifchen Gränze Armeniend warb auf 3682 Bamilim
angegeben, mit 21,666 Individuen; alfo zufammen eine Vermehrung
von 57,226 Individuen, wodurch die frühere Volkezahl (25,151)
um das Dreifahe, wenn nicht wieder anderer Verluſt eingetreten
wäre, erhöht fein würde.
Bon biefen find 20,377 Indlvlduen Bewohner der 3 Hanpte
Räbte: Criwan, bie bedeutendſte, Hat 11,463 Einw., Naditfher
wan 2599, Ordubad, bie erſt entſtandene, 3444. Die Zahl ber
aderbauenden Famillen iſt 24,906 in ven 3 Provinzen; bie ver
- Romaden, welche früher 2684 Bamilien mit 15,000 Individuen
betrug, iſt auf 847 Bamilien herabgefunfen. In dieſem fehr bedeu⸗
tenden Maaße hat aljo ver Aderbau das Nomadenweſen ver-
drängt, ein außerordentlich fegensreicher Fortſchritt und Bürge einer
fortfchreitenden Civiliſation für das armenifche Land. Denn die no»
madifirenben Kurden ber frühern Periode auf dieſem Gebiete
wichen nach Perfien aus. Gtatt ihrer find jene 67 Jeſidenfamilien
eingewanbert, Da nun aber dieſe auswandernden Nomaden für bad
Land einen Verluſt von etwa 15,000 Inbivinuen gaben, fo find
dieſe von den 57,226 eingewanderten Inbivipuen abzuziehen, und die
Geſammtzunahme der Bevölkerung nah Chopin in allem auf
etwa 46,000 Indivlduen anzufclagen.
Die Altern Einwohner waren Kurden 10,413, Kaſachen
8445, Ajrumli 6807, Tataren 1935 Individuen; an 200
Samilien Muganli und andere Trümmer größerer Vdlierreſte, zu
denen auch Kjangarli in ber Provinz Nachitſhewan zu rechnen,
6473 Individuen, die dur blaue Augen und blondes Haar
(vergl. Ufun, Grof. IL ©. 193, 434; VII. 6.612, 623) ſich an
zeichnen. An Zigeunern, bie teils Chriſten (hier Voſcha ger
nannt), thells Muhamrraneı (ud, zählte man von erflern 50 da⸗
Eubphratfyſtem; armenifche Kirche. 611
millen mit 212, von ven Iektern 107 Bamilten mit 306 Individuen,
alfo in allem 157 Familien und 518 Zigeuner» Inpivipuen.
D) Die nationalsarmenifhe Kirche und bie mit der rd«
mifhen unirte; bie ſchismatiſchen Armenier; die pa—
piftifhen Armenier; ihre Patriarchen; ihr Katholikog
und deſſen Refidenzen. Das armenifche Kloſterweſen,
bie Schulen, die Drudereien und die Bibliothek
zu Etſhmiadzin. N
Was die Armenier in allen dieſen vielfachen Wechſeln ver
Dinge national zufammenbielt, war nicht fowol daB Vaterland,
das fie zwar immer als bie Heimath Hoch ehren und preifen, das
fie aber oft genug verlaffen mußten; auch nicht die arme niſche
Sprache, von deren Reinheit ſie ſeit dem 13. Jahrhundert ſo ge⸗
waltig durch das fih immer mehr verunreinigende Vulgär⸗arme⸗
niſch abwichen, ja, die fie endlich ganz, wie im ſlaviſchen Europa,
wo fie ſich zum Polniſchen wandten, und im muhamedaniſchen
Dſhulfa, wo fle das Perſiſche reden, verließen, fondern die arme
niſche Kirche, und in fo fern ihre Religion, die fie durch ihr
böchftes Oberhaupt, ven Katholiko 8 zu Eelhmiadıln, auch wies
der an ihre Ararat= Helmarh band, mie ihre theologifchen Stupien
und ihre einheimifche Literatur fie zu der altarmenifchen Mut⸗
texrfprache zurüdführten.
In dieſer Hinficht iſt es von der Höchften Wichtigkeit für das
guffifche Armenien geworben, daß dem anerkannten Oberhaupte ver
ganzen armenifchen Kirche, vem Katholikos, wie dem Patriarchen⸗
fige zu Ctſhmiadzin am Buße des Ararat, der fire Schuß des
zuffifgen Geepter zu Theil warb, und hierin ein Mittel der core
gantfation für die ſelbſtändig gebliebene armenifche Kirche und Vol⸗
kerſchaft dargeboten if: Aber freilich beftchen in ihr noch große
unüberwunbne Spaltungen, weldhe In ber Gegenwart, vielfacher An⸗
firengungen ungeachtet, die Nation In ihrer Erniedrigung erhalten,
und nur begänftigteren Individuen nnter ihnen die Mittel zu hoͤherm
Aufſchwunge verleihen, von dem die ganze Nation noch fehr weit
entfernt if. Die Innern Spaltungen der Kirche haben auch Hier
das große Verderben berbeigeführt, zu deſſen gründlicher Heilung
wol nur der. Verein von fortfchreitender nationaler Erziehung, von
wahrhafter religiäfer Erweckung, von Entknechtung, von bürger-
Ticher Freiheit, von claſſiſch⸗ nationaler Ausbildung und Befreiung
von hindernden Nationaleitelfeiten und Menfchenfagungen, in te
| Da? |
Z
612 Weſt⸗Aſien. I. Abtheilung. L Abſchnitt. $.36.
fie auf das feſſelabſte verfirit And, führen Tann. Die einfige
Gründung eines eignen Mittelpunktö der armenifhen Kirche
durch dad Patrlarchat des Gregorius Illuminator zu Ctſhmiadzin,
und die ernſte Abwendung derſelben, in den dogmatiſchen Strei⸗
tigkeiten ber Kirchenconcilien, von der abendländiſchen Kirche,
wie von des ſyriſchen, gaben ihr unſtreitig zu jener Zeit innere
Kräfte und Einheit. Als damals orthoboze Kirche Hielten fie ſich von
den Berführungen Barbfumas und der Neftorianer im 5tm
un» 6ten JahrhunpertSt) frei, die ihnen unter der anfänglichen Bes
gänfligung der Saſſaniden (f. ob. S. 166) feindſelig entgegentraten
und arge Berfolgungen zuzogen, bis auch dieſe fyrifch- ne florias
niſche Kirche von den Magiern, wie die armeniſche, ihre großen
Leiven erbulden mußte und nun weiter gegen ven Oſten entrüdt
ward. Wir Haben fhon oben die Kriegegefchichte König Vartams
mit den Neligionskämpfen gegen bie Magier angeführt, welche Pa-
triarch Elifä (viefer farb im I. 480) beſchrieben, einer ber weni«
gen Autoren der Armenier, welcher eine Hinneigung zu ben Reflos
zianern zeigte, we8halb die dahin einfchlagenven Kapitel feines Wer⸗
te8 von dem orthodoxen armenifchen Klerus ver fpätern Zeit in den
Abſchriften audgelaffen worden. Denn bie armeniſche Kirche folgte
in ben Streitigkeiten über die doppelte göttliche Natur Jeſu Gprifi
der Lehre des Cutychius in Gonflantinopel im Sten Jahrhundert,
ver, als Heftiger Begner der neflorianifchen Lehre, feldft ein eignet
Dogma anfftellte, das von Theodoſius dem Jüngern angenemmen,
aber unter defien Nachfolger Kalfer Marclan im Kirchenconcti
zu Shalcedon, 451, von der katholiſchen Kirche als keheriſch ver»
dammt wurde, von der fi auch die griechiſche Kirche erſt ſpater
trennte. Seitdem ſtand nun bie armenifche Kirche als eine abe
gefpaltne für fi da, die Der abendlandiſchen als eine ſchis⸗
matifche galt; Patriarch und Pabſt alfo im Gegenfag. Du
bie häufigen politifcpen Gewaltüßergriffe der griechiſch · byzantintfchen
Kaiſer wurde den Armeniern, der vielen Verbindungen mit Gen-
Rantinopel ungeachtet, die griechiſche Nation und die griechtſche
Kirche ungemein verhaßt;$2) doc fehlte es nicht an Verſuchen ver
gegenfeltigen Annäherung beider Kirchen, und ihre in @laubent
facgen angebahnte Bereinigung?) war fogar zur Zeit des Kaifer
Manuel v6 Gomnenen und des Patriarchen Nerfes vom Lampron
182) Clifa bei Neumann ch . D. ©. 66. #2) Vahrams
Chrome L 0 9.20. 11} Kemens Bafıd aa. D. aan
u
Euphratſyſtem; armenifche Kirche, 613
in Cilicien auf der Synode zu Romklah (Rumkala) im I. 1179
ganz nahe, Fam jeboch durch leider dazwiſchentretende Krieggunruhen
nicht zur Ausführung. Mit der römifchen Kirche und mit ven
Zateinern traten fie auch zuerft Durch dad armeniſch⸗-eiliciſche
Reich, während der Kreugzüge dirert mit den Päbſten in eine nä⸗
here Verbindung, welche (zumal Pabſt Coeleſtinus III.) es nie
aufgaben, die ſchismatiſchen Armenier zur katholiſchen Kirche
zurüc zu bringen.5%) Zuerſt fol Mariminian, ein Patriarch beider
Armenien, der auf dem Concil zu Ierufalem im 3. 1036 erfchien,
fi dem Pabſt Eugen II. unterworfen haben, im I. 1045. Auch
Vabſt Innocenz II. trat mit dem vormaligen Patriarchen ver
Armenier, ®regor IH. (er fteßt von 1113 bis 1166, 53 Jahre
lang, ſehr würbig der armenifchen Kicche ald Patriarch vor), zur
Zeit König Leons von Armenia⸗Cilicien in gleicher Hoffnung in
gegenfeitige freunbfchaftliche Beziehungen, und Otto von Frei⸗
fingen, ver des letztern Geſandtſchaft am päbſtlichen Hofe fah,
will von einer damaligen gegenfeitigen Annäherung derſelben wiſſen.
Das Jahr 1145 wird fogar als das Jahr einer folchen Vereinigung
der ciliciſch⸗ armeniſchen mit der römtfchen Kirche angegeben, deren
Einverſtändniß aber fi) bei dem Kirchenconcil zu Florenz, 1439,
wieder förmlich gelöft haben foll.55) Eine folche Rückkehr in ven
Schooß der römifchen Kirche wird ohne weitere von den andern
Autoren als beflätigt angenommen.) Wiederholte Verſuche*7) Im
14. Jahrhundert unter Pabſt Johannes XXII., durch feinen
Sendling (1316) den Dominikaner Bartholomfäus von
Bologna nach Armenien, ver vorzüglich für die Vereinigung ber
armeniſchen und Iateinifchen Kirche im Blauben und Ritus ſich bes
mühte, und eine nicht unbeveutende Zahl von armenifchen Geiſt⸗
lichen, unter feinen Schülern, zur Bereinignng mit den Dominikanern
brachte (fie nannten ſich die Gefellfchaft ver vereinigten Brüs
Der), erwedten nur um fo heftiger ven Haß des armenifchen, feinem
Gregorius Illuminator als Oberhaypt blind und außfchlieglich an⸗
hangenden Volkes, ver nur in dem Katholikos feine geheime Kraft
von Geſchlecht zu Geſchlecht vererben konnte, gegen eine foldje
Union. Doch verbreiteten fi des Bartholomäus Anhänger
‚Is. Dominikaner Möndge durch ganz Armenien, Georgien und
°+) Vahrams Chronicle p. 4, not. 52. p. 85; Neumann Beriudh
a. a. O. ©.150, °#) De la Crekz, la Turquie ohretienne etc.
L c. Bu BL. oo, > E. Bor& Cortesp. IL. p. 70, 7) cas
a. a. 2— 4 6
614 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I, Abſchnitt. $. 36.
De Krimm, wo fie in Theodofia (Kaffa), dad damals noch unter
genueflicher Botmäßigkelt fand, ihre Klöfter gründeten; als aber
- diefe. Beflgungen verloren gingen, mit ihren Befchirmern nach Ge⸗
nun zogen. Doch behielten viefe vereinigten Brüder, bie man
auch. Branken- Armenier®) im Gegenſaz ſchibmatiſcher
Armenter nannte, noch in 12 Ortfchaften Armeniens ihre Nieder
Iaffungen, obwol die Partei ihrer Gegner, an deren Spige Gregor,
ein Abt des Kloſters Euftathius (oder Dathen; er ſtarb im I. 1410) *0)
geſtanden, ihren Haß gegen jene auf alle ihre Schüler und viele
armenifche Mönche vererbten. Wieherholte Beftrebungen jener Do⸗
minikaner Miffionare, denen auch Theatiner folgten (wie P. Fi-
romalli, geboren 1633, K. Galanus, flirbt 1666), gingen barauf
aus, bie armentfche Sprache und Literatur durch Eindrängung deö
Zateinifchen und ver ſcholaſtiſchen Terminologie zu verdunkeln und
zu verwirren. ) Diefelben Beſtrebungen des Stuhles zu Nom, vie
armenijche Kirche zur Anerkennung des Supremates des Pabſtes
in Rom zu bringen, ober, nach deren Ausdruck, vie ſchismatiſchen
Armenier in ven Schooß ver alleinfellgmachenden Kirche zurückzu⸗
führen, Haben feitvem bis heute fortgebauert, ohne daß die Mittel,
welche dabei benutzt worden find, weder zum beabfichtigten Ziele
geführt Hätten, noch auch nur im geringfien den Zuſtand des ar
menifchen Volks verbefferten; die vielmehr viele traurige Fehden und
Mißverſtändniſſe erzeugten, und niemals auf vie Veredlung des
Volks gerichtet waren, fondern nur auf die Lieberliftung ihrer Vor⸗
fände, mit deren Gewinn man ſchon hoffte, daß die Heerde dem
Hirten bald nachfolgen würbe. Dies ergibt ſich auß den eignen bes
sichten der Jeſuiten Miffion,St) vie Ende des 17. Jahrhunderts
unter dem Schuß Louis XIV, dieſes Unternehmen planmäßig ver
folgte, welches neuerlich, wie wir aus E. Bored Correſpondenz
erſehen, wieder aufgenommen ift, und fo oft als eine heilvolle Pros
tectton Frankreichs für die chriftliche Kirche im Orient angepriefen,
ja fogar im alten Sinne Louis XIV. als der Grund des ausjchließ-
lichen Anrechts der Franzofen®?) auf die Protection ver Kirche im
Drient geltend gemacht wird.
260) De la Croix, la Turquie chr£tienne L c. & 235. *0) Verſach
a. a. O. S. 216. 0) Ebend. a. a. O. ©. 239. *!) Let-
tres ödifiantes des missions &trangtres. Me&moires du Levant,
Paris 1780. T. Ill. De la mission d’Frivan p. 821-477.
*2) Dela Croix, ci-devaff secr£taire de l’ambassads de B.Maj.
& ia Pörte, ia Turguie ähretienne sous ia puissante protection
⸗ | =
&
Euphratſyſtem; armeniſche Kirche. 615
Des erſte gelungene Verſuch geſchah, nach St. Martins®)
Angabe, bei den Armeniern in Gallizien. Um das Jahr 1624 hatte
der Erzbiſchof Nicolas Torobcewicz fich, ungeachtet des Widerſtandes
der armenifchen Geiſtlichkeit, des armenifchen Volks und feiner Ma»
griftate, des Epiicopates von Lemberg (Leopol) bemädhtigt und
erklärte feinen Plan, fich der römifch- Fatholifchen Kirche anzufchließen,
um die Protection des polnischen Gouvernements und der Geiſtlich⸗
Zeit zu erhalten, fo wie eine Stütze an Rom. Seine nächſten An⸗
bänger folgten feinem Beifplele; aber es entfland ein Schiöma unter
der bortigen armenifchen Bevölferung. Jene Kirchen ver Wallachel,
der Krimm und Rußlands, die bis dahin jenen Erzbiſchof ald Vor⸗
fand anerkannt, fagten ſich von demfelben los, und erklärten, daß
fie mit Ihrem Patriarchen vereint blieben. Das Benehmen des Erz⸗
biſchofs Hatte lange Streitigkeiten unter den Armeniern in Polen
zur Bolge; nad) langen Beftigen Oppoſitionen flimmte ein Theil
von ihnen erſt im 3. 1652 in die Bereinigung mit der katholiſchen
Kirche; doch blieben Immer noch viele Gegner übrig. Zur Vollen⸗
dung der Vereinigung und zur Ausbreitung des Unterrichts unter
den unirten Armeniern beichloß die Gongregation ver Propaganda
in Leopol, welche ein Zweig der von Pabſt Urban VIIL im I. 1623
zu Rom geflifteten Propaganda war, ein Collegium zur Erziehung
junger Armenier, dad auch 1664 zu Stande kam, und jenen KL Ga⸗
Ianus, ven Theatiner Mönch, zum Director erhielt, der aber fchon
frühzeitig ſtarb. Einem der Schüler dieſer Anftalt, deren Haupt⸗
beftreben es war, die armenifchen Gemeinden in ganz Polen (auch
in Raminterz‘*) war damals fchon ein armenifcher Geiflicher, ver
fich Patriarch" ver Armenter titulivte) unter dad Supremat des rb⸗
mifchen Stuhles zu bringen und gänzlich von ver beimatblichen
Kirche abzuwenden, gelang dies endlich auch. Vartan Hounanian,
Erzbiſchof von Lemberg und Nachfolger des Nicol. Toroscewicz, be⸗
rief am 20. Okt. 1689 zu Leopol eine Provinzialſynode, worin mit
ihm der Nuntius Apoſtolicus in Polen präfloirte. In dieſer erklärte
ſich der Erzbiſchof mit feinem Anhange als vdlllg unabhängig vom
Patriarchen Groß⸗Armeniens, und vollendete dadurch die Vereinigung
mit der roͤmiſch⸗katholiſchen Kirche,
de Louis le Grand, protecteur unigu du cehristianisme en
Orient. Paris. 8 1605. Ternaux Compans in Nouv. Annal,
de Voy. 1842. Mars. |
*s) St. Martin in Journ. Asiatig. 1828. IE p.85. °*) De la Creiz,
Turgquie ehrötienne L c. p. 237.
616 Wellen, MI. Abtheilung. I. Abſchnitt. §. 36.
Dieſelben Machmationen wurden von ber katholiſchen Diffien
in Armenien bei dem Katholikos zu Etſhmiadzin unmittelbar dar⸗
auf wieberholt, wobei man durchaus nicht von bem Gedanken an daß
Hell des Volks und der Belehrung ausging, ſondern blos von dem
ſchlau⸗ politiſchen, ven Patriarchen Herüberzuzichen zum vömifchen
Stuhl, weil dieſem an der Spike dad Volk fchon wie eine blinde
Heerde nachfolgen werde, das In allem nach dieſem feinem Ober
haupte, im Leiblichen und Gelftigen, wie nach ven Regeln deß Klo
ſters, dem er vorſtehe, fich richte (Comme les Eglises Armeniennes
se conforment en matiere de religion au sentiment de leur pa-
triarche et de son monastere, nos missionaires furent persuades
que leur conversion à la foi catholique dependait principale-
ment de celle du patriarche).&) Deshalb follte in Erivan eine
katholiſche Miffion durch die Jeſuiten eingerichtet werden,
weil von biefem Puncte aus dieſes äußere Ziel am Ieifhteften zu er⸗
seichen fehlen (c’est dans cette vue que les pères Jesuites ont tres
prudemment etabli une mission à Erivan),%) und auch ſchon in
der benachbarten Provinz Nachtihivan eine Anzahl von Dorfichaften
ſich erhalten Hatte, deren Bewohner feit der Zeit der Dominikaner
Bekehrung bei der Tatholifch-armenifchen Kirche geblichen waren,
aber über manche Bedrückungen ſich zu befchweren hatten. Zu fols
Ger Miſſion war aber die Erlaubniß des Shahs der Perfer unent-
behrlich, und dieſe Eonnte nur durch directe Verwendung des Königs
von Frankreich erlangt werden. Der vamalige Bifchof von Eäfare-
polls, Krane. Piquet, Vicarius Apoftolicus in Bagdad und Pros
teetor der Franzoſen im Orient, brachte durch den Beichtunter Bere
la Chaiſe es bei Louis XIV. dahin, daß eine Geſandtſchaft mit
Briefen von ihm und großen Geſchenken nach Ispahan an. ven
Schach ging, an deren Spige die 2 Jeſuiten⸗Paters P. Longenu
and P. Potter flanden. In der Audienz zu Ispahan, im I. 1683,
erhielten fie die Erlaubniß der Mifflon zu Erivan und den Finig«
lichen Schut für die Fatholifch » unirten Armenier in ver Provinz
Nachitſhevan.
Der Katholikos von Etſhmiadzin erbittert über das Benehmes
dieſer Patres, die ohne feine Erlaubniß fich in feiner Didcefe anſie⸗
selten, um ſein Anfehn zu untergraben, verbot ihnen, unter yo
Weohung der Errommuntcation, weiter vorzuſchreiten und. feige Ar⸗
108) Lettres &difiantes des mis Lo UL a; 6 dei
Croix, la Torquis chretienne I. c. P. 248.
Euphratſhſtem; armenifche Kichee 617
meniern, dieſelben zu unterflügen. Der Khan von Erivan ſchuͤtzte
fie zwar; aber Pater Longeau farb fo plöglich, daß man Ihm für
vergiftet hielt; feinen Armeniern verbot der Patriarch, deſſen Leiche
zu beervigen. Pater Rour, ein anderer Iefuitengeiftficher aus Ib“
pahan, erſetzte bald feinen Bormann: ed gelang ihm, in einer Au«
dienz beim Patriarchen: zu Etſhmiadzin deſſen Berföhnung mit ber
Miffton zu gewinnen und die Erlaubniß, im Klofter Meſſe zu lefen.
Aber auch er ſtarb bald darauf im 9. 1786. Wein Nachfolger,
Roter Dupuis, fette die begonnene Verbindung mit dem Patriar⸗
chen fort, und Hoffte durch vielfältiges Drängen von ihm envlich
ein Schreiben an den Pabſt zu erhalten, darin er als Öffentliches
Zeugniß erkläre, daß er in Union und Communion mit dem Heiligen
Stuhle zu leben und zu flerben wůnſche. Durch eine feiner fo wũr⸗
dige Handlung, flellte man ihm vor, würde dann das beflagenß-
werthe Schisma ber armenifhen Kirche aufhören. Vlele Bifchdfe,
wie alle Armenier, würven feinem Beifpiele folgen, da ihrer ſchon
fo viele zu ben Katholifch-unirten gehörten. Aber ver Patriarch
Nahablet, ungemein wohlwollend gegen vie Jeſuiten, deren Mife
flon er, wie fie felbft geitehen, fchügte, auch mit Dank das Portrait
des hoben Mäcens Louis XIV. annehmend, das über einer ber Kir⸗
chenpforten jeine ehrenvolle Stelle erhielt, blieb bei feiner einmal ge=
gebnen Außfage, fi nicht in Einzelnes einlafiend: daß feine ars
meniſche Kirche im Glauben nit von der römifchen
Kirche abweiche. Der Muth, fagen die Jefuiten, vie ihn fchon
für ihren Convertiten hielten, habe ihm gefehlt, um ſich auch dffent»
lich darüber zu erfläreh, weil er dann feine Abſetzung durch bie
feindlichen Armenter gefürchtet Habe.) Die Differenz ver fchib«
matiſchen Armenter von der Tatholifchen Kirche beſtand aber,
nach dem Berichte des von Pabſt Sirtus V., Ende des 16. Jahrh.,
zur Betreibung der Union ausgefanbten Legaten‘®) zu den Secten
des Drientd, darin, daß viefe Armenier in Chriſto dem Herrn nur
Eine Ratur anertennen, nur Einen Willen, Eine Wirkung, und
nur bie 3 erften Kirchenconcilien, die andern aber nicht. Ferner
fegen fie dem Symnus: „Dreimal heilig” vie Worte: der für uns
ifk gekreuziget worben, bei; fle zeichen ungemifchten Wein, glauben
nicht an das Fegefeuer, verfegen das Geburtsfeſt Chriſti vom 25ften
Dezember auf ben 6ten Januar, bringen an biefem deſte fowohl als
#7) Lettses @difiemtes 1. o. III. p. 438. .) 5.0. Gamamı,
Geſchichte der Domanen, Bd. IV. ©. 268. —
618 WefAfen. HIT. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 36.
an anbern In die Kicche Stiere und Kälber, beren Hörner mit Krän-
zen umwunden, mit Lichtern beſteckt find, und ſchlachten dieſelben
nach übergeworfenem ‘Pluviale mit allen Geremonien des Mithras-
opfers, wider welchen heidniſchen Gebrauch fchon der Kirdhenvater
Narſes in einem Hirtenbriefe vergebens geeifert habe. Etwas ähn-
liches von heidniſchen Eeremonien wird auch noch im I. 1759 von
einem katholiſchen Armenier) dem Eultus ver ſchiomati⸗
fhen Armenier in Gonftantinopel vorgeworfen, deren Pattiarch
den Bittfteller, ver ſich zu feiner Rechtfertigung damals an ben pol
niſchen Gefandten, Grafen Potocky, bei der Pforte wandte, hatte
zur Annahme von 7 Punrten zwingen wollen, ald welche: 1) Berfül
ſchung einiger Schriftterte, 2) Verdammung des chalcedoniſchen Con⸗
ciliums, 3) Verwerfung des degefeuers, 4) der Glaube, daß Gott neun⸗
mal des Tages ſterbe, 5) Geſetzmaͤßigkeit des Wuchers, 6) Bde
des Geburtsfeſtes Chriſti im Januar und 7) Anerkennung der Stier⸗
opfer aufgeführt werben. In wiefern bier wahre und falſche Be
ſchuldigungen durcheinander Iaufen, möchte ſelbſt noch Heutzutage
ſchwer zu unterfcheiden fein, da bis jegt meift nur bie Parteiſucht
ihre Sahne erhoben hat.
Aus einem Briefe des Pater Ricard vont 3. 1697 ergibt ſich
daß den Patriarchen Nahabiet dennoch das gefürähtete Loos, wenn
auch nur vorübergehend, traf. in bittrer Feind der Katholiken,
der Biſchof der Armenter zu Jspahan, wußte vom Perfer Schach vie
Entthronung ded Patriarchen Nahabiet zu bewirken; er drängte ſich
ſelbſt, als undefledites Haupt der Schiömatifer, in ven Patrlarchalfig
von Etfhmiabzin ein, und wurde nun ein Verfolger der Katholiſch⸗
unirten. Aber feine Zeit war nur vorübergehend, venn ber Da
triarch Nahabiet, ver fein Leben gerettet hatte und große Achtung
bei den Armeniern wie beim perſiſchen Bouvernement beſaß, und
auch den Iefuiten noch Hoffnung zur Erreichung ihrer Zwecke Tief,
wurde durch Vermittlung des Pater Ricard, der einen Perſer⸗
Bringen durch feine mebtcinifchen Kuren von Tode gerettet Hatte,
wieder auf feinen Patriarchen» Thron ale Katholikos eingefeht. Che
der flandhafte Patriarch jenoch in des Iefulten Pläne einging, flarh
Pater Ricard, und auch die damals erbeine Mitwirkung bes
Königs Joh. Sohiesty,?0) venfelben Patriarchen durch Miſſto⸗
nen und Ehrenbezeugungen zur Union zu bringen, mißlang vurch
befien frühzeltigen Tod. So blieben alle jene Projerte vergeblich,
10°) o. Hammer Geſch. d. Dem. Dh. IV, &. 698. .’*) Lettres ddi-
fianfes 1. c. II, p. 448.
Euphratſhſtem; armenifhe Kirche 619
und die Armenier behielten ihre Nationalkirche. Wie von per
ſtſcher Seite, eben fo Hatten die Jefuiten zu gleicher Zeit von tür
Fifcher Seite aus, die Armenier von Erzer um?!) auf gleiche Weiſe
vergeblich bearbeitet. Doch fielen die Erfolge h ier noch ungünfliger
aus. Der Minifter Louis XIV. an der hoben Pforte, M. de
Guilleragues, erhielt den Firman für die Errichtung einer Miffion
in Erzerum, wo im Jahr 1688 die Patres Roche und Beauvoiller
auch bei den dortigen Tatholifchen Ehriften große Freude erregten;
auch gewannen fie, beißt es, ven gutmütbigen armentfchen Biſchof
und feine Vartabeds für fi, Aber ale der Tod den einen wegge⸗
rafft, die Peſt ver andern fliehen gemacht hatte, und daß Unter⸗
nehmen erneuert ward. und ſich weiter verbreiten follte, erhoben ſich
Die Anhänger der nationalsarmenifchen Kirche von neuem mit
Macht wiber fie, verjagten fie, und ſchwaͤrzten ſie verläumberifch als
Spione der Moscowiter bei den Beamten der Pforte an, woraus
ihnen viele DVerfolgungen erwuchſen, wenn fchon jene ſpäterhin
wieder durch die hoͤchſte Behoͤrde gerechtfertigt wurben. ben fo
ging es bei Ähnlichen Verfuchen vem Pater Monier im Lande Kur⸗
diſtan, wie dem Pater Ricard, der wegen vieler’ Berfolgungen biefer
Art fi im Jahr 1711 nach Trapezunt zurückzog, wo er mit
mehr Glück unter ven dortigen Armeniern 22 Priefter und 875 Ge⸗
meine zur Eatholifchen Kirche herüber zog. Er fungirte zugleich
als Arzt, während Monier des Nachts In die Häufer ver Bekehrten
zur Lehre verfelben ging, um dad Aufſehen am Tage zu vermeiden.
Der Brief des Pater Ricard an feinen Sefulten-General”2) aus
jener Zeit erwähnt 2 Abtheilungen Ihrer damaligen Miffton in
Armenien, deren erfle er vie St. Bregor Illuminator- Miffton
nennt, zu welcher er vie Orte Torzon, Haſſankala, Kars, Benzit,
Arabkir und 20 Dorfer der Katholifch-unirten rechnet. Zur zwei⸗
ten, ver St. Ignaz-Miffion, zählt er die Städte Isbir, Baiburt,
Alaska, Trapezunt, Gumiſhkhane und 27 Dorfichaften. In jenen
Stäpten gibt er an, daß 1500 In den Schooß der katholiſchen Kirche
zurückgekehrt fein. Die Arbeiter in viefer Miffion zogen fich nach
fo vielen fruchtlofen Verſuchen meift nach Perfin, nah Oſhulfa,
ven Haupt-Dperationäpuncte orientalifcher Mifflonen, zurüd; wo
feitvem fortwährend von beiden Seiten parteitfch geleitete Kämpfe
zur Erreichung gleicher Äußerlicher Zwecke, denen das Wohl ver
74) Mission d’Erzerum in Lettres &dif. I. c. TIL. p. 450. ’2) Let-
tres edif. L c. Il, p: 438
=
620 Wefl-Afien, II. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 36.
Rationen felbft ganz fremd geblieben, bis in pie Gegenwart fort:
dauerten. Moͤgen die jüngften Berfuche daſelbſt, vie fich auf eulere
Weiſe ankündigen, 73) von dem wahren Wohl dieſer Völker durch⸗
brungen fein, fo wird jede Berzweigung ber Kirche nicht fehlen, th
wen, die veſſen fo. bebürftig find, wahren Gegen zuzuwenden. ‘
Diefe fortwährend äußern Angriffe ver allgemein herrſchend ge
worbenen Kirche find unftreitig mit eine natürliche Folge des Innen
- Zerwürfnifies und Berfalled der armenifchen Kirche geweſen. Ru
die geographifche Seite dieſer Exrfchelnung haben wir hier zu berühren
Die entfprechenve Dankbarkeit des armenifchen Volks gegen el
nen großen Wohlthäter, ven Erleuchter Gregorius, ver zugleich die
BSauptkirche und den Patriarchalſitz an das antike Vaghar
fhabad und an den Ort ber Herabfunft des Eriöfers im Sonnen
ſtrahl (ſ. ob. ©. 528), an Etſhmiadzin, Iocal gebunden: hatte,
sing in dem bald mönchiſch erftarrten heiligen Eifer fo weit, vos
Hell ver armenifchen Kirche nicht ſowol an vie befeligennen Wahr
Heiten des Evangeliums, ſondern an den Beſitz der Reliquien
des Apoftels zu knüpfen, und an ven Sitz ſelbſt feines Ba-
triarchats, wie an bie Perſon feines durch priefterliche Nach⸗
folge beſtimmten Stelvertreters und Verwalters, des Patriarchen
von Etſhmiadzin, ver vom Anfang an als das eine Ober⸗
Haupt, ver Katholikos, der ganzen armeniſchen Kirde
anerfannt mar. Denn ſolche Einfegnung als Katholitoß war dem
Gregor felbft bei feiner Weihe zu Cäfaren zu Theil geworben. Die
Einheit der armenifchen Kirche war mit ver Verbrängung dei
urfpränglichen Patriarchenfigeß in ven Perionen der bürgerlichen
Verwirrungen (ſ. oben ©. 529) nad Tovin und anderwärts Kin
anfänglich, wenige Intervallen abgerechnet, nur wenig gefährket.
Doch entſtanden durch Vervielfachung der Nachfolge des geiſtlichen
Oberhauptes natürlich bald dauernde Spaltungen, meldye die Haupt
macht des Einen nothwenbig ſchwächen mußten, fo daß zufekt ber
gegenwärtig anerkannte Katholikos von Etſhmiadzin, als
Oberhaupt aller Armenier vom Ganges 618 zur Donau, aflervings
der Idee und Würbe nach einer ver ethabenften und größten Brä-
Iaten der Erde ift, aber zugleich ver ohnmächtigfte ımb ärmſte
von allen. 2
Schon im 6ten Jahrhundert, zur Zeit Kalfer Mauritius, hat⸗
ı$?) Eug. Bor£, Lettre de Dj 20. Avril 1840, in deſſ. Oerresp.
—XX * | |
. c. Til
Euphratſyſtem; armenifche Patrlarchen. 621
ten Perſiſch⸗ und Griechiſch⸗Armenlen ihre zwei momentan gefchie-
Venen Patriarchen, 7%) gleich den fpätern Benenpäbften in Nom und
Avignon. Im 11tem Jahrhundert gab es 4 von einander indepen⸗
vente Patriarchen, dann 6, dann 3; durch polisifche Umſtände und
durch ven Ehrgeiz der Individuen zu foldhen Spaltungen gebracht.
Diefe Trennungen wurben jedoch ehr oder weniger vorübergehend
oder dauernd, und die armenifche Nation wie ihre Nationalkirche
dadurch geſondert, geſpalten, geſchwächt. Im 12ten Jahrhunvert,
nad dem Patriarchate jenes Gregor TU. im eiliciſch⸗armeniſchen
Kaigreiche, aus dem illuſtren Geſchlechte de Pahlavuni, wel⸗
der zu Sie feinen Si genommen (1113— 1166) und mit der la⸗
teintichen Kirche und ven Päbften in Verkehr getreten war, bilvete
ſich ein neuer dauernderer Patriarchenfitz auf ter Infel des Van⸗
Sees zu Aghthamar, 75) der, mie es ſcheint, in damaliger Zeit
größere Sicherheit vor plbtzlichen Ueberfällen und Verfolgungen ge⸗
waͤhrte, und auch wirklich bis In die Gegenwart, obwol in tiefſter
Erniedrigung, fortdauert (f. 06. S. 291). 7% Ein armenifcher Prie
fer, David, 77) benutzte damals die Abneigung der Anhänger ber
nattonalen armenifchen Kirche gegen bie Vereinigung mit der latel⸗
niſchen; er bemächtigte fi durch feine Partei der Reliquien St.
Gregors, am welche die Suprematie des Patrtarchatd geknüpft war,
nämlich der rechten Hand befielben, und brachte dieſe auf die
Infel zur Betätigung feiner Würde, die ihm auch nicht flreitig gen
macht zu fein fcheint, obgleich fein Einfluß von Feiner Bedeutung
wurde. Es war ein Irrthum St. Martins, dieſes Patriarchat zur
griedhjfchen Kirche zu zählen. 7°) Die fernere Geſchichte der dorti⸗
gen Patriarchen, welche jedoch auch den Titel des Katholikos
führten, if übrigens ganz unbekannt; ihre Wirffamfeit ſcheint nur
auf ihre Kloſterinſel befchränft geblieben zu fein. Dort ift auch
von einer dazu gehörigen Schule die Rede, vie fich im 16ten Jahr⸗
hundert auf ver Inſel Lim, bei der Inſel Aghthamar, außzeich
nete, in welcher damals vie Voefle mit Erfolg betrieben ward. Ner⸗
fes von Mog wird in der Literaturgeſchichte, im Jahr 1622, als
eimer ber Dichter diefer Schule aufgeführt. 79)
7%) Brosset, Notice sur Edchmiadzin im Catalogue de ia biblio-
thdque d’Fdchm. 1. c. p. 20. nn) ebend. p. 21. 70) Eug.
Bor& Corresp. II. p.92. ebend. p. 88; Brosset, Notice
sus Bdchmiadzin I. c. p. 27; c amich, Flist. of Armenia etc.
Tremsi. by Audall, Calcutta 1927. Vol. ıL. 2 a ’®) E.Bors,
Corzesp. IL p. 98. 19) Nenmann Def. 6
672 WeftsAfien. III. Abtheilung. L Abſchnitt. $. 36.
Ein anderes Oberhaupt 89) ver armeniſchen Kirche entſtand,
nachdem daB ciliciſch⸗ armeniſche Königreich im I. 1374 durch wie
Sultane Aegyptens zerflört und ber bortige temporaire Patriarchen-⸗
fig nah Etſhmiad zin zurüdverlegt war, auf ven Trümmern je
nes ciliciſchen Reichs. Von ber ſchwachen dort zurüdgeblichenen
armeniſchen Partei warb ein Gregor IX. zum Patriarchen In J.
41441 erwählt. Da er bie Zuflimmung ber Biſchöfe Ofl-Armeniens
nicht erhalten Tonnte, und auch im eigentlichen Armenien unter ihnen
nicht wohnen wollte, fo zog er fi in die Trummerflabt Si, &)
die alte Reſidenz ver cillciſchen Könige (hm Nordoſt von Adana um
Zarfus), zurüd, mo er die Würbe des Patriarchen und felbft den
Titel eines Katholikos, feit dem Jahr 1697, wenigſtens quf fein
Nachfolger bei den dortigen Gemeinden vererbt. Diefes uſurpiru
Patriarchat, deſſen Gefchichte ebenfalls wenig befannt iſt, hatte, nad
bem Geſandtſchaftsberichte Pabſt Sixtus V. im, I. 1583, &) in
den ortentalifchen Kirchen 36 DBifchöfe, 20 Klöfter und 20,000 Bo
milten in feiner Diöcefe, in Cilicien unn Syrien, und ber dw
malige Patriarch fol bereit geweien fein, fi) dem Pabfte anzu
fließen, wozu es jedoch nicht Fam. Derfelbe Patriarchalfig zählte
am Ende „des 16ten Jahrhunderts in feiner Didcefe 50 Biſchofte,
wozu man auch die von Serufalem und Aleppo rechnete; um
nach letzterem Orte Hat fih auch dieſer Titular- Patriarch übergefle
belt. In Ierufalem hatte fi ebenfalls fchon im I. 1314 einer
ber armenifchen Bifchdfe den Titel eined armenifchen Patriar⸗
hen beigelegt, gegenwärtig aber ſcheint der Vorſteher des armeni⸗
ſchen Klofters &) daſelbſt auf dem Berge Zion, des reichſten unter
den bortigen Klöftern, keine Anſprüche mehr auf dieſen Titel zu
machen.
Seitdem Conſtantinopel in Beſitz der Mufelmänner ge⸗
kommen war, hatte fi die Zahl ver dortigen Armenier außer⸗
ordentlich vermehrt, die ſich der Handelsgeſchäfte wegen dorthin
überfiedelten; bei ihnen entſtand ſeit dem Jahre 1461 eine briite
oder vielmehr vierte Patriarchenlinie, die ſeitdem bis Heute
ohne Unterbrechung fortgebauert hat, und in vielfachen Widerſtreit
mit der des Katholikos der alten Heimath getreten if. Die Zahl
ber armenifchen Ueberſiedler Hatte während der beſtändigen Revolu⸗
tionen in Kleinaſien im Anfange des 17ten Jahrhunderts unter
180) Zarosset, Dan . Ki p- 21. 2 St. Martin, Mém. T.1I.
22) v. ch. des osman. Reichs. Peſth *
KIN iṽ. S. 161. X © Robinfon, Palaͤſtina, TH. 1. ©. 29
[ [1
er
.
Eupbratisftem; armenifche Patriarchen. 623
Sultan Murad IV. fo fehr überhand genommen, daß dieſe auf
efien Befehl %*) insgefommt wieder (im 3. 1635) in ihre GHeimath
urũcktranſportirt werben follten, wad fich jedoch nicht bewerkftelli⸗
en ließ, da jene viel zu wohlhabend und ſchlau geworben, um fi
kcht durch Beſtechung in ihren neuen Wohnftgen zu erhalten. Ihr
Vachéthum und ihr Reichthum Hatte den armenifchen Erzbifchöfen
tefer Sultanrefivenz, die vom Katholikos vor Zeiten eingefegt wur⸗
en, ſchon längft die Mittel angewiefen, nach dem Vorgange ber
riechifchen Kaifer, bie den bortigen Erzbiſchof zum Patriarchen er
oben, fich durch die Gunſt ver Pforte ebenfalls zu Patriarchen
erheben zu lafien. Das türkifche Gouvernement unterfagte 85) aber
ugleich demſelben jeden freien Verkehr mit Etſhmiadzin, wodurch
erſelbe um fo mehr veranlaßt warb, fich dieſelben Privilegien, wie
er Katholikos der Rationalkirche fle Gefaß, zuzuſchreiben. Ihre Au⸗
orität für die armenifche Nationallirche war dadurch nicht geſtie⸗
en, ihre Selbſtändigkeit und ihr Einfluß blieben nur auf ihre
Didcefe 89) beſchränkt, die aber vom Bosporus ſudwänrts durch
isia minor bis Tokat, nordwärts bis zur Donau reicht, ob⸗
vol nicht bis Polen hinein gegen Weſt, da dort die Armenter fich
18 Unirte an Rom anfchloffen. Indeß kann vie Zahl der zugehöri«
em Armenier nicht gering fein, da nach den neuern Berichten ame⸗
Haniicher Miffionare 87) in ver kappadociſchen Landſchaft allein
5,000 Armenter, in ver Stadt Gäfaren deren allein an 8000 woh⸗
en follen. Conftantinopel felbft zählte Ende des 1Tten Jahrhun⸗
estö nach De la Crobr 89) über 8000 armenifche Häuſer mit 50,000
rmeentfchen Bewohnern und 5 Kirchen. Auch in Oſhulfa in
zerſien Hatte eine Zeit Iang bie dort mächtig und reich gewordene
rmeniſche Colonie in ihrem Bifchofe ven Ehrgeiz nach dem Pa-
Harchate erregt, und durch Lift und Gewalt, unter den Perſer⸗
xchahs begünſtigt, fich in Befit der rechten Sand Bregoriuß
IHuminators als Zeichen ver Suprematie gefet, die in neues
er Zeit, nach dem Verfall jener Colonie, erſt wieder mit großer
Rühe, durch Lift und Geldſummen, durch Vermittelung des Ka⸗
olikos Philippos ®) an ven Patriarchenſitz In Etſhmiadzin zu⸗
ickgebracht ward.
— v. — —8 a. a. O. Th. V. S. ↄ11. **) Eug. Bor6,
‚I.p 20) De ia Croix, la Turquie chretienne
un p. al. Ä s7) Missionary Herald Vol. XXIV. Bost. pag.
all, °®) De la Croix, la Turquie chretienne 1. c. pes.
213. 20) Brozset, Notice 1. c. p. 28.
ff EEE
624 WefisAften, TI. Abtheifung. I: Abſchnitt. 5.36.
Dee vielen politiſchen, religidſen und perſdalich aud Chroch
J entſtandenen Spaltungen der armenifchen Nation, ihrer vielſechen
Berſtreuung und Ihrer fo mannigfach zerſtbrenden Schiclſale unge .
achtet, Hat doch das allgemein anerkannte Oberhaupt des Katho⸗
litos die Suprematle in feinem Urſiße zu Etfhmianzin =
Halten. Nach ver Verlegung biefer Sitze in Bolge jener Wechfel-
ſchickſale felt dem 4. Jahrhundert (f. ob. ©. 515) na Tovin,
nach Ani, nah Siß, nah Momkla, nah Aghthamar, Ik vr
Katholitos feit dem Jahre 1441 dauernd nach Etſhmiadzin
zuruͤckgekehrt, ſcitdem Eiracos Biraptfi zu biefer Würde ermäßlt
worben war. GSlet bildete ſich wieder der hierarchiſche Mittels
punct für ble armeniſche Nationalfirde, von ber Die mi
der katholiſchen untrte abgefallen blieb, und die von der grier
Sifchen wie von ver Pforte in mancherlel Abhängigkeit gerathne
auch nicht mehr die Inveflitur von dem Urfige begehrend, mehr ober
weniger entgegenſtrebend fich zeigte, wie hieß bei dem Patrarchiau
in Gonftantinopel und Jeruſalem der Fall war. Diefe beiden nad
Selöftändigkeit firebenden Würbenträger Eonnten unter dem Gin
fluß der Osmanen Ihre Stellen eben fo leicht gewinnen wie wieder
verlieren. Da fie von dem Großvezier ſtets durch eine Gelbfumme
von Piaftern erſt erkauft werden mußten, fo wechſelten fle durch ihr
auch fo. häufig als möglih. Vom Jahr 1650 Hi 1705 gab «8 in
Conſtantinopel %) (alfo in 55 Jahren) allein 36 Patriarchen⸗
wechfel; in Serufalem deren nur 14. Dafür erhielt ver jeded⸗
malige Pattiarch auch die beöpotifche Gewalt, wol fon in einem ‘
Jahre, feiner Didcefe, ohne weitere Rechenfchaft, an Geld abzupreffen,
was feine Ernennung gefoftet hatte. So ging e8 in ber Türke
In dem unter Perfien flehenden Armenien fehlte ed auch nicht an
Kabalen und Gewaltſtreichen ver Schahs gegen ven Katholikos; doch
war bier mehr Beftand und mehr Würde. Im denſelben 55 Jap
en fanden nur 5 Patrlarchenwechſel flatt, fo daß bie mittlere
Dauer jedes Patrlarchats doch 11 Iahr war. Die Unabhängigfät
ihrer religldſen Verhaͤltniſſe war alfo offenbar größer in Perſten
als In ver Türke. Das perfifche Gouvernement bekũmmerte ſich
weniger um fie, bie Verwaltung, die Jurisdiction des Katholitet
konnte ohne despotiſche Mittel mehr Teiften und fich behaupten.
Daß dieſe recht eigentlich bei dem armenifchen Volke, ver Rational
ee) Broeaet Notice im Catalogue de la bibl. d’Edchmindsin L c.
p- 22.
Euphratſyſtem; armenifcher Culturzuſtand. 625
Tirche, auf dem Beſttzthum von Gt. Gregors Erbſchaft und zumal
der Reliquie feiner „rechten Hand“ beruhe, iſt ſchon oben ange
führt, obwol auch darüber ‚viele Streitigkeiten 9) flatt fanden, ba
über deſſen Legende frühzeitig. ſchon vie verſchiedenſten Meinungen
herrſchten. Der Sanctus fol ſich 4 Iahre vor feinem Tode in ab⸗
gelegene Einfamkeit zurüdgesogen haben, um fein Leben in Buße
und Gebet zuzubringen. Sein Topesjahr wird verſchleden angegeben
(306 nah St. Martin, 332 nah P. Ifhamitfh). Eih Schäfer
follte ven ‚Heiligen, ohne ihn zu kennen, beerbigt, ein Geiſtlicher,
Garhnic, durch Offenbarung fein Grab wieder aufgefunden haben
(Mos. Khor. II. 88. fol. 226). Seine Glieder follten nach dama⸗
figem Gebrauch in viele Kirchen zerſtreut, zum Theil gemalt
fan, zu Kaiſer Selbns Zeit, auch nach Eonftantinopel entführt fein;
ein andrer Theil nach Neapel; die rechte Hand nad Etiſhmiadzin,
von da aber nach Aghthamar, von wo fie wieder, entwenbet, nach
Romkfla und Sis, dann mit den Kriegszerfiörungen In Cilicien
nach Aegypten, endlich im 15. Jahrhundert abermals nach Etſhmiadzin,
darauf nach Aghthamar gekommen, und durch Schah Abbas Gewalt
temporär für feine Colonte Dſhulfa zu Iöpahan entwendet worden
fein ſoll, bis fie durch Philippus wieder nach Etſhmiadzin zurückkam.
Nach dem Berfuft jener Hauptreliquie ſuchten vie Prälaten zu Et⸗
ſhmiadzin, natürlich den ihnen noch zurückgebliebenen andern Reli⸗
quien @) einen deſto Höhern Werth beizulegen, wie St. Gregors
Ledergürtel, ſeinem Schleier, den Sandalen u. a. m. Mit allen dieſen
Reliquien und ihren Translationen find aber auch die kleinen Feh⸗
den und Kämpfe der Innern Parteiungen der national» armenifchen
Kirche, und keineswegs zu ihrem ober ihrer Vorflände und Gemeinde⸗
glieder geifligen Gewinn, ftetd Hand in Hand gegangen. So daß
von der beſeligenden Xehre des Evangeliums, für das verirrte Volt
wie für feine Hirten, faft nichts als das dürre, hinfällige Gerüfte
der Kirche und der ignoranteften Hierarchie übrig geblieben tft.
Hiervon gibt nım auch, jener Titerarifchen Ausbildung der ar⸗
menifchen Nation in den frühern Jahrhunderten, die mir oben her»
vorgehoben haben, ungeachtet, ihr gegenwärtiger @ultur-
zuftand bie traurigfien Belege, den wir nur an Ihrer Höher ge=
pildet fein ſollenden Priefterfchaft, an ihren Schulen, Klöftern, Bis
plioihefen abzumefien im Stande find. Die tiefe Verſunkenheit,
s1) Brosset Il. c. p. 27. »2) E. Boré, Corresp. II. p. 88.
Nitter Erdkunde X. Mr
626 WeltsAfien. IL Abtheilung. L. Abſchnitt. $. 369.
pie grobe Unwiſſenheit, die Verbauerung ber ſchismatiſchen Armenier
und ihrer Priefterfchaft vom Haupt bis zu den Gliedern, iſt in ber
armenifchen Heimath fait allgemein, und fie ſteht barin, wegen
ihrer völligen Iſolirung, unftreitig unter dem Zuſtande ver katholiſch⸗
unirten SPriefterfchaft, vie doch noch einigen Verkehr mit ver
abenblänpifchen Kitche Hat, ſchon durch die Studien berfelben,
welche von ihren Prieftern zumeilen wenigftens in Nom gemadıt
werben. Die unglüdfelige Verftopung und Exilirung ver Mechi⸗
tariften aus der armeniſchen Heimath Wit vieje leider aller noch
vorhandenen Vortheile einer möglichen Regeneration und einheimi-
mifchen Reformation, mit Bewahrung ihrer Selbſtaͤndigkeit, bes
raubt. Die ganze Ausbildung der Armenier beruht feit der frühe
fien Zeit auf der Ausbildung der Priefterfchaf® durch die Kirche.
Der einftige Uebertritt der ganzen heinnifchen Nation der Armenier
zur Kirche war zu gewaltfam, zu plötzlich, zu leidenſchaftlich, als
daß fle von dem wahren Evangelium gleich ſchnell hätte durchdrun⸗
gen werden können; zu roh, ohne alle Vorbereitung, in Hunderte
von Tälern, Bergketten und Gaulandſchaften zerfpalten, die von
eben fo vielen Hunderten gefonverier Häuptlinge und Fürſten⸗Fa⸗
milten (vie 200 Stratagien f. oben S. 567) in ſcheinbarer over
wirklicher Vaſallenſchaft, nach eigner Laune over altem Herkommen,
oder frembaufgetrungenen Weifen der verfchiebenften Art beberricdt
wurden, konnte nicht Einheit eine jchnelle Grzeugniß ſolcher Viel⸗
artigkeit fein. Es blieb vie Zerfpaltung des Volks, und bloß cine
feheinbare Einheit ver Kirche war dad Ergebniß ver theologifchen
Schulen, ver zahllofen Klofterfliftungen und der anfänglich großen
Macht ver Hierarchie, weil die einheimifchen Fürſten und Prinzm
ſelbſt um die höchſten Würben In der Kirche buhlten, und dadurch
bie politifche mit der geiftlichen Gewalt ſich vereinte. Jede Höhere
Ausbildung nahm daher Hier ausſchließlich den kirchlichen, ven thro-
logiſchen Character an.
Wir haben oben ſchon angeführt, daß nach einem alten Ge⸗
fege Valarſaces, des Gründers der Arſaciden⸗Oynaſtie in Armenien,
bie Provinz Ararat ausſchließlich 9) als Sig dem Königk
baufe und dem Erbprinzen zur Wohnung vorbehalten blieb, web«
Halb auch nur ein geblenveter König, wie Diran, ih am Fuße
193) St, Martin, Journ. Asiat. 1829. T.IV. p. 433.
ed
Euphratſyſtem; armenifche | Kloſterherrſchaften. 627
der Araladz niederlaſſen konnte (vb. S. 463); ven übrigen Arſacidi⸗
ſchen Prinzen war dagegen anfänglich die Provinz KHaſhtian
(Austanitis b. Ptol. V. 3) 9) odex Hafhdennt, gegen vie Quel⸗
len des Tigris hin, als Appanage angewiefen. Mit ihrer Vermeh⸗
rung verlangten dieſe natürlich, wie Mofed Khor. (II. 59. fol. 178)
auch angibt, ‚Bald Erweiterung ihres Beſitzthums. Neben ihnen
waren zahllofe andre fürftliche, einheimifche oder eingewanderte, Fa⸗
willen, die mit Grafſchaften oder Herrfchaften, wie 3. B. die Ban⸗
grativen (ſ. ob. S. 454) mit Sher, die Mamigonier mit Daron (f.
ob. ©. 594), andre mit andern Bauen belehnt wurden. Der Ges
fchichtöfchreiber des Patriarchen Nerfes I. im zehnten Jahrhun⸗
dert verfichert, daß In der Mitte des 5. Jahrhunderts die Zahl fol«
cher fouveräner berrfchaftliher Familien in Armenien fi) auf 170
belaufen habe, 95) deren Namen er auch aufzählt; und aus Moſ.
Khor. iſt es gewiß, daß fie alle al Dynaften Armeniens, nur
unter dem Vorſtande des königlichen Oberhauptes, mehr oder wenl⸗
ger einen artiven Anteil an ver Verwaltung des Landes hatten,
aber auch unter ſich In fortwährender gegenfeltiger Fehde das Fauſt⸗
recht übten, wie dies fchon von Moſes Khoren. bejammert wird
(Mos.-Khor. III. 2 fol. 232). Hiemit flimmt die Angabe ver 240
Saulandichaften, in welche nad Mof. Khor. Arınenien zertheilt war,
welche fchon Plinius, wie wir oben fahen, mit dem Namen ber 120
Strategim oder gefonverter Herrfchaften bezeichnete. in folcher
Zuſtand der Dinge unter einem noch barbarifchen, ganz rohen Erie-
gerifchen Volk in einem alpinen Feudalreiche, deſſen Lehnsherr Halo
ver eine oder andere Ufurpator, bald ver Safjaniverifönig, ver by⸗
zantinifche Kaifer, der Khalif oder ein anderer war, zeigt es wol,
wie nun nach der einmal dur Gewalt und Ueberredung (darin
Tiridates gerühmt wird; Mos. Khor: II. fol. 224) bei Volt und
Donaften gefchehenen Belehrung zum Kreuze deffen Gebirgéland
Bald mit feinen hundert Hoghthälern in fo wielerlei gejonderte Klo⸗
RRerherrfchaften, wie zuvor nur politiſche Gewalten, zerfallen
Zonnte, denen ebenfalld nur ein gemeinfamer Katholikos, fie kaum
in ihren Privatintereffen und Berwürfnifien zufanmenhaltend, vor⸗
fland, mie zuvor nur eine ohnmächtige politifche Gewalt, fo nun auch
als geiftlide Macht, und wie es demnach mit biefer beſchaffen fein
| ,
we St. Martin, M&m. I, p. 92, **) St. Martin, Hist. des rérolut ·
e V’Armänie etc. it Journ, Asiat. 1820. T'om. IV. p. 411. not;
Meumana a. de O. ©, 27.
Nr?
628 Weft:Afien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.36.
mochte. Die Einſamkeiten ver Hochthäler Armeniend waren bei
ſtets geringer Volksmenge, wie in den ihrer Natur und Lebensweiſe
nach fo verwandten tübetifchen und abyifinifhen Gochlän⸗—
dern, den einzigen in denen das Moͤnch s weſen zum characteris
ſtiſch vorherrſchenden Volksleben ganzer Nationen gewor«
ven iſt, recht eigentlich zur Anlage von Kloſtergemeinden geeignet.
Wenn die Könige und Heren Städte bauten, fo waren es doch im⸗
mer nur wenige vorübergehende ummauerte Werke des Ehrgeized,
der Prunffucht, ver Desypotie, die mit ihren eigenen fo oft wechſelnden
Schickſalen wieder fielen, und mit dem Sturz ihrer Dynaflien wies
der in Schutt verfanfen, wovon das armeniſche Land überall Zeugniß
gibt. Die Kirchen, die Einſiedeleien, vie Klöfter dagegen, vie
nun in allen Baulandfchaften zu Mittelpuncten ver Anfiede-
lungen wurben, und deren Borfland zu fein ein Hauptbeſtreben
des frommen Ehrgeizes von Yürften und Volk war, gewannen durch
die Grabftätten ihrer Heiligen, durch deren Verehrung von Seiten
der Nation, durch die Schulen, die in ihrer Mitte unter Monchs⸗
und Prieſterſchaften erblüheten, eine längere Dauer. Nicht in feiner
Reinheit war das Chriſtenthum über Eaefarea in Armenien einge
führt, fondern mit Gewalt und ſchon getrübt mit vielen Menſchen⸗
fagungen. Gregorius, der 400 Epifcopen auf einmal confacrizte,
ganze Schaaren zu Prieftern machte, zahllofe Gonvente und Nonnen»
Möfter fliftete, 309 es felbft vor, vie legten Jahre aus ner Welt fi
ganz zurückzuziehen, um in aßcetifcher Einfievelet einer Berghbhle
zu leben, obwol fein Volk erft in Maffe vie Taufe empfangen
hatte. Schon 50 Jahre nach feinem Tode wurde mit feinen Gebei⸗
nen abgöttifcher Götzendienſt getrieben (Mos. Khor. II. 88. fol. 226).
Das Möonchsleben war fchon fo tief mit der Nation verwachſen, daß
vom Patriarch Nerfes, von prinzlidem Geblüte, dem fünften
Nachfolger St. Gregors, in des Tſhamifh armenifcher Hiſto⸗
sie 9) gerühmt wir, er allein babe mährenn feines Regiments in
Armenien 2000 Convente gegründet, viele Afyle für Witten und
Waiſen, Xenodochien und Hofpize für Fremde, Hofpitäler und Ar
menhäufer geftiftet, deren Erhaltung den Städten und Dorffchaften
übertragen war, und daß fein Diacon alle viefem vorſtand. Gr
babe dad große Verdienſt, zu den älteren einheimifchen Kirchen
ı#e) F, Michael Chamich, History of Armenia etc. transl. from
the origin. Arm. by J. Audall. Calcutta 1827. Vol. I. p. 182.
Euphratſyſtem; armeniſches Kloſterleben. 629
ceremonien bed Landes auch noch aus Byzanz, feinem frühern
Wohnorte, bie dortigen Kirchengebraude und Eeremonien
mit herübergebracht zu haben nach Armenien, vie er nach dem Aus⸗
drude des Kirchenvaterd, „wie neue Edelſteine in altes Gold
gefaßt” Habe. So alfo wurde das Unkraut mit dem Weizen aus⸗
gefäet. Diefed immer mehr und mehr vorherrfchend werdende Klo⸗
fterleben bat der ganzen Entwidlung des armeniſchen Volks ven
Uirchlicdhen Stempel um fo mehr aufgedrückt, da dad politifche Leben
durch fortwährende Unterjochung ganz in ben Hintergrund treten
mußte. Alle großen Männer der Nation, von Thatkraft wie von
MWiffenfchaft in ner Blütheperiove Ihrer Literatur, im 4., 5. und 6ten
Sahrhundert, waren Mönche, Priefter, Aebte, Patriarchen. Drei
Biertheile ihrer eigenen claffifchen Literatur, 9) abgeſehen von Ihren
Veberfegungen, find theologifche Schriften; ihre Meifter der Geſchicht⸗
fchreibung geben. Kirchenhiftorien und LXebensbefchreibungen ihrer
SBatrlarchen und Heiligen. Den Angaben ver Welthändel, flatt der
Erforfhungen ver Urfachen und Folgen, find fromme Sermone, Lita⸗
neien, Previgten, Irauerelegien angehängt. Ihre Poefie ift nur Diche
tung geiftlicher Liever, ihre Philoſophie nur dogmatiſche Disputation
geblieben, ihre Arbeiten felbft” über vie Sphära, die Chronologie, ven
Kalender betreffen nur vie Feſtſtellung der Kirchenfefte, zumal ihrer
beweglichen. Der Standpunkt, auf vem fie flehen blieben durch alle
folgende Iahrhunderte, iſt nur derſelbe, ein kirchlich und national
beengter; wenn ſchon mancherlei Gaben ſich darin Fund thun, fo
mußte er doch eben dadurch unfruchtbar bleiben für vie eigne
höhere allgemeinere Ausbilvung, wie für die des Menſchengeſchlechts.
Selbſt als im 10. bis 12. Jahrhundert fich die Literatur wieder zu
heben ſchien, war ed vorzüglich durch die Gelehrſamkeit ver Klöfter
von der Megel St. Baflld, von denen ihr verjüngter Ruhm aus⸗
ging. Die zwei berühmteften viefer Klöfler im 10.. Jahrhundert
find; Gamarſoſch im Thale (Zor,)®) im Diſtrict Arſcharunik in
der Brovinz Ararat, daher Gamardſchazor genannt, dad unter
feinem vritten Abte, Samuel, um das Jahr 934 nicht weniger ald
300 Möndye zählte. Daß zweite, zu Nareg in dem Diſtrict Rheſch⸗
dunik, ver Provinz Vasburagan (mo Nachitſhewan), war durch
Frömmigkeit und Gelehrſamkeit feiner Mönche berühmt. Die Klöfter
Sanahin und Hochpad, nur eine Stunde aus einander, brei
97) Brosset, Catalogue de la bibl. d’Edchmiadzin.. p.29. ?*) Rews
mann a. 0. O. ©, 126.
630 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I, Abfchnitt. $, 36.
Stunden von Tiflis gelegen, mo fie noch heute befichen, datiren auch
aus jener Zeit, wurden aber erft, fo wie ein hfittes Klofter, Hal⸗
pad, im 11. Jahrhundert berühmt als Pflanzfhulen ver Wif-
fenfchaften. Eben fo die Klöſter Sewan, Chnad und ander,
zumal dad Klofter St. Lazaro,) over der Apoftel in Daron, das
fon von Gregor gefliftet war, nun aber ſolchen Ruhm erlangte,
daß alle, welche vie Gabe der Wohlredenheit erlangen wollten,
dort ihre Studien machen mußten. In allen biefen wurde bamald
‚neben ver armeniſchen auch noch vie griechiſche und bie ſy⸗
rifche Sprache, was fpäter wegfiel, getrieben, e8 wurben Ueber⸗
fegungen und Poeflen gefertigt. Im 12. Jahrhundert wurden als
Pflanzichulen für die Wiſſenſchaften berühmt pad Garmir Vank,
d. i. dad rothe Klofter, zwifchen Sis und Maraſch in Cilicien
gelegen, eben jo Sgewrha ober Sewlearn, d. i. Schwarzen«
berg, unmwelt Lampron in Cilicien, wo ſich die berühmteflen Aus
toren Gilveten. In Broßarmenien wurden außer. ven obenge
nannten Sanahim und Halpad auch noch vie Klöfter Kadig 00)
berühmt, dad In ver Proninz Kufark nicht weit von Halpad lag,
fo wie das Kloſter Kanzagor bei Kanzag (jeßt Gendſche in ver
Nähe des Kur, wo Eliſabethpol). Alle dieſe gründeten Biblio⸗
theken von Handfchriften, die zu ihren Ueberſetzungsfabriken noth⸗
wendig waren, bis in dad 12. Jahrhundert, wo die neuen Klöfter
u Sepuh,!) der Höhle ver St. Mane, ver St. Bregoriuß-
o
berg, au der Berg Taranali, alle um vie Einflevelei St. Gre⸗
” gor8 gelegen, dad Kloſter Choronaſhad, d. i. ver vielen Altäre,
in der Provinz Arzach, das Klofter St. Thaddäus und dab
Dfordfors Bank und andere noch zu den alten Hinzufamen.
Wie in andern Ländern während ver Periode des Mittelalters,
wird dieſen Aſylen der Wiffenfchaft im jener Zeit das meifte ver
dankt; aber dabei blieb e8 auch in Armenien, mo feine andre Mit
telpungte der Ausbildung fich erhoben, und vie Despotie muſel⸗
männiſcher Völker, nach einer Reihe von Sahrhunderten unter per
ſlſcher und türkiſcher Zuchtruthe, das Volk erdrückte, das Moönché⸗
weſen zur Mumienexiſtenz und zur craſſeſten Ignoranz herabdrückte
Die eignen Handſchriften ihrer Vorfahren hlieben ihnen todte, un⸗
verſtaͤndliche Schäße, deren Goldkoͤrner erſt durch das Ausland wieder
geläutert, Durch die Buchdruckerei und das erneuerte Sprachſtudium
100) Reimang Bertuß a. a. 2,6 00) ECbend. ©. 148
ı) Ebend Vs.
Euphratfoftem; armenifche Manuferipte. 631
oleder flüffig gemacht, und als brauchbare Münze in Ichenbigen
Berkehr mit ven indeß fortgewachienen Zweigen der Wifienfchaften
efeßt werden mußten..
Die Bekanntmachung des Catalogs der Bibliothek zu
Stfhmiadzin, welche, nun unter ruſſiſche Oberhoheit gefommen,
m alles Gute fördernden Eifer des in Transkaukaſien fo hochge⸗
tellten Baron von Hahn und dem Drientaliften Broffst ver
anlt wird, gab dem Herausgeber befielben Veranlaffung zu einem
leberfchlage des ganzen, noch aus den vielen Schiifbrüchen ber
mglüdlichen Armenier gerosteten Schatzes ihrer Nationalliteratur,
on deren wichtigfter einheimifcher Sammlung er eben jenen Cata-
pgue raisonne gegeben hat. Danach wird nun dieſes Feld immer
scher und mehr ein Überfehbares. Die Königliche Parifer Biblio»
hek beflgt nur etwa 160 armeniſche Manuscripte; ?) ver Gas
log der Baticana in Rom gibt nur 13 an, die Bibliothek ver
zropaganda bafelbft fol veren mehrere haben; auch in griechi⸗
hen Klöftern, zumal auf dem ‚Berge Athos, deſſen Bibliotheks⸗
atalog nun envlich auch befannt werden wird, 3) mag Davon ein
3orrath fein. Die reichfle Sammlung ber armenifchen Handſchrif⸗
a bat die Bongregation zu San Lazaro zufammengebracht, doch
avon bisher nur einiges Im. Drud herausgegeben. Bon ver Liten
ıtur überhaupt find die früher genannten Werke nachzufehen. An
)ruden ver armenifchen Literatur fol der gedruckte Catalog des
lrmeniers Khoudabachef 9) am vollſtändigſten fein, ver 233
Iummern enthält, und darin die Editionen aus ben armeniichen
rud = Dfficinen von Amſterdam, Warfeille, Conflantinopel, Peters⸗
urg, Moskau, Tiflis, Schufcha und Nachitſchewan, wozu noch 10
andſchriften Tommen. |
Zu dieſer bisher bekannten Summe des Vorraths armeni-
Her Literatur kommt nun die Bibliothek des Patriarchats
u Etſhmiadzin, die früher vom Vartabed Johannes Sure» .
am (Surena Ik der Name des zugehörigen Klofters), dem Se⸗
etair des Katholites Ephrem, mit gewaltiger Unwiſſenheit auf
5,000 Bände angegeben 5) wurde, obwol er fie felbft fo wenig
ne einer feiner Mitmoͤnche oder Vartabeds Fannte: denn fle lag in
faubten Saufen in dunklem Loche, um — nicht vie Habgler ber
æ) Brosset, Catalogue de la bibliothöque d’Kdchmiadzin p.83,
3) ebend. Not. p.121. *%) Sm Departeıment Asiatigue du mi-
nistere des affaires Etragg. St. Petersb, 1830. *) Eli Smith,
Missionary researches in Armenia. Lond. 1834. p.310.
’
—8R
ri
632 MWeflAfien, III Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 36.
Plünverer zu erregen. Erſt felt ven letzten Jahren murbe ihr nun
ein Bibliothekszimmer eingeräumt, da unter rufſiſchem Schuß Teine
Plünverung mehr zu fürchten war, und auch ein Gatalog in ruſ⸗
fifher Sprache (vieleicht vom Vartabed Pater Sean?) ©) an
die Academie ver Wiffenfchaften nach Petersburg geſandt. Dieſer
enthaält nun doch nicht mehr als 635 Nummern, davon nur 462
armenifche, die andern in fremden Sprachen. Er zerfällt in 11 Ab⸗
theilungen:7) 4) Helige Schrift und Gommentare berfelben
83 Nummern; 2) Theologie 20; 3) Poeſie 8; 4) Kirchenbücher 33;
5) Geſchichte und Geographie 86; 6) Klafjifer 34; 7) Predigten 53;
8) Kirchenväter u. a. 105; 9) Ordensſachen 4; 10) Dogmatik 14;
11) Gebetbüdher 22. — Unter dem Neuen ver 5ten Abtheilung bes
findet fi eine Gefhichte vom Urfprung der Aghbvanen,
Nr.163, aus dem Hten Jahrh.; eine Lieberfegung des Quint. Eur
tus Geſchichte Alexanders, Nr. 181, eine Hiftorie von Paläſtina,
Nr. 202, mehrere Beichichten von Armenien, eine Geographie Ar
meniens vom Biſchof Mathufala, aus dem Tten Jahrh., Nr. 207,
u. a. m.
Bei dem völligen Erſtarren ver Ausbildung und ver geiſtigen
Berarmung 8) in Armenien felbft (denn obwol auch in Etſhmiad⸗
zin einmal eine Druderei war, die wol nichts als Gebetbücher ge
liefert haben mag, iſt dieſe doch längft eingegangen) fam ber arme
niſchen Nation die größere Strebfamkeit ihrer wohlhabenveren Co⸗
. lonifationen im Auslande zu flatten. Dies zeigt fich zumal im
17ten Jahrhundert in ben damals durch fie angelegten armeniſchen
Drudereien, und im 18ten durch Gründung von Hochfchulen,
aus denen eine gebilbetere Jugend und Priefterfchaft für vie Zus
funft hervorgehen Fann. Die erſten Drudereien 9) Tamm in
Rom und Venedig zu Stande; 1616 die in Lemberg, 1624
in Mailand, 1640 in Paris, in Livorno und in Dfhulfa
bei Iöpahan in Perfien, 1660 in Amſter dam durch einen Biſchof
Os gan, ver 10 Jahre fpäter in Marfeille eine gleiche Druckerei
anlegt. Da er aber zur armeniichen Nationalfirche gehörte, gerieth
ee bei der Herausgabe der Werke mit den unirten Armeniern ber
Propaganda zu Rom in Streit und mußte ber Sefuitenpartei aus⸗
weißden, worauf er nach Amſterdam zurückkehrte, zur Offtein, welche
20€) E. Bor&, Corresp. II. p. 42. ’) Brosset, Catalogue I. c.
p. 62—121; vergl. B. Bor, Corresp. Il. p. 16-51. °) Eli
Smith, Missionary researches pag. 327—333. ) Neumann,
Verſuch S. 23.
ar
eo
Euphratfoftem; armenifche Hochfchulen. 633
Die corresteften und fchönften Ausgaben armeniſcher Autoren zu
Tage förderte. 1677 wurden Druderiien in Gonftantinopel,
1680 in Leipzig, 1690 in Papua angelegt.
Zu den Hochſchulen für armenifche Studien gehörten bie
der Propaganda 1623 zu Rom; eine andere in Conſtanti⸗
nopel; eine britte 1629 in Eriwan errichtet, die 1631 nach Et⸗
ſhmiadzin verlegt wurde, wo fle aber nach einiger Thätigkeit ein⸗
geichlafen zu fein ſcheint. Zu gleicher Zeit Tamen die Eollegien zu
Shorhoth, auf der Norbfeite des Araxes, nahe bei Nachitihewan
gelegen, und zu Akulis, eine Tagereife fern von da, zu Stande,
deögleichen 1662 das armeniſche Collegium zu Lemberg, ald ein
Seitenzweig der römifchen Propaganda. 1706 wurde die Schule
Mechitars zu Mo don errichtet, die 1717 nad) Venedig kam;
aus dieſer ging 1773 ein Mechitariften- Collegium in Trieft her-
vor, das 1810 nah Wien verpflanzt wurbe. 1) Zu gleicher Zeit
wurben 2 armeniiche Klöfter auf dem Berge Libanon begrün⸗
det von Antonianer Mönchen, einer geiftlich« gelehrten Geſellſchaft,
die fich ebenfalls die Kultur der balfanifchen Sprache angelegen fen
läßt und die armenifche Jugend in Künften nnd Wiſſenſchaften un«
terrihtet. Das Libanonkloſter, auf dem Berggipfel gelegen, er-
bielt fpäter ven Namen des patriarchatiſchen, well Im J. 1750
Abraham, gebürtig aus Antheb oder Aintheb (Antiochia ad
Taurum bei Ptol.), zum Patriarchen von Sis in Eilicien erhoben,
babin feine Refidenz verlegte.
Im Jahr 1770 wurde in Kiutahieh in Anaboli eine arme⸗
niſche Schule gegründet, ebenfalls in Paris ein armenifches Inſti⸗
tut durch Jefuiten, zur Ausbildung 12 armenifcher Knaben in Spra⸗
hen und Wiffenfchaften zum Dienfle Frankreichs ale Dolmetfcher
in Gonftantinopel und ald Miſſionare im Drient. Das erhöhte In«
terefie für die armenifche Literatur gründete neue ober erwei⸗
teste frühere Druckereien ihrer Werke in London (mo Mofes Khor.
von Whiſton erfchien), Smyrna, Mapdras, Etſhmiadzin 1774,
rief, Petersburg, Neu⸗Nachitſhewan am Don 1790,
Aſtrachan 1796. Die Druderei, von Venedig im 3.1788 nad
San Lazaro übertragen, erwarb ſich den Vorrang vor allen, und
durch ihre Editionen, herausgegeben von der Akademie ver Mechi⸗
tariften, den größten Nuhm. 4). Auch in Moskau iſt durch die
10) Neumann, Verſuch S. 259. 21) Ueber Mechitar und die Ber:
dienſte der Mechitariften |. Neumann, Berfuh S. 258200.
-
634 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt.$. 36.
armeniiche Familie der Lazarews im Jahr 1916 in großartigem
Styl eine Hochſchule 12) für die Ausbildung ihrer Landslente auf
ruſſiſchem Boden organifirt, wie durch Biſchof Hebers Beranlaf
fung im Bifchofd-Eollege zu Galcutta in Oftinvien eine höhere Bil⸗
bungsanftalt für Armenier und eine Druderei mit in dieſes Inſtitut
aufgenommen wurde.
5) Fragmentariſche Schilderungen ver Armenier und
ihrer gegenwärtigen Zuſtände nach verſchiedenen Au⸗
genzeugen und von verſchiedenen Standpuncten.
Eine Characteriſirung ganzer Völkerſchaften bleibt, genau ge
nommen, ftetd eine Anmaßung, und ein Unping, ein unendlich Man»
nigfaltiges in ein Einfoͤrmiges zufammenfaflen zu wollen, von dem
eben fo viele Ausnahmen außerhalb, wie Erfcheinungen innerhalb
der angegebenen Megel find. Gibt aber die fogenannte Characteri⸗
firung die tiefere Bedeutung auf, und will fie nur eine Schilde⸗
rung gewiſſer allgemeiner Erfcheinungen fein, fo ift ihr ihre rechte
Stelle zur Veranſchaulichung auch ethnographifcher Berhältnifie kei⸗
neswegs abzufprechen, ſobald fie nur die relative Wahrheit im ſich
trägt, und als folche fügen wir einige Schilverungen von Augm |
zeugen und treuen Beobachtern, obwol von ganz verſchiedenen Stand |
puncten, zum Schluß bed Bisherigen herbei. Ä
Vor hundert Jahren ſchilderte der treffliche Kenner des Orkenti
De la Eroir die Armenier, vorzüglich diejenigen, die ex im
Gonftantinopel und Vorderaſien Eennen gelernt, mit folgenden Wor-
ten. 123) Die Armenier find fehr verftänvig, maaßhaltend, friedlie⸗
bend, Feinde des Streites, mildthätig gegen Fremdlinge, fehr arbeit«
fam, fparfam, enthaltfam und unermüdlich; im Handel und Wan«
del find fie fo Hug, daß fie die Juden darin übertreffen. Obwol
fie von einem flarfen Schlage, fonvern eher zart gebaut find, fe
find fle doch fortwährenn auf der Wanverfchaft von Indien durch
Perfien bis in ale Provinzen des türkifchen Reichs, zumal aber
nah Smyrna und Conftantinopel, wie auch bis in vie Aufßerfien
Länder Weſteuropas, wohin fte überall ihre Eoftbarften Artifel zum
Handel mit fich führen, die fe mit f olcher Schlauheit anzubringen
wiffen, daß es faft unmöglich iſt, von ihnen nicht überliſtet und
betrogen zu werben. Aber viefen zu rühmenden Gaben fliehen an-
312) f, Neumann a. a. O. ©. 291, 308. 22) De la Oroix, La
Turquie clıretienne \. c. pı 185. -
Euphratſyſtem; Armenier, Characteriftil. 635
dere Eigenfchaften ald Gegengewicht entgegen, die fie vorzüglich zu
dem Laſter des Trunks, des Wuchers, der Simonie, des Geizes und
zu dem größten Mißtrauen verleiten.
Ein Jahrhundert fpäter werden die Armenier in Gonflanting«
pel auf ähnliche Welle von einem berühmten Kenner des Drientes
geſchildert. Sie erlernen nach ihm die türkifche Sprache 1*) weit
vollkommner als jede andere Völkerfchaft. Fleiß, Ausdauer, Er
werbſamkeit, Maͤßigkeit find die lobenswerthen Züge des armenifchen
Gharartergemältes, das aber auf ber andern Seite durch unvertilg-
bare Schatten von Grobheit, Unverſchämtheit, Geſchmackloſigkeit
entflellt wird. Aehnliche Beurtheilu zen find die bei Chardin und
anderen ältern Autoren, unter bei n wir vorzüglich auch die ge=
haltreicheren und umflänblichen des Pere Monier 35) in 8 Kapiteln
an ven Père Fleuriau ald Frucht ver Reſultate ver Mission de la
Compagnie de Jesus verweifen. Schon oben haben wir hie Schil⸗
derung der Armenier nad) ruſſiſchen Berichterflattern mitgetheilt (f.
oben ©. 349).
Zu den einfihtövoliftien und unbefangenften Beobachtern ver
gegenwärtigen Zuflände ver in dem perfifchen und türfifchen Armes
nien feit der Ruſſenoccupation zurädgebliebenen Armenier gehört
unftreitig der von ächt chriftlicher Liebe gegen biefelben erfüllte treffe
liche Nordamerikaner Eli Smith, deſſen Schilverung freilich Feine
erfreuliche iſt. Wir heben einzelne characteriflifche Züge aus feinen
Bemerkungen hervor.
In Bajazed, wo vordem fehr viele Armenier anfäffig waren
(f. oben ©. 348), find nur ſehr wenige übrig geblieben; die in ber
Stadt Haben keine Schule mehr und doch 5 Priefter. 16) In Ian
malava (Erdk. IX. S. 948) waren nur 15 bis 20 armenliche Fa⸗
milien feit dem Abmarſch ver Ruſſen zurüdgeblieben., Im Orte
Salmas (ebend. ©. 913 u. a. D.) waren von 200 nur 20 arme
niſche Famillen zurüdgeblieben, und im ganzen Difricte nicht über
400, die werner vor ber Emigration noch nachher eine Schule ge=
habt. 17) Ueberall grängenlofe Unwiſſenheit und Berar-
mung durch ganz perfifch Aderbidſhan unter den ungemein ver⸗
bünnten Armeniern, deren Character unter dem Joch der Perſer zur
Miederträchtigkelt herabfinten mußte. Die armeniſchen Priefter wie
% v. aoammer, Gonftantincpolis und der Bosporos. Peſth 1822. Th. II.
18) Lettres Edifiantes, Mem. du Levant. 1780. 8.
T. m. p.1—150. 20) Eli Smith, Missionary reseasches L «.
p- 415. 17) eben. p. 360.
636 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt.$. 36.
der gemeine Diann find ven niebrigflen Xaftern ergeben, Trunken⸗
bolve, Berräther und Spione gegen die Perfer, was erklaͤrlich if
aus deren Drud, aber auch gegen bie dortigen Engländer, bie ihre
Wohlthäter. waren und fie vor Mord und Todtſchlag fichernd in
ihre Dienfte nahmen, mofür fle dann un Ihnen beim Ginrüden ver
Ruſſen in Tauriz zu Verräthern wurden.
Armentfche Diener 18). wurden vort>allgemein für Betrüger ge
halten; armenifche Eltern in Tauriz, Eriman und Arzerum fin
allgemein durch ſchändlichſten Handel mit ihren Töchtern an Fremd⸗
befannt, und galten dabei im Lande doch für gute Chriſten; ihre
Priefter fegneten für Geld felbft eine polygamiſche Ehe ein; ver
käuflich iſt alles, ſelbſt ver Biſchofsſtz und das Patriarchat. Die
Prieſter können gewöhnlich eben fü wenig Iefen wie ihre Gemeinde⸗
glieder; heidniſche Gebräuche find mit ihren Kirchenfeſten verbum
den, 3. B. Anzündung von Scheiterhaufen mit der Purificationk
feier ver Jungfrau Marla. Die Kreuzanbetung vertritt ihnen fehr
oft die Stelle der Anbetung Chrifli. Die Berfammlung bei ver
Meffe in der Kirche geht zur gemeinften Gonverfation, zu Prüge
Ieten, zu Theetrinken über während der Gebete u. |. w. Nur Ce⸗
remonien und zumal Faften find vie einzigen für ben armml
ſchen Nationalchriften verdienſtlichen Handlungen.
Wie das perfifche, fo iſt auch das türkiſche Armenien
in dem Feten Nuffenkriege des größten Theils feiner armenifchen
Ginmwohner beraubt; Hier fcheinen fie mehr mit Liſt oder Gewalt
entführt zu fein, wenn man ben Ausſagen ver zurüdgebliebenen
papiftifchen oder unirten Armenier glauben darf. Auf dem Wege
vom Muradthale über Topra kaleh (f. oben S. 401) nad Ar-
zerum kehrte Eli Smith am Weſtende der dortigen Thalebene in
dem Dorfe Mollah Soleiman 2%) ein (f. ob. ©. 351), das aus
25 papififhen Armenier-Familien befteht, bei deren Prie
ſter er fein Ouartier erhielt, wie gewöhnlih nur im Stall mit ben
Kühen In einer Flur. Deſſen Großvater Hatte zur Zeit der Jeſui⸗
tenmiflion Rom. befucht; er war mehr ald gewöhnlich unterrichtet,
mittheilend, dabei gegen feine fchiömatifchen Glaubensgenoſſen im
Höchften Grade unduldſam. Nur 2 Bamilien ſolcher nicht unirten
Armenier, welche größtentheild auf ruffiiches Gebiet hinübergezogen
waren, hatten ihren Sit im Dorfe behalten. Sie waren daher nun
218) Eli Smith I.c. p.325. 1°) ebend. p.329u.f. 20) ebend.
p. 429.
Euphratſyſtem; Armenier, Characteriftil. 637
: weit fehwächeren geworben. Der papiftifche Briefter Hatte 2
ge zuvor einigen vurchreifenden Kurden zugenruthet, biefe in fei-
m Dorfe noch übrigen Schismatifer mit Bewalt zum Papi-
18 zu bringen, weil e8 feinem Ausorude nach unmöglich fei, daß
ıpiften mit ſolchen Ketzern fich vertragen könnten. Der Flügere
urdenchef batte ihm aber kein Gehoͤr gegeben. Nach dieſes Prie⸗
r8 Ausſage follte außer feiner Gemeinde auch noch eine Anzahl
sirter Armenier In der Stadt Mufh und ven umliegenben
drfern Norſhin (j. Erdk. IX. ©.989), Arinj und Oghunk, an
Oo Familien, fi befinden. Berner follten im Diſtrict Alaſhgerd,
Ber. ven 25 Familien ſeines Dorfed, noch im Dorfe Khaflor und
. Dorfe Iritſu⸗kegh fi 10 andere befinden. Auch in Khanus
Hints) und in Pafln, nämlich in Haflanfaleh (j. oben ©. 389)
on Medſhingerd, waren einige andere, aber alle dieſe follten, nach
aßfage des Prieflers, von den Ruſſen zur Auswanderung, 21) über
elche wir aus den türfifchen Provinzen Leine fo detaillirten Bes
hte, wie über die aus den perfiichen befiten, mit Gewalt ge⸗
vungen worben fein. Jetzt feien in Khoraſan (f. ob. S. 405)
ch 15, in Aljarak 12, in Baſhkegh 10, alfo zufanımen nur
' Samilien, und mit biefen noch einige wenige in Arzerum zurüd-
blieben, zu denen fich wenige andere feit dem Ruſſenrückzuge ge
lt Hätten. In der legten Station im Often von Arzerum, zu
amatjor, einem armenifchen Dorfe nicht fern vom Dorfe Kho—
fan, waren von ehemals 45 armeniichen Familien nur 15 zurüde
blieben, und der armenifche Wirth fchätte die Summe feiner Glau⸗
nögenofien, die überhaupt in ganz Pafin zurücdgeblieben, nur noch
ıf 500 bis 600 Bamilien. 2?) Das el, mobel jedoch die von Ka⸗
atfor nicht mitgerechnet find, die ganze Summe der papifti«
ben Armenier, von der jener Priefter zu Mollah Soleiman
ne Kenntniß hatte, und mehr lernte auch Eli Smith nicht fen-
m. Der Priefter verficherte zugleich, daß ihre Gemeinden früher
nreichende Zahl von Prieflern gehabt, feit ver Verfolgung der ar⸗
enifch=papiftifchen Priefter aus Gonftantinopel (? |. oben ©. 619)
yer fein an 50 verfolgt und verbannt, und er allein und noch ei=
7 zu Muſh feien zurüdgeblieben, und einer in Erzerum. Bon
schften Prieftern feines Glaubens fein ihm nur ver in Khodrova
. Erpk. X. S. 963) und in Gonftantinopel bekannt; bei jener
erfolgung (?) Habe er fich verborgen gehalten und habe 3 Dörfer
a2) ebend. p. 480. 22) ebend. p. 440.
638 Weftsifien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.36.
beforgt, in Eeinem derfelben fe eine Schule. Selitdem feien wieder
tolerantere Zeiten eingetreten. Doch gäbe es allerdings auch noch
papale Armenter in Ziflis, Bor, Kutaid und eine fehr geringe
Zahl in Akhaltfikhe, fo wie außerdem auch noch welche im Oflen
bei Tofat und in Trapezunt, 2?) wo ihre Zahl doch nur 80 bis
90 Familien betrüge, die eine Kirche haben, veren Geiftliche in Des
nedig, oder auf dem Libanon, ober in Marvin ftubirt Haben. Die
Armenier ver Natlonalkirche find ver Zahl nad bajelbft 250
Bamilien, in 4 Kirchfpiele vertheilt, mit einem Biſchof, der auf
Gümiſhkhane (f. oben ©.272) bevient. Aber im I. 1831 war is
Zrapezunt Fein katholiſch⸗ unirter armenifcher Priefter und fein ben
Unirten gehörige® Convent. In Gümifhfhane follte 2°) es, nal
Ausfage eined papalen Armeniers, 70 armenifche Käufer der Nick
unirten und 10 der Unirten geben, nach einer andern Ausſage fol
aber die Zahl beider 500 armenifche Familien betragen; fo feht
wechſeln alle folge Daten im Orient.
Dies wäre der Zuftand der Fatholifheunirten Armenler
in der Gegenwart im türkifchen Gebiete Armeniens, weldhe,
wie e8 fcheint, von den ſchismatiſchen ober nationalen Ar⸗
meniern faft gänzlich durch den ruffifchen Einfluß verlaffen ward.
Wenigſtens fehlen und darüber alle andere genauere Nachweife: venn
die von E. Bore gegebene größere Zahl betrifft nur die Katho⸗
liſch-unirten, von denen nachher noch die Rebe fein wird.
Zuvor ift noch von einer Kleinen Gruppe mit der griechifchen
Kirche unirter Armenter die Rebe, deren näheres Verhältniß
zum griechifchen Patriarchen in Gonftantinopel und jedoch unbekannt
ift. Uber derſelbe Miffionar, Eli Smith, führt fie an und be
merkt felbft, daß auch Ihm fonft keine anpre Spur griechifdy«en
thodoxer Armenisr In dem türfifchen Reiche vorgefommen fd,
als dieſe. ES iſt died nur eine Fleine Gemeinde, die zu Agr
oder Aguntſi?s) (Egin, Akin, eine Stunde vom Weſtufer web
Eupbrat gelegen, tm Nord von Arabfir?6) gegen Simas bin)
wohnt, 30 Stunden von Simas, 30 von Diabefr nnd 16 von Ma
den. Einen Bewohner von Agn, einen Banquier, traf Eli Smith
in Etfhmiabzin, ver ihm darüber Auskunft gab und fagte, daß nad
5 Dörfer in der Nähe lägen, veffen Einwohner Armenier fein, uud
armeniſch fprächen, aber der griechtfchen Kirche angehörten um
328) Eli Smith 1. c. p. 455. **) Gbenbaf. p. 448. 250) CECbendaſ.
p. 419. 36) St. Martin, Mem. s. l’Arm. I. p. 189.
aa WM Wei 1 m Um Mm I ee „
a +1 As bi
. Euphratſyſtem; katholiſche Armenler. 639
einen eignen Biſchof Hätten, der unter dem griechiſchen Patriarchen
zu Conſtantinopel ſtehe. Sie ſollen vordem viele Vortheile von dem
türkifchen Gouvernement genofien haben. Aber als die Ruſſen in
Arzerum waren, verleiteten fie diefelben zur Empörung, und ſeitdem
erlitten fie viel Verfolgung. Nach einer andern Ausfage follen ihre
Kirchenbücher armenifch fein; wenn fie als Pilger nach Ierufalem
kommen, follen fie dort, gegen die Wünfche ver griechifchen Prieſter,
e8 vorziehen, dem Cultus der armeniſchen Kirche beizumohnen, weil
file dieſen verſtehen den griechifchen aber nicht. Diefe Gemeinde⸗
gliever von Aguntfi, d. 5. Armenier von Agn, find bei ven
Armenien fehr gerühmt als Banquierb; ‚einige von ihnen be⸗
figen in Conflantinopel die größten Reichthümer. Einer ihrer
Bartabens beſaß mehr als gewöhnliche Kenntniß in der Kirchen-
geſchiche. I. Brant, der Egin im Jahr 1835 beſucht Hat,
nennt daſelbſt neben den 2000 Türfen nur noch 700 armenifche
Einwohner. ?7)
Dit befonderer Aufmerkfamkeit bat jüngft E. Bore, nebſt ſei⸗
nem Begleiter M.Scafi (im I. 1838), bei feiner Durchwanderung
Armeniens von Weft nach Oft, insbeſondre ven gedrückten Berhält«
niffen der Fatholifhen Armenier nachgeſpürt, in der fehr
preißwürbigen Abficht, ven traurigen Zuftand Ihrer Kirche zu heben;
daß er durch feinen Eifer zu fcharfen Urtheilen und Ungerechtigkeiten
gegen Andersgläubige, die nur nicht von feiner Confeffion find, ge=
fallen ift, Haben wir oben ſchon bemerft. Seine dankenswerthen
Nachrichten über die dortigen armenifchen Bewohner beflchen dem
Wefentlichen nach in Folgendem, wodurch die bisher fo frag.
mentarifche Kenntniß von der Ausbreitung dieſer merf«
würdigen Nation Immer mehr und ‚mehr Vervollflännigung. erhält.
Die ſtarke armenifche Bevölkerung ft, wie fich aus
dem Borigen ergibt, aus den dftlihen Provinzen des per-
fifhen und türfifhen Armeniend völlig verfhwunden,
und auf dad ruffifhe Gebiet im Norden des Arares hin-
übergewandert. Der Zufland ver vereinzelt zurücdgebliebenen
kann fein andrer ald nur ein verarmter, alled nationalen Zufammen-
haltens entbehrender fein, der ſehr wahrfcheinlich bald als folcher.
verſchwunden fein, und mit den mufelmännifchen Nachbarn
fi) vermifchen wird, wie dies auch ſchon mit vielen ber ſeit Schach
21) J. Brant, Journ, trough a port of Armenia etc. in Journ. of
the Roy. G. Soc. VI. 1836. p. 204. s
640 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 36.
Abbas Zeit dnurch Perfien zerfireuten Colontfationen geſchehen.
Erft weiter im Welten finden fich noch flärfere armeniſche Gemein-
ven vor, doch Fönnen fie keineswegs in ſolchen Zahlen hervortreten,
wie Bore fie angibt. Zu diefen gehört im Außerften Welten, fchon
über die Grenze Armeniend hinaus, die einft blühende türkiſche
Handels» und Fabrikſtadt Tofat, in welcher E. Bore 2%) eine
Gemeinde von 12,000 Armeniern angibt, von benen ein Zehnthell
katholiſche Armenier fein follm. Diefe rühmt er als eine
enge compacte Gemeinde, die ſich fireng von ben andern fondert,
nur Verhelrathungen unter Ihren gegenfeltigen Glledern geftattet,
insgeſammt Ehrenmwerthe und die Reichften im Lande, deren Wohl⸗
fland auf ihrer Orthodoxie beruhe; denn fie flupirten in Nom, lern
ten Latein, Italienifch, Kicchengefchichte, und nannten ſich Franken,
dagegen die ſchismatiſchen Armenier daſelbſt in ihrer Igno⸗
ranz verharrten und ihrer Apathie gegen die Eatholifchen Armenter.
3. Brant??) Heflätigt den Wohlftand ver Armenier und Katholtken
in Tofat, gibt dafelbft aber nur 1500 armenifche Einwohner und
30 Eatholifche an, obwol er nur 3 Jahre früher vd war, und ber
Biceconful H. Suter?) von Treblzond, ver In vemfelben Jahre wie
E. Boré Tofat befuchte, gibt ebenfalld nur viefelbe Zahl von
1560 armenifhen Familien in Tokat an. Beide bemerken, wie ſcht
der Handel und die Induftrie in Tokat gefunfen, fo daß Bore offen
bar fich leicht phantaftifchen Uebertreibungen hingibt, und frühere
ganz unbegrünvete Relationen oft als Facten feinen Ratfonnementd
zum Grunde legt. Ihm liegt daran, mit ven glänzenpften Reben
die Sache der Unirten auf Koften aller übrigen zu heben. Gier
in Tokat, fagt er daher, erwache bie orthobore Kirche von neuem;*i)
die politiiche Ohnmacht der Türfenherrfchaft fordere dies. Ihre
Emancipation würden file nicht von der Pforte erhalten haben, ohne
die Abſchwächung durch Griechenland und ohne Rußlands Siege,
weshalb die Pforte den Neclamationen Frankreichs für die Aa
tholiſch⸗ unirten nicht länger zu widerfiehen gewagt. Deshalb ver
ſtand fich die Pforte für dieſe zu neuen Eonceffionen; fie gab Bir
mans, durch des Reis Effendi Reſchid Pascha Vermittlung, zu neuem
Kirchenbauten, und, was früher unerhört war, die Katholiken zu
Tokat erhielten unentgeltlich vie Erlaubniß, ihre Kapelle zu Bauen.
228) E. Boré, Correspondance Il. c. 1.'p.379. 2°) J. Brant
l. c VI. p. 219. s0) H. Suter, Notes etc. in Journ. of -
tbe Roy. G. Soc. London 1841. Vol. X. P. IH. p. 440.
21) E. Bor& 1. c. p. 383. |
Euphratſhſtem; katholiſche Armen. 641
Dee Biſchof Michael von Cäſarea (Kalſarleh), ver Haupt⸗
dadt Kappadociens, wo nur ſehr wenige katholiſche Gläubige, hatte
such in Tokat feinen Sitz genommen, wo er zugleich als Delegat
8 Patriarchen vom Libanon fungirte, für Tokat, Sebaſte, Amida
and andere Städte im Pontus, die ‘von dent Patriarchen In Con⸗
Rantimopel abhängig find. Don viefen wird alfo wol aud die Ge⸗
meinde der Armenier zu Agn abhängig fein, von der zuvor die Rebe
mar. Berarmt, nur von drei Kirchendienern umgeben, bewohnte
Bifchof Michael mit diefen gemeinfchaftlich einen Saal, ver ihnen
gleich ald Kirche diente, und auch ihm mar ver Wunf zur Er⸗
bauung einer neuen Kapelle enıflanden. Die Nichtunirten, Na⸗
Honal=- Armenier, berichtet Bore, die er die Abtrünnigen
nennt, follen 4 ſchöne Kirchen haben; aber ver ganze Zuſtand von
Induſtrie und Handel, gibt auch er zu, fel durch das Türkenjoch
ungemein zerflört, durch die Peſt ganz herabgefunfen. Die Werk⸗
flätten einheimifcher (armeniſcher) Fabrikanten flänven Ieer, während
fe Dazare mit europüifchen (er meint englifchen) Waaren über
ſchwemmt würden, wodurch auch die Verarmung der fonft wohle
babenven katholiſchen Armenier entſtehe. Doc rühmt er eben bei
bhofen die Achtung der meiblichen Würde, eine Folge des Jungfrau⸗
Mariendienſtes, während vie ſchismatiſchen Armenier vie Gefangen⸗
haltung der Weiber nach türfifcher Sitte im Harem angenommen,
obwol fie Polygamie vermerfen. Bet den Katholiſch⸗ unirten ſei
dad weibliche Geſchlecht dagegen nicht fo auögefchloffen wie bei jenen,
und mit in vie Gefellfchaft ver. Männer gezogen. Bet keinem ber
andern Beobachter haben wir hierüber nähere Aufichlüffe gefunden.
Die nächſte Stadt, Sebaſte (Simas), gegen Kappadocien hat
nur 1200 armeniſche Familien zu Bemohnern, 3?) darunter aber nur
wenig Katholiken; in dem benachbarten Dorfe Perfnid aber waren
am 60 Furholifche Familien, vie, nad) der Meinung des Biſchofb
Michael, Nachkemmen vom Geſchlechte der Bangrativen fein follen,
ve im 11. Jahrhundert nad) Kappadocien ausmandern mußten.
Zu Arzingan im Paſchalik Arzerum (f. 06. &.270), und in ber
nädften Umgebung des Sehuhbergs, wo St. Bregord Brab, fand
&: Bore wol einen clafflfchen Boden der Armenter,33) aber fine
beachtenswerthe armenifche Gemeinde; I. Brant gibt nur 800 are
meniſche Yamklien?*) in der Stadt an, das Land IR ganz von Kurs
383). J. Brant 1. o. VI. p. 214; H. Suter I. c. X. P. M. p. 480.
23) E. Bor, Corresp. I. p. 308, °*) 3. Braat I. co. Vi. y. Wi.
Bitter Erbfunde X, " Si
642 Wefl:Afien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 3
den erdruͤckt, und vie Stadt felbft vor Ihnen nicht ſicher. Don Ars
zerum, der erſten Stadt des türfifchen Reichs, die vor der Inva⸗
flon der Ruffen, nah I. Brant,?5) dem als britiſchen Eonful das
ſelbſt wol eine genauere Kenntniß diefer Verhältnifſe zuzumuthen if,
im Jahr 1827 noch 130,000 Einwohner gehabt, find nad) verfelben
nur 15,000 übrig geblieben, und auch diefe find durch die Peſt de⸗
eimirt; nur dad Ankommen und Abgehen der Karavanen gibt dem.
Drte eine größere Beveutung, obwol diefe Capitale Armeniens eben
fo in Verfall gerathen ift, wie das ganze armenifche Land. IS
Eli Smith den Ort im 3. 1831 fah,30) waren die fonft gefühl
ten Bazare leer, ver Handel ganz gefunfen. Von der frühern chriſt⸗
lichen Population. waren ‚nur 120 armenifche ſchiematiſche und 48
papale unirte Bamilien in der Stadt zurüdgeblieben, und die Ic
teren erft von andern Orten hiehergezogen. Don den frühern 6000
Läden war die Hälfte noch geichloffen. Der Wirth, Zohrab, ein
unirter Armenter, war Handeldagent des englifchen Gonfuls in Tra⸗
pezunt; 2 ihrer Priefter waren in der Stadt, die einen Firman zur
Fortfegung des Ausbaues einer katholiſchen Kirche erwarteten, die
unter rufflfcher Oberhoheit zu gruͤnden geflattet war, die aber un
vollendet blieb, weil der armentfche Bifchof felbft mit zu den Ruflen
hinübergewandert, und noch fein neuer erwählt war. Der Dr
ſchien dem amerifanifchen Mifftonar fo herabgefunfen, daß er ihm
unter den gedrückten Umflänven nicht einmal zu einer paffenden
Miſſionsſtation geeignet ſchien, wozu er doch zur Zeit eines Wieder⸗
aufſchwunges feiner Population ſich ganz vorzüglich qualificiren würke.
E. Bore, der 7 Jahr fpäter als Eli Smith durch Arztes
rum??) fan, gibt es auch zu, daß die meiften armenifchen Yamilien
diefer Stadt den Ruſſen gefolgt feien, fo daß von 450 Familien nur
36 zurüdblieben; ganze Quartiere wären dadurch in Ruinen verfak
Ien und verdvet. Seit der Jeſuiten Miſſion daſelbſt, und ihrer
Verfolgung durch Türken fein die Katholiſch-unirten auf
durch die Moecoviten verfolgt, pie fie als politifche Conſpiratoren
verläumdeten, und durch Gelobeftechung ſich von den Türken einen
Firman verfihafften, der jeden Religions wechſel im Lande ver⸗
bot... Dennoch, verfichert Bore, feien vie Zuflände des Batholifde
unirten dafelbft beſſer, als die proteftantifchen Miffionare fle glau⸗
ben machen wollten. Zum Beweiſe führt ex eine möglichſt voll⸗
238) J. Brant l. C VI. p . 200. se) Eli Smith, Miss. LOS, P- Mil.
27) E. Bore, Corte. i IR,
Euphratſyſtem; Tatholifche Armenier, 643
tändige, bis in das Detail gehende Kifte ver Zahl ihrer Samilien
uf, deren Nichtigleit in Namen wie in Zahlen wir nicht zu ermit«
teln im Stande find. Hier ihr Hauptinhalt, ver, die ſtatiſtiſche
Wahrheit voraußfegenn, allerdings weite, dünne Zerſtreuung beur⸗
funden würde. In Arzerum 8) find 36 Fathol.-unirte Fa⸗
milten unter ver Zeitung des Priefters Silviani, die gegenwärtig eine
Rirche bauen, was felbft vie Iefuitenmifflon zu ihrer Zeit nicht er⸗
langen konnte. Rund umher wohnen Unirte: In der Ebene von
Arzerum zu Touandje find von 36 Familien, die mit den Ruffen
sogen, 3 zurüdgeblieben; in Ardzati von 110 nur 2; in Inne 18%,
mit einer Kirche und einem Prieſter. In Rabat find alle bis
auf 5 Familien emigrirt. In Norachem von Tortoum 37 ohne
Mriefler und Kirche.
In Gumiſhkhane find von 43 Familien nur 7 gebfleben;
Zrapezunt bat 70 Bamilten mit einer Kirche und 2 Prieftern.
Zu Artuin, wo fie mit großer Anftrengung eine Kirche bauen, 2500
Seelen. In Hordzril 21 Familien und 1 Kirche, in Arbanoutche
80 Fam. und 1 8.; in Satlel 70 Fam. und 1 8.; in Pephigour
20 Bam., in Devlet 8, in Mamanelis 5, in Tonvzout 10, ohne
Kirdye und Priefter. In der Provinz Kiefim find 5 Dörfer mit
3000 Katholifch-unirten, mit Kirche und Priefter. In Kars find
7 Fam. und nahe dabei im alten Shiragh mehrere verlaffene Fa⸗
milten. Im Diftriet Alaſhgerd (f. 06. 351) 3 katholiſche Dor⸗
fer mit 2000 Familien und 1 Kirche. In Bedlis 1 Familie, die
aber aus 50 Perfonen befteht, wo es immer an 400 Katholifche
unirte geben fol, vie ald Handelsleute dort paffiren oder ihren Han«
velögefchäfien nachgehen. Der dortige Priefter, Gregor Khoroian,
fol in ver legtern Zeit mit Gewalt von ben fchlömatifchen Arme
niern in ihr Klofter St. Barabied abgeführt worden fein, um ihn
durch tägliche am Morgen und Abend wiederholte Baftonnave zur
Entfagung der Unton zu bringen, wobei er aber unter gewaltigen
Dualen flanphaft blieb, bis er durch einen Kurdenchef von den Bar-
baren befreit wurde.
In Mufh werden noch 7 Familien angegeben, zu Oghounk,
nahe dabei, 18; dad Dorf Nordachan, auf ruſſiſchem Gebiete liegend,
iR ganz katholiſch⸗ unirt. Zu Akhaltzike, der neuen Feſte, ſoll es
4000 katholiſche Armenier geben, und in der Umgegend 1400, mit
2 Kirchen u. 5 Prieftern. Zu Akhirkaleh 1000 mit 3 Prieſtern;
se) E. Boré Corresp. 1. p- 398. ein
644 Wefl:Afien, TI. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.36,
zu Loron 500 mit 3, zu Karaeflifie 30 Familien mit 2 Prieftern. .
In Keftarlon 50 Famil. mit 1 Kirche und 1 Prieſter. Nahe dabei
3 Dörfer mit etwa 1000 Seelen. Zu :iflis 60 Fatholifch = unirte
Familien unter der Sorge ver Pater Kapuziner. Dieſer großen
Zahl ift freilich wol eine ganz andre Serljorge als vie bisherige 9)
Bedürfniß: denn fle find ohne Schulen und der katholiſche Kies
rus felbft iſt daſelbſt höchſt unwiſſend. Die Ruffen nennt E.Bore
ihre Todfeinde, welche alles batan feßen, um die auögewanberten
Katholiſch- unirten zu Unirten ver griechifcher Kirche zu ma⸗
hen, und deshalb dem Priefter den Unterricht verbieten, Eeinem
fremden katholiſchen Prieſter ven Zutritt auf ruſſiſch⸗ar⸗
meniſches Gebiet U) geflatten (|. ob. ©. 352). Da es ihnen dem⸗
nach an katholiſchen Bifchdfen fehlt, fo Fännen nach vem Tode ver
vorhandenen die Gemeinden Feine neuen erhalten, und bie Heerden
bleiben ohne Hirten, ein beklagenswerther Zuftand, ber fie dann frei⸗
Ich zur ſchiomatiſchen armeniſchen Kirche zurückführen oder mit der
griechifchen uniren wird. “
Der große Einfluß des rufflichen. Gouvernements auf Die Kas
tholiſch⸗ unirten gebt Hieraus von ſelbſt hervor; eben fo fehlt er
nicht bei der nationalearmenifchen Kirche. Unter Perfern und Tür
fen war die Würde ded Kutholifos von Etſhmiadzin, wie
Alles, verkäuflich, wodurch Simonie erzeugt wurde. Gegenwärtig
iſt dies nicht der Fall, dagegen iſt die wirfliche Befeßung von ver
Betätigung ded Czar, als unumſchränktes geiftliches Oberhaupt fels
ned Reiches, abhängig. Nach vem Tode des Katholikos werden vie
15 feinem Sige zugehörigen Prälaten aus Berfien, Rußlınd und
den übrigen Reichen zur Synode berufen, fo wie die Großen ber
armenifyen Netion, die Iſbekans, und die Deputirten der Corpora⸗
tionen, um die neue Wahl zu vollziehen. Die erfte Wahl fällt auf 4,
die zweite auf 2 von biefen Ganpivaten, zwifhen denen zuletzt das
8008 entjcheivet, worauf dann die kaiſerliche Betätigung erft erfol⸗
gen muß. Dadurch, fagt E. Bord, ſei diefelbe Kirche, welche daß
— Eupremat des Pabſtes perhorreöcirte, der fpirituellen Dependenz
eines Militärchefs unterworfen; doch ift hiermit fein Eingriff in die
Berfafjung ihrer Kirche verbunden. Die auf ruffliches Gebiet über-
gewanderten unixten Armenier nennt ihr frangdfifcher Wortführer
getaͤuſcht, weil fie nad) ein paar Generationen als foldye ausſterben
220) R. Boré, Corresp. I. c. p. 401. 0) Gbendaf. a. a. D.
I. p. 401, IL p. 85.
BEE
Eupbratfuftem; Quellarme, Murad, Frat. 645
nrörßten. Die ſchismatiſchen Armenier auf ruſſiſchem Gehtet ſeien
angefehen, reich, fländen in Staatswürden, verfolgten Ihre katholiſchen
Glaubensbrüder; während fie z. B. in Gumri, d. i. Aleranpropol, ſich
eine flolze Kirche erbauten, müßten dieſe fich in ihren feuchten Eb⸗
chern, in denen fie ihren Gottespienft halten koͤnnten, begnügen.
Daſſelbe Schick al treffe noch in Georgien viele andere der Unirten, die
in obigen noch nicht angeführt waren, und deren Zahl. in Tatholifchen
Dörfern anf 4000 Seelen angegeben wird. Es iſt allervings zu
Hoffen, daß nach fo großen Wechſeln, die mit der in fo verſchiedne
Spaltungen geratinen armenifchen Kirche unter fo verſchledenen
politiſchen Wechſeln vorgegangen find, envlich auch auf pas wahre
Heil und den bürgerlichen Frieden viefed fo begabten Bol
kes von oben ber mohlwollenn, gerecht und foͤrdernd, erhebend ein⸗
gewirkt werde, da fie bisher nur, dem härteften Druck felbftfüchtiger
umdriftlicher Despoten und ihrer eignen eigennügigen, unmwifienten
Priefter Hingegeben, ein Spielball der Liſt und der Gewalten ges
blieben waren, und von biefen Sqlagen d des Schickſals die Narben
tief in ſich wagen.
$. 37.
Drittes Kapitel
Der obere Lauf des Euphrat, oder feiner beiden
Duellarme, des Murad und rat, bis zu ihrer
Vereinigung.
Nach ven frühern Unterfuchungen ſchon im Allgemeinen mit”
dem Urfprung der beiden großen Quellarme ded Euphrat,
des rechten und linken, befannt, über deren Herfommen ven als
ten wie den nenern Geographen manches Dunkel geblieben (f. ob.
©. 23, 71, 75, 76, 79—83, 85, 98—107, 335, 338, 385, 398),
die wir aber gegenwärtig ald Frat im Nordweſt und Murad
im ©. D., als Längenbegleiter des Binghol Tagh von DO,
gegen W., der zwiſchen beiden ‚gelegen fe durch Zuflüffe nach beiden
Getten nährt, mit Sicherheit unterfchelden, und deren Lauf wir auch
von den beiderſeitigen Quellen bis zu ihrem Vereine kartogra⸗
phiſch mit ziemlicher Beſtimmtheit verfolgen können, geben wir ſo⸗
gleich zur Darlegung ihrer fpeciellen DVerhältniffe über, wie fle vie
frühere Zeit nicht kannte, und auch auf der Karte nicht darzuſtellen
vermochte. Die wahre Wafferfcheide zwiſchen ee urn
!
646 WeftsAfien. III. Abtheilung. E Abſchnitt. $.37.
dem Araxes Haben wir ſchon genau Im fanften, relativ nur 800
Fuß hohen Bergrüden Deveh Boyanu und der Plateauhdhe
im Weit der Hochebene Paſin, zwilchen Arzerum und Gaflan
Kalch kennen lernen (f. ob. S. 388); ebenfo vie wahre Duelle
des Murad, des um einige 30 geographiiche Meilen weiter im
Dften entfpringenden linken Euphratarmes am hohen Ala Tag
(ſ. 06. S. 335), von ‚wo wir ebenfalld die Wafferfcheide zwi⸗
fhen Euphrat= und Araresfyftem, auf dem Wege von Diyas
din zum Gernawuk bis Bajazed Überfliegen, ohne, fo wenig wie '
am Deveh Boyunu, ein hohe Scheivegebirge zu finden (f. ob.
©. 337 u. f.). Beide Thäler der obern Stromläufe des Frat
wie des Murad, von ihren Quellen an, find auf der Plateau»
landſchaft Hocharmeniens relativ fehr Flache Thäler, gleich dem
bed Araxes, weil fie eben bier. Plateauftröme find, die beide
in ver Normaldirection der großen gegen Oft ſtreichen⸗
den Taurußfetten ihre fehr allmälige Senkung gegen W. ge
winnen. Sie fließen durch Längenthäler des nörvlichen Taurus
ſyſtems, bis fie, um ven Derein ihrer Waſſer erſt die Normal⸗
rihtung gegen Süben nach vielen kurzen Querdurchbrüchen und
Zickzackläufen plöglich ändernd, die großen Durchb rüche durch vie
fünlihen Taurusfetten in Quertbälern gewinnen (f. ob.
S. 73 u.f.), mit denen ihr Stromdharafter völlig fich ändert, und
von wo fie nach dem ebenen Mefopotamien übergeben.
1. Erläuterung.
Des Euphrats ſuͤdoͤſtlichſter Quellarm, der Murad (Morad).
1. Sein Quellland, vom Ala Dagh bis Uitfſhkiliſa.
Aus obigen Unterfuchungen wiſſen .wir, daß vieſer oͤſtlichſte
=
Sauptarm des Cuphrat in feinem obern Laufe nur allen dem Ze
nophon im Höhern Alterthume befannt war (f. ob. ©.23 u. 24),
und daß er erfl neuerlich (1809) dur I. Morter zuerft daſelbſt
wieber entdeckt, durch J. Brant bis an feine Außerfien Quellen
"am Norvoftabhange des Ala Dagh, bis Diyapin (f. ob. ©. 79),
genauer verfolgt warb; auch haben wir es ſehr wahrſcheinlich zu
machen gefucht,. daß fein nächfter, fünlicher Gauptzufluß, ver Kara
Su bei Mufb, ver Arsanias bei Plinius und Tarttus, und befe
fen mit dem Murad (Omiras bei Pliniud) weiter abwärts unten
halb Bal jun, Eupteat ſtebwender Hauptzufluß, ber Arsines des
Euphratſhſtem; Murad, oberer Lauf. 647
Procop geweſen ſei (f. ob. S. 98 und 99). Hieraus ergibt fi
unmittelbar, daß wir bei den Alten Feinen genauern Auffchluß über
das Stromgebiet diefed Murad finden Fönnen, und und Hinfichtlich
feiner Topographie nur allein an die jüngern NReifenden balten
müfm. Denn auch den größten orientalifchen Geographen, einem
Mafupdi,) Edriſi, Abulfeda, iſt er gänzlich unbekannt ges
blieben, welche nur deſſen nordweſtlichen Quellſtrom, den $rat, ans
führen; ſelbſt noch die türkifche @eographie, weldher v. Sammer‘2)
vorzugäweife folgte, Hat zu einer ganz verwirrten Vorftellung ver
Euphratquellen verleitet, in der vielfache Verwechslungen des Nord⸗
und Südarmes vorfamen, vie ſich aus Folgendem von ſelbſt berich⸗
tigen laffen. Des Reiſenden Otters Bericht, ver jedoch auch dem
türkischen Geographen folgt, fiimmt mehr mit der neuern Entdek⸗
Tung überein. Er nennt?) die zwei Quellſtröme Euphrat und
Murad. Diefer Murad, jagt er, habe au zwei Quellen;
vie eine im Berge Ala (Tihir Geduk ver rufflichen Berichte, f. ob.
©. 346, der Ala Dagh bei Brant), welche aus mehreren Stellen
der Erve hervorbreche und einen großen Fluß bilde (ganz überein⸗
ftimmend mit I. Brant, ſ. ob. ©. 335), ven man bei Tſcharmur
noch durchreiten koͤnne, wo er fich in 4 Arme theile, vielleicht wo
3. Brant ihn durchſetzte (ſ. a. a. O.), dann aber führe eine
Steinbrüde über ihn, Dſhudaminſhah genannt (von dieſer
Haben wir keine Nachricht, Daß fle noch beftche; fie müßte denn unter
Halb Diyadin zu fuchen fein). Die an dre Quelle veffelden Murapsg,
fagt der türkifche Geograph bei Dtter, entjpringe auf dem Mailack,
d. i. der Sommerflation, des Bingheul (Binghöl, d. 6. den
taufend Quellen, f. ob. ©. 345), von defien Süpoftgehänge
Der Fluß von Melezgherd oder Melazgherd zum Murad gegen
GSuͤd abfließe, der erfte Zufluß unterhalb der genannten Steinbrüde
Oſhudaminſhah. (Der Binghdl Fluß iſt e8, der ihm gegenüber im
Nordoſt zum Arares abfließt.) Diefer Fluß Melazgherd aber, ver
feinen Namen von einer früher befanntern Stadt, nahe an feinem
Einflus zum Murad gelegen, erhielt, vie jedoch in neuerer Zeit nur
Schulz (I. Erdk. IX. S. 989) und Jaubert“) berührt haben, iſt
*41) El Masudi, Hist, encycl. ed. A. Sprenger I. p. 245. Kdrisi
bei Jomard Il. p. 137; Abulfedae Tabul. de fluv. bei Wüsten-
feld p. 64. 22) v. Hammer, die aflat. Türkri. Wien. Jahrb.
1821. ®b. XIV. ©. 35. 22) Otter, Voyage en Turquie
etc. (1737) ed. Paris. 1748. 8. T. I. p. 108. etc. **) A. Jau-
bert, Voy. p. 131, 133.
“..
a Mr
* A
3 .
648 Weflslfien, M. Abtheilung, I. Abſchnitt: 1.37.
ber Kaleh Su oder ber Fluß von Khinis bei 3. Vraut eb
Pollington (f. 06. ©. 385. Uber verfchieden vom gleichnamigen,
nordoſtlich fließenden Kalch Su, der zum Araxesgebiete gehoͤrt,
f. 0. &. 387) nimmt der Murad, weiter gegen We ſtromend,
den Kara Eu (Schwarzwaffer) des Thales von Mufh auf, amd
ergießt fi, nachdem er an Gendſeh, Tſhaktſhur (Tſhabakiſhar
bei v. Hammer) und Palu vorübergegogen ift, bei Riſhwan im den
Frat oder Rordarm des Cuphrat. So weit die frühern fehr ung
seichenben Daten, denen wir die jüngfte Beobachtung als Ergänzung
folgen Iaffen, die Eeinedwegs und vollfommen befrienigen kann, aber
uns doch topographifch über den Lauf des Murad orientirt, deſſen
genauere Erforſchung in geographiſcher, naturhiftorifcher und anti⸗
quariſcher Hinficht fehr wunſchenswerth fein möchte.
Ueber diefe Quellen des Murad in Südweſt von Diyabkı
auf dem Ala, die nach Moriers früherer Angabe *) auch wei
von den dort Einheimifchen mit dem Namen rat belegt werben
foßen, if und aufer nem, was fihon oben (6.335) mitgetheilt iR,
nichts Näheres bekannt. Obwol auf ruſſiſchen Karten 46) in hen
felben Strecke oberhalb Diyadin beigefchrichen ſteht, Daß hier der
Cuphrat 4 Stunden weit einen unterirdiſchen Lauf habe: fo ziel
feln wir doch nad dem oben Geſagten (f. ob. &. 337, 336) en
der Richtigkeit viefer Bemerkung, zumal da wol dem I. Braut ,
auf feinem Marfche im Gebirgäthale des Stromes sutlang eine
ſolche Thatſache ſchwerlich hätte verborgen bleiben können. Au
von Diyadin (ſ. oben ©. 335) und von der Nordoſtwendung bei
Murad von ba gegen Nordweſt abwärts, 3 Wegflunden weit am
Slußufer Hin, wo Das Klofter Utſh Kilifa (d. i. drei Kirchen)
Sobannes des Täuferd oder Surp Ohannes, am obem
Murad (wicht am Urares, wie durch einen Schreibfehler ob. ©. 558
Beile 11 von unten angegeben If), ein beſuchter Pilgerort in ie
Ebene Alifägert an per großen Karawanenſtraße nad) Crzerum ge
legen ift, fo wie von dieſer nicht fo gar lange her noch von Armeniera
ſtark bevdlkerten und bebauten Ebene, die erfi Durch bie Kunnm
werdvet ward, und jetzt herumſtreifende Peziven und Zigeuner Sub»
bus herbergt, iſt oben (S. 351, 352, 355, 357) in fo weit Be.
- Rede geweien, ald und genauere Berichte darüber zugelommen finb.
**. ,Journ. Lond. 1812. 4. p. 809.
iat Armenien, als Ueberblick der
unter Boskmin-Gevanstn. München, —*
a.
® 4
“e) Georgien
s&bruntieuen
2088.
Euphratſyſtem; Murad; Duroperan. 649
Bir haben hinfichtlich des ganzen obern Muradthales oben wieder⸗
holt auf die große bisher unbeachtet gebliebene hiſtoriſche Wich⸗
tigkeit dieſes in ven letzten Jahrhunderten ſo verwilderten Ge⸗
birgothales, das einft bis Malazgherd (Meledgird, Menas⸗
gerd, Melezgherd) hin zu den altarmeniſchen Provinzen Du⸗
roperan und Pakre vant gehörte, wovon in ber älteſten Periode
das Land im Thale zu beiden Seiten des Muradfluſſes den Namen
Daron führte, aufmerkſam gemacht (ſ. ob. S. 327, 544, 552), wo
suerf das Chriſtenthum in Armenien Eingang fand, wo Tiringt
um Fußr des Nebadberges mit feinem Heere die Taufe empfing, mo
Gt. Bregor die Alteften Kirchen gründete, wo Mesrop, der Er⸗
finder der armenifchen Schrift, geboren und begraben warb, wo der
größte Annalift ver Urmenter, Moſes von Khorene, nur 2 Stunden
von, Muſh enıfernt, zu Khoren (Khorni) das Licht der Welt er
blickte (f. ob. S. 546), und wo die Heimat) Davids des Philoſo⸗
phen, des Ariftotelifchen Schülers, war (f. ob. S. 569).
Wir erinnern bier noch einmal Daran, wie militärifch wichtig
dieſes einzig von Süben, von dem Quellengebiete des Xigris ber,
für feindliche Heere gen Armenien zugängige Thal ſchon ven Ms
mern, nach Tacitus, erfchien (f. ob. S. 99), und wie eben dieſes
Grengverhältniß unftreitig die Urfache war, warum Tiridates
feinen treueſten Anhängern, ben tapfern Mamigoniern, jenes Da«
son im Muradthale als Erblehen zur Vertheidigung anvertraute,
als fie deſſen uns fonft unbekannte Urbemohner, die rebellifchen,
ven Perſern ergebenen Silgbunier (nah Mof. Khor. II. S. 97
von einem gewifien rohen Ahnherrn Slachus oder Slucus abſtam⸗
men») beflest hätten.
&s if} nicht unintereffant, bei diefer ſtrategiſch fo eigenthümlichen
Zuge uns Localbildung eines Hochgebirgihales am Eingang zu
Socharmonien daran zu erinnern, daß Tacitus chen dieſe Localitit
auf dem Durchmarſche dos Romerheeres unter Corbulo, norpwärte
von Tigranocerta 7) gegen Artarata Hin, mit dem fonft gang
umbelannt gebliebenen Namen Taurantium (over Tauranitium,
Tacitus Annal. XIV. 24) belegt, was genau dem dort feit öltefler
Zeit (fett Kifuchens Zeit, nah Mof. Khor. I. 5) einheimiſchen
Namen Daron entipricht, und nichts anders als „bad Land Des
Xaurus-Einganges nad Armenien zu bezeichnen fcheint, eine
wörtliche sebrtlije Ueberſehang nes Duroperan, der dortigen Provinz,
—8 nert, Geogr. d. Gr. und — zb. V. 2. &.228. Ren
Su D. Kunde des Morgenlanbet, B.1. 5. A.
650 WeflsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 37.
die aus 16 Diſtricten beftand, deren einer, ver wichtigfte im Eng⸗
thale des Murad, eben dieſes Daron war. Demnach würden -
wir zugleih bier an ver Wurzel der Bezeichnung des eigentlichen
Namens „Taurus“ der Alten (eine Verſtümmlung des einhei⸗
mifchen Daron) flehen, von deſſen weiten Verzweigungen nach vem
Sprachgebrauche der alten Claſſiker (f. Erdk. VIII. ©. 551 u. ff.)
ſchon anderwärtd umflänplicher die Nede war. Taurus oder Taur,
Zur, Tor (paher Giebel Tor, der Sinai mit der Adamepik auf
Geylon, der Tabor, Taurien u. a.) fol nach Castelli Lexie. L
©. 488 wirflih im Chalvälfchen, womit A. Saubert der Orientaliſt
übereinftimmt,*9) fo viel ald Berg heißen, wir koͤnnen alfo Hier mit
Necht geographifch wie Iinguiftifch an ver Wurzel viefer Be
nennung ftehen. Nach Indſhidſhean, Neuarmenien 192, follen no
heute die dortigen Ruinen Dachon von den Eingebormen, die
wir nicht näher kennen, nach ihrer verberbten Aueſprache die Ueber⸗
reſte des alten Daron bezeichnen.
Folgt man vom genannten Kloſter Utſh Kiliſa ven Baufı
des Murad gegen N.W. abwärts, jo hat man eine gute Tagreiſe
(24 Miu. Engl.) zurüdzulegen, bi man Kara Kilifa (Gchwar
kirche) erreiht. Eli Smith wie I. Brant Haben beide zu ver
ſchiedenen Jahrbzeiten, im April und September, in ven Jahren 1831
und 1838 denfelben Weg zurücdgelegt.
Eli Smith U hielt in Utſh Kiliſa, das er auch St. Gara⸗
bied (SanctusPraecursor) nennt, einen Rafttag; man zeigte ihm im
Klofter eine Reliquie, die man Johannes dem Täufer zufchrieb, veffen
Grabmal in Mufh fein und flarf bepilgert werben follte (wahr
fcheinlich das bei Mufh gelegne Klofter Surp Garabied oder Chan⸗
geri, auch Klag Dank genannt, f. ob. ©. 553). Er fand, wie pl
terbin Brant, in Kara Killfa eine im guten Styl gebaute maſſwe
Kirche, fehr alt, Doch gut erhalten, an ver Bafls eines iſollrten
Bergd, und von einer hoben Mauer umgeben, aber ſammt dem
Klofter im Innern ganz verarmt und leer. Un ver Außenſeite
iſt eine Art Karawanſerei angelehnt, in dem der wachhabende Dffi-
zier, ein roher Kurve, die Reiſenden flatt in ein Quartier in den
Stall verwies. Noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts fol bier
ein Katholitos der Armenier feine Meflvenz gehabt Haben, der ein
ververblicher Nebenbuhler feines Eollegen in Eiſhmiadzin war; 1831
war nicht einmal mehr ein Bifchof daſelbſt zurückgeblieben; C. Smith
349) A, Jaubert, Yoy. 2.9. *°) E. Smith, Miss, res. p- 417.
%
|
1
|
Euphratfoftem; Murad, Utſh Rilife. 651
nd nur 5 Vartabeds und einige Diaconen im ärmlichfien Zus
mde vor. Die Nuffen hatten ihnen Vieh und Leute entführt,
ich den Superior hatten fie gewaltfam zus Auswanderung ges
ungen, weil fonft die andern ihnen nicht gefolgt fein würben.
o gerieth das Klofter fammt feiner Schule ganz in Verfall.
Bei der Weiterreife vom Klofter, auf der großen Heerſtraße ge=
n Welt, paflite E. Smith nad einer halben Stunde eine Gtein-
üde über den Murad, blieb aber dann immer an deſſen rechtem
er nördlichen Ufer, wo er zahllofe Heerden wilder Enten 5!) und
änfe bemerkte, vie Hier wol auf ihrem Durchzuge fein mochten.
echts breitete fich nicht nur ein weites waldloſes, ſondern völ-
5 baumleeres 52) Weideland aus, bis an bie begrenzenven
erge; links ein Ähnliches; überall zogen fich. zur Seite, am
3. April, noch Schneefelver Hin. Man fah nur bie und da
rfallne Hütten, aller Anbau fehlte; in 2 oder. 3 noch bewohnten
drfern hauften Kurven, hier zumal im Sommer ald Räuber ge
schtet, wo ihre ſchwarzen Zelte, zerfireut auf ben «Höhen der Dais
8, ihnen mehr Schlupfwinfel gewähren, während fie in ihren
iinterbörfern leicht zu controlliven und zu beftzafen find. Mehreren
r Schäfer begegnete man bier mit ihren Heerden und mit frifchs
bornen Lämmern, vie fie, weil fle noch zu ſchwach zum Laufen
aren, .in ihrem Bufen trugen, ein Bild des Propheten, fagt ver
Kfftonar, im antifen Styl. Alle Heerden, ja jedes Stück Dich,
uß Hier im Lande der allgemeinen Raubſucht und Dieberei wegen
men Wächter haben, um vor Menfchen und Raubbeflien wie Hya⸗
n, Wölfen u. a., vie nicht meniger ald jene überall auf Beute
ıögeben, gefiyert zu fein; deshalb man auch des Nachts bie Heer⸗
a nie im Freien fchlafen laſſen ann. Diefe unermeßlichen
Beivelänner Armeniend und Kurdeſtans bieten durch ihre
chlreichen Heerden den Bewohnern das Hauptmittel des Erwerbes
ww, und verfehen faſt alle großen Märkte der Türfel, zumal aber
onftantinopel mit Schlachtvich, welche Gapitale nach Jaubert 8°)
lein von bier aus jährlich ihre anderthalb Millionen Schanfe
igetrieben erhalten fol. Diele von dieſen kommen freilich ſchon
ıf der Wanderung dahin um. Jede dieſer Heerven, 1500 bis 2000
tu, wird von ein paar Hirten geleitet, vie auf ven höhern Rücken
x Welvelänver, die großen Heerſtraßen vermeidend, gegen Welt
) R Smith, Miss, res. p. 428. 2) A, Jaubert, Voy. p. 19.
2) Bbend. ©
650 Wefi-Aſien. I. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 37.
die aus 16 Difteicten befand, deren einer, ver wichtigfte im Eng⸗
thale des Murad, eben dieſes Daron war. Demnach würden -
wir zugleih bier an ver Wurzel ver Bezeichnung des eigentlichen
Namens „Taurus” der Alten (eine Verflümmlung des einhei⸗
mifchen Daron) ſtehen, von deſſen weiten Berzweigungen nach dem
Sprachgebrauche der alten Claffiker (f. Erdk. VIH. ©. 551 u. ff.)
ſchon anvderwärtd umflänblicher die Rede war. Taurus oder Taur,
Tur, Tor (daher Giebel Tor, der Sinat mit der Adamepik auf
Geylon, der Tabor, Taurien u. a.) fol nach Castelli Lexie. L
S. 488 wirklich im Chalvälfchen, womit U. Jaubert der Orientallſt
übereinftimmt,9) fo viel al8 Berg heißen, wir Eönnen alfo hier mit
Recht geographifch wie linguiſtiſch an der Wurzel dieſer Be
nennung fliehen. Nach Indſhidſhean, Neuarmenien 192, follen noch
Heute die dortigen Ruinen Dachon von den @ingebornen, bie
wir nicht näher Eennen, nach ihrer verberbten Aus ſprache die Ueber⸗
reſte des alten Daron bezeichnen.
Folgt man vom genannten Kloſter Utſh Kilifa dem Zaufe
des Murad gegen N.W. abwärts, fo hat man eine gute Tagreiſe
(24 MU. Engl.) zurüdzulegen, big man Kara Kilifa (Schwarz
Tirche) erreicht. Eli Smith wie I. Brant haben beide zu ver
ſchiedenen Jahrszeiten, Im April und September, in ven Jahren 1831
und 1838 denjelben Weg zurüdgelegt.
Eli Smith 59) Hielt in Utſh Kiliſa, das er auch Gt. Gara⸗
bied (SanctusPraecursor) nennt, einen Rafttag; man zeigte ihm im
Klofter eine Reliquie, die man Iohanned dem Täufer zufchrieb, veffen
Orabmal in Mufh fein und flarf bepiigert werden follte (wahr⸗
ſcheinlich das bei Muſh gelegne Klofter Surp Garabied oder Chan⸗
geri, auch Klag Vank genannt, ſ. ob. ©. 553). Er fand, wie ſpa⸗
terhin Brant, in Kara Kiliſa eine im guten Styl gebaute maſſtve
Kirche, fehr alt, doch gut erhalten, an ver Bafls eines tfollrten
Bergs, und von einer hohen Mauer umgeben, aber fammt dem
Klofter im Innern ganz verarmt und leer. An der Außenfelte
iſt eine Art Karawanſerei angelehnt, in dem der wachhabende Dffl-
zier, ein voher Kurve, die Reiſenden flatt in ein Quartier in den
Stall verwied. No zu Anfang des 19. Jahrhunderts fol Hier
ein Katholikos der Armenier feine Meflvenz gehabt haben, der ein
vesverblicher Nebenbuhler feines Gollegen in Etſhmiadzin war; 1831
war nicht einmal mehr ein Bifchof daſelbſt zurüdgeblieben; C. Smith
>) A, Jaubert, Voy. 2.20. *°) E. Smith, Miss. res. p. 417.
—
Eupbratfoftem; Murad, Utſh Kiliſa. 651
and nur 5 Dartabens und einige Diaconen im ärmlichſten Zu⸗
Rande vor. Die Ruſſen batten ihnen Vieh und Leute entführt,
such den Superior batten fie gewaltfam zus Auswanderung ges
mungen, weil fonft die andern ihnen nicht gefolgt fein würben.
So gerieth dad Klofter jammt feiner Schule ganz In Verfall.
Be der Weiterrelſe vom Klofter, auf der großen Heerſtraße ge=
zen Weſt, paffirte E. Smith nach einer halben Stunde eine Stein-
brüde über ven Murad, blieb aber dann immer an beffen rechten
ober nördlichen Ufer, wo er zahllofe Heerden wilder Enten 51) und
Bänfe bemerkte, die Hier wol auf ihrem Durchzuge fein mochten.
Rechts breitete fich nicht nur ein weites waldloſes, fonvern völ«
lig baumleeres 2) Weldeland aus, bis an bie begrenzenden
Berge; Links ein Ähnliches; überall zogen ſich zur Seite, am
18. April, noch Schneefelver Hin. Man ſah nur bie und da
verfallne Hütten, aller Anbau fehlte; in 2 ober 3 noch bewohnten
Dörfern hauften Kurven, hier zumal im Sommer ald Räuber ge
fürchtet, wo ihre fchwarzen Zelte, zerfireut auf ven Höhen ver Dale
laks, ihnen mehr Schlupfwinfel gewähren, während fie in ihren
Binterbörfern leicht zu controlliven und zu beftrafen find. Mehreren
bes Schäfer begegnete man bier mit ihren Heerden und mit frifchs
gebornen Lämmern, vie fie, weil fie noch zu ſchwach zum Laufen
waren, .in ihrem Bufen trugen, ein Bild des Propheten, fagt der
Miffionar, im antiken Styl. Alle Heerden, ja jedes Stüd Dich,
muß hier im Lande der allgemeinen Raubſucht und Dieberei wegen
feinen Wächter haben, um vor Menfchen und Raubbeſtien wie Hyde
nen, Wölfen u. a., die nicht weniger als jene überall auf Beute
ausgehen, geflyert zu fein; deshalb man auch des Nachts Die Heer⸗
ben nie im Freien fchlafen laſſen Tann. Diefe unermeßlichen
Weideländer Armeniens und Kurdeftans bieten durch Ihre
zahlreichen Heerden ven Bewohnern dad Kauptmittel des Erwerbes
dar, und verfehen faft alle großen Märkte der Türke, zumal aber
Gonftantinopel mit Schlachtvieh, welche Capitale nach Jaubert 8°)
allein von hier aus jährlih ihre anderthalb Millionen Schaafe
zugeirieben erhalten fol. Diele von viefen kommen freilich ſchon
auf der Wanderung dahin um. Jede dieſer Heerden, 1500 bis 2000
Stud, wird von ein paar Hirten geleitet, die auf ven hoͤhern Nüden
ber Weideländer, die großen Heerſtraßen vermeidend, gegen Welt
ss) E. Smith, ins. res. p. 423, 63) A. Jaubert, Voy. p- 19.
2) Gbend. ©
be
- Xfhelebi im Dſhihannuma, nach Indſhidſheans Angabe,56) Hier au.
652 Weft:&ften. I. Abthellung. J. Abſchnitt. 8. 37.
ziehen, und an 17 his 18 Monate Zeit brauchen, ehe fie den Be
porus erreichen. Eben fo liefern fle in Kriegszeiten ven Armen
den Hauptproviant, und berfelbe erfahrene Beobachter verfichert, daß
ſelbſt in Syrien und Aegypten vie türfifchen Heere, bie mit ben
Franken in Krieg flanden, meift durch die Viehheerden dieſer kurdi⸗
fchen Htirtenflämme ernährt wurden. Aleppo, Damaskus, felbfl
Beirut, erhalten von bier aus regelmäßig ihr Hammelfleiſch
überall ift e8 dad Schaaf mit dem Fettſchwanz, dad nur ällein Ha
bis Trebiſond von Eli Smith gefehen wurde. Sein perfifcher Reife
Begleiter bis zu dieſem Hafenorte war verwundert, bort bie er ſten
Schaafe von der europälichen Art ohne Fettſchwänze zu fehen, fo
wenig kommen diefe im Orient vor. Durch dieſes Heerden⸗ und
Hirten» Lehen hat fih auch der Hirtenhund 5*) hier zu einer ſch
großen Anzahl vermehrt; er ft von enormer Bröße, ungemein wih
- von Ausſehen, und faft eben fo wie der Wolf dem Reiſenden ge
fährlich.
J. Brant, der Mitte September denſelben Weg von uiſh⸗
nach Kara⸗Kiliſa zurücklegte, 55) fand alle Zwiſchendoͤrfer von
Terekehmes (ſ. oben & 352) bewohnt, bei denen zu verweilen
er nicht für ratbfam hielt. Vor Sonnenaufgang war, e& ſchon ſeht
alt; auf halben Wege erreichte er das Dorf Allegbur, wo er
einen Zufluß des Murad, von Norvoft herabkommend, paffiren mußt,
der bei dem Dorfe einmündet. Gier raftete eine große Karawane
son georgifchen Kaufleuten, die nach Tauris beflimm: waren, m
englifhe Fabrikate dahin zu führen. Ste waren die Nacht hindurch
marfchirt, weil ihre Dlaulthiertreiber Perfer waren, die den Rab |
marſch ſtets dem am Tage, felbft zur Winterzeit, vorziehen. Jenſei
des Dorfes macht der Muradſtrom eine Biegung; zu feinem Ufe |
binabfleigenn ſtieß man auf einen großen Trupp Reiterei von Re,
die einen Zug von Zibelli Kurden, aus 15 Zamilien mit SB
been, Kindern, Vieh und gelten beftehend, zum perflichen Gebet
edcortirte. Brants Weg ging immer auf der rechten Uferfelte ziel
ſchen hoben Gratebenen bin, denen gegenüber am linken Ufer der
Ort KRalafur lag. Dann bog fi ver Murad, der von Kyab
den Namen Tfharmur, d. i. dluß Mur, tragen fol, zur Linken in
384) Bli Smith, M.r. p.426. 55) J. Brane N Notes etc. Lc. Joum.
of the G. Soc. of London. X. P. 8. p. 428, vo, Yurfhinfiean,
Nen⸗Armenlen. Th. 1, Mir, 0. Riemann, -
S
\ ch BE Mu m pr m: 2C
Euphratſyſtem; Murad; Melazgherd. 653
Thale gegen Süd hinab, indeß an feiner rechten Uferfeite das hohe
Zafeland mit fruchtbarem Boden überfitegen werden mußte, an deſ⸗
fen Abfalle zum Strome die Dörfer Ziro und Dunyapli paflırt
wurben, die auch von Terekemehs bewohnt find. Bel Iegtekn endete
dad hohe Tafelſand durch einen plöglichen Abfturz, ven ein paar
rechte Zubäche (einer davon wol der von E. Smith genannte
Kortfbat) zum Murad umfließen. Bon bier aus erblidt man am
füplichen Horizont ven Sipan Dagh (f. 06. ©. 328), ver tief
herab mit Schnee bevedt war, und auch bie Orenzberge der Thal⸗
ebene gegen Norden trugen ſchon Ihren Schneeüberzug. Kurz dar⸗
auf wurde am Ende des Tafellandes das Ärmlihe Dorf Kara
Kiltfa erreicht, dad nach den fchwarzen Mauern einer verfallenen
Kirche feinen Namen erhalten haben fol. E. Smith”) fand dort
nur Perfer, moslemiſche Shilten, als Bewohner, vie bei der Erobes
rung Grivand von da vor den Ruſſen entflohen waren; darunter
nur ein armenifcher Wirth, ver ihm beherbergte, der ganze Ort in
größter Armuth, und bie ganze Gegend feit dem legten Durchzuge
ber Rufien von Erzerum bis Bayazen voll Hungersnoth.
Eieben Jahre fpäter, bei 3. Brants Durdyzuge, hatten fi ſchon
wieder 35 armenifche Familien hier eingefunven.
Bon hieran wendet fi) ver Muradtſhai nun für immer, und
plöglich einen verengteren Thaldurchbruch bildend, gegen S. W.
zum Thale von Melazgherd, wohin er feinen Ausgang erft durch
eine Maſſe damald, Ende April, noch weißbeſchneiter Berge
findet. Die hohe Tafelfläche, welche fein rechtes Ufer bisher ⸗bio
zur Wenpung begleitete, ſandte an derfelben noch ein halbes Dutzend
vom Schneewaffer angeihwollener Bache zu ihm, die in diefer Jahrs⸗
zeit gefahrvoll zu durchſehen waren; dann aber zieht fle fich eben⸗
falls, wie der Strom, ſüdweſtwärts, und bleibt deſſen Begleis
ter, da fle eigentlich die Fortſetzung des Höhenzuges vom
Ararat und Ala Tagh (f. ob. S. 382, 383, 470, 483) iſt, melcher
fih weſtwärts an ben hohen Binghol Tag (I. of. ©. 386) an=
fchließt, und ald erhabne Wafjerfcheide 59) zwiſchen Frat und
Murad (Capotes der Alten, f. of. ©. 81, jegt Dujit Tag
nach DBrant) gegen Südweſt bis zur Bereinigung beivep Euphrat⸗
arme fortſtreicht.
Bon einer begangenen Karamwanenftraße, die tiefer Wendung
des Stromthales gegen S. W. nach Melazgherd folgte, it ung kaum
7) E. Smith L c. p. 420. 6) Ebend. ©. 428
654° WeftsAften, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. g. 37.
etwas bekannt, dagegen iſt die große Hauptfiraße zwiſchen
Tauris uud Erzerum berühmt, welche aber bei Kara Kilifa das
Murad⸗Thal verläßt, und, wie wir fchon früher anführten,
über Topra kaleh und ven Ruffabag- Paß nah Deli Baba
(ſ. db. S. 401) durch die Landſchaft Paſin nah Haſſan kalah
(ſ. ob. S. 388) zurückkehrt. Hier alſo wird der Ort ſein, wo wir
über dieſe Route gegen N. W. und orientiren, ehe wir den Lauf des
Murad felbft gegen S. W. weiter begleiten.
Die große Karawanenroute aud dem Muradthale
von Kara Kiliſa gegen N.W. nach Erzerum zum
Fratthale.
Dieſe muß aus dem Muradthal ven in N. W. vorüberge
henden Höhenzug überfteigen, ver bier zunächft aber nur eine God
plaine bilvet, die, als E. Smith fie am 19. April überfchritt, ned
mit 2 Fuß hohem Schnee bedeckt war, deſſen ſchmelzender Zuftand
eine höchſt befchwerliche Paſſage verurfachte und viele reißende Berg
wafler bildete. Der Weg felbft war nur zu einem ganz eng hin
durchziehenden audgetretenen und von vereif'tem Schnee gebilveten
erhöhten Fußpfade zufammengezogen, ber ein befländiges Stolpern
und Fallen der Laftihiere und Reitpferve veranlaßte, bio man To⸗
prafaleh nabe Fam.
Diefer Ort wird noch zumellen von ben Armeniern mit feinem
antifen Diftrietönamen Vagharſhagerd 59) genannt, dem ber
Difriet von Bafrevant benachbart Tiegt. Die Moslemen nennen
ihn Alaſhgerd (Ariſhkerd bei I. Brant), aber die gewöhn⸗
liche Benennung iſt von dem feftlen Schloß Toprakaleh auf dem
Agri Dagh bergenommen, das für uneinnehmbar (f. ch. S. 349)
gehalten wird, und ber Karamanenflraße gegen Norven etwas zur
Seite auf ver Anhöhe Liegen bleibt, indeß der Flecken an ihrem Fuße
paffirt wird. Diefes Toprafaleh iſt ver Hauptort des Bauch,
und war 1838 ©) die Meflvenz ded Beg, Sohns von Behlul Bas
ſcha (j. oben S. 341). Nur eine flarke Meile weiter gegen We
liegt das Dorf Molla Suleiman, dad 7 Stunden, eine Kara
wanenftation, von Utſh Kilifa entfernt liegt. Diefe Straße wird
fehr häufig von großen Karamwanen durchzogen; Brant begegaeie
hier einem Zuge von 1500 Saumthieren mit europaͤlſchen Waaten
ss) St, Martin, Mm. sur l’Arm. I. p.124; Eli Smith, Mian, ron
p: 428. ‘s) J. Braxt \. Q »
Euphratſhſtem; Murad, Toprakaleh Strafe, 655
für Perften beladen. Der Weg gebt an einem Zuflufie, vem She⸗
riyan Su (Sherrian bei Indſhidſhean), aufwärts, der, vom She»
riyan Tagh kommend, gegen S.D. zwiſchen nievern Plateauhd⸗
hen herabfließt, und noch oberhalb des vorhergenannten Mu rad⸗
Durchbruches fich zu deſſen Strome einmündet. Die ganze Thals
ebene von Alaſhgerd (f. oben ©. 345) reicht noch weiter gegen
Weſt über Topra kaleh hinaus, und wird von Brant auf eine Ränge
von 8 und eine Breite von 3 bis 3% deutfchen Meilen gefchäht; ‘der Vo⸗
den ift nach ihm fehr fruchtbar, trefflich bemäfirrt, und etwa mit 30
Dörfern bejegt, davon jedoch nur 3 armenifche Bewohner haben;
Kara Kilifa und Molla Suleiman nehmen fie ausschließlich
ein, von ben 200 Häufern Topra kaleh's ift über die Hälfte von
Armeniern bewohnt. Alle übrigen Ortfchaften hatten zu Brants
Zeit nur Terekemehs und Kurden zu Bewohnern Molla Su-
leiman hat nur 35 Familien, alle andern Dörfer find Eleiner, und
der Schöne Bau Fönnte ſehr wohl die doppelte Population ernähren.
Bon Mulla Suleiman beginnt erfi die Gebirgspaſſage
fiber die erhabene Waſſevſche ide höhe zwiichen bem obern Mu⸗
rad und obern Arared, die dort unter dem Namen des Kuffa=
dagh bekannt ift, und ven Bau Alaſhgerd vom Pafin- Gau
ſcheidet. Sie ift fo befchwerlich, daß feine Araba (Zweiräderkarren,
f. oben ©. 386) fle paffiren kann. Zwei verſchiedene Päſſe füh-
sen ©) hinüber. Der eine durch dad Dorf Dahar, ver vorzuge«
weile von den Karawanen befucht iſt, wie von einzelnen Reifenven,
weil er im Winter wie im Sonmer gangbar if. Der andere
windet fich unter dem hohen Kuſſadagh (Koſeh Tag b. Brant,
wel richtiger Kuſſeh Dagh nah A. Jaubert, &) vd. 5. Berg
ohne Bart, d. i. waldlofer Kegel; Kus Dag im Dſhihan⸗
auma, fonft auch Djedek genannt) hin, unter deſſen Pik am Buße
das Dorf Mulla Suleiman liegt; aber diefer Weg wird felbft im
Sommer nur felten von NReifenden genommen, aber nie von Kara⸗
wanen, Weil er im Winter ganz mit Schnee verrennt und auch im
Sommer bejchwerlicher if. Doch ift er der Fürzefte, und darum
wurve er von I. Brant in der noch guten Jahreszeit vorgezogen.
Der Eonful begann von Mulla Sulciman um 6 Uhr das Auf
fligen, dicht unter dem nadten Kegel bin, vefien Geſtalt der des
Ararat verglien wird. Da feine Balls fchon jeher Hoch Tiegt, ſo
ericheint er relativ niebrig, zeigt aber, vom Sipan Dagh aus geſe⸗
°ı) J. Brant l. c. p.428. 22) A, Jaubert, Voy. p. IR.
656 Weft:N fin, Un Abtheilung. 1. Abfchmikt: 4. 37.
den, daß er gegen 8500 bis 9000 Buß abfolute Höhe erreichen mag.
Der Schnee bleibt jedoch Im Sommer nicht auf ihm. Ilegen, und
am, 17. September war er auch von friſchgefallenem noch gang fee.
‚Höher auf wurde ein Bergthal Chat Derehfi mit einigen Dorfe
rulnen pafit, von benen man aber nur noch Steinhaufen Kemerig
zwiſchen zufammenlaufenden Bergicluchten, welche ver Gammelplag
kurdiſcher Raubhorven vor dem Jahre 1833 waren. Seit dieſer Zeit
wurden fie beffer in Zucht gehalten. Bon Chat bat: man vew
neuem emporzufteigen in enger Schlucht an einem Bergflrome, defe
fen Ufer mit Unterholz dicht bepagjfen find, bis man die Gul-
mination des Paffes, eine ganz nadte Höhe, erreicht, von wel⸗
get dad Abſteigen beginnt, durch ſhne Welvethäler, voch ohr⸗
Dörfer. Dieſe, vermuihet Brant, winden ſich wahrſcheinlich zur
Station Deli Baba; er ſelbſt aber verließ fie, um einem directern
Wege über einen zweiten Bergrüden zu folgen, auf deſſen Hg
ein Kurdendorf, Haji Khalil, paffirt wurde, che man wieder zum
Hinabfleigen zu dem Dorfe Deli Baba gelangte, das erſt um
3 Uhr Nachmittags nad) 9 Stunden Marſches erreicht warb; ned
Schyigung eine Diftanz von 54 geogr. Meilen (26— 28 Mil engl).
Die Bagage konnte erſt 2 Stunden fpäter denfelben Marſch vollenden
* Deli Baba ®) hat nur 35 armeniſche Familien zu Vewoh⸗
nem, die ftarfen Aderbau trieben, aber unter fo großem Drud flan-
den, daß / ſie es beflagten, nicht mit den Ruffen nach Georgien ae
gewandert zu fein. Der Grundherr des Dorfes, ein Officer der
Sipahis in Erzerum, erhielt ald Abgabe 100 Somar Waizen (=
4100 Bufpel), die &. Smith Im Werthbetrag zu 80 bis 85 Pf
Sterling anfdlägt. Der Arared fließt nur 2 Stunden im Nordes
des Dorfes vorüber, daß feinen Namen Deli Baba (vd. I ver
rückter Baba oder Vater) wahrſcheinlich von einem Heilig ger
Haltenen Türfengrabe erhalten hat. Das Dorf liegt ſchon in Ba,
nur wenige Stunden fern von Khorajan (fr ob. ©. 405) und der
Tagereiſe fern von Haflanfalah (f. ob. S. 391). €. Sufls, ver
zu Mulla Suleiman in ver naßkalten Jahreszeit bei zwei mens
niſchen Matronen zwar eine freundliche Aufnahme, aber doch nur
Schmug und Armuth fand, und nur in einem Gtale mit 40 Mb ,
hen fein Nachtquartier angewieſen erhalten Eonnte, folgte ber Kin
gern, aber minder ſteilen @ebirgöpafiage über Daher, %)- diem
ses) J. Brant U. c. · AR, **) Eli Smith, Missionary reseas-
es P« 433.
Enpbratfgft.; oberer Murad; Toprakaleh⸗Straße. 657
fo wie frühe I. Morier, 65) deſſen Beſchreibung viefer ſehr ma-
Terifchen und romantifchen Paffage auf das erfreulichfte mit der von
Smith übereinftimmt. Er fand am 20. April jedoch auch da el⸗
nen hoͤchſt beſchwerlichen Schneeberg unter Sturm und Hagel,
durch Did und Dünn von Schlamm und Schneewegen, und nicht
ohne Befahr zu überfleigen, worauf 6 Stunden: bis zur Erreichung
des Dorfes zu verwenden waren, doch olme bie Bagage: benn bie
Maulthiertreiber konnten erfi um 9 Uhr Abends Ihe Quartier er-
reichen. : Nur während einen ober Höchftene 2 Monaten im Jahre
fol bier ver Schnee ganz wegfchmelgen; ven übrigen Iahrestheil
bleibt auch dieſe Paſſage imnier ſurchtbar durch die vielen Riffe und
Abſtüͤrze, vie ihr deshalb den omindfen Namen Geduk⸗Dagh
( d. i. der gefpaltene Berg) gegeben haben. Ein großer Theil
der Bagage, die man hatte im Schnee ſtecken laſſen müſſen, nöthigte
zu einem Raſttage in Dahar, auch hatte ſich ein Laftpferb unter
mwegd auf der Stelle todt geftürzt, und dies mußte erfegt werben.
Der Wirth, ver Aga (d. 1. Dorfichulz), war ein hoͤchſt habgieriger
Kurbe; nur gefäuerte Milch (Dughurt), mit Wafler gemifcht und
mit Brotfrumen, war die einzige Speife, vie er vorzufegen hatte.
Auch A. Jaubert fand bei, feiner Paffage über dieſen Paß, ven
er Djedek (d. i. Gedük) nennt, freilid mitten im Winter, am
13. Februar 1806 , große Noth; ©) es war fehr kalt, alles mit
Schnee bedeckt, und in den Schluchten lagen die Kabaver- einer vor
wenigen Tagen von. einem Orkan überfallenen und im Schnee er⸗
feornen Karawane. Auf vemfelben Paß, den wol einft Zenopheon
mit feinen zehntaufend Griechen überftieg, als er in das Land ber
Bhafianen eindrang (Xenoph. Anab. lib. IV. 6, 5), mußte fich
auch er, wie jener, die Augen mit ſchwarzen Schleiern gegen bie
Schneeblendung verhüllen. Derſelbe Paß ift bis heute Grenzgebirg
verſchiedener Völker und Territorien geblieben.
Bei viefem Dahar Hatte Schulz noch eine prachtvolle
Keilinſcherift, die weftlichfle von allen, bie er aufgefunden, ent»
det (f. Erdt. TH. IX. S. 989, obmol keineswegs die abfolut weſt⸗
Hichfte, |. ebd. S. 309, 990), und hier im legten weſtlichſten Dorfe,
das zum Paſchalik Bayazen gehört, ſah E. Smith die Iegten
Kurden, und von ba an über Erzerum bis Trapezunt Feine mehr.
SWie wenig verſchieden die Zuſtände der Gultur feit jener antiken
Perſerzeit 518 Heute in dieſem Gebirgölocale! Weiter weſtwärtte
°s) J. Morier, Journ. I. c. p:315. °*) A Jaubert, Voy. 9.0.
Nitter Grhfunde. X. xt
=
658 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung, I, Abſchain. 4.3.
kann das eigentliche Land der Kurden nicht ausgedehnt werden,
ohwol fie fi) von da an auch ſchon weiter nordwärts Uber Kart
bis Akhalzike in neueren Zeiten durch einzelne Ueberfälle verbreitet
Gaben. Aber weber ihr Land ned ihre Sprache reicht weſt⸗
wärts über.diefe Berge hinaus. Die moslemiſche Popula⸗
tion, von hier an ofmärts, unterſcheidet ſich doch eben fo ſehr im
Sitte, Character und Sprache von den Kurven, wie die der Türken
| von denen der Klein-Afiaten. Ale Kurden fpredien
türfifch und. meift auch armeniſch; doch vie kurdiſche Sprache
iſt bier auch bei ven Modlemen ganz allgemein geworben, und felbfl
hei den dort wohnenden Ebriften. Der weftlihfle Kurdengau
iſt das Sandſhak Mufh, das noch zum türkiſchen Kurdi⸗
fan gehört, welches in 8 Sandſhake zerfällt (in Bayazed,
Muſh, Ban, Iulamerf, Amadia, Sulimaniceh, Kara⸗
tſholan und Zafu). 97) Ueberall in Horden und Xribus ge
teilt, fich keineswegs als türkifche Untertbanen betrachtend, haben
fie werer ven Cabuc (d. 1. den Turban), noch das ottomani⸗
ſche Kleid als Tracht angenommen, und behalten ihre erblidgen
Arikofratien bei, aus benen fie dem Gouvernement ihre Pa⸗
ſchas und Begs zur Einfegung vorfehlagen. Bis an biefe Bremge
zeicht ihr. Nomaden⸗ und ‚Hirtenleben, mie ihre Hoſpitalität und Ihe
ewige Raäuberei, durch welche alle ihre Bauen fo unflcher und ge
fahrvoll zu bereiien find. Nur erft in neueren Beiten haben fie
einzelne ihrer .Raubparteien auch noch weiter gegen ven Welten
vozgeichoben, wo vordem Turfomannen aueſchließlich die
Weagelagerer und Nomadenhirten waren.
Erſt am dritten Tage konnte Eli Smith von Dabar®)
aus feinen Weg gen Erzerum fostfeken, ber ihn nach 4 Stuben
—* zur Station Deli Baba führe. Der Weg ging ww
abwärts von ver Berghöhe, und fehr fehnell war ver Uebergang
and ver Falten Winterregion in den lieblichen Frühling,
der fich in dem Paſin⸗Gau, welcher nun betreten wume, fihen
verbreitete. I. Morier traf bei feinem Uebergange am 13. Juni
hier den erſten Brühlingsanfang, der ſich ihm durch das junge
Layb einzelner Weidenbäume und Platanen kund Ahakı : &8
ging nun an einem Bergabfalle mit einem wilden Stutzbachs syn
über, und dann durch einen Engpaß, Kara derbend, u 4 vu
Ihwarze Thor, genannt, zwiſchen enormen ſenkrechten Seiutiigieek
»*7) A, Jaubert, Voy. 2.7. °*) E. Smith,’ Mine. zen DAR
Euphratföftem; Muradlauf bis Muſh. 699
hindurch, die wie Vorpoſten ven Eingang In das mehr ſanft wel
Lige Bafin mit fhwelligem GSügellande auf feiner Pla-
teauhdhe bezeichnen, wo überall pflugbares Land und fehr frucht⸗
barer Boden folgt, obwol er keineswegs überall bebaut wird. Daß
Darf Deli Baba blieb rechter Hand Tiegen, fo wie das große Dorf
Khoraſan am nördlichen Arareöufer, worauf, nah 9 Stunden
Weges von Dahar, das Nachtquartir m Ramatjor genommen
wurbe, von wo aus die große Karawanenſtraße über bie
Tſhoban koͤpri in 11 Wegſtunden Marſches nach Erzerum führt
di. eben ©. 394). |
Wir kehren nun zum Xhalgebiete des obern Murad zurüd.
2) Der Murapdlauf von Utfh Kilifa bis Muſſh.
Bon Utſh Kilifa, wo ver Murad nach Indſhioſhean die
erſte Brücke, aber nur von eimem Bogen bat, und von dem She⸗
riyan Tagh an gegen Süoweft, über Melazgherd bie Muſh,
breitet fich eine jener Landſchaften aus, die wir gegmmärtig noch
faR gänzlich zu der Terra incognita rechnen müſſen; wir wiffen faft
aut, daß der Murad dieſelbe durchzieht, aber auf welche Weiſe tft
und faſt ganz unbekannt; denn die kurdiſche Mäubergebiet hat fat
alle Reiſende von feinen Grenzen zurückgeſchreckt, große Handelsſtraßen
Zehen nicht hindurch, und einzelne Meifende können von Glück fa-
gen, wenn fie beim Durchfluge mit dem Leben over fonft ungepluͤn⸗
bert davon kommen. Don Beobachtung In einem foldyen Gebiete
faun daher gar nicht Die Meve fein. Wir haben nur Namen und
Bermuthungen anzuführen.
Die Entfernung vom Sheriyan Tagh bi6 Melazgherd
fihägt I. Brant auf 36 engl. Miles (7 bis 8 deutſche Mellen),
von da bis Khinis auf 24 (5 ventfche Meilen); ven Zwiſchen⸗
raum ließ er ſich als eine hochgelegene wellige Plateaufläche
befchreiben, 9) aber nur die Strede von Khinis nach Mufſh
am Kalah Su und von da am Kara Su aufwärts, von Muſh
nad Bitlis, ift von ihm bereifet worden; er lernte daher nur die
Seitenthaͤler keanen, das Hauptthal des Murad aber nicht.
Ben Mrof. Schulz, ver dieſt Gegenden durchforſcht zu haben
ſcheint (1827), da er nach Keilſchriften in Ghunus (Khinis It
J. Brant, ſ. ob. S. 386), in Muſb, Melazgherd und Bitlis
vergeblich fuchte, ©) aber Dagegen vergleichen zu Dahar, noͤrdlich und
es) J. Brant l. c. p. 427. Toy, veffen Memoise {m Journal
Asiat. 1840. p. 259. 2
. t
660 Weft-Afien. III. Abthetlung. I Abſchnitt. $.37.
nicht fehr fern von Melazgherd, fand (f. Erdk. IX. ©. 209 um
989), ift leider fein Tagebuch noch nicht dffentlich erfchienen, dab
dereinft wol viefe Lücke in geographiſcher Hinficht ausfüllen möchte.
Bor ihm hatte, fo viel wir wiflen, nur allein. JSaubert auf
feiner abenteuerlichen Erpebition nach Bayazed (f. oben S. 340),
mehrmals hin und zurüd, um auf feinen Wege vie Hauptfiraßen
au vermeiden, dieſes gefahrvolle Hochland im Norden von Muſh
quer durch von Wer nach Of, über Melazgherd, ——
und von der Vulkanität der dortigen Felamaſſen geſprochen; was
er darüber berichtet und mas ſonſt von dieſem Orte bekannt ward,
iſt fchon früher gelegentlich mitgetheilt (ſ. Erdk. Ih. IX. &. 993
und 994), fo wie feine Vermuthung über die Etymologie der Na
men des Omiras und Murad (f. pb. ©. 83). '
Seine Stationen auf dem Hinwege von Erzerum über Khinis
zum Murad, wo er die Brüde bei Melnzgherd paflixte (eb iA
die zweite‘, fie fol nach Indſhidſhean 7!) unterhalb ver Stabt
Melazgherd über ven Murad von Stein erbaut fein), um bann durch
das Defille Tachcoum (Taſhkent nach Monteith, f. Erdk. Th. X.
©. 994) In die Gewalt ver Heziven am Sipan⸗Dagh zu gelangen,
werden nur genannt. Auf dem eiligften Nüdwege aus Berfien im
Auguft des Jahres 1807, wo er vom Van⸗See aus faft niefelbe
Direction verfolgte, gibt er nur folgende Angaben mit wenigen Be
. merkungen. Bon Ardfiz am Van⸗See (ſ. ob. S. 322) ritt er am
erften Tage bis Horchum, im Defile Tachco um (ſprich Taſh⸗
tum) gelegen; am zweiten legte er von da vie Wegſtrecke bis zur
Brüde am Muradfluffe bei Melazgherd zurüd, und erreichte, noch
weiter dem Stromufer abwärts folgend, Sultanteh, 72) ein elen⸗
des Dorf, in einer Ebene gelegen. Bon einer Höhe herab erblicke
er einen weitziehenden Feuerſtrom, einen Wiefenbrand, ven die Kun
ven abfihtlid an den fchon dürren Kräutern angezünbet, um bee
durch den Boden zu Düngen.
Am dritten Tage fehte er über einen rechten Nebenfluß ne
Murad, den er Zuzla nennt, an deſſen Ufer eine Salzgrabe
fich befinvet, von der diefer ven Nanıen erhalten fol. Diefer Bar
fluß iſt noch nicht auf den Karten eingetragen, er muß abes mei
von. N. WB. herabkommen, und kann nicht ganz unbedentend fol,
ba er felbft im hohen Sommer nicht furthbar war, ſondern anf
a 11) Indſhldſhean, Neu⸗Arm., u. Betermanns Mſc. 2) A, Janbert,
Voy. p. 1. nn
%
Euphratfäftem; Muradlauf bis Muſh. 661
einem Flooße von Schläudyen überfegt werben mußte, das er un⸗
bequem und nur langfam hinüberbrachte; die Pferde ließ man neben
ber ſchwimmen. (Sollte dies vielleicht ver Avi Mafi, d. h. Fiſch⸗
fluß, fein, ver fo groß wie der Zab fein, und zwiſchen Shoſik
und Khamoor fließen, nahe dem Dan See entſpringen und in
den Murad, nahe Melasgherd, fich erhießen, wie von I. EI. Rich
erzählt wurde, und reich an Borellen fein ſoll)7)) Das Nachtquar⸗
tier ward in Kara tſchoban (Schwarzer Schäfer) genommen.
Am vierten Tage, ben 17. Auguft, wurde der Paß über ben
AL Dagh (Weißer Berg) zurüdgelegt, und das Nachtquartier
am obern Araxes im Dorfe Kulli genonmen. Dies ift iventifch
mit dem oben genannten Roili, 5,539 F. üb. d. M. gelegen (ſ. ob.
©. 387). Hier trifft alfo JSauberts Route mit I.Brants Route
von Erzerum, über Koili und Khinis, nah Muſh zufammen,
was biöher unbeachtet geblieben, aber topographifch Ichrreich für die
dortigen Gommunicationen If. Noch 3 Tagemärfche waren von da
an notbwendig, um Erzerum zu erreichen. Der erfle am 18. Aug.,
alfo in der günftigften Jahreszeit, führte nach Tatu (? mol auf
einem nähern Wege als über Eipler); ver 19. Aug. über den Gipfel
Bi hohen Tel Dagh (ein Name, ven auch ſchon Kinneir 1814
bei feiner Paſſage?*) hier nennen hörte), von welchem herab ver
Blick über alles Land bis zum Ban See, und gegen SW. fogar.
bis zu den Ebenen von Diyarbefr reichen fol; ein Panorama das
Jaubert für viel Impofanter ausgibt, als alle Umfichte in den Alpen,
Borenäen, Apenninen und auf dem Hämus. Rings unıher waren
noch viele der niebriger ald der Tek liegenden weitverbreiteten Höhen
mit Schneefelvern überzogen, in denen ver Araxes, vie beiden
Euphrate und ver Tigris ihre Ouellen haben. Bon Melaz-
gherd an bis hieher, fagt Jaubert, reichte jened mühfam zu über-
fleigende gewaltige Plateauland, von dem er nur hinabzu⸗
eigen hatte in vie Ebene von Erzerum, dad er am GSchluffe
ves dritten Tages nach einem fehr ſtarken Marfche höchſt er-
mũdet erreichte. Der große Schneereihthum gibt diefen Gegen⸗
den auch Wafferreihthum, ver bei dem fpäten Schmelzen bes
Schnees in diefen Begenven, felten vor Mitte des Aprils,75) der Soms
merhige ungeachtet, dad Land trefflich durchwäſſern und befruchten
’®) 3. Cl. Rich, Narrative L c. I. App 3 - 377. 70) J. Macd.
j , Journey treugh Asia minor. Lond, 1818. p. 3.
’e A. Jaubert, Voy. p. 128,
662 Weftsfien. TIL. Abtheilung. E Abſchaut. $.37.
kann. Zuweilen bedecken ſich andh mitten Im Sommer bie Tälteen
Höhen noch mit neuem Schnee, wie denn Jaubert noch am 27.
Inni in Erzerum ſchneien fah. Auf vielen Höhen bleibt der Schue
faft dad ganze Jahr Tiegen.
Das Pafhalit Mufh na ruſſiſchen Beriöten.
Bet folcher Sparfamkeit von genauern Beobachtungen über
das antife Daron und die ganze zugehörige Landſchaft, die gegen⸗
wärtig zu dem Paſchalik Mufh gerechnet wird, müſſen wir uns,
außer ven weiter unten mitzuthellenden Routiers ber Briten,
mit dem ſtatiſtiſchen Berichte über dieſes Paſchalik begnügen,
welcher den Erkunbigungen der Ruſſen während ihres letzten
Feldzuges verdankt wird, deren Routiers nach Muſh fchon früher
mitgetheilt find (f. 06. &. 355). Als file Herren von Bayazed und
Erzerum geworden waren, fand ihnen auch ver Weg nah Muſh
offen. Die Einwohner des Bergortes Khinis Überbrachten ihnen
fogar freiwillig die Schlüffel zu Ihrem Caftell und baten zugleich
um Schonung und Schuß gegen bie Kurden.) Da auf fenen
Bergrüden das trefflichfte Pferdefutter und ein Ueberfinß von Pfer⸗
den if, fo war den Ruſſen diefer Befitz von Wichtigkeit; vie Bage
von Khinis auf der Straße nah Muſh bot ihnen Gelegenhen
auch deſſen Pafcha in Ihr Intereffe zu ziehen, doch hiel ten bie be⸗
ſchleunigten Friedenstractaten vie Ruffen für diesmal noch von einen
förmlichen Befuche im dortigen Muradthale ab, wohin nur eingefme
Gtreifcorps vorbrangen, die aber nicht plünverten, fondern des fe
zahlten, um fich dort einen belichten Namen zu verfchaffen. -
Das Paſchalik Muſh“) grenzt gegen Oft an bie Pfeil
Ban, gegen N. an Bayazed, gegen W. an Erzerum, gegm
S.an Diarbekr. Der Paſcha, meiſt vom kurdiſchen Stauue,
aus erblicher Familie, iſt bald Ban, bald Erzerum untergeäee,
aber meiſt independent durch feine Lage. Drei ziemlich
Diſtricte oder Kreiſe nehmen das Paſchallk ein: Muſh, 2
und Suſſan. Die Gebitge Binghol und Keffir Dagh
KuffenY begrenzen ven Kreis Muſh; ein ſchneebedecktes
Birg, Über weldies nur 4 Fußpfade führen, vurchſchneidet Wr’ dis
dern Diftricte, deren Lage uns nicht näher bezeichtiet intth. Fr „er
Der bei Diadin entfpringenne Rurad, bei”
auch Afharmur, d. i. Fluß Mur, ober Chamnr want;
— — — ⸗n 411
u v. afaetof! Geſth. der des Beuscaf Yesktuiißire: .
©, 163 m, Shen LO -MB furı .A ig D
-
Enphratſhftem; Muradlauf bis Muſh. 008
ans 4 großen Quellen hervortreten läßt, die fich auf ver Ebene von
Bayazed, nah dem Gihannuma, auf 4 Stunden verlieren ſollen,
biſdet nach langem Laufe durch das ganze Paſchalik an deſſen Weſt⸗
grenze bei dem Dorfe Gurgur, dad 6 Stunden in Welt unten
halb der Stadt Mufh liegt, einen bedeutenden Waſferfall.
Died beätigt Inpfhipnfhean,”®) ver die Lage 2 Stunden won
Gurp Garabied angibt, und nicht den Ort, fondern den Waſſer⸗
fur; von 6 Ellen in die Tiefe ſelbſt Kurkuor nennt, wegen
Des Betdfes fo von den Anwohnern genannt. Unterhalb viefes
Waſſerfalls breitet ſich, nach Indſhidſhean, dieſer Murad
im der weitern Ebene von Tſhabaghoſhur aus, und zieht
dann in der verengten Thalfluft an dem uns wiener befannten Palu
sorüßer. Der Arm eines Tigriözuflufes, Shallach genannt, fagt
ver ruffiiche Bericht weiter, entfpringt an der Grenze (wol der Süd⸗
grenze; aber weldher der oben ©. 87 u. f. angeführten Tigrisquell-
arme, bleibt uns unbelannt). Bin dritter Bluk, Megradek, ift.
(wenn nicht der Kara fu damit gemeint wird) und eben fo uns
bekannt; er fol auf dem Kerkur () bei dem Dorfe Nor»
tean .entfpringen, na 15 Werft Lauf einen‘ Se, 30 Werft
im Umfang, bilden, dann in fein Bette zurüdfchren und fich bei
vom Dorfe Megakom (nad der ruſſiſchen Karte Mitchakom,
zwiſchen Muſh und Khinis gelegen) in ven Murad fallen. Die
fumpfigen Ufer dieſes Fluſſes, jagt der Bericht, ziehen eine Menge
Bären, Wölfe, Eher und Hochwild herbei, auf die niemald Jagd ge⸗
macht wird. Noch ein andrer Fluß, Tiharbuhur, wird genannt,
Der ſich brauſend zum Murad flürzt (diefen nennt auch I. Brant,
Char Bukur Su, ein linker aus dem Binghöl von R.W. herab⸗
kommender Bergſtrom, der fich oberhalb des Kara fu, bei einer
ſcharfen Suüdwendung des Murad, bei dem Kurdendorfe Korba Eu,
in denſelben ergießt). 9) Indſhivſheans Neu⸗Armenien0)
führt hier 6 Zuflüffe zum Murad auf, mit meiſt andern Namen, in
denen jene ſchwer wieder zu erkennen find. Erſtlich der Scherrian
in Chamur, alfo ver oberfle der Zufläffe in OR, den auch Brant,
Sheriyan Su im obigen nannte; 2) ver Tſhar Malaskerti,
d. t. ver Binb von Melazgherd; 3) der Tſhar Ehnufa, wol
der weiter unten vorkommende Fluß von Khanus over Khints;
M Wann der Tſhar buhnr; 5) der Mezraket in Ruf, mahe-
‚. ens Ur, nach Pettimanas Die. 724 I. Braun
a, p. * u *e) Mac Pelermanne Dir. 5
|
664 Wefi-Hfien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.37.
ſcheinlich identifch mit obigem Megradek, und mit dem von Brant
genannten Kara Su bei Mufh, obwol Indfſhidſhean dagegen
formlich proteftirt, daß ein folder Name Kara Su bei Muſh in
Gebrauch ſei, worin er doch wol irren mag, gegen bie Ausfage fe
verſchiedner europälfcher Augenzeugen. - Seinen 6ten Zufluß zum
Murad nennt er Tſhar, oder Dſhur Geghu, im Banton Tſha⸗
baghoſhur, der und fonft ganz unbekannt it,, aber den Waſſer⸗
fall Kurkuor nahe fein muß.
Noch wird das Waller Sert (d. i. der Bitlis Fiuß, ſ. ob.
S. 89), der dem Saſſunſchen Kreije eniſpringt und zum Tigris
fücßt, genannt, wodurch wir die Lage dieſes Kreiſes wenigſtens ken⸗
nen lernen. Das Clima des Pafchalifs, Heißt es weiter, iſt eins
ver beften nicht nur in Aflen, ſondern ver ganzen Welt; bier ſcheint
das Even der Alten zu liegen, zwifchen Tigris und Euphrat. Die
Bewohner find kerngefund, ver Boden ergiebig, dad Obſt vortreifiid,
zumal ift die Weintraube durch Größe und Wohlgeſchmack aub
gezeichnet; ihr Wein gilt für ein fehr geſundes Getränf. Man
gibt 110,000 Einwohner beiverlei Geſchlechts im Paſchalik an, be
von die Armenier ihre feften Wohnfige ‘haben, die Kurden um
Turkomannen ald Nomaden umberjchweifen. Sie find indge
fammt Eräftig von Körperbau, abgehärtet, vol Kriegslif. Bags
und Meltefte ftehen ihnen vor, welche die Lehnsmänner des Paſcha't
find. Sie zahlen Naturabgaben. Jagd, Viehzucht, Zifcherei, Bie
nenzucht, Aderbau find ihre Hauptbefchäftigung. Sie Finnen über
8000 Dann Fußvolk und Reiterei ind Feld ftellen.
. Die Stadt Muſh, die im Urabiichen, Türfifchen und Syriſchen
re einheimiſche Benennung heibehalten hat, war einft vie Gapkak
von Daron,Sl) die Refidenz der Mamigonier, wie fie noch hewe
die Hauptſtadt des ganzen Pajchalifs ift, vie Refidenz des Paſcha
Sie enthält viele Klofterreliguien. Sie liegt am Fuß eines Berge,
am Gingange einer weiten Ebene. Die Reflvenz des Paſcha iß va
Gräben umgeben und von Thürmen gefchügt; eine kleiner Kiaf
läuft durch bie Stadt, treibt. 10 Mühlen, und ergießt ſich Same
busch den Megradek (ver alfa wol iventifch mit dem Rarafa id
muß) zum Euphrat. Die Stadt hat 8000 Einwohner, Diele Gier
werkſtaͤtten, Teppichfabrifen, Strumpfwirkerei und
‚einige Bazare, Öffentliche Bäper, Karavanferale. Das: er
’*1) St. Martin, Möm. sur !’Arm. Ep 10; IL Mn. A
f en ta
Euphratſhſtem; oberer Murad; Muſh. 6885
Paſcha ik ein großes, fchöned Gebaͤude, vie Umgegend iſt maleriſch,
durch wohlbebaute Felder und Weinberge gefchmürt.
Zwei beſonders geheiligte armenifche Klöfter werden bier ge⸗
nannt, das eine Surp Garabiet over Tſhangly Kilifa (d. i.
Changer, |. ob. ©. 553), da8 am Buße eined Berge anmuthig,
6 Stunden von Mufh entfernt gelegen, mit einer Mauer und eifer
nen Thoren umgeben durch Größe und Alterthum merkwürdig fein
fol (den neueften Zuſtand Hat I. Brant geſchildert, f. unten); das
andere Surp Ohannes (von dem Ichon früher unter dem Namen
Utſh Kilifa, f. 06. S.350, vie Rede mar), das in gleicher Berne
von Muſh, als das vorige, angegeben wird (aber wol weiter gegen
Norvoft entfernt liegt) und Marmorbrüche haben fol. Saffun
und Suſſan find von den Bamilien der regierenden Begs bewohnte -
Sclöffer. Bitlis (ſ. ob. ©. 88 und Th. IX. ©. 1003 —1006),
Kulp, Liſh (Liga), Bullamlyk, Hindſh, Tſhadak follen
andern Begs gleiches Namens angebörige, ziemlich gut bevöllerte
Stadtchen fein, deren Lage uns jedoch meiſt unbekannt if. Nur
Liſh (Eyſa der Ruffen, Leefe bei Kinneir) iſt die einzige, die uns
durch einen Augenzeugen befannt geworben, nämlich duch Mach.
Kinneir,?) auf feiner Duerreife von Erzerum über Khinis
und das uns unbefannte Daman und Karagul zum Murad, ven
er auf einem Holzflooß von aufgeblafenen Schläuchen an einer
Stelle überfepte, wo er fehr tief und reißend, und faft fo breit als
der Zigris bei Moful war, an welcher das Dorf Mora Ing,
von dem diefer wol auch den Namen tragen koͤnnte. Nicht weit
von dieſeni Liebergange Fam Kinneir nach Lifſh (Xeefe), das nach
ihm 8 Stunden in Of der Stadt Muſh liegen fol, was ganz gut
mit den zuffiichen Beneralflabsfarten übereinftimmt. Bon Leeſe fand
Kinneir einen guten gangbaren Weg bis Bitlis, der ihn über Alti
Bayazed führte, dad Monteith auf feiner Karte eingetragen bat,
worüber wir aber weiter feine Kunde erhalten Haben. Melaz⸗
gherd (Monad-ghird oder Manavazgherd, die einftige Ne
fivenz der Manavaz Prinzen (f. TH. IX. S. 994) fleht auf einer
Hochebene, 2 Werft oͤſtlich entfernt vom Murad, und ift mit hoher
Steinmauer und Thürmen umgeben. Die Citadelle, ein uralte,
ſehr Hoch gelegenes Gebäude, von Granitfels (von ſchwarzem
vulkaniſchen Geſtein nach Iaubert) erbaut, iſt nur durch große
*®) J. Maod. Linneit, Journ. thr. Asia minor |. c, De a a:
vergl. Col. Monteith, Map of Georgia and Armenia, Tond, 1
/
ZU EEE
868 Wifktfien, THE. Abiheiluns. I. Mbfchmikt. $. 37.
Artillerie einnehmbar und liegt im Öften der Stadt vor. Gem
eine flarfe Garniſon berbergen, aber eben fo wol von einer kleinen
Truppenzahl vertheivigt werden; ein Brunnen im Innern ber Eite- |
delle verfteht fie reichlich mit Waſſer. Die Schanze Kalch-rapiä
Hegt im Gebirg an ver Straße zwifchen Melazgherd und Muſh.
Bon den biftorifch fo Intereffanten Ortfhaften Khoren oder Cho⸗
runi, der Heimath des Mofes Khor., wie von Hercan ever Mer-
can, der Heimaih des Philofophen David (f. ob. S. 562, 569),
haben wir leider in der neuern Topographie dieſes Landes noch Leim
Spur wiedergefunden, um ihre Lage genauer iventifleiren zu koͤnnen
Nach ver armenifchen Geographie lag Khoren In ver Nähe dei
berühmten Klofter am Fluß Madnevankh, bei Aſhdiſhad (ſ. eb.
©. 554), 2 Stunden Wege (offenbar weſtwärts) von Mufg. 8
hieß Ghazaron Bankh,.d. i. Lazarus Klofler, auch Ehe
zaron Vankh (Elenzars KL), auch Arhathelots Vankh, vi ¶
Apoftel» Klofter; im Unfang des Aten Jahrh. hatte Khoren 1900
Käufer und fonnte 700 Mann Reiterei und 1700 M. Fußvolk ſtellen
(nach Zenob. Hist. de Daron .p. 70, 71).8)
Zwei Hauptfiraßen verbinden Muſh mit Bayazer
Die eine geht von Muſh über Kaleh⸗radſh, Melazgherd
und das Dorf Tſhelkan dahin, in Summa 204 Werſt (an 29
g. Metlen) meift durch fehr fruchtbares Land, nicht ſehr beſchwe⸗
lich, aber an einzelnen Stellen für Heeresmärſche ver Ausbe
» fehe bedürftig. Die andere geht mehr nordwärts, von.Maufh
Über Khinis (Khniſs), Melazgherd und Topra kaleh, uw
beträgt 300 Werft (an 43 g. Meil.), fle iſt nicht weniger unbe
um. Don Melazgherd, das 10 Stunden Wegs von Uri
entfernt fein foll, gist C. Niebuhr, nach Hörenfagen, ein are
⸗ niſches Routter,®®) das von erſtgenanntem Orte in 9 Stunden uch
Boftanvist, in 8 nah Jeſidkoi, in 11 nad Rellittor⸗
im 8 nah Khinis (Khanis) Führen foll. Ä “ng.
%-Brant und Biscoumt Pollingtons Reiferonten. AM)
Durch dad Bafhalit Muſh; mit Zufägen ans; ap
Bilbrahamoe und ſ. Southgates Berichten (AEN:r
\ Bon Erzerum über Haſſan kalah bis Reit, em want alten
Umfläffen des Araxes, haben wir ven beikifähen €
s0 artin, Möm. =. FArm. 1. ni 02. Kl ee
erben san Mcken Krakes, TE: Baer rer ar
⸗
Euphratſ.; oberer Muradlauf; J. Mrants Routier. 667
J. Drant zu Trapezunt ſchon früher begleitet (ſ. ob. 386 u. f.).
Bon da am fehte er feine lehrreichen Beobachtungen und Wande⸗
mngen, weldje durch ein genaues Routier, durch aftronomifche Orks
eſtimmungen, Höhenmeflungen una Winkelaufnahmen für Karies
mwapbie einen beſondern Werth erhalten haben, auch durch einige
Beitentbälee oberer Quellzuflüſſe des Murad weiter fort,
ch Muſh oſtwärts bis Bitlis, weſtwärts bis Balu und Khar⸗
put, wohin Mir ihn demnach jet, zur genauern Kenninif von
veren zugehörigen Landſchaften, zu begleiten haben, ehe wir zu den
ebrplicheen Thaͤlern des Frat übergeben.
Am 23. Juni 1838 verließ I. Brant das geringe Kurdendorf
Reiti®5) auf alpiner Höhe, ſechſtehalbtauſend Fuß über des Meeres⸗
läge gelegen, um einen Fleinen Tagmarſch von nicht vollen 4 Stun⸗
on (9 Mil. E.) weiser nach Süden, bis Khinis (Khnis bei
Rufien, Khenus im Dfhihanuma, Khenes nach Jaubert) zurüd-
mlegm. Dee Weg führt über eine Hochebene, von tiefen, ſchmalen
nd breiten Schluchten durchſchnitten, an Deren Seiten vie Felſen
weißt ſenkrecht emporſtarren. Die Hochfläche hat gute Vliehweiden,
mich behautes, von Ochſen durchpflügtes Feld, das Weizen mit Elch
nem, aber ſehr weißem Korn trägt. Bei einem Dürfen Parmak
ſiz (d. h. fingerlod), das in einer dieſer Schluchten gelegen, wire
in Bergfirom durchſetzt, der im Berge bei Aghveran entipringt,
and Kara kaya (Schwarzfels) heißt. Nicht weit davon felgt
nue breitere Schlucht, deren Fluß Kilifa fu von eimer daſelbſt
weflörten chrißlichen Kirche feinen Namen erhielt, an ver eu vod⸗
üßerzieht. Diefe Ruine liegt nach Didfons Barometermefiung, °G)
dem wir auch alle folgenden Höhenangaben verdanken, = 5058 par.
Fuß (5391 engl.) über dem Meere; weiter oberhaͤlb heißt derſelbe
Fluß nach einem Dorfe Beig fu. Beine Gebirgtwaſſer ſtrömen
Mon dem Murad entgegen; bir iſt man alfo ſchon aus dem
Araned- in das Murad⸗Thalgebiet eingetreten. Diefe Berg»
landſchaft iſt e8, deren höchſten beucchbarten, immer ſchneebedech.
ten Gipfel U. Jaubert, bei feiner Durchreife, ven Al deg hM)
(d. i. Montblanc) nennen hörte. Kinneir Hat zur Bezeichnung
dieſer Hoch ebenen,E)die er durchſehdto, ven dort einheimijchen Na⸗
say5. Brans, Naken.of a jeurn.:etc.. in Journ. ef Gesgr. See. of
Lond. Mel. Vol; X. P. & p. 34. *e) £ Giancatt, Map
...;’o& Mundistan in dwurn. L. c.. Vol x. P. 8 p. 681-481.
A) du Jumbent, Vo: 7. : 1%) 3 MoKismeie L 0: p 378;
Col. Monteith, Journ. ot a tour ete. in:deugn, BR.
u
66H AeftsBlften. M. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.37.
men Doman gebraucht, der an keine beftlmmte Localltät gebumben
‚zu fen ſcheint; Colonel Monteith gebraucht ihn auch, und be⸗
merkt, Daß mit Doman die dortigen Hohen Plateauflädhen
bezeichnet würden, wegen des anhaltenden Nebels, ver fie zu
bedecken pflege; er hält viefen für vie Urfache der Verirrung des
Xenophon und feiner zehntaufend Griechen, die gendthigt geweſen
felen, diefe Hochflädhen, von Bitlis aus Uber den Murad bis zum
Phaſis, zu paſſiren.
Khinis (unter 390 21 42" N. Br. gelegen, 5355 Bar. F.
5686 engl. %. über dem Meere) iſt nur eine kleine, fchlechte, Im
Stunde einer tiefen Schlucht gelegne Stabt, die ein Bergſtrom wit
vielen Windungen, ver Kaleh fu, gegen S.D.9) durchſtromt
fiber den zwei kleine Steinbrüden, jede mit einem Bogen, führt
Derſelbe Fluß Heißt, weiter abwärts, nach einem anliegenden Deorft
Aruz fu; feine Quelle liegt gegen NW. im Binghol Dagh, dei
Halb er von Kinneir,®) der zu allererfi im I. 1814 diefen Ge
birgepaß als europälfcher Reiſender zurücklegte, ver Binghdl Fluf
genannt ward. Die Stadt fol ſehr alt fein, mas auch ihr noch be
ſtehendes, fehr alterthümliches Gaftell beſtätigt. Die armenifche &te-
graphie) nennt fie Khnous oder Khnoun, und den zugehbri⸗
gen Sau Dovaradzapapb, in Duroperand Nordgrenze gegen
Paſin und Pavrefant. Die Stadt war ber Aufenhalt ver in ver m
meniſchen Hiftorie bekannten Sectirer, der Arevorti (vd. h. Kinder
ber Sonne). Die Türken machten fie zum Sig des Sanpfhcleil
Khenus; und obwol fehr verarmt, kaum mit 130 Häufern, daren
nur 30 armenifche, die andern türfifche find, iſt fie doch noch du
Neſidenz eines Beg geblieben. Der Mifflonar Southgate,®
der hier im 3. 1837 durchkam, fagt, daß unter biefem Veg von
Khinis (er Schreibt Kheunneus) 28 Dörfer flehen, davon 12°
menifähe, die andern kurdiſche fein follen. Das Caſtell ſteht auf WM.
ſenkrechten Felswänden einer Halbinfel,. die in die Schlucht vorfyeingt,
die ganze Stat beherrſcht und über die umgebende Platin
hervorragt. Eine jetzt verfallne Dauer durchſetzt den — ben
of Gr. Br. Vol. ID. p. 51 und beflen Map of Georgia ü
—8 ILpnd. 1883. 3.0.88: en rg
Brant . c. X. 8. p. — SE’ L
20) J. M. Kinneir, Journ. —X m. ri
2) St — Mém. J rFAtm. I p. I00. :Wy E Her.
—— 8RT of a tour khrongir Arsen laden
- 1840; ok Lie: eh a, nt, er **8
Euphratipftem; oberer Mureblauf; Khinis. 669
der Selbinfel, und beſchützte einft ven Eingang im die Tele. An
beiden Enden dieſer Maucr ſtehen Außenwerke mit Thürmen, welche
das Caſtell mit der Stabt verbinden. Alles if im Verfall; bie
Bazare liefern nur Lebensmittel für die Bauern,. und einige 39
Kramladen find noch verfehen mit einigen rohen Waaren, wie
Aleppotücher, die zu Turbanen dienen, mit Schuhen und Stiefeln
von Erzerum, Baummollenzeugen vom Lande, Tabak, Pfeifenköpfen
u. f. w. Das Einkommen des Beg beſteht In Zehenden von den
Aderprobucten, die an 150 Pfo. Sterling betragen. Statt des Sa⸗
liyaneh (ver Taxe an den Paſcha) müflen vie Einwohner die Rei⸗
ſenden unterhalten, was ihnen ſehr zur Laſt fällt, da bier eine tür⸗
fifhe Poſtſtation iſt, die Pferde zu flellen hat. Der Boden wird
nicht als Privateigenthum betrachtet, und weder gekauft noch ver⸗
kauft; wer ihn bebaut und dem Beg feinen Zehenden ‚en
kann ihn in Beflg nehmen, da es an Aderfelo nicht fehlt. Baut
er aber den Acker nicht, fo gefahrt er ihn zu verlieven, well er es
nicht hindern Tann, daß ein Anderer ihn beadert. Doch geſchieht
dies nur felten. Der Winter ift fireng und lang, der Sommer ift
heiß und folgt bald auf die Schneeſchmelze. Um von ver Stabt
aus den Gipfel des Binghol Dagh (mol Jauberts Ak Dagh) zu
erreichen, auf dem, nach der Führer⸗Ausſage, ſich die Reſte eines
Caſtells befinden ſollen, woran jedoch zu zweifeln iſt, gebraucht man
6 Stunden Zeit.‘ Nur 7 Stunden fern, gegen N.D., fol der ſchon
oben genannte Diſtrict Tuzla liegen, deſſen Steinfalzlager pas
ganze Paſchalik mit Salz verfieht. Ob dieſes etwa vie armenifche
Drovinz Aghiovid oder Alihovid, d. H. Salzthal in Duro⸗
peran fein mag, wo einft die alte Stabt Zoriſhad lag, vie Im 4ten
Jahrhundert die Königliche hieß, und unter biefem Titel auch bis
heute fortbauern fol, wagen wir nicht zu beflimmen.®%) I
Khinis Eonnte man 15 Pfd. Salz für den Werth von 2 Pence
kaufen. Der Kiaya war jehr höflich gegen den britifchen Relfenden,
ba der Beg (ein Bruder des Paſcha von Mufh) gerade abweſend
war; er verjah Ihn mit Lämmern und Mil. Der Biscount Pol⸗
lington traf Hier mehrere ruffljche Deſerteurs, vie fh, flatt ver
gehofften Wohlfahrt, bitter über ihr gegenwärtig trauriges Loos be⸗
klagten. Dies ift dasjenige Khanus, dad Rennell (Khanoos) 9)
?3) St. Martin, Mem. I, c. I. p- 305; ebenderf. in Nour. journ.
Asiat. T. V. 1830. p. 203. *) J. Rennell, Illustrat. of the
history of the expedit. of Cyrus etc. Lond. 1816. 4. p. 212;
vergl. Mannert Gel. d. Er. u. R. Th. VL 2. ©. 407 u. f.
670 Weſt-⸗Aſien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. 6.37,
B Tagemaͤrſche im Süpen von Erzerum für das Gebiet ver Chadi
und Phaflanen (Kawr xal Daoıaviv Diod. Sic. XIV. 29)
Hält, Die aber bei Zenophon richtiger Taochi ( Taoysı zai
®ooıarol Xenoph. Anab. IV. 6,:5) heißen, welche zu feiner Zeu
den tapfern freiheitöliebennen Chalybern (Xadußes Kenoph.
- Anab. IV. 4, 18) am obern Arares zur Seite wohnten.
Diefe Landfchaft, bemerft Jaubert, fei durch eine treffliche
MBferderage ausgezeichnet; er übernachtete bei feinem erſten Durd
mariche fühmwärtsd von Khinis In einem armenifchen Dorfe, ad a
Couzli nennt, mo er aber fchlechte Aufnahme fand, well vie Hm
Age Autorität vafelbft wenig refpeetirt ward, und die Einwohrn
tapfre Vertheidiger ihres Beſitzthums gegen vie kurdiſchen Leber
fälle waren, die durch fie und andre dortige ruſtige Gebirgsbewohnet
damals in Mefpert gehalten wurden. Das jenfeitige Land zeigte we
wigek Aderbau, und fehlen nur zu Heuernten benutzt zu werben.
25. Suni. Auf der beſten und gewöhnlichen Route von Ak
nis nach Muſh, erfuhr 3. Brant, würde er in biefer Iuhrögek
feine Cinwohner finden, weil biefe auf den Bergen in ven NYailekt
ihre Heerden meldeten; es würde feiner Karawane deshalb auf Wie
fer an Nahrung gefebkt haben; auch war auf diefer direrten Menke
en großer Fluß zu pafliren, der gefahrvoll zu durchreiten war
dagegen führte der Um weg über eine Brüde. Dieſer Icptere wutde
daher diesmal gemihlt, Man ritt von Khinis gegen Süd übe
mehrere enge Orasıhäler und Schluchten; nach 3 kleinen Gtuneee
an einen Kurdendorfchen Malsatulaft, 5,058 F. Par. (5366 engl.
Fuß) Hochgelegen, vorüber, und dann gegen S. W. Über Berge wb
Mebenpfade durch Weideboven, wahre Alpen, auf denen eine uncch⸗
Uche Bülle der "berrlichften alpinen, duftendſten Blumen heruc
ſproßte. Noch hat leider kein Boͤtaniker dieſe Höhen beſucht. ik
lange weſtliche Abvachung herabſteigend, erreichte man nach 94Ei
Wegs, wobei aber oftmals Halt gemacht wurde, das chem 4 gene:
Meilen entfernt liegende Dorf Gumgum, 4,588 F. Par. (EEE
engl.) über vem Meere, mo ein Donnerwetter, jenoch ohne Reg
ſchauer, obſchon ein wildes Naturphaͤnomen, die Reiſenden he
kehr beachte.
Dad Dorf Hegt in einem fihönen Thale im Süden des
hol Dagh, den man von Khinis aus an feiner Oſtſeite Hatte nme
gehen müflen. Man Tann von diefent Orte in einet pirerten ,
Richtung quer über ven Binghöl die Stadt Erzerum 0.20 Def
flunden erreichen. Uohrigeiulich iſt es dieſe mehr nosbeuuflck
.
⁊
Euphratſyſt.; oberer Murad; J.Brants Routier. 671
Noute, in welche Jau bert eintrat, als er auf feiner Ruͤckreiſe von
Tuzla über den hohen Akdagh (Montblanc) und Tekdagh
(Southgate nennt ihn Terktob), 9) mit dem graudioſen Pano⸗
rama, direct nach Erzerum in fo wenig Xagemärfchen (ſ. oben
©. 661) vordrang. Disc Pollington nahm wol mit feinen
fehr guten Pferden von Khinis aus die directe, mehr äftliche Route,
. auf welder er ſchon in 8 Stunden, obwol auf jehr fleilen Pfaden,
geradezu wie Fleine Steinbrüde des Tſhar Buhur erreichte, und
dann nad) 5 Stunden gegen S.S. W. das armenifche Dorf Sika⸗
wah mit einem Fort, an einem merkwürdigen Kegelberge gelegen,
am weltlichen Ufer des Muradfluſſes. Von da vom Fort erreichte
er in 2 Stunden den Murad mit feiner Steinbrüde%) von
14 Bogen, da wo ihm niefer Fluß die Breite ber Themſe bei
Maidenhead zu haben fchien.
3. Brant fand in Gumgum nur 30 kurdiſche und 15 ar
moniſche Familien, deren Gäuptling, von der Secte der Dervifhe,
ſich Sheikh tituliven ließ; vie Einkünfte des Dorfs gehören dauernd
einer frommen, zur Mofchee gehörigen Stiftung (Vakuf geuannt).
Der Aderbau war auf dem ganzen Wege hieher, ſeitdem man den
Sau Pafin verlafien Hatte, fehr vernachläffigt; nur im Thale fah
man Ackerfelder, die 12fachen Ertrag geben follen in guten Jahren.
Die Saat fproßte eben erft, alfo ſehr fpät im Jahre, hervor.
26. Juni. Bon Gumgun nad Kirami. 7) Die erſte
. Stunde Wege gegen DR führt am Kurdendorfe Kerba kuh vor⸗
üßer, an einem Berge gelegen, an deſſen Buße ver Tibarbuhur,
vom Binghol herabflürzenn, dicht vorüber rauſcht. Nach 14 Stunde
Abſteigen· gelangte man zur Steinhrüde, jenfeit welcher nach 14
Stunden Wegs viefer Strom mit dem Muradtſhai zufammen
lebt. Der eine kommt direct vn Wet; ver Murad, täufchend
ald wäre er, aus ver Kerne geſehen, nur bie directe Verlängerung
von jenem, von Oſt, beide in gerader Linie gegen einander laufend,
‘worauf fie im rechten Winkel am Berein ſich gegen Süd wen⸗
sen. Diefer Zufammenfluß liegt 3883 5. P. (4138 e. 5.) üßer
dem Meere, 11 engl. Mil. fern von Gumgum. Die directe
Straße trifft gerade von den Bergen berabfleigenn auf biefen Ver⸗
eis, von wo an fich der Strom ſein erweitertes Thal (ſeine Waſſer⸗
”) Southgate, Narr. L. c. p. 184. »*) Visc. Pollington L c.
we A Brant 1. c. p. 37. „
672 WeftsAfien. M. Abtheilung. 1. Abſchnitt. $, 37,
beeite beträgt bier nach %. Brant 70 Schritt) bald zur Blaine
von Muſh eröffnet, wo auch feine Waflerbreite ſehr zummmt.
Anderthalb Meilen vom Verein Tlegt das Dorf Sika wah In
der Ebene, -und eine Stunde (3 engl. Mil.) weiter dad Dorf Ki⸗
sawi, wo nach 8 StundenRitt das Zeltlager aufgefchlagen wurbe.
Kirawi, unter 38° 53' 16” N. Br. gelegen, bat nur arment-
Ihe Bewohner, und die ganze Ebene Muſh hat, ala ächte
aemenifhe Baulanpfchaft (Daren), Feine Modlemen mit Ar
meniern gemifcht zu Bewohnern. Die Zelt«Rurven find nur Ueber
zügler, und die flationatren Kurden kamen erft als Nomaden bieher,
Bingen dann erſt zum Aderbau über. Kirawi gehört dem Ru
rad Beg von Khinis, Hat nur 20 Pamilien, die an 300 Stüd
Rinvwieh, eben fo viel Schafe, und wenig Pferde befigen; ihr
Ackerboden ift fandig, unbemwäffert, gibt in trodnen Jahren nur 4
bisb 5faches, in naflen 10 bis 12faches Korn ald Ertrag. Ihre
Schaafwolle dient ihnen zum Selbftverbraud. Der Winter iR Ehe
zer von Dauer wie in Erzerum, der Schnee fällt fehr tief, ver Flah
bepanzert fich jedes Iahr mit Eis und trägt Wagenlaften. Der
Kihlat, d. I. das PWinterquartier, das die Bauern den Kurden ge
ben müflen, iſt ihnen ein harter Drud. Als die rufflichen Strip
eorps bis hieher vorgehrungen waren, wurde den Armentesn
nicht geftattet, Ihnen ald Auswanderer zu folgen, die Kurven aber
ſahen fie als Verräther an, und ergriffen jebe Gelegenheit, fe aut
zuplündern und zu ermorven (f. ob. ©. 608).
Seit der ſtrengern Zucht Reſhid und noch mehr Safl; Be
ſchas, und ſeit der Bildung der türkiſchen Landmiliz im Paſchet
(vergl. ob, ©. 292, 297, 333, 427 u. a. D.), obwol diefe Ruh mir
auf wenige hundert Mann beläuft, wagen die Kurven wenig
nicht mehr mit derfelben Wrechheit und Deffentlichkelt zu rauben mie
zuvor, und felbft die heimlichen Diebereien find feltner gemerib.
Nahe Sikawah iſt ber, auch von Pollingion bemerkte Segel
Berg, Osp⸗polur genannt, der einft, etwa vor 100 Jahre ven
einem rebellifchen Kurdenhäuptling, Alaueddin Beg, weilfeeäw
Begründer der Familie des Emin Paſha von Mufh wait, Ag
reich, trop vieler Angriffe der Türken, verthelbigt und behautht
wurde, wodurch er hiſtoriſche Bedeutung erhalten hat. Mai
Thale am Zufammenfluffe des Afharbuhur und Mureh R
I. Brant felt der Ueberwanderung des völlig holzteegen de:
ben Zafellandes ver Armenier von Erzeräim aus }
Bäume wieder; «6 waren jenoh nur Weinen und
|
.
Euphratſoſtem; oberer Mürab;' Zuftuß Kalehſa. 673
Bäume. Dagegen aber: birtet baffelbe alpenhohe Tafellaud
dem Reiſenden, der von ven Menſchen, von ver Jahrszeit und dem
Wetter begünfligt iſt, und die Styapäzen- ber Meife mılt grſundem
Körper und frohem Muche überwinden Tann, ſo imanchen andern veis
Gm Genuß dar. Capt. Wilbraham, ver’ im Jahr 1837 unter
foldyen Umſtänden fat viefelbe Noute nahm, aber flüchtig reife
und weil andre Quartiere fand, umd- andre oft ſchwer zu beſtim⸗
mende Namen ver Ortichaften nennt, die zwiſchen jene oben ange
gebene Stationen fallen (daher wir Phn nit im einzelnen beglei⸗
ten konnen), iſt hingeriſſen von der großartigen, wie er ſie nennt,
arcadiſchen Natur viefes welligen Tafellandes mit feinen
Alpenwiefen, und von den patriatchaliſchen Leb en ſeiner
freien, kräftigen Naturſohne. 9)
ESchon am dritten Tage, nachdem er von Erzerum außgeritten
war, erreichte ex die hoben fchneereichen Quellberge bes KRalchiu
oder Fluſſeb von Khinis, den er aber von jenem Dorfe Aruz
(f: #6. S. 668, ex ſchreibt Aroos) den Aroos-Klufß nennt, bei
ven herrlichſten Septemberwetter dad ſuͤdlichere mweidenreiche Hirten⸗
Ian, auf dem noch die Gruppen von Schäfern mit ihren zahlreichen
Geerden ſich zwifchen frifch fproffenden Gräſern an den warmen
fonnigen Abhängen Iagerten. Ein Dailat ver Jliyat (d. I. Wan⸗
derhieten, f. Erdk. VIII. ©. 375 ff.), bier wol Kurden, auf einem
zeich Hewäfferten Weidegefilde bot die reigenpften arcadiſchen Scenen
dar. Auf ihren freien Sitzen in frifcheften Lüften, an Klippen,
Bergen und plätfchernven Bächen und Zlüffen, verachten fie die Dorf
figer, wie Wilbra haem meint, mit vollem Recht. Friſche Die
nen, nicht eben jchdn, aber rüflig und gewandt, voll Humor, unver⸗
fegteiert, in buntefte fröhliche Farben gekleidet, beforgen die Milche⸗
rel “auf der Alpe, oder in der Iuftigen Hätte den Webſtuhl; vie
jungen Männer dagegen treiben die Heerden und Wildijagd. Die
Alten aber genießen otium cum dignitate, vor den Ihren her
ſchwarzen Zelte figend, die Fremdlinge gaftiich empfangene, und
zum Willtommen mit Ihnen die Pfeife rauchend. Die maleriſchſten
Gruppen bieten überall diefe Lager im Grünen, unter Bellen, au
ſftromenden Waffen var. GH. Southgate, ber im genannten
Dorf Arood einen Sonntag 9) raſtete, wo Ihn nur ein Ent
se 0 Wilbraham, Trav. in Transcaucas. etc. London 1830.
L Ds °. H. :Southgate, Narr. l. © pP 197.
a Shane X un
674 Weit Afien. III. Abtheilung. 1. Abſchniu. 437.
zum Quartier angewleſen werben kounte, fand, daß bie Dorſbeneh⸗
ner, ver Befichtöbilbung nach, Armenier waren, die aber kurdiſch
gefleivet gingen und auch kurdiſch fprachen. Sie waren ſehr
arm, verdienten wehig, waren ſehr roh, unwiſſend, hatten Seine
Kirche, aber doch einen Priefler, ihre Gottesdienſt war bloßes Cere⸗
monienweſen.
Vom Aroos⸗Fluſſe rädten beibe Reijende, Wilbraham wie
Southgate, ſüdwärts zum Kizil Tſhai (d. I. rot her Fluß)
vor, ber von den rothen Felſen feinen Namen haben ſoll, and kein
andrer fein wird, als ber von andern genaunte Tſhar Buhur:
denn 4 Stunden weiter abwärts ergoß er ih zum Murad, uns
fließt mit Ihm aus einem engen Thale alsbald in bie weite Chben⸗
von Mufh ein. An dem Ufer dieſes Fluſſes kam Sowthgate
ein ſehr muntrer kurdiſcher Gochzeitözug enigegen. Auch fanden
beide Reiſende Kiez wieder, nach langer Entbehrung, den erſten
Baumwuchs.
Den 27. Juni, von Kirawi nah MufH.%0) J. Brants
Weg führte Ihn vom Dorfe Kirawi auf der Ebene weiter, der
Murad- Fluß blieb anfänglid zur Linken, und erſt nach cam
halben Stunde wurde bie große antife Steinbrüde über den
Murad, die ans 14 Bogen beſteht, aber ſehr verfallen iſt, übers
fegt. Ihre Länge, welche die Breite des Stromes an dieſer Gichls
bezeichnet, beilug 208 Schritt; der Wafferfpiegel Tiegt
3,868 5. Par. (4,123 engl. J.) über dem Meere, alfo nur 15 6
fälle Hat der Murad vom obengenannten Vereine bis hieher. De
Brücke iſt fehr Hoch, wie alle türkifchen Brüden, und ohne Bruße
wehr.2) Southgate, der bier die Flußvertine am genauchge
beobachtet zu haben ſcheint, berichtet, vaß ver Murad, 2) nach
nem rafchen Thallaufe in ver Engfpalte von N.O., in ver
eine Wendung made, und zuvor noch einen andern Fluß, dan
EHabur, von Wet ber aufnähme, dann noch einmal eine
fpalte gegen S. W. purchfließe, die anfänglich ganz unmerfbat 4
fange. An dicſer Stelle des Vereins fe ver Murad 100.
belt, des Chabur nur 50 Fuß, und an feiner Mündung,
man ihn durchreiten müffe, nur 4 Juß tief (Ende Juni).
Aruz bis hieher ſeien 20 Mil. engl.
Southgate ritt nun am Weſtufer des Mmuredtiaffe⸗ K
866) J. Brant L e.
1
2) E. —— MÆ.. ) Capi. —2 & na
Br
Eupbratfuftem; oberer Murad; Stadt Muſh. 675
in einem lieblichen Thale, kaum breiter als das Flußbett ſelbſt, das
bier ofter nur einem Canale gleicht, deſſen Waſſer aber zuweilen
uber Felsgrund dahin ſtrudelt, bald faſt ſtillſtehend wie ein See⸗
boden erſcheint. Erſt nah 2 Stunden Wegs wird wirklich bie
große Ebene von Mufh erreicht, die vorher durch jenen ſchon
oben erwaͤhnten Kegelberg Osp⸗polur verbedit blieb, der ifolirt an’
ve GEinmimbung zum Thale Hegt, deſſen Ginfelfehe aber, na
Soutägate, bei den Anwohnern Sultan Mahmud Kalefi ges
nannt wird (d. i. Mahmuds Schloß). Der Murad macht um ihn
eine große Windung gegen Oſt, und zieht dann erſt wieder gegen
©. und W., nimmt in der Ebene den Kara fu von SD. auf,
dringt dann wieder durch eine Deffnung der Berge, die ven
Südrand der Ebene bilden, und. nimmt dann feinen fernen Kauf
gen S. W. An einer feiner Windungen in der Ebene vor Muſh
nahm Sonthgate fein Quartier In einem armenifchen. Dorfe, vem
fi zweites größeres, Ated genannt, gegenüber Tiegt. Der Mu⸗
tab war damals, Mitte des Sommers, an mehren Stellen zu durch⸗
eiten; er war fifchreich, zumal an einer Art Stör; aber die Ana
vohner fangen dieſe nicht. Von hie! aus zog man auf einem
eichen ſchwarzen Boden, der nur bie und da bebaut iſt, über einen
benen Raſenteppich bin, und gelangte nach zwei Stunden an ben-
zũdrand des Thalgrundes, in dem die Ebene fi von D. nah W.
ußpehnt. Hier nun erreicht man die obengenannte, von 3. Brant
emeſſene Steinbrüde über dem Murad, die Southgate auf:
00 Fuß Länge fchägt. Sie war einft von 14 Schwibbogen ge⸗
sagen, . von benen aber nur noch 6 unverfehrt geblieben. ‚waren.
finige derſelben hatten zömijche Rundgetwölbe, andre faracenifche
Bypiggbogen, aber alled von gehauenen Quadern, einft ein Prachi⸗
aun. —
Z. Brant fagt, vie Stadt Muſh ?) liege im Süden viefer
Brüde, bleibe aber fern von diefem Strome, ber fih an Ihr gegen
Be vorüberziche. Gleich jenſeit derfelben verließ er ihren Strom,
tt gegen dad Dorf Suluf, von ba über Wiefen, we chen Heu⸗
nie war, und erreichte nach 2 Stunden den linken Zufluß zum
Murad, ver aus Südoſt demfelben mit feinem trägen, trügeri⸗
[hen Waſſer entgegenzieht,. und deshalb wol eben Karafu
Schwarzfluß) heißt. Obwol daſelbſt eine zweite große Stein⸗
brücke erbaut war, die aber ganz in Verfall gerieth, von der zwar
8) J. Brant, I. c. p. 840,
| Uu?
676: Weftsükfien; III. Abtheilung. I. Abfeinkt: 4.37.
nach 8 Bogen ſtehen, aber zu gefährlich, um darüber Hinzureiten,
fo muß man doch gegenwärtig durch ‚ben. Karaſu hindurch Teilen.
Brant fand ihn Ende Juni nur knletief und 25 Schritt breit
Erſt 2 Stunden unterhalb dieſer Furth vereinigt er ich mit vom
PDurav. Cine halbe Stunde jenfat der Furth ritt Brant nad
Gheyermeh, nur in geringer Berne Am Weſt ver Stans Maik,
ein Dorf, das, A MU. engl. von. Kirawi ‚entfernt, die Rulmen eines
früheen ‚Reflvenz ‚nes. Bafcha von Muſh zeigt, das alte Serai ge
nannt, mp wer Conſul fein Lager für Diesmal aufſchlug. ben fo
weit vom der Brida, wie dieſes Dorf, Negt die Stadt Muſh feih
entfernt, In welche ex anf’ folgenden. Tage nach dem Mitt einer hob
ben Stunder eintrat, ‚und in Bern Haufe: eines Armeniers ſein Quat⸗
tier nahm. : Mit. der Annäherung: zur Stadt nimmt der Aubau ver
Gegend zu, fe ſelbſt iſt mit Gärten und Weinbergen umgeben,
Bise. Wellington. legte. den. Weg von: Khinis nach Düfh, 13
Poſtſtunden, in 173 Stunden Zeit. auräd.
3) Die Stadt Mufh (das alte Serai nach Glascott unter 38°
. 46’ 30".,N.Br. und 41° 29' 30" DE. v. Gr...) .
Die Stadt llegt In einer Schlucht‘ fo ganz verborgen, daß men
fle nur durch die Mündung dieſes Erdſpaltes erſt gewaht win.
Don dieſer Nordſeite zeigt fie fi ganz romantiſch, auf Alken Selm
von Bergen umgeben, deren Höhen nadt, auch mol noch nit Eike
flecken bedeckt waren, veren rothe Abhänge aber, an deren Buße de
Stadt erbaut iſt, von weltlaͤufigen Weinbergen begrünt in.‘
:: Auf einer der Anhöben llegi die Feſtungsruine über der Cult,
beten Inneres, - wie gemöhnfich bei türkifchen Ortſchaften, grng Wie
gulate, eng, fehr ſchmutig iſt, ohne bedeutende Bazare; Dice
find nur elende Hütten und fothige Ställe. Ein 2A
waſſer windet ſich Durch die Straßen in den Karafı, web
den elenden “Hütten an deſſen Ufer ſchweift die rohr Gaffeichen
Aumpen oder ganz nackt, Maͤdchen wie Jungen, umher denn
Bewohner von Muſh find alle vürftig. Am wohlhabenbſtin ſ
noch Die dortigen armenifchen Chriſten. Southgate gur e
Einwohner an; darunter 600 Familien ver Mosledien, 30
wi und 50 armenifch= Eatholifche; Brants —E
er gibt 700 mohamedaniſche und 500 armeniſche Boten Ni
—*2*
804) J. Brant \.c. p. 220-8583 Southgate I. c. p- 198 —
Wilbraham IL. c. p. 332, Vie. Palinazaa \. ae. ’v.0il.
— — PP Pr
a A a Me A A a —
kuphracſhſtem; oberer Murad; "Stadt Mufb. 677
en Chriften laſtet allein ver Druck des Sallyanah, ver jäßrlichen
zahlung einer Tare, Im Werthe von 2,000 Pf. Sterl: Don dies
ee find Die Moslemen frei; vie AUrmenier können fi bet ſolchem
Druck nit aus ihrer Armuth erheben. Die allgemeine Sprache iſt
ner die tirkifche, deren. Dialert aber dem von Tauris näher fleht,
ds dem von Gonflantinopel; doch finden ſich die Einwohner nur
urch die Benennung „Türken“ geehrt, rechnen fi nicht zu bei
Hmanlid. Sie haben 5 Moſcheen, 10 Medreſſen, 3 Schulen; eine
er Moſcheen mar ehedem eine chriftliche Kirche, wurde aber im J.
79 der Heg. (d. I. 1571 u. Chr. Geb.) nad) einer Ueberfchrift, die
iber der Pforte angebracht iR, in eine Moſchee vermundelt. Die
Bauptmofdye ift ein ganz hübſches Gebäude. Ihre Kircyenbücher
Inn arabiſch, das hier für bie Gemeindeglieder erft ins Türkifche
m» Kurbifche übertragen werben muß. Bei diefen Türken in dies
sn abgelegenen Winkel ves Reiches fand Southgate bie größte
Reugier nad) Neuigkeiten aus Stambul.
Die Armenier haben 5 Kirchen und 14 Priefter; eine ver Kir-
ben, die 1300 Jahre alt fein follte, Heißt Keuh Vedavend, d. i.
kirche der 40 Stufen, die von ihrem hohen Stanppuncte, au
ex viele Stufen hinaufführen, ven Namen: erhielt. Southgate
and Het ihr 4 Priefter, vie eben mit 25 Knaben, die auf ven Grabe
keinen vor der Kirche umber faßen, ihre Lectionen hielten. Das
ſene Teftament, ein fchöner, armenifcher, auf Pergament gefchriebener
oder war in viele Lumpen forgfältig eingemidelt, aber zu leſen
chien ihn niemand. Bei der Erbauung der Kirche fol man dafe
elbe ſchon vorgefunden, und damit feitvem viele Mirakel gewirkt, viele
dranke gefund gemacht haben. Auf folder Stufe fleht dort das
Ehriftenihbum der Armenier. Doch iſt es nicht hierher, fondern 6
Stunden weiter im W. von Muſh, nach dem Klofler St. Garabted
das Sonthgate Tchangeuret fehreibt, bei I. Brant Ehangert,
. oben 6.351, 553), wohin die größten fogenannten Mirakel dem
Bolföwahne zu ven meiften Pilgerfahrten die Veranlaffung zu ge
ven pflegen. Auch katholiſche, d. i. mit dem Pabſt untrte Ar
wenier, vie man bier wegen ihrer Verbindung mit dem Weflen
Franken nannte, hatten einen Priefter in Muſh tm 3. 1837, ale
Bouthgate dort war; Ihre Kirche war aber durch Die ihnen feindſe⸗
igen nichtunirten Armenier zerftört worven. In der Nähe ber
Btadt fellen noch 8 Dörfer von ypapalen Armeniern bevölkert fein
(vergl. ob. ©. 643). Kurden bewohnen nicht ſelbſt die Stadt, aber
Re drängen fid) gewaltfem An vie Straßen herein: Sie —8
678 Weſi⸗diſien. m. Abthelung. J. Abſchnitt. $. 37.
aus dem Paſchalik von Diarbekir, ſchweifen in der warmen Jahres⸗
zeit im Lande umher, und ziehen fi nur im Winter, wie In die
Dorfſchaften, fo auch nach der Stadt; ba fle immer bewafinet ges
ben, wit Schwert und rundem Schild, wild und. brutal jenem ent»
gegentreten, fo ſind fie überall fchlimme Gäſte; ihre Weiber tragen
Ihnen die größten Laften nah, Die Kiſhlak parabs, d. i wu
Tare, welche pie Kurventribus für ihr Winterquartier nicht an bie
armen armenifchen Bauern, jondern an den Erraßlier zu Erzerum
zu zahlen haben, ift eine ganz willführlich aufgelegte Summe, Vie
auch nicht einmal dem Paſcha von Mujh zu Bute Fommt.
Die Refivenz ded Emin Paſcha, deſſen Vater, Selim Paſcha,
vor 30 Jahren von dem Paſcha zu Erzerum enthauptet worden
war, fein Serai genannt, liegt nicht in der Stadt, ſondern eim
Biertelftunde im Oſten derfelben, in dem Dorfe Mogiyunk Die
fen großen quadratiſchen Bau, mit einem irregulairen Thurm an
jedweder Ede, hat ſich Emin Pafcha, der zur Zelt, da fein Be
ter geflürzt warb, erft 15 Iahr alt war, felbft aufgeführt, ganz im
Etyle des Altern Serai, bei deſſen Ruinen I. Brant zuerf fen
Lager aufſchlug. Ein frei auf einer Terraffe liegender Kiosk biete
eine weite Umſicht dar, und nahe dabei iſt das Schloß feines Drw
ders. Emin und diefer jüngere Bruder, Khurſchid Bey, ein
ſchönes tapfereä Gefchleht von Eurbifchem Stamme, das felt eiwa
hundert Jahren das Paſchalik durch Erbſchaft in feiner Gewalt ges
habt, wußten fi auch nach jenem Unglück wieder zur Oberer
ſchaft emporzuſchwingen. Emin Paſcha hat ſich mit Khurfdih
und feinen 2 andern Brüdern gemeinſchaftlich in jüngſter Zeit *)
in fein ſubordinirtes politiſches Verhältniß zu Hafiz Paſcha,
dem Seraskier zu Erzerum, zu ſtellen gewußt. Er empfing wieder⸗
holentlich die Europäer ſehr gaſtlich bei fich, und gab ihnen Ein
ten nach allen Seiten durch fein Territorium, das in den Bergge
genden Immer unficher blieb. Sein Sandſhak ober Paſchalit
fol 600 Dörfer enthalten, davon 75 bis 80 zu dem Diſtrict ber
Stadt. Muſh gehören; die Zahl ver Kurden gibt man auf, 000
Famillen an. Der Kharaj oder die Zolltaxe ©) des ganzen
Paſchaliks, welde die Rayahs zu zahlen haben, ſoll * au
460 Beutel, d. i. 2300 Pfund Sterling, belaufen, . f9. che
feine Schägung ver Rayabpopulation machen Läßt, well e9 ‚yarfhler
bene Steurrelaffen unfes dieſen gibt. Zrant ſcat pie. al der
J ses) J. Nraut Lk — 918. e ebend. 2.877. u „ u F
er
geh
Evphratſoftem oberer Murad; Ebene Mufb. 679
Nayahs auf 12,000 Individuen über 14 Jahr, welche viefen Kharaj
zu zablen Haben. Der Kinderzahl nah müßte die Population
weit größer fein, aber durch Hunger, Schmuß und Noth aller Art,
mozu ·˖ wegraffende .Epivemie ohne ärztliche Hülfe gehört, geht ein
großer Theil verfelben jährlich zu Grunde,
Die Ebene von Muſch, an 16 Stunden (40 Mil. engl.)
lang und 5 bis 6 Stunden breit, von Slüffen gut bewaͤſſert, fon
aber fleinig und dürr, fol über Hundert Därfer, jedes mit 20 bis
40 Bamilien, Haben. Die ſtarke Population in den Hier zahlreich
mahe aneinander liegenden Ortſchaften brachte Southgate auf den
Gedanken, daß Hier wol ein geeigneter Pla zur Errichtung einer
Miffion unter den nicht unirten armenifchen Dorfbewohnern fein
möchte. Die mehr ald anderthalbtauſend Fuß geringere
abfolute Höhe diefer Ebene gegen vie hohe Platenuebene von Erze⸗
zum gibt ihr, bei gleich vielem Schneefall, doch viel milnere Winter
Goch dauert derfelbe 5 Monat), aber auch viel heißere Sommer,
and daher iſt bier ein fehr gebeihliches Glima für Trauben, Me⸗
Ionen und Obſt. Doch findet man Obfigärten nur dicht um bie
Stadt und einige Dörfer angepflanzt. Eigentliche Waldung fehlt
auch hier, doch gibt es in der mehr bergigen Nachbarfchaft im Sü⸗
den der Stadt Eichenwälder aus ſtets niedrig bleibenden Bäu⸗
men. I. Brant bemerkte die beiden Arten von Quercus, deren
eine bie trefflichen Galläpfel Liefert, indeß die andere, die Wanna
Eiche, eine zuckerſüße Materie ausſchwitzt, die, ohne offieinelle is
genfchaften, von Blättern und Zweigen abgefchüttelt eine Art Wanna
zu Gonfituren darbietet, das aber nicht in allen, fondern nur in be⸗
fonders trocknen Jahren erzeugt zu werben pflegt. Diefe Gall⸗
Apfel, etwas Bummi, etwas Tabad, der am Karaſu gebaut
wird, aber von geringer Qualität if, Obft in Menge, doch Feine
guten Sorten von Nepfeln, Birnen, Kirfchen, dagegen fehr gute
Trauben, auch etwas Wein, von den Chriſten zubereitet, einhei⸗
miſches Baumwollengewebe, dann aber vorzüglich Pferde,
Schaafe, Rinder, find die einzigen Producte des Landes, die in
Verkauf geftellt werben. Das Vieh wird hier auf dem Markt für
Syrien und Conſtantinopel aufgefauft. Der Handel ift baber
fehr gering, und wird nur mit Bitlis, Erzerum, Diarbetir
geführt, welches Ichtere direct an 4 Tagemärſche fern Hegt, aber we⸗
gen der Unficherheit ber daſelbſt zu durchſezenden wilden Gebirgs⸗
wäffe- auf Umwegen von‘10 Tagereiſen, das rechte Ufer bed Mus
Tab entlang, über Bald um Kharput befucht zu werden pflegt.
680 Weſt⸗Afien. TIL Mötheikung. 1.Möfhmitt.ju 37.
Man rechnet, daß etwa 500 Saumpferde zum Trausport auf viefen
Rarawanenwegen in der Stabt bereit fliehen, in ber aber uus em
einziger Khan zur Aufnahme ver Paflanten fich vorfindet. Zum
Abſatz für europäiſche Fabrikate, vie I. Brant dort einzuführen
verſuchte, iſt der Ort noch zu arm; nur etwa von Aleppo aus
werden einige Zeuge vahin eingeführt, die Hei der höchſten Claſſe
allein Abſatz finden. Der Handel if aueſqq uchiich in den Hinten
armenifcher Kaufleute. 7)
Auf den genannten Handels ſtraßzen nach Bitlis, Balı
und Diarbekir, die früherhin für Suropäer gänzlich —*
geblleben waren, iſt in neueſter Zeit durch kühne Reiſende die fer
nere Kenntniß des Stromgebietes des Murad um vieles er⸗
weitert worden. Wir folgen dieſen Routiers erſt am Nebenflufft
dem Karaſu, von Muſh an aufwärts gegen Oſten bis zu
dem uns ſchon bekannten Bitlis, zu den oͤſtlichſten Quellarmen o
des Tigris, und geben dann auf der andern Karawanenſtreße
abwärts, längs dem Murapthale gegen We, bie Palu un
zu feinem Bereine mit vem Frat oder nörblichen Cuphratarme.
4) Reiferoute von Muſh, den’ Rarafu, Nebenfluß des
Murad, aufwärts'bis zu feinen Quellen und bie
Bitlis.
In 8 Tagereiſen Hat I. Brant, und in uoch kürzerer Zelt
bat Southgate dieſen Weg zurüdgelegt, beide in der Mitte nes
Sommers.
7. Aug. Erſter Tagemarſch von Mufh nach Khafs kol
J. Brant verlleß Muſh am 7. Aug. und nahm feine Richtung
‚Mwärts, immer entlang am Südrande ver Muſh⸗Ebene,
südte am erſten kleinen Tagemarfche nur 4 Stunden (10 MU. mel.)
weit vor, bis zum Dorfe Khafskoi (Hafs keui bei Sonth⸗
gate),®) gegen Südoſt gen Oſt gelegen... Der Weg führt über
ben, flachen Boden; gegen ven Fuß der Berge liegt Über Kit; Wie
Ufer am Karafu- Fluß find Dagegen fehr fruchtbar. Die gegen ben
Süden vorliegenven Hügel find bie erſte ftarfe Stunde mit Weiz
bergen bedeckt; auf ven hie unb da dazwiſchen liegenden Kerner
dern war, ungeachtet ber trocknen Sonumhin, “rn. aech 2
. ea 1 Be SE 2}
30T) Yisc. Pollington I. c. p.d46. Brass, ‚Botse starre
Journ. of R. Geogr. Soc" VeLx. B, 8 —— —
gate, Narr. I, 0. 9. 201-208. ; *
Erphratſyſtem; oberer Märadi: Kara fu. 688
gereift. Jenfeit ver Weinberge änderte’ ſich Aber die Landſchaft und
die Abbänge waren nur noch begränt und bewaldet. Khaſé kei
bat 3 armeniſche Kirchen: und gilt als eins ver blühendſten Doͤrfet
in ber Tüͤrkei. Die ſtarke Bendlferung der Muſh⸗CEbene ködunte Hier
Doch noch weit bevesstender feln, da nody ſehr große Landftrecken
anbebaut liegen, una auch: für zahlreichere Vlehherden würde noch
Ueberſluß an Weideland fein. Im Dorfe wohnen 150 armeniſche
Familien, und an 50 Eurbifche nehmen da ihr Kiſhlak, ». h. müſſen
da von den Bauern in die Wintemuartiere aufgenonimen werben:
Kür file und Ihre Heerden, vie im Sommer auf den Bergbähen weis
den, fah man zu Wintervorräthen bie größten Geuniaffen aufge
bäuft, In gewaltigen phramivalifchen Diemen. Dieſer Drud ver
Kurveneinquartierung laſtet ſchwer auf dem Bauer, und erhält ihn
ſtets in der Armuth. Im vorhergehenden Jahr Hatten fle allein in
Diefem Dorfe 80 Pfund Sterling für Viebfutter- der Kurdenheerden
zabtlen müſſen, weil ihre eigenen Vorräthe an Butter bei dem lange
auhaltenden Winter nicht ausreichten. Zroei Brüder des Kiaya
oder Dorfſchulzen waren von Ihrer rohen Cinquartierung erſchlagen
worden. Die Verbrecher wurden zur Beſtrafung nach Erzerum vor
Xen Geradkier geführt, aber die Hinrichtung magte dieſer nicht, weil
Deren Blut dann über ven noch lebenden Kiaya gekommen, und
Diefer wiererum von ben kurdiſchen Verwandten wegen ber Blut⸗
Gebe feinen Top gefunden haben. würde. Drei Stunden fÜüdmärts
Diefes Dorfes jenfeit des Bergzuges, welcher hier die Suüdgrenze ver
Muſſh ⸗Ebene bildet, breitet fidy eine andere Ebene aus, vie dem
Beg von Kharzan gehört, der aber nicht Hier, ſondern 26 Mel»
In entfernt (unfteeittg gegen Weſt im Karfann over Kharzan
Dagh, f. oben S. 91, 99) refiviren fol, obmol ver Kharzan
Dagh vie ganze hohe Gchirgäfette im Süden von Muſh und deß
Karafır bezeichnet, eine Localltät, die I. Brant nicht näher bes
Tannt war, obwol er die Kharzanlt- Kurden Eennt, über vie aber
von ber Südfeite her wir durch v. Moltke als Migenzeugen bes
Yehrt worden find (f. oben S. 91 u.f.). Vordem war jener Rei⸗
fende hier In Lebenägefahr, che es Hafiz Paſcha gelang, vie dor⸗
Ügen Kharzanlis Kurven, nach ven vergeblichen Verſuchen Reſchip
Vaſchas, wirklich zu beſiegen. Rur die Bewohner des Hochgebirges
Lämpften gegen ven Pafcha, von denen aber zwei Drittheile der Bes
wülterung, nämlich vie Armenler, leinen Antheil an ver Gegenwehr
nahmen. Ale vereinigt wärbe auch Hafiz Paſcha nicht haben be⸗
Regen koͤnnen.
Mi. HE
682 Weſſt⸗kiſten. AIR Abtheilung. 1-Obftpeitt.$.37,
Um Khaſo koi bemerkte 3. Brant (unter 38° 43’ 12". N,
Br. und 410 38 0" DL v. Gr. nach Glascotts Beobachtung ge
- Iogen) noch viel Kornbau; bie Erntewagen mit Korn beladen wa⸗
sen Arabahs, d. i. Karren, deren zwei Räder meift jo gebaut find,
daß Ach die Are noch mit ven Rädern herumdreht. Nur wenige
andere, bei. denen vie Are feſtſtand und nur die Räder rotiztem,
fhlenen jedoch einen Foriſchritt der Civiliſation zu bezeichnen. Aber
jene, ſagte man, ſeien zwar theurer, aber dauerten 20 Jahre, wäh
send dieſe nur 2 bis 3 Jahre aushielten, dafür aber freilich wohl⸗
feilee und nur bei den Armeniern im Gebrauch wärm. Die guien
Mäder konnte man nur in Erzerum zum Kauf befommen, da es
bier gänzlih an Eifenjchmieden fehlt, und nur das Geſtell,
ganz aus Holz, wurde hier an Ort und Stelle dazu gefügt.
8. Aug. Zweiter Tagemarſch. Bon Khafs koi nad
Muſhakſhir. Noch bei Mondſchein brach vie Karawane 3.
Brants auf, 9) durchzog dad Dorf Iriſhdix und ſetzte banz
durch den Karafu, der bier Enietief und nur 15 Schritt breit wer,
unjtreitig dieſelbe Stelle, wo ihn au Southgate paſſirte, der
fein ſchmutziges Waſſer nur 4 Fuß tief fand, das viel. Serpentinen
macht, und Häufig an feinen Ufern das Erdreich einreißt. Jenſeit
kommt man am Klofter Ahkevank (Arkavank bei Wilbra⸗
ham) vorüber, mo ein Eeiner Zufluß zum Karafu füllt, an veſſen
Ufer man nad einer halben Stunde Wegs zum Dorfe Nokh ge
langt, und eine halbe Stunde weiter zum legten der armeniſches
Dörfer, Marnik, gegen Bitlis Hin: venn jenfeit trifft man um
noch kurdiſche an. «Hier würde aljo eine Grenze der arme
nifhen Bevölkerung gegen die kurdiſche, des eigentlichen
Kurdiftan, zu. jegen fein, und fo weit reichen denn auch Die fg er
genthümlichen unterirpifchen, mehr den Höhlen gleichen armeni⸗
fhen Stollwohnungen für Menfchen und ihr zahlreichen Bich,
die bier beim Eintritt vom Gentrite® ber, ndrdlich ber, oͤſtlichen ‚Tb
grisquelle (f. 06. S. 23, 86), vom Kleinen Telcboas- lügen)
an, dad offenbar nur dieſer Karafu fein kann, bid zum Murar
(Xenoph. Anab. IV. 4,3) dem Xenophom eben fo auffielen, wi
bie behagliche Wärme und Sicherung gegen den Schnee im Blnm,
die darin aufgehäuften Vorräthe von Lebensmitteln und dat berar
green
80») J. Brant,. Notes I. Bonihgate Le En ne
Wilbraham 1. c. ag. Fer ag | 7, Re nn
ag, Tg? - "199 4, Rennell,, Tlupigatic
Eapheatioflem; obere Mumd; Kara fi. 683
ſchende treffliche Berftenbier (olvos apidwog, Xenoph. Anak,
IV. 5, 26), das in ben Kratesen bei ven Oelagen damals, nicht
fehlte, aber gegenwärtig bei ven Armeniern ganz in Bergeffen-
heit!l) geraiben iſt. Hier in verfelben Localität war es, wo
Cheiriſophus und Zenophon auf ihre eigene Anfrage durch ihren
perflich redenden Dolmetfches vom Dorffchulzen (xwuuexns, ei
Zenopb.) es felbft erfuhren, daß Dies Land Armenia heiße, in
das file aus Karduchia eingehreten waren. E
Jenſeit Marnik, ſagt Southgate, ritt er. bald durch den
Kara fu, und weiterhin an die Quelle dieſes Fluſſes, die aus
einem kleinen, kreisrunden, unergrünblich tiefen Xeiche des Flarften
Waſſers Hervortritt, der am Ende ber Ebene, nahe dem Kurkennorfe
Moshenm, in einer fehr lieblichen Gegend liegt, die auch durch
Baume geihmüdt if. Bon da an, bemerft verjelbe, wendete fich
fein Weg von ver Dirertion gegen Oſt mehr und mehr ab gegen
Süd, und führte zwifchen fchlanken Bergkegeln, ner von Welt nach
Oſt gehenden ſüdlichen Grenzkette ner Mofhugebene, in ein
Gebirgothal hinab. Died entſpricht der Kartenzeichnung, welche
Col. Monteith dem Kara fu auf feiner Karte von Armenien
gibt, die aber Hier blos hypothetiſchen Werth hat. J. Brant
nennt aber denjelben Fluß nicht Kara ju, fondern fagt, daß es nur
ein feiner Zuflup zum Kara fu fei, der aud einem Sumpfe 34
Demfelben (natürlich gegen Nosd) durch flache Wieſen, Kornfelver,
Melonmäder abfliege; daß er nachher wieder bei dem Dorfe Mu»
"rn akſhir ven Kara fu Fluß erreicht habe. Sein Weg muß alſo
wol etwas nörvlicher von dem vorigen abgemwichen fein, weil auf
dieſem des Dorfes Muſhakſhir Leine Erwähnung geſchieht, und
Gouihgate auf feinem früher gegen Süd abliegenden Wege Feine
Aymenier mehr traf, und fehneller durch das Kurdengebirg nad
Bitlis gelangte, als fein Nachfolger. ,
Das Darf Muſhakſhir Hatte, obwol es fihon Eigenthum
ed Sherif Beg von Bitlis war, doch noch 50 armeniſche Familien
zu Bewohnern. Bon Khaſskoi nah Marnif waren 9, von Mar-
gif gegen D,5S.D, bis Muſhakſhir nur 6 engl. Miles Weg.
Gegenüber, d, j. in N.O., lag die Kette des Nimrud Dagh (f.o.
6.288) uud mehr gegen Sünden, an ber anbern Geite ber Sumpfe
ebens, daB Kurbendorf Nurſhin (Norſhin, vieleicht identiſch mit
mn . wur | er
. 22) Col. Monteitb, Journ: tn Journ, of R, Geogr. Soc, ul. p,332;
" A. Jaubert, oy. pP» ⸗
TUE .g . Roy hit EN
634 MichMfien. UI. Abtheilung. l. Livſchaitt. 5.37.
oAlgein Nofhem bel Southgate)/ das, fo wel wir wiſſen; unter ven
Eutvpaͤern bis dahin nur allem von Prof. Schulz beſucht war
ef: Erdt. Th. IX: S. 080). Die Nimrud⸗Kette, bemerkt I. Brant,
zieht. faft direcrt von Nord gegen Süd, aber an ihrem Ehtenie
wurbe fle von der Querkette des Kerku Dagh (f. ob. ©. 288)
von W. nach O. durchſchnitten, vie, von buſchigem Unterholz ganz
begrunt, abgeſtumpfte Gipfel wie erloſchne Bulcanformen
zeige, die vielleicht von hier ſchon ſich dem plutoniſchen Gebiete
des Ban Sees und Ararats anrelhen ob. ©. 28, 3,
34 u. f. w.).
9: Aug. Dritter Zagmarfch. Bon Muſhaſhkir nat
Birtie. Von Mufhakſhir wurde bald vie Ebene von Hier ia
" einer Stunde bis NRurſhin vurchritten; ſchon nach ber erfien
halben Stunde wurde ver Karafu burchfet, der bier neh N. nah
S. fließt, aber nicht fern herab vom Südabhange des Nimrud
fommt, deſſen Thäler er entwäflert. Das meitläufrig zwiſchen Fel⸗
dern und Gärten audgebreitete Kurdendorf Nurſhin gewährt
einen ſehr lieblichen Anblick Bon da an begann ein fanfte An⸗
fleigen zmifchen 2 Bergketten, an einem Dörfcyen mit einem ruinie
tm Khane und, am Kafir Bozg over Borj (v. i. ungläw
Higer Thurm) vorüber, ver aber von Modlemen bewohnt wir.
Finige Jeſiden, die von ihren Vergzelten auf dem Nimrud berab-
famen, zogen bier vorüber nach Bitlis. Einer von ihnen, ver
tuͤrtiſch ſprach, fagte, fle fein Feine Mosfemen; er trank Brankt,
wein und gründete darauf feine Blaubensgemeinfchaft und Rameräb»
ſchaft mit den europäifchen Ehriften, weil vie Meinung unter ver
bortigen Türken allgemein, das Ehriftenthum beftehe nur darin, be
rauſchende Getränke zu geftatten; daher vie Mäßigkeit der Curopfet
im Oriente in biefem Puncte nicht ſelten die Türken in Verwun
drung ſetzt.
Erſt 2 Stunden jenſeit Nurſhin, dem Oſtende des Kelu
Dagh gegenüber, wandte fih I. Brants Karavane gegen’ nv
in ein enges Ikal, dad zwiſchen hohem Bergrande wit fenterügfen
bafaltgleihen Felſen, über die ſich ſpaͤrliche Baffafälz ſtit
hinabwãrts führte, nach Bitlis. Man zog hier an mehreren
Ben Khans (4 nah Southgate), yon foliver — ek
altem Saracmenfiyl aus gehauenen Steinen aufgefählt; ak
sundeten Ihürmen an ven Eden ver Gebaͤude, und mit u Sea
gefaßten Brunnen vor Ihnen,!2) vorkber, bie eg 2 B, {na in
813) J. Brant l, 0, pı 878, Wanfıma \ ur
—
,
7 fen oͤberer Murad; Wille. 683
Verfall, doch als Zeichen einft‘ bedeutenden Karawanenverkehrs gels
ten Eönuten, wo e8 allerving®; auf ver Grenze de warnen GI:
maß: von Bine: zum Falten Plateau Elima Hocharmeniens,
von Wichtigkeit für vie zahlreichen Wanderer fein: mußte, Yier für
die füneereiche und langdauernve Winterzeit Aſyle vorzufinden. :
Die Thalſohle ver Engſchlucht war fo welch," daß die Pferde⸗
hufe ſich varin fehr: tiefe Reitpfade ausgetreten, und die Erde ſo
leicht, daß man fie für Bimsfein halten konnte; alles deutete auf
Vulcanboden bin. An einer Stelle watß ver Felspaß nur 20%.
breit kuͤnſtlich durchgehauen. Die Nadtheit und Wildheit dieſer
Felsſlucht erhöhte die Ueberraſchung, als man plögfih, durch fld
Ninduch, am Cingange des ſchoͤnen und teigenven Thales von
Bis fſtand, das in feiner gränen Umgebung Yon reichen Wale
Bungen, bärten und Obſthainen einer ganz andern Natur anzuges
Hören ſchien ald der baumleeren Eindde des welligen ein«
förmigen Plateaulandes. Von' der ploßzlichen Sudwendung
der Route brauchte man 2 Stunden 26 Minuten' Zelt, um Bitlis
zu erreichen; bie ganze Strecke von Muſhakſhirbis Bitlit
role min Auf 3 geogr. Meilen (15 sis 16 Dit. engl.). —
— a Die Stadt Bisfis und das Beglit.n)
gwat liegt die Stadt nicht mehr Im: Muradgebiete, and If
fon früher von Blttis (Erdk. Th. IX. S. 1003 — 1006) einmul
die Rede geweſen; ſeitdem haben aber J Brant und Southgate
manche ver früheren, nur bei einem erſten Durchfluge gemachten Bes
mertungen von Kinneir, Spiel und Wilbraham fpäterhin
vurch längern Aufenthalt‘ miehtfach berichtigt und erweltert, was am
zweitmäßidfien hirr nachzutragen ſein wird, da wir fa auch frü⸗
ber ſchon gendthigt waren, vas Verhältniß des Bitlistfhat zu
des Tiqris Quellarmen zu berühren (ſ. ob. ©. 88 u. f.). Die
aſtronomiſche Lage der Stadt iſt durch Glascotts Obfervation
dahin berichtigt, daß fle unter 38%23'54" N. Br. und 42° 4' 45”
DR. in feine Kartenſkizze eingetragen wurde, und ‚le abfolute
Höhne des Sherif Begs Pallaſtes über dem Deere beträgt 5,137 8. P.
(5,475 9. engl.), fo daß die meit tiefer gelegne Stadt etwa auf
6,000 Bar. &. Höhe über dem Meere, nach runder Summe, gelegen
anzunehmen fein wird.
28) J, Brant & c. p. 870-—884; Southgate 1. c. y. WL— DA.
—
GBA Weht-aifien. II. Abtheilung. l. Libſchrit. 5.37.
obigein Nofhem bel Southgate)/ das, fo vil wir wiſſen; unter von
Gatopänn bis dahin nur allen von Prof. Schulz beſucht war
€: Erdt. Th. IX: S. 980). Die Nimrub- Kette, bemerkt I. Braut,
zieht. faft dirert von Nord gegen Süd, aber an ihrem Süͤbende
wurse fie von der Querkette des Kerku Dagh (ſ. ob. ©. 288)
von. nach O. durchſchnitten, die, von buſchigem Unterholz ganz
begrunt, abgeſtumpfte Gipfel wie erloſchne Bulcanformen
zeige, die vielleicht von hier ſchon fi dem plutoniſchen Gebiete
des Ban Gerd’ und Araratd anreihen A ob. ©. 289, 331,
343 u. ſ. w.).
229: Ang Dritter Kagmarfl, Bon Muſhafſhkir na6
Bitlis. Don Mufhakſhir wmurbe bald die Ebene von Hier in
einer Stunde bis Nurſhin vüurchritten; ſchon nach ber erflen
Halten Stunde wurde der Karaſu vurchiet, der bier neh N. nach
S. fließt, aber nicht fern herab vom Südabhange de Nimrud
fommt, deſſen Täler er entwäflert. Das weitläufrig zwiſchen Fel⸗
dern und Gärten audgebreitete Kurdendorf Nurſhin gewährt
einen ſehr lieblichen Anblick Bon da an begann ein ſanftes An
fleigen zwiſchen 2 Bergketten, an einem Doͤrfchen mit einem ruinte
tim Khane und, am Kafte Borg oder Borj (v. t. ungläu-
Higer Thurm) vorüber, der aber von Moslemen bewohnt wire.
@inige Jeſiden, die von ihren Vergzelten auf dem Nimrud herab
famen, zogen bier vorüber nach Bitlis. Einer von ihnen, ver
tuͤrtiſch ſprach, fagte, fie felen Feine Moslemen; er trank Brauud.
wein und gründete darauf feine Blaubensgemeinfchaft und Kamerad-
ſchaft mit den europäifchen Ehriften, well die Meinung unter ven
dortigen Türken allgemein, dad Chriſtenthum beſtehe nur darin, be⸗
rauſchende Getränke zu geftatten; daher die Mäfigkelt ver Eurupäer
im Driente in dieſem Puncte nicht ſelten die Türken Im Bewer
drung ſetzt.
... &f 2 Stunden jenfett Nurſhin, dem Oſtende des "Kıska
Dagh gegenüber, wandte fih I. Brants Karavanc gegen‘ on
in ein enges Ikal, das zwifchen hohem Bergranve mit fei
bafaltgleichen Felſen, über die ſich ſpaͤrliche Wafferfälte Kite
binabwärts führte, nach Bitlie. Dian zog bier an ——⸗
ßenKhans (4 nach Southgate), von ſolider
altem Saracenenſtyl aus gehauenen Steinen aufefähtt; wi er
rundeten Ihürmen an ben Eden ber Gebäude, uns an
gefaßten Brunnen vor ihnen,12) vorüber, bie BGF —
. UI; map lun. il
N
N
Gupbrätfofleng öberer Murad; Wild. 683
Berfall, doch als Zeichen einft: bedeutenden Karawanenverkehrd gel⸗
ten tönnten, wo es allerving®, auf ver Grenze ded warmen GIt:
mas: von Bis: zum kalten Plateau» Elima KHocharmenien®
von Wichtigkeit für vie zahlreichen Wanderer fein: mußte, hier für
die füneereiche und langdauernde Winterzeit Aſyle vorzufinden.
Die Thalſohle der Engſchlucht war fo weich, daß die Pferde⸗
hufe ſich varin ſeht tiefe Nettpfade ausgetreten, und die Erde iv
leicht, daß man fe für Bimsfetn hälten konnte; alles deutete auf
Vulcanboden Hin. An einer Stelle war vet —28 nur 20 F.
breit -Fünftlich durchgehauen. Die Nadtheit und Wildheit dieſer
Zelsſhlucht erhöhte die Ueberraſchung, als man plbtzlich, durch fle
diadurch, am Cingange des ſchoöͤnen und retzenden Thales von
Bithis Rand, das in feiner gruͤnen Umgebung Yon reihen Wal⸗
Yungen, Gärten und Obſthainen einer ganz andern Natur anzuges
Hören ſchien ald der baumleeren Eindde des welligen ein«
förmigen PlateanTandes. Von' ver ‚piöglichen Südmenbung
der Route brachte man 2 Stunden 26 Minuten’ Zeit, um Bitlis
zu errelchen; bie ganze Strecke von Ruſhakſhir⸗bid Bitlie
ſhaen mdn auf 3 geogr. Meilen (15 bie 16 Di. engl.). —
— \ Die Stadt Bitlis und das Beglit.)
gwat liegt die Stadt nicht mehr im Muradgebiete, auch iſt
fon früher von Bithie (Erdk. Th. IX. S. 1003 — 1006) einmaul
die Rede geweſen; ſeitdem haben aber 3. Brant und Southgate
manche ver früheren, nur bei einem erſten Durchfluge gemachten Be⸗
merkungen von Kinneir, Shiel und Wilbraham ſpãterhin
vurch längern Aufenthalt’ mehefach berichtigt und erweltert, was am
zweckmaͤßigſten hier nachzutragen ſein wird, da wir ja auch frü⸗
her ſchon gendthigt waren, das Verhäimiß ves Bitlistfhat zu
des Tiqris Queſlarmen zu berühren (f. ob. ©. 88 u. f.). Die
aſtronomiſche Lage der Stadt iſt durch Glaſscotts Obſervatlon
bahn berichtigt, daß fle unter 3802354 N. Br. und 42° 445°
DR. in feine Kartenſkizze eingetragen wurde, und die abfolute
Höhe des Sherif Begs Pallaſtes über dem Deere beträgt 5,1378. P.
(5.475 8. engl.), fo daß die weit tiefer gelegne Stadt etwa auf
6,000 Par. J. Höhe über dem Meere, nach runder Summe, gelegen
anzunehmen fein wird.
18) J, Brant L c. p. 870-884; Southgate L. c. r ML — DA,
- geichügteren obſtreichen Thaͤlern. ie
686 Wefbiiifien; TIL. Abthellung. I. WfGmitt. h. 37.
Seltſam hineingebaut in 3 tiefe Thalſchluchten, bie von N,
SD. und Weſt zufanmenftoßen, mit 3 Fleinen Strömen, die in
einen, den Bitlistfhai, zufammenfließen, ner nach 24 Gtunben
Lauf zum Tigris faͤllt, Kat dieſe Bergſtadt eine romantiſche Lage,
welche durch den Terraſſenbau ber Strafen und Häufer noch erhößt-
wird, die, aus der Thaltiefe aufwärts geſehen, dfter dem Beichauer
über dem Kopfe’zu ſchwehen feinen. Die melften viefer Hauſer
find von Gärten umgeben, die dem Ganzen ein varadiefiſches An-
fehen, zumal immitten ber umgebenden Wäften, verleihen. Das
Pflaſter iſt ſchlecht, aber die Steinhäuſer, alle mit platten Dach⸗
terrafien, find aus einem fchönen Quaderſandſtein erbaut; vie Mar
zare find groß, ‚oft übermölbt, reich mit Warren gefüllt. Im wer
Mitte ded Vereins der verfchlevenen Thalfehluchten, deren Bergmände
bis zu 2000 Fuß emiporragen, erhebt ſich ein Steilfels, Auf deſſen
Gipfel die imponirenden Ruinen des, fehr alten Gaftelle, mit .
vielen arabifchen Inferiptionen, legen, das vor Zeiten die Reflveng
der einft unabhängigen Begs von Bitlis war, aber gegen⸗
wärtig nur von einigen armen Familien bewohnt wird, weil bes
heutige Sherif Beg von Bitlis, der Vaſall bes Bafıha von
Mufb, fich einen modernen Ballaft auf einem andern, mehr
Dergvorfprunge erbaut hat, der, an 300 Fuß höher als die Stadt,
piefe dominirt, und über deren oft erſtickend Heißen Thalengen fich in
eine Tühlere Luftregion erhebt. Im dieſem Iegtern murbe I. Brant
von dem. gaftlichen Sherif Beg fehr freunpfchaftlich beherbergt.
Er ift ſehr weitläuftig, Aber von roher Bauart, mit großen Hefe
säumen, mit einge reichen Fontaine, mit Ställen in dern untern
Räumen, mit Wohnungen und Gallerien in ven obern, die auf ed
Selten für die Männer, auf der vierten. für das Harem. beim
find, und aus ihren weiten geräumigen Fenſtern, Balkenen uub
Terraſſen vie fchönften Ausfichten in die Umgegend geſtatten. Den⸗
no war e8 auch Hier im Sommer unerträglich heiß, vol Figen
und nur die Flaren Nächte geftatteten auf ven freien Terraſſen um
quickliche Ruhe und Schlaf. Den Winter hindurch iſt Dagegen, bie
Kälte hier durchdringend, der tiefe Schnee aus den Cälnten,
durch Stürme noch höher aufgeweht, hemmt nicht felten gang: “
Communication zwifchen dieſer Reſidenz und ver Stadt mit iu
Die frühere Angabe Kinneirs von 12,000 Fine
Stadt iſt von Brant und Southgate auf 3,000 Samillen, 1
alſo wahrſcheinlich auf 12 000 Weleuce keflätigt; naͤmlich
Euphratſyſtem; oberer Murod; | Bitlis. 687
emifche und 1000 armenifche, wozu noch 50 jal. Htifche Familien
einer Kirche und 2 Prieſtern Tommen, die Souihgate für die
‚igen jafobitiichen Chriften im nörblihen Kurdiſtan anfleht.
ver durch ihre Thalfchluchten und viele Gärten ungemein weit
ig auägebreiteten. Stadt treiben die fließenden Waffer 32 Müh—
viele einbogige Steinbrüden find über dieſelben Kinweggebaut ;
zählt. bier 32 Moſcheen, 8 Medreſſen und an 12 Tekiyehs
Convente der Dreher⸗Derviſhe, die Hier Ihren Haupifig
n follen. Die Mofcheen find unanſehnlich; nur eine ift aus
re Belt in demſelben faracenijchen Architecturſtyl wie jene vier
se; auch find einige andre Ruinen in gleicher Art mit Sculp«
| vorhanden. Bet einer derſelben bemerkte Southgate zwei
* gehauene Löwen in liegender Stellung. Aus derſelben
mag auch wol das Kaſtell auf dem 50 bis 60 Buß hohen
echten Fels mit feinen 30 Fuß hohen, im Kreife fehr folive
sten Ningmauern batiren, das, durch enge Steilwege und mieh⸗
Thore vertheidigt, einft uneinnehmbar gewefen fein mag, aber
imärtig nur aus einem Haufen von Ruinen beſteht.
Die Armenier In Birlis find wohlhabend, ſehr geachtet, ein⸗
eich, einſichtsvoll; fie haben 8 Kirchen und 4 Priefter. Jede
e ift eine Art Klofter, darin viele Möndye; aber ihre Kirchen
fo dunkel im Innern, daß man darin nichts zu erkennen im
we iſt. An 2 bis 3 find ziemlich groß, von Steinen aufge
‚ gewölbt und mit Malereien. geziert. Mit einer verfelben ift
inzige armenifche Schule ver Stabt verbunden, in ver South- -
: 200 Schüler zählte. Dex armenifche Bifchof, den verfelde hier
bte, war 120 Jahre alt; in felner Kirche befand fich eine Glocke,
och in allen andern türfifchen Orten ven Ehriften entzogen zu
pflegen.
Die Stadt hat 7 Khane, von denen 2 große nur zur Aufe
se ‚für Kaufleute beſtimmt find; man rechnet für den Gebrauch
Karamanentransportd nur 200 Saumpferde in der Stadt.
Gemüſe und das Obſt von Bitlis find gut. Das Ieptere
oblfell und im Ucberfluß; man zieht Hier Aepfel, Birnen,
ılbeeren, Kirfhen, Quitten, Aprifofen, Melonen,
uben, Beigen, Pomgranaten, Lambertsnäffe, Walls
e. Das Clima den Obſte fo günflig, obwol doch eigentlich
nichts aus dem beißen Elima hier vorfommt, iſt es auch für ven
ſchen, der hier von ſchonem Schlage, ſehr geſund iſt, und ein
Alter erreicht. Die Bewohner von Bitlis find freier und ge»
7 als in andern Türkenkädten; fie Tieben Belang und RUNL;,
688 With Nfien, IH: Abchellung, J. Abſchaltt. 6.37,
fie Haben Rackveftillationen in der Siadt, aus denen täglich 150 Pfr,
(80 DOffas) confumirt wird. Die geſalznen Fifche erhält fie aus vom
Ban «Ger. Baumwollenwebereien, Farbereien und Getbereien in
in der Stadt.
- Kurden kommen nur als Gaſte, ohne da zu wohnen,
in geringerer Zahl als nach Muſh; in der Stadt nennen fie
Mufelmänner ‚im Gebirg bekennen fie ſich zu feiner Religion; KH
Reben unter fi Immer in Blutfehde, und vauben mo es gebt;“
Staͤdter haſſen fie; alle Ortfchaften von Birlis bis Dan, Salwat
and weiter find ihren Ueberfällen und Plünderungen aubgefeht,
Doch iſt der Sheriff Beg von Bitlis ſelbſt ein Kurve; es war (1839
der Bruder des Emin Pafcha von Muſh, deſſen Vater Fich erſt don
Beg von Tiflis unterwärfig gemacht, und dadurch fein Bafgelt
um ein ganzes Drittheil vergrößert hatte; denn 80 Dörfer ſichen
unter ihm. Vor Zeiten war ver Beg von Bitlis ganz Invepennent,
flug feine eigne Münze, und kümmette ſich auch um ben Gulten
von Gonftäntinopel als Oberherrn gar nicht. Bon der Sage ki
Hohen Alters von Bitlis, und feiner Gründung durch einen Helben⸗
konlg, den fie &8-fender!*) Oder Dulfarneien nennen (f. Coeifi Orogr
b. Jaubert H. 315), iſt früher vie Rede geweſen.
WVrbvrzüglich um des Handeldintereffes willen wurde Mir
td von J. Brant, dem britiſchen Generalconſul in Trap, .
beſucht, weil dieſer Ort Hinficgtlich des Verkehrs eine der bedenlen⸗
flen dortigen Handelsſtädte iſt, auf ver Grenze bes tuͤrliſchen Neiche
und des perſiſchen, wie auf den Durchgangpuncte ven Un
menien und Georgien nach Bagdad, Diarbekr, Syrien und ven
Euphratlande. Daher iſt ſeinem folgenden Berichte wol etwas‘ u
Vertrauen ald den gewöhnlichen Angaben der Reiſenden über u
Gegenſtände zu fchenken.
Bon einem großartigen Handelsverkehr fann "
bier nicht die Rede fein, obwol die Lage ganz vortheilha
wäre. Nah Moful find 15 Iagreifen (80 Stunden) gel
Weges, Bagdad iſt 220 Ston., Bafjora 300 Sion. fra.nah.
der Schägung ver Eingebornen; Diarbefr fol 48 Ehe. —2
Jeſireh al Omra eben fo viele von der Stadt
fein. Mit Erzerum, Moful, Bagdad und Ban,
Hauptverkehr getrieben. Der Kaffee wird nur allein &
über Bagdad eingeführt. Den Innigo aus O nen 3
324) Otter, Voy. 1. p. IM.
v
1
Cupheatfofiem; Murad, oberer Lauf bis Palı, 689
zer erhält man Durch Perfien über Erzerum. Die einzigen non Ca⸗
sopäern einzuführenben Srempwaaren find bier: ungebleichte engli⸗
ſche Galleod und engliſche Shawls, pie fehr wohlfell finn; etwas
Wollenzeuge, gedruckte Calicos, gelbe Seiden und Satind, und etwas
zsaffinieter Zuder. Der Hauptverbrauch befteht in Manufactur⸗
-waaren von Damasfus, Aleppo, Diyarbekr, und In groben
bier. einheimiſch gewebten Wollenwaaren. Vieles Garn und viele
Stoffe werden bier roth gefärbt, da die brillante roche Farbe von
Bitlis berühmt IR; vie Hier gefärbten bunten Stoffe werden zumal
nach Beorgien exrportirt. Nur wenige europäifche Callcos werden
Bier gefärbt gegen vie Unzahl ver einheimifchen. Die dazu benupte
Baumwolle wird zu Shirwan in Süd, zu Kharzan in Weſt ges
baut, und von Khoi In Perſien aus dem Of eingeführt. Man
rechnet, daß bier jährlich mehrere 100,000 Stüd Calicos auf biefe
Art producirt werben. Der rothe Farbſtoff wird in Shirvan
gewonnen. Balläpfel kommen aus Kurdeſtans Gebirgen hierher
zum Berlauf. Der Gummi⸗Tragacanth wind in den Bergen
von zweierld Pflanzen in unfäglicher Menge gefammelz (Astragalus
tragacantha); von einer weiß bluͤhenden, die ein Ve und von
einer blaßrothen, die ein braune Gummi von geringerm Werthe
gibt, das nur von den Einheimiſchen verbraucht wird. Don Leu⸗
ten, die jährlich ſehr zahlreich durch Die Berggegenden fireifen, wird
das Bummi eingefammelt; fie befreien die Wurzeln ver Pflanze
von ver Erde, machen in dieſelbe Einfchnitte und erhalten dadurch
einen ausfchwigenden Saft, der fchon im erſten Tage trocknet. Da
au Weiber und Kinder dieſe Einfammlung beforgen konnen, fo iſt
im Sabren der Nachfrage die Zahl der einſammelnden Arbeiter fehr
groß, fo wie die Dunnitäten, die von der ſehr gemeinen Bebirge-
pilanze an diefen Bummiarten gefammelt werden, ungeheuer groß
ſind. Gonthgate gibt vie Menge diefed Bummi (pad er au
Arabicum, obwol irriger Weiſe nennt), welches jährlich ven "Krane
Durch Bitlis nach Armenien macht, auf 15,000 Okkaß an |
5) Reiferoute, den Muradfluß abwärts, von Muſh
über Palu.
Das Muradthal ſelbſt, von ver Mufbs@bene bis Palu,
Bleibt auf einer Strecke von wenigſtend 40 geogr. Mellen von Of
nach Weſt vom größten Theile nach noch ein gänzlich unbelannter
Gebirgägau, und nur Die Gebirgoketten, die den Strom zu
Beiden Geltm im Norden und Sünden begleiten, und mwahricheln-
Ritter Erbdlunde X. Er
690 Weſt⸗Afien. TI. Abtheilung. 1. Abſchnitt. 8: 37.
lich feine höchſt wilde, felflge und parums ummegfame wie unburds
ſchiffbare Thalfpalte eng begrenzen, find und bie und ba durch di»
nige Behirgspäfle, vie über vie Sünfette zu dem Tigrisgebiete füh⸗
ven, wie dur ein einziges Routier I. Brants über bie
Uferberge der Nordkette, ver DujilsKette (Paryadres ber
Alten, ſ. ob. S. 75), von Palu über Chang eri bi6 wieber zur
Mofbusebene zurück, bekannt geworben. Bon Palu an abwärts
aber, bis zum Berein mit dem Frat, verdanken wir ber erſten
kühnen Beſchiffung dieſes Stromes durch die preußiſchen Difidere
von Moltke uns von Mühlbach, feit ven Zeiten des Pli⸗
niut, die erſte Wieverentvedlung dieſes Stromlaufs für die Wiſſen⸗
ſchaft. Wir werden auch hier, wie im biherigen überall, im Ge
genſatz der in ver Compendien⸗Geographie herkoͤmmlichen Methode,
in der von uns befolgten, um zugleich mit dem Wiſſen auch das
Nichtwiſſen in der Wilfenfchaft an das Tageslicht zu ziehen,
wiederum dis fragmentarifch gewonnene Kenntniß nach den Raums
serhältnifien an einander reihen, fo daß wir zuerft die füplide
Gebirgskette auf dem Tinten, dann bis noͤrdliche auf dem rechten
Ufer beach und dann von Palu an abwärts auf dem Murad
ſelbſt uns einſchiffen bis zum Frat.
A) Ueberſteigung ver ſüdlichen Gebirgékette am linken
Ufer des Durad; der Kharzan Dagh, Kolb Days,
Darkuſh Dagh und Ihre Papübergänge zum Tigris-
gebiet, von Nord nah Süb,
Nur eine ſehr kurze Strecke dieſer Gebirgszüge lernen wie,
wenigſtens von ber Seite ihres Nordgehänges gegen das Mu⸗
radthal Hin kennen durch I. Brant und Visc. Pollington,
die beide, demſe Iben Wege anfänglich folgend, von Muſh ans
gegen SW. dieſe Kette im Darkuſh⸗Paß überſtiegen Haben.
Bon da an rang Pollington welter ſüdwärts vor; aber
3. Brants Route fenkte fi, vem Murad parallel bleibend,
nur zum Südabhange biefer den Murad begleitenden Kette hinab,
über die obern Thalſchluchten der Tigriszuflüffe von D. nach W.
vom Kolb fu (f. ob. S. 93) oberhalb Nerjiki, bis der Meifenbe
wieber in bie Umgebung von Kharput (f. ob. ©. 104), alſd um
Güpufer des Murad zurucklehrte. Obwol nun diefe Route zum ZU
fon in das Grenzgebiet ver Tigrisflüffe hinübergeht, dadurch aber ber
Waſſerſcheidezug zwifchen Zigris und Muradgebiet, die Mefhie
[den Berge, der Maflus, der Nebad, der Riphates Des-Milien
Euphratſyſtem; Murad, Kizil Aghaj. 69
(f. 08. ©. 75—78), feine einzige nähere Erläuterung erhält, denn
Kein anderer Augenzeuge gibt Hier nach ihm vollſtändigern Aufs
ſchluß, und da wir auch aus obigem Paragraph (3. Plintus über
die Tigrisquellen S.84—107) auf diefem Gebiete ſchon Hinreichend
geographiſch orientirt find: fo werben wir um bes beffern Zuſam⸗
menbanges willen zunähft I. Brant von Mufh bis in die Näpe
von Kharput begleiten, um durch Ihn eine lebendige Anfchauung
dieſes Ländergebiete® zu gewinnen, auf vie wir dann nur fpäter
um der Kürze willen bei der Orientirung im Tigriögeblete zurück⸗
zumelfen brauchen.
2. Juli. Erſter Tagemarſch, von Muſh bis Kizil
Aghal, 4 Stunden. Beine Beobachter 15) verliehen die Stadt
Muſh, um den erſten Tagemarſch nur bis Kizil Aghai (v. i,
rother Baum) vorzubringen, 4 ſtarke Stunden weit zu dem Dorfe
deſes Namens, das am Weftende der Muſhebene unmittelbar am
Nordfuße der dortigen Bebirgsfette Liegt, die überfliegen werden
muß, um aus dem Euphrate in das Tigrisgebtet Überzugeben, fowol
der Eingang zur Karawanenflrafe nah Diyarbekr am Xigris,
wie nach Kharput am Euphrat. Die große Beſchwerde diefer Route,
fo wie die bisherige Unficherheit durch das wildeſte Kurbengebiet, iſt
wol die Urfache, daß erſt Im Iahre 1838 nach Bezaͤhmung vieler
dortiger Kurbenflänme eine ſolche Tühne Entdeckungsreiſe gewagt
werden und gelingen konnte. Der Weg geht immer am Nordfuß
der Südkette in der Ebene Hin, durch welche ver Murad rechter
Hand zieht, in den der Kara fu fich einmündet; man: überfegt Halbe
wegs einen Haren Bergſtrom, ver ebenfalld wie Iegterer, von Süd
nach Nord, ſich nach einem Lauf von 2 guten Stunben zum Mus
rad fchlängelnd ergießt. Die Ebene ift Hier noch überall auf gleiche
Weiſe, wie weiter oberhalb, mit vielen armenifchen Dürfern beſetzt.
Neben mebrern Kurbenzeltlagen iſt Kizil Aghaj ein ſolches fehr
armes armenifches Dorf von nur 30 armenischen Familien, 4214 F. P.
(4491 8. engl.) über dem Meere. Das befte Haus des Kiaya,
bei dem Brant Jogirte, wur doch vol Schmuß und Ungeziefer
Hier Halten 30 Zamilien vom Tribus der El manli Kurven,
bie unter einem Sherif Aga flehen, zur großen Laſt der Armenier
ihre Winterflation, die aber im Sonmer mit ihren zahlreichen
Heerden (300 Rinder, 600 Schafe), auf dem benachbarten Gebirge
haufen. Der ganze Xribus foll aber 180 Familien zählen, un
28) J. Brant I. o. p‘ 863; Visc, Pollingten I. e. p. 47.
ar?
⸗
692 Weſſt⸗Afien. M. Abiheilung. I. Abſchnitt. $.37.
erſt ſeit hundert Jahren, nur 7 Familien ſtark, aus Orſah unter
dem Schutze der Vorfahren Emin Paſcha's als Colonie hier ein⸗
gewandert fein, und ſeitdem ſich ſo vermehrt haben. Sie find nur
Hirten und bauen Bein Aderfelb.
Der Sherif Hilvete mit 9 Kurden Brants Belelt. Der Boden
umher fehr dürr und fleinig, kann nah Brant keinen hinreichen⸗
ben Ertrag von Welzen ober Gerſte, ſondern nur von Sirfe
geben. -
3. Juli. Zweiter Tagemarſqh. J. Brants Weg von
Kizil Aghaj nah der Kurdenſtation Shin Darkuſh
Dagh; Koſhm Dagh; Antogh Dagh. 16) DB. Polling⸗
tone Pferdetreiber verſagten ihm den Dienſt, von bier weiter zu
geben, aud Angſt vor der blutduͤrſtigen Rage ver Dezinen, pie hie
im Gebirge Haufen und feinen Moslemen paſſiren lafien follten.
Bollington aber drang doch vorwärts und wurde ſchon nach wen
erften 4 Stunden Wegs in Erfleigung des Hochgebirge reichlich
belohnt durch die Herrliche Luft und den balfamifchen Duft ver
Alpenblumen, vie in größter bunteſter Farbenpracht Die Gebirgl-
rüden überziehend alles übertrafen, was er bis dahin in dieſer Art
gefehen. Mit der oberflächlichen Angabe von Anemonen, Tulipanın,
großen carmofinrothen Päonien und ven frifcheften Almen, vie wer
Reiſende mit ven fchönflen grünen perflichen Teppichen in Verglei⸗
hung bringt, müflen wir und begnügen, 618 ein Botaniker bie
bortige unftreitig neue Alpenflora ven Europäern befannt mischen
wird; bis dahin wird es auch wol problematifch bleiben, ob bie fa
tigen aromatifchen Sprößlinge des Gewächſes, womit hier die Füh⸗
ver ihre Brot würzten, wie Bollington fagt, wirklich der office
nele Rhabarber war (vergl. Erdk. I. 1033, IN. 373, IV. 190
u. a. O.), für ven er Ihn hielt, ven er zu Mufh in großen Ber
säthen geſehen Haben will, und ver au in ven GBebirgen wer
Türkei, nach ihm, in Menge von feinfter Dualttät eingefammelt
werden fol, Wir vermuthen, daß dieſe blumenreiche Alpe, Die au
der Grenze des kalten nörblidhen Hochlanded und der mildern: füh
lichen Berghöhen ſchon den Einfluß der warmen fyrifchen Sud⸗
lüfte empfinden mag, bei den Armenien der Berg Dyagdge Im
Nabad der Alten war (f. 06. ©. 77), oder ber Dzaghats teach®,
d. L der Berg der Blumen, der wegen der großen
s10) J. Braut 1. c. p. 35%; Pollington 1. c. p. 48.
EEE, .
⁊
Euphratfoftem ; Murad, Koſhm Dagh. 693
feiner Gebirgsthäler dieſen Namen führte 1) Nun trat der Rei⸗
jende zwifchen zwei fehr Hohen Bergen, deren einen zur rech⸗
ten, d.. gegen Weft, er Darkuſh Dagh nennt, ven andern hoͤch⸗
fin aber Khanduſh Dagh zur linken ober gegen Oft in ven
Hauptpaß ein, in welchem auf einer Strecke von brittehalb
Stunven mehre Bergwafler gegen Often, wahrfcheinlich noch zum
Murad gehörig, floffen, an. denen auch Kurden Jailaks Iagerten.
Weiber mit langen, groben, ſchwarzen, fliegenden Haaren, wilden
Furien gleich von Unfehn, und häßlich, da die Schönheit des weib⸗
lichen Geſchlechts unter ver Lebenslaft Hier fehr ſchnell mit der erften
Jugend verfliegt, zeigten ſich, doch, wie Ihre Männer, gafllih; es
folten Yeziden fein. Gewiß waren fle von den bisherigen Kurden
verſchieden. Sie brachten friſch gebadne noch Heiße Brotkuchen
(nun), frifhen Käfe, faure Milch (shir, die fle nicht mit dem
türfifch bekannten Namen Doghurt, f. 0b. ©. 334 u. a. O., nann⸗
ten) und Waffer (av), und belegten biefe mit Namen, die fchon
einen perfifchen Dialect verriethen. Mit dem Gebirgspaß wechfelt
hier die Volksfprache wie die Natur. Hier Übernadhtete der Vis⸗
eount; er Hatte auch am folgenden Marfchtage noch 11 Stunden
über fchr beichwerliche Gebirgswege zu reiten und Paßhöhen zu
überfleigen, bi8 er zum Dorfe Kherun (Khems der Kurven)
kam), zu einem prachtvollen Wallnußbaum, unter dem er fein
zweites Nachilager auf dem Gebirgäwege nahm, bis er am Mor⸗
gen des dritten Tagmarfches ſchon nach 2 Stunden Abfleigens vom
Geblirg im Thale ven Kolb fu erreichte.
J. Brant reifte Iangfamer, und erreichte erfi am Abend des
vierten Tages denfelben Kolb fu, weshalb feine Tagemärfche, venen
wir Hier folgen, auch kürzer und feine Beobachtungen betaillirter
find. Er erreichte an dieſem zweiten Tage nur die Kurdenſtation
im Gebirgsthale Shin.
Bon Kizil Ag haj nämlich umritt er noch eine halbe Stunde
weit die äußerſte Suͤdweſtgrenze der Plaine, und wandte fi) dann
gegen Süd, zur ÜErfleigung der Gebirgäfette. Dom Gipfel ver
ertten Vorkette, vie man ihm Koſhm Dagh nannte, und mel
che an 1515 J. relativ fich über die Mufhebene erhebt (der Gipfel
gab 5398 %. Par., d. 1. 57538. engl, abfolut über ——
erblickte man gegen Sũd 2 andre Ketten, davon bie hoͤchſte, ver
Antogh Dagh, noch viel Schnee, doch keinen ewigen Schnee
37) St, Martin, M&m. sur l’Arm. I. p. 50.
656 Weib Mfien, IH. Abtheilung. I. Aibſchnitt. $.37.
ſchen Paſchas war er fehr heruntergekommen. Seine Frau halte in
allen Scharmügeln ihm vie Flinten geladen, wie ex abgefäheffen.
Nerjili liegt ſehr romantiſch unter rauhen klippigen Yelswänsken
Yon Kalkſtein (7, und überſchaut das tiefe Thal des Kolbſu, ver
ſchon zu ven nörblichen Zuflüffen der Tigris⸗Quellarme gehoͤrt
Das Land if reichlich Bewäflert, Hat nur wenig anbaufähiged Laub,
daB aber Überall benupt if. Das Clima iſt mild, weniger Scham,
frühere Schmelze, Obſtreicht hum im milden Tiefthale, das nur
noch 3331 Fuß Par. (3550 8. engl. nad) Dickſons Baromelsrmef-
fung) über dem Deere Liegt. Doch reifen Melonen und Trau⸗
Yen auf viefer Gebirgohdhe noch nicht, was um fo merfwärbiger
HE, da auf den Hügeln des noch Höhern armeniſchen Plateaulaudet
zu Muſh, 3868 Buß Par. (4123 Buß engl.) über dem M., vo
gute Melonen und ganz vorzügliche Trauben reifen, alſo Sie
viefelben Berbältnifje ver Temperaturdifferenz zwiſchen Ma⸗
teauland und Gebirgsabhang einzutreten feheinen, wie Wi
Tübet und dem. fünlichen blmalavaabhange Exdt. Th. III. ©. 69,
VI. S. 433).
B) Gebirgemarfqh von Oft na Beh, Fortſetzung, von
I. Brant; von NRerjili am Kolbfu über Darakol, Sit
jeh, Khini, Piran, zu den Tigris- Quellen bei Arghanı
Maaden und bis zum Bolynere-AJuflüßchen (f. een
©. 105, 107) zum Rurad bei Kharpmt.
6. Juli. Erſter Tagemarſch. Bon Rerjilt nad
Darakol. Steigt man von Nerjift noch weiter das Thal Kind,
fo überfegt man den gegen Südoſt ſtrömenden Kolb ſu, und we.
det fh nun gegen Südweſt, niedrige Verghöhen, mit Bweykie
mm dber-Gallapfel-Eiche wie ver Manna⸗Ciche Sewaikfen,
überfleigend, bis man zum Thale eines zweiten, dem Kolbfu ya
lel gegen Suͤd firbmenven Tigrisquellarmes gelangt, ven 3. Brauft
Mak ſu nennt. Das Elima fand derſelbe Hier ſchon weit weile
als zuvor, denn vie orientalifhe Platane und Vie ’agiis
castus beſchatteten flatt der biöherigen Welvenbäume bie’ TUE WB
Fluſſes, die Baum wollenſta ude ımb Waffermelone wei
auf ven Feldern gebaut. Die abfolute Höhe des Dorfes Darat
dad um 10 Uhr am Morgen im Thale eines briitet noch Th
tenberen Parallelfluffes, des Sarumfu, erreidt ward, Inge Talake
um ein halbes Taufend Fuß tiefer, nämlich ‚nur 7 er
(2983 Fuß engl.) ihr un Me, Der
⸗
Euphratſtſt.; oberer Murad; Pollingtons Routier. 697
ſcheinlich mit mehrern feiner nächſten Zuflüffe, wie ver Half,
Kolbfu und der Fluß von dem weſtlichern Illjeh, bildet weiter ab⸗
wärts vereinigt einen ber Ganptzuflüffe des Tigris, den⸗
felben, ven wir früher Hasru (Khazero) genannt haben (f. oben
&.89, 96 u.f.), und welcher fih im Diyefirch- Diftrict (Ies
zireh ben Omar, f. oben &.87, 252 u. a.), der dem Generalconſul
8 Tagereiſen fern von Darakol angegeben ward, zum eigentlichen
Tigris ergießen ſoll.
Bisc. Pollington verfolgte dieſelbe Route vom Kolb ſu bit
hteher nach Darakol 20) am 13. Juni, aber er hörte andere Namen
ver Orte und Flüffe, die nicht Teicht zu Iventifietren find; wie denn
hier die kurdiſchen, perfifchen, türfifchen und anvere Benennungen
gar vielfach durcheinandergehen und vie topographifche Kenntniß
ungemein erſchweren. Er berichtet, daß ex von dem oben von ihm
zulegt genannten Orte Kherun, wo er den erſten prachtvollen Walls
nußbaum wahrnahm, vom Kolb fu Über ſandige mit Zwergeichen
und Weidenbäumen bedeckte Hügel in zwei Stunven durch den Fluß
Pokreh ritt, der gegen S. S. O. fließe (vielleicht ver Dat fu bei
Brant); daß er dann nach brittehalb Stunden zum Kurdendorfe
Hajt Anna, und nad einer Stunde zum armenifchen Dorfe
Teltafi kam, obwol auf der Süpfelte des überfliegenen Gechiräs«
zuge® nirgends mehr bie fubterrane armenifche Bauart ver Hütten
fich zeige, ſondern die überall In dieſen türfifchen Gebieten gewöhn⸗
liche, mit platten Dächern; woraus wir fchließen möchten, daß vie
fparfamen, an diefen Südgehängen zwifchen den kurdiſchen erwähn⸗
ten armentfchen Dörfer nur ſpätere, aus ihres eigentlichen Hel⸗
mach verbrängte armenifche Golonien fein werden. Unter den vies
In Obſtbäumen, die auch PVollington Hier fchon mit Vergnügen
wahrnahm, bemerkte er fogar einen Barrubenbaum (Ceratonia
siliqua), der doc) fonft nur im warmen Elima gebeiht. . Am näch⸗
fen Tage, den 14. Juni, durchritt er den Fluß Semch Sarum,
ver gegen D.SD. floß, und wol Fein anderer fein Tann, als der
von Brant genannte Sarumfu: denn von Hier trat der Vis⸗
count nach einer Stunde Weges durch ven letzten Engpaß ber
Borketten binaus In die flache Ebene des Tigris (hier Hid-
dekel genannt), mo fein Weg nun völlig von I. Brants Route
gegen Süd abzweigte, und ihn über das nächſte Städtchen Kha=
zero (d. 1. Hasru, am gleichnamigen Fluß, ſ. ob. S. 96), im Lande
20) Visc. Pollington I. c. p. 449.
I)
698 | Wefl⸗Eſten. III. Abthellung. I. Abfchnitt. 8.37,
der Maulbrerbäume und ber ſich wieder zeigenden lombardiſchen
Pappeln, die für ganz Syrien einen fo characte riſtiſchen
Baumwuchs abgeben, in einem langen Tagemarfche nach Diyar-
bes führte. |
Wir bleiben aber mit I. Brant auf unferm Weſtmarſche im⸗
‚mer nördlicher innerhalb der Vorketten, durch welche ber
Karawanenweg Im nievern Hügellande, in minder heißem Gllma,
und wo die noch nicht angeſchwollnen Ströme leichter zu durchſeher
find, hindurchführt.
Darakol Hat unter feinen 60 Famillen nur 11 armeniſche
die arm und blos Knechte der Moslemen find, die fie auch mit Ge
walt zum Wiperflande gegen Reſchid Paſcha nötbigten. Der Ort
gehört zum Diftrict des Beg von Ilijeh. Der Boden, eine weiß
liche Kreide, if ſehr Dürr, aber. durch Waſſerreichthum gut zu bes
fruchten; die Häufer find aus Thonfchiefer aufgebaut. Die Luft
war bier ſchon ſchwũl und entlun fi In Regenſchauern und Keil
gen Stürmen. |
7. Juli. Zweiter Tagemarſch. Von Darakol nat
Ilijeh. ?!) Durch obſtreiche Thaͤler gelangt man auf bequemen
Wege von 4 Stunden Diflanz zur Stadt Ilizeh, d. 5. wart
Quelle, wo klare Belsquellen zwiſchen Obſthainen hervorſprudel,
"uf einer Höhe von 3545 Fuß Par. (3779 Fuß engl.) übern. M Mñ
Der Ort hat 750 mohamedaniſche und 213 armenifche Fami⸗
lien zu Bewohnern; die letztern haben Fein Landeigenthum, few
dern find Weber, welche die einheimifch gebaute Baumwels
oder die von OR und Weft aus Khoi (in Perfin) und Wan
(über Kharput) eingeführte frembe, zu groben Baumwollengengen
verarbeiten. Diefe Stadt mit 2 Mofcheen und 4 lauwarmen Qud⸗
Ien, mit elenden Bazaren, zu denen noch Teine- europätfchen Yabrikuk
Zugang fanden, liegt unter einer hohen Kallſteinklippe, tm X
Schlucht voll Obſtbäumen, aus der eine weite, grandioſe
ſich in die tiefer liegende Ebene eröffnet. Die Lage ber Eich.
gut gewählt, aber viefe verfank in Ruinen; ſelbſt ber ein
und glänzende Pallaſt des Beg, der Hier feine Meflvenz Hatte, id A
Branpflätte geworben feit der Iegten Züchtigung ber hrei,
Begs von Ilijeh, von Hazero und von Khint burg a
Paſchas Truppen. Diefe drei Begs des Sandſhak von zirn
waren unter fi verbündet und fanden gemeinhaftli wegen dar
sl) 1. Brant L 6 2.38.
ur
*
Euphratſyſtem; Murad, Khini. 699
Türken« Paſcha auf, woflr fie ſelbſt, wie ihr Land, büßen mußten,
indeß ſich die andern bortigen Gebirgochefs demſelben unterwarfen.
Vorher berrichte dort Raub und Mord, gegenwärtig Zucht, Ord⸗
nung, Sicherheit auf der Landſtraße; dafür mußten die Landesbe⸗
wohner aber flärkere Taxen als zuvor an ven Pafcha zahlen.
Das Beglik Hazero, von Rejeb Beg beberricht, enthielt
60 Dorfer, Hatte 600 Mann regulair befoldete und gut armirte Ga»
vallerie, konnte aber zur Behdezeit noch 700 Reiter und 3000 bis
4000 Bußgänger, mit Schweriern bewaffnet, auf die Beine bringen;
er galt für den zeichfien der 3 Begs, weil es 3 bis 4 Paſchas von
Diyarbefr und manche reiche Karawane auögeplünvert hatte. Doc
wurde ihm mit Unrecht noch mandye andere Raubthat zugefchries
"ben. Er wurbe von Reſchid Paſcha Heflegt, gefangen nach Adria⸗
nopel ind Eril geſchickt, wo er feinen Kleinen Jahrgehalt aus feinen
großen Nevenüen wol nicht Iange genofien haben wird. Der Beg
von Jlijeh, Hufein Agha, mit jenem verbindet, warb auch bes
flegt, und feln ältefter Sohn und Nachfolger, Beiram Beg, eben-
falls gefangen nach Adrianopel exilirt. Diefer Beg Tonnte aus fei-
nen 70 Dörfern 300 Mann GCavallerie und 4000 bis 5000 zu
Fuß flellen; feine Ginkünfte waren bedeutend, wurden aber mit Frei⸗
gebigkeit wieder verſchwendet, jo daB ihm felbfi-wenig Im Schage
übrig blieb. Der Beg von Khini, Temir Beg, Hatte mit den
vorigen gleiches Schiefal; er Eonnte aus 60 Dörfern nur 200 Reis
tee und 2000 bis 3000 Mann Fußvolk ftellen. |
8. Juli. Dritter Tagemarſch. Bon Jlijeh nad
Khini. 22) Erſt über Elippigen Boden, dann durch wohlbebauten
und mit Obfigärten bepflanzten eined großen armenifchen Dorfes,
wo man ſchon mit der Kornernte begann, kam man nad) 5 Stun
den Nitt zur Kaffabah Khini oder Hineh nah v. Moltke (eine
©trede von etwa 4 geogr. Meilen, 18 bis 20 Mil. engl.), ein Drt,
wer nach 3 angeftellten Barometerobfervationen 2744 %. Par. (2924
5. engl.) über d. M. liegt. Died Städtchen hat 300 moBlemijche
und 150 armeniſche Famillen zu Bewohnern, die ungemein gebrüdt
find durch eine fchwere Tare von etwa 300 Pfund Sterl., die fie
Ubrkt an den Paſcha zu zahlen gezwungen werben. Sie rebellic-
ten gegen den Paſcha nicht, die Erpreſſungen wurden aber ſtaͤrker
als zuvor. Keiner bebaut hier einen Acker, wol aber Weinberge
und Bärten, deren Ertrag fie an die Stadt Diyarbekr abſetzen,
Li
22) & Brant I, c. p» 861.
700 WefAfien, TIL Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 37.
die 12 Stunden Wegs gegen E. W. entfernt liegt. Die Armenler
find Spinner und Weber, die auf 120 Webſtühlen an 30,000
Stud grobe Zeuge zu Stande. bringen, die nad Diyarbekr, na
Muſh und in die umliegenden Dorfichaften Ihren Abſat finden.
Ihre Baummolle beziehen fie von Kharput und Erzerum. Ya
der Stadt fpringt eine fehr reichhaltige Quelle, Anbar fu ode
Ambar fu (d. i. Korn- Fluß) genannt, die mit einer Temperatur
von 11711! R. (57° Fahrh.) unmittelbar aus dem Kalkfteinfels
hervortritt. Jene Wärme wurde von Brant für die mittlete
Erptemperatur gehalten, weil die unferne Quelle zu Jlijeh
aus Kalkſteinfels hervorbrechend, viefelben Temperaturgrabe zeigk
Da man dieſe Quelle Im Sommer fühl fand, im Winter aber al
"warm angab: fo ſcheint fle viefelbe gleiche Temperatur auch zu be
wahren. I. Brant wurde zu Khini vom Mutfellim Sherif By
aus Diyarbekr fehr gafllich aufgenommen, und erfuhr von ihm, def
SHaflz Paſcha auf feiner Ruͤckkehr vom Kharzangebirg auch die Ei.
fenminen von Sivan Maaden, auf vem Wege nah Balu
Iogen, beſuchen würde, die verfelbe von Europäern bearbeiten lich
10. Juli. Vierter Tagemarſch. Don Khini nal
Piran.2) Im demſelben Thale von Khint brachten die An
14 Stunden zum Ende ver wohlbebauten Ebene, und durch eiam
Gehirgspaß in eine andere ebenfalls gut angebaute Ebene, h
welcher man nad) 34 Stunde Wegs zum Ufer eines Zluffe
Iangte, der vom Norhen herab durch einen Bergipalt in viefelbe de
tritt. Diefer Fluß windet fich erft eine Meine Stunde gegen @,
dann gegen ©., am armenifchen Dorfe Zibench vorüber, vor ven
"en ver Ziheneh= Fluß (Sibeneh) genannt wird. Seine Dirk
follte weit im Norden, ganz dicht am Murapfluffe, alfo ef [3
engften Stelle ver Wafferfcheide zwiſchen Tigris und Bi
rad liegen, was auch durch v. Moltke beſtätigt iſt (f. ob. €.
Man fteigt vom hohen Ufer durch die Engſchlucht des Mark .
‚Senden Stroms hinab, deſſen Uferfelfen kaum 50 Fuß =
feinem Durchbruche geftatten, und eben bier, auf ihrer Ge —*
an ber man vorüber ſteigen muß, eine Menge Exrenvatioueg zuge
die aber zu Hoch über dem Waller Iagen, um fie nähes mul
ober erzeichen zu koönnen. Die naͤchſtfolgende aus Bien ‘ ke N *
ũberſteigende Berghoͤhe mit breitem Rüden Hatte Rörufeie 2
denen fchon die Schnitter mit ber Erhte leſcãſusi warei. ns
Sue FE
ri
#29) J. Brant Lo. p.BOR,
*
. Eupprasfoftem; Murad; Arghana Maaden. 701.
Mais wurde hier bei einem Dorfe gebaut, an dem man vorüber
wieder ein enges Thal, nun ſchon das dritte, durchſetzte und an deſ⸗
fen Weftenve, nach 64 Stunde Marſches (etwa 16 bis 18 engl. M.
Wegpiftanz), dad Dorf Piran erreichte. Diefes liegt 2861 F. Bar.
(3049 %. engl.) über d. M., Hat 90 mohamedaniſche und 80 ars
meniſche Bamillen zu Bewohnern, und ifl eins der 50 zum Beglit
Egil gehörigen Dörfer (die Lage der Feſte Egil in NO. von
Diyarbekr, ſ. 06. S. 98), deren Beg, fletd dem Gouverneur des bes.
nachbarten Argbana Maaden am Tigris (bei dem Kupferberg-
wert, |. 0b. S. 105) unterwürfig, nie Raub geübt hatte wie feine
örtlichen Nachbarn. Daher war in feinem Gebiete Sicherheit und
Wohlſtand eingekehrt, Ver aber feit ver verftärkten Betreibung jener.
Kupferwerke durch übermäßige Anforderungen fehr untergraben
wurde. Ihnen war die Lieferung von 5000 Labungen Golzkoh⸗
len für jene Hüttenwerke auferlegt, was dieſem Dorfe allein eine
Auslage von 250 Pf. Sterl. Foflete. Die Wälder an ver Nord⸗
feite des Dorfs mußten fie daher nienerhauen, und das Rand von
Holz vdllig entbldßen, um dem Gebote nachzukommen. Das Dorf
liegt an der Mündung einer Schlucht, wie viele der Hieflgen Dorfs.
fdyaften, aus der man eine. weite Plaine überfchaut. In der Nähe
bemerkte I. Brant die Ruine einer armentichen Kirche, von ver
nur noch ein einziger Bogen von. rober Gonflruction ſteht. Ein
jũdiſcher Handelsmann war bier, der gegen Babricate für fein Haus
in Aleppo bei ven Bauern Balläpfel eintaufchte. Der Ahmed
Aga erhielt bier die Nachricht, daß Hafiz Paſcha ſchon von feiner
Reife nah Kharput in feine Refidenz zurüdgelchrt je, wohin
J. Brant nun eilte, um Ihm aufzufuchen. Daß ver Fluß, ver bei
Piran fließt, wie ver Sibeneh fu, fi mit vom Anbar fu in
einen großen Hauptarm zum Hauptfirome des Tigris er-
gießt, iſt ſchon früher bemerkt (f. 0b. ©. 97), auch daß eben das
Thal eines viefer nörplichften Quellflüſſe, nicht am Murad entſprin⸗
gend, zum Eifenhüttenwert Sivan Maaden führt, das nicht
fern von der Uferſtadt Palu liegt (f. ob. ©. 97). Nicht duch
I. Brant if diefe Xocalität befucht, die unmittelbar In Norden von
Piran wol nur 2 Tagereiſen entfernt liegen mag, weil es gegen
Wehen na Kharput eilte, wol aber von ven preußifchen Offi⸗
zieren, worüber wir weiter unten, bei Pal, berichten werten.
11. Jult. Fünfter Tagmarſch. Bon Piran nad Are
ghana Maaden, eine Diflanz von 5 geogr. M, (25 M. engl),
voll wegloſer, gebirgiger Paflagen ohne ein einziges Dart, a WO
702 WeftAften, M. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.37.
Zurücklegung 12 Stunden Zeit nothwendig waren. Gin paar bes
deutende, gegen Süd ziehende Bergfiröme, unflreitig Zuflüffe zum
Tigris, mußten burchfegt werben, bis man eine fleile Bergwand
über dem eigentlichen Tigrisftrome, dem von Diyarbekr,
erreichte, an deſſen weſtlicher Uferfelte daB Kupfergebirg Ar⸗
‚ohana Maaden, wo bie Berg und Hüttenwerke liegen, in da
Auge fällt. Die Bergwand Hinabgefliegen, ward ber Tigridſtrom
auf einer ſehr verfalinen Brüde überfeht, und die Bergwand zur
Mine emporgeftiegen, die 3419 8. Par. (3644 F. engl.) üb. d. M.
Siegt. Bel einem der Bergwerkobeamten wurbe eine gaftliche Ber⸗
berge gefunden. Die gleichnamige Stadt, weldde weiter abwärts
am Strome liegt, wurde nicht berührt.
12. Juli. Schäfer Tagmarſch, zum Rurbenvorfr
Kizin (Kidjan). Don der Kupfermine wurde norbwärts em
Schlucht durchritten und darauf die von Reſhid Paſcha be
Samfun angefangene bequemere Militärſtraße zum Weiler
kommen benußt, bie jeboch erſt von Hafiz Paſcha bis Kharput
zu Stande gebracht (ſ. ob. S. 106). Wie von hier aus noch dw
mal der obere ſich fo vielfach windende Hauptarm des Tigris, gem
dicht an feiner Duelle und. nahe dem Gbolendſchik See, durchfch
werben mußte, um über daB Kurbenbörfchen Kizin ober Kädjan,
4286 3. Par. (4,568 $. engl.) üb. d. M,, zur Hochebene von
Kharput, dem damaligen Stanvlager der türfifchen Arte uni
Baſiz Waſcha zu gelangen, ift ſchon früher berichtet (f. ob. 6.104)
Diefe Hochebene, eine der fhönften und am beſten culttoirten I
der ganzen Türkel, war eben vol wehender Kornfluren, und e& ie
gann die Erntezeit. Ein Zug nievriger Berge, von denen anlge
hend, auf veren einem, mit fchroffen Beldwänven, vie Stadt Khar⸗
put, mit einer alten Citadelle und einigen Minarehs, fich erheht,
4,534 %. Par. (4,832 5. engl.) üb. d. M., zieht gegen OR ab |
ſcheidet die Ebene in zwei Theile. Das Oftenve dieſed Hägeizugb
wird vom Muradſtrome befpült, ver Hier, von Palu herabgekem⸗
men, diefe Hochebene gleich einer Halbinfel umſtroͤmt, aber zunee
fih mit dem Frat zum Euphrat vereint, ehe beider Tee |
Diele Cuphrat⸗Halbinſel, die wir oben für die 33
Alten angeſprochen, faſt ganz, bis zum nur noch eng
benden Iſthmus, nun wirklich umfluthet (ſ. ob. S. 108 ı u. 3
A}
Euphratſyſtem; Murad; Ehangeri⸗Kloſter. 703
C) Gebirgsmarſcham Norbufer des Murad, von Rufh
über die Borberge ver Dujil Kette bis Palu. |
Auf diefem Wege If I. Brant ver Entdecker?) und ber
einzige Führer; kein andrer Reiſender, fo viel und befannt, Hat
je viefe Höchft beſchwerliche Gebirgsſtraße begangen, welche fortwäh⸗
renv’am Sündgehänge und über bie füblichen Vorketten der alpinen
bis 10,000 Fuß Hohen, oft fähnerreichen Dujif- Kette (Paryadres)
Hinzieht. Obwol er dieſen Weg auf feiner Ruͤckreiſe von Kharput
über Palu nah Muſh, von Palu an, In 6 Tagen (Anfang
Auguft) von Weit nach Oft gehend zurüdlegte, fo Finnen wir doch,
feinen Angaben folgend, bei unferm herkomlichen Gebrauche, ben
Stromlauf abwärts zu begleiten, diefe von Of nah W. für unfre
Wanderung aneinanner reiben.
Erfter Tagmarſch. Don Muſh zum Klofter Chan⸗
gert, oder Surp Ohannes, dem großen Wallfahrtsorte
(6 bis 7 Stunden fern). Der Weg führt von Muſh Aber das uns
ſchon bekannte Dorf Kizil Aghaj zu dem Dorfe Shefiran mit 60
armenifchen Bamilien, bie 30 kurdiſchen das Winterquartier zu geben
haben. Oberhalb veffelden fpaltet fi ver Murad Fluß in zwei
Arme, deren füplicher fHultertief, ver nörbliche Enietief, nur
allein in ver trodenften Jahrszeit furthbar iſt, in den waſſerreichern
Monaten aber nicht, fo mie noch weniger fein Strom etwas weiter
abwärts, wo die beiden Arme, wieder vereinigt, eine Breite von 100
bis 120 Schritt gewonnen haben, und das Flußbett fehr jchlammig
erſcheint. Nur eine ſtarke Stunde von ber Furth, etwa 5 Stunden
fern von Muſh, liegt dicht am Buß dort auffleigenver Berge, am
Nande der Ebene, das Dorf Ziyaret (dv. 5. Pilgerort), mit
40 Armenien, die ebenfalls durch die Winterfistionen der Kurven
nicht wenig geplagt werden. Bon da find noch 2 Stunden Wegs
zum Klofter. Dies wird bei I. Brant Changeri genannt (fprich
Tſhangeri, daher es au Tfhangeuset bei Southgate ge⸗
- fgrieben wird). Die Armenier tituliven dies Heiligthum Gurp
Ohannes (Sc. Johannes), oder Surp Garabied (Sanctus
Praecursor, d. i. Johannes der Täufer). Cs iſt nicht mit
dem Surp Obannes am obern Murad ‚zu verwechſeln, das auch
Up Kiliſa, Dreikirchen heißt, (f. ob. ©. 350), dad mit dem Utſh
Aliſa am Ararat, oder mit Eifhmiabzin einft rivaliſtrte. Von ſei⸗
ner urfprünglichen Begründung, nad) dem Siege des Chriſtenthums
°°*) J, Brant l. c. p. 868 875.-
704 Werfen, II. Abtheilung. J.Abſchnut. $.37.
ſelbſt Geſang und Muflf Ichre, auch vie Kaufmannfchaft; daß ab
fers ala Reliquie bewahre, zu walfahrten; dann erſt zögen fie ah
- Kirche, ein großer maffiver Bau, ohne alle Zierde, mit fehr Nan
über das Gotzenchum, ald Klag Vank, tft ſchon oben bie Kehe
geweien (f. ob. ©. 553), und Zenob, der Nachfolger jenes Abtes
Klag In dieſem Bank oder Klofter, und der erfle Biſchof vaſelbſt,
nachheriger Patriarch, erzählt in feiner Klofterchronik, die er auf
Sct. Gregors Befehl ſchrieb, allerving® die Translation der hei
Ligen Reliquien Johannes des Täufers aus Caeſarea, m
Zeit Sregorius Illuminator, nah Daron, wodurch viefeb
Klofter fo ſehr frühzeitig zu dem berühmteſten Wallfahrt orte
in Armenien erhoben ward. Auch ver 35fte Nachfolger des Zenob,
als Biſchof dieſes Klofterd, Sohann ver Mamigonier, befkätigt
daffelde 25) (vergl. ob. S. 571). Dies Klofter Härte I. EL RiE
zu Moful au Tſhengedeh und Tfhengelli?6) nennen, 6
Stunden von Mufh, eine Station von Sillugh (?) entfernt, am
Meagha Kial, einem Fluſſe, gelegen, ver zum Murad fließe (M)
Die Pilger, fagte man ihm, pflegten zuerſt nach Kaiſeriah (Car |
sarea), wo ein berühmtes Klofter ven Schädel Johannes des In
Tſhengedeh, mo es mehrere Eonvente geben follte, und von is
erft nah Etſhmiadzin. Bon diefem Tſhengedeh wure
viele Legenden erzäßlt, 3. B. daß der Sanctus im Gauptllche
wegen der Herodias feinem Weibe geftattet ſei, fich ihm zu nafee;
aus einem tiefen Brunnen follen dfter6 die Stimmen gefangen
Dämone hervorſtoßen, auch äfter eine Lichtglorie ſich um dich
Stelle, und zumal nach Regen, ſehen Iafien, was vielleicht in dem
befondern Naturphänomen feine Begründung haben mug Be
Mirakel, die Wunderkuren werben weit und breit gepriefen. Mn
enfterdffnungen, im Innern ganz düfer, fol im 3.304 u. Gee®
aufgeführt fein. Rings um vie Kirche läuft ein fehr geuiumnige
Hof, mit einer fehr großen Menge von Ställen und Budch fr
Pilger und Kranke, und das Ganze umzieht eine Fhägeube ii U
Vertheidigungsmauer, -gegen jeden feindlichen Angriff ausge
Dennoch wurde während bes rufflfchen Kriegs dies Kloſter ven H-
Kurden befegt, der nicht unanjehnliche Kirchenſchaz geraubk; wi U
Klofter ausgeplünvert, alle feine Kirchenbücher, Pergammnie Wh U.
Manufcripte wurden in das Waffer und das eu —
hen A A AM VD ME A TE Ce „ED An m
U.
226) Reumann, Verſuch e. armen. Literatur a. a. 2. «
3%) 5, CL. Rich, Narrative of Kurdistan Vel. I. App *
Euphratſhſtem; Murablauf bis Palı. 705
em Tractat von Adrianopel gemäß gab der Sultan zwar einen
irman zur Wievererflattung des Geſtohlnen, aber nur wenig davon
ar zu retten. Mehrere Bifchöfe, die I. Brant bier ſeßhaft vor
md, gehörten zu ber großen Zahl ganz unwiſſender armenifcher
eiefter, tie nicht ald Klagen über die Abnahme der Pilgerfahrten
orbracdhten. Sie befigen von zwei Dörfern als Grundeigenthum
ur fehr wenig Einkünfte, und müffen vorzüglich von Pilgeralmo⸗
n leben. Die Audfagen vom Reichthum und ver Gaftlichkeit des
Tofters fand der britifhe Generalconſul fehr übertrieben. Selbſt
e befte Stube, die man ihm zu feinem Quartiere anwieß, war ver
üfle:. Doch waren viele Dauerleute eben mit ver Ausbeflerung
x Gebäure beſchäftigt. Das Hauptfeft des Kloflerd, der Johan»
iſtag, zieht große Haufen von Pilgern aus ver ganzen Umgegend
bei, wobei es auf der dann fich bildenden ſtarken Mefie nie an
treitigkeiten zwiſchen den Kurven und ben Mönchäleuten fehlt,
n» die roheſten Prügelelen eniſtehen.
Zweiter Tagmarſch. Dom Kloſter Changeri nad
okareh, oder Ober⸗Pakengog. Dom Kloſter 2 Stunden
felgen zum Rüden einer Berghöhe, von der ein letzter NICH
af die weite Ebene von Muſh und in die Tiefe auf den ſich gegen
ũd Durch Die Berge hindurch winvdenden Murad fällt, von deſſen
fer fi ver Weg immer mehr gegen Nord zu den Berghöhen er
ebt. Dann wieder Abflieg zum Dorfe Boghlan, deſſen 60 Kurden⸗
milien ein Mutſellim vorſteht. Don da beginnt eine Plaine,
ie mehreren Eleinen Dörfern und recht am Wege, unter ven nie⸗
en Vorhöhen, erhebt fich ein Pik, deſſen Form einem Bulcan-
egel gleich ſah. Der Boden der Ebene iſt ſehr fruchtbar; ein
luß, der Takhtah Kopriſu, d. i. Fluß der Holzbrücke, kommt
on N. nach S., und fällt nach einem Kaufe von 3 Stunden in
efem, bewaldeten Felsſpalte, reißend, gürteltief, 30 Schritt breit,
idwärts in den Murad. Dann führt ein Elippiger waldiger Aufs
ieg zu einem hoben Bergrüden, ver mit dunkelrother Erbe über
zgen iſt, und oben fehr viele und große Ob finian- Bilde zeigte,
lach Dreiviertelflunden Abſtieg gegen N.W., durch geringe Eichen⸗
aldung, wird über rauhe Wege dad Dorf Dokarch oder Oder-
zakengog erreicht.
Dritter Tagmarfh. Vom Pokareh nad Chevli.
otareh liegt 4883 J. P. (5204 %. engl.) üb. d. M., dennoch
emerkte I. Brant hier noch einen Wallnußbaum (ber am
Irarat fogar noch auf einer Höfe von 6000 8. wäh, f. 0.6. 500,
Ritter Erdkunde X. 99
706 Weſt⸗Afien. HI. Abcheilung. I. Abſchuitt. '$. 37.
obwol er in Europa bie firenge Kälte gar fehr fcheut) von befon-
derer Pracht, und fehlug unter ihm fein Zeltlager auf: denn be
den bortigen wilden, rohen, ungaftlichen Hirtenbemohnern war keine
Unterkunft zu finden. Nokareh liegt 2 gute Stunben fern von
Aſhagah oder Linter- Pafengog, zu dem man ſehr ſteil durth
ECichen waldung hinabfleigen muß. Gegen Süb. bleibt zur linken
Geite eine höhere Kette zwifchen ven Wege und dem Murad liegen,
die den ganzen Sommer vie Schneedecke bewahren foll, unb von
I. Brant auf 10,000 Fuß hoch gefchätt wird. Das Dorf, von -
50 bis 60 Kurvenfamillen bewohnt, vie fortwährend mit ihren Nach⸗
bam und Stammedgenofien zu Dokareh, auf ver Berghöhe, in eher
ſtehen, bat eine ungemein fchöne Lage, die faftigften Wieſen, von
fühlen Quellen bewäflert und von Bäumen umfchattet. Don be
führt ein langer Abſtieg zum fchönen Thale des Gunluk fu, ve
non N.O. herab firdmt aus einem gleichnamigen Diſtricte und zum
Murad eilt. Jenſeit waren Berge zu -erfleigen, dann folgte ein
u Beinige mit Unterholz bewachſene Ebene die von verfchievenen, vom
Norden ftrömenven Flüſſen durchzogen wird, und aus biefer, burf
eine Bergſchlucht empor, gelangt man nach langen beſchwerlichn
Tagmarſche nach Chevli.
— Vierter Tagmarſch. Don Chevli nad Mezireh
Chevli liegt, nach Glascotts und Dickſons Beobachtungen, unit
38953’ 20° N;Br., 40927’ 40" DR. v. Er. und auf 3545. 58
(3,778 8. engl.) üb. d. M. Ein. Eleiner Strom zieht durch Ah
Schlucht, in ver 150 Familien, halb Kurven, halb Armenier, bes
beide gleich arm, leben, und ergießt ſich nach drittehalb Stunden Lauf
gegen Süd in ven Murab- Fluß, der Hier. zur Sommerzeit an pp
rern Stellen durch reitbar if. ‚Die Armenier bauen bier cab
Korn und Gerfte, doch keineswegeh hinreichend; Holz zur Geurum
und Heu zur Fütterung für die Herrn, von etwa 1000. Geil.
Vieh, iſt in Ueberfſluß. Die ärmften unter ven Einwohnern fh
fon durch die Berge und jammeln Gummi Tragasanıy ih |
Balläpfel, au Manna ein, die fie au bie Aufkäufer nee Mg
und Diyarbekr, die hieher kommen, verhandeln. Doch uw: ieB
Jahre, meinte man bier, gebe 8 ein ertragreiches Diauunnliiie
Auch Biegenwolle Fit ihnen ein einträglicher Handeldarcikte u =
außen. Hier iſt die Refldenz des Beg von Jabakjur (riiiih
bakchur), vefien Diftriet zur Stabt. Diyarbefr. gehört, die *2
den fern. von hier liegen ſoll; unter ihm ſtehn zwar au 507 |
ſchaften, vie aber alle nur. gering find, mit 5 bis 10:
it 55
Euphratſyftem; Muradlauf bis Palu. 707
nicht mehr ald 100 Mann Relterei und 1000 Mann Fußvolk ins
Feld flellen koͤnnen, die jenoch felten Widerſtand Ieiften, ſondern bei
den Öftern Raub⸗Ueberfällen ver viel mächtigern Nachbarn, des
Paſcha von Muſh, wie des Beg der Khilji, ihre Rettung
durch Flucht in das Gebirge fuchen.
Der Weg von Chevli nad Mezirah Beirägt 4 geogra-
phiſche Meilm; man fteigt almalig purdh Waldung bergan,
geht dann auf und ab, oft fleil durch Hohe Walbregion, zu=
mal durch Kihenwalt, ver Galläpfel mie Manna gibt,
aber wegen des zwerghaften Wuchſes Fein eigentliched Zimmerholz ;
aus einem engen Thale, in dem nur Zelte der Hirten von Chevli
ſtehen, die bid Hieher ihre Heerden auf die Weide treiben, fleigt man
wieder bergan, und erreicht erft nach 35 Stunden über rauhe Berge
wege, die von fchönen Weiden und Quellen unterbrochen werben,
und mit unzähligen großen Felsblöcken bevedt find, das Dosf Me⸗
zirah, das auf einer Berghöhe, unter 38° 49'0” N.Br., 40° 10°
30", DR. v. Gr., und auf abfoluter Höhe von 4,931 F. P. (5,243
8. enal.) üb. d. M. erbaben liegt.
Fünfter Tagmarfh. Don Mezirah nah Palu.
Das Dorf von 50 bis 60 mufelmännifchen Bamilien bewohnt, die
wohlgekleidet find, deren Wohnungen aber, felbfi in dieſer reinen
Bergluft, in welcher vie Fieberkranken fich leicht erholten, doch wie
überall Hier voll von Ungeziefer find, liegt ungemein Tieblih. Die
Zelte konnten Im Schatten von Obftbäumen aufgeichlagen werben.
Der Blick über das Thal in W. und zu den fernen hohen, mit
Schnee bedeckten Bipfeln der DufifeKette iſt fehr anziehend.
Nach einer Stunde bergab von biefer Höhe beginnt die ungemein
fruchtbare Ebene, in ver man 2 Stunden Wegs zurüdzulegen
hat, ehe man das armenifche Dorf Hofhmat erreicht, bei dem ein
Karawanenweg gegen NO. nah Erzerum abzweigt. "&es
gen Nord ift dieſe Ebene durch eine nienre Bergreibe begrenzt, jenfelt
verſelben der Perez Su, ein großer doch im Sommer furthbarer
Fluß, feinen Lauf hat, der welter nordwärts Im Sandſhak Khiji
enifpringt, dad zu Erzerum gehört und, gegen S. W. ſtroͤmend, nach
3 Stunden Lauf unterhalb Palu in den Murad, als rechter Zufluß,
fig ergteßt. Gegen N.W. von Hofhmat liegt in dieſer Ebene, bei
dem Dorfe Habsb, ein großes armenifches Klofler, von dem
wie aber feine nähere Nachricht erhalten. Nur 15 Stunden von
GSofhmat fern, gegen S. S. W. durch eine, weite cultivirte Plainet
voll U zehlreicher Dörfer, umgeben von Baumgärten und BeArkerann,
Yy2
7%
708 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.37.
Aehend, Hat man noch eine fanfte Anhöhe zur Gebirgskette zu erfleigen,
auf welcher vie Stadt Palu dicht am Muradufer Ilegt, über der
noch Höher das Eaftell hervorragt.
6) Der Muradlauf pon Palu abwärts und feine erſte
Beſchiffung His zum Verein mit dem Brat bei
Kleban Maaden. |
Baln, 27) Palo bei Niebubr, Pald bei v. Mühlbach, Pa⸗ |
lude bei Paul Lucas, das früher den europälichen Geographen
kaum dem Namen nach belannt war, liegt, nach Glaſscotts De
fervation, 389 42' 50" N.Br. und 39° 58' 15" DR. v. Gr., auf
einer abfoluten Höhe von 3089 Fuß Par. (3292 %.engl.) über dem |
tere; der Spiegel des Murapflufies vafelbfi an ver Brücke aber
nur 2645%.Par. (2819 F. engl.), alſo Palu relativ 444 F. Bar. über
dem Muradfluffe, auf einer nicht unbedeutenden Anhöhe. Die Meſſung
iſt in des Sarrafs, d. i. Banquierd, Haufe gemacht, bei ms
Brant einquartirt war, welches auf einer fehr Tuftigen Höhe fickt,
eine fchöne, freie Ausficht Hat, aber doch noch von einem Luftigen |
Spigberge überragt wird, ver mit dem Caftell gekrönt if. Die
iſt eine prachtvolle Ruine einer alten Burg, die von ven Dfhennt
(d. i. Dſhinnen, Genien, Dämonen) erbaut fein fol. Die Gt,
zeigt fih ringe von Bärten und Baumpflanzungen eingefchlefe 1.
Der Murad, bis hieher zwiſchen wenig befanuten, aber hoben be U
waldeten Bergufern fortfirdmend, und bei Chun prachtvolle feab
rechte Felswaände über zahllofe Felstrümmer durchbrauſend, tritt’ wen
Palu an in eine offenere Gegen, biefe glatt und eben zunäiif,
aber doc) fehr ſchnell durchgleitend. Hier ſteht eine elende Hal
brüde über dem Strom, vie letzte überhaupt, welche ihn oberheß
Bagdad überfchreitet, feitvem vie Brücken ver beiden obern
und die bei Thapſacus (ſ. oben S. 12) zerflört find. Sie IR cd,
welche die Verbindung von Palu, das am Norbufer liegt, zeit ben
Südufer Herftellt, auf welddem die gewöhnliche Heerſtraße 15 ua
den Weges weit gegen Weſt nach Kharput führt. Nur bei wies
gem Waflerflanve gibt es einen kürzern Weg dahin, wenn nid
der Murad weiter abwärts eine duschreitbare Furth barbietel, 9)
wobel man 3 Stunden Umwege erfparen Kann. Diefe
maſſive Bogenbrüde über ven Murad war Im Februar 1,
v. Mühlbach fie paffirte, mit Hölzern auf ven, wie es fehlen, ſche
alten Steinpfetlern überlegt. Auch I. Brant pafiiste-fle auf dem
837) 7, Brant lc. p-R. ?U)n. Bahlalı Me
Euphratſyftem; Murad; Stadt Palu. 709
Rückwege von Kharput über Aliſhan nach Palu. Das Dorf
Alifhan 29) Liegt nur 2 Stunden ſüdwärts vom Murad, in ber
korn⸗ und weidereichen Ebene, vie fih von Kharput öſtlich nur
eine Halbe Stunde von Aliſhan über mehrere Ortfchaften und auch
über das armenifche Dorf KHogaſur bis gegen Palu hinzieht. Wo
man von biefer hoben Ebene zum Sübufer des Murad hinabſteigt,
liegt das Dorf Tilkeh, von dem, den Strom aufwärts, noch 4 Stuns
den Wegs bis Palu zurüdzulegen fin. Man trifft Hier am Süd⸗
ufer ebenfalls bergige Vorfprünge, mit Obſt⸗ und andern Bäumen
beichattet, vie man überfleigen muß bis zur Brüde, welche nun erft
zum Norbufer nach der genannten Stadt hinüber führt. Don ver
40 Fuß Hohen Brüde fprangen, ald I. Brant fie paflirte, drei
Schpimmer, glei ven Halloren an der Saale, hinab, tauchten un⸗
ter umd ſchwammen dann an das Ufer, um ſich einen Baltſhiſh zu
verdienen; bie Breite des Murad ſchaͤtzte Brant bier auf 100
Schritt. Der "Sarraf ober Banquier des Beg von Palu, ber
eben abweſend war, und von dem Bruder feines Gebieters zur Be⸗
complimentirung dem Fremden bis an vie Brüde entgegengefchickt
war, empfing ihn bei verjelben, und bot ihm das Quartier in fei-
ner Behauſung an.
Der Beg war auf einer Excurfion zu dem für ben türfifchen
Orient fo hoͤchſt werthvollen und faſt einzigen Eifenhütten-
werte, Sivan Maaden, abweiend, dad 8 bis 10 Stunden am
Murad aufwärts, nabe an deſſen Süpufer, auf der bort fehr
fhmalen Waſſerſcheide zwiſchen Murad und dem Tigridzu-
fluſſe liegt, einer hydrographiſch⸗ merkwürdigen Localität, von ber ges
Iegentlih ſchon früher einmal die Rebe war (f. oben ©. 97). Daß
v. Moltke von SIlivfha (Ilidie), dv. i. von OR herkommend,
daſſelbe befuchte, ift eben daſelbſt bemerkt. Raum kann e8, jagt der⸗
felbe, 30) eine relchere Eifenmine geben, vie leichter zu benugen wäre,
ale diefe: man braucht gar nicht unter vie Erddecke hinabzugehen,
Denn Berge und Thäler find hier weit und breit mit Eleinen und
großen fehr elfenhaltigen ſchwarzen Steinblöden befäet,
die auf Hunderte von Jahren Material zum Schmelzwerf darbieten
Durch v. Mühlbach, 21) der an dem Baue des dortigen Hüte
tenwerkso practiſchen Antheil nahm und von Palu dahin ging, er⸗
fahren wir Folgendes. Das Ufer des Guphrat befteht bier aus
9°) J. Brant 1. c. p.366. 0) v. eollle, Briefe über & Zufänbe
und Begebenellen in der Türkei ıc. Berlin 1941. 8. ©.28
sı)y hlbach Difer.; vergl. J. Brant L c. p. 300.
710 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.37.
Lehm, Sornblende, Thonfchiefer, etwas Kalkftein, Grün⸗
flein, Sandſtein und einmEonglomerat. Die Fels⸗ und Berge .
wände zeigten an ven im Februar von Schnee ſchon entblößten Stel-
Ien violette, grünrothe Färbung. Zu Sheich Jomaelan, in ver
Nähe von Sivan Maaden, zeigen fih Kalkſtein und Eifen-
erze, die zum Ginfchmelzen dienen. Die Fugeligen, [ywarzen
Eifenfteintlöde, oft von 3 bis 4 Fuß Durchmeſſer, Tiegen oft
In großer Dienge zu Tage und halten 75 Procent Robeifen.
Bon Balu aus nahm v. Mühlbach auf dem Wege nad
Sivan Maaden am 18. Februar, nach einem Marſche von 6 Stun
den, fein Nachtlager im dicht am Südufer des Murad gelegenen
Kurdendorfe Akrakli. Des Saummeg dahin läuft zum Theil an
den Abhängen ded Muravufers Hin, und war wegen der noch ge
frornen Stellen, wegen des Schnees, ver Wildbaͤche, bie von ven
füplichen Berg- und Felswaänden herabſtürzten, gefährlich zu paſſiren
Am 19. Februar Eonnte er nur zu Fuß die Wafferfcheide zwi
ſchen dem Murad und Tigriszufluffe zum Dorfe She
Ismaelan erflimmen, um von da Sivan Maaden zu erreichen,
wozu bei dem noch tiefen Schnee, ohne Wegſpur auf den Berghi
hen, 8 Stunden Zeit verwendet werben mußten, obwol vie Diſtam
nur bald fo groß iſt. Das Hüttenwerf war noch unvollende,
und durch die Krankheit des franzoͤfiſchen Ingenieur de Chatil⸗
jon, der es angelegt hatte, aber auf feiner Ruͤckreiſe nach Conſtan⸗
tinopel geflorben war, in Stillſtand gerathen. Die Beranlaffung
zu gegenwärtiger Befichtigung dieſes Werts war die Ankunft bei
ſchottiſchen Bergwerk«Ingenieurs Robertfon, ver durch die ungäne
ſtigen politifchen Berhältniffe feine zu Ahar bei Tauris für ab
perfifche Gouvernement im größten Styl angelegten Eifenwerts
(f. Erdk. Th. IX. S. 799) als englifcher Unterthan mit allen feines
Berg⸗ und Hüttenarbeitern verlaffen mußte, zugleich mit 12 engi-
ſchen Officieren und 30 Unterofficieren, welche die perſiſchen Trup⸗
pen einexercirt Hatten. Dieſe ſchifften ſich über Bagdad und M
Inſel Karrak nach Oſtindien ein; jener war auf feiner Rüge
nach Gonftantinopel begriffen, als er für ven Paſcha mit v. Mägl-
bad die Infpectiongreife nah Sivan Maaden unternahm. Das
Hüttenwert, bemerkte unfer Landemann, fei im hohen Ofen nik
den andern Räumen ganz lobenöwerth aufgebaut, an Baumateiul
auch jo viel vorhanden, daß es vom Mai veffelben Jahres um ie 3
bis 4 Monaten vollendet fein Lönne, um dem türfiichen Armeecorpe
des Hafiz Vaſcha am Euphrat eine gute Eiſ eamunitlen, Die von
B ” %
Euphratfyſtem; Murad; Sivan Moaden. 711
Gonftantinopel nur viel zu unvollkommen und befchwerlich dahin
gebracht werden fonnte, zu gießen, auch, demnächſt Schmieveifen
zu malen, und dadurch bie Einfuhr dieſes englifchen und ruſſiſchen
Materiald zu erjegen. Mit der Zeit würbe es ein großer Gewinn
gewejen fein, von- bier aus der Feſte Diarbekr am Tigris, vie
bis dahin ohne alle brauchhare Vertheivigung geblieben, ihre ganze
Armirung zu liefern, dem einzigen. feften Buncte zwiſchen
Moful und dem ſchwarzen Meere, zwiſchen Samfun und Eonflan-
tinopel, zwifchen Erzerum und Aleppo; alfo vem Communica⸗
tiondcentrum zwifchen Rußland und Syrien und dem Schlüf-
fel der Straße über den Taurus, ein ficherer Uebergang über
den Tigris, wie eine teile Wehr gegen Kurbiflan und Perſien.
Ueber die fpätere Fortbildung biefer Hüttenwerke iſt und nichts
befannt.
Der Rückweg nach 2 Wegſtunden ging über den Wafſerſcheide⸗
rũcken nordwaͤris über das Dorf Sheich Iömadan zum Murad
zurüd, wo ein bort vorhandenes Flooß mit aufgeblafenen Schaaf
ſchlaͤuchen (Kellek) benupt wurbe, um nach Palu, eine birecte Ente
fernung von etwa 8 Stunven, zurüdzufehren, bei welcher Fahrt ber
windende Flußlauf durch v. Mühlbach mit der Bouffole aufgenom«
men 3) wurde. Bei einer Schäferel (Rum), die vicht am linken
Ufer des Murad liegt, wo eine Ueberfahrt, iſt diefer Strom nur
80 bis 90 Schritt breit; Felswände und Gipfel von 1000 bis
- 4300 F. relative Höhe über dem Waflerfpiegel begleiten 1 Stunve
weit feine Güdufer 618 zur Stromverengung bei dem genann-
ten Dorfe Akrakli am Südufer, Vie nur nodh 20 Schritt
Breite beträgt. Oberhalb des Dorfes teilt ſich der Strom durch
eine Klippe in 2 Arme von 25 und 40 Schritt Breite; unterhalb
deſſelben bewirkt vie 300 F. hohe ſenkrechte Felswand, Shah Ma⸗
randaſhi, einen gefährlichen Strudel, fo daß der. am gewaltigſten
gegm Süd anprallende und gepreßte Waſſerſpiegel im Marl
mum ver Verengung 40 %. Breite, vom linken zum rechten Ufer
hinüber eine Neigung von 2 Buß erhält. Unterhalb diefer Wild⸗
enge gewinnt der Murad wieder 65 bis 70 Schritt Breite, bis
nach einer halben Stunde Wegs ihn wieder mehrfache Strubel und
gefährliche Bergftürze am Süpufer, hohe Bergwände am Nordufer,
von neuem einengen. Un ven Bergftürzen, Die aus Breccien⸗ oder
238) Karte von einem Theile des Gupbrats bei Palu, mit einigen
Dnellen des Zigrie. Mic. von Capt. Mühlbach.
712 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. 1. Abſchnitt. 5.37.
Nagelflue⸗Klippen beſtehen, mußten die Reiſenden auf Drängen ber
kurdiſchen Schiffer audfleigen, zur Entlaftung des Flooßes, um
veſſen Umfchlagen zu verhüten. Leber bie Trümmer des Belöftur-
zes am Ufer klettert man dann bis wieder zum Einfleigen fort.
Eine quer den Strom von S. nad N. durchſchneidende Bebirgte
fette, 2500 bi8 3000 Fuß über dem Muradſpiegel erhoben, bringt
oberhalb dem Dorfe Hunn neue gefahrvolle Paflage; dann folgen
durchſtreichende Beldbänfe auf Felsbänke, und wechſelnde Stromengen
von 100 Schritt zu 25 und 80 bis 90 Schritt bis zur Brüde
von Palu, über ver ſich dad Caſtell hoch emporthürmit. Erſt
unterhalb ver Stabt wird der Strom wieder 100 bis 150 Schritt
breit, und theilt jich in ver Niederung bei Koi, 14 Stunden
unterhalb, fogar in mehrere Arme. Lieberall wird auf dieſer ganzen
Strecke das Nordufer des Stromes von 1000 bis 3000 F. hoben
zadigen, kahlen Gebirgs⸗ und Felsketten begleitet.
Zu diefer topographiſchen Darftelung gibt von Mühlbach
noch folgende brieflihe Mitthellung. Der Murad bat auf viefe
Flußſtrecke eine Befchwindigfeit von 8 bis 10 preuß. Fuß in der
Serunde; feine Waffertiefe wechjelt von 1 auf 2, 3 und 8, ja mehr
Zub. Nah den Waflermarken am Ufer ſchwillt er gewöhnlich. 16
bis 18 Fuß an, bei plöglichen Schneefchmelzen und Regengüſſea
aber- weit mehr. Im allgemeinen bat fein Flußufer kein Vorlank,
und daher auch Feine Bewohner. Die Bergwände gehen mit 30,
40 bis 80° Boͤſchung Bis in den Strom, und fleigen oft zu Belß
wänben und Pelsfpigen empor. Wegen ber vielen Untiefen, el
fen, Steine, Gerdlle, welches vie Biefbäche, wenn fie ſchon im
Sommer meift wafferleer find, zuführen, iſt der Murad mit
für Kähne. fchiffber. Nur die Kelleks, dünne mit Stricken je
fammen gebundene Stangen, von aufgeblafenen Schläuchen getew
gen, geben das einzige Trandportmitte. Auf 6 foldyen zuſammen⸗
gebundenen Schhafhäuten fahren ſchon 4 Uferbemohner (Kuren)
zum Fiſchfang auf weite Streden aus. Mit großer Sicherheit
ſchießt man fo über Strupel, Uintiefen, Anflauungen und wilne
Wellen dahin, wo weder Kähne noch andere Flooßen hindurchu⸗
kommen vermöchten. Dit hölzernen Schaufeln wird das Kellek be⸗
wegt und regiert. Nur an wenigen Stellen, zwiſchen Aratli.aße
waͤrts bis Beridgik, ifk der Strom zur beffern Beichiffung auf
geräumt worden. Im Winter 1839 war der Murad nicht zu⸗
Befroren oder vielmehr. purch die ſchwimmenden Kisfchollen, welche
überatl Felſen und Infeln zu Haltpuncten finden, nicht zugeſcho⸗
“.
Euphratſyſtem; Murad; Stadt Palı. 713
ben. Es geſchieht dies jenoch Innerhalb des Taurus bis 2 Stun.
unterhalb Iſoglu (bei Malatia) ſehr oft, und in folher Feſtig⸗
Zeit, daß Menfchen und Laftihiere die Eisbahn pafjiren können. So
1837 zu Iſoglu. Im Winter 1839 gab es Hier nicht über 12° M.
Kälte, und nur im December und Januar; meift abmechfelnd zwi⸗
fhen 2, 4, 6° R. Kälte, dazwifchen aber Sonnenfchein. Am 1ſten
März 1839 waren alle Berghöhen um dieſes Muradthal noch mit
Schnee bevedt.
Wenn unter alleh viefen Verhältniffen, oberhalb Palu, der
Murad noch den Character eined zwifchen Felswänden eingeengten,
in fich ſehr ungleichen, faft flürzennen Gebirgsſtromes zeigt: fo
baden wir fhon an einem andern Drte (f. 06. S. 106—107) von:
feiner wenn auch nur temporären Erweiterung unterhalb Palu bis
Kharput, und von der neuen Berengung feiner Felowände bei
Arch ur, jenfeit des Moſtar Dagh gefprochen, fo wie von der ver⸗
fhienenartigen Erhebung feiner linken und rechten (plateauartigen)
Uferfeite. _ |
Die Stadt Palu, In welcher fih I. Brant 33) 3 Tage auf
halten mußte, fol nach Ihm 1000 Bamilien, nämlich 600 mufel«
männifhe und 400 armenifche, zu Bewohnern haben. Die letzteren
find allein die Beflger von Gärten und Aderland; die Armenier
find meift Handelsleute oder Handwerker, Gerber, Bärber und Baum⸗
wollenmweber, die auf etwa 200 Webftühlen nur grobe Zeuge Tiefern.
Auch Hefigen fie Weinberge, deren Wein gerühmt wird.
Wir Haben oben die Vermuthung der Spentität von Palu mit
der byzantiniſchen Feſte Kitharizum angegeben (f. 06. &. 97),
weil das Bigenthümliche der Lage beider vies wahrſcheinlich macht.
Die armmifche Geographie nennt diefe Feſte Palu, am Nordufer
des Murad, In nem Bau Khozan von Armenia quarta ges
legen, 3 Tagreifen von Amid (Diarbefr) und nahe Biichfuffragan, 3)
fpäter wird fie zu den indepenventen Eurbifchen Herrſchaften im
Paſchalik von Diarbefr gezählt, und ald folche lernen wir fie zum
erftenmale etwas genauer durch einen trefflihen Augenzeugen,
Baul Kucas, auf feiner erfien Reife in die Levante (im I. 1700)
tennen. Auf feiner Karamanenreife von Malatia am Euphrat,
norbwärts bis Arzerum, iſt er einer der fehr wenigen Reiſenden,
weldhe ein paar Tage in Palu verweilten. Der Benettaner Jo⸗
fapha Barbaro (im I. 1471) ſpricht zwar auch vom Beldcaftel
s38) J. Brant I. c. p. 368. °*) St. Martin, Mem. I. ꝑ. 85, 166,
714 WeftsAften, III Abtheilung, L Abſchnitt. $.37.
Ballu, 3) mit 300 Häufern, an einem großen Strome, nennt
diefen jedoch nicht einmal mit Namen, und fügt feiner Wanverung,
die er von Trebiſond über Baiburt, Erzingan, Kharput nach Balls
nimmt, nur noch hinzu, daß er von da immer gegen den Often,
4 Iagemärfche weiter, zum Caſtell Amus (mahrfcheinlicy im obern
Thale des Murad, aber und unbekannt geblieben) vorgerückt fe,
und an allen diefen Orten guten Wein gefunden habe, ven man
aus den Trauben bereite, deren Meben bier ohne Stüßen die Baum
empor ranken. Paul Lucas Angabe 3%) dagegen iſt genauer; er
braucht von Malatia 3 Tagmärfche bis zur Fähre über ven Ew
phrat; dann 2 Tagmärjche durch wilde Berge und Wälder, um
wieder durch fchöne borfreiche Ebenen unter alten Bergruinen bie,
bis er am dritten mit feinen Maulthiertreibern Rafttag hält, mei |
biefe einen Boten zum Prinzen von Palude ſchicken mußten, um
von diefem die Erlaubniß zum Durchzug ver Karawane burg
fein Territorium zu erhalten, und mit ihm wegen des zu zahlenden
Zolls zu verhandeln. Der Durchzug wurde gegen bie Abgabe von
einem halben Piaſter für die Saumthierlaft zugeſtanden. Die Kara
wane bewegte fi) alfo am 8. September des genannten Jahn)
weiter fort am Muradſtrom (ver bier aber Euphrat genannt win)
und nachdem ſie ihn zweimal durchjegt hatte, mußte ein Eleiner Berg
überftiegen werben, um das Lager an feinem Ufer in einer Ebeme
aufzufchlagen, vie vol wildes Geflügel war, fo daß Paul Luc
in Zeit von 3 Stunden an bunbert Stück Enten, Schnepfen
Becaffinen u. a. m. erlegen Fonnte. Hierauf führte ver folgen
Tagmarſch, am 9. September, bald zur Stadt Palude, ver ber
man in ver Thalmeite auf einer Wieſe das Lager aufichlug. Disk
Stadt, fagt er, liegt auf einem von allen Seiten ſehr fleilen Bag;
ihre Lehmhäuſer, in fehr enge Gaſſen zufammengerüdt, find fee
ſtark bevolkert. Der Brinz von Palude fei fehr duldſam gegen
Chriſten wie Moslemen; beide trinken hier Wein; es ſel ver ek
Wein ver Welt, den er hier getrunfen, von dem er ſich eine get
Proriflon zu feiner Weiterreife mitgenommen. Auch fand BP. Lu⸗
cas hier Gelegenheit, antike Dlünzen und Gemmen für vie inigl
Pariſer Sammlungen einzubanveln. Das Schloß nennt er bewum-
bernöwerth und uneinnehmbar; vergeblich ſei es wiederholt wa
3838) Vjaggio di M. Josafa Barbaro nella Persia b. Ramesio Bar
colta dei viagg. ed. Venet. 1583. fol. 100. ?*) Paul Laca
Voyage an Levant, A Is Haye 1705. 8. Tom. I. P- a —
217. . x
Eupbratfoftem ; Murad; Stadt Pau. 715
flarfen türtifchen Truppencorps der Großfultane belagert worben —
(doch führt die Gefchichte an, daß einmal im Jahre 1515, unter
Sultan Selim I., in dem damaligen Kriege gegen Kurdiſtan aller
dings die Fahne ver Osmanen auf der Feſte von Palu aufgepflanzt
ward). 37) Nur ein fehr fchmaler Pfad führt zu dem fehr fleilen
Felſen Hinauf, durch ein kuͤnſtlich ausgehauenes Felsthor in pas
Schloß von fehr antiker (06 byzantinifcher?) Bauart. Hier reflvirt
ver Prinz von Paluve, der in Nichts ven Gropfultan anerfenne,
ihm auch feinen Tribut zahle, obwol er in ver Mitte des türkifchen
Reichs fige. Oben auf dem Gipfel des Schloßberges find Aeder,
von deren Ertrag eine mäßige Befagung leben kann; tief unten
umfpült ver Murad die eine Seite des Belsichloffes, auf deren
andrer Seite vie Stabt Liegt. Hier hörte Paul Lucas in ver Stadt
die Sage, daß die armenifhe Schrift eben bier erfunden fei;
und nicht ohne Intereſſe iſt es, wiederholt varan zu erinnern, daß
Ihon durch St. Gregor von dieſem Palu aus (f. ob. ©. 553)
erſt Dad Chriſtenihum in Daron und Armenien ausgebreitet ward,
und daß Mesrop, ver- Erfinder des Alphabets, Hier wirklich ein⸗
heimiſch war (f. ob. ©. 544). Der Vartabed Bartan (er flirbt
im Jahre 1271 n. Chr. ©.) beftätigt in feiner armenifchen Geo⸗
graphie jene Sage, denn er fagt: „Athakh und Gent find die
„Orte Terdſhan und Palu, wo Mesrop bie armenifche
„Schrift erfand.“ 3)
D’Anville hat Palou irrig an den Urfprung des Arjanias
geießt, den er Arfen nennt, und hat e8 mit Balisbiga, einer Stabt
in Armenia major, identificirt. 39) Mannert bat ed gar nicht ge=
kannt; Büſching ) Hat es in feine Beichreibung des Paſchalik von
Diarbekr eingetragen, und es ſchon ganz richtig für identiſch mit
Riebuhrs*) Balugarpud gehalten, wie derfelbe ein Sandſhak
von Diarbefr nennen hörte, nämlih Kharput, darin Balu liege
Beauchamp iſt ver erfte,*2) ver die Lage von Palu richtig in feine
Karte eintrug, und e8 Palis nennt. Neichard*) erfannte auch
37) 9. Hammer, Gefchichte des cömaniihen Reiche. TH. II. ©. 434.
„e) Géogr. de Vart. Varthan. b. St. Martin, M&m. sur !’Arm.
T. II. p. 435 u. not, 1. p. s) D’Anville, Carte de
l’Euphr. et Tigre. a * eiföing, Gröbereiß, xl.. ae
1. Abtheil. Afia. Ste auf. 1792. 21) C. Niebu
Beifebel@reitung nach Arabien u. ſ. En "eöpenhagen 1778. Tb. II.
©. 405 3) Beanchamp, Karte eines Theiles von Berfien, in
v. Ja monatl, Gonef April 1801. S. 383. *8) ‘Chr. Th.
716 WeftsAfien. HI. Abtheilung. J. Abfchnitt. $. 37.
in dem Moutier, dad Niebuhr von Diarbefr nah Arzerum mit⸗
theilt, fehr richtig dieſes Palu als Mittelftation, und trug es ald
ſolche, wie dies auch J. Rennell In feinen Atlas von Weftaflen *)
gethan hat, in feine Karte ein, doch 'viefer gegen Nordweſt, und
Reichard gegen Nordoft, und zu nahe bei vem Zufammenfluß von
Murad und Frat. |
I. Brant fchägte die Entfernung Palu's von Kharpus auf
5 geogr. Meilen (26 Mil. engl.) directe Diflanz gegen Weſt; von
Mühlbach legte den Weg von Kharput'nah Palu in einem
Tagmarſche zurüd, und gibt ihm 12 Stunden Entfernung; von
Kharput nach Malatia war anch nur ein flarfer Tageritt. Den
directen Rarawanenweg*) aber von Palu nah Erzerum,
der ſich bei dem Dorfe Hofhmat gegen Norden abzmeigt (ſ. oben
©. 707), hörte 3. Brant, betrage 42 Poſtſtunden, wozu 8 Kara
wanentage noͤthig find; die Namen ber Stationen theilt er leider
nicht mit; aber 3 Monate im Jahre fet diefe Route wegen vieles
Schnees unwegſam. Dies flimmt nicht ganz mit Niebuhrs Er
tundigung zu Diyarbekr, *6) wonach von diefer Stabt 5 Tag
märfche (30 Stunden Wegs) nach Palu find, nämlich von Diyar-
beir 6 Stunden nah Sherbettin Khan, 6 Stunden nal
Burdeniſh, 6 Stunden nah Orta Chan, 4 Stunven nah
Buſh Ehan, 8 Ston. nah Palo, Bon Palo an nah Erze-
zum find aber nah Niebuhrs Routier weit mehr, nämlid
64 Stunden Wegs, alfo faft 4 mehr Difkanz von Erzerum; eim
Strede, die auch nur in 9 Raramanentagen zurüdgelegt werben
ann. Die Stationen find folgenne: Don Palo 8 Stunden nach
Tdppe, 8 Stunden neh Tſhun, 8 Stunden nah Horbor, 7
ei. Kot (Koismuir bei Rennell), 8 Stunden nah Melikan
elifent bei Rennell), 6 Stunden nah Buſhkoi, 7 Stunber
nah Dusle, 6 Stunden nah Chanedſje und 6 Stunden nad
Erzerum. Leider fehlt jene weitere Befchreibung durch diefe Terra
incognita.
Aus Paul Lucas Reife erhalten wir nun einige Erläuterung
Beichard ‚ Geographica delineatio Asise minoris etc. Neorimb.
»**) J. Rennell, General view of the geogr. constractions of
Western Asia. P. I. Jan. 1811, und Map of Western Asia.
1831. **) J. Brant 1. c. p. 368. ° «6) €. Nichubr a. a, D.
L. ©. al. R +
Euphratſyſtem; Routier von Palu nach Erzerum. 717
zu dieſem Routier, denn nicht nur die Zahl der Karawanen⸗
tage iſt mit feinem Wege ganz dieſelbe, ſondern auch mit dem Sten
Marſchtage, wo er erft Stationen zu ‚nennen anfängt, werben auch
die tveptifchen Namen: Melican, Bachecou, Douche angeführt.
Nah Paul Lucas Angabe wird aber fchon am zweiten Karas
wanentage, alfo bei Tſhun, vie Nähe des Fratſtromes em
reiht, und nun geht die Route meiſt in vefien Thale aufwärts,
bis nach Erzerum. Dies muß aber ein großer Umweg fein; die
von Brant erfragte directe Route wird wol als die weit Fürs
zere über Die hohe Kette der Dujtf- Berge führen, und eben da⸗
zum im Winter ungangbar werben. Bielleicht if dieſe nur für
Poftpferde gangbar und gar nicht für Karamanen. Eine ſolche die
recte Route hat auh Rennell *7) in feine Map of Western
Asia eingetragen, doch ohne Daß uns der Reiſende, ver fie zurückge⸗
Iegt, befannt wäre. Er nennt die Ortſchaften von Palu (Paloo)
an: Paloo korby, Simavye, dann folgt das Gebirge Koh Ghi⸗
Ian (wol die Dujif- Kette), dann ein Paß, Der bend; dann bie
Stationen Atfhekal, Jebel Hamrin, Kafirkoi (ein Ungläuble
gen=- Dorf), Argana und Erzerum, alſo auch 8 Stationen.
Wir wollen Paul Lucas Routier von Balu durch jene Terra
incognita hier beifügen, weil dieſe faſt vergefiene Nachricht uns auf
eine lehrreiche und anfchauliche Weiſe, als die einzige biefer Art, von
Süden her in das Geblet des noͤrdlichen Euphratarms oder Frat
einführt, in dem wir demnächſt und zu orientiren haben.
Paul Lucas NRoutier von Palu nah Erzerum, vom
11. 518 19. September im 3. 1700.
11. Sept. Erfter Tagmarſch. Ben Palu an wurden
nun bie zu durchwandernden Berge gegen die von Malatia ber
durchzogenen weit oͤder, nadter als bisher; fie waren alle mit runs
den Steinblöden überfäet, welche ven Pferven jeden Augenblick Fehl⸗
tritte verurfachten (dies ift der Character des bier beginnenden ho⸗
ben Plateaulanves von Große Armenien). Nach Abftieg von hohem
Berge erreichte man in fchöner Plaine ein Dorf (vielleicht Toͤppe )
und ſchlug hier das Lager auf.
12. Sept. Zweiter Tagmarſch. Es galt 12 Stunden
angefirengten Marfches über hohe Berge voll Zwergbäume und
47) Rennell of the comparative geography of Western Asia,
1831. b. Jane Rode. p *
—
718 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 37.
Eichen, deren lange herabhängende Blätter ſägenartig gezähnt wa⸗
ren, die aber ſehr große Eicheln trugen (ob Quercus aegilops oder
bellote?). Die hohe Vergpaſſage bezeichnet unſtreitig die weſtlichen
Ausläufer der Dujik⸗Kette. Am Fuße eines Berges dicht ap En-
phrat, d. I. der Frat, wurbe gelagert.
13. Sept. Dritter Tagmarſch. Ein bergiger Weg ging
den Fluß entlang; man flieg auf engem in Feld gehauenem Pfade
hinab, über dem oben auf Felsgipfeln Adler In ihren Neftern bau
ften. Man mußte ungeheure abgeftürzte Veldlager und Trümmer
umgehen, bis zum Nachtquartier an einer Eleinen Golgbrüde (mi
über einen füolichen ober Tinten Zufluß zum Frat).
14. Sept. Vierter Tagmarſch. Während 6 Stunden
Marſches, immer ven Euphrat entlang, mußte dieſer viermal hin
und her. durchfegt werden, wegen feiner häufigen Bindungen (gleich
feinem ®egenftrome, dem Arares, f. ob. S. 402). Dann führte ver
Wa durch unglaublich furchtbare Abgründe, wo die Mauern und
Felsthürme Hoch, wie Nötre Dame in Paris, über dem Euphrat
fpiegel emporftarrten, indeß mur ein ganz ſchmaler Fußpfad bed
oben an ihrem Abſturze vorüber führte, ver meift noch durch Roll⸗
blocke halb zugededt und alſo doppelt gefahrvoll war, da ber ge
singfte Fehltritt Pferd wie Reiter unmieberbringlic in die Tiek
flürzte. Ein wahres Wunder, daß hier Pferde und Maulthier
noch fortfamen. Man fegt hier wiederum über ven Euphrat anf
einer Brüde von 2 Bogen; er mag aljo wol nicht fehr breit fein.
Dann folgt ein Aufſtieg auf einen fehr hohen Berg, auf dem man
pas Lager nahın, von einem noch höhern Amphitheater von Bebirgk
otpfeln umgeben. Hier war ein befonverer Wafferfall, herrlich⸗
Duellen, und das Gebirg voll Eifenminen und Schemi ede⸗
werftftätten.
35. Sept. Fünfter Tagmarfd, nah Melican. Shen
hat 5 Stunden Hinabzufteigen in vie Tiefe zum Guphrat;- wiefer
wurde noch einmal von ver Karawane durkhritten, was ſehr leicht
war, da er nur noch die Größe eines Baches Hatte. Ja an one
Stellen war er fo fehr mit herabgeflürzten Felstrümmern
dag man trodnen Fußes, von Stein zu Stein ſpringend, hätte er
überfommen können. Nur eine halbe Stunde von de value m
bad Lager bei dem armenifchen Dorfe Melican, wo amchh ‚cm
zweite Karawane ihre Raſt hielt, bie auf den —2 ng 6-
zerum andging.
Euphratſyſtem; Routier von Palu nad) Ergerum, 719
16. Sept. Seäfter Zagmarſch, nach Bafgtoi Bades
cou bei P. Lucat). Nach Erfteigung eines fehr hohen Berge auf
ſehr fchönen Wegen zog man über eine große, von einem Fluß
durchſchnittene Pfnine, die ringe von Bergen umftellt war. An.
Ende berfelben wurde bei dem Dorfe Bachecou gelagert, wo in ber
Nacht. der Karawane durch Diebe ein fehr fchönes Pferd abhan⸗
ver kam. ”
17. Sept. Siebenter Tagmarfch, nah Dusle (Douche
bei P. Lucas). Der Weg, dem ſchönſten Spaziergange gleich, führte
zwiſchen Hügeln zum Dorfe Dusle, das halb von Armeniern,
Halb von Türken bewohnt wird und zum Lagerplatz diente. Cine
Truppe kurdiſcher Sackpfelfer und Tambourinfpieler nahele vem Las
ger ald Kunpfchafter einer Raubbande.
18. Sept. Achter Tagmarſch. Man war faum an ven
ſchwarzen Zelten eined Kurdenlagers vorüber, als ein Raubüberfall
zu einer blutigen Vertheidigung führte, bel ver mehrere der Räuber
durch Paul Lucas Unerfchrodenheit ihren Tod fanden. Der Aufe
enthalt machte, daß man In einem fleinen Dorfe, noch 5 Stunden
fern von Erzerum, fein Quartier nehmen mußte, bis von biejer
Stadt ein Aga, mit Eöcorte gegen die nachfolgenden Räuber, ber
Karawane entgegenfam.
19. Sept. Der. neunte Tagmarfch führte nach vielem
glũctlich Überftandenen Gefahren nah Erzerum. —
Kehren wir nun nad Palu zurüd, um von ba ben Murad
bis zu fenem Berein mit dem Frat hinabzuſchwimmen. I. Brant
fagt uns, daß er während ſeines breitägigen Aufenthaltes an biefem
Drte (Ende Juli) 4 Kelleks oder Jlooße auf Schaaffchläuchen,
mit Holzkohlen belaftet, jedes von nur einem Gteurer geführt,
Habe hinabſchiffen fehen. Große Fahrzeuge fann der Strom bis
Hierher noch nicht tragen; ob er nicht welter abwärts es Fünnte, han
au fehlten bis dahin die Erfahrungen.
Daß neu eingerichtete Ciſenwerk mit feinen Hättenerzeug«
aiffen, die Vorräthe ver Holzkohlen, die Hier gemonnen werden
Übanten, felbft ver Kornfegen, ver in ven fruchtbaren (Ebenen
von Balu und Kharput gemonnen warb, fo wie andre militde
riſche Zwecke machten es, nachdem ber Cuphratlauf feit Jahrtans
fenden von feinen Anwehnern unbenupt geblieben war, hochſt
wünfdenswerth, denfelben big in die meſo potamiſche Klähr
720 Weſt⸗Aſien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 37.
hinab ald Transportfirom*®) benutzen zu Tinnen. Diefe Bes
nugung als Waſſerſtraße für die Verfchiffung folder Producte
durch bisher felbft den Anwohnern ganz unbefannte Gegenden war
Niemand eingefallen. Keine Land» und Strom- Karte gab darüber
Aufſchluß; der Stromlauf war nur fabelhaft eingetragen, eine omi⸗
nöfe Stelle zwiſchen wildeſten Taurusketten, mit dem ſchreckhaften
Namen „Waſſerfall von Nuchar“ 9) beſchrieben; aber Nie
mand im Lande ſelbſt kannte dieſe Benennung, und Niemand war
Im Stromthale des Cuphrat, aus dem obern in den untern
Lauf, als Augenzeuge vorgedrungen. Auch europälfche Beobachter
haben dieſe pfadloſe Wildniß niemals durchdringen fünnen, bie von
den feindlichſt gefinnten Kurdenſtämmen bewohnt wird. Am Ufer
dieſes Euphrat fortzufommen ift ganz unmöglich; nur auf wem
Fluſſe ſelbſt würde dies zu bewerfftelligen fein. Gegen ven Strom
aber würde auch das ftärkfte und flachfte Eifen- Dampffchiff it
anarbeiten Fönnen, felbft abgefehen von den Untiefen und dem Zub
zacklaufe. Nur abwärts, und auch da für Fein anderes Kahrzeug all
nur für das Flooß auf ledernen Shläuden, ein Kellel,
“ wäre eine folche Fahrt möglih. Dieſes biegt fich wie ein Viſch,
fagt ver erfahrne Augenzeuge, nimmt vie Geflalt ver Belle an, auf
der es fchwimmt, indem es fich aufwärts und abwärts Trümmt;
es fcharet ihm nichts, wenn es, mit Waffer überfchüttet, momenten
untergebt; die aufgeblafenen Hammelſchläuche arbeiten fich inmcg
wieder empor. Das gewaltſamſte Antennen gegen Klippen zah
Felsſpitzen zerbricht höchftens ein paar feiner Stangen, oder weft
einen oder ein paar Schläuche ab, auch plagt wol ber eine ba
der andere, aber das Ganze kann nicht untergehen. Am obere
Strome iſt dies Flooß leicht und ſchnell zufammengebunben, m
untern, in jeder holzarmen Gegend, ift es vortheilbaft verkauft; da
Pferd oder ein Efel genügt, um ſämmiliche Schlauchhäute ün
Land nach dem Orte der Abfahrt zurückzutragen. Ja ver einzelzt
Schlauch: ift dem Uferhemohner gar oft ſchon hinreichend, um, auf
ihm reitend, furchtlos bie reißenden Strommellen des Cuphrat su
Tigris zu durchfegen. Zweimal hatte Hafiz Pafcha, der bumm _
lige kommandirende General ver türfifchen Armee, deren Geupiinge
in Kharput fand, ſchon Verſuche gemacht, mit ſolchen Reeis: is
Gupfrat binabzufchiffen; beide Male waren mißglüct und Mein
86%) 4 Moltle Briefe a. a. 0.6.29. *) .
- smith, Map between Gonstantinople and Delhi. .
Eupbratigften; oberer Murad; Beichiffung. 21
wi ertrunken. Seitvem hatte er einige, wenn fchon fehr unbedeu⸗
de, Steinfprengungen im Eupbratbette audgeführt; er faßte vie
ze Wichtigkeit des Stromd ald Waſſer ſt raße auf. Der
ttlere Waſſerſtand war Mitte Juli 1838 einer neuen Probe»
et auf demſelben Euphrat günftig; ein preußifcher Offizier im
fifchen Lager, v. Moltke, 80) übernahm ed, auf dringendes Be
ven ded Paſcha, einen neuen Verſuch zu wagen, ob es überhaupt
Sführbar fei, ven Euphrat in diefer Strede abwärts für militäri⸗
e Zwede ald Wafferftraße zu benugen. Der Bau eineß foli-
ı Blooßed aus 80 Schaafſchläuchen wurde zu Balu zu Stande
sacht, wohl verproviantirt und mit 4 rüjligen Ruderern bemannt;
Moltke beftieg es mit zweien feiner Leute und einem Aga des
fha, alle gut bewaffnet; mit Inftrumenten und Bouſſole verfeben,
m er von Ort zu Ort einen ded Fluſſes kundigen Steuermann
„ Die Abfahrt geihah von Palu am 10. Juli des genannten
red; der Murad ellte. vorüber am Fuß der ſchönen Gebirgs⸗
wpe des Moftar Dagh (ob. ©. 106), dann breitete fih auf
ı linken Ufer die weite, gefegnete Bruchtebene von Kharput aus.
8 Flooß umfchifft fie, wendet fich aber mit dem Strome wieder
von derſelben; dieſer tritt noch einmal in hohe Gebirgswände
‚ und erreicht den Südrand derfelben Ebene erſt wieder bei Te⸗
', nachdem er einen gewaltigen Bogen von etwa 40 geographi⸗
n Meilen gegen Weſt (vie beiden obern Epiftrophen ſ. o. S. 73)
ückgelegt bat. Anfänglich wird die Schifffahrt von Balu ab⸗
ris, einiger Hemmungen und Strudel ungeachtet, die jedoch gut
überwinden find, leicht zurüdgelegt, 518 in bie Nähe von Khar⸗
: am Süpufer, dem am Nordufer, benachbart gegenüber, die Rui⸗
bdes alten Bergſchloſſes Perteck Kaleſſi Liegen, die ſich auf
ſem Felskegel des rechten Ufers erheben. Auf dem hier noch
iz bequem ſchiffbaren Murad konnte man ſelbſt in der Nacht
ter ſchiffen; gegen den Morgen ward nun die Stelle erreicht, wo
Murad ſich mit dem faſt eben ſo großen Frat vereinigt,
von der rechten Seite vom Norden von Erzerum herabkommt.
vei Stunden weiter abwärts, auf dem nun ſchon vereinten
ome, dem eigentlichen Euphrat, der aber hier überall von
Einheimiſchen no Murad genannt wird, landete man zu
erwan over Kieban Maaden, dem Silberbergmwert, von
dem nun erſt dicht abwärts daranſtoßend die wilde Ver⸗
'©) Defien Briefe a. a. O. S. 200.
Ritter Erdlunde X. NN
722 WeftsAften. II. Abtheilung. J. Abſchnitt. 8.38.
engung der Taurußfetten und die gefahrvolle Euphratbeſchf⸗
fung in ver Mitte ihrer Zuſammenſchnürung beginnt. Do che
wir dieſe weiter zum Xieflande verfolgen, müflen wir zuvor no
einmal zum armenifhen Hochlande zurüdfekren, zur Duke
bed zweiten Hauptarmeß, des Frat, in der Nähe von Arge
zum, und zu veffen Verlaufe bis Kieban Maapen
6. 38.
2. Erläuterung.
Des Euphrats noͤrdlichſter Quellarm, der Frat, um
ſein Stromgebiet.
1. Die Euphratquellen und der obere Lauf der erſten
Quellarme.
4) Die Frat⸗-Quellen nach den Claſſikern, nach den nme⸗
ſelmänniſchen Geographen und nach den Armeniern,
zumal nad Indſhidſhean.
| Was die Griechen und Römer von dem Urfprunge viefes Er
phratarmes erfabren hatten, haben wir oben bei Gelegenheit —
Strabos und Plinius Ausſagen (ſ. ob. ©. 71, 73, 80) ſchon a
gegeben; die Byzantiner find bier eben jo wenig genau untertihet
wie ihre Rorgänger: denn Procopius, der doch durch die Krieg
berichte hier tepographifch ortentirt fein follte, gibt mit dem VWahea |
droßer Sicherheit doch ganz falfche Nachrichten (Procop. Bell, Pia.
1.17), die noch dazu mit: feiner eignen Angabe vom Arfines (fü ui
©. 89) unvereinbar find, wenn er behauptet: in Armenie‘,
ſtarke Stunden (42 Stadien) In Norven von Zheoboflopons 1}
©. 271, dad heutige Erzerum), entiprängen aus einem nicht ſche
ftetlen Berge zwei Quellen, davon bie eine, zur Rechten, ver Büphest,
die andre, zur Linken, der Tigris fe — Hlebei ſcheint Proianbit
nur eine fehlechte Karte vor Mugen gehabt zu haben, nid
des Agathodaemon Blatt zu Mtolemäus, Asiae Tab. UL, 'i das W
fehr weit außeinanter liegenden Norpquellch wir
phrat und die Quelle des Tigriöftroms für jene Bei‘ Goriieit
barlegt. -
Bei ven wunlenänniigen Geagraphen iR in ve 4 ei
\
— u 3 AED — AD — am
Euphratfyftem; oberer Srat. 723
zone Beine genauere Nachricht zu finden, da zu EIMafupi’s Zeit
(9850 n. Chr. ©.) ver Euphrat, wie er felbft bemerkt, 51) feinen
bern Lauf no im Gebiet der byzantiniſchen Herrſchaft habe.
Er fagt, der Euphrat babe feine Duelle an ber Grenze Arme
wiene, auf den Afradohos Bergen eine Tagerdife von Kali
Eala, unter welcher Feſte bei ven Wrabern®?) Arzenruma, das
Geutige Erzer um, verfianden wi. Diefer Berguame If aus
ht näher bekannt; er fcheint von einem Orte, Afredkhemeſh,
Ga dem die Duelle fein fol, genanut zu fein. Wahrſcheinlich iſt
es der Kali kala Dagh, wit welchem Namen vie ruffiiche Ge⸗
meraliaböfarte De Bergzüge im Norden von Erzerum bezeichnet.
WBettertin, fagt EI Maſudi, ſließe ver Euphrat durch dad Land
der Bzzantiner bis Malatiyah; was derfelbe aber bis dahin nach
herner angibt, Hat er nur, wie er felbft fagt, von einem Modlemen
gehort, ver ein Gefangner in chrifllichen Ländern war; deſſen An«
gabe IR auch bloße Babel. Aus Mafupi Hat aber Eorifi %)
ſolne Weisheit geſchoͤpft; er weiß nicht mehr barüber gu fagen, als
war Wie Quelle liege im Inner son Rum (Asia minor), nicht
ſern von Cazala (?) in ven Bergen von Kali Eala; von da fliehe
er an Kemkh (Kamekh) vorüber, dann nach Malaria und Game-
fat, wo ex ſchiſſbar zu werben anfange Mehr weiß auh Abu!
feda wit, ber ſich noch kürzer faht, una nur noch die Lage won
Arzener Rum,St) nie letzte der byzantiniſchen Städte, wie ex fie
went, unter 64° ever 69° Long. und 424° Lat. angibt (maß von
Naſſir Eydins viel richtigerer Breitemangabe ungemein abweicht:
Yan neften Tabul. long. 55) fagt, Arzan Alrum liege 77° Long.
ak 39° 40' Let., um keine volle 15 Minuten von ber Wahrheit
worfchiehen, da Ergerum nach Glascotts Observ. unter 39” 55° 49
MB: kegt). Bon Erzerum fpringt aber Abulfeda in feiner
Besgrayhie fogleich nach Malatia und Somalfat (Samosata) über,
wo wir feine Angaben erſt weiter unten zu verfolgen haben.
Mun ſollte man denken, bei den türkifchen Geographen genaue⸗
von Auffchluß zu finden; aber auch fie bleiben nur beim allge⸗
meinſten van, ®) oder geben noch Veranlaſſung zu Verwir⸗
s81) Bi Masudi, Hist. encycl. ed. Al. Sprenger, 1841. Vol. I. p. 245.
- #9) 8. Martm, Mem. 2. l’Arm. I. p. 69, 48. vgl. Greg. Abul
arug. Hist. Dynastar. p. 280. *s) Kdrisi b, Janbert I.
p. — 2 ubaleia Tabul. etc. ed. Wüstenfeld I. c. p. 9.
* dain, Tab. ‚som Ed. Joh. Grawrli. Onen, 1711.
As Otter; Fo p. 908.
312
724 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. 1. Abfchnitt.$. 38.
.zung;57) den Irrthum des Kjatib Tſhelebi im. Dibkkannuma,
der zwei Murads nennt, von denen er einen im Ala Dagh, ven
andern: trrig im Binghiol entfpringen und ſüdwärts zum Sluj
von Diadin fließen läßt, flatt daß der von ihm \gemeinte Fluß ſich
nordwärtd zum Brat ergießt, bat Inpfhipfhean in feiner Ge
graphie von Neu= Armenien vollfommen berichtigt. Am überein
flimmenpften mit den wirklichen Daten. find vie doch Immer fehr
dürftigen Angaben bei Otter. Der@upbrat, fagt er, entfpring
im Thale Chougni (Schughni Dior bei Indſhidſhean) zwiſchen
den Bergen: von Kalt kala (Erzerum); er fließe dann über Terd⸗
jan, Erzendjan, Kiemakh und von da über Kuru tſchai,
Ekin, Richevan zum Verein mit vem Murad; was fich meifl
ver Wahrheit gemäß fo verhält. Wir müſſen und daher nach neue
.ren europäiichen Beobachtungen umfehen, und da find die Verdienße
des großen Botaniferd. Tournefort zu feiner Zeit (im I. 2700)
‚um bie erſte genanere Erforfhung der Euphratquellen fer
dankenswerth, bis dieſe Forſchung, jedoch erft anderthalb Jahrha⸗⸗
derte fpäter, von jüngern Beobachtern wieder aufgenommen usb
vervollſtaͤndigt, jedoch noch keinegwegs erſchöpft ward. Die Belis-
mung ber Euphratquellen ſollte aber doch, ſchon um der Sage yes
Paradieſe willen (1. B. Moſ. 2, 14), wenigſtens ein eben fo.grofet
Intereffe erregen, mie die der Nilquellen, ver Sorbanquellen und-ew
derer Hauptftröme der Erde, die einen fo großen Einfluß auf Me
Schickſale ver Völker außübten. Diefer Einfluß eines ip reifienbes,
‚mächtig. anfchmellennen , alle Grenzen überfluthenden Stromes -Peeb
dem Kenner des Euphrat, dem Propheten Jeſaias klar vor Auge,
als. er mit deffen Gewalt, in dem herrlichen Bilde, das um sid
greifende afſyriſche Reichss) verglich (Jeſaias 8. 7: Mt
darum wird der Herr über fie die wilden und großen; Waſſce Wi
Euphrats ſtürzen Iaffen, ven König von Affyrien und: feine gang
Macht. Der Strom wird allenthalben über feine Dämme Beige
und allenthalben über feine Ufer treten. Gr richtet danız auch. felms
Lauf gen. Juda, er überſchwemmt und vurchfirömt ef; Bien. Ne
Kehle wire fein. Waller reichen, und wird mit ausgeſpannicn Nr
men dein ganzes, breite Vaterland umfchließen, o enge
. ..Dieſe feine Bedeutung Hat ihm ſchon im 1. B. er
und im. ®. Joſua 1, 4. den ‚Namen nbeh stos.i med”
ill ET 7 2 |
11°#?) 1. Hamm Türtet ik ©. J 4
he i an 5 Cenmenta at L Park —X
NN
Euphratſyſtem; oberer Grat; Name 725 .
gegeben, bis zu melddem, vom Libanon ber, dad Land der Verhei⸗
Bung audgebehnt war; oder auch nur des „Stroms“, bis zu wel⸗
dem vom Schilfmeer an die Grenze für JIsrael gefeht war (2. B.
Mof. 23, 31). Daher brauchte er nur bei vem Propheten jener
große Strom genannt zu werden (Sefalad 11, 15; 27, 12), und
Jedermann wußte, daß damit die Waffer Babylons gemeint
waren, an denen die Weinenven faßen, wenn fie Zions gebachten
(Palm 137,1). Die Etymologie des für dieſen Strom hei Griechen
und NRömern gebräuchlidden Namend Euphrat iſt unbekannt,
zumal die Vorſetzſylbe eu; nach Günther Wahl 5:9) von Ab Fraat,
oder Av⸗fraat, d. i. Waffer Frat, doch nur jehr zweifelhaft;
auch if diefe Benennung niemals bei ven Drientalen im Gebrauch
geweien. Phrat, Perath und Fraat, Borat dagegen, ber
Etymologie nach von einer hebräiſchen Wurzel farrah, d. i. frucht⸗
bar machen, iſt ſchon durch Flav. Josephus alſo von ver
„Fruchtbarkeit“ oder ver Zerfireuung hergeleitet (Flav. Joseph,
Antig. 1. c. 1. $. 3.: xadsiraı dE 6 uiv Eipeaıns Yopu, o7-
nalveı 62 701 oxeduouöv 7 ayFog). Dieſer fehr hypothetifchen
Erklärung pflegt man in Ermangelung einer beffern gemöhnlidh zu
felgen, ®) auf jeden Fall könnte eine ſolche appellative Bedeutung
erft von dem untern fruchtbar machennen Laufe aufpen obern
mehr zerflörennen Lauf des Gehirgsfiromd übertragen fein. Diefe
Erklaͤrung wird ſchon durch Philo von Uleranprien dadurch mo-
tivirt und in Schuß genommen, daß er fagt: der Tigris fel der
wildeſte und ſchädlichſte von allen Flüſſen, welche die Babylonier
und Berfer kennen, der Euphrat dagegen fehr milde, belebend, be=
fruchtend, deshalb ihm die aſſyriſchen und hebräiſchen Welfen ven
Frucht⸗- un Shmudserzeugenden Strom nannten. (Indſh.
Altarm. 40. Vened. 1822). Der perfliche Dichter Firduſi nennt,
in fehr. früher Zeit, ihn Ab i Korat,Ct) in feiner Erzählung von
der Konigin Humal, und eben fo nennen ihn die heutigen Urmenier
und Türken, ganz fo wie er auch im arabifchen Frät, Forät,
zuweilen Forad geichrieben wird. Da aber das f bei ihnen aud)
wicht felten in m und.v verwandelt wird, fo beißt er au Mvo⸗
rad, woraus fi der Orientaliſt W. Oufeley die Entflehung
des Namens Murad (daß er gewöhnlich von Omiras, oder vom
sog, Mahl, Vorders und Mittelafien S. 609. «o) Rofenmüller,
Handb. der bibl. Alterthumotunde Bd. I. Th. 1. ©. 189, Not. 33,
©. 201; 87. &. 202. eı) W. Ouseley on Euphrates in Roy.
Eco. Of’ Uterat. 4; Febr, 1826; ſ. veflen Travels II. p. 470.‘
126 Weflsfifien. IIL Abeheilung. L Abſcheritt. $. 38.
Gultennamen hergeleitet iſt, |. oben S. 83) zu erllären ſucht, mik
welchen: die heutigen Türken ganz gewöhnlich ven Cuphratlauf um
tethalb feines Vereins mit dem Murad⸗Arme, der von Dihadin
kommt, zu benennen pflegen. Doch wellen wir bier noch elmel
an dem biſher ganz überſehe nen ſehr wahrſcheinlichen Urfprung
dieſes Namens an der Duelle erinnern, ven wir oben nach JIube
ſhidfhean anführten, wer behauptet, der Fluß von Diyapin merhe
bei ven Anwohnern (nicht ein Ort, wie Andere fagten) mit Dam Se
men Tſharmur, d. i. Fluß Mur, belegt, wovon Musab wie
Quiras Teiche abzuleiten ſind.
Die alte armenifche Geſchichte nennt pen Skeom immer Ep Hratz@).
an ‚ver Stelle, wo Moſes Khor. von ver Erbauung de Beutigen
Erzerums oder von Theodofiopolis durch Amutolius im Jahr 465
nach Chr. Geb. in der Provinz Garin ſpricht (ſ. ob. S. 81 m. 271),
iſt es allein, wo er auch der Quellen dieſes Stroms erwähnt
und feine Beſchreibung wiederholt woͤrilich Indſhidſheau, Yan,
wie ed ſcheint, keine beffere Kunde zu Theil ward. Moſch Mes
fagt aber (Hist. Armen. Ill. 59. fol. 200): dem Feldherro Yinaise
Bus geflel nach Durdywanvderung Armeniend vie Provinz Garis
(Carasitis), die reich an fruchtbaren Aeckern ift und in ber Min
- ver Landſchaft Kegt, um da eine neue Stadt zu erbauen, nicht fürn
von der Gegend, wo einige Quellen des Ephrat eurfpringm. |
. Diefe ſuͤeßen fanft und mild ab zu einer Art See ower großen
Veich, der eine große Menge von Fiſchen enthält und wildem af
baten Geflügel, von deren Ciern die Anwohner ſich zu wälem
pegen. Um us Secufer wächſt fehr viel Rohr und Giptäfs
wald, vie Gras und Adertrucht; viele Heerden und Wu we
wefflichem Echlage halten da ihr Lager. Am Fuß des Berges alek
wo in lleblichetr Gegend einige Quellen fyrangen, erbaute ap: Si
Burg, Wie er mit Gräben, ſtarken Mauern und Ihürmen wungeh,
und flo Theodoſta nannte. In ihrer Bitte erridtete u Gänge
‚ine, Augustiana, bie Umgebung verfah er mis beraufkhuuunien
Waſſerleitungen, und gab tem Ganzen, zum vwigen Aadentn va
feinen Kaiſer, den Namen Theodo ſlopolis. Ucher bie Take
Quellen, die eben daſelbſt waren, errichtete er maſſive BDaumerke
Dieſe Angabe führt uns dem wahren Quellge blete ob Saul
ſchon näher, über das wir nun zunäachſt ven größten —
öxx
.., Yanipofieen, Kitskon. 10 4 SL n — Hi
Eupbratfoftem; «berer Frat; Quellen. 727
Geographen 62) zu vernehmen haben, der bisher von allen Geogra⸗
phen außer Acht gelaſſen war. Obwol auch er den Frat von Er⸗
zerum gleich den Türken mit dem Namen Murad belegt, ſo blei⸗
ben wir doch bei dem Gebrauche der Occidentalen ſtehen, und nen⸗
nen ihn, um jedes Mißverſtändniß zu meiden, nur mit dem Namen
Frat over Cuphrat. Dieſer Frat nun iſt, nach Indſhidſhean,
in der Provinz Erzerum (Erzirrum bei Indſh. nach Peter⸗
manns Schreibart) aus kleineren Flüſſen gebildet. Der erſte vers
ſelden heißt Sardſhamu dſhur, dv. i. Fluß Sardſhamu
(Sartſheme fu der ruſſ. Karte, wahrſcheinlich Saman ſui bei U.
Jauhert), &*) der im Gebirge von Sper (Jopir, Hiepiratis,
f. ob. S. 272), d. i. im Norden von Erzerum, entipringt. Es iſt
ein geringeres rechtes Zuflüßchen des Frat oder Kara ſu, dad von
neueren Reifenven faum erwähnt wird. Der zweite, oder Haupt⸗
arm, den der Armenter mit dem fonft unbefannten Namen Sur
dſhur belegt, iſt der eigentliche, allgemein bekannte Erzeruma
Dipur, d. i. Fluß von Erzerum, bei ven Türfen Kara fu,
d. i. Shwarzfluß, der in der Provinz Erzerum entipringt, und
nabe bei der Stadt Erzerum in Schilfwäldern fine Wafler
fanmelt (mol der Schilffee vol Fiſche und Geflügel bei Moſes
Khor.) Diefe laufen weftwärs nah Shughani pfur, d.i zum
Thale Shughan (Ehougni hei Diter, wol Biogansderefi
auf der rufjifchen Karte), und vereinigen fi zu Mamachathun
(Mamakhotun), eima 16 Stunden weit im S. W. von Erzerum. Hier
fließen auch andere Bergmaffer Hinzu, von Oft, aus dem Gebirg
Binghdl (over Bingheul, f. 06. ©. 75, 79, 81, 385 u. f.), deſſen
Kette faſt allen Blüffen Armeniens Waſſer zufenvet, und fo bilden
fie zuerfi ven zweiten Hauptarm, ber vorzug sweiſe Phrat
oder Phurat Suji (Forat⸗Fluß) genannt wird. Diejer weis
det fih von Norden nah Südweſt, gebt durch Terdſhan
(Dersene, f. 06. ©. 73, 81), Gamach (Kemakh), Ekin (Eghin),
Axrapker (Urabgir), und vereinigt ſich an den golohaltigen Ber»
gen von Baben Maden (Kiebban Maaden) mit dem ſüdöſtlichen
Hauptarme von Diyadin, nämlihd dem Murad.
Da diefer Euphratarm, jagt Indſhidſhean, nur kurzen Lauf
habe (nämlich nur von Mamakhotun an), fo nehme er auch nur
wenig Zuflüffe auf. 1) Den Kail (. 5. Wolf, Lycus der Al
28) Zupfhidfpean, Neu⸗Arm. n. Beiermanns Mir, **) A. Jau-
ert, Voy. p- 115,
’
728 Weft:Aften. II. Abtheilung. I. Abfchnitt. 5.38
ten), der bei Ezuga (? vieleicht Eriza?) vorbeifließt, 2) den Ku-
ritſha in ver gleichnamigen Gegend (wol bei Karichi, auf der ruf
fiſchen Karte, von Oft her, von ver Linken); 3) ven Kurrma (vb
Keumar bei Brant?) in Eghin; A) den Aske kedak (vi
Goldbach) in Arabghir, und andere Fleine Bäche. Diefer Haupt:
arm des Euphrat, fügt Indſhidſhean Hinzu, habe 4 Brüden:
die erfte in ver Mitte jenes Schilfwaldes(Sazled), von Etein,
mit vielen Bogen; fie wird Twinifi Gamurpfch genannt; wol
biefelbe, aller Wahricheinlichkeit nach, welche noch heute bei Elija
in 6 Bogen über ven bortigen Fluß führt, f. unten). Die 2
weiter unterhalb Sazlech, von Stein. Die 3te zu Gomach
(Kemkh), von Holz; die Ate zu Eghin, vor dem Dorfe Pengan,
von Holz. — Die weitere Beichreibung des vereinigten großen Ex
phrats folgt weiter unten.
2) Die Frat- Quellen nah Tournefort, im I. 1700.
Bei ver großen Zahl von Bergwaffern, aus welchen be
Frat in feinem oberen Zaufe von allen Seiten zufam:
menfließt, ift es, wie bei den meiften Urfprüngen großer Flüſſe
ſchwer, die eigentliche Hauptquelle anzugeben, weil barkde
felbft bei den Einheimifchen verfchievene Anftchten beftchen, wege
no in folchen Xocalitäten, wie bier, die durch verſchiedene Jahr⸗
Hunderte und bei verfihlenenen Bevölferungen verfchienene Beneunun-
gen dieſer Quellbäche kommen, und die fhwierige, meift vernachläf
figte Orientierung ihres Laufs auf den Karten. |
So weichen gleih Tourneforts, Befchreibungen ver Er⸗
phratquellen von denen bei Indſhidſhean ab, weil ihm oflen
bar auch Öftliche und fünlichere Zuflüffe als foldde von ven up
tigen Armeniern und Kurven gezeigt wurben, die des armenife
Gelehrte nicht mit In feine Befchreibung aufnahm, in der er mw
von zwei dauptarmen, dem nordweſtlichſten, Sarpihams
(Sertfpeme Su ver rufjifchen Karte), und dem norböftfichenen,
Karafu, den er auch Erzerum⸗Fluß nennt, ſpricht. Wenn a
von biefem-fagt, daß er nahe bei der Stadt Erzerum feine nel
von andesswo hinzukommenden Wafler ſammle, fo find ed cha
biefe vorzüglid von Süden und Oft zufließenden Bir»
waffer, die von Tournefort, dem einzigen Reiſenden, Me
es eigentlich darauf angelegt hat, vie Cuphratquellen feibk
aufzufuchen, als die wahren Euphratquellen beſchrieben vadben.
Dies ergibt ſich aus folgenden Angaben. men
Euphratſhſt.; oberer Frat; Quellen. 729
Erzerum, fagt derſelbe, 65) liegt nicht am Cuphrat, ſondern
auf einee Halbinfel, die von ven Duellen nes Euphrat um—
floffen wird. Die erſte Duelle Legt eine Tagereife fern von Er⸗
zerum, die zweite anderthalb Tagereiſen fern, beide im Oſten, in
den hohen Alpen, die das ganze Jahr vol Schnee find (dem Bin-
ghöl Dagh, oder deſſen norpweftlichen Vorketten). Die Ebene von
Erzerum iſt zwiſchen viefen zwei Strömen eingefchloffen. Der
er ſte fließt von Oft gegen Süd (mol vonNO. gegen S.W.), mb
zwar hinter den Bergen (d. i. im Norden verfelben), an deren Buße
(d. i. am Südfuße) die Stadt Erzerum liegt, und diefer ergießt
fi gegen Süd, bei Mamakhotun. Dies iſt offenbar der Karaſu
bei Indſhidſhean und bei ven Heutigen Türken. Der zweite fließt
eine Strede von Süd gegen Nord, dann unter der Brüde von
Elija durch (vie im Weit ver Stadt Erzerum liegt), dann weiter
gegen Weft in der Richtung gen Tofat, wendet fi) aber dann ges
gen Süd, nahe Mamakhotun, wo er mit dem andern flärfern
Fluſſe (nämlih dem von Karafu) zufammenfließt. Jene beiden
haben einzeln venfelben Namen Frat, eben fo wie ihre Vereini⸗
sung benfelben beibehaͤlt. Erſt von diefer Bereinigung an, die
3 Tagereiſen im Weſt von Erzerum flattfindet, fann, fagt Tour»
nefort, ver Cuphratſtrom Fleine Nachen (Tſhaiken) tragen; aber
fein Bette ift zu Elippig, um ed weiter abwärts wirklich zu befchife
fen. Diefe beiden genannten Eupbratquellen find e8 nun, die Tours
nefort zur Bereicherung feiner Herbarien befuchen wollte. Er ver»
ließ 66) die Stadt Erzerum am 19. Juni und ritt eine Tagereife,
an 8 Stunden weit, gegen Oft zu den Bergen, auf denen der Schnee
zwar ſchon geichmolzen war, ver Nafen aber kaum zu fprofien bes
gann, und in der Nacht, das Eis noch bis auf 2 Linien did gefror.
Am 20. Juni war es auch noch zu Ealt zum berborifiren, deshalb
Tehrte ver große Botaniker, vol Berwunderung über bie
Trägheit des Bodens in der Production ver Gewächſe,
die er damals noch auf ven Salpetergehalt der Erbe fchob, da
ihm die abfolute Höhe des dortigen Plateaus unbekannt war,
auf einem andern Wege (ven ex nicht näher bezeichnet, wol einem
mehr nörblihen) über dad Klofler St. Gregors zurüd, das
ebenfalls eine Tagereife von Erzerum entfernt Liege. Wir ver«
muthen, in den norböftlichen Bergen ver Stabt, in dem fogenannten
ses ) Pitton de Tournefort, Relat. d’un voy. Amasterd, 17]8, 4.
Tom. II. p-il4. *®) Tournefort I. e. IL p.11&,
739 Weftdlfien. II. Abtheilung. L.Abſchnitt. $. 38.
ſtalikala Dagh, das er nicht näher characterifirt. Das Kofler
fond ex zwar wohlhabend, aber in ſehr kaltem Berglande gelegen,
obwol die Berge feiner Anſicht nach nicht Höher (d. 5. relativ
über des Erzerum«Ebene) feien, ald ver Mont Valerien bei Parit.
No am Abend wurde von ba ein zweited Gonvent, das os
the Klofter, zum Nachtquartier erreicht, dad nur 3 Stunden von
bes Stadt Erzerum entjernt liegt. Deſſen Bifchof, einer ber ge
Iehrteften feiner Zeit, fland damald in gutem Vernehmen mit des
wilden Kurden, die an den Quellen des Euphrat, auf den
benachbarten Höhen, ihre Heerden meldeten. Daher konnten bie
Reifenden am Morgen des dritten Tages, den 22. Juni, bie
unter deffen Schuge beſuchen. Tournefort und fein @efähet:
hatten ald Meviciner im Klofter ihre Arzneien geipendet, und win
den daher zum Dank vom Bifchof felbft mit dreien feiner Leute zu
Pferde begleitet, zu denen fid nad dem Marſche einer Halben
Stunde noch ein Greis gefellte, ver hier an demjenigen Armı
des Euphrat wohnte, ver bei Elija vorübergebt. Dadurch v
fahren wir erfl, daß die zu beſuchenden Euphratquellen eben nie
nigen des Elija⸗Armes 67) find, ver von andern Reifenden nit J
befonder8 hervorgehoben wird: denn ausprüdlid fagt TZourae FE
fort, daß er nun vom Kloſter demſelben Arme bis zu volle
Quellen gefolgt fe. Die von dem Greiſe im Strome frijch gefew
genen Borellen waren von ver Föflichften Art. Man flieg uza
in ven fchönen Ihälern des Euphrat aufwärts, ver bier false
Windungen dur die fhönflen Blumenparterre nimmt; ver Fr
einer fchönen rothen wilden Pimpinele, die biöher nur von Gone
aus die Bärten von Varis als Zierpflange ſchmückte, entzüdig a
Botaniker. Aber bald nahm der Schnee mit vem Anfteigen übe
band; die Höhen, ganz nackt wie dad ganze Land, für Jahr
jeder Art von Holzwuchs beraubt, zeigten nur noch eine ungen
lie Menge voa Quellen, die unmittelbar abfloffen, ur
Heinen Waſſerbccken, von Rafen umgeben, bhervorfprupelten. „I
waren die Euphratquellen des Elija⸗Armes, eben fi Fass
Ienreich wie jener, und noch von ſchoͤnen Alpenpflanzen ummaq
die am die der Alpen und Pyrenäen erinnerten. Die umherſchn
fenden Kurven fihlenen nur durch die Begenwart bes Blei. _
res Vertrauten, dem fie ein Geſchenk von Kaͤſe brachten, und Wi
Branntwein, den ihnen vie Meifenven fpenveten, in Reſpect g
pet) Tournefart 1 c. p.116. on ir ”
Eupbratfoftem; oberer ut; Queſlen. 731
erden. Als Tour nefort aber, nach Beſichtigung dieſer Quel⸗
nun auch bie des andern Euphratarmes, der bei Mama⸗
n einfließe (des Karu Eu?), zu ſehen begehrte, wurde ex vom
of zurüdgewieien, des ſich damit entfchulbigte, daß er die Kur⸗
ın jenen Quellen nicht näher kenne. Bet einem zweiten Ber
‚am 28. Auguf, zu. dem rothen Kloſtor und zu denſelben
hratquellen ®) Hatten vie Kurden ſich ſchon von den dor
Alpenweiden zurüdgezogen, und flatt der Blürhen fonnte man
Saamen einfammeln, die in Paris dem Jardin du Roi zw
' Samen, denn der Herbſt war da ſchon eingetreten.
Als nun Tournefort die Stadt Erzerum am 12. Septb.
hen Jahres mit einer großen Karawane ver Geidenhändler
5, zog ex über die warmen Bäder von Elija, über troden
vone, Bde, ganz pflanzenlewe Flächen, immer am rechten
nördlidyen Ufer vefielben Buphratarmes bin, des unter De
te von. Elija durchgeht. Diefer blieb zur linfen Hand; feine
reifen nöthigten ihn, feinen Lauf gegen Wer zu nehmen. Ned
dritten Tagmarich, dem 16. Septemb., fegte vieler Cuphrat
a Weſtlauf mie großen Winpungen fort, in einem großen
e, mit nur einem KRarawanferai, das damals voll Räuber war,
ı Anfälen man durch Veränderungen ver Route außzumeichen
e, indem mean zweimal vas Waller des Stromed durchſetzte
a Mittag verengte fich fein Bert zu einem Deflld, und nachdem
b duschiegt war, begann er im großen KAniebogen few
fünlige Wendung, um ſich vem andern Cuphratzweige
einem füokichern ?), der bei Mamakhotun vorüberzieht, zu nähern.
Raramanenweg über Lort nach Tofat ging aber gegen
I, weiter, und verlieh alfo bier den Cuphratlauf. Das
iNlager wurde nämli (etwa in 18 Stunden Abflenn von
rum) au dem rauhen Aufſtie ge eines Bergihaled genommen, der
nächflen vierten Iagemariche (17. Sept.) aus der heben Bin
bene Erzerums ald erſter Gebirgs paß überfiegen werben
I, und nad Karafulak (Caracoulac b. Tournef. führte.) —
weis Tournefort. .
Der Weg am Südufer des obern Bratlaufes von Er⸗
m nah Mamakhotun, nah 3. Morier und 3. Brant.
3. Morier, dem wir vie Entvedung des Murad⸗Quellſtromes,
we Berihtigung dee Urarchqurfien verdanken, m übet die
) head. IL 6.16,
732 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $.38.
Fratquellen vieles dunkel gelafien, obwol er, hundert Jahr ned
Tournefort, wieder der erfle war, ver dieſem Gegenſtande befonber
Aufmerkfamkeit zumenvete. Er fagt nur: auch vom Euphrat berichte
man, er quelle aus dem Bingböl 5 Stunden in Süden ®) von
Elija, doch fleht er ven Karafu oder ven Nordarm als deſſen
Sauptquelle an, ven er bei Elija vorüberziehen läßt.
Der einzige Augenzeuge, von dem wir erfahren, daß er viek
ſüdlichen ) Ouellen des Euphrat, von venenTournefort, I. M⸗
rier und Andere nur nach Hörenfagen geſprochen haben, wirfäg
ſah, IR Hor. Southgate, auf feiner Gebirgspaſſage von Ergerum
über die nördlichen Borberge des fchneereichen Binghöl Dagh
nah Khinis und Muſh, im Jahr 1837. Er ging nämlich nid,
wie Zournefort, Brant, Polington und die meiften feiner Veorgin
ger, von Erzerum auf der großen Heerſtraße von Boyunu med
Haſſan kaleh (ſ. 06. S. 388), fondern er wandte ſich von Erje⸗
zum gleich gegen Südoſt, am Grabmal des Sheich vorüber, da
häufig von Pilgern bewandert wird, und von wo er gleich am ım
fen Tagmarfche (23. Junt) die erften Hohen noch mit Shaw
fleden bedeckten Berge erreichte, zwiichen denen Fein Dorf, fie
Aderfelo lag, aber grüne reiche Alpenweiden, von zahlreichen Vich
Herden und Hirten belebt. Gegen NO. erblidte man in weh
Berne die Lage von Haffan kaleh, und von den langen Schnechrge
gegen Süden fab man das Land der Taufend Quellen (Bing
HN), aus dem au dem Cuphrat feine wafferreichen 6ir
flüffe zuellen. Die befchmwerliche Gebirgspaſſage ließ man ia,
d. 1. gegen N.O., liegen, und folgte mehr ebenem Weideboden zus
Kurdenborfe Dent zli, von welchem aus dann der Weg direct m
Hauptquelle des Araxes führte (f. ob. S. 385).
Bon Erzerum ging I. Morier über die warmen Onde
von Elija, aber dann direct, 74) nicht wie Tournefort dem Web
Iaufe des Euphrat folgend, fondern gegen S. W. quer über vie m
zahlreichen Dörfern und Saatfelvern reich bedeckte Ebene Elijeh
und dann durch ein überaus reiches, reizendes Thal vol Grafung
Mafferfühe, FJelsbildung und Baumwuchs, direct nah Minh
khotun, der Station des dritten Tagemarjches (am 23. Juni 1800)
Sier ſah er viele Grabſteine mit kufiſchen Seigeifee, ein far
_®0®) 5, Morier, Journ. 1812.4 P. 826. *0) Hor.. Soutkgeie
Narrative of a tour ihr. Armenia eie. Lond. 1840, 8, Vol I.
p. 182. 'Y) 3. Modier Aa. EUER . | u
i
‘
Euphratſyſtem; oberer Frat bis: Mamakhotun. 733
cenifches Grabmal und andre fonverbare Reſte von Gebänden, die
noch nicht näher unterfucht find; den Boden fand er fehr hart; ven
biefigen Fluß nannte man ihm nicht mehr, werer Karaſu noch
Frat (obgleich er dieß, wie I. Morier ausprüdlich verfichert, doch
noch fei), ſondern Klub Mamakhotun, 7?) womit man ben’
weiterfirömenden Euphrat meinte. (Morier verfäumt ed jedoch zu
bemerken, daß eben bier bei Mamafhotun ein oͤſtlicher Zufluß vom
Bingheul ber zum Kara fu tritt, ver ebenfalld diefen Namen Ma⸗
mafhotun trägt, und den 3. Brant ausprüsflich nennt, wie ihn
auch die Karten verzeichnen).
Dorn Mamakthotun nahm Morier feinen Marſch immer
gegen S. W., wo er den Strom bei Mofs 73) wiener traf, ver
von Nordweſt Fam, .und ben er für. ven eigentlichen Gauptarm
des Euphrat (original parent) hielt. Dies iſt aber offenbar der⸗
ſelbe Kara fu, von dem er bisher auf feinem. linken ober Süb-
ufer fi nur entfernt hatte, ald er in Mamakhotun lagerte, und
‚dem er nun bier wieder in ganz entgegengefehter Direction,
nämlid; von N. W. ber fließend, begegnen mußte, weil verfelbe eben
Hier, wie: Tournefort fchon bemerkte, feine große Kniebeugung
oder erſte Südwendung erhält. Eine Brüde führt hier (wahre
ſcheinlich Kuttur Fupri auf I. Brants Karte) Über die pittoresken
Ufer des Cuphrat nad Moſs gegen Welt, wo viele Grabſteine die
einflige Bevoölkerung des Thales bezeugen, das jet von Kurden ver»
Heert war. Auf dem Oſtufer dieſes Frat bemerkte bier I. Mo⸗
zter bie Lage eined Berges. und des Ortes Pekeſidge, ver auch
auf der ruſſiſchen Karte angegeben ift (Peleril, Pekeridge), von An⸗
‚ven aber ungenannt bleibt.
Im Weiten von Mofs verließ nun auch 3. Moriers
Karawane dad Euphratthal, nur etwas ſüdlicher ald Tourne⸗
fort; denn Hier führte ein Gebirgpaß (ver Almali dagh
fiber Lori), der von Kurden beherricht warb, zur großen alls
gemeinen Heerfiraße nad Gonfantinopel zurüd, durch
hochſt wrizende malerifche Bergwälder und Defiles hinüber in das .
Thal von Sadak und Chiflik, das ver Brite einem kleinen
Een vergleicht, und von wo bie Hauptroute vielfach begangen if,
vie ſowol weftwärts über Tokat nach Eonflantinopel führt,
'») J. Morier l. 0. P. 829 12) a. a. O. G. 380.
—
734 Weſt-⸗Afien. IH. Abteilung. I. Abſhnitt. 6,38,
wie Wireet norbwärts über Ganmifhthan⸗ nah Teapezunt
(in 22 Stunden). 7%)
I. Brant iſt einer der wenigen Reiſenden, welcher, wie 3. Ne:
tier, die bireete Querroute durch Vie Gbene nach Mamala⸗
tun genommen, währenn vie gemöhnlikhe große Bofronte gegm
Weſt im Kara fu Thale hingeht. Durch bie Bereifung beiner
aufmerffauer Beobachter ver jüngften Periode hat num vie Topo⸗
graphie dieſes obern Buphratthales ‚gegen nie frühere Unkcunic
vieleß gewonnen, wie fih auß Folgendem ergibt.
Die directe Ousrroute von Grzerum gegen S. W., nu
Mamalhotun una Rargbau; von I. Brant (4835). 75)
Brant Ereuzte durch die Ebene ſüdweſtwärts won Ergerum
Nachdem er 4 geogr. Mellen (20 Mil. engl.) weit dem Laufe kei
Kara fu gefolgt war, wandte er fi} von ber großen Geerfink
nach Conſtantinopel, die dit am Gtrome fostzieht, ab, gegen Gl,
‚and erhob ſich Über einen erhöhtenen Landſtrich mit weniger (ker,
- ber bei feiner trocknern Lage in gewöhnlichen Zahren nur fparfam
Ernten gibt, in naſſen Jahren aber fehr reichlichen Ertrag. Men
piefem höhern Landſtrich ſtieg er nun ſädwärts hinab in db
Ebene von Terdjan (Terdſhan), In welcher ver Biamel:
hotun⸗Fluß (von Oft kommend) ſich mit dem Kara fu vor |
eint; eine weite gut bewäflerte Ebene mit 40 Dorffchaften, mel
von Xürfen bewohnt, dazwiſchen nur wenig Mrmenter, vie abes ef
ihrem jet woüfte llegenden, jedoch ungemein fruchtbaten Lande mi
mehr Bewohner ernähren koͤnnte. Das Volk beklagte ſich über ib
Raubzüge der Kurven, die in den ſüdlich bie Gbene Gegrenzeuie
Bergen der Dujif- Kette wohnen. Ihnen fchreiben fie die Ber
beerung des Landes zu, in dem fein gefchnittene® Korn Die ef
durch auf Dem Felde fliehen bleibt, in dem man keine Bichpeuge
Nachts auf ver Weide Iaffen darf, weil Alles am nächſten Merge
gerauht fen würde. Die größere Milde. des Climas gegen I
zaubere Plateau von Erzerum zeigt fich in Diefee bene aueh |
, Bad Rom, das um Erzerum ned nicht einmal ia Aeheen Fa,
Hier ſchon gelb und zur Ernte reif wer. Der Weigen gibt HR
zehzufaches Korn, und He Wintertälte fol nicht su frag fein, w
70) J. Morum ic. p. 3M, 4. Brants: Jauresy theeagh ;pent e
Armenia 1835; ia Journal ai tue Ray. Geggr re
1836. Vol. VI. a 2 len N *8
a,
—XX
| Euphratfoftem; oberer Frat; Poftftrafe. 735
Das Dich noch Ind Freie zu ſchicken. Der Kara fu, nad dem
Berein mit dem Mamakhotun, wird nun als Frat ſchon ein
bedeutender Strom, ver felbft in ver tredenftien Jahrszeit nur noch
an wenig Stellen die Durchfurth geflatte. Der nächſt anliegenve
Ort an diefem Frat IE Karghan, 12 geogr. Meil. (60 Mi.
engl) W.S. W. von Erzerum. I. Brant iſt der einzige neuere
Neiſende, der von hier an dem Laufe des Frat bis zu jenem
Bereine mit vem Murad gefolgt ift, ein Weg, auf dem wir
ihr fpäterhin begleiten werden, wenn wir und erft noch mehr in
den verichlenenften Nichtungen an ven Euphratquellen, in der
Umgebung von Erzerum, orientirt haben werben.
4) Große Poſtſtraße nah Eonflantinopel von Erzerum,
am rechten Ufer des Kara ju oder rat hin, bls Aahkalah
und zum Shaitani Dereſi.
H. Suter, Viceconſul von Trapezunt, ſagt uns, daß dieſe
türkiſche Poſtroute 76% (für Reitpoſt) von Erzerum nad
Aſh kalah 9 Stunden, und von da bis Kara kulak 16 Siton,
zu welcher Tournefortd Karamane 4 Tage-brauchte, von ihm in 2
% agemärfchen zurüdgelegt wurde. Die Einrichtung ber türfifchen
Miervepoft im ganzen Weiche iſt bei der fortgefchrittnen Sicherung
der Wege von großen Bewinn für den einzelnen Reiſenden und bie
Beobathtung, da man ſich früherhin nur mit ven fchmerfälligen
Karawanen fortzubewegen im Stande war.
Die Entfernung’ von Erzerum gegen Welt, nad) dem Dorfe
@fija, iſt 2 fehr flarfe Stunden (6 Mil. engl.); von ba ritt
Guter auf welligem Boden über nievre Berge mit Spuren von
Anbau, 22 geogr. Meilen (12 Mit. engl.) weit. Man fleigt dann
durch eine Schlucht zum Thale Hinab, dad der Kara fu over Frat
durchflleßt, und durchjegt ihn, um zur Poſtſtation Aſhkalah (frü⸗
her ungenannt) zu gelangen, bie zwiſchen Weiden und Buſchwerk
am Norpufer des Frat fehr angenehm unter einem Felſen liegt,
und 15 Bamilien zu Bewohnern hat (30 nach Southgate, die armes
niſchen Bamilien waren mit den Ruſſen nad ihrer Invaflon 77)
emigrirt).
Don Ashkalah geht es gegen Weſt auf eine Höhe Über den
70) Henry Suter, Notes on ajourn. from Erz Rum to Trebisond
im. Jaurn. #f Rdy. G. 300. of Lond. 1841. Vol. X. P.8. p. 434.
H. Southgate Narr. I. p. 108; vergl. Mii Smith, Miss.
62
‘
736 WeftsAfien. II. Abtheilung, I. Abſchnitt. $. 38,
rat, deſſen Laufe man jedoch, ihn zur Linken behaltend, parallel
Bleibt, bis man wieder zum Ufer des Stroms hinabſteigt, wo er an
100 Schritt breit if. Hier folgt nun feine, auch von Tournefort
Befprochne, Südwend ung, bis man ihn verläßt und nun bie ob
genannte wilde Berg⸗ und Belsfhludt paflirt, welche Shaitan
Derefi (Satans Ort) oder Satanad I hal heißt.
Don da führt der Weg dann über eine Eulturebene nach Kara
Fulaf, ein Dorf von 50 mufelmännifchen Famillen bewohnt.
Huch MW. Dufeley Hatte (am 29. Juli 1812) ganz dieſelbe
Route genommen. In Eltja, wo bie warmen Quellen find (f
06. &. 271), babete er fih im Euphrat, 7°) ver Hier fehr feidt
war, aber doch ein fehr breites Bette Hatte; ein Beweis, vaße,
cbwol ſeine Quellen hier ſehr nahe, doch zu andern Sahrögeiten viel
bedeutender ſein muß. Dies ſcheint ſich aus 6. Southgates 9
Bemerkung jedoch auch dadurch zu erklären, daß eben der Karafs
fi in mehrere Arme vertheilt, wodurch er eben fo feicht wir;
auch Elagt derfelbe Reifende über den fo fehr ſchlammigen Weg,
der von Ilja nach Erzerum führe, wahrjcheinlich in einem fe |
naffen Jahre. Es ſcheint, daß In dieſer Gegend die einſt größen
erf umpfung ver Ebene, mit den Schilfwäldern gefucht werder
muß, von der Moſes Khor. wie Indſhidſhean ſprechen, welche kam
vieleicht nur in der naffen Jahrszeit merkbar fein mag.
Der Autor einer feltnen orientaliſchen Handſchrift des Speise
Muftafevey, die W. Ouſeley anführt, fagt: Arzen ar rum
fei eine berühmte Stadt mit einer Quelle Ain al Forat, vi
Duelle des Frat. Wer im Frühjahr ſich in derſelben babe up
waſche, werde frei von Krankheiten. Auch fei in ver Nähe }. |
Stadt eine Duelle, die mit heftigem Getdfe bervorbreche, in der c
Thiere, wenn ſie ſich ihr nur näherten, ſchon des Todes ſelen,
ein Wächter fie hüte. Welche Quellen aber heut zu Tage wi |
fen gemeint find, bleibt ungewiß. |
Bei der Erbauung von Theodofiopolis (Erzerum) ab »
zer warmen Bäder, wie bei Trajans leichtem Triumph über ‚Ds
thamafiris (f. 06. ©. 271 und 116), haben wir ſchon zweimel
fer merkwuͤrdigen Localität von Elegia der Alten, dem **
Elija (oder Ilijah, ſprich Ilidſha), und ſeiner warmen
der gedenken müſſen. Eben hier in der Elegia Armeniae {R. “
oo. .,ı 3? i 3*
W. Quseley Trav. T. UL; . 470. 79 Ei inte
. Narratige etc. Vol, I. p. ie
* 4 I
Euphratſhſtem; Frat, Elija. 737
wo (nah Dio Cass. lib. LXXI, in M. Anton. Phil. R. .1177.-
19, ed. Sturz. IV. p. 402), im Jahr 162 n. Ehr. Geb. ein
Romerheer des Severlanus, Statthalterd von Kappadocien, gänz«
lich durch vie Parther, unter Bologefed, gefchlagen und vernichtet
wurbe. Es ift daffelbe Elegia trans Euphratem des Steph. Byz.
(’Pilyua xwpioy nepdy Evpparov, s. v.), dad darum fo Heißt,
weil das bei Dio Cass. I. LXVIII. 1135 genannte Satala Cap⸗
padociens, wohin Trajan zuerft ging, in Armenia minor auf dem
rechten Ufer des Euphrat Tag, W) Elegia aber auf dem linken in
Armenia major. Plinius (V.20. apud Elegiam occurrit ei Tau-
rus mons, nec resistit) fcheint allerdings von einer andern Elegia
bei Malatia zw ſprechen (vergl. ob. ©. 100), vie aber fonft Feiner
der Alten kennt. Auch Ptol. (V. c. 13. fol. 135) Tennt nur bie
eine armenifche Blegia, 73° 20° Long., 42° 45’ Lat., nabe den
Duellen des Euphrat, und eine andere.
Elijas (fprih Ilidſha; d. h. bei Türken warme Quelle), 81)
warme Bäder und Schwefelquelle, hatte zu Tourneforts
Zeit ein flattliches octogones Babegebäu mit durchbrochnem Gewölbe
dach; Jaubert nennt es ein octogones Baffin, 80 Fuß im Um⸗
fang, 12 bis 15 Fuß tief, mit Marmorſitzen umher. Neuere Rei⸗
ſende ſprechen nur von heutigen elenden Erdhütten. Von dieſen
Bädern, die in den jüngern Jahrhunderten ſtets von den durch⸗
ziehenden Karawanen, aber auch von ven Bewohnern Erzerums
ſelbſt ſehr Häufig benutzt wurden, erreihte W. Oufeley auch nach
5 geogr. Meil. (26 Mil. engl.) Weg! die Station Aſhkalah,
dann aber verließ er nach einiger Zeit den nun ſchon bedeutend
angewachsnen Cuphratſtrom bei einem noch an ihm liegenden Kar
zawanferei, daß wegen der vielen dort vorkommenden Plagen von
Schlangen, Fliegen, Scorpionen das Shaltan Derefti, 2) pas
Zeufeldhaus, genannt ward, wovon erſt vie daranſtoßende Eng⸗
Auft und Paffage den Namen des Satanas⸗Thales erhalten
haben wird. Dufeley, der ſich hier noch im Strome babete, Tonnte
ihn quer überfchwimmen, obwol dieſer ſchon ſehr breit und reißenn
war, doch in feiner Mitte nur 5 bis 6 Fuß tief (Ende Jul), trübe
und warm, dabei voll Fiſche, zumal voll Forellen, bie eine Länge
°o) J. A. Cramer, Geographical and en description of
Asia minor. Oxford 1838. . Vol. II. 2 Tournefort, -
Relat. 1. c. II. p. 111; Jaubert, Voy. 2: 306. °*) W. Ouseley
L c. IH. p. 472.
Ritter Erkunde X. Arc
J
738 Befl:Afen. M. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.38.
618 zu 2 Buß erreichten, und bei fehr heißer Luft In Heben Sprün«
gen aus dem Waſſer nach Fliegen fchnappten. Bon dieſer Stelle,
bis zu welcher nach Ouſeley's Verfiherung durch ganz Armenien,
von Kard bi hieher, der Weg fo gut über die Hochebene Ar-
meniens befunden warb, daß man ihn wol mit einer vierräbrigen
europälfchen Karoffe hätte zurücklegen können, wenn man flatt ber
bloßen Zweiräderfarren (Arabahs) fich dort vergleichen bedienen
wollte, was bie Plateaunatur im Gegenfah ber angrenzenden
Gebirgsketten recht charakteriftifch bezeichnet, beginnt nun das Auf-
feigen durch die wilden TZauruspäffe nad) Kara Kulaf um
Lori, die wir weiter unten zu verfolgen haben. Gier war es, am
Shaitan Derefi, wo ver Miſſionar E. Smith an ven bortige
Berggebängen ein paar Früpplige ECedern®) wahrnahm, We
erften in ihrer Wildniß wachſenden Bäume, welche dem Aug
fo wohl thaten. In der ganzen Strede von 300 engl. Miles vor
Tauris, von D. gen W., vurch,die ganze Breite Urmeniens |
verfichert er Teinen Wald baum gefunvden zu haben, Taum da
wildes Gebüſch am Ufer des Murad, doch mit Ausnahme da
Fleinen Waldgruppe von Pinus an der Tſhoöban köpri (f. ob
S. 393), welche man al8 ven äußerſten gegen Weit vor geſcht⸗
benen Poften ver Fichtenwaldungen des Saghan Iu Dagh
anfehen kann (|. ob. S. 407). Und auch viefe Baumloſigkeit
ift eine zweite Charakteriſtik des armeniſchen Plateaw
landes.
Ker Porter, der auf ſeiner Rückreiſe, im Nov. 1819, wor
Erzerum im allgemeinen viefelbe Richtung nahm, gibt doch üba
diefen fo vielfach betreienen Weg (leiver mit fehr verftünmeln
Namen) noch einige ergänzenve Zufäge zur Kenntniß des Giew
gebieteß, das noch weit davon entfernt ift, In allen feinen Theis
topographiſch genau aufgeklärt zu fein. Sein Weg von Erzerna
war In ber Richtung N.70°W., und fenkte ſich allmällg gegen Ye
Mitte des fruchtbaren fehr gut bewäflerten Thales, im welchen
Elija liegt. Die Berge (Kalikala) im Norden viefe® Thalu
ſchienen ihm ein trefflicher Schutz für die an ihrem Südfuße Begeab
den Dörfer. Erſt bei Eli ja entdeckte er, daß man fich dem Lauf
des Kara fu nun erfi näherte,®*) ver bis dahin im Norder
Hinter den genannten Bergen feinen Lauf gehabt (in dem Thele
— —
°2) Hli Smith, Mission. res. p. 444. 20
Trav. It. p. 673. p· BER ) R. Ker Porter,
%
Euphratſyſtem; Frat; Elija. 739
des Rothen Klofters, das Tournefort beſuchte). Diefer fer einer der
weftlihen Quelflüffe des Frat, aber, obgleich feiner Quelle noch
ſehr nahe, doch ſchon ein großer Fluß, über den eine Brüde von 6
Bogen führen müſſe. Die Duelle dieſes Kara fu liege an 12
Stunden (30 engl Mil.) entfernt von diefer Brüde, gegen Nord⸗
oft, in dem Zweige der Tſchiller Berge (?), welche Auggi⸗
Daghler heißen; und die Landſchaft um vie Quelle ſelbſt Heiße
Keldir (damit waren wol die von Tournefort beſuchten Localis
täten bezeichnet, die dieſer namenlos ließ; aber Ker Porters Namen
find meift fehr verflümmelt). Dieb wäre demnach die fernfle Nord⸗
quelle 85) des Frat; dagegen liege, fagt Ker Porter, eine zweite
Duelle des Frat an 12 Stunden in Süden von Erzerum, und
bie dritte im Nordoſt bei Bayazen (nämlich der Dura). Die
ruſſiſche Statifif des Paſchaliks Erzerum®) und bie Generalſtabs⸗
karte gibt für dieſelbe fernſte Nordquelle des Frat wieder andre
Gebirgsbenennungen. Nämlich Dümmli Dagh und Giaur
Dagh, an deren innerſtem Winkel (dem Schughni Dſor bei
Indſhidſhean, ſ. ob. &.727) bei Kizil Kiliffa (Mothe Kirche,
vermuthlich identifch mit Tourneforts Rothem Klofter, pas
diefen Namen, nad ihm, nur von einem roth angeftrichnen Thurm⸗
dache Haben fol) die Duelle des Karaſu entfpringe. Dieſe
ziebe anfangs ſüdwärts im Thale Owa gegen Erzerum zu, aber
dann im Rücken ver Höhen, nörblich von ber Stadt Erzerum, wende
fie fich erft gegen Welt, bis fie bei Elija aus ven Bergen heraus im
die Ebene von Elija und Erzerum eintrete.
Nach der Orientirung der rufflichen Karte würden diefe Rara fu
Duellen nicht in NO., ſondern direct im Nord ver Stabt Erze⸗
zum liegen. Daß fie im Dümmli Dagh llegen, wird auch von
W. Hamilton?) beftätigt, ver fie daſelbſt (er fchreibt Domli)
befuchen wollte, aber leider durch zus fchlechtes Wetter davon abges
halten wurbe,
Bon Elija aus legte Ker Porter am linken ober füpli-
chen, feltner begangen Ufer des Frat feinen Weg, jevoch ohne
auf beſondre Merkwürdigkeiten zu floßen (er nennt ein Dorf Alaia,
ein außgezeichnete® Grabmal und einen Khan Gennis) fort, bis er bet
Afſhkala ven Strom von dem Südufer zum Norbufer vurchfegen
wußte, um blefe Station zu erzeichen, beren Lage wir nun fchon kennen,
°s), Ebend. II. p- 403. se) nſcaloff ‚Geld. der zehzäge sc. I.
©. 8. “7, W. Hamilton, Asia minor I. p.
die
730 Weftsfien, TIL Abtheilung, 1. Apfcpnitt.$.38.
und wo mit ver Sudwendung des Frat auch die große Erzerum«
Ebene, ja ganz Groß⸗Armenien gegen Wert feine Natur»
grenze in den zunächft auffleigenven Ketten der Tauruszüge finbet.
Wir Haben Hier noch zu bemerken, daß A. Jaubert die Station
Aſhkala auch mit dem Namen Diennes Ach Calehss) wieder⸗
Holt belegt, und Ihn, gegen Kinneirs und Mennell Meinungen,
für Gymnias des Zenophon hält, das, feiner Erklärung nad,
nicht in dem fernen, Öftlichen Khinis am Tek Dagh (f. ob. S. 668),
fondern mit D'Anville Hier zu fuchen fei, weil ver Heilige Theches
Berg (Xenoph. Anab. IV. 7, 21) eben hier ſich in der Nähe be
“finde, und feinen Namen noch im vortigen Klofter Tekieh bewahrt
. babe. Leber dieſe Verſchiedenheit der Erklärung der Marfchlinie ver
zehntaufend Griechen kann jedoch erſt weiter unten vollſtändig bie
Rede fein. Nur bemerken wir, daß außer Jaubert und Ker Porter
kein anderer der neuern Reiſenden bei Aſhkala dieſen Namen Diennes
gehört zu haben ſcheint.
5) Oſtzugang zu dem Thale des Frat bei Erzerum.
Auch von ben andern Seiten ber find und vie Zugänge je
dem obern Eupbratlaufe und zur Erzerum-Ebene näher bekami
geworben. Ker Porter erſtieg von Haffan kalah pie oflwärk
gehende Senkung des Kalch ju aufwärts gegen Wer zur uiht
unbeveutenden Erhebung des vortign Waſſerſcheiderückent
Deveh Boyunu (f. ob. S. 389), welcher auf der ruſſiſchen Kark
Karatſchly Daghso) genannt wird. Don ihm zurüdhliden
gegen Dften (Süd 65° g. Oſt) V) zeigte fidy, bei einem ganz freien
wolkenloſen Himmel, zum Iegtenmale der erhabene Gipfel des Ara-
rat, von dem man bier, gegen Sonnenuntergang gehend, auf im
mer Abſchied nehmen muß. Die felgen Höhen dieſes Ueber⸗
gangspasfes, an fi nicht abfolut Hoch, find doch rauh um
- Feil, und ſcheinen erſt Durch Menſchenhand bequem gangbar gemalt
Auf der Eulmination fült nun das Auge gegen Wet auf we
jo berühmte Hochebene Großarmeniens, und auf die nur eine guk
Stunde (3 Mil. engl.) von da noch fern liegende, weitläuſtig
Stadt Erzerum, bie, aus ber Berne wenigflens, mit ihren Bine
set und Mofcheen und ihren vielen Bauwerken einen viel anfpredgen
deren Anblick varbietet, als die meiften perfifchen Stäbte, deren bi
ſterer Bauſtyl, mit allem was perfifch Heißt, hier feine Grenze fie
#0) A, Jaubert, Voy. p. 115, 372. »20) v. uſchakoff a. a. D. 1.
.&.99. 0) Ker Porter, Trar. I. p. 686 667.
Euphratfuftem; Frat; Kop Dagh⸗Kette. 741
det. Kein Zufluß zum Cuphrat wird bei dleſem Uebergange bes
rührt, er ſelbſt gar noch nicht erblickt; denn feine Domaine fängt
erft weiter im Weflen an. -
6) Zugang vom Nord Her, vom Pontus amifheruf auf-
wärts über ven Kop Dagh (Skydises), zum Ihale des
obern Frat bei Erzerum. |
Noch ein andrer Eintritt zur Ebene von Erzerum, welche
der Frat von Oft nach Wet durchzieht, ift vom Norden ber, wenn
man vom Geſtade des ſchwarzen Meeres, von Trapezunt
her, zur Stabt Erzerum von Nord gegm S.D. vorrückt. Ws
ft der Weg, den auch Tournefort zuerft wiffenfchaftlich gebahnt
Bat; nur find feine Beichreibungen nicht topograpbifch genau, oft
ohne Namen der Orte, Flüſſe und Berge, fo daß es fchwierig If,
ihnen Tartographifch zu folgen. Auch iſt er feiner Zeit mit einer
Karawane des Paſcha durch viele Umwege, und mit Zwifchenanfent-
Halt, erft in 11 Tagmärfchen dad Hochland von Armenien empor«
gefliegen, während doch ſchon die Hälfte der Zeit auf den directeren
Straßen dazu hinreicht. Doch fehen wir, daß er von Trapezunt,
wie alle feine Nachfolger, über Baibort (f. 06. S. 272, 391) am
oben Tſhoruk⸗Fluſſe (ſ. ob. ©. 411) emporfteigt, U) um von
da mun die eigentliche Hochgebirgskette des nörbliden
Zaurud= Zuges, welche hier die Norbbegrenzung bed arme
nifchen Plateaulandes bildet, zu überfleigen, an beren Süpfuß
ver Frat von Erzerum His Aſhkalah, ala Längenbegleiter,
in feinem flachen Längenthale von Oft nach Weſt fortzieht, bis zur
Süpdwendung, mo er die geglienerten Rängenzüge dieſeßs Taufus«
Bollwerkes zu durchbrechen beginnt. Es war am 12. bie 14.
Juni, wo Tournefort diefe Höchften, rauben Gchirgsfetten 2 Tag⸗
reifen im Süden von Baibort überflieg, und dann bald vie mil-
dere Ebene des Fratthales erreichte. .
Was bei dem gebildetſten Reiſenden am Ende des 17ten Jahr⸗
hunderts nur unſicher und verworren für die Nachfolge angedeutet
ward, iſt im 19. Jahrhundert ſchon in helleres Licht getreten und
zu einiger Sicherheit gelangt.
M. Kinneir erreichte Im I. 1813 von Trapezunt aus am
6. Tagemarfche, ven 13. Juni, die Stadt Baibort 2) am Tſho⸗
*1) Tournefort, Relat. d’unvoy. etc. il, p. 107—112. °*) Macd.
Kinneir, Jouro. through Asia minor. Lond. 1818. p. 356. -
”
742 Weft-Aften. II. Abtheilung. 1. Abſchnitt. &38.
ruk Gyaboot oder Booboordy und Tchorah bei Kinneir
geſchrieben), die nach ihm in ver Mitte zwiſchen Trapezunt und
Erzinghan (f. ob. S. 270) liegt. Von da aus drang er in wilden
Thälern nach einem Marſch von 5 flarken geogr. Meilen (26 MiL
engl.) zum Norpfuße des Kop Dagh vor, den er mit vieler Wahr
fcheinlichkett für das wilne und rauhe Gebirge des noͤrdlichen Tau⸗
rusſyſtems Hält, das Strabo Skydiſes (6 Zxosdlong, Strabo IX
527 u. XIL 548) neben dem Paryadres nannte, bie fich, beide
Ketten, am Strombette des Euphrateß, welches Armenia von Kappa
dokien und Kommagene ſcheide, von der Weſtſeite bis Arımenis
minor ziehen, von der andern Seite aber, über dem Lande en
Trapezus, Pharnakia, ver Tibarener, Chaldaier (f. ob.
©. 585) und Sanner, weldhe früher Matronen hießen, an ww
Mojhiſchen Berge gegen Kolchis Yin anfchlöffen. Den Namen Loy
Dagh, veften Lage fonft unbekannter war, finden wir auf ber zur
ſiſchen Generalſtabskarte eingezeichnet; offenbar verdankt er ver an
feinem Nordabhange gelegenen Station Kop) feinen Namen, die
glũcklicherwelſe ebenfalls eingetzagen iſt. Zwar iſt Kinneirs Angabe
noch nicht erwieſen, daß diefer Berg, wie man ihm dort fagte, be
Höchfte Berg in ganz Armenien, felbft den Ararat nicht auögenem
men, fein folle; ſehr beveutenn muß er aber wol fein, da auf
WB. Hamilton deſſen Waſſerſcheide auf 10,000 Buß üb... R
ſchaͤtzt. Nach 54 g. Meilen (28 Mil. engl.) beſtändigen Unfteigens
war die Culmination des Bergpaffes erreicht, von ber eine Au
fücht, die auch Southgate,?*) obwol von Donnerflurm und Ge
witter daſelbft überraſcht (Mitte Juni 1837), bewundern mußt,
auf eine ungeheure Maffe ver Fühnften, Hinter einander
auffleigenpen Bergketten fich aufthat, fo weit das Aug
reichte, mit grünen Thälern, braunen zadigen Piks und weißen ewi⸗
gen Schneehöhen. Bier$) mit einander parallel, von RA.
gegen S. W., ſtreichende BGoͤenzüge ſtellen fich hier als ge⸗
ſonderte Maſſen dem Auge als eben fo viel Gliederungen bei
udrdlichen Taurusſyſtemes dar: 1) die Kette links beim
Eintritt in Baibort; es iſt die pontijche Kette, vie nächſte em
Meeresgeſtade; 2) die hoͤchſte, auf der Kinneir land; es iR wer
2) 5, Mahlmanne fehr dankenswerthe Karte des Kankaſus,
nach den neneften Aufnahmen des Faiferl. rufl. Generalſtabs. Berlis
b. Schropp. 1842. °«) H. Southgate, Nr. Vol, L. p. 10.
28) Macd. Kinneir \, c. p. 858.
ED
Euphratſhſtem; Frat; Kop Dagh⸗Kette. 743
Kop Dagh ESkyypdiſes), die wir die noͤr dliche Grenzkette des
Plateaus von Erzerum nennen können; 3) der Kebban
Dagh (Kepan Dagh der ruſſtſchen Karten, wo auch der Gipfel
Palantu ken genannt wird), welcher die Plateau⸗Ebene von Erze⸗
sum gegen SD. begrenzt, die Vorhöhen des Bing hol bildet, und
gegen Weſt fich an deſſen Verlängerung, nämlich an die Dujik⸗
Kette aureiht. Wir koönnen dieſe die ſüdliche Grenzkette des
Plateaus von Erzerum nennen, vie zugleich die Mittel⸗Kette
des Plateaus von Sroß-Armenien bilvet, welche dieſes Ich»
tere in eine nörbliche und ſüdliche Hälfte theilt, und Brat von Mus
rab ſcheldet. Der Ate von Kinneir erblidte Höhenzug war per
noch weiter im S. O. ziehenne, im Sünen des Muxad, ven wis
ald Darkuſh Dagh, Kharzan Dagh, bis zum Nimsup
Dagh un Siban Dagh, zum Nordufer des Bari Set In obi⸗
gem hinreichend kennen lernten. Um jene Kinneirfche vortrefflicht
überfichtliche Betrachtung aber zu vervollſtaͤndigen, müfien wir hin
zufügen, daß die ganze Breite des Plateaukandes von Ars
menien erſt durch diefen vierten Höhengug in feiner füde
weftlihen Richtung als Quellgebirg der Tigriszufläffg
(Niphates und Mafius, ſ. 06. S. 77) beſchloſſen erſcheint; fe
daß dieſes Plateau wirklich zwiſchen dem nördlichen und ſüd⸗
Uchen Taurusſyſteme ſich als ein Hochland erhob, das jo charak⸗
teriſtiſch vom tiefen pontiſchen Geſtadelande, wie vom ſyriſchemeſo⸗
votamiſchen Tieflande fich unterſcheidet. Die dem Plateau aufge⸗
ſetzten Gebirgsketten beſitzen insgeſammt großen Quellenreichthum;
von der erſten Kette ergießen ſich alle Waſſer nördlich zum Pon⸗
tus, von der Süpjelte der zweiten alle zum Euphrat. Die der
dritten fallen zum Frat oder Murad, und bie der vierien,z
Niphates der Alten, eilen fünwärts dem Tigris zu. Dies.
die hydrographiſche Vertheilung.
Von der Culmination des Kop Dagh, auf welchem ſelbſt
mitten im Juni noch ſehr kalte Nächte vorherrſchen, erblickte King
neir ſchon unter ſich im Thale den Strom des Euphrat gegen
Weſten ziehend, und nur ein Tagmarſch abwärts reichte hin, um
die Station Aſhkalah am Karafu zu erreichen, bie nur noch 9
Stunden Wegs fern von Erzerum liegt, am Anfang ver, im Gegen⸗
fa des zurüdgelegten Gebirgslandes, felbft gut angebauten und bes
vdlkerten großen Ebene, vie, wie alle zwiſchen ven Taurusketien
gelegenen, doch nur ein erweitertes flaches Kängenthal bilbet, von
weit geringerer Breite von N. nach S. ald Länge von D. nach W.
746 MWeftsAfien. III. Abtheilimg. I. Abfchnitt, $. 38.
ſtamm, aber ohne Gelänver, war die Brücke, auf ven ihn ſelbſt wie
Pferde paſſtren mußten, vie aber bier ungemein vorfichtig ihre Tritte
wählten. Dann Ginabflieg eine Fleine Stunde in ein hal, dann
an nievern Bergen, zur Linken, mühſames Borüberklettern, bis man
um 6 Uhr, alfo nach 2 Stunden befchwerlicheren Weges, die fanft-
welligen Boralpenmit ihren Weideplätzen betritt, weldge vie
große Ebene des Erzerum⸗Thales gegen Norden begrenzen. Don
hier an waren noch 8 Stunden Wegs (20 Mil. engl.) bis Erze⸗
rum. Die Gegend des Eintritts entſpricht alfo etwa der Diftem
Aſhkalahs von Erzerum, liegt aber wahrſcheinlich mehr norddſtlich
Bon ven vielen armienifchen, ſehr ärmlichen Dorfichaften, mah
nur einzelne Gruppen elender Erdhütten, die bier Liegen follen un
in größter Eile durchritten wurden, wird Eeind genannt. Der bes
tige Regen hatte vie Ebene mit einem tiefen Schlammboden üb
zogen. Die Lleingeftalteten, breiten, plump und häßlich gebildeten
Weiber dieſer Dosfichaften machten .mit ihren hoben Schultem,
wilden vergerrten Phyflognomien und mit großen Mäulern cine
ſchr ſchlechten Einprud auf den flüchtig Hindurcheilenden. Kun
nach 8 Uhr, alſo In 2 Stunden, wurde das Ufer des Karafu oem
Frat erreicht, und fein Waſſerſpiegel, der hier ſchon als ein am
fehnlicher, reißender Strom ſich zeigte (durch den gefchmolzens
‚Schnee und die Regenwaſſer, Ende Mai's), auf jenes huͤbſchen
mehrbogigen Brüde (bei Elia?) überfegt, um die Stadt Erzerum
ſelbſt zu erreichen.
2. Die Ebene, dad Paſchalik und die Stadt Erzerum.
1) Die Ebene Erzerum.
Noch iſt die Ebene des obern Frat, in welcher Erz er un
Uliegt, ihrer häufigen Durchwanderung ungeachtet, in ihren Cinzel⸗
heiten und Naturverhältnifien noch fehr wenig bekannt. Die To
sainverhältniffe, die Blora und Sauna eines fo eigenthümlich ge
ftelten Hohen Tafellanded auf ber großen Heerſt raße von
Oſt⸗ nah Weſt⸗Aſien, eine natürlich durch Bollwerke ringsum
geſicherte Bdlkerburg, und Doch zugleich. ein Land der Baffage
durch die engen Gebirgspforten und wenigen Gocdhpäffe,
die nur auf beflimmt gemiefenen Wegen hinein und heraus führen,
und bie fo ſchwer zu erobern wie leicht zu veriheivigen find, ferner
bie Weltftellung zwifchen vreifachen Meeren und Ländern, wi
‚Völkern ver mannichfaltigften Art nach allen Umgebungen, mit dem
Urfprunge des ardgten un Wien Stremfyflems in gan
BE
Eupbratfuftem; Frat; Kop Dagh= Kette. 745
Streichen der dortigen Schichten von O.N.D. nah W.S. W. durch⸗
fegen. Nach 9 Uhr mußte man wieder Öfter den Zickzacklauf des
Bergſtroms durchfegen, dann folgte man feinen Windungen im
Marſchboden, bis man ihn In feiner Wendung gegen Oſt verließ,
und wieder, an Öirtenzelten vorüber, durch grünen Alpenboven ſich
gegen S. S.O. In ein andres Seitenthal wandte. Aus dieſem end⸗
lich erreicht man nach einem lang ſich windenden Aufſtieg ven Gi⸗
pfel einer ſehr Hohen Kette nackter Gebirge, auf denen noch Schnee
Jag, deren Höhe wenigſtens 9,000 bis 10,000 Fuß über dem Spiegel
des ſchwarzen Meeres betragen muß. Hier war nun die Waſſer⸗
Scheide zwifchen vem Pontusgeſtade und vom Cuphratſyſtem.
Bon dieſem engen Rüden flieg Hamilton nun durch wilde Landſchaft
hinab In ein Felſenthal gegen S. S. O. zu dem elenden Bergborfe Bun
rula (ober Kebhur), dad auch auf Brants Karte von Asia minor”)
(fo wie auch Mafjat) als Station eingetragen iſt, aber auf den
zuffifchen Karten fehlt, wo jedoch diefe Paſſage wahricheinlich mit
dem, Namen Kiopfhapun Dagh,) oberhalb Ghük Daghi,
bezeichnet If, der auch die Schwefelquelle zur Seite angegeben iſt.
Man erreichte den Ort um 1 Uhr; alfo nah 11 Stunden Wege.
Ein fehr Heftige® Bewitter entlud fich Hier; umber war kein Grün,
Ten Baum zu fehen. Gurula war ein noch ſchlechteres Dorf als
Mafiat; von 11 Famillen vor der rufflfchen Invaflon waren nur
noch 5 übrig, Indgefammt Mahomedaner. Man war fehr hoc
herabgeſtiegen, bemerkt Hamilton, und doch war man noch Immer
ſehr hoch über ver Ebene von Erzerum erhaben, vie man in
der Berne gegen Süd erfpähen zu können glaubte, |
Der dritte Marſchtag (30 Mai)®) führte envlich, alfo in
ähnlicher Zeit wie etwa die Gotthard⸗ ober St. Bernhard», Mont
Cenis⸗- und andre Alpenpaflagen in dieſe Ebene hinein, jeboch unter
fo ungünftiger Witterung, daß fly weniger Gelegenheit zu genaues
ses Beobachtung, als erwünſcht gewefen wäre, darbot. Man brach
um 4 Uhr am Morgen von Burula auf, flieg gegen Oſt in einem
Thale Hinab, das von einem reißenden Strome, wahrfäheinlich ver
Sartſhem der ruſſtſchen Karte, bemäffert wir, ver ſich nun ſchon
zur Ebene in ven Frat hinabflürzt. Ein glatt behauemer Baum⸗
97) Asia minor and Arnıenia to illustrate routes of Mr. ‚Ainsworth,
Mr. Brant, Mr. Suter and Lord Pollington. 1840. y Glasoott
and Arrowsmith. 99) Georgien und das Seht Telementen,
als Neberblid der Sriegboperationen te. Münden b. Cotta. 1820.
®®) W. Hamilton 1. c. p. 176.
748 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.38,
390 55° 20” N.Br. (39° 38’ N.Br. n. Kinncr) und 38°58' 6" OR.
v. P. (nah 3. Brant auf 41°18'30" DL. v. &r.).)
Die abfolute Meereshöhe von Erzerum, welde früher
ſelbſt einem Tournefort unbefannt geweien, und von allen GBeogra-
phen und Beobachtern ver folgenden Zeit unbeachtet geblichen,
von dem unternehmenden W. ©. Brown aber zuerft durch Beob⸗
achtung (auf Tennants Rath mit kochendem Waffer) 2) an Ort
und Stelle auf 7000 Buß engl. ermittelt ſchien, eine Angabe, die
J. Nennell, dem fie zu feiner Erklärung des Rüdzugs der Zehn
. taufend fehr erwänfcht kam, zuerſt veröffentlichen 3) konnte, iſt durch
60 fortlaufende Beobachtungen Didfons im April 1838 auf ik
wahrfcheinlicheree Maaß von 5735 Fuß Par. (6114 F. engl), oder
nach fortlaufenden früheren Beobachtungen I. Branıs *) im De
cember 1830, die mit correfponvirenden im Trapezunt verglichen
wurben, doch wenigſtens auf 5000 Buß reducirt. Diefe ſehr ber
tende Plateauhdhe, welche die des Urſeren⸗Thales auf dem Sat
Gotthard noch um 1000 Buß überfleigt, und nahe an deſſen Ba
Höhe mit dem Hoſpiz reicht, iſt ein wichtiger Anhaltpunct zur Er
läuterung der dortigen Climatik geworben, und zur Beurtbeilung
der vielen, das ganze Broß- Armenien überagenden, relativ nur
geringen und doch ewigen Schneehöhen. Die Ebene det
Karafı felbft oder des Frat ift nur 3 bis 4 Stunden breit, u
etwa in boppelter Zerne auf beiden Nord⸗ und GSüpfeiten mit fe
ben abflügigen Bergen umgeben; nahe am Strome aber IR der
Boden naß und marfchig, meift beſtehend aus einem reichen Alu
vial⸗Lehm. Unſtreitig war bie ganze Plaine, fagt Hamilton, ®)
einft ein See, ehe der Euphrat die Bergfetten weiter unten durch⸗
brach. Der völlige Walpmangel der Gebirge, ja ver Rum
gel felbft einzelner Bäume in dieſer weiten, ganz nadten (bene
nimmt biefer Landſchaft gar viel von ihrer natürlichen Schänhelt.
Die nächften Hügelreihen im Süden ber Stadt Erzerum, melde
Hamilton wiederholt befuchte, beſtehen nach ihm ©) aus trachy⸗
tifchen oder Feuerbildungen (au W. G. Brown fpreh
fon von den vielen Laven Erzerums) 7), deren Trümmer gewaltige
*°!) Journ. of R. G. Soc. of Lond. X. P.3. p. 431. 2) W. G.
Browne, Journey trough Asia minor, 1802; f. in Rob. Walpole,
Travels in var. countries. Lond. 1820. 4. p. 178. not.
®) J. Rennell, Illustrat. of the history etc. L c. preface p. xzı.
*) J. Brant, Journ. of R. G. Soc. of Lond. 1836. VI. p.222.
°) W. Hamilton, Asia minor \. „118. 9) ebend. 9.178.
7) Rob. Walpole, "Traxels \ c.
Ü
Euphratſyſtem; Hochebene Erzerum. 747
Vorderafien, alles dieſes wäre mol eines eigenen genaueren Stu⸗
diums für Natur», Völker: und Menfchengefchichte werth. Wir
Fönnen es nur bebauern, daß und die wichtigften Vorarbeiten dazu
noch fehlen, und möchten zur Ausfüllung fo mefentlicher Lücken ver
Wiſſenſchaft wol jüngere Kräfte zur Beobachtung jener vermitteln-
ven VBerhältniffe an Ort und Stelle zwifchen ver Natur von Per
fien, Kaukafien, Kleinaflen und Syrien auffordern. Doch wir wols
Ien uns für jest auch mit den fehr mühfam errungenen por
fitiven, wenn auch nur noch fehr wenigen Daten begnügen, vie wir
den jüngften Beobachtern verdanken. Erſt felt kurzem iſt die aſtro⸗
nomiſche Orienttrung einiger Hauptpuncte dieſes Hochlandes möglich
geweſen, über welche man zu Anfang des Jahrhunderts noch in
völliger Verwirrung war, als der um Geographie unſterblich ver⸗
diente Aftronom von Zach feine erfte Eritifch berichtigte Karten⸗
ffizge vom ſchwarzen Meer und von Kleinaflen, wie er felbft er⸗
flärte, nur als vorläufige Gerippe zum Dienfte Fünftig herauszu⸗
gebenver Karten ausgeben laſſen Eonnte. Seit hundert Jahren, fagt
er, w) Heichäftigten ſich die Geographen mit der wahren Zuge und
Geſtalt des kaspiſchen Meeres; vie Länder zwifchen ihm und dem
wittellänvifchen Meere Yatten fich dadurch fo ſehr verändert, daß
man zwifchen ältern und neueren Starten Unterfchieve von 6 bis 7
Graden verfelben Derter fand, oder folche Ungewißheiten, wie wenn
man In Deutfchland in Zweifel wäre, ob man vie Öftliden Lifer
des Rheins nach Coln oder nach Dresden zu verfegen habe. Noch
weit mehr war dies am Tigris und Euphrat, am Van⸗See und
am Pontus der Fall, und dem gemäß war auch das ganze arme⸗
niſche Binnenland kartographiſch verzerrt und verfchoben. Das
ſchwarze Meer war um ein volles Viertheil feiner ganzen Länge
vergrößert worven, und nahm die Stelle ein, welche jeht auf den
beften Karten GSeorgien einnimmt. Dadurch war dad Faspifche
Meer aus feinem wahren Plage verbrängt, und alle daſſelbe umge⸗
bende Länder und Ortfchaften mit ihm.
Ein Niebuhr war nicht durch Armenien gekommen; biefer-
fireifte nur an deſſen forifchen Grenzen im mittlern Euphratlande,
in Mefopotamien, vorüber. Die aftrongmifche Zage von Erzerum,
His dahin nur nach Berechnungen ziemlich unflcher geflelt, wurde
nah Obſervation des kaiſerl. ruſſ. Generalſtabs beſtimmt auf
200) v. Zach, Monatliche Correſpondenz 1801. 2b. III. S. 394, 567.
750 Wefl-Afien. IL Abtheilung. L Abfchuitt. 5.38.
trale Hochebene, obwol wenig angebaut, wirb doch als frucht ba⸗
res Kornland gerühmt. 2) Zwiſchen dem temperirten Geflabes
lande des Pontus und dem brennend heißen Boden Mefopotamiens
und Spriend, mit dem Tigris⸗ und mittleren Eugbratlande, liegt dab
fehr Ealte Plateauland Groß⸗Armeniens mitten inne De
Winter ift ſehr hart; die Kornſaat fproßt erft mit Anfang Juni;
noch am erften Juni ſah Tournefort?) dort Schnee fallen; bei
Sonnenaufgang war noch empfinvliche Kälte, dabei aber um 10 U
ſchon empfinvlide Hitze durch den Sonnenflrafl Der Sommer
aber, wie auf allen PBlatenuflächen der Erbe (Erof. IIL ©. 697), f
gefteigert und fo brennend heiß, daß man dem Verfengen des Kormi
vor feiner Reife durch Bewäflerung zuvorfommen muß, und daß fh
der fchörfte grüne Rafenboden doch in eine harte, braunrothe ven
brannte Erorinde verwandelt. Die Ernte fällt erft in den Mond
September, der Winter fällt ungemein früh ein. Kein Wunder,
daß ver römiiche Feldherr in Armenien gegen Zigranes und Dis
thridates, Lucul lus, bei feiner dortigen Ankunft jenfeit des Tar⸗
rus (ſ. oben S. 88, 99) fehr überrafcht war, obwol ſchon mitten
Im Sommer, flatt einer reichen Kornernte vie Ackerfelder noch alle
grün zu finden (Plutarch. Vit. Lucull. 31), und daß bie Legion
fhon zur Zeit ver Herbſtnachtgleiche am Arares und Cuphret
in ihrem Lager dur Schneefall ihnen unbefannte Beſchwerdes
zu erdulden hatten, die Pferde ver Meiterei im Eis der gefrormen
Ströme einbrahen und im Trunk des Ealten Waflers fich ven Io
holten. Auch Alerander Severns fol nad) Zonaras Erzählung
noch viel fchlimmeres von der dortigen Winterfälte erduldet Haben.
Die Wege auf viefem Boben find nur Streden, die erſt durch
ennflante Paffage der Karawanen zu Heerſtraßen werben, und ſich
als folche von felbft, ohne alle Zuthat von Menfchenhand, hinrei⸗
chend markiren. In den Bergen bleiben fie immer dieſelben, aber iz
den Platinen wechjeln ihre Dirertionen fortwährend nach nem flet
wechſelnden Anbau ver Ländereien over ihrer Verddung. Die die
zige Ausnahme hiervon macht eine einzige, jenoch Groß =- Armenim
kaum berührende Via militaris, die von Reſchid Mohamed Paſche
in der jürgften Zeit behufs des Transportes ver Artillerieftüde von
Samfun am Pontus über Kharput (f. ob. ©.104, 702) nach Di
Yazrbefr, eine Strecke von ziemlich 100 geogr. Mellen, wegbar gemadht
40%) J. Brant; L c. Journ. R.G.S. VI. 1836. p. 221. °) Tonr-
nefort, Relat- 1. c. U, p.IL.
um
Euphratfuftem; Hoch⸗ Ebene Ezerum. 749
Boͤſchungen bilden, vie fich gegen eine Stunde in: vie Ebene nach
der Stadt zu ausbreiten. Es zeigt fich in ihnen, in der genannten
Entfernung etwa, eine amphithentralifche Bertiefung, vie man für
einen einft auswerfenden Krater während jener trachytiſchen Ope⸗
zationen zu halten geneigt fein dürfte. Darauf weiſen wenigſtens
die fenkrechten Wände, die Umwandlungen ber flratificirten Gebirgẽ⸗
ſchichten und vie Barlationen im den plutoniſchen Gebilden Hin.
Jetzt find diefe friedlich gewordenen Bügel mit vielen Schaaren von
Nebhühnern (Attagen over Bagrakala) belebt.
In diefer Angabe Hamilton von einem frühern Zuftande
möchte vieleicht der Aufichluß über obige Stellen bei Mofes Khor.
vom Schilfwalde (dem Sazlech bei Indſh.) und dem ſchlammi⸗
gen See oder Sumpf um bie bogenreihe Brüde von Elija lie⸗
- gen, welche Gegend in früheren Zeiten eine andere Geſtalt haben
mochte, wenn man des Procop fonft unverſtändlicher Erzählung
trauen darf. Diefer fagt nämlih vom Eupbrat, er beginne mit
Engthälern und entziehe fich dann, mo er hervorbreche, dem Auge
nicht unterirdiſch, ſondern durch Wafferflürze. Lieber feiner Waſſer⸗
fläche fleige ver Schlamm in einer Strede von zwei ſtarken Stun«
den (50 Stadien) Länge und eines Stunde (20 Stadien) Breite in
folcher Menge auf, daß viel Schilfrohr darauf wachje, in felbft
Reiter und Räderkarren darüber wegfegen konnten. Jährlich brenne
man den Schilfwald nieder, dann. trete das Waſſer wirder hie. und
pa hervor; der Schlamm (rmAds) wachſe aber wieder zu, wie zu-
vor. Bon da fließe ver Cuphrat weiter durch Ucilifene (Procop.
Bell. Pers. I. 17. p. 82). Sollten dies damalige Auswürfe von
Schlammftrömen etwa bewirkt Haben? Nur Unterfuhung an Ort
und Stelle kann darüber Auskunft. geben, ob biefer Schlamm plu⸗
toniſcher Entſtehung ſein mag.
Von der Beſchaffenheit der benmchbarten Gebiegeketien erfahren
wir noch gar nichts, doch ſcheinen fie reich an mineraliſchen Quellen
und Metallichägen zu fein; nur ihr Reichthum an Alpenweiden und
an zahlreichen Heerden ift bekannt, und hie und ba jinben ſich auch
in den geſchützten Theilen ihrer Thäͤler Waldgruppen, jedoch meiſt,
wie es ſcheint, von Zwergbäumen, zumal Nadelholz und«@ichenar-
ten. Tournefort ſagt, die naͤchſten Fichtenbaͤume fländen 3 Tagerei⸗
ſen von Erzerum entfernt; Holz ſei dort die größte Koſtbarkeit und
Kuhmiſt bleibe das einzige Brennmaterial, wenn man nicht, wie er
hoffe, einſt daſelbſt Steinkohlenlager entdecken werde, nach de⸗
nen aber zu ſeiner Zeit wenigſtens noch Niemand ſuchte. Die cen⸗
750 Weft-Afien, III Abtheilung. L Abſchnitt. $. 38.
trale Hochebene, obwol wenig angebaut, wirb doch als fruchtba⸗
zes Kornland gerühmt. 8) Zwiſchen dem temperixten Geſtade⸗
Yande des Pontus und dem brennend heißen Boden Mefopotamiens
und Syriens, mit dem Tigris⸗ und mittleren Eugbratlande, liegt das
fehr Ealte Plateauland Groß⸗Armeniens mitten inne. Da
Winter iſt fehr Hart; vie KRornfaat fproßt erft mit Anfang Juni;
noh am erften Juni ſah Tournefort 9) dort Schnee fallen; bel
Sonnenaufgang war noch empfindliche Kälte, dabei aber um 10 Uhr
ſchon empfindliche Hitze durch den Sonnenflraf. Der Sommer
- aber, wie auf allen Platenuflächen der Erbe (Erdk. II. S. 697), if
gefteigert und fo brennend heiß, daß man dem Verſengen des Korn!
vor feiner Reife durch Bewäflerung zuvorfommen muß, und daß ſich
der fchörfte grüne Raſenboden doch In eine harte, braunrothe ver
brannte Erdrinde verwandelt. Die Ernte fällt erft in den Mond
Geptember, ver Winter fällt ungemein früh ein. Ken Wunde,
daß der römifche Feldherr in Armenien gegen Tigranes und Bi
thridates, Tucullus, bei feiner dortigen Ankunft jenfeit des Tan-
zus (f. oben S. 88, 99) fehr überrafcht war, obwol ſchon mitten
im Sommer, flatt einer reichen Rornernte die Ackerfelder noch alle
grün zu finden (Plutarch. Vit. Lucull. 31), und daß die Legion
fchon zur Zeit ver Herbffnachtgleiche am Araxes und Cuphrat
in ihrem Lager dur Schneefall ihnen unbelannte Beſchwerden
zu erdulden hatten, die Pferde ver Reiterei im Eis ber gefrormen
Ströme einbrahen und im Trunk des kalten Waflers fich ven Ted
holten. Auch Alerander Severus fol nach Zonaras Erzählung
noch viel fchlimmered von der dortigen Winterfälte erpulber Haben.
Die Wege auf viefem Boden find nur Streden, die erſt derch
eonflante Paffage der Karawanen zu Heerſtraßen werben, und ih
als folche von felbft, ohne alle Zutat von Menfchenhand, hinrei⸗
hend marklren. In den Bergen bleiben fie immer dieſelben, aber in
den Platinen wechſeln ihre Directionen fortwährend nach dem fleit
* wechfelnnen Anbau der Länvereien oder ihrer Verddung. Die die
zige Ausnahme hiervon macht eine einzige, jenoch Groß = Armenien
faum berührenne Via militaris, die von Reſchid Mohamed Paſche
in der jürlgften Zeit behufs des Transported der Artillerieſtũcke von
Samfun am Pontus über Kharput (f. ob. S.104, 702) nad Di
Yarbefr, eine Strede von ziemlich 100 geogr. Meilen, wegbar gemadht
*0®) J. Brant; L. c. Journ. R.G.S. VI. 1836. p. 221. °) Teur-
nefort, Relat. I. c. I. p-111.
Euphratſyſtem; s Hochebene Erzerum. 751
ward. Die Wege find in ber Sommerzeit auf dem weifigen Plas
teaulande fo, daß fie Feiner Kunftnachhülfe bebürfen ; im Winter
Dagegen oft nicht zu pafjiren wegen hohen Schneefalls, zumal aber
ſchwierig bei Thauwetter.
Mit einiger. Genauigkeit den Nufien, während ihrer Befigsnahme
des Paſchaliks Erzerum, bekannt gemorvene Wege, bie wir zur weis
tern Benugung nach ihren Daten anführen, 20) find nur 5 nad
verſchiedenen Directionen, deren mehrere jeboch noch welt genauer
zu erforjchen fein werben.
1). Die große Karawanenſtraße nach Conſtantinopel
zu Lande gebt von Erzerum über Aſhkalah, Ki Tſhiftlik, Si⸗
was u. ſ. w. Sie fol für Fuhren (Arabahs) fehr befchwerlich fein.
Beim Dorfe Andreyas (Enderez), 120 Werft von Siwas, Eann man '
über dad 130 Werft entfernte Tofat einen Umweg nehmen. Diefe
Straße ift aber fleinig und befchwerlih. Don Siwas nach Tokat
find 60 Werfl. Don Tofat zum nächiten Hafen des ſchwarzen
Meeres, Sameyn (e8 iſt Samun), find 170 W. Dahin Einnen,
mit einiger Mühe, beladene Fuhrwerke gebracht werben. Diefelbe
Noute gibt der Viceconful H. Suter, ver fie 1838 zurüdlegte, in
ihren Diftanzen von 153 Stunden Wegs, 45 Tagmärfchen alfo an:1ı)
1) von Erzrum nach Aſhkalah 9 St. guter Weg; 2) n. Karakulak
16 St.; 3) n. Gemeri 12 St.; 4) n. Uleh Sheivan 6 St., bergig,
aber gut; 5) n. Shebb Khanah Kara Hiffar 18 St.; 6) n. Endes
res 6 St., ſchlechte Weg; 7) n. Zara 12 St.; 8) n. Sivas
12 St.; 9) n. Arslan Togmifh 10 St.; 10) n. Tokat 8 St.;
11) n. Zileh 12 St. Diefe Iepten 4 Tage haben trefflidde Wege
und Pferde. 12) Von Zileh n. Amaflyah 8 St.; 13) n. Kavſah
8 St.; 14) n. Kavak 8 Gt.; 15) nad Samfun 8 St.; beide letz⸗
tere Wege über Gebirg mit trefflichen Pferden. In Summa 153
Stunden Wegs.
2) Eine andre Landſtraße nach Conftantinopel kann auch
fühwärts über Erfingan nach Siwas gehen, ober nörblich über
Baiburt und Trapezunt zum Poutus, und dann zu Waſſer dahin,
zwar an Meilen vie längere, aber feit der Dampfichiffahrt die viel«
fach befuchtere Route.
3) Die große Straße über Haffan kaleh, Dell baba, Topra
kaleh nach Bayazen, 160 Werft, die wir oben (S. 654) kennen
20) v. Uſchakoff a. a. O. J. S. 102. I), Suter, Notes I. c.;
Journ. R. G. S. Vol. X. P, 3. p. 444.
752 Weſt⸗Aſien. TI. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 38.
gelernt, und welche vie gewöhnliche Route nach Tauris umd ehe
san, if, für Karamanen und auch für Heeresmärſche brauchbar.
4) Die große Straße nach Georgien über Haſſan falch un
den Saghanlu nad Kar, die und aus ber ruſſiſchen Kriegkge⸗
fchichte ebenfalls bekannt iſt (ſ. ob. ©. 415).
5) Endlich die direrte Nordſtraße nach Imereti, von Gr
zerum über Olti, Ardaghan nah Akhaltzike, 278 Werft, um
von den Ruſſen zurüdgelegt; bei ven Gebirgen Karatfhly Dag um
Ulgar ift fie etwas fchwer zu paſſiren, fonft aber auch für Gere
märfche brauchbar, da e8 ihr nicht an Holz und Waſſer fehlt. Bon
Dit kann man oflwärts, ebenfalls duch einen Seiten zweig,
iiher Perthes, Wartonet und Keketfh (97 Werft) auf vie über ven
Saghanlu führende Straße nach Kars gelangen, ber im J. 180
von einem ruſſiſchen Corps genäht ward; eine Strecke von 173
Werft.
2) Das Paſchalitk Erzerum.
Erzerum iſt der Mittelpunkt der Provinz, die ſeit den Zee
ten der Erbauung von Theoboflopolis, unter den Griechen als Praͤ⸗
feetur für die Kalfer von Byzanz, und eben fo ſeit ver Herrſchaft
der Osmanen für den Großfulten ald Paſchalik, ein Hauptſchu⸗
land beider politifchen Serrichaften gegen Parther, Saffanipen um
Perſer, von größter Bedeutung gewefen. Ban und Erzerum waren
unter Sultan Selim (1567) 412) vie Sauptgrenzfeften feines Meike
gegen den perfiihen Oſten. Deshalb iſt auch in neuerer Zeit bad
Paſchalik von Erzerum gegen ven doppelten Feind, die Ruſſen wie
Derfer, zum Hauptpafchalit des Reichs in Afien geworben, uud
nur dem Range und ver Ausbehnung nach venen von Aegypten
und Bagdad nachſtehend, zumal ſeitdem die Macht des vortiges
Paſchas durch die Vernichtung des früher fo gewaltigen Saal
ſchareneinflufſſes ungejchwächt bleiben Eonnte. Kein befferer Sammel⸗
plat 2) für ein großes aflatifches Heer, bei einem Ginfalle gegen
Kaukafien, Perfien oder Indien, als duf ven gefunden, heerdenreichen
WBochebenen von Erzerum, wo Waſſer und Butter im Ueberfluß HR.
Schon zur Zeit Tourneforts, 1%) zu Anfang des 18. Jahr⸗
hunderts, war ber Paſcha von Erzerum ein Begler Beg (Gürk
#18) v. Hammer, ichte der Os II ©. 380.
x it. Klach, Joum. Le * c. p. man. * 16) Tournebart, Rälst,
c p .
Euphratſyſtem; Pafchalit Erzerum. 753
ver Fürften, ever Paſcha von drei Roßſchwelfen), well ex die unter
Hm ſtehenden Paſchas beherrſchte; er zahlte dem Großſultan 300
Beutel im Jahr (jener Beutel zu 500 ecus, alfo 150,000 Thaler).
Er nahm ven Waarenzoll ein, ver auf 3 Prozent Heflimmt war,
aber oͤfter zum Doppelten gefleigert wurbe; alle fremde Reifende,
Die Durch Erzerum nad) Perfien geben wollten, mußten, wenn auch
une Waaren, voch 5 The. Abgabe und oft weit mehr zahlen;
zumal an ven damaligen Mifficnaren und ven Jeſuiten wurden
ſtarke Erprefſungen gemacht. Ueberdem hatte ver Raſcha das aus⸗
ſchließliche Vorrecht ver Verſteigerung aller Transportthiere für bie
Kgrawanenreiſenden. Seine Einkünfte konnten alſo Ind außeror⸗
dentliche wachſen. Die ganze Provinz Erzerum brachte dem
Sultan noch 600 Beutel ein, und außer dieſen noch 300 Beutel
Karadſh von Armenlern und Griechen, wozu noch 6 Procent von
allen Waaren, fo daß die Waaren überhaupt 9 Procent Zoll zu
zahlen hatten, und dennoch war der Handel bedeutend. Außerdem
Hatten die Spahis als Grundeigenthümer noch eine Grundſtener
(Beldargi) für die Ländereien, vie ihnen von der Pforte ald Ziamet
oder Timar (Lehen) 15) verliehen maren, mit der Verpflichtung, in
Kriegdzeiten eine Anzahl Reiter zu ftellen, und in Perfon ſelbſt ge⸗
gen den Feind zu ziehen. Die Macht des Pafcha, ver nur in einem
elenden Serai wohnte, war aber durch die Gewalt des Janit⸗
ſcharen⸗Aga ſehr befchränft, der 1200 inſcribirte Janitſcharen im
Der Stabi und 50,000 in der Provinz zählte, die ihm insgeſammt
eine Abgabe entrichteten, dafür fle unter feinem Schutze, fagt Tour⸗
Refort, vie Erlaubnig im Lande hatten, alle Art Spitzbübereien
zu treiben. Auch Die honetſten Ginwohner mußten ſich unter die
danitſcharenrotte enrolliven laſſen, um ven Ghicanen des Aga nicht
audgefet zu fein und ohne Juſtiz zu bleiben. Die geringe vom
Groffultan ausgehende Befolvung der Janitſcharen zog ver Aga
da; ex veflpirte auf der Anhöhe der Stadt in einer Urt Feſte, deren
Thore die Großen des Landes nur dann pafſirten, wenn fie Ihre
Köpfe darin verlieren follten.
Zu Armenia rechnete man 16) die türkifchen Bafehalil® von
Usgerum, Akiska, Kars, Bayazed, Mufh und Diarbekr;
wm Paſchalik oder der Statthalterſchaft Erzerum aber
werben tm Dſhihannuma ober der türkiſchen Geographie 13, im
28) A. Jeabert, Yoy. p. 117. *) M. Kinneir, Mem. on Persian
Kitten Exbkmde X. Bot
754 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 38,
KRannunname 17) nur 10, bei M. Kinneir 12 Sandſhakate ge
rechnet; nad v. Hammers Schreibweiſe heißen fie: Erzerum,
Bafftn, Tortum, Chonos, Karahiſſar, Mamremwan, Tel-
man, Keift, Melaskerd, Medſchnekerd, Aleſchkerd, Isyer.
Nach der Statiftif dieſes Paſchaliks, welche aus ven neueſten Datın
des rufflichen Generalſtabs waͤhrend der Iepten Occupation zufem
mengeftellt ift, find e8 gegenwärtig nur 9 Sandſhakate 12) aim
ih 1) Owa over Erzerum (Owa Heißt die Ebene); 2) Ober:
Baffin; 3) Unter⸗Paſſin; 4) Kygi (wel Khinis); 5) Terd⸗
fban; 6) Erfingan; 7) Bayburt; 8) Ispir; 9) Teortum.
Zwanzig Jahre zuvor gehdrten noch dazu die Sandſhakate Tiger
tfhants, Kurmtſhai, Kiamah und Kilkit (oder Kerkid)
Tſhiftlik, davon aber die drei erften zum Paſchalik Mappen, bei
vierte, nämlich Tſhiftlik, zu Gümiſh Ehane, dem Silberbergmai,
geſchlagen wurde. Dies letztere geichah erft im Jahre 1831, uf
GErkundigung EI. Smith3 19) auf feiner Rüdrelfe zum Pontus, we
ihm ein Einnehmer im Dienfte des Paſcha von Erzerum fagte, def
in den jegigen 9 Sandſhaks fi 3,800 Dörfer, befänden.
Wir führen dieſe politifchen Abtheilungen nur auf, um ws
veftänpigen Wechſel, den Mangel der Stabilität folder Verhälmif
auch bier zu bezeichnen, weshalb mir es eben abfichtlich vermeiden,
3.3. bier an biefer Stelle von jevem dieſer einzelnen Sanpfhafee a
eben, die zwar eine, freilich mit ben Beitverhältniffen fehr oft 14
umwanbelnde blos polttifh zufammengefügte Bruppe ww
Ränvderräumen bilden, aber Feine natürliche mit Innerm uf
menhang. Es würde eine bloße Täufchung fein, zu wähnen, baf
man durch eine vollftännige Aufzählung und WBefchreibung we
jenen willtührlichen Thellungen wol auch zu einer volfkäubige
Kenntniß eined Ganzen gelangen koͤnnte. Dazu kann nur vie Ber
folgung nad einem organifchen Zufammenhange führen, dem wi
bier nachgeben, in welchem alle weientlihen Berhältnifte wiriit
vollſtaͤndig erſchoͤpfend fich von felbft hervorheben, fobald ihre Kenar
niß nur vorangegangen iſt. Wir bleiben alfo trog des großen pe
Ultiſchen Umfangs des Paſchaliks Erzerum bier doch nur im Er
phratgebiete zurüd, und nehmen nur bie Bingerzeige auf das All⸗
gemeinere gelegentlich mit auf, weil dieſes meift auf ſehr uuufkäeem
ar), 9, Sammer, affat. Türkei. I Biene Ja ehlcher 1621. ©. UT.
RN. VO 9, Oifgeke ⁊h. L & 8-IK
10) RL Smith, Mac. ven. TR, \
Eupbratfoftem; Paſchalik Erzerum, 755
Grunde ruht. So 3. B. bier das zunächft folgende zum Paſchalik
überhaupt gehörige Statüftifche.
Die Bevdlkerungdverhältniffe des Pafchalif3 zu ermit-
teln, war felbft der ruſſiſche Generalflab unter General Paske⸗
witfch, dem doch fehr viel daran Liegen mußte fle zu wiſſen, nicht
im ‚Stande. Nach dortigen Angaben 19) hatte jedes Sandſhakat
feine 200 von je 10 bi8 50 Bamilien bewohnten Dörfer; nur von ber
Stadt Erzerum fonnte man beflimmtere Daten erhalten. Die An⸗
gaben der armenifchen Geograpben über die Zahl ver Armenier
find zu fabelhaft übertrieben, um fle hier auch nur zu erwähnen,
was Indſhidſhean,?) obmol er fle anführt, felbft zugeſteht. Die
Kroneinkünfte waren beveutend, wurden aber keineswegs ſyſte⸗
matifch eingeforvert. Die Kopffleuer, ver Karadſh, der Sallyan
(1. 06. S. 669, 677) wurden von den Individuen aller Glaubens⸗
befenninifie erhoben; auf den Ehriften lafteten wieder andere Steuern;
Monopole, Zoll, Domainen, Hornviehverkäufe, Gewerbfteuern, Kurs
denabgaben brachten noch anderes ein, was fich gar nicht berechnen
ließ. Die Bergwerke follten 61,000 Kurufb liefern. Uber die Ein-
treibung der Steuern für die Krone nimmt der Seradfier von Ihr
in Pacht, und gibt fie wieder In Pacht an feine Befchäftäführer und
Serafs (Banquiers), fo daß die Mittel aller flatiftifchen Rüdfchlüffe
auf Land und Leute eigentlich fehlen. Die meiften Mufelmänner in
dieſem Bereiche find keine Osmanlis, 21). obwol fie fich fo titu⸗
Uren, fondern Turks. Die wahren Osmanlls fehen es für eine
Beihimpfung an, ihre noblere Race Turks zu nennen, weil fie
diefen Namen nur auf die Barbaren auf ver Oſtſeite des Taspifchen
Sees beſchränkt wiffen wollen; bie meiften Turks find hier Soldaten,
Givilbeamte, Handwerker, Kaufleute, Aderbauer; viefe letztern find
roh, wie jene ihre Stammgenofien. Ihre Pflugfchaar geht nur
wenige Zoll tief in den Boden; der Pflug iſt ganz von Holz, fein
Dünger wird gebraucht; ihre Hütten find voll Ungeziefer; fie ſelbſt
find ſchmutzig und unwiſſend. Die noch vorhandenen Reſte der exe
ſten Eroberer des Landes, die Turkmannen, ziehen ald Hirten um⸗
ber, und’ haben vieles mit den Kurden» Tribus gemeinfam. Die
Kurden führen bier wie anberwärtd ihr räuberiſches Hirtenleben,
faft independent vom Gouvernement. Es war erft das Beichäft
Reſhid Paſchas, fie zur völligen Unterwerfung zu bringen. Sie
29) v. Ulchalof a. a. DO. 3°) ) Snöfffen, Ren srmenien, in
Geogr. v. Aflen, Br. J. wolgn. 1 . S. 13. n. Betermanns Mic.
31) Southgate I. c. I. p. |
Bhh ?
7156 Weſt⸗Aſien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.38.
waren Jedermann zur Laſt. Die Armenier, vie Originalbewehee,
bevölfern vorzüglid) vie Städte, und find die GSandelsleute oder
Aderbauer, dürfen aber Feine Waffen tragen, und werben weder
als Solvaten noch ald Civilbeamte angeftellt, weil fle Chriſten find.
Ihre Zahl ſchätzt J. Brant 2?) auf 4 der Turkzahl und $ ve
ganzen Population Armeniene.
Ueber die Landesproducte wird von den Neuetn nur fo
ziemlich wiederholt, was wir feit Tournefort® Zelten fehon won
denfelben mußten. Nämlich alfe KRornarten fein um Green
"von vorzüglicher Güte; Weizen und Berfte werbe aber am mb
fen gebaut, und in ven Kreifen Owa (d. 5. Ebene), Baybazt,
Terdſhan, Erfingan und beiden Paffin fol man vom 30- IH
zum 50fachyen Ertrag 2) des Korns ernten(?). Dies wire darch I
Brant wol berichtigt, indem er fagt: in den hundert einſt bl
henden Dörfern des Erzerum⸗Thales, das fett der rufjifchen Inne
flon aber fehr entvölfert und verfallen ift, fe der Boden ſehr mw
gleich; die Weizenäder ver höhern Lagen gegen Erzerum geben
nur ein 5⸗ bis 6faches, die in ver Tiefe am Fluß gelegnen aber da
12= bis 15faches Korn. 2%) Obſt gedeiht beffer in den Tpklem
von Ispir, Tortum und dem fünlicden Erfingan; aber da
befte Eommt, wie zu Toutneforts Zeit, aus Georgien dahin. Itas-
- ben fehlen im falten Erzerum ganz, die fhon in Muf fe tw
lich find, daher auch ſchon Tournefort den ſchlechten Vin de Brie
feiner Heimath gegen ven fchlechten Wein, ven er in Ergerum p
trinken bekam, für Nectartrant erflärte. Dad Bauholz muß vo
Kop Dagh oder Saghanlu herbeigeführt werden; Cichenholz zu e
brennen würbe für den größten Frevel angejehen werben, zumal da
bie Galläpfel der Eichenwälber ein Hauptpropuct des Landed für
den Handel abgeben. Pferde, Mäuler, Rinder, Schaafe von vor⸗
züglicher Zucht, und nah Kinneirs Benertung?5) viel geb
Ber von Geftalt (fo auch die Hunde) wie in andern Ländern, ge
mal auf ven fetten Alpen des Binghöl, und bei dem Reichthum da
trefflichften Wafler zu Trunk und Nahrung, gibt es in Ucherſtß
Paflin und Terdſhan find befonders reich an Heerden; Bicuenzut
ift eben daſelbſt fehr in Aufnahme; Salz liefert Tortumi we Tab
fan. Ueber dad Vorkommen von Metallen geben auch vie zuffb
ſchen Berichte gar Leinen neuen Auſſchluß, obgleich doch eben Ne
»®) 1. Brant 1. c. p. 200. °°) v.üfhatof 0.0.0. 0) eieah
6. 221. ?° M" Kinneir, Jona, 0 — 3
Euphratſyſtem; Erzerum, die Stadt. 757
Matallarbeit ein Haupigewerbe ver Hauptſtadt ausmacht, von
Dom wir noch heute nicht wiſſen, woher es fein Material erhält,
durch deſſen Verarbeitung ſchon die Alteflen Armenier (f. oben ©.
358) belannt waren. Tournefort?7) hörte ſchon, 3 bis 4 Tag⸗
zeifen von ber Stadt fole «8 ſehr gute Kupferminen geben,
deren Ertrag in großer Menge in Erzerum verarbeitet werbe von
Den dortigen Griechen. Auch Silberminen follte «3 Hier geben,
noren Befuch aber die Jalouſie der Eingebornen nicht rathfam machte.
Bwiſchen viefen Minen follte auch Lapis Lazuli vorkommen, doch
nur fparfam und zu fehr mit Marmor vermengt, um brauchbar
zu ſein, wie derjenige ber Provence, meint Tournefort, den man bei
Toulon im Mont Carqueirano finde.
GB bleibt ums nur noch ‚einiges von ver Hauptflaht des Lan⸗
des ſelbſt zu fagen übrig.
3) Die Stadt Erzerum, Arzerum, bad Arzen⸗er⸗Rum,
Oder Die Stadt der Römefr.
Don ihrer Entſtehung if früher vie Rede geweſen (f. ob. ©.
270); ihre heutige Benennung gegen die frühere Fam erft durch bie.
Araber in Bang, vie auch ven Namen ver Feſtung Kalikala 28)
Damit identifieirten. Rum 29) bezeichnet noch. heute in Armenien
das Land nes Romanen im Weſten, und die erfle Stage iſt dort an
wen Sremben: ob er aud Iran oder Rum fomme In Berfien
heißt noch Heute das ottomanliche Reich Memleket Rum, d. i.
Imperium Romanum, und am rothen ‘Deere heißt der Groß⸗
fulten immer Sultan von Rum.) Schon Mitte des 11. Jahr⸗
bunnerts iſt dieſe Stadt nad) dem angeführten Bericht des Cedre⸗
nas (Hist. Comp. U. 577, 7) ein fehr reiches und großes Em⸗
porium, fowol von eingebomen Kaufleuten bewohnt, als auch
von ſehr vielen ſyriſchen und andern armeniſchen KGanbeläleuten.
Die Zahl feiner Kirchen fol in die Hunderte gegangen fein, und
bei feiner Belagerung und Zerfldrung follen 140,000 feiner Bewob⸗
mes Den Tod gefunden haben.
Su Tourneforts Zeit 21) ſoll die Stadt 18,000 türfifce,
0800 asmenifche, 400 griechiſche Familien zu Einwohnern gehabt,
»’) 'Tournefort, Relat. 1. c. Il, p. 118. 220) St. Martin, Mém.
sur !’Arm. I. p. 67; Toüurnefort 1. c. I. p. 317. 29) J. Brant
L c. p. 200. se) A. Jaubert, Voy. p. 17; Valentia, Voy. II,
p- 808. °*) Tournefort, Relat. IL p. 113. |
758 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.38,
und an 12,000 Sanitfcharen gezählt haben, was etwa dieſelbe Sees
lenzahl geben möchte. Die Armenier hatten 2 Kirchen und einige
Kidfter, die den Patriarchen, ver damals in Erivan reflvirte, aner⸗
kannten. Die griechiichen Bemohner waren fehr arm, Hatten nur
eine Kirche und einen Bifchof, und burften nur die Vorſtadt bes
wohnen, wo fie vorzäglih dad Schmiedehandwerk trieben in
Kupfer und Erz. Bon Keſſelſchmieden und Keſſelflickern,
fagt Tournefort, war ein unaufbörliches Gehämme. Ihr
Kupfergefchier ging durch die ganze Türkei, durch Perflen, und om
fah felbft ven Hof des Groß-Moghul in Indien.
Gin anderes einheimifches Hauptgewerbe war ber Pelzhan⸗
bel, zumal mit dem Welle einer Marderart, Sarpava ober
Zerdava genannt (bei Tournefort), die ungemein beliebt waren,
zumal die dunkelſchwarzen.
Auch der Handel mit Galläpfeln, vie von ben Eichbäumm
im Gebirgölande eingefammelt wurden, war fehr bedeutend. Ber
allem war aber Erzerum fchon damals die große Niederlage
für die indifhen Waaren ver Großhändler, ver Araber, Aleh⸗
pinen und Bagdader; dann für perfifche Seine. Baumwolle,
Droguerien, bunte Zeuge, Nhabarber, Bota (Krapp) ans
Berfin, Tabak und Caviar, ver aber damals dem europäiſche
Geſchmack noch nicht. zufagte. Tournefort nennt ihn noch ca
ragoüt detestable; womit man, nad) dem Sprichworte, nebft Zahl
und Kaffee ohne Zucker, nur ben Teufel zum Frühſtück vegalinen
inne. |
Diele diefer Waaren wurden damals au nah Trapezum
und von da nad: Bonftantinopel gebracht. - Erzerum war im jeme
Zeit noch für Paul Lucas 32) ein guter Ort, wo er ſchöne an
tife Münzen in Silber und Broncen, gefchnittne Steine, Bemmen,
ſchͤne Nubine, Kapenaugen und allerlei merfvürvige Anticaglien
für das konigliche Muſeum in Varie einzuhandeln im Staue
war. —
Den Rhabarber handelte man, nad Tournefort, damat
von den Usbeck⸗Tataren ein, gewiſſe Droguen von den Bow
golen. Baummollfärberei und die Maulthiertreibere
waren einheimiſche einträgliche Gewerbe; ver Transport der Dres
guerien auf Laftthieren war das auäfchliefliche Geſchaͤft einer ber
fondesen Kafle, die daffelbe vom Vater auf ven — weit
#8?) Voyage au Levaat, N\a Hay Vras. T. Lr p. ——
>
| Euphratfüftem; Erzerum, die Stadt. 759
und fich entehrt geglaubt hätte, wenn ihr der Transport einer
andern Waare wäre zugemuibet worden. Wöchentlich gingen
damals Karawanen nah Tiflis, Tauris, Trapezunt, Tocat,
Aleppo u. f. w., troß der Wegelagerer auf allen Seiten, der Je⸗
ziden, Kurven, Turfmanen und anderer Raubhorben, und ungeachtet
der ſchlechteſften Landwege, welche nie von Gefahren gefäubert,
nie verbefiert wurden, da, wie Tournefort bemerkt, die Türken vie
Welt überall, laſſen wie fie iſt, nur daß, nach ihrem eignen
Sprihworte,3?) da Fein Grashalm wieder wächſt, wo ein-
mal ein Osmanli feinen Fuß hingejfept.
Driie vollſtändigſten Nachrichten von dieſer durch ihre Lage und
Schickſale fo merkwürdigen Stadt zu Anfange des gegenwärtigen
Jahrhunderts, vor ihrem Verfall durch die ruffifche Invaflon, bet
dem noch zu wenig beadhteten armenifchen Geographen Indſhid⸗
fhean (f. ob. ©. 576) find, nad) Prof. Neumanns Angabe,*)
folgende: Die von Anatolius erbaute und von Anaftafluß befefligte
Theopoftopolis blieb auch fpäterbin, als die Perſer und Gries
hen fi In Armenia theilten,.in der letztern Beſttz. Zwar eroberte
ver perſfiſche König Kawad I. durch die Verrätherei des Befchls-
habers Conſtantins, im J. 502, die Stabt, doch vor dem Ablaufe
eines Jahres fiel fie an die Griechen zurüd. “Sie behielt, ungeach⸗
tet ihres jüngern griechifchen Namens, bei ven einheimifchen arme-
niſchen Bewohnern ftetö den Alteften, mit der Provinz, In ver fie
lag, gleichen Namen, Garin over Karin (Kapavizıs |. ob. S. 81,
271) bei, wurde aber gemöhnlich von ihnen Karnu Kalhakh,
» h. die Stadt Karins, genannt. "Ende des 6ten Jahrhundertts
wurde fle noch einmal von Saffaniven eingenommen, die einen gro⸗
Gen Theil ihrer Einwohner nah Hamadan (Erdk. Th. IX. ©. 115)
verpflanztn. Im Jahr 647 ward Karin eine Beute ver Araber;
e8 verging mehr als ein Jahrhundert, ehe die Griechen, unter Kai⸗
fer Conſtantin Kopronymus (755), fih ihrer wieder bemäch⸗
tigen konnten. Diefer Katfer ließ die Wälle fchleifen und alle mufel»
männifögen Einwohner mit ihrer Habe in andre griechifche Provin⸗
zen uͤberſtedeln. Bald darauf ward jedoch die Stadt von den Ara⸗
bern wieder aufgebaut und bewohnt. Die griechifchen Heere erftürn-
tem fie noch einigemale (tm I. 950, 1019), konnten aber den Ort
in die Länge nicht gegen vie Uebermacht der Moslemen behaupten.
—
t. Ar.
ur
88) Otter, Voy. I. p. 815. **) 6.8. Reamonn in
Staniiiung 120, 6 —R | Wigen. Pr.
.
|
760 Waft⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchoitt. $.38.
Wahrſcheinlich warb in dieſer Zeit die arabiſche Benennung I
Stabt Urtas oder Arzasrum allgemein. Die Araber nannten ſu
nämlich deshalb daß Land Rums (vd. 1. ver Romanen ober
Griechen), weil fle lange Zeit hindurch ver Grenzdiſtrict me
zwifchen ven arabifchen Befigern und ber griechiſchen Provinz Asie
(Natolia). Die Urmenter blieben aber bei ver alten einheimiſchen
Benennung; fo fagt 3. B. noch der armeniſche Geſchichtsſchreiber
Kyrialos aus dem 13ten Jahrhundert, daß zwei Große der Up
menier dem Sultan der Stadt Karin tribuipflichtig ſeien
Unter diefem Namen ift wol der Sultan von Iconium zu verflchen,
in beffen Händen die Stabt in der erflen Hälfte des 13ten Jahe
hundert335) fich befunden Hatte. Im Jahr 1247 rüdten die Bons
golen vor die Stadt und verlangten Unterwerfung; ber Pep
weigerung folgte Erſtürmung und Plünderung wit einem
fuschtbar zerftörend für ChHriften wie für MWufelmäuner,
welchen auch viele Manufrripte zu Grunde gegangen fein ſeltn
Do nad) einiger Zeit ließen biefelben Mongolen die Steht wicht
aufbauen, und fegten, ihrer Tolgranz gegen Chriſten gemäß (f. Eupf,
Th. X. ©. 837), einen Bifchof in verfelben ein (er bie Eari
ber die Erbauung bed Ortes vollennete und die lauge zerfirguim
Bewohner nerfelben wiener um ſich verfammelte. Mach Aufiöfyng
der Mongolenherrſſchaft kamen Stadt und Feſte in Veflg der
denen fie auch feispem, und felbft feit Nabir Shahs (1735)%) m |
der Ruffen heftigen Uaberfällen und Verheerungen, verblieben.
Die Stadt, die unter dem herrſchend gemprbeuen Namen Mge
zexum am befannteften, in einer Ebene gelsgen und theils zeug
Dergen, theils von Graben und Verſchanzungen umgeben ri bed
nach Indſhidſhean aus 3 Thellen: ver Feſtung, ber eigents
lihen Stadt und ven Vorſtädten.
Die FJeſtung wird von ven Moslemen Itſh Kalab, & 1
bie Jeſte It ſh, genannt, fe iſt auf Haba Berge exhaps, hei IB
Thürme (9, die Höher fein ſollen, als die Der Feſte von
nope (9). Uber fe kann Leicht von einem andern, gleich
Derge beſchoſſen und in Brand geſteckt werben, der Say
(Rananenberg), oder bei den hriſten has she Yay
hen’ genaunt wird, weil auf ihm noch Augen ein altıy See
Reben. (Im Jahr 1828 Hatten bie Zürfen quf ifpm, der urAit
Saſhen von dem JItſh Kala abflcht, Batterien errichtet). 27) Di
—X& —* as, er ER
HE . |
v
Eupbratfaftenn; Erzerum, die Stadt. 761
Feſte hat wur ein Ther zum Cingang von außen, Holzgebaͤude
zu Magazinen, und im Innern eine Münze des Sultans, bie So
ausprägt.
Die Stadt IR mit einem dreifachen () Steinwall um«
geben; den innern, ver Feſte zunächft liegenden und ſehr Hohen,
nennt man ben erften Wal Machaborisb); den Aufßesften fehr
niedrigen, aber mit einem tiefen Oxaben umgebenen, ven Doppel«-
wall (Krkeneborisb); der mittlere, her vom lettern eine
ale Strecke abſteht, wird vom Bolfe Hifarbifhen genannt.
Die Brite diefer Wille heträgt 10 Fuß. In Kriegszeiten rettet
Rh DaB Lananplf in dad Innere biefer ummallten Stadt, in weldher
daher zwiſchen den Wohnhäufern flets große leere Räume für ſolche
Falle veiennizt bleiben. Jeder (7) Wal hat 4 Thore, die ſich gegen⸗
feitig ſchief gegenüber liegen; von jevem Thore Läuft eine Brücke
zu ber Verſchanzung ded andern Walles; die Zahl ver ſämmtlichen
ZIpürme IB 72(2). Türken und Armenier, der Zahl nad) 100,000
won ismen und 13,000 von dieſen, machen vie Bevölkerung der Stadt
ays, darunter fehr viele fremde Kaufleute, die fih um ihrer Ger
fhäfte willen Hier aufhalten, Stadt und Vorſtadt haben treffliches
Waſſer. In ven Vorſtädten, ziemlich nahe beifammen, flchen
"2 axmeniſche Kirchen; beine, wie überhaupt viele vergleichen, find
Asduadſhin, d. i. zum Gottesfohne, genannt; es iſt eine
obere und sine untere. Ihre Gebäude find ſehr alt; nug der innere,
dem Alter am nähen gelegene Theil iſt von Stein, ber äußere
nus non Holz. In ber obern Kirche iſt der Begräbnißplatz der gr«
meniſchen Gemeinde; die Grabſtätten vieler ausgezeichneter Männer
liegen hier. Der Griechen, die hier wohnen, ſind nur wenige Fa⸗
milien; fie ſprechen alle armeniſch, und haben eine einzige, ſehr bau⸗
fädige Kirche, St. Theodorus genannt. Ju der Stadt follen
über 200 Moscheen (?) fein, davon vie meiften in frühern Zelten
Kixchen geweſen. Die berühmtefe und größte von allen hat 7
Thoce, und Jiegs in der Mitte ber Stadt; fie wird Ulgpfhamin
(Ulu Dſhami, f. unten) genannt und war früberbin ebenfalls
eine Kirche, zu St. Stephanus genannt. Nahe der Gtabt find
mehrere armenifche Klöfter; in der Stadt ein Palaft des Ges
zasfird und ein Karawanſerei, dad für eins her erſten (näm⸗
U das Zollhaus, f. unten) in Aflen gilt. Jahr aus Jahr ei
ip bie Maxkt für eluen großen Theil von Weſt⸗ und Mittelaflen.
Karamanen von Tiflis brauchen hieher 15 Tage. Der Lands
handel mit Indien war einſt bedentend; nur auß Cigennuß Ihlänern
762 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 4.38.
pie englifchen Kaufleute den Landhandel durch Armenta fo aben⸗
teuerlich (fagt Indſhidſhean, dem die Bereifung feiner Heimath
freilich minder befchwerlich erjcheinen mochte). Die Gegend um Er⸗
zerum iſt metallveich, daher fich viel Bolb- und Silber- Arbeiter
dafelbft finden. Diefe Gewerbe werden meift von Armeniern be
trieben, fo wie auch der Handel faft ganz in den Händen dieſel
fparfamften und betriebfamften Volks von ganz Aften il. Bam
beſonders flarker Handel wird mit der Provinz Kerman getrieben
(nämli auf dem Landwege nad Indien, ſ. Erdk. Th. VE
©. 725 u. f.). Alle Waaren zahlen ol; über andre Abgabe
hat man Tarife, vie In dſhidſhean vom Jahre 1806 volfkändk
aufführt. Der Zoll betrug damald von Waaren aus dem osme
nifchen Reiche und aus Rußland 4 Proc., von ven perfifchen Ber
ducten aber, wie dies auch in Perfien bei fremden Waaren ver Bel
if, 11 Proc. .
Die Ebene, In welcher Erzerum liegt, iſt von allen Seiten mit
Hohen Bergen umgeben, diejenigen, welche im Süden fich bid as
die Stadt ziehen, heißen Tſhochalan, und Ihre höchſte Eye |
Bei ven Armenien Kohanan, eine Benennung im Vulgair⸗ar⸗
menifchen, die vielen über andere hervorragenden Bergen beige
legt wird (vielleicht weil Kohan den erften Priefter, etwa wie Gau,
bezeichnet). Die Öftliche Bergkette if ver Devepotinou (Deveh
Boyunu, f. 06. ©. 388); die ndrpliche und weſtliche ww
Dumly und Bahlan deoken. Diefe beiven Iektern muß men
auf dem Wege nach Trapezunt überfleigen, wo fein größerer Di
und keine bedeutende Feſtung Widerſtand leiften kann, ſondern um
mehrere Dörfer, von Armeniern und Türken bewohnt, Tiegen. —
So weit Indſhidſhean. — —
Die ruffifhe Statiftil vom Jahr 1830 vervollſtändigt ie
Beichreibung dieſes militärisch fo wichtigen Punctes, der für ie
kaukaſiſche Seite allerdings als ver Schlüffel zur ganzen af
ſchen Türkei angefehen werben kann, und baher vie genaue Wap |
merkſamkeit der Ruſſen auf ſich zog, auf folgenne Weile. Ab
terſcheidet 39) auch die 3 Haupttheile, 1) die Eitadelle, wu
fle Ikkala (oder Kalakala, Kalikala ver Araber) zuilt;
2) vie Feſtung, nämlich die befefligte Stadt, un 2) W
Vorſtädte. en
Die Citadelle, auf einer Anhöhe erbaut, beherrſcht die geip
‚a0, v. Wateita. a. FL ©. 97.
Euphratſyſtem; Erzerum, die Stadt. 763
Stadt; ſte beſteht aus einem mit 8 Thürmen beſetzten länglichen
Viereck von 50 Saſhen Länge und 20 ©. Breite. Die Mauern
find 2 Arfhinen dic, und 3 bis 5 Safhen hoch. Sie enthielt nur
eine Kaferne für 500 Mann, die Commandantur und 2 Mofcheen,
die man aber zu Bulvermagazinen verbrauchte; fonft fein anderes
Gebäude. Am Eingangsthor fprubelte eine Fontaine, und im Ine
nen hatte fie einen Brunnen. Oeſtlich daranſtoßend Liegt bie
Feſtung (mit ver Stadt), mit doppelten durch 62 Türme ver»
flärften Ningmauern, fo mächtig und Hoch mie in der Citadelle, im
Umfang von 2 Werft, mit Graben. Bon ihren 4 Thoren (Kapi) führt
nach Zaurid dad Tauris Kapi, nah Grufien dad Giurdſchi
Kapt, nah Erfingan dad Erfingan Kaypi und had Tortum
Dad Kiska Kapi. Das Schloß des Seraskiers iſt durch Neu⸗
bauten verſchoͤnert, angenehm, weitläuftig; doch brannte ein Ihe
deffelben ab, als die Ruſſen im I. 1829 dort im "Winterquartier
fagen. In dieſem Theile der Stadt find die Wohnungen vieler
reichen Türken, 15 Mofcheen mit Minaretö, einige Karawanſerais
und reiche Kaufläven; alles aus Stein, aber fehr dicht aneinander
gebaut. Beim Tauris⸗Thore iſt ein altes von den Türken zum
Zeughauſe gebrauchtes Gebäude (nad Tſhifteh Minareh,
f. unten) merfwürdig, das nach der Sage zur Zeit der Mömer
(d. 1. der Byzantiner) erbaut fein fol; 2 römifhe Wappen (Ad⸗
Ver, f. unten) waren an ven Eingängen: fie follen von den Ruflen
auf Faiferlihen Befehl nah Sc. Peteröburg transportiert worden
fein. Die vier Vorſtädte (Moglehs) vieler Feſtungsſtadt find
meift von Griechen und Armeniern bewohnt, die Handel und Ge
werbe treiben; flehaben große und fchöne Gebäude. Die Wohnungen
ber Reichen haben hier, in Erzerum, die im Drient im Innern der
Gemacher gebräuchliche Vergolvung ver Wände, und an Thürpfoften
und Senflerrahmen artige Schnigarbeiten,; dazu aber bier noch die
wunderliche Einrichtung verborgener Gemächer. Im Haufe,
dad General Gillenſchmidt bei der Einquartierung daſelbſt bewohnte,
entdeckte man ſpät erft an 20 Zimmer von ziemlicher Größe, bie
ganz verſteckt geblieben waren, davon ein Theil zum Harem beftimmt
war, in dem orientalifche Pracht herrfchte. In jedem ver dazu ges
hörigen Zimmer fpielten Springbrunnen in Marmorbeden und vie
Wände waren mit erotifchen Schilvereien verziert. Bintge Karawan⸗
ferais, 24 Mofcheen und. einige chriſtliche Kirchen verfchönern bie,
Vorſtädte; auch die Bazare und vie Öffentlihen Bäder, zumal
das marmorne Seraskierbad; ‚neben. jenem. berfelben If ein Kaffees
I
16% Weis Wien, HL Merpetlung, 1. Wofuht. 1.36
haußs. Das Karawanenweſen gibt ber Stadt großen Umſatz uns
Tronfiie. In den Karawanſerais ſieht man bie levantiſchen Stoſſt
Juwelen, koſtbares Pelzwerk, perſiſche und indiſche Shawld, funk
Snbienes, Taback aus Shiras, perſiſche Pfeifenrähre, europäliie
Waaren aller Art, vie meift über Aſtrachan und Reſht (f. Ersk
Sp. VIII. G. 648) hieher gelangen. Auf die Pferdemaͤrkte werke
durch Die Hanbelslenie von Mekka pie fchönften arabiſchen Pfer
mitgebracht. Obſt wird aus Erfingan eingeführt. Eis iR allge
wainer Rurus.
Die Cinwohnerzahl wurbe von den Ruffen auf 80 bis 100,00
männlichen Geſchlechts ermittelt, pavon ein Fünſtheil Armin
fein ſolen. Diefe Angaben bleiben immer unſicher und wechſc⸗
ſehr. Unreinlichkeit hat Erzerum mit allen türfifchen Cents
gemein; das Ans Bleibt auf den Straßen liegen, unb wish von da
Gunden, die in zahllofen Schaaren umherſchweifen, und hier fi
Uch nörhiger find als in ben übrigen Städten Kleinafiens, we im
Sommer Tauſende von Gelern umberichmärmen und ihre Glle
vertreten, zerriſſen und aufgezehrt. Für Sünde würbe es gelten, I
tobt zu ſchlagen. Die Umgegend If} ganz waldlos, ber Gariuieg
wabeentend, die Umgebung kahl und einförmig; das Grün Am
Micken muß für Alles entichänigen. Dad trefflichte Gew Lamm
som Berge Balantusen>?) im Süden ber Stadt, Der fie uf,
bie an keinem groͤßern Fluſſe Liegt, durch Waflerleitungen wit up
geſundeſten Waſſer reichlich verſieht.
Nach dem Rückzuge ver Ruffen muß Erzer um in greje
Vorfall gerathen fein, wenn es, wie im Jahre 1835 bei I. Brand
VBeſuch daſelbſt, nach deſſen Ausſage, ſtatt früherer ſtaxken ep
menge nur ach 15,000 Einwohner ) Hatte (vergl. ob. ©. 5
aher «8 erholte ſich auch ſchnell wieder, denn fon im 3. SEM,
8 der erſte Cenſus in der aflatiigen Tuͤrkei zu Stande geiemmg
war, beirug die Einwohnerzahl von Erzerugiti) wieder IHRE
Das Regiment des Paſcha war energiſcher gewarden, mit Muyemmfe
inB, d. 1. ausgefertigten Päflen, Tonnie mar ſicher zeifen; Die Dig
Innen waren in ihrem Benehmen gegen bie Chriſten mehr
als zuner; und dieſen wurde es geflattet, bie Mofcgeen im |
zum ſelbſt zu beſuchen, da «8 Rer Porter im J. 1819 fogaz }
aerweigert was), nur Das Inuers der Stadt zu beiseien. -
0). Me 8.1. 6. 9, W. 40) 4.
TE Dre
32) Kor Bose, Tante Pay
Euphratſyſtem; Erzerum, die Stadt. 765
Smith fand jedoch nichts Bemerkendwerthes in ben Moſcheen, nur
geſchmackloſen Prunk, ‚mit Candelabern von Glas und Straußen⸗
eiern, mit Sentenzen aus dem Koran wie gewöhnlih, m. a. m.
Gelb die moderne Moſchee Ulu dſhami, *) vie größte, iſt nur
vurch dieſe Groͤße (66 Schritt lang, 41 Schritt breit, nah AH
Smiths Mefjung) und ihre Düfterhett ausgezeichnet, und ohne alle
GScchoͤnheit. Hier wlrde übrigens die einzige neue Mofchee gebaut,
welche der Miſſionar Sonthgate überhaupt Im ganzen türki⸗
fhen Afien (in Conflantinopel If e6 anders) im Werden bes
merkte. Freilich find fle bier kein Bedürfniß, wo vie Population
fo fehr Im Abnehmen if; aber auch einen Beweis des Verfalls ver
muhamedaniſchen Religion glaubte er darin zu erbliden, vie nicht
einmal im Stande iſt, die alten Moſcheen zu erhalten, welche über-
all, bis Bagdad Hin, zu vielen Sunderten in Ruinen zerfallen, ohne
daß neue Hinzufommen.
Das Tſhifteh Minareh (d. 9. das Paar ber Minarets
oder die Doppelthürme) ) im N.W. ver Etadelle wird als das
einzig bemerkenswerthe antite Gebäude der Stadt genannt, das frü-
here Reiſende gar nicht anführen, daß aber jeht in Ruinen liegt.
Es Hat feinen Namen von den 2 hohen Minarehe, die zu beiden
Seiten des Haupteingangs fich erheben. Ihr Bauſtyl IR von dem .
des Bebäunes felb ganz verfchieven, au Beinen gefärbten Back⸗
feinen und glaflrten, tief cannellizten, bunten, zumal blauen Zle⸗
geln, gleich perſiſchen Baumerfen aufgeführt. Eli Smith erinner-
ten fie an ähnliche Thürme in Shamkor und Salmas (Erdk. Tb. IX.
&.913 u.f.). Hamilton fand Analogie zwifchen dieſem Bau und
vom einer Kirche in Ani (f. 06. ©. 447), und Hält fie für eine Al
tere armenifche Kirche, noch vor dem 14 Jahrhundert erbaut, als
in Ani und Erzerum durch die Plünverungen Alp Arslans nicht
weniger ald 300 Kirchen zerflört fein follen (f. ob. ©.441). Die
beiden Minarets im perſiſchen Styl wurden nie ganz audgebaut.
Die Kreuzesform des Hauptbaued un» bie Nebengebäube mit
vielen Zellen ſprechen nad Southgate un Eli Smith noch
mehr dafür, dag ex einſt ein chriſtliches Klofter war, che er in
eine Mofchee verwandelt wurde, was wol zur Seit der Zufügung
der Minarehs gefhah. Die Architectur, bemerkt W. Hamilton,
fei eine Mepiflcation des byzantiniſchen und ſaraceniſchen Styls.
2
22) Eli Smith, Miss. res. p. 41. *) Eli Smith L c. p. 448;
Southgate I. p.173; W. Hamilton, Asia min, I p.178.
⁊
766 Weſt⸗Aſien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 38,
Der Haupteingang Ifl gegen Nord, und diefem gegenüber eine Ka
pelle mit dem Grabmale cine? Sultans (Khatonigah?) von Irm,
der, der Sage nach, vor 570 Jahren, alfo in der Mitte des 13m
Jahrhunderts, fie erbaut Haben fol. Die Kapelle, ein Eylinverbau,
20 Fuß im Diameter und 40 Fuß hoch, mit einem Kegelvom, gleich
alten urmenifchen Kirchen, fand Eli Smith über und über mit
dem fchönen Maragha⸗Alabaſter (I. Erdk. Th. IX. ©. 865)
bekletvet. Un einem. Pfeiler des Portales am Gaupteingange fd
man zuvor die Sculptur eined doppelköpfigen Adlers, de
wol fchwerlicy mufelmäannifch fein fonnte und den E. Smith ut
für einen Net byzantinifcher Katferzeit hielt. Das Gebäude dien
feit langem ven Türken zum Zeughaufe; die Ruffen mühlten gierk
in diefem Baue, in det Hoffnung, Schäge darin zu finden, und ar
führten die Thür des Grabmald, um eine Kirche in Georgien vamit
zu ſchmücken. Die fogenannten Wappen der Doppelabler fdheinm
) dem ruſſiſchen Berichte zu Folge nach Petersburg abgeführt zu fein.
” Nahe dieſem Gebäu ſah Southgate noch andere Ruinen, Gewälb
reihen um einen weitläuftigen Hof, an beren einer Seite ein ande
ser, dem Tſhifteh Minareh ähnlicher Bau, mit der Steinfculptur &
ned Adlers und einer Eufifchen Inferiptien auf einem Perul
Unter einem großen Dom im Innern lieb damals (1837) der Peſch
einen Dfen zum Kanonengießen aufbauen. Derfelbe Reiſende be
merkt, daB der große Thurm ver Eitavelle, den er um ber weile |
Ausficht willen beftieg, zuvor eine große Glocke gehabt, welche zum
" Schlagen der Uhr diente, die aber ald Beute von den Rufen mr
führt warb, wie denn überhaupt auch die ganze Citadelle in Aus
nen zerfiel und von dem vielen Geſchütz nur ein paar Kanonenrihe
zurücdblieben, die noch zur Verkündigung ver Feier des Ramazan
feftes dienen. An dem Sauptthore der Stadt gegen Süden, dei
nah Erzinghan führt, entdeckte W. Hamilton noch eine ak
griechiſche Inſeription aus ver Byzantiner Zeit, in feht
ſchlechten Schriftzügen und fo hoch geflellt und übertüncht, dej
er nur weniges davon zu entziffern im Stabe war. Es fünist
Die einzige zu fein, vie fich Hier erhalten hat; möchte fie doch vo
ſtändig entziffert werden; vielleicht, vaß fle über Theovoflopofis af
ſchluß gäbe.
Im Jahre 1837 Hatte Erzerum nicht weniger als 36 Khan I
dad Zollhaus, *) von Indſhidſhean auch Karamanfıral ge
#46) Southgate L c. I, 9.147.
Euphratfoftem ; Erzerum, die Stadt. 767 «
nannt, fol wirkſich eins ver größten im ganzen Türfifchen Reiche
fein. Zum Vortheile des europäifchen Handels find ſeit der zuffl-
jchen Invaflon bier ein ruſſiſches und ein englifhes Conſu⸗
lat errichtet, die nicht wenig zu deſſen Sicherung wie der Reiſenden
beitragen. Das Gebränge ber verſchiedenſten Nationen in ven Stra=
Ben, Khanm und Karawanferais von Perfern, Beorgiern, Armes
niern, Türken, Kurden u. f. w. hatte fich wieder wie jonft eingefun⸗
den. Es erregt aber größere Ideen vom Verkehr der Stadt, als
piefer factifch befteht, wegen der unanjehnlichen, krummen, fehr en⸗
gen Straßen, die noch Immer ungepflaftert und daher fehr ſchmutzig
find. Doc macht die Stabt einen beſſern Einvrud, wenn man
aus perfijchen Städten zu ihr zurüdfehrt, ald wenn man von euro⸗
pälfchen zu ihr Eommt. Denn fie hat doch wenigftens auch Häufer
von Stein, wenn auch nur fehr wenig zweiftddige; manche find doch
von einem folivden und netten Anfehen. Wenn ſchon vie meiften, bloße
Erdhütten mit Plattvächern und Terraffenbauten, und viele in Ver⸗
fall, nur einen fehr ärmlichen Anbli gewähren, fo find doch auch
bie und da Fenfterverbrämungen nach europäifcher Art gegen bie
Straßenfeiten gerichtet, obwol mit Gitterwerk verftedt, und laſſen
dahinter gemaächliche Wohnungen ahnen. Die feitvem in Bang ges
kommene regelmäßige Dampfichiffahrt nach Trapezunt hat den Tran
ſito von dieſem Emporium ungemein belebt. Perſien fenvet feit
dem Frieden durch Erzerum 45) fehr bedeutende Quantitäten von
Seide und Kaſhmirwolle, roh wie verarbeitet, über Trapezunt
nach Buropa. Dagegen gehen Baumwollen⸗Manufactur⸗ und Co⸗
lonial⸗Waaren dahin ebenfalls durch Erzerum zurüd. W. Has
milton, im britifchen Confulate zu Erzerum wohnend, war felbft
an der Duelle, um zu erfahren, daß gegenwärtig jährlich an
6000 Ballen britifcher Waaren durch diefen Markt hindurch⸗
gehen, die, jeder Im Durchichnitt an 50 Pfund Sterl. Werth, einen
Umfat von jährlich 300,000 Pfund Sterl. oder gegen 2 Millionen
Thaler geben; mit den Erporten, etwa von gleichem Werth, aber
die doppelte Summe, waß fchon bie Koften zu ſolchen Conſulats⸗
reifen abwirft, wie bie von 3. Brant, H. Suter und Andeten,
bie und zugleich fo wichtige geographifche Belehrungen gebracht ha⸗
ben. Diele diefer Waaren follen, aller Grenzbewachung ungeachtet,
doch über Georgien auch nad Rußland eingefchmuggelt werben.
Hamilton wiederholt ed, daß die @ifen- und Kupfer-Schmiede
**) W, Hamilton, Asia minor I. p-181.
768 Weflslfien. EIE. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 39,
In Erzerum beſonvers zahlreich find, und daß ihte Arbeit durch Ye
ganze Türkei berühmt fe. Im Erz arbeiten fie vorzüglich Trinkbe⸗
Ger, Lampen und allerlei Hausgeräth; in Eifen vorzüglich Hnf-
eifen, mit denen fie ganz Perfien verfehen, und Waffen, zumel
Schwerter, von vorzäglicer Güte. Auf eine Schmiedefamilte,
die fogehannten NRedi Kardaſh, d. 5. die 7 Brüder, iſt vorzüp
lich der größte Künflerruhm vererbt. Mar kann nicht unbe,
In diefem Lande Japhets und Thubal Kains, des erſten Mei:
ſters in allerlei Erz und Eiſenwerk (1.3. Mof. 4, 22 m
10, 2), auch des Silberreichthums der Alyber am Pontus (Ihm
I. 856), wie der kriegeriſchen Chalyber (XuAvußes) neben tm
Chaldaͤern bel Zenophon (Anab. VH. 8, 14) zu gedenken, vie dm .
da wohnen, wo die Eifen und Stahl bearbeitenden Cha—
Iyber Hei Strabo an der Norbgrenze der Armenter (Strabo XI. 52,
XH. 549), am Pontus, figen, von denen die Briechen dem GStaffe
den Namen gaben (KaAuy), und deren eiſenreiche Thäler ah
‚ Bontusgeftade (am Gap Jaſonium zwiſchen Ktrafun und Cam
fun, bis zum Thermodon), wie deren dort bis Heute noch fortbe⸗
ſtehendes „Bolt der Schmiede“ duch W. Hamilton 1897
wiever aufgefunden ift, 7). von denen ihre altausgeübte Kunft 16
unftreitig zu ihrer Nachbarſtadt ſchon in fehr früher Zeit auf mt
Hochland verbreiten mußte (j. unten Chalyber und oben S. 71.
$. 39.
3. Erläuterung.
Der Lauf des Frat aus der Ebene Sryerums bis zu ſeiner
Ä Vereinigung mit dem Murad. _
Wir Tonnen nähft Paul Lucas, deſſen wir ſchon , oben a
wähnten, nur einen einzigen genauer beobachtenden Meifenkek,
dem es gelungen iſt, das Thal des Frat entlang aus ber
Erzerum-Ehene abwärts zu reifen bis zum Verein.alt
dem Murad; es if I. Brant, durch ben wir bier dieſe sul
Lücke in der bisherigen Geographie des Euphratlaufes auszufßlin
im Stande find: denn durch bie getreuen Angaben dieſes Augemgm
gen fönnen wir nun auch die biöher ſchon bekannten Fragmente
ſchen, wenn auch wenigen Notizen über biefen Theil des arepeijlfen
Gochlandes einigermaßen verftehen und räumlich ordnen
d
*47) V. Hamilton, Asia minor I. 0.271— 282.
Euphratſyſtem; Frat; Ebene Terdſhan. 769
1) Die Ebene Terdſhan und bie Kette der Dujifberge.
Bon Erzerum bis zum Verein des Mamahfhotun- Flufe
fed mit vem Karaſu ober dem Frat bei Karghan, 12 geogr.
Meilm in W.S.W. von der Hauptſtadt, wo bie Ebene von
Terpfhan ihren Anfang nimmt, find wir oben fchon vorgerun
.. gen (f. 06. &.735). Der Name Terdſhan, 8) Derzene (f. ob.
S. 81, oder Xerxene bei Strabo), bezeichnet einen alten Bau in
Hocharmenien, ver im W. von Barin lag, und wegen feiner Frucht⸗
barkeit öfter von Moſes Khor. und andern genannt wird. Der
Sardſhamu iſt es, ver noch oberhalb Mamafhotun zum Karafu
einfällt (f. 06. b. Indſhidſhean S. 727); weiter abwärts iſt es ver
Kail⸗Fluß, welcher ebenfalld vom Norven, aus der Kette Trape⸗
zunts ber, ihm zufließt, ven St. Martin für ven Lycus bei Plin,
V. 20 hält, da Kail auch im Armeniſchen einen Auxos ober
Wolf bezeichnet, und Plinius ausprücdlich viefen Lycos, verſchieden
vom ciliciſchen und pontifchen, ven Euphrat zufließen läßt. Dann
erft fließt ver verflärkte Frat an Erzingan voräber.
Zwiſchen der Plaine von Terpfhan und Erzingan tritt
jener weſtliche Uuslaufer der Dujik⸗Kette 9 mit vielen flar-
ten Päffen hervor, weldhe von Kurven bewohnt und leicht zu
vertheinigen ‚find (ver Antitaurus). Der Frat macht Hier große
Umſchweife um die Berge, und fein Bette fol voll Klippen und
Stromſchnellen fein; erſt In ver Plaine von Erzingan kehrt ver
Pfad des Reiſenden zu feinem Ufer zurück. Das Dujif- Gebirge
ik nur von Kurden bewohnt, die den Winter in Därfern zubrin-
gen, wo fie auch Aderfelo Haben. Sie follen fehr wohlhabend fein,
zahlen keine Abgabe an den Sultan, forbern aber ald die Herren
der Päffe, wie einft ihre Stammesgenoffen felbft von ven mäch,
tigften Königen Perfiend (ſ. Erdk. IX, ©.138), fo noch heute von
jedwedem Reiſenden ihren Tribut ein. Es find 2 mächtige Tri⸗
but: die Shah Hufein und die Balabanli, deren jever 4000
His 5000 Mann zu Fuß Ind Feld ftellen kann. Auch noch anvere
Tribus wohnen in biefen Bebirgen, von denen jedoch I. Brant
Leine beſondere Nachrichten erhalten Eonnte, da fle in ven fünlichen
Theilen dieſer Ketten wohnen.
4°) St. Martin, Mem. ». l’Arm, T. I. p-45, 74. *°) J. Brant,
Journey through a part of Armenia im Journ. of R. G. Soc,
1836. Vol. VL p.202.
Nitter Erdkunde X. Er
710 Weſi-Aſien. II. Abtpeilung. I Wofpaitt.5.39.
2) Erzingan..
Erzingan (Erez, Eriza, Arzenka ber Armenier, vul-
gair, Erz⸗Inghian gefchrieben nah Jaubert:, U) Erſend⸗
ſhan gefprochen bei den Türken nah von Hammer), an 6 ge
graph. Meilen (30 engl. M.) im SW. von Karghan gelegen, fol
3000 Bamilien zu Bewohnern haben, davon 800 armeniſche, dk
übrigen Turk-Familien; ihr Bey If abhängig von Erzerum. As
die frühere Bedeutung diefer einfligen Hauptſtadt Hoch- Armenient
(Partér⸗Haik, d. i. das Hohe Haikland, well ed Moſes Kher
für das höchſte ver ganzen Erde hielt) iſt ſchon oben vorläuſtg e
innert worden (ſ. ob. S.270). Zur Zeit Joſafa Barbaro', 9)
der im Jahr 1471 von Trapezunt über Baiburt durch Erzingen
nach Kharput reiſte, war, wie er bemerkt, dieſe einſt große Stab
ſchon dem größten Theile nach zerſtört. Zur Zeit Timurs wm
Erzingan die Reſidenz Kara Juſufs, des Fürſten ver Dynafte
Kara⸗Kojunli, geweſen, ver mit Ahmed Dihelair von Bagdad zu
Sultan Bayazed vor Timur flüchtete. Schon im Jahr 52) 126
war Erzingan bei dem erflen Ueberfall üer Mongolen von Grub
aus zerflört worden; unter Tamerlan wurde es im Jahr 1387 ®
halten, und fein Dynaft Tahartan, der fih ihm unterwarf, als Bag
deöfürft daſelbſt beflätigt. Nah Emilia fol bier ein großes til
fees Klofter der Memwlemi fein, mo der Meönewi, Son ver a
Ofhelaleddin Rumts gefchrieben, gezeigt wurde.
Nah I. Brant bilden die Dujif-Berge die ſüdliche
ver 8 Stunden langen und 3 Stunden breiten, ſchoͤnen, reichen
an deren Weftende, wo ver Karafu over rat ihren Fuß 7
fpült, die Stadt liegt, die, mie die umliegenden Dörfer, fhoR vor
einen viel freundlicheren Eindruck machen, weil ihre GHäxfee WM.
nicht mehr, wie in den nörplidden Gegenden, blos unter 5 * 3
gebant find. Diefen Winterfchug brauchen fle In dem welt ı Zr .
maligen etwas verfpäteten Jahreszeit ungeachtet, ſchon am. 6° SE:
für die Sichel reif waren. Die Winter Haben hier ihre große: x Be: |
verloren, die Sommer find fihon fehr warm. An ver Noch x.
Ebene iſt der Suͤdfuß ver begrenzenden Berge mit Da
480) A. Jaubert, Voy. p.114. sı) Vinggio di Messer 3:-Bii
baro nalla Persia bei Ramusio Raccolta, ed, Verst,
foL. 108. wo Deguignes, Geſch. der Hansen Un *
nert, ðh· m. de W. 2. —U———
= Be
Cephratfofen; Frat; Erzingan, 771.
be won weltlänftigen Gärten umgeben find, bie mit ihrem trefflichen
)bſtreichthum Die Bazare dee noͤrdlicheren Ortfchaften bis Erzerum,
— Gumüuſhkhane derſehen. Trauben und Melonen find
ler vortrefflich, und berühmt find nach Ewlia 53) die Birnen,
ich wie getrocknet, und die fchwarge, weiße und gelbe Manle
rere von Erzingan. Der Kornjegen ift jehr groß, das Walzen-
en ungemein ſchwer, der Ertrag zwölffach, dad Strob weit länger
8 um Erzerum. Nirgends, bemerkt Brant, habe er mehr Fleiß
uf ven Aderbau verwendet geſehen, ald in viefer Ebene. Rur in
wor Mitte fei fie etwas ſumpfig und zeige Spuren von Salz; bie
erge umher geben die treiflichfte Weide für vie zahlreichen Heerden
= Gtuten, Rinder, Schafe. Ohne die Plünderungen ver benach⸗
wsen Berg⸗Kurden würben die Hundert Dörfer, welche dieſe Ebene
hmücken, im hoͤchſten Wohlftanve fein; fo aber verringert ſich fo»
ir nach ihre Bevölkerung durch die dadurch bewirkte Norh. In
wen Dorfe, das früher 100 Familien zu Einwohnern gehabt, fand
‚ Brant bei feinem Durchmarſche Feine 30 mehr. Doch iſt noch
n anderes Lehel, dad ſehr zeritöyenn auf die Gegend von Erzin⸗
m eingewirkt bat, es fin die öfter fich wiederholenden Erdbe⸗
4. Die furchtbarfte Zerftdrung, 5%) welche die Geſchichte aufbe⸗
abet Hat, fand im Jahr 1667 am 28. Juli flatt, wobei die Hälfte
er Stadt Erzingan mit ihren Bewohnern verichlungen wurde,
gleicher Zeit, als in Mejopotamien vaffelbe Erpbeben wü⸗
ste und ber Stadt Moſul am Tigris großen Schaven brachte.
ie vom Erdbeben zerflörten Mauern von Erzingan wurden vom
sDofcgufiven Alaeddin Kaikobad wieder aufgebaut.
J. Brant durchritt die ganze Blaine Erzingund in fübs
der Richtung, bis er nad) 14 Stunden von der Stabt ein enged
efile erreichte, dab der Karaju (rat) durdhfirömen muß, um
nen Lauf weiter zur Tiefe nach Kemakh zu gewinnen. Diefer
a gpaß if in feiner ganzen Entwidlung ungemein feft von Nas
e, und zeige unzählige gut zu vertheidigende Pofltionen, bie einem
wre ben Durchmarfch fehr erfchweren würden. Der Weg ging am
Hten Ufer dicht unter ganz fenfrecht abſtürzenden Felswänden Hin;
z Linken befpülte der Strom den Fuß der DufiksBerge; nur an
ı paar Stellen iſt der Frat bier währenn ber trodnen Jahreszeit
3, v. Kammer, aflat. Türkei in W. I. 1821. Bd. XIV. ©.
1) 3% v. „Senne: osmaniſche Geſchichte, 2 Vı. S. 190; dere im
8X W. Jahrb. 1821. Bv.XIV. ©
* 2
TIL Weft-Afien. III. Abthellung. I. Abſchnitt. {.39.
furthbar. Kurz vor Kemath,S) das von Erzingan In 10 Stu⸗
den Zeit (an 5 geogr. Meilen) zu erreichen war, kam Brant za
einer Brüde von Holz, vie über einen tiefen Bergſpalt geworfen
war, in welchem ver wilde Frat ſich feine Bahn durchbricht. Km
vor diefer Brüde und dem Bergfpalt hat fich, von ver rechten ode
MWeftfeite her, ver Keumar Su mit dem Frat vereinigt. Diefe
Zufluß kommt vom Gebirg, pas im. Weſt auffleigt, mo Die bertige
Taurusthäler wieder waldreich fein müſſen; denn auf ihnen win
das Holz abwärts zum Frat eingeflößt, der nun von ba bie Em
&gin und das Bergwert Kieban Maaden mit Zimmerfeli
verfieht. U. Saubert, ver im April 1806 auf feiner Irrfahrt ven
dieſer Nord weſtſeite 56) nach Erzingan durch unwegſame Ge
birgsgegenden der dortigen Taurusketten kam, erwähnt hier wirllh
des Waldes von Chatakli, den er ven Iehten nennt bein
Austritt aus dem alten Kappadocien und beim Gintslit ia
Broß-Armenien. Gr bezeihne heut zu Tage noch die
Brenze zwifchen vem Beglik Sivas und Erz-Inghian &
mußte mitten durch dieſe Wildniß vol Rantengewächfe, welche de
vortigen Bauern nur durchgiehen, um ven Fichten ihr Harz eb
zugewinnen und Kienfadeln zu reißen,. mit venen fie ihre Ech
nungen erleuchten, zumal in ven Winterabenven, wobei fie iht Ges
ſpinnen und ihre Leinwand weben.
In Erzingan find wir auf einem claififhen Boden dei
alten Armeniens, deffen Kieblichkeit und Milde auch von Ian
bert bewundert wurde, wo der PBfirfich, vie Maulbeert m
die Feige ihre nordlichſte Grenze gegen das ältere Hedlah
finden. 5) In der Stadt wohnten nah Jaubert nur Bkuflale
ner, aber in ven Dörfern umber viele chriftliche Handelsleun Mn
bier aus ſchien ihm ver Tauruszug fih in zwei GBauptketter
zwifchen Erzingan und Erzerum zu theilen; vie eine ae
gen S.D. und floße zu den Bergen an ven Tigrisquellen (se sg
bie Dujit= Kette, die fich gegen ven Kharzan Dagh vetzweighh WE
bie andere ziehe gegen N.D. zum Kaukaſus hin (er meint Dirhd
Kop Dagh, Skydiſes, f. oben ©. 743). Aber viefe feine Emm |
jo relativ richtig fie ſich auch in Beziehung auf ven Gtamngkar
des Reifenven im Xhale, der von einer bloß particuleiesgie
ſchauung ausgeht, zeigen mag, fo ift fie doch nur von einp-I
“88) J. Branf 1. c. p. 202. ®*) A. Jaubert, Voy.: ak
1% 9, Hammer, Raox. Küxket, im 2. Jahrb. 1821. Alm. 3
Euphratf.; Frat; Erzingan, Aziris, Aurea Comana. 773
ſchraͤnkten Gefichtspuncte aufgefaßt, und aus vem oben ſchon hei
Gelegenheit der Kinneirſchen Ueberficht angeveuteten Höheren Stand⸗
puncte aus zu berückſichtigen: denn bier find es nicht blos Gebirgs⸗
ketten, ſondern es iſt eine andere Plaſtik, ein Syſtem von Pla⸗
teaubildung mit Gebirgsketten, welches erſt den richtigeren
Slick über das Ganze zu geben vermag.
Der Frat fängt bier fchon ven Durchbruch der einzelnen.
Taurusglieder des fünlichen Tauruszuges an, zu deren Ueberwin⸗
bung er aber vielfaher Wiederholung und einer langen Weg⸗
ſtrecke bedarf, ehe er In die tiefer liegenden Ihalftufen eintreten kann.
Daß Erzingan (Erez, auch Urriuz; vielleicht Aziris bei Ptol.
V. 7, fol. 127) in ver älteften vorchriftlichen Zeit die berühm⸗
tefte Stadt Urmentens durch ihren Tempelcultus ver Anahid war
(f. Strabo XI. 532), den Gregor IUuminator dort gleich anfangs
zerſtoͤrte, ift fchon früher gefagt (ſ. ob. S. 270). Wir lernen dieſe
ihre Bedeutung aber erſt durch die chriftlich-armenifchen Schriftftel-
lex kennen: denn die älteren Griechen und Römer nennen fie noch
nicht; wahrſcheinlich kommt fie zuerft als Aziris bei Ptolemäus,
der fle wenigſtens ganz an vie Stelle des heutigen Hoch-Arme-
niens in feine Tafeln einträgt.
Mahrfcheinlich iſt es diefe Stadt, welche erſt ſpät von Conſtant
Porphyrogen. (de administr. imp. 44. 8. p. 197, ed. Bekk) mit
dem Namen Arzes belegt wird, die er ſtets mit ven und unbe-
Tannten Feſten Chlist und Pereri zufammen nennt, von denen er
fagt, daß, wenn fle im Beflg des Kaiſers blieben, das zömifche Reich
vor den Ueberfällen der Perferheere gefichert fei, da fle zwiſchen Ar-
menien und ber NRömergrenze gelegen find; fe beherrſchen vie Ein-
gänge zu Iherien, wie zum Pontus und nad) Syrien. Mans
nert 58) hielt anfänglich dafür, daß dieſes Arzes ober Arzen viel-
mehr dad Arzenrum gewefen fe. Da aber hier ver Cultus der
Anahiv von Gregor zerflört warb, fo wird e8 nach Procopius
Erzäflung auch wahrſcheinlich, daß, verfchieven von ven beiden bes
Fannteren Comana's in Pontus und in Kappabocien, hier in Aci—
Itfene feine Aurea Comana (N xevon Kouava, Procop. bell.
Pers. I. 17,7. p.82) lag, wo ein Tempel ver taurifchen Diana
(Artemis) fland, ver aber zu feiner Zeit in eine hriftliche Kirche
verwanbelt war. Don viefem erzählt er die Legende ( viefelbe,
2 5 Mannert, Geogr. d. Gr., u. R. Th. V. 2, 6. 242; vergl. Th. VI.a,
S. 200. J
774 Wellen. HIT Abtheilung. I: Abſchnin. 4.39,
pie Strabo XU. 535 von ver Romana in Kappaborien erzäßli), in
welcher Oreftes und Iphigente ald die Gründer dieſes Gellig
thums, neben dem auch. noch ein Tempel ver Iphigen ia erriähtst
war, genannt werden. Wahrfcheinlich ift es derſelbe ſeltſame Cab
tus der Anattid oder Diana, Artemis, der in gang Acilifenemh
Strabo (XI. 532) durch die Hieropulen gefeiert warb, ver aud hier
im Gange war, wie überhaupt auf ver Oftfelte des Euphrat,
wo dem Lucullus bei dem Uebergange über den Strom, als win
Armenien gegen ZTigranorerta marfchirte, an deſſen rechtem Tine
die der perfifchen Diana geweihte Heerde wilder Kühe begeguek,
denen ald Zeichen vie Bade ver Diana aufgebmunt we
(Plutarch. im Luculkus c. 24).
3) Bartsr Hait, Hocharmenien mit feinen antiken
Sanctuarien: dem Taranaghi, vem Berg Sepuhz
die Bilgerfabrt nad dem Klofter Luſavorieſh.
Partör Half oder Hocharmenien In de® Mof. Ke.
Geographie (ed. Whiston fol. 358) hat 9 Baue oder Diſtricte,
bie, nach einer durch Petermann berichtigten Meberfegung veb a
meniſchen Originals, folgende Namen führen: 1) Zaranagfi
(Japavicoa bei Ptol. V. 13. fol. 135); 2) Arriuz (Alles Wi
Ptol.); 3) Menzur; 4) Jekieghaz; 5) Mananasfi;
6) Terdfhan (Derzene 6. Plinius, Heolyyn b. Strah. XI. 63);
N) Sper (Hispiratis, "Yon/gazıg bei Strab. XI. 529); 8) Se
gha Kamth und 9) Barin (Kapnviss, Strab. X &9)
Indſhüdſhean in feinem Alt« Armenien fagt: die Landſchaft Las
ranaghi fei das Heutige Gamach ober Kemakh (feucht
Comagene, vielleiht Oumathene 6. Amm. Marc. XVIIL 9. 2;
es gränze (gegen N.W.) an die Landſchaft Jekleghaz. Dem eb
jener Benennung gibt Ersngatzi in feiner Lobrede auf Gens
PHotifted, indem er fagt: dieſe Landſchaft fei auf ven Bergen. mü
Blumen geſchmückt, in ven Thälern an Waſſern rip, mb
nehme bie aus Even fließende Duelle des Cuphrat, des ale
Stromes, auf. „Auch in den Schluchten veiner Berge, füge Y
„ſchwülſtige Lobredner fort, haft vu im. Innern der Erag,uuf
„borgen (taranatzial im, Armeniſchen) Duellen. van Gall
„(agh), und‘ aus der Tiefe, emporgefommen durch Geanmfl
„faugt die Bewalt Va Teurrt tod gemengte Waſſer °
„Dieb Saly aber wich arena) ů
Cuphratfüftenn; Frat; Taranaghi, Sepuh Berg. 775
„Bärge; darum wirft du au Taranaghi, d. i. Salzgrube, -
„genannt Gr fügt die Merkwürdigkeit biefer Landſchaft hinzu,
daß zur Sommerzeit, in fehr heißer Stunde, wenn der Schnee
ſchmelze, die Waflertropfen, die fih in ven Höhlen anhäufen, zu
Eis gefrieren, dad man früher zum Gebrauch der Könige, wegen
feiner Heilenden Kraft, in entfernte Gegenden brachte, pabingegen im
Winter, wenn andre Gewäfler gefrieren, dieſes erwärmt fich er»
weiche. Die früheren Bewohner dieſes Landes feien Teivenfchaftliche
Bexehrer der heidniſchen Magie geweſen, aber fie gelangten zur Er⸗
kenntniß der Wahrheit durch die großen Wunder und Verkündigung
Set. Gregors, der in dieſe Provinz Taranaghi fan, und mit
Des Könige Tiridates Hülfe Hand anlegte, um.Ale aus dem. von
den Vorfahren exerbten ſataniſchen Dienfte ver Bögen zu befreien.
Er brachte fie zum Gehorſam der Knechtichaft Chriſti. Große
Zeichen wurden ven Bewohnern des Landes fichtbar, und verſchie⸗
dene Seftalten der Dämonen flohen in die Gegenden von Chaghdi (9).
Dieje Taranaghi hat einen Berg Namens Sepuh, fo genannt
wegen der furchtbar ſchroffen (sepaziat im Armen.), felfigen
Abhaͤnge, aber Ersungatzi, im Geſangbuche, ſcheint die Ableitung
von dem Worte sephagan (nobilis), dem Sct. Gregor zu Ehren,
vorzuziehen. Es hieß derſelbe auch Manta airkh (d. i. Höhle
der Mane), weil in einer der Felſenhoͤhlen dieſes Berge die Sancta
Mane (eine Befährtin Set. Oregord, f. ob. ©. 527) vermellte
(Mos. Khor. Il. 88. fol. 224 etc.), in welche ſich fpäter auch
Gregorius in die Einſamkeit zurückzog. Deshalb Heißt er auch
in den Haismavurs (d. i. den Biographien der «Heiligen, nach
nem, Kalender zum 5. October): Berg von Taranagbi, und bie
Birhöfe Avetis: und Sarkis heißen Biſchöfe ded taranaghiſchen
Berges des Sanıt Gregorius.
Die Rage diefes Bergs beſtimmt Eröngatzi „auf der
GSrenze zwifchen beiden Provinzen Jefieghiag und Ta⸗
rawaghi”: denn da ber Berg noch über Eleinen Bergen ſich ex»
hebt, fo: breitet fich jeine Lage über zwei Provinzen aus, und
darem ſchreibt der genannte Autor auch von ihm: „bei vielen Ber⸗
am: und Ihälern vorbeigegangen flieg er (St. Gregor nämlich) auf
dich ( Sepuh).“ Da aber Mos. Khor. Il. 88, und Asolich. IH. 5 ihn
in die Provinz Taranaghi fegen, fo tft offenbar, daß der eigentliche
Derg: in vieſer Provinz lag. Heilige Orte find auf dieſem Berge von
ver früheſten Zeiten: 1) vie fühe ſchmackhafte Duelle Aghpiur
parcham, fo genannt, weil, nah Eröngatzi, durch ven Gegen
4
776. Befl-Afien, IH. Abtpeilung. I Abſchnitt. $. 39.
Sct. Gregors das falzige Waſſer verjelben einen guten Geſchmatk
erhielt. Es warb geehrt (fagt der Lobgeſang auf Sct. Gregor) ber
Berg Sepuh, gleich dem Berge Hermon, aus dem floß die Quelle
des Lichts, dad füge (parcham im Armeniſchen) Wafler n. ſ. w.
Aus dieſer Quelle trank zumellen unfer heillger Bater (naͤmlich
Sct. Gregor), wie Johannes Cathol., ver Pilger, fagt: „Ich ing
zu ber Meinen Quelle Parhdam.... welche mit harten Felſen um-
geben und, fie zu ehren, mit Thüren verfchloffen if, und aus wel⸗
her die heiligen und reinen Hände Bregors fein Getränk holten“
Das zweite Sanctuarium if Tarag, wo von ben Hirten ber
Heilige Vater beerbigt wurde (f. 06. ©. 625); auch von ihm ſpricht
Johannes Cathol.
Am Buße des Bergs waren zur Zeit Johannes Cathol., d. L
im Ytem Jahrhundert, eine Menge firenger Einfiedler in Hö&
Ien und ®rotten hie und da zerſtreut, deren Leben derſelbe Auter
kurz beichreibt. Darunter war auch feine eigne, vie er einige Jet
"bewohnte. Diefe nennt ver Autor Aſolich aber Karnu Bautf
(Garrnu Wankh, d. I. Garnus⸗Kloſter), weil jener Einflenier im
Karni heimiſch war, oder nach einem andern Anachoreten Karrauf,
Eröngatzi, ver. auch in der Nachbarſchaft zu Haufe war, wendet
alle Kraft ver Beredtſamkeit an, biefen Berg zu rähmen, und Bars
tabed Bartan, ver Seograph (0b. S. 675), gleihfam zur Erklds
rung ded Gedichtes, „vie Berge” betitelt, fagt: Auf dem Berg
Sepuh iſt das Schwert Tervats, welches ihm Eonfantiuus, der
Herrſcher, gab. Denn als Terdat auf den Berg Sepuh ging, ur
heiligen Gregor zu fuchen, fagte dieſer viele propbetifche Worte ze’
ihm, nahm das Schwert, flellte es auf mit dem göttlichen Wern
und fagte: „Wenn die tapfere Nation ausgehen wird, ban web
dieſes Zeichen erfcheinen.” — Als nun Johannes Ersugatzi
mit feinem leiblichen Auge auf dem Gipfel des Berges dieſes Zeichen
ſah, ſprach er jenes Gericht „bie Berge”. So weit Bartan; )
bei andern Schriftftellern ver Armenier wird hiervon nichts erwmäßut:
. In diefen Gebirgegau Taranaghi wird, nah Judfſhib⸗
fhean, 0) au der Ort Turdan (Thortan bei St. Miele
verlegt, der vor St. Gregors Zeit nur ein Dorf (Kiug h), par
ein Marktflecken (Avan) genannt wird, an welchem In err *
e60) Na dſhidſhean, A: M German; Alles:
Bande Sue Bley {. 5. St. Martin, —— —RRX ar a
RN T Belermunne Mfc.; vergl. St. Martin in Nour Nouv,
Asist, T D V. m 5 ann -——r
.“ >
Euphrarfoften; rat; Taranaghi, Sepuh⸗Berg. 777
das Bild des ſyriſchen Idoles Barſchamin fans (Parſcham,
bei St. Martin I. 74), von Piurel und Phlosker (D, d. i.
von Elfenbein und Cryſtall in Silber geformt, welches Tigranes II.
erſt aus Meſopotamien hiehergebracht. Dieſes Barſchamin haͤlt
E. Bore“t) für das chaldäiſche Wort bar schemsche, Sohn
der Sonne, over bar schemaia, Sohn des Stmmels, und
dad Idol felbft für das göttliche Symbol ver Ehalvier, welches
Tigranes nur in dad ältefte Laud der Chaldäer, vie auch Ze
nophon noch in Hocharmenien vorfand (Anabas. IV. 3, 4 etc.),
jurüdgebracht habe. Zur Zeit ver Einführung des Chriſten⸗
thums Tam dieſer Ort in Beſitz ver Kirche, und wurbe durch
Sct. Gregor berühmt, ver ihn zu feinem Vergnügungsaufenthalte
machte. Dahin wurden fpäterhin auch deſſen Gebeine vom Berge
Sepuh gebracht, und nebfl denen von andern Heiligen beigelegt.
Auch feine Söhne und Enfel follen daſelbſt ihre Vegräbniſſe er⸗
balten Haben. Noch heute Heißt vieler Ort Turdan, und wird
von Pilgern bewallfahrtet.
Von einer ſolchen Pilgerfahrt in dieſes bis dahin für euro⸗
päifche Reiſende ganz unzugänglich gebliebene wildeſte Sanctuarium
der Armenier haben wir von dem feurigen E. Bore ganz kürzlich
einen erften Bericht erhalten, ver leider nicht genau geographiich
orientirt iſt, aber doch, eng verbunden mit obigem Bericht des Ar⸗
meniers im dortigen Legendenſtyl, einen damit harmonirenden
Totaleindruck des Ganzen zurüdläßt, der vielleicht von fpätern Be⸗
obachtern berichtigt, wie vie Localität felbft noch beſſer erläutert
werben wird.
Nach der Karte Armeniens, die zui Tſhamtſheans Geſchichts⸗
werte gehört, tft die Lage Taranaghiß, die auf allen andern fehlt,
in N. W. von Erzingan angegeben, und eben vafelbfi ver Berg Se>
puh, auf der Weftfeite des Frat⸗Ufers, zwifchen deſſen rechten Zu⸗
flüffen Kail und Keumar fu eingetragen. Bon Erzinugan pilger⸗
ten wir, erzählt E. Bore,%) durch große Gefahren zum Berge
Sebouh (Sepuh), um am Grabe Sct. Gregors nieverzufnien.
Diefer Berg gehört zu der Langen Kette des Daſſim Dagh, ver
den ganzen Horizont mit Schneeketten einnimmt, eine Schugwand
für Die inbepenbenten Kurven, die in Empdrung flehen gegen Hafiz
Bafya, fo daß der Mutſellim in Erzingan felbft in feiner eigenem
Stadt keineswegs ſicher war. Daher der Schreien aller Pilger,
er) BE, Boré, Co ndance et m&moires etc. Paris 1840. T.I-
is. > e8) Grad. T. I. — — —
TTR Weſt-diſten. TIL Abcheilung. I. Abſchaitt. 4.39,
bie nur im Vertrauen: auf vie militärifche Haltung ber Franken ſich
ihrem Pllgerzuge anfdjloffen. Sechs Terfonen. zogen wit einem fun
⸗
viſchen FTührer ab gegen dad Aoſter Avak, das bis auf St. Thab⸗
dadus zurückgeht; zuerſt nach Thortan, der antiken Grabſtätte ver
Patriarchen und armeniſchen Könige, wo Die enorme Grotte ihre
Walbungen ausbreitet, vie einſt Ser Gregor zum Aſyl viente, dam
zum Klojter Avak, von Thidat erbaut, wie viele andre hiefigen
Orts anf frühern Tempelflätten ver Anahid. Die wihe
ſten Felsfdjluchten: ver Schweiz und Tyrols, die ddeſten Yelökfliygen
von Anavoli haben nichts fo grauenvolles wie dieſes DBerglam,
fügt €. Bord. Der ganze Boden von Erzingans Gauen iſt zeha
mal von Erdbeben umgekehrt, und gleicht einem primitiwen Ghast
Mar bie und da auf Klippen ein paar Fichtenbäume, fonft nur nie
driges Geſtripp; vom Geſchrei hungriger Geier wird das Toſen de
Bergſtũrze noch überbaten, die von allen Seiten aus den ſchmehzen
den Schneefeldern ſich entfpinnen. Auf ven Plateauflächen tif
man nur felten die ſchwarzen Zelte eined Kurdenlagers, mit ifus
Rindern und Ziegen in der Sommerflation. Gmmufiger wie be
Mebais fand Boré die Thäler von Thortan und vie Abſtütz
des Schouh- Berges. Hier, meinte er, koͤnne man ganz in: Get
verfinfen. Am 20. Juli verließ er Erzingan 9) mit einigen
treuen armeniſchen Begleitern, 2 Reitern als Gsforte, einem Au>
ven und dem Serkis, einem Wächter der Kirche Ext. Gregort im
ein erfahrner tapfrer Strekter wider die Kurden war. Ed ging im
trockne Klippen und das leere Bette des Im Sommer verflges
Karnl⸗Fluſſes, deſſen Quellen an die eined andern autiken, be
fannteren Lycus anftoßen follen, ver nicht hieher zum Ydat;- few
dern in: entgegengefeßter nordweſtlicher Richtung ' nady. Seläfes
(Neo-Caesarea) und über Magnopolis zum: Iris: ſlleßt (Sccio
XL 556; Plin. VE 3). In einigen Entfernung; auf dem Mini
Ufer vieſes Kail (dv. 5. Wolf; eben ver Lycus, ven: Pink
V. 20 zum Euphrat fließen: läßt, ver Dianneet unbefanut bi),
bließen Ruinen von zwei Kapellen liegen, vie an der Stelle: sen
tiken Tiln (Oadıva bei Pol, 7. 13. fol. 135)- exbant: wrurken,
wo einſt ein berühmter heidniſcher Tempel ver Nane 8: Mpale
ſcheinlich eine Anahid oder Analtis; Daher v. Gmmmm Ye
+) E. Borölc. T. U. p- & °*) Manuert, Geogr. v. Gun
Th. V. & 208. . *8) St. Martin, Möm. s. l’Arm, L p, 78 z
REM en
Euphratfuft.; Frat; Taranaghi; Sepuh Berg. 779
Bancta Mang für dieſelbe Beibwifihe Gottheit hielt) oee) durch Sanct
Bregor zerſtört ward, we die Patriarchen Verthanes und Ariso⸗
aged, deſſen Söhne, und fein Nachkemme, Set. Nerſes J., ihre
Brabfätten fanden, vie im 13ten Jahrhundert (im Jahr 1288) wies
er aufgedeckt wurden. Doc ſchien das einflige Gtäntchen. (a6
ach Thiln⸗avan hieß) weite im Weit der Kapellen gelegen zu.
ben, nach von. Reiben wer Ruinenreſte und der Felderabtheilungen
u urthellen, pie man bei nem Klofter ver virgo Mariae wahrnche
nen konnte. Beden armen, aber gaflichen, nur zu oft von Kup⸗
can beraubten Mönchen wurde ein Mabl von Brot, Mich, Eiern
nd» weißen, zudesfüßen Maulbeeren eingenommen. Dann ging: e&
m 11 Uhr weiter, in dad Klippengebirg, und nad) einer Stunde
buffleigen® warb das Plateau ewreicht, von dem man in das ovale
‚hal von Erzingan zurückblichen konnte. Der Cuphrat windet
ch wie eine Schlange durch die gelben Welver; alle hohen: Pile
gen Norden: fliegen weiß von Schnee, oder braun in den blauen
Ammel. Hinter den Wanderern erhob fidh das grüne Amphitheater
er Sepuh⸗Berge, ſtufenweiſe mit ihren Alpen aufſteigend bis
ur Schneeregion. Um Fuß 07) dieſes gefeierten Berges, der früher
karanaghi hieß,. aber durch Get. Gregor erſt feinen Adel erhielt
mb Sepuh genannt (i. e. nobilis) warb, lag dad nädfte Ziel
er Pilgerſchaft. Man flieg gegen Weſt bis zur großen Tafelflaͤche
af, von: der man im nahen Thale kurdiſche Zelte erblickte und
wergige Sichtenbiiume, ein BIKE wie in eine neue Welt, an ber
Buenge Taranaghia. Bin fanfter Weg führte zu: ein paar Kurden⸗
olten; im. einſamen Thale vor ven Füßen zeigten fich vie weißen
Moftermauem des Avak Bank, von einigen Weiden, Birken und
Raulbeerbäumen umgeben. Gteil: ging «8 den wilden, quellenreichen
köhang hinab zum Vorbau: des Moſters, ven bee vafige PBriefter
Ko von. älteſten in Armenien hielt, in der Zeit Sct. Thad daud
son deſſen Sohne, fagt Vartam) co) aufgeführt. Keine Damm
eriptenfammlung, wie man gehofft, auch feine Vibliothek fand fich
08; der Briehher konnte nicht lefen, er wohnte im Vichflall; niedrige
un enge Bforten, leicht zu verrammeln, follten gegen vie häuſtgen
turpenüberfälle zur Sicherung dienen. Vom Grabe des Apoſtels
var bier feine Spur .. zu finden, auch von ben ãhütfli—
**) Bien, Yet, 1a: 3. XIV. ©; 31
@).'E. Bore
18. .. Vartabied Vartan, Göogra eb. St. Maria,
M s. l’Arm. T. Ur p 488. Pi
180 WeftAfien. II. Abtheilung. I Abſchnitt. 5.39.
geln®) ver Kirche nichts, die Thaddäus ſelbſt eingerichtet Haben
fol, nach Indſhidſhean, ver In der Nähe auch noch einen Felt
Taghtapu, d. h. Gegengift, nennt, auf welchem die vier
Evangeliſten eingegraben ſtehen follen, ein Fels, ven St. Sylveſter
dem Sct. Gregor verehrt hatte. Vielleicht ein Inſeriptionsfelt,
nach dem Fünftige Reiſende doch weiter nadyzufragen haben möchten.
Man ritt von da fogleich weiter, um noch das Klofler Xhortan
zu erreichen. Es ging durch wilde Selöfpalten, mit ärmlichen, krürp⸗
ligen Zwergfickten hie und ba bemachfen, an düſtern Räuberwin
teln vorüber; dann über Berghöhen an weltläuftigen Grottenbilkue
gen bin. Es folgte ein Eleined Dörfchen (wahrſcheinlich Garrui,
ein ſolches nennt nämlih Indſhidſhean,?o) nur eine halbe
Stunde vom Thaddäus⸗Kloſter entfernt), wo einige Schnitter mit
der Kornernte beichäftigt waren; dahinter eine grüne ‘Alpenmele
mit fchönftem Blumenteppiche, dann einige noch grüne Gerften- um
Waizenfelder, und zulegt ein wiln zerriffener Lchmberg, ver Thor:
tans Berg, der erlettert werden mußte, um bei einigen Baum
das berühmte Klofter zu erreichen, dad im Angefichte des Schne⸗⸗
bergs Daffim liegt. Eine Herberge war aber nicht zu finden;
bie einft von König Tiridat fo reich dotirte Kirche mit ven Grab
flätten berühmter Zeitgenoſſen ift jet nur ein büftrer Steinen
mit engem @ingang, deſſen Licht durch die Dachöffnung einfält;
der Prieſter, voU grober Unwiſſenheit, der den Stein mit der Iw
ſchrift für dad Brab St. Verthanes ausgab, auf dem aber mike
ale das Wort Garabed fland, das er nicht einmal leſen konnu
Bon diefem Orte Thortan over Turdan fagt auch Indſhid⸗
ſhean,?1) vaß er wenig befannt fei; fein Kloſter liege nicht fern
an ver Weflfeite des Frat. In der Kirche feien vie Gräber St. Ge
gors, St. Verthanes, Gt. Huscon, dann der Königin Aſhchem, ver
Chasrovi⸗ducht, d. i. die Schweſter des König Tiridats, und Bed
Königs Tirivat ſelbſt. Doch nur eine Zeit lang blieben vie Ge
heine hier, fagt Inpfhiofhean; denn fpäter wurben fie in das Klee
fer Sancti Spiritus nach des Provinz Ban gebracht. Bir
keicht, jet er hinzu, wurden fie auch zum Theil andertwotin -
freut 4 ob. &. 625).
#*°) E. Bor& I. c. II. p. 14. 0) In ————
S. IOI, DRIN —* |
f !
nn. d
ME . |
x
Euphratſyſtem; Frat; St. Gregors Eremus, 761
Der zweite Tag (21. Iull) führte über eine dreifache Berg-
fette zum Klofter&ufavoritfh. 72) Nach ver erften Ueberſteigung des
Berge belegte man ein paar daſelbſt ode und Ieerfichente Hütten im
Grün unter wenigen Bichten mit dem Namen des Kloſters Sirope,
nach einer Legende aus den Zeiten St. Bregord. Ein ſchäumender
Bergfirom, ver zum Cuphrat ftürzt, mußte Hier paſſirt werden, um
die erfle Stufe des Sepuhs Berges zu erreihen. Das fehr ſteile
Gebirg vol loſen Schiefergerölles nöthigte zum Abfleigen vom
Pferde, bis man nach 14 Stumven Wegs drei Zelte eined Kurden⸗
Jailaks traf, deſſen Bewohner in Lumpen umherzogen. Bon ia
gings zum Kloſter Luſavoritſh, das ein Kurden⸗Beg mit drei
Dienern zu ſeiner Behauſung gemacht, der hier einen Tribut von
den Pilgern einfordert. Das Kloſter liegt in St. Gregors Ere-
mus. Es iſt bloß eine Hütte, die Kirche iſt einer Scheune gleich,
in der fih nur die Altarfteine unterfcheiven laſſen. Hier fol der
Hellige durch Engel in eine Gruft gelegt fein, aus ver ihn die
Biflon eines Anachoreten Arnoug (over Garhnic, f. ob. S. 625)
bervorzog. Hier fiel Bore in Anbetung niever vor dem Heiligen,
mit dem Ausruf: welcher Philofoph, wie er, wandelte eine ganze
Nation um, und erfüllte fie mit Liebe zu Bott! Wir ehren dieſe
Begeifterung, aber vie Anbetung gehörte dem Heiland, ver dies Wun⸗
der that, und nicht feinem Boten. Nur wenige Schritte fern von
hier zeigte man die Quellen des ſchmackhaften Waſſers
( Parcham tfhur, ſ. ob. S. 776), die jegt koſtlichen Labetrunf hatte,
aber zuvor bitter und falzig gewefen fein fol, ehe Gregor fie ſuͤß
machte ; fie, fol heute noch Mirakel thun. Etwas bergab zeigte man
die hohe Grotte, in der St. Gregor als Anachoret gelebt haben
fol; ihr hoher Bingang iſt gegen Süpen geöffnet, tiefer find die en⸗
gern @rotten und Oänge, in denen er die flerbende Jungfrau, die
St. Mane fand, die eine Gefährtin ver St. Hripfime (f. oben
S. 527) und auch der Scta Nunia geweien fein fol, welche
Iegtere das Evangelium zuerft unter den Iberern verbreitete. Er
felb fol in dieſen Eiskellern feine Bußübungen gehalten haben,
und das Tropfen ver Stalactiten ein Zeichen feiner Ihränen geblies
ben fein. Obwol bier weder Denkmal noch Iufchrift das Andenken
an ven Apoſtel Armenlens erhält, und überall vie bitterfle Armuth
vorherrſcht, fo iR dieſes Klofter Lufavoritih doch fortwährend bes
pilgert jeit vem 9. Jahrhundert, wo zur Zeit des Patriarchen Jo⸗
»
762 Weſt⸗Aſten. HI. Abcheilung. I. Nbſchaiu. $. 3.
dann VI dieſe Gegend voll Gremiten und Bßer war, wetbelb
verſelbe auch damals eine Kapelle über zer Gruft des Gametus «=
bauen Tich.
Hier wurde Nachmittags um. 3 Uhr Abſchied vom Keen
gensmmen, und ver Rückweg Über bie Schneefelder des Berge Se⸗
pub, der au Kuhanan, 7°) d. h. hervorragender Bipfel, genaumt
wird, angetreten, ven ver Führer für ben wahren Mafis ober
Ararat, das Afyl zur Belt ver Sinoflurh, erflärte. Man fig
gegen NO. durch ſchoͤne Thaͤler hinab in das Thal, im melden da
©t. Jakobo⸗Kloſter zur NRachtberberge erreicht wurde. Auch dieſes
ſoll zu Tirldates Zeiten geſtiftet fein. Die Kirche iſt in einem m
tiken Style erbaut, deſſen fchönere Formen in den Kirdhen zu Uni
weiter ausgebildet zu fein fheinen. Dad Schiff ver Kirche wih
yon 4 Säulen getragen, dazwiſchen Grabinſchriſten angebracht ſin
Dieb Klofter 7%) liegt nur 3 Stunden (wahrfcheinlich im Nee
den) von der Stadt Erzingan entfernt, die alfe am Morgen da
dritten Tages (22. Juli) bei guter Zelt wieder erreicht werben Benni.
— Weiter gegen Süden IR E. Bore nicht vorgebrungen. —
4) Die Feſte Ani oder Kemakh, Gamach, der alte Icm-
— pelort, das Schatzhaus, die Stätte ver Arſacidiſchen
Königsgräber.
Die Feſte Ant ander Kemath 75) (Kumach, Kamach een
Gamach, dad Kauaya b. Gonſt. Borph.). Schon längſt mit wer
Name dieſes merkwürdigen Ortes in ver Geſchichte .‚befanat, wm
Miemand wußte ihn geographiſch zu erientiren. - I. Brant iR da
sehe, ver ihn nach feinem Moutier 10 Stunden Wegs im Güpm
son Erzingan in feine Karte eintragen lonnte. Ge iR ein ſeltſan
gebauter Ort, fagt er; ein erhabner Theil ver Stadt Liegt inwerkeib
eines Wale von fehr alter SGtructur, aber beherrſcht win
Bergen, die Hinter ihm emporfleigen. Der übrige Theil Tiegt ai
Abhange zwifchen Gärten, die vom Ufer des Fluſſes Frat eper⸗
"eigen. Der Gouverneur iſt einer des noch übrig gebliebenen Des
reh⸗Beys (d. i. Thal⸗Haäuptlinge, vergl. ob. ©. 627), wem
Samilten noch im erblichen Beflge ihrer Würde und großer wmlin
geuber Länderrien waren. Die Gtabt hat. 400 türfife uns 30 v
meniſche Famillen; von Handel und Wanufacturen ſah I. Bxket
0... n. Zudigivigenn, Reusicmraien, u. Aetermanns Mic. 2* Bert
Le1.p8 TMılkan lamie iu
—
Euphratiuftem; Frat; Koma. — 783
me Spur. Die Bewohner lebten vom Anka ihrer Nachbar⸗
aler und vom Solztran Sport zum Bergwerk von Kje ba n Maa⸗
n. Es muß alſo in der Nähe wol auch wieder Waldung vom
mmen, bie dem Platenulanve bis dahin fehle. Der Frat⸗Fluß
ıtte wol an ven meiften Stellen Waller genug, um ihn mit Kah⸗
m befahren zu können, aber doch zeigen fi) darin Stromfchnellen,
elshänke und Sanpbänkfe zu Häufig, als daß man hoffen Einnte,
m unter den jegigen Berhältnifien des Landes wirklich ſchiffbar zu
achen. Doc hörte I. Brant von Jemand, ver mit dem Holz
ansport von Kemakh bis Egin bekannt war, die Meinung aus⸗
rechen, daß die dortigen Hemmungen doch wol zu überwinden fein
Schten.
: Bon Kemakh nah Egin reifend, fegte I. Brant auf der⸗
lben Holzbrücke, vie er hinwärts paſſirt hatte, wieder zum rechten
fer des Frat zurüd, und wandte fi) mehr weſtwärts vom
trome, ziemliche Berge überfleigen», die deſſen rechtes Ufer beherr⸗
ben. Die Poſtſtation, wo ber Pferdewechſel, war früher nahe bei.
a Bluffe geweſen; man hatteofie aber mehre Stunden weſtwaͤrts
ya deſſen Ufer entfernt verlegt. Dadurch war ein Umweg nothe
endig geworden. Diefe Poſtſtation Herhemeh iſt nur ein Kleines >
yorf, dad nach einem Ritt von 10 Stunden (etwa 25 Mil. engl.)
zeicht wurbe. Der nächte Tagmarfch führt von da wieder gegen
DD. zum Frat⸗Fluſſe zurüd, ber über das Dorf Hafan
)vabh (Hafand Ebene), in einem ungemein fruchtbaren Thale
eiegen, nah 4 Stunden Wegs (12 Dil. engl.) erreicht wurde
zier mußte er auf der Bähre Khostu Überfeht werben. Der
eat, den man bier noch immer Kara fu nannte, war an ber
ähre fehr reißend, breit und keilnebwegs furihbar. Am linken
fer ſah man Weiber mit der Kornernte befchäftist, denen aber
ur Seite bewaffnete Wächter fanden, um die Kurven von Ueber⸗
illen zurückzufchreden.
Auf dem linken Frat⸗Ufer waren bier 3 engl. Mi. zurüdzu-
‚den bis zu einem Dorfe, unterhalb welchem der Strom wieder in
men gewaltigen Gebirgsſpalt eintritt, deſſen Steilmänve zu
»er Seite an 1000 bis 1500 Fuß ſenkrecht auffleigen. Hier ver⸗
eß der Reiſende den Fluß, um über eine Behirgäfette ven Weg
bzukürzen. Der Strom durchſetzt bald’ darauf ven Spalt, und
nacht eine Biegung gegen Südoſt; der Ritt über das ſehr ſteile
zebirg ſchnitt dieſe Eike ab. Man fagte zwar, es gebe einen hriren.
der freilich auch Jängern Weg, wenn man am’ eäyten fer web
8
784 WeſtAfen. II. Abtheilung. I. Abfeitt. 39
Fluſſes bleibe; aber auch dieſer Weg Eonnte bei der Raubelt ver
Thalſſcluch nur verbältnigmäßig etwas weniger ſchlecht, deqh
nie gut fein. Die Entfernung von Herhemeh gegen S. W. fchägk
I. Brant auf 6 geogr. Meilen (30 Mil. engl.) bis Egin, da
Weg der gleich fchlecht für Pferd und Reiter war, fo daß 13 Et.
Zeit darüber hingingen. —
Gamach oper Remadı, fagt Inpfhinfhean,?6) hieß im U
terthume auch die Feſte Ani (verfchieden von dem Ani in Chip
f. ob. S. 439); und die Hewſchaft hieß Taran aghi Erg
Hört noch heute dem berühmten Stamme Sagbr-Oghlu, ine
der Sohn immer an bie Stelle des Vatere, als Bey von Bam“
eintritt; doch fleht er einigermaßen unter Erzingan, deshalb der Ba
auch mit der dortigen Behoͤrde in Freundſchaft zu bleiben fud
Die Provinz If rei an Wohnpligen, an alten und neuen Darf
Achaften, von Urmeniern, zumal aber von Türken bewohnt. 3
Flecken ſtehen unter ver Herrſchaft des Beys. In der zugehlrige |
Zanpichaft Tusla befinden ſich in Seen, deren Waſſer aus m
Gebirge kommt, Salzquellen, auch babe von dem Borfemmn
des Steinfalzes in Gruben und Höhlen vie Provinz ven An
Taran aghi (f. oben die Etymologie) erhalten. Ihre Viekuehe
liefern vortrefflihen Käfe; berühmt iſt dort der Bogelfey
Der Vogel Tut kuſhi, groß wie eine Wachtel, von weißer w
ſchwarzer Farbe, iſt ein Liebhaber der Daulbeeren (Tut), von tes
er auch den Namen erhalten. Aljährlih zur Reifezeit verbreiten fh
diefe Vögel in ungeheuren Schaaren, zumal in den an WMauliemm
fo reihen Umgebungen der Stabt. Das Fleiſch diefer jungen Big
iſt ſehr ſchmackhaft und dient den Bewohnern zur Naheng
Dtter?7) macht diefe Vögel zu Wachteln und vergleicht fie mitin
Wachteln der Israeliten und denen, die im Koran Selva pe.
Die türkiſchen Geographen 78) flellen dieſen WBachteifiug, ie
‚ in Wolfen die Sonne verfinftre, als ein alljährlich im Zräfiey
unter Regengüffen ſich erneuerndes Wunder dar; v. Sammı!
meint, eg Fönnten, vielleicht die nur von Eupen aus beiaumin
Baccafiguen fein: denn bie Vögel werben ald große Delicatfe
sühmt, die füß wie Honig fchmeden; fie werben auch due
und ald Handelswaare verſchickt.
470) Indſhidſhean, Ren ien S. 101. u
— Age © nt
© —8 8. Ga. —S asmanifche Geſchichte . 1
3
Euphratſhftem; Seat, Kemakh, Feſte Ani. 785
Die Feſtung Ant mit der Stabt, gewöhnlich. Gam ach ger
naunt, iſt am Gipfel und Abhange eined Berges gelegen und mit
einer Mauer umgeben, welche halb durch. die Natur, halb durch Die
Kunf erbaut iſt. Es Hat dieſelbe nur ein Eingangsthor. Sie If
in Wahrheit unnahbar, fagt Indſhidſhean, und nur die Oftfeite
des Vergs und der Weite ift nicht jäh abgefchnitten, ſondern fleigt-
allmählig Hinab. Sie Hat Waller in Ueberfluß durch lange zu ihr
geleitete Röhren. Außer. dieſen geht aber aud noch ein langer
Ganal von ver Feſte bis zu dem nahen Bach Tanasr tfhat, mit
einem durch venfelben gebilveten eich, ver fie fortwährend mit Waſ⸗
fer verfehen kann, wenn ver Feind bei einer Blockade auch jene
Röhrenleitung unterbrochen haben follte.
Der Einwohner find 1500 meift türkifche Samilien, und nur
wenige armenifche; dem Umfange nach Eönnte ber Ort aber 4000
Hamilien berbergen. Noch fichen 6 fleinerne Kirchen innerhalb
der Feſtung. Am Fuße des Bergs ift die Ebene, weldhe ver Grat
beipült, fa ganz In Gärten verwandelt. Außerhalb, nur wenig
entfernt von ber Zefte, ik ein Engpaß, durch Kunſt in den Felſen
gehauen, fo daß eine Felsmaſſe auch noch deſſen Decke bildet (alſo
ein Tunnel), unter welcher ver Reiſende feinen Weg nimmt. Am-
Ausgange dieſes Engpaſſes fieht man die @eftalt eines figennen
Menfchen, gleich einem Siegel in ven Felſen eingebrüdt, von dem
Die Gage geht, daß Ali daſelbſt gefeffen und dieſen Eindruck zurüdz
gelafien. Die türkifche Beographie 79) nennt diefen Berg Kepan,
und dieſen Belfen Ali Kiafi over Kirli Kia, weil bier Ali aus⸗
gerußt Haben fol. Nahe dabei ragt ein dider Maſt an 2 Ellen
weit hervor, deſſen Ende. tief im Beljen ſteckt; es fol vie Lanze Ali's
fein, die er mit gewaltiger Kraft in ven Felſen Hineingefloßen. Unfern
davon fleht ein feht alt erbauter, fteinerner, ſpitzer Thurm am Wege,
und dicht dabei flieht man nahe ber Holzbrüde im Felſen 2 Roß-
trappen eingedrückt, doppelt fo groß wie die gewöhnlicher Pferde. — —
Da der britifche Eonful I. Brant fogleih den Rüdweg über dieſe
Brüde auf die Weftfeite des Frat zur Gebirgäpaffage nahm, fo hat
er leider viefe Merkmürdigkeiten nicht gefehen, von denen es und
zweifelhaft bleibt, ob fie blos Täufchungen zu Liebe des Legenden⸗
weſens ſind, oder ob fie vieleicht als Sculpturen aus einer älteren
Zeit für künftige Wanderer einige Aufmerkſamkeit verdienen.
“ Sitter Grblunde X. Dvd
&
79) v. Hanmer, aflatifche Türkei, Wiener Iahıb. IR2L. Ur. AN.
"al '
782 Weſt-iſien. HIT. Abcheilung. I. Nbfchaiu. 4. 39.
dann VI. vieſe Gegend voll Gremiten und Büßer war, wethalb
verfelbe auch damals eine Kapelle über ter Oruſt ves Gamcius er⸗
baum lieh. Ä
Hier wurde Nachmittags um. 3 Uhr Abſchied vom Kloſte
genommen, und der Rückweg über bie Schneefelver des Berge Se⸗
puh, der auch Kuhanan, 73) d. h. hervorragender Bipfel, genaust
wird, angetreten, ven der Führer für ben wahren Mafis obe
Ararat, das Afyl zur Beit ver Suͤndfluth, erflärte. Man fig
gegen NO. durch ſchoͤne Thaͤler hinab In dad Thal, in welchem da
St. Jakobse⸗Kloſter zur Nachtberberge erreicht wurbe. Auch biefel
ſoll zu Irivates Zeiten geftiftet fen. Die Kirche iſt in einem m
tißen Style erbaut, deſſen fihönese Formen in den Kirchen zu Uni
weiter auögebifvet zu fein ſcheinen. Das Schiff der Kirche uk
von 4 Säulen getragen, dazwiſchen Geabinfchriften angebracht fub.
Dies Klofter*) liegt nur 3 Stunden (wahrfcheinlich im Nee
den) von der Stadt Erzingan entfernt, die alfe am Morgen ws
beiten Tages (22. Juli) bei guter Zelt wieder erreicht werben feumlt.
— Wetter gegen Süven IR E. Bore nicht vorgedrungen. —
4) Die Feſte Ani oder Kemakh, Gamach, der alte Tem
— pelort, das Schatzhaus, die Stätte ver Arſacidiſches
| Königögräber.
Die Feſte Ani ader Kemakh 75) (Kumach, Kamach eur
Gamach, das Kausya b. Conſt. Porph.). Schon längft wit wer
Name dieſes merkwuͤrdigen Ortes in wer Geſchichte .befanat, ulm
Aiemand wußte ihn geographifch zu erientiren. - I. Brant iR ve
erſte, ver Ihn nach feinem Moutier 10 Stunden Wegs im Günm
von Erzingan in feine Karte eintragen lonnte. Es iſt ein felem
gebauter Dirt, fagt er; ein erhabner Theil ver Stadt liegt Innerhalb
eines Wales von fehr alter Structur, aber beherrſche von
Bergen, vie Hinter ihm emporfldgen. Der übrige Theil Tiegt ei
Abhange zwifchen Gärten, die vom Ufer des Fluſſes Frat eier
"Reigen. Der Gouverneur iR einer der noch übrig geblichenen Mes
reh⸗Beys (d. i. ThalsHäuptlinge, wergl. ob. ©. 627), dau
Samilten noch im erblichen Befige ihrer Würde und großer elle
genver Ländereien waren. Die Stadt bat 400 tuürkiſche uub 20 au
meniſche Famillen; von Handel und Manufacturen [ah 3. Beuet
73) n. Indſhidſhean, NensArmenien, n. Betermanns — ® 2*
EUER yı Rab dumie bh
Euphratiuftem; Frat; Koma. — 763
keine Spur. Die Bewohner Ichten vom Anka ihrer Nachbar⸗
thäler und vom Solztran Sport zum Bergwerk von Rieban Maa⸗
den. Es muß alfo in der Nähe wol auch wieder Waldung vom
fommen, die dem Plateaulande his dahin fehle. Der Frat⸗Fluß
hatte mol an den meiften Stellen Wafler genug, um ihn mit Kaäh⸗
‚nen befahren zu fönnen, aber doch zeigen ſich Darin Stromfchnellen,
Felsbaͤnke und Sandbänke zu Häufig, als daß man Hoffen könnte,
ihn unter ven jegigen Verhältniffen des Landes wirklich ſchiffbar zu
machen. Doch hörte 3. Brant ven Iemand, ver mit dem Holz
transport von Kemakh bit Egin bekannt war, die Meinung aus⸗
fprechen, daß die dortigen Hemmungen doch wol zu überwinden fein
möd)ten.
: Bon Kemakh nah Egin reifend, fegte I. Brant auf dere
ſelben Holzbrüde, vie er hinwärts paflirt Hatte, wieder zum rechten
Ufer med Frat zurüd, und wandte fid mehr weſtwärts vom
Strome, ziemliche Berge überfteigenn, die deſſen rechtes Ufer beherr⸗
fhen. Die Porftation, mo der Pferdewechſel, war früher nahe bei
dem Bluffe geweien; man hatte@fle aber mehre Stunden weſtwaͤrts
von defien Ufer entfernt verlegt. Dadurch war ein Umweg noth⸗
wendig geworben. Diefe Poſtſtation Herhemeh ift nur ein kleines
Dorf, das nach einem Ritt von 10 Stunden (etwa 25 Mil. ——
erreicht wurde. Der nächſte Tagmarfſch führt von da wieder gegen
SD. zum Frat⸗Fluſſe zurück, ber über das Dorf Haſan
Ovah (Hafans Ebene), in einem ungemein fruchtbaren Thale
gelegen, nach 4 Stunden Wegs (12 Dil engl.) erreicht wurde
HBier mußte er auf der Fähre Kheostu Überfeht werden. Der
Senat, den man bier noch immer Kara fu nannte, war an der
Fähre fehr reißend, breit und keinebwegs furihhar. Am linken
Ufer fah man Weiber mit ver Kornernte befchäftigt, denen aber
zur Seite bewaffnete Wächter ſtanden, um bie Kurven von Ueber
fällen zurüdzufcreden.
| Auf dem linken Frat⸗Ufer waren bier 3 engl. Mil. zurückzu⸗
legen bis zu einem Dorfe, unterhalb weldyem ber Strom wieder in
einen gewaltigen. Gebirgsſpalt eintritt, deſſen Steilmänve zu
jeder Seite au 1000 bis 1500 Fuß ſenkrecht auffleigen. Gier ver
ließ der Neifende den Bluß, um über eine Gebirgskeite den Weg
abzukürzen. Der Strom durchſetzt bald’ darauf den Spalt, und
macht eine Biegung gegen Südoſt; der Ritt über dad fehr fleile
Gebirg ſchnitt diefe Ele ab. Man fogte zwar, es gebe einen beſſern,
aber freilich auch Jängern Weg, wenn man am rechten Ufer des
784 Weſt-⸗Aſten. II. Abtheilung. I. Abſchunitt. 5.39,
Flufſes bleibe; aber auch biefer Weg konnte bei der Raubelt ver
Thalſchlucht nur verhältnißmäßig etwas weniger ſchlecht, deqh
nie gut fein. Die Entfernung von Herhemeh gegen S. W. ſchate
J. Brant auf 6 geogr. Meilen (30 Mil. engl.) bis Egin, da
Weg der gleich fchlecht für Pierd und Reiter war, fo Daß 13 Stra.
Zeit darüber hingingen. — |
Gamach over Kemach, fagt Inpfhinfhean,?6) hieß im U
terthume auch die Feſte Ant (verfchieben von dem Ani in Chir
f. ob. ©. 439); und die Hewichaft hieß Taran aghi. Sie
Hört noch heute dem berühmten Stamme Saghr-Oghlu, imbem |
der Sohn immer an die Stelle des Vatere, ald Bey von Gama ;
eintritt; doch fleht er einigermaßen unter Erzingan, deshalb der Be \
auch mit ber dortigen Behörve in Freundſchaft zu Bleiben fudt |
Die Provinz iſt reich an Wohnpligen, an alten und neuen Darf
ſchaften, von Armeniern, zumal aber von Türken bewohnt. 3 |
Flecken flehen unter ver Herrichaft des Beys. In. der zugehlcige
Landſchaft Tusla befinden fi in Seen, deren Wafler aus km
Gebirge fommt, Salzquellen, nud habe von dem Borfommm
des Steinfalzes in Bruben und Höhlen vie Provinz den Name
Taran aghi (f. oben vie Etymologie) erhalten. Ihre Vieh
liefern vortrefflichen Käfe; berühmt iſt Dort der Bogelfang
Der Vogel Tut Eufhi, groß wie eine Wachtel, von weißer u
ſchwarzer Farbe, iſt ein Liebhaber ver Maulbeeren (Tut), von vum
er auch den Namen erhalten. Aljährlich zur Reifezeit verbreiten I
diefe Vögel in ungeheuren Schaaren, zumal in den an Maulbuum
fo reichen Umgebungen ver Stabt. Dad Fleiſch diefer jungen Bigd
iſt ſehr ſchmackhaft und dient ven Bewohnern zur Naben
Dtter?7) macht diefe Vögel zu Wachteln und vergleicht fie ui Im
Wachteln ver Israeliten und denen, die im Koran Selva kan
Die türkifchen Geographen 7°) flellen diefen Wachtelfiug, ie
‚in Wolfen die Sonne verfinftre, als ein alljährlich tue Srügiug
unter Regengüffen fich erneuernded Wunder dr; v. Hammet
meint, e3 Eönnten, vieleicht die nur von Cypern ans befenmin
Baccafiguen fein: denn die Vögel werben ald große Deikoniufe-ge
zühmt, die füß wie Honig fchmeden; fie werben auch no
und ald Handelswaare verſchickt.
416) Indſhidſhean, Neu⸗Armenien ©. a DR Ueberf. v.
77) Otter, Voy. I. 9 103.
I 4 6. 6863. 6. v. Hammer, —* m
.
»
‚
Euphratſhſtem; Feat, Kemalh, Feſte Ani. 785 |
Die Feſtung Ant mit ver Stabt, gewöhnlich Gam ach ge-
aunt, if am Gipfel und Abhange eine® Berges gelegen und mit
mer Mauer umgeben, melde halb durch. die Natur, halb durch bie
bunft erbaut if. Es Hat dieſelbe nur ein ingangsthor. Sie if
a Wahrheit unnahbar, fagt Indſhidſhean, und nur bie Oftfeite
es Berg und der Weite ift nicht jaͤh abgefchnitten, fondern fleigt-
Umählig hinab. Sie hat Wafler in Ueberfluß durch lange zu ihr
jeleitete Röhren. Außer. viefen geht aber auch noch ein langer
kanal von ber Feſte bis zu bem nahen Bach Tanadr tſhai, mit
iem durch denſelben geblideten Teich, der fie fortwährend mit Waſ⸗
se verfehen kann, wenn der Feind bei einer Blockade auch jene
Röhrenleitung unterbrochen haben ſollte.
-Der Einwohner find 1500 meift türkifche Familien, und nur
venige armenifche; dem Umfange nach könnte der Ort aber 4000
familien herbergen. Noch ſtehen 6 fleinerne Kirchen innerhalb
er Feſtung. Am Fuße des Berges ift vie Ebene, welche ver Frat
eipült, fat ganz In Gärten verwandelt. Außerhalb, nur wenig
ntfernt von ber Feſte, Ik ein Engpaß, durch Kunft in ven Felſen
«hauen, fo daß eine Felsmaſſe auch noch deſſen Decke bildet (alfo
in Tunnel), unter welcher ber Reiſende feinen Weg nimmt. Am-
Iusgange dieſes Engpaſſes ſieht man vie. Geftalt eines ſitzenden
Renſchen, gleich einem Siegel in ven Felſen eingedrückt, von dem
ie Gage geht, daß Ali daſelbſt geſeſſen und dieſen Eindruck zurück-⸗
elaſſen. Die türkiſche Geographie 79) nennt dieſen Berg Kepan,
md dieſen Felſen Ali Kiafi oder Kirli Kia, weil bier Ali aus⸗
eruht haben fol. Nahe dabei ragt .ein dider Maſt an 2 Ellen
velt hervor, deſſen Ende tief im Felſen fledt; «8 fol vie Lanze Ali's
An, die er mit gewaltiger Kraft in den Beljen Hineingefloßen. Unfern
avon ſteht ein ſeht alt erbauter, fteinerner, ſpitzer Thurm am Wege,
md dicht dabei ſieht man nahe der Holzbrüde im Felſen 2 Roß⸗
rappen eingedrückt, doppelt fo groß wie die gewöhnlicher Pferde. —
Da der britiſche Eonful I. Brant jogleih den Rüdweg über biefe
Zrücke auf die Weftfeite des Frat zur Gebirgspaſſage nahm, fo bat
e leider dieſe Merkwürdigkeiten nicht geiehen, von denen es uns
weifelhaft bleibt, ob fie blos Täufchungen zu Liebe des Legenden⸗
vefens ſind, ober ob fie vielleicht als Sculpturen aus einer älteren
yeit für fünfege | Wanderer einige Aufmertſamteit verbienen.
a v. Hammer, aſiatiſche Türkei, Diener Jahr. 1821. Bb. XIV.
. BI.
AAitter Ortlande X DV _
%
N
786 Weſt⸗Aſien. TI. Abtheilung. J. Abſchaatt. 4.39.
Sobald man die Golzbrücke über ven Frat, deren auf
Brant erwähnt, paſſirt hat, fo, erzählt Indſhidſhean wei,
bemertt man drei Türpe oder Gräber, Sheitler mezerl
bei den Eingebornen genannt; fie find gemölbt aus gehauenen uab
aus "Ziegelfteinen, haben aber verfchloffene Thüren, fo daß man ia
zweien derfelben nur durch die Fenfter eine Menge fleinemer Erg
wahrnehmen kann, im dritten if} aber außen auf einen Kaften da
ſchwarzer Leichnam gefekt, mit einem grünen Kleide bedeckt, mit
rothlichen Malen von Wunden auf der Brufl. Diefer iR geehn
von den Xürfen,, die ihn Ag golun Padiſhah nemen, d. i
König des türfifchen Stammes Ag gojunli. Der Wächter vafcihk
verwehrt jedem Ebriften ven Bingang (man fönnte hiebei am eimin
Märtyrer Huffen der Serte Ali's denken).
Bei den Gräbern, an derſelben Seite des Flußufers, ſieht men
eingehauene gewölbte Felsgrotten, unfcheinend Wohnungen ws
Anachoreten.
In feiner Nachricht von Alt⸗Armenien kommt In dſhidſhean
auf daſſelbe Gamach unter dem Namen Ani zurück: denn biedwe
der älteſte Name der Feſte mit einem daneben liegenden Wilden,
deren Erbauer aber unbekannt geblicben. Schon zu den Zeiu
Artaſes, des Tigrancs Vater (ſ. ob. ©. 113), wird dieſe See
genannt, als dieſer kriegeriſche Fürſt feinen weſtlichen Nachbarn =
tee anderer Beute auch die Götterſtatüen der Grie chen ab
führte,.die er für Armavir (f. oben ©. 449, 467) beftimmt Gele.
Da’ aber indeß bei ver Rückkehr feines Heeres eine Empdrung mb
ftand, in der er felbft fein Zehen verlor, erzählt Mof.Khor. El
fol. 104), fo ſeien die Statuer ded Zeus, ver Diana, Miu,
des Bulcan und der Venus nur erft bis zum mittlern Sms
nien vorgerüdt .gemefen, mo fle dann in das Gaftel Ani gei
men. In diefem hätten dann auch vie griechifchen Priefter ihr Mi
gefunden. | '
Als nun Tigranes den Thron beflleg, forgte er (nach Mies
Khor. Il. 13. fol, 108) vor allem für die bortige Erbauung won
Tempeln für die Götter: denn die mitgebrachten griechiſchen Weiche,
- ie nicht weiter nach Armenien bineingeichleppt fein‘ wollent, «file
ten, daß Hier zu Ani der Sig ihrer Bötter fe. Tigranes gl
ob. ©. 530) willfahrte ihnen, und erbante In ver Feſtung Uuitem
olympifchen Zeus einen Tempel, ver Athene einen zu Zpiln,
bee Artemis (Anahiv) zu Eriza (Erzingan), dem Bulcen x
. Bagariny. Die Statue ver Venus, ald der Geliebten. ded He⸗
—
mphrachtfi.; Frat, Ani, Konigsſitz der Arſaciden. 787
icles, ſtellte er neben deſſen Standbilde in der Stadt Aſtiſat
if. Zugleich ließ er nun die Befehle an alle Optimaten des Lan⸗
8 ausgehen, daſelbſt ihre Opfer zu bringen, gegen Androhung
ter Beftrafungen. So ver Tyrann, der auf ähnliche Weiſe wie fein
ohn die Tigranorerta (j. oben ©. 87, 113) ſchnell empor-
Angen wollte. Unter dem fpätern Ufurpator Er ovand vom Ar-
icidiſchen Stamme (f. ob. ©. 449, 465), erfahren wir (Mos,
hor. 11. 50. fol. 168), wurbe dieſes An! audy der Sitz des
rmuzdpdienftes, denn dieſer König feßte Tafelbfl den Ober⸗
rie ſter des Ormuzdeultus ein; zu gleicher Zeit diente ihm Ant als
taategefängniß. Aber Ani iſt auch die Reſidenz ver
tfactden= Könige, wo ihr Schatzhaus war und bie Brab-
ätten der Könige Armeniend Daß hier auch Tempel»
echive waren, kann nicht überrafchen, und wir haben ſchon oben
5. 565) des Prieſters Olypius zu Ant ermähnt, aus deſſen
achrichten Mof. Khor. ſchöpfte, welcher ihm daſelbſt einen Scriba
‚crorum nennt (Mos. 'Khor. II. 45. p. 160: Olypius Anii sa-
rdos fanorum historicorum seriptor). Nod mehr geht dies aus
r Stelle über Bardeſanes ) Hei Moſes Khor. (I. 63. fol.
35) hervor, dem Beitgenoffen Kaljer- Ant. Caracalla (f. ob. S. 565),
z als Gelehrter feiner Zeit vieles gegen die Verehrung‘ des Fa⸗
ins und der falfchen Götter fchrieb, und deshalb auch nach Ar-
enien kam, ſchon vor St. Gregor, um die blinden Heiben zu bes
hren. Da ihm dies nicht glüdte, fagt Moſes, ging er in bie
efte Ani, flubirte daſelbſt die Tempelgeſchichte, darin auch
ber die Thaten ver Könige berichtet ward (alio Tempel»
zoniten, ganz wie Gerobot von ihnen ſprach, wie Mar Ibas fie
ittheilte u. a.). Dann gab er, fährt Mofes Khor. fort, von dem
jeinigen hinzu, was er, nur Immer hatte, und überfeßte dies alles
8 Syriſche (ipäterhin ward diefe Geſchichte ins Griechiſche über-
gen). Das heut zu Tage fo ganz verfunfene und vergrffene
(mi, wohl zu. unterfchelden von ihrer fpäterhin glanzvoll fi) erhe⸗
enden Ramensfchwefter in Shiragh, iſt alſo in jener früheſten Zeit
ir Armeniens Culturgeſchichte von großer Bedeutung. Durch St.
jregor wurde die Statue des olympiſchen Zeus und ver
‚empel des Ormuzd zerflört und zur Kirche gemeiht; ſpäter⸗
er Bardesanes, ssance,, „Enosticus Syrorum primus hymnologus, ad.
vergl. Neumann Jahrb. für wiſſ. Keitif.
18%. ©.
| DAR
788 . Weft-Afien, BIT. Abcheilung .I. Abſchnitt. 1.39,
Bin, durch Sapor ven Saffaniven, wurde dieſe Feſte Ani doch mit
Gewalt erobert, ver. ganze Föniglihe Schad dafelbft beraukt;
auch die vortigen Königägräber der Arſaciden (vaber nah
St. Martin’t) der Name Gamakh, d.h. Knochen reſte, im Arme
nifchen) wurden durch den Saffanivifchen Feldherrn, ven Apoflater
Mehrufben (f. oben ©. 573) aufgerifien, und deren Gebeine
zum Schimpf dieſer Dynaftie, oder aus andern abergläubifchen
Sweden (was Mos. Khor. II. 27. fol. 260 ‚dahin geftellt fein läßt)
entführt; nur die ded Sanatruf blieben (nach Faust. Byz. IV. 2).
Aber auch nach Perfien Eamen die verbrecherifch geraubten Gebein
nicht, wie died der Plan. geweien, ſondern fle fanden am Fuße nd
Arakadz ihre Ruheſtätte (ſ. ob. ©. 463). Damals wurden auf
ale Bewohner Ani's, bis auf die Säuglinge, durch das Schwen
vertilgt. Zwar fol fpäterhin dafjelbe Ani ‚wieder äls Schaghen
gebraucht worden fein (Mos. Khor. III. 45. fol. 286). - Wenn d
ſchon als Aſyl ver unglücklichen armenifchen Prinzeffin KHosrani
tucht und deö General Ova Amaduni, nad) dem Tode des a:
menijchen Königs Khosrov I., den Saffaniven unter Ardefhir nah
einmal tapfern Widerſtand lafteie, fo war doch fein Glanz off
bar dahin, und feine literariſchen Schätze gingen mit andern db _
en oder altſyriſchen gemaltfam zu. Grunde (ſiehe obe
S. 573).
Die folgenden byzantiniſchen Kaiſer legten in die Feſte, die nam
ihres antiken Namens Ani verluſtig geworden, und von ihen
Kamach genannt wird (Kauuya b. Constantin. Porphyrog. da
_ administr. imp. c. 50,22. ed. Imm.Bekker, Bonn. 1840. Vol. M
p- 226; u. Bar, Hebr. in Chron. Syr. p. 128), zu verfchieaenes
Zeiten fehr ftarfe Garnifonen ein, zum Schug ver Oftgrenzei
res Reichs gegen den Andrang der Mufelmänner. Bei. im
Schrififtellern des 12. und 13. Jahrhunderts, bei Sammel
Barian,2) wird der Ort Gamach genannt, und damit dann an
bie ganze “Provinz bezeichnet. Auch die Gricchen nannten ihn fen
im 7. Iahrh. fo, da ver Eptfcopus von Toranagki, auch ms
Gamach genannt, bei dem 7. oefumenifchen Goncil zu, Genen
nopel zugegen war. Der latelnifche Interpret fügt hinzu Anslr
plensis Episcppurs, ald ob Taranaghi und Analibe Fr"
Analipla (bei Ptol. V. 7. fol. 127) gleichbeveutenn waͤren. Ib
mer —
®ı) St, Martin, Men. sur ar. 1. p. 72. 82) Vartabiod Vertes,
Geogr. b. St. Martin, Mem. Il. p. 433. Er
Euphratſhſtem; Ani, Gamach. 7389
ſhidſhean Hält dafür, der Name Gamach ſel von ver benachbarten
ſyriſchen Provinz Comagene (f. ob. S. 73) erſt entlehnt, und
daraus Gamach⸗Ani entſtanden. Er führt zwei Eroberungen ded
Ortes, vom Kaiſer Leo, dem Armenier, im I. 814, und vie ber
Osmanen im Jahr 1520, an. In der odmanifdhen Befchichte wirb
aber das Jahr 1515 ald das Jahr ver Wievereroberung Gultan
Selims 9) angegeben, ver einen eignen Kriegszug dahin von
Amafia und Siwas aus für eine Ehrenſache hielt.
Die türkiſchen Geographen 8) des letzten Jahrhunderts nennen
den Ort noch einen der feſteſten Plätze im türkiſchen Reiche, der einſt
Bayazed erobert ward, aber unter Timur wieder verloren ging.
Er ift nad Ewlia berühmt durch dad Fabrikat feiner Leinwand
zu Zelten, wie e8 Erſendſhan durdıfeine Schaafe und Bai⸗
burt durch feine schönen Mädchen ift; daher das türfifche Sprich
‚wort: „Kumachun beſi, Erfendihanun kuſi, Baiburdun
kiſi.“ Derſelbe Autor ſagt, daß nicht weit von Gamach im
Diſtrict Urla Berggruben, ergiebig an Gold, Silber und Kupfer,
fich befinden follen, und daß dieſes Maaden, d.i. die Fundgrube
Gamachs, zu den vorzüglichflen gleichnamigen Bergſtädten des
osmanifchen Reichs‘ gehören fol. Auch mird in der Nähe von
— ein Ort Kirkkeliſa, 85) d. h. 40 Kirchen, genannt,
ver jetzt zerflört ft, aber von den vielen Kirchen, vie einft daſelbſt
‚Randen, feinen Namen erhielt. Nachdem Indſhid ſhean in feiner
Beichreiburig von Gamach noch über 30 Namen von türfifchen
Ortſchaften angeführt har, ſchließt er mit Aufzählung zweier türfi«
ſcher zu Gamach gehöriger Diftriete, Gertfhanis und Kuritſha,
die unter eignen Begs flehen, und ihren Tribut für Erzerum an
den Gouverneur von Gamach zu entrichten haben. Kuritiha, ſagt
ex, habe ven Namen von einem trodnen Fluſſe, ver es durch
ſchneide, aber 6 Stunden fern vom Euphrat fih im Sandboden
verliere, im Frühjahr aber anwachſend zum Euphrat falle. Bet
dieſeim Fluſſe fei ein Berg, wo man fo vurdhfichtigen Marmor
(mol Alabafter, wie bei Maragha Erof. IX: ©. 845) finde, daß bie
Großen des Ortes deſſen Tafeln flatt des Glaſes in die Fenſter ein»
fegen. Der Erdboden fei daſelbſt nicht fehr fruchtbar (dies moͤchte
vielleicht noch eher auf Gopsboden und Marienglas hindeu⸗
2) v. Hammer, oamauiſche aeiüihte. Th. II. ©. 425
°s) v, Sammer, aflat. —*8 . Sahrb. 1821. Br. XIV. ©. 31; -
derſ. in osmagifhe Geſch. B ‚©. 248. II. 425. 26) Judſhid⸗
ſhean, Ne a. a. O.
N
790 Defräfen, I. Abtheilung. L bſchain. 9.
im). Ein Martifleden an dieſem Kuritfha, Hafan ova g
nannt, werde von Armenien und Türken bewohnt.
5) Egin, Akin, Agn Aguntfi, ein. AfyI der Armenien.
Agn der Armenier, auch Aguntſi, Alin ver Türken, 9
wöhnlih Egin (Eguin bei Otter), hat feinen Namen von cam
Agn ©) oder Duelle, die in ver Nähe liegt; dic Stat wurde MR
im 11. Jahrhundert durch eine Colonie Armeniee gegründet, ie
mit Senek'harim, König von Basburagan , aut Asia mine
kommend, ſich hier niederließ. Sie gehörte früher zu Siwas, 9)
gegenwärtig zum Sandfhakat Arabkir. Sie liegt im wer Abi °
{ung von Armenia secunda. in ber Armenia minor. Erſt vu
Brants Beſuch 1835 und durch v. Moltke's, der 1839 tm Apel
bis Hieher gegen den Norden vorbrang, find wir über dieſen merk
würdigen Ort durch AUngenzeugen belehet, da er zuwor kaum
dem Namen nach gekannt war. Don feine armenifchen mi
ber griehifchen Kirche unirten Gemeinde ift ſchon fee
(ſc oben ©. 638) einiges. angefühnt, worauf wir bier nur zuchde
weiſen haben.
Egin, fagt 3. Brant, liegt ss in einem fee tiefen Ih,
auf dem rechten over weittichen Ufer des Frat; es iſt von allen
ten fehe ſchwer, dem Orte zu nahen. Wir ſetzten af einer Iuugm
Bolzbrücke über ven Strom, um zu ihr zu gelangen, da unſer u
weg auf ber linken Seite lag. Sehr viele Dörfer im Thale ih
faſt eben fo flark berdlkert wie.bie Stadt. Die Berge erheben Fü
am FSlußufer fehr fteilftugig empor, bie ganze Keste erteicht wil
4000 Buß Höhe. Das Thal iſt fo eng und daher won ihmen we
bedroht; vie Berggehänge find mit Gärten bedeckt, mit dichten Bamas
gruppen, Terraffen über Terraſſen, und vie Hänfer Ingen Yanııf
und darin wie In emem Walde. Der Gontraft zwiſchen dem ne
deren Ihelle ves Thales und den fleilen Geben %
68 begrenzen, ift auffullend; ich ſah, ſagt J. Brant, wie dee |
feltfames Thal. Das Clima if feld wild, augenche, nor
im Sommer Tühl, durch die vielen Bäume und vie Make, wur
ven Luftzug im Thale. Im Winter luͤgt mur ſelten cimmial ik
wien Thalboden, aber die hoͤheren Verge iderden "ber ν
se) St, Martin, Mém. sur FArm. I. 10. —
—— 8. Yabıh. i8g1.. wir. 6 "
Journ. L c, Vi. p.
|
|
}
|
Euphratſuſtem; Grat, die. Stadt Egin. 791
bar, und wochenlang If dann nicht felten alle Verbindung zwiſchen
dem Thal und den Lanrichaften jenfeit ver Berge abgefchnitten. Die
Stadt bat 2700 Käufer, davon 2000 von türfijchen, 700 von atz
menschen Familien bewohnt werden. Diele ver benachbarten Dörfer
haben 400 bis 500 Käufer, aber jehr wenig Aderbau, weil es an
Wene fehlt, dagegen find fle ganz von Bärten eingehült. Maul⸗
- beerbäume, vefien weiße Srucht Hier eine Hauptnahrung aus⸗
macht, find dad Hauptgewaͤchs der Gärten. Ihre Beere wird auch
getrodnet und Brauntwein darüber abgezogen; gekocht wird fie zu -
- Betmez oder einer Art Syrup verbraudt, den man hier au
aus Weintrauben (richtiger Pekmez, d. i. verdichteter Trans
benfaft) bereitet. Wein wird nur wenig gemacht. Gemeines Obſt
wãchſt hier in großer Menge. Der Kropf iſt hier ein allgemeines
Nebel; ein Mann erzählte daſelbſt J. Brant, daß dieſe Krankheit
in feiner Familie erblich ſei; alle feine Kinder waren damit behaftet,
Dagegen die Kinder feines Vaters von einer zweiten Frau davon
verſchont geblleben. —
Mit dieſer Beſchreibung von Egin ſtimmt auch v. Moltke's
Bericht überein, ver noch mehr von ver Lage überraſcht war, da er.
nicht vom Thale aus der Tiefe, fondern ‚von den wilden Gebirgs⸗
Höhen der Weſtſeite fi) gegen Nordoſt dem Fratthale näherte, und
als er kaum ven ſchroffen Bergkamm erreicht hatte, das Thal des _
Guphrat vor fi fah, und tief unten im Spalt die Stadt Egin. 80)
‚Diele Stadt und Amaſia, jagt v. Moltke, fein das Schönfte,
was er in Aften gefeben babe; Amafia iſt noch jeltfamer
amd merfwärdiger, aber Egin iſt großartiger und fhöner, bie - -
Berge find gewaltiger, der Strom bebeutenver. Egin beflcht nach
ihm aus einer Gruppe aneinander ſtoßender Dörfer; denn alle Häu⸗
fer liegen mitten in Gärten, von Nuß- und Maulbeerbäumen,
son Bappeln und Platamen überfchattet; fie nehmen einen gro⸗
Gen. Flachenraum ein. Bon oben herab gefehen fcheint der Ort ganz
im Thele wein zu liegen; unten am Fuße angelommen erblidt man
Himen Shell vefjelben Hoch über ven Köpfen, auf allerlei ſeltſamen
Klippen und Felöfuppen; vie fleilen Wände des Thales find bis
1060 Fuf enwor ganz mit Obfigärten und Weinbergen bekleidet. -
Sablueliye Kleine Gebirgowafſer rauſchen herab; an einem berfelben
zählte v. Bette 5 Mühlen, von denen ver Fuß der einen immer
*) v. *18 Sriefe über Sufäube und Begebenheiten tn ber Türkei,
-
192 Weſt⸗Aſien. III. Abtbeilung. I. Abſchnitt. 5.39.
auf dem Dache ver andern flieht, fo daß dad Waller von Mb zu
Rab fiel. Welchen Anblick muß dieſes Thal in ver Blüthezeit ai
geben. Egtn iſt eine Haupiſtadt für Armenier; hieher, fagt von
Molltke, flüchtet fly Her armenifche Saraf (Banquier) mit feinem
erwucherten Schage, wenn der Paſcha, fein Principal, ihm eine due
zwei Millionen Piaſter ſchuldig geblieben, und ex fi dann etwa mit
eben fo viel Erwerb aus dem Kandel zu ziehen weiß; denn ex bei
ihn um 2 id 4 Millionen übertheuert. Dahin zieht fich ver Kalfe
oder armenifche Baumeifter, ver Bakal, oder Eßwaarenhändler, wie
ber. Sam al, over Laftträger, zurüd: denn feit Tangem iſt ed Ge
brauch, daß aus Egin ale junge Männer (wie aus Bau, f. oben
S. 300) auf 10 Jahr in vie Hauptſtadt des Meiches ziehen, dert az
der Peſt zu flerben, oder wohlhabend in ihre Felsthäler (wie he
Savoyards) zurüdzufehren. Zu dieſen Leuten gehörte unſtreitig —2
jener Banquier, der en Smith die Rachricht von Agn (f. ba
S. 638) gab.
8ier haben die Haͤuſer ſtatt der flahen archierraſſe orden te
Dächer; jedes Haus hat eine fleinerne Subſtruction, in der Riemen
wohnt, auf der aber 2 bis 3 Stockwerke ruhen, von benen ve
obere ſtets das untere überragt. Oberhalb der großen Fenſter in
den Häufern zeigt fich eine Reihe Kleiner runder Fenſter. Dies uub
vieleB andre erinnert täufchend an das Innere von Gonflantinepd,
in bem fo viele der Bewohner ihren - Erwerb fanden.
Der Hohe Schnee (am 9. April) hinderte den Offlgier, weile
am Euphrat gegen Norden aufwärts zu geben. Er kehrte auf
einem andern als. dem Hinwege, nämlich in ber Richtung —X
Sudoſt, ven Frat überſchreitend, zum Muran bei Pertek, mh
fo nach Kharput zurück. Auf dieſem Marſche durch ein frühe
gänzlich unbeſuchtes Ländergebiet kam er etwa halbwegs übte
= Aſhimiſhgeſek, eine beträchtliche Stabt, vie bis dahin noch nf
keiner Karte eingetragen war. Sie liegt ſeltſam zwifchen Feltzuun
an einem fchönen Gebirgäftrone, an deſſen gegenüberliegender Sc
eine fenkrechte Felswand von weichen Sanpflein eine Menge auf
gehauener Höhlungen zeigte, die früher Txoglopyten zu Wohuuugs .
dienen mußten. Da aber ein großer Theil ber Außen. Felaſche
| herabgeſtürzt war, ſo fiel der Blick Hoch oben, ohne allen Zugang,
‚nur noch in den Aufriß des Innern biefer Behaufungen Kia.
Nahe der Stadt fah man einen präditigen Waſſerfall, der, ini
ber Piffenache, über ven - Borfprung einer ſenkrechten Alewech
fig in einem Saul 60 Fuß tief herabſiũrzt⸗ aber aa au —J—
” “
in. \
J N PR i
Euphratfoften; Grat; Arabgir. 798
Tropfen auftgelbſt ankam. Diefe Schönheit iſt jedoch wahrſcheinlich
nur 'mit. der Zeit der Schneefchmelze vorübergehend. Die. armenifche
Geographie U) ſchreibt diefe Stadt TIſhemeſhgadzak, und fagt,
vaß fle vorvem Hierapolis, vie "heilige Stadt, geheißen. Erſt
feit der Geburtszeit des nachherigen Kaiferd Johann Tzimisces,
der bier dad Licht ver Welt erblidte, ward ſie Stadt des Tzi⸗
misces genannt, und daher ver Name, ber bei den Syrern in
. Shumufpty noch unfenntlicher geworden. Sie lag in Armenia
quarta, tm'Gau Khozan (Xolav b. Constant. Porphyr. de ad-
ministr. imp. c. 50. p. 226, 3. ed. Bekk. Vol. Ill. 1840), gehörte
aber fpäter zum Sandfhak Amid. Don dieſer Stadt wird ver
Winkel zwifchen dem Zufammenfluß beider Ströme. vollends gegen '
ED. durchſchnitten, und unter einem alten, fehr hoben Caſtell bei
Bertet der Murad aberſchruten, dem Kharput gegenüber am
Südufer vorliegt. |
6) Arabgir (Arabker bei Subfhibffean, Areblir bei Dtter);
Ercurfion noch Divrig (Tephrike, Nicopolis?).
| J. Brant nahm feinen Weg in der Mitte des Sommers von
Egin, am Weſtufer ve Frat, gegen Süd nad Arabgir; je⸗
Doch ohne ven Windungen dieſes Stromes zu folgen ſetzte, er mehr⸗
mals über fleile Berge und tiefe Thäler auf minder beſchwerlichem
Wege ald der zuvor nach Egin genommene. Derkauf nes $rat?ı)
iR Hier mehr oder’ weniger, durch Uintiefen und Klippen gehemmt,
unterbrochen ; fein Strom fann nur zum Flößen des Holzes be
nutt werben, das für dad Hüttenmerf und die Gruben von Kies
ban WMaavden verwendet wird, nicht zur Beſchiffung. Nach 6
Stunden Wegs (15 bis 16 Mi. engl), am Fluſſe entlang, verließ
man ihn gegen Wet, überiehte eine Bebirgäfette, vie nach fanftem
Abfieg zu dem erhabenen Plateau führte, auf dem Arabgir
Hegt, in einem Abſtande von eiwa 12 Stunden Wegs (30 M. engl.)
von Ggin, gegen ©. und SW. Brant hörte, es gebe vom
Rorden noch einen beſſern Weg nah Arabgir als ven zurüdges.
legten, nämlich ven über Hafan Ovah (Haſans⸗Thal), wobei
man aber Egin vermeide, und fortwährenn weſtwärts in einiger
Entfernung vom Fratthale entfernt bleibe. v. Moltke, ver den⸗
felben Weg, aber noch zur Schueezeit, Unfange April, und zwar
*e) St. Martin, Möm. s. l!’Arm. I.p. 986. 2) J. Brant 1. o.
P. 308. oo :
FE Wefsätfien, TIL Pötpeiknig. E Sofäpnirt. 1.39.
von Arabgir nach @gin zuruͤcklegte, gibt durch ſeine Beſchreibung
ein anſchauliches BVild vom Lande. Arabgir,) ſagt er, iR eins
bedeutende Stadt mit Obfgärten, in einer tiefen Schlucht; fie Dept
nicht am Brat, ſondern an einem feiner rechten Zuflüffe, vew Arab⸗
girfut, der aber faft eben fo beträchtlich an Waſſer wie jener (jur
Zelt vor Frühlingoſchmelze) war. Bon ba ging es nötelidh, immer
gegen den vom Euphrat durchbrochenen ſcharfen Gebirgsorücken ve
Munfur Dagh, ein weſtlicher Auslaufer der Dufik- Kette, hin.
Die durchſetzte Gegend iſt en Plateau, auf dem noch Schnet lag
uif eingeriffene Schluchten werden darin von vielen Bächen burg
ſetzt. Die Blmbung durch den Sonnenflrahl auf den Schneeflaächer
war bei dem ſchutzloſen Bez, ver allgemeinen türfiichen Kopftsadt,
faſt unerträglich, und nur durch ven Gebrauch der Tataren, Schich⸗
pulver unter die Augen einzureiben, etwas Milderung des empfind-
lichen Reizes zu gewinnen. Zumellen erblidte man zwei Därke,
die belſammen zu Liegen fchienen, bis man, ihnen näher gekommen,
die Schlucht exft ſah, die fie ſtundenweit auseinander Hielt. Cheges
den Frat Hin wurde vie Landſchaft abwechſelnder. ben fo bed
wie bie: zadligen Gipfel des Munfur, vie bis In den Somma
hinein ihren Schnee tragen, über die Hochebene fldh erheben, auf
der bisher der Pfad hinlief, eben fo tief fenkte fi ver Abgrem
an ihren Fuß unter fie hinab. In diefer Schlucht fließt Der nie»
liche Euphratarm tief unten, der braufende Strom eingejchlefie
von Steilmänven, vie ſich in ſteter Anfteigung 3000 bis 4000 af
erheben. Unten ift das Thal fo eng, daß ver Fluß es gan au
füllt umd der Weg in den Fels ‚eingehauen und eingefprengt mer
den mußte. Diefer Steinpfab, der oft fehr hoch auffleigt, blldet im
Winter nie einzige gengbare Straße von dem armenifchen Godplauke
nach Kurdiſtan, recht für Maulefel, um am äußerften Rande bei
Abgrunves Hin zu traben. Den fleilm Winsungen folgend img
die Thiere in einigen. Minuten unter bie Schnerregion hinab, in
‚eine bebagliche Temperatur. Die Nacht überrafchte die Reiter. Ei
mußten zur Höhe hinaufklimmen in das nahe ſchͤne Dorf Kaba⸗
nos. Es mar Heiler Mondſchein, unten glänzte ver Frat, ben
ſchloſſen die Schneegipfel ihren Kreis. Bon Kabunos wurde uw
auf ven Fußwege längs ter Thalwand, 1500 bis 2000 Fuß pub
recht über dem Fluß erhoben, bingerktien, zu dem man fü. dia
lich hinabſenk. Die Felſen traten nun immer naͤber —
| 908) 9, Moltie, Briefe x. a. a. D. ©. 857. | “or
w
Euphiatſyftem; Frat, Arabair. 795
fie nothigten an einer fcharfen Wendung bes Sttoms den Thalweg
zu verlaffen und im endloſen Zicdzads eine ſehr beveutenbe Höhe zu
esfleigen, von deren füharfen Kamme man nun ven Cuphrat unter -
fü liegen Hatte, aus deſſen Tiefe vie Stadt Egin herauffleigt, von
veten Lage ſchon oben die Rede war.
Egins amphitheatraliſchen Bau über dem Cuphrat Bat ung
der franzöfkfche Neifende und Akademiker Otter bewundert, der Im
Jahr 1740 bis dahin vordrang und dann auf einem von ihm als
furchtbar, und siegen‘ ver Kurdenräuber gefahrvoll beichriebenen,
wilden Gebirgewege in 2 Tagen weſtwaͤrts bis nah Divrigat®)
vordrang. Diefer Ort und diefer Gebirgsweg ift, mie es fcheint,
uach ihm von keinem Europäer wieder befucht worden. Er hatte
ven Weg nah Egin (das er Eguin ſchreibt) von Arabgir
(Asebkir Bet Otter) in einem Tagritt zurfidgelegt. Auch Arab⸗
air fol nach ihm nur zwei Tagmärfche in Of von Divrigui
Zegm (mac Annsworth 7 geogr. Meilen), ein Ort ver in N.W.
auf de Straße na Siwas, 3 Tagmärfche vom diefer Stat
entfernt, and nur wenig gekannt iſt. Divrigui Miegt,%) nach
Dit, 2 Tagreiſen in Of von Simas, aber auf der Weftjeite Des.
Berges Tſhitſhek dagh, d. h. Blumenberg (was v. Sam⸗
mes") für eine türkiſche Verſtümmelung ber alten Benennung .
Skydiſes Yalt, in veffen weſtlicher Verlängerung er allerringe
Best; |. ob. S. 742). - Divrigni liegt auf ver Nordſeite deß Ha⸗
fan Daghe, gegen Süd an den Diftriet von Malatia ſtoßend.
Gier Hegt die GStadt am Ende eines von zwei unfruchtbaren Bellen
. gebilosten Thales, mit einem Fort, auf hohem Berge erbaut. Das
VLghal zieht zwei Stunden weit, iſt voll Gärten, trefflich bewaͤſſert.
Der Fluß fließt am Hafan- Berge vorüber unv fält in einem alte
wen Fluß in Nord von Egin; Heine aber gehen, bald unter dem
NRamm Keumar fu oder Kymyr fa vereinigt, unter einer Holzbrüde,
Kamakh gegenäber, zum Euphrat. In jenem Thale it es auch,
weh Nicopolis, die Siegesſtadt, verlegt wird, die Bompeius
„an der Stelle erbaute, mo eu das erfiemal ven Mithrivates
beſlegte. Sie Heißt Hei den Armenien Dinrig,%) vaher fie bie
Byantiner T ephrite nannten. Bei Procopius (de aedif. II. 4.
——
ej Otter, Vor. I. p 205, 308. °*) Cbend. II. p. 8B6.
®5) 4, Damme, Drmanife Erle. EL ©2368, **) ge Martin,
Möm. s. !’Arı. I, p.188; Mannert, Geoar. d. Gr. u. R. TH. VL
.2.&, 318; J. A. Cramer, Geogt. and historie. description of
Asia nilien: Oxterd, 1839. Vol. H, p. 150.
796 . WefisAien. III Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.39.
p. 253, 18. ed.’ Dind. Vol. II.) wird fle aus alter Zeit noch Ni⸗
copolis genannt, ald Kaifer Iuftinlan dieſem verfallnen Orte Ar
J meniens eine neue Feſtung erbaute, zu gleicher Zeit wie zu Se⸗
bafte (d. i. Siwas). Mber Eonflantınus Worphyr. (de
thematibus Lib. I. ed. Bekker. Bonn. 1840. Vol. III. p. 31, 16.
nexo: Nıxonökewg xai sjg alovneıng Teppxäg) felı ven
armenifchen Namen ſchon mit ven römiſchen des Pompeint
zufammen, weldyer letztere aber bei den’ folgenden Byzantinern (3. ®.
Cedreans, Hist. comp. Vol. II. ed. Bekk. p. 154, 21; 206,
11 u. 0. D.) ganz vergefen wird, mo denn nur nad) der Ram
Tephrike übrig Hleibt. Dio Caſſius (36, 6. $. 47.) fagt, 2}
Pompejus den Sieg gegen Mithrivate® an der Grenze gegen
Armenien auf einer rings von nicht gar zu hohen Bergen die
gefchloffenen Ebene erfochten Habe, und eben bier feine Sieget-
ſtadt für die unbrauchbar gewordnen Soldaten erbaute, zu bene
fi aber fehr bald darauf gar viele Einwohner ver Umgegend ebe⸗·
falls niederließen. Mithridates entſchlüpfte nur fo eben. fdas
damaligen Niederlage und entfloh von da, die armeniſche Grenx
des ihm feinpfelig gewordenen Tigranes meidend, Über bie Gebirge
nad) Kolchid und zum Bosporus. |
| Strabo (XI. 555), der diefe Gegenden genau kennt, ſchilder
fle ganz fo, mie wir in obigen Berichten ihre wilde Natur anf
heute noch Eennen lernen. “Der ganze Paryadres (die gegen ®.
fortgefegte Dujif- Kette, ſ. ob. S. 734), fagt er, bat bei feine
Waſſern und Wäldern, bei feinen zahlreichen Xiefthälern und wii
zerrijfenen Feloſchiuchten ſehr viele Natur feſten, deren ſich anf
Mithridated zur Anlegung ſehr vieler künſilicher Schlofſer es
weniger als 75 gibt Strabo an, von denen er die wichtigften, die
ihm auch als Schaßhäufer dienten, mit Namen belegt, wie dies mit
Ant bei den Arfaciden ver Fall war) bediente. In der Außerfim
| Roth, von Pompejus an die. ®renze ſeines pontifchen Meike ww
. folgt, nahm er feine Zuflucht zu einem viefer Berge, der mit Kia
vorrath verfehen war, und, bei Daftira (Saorepa) Alk
nicht fehr fern vom Euphrat (hier offenbar auf defien We
feite) .Iag, der Kleine Armenia von Alilifene trennt. . ie
verweilte er jedoch nur kurze Zeit, weil er von Pom pejus ze
Flucht gendthigt war, die er much Kolchis ergriff. An werſclka
Stelle aber in Klein» Armenia erbaute Pompejus die Rice
poliß, die auch zu Strabos Zeit ein angenehmer‘ Bepdert wer.
Mir vieler —* ver Weecitãt von Divrig Rimmen: arch die
Euphratſyſtem; rat, Arabgir. - 797
meiſten Angaben ver Alten und Neuern?”) überein, nur ver Autor
ber Acta Martyr. bei Wefjeling®) fagt, daß Nicopolis nur 6
töm. Meilen fern vom Fluſſe Lycus gelegen fei, was venn jener
Lage von Divrig widerſpräche und eher auf vie etwas nörvlichere
Enderes, vie im Süden von Kuleh Hiffar, und auf der Süpfelte
des Defpil Irmak (Lycus) gelegene Stanf, paflen würbe, wo nad
E. Bores Entdeckung 9) auch Inferiptionen den Angabe des Procop
widerſprechen follen (ſ. unten). Von Ainßworth0) Haben wir
zuletzt eine Nachricht uͤber Divrig (Diwrifi b. Ainsw.) erhalten.
Er nahm den directen Weg von Arabgir dahin, und brauchte
dazu 11. Stunden Zeit; die Diſtanz gibt er zu 7 geogr. Meilen
(38 Mil. engl.) an. Von Arabgir erftieg er gegen N. W. fogleich
die kühleren Berghöhen von Arab Baba, vurchfehte einen 80
Schritt breiten und 1 Fuß tiefen Gebtrgäfkrom, der vom Sarit⸗
ſhitſhek⸗Gebirg (vd. H. höchſter Pik) herabkommt, und mit vie
fem gleichen Namen trägt, weiter abwärts gegen SD. aber ſich
mit dem Arabgir fu vereint und zum Euphrat ergießt. "Der
Strom kommt von dem Gebirgäthal des Dorfes Beraſtik herab.
Ainsworth folgte dieſem aber nicht, fondern überflieg gerade ans
das waldreiche Kalffleingebirg, kam dann in graflge Ebenen eines
Baſaltſtrichs, ver vie öſtliche Fortſetzung jenes Gebirgszuges
bildet, auf dem die Kurden vom Akjah Tagh bis hieher ihre Heer⸗
den auf die Weide trieben. Jenſeit wurde ein tiefer Paß durch
Trachytfelſen durchſezt, und über den Erumbet Tagh die Stadt
Divrig, an einem Zubach des Kymyr fu, erreicht. Die Stadt
bat einen Bey und 10,000 Einwohner, darunter 2000 Chriſten,
nad Ainsworth (im Jahr 1839). Die Lage ſoll noch ſchoͤner
als die von Arabgir fein,.offener und freier, im Norden vom hoben
Dumbugh Tagh begrenzt, im Süden vom Erumbet, gegen W. vom
Yamur Tagh, im Oft von Felswänden. Das Strombette liegt vol
von großen Blöden von Magneteifenftein. Der Fels über ver
Stadt trägt eine große Caſtelruine mit Doppelmauern und faraces
nifdiem Bauwerk. Dus Portal ver Mesjin zu Divrig hält Ains⸗
worth für eins ver fchönften, im blühendſten Styl faracenifcher-
Architektur in ganz Weſt⸗Aſien. Auch ift darin cin Mihrab, d. i.
eine Kanzel, in teefflichfer Arbeit nur dem des Al Iowelah in Mo»
a) Mannert, Beast, d. Gr. u. R. Th. VI. 2. ©. 317; Cramer,
Asia minor II. p. 150. Ä 26) Wesseling, Itin, Antonin. in
Bieroclis synecdemus p. 703 not. E. Boré Corresp.
I. p. 367, 393. ) Ainsworth, Travels and res. II. 0. 68.
‘ “ >
\ n
798 Weſt⸗ Ai, TIL Abtheitung. I. Abſchnitt. 39.
ful zu vergleichen. Die Gebe von Divrig blleb im Miitieieie
unter den Byzantinern ein wunder Fleck ihrer Herrſchaft, va ſih
festwährenn empdrerifche Sertiver (Manichier, Baulider m. a.), bie
an ven arabifchen Eroheretn eine Stüge fanden, fich dert be
haupteten. Sie wurde von ben Gelufhufen beſetzt, und dleſes Im
Jahr 1243 von den Mongolen entrifien. Später kam fie an wei
"Ganvfhalat von Siwas. Zu Dtters Zeit (1740) ſtand ihr cin
Kurben-Aga nor. Er Hörte, daß in Oſten der Stadt, in einmm
der bostigen Berge bei dem chrifllichen Dorfe Klesme, ſich reiche
Eifenminen vorſinden follten, und ihnen in N.W. gegenüber
trefflicher Magnet ſtein. Zwei Tagreifen in Süden davon, gegke
Die Grenze des Diſtrictes von Malatla, llege Derende 1) (Des
ranta ver Armenier, Turanda der Syrer), wit einem flache
Fort und einem hoben Felſen, der wie durch Menſchenhand gefyeh
tem erfcheine, um dem Fluſſe Akſu (Ak’ [su bei v. Hammer) ein
Ganal zu eröffnen, der auch wirklich hindurchfließe in ven Ou
Son wird weiter unten, nad Alnsmworths Beiuche, 2) We
Rede fein, da der Alſu Bein andrer als der Tokma fu fein kan
Von dieſer Abſchweifung nach ven benachbarten hiſtoriſch e
merkwürdigen und doch früherhin fo wenig erforſchten Dinrig
ehren wir nach Arabgir zurück, das weniger berühnnt me,
bei Armeniern ſchon frühzeitig Arapger hieß, bei Byjantiners,
aber unter bem Namen Arabrake (ziv ——— X
Const. Porphyr. de thematib. I. 31, 13. ed. Bekk.) ver
den wird. -
Bon viefem Arabgir, hörte. Brant ) felen 14 Rarawın
Zage n nah Aleppo (270 engl. MU.) und 11 vergleichen nah
Trebizond. Das Clima daſelbſt fei fireng wegen feiner Hofes
Lage; im Sommer Fühl, im Winter kalt mit vielem Schnee. B%
Erntezeit Mitte Juli, alfo 2 Monat fpäter ala z. B. Die Gef»
ernte in Suyrna, dad nur wenige Meilen ſüdlicher liegt. De
iſt der Boden um Arabgir fruchtbar, ver Walzen gibt zurätffediet
Korn, die Ouantität ift wegen ber vielen Kfippen nur gering, ab
blos für einheimiſche Conſumtion hinreichend. O bſtwalbd ut
die ganze Stadt; weiße Maulbeeren find au hier eine Geuhb
nahrung wie in Egin. Der Ort zahlte 6,000 Käufer ut 4
ser) Otter, Voy. II. p. 306; v. Sammer, Aflat. Türe, U 3. 1SBL
MX x. 6. 4. 2) W. Ainsworth, Notes ea a in
J. of Rey. Geogr. Soc. 1541. Vol. X. P. 8. b· au. ya
L & VI. » N.
\
=
|
|
i
Euphratfoftem; Frat⸗ und Murod⸗Verein. 79
sBlemitähen und 1,200 armesdichen Familien. Diefe letztern follen
eiſt Fabrikanten von Baummollenzeugen aus englifchem
arn fein, das erft feit Eurzem bier eingeführt iſt. Diefe Manu
ctur bat ſich daſelbſt ungemein ſchuͤell ausgebreitet; es follten eben
hon an 1,000 Webſtühle in Gang ſein. Ueberhaupt iſt der Ort
a Aufblühen; nah J. Brant eine der intereſſanteſten Städte im
anern der armenifchen Luandfchaften. Ainsworth,:*) der ven
rt im 3. 1839 ſah, beftätige die Angabe von veffen Gärten, dem
hönen Elima, der gefunnen Luft, von dem Geſchick feiner Bewoh⸗
er und von ihrer Induſtrie; er fagt, daß fle häufig als die beſten
temer nach Aleppo auf Erwerb andgeLen; gibt aber doch ver Stabt
000 Seelen zu Bewohnern, davon 6,000 Armenier fein- follen.
a8 enge tiefe Thal, in welchem Arabgir, das auch Arab kall
mannt werbe, liegt, habe von den ſchwarzen Baſaltmaſſen,
e feinen Cingang bilden, den Namen Göl Tagh und Kara
aba .erhelten.
Im Diſtrict Divrig, gegen Norden, auf dem Wege von
rafan Ovah Hirte Brant von Eifenminen, bie aber jet
Icht regelmäßig bearbeitet würben; wer wolle, £önne Erz zum Ver⸗
ymelzen haben, was auch Ainsworths Nachricht vom dortigen
tagneteifenflein beſtätigt. Es fei aber Leine größere Arbeit im
Jange. Bei einem Orte Zeitun, am Wege der nach Uleppo
ihrt, follen andere Eifengruben liegen, vie dagegen regelmäßig
arbeitet wurben, und welche das umgebende Land mit einem
Retall von trefflicher Qualität verjehen.
) Weg von Arabgir zum Eupratverein bei Kieban
Maaden.
Der Weg von Arabgir fünmärtd, nur ein Tagarſch nach⸗
jeban Maaden, gebt, nah I. Brant, 5) über eine wellige,
ffene, unbebaute öde Landſchaft, die nur ſparſame Sutterfräuter für
Inder und Schaafe trägt. Ehe man auf diefem Wege, an d_gecgr.
Reilen (20 Mil. engl.) weit, wieder daB rechte Ufer des Frat er
icht,, - paffirt man nur durch ein einziges Dorf mit etwas Gultur
aber (ob etwa Rifhevan? wie Otter6) dort am Verein einen
st nannte, ber von feinem neuern Reiſenden geſehen worden iſt;
*, W. Ainsworth, Travels and researches in Asia minor Fr
Lond. 1842. Vol. II. p- 9. ®) J. Brant, Journ. l.c. p. 206
°) Otter, Voy. II. p. ah und v. Hammer, “a Türlei, in ®.3.
1831. Br. MV. &. 86
500 Weſt⸗Aſien. III Abtheilung. I. Mbfcnitt, $. 39.
fo daß mir vermuthen mäüffen, der Ort babe gar nicht exiſtirt, jew
dern es fei nur der Name eines Kurdenſtammes, Riſhwan, da
mit dem der Reſhi auch anbermärtß, am obern Euphrat, genannt
wird).7) Hier ſtoͤßt man auf die einzige ſchon oben genannte große
Militärftraße (f. ob. S. 106, 702), vie von Samfun anf,
alſo vom Pontus ſüdwärts, auf Reſchid Mohammed PBafchet
Befehl nach Kharput gebaut ward. Die-Eile, mit der fie gemadt
war, fühlen ihr, nad) Brants Urtheil, Eeine große Dauer zu verfpe
ben. Hier envlich vereinigen fich beide Hauptarme. „Der Weſtarn
rat, over Rara fu ver Türken, und der Oſtarm Murantfhel
der Türken; doch behält der vereinte Strom bei ver heutige
Anwohnern noch immer den Namen Murad tſhai, bis abında
bei Bir dieſe moderne türfifche Benennung allgemadh ber ältefes
Benennung Frat weichen muß, an die fo viele ehrwürdige Gxiume
zungen gefnüpft find. ° Zwei Stunden unterhalb des Verein #
bie Fähre, ein plumpes Boot, über den Strom, der bier 120 GR.
breit, tief und reißend iſt, welche nach dem Siãdtchen Kjeba
Maaden am dftlichen Euphratufer Hinüberführt.
Diefer Ort Tiegt eine halbe Stunde von ver Fähre in einn
Schlucht, welche ein Bergftrom durcheilt, ver nur eine ‚gering
Strecke unterhalb ver Bähre zum Euphrat fällt. Die Stadt m
dankt Ihr Entſtehen offenbar erſt der nahen Stibergrune: ven
ein -andrer Grund in einem völlig dden, baum⸗ und firandlefe
Bergwinkel ohne alle Spur von Vegetation fei, meint Brant, ſu
ihre Entftehung gar nicht vorhanden. Die Zeit ihrer Grob
‚und der erften Aufnahme ihrer Metallgruben ift uns unbckamt
An der. rechten Seite des Frat⸗Flufſſes, Ihr gegenüber, feat,
nad allen Itinerarien bis zur Tabula Peuting., »ie Lage des in
Dadcuta geweſen zu fein (Ptol. V. 7. fol. 127), vas nah Fin |
VI.20, LXXV. M. pass. von Zimara in.Armenia minor, DI
15 geogr. Meilen von Zimara abmärtd am Euphrat Tag, weiih
dieſes Zimara zwiſchen die heutigen Egin und Kematg, e
‘etwa 36 geogr. Meilen abwärts der Bratquellen im N.D. von &
zerum, zu liegen fommen würde. Wir erinnern jedoch *28
daran, daß wir dieſes Zimara der zweiten Erwähnung tel
Plinius feineswegs, wie Mannert 8) und ale frühern Geg»
phen, für identiſch mit dem anige Bell vorher vom a es
| vr, v. Hammer, Klare Türkei, im ®. * 1531. 8,0. 6 ®
*) Rosa, 8... AH. 6 0
Euphratſyſt.; Kieban Maaden, Eilberbergwerk. 801
wähnten Zimara in Armenia magna halten können, has nach
Liciniaus Mueianus nur XII. M. pass. unterhalb. des Capotes-
Berges (f.’0b. ©. 81), d. i. nur 24 geogr. Meilen, aljo. ganz nahe
dem Urfprung des Euphrat liegen folte, movon auch in
der folgenden Anmerkung die Rebe jein wird (j. unten). Die
Kluft, in der Kieban Maaden liegt, wird duch den Zufammenfluß
zweier Bergketten, die fi im fpigen. Winkel treffen, gebildet. So
Heiß es auch hier im Sommer fein mag, ſo gewaltig ift doch im
Winter der Schneefall, ver die Begend verfi. Die Bewohner des
Stäbtchens, an 400 bie 500 Zamilien, find. in Arbeit over mit
Auffiht der Mine beſchäftigt; der größern Zahl nach. follen es
Griechen fein, Gebirgler, zwiſchen Trebizond und Gümiſhkane
{f. 06. ©. 272) zu Haufe, aber auch Urmenier und Türken.
Diefe letztern find die Directoren, vie Armenter die Handwerker, vie
Griechen find, die eigentlichen Grubenarbeiter. Handel fehlt ganz.
Die Dine hat filberhaltiges Blei, ſchien aber, nach dem brili⸗
ſchen Reiſenden, dem Gouvernement fehr wenig einzubringen.
Schon in zer Mitte des vorigen Jahrhunderts, ald Otter?) viele
Gegend beiuchte, fand er dieſe Minen noch fchlechter in Stand, als
die zu Arghana am Tigris (j, ob. ©. 101). Nur 8 bis 10
Scämelzöfen waren in Arbeit, fein Holz, Bein Proviant bier. Das
Mehl zum Brot wurde mit Sand gemengt; die Hige war furchtbar,
Der Ertrag des gewonnenen Goldes und Silbers unbebeutend, da⸗
mals wie auch heute. Diefe Silberminen find auch jegt10) noch
im elendeſten Zuſtande. Die Türken bejchönigen dies mit der Aus⸗
fage, das Holz, welches zum Schmelzen auf die Mine verwendet
wird, koſte ihr nichts, denn der Wald gehöre in ver ganzen Türs
kei Niemand, oder Jedermann. Aber das Hiefige Holz muß noch
vazu viele Tagmärfche weit hergebracht oder hergeflößt werben.
Auch das koſte nichts, fügen fie, denn dad fei Frohndienſt. Aber
des gewonnenen Silbers fei jo wenig? Das fei aber doch reiner
Gewinn! — Wollte man jedoch, bemerft v. Moltke, ven Werth des
Brennmateriald und ber Handarbeit in Rechnung bringen, fo würde
man wol zu dem Refultate kommen, daß die Koften der Bearbei⸗
tung biefer Minen den Ertrag verfelben um das 3 bis Afache überfleige.
Oſtwaͤrts von dem Städtchen fleigt man gegen, 4 Stun
zen Wegs die Bergichlucht aufwärts, ehe man aus ihr heraustritt
in eine zwar noch immer bergige, aber doch mehr offene und weit
| 5 Otter, Voy. II. p. 283. 16) v. Moltke, Briefe a. a. O. 6.21.
Ritter Erdkunde X. Eee
802 Weſt⸗Aſien. II. Abthellung · I. Abſchnin. 139.
fruchtbatere Landſchaft, aus ver man nach einer gleichen Wegſterke
immer gegen Oſten, im die reiche, prachtvolle Culturebene voll Darf
ſchaften eintritt, in deren Mitte ſich ver ſcheidende Bergzug erhebt
der in einer Ferne von 6 geogr. Meilen (30 Mil. engl. im Sinef
von jener Silbermine) mit der Feſtungsſtadt Kharpur gekrdat MR
vie alle ihre Umgebung weit beberricht. |
Pat! Lucas, der im Jahr 1700, von Malatia Fomment, m
verſelben Führe auf einem fehr fchlechten, waſſerſchͤpfenden Boste Me
den Euphrat ſchlffie, muß wol denſelben Landweg genommen Yabaı;
wie er fagt, über Berge, Wal und Quellen. @s ging an cm
guten Feſtung vorüßer, die, auf einem Fels über dem Fluß, in gutem
Stande zu fein fhien, aber ohne Einwohner war. Er neunt fſe
nicht; es kann wol Reine andre ale Kharput gewefer fein. M
führen dies nur an, well’'er bemerkt, daß er außerhalb ver Web
dung dieſer Berge zu einem antiken Tempelit) gefommen fü
der feht Schön war, obwol er In Ruinen Ing. Die Türken Heim
ihn in eine Moſchee verwandelt. Bon da blickte man auf den ib
zu 30 Schritt verengten Euphrat. Nach ihm fcheint Rinne
etwas von diefem Tempel wieder wahrgenommen zu Haben, See
Localltãt von folgender Reiſenden beachtet zu werden verbiehte,
Kommt man auf dem Wege von Siwas, d. i. sm RE
4 Tagmaͤrſche fern, zu dieſem Euphratvereine, fo bat man eh ih
große Taurudfette, die Im Welten des Frat gegen vie Ume
nus⸗Ketten ſüdweſt wärts forıflreicht, zu Überwinven, ehem
das Euphratgebiet ſelbſt erreichen kann, dem nun alle Waſſer wm
ber Shd- und Südoſtſeite viefe® Querzuges zufallen. Die
if die Fortſetzung des bei den Türken genannten Tfhitfhet
Dagh (f. eb. S. 797) oder Sari Tſhitfhhek, gegen Dbärke
Bin, wie des hoben Uluku Jaila, 12) Leilef Dagh, Well
Dagb und anderer Gliederungen deſſelben Kettenzugesiui
SB. gegen N.O., von denen vie am weiteſten gegen Wer zug
rückte, der Delttig Taſh, d. h. der dutchbrochene Stein; li
Tagreife im Oſten von Siwas, zugleich die Wafferfgeiue ii
zwiſchen dem Kizil Ir mak (Galys), der zum Pontus zieht mie
Euphratzuflüſſe, zumal ver Zuflüſſe zum ſüdllhen Totaniſe,
Br unterhalb des Vereins bei Malatiyah zum Euphrat füR
- Einen Tagmarſch im Often von Siwas erreicht man, nach Sn
a FE! . ’ - Tau
——— —
#48) Paul. Lucas, Voy. au Levant l. c. L p. 208. 2. | nn
u a. D. ©, 38T. u ? 4 In
N
— AM DENE EEE mm nn
_ m
eupbrarfften: Weflerfheide Delikte Taſh. 803
Diem Steigen über Gochebenen, ſchon jenen Delikly Lafh; es acht
an einer Tchönen, fehroffen Feloklippe voräber, und man hat vie Waſ⸗
ſeeſcheide zwiſchen dem fhwarzen und mittellänpifchen
Meere erreicht; vie hoͤchſte Stufe dieſes Antitaurus ver Alten,
ach v. Moltke, wo am Derbent13) oder dem Paßthore ein
Möhned Odrfchen deſſelben Namens, früher ein Raubneſt, 8 Mo⸗
wet Winter haben fol, 5000, ober nad o. Mühlbach ſelbft
7089 Fuß und vielleicht mehr, Aber dem Meeresſpiegel erhaben.
Man ſah das Fundament eines feſten Schloſſes zur Behauptung
ves Paſſes, der einſt von einem Dere Bey, oder Thalfürſten,
deherrſcht ward. Aber Reſchid Paſcha Hatte neuerlich dort einen
Ayan, eine Art Markgraf, eingefeht, um vie Sicherheit ver Straße
ya bewachen; Bei ihm fanden die preußifchen Officiere gaftliche Auf⸗
nahme, ein erwaͤrmendes Kaminfeuer unter einem platten Dach mit
Erbbecke über Fichtenflimme gebreitet, und von Holzfäulm In dver
Ritte getragen; das Innere durch faubere Teppiche, Polſter und
Abendeſſen ganz wohnlich gemacht. Als Dupre im Jahr 1808, -
am 27. September,2*) Gier vurchpaffirte, war eben erſt die Ernte
Mm Gange und das Korn ftand noch uf dem Halm; fo fpät fält
Wer Die Herbſtzeit.
Der folgende Tagmarſch brachte nur 10 Stunden weit über
eine fanft gegm Süp geneigte, aber an fi fehr hochliegende
Cbene, die, fo weit das Auge reichte, Mitte März nichts als blen⸗
bern weiße Schneeftächen in ver Nähe und Schneegipfel In der Ferne
zeigte; Feine Spur von Vegetation war Hier noch erwacht, und was
fi davon zeigte, waren nur bie und da in Felsſpalten geſchützte,
verkruͤppelte Fichten. Der Schnee, aus dem fich hier die udrdlich⸗
ſten Quellen des Kaſykli fu entipinnen, des von Nor herabkom⸗
menden Gauptzufluffes zum Tokma fu (f. unten), lag überall 4
Fuß hoch, doch Durch die herannahende Frühlingsluft ſchon aufge»
todert und um fo ſchwieriger zu paffiren, da er faum noch den
Sußgänger trug. Während des Winters hatten die Saumthiere el⸗
nen Fußpfün gebahnt und feflgetreten, jegt die einzige, etwa 2 Fuß
breite, feftere Bruͤcke, auf welcher fich die Reiter in einer Tangen Linie -
ziötfchen dem Schneefelde fortbemegen konnten. Eine zum Unglüd
degegnende andere Karawane auf diefer engen Dammſpur brachte
nun den. größten Aufenthalt und wahre Noth. Denn die audwei⸗
— —
ie) v. Moltke, Briefe, a. a4. D. &. 209; v. Nihlsade we:
24) Dupre, Voy. en Perse. Paris 1819. 8. T.
an:
804 Weſt-Afien. III Abtheilung. I. Mbfhnitt. .30.
chenden Kameele, wie beladene Roſſe und Führer, glitten und für.
ten zu beiden Seiten, Alles abzuladen und umzupacken half auf
nichts; bald lagen die Verunglüdten mit den Ballot® wie Trummer
gefcheiterter Schiffe umber, und die Pferbe waren meift nad) ben
Durchbrüchen und Stürzen mit blutigen Spuren bezeichnet, ba ber
nom vorigen Negentage halbgeſchmolzene Schnee wieder zu ſcharfen
Eiskruſten erhärtet war. Solcher Noth entronnen mußte man frf
fein, nur noch Schritt vor Schritt, wobei das Stürzen ver erfäpp
ten Thiere nicht aufbörte, die dann am Kopf und Schweif wen
den Saradihes (Bührern) barbarifch angepadt und mit dem Kantiis
emporgehetzt wurden, vorwärts rüdend gegen Abend das Dörſche
Alladſha Han noch zu erreichen. Es iſt dies außer noch cum
das einzige auf der ganzen Strede von Siwas bis hieher (20
Stunden), wo man ein Unterfommen beim Mollah finden fonnte. U
led bis dahin ift Eindve, den Näubereten, früher ver Turfomanum,
jegt der Kurven, audgefegt, daher die Hane oder Khane mit ihew
Hütten feftungdartige Berfchanzungen bilden. In viefem Zufleniı
fand auch Dupre 15) das Land; zur Herbfizelt meiſt nur win
Hügel, in denen Escorten nothwendig waren. Es folle Hier, exfah
er, viel Eifen und Kupfererz geben; an einem Ocherberge mi
ſchwefelhaltiger Erde ritt er vorüber. Das Dorf Allapfha Khas
fol vom Sultan Murad auf jeinem Feldzuge gegen Bayazed bes
fein, und von den großen fihönen weißen und blauen Steinen fe
nen Namen haben, aus denen es aufgebaut ift (Alladſh, d. h. bui
Am folgenden Tage, ven 14. März, wurde von den preußiſcha
Offizieren ver Ritt über diefelbe einförmige öde Ebene, die noch pe
dem fidher 4000 618 5000 Fuß hoben Plateau 16) des mittle⸗
ren Kleinajiend gehört, 6 Stunden weit, doch meift ſchos da
Senkung eines Guphratzufluflies abwärts folgend, fortgeſegt iint
Haſſan Tſheleby. 17) Den Zufluß nennt Dupre. Kirs
tſhai, d. h. trodner Fluß, und ſagt, er ſei der Grenzſtren
zwiſchen ver Provinz Sivas und Kieban Maaden. Die tür⸗
tifhe Geographie läßt ihn von Kan tagh entfpringen, ge)
nennt ihn Kirkgös, d. h. die ein und vierzig Queilen 9
Dies türkifche Dorf am Abhange eines engen Thales dieſes Bu
tſhai, mit feinen Hütten in bie Erde hineingebaut, zeigte nur. I
s18) Dupre, Voy.-. c. I, 10) v. Moltke a. a. O. cr
17) chend. ©.212; n..v. tions vr ,!).
Tür m ©. 3. 1b. XV. 6 7 N
* X
Euphratſhflem; Kuru tſhai, Hekimhan. 805
Abſtufungen von Erdterraſſen, über die man hinwegzog, ohne zu
| ahnen, daß man über die Dädyer der Häufer reiten In Gefahr
wear, buch den Rauchfang oder einen Einbruch in ihre Mitte hinab⸗
ı zueflüsgen. Diefe Bauart, vie wir an der Ofl- und Nord⸗ und Süd⸗
ı grenze Armeniens ſchon hinreichend beſchrieben (f. ob. ©. 432, 682,
; 697, 770),. beginnt alſo bier fchon auf ver Weſtſeite des Eu-
ı phrats. Bon da führte ver Weg aus ver dven Einfdrmigkeit, die
: mr buch wenige Weiden und Pappelbäume am Flußufer unter
brochen wird, wieder durch das tiefe Felſsthal eines ſchäumenden Ge⸗
birgsbachs zwiſchen ven ſchweizeriſchen Winterhöhen des Orde han
Daghs und des Surbchan Daghs hindurch, wo nun ſtatt der
Böen Schneetreppenwege in der größeren Tiefe eine gemächlichere
Stratße fülgte. Diefe Berge des Engpaſſes befichen nad Dupre
aus Kalkſtein, darin auch Kohlenſchicht en 19) fich zeigen follen.
Noch lagerten zu beiden Seiten mächtige Schneeberge, aber es wehte
Schon mildere, italiſche Luft aus ver Cuphrattiefe entgegen; beim
purpurfarbigen Uintergange ver Abenpfonne erreichte man den Blef-
— Een Hekimhan mit einer Palanke oder Feſte, wo man eine Her⸗
berge beim Mutſellim fand. Der Hof des Gans oder Khans iſt
son einer Mauer umfchlofien, und ſchützt einige Dutend Hütten mit
einer Moſchee und einem Babe gegen plöglichen Naubüberfal. Zur
Sommerzeit ein lieblicher Aufenthalt, uber doch auch ſchon wieder
im Herbſt 20) einförmig und oͤde. Als v. Moltke zur Herbſtzeit,
am 3. Ortober, dieſelbe Hochebene von Hekimhan nach Delikly Taſh
paſſtrie, Rand das Kom noch auf dem Galme, die Leute ſchickten
fich erſt zur Ernte an, und ſchon war einige Tage zuvor Schnee
gefallen. Das Fruhiahr fängt Hier fehr fpät an, und bie Ernte
zieht ſich bis in ven Winter Hineln. Bei Hekimhan fpaltet fich
die Günfraße nach Malatia von ver Oftfiraße nah Kie-
kan Maaden, die v. Moltfe verfolgte. Iene nahm: Dupre,
ven wir weiter unten begleiten werben, fo wie 3. Brant im Jahre
1835, der bieher von Malatia (nad ihm 7 geogr. Meilen oder
36 Mil. engl. fern) kam, ‚aber in Hekimhan gegen Wehr nad
Gurun zu den Quellen des Tokma fu abbog. 21) Er gibt dieſem
armen Flecken 250 türkifche und 35 armeniſche Yamilien zu Bewoh⸗
WM. : Das Caſtell fol alt, im perſiſchen Styl, von einem Doctor
"=00y Daprs, Vor. 1.p.58 20) o. melte 0. a. O. ©.808. I
sı) J. Brant, Journey 1885, im Journ. of R. G. Soc. of London
1886,. Vol. VI. p. 21 2. |
J
B _e u
806 Weisen. IIL Abtheilung. I Mofgeikt, (39.
(0. i. Gatim) erbaut fein, daher fein Name. Auf ben aut
Kaltfleinboven umher werben nur wenig Früchte und Taback ge
Saut. Die Weintraube Hat-bier aber ſchon wegen ber firengen
Bisterfälte ihre Grenze gefunden. Der Weizen giekt 6 Dis Be,
| Sen Ertrag. Der Kuru ıfhal war hier gürteltief.
Am folgenden Tage, den 15. März, ging es durch Hefe. Wi
ſchluchten und baumloſe nackte Bindven zu ver Gähe des Uge
rula Oglu, von: dem über die niedern Bochähen, gleich den Ben
alpen der Schweiz, ſich die weißen Hochketten des Taurus u
AntisTaurıs mit ihren zadigen Formationen tm Morben a
Meften erhoben, indeß ver Blid gegen Ofen, am Fuße eines M
Ien Berges, in der Ziefe auf ben breiten Spiegel des Gupkeki
füel, der son hier aus zum erſten Male exhlidt wire. Gin Aut
Ritt von 16 Stunden, aftwärts von Hefimban, Hatte aäuik
bis dicht an den Euphrat zum Kurvendorfe Sarai Oſhik p
führt, we fchlechtes Ouartier, aber von wo das nächte Del 1
erreicht war. Kurdiſche Frauen fah man hier im Brei us
ſchen zwei kleinen fenfrecht in die Erde geſteckten Pfſhichen, vd
einfachſten Webſſtuhl, gang Hübjche wollene Aeppiche ſerizea
Zwar verhüllten fie das Angeſicht, als aber bie Kiuder wit da
paar Muͤnzen beſchenkt wurden, ließen fle ihr fChwärzlichSeuuml,
nicht ubles Ungeficht ſehen, deſſen Heiz fie darch einen Silheewen
Ring in dem vechten Nafenflügel. gar ſehr erhöͤtht wähusen. G
Ing noch der Schnee im Drte, wie an ven Winterjeiten Ser bench⸗
harten Hügel und Klippen, ein Zeichen ber no innmer gesfen
abfoluten Höhe der nur fcheinbaren Niederung, wie m
ganzer meilenweiter Kranz von Schnechößen ver Taurutketten umgah,
Am 16. März, alfo am fünften Morgen. des Amerfie
von Simwas, ſenkte man ſich von der bicherigen Godhebeite, adf un
auch Sarat vfhit noch liegt, hinab in die tief eingeriieit Aa
ſchlacht, zu ver man wel 2000 bie 3000 Buß Hisabzufbeigen Get)
Die Gegend nahm einen viel wilder Chutarter am; bie Berge ¶
- en den Wogen eines Mürnrifchen Meeres. Reine Vogetatian⸗ Mk
Buſch, nicht einmal Grus over Roos beleibeie Die nacktten Utlape,
deren natürliche Faͤrbung aber auf das Abereuſchendſte nirhehple
Anter den ſchwatzen, zinnoöberrothen und vra unan Seib
wänden ſah man- die Schuttkegel und Boſchungen aus grses
und Glansn Eetten angelehnt; eben bie weißen yaonpenlon ah
Er) v. Mitt, Briefe, a, 0. D. 6.218; —R
3
1
/
3
Espbaetſotſan; «Richan Maaden-eherfeht. 807.
Über an Gipfeln den lichten blauen Himmel; In der tiefen, griſchen
den Felſen fich hinwindenden Thalſchlucht den Euphrates ver Al
von, die Naturgrenze des römischen Weltreiches, den. nur wenige
Ber großen Imperatoren gegen ben Oſten üperfchritien. Alles war
bier ode, wilb,. weglos, ohne Spur von Anbau, wie an einem Ende
der Pet.
Erk ‚ganz in der Tiefe, nachdem der Abenpländer ein pgar
Binnen in viefen Anblick einer neuen Welt des Orients verſenkt
Fahgeſtlegen war, erblidte er die Hütten des Fleckchens Kjeban
Maadan, der Silbergruben, auf dem gegenäberliegenven hohen
Wise ver ſchmalen Reihe zacktger Berge, die den Strom zu weiten
Mindungen nörhigen. Der’ Cuphrat oder Murad, wie er au
dier nach unser dem Zufammenfluß von ben Odmanen zur Grin
nexuug an den Sultan Murad, 2?) fagt man, von dem zahllofe Fe⸗
Pen uud Anlagen an ihm berrühren, genannt wird, erinnerte feiner
‚Brdbe und Art nad, ungemein an den vaterlänpifchen Strom ber
Mofel #) Ganz eben fo if er bier, wie jener, zwifchen ſchroffen,
Hohen Bergen eingeſchloſſen; nur ift die Mofellanpfchaft überall weit
Uchlicher und angebauter: denn hier If alles baͤumlos und wahr
Icheinlich zu jeder Jahreszeit ohne Brün. In den feltfamften Win-
»ungen firömt ex reißend bahin, und tritt von hier an erſt nach
zehnflündigem Laufe and diefem Wilngebirge, wo er unfern Mas
Iasia nen Tokma fu (Melas.der Alten) aufnimmt.
Rab Kjeban Maaden mußte man den Strom vom⸗Weſt⸗
zum Oflufer, wo er an 120 Schritt Breite haben mag, in ſeltſam
gefoxmien Faͤhren, ſchwerfälligen Bontong, überſchiffen; an einem vor⸗
ſraagenaen Felſenkopf oberhalb iſt er nur 80 bis 90 Schritt breit,
nahe unurhalb ver Ueberfahrt an 160. Gr iſt ungemein reißend,
un hiex, ewa eine Siunde Weges unterhalb des Zuſammenfluſſes
por Frat und Murad, auch im Sommer bei niedrigſtem Waſſer⸗
Banpe niemals zu durchreiten oder zu durchwaten. In der Mitte
ws Bupbrat angefommen gleitet die Fäbre, mit Menfchen unp
Bierden angefüllt, pfeilſchnell abwärts, als konne fle das andere Ufer
gar nicht exxeichen, aber ein Gegenſtrom erfaßt fie und führt fle ges
aga.gur Lanpımgöftelle des ligken Ufers zurück.
WVax dem Pergwerbsbetrleb des Kjeb an Maaden haben wir
ſchon oben geſprochen; neuere Unterſuchungen fehlen; die preußi⸗
————— vo.
sb) v. Roitte Belt, a. a. O. 6.228 20) ebd. S.2B6; v. Mühl
base Mic. nn
808 Weſt⸗Afien. III. Abtheilung. I. Abſchniti. . 39.
ſchen Dfficere waren Hier durch ihr Dienſtverhältniß von genauen
Unterfuchungen abgehalten; fie eilten zum Sauptlager Hafit;
Paſchas nah Kharput, deſſen Lage wir im Allgemeinen ans
obigem fchon Eennen (f. ob. S.104, 702, 721), wozu noch Selgm-
bed zum Scluffe viefes Kapitels Ginzugufägen fein wird.
| Bon Kieban Maaden fleigt man 2°) durch ein tiefes trend
verfale® Gebirgthal während 3° Stunden (Brant brauchte 4) ge
gen Oſten aufwärts, dann erreicht man ein flaches, aber ho het
Hügelland, auf welchem einzelne Kurbenbörfer zerfireut liege
Am 19. März 1838 bedeckte noch Schnee die Gipfel umher, ib
einzelne Stredden des Wegs das Schneegeflöber des vorigen Tage.
Je weiter man vorrüdte, deflo dichter war das Land mit Bafalt-
ftüden überfireut, wie ein aufgeriffenes Straßenpflafter, una be
war Korm zwiſchen diefe Trümmer gefärt. Der verwitterte Bafalt
gibt den trefflichften Kornbonen. Gegen Abend, erſt nach 10 Ehe
Wegs, eröffnete fich die weite Ebene (von der au 3. Brest
entzücdt -war, f. ob. S. 702), mit Dörfern und Weingärten ie
det, von Bächen und Wegen burchichnitten, durch Pappeln u
Nußbäume (Freilich damals noch ohne junge® Laub) verfäänet
So: wurde dad Auge nad) der biäherigen Cindde erquickt, und fr
den Anbli der nackten Berghöhen entſchädigt. Die Dörfer fake
fattlich genug aus, die Häufer find Koh, aus an ber Sonme ge
trockneten Backſteinen erbaut, mit Lehm überzogen, mit Ballen mb
. Erdterrafien überdeckt und reinlich. Mitten in der Ebene erhebt ſich ve
Hügel mit fchroffen Felswänden; auf ihm glänzte Die Stabt Afıs
put mit einer alten Citadelle und einigen Minarehs in der mb
fonne; aber rings umher in weiter Ferne fchlofien noch mm
ſchneebedeckte zadige Bergreihen vie Ausſicht. Bine Kalbe Grube
vor der Stadt, im Dorfe Meſſre (Mezirah bei Brant, ſicher nal
allen übereinftimnenvden Maaßen der Alten vie Mazara bei:Pak
V. 13. fol. 135, wie nicht Mahara, ſondern Maza rah ver Tel
Peuting. XVIII. M. p., d. 1. 35 geogr. Meil. von Goldis,n. m O
vom Goljik⸗ oder Thofpites= See entfernt; f. ob. ©. 103), wer-se
Hauptquartier. Diefer Ort liegt nach Diffons urn GEutail
Beobachtungen 3,395 F. Par. (3,618 3. engl:) 2%) ũb. d. Un,
und unter 38° 40' 32” N. Br., 39 16° 15° O. E. v.
“) d. Moltke, Briefe, a a. O. ©. 214; v. Nuhlbache .
ei of og, Soc. of Lond, 1861. une;
' les 85:
Euphratfthſtem; Meffre; Stadt Kharput. 808
Ein weitlaͤuftiges Geblüde and Lehm wit flachem Dache, frü⸗
her der Gig eines rebelliſchen Paſcha, war die Wohnung des oben
Ken Commandirenden, Bafisz Paſchas; eine Peine Wache, zahl⸗
sehe Dienerſchaft, Kavaſſe, Tataren und Hausofficianten aller Axt;
erfüllten den Hof. Cine halbe Stunde fern von ba, am Buß dves
HOugels von Kharput, war durch Meſhid Paſcha eine neue Ras
ferne für 6000 Mann Truppen erbaut worden, von Lehm und
Pappelholz: denn bis auf weite Kerne iſt Fein andres Bauholz hier
zu finden; ein großes Viereck mit Hof von mehren hundert
Schritt Durchfchnitt. Hier wurden unter Hafldz Paſcha die sl
daten wie die Landwehr (Redif) auf europälſche Weife vrefiirt:
Da es bei dem unebenen Boden und fchlechten Wegen an bequemen
Räumen fehlte, erereirten pie Rekruten in Kharput, wie in ven ums
Hegenven Dörfern, auch auf ven flachen Dachterraſſen ber Häufer.
Hafisz, ald geborner Tſcherkeſſe zum Sclaven für dad Seraü
gekauft, gut unterrichtet, nachmals kühner Vertheidiger ver Feſtung
Skutari (Scodra) in Albanien, begleitete ven Serabker an ven Hof
nach ©t. Peteröburg, warb Bafıha, und erhielt, ala Refbin Pafıda .
in Diarbekr flarb, vom Großherrn pas Commando über die Armee,
die damals mit ven Kurden im Kriege fland, mit ben Haupi⸗
aufteage der Beobachtung der aegyptiſch⸗ſyrifchen Armes
Mehmed Ali's. 27) Unter Ihm und dvarch feine Begünfligung
der preußifchen Offichere, vie ex als feine Muſaffirs over Gaͤſte aufe
nahm, wurde auch für und die Geographie wiefer Landſchaften aufe
geheilt, | | u
Die Rage der Stadt Kharput auf ver boden Felsklippe,
mehr als ein taufend Fuß (f. ob. S. 104) über ver Ebene von
Meffre erhaben, läßt von da den Ueberblick über die Dörfer,
Wege, Bäche, Baummollenfelder, Weingärten, Maulbeermälben,
Kornfluren und "über die verfchievenen Lager der Truppen gewin⸗
nen, kurz Über ein weltes geſegnetes Gebiet wie über eine Lands
Tarte. Ungeachtet der auf ver Höhe kühlern Lage 29) und ver ſtrei⸗
enden erfriſchenden Winde wird doch die Sonnenbige auch da
Mitte Auguſt brennend heiß; und doch ſieht man auf ben fernen
Bergen Armeniens immer noch mit den Augen ven Schnee, und
wagt erſt nach Sonnenuntergang ſich in das Freie —
; 0 v. Moitjea, a. 2.8. 215. X ebend. ei 30, . D
ee 4
*
812 Werften. BIT. Abcheilung. I. Abſchnin. 1.39.
einem ſehr feften Orte, des Haſſanbej Gemahlin Despina Taten,
Me Vrinzeſſin⸗Tochter des Kalferd von Trapezunt, ihre Gofhaltung
gehabt, daß viele Caloyer, geiflliche Herrn, dieſer Dame daſelbſt Ge
ſellſchaft geleiſtet, und dieſe Stadt meiflens Griechen zu Einwohnern
gehabt habe. In der Umgebung führte derſelbe noch viele anım
fefte Gaftelle an, die am großen Strome lägen, ven man nur wit
Fahren überfegen Einne; er nennt Mofchont, Halla und Theme, ak
feſt ummanert, jedes von 500 Feuerſtellen. Die Einwohner, ik
unter der Jurisdiction dieſer Caſtelle ſtänden, heißen Cainari, wei
Am Italieniſchen durch Mandrieri wiederzugeben fe. Die tinn
ſche Geographle *) nennt den Ort Kharput, und rechnet ihm zur
Gtatthalterfchaft Diarbekr; den benachbarten See nennt fie Kökd⸗
ſhek (baber Gueuktscheh b. St. Martin). Kinneir, der vie Chen
von Kharput durchzog, hat doch feine Beobachtung über die Bam
tung dieſes Ortes 35) aufgezeichnet, aber er erkannte im benadgbazin
See ven Colchis der Alten (f. ob. &. 102).
)
Anmerkung. Nachtrag nnd Berichtigung zum 3. Kapitel
| ' (Dies diem docet).
- Im Begriff in das mittlere Stufenlandb bes Guphrat einge:
treten, fommt uns zur glüdlichen Stunde noch ber letzte Theil von me
ſers verehrten Freundes W. Ainsworth ausführlihern Reiſeberichten zur
Hand, ans denen früher nur Bruchflüde im Journal der Londner Gesgr.
Societät mitgeteilt waren. Der Schluß berfelben enthält num in de
Kückreiſe von Bitlis nach Erzerum einen ungemein belehreuten Dach
Ang durch das fo eben von une durchwandette HohFand Mrmeniest
zwilchen bein obern Murad (der oben ©. 389. nur ans. Berfehen Cs
teites genannt iM), und Frat, nebfl einigen Kartenberichtigungen, Biefisb
Dadurch zu folgenden Berbeflesungen und Erweiterungen des Berker
in Stand geſegt.
Bon Bitlis ans zieht Ninswogzth se) dieſelbe Straße am a
fu entlang bis Muſh, die wir oben (S. 680— 685) beſchrieben
Gr neunt die ©. 684 angeführten Khane mit Namen: der suße, Mn
Be! at. Türke, W. 1881. XI.
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—
Euphtatſyſtem; Kharput, Karlathtokerta. 818
: Bon ſcharvm fuͤhrt, wir ſchan frühes bemerkt iſt, die nenne
—* Milltarſtraße fünmärts über die Ebene, und dann an einem
ſtelles Aufflieg zur Wergeshähe. 2 Stunden, dann nad) einer Grunde
Dinabfreigens zum Goljit (prich Bolpfpik), d. i. Fleinen See,
oder nach franzoͤflicher Schreibart Gueuktscheh, d. i. blauen
Bee?) (oder Golendſhik f. ob. G. 105), ver überall nen hohen
Bergen umgeben iſt. In deſſen Mitte lag eine Inſel mit der Feſte
Ozov'h, Die Ende des 14. Jahrhunderts vom Prinzen aus dem
Urfacivangeflhleagte beherrſcht wiaxb, wo der armeniſche Patriarch
Sreaor M., ein Arſacide, ſeine Reſidenz im Jahre 11260 genommen
haste. Die Ruinen ſollen, nach den Mihannuma und nach Geftigk,
noch Drum vorhanden ſein. Neueſte Nachrichten darüber ſehlen und,
Kharput, nur die pulgaice ſchon non. den Myzantiusr yep⸗
ſammelte Berienaung, hieß bei Strabo Karkatbioterta, Di
Ränigäfien?. Sophene's (XI. 827: Baolleon de sag Ser
gmüs Kapxadıdxıpia; : vergl. ob. ©. 78), hei dan Armenieng
Kharpert oder Garperd, 1) eine Stadt im alten Sophene⸗
mit dem Sitze eines Erzbiſchofs und 4 Bifchöfen auf der Berghöbe
über dem genannten See, der von ihr auch venfelben Namen führte.
@8 iſt das fehle Eaflel, dad Eedrenus Xapnore nennt (Hist.
comp. IL 419. ed. J. Bekk.), weldyes Mefopotamia tominize ;
es warb von einem Turfomanen-Prinzen Balak, vem Sohne Bah—
rams der Ortokiden befeflen, als die fränfifchen Kreuzfahrer es Im
Jahre 1123 n. Chr. Geb. eroberten. Bei ven Syrern wurde eb _
Kortbert (doher Chartbirt b. DAnville, Khartabert b. Her⸗
belot,Haretbaret b. Aſſemani) uud Hiöna di Zayd (Feſte der
Zayd) oder Hisn Zeyad (Schloß der Zeyav)3?) genannt. Im
Zah 1302 viente vie Seflung Kharput noch als Iegteb- Aſyl nem
Schriftgelehrten Kaſi Burhaneddin, ver ih zum Fürſten von
Einas und mehrerer dortiget mongoliſcher Hersicharten im Gebixghe
Tanne des Guphrat enporgeſchwungen harte, aber vom Sultan Bayer
zeb beftegt ward, und auch ſpäter wird fie zu ben Hauptfeſten des
dortigen Ländergebiets von ven orientaliſchen Gefchidgefchreibern ges
Zu den Zeiten des Venellanerb Sof. Barbaro ſcheint
vaſeldſt ſotgar eine glänzende eflvenz geweſen zu fein, denn er er⸗
gast, bob vaß zu Carpurth,'®) 5 Tagereiſen fern von Crgingaf,
BL. nr ih Bar A in ne EN N
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812 Weibsilfien, HI. Abthellung. J. Abfehnit. 5.39.
einem ſehr feften Orte, des Haſſanbej Gemahlin Despina Eaton,
die Prinzeſſin⸗Tochter des Kalferd von Trapezunt, Ihre Geofhaltung
gehabt, daß viele Galoyer, geiftliche Herrn, dieſer Dame daſelbſt Ge
ſellſchaft geleiftet, und dieſe Stadt meiflens Griechen zu Ginmohnen
ggehabt Habe. Im ver Umgebung führte derſelbe noch viele andre
feſte Caſtelle an, die am großen Strome lägen, den man nur wit
Fähren’ überfegen könne; er neunt Moſchont, Halla und Theme, alle
fe ummauert, jedes von 500 Feuerftellen. Die Einwohner, Ye
unter der Jurisdiction dieſer Caſtelle fländen, beißen Cainari, wei
- In Italieniſchen durch Mandrieri wiederzugeben fe. Die türk
füge Geographle 3) nennt den Ort Kharput, und rechnet ihn zur
Statthalterſchaft Diarbekr; den benachbarten See nennt fie Külr-
fhet GGaher Gueuktscheh b. St. Martin). Kinneir, der die Cbent
von Kharput durchzog, hat doch Feine Beobachtung über Die Bm
tung dieſes Ortes 35) aufgezeichnet, Aber er erkannte im Dtnaberie
Ex den Colchie der Alten GCo ob. ©. 102).
Anmerkung. Nachtrag und Berihtigung gum 8. Kapitel
(Dies diem docet).
Im Begriff in das mittlere Stufenland des Guphrat eis
treten, fommt uns zur glüdfichen Stunde noch der letzte Theil vor zB
ſers verehrten Freundes W. Ainsworth ausführlichern Heifeberichten zum
Hand, aus denen früher nur Bruchſtücke im Journal der Londner Geogr.
Societät mitgetheilt waren. Der Schluß derfelben enthält num in ie
Rückteife von Bitlis nach Erzerum einen ungemein belchrewben Dach⸗
Ang durch das fo eben von uns durchwandette Hochland Armenieit
zwifchen dein obern Murad (der oben ©. 389 nur aus. Berfehen Can
teites genannt ii), and Frat, nebſt einigen Kartenberichtigungen, : Wie fab
daburch zu folgenden Berbeflesungen unb Grweitezungen de⸗ Peer
in Stand geſetzt.
Bon Bitlis aus zieht Ninsmorth * dieſelbe Stufe, m,
fa. entlang bis Muſh, die wir oben. (6. 680685) beſchrich⸗ |
Gr nennt die ©. 684 angeführten Khane mit Namen: u“ rg
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| 229 v. —— Türkel, W. 3 Pi. 8, XII. € 3L
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Euphratſyſtem; Nachtrag, Borichtigung. 813
Stunde im M. von Bitlls, am gleichnamigen Gebirgeſtromaufwaͤrto
heißt Khan Babſhin; er it hübſch gebaut aus ſchwarzer Lava,
an einem Bach, ter ſich über einen Damm von baſaltiſcher Lava ergießt
einem gleichnamigen Dorfe benachbart. Cine Stunde Wegs weiter liegt
der zweite Khan von ähnlicher Bauart; eine Stunde weiter der dritte,
Baſhekhan (d. i. Khan am Quell⸗Haupt) genannt, an dem Un
fprunge des letgten, freill ſehr geringen Quellzufluſſee zum Ti⸗
aris: denn nordwärts von da hört .jche Abdachnng fühwärts anf, da
von Bafh khan an bie zum Fuß des Nimrud Ahaus und zum Van⸗See
ſich nur eine Horizontale Hochs@&bene verbreitet. Strabo XI. 528
fagt ſchon vortrefflich,, unfern obigen Ausſpruch S. 773 beflätigend:
iv as; din Agnela zolla nie öpn, mollca Bi Sgowddıe. —
Gegen fo großartige und characteriſtiſche Raturverhältuiffe find auch
die Orlentalen, bemerft W. Ainswgrig, keineswegs ‚ganz gleichgültig
denn auf der Wafjerfcheide zwifchen bem großen Zab umb dem perfis
fügen Flüffen liegt dort ein Caſtell, Baſh kaleh, wie. hier auf: ver
Waſſerſcheide zwifchen Tigris uud Cup ein Bafh than, welde
beide ihre Namen von ber hydrographiſchen Lage anf Waflerfcheiven
führen. Die Thermometerbeſtimmung durch kochendes Waſſer gab dieſem
Khan eine abfolnte Höhe von = 5,3889 F. Par. (5,600 F. engl.)
wonach Betlis etwa 4,002 J. Par. über dem Meere liegen würde, alfo
etwas niedriger als die oben ©. 685 von Dilfon gegebne Höhe. Dies
ſtimmt auch beffer zur abfolnten Höhe des Van⸗Seeſpiegels von
5.139 F. Bar. über dem Meere (f. ob. S. 287), da man na Yines
worth6 Bemerkung von Betlis bis zum Baſh khan fortwährend im
Anfleigen bleibt (etwa 447 3. Bar. nach jener Rechnung), von wo aber
vann bis Tadyan am See forttauernd Ebene fih ausbreitet.
Ueber diefer Ebene iſt es nun, daß der Nimrud Dagh (f. oben
©. 238 und 688) emporfeigt, deſſen Südfronte von Baſh khan aus eine
Gruppe fait fegelartiger Berge mit 6 gefonderten Gipfeln zeigt, ,
die alle ächtonlcanifchen Urfprunge zu fein fcheinen, an ihren untern Ab-
- Hängen mit Unterholzs von Bichengebüfch befleivet find. Links ab über
die genannte Ebene von Tacht Ali (d. 5. Thron Ali’s) hinweg bes
ginnt erſt das Abfteigen gegen die Ouellen des Kara {n nnd bie
Gentung zur großen Ebene von Muſh. Bisher fah man den Nim⸗
rud Dagh als die öfllide Fortſez ung der großen Tanrus⸗Kette
(Niphates) Sad⸗Armeniens an (wie noch oben ©. 743 angegeben iſt,
weil er nad) den frühern Angaben in verfelben Direction, und durch den
Kertu Dagh, f. ob. S. 288, 684, mit dem Khargan Dagh in: Derbins
dung zu fliehen fchien, and nur durch die Spalte des Kara ſu⸗Paſſes
davon gefchleven). Dies ift aber nach Ainsworths Berichtigung nicht '
der dall. Jene große Tanınd - Kette, fagt Ainsworth, heiße
Ali Dagh, norbwärts von ihr breite ſich die genannte Gochsähene aus
814 Weſteißen. IT: Abchellung. J. Abſchuitt. . 39.
unb ber Nimgub Dagd.fet: ner eine Iocale ®") Bult aug ruvde,
die aus dieſer Plateas fläche emporgchoben wurde. Die greſer
Stroͤme, wie in Kurdiſtan und Asia. mindr zum Poutwsgeflebe, fo
auch in Nrmenia zum CTuphrat und Vigrie, fein Durchbrecher ber
Hauptgebirgstetten. Diefe fei. Bier der Ali Dagh (Aa Dash!
ſ. 06. &. 79), deſſen Ing füpmwärts vom Betlie vorüberſtreiche (effe
Betlis Liegt. noch innerhalb des Plateaulandes, und leineswegs am Gi
abhange feinen :fünlichen Naubgebirges, wie Dies Die bisherige Auſicht fein
mußte),. und einesowegs nosdwärte zur iſolirten Bulcaagenpye dei
mimruy Dagh Dies war wiederum einer ber Irrihümer, deren fe um
zäblige aus ber Verwechslung und aus der wech immer fe mangelhafle
Kartanzeichnung vder himmelweit von einauerr verſchiednen Heoch landet
und Gebirgs dettem ‚uud. der mil vieſen lepterm für zufnanmenfali
gehaltuen Waſſerſcheiden Heranrgeht.
Beim Mbſtieg vom Tacht Ati paſſirte Aineworth das Dorf Or:
wan (. h. Beftie), das erſte, an dem er die armeniſche Mamert im
Grdhütten. warnakm, wi Sonthgate nach obigem am Dorfe Marail
(£. eb. ©. 682), das Yon biefem wicht. weit entferut fein Saum. Dem
fam er auch an dem guoßen Kırdenborfe Nurfhie f. ob. Norſhie
und Rofhem, S. 888) vorüber, and gu ker Duelle vos Kara fl,
über vie. er beſtimmtere Beobachtung mittheflt As feine Vorgänger Gech
gate und Braut. Nahe dem Dorfe Aurfhin bemerfte er auf einer fe
Urt liegenden Grabflätte (ſelbſt wol ein Grabmal) cin weites Gebiubt
mit. eimem halbfzeierunden Dom mit Gpigbogen und Fenſtern, auf das
nutern Maner ruhen von ſchwarzer Lava, während die obere Mans
von vother Lava aufgeführt war (im bunten Styl, wie zu Goswanib
gerd am Mrares, f. ob. S. 452). Ganz nahe dabei lag bie Duelle
ME Kara ſuz' wie Ninsworth "*) fagt, ein natürlicher artchſcher
Brunnen, der ans einem krdisrumben Koh im Dulcanfels Yervorteitt. Das
Waſſer bricht fogleih in zwei fehr reihen Bachen, jeder. über 80 -Iuf
breit, hervor, über denen bie Ränder des Kraters emporſteigen, bes a
3 —Zuß im Unfang hat, und beiläufig 4260 5. Bar. (4540 5. cl)
über dem Meere liegt. Brant, der dort nur von einem Sumpte fueidk,
war biefer Urſpruug bei. feiner Darchreiſe ganz entgangen, und Sech
gate erzählte der Kurbe von einer mergrümdlich tiefen Duelle auf em
Nimmd Dagh, die mit dem: Quellſee bes Kara fa in Beybinbung ſiche
felle (f. ob. S. 288), eine Iorale Hypotheſe, die anf einer wiciihie
Maturmerhwürbigfeit beruhte. Das Waſſer bein Auobruch Yisfer Kara
ſu⸗Ouellen If ungemein Far und rein, ba co ſich aber zudier &
‚ 7) W. Ainswozth L c. II. p. 374. | ss) dab. BE p- SM.
- Cupheatfoftent; Rachtrag/, Berihtigung. 815
einen Weiten Sumpf verbretet, ſo nimmt es die dunfle Farbe «u, die
Tom den Namen Kara fu (Schwärz waſfer) zu Wege gebracht.
Auf ven Berghöhen über dent Dorfe Narſhin bemerkte Ains worth
bie Ruinen eines alten Caſtells, und auf einem Vorgebirge im Motven
des Kurdendorfes Kotni, wo er fein Blvonac am 7. Sept. 1889 hielt,
Aber ber Sumpfebene des Kara [u eine fehr einfache armenifche Stein:
Ueche ohne Fenſter, ein quabratiſches Gebaͤn, nach Art der meiſten nım
a5
folgenden armenifch=chriftlihen Kirchen. Ueber das Vorgebirg hinweg .
führte der Weg zur Mufp:&bene, über Me Atusworth jedoch nichts
nenes zu tem ſchon oben ©. 601 Befagten Hinzufügt, ale daß im Jahre
2859 Hafisz Paſcha den Gedanken gefaßt habe, das Schickſal der un⸗
glücklichen Armenter daſelbſt durch Aufhebung ber Berpflihtung, bie
Kurdenhorden in ihren Dörfern aljährlich zu aberwintern (ber Kifhlak
ſ. ob. S. 672) zn verbeſſern. ») Die Armenier im Gebiet von Muſh
waren bisher nicht Blog einer vom Gouvernement attotifirten Plage vie
fer Winteretuguartirung (f. ob. S. 681) unterworfen, fondern wurden
noch dazu Im Sommer, und zumal zur Herbftzeit, vom ihren Manbhorden
Überfallen, geplündert, ihre Felder dbgeniäht, ihre Heetden weggetrieben.
Die Unmöglicgfeit des Dsmanli-Gonvernements, fie zu ſchuͤtzen, hatte fie
jur Emigration auf ruflifches Grenzgebiet gebracht, wo biefe ihnen Im
Einem’ Jahre fhon wieder ati 80 ihrer Heinen Kirchen nen anfgebant
haben foffen (was manche der übelollenden Inſtnuationen Anderer, f. dB.
S. 644, wieberlegen würde). Die Rufen, verficherte Ein’ achtungewerther
Praun von Muſh, ſchickten Emiſſare in ihr Land, unter der Mate rel⸗
fender Hafims (Doctoren der Mebiein), um die @migration zu verftäts
fen, und ta dieſen letztern Jahren felen über 1000 armenifche Familien
von bier ausgewandert. Die Osmanll's flellten zwar Wachen an vie
Grenzen, um bie Auswanderung zu verhüten; um. ihren Zweck zu et
reichen wärben aber vollſtaͤndige Grenzcorbons nothwendig fein, umb
folche Kräfte konnten dann beſſer dazu dienen, dic armenifchen Banern vor
ven Plünderungen der Kurden zu ſchützen.
Daß vieſe Hier trotz der verſuchten Baͤndigung der Kurdentribus durch
Haſfisz Paſcha dennoch furchtbar fortwäthen, ergibt fih ans Ainsworths
Bericht vom 8. Sept., der ſagt, daß das Gonvernement von Mufh nicht
weiter als bis 3 Stunden Entfernung von der Stadt einen Schutz für
Heetven und Saaten der Armenter zu gewähren im Stande ſei; baber
nur einiger Wohlftand im Laudvolk ganz nahe der Stadt. Am Dorfe
Narnlk vorüber kam er nach Nokh (f. ob. S. 682), dem Kurbenborfe,
das eben vom Paſcha zut Strafe für Hänbereien in Brand gefetzt war,
wobei der Unfchnldige mit dem Schuldigen leiden mußte, ein Verfahren,
2°) W. Ainsworth IL. 37
816 WeflsUfien, TIT-Abtheittung, I. Abſchaicc. $. 39.
das nur immer größere Grbitterung zwiſchen Kurben und Dsmalls er:
zengen muß. Das armenifche Dorf Ahlevanf war erſt vor weriges
Tagen ausgeplündert, eben jo Terfemer; überall war Glend verbreitet,
auch jenfeit des nun zu burchfegenden Kara fu in den Dörfern JIriſhdir
und Haſse⸗keuy. Die Reſidenz des Paſcha in einem Thalwinfel unter
einem malerifch auf der Berghöhe gelegenen Gaftell nennt Ainsworth
mit Namen Mogisyuuf, von ber. ex. noch am Abend deſſelben Tages
die Stadt Muſh erreichen Tonnte.
. Mit Ainsworth können wir biefes Nuſh nit für das Moten
dei Ptol. (V. 13. fol. 134) Halten, weil dies zwifchen den Eyıns uw
Araxes geftellt if, wie dies fhon Mannert *9) gezeigt hat. Aber us
eben ſo wenig für die Otene bei Plinius (Hist. N. VI. 16), weil bie
Lambfchaft mit Artarata am Arares zufammenjällt. **) Aber ach wid
für Moro&ne, das nicht bei Mofes Khoxen. vorfommt, ſondern bi
Anımian Marc. (XXI. 3, 5), wo es D'Auville *?) in dem Rama
Mufh wieder zn finden glanbte. Wir waren diefer gewöhnlich gewerk«
wen Anficht ebenfalls gefolgt (f. oben S. 75 u. ff.), indem wir aud We
MontesMoschici (Strabo XI. 521) für bie Tanrusfetien bei Mufh e
ſorachen, bie uns fünliche Berzweigungen des Paryadres zu fein fchiens.
Fortgeſchrittue Dergleihung der Naturverhältuiffe mit den Sick
ber Autoren (f. auch Ptolem. V. 13. fol. 134; und Plin. V. 37; TI
Al) lehrt und’ jedoch nun entſchieden, bag die Montes Moschid Wi
&trabo, wie wir auch oben S. 742 ſchon anführten, viel weiter nord:
öftlich Im der Richtung des Skydiſes nad Kolchis und dem Kaufıfas
zu gefucht werben müflen (Strabo Xi. 521, 527, 548, 492, 497). er
ner, fo muß auch das davon verfhiedene Moroene bei Ammim
(XXUL 3, 5: cumque eo per Corduenam et Moxo@nanı, Chiliocome
uberi Mediae tractu etc.) viel weiter oͤſt lich als die Stadt uf Be
gen, wie dies aus ber genannten Aneinanderreifung der amgefüfetes
Laudſchaften hervorgeht, deren legtere zu Aflyrien *°) am Zabfiufie ge
hörte, die erſt ere Kurdiſtan iR, Moroäne aber zwifchen beiden lag
Aus Kaiſer Iulians Befehl an feine zwei Feldherrn (ſ. ob. S. 188),
durch jene beiden Provinzen Eorbuene und Moroene nad). Ehiliocome, ia
Norden des heutigen Amadia (Erdk. IX. S. 705, 717), damals in Wie
bene gelegen, einzuziehen, ift jene öftlichere Lage dieſer Provinz entſchte
den. Nur war bisher ihre genauere Lage nach heutigen Zeng niſſen unle
kannt. Im Oſten der obern Tigrisquellen mußte ſie liegen, unb bier neun
die armenifche Geographie auch eine Landſchaft Mog oder Mogt’}. 5;
eine Stadt Mekes, an dem Ufer des Khabur, die von Ban abhängie
| 2 Manuert, G. Rn B. 1. 8. ENG 216. Tu en
217. ” e, /’Ku et le
5 Mannert, G. db. Gr. u. ®. Ih v2. ©. 226, 430.
+) St. Mardn, Mön, ı. Par, Tb 7
An
Eupbratfuftem; Rachtrag; Berishtigung. 817
iR, wurhbe vom türkifdhen Geographen im Gihannuma daſelbſt auch ge⸗
mannt, was dem Namen nach dem Momoöne:des Ammian auch genau
antſpricht. Da aber jene Gegend dem wenig bekannten Gebiete des Pa⸗
ſchalik von Amadia unterworfen: war, fo blieb diefe Angabe Immer unge
wiß, obwol fe auch fchen von St. Martin der DAuvilleſchen Hypo⸗
ahefe entgegengeſetzt wurde. Zum Blink tft aber nach vbiger Mitiheilung
MR (ſ. eb. S. 86 und 87) die Route des Aurben durch daſſelbe
Saftell Mits (Meukuſh, nach Braut, im Süden ber Arjeroſh Berge, ſ.
ob. S. We, oder Mukuſh, nah v. Moltke, im Oſten von Bitlis,
an der Quelle des Böhlen Tſhai, ober des alleroͤſtlich ſten Zigries-
ermes), 11 Gtunden in N.W. von Inlamerk, befannt worden, wo⸗
tech denn hoͤchſt wahrfcheinlich bie Lage des Moxoöne im Aten Jahr⸗
Gumbert beftimmt iſt.
Gehen wir uns nach der älteften Benennung von Muſh, der
Siebt, um, fo finden wir nur, wie ſchon oben geſagt (ſ. ob. S. 640),
‚den Namen ver Laudſchaft Duroperan and Daron bei Armeniern,
; Taurentiam bei Tacitns, wozu noch das Strabonifche Tamonites
(Tapurtens, wofär wol richtiger Tapursrne, d. i. das Land Daron, zu
leſen ware, Strabo IX. 528, obwol Feine der Hanbfchriften Hier eine verän-
derte Rebart barbietet) hinzuzufugen fein wird. Die Stadt Nuſh aber ſcheint
erſt mit der Berlobe der Mamigonier⸗ Herrfchaft als ihre Eapitale **)
anfgebläbt zu fein und daher feinen antiken Namen bei Griechen
und Mömern gehabt zu Haben, fonft würde er wol anf Lucnlius umb
Geoebulos Zügen mitgetheilt worden fein. Zuerſt finden wir ihn als
Muſh (Moca b. Mos. Khor. Geogr. ed. Whiston. p. 359) zwiſchen
- Dutsperan in N.W. und Gorzala in Südoſt eingetragen, «als die fünfte
: Brain, Großarmeniens im Süben des Ban Sees. Hier num fcheint es
a6 Mosczia der Tabul. Peut., 151 M. p. d. i. an 30 geogr. Meilen
fern von Tigmmocerta gelegen, zu fein, wenn nicht Isumbus.
Mod wollen wir bei dieſer Gelegenheit bemerfen, daß Hente die mo: |
bene Bensunnug eines Mufher Dagh, nah v. Moltke's Euphrat⸗
Karte, fchr weit im Weſten von ber Stadt Mufh vorkommt, wo das
Geäbinfelsorland in der Anßerfien Weſtkrümmung bes Cuphrat, zwiſchen
Ajeban Maaden und Malatia, eine merkwürdige Geftaltung barbictet.
Weber die Stadt Muſh, erfahren wir nichts Neues duch Ainbs
worth, voch hörte er den Bach, der ihre Thalſchlucht durchzieht, Alte,
d. 1. Weißwaſſer, nemen, und beflätigt Southgate's ſtatiſtiſche Auga⸗
Dow Aber die Stadt und die Cbene (ſ. ob. ©. 680). -
m :10. Sept. wanderte er *°) von Muſh norbwärts, bie beiden
erſten Tage auf Brants Nonte, bie er jedoch am Abend des zweiten
*8) St. Martin, M&m. s. Arm. I. p. 102. se) W. Ainswortli
1. & U. p. 888. a J
Nitter Erdkunde X. | . Bf
-
[2
818 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 8,39,
Zagmarfches verließ. Der Weg von ber Stabt über bie dorfreiche Ehene
"führte ihn hach der erflen Stunde zur Brüde von 7 Bogen über ber
ſchlammigen Kara fa, deu er dennoch burchreiten mußte, weil deſſen Senf
gegenwärtig welt von der Brüde weggewanbert ifl, was wol auf ii
höheres Alter zurückſchlleßen läßt. Das Ufer war voll Schaaren weires
der Kraniche. Zu Suluf (f. ob. ©. 675), 8 Stunden fan ve
Mufh, kam er zur zweiten Steinbrüde, deren Raaße er wie I. Brent
angibt. Die Iwifchenräume der eingeflürzten Bogen zwifchen ver med
fiehenven Pfeilern waren mit Planfen bebrüdt, und diefe mit Kalkſteis—
platten belegt, auf denen er die Ciudrücke von Fuß tapfen in
Kraniche und zahllofe Anodonten, derfelben Mufchelart, wie fie zed
heute im Murad⸗Kluſſe lebend vorfommen, verfleinert vorfand. Gr we
glich beide genau mit dem heutigen Borlommen derfelben Thiere und fen
fle einander gegenfeitig entiprechend; alfo wol eine jüngere Kalktuffbilum.
Das Nachtlager bei Kirami (f. ob. ©. 672, 674) war am faſt tmb
nen Murad, umfchwärmt won zahliofen Schaaren der Kraniche, Bänft,
Enten und anderer Maflervögel, die wol auf ihrem Durchzuge fe
mochten. ' D *
Am 11. Sept. paffirte er das Thal mit den Caſtellruinen, dehes
Name Osp Polur, d. h. Linfenberg (f. ob. S. 672, 675), bie ar:
meniſche Benennung iſt. Die Bewohner des Dorfs Sikawa, ober Re
vous, waren kürzlich zu den Ruflen ausgewandert. Der Weg ging imm
"norbwärts, das Thal verengte fich zu beiden Seiten durch ber Krebe
bildung anfgelagerte Kalfitein und Sandfleinwände, in Horiyoutal:
ſchichten. Nah 4 Stunden Weges fam Ainsworth zum Zufamn
Öng des Tſhar buhur (f. ob. S. 674), bier 40 F. breit um 20 4
tief, von NW. vom Binghöl fommend, zum Murad, ber hier 150 %
breit und fehr tief il. Wo er feinen Lauf von OR gegen Süd abwerbet
verließ Ainsworth die von Brant verfolgte Route, nud erſtieg ef
mehr Öfllihem Wege, näher am Murad bleibend, gegen N.O. einen fek
hohen Gebirgspaß, auf deſſen Rüden er bei 5,504 5. P. (5,866 5. engl.)
bes Nachté fein Lager im Freien halten mußte. Auf dem erſten erſtieg
nen Rüden fand er einen groben Sandſtein, emporgerichtet derh
Bafaltfelfen, und große Aölagerungen bei; biefer Erhebung umge
wandelter Mergellager. Der Weg führte dann mehrere Gtuwes
über 5,000 bis. 6,000 Fuß hohe Bergrüden gleicher Beſchaffenheit, auf
denen nur wenige Kräuter, wie Astragalus, Gnaphalium und. andere Ip
ten ben @lima-Ertremen anf biefen Höhen, welche eine Berlängerumg
bes Binghöls Dagh bilden, zu widerſtehen vermochten und noch in Blithe
waren. Die CEinbde dleſer Bergrücken war ohne alle Holzuug, bie a
NRachtfener zur Erwärmung hätte bienen lnnen. Der heftige Rudi
war ungemein empfindlich.
Am 12. Sat. wurbe ein iweiter Bergräden deep, Per dom
surinig
= v
Eupbratfuftem; Nachtrag; Berichtigung. 819-
zum Kizil Tſhai (f. ob. S. 674) hinabgefliegen, der aus den äftlichen
Abhängen des Binghöl Dagh fein Waller erhält, die er direct zum Mus
rad fenbet; er faun alfo nicht, wie oben ©. 674 irrig vermuthet wurde,
identifch fein mit dem Tſhar bnhur, der ein ihm füblicher Parailelflug
zum Murad if. Der Kifll Tſhai, wie fih ans Ainsworths Reiſekarte
ergibt, fließt zwifchen jenem im Süden und dem Arus fu im N., alle
drei rechte Zuflüffe zum Murad. Die Ufer aller dieſer Bebirgsfläffe des
Hodlandes vom Murad bis gegen Erzerum find mit Unterholz be
wachſen, das einen angenehmen Contraſt gegen bie nadte Gindde ber
Höhen bildet, und wie in grünen Kränzen ven Buß der Berge umlagert.
Die Aufeinanderfolge der Gebirgsarten**) if hier von unten
nah oben: Blimmer: und Thonfchiefer, dann eifenreiher
Kalkſtein, Songlomerate falzhaltigen rothen Sandſteins,
baun bunte Sandfleine, endlich Sand, Mergel und Gyps. Die
oberften Theile diefer Lager find diefelben, durch welche die letzte große
Eruption der augitifchen Feldſpath⸗Reihe hindurchbrach, oder über welche -
fie ſich in großen Accumulationen ergofien hat, die Thäler mit mächti
gern Maſſen ausfüllend ale an den Bergfelten, die frühern Formationen
in viele Waden umwandelnd. Späterhin wurde biefes Gebilde öfter
wieber von den flrömenden Waflern in Engſchluchten und tiefen Tobeln
soll angehäufter Zertrümmerungen durchichnitten und burchrifien. In -2
Heinen Stunden vom Kizil Tſhai wurde das Dorf Aruz am Kalch fe
(f. ob. ©. 673) erreicht, und bald baranf das merfwärbige Khinis, ber
Sig des Gouverneurs mit feinem Gaftell (ſ. ob. S. 668 — 670), auf
einem Bafaltfels gelegen, von dem feine Baflionen in wilder, male:
tifcher Verwirrung emporflarren. Die geringen Hätten an deſſen Fuße
fand Ainsworth nar 4,916 5. Par. (5,239.%. engl.) nad kochender
Waſſertemperatur, alfo um mehr ale 400 Fuß niedriger liegend, ale Dik⸗
fons Barometermefiung angegeben Hatte. |
- Die characteriſtiſche Bhyfiognomie bes armenifhen Hoch:
Tandes, bemerlt Yinsworth,**) werde weſentlich insbeſondre durch
vie Wechſel in ven Schichten der aufgelagerten Gebirge:
arten bedingt, die, anf Schieferunterlage ruhend, durch einmalige ober
mehrmalige vullaniſche oder vielmehr plutoniſche Ernptiomen vers
ändert und verfchoben wurden. Der Terk tob (auf der Sübfelte des
Binghöl fu, wie ihm auch Sonthgate nennt; oden S. 661, 671 wol irrig
zufammengeftellt mit’ dem im Norden des Binghölfn liegenden Tet Dagh)
ober ber Barmafbiz Dagh gibt das Beifpiel einfach emporgehobs
“ger, aber ruhig gebliebner horizontaler Ablagerungen; ber-
Sfhetmah Dagh dagegen anf der Weſtſeite des Wegs gegen dem
Binghäl Dagh, in N.W. von Khinis, das Beifpiel eines aus ber Zieht
ser) W. Ainsworth Il. p. 355. **) ebend. Up. 886.
-dff 2
820 MWeftsAfien. III. Abthellung. J. Abſchnitt. 5.39.
erhobnen Gebirge, das in ®ängen bie Glimme rfchiefer vurchbrad
bie zu den Gipfelrücken, indeß an ben Abhängen emporgerid:-
tete nud umgewandelte (wie ob. S. 744). Kalffleinwände abflärzien.
Der Binghöl Dagh ift eine weitverbreitete Maffe plutoniſchet
Bebilde mit alterirten Sormationen (zu diefen mögen auch obige
Hügel mit Kratervertiefung in ber Nähe von Erzerum gehören, f. ob.
©. 74). Bon dieſem „Berge der taufend Duellen” (f. ba
S. 81, 385), dem Binghöl oder Bingheul, von weldem vide de
bein bei Armeniern und Türken im Gange find, if, nach Ainsworth,
zu bemerfeu, daß er keineswegs ein gefonderter Berg iſt, ſondern viel⸗
mehr der Ianggezogene Bergrücken eines hohen Tafellandet;
daher er, obwol abfolut fehr hoch, doch relativ, alſo fcheinbar, war mie
drig (f. ob. S. 386), und nicht durch Gipfel, ſondern durch pralligech
fleigende Manern und Klippenzäge plutonifcher Gebirgsbilduugen umge
zeichnet if. Dadurch iſt er geeigneter als feile Kegelhöhen, wieg. 2.
der höhere Sipan Tagh, f. ob. ©. 328, auf feinen breiten Fläde
mächtige ewige Schneefelder und Cismaſſen zu bewahren (f. obe
©. 732), daher fein Wafjerreihthum zahllofer Gchueebäde, Gm
nud Stromablänfe, denen er feinen Namen verbanft, die in feimen ewigen
Schnee: und Gisfellern Jahr dns Jahr ein ihre Nahrung finden, ebrel
feine Höhe nur unterhalb ver dortigen ewigen Schneegrengt
iſolirtſtehender Berge zurüdhleibt, bis zu deren unterfler Grenze fh
dagegen der Sipan Tagh fo eben erhebt (f. oben ©. 381).
Von Khinis braudte W.Ainsworth an 4 Tage, um (rem
am Morgen bes fünften zu erreichen, obwol er auf bem directeſtern
Wege dahin ging, der alfo nicht blos vor Sonthgate, wie wir obes
S. 732 meinten, begangen wurde, denn ihn zwang bie Kranfheit feine
Begleiter zu fehr kurzen Stationen und zu Bivouafiruug auf bex w
wirthbaren Berghoͤhen, die durch ihn auf feiner Karte im Route,
nad feinen aſtronomiſchen Beobachtungen und Höhenmeflungen eins
ger Uebergänge, genauer beftimmt find, als dies zuvor ber Wall wer
Denn er ließ 3. Brants Route, die über Haflan kalah ging, öftlid) Kegm.
Der 13. Sept.*") brachte im N. von Khinis zu mehrfachen zu
fammenfliegenden Bergſtroͤmen, die bis zur Bergkette des Tfhelmeh
Dagh nod zum Murad fübwärts abfließen. Am 14. Sept. wu
vom Nachtquartier an defien Sübfuße der Aufflieg zu ihm am dm
Kette gegen We fich ziehender, ſchwarzer Bafaltfelfen (daher de
Name Kara kaya auf Brants Karte an diefer Stelle) begonnen ; bex weites
oftwärts ſich fortziehende Gipfel des Tſhekmah Dagh if harter Kell:
Rein auf Glimmerſchiefer. Hier fland, wie auch am Günfug, eis
Grabmal (Kumbet, vielleicht das bepilgerte des Sheilhs, bei Southgeßt,
\
sa) W. Alnsworkh II, 2. 888 — 301.
1
——
Fuphratfoftem; Nachtrag; Berichtigung. 821
f. ob. &. 799) von fchwargem Geſtein, mit umliegenden Grabfteinen, ob»
wol Hein Ort in der Nähe war. Der Abſtleg ging durch ein offenes
baſaſtiſches Thal zn einem Bergwaffer, über dem der Gipfel eines Bafalk
felſen ein zerflörtes Caſtell trug. Der Haltplag liegt unter 39° 29° 40”
A.Br. und 5,086 3. Par. (5,380 8. engl.) üb. dv. M. Der heftige
Nachtfroſt erfchütterte die Glieder der Reifenden, die kaum erft bie groß⸗
ten Extreme meſopotamiſcher Hitze überſtanden hatten.
15. Sept. Im Oſten des Tſhekmah breitet ſich der Al Dagh aus;
im Rorden veſſelben lag der Khan Dagh vor, der aus Kalkſtein be⸗
‚ſteht, aber fo relch an Ciſenſtein iſt, daß ſich der Reiſende für verpfltich⸗
tet hielt, feinen Gönner Haſtsz Paſcha auf dieſen Schatz feines Paſchaliks
aufmerkſam zu machen. Am Norbfuße des Khau Dagh zieht ver Bin»
gH5l ſu, der waflerreigere Onellfluß des Araxes, gegen ND. vorüber
(f. ob. S. 385); viele andre Bergwafler eilen ihm zu. Er tft fiſchreich;
jonfelt einer zweiten Derghähe geſellte fich ein zweiter reicher Waſſerſtrom
zu ihm, an deſſen Ufer bei einer Khaurnine und einer Salzquelie .
Halt gemacht wurbe, unter 39% 37° 30“ R.Br. auf 5,188 5. P. (55308.
engl.) abfoluter Höhe.
‚Der 16 Sept. führte am Bache entlang zu mehreren: Salzanelı
Leu, aus denen auch durch Berbampfung Salz gewonnen wird. Der Weg
ftleg: wieder einen fleilen Berg empor, am einem centralen Bade hinan,
bee zwiſchen zwet Zuflirfien von der Rechten und Linken feinen Lauf hat.
Bei 5068: F. Par. (6350 F. engl.) Meereshöhe, unter 89% 4 50” M.
Be., nothigte die Krankheit zum Stillſtand. Der 17. Sept. führte end
Wi üben: gleichartige Ketten von Cuphotiden, Diallage und Tremolitge⸗
' feinen mit Serpentimen, welche aufgelagerte Schichten ber Kreideforma⸗
sion. enyorftülpten, in 7, Stunden Marfches nach Eryerum ’
uch über biefe Gegend erhalten wir, mit Beflätiguug der: wichtige
Ren obigen Angaben (f. ob. &. 757-768), während ANinsworths Ink
zem Aufenthalt dafelbſt, doch auch einige Berichtigung. “Die Stabt war
tm He 1839 9°) ver Sig einiger Engländer geworben, die mit geos
graphiſchen Uuteriuhuugen über biefe Gegend beicyäfligt warm.
3.8 raut ſetzte bie feinigen fort; Eolomel Shiel und Thomfen (wei
bekanme, ınn aflatiiche Geographie ſchon fehr verdiente Männer, ſ. Erbk
39.1X. &. 968, 978 ff. und: Th. VII. S. 003), von der perſtſchen Cu⸗
Boa, waren mit Aufnahme einer Karte der Umgegend von Erzerum
omhäfttgt, deren Beröffentlihung um. jo wänfchenswerther iſt, da wir,
wie ans Obigem hervorgeht (f. oben &. 723-752), durchaus nodh keine
beſeterigenoe Topographie. der Cuphratquellen uud ihres Stromgebietes
beſthen. Dadurch· wũrden wel mande Mißverſtaͤndnihhe aus ben claffiſchen
und armeniſchen Berichten der früheflen "Jahrhunderte berichtigt werben,
0 W. Ainsworth L c. II. p. 391594.
822 Weft:Afien, IH. Abtheilung. I. Abfchnitt. 5.39.
Denn Plinins z.B. fagt: Arares entipringe auf dem ſelben Berge,
wie der Buphrates, feine zwei Stunden weit auseinander (VI. 10:
Araxes eodem monte quo Euphrates, VI. M. passuum intervallo), fs
iſt dieſes ziemlich geman richtig, man mag es nun auf eime Duelle des
Frat (f. oben ©. 388, 397, 739, 740) oder eine Duelle des Murat
(nämlich des Kaleh fu und Binghoͤl fu, f. oben S. 385) deuten; wer
aber Brocop (f. oben ©. 722) dbafielbe von dem Cuphrat und Tis
gris ausfpricht, fo if dies unbegreiflih, da felbft der Binghölfn, wer
auch für eine Duelle des Murad genommen, boch immer feine des Tb
gris fein kann. — Wenn es fchon wahr if, dag die Stadt Urzerns
keineswegs felbft an einem der Hauptquellarme des Frat liegt, ſenden
immer mehrere Stunden bavon entfernt, fo fehlt es ihr doch nicht cn
fließenden Waflern, die ihre Gärten bewäflern und zum Kara fm falles,
noch an trefflichem Triufwafler, wie wir oben (6. 761) anführten; abe
jene Zuflüffe werden in mancher Jahreszeit allerdings wol zur Ireigatien
aufgebraucht, fo dag fie dann den Hauptfluß nicht mehr erreichen I
uen. — Hiebei haben wir nach ber ruffifchen Generalfiahstarte, welche ned
die Hybrographie des obern Cuphrat am beften darflellt, zu bemerken, vaf
nach ihr Die er ſte Brücke, die nach. Judſhidſhean über den Euphrat führt
(f. oben S. 728), wicht, wie wir vermutheten, die bei Elija if, ſonden
weiter oberhalb liegt; die zweite von ihm angeführte aber, munter
halb dem Sazlech, ebeu bie von Elija if, and dag Sazlech de
Sazlit (f. oben ©. 726, 727, 728, 749) nur.ein von dem armenifcen
Geographen .anfgenommenes türfifches Wort if, welches foviel al
Schilfwald bebentet. Diefer hier befchriebene. Schilfſumpf würbe zum
bieuach wirklich direct gegen Norden von Erzerum au den Kara fu a
liegen fommen (f. 06.6.727). — Beftwärts if Shug hani dfur, ci
tiger ‚nach der ruſſiſchen Karte Schagan, gelegen, am G@infixf bei
Sardihamm (f. ob. S. 727) vom Norden her zum Karaſu; Dier de
Dipur Heißt Wafler. Der Schilfwaln ſelbſt it nnz wol nach einer glid
lichen Conjectur unfers jüngern Freundes Kiepert, dem die alte Gew
graphie durch feine Ausarbeitung vorberaflatifcher Karten dereinſt neh
vieles verbanfen wirb, ber Lucas, ober vielleicht der Lacus Basare
ber Tabula Peut. Hienach müßte nun auch bie bisber völlig unbe:
tannt *2) gebliebene Landſchaft Baferopeda. bei Gtrabs Xi.
588 in dieſelbe Localität, an bie Quellen des obern Frat, im da
fogenannte Owa (das heißt Thal, daher die ruſſtſche Bezeichnung dien
©. 7% pleonaſtiſch) verlegt werden, das M in bas dortige Thal,
norhwärts Erzerums. Eben dahin an das Nordende des Lacus Bess
fegt aber bie Tabula Peut. bie Station Simara. '?) Die Maße
!) G£ographie de Strabon, trad. francaise. Paris 1014 4 Tom.
5 ‚834. mot. 8. *%) Bipaner, Genge. d. Or, m, BF
Euphratſhſtem; Nachtrag; Berichtigung. 8233
ftimmen ‚bei Blinins (V. 20) von Dascufa bis zum zweiten (in der⸗
felben Stelle) genannten IZtmara, von weldem feine Malatia begins
‘wen, den Cuphrat abwärts, über Dascuſa, Paſtona bis Malatia (f. oben
&.802), vortrefflich zuſammen; aber durchans nicht mit des Licinius Mu⸗
“ edanus Angabe von der Lage des zu erſt genannten Simara: (Plin. V.
20: Licinius Mucianus sub radicibus montis quem Capoten appel-
lant, supra Zimaram, XII. M. passuum initio Pyxirates nominatus).
Diefes erſte Zimara heißt in andern Codieibus Simyra und ft bei
Harduin ed. Franzius, Lips. 1778, Vol. IL pag. 396 erft in Zimara
umgefchrieben. Seine Lage fl aber, XIL M. P., d. i. 24 geogr.
Meilen, genau bie von Simara der Tab. Pent. im Norden des Schilf⸗
waldes (Lacus. Basaro). Es find alfo zwei ganz verſchiedene
Städte; die zweite in. Armenia minor, die wirflihe Simara, auch bei
Stolem.; and die erfle in Armenia major, uämlich die Simyra oder
G&imara der Tabula Peut., nicht weit vom rothen Klofter an den
Quellen des Kara fun (f. oben S.730, 739), und Plinins alfo von
dem groben Vorwurfe der gewaltigfien Unwiſſenheit und Nachlaͤſſigkeit
(b. Nanuert, Geogr. >. Or. u. R., Th. V. 2. S.201) befreit (vergl. ob.
©. 81.801). °
Diefe Jimara oder eicpliger Simyra wäre demnach viemlich ges
nan im Norden nur ein paar Stunden von Eryerum (Garin, Theobes
Kopolis) beflimmt, nahe der erften Brücke über den Euphrat gelegen,
an demſelben Aufftlege zum Arares über deu Deveh Boyımm (f. oben
©. 740), an dem Weflabfall ver Wafferfcheide und der großen Ge⸗
birgspaffage von Wei nah Of, unr weniges ſüdwaͤrts bed vom
Zonrneiort befnchten rothen Kloſters (f. ob. S. 730, 789), ver aber
nichts von Ruinen einer früheren, wol nicht nnbebeutenden Stadt wahr:
genommen, bie. wahrfcheinlich durch die aufblühende benachbarte Theodor
flopolie ganz in Vergeſſenheit gerieth.
- In der Stadt Erzerum felbfi Hebt W. Ains worth nur einen
neuen Gegenſtand zur Beachtung hervor, der früher unerwähnt blieb, es
if ein Pfeiler, *’) ganz im Styl der merkwürdigen Keli Shin (d. h.
blauer Pfeiler) der Shemiram, von denen wir früher in Aderbidjan
Bericht gaben (Erdk. Th.IX. S. 1023— 1026), nur daß diefer Hier, ges.
genwärtig wenigflens, feine Spur von Keilinfchrift mehr zeigt, wie jene.
Den Bau der Tihifteh Minareh (f. oben S. 768) erklärt er für ein ans
fänglich griechifches Klofter, das in eine armenifche Kicche verwandelt wurde,
aber auch zu andern Iweden dienen mußte: denn die Rnflen zogen wähs
rend ihrer letzten Beilguahme der Stadt aus dem Schutt diefer Zellen
allerlei alte Helme, Schilde, Bogen, Pfeile, Schwerter, halpälfege und
ſyriſche Inſchriften hervor, vom denen leider nichts genawes befannt wor⸗
62) W. Ainsworth 1. c. II. p. 898.
824 Wieſt-Aften. III Abcheilung. I. Abfcheitt. $. 39.
des if, Seit Southgate's Anweienheit (1837:, |. ob. S. 706) uuh: Se
bei: über. den elenden Inftand der armenifchen Kirche befelbii Kasten Wie
Armenier einen nenen. Kirchenbau angefangen; die wieder Urginseabe
Aufnahme der Stadt versulaßte, nach Eli Smiths trauriger Schilsenug
derſelben Eſ. oben. S. 642), auch den amerikaniſchen Miſſionar Jackſon
fig daſelbſt niederzulaſſen, um die große und blühende Miſſien Urmin
(. Crdot. Th. X. S. 10209) in ſteter Berbindung mit derjenigen zu Tra⸗
pezumt zu erhalten, welche damals ein Dir. Joh uſon leitete.
- Hinfihtlih de6 Nordweges von Erzerum nah Srapezunt, ws
befien Wechfelu in Obigem (S. 741 — 746) bie Rebe geweſen, bunalı
Ainsworth, °*) daß es dahin verfchiebene Ronten gebe. Be
Binterroute, die längfte, paſſire Gümifh Khase und verfolge ben ke
geven Thalzug; alle andern fehen aber über: die Bergkette am verſchie⸗
denen Stellen, insgefammt, im Oſten jened Weges: zu den Minen. Wim
abgeiehen von, jener Route durch das Thal wie üben Die Dergieiie je
gen die Maulthiertreiber auch oft weſtwaͤrts bis Aſh ka leh (dem bauch
“genannte Diennes, S.1740, oder Dſchunis, nach des ruffifchen Ge
neralſtabs⸗Karte, anf dem Sühnfer des Karaſu gegenüber liegt), inkef a
zu andern Zelten auch wieder den Weg über die Dörfer Bey ae
und Kodja Bunar vorzögen und dann erſt in die Gebirge einträten. Fine
ähnliche Bewandniß hat es auch wol nach ben Jahreszeiten und Us
‚Händen mit. den verfchievenen Paffagen über ven Saghan In (fi. ehe
-&:405--448), wol am richtigfien Soghanlu, wo fi: ame Kieperit
forgfältiger Kartenconfirnetion der verfehievenen Routen im Vergleich nö
dee rufflichen Generalſtahskarte ergibt, daß Hamiltons Neiferonte ve
über Barbeb (Varutha bei Ptolem. V. 13: fol. 136) wirklich im a
biede ‘des nordweſtlaufenden Suflromes zum Zfhorm! die mörblichhe wm
allen iſt, uoch wözblich von der Straße über Sewisn (f: ob. &. 420), me
nach alfo obige Angabe zu berichtigen fein wind.
Alnsworths Weg ging von Erzerum den erften Tag übe die
weldlofe, aber gut angebante Plaine voll Dörfer, an dem warmen Dusle
len .von: Ilja voräber, ohne dieſe zu berühren, zum Dorfe Bey Mam
far, das am. Fuße von Bergen nicht fern von einem Kegel erbdani I
der 59° N. W. von Grzeram liegt, . wo ein Zuflug zum Gupbeat: ve
größerer. Beventung als ber Frat felbſt Lunflreitig der Gurtibaum, f
ob, S. 727, 745) aus den Bergen zu ihm hervortzikt, wonach ber Mes
rafu oder Frat von Grzerum wicht eimmal als der enfferutefle, geräte bus
im phyſtlaliſchen Sinn eigentliche Quellarm bes Frat zu betrachten fein
wärbe., Der zweite Tagmarſch führte über Berge, die aus den ji
gern ber. Kreibeformation übergelagerten Ralllein: un Sa ad ſtotn⸗
bildungen beſtrhen, welche buch bie Gabbro⸗ (Cuapholiven⸗) uub
„®%4) V. Ainsworth 1. c. U. PB : Eee
Euphtatſhſtem; Nachtrag ; Berichtigung. 825
Serpentinfelfen emporgerichtet wurden (wie oben nah Hamilton
©. 74). Bon da fleiler Abftieg zum Bol Beran, d. I. trodner
See (Goͤlweran auch auf: der ruſſiſchen Karte; daher die Verdrehung in
Siöloran und Gulura, melde oben ©. 745 zu berichtigen iſt), und wier
der Auffteigen zum Dorfe Kod ja Bunar (alten Mannes Quell). Bon
da erſt findet der Hinabweg zum Thale des Ispera- oder Tſhoruk⸗
Binffes ſtatt (am deſſen Nebenflufle Thortan, jept Tortum, alfo
nicht mit dem andern geheiligteren. Thortan oder Turdan in Taras
naghi, im N.W. von Erzingan am Frat, zu verwechfeln, wovon oben
©. PM und 8.552: vie Nede war, wobei alfo ver Zuſatz der Worte „bes
nachbart Arzerum“ als Schreibfehler zu fireichem iſt). Der Tſhoruk⸗Fluß
wurde bier zum Dorf Mafat oder Marrat (Maflat, ſ. oben S. 744)
verfolgt. Die überfeßte Gebirgskette zwifchen den Thälern des Kara ſu
and Tihornf nenut auch Ainsworth Kop Dagb, ihn mil Paryadres
und Skydisos ibentificivend (f. oben S. 742). Der Ritt vurch das Thal
von Naſat weſwaͤrts, das von nadten Kalkſteinklippen, bie aber reich.
an Metalladern find; eingeſchloſſen erfcheint, führte nach Baiburt (f. oben
©; 746) unb von. da exft norbwärts über ‚ven fogenannien Teich
Dagh (vom Tekieh im Türkiſchen, d. h. Klofter), den man. beshalb:
mit dem Iſcheches des Zenophon identificirt bat (f. oben S. 740); aber
doch wol mit Unrecht, da es nichts anderes, als ganz allgemein nun Klo»
ferberg bedeutet, diefe Benennung ihn alfo wegigftens feinen Auſpruch |
anf ein höheres claſſiſches Alterthum gibt, wenn nicht andere Umflände
hinzukommen. Doch wir. Tehren von diefen Angaben zum Cuphrat aus,
rüd, und fügen nur noch zu obigen Berichtigungen hinzu, daß, weun ber
urfprünglicde Name jenes Sheitan Derefi (f. ob. S. 736 und 737)
wirklich in Dereſi die türkiſche Benennung eines Thales, nicht eines
Ortes oder Wohnplatzes, enthält, jene Station ihren Namen eher vom
Thale erhalten Haben wird, als umgelehrt, wie Onſeley meinte, bas Thal
vom Hauſe. Leider iſt bie Pofleinrichtung, deren wir oben ©. 785 ruhm⸗
lich erwahnten, im kuͤrkiſchen Reiche wegen zu großer Koflen, bie fie ver»
arte haben fell, nah Kieperts Erfahrung im Keinafien im Jahr
2042 fon wieber aufgehoben worben.
828 Weff-⸗Aſien. BIL. Abtheilung. I. Mbfehnitt.$.40,
ziz Furthen wiedergibt. I. Brant nennt eine Brücke, die über
den Tokma fu führt, Kirkgenz, welches die vierzig Augen, mel
wegen der vielen Brückenbogen, bedeute (ſ. unten).
An jenem Iſoglu war v. Moltke auf feiner erſten
Bahrt, im Juli 1838, auf dem Kelle glücklich vorübergeſchiff
nun aber glitt das Fahrzeug mit entfeglicher Schnelle) in m
um die Hälfte verengten Stromlauf hinein; bald hörte man fermd
‚Braufen, von dem die Felswände wienerballten, und nicht lange, ſi
war man den omindfen Jilan Degermenti d. I. der Sälu:
' genmühle, nahe gekommen, eine Flußſtelle, die ihren Nauu
"recht mit ver That trägt. Vorſichtig legte man an, und erfpaͤhte a
einer vorfpringenven Klippe die Gelegenheit, ehe man ‚fly wide
m den Wirbel Hineinwagte. Solche Stromfchnellen, mie diefe, io
‚gen fletö an ſolchen Puncten, wo daß jähe Bett auchh eines geie
gern Gießbachs In den Strom mündet. Aus feiner Bergfihlut
find im Laufe der Zeit--eine Menge größerer und kleinerer Fe
trümmer herabgeſtürzt; fie Haben vor der Mündung des an ſich
singen, aber dennoch, wenn angefehwollen, wũthenden Tobels de
Zandzunge angefeht, welche die Breite des Stroms ger IR
vermindert (3. B. der Parſhian fu von Kümürhan, wer ir
durch fein Vorland "oberhalb ' des Engfpalte® vie Breite nes &
phrat bis zu nur 25 Schritten verengt hat).3) Oft ſiund ul
gewaltige Steinblöde in das Bette gerollt, die hei nieverm Wehe
ſtanbe Hervorragen, bei höherem aber von: der Flut Übesfpäl: Feb,
der fie einen ünbeflegbaren Widerſtand entgegen ſetzen. Der weiße
Strom, verengt und aus feiner Richtung geworfen, brauſet gap
die Unebenheiten an, bildet über. venfelben hohe Waſſergarben ua
jenfeit eine gewaltige wirbelnde Gtrömung, wie wenn mon ww
Waſſer aus einem- breiten Gefäße in eine enge Rinne göfe Sk
‚weniger ſchlimmen, oberhalb ſchon paſſirten Stellen gaben: Mb
trauen zum Flooß; kaum vom: Ufer abgefloßen, wurde es von m
allgemeinen WBaflerzuge erfaßt, und ehe ſich vie Schifſenden nur-is
finnen konnten, waren fle fihon glücklich hindurch, doch von Kerpt
zu Buß burchnäßt: denn von allen Seiten fchlugen die Wafferweiin
über fie zufammen ; bei 40° Reaumur eine angenehuje
Dr NiveausUnterfchien des Flußſplegelt nicht. ——22
und unterhalb der Stromſchnelle, auf eins: En Entfernung. ws
20 Echritt, konnte nicht weniger als etwa 18 "Sa Kun, te
ss 1 D. |
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Enphratioftem; Befchiffung der Euphrat⸗Cataracten. 829
wagen. Solcher Stromfchnellen, die mehrſten zwar von ge,
ringerer Bedeutung, aber wol preihundert an ber Zahl, eine
hinter ver andern, bilden auf einer Strecke von etwa 20 geogr.
Meilen zwifchen ven wildeften ſchwer zugänglichfien Felagebirgen
die fogenannten Eataracten ned Euphrates (Plin. V. 20).
Kaum iſt man durch die eine hindurch, fo hört man fon das
nahe Braufen der andern. Das Kelle dreht fich befländig herum;
ohne feinen Sig zu ändern auf dem wogenden Strome, Tann ber
ſtaunende Schiffer, fagt v. Moltke, vie wildromantiſche Gegend
von allen Seiten betrachten. Hoch oben Eleben einzelne Kurdendoͤr⸗
fer, unter fchattigen Nußbaͤumen verfledt, und Waflerfälle fchäumen
Dis fleilen Bergaebhänge herab. Die ſchlimmſten Stellen find bei dem
Stadtchen Schtro, und dann drei Cataracten, eine unmittelbar
Hinter der andern, dicht oberhalb Telek, wo heiße Schwefel»
quellen vampfend aus dem Geſtein pringen (die Elegia
bei Plinius, X. Mill. pass. d. I. 4 Stunden unterhalb Melitene,
H. N. V..20), in veren Benennung’ noch ver antile Name, nur
etwas verhärtet, unverkennbar geblieben, wodurch vefien bis dahin
unbelanmt gebliebne Lage (f. ob. S. 116, 737), wodurch auch die
Benennung ver anliegenden Landſchaft Elegofine (ſ. ob. S. 100)
ihre Rechtfertigung erhält.‘ In der zadigen Belöfpalte, nahe unter
halb des Dorfs Telek wird ber oberhalb 200 bis 300 Schritt
breit geweiene Strom durch einen Erofturz auf 35 Schritte verengt.
Diefe Stelle heißt Geiklaſh, d. i. der Hirſcheſprung; ber Eu—
phrat hat hier durch feine feltiamften Windungen durch die Tau⸗
rusketten feine äußerſte Nordoſtwendung im ſcharfen Winkel er⸗
reicht und ven größten Thell der Halbinfel von Kharput (d.i.
Elegofine) umflurhet. Auf den fehmalen Ifthmus dieſer Halbinfel
preitet fih nun eben jener Gol dſhik See (Colchis, Ihodpitis,
f. ob. S. 101— 103) aus, und dicht in Norvoft von Telek (Ele
gia), vielleicht Feine Stunde vom Euphratſtrome entfernt, Liegen auch
die wahren Quellen des Tigris, von denen früher fchon bie
Mede war. Da wir nun eben hier in dieſer Localität, die ware
men Schwefelquellen Eennen lernten, deren Vorkommen früher
unbetannt war, und dieſe mit Plinius Ungabe von Elegia (fo
heißen überhaupt die warmen Quellen noch heute Ilijeh, Ilidie,
f. ob. ©. 698) dem Raume nod völlig zufammenfällt: fo bezweis
fein wir nicht meht, wie zuvor, ein doppeltes Elegia (f. ob.
©. 100); halten aber doch immer jenes obere Elegia’ am Frat
(f. 06. ©, 116.und 736) für dasjenige, ‚wo Partkamafiris ant⸗
-
*
A
verminderter Geſchwindigkeit fließt nun ber Euphrat zwar nod ie
. erhebt fi noch zu 300 bis 400 Fuß Höhe, und zeigt die greul
interius autem juxta montana, d. i. nicht in Das GStromthal, fr
nel, oder Gurgur, mol wie oben ©. 663, d. i. das Getdſe, we
830 WeftAfien. IH. Astpeilung. I. Abſchnitt. $.20,
thront warb (weshalb die Stelle &. 101, 3. 2 von oben zu be
richtigen). Diefe Meinung iſt dadurch begründet, daß wir jegt we
früher ebenfalls unbekannte Lage von Satala (f. 06. ©. 116; übe
welche Zrajan durch Klein- Armenieng Päſſe nach Elegia vorbramg)
durch die Stinerarien in der Situation von Lori (f. ob. ©, 73)
wiedererfennen müflen, da Satala nicht fo dicht am Cuyhrat ig
wie Eramer‘*) annahm, fondern eine Stätion davon entfernt, in ®s
ſten jenfelt des Bebirgäpaffes vom heutigen Karakulak (Itiners.
Anton. ed. Wessel. p. 207, 217, 703, ung Kieperts Karten we
obern Tigrielauf), womit Ptolem. V. 7. fol. 127 übereinfium
der dieſe damals bedeutende Stadt ausdrücklich Zrzöc de etc, ai
dern gegen das Gebirgsland ſetzt. Nun zweifeln wir u
nicht mehr daran, daß die merfwürige Euphrat- Hall
infel felbft von dieſer, fo eigenthümlich gelegenen, unteren @iegs
den Namen Elegofine erhalten habe (ſ. ob. S. 100); un af
diefe Elegia paßt dann auch vollfommen Plin. V. 20: Apud Be
giam occurrit’ei (i. e. Euphrati) mons Taurus, quamquam ZI
M. pass. latitudine praevalens, das wäre 5. Stunden Wegs IH
Berger, wo der Cuphrat wieder fchiffbar wird, wie PBlin. ebenbel
fagt: a cataractis iterum Euphrates navigatur.
Unter dem Geiklaſh bei Telek wendet fi num m
Cuphratſtrom gauz gegen S. W., und führt nady einigem Lak
abwärts unter einer Kreidefelswand zu einer fehr miphen
Stelle, dicht oberhalb ded Bergſchloſſes Berger (Kharkar bei Aw
das Geſäus an der Ens in Steyermark bei Admont); von da a
verändert fidy der ganze Character des Strombettee. Denn mit ſch
mer zwiſchen ven hohen, fenfrechten Wänden bin, aber die Geh
treten fchon auf beiven Seiten zurüd, und die Nebenthäler, db
nur kurz, find von niebrigen, mauerartigen Bafaltgängen dump
ſchloſſen. Das röthliche Geftein, das ſenkrecht zum Fluß abſuck
fin Formen ver Sandſteinbildung und viele Höhlen.“ Einig
der letzteren enthalten vie Trümmer uralter Klöfter, vie nur wi
einem fchmalen, ſchwindelnden Pfade längs ven Felsmauern zu e⸗
reichen find, und ſeltſane Wartthürme kleben an nen Fühen
m EM Ma A BE Ho Do . ME 5 WE TE rn DM 5
d0%) Gramer, Asia miners Oxford. Nu IL ꝑ. 188,
x
Euphratſhſtem; Beſchiffung der Euphrat⸗Cataracten. 831
Felsvorſprüngen. An welchen von dieſen Localitäten etwa die Feſten
Barzala und Laudias im großen Bogen des Stromes (nach
Ammian. Marc. XVIII. 7, 10), oder das Barſalium und Clau⸗
dias nach Tabul. Theodos., in fpäterer Zeit, wie D'Anville fagt,
Berfel und Cludiehẽe) genannt, liegen mögen, bleibt ſpätern Er⸗
forſchungen an Ort und Stelle, die vorzüglich von den Landreiſen
am Stromufer entlang andgehen müſſen, überlaſſen. Als vor⸗
läufige Annäherungen nach Diſtanzberechnungen ver Itinerarien
diene die Angabe verbefferter Kartenzeichnung, wonach Claudias
unmittelbar untersalb der obengenannten Jilan Degermint ober
der Schlangenmühle liegen würde; Juliopolis unterhalb Telek, wo
jeßt das Torf Ibolkdiler, Barzalo aber an ver Stelle des heutigen
Berger. Eben fo verbleibt ihnen vie genauere Beſtimmung ber von
&1. Blolemäus In Armenia minor an diefem Stromufer, oberhalb Ma⸗
Iatia (MeAızEvn), genannten Uferorte Dascuta, von dem ſchon oben
die Rede war, und Sinis Eolonia, mie unterhalb Melitene
Metita (Mira), wol in der Gegend des heutigen Sfoglu;
dann die zwifchen feiner Claudia (Kiavdias) und Barzalo
(BapLulw) nur von ihm genannte Juliopolis (Ptol. V. 7.
fol. 128), abwärts feine Cholmadara, wahrfcheinlich indgefammt
Niferfeften, und andere, auf welche dann erft noch weiter abwärts
von ihm die erſte Stadt Syriens, nämlid Samofata
(Zaudoata, f. Ptol. V. 15. fol. 138) genannt wird. .
Unterhalb jener Klofterruinen und Warttbürme, bie
bisher noch ganz ununterfucht geblieben, und vieleicht durch In⸗
feriptionen und Seulpturen manchen Aufſchluß über jene frühere
Periode ver Geſchichte an dieſen Euphrat- Cataracten im Anti=
Taurus (f. ob. ©. 74) geben möchten, ſchiffte v. Moltke's Flooß
an dem alten Caſtell von Ehoros%6) auf dem rechten Ufer vor⸗
über, wo der Strom, nun in immer weſtlicher Richtung, zwei
große Serpentinen macht, aus dem Felsgebiete in ein offenes
Hügelland eintritt und, in der feichten Sommerjahrezeit etwa
der fchlefifchen Oper bei Frankfurt an Bröße und Bedeutung ver-
gleichhar, an ver berühmten Samofata vorüber, nun in bie Stein-
wüßte von Syrien übergebt. Hier war das Ende ver erften
Wafferfahrt. |
Nicht fo glücklich war eine zweite, In einer andern Jah⸗
*6) D’Anville, Mé m. l’Euphrat et le Tigre. 1779. 4. p. 6, 15.
**) v. Molike, Briefe, 6 204, 224.
'
v
7
/
832 Weſt⸗Aſten. W. Abtheilung. I. Abſchnitt. 40.
reszeit, Mitte April, um bei hohem Waſſer ſtande md de
mal zu unterfuchen, ob bei Waſſerfülle vielleicht der Sum
doch noch zu einer Wafferverbinbung und zum Xranspert
der Kriegtbedürfniſſe aus Armenien nad) Syrien uns Meine |
tamien dienen könnte. Nicht ſowol die unbedeutenden Gele
fprengungen, welche hie und da indeß im Euphurtlaufe auf Bil
Hafisz Paſchas gemarht waren, gaben dazu cinige «Heffuung, HM
‚vielmehr die damalige Stellung der türfifhen Armee dazu Yräugk,
auch dad Aeußerſte in dieſer Hinſicht zu verfuchen, zu deſſen Ouch
führung ein weifes Gouvernement lange vorher die Vorbereitunge
getroffen haben würbe, was aber bier im Moment der Noth (ni
lid) vor der Schlacht bei Niſib, im Juli 1839) wo möglid vun
gefegt werden follte. ber vie Unmöglichkeit der Belegung im
wilden. Waffergewalt des fo mädtig gewordnen Gem
(Euphrates cunctis excellens Ammian. Marc. XXI 6, 25, u.
Pomp. Mela Ill. 8: Kuphrates non exit tanlum unde eorite,
‚sed et vaste quoque decidit etc.) ergab ſich aus der Probe mit
Lebendgefahr.
Der Euphrat iR eben jeft, wo wir ihn brauchen, (fagt u. Sb
ke's Brief, 97) vatirt: Malatia vom 12. April 1839) um 15 I
geſtiegen, und der Pafcha war.fehr in Sorge, ob es mögi a
werbe, ihn jetzt zu befahren, und wen er mit dem etwas migihet
Verſuche beauftragen follte. Die erfahrenſten der Kelektfthi, es
Ruberer, erflärten es für ganz unmögli, die Stromſchnellen Sin
zukommen, da ſchon bei günftigem Waſſerſtande von 3 Berfage
zwei verunglückt waren. Beim Abendeſſen ſchlug ver Paſcha uk
die Partie vor. Ich ritt noch denſelben Abend nach Ece beh is
Euphrat (gunächft bei Malatia, unterhalb des Einfluffes ver I&
ma fu), wo mein Kelek over Flooß bei Fackelſchein ſchnell gebe
wurde, und war bald nach Mitternacht flott. Gegen Senne
gang kam ich nah Kümürhan, wo die fehwierigen Stellen anf
gen. Es war fehr arg; was früher nur Stromfchnelle gewii
war jegt wirflih Wafferfall, und vor vr Schlangenwäht
(Jilan Degermeni) mußte Ich meine Arche In ihre integeizuiius
helle zerlegen, Stangen, Schläuche, Gepäd über Land ragen u
unterhalb dieſes Cata ractes wieder zufammenfegen laſſen, unit
3 Stunden vergingen. Dann fiel bei der Weiterfahrt Sagen da
der und aber nicht näßte, venn ſchon die Wellen des Siremes ib
ne |
sen) y. Molke, Brit, 0. 0. D.E. ML. z
‚Cuphrarfoft.; Beſchiff. der Euphrat ⸗Cataracten. 833
fegütteten uns. Oberhalb Telek (bei der Schwefelquelle Clegia)
- wußte das Floeß nochmals auseinander genommen werben: bein
«8 war gar nicht daran zu denken, durch die dortigen Waſſerfaͤlle
und Brandungen hindurchzukommen. In ftodjinfterer Nacht lande⸗
ven wir in Telek, wo wir blieben, um und zu trodnen. Wir hat⸗
ten in 6 Stunden eine Stredde auf dem Strome zurückgelegt, zu ber
ich nachher 24 Stunden Zeit auf dem Landwege gebrauchte. Meine
Begleiter, ein Ingenieur⸗Obriſt des Bafcha und Andere, verliehen
mich bier; ein Aga des Paſcha und 4 Keletfht (Ruperer) blieben
mir am Bord, dazu nahm ich noch einen fünften aus dem Docfe
mit; aber Selm Einſchiffen am andern Morgen 308 fich auch mein
Tſhauſh (Sergeant) zurüd; er mußte zur Fortſetzung wer Fahrt
gezwungen werden. Wir fließen vom Ufer ab; pfellfchnell ging «6
davon, und in 10 bis 15 Minuten ſchoſſen wir eine ganze Stunde
Wegs durch den Euphrat, ver, oberkalb 250 Schritte breit, fich bier
zu 100, dann zu 80 Schritten und noch weniger verengt hat.
Die ganze gewaltige Waffermafje flürzt durch dieſen Trichter um:
über Felsblocke fleil hinab, wodurch fo gewaltige Strubel und Wels
len entfichen, daß an einigen Stellen die Waflergarben von 5 Fuß
Höhe ſich emporrichteten, während zu beiden Seiten bie Flut ſchnell
wie fledend dahinſchoß. Die Wogen jchlugen auf unfre Köpfe nie
dex, das Flooß mar zuweilen ganz unter WBafler; aber die Ham⸗
meelfchläudge arbeiteten ſich beſtaͤndig wieder empor, und nur bei
dem fleilen Auf⸗ und Abfleigen über vie hoben und kurzen Wellen
war Gefahr umzufchlagn. An ein Rudern war gar nicht zu
denken. Zwei der Keletſhi fielen über Bord, fle hatten ſich aber
mit Stricken feſtgebunden. Der Schrecken blieb nicht aus, bean das ‘
Kelek trieb wol eine Drittel- Stunde „istedi gibi”, d.i. nach Gut⸗
dünken, fo fort, bis Allah uns in einen Strudel feitwärts führte
umd dort ein dutzendmal im Wirbel umdrehte. Gier erſt kam man
zur Beſinnung; vie Ruder wurden wieder ergriffen, doch blieb eß
zweifelhaft, ob wir. daß Ufer erreichen oder einem neuem. Waſſerfall
zugeführt würden. Schon waren drei 'ver Floeßſtangen mitten
burchbrochen, 4 Schläuche geplagt, 2 weggeſchwommen: doch ka⸗
men wir glücklich ans Ufer. In der Angſt retteten ſich die Türken
ſchnell auf vie Klippen und fielen ;niever, um ber Kaaba in Mekla
ihre Gelübde für vie Rettung zu bringen. Reicht Hätte man, bes
merkt v. Moltke, an dieſen Tage, bei der auferorbentliäyn
Schnelligkeit ned Stroms, noch den Schlopberg won Srrart,
ia 30 Stunden unterhalb Malatia, erreihen rauen, ober. ie
Kine Gifune X. ® X
I HE
838 Meft«Ofien. IE. Abtheilung. . Abfchmit.$. 40.
wer war zum Weiterſchiffen zu bringen. Auch Hätte dies Telm
Frucht gebracht: denn daß Feine MöglichTleit vorhanden fd,
auf um Euphrat abwärts Güter zu verſchiffen, war num fen
mtihienen. Nun galt es nur, von Weg zur Rückkehr zu finden
ie mußten aus wiefen wilden Kfippenufer eine faſt ferfundk
- Welywand;; In ver Schlucht eines Bergwaffers, an 1000 Fuß def
wuporflinmen über Schutt und Beldtrimmer, um zum bl
Derfe auf ver Höhe zu gelangen, wo man Maulthiere zum Mb
marſch bettreiben konnte. In Telek hatte man die Ahnen Sdife
ſchon für verloren gegeben ; rad drei Tagen kehrte aber v. Melk
no Malatia zum Lager des Paſcha zurüd. Ea blieben zum Eu
beuch wos Tauruds Heeres von Malatia demnach, da ber Wef-
fermeg unmdglih war, nur no zwei Kanbmwege vard ww
Tauras, nah Samfat und Beridſhik In Syrien, zu nam
ubrig, dason der eine für die Artillerie geräumt werben wußte, iu
andre für die Infanterie noch mit hohem, leider ſchon fh meigaiben
Gun bedeckt war. —
Do che wir zu der mähern Kenntniß dieſer Rand wege ah
der dem Taurus vorliegenden Ebene fortfchreiten, müfjen wir uw
ao einmal innerhalb jenes Taurußfetten zurüdtchren, zu ven ui
befunnter gewordnen Roealitäten, die zu beiven Uferfeiten des €e
phratſtromes gelegen find, deſſen Wafferader ſelbſt una ven
dieſe kuͤhnen Fahrten zum erflen Male in ihrer wahren Ranie
ſchaffen heit geographiſch an das Licht getreten iſt
2. Meſtlich⸗ Zuflüſſe des Eubphrat, zumal des Tolmäfs,
Melas ver Alten, bis zur Stadt Malatia Mealatiye
in ber Landihaft Melitene. —
Erſt nachdem wir und durch die Waſſetreiſe mit dem Muh
5 Stromes in feinen felfamen großen Wendungen G
Durchbrüchen, die Alen frühern geographifcgen ; Bearitbene
thellweis oder gänzlich unbekannt geblieben waren, und woher
kimer Stromſtrecke von 40 bis 60 geographiſchen Meilen: Sreguitiäf
Irrtum gehäuft hatten, im allgemeinen befannt gemmacht Fk,
wird es und nun erſt nidglich, auch auf einer La nd reife We Mb
den Uferſeiten des Stromgebtetes zu begleiten; u
Zuftüffe sum Euphrat mit ihren Thälern: und '
richtget verrinen 018 biaher zu befchreiben, wenn X
men wege auf ze woltoemme Ware ar Wiır
— Arien. Der wehliige her un Cuyiret, he
Guphrasoft,; Lefizuflcffe zum mittl, Eupbretlauf. 835
Aleinaflen gu, iſt hier zunuchſt vorzugkweiſe durch feine bedeuten⸗
dern Anflüffe und cultivirteren Landſchaften zu beachten, weil das
Aftliche Tier nur geringe Zufäffe erhält, da hier, Ihm ganz benach⸗
Kart, Die Bilsung des Tigrislaufes die meiſte Bewäſſerung an
ſich veißt, und deſſen Quellflüſſe überall, fünmärts bid zum Mha⸗
baur⸗Fauffe kei Orfah, nur in geringer Ferne von wenigen Stun⸗
Den des linken oder oſtlichen Ufers des Cuphrat entfpringen, 8
Zanı vie Wüſte Meiopotamiens jevem ferneren Zufluffe zu dem⸗
‚ ‚Selten auf lange Streden Hin sin Ende macht. Bom Weften
her ibn aber viele und bedeutende Ströme durch weitläuftige Thal⸗
ſenkungen und Landſchaften dem Cuphrat in mehr oder weniger
her ſich parallelem Laufe zu, die insgeſammt ven Gebirgs⸗
Betson bes ſüdlichen Kaurusſyſtems auf der Grenze Kim
j altıms, in Rappapocien, Klein⸗Armenien, Melttene, Soma-
‚game und Dem wörblichen Syrien entfpringen, und fo zugleich: bie
Mebergänge und Eingänge zu jener weſtlichſten klein⸗aſiati⸗
Hier Habbanfel Borbesaflens bilden, die bisher ganz hypothetiſch
dm unfee Lanvlarten eingetragen ‚waren, aber in ben letzteren Jahren
wwotzemein lehrreiche Orts beſtimmungen, Aufnahmen und Grläutes
P zungen schalten. haben, nach denen man fich früßer vergeblich
uhr. 0
Wir ſetzen von ben ung nun ſchon befannten Puncten vom
Morden nach Süpen unfee Wanderungen fort, am vie wirklicken
Anſchauungen des Landes felbft zu gewinnen, ohne von vorn her⸗
on und in die zahlloſen polktiichen Abtheilungen und Zerftüdelun-
yon ſeiner Landſchaften einzulaften, die feit den Zeiten ver Nömer-'
Beige unter Zuculi und Bompetws gegen Mithridat und die
vrmeniſchen, dann die parthifchen Könige beginnen, und mit jedem
qelgenden Kriegs⸗ und Greberungdjuge der Byzantiner wider bie
Saſſaniden, der Armenier gegen die Sleinaflatifchen Könige, ver
Grlechen gegen die Araber, ver Gilicier gegen die Araber und Ma-
welusden, ver Griechen gegen Die Osmanen, Mongolen, Türken und
Merſer, und wisverum der Zürken gegen die Kurden, fortwährend
wechſeln. Diefer politiſche Wechſel, der. durch ale Jahrhunderte
Mintuch die Territorialgrenzen ver vielen kleinen Dynaſtien,
Mraßecturen, Themate, Konigreiche, Statthalterſchaften, Sandſchakate,
Paſchaliks, in welche vie vielen Gebirgägaue der Taurusgebiete im
Weſten des Euphrat durch ihre Naturzerriffenhett zertalken wagen,
fortwährend verſchiebt, ft .oft gar nit \ecl nawerien,
Bleibt meiftentpeils, boposheiiihy, und IR - Für ‚ven Bang a N |
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832 Weſt⸗Aſten. W. Abtheilung. I, Abſchnitt. 1.40.
retzzeit, Mitte April, um bei hohem WBafferftanne ned de
mal zu unterfuchen, ob bei Waffesfülte viefleicht ver Girem
doch noch zu einer Wafferverbinnung und zum Xrausperi
der Kriegtbedürfniſſe aus Armenien nach Syrien und Meſepe⸗
tamien. dienen könnte. Nicht fomel die unbedeutenden Gele |
fprengungen, welche bie und da indeß im ECuphratlaufe auf Bell
Hafldz Paſchas gemacht waren, gaben dazu einige Goffnung, U
vielmehr die damalige Stellung der türfiihen Aznıee- dazu vränge,
auch das Aeußerſte in dieſer Hinſicht zu verfuchen, zu deſſen Dunk
führung ein weiled Gouvernement lange vorher die Borbereitunge
getroffen haben würde, was aber bier im Moment ver Noth (aim
lich vor der Schlacht bei Niſib, im Juli 1839) wo möglich vunf
gelegt werben follte. Aber vie Unmöglichkeit ver Beflegung ie
wilden. Waffergewalt des fo mächtig geworbnen Ser
(Euphrates cunctis excellens Ammian. Marc, XKIH. 6, 25, u.
Pomp. Mela Ill. 8: Kuphrates non exit tantum unde erite,
‚sed et vaste quoque decidit etc.) ergab fih aus der Probe mit
Lebenägefahr.
Der Eupbrat iR eben jekt, wo wir ihn brauchen, (fagt v. Si
ke's Brief, 9) Datirt: : Malatia vom 12. April 1839) um 25 uf
‘- gefliegen, und ber Pafcha war.fehr in Sorge, ob es mögEd fi
werde, ihn jegt zu befahren, "und wen er mit dem etwas milk
Verſuche beauftragen follte. Die erfahrenſten der Kelektfhi, Me
Nuperer, erklärten es für ganz unmoglich, die Stromſchuellen has
zukommen, da ſchon bei günftigem Wafferflanve von 3 Verſeha
zwei verunglückt waren. Beim Abendeſſen ſchlug der Paſcha uk
die Partie vor. Ich ritt noch venfelben Abend nah Ecebeh
Euphrat (zunächſt bei Malatia, unterbalb des Einfluffes ves IE
ma fi), wo mein, Kelek over Flooß bei Fackelſchein ſchnell ‚gehen
wurde, und war bald nach Mitternacht flott. Gegen Sonntacch
gang kam ich nah Kümürhan, wo vie ſchwierigen Stellen aafıb
gen. Es war fehr arg; was früher nur Stromfchnelle gewißh
war jegt wirflih Wafferfall, mb vor der Schlangenumkfke
(Jilan Degermeni) mußte ich meine Arche im ihre -
Thelle zerlegen, Stangen, Schläudje, Gepaͤck über Land trage
unterhalb diefe8 Catara ctes wieder zuſammenſegen laſſen, seuullr
3 Stunden vergingen. Dann fiel bei der Welurfahrt Singie-de
der uns aber nicht näßte, denn fchon bie Wellen bed Sim. In
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Euphratſyft.; Beſchiff. der Euphrat⸗Cataracten. 833
ſchũtteten uns. Oberhalb Tele? (bei der Schwefelquelle Elegia)
mußte das Flooß nochmald auseinander genommen werben: denn
es war gar nicht daran zu denken, durch die dortigen Wafierfälle
und Brandungen hindurchzukommen. In flodiinfterer Nacht lande⸗
ven wir in Telek, wo wir blieben, um und zu trocknen. Wit hat-
ten in 6 Stunden eine Strecke auf dem Strome zurüdgelegt, zu ber
Un nachher 24 Stunden Zeit auf dem Landwege gebrauchte. Meine
Begkiter, ein Ingenieur⸗Obriſt des Bafıha und Anpere, verliehen
wich hier; ein Aga des Paſcha und 4 Keletſhi (Muperer) blichen
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mir am Bord, dazu nahm ich noch einen fünften ans dem Dorfe
mit; aber Selm Einſchiffen am andern Morgen 308 fich auch mein
Tſhauſh (Sergeant) zurüd; er mußte zur Zortiehung der Fahrt
gezwungen werden. Wir fließen vom Ufer ab; pfellfchnell ging e6
davon, und in 10 bis 15 Minuten ſchoſſen wir eine ganze Stunbe
Wege durch den Euphrat, ver, oberkalb 250 Schritte breit, fich ‚bier
zu 100, dann zu 80 Schritten und noch weniger verengt Bat.
Die ganze gewaltige Waffermafje flürzt durch dieſen Trichter und:
Uber Feloblocke fleil hinab, wodurch fo gewaltige Strubel und Wels
len entfliehen, daß an einigen Stellen die Waflergarben von 5 Fuß
Höhe fich emporrichteten, währenn zu beiden Seiten bie Ylut ſchnell
wie flevenn dahinſchoß. Die Wogen fchlugen auf unfre Köpfe nie
bes, das Flooß war zuweilen ganz unter Waſſer; aber die Ham⸗
melſchlaͤuche arbeiteten fich beſtändig wieber empor, und nur bei
dem fleilen Auf» und Abſteigen über die hoben und kurzen Wellen
war Gefahr umzufchlagn. An ein Rudern war gar nicht zu
Denken. Zwei der Keletihi fielen über Bord, fle hatten ſich aber
mit Stricken feſtgebunden. Der Schrecken blieb nicht ans, bean pas ‘
Kelek trieb wol eine Drittel-Stunde „istedi gibi”, d. i. nah Gut⸗
dünken, fo fort, bis Allah uns in einen Strudel feitwärts führte
und dort ein dutzendmal its Wirbel umdrehte. Hier erſt kam man
zur Beſinnung; vie Ruber wurben wieder ergriffen, doch blieb «8
zweifelhaft, ob wir. das Ufer erreichen oder einem neuen Waſſerfall
-zugefühst. würden. Schon waren brei der Flooßſtangen mitten
durchbrochen, 4 Schläuche geplagt, 2 weggeſchwommen: doch ka⸗
men wir glüflich ans Ufer. In ver Angſt vetteten ſich bie Türken
ſchnell auf die Klippen und fielen .nlever, um der Kaaba in Mekla
ihre Gelübde für die Rettung zu bringen. Reicht hätte man, bes
met v. Moltke, an dieſen Tage, bei ver außerordentlichen
Schnelligkelt des Stroms, noch ven Schloßberg von Berger,
wa 30 Stunden unterhalb Malatie, erreichen koͤnnen; aber Kae
Mister Grdfunde X. INN
834 Weſt⸗Aſien. TEI. Abtheilung. J. Abſchnitt. $ 40.
wer wer zum Weltssichiffen zu bringen. Much Hätte dies Tolme
Frucht gebracht: denn daß Feine Möglichteit vorhanden fü,
auf um Muphrat abwäns Güter zu verſchiffen, war nun fen
emfieven. Nun galt es nur, don Weg zur Rückkehr zu ſtuden
Wie mußten aus dieſem wilden Kllppenufer eine faſt ſenkerchu
VBelowand, in der Schlucht eines Bergwaſſers, an 1000 Fuß bei
mporklimmen über Schutt und Beldtrünmer, um: zum nahm
Derfe auf ver Höhe zu gelangen, wo man Maulihiere zum A
marſch buttreiben konnte. In Telek hatte man Die Ahnen Gchtſa
ſchon für verloren gegeben ; nach drei Tagen kehete aber v. Molrke
no Malatia zum Lager des Paſcha zurüd. Ea blieben zum Auf⸗
beuch v8 Tauruss Heeres von Malatia demnach, da der Maſ⸗
ferweg unmdglig war, nur no zwei Landwege vard Ws
Taurus, nah Samfat und Beridſhik In Syrien, zu nd
übrig, davon ver eine für die Artillerie geräumt werben mußte, da
andre für vie Infanterie noch mit hohem, leider ſchon fehmeigaibem
Son bedeckt war. —
Ooch che wir zu der mähern Kenniniß diefer Kann wege ah
der dem Taurus vorliegenden Ebene fortfihreiten, müffen ante w
noch einmal innerhalb jenes Taurusketten zurüdfchren, zu den mi
betannter gewordnen Loealitäten, die zu beiden Uferſeiten dei’ Er⸗
phratſtromes gelegen find, deſſen Waſſerader felbſt un nk
dieſe Llühnen Fahrten zum erſten Male in ihrer wahren Rat
we Amaffenpeit geographifih an bad Licht getreten iſt.
2. Menlich⸗ Zuflüſſe des Eubbrat, zumal deo Jotau-
Melas ver Alten, bis zur Stadt Malatia (Materiye])
in der Laudſchaft Melitene ' ed
ei nachdem wir und durch die Waiferreife ‚mit dem ER
des Stromes in feinen feltfamen großen Wendunge ws
Durchbrüchen, die allen frühern geographiſchen
thellwels oder gaͤnzlich unbekunnt geblieben waren, und WR
einer Stromſtrecke von 40 bis 60 geographiſchen Meilen ——
Irrthum gehäuft Hatten, im allgemeinen bekannt gemnache Yan,
wird es und aun erſt midgähh, auch auf einer Zum: reife ER
sen Uferfeiten des Stromgebietes zu — rn
Zuftüffe gum Eupbrat mit ihren Thälern: und
Yihtiger wenigſtens als bisher gu befchreiben, wein (dl
ehwege auf ine vollkommne Weiſe afle khre
Item. DM wehren Mr war Suyarat, ui? —
TEILTE 4
Ephrachofi.; Weflzufldffe zum mittl. Euphratlauf. 835
Meinafen gu, iſt Hier zunaͤchſt vorzugämelie durch feine bedeuten⸗
dern Bnflüffe umb cultivirteren Landſchaften zu beachten, weil das
Afliche Ufer nur geringe Zufkäffe erhält, va hier, ihm ganz benach⸗
Bart, Die Bilvung des Tigrislaufes die meiſte Bewäſſerung an
Ach veißt, und deſſen Quellflũfſe überall, ſüdwärto bid zum Ka
bur⸗Flufſe kei Orfah, nur In geringer Ferne von wenigen Stun⸗
den des linken oder ‚Öfklichen Liferß des Cuphrat entfpringen, bis
Zaun vie Wüſte Mefopotamiens jebem ferneren Buflufie zu dem⸗
felben auf lange Strecken Hin sin Ente macht. Bom Welten
ber cin aber wide und bebeutende Ströme durch meitkäuftige Thal⸗
fentungen und Lanpfchaften dem Cuphrat in mehr oder weniger
uhr ſich parallclem Laufe zu, die insgeſammt ven Gebirgs⸗
Beiden des ſudlichen Taurusſyſtems auf der Grenze Men
aftens, in Kappadocien, Klein«Ürmenien, Melitene, Coma⸗
gene und dem mordlichen Syrien entſpringen, und fo zugleich: bie
Mebergänge und Eingänge zu jener weſtlichſten klein⸗aſiati⸗
Ichen Halbänfel Borbesaflend bilden, die bisher ganz hypothetiſch
ia unfre Lenvlarten eingetragen ‚waren, aber in ben Ießteren Jahren
‚ugesuehn lehrreiche Orts beſtimmungen, Aufnahmen und Grläute
sungen schalten. Haben, nach denen man fich früher vergeblich
|
Wir fegen von ben und nun ſchon "Sefannten Punetn vom
Horven nach Süden unfee Wanderungen fort, am bie wirklichen
Anſchauungen des Landes jelbft zu gewinnen, ohne von vorn her⸗
‚u und in die zahlloſen politiſchen Abtheilungen und Zerſtückelun⸗
‚on ſſeiner Landſchaften einzulaſſen, die ſeit ven Zeiten der Romer⸗
Belege unter Zuccull und Pomperws gegen Mithridat und die
vrmeniſchen, dann die partbifchen Könige beginnen, und mit -jebem
gelgenden Kriege» und Eroberungszuge der Byzantiner wider bie
Maifaniven, der Armenier gegen die Fleinaflatifchen Könige, der
Griechen gegen vie Araber, ver Eilicier gegen die Araber und Ma-
elusden, ver :Biziochen ‚gegen vie Osmanen, Mongolen, Türken und
Merſer, unb wiederum der Kürken gegen die Kurven, fortwährend
WwWechſeln. Bicier politiſche Wechſel, ver. durch alle Jahrhunderte
Minduch bie Territorialgrenzen der vielen Heinen Dynaſtlen,
Mräfertusen, Themate, Königreiche, Statthalterſchafien, Sandſchakate,
Paſchaliks, in welche bie vielen Gebirgtzgaue der Taurusgebiete im
Beim des Euphrat durch ihre Naturzerriſſen heit zerfallen mußten,
Toxtwährenn verſchiebt, iſt oft gar nicht Iocal nachzuweiſen,
vleibt meiſtentheils hypothenuſh, und fur den Bang er nie
G 2
836 Weiden, M. Abtheilung. I. Abſchai. $.40.
ten, in fofern dies von dem Gelehrten auf dem Papiere geſchehen
Tonnte, ſchon hinreichend erläutert worden, worauf wir bier nur
zu verweifen haben. &) Dagegen iſt bie Gonfiguration des
Landes, von der ſolche Werhältniffe doch mehr ober weniger ab
Hängig wurden, nur zu ſehr vernadiläffigt gewefen, veahels mir
für dieſe Hier die wichtigften Thatſachen, wie fie des Bortfchritt da
Borfhung darbletet, vorzugämelfe ind Auge faffen.
‚Stier iſt nun zunaͤchſt an ver größen obern Kuiewer-
dung des Euphrat gegen Weſt, unterhalb Kiebban Manden,
der exfte bedeutende Zufluf, der Tokma fu, unb bie Lankihek
Melitene beſonders zu beachten.
. Beläpt man von Hekim han (f. ob. ©. 805) auf ber Russ
wanenftrafe von Siwas ven Weg ofimärts nach Kiebban Maede
und folgt der großen Karamanenftrafe von Gonftantinopel nah
Bagdad „gegen Süd, fo führt diefe in einem Tagmarſche nad
Malatia zum Tokma fu. Der Weg geht erſt den Lauf des Kurs
tſhai eine Strecke ®) entlang, über ven Hier eine türkiſche Gebe
von 3 Bogen und 27 &. Höhe führt, die fo verfallen, Da mm
den Strom neben ihr burchreiten muß. Dan freift durch Hügel,
mit Eichengebuͤſch bewachſen, dann an einer trefflichen Ouse V
pungat vorbei, durch ein Defile über dde Gtreden bis Hafen
Sadrit (d. h. Patriarch Haffan), ein Doͤrfchen, das Ja 6 &
erreicht wird. Hier fängt bie große Ebene von Melitene en,
weldje ver Tokma fu durchzieht. I. Brant 70) bemerkte an bir
ſem Orte die Ruine einer ſchönen Moſchee aus Duanerfein, im
perſiſchen Architecturſtyl gearheitet. Nach ihm iR Diefer Ort, and geagt.
Meil. (18—20 engl. Mil) fern von Hafim han, und 3 geogr. Bel
(45 Mi. engl.) fern von Malatia; den Fluß Kuru tfhei Ihe
3. Brant hier Tſham ur Iu fu (Charmurlu fu, d. i fchlammigt
ee) nennen, wie auch ein anderer nordlicher BZuſluß genumt
a sieht ver Kuru tfhai gegen, SD. zum Thale bes Be
phrat, in deifen weftlicher Curve ex ſich zu ihm einmehnnsi; Me
"Straße nach Malatia geht aber in ditect ſüdl iche r Michtung fen,
über eine ungemein ausgebveltete Ebene, bis zum Totma fm, 28
zu durchreiten if, um an feiner fünlichen Geite in dar. Gm.
” 800) Bet. Mannert, Cramer, Rennell, ie den Gel; an
ins, Ammlar —*8 und bei dem —*
SENDE
IBV
—
Euphratſyſtem; Tokma ſu, Melas. 837
2 Stunden die Stadi Malatia zu‘ erreichen. Diefe Stadt liegt
an einem füdlichen Zufluſſe deſſelben Tolma fu, welcher letztere ſich
nur in geringer Entfernung von ihr, oſtwaͤrts zwiſchen Malhaſan
und Ecebeh, zum Cuphrat ergießt.
- Der Tokma fu, Melas (MAag bei Strabo und Ptolem.).
Diefer Strom, der von einem wenig. bekannten Gebirgſorte Tolma
feinen Ramen trägt, der die doppelte Ränge des Kuru tihat hat
und aus 'weiter Berne, in Weften aus dem alten Kappabocien,
berbeiftrdmend, viele andre Zuflüffe aufnimmt, ift felt kurzem erſt
genauer bis zu feinen Quellen bekannt. worden. Ueber dieſe war
Säöher fo viel Dunkel verbreitet, weil der Rame Melas der Grie⸗
en, d. h. Schwarzwafter, eben fo wie der heutige Name Kara
fu, der daſſelbe, nämlich dunkele, träge Waffer bezeichnet (ſ. ob.
©. 467, 460, 464 u. a. D.), ſich Öfter im Alterthum wiederholte,
und daher fon vem Strabo und Ptolemäus zu Berwechälun-
gen Beranlaffung gab, vie von den neuem Geographen wieber-
Holt wurden, fo lange fein Augenzeuge ven Irrthum berichtigen
konnte. Beide Autoren legten zwei verfchledenen, aber nahe
Beifammen entfpringenden Quellflüſſen, vie fogar nach entgegen ges
feigten Seiten, zum Pontus und zum Euphrat, wirklich abfließen,
Denfeben Namen Melas bei, von dem fie fagten, daß er bei
Garfarea, ven altem Mazaca, dab am Fuße des Argacus in
Gilicten Tiegt, entfpringe, und daß er zum Euphrat ˖ fließe. So if
auch die Zeichnung diefed Melas auf der Tafel des Agathodaemon
zu Ptolem. (Asia, Tab. I. Asia minor) eingetragen,
Strabo fagt ausprüdfich, daß dieſe Stadt ganz dicht unter
vem Argaeus liege (Strabo XII. 538: xeiraı yap ind u Ap-
yaln dos: x.7.%.), und daß ver Melas nur 40 Stadien, ».5.26t.
von dieſer Stadt feine Quellen in einer niedrigern Gegend babe,
daher fie nicht bewäflere, fondern in Sümpfen flagnire. Denfelben
Melas (Schwarzwaſſer) Habe aber der König Ariarethes fei-
nen Ungpaß, durch ven er zu dem Euphrates lege, verftopft,
und dadurch ueberſchwemmungen veranlaßt (ebend. sovü Millavos
sard zıva orevü Egonsog saw eis zöy ’ Eöpgasnv dıdkodor x. 7.1.)
wodurch den Balatern, die Phrygien bewohnten, großer Schaden
zugefügt ſei. Btolemäus fagt noch beflimmter, ohne dieſe Ne
benumftände hinzuzufügen, daß der Argaeus In Gappaboria der bes
deutendſte Berg ſei, von welchem bie Duelle bes Melas zum
Euphrat fließe (Ptolm. V. 6: ö9ev 6 Milas xaAovuevog
worauög ovußalktı ip ö Eögesen voran x,3.1.). Den Argaeut
.
x
gzs eben. IH. Arpeilung. Adſchnitt. $. 40.
fegt: er'unter 06° Long. 39° 40’ Lat., vW Start Ma zaca nüis
66” 30’ Long. 39° 30° Lat.; die Gtnmürtbemg vis Melaso in
zam Gupheat unter 71° Long. und 39° 20 Lat., woraus ſich ws
gibt, daß er feinen Lauf auf 4 Laͤngengrave ober an 60 geogr.
Meilen, und zwar in faſt gerader Direction von W. nach D. wel
kannte. Ob num zwar Flicias (H. N. V. 22) in wem ſiuiq
angrenzenden Cilicien auch einen Melas zum weittsWännifie
Meere, im nörolichen (VI. 4) noch einen andern Melas zum
denue fließen läßt, ven obigen großen weſtlichen Zufleh zum Ex
- Peat In feiner Aufzählung ver Fläffe (H. N. V. 2) aber nik
einmal :anführt, alſo auch Hier von keinem een, fo teuuis
man bei ihm keinen Aufichluß über jene wahre Quelle des Melad
finden. Denn man erfuhr durch W. G. VBrowue's BWeiferouien
in Kappadocien (1813), bei feinem Beſuche in Kabfſarioh 9
( Caeſarea), zuexft, daß ver daſelbſt, nuͤmlich 12 Gtunen (30 SO
engl.) tm Südoſt jener Stadt, entſpringende Fuuß archs gegen D
durch Armenia minor und Melttere zum Cuphrat, ſondern gegm
RW. zum Kizil Irmark (Hulys) flirhe, und diefe Beichuung
terug 3. Nennell zuesft nach Bromme's Angaben ie feiner Aue
von Klein» Aflen ein. Da: Browne bet feiner weiten Öfiikie
Ruſe von da gegen Boſtan, noch che er Catasnien veufleß, nahe iss
Oſten ver dortigen Taurusketten einen andern Quellfluß Abe
ſetzte (wahrſcheimich, nach‘ Rennell, in der Raͤhe ver Lage des ans
tiken Lariffa), ver gegen RO. firömte: fo hielt er dieſen mis größe
ter Wahrfcheinlickeit für vie Ouellen des Melas, ver um Ei
phrat fühl, um fo zeichnete ihn auch Rennell 72) ſehr richtig anf
feiner Karte An. Aus Sulltvand and Beughand Reiferauiu
erfuhr nun KRennell, vaß viefer Fluß Durch Meliteno wii
zum Euphrat fließe; er wurde dieſen Reiſenden an Ort un Ste
Kara fu, d. i. ſchwarzer Fluß, genannt. Strabo, ſagt fee
Rennell, muß fi alſo geirrt haben, jene Lieberfgnenmung, wi
wol ſtatt gefunden Haben. mag, wer Verſtopfung diefes Reich zu
zuſcheeiben, da zwiſchen dem Fluſſe von Katfarteh uns wen vo.
Yariffa voch eine große Tateruskette gelegen ME
Durd) Mach. Kinneire Reiſe durch das Wim, bie vor
8 Rob. Wilpdte, Travels in various ooneittic, Lead 2088.
4, in Biograph. mem. of Mr. Browne, p. 178.
"2,5 Rennoll, Treatise on the comparative —* ey
Western Asia, accompanied ‘with as ans etc. Lond.
VeL U. p. 165. a. I. p. 201, Not. —
Enpkratfoftren; Quelle des Dielas ober Zobmafı. 829
Kenwells ſcharfſichtiger Besichtigung erſchien, wurde, obgleich der⸗
felbe wie Breitenbeſtimmung von Kaiſarieh 38° 41’ N. Ur, machte,
fonbesbar genug des alte Irrthum wieberbolt, denn er fagte: „Die
Ebene 7) von Eaefarea werde bewäflert durch den Fluß Kara,
fu, Melas der Alten; dieſer fließe von W. nad O. und er»
gieße fich bei Malatia in den Cuphrat.“ So. fdywer find Öfter alte
eisunal feftgewurzelte geograpbifche Fehler auszurotten. Diefelben Irr⸗
thimer ũber die Quelle des Melitenſiſchen Melas, als entipringe ex
am ſchnerigen Argaeus, dem höchſten Berge von Klein=Aflen, ſchie⸗
nen durch die gelehrien Borfchungen eines Mannert 7% ums
Gramer”’S) ganz feſtgeſtellt; und Manmert fügte durch fehr dreifte
Behauptungen, in dem er Strabe grobe Unwiſſenheit und ſchlechte
Lanbeſkenntniß vorwarf, wenigſtens neue, nad) unerwielene Hypo⸗
: Wehen bimzu: nämlich als babe Strabe unter dem von ihm am
a ee genannten Karmalus ( Kaguakog, StraboXN. 537),
Dis. jedech wel nicht von jeder Verderbniß frei find, und fich auf
einen ciſciſchen Strom, einen Zufluß zum Pyramus, und auf einem
Cataoniſchen beziehen, auch nichts anderes als denſelben Melas
in Melitene bezeichnen wollen. 76) Daß Strabe den einen biefer
Giröme richtiger in das cil iciſche Meer gegen Süden einfließen
Keh, ſchien, nach Eramer,’7) ver Heutige Kermel fu, wie ihn D’An«
Side nennt, Wer noch denſelben Namen trage, zu beflätigen; aber
nach der. Karte der preußifchen Officiere in Cilicien heißt dieſer
Fuß nit Kermel (von Karmelas), ſondern Chorma fu, wad
im Türkifchen Dattelfluß Heißt, aljo einex ganz andern Etymologie
angehört. Aber auch Man nerts Behauptung, daß der Melas von
Meliene auch darum fihen ver Karmelad von Gataonien fei, weil
Biolemäus nahe Melitene an ven Melas eine Stadt Rarmalad
fege, und ev felbft auch Koremos heiße, was er für identiſch Dikt,
Recht auf ſchwachen Füßen, va flatt Karmalas vie beſſere Lebart
(bei. Piel. V. 7. fol. 128) Marcala gibt (ſiehe unten bei Cili⸗
chen). Iene vorläufig aufgeftchte Hypotheſe Nennells nah Bro w⸗
we’6 Qoutier, über die A. Zeune 1838 noch zweifelhaft war
und deshalb Fragen 78) zur wiederholten Unterfuchung aufflelite,
nämlih die HHpothefe vom Dafein zweier entsese ageſede
) M. Minneir, Journ. thr. Asia minor. Lond, 1818. ‚ 104.
‘) Meet, „Beosr. der Gr. und Röm. TE. VE. Ar
J. A. Cramer, Asia minor. Oxford. "988.
1. 0. 190. 10) Mannert a. a. D. ©. 287. 208.
v1. AP Cramer, Asia minor, IL p» 141. Brof. Zenre,
840 MWeftsfien, III. Abtheilung. J. Abſchnitt. 5.40,
laufender Ströme gegen N.W. und Of, bie im Texte eb
Strabo als. zu einem Melas gehörig bargeflellt werben, IR um
volftähbig an Ort und Stelle durch zwei ‚Augenzeugen behligt:
durch W. Hamilton, ber die Quellen ves norbwe Lenin
den Stromes zum Kizil Irmak bei Kalfarich Gbefuchte, mb
durch W. Ains worth, der die weiter im SD. liegenben Due
des Stromes von Melitene zum Cuphrat entdeckte, unb ben
Lauf des Melas ober des heutigen Tolma fu bie zum Cuphret
- verfolgt Hat, womit auch die Kartenaufnahme ver preußiſchen Of
ciere übereinflimmt.
Strabo’s Beihrelbung vom Strome bei Gäfaren fans Ha⸗
milton währenn feines achttägigen Aufenthaltes (1837) vafeik
vollfommen richtig, auch die ſtagnirenden Waſſer und den Bergfyell,
der durch Berftopfung Ueberſchwemmung bervorbringen würke, mb
ſelbſt den Namen Kara fu, den derſelbe Heute trägt; nur fllcßt ®
"nicht zum Cuphrat, was auch wegen ber Berge im Oſten gun
unmöglich wäre, fonaern gegen Nordweſt zum Kizil Irmat
Alfo If nichts wahrfcheinlicher, 79) ald daß nit Strabo, ber Im
genzeuge, dieſen Fehler im Texte beging, fonvern feine Abfdgreibe,
bie flatt ded Halys ven Namen Euphrates einſchoben, daß ab
ſchon Ptolemäus zu feiner Zeit durch jene irre geführt warb. Gin
Fluß Karmalas kommt aber bei Ptolemäus gar nicht ver, neh
welchem man über vie Straboniſchen Stellen vieleicht Aufſfchi
erhielte.
Nach dieſer Berichtigung eines wichtigen Hauptpuncies inne
Beinaflatifcher Geographie, mit dem viele andere Verwirrungen je
fanımenhängen, auf die wir an einem andern Orte zurückkommen
werben, Eönnen wir nun erſt zu ven Quellen und ber Beſche⸗
bung des Stromlaufes felbft und feines Gebietes
Unferm verehrten Freunde, dem unermüdlichen W. Ainswertb
gebührt, neben unzähligen anvern für die geogeaphifche Wifenfgei
‘ Höchft bedeutenden, auch das Verdienſt, die Quellen des weh
sen Melas entvedt, und dadurch ben Grundirrthum mb feine
zahlreichen Berzweigungen für Immer aus dieſem seograpfifigen 6 e⸗
biete verdraͤngt zu haben.
zur Kenninig von Kleinafen, mit einer Karte vom Selas u Fu 2
raſn; nach Ptolemäns, ee und Hamilton, in Derajans: Siame
ien, dte Reihe. 1839. DB. VII. Heft 3. &.200-8
” W.. Hamilton, Rormaches in Arie minor, nor, Lenden 200m. 8.
. Yol, II. BZ 259 sq.
“ Emphratfuften; Quelle des Tokma ſu. 841
BGurun (Garnace bei Ptol.?), nach Ainsworth8%0) Beob⸗
adhtung unter 38° 42’ 10" N.Br. auf einer Höhe von 3664 Fuß
Bar. (3906 F. engl.) über dem Meere, obwol in einer Mo bis 500
"Buß tiefen, engen -Ralkfteinfchlucht gelegen, iſt vie nächfle an den
Quellen des Tokma fu (Tokhmah⸗Su) bekannt geworbene
Stadt: denn deſſen Quellen llegen nur etwa 3 geogr. Meilen (15
Bil. engl.) ihr gegen Weſten. Im Norden von Gurun (Ghu⸗
sun bei Brant, Bdrün bei v. Moltke) erhebt fich eine mäßig
Hohe Bergkeite (Sdrün Dag bei v. Moltke), die in dem abgefchie-
Denen Diſtricte Baghran liegt, und die Wafler des Manjulik⸗Fluſ⸗
ſes von dem Tokma fu ſcheidet. Es ift eine Kalkfleinkette, vie an
der Nordſeite beim Ueberſteigen noch Schneeflede trug, indeß an ber
Sonnenſeite die frifchefte Srühlingsvegetatton fie überzog, mit ver
seigendflen Alpenflora (am 15. Mat), füß vuftenden Hyacinthen,
blauen Anemonen, weißen und gelben Liliaceen, Ranunkeln, Tuli⸗
panen und anderen Blumen, vie zuweilen ald Seerdenpflanzen tep⸗
pichartig mit der einen over andern Farbe ausſchließlich ven ðelſen
von der einen Seite bedeckten, indeß die andere dve und nadt war.
Eben fo groß war der Eoniraft des hrillanteften Sonnenſcheins an
der einen, und des tiefsdunfeln Schattend an ber andern Seite. Nur
zwei Stunden Abfleigens gegen Süden durch fplittrige Kalkſtein⸗,
Feuerſtein⸗ und Schieferklippen ohne organifche Reſte, führten von
Dielen Höhen zum Thale des Tokma fu, in welchem vie Stadt
maleriſch zwiſchen Gärten zerftreut liegt. Die milden Kallſteinklip⸗
pen umber find vol zahflofer Locher und Höhlen, die durch ſplit⸗
trige Abflürze unbemohnbar wurden. Auf ihrem Gipfel. liegen Die
Reſte eines trregulaisen Caſtells, deſſen Facade mit ver vorbern
Felswand abgeſtürzt iſt, im deſſen ſtehengebliebenen Mauern ſich
noch einige runde und viereckige Thürme erheben. Doch fand Ains⸗
worth deine Spur von höherem Alterthum, wenn ſchon vie Lage
ſich recht ſehr zu einer der 75 feften Burgen eignete, die Mithri⸗
Dates in feinem pontifchen Königreiche als Afyle und Schatzkam⸗
mern erbauen ließ (Strabo XH.555). Die Stadt mit Fleinen, aber
weiß getändhten reinlichen Häufern zeigte viel Wohlſtand; ihre Kaufe
leute fanden in vielem Verkehr mit Aleppo, Maraſh, Sivas, Con⸗
| ſtantinopel Burun hatte mit dem oͤſtlicher llegenden Deren dah
se, W. Ainsworth, Notes in journ. of the Roy.Geogr. Soc. Lönd.
8. Vol.X.3. p. 315; deſſen Travels and researehes in Asia mi- '
var J Meropotamia, Chaldaea and Armenia. London 1842. 8.
+ Pe
842 Wefl:Afien. TIL Abcheuung. I: dibſchuitt. $. 40.
vie: frũherhin bedeutendere Stadt Boſtan (wahrſcheinlich vie alt
Comana), die von da gegen Süb am Sarres fu (Garus uw
Alten) liegt, erſetzt, da biefe durch ihre große Linficherhels zwiſche
den Berggügen vieler Raubhorden zu einem bloßen Dorfe besabfesk
Die Abgaben von Burun gehören an bie Haramein, d. 6. den
belden heiligen Mofcheen zu Mecca und Medina. — Auch I. Brest
Haste ſchon im Jahre 1835 dieſe Stat Gurun auf einem: Du
wege 31) von Halim fhan vabinwärtd beſucht (0 geogr. Meilen san
45.M. engl. entfernt), und fo das Land zwiſchen bee Kura thai
und dem Tokma fu durchſtreift. Es geht über Beuge, Thaler um
Gtröme, ohne allen Pfad. Man machte einen Umweg, um be
Berge zu vermeiven, die auf diefer Strecke, im Norden des Telms
fa wie im Süden beffelben, die Agdii Dagh (oder eb Hadſhi
Dagb?) genannt wurden, und erreichte den Tokma ſu 2 Guns
abwärts. Gurun bat nach Brant 850 türliſche, 360 armmiſcht
und 63 armeniſch⸗katholiſche Familien zu Einwohnern, uns iſt ned
ihm die einzige Stadt Im Innern des Landes, in welcher vis ab
liche Beoölferung die muhamedaniſche ver Zahl nach überfliigt. Be
wenig esttagreiche Boden, ber kurze Sommer, ber Iaugs und flug
Winter Hat die Bewohner auf die Handelſchaft angewieſen Zei
alle Bewohner find Handelsleute mit ven Wanserkämmen ver Im
komannen und Kurven in ihren weiten, dden Umgebungen. Disk
breiten ich Im Sommer bis Angora aus, überwintern aber in ka
Umgebung von Gurun in Abfländen von 6 bis 18 Stunven. Di
Krämes von Gurun haufiren mit ihrer Kleinwaare unser ihren Zeh
ten gegen Rinder und Schaafe und deren Producte, vie fie hans
weiter verarbeiten ober verlaufen. Zumel iR Hier der Wollmarki
von Bedeutung.
Bon viefem Orte aus fuchte Ains worth die Quellen ie
Tokma 82) oder des Melas auf. - Er tritt in einer wörkidke
Guoe in Gurun ein durch eine tiefe Kalkſteinſchlucht, Kopzaf
Biran (d.h. öder Boden) genannt, oberhalb verfelben ver Gi
Injebfu, d. 5. enger Fluß, genannt wird, ober Schmalmwah -
her, wie es denn viele In jehſu's 9°) bei ven Türken, wis Aa
zafu’s und Kizil Irmak's, d. K. Rothwaſſer, nud ‚Aal
Benennungen gibt, die aflerbinge leicht, wis der Name Dicke,
23 Brant, Journ. I. c. VE. p. ar2. ' WW. Alusweit 1 e
u rn 8 def. Traveis and res. Vol. L pa. 8.
v. Bü re &.815,
|
'
!
»uwu um
BEE Zi
Eupheuſyſtem; Quelb⸗ das. Tolme ſu. 843 |
Berwechtlungen Berankıfjung geben. Da viefe Schlucht undurch⸗
gehbar if, fo mußte W. Ninsworth über vie Hier Khurkhun ger
wann: Welöberge hinwegſtelgen, um zu ben Quellen gelangen zu
Ian. Gin fleiriiger Pfad führte ihn zwiſchen Schneefleden und
wärmeren Strechen fon grünender Alpen hinauf zur vominisenves
Möge, von ver man das Thal des Injehfu gegen S. W. fich zus
Höfe ver Gok Dikli= Berge binziehen fah, deren noͤrolichſter im
der Richtung gegen. N. 80° W. Liege. Zwiſchen ihnen und ven mehr
nmorddſtlich gelegenen Bagharan= Bergen, die am Tage vorher
uberſtiogen waren, ſtreicht die niedere Kalklette des Sungerie
Oagh In 2 Stunden Ferne von S. 70° W. gegen N. 80° Of
De Ort Kara Bunar an einem Zufluffe des Kizil Irma
lag, vor da aus gefchen, Hinter dieſen Bergzügen in N. W., in bes
MVichtung, too Sumgerlu und Gok Dilli fich vereinen. Aus dieſen
Besgthäleen nimmt nun der Injeh fu viele Bergwafler in feine
Engſchlucht auf; durch ein Revier von baſaltiſchen Bergen ritt
Ainsworth an einigen Kurven- Zelten, Kizil Viran, wieder zum
Ufer des Stromes hinab, der bier an emer Brüde, die über ihn
führt, nut noch 6 Schritt Breit und 2 Fuß tief, alſo fehr nahe an
ſeinem Usfpsunge war. Dann wurde die Anhöhe von Injeh fu
Knut erfliegen, wo eine Meierei an einem Seitenbache des Injeh fur
ſteht, der ihm wol die Hälfte ſeiner Waffe zuführt. Der Haupt⸗
are, ver immer noch ein ſtarkes Waſſer in feinem Felsbett fließen
Dorfe Kopekl Viran (p. h. Hundswäüfte) ber, wo Ihn noch 2
andere Fleinere Zubaͤche mit ihren Waſſern nähren, deren einer vom
Tagh⸗terah (d. I. Bergwand) kommt, bie im W. von Kopel
Diren liegt, ver andere vom Bel Bunar in ven Gok Dilli⸗Ber⸗
gen. Hit waren He Quellen des Tokma fu oder euphra⸗
senfifchen Melas erforſcht.
Ben Gurun abwärts begbeitete W. Ainsworth *) den Lauf
ves xXolma fu am 18. Mai einen Tagmarſch weit bis Deren
vab (Daranta ver Armenier, |. oben S. 798). Anfänglich find
es 300 Fuß Hohe Kreideklippen, vie fein Nordufer begleiten bis ein
halbes Stndchen weit zum Dorf Khuzin, von 600 moslemiſchen
Banttlim bewohnt. Die Gaͤrten an ſeinen Ufern werben oͤfter durch
bie vlidlichen Anſchwellungen zerſtort; auf den Klippenhbhen IR al-
°.) W.Alssworth bo: KB, p.817; Dell, Tray, and res. L p.249,
hactte, kommt Hoch eine Stunde weiter aud der Berne von dem ,
' x
-
844 Weſt-Afen. III. Abthellung. L Abſchnitt. (.40.
les voll Brotten. Cine Halbe Stunde abwärts bildet der Strom d>
nen Fleinen Waſſerfall über einen burchfegenden Bafaltgang, um
nimmt dann noch weiter abwärts einen Zufluß auf, der von Gäten
ber nur eine gute Stunde weit aus Kalkſteinklüften Hervorfirimi,
veshalb er als unterirrifher Strom Got Bunar ober blazır
Fluß, d. i. Himmelsquell, genannt wird, der durch einen wem
ALL Heiligen Fiſch im Lande berühmt tft, welcher nur einem ein»
zigen Knochen haben fol. Aindworth befam ihn, vielleicht cm
Art Proteus, nicht zu fehen. Oberhalb im Thale liegt Tanil, da
Dorf, und gleich unterhalb vemfelben bricht der Tokma [u mi
Gewalt feinen Weg durch einen fteilen, Elippigen Paß von Bafalt-
geftein. Ueber vemfelben erhebt ſich eine feltiam geformte Heli
Bafaltmafle, die wie ein altes Caſtell ausfieht, Tanil- Feld ge
nannt. Jenſeit des Tanil⸗Dorfes von 60 bis 70 Gäufern, zu en
Ainsworih Hinabftieg, weitet ſich das Thal des Tokma fu, mh
diefer tehält als Zufluß ven Sach Aghz, der durch Hohe KRafkfiie
Plippen ihm nordwärts zufält. Hier liegt nun am rechten Ufer, am
Fuß eined überragenden Berges, dad Dorf Tokma (Tokh mah)
von dem ber Strom feinen Namen erhält. Eine Biertelftunde we
terhalb führt eine Brüde über ihn Hin, wo ex mit den Flüffen Gel
Bunarund Sad Aghz. vereint ſchon vie Breite von 16 Schut
(Hard) und von 18 Zoll Tiefe Hatte. Im Sommer iſt er jcheqh
viel felchter. Er durchſtürzt eine enge Schlucht von Kalkfkeinfdt,
die der Weg umgeben muß, aber bei dem Dorfe Ortah Ei Ihe
wieder trifft, an einem Vorſprung des Nordufers, Sari ka ya, af
ber gelbe Sels, genannt, vorüber. Senfeit verliert ſich ver Cm
zwiſchen hoben, unzugänglichen, ſenkrechten Kaltflemklippen, Dereh
jik, d. 1. kleines Thal, genannt, in befien Mitte eine ifelirk
Felsinſel aus dem Wafler hervorragt; ver Weg muß über Kalb
fleinberge gegen S. SO. abzweigen, zum Thal Oeren dah wit ie
gleichnamigen Stadt, von deren Mauern der Tokma fu nur dam
obern Theil befpült,, wo wenig Gärten legen, aber von zwei ſchla
fen Minarchs überragt. Dann wühlt fi der Strom wisber is
einen engen, dunkeln Bergſpalt ein, Holist ven Caſtell⸗Felſee
von den Ihm entgegenftebenven Kelswänben, und tritt mun gewälb
fam ſtrubelnd aus feiner Klemme hinaus in ein erweitertes Sfel
um bier bie vielen Gärten und Landhäuſer anmuthig zu Gewilfem
welche die Sommerfige der Städter Derendahs find.
Dem höheren Altertbum war diefer Ort nicht belannt, wenn
68 nicht vieleicht das Dalanda oder Tamadaris bei Ptolem. in Ar
—
ee
Euphratſoſtem; der Tokma fü, Derendah. 845.
menia minor iſt. Die armenijche Geographie 85) nennt fie in ver
Vulgairſprache Derende, im Syriſchen Turanda, und fept fie
nad) Armenia secunda, 2 Tagereifen im Süden von Divrig; fie
Liegt aber nicht, wie diefelbe fagt, im Norden von Malatia, fon-
bern dieſer Stadt einige Tagereifen fern virert im Weſten. .
Der Selb des Caſtells, von 100 bis zu 300 Fuß hoch über
dem Flußſpiegel emporragend, befteht nach Ainsworth aus Num⸗
mulitentalt. Nur in einer Richtung iſt er zu erfleigen, und auf
Diefem Pfade durch ein modernes Thor vertheidigt. Das Caftell,
im Saracenen⸗Styl aufgebaut, hat eine Infeription, vie aber fo
Hoch angebracht war, daß Ainsworths Begleiter, ver Eprachken-
.. mer Raffam, fie nicht leſen konnte. Don ihr 223 Fuß Höher auf
- iR ein zweites Portal in gleichem Styl, und hei 261 Fuß Höhe tft
Der Gipfel des Felſen mit einer fleinernen Baſtion umzogen. Seine
Norvieite ift von 2 Mauern vertheipigt, mo eine-Treppe zum Fluß⸗
ufer binabführt, die noch von einer dritten Mauer geſchützt if.
Biele Gifternen find zur Aufbewahrung ver Waflervorräthe in die
Belfen eingehauen. Die Südfeite vertheivigt eine Courtine, 30 Fuß
bredt, mit 2. Seitenthoren. Jenſeit ift ein Meiner quabratifcher Xhurm
auf einer engen Stelle des Felſen. Der vielen Vertheidigungsmauern
bedurfte ber überall fleilflippige Fels kaum, ver von der nördllchen
‚zur ſüdlichen Mauer eine Länge von 662 Schritt (Marb) maß, in
der wechielnden Breite nicht über 150 Schritt bat. Auf feiner
Plattform fichen einige 40 Hütten, die Ain 8worth erſt für Mach⸗
‚wert der Türken hält. Spuren älterer Gonftructionen waren gar
wicht zu entdecken, ungeachtet die ganze Roralität recht geeignet ge=
weſen wäre, eine der fefteften römijchen, byzantinifchen oder felbft
ſchon älteren mithridatiſchen Burgen Kappaporiens oder Melttenes
zu bilden. Vielleicht, meint Ainsworth, 6) vie alte Tavadapıc bei
Ptol. V.7. fol.128, in ver Präjertur Eataonien von Armenia mi-
nor, oder Tandarum des Itin. Anton., Singa, Drega oder Drenga
auf ver Tab. Peuting., falld «6 nicht Dalanda wäre, wofür na
Kieperis Karte vie Maaße der Alten zu fprechen fcheinen. Ä
Derendah, wie Burun und Malatis, alle brei bedeu⸗
tendfte Staͤrte im Thale des Tokma fu, werden zur Sommerzeit von
ihren Bewohnern verlafien, vie fi) dann in ihre Gartenwohnungen
auf pas Land begeben, etwa wie die Marſeiller auf ihre Baſtiden
s0s) St, Martin, M&m. s. * Par, I. pag. 189. 26) Ainswerth,
Trav. and res. Vol. I. p. 344. |
SI WeflsWHfien, TI. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.40,
and anbre in ähnlichen Cmaten. Die Cinwohner wow Guru,
aur 918 Fuß relativ höher gelegen als Derendah, Hatten ihee Geakt
noch nicht verlaffen; die von Derenbah waren Achon 14 Tage fir
her aus Ihrer Stabt gezogen, die nun, bei Eröffnung aller ige,
zur Reinigung, zu einem flinfenven, veröbeten Orte geworben. 9a
warmen Thale Derendahs ſammelte Ainswort6 (am 18. Mai)
an 200 Sperieß ſchon in Blüthe ſtehender Blumen, jedoch mciß vu
bekannten Gattungen, wie von Thlaspi, Cynoglossum, Sinepis,
‚Bapaver, Ranuneulus u.a. für dad Herbarium ein. Dex Kokme is
Aicht bier fehr reißen» unter 8838’. R. Breite.
Ben Derendah an verlieh Ains worth zwar, währen: a
'un 8 Tagemärſche 9) (von 20. bis 22. Mai) efiwärtt mi
Maladah, unmittelbar das Ufer nes Tokma fu, noch Sich er ihn
an Hefien ‚Süpfeite im Gebirgowege, wo ex feine rechten Zufläf
‚paffieen ‚mußte, Immer nahe genug, um deſſen ungeführen Pad
noch zu verzeichnen, den wir vollfkindig auf per Karte ber pemib
ſchen Difistexe ziemlich won Weſt nach DR; wie aud) bei Mtalemiah
wingetragen ſinden.
Erſter Kagmarfd (20. Mat. Gegen SEA. von De
rendah Über dem erſten Berg binabgeflitgen, gelaugt man zum
Afhik Dereh⸗ſi, d. i. zum Riebhaber-Thale, vol Gar
| Wu, das, noch ſchoner bewaldet wie DaB vechergenammte, von
einem relßenden Bache bewaͤſſert wird, ber au der Bruͤcke 5 Schriu
breit, 2 Fuß def iſt. Man ſteigt wieder einen Berg aus Gy
hinan, dem Dorfe Shabuf entlang, und behält indes, d. 1. gegen
Horven, das Thal des Tokma fu immer im Auge Zu ihm unten
bald dee Batitlu fu (Book Iu fu, d. h. Fiſchfluß bei Minh
worth), vereinigt mit dem Klub von Manjulit (Mandjelit td
9. Mol tke), veffen am weiteften vom Norden ber kommendu
Zufluß ‚veffelben. Na v. Moltke's Kartenzeihnung iſt cd."
calbe, welcher aus den Schneefeldern der Iren Hochfläche em Ei
weht von Delikly Taſh herabkommt (ſ. ob. S. 803), ver aber p
vor noch zwei linke Seitenarme von Nord ind Nomoſt anfuieit,
‚akmlid, der Kaſikly fu, am Suüdgehaͤnge des Delikly Taſh af
aſelbſt entſpringend / und den Bal ghlawa ſu, der noch ueisig U,
A gegen Alladſha Han entſpringt, vie ſich alle aget: wahr cu
aufaly ſchon zu emem Gauptſtrome: vereinigt haben; Yala.debaf
erft meiter abwärts, äftlicher als Aindwo rih anzudeuten fepela,
— 77
sen, W. Ainsworth \. N ana. Anm Fat
Euphratſyſtem; der Tokma fu, Manjulik. 847
4 von Norden Her mit dem Xolma [u vereinen. Den Namen
Manjulit Hat tiefer nordweſtlichſte Zufluß des Tokma fa erhal
ten von einem gleichnamigen Oorfe, an dem er In einer weiten
Eindde, die weit und breit ganz dorfleer iſt, vorüberzieht. Brant®)
Cam durch dieſen Ort, ald er eine ſonft wenig befuchte Querrouie
von Gurun Über Deiifliy Taſh und U'laſh nad) Siwas nahm
"Auf der ganzen Strecke von Gurun bis Ulafh, 11 geogr. Meilen
(55 MU. engl.) IR Manjulit ver einzige Ort, der in Quartier
geben Taın. Im Winter würde ohne viefen Ort bie ganze Rouie
vbllig ungangbar fein, Deshalb Der Drt von ven türfefdgen Behor⸗
ven milder behandelt wird, um feine Bewohner nicht ganz aus dem⸗
faben zu vertreihen. Denn Fe Haben [chen genug vor ben Plün
Yerungen der ungezügelin Kurven zu leiden, vie jene unbewohn⸗
ten Weivetänder umher mit ihren Heerden buriäfitelfen. Ben Ou⸗
Tun nordwärts mußte Brant einen Gebirgeſtrich vol von Thal
Jchluchten mit trefflichem· We d eLand Überfleigen, sie ſich meftwänts
448 Kalſarleh ausdehnen und im Frühllng ven ſchonſten Luxus ver
Begedation darbleten. Fruͤhzeitig werden fie von ven Rinder⸗ und
Schaafherven Der Kurden abgeweidet. Im Herbſt fand et fie ganz
drrr, und Über ihnen ragten nur nackte Kalkſteinklippen empor.
Mawjwitt Hegt 5 geogr. M. (25 Mil. engl. von Gurun entferut,
und 6 geogr. M. (30 M. engl.) von Ullafh, wohin gegen NM.
vaſſelbe Weideland fortfetzt, ohne üllen Anbau, ver nur durch bie
Naubũberfälle ver Kurden gehinvert wird. Das Dorf iſt nur klein;
Miomijwlit Hitte- vordem ‘100: türkiſche Familien, vie aber, der
Acherfalle ver Kurden müde, von da wegzogen. Etwa 15 arme
Are Famllien blieben zurück, weil: eine fehr alte Kirdye, St. Tho⸗
ros genannt, ein Pilgerost von beſonderer Hekligkeit, fie daſelbſt
zurückhielt. Bei dem größten Ueberfluß von Ländereien wird von
men mur das beſte Land bebamt, das wohlbewäſffert wicht an Ihrem
Gürten Negt. Der Waizen gibt zmölffachen Ertrag. Das Elima iſt
Far Winter ſehr fireng, mititiefem Schnee; der Sommer iſt kurz und
Wh. Das Kom iſt, wie vie Butter von ihren Kühen, trefflich, die
Schacfe tragen reichliche Wolle. Ihre Vorräthe werden aber mei
Pens von Gaſten aufgezehrt, die nichts bezahlen, wie alle ruͤrkiſchen
Bchorden, und Die Kurden Wänden m aus; fe bleiben fie doch
ar und v find of in Ro.
02) 3. Bank 1, VI. 213 Travel and
gr London 16A8. 8. VoL.T. Aaron, *
L
‘
848 Weſi⸗Afien. M. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 40,
WBon Shabuk wandte Ainsworth ih anf der Bergfirei
mehr vom Stromlaufe ab gegen SD. über niepriges, wellget
Gypo⸗ und Mergelland, das theilweife bebaut und im Süden vun
Hohe Kalkfteinberge beggenzt wird. Am Dorf Deniiah, ve
Bauern fon ihre Sommerflation bezogen hatten, wurden rotbe u
braune Sandfleins Berge überfliegen, venen Mergel uns Mu
ſchelkalk folgte. Hier ließen ſich zeige Sarkmlungen von Muſche
verſteinerungen machen, zumal von Turritellen, Gonus m 4
Zenfeit ver Thaͤler ſtarrten große Kegelberge mit Feilen Blastformen
non bafaltifhen und Trappgebirgen empor. Beim Dorf Getrif
fing ver Aufflieg zu dieſer Gruppe, die Bel⸗li Gebdik .genammk,
an; jeder ver einzelnen, wie ‚alte Gaftelle geftalteten, Sipfel hat feine
befondern Namen, wie Chichak⸗li, Kara kayik, Kiliſa kal'ahſit, Gr
zit chak und andere. Nach zweiflündigem Auffleigen wer be
Aüden, 5278 %. Bar. üb. dv. M. (5625. F. engl.) erreicht mb
bot eine herrlicha Ausſicht gegen Sũd ‚über alle Berge Boftasl
(ver altn Comana in Gataonien) und ber ciliciſchen Greuz⸗
Bette, die ver Saihun, ſprich Dſhihun, (Pyramds- Flug we
Alten) duschfisömt,, dar. Der Hinabweg von: viefer Höbe führn
am Abend des erfien Tagmarfches von Derendah zum Lager des
Kurdenftammes Bekr U'ſhaghi, unter deſſen Schude bi’
Zelte aufgeſchlagen wurden.
Der zweite Tagmarſch (21. Mal) — — aa Of,
abermals, über Trappgebirge zu U Petzefacen,
zum Dirfchen Jafali, das am Anfange des Thal zum Ag%
—jah Tagh (Agpie Dagh bei v. Moltke, oder Akjah Datgh
liegt, von dem ein langer Aufſtieg über dieſe Berg kette begn
Diefe zieht ſich von SW. gegen N.O. als ein Taurusglieh
vorüber, und trennt hier die öftliche Ebene von Malatia, is
welcher ver Sultan fu, der größte ſüdliche Zufluß bes Tome,
deren Oſtabhang von Süben nad Norben ‚begleitend, nem X of
ſelbſt nordwaͤrts zueilt. Durch bie Thaͤler dieſes Bebirgs zichr (hd
wärts die Straße nach Boflan, auf ber .chen ein Kursen Eh ad
Gefolge dahin ritt; feine zwei Weiber vor Ihm, fette Geftalsey, my
verfchleiert, aber voll ſtolzer Haltung ald Gebieterinnen im Gayem; A
Diener hinterher. Oftwärts überfrgte man ven Rüden vicfet Safe
jah Tagh, um bei Arka (Arga bei v. Moltke, etwa Araa 5
Areca des Ptol.) die große Euphratebene von Delktene zu
Bon Safali folgt auf den Berghöhen noch bie uns be — 2**
Land, rauf Bar N dor 8 wm Sk, ER
“
—
Enphratſyſtem; der Tokma ſu, Melitene. 849
ſteigt man an der Ruine einch zerſtoͤrten Khans hinab zu einem
weiten, malerifchen Thale, das von fteilen Kalkfteinwänden begrenzt
if. Dies iſt der äußerſte Punct, der zum Gebiete der Aghjah⸗
Kurden gehört, die noch vor wenigen Jahren viefe Gebirgswege
buch ihre Räubereien völlig unzugänglidd) machten. Erſt durch
Hafisz Paſcha wurden fie von allen Seiten attakirt, in ihrem
Hauptcaſtell Kurnak, 80) das zwei Fleine Stunden im Norden von
der Khanruine liegt, beflegt und gezüchtigt, doch nur temporär ge=
bändigt, da fie nach der bald eintretenden Schlacht von Niftb fich
son neuem zu Rachefehden erhoben. Bon ver Kbanruine ging. es
ziemlich ſteilklippig empor, doch nur über geringere Höhen, und
bald fiel von dieſen ſchon ver Blick in das weite Blachfeld von
Melitene. Ein kurzer Abſtieg zwiſchen Zwergeichen mit blühen⸗
den Epipactis, zumal der Orchis, welche ven Salep gibt (Orch.
mascula), führte hinab nad Arka, das gleich den meiften Orten
des Alterthums (vielleicht Aoyoͤc, die hohe Bergvefle am Tauzuß
in Kappadocien, bei Strabo XII. 537) in diefem Lande als Feſte
doch immer noch .auf einer Anhöhe erbaut iſt.
Dritter Tagmarſch (22. Mai). Bon Arka bi8 Mala-
tia und felbft zum Euphrat if cine zufammenhängende
Ebene, almählig abfallend gegen den Tokma fu nad tem Norden,
wie oftwärts gegen den Euphrat; die tieffte Are ver Plaine iſt na⸗
türlih gegen SD. unterhalb des Vereins beider Ströme von
Mala hafan bis Iſoglu. In der Mitte ver Ebene liegt Malaria
die Stadt, die Landſchaft ift die Melitene der Alten. Nur eine
gute Stunde in Oft von Arka, auf vem Wege nad Malatia, muß
der Sultan fu, der von Süpen nad) Nornoft die Ebene bewäſſert,
ehe er ſich zum Tokma fu ergießt, vurchfegt werden. Er hatte bier
am 22 Mai nur 5 Schritt Breite und 5 Fuß Tiefe; er durch⸗
fehlängelt die ganze @bene, die Kalkſteinconglomerat zu ihrem
Boden hat der mit nen Kiefeln der verfchiepenften Größe überftreut .
iſt und dazwiſchen in biefer Zeit „mit blühenden Gewächſen bepedt
war; ein ungemein lieblicher Aublick. Auf den Höhen fand Ains⸗
worth vieſelben Blumen wieder wie in England; vie Inpivinuen
und vielleicht diefelben Species fchienen ihm über vemjelben Areal
verhältmißmäßig reicher vertheilt zu fein, 'ald auf den blühendſten
englifchen Wiefen; auch zeigten fich Iocale DVerfchievenheiten, wie
bei Pflanzen, die an fehattigen Heden fichen, . B. bei Vinca mi-
5s®) Ainsworth, Trev. and res. I. p. 251.
Ritter Erdkunde X. sn
’
850 . WeftsAfien; III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 40.
nor, und die Bilanzen fleiniger, warmer Gehänge fah man Pier
untermifcht mit reinen Wiefenkräutern u. dergl. m.
Der Sultan fu, d. i. ver Sultans-Fluf, der zwei Mae
Tagercifen im Süden von Malatia entipringt, erhält feine Waſſa
aus mehrern Quellbächen, die zmifchen ven Quellen des nad Ei
cien gegen S. W. abfließenven Dſhihan (Jaihan, Pyramus) m
des gegen &.D. zum Euphrat abfließenden Gök⸗ſu bervortrim,
aber insgeſammt ſchon oberhalb Arfa in der großen Ebene vn
Melitene vereinigt find und dieſe reichlich bemäflern. Die
” Strom ſcheidet die weftliche Taurudfette des Aghjah Dazl
(Akgah Dagh, d. h. Fleiner weißer Berg, oder Agdje Tagh), wm
welcher der Tinte weſtlichſte Quellarm' des Sultan fu bei Kymy!
entfpringt, von den Öftlichen, dem Euphrat näher gelegenen Bay
zügen,, bie Kurd Dufuf Dagh und Baghli Khanli Daıl
(d. i. Berg des Garten⸗Khan, nah Ains worth, v) wen
ber anliegenven Sommerftationen) oder, vulgär gefprochen, Balli
Daghleri Heißen, von denen der Öftlichfle Quellarm bei dem Deck
" Gozenah (Goͤſene Hei v. Moltfe), ververbt von Goz Khanı
(d. i. Khan am Urfprung der Quelle) entfpringt, daß, ml
Ainsworths Objervation, in einer Schlucht des Baghli Ahanl
unter 38° 11’ N.Br. Tiegt. Zwiſchen viefen beiden Seltener,
weiter fübmwärts, iſt der Urfprung des mittlern Armes, vei Gal-
tan fu, der durch eine tiefe, mit Eichen bewaldete KRalffeinfkuhl
des Kurd Yuſuf Dagh, deſſen Geftein auf feinfärnigem Opel
aufliegt, herabrauſcht, von einer noch, ſüdlicher gelegenen, an Wr
lich hervortretenden Quellen!) ungemein reihen Biateauböße, We
nah. Ainsmorth 3456 F. Par. (3688 8. engl.) über d. RM.»
baben liegt. Auf ihr entfliehen, 8 Stunden in Süden von Meise
gelegen, die Quellen ver beiden nah entgegengefehtes
Richtungen abfließenden, Gok fu gegen Süd, bei Gürgfi
vorüber, und des Sultan fu bei Biran Shebr (n. 5. zafkt
Stadt) vorüber gegen den Norden. An dieſem letzten Orte, af
ber Plateauhöhe, entdeckte W. Ainsworth die Ruinen einer alter
Bisher unbefannten Stadt.*2) Sie war von zwei Mauern auf als
Seiten, gegen den Süden audgenommen, umgeben, vie fehe WE
find und von Türmen flanfirt. Im Innern der Stadt ſah mm
‚ ine fehr einfache Kapelle ohne Ornamente, 28 F. ang, 1 $.
‘\ #°e) Ainsworth l.c. X. 3. p. 320; deſſ. Travels and ‚ren. VoLLp2
2) v. Moltke, Briefe, a. a. ©. ©. 2
LER. MAL u. Travel and vo. Yon 28
& N x Se Pr zu
ORTE
Euphratſyftem; Ebene Malatia, Asbuſu. 851
Sreit, wit einem balbereicbogen von 20 Zuß; und eine Atrovol⸗
auf einem Berge in der Mitte verfelben, vie zu einem Khan um⸗
gewandelt il. Ainoworth hielt fle für vie Lacotena auf dem
Wege von Melitene nach Samoſata (Itin. Anton, Augusti ed. Wes-
seling. p. 210,215), die auh Ammian nennt (Amm. Marc. XXI.
14) und für die Lavinianesine, die Ptolemäus als Präfectur
an den Euphrat (Ptol. V. c. 7. fol. 128): fest, in Süben von
Melitene; aljo, wie Rennell angibt, auf ven Taurus, ber viele
LZaudſchaft in Süden zuſchloß.8) Hieher fällt die Unterabthei= -
Lung ber alten kappadociſchen Laͤndſchaft, die auch Strabo mit Na-
men Laviniasene voer Laviasene (Strabo XII. 534) als eine
wer Tappaporifchen Präfecturen anführt.
Außer ven Drei Quellarmen, welche ben vereinten Sultan fu
bilden, ver fich durch die ‚große Ebene in NW. von Malatia zum
Tokma fu ergießt, iſt noch ein zweiter, mehr oͤſt licher, am Weft-
fuße des Baghli Khanli Tagh hinziehender, jenoch kürzerer,
mit dem unteren Sultan ſu aber parallel gegen Nord laufender
Fluß, nämlih der Shak ma fu,%) zu bemerken, der, ver Stadt
Malatta noch benachbarter, fi} etwa 2 Stunden fern von jenem
Sultan fu ebenfalls zum rechten Ufer des Tokma fu eingicht, und
- Buch fein Irrigationsfpftem die dortige Gegend, zumal um
Asbufn, der Sommerftation, in eine parapieflicye Landfchaft um« .
wanpelt. Bine Brücke mit einem elliptiichen Bogen von felmer
Borm überdeckt ihn. Noch ein dritter Zubach zum Tokma fu iſt
4, ver dftlider und Türzeren Laufes, durch die Statt Malatia
ſelbſt hindurch, zum Tokma fu fich ergießt. Die türfifche Geo⸗
graphie 8) nennt. dieſe beiden Waſſer Deir Mefih, d.i. Klofter
des Mefflas, uno Bunarbafhi, d. i. Quellenhaupt; Jaubert
Härte ven letztern Fluß, der die Stadt Malatia felbft bemäffert,
Kirgos nennen. %) Bom Süven her zu dieſem Shafma fu,
son Abdul Harab kommend, hat man Stunven lang ein ſtel⸗
niges, nacktes Thal aufwärts bis zur Höhe des Bey Daghs,
d. i. des Fürſtenbergé, 97) zu erklimmen, um dann wieder
abwärts zu ſteigen. Bei gewaltiger Hitze, ſagt v. Moltke,
der vom Süden herkam, hoffte er Hinter jeder Felsecke endlich ven
22) J. Rennell, Western Asia II. 162. 24) W, Ainsworth
. 3, 321; vdeſſ. Tr. gand zes. I. p. 252. 98) v. Hammer,
Pr Kirk in ®. 3. 1821. B. XIV. ©. 47; vergl. J. Brant,
Journ. I. c. VI. p. 2il. ee) A, Jaubert, Voy. p. 55.
22) v. —8 Briefe, ©. 208.
Hyh 2
\
852 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.40.
Blick in vie weite nörbliche Ebene von Malatia zu gewinnen
Plotzlich fand er neben den gewaltigften Quellen; dad croflaffe
Waffer ſprudelte armesdick an 20 bis 30 Stellen aus ven Kalk
fteinflüften hervor, und firömte als rauſchender Bach unter jdäne
Platanen zwiſchen grünen Ufern über Felſstrümmer und Grfzs
nahin. Eine Gruppe großer Maulbeerbäume gab Schatten um m
quickende Beeren. Bon bier an beginnt das parapiefifche Thal
des Sultan fu, deffen Eindruck unvergeßlich durch den Gega
der Bewäflerurig. Dicht an dem Urfprunge des Stromes hat me
feine Waſſer fchon gefaßt, und Ihn zu beiden Seiten des Thal,
wol 200 Fuß über der natürlichen Ihalfole, an ven Bergiches
und auf Brüdenbogen über die Querthäler bingeführt. Die Tik |
wände entfernen fid mehr und mehr, bis zur Breite von wel ct
taufend Schritt. Diefer ganze Zwiſchenraum if angefült mi
einer forilaufenden, 8 Stunden langen Reihe von Ortfchaften, wi
den Dörfern Hyndebeg, Tſhirmigly, Vargaſu und Assafı,
(us puſi nach dem Dibihannuma),S$) vie fih bis auf eine Grm
nahe an die Stadt Malatia heranziehen. Alles was unterhall
jones Wafferfapen 5 Itegt, iſt durch die hunderte von filberflems,
befruchtenden Waffercanälen ein Para pies; was nur wenige duů
oberhalb veffelben, ift eine Wüſſte. Das tiefe, ſchattige Grin wi
Thales, unter welchem an 20,000 Denfchen wohnen, content
wunderbar mit dem röthlichen Geſtein ver nadten Höhe, glhen
von Sonnenhige, wo Fein Bufch, kein Grashalm geveibt. Day
unterhalb überbeden bie Breiten Kronen der Nuß- und au
bäume die Wohnungen jo, daß nur felten einmal ein flaches Dei |
over ein Minareh für das Auge zum Vorſchein Eommt Beh |
Tauſende der ſchlanken Pappeln erheben fi mit ihren weile |
Stämmen und Tichterem Laube aus der dunkelgrünen Maſſe dei
Obſtwaldes und der Gemüfefelder, weldye vie Löftlichfie Nafrus
liefern, hervor. Tauſende von Käufern, Straßen, Brüden fin w
ter demfelben Laubdache verſteckt, ein feltmes, ja ein einziges Ber
fonımen in ver Levante. Hier in diefen Schatten von Asbaſt
liegt die Sommerſtadt ver Malatienfer, ein Lagerplag wi
wenige in der Welt. Wo man hier nur Waller haben wig, hs
man fogleih fußdicke Waſſerſtrahlen des klarſten Cryſtalls erfale
und überall hinleiten.
v. Moltke fiel es auf, daß man in einer dem Bade vi
Maulbeerbaums fo günftigen Localität ia anen Befah da
MR) m. Hammer 9. 0. D.
»Enphraifbften; die Stadt Malatia. 83
Alntwortä gibt Ihe 500 Häuftr, und bemerkt, daß Haſtaz Pas
ſcha zwei. Winter hinvurch in fie ‚fein Hauptquartier verlegte und
dadurch die. unglücklichen mohamedanlſchen wie chriftlichen Bewoh⸗
ner noͤthigte, auch die Winterzeit in Asbuſu zugubringen, worauf
Das Luger auch Einfluß gewinnen. mußte.
Die aͤlteſte Geſchichte der Stadt Malatia iſt dunkel; Strabo
nennt nur Die Landſchaft Melitene (7 Meier), bie er mit
Katnonien zu ven zehn Strategien oder Provinzen des Rei⸗
ches Kappadokiens zähle, dem zu feiner Zeit Archelaus waͤh⸗
rend eines ‚funfzigjährigen Herrſchaft als König vorſtand. Nach
Dorfen Tode wurde von. Tiberiuß veffen Königreich aber zur sömifchen -
Provinz geſchlagen (Strabo XI. 583). Strabo fagt ferner, daß
Melitene neben Kataonien und Kommagene, und zwifchen
Kataonien und dem Cuphrat liege, wodurch ihre Tage genau bes
filme wird. Er rühmt fie unter kappadokiſchen Landſchaften, neb
ver füslichern Kommagene, als die einzige, welche mit: Bruchtbäumen
bepflanzt fei, und ſowol Del (Dlivenbäume fcheinen gegenwärtig
ganz zu:fehlen) als auch Wein liefere, ven. fonft unbelannten Mo⸗
nasites (zd» Movaplınv olvov, XIL 535), der mit dem hellenl⸗
fchen Beine wetteifere. Alſo fchon damals genoß fie als Eultum
‚Ianpfchaft einer beſondern Pflege. Aber zugleich bemerkt cr aus⸗
drucklich daß weder die Ebene Kataonien, noch die von Melitene
eine Stadt befitze, ſondern nur fefte Burgen auf’ ven Bergen (AU. 537).
Noch fügt. er Hinzu, daß dieſer Lanpfchaft gegenüber, auf dem ans
Bern Ufer des Cuphrat, die- beträchtliche Bergveſte Tomiſa (rd
Topsoo, Strabo XII. 535) ‚liege, welche Lucullus nach ver Bes
ſegung des Tigranes dieſem von deſſen armeniſchem Reiche in
Sophene abriß und: zu Kappapoßien ſchlug. Un einer andern Stelle
CÄIV. 683) führte er; nad dem Beographen Urtemidorus von
Eyhefus (ce blüht 100 Jahr vor Chr. Oeb.), die alte Handelt»
Rrade der Karawanen in den Orient, und nah Inpien (fagt
Polybius XXXIV.. 33) an, die. von Ephefns burch vie Mitte
Kleinsfiend über Maz aca (Caeſarea), die Hauptſtadt ver Kappado⸗
ken, zum Cuphrates bb. nach jenem Tomiſa führe, wobel neh
keiner Stapt: in Melitene. amähnt wird, woraus. aber bad
hohe Alter, des Handels verkehrs durch dieſe Thon nach
Strabo ſo ausgezeichnet angebaute Landſchaft hindurch offenbar
hervorgeht, bis zur gegenüberllegenden Uferſtadt Tomiſa, auf ber
Seite nach Babylonien zu, wohin dieſe Handelsſtraße führte.
Des Name Tomtſa verſchwindet aber in det äkteca Yet. VD in
856 MWeflsAfien, II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.40.
fehen der Stadt Malatia und ver Sommerftation Asbafl,
von nut etwa 200 Fuß nah Ainsworth, iſt dieſe legiere zwar
nicht weniger kalt im Winter als die Stabt, aber vielweniger heiß. De
in. der Stadt, die auf ihrer Ebene doch immer noch 2608 $. Bar.
(27808. engl.) nady Ainsworths Meſſung über dem Meere Iiegt,
vie Sommerhige, zumal durch eine fehr ſtarke Radiation, ganz um
erträglich wird, fo iſt es viefe, welche bie Stänter aus ihren Mauas |
vertrieb, die ihnen im Winter, der eben na ihrer abfolut hohen
Lage, ungeachtet ihrer fo fürlichen Breite, ungemein firenge iR, deqh
einen beffern Schutz verleihen. Cine reiche, große, aus einem Kalb |
ſteinfels hervortretende Duelle zeigte während Ainsworths ww
tigen Aufenthalts ſtets 10° 22° R. (55°%.), was er für die waht⸗
fcheinlihe mittlere Temperatur von Malatia Hält. Die fri⸗
her nur hypothetiſche, um einen ganzen Breitengsad irrige aflrene
mifche Lage dieſer Stadt bei D’Anville, Rennell und Anden
M nah Brants Map berichtigt auf 38° 27' N. Br; Asbuſi,
nah Ainsſsworths Obſervation, liegt unter 38° 23° M. Br. Du
Meridian von Malatia war bisher auf den Karten nur nach den
von Samofat eingetragen, deffen Rage man nach den Krümmunge
des Euphrat beftimmte, vie unbefannt waren, wodurch große Fehler
In die Zeichnung von Asia minor überhaupt kamen, welche wie nun
Kartenaufnahme ver Eol. Chesney'ſchen Erperition berichtigt het
Durch die Verlegung der türkiſchen Armee In das Lager vw
Asbufu hatte dieſer Ort an Anbauten, Bazaren und allen Be
teilen einer flarken Anfievlung in kurzer Zeit fehr gewonnen, wäh
vend die Stadt M alatia 5) in Berfall gerieth, dve und einfam wert.
Dicht bei diefer Stadt ſteht fein Baum, die nadte Ebene IR gay
dem brennenden Sonnenftrable ausgeſeht, vaher fie chen im Gemum
verlaffen wird. Alte Reſte von frühern Stadtmauern und Them,
- aber alles im Verfall, umgeben: fie; die Thürme find eingeftink,
die Eitadelle Tiegt in Ruinen; doch hat ein Kalmakan des Pafke
feine Reflvenz In ihr. Nah v. Moltke hat fie nur aus Ach =
baute Häufer, mit Terraffen flatt der Dächer; feet die. Aupyls
der Mofcheen wie der Baͤder find mit Lehm überzogen; alle HR
And mit Lehmmauern umgeben, fo daß bie gange Stadt dieſelbe ce
förmige graue Farbe trägt. Die Häuſer Haben noch eine. aufs
ſcheiben, im Sommer find fie unbewohnt;: etwas’ anpngenet. em
fle daher nicht haben. u
— — nn 17
SuenS . 208; Ausworth 1. 6'p- von;
Travels and rer. I. p. 35
Euphratſyſtem; Die Stadt Malatia. 8
Aintworth gibt ihr 500 Säufer, und bemerdt,; daß Haſtoz Bas
fa zwei Winter hinbdurch in fie ‚fein Hauptquartier verlegte und
dadurch vie unglüdlichen mohamenanifchen wie chriftlichen Bewoh⸗
ner nöthigte, auch die Winterzeit in ASbuſu zuzudringen, worauf
das Lager auch Einfluß gewinnen mußte.
Die alteſte Geſchichte der Stadt Malatia ift dunkel; Strabo
nennt nur Die Landſchaft Melitene (7 Meiızyor),. die er mit
Kataonien zu ven zehn Strategien oder Provinzen des Rei⸗
ches Kappadokiens zählt, dem zu feiner Zeit Archelaus wäh“
zend einer funfzigjährigen Herrſchaft als König. vorſtand. Nach
deſſen Tode wurde von. Tibe rius deſſen Königreich aber zur sömifchen -
Provinz igefchlagen (Strabo XII 533). Strabo fegt ferner, daß
Melitene neben Kataonien und Konmagene, und zwiſchen
Kataonien und dem Euphrat liege, wodurch ihre Tage genau bes
fiiuimt wird. Er rühmt fie unter kappadokiſchen Landſchaften, nebft
ver fünlihern Kommagene, als die einzige, welche mit Bruchtbäumen
bepflanzt fel, und ſowol Del. (Dlivenbäume ſcheinen gegemwärtig
ganz zu fehlen) als auch Wein. Hefere, ven: fonft unbekannten Mo⸗
narites (zdv Movuoélvnv olvov, XII. 535), der mit dem helleni-
ſchen Weine wetreifere. Alſo ſchon damals genoß’ fie ald Cultuv⸗
landſchaft einer beſondern Pflege. Aber zugleich bemerkt er aus⸗
drücklich, daß weder vie Ebene Kataonien, noch die von Melitene
eine Stadt befige, ſondern nur fefte Burgen auf’ ven Bergen (XII. 537).
Rod fügt. er Hinzu, Daß dieſer Lanpfchaft gegenüber, auf dem an⸗
Bern Ufer des Eupbrat, die- beträchtliche Bergveſte Tomiſa (rd
Tousoo, Strabo XI. 535) liege, welche Lucullus nad) ver Bes
ftegung des Tigranes biefem von deſſen armeniſchem Reiche in
Sophene abriß und zu Kappadokien ſchlug. Un einer andern Stelle
(XIV. 683) führte er, nach dem Geographen Artemidorus vor
Eyhefus (er blũht 100 Jahr vor Chr. Geb.), die alte Hannelts
safe ver Karawanen in den Orient, und nah Inpten (fagt
Polybius XXXIV.. 13) an, die. von Epheſus durch vie Mitte
Aleinafiend über Maz aca (Caeſarea), die Hauptſtadt der Kappado⸗
ken, zum Cuphrates bis nach jenem Tomiſa führe, wobei ne
keinor Stadt. In Mettitene. erwähnt wird, woraus aber das
hohe Alter, des Handeldverkehrs buch dieſe Thon nach
Strabo ſo ausgezeichnet angebaute Landſchaft hindurch offenbar
hervorgeht, bis zur gegenüberliegenden Uferſtadt Tomiſa, auf der
Seite nach Babylonien zu, wohin dieſe Handelsſtraße führte.
Der Name Tomĩſa verſchwindet aber. in der fpätern Jeit. Um fo
860 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilang. I. Abſchnitt. $. 40.
Vol. IV. Exc. Xiph. pag.415) wiffen wir, daß jene Legion un
Kaifer Marc Aureld Negterung aus lauter Chriſten beftand, welche
um eines Wunderd willen, da ver Feind auf ihr Gebet durch ven
Big getroffen worden war, von dem erflaunten Kaifer den Ehe
namen ver Legio fulminatrix ?) erhalten Hatte. Darauf wuchſe
nun die Stadt und zumal ihre Vorſtädte durch die Menge ver Un
fſiedler; Wohnungen aller Art, Tempel, Gouvernementögebäutde, dw
Agora, eine Ston, Bäder, Theater und andere Architecturen wur
den aufgeführt. Kaiſer Anaftafius fing an, ıhre Ringmauern zu
erweitern, flarb aber darüber bin; Kaiſer Juſtinian vollender
dieſe und gab ver Provinz Armenien (Armenia minor) in Meli⸗
tene ihre glänzende Capitale. AG folche erhielt fie fi au
die folgenden Jahrhunderte hindurch, in denen fie auch Melitiss
(Amm. Marc. XIX. 8. 12; XX. 11. 4) over Melentenis (Tab.
Peuting.) oder ‚Melitena (itin. Anton. ed. Wessel. p. 209) ge
nannt wird. Im 6. Jahrhundert kam fie in den Kriegen Khoteei
und der byzantiniſchen Kaiſer am Cuphrat fehr berunter, zumal
nach der blutigen Schlacht, melde ver Saſſanide in der Ebene Ar
Iitened auf feinem Zuge gegen Gäfarea, die Capitale KRappapefiess,
im Iahre 572 n. Chr. &eb.. verlor. Auf feiner Flucht vom Schlech⸗
felde verbrannte Khosroes Nuſhirvan vie ſchon verddete Stasi ver
lendo, und ſchwamm von da, unbefünmert um das Schidfal fa
gurüstgelaffenen Truppen, auf feinem ’ Glephanten durch ben &8
ppm. 0). ,
... Aber Melitene. erholte fi und wurde bedeutender als guet
unter der Byzantiner Herrſchaft (Const. Porpbyrog. de tbemal.
18, 19; de .administr. imp. 227, 12. ed. Bekk. Vol. II.) 6%
rillus nennt es im 11. Jahrhundert (Vita Eatychii.) die glän-
gende Metropole der Armenter, vie’ bebeutennfte Stau da
Dibceſe des Massiardhen von Antiochta, in der-fich 56 dei
liche Kirchen ‚befanden, und 60,000. webrhafte Männer ihr Gebiet
bewohnen jellten. 11) Epxrifti (1450) nennt ven Ort Malaria 1)
eine Feſte und noch bedeutende Stadt, deren Wohlſtand aber gefgwun-
den ſei; er wiederholt ihren Namen als: Duucgengefanen, ws
— — —
s00) ver .Rorebii Histor. eccles. Làb. V. c. 5, ans vem ——
Ile Erzaͤhluug ſchöpfte, —— dem Dio Saflus bein beinegeben i.
10) Gibbon, Geſch. des Verf. XLVI. Th. XII. &.57. Ueberf.
11) "Wesseling im Itinerario Antonini Augusti. Amsteisd. 173.
2 % 796 209; mel. ;° 3°) Bairid; di Fambeit, AL pes- 00,308,
189, 308. ee a.
W
‚Eupbratfuftem; Stadt Malatia, ihre Gefchichte. ‚861
auch Mulateni und Molutent fehreibt, und fagt, fie liege 2 Mil⸗
lien vom Euphrat, 51 Milien von Samojat entfernt, in einem Xhale,
das Ueberfluß an Sommer» und Winterobfl, zumal an Nußbäumen
und Weinreben babe, die aber ohne Eigenthümer feien unv- ber
Benugung Jedermanns freiſtänden, was auch ſchon Ebn Haufal
(im 10. Jahrhundert), nach Abulfeda's 13) Bericht, ald eine Merk⸗
würbigfeit des Ortes angegeben hatte. Alſo jcheint damals das
fruchtbare Thal von As buſi verwilvert geweien zu fein. Zu
Abulfeda's Zeit gehörte ver Ort noch ven griechifchen Kaifern,
war eine Grenzfeſte, hatte einen Aquäduct, der Ihr das Wafler zus
führte, war aber oft Schauplaß von Kriegsfehden gemefen, wodurch vie
Landſchaft wol von Ihrer früheren Blüthe immer mehr und mehr
herabſank. Gleich anfangs war ſie unter den ſtürmiſchen Siegen
der erſten Zeiten des aufblühenden Khalifates von den Arabern
erobert worden, und in diefer Periode blühte ver ritterliche Helv, in
Malatia 1%) geboren, genannt Sid oder Seid al Battal, vd. i.
ber Held, der Kämpe, der erfle arabifche Eid, deſſen Thaten
in den arabifchen Ritterromanen befungen wurden, nach dem faft
ein halbes Jahrtaufend fpäter erſt der große ſpaniſche Ritter,
der Cid el Campeador, von den bemundernden Arabern viefen
Beinamen nad) dem größten Ihrer Kämpen erhalten haben foll,
der im I. 739 n. Chr. Geb. ven Martyrtod im heiligen Kriege ge=
gen die Chriſten gefunden hatte. Unter dem Khalifate Al Man⸗
: furs im I. 755 n. Chr. Geb. ging jedoch Malatia, das Abul⸗
feda Malathija fchreibt, wieder an bie Griechen verloren, Kaifer
Gonftantin Kopronymos nahm fle ein, zerflörte fie und ents
führte ihre armenifchen und georgifchen Bewohner nad) Conſtanti⸗
nopel. Als aber verfelbe Khalif Al Manfur 2 Jaͤhre darauf, im
$. 757, durch ein ‚Heer von 70,000 Mann unter Anführung feine
Neffen Abderrahman wieder davon Befig genommen hatte, ließ
er jle von neuem aufbauen, was In einem halben Jahre in fo welt
geichehen war, um dafelbft eine Barnifon 1°) von 4000 Mann Truppen
zu berbergem, die er mit Waffen und Schägen aller Art verfah.
Später fiel es in die Gewalt der Seldſchukiden, denen es aber
um das Jahr 1068 durch den griechifchen Kaifer Nomanus Dioge-
18) Abulfedae Geogr. Tab. b. Büfching TH. V. S. 34.
1%) v. Hammer, afla at. Zack in Mae Yahrb. 1821. Br. Xiv &.47;
derf. in osmanifche Gefchichte I. S. 45, Rote, S. 572, Ill. ©. 147.
15) Greg. Abul Pharag. Hist. dyasat. u ed. E. Pocock, Oxon.
1668, pag. 140.
re an .-
.
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I
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⸗
862 Weſt⸗Aften. II. Abcheilung I. Abſchnitt. 8.40,
ned 36) wieder entriſſen ward. Zur Zeit der Krenzzͤge, als %e
Franken die Länder des Sultans Kilidge Arslan von tonlım
ũberſchwemmten und dieſer mit ver Gegenwehr gegen ſie zu th
hatte, brachte der Turkoman Ku mtſh⸗teghin, Som Thilun',
mit dem Beinamen Ben el Daniſhmend (vd. L Sohn ai
Gelehrten), Xruppen in Melitene zufammen, weit deren Hülk
es daſelbſt einen eignen Turkomanenſtaat errichtete. Gr belagen
die Stadt Malatia, dern Commandant der Armenier Gabriel
war; er nahm den Boemund, der dieſem zum Entfag zu Sülfe die,
gefangen (im I. 1099), und erhob die Stadt zur Reſivdenz der fe
berahimt gewordenen kappadokiſchen Dynaftie Ber Danifh—⸗
mende 17) während des 12. Jahrhundertö (bis gegen 1200). De
mal® ward bie Stans, zur Zeit Balduind von Edefſſa (2190) u
Katfer Fried riche in Ifonium (1191), wie durch Die Siege Ge
ladins albefannt, und fam mit ihrem Gebiete als eins ver nie
Konigreiche 18) an deſſen Nachfolger, die Atabefen, in Syrimmh
Aegypten. Im Jahr 1235 wurde Malatia dur den Mongheke
überfal unter Dfktal Khan 19) und Hulagu aller Echäge ſti⸗
ner zahlreichen Kirchen beraubt, aud denen fie die viren
Kreuze, die goldenen und fllbernen Weihgefäße und alle Ornamak
entführten, wie ald Augenzeuge Gregorius Abulphareg, ie
berühmte Arzt und Geſchichtſchreiber, der felbR in Mal atia gie
sen war und dies erlebte, in feiner Chronik 20) verzeichnete (er farb
im Jahre 1286). Damals und auch fernerbin unter barbariides
mongoliſchen Commandanten, denen Malatia übergeben wer,
zerftörten dieſe auch die Bärten und Weinberge ver Nehbe
landſchaft, und mißhandelten deren Bewohner auf das graufame;
entfegliche Hungerönoth und. Peſtkrankheiten folgten diefen unglid
lichen Ereigniffen, von denen fich wel der dauernde Berfall we
fer Stadt und Lanpfchaft Herfchreibt. Der Gewalt des Sultan Be
jazeds, bed Donners, der zur Erweiterung feiner Herrſchaft gege
den Oſten erſt den Prinzen von Siwas geflürzt und fich durch fee
nen Feldherrn Timurtafcy auch der Stadt Malatia im Jahre 138
bemädhtigt Hatte, ”) wurde biefe bald wiedet mit Sturm durch Te
*10) Degnignes, Geſch. der Hunnen, I. 6.221. > ebend. LE
©. 306; v. Gammer, osmanifge Geſch. I. 21. ) Degulgse
a. a. O. V. 6.286. 1°) ebend. IL. ©. 118. 2%) Gre
Abulfaradi,- Hist. dynastiarum p. 818, 988. 2.) v. Damme,
—V Le, RM, Iapianes, Beh. der Gumns
4
Euphratſyſtem; Malatia, Population. 863
merlan, ven Big, im Jahr 1400 entriffen und von neuem zer⸗
flört. Denn die Beraukung und Ermordung einiger feiner mongo⸗
liſchen Krieger durch turkomaniſche Näuber In dem Gebiet von Man
Iatia erregte ven Zorn des Gewaltigen, den dieſe Vernichtung Ma⸗
latias und der Sturz Bajazeds auf dem Buße folgte. So war
Denn Malaria fchon laͤngſt feines früheren Glanzes beraubt, als
es mit Haleb und anderen benachbarten ſyriſchen Grenzfeſten, wie
Divrig, Behesni, Aintab u. a. m., In vie Gewalt ves Sultan
Selims I. fam, im I. 1516, 22) und feltvem dem türfifchen Reiche
auch verblied. Zur Zeit Baul Lucas, d. 1. im I. 1700, war
Malatia 2) nur eine geringe Stadt, aber voll Chriſten, die Brannt«
wein feil hatten, mit dem ſich der Reiſende bei ihnen verfah. Selt⸗
dem ift fie bis im bie neueſte Beit wenig vor Europäern befucht
worden.
J. Brant gibt die ganze gegenwärtige Population (1835) von
Malatia und Asbuſi auf 3923 Familien an (alio an 19,000
bis 20,000 Seelen), davon 2800 türkische, 1123 armen iſche?)
find. Doc hatte fie in der legten Zeit, durch Cholera, Peſt und
andere Liebel heimgefucht, eher an Bewohnern abgenommen. In
der Sommerzeit, wo Brant die Stadt leer fah, nur mit wenigen
Wächtern in den Käufern, machte fie mit ihrem Graswuchs in den
Gaſſen einen ſehr jammervollm Eindruck, da auch die oft in Rui⸗
nen zuſammengefallenen Häuſer eher Kothſtällen als Menjchenwoh-
nungen glichen. Nur 2Mofcheen und 2 Karawanſerais, in beſſerm
perflihen Bauſtyl aufgeführt, machten davon eine Ausnahme,
Brant zog von der Stadt norbweftwärts durch die Eßene,
auf der Straße nah Hafan Batrif, und fand hier Über ven
Tokma fu eine Brüde, Kirk genz genannt (vd. 5. die 40 Au⸗
‚gen, nah dem Bihannuma), 2 Keine Stunden oberhalb feiner
Einmündung zum Euphrat. An beide Seiten diefer Brücke über
den alten Melas, den die Armenie Meghos 25) oder Melos
nannten, den auch St. Martin für identiſch mit dem Kureh maz
hielt, daher Koremoz, fchließt fich ein fortlaufend auf Bogen erhöh⸗
tee Kunſtweg an, ber zeigt, wie groß die Lieberfhwenmung ber
Ebene durch feine Waſſer zu Zeiten fein muß. Nur etwa 3 Stun⸗
den (7 Mi. engl.) von diefem Tokma fu (Grenzwaſſer nennt «8
- \
—
22) v. Hammer, osmanifche Geſch. Th. II. S.476. 28) Paul Lu-
cas, Voyage au Levant. A la Haye 1705. 8. T.I. Be g. 201.
20) 5, Brant, Journ. L c. “vl. p-2H.: 28) St. Martin, M&m.
zur VYArm. L p.I 188. '
864 WeftsAfien. III Abtheilung. I. Abſchnitt. 1,40,
Brant) nordwärts, traf er den Ifhamurlu (nit ber weite
nördlich fließenve gleichnamige, fondern mol ein ſüdlicher Arm au
Kuru thai, an welchen Haſan batrif liege. Im dieſer Ebene,
in ver Näße eines ruinirten Kbans, ſteht eine Gteinfänle, ®)
welche anzeigt, daß bier die Hälfte des Wegs zwifgen
Gonftantinopel und Bagdad fei, wie einft in bes Artemis
Routier von Eybefus, am der Ueberfahrt über ven Euphrat, Ir
mifa, Malatia gegenüber, ald ein ſolcher Bunct, bis zu vem ge
zaͤhlt wurde, gelten mochte. Leider fehlt und jede nähere befimme
Angabe dieſer Stelle, um fie heutzutage wieder nachweifen zu fünem
3. Das Land des Euphrat-Durchbruchs dvurch die Ges
taractensKette bis Samofat und bie Uebergänge der
ſüdlichſten Gliederungen des füdliden Taurusfgfeni
aus Melitene zum eupbratenfifhen Paſſageland.
1) Die Ueberfahrt über den Euphrat bei Iſogla, am
der Fels mit der Keilinfhrift bei Kümürkhan, am Bar
fhiam fu; Tomifa.
Dur den Aufenthalt Hafisz Paſchas in ven Kriegslagen
‚zu Malatia und Mezirah (Mazara in Armenia bei Ptolem.T.
13. f. 135), bel Kharput (Xagpnore b. Cedren. f. ob. ©. 811),
wahrfcheinlich da8 Karkathiokerta, die Königeftant ver auf
glänzenden Sophene (bei Strabo XI. 527 und Plin. HA. N. V.
10), welche zugleich die Tigris« wie die Euphratübergänge va
nirt, 27) wurde die Route zwifchen beiden Orten und die vorige
Ueberfahrt über den Euphrat auf diefem Querwege befauskn,
als fie zuvor ed gewefen war. - Zur Erleichterung ver Trap
durchmärfche waren bei Malatia Verfuche gemacht, um ven uch
ungebänvdigten Strom mittelft Fliegender Brüden?8) von Hast
flooßen, jowol hier bei Ifoglu (mahrfcheinlidy dem Metita td
Ptolem.) wie bei Samfat und Beridſhik zu pufflren, vie abe
‚ damals (1838) nicht zur Ausführung gelangen. Es fehlte =
eifernen Ankern (die man erft au Sivan Maaten, f. o. ©. M
erwarten Eonnte), und der von dem Obriften Emin Bey, dem
frühern Fiſcher an der Donau, angefertigte hölzerne Anker wei
an der Stelle des 140 Schritt breiten Euphratfiroms , mit 6 I
Geſchwindigkeit In der Serunde, auf fleinigem Grunve nicht Scq
2) ],.Brani.c Vin. A, 3?) Ainsworth, Trar. am
res. Vol. 1. p. W. Dia ir
5
.. Caygenifäftinn; Webetfahrt:bei I; Oglu. 865
Galın.. 1:08 .feßtee au Material, an Pfaͤlen zum: Cinrammen, am
Acbeitern. Die Holznoth am Cuphrat iſt daſelbſt vlelen Unter⸗
nehmungen hinderlich; vom Tokma fu hätte man erſt das Geſtripp
zu TFafchinen und Schanzkorben konmen laſſen mäffen, um nur vie
er zu Brücenkoͤpfen se: Iſoglu over Verlvſhlk zu befefligen.
Solche Anlagen winden hur nicht nur: die Kriegdoperationen un⸗
gemein: erleichtert huben, ſoudern auch für vie Friedenszeiten dem
arawanenvertcor ein weſentlicher Gewinn geweſen ſein.
Malatia Megt:nicgt uumitielbar am rechten Ufer ned Cudhrat,
wie Dies noch: Mennells, Reichards und alle frühern Karten
angaben, fonbern einige Stunden: davon ab. ISaubert brauchte9)
vor 1 Uhr Morgens 5 Stunden Zeit, um von ber Stadt das
Ufer; des Cuphrat an der Ueberfahrt, deſſen Breite er auf 70 Meetres
‚zu erreichen. Die Fähre führte ihn hinüber, nah Iz Oglu,
eine Damals bedentende Kmdenſtadt, die. einen Flintenſchuß vom
. Vinben Ufer entfernt. lag, und ihr zur Seite ein Dorf, Das von Ju⸗
fuf Paſcha in Beflg genommen war (Im 3. 1808), ver ſich ver
geblich abmũhte, auch jene Kurdenſtadt zu unterjochen. Die wilden
haͤßlichen Kurpenmeiber, vie ‚Hier umherſtreiften, erinnerten
3. Jaubert an die Beichreibung ihrer wahrſcheinlich einfligen
Gtammeßserwandten, die Mardi, bei Ö. Eurtius (V. 21. 17.
p- 457 .... ventum est in. Mardorum gentem bellicosam et
multem a ceteris Persis eultu vitae abhorrentem. Specus in
meontibes fodiunt in quos seque ac. conjuges et liberos condunt:
pecorum aut ferarum carne vescuntur. Ne feminis quidem pro
naturse habita. molliora ingenia sunt: comae prominent hirtae,
vestis super genua est: funda vinciant frontem, hoc et orna-
mentum capitis et telum est etc. vergl. Erbf. Ah. VIE ©. 9
und 95, wo fihon von der Stammesverwandichaft ver Marder
wit den. Kar duchen, d. k Kurden, bie Rede war). Ihr Kopfr
vutz war freilich nicht mehr, wie. damald, die Schleuder, ſondern eine
Der perſiſchen ähnliche, Häßliche runde Müge, mit Blech und Gelb⸗
ſtacen bebängt, über wilden, firuppig umberhängenden Saar, un,
verſchleiert; mit Meſſingketten um ven Hals, Nafenving, zuwellen
auch einem Ring durch die Lefze zu befonderem Bube, Ringen an
allen Fingern, nadten tätowirten Armen und Jupen, die nur bie
zum Rule herabhängen. Ben. dieſem Iz Oglu (over CizOghlu,
Eyas Dahln, Tu Dot bei Rennell, Eu Do bei Andem) zog
, Voy. p. 6. = —
Nitter Erdtuube X. U
366 Weſt⸗Aſien. II Apttwikung. I. Abſuitt. 8.40.
ver Weg anderihalb Stunben am Flußufer (dbewanie?) Kia, Kin
‚durch eine Bergſchlucht (mol bie bed Marſhian fu, f. ob. ©. 828)
vom Euphrat gegen Nordoft, an einem Bache vosüber, ber Gold⸗
fund wälgen follte, und bei einem Karamanferai (mol bei Kü⸗
mür than?) abzweigte gegen Kharput Hin, das an vemicdke
Tage von Jaubert bequem. erreicht ward. Auf dieſem Wege par
firıe Iaubert einen Berg mit Erzebern von Eifen uns Kupfer,
defien feiner ‘ver folgennen Reiſenden ermähnt. Die hier zu af
‚ genden Berghöhen, um zu ver Plateauebene Kharputs zu ı gelungen,
Hatten für ven franzöſiſchen Reiſenden ein ſchreckhaftes MUnichen,
Dorfshaften lagen nur weit-ab von dem Wege in ver Wilenißj
3, Brant, der venſelben Weg von Kharput zum Euphen
nach Moglatia binabflieg, bemerkt, daß an ber Südgrenze ber Kan
pute Ebene eine hohe Gebirgokette, ») mit Zwerge ichen b
wachen, vol Galläpfel, zu überfteigen il, um zum Ufer nes Gupfest
zu gelangen, wo die Ruinen einer Moſchee neben einem geufes
Karawanjerai lagen; eine Entfernung von Kharput bis dahin vos
12 Stunden (30 Mil. engl.). Eine Viertelſtunde unterhalb wi
Karawanjerai, (offenbar aljo das zu Kümür khanu) fängt m
Durchſchnitt des Stroms durch die Beldengen veb Taurus an, I
denen: er vollig unbefhiffbar fe. Von dem zerſtörten Ass
wanferai zog Brant Feine zwer Stunden (4 Mil. engl.) gegen km
Strom, an deſſen öſtlicher liferfeite aufwärts bis zer Fähre m
Ei, Oghlu, von wo die früher old beveutend genannte Aue
ſtadt aber verfchwunden jein muß; bean Brant (1835) jagt: a
jeder Uferſeite liege hier ein Dorf, vie beine zuſammen nur 100
Kurpenfamilien zu Bewohnern haben, bie arm find, und Eimer
bensmittel mittheilen fonnten, menn ſchon einige ihrer Rinbertenin
an den Uferfeiten des Euphrats weideten.
Auch v. Moltke kar veffelben Wegs von Kharput u
ſtieg am 24. März, noch vor Sonnenaufgang, die ſteilen Bergfäfen
zum Tiefthale des Cuphrat hinab, ver ſich hier, von 250 60 38 |
Schritt Beeite fo plöglich auf 80 Schritt und mehr veren gt, ca
jenen Felſentrichter wüthenn burchfchießt, von dem oben bie Mebr mir
Eine alte ganz verfallne Burg?!) klebt über neu Knie
Ufer des Gupfrat an ver 300 Fuß hohen Felsklippe, welche im
Meg. nadı Diyarbeh: boiminitt; darunter lest am Wibete Bu
nn
*20) ], Brant, Im. Lo. vad. wi Bei, Dreh,
a. a. D. S. W |
* LEE - =
® \ x
Euphratſhfiem; die Keilinſchrift bei Kuͤmuͤehan. 867
THiam fu, der zum Euphrat ſtürzt, ein von Sultan Murad m ⸗·
bauter Khan wit einer Moſchee, der aber auch in Trümmer ver
fenf, wo jeht eine Pofkiatin iſt. Etwas aufwirts am Stromufer
von da, au Weſtende deß Ufergebirgäguges, ver 500 bis 1500 Fuß
hoch Über den Spiegel des Cuphrat ſich erhebt und bis zut
Bier von Ifogiu foreſtreicht, bemerkte v. Moltke, am der dorti⸗
‚gen Geldwand (5 Stunde oberhalb Kümüchen und 14 Standen
unterhalb Iſoglu, nad v. Mühlbachs Angabe) eine große Ta⸗
fel wit Tauſenden von Kleinen Keilchen, die bei genaurer Unter⸗
ſuchung ». Mühlbachs von ihm als eine Keilinfeription ep
Tarnt und mit großer Mübe uud Sorgfalt copirt warb,??) für de⸗
sen Mittheilung wir ihm ven innigften Dank ſchuldig fine.
Gleich oberhalb derſelben erweitert ſich das Euphratthal zu ber
frachtbaren Ebene von Malatia.
Der Wichtigkelt dieſes älteſten am obern Cuphrallauf cube
pedten Denkmales aus dem höhern Alterthum an biefer
Seelle des Stromüberganges, auf einer antifen Handels⸗
ſtraße von Cpheſus nah Babylon, Haben mir ſchon oben für
Die Tulturperiode dieſes geſegneten Cuphratthales, des erſton und
einzigen oberhalb ſeiner Cataracten, innerhalb der Taurus⸗
Reiten, auf. dee Grenze ber alten armenifchen und mefopotamiſchen
Zandſchaften erwähnt. Wir bemerkten, daß es bis in Die Semira⸗
midifchen Zeiten zurüdführe, nämlich. bis zu denjenigen, denen
auch wie Keilinfcriptionen um Wuſh, um ven Dan See, um
Efbatana.u. a. m. ir Daſeia verdanken. Diefe Infchrift liegt
nicht an nes großen Route, welche von ver kappadociſchen Caeſares
zum oberen Tigria nach Ninive führte, welche Cyrus Perſerbeer
aus Medien zum Halys (Kizil Irmak) nehmen mußte, als er gegen
Erbius lydiſches · Königreich im Nordweſt zog, oder auch Xerxes auf
_ feinem Wege zum Bosporus, Der kleine Situntiensplan zeigt bie
Rage dis Schriftfelfen, nur 200 Schritt vom Ufer des Eupbrat
eutfernt. An einer ſenkrechten, fogar eiwas überhängenben Fels⸗
wand aus’ Kalkſtein, 150 Fuß hoch, ift die viesfeilige, nicht gang
ms Rechtec ſondern etwas verſchoben eingehauene Schrifttafel 40
2, C. Ritter, Fa der von bem Königl. Breuß. Ingenieur
Saupimanı 4 —— am obern Enphrat gem (Oak:
decuag einer Rei. —— in Monatsberichte über bie —
[ungen der Geſellſchaft für Erdkunde zu Berlin. 1840. . Jahre.
S. 70—73; nebſt Plan der umgegend von Kamargen us
der Kellinſchrift. |
AR
808 Wehen, TI. btbeilung. I. Ablchai. :4:48.
E” ser voffen Woferpiegel angebracht. Sie iſt 6 Tab 4 Di
hoch, 4 Fuß 9 Zoll breit, mit 40 horizontal laufenden Schrift⸗
zeilen beſchrieben, und vie ganze Tafel um einen Fuß und 4 Zell
von oben nach vorn überhängend eingehauen, fo Daß fir, bei If
ohnehin fünlichen Wendung, gegen die Witierung feit Jahrtarhen-
den gut geſchuͤzt war und nur durch Serunterträufeinnes Wehe
In wer Tinten Ecke einiges auf ihr unleferlich wurde. Die Self
tafel llegt von dem vorüberziehenden Wege sur. 50 Schritt fer,
und doch wurde fie früherhin von Niemann erwähnt. Ye zur
Geite iR im Fels ein großes Loch, welches vielleicht einſt zur Hab
tung anbrer Sculpturen viente. Ein Wildbach ergießt fich fürmiett
wveſſelben zum Cuphrat. Die einzelnen Keile ber Schrift ſind mit
großen technifcher Wertigkeit 4 6i6 4 Zoll tief in den Stein einge
hauen. Bei dem möglichft ſorgfältigen Copiren der Inſchrift wer,
wegen feſten Kalkfinters, klelner Steinavern, Riffe und nicht ferk
zubürfenver fremder Erdtheile, dennoch mitunter: Die Michtung der
Keilſpien nicht mehr genau zu ſehen. Im Ganzen: ift fie Jach
ſehr wohl und Ieferlich erhalten. Nun erwartet fie noch ihres giib
Ingen. Eutzifferere. Möge ein Laſſen, Bournouf, Mel
oder Grotefend ihr fo lange verwahrtes. Gehelmnig entfchleien
und Musfunft geben über ihr gegen alle übrigen: : Keilinfeheifies
am. meilten gegen ven Weften vorgerüdte Vorkommen, un Be
dad Gigenthümliche ihrer Schriftart, bad von ben. bisher fe
kannten auf perfliden Boden befindlichen doch in Etwas‘, binfihe
lich einzelner Zeichen, abweicht. Auch ſcheint es und nicht zufläig
zu. fein, daß ber Wildbad unter jener. verfallemen Burg
Colglleicht jene alte Toon des Artemidorus f. ob. ©. 857,5
In dieſer Gegend Tiegen mußte: weöhalb vie. Erſteigung piefe Es
ſtells Durch Fünftige forſchende Reiſende wünſchenswerthh wäre), km
Ramen des Parſhiam fu führt, darin ver chalndifche Raw
Bar ſhemſhe (Bohn der Sonne) ones Bar. ſhemain (Gar
bes Himmels) fih aus her Semiramidiſchen Seit erhalten: ze
haben. ſcheint, der ganz ibentiih mit dem Baal Gamin am
Baal Chamman ver Babylonier und Baal Gemes ?) vc
Palmyrenifchen Infchrift (ded Zeus, Jupiter, Sol, Melicartes, Ges
Tules), hier mit dem der Milita, am großen Emporium,
wicht, ohne Bereutung war. , Schon. oben war von ihm le
Sande ver Chaldaͤer einmal "Sei Erzingan bie Rebe, 5 6. 71.
A
in =
— —
os‘, Mivert, X Kaas, v. V. EN % I sea
Guphrosigflemn; die Keilinſchrift bei Kuͤmuehan. 867
THiam fm, ver zum Eupbent ſtürzt, ein vom Sultan Murad er⸗
bauter Khan wit einer Moſchee, der aber auch In Trlmmer were
ſank, wo jett eine Pofbfatien iſt. Etwas aufwirts am Stromufer
von da, aus Weſtende des Ufergebingäguges, der 500 bis 1500 Fuß
hoch über den Spiegel bed Euphrat ſich erhebt und bis pur
Faͤhrre von Iſo glu foriſtreicht, bemerkte v. Moltke, am der dorti⸗
gen Felswand (4 Stunde oberhalb Kümürhan und 14 Standen
unterhalb Iſoglu, nach v. Mühlbachs Angabe) eine große Ta⸗
fel weit Tauſenden von kleinen Keilchen, die bei genaurer Unter⸗
ſuchung v. Mühlbachs von ihm als eine Keillnſcription sp
Tmat und mit großer Mühe uud Sorgfalt copirt warb,3?) für bes
zn Mitthellung wir ihm den innigſten Dank ſchuldig fine.
Gleich oberhalb derſelben erweitert ſich das Euphratthal zu ber
fruchtbaren Ebene von Malatia.
Der Wichtigkelt dieſes älreſten am obern Cuphratlauf ne
weiten Denkmales aus dem höhern Alterthum an vieſer
Gele des Stromüberganges, auf einer antikeh Handels⸗
ſtraße von Ephefus nah Babylon, haben wir ſchon oben für
vie Eulturperione dieſes geſegneten Euphratthales, des erſten und
einzigen oberhalb feiner Cataracten, innerhalb ver Taurus⸗
Ketten, auf. der Greuze ber alten armenifchen und meſopotamiſchen
Zandſchaften erwähnt. Wir bemerkten, daß es bis in die Semira-
wmidifchen Zeiten zurückführe, nämlich bis zu denjenigen, denen
auch wie Keilinfcriptionen um Muſh, um den Ban See, um
Ekbatana u. a. m. iihr Dajein verdanken. Diefe Infchrift liegt
dicht an wer großen Route, welche von ver kappadociſchen Caeſarea
zum oberen Tigrid nad) Ninive führte, welche Cyrus Perſerbeer
aus Medien zum Halys (Kizil Irmak) nehmen mußte, als er gegen
Erbius lydiſched · Königreich im Nordweſt zog, oder auch Kerze auf
feinem Wege zum Bosporus, Der flcin: Situatiensplan zeigt bie
Lage des Schriftfelfen, nur 200 Schritt. vom Ufer des Euphrat
estfernt. An einer ſenkrechten, fogar eiwas überhängenden Walde
wann aus’ Kalkſtenn, 150 Fuß hoch, ift die vierſeitige, nicht gang
ms Rechte, ſendern etwas verſchoben eingehausme Schriftiafel 40
02, C. Mitten, Mitteilung ber von dem Königl. Breuß. Ingewlenrs
pa Fa —— am obern Gunhrat gemachten (ink
vedung eiger Keil: Infcription, im Monatsberichte über bie Verhand⸗
Inngen der Gefeilſchaft für Erbfunde zu Berlin. 1840. 1. Jahrg.
S. 70—75; nebft Plan ver Umgegend von Kümürhau umd Tafel
der Keilinichrift. . er BE |
0 . am
870 WefkMifien, II. Abteilung. 1. Wofhhktt.j.d0.
von Malatta über Elegia entlang deu Laufe ves Euphent ab⸗
wärts zu folgen; aber der Auſfruhr der Kurden (Cude Mei 1839)
machte dies unmöglich. Sie waren zwar kürzlich erſt in ihern Ge
Sirgäfeften diefer Mediere attafirt worden, wie zu Kakhrah (Riadta
auf vo. Moltke's Karte) und ſüdlich babe za Brrger Kaleſi
durch Haftz Pafchas Truppen; aber bei ber Uebermachhtt des Ge
birgovolks Hatte dieſe Campagne wenig Erfolg gehalt; Kakht ah
war noch im offener Mebellton, und der Kaimakan verſugte daher
Bferve und Geleit. Deshalb mußte ſich Alnsworth Yamit Be
gnügen, ven directen Landweg bunh wie Geblegsſtraße Abe
ven Paß Erkenek füdwärts mach Samoſat einzufhlagen, zb
- son da aus verfuckte er anr Strom aufıwärtd zu weißen, ven a
micht abwärts hatte verfolgen Mtinm; Eomnte aber, wie gefagt, nit
weiter als bis Berger vorbringm. v. Moltke kam vow Ablja⸗
man, alſo von Weſt Ber, nach einem Rut von 20 Gtunken muß
Gerger, 20) deſſen alten Stchloß auf einer Irloſpihe üder ven >
phrat thront. Der Weg dahin war halsbrechend über Gebiege mm
angeſchwollne Gebirgeftröme. Das Caſtell (vielleicht Band;
Amsworth Yielt es für Jullopolls) ſchien ſilbſt in feinen Aulam
umeinnehmbar zu fein, obmol fich in diefee Cndde Nlemaunb namal
abmühen würde, und e3 nur In ven Fehben wer Kurden eine Genen
were Rolle fpielen konnte. Die Grunpmauern Thieme 9. Meltke
von hohem Alter zu fein; auch bemerfie er eine Folstafel mi
Aner fo großen griechiſchen Infertption, daß ihem Kir We
Zeit fehlte, eine Abfchrift von ihr zu nehmen. Ya einer Beim
bemerkte er 4 Benfter, die in Belslammern führten, aber gegenwär
üg ganz unerreichbar find. |
Ainsworth näherte fi von 6.8. her (anı 4. Iaut), von
Diffriet Tokariz (Tchoros auf v. Molttes Karte) viefen Gce
Gerger,) ver am Austritt bed Euphrat aus dem Ta
Best. akhtah (Gakthy der Syrer), ) mir 3 Stunden wei
in Notden, hätte er getn befucht, weil es fräßer die Gelenk
Rolle geſpielt, ald e6 dem Sultan Bayazed von Timer ke fall
foetjägen Kriege 38), entriffen war, zu Ab ulfedas Die für ie me
Abetwindliche Feſte galt, un weil He Autden die eifernen Wer
I) v. Moltte, Brit, a. a. D. ©. 288. 29 w. Kiewe,
ee and rn a derſ. in Journ. of Roy. G. See. IL
v = 11 ' 113 ‘ Hist, .
N Chereffedäin, Hit. — ar Yan, ed. P. zug Se Dei
71723. T. M. 2.208, Abulledae Tabl, Iyean AL Ahee q IL
rvrewwwseve uwuVuwn m
ı
Euphratſhftem; Gerger, das Caftell. 660
war es von dieſem Parſhiam fu, daß A. Jaubort
die Sage 3. die er fuͤr Thatſache nahm, daß er nämlich Golb⸗
farb führe (f: ob. S. 866). Ä
Nahe oberhalb der Felſeninſchrift iſt im Eupbrat ein. velſenriff
(eine Steinbank), welches bei dem damaligen mittlern Waſſerſtande
mit der Spige 3 — 4 Fuß über deſſen Niveau hervorragte, in ſei⸗
ner Mitte aber Hark ũberfluthet wurde. Nicht alle Steine fchienen
son Natur dort hingelagert zu fein, ſondern gar manche wie. durch
Menfihenhand dahingebracht. Nach der freilich nur traditionellen
Üubfage ver Bewohner von Iſoglu fol des Cuphrat vordem bis
zu biefeme Feleriff ſchiffbar geweien fein, mie Plinius dies in der
ſchon angeführten Stelle beftätigt hat. Durch die Anorbnungen
des Paſcha waren im vergangenen Jahre, eben auf jener Strede des
Durchbruchs, einige Felſen im Fluſſe abgeiprengt und fortgeräumt,
md vadarch erſt Die Borübenfahrt felbft nur auf Kelleks Hei nie⸗
vera Waſſerſtande were gefahrvoll ald zuvor geworben. . Eine
andre Sage gibt an, es ſeien Hinter der Iufchrift große Gewölbe ,
v. Mühl bach fand auch wirklich auf der nörplichen, Seite des
. Slim, auf mehr als halber Höhe deſſelben, einen Eingang zu einer
üble; dio ihm aber natürlich zu fein ſchien; jedoch. durch 4. Treppen⸗
ftufen und eine in Stein ausgehauene Bank war. ihr. durch Mens
ſchenhaud nachg⸗holfen. Die Höhlung ‚geht mit einer Krümmung
von 20 Schritt. tief in den Felſen hinein, iſt 8 bis 10 Fuß breit,
eben fo hoch, und diente jeht einem Wolfe zum Raublager.. Vor
| mr delewand bezeichnen Quaderſteine sine türkiſche Grabſtaͤtte.
2) Der Euphratdurchbruch unterhalb der Kette der
Cata racten non Berger, Kakhtah über Choros bis
zur Ihalmeitung von Samofat und ber Sühwenbung
| des Strom.
Weiter abwaͤris am Cuphratufer as bis gu dieſem Denkwal⸗
—8 nach Kümürhan iſt kein Beobachter zu Landa vorgedrungen;
und erſt weiter. abwärts ber 300 Cataracten des Cuphrat, zu Gev⸗
"ger, ſaͤngt wieder die Specialkenntniß der Uferorte am. Cuphrat au.
Berger wurde wiederholt durch v. Moltke beſucht, und Ain⸗⸗
worth konnte am Euphrat von Samofat oder Samſat aufe
——— Bi dabin verbringen. Seme zog war ei ven)
5 KL len" Vol 1, 2 veſen — 2—
ib K. LT a BE ar Be |
nigfeitigfien.
(Riadta), der hohe. Kegelberg Aſhur, vie kühnen
872 Weſtdiſen. MI. Werheilung, L-Püfgeltt. 5,40.
eine intexoffante antike Ruine, vie Abulfedaet) noch als ungemia
feſte Burg rühmt, von deren Höge der Cuphrat nur wie ein Main
Bach ausſehe. Der Caſtell berg IR von den anliegenden Kliyyem
geſchieden durch einen 21 Buß tiefen und 41 Fuß breit amd Ba
Weg, über den eine Holzbrüde führt, die anf einem qua⸗
Weatifchen Pfeiler in deſſen Mitte aufliegt. Das Thor iR füle
im faracenifchen Styl mit einer. arabiſchen In ſchrift über dem
Bortal; eb führt In einem bedeckten Bang mit drei Bogen, der 3
Zuß lang, und dann auf einem vffenen Gange, die Feldſein 100
GSchritt entlang, zu einem zweiten Thore. Hier if. Der Darchgang
durch von Fels gehauen, mit einer Art Nifche zur Geite, kein
velleicht einft eine Statue ‚fand, ober ſonſt eine Sculptut, zub
rund um den Rand befindet fi jene ſchon u Moltke angefälek
fehr lange griechiſche Imfeription aus der mittlern Zeit, am
weicher jedoch nur hie und da einige Worte lesbar waren. Jeſ
eſes Felsdurchganges tritt man erſt in den Theil des Innern, fi
zerſtoͤrten Gafteld, in welchem etwa 30 GHäufer und einige alte Ber
nowen, ſcheinbar noch aus der Zeit der arabifchen Herrſchaft, ſtriac
vielleicht aus Timurs Perlode, ver bei ſeiner Kriegführnung gs
Sultan Bayazen*2), der Sage nad, hier über ben Supfeet ui
. haben fol.
Die Ausfiht von dieſer Caſtelhohe N von granbiofer er
heit und nach der einen bermefopotamiichen Seite, gegen iR:
über Sũvereck hinaus, ungemein ausgebehnt; nux der Kearekiha
Dagh, der direct gegen Oft nach Mardin zieht, begrenzt fie, gegm
son Süben aber iſt die meiopotamifähe Ebene, gleich. einen
unbegrenzt. Die große Senkung des kurdiſchen Diſtrictez
zum -Euphrat, gegen S. W., if dem größern Theile nach ne Ü
see ben. nähern Kaltfteintlinpen verborgen... Gegen RN... RA
RW. erhebt: fich die Gebirgslandſchaft bes Taurus. im den
Formen, darunter ber felſige VBaß von. Kakhig
von Kizil Dabun, Sara bun, Haſeran und **
merkwůrdige Kegel Ura Baba die Hauptmaſſe bilden. Nm.
lichſten find die anſtoßenden grünen Thäler und bie zeichen. ı
ſenkungen in ven nähern Bauen, die faſt gang. unbewehnt, |
nen, in denen jedoch Dörfer und Gultur chen fo verbreitet
*01) Abulfedae Tabul, Syziae..ed. Kochler p. er
reieddin, Histoire —— Sul, an oh. ode.
TER
rip fee; Wal von Setget.““ 1878
ma allen andern Midytunigen: Der nody wilbe heat)
weh ſich einige Miles oberhalb ner Führe Deristo rund im
Taurudketten, bie ihn Hier noch vorher, che er ſie überwun«
Dat, gegen: ven Oſten zurückwerfen; er Rürgt Sich obethalb jeneb
risto ‘über bie legten Gtromfchnefken‘, wendet fi ech inter be
bye. ves Caſtells von @erger nad einmal, an 400 Fuß weit,
ch eine fehr enge Welsichhicht, die meift von ſenkrechhten Kltypen
tragt wirt, und tritt van aub ven melft bden, nackten Gipfeln
ſchattigen, gut: beigalbeten : Tiefſchluchten der Taurus » Bor
few, die Gier noch Den Gindruck einer fubnipiriien Lande
aft muchen, unterhalb: des ChamunisTHales, in srweitersem
vmbette hervor, veſſen Mfeslanpfchaft' ertragreich, ſelbſt hie und
wit Tururidfer' Begetation und reicher Weintultur audgeflaitet
heint Das Thal Berger, weiter und eultivirter als dad von
miuni, prangt außer der Stadt noch mit zwei Dörfern, jenmm
rrsto und Panduri; ver Hauptfluß, ver es nit Wiſern ver⸗
t, louumt vom felfigen Kakifhur Kiebban; indeß ein anbrer
om in der Ferne ſich wie ein. eilberbaud ſarabrolt, über dle
hange des Sara bun.
Im Thale beſtehen die niedern qebivgeſcichten ans rothem
ndſtein und Sandſtein⸗Conglomerat, welche Nuſſcheb⸗
kſtein tragen, mit Pectliciten, Conus und Mabreporiten. Die
ht Fallen: nach entgegengefehten Richtigen gegen die zwei
ten des Thales, vas, awöginoumien gegen Nord, nur einen’ eine
‚on Ausgang gegen Süd Bat, nämlich die ſchon oben genaumte
Misflucht, die Hab ro Heißt, dutch welche man nady Berger kam,
’'yurd) die man Yon ba ben jo zurückkehrte. Na Ainsmosih
EB Caſtel Gerger unter 370 S0' 30" Nr. und auf tik
w üb 2156’ 5. P. (2724 8. engk) üb. d. M.) Die gadige
r-fötneß: Mufentgaltß zu Berger ging faſt sur damit he, bie
cherriſchen Kurden ve Ortes, deren LBeiber ſich in ven Acyflin
Impfitsen gegen vie: Yesmblinge' ergoſſen, während bie wenigen
nenier Ihnen tapfer zur Seite flanden, in gutem Humor zu "Hals
j uuuaıeh wicht: zu Thãtlichkeiten und blutigen Hudeln lommen
laſſen, Die jene ſuchten. Nach maunchem Streit und Zank ge⸗
ge Mindwerth, für fich und:feine Beglekier. güüecklichet Deiſe
Aerve gum Beitiskonenen nach Bir zu erhelten, \wohhk er
Ip. I. > 2813 Aefipn Journ, h ©, X. 3. 21,933
Trav. ad ren I. p 27; derf. 2x 0.
⸗
876 Meilen; TEE. Abteilung: L.Eichaiit. 1:40.
vaar Tagereiſen zu ihoen auffteigen Eauen, ohne zu maclen, baf ame
auf einem Gebirge iR, und erſtaunt dann, wie es vo. Meltfe ging
anf ihrer doch wicht unbedentenden Höhe ( bis 5000 Fuf) Im ya
noch Schu zu finden. Wahrfiheinlich hat er von den Bajal-
trüämmern ‚mit been ex überfireut. IR, ven Namen ves ſchwarza
Beugs: schalten; zwiſchen dieſen ſtehen noch in Sommer ie
Wawergen Zelte. ber Tustmanen, die fich hieher mit. ihren Gem
Zwiſchen ihm und bem zuvor. genannten Gegen
— in ‚dee Die, einige Stunden oflwärts nes Cuvhret, Ik
Staat Suͤvereh oder Söverok (Guverek bei v. Moltke), dm
Station anf ver großen Karawanenſtraße zwiſchen Diarbelt mb
Defa mag Haleb. Niebuhr, ) ver fie auf ſeiner Rdreiſe um
Diarbetr mar Orfa yaifizte, Has: Une Breite unter 37°.46° Seflauk
und fast, daß fie im Thale, 105 geogr. Meile in Weſt von Disc
entfemnt Uege, das ſehr maizenreich und voll fchöner: Frotttzicin
ſei. Ste ‚Hatte an 2000 Käufer, davon 450 von Wrmmian-ie
wohnt, einige Moſcheen und Baͤder, feine Feſtungawerke; all
Bemerkte in der Stadt einen von. Erde aufgeworfenen Hügel, ui
er fie ia Kerkuk uns Erbil (Arbela, f. Erb TG IX. G
geſchen, und zugleich, daß der hieſige ebenfalls noch Die Grusi®
maner eines Gaſtells, wahrſcheinlich eines ſehr alten, -tupE
D’Ansille hielt den Ort für Saura, wo ein Jacsobitiſches Bi
thum mom, Buſch ing0) fin Si babareh, deſſen Lage Drum
nicht beſtimmen konnte, weil jenes Saura zwiſchen Diarkckunc
Moerdin lg: ſollte; beider Namen erwaͤhnt jedoch kainer bes MN
zen Reiſenden jud auch ſchon Niebuhr nicht, obwel dr Keil
Wege von Mardin mac Diarbelt, an) von da nach Göneret yadıb
Iogte.. v. Moltk⸗bi) machte den: Erg. vom Orfe auch Sicrich v
40 Stunden, ſah aber auf dieſer ganzen: serwüftetene Gerdirul
Steinhaufen, anf der die Araberſmme dm: Winter : fick ‚-<imaiiem
außer der Stadt S av evel nur noch 4 Diefer, : wenige email
unn die meiſten Ihäter ohne Spur yon Waller Nur ven Cuiß
zu ‚Gtrode zeigten Airats, d. h. übermölbte GifernenyB
denen zur Winterzeit vis Waſſer zufammenisafen, daß die Gib
für welche viele fremmen: Gtiftungen gemacht: find, ' tut "Geisel
wer,'um> auch-gegenmärtig nicht ganz unbeodllest if. Sunägfl
fun Don auf viefeun Töege Im Dionas Makı bie ſchlaſten Bes
2* lang Ir
so. . Rukakt, 2. .I. 6.406. 60)
beſctu a u, Sur. V N Wellle, Behfe, ©:
*
Emdraiſhſteinz linkes en) ¶ Halenblwwung. 89)
faungen für vie Saumthiers feinen Karawane, und v. Moltke
ſugt, daß im Sommer zumellen die Turkatanenhorden und wie _
Araber mit: hundertiauſenv Stk Bieh um vieſe Eikernen: lagern,
pie dadurch aber freilich im Monat Juni ſchon uieiſtens etſchopft
ſelen, wenn fie nicht ſehr tief Uegen. Des Nachts And ſie der Auf⸗
whot zahlreicher Schaaren wildflatternder Tauben.
Enorarts von Kantarah, das auch Niehaht veiſchen ſo
sie zerſtͤrten Ortſchaften als eine der noch fortbeflchenden in
feinen’ Routier, Tafel I., eintrug, kam Ainsworth nah 7 Stun⸗
Von. Mit zu einer Schlacht, voll von. zahlloſen, weit ausgehöhlten
Grüften, deren einige von ſehr großen Dimenflonen waren; näher
igunterfucht: wurden biefe Höhlen, in ‘denen viele wilne Tauben ihre
Refter bauten, nicht. Es fängt übrigens Hier auf dem Voden ver
Reeidveformation das Land folder Höhlen zu beiden del
tm des Gupbratflromes an, und dauert bis welt unterhalb Bir
. fort, ſo weit‘ die weichen Kreidee und Kaltfteinklippen bis
gur: Ebene Meſopotamiens vie Ufer Überragen, und die Ans
wohner unflseitig einft zum Troglodytenleben einluben. Am Urs
fprung ver Schlucht Kiegt dad Dorf Hoshun mit 50 Hütten auf
einem fünftlichen Erohügel, nach Obfervation unter’ 37° 37’ 20" NBr.
"Der folgmbe Tag, der 12. Juni, führte‘ über wenig angebautes
Sand zu dem nahen, linken Guphratufer, wo unterhalb: ded genann-
tem Dorfes, auf der entgegengefehten Seite des Stromes, der oben»
genanute Kakhtah⸗Fluß in drei Armen fi In ven Hauptſtrom mün⸗
vet und ein kleines ebenes Deltaland bilde. Die Reſte des einſti⸗
gen Aqufaductes62) nach Samoſat zeigen ſich von da an auch
heute noch hie und da, in hohen Bogen von ſtarken Mauern oder
Pfeilern gettagen ; einft ein großartiger Bau.
Bon Hoshun immer am Weftufer des Euphrat entlang, über
Nahr Lage, wo ein Haln von Maulbeerbäumen und Rommgranaten
ven Wanderer erquickte, und dann durch fortlaufende Gärten, wurde
aus Abend ded Tagemarſches mit dem ˖ Einfall der Dunkelheit pas
Oerf Ledar, nur 2 engl. Miles von Sanıofat fern, erreicht, das
nah Obfervation unter 37° 34’ Nr. Br. liegt. Die Faͤhre bei
Rantarah führt‘ zur gegenüßerllegenden Stadt Samoſat; biefe
Sonnte aber wegen ber damaligen Kriegdunzuhen Teinen günſtigen
Aufenthalt zu Beobachtungen darbieten. Ainsworth beſuchte fie
*).W. Ainsword, Tau and, ren I. pı 298; herf. in Joum. X, 8,
P- . r. j 0
ı 878 BWeflfien. II. Mötheilung. I. Askhein. 4.40.
daher diesmal nicht. Wir find daher über ſie auch in une
Zeit zur wenig untssrichtet geblieben. Rich. Pococke, ver ia
Auguft 1837 His Bir vordrang, Fonnte noch nicht etumel Die Lage®)
des Drted Samofat durch Erkundigung erfahren. |
v. Moltke fagt, das heutige. Samfat5*) fühle nicht den zu
zigften Theil des weiten Umfanges des antifn Semejata; fees
ſei e8, mitten in Aderfelvern „und Bären antike Ihhrbogen m
Gäulenicgäfte noch fiehen zu ſehen. Er fand daſelbſt da Mune
fries von fo ſchöner Sculptur, wie ex. zuvor nie geſehen, wit dab
wesfornausenten und Ihierfiguren yon Stieren, Vögeln erhalten, ai
wäre es noch ganz neu. Auf einem künſtlich erhöhten Berge, wer
fcheinlih einft die Ucropole, ſtanden noch die Ruinen eines flan
vieresligen Bauch, der nicht weiter bekannt if. Die Steht Brgt af
dem rechten Cuphratufer, bat ober aus antifer Zeit Erin Brik |
mehr wie zu Strabo's Zeit; alles was ihr geblishen, jagt Yin
worih, fei jener £ünfttishe Hügel müt den GafleIruinen. Ga ie
diſcher Boyah Beg commanpire gegenwärtig bie Stadt mit im
400, meilt von Turfmanen und Kurven, aber wenigen Dimgeid :
bewohnten Häufern. Zu Strabo’s. Zeit (Strabo XIV. wi |
XVI. 749) war Somafata, za Sausoaze, in dem wehlkiie i
ven Konigsſitz des klemen Reiched Kommagene, zu ein Cie
** der Roͤmer geworben. Ste war in einer umgemis ge ’
ſegnaten Landſchaft gelegen, nahe vem Zeugma, d. i. verBräd: |
über dem Cuphrat, an weicher auf vem linken Ufer am Brüdunif
von Bompeind das Caſtell Seleucia erbaut war. Doch wie Is
miſa in ähnlicher Lage zu Melitene, jo wurbe auch viefes als Be
poſten noch zu Kommagene Hinzugefügt. Diefe. Samofeta uf .
eine ältere Stadt gewefen ſein, da ſchon Artemidorus fie bei feimm
Meffungen anführte. Ihre Entfernung von Tomifa gab a m :
durch die Breite des Taurus auf 450 Stabien, d. i. 22 bi 288, |
an, was dem biresten Abſtande ziemlih entipzechen mung 3 :
dieſer Seleucia, jagt Strabo, habe König Tigranes Die aus uun
verttirbene Rleopatza, die Salene genannt, nachtam ex fe due i
Zeit gefangen gehalten, hinrichten laſſen.
Um Samofat iſt das nächſte Land 5°) mei angeben, al
Dörfer, in Weſten von nun ſchon mehr gerundeen Bug u.
EL: Bar |
=D. Rich. Pochaee Beſchreibung des Morgenlandes: w
Dreger. 2, Aufl. 37 1771. 4. ⁊ — 228 be —*
,S. 3. ingwarth, We |
- Lond. RW, 8, p Ä Wi
Eupbrarfoftem; Ihalchene unterhalb Samoſat. 879
ben, Se tiendich Parallel ven Stroms begleiten; ber von NO. geten
SB: zieht. Gegen Nord und DR umkraͤnzt ihm ein langgezoge⸗
ned Iafelland, mit gerunneten Höhen und gewölbien, zu venm
auch jme Karadſha Daghlar gehören, die‘ ſich von da an über
‚50 Ston. weit, auch gegen Sup und ſüdweftwaͤrts über Orfa, wis
auf ver Wefktsite des Seroms fünwärte über Rumkalah bis Ma⸗
safe, 95) zichen.
Auf der Oftfehte des Cuphrat find bie. vorbern bigel diefes
flachen Plateauruckense, welche die Waſſerſcheide zwiſchen dem
mietlern Cuphrat und dem Aigrie von Diarbekr abwärts bilden,
wur wie kurzen linken Zuflüffe zum Euphrat in tiefen Schluchten
eingeriſſen, und zu einigen ganz iſolirten Kögelpiks umgeſtaltet.
Ihre grbßten Höhen Reigen nach Lieutn. Lynch In S. W. von Sa⸗
moſat nicht uͤbet 1200 Fuß empor; iſolirte Berge dieſer Art dicht
am Ufer machen ſchon mit 800 Fuß Höhe Effeet. Ihre Böſchun⸗
gen im algemeinen, mit fehr fanft gerunbeten Gontouren, haben
febe regulaire Senkungen; «8 find Äberall Kreidelager, weiß oder
gelblich, überveckt mit Rolkiefeln non Diaflage-, Hornblend⸗ und
Daarzgefteinen.‘ Auch auf dem rechten oder weſtlichen Euphrai⸗
afer iſt dieſelbe Bodenbeſchaffenheit ven Höhern Taurusfetten vor⸗
Hegend, nur daß hier die Thaleinriffe viel tiefer und gewaltiger find,
is vie Foriſetzungen aus den hohen Taurusketten. Diefer ganze -
Strich, bemerkt v. Moltfe, fei von Erde faft gänzlich entblößter
VZeleboden (aud) wol Kreide und Gypo), aber fo fehr mit Stein-
trammern wild überfhüttet, daß man fich außerhalb einiger weniger
mähfam gebahnier Saummege kaum nur zu Buß, zu Pferde aber
gar nicht, ſortbewegen könne.
Be Samofat felbft jirdınt ver Cuphrat, aus den Gebirg⸗
lande des Taurud und aus dieſem vorgelagerten Tafellande heraus⸗
getreten, durch eine etwa 4 Stunden breit gewordne Thalebene
“mit verfegledenen Stufen, die in ven verfchlenenen Perioden vom
Strome verlaffen zu fein fcheinen, jo wie fein Bette in dem Kreis
deboden fich mehr und mehr vertiefte,
Dieſe Thalweitung ſchließt fi) unterhalb Samoſat wieder,
und der Cuphrat bleibt nun zwiſchen engern, obwol nur menige
Wurivert Fuß heben, gleichartigen Uferbergen eingefehloffen, die er in
einer nun faft blos weftlich (unter dem Parallel 37°24'N. Br)
gewordnen Richtung vurchzieht, als wollte er feinen Lauf direet zum
se) v. Moltfe, Briefe, S. 224.
SR Bafolkfenn.. TE Mibtheikunng, 1. Abfuhr: 4 00h
Gelfı: von Alewan drette nehmen, ber vom BR HS 30°
x. ismemwkh,:alfo: feine. 30 geograph. Meilen mehr alamärit’eb
faunt.. liegt. Mur auf dieſes Raturverkäitnt unfeeitig, ah
niiht:auf. jene obe re Weſtwen dung im Norden von Melde,
wir Ainsmeorih meint,*7) bei. der doch wol mach Remend auf
den Bebanten. kommen konnte, daß ber: Euphrat füch nass: fihen Im
Mittelmeere zuwenden möchte, iſt es, auf welches cher Pin.V.S:
apa Klagiam oeeurrit illi 'Taurws;mons, paßt. — Auf dieſche
Zecalinit: ſpielt auch die Stelle bei Pompon.. Mela an (HEL.&,5
oeler et fremens, aril. Kuphrates, per Armemios, rg Gappedan |
9geidentem ‚petit; ni Taurus ohstet, im nastre: Marie vente
Inde ad meridiem avertitur, et primum 'Syros tum: Arabes i-
gressus ete,) . Breilieh iſt es eigentlich ert mad dem Zeum-
duxchbrache und ber Cataracten, daß ver Cuphrat eime ganj
waſtliche Richtung anuimmt, wo ihm nun nicht mache bie Zap
zußfette. ſelbſt den Weg zum mittelländifchen Meere verſpern, fe
darn deſſen ſüdlicher vorgelagerte Plateaulaupichaft mit Mm
breiten, aber zuſammenhängen den Hochf läche n. Dem M
zum rechten Winkel der Südwendung bei Rumkalah, fagt uns
Moltke, ) fließt der Cuphrat immerfort nur durch ehensd
Plate au, obwol fein Bette. tief eingeſchnitten unb vom fennfe
ten. Sandſteinwänden fo eingefaßt iſt, daß dieſe nur am weuigm
Stellen datz Hinabſteigen zum Strome geſtatten. Nur in fehlen
tief eingeriſſenen Flußthaͤlern iſt es, daß ba dieſe Pintenufiäden
als Berge erſcheinen, auf deren flachen Rüden die Stante Mes
raſh, Aintab, Killies, Aleppo immer noch in Kevenindun
abfoluten Höhen Tiegen, aber nur von relativ geringen ‚Gößuzäge
überragt, die, zwifchen ven Taususketten im Norden, und ber Ab
ſtenketie des Amanus im, Weit gegen Cilicien, noch menige. de
Gegenſtand genaueres Erforſchung geweien —* aber keincta⸗
mehr in ber allgemeinen Streichungslinie von NO, gegen GM
dem Syſteme des fünlicen Taurus, als deſſen Glederaon *
ner Hochketten, beigezählt werben können.
Sobald aber ver noch ſehr enge: Euphrat in feinem ——
Weſtlaufe, etwa 8 geogr. Meilen, abwärts Suemsufat, m
Meridian von 38 Oſtl 2. v. Br. erreicht bat (mach et. u⸗
Obſervat. 1836), wendet er ſich anterhalb ves Oorfea Bette
en oo Vin.
est) W. Atasworth im Joum. X. 8. pı38l. +) wma mu
©. mM. . AN. fs str o . ,°
—
Euphratſhſtem; Sad⸗ und Dft- Wendung. 881
bei einer Kellekfähre, wo Lynſch noch eine Steinbrüde über-ven
Euphrat gefehen Hatte, plöglich direct gegen den Süden. Ale :
bioherigen Karten, feit D’Anville'8 Vorgang, dem die andern nun
- gefolgt fine, liegen ven Euphrat bei Samofat plöglich eine ſüd⸗
liche oder ſüdöſtliche Wendung nehmen, ſelbſt bis auf Rennell
(Samosata stands at that remarkahle hend in the course of
the Euphrates etc.),5°) die durchaus micht vorhanden ift und zu
fehr vielen Irrthümern in ven folgenden Pofltionen veranlaffen.
mußte, und nur allein Reichards Karte von Asia minor fuchte
dieſem offenbaren Fehler durch eine etwas gegen den Südweſt gezo⸗
gene Verzerrung des Euphratlaufes zu entgehen. In derſelben
Rormalrichtung, obwol in unzähligen Zickzackwendungen,
deren Aufnahme wir erit ver Euphraterpevition verdanken, vom
37° 24 Nr. Br., an Rumkalah und Beridſhik vorüber, un=
zählige untergeoronete Höhenzüge der Kalfftein- und Kreineformationen
durchbrechen, verharrt der ſüdwärts firömende Euphrat un«
ter 360 N. Br, alfo nach einer direct durchlaufnen Diflanz von
20 geogr. Meilen oder 40 Ston., weldye wir dad Marimum der
Annäherung feines Laufes zum ſyriſchen Meere genannt
Haben, bis er nahe bei Balis feine Oftwendung beginnt (f. ob.
©. 10), in der er dann abwärts bis zum Perfergolfe verbleibt.
Diefes eigenthümliche Verhältniß feiner Strommen=
dDungenzsvon feinen Urquellen, fo nahe am Van⸗See und Pon⸗
tus, mit der hier abwärts Samoſat entfchiennen Neigung zum
fo benachbarten Mittelmeere, wie feiner nachherigen Abwen—
dung zum perficheindifchen, hat ifn von Anfang an zu dem wah⸗
ren hydrographiſchen Vermittlungsgliede 8 Occidentes
mit dem Oriente geſtempelt. Deshalb feine große Bedeutung
für den Verkehr zwijchen Europa und Indien, nicht blos für Po⸗
Utik und Handel der .neueften Zeit, wodurch die Aufmerkſamkeit
ver Begenwart dur die Dampfichiffahrtserpedition, die von der
-genannten Localität audging, allerdings noch erhöhet ward, ſondern
für alle Zeiten: denn eben dafſſelbe Naturyerhältniß allein iſt es,
das jeit Aleranders und der Srleuriven Zeiten nun auch die Ihate
Fraft der Römer und Byzantiuer fo viele Jahrhunderte hindurch
nad) viefer Localitaͤt hinzog, weil eben hier die einzige Brücke des
Uebergangs fur große Eroberungdheert zu den Renten der Parther,
es) J. Rennell, Compa ative geogr. oh Western Asia, Lind‘ 3831.
8. Vol. II. p. 205. r
Ritter Erdkunde X. | gt
3
882 WeftsAfien. IH. Abtheilung. I. Abſchnitt. 3.10.
der Saffaniven und ver übrigen oflaflatifchen Herrſchaften fi ver
bot. —
Die Länge des Bratlaufes bis Samofat berechnete Col
Chesney 0) auf 90 geographifche Meilen, die des längern Murab
aber auf 116; abwärts aber ven übrigen Lauf des Cuphrat bi
zu feiner Mündung auf 240, ‚vie ganze Länge aljo auf etwa is
sunder Summe 350 geogr. Meilen, was fo ziemlich der Länge da
Donau durch ganz Mittel- und Ofleuropa gleihfommen mag. Te
von nimmt der Lauf von Sam ofat bis Balis nahe am 30 geegt.
Meilen ein, und biefe Uferſtrecke iſt es zwifchen ben genanntm Dr
ten, und für die Ältefte Zeit audy noch bis nad) Thapſacus abwärk,
die wir dad Land der Zeugma's (der Brüdenübergänge f
oben ©. 11 — 14), ober dad euphratenfifhe Paffagelanı,
feiner Weltſtellung nad, nennen müffen.
3) Bebirgspaffagen dur den Taurus, aus Meliten
nah Commagene, mit den drei Eupbratzuflüffen, bem
Kakhtah (Kiachta), dem Fluß von Adiaman und dın
Gdk fu. Pan
Che wir zu der Unterfuhung von deſſen fpeciellen geograpk.
Perbältniffen fortfchreiten, haben wir jedoch zunor noch die Ge⸗
birgsmwege und Zugänge aus Melitene over von Rele⸗
tia zu dieſem Guphratufer von Samofat und der plägäiien
Sũdwendung nachzuweiſen, deren Berichtigung wir faſt nur ala
den dortigen jüngften Krichögefchichten verdanken.
Bon Samofat abwärts bleiben vie Windungen des Gupfest
noch immer kurz und abgebrochen, zwifchen zwar nur niebern, at
doch ſtellen Uferbergen, vie an ver rechten Uferfeite von Sccin
ſchluchten durchſchnitten werden, welche die dafigen Zuflüffe ans der
fünlihften Taurusketten durchſegen. Seitdem Plinins Hier bes
einfallenden Marfyas nannte (V. 21: a Samosatis autem latere
Syrise Marsyas amnis influit, Cingilla Commagenem fell
_ Imme ciritas incipit), hat Niemand diefer Flüffe wieder named
gedacht, obwol Abulfeda bei Romkalah einen Fluß 233
nannte, der unter der Feſte dieſer Stadt zum Cuphrat falle, wi
hen Mannert ber Namenähnlichkeit wegen mit dem Marie
des Plinius identificirt. Wirklich Hat ver Zubach zum —
20) Col. Chesney’s Mic. **) Abulfedae Tabul. Syrias_od. Kasb-
ler. Lips. —* 4. p. 126; vergl. Mannert, Seogt: d
Rim. Tb. VI.1. 6. 507. ee r
U IB m:
— — mn a 1 Be 1 SR
Euphratſyſtem; ; der Kaktah⸗Paß. 883
nordwaͤrts unterhalb der Feſte Romkalah bis heute ven Namen
Marſifan 2) bewahrt.
In neuerer Zeit lernen wir hier jedoch zwiſchen Samoſat
und Romkalah noch drei andre rechte Zuflüffe zum Euphrat
kennen, von denen zumal bie beiden erſteren als Tauruspaſſagen
wichtig find; auch find fle insgeſammt bedeutender ald die aus ber
gegenüberliegenden Wüfte kommenden linken Zuflüßchen zum Gu«-
phrat. Da der erfte abwärts Samofat nah feinen Verzwei⸗
gungen fehr verſchiedne Namen trägt, fo wollen wir ihn nach ber
Hauptpaffage, bie er bildet, ven Fluß von Adlaman nennen;
der zweite, weiter weſtwärts, iſt der Gök fu; der dritte ber
Kara fu (ad flumen Cappadocem der Tab. Peut.), auf welchen
dann weiter abwärts der Eleine Zluß von Romkalah, ver Mar-
fifan, erft folgt, Auf ver Tab. ‚Peut. ficht man, was auch ſchon
3. Rennell hinreichend auseinandergeſetzt bat, 6) welche Bedeu⸗
tung zur Zeit ihrer Abfaffung Samofata ald Grenzfefte des
römischen Reichs gehabt haben muß, well dahin fo viele römi«
ſche Straßen mit deren Stationen von W. und N.W. zuſammen⸗
laufen. Es find ihrer viere im Norden- des Kara fu, und im
Süden veflelben mit dem Zeugma (bei Bir) hören nun mit ver
legten vortigen Via Romana auch alle ferneın Römer «Stationen
‚auf, weil bier die Deserta an ver Grenze des NömerreichE anfangen,
wo nun feine Regionen mehr flattonirten, und Eein Verkehr, wie. et
daſelbſt Heißt, mehr mit ven Barbaren flatt fand.
A. Die öftligfte Straße am Kakhtah⸗Flufſe.
ine öftlichfte, in der Tabula angegebene, Ouerroute
durch diefen Taurus zieht, jedoch noch im Oſten von Sa⸗
mof ata, direct gegen den Norden nach Melita immer In geringer
Entfernung vom weftlichen Lifer des Euphrat Hin. Wir haben fle
Hier Öfllih der genannten drei Zuflüffe der Volftändigkeit megen
nur Eurz zu berühren. Es kann feine andre fein ald "eine ſolche,
melche durch das ſchon oben angeführte Stromthal des Kakhtah
(Kiachta) und über ven Kakhtah⸗Paß führt, eine Straße, bie
zu Abulfeda's Zeit %) noch gangbar war: denn er gibt an, daß
22) v. Moltfe, Briefe, ©. 2325, 870. *3) J. Rennell, Compara-
tive geography of Western Asia. ‚London 1831. 8. vol. 1.
Bann und 11. p. 209. *s) Abulfedae Tabul. Syriae ed.
pehler. p. Mi.
OO Kte2,
!
884 Weit: Aſien. M. Abtheilung. L Abſchnitt. $. 40:
von Kakhtah nach Malatia zwei Tagereiſen (alfo "mol ſehr fake)
feien. Die Tab. Pent. gibt von Melentenis, d. i. Malatia, nad
Samojata folgende Stationn an: Eorne 14, Metita 12,
Claudia 16, Barjalum 9, Iteba 30, Charmodara 12 Mik;
alfo in Summa 18! geogr. Meilen, was freilich auch um eis
Drittheil mehr als die von Artemivor angegebene Diftan; der 23
Stunden von Zomifa beträgt. Diefer Ießtere Ort mußte aber &
mofata auch um ein bedeutendes näher Tiegen als Malatie.
Auf v. Moltke's Karte If von Gerger eine jolche mit den
Weſtufer des Eupbrai parallele Route über Klachta oder Kakhiah
wirklich bis nach Malatia eingetragen, dje wir jedoch nicht näher
fennen. Ainsworth Halt dafür,66) daß diefe Straße über Claubist,
maß er für dns heutige Kakhtah halt, in der Nähe von Tokarij;
zum @uphrat nach Samoſata eingelentt habe, weil er das Dei
Berfel, eine Halbe Stunde von Tofariz (f. ob. S. 834), für ib
alte Barſalum Hält. Wo follten dann aber Iteba Und here
vara zu liegen fommn? ?—
An einem Zubache des Kiachta⸗Fluſſes ift aber eben de
ſelbſt bei v. Moltke die Etele einer römlfchen Brüde, m
neben ihr zweier Säulen angegeben. Gier würde alfo wel mit
Recht jene öftliche Route zu fuchen fein. Nach ver verlornen Schlaf
von Nizib am 23. Juni 1839 entfloh Hafisz Paſcha 60) auf die⸗
fer Route, der nÄchten nach Malatia, zurüd, doch nicht ob son
den auffäffigen Kurven von Kathtah und nd Gerger rachevoll verfolgt
zu werden.
B. Die mittlere Straße über den Fluß von Adiamen
Es Die er ſte Taurubpaſſage im Weit, von Samofata, ie
Adlaman, ift nicht in der Tab. Peut. angegeben, wir Ierum fr
aber durch v. Moltke's Karte und durch feine Beſchreibung kennen.
Es find mehrere Bergwaffer.-von kurzem Laufe, ven füplichen Ber
fetten des Taurus entquellend, die fih einige Stunven unterfal
‚Samofat unter verſchiedenen Namen, wie Ha xburtſhi, Siaret,
Eyet-tſhai, erſt ganz nahe am Euphratufer zu einem Hape
ftrome vereinen, ver fich bei dem Dorfe Hajas, gegenüber dem auf
dem Öftlichen Ufer liegenden Dorfe Tut, in den Euphrat elmiz
‚det. Am mittleren diefer Surafle ‚Aufwärts, est Adlaman
8 Minaworth, Tamm. and ı tes. I. p. 263, a), eben, n. ©.
..Euphratföften; Adiaman, Hysn Maufur. 885
9. Möltke war dem elenden Kurbennefle Samofata's, der einfligen
PMPrachtſtadt, aus der ihn dad Ungeziefer feiner Herberge vertrieb,
fon um Mitternacht .entflohen, fo daß er nach 6 Stunden mit
Sonnenaufgang fhon Adiaman,ET) Hajfn manna ver Kurven,
wWol nach dem türkifchen Hafan Manſur verftümmelt , erreicht Hatte.
NMoch Legt diefer Ort in der Ebene, doch am Südfuße des Taurus
and an’ der Duelle jenes mittleren Flüßchens, von Weinbergen und '
Obſtgaͤrten umgeben, ein reizender Anblick. Die Trümmer eines
Bergeaftells und eine große Anzahl Minarehs lafſen aus der Ferne
eine ganz anfehnliche volkreiche Stabt erwarten; aber enttäujcht, wie
in. allen Türfenflädten,. betritt man ihr armfeliged Imnere, vol
Schutt und Trummerhaufen. Auch Ains worth 6) yaffirte am
5. Juni 1839, auf einer Duerftraße von Weiten aus ven Thale
des Sof fu kommend, dieſen Ort Adiaman (Adiyamen), um von
da oftwärtd nah Gerger zu gehen. Er durchſetzte alfo nur daB
Land am Südfuße des. Paſſes, ohne viefen ſelbſt nordwärts des
Ortes zu überfleigen; denn er war den weiter weftlichen Paß von
Malatia über Perre am: Gok fu herabgefliegen, von dem es alſo
eine Straße gegen DOften auch hieher gibt. Er fand die Lage von
Adiaman unter 37° 46. N. Br. auf einer Höhe von 2533 F. Par.
(2700 8%. engl.) über d: M., mit 800 Käufern von Modlemen und
300. von Chriften bewohnt. Auf einer nahen Anhöhe werben die
Gräber zweier muhamedaniſchen Heiligen: verehrt, des Mahmud
el Anfari und Ibn air Anſari. Don. Gärten und Hainen
umgeben, zeigten fich nur noch wenige Reſte eines früheren Wohl
ſtandes, den. der Ort wol feiner Lage als wichtige Gebirgäftation
einſt verbanfte. : Aus noch beſtehender Tradition hielt Alnsworth
dieſes Adiam an für iventifch mit dem Hysn Manfur ver Gyr
rer, auch Hafan Manfur oder der Feſte Manſurs bei Ebn Hau—
Tal, ©) die; von Merwan, dem legten Khalifen der Ommajaden,
ecbaut, nach dieſem Autor ne: Tagreiſe von Samofat und zwei von
Malatia entfernt lag, Moſcheen und Oratorien befaß, und: mit: Mer
genwaſſer Ihre Umgebung reichlich beibäfferte. Auch Edriſi neunt
fie, gibt abet andere Stationen an, die zu ihr von Behesnt führen.
Ains worth vergleicht‘ viefes Ariaman mit Carbanum 'der Tab.
| ‚Peuting.; Cholmadara konntees aber nicht ſein, Da dieſes eine
7) v. Moltle, Briefe, S. 222 206-208. **). Ainsworth, Trav.
. and res. I. p. 264, 267; derf. im Journ. X: 3.
pag ‚327...
e°) Oriental geogr. b. Ouseley p. 44, 30; b. Eudrisi, ed. Jau- _
bert, IL. p.318; St, Martin, Möm. s. TArm. I. p. 141.
888 Weſt⸗Aſien. IL Abtheilung. 1. Abſchnitt. $. 40,
gange. des Fußvolks und ver leichten Reiterei unter dem Käommanie
Muſtapha Paſchas beſtimmt, den v. Moltke 72) begleitete. Es mer
Mitte April 1839; Ströme von Regen goffen herab, cin Kerle
Südwind hatte den noch 3 bis 6 Glen heben Schmer (im be
Schluchten. wol) fo aufgelodert, daß die Pferve, am Zügel gefüße,
nur kaum noch mit burchzubringen waren. Alles Gepäd muis
umlchren und eines zweiten Golonne folgen. Am erſten Tage Get
mm ein paar Todte, doch wurden vie Etappen erreicht une nem |
den drei Dörfern Abdul⸗harab, Bölem und Kymprpif, ven
etwa 20 Hänfern, jedes mit einem Negimente belegt. Am felgen
den Tage ging v. Moltke mir Muſtapha Paſcha voraus, um J—
ſehen, ob es bei dem eingetretenen Wetter überhaupt zöglich fa,
nen Ausweg gegen Süd zu finden. Die Truppen mußten Raflig
halten... Die Berge waren mit fo hohem, lockerem Schnee beaelt,
daß an ein Leberfcheeiten ‚gar nicht zu denken war. Man weis
alfo eine Brücke über ven Bölem fu fchlagen, dann dieſem Wale
abwärts folgen bis Kariktan, wohln.v.: Moltte vozans gm
um eine zweite Brücke über den Chadſhaly ſu zu: fchlagen De
jer Bach war 50 his 60 Schritt: breit, angeſchwollen, reißend, u
ließ nur an einer 16 Arſchin breiten Stelle aus hohen Bappılkle
men, bie an ihm ſtanden, in :24 Stunden eine Brüde über ii
ſchlagen. Von 2a ging. v. Moltke über halsbrechende Yapfeige
am Siaretsfhat hinab nach Adiaman, um von dort Lebensmittel
den Truppen entgegen zu: ſenden. Nun eilte er der zeiten Ge
lonne entgegen, vie über Sürg hü und Tut, alſo durch ben Gil
ſu⸗Paß, Hieher nachrüden jollte. Die Ebene von: Adlanan we
ein Morafl; die Pferde ſanken bis an ven Bürtel. cin. De
ShembEr fu war kaum für Pferde zu durchfurthen. Gier fie
jeder Baum, um eine Vrücke zu ſchlagen. Hoch int Gebirge muß
ten erſt 40 Mann zufammengerafft werden, die 2 Bäuſer okaselfes
mußten, um 3:3alten von nothbürftiger Bänge zu erhalten, zu ie
nen eine vierte Pappel drei Biertelflunven weit von 25 Mann u
den: Bergen 'herbeigetragen wurde, um auf Welsblöden im raſch au
ſchwellenden Strome eine leidliche Brüde über ihn Gismsegzuftgle
gen: Als nun die zweite Kolonne in verzögerten Marſchen unge
langt war, mußte noch Die dritte aus Artillerie und’giwel Kayalisir
Regimentern nächrüden. Sie fanden unter Sherif Pafıha: uub je
gem ug "über: Sürsps, ‚Beten, Belvere ehem
.um ıd
m. eolie Briefe, 0 e nn
J
Euphratſyftem; Goͤk ſu, Erkenek⸗ Paß. 889
heran; aber Ihnen traten num noch größere Schwierigkeiten entge⸗
gen. Nur das glüdliche Auffinden einer älteren ‚gehafntem Riw⸗⸗
ſtraße im Thale ves st fu ſicherte ihren Fortmarſch.
c. Die weſtliche Paſſage am Bit fu über ven Erkengte
- Baß, über Pelyrren (Berre) und Behesni sum.
N ‚Euphrat. pe
Die zweite Zauruspaffage im Weſt von Samaiztakl |
in der "Fabul, Peut. unter venz Namen Perre, aber unvollſtindig,
eingetragen; fie führt auch nach Malatia, durchzieht. über vie Ahäter
ved;@dEfu, der weit größer und bedeutender ift, als ber zuvonger
nannte Adiaman⸗Fluß. Im Itiner; Antonin: 73) iſt diefe Route mit
folgensen Stationen angegeben: -von Melitena. nah Meffena
12, Lacotena 28, Berre 27, Samofata .24 Mil., zufanmen
19 geogr. Meilen. Mefiena Hält: Ainsmortf 7%) für das heutige
Tfhirmiktah. Don Lacotena, an der Stelle des heutigen br
ran Sehr, deren Rulnm Ainsworth auf der Plateauhkge
an der Südgrenze der kappadokiſchen vandſchaft Laviniaſene bei. ven
Duellen des Sultan ſu auffand, fo.wie won:der, dortigen Quell⸗
Höhe De3-GdE fu bei. Strghü:'gegen Sin, war fihon oben die
Never ll: ob. S.’850), wo rhen viert Bakiam Odt:fu Aauß .ber
alten Commagene im Süpek: nordwärts Über dir Tauruskette nad
Melitche hinüberführtr. Wir: Haben. diefe Straße alfo nur noch, van
ber Gok ſu⸗Quelle an fünmwärts bis zum Zuphrat zu verfolgen
auf Wegen, die ſowol duch Alnswortk‘ als: v. Moltte erſt
neuerlh bekannt geworden ſind. oe el er Dmenup
Nach einem Ritt von 8 Stunden gegen: 7 W von —E
fogt v. Moltke,?) erreichtt er am Ende eines braten Thales, das
fich weht: und Mehr ſchloß, das Dorf Sürghü, zwiſchen hohen
ſchneebedeckkten Bergen hRegend (am 23. März).1: Ex: erſtauntenicht
wenig, anf einer ſtelnernen Brüde über einen rauſchenden Bach zu
reiten, vet lürimittelbar aus der Felswand zu kommen ſchien. Ein⸗
undzwanzig! 6 bis 15 Zoll ſtarke Quellen ſprupelten unter ei⸗
nem‘ Kalkfelfen ‚hervor; ' fies biſlden ein weites Baſſin und fließen
- dann verelnigt als ein beträchtliäher Bach hervor, aus deſſen ficher
ſchon früherhin gebildeten unterirdiſche n Laufe. Anderthalb
Stunden’ weiter oberhalb liegen noch 40 eben folche: Quellen. bebe
—— —
22y Itin. ‘Antonin. ed. WVeacel. p. 210, 215..: 70) Aiasworth Prev.
and res. I. p. 263. 76) v. Moltke, Briefe, &. 219, 222...
’
*
890 Weſt⸗Aſien. II. Abtbeilung. I. Abſchnitt. %.20.
ſammen, und alle diefe vereinigt: bilden den Gok fu, v. t. bei
«Stmmelswaffer, einen taufchennen Fluß wie die Ilſe am Her
gebirge, mit gleich Föftlichen Sorellen, der aber zur Zeit der m
ſchwellenden Schneewafjer zu einem gefahrvollen Wildbache werke
Tann. Nur menige Tage nach dem erften Uebergange (am 30.Min)
war er fo gefüllt, jagt v. Moltke, daß 20 Männer and ws
Dorfe feiner Gefellfchaft zu Hülfe eilen mußten; fie ſchwammen iha
migegen Durch ven eiäfalten Strom; vier Männer. nahmen bein
Durchfehen die Reitpferde des Reiſenden in ihre ‘Mitte, anbre tm
gen deſſen Effecten auf dem Kopfe, und nun ging es mit aufmm
terndem Mufen und Geſchrei, für Thiere und Menſchen nidt ohe
Befahr, durch den reißenden Strom hindurch.
Aineworth, der dieſelben Quellen 76) auf ver Höhe und in
Thale ſah, bemerkt, daß fie. eine Stunde im Nordoſten des Doris
‚entfpringen, dad er Sarghi fchreißt, deſſen abjolute Höhe ce m
. 3781 5. ®B. (4030 F. engl.) beſtimmte; die Berggruppe, an Deus
fünlichem Buße das Dorf Hegt, nennt er Kuru Dagh (tradam
Berg), und fagt, daß ex eine Fortfehung des Kurd⸗Muſuf⸗Dagh fi
Die Gok fu fließe nach feinem Verein abwärts gegen Särurt
zum Diſtrict Virum Sheht, ven bie Berge von Teil
Boziten und Marfo (im Süd) begrenzen; nord wärté iß
nah Ainsworth, der Nur Hals Dagh, bie fünmeftliche Ber
laͤngerung des Aghjah Dagh, ver vom Tokma fir Hier Seile
ſtreicht (f. ob. ©. 848) und ihn gegen Südweſt nöthigt, bagegm
Nie kühne Gruppe; des Aliſhehr Dagh, die höchſte in diehn
Tauruspiftricte, ihn wieder gegen ven Dften zurüdwirft. Wii
ninunt er auf v. Moltke's Karte erſt einen, wie es Jevoqh fühelat,
weglofen "weiten. weſtlichen Lauf, che er ſich yplägli ie
Bogen ganz gegen. Süd und. Südoſt wendet, wo ihhm vom
Her ein zweiter Arm, auch SIE fu genannt, zueilt, mit Dan
vereint--ein großes Waſſer bildet, über. welches ganz nahe untere ;
de. Bereins eine moderne Brüde gefchlagen if, nie vom nörkädien
zum füblicgen Ufer nach Pelvereh hinüber führt. Unsechgih bißg
Brüde fließt ihm von Often ber ein britter waßlerreicher
zw, ber auch ganz mahe, fühlih des -genamnten quellreichen
Sürghü, feinen. Urſprung nimmt, am. Gebirgapaß veg, Kr
net, und erſt ſüdwärts abſtürzt, dann aber ſich⸗ weſtwarts um
N.
+94) ‚Ainsworth Trar. ‚and res: I. p. 201 ven. imoleanalı x®
p 3. an than ba-
|
|
Euphratſyſtem; Goͤlſu, GSkenek⸗Paß. 891
Thale des Gok ſu wendet und dieſen von neuem mit Waſſer be⸗
zeichert. So iſt es nun dlefer kürzere Paß von Erkenek nach
Pelvereh, und nicht jener weſtliche Umſchweif am Gok fu,
welcher die Hauptpaſſage zwiſchen Melitene und Commagene,
oder über die Hauptkette des Taurus, bildet. Um ihn zu über⸗
winden, fagt ». Moltke, mußte er (am 26. März) in Suͤrghü
Meulihiere nehmen, um die fehr fleile Bergwand bis zum
Kamme des hohen: Taurus empor zufteigen, und nach manchexlet
Wegen, auf und ab, auf haldbrechenven Pfaden über wildes Stein⸗
gerdll gegen Süd wieder hinab zu kommen, mo an fleiler Berg⸗
Ichne der wilveften Felokluft das Dörfchen Erkench an der Wand
Hebt, indeß in ver Tiefe ver Wildbad) von Klippe zu Klippe dahin
ſchäumt. Beim Rückblick ſchien es unmöglich, die fchmarzen Fels-
währe herabgekommen zu fein. Nur ein paar Stunden abwärts an -
dieſem Strome gegen SW. wird jenfeit ver Brüde jenes Dorf
PBelveren erreicht, dad auf dem flachen Rüden ber Waſſe r⸗
ſcheide Liegt, ver fich Hier zwifchen den Zuflüffen des Bupbrat
EZ! ger des perſiſchen und des mittelländifchen Meeres (näm⸗
lich des Dſhihun over Pyramus der Alten, in Cilicien, oder viel⸗
2 mehr feines linken Zufluſſes des Akſu), von Norden gegen S.W.
Shinzieht, und durchaus durch Feine hohe Gipfelkette repraͤſentirt iſt.
WB Diefes Pelvereh iſt verſchieden von einem andern weiter weflwärts
W Uegenden Belneren, einem großen Dorfe der Sinimini- Kurven in
W Bazarbihik ovafli, an einem Zufluſſe des Dſhihun. Pelveren hat
200 KHaͤuſer, die unter einem Dache oder vielmehr einer einzigen
Terraſſe liegen, die nur von wenigen Straßen unterbrochen. ift, über
Die man wie über ſchmale Gräben gemächlich auf ven Hausdächern
voer einem Ende des Dorfs zum andern fortichreitet. Von ba ges
Iangt man auf der fonft ganz borflofen Straße im. Stromgebiete
jenes. Affu und Dibihun nad einem Tagmarfche in vie weite
prachtvolle Thalehene von Marafh.
Auch Ainsworth”®) bat denſelben Paß überfliegen, ven er
Erkenek ſchreibt, und ſeine Hoͤhe gemefſſen. Vom Dorfe Suͤr ghü
ſetzte er am 1. Juni 1839 quer Über das Thal des Gök fu, und
erſtieg die fleile Kalkſteinwand des Goöͤk Tenah, die mit dem
noch höhern Marſo gegen Weſt zuſammenhängt, deſſen nadie Ab⸗
ſtürze und Selägiofel mit langem Grate und Schneelehnen noch im
num
4
’) v. Molite, Briefe 6. 290, 222, ‚’s) ‚Ainsworth, Travel
and' res, I. p. 2860— 267 ; Yerf. in Journ. X. 8. p. 823—327.
3.5 Fu .. * , j .. . 13 BEE .
. Du ar ee — — —
890 Wefl-Afien. III. Abteilung. I. Abſchnitt. 3.40.
ſammen, und alle dieſe vereinigt bilden ven GBE fu, v. t bed
:Stimmelöwaffer, einen rauſchenden Yluß wie vie Ilſe am Harp
gebirge, mit gleich Löftlichen Sorellen, der aber zur Zeit ver «m
ſchwellenden Schneewaffer zu einem gefahrvollen Wilnbache werben
Tann. Nur wenige Tage nach dem erften Uebergange (am 30.Rän)
war er fo gefüllt, jagt v. Moltke, daß 20 Männer aus den
Dorfe feiner Geſellſchaft zu Hülfe eilen mußten; fie ſchwammen Ihe
entgegen Durch ven eiokalten Strom; vier Männer, nahmen beim
Durchfetzen die Reitpferde des Reiſenden in ihre Mitte, andre tm
gen deſſen Effecten auf dem Kopfe, und num ging ed: mit aufmm⸗
teuıtdem Rufen und Geſchrei, für Thiere und Menſchen nicht ofm
Befahr, durch den reißenden Strom hindurch.
Ains worth, der biefelben Quellen 76) auf ber Höhe un) im
e jah, bemerkt, daß ſie eine Stunde Im Nornoflen des Dorfes
kingen, das er Sarg hi ſchreibt, deſſen abjolute Höhe er uf
. 3781 5. P. (4030 F. engl.) beſtimmte; bie Berggruppe, an derer
fünlichem Fuße dad Dorf liegt, nennt er Kuru Dagh (trockzet
Berg), und fagt, daß er eine Fortfehung des Kurd⸗Muſuf⸗Dagh fi
Dir Gok fu fließe nach feinem Berein abwärts gegen Südweſt
-zum Diſtrict Virum Sheht, ven bie Berge von Tefil
Boziten und Marſo (im Süd) begrenzen; norbwärts iR di,
nah Ainsworth, ver Nur Hals Dagh, die ſüdweſtlichſte Ber
ingerung des Aghjah Dagh, ver vom Tokma ſu Hier herüber
ſtreicht (f. ob. S. 848) und ihn gegen Südweſt nothigt, bageg
die fühne Gruppe: des Aliſhehr Dagh, vie hoͤchſte In Diem
Taurußpiftricte, ihn wieder gegen ven Oſten zurũckwirft. Wii
nimmt er auf v. Moltke's Karte erſt einen, wie es Jevoqh fihelst,
weglofen "weiten. wefllihen Lauf, che er ſich piäplic Im
Bogen ganz gegen Sud und Südoſt wendet, wo ihm
her ein zweiter Arm, auch Goͤk fu genannt, zueilt,. valt- den · |
vereint ein großes Waſſer bildet, über weldys ganz nahe
ded Dereind eine moderne Brüde gefchlagen ift, vie. vom gen
zum fünlichen Ufer nach Pelvereh hinüber führt. Unterhalh
Brüde fließt ihm von Oſten ber ein britter wafferreicher
zu, ber auch ganz nahe, ſüdlich des gennuaten quellzeitien Doris
Sürghü, feinen. Urfprung nimmt, am, Geblrgspaß von Erle
net, und erfl ſuüͤdwärts abſtürzt, dann aber fg: weflwärze zum.
— — — —
"*) Alnswordi Trav., ‚amd mel. Pp ar der. inojenmalı X &
p SA. 2 un bh uası ba:
|
‘
Euphrarfäftem; Goͤlſu, Glenek⸗Paß. 891
Ahbale des Gotk ſu wendet und dieſen von neuem mit Waſſer be⸗
zeichert. So iſt es nun dieſer kürzere Paß von Erkenek nach
Pelvereh, und nicht jener weſtliche Umſchweif am Gok ſu,
welcher die Hauptpaſſage zwiſchen Melitene und Commagene,
oder über die Hauptkette des Taurus, bildet. Um ibn zu über
winden, ſagt v. Moltke, mußte er (am 26. März) in Suͤrghüͤ
Maulthiere nehmen, um die fehr fleile Bergwand bis zum
Kamme des hoben. Taurus empor zufteigen, und nach mancherlei
Wegen, auf und ab, auf halsbrechenden Pfaden über wildes Stein»
geröl gegen Süd wieder hinab zu kommen, wo. an ſteiler Berg⸗
lehne der wilveften Felokluft das Dörfchen Erkeneh an ver Wand
Hebt, indeß in ver Tiefe der Wildbach von Klippe zu Klippe dahin
ſchäumt. Beim Rückblick fchien e8 unmöglich, die fchwarzen Felt -
wähnbe ‚berabgelommen zu fein. Nur ein paar Stunden abwärts an -
dieſem Strome gegen S. W. wird jenfelt ter Brüde jenes Dorf
Pelveren erreicht, das auf dem flachen Rüden ber Waffers
ſcheide Liegt, der fich Hier zwifchen ven Zuflüfien des Quphrat
oder des perſiſchen und des mittellän diſchen Meeres (naͤm⸗
lich des Dſhihun oder Pyramus der Alten, in Cilicien, oder viel⸗
mehr feines linken Zufluſſes des Akſu), von Norden gegen S.W.
hinzieht, und durchaus durch Feine hobe Gipfelkette repräfentirt iſt.
Dieſes Pelvereh If verſchieden von einem andern weiter weſtwaͤrts
Uegenden Belveren, einem ‚großen Dorfe der Sinimini- Kurben in
Bazardſhik ovafii, an einem Zufluſſe des Dſhihun. Pelveren hat
200 Haͤuſer, die unter einem Dache oder vielmehr einer einzigen
Terraſſe liegen, die nur von wenigen Strafen unterbrochen ift, über
bie man wie über fchmale Gräben gemädhlich auf ven Hausbächern
von.einem Ende des Dorfd zum andern fortfchreitet. Don da ges
langt man auf ber fonft ganz dorflofen Straße im. Stromgebiete
jenes. Affu und Dſhihun nach einem Tagmarſche In vie weite
prachtvolle Thalebene von Marafh.
Auch Ainsworth”) hat denſelben Paß überfliegen, den er
Erkenek fchreibt, und feine Höhe gemeffen. Vom Dorfe Sürghü
fette ex am 1. Juni 1839 quer über das Thal nes Goöͤk fu, und
erſtieg die ſtelle Kalkſteinwand ve Gök Tenah, bie mit dem
noch höhern Marſo gegen Weſt zufammenbängt, deſſen nadte Ab⸗
flürze und Felsgipfel mit langen Grate und Schneelchnen noch Im
27) v. Molke, Briefe, S 20. 222. .’®) Ainsworth, Travels
oo „and“ res. . p. 200 - 267 ’ der. im Journ. X. 8. p. 323— 327.
892 Weft:Afien. III. Abtheilung. I. Abſchuitt. $.40.
FJuni ihm einen wahren alpinen Character darboten. Bon der
Belshöhe ging es anfänglich Hinab zu einer marfchigen, aber fiuge
baten Thalebene, vie fih am Buße des Tafik Dagh um U
Dagh ausbreiter, und einen Zufluß zum SE fu fehldt. Ben da
waren noch "elite andre, niebrige Berge zu überfteigen, um ck
ven Paß von Erkenek zu gelangen. Diefer liegt im pem ge |
Bert Grenzzutze zwiſchen Melttine im-:Roren und :Gemm
gene im Süden, im Streichen ver Tauruskette, die, m
Gerger an, dem Nordufer bed Euphrat EIS zur Süü—
wendung bei Rumkalah von ND. gegen S. W. parallel freak, |
deren ſüdlicher Längenbegleiter bier: der Euphrat iſt. Die
Zug beginnt mit dent Afhur Dagh im Of oberhalb Kathi, Ä
ſeßt im Ak Dagh und Tojik Dagh gegen Weſt fort, und wi
fich ohne ven Durchbruch des Gök ſu⸗Thales noch weiter nk
weſtwaͤrts won sBelvereh ven hohen Ketten des vom Tokma fü heub.
fireigenden hohen Aghjah Dig, gegen Cilicien, oberhelb Ar
raſh anſchließen In dem Centrum vieſes Taurueruger lieg vun
dieſer Paß von Erkenek, bie Unterbrechung ver eoloſſalen
Kalkffeinklippen von rkenel und Pelvereh, welche vie Bet in
Waffer durchſetzen. -Ainsworth trat in ihn ein anf einer de
mallgen alten‘ Strafe an einem’ Wafferlauf durch Efipyige Kal
fleinfchtuäht; aber bald emporſteigend ließ er ven Wafferlanf in da
Tiefe zurück; bid die Stelle erreicht ward, wo er feinen Zu vn .
A Dagh erhält, und mo einige maleriſche Mühlen vie wilde Grm
beleben. Von“ hier wandte er fl zu vem Dorfe Erkenek, ii
früßer Hur ein Wachtpoſten im Paffe war, der aber’ fdhnell- zu. dam
Dorfe heranwuchs. Es liegt romantiſch an ver Roidſrie im
Echlucht; unter ihm flürzt ver fortwährend durch Felſen um WE
bföde 'gehemmte Strom fchäummb "und toſend dahin: BD
ff einer Höhe von 3592 E "Bar. ‚(3828 8. engl.) Er ah |
faͤhige Plaͤtchen zum Anbau —*— An danſaben —* were
der 4 noch adwarts im Thale gegen. SW., entlang vi &-
Lenet-Sluffe fortgeftgt; ‘ver hier elnen prachtvollen Weir
fall, rechts am Wege, über Kalkſtelnkiippen "Hitnel: ‚Mae
eiſt tritt et in’ das Schtkferferagentide dm, tor ei
bee Taurudkette bildet, hler aber mit ſchlechiem Boden Bari‘ ciaij⸗
Cypreſſenbãumen hinreichende Nahrung gibt. Erſt im Dani, m
Abend vet ſtarken Tagmarſchesz, wurde die helle etrricht. jo de
Ertenste@tug wu Gok fu Faß, von wo au nua beine wersiuigt
— ns > wu .
Ä Euphratſhftem; Pelvereh, Perre. 893
ihren Lauf gegen Oft nehmen, durch ein felfiges, alpines Borland.
So eng war an dieſem Verein der Raum und ſo klippig, daß kaum
ein Plägchen fich fand, wo nıan das Zelt bequem aufſchlagen konnte.
Am folgenden Tage (2. Iuni) fegte Ains worth eine Birrtel-
ftunde oberhalb des Zufammenfluffes übes jene, oben ſchon genannte,
moberne Brücke von 2 ungleidhen Bogen zum Südufer des Gok fm,
an welchem hier die Ruinen eines viel älteren-Baue liegen. Von
hier begann der Aufftieg durch die Ruinen eine antifen Aquä⸗
ductes, ver als Zeichen feines höhern Alters einen viden Lieber» -
zug von Travertino trägt. Auf der Höhe angelangt, fund man
auf warmem Kreivefteinboven Weinberge, die zum Dorfe Pel⸗
vereh gehören, dad gegenwärtig verlaffen war, um dem Drud ber.
durchziehenden Armee Hafisz Paſcha's außzuveichen.
Dieſes Pelvereh, over richtiger Parverah, wie eb Kennel
nannte, ift nach Ainsworth entſchieden das antike Perre ver
Tabul. Peut. und Itin. Anton.,. nicht nur wegen ber unverfenn-
baren Ipentität des Namens, fondern auch weil es, wie dieſes,
den wahren @erfnüpfungspunct ber antifer Römerftra« |
gen: zwiſchen Kappadocien und Mefopotamien, Armenia
minor und Syria, wie noch Heute den Kreuzweg zwifchen ven
Routen von Aleppo und Al Boftan, von Bir und Samofat
nad Malatia und dem armenifchen und vontiſchen Norven bil⸗
det. Diefer Umſtand Hatte I. Rennells Scarfiinn veranlaft, zu
Perre deshalb, obwol ihm noch fein Tauruspaß daſelbſt
bekannt fein konnte, doch einen ſolchen zu conjerturiren, ber nun
fpäterhin erft als wirklich vorhanden durch v. Moltke und Ainse
worth nachgemiefen wurde. Es iſt derfelbe, durch welchen im letz⸗
ten forifchen Kriege, da der Euphrat von Malatia abwärts nicht
Fehiffbar Befunden war, ver Weg für die Artillerie Hafisz Pafcha’s
gebahnt®®) werden mußte, durch welchen nur mit größter Anſtren⸗
gung die Kanonen über den Taurus zu fchleppen waren, um von
Da über Behesni dann in Syrien in ber Schlacht von Nizib gegen
Mehmed Ali zu dienen. Dies iſt der einzige Taurus⸗Gebirgspaß,
ver ſo frühzeitig im Jahre noch in Zeit von ein paar Monaten
durch die Arbeit von ein paar tauſend Menfchen möglichft fahr-
bar zu madjen war: denn bie Öftlichere Strafe, über Abdul harab
und Adiaman, konnte nur von Fußvolk und leichter Reiterei ge⸗
er» J. Rennell, Comparative geogr. of Western Asia. Lond. 8.
'1831. Vol. I. p. 284 , Vol. II. p. 204—205. 0) Ainsworth,
Trav. and _res. I. p. '263, 301.
—
— en
.
‘
4
Ä
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D
.
804 Weſt-Afien. TIL. Abrgeilung. I. Abſchnitt. $.40.
nommen werben, SU) und auch dieſem lebergange traten, wie wir
oben fagen, faft unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen; daher
es nicht wahrjcheinlich fein möchte, daß etwa Adiaman daB antile
Berre wäre, wenn fchon auf directerer Route gegen Gamofat g⸗
legen, und nur diefe beiden Päffe waren die einzig möglichbe⸗
nusbaren, 82) da vie Waſſerſtraße auf dem Euphrat von Wale
tiz aus verfagt war. Die größten Hinderniffe flellten bie .gewalig
angeſchwollnen Ströme des Gok fu entgegen.
Pelvereh oder Parverah, dad alte Perre, nad dem Hi»
rocles im Gebiete Euphratesias liegend; war eine fehr alte Ste,
welche nach Aſſemanni bei den Syrern Parin oder Wharin®)
hieß. Als Sig eines Episcopus kommt fie in den
des Conciliums zu Chalcevon ( ’AYuvaoıog, Enloxonoc Tl)
und in andern vor. Ein Weg fol von da gegen S.D. im Thale")
des Gok fu nach Tut, und abwärts über ben Tleinen Zu
Shemb£er fu, der aber im Frühjahr kaum furthbar iſt, nach Tale
man führen, von wo dann ver Böffu direct fübmwärt®, dem Lage
plak Karakaik gegenüber, zum Cuphrat fällt, vo aber ned we
Weft her zwei beveutende Zuflüffe, ven Afereh, von Tſhilbogat, uah
den Degerman fu, von Behesni herfommend, aufgenommen het
Jene Goͤk fu-Straße über Tut lernen wir nicht näher fa
nen, obwol ein Theil ver türfifchen Armee dieſen Weg yeafelgke;
dagegen ift uns von Pelverch die Fürzere Duerpaffage fühlt
über Behesnt zum Euphrat näher bekannt geworben.
Ainsworth. fand In Pelvereh Feine frifchen Pferde, «
mußte die feinigen bis Behesni (Bent) beibehulten. Gr semee
jevoch bier, in S. W. von Pelvereh,85) verſchiedene Quellen, I
von ber Südſeite des Bergrüdens, auf dem es liegt, abfloſſen mb
. jn einer geringen Ginfenkung einen Eleinen See bilbeten. Dies
* folgte ein zweiter See, und biefem wieder ein dritter, mb
dieſe insgeſammt ergießen fich gegen S.W. in den Akſu, ven bie
lien Arm des Oſhihun (Pyramus), ven früher ſchon Geld
Chesney wenige im Süd der Stadt Maraſh zum Ganptfem
des Dfhihun hatte fließen fehen, bevor dieſer die tiefen, &gp.
ſchluchten ver ciliciſchen Päfle (Durdun Dagh) durchbeicht Be |
3 Eleinen Seen heißen, nach v. Moltke 6 Karte, Gbl Baftl,
„4
21) v. Moltie, Briefe, S. 300, 366 — 387. °2) chend,
ss) Wesseling, Itin. Anton. p. 210. a 304. )- v. Baltke,
©. 367; Ainsworth, Trav. and
Ter. and res. I. p. 264.
- #4 I u ai
Dec, Bit
[ro
Euppratfyfiem Behesni⸗Paſſage. 895 .
Maden Obl um Dfſhenari Bd. Verlaßt ‚man Pelvereh
auf dem Wege gegen ben Süben, fo wird bier der Boden weniger
gebirgig und vie Vegetation immer mannigfaltiger, zumal um ben
Zuß des Khurkhun Dagh, der bier faſt umgangen werben mußte.
Es IR ein aus Ophiolit und Talkſchiefer beſtehender, faft Ifoliter
Kegel. Don da flieg man hinab zum Thale des genannten Neben⸗
flufies Al dereh (d. i. Weiß⸗Thal), 6) der am Süpfuße des
Ak Dagh vorüber zum SÖE fu (nicht direct zum Euphrat) fließt.
Ein langer Aufftieg aus dieſem Thale, immer direct gegen Süd,
über bie plateauartigen Hamiyayan Berge, und wieder fanftere®
Abſteigen gegen Suͤden führt zu einer engen Schlucht, an beren
Eingang die, Fleine Stadt Behesni mit ihrer Caſtellruine liegt,
die einft von Balduin von Edeſſa, im Jahr 1116, erobert warb,
Daun wieder an bie Atabefen Syriens zurüdfiel und im Syri⸗
ſchen ven Namen Belt hesnas”) führte.
Behesni der Türken 88) (Bahasna bei Abulfeda) unter dem
Rücken des Hamiyahan, ver 2965 F. Par. (3160 F. engl.) abfolut
me Wim _.
Hoch ift, Liegt über 700 Buß niebriger, nah Meſſung 2196 %. ‘Bar.
(2340 8. engl.) üb. d. M. und unter 37042! N.Br. Das enge
Thal zwiſchen Kalkfteinbergen, ohne Gärten, ohne Baum und Strauch
gibt ihm ein ſehr Heißes und ungefundes Clima, zumal in ver
Sommerzeit, wo fih dann die Bewohner des Orts auf die Höhen
in ihre Weinberge und Sommermohnungen zurüdziehen. Das Ga-
fiel, das noch Abulfena®) als ein fehr feſtes ungemein rühmt,
das zu ven unbefiegbaren gerechnet werbe und 2 Tagreifen von .
Aintab, 6 von Siwas entfernt fei, liegt jet auf dem Gipfel einer
ifolirten Klippe, den bie Stadt umgibt, in Trümmern. Allerdings
wurde Bahasna in ven frühern Zeiten häufig als Feſte mit Ma⸗
raſh genannt, und war felbft noch, ald Shah Rokh und Tamerlan
fie im Jahre 1400 auf dem Zuge nach Aintab belagerten, nicht
mit Gewalt zu gewinnen, ſondern ging nur vurch Vergleich über,
Die Stadt iſt auch Heute noch, wie zu Abulfeda's Zeit, keineswegs
unbedeutend zu nennen: denn fie hat 2500 Häuſer ver Mohamme-
daner und 250 armenifche, guten Bazar, Mofcheen und Bäder.
6) Ainsworth, Trav. and res. 1. p- 264; berf. im Journ. X. 8.
p., 326 87) St, Martin, M&m. =. l’Armönie I. p. 105.
3 v. Hammer, aflat. Türkei, nm. Jahrb. 1821. Br.XIV. ©. 47.
Abulfedae, Tab.- .Syriae ed. Koehler p. 142; f. die Zeichnung
Sei Ainsworth L ne: ss Deantguet Sch. der Hunnen b.
Daͤhnert II. ©. 586;
'
— —
908 Wehß⸗Aſten. TEL Abtheilung. K Abfämiet. 1.41.
unfern Stufen zuruͤckgebliebenet Alpen⸗Seen, vie wieheiht in
ben jegt troden liegenden Baffins einft ſtanden, aber ‚bei fo vie
heftigen Erdbeben⸗ Erſchũtterungen dieſer Gegenden durch nie Engſpelten
ihren Ablauf erhalten mochten, würden dieſem Gebiete noch geb
fere_ Mannigfaltigkeit der Grfcheinungen und neue Reise für Deb
Maleriſche ver Landſchaft wie für vie Anfienelung bergeboten haben,
gamal ‚würden die ſüdlichen Stufen in ben lieblichfien Climaten de
burch die größten: Meige erlangt Haben, während gegenwärtig uk
höchſten Vlateauſtufen in ven Fältern waldloſen Regionen zur nah
wirch wenige einzelne, aber colofiale Seen geſchhuückt erfcheinen. De
meiften Bebirgspäffe liegen zwifcken den mäßigen abſoluten Gb
. hen: von 3008 bis 5000 Buß; wenige fleigen höher -auf; das Me
zimum ver Einfenfungen der Bergrüden ift durch bie Gelatine
hebung der vorherrſchenden Plateaublivung limitirt; DI fehle
nmoch zu viele fpeciche WMeffungen, um ihr wahres Berbältsig zu
Gefammterhebung der Baſlo, wie zur Particularerhebung ver Nele
tem. Gtpfel um Jade, genauer im Vergleich mit andern Alxr
hun. und bochgebireslandern zu beſimmen.
Die Paſſe im Norden des Arares Über bie Ketten des nl
Tichen Taurusſyſtemes hinab zum Ziefthale de3 Kur, zu 5000, 6000
und 7000 Buß auffteigend (f. oben &.370), find abſolut Höhe «B
die ſüdwärts des ſüdlichen Taurusſyſtems zum Euphrat has
henden; ber vom Murad über den Koſhm Dagh zum dſtuchſen
Tigrisarıme, unter den gemefjenen, iſt noch ver hochſte von ach, ud
doch nur 6379 Fuß üb. d. M.; der Matineh⸗Paiß im N ve
Amadia zum Kurdengebirge von Hakkari nur 3379; ver vom Nik
radzufluß Karafu am Baſhkhan voräber zum hal von Dill
5339.. In ähnlicher Höße, vie durchaus nicht den «hoben Sirofgk
Alpenpaſſen vergleichbar If, bleiben alle die andern seuAfaa
Tauruspäffe zukfd, wie ver Deveh Boyunu andfcen rd
und Frat 5637; der Deveh Boyunu zwiſchen Dlurup, Tg
und’ Euphrat am Ooljit-See 3984; der VPaß von Karaber si®
Im N.W.: von Divrigi; der Paß derbent am Delirt —
wol ſchwerlich 5000. ln
= Die. Bäffe der vordern gaurupleiten (inte nei Se
harab, wie der Erkenek⸗Paß 35099, ver Gamipegem- Wal
AR06, ver Beheönt- Pa 2196. Moch zedmis ssuruit:e
ven Cole zur ‚Binfentungen der Rüden mb ı
bungen ed Inneren Teurusßerglanbes, Die it in
I
nn A a EA
a u 5 4B
mom: -—— u mn 3 ——-,
Euphraiſhſtem; Gebirgsarten. 99 Ä
eigentliche Hauptketten zu führen ſcheluen, bie Bforten 9) von
Kicebban Maaden oder Maaden Gomüſh (Stibergrube bei
Arghana) auf 4741, von Khutel 3170, won Ghul Dagh im
MD. von Kiebban Maaden 4511, von Ayeli im N. von Arab
gir 5301, von Selioki 3988 u. a. m.
Den Uebergang vom Bergland in das worllehende Nieder⸗
land Meſopotamiens bildet jene niedere Plateauftufe,' vie
unter faft gleichem Breitenparallel ( von etwa 37° R.Br.). in ven
Weitungen ver Flußthäler bei Samofat zu etwa 1000, bei
Niſibis zu 1220, oberhalb Jezire al Omar zu 1400 Fuß ab⸗
foluter Höhe herabſinkt, über deren Flächen die Uf erberge mit
Blateaurüden nur etwa noch 400 bis 600 Fuß emporfteigen:
Zum eigentlihen Niederlande Meſopotamiens finkt das Eu⸗
phratthal, durch den cilicigen Taurus und Amanus vom mite
tellännifchen Meere zurückgeſchreckt, nach dem Engthale bei Bir,
5689 %. üb. d. M., erſt mit ver Oſtwendung bei Thapfacus
herab, und das Tigristhal erft unterhalb Jezire al Omar,
842 $.üb.9.M,, mit dem Blachfelde bei Moful, 330%. üb. d. M.
2)- Gebirgsarten, geognoftifihe Berhältniffe.
Das Streichen ver Tauruskette des ſüdlichen Taurus»
ſyſtens von SD. gegenN.W. iſt nur die gleichartige Fort⸗
ſe zung diefes großartigen nörmalen Streichens in der Entwicke⸗
kung des ganzen Syſtems, von dem fündflichen Perſten an bis
zur fünweRlichen lyciſchen Spige von Asia minor. Mit ver Süd⸗
wendung bed Cuphrat bei Bir beginnen weiter weſtwaͤrts bie ges
gen Gün ſtreichenden niedern Amanus⸗Ketten dem Taurusſy⸗
ſteme ſich anzuſchaaren, und bieten fo die Erſcheinung einer gro⸗
Ben Gebirgscurve dar, welche Cuphrat und Tigris, wie Pfeile
wen Bogen, beide gegen den Suͤden, durchbrechen müflen, um in bie
Niederung vordringen zu innen. Diefe Curve zieht fich in
GB. und NW. vom Giaur Dagh über Maraſh als Waffer-
ſcheide ver Zuflüffe zum ciliciſchen Oſhihun (Pyramus), nämlich
Hier des Akfu. und ver Euphratzuflüfie, über die Gebirgspäſſe
von Behesſni, Erkenek und Kakhtah, dann oberhalb Samo⸗
fat bei Berger als Cataractenkette auf dad Oftufer ded Zus
phrat hinüber, und von da, im Süden von Diarbekr, an ver rech⸗
ten Uferfelte des Tigria fünoftwärts über den Bug: v8
*) Alrworb, Beierühen ie, 2.20.
910 Weſt-Aſien. III. Abteilung. L Abſchnitt. $.41.
Maſius ver Alten, nämlich Über die Kette von Marvin uber den
Karanfbs Dagh, über ven Jebel Tur nörvlih von Niſtbis Di
zu den Bergen von Jezire al Omar, um in ben Jebel Iabi
(der Buhtan- Kette), auf dem Oftufer des Tigris, von neu
zu Kurdiſtans Hochgebirgen emporzuſteigen.
So entſtehen durch diefeß Bebirgäverhältniß auf diefer Grenz:
des Hochlandes im Norden und des Niederlandes im Gä«
den dreierlel Naturabtheilungen, die nicht blos bypfe-
metrifch, fondern auch geognoftifch und.climatifeg eben fo
verfchlenenartige Zonen bilden. Die nörbliche des Hochland
iR die Bone des Urgebirges ober, ber Hebungotheorie gemif,
wie fie Aindworth bezeichnet, die Bone der plutonifcher um
‚metamorphbifchen Gebirgsarten; die mittlere, Die Zone ber
Fldzbildung, mit vorberrfchenven Kalkfteinmafien, mit dem Al⸗
lu vi um, mo trodner Thon und Sanvebenen mit „Kliypenbilumg
"und nieberen Plattformen vorherrſchen. Characteriſtiſch if es in
geoguoftifcher Hinficht nah Taylor Thomfons 97) Bemerkung
daß fomwol bier im Amanud und Taurus, wie in 'dllen andern ma
ihm weiter oſtwärts in Kurbiflan und ben perfifchen Ayennias
(d. i. Bakhtigari und Curiſtan) beobachteten Gebirgen, die Kae
bee Secundairgebirge fehlt; daß alſo ver völlige Bazgel
jedes Gliedes von Uebergangsgebirge zwifchen Lirgebirg meh
jüngern Kalkſteinformationen bier fehlen, eine der merk:wurdigſten Ev
ſcheinungen In der Bildung der Erdrinde im Gegenfage mit da
geognoftifchen Gonftruction Mitteleuropas, vie ſich nmach deſſeller
Beobachters Erfahrung. au am Demavend, der nörkldhen Tr
ruskette im kaspiſchen Perfien (ſ. Erdk. VIIL ©. 568), zw. wie
holen fcheint. Die ſüdliche Zone der Niederung iſt num wie belt
mit aufgeſchwemmtem Lande im weiten Blachfelde
In. der erfien Zone %) tritt das hohe Gebirgälann zeit Im
walblofen, aber weinereichen, alpinen Tafelflähen unbaub
ten Gebirgegipfeln. hervor, die bis gegen bie Schweegrengemb
chen, zwifchen deren Einfenkungen in den geſchũtzten Geblugsäie
jedoch Wald, Obftgärten, Weinberge, Korn bau ei ee
delhen. In ber zweiten Zone auch noch nackte Gipfel unge '
singerer Höhe, weniger Alpenweide, in den heweren Spülen ein |
„en
on Journ. of the Roy. G. Bar. o Lan 8. 1088 va
P- ) W. wo esearches in —
mm, Shaldarn ein. Land. 1836. 8. PM. .., names sin
Euphratſhft.; die drei Zonen. des GStufenlandes. 911
ſchon mehr die Cultur der Maulbeere, ber Olive, des Mais,
Seſam, Taback und der Baum wolle, mit vorherrſchenden
Pflanzen aus der Familie der Labiaten und der Compositae. In
der dritten heißeren Zone ver Niederung, wo. Waflerfüle mit
Meiscultur und Palmenpflanzungen, wo Steppenboven und
Kieſelwũſte vorberrfcht, trockner Anger, Holzige, ſtachlige Wüfen-
kraͤuter, Salzpflanzen, Schilfe, Riengräfer und niederes Bufchwerf
von Tamariäfen, duftende Abſynth, Liquiritia (Giyeyrrbize), Aſtra⸗
galen, Mimoſen und andere Papilionaceen.
Sp verſchieden die Streichungslinien ver Taurusketten und der
Amanusketten, fo verſchieden 9) find auch ihre Gebirgobe⸗
ſtandtheile. Der fürliche Taurus, welcher vom Amanus aus bei
Ainsworth nur ald ein einfacherer, obgleich in fich nicht we⸗
nig geglieverter Gebirgszug angefehen wird und als ſolcher mit ber
Cataractenkette die alte Kommagene (das Gebiet von Aln-
tab und Samofat) von der alien Melitene und Sophene (Ma-
Iatia und Kharput) jcheidet , gliedert fich nach Ains worths Ans
ſicht, "de wir aber gleich wie die Strabonifche, ver Ains-
worth mehr oder weniger folgt (f. ob. ©. 74 u. 75), nach *F
(S. 772, 743) für eine blos relativ wahre anſehen müſſen, in
die drei Hanpizüge, weldye ex 1) die nordliche Höchfle Kette,
den Niphates over Aſikur, nennt, die wir oben als vierte
Kette im Plateauſyſteme (ſ. ob. S. 743) und fonft ald bie Haupt⸗
kette (Nipbates) oder dad Duellgebirg ‚ver Tigriszu⸗
" flüffe (Kolbe Darkufh, Kharzan⸗Dagh) genannt haben; 2) die
Gentralfetie bei Ainsworth, die er Azarah Dagh nennt,
und barunter die Gebirgöfette im Norden von Melltene verfteht,
nämlich das vom Cuphrat umflrömte peninfulare erzreiche Taurus⸗
gebirge mit den Silbergruben von Kieban Maaden (ober Mans
ven Bomufh) und ven Kupfergruben von Maaden Kapur ober
Arghana an den Tigriöquellen. Wir koͤnnten daher biefe auch
Das Erzgebirge des Taurus nennen, da bie Benennung eines
Gentralgebirges nur auf einen localen Standpunct fich bezieht,
und vaſſelbe in Hinficht auf das ganze Taurusſyſtem, wegen feiner
Durdyjdmittenheit nach allen Richtungen bin, am wenigften eine
foldye Benennung, die am erfien die Idee eines Gebirgéknotens ober
ein größten Daffnanpäufung in ſich trägt, verbienen möchte. -
®°) Ainsworth L c. p- 18. |
|
dar Wefl⸗ diſten. m. Abtheilung . I Abſchuin. (Ai.
Der vriite Hauptzug iſt endlich nach ihm, ver große NRaſiad
Zug, ver aber freilich erſt auf der Oſtſeite des Cuphrat Segient,
und aus dem Karadſha Daghli (d. 1 Schwarzberg), um
Berge von Mardin, dann aus dem Jibel Tur, der wol fe
lich eine antike Benennung if, beſteht, und daher auch wol milk
wie Ainswerth meint, als die urſprüngliche Wurzel im
Benennung von Tur, Turan, Taurus u. |. w. Überhaupt angefehe
werden Tann, welche wie im Obigen ſchon der Loralität des wei
älteren Duroperan, Taurantium und Taronitis (f. ob. 640, #17)
vindicirt zu haben glauben. Aber noch ein brittes Sika
Glied reiht ſich dom Jibel⸗Tur an, nämlich der Baarem Dagh,
ber ſich bis Jezire el Omar ausdehnt, und denen nur erfk vicl mb
-tee im Süden wieder, mitten im Blachfelde, ie und da Höhen, 48.
die Beige von Sinjar (Erof. Th. IX. ©7539), fich aus ber unalihen
FAache einfam emporbeben. Dur vie und genauer, woenigfiet ir
rem Durchbruche nad, zur Erfennmiß gekommene Ga taratten
Kette des Taurus, welde Ains worth in feiner dreifachen Sie
rung faft gänzlich außer Acht gelaffen_zu haben ſcheint, weil fe im
Innern Naturwildniß nad ihm wirllich unbekannt gebfiehen met,
!nnen wir jedoch eben in viefer nichts anderes als bie waßtt
Bertnüpfung ber Sübkette des fürlichen Zaurusfgieut auf
der Weftfeite des Euphrat mit ver auf ver DOffeite wide
wahrnehmen, weil die Weituferhöhen ganz gleichartig wow Die
hðdhen des Stromes .entiprechen. Unſerm Dafürhalten and fh
alfo dieſer Taurus, auf dem Oftufer des Cuphrat gelegen, im Neh⸗
rab Dagh (zwiſchen Gerger, ber Tigrisquelle und Diarbeik) gge
Sudoſten, zwar im Karadſha Dagh auf den Güpufer we 2
grid durch ven Maftuszug bis Jeztreh el Omar fort, aber if
nur als füpliche Workette Die eigentlihe Sauſptkette im
Sud⸗ Taurusſyſtems iſt der mehr nordliche Zug zuuiigun m |
Sütufer des Murad und den Quellhoͤhen aller obern
im Nord der. Diarbekr⸗Ebene, neldyer in R. von Eait- Die
farefin (f. 06.6. 93), Tigtanocerta, Sort un WU;
zum Kolb Dagb, Darkuſh Dagh, Kharzan Dagt, vuieb
ũchen Niphates bildet, ober das Duellgebirge ber Kigeiuiiten
von der Gauptquelle des Tigris bie nad Big pgfrk
Im den folgenden Angaben Aindwortg6 Ale. zu urayb
arten behalten wir befien oben angegehne Gehirgäbenennungen- bi
um, ba jede Eontrolle verfelben von Seite graanahllnız Sm
wer RR jent nad ahanltı Wirt, Icher Loralverwechiung zu Gegeguen.
Eudphrotſyen; ebiegänrikri dos Kaurus. OS
Aile Centralkette ves Tauriis ) (va Eagle
Kameud) ‚jeigt einen Km won Granit, Gnruß,/ lines
ficchlefer, verbuncen mit Kalkkeln, Dorlven EGranſtein, wie
in Macken Gomäfh) und Diallagegeftein Cie im Bumbu
agb); biefen Kern umgeben Seitenformastenen von Nallagegeſtein,
Gerpentin, Actynolit, Talk» und Thon⸗Echtefern, mit anfiegenbeie
Sanv⸗ umd Kaleſtein. Gier Anm moi Die ver Gragruben,
melde vie meiſte Oetalllenntuiß darbleten.
Die Geblrgbärten von Mauden Kayuer. )- bei; Aeghana,
ame bie Kupfergruben fie nach' Ainsworth: 1) Meionoke
wit Quarz, mit Gernblenne, Diallage, Serpenuine, Cuphonte u. a.
He firto alle magneſlahaltig, Die Horublende AR IemeRAfh; ber Quarz
"wo@bartig, bie Diallage adbeariig. Damit kommen taffige Schie-
fer, Steatite u. ſ. mw. ver. 3a tem Grubenberge Nagharat
&. 5. ver Höhlenbers; bei Answorth), dieſer Kichfetminen
"BA ürghana, ſind abe 14 Stoll (Gaterien) I den Berg ges
leben, um das Kupfererz gu gewinnen, das gewonnene —
"Rein fe 2,250,000 Manns, d. i. 150;000FPfund, betragen, davon
"beim Echmelzen 25 bis 36 Procent veristeh gehn, und doch geben
4721 Mound (118 Pfo.), alfe etwa ein Gmetker, Erg hier In
der Hütte an 154 -Mounb ober eiwas Aber-40 Po. Mipfermetefl,
Aus vemſelben Geſtein beſtehen wie norbweſtlichen Berge des Rzarah
Bagh um den Boljik⸗See und die Waſſerſcheidehbhe des Bevch
DBoynun. Die imllegende fruchtbare Ebene bat Kalffisinberge, ver
Fals auf dem die Statt Khardut Arht, iſt Gornblenbgeftein, Takt
hiefer, taliger Quarzfels und trägt far hortzontale Schichten von
Ealtſtein. Mi Ahnlicher Beſchaffenheit gegen N.W. ſteigen um
Kjeban Maaden 2) ewa 1000 Fuß hohe Werke über viefer
Dörr anf, die von SB. gegen RD. zichen, aus zweäletlei Kall⸗
feluarien beſtehend, die auf Glimmerſchlefer aufllegen, und ſich auch
BRE auf rind Biertelſtunde von ber Stadt ſenes Rament hingichen.
Auf ver Beruͤhrungẽegrenge ver Kallſteine mit ven Glmmerſchiefern
konnnen vie beſten Ninen des dortihzen Erzgebitges ver. Die Stabt
TWetgi 66. ©. 801) If anf Granit gebaut, ver auch bei den Erz⸗
Gruben uotfomiht, und fi hinabwärts bis zum Euphratufer forte
zieht, wo er batın and nordwärts jenfeit beB Stromes in bie dor⸗
tigen Maffenberge auffeigt. Rabe „Kebben Maaden, rmal gegen
260) Ainsworth, Researches in —8 etc: p. I0. ) ebend.
p. a. ?)ebend. p
Ritter Erdlunde X, Rum
— — *
von jenen), nimmt ven Fuß des Berges ein Arabgir,. im, Un
horizoutal Ahereinanägt gp
lagerte 3 bis 10 Fuß maͤchtige Bänke aa ee 22
'
Mi Wehn Aſien⸗ M. Abchellung. I. feier, 4.31.
Gh, treten ſehr mancherlei Founationen hervor; das Grauro·
Rein Quarz, Feloſpat und Glimmer; auch Velnfpate und Gem)
fels wib Chloritſchiefer uͤberdeckt, wozwiſchen Feloſpatgaͤnge chaſchen
Die Silber minen ( Maaden Gomüfh): ſollen einen Gewin
‚gehen von 195,000 Mounkk, d. i. 15400 Pfo. Blei, 400 Di,
F. i. 1000 Ba. Silber; vad 1060 Mound, d. 1. 130 Bfo. Gekml
Die ofen Berge im Norden van Kirban Maaden am weite
_ Sratufer, im Kirtfu-Digriet, 2) beſtehen an: Dee: Bafls u
Granit mit. gufgdagdiem Guenß und Ehlo vitſchiefer, au ie
Rorafeite mit Kallſtein. Auf dieſe erſte Granitketie folgt de Cal⸗
turebene non Madali, jonſeit perfeiben zeigen fig Kal kſteis⸗
‚oa Bafſaltgangon durchhrochen. Bei Kart ſthhu ſelbß, 210 E
„üb. d. DM, iſt alles Kalten; das Thal, ichs. tief von Maſſerade⸗
durchriſſen, wird in NW, von Bergen begrenzt, fie. aus wehlle
den ‚Lagen. von, Kreide und augitiſchem Feloſpatgeſtein befche
Noch weiter nat. werden Dolpite und Gpilitesfelfen seeier
ſchend, fie achmen bie Hoͤhe des Fafellandes ein, das bie zum
BE Dagh in NW. ſich forizleht. Achnliche Verhindungen we
Nieverfäjlägen (Kreide) und plntouifihem. Geſtein CDolsit) yign
* auf dem derugen Oſtufer des Frat. Die Kreide wird im Sp
von Kietihu durch Kalkſt⸗in wicht; aber ein tiefes Thel Ihe
Kar Pe dieſe Berge vom Gdi Dagh (v. h. SopBerg), eines jehen
‚tft coniſchen Berge, deſſen Gipfel. ſehr hoch aus - augitijien
Beth [heisehrin be beſteht, aus Bafalten und. Augitfei; Krrtadage,
‚aber in. fehr alterirtem Zuſtande (wol durch bie, Eusporhebunge
‚Aal des Brot, zeigt am Fuß der Berge Glimmerſchiefer —
Vdhe mächtige Kreidelager, die mit Augit⸗Feldſpat wechſein; =
gegen Nordoſt fleigen in ven nächflen Ketten wilde
‚empor;: gegen Nord biefelben Geſteine mit fa fenkrecht „up
richteten Schichten zu hoͤchſt -plttoreßlen Geſtalten. Der Fre
Fluß ſcheidet dife Berge. von dem noͤrdlicher gelagentau, ‚Feh
Ayeli⸗Dagh, zu dem fehr zeguläse,
gen, deren oberſte Schichten mit Kreidebãnlen euben „bie fehg. -
nigfache Veränderungen erlitten. ‚haben. Der on m
a Geſtein, ſteigt in2 geſchiednen Glpfeln ee
W. iſt OD. If abgerundet, ber in RD. hat oben einen
STE
u en rn x3
res) Anm Ainsworth 1. c. 279. In J Ad
Rv 4 Henke. zuih:
N
= 4m. m ı Ih Mi ii Ra Er I a m .
ii % ı R
—
— —
Cube; Gebirhearten des Zaurus. 915
Gipfel; der ‚ganze Berg IR wie feine Sipfel in viele Spalten
und Klippen zerriffen. “Daffelbe Geſtein fett mehrere Miles. gegen
RW, zum Berastik⸗Thale fort, wo wieder Kalt auftritt, ver mit
ſeinem Bitumengehalt wol zur obern Kreibeformation' gehören mag.
Weiterhin wird er wieder mit augitifchen Feldſpatmaſſen üͤberdeckt,
und fietgt fo bis zum hoͤchſten Bipfel im Norden des Verastik
Thales zu 4050 Fuß empor. Weiter nordwaͤrts tritt wieder bie
felbe obere Kalkfteinformation hervor; ver Diftriet iſt durch das
Thal von Karfi mit einem Bergmaffer von einem nörblichern
niedern Vergzuge geſchieden, ver bie Hochebene von Diyrigt
im ‚Süden begrenzt.und von SB. gegen N.O. zieht. Dies iſt ein
Kalffteingeblet, von: Bafaltgängen durchzogen. Der geringe Fluß,
walcher die Ebene von Divrigi gegen NO. vurchkrömt: und zum:
Keumar fu (f.. 0b. S. 795) fält, Heißt Ekmah Tſhai; *) er
fließt zwiſchen dem Erumbat Dogh an feinem Südufer, und dem
Dumbu Dagh (Dumbugh) an feinem Norbufer Din, und Bricht
zwifchen nen Klippen des Caſtells (ſ. 06: S. 797) hindurch. Die
feß Thal erfihien Ainsworth wegen: des bortigen Magnete
eif eu feine, der in Blöcken darüber zerftreut Tiegt, beſonders merße
würtig; er ſagt, daß große Maſſen gediegenes @ifen (native
iron) ſich wort befänden, deren er ‚einige. von 3 Fuß Länge and
233 Sup Diele wahrnahm; wahrſcheinlich jene von Ebn Batuta,
Mitte des 14. Jahrhunderts, von einer ſonſt unbefannten armenifchen:
Stadt Birki (vielleicht Tephrili ?) genannten, vom Himmel ges
fallenen Steine, 5) die der bortige Landesfürſt dem Relſenden
als. ein Wunder. zeigte. Der auf feinen Befehl Herbeigebrachte Stein
wer ſchwarz, nicht, glängenb und ungemein hart, hatte wol über
ein Talent an Gewicht; vier Steinmetzen, mit ihren eifernen Hammer⸗
ſchlaͤgen von größter Gewalt, konnten dem Steine nicht das geringfle
anbaben, worüber der geehrte Ebn Batuta nicht wenig erſtaunte.
Weiter gegen N.W. folgen Kalkſteine, Serpentine, Oranite;
viefe Ichteren bilden 2 gefonverte Berge, bie von S.O. gegen N. W.
ziehen, und Mrriörunde Precipice bilden, gegen Nord abflürzend zum
Diorigi- Fluß. Hier wird der Granit ſyenitiſch. Eine Brüde führt
über ven Strom zum Dorfe Selioki, 3145 FJ. üb. d. M. (ie
Kal Maaden, auf v. Molttei Karte), dem gegen N.W. gewaltige.
Gypslager folgen, mit verſchwindenden Baͤchen, bis zum Thale
*) Ainsworth 1. c. p. 2. *) Ebn Batota b. 8. Lee.
. Lond. 1829. 4. p72. ’ en
| Dumm 2
916: Weibltfin TEL Bestellung. 1, Möfrehe. |.41.
von Siman und jenfeit bis Unrbaflen, über: 5 Stunken weit Se
—* ven. Gyrtberge ſteigen bit 3988 Buß (4260 ©. engl), de
. Hifi Mappe mod 281 Feb Höer af, alfo Sie 1200 EM
In zen: mnligen Kara bela Bergem erheben ſAch Die Gerpeniim,
din lohleuſauren Aalkſchiefer, mit Guͤngen von Cuphotiten une Dykie
lichen, über 6000 Fuß hoch empor. Bon ver Lanbeimatus wer
noto weſtwãrts jenfelt des Eupheat - Stromgehieis wird: bei Ass
Minor. vie Mde fein.
Steigen wir ‚non jenem taurifgen Grzgebirge ww
Arghanſa uns ven benachbarten Kupfergruben am Xigris ahtalait
Ks Diyarbekr, fo herrfchen hier viefelben augitiſchen Kell
ſpatgeſteine ©) vor wie dert, und über Der großen Birne Diyan
heixs firigt gegen Suͤden ver Kara oder Carad ſha Dag hli c
aͤhnlicher Structur empor. Nur Hägelreiben von verh aͤrtein
Kreide trennen jenes Erzgebirge von ber fühl anklegenben Piche
vor viefen Gebtrgöbllnungen wird weiter unten Beim oben Tigib
laufe vie Mede fein. Hier kehren wir zur Süpfelte der Zauııl
katte, zwiſchen Cilicien Bis zur Gatapıctn- Kette oberhalb Ge»
“
De ellieifche Ta uns, ? Nie Wißen —
zuolächen: Cuphtatgeblet und den cilitiſchen Küftenflüffen, im enge
ae Tarfus, beſteht meiſt aus Kalkſtein mit Gimme .
(Cipollino), vom. harten, koͤrnigen Areinchäuten uns din wein
Meannigfeltigfeit tertiären Ablagerungen, Begleitet, Die Siam
Ramadan Oghlu zwiſchen dem Vaß Kuld Boghaz uub mb
ſiriet Sis, d. i. vie ciliciſchen Bälle, beſtehen aus: tertidvesa Bub -
fin: Zu Sis folgen: auf Kallſtein und Ahonſchiefer, kat Zum |
Sis, Sirpentiae und Talkfchiefer. Auf ber Plain. treten Melle
Kpeivefellen einpor, mit Caſtellen gekrͤnt, wie Sie, Wuuzanld,
Zum, Shah Meran u. a. Der Ourdun Dagp beſtche ñ
Shlrmen und Gpigen von Glunmerſchiefer, Duarafeis,. Dust
@tefer mit: anliegesten Schicheen von Xfonfchtefer, Zattfiie,
Cbloritſchiefer, Gornblendegeſtein, Gornbienbeichiefer, uliieis uch
Sandſtein. Dee Agda Dag h über. Mareih bricht uk Din
a;
und Serpentinen, mit Kreivehänten und Sandſtein
erſt, oſtwaͤrts des Aifu = Bufluffes. zum. Dibihum;, tratem. mu
das hydrographiſche Gebiet bed Eupbraig im -
rubketten zurück Sie, im fubalpinen Gebiete fen Tansnt
200 J
Alan 10.20 ') ehend. 9. 8: FR
2 .Kuphratſyſtom; Cluna und Vegetation, :917
an wu Ebenen von Syrien treten im Thale Deals, wie
‚Hei Marafh, fo nuch weiter fübmärts gegen ben Enphres zu. Hin-
tab, dis angitifchen Feldſpatgeſteine hervor; fo auch auf her
Waſſerſcheidehbhe zwiſchen Atſu (zum Pyramus) und Karaſu (jum
‚Gupbrat), nordwärts von Alntab zu Ufa Jaklay (Mfob-
ſhakly auf v. Moltke's Karte), una im Thale Bekir Kara fu,
wie ſüdwaͤris von Aintab zu Killit; ja daſſelbe Geſtein ſett
auch zwifchen Rumkaleh bis Samoſat, in ver Aiefe, von elamm
Ufer des Cuphrat zum andern hinüber. Alles andre Rand iſt, wo
dieſe Bebirgäart nicht hervortziit, mit Rreipebänten und Sand⸗
ſteinſchichten überdeckt. Auch oſtwärts des Cuphrat ſetzt
dieſelbe Beſchaffenheit der Gebirgkarien durch das ganze welte
Gebiet des ſubalpinen Gehirgslandes oder der Vorſtufe bis zur we⸗
ſopotamiſchen Niederung fort. Daſſelbe augitifche Felbſpét⸗
geftrin 9) ſtoßt zwiſchen Gampfat und Uefa oder Orfa (f. ob.
©. 243) in jenen iſolirten mäßighohen Kegeln aus. der allgemeinen
Niederung hervor; feine Trümmer haben jene Reinigen Wäſten
in Nordoſt von Urfa mit ihren zahllofen ſchwarzen, Iafelwdiien
Bldden überſtreut; fie bilden auch In S.O. von Bir und in ©.
yon Urfa, noch zu Serupfh (Seruj, dem alten Earug ober
‚Anthemysia, f. 05. ©. 118, nahe bei Carrhae, ſ. #5. ©. 138),
die ver Euphratbiegung ausweichenden leiten niedern ‚Gägel, iudeß
Fr norowärts, gegen ven Karadſha Daghli und gegen Diharbekr,
ſich zu großern Zůgelreihen erheben. Alles übrige Eu deckt u)
Bier die mächtige Kreideformatiom
Von ſolchen geognoftiſchen Verhaltniſſen Aft nan Ye gas
Gonfiguration des Cuphrat⸗Thales in fine Duschen,
non Samofat über Rumlalah, Bir, ahwärts HE Bells und
‚Sbapfacu, abhängig grmerden, mis TU we | unten and har
Epetialbeſchreibung ergeben wird.
| 9 Clima und Begetationsverhältniffe. 7
Zu deu fragmentariichen Bemerfungen, vie. fon im Qubigem
gelegenilich über das Clima her durchwanderten armeniſchen und
tauriſchen Landſchaften mitgetheilt ſind (ſ. ob. S. 600, 664, 678,
660, 692, 696, 697, 700, 729, 750, 772, 795, 819, BSA u. a. 0.)
fügen * noch folgende Angaben Alnoworthe Hinzu, welche
ns großen Temperatussontraße und die Crtrem⸗ vonKalt⸗
°) Ainsworih l. C pi .: .) cbend. B- PS Ni.
. \
906 BER. II. Abteilung. I. Abſchnitt. .4Al.
Fuß Bar. über em Rem.
m Alpengebirg Kurdiſtans, Pi von
- Rowandiz in N.D. von Moful . . 9,916 n. Ainsweril.
38) Jawur Dagh über Julamerk, ebend.
(@@ägung) . - . . . 12,000 bis 13,000 u. Monti
u. Andworth
Aus biefen. odhenangaben ergibt es ſich, wie die Rieſenhöhe
der Taurusketten bis zu 10,000 Fuß und vielleicht mehr mu
erſt mit der Oſtſeite des Frat- und Murad» Vereines um ven
eigentlichen Xigriöquellen beginnt; wie fie mit dem Ararat um
allein Montblancs Höhe überfleigt, in der Gruppe der Allaghe;
und Samwur im Norben des Araxes und am obern Zab nur ie
Höhe der höchften Berner Alpen erreicht, im Sipan und Riem:
rud Dagh um den Ban-Gee, im Kop Dagh der Rorp-Tan
ruskette, im Bingheul und Dujik ver mittlern, im Alam
Kharzan Dagh der ſüdlichen Tauruskette nur etwa bis ja
10,000 8. fidy erhebt, und alle andern. Blieverungen verfelben is
untergeorpneter Höhe zuruckbleiben. Nicht ſowol die übermäfige
Höhe, als vielmehr die Steilheit, Nacktheit, Zerriffenheit ver Ketten
und ihre vielfachen Verzweigunng, vorzüglich aber die zwiſchen if
sen Parallelzügen auffteigenden hohen und weitverbreitetn Sta⸗
fen» und verhältnifmäßigen Blatenuländer machen das Gigen-
thümliche des Taurusfyftems aus, welches durch Das Bor:
Herrfchen Hoher Tafellanpfhaften gegen das benadberk
Kaukaſusſyſtem einen ganz verſchiedenartigen Character hat
Das audgevehnte Plateau von Erzerum in Hod- Armenien
bildet in fofern ven Kern der Maffenanhäufung, 5000 Fuj
hoch, und eben fo dad Plateau: Aderbidſhans am Bau- Er;
das Araresplateau, vie norddoſtliche Vorſtufe 2700 is 2800;
im Wet des Frat die Blateauflähe von Divrigi 2900; had
Plateau der Muſh⸗Ebene, am Murad 3500; Die Arahgir-
Stufe 3300; die ſüdlich daran ſtoßende Abflufung der Kirtfhr-
Ebene oberhalb des Euphratvereins 2500; das Tafelland Meſſre
um Kharput 3400; die Hochebene von Malaria am Tolmafs
2600 ; die Thalebene von Samofat 1000; die bei Birenfpit m
Euphrat ſchon ımter 600 %. Eben fo abfiufenn am Tigris we
Plateauftufe von Diyarbetr 2350; die Ebene von Rifl-
bin 1220, am Ehaboras oder Mygbontus; wie Tigrisfufe aber
Kalb Iezire al Omar 1500: das Tigris thal SE Zezire
850; das Bloq Vd Reiagsrunieon a Ruta sa. |
n
u.
ECuphratſhſtem; Walber Tm: Taurus; " 9EG:
im Berglande norwärts Mard in iR etniget Sehetndoch nicht
tl Ueberfluß. Alles zwiſchen jenen genannten waldreichern Am⸗
gebungen mitten Inne llegende armentfche Hochland, wie die Taurus⸗
gifel, ſind waldlod. Dem tauriſchen Erzgebirg um Kjeban Maa⸗
ver: und Maaden Kapur fehlt das Brennholz gänzlich; der Gut
SDash, vie Kirtſhu⸗Cbene find ganz nackt. Dagegen iſt wer ci
olfige Taurus, näher am Deere, wieder gut bewaldet, wie: Die:
Berge det Amanus, von Rhofius, ber Eaflus, eben ſo ver Rama!
ban Oghlu und der Durdun Dagh.
Die meiſten Wälder des Taurus beſtehen aus Pinus und IJ
—XR Pinus pinea bildet die Walbungen des Kara bel
iu N. W., auf der Grenzo Armenieus und von Asia minor; Pinus:
haleppensis die. Wälder des Amanus und Durdun Dagh, in S. W.
gegen den cilicifehen Taurus; aber auch vie Eichenazten: Quer
. aus. cerris, pedunculata, sessiflora, Jlex suber, aegilops, conifere
und infectpria. Die zahme Caſtanie (Castania vesca), di⸗
Mime, Ornus europaea, rotundifalia, die Erle, Alnus cordifolle,;
pie Haſel ſta ude, Corylus coturna, ver Ahorn, Acer pseudo-.'
päatanus, bie Eſche, Fraxinus parvifolia, lentiscifolia, Cicer
monsspessulanus u. a. ſchließen ſich auch In Waldungen an. Aber -
vereinzelt. nur ſchließen ſich ven Vorwäldern an: Ceratonia si-
liqea (f. 06. ©. 697), Cercis silliquastrem, Mespylus pyracantha,
Premas laurocerasus. An den Ufern der Bäche und Fläffe tritt,
wie uͤberall in ner Levante bis Griechenland, auch bier Ihe Tchönfter
Schmuck in. Tamarisken und zumal In reihhlühenden Olean dern
(Neriam oleander) und weitfchattigen Platanen, Platanus orien«
talis (ſ. 05. 696), zumal biejer, an ben Quellen hervor, wo *
ewig Alnus eordifolia einfindet.
x: Zum niedern Buſchwerk gehören bier als ceracieriſuſch ·
Gewäce: die immergränende Cypreſſe, Cupressus' semper-
virens, bie immergrünen Wachholber, Juniperus phoenicea un
; ber liebliche Myrthenſtrauch, Myrtus communis;
vie Piſtacie, Pist. terebinthus, bie Geniften, Genista scopar
ria und tincteria, Vibarmım minus, fer Arbutas unedo, Hex aqus
folia, Ostrya vulgaris, Daphne pontica und sericen; ber immer⸗
grüne Burbaum, Buxus semperrirens, Elacagaus spinosa,
Bryonia cretica, Dianthus arboreus, Clematis orientalis vitalbe,
Cistus incanus, JAsminum fruticans, Lonycera pereclimeniim,
Rhamnus alaternus und paliurus und Poterium spinosum. -
Andere ſcheinbar verwandte Bebüfche werbreiten ſich jebod nicht,
208 Weht⸗diſten. M. Bibtheilung. E Abfämi. 1.41.
ungern Stufen zurückgeblicbener Alpen-Geen, vie wieeiht in
nen jegt troden liegenden Baſſins einft ſtanden, aber bei fo vida
eigen Grobeben-rfrütterungen dieſer Gegenden durch Die Eingipaleen
Keen Ablauf erhalten mochten, wirven dieſem Gebiete noch gri⸗
here Mannigfaltigkeit der Erfcheinungen und neue Neize für nei
Maleriſche ver Landſchaft wie für vie Anſiedelung dargeboten haben,
zumal ‚würden die ſüdlichen Stufen in ben lieblichfien Climeten be
durch die größten Meige erlangt Haben, während gegemmärtig uk
hochſten Wlateaufufen in ben fältern waldloſen Regionen nur zog
" durch wenige einzelne, aber colofiale Seen geihmüdt ericheinen. Be
meiſten Gebirgopäſſe liegen zwifchen den mäßigen abfoluten 6%
. hen: von 3000 bis 5000 Buß; wenige fleigen höher -auf; dad Bis
zimum der Einfentungen der Bergrüden ift pur vie Befakımkn
bebung der vorherrſchenden Plateaubildung limitiert; dvoch fehle
noch zu viele ſpecielle Meffungen, um ihr wahres Berhältuig pe
Gefammterhebung der Baſis, wie zur Partieularerhebung ver Kelle
vom. Gtpfel und Joche, genauer im Bergleich mit andern Alx⸗
komm. und bochgebirgeldndern zu beſtimmen.
Die Päſ ſe im Norden des Arares über bie Ketten des adr⸗
Tichen Taurusipftemes hinab zum Tiefthale des Kur, zu 5000, 6000
und 7000 Fuß auffteigend (f. oben S. 370), find abſolut höher «B
die ſüdwärts des fünlichen Taurusſyſtems zum Cuphrat hinabge
henden; der vom Murad über ven Koſhm Dagh zum öſtlichſes
Tigrisarme, unter den gemeſſenen, iſt noch der hochſte von allen, ab I
doch nur 6379 Buß üb. d. M.; ver Matineh⸗Vaß im N. ww
Amadia zum Kurbengebirge von Halkari nur 5379; der vom Re
radzufluß Karafu am Baſhkhan voräber zum Thal von Bitlu
5339. In ähnlicher Höhe, die durchaus nicht den «hoben Schwch⸗
Aipenpäffen vergleichbar ft, bleiben alle die andern gemeffenn
Taurus päſſe zukäd, wie ver Deveh Boyunu zwiſchen Ara U
und Frat 5637; der Deveh Boyunu zwifhen Murad, Xigl
und Kuphrat am Goljik⸗See 3984; ver Paß von Rarasel SU Hi
im N.W. von Divrigi; ver Paß Derbent am Delifiy Tufl U
wel ſchwerlich 5000. |
Die Paͤſſe der vordern Zaurugkeiten ſinken noch Ude
herab, wis der Crkenoek⸗Paß 3592, ver Bamiygayen-Baf
2905, ver Behesni⸗Paß 2196, Naeh rechmet Ainswerih
Deu Eure won ‚Eiaientungen der Rücken und mitileuen Ech
lee... bungen vd Inneren Lavnradarralunurn, ii Hat sicht Ahr
|
\
uam. ua ——T
| m —
yr
Euphrarfuftem; OrBicgsarten. 909 Ä
eigentliche Hauptketten zu führen ſcheinen, bie Pforten ©) von
Kichban Maaden ode Maaden Gomüſh (Sübergrube bei
Arghaua) auf 4741, von Khutel 3170, won Ghul Dagh im
RB. von Kiebban Maaden 4511, von Ayeli im N. von Arab
gir 5301, von Selisft 3988 u. a. m. Ä
Den Uebergang vom. Bergland in dad vorliegende Nieder
land Mefopotamiens bildet jene niedere Plateauftufe,' die
unter faft gleichem Breitenparallel (von etwa 37° N.Br.) in ven
Weitungen ver Flußthäler bei Samofat zu etwa 1000, bei
Rifibis zu 1220, oberhalb Jezire al Omar zu 1400 Fuß ab⸗
foluter Höhe berabfinkt, über deren Flächen die Uferberge mit
Plateaurüden nur etwa noch 400 bis 600 Fuß emporfleigen:
Zum eigentlichen Niederlande Mefopyotamiens finkt das Eu⸗
phratthal, durch den clicichen Taurus und Amanus vom mite
tellännifchen Deere zurücdigeichsedt, nach dem Engthale bei Bir,
589 F. üb. d. M., erſt mit ver Oftwendung bei Thapfacus
herab, und dd8 Zigristhal erft unterhalb Jezire al Omar,
842 J. ũb. vJ. M, mit dem Blachfelde bei Moful, 330 F. ũb. d. M.
2) Gebirgsarten, geognoſtiſche Verhältniſſe.
Das Streichen ver Taurusdkette des fünlihen Taurus»
foRems von ED. gegenN.W. iſt nur die gleichartige Fort⸗
fegung biefed großartigen normalen Streichens in der Entwicke⸗
kung des ganzen Syſtems, von bem fündfllichen Perſien an bit
zur fübweRlichen lyciſchen Spige von Asia minor. Mit ver Süd⸗
wendung des @uphrat bei Bir beginnen weiter weſtwärts bie ge⸗
gen Süd flreichennen niedern Amanus⸗Ketten dem Taurusſy⸗
fleme ſich anzuſchaaren, und bieten fo die Erſcheinung einer gro⸗
Ben Bebirgdcurve dar, welche Cuphrat und Tigris, wie Pfeile
den Bogen, beide gegen ven Süden, durchbrechen müflen, um in bie
Niederung vorbringen zu Eönnen. Diefe Curve zieht fih in
S. W. und N.W. vom Giaur Dagh über Marafh als Waſſer⸗
ſcheide ver Zuflüſſe zum ciliciſchen Oſhihun (Pyramus), nämlich
hier des Alfu. und der Cuphratzuflüfſe, über die Gebirgopaäßfſe
von Behesni, Erkenek und Kakhtah, dann oberhalb Samo⸗
fat bei Gerger als Cataractenkette auf das Oftufer des Eu⸗
phrat hinüber, und von da, im Süden von Diarbefr, an der rech⸗
ten. Uferfeite .ves Zigrie ſüdoſtwirts über den Sua De
®*) Ainsworth, Reiearohen on Assyria etc, | DR \ A
910 WelsAfien, II. Abtheilung. L Abſchnitt. 5.41.
Mafins der Alten, nämlich Über Die Kette von Marpin uber en
Karadſſha Dagh, über ven Jebel Tur nöͤrdlich von Nike 6
zu den Bergen von Jezire al Omar,.um in ven Jebel Judi
(ver Buhtan⸗Kette), auf dem Oftufer des Tigris, von neum
zu Kurdiſtans Hochgebirgen emporzufleigen.
- Go:entfichen durch dieſes Gebitgsverhaͤltniß auf diefer Grenze
nes Hochlandes im Norden und des Niederlandes im Gi—⸗
den dreierlei Naturabtheilungen, vie nicht blos hypſo⸗
metrifch, fondern auch geognoſtiſch und .climatifg eb ſe
verfchievenartige Zonen bilden. Die nördliche des Hochland
iſt die Bone des Urgebirgeö ober, ber Hebungstheorie gemäß,
wie fie Aindworth bezeichnet, die Zone der plutonifchen u
‚metamorpbifchen Bebirgsarten; vie mittlere, die Zone ber
Flidzbildung, mit vorherrfchenven Kalkfleinmaffen, mit dem Al⸗
Iuvium, wo trodner Thon und Sandebenen mit „Klippenfibun
"und nieveren Plattformen vorherrſchen. Characteriſtiſch IR ed ie
geognoſtiſcher Hinficht nach Taylor Thomſons 9) DBemerkum,
daß ſowol Hier im Amanus und Taurus, wie in ‘dülen andern ven
ihm weiter oſtwärts in Kurdiſtan und ben perfifchen Ayenninm
(d. i. Bakhtiyari und Guriftan) beobachteten Gebirgen, vie Re
der Gecundairgebirge fehlt; daß alfo ver völlige Mangel
jedes Blieved von Ucbergangdgebirge zmwifchen Lirgebing ums
jüngern Kalffteinformationen bier fehlen, eine ber mertwürbigfen Es
feheinungen in der Bildung ver Erbrinde im Gegenfage mit de
geognoflifchen Gonfiruction Mitteleuropas, die ſich mach deſſelbe
Beobachters Erfahrung. auch am Demavend, zer nöordlichen Im
rudkette im kaspiſchen Berfien (f. Erdk. VIIL ©. 568), zu wie
holen ſcheint. Die ſüdliche Zone der Niederung iſt nun vie bei
mit aufgefhwemmtem Lande im weiten Blachfelde
In. der erfien Zone 8) tritt das hohe Gebirgsland mit im
walplofen, aber weinereichen, alpinen Tafelflähen uwmub
ten Gebirgögipfeln hervor, die bis gegen die Schneegrenzemb
chen, zwifchen deren Einfenkungen in ven geſchühten Bebirgächäies
jedoch Wald, Obſtgätten, Weinberge, Kornbau ischih ge
deihen. In der zweiten Zone auch noch nadte Gipfel von ge
singerer Höbe, weniger Alpenweide, in den heißeren Thalern ehr
on Jura. of the Boy. G. Bor. A Lond. 8. 1838. Vol. VOLI.
\ “.. Kinzuarla, Wenerrches in Aszyria, Babyie
a, Chaldaeı etc. u u
Eirphearfäften; das Thal abwaris von Sarich. 948
flufen Aufgebaut, bie erft An der Seite einer Selömä N12 Yang
Bis zu 400 bis 500 Fuß außgchanen ſind. ‚Ein Pfad HE’ von
Stufe zu Stufe zweckmaäßig hinaufgeleltet, auf veren 'oberflet Mad
tequhdhe man vie Plaine Dib bin erreicht, auf“ welter Armenier
Weinbau treiben und guten‘ Wein gewinnen. Mehrerr his
ſenkungen, dein Euphratthale patallel ſtreich end, nut’pöher Mei
mieberholen fich bis zu einem ſolchen, der Lage vom Rumkalah ge
genüber, auf der Oflfeite des Euphrats, 17) wohin man Bi”
Station Apamen bei Iſtidor Charac. am Zeugma, obwol irrig, je
zu verlegen pflegte, 100 gegenwärtig auch nicht die geringfte Spir
einer Altern Anlage mehr fichthar war. \ u
Nimmt man von Samofat aus, von den mit gieslheveikten
Kreivehügeln deſſelben Jemſeme's, mit Ninsworths z weltet
Wanderung daſelbſt, 13. Juni 1839, einen ſedoch Immer auf Yen
‚ Tinten Eupfratufer gelegenen mehr fünlihen Weg, nicht ſo
vicht am Cuphrat felbſt entlang, ſondern mehr Innerhalb ‘ver
Landſeite, fo pafjirt man Bald das Dorf Dafinjah, 18) und ge
langt am Abend des erften Tagemarfches zum Orte Datlaf h
Gallach auf v. Moltke's Karte), in eine ſehr fruchtbare und gut an⸗
gebaute Ebene, wo der Sitz eines Bayah⸗Beg war. Auf bem
Lege dahin flogen dem brittiſchen Reiſenden zahlreiche Schaaren
der Rofendroffel (Turdusroseus, ber Senfchredientödter, f. Exbk: .- |
xp. VII. ©. 804) entgegen. Der Ort Nailaſh If rund um einen
fünftlihen Tepe angebaut, das Feld gut bepflanzt, doch nöthigte
die Dürre des Bodens, alles Waffer zur Befruchtung aus Brunnen
Herauszuzichen. Die Lage unter 37° 23° N.Br., meinte Ainsworth,
müffe dem antiken Porfica (Ptol. V. 18 142) In Meſopotamia
entfprechen, das vlellelcht doch noch weftlicher zu ſuchen ſein möchte:
Der nächſte Tag (14. Juni 1839) führte landeln direci gegen
Bir, über die Hochebene voll Kalkſteinberge, mit Gteinhäufern in
Ruinen beſetzt, die vordem, nach ber Große der Quadern und ihrer
Dmammte zu urtheilen, zu ſtaͤttlichen Gebäuden gehört haben muß⸗
ten. Ste waren in drei Gruppen, , von viertel zu viertel Stunde
auseinander ſtehend, vertheilt. Die Emtralgruppe war die größte,
fle Hatte 2 Kicchen- Ruinen, die noch in gutem Gtänbe, ſolid ges
baut, nad) Art ver tappadociſch⸗ griechiſchen Ken in al Aseb,
N Ainsworth 1 Lcp . 56. | 18) Ainaworth‘, Travels and rescar-
ches etc. Vol. LILp .285; derfelbe im Journ. Roy. G. Soc. X. 8.
p. 883.
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— +
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“ Waffermangel war bie größte Dürte; die Ruinen früherer
12% Meſt⸗tfien IN. Abtheilung · L.Abſchaitt. .41.
mit khnen ‚Dunbbogen. uch doch von großen Giteintafeie. Eis
gehörten unſtreitig einfl Bier fo zahlreichen ſyriſchen Gemeinden an:
| Altar ſtand im Niveau mit dem Tußboden, und nik
eher erhöht, wie In den armmilden Kirchen, ober in dam
arie augebradit, wie in den griechiſchen Kischen. Neben bie
fen. Ruinen, bie. man dort Utſh Kiliſa, d. i. bie vr ei Kirchen,
nannte, in deren Nähe nur wenige Hülten armer Ära
fah man einige, feltfame ‚Höhlen In feſten Fels gehauen, in Konz
elner Biene, Die, Baſis 8 bis 12 &. im Diameter.; bie 12 bu
29.Suß und meht; der Eingang klein und rund, meiſt mit zei
großen Steinen überdeckt. Die Grotte If nach innen ut Mär
Übergogen; einige, nach Innen. eingefallen, dienen zu Diouchlerikäfke,
qudre find mit Futter und Stroh für Pferde gefült. Es. fol
einft Grabſtätten geweſen fein, Kirchen Uegen nicht fern; wett
bienten fie quch zu Rormkamınern, ober Waſſermagazinen Se m
berm Gegenden Soriens findet man allerdings viele Geabpläm
ieh Art, voch weniger forgfältig ausgearbeitet. _ “
. Im DBerfolg nes weitere Weges gegm S. W. traten ned m
vere Muinen auf. Eine einzige Mauer mit 2 Fenſtern wer ih,
wah von einer Kirche des naͤchſten Dorfes übrig geblichen. wur.
Der Kallboden hatte mitten Im Gonmer frinen Raſen läuft v
loren, und wer fo hart wie Stein geworken; allgemein bei Min
Wohnungen, an Trümmern von Kirchen und Klöfern, oft zu
größter Schönheit, erkennbar, hörten nicht auf. An vereimfemin
Felſen und jet troden Hegenden Quellen fand man at. Yen
Meſte der ſchoͤnſten Gewölbbogen. Hier mußte einſt der zeile Kuh
tusfig einer zahlreichen Heiligen Vevälferung geivefen fehg, ı
eigner Kaſtelung ober vor Verfolgung fi in dieſem Aſul =
Aehnliche Socalitäten hatte Alusworth In Syrien zu Reige ab
Edlib, oder zwiſchen den Belfen von Sheikh Bare ee
Berge St. Simeon gefehen, in denen die verfolgten Denon Mi
ſten der erſten Jahrhunderte ihre Zuflucht gefucht „Kasten... Si
zweifeln wir au einem fo hohen Alter dieſer chriſtlichen = Ra
Te ee DR
xmen LET, DIE zur EUR or
Fee Rumfalah reflbisten (f. ob. ©. 618, 615 0 4
fin mußten, unb aud im Gäuge een: |
Meifiäen Gerrfcher leben konnten· a jur > ———
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Euphratſhftemn; Samoſata. 928
RW‘ ver von Rumkalah auf feintar Wegt niich MefR
Bieſelbe rulnenreiche Gegend kteuzte, ja wol dieſelben Ruinun
chriſtlicher Kltihen fah, erkannte ſie füt a rin enlſiche, td fand
threr NEHE auch noch das nrmenifche Dorf Gibin wit einer ſche
arten Kteche und andere Nefte armenifcher Banwerke, Wie er fü
gewefene Mdfter hhirkt. Die arimenitfche Iechendauart gehe A
vort beſonders durch die 2 Fenſterreihen uͤbereinander aub von bed
die untere: ans laänglich viereckigen Fenſtern beſteht ar man: ih
Sommer wegen det Kühliing Affen läßt, im Winter aber ul be⸗
hauenen Quaderſteinen zuſtellt, da Hingegen die obere Weihe weit
Heinerer vierecklger Fenſter immer offen bleibt. Dazwiſchen mag. ef
“un Keſte ſyriſch⸗chriſtlicher Anſtebelungen geben. J
BE a die Oſtufer ded Euphtat norbwaͤrtd von Die, gegenäßes
won TEAWEETEB, Hieft: dieſabe Tnnbfehiftiiiher Rane mht: benz Keikite
merboden an. Nach. einem Witt von 9 Stunven Zeit; vol Plage won
Staub und Fliegen, durch diefeh wäle Blachfelv, von Dallaſh ar,
wurden bie Belte eine Stunbe nordwaͤrts von Bir in einent Gaͤrten
unter Maulbeerbaumen und Feigen dicht am Euphrat «ufteſchlagen,
und die Breite diefer Stelle auf 370 3° 45” N.Br. beſtimmt.
Keen wie nun nadj genauer erworbener Kenntniß bei: Cam
vphratlaufed und feiner Uferlandſchaften zu ven Ganptfläpten des
Siromes fett zuräd, zu Samofat, Rumkalah, Wir, und zu
them Berhaltniffen im ben ältern und neuern Zelten in dem nord⸗
ien Laune ber Belt- Paffagen.
4) Samofate, Gamiſat bei. Ebn Haukal, Saucſat⸗ bei
Edrifl, Samoddia der Acmenier, ) Shamfhad der
Syrer, Shamtiſhat Hei Bar Gebr. daher Shamſhath
bei Abulfeda, Sumaifat der Araber, Gimifat des
turriſchen Geographen, 22) Samoſat oder Samfat
det Curopãer.
Die Lage dieſer Stadt und was Strabo, als der einge ber
alien Autoren, von ihrer Brüde und dem Caſtell (Ypougeor)
ober dem Brüdenkopfe,Seleucia, deren beiderlei Bauten weder
von Plinius, Ptolemãus noch anderen genannt werben, zu ſagen ſcheint,
ER ſchon oben. angeführt (f. 06. ©.878). Plinius führt ſie nur alb
18) m, Vocod IL 6,231 u.f., 6.237. 20) St.Mar-
* Men oe p.198. 21) v. Hammer, ofat. Zürkel,
n - — —
Auvochebevx⸗
‚von jenen), nimmt ven Buß des Berges ein. Ayabgir, is np
horizontal
lagerte 3 bis 10 Fuß mächtige Bänke von Trappgeflein
‚
Hm Wehn Aſien TH. Abcheilung, I. Mbſchaitt. 4.21.
deln, treten ſehr mancherlei Formationen berwer;: das Gmunbge
Bela Quarz, Feloſpat und Glimmer; auch Jeloſpate und Garch
‚file, wit Chloritſchiefer iberdeckt, wozwiſchen Felaſpatgãnge einſchen
Die Silber minen Maaden Gomüſh) follen einen Gew
gehen von 195,000 Mounes, d. i. 18,000 Pf. Blei, 400 Dil,
». 1.1000 Ba. Silber, vnd 1950 Mound, d. 1. 130 Bf. Geld |
Die an Berge in Norden von Kieban Manden ame mweriken |
- Bratufer, im Kirtfhu-Dißrict, 3) beſtehen an der Bes ui
Granit mit. aufgelagertem Eneuß un Ahl o xitſchiefer, an in
Rorajche meit -Kalkfein. . Auf dicke erſte Gennitfette folgt Wie Gar
tuxebene von Madali, jonſeit erfelben zeigen fi Kalter,
‚von Ogfahtgängen nunkirokm. Bei Kirtfbu feibf, 212 E
üb d. M, iſt alles Ralkiken; dos Abal, ſehr tief vom Waſercha⸗
dyrchriffen, wird in MID, von. Bergen begrenzt, die aus wehfde
den Lagen non, Kreide. unb augitiſchem Feloſpatgeſtein Defhen
Noch weiter. närnlih werden Dplerite und Spilitesfelſen werfen
ſchend, Rie-nchum vie Höhe des Tafellaudes ein, das biu zum
‚Gdl Dagh in N.W. ſich forizieht. Aehnliche Verbindungtea wu
‚Nieverfälägen (Kreiver und pintonifihen. Geftein (Dolerii) vige
‚Sch auf dem bertigen Oſtufer des Frat. Die Kreide wird in A
den von Kiriſhu durch Kalkfiein erfeht; aber ein Hiefes Thel fer
det nach dieſe Berge vom Gdi Dagh (d.h. See⸗Berg) einen hen,
‚faft coniſchen Berge, deſſen Gipfel. fehe hoch aus a ugitijchen
‚Belnfpatgeftein beſteht, aus Bafalten und Augitfel& Krehdage
aber in. fehr alterirtem Zuſtande (wol: durch die
hal des Frat, zeigt am Fuß ber Berge Blinnmerjchlefer, auf ie
‚Döße mächtige Kreidelager, die mit Augit-Selbfpat wechfeln —*
gegen Nordoſt ſtelgen in den nachſten Ketten wilbe Kaltſteiſich⸗
empor; gegen Nord dieſelben Geſteine wit faſt ſenkrecht eumperge
richteten Schichten zu hoͤchſt pittoresken Geſtalten. Dex. Araba⸗
Sluß ſcheidet dieſe Berge von dem mörblier gelegenen, Sal
Ayeli⸗Dagh, zu dem ſehr zeguläre, übereinaubee gP
gen, Deren oberſte Ghichten.mit Kreidebaͤnken enden, die fehr mp
nigfache Veränderungen erlitten ‚haben. Der Ayeli ſelbſt,
Plutoniſchem Geſtein, fleigt in: 2 gefchiednen Gipfeln empor; der ie
e. . If abgerundet, ber In MO. fat oben einen Holen Bit
ar Ausworth \. c. us”
“ .
va * Sie N
Euren; Samefaieı.. 927
war Ansiohus, der 48te feiner Dynafie, deſſen Mutkr, Klevo⸗
vctra Selhene, eine aͤghptiſche Prinzeſſin, von Tigranes. in ſei⸗
wen Kriege gegen Syrien gefangen und ‚zu, Samofata ‚hingerichtet
ward (ſ. ob. ©.878).. Des Autlochu 6. große Schäge. und feine
Beftrchungen. waren eh, die Ihm von Auculkud wie von Monte
yrius. ne Beſtaätigung in. ſeinem kleinen Kdnigzeiche ‚und. bie
Buybedgensfienichaft mit Rom (Dio.Cass. XXXV. 2) verfrhafften. :
Marenaß Antoniya im Jahr 36. vor EChr. Geb, feinen Febbzug
gegen. vie Parther eröffnete, in welchem fein Feldhert Bemtipiup,. ‚ehe
nen glänzenden: Sieg über den ParthemRänig ‚Passt ns. (deiien
Wahergang über. den ‚Buphras .biedmgl ‚sieh weiter, abwärtB von
der Stabt Jeugma, & 1. von Bir, flattgefunden) davongetragen hatte,
uugrm die geichlagenen yarthifihen Soldaten zum Theil über die Cuphrat⸗
Säge (Dio Cass. Hist.Rom. XLIX Rain. 583,206, ed.Sturz.) zurüdges
flohen... zum Ihe aber. hatten fie ſich nach Samofata geflüchtet, -
ge nerfele König Antioch us, der von den Römern. abgefallen
wor, diefe Parther in Schutz nahm Ventidius rüdte daker, nun
ar veſſen Reſidenz Sam oſata, um Ihn zu. beflzafen, ‚doch elgenta
Sich um ber Schäge willen, bie er dem reichen Seleuciden Hier. ab⸗
zunehmen hoffie. Marc. Antonius, ſein neidiſcher Nebenbuhler
im Commando, verkrängte aber. bald den Ventidius und übernahm
ſelhſt die Belagerung von, Sampfata. ‚Das erſte Gebot des
Antiochus, ſich, wie Plutarch erzählt (Plat. im Marr. ‚Anto-
nins,34), durch 1000 Talente frei zu Taufen, warb ſtoiz verjchmaͤht;
da oe ſich nun ſehr tapfer, neriheinigte und. dadurch die Belagerung
in bie Länge zog, vie roͤmiſchen Truppen aber pen Muth verloren,
mnhte M. Untonius, der Insgeheim. Friedensunterhandlungen
apınünfen für. rathſam hielt, noch froh fein, durch ein, geringeres
Sdfegeld von: 300 Talenten die. Schanze. feines Abzugs, zu bemäne
teln. Samoſata muß. alfo hamals eine bedeutende Feſtung ge⸗
orten. fein, daß fie: ven ſiegreichen Legionen Widerſtand leiſten konnte,
und des große Reichthum ihres Königs, wie bie gerühmte große
Fruchtbarkeit des wenn ſchon nur Heinen Königreich® hatte ihr
Mianz verliehen als Konigsſtadt. Doch raͤchte fpäterhin Kaiſer
eh, ‚die begangene Untreue des Könige gegen die Nömer und
I4ß ihn unter dem Vorwande eined Brudermords im Jahr 29 vor
Chr. G. zu Rom Hinrichten. Doc erhielten ſich die Nachkommen
noch ein Jahrhundert hindurch im Geleuctvifchen väterlichen Erbe,
* x ok erkannte vl bangen Sohn det ae alg Ki
ı. . v Y
Br
g16: Wefekfien. TH Abceilung. 1. Abſchuitt. 4.41.
von Siman und jenfeit Bis Yarbaffan, über: 5 Stunden weit. Bi
Gipfel ver Gyptberge ſteigen bis 3988 Fuß (4250 5. engl), ie
hachſten Kappen noch 281 Fuß höher anf, alfe DIE A200 EA
In zen: waldigen Kara bel Bergen erheben fig bie Gespeuin,
die kohlenſanren Aalkfchiefer, mit Singen: von Eupfetiten uns Dysle
Then, über 6000 Buß hoch empor. Ben der Laudedaater wer
nersmeilwärte: jenfelt bed Euphent »-Eiramgebieis wird bei Ada |
Minor. vie Rede fein. Ä
- Steigen wie von jmem tauriſchen Grzgeblege ws
Arahena: uns den benachbarten Kupfergruben am Xigris ul
Ws Diyarbekr, fo herrfchen hier dieſelben uugitifchen Sl |
ſpatgeſteine ©) vor wie heut, und über bes großen Kira Dieb
beixs ſteigt gegen Güben. ver Kara oder Karad ſtha Dag hli ui
ähnlicher Steuctur empor. Nur Hägehriben von verhäsn
Keriine trennen jened Erzgebirge von ber füblich anllegenden Bid
ver dieſen Geblsgebllpungen wirb weiter unten Selm obern M
laufe die Mebe fein. Gier kehren wir zur Südſeite der Tau |
katte, zwiſchen Cilicien bis zur Catararten⸗Kette oberhalb Gais
Arr eilieiſche Tautus,? im EBefken der Döwgerkgcheiifen |
uiſchen Cuphtatgebiet und den.cilisifcen Küftenflüffen, in berlin
oberhalb Tarſus, beſteht meiſt aus Kalkſtein mıit Glimmee
rnigen Kreibebänten I,
Ramaban. Dghle zwiſchen dem Vaß Kuld Boghaz uub vn 3b
Belt Sis, d. I die cilciſchen Paſſe, beſtehen aus: tertidren Gule
fein: Zu Sis folgen: auf Kallſtein uub Thonſchlefer, bel Rasa
Sis, Serventiae und Tallſchiefer. Auf ver Plaiue treten Kelle
MAWeidefelſen empor, mit Caſtellen gekrönt, wie Sic Anazace
zum, Shah Moran u. a. Der Ourdus Daghh beſte a
Ahlismen und Spitzen von Gihtmeräiefer, Quarzgfels Kiste
f@ptefer mit; anliegenden Schichten von Tponfchiefer, Xaitpäiefe
Wloritſchiefer, Bornblendegeſtein, Gornblendeſchiefer, Hallein zb
| Der Agha Dagh über Maſraſh beſteht aus Diele
und Serpentinen, mit Kreidebänken und Sanbflein Bert, m
eK; oßeirte: des Akſu⸗Zufluſſes zum Dihihum, tretem- wi MR
das hodrographiſche Gebiet des Euphrats. im fehmactad
sußfetten zur. Gier, im [ubalpinen Gebiete zwiſchea Kauınd
’0*) Anzworkı Le. p. 2. ') ehenb. d. SE:
—
Hmm ua m = v—
.
—
Eubrathſtenz Samoſata. | 90%
GSie nahm alfo die ganze rechte Uferfelte der Hier in Re fichenden
Deſt⸗ und Südwendung des Cuphrats ein. Zu dieſer in Stra⸗
50’8 Zeit blüuhenden und ſehr bebauten Landſchaft, voll großer
Staͤdte, gehdrte auch pie Burgſtadt Gindaros, bei welcher Venti⸗
bins den Parther Konig-Pacorus in der Schlacht Heflegte und
töhtete, zur Sühnung ber Manen des bei Carrhä unter Graffus.
erfchlagenen Romerheeres, wofur ihm ber erfle Triumph in Mom -
über die Parther zuerkannt wurde. Diefelbe Raubvefte lag umfern
eines Tempelorted, Herakleion genannt; im Hauptorte Cyrrhus
keit war nach Strabo ber Tempel ver Athene Cyrrhestica
ein ſchr verehries Heiligthum. |
‚, Ammian gebraucht noch den Altern Namen der Provinz
(Amm. Marcell, XIV. 8, 7: Commagena nunc Kuphratensis, Hie- _
rapoli vetere Nino et Samosata civitatibus amplis illustris); aber
zu Procopius Zeit, dem Beitgenoffen Kaifer Suftinians, war bee
Ram Kommagene ſchon flatt ded jünger Namens Cuphra⸗
tefia ein veralteter geworben ((Procop. Bell. Pers. I. 17: 7355
swalaı Kouuaynvıv x. 5. %.); auch Eupbratenfid und Auguſteu⸗
phratenfis wurbe hier genannt. In ven Kriegen des Gonflan«
stus und Julian gegen die Saffaniven unter Sapor, bie Am⸗
mian beſchreibt, fland Immer noch eine. ſehr flarke rd miſche Ber
fagung in der einft berühmten Königsflaut Samofata (Amm.
Marc. XVII. 4, 7). Zu Ralfer Gonftantius Zeit fand noch
ver Uebergang bei Samofata zu gleicher Zeit flatt, wie auf
wer weiter unterhalb bei Zeugma (d. i. Bir) und Caperſana
über den Euphrat führenden Brüde Bel Samofuta zog Am⸗
zuian mit dem Heere hinüber, doch fagt er nichts von einer Brücke,
was unfere obigen Zweifel an einem dort vorhandenen Bau einer
folchen beſtaͤtigt, da er doch ausdrücklich fagt, daß zu gleicher
Zeit die Brüdenbelegung ber andern abgeworfen wurde, um
wort dem Feinde ven Uebergang zu wehren (Amm. Marc. XIII. 8,1:
Nos disposuimus properare Samosata, ut superato exinde flu-
mine, pontiumque apıd Zeugma et Capersana juncturis
abscissis, hostiles impetus, si juvisset fors ulla, r@pelleremus).
Denn bei Samofata blieb auch nach jenem verunglüdten Unter
nehmen der directeſte Uebergang, den Eonftantius, ver aus
Kappavorla über Melitene und Lacotena kam, über ven Euphrat auf
feinem Marſche gegen Eveffa nehmen konnte (Amın. Marc. XX.11,7). .
Damals hatte vie Tte Legion Ihr Standquartier an der Reichs«
grenze zu Samoſada, welche nach Julians Tode in des Libanius
Nitter Erdkunde X. Nun
{
|
90 Weſt⸗Afien. UI Abtheilung. I. Abſchnitt. $.A1.
Parentation auf dieſen Kaiſer noch Immer eine große und vollreiche
Stadt genannt wird (Orat. parent. in Julianum Libanii c. 108:
ueydAnv ze al nolvaydgwnov nölıy Sauscasa xalovuirm)
Grft als nun Hierapolis mit ihrem Tempelvienft der Dea Sm
als glänzenvere Capitale ver großen euphratenfifchen Provinz fe
vortrat, ſcheint Samofata mehr in Hintergrund getreten zu fen;
zumal da auch feit den Siegen der Araber über die Saffanin
und feit ihrer Beflgnahme von Syrien die Brüdenköpfe von Zeugmm
und Samofata an den Euphrat-liebergängen Feine jo große mike
riſche Bedeutung mehr haben Eonnten ald zuvor, fo Iange ver En
phrat Hier ald die Grenze des Nömerreiches gegolten batk.
En Haukal nennt nur Samifat 25) als eine Stadt um
Euyhrat, ohne einer Brüde vafelbft zu erwähnen, von vera
weiter keine Spur mehr vorlommt. Doch flelt er es an ein
dern Stelle mit Jaſir Menje gufammen und fagt, beibes ſan
Städte, mit Bärten und gut bemäffertem Culturlande umgeben, we
von auch jene bis Heute vorhandenen Aquäpuct«Mefte Deal
geben; fle lägen beide am Weftufer des Euphrat, zu 6»
miſat ſei die letzte (weſtliche) Stabt, die noch zu Jeziteh Ohr
Dmar; v. i. zu dem arabifchen Fürftenthum ber Gamabanlim, die
Moful am Tigris zu. jener Zeit beherrfchten, gehörte. Aber km
vorher, in den Jahren 936 und 958 n. Chr. G., war Seausſat
durch Ueberfälle der Byzantiner bis dahin wieberkolt zerfärt 9)
worden. Edriſi Eennt zwar Samofate 27) und gibt die Ccha⸗
nung von Malatia dahin über das Fort Manfur (Gisn Re,
f. oben &.885) auf 51 Mill. an, fo wie er die Entfernungen we
da nach Amid (Diarbefr) auf 3 Tagereifen, und nach Nifibie af
%“ Mil. und noch andere Diftanzen aufzaͤhlt jedoch ohne fenf >
gend eine Merkwürbigkeit des Ortes zu erwähnen. Zar Zeit ie
Kreuifahrer, alfo anderthalb Jahrhunderte vor Gorifi, als Bab
duin im Jahr 1097 Graf von Edeſſa (Roba, Urfa) wurde, ns
daß benachbarte Samofata 28) unter dem türfiichen Emir Bal-
duc, aus ber Familie der Ortofiden, ein ſehr feftes Schloß; ui»
wohner der Stadt, unter dem harten Drud dieſes Tyrames jap
zend, riefen deshalb ben Franken um Hülfe an, und da Nas
Beeresamacht zu einer Belagerung fich anſchickte, zog Bahas, da
a Pan „ze
>
2m
- *
226)] Onseley, Orient. geogr. p.44, 57. 26 Degzigues, fh.
der Hunnen ıc. Ginf. ©. 404, 405. 27) Greif. b, Yan I.
. ©.138, 152, 155. **) Deguignes 0.0.0. Bo. . 6.447.
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Euphratfyftem; Romkalah, Castell. Graeoorum. 931
fi der Vertheidigung nicht gewachſen fühlte, e8 vor, dem Franken
die Stadt für die Summe von 10,000 Goldgulden abzutreten. Da
nun Balduin in vemfelben Jahre auch einen andern Cmir ber
Drtofiden, des im Beflge ver Cuphratfeſte Sarudge (am heu⸗
tigen Sajur- ober Sadſhur⸗Zufluſſe zum Guphrat unterhalb
Bir, im Norvoften von Hierapolis) war, beflegte, fo erhielten damals
Die Franken sinn völlig freien Uebergang über den Eu-
phrat: denn auch Bira (Bir, an dem Zeugma) kam fo in ihre
Gewalt, obwol fpäterhin die Franken unter Balduin II, König von
Jeruſalem, alle dieſe Orte (im I. 1151, alfo zu Corlfi's Zeit) 2%)
in Eupbratenfien, wieTellbafher, Aintab, NRawandan, Tell-
khaled, Bira, Samofat und andere, wieberum den Griechen
überlafien mußten, von denen fie gar. bald wieder In die Gewalt
der türkifchen Atabeken in Syrien zurüdfielen, und durch biefe an
den Kurdenhelden Sultan Saladin kamen. Abulfeda führt
Shemſhath als Grenzfeſte ) in Meſopotamien zwiſchen Amid
( Diarbekt) und Chorxt Bert (Kharput) auf. Endlich ſcheint
Simiſat des Gihannuma 21) unter den Türken zu völliger Be⸗
deutungslofigkeit herabgeſunken zu fein, fo daß R. Pococke, wie
wir ſchon früher bemerkten, obwol ex bei Bir den Euphrat paſſirte,
durch Erkundigung 3?) nicht einmal von der Lage ded Orts Sa⸗
moſata und noch weniger von feinen Denkmalen Nachricht erhal⸗
ten konnie. Er begnügte ſich nur damit, anzuführen, daß biefer
Ort durch die dortige Geburt bed Lucian von Samofata und
Des Paulus Samofatenus, des ketzeriſchen Biichofd von Ans.
tiochia (f. 05. S.572), berühmt gewefen ſei. Um fo verbienftlicher
müffen demnach bie oben mitgetheilten Beſtimmungen ver Jüngfien
Zeit für ben Fortfchritt der Erdkunde erfcheinen.
2) Romkalah, Runkaleh; Kala Rumitha oder Kalat
ol Rum (Castellum Graecorum) der Syrer, Kalat or Rum
Bei Abulfeda; Hrhomgla oder Hrhomglai, auch Bla ho⸗
. shbomagan der Armenier, vulgär Urhum gala.
Senfeit des modernen und jeßt nur geringen Samofat, deſſen
Thal noch Immer reichhaltig und fruchtbar wie fonf iſt, wo aud)
” Deguigues a. a. O. en 492. 30) Abulfeda b. Reisle in
Fra % Magazin, ‚IW. ©: 249. sı) MY A
na ürfel in En a. FR XIV. ©. 47. M. Po⸗
—8* — — Rorgenlandes. Ueber. von Berge. x. IL
Sie Auflage ©.
Nan2
918° WerAfien. UI. Abthellange I. Abſchaitt. |. 11.
und Hitze, von Schnerfülle, :Schreedauer uns voii
wicber von Durtre und Trocken heit im biefem Gebiele Befkkign,
‚von been früher wiederholt die Rede war. Der Taurus, feet
‚Ainsworth, hat nicht nur im armeniſchen Norden, fonbern ul
in feinen ſüdlichſten Theilen fehr kalte Winter. Am 15. Jan. 18% |
‚fiel zu Aintab, alfo auf der Vorſtufe Syriens, das Tpermende
um 7. Uhr Morgens an einem Schugorte Doch auf 15° min |
von Gefrierpuntt (5° Fahrnh.). Sehr vie Schnee Tat mim |
zus, der auch fehr Heiße Sommer Hat. Zu Amafie, wen
Kjebau Maaden empfand Ainsworth in den Thaälem ie |
drüũckendſto Hitze Im Sommer, wie v. Moltke zu Astufii
Malatla. Auch zu Diyarbekr ımb überall im Plateaulaae 8
der Sommer ungemein veüdend. Die warnen Tage und Füße,
oft alten Mächte foͤrdern die Vegetation, erhalten aber zugleh e
Schneefelder bid tief In deu Sommer hinein. '
Als Alnsworih am 26. Behr. 1836 die Berge von Re
raſh übeeſtieg, war der Schnee noch 2 bis 3 Fuß tif (we |
Eogin.no am 9. April, |. ob. ©. 792), aber Hart gung, m
den Reiter zu tragen; Spinnen liefen barüber bin und Grecat
‚blühten daneben an von Schnee miblößten Stellen. Die füie |
früßgeitige Daphne, Anemonen und Euphorbien fuze
ſchon in ihrem Blumenſchmuck. Im März blühen in da I
lern überall die Mandelbäume, die Birubäume, wer Leber
naum, die Mispel u. a. Zu Amaſiah, auf dem über 1000 8
hohen noͤrdlichen Taurushochlande, Im Thale des Kizil Irnek,
blüßten die Roſen im Mai (im I. 1837) Solchem Gin: ar
ſpricht die vegetative Bekleidung. | |
Den ubrblichen Taurus, gegen: bie pontifche Seite, zeit
die gtßn Flſe vom Kräutern, Büſchen und Bäumer;
dagegen Mangel daran ven füdlich en. Socharmenien HM gm
baumlod, ber Bingheul ift nur durch Alpenweiden ausge
net, mit dem Saghan lu am Karstſhai fängt die Waldung is
RD. Tenfeit: Armenlens, jenfelt des Euphrat und Arazeh, of |
wieder an (f. ob. S. 407, 738, 748, 749), wie bie erfien Wehr
Herge im Weſten des Cuphrat, weſtwärts Arzingan und Rebell,
6 Welse Chatakli (ſ. ob. ©. 772) und auf ven Hi
Acgeli und Rasa bel Im Süden wird nur wer Mefint We
"ah walv relch, und einige Difiikte im Jebel Yur mb |
Baaren Days Koh «6, aus deren Gehölz Trajan feine Diet
von, Hirten tn VRR Au RS ' I
ım u am Er m 5
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*
uphratſpſtem; Romlalah, Castell. Graecoram. 933
oote abgerechnet, hler gar Feine Waſſerverbindung früherhin ſtau⸗
ad. Un der Nordweſtſeite des Cuphratufers, 2 bis 3 Tagreiſen
ı Geblrg, würde man eher noch Nadelhoiz und auch Buchen⸗
imme, meint Chesney, finden, bie groß genug, wie bie englijche
ſche wachjend, und nur erſt in hoher Krone ſich verzweigend, wol
m Schiffbau dienen könnten; doch bleibt auch da die Waldung
arſam und zur Benuzuug ſchwierig, wie bie Iegte Erfahrung ia
ürkenfriege gezeigt hat. Unterhalb Bir foll es cher noch bie und
ı zerfireute, gute Waldung zu Zimmerholz geben, viel Kieinhol;
ıd Bufchwert bis Hit hin im Ueberſfluß fein, von da an aber
arfamer werben, wogegen dann am untern Euphrat der Wuchs
r Dattelpalmen allgemein wird, ver oberhalb ganz fehlt oder nur
iner hervortriit. Die erfie Schiffahrt zum gröfern Trand«
ort wurde auf dieſer Stromftrede Im letzten Türkenfriege durch
e preußifchen Offiziere von ber Mündung des einfallennen
fr fu an, im Mat 1839, bis Bir Ins Werk gefept:S) denn vie
ampfichiffahrt ber Briten begann erſt von Bir abwärts auf
m Euphrat. Noch war beim Uebergang ber Armee Hafidz Po-
jas von Malatia innerhalb 16 Tagen, über die Sauruspäffe
‚ob. ©. 888, 893) die Cavallerie und die Artillerie in
ebeoni und Sürghä zurüdgeblieben, weil dad Unwetter und
e angefhwollnen Ströme jeden Kortfchritt hemmten. Der Paſcha
ar ſchon im Lager bei Bir over Bired ſhik, das auf ver Höhe
irch v. Mühl bach verſchanzt wurde, und v. Moltke erwartete
ı Lager, 5 Stunden unterhalb Samoſat, zu Karakaik am Cu⸗
wat, ver GE fu- Mündung gegenüber, die 700 Kelleks von Ma⸗
tia lange vergeblich, die zum Waflertransport des Geſchützes auf
m Cuphrat dienen follten. Die Brüden, die Halil Bey über die
ebirgeflüffe des Taurus gefchlagen Hatte, waren von deren wilp«
fchwellenden Fluthen immer wieder weggerifien,. und Hunderte
m Kranken lagen auf ven Stationen. Die Zeit drängte, die’ Kräfte
ı Bager bei Biredſhik zu concentriven ; ; es Tam nun barauf an,
nen fahrbaren Weg von Behesni an den Euphrat unterhalb
r Got fu » Einmündung zu finden. Sauptmann Laue und
‚Moltte fchwammen durch die Flüſſe Hinburch und entbedten
nen ganz bequemen Weg, wahrſcheinlich den Heft einer alten
bmifchen Militärfiraße, die mit prächtigen Ruinen einer
rücke am Goök fu endete. Laue ging nad) Beheöne zurüd; zur
3%) v. Moltle, Briefe, a. a. DO. ©. 865 — 374.
.
\ *
a Weſt⸗Aſñien. Il Abcheilumg. I Abſchrutt. 5. Ai.
wie: Yiefe, fo went. nach dem haheren Suden, wie die Khlliyzaca Tati-
fol umb angustfolia, und bie Rhododendren, die, wie Rhod.
penleum und maximum, nur af im Nor den des Shemmlubel, bi
im Norden von Siwes oder des Kizil Irmak fich zeigen, we ihre Ber
giatlon aber auch. eins vor herrſchende aa pontiſchen Küſteng⸗
fie 20) wiss, ‚mit ven Azaleen und Laurutarten, eins alles Diem
wischerute, Von Geidearien irehem dagegegen in Der beißen tun»
von Deriufe gegen Syrien zur bie: Krica arhboren un. scopen
ria auf.
Zu den ansgueihneten Enlturgewächfen ver Kauzutl-
Rhafım gehoren: ver Wein, ver NE Erzingan, Palu zu 3000
um ſthqrput zu 3400 unb-in Dinfb 5is zu 3505.29. 46..R
aufſteigt (f. ob. &. 771, 708, 714, 808, 679); der Maulheer⸗
baum, zumal in Melltene wie zu Kemach und Cgin (S 771,
No, 784, IP); den Pfürſich und der Feig enbanm, bie if
mirdlichſte Grenze im milden Thale von Arzingan zu finken ſcha⸗
nen (f. ob. ©, 772); der Wallnufbaum, der noch an bes
oberſien Gipfeln der Cataractenkette fein veiches Lauboach anrühuelist
. ob. ©. 829), und an den Zigris- und Murabzuflüffen bit m
4880 Sup (©. 693, 705), am Ararat foger bid zu: C00p up
empoufeigt. Eben fo if der Mandelb aum weit: serbreise, ber
Diivenbaum fegeint aber aur auf fehe wenige tiefere Zauzube
thaler des Günabhanges, ia Weſten des Cuphratlaufes, beiäelel
zu ſein. Der Dlivnbaum Pelgt nirgends HM) Im. armeniſchen Ge
biete zu gleichen Höhen, wie wie Maulberrbaͤnme, Aprikofen, Bi
nußbäume, empor; am ben tiefem, geſchuͤzten Küflee von Arcpi⸗
zant!2) gibt Die Olive, neben dortigen Wallnuß« umb Kaflanime;
Pomeranzen« und Eitronenbäumen zwar auch ein gutes Sei, di
fübreärte won da im Hochlande iſt feine Rebe vom Ike; Dftnes-
wälber fangen: erſt wieder im tiefen, heißen Eupfentthele gu Gas
mo(at!3). an: fich zu zeigen, ‚(ben da, wo wilde Beigenmälher®
vom Ahale des Kakhtah⸗Fluſſes twefhodets Bis Bir ſich zur ph
um begiamen, un Bifkacienwälner erſt im Rarallel von um
Edel, Walzen, Spelt, Gerſte, ſechetzeilige und zweizeilige; ui
ven Aberal gebaut; die Baumwollentul tur beginnt erſt an tim
—— Dortergm der Aigriezuſluſſe, gegen bie Cben⸗ von Das
BR W. Hessilton, Asia 2) ) Bernst, Aral
ee Rnreurth , Te on ERS kr tr *. * En
un Jousn. ei Ray. Gage. Bon. TR. ah
u
)
7
Euphraiſyſtem; Rumkalah, Castell. Gracoorum. 935°
tlefer Tiegende Stabt, die aber aud) in den behauenen Fels hincin
gebaut ift, deſſen an ſich weiches Geſtein, ſobald es nur der Luft
ausgeſetzt wird, wie ber Malthaftein erhärtete. Faſt jährlich durch
Erdbeben heimgeſucht, iſt es auf ſolchem Boden, auf dem bie Stadt
Rumkalah flieht, ſchwer zu fagen, mo ber Feld aufhörte und bie
Denfchenarbeit anfange. Zunäachſt ift die Vergzunge, die auf ber
einen Seite vom Cuphrat, auf zwei andern von ber tiefen Kluft
des Marfifan (Marsyas 5. Plin.) umfchlofien If, 40 bis 100 8,
Hoch ſenkrecht abgeſchnitten. Auf biefer Wand erheben ſich Die
Mauern aus demſelben weißlichen Kreide» oder Kalfgeftein an 60 8.
Hoch mit Zinnen und Thürmen. Durch 6 Ihore Kintereinander
windet ſich der einzige Aufgang, um zu etwa 40 Käufern zu ge=
Langen; alles andere find Irummerbaufen. Das Ganze fieht aus,
fagt v. Moltke, wie ein beſonders faconnirter Fels, wie man fih
ein großes Stud Kreide etwa zufchnelden koöͤnnte. Die Geſchichte
von Rumkalah zu kennen müßte intereffant fein. Im fpäterer Zeit
war es der Sit armeniſcher Priefler, die bier ein prächtiges Klofter
gründeten; die Zerſtörungswuth hat davon nicht alle mächtigen
Quadern ganz ummerfen Finnen. Mur bie fchön ausgehauenen
zömifchen Adler find zum Theil abgefragt, und bie großen Säu⸗
Ien mit zeichen Gapitälen Tiegen am Boden. Späterhin bemädhtigte
fi ein Dereh Bey (f. ob. ©. 782) des Schloffes, ein Kurbens
fürft verdrängte ihn; Baba Paſcha vertrieb diefen. Dann bes
ſchoß Mehmed Ali's Sohn, Ibrahim Paſcha, der Syrer, bie
Feſtung, und ſo zerfiel alles in Trümmer. Nur die ſtattlichen
Mauern und ver gewaltige Fels ſtehen noch Heute, wie ihn bie Md«
mer fahen. Ein Brunnen der Armenier, 200 Buß tief, iſt ihrer
romiſchen Vorgänger würdig; er iſt weit genug, daß eine In den
Fels gehauene Wenveltzeppe in ihm fich bis auf das Niveau wei
Cuphtat Hinabwindet, auf ber Maulthiere das Waſſer hinauftragen.
Die vierte Seite des Schlofjes iſt vie gefährliche; Hier (nämlich ger
gen Süd, nad) Pocode) hängt der Fels mit einem Plateau zu⸗
ſammen, das ihn nahe überhoͤhet. Don dieſem hat man es durch
einen 80 Fuß tief eingehauenen Graben künſtlich getrennt Nach
SBocode*1) fol es die Abſicht gewefen fein, dieſen Graben fo ſehr
zu vertiefen, daß bie Waſſer des Marfifan Hineingeleitet bie Feſtung
zu einer Inſel gemacht haben würden. Wollte man Rumkalah
au, einer wirklichen Feſtung machen, fo müßte man vothwendig auf
MR, Pococke, Beſchr. 4. O. M. ©. 220.
J
932 Wefueilſien. TIL. Abthrilung. LAfWſchau. et
| zugehörigen Geſteinen, wie gu Hiar, Soghel r und zu Birıly
Silben alle Bettze, vie von Armenad ME Kalat ei: :Mudit-zichen. -
Pbwol alle dieſe Gebirgdarten Kch tatneswegs zu fe geeſea
abfehstih Odhen grheben wie bie ndeblichers Tauruskettin,fe fehlte
rc auch hier ebin ſo wenig wie ost: un großen Hemmaigm,
welche ver Stronuauf! es; Emphrat zu⸗ beſtoegen Hatte, wanshid ww
We! Blachfelde Mefopotamiens: vurch tiefe etten nid
Gtiminttäten: 98: gogen 2000 Fuß hehe Stufe Yieseerriäguieingen:
Sicher uch hier Ramıpf- in dem Ufrrlände aufgeveckt, begehen Top
reich vie Latioſchaft Ale, ots, oft romnutiſchuund elek .
Buerft'jeigt fi’ jenft Fort! Redvefea Aminen MRAGe pinkonliter
Geblrgbarten kelnne Melle fern unnitälter" anterhalb Sa wo ſat zu
Jemſeme 26) Km Süideer wo'nie Hohen Uher ven Fluß Küng
ben Kelsklippen. fehr merkwurdig fıtb, und SIE zu3200 J. Ua
das Cuphratbette emporragen. Zerreibliche lederbraune Mergel⸗ au
Kreldeſchichten ſinvUg wie bier gegen S. O. Harte Ralffieine uf
ihrem Rüden tragen. Im Suͤden viefeß Hochlandes treten bie ya
toniſchen Gehlegäarten;; wie fchlefelge Dolerite, mit zahlloſen Bes
naten, Augiten und Xitanelfen Gervor; - auch etwas Baſalt, aber
ſehr wenig Spillte und umgeaͤndertes Goſtein.
Die große Zone plutonifcher Belügebirge, be Sie |
durchzieht, HAIE in einet mächtigen Curse an, die im Weſt in Ka⸗
samanien beginnt, über Kommagene und den Euphrat.fer-
feht zu ven Karadſha Daghti, um an' dem Faße des Mafiui
entlang bis über Orfa und Jezire al Omar anhält.
- Der Einmänsung des Bölfu zum Cuphrat gegenüber, dm
- gute Halbe Stunde in S. W. der Bühne: über den Eriphrat zu Ehle
‘
Cyhrlfen geroefen zu fein ſchaͤnen, te ıfleir: im: ben erſten Jahche⸗
Bazar Idle Bazar b. Ainſworih Haidli Bazar ——
ney's und v. Moltke's Karte), einem. Dorfe mit 80 GHäufern, fi
Sandfteine mit Auſtermuſchetn und alten Breccien des
Kielveferien übergelagert, obwol nur iauf-dne fahr kurze Strece ww
eiwa 300 Schritt Es folgen ein paar Stunden ‚abwärts, Sei Ker⸗
Sit mit 59 Häufern, einem einſtigen Armenier Drte von Bm
tung, eine Menge Grotten, die nicht ſowol Brüfte won Grailike
ats vichmehr wirkliche Troglobytenwohnungen·einſt hicher geſtũtean
berten hieher ba vie Verborgenheit zurückgezogen haben medhlen.
Unweit bivon liegt Hhanha, din Uferdorf, an auffleigenben *
rꝛey Kissworkı, Rewenkchen — |
*
Eupbratf;; Rumlalah, Hrhomgla der Armenien, 987
Dunderiäinen. Bei Regenzeit ſchwelle das Euphratnivean Pier
leicht um 15 Buß Höher auf; über fandige Hügel flelge man von
Den hoben Kuppen zu feinem grünlichen Wafler' hinab, das zwi⸗
ſchen glänzendem Sande dahinſchieße, um auf ber breiten, Hinten
offenem Führe, die vorzüglich zu Ueberfahrten für Vieh eingerichtet
war, das jenſeitige meſopotamiſche Ufer zu erreichen, wo der Laud⸗
weg durch Ruinen armeniſcher Dorfſchaften in 3 Tagmärſchen Hin
über führt nah Urfa (Orfa, d. i. Eveffa, f. ob. 117, 244).
Aus der Gefchichte iſt dieſe Feſte bei den Syrern unter dem Ras
men Kalah Rumitba over Kalat ol Rum (d. i. Castellum,
Grascoram) bekannt, wie es Gregor Abul Pharag, ber Zeit⸗
genoſſe, felbft zur Zeit nennt, da Hulaku Khan, ber mongoltfche
„Groberer, nachdem er Im Jahr 1258 das Khalifat in Bagdab ge
Rürzt Hatte (f. ob. ©. 195), bis hieher vorgentungen war, &x
gibt uns die fehr Intereffante Nachricht, daß dieſer mongoliſche Sie⸗
ger KHulaku *) im Jahre 1259, alt er feinen Erpberungdzug ge=
gen Syrim fortfehte, zur Ueberſezung feines gewaltigen Heeres
zu gleicher Zeit über den Euphrat an drei Stellen Bräden
ſchlagen ließ; vie eine zu Malatia, die zweite zu Kalat el
Rum, diefem Rumkalah, und bie dritte an ber damals von
Mudsmebanern am Häuflgfien begangenen Gandelsſtraße nach dem
großen Emporlum zu Racca (oder Callinicum, f. ob. ©. 238),
nämlich bei Kerkefin, d. i. Circesium am Khabur (wo daß alte -
Zeugma bei Thapſacus, f. 0b. © 12, 15, 139 u. a. O.). Diss
iſt das einzige, ausprädliche, und bekannte. hiftorifche Zeugniß von
einer Hei Rumkala gefchlagenen Brüde. In der armenifchen Ge⸗
ſchichte wird verfelbe Ort, den bie Araber au Kalat er Rum)
treiben, Hchomgla ober Srhomglini, auch Bla horhoma⸗
gan genannt, und im Bulgärsarmenifgen Urhum ghala ss),
nämlich Ur hum, das Schloß. Ob darin vielleicht auch der aͤlteſte
Name der Station Urma giganti aufbewahrt fein möchte, welche
- in deni Itinerar. Anton. (p. 190 ed. Wessel.), ald auf ver Straße
von Eyrrhus (In Cyrrheſtica) Aber Zeugma (Bir) nach Edeſſa
(Drfa) gelegen angegeben wird? wodurch dann bie gewöhnliche Ab ⸗·
leitung vom Caſtell ver Roͤmer zweifelhaft wärbe, ober doch nur zu
einer zufälligen Lautverwandtſchaft, wis dies Bfter bei orienta-
48) Gregor. Abol Pharag. zu. dynast. p. 347; vergl. Deguignes J
Geſch. d. M. I. I 373. “) A bulfedae Tabul. Syriae
ed. Koshler p. 125. x st. Malin, Men. s. l’Arm. I. p. 19.
92% Mbeinltfien INN, Oiptheilung. LAblqain. |. kt,
mis Lühmen Rundbogen und doch von großen Girintafeie. Eis
gar unfreitig einft Hier fo zahlreichen ſyriſchen Gewtinden cn:
ver Altar ſtand Im Niveau mit dem Fußboden, und nicht
küher erhoͤht, wie in den armeniſchen Kirchen, ober ing dem
Eawtuarie angebracht, wie in den griechifchen Kinchen. Neben bie
fen Ruinen, bie man bort Utſh Kilifa, d. i. Die drei Kirdgen,
nannte, in deren Nähe nur wenige Hülten armer Ranben,
fah man einige feltfame Höhlen in feſten Fels gehauen, In Sem
du Bine, ie Baſis 8 bis 12 &. im Diameter.; die Tiefe 12 66
20. Buß uud meht; der Eingang Klein und rund, meiſt mit zud
großen Steinen überdeckt. Die Grotte If nach innen wit Mäckd
überzogen; einige, nach innen eingefallen, bienen zu: Diaulthierfäee,
anbre find wit Futter und Stroh für Pferde gefüllt. Es folke
nf Grabfätten geweſen fein, Kirchen Lsgen nicht fern; wiellät
—* ſie auch zu Kornkanunern ober Waſſermagazinen. Ia am
dern Gegenden Syrlens findet man allerdings viele Grabkäin
Spule Art, voch weniger forgfältig außgenzbeitet.
Im Verfolg des weiten Weges gegm S. W. traten nom
rat Ruinen auf. Eine einzige Mauer mit 2 Fenſtern war ak,
was von einer Kirche des nächflen Dorfes übrig geliehen wer.
Dex Kallbeden hatte mitten Im Sommer feinen Nafen längk ww
„Ioren, und war fo hart wie Stein geworben; allgemein hei ailigem
"Waffermangel war bie größte Dürte; bie Ruinen früherer driiie
Wohnungen, an Trümmern von Kirchen und Klöftern, ofi vos
größten Schönheit, erkennbar, hörten nicht auf. An vereinfomin
Belfen und jetzt trocken Hegenden Quellen fand man nicht fs
Mefte ber ſchoͤnſten Bewölbbogen. - Hler mußte einſt der reiche Gar
tusfig einer zahlreichen chriſtlichen Bevölkerung gewefen fein, de g
eiguer Kaſteiung ober vor Derfolgung ſich in dieſem Aſyl nicheckch
Aehnuliche Localitaten Hatte Alusworth in Syrien zu Reife mb
Edlib, oder zwiſchen ben Felfen von Sheikh Baraket «m
Berge Gt. Simeon geſehen, in denen die verfolgten vevoten Chi
fen der erſten Jahrhunderte ihre. Zuflucht geſucht ‚Basten. eh
zweifeln wir an einem ſo hohen Alter dieſer hriſtlichen Aufichlung,
und Halten Dep größern Theil dieſer Werke vleimche für Me
Armen ier, bie bier zur Zeit des 12. Jahrhunderts, de ihre Se
telargen In Mumfalahı reflbirten (f. ob. ©. 618, 615 m a DJ
ſehr zahlreich fein mußten, und auch J en -
Lerricher leben bonnten.
4
Eüphratfoft; Rumkabah, Hthomgla d. Armemier. 939
Fam, minßte Ihm ber dortige Fürſt, ver nachher ſo berühmte Hiſteri⸗
ter und Geograph Im. Abulfeda, mit den Prinzen feines Haus
ſes und mit feiner Streitmacht bis zur Belagerung von Romkalah
folgen. Die Belagerung war langwierig und blutig, daher Abul⸗
feda den Ort in ſeiner Geographie auch zu den ſehr ſchwer zu er⸗
‚obernnenSV) rechnet. Die Truppen von Hamah nahmen ihren Poſten
unter dem Commando Abulſeda's auf der Höhe eines Hügels, von
ber alles zu überfehen wer. Die Stadt wurde endlich mit Sturm
genemmen. Der Khagie, oder Statthalter, des Königs von Arme»
nia minor 308 fi nun in das Caſtell; da ex aber Die entiehlichen
Belagerungsmajchinen anrüden fah, die man von Hamah herbei⸗
führte, zog er die Kapitulation vor; doch wurbe die ganze Befagung
Friegögefangen. Der Sultan Tehrte nach Damaskus zurück uns
"gab einem Emir den Auftrag, ven Pla wieber herzuftellen. Alte
aus biefer Zeit mögen ebenfalle manche der Bauten herſtammen:
denn Romkalah blieb nun mit den Plägen Bahſna (Beheöni),
Maraſh und Tell im Beſitz der Sultane Aegyptens. Noch ver
dieſer Periode, als die Mongolen auf die Eroberung Syriens aus⸗
‘sogen, Hatten fich die Stärke Gasran und Rohe (Urfa) dem
Hulagu ohne Schwertſchlag ergeben. Die widerſetzlichen Eins
wohner der Stadt Saruj (Sarudſh) waren alle ermorbet worben;
Nomkalah, we vie Brüde geichlagen worben, ſcheint fih nicht
widerſetzt zu haben; es if wenlgſtens von keinen Streitigkeiten pie
Mede. AS aber zweihundert Iahre fpäter Timur, im I. 1401,
Syrien bis Damaskus eroberte, ließ er unter ben 13 Gtäpten, bie
feine ganze Rache fühlen folten, wie Malatia, Ableſtan, Kakh⸗
sah (Kiachta), Kerkur (Berge), Schloß Manſur (Adiaman),
Bahasına (Behednt), Aintab, Telbafber, auch Romkalah, 5)
das Schloß Rum, ganz zerftörem, indeß andere Stähte, wie Cmeſa,
Bira (Bir) u.a. m., rein ausgeplündert wurben.
Davon iſt wol ber gänzliche Verfall dieſes Ortes herzuſchreiben;
denn bald kam er nun in Beſitz ber Dimanen und wurde zum
Paſchallk von Halep geſchlagen.
Ueber ein hoheres Alter des Namens Momkalah, Schloß
der Römer, iſt uns kein Zeugniß vor den angegebnen belaunt;
allersings kann dieſer Name auch nur ein jüngerer fein, wie die
von Arzerum (f. ob, ©, 757; 1 780) und andern, die wol nicht vor
se) Abulfedse- TAb. 83 ed, Koehler p. 120. 22) Dequigues
A, a. O. 2. IV. ©. 308.
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940 Weftdifien, III Unheilig. I. Abſchaitt. j.41.
dem Auftreten ver Araber In Gyrien, olfo nicht vor dem Eu
ves 7, Jahrhunderts in Gebrauch gelommen fein Finnen. De
ſchelnen die Nuinenzefte ein Höheres Alter zu foren. Gehe
wir und nun nach Namen um, die eine ältere Stadt in yar
Kocalttät bezeichnen, fo find es nur -wenige, pie Darauf Anfprüde
machen konnen: wa Neocaeſarea, Urma giganti a
Arulis. Neocaefaren blos wegen der Verbindung, in weite
dieſer Bau in Guphratefla mit Zeugma (Bir) durch Procop
geießt wird, weil wir Denfelben Ort non gar Feinem andern Auter
genannt finden. Nachdem Procopius (de aedificiis, Justin. IL 9
p: 235 ed Dind;) nämlich von den Gtästen und Castris an is
äußerten Grenzen von Cuphrateſia ‚und ihren Bauten gefpeoden,
nennt er, nach Hierapolis gegen Norven zurädtehrenn, auch Zengma
und Neocaeſarea, das jonf unbefannt, und fagt, fie Hätten um
‚Mauern zum Schein gehabt, medrig genug zum Ueberſpringen, x
sug und ohne Raum für die Bertheibiger; deshalb wurden Se- m
Kaiſer Iuftinten mit gehörig ſtarken und hohen Mauern wugegs,
und mit allem Apparate zur Vertheidigung verfehen, wodurch ſie af
zu Stäbten erhoben wurden, wolche dem Beinde Troy bieten I
ten. Über norbwärts von Beugma konnte biefer Name: ver Ru
zaefaren Feiner paſſendern Feſtungaſtadt zukommen als Repkleh
das vielleicht eben beöhalb von Syrern, Arabern uns Ber
fern nur das neue Schloß ver Rum, wie bier übel We
Byzantiner des griechlichen Reiches heißen, genannt warb.
Der Name Urma ober Urma gigenti, das auf der Benk
von Gyrrhus nach Cdeſſa im Itinerar. Antonin. (ed. Wessel. p.19)
als identiſch mit dem ſonſt unbefannten Ciliza angegeben wirh, Bag
64. Meile (XXX. M. pass.) fern von Zeugma (Bir). I da he
tisch mit dem Odonum, dem Urema bei Piolemäus, unter Un‘
Long., 37° 30° Lat., fo wäre es eine Uferflabt, da Piskeiel
ausdrücklich dieſes Urema an ven Cuphrat ſetzt (Pre -V. 5
fol. 138). Es würde in die Nähe der Mündung den Singet
(Ziyyas 6. Ptol. ebend.) zu liegen kommen, da biefer uni 72°
37° 20° Lat. zum Cuphrat fällt. Freilich -twas zu weit =
um dad heutige Roinkalah zu fein, deſſen vnlgaimermerifieg: Sage
Urhum vielleicht nur eine zufällige Lautverwandtſchaft haben app
Der ſonſt unbefannte Ort Urema muß indeß von einiger Bıkg
tung gemwefen fein, da ber Kirchenvater Socrates HL _25, au
Iar, ®?) von einem Abraham, Urimprum Episcopne, fyrkät...
. a
’%%), Gellarius Notit, orb. antigai IL. p. 406, _
’
\na 4 a u MA 1m.
-
Euphratſhſtem; Numkalah, Arulla ° 941
Der dritte damit zu identiſicirende ältere Ort wäre das Aru⸗
die ober Arulis, der Uferort am Cuphrat, bei Ptol. 71° 56’
Long. 370 15,Lat., ver auch in ver Tabul. Peuting. als Arulis,
nordwärte bed Zeugma (bei Bir) nicht volle 10 Stunden, nam⸗
U XXIV. M. pass. uorbwärts befielben, ebenfalls am Cuphrat⸗
ufer eimgetragen if, eine Entfernung, bie ziemlich genau ber gegen-
wärtigen zwifchen Bir und Rumkalah entſprechen würbe, wes⸗
Hals auch Schon Mannert diefe Arulis für identiſch mit Rom⸗
kalah 5°) Het. Bon dieſem Arulis entfernt norbwärts bie
Tabal, Peet. die Stelle ad pontem Singae um chem fo viel,
nanmlich um faft volle 10 Stunden, welche unftreitig einen Brüden-
Übergang über ven Fluß Singas bezeichnet, ben zwar bie Tabal.
. Peut. unter dieſem Namen nicht einzeichnet, wol aber einen
noch weiter gegen Rorb emtfernteren Fluß, bei dem die Zahl, weiche
die Entfernung angeben follte, leider verborben if. Da er dem
Namen: ad flumen Cappadocem in ver. Tabul. Peut. führt, fo
Tann es kein andrer ald ‚der obengenanute BE fut fein, deſſen
Duelle allerdings aus dem füblichften Grenzgebtige Kappaboriens
Kerbeifträmt, und unterhalb der durch v. Moltke wieder entdeckten
Ruinen einer prächtigen Brüde (f. ob. S. 933) fi in den Euphrat
ergießt. Dann würbe nad dieſer Zeichnung der Karaſu note
wendig der Siugas des Ptolemäus fein, deſſen Duellen im
Vieriaberge, nach Ptolem., d. 1. in NW. über Aintab auf vortiger
Waſſerſcheide, umter 71° Long. unb 37° 30' Lat. n. Ptolem.,
entfpringen, die derſelbe unter 72° Long., alfo nach einem Lauf
von etwa 30 Stunden von Weit gegen Nord und Oft, unter 37°
20’ Lat. zum Eupfrat einmünden läßt. Xeiver haben weber .
Strabo noch Plinius diefer beiden Flüffe, weder bed Cappado⸗
eifchen noch des Singas, Erwähnung geihan, fo daß ihre nähere
Beflimmung und Bergleigung mit der Gegenwart dennoch zweifel⸗
haft Hleibt. Der dritte no fünlihere Zufluß zum Euphrat,
der Marfyas, den Plinins allein nennt, und welcher unmittelbar
unter dem Cafel von Romkalah In den Euphrat fällt, den Po⸗
cocke wie Eein anderer, Simeren nannte, 5°) kann nicht ber viel
noͤrdlichere Singas fein, wofür man ihn feit Pococke's Vorgange
gehalten Hat. Auch Cellarins 55) meinte den Singas mit dem
Marſyhas des Blinius Ihentificiten zu koͤnnen.
6%) Manuert,-Beogr. d. Er. und Röm. Ein VL 1. S. 491. De
SL) RM. Bocode, Beiär. an. D. I. ) —X
Not. orbis antiq. II. p. 404.
942 Weſt⸗Afien. IH. Abtheilung. I, Abſchnin. ga
Eshon Mannert bemerkt fehr richtig, #6) vaß die Stadt Ein
508 von Ptolemäus an ven Urfprung des gleichnamigen Flnftd,
untes 71° Long. 37° 30' Lat., gefeßt werde; alfo ndrdüch von
Aintab, wo fi auch nach v. Molite '8 Karte * wirklich vie Duck
ves Karaſu befindet, und daß der türkiihe Geograph dorthin einem
anfehnlichen Fluß Sensia over Sengia ſetzte, ben man mid
durchwaden könne; er falle zwiſchen Hisn Manfur (v. i A
man f. ob. ©. 885) und Kaifun, das uns unbekannt, in den Er
phrat, und Habe in ver Naͤhe eine fehr Fünftliche Brücke, de
aus einem einzigen Bogen beftche (nich Schultens Index geogr. i
Vita Saladini s. Fluvius Sensja). In ver erften Hälfte bie
Nachricht des türkifchen Geographen iſt der alte Singas md
unvierkennbar; ob die Notiz von ber Brücke, in der zeiten Half
auf ad pontem Singae ber Tabol. Peuting. anzuwenden fei, ae
auf die jet zerflörte, aber von Moltke wieder entvedie anik
Prachtbrücke nahe ver Mündung des Gök fu, bleibt wegen be
Unbeftimmihelt des Auspruds beim türkifchen Geographen zweiſe⸗
baft. Auch Ebn Haufal, 5?) ver von Balis den Cuphrat gege
Norvden aufwärts fleigt, und nad) Menje (mol auch fein Jaſu
Menje, die Stadt; ob vie nachherige Manbedj, d. i. Hierapell)
. von der Wüfte Menje's fpricht, in Norden über Alntab Hinanl,
in welcher man nur Regenwaſſer in Gebrauch Haben Fönne, un
. dann wieder zuerſt den Strom Saiheh, über ven eine GStein⸗
brücde, genannt Kentereh Saiheh, führe, bie merfwärigße
Brüde, fagt er, im ganzen Lande des Jolam. Jenſeit kennt er fein
andre Stadt am Eupbrat (fo wenig wie PBtolemäus und vie Ta
Peuting., norböftli von Arulis und Urema und ad pontem Se
gae) bis nach Sumofata.
Diefer Saiheh kann alfo wol fein anderer ale derſelbe Sia-
ga dem Namen nach fein; der Brücke nach vielleicht ver Gele
Vollſtändiger ift na Edriſi, der ebenfalls nad der Stadt Ma
bedj oder Hierapolis, die ex als reiche Handelaſtadt rühmt, fag:
won da nicht fehr fern fei Sinpja, 58) eine Fleine aber gut ie
volkerte Stabt, in deren Nähe eine Brüde aus behauenen Glen
ſehr kunſtreich und dauerhaft gebaut, weile Bräde Sindja feih
und binfichtlich der Größe eine der größten fei, die man nur ja
‚ Eine: denn fie habe Die ganze Breite des Cuphrates.
’8%) Mannert, Geogr. d. Gr. u. Röm. Th. VI. 1. ©. 407. .
6) Oriental geogr. by W. Ouseley. Br 4, 8. 92) Bin
Geogr. ed. Jaubert, T. U. 139.
" Euphraufgflem; Bir, Berl, 3
Auch Hier it der Aushrud fo unbeflimmt, daß man nicht weiß,
hat die Sindja⸗Brücke nur die Ausdehnung einer Cuphrat⸗Brücke,
ober ging fie wirklich als Brüde über nen Cuphrat. Letzteres nimint
Jaubert an, 'und dieſe Anficht würbe fcheinbar Durch eine An⸗
gabe auf Eol. CHesney’s Karte vom Cuphratlaufe beflätigt wer⸗
den, der nach Lieutn. Lynchs Recognoscirung des Euphrat im
Jahr 1836 zwiſchen ver Mündung des Karaſu, etwas aufwärts,
und einer dortigen Fähre, unterhalb des Dorfs Zekterij, durch
eine punctirte Linie quer durch den Euphrat, einem ver⸗
muthlic ‚noch wahrnehmbaren Mauerreft einer alten Brüde ein»
zeichnet, und dazu ſchreibt: Stone bridge over the stream, v. 1.
Steinbräde über den Strom, von welcher jedoch Chesſsney
. ſelbſt Feine weitere Nachricht gibt, fo wenig als die preußiſchen Offi⸗
uuuu. wo
.
ciere davon Nachricht geben. Fuͤr die Anficht, daß die bei Arabern
fo berühmte Brüde aber über den Singas und nicht über den
Euphrat, alfo über ven heutigen Kara fu ging, fpricht auch
vie Angabe auf I. B. 2. 3. Rouſſeau's Karte von Syrien
(Bari® 1825), auf welcher am Singas (Karafu) vie Belfchrift
gegeben ift, daß der einzige Bogen ber Brüde über den un⸗
tern Singas (In einer Entfernung von etwa einigen Stunden .
vom Euphrat gegen WE.) die große Weite von mehr ald 200 8.
gehabt haben folle. — B.toird alfo in biefens erft kürzlich wieber
entdeckten Gebiete für künftige Reiſe noch immer vieled von neuem
zu buschforfchen fein.
3) Bit (Bire), A Birat bei Abulfeda, Biradfilt der.
Türken bei Niebuhr, Bexedſhik, vulgair Beledſhik. —
Kalat Beda das Baftell.
Bon Romkalah' ſchon eine Stunde abwärts, unterhalb des
Kaffee Beg ) (Kefer beg auf Chesney's Karte) auf dem lin⸗
Een Ufer, beginnt dad Euphratthal fich etwas zu erweitern, obwol
vas Ufer noch felflg bleibt, und faft denſelben Character beibehält
558 zur Thalebene im Norden von Tel BalEis, die in ver Na⸗
tur ihrer Schiehtenbilpung derjenigen von Samojat glei if. Dis
dahin gibt Chesney's Karte ven Selfenuferwänden, voll Srotten
zu beiden Selten, eine relative Höhe von 250 8. über dem Eu⸗
phratiplegel. An ein paar Eleinen rechten Zubächen werben. die |
#°) Ainsworth, Researches in Assyria p. 56.
n_
N .
\
948 -Weflsdlfien, II. Abtheilung. I. Mofnit. fit.
Meninen cinet Caſtells Graum, und die eines Gchmißbegens da
zeichnet; unmittelbar am Nordfuße. des Tel Balkis mit dem geile
namigen Dorfe, ein Kreivefeld, der fih zur Lage eines vimiigen
ober griechiſchen Tempels reiht elgnete, und vielleicht noch cin &
teres Heiligehum De Bald war. Von dieſem Berge wendet ih
ver Euphrat etwas gegen Süboft bis nach Bir; an ver Bub
feite feines Ufers breitet fi eine niedere Ebene ans; vie Di
feite wird von weißen, 150 F. hohen Kreinefelfen begleitet, de
mit einem Lager von Kies und Erde überdectt, an einer ˖ Stelle ala
auch mit gewaltigen Transportblöden von Kalkftein ũberſtrent Feb,
deren Urfprung mit einer weiter außgebreiteten jüngern. Cuphen
überfpwenmung In Berbinvung zu flehen ſcheint. Die Gtabt Bir,
das Zeugma des Ptolemäus (V. 15. fol. 138, unter 72° Long
37°Lat.), ſteht felbft auf einem ähnlichen Kreivefels, in wegen
jedoch zweierlei Beſtandtheile zu unterfcheiven find. Der unter
Theil beſteht aus weißer reiner Kreive mit Feuerſteinlagers is
mächtigen Bänken; auf denen If das Eaftell von.Bir amt
Der obere Theil If von dem unten Öfter durch blaue thecie
Schichten geſchieden, und feigt meift ohne Feuerſteinſchichten, mb
ohne Foſſile zu enthalten, in 200 bis 300 Buß hohen Maffen auf,
iſt aber dagegen mit Eifenfteintnollen (Ximonit), meikt ie fie
sengeftalt, erfüllt. Diefe eiſenreichen Lager ber Kreivchiak p
gen fi vorzäglih In S.W. von Bort Willtam, wo die Daupf⸗
ſchiff⸗Exrpedition Ihre Station aufgefhlagen hatte, nämik um
Weſtufer des Cuphrat, wo fi der Cuphrat in mehrere Urme ab
ſchen vielen Infeln verteilt. Ihnen im S. W., auf der erſten maß
Uferhöhe, erhebt fi ein Ziaret, d.i. dad Grab eines moslifge
Ganctus, des Sheik Ibrahim, mit einher Fünfllichen Grotte, we ww
ber jenen Minern auch mehrere Varietäten von reinen Gulyk-
ten vorkommen, darunter zumal auch Bederalaun®) non Kine
wosth genannt wird. Die, Kreidebänke Tiegen mei he
zontal gefchichtet, oder mit fanfter Reigung von 5° Bis. 15
gegen ven Horizont, und bilden fo dad Tafelland ober rundt
Kuppen, die mit den Kegeln und tief eingefchnituen Thalern we
leriſch contraſtiren. Diefe engen’ Thaleiuſchnitte bahnte ſich hi
weichern Boden der Cuphratſtrom; wo die obern hartern Dagen M>
Ien, da entflanden Kegel, runde Kuppen, Domgeflalten;. Kugıf m
heftige Strömung, gerundete Borm wo geringere WWafferfyiie
’0o) Ainsworth, Res. p: 87.
Eurhratſoſtemz; Wir, Mberabfbil..." 946
wirkſam war. Die. Strömung. war. an der Begrenzung gegen bie
trotzende Dauer: der Plateauwand heftiger ald In der Mitte des Stroms;
vaher die Wechſel und Contraſte der dadurch mobellirten Euphrat
ufer, von Samofat an abwärts bis unterhalb Bir, fo weit die⸗
felbe gengnoftifche Befchaffenheit dieſelben daractert»
Rifhen Formen in ven Bonfiguragignen.beroorrief: - Dies
gelbe Tafellandſchaft ver Kreideluger breitet fich aber abwärts
bis zur bene von Serujaud, wo ſie eine Unterbrechung durch bie
—vlutoniſchen Maſſen erleidet. Die Glieder der die Kreideforma⸗
E tion überlagernden Gebirhöſchichten zeigen fi nur an einer
E Stelle in der Nähe des Port William, nämlich, auf der Verghoͤhe
3 am. rechten Ufer bed dort einmündenven Kleinen zechten Euphrat⸗
m zufluſſes, des Kerfin (Karazin auf Chesney's Karte; Kirfun _
tfhai, Im Sup des Schlachtfeldes von Nifib vorüberſtrömend, auf
v. Moltke's Karte; Maundrell 6) nennt ihn Towzat), der vom ger
w nannten. Ziaret gegen SD. abfließt. Es find Feuerſteinconglo⸗
zw merate mit großen. Kalffleintrummern durch Kalkcement verbunden,
5’ welche vlel weiter abwärtd, am Sajur- over. Sapfhur-Fkuffe
BD (MUND. von Hierapolis), eine viel größere Mäch tigkeit erreichen
mw) und ganz fleile Uferwände und Succefſionen von Vorſprůngen am
-s @upbrat gewinnen.
w - Eine gute Stunde unterhalb jenes Ziaret, aber an ber Düfte
u De Stroms, auf welcher Bir liegt, fangen auf ven dortigen Hü⸗
— gelkuppen die erften Spuren der dunkeln plutonifhen Geſtetne
um an fich zu zeigen, welche Ninsworth einer jüngetn gewaltfanen
—: (ruption folder Waffen zufirelbt, die er den. Seruj⸗oder Sa⸗
r + ru dſh⸗Erguß nennt, weil er das Genitun ihres Gerworbrechend: eine
eu Tagereife oRwärts Bir in das ſchwarze Klippenland baſal⸗
m tiſcher Geſteine von Sarudſh (vd. i. Surug oder Anthe⸗
muſias, ſ. ob. S. 118) verlegte (ſ. unten). Unterhalb der Einmün⸗
dung des genannten: Kerfinfluſſes, aber etwa eine Stunde abwärts
pavon, liegt in SD. ded Tell Jisrein (d. h. des Brücken⸗
Hügels), unmittelbar unter dem Dorfe Ketkujah, an einem öfls
chen Borfprunge des rechten Enphratufers wie Stelle, welche von
einer. felſigen Semmung im Strome Gurluck, d. h. Don ner ge⸗
td fe (Klara der Araber), 6?) genannt wird, die hiermehrere Wire
Het im Strome bildet. Die Waſſer werben in. jener Beiömafie des
W.
nm
is
[1 Fry
| —
ter) H. Maundreil, "Journey from Aleppo to Jerusalem. 1697. Ox-
ford 1740. 8. Acc. etc. p.155. %) Ainswortli, Research. in
- Altıyria. p
Ritter Gröfunde X. Dan
"946 Wefl:Mfien. II. Abtheitung. L. Möfduitt, (A.
Slufteins voll GHählenbilsungen zu Ruͤcklaufen gendthigt, vie wege
ihrer Pielichnelligkeit für kleinere Boote ſelbſt gefährlich ins. m
Dftufer in demſelben Parallel ed Gurluk, nahe dem Dorfe Ze⸗
heareh und dem Kegelberge Tell Adrah, find Die harten Knie
banke des Plateaulandes mit ſchwarzen Bafalten bedeckt; Kia
Zehereh aber mit weichen Kreideſchichten, und eben fo vom Tell
Adrah bis zum ſüdlichern Cuphratvorgebirge Moghar (mi
Tell Mezora ever Adarah der Karte).
Gleich unmittelbar abwärts dieſes Stromwirbels Tiegen auf ie
weſilichen Uferſeite nahe dem Dorfe Jerabolus alte Ruinen, ie,
ver Lage nach zu urtheilen, dem antilen Curopus des Pie
angehörm (Ptol. V. 15. fol. 138: 72° Long. 36 50’ Lat.) Sie
exweltert fich mehr. abwärts um vie Münvung des Sajur m
SGadſfhur tſhai das Euphratthal bedeutend zu einer Culturcben
‚in weicher vie größten Flußinſeln im Strome Tlegen, an derm ih
ter, der Sudſpitze gegenüber, die Klippen von Sarifat, mit dem
alddmamigen Dorfe auf der Höhe, In kühnem - Borgebige wm
Weſtufer in den Fluß vorſpringen. Es beflcht aus weiße Kur,
. und hat große Höhlungen und Grotten, bie zn Troglerrucnch
nungen verbunden find. Hier am Vorgebirge bemerkte Answer)
eine griechiſche Infeription und eine liebliche Tpakfentung, au
der ein Tleiner Strom fich über eine FJelbwand flürzt, die wen Re
tur eine Circusgeſtalt hat, neben weicher an der Bergſeite Nie Hub
non einer antiken Stadt legen, die Aind worth für Greif
Bei Ptolem. (V. 15. fol. 138, unter 51° 56’ Long. unb 3 Wi
Lat.) ober Geciliana der Tabul. Peut. hielt, die nah Ui
nicht volle 10 Stunden (XXIV. M. pass.) von Siersyahl
entfernt angegeben warb, uns eben fo weit entferut yon Zeugm
(wel der fo genannten Stabt, von der aber noch eine Such
zum Ufer des Cuphrat, alfo ber Cuphratbrũcke dem cigmile
Beugma im der Tab. Peut. angegeben wir). Se wire
terhalb. der Mündung des Ganfhus tſhai nad zu: biefen- Zielen
Gecilia’s iſt der Lauf des Cuphrat direct gegen Sar; sa
begimmt ex von neuem Bald ditlichen, bald 1 : Dei
* * 8 unten weiter zu verfolgen haben Bon Teciue
uinen kehren wir für jebe zur "Stadt Bir, );
Thal beherrſcht, zurüd. — Äh .
Ben Bir gibt fon Tavernier einige nähere wel
.® ned} qu feiner Belt der große Gauptäbergeang für Me fr
SITE Karawane war, Wr ven Akeppo nad) Wahlen zu;
\
— * ”
Mu MIR A MM ı\. . .
I 1
BE |
Egyyhratſyſtem; Bir, Biredſhit. 087
fe ping über Bir und Orfa (Edeſſa). In 4 Tagemäcſchen kam
der franzöfliche Hanveldinann‘ von Aleppo mit der großen Karawaue
im März 1644 an dag Weſtufer des Euphrat, dem auf dem Di
fer gegenüber Bir liegt. 9) Da die Waaren bei dem dainals
noch ſtarken Karawanenverkehr nicht alle an einem Lage Horgen -
ſchifft werden Eonnten, fo, war Hier ein fchönes Karawanferai erbaut, '
das gut gefchloffen und hinreichend geſichert war gegen etwaige
nachiliche Ueberfälle zäuberifcher Beduinen. Man paſſirte em ‚müde
Ken Tage ven Fluß in großen Fähren, und auf dem Oftufer wine
ben bie Waaren verzollt: Die amphitheatraliſch 0%) am Menge
hinaufgebaute Stadt wurde von der Karawane nicht Beireten, few ü
Den auf einem ſehr schlechten Seitenwege umzogen, zu einem ‚alt
dern Karawanferai am Fuße ved Berges, in welchem ſich auch Grotten
zur Aufnahme ber Heifensen, wenn vie Karawane zu zahlreich war,
Kefanden. Bon jeher Pferde⸗ ober Maultfier-Eabung waren 2 Bias
Ser Zell, von jebem Proviantpferde 4 Piafter zu erlegen; bie Mein
erde gingen frei durch. Die Stadt, bie ber Franzoſe Bir Her
Sarhy geon ſchreibt, fand ex ſchlecht gebaut, ihren Bazar aber mit
einem Ueberfluſſe von Lebenemitteln verfehen, wit trefflichen Brot,
Bein, Obſt, Fiſchen. Das fchr alte Caftell, Halb fo laug als wie
Stadt hinziehend, fand ex eng, unvertheidigt, zur mit einem Aura
nach der Stromſeite und mit 8 bis 9 elenden Feldoſchlaugen verſo⸗
Gen. Auf ver hoͤchſten Höhe der Stadt war das Reſidenzſchloß bes
Aga, ver ſich auch Paſcha titulicen Heß, und etwa 400 Spahis unk
200 .Yanitidyaren commanbirte. In 2 Tagemaͤrſchen ging He Ks
zamane von va über Eehmis am Cuphrat, die türfifge Ber⸗
Rümmelung von Beugma (Iſhaſhmeh n. Jaubert) und über
Aſharmely nah Orfa.
Sue Jahre 1699 ©) hat der Kaplan GH. Maundrell von
Aleppo aus feinen Weg über Hlerapolis und Jerabolus, alſo vom
Güren her, nach Bir zurüdgelegt; er Hat zuerſt bie Breite des
Ortes unter 37° 10’ beftimurt, was von Niebuhrs Breitenbeſtim⸗
mung freilich um nicht weniger al6 um 43 Minuten abweit: Da⸗
mals wurbe der Cuphrat zum Transport vieles Korns benutzt, das
vom Paſcha von Orfa auf zahlreichen Booten von hier nah Bagz⸗
dad abwaͤrte verſchickt wurde. An Booten war damals uf vo
105) J. B. Tavernier, Voy., ed. à la. Haye 1718. 8. T.L p. 496,
800, vergl. auch Jaubert Not. in Edrisi Ge£ogr. II. pag. 133.
*58 die Auſicht von Dir, Zeichnung b. Buckingham, rav.p. 25.
Maundrell Journ. 1. c. p.185.
Do 2
L
gaB WepbsMien. MIL-Abtgeihng. 4. Abſchnitt. 4.
Cuphrai rein Mangel; aber ſie waren fo ſchlecht, wie ſie ned heat
find. Maundrell beſuchte dad Caſtell auf Der Höhe eines gie
Gen Felſen, der vurch einen tiefen Spalt vom Feflland getrennt wer.
‚Die Shore waren von Eifen; daß fie in eifetnen Arm ſich wi
ten, bemerkt auch Buckingham. Es ſtanden da einige Metallze
fchüge, plumpe Rader mit eifernen-Aren: verbunden, Maſchinen, m
Bogen: zu ſpannen, und am Boden fah man viele bis 20 Zoll im
Diameter baltende Steinfugeln zum Schleudern Tiegen. Ein in SM
gehauener Wer führte ſchräg zum Caſtell hinauf, eim under =
teeiebifcher führte zum Euphratufer hinab. In der Rüftfeeme
des Schlofies fah man große Pfeile mit angebundenen @lasflafden,
die, mit Pulver oder Naphtha gefüllt, beim Abſchleßen zum Jr
vplatzen unter dem Feinde bienen follten. Man fah allerlei Rate
nerte zu. Belagerungen dert vorrätig, große zömifche Cättdl zu
coloſfale Pickelhauben, gewaltige Riemen: zu Schleudern und ann
dergleichen Waffen mehr, an deren genauerer Betrachtung az #
Hoch durch dis Saloufle ver türkifchen Führer gebinvert wurde. &
nige. Bäche flirgen von der. Plateauhöhe die Bergſeite zur Get
gegen den Cuphrat hinab, und trieben nichrere Mühlen. Iu ie
sine Selewand war ein Khan unterirdiſch cingehauen, in be
. Bämmen man 15 mächtige Pfeiler fichen Heß, vie Decke zu trage.
Diiefelbe. große Höhle mit ſtehenden Säulen :viente im. I. 107.
Bukinghams Zeit zu einem Viehſtalle. Ueberhaupt ifk dad up
Seloufer am Cuphrat vol Höhlen, die zum Theil wol zu Suſ—
brächen bei andern Bauten dienten, dann aber als Wohnuntzen
ölteften Seit benutzt werden mochten, wozu ſie nach: heute im Gehen
fine. Von Wir zeiiete Maundrell nach Aintab und Aleppo zack
Dtter ©) paffirte im I. 1737 auch) von. Aleppo übe ir
kab und Mezar, das nad, ihm noch 6 Stunnen vom Gupfesi mr
fewmt liegt, deu Cuphrat bei Bir, bad er Bire uns Bireib
gik ſchreibt. Er ſchätzte bei der Ueberfahrt wie damalige Breite 6
Stroms auf 200 Schritt, die aber bei Wafferanfchwellung 6
500 und 600 Schritt.wachfe, wo dann die Ebene am reiten.
!
unter Waſſer geſetzt werde. Die Stadt Bir am Oftufer famle
nur klein; das unmnauerte Caſtell, fagte man, folle von Mlczauer
dem Großen erbaut fein. Noch hörte er von drei andern Caſtckec
‚die in der Nähe lägen, nämliy von Kalai Rum im NW. (meh
ihm irrig gegen Wy, Souroudje im N.O. (es ſoll Sacuſi
-
vo.) "Otter, Yoy. Up 101: .
tiefer Tiegende Stabt, die aber auch in den behauenen Fels binde
gebaut If, deſſen an fich weiches Geſtein, ſobald es nur der Luft
‚ amögefegt wird, wie ber Malthaſtein erhärtete. Faſt jaͤhrlich durch
Erdbeben heimgeſucht, iſt e8 auf ſolchem Boden, auf dem bie Stabt
Rumkalah fleht, ſchwer zu fagen, wo ver Fels aufhörte und bie
‚ Menfihenarbeit anfange. Zunädhft, iſt die Bergzunge, vie auf ber
. einm Seite vom Cuphrat, auf zwei andern von ber tiefen Kluft
. bes Marfifan (Marsyas 6. Plin.) umfchloffen if, ‘40 bis 100 &,
f E od ſenkrecht abgefchnitten. Auf biefer Wand erheben fi »ie
Mauern aus demſelben weißlichen Kreide⸗ oder Kalfgeftein an 60 8.
r " hoch mit Binnen und Thürmen. Durch 6 Thore Kintereinander
windet ſich der einzige Aufgang, um zu etwa 40 Häufern zu ges
langen; alles andere find Trümmerhaufen. Das Ganze fieht aus,
* fagt v. Moltke, wie ein beſonders fagonnicter Felt, wie man ſich
" ein. großes Stüd Kreide etwa zufchneiden könnte. Die Geſchichte
von Rumkalah zu Tonnen müfte intereffant fein. In fpäterer Zeit
war es der Sig armenifcher Priefler, vie Hier ein prächtiges Klofter
gründeten; bie Zerftörungswuth Hat davon nicht alle mächtigen
Quadern ganz umwerfen Finnen. Mur die fchön ausgehauenen
zömifhen Adler find zum Theil abgekratzt, und die großen Säu⸗
fen mit zeichen Gapitälen Tiegen am Boden. Späterhin bemächtigte
fih ein Dereb Bey (f. ob. ©. 782) des Schloſſes; ein Kurbene
fürft verbrängte Ihn; Baba Paſcha vertrieb dieſen. Dann be⸗
ſchoß Mehmed All's Sohn, Ibrahim Paſcha, der Syrer, bie
Feſtung, und fo zerfiel alles in Trümmer. Nur die ſtattlichen
Mauern und ber gewaltige Fels ſtehen noch Heute, wie ihn bie Rd⸗
mer fahen. Ein Brunnen der AUrmenier, 200 Buß tief, iſt Ihrer
zömifegen Dorgänger würdig; er iſt weit genug, daß eine in ben
Fels gehauene Wenveltreppe In ihm fich bis auf das Niveau des
Guphrat Hinabwinvet, auf der Maulthiere das Waſſer Hinauftragen.
Die vierte Seite des Schloſſes iſt vie gefährliche; bier (nämlich ges
gen Süd, nach Pocode) hängt ber Feld mit einem Plateau zus
fammen, daß ihn nahe uͤberhöhet. Won diefem hat man ſes durch
einen 80 Fuß tief eingehauenen Graben Eünftlich getrennt Nah
Bocode +) fol. es vie Abficht gewefen fein, dieſen Graben fo fehr
zu vertiefen, daß die Wafler des Marfifan hineingeleitet die Feſtung
* einer Inſel gemacht haben würden. Wollte man Rumkalah
zu einer wirklichen deſtune machen, fo müßte man nothwendig of
LEDER - Gun Sen
0), Vocode, Veſchr. 0. a. O. II. © 220.
936 weht. IL eibchellung. I. Abſchnitt. 1.01.
.eſes Vlatten hinauf, vas nur an wenigen Puncten erficigher I.
Dis alte Römer-Eaftell hat aber heutzutag, im ber ummp
ſamen Wüte, nicht mehr wis ehedem bie ſtrategiſche Brbentung dem |
Weſte, und gegen gewaltfamen Angriff If es, ſelbſt im feinem m |
fallenen Zuftande, vollkommen geſichert. Die Beichiehung kam m |
wenig fchaten, da alle Käufer zum Theil, ober ganz, im ben Fl
gehoͤhlt find. — So weit durch v. Moltke die erſte umfimigen |
Schilderung dieſes Ortes, der früher, ſeiner Natur nad, faſt unfe
kannt geblieben war, weil keine größere Karawanenſtraße hindurh
ging. Nur R. Pococke hatte denſelben Ort ſchon im Jahre M
beſucht, als er von Aleppo über Aintab nah Urfa zu Rum
Talah Aber ven Euphrat na) Mefopotamien hinüber fepte, mh
auf dein Rückwege bald darauf etwas weiter abwärts über Br
. na Syrien zurückkehrte. Er fagt, ver Aufgang zu der Feſte,)
De damals zum Gefängniß für türkiſche Gtantögefangene bien,
feige von Welt Her auf 4 übereinander in Fels gehauenen Terraffın
empor, deren jede ein Eingangsthor habe, davon ein paar Deyprk
thore fein. — Mon einer zur andern führen in Wels gehenem
Stufen zur Höhe des Caſtells Hinauf, in dem 2 Kirchen ſuhen
Die niedrigſte ſchien die Altefte zu fein; fle Hatte drei Schiſſt, c
war wol griech iſcher Bauart, aus ver Zeit, da byzantisifge
Kaiſer die Stadt beherrſchten. Auf der größten Göße fefes
prächtige Bauwerke, darunter auch eine, wiewol Pleine, aber yet
volle Kirche. Im gothifchen Styl. Site warb an gewiffen Tagen won
den benachbarten Ebriften Häufig befucht, und ihr Name Dar Ras
fite zeigte wol, daß fle zu einem Kofler (Deir, wie oben 6.851)
gehörte, wahrfcheinlich zur Zeit, da armenifhe Patriarden
bier ihren Sig Gatten. Die Kirche iſt faſt Im Viereck gut,
beiden Selten des hohen Altars iſt eine Kapelle; der Aufgang pe
Kirche hat eine Treppe mit 8 Stufen, zu beiden Seiten mit Sue
plägen, und unten an diefen Stufen flanden noch zu Berndi't
Zeit zwei große achteckige Pfeiler mit gothifchen Gapklakn. 2m
tiefe Brunnen war zu feiner Zeit mit großen Steinen *
doch follten fi, bei niederm Waſſerſtande des Cup
dem Brunnen mehrere verborgene Zugänge zu dem ©
den laſſen. Dem Gaftelfelfen. gibt Bocode einen
halben Meile; die Mauer, welche vie ſenkrecht behamene
gegen NO. und Süd Eröne, beſtehe, fagt er, aus roh
J
4
In
il
TR, Vococke, Veſcht. a. a D. IL ©. 220,
Euphsatfoflem; Bir, Viredfbi, : 058
. nur 214 Schritt Breite ein, war aber 9 bis 10. Fuß Hief, und follte
au bis 12 Fuß abſinken. Auf aufgeblaſenen Hammelſchläuchen
geſchieht Hier fortwaͤhrend, wie überall auf deni Cuphrut, der Ein⸗
zelnen Ueberfahrt. Als Nocode ven Euphrat vetließ, fragte er,
ob nicht vieleicht ein Ort des alten Namens Zeugma (Brüde) au
Euphrat liege; fogleich erhielt er vie Antwort, daß etwa 12 Mel
ken oberhalb Bir ein Ort Liege, ver Zima 72) Heiße, bei dem man
bei niedrigem Waſſerſtande im Euphrat zu beiven Mferfelten Xrä:me
mer von Mauern, vieleicht einer Brüde, ſähe. Auf ſolch⸗
Ausſagen der Drientalen, mit denen fie fo ſchnell bei der San)
find, zu vertrauen, würde ohne weitere Prüfung ſehr leichtglaͤubig
fein. Dem Pocode haben viele nacdhgefprochen, aber Niemand bat
dieſes Zima aufgefucht; ſollte eine Kocalliät ber Art: fi; vorfinben,
ſo wäre es vieleicht das Gechmis bei Tavernier ober die oben au⸗
geführte Faͤhrſtelle zwiſchen Rumkalah und dem Dorfe —5*
bei welcher Lieutn. Lynch in feiner Flußaufnahme beiſchrieb: Sto-
hebridge over the Euphrates.
Dusch C. Niebuhr, der auch von Orfa aus nach Bir: Iam,
DaB er zuerft mit dem türfishen Namen Bir anfjit (Brun«
nen⸗Thal?) belegt, wurde bie aftronomifche Breite des Drked
yurch Beobachtung auf 36° 59 N.Br. fefigeflellt, 7°) die Lage des
Dorfes Halekoi auf dem Weflufer des Cuphrat nach der Ueberfahrt
anf 36° 57' NBr. Auf nem Hügel am Oftufer des Cuphrat, zu
wen man über ſehr monotones, welliges, wüfled Land, nur vom vie⸗
en Gelern und Falken überſchwebt, aber ofme Grün, ohne Baum
und Strauch, gelangt, von welchem ſich einige Kleine Bäche zum
Gaupifirome hinabſtürzen, fagt Niebuhr: in der noͤrdlichen
Ede ver Stadt Liege jenes Caſtell auf einer fleilen Anhöhe, bie gang
wit behauenen Steinen bekleidet iſt, deren Eden abgehauen wurden,
wie an dem Dache der Bekleidung ber zweiten Pyramlide bei Ka⸗
hira, wodurch dad Hinaufklettern am Hügel ganz unmboglich ges
macht worben. Deshalb galt einft das Caſtell, wie Ab ulfeda fagke,
für uniberwindlih. Zu Niebuhrs Zeit (im I. 1766) war allıd
verfallen; der Kreiveflein, aus dem Gaflell wie Stadt erbaut find,
hatte aber fein glänzendes Weiß erhalten, das zumal bei zurüd«
prallendem Sonnenſchein ſehr blendend und durch Staub bei Win⸗
18) R. Pococke a. a. O. I. S. 228. °*) C. niebuhr, Reijebefät.
— * S. 3353 Buckingham , Trav. in Mesopotamia.
088 —ER TIL. Abteilung. I. Abſqnitt. (41.
lijchen Namen der Fall iſt. Der Tleine Fluß, bes die Stadt uufyält,
wird bei Armeniern Barzeman genannt, es iſt der Marfifes,
ven Abulfeva Marzeban nennt Am berühmteſten wire bie
Guphratfefte dadurch, daß ver aus dem Arſacidiſchen
ſchlechte ſtammende Patrtacch der Armenier Gregor UT. feine I»
ſidenz von Dfo pt (ob Dosbb, einer Infel im Van⸗See, f. 06.6. 621
u.Th. X. 785) nah Hrhomgla(ſ. o. &.621, 625) verlegte, zur Zack,
da das armentifchectitcifche Königreich auf ver Weftfeite vos Su
phrat in Blüthe war (f. 06. S. 613). Gregor Ill. kaufte die Stabt m
damaligen Befiter, dom Sohne des Franken Ioscelin, des Graf
son Edeſſa, ab. Vom Jahre 1446 bis 1293 blieb fie die Reſi⸗
denz %) dieſer Patrlarchen aus altem Fürſtengeſchlechte, bü
der dreizehnte, ver lebte dieſer Reiihe, Stephan IV., ad &
fangener (im Jahr 1293) von den ägyptifihen Gultanen an Im
RU abgeführt und zu gleicher Zeit die Stadt der Gerridaft de
Armenier entziffen warb, und unter bie Gewalt ber Guliane lan
Sie in Schomgla ober Rumkala murben hie Grabkiie
eb Patriarchen Gregorslli. und feined Bruders, bes Dawlankıs
Nerfes IV., Klatetft genannt, des armeniſchen Dichters, nel
Bartans??) Angabe verehrte. Aus viefer Zeit flanımen alfe wei
auch. die Ruinen armeniſcher Kirchen unb ber Klofterardhiiektur nf
vleſem Caſtell her, wis fo wiele im der weiten Lmgegenb, in weder
damals Armenier fo weit am Euphrat hinauf, bie Berger (f &
S. 871), herrſchend waten. In biefer Belt waren auch Armınist
Bir Gommandanten“) nisfex Burg am Gupbrat, wie in ie
Periode der Kreuzfahrer, wo im I. 1190, zu Sultan Salaıins wi
Kaifer Friedrichs Zeit, der Prinz Bar Gregorios, ein Sohe ii
Baſil ius, als folder genamum wird. Begreiflich If es, wie in
dieſer Zeit” fich bie —— Bevdllerung au über die
Landfchaften des nörblichen Syriens verbreitet haben muß, ms
ver überall fo ſehr viele Architekturrefie in jenen Guphraigegeubens
bis heute vorkommen. Hundert Jahr fpäter, im Jahr 1291, we
das Rumkalah noch im Beſitz der armeniſchen Könige. AU Is
ägyptiie Sultan ver Mameluden Malekh al Aſhraf ,
naunt Khalil Selaheddin, Im ſolgenden Jahre feinen Selm
gegen Rtolemaid machte, und dann über ben Libanon nach Gauch
ur eben. I. p. 42-443, wo ihre Succeffion chronologiſh vr
—* “u. not. 128. ui * Denn es ra. **
| d. Diner wu 1 ea IV. €. 179.
u
Ks Euphratſyftem; Bi, Biredſhik. 958
des Nilmafferd viefen ſchnellen Niederſchlag keineswegs wahrnehmen
Tann. Die Prahmen zur Ueberfahrt fand Niebuhr Hier beſſer
als die am Tigris, denn es brauchten den Saumroſſen bei dem
Trausport in der Fähre die Ladungen richt einmal abgeſchnallt zu
werden.
Der Khan an der Weſtſeite der ueberfahrt nach Bir: "bes
ſteht, wie zu Taverniers Zeit, fo noch Heute; von ihm aus machte
Buckingham feine Ueberfahrt In. 6 großen Fahrbooten, dle 40 Fuß
Jang, 10 Fuß breit, 2 Fuß hoch waren, und je 2 Tonnen Laſt tra⸗
gen Tonnten, aber durch die 8 bis 10 Paſſagiere nebft. 4 Kameelen;
4 Eieln, sin paar Pferden ſchon ſo überladen warm, um von 4
Bootsmännern und 2 Jungen nicht ohne Gefahr His zum Zollhauſe
hinübergebracht zu werben, wodurch ein Aufenthalt von einem ganzen
Tage veranlaft wurde. Andere Schiffahrt den. Strom auf ober ab
beſtand zu dieſer "Zeit nicht wegen der: Unſicherhen der Ufer durch
die Raubhorden der Beduinen.
Diele Stadt Bir, gegenwärtig gewohnlich Bir adfhit oder
vulgair Beledſhik genannt, Kat als erſte Station ver Dampf-
fHiffahri- Erpevition anf: dem Euphrat unter Colonel
Ghesney in dem gegenüberliegenven: Port William und durch
das Lager des Türkenheeres unter Hafisz Pafcha in ihrer Näpe,
bei Niſib, wie durch die dort erfolgte Schlacht ‚gegen Mehemed
Ah von Aegypten, an welthiſtotiſchem Intereſſe gewonnen, da fie.
vordem nur als die große Zeugma bed Alterthums bekannt
war. Ihre Lage iſt allerdings von Natur eine wichtigere Localität
als nie von Rumkalah: denn Hier tritt der Euphrat zuerſt aus ber
engen Klauſe feines fteilen Bergwände hervor, und bleibt von’ nun
an 618 zu feiner Mündung in einer Ebene, die mehr ober weniger
ſich ausbreitet, und bis zu feiner Meeresmündung das unabfehbare
berühmte Blachfeld von Irak Arasi bilde. Ven'nun an wir
er erſt ſchiffbar als ein großes ununterbrochenes Stromfyſtem für
vie Verbindung it dem Ocean; dadurch dürfte Bir In einem fol⸗
genden Jahrhundert noch eine andere welthiſtorifche Bebeutung er⸗
rungen haben als in der Gegenwart. Rod) ſtehen einige!: Ruinen
von den Häufern, die Colonel Chesney zu Port William am
rechten Flußufer zur Ausrüſtung ver beiden erſten Dampfſchiffe auf
dem Cuphrat und Tigris erbaute, und noch hörte v. Moltte 7)
dort an Ort und Stelle die Türken mit Grfaunen \ von dem Staur
— — |
27) v. Motte, Briefe a. a. O. S. 226ss. ae
940 Weflsdiieu. TIL Attheilmg. I. Abſchaitt. 4.41.
dem Auftreten ver Araber in Syrien, alfo nicht vor dem Cube
des 7. Sahrhunderts in Gebrauch gekemmen fein Finnen. Dei
fipeinen die Ruinonrefte ein höheres Alter zu fordern. Gehe
wir und nun nad Namen um, die eine ältere Start in jur
Kocalttät bezeichnen, fo find es nur wenige, bie darauf Anfprüde
machen Finnen: etwa Reocaefarea, Urma giganti a
Arulis. Neocaefaren blos wegen der Verbindung, in welcher
diefer Ban in Cuphrateſia mit Jeugma (Bir) durch Procop
geſetzt wird, weil wir Denfelben Ort ven gar feinem andern Aus
genannt finden. Nachdem Procopius (de aedificiis Justin. IL 9.
p: 235 ed Dind.) nämlidy von den Gtästen und Castris as im
äußerftien Grenzen von Cuphrateſia und ihren Bauten gefpreden,
nennt er, nach Hierapoliß gegen Norden zuräckkfehrenn, auch Zengms
uub Neocaeſarea, das jonf unbekannt, uny ſagt, fie hätten um
Mauern zum Schein gehabt, nievrig genug zum Lieberfpringen, j5
eng und ohne Raum für die Vertheidiger; deshalb wurden fe ww
Kaiſer Iuftinten mit gehörig flarken und hohen Mauern wuygm,
und mit allem Upparate zur Veriheidigung verfehen, wodurch fe-af
gu Städten erhoben wurden, wolche dem Feinde Trotz bieten Im
ten. Aber norbiwärts von Zeugma konnte biefer Name ver Ri
caeſarea Feiner paſſendern Feſtungaſtadt zukommen als Renlakh,
das vieleicht eben Deshalb von Syrern, Arabern mer
fern nur dad nme Schloß der Rum, wie bier übend de
Byzantiner des griechiſchen Reiches heißen, genannt ward.
Der Name Urma oder Urma giganti, das auf ber Monk
von Cyrrhus nach Cdeſſa im Itinerar. Antonin. (ed. Wessel. p.1%0)
als iventifch mit dem fonft unbefannten Ciliza angegeben wird, Bagt
65. Weile (XXX. M. pass.) fern von Zeugma (Bir). IR a ie
tisch mit dem Odprua, dem Urema bei Piolemäus, unter 7Ies'
Long., 37° 30' Lat., fo wäre e8 eine Uferflabt,, da Biokmisd
- ausbrüdlich dieſes Urema an ven Euphrat ſetzt (Peol. V. 15
fol. 138). Es würde in die Nähe der Mündung bes Ginget
(Ziyyas 6. Ptol. ebend.) zu Tiegen Eommen, ba viefer unter 72°-L.
37° 20‘ Lat. zum Cuphrat füllt. Freilich etwas zu weit nö,
um das heutige Roinkalah zu fein, deſſen vulgair⸗armeniſcher Auge
Ur hum vielleicht nur eine zufällige Lautverwandtſchaft haben umg
Der ſonſt unbekannte Ort Urema muß indeß von einiger Bei
tung geweſen fein, da der Kirchenvater Sorrates, HI. 25, na d.
Iar, °?) von einem Abraham, Urimorum Episcopus, ſpricht
78%) Cellariun Not, orb, anlianı IL. ARR.
Enphratſhſtem; Bir, Ghredfhit, 7.958
verfchlenner Hd He, nämlich einer öftlichen Höhern und einer weſt⸗
lichen niedern, bie beide aber worherrfchenn ebene Vlateau⸗
|
— wu gguunau um
rücken darbleten. Aleppo liegt in der Witte viefer Scheidung
wo die dftlihe Höhere Plateauſtufe in einer mittlern abſoluten
Erhebung von etwa 1200 %. vom Steilufer der Weſtſeite ded Eu⸗
phrat3 an, und nur von wenigen Kuppen unterbrochen, gegen Weſt
bis zum plöglichen Abfall in das tiefere Thal des Aleppofluſſes
( Chalus) fortzieht. Won Aleppo an weftwärts bleibt die gerin»
gere Höhe der weſtlichen Plateauftufe bid zum Oronteß-Finfchnitt
und zum Meeresufer bei Suedia in einer mittleren abfoluten Er⸗
hebung von etwa nur 500 bid 600 F. über dem Deere, alſo halb
ſo hoch als jene.
Der Hefe Einſchnitt des Cuphratthales mit feinem Fluß⸗
fpiegel beträgt beinahe die Hälfte der abfolnten Höhe jener oſt⸗
lichen Plateauftufe, nämlih nah Murphy und Thompfons
Nivdlement vom Mittelmeere bis Bis, noch 580 Fuß Par.
(6264 3. engl.) über dem Meere; und bies iſt von da an dad -
ganze Sefälle des Eupbratlaufs bis zum Perfergolf. 9)
Dftwärts von dieſem Guphrateinfchnitt iſt uns bie abſolute |
Göhe der dort fortziehenden Landſchaft nicht bekannt, daß es aber
‚ auch eine Plateaubildung iſt, zeigt ihr Auffteigen am dfllicden Lifer
des Euphrat und das Verharren des Meifenden auf dem bort nur
welligen Boden, über Drfa und Niſibis bis Moful Im offenen
Blachfeld. Durch viefes zieht daher eine wenn ſchon wegen ber
Befdung mit ſchwarzen Streufteinen und bafaltifchen Rollblocken
zur enge und fehr fchlerhte, aber doch fahrbare 9) Straße, nämlich
Durch die Steinwüfte von Orfa und Nifibin zum Tigris, welche, bie
einzige zum aſſyriſchen und babyloniſchen Binnenlande, ven großen
Durchzug der Handelskarawanen wie ber Kriegäheere und der Er⸗
oberer von jeher bedingen mußte. In biefem Lande der Paffage
vom Sinus Issicus bis zum aſſyriſchen Tigris bei Ninive und bie
Babylon, nimmt nun Bir oder Biredſhik eine ver allerwichtigften
Stellen ein, weil file vie bequemfte fowol zum Uebergange ber
Landkarawanen über den Cuphrat barbieist, ald auch weil fie als
ber erfie Cuphrathafen zur t Stromſchiſahet abwärts zu be⸗
trachten iſt.
‘7®) Colon. Chesney Msc.; Ainswortt, R Ren, in Assyria L.o p- 100,
%) v. Moltle, Briefe a. a. O. ©: 226
56. Wefi:Mien; M. Arheifunger X. Mk. {AL.
So wichtig nun dieſe Weltftellung zum DOriente, wei
dieſer Localitat, bei, einem zur Civiliſation herangereiftern friekh⸗
chern guſtande ves Orients, im Lande ber großen Pajigge 1
is Porderaſien dereinft eine Hauptrolle im Verkehr ver Bölker ju
figern wird, eben fo. eigenthümlich ift biefe topiihe Lage, we
v. Molike bemerkt.
Auf dem linken Ufer iſt die Stabt am Abhange und am druje
mehraer ‚Hügel erbaut, die fich Hier sujommengruppiren; eine gu
Mauer, mit Ihürmen flanfirt, umläuft ven Ort, aber. in ber iz
der-Stadt und, zugleich wicht am Flußufer erhebt fich ein ifelicks
Feltzkegel an 180 Buß, über ven Spiegel, der mit. Dem außerorden
lichſten Bauwerke gekront iſt, das man nur fehen kann. Die mein
Befeftigung beftand, nach v. Molike's Anſicht, aus einem von Mer:
ſcenhänden aufgeworfnen länglich runden Berge, auf web
chem dann die Burg over daß Gaftel erbaut ward. Solche Faß
liche Berge (mie der zu Superek S. 876, zu Samofat S. 878 wie)
finden. fid) In Syrien zu Hunderten und ſelbſt neben unzäpligen Diem
Die Lage aller Wohnorte ift durch ſie firist, und durch das Daſr
eines Brunnend oder einer Duelle bedingt, und auch burd dam
folgen Tumulus bezeichnet. Sie find zuweilen von Rieſengtiß
wie der zu Samofat, der nad v. Moltfe 100 Fuß hoch, MO
Schriti lang, 100 Schritt breit iſt. Die Abhänge wurden mit be
hauenen Steinen bepflaftert oder unter Winkeln von etma 75° uf
gemauert, und fo ein fünftficher Fels erzeugt, deſſen fehräge Werk
z. B. zu Süverek 80 F. Hoch aus foh qhwarzen Bafaitkeinie
befteht, oder eim fehon vorhanpner Berg, wie 3. B. beim Gafel
EHoris, wird in diefer Art nur fortgefegt. So nun auch Wehr
Feſtungsberg zu Bir oder Beledſhik, ver bei ven Türken Kalıt
Bepd, d. i. Schloß des Beda, ) genanut wire. Sn Diem
aufen hinter jener äußern Bekleldung gewoölbte Schießſcharten m
er. Das eigentliche Schloß Beda beſteht aus drei oder fogar wer
Btagen von Gemölben der coloffalften Art. Es bedurfte ſechs Hell
ger Erdbeben, die es heimgefucht Haben follen, unr ſolche Steinblode
auseinander zu reißen. Doch ſteht daß meiſte och unerfchüttert we;
ein wahres Labyrinth. Eine ſchöne Hohe Kirche, Acht bh Meer
ſoleum eines türkijchen Sanctus mit datan ſtoßenden Gemäcers M
noch erhalten. Andre Räume find verfchüttet. Ein Brunnen, meh
rere hundert Fuß ef, halt noch Waſſer; er ei in einem Orr
» — "
es), Meltke, Briefe a. a. O. ©. 228 . PX 7
tn. Euphlatſhſtem;· Bir) Bitebſhil Apr
ur Ber Nordfeite; vet Aufgang in ihm iſt durch den Wellen’ ſelbſt
»gtfäßtt. © In- einem“ anbern Gewolbe fand v. Moltke zwei menſth⸗
: He Figuren-in dehoſſaler Große abgebilvet, und eine per⸗
"Kippe Infcriptibn (od. Wehlevl vder Keilſchrift?); möchte fle doch
uchher unterſucht wWerden Wie Ruine von Kalai Beda ift, wie
waſteht, Völlig ſturtifrei uncinnehmbar ſagt v. Mottke; es iſt eine
WO: ihhohe Feldwand auf der eine: 60 bis 80 F Mauer
ab Feldblocken ſteht. Was das anhaltendſte Breſcheſchleßen niit
vermag, hat das Erdbeben gethan. Ein an himdert Kup Tariges
Stck ver aͤußern Bekletdungomauer iſt von oben den Berg heruntet
geſtürzt; aber die Gewölbe dahinter ſtehen unerſchüttert, amd dad
Schloß iſt unerſteiglich i nach wie nor. — Die Eindde im‘ -Often
son Bir auf · dem Karawanenwege von ba Aber Vharmelyk (I ſham·
Ever Karte) nach Drfa; den auch Tavernier, Oater,“ Bul
; Einghäm:mb Rndere zuvücklegten, fand’: "DroTtke 8%) vefruge
' ach Dem arten Tageniarfch von Wir gegen of, ſcigt er, Abernacht
ntener in einem’ Doͤrfe kigner Art. Yin’ ganzen’ obern Thelle von
Meſoporamim, der Stetninifte;"fehe: malt keinen!: Want; Münch
Muſch, Wicht fo viel um! ein Schwefelholz davon zu mathen; ja’
andy; nicht Etde pri Ach “auch” har Wrashahtie zu’ treiben.
Menſchenwohnungen find daher in ven weichen Sandſtein eingehögtd
fle Uegen auf ven: Spitzen der Hügel, wo der Sanpflen zu’ Ahge
fleht⸗ Well aber: inne Eten⸗ koin BEL: hetvorttitt; Furore
große Kuntiſtũc worl an Dach herzuſtellen.! a’ fha ureiy
¶(Khan Tſharmelektb. Duckinghatn) hatte min ffch damit heholfeuit
vaß .man aus Stein’ und Lehm eine Art Kuppel wrolbie verei
das Dotf. hunderte dergleichen aneinander: gereihte · Backöfen” achte
wo jede Wohnung aus mehrern Domen: biefer- Art hefländ; von
denen. einer das Harem/ ein anderer dad Selamlik vver Eitpfürige
zimmer, din dritter Ser. Stall: u. ſ. w. wat: Das Bauer“ wurre
aus Kamectniſt und ver" Wurzeln der Siirltngerflange angejtind
bet. So mußte man ji behelfen. —
MNoch iſt tl: Bezichung anf dieſes Bir der Getgenwart ˖ 1:00
Mugbe m83) Bemerkung im Jahr 1827 beachtenswerth, ber fagt,
die Sprache in Bir: ſet rarklſch, die mäften der Bewöhner verflänu
den nicht einmal arabiſch; die Kleidung fei wie in Aleppo, unv
man ſehe hier ſehr viele Sherifs mit grünen Turbanen, vbelanni
uch ein Abzeichen due, ‚bie a Abtommlinge des Propheten. "u
22).v. Moltte, Briefe ei... D ©: 239; ' m ES —e
Trav. in Mesopotamia Il. c. p. 37.
TER ARE
Pr; *
1
‘
s
a Wei. VMbcheilung. L Abſcmitt. Cai.
ſcha uag der: Kümpfe des Qrientsmn uad Decidents‘ war, de
großeiſtrabegiſche Linie, an der ſich alle Thaten ‚und Kräfte glei
ſam ſpalten und brechen mußten, um zu verſinken ober zu großen Crebe
ringen foxtzuſchreiten, jo mußte fie auch zum Gegenſtande ter verſchie
denſten Deutuggen der älteren, und neueren. Erflärer werben, zumal ie
Stellen, bei ben Autoren der Kriegs gefhichten Alerantert,
Eenophuns und der Seleuciden, wie der Römer: und Parther
kriege, der Byzantiner uud Saffaniden, oder der Griechen m
Kranken in dem Mittelalter der Kreuzzüge, in ihren fortwährender
Fehden am Euphrat, mit arabiihen Khalifen, Emirn und Sullasıe
türkifcher BVölferfchaften. Von den Buphratübergängen und ihren &
enlitäten. hing. aber’ ſehr häufig die ganze Dispofition der Geeresmärde,
der Gang der Feldzüge ſelbſi ab, fie. bebürfen baher einer genaue Ab
waͤgung ber Angaben mit den nun duch Ehesney’s Meiſterwerk ge
mehfenen wählen NRaumbeithaltniſſen und Localitäten, die ihnen Dis haha
noch gar nicht zu Theil werden Konnte. Wenn auch nicht Alles, fo wir
aa Einiges; ovhellricht fogat, genen das Fruhere gehalten, fehr Bickt
zw’ gtoͤßerer Matfjeit gelangen und durch Vermeibung der Berwirzugs
der fſpãtern Hypotheſen der Erklaͤrer, die durch den Scharffiun ihen
Schlüſſe anf einem ihnen nur: fcheinbar. kartographiſch vorliegenden, abet
im Wahrheit nur gänglich verzerrten mud ambefunnien Terrain in jun
aifgefleflten' Thedrien zu beu’gröften Ertremen gelangten, die. Glefhks,
ſelbſt verſtaͤnblicher werden, wenn: auch nicht fehlerfrei; Die Thetjches
muſſen aber dadurch liähter und zufammenhängender hervortreten.
Denn wm nur einige der verfchlerenen:: Meinungen anzuſahera,
Ahben Tluvet, D’Arville und Reunell das heutige, EI Dar der.
Dir, Dr: Pr das':afte Thapfarus"gehalten.: Manmert ließ cs aueub:
fAebeh) Three u Amphipolis bei Wlinins gehöre, ober die Er
ver: Jehobia, Eli Der,⸗ oder · gat das noch gegen SD. entferutere herüge
Miah elugenommen habe. Cellarius ſuchte den Ort zwiſchen Callin-:
Ai ind Circesium; Reicharvikat dagegen in allen feinen: Karten acu
aite Thapſarus ganz nahe bem heutigen Dir eiugetragen, norbinärke zei‘
Hletapolls. Die age des Zeugma: von Thapfincms iR .aber:be
Kittelpintct ," von dem die meiflen andern Mefjungen ober Dereigfuungni
der Alten nad Neuern -aüögehen, ober mit dem fie in näherer. Vezichenz
flögen; zunil auch basnörbfidgere fo berühmte Zeugma van Bemumaagenn
befien Lage von den’ meiftew: der: Erklärer wol ſehr siptigi, nach Amn
heuligen Bir, oder doch-in deſſen unmittelbare Nähe, verlegt: winNic
fanden daher mit dieſem Puncte zuhäupfl unfre Untesfachungen; am ker:
= Die entfchledenfle Stelle vlefes ‚alten Zeugma in::ber;i
heutigen Bir (Blrebſſik) iſt Die::des :-Plinins (EL X. R Big. ilen.
Deutgnta-EXXI -Millibis passnum: a Samosatis‘ —XXI
Veplcuci⸗
ndbũe). "Er Hr von Sumafata geſprochen, aber er vn dieſer Giabt
|
Ä
1
1
BE
Euphratſyſtem; das Land der. Zeugmas. bl
von feinem „‚Uebergange oder Beugma“ über ben Fluß geſprechen te
dies Strabo gethan. Plintus unterfegeivet alfo entfchleven das Zeugma
von der Stadt Gamefata, und fagt, daß es 72 Millien ( Mille pass.
— 1 Rilie; 5 Nillin — 1 geogr. Meile), oder etwa 145 geogr. Meile
' entfernt von Samofata liege. Dies iſt aber eben bie Entfernung, in
welcher das Heutige Bir unterhalb Samofat nad Chesney's Karte zu Ne
gen tommt, da von Samoſat bis Rumlalah nur 20 Stunden ſind, Bir
aber 8 bis 10 Stunden abwärts von Rumlalah liegt, wenn wir bem
Krümmungen des Stromlaufes folgen; wobei die ferupulöfehe Genauig⸗
keit einzelner Millten und ihrer Brüche hier bei den allgemeinen: Meint:
; taten une ben Schein einer Genauigkeit geben wände. Wir ‚halten uns
I daher der Klarheit wegen tm biefer Art der Berechnungen an bie runden
' Summen und erinnern 5. B. nut hier, daß des Plinius Zeugma, nicht
blos eine Brücke, ſondern auch eine Stadt des‘ Namens, anf dem Web
mrufer des Stromes gelegen if, die vlelleicht nicht einmal der Brücke gamg
vicht anlag, mie dies ans der Tabul, Peut. hervorgugehen ſcheint. Bis
zu welchem Puncte an die Brüde ober bie Stadt Seugma zum bie: Re
fung ging, ift alfo nicht einmal genauer anzugeben.
Pllnins fept an derfelben Stelle Hinzu, daß Seleucne (Oiicator)
dem Zeugma gegenüber, alfo auf der Dfifeite der Stadt und der Brück
diefes Namens, den Ort Apamla durch die Bräde mit jenem verbuns
den habe, und ba eben er der Erbauer beider Drie, JSeugma und
Mpamia, war (... ex adverso Apamiam Seleucus, idem utrumgae
conditor, ponte junxerat...). PBlinins fügt noch Hinzu, dag auf. ber
Selte Mefopotamiens die Anwohner Rhoaler hießen (... qui cohaerent
Mesopotamiae, Rhoali vocantur). Es mag hledurch wol der zunaͤchſt
Vlegende Ban Roha und fehte Bewohner bezeichnet fein, wo Cdeſſa lad,
das Ur⸗hoa oder Urrhoe, daher Döchoene, vom Fluſſe Rohe
( Aborrhoa, Erroha bei Zenophon, dem Ehaboras) und feinen Suflüffen
durchzogen, baffelbe Boll, dem Strabo den von den Marenowiern beige
legten Namen ver Mygdonier gab (Strabo XVI. 747). - Des Ramen
ver Stadt Apamia am Zeugma beflätigt Blinins (VI. 30) noch einmal,
wo er. gleich daranf von ben daſelbſt feftgeflellten Grenzen’ des -Mömess
reiches durcch Pompejus Magn. zu Drnro6 fpricht, was von allen &:
Härern unberührt und and) uns ganz dunkel geblieben if. i
Es muß auffallen, daß Plinins, der doch kein halbes Zahrhmwort
ſpaͤter blüht als Strabo, nichts von einem Zengma ober einer“ Aber
den Euphrat gefchlagenen Brüde bei Samoſata fagt, da Hingegen Strabo
an verfchienenen Stellen ein Jeugma in die geraneſte Berbindung
mit der zu feiner Zeit freilich noch bebeutenden Konigsreſidenz Samos
fata fest, über weldhe fi damals durch den Reichthum des Könige
Autiochns von Kommagene noch einiger Glanz verbreitete. Zwar nennt
Strabo auch nur einen Durchgang oder Vebergang -(dapaaıy) Bei
Ritter Erdkunde X. Ppp
8F
Su Weſt⸗diſten. TIL Abtheilnng. J. Abſchnit. |.4.
Sameſam über den Cuphrat, auch führt er leine beſondert Bräde ki
biefer Stadt an; dennoch if die unmittelbare Verbindung, in welde «
mit: dieſer Gapitale Kommagene's „das Zengma Kommagene's“
fept, fo werlodend, daß er leicht zu der Annahme verführen fan, dei
Seugma felbR, d. i. die dauerude Brücke, liege dicht am, oder bh
nahe bei der Gapitale Kommagene's, nämlid bei Samoſata. Strabe
fagt, nach bes Polybins Urthelle lönne man im jenen Gupbraigegenven,
was die Bermeflungen ber. Wege betreffe, am ficherfien dem Artemide
und dem Gratpfihenes txauen; biefer aber fange feine Stationen mit Ga;
mofata in Rommagene zu zählen an, welches am lebergange und km
Seugma nahe. liege. (Strabe XIV. 664: ano Zumogdser züg Kopnsyr
wc, A ngöc wi deapdss nal 19 Levyuarı nesas m. v. 2 — pi
dieſelben Worte bei Polyb. XXXIV. 18). Im ber lateiniſchen Ude
fehung (ed. Tzsch. T. V. p. 653: ineipit a Samosatis Commagesm
urbe ad transitum et Zeugma, quod pontem significat, zita) zu ki
Coray (Trad. fr. T. IV. p. 358; il commence par Samazsatı de h
Commagène, situ6e pres du passage et du Zeugma de I’Esphrak
otc.) wird der Stun nicht beflimmter wiedergegeben.
Aunch in ber zweiten Stelle Strabo’s kann man baffelbe vorn
fegen, daß nämlich cin Zeugma bei ber Königsſtadt Gamofala lin,
und alſo das Caſtell Seleucia, welches, wie Strabo daſelbſt fagt, derh
Sext. Pompejus mit zur Herrfchaft Kommagene anf bie Nordſeite dei
Guphratufers gefchlagen ward, ebenfalls verfelben Reſidenzſtadt gegeribe
gelegen habe. Daß Pompejus ties aber nicht erſt erbaute, ſonden baf
«6 ſchon ein früheres Werk der Seleuciden war, ſcheint fchon der Rum
zu beweifen. Ausdrücklich braucht Strabo, nachdem er von ber farb
ſchaft Kommagene und ber feſten Stadt Samofata gerebet und geil
hat, daß jene eben damals aus einem Königreiche zur römifchen Previz
geworben, ſehr fenchibar, aber von geringem Umfange fei, ohne im ge
zingfien oh nur eines Abftandes des Zeugma von ber Stadt Gamefalt
trgendwe gu erwähnen, den Ausdrud: „Hier nun iſt gegenmärlig
das Zeugma bes Cuphrats“ (Strabo XVI. 749... irraide A
eur dar) vo. Levypa vouv Ebggarov =. v. 1.; vergl. b. Tzach. T. TI
pr SOL: Commagena .... urbem habet .... Samosata regni cape:
auno provincia faota est. Circumjacet regio, ut parva, ita ade
dum felix. .Hoc in loco nunc est Euphratis pons, apnd quem si
est Selencig oto.). |
Ä Strabo macht nun, und dies if allerdings fehr auffallend, wei
terhin keine andre Stadt namhaft, an welcher etwa bie fies
zu. Plinins Zelt fo berühmt geworbne Brüde, oder Zengma, ben Uebe⸗
gang übey ben Cuphrat gebilbet Hätte; doch führt er noch öͤfter We
' Brüde felbf an, fie ſtets das Zeugma bes Euphrats ( Levrne wei
‚Buggdien),. oder 9a Seugma Kommagene's (and vob zura Kur
5 Mphratfofien; Mir, Biredſvit. 087
Re ping über Bir und Orfa (Eyefa). In 4 Tagemäcſchen kam
ver framzöfljche Handelsmann von Aleppo mit der großen Karawane
' is März 1644 an bag Weſtufer des Cuphrat, dem. auf dem Of
’ fer gegenüber Bir liegt. 2) Da die Waaren bei dem dainals
sch ſtarken Karawanenverkehr nicht alle an einem Tage überge»
ſchifft werden konnten, fo, war hier ein ſchoͤnes Karawanſerai erbaut,
das gut gefchloffen und himeichend geſichert war gegen etwaige
nachtliche Ueberfälle zänberifcher Beduinen. Man paſſtrie am .mäde
Ben Tage ven Fluß in großen Fähren, und auf dem Dflufer ip
den bie Waaren verzollt.: Die amphitheatraliſch 6%) am Menge
KHismnufgebamte Stadt wurde von ber Karawane nicht betreten, few
Lern auf einem ſehr schlechten Seitenwege umzogen, zu einem ‚als
dern Karemanferal am Buße des Berges, in welchem fi) auch Grotten
gar Aufnahme ver Meifensen, wenn die Karawane zu zahlreich war,
Kefanden. Bon jeher Pferde⸗ oder Maulthier⸗Ladung waren 2 Bias
fer Bed, von jebem Proviantpferde 4 Piafter zu erlegen; bie Rei⸗
‚erde gingen frei durch. Die Stadt, vie der Franzoſe Bir der
Berggeon ſchreibt, fand ex ſchlecht gebaut, Ihren Bazar aber mit
einem Ueberfluſſe von Lebensmitteln verfehen, mit trefflichem Brot,
Bein, Opft, Fiſchen. Das fchr alte Caſtell, halb fo Iang als wie
Stabt hinziehend, fand ex eng, unveriheibigt, zur mit einem Ahern
mach der Stromſeite und mit 8 bis 9 elenden Feloſchlaugen verſo⸗
Zen. Auf ver hoͤchſten Höhe ber Giebt war das eſtdenzſchioß bes
Men, Der Da Kaum Th und etwa 400 Spahie und
300 Zauitſcharen commandirte. In 2 Tagemaͤrſchen ging Me Ku
gawane von da über Erhmis am Cuphrat, die türkiſche Ber⸗
Aümmelung von Beugma (TfhafhmeH n. Ianbert) und über
Aſharmely nah Orfa.
Sm Jahre 1609 66) hat der Kaplan H. Maundrell von
Aleppo aus feinen Weg über Hlerapolls und Jerabolus, alſo vom
Saden her, nach Bir zurückgelegt; er bat zuerſt die Breite des
Ortes unter 370 10 beſtimmt, was von Nieb uhrs Breitenbeſtim⸗
muag freilich um nicht weniger als um 43 Minuten abweicht. Da-
male wurbe der Euphrat zum Transpost vieles Korns benutzt, das
vom Paſcha von Orfa auf zahlseichen Booten von bier nah Bag⸗
dad afwärts verſchidt wurde. An Booten war damals auf vom
s.) J. B. Tavernier, Voy., ed. & la. Haye 1718. & T. 1 DO,
800, vergl. auch Jaubert Not. in Edrisi Ge£ogr. II. pag.
*8 die Anſicht von Dir, Zeichnung b. Buckingham, rar. Ps on.
*®) H. Maundrell Journ. I. c. p.18S.
Dod 2
60 Woſt⸗diſien. M. Abtheilung. I. Abſchnit. j.M.
Im Gegentheil, aus folgenden Gründen, zumal denjenigen, die aus
den demnächſt zu erörternden Diflanzverhältuiffen hervorgehen, wir ı6
ſehr wahrfcheintich, daß dieſe Angaben. immer nur von dem einen be:
rühmten Jeugma der Seleuciden, in der eigentlichen Kyrrheiike,
nämlich demjenigen bei dem heutigen Bir, zum verfichen fein werben, «&
wol die ältehen Mefiungsangaben ans Aleranders und GEratofühenes Zeu
ſich auf Samofata beziehen. Die vorherrfchende Benennung des Kom:
magenuifhen Jeugma bei Strabo können wir uns nur eben dadurh
erflären, daß die Fee Seleuria von Pompeins nit zur Stabi Ga:
mofata, fondern, wie Strabo fagt, mit zur Landſchaft Komme
gene gezogen ward, und dadurch diefer Name bei ihm der vorkem
fehende wurde. Ä
. Dies vorausgefeht, müflen wir dann ‘annehmen, daß vie Brake
Rädte Seleucia uud Apamia auf dem linken Euphratufer war eine
und diefelbe Localität, etwa ein Gafell und eine zugehörige Sicht
(wie das Heutige Kalai Beda über Biredfjll), bezeichnen; oder daß vli⸗
nins in der fpätern Benennung Apamia irrte, den Mamen der Gemeh
Na (Mpainia) mit dem des Gemahls (Geleucus) vermechfelad,*?) (zit
der Mutter Namen, wie Steph. Byz. =. v. ſagt); oder daß fenf en
anbrer Grund ber Doppelbeuenunng flatt fand, ber uns umbelaui ge
blieben. - Denn daß der Name Apamea für die dem Zeugma ex st
verso liegende Stabt noch die Zeit des Plinius überbauerte, zeist Mh
wie ſchon Harbuin bemerkte, ans Stephanus v. Byz. (sv. dw
mua: Kors. xal vüc Ilsgoalar 'Edloan: mess agmeous, Plin. ELNT.
231. od. Franz. Vol. I]. p.408) und Isidorus Characenus im 2 Yet
n. Ghr. Denn diefer geht von diefer Zeugma und dem anliegt»
den Apamta in der Berechnung feiner Gtationen aus, die er, uf
Schvenus , welter die Straße nach Babylon entlang fortführt (⸗
Büvsuv zör Euggieye nasa co Levyna, nölıs derıv ’ Anapea. la.
Charac. ed. Miller. Paris. 1830. p. 247). Bon einem Gelencie =
Gupbrates, das zwifchen ben beiden berübmteren Selemca’s, um Wet
nahe der Drontesmändung und am untern Tigels (f. ob. S. @), o
von beiden verfchieben geweſen, gibt fonft fein andrer Auter des Win
thums eine beſtimmte Nachricht. Wenn in Steph. Byz. ver Aw
Seleucos, eine Stadt in Syrien, nabe Apamea, angegei®
(B. v. Muxoc mölsg wugi un dv Zuglg 'Anunele) iR, fo werden vewd
die beiden nebeneinander liegenden Gtäbte Liefer Namen (jept Has
nnd Famie, welches Iehtere bei Steph. Byz. und Ptol. auch Geleurebiek
ober. Belencos ad Belum heißt) gemeint. Au einer dritten Seche be
Appiani Alex. de bellis Syriacis liber p. 125, ed. To. Amstebi.
&, 1670. p. 201; Steph. B A
fol. 143. Not 65 PA By-. ꝛ. pamen Syriae cr. od, Bu
oe. wa MB eh A ee u os nm
au a a a A 3 A 3
Euphratſyſtem; das Land der Zeugmas. 965
Steph. Byz. (6. v. Balya) wird zwar noch eine Stabi Gelenria
in Mefopotamia genannt, die auf das Straboniſche Caſtell am Zeugma
gebentet werben Eönnte; aber ber Zuſatz zeigt, daß unter dieſer Selencia
nur wieder bie berühmte Nefivenz am untern Tigris gemeint war, bie
freilih eigentlich in Babylonia und nicht mehr in ber fogenannten Mes
fopotamia oberhalb des hentigen Bagdad gelegen war. Denn Phalga,
fagt Steph. Byz., fei ein Ort, der in ber Mitte zwifchen ber Selemin
in Pierien und ber Seleucia in Mefopotamien (fol heißen Babylonien)
liege, wie dies Arrian im zehnten Buche der Parthiſchen Gefchichten an»
gebe. Phalga, fügt Steph. Byz. hinzu, Heiße in der dort einheimiſchen
Sprache die Mitte; daß es anf jeden Ball eine andere fei, exgibt fi
andy aus Isid. Charac. (ed. Miller. Paris. 1839. p..248, 263, not.).
Wenn uum durch bie Analogie ber beiden gefelligen Apamia und
Selencia am Drontes auch einiges zur DBefätigung einer wirklich
gleichzeitigen Exiſtenz der gleichnamigen Orte am Zeugma (woraus
fi) anch die neuere Doppelbenennung von Kalai Beda nud Biredſſik abs
leiten ließe) gewonnen wäre, fo müflen dieſe Namen doch ſehr frühzeitig,
ſchon während der Saſſaniden Kriege, wieber verſchwunden geweſen fein,
wie dies mit fo vielen während der Selencidenherrſchaft fremdaufgedrun⸗
genen macebonifchen Namen ber Ball gewefen if, und wie auch bie bozs
tigen durch byzantinifche Kalfer den Städten am Euphrat gegebne gries
chiſche Namen im Lande felbfi durchaus keine Wurzel gefaßt Haben. -
Wirklich tancht auch ſchon in ber Pentingerfchen Tafel an derfelben
Stelle, dem Zeugma gegenüber, wo jenes Apamia Seleucia geflanden,
ein vermuthlich dort einheimifcher, uns fon unbekannter Name, Thiar
(Tab. Peut. XI. D.) auf, eben ba, wo erſt viel fpäter die türlifche Bes
nennung Bir, oder Biradſjik (Thal der Brunnen) hervortritt. Denn
das Castellum Bira au biefer Localität (nicht Birtha, womit es oft
verwechfelt worden) wird zum erflenmale is der Periode der Kreuzzüge,
um die Mitte des XII. Jahrhunderts, von dem bort einheimifchen Gregor
Abulpharag (Hist. dynast. p. 255, 311) genannt. rüber if es gaͤnz⸗
lich unbelannt. Damals aber fam es mit Cdeſſa in Beſitz der Franken,
die jedoch, auf die Länge den Belagerungen der Gultane nicht wider
fiehend, e6 gegen das Jahr 1150 au bie Fürſten bes benaqhartez Mar⸗
din abtraten.*®)
Nach diefen Rebenumfländen, bie Benennungen - ver Orte am Zeuge
betreffend, welche, theils irrig gedeutet uud angewendet, zu ſcheinbarex
Stügung gewiſſer Hypothefen beunpt ober gänzlich überfahen. waren, ‚ges
ben wir zu denjenigen Difanzangaben der Alten. über, welche ‚die
22) Deguignes, Geſch. der H. Th. IL ©. 478, 4, L 8 2
. Gregor. Abulpharag. 1. 6.
wen!
a
x
968 Weſt⸗Aſien. HI, Abtheilung. I. Abſchnitt. 5,21.
Jiallen, Fraukrelch und Deutſchland keine weſentliche Werfchiebenkeit dam
bletet.
— Strabo gibt zuerſt, nach Cratoſt henes, der die Meffungen en
Alexauders Felbzügen auführrt, und Thapſacus, das alte Iengmes
(Str. XVI. 746: «0 Leüype sou Eipgasov so ulm; ober WI:
zu nulas zu nara siv Odyazor, |. ob. S. 12), zum Mittelpnattic
ner Meffungen macht, bie Breite Mefopotamiens an, in der Ritus
von Aleranders Marfche, zwifchen feinem Uebergauge bei Thapfans u
vberhalb Arbela (d. i. oberh. Moful, ob. &.25). Daun aber and zweis
ten 6 die Antfernung von Thapfacns nach Babylon, ben Enphrat abwirk,
und drittens die Entfernung von Thapſacus nach. dem Zeugme Sn
magene's. Diefe Iehtere iR jedoch, nah Strabe’s Ausdruck, zur e
nähernde Schaͤtzung. Hieraus läßt fih nun, da bie Chesneyſche Eye
dition zu beiden Seiten ber Lage des alten Thapfacne, bie wire
für anerkennen mäflen, aftronomtfche Längen» nad Breitenbeflinumungen yo
geben, und auch auf gleiche Welle Bir am Zeugma Kommagenes ae
nomifch firirt iR, der zwifchenliegende Enphratlanf aber be
naueften kopographiſchen Details für antife Ortsbeſtimmung un Be
gleichung der Maaße der Gegenwart darbietet, aus gemancfter Gembia
tton alter und nener Daten die Lage, nicht nur ber beiden berife
ten Zengma’s, fondern auch ber meiften zwiſchen ihnen fiegesse
merfwärbigfien Eocalitäten, zu beiden Uferfeiten des Cuphrat, mit jew
licher Sicherheit beftimmen. Um: hierin jedoch mit Erfolg anf eine fu
bare Anwendung für Geographie und Geſchichte forifchreiten zu
werben wir uns, wie Strabo gegen vie Alten, fo auch zm einer ie
mil gegen die neuern Grflärer verfiehen muͤſſen, durch welche die Wis
ſchen Daten der Vorzeit auf dieſem Schauplage fo wichtiger Begehe
heiten cher verwirrt und in Dunkel verhälltt, als ins Licht geſtellt wer
ben zu fein fcheinen. Vergleichen wir nun jene wenigen ‚Ganptyusit
oßne alle Conjectut von Zahlenveränverung, wie fie im Text übereizfim
mend vorkommen, mit den Meflungen der Cuphraterpedition, fe fer ſe
ſchon hinreichend zu unfrer allgemeinen Orientirung, anf die es hier «
lein anfommt.
2) Breite Mefopotamiens von Thapſacus zum lesen
ders Tigrisäbergamge, noch mehr als 4 Tagmärſche oberhei I
Bela; alfe oberhalb Moſul, abwärts Jezireh ebn Omar (ſ. ob. 6.3)
Diefe beträgt, nach Cratoſthenes und Strabo (II. 79, XVI. 746, UN
aun von S. W. gegen RD. — 2400 Stadien, d. i. nach gewiß
Rechnung 60 geogr. Meilen. Die directe Diſtanz if, nach Epesuer's
Katte, 42 geogr. M.. Die Krümmamgen. berbefolgten Marfdgreuie Iei
Heeres welche allerdings wol ſeht groß waren, va der Weg möcht bie
durch bie Mitte der klippigen Steinwüſte, fondern über dem oberen She
boras, wie uoch heute übet Reſaina, Nifibie m. f. w. gehen mufte; mm
Euphratſyſtem; das Land der Zeugma’s. 969
Duellen und Futter für Keiterel und Laflihiere zu finden, was and
Artian (IH. 7) ausbrädlic angibt, würben demnach auf ein Fleines
Drittheil oder 18 geogr. DM. zu rechnen fein. Dies ſcheint nicht zu abs
uorm, um beöhalb der Mefiung eine wenigſtens fehr annähernde Wahr:
ſcheinlichkeit zu verfagen, welche wir bei allen biefen Angaben ber Bass
:matiften Alexanders überhaupt une erwarten Tonnen. Bier, bemerit
Strabo, liege überhaupt gegen das Taurnsgebirge zu bie größte Breite
Mefopotamiens. Die geringfte fei dagegen zwifchen Selencia (unters
Halb Bagdad) and Babylonia, wo bie Breite nur 200 Stadien, d. i.
5 geogr. M., betrage. Go groß iR bentzutage genau bie kürzeſte Dis
fan; von dem Tigris, bei dem alten Selencia⸗Cteſiphon, fünwehwärte
gum Gupbrat, unterhalb Feludſchie, in ber Direction des vom Paſcha zu
Bagdad jüngſt projectirten Verbindungscanales beider Ströme. ine fo
große Benauigkeit iſt bei einer fo kurzen Diſtanz weniger zweifelhaft, ob:
gleih auch aus ihr keineswegs deshalb allein fchon zu ſchlleßen wäre,
die Betten bes Guphrat und Tigris hätten felt Alexanders Seit, feit 2000
Jahren, dort gar keinen Wechſel im ihren gegenfeitigen Abfländen erlitten.
2) Die Entfernung von Thapfacus nah Babylon gibt
Strabo, nachdem er von der großen Biegung bes Cuphrat um Mefos
potamien herum (gegen den Weſten) gefprochen hat, wodurch dieſes Land
zwiſchen beiden großen Strömen nach Gratofihenes Vergleich die Geſtalt
eines großen Ruderſchiffes erhalte (wAodp zus duxes, II. 79, AVI. 746,
747), nach demfelben Eratoftheues auf == 4800 Stadien, d. i. 120 geogr.
M., an (Strab. II. 80, XVI. 746). Die wirkliche Mefiung nah Chess
ney's Kartenanfnahme gibt in directer Diſtanz 100 geogr. Meilen; alfo
wären 20 für die Krümmen bes gemefienen Weges an den geringeren
Bindungen des Cuphrat für dieſe Gtrede zu rechnen, ein Fünftheil,
was der Natur der Sache ganz angemeflen ericheint, wenn man mit
dem Heinften Maaße die Meflung auf der Karte verfolgen wollte. Au
hier fand zu Mleranders Zelten eine ziemlich genane Vermeſſung ber
Baematiften zu erwarten, da durch ihn bie Schiffahrt von Thapfacne
abwärts bis Babylon durch Heeresmärfche und zumal durch feinen Slots
terban auf dem Euphrat und feine Inräflungen von Phönicien über
das Schiffsbauwerft zu Thapſacus bis zum men angelegten Hafen zu
Babylon (f. ob. 6.37) ungemein belebt war. Durch diefe beiden Maaß⸗
angaben erhält Thapfacns Lage am Guphrat, wie wir fie fchon ans
derwärts nach Xenophons Marfchronte 8 Tagemäride abwärts vor des
Beleſys Ballafte befimmt haben (f. ob. 6.10), eine ziemliche Sicherheit.
3) Die Angabe der dritten bier zu beachienden Cratoſthe⸗
nifhen Diſtanz, nämlich Das Intervall zwiſchen Thapfacns ober
dem algen Zeugma und dem Zeugma Kommagene's ſcheint wicht
fowol eine Mefiung, als mur eine Schätzung oder doch nur eine theil⸗
weiſe Meſſung zw fein (Strabo II. 77, 80, 82). Thapfacus, fagt
«
'
|
|
!
970 Weſt⸗Aſien. IT. Abtheilung. I. Abſchnitt. {M.
Strabo (II. 78), Liegt „weit entfernt vom Gebirge.“ Nah Iiw
toſthenes lag Thapfarns, nad Meffung, von den arme niſchen 9:
len etwa 1100 Stadien, d. 1. 274 geogr. M., fern (IL 80: aszp ab
or "Apperlar aulär). Aber von da bis zu den armenifdgen Ber
gen (mirge zür "Agnevlar ögüy) dad. fei nody ungemeffen (iptpr
vor). Dafür nehme nun Hippard eine Entfernung von uch IM
Stadien (25 geogr. M.) an, aber irrig (Strabo IL 82), da Trate⸗
fihenes Annahme für den ungemeffen gebliebenen Raum zu ber w
meniſchen Bergen nur etwa 400 Stadien (d. i. 10 geogr. I.) reded,
alfo für den ganzen Abſtand 1500 Stadien, d. L. 37, geogr. N. Re
gende aber, bemerkt Strabo (TI. 77) gegen Hipparch, °*) fei es dem
Gratoſthenes eingefallen, zu behanpten, daß Thapſacus von Babylon a
4500 Stadien gegen den Norden liege.
Diefen Mefiungen im Meridian von Thapſacus gegen den Rerbts
anf Eheönen’s Kartenanfnahme des Buphrats uud Tigrislaufes neh
hend, würden bie.von feinem der alten Elaffifer näher bezeichneten za
auch uns bis dahin unbelannten „armenifhen Pylen des Greie
ſthenes,“ die D’Anville, Rennell, Nannert und Reichard, mi
alle neneren Kommentatoren gänzlicdy außer Acht gelaflen, oder vie Viork
zu den Borbergen Armeniens in die Gegend ummittelbar nater
halb des 'hentigen Gerger fallen (f. oben ©. 874). Denn bimt wi
Thapfacns gegen Nord bis dahin find 81 bis 82 geogr. Meilen. Be
Gerger, im Norden von Samofata, in der Nähe tes alten Barfelan,
verläßt aber ber Cuphrat wirklich die Iehten Yelebänfe, die feinen karl
bis dahin in ver Kette ber EupbratsGataracten des Tanınd,
wie fie fchon Plinins nannte, hemmten. Wir Iermen dieſe Localität cf
durch die genaueren Aufnahmen der preußiſchen Officiere und durch m
erfie Beſchiffung des dortigen Euphratlaufes innerhalb der Gatararten- Sat
kennen. Er tritt Bier aus dem lepten einengenden Felsſchluchten here,
die man mit Mecht bie armenifchen Bylen nennen fomnte, als %
menien fi) noch durch Armenia major und minor bis Melitene w
Commagene herabzog. Sagt doch Arrian an ber genannten Eu
dag Alexander duf feinem Marfche von Thapſacus zum Zigrisübergung
‚oberhalb Arbela den Taurus Armeniens flets zu feiner Iimten Hand zu
Begleiter gehabt. Die 400 Stavien (1O geogr. M.) weiter uorvwärd
ber Pylen würben daſelbſt die Breite ver füblihen Taurus⸗Ketit
ziemlich genau bezeichnen, da Tomifa (bei Ifegin, f. ob. ©. 878) nah
Artemivors Meſſung 450 Stadien von Samofata entfernt lag. Us
Gratofihenes armenifchen Bergen iR alfo bier entſchieden die Keil Im
Norden von Samoſata zu verfehen, mit den Tantuspäffen, die wir bir
730) vergl, Großkurd Not, zu Strabe ib. 1.72, in befj. Ueberf ThL
©. 127 und 128, nebſt dig. ı
⸗
I
Euphratfuftem; das Land der Zeugma’s. 971
lich durch unfere Landsleute fo genau Gaben kennen lernen, nud weiche
einft Melitene von Kommagene trennte.
4) Strabos. Entfernung zwifhen den beiden Jeugmas.
Nach diefen Beflimmungen des Eratoſthenes über die Lage von Thapſacus
gegen das nördliche armentfche Sebirgeland gibt Strabo in feiner Bes
fchreibung von Aſſyrien (XVI. 746) noch ein anderes, wie es ſcheint,
nicht von Gratofthenes überliefertes Maaß: „des Abflandes zwiſchen dem
Sengma, nämlih der Brüde in Kommagene, wo Mefopotamia anfange,
bis nach Thapſacus, was nicht weniger als 2000 Stabien beirage (ovn
Massov XVI. 746). Alſo an 50 geogr. M. Diefe Angabe if, wie
die beigefügten Worte zu verfiehen zn geben feheinen, nicht ſowol wirkliche
Meflung, als ungefähre Schätzung ober Berechnung anderer Art, etwa
nah Schhifferflationen auf vem Flußlaufe. Sie ift nicht auf eine directe
„Difanz für GHeeresmärfche oder für conſtructive Zwecke Gratofthenifcher
Sphragiden zu beziehen, wie bie andern Angaben aus Alexanders Bes
riode; denn damals war auch noch von feinem Zeugma Kommagenes
die Rebe, das erft fpäser durch Seleuciden gegründet ward. Die Schaͤ⸗
tung weicht von der vorigen Angabe auch beveutend ab, mit ber fie num
auch gar nicht zu parallelificen ifl. Irren wir hierin nicht, fo find dieſe
2000 Stadien nach den ungemein gefrümmten Windungen bes Cuphrat⸗
laufes und zwar nach ber vielwinkligen Flußſchiffahrt zwiichen dem
Seugma Kommagene's nnd dem alten Zeugma bei Thapſacus zu rechnen,
die damald durch den Großhandel von Hierapolis, wie Strabo aus;
drüdlich fagt, fehr belebt war. Daher diefe große Entfernung, obwol
viel weniger weit norbwärts reichend ale die armenifhen Pylen,
doch ale Reiſeroute weit länger, nämlich um 124 geogr. Meilen läss
ger ale jene Diftanz. |
Mefien wir nun die wahre Entfernung von Thapſacus, anf
Chesney'e Cuphratkarte die Krümmen verfolgend, aufwärts nach, fo
führen uns.die erften 35 geogr. Meilen etwa nach Bir, die 40 geogr.
M. voürden nach Romkalah, die ganze von Strabo angeführte Diftanz
oder Summe von 50 geogr. M. aber gerade nah Samofata führen.
Diefe Schägung wäre alfo minder genau und offenbar zu groß, nm blos
zum Zengma nad Bir zu führen. Aber Strabo feheint fich ſelbſt nach
den in früheren ſchon berührten Stellen das Zeugma Kommagene’s ſtets
dem Samofata fehr viel näher gedacht zu haben, als es wirklich lag.
Und wirklich if dem Strabo die ganze große untere Weſtwendung bes
Guphrat von Samofata abwärts (wie wir ſchon anderwärts gezeigt. das
ben, f. ob. ©. 73) gaͤnzlich unbefannt geblieben.
- Sollte damit nicht fein Irrthum in dieſer übertrichenen Schähung
der Diftanz des Zengmas Kommagene's von Thapſacus zufammenhän-
gen, da er bei. allen Gelegenheiten biefes Zeugma viel zu ſehr der von
ihm gefeierten Königsftadt Samofata näherte, und doch nicht cinmal eis
972 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $.41.
nen einzigen Ort zwiſchen dem Zeugma und biefer Gapitale Kemmagen's
anzuführen im Stande wart Die Ueberfälle der kriegeriſchen Partie,
welche noch zu Strabos Zelt als die gefürchteten Beinde ver Rima
am Oſtufer des Euphrats in Mefopotamien Wache Hielten (Strabo XVL
748), ſchnitten viefen Unter nach den friedlicheren und für dortige Soral
tenntniß günftigeren Zeiten der Periove Alexauders nud des grofen Se
lencidiſchen Reiches von jedem neueren Fortſchritt bortiger geographiſcher
Sperialtenntuiß ab, daher ſich vielleiht Strabo eben hier aud nur mi
einer ungefähren Schägung der Diſtanzen begnügen mußte.
Können wir ann ans biefer lezteren Schätzung Strabss bie ge
nauere Rage des Kommagenifchen Sengma keineswegs allein Befimmen,
fo lernen wir. doch defien ungefähre Lage dadurch, und zumal befien gi⸗
Ben Abftand vom weit fürlicheren Thapſacus Tenuen, das ja ud
mach obiger Meußerung des Eratofipenes [ehr weit vom den armeriſches
Pylen entfernt lag. Durch Plinins oben befprochene Lage des Zeugm
und Apamia’s, 72 Millien abwärts Samoſata, wirb aber Gtrabos Ir
gabe berichtigt und ergänzt, das Berhältnig der wörplicheren Lay
deffelben gegen das viel ſüdlichere Thapfacns aber ba db
len Sweifel erhoben.
Hiedurch werben wir bei ber bis hente noch nicht gefcgehenen Bis
berauffindung der Auinen bes alten Thapſacus wenigftens ver ven
groben, bis jetzt noch nicht widerlegten Irrthume bewahrt, nicht we
Reichard in feiner heftigen Critik 3. Rennells und vefien Goumen
tars über Zenophons Feldzug des jüngern Eyrus die Lage dieſes ein
Sengma fammt dem Uebergange Alexauders M. ganz dicht neben dal
Zengma der Seleuciden und Römer in eine umd dieſelbe
Flußgegend zu verfegen. Hiedurch mußte nur die größte Benin
sung über jeue Theile der alten Geographie und der Kriegszüge wrus
laßt werben, ja die Lage bes Zeugma der Gelenciven ſelbſt wurde de
durch verdunkelt. Der triumphirende Einfluß, den diefe Hypotheſe yıanh
Reihards Orbis veteribus notus auf faft alle neueren Schullarten md
ſelbſt auf viele hiſtoriſche und philologifche Arbeiten ausgeübt, macht ed
zugleih zur Sicherung aller ferneren Unterfuchnng nothwenbig, in ik
Behauptungen diefer Lehre einzugehen, ver eine eigene Abhandlung is
den Kleinen Schriften *?) jenes Verfaſſers gewibmet if.
Reichard ging von der zuverfichtlichen nud fehr bedenklichen Tichen
zenguug ans, daß ihm nach feinen Unterfuchungen der ganze Gupkab
lauf und das dortige Terrain der Kriegebegebenheiten „num [chen fi
genau befannt fei, daß man fi Hier nicht irren könne"
Gewiß wird man ihm fehr vielfache geographiſche Kenntniſſe zur Gin
”*) © ©. Reigarb, Kleine Scheften. Günz 1836, 8. win. IL
ecenfen yon J. Nennell’s Ilustrations.
A Bi
[ " = “ An.
Euphratſyſtem; das Land der Zeugma’s. 973
Dien nicht abfprechen koͤnnen; aber ein einziger Blick auf die Chesoneyſche
Cuphrataufnahme, die freilich zu feiner Zeit noch nicht gemacht war, zeigt
nur zu deutlich das Grundloſe dieſer felbfigefälligen Meinung.
Aber im Dertrauen auf bie frühere fehr willfährliche Seichnung des
mittleren Enphratlaufes, auf bie übrigens der Wahrheit fehr nahe kom⸗
menden, freilich fehr fparfamen Niebuhrfchen Breitenbeflimmungen von
Hilla bei Babylon und Haleb, wie der von Triesneeler und v. Zach bes
rechneten Längenbeftimmungen von Hilla und dem von R. Pococke zuerſt
genannten Orte Serabees am Cuphrat (zwiſchen Hierapolis und Bir ges
legen), fand Reichard die birecte Diſtanz von Babylon, nach, wie er
fagt, forgfältigfter Berechuung, bis Jerabees == 102 geographifchen Mei:
len. Dies glich feiner Berechnung nach den 4800 Gtabien Diflauz zwi:
ſchen Babylon und Thapfalus bei Eratofibenes bis auf $ geographifche
Meilen.
„in ſolches Sufammentrefien, rief er ans, Tann kein Zufall fein ; ;
„dieſe erſtannen swürdige Benanigleit**) babe bis dahin Teine
„Seele bemerkt.“ Die Lage von Thapſakus hielt er nun aus biefem eins
zigen Datum für unwiderruflich gefunden. Gr fährt fort: „Mit
„Strabo's Stelle (XVI. 746), wo biefer Thapſakus 2000 Stabien. vom
„Zeugma Kommagene's entfernt angibt, Tann es numöglich richtig
„fein. Iſt es keine falfche Lesart, Fein Binfchiebfel, fo iſt es fein eigener
„Irrthum, Mißverſtaͤnduiß, oder aus ganz falfchen Nachrichten und Vor⸗
„ansfepungen gezogene Künftelei, dergleichen fich die Alten häufig ſchul⸗
„dig gemacht haben.“ |
Eine fo außerordentlich genane Uebereinſtimmung der alten Maaße
für fo große Intervallen mit aftronomifchen Beflimmungen nmf immer
etwas bedenkliches habe, wenn man ihre Meflungsmethoben mit denen
der Neueren vergleicht, zumal wie hier auf fo große Diſtauzen und burg
die Mitte mefopotamifcher Wuͤſten.
Dbige dem Strabo gemachten Borwürfe werben nun nicht weiter
begründet, ſondern die Lage von Thapſakus iſt ohne weiteres ver Cu⸗
phratfarte an der Stelle von Jerabe es (Dſherablus unter 300 20 N.
Br. nad) Ehesuey) unter 36° 51’ N. Br. und 55° 27° 29” 2, v. Yerro
bei Reicharb eingetragen, ganz nahe dem alten Hierapolis, Die
Stelle ift nah R. Pococke 4 Stunden unterhalb Bir, dem Zeugma
Kommagene’s, angegeben, und dieſes Datum feitbem im alten Karten der
alten Geographie und danach in den Gompenbien der Weltgefchichten wier
derholt.
Man begreift in der That gar nicht, worum, wenn bie eine von
Gratofihenes angegebene Mefiung von Babylon bis Thapfalns, wäms
lich der eine Dreieckſchenkel feiner dritten Sphragide, von OR gen Weſt,
20) Reichard a. a. D. ©. 49.
®
974 Weſt-⸗Aſien. II. Abtheilung. L Abſchnitt. .Ii.
jeue exrflauuenswerthe Benanigfeit zeigt, warum bie Meſſung des zwei
Dreiechſchenkels derfelben Sphragide, von Süb gegen Nord, nämlich we
Thapfacus bis zu dem armeniſchen Pylen, die doch weit leichter zu be
Rimmen war, gar eine Berüdfichtigung erhalten hat, ſondern ihrem &:
gebniß geradezu wiberfprochen wird; nicht durch Gründe gegen dieſche
aus den Strabonifchen Daten, fondern durch “Deutung der Stellen wie
rer geographifcger Angaben der Glaflifer, im Sinne der veransgefafte
Meinung, nämlich der yermeintlicden Identität von Jerabees (Dile
rablus) und Thapſacus. Deun triumphirend wirb verkündet: °*) „mei
„sergebliche Auſtreuguygen bisher bei den Geographen, bie Lage Nick
„weltberühmten Stapelſtadt des oflaflatifchen Handels zu beſtimmen, Ns
„ſes Gentrums aller Mefiungen bes Cratoſthens burch ganz Aſien, dire
„Beenichloffes aller Gefchichtsfchreiber nnd Geographiekundigen bis herk!
„und wie offen und Har liege doch der Beweis vor Augen.“
Eben diefe Wichtigkeit des Lage von Thapfacns, mund ber mil hie
ſem antilen Seugma aus Alexanders Zeit fo oft in Vergleichnng **
ten Zeugma's ber Selenciden in Kommagene, macht es nothwendig, de
aubern in der Reichardſchen Kartenzeichnung beigebrachten Befätigunge
jenee Annahme, weiche zumal die Berbienfle Mannerte uud Renzelid
bei dieſen Unterfuchungen ‚für Nichts gelten läßt, zugleich zu beadken,
um die wahre Lage des Sengmas der Selenciden zu Apamia in Ss
magene dadurch näher zu begründen.
‚Der zweite Autor, der von Reichard zur Beftätigumg ber Lage mi
Thapfacus in fo hoher nörblicher Breite zu Hülfe gerufen wird, if Piste
(V. 19. fol. 144), der aber gerade das Begentheil in feiner Tafel we
Arabia deserta ſagt. Ptolemäus führt in einer Reihe am Guy
abwärts, von N. W. gegen S.D. firtfchreitend, wie ſich bies ans 6
Längen. und Breiten ergibt, die 4 Drte an:
1) Thapfacus 739 30° Long. 35° 6’ Lat. Ohne weitere Brisk
nachzuweifen, wirb biefer Ort ans ber Reihenfolge der übrige
Btolemätfchen Breitebeflimmungen beransgerifien, aub von 35°
um 1° 45‘ weiter uorbwärts verſetzt, alfo nach 36° 51’ RE“
2) Bithra (Birsda) 73° 40° Long. 35° O' Lat.
8) Gadirtha 73°50° Long. 34° 45' Lat. «
4) Ebbara (Dadara) 74° 20° Long. 34° 10‘ Lat.
Dieſer legtere Ort, der bis heute im der angegebenen Breite wenif
ſtens noch nicht wieder entdeckt iR, den man früher bei der ſchlethte
Zeichnung des Enphratlaufes leicht mit dem heutigen EI Der, Dar, Der
(d. 5. Thor Baflage; nach Chesney umter 35°5 N.Br.), einem ber be
beutentfien Orte am Guphrat, verwechfeln konnte, da man ihn nach fin
gabe der Neifenden auch viel weiter ben Strom anfwärte gerückt fh
‚2, Reichard a. a. O. ©. 48.
. Euphratſhſtem; Das Land der Zeugma's. 975
mämli 2 gute Tagreiſen oberhalb der Cinmündung des Khabuk (Cha-
horas), wurde von Rennell für bas Thapfacus des Zenophon . gehalten.
Die Localität der alten fo berühmten Thapſacus war fo gänzlich in Ver⸗
gefienbeit geraten, daß ſchon D’Anville, und nah ihm Mennell,
welche in Zenophons Marihroute „von Daradar nach Thapſacus
. 8 Tagemaͤrſche (15 Parafangen), . zum Nraresfing (Chaboras) 9 Tages
‚ märfche (50 Barafagen)“ einen Irrthum vermutheten, weil ihnen fo: nahe
‚ bei der Dftwenbung bes Guphrat von Balis aus feine Raineuſpur einer
großen antilen Stabt befanunt war, glanbten leiver den griechifchen Text
durch die. Conjectur einer Transpofition jener Daten verbeſſern
zu mäflen. Sie wähnten dadurch weiter abwärts bie Lage dieſer mader⸗
men Der ober Dar zu erreichen, bie Reunell noch andrer Umflänhe
wegen entishieven für Has alte Thapſacus zu halten geneigt war. Dazu
gehörte ihm. auch, daß. Dar nur 25 Taginärfche von der Cinmündung
bes Chaboras (Arares bei Kenophon) in den Euphrat liege. Auch Goſ⸗
felin war. hierin feinem Borgänger. D’Anville nachgefolgt.
. Schon Maunerk indeß fand, bag die Lage des heutigen Dar zu
weit den Cuphrat abwärts führe, nm ber Lage des alten Thapfacns zu
entfprechen,; . Reichard wiberlegte diefen Irrthum Nennells mit fiegreichen
Gründen; er zeigte, daß Thapfacus und Dar ganz verſchledne Staoͤdte
ſeien, feste. aber num: biefelbe Stadt Thapfacus jener einfeitigen Berech.
nung zu Folge, von einem Extrem zum andern. ,
Und wodurch follte diefe Verlegung von Thapfucne, ſiatt bei Piol ˖
95° 5° Lat., unter 36° 51’ N.Bt. an die Stelle non Jerabees, ober
um 1° 46° nördlicher, gesechtfertigt fein? blos dadurch, daß Ptolem. in
der Reihe der in obiger Ordnung von ihm aufgezählten Stäbte auch
eine Birtha (Bilhra) nennt, von der Reichard in Klammern beiſetzt:
„maß dieſe Stadt einfimmig ale Bir anerfannt ſei.“ Aber
dem ift in der That nicht ſo, denn es gibt Ptolem. dieſe Bithra oder
Birtha unter 35° Lat., alfo um 5 Minuten ſüdliſh er als Thapfas
ens an, da Bir. doc. viel nörblicher liegt. Hier fügt nun Reiharb
ohne weitern Scrupel die Bemerkung °°) bei: „dag Ptolemäus ans
„Irrthum Birtha ſüdlicher als Thapfacns ſetzt, wird hof⸗
„fen ich Niemand in Anſchlag bringen,“ und ſcheut ſich daher
gar nicht, ohne weltern Beweis geradezu das Gegentheil von Ptolem.
Angabe zu befolgen, und dieſes Birtha um die 5 Minuten weiter nord⸗
wärts an die Stelle des heutigen Bir oder Biredſchik (obwol dies ans
ter 37° N. Br. n. Ehesney liegt) zu rũden, in der irrigen Meinung, das
durch noch dem Ptolem. verbeflert, und die Lage von Birtha bei Ptolem.
in dem heutigen Bir, nnd damit zugleich die genaue Lage des Sengma
Kommagene's, wirklich ermittelt zu haben.
se) Reichard a. a. O. ©. 40.
976 Weft:Afien. EI. Abtheilung. L. Abſchniti. 5.41.
Nun find Ihm durch biefe Hypotheſen zwei Orte, freilich um vo
30 geogr.M. mehr im Norden, ſcheinbar wieder gefunden, die aber Mein
in umgekehrter Drbnung 30 geogr. Meilen weiter im Güben in gg
folgerechter Reihe feiner Tafel eingetragen hatte, und der wirkliches tag
nah nur nm ein verhältuißmäßig Geringes, um 5 bis 9 Minzten y
weit gegen den Süden gerückt Hatte. Freilich huldigte Reiarb fie
nur einem bis dahin fehr allgemeinen Irrthume: denn ber verwashk
Name von Birtha (Bith ra) bei Ptolm. hatte viele Frühere, uud nf
fon Manuert, irre geleitet, biefen Ort im Süboften von Theyſecu
für das Bir im Norbweflen dieſes alten Seugmas zw Halten. Bar:
nert meinte, der. alte einheimifche Name, der ſich burch Olpame's Us
tergang wieder Luft gemacht, nämlih Thiar ver Tab. Pent., fel pe
auch verſchwunben gewefen, dagegen fchon im Aten Sahryundert trete ie
Rame des Castellum Birtha (in der Notitia dignitatem) here, #
einer Zeit, da die Saffaniden ſchon im Belt vom Riſibis geweſen. 1
fun wäre es ja von den byzantinifchen Kaiſern geweien, meinte er, un
Gehung au einer, benachbarten Stelle des Fluſſes anzulegen, und der ii
herigen gewöhnlichen Uebergang unbedeckt zu laffen. Dies Raijsuneam
gibt ihm den Muth, die in der Notitia dignitatum *1) in Dice
Bintha gefchriebne Stadt für Birtha zu leſen, und fie wie bei de⸗
ciroll, nebſt der inHierocles Synecdemus p.715 ed. Wessel. augegrhuit
Birtha (Big9a) für eine und biefelbe mit dem Bir des Arne
niſchen Zeugma zu Halten. In diefer Anſicht war ihm auch ſchen Leeb⸗
ler in feinen Roten zu Abulfeda's Syrien vorangegangen.
ierig: denn des Gynecdemus wie Pancirolls SIufammenfelluns e
Oorhoeniſchen GEparchie mit den fühlichern Gtäbten am Gupket, i
von beiden Autoren angeführt werden, wo es erfi nad) Gallininm Au
Nicephorium (Rafla) abwärts, von Thapfacas aufgeführt iR, zeigt, da d
"wie fchon der beſonnene Weffeling bemerkt hat, weder mit dem Bit
bei Amm. Marc. XX. 7, 77 in Mefopotamien, weil dieſes am Til
Sag, verwechfelt werben barf, noch mit dem fo viel wörblichern Dxk ®
Sengma Kommagenes, der vor bem 12. Jahrhuundert Hei feinem be
Autoren Birtha genannt if. Und auch feitdem, ſetzen wir Kings, sie
mals Birtha hieß, fondern ſtets Bir ober Caſtell Bira Id
Syrern, °°) und Al Birat bei Abulfeba. 99) Erſt nachdem ed 18
mit den Städten Edeffa und Garudfch genannt IR, tritt es öfter ia I
bort wechfelmollen Fehden am Guphrat als Feſte von großer Behr
zwifchen Haleb und CEdeſſa hervor, wird aber nie Birtha, ſenden io
mer nur Bira genannt. Iwar führt Kochler in feinen Roten ze ws |
feda noch einen Punct * Unterflägung feiner Meinung an, def Bit
Fer — — —— — — — — —
103) Notit. dignit. imperii orient. ed. G. Pancirolli. Veonet. I
fol. 97, b. cap. 168. °2) Greg. Abulphar. Hist. dyast
Bd Rð, **) Abulf. Tab. Syrine od, Kochier. p. 131.
\
Euphratſyſtem; das Land der Zeugma's. 977
alt Birtha füridentifch zu halten, der aber eben fo unhaltbar iſt;
er erinnert nämlich daran, daß in Assemani Bibi. or. T. I. p. 281,
im Tompendio Chronici Jösuae Stylitis ad Ann. 506, ein „Sergius
Rpistopus Birtae castri, qnod ad Ehphratem jacet,“ vorfomme,
der baffelbe auf Koften Kaiſer Anaflaflus mit Manern befefligte, und
dag dieſes nur dem Birtha in der Cyparchie Osrhoene angehören koͤnne.
Da wir aber ſchon oben den Grund augaben, warum dieſes oschoenifche
Birtha nicht das Bir der ſpaͤtern türfifchen Dynaſten am Zeugma Kom:
magenes fein könne, fo füllt diefer Zuſatz zum Beweiſe von ſelbſt weg.
König Darius, bemerft Reichard ferner, habe nach der Schlacht
von Iſſus, als er von Aleranderd Truppen verfolgt warb, den fürze.
fen Weg zum Guphrat nehmen müſſen, weil er, wie Arrian (de exp.
Alex. II. 13) ſich austrüde, Feine Ruhe gehabt, bis er den Guphrat
zwoifchen ſich und den Macedoniern gewußt. Die Schlußfolge, **) daß
deshalb nun Thapfacas viel nördlicher, als Ptolemäns angegeben habe,
Liegen müfie, fcheint edem fo gewagt wie die Bemerkung, daß es von dem
Berfer: Monarchen thöricht geweſen fein würte, flatt durch das mehr
bergige nörblihe Syrien, burh das offene, flache Blachfelv
Syriens feine Flucht, alfo gegen S.D., zu ergreifen? Relchard findet
noch in dem Ausdruck, den Diodor. (XVII. 37. p.187. Wess.: zur Ava
oasparedr) gebraucht, um zu bezeichnen, wohin feine Flucht geſtellt
war, einen Beweis für feine Anfiht. Denn habe Thapſacus fo viel ſüd⸗
licher als Bir gelegen, wie es nach Ptolem. zu liegen fomme, wie hätte
da Diodor fagen fönnen, daß Darius In die obern Satrapien ge-
flüchtet fei? dann hätte er wieder bergam reifen müflen. Aber Diobor
fagt durchaus nicht, daß er ſog leich durch die obern StattHalterfchaften, .
worunter Reich ard die nörvlichern Cyrrheſtiea und Kommagene Im Ge⸗
genfag der fühlichern Chalcidice und Chalybonitis gemeint wiſſen will,
eutfiohen ſei, fondern nur im allgemeinen, nicht in Bezug anf den Mo:
ment der erften Flucht, fondern auf feinen ganzen Rückzug, daß er
au den obern Statthalterfchaften zu eilen die Abficht gehabt. Bas Da:
zins nad der Schlacht von Arbela auch in den obern Statthalter:
ſchaſten, da mur biefe im metifhen Gebiete Elbatanas darunter verftan:
Ben werden Fönnen, fein Afyl wirklich fuchte, if aus den Hiſtorien bes
kanut. Auch ift befannt, dag Darius über die Bräde bei Thapſacus
Zurückfloh, deren Bewachung andy noch Tpäterhin, Im Sommier des fol-
genden Jahres, als Alexander eben dort den Guphrat (im Monat
uni) zu überfchreiten beabfichtigte, dem Perſet-Feldherrn Mazaens noch
anvertraut war (Arrian, IN. 7). Aber feine Spur iſt bei ven Autoren,
welche dafür fpräche, daß Thapfacus felbft ſchon im jenenn obern Sytien
20) Reichard a. a, O⸗ 150. vergl; Mützel Cart. Rafı V. 1, p
168. not
Mitter Grofunte X. Qaa
|
!
978 Weſt-Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnit (AL.
gelegen geweien wäre; vielmehr gerade das Begentheil bezeldmen vei
Strabo Worte, wo er, den Lauf des Enphrat und feine Waſſerauſchrel⸗
Iungen beſchreibend (Strabo XVI. 742), fagt: „fo weit er, ver Enpkrel
„nämlich, and der. Armenia minor und Kappabocien durch den Tarız
„ſchon hindurchgebrochen, nah Thapſakos hinabgeht, das unten
„Syria (nr xare Zuglar) und Meſopotamia von einander ıb
„ſcheidend n. |. w.”’ Der Weg über bas offene Blachfeld gegen EL. |
war mit nntergelegten Reityferden an ben fchon befannten Statiesa N
zur fihern Brüde von Thapſacus für einen flüchtigen König, wie Dari,
wegen ber größtmöglichften Schnelligkeit des Fortkommens dur wein
reitbares Steppenland, das bis heute die flüchtige Reiterei er 6
duinen fo leicht nah allen Richtungen durchjagt, weit vorzuziehen vw
dem Steinklippenboden, direct im DOften des heutigen Bir, we 4
ganz unmöglich ift, durch die mit bafaltifchen Steinblöden beftrenten Kd
penwüften, zwiſchen welche nur enge, oft künſtlich eingehauene Reityfer
erſt den Durchritt möglich machen, mit einem Schwarm Reiterei zu vark
jagen, wie bies von Darius gefchah.
Leider wird uns von Curtins, Diodor und Arriaz ge
nichts fpecielles über Aleranders Marfch von Tyrms nah Thapfacıd
mitgetheilt, font hätte man dadurch entſcheidende Thatſachen üb bi
füblichere Lage dieſes Zeugmas erwarten können; aber alle Data ie
guügen fich damit, zm fagen, daß er in Thapſacus feinen Uebergang über
den Enphrat bewerfftelligte, ohne die geringfle Nachricht, wie er taklı
fam, zu geben. Aber Reichard, um zu zeigen, daß er über das fo wel
nordwärts gerädte Thapfacus wenigfiens feine Richtung gencume
haben müfle, führt an, daß Alexander den Quäſtor von Berrhia, Kat:
ranus, mit der Gintreibung der Tribute unter ven Phönicern bar
tragt habe (Arrian. III. 6) — und ſetzt dann Hinzu: „alſo **) we
„Alexander felbft in Berrhöa; fein Zug ging alfo gegen orte (af
„Jerabees); denn ohne weitere Umſtäude kömmt er dann nach Thapfamk
„Wäre er nah Dür gezogen (was Rennell, freilich viel zu wei in
„S.dD. für Thapſacus hielt), fo bätte er die Armee von Berrhöa et
„jedem andern fyrifchen Orte aus durch unwirthbare Wüſte genötfig
„— Kein Wort davon bei den Geſchichtſchreibern.“ — Go Reichau.
Reichard irrt anzunehmen, daß diefer Weg am dem Gübafer ii
Guphrat Hin, fo unwegfam, fo unwirthbar zu allen Zeiten gewefen fe
wie cr es nur durch die ungezügelten Raubfllämme ver Beduinen gem
ven ift, daß Feine Karawane, keine Armee im Stande fei, ihre Wege jr
durch zu nehmen. Della Balle, 1625, **) und viele andre Reiſende
+6) Reichard a. a. D. ©. 51. °*) Pietro della Valle, Viaggi ek-
In netia 1663. Part. III. Lettera II. di Aleppo, m 58 -
Euphratſyſtem; das Land der Zeugma’s. 979
Im Mittelalter, Carmichal *?) im Jahre 1751 nad) Ines Mittheilung,
Dlivier °*) ber franzoͤſiſche Naturforſcher (1806) und Andere nahen
benfelden Karawaneuweg, anf ber Rückreiſe von Babylon über Anath
und Där, immer bem Südufer des Cuphrat nahe bleibend, mit großen
Danbelsfarawanen direct bis nach Aleppo (Berrhoͤa). Alerander
vermieb abfichtlih, wieArrian bemerkt (III. 7), diefen directen Weg won
Chapfarns nah Babylon, ſchon wegen der großen Hitze und bes dar⸗
aus entfiehenden Buttermangels, denn es war fchon im Junins, ale er
daſelbſt den Euphrat zum Tigris uberfchritt. Aber nach der Schlacht
von Iſſus am den ſyriſchen Päflen, die in ber Herbſtzeit gegen Mitte
Rovember die Berfer zur Flucht nötbigte, war gar Fein climatis
er Grund für ven unglüdlihen Berferlönig vorhanden, einen Rückweg
über das fühlicher gelegene Thapfaens (etwa unter 85° 50° M. Br.
nach Chesney's Karte) zum fchenen, wenn es fonft feine Abſicht geweſen
wäre, direct nach Babylon vorzudringen. Webrigens IR es aus dem
Jeldzuge Cyrus des Jüngern ja befannt, daß eben über Thapfacns
ieſer Weg den Cuphrat entlang ging, und nubegreiflih If es, wie
Reichard die von Zenophon gegebene Marfchroute von einem fo
drblich gelegenen Puurte im Norden von Europus, wohln er Thapr
nenne verlegte, deuten wollte; andy hat er wol dieſe fperielle Ausfühs
ug unterlaſſen (f. Erdk. ob. S. 11. u. fi.). Es iſt fermer befannt, aus
m Veldzuge Kaiſer Iulians wie biefe Route für ein größtes Kriegs⸗
ser auch die gehörigen Mittel darbot, und durch Procopius fyperielle
eſchichten der Kriege Khosroes Anuſhirvan, des Saflaniden, gegen
afer ISuftinian, Mitte des 6. Jahrhunderts, if es befannt genng,
r$ diejer fogar in feinen großen Feldzügen mit vielen Tanfenden von
teſiphon und Babylon and gegen bas römiihe Syrien, zumal im ers
en und dritten °*) berfelben, den Heeresmarſch am Südufer bes
mphrat dem Durchmarfche durch das obere Mefopotamien vorzog,
a6 er nur auf den Rückmärſchen mitnahm. Zwar lernen wir aus bie
> Kriegsperiode, die ein halbes Jahrhundert dauert, über bie genanere
wge von beidengengmas, au Thapſacus und Bir, insbefondre nichts
Sheres tennen: denn beider Namen bleiben den Perſern wie dem Ges
Bichtfchreiber Brocop gänzlich unbelannt, da bererfiere zu alt und laͤngſt
Egeſſen, der andre zu nen und noch nicht durch Araber oder Türken
Anfuahme gelommen war. Aber die an deren Stellen und in ihrer
»') Edw. Jves, Voyage to and from India to England etc. Lond.
1773. 4. Book, Il. Map. the common route of the caravan
from Bassora aver the great Jesert etc. by Carmichal.
?*) G. A. Olivier, Voyage dans l’empire Ottoman etc. Paris’
an XII. Vol. III. p. 459 — 460. »®) Procopius de bello
Persico ed. Dind. Vol. I. Lib. II. 5. p. 170 — 183; u. Lib. II.
20. p. 239 — 254.
.. DAN 2
980 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abfchnüt. $.M.
Nachbarſchaft damals entfiandenen oder ſchon blühenden Driichaften wer
den uns mit ihren Localitäten bekannter, wodurch wir and ein en
herudes Urtheil über die dortigen ſrühern Zuſtände gewinnen, in ſejſer de
natürliche Phyſiognomie des Landes, ſobald fie nur wirklich erlami
ein ewiges Geſetz in ſich trägt, für alle Phaſen und Wechſel nahe
gender Geſchichten.
Khosroes erfier Feldzug (540 I. m. Chr. G.) gebt aber am mb
ten, d. h. am füblichen Ufer des Guphratſtroms aufwärts, über Cus
fium und den Aborrhas, nah Zenobia, Sara und Gergiggelit,
welche, in der nähern Umgebung des autifen Zeugma vor Tha
facus, feit der Periode des palmprenifchen Reichs, ter Ghrikemeks
gungen Diocletians (St. Sergins Martyr), und ber Heftungsbanten hrs
zantinifchen Kalfer, zumal Iuftinians (Procop. de aedif. Just. 9.
zu fo hohem Wlor gelommen waren, daß die alte IThapfaras Kai
ganz in Dergefienheit gerathen war, die hoch ſchon als Tipkjef m
Taphſakk (3.8. d. Könige 4, 24), d. i. ber Lebergang übe in
großen Strom, nub als die Stadt an ber äußerfien Norngreag ii
falomonifchen Reiches berühmt war, und daurch das hehe Alterihes di
großes Handelsemporium, zu Alexanders Zeit als Stapelplaß ir &
phratſchiffahrt, an der Grenze von Syrien, Arabien, Mefcpetamin w
Babylonien von größter Bedeutung bis gegen die Zeit der deilihe
Hera blieb (f. ob. ©. 11).
Bon Sura rüdte aber Choſsroes in denselben Feltzuge Bey
über Hierapelis bis Antiochia vor, chne den Cuphrat zu überu
Mit unfäglicher Beute diefer Prachtſtadt beladen, kehrte er abe I:
mea am Drentes und Chalcis (im Süd von Nieppo) zum Guy
zurüd, wo er an einem, früher ganz unbekaunten lebergangsert, P
Obbane, *°%) nur 40 Stadien, d. i. 2 Stunden, von Barbaliieh
feine Brücke fchlug, um duch das obere Mefcpotamien gan; gemihht
feinen Plünderzug fortzufepen, mit deſſen Gewinn er dann neben MM
MReſidenz Cteſiphon die Prachtſtadt Khosro-Antiochin erbaute.
Durch den zweiten Kriegszug des Khosroee, ) im 3. 541, I#
wir, in feinen Kämpfen mit Belljar, nur genauer tie Mater bes dB
Mefopotamiens kennen; fein dritter aber (im 3.542 n. Gibbon I)
führt uns wieder am rechten fer bes Cuphrat uber Sergiopelis ei
bis in bie Nähe von Hierapolis und Europus am Guykreil,®
Belifars drohendes Kriegsheer und des Felbherrn großer Rufe 9
Saffaniden zur Umkehr brachte.
Im Angefihte des Nömerfeindes, fagt Procop, ſchin 9
Saflanive ficlz feine Brüde ?) über den Cuphrat, von ber
*°®) Precop. de bello Persic. Il. 12. p. 205. 2) cheat. —X
2.207. cat. U. 21. p. 246.
bs
3
Euphratſyſtem; das Land der Zeugma's. 981
yriſchen nach der mefopolamifchen Seite hinüber, um von da nad
Edeſſa zw ziehen. Belifar, der fi dem zahlreichen Berferheere kei:
teswegs gewachſen fühlte, beförberte durch Liſt dieſen glüdlichen Weber:
zang, um ben Zeind aus der weſtlichen Provinz nur los zu werben, wor⸗
nf dann erſt, von Defopotamien ans, bie nenen Friedens-Unterhandlungen
wiſchen Khosroes und dem Kaifer Iuftinian begannen.
Durch diefe Ientere Stelle des Procop iſt die umgefähre Lage von
Suropus (bei Ierabecs Ruinen) zwifchen dem heutigen Bir und den
Ruinen von Hterapolis, die feit Manndrells erfier Entdecknug nicht
el genauer unterfucht worden find deren Lage aber durch die Buphrat-
spedition aftronomifch genau (unter 36° 33 N. Br.) beflimmt wurde,
ammt diefer Brüdenfchlagung uber den Cuphrat anfer allen Zwel⸗
el gefeht.
Auch ſchon ans frühern Angaben der alten Autoren konnte man
nit ziemlicher Sicherheit in diefer Gegend die Lage von Curopus
uchen; daß es aber die Stelle des alten Thapfacus felbft mit feinem
zengma einnehmen follte, war eine ganz neue Behanpiung des Berjaflers
bengenannter Kritik Rennelle, die nun in alle nenen Schnllarten des
Irbis antiquus aufgenommen wurde, der verdienſtvolle Reunell aber
abet der größten Inconfequenz *) angellagt.
Und welhe Scheingründe biefer durchaus einer Anfeitigkeit der
Betrachtungsweife der Literarifchen Quellen wie der Naturverhältnifle ers
naugelnden Kritif, deren Kombination bei ſolchen Unterfuchungen uns
rläßlich bleibt, find es, welche diefe Behauptung über allen Zweifel
rheben follen ?
„Man Iefe die Stelle des Plinius (V. 21), die wir gleich im An:
ange als eine entfcheidende Stelle für die Lage des Kommageniſchen
Zengma anführten, fagt Reichard, nnd reiße fie nur nicht aus ihrem
Zufammenhange.“ Man ift begierig diefen Iufanmenhang in einer Com:
Hlatien des Plinins zu finden. Nachdem er gefagt: das Zengma
Rommagenes liege 72 M. pass. unterhalb Samofata ; diefen berühmten
debergange im Dften fei Apamia angebaut; Rhoaler heißen bie öſtlichern
Anwohner, fo fügt Blinins (der nun von einer weiten Strede bes Gus
shratlanfes weiter abwärts, weil dort die Purther die Römergrenze zu
einer Zeit fortwährend bebrehten, nichts zu fügen wußte) nur hinzu:
‚At in Syria oppida Europum, Thapsacum quondam, nunc Anphi-
volis.* Man fehe offenbar, fagt der Kritifer, daß Plinius die Grenzen
von Rommagene und Syrien bezeichne fer hatte früher ald Grenze bie
Stadt Cingilla genannt, deren Lage aber unbefunnt if) und zu verfiehen
‚eben wolle, daß Europus und Thapfacus nicht in Kemmagene, ſondern
2) Reichard a. a. O. ©. 3.
980 MWeftsAfien. III Abtheilung. J. Abfchnitt. 6.4.
Machbarfchaft damals entfiandenen oder ſchon blühenden Ortſchaften wer
ven ans mit ihren Localitäten befannter, wobnrch wir and ein ans;
herudes Urtheil über die dortigen frühern Zuſtäude gewinnen, in fefera fe
natürliche Phnfiognomie des Landes, fobald fie nur wirklich erfanzi ij
ein ewiges Befeh in fi trägt, für alle Phafen und Wechſel nadie
gender Geſchichten.
Khosroes erfier Feldzug (540 3. n. Chr. &.) geht aber am uk
ten, d. h. am füplichen Ufer des Guphratfiroms aufwärts, über Eim
fium nud den Aborchas, nah Zenobia, Snra und Sergiepelit,
welche, in der nähern Umgebung des antifen Zengma vonTher |
ſacus, feit der Periode des palmyrenifchen Reichs, ver Chrikemerkb
gungen Diocletiaus (St. Sergius Martyr), und der Feſtungsbauten der b
zantinifchen Kalfer, zumal Inftinians (Procop. de aedif. Just. 9, p. 4)
zu fo hohem Flor gekommen waren, dag die alte Thapſacus Dark
ganz in Dergefienheit gerathen war, die doch ſchon als Tiphſah de
Taphſakk (1.9. d. Könige 4, 24), d. i. der Mebergang übt ka
großen Strom, nub als die Stadt an der Außerfien Nordgrenze ii
ſalomoniſchen Reiches berühmt war, und durch das hehe Alterihm di
großes Handelsemporium, zu Aleranders Zeit ale Stapelplap ker Er
phratſchiffahrt, an der Grenze von Syrien, Arabien, Mefcpotamir m
HBabylonien von größter VBebeutung bis gegen die Zeit ver chrijlihe
Aera blieb (f. ob. ©. 11).
Porn Sura rüdte aber Ehosroe6 im demſelben Feldzuge ſiegreich
über Hierapolis bis Antiodgia vor, chne ben Cuphrat zu uber
Mit unfäglicher Beute diefer Prachtſtadt beladen, fehrte er uber Are:
|
— —
mea am Drontes und Chalcis (im Süd von Aleppo) zum Erphrat
zurück, wo er an einem, früher ganz unbelannten Uebergangserk, #
Dbbane, 9°) nur 40 Stadien, d. i. 2 Stunden, von Bacrbealilas,
feine Brüde ſchlug, am durch das obere Mefcpotamien gauz gemihbt |
feinen Plünderzug fortzufepen, mit deſſen Gewinn er daunm neben frz
Refidenz Gtefiphon die Prachtſtadt Khoero⸗Antiochia erbaute.
Dur den zweiten Kriegegug des Khosrces, ’) im 3. 541, mat
wir, in feinen Kämpfen mit Belljar, nur gemaner tie Natur des ii
Mefopotamiens kennen; fein dritter aber (im 3.542 m. GibboaIlM) :
führt une wieder am rechten fer des Cuphrat aber Sergiopelis aufull
bis in die Nähe von Hierapolis und Europus am Gupärat, Wr
Belifars drohendes Kriegsheer nub des Veldherrn großer Aufn M
Saflaniven zur Umkehr brachte.
Im Angefichte des Mömerfeindes, fagt Procop, Pa
Saflanide fiel; feine Brüde ?) über den Guphbrat, ven der
80°) Procan. de hello Persic- I. 12, p. 205. 2) ebend. I 15
p. 217. ar I Un, 246,
Euphratſyſtem; das Land der Zeugma's, 981
ſyriſchen nach ber mefopotamifchen Seite hinüber, um von da nad
Edeſſa zu ziehen. Belifar, der ſich dem zahlreichen Berferheere ei:
neswegs gewachſen fühlte, beförberte durch Liſt diefen glüdlichen Ueber:
gang, um den Feind aus der weftlichen Provinz nur los zu werben, wors
anf dann erft, von Mefopotamien ans, die neuen Friedens-Unterhandlungen
zwifchen Khosroes und dem Kalfer Iuflinian begannen.
Durch diefe letztere Stelle des Procop iſt die ungefähre Lage von
"Snropus (bei Jerabees Ruinen) zwiſchen dem heutigen Bir und dem
Auinen von Hlerapolis, die fet Manndreils erfier Entverkung nicht
- viel genauer unterfucht worden find deren Lage aber durch die Cuphrat⸗
erpedition aſtronomiſch genan (unter 36% 33 N. Br.) beflimmt wurde,
fammt dieſer Brückenſchlagung über den Euphrat außer allen Zwel⸗
fel gefeßt.
Auch ſchon aus frühern Angaben der alten Autoren lonnte man
mit ziemlicher Sicherheit in diefee Gegend die Lage von Curopus
fuchen; daß es aber die Stelle des alten Thapfacns felbft mit feinem
Jengma einnehmen follte, war eine ganz neue Behauptung bes Berfaflers
obengenannter Kritik Rennelle, vie nun in alle neuen Schulfarten des
Orbis antiquus aufgenommen wurde, der verbienfivolle Rennell aber
babet der größten Inconfeguenz *) angeflagt.
Und welche Scheingründe biefer durchaus eimer Anfeitigteit der
Betrachtungsweife der Literarifchen Duellen wie der Naturverhältnifle ers
mangelnden Kritif, deren Kombination bei ſolchen Unterfuchungen uns
erläßlich bleibt, find es, welche dieſe Behauptung über allen Zweifel
erheben follen ? Ä |
„Man leſe die Stelle des Plinins (V. 21), die wie gleich im An:
fange als eine entſcheidende Stelle für die Lage des Kommagenifchen
Zengma anführten, fagt Reichard, und reiße fie nur nicht aus ihrem
Zufammenhange.“ Man iſt begierig biefen Juſammenhang in einer Com⸗
pilation des Plinins zm finden. Nachdem er gefagt: das Zengma
Kommagenes liege 72 M. pass. unterhalb Samofata ; biefem berühmten
Hebergange im Often fei Apamia angebant; Rhoaler heißen die öſtlichern
Anwohner, fo fügt Blinins (der num von einer weiten Strede des Cu⸗
yhratlanfes weiter abwärts, weil dort die Parther bis Römergrenze zu
feiner Zeit fortwährend bebrchten, nichts zu fügen mußte) nur hinzu:
„At in Syria oppida Europum, Thapsacum quondam, nunc Amphi-
polis.“ Man fehe offenbar, fagt der Kritifer, daß Blinius die Grenzen
von Kommagene und Syrien bezeichne ter Hatte früher als Grenze bie
Stadt Eingilla genannt, deren Lage aber unbekannt iſt) und zu verfiehen
geben wolle, daß Europus und Thapfacus nicht in Kommagene, fonterz
2) Reihard a. a. O. ©. 3.
970 Weft:Afien. III. Abtheilung. I Abſchnitt. $.41.
Strabo (I. 79), Liegt „weit entfernt vom Gebirge.“ Rah ho
tofthenes lag Thapſacus, nad Meflung, von den arme niſchen Ir:
len etwa 1100 Stadien, db. 1. 274 geogr. M., fern (IL 80: new |
wör "Apperlur nulär). Über von da bie zu ben armeniſchen Bu
gen (mirgs zür "Agmerlar ögüws) das ſei noch ungemeffen (ankr
vor). Dafür nehme nun Hipparch eine Entfernung von uch MM
Stadien (25 geogr. M.) an, aber irrig (Strabo IL 82), da Grat"
ſt henes Annahme für den ungemeffen gebliebenen Raum zu den e
menifcgen Bergen nur etwa 400 Stadien (d. i. 20 geogr. MR.) vedad,
alfo für den ganzen Abſtand 1500 Stadien, d. i. 375 geogr. N. Rn
gende aber, bemerkt Strabo (II. 77) gegen Hipparch, **) fei es dem
Gratoſthenes eingefallen, zn behanpten, daß Thapſacus von Babylıı e
4500 Stabien gegen ben Norden liege.
Diefen Mefiungen im Meridian yon Thapſacus gegen ven Rordes
anf Cheonev's Kartenanfnahme des Guphrats und Tigrislanfes nedee
hend, würden die von feinem der alten Elaffifer näher bezeichneiez zu
auch uns bis dahin mubelaunten „armenifhen Pylen des Eratr
ſthenes,“ die D’Anville, Rennell, Mannert und Reihart, nk
alle neneren Sommentatoren gänzlich außer Acht gelaſſen, ober die Bisztt
zn den Borbergen Armeniens in bie Gegend unmittelbar zatır
halb des "heutigen Berger fallen (f. oben ©. 871). Deun bimi wi
Thapfacus gegen Nord bie dahin find 81 bis 32 geogr. Meile. Mi
Gerger, im Norden von Gamofata, in ver Nähe des alten Barjelam,
verläßt aber der Guphrat wirklich die letzten Felobaänke, vie feinen karl
bis dahin in der Kette der GCuphrat⸗Cataracten des Tazınd,
wie fie ſchon Plinins nannte, hemmten. Wir Iernen dieſe Loonlität af
durch die genaneren Aufnahmen ber preußifchen Officiere und durch du
erfte Beſchiffung des dortigen Euphratlaufes Innerhalt der Gataraden-St
kennen. Er tritt hier ans den letzten einengenden Felsſchlachten her,
die man mit Recht die armenifchen Pylen nennen Eomute, ale Ip
menien ſich noch durch Armenia major uud minor bis Melitese w
Gommagene herabzog. Sagt doch Arrian au ber genannten Su
daß Alexander duf feinem Marfche von Thapſacus zum Tigrisübergeng
‚oberhalb Arbela den Taurus Armeniens ſtets zu feiner Linken Hand jew
Begleiter gehabt. Die 400 Stabien (10 geogr. MR.) weiter aorrmär
ber Pylen würden bafelbft die Breite der fürlichen Tanrnsskıtit
ziemlich genan bezeichnen, ba Tomifa (bei Iſoglu, f. ob. ©. 878) sed
Artemidors Mefiung 450 Stadien von Samofata entfernt lag. st
Sratofibenes armenifchen Bergen iR alfo bier entſchieden vie Kette iM
Rorben von Gamofata zu verfchen, mit den Tanınspäflen, die wir iur
790) vergl. Greskurd Not, u Btrabe Ab. 4. 72, in deſſ. ueberf Ml.
&. 121 ud I, sit
Euphratfuftem; das Land der Zeugma’s. 971
Tich durch unfere Landsleute fo genan haben kennen lernen, und weidie
einft Melitene von Kommagene treunte.
4) Strabos Entfernung zwifhen ben beiden Zengmas.
Nach diefen Beftimmungen bes Gratofthenes über die Lage von Thapſacus
gegen das nörbliche armentfche Gebirgsland gibt Strabo in feiner Bes
ſchreibung von Afigrien (XVI. 746) noch ein anderes, wie es fcheint,
nicht von Gratofihenes überliefertes Man: „des Abſtaudes zwiſchen bem
Zengma, nümli der Brüde in Kommagene, wo Mefopotamia anfange,
bis nach Thapfacne, was nicht weniger als 2000 Stadien beirage (ove
Narsov XVI. 746). Alſo an 50 geogr. M. Diefe Angabe iR, wie
die beigefügten Worte zu verftehen zu geben fcheinen, nicht ſowol wirkliche
Meflung, als ungefähre Schätzung ober Berechnung anderer Art, etwa
nad Schifferflationen auf dem Flußlanfe. Sie ift nicht auf eine directe
„Diſtanz für Heeresmärfche ober für conftrncetive Zwecke Cratoſthenifcher
Spöragiden zu beziehen, wie die andern Angaben ans Aleranders Bes
tiode; dent damals war auch noch von feinem Sengma Kommagenes
die Rebe, das erft fpäser durch Seleuciden gegründet ward. Die Schäs
Buug weicht von der vorigen Angabe auch bedentend ab, mit ber fie nun
auch gar nicht zu parallelifiren if. Irren wir hierin nicht, fo find Diele
2000 Stadien nah den ungemein gekrümmten Winbungen bes Cuphrat⸗
laufes und zwar nad der vielwinkligen Flußſchiffahrt zwifchen bem
Seugma Kommagene's und dem alten Zeugma bei Thapfacus zu rechnen,
die damals dur den Großhandel von Hierapolis, wie Strabo aus⸗
drücklich fagt, fehr belebt war. Daher biefe große Entfernung, obwol
viel weniger weit norbwärts reichend als die armenifhen Bylen,
doch als Neiferonte weit länger, nämlid um 124 geogr. Meilen läss
ger ale jene Diſtanz.
Meflen wir nun bie wahre Entfernung von Thapſacus, anf
Chesney's Kupbratfarte die Krümmen verfolgend, aufwärts nach, fo
führen nns.die erſten 35 geogr. Meilen etwa nah Bir, die 40 gevgr.
I. würden nah Romkalah, die ganze von Strabo angeführte Diflanz
oder Summe von 50 geogr. M. aber gerade nah Samojata führen.
Diefe Schägung wäre alfo minder genau und offenbar zu groß, um blos
zum Seugma nad Bir zu führen. Aber Strabo frheint fich felbft nach
den in früheren ſchon berührten Stellen das Zeugma Kommagene's ſtets
dem Samofata fehr viel näher gebacht zu haben, als es wirklich lag.
Und wirflih if dem Strabo die ganze große untere Weltwentung bes
Cuphrat von Samofata abwärts (wie wir ſchon anderwärts gezeigt. has
Ben, f. ob. S. 73) gänzlich unbelannt geblieben.
- Sollte damit nicht fein Irrtum in diefer übertriebenen Schäpung
der Diſtanz des Zeugmas Kommagene's von Thapfacus zufammenhän-
gen, da er bei allen Gelegenheiten biefes Zeugma viel zu fehr der von
ihm gefeierten Koͤnigsſtadt Samoſata näherte, un voðð ar el dr
97% WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $.41.
nen einzigen Ort zwiſchen dem Zeugma und biefer Gapitale Remmagea'i
anzuführen im Stande war? Die Weberfälle der kriegeriſchen Partye,
welche noch zu Strabos Zeit als die gefürchteten Feinde ver Rime
am Dftufer des Euphrats in Mefopotamien Wache hielten (Strabo XTL
748), ſchnitten biefen Unter mach dem frieblidyeren und für dortige Lorak
Seuntnif günftigeren Zeiten der Periode Aleranders umb bes grofen Er
lencidiſchen Meiches von jedem neueren Fortſchritt bortiger geographiide
Syecialkenntuniß ab, daher ſich vielleicht Strabo eben hier auch zur mi
einer ungefähren Schhäpung der Diftanzgen begnügen mußte.
Können wir nun ans biejer lezteren Schätzung Strabss bie ge
uauere Lage des Kommagenifchen Iengma keineswegs allein befkinmeen,
fo lernen wir. doch deſſen ungefähre Lage dadurch, und zumal deſſen gre
Ben Abſtaud vom weit fühlicheren Thapſacus kennen, das ja and
nach obiger Aeußerung des Eratofthenes [ehr weit von den armeriſche
Pylen entfernt lag. Durch Plinino oben befprocdhene Lage des Ieagmı
und Apamia's, 72 Millten abwärts Samofata, wird aber Gtrabos Ir
gabe berichtigt und ergänzt, das Berhältniß der mörblicheren Lay
deffelben gegen das viel füblihere Thapfacns aber ihn &
len Zweifel erhoben.
Hiedurch werben wir bei der bis Kente noch nicht geſchehenen Bi
berauffindnng ber Muinen des alten Thapſacus wenigftens ver ven
groben, bis jept noch nicht widerlegten Irrthume bewahrt, widt we
Reichard in feiner heftigen Critik 3. Rennelle und veflen Gase
tars über Xenophons Feldzug des jüngern Cyrus die Lage viefes als
Sengma fammt dem Uebergange Aleranders M. gauz Dicht neben dal
Seugma der Seleuciven und Römer in eine nnd dieſelbe
Tlußgegend zu verfepen. Hiedurch mußte une die größte Berwin
sung über jene Theile der alten Geographie und ber Kriegszüge ws
laßt werben, ja die Lage des Zeugma ber Selenciden ſelbſt wur te
durch verbunfelt. Der triumphirende Einfing, den biefe Hypotheſe ud |
Neichards Orbis veteribus notus auf faft alle neueren Schullarten hd
ſelbſt auf viele hiſtoriſche und philologiſche Arbeiten ausgeübt, macht ei
zugleich zur Sicherung aller ferneren Unterfuhung nothwendig, in ve
Behauptungen biefer Lehre einzugehen, der eine eigene Abbanblung is
den Kleinen Schriften *?) jenes Verfaſſers gewibmet if.
Reichard ging von ber zuverfichtlichen und fehr bebemklichen lieber
zengung ans, daß ihm nach feinen Unterſuchungen der ganze Gupheab
lanf und das dortige Terrain der Kriegsbegebenheiten „nun [chen fo
genan bekannt fei, daß man ſich Hier nicht irren könze”
Gewiß wird man ihm fehr vielfache geographifche Kenutnifle und Eis
‚9, 8.©. Ada, Kne Surtten. GBünı 1836, 8. Mbrt. IL
- Recenfion von A. Reamlls INnatralünor,
Euphratſyſtem; das Land der Zeugma's. 973
dien nicht abſprechen können; aber ein einziger Blick auf die Chesneyſche
Suphratanfnahme, die freilich zu feiner Zeit noch nicht gemacht war, zeigt
nur zu deutlich das Grundlofe diefer felbfigefälligen Meinung.
Aber im Vertrauen auf bie frühere fehr willführliche Seichnung des
mittleren Euphratlaufes, anf die übrigens ber Wahrheit fehr nahe kom⸗
menden, freilich fehr fparfamen Niebunhrſchen Breitenbefimmungen von
Hilla bei Babylon und Haleb, wie der von Zriesneefer und v. Sach bes
rechneten Laͤngeubeſtimmungen von Hilla und dem von R. Pococke zuerſt
genanuten Orte Jerabees am Cuphrat (zwiſchen Hierapolis und Bir ges
legen), fand Reichard die directe Diſtauz von Babylon, nach, wie er
fagt, forgfältigfter Berechnung, bis Jerabees — 108 geographiſchen Mei:
len. Dies glich feiner Berechnung nad den 4800 Stadien Diſtanz zwis
ſchen Babylon und Thapfalus bei Eratofihenes bis auf 4 geographifche
Meilen.
„Gin ſolches Iufammentreffen, rief er aus, Tann kein Zuſall ſein; 3
„dieſe erſtannenswürdige Genaunigkeiteey Habe bis dahin keine
„Seele bemerkt.” Die Lage von Thapſakus hielt er num aus dieſem eins
zigen Datum für unwiderruflich gefunden. Gr fährt fort: „Mit
„GStrabo’s Stelle (XVI. 746), wo biefer Thapfalus 2000 Stadien. vom
„Zeugma Kommagene's entfernt angibt, Tann es unmöglich richtig
„fein. Iſt es keine falfche Lesart, kein Binfchiebfel, fo if es fein eigener
„Irrthum, Mißverfländnig, oder aus ganz falfchen Nachrichten und Vor⸗
„ansfebnugen gezogene Künftelet, vergleichen fig die Alten Häufig ſchul⸗
„dig gemacht haben.“
Eine fo außerordentlich genane Uebereinſtimmung ber alten Maaße
für fo große Intervallen mit aſtronomiſchen Beſtimmungen muß immer
etwas bevenfliches habeıs, wenn man ihre Meſſungomethoden mit denen
der Neueren vergleicht, zumal wie hier anf fo große Diftanzen nud durch
die Mitte mefopotamifcher Wüften.
Dbige dem Strabo gemadhten Borwürfe werben nun nicht weiter
begründet, fondern die Lage von Thapfalns iſt ohne weitered der Cu⸗
phratlarte an der Stelle von Jerabees (Oſherablus unter 30° 24 RN.
Br. nad Chesney) unter 86° 51’ N. Br. und 55° 27' 29° 2 v. Seren
bei Neihard eingetragen, ganz nahe dem alten Hierapolis, Die
Stelle it nah R. Pococke 4 Stunden unterhalb Bir, dem Zeugma
KRommagene's, angegeben, und biefes Datum ſeitdem in alten Karten ber
alten Geographie und danach in den Compendien der Weltgeſchichten wies
derholt. |
Man begreift in der That gar nicht, warum, wenn bie eine von
Eratoſthenes angegebene Mefiung von Babylon bis Thapfalas, näms
lich der eine Dreiedtfchentel feiner dritten Sphragide, von OR gen Weſt,
»*) Reichard a. a. O. ©. 49,
‘
97% WertsAfien. II. Abtheilung. L Abſchnitt. $.41.
jene erflaunenswerthe Benanigfeit zeigt, warum bie Meffung bes zweiten
Dreieckſchenkels derjelben Sphragide, von Süd gegen Nord, nämlid von
Thapſacus bis zu den armenifchen Polen, die doch weit leichter zu bes
Rimmen wer, gar keine Berüdfichtigung erhalten hat, fondern ihrem Gr:
gebniß gerabezu wiberfprochen wirb,; nicht durch Gründe gegen biefelhe
ans den Strabonifhen Daten, fondern durch Deutung der Stellen ande
rer geographifiger Angaben ver Glaflifer, im Siune der voransgefaften
Meinung, nämlich der yermeintlichen Ipentität von Serabees (Diie
rablus) und Thapſacus. Denn triumphirend wird verkündet: °*) welche
„vergebliche Anftrengupgen bisher bei den Geographen, bie Lage biefer
„weltberühmten Stapelſtadt des oflaflatijchen Handels zu beſtimmen, Ne
„tes Centrums aller Mefiungen bes Cratoſthens durch ganz Aſien, dieſes
„Beenichloffes ‚aller Befchichtsfchreiber und Geographiefundigen bis henie
„und wie offen nnd klar liege doch ber Beweis vor Augen.“
Gben diefe Wichtigkeit des Lage von Thapfacns, und der mi bie
ſem autiken Zeugma aus Alexanders Zeit fo oft in Bergleichung gebrach⸗
ten Zeugma's ber Seleuciden in Kommagene, macht es nothiwendig, die
andern in der Relchardſchen Kartenzeichnung beigebrachten Befätigungen
jener Annahme, welche zumal bie Verdienfte Mannerts und Rennelld
bei dieſen Unterfuchungen für Nichts gelten läßt, zugleich zu beachten,
um bie wahre Lage bes Seugmas ber Seleuciven zu Apamia in Rem
magene baburch näher zu begründen.
Der zweite Autor, der von Reichard jur Beſtaͤtigung ber age ven
Thapſacus in fo Hoher nörblicher Breite zu Hülfe gerufen wird, if Piolm.
(V. 19. fol. 144), der aber gerade das Gegentheil im feines Tafel von
Arabia deserta fagt. Piolemäus, führt in einer Reihe am Cuphrat
abwärts, von N. W. gegen S.O. fortfchreitend, wie fich bies aus vs
Längen. und Breiten ergibt, die 4 Orte an:
1) Thapfacus 73° 30° Long. 35° 6’ Lat. Ohne weitere Grün
nachzuweiſen, wird biefer Ort aus der Reihenfolge der übrigen
- Btolemälfchen Breitebefiimmungen heransgerifien, und von 35° 6
un 1° 45‘ weiter nordwaͤrts verfept, alfo nach 36° 51’ R. Vr.
2) Bithra Girtha) 73° 40° Long. 35° 0 Lat.
: 8) Gadirtha 73950° Long. 34° 45° Lat. .
4) Eddara (Dadara) 74° 20° Long. 34° 10° Lat;
Dieſer leptere Ort, der bis heute in ber angegebenen Breite wenig
ſtens noch nicht wieder entbedt iR, den man früher bei ber ſchlechtes
Zeichnung des Euphratlaufes leicht mit dem heutigen EI Der, Dar, Dei
(d. 5. Thor Paflage; nad Chesſney unter 35%5' N.Br.), einem ber be
beutentfien Orte am Cuphrat, verwechfeln konnte, da man ihn mach As
gabe der Neifenden andy viel weiter ben Strom aufwärts gerädt fen
709), Reichard a. a. D. ©. 48.
j
Euphratſyſtem; das Land der Zeugmais. 975
uämlih 2 gute Tagreifen oberhalb der Cinmänbung des Khabut (Cha-
boras), wurde von Nennell für das Thapfacus des Zenophon gehalten.
Die Localität der alten fo berühmten Thapfacus war fo gänzlich in Ver⸗
geffenheit gerathen, daß fon D’Anuville, und nah ihm Rennell,
welche in Zenophons Marfhroute „von Daradar nach Thapfacıs
8 Tagemärfche (15 PBarafangen), zum Araresflug (Chaboras) 9 Tages
möärfche (50 Barafagen)‘ einen Irrthum vermutheten,, weil ihnen fo: nahe
bei der Oſtwendung des Guphrat von Balis aus keins Rainenſpur einer
großen antilen Stabt befanst war, glaubten leider den griechifchen Text
durch die. Conjectur einer Transpofition jener Daten verbeſſern
zu mäflen. Sie wähnten dadurch weiter abwärts bie Lage dieſer moder⸗
nen Der oder Dar zu erreichen, die Reunell noch andrer Umflände
wegen entishieben für das alte Thapſacus zu Halten geneigt war. Dazu
gehörte ihm. auch, daß Dar nur 25 Tagmärfche von ber Einmündung
des Ehaburas (Arares bei Zenophon) iu den Cuphrat Liege. Auch Gofs
feltn war. bierin ‚feinem Vorgänger D’Anville nachgefolgt.
Schon Maunert indeß fand, dag die Lage des heuligen Dar zu
weit ben Cuphrat abwärts führe, um ber Lage bes alten Thapſacus zu
entſprechen. Reichard. widerlegte diefen Irrthum Rennells mit fiegreichen
Gründen; er zeigte, daß: Thapfacus und Dar ganz verſchledne Städte
feien, fetzte aber num biefelbe Stadt Thapſacus jener einfeitigen Berech—
nung zu Folge, von einem Extrem zum andern.
Und woedurch follte diefe Derlegung von Thapfucne, ſiatt bei Piol
85° 5° Lat., unter 36° 51’ N. Bt. an die Stelle von Jerabees, oder
um 1° 46° nördlicher, gevechtfertigt fein? blos dadurch, daß Ptolem. in
Der Reihe der in obiger Ordnung von ihm aufgezählten Städte auch
eine Birtha (Bithra) nennt, von der Reichard in Klammern beiſetzt:
„daß .diefe Stadt einfimmig als Bir anerkannt ſei.“ Aber
dem ift in der That nicht ſo, denn es gibt Ptolem. diefe Bitbra oder
Birtha unter 35° Lat., alfo um 5 Minuten füdlicher als Thapfas
eus an, da Bir. doc. viel nörblicher liegt. Hier fügt nun Reichard
ohne weitern. Scrupel die Bemerkung *°) bei: „dag Ptolemäus ans
„Irrthum Birtha ſüdlicher als Thapfarns ſetzt, wird hofs
„Fenttih Niemand in Anfhlag bringen,” unb fcheut fich daher
gar nicht, ohne weitern Beweis geradezu das Begentheil von Ptolem.
Angabe zu befolgen, und diefes Birtha um die 5 Minuten welter nords
wärts an die Gielle des heutigen Bir oder Biredſchik (obwol dies uns
ter 379 N. Br. n. Chesney liegt) zu rucken, In der irrigen Meinung, das
durch noch den Ptolem. verbeflert, und die Lage von Birtka bei Ptolem.
in dem heutigen Bir, und damit zugleich die genaue Lage deö Zeugme
Kommagene's, Pit ermittelt zu haben.
20) Meichard a. a. O. G. 40. |
976 Wefts:Afien. EI. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.41.
Nun find ihm durch biefe Hypotheſen zwei Orte, freilich um vell
30 geogr. M. mehr im Norben, ſchelnbar wieder gefunden, die aber Pielm,
in umgelehrter Orbnung SO geogr. Meilen weiter im Süden in gem
folgerechter Reihe feiner Tafel eingetragen hatte, und ‚der wirklichen Lage
nach nur mm ein verhältuißmäßig Geringes, um 5 bis OB Minuten zu
weit gegen ben Süden gerädt hatte. Freilich huldigte Meichard hin
nur einem bis dahin fehr allgemeinen Irrthume: denn ber verwardie
Name von Birtha (Bithra) bei Ptolm. hatte viele Srühere, und and
fon Maunert, irre geleitet, biefen Ort im Süboflen von Thapfecn
für das Bir im Norbweflen biefes alten Jeugmas zw Halten. Bas:
wert meinte, der. alte einheimifche Name, der fi durch Apamea's Un
tergang wieder Luft gemacht, nämlih Thiar ver Tab. Penut., ſel zwar
auch verſchwunden gewefen, dagegen fchon im Aten Jahrhundert trete der
Name des Castellum Birtha (in der Notitia dignitatum) herser, za
einer Zeit, da die Saffaniden ſchon im Beſitz von Nifibie gewefen. 1x
fun wäre es ja von den byzantinifchen Kaiſern geweien, meinte er, ein
Beſtung an euer Henachbarten Stelle des Fluſſes anzulegen, und den bi
herigen gewöhnlichen Uebergang uubebedt zu laflen. Dies Ratfonnemesi
gibt ihm den Muth, die in der Notitia dignitatum 92) in Dächern
Bintha geſchriebne Stabt für Birtha zu leſen, und fie wie bei Pas
ciroll, nebſt ber inHierocles Synecdemus p. 715 ed. Wessel. angtgtbars
Birtha (Blgsa) für eine und biefelbe mit ven Bir des Remmage
uffgen Zeugma zu halten. In diefer Auficht war ihm auch ſchon Koch
Ier in feinen Roten zu Abnlfeda's Syrlen voramgegangen.
irrig: denn bes Gynecdemus wie Pancirolld Infammenfellung der
Oorhoeniſchen Cparchie mis den ſüdlichern Städten am Gupfrei, die
von beiden Autoren angeführt werben, wo es erfi mach Gallinicam sit
Nicephorium (Rafla) abwärts, von Thapfacus aufgeführt if, zeigt, daß «sb
wie fchon der beſonnene Weffeling bemerkt hat, weder mit dem Virthhe
bei Amm. Marc. XX. 7, 77 in Mefopotamien, weil biefes am Tigri
Iag, verwechfelt werben darf, noch mit dem fo viel noͤrdlichern Orte em
Seugma Kommagenes, der vor dem 12. Jahrhundert bei keinem ber
Autoren Birtha genannt if. Und and, feltvem, feben wir Binzu, nie
mals Birtha Hieß, fondern ſtets Bir oder Caſtell Bira bei ya
Syrern, *2) und Al Birat bei Abulfeda. 9°) Erſt nachdem es um
mit den Städten Edeſſa und Sarudſch genannt IR, tritt es öfter in be
dort wechfelwollen Fehden am Cuphrat als Fee vom großer Bebeuiumg
zwiſchen Haleb und CEdeſſa hervor, wird aber nie Birtba, fonbera ie
mer nur Bira genannt. Zwar führt Rochler in feinen Noten zu ieh
feda noch einen Puxct zur Unterflüpung feiner Meinung an, baf Dit
103) Notit. dignit. imperii orient. ed. G. Pancirolli. Venet. 1008.
fol. 97, b. cap. 168. *2) Greg. Abulphar. Hist. dynes.
pP: S5, Al. V Akulf, Tab, Syriae ed, oehler. p. 187.
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Euphratſyſtem; das Land der Zeugma’s. 977
mit Birtha füridentifch zw halten, ber aber eben fo unhaltbar iſt;
er erinnert nämlich daran, daß in Assemani Bibi. or. T: I. p. 281,
im Compendio Chronici Jösuae Stylitis ad Ann. 506, ein „Sergius
Episcopns Birtae castri, quod ad Ehphtatem jacet,” vorfomme,
der baflelbe auf Koſten Kaiſer Anaſtaſius mit Mauern befefligte, und
daß diefes nur dem Birtha in der Cparchie CO schoene angehören fönne:
Da wir aber ſchon oben den Grund angaben, warum dieſes oorhoeniſche
Birtha nicht das Bir der ſpätern türfifchen Dynaſten am Jeugma Rom:
magenes fein Tönne, fo fullt dieſer Zuſatz zum Beweife von felbft weg.
König Darius, bemerft Reichard ferner, habe nad der Schlacht
von Iſſus, als er von Alexander Truppen verfolgt warb, den fürze.
Ren Weg zum Euphrat nehmen müſſen, weil er, wie Arrian (de exp.
Alex. II. 13) fi austrüde, Feine Ruhe gehabt, bis er den Guphrat
zwifchen fi und den Macedoniern gewußt. Die Schlußfolge, **) daß
deshalb nun Thapſacus viel nörblidher, als Ptolemäus angegeben habe,
liegen müfle, fheint eden fo gewagt wie die Benterfung, daß es von dem
Berfer: Monarchen thoͤricht geweſen fein würbe, ftatt durch dae mehr
bergige noͤrdliche Syrien, durch das offene, fläche Blachfeld
Syriens feine Flucht, alfo gegen S. O., zu ergreifen? Neichard findet
noch in dem Austrud, den Diodor. (XVII. 37. p.187. Wess.: zur Ava
sargasedy) gebraucht, um zu bezeichnen, wohin feine Flucht geftellt
war, einen Beweis für feine Anfiht. Denn habe Thapfacus fo viel für-
licher als Bir gelegen, wie es nach Ptolem. zu liegen fomme, wie hätte
da Diodor fagen fünnen, daß Darius in die obern Satrapien ge-
flüchtet fei? dann hätte er wieder bergan reifen müflen. Aber‘ Diodor
fagt durchaus nicht, daß er ſog leich durch die obern Statthalterfchaften,..
worunter Reichard die nörblichern Eyrrheflica und Kommagene im Ge-
genfag der fühlichern Ghalcidice und Chalybonitis gemeint wiſſen will,
eutflohen jet, fondern nur im allgemeinen, nicht in Bezug anf den Mo:
ment der erften Flucht, ſondern auf feinen ganzen Hüdzug, daß er
zu den obern Statthalterfchaften zu eilen bie Abficht gehabt. Daß Da:
kins nad der Schlacht von Arbela and) in den obern Statthalter:
[haften , da nur diefe im metifchen Gebiete Ekbatanas darunter verftan:
den werden können, fein Aſyl wirklich ſuchte, iſt ans den Hiſtorlen bes
fanıt. Auch if bekannt, dag Darius über die Brüde bei Thapſacus
zurüdfloh, deren Bewachung andy hoc fpäterhin, Im Sommier des fols
genden Jahres, als Alerander: eben dort den Cuphrat (im Monat
uni) zu überfchreiten beabfihtigte, dem Perſer-Feldherrn Mazaens noch
anvertraut war (Arrian, III. 7). Aber feine Spur ift bei den Autoren,
welche dafür fpräche, daß Thapſacus felbft fchen in jehem obern Sytien
20) Reichard a. au De 150. vergl. Mützel Cart. Rafı IV, 1 p.
168. not;
Nitter Erbfunde X. Qgg
978 MWefl-Afien. MI. Abtheilung. 1. Abſchnitt. 8.41.
gelegen gewefen wäre; vielmehr gerade das Begentheil bezeichnen ver
Strabo Worte, wo er, ben Lauf des Guphrat und feine Waſſeranſchwel⸗
fungen beſchreibend (Strabo XVI. 742), fagt: „jo weit er, der Euphrat
„naͤmlich, aus der Armenia minor und Kappadocien durch den Tauris
„ſchon hindurchgebrochen, mad Thapſakos hinabgeht, das nutere
„Syria (mr xure Zuplar) und Meſopotamia von einander ab
„ſcheidend m. f. w.” Der Weg über das offene Blachfeld gegen EL.
war mit untergelegten Reitpferden an den fchon befannten Statiouen bis
zur fihern Brücke von Thapfacns für einen flächtigen König, wie Darizs,
wegen ber größtmöglichfien Schnelligkeit des Fortkommens durch weitet
reitbares Steppenland, das bis heute die flüchtige Neiterei der Be
duinen fo leicht nah allen Richtungen durchjagt, weit vorzmjichen vor
dem Steinflippenuboden, direct im Oſten des hentigen Bir, we 6
ganz unmöglich iſt, durch die mit bafaltiihen Steinblöden beftrenten Kit»
peuwüſten, zwifcgen welche nur enge, oft künſtlich eingehauene Reitpfade
erſt den Durchritt möglich machen, mit einem Schwarm Reiterei zu durch⸗
jagen, wie bies von Darius gefchah.
Leider wird uns von Gurtius, Diodor und NArrian gar
nichts fpecielles über Alexanders Marfh von Tyrns nah Thapfacad
mitgetheilt, fonft hätte man dadurch entfcheidende Thatſachen über die
ſüdlich ere Lage diefes Seugmas erwarten löunnen; aber alle Daten be
guägen fich damit, zu jagen, daß er in Thapfacus feinen Uebergang über
den Cuphrat bewerfitelligte, ohne bie geringfte Nachricht, wie er dahin
fam, zu geben. Aber Reichard, um zu zeigen, daß er tiber das fo weit
nordwärts gerädte Thapſacus wenigflens feine Richtung genommes
haben müfle, führt an, daß Wlerander den Quäſtor von Berrhöa, Kot:
zanus, mit der Gintreibung ber Tribute unter den Phöniciern bearf
tragt Habe (Arrian. III. 6) — und ſetzt dann Hinzu: „alfo °*) wer
AAlexander felbft in Berrhöa; fein Iug ging alfo gegen Morboft (auf
„Jerabecs); denn ohne weitere Umfände fümmt er dann nach Thapfaczk.
„Wäre er nach Dür gezogen (was NRennell, freilich viel zu weit im
„S.d. für Thapſacus hielt), fo hätte er die Armee von Berrhöa oder
„jedem andern fyrifchen Orte aus durch unwirthbare Müfe gemöthigt.
„— Kein Wort davon bei den Geſchichtſchreibern.“ — So Reichard.
Reihard irrt anzunehmen, daß dieſer Weg an dem Süpufer bed
Euphrat Hin, fo unwegfam, fo unwirihbar zu allen Zeiten geweſen fe,
wie cr es nur durch die ungezügelien Raubſtaͤmme ver Bebuinen gewer
ben iſt, daß Feine Karawane, Feine Armee im Stande fei, ihre Wege Kir
durch zu nehmen. Della Balle, 2625, °*) und viele andre Reiſende
98) Reichard a. a. DO. ©. 51. *°*) Pietro della Valle, Viaggi et
Do snetia 1663. Part. Ill. Letters Il, di Aleppo. p. 58 —
Euphratſyſtem; das Land der Zeugma's. 979
Mittelalter, Garmichal 97) im Jahre 1751 nad) Ives Mittheilung,
vier *°) der franzöflihe Naturforfcher (1806) und Andere nahmen
elben Karawaneuweg, auf der Rüdreife von Babylon über Anath
Dir, immer vem Südufer des Cuphrat nahe bleibend, mit großen
belsfarawanen direct bis nah Aleppo (Berrhoa). Alexaunder
vieb abfichtlih, wieArrian bemerkt (III. 7), dieſen directen Weg von
pfaens nah Babylon, ſchon wegen ber großen Hitze und des dar⸗
entflehenden Futtermangels, denn es war fchon im Junins, ale ex
HR den Cuphrat zum Tigtis überfchritt. Aber nach der Schlacht
Iſſus an den ſyriſchen Päflen, die in der Herbfizeit gegen Mitte
vember vie Berfer zur Flucht möthigte, war gar fein climatis
r Grand für den unglüdlichen Berferlönig vorhanden, einen Rückweg
das füdlicher gelegene Thapſacns (etwa unter 85% 509° N.Br.
Chesney's Karte) zum ſchenen, wenn es fonf feine Abſicht geweſen
:, direct nach Babylon vorzudringen. Uebrigens iR es ans dem
zuge Byıns des Iüngern ja befannt, daß eben über Thapfacus
e Weg den Gnphrat entlang ging, und nubegreiflih if es, wie
hard die von Zenophon gegebene Marfchroute von einem fo
lich gelegenen Puucte im Norden von Enropns, wohin er Thape
ı6 verlegte, denten wollte; auch bat er wol biefe fpecielle Ausfühe
unterlaſſen (f. Erdk. ob. S. 11. nm. ff.). Es iſt ferner befannt, ans
Beldzuge Kaifer Inlians wie diefe Route für ein größtes Krieges
auch die gehörigen Mittel darbot, und durch Procopins fperielle
hiehten der Kriege Khosroes Annfhirvan, des Saflaniden, gegen
er Juſtinian, Mitte des 6. Jahrhunderts, if es bekannt genug,
diefer fogar in feinen großen Feldzügen mit vielen Tanfenden von
iphon nnd Babylon ans gegen das römifche Syrien, zumal im ers,
und dritten °*) derfelben, den Heeresmarſch am Sübufer bes
‚rat dem Darchmarſche duch das obere Meſopotamien Yorzog,
er uur auf den Rückmärſchen mitnuhm. Zwar lernen wir aus dies
triegsperiode, die ein halbes Jahrhundert dauert, uber bie genauere
: von beidengeugmas, zn Thapfacns und Bir, insbefondre nichts
eres Teunen: denn beider Namen bleiben ben Berfern wie dem Ge⸗
ſtſchreiber Procop gänzlidy unbekannt, da bererfiere zu alt und längf
eflen , der andre zu menu und noch nicht durch Araber ober Türken
Infnahme gelommen war. Aber bie an deren Stellen und in ihrer
') Edw. Jves, Voyage to and from India to England etc. Lond.
1778. 4. Book, Il. Map. the common route of the caravan
from Bassora aver the great Jdesert etc. by Carmichal.
’»®) G. A. Olivier, Voyage dans l’empire Ottoman etc. Paris‘
an XII. Vol. III. p. 459 — 460. 258) Procopius de bello
Persico ed. Dind. V.l. I. Lib. II. 5. p. 170 — 183; u. Lib. II.
20. p. 238 — 254.
2 Daar
980 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $.4.
Nachbarſchaft damals entflandenen oder ſchon blühenden Driſchaften wer
ven and mit Ihren Localitäten befannter, wodurch wir auch ein am:
herndes Urtheil über die dortigen frühern Zuſtände gewinnen, in fejera die
natürliche Phyſiognomie des Landes, fobald fie mur wirklich erlanıi i
ein ewiges Geſetz in fich trägt, für alle Phafen und Wechſel nad
gender Gefchichten.
Khosroes erfier Feldzug (540 I. a. Chr. &.) geht aber am wi
ten, d. h. am ſüdlichen Ufer des Guphratſtroms aufwärts, über Gin
fium nnd den Aborrhas, nah Zenobia, Sura uub Gergiepelil,
voelche, in der nähern Umgebung bes antifen Zeugma vouTher:
facne, feit der Periode des palmyrenifchen Reichs, der Ghrikranne
gungen Diocletiaus (St.Sergins Martyr), und der Feftungsbanien ke"
zantimifchen Kalfer, zumal Iuftinians (Procop. de aedif. Just. 9. p. 23
zu fo hohem Flor gelommen waren, daß tie alte Thapfacus deriie
ganz in Dergefienheit gerathen war, die doch ſchon als Tiphſah de
Taphfatt (1.8. d. Könige 4, 24), d. i. der ebergang übe a
großen Strom, und als die Stadt au der äußerfien Norbgreag ki
falomonifchen Reiches berühmt war, und durch Tas hohe Wlterifum di
großes Handelsemperium, zu Alexauders Zeit als Etapelplap her v
phratfhiffahrt, au der Grenze von Syrien, Arabien, Mefcpetamia m
Babylonien von größter Bedeutung bis gegen die Zeit der deiibfe
Aera blieb (f. ob. ©. 11).
Bon Sura rüdte aber Choſsroes in denfelben Feldzuge ſegrih
übes Hierapolis bis Autiochia vor, chne ben Guphrat zu überjee
Mit unfäglier Beute diefer Prachtſtadt beladen, kehrte er übe In:
mea am Orontes und Ghalcis (im Sid von Aleppo) zum Gayfui |
zurüd, wo er an einem, früher ganz unbefannten Webergangserk, #
Dbbane, *200) nur 40 Stadien, d. i. 2 Stunden, von Barbalilsl, |
feine Brüde fchlug, am durch das obere Mefcpotamien ganz gemähih
feinen Plünderzug fortzufepen, mit deſſen Gewinn er bazu neh is
Nefidenz Giefiphon die Prachtſtadt Khosro⸗Antiochia erbaute.
Durch ben zweiten Kriegszug bes Khosroes, ’) im 3. 541, am
wir, in feinen Kämpfen mit Beliſar, une genaner tie Natur tes 9
Mefopotamiens kennen; fein dritter aber (im 3.542 n. GibboallN)
führt uns wieder am rechten fer des Cuphrat über Sergiopelis anf
bis in die Nähe von Hierapolis und Europus am Euphrai, *
Belifars drohendes Kriegsheer und des Veldherrn großer Rufe M
Saflaniden zur Umkehr brachte.
Im Angefihte des Römerfeindes, fagt Procop, fl I
Saſſauide ſtelz feine Brücke ?) über ben Cuphrat, von der wei
0) Precop. de bello Persic. II. 12. p. 205. °) chat. IB
p. 217. 2) cbend. II. 21. p. 246,
Euphratſhſtem; das Land ter Zeugma's. 981
ſyriſchen nad ber mefopotamifchen Seite hinüber, um von ba nad
Edeſſa zw ziehen. Belifar, der ſich dem zahlreichen Berferheere lei⸗
neswegs gewachſen fühlte, beförderte durch LiR diefen glüdlichen Ueber:
jang, um den Feind aus der weftlichen Provinz nur los zu werben, wors
ınf dann erft, von Mefopotamien aus, die neuen Friedens⸗Unterhandlungen
wifchen Khosroes und dem Kalfer Iuflinian begannen.
Durch diefe letztere Stelle des Procop If die ungefähre Lage von
Snropus (bei Jerabees Ruinen) zwifchen dem heutigen Bir und den
Ruinen von Hierapolis, die ſeit Maundrells erfier Entdeckung nicht
rel genaner unterfucht worden find deren Lage aber durch die Cuphrat⸗
zpebition aſtronomiſch genau (unter 36° II N. Br.) beſtimmt wurbe,
ammt diefer Brückenſchlagung über den Enphrat aufer allen Zwel⸗
el gefeht.
Auch ſchon aus frühere Angaben der alten Autoren Ionnte man
nit ziemlicher Sicherheit im dieſer Begend die Lage von Guropns
uchen; daß es aber die Stelle des alten Thapfacus felbf mit feinem
jengma einnehmen follte, war eine ganz neue Behauptung des Berfaflers
bengenannter Kritik Rennelle, die nun in alle neuen Schulfarten des
Irbis antigaus aufgenommen wurde, der verdienftvolle Rennell aber
abet der größten Inconfeguenz ®) ungeflagt.
Und welche Scheingrünmde diefer durchaus einer Anfeitigteit der
Beirachtungsmeife der literarifchen Quellen wie der Naturverhältnifle ers
nangelnden Kritif, deren Kombinatien bei ſolchen Unterfuhungen uns
rläßlich bleibt, find es, welche dieſe Behauptung über allen Zweifel
rheben follen ? |
„Man lefe die Stelle des Plinins (V. 21), die wie glei im Ans
ange als eine entſcheidende Stelle für die Lage des Kommageuiſchen
zeugma anführten, fagt Reichard, und reiße fie nur nicht aus ihrem
zuſammenhange.“ Man tft begierig diefen Iufammenhang in einer Com:
Hlation des Plinins zu finden. Nachdem er gejagt: das Zengma
dommagenes liege 72 M. pass. unterhalb Samoſata; dieſem berühmten
lebergange im Dften fei Apamia angebaut; Nhoaler heißen die öſtlichern
Anwohner, fo fügt Blinins (ter nun von einer weiten Strecke des Gas
'hratlanfes weiter abwärte, weil dort die Parther die Römergrenze zu
einer Zeit fortwährend bebrchten, nichts zu fügen wußte) nur Hinzu:
‚At in Syria oppida Europum, Thapsacum quondam, nunc Amphi-
olis.“ Man fehe offenbar, fagt der Kritifer, daß Plinius vie Grenzen
‚on Kommagene und Syrien bezeichne fer Hatte früher als Grenze bie
Stadt Eingilla genannt, deren Lage aber unbefannt iſt) und zu verflehen
‚eben wolle, daß Curopus und Thapfacus wicht in Kommagene, ſondern
2) Reichard a. a. O. ©. 3.
982 Weſt⸗Aſien. TIL Abtheilung. I. Abſchuit. 1,41.
in Syria lägen. Man kann bies ohne weiteres zugeben, aber wit ie
daraus gezogene Conſequenz: „alfo lagen die beiden Städte, fü
„R. fort, fo nahe an Rommagene, daß man fi über ik
„Rage an der Grenze irren konnte.“ Alſo umf nad kim
Ralfonnemeat, da Curopus wirklich ziemlich nahe Liegt, aiq
Thavfacns eben daſelbſt, alſo dicht bei Guropns um Ya
Uebergange über den Cuphrat, gelegen Gaben. Uber follen dam uk
andy die Arabes Scenitao eben fo weit gegen ben Norden hincziehe:
denn auch biefe folgen ammitielbar anf Thapfarms, und Blinins El:
heißt vollſtandig: at in Syria eppida Kuropum, "T'hapsacum quonden,
aunc Amphipolis, Arabes Scenitae. Ita fertur scil. Euphrates, umge
Uram (mol Sura) locum, in quo conversus ad orientem relingi
Syriae Palmirenas solitudines etc.
Sehr richtig und dem Ptolemaͤns beifällig bemerkt ferner neh Kei⸗
Hard, daß dieſer Geograph, gang der Angabe Brocops gemäf, ie
Stadt Enropns nur weniges unterhalb dem hemtigen lebergange kei
Bir eintrage. Diefes Zengma gibt Biol, unter 37% Lat.; Can;
pus *) nur 10 Minuten fürlicher unter 36950‘ Lat. an; zur Wil
anch na Chesney's Kartenaufnahme wirklich bie richtige Bariie mm
Jerabees. —
Wie iR es num möglich, mäffen wir fragen, deffelben fo gem
Biolemäns im nächſten Kapitel in vollfiänbiger Reihenfolge, a
Fortſetzung ber Uferflähte am Enphrat, gegebne Breite von Thapfacat
35°6’ Lat. b. Biol. °), alfo des am 1°44° faft direct ſuũdlicher, ie 4
Stunden entfernter liegenden Ortes, gänzlich zum ignoriren, und iha sr
ben ber Stabt Europus bei Jerabees einzutragen ?
Es kaun nur durch ein blindes Zeilrennen in eine einmal erziiew |
Hypothefe erflärt werben, wenn ein Mann von fonft vielfachen wile
ſchaftlichen Verdienſte ſich durch eiferfüchtige Kritik gegen cinen chıw
werthen Ansländer, gegen Rennell, verleiten läßt, noch mande un
eben fo feichte Gründe zur Beflätigung einer gänzlich verfehlten Beham
tung beignfügen, bie aber, weil fie in einem ungemein fichern Ten ah
treten, felbft ausgezeichnete Forſcher in Dingen der alten Geographie kn
geführt Haben. Es wird nämlich gefagt: der Name Amphipolis ki
Plinius zeige, daß bie Stadt, wie ihre Namensſchweſter in Macchein
am Strymon, zwifchen Flußarmen lag. Diefe Arme des Euphrat fein
nun Bei Jerabees auch wirklich vorhanden, und von Borode *) amp
geben, wie von Ranwolj ") Naͤchſtdem zeigten die Ruizen um Je
*®4) Ptolem. V. 15. fol. 138. s) Ptol. V. 19. fol. 14
IR. Pococke, Morgen. Reifebefhr. Th. II. $. 288. S. Hi.
’) Leonh. Rauwolffen Befchreibung der Reyß ꝛc. Franff. «8
IR BIS.
N
x
Euphratfuftem; das Land, der Zeugma's. 983
bees von einer bedeutenden Stadt. Wenn wir auch dies alles zugeben:
ſo müſſen wir doch dem ganzen Nachſatze vollländig widerſprechen. „Da in
„dem ganzen fernern Laufe des Guphrat bis Felndle, den man aus Am⸗
„mian, Zoflmus, Zfldorus, Balby, Rauwolf, Beandamp, Dlivier und
„andern genau Fennt, nicht eine einzige Stelle weiter vorhanden
„iſt, jener aͤhnlich, wo ſich der Fluß In folche Arme und Candle aus⸗
„breitete und durhwabbar würde, fo möchte andy bie ein Mitgrund
„fein, daß ihn Cyrus des Jüngern Truppen, nebſt den Griechen unter
„Xenophon, an Feiner andern Stelle durchwadet (im Auguſt). Daß alfo
„Thapſacus, wenn es nit Enropus ſelbſt if, ganz nahe an dem;
„felben innerhalb der Flußarme geftanden, und fein jüngerer Name
„deshalb Amphipolis geweſen.“ *)
Wie ungegrändet die Annahme, daß bei Guropus in bem gangen
Laufe des Enphratſtroms abwärts die einzige Verzweigung In Arme
fein follte, ergibt fi unmittelbar aus der Karte Chesney’s, welche die
‚genauefte Aufnahme des Euphratlaufes von Bir bis Felndje enthält.
Gleich unterhalb Jerabees wiederholen fi die Stromfpaltungen bes
CEuphrat, wie die Karte fie zeigt, oberhalb Hacca iſt die fehr befannte
Kameelfurth durch den Euphrat, el Hammam genannt, Die In berfelben
Gegend liegt, die wir für die Lage bes alten Thapfacıs halten, deſſen
bedeutende Localität niemals ganz veröben konnte, wie bie fpäterhin eben⸗
daſelbſt entſtaudnen Orte Nicephorinm und Callinienm, Rakka,
weniges oberhalb die berühmte Sura, und fübwärts, nur wenig ſern,
das Sanctuarium des Sanctus Sergius, Sergiopalis, bezeugen,
wenn fehon der Name feit Ptolemäus Zeiten aus dem Audenfen ber dor⸗
figen Bewohner verſchwunden war. Sehr wünfchenswerth würbe die Gr,
forfhung der Aninen einer größern Stadt fein, die nur ein paar
‚Stunden fübwärts bes CEuphrat, nach Ehesney’s Erkundigung, liegen
follen, and wahrfeheinlich die Iehten, verödeten Reſte des alten Thaps
facus auf der Palmyraſtraße ans dem arabiſchen Syrien nah Meſo⸗
potamten fein werden. Bis jebt find ſie noch von feinem Europaͤer bes
fucht worben. “
Aber nicht nur diefe Vada Euphratis juxta Thapsacam, wie fie
Ptolem. (V. 15..fol. 187) nannte, fondern noch viele andre find in dies
ſem Laufe des Guphrat Hinab bie gen Anah und Hit befannt, bie
freilich nicht das ganze Jahr, ober zur höchſten Fluthſchwelle durchwadbar
And, aber wol, da die &uphrattiefe Hier im Mittel nnr felten 8 bie 9
Fuß Waffertiefe überfleigt, doch während der einen Hälfte bes Jahres,
zumal zur Herbfizeit. Zwiſchen Bir und El Kaim (unter 3L5'R.Br.),
in der Breite von Anah, zählt Chesney auf einer FJlußſtrecke
von 26 geogr. Meilen Länge allein 5 ihm befaunt geworbne Kameel⸗
— —— —
*) Reichard a. a. O. ©. 64.
984 Weſt⸗Aſien. IH. Abtheilung. I. Abſchnitt. 9.41.
furthen °) auf, welche regelmäßig yon den Arabern durchwadet werben,
und 5 andere mehr Hippige, feichte Stellen, welche der Schiffahrt Hem
mungen barbieten; deu gunzen Strom abwärts iR bie Menge per Auen,
und alfo der Flußarme, fogar ein eigentlichen Eharacter de
Euphrat. Ueberhaupt if unfre Kenntniß vom Cuphratſtrome biske
fehr ungenügend uud verworren geweien, daher die Beitimmungen fir
alte Geographie und die fcheinbaren Beweife aus dem claffiichen Autcrrz
fo voll von nenen Irrthümern und den auseinandergehendſten Meisss
gen, wie wir nur in Beziehung auf 2 Puncte, die beiden berühmleſten
Zeugmas, dies nachgewieſen zu haben glauben.
Eben fo find aber auch alle Zwiſchen orte verfchoben werben;
es würde ähnlicher Zuräftungen bebürien wie ber obigen, nm dies im be
fondern nachguwelfen, wozu hier wicht der Ort IR.
Zu ſolchem Nachweis wird es aber nicht überfluffig erfcheinen, ba
die uns in der Bejchichte befanntgeworbpen Uebergänge übe a
Suphrat anzuführen, um zu zeigen, daß bie beiden berühmteſten Ueber
günge keinesweges die einzigen waren, auf Die man, als foldye, gemöhr
‚lid zurückzuweiſen pflegt, als wäre der Cuphrat hier für Völker: m
Heereszüge ‚eine fo unüberwindliche Barriere, und daher eine fo fik,
ſcheidende Naturgrenze, wie man bean Üch gewöhnt hat, die Flüie über
banpt für natürliche Scheidungen in ber Völfergefchichte zu Halten; is
fie umgefchrt im Hanshalt der Natur und im Gange der Culturgeſchiht
bie Bereimiger der Menſchengeſchlechter fein follten,
1. Die 9 gnderen hifgrifh bekannt geworbenen Uehr
gänge über diefen Theil yes mittlern Eupbratlanies.
1) Der Hebergang bei Tomiſa über deu Guphrat in Meike.
Sr liegt oͤſtlich von Malatia; er iſt der älteſte, den wir durch Artemiton
‚große Reiferonte (100 I. vor Chr.) von Ephefus nach Babylon kama
jenen, auf der er die Stationen und Gntfernungen (Strabo XIL 55)
aufzaͤhlt, und bemerkt, daß dieſes Tomifa in der Mitte zwißchen Kia
aͤußerſten Orten liege (ſ. ob. S. 857, 868). |
‚ Bir Haben früher gezeigt, daß es die Ueberſahrt bei Iſeglu iR, da
‚auf dein Oflufer die weRlichhe große Keilinfeription am Felſen zu Kir
märhan buch v. Moltke und v. Mühlbach entvedt ward, zub Wi
über demjelben eine drohende Burg in ihren antifen Ruinen liegt, weht
‚bie Ueberfahrt beherrſcht, die wir für bie Lage des alten Tomija helle,
bie früher unbefaunt war. Wir haben ſchon früher bemerkt, doß Lncalad
wach der Beſiegung des Tigrancs diefe Feſtung Zomifa yon deſes @
"°®)Report from the Select Comittee on steam navigation 40 Is-
dia, with minutes of evidence etc. At the Iguse o£-Commoss
July 1534. fol. p. 17. #g..At the Liguse of. Cos
Euphratfuftem; die neun Euphratsllebergänge. 985
menifchen Meiche in Sophene abriß, um fie ber Fappabofifchen Provinz,
die auf der N.W.⸗Seite des Cuphrat lag, einznverleiben. Hier ſchwamm
im 3. 572 der faffanttifhe König Khosroes Anufhirvan, nach dem Ver⸗
luſte der Schlacht ‚bei Mefitene, fliebend anf feinem Glephanten durch
den Guphrat hindurch nach der mefopotamifchen Seite.
2) Weiter abwärts folgt "der Durchbruch des Cuphrat durch bie
Eüdfette des Taurus bis zur erflen Oeffnung des Guphratthales bei
Berger, bie armenifchen Pylen des @ratofihenes. ‚Bis dahin reichen
die Gataracten bes Guphrat, die feine Schiffahrt geflatten; aber fogleich
oberhalb Gerger, bei Dirisko, iſt die erfte Fähre über den Cuphrat (f. ob.
©, 873), und weiter abwärts nimmt, von ber zu Masro und Oldiſh bei
Kantarah, das heißt Brücke im Türlifchen (f. ob. ©. 877), die Zahl der
Ueberfahrten zu. Hier in Gerger felbfl, oder nahe babel (wo das heu⸗
tige Dorf Berfel) iſt die Lage von Barzalo, von ber Amm. Marcell.
XVIII. 7, 10 ſpricht, als des nüchften Meberganges über den Cuphrat
von Amida aus, we, obwol damals im I. 359 der Strom zu fehr ans
gefehwollen war, um von ben Perferheere durchſetzt werben zu fünnen,
doch nach dem Feldhetrn Antonins, der diefer Gegenden ſehr kundig war,
der Borfchlag gemacht wurde, das Perferheer auf. dem Marfche von Ni⸗
fibig auf die Weſtſeite des Cuphrat überzufeßen. Denu nach feiner Ber
fiherung war dort der Guphrat noch nicht durch große Iuflüffe zu fehr
mit Waffer gefüllt, wie ties weiter abwärts der Fall war. Auch Laudia
(Elaudiae) nannte er als einen zweiten Ort einer dortigen Guphrats
daſſage, ber noch eberhalb Barzale liegen muß, den wir aber bie jept
nicht feunen (f. ob. ©. 831, 884). Damals nahm das Berferheer jes
doch viefen Mebergang nicht, weil es In Mefopotamien blieb und Amida
eroberte. Aber fpäterhin iſt ans der Geſchlchte Timnrs?!“) bekannt,
daß er im dem Feldzuge gegen Sultan Bayazed bier bei Gerger (wol
nahe dem alten Barzalo; Berger heißt nur „das Getöſe“ von bem
dort raufchenden Etrome) fein Heer über den Guphrat feste,
3) Bei Samofata. Diefer Uebergang wird vorzüglich zur Zeit
der Römer berühmt, als diefe Start die reihe Königsrefivenz des lehten
Zweiges der Seleuciden in Kommagene war, die von M. Antonius und
Pompejus noch erhalten, aber fpäter im eime römifche Provinz vermans
delt wurde, nnd die Hauptſtation der Legionen ward, von wo ber Guphrat
gegen die Barther überfchritten wurde. Ob hier eine dauernde Brücke
fiber den Guphrat fland, läßt ſich aus den unbeflimmten Angaben, die
man zumal bei Strabo daranf gedeutet bat, durchaus nicht ermitteln.
Heut zu Tage liegt zwar auch der Stadt im Oſt ein Ort Kantarah,
das heißt im Türkifchen fo viel ale Brüde, gegenüber, obwol hier doch
. 49) een Hist, de Timur Bec. 5. De Ja Croix T. Ill.
ch. 16. p. 269.
986 Weſt⸗Aſien. II. Abtheilung. I. Abfgnit. ji.
auch nur von einer Ueberfahrt die Rebe if. Denn obwol ſehr Kazda
son dem Vebergange roͤmiſcher Heere bei Samofata die Rede ik, je wir
vrieſer doch immer nur der Durch gaug ( dsdfaıs, was ſttilich anf
Drücke heißen kann), oder Uebergang genannt, babei aber, wie wir eber
fahen, oft noch dad Zeugma Kommagene's Hinzugefügt, weldes ns
Blinins weiter abwärts zw fuchen if (Strabo XVI. 746, 747). Kalle
Trajan ſetzte ſich mit feinem Heere auf dem Partherzuge (im J. 114 Is
ar7 on. Chr. ©.) fogleih von Mntiodia aus in Beſitz von Saueſau.
am von ba ans den Enphrat aufwärts nach Armenia minor ja geha
(Dio Cass. Hist.R. LXVIIL. Trajan. 19). Er bramchte alfo gar mi |
über den Cuphrat zu gehen, um nad Satala vorzurüden, woven anf
die Alten an biefer Stelle nicht ſprechen. Dennoch Läßet ber jüngfe die
graph Trajans!?) dieſen Kalfer von Antiochia über Thapſacus m
BZengma nad Samofata marſchiren, weil er ber Reichardſchen Karte es
Wegweiſer des Feldhern folgte, die ihn freilich über das bicht beim
Zeugma liegende hypothetiſche Thapſacus ziehen laſſen muß. Nah we
lem vergeblidhen Suchen, wo bie verborgne Duelle biefes merkwürdign
Berichtes von Trajans Marſche zu finden fein möchte, die ber fonf f
gewiſſenhafte Autor ber Biographie in feine Erzählung einfliht (va
die auch wir, wie oben ©. 116, Zelle 18 von oben, aus der bei za
ſtreichenden Stelle getäufcht wurben), zeigt ſich erſt, daß in feinem Tat
der Glaffifer hievoen auch nur bie geringfle Spur zu finden ifl, amd dej
fie blos in der oben angeführten irrigen Hypotheſe und Kartemzeihausg
Neichardo ihren Grund hat, — Dies hier nur zur Warnung ale ca
-Beifpiel üblen Einfinfies Bei uns ſelbſt ſtatt vieler bei andern.
Ä Als Ammian, Marc. in Kaiſer Julians erſtem Regierungsjahre vor den
Anſtürmen des Saflanidens Könige Sapor II., im 3. 359, von Rifkis
‚ans Aber den Buphras mit dem Römerheere zurückweichen mußte, ek
‚man bei Samofata über der Strom, und ließ die Brücken bei Zengme
nnd Gaperjana abbrechen (XVIII. 8, 1..... pontinmque apud Zeugm
‚et Capersana juscturis abscissis etc.), woraus man anf eine damalige
Balfenverbindung an beiden Orten, ober auf Schiffbrüden zurüdihliefe
Uuute, bie fich in größter Schnelligkeit abbrechen ließen. Bine Führe be
ſteht noch heute bei Samofute, die, wie ſchon gejagt, zum Dorfe Kan:
tarab, auf ber Oftfelte bes Stromes, überführt (f. ob. S. 877).
45) Bo Gaperſana, biefer vierte Uebergangsort, liegt, ifi uns vol⸗
lg unbelaunt; er wird fonfl von Niemand genannt. Die Bencazuj
-Gapar, over Gaphar, läßt auf ein ſyriſches Dorf zurüdichließen, da dick
Vorſylbe vielen ſyriſchen Orten, wie Kaparturi, Kapernaum u. a., werst
ſchon Relaud und Weſſeling 22) erinnerten, gemeinfam if. Kein audttt
12) H. Fraucke, zur Geſchichte Trajans und feiner Zeitgenoflen,
Leivvg IA, N ER. ꝛ8 a a Ahtonin.p 197, mi
Euphratſyftem; die neun Euphrat⸗Uebergaͤnge. 987
slaffifches Autor nennt ein Caperſana. Amm. Marc, der «5 aber zum
sweitenmale Capeflana fchreibt (XXI. 7. 7: per Capessanam Euphrate
navali ponte transcurso) beflätigt e6, daß hier eine Schiffbruͤcke ge⸗
ſchlagen war, und daß Kaifer Couſtantius, Julians Vorgaͤnger, biefen
Marſch wählte, um direct auf reichlich mit Lebensmitteln verjehenen
Wegen mit feinem Heere zur befefligten Stadt CEdeſſa vorzurüden.
Diefe Umfände ſtimmen allerdings mit der ungeführen Lage einer fonft
unbelaunten Stadt Borfica in Mefopotamien, dit am Cuphrat über-
‚ein, die Ptolem. (V. 18. fol. 142) nennt, mit welder Man next jenes
Eaperfana verglicgen **) hat. Zwar Iennen wir die Lage Porfica's and)
aus feinem andern hiftorifchen Zeugniß, als bei Biol. Nach befien Ans
‚gaben liegt es 72° Long., aljo in bemfelben Meriviane wie befien
Zengma bei Bir, aber nörblidger: denn Zeugma liegt, nach Ihm, unter
37°, Porfica aber unter 879 30° Lat.; alfo 20 Minuten, ober einen
halben Grad gegen Nord. Dies würbe anf die Gegend von Rumkala,
‚oder noch etwas weiter norboftwärts im biefelbe Gegend fallen, wo von
Lientn. Lynch, bei der Guphrataufnahme, die Reſte einer Steinbrüde
gefehen find, die auf feiner Karte unterhalb des Dorfes Suburgut auch
eingetragen wurde. In der Aufurth diefes Dorfes, wo die preußiſchen
Officiere ihre Flooße bauten und ihre Station zur Einfhiffung bed Ars
tillerie-⸗Trains Hafisz Paſcha's nahmen, ?*) waren fie genöthigt ſich erft
einen Borbau am GStellufer zu bilden, bis zu dem eine einzige, bes
queme Römerfiraße ber Vorzeit die Zufuhr der ſchweren Bagage
über den dortigen Tauruspaß, aus Cappadocien und Melitene nach Com⸗
magene, möglich machte. Dies war aber ber birectefte Weg, den au
Conftuntius Eilmarfch zum Guphrat nehmen Eounte, um Edeſſa zu ers
reichen, wodurch die Spentität der Schiffbrüde von Caperfana an
biefer Stelle, oberhalb Rumfalah und unterhalb Samoſata, fehr
wahrfcheinlich wird, und mit Ptolemäus Porſica, in bemfelben Locale
‚mit Lynchs Beobachtung, die jedoch von feinem feiner Nachfolger veri⸗
—ñ—
ficirt werden konute, zuſammentrifft. Nur dürften die genannten Ruinen
doch eiwad zu weit lanbein anf meſopotamiſcher Selte liegen, um zur
Bezeichnung der Sciffbrüde, wahrfcheinlih nah einem Uferorte der ſy⸗
riſchen Weftfeite, zu dienen. Da nun der jüngfle Herausgeber 1°) ber
Parthiſchen Stationen des Isidorus Charac. bei den Bollandiften (de Sa-
iamane Silent. 23. Jan. p. 490) ein Dorf Baperfaun amfgefunden
hat, das dort, auf dem rechten Ufer des Cuphrats an feiner Uferhöhe ges
legen, genannt wird: jo würbe biefes eher jener Localitaͤt des Ammianus
entfprechen; aber auch bie genauere Lage dieſes Dorfes if unbeſtimmt
18) Damen, ®. d. Er. u. 8. Th. v2. ©. 273. 1%) u. Molite,
Briefe, ©. 368. 5) E. Miller, Supplement aux dernieres
Editions des petits geographes etc. Paris. 1838. 8. p. U.
9588 Weſt⸗Aſien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. .41.
gelaſſen. Des Conſtantias Route würde über Samoſata freilich 26
direcier nah Edeſſa geführt haben, aber die im Rüden, d. L im Ren
den über Samofata liegenden Tauruspafiagen waren fo außererdenllich
befchwerlich, daß fie nur für Fußvolk und leichte Reiterei bis Keule gan
bar waren und noch find, wie wir aus Hafisz Paſchas Feldzuge geger
Ibrahim Paſcha wien. Ungeachtet auf der mefopotamifhen Seile
des Guphrat, dieſer einfigen Schiffbrüde von Caperſana gegenüber,
heutzutage ein für wüſte gehaltnes Plateanland vorliegt, fo iR dieſes
doch noch hente mit vielen Aninen, Architecturen, Ciſternen einer frühern
Culturperiode bebertt (vergl. ob. ©. 923), die auf trefflichen Anbau iz
der Nähe der alten Porſica zurüdfchliegen laſſen, vielleicgt die Rule
Borficas zum Theil ſelbſt noch enthalten, obwol die meiften ans eier
fpätern griechifchen nud armenifchen chriftlicden Anfievlung herkammıa
mäflen, wie bie Reſte von Kirchen nnd Kloflergebänden im srichiiken
und armenifchen Bauſtyl aus dem 10. Jahrh. darthun.
5) Rumkalah, das Römerfhlog. Sehr Häufig if dieſer On,
den man für ein fchügendes Bollwerk eines alten Cuphratüberganges um
de ſſe a Weftufer anfah, fo dag man das berüähmtere Zengma na
glanbte verlegen zu müſſen, audy mit dem Zeugma der Alten iten |
tificirt worden, 3. B. von D’Anville!*) und Soffelim, der üben
al in der Bearbeitung des Strabo das Zengma mach Romlalah vergl.
Aber fein Zeugniß fpricht für beffen höheres Alter; feim erſter Aufkas
fann von wmifcher Seite wel in die Periode Juſtiniaus fallen, der, mt
Brocop (de aedificiis, ed. Dind. III. p. 237) bemerkt, dort viele Um
feſten, die er nicht einmal alle namhaft macht, anfrichtete, von denen Pre
cop in diefer Gegend nur Zeugma und Neocäfarea nennt, mas
etwa bie Beranlaffung zu der fpäteren Benennung Romkalah, des Ri:
mercaftells, gegeben haben möchte. Denn exft in der Periode der Krerz
züge tritt biefer Name hervor. Die armenifchen Patriarchen feit Ger:
gor III., der im Jahr 1147 dahin zeg nnd es Füuflich am fich bredk,
führten es zu erſt unter diefem Namen eines Römercaftelle, Hrhemgla,
In ihren Annalen auf. »25) Durch den Befitz der Armenier nnd arme
fhen Commandanten wurde es den Kreuzfahrern befrenmbet, aber 11%
auch von Sultan Saladin in Befig genommen, fpäter von ben Gullanı
Aegyptens, denen der Fürft Abulfeda zur Belagerung verfelben fein
Truppen leihen mußte, im 3.1292. ber bei feiner diefer Begebenheiten,
ſelbſt nicht in Abnlfeda's Hiflorifchen un» geographifchen Werfen, if ven
einer Brüde bei diefem Orte und nicht einmal von einem daſigen Ucher:
ganze über den Euphrat bie Rebe. Das einzige mal, wo bie Geſchichtt
*ıe) D’Änvilte, l’Enphrate et le Tigre. Paris 1779. 4. p.8. Te
duit franc. de Strabon. Paris: 4. T. V. p.190 etc. u) St
Martin, Mem. s. PArm. H. p. 195. “
II
Euphratſyſtem; die neun Euphrat⸗llebergaͤnge. 989
eines Ueberganges bei Romtola erwähnt, if in Hulaknkhan, bes
Mongolen s Eroberers, Siegeszuge, nachdem er das Chalifat in Bagdad
geftürzt hat (im I. 1258), gegen Syrien. In diefer Schredenszeit, fagt
Gregor Abulpharag, der hriflliche Arzt zu Malatia, der Zeitgenof,
dag Hulafu zu gleiger Zeit drei Brüden '*) über ben Euphrat
fhlagen ließ, um fein gewaltiges und zahlreiches Heer, das von Bagdad
heranfzog, überzufeßen, nämlich die eine, vie nörblichfte, über den Strom
bei Malatia; bie zweite, die füdlichfte, bei Kerkefla, alfo unterhalb
des alten Thapfarus, am Ginfluß des Chaboras (Khabur, Saocoras);
und die dritte in der Mitte zwifchen beiden zu Kalat ol Rum
(Castellam Graecorum). Bon diefen 3 Uebergängen fammelte er feine
Hauptmacht um Manbedſchi (Hierapolis), von wo feine PVerheerung
ganz Ober-Syriens begann, und anf feinem Zuge über Haleb, Hamah
und Damascns unzählige Opfer fielen.
6) Zengma, Bira, Bir und Biredfjil (Beledſjih). Die Lage
entfpricht den Maaßen, bie Plinins in ihrer Diflanz von Samofata ans
gibt, ziemlich genau, wie wir oben gefehen; fie liegt 10 Stunden fübs
wärts von Romkala. Im ber Entſtehung der Stadt Zeugma uud Apa⸗
mia, an den Weſt⸗ und ben Oftenden der Brüde, durch den erfien der
Selenciven, find die alten Autoren mit Plinins einig. Die Brüucke ſelbſt
nach ihrer Bauart wird von Teinem ber Autoren befchrieben, fie fcheint
aber einen älteren Urfprung zu haben; wenigftens befand eine Sage,
die fie Alexander zufchrieb, oder gar einer noch ältern Seit, bem
Dionyfos, ven Paufanias für denfelben hielt, der dem Theſens die
Ariadne entführte, und auf feinem Zuge nach Indien diefe Brücke über
den Buphrat ſchlug. Bon diefer habe die Stadt Zeugma den Namen
erhalten (Pausan. X. Phoc. c. 29: ngwrog d} Eugparyv yıpypaaazc
zorauor. Zevyua ze wrouuodn nölıc x. 3. 1.) Man zeige daſelbſt
noch das Seil, das er gebraucht, tie Brüde zu befefligen, das aus Res
ben von Weinranken mit Epheu znfammengeflochten gewefen. Mag bies
als Zabel gelten, fo ift es merkwürdig, wie frühzeitig fchon die Mythe
vom Bacchus, mit der des Aleranders vermifcht, fi) durch ganz Border
aſien vom Enphrat bis zu ben Quellen des Drns und zum Indus wie
Feine andere Iocaliftrt hat, wo Iefenders und Dulcarneins Ginzug in
vielen Hunderten von Drtsuamen und Volksſagen wie fein anderer forts
lebt, und bis Badakhſhan, Turfeftan und Isfardo, fogar an den Indus⸗
quellen die Fürftengefchlechter bis heute ſtolz find auf die Abflammung
von dem Macetonier. Andere wiflen von des Dionyſos Uebergange
freilich nichts, auch weiß die Befchichte nichts davon, dag Nlerander
bier über den Guphrat gegangen fei, da fie ihn einflimmig bei Thap-
farns den Cuphrat überfchreiten laſſen (Arrian. IH. 7; Curt. Ruf. IX.
33) Gregor. Abulpliarag. Hist. dynastiarum p. 347.
990 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. 1. Abfchnitt. 4. M.
37, ed. Mützel p. 200; Strabo XVI. 746). Wenn auf Loacan. TI
235 veehalb diefe Brüde dag Zeugma Pellaeum (weil Aleranter juw-
nis Pellaeus) neunt, und ſelbſt Dio Eaffins im feiner Geſchichte tes
Graffus (Hist. Rom. lib. XL. c.17. Rain. p. 235, ed. Sturz VoLL
p- 503), der bei Zeugma überſchreitet, fagt, bag auch Alerander bajchf
übergefchritten fei, wovon die Stadt Jeugma den Namen erhalten hake,
was auch Stephanus Byz. (s. v. Zeugma, ed. Berkel p. 374) mit ven
Zufage wiederholt, daß Alerander, nach dem er Hier die Ufer des Cuphratet,
darch Ciſenketten verbunden, übergefähritten fet, fo tft dies doch, wie der
Herausgeber des Stephanus ſchon bemerkte, nur Sage. Die ſpäteren
Grflärer, vielleicht feyon ein Proteas Grammaticus Zeugmatites, ans
der Stadt Zengma felbft gebürtig, den Stephanns anführt, dachten f4,
die ältere Brũcke des Dionyfos fei untergegangen gervefen, beshalb habe
Alexander erft eine neue gebaut und überfchritten, die tamm bie mw
Herrschaft der Römer daſelbſt in Aflen angebanert, weshalb fe and ven
Statius lib. ID. Sylv. carm. 11, v. 137: „‚Zeugma latinae pacis iter“
genannt wurde.
Blinins fagt noch nit, daß Alexander ſelbſt fiber biefes Iengme
gezogen fel, foudern nur, daß er es habe banen laflen. Er hatte am
(H. N. XXXIV. 48) bei Gelegenheit der Antipathie der Metalle bemerlt,
Daß man zu Zeugma, der Stadt am Euphrat, wo Alerauder Magızd
eine Brücke zufammengefügt (junxerat pontem, in Anfpielung auf des
Zengma), die dazu gebrauchte Bifentette zeige, deren Ringe, feitven
fle wieder ausgebeflert worden, durch Roſt überzogen würden, was juen
nicht der Fall gemefen fei.
Diefe Erzählung, die wol einen hiftorifchen Grand Haben konuke,
daß eine ſolche Brüde wegen der großen Bequemlichfeit und des weit
näheren Ueberganges für nachfolgende griehifche Hülfstruppen hier
fehr wäünfchenswerth fein mußte, laßt bei Aleranders großer Umſicht
ſelbſt vermuthen, daß fie auf einer wirflichen Ihatfache, eines paſſendes
Brüdenbaues über den Guphrat, berubte, nämlich für Truppen, bie nicht
wie fein Heer aus Aegypten, Paläftina und Syrien famen, ſondern die
den directen Weg ans Eilicien und Kommagene nad) Babylon nehmen
follten. Das andere wird nur fpätere Ansihmädung fein, aber bie ei:
fernen Kettenriuge führen doch wol daranf, daß auch bei der er:
fen Anlage nicht an eine Steinbrüde von gemauerten Bogen, fonbern
nur an eine durch eiferne Keiten verbundene Schiffbrüde gedacht werben
faun, welche dann nur von ben unmittelbar nachfolgenden Selenciden
über ben breiten Strom zur Vollendung gebracht wurde.
Appian gibt in feinen Büchern von ben forifchen umd parfhifchen
Kriegen gar Feine nähere Andeutung fiber diefes fo gerähmte Werk, das
buch Seleucus Nicator im Weften die Stadt Zeugma und im Ofen
Apamia erhielt, deshalb ihn auch Plinins den Erbamer des Zengna'e
—2
Euphrarfoftem; die neun Euphrat⸗Uebergaͤnge. 991
überhaupt nannte (V. 21: Zeugma ... transita Eaphratis nobile. Ex
adverso Apamiam Seleuous, idem utriusque conditor, ponte junxerat),
obwol derfelbe Plinins an der andern Stelle dem Alerander die Zuſam⸗
menfügung beider Cuphratufer durch Kettenringe zuſchreibt.
Bis anf des Sylla und Pompejus Zeiten ( Florus Hist. III. 11)
war auf diefe DBrüde von der Römer Seite feine befondere Aufmerkſam⸗
keit gerichtet: denn beide hatten mit den Parthern, die damals erſt fidh
hoben, noch im freundlichen Bunde geftanden (Dio Cass. XL. 237. Rain.)
und von jener Zeit mochte noch gelten, was Strabo (XVI. 748) fagte,
des Parther.Reiches Grenze fei der Euphrates und das jenfeitige Ufer
land. Doc fehon mit E. Erafius fing der große Hader zum beiden Seiten
des Stromes an, und danerte, wie der am Rhein umd ber Donau, Jahres
hunderte, nur mit wenigen Unterbrechungen, wie bie eine unter Kaifer
Augnft (im 3. 208 vor Chr. G.), deren Florus gebeuft, ale die Parther
felbR die Signa der Römer zurüdgaben, der Cuphrat iwieber auf kurze
Zeit Reihögrenze wie zuvor war, und bie Sanuspforten zum dritten
male während Roms urfprünglicher Herrfchaft gefchlofien werben konnten.
Aber ſchon Seneca zweifelte an der Dauer eines ſolchen Schuges (Natur.
quaest. I. praef.: Parthis obstet Euphrates...), obſchon noch vor ſei⸗
nem Hintritt Gorbulo (feit 54 n. Chr. ©.) fo fiegreih in Armenien und
Parthien vorbrang. Schon früher waren nur am obern Guphrat in
Armenien von Bompejus und Lucullus Schiffbrüden gefchlagen (Pln-
tarch. Lucullus 24). Als ber geldgierige Eraffus zum erflen male
mit römiſchen Legionen den mittleren Cuphrat (im 3. 54 vor Chr. ©.)
ohne Auftrag und ohne allen Grund, nur um bie damals noch forglofen
Parther zu überfallen und fi) zu bereichern, überfchritt, wird bie Stelle
feines Ueberganges nicht näher bezeichnet (Dio Cass. H.LX. 231. Rain.).
Appian, der überhaupt felten geographifche Beſtimmtheit zeigt, fagt
nur, daß er auf einer Brüde über den Guphrat fegte, die leicht und
ſicher geſchlagen war (Bell. Parth., ed. Toll. et Steph. Amstel. 1678.
8. p. 222). Aber im folgenden Jahre feines vorbereiteten, anf größeren
Raub thöricht ausgehenden Kriegszuges (im I. 53 v. Chr. ©.) fehte ex
beim Zengma unter den fchlimmflen Vorbedeutungen über ben Guphrat
(Dio Cass. XL. 235. R.; Seneca Nat. q. V.18 ... circa Euphratem
prasaga fulmina et deos resistentes ...). Nur in fofern haben biefe
bier für uns einen Werth, weil aus deren Schilderung hervorgeht, daß
es ebenfalls Feine dauernde Bogen oder Pfeilerbrüde, fonvern eine
Schiffbrücke war, wie die früher dem Alexander zugeichriebene. Der
Starm machte ben Uebergang fehr gefährlich; er riß die Berillen in den
Strom hinab, der dichtefte Nebel verhinderte dem Aublick des Oſtufers,
die Truppen verrennten fich die Wege beim Mebergange uud beim Abſtei⸗
gen von der Brüde, was unter Sturm und Blitz geſchah; noch che alle
glücklich hinübergekommen, war die Brüde ſchon vom Sturme wieder zer⸗
992 WeftsAfien. II. Abtheilung. I. Abfchnitt. 5.41.
riſſen (j se yipuga mgir wartag avsors dueldeiv dueludn nr. 1),
Nach Appians Ansdruck muß man annehmen, daß dieſe Brücke zw jener
Zeit erft vom den Römern geichlagen wurde, nad alfo eine ältere aus
den Zeiten der Seleuciden ober ihrer Nachfolger, eine vielleicht Hier fri
herhin dan er nd geweſene, am fo berühmten Zeugma nicht mehr vorkar
deu war. Sollten die Römer etwa damals noch feine Meifter im Schla
gen folcher Brüden geweien fein, weil diefe fo ſchnell wieder vom Sturm
zerftört werben Eonnte® Doch hatte ſchon ein Jahr vor Erafins Cuphrat
übergaug Jul. Caeſar feine Brüde über den breiten Rhein gefchlager
(im Sahr 55 v. Ehr.), und fpäler wenigftene zeigten die Römer la
Trajan bei der berühmten Donaubrüde zu ben Daciern anf fein
Bfellern, wie an der Schiffbrüde, die fie über den reigenden Tigril
ſchlugen (Dio Cass. Beichreibung beider LXVIII. Traj. 13. 1129.
Rain. und 26. 1141 Rain.), daß fie unter ben verfchiedenften Umßaͤnden
in diefer Knuſt die größten Schwieriglelten zu befiegen im Stade
waren.
Sur Zelt des P. Ventidius, der nah Grafins Niederlage ki
Carrhae, 15 Jahre fpäter, ale römifcher Feldherr Cilicien und Exrie
von den PBartherüberfällen befreite, und im Jahre 38 v. Chr. durch die
Niederlage des Partherheeres und feines Fürften Pakorus (Sohn Kizigt
Orontes) jene ſchimpfliche Vernichtung der Römerlegiomen rächte, erfah
ren wir auch bie ftrategifchen Gründe, warum ber Enphratübergang am
Zeugma den Römern fu gelegen war. Nicht nur die geograpkiht
Lage binfichtlich der dort zufammenlaufenden Straßen und der find
Diftanzen, fondern auch das Terrain der Brüde felbit am Sengma war,
wie dies die Lage des heutigen Bir beflätigt, für die Römer, die hir
durch Antiochia in Syrien, Eilicien, Melitene und Gommagene im
Rücken vollflommen gedeckt waren nnd den beften Hinterhalt hatten, ſcht
vortheilhaft zu ihren nun immer häufiger werbenden Uebergängen übt
den Guphrat.
Dies geht ans der Kriegslift des P. Ventidins gegen Baforns ber
vor, der mit jugendlich ſtürmiſcher Eile und großer Macht zum Ueber
fall gegen den Enphrat herandrang, noch che Ventidins am Zeugm
Zeit gewonnen hatte, daſelbſt die Kraft feiner Trappen zu comcentries
(Dio Cass. XLIX. 583. Rain.). Zeit zu gewinnen fchien ihm daher ze
nächſt das Nothwendigſte: denn mit gefammelten Truppen hoffte er für
den Parthern die Spige zu bieten. Gr fuchte alfo den Parther vom
kürzeſten Mebergange am Zeugma abzulenten, damit ihm durch bee
mweitern Umweg bie auf biefen verwendete Zeit zu gute füme. Vie &i
gelang; den Chaunaens, einen der kleinen Grenzfönige, der im Juterche
ber Parther fiand, wußte er an fidy zu loden; unter dem Geheime der
Sreundfcgaft vertrante er ihm, wie fehr er es befürchte, dag bie Parker
r
| Eupprarfoftem; ; die neun Euphrat⸗Uebergaͤnge. 993
an dem Seugma diesmal vorüber geben würden, weil bier bie Römet
von den Uferbergen herab offenbar bie vortheilhafteſte Poſition haͤtten,
am ben Feind mit Sicherheit zurückzuwerfen. Denn nähmen fie weiter
unterhalb des Zeugmas am offenen flachen Uferlande den Uebergang fiber
den Euphrates, io fönnten dort die Römer ihnen dies natürlich nicht
‘ wehren.
Die Berftellung gelang, Pakorus ging mit feinem zahlreiden Heere
in die Balle; er nahm dem großen Umweg durch das Blachfeld, und
fepte weiter abwärts, vielleicht nahe Hierapolis, über. Dadurch Hatte
BDentivins alle Zelt gewonnen, feine Truppen zu fammeln. Gr geſtattete
den Parthern den Umgang, ohne fie anzugreifen, und ertregte dadurch
noch obenein die Meinung, als felen die Römer für dem offenen Kampf
zu ſchwach und feig; fie hofften nun auch die Verſchanzungen ber Mb:
mer leicht erſtürmen zu koͤnnen, obwol biefe auf der Anhöhe in Kur:
rheſtica ?*) lagen. Aber bei dem erſten Angriffe machten die Römer ihren
Ausfall, warfen die parthiſche Relterei zurüd, verfolgten ihren Sieg,
vernichteten das Partherheer und todteten Pakorus. Die wenigen über:
bleibenden Parther flüchteten zur GBuphratbrüde, wo viele von ven Rö⸗
mern anfgefangen und nievergehanen wurden: Die übrigen entfichen
nad) Kommagene und fuchten Schntz in Samofata bei König Antiochne,
der un mit DVentivius In Fehde verwidelt und von M. Antonius bes
lagert warb. | | |
Kür die Uebergänge der Römer behanptete nun das Zeugma feis
nen entfchieveuen Werth, denn es mar der bequemfte und geficherifie, von
wo and auch andere Uferpaͤſſe befeftigt werben Tonnten (Tac. Annal. XV,
37). Strabo nennt bied Zeugma Kommagene's den Anfang Mefopota:
miens. In jemem Sinne wird es von Tacitus gefchildert, als ber Pars
ther: Bring Meherdates auf dee Kaifer Elaudins Befehl vom Präferten
Syriens, C. Caſſius, über den Cuphrat in fein väterliches Erbe wieher
eingefeßt werden follte (Tacit XII. 12: .... positis castris ad Zeugrha,
unde maxime pervius amnis), und als fpätere Befehle kamen, die (in:
phratufer weiterhin zu befefligen (... jubet expedire copias quae Par»
thorum fines intrarent, simul pentes per omnem Euphratem jungi
etc. ebend.).
Der Uebergang am Zengma dauerte durch mehrere folgende Jahr: "
hunderte fort;. er ift dem Ptolem, Amm. Warcell., Steph. Byz. bis zum
ſechſten Sahrhundert noch wol befannt; aber die zahlteichern Kriegeheere
der römifchen Kater gegen: bie Saffaniden fepten, feltdem bie üppige
Anttochia der Erholuugsort und Verſammlungéplatz der Kalfer und
der Kriegsheere mit ihren Feldherrn Im Drient, und Hierapolis ihe
1°) Appian, Alex, de bellis Parthic., in a Opp. l. p. 209.
Kitter Erdkunde X, Rrr
994 Weſt⸗Aſien. TIL. Abtheilung. I. Abfchnitt. 5.41.
Naſtort geworben war, mehr in fühlihern Breiten äder den Eupfret,
wo Ihnen Palorns zuerſt den leichteften Uebergang gezeigt Hatte.
Auch die Saffaniden zogen in ihren großen Meberfällen gegen Syrien
mehr die ſüdlicheren Wege vor, und kehrten Dann über die nördlicheren
Guphratpaflagen durch das obere Mefopotamien in ihre Heimath zurüd.
Brocop nennt das Zeugma niemals ale Mebergangsort, obwol er
die Stabt Zengma unter den damals am Enphrat ſchon ganz in Ber
fall gerathemen Uferorten mit aufführt, deren Mauern und Befehligungen
Kaiſer Suftinlan Mitte des Gten Jahrhunderts wieder berfiellte, um ben
Saſſaniden⸗Uehberfällen Trop bieten zu fönuen (Procop. de aedif. IL
p- 237, ed. Dind.). Derfelbe Cuphrat⸗Uebergang, bei dem fpälrcke
Bir hervortrat, hat wol nie ganz aufgehört; zur Atabelen⸗ und Fras
kenzeit wurbe er nur wieder nen belebt. Aber vom der Stadt Zeuge
- feleh If Beine Spur weiter übrig geblichen; niemand fpricht von Ruine,
bie am Weflufer des Guphratsliebergauges bei Bir etwa gelegen wärs;
‚ der Drt mag vielleicht nur von geringerer Bebentung geweſen fein, m
feinen Ruhm nur durch die Brücke erlangt haben. Das Verhältniß fe
ner räumlichen Stellung hat aber biefelbe Localitit bis heute als Haupt⸗
übergang über deu Cuphrat erhalten, an dem im Jahr 1837, zur IR
der Dampfichiffahrts Erpebition, immer noch 16 große Paffageboote zum
Meberfepen der durchziehenden Rarawanen in Ihätigleit warem , bie zuwei⸗
Ien ans 5000 beladenen Kameelen und mehr beſtanden.
7) Europns und fein Uebergang nebſt dem von Hier«
polis bet Gecilia auf der Straße nach Thilaticominm na
Batnac. Der nächſte Ort vom Zeugma, den Ptolemäns augilt,
nur 10 Minuten (etwa 5 Stunden) ſüdlicher, iſt Enropne (Ecbeuvic,
36° 50’ Lat. b. Ptol. V. 15. fol. 138). Wit Btolemäus fiimmt Pi
nins überein (V. 21), der, ohne eine beftimmte Entferuung anzugeben,
ihn als den erflen Ort vom Sengma an gegen Syrien nennt. Sticho
bat diefes Ortes gar nicht erwähnt. Die Tabul. Pent. hat den Ramen
ansgelafien, aber den Ort mit 2 Thürmen 12 Millien, wicht vol 5
Stuunden, von bem Zengma eingezeichnet.
Ge if einer ber vielen, von den Maceboniern mit Borliehe
für ihre Heimath mit dem Namen ber macebonifchen Stadt Guropas
fon fräßzeltig auch am Cuphrat wie am Tigris verfchiebentlih be
legten Orte, deren einer, wie Steph. Byz. (z. v. Eigezac) fagt, an
in Syria lag. Schon Polybins (V. 48, 15) führte an, daß der Cupo⸗
ser Molon zu Antiochns II. M. Zeit ſich der untern Provinzen des Se
lenciden⸗Reiches bemächtigt hatte, von Selencia (Cteſiphon) die Parapes
Samie bes Tigris aufwärts bis Curopos, und in der Mefopotamie cm
Cuphrat aufwärts bis Dura, das abwärts des Khaboras gelegen, nad
Ifidor. Charac. ebenfalls Enropne genannt warb (Mans. Parth, od.
Miller, Paris, 18%. 8. 2.249). Beide find vom Enropns in Eye,
Euphratfuftem; Die neun Euphrat⸗ Uebergaͤnge.
zwifchen vem Sengma und Hierapolis gelegen, verſchieden. Das ſyriſche
Europns ſetzt Piolemäus in denſelben Meridian wie Zeugma, aber von
Hierapolis (bei Btol. 71° 15‘ Long., 36° 15‘ Lat.) um 45°. öfllidder;
alfo von lebterer Stabi gegen N.O. Hiedurch ließ ſich die Lage von
Guropnd auch auf Ehesney’s Cuphratkarte genau bekimmen, wodurch
Brocop'6 Bericht vom dritten Kriegezuge Khosroes Annſhirwan gegen
Bellfar und vom Rückzuge des Saſſanidenheeres über ben Eupbrat im
Augefichte von Beliſare Lager feine vollſtaͤndige Erlaͤnterung
erhaͤlt.
Denn dieſer Rüdyng geſchah nicht bei Barbaliſus, wie ber erſte,
ſondern weiter nörblih am Guphrat, wörtlich im Angefihte von Curopus.
Denn Belifar, 2°) der mit Eilpferden von Gonflantinopel zur Nets
tung an ben Euphrat gefandt war, hatte, da ber Neffe des Kaiſers Ins
Rinian, der feige Infius, als ber dort Commandirende, fich mit feinem
General Bnze hinter ben Mauern von Hierapoli6 verborgen hielt (Pro-
cop. bell. Pers. II. 20), ſogleich fein ofienes Lager am Cuphrat Bei
Enropne bezogen. Bon dort rief er feine GStreitfräfte aufammen, von
da ſaudte er nach allen Seiten feine Boten und Befehle aus. Auch bie
Befogung von Hlitrapolis mußte zu ihm herüberzichen In das Lager.
Mur wenig Munnfchaft unter Juſtus blieb in den Mauern jener Stadt
zuräd. Der Rame Belifars und feine Kriegslift, durch eine entgegen:
geſchickte Botfchaft zu imponiren, hemmte ben ſtürmiſchen Anmarſch des
Saflauidenfönigs ; Khosroes, überrafcht, einen Bellfar bier zu finden, Hielt
es für gerathener, nicht weiter vorzubringen, fondern erſt Unterhandlun-
gen zu verfuchen. Sein Stolz nnd fein Gelbfiverirauen waren aber zu
groß, um geradezu umzukehren. Auch hätte er bei einer Umkehr auf
bemfelben Uferwege an ber burch ihn verheerten und ſchon ganz ausge⸗
fogenen Süpfeite des Cuphrat, den er heraufwärts gezogen, Teine Le⸗
beusmittel für fein zahlveiches Heer gefunden. Gr zog aljo den kühnen
Vebergang über den Cuphrat im Angeſichte des Roͤmerlagers vor, um
danu den Rückmarſch durch das noch ungeplünderfe Mefopotamien zu
uehmen, dur ein Land des Veberfinfies, wohin auch neue Beute ihn
lockte. Ihn von einem folhen Uebergange in biefer Gegend abzuhalten,
bemerft Procopins, würde Belifar, auch wenn er es gewollt, nicht im
Stande geweien fein, hätte er auch Huntertianfende zu feinem Commando
gehabt: „denn eben bier koönute ber Euphrat in einer weiten
Strede feinesLaufes an vielen Stellen von Schiffen über:
fegt werden.“ Aber Belifar lag felbf daran, ben Feind, der feinem ſehr
Beinen Heere um fehr vieles überlegen war, recht bald jenfelt bes Stromes
zu willen. Mit bewunderuswärbiger Schnelligkeit, fagt Pro.
cop, ließ Khosroes die Brüde über den Cuphrat fhlagen, eine Kunfl, in
220) Procop., ed. Dindorf. VoLI. p. 341.
Nr 2
996 Weſi⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnin. di.
Der die Perſer eine große Gewandheit beſaßen. Sie führten uni im
Kriegszügen Reis eiferne Halen (ayssergesdi asöngee, Proc. L
24. p. 247.) mit ſich, bie ihnen zur Berkimbung der zugerichteten Dale
‚beim Brüdenichlagen dienten. Kaum jenfeits amgelangt begaumı ım
die Unterhandiungen beider Mächte zur Wiederherſtellung des gehcehan
‚ewigen: Friedens.
Aber dies war nicht der erfie berühmte Uebergang am birfer cin
‚Stelle über den Euphrat, von dem bie Geſchichte Bericht gibt. She
Kaifer Inliam hatte im 3. 363, Anfang März, zum Hierapclis jew
Truppen gefammelt, um von da ungefäumt auf einer Schijihrät:
‚den Cuphrat zu überfegen (Amm. Marc. XXIIL 2, 6: Euphrate mar
ponte transmisso), und beu Weg nad Batnae im Dorhoene uud mi
Garchae eingefchlagen. Diefer Mebergang muß hienach alſo fürmirs m
Bir flattgefunden haben, denn das Zeugma wirb nicht genant. Eh
wol ebenfalle zu Enropus oder noch etwas füblicher, denn dert men
ja viele Uebergäuge möglih, weil, wie Brocop fagt, bafelbi der &
phrat fich in mehr offener Laudſchaft in verfchiebene Arme un adı
gertheilte. Könnten wir vorausfegen, bag Julian den directeitt
Uebergang von der Hierapolis nach Batnae und Grelfa gemonmen, mu
ſelbſt wahrfcheinlich ift, fo wäre, nach ber Cuphrataufnahme ter Cheich
fchen Karte, hiedurch das Locale deſſelben, fo wie die Lage ber fi
befannten Orte Säciliana and Thilaticomium zu beiden Eck
des Ueberganges und des noch norböfllicheren Batnae zugleich milbeimmt
Denn bie Lage von Hierapolis if befannt. BPiolemäns gibt j
zu 71° 15’ Long., 36° 15° Lat., alfo in S.®. von Guropus an (V.B.
fol. 138); duch R. Pococke find die Rninen vom Hierapolis wis
aufgefunden, durch Chesney ihre aftronomijche Lage durch Objerein
beftimmt, und 3 geogr. Meilen im S. W. vom Guphratufer eingeizue
Die Stelle des pirectem Ueberganges von Hierapolis nach Bet
wäre nun 3 geogr. Meilen abwärts von den Ruinen Dſherablus (%
rabees) voraussniegen, tie mit der Lage von Curopus zufammenicht
in deren Namen noch die Spuren der antilen Benennung aujbenak
feinen. Gleich unterhalb Curopus feht Btolem. den Ort Gecilis,
unter 71° 56° Long., 36° 40’ Lat., alfo 10 Minuten, d. i. 5 Stiriu
füblicher, faſt in beufelben Meridian mit geringer Abweichung gegen SL,
welche auch anf der Karte die bortige TCuphrat wen dang bejeiien
Dort würbe alfo die Lage des Ueberganges mit dem Gecilia di
Ptolem. vollſtaͤndig zufammenfallen. Daß dies and das Gecilie
ber Tabul. Peut. war, 24 Willien abwärts von Europns, hat jdn
Mannert 2") vermuthet, obwol die Ginzeichuung ber Tab. hier m
Richtung nach eine ganz verkehrte iR.
"’2) Manuert, G. d. Gr. u. R. Th. VI. ©. 508.
J
Euphratſyſtem; die neun Euphrat⸗Uebergaͤnge. 997
Nun if es fehr wahrfcheinlich, daß diefer Cecibia des Ptol. auf
dem Weſtufer bie ihrer bisherigen Lage nach eben fo unbelannte Sta⸗
ton Thilaticomium anf dem Oſtufer des Euphrat gelegen Haben
werbe,. die weber Btolem. noch ein anderer Claffifer nenat, welche: auch
bie Tabul. Peut. nicht eingezeichnet hat, deren Rage aber doch Im Itin,
Antonin. durch mehrere Krenzrouten von Hierapolis nach Batnar;, und
Edeſſa fehr genau zu beflimmen iſt (Itin. Anton. ed. Wessel. p. 192).
Deun von Hierapolis ging bie gerade Straße über den Cuphrat (wol
bei. Eerilia) in 31 Millien nah Thilaticomium (31 M. pass.; is
ven ‚Sahlen wechfeln Hier Die Handfchriften von 10 zu 24, 31; bie, mitts
lere hielt Mannert für bie paflendfle zu feiner Grtlärung); von da
im 22 Millien nach Batnae aud von da in 30 Millien nach Garshae Aſ.
Iter a Carris Hierapoli p. 192 1. o.) Schon: Ajfemani machte
auf einen Ort Teladecnm oder Telacum anfmerffam, ben Diony⸗
fins, ein Iafobiten-Batriarch, in feiner Chronik in jener Gegend nannte,
den er für benfelben hielt, und bemerkte, daß die. Vorſylbe Tel, dort fehr
Helen an; den künſtlich aufgeworfenen Berglegeln, ven Tals, augebanten,
Ortſchaften zulomme. Binem folchen, durch bie preußiſchen Officiere dort
befaunt gewordenen, Tel el Ghara, ſehr benachbart, würde nach Gin⸗
tragung des Itiner. Anton. das alte Thilaticomium ober Comum (ber.
Ott, wie ‘ein öldına zone bei Theodoret. Hist. rel, c. 22), ‚nahe.
zu Biegen fommen.. Die Notitia dignitatum (fol, 97, ed. Panqim. Ve-
metiis 1602) führt im Gapitel 168, de spectabili duoe Ogshoenae,
mehrere. verwandte Mamen biefer Art bier an dem Guphratufer auf,
welche im 4. Jahrh. Stationen von Truppen waren, von denen Thilla⸗
cama.bem Laute nach diefem am nächften zu kommen jcheint.
— Merkwürdig iſt es allerdings, daß bei Kalfer Iulians Uchergang
an biefer Stelle weder bei. Zofimus no Ammian des Uebergangéortes
Gecilia oder Ceciliaua erwähnt wird, fo wenig als in dem Itiner..
Antonin., obwol viefes die. Direrte Monte mit den Stationen und an
der Oftfeite des Stromes mit Thllaticomium anfzählt; ;der Name muß
alſo, halt Mannert dafür, fchon fehr frühzeitig verfchtummden fein. Dies:
mit Tann man and einverflanden fein, aber keineswegs mit feinen.
Nachſatze, 3?) wo er meint, diefem Geciliana gegenüber, alfo anf bes
DOftfeite des Cuphrat, möchte wol das heutige Caſtell Meſjm zu ſuchen
fein. Denn ba das frühere Geciliana zeitig eingegangen, fo habe man,
fagt er feiner Hypotheſe nach, dafür Thilatioominm ag der DOflfeite
des Buphrat jenem gegenüber erbaut, und wegen ber leichteren Befeflif:
guug eines Berges biefe dortige Stelle. erwählt gehabt, weiche. nen Bahr
Seuühergang : ſchüͤdgen Tonnte- Diefer Brückenübergang fei berfelbe,n dan
Abulfeda fpäterhin die Brüde von Mambepji nenne, melde jenes
je m <;
23) Mannert, G. d Gr.'n. R. Tb. VI. 1. G. 513. u
998 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I Abſchnitt. 41.
Caſtell Refjm (d. 1. das Geſtiruſchloß) befchäßte. Aber hierin ſũhrte
pie damalige Kartenzeichnuug irre! denn vom Hierapolis Läuft die Rouk
nach Batnae und Cdeſſa gegen Nordoſt, wohinwärts aud Guru
und Ceciliana geſucht werden mußten, mb noch mehr Tpilaticominm
Dagegen liegt das genannte Gaftell Nefim oder das berühmte Gr
ſtienſchloß direct Im Oſt von Hierapolis, und Teineswegs auf der mu
fopstamifchen, ſondern auf der ſyriſchen oder Weſtſeite des Eupfne,
Die noch heute vorhandenen Keſte einer ehemaligen Brüde und Kb
ſtraße unter diefem Schloß ſehen es allerdings außer Sweifel, daß anf
hier ein Uebergäuge über den Euphrat waren, nur biefer lehigemausit
wicht ans fo früher Seit. Mber wir können noch mehrere Stellen Die
Art finden, als man bisher annahm, in einer Pocalität, welche dan ſe
reichliche Selegenheit bot, nnd wo bie zahlreichen Ruinen aller noch we
nig näher unterfuchten Denkmale zeigen, daß ſolche Geltgenheilen ya
Uebergängen auch benutzt worden find.
Dune die hiſtoriſche Bedeutung der Stabi Hierapolis, Yan:
byte oder. ſpaterhin Mamberpji, bier zu berühren, was anberwic
Gegenſtand ausführlicher Unterfachung bleibt, haben wir bier um mh
an den Marten Rarawanenıng der Handelslente zu Gt
bo's Sekt zum erinnern, der damals von Bambyle ans mit vielen Bas
ren durch das Band der Skeniten, am Guphrat abwärts, bis Babylen
ging, und die ſen Uebergang, nah Strabo nur 4 Gchönns (WE
pass., d. i. 4 geogr. Meilen) im Oft von Bambyke entfernt gelegen, sw
gemein beleben mußte. Diefer Durchzug (Sactärcoy yap 7 bin
Strabo XVI. 748), ver Aber Anthemuſtas ging, berührte das be
kanntere Seugma alfo keineswegs, wie Letronne n.. A. aunahmen, *)
fondern fand in directer Nähe ber heiligen Stadt und ihres großen
Marktes, an ber Stelle von Geciliana, flatt, wen, nicht anf ned für
licherem Uebergange der viel fpäter- erft erbauten Brüde von BRazkeril
ine andere Hypothefe Harbuin’s, diefe Eecilia (Menslla des Bien)
ohue weiteren Grund für die ihrer Lage nach. unbelannte Gingille bi
Blintus zu Halten (V. 21: Cingilla Commagenen finit. Imme civitas
incipit, ed. Franzius Vol. II. p. 401, not. d.), und fo weit fübwärts is
jemer Zeit die Grenze von Rommagene 'ausbehnen zu wollen, die af
GStrabo ein fehr Meines Bandgebiet umfaßte, ſcheint uns eben fo gru⸗
los zu fein.
8). Die Brüde von Manberji am Gafell Refjm, sem 86
ſtirnfchloß. Obwol dieſe Brüdte während der: Kreuzzäge einen grofet
Auhm erlangte, zu einer Seit, da die Zeugmas ber Alten längf vergeii
waren, fo if doch dieſer Uebergang einer. ber. vielem, welche nach Proch
"»°) Strabon, trad. fs. Paris, 1819. T. V. p. 192.
|
7
Euphratſyſtem; die neun Euphrat⸗Uebergaͤnge. 999
in diefen offnerern Gegenden des Stromlaufes möglich waren; aber
niemals iſt ex von den Altern claſſiſchen Autoren erwähnt. Die Berühmt,
heit dieſer Brüde bei den Arabern hatte bie jüngeren Kommentatoren ber
orientaliſchen Befchichtfchreiber nnd alten Geographen, einen Thom Hyde
3u Abr. Peritsol Itinera mundi p.48, wie Golius a4 Alferk. p. 261
und andere irre geleitet, fie für das berühmte Seugma (bei -Bir) zu hal⸗
ten, von dem fie doch an 9 geograph. Mell. fübwärte entfernt liegt. Erſt
Ab. Schultens (in Vita Saladini, Index Geogr. s. v. Nesjaum)
Hat dieſen Irrthum gezeigt und zugleich aus orientalifchen Quellen dar⸗
gethan, daß das KAallat Redjim (Kalaat ou Nedihm n. v. Hammer,
das Geftirnfchlog) erſt fpät im 12. Jahrhundert durch den kriegeriſchen
Sultan Mahmud Senghi (ex ſtirbt im J. 1145 m. Chr. Geh.) **) er:
. baut warb, der von bier ans die Franken mit feinen Weberfällen dieſſeit
und jenfelt des Enphrat fo haͤnſig bedrohte; es iſt wol hoͤchſt währfcheln-
lich, daß zu ſolchen Zwecken auch damals erſt die Brüde von Manbebji
Aber den Etrom geſchlagen ward. Denn früher iſt uns Fein Zeugniß für
fie befannt. Nach Chesney's Beobachtung follen ſich daſelbſt noch Heute
Spuren von einem Brüdenbau an dem Oflufer und eines Kunſtweges
vorfinden, der auf eine Oſtroute hiuweiſet. Aber nähere Beichreibung
fehlt; auch if uns fein ſicheres Datum in der Geſchichte bekannt, dieſen
Weg für eine antife Straße zu halten, oder wie Mannert meinte, dahin
den im Intin. Anton. bezeichneten Mebergang ber Alten von Hierapolis
auf der Straße über Thilaticomium nach Anthemuſias zu verlegen. Die
Lage des Geſtirnſchloſſes (Kalaat on Nedſhm), if durch Chesney
aſtronomiſch feſtgeſtellt, anf 300 83° 17" N. Dr. uud 88° 16° 15” O.
2.0 &r
Durch diefe genauern Beſtimmungen gewinnen wir nun für bie
Drientirung auch in dem noch übrigen, bisher blos willführlich hin⸗
phuntafirten Euphratlaufe (nur Rennells und Berghaus Pirbeiten
ausgenommen), abwärts bis Thapfacns, erfremlicher Weiſe eine
ganze Reihe für comparative Geographie alter und neuer Seit ſehr lehr⸗
reicher Puncte, durch welche Btolemäns Tafeln ſehr weientliche Bed
Hgungen erhalten. Im Weſentlichen beſtehen diefe im Solgenbtm; wie
fie unfere Karte verzeichnet hat.
Der von Btolem. angegebmen Breitenbeſtimmung nach, dicht an der
Sübfelte diefer ausgezeichneten Kocalität des Hoch zum Himmel fich ers
hebenden Gekirnfchloffes, am Weſtufer des Euphrat, die Betham⸗
maria bei Ptol. (V. 15. fol. 138. Bndaunagıa 71° 50'Long.; 36°
80’ Lat.) die Bethammaris der Tab. Peut., 14 Mil: feta von Cecillaua
zn liegen fommen. In denfelden Meridian abwärts fallen bie fonft gleich
falls ihrer Lage nach bisher gänzlich umbelaunt gebliebenen Ptolemaͤiſchen
2°) Degnigues, Geſch. d. Hunuen, Th. II. ©. 470.
4000 WeftsAfien, II. Abtheilung. L. Abſchniti. 1, 41.
Dirte, die aber mit ihren nach Cheöuey’s Dermeflung am Guykreilıu
fer gut ſtimmenden Diflanzaugaben, und mur mit geringerer Lauiahwei
ung, auch in der Tabul. Peut. eingetragen find.
Es find der Reihe nach folgende Namen, von beuen Naunert?)
noch feine Rechenſchaft zu geben im Stande war, weil ihn die Kurs
zeichunng bier gänzlich verließ; ber herühtigte Guphratlauf ik u
aber bier der fihre Baden, an dem wir una glücklich durch das %
byrinth der Verwirrung hinduvch finden lernen.
4) Ptolemäns Ortéreihe if folgende; an dem Behzfe
de⸗s Enphrat,
1) Bethammaria 71° 50' Long. 360 30. Lat,
: 3) Gerrhe 36° 15° Lat.; Serrhae in Tabul. Peut; von dv
thammarie ‚dahin 13 rm
3) Arimera 369 Lat.; Apammaris ig Tabul. Pent.; haka
8 Mil.
4 Sragtiza 86% 0’ Lat.; CErazica oder richtiger Gradiza be
Tab. Peut., dahin 18 MIN. jet Rajik.
5) Barbariffus 719 56° Long. 35° AS“ Lat.; Barhalijie
der Tah. Peut., Barbalifns Proc.; dahin 16 Ri.
- 6) Athis 72% Long. 85% 30° Lat.; Altas in Tab, Peut. ; va
NE
Die Drte 3, 3 und 4 haben gleichen Meridian wie 1, folgen ale
iu angegebener Reihe von Norden nach Süden.
:2) Ptolemans Ortséreihe am Dfufer bes Eupbrat.
An dem Oftufer bes Cuphrat find eben fo die Ptolemäifchen Urk
eingetragen, da ihnen aber die Gontrolle der Tabul Peut. fehlt, bie bier
am Oſtufer von Ortsnamen leer geblieben if, fo fehlt auch hier die gleiche
Sicherheit wie auf der Weſtſeite. Doch Tann man bei der genauen Kt
sig, die Ptolemaͤns in diefen Gegenden hatte, in denen ihm GEratoffeas
voransgegangen war, ihm nachfolgend, doch wol mur wenig von ber wahr
ren Lage ber einzelnen Ortfchaften abirren, fo weit nämlich bie Meribius
Direction des Buphratlanfes felbft die Fehler berichtigt, die im des Pie
Imäus fo unfichera Längenbefliunmungen leicht irre führen können. Di
Reihenfolge von Borfica, deſſen ungefähre Lage wir oben berühtt ie
ben, il bis Thapfacue und Ricephorium aber biefe:
“, DH Borfica 72° Long. 37% 30° Lat. |
. 2) Aniana 72° 20° Long. 36°. 40° Lat., alfo im Gütck vci
3) Barfampfe 724 20° Long. 36°. 15° Lat. Alfo in Güte
von Bethammaria, in derfelbeg Gegend, wo ber Euphrat eige weite Ben
bung gegen Beh wacht; deu Höhlen und Ruinen von BI Afatir gegen
UI) Mount, ER t. . . Sm.
kuphratſyſtem; die neun Euphrat-Uebergaͤnge. 1001
iber, einer Gegend, in der überhaupt ſich den Vorüberſchiffenden ſehr
ſiele Höhlen in den Felsufern zeigten. Barfampfe wie Bethammaria
ind ſyriſche DOrtsbenennungen. Die legtere ift von Weſſeling ſchon mit
Beith Ammuris, ?°) der Wohnung Ammuris, verglichen, und Berfes
ins fuchte das Barfampfe, Bassauya, mit dem Betfhemeſ h ober
anam Solis der Syrer zu ibentificiten.
4) Sarnuca, 72010’ Long. 35° 10°Lat., an ben. weißen Klippen
jelegen, wo heute ze Marabut, der Hügel eines mohamedaniſchen Sancı
m6, hervorragt. Ge Rellt fih der Balis-Station des engl. . Dampf
chiffes Euphrates gegenüber; dieſe kommt nach aſtronomiſcher Obfernation
ın die erſte Oſtwendung des Guphratlaufes unterhalb des Zeugmas
na liegen, nämlich unter 36° 1’ 21° R.Br. und 38° 7° 10” O. L. v. Gr.
sach Ghesuey. Hierdurch iſt auch die Lage des modernen Caſtells und
Rinarets. Balis gegen S. O. beflimmt, das für die Erklärung von Xeno⸗
hons Anabafis ein wichtiger Anhaltpunct iſt, und ungefähr mit ber
Stelle des alten Burbalifus . zufammenfällt. (f. ob. S. 10). on
= 5) Berfima over Birfima, jenem gegenüber auf ver linken Mes
eite des Euphrat bei Ptolm. unter 72% 20° Long. 35° 36° Lat. .
Bon hier an folgen weiter öftwärte unter. verfpieuen. kangen.
ıber ähnlichen Parallelen ;
6) Baunae 72° 50' Long. 35° 40° Lat.
7) Nicephorium 73° 6° Long. 35° 20’ .Lat., bas tm Norden
ven vermeintlichen Ruinen von Thapſacus gegemüher —2
9) uebergang über den Euphrut zum. Obbane bei Bars. i
balifus.
Procop fagt, daß Khos roes auf feinem erften Ariegezuge g gegen die
Römer in Syrien, im 13. Regierungsjahre Kaiſer Juſtiniaus, ale ex
en einigen Frieden brach, nicht durch Mefopotamien, ſondern am Süd;
nfer des Cuphrat entlang, von Eircefinm immer ben Cuphrat zur rech⸗
ten Hand behaltend, bis Hierapolis zog und von da bis Antiochia, flege
reich, alles zerflörend, plünderud umd verheerend, vorbrang. Seinen Rück⸗
weg aber nahm er von dba durch Ehaleis und dann über den. Buphrat,
andy Mefopotamien ausfaugen®, um beutebelaven nad Cteſiphon heim⸗
zukehren. Gr fchlug deshalb bei Obbane, einem Orte, der 40 Stabien,
alſo nur 2 Stunden fern vom Gaftell Barbalifus lag, eine Brüde
über den Cuphrat. Und als er hinüber war, gebot er allen Webrigen
ben Uebergang: zu befchleunigen, ‚weil er am dritten Tage zur beſtimmten
Stunde bie Brüde wieder abbrechen lafien wollte. Sie wurde 'aud; bes
ſohlner maßen zerflört, und mehrere Nachzügler mußten kuchen -auf ihre
—- ' 1
398) Wessel. Itin. kotonin. p. 185; Berkelius i Step Byz. 5. %
Oayano; fol. 390, not.
ı.
1002 Weft-Afien. IIL Abtheilung. L.Abſhein. (41.
eigne Hand in die Helmath zurückzugelaügen (Prooep. de bei. Pen.
Il. 12. p. 205 ed Dind).
Der Ort Obbane If uns nicht befanmt, andy von ewen Bar
balifns iR hentzutag mit die Rebe. Die Lage if aber in chigem
duch Biol. und die Tabul. Peut. ziemlich ſicher geſtellt. Obuel vr
Ort any bei Steph. Byz. als ein ummaneries Gaftell, Bappalem
mit boppeltem s gefcgrieben vorfommt, im ber Nolitia digm. (bei Pu
cirell. Veuet. 1602, fol. 96) aber Barbarifio, Barbarino gefchrichen wei,
fo Bleibt des Procop Schreibart, der biefelbe andy am einer zweiten Eik
(de aedif. Justin. II. p. 235) beibehält, doch bie richtigere. Iufinia
reſtaurirte das Caſtell Barsbaliins. Noch if ein Ueberreſt dieſe
Ramens im Gaftell Balis unverleunbar, defien Ortslage mit jenem =
titen identiſch iR. Schon Zenophon war dort ein verwandter Ram
beiannt, Beleiys, eines frähern Statthalters von Syrien, dehes dei
ger Pallaſt und Park von Gyrus dem Jüngern nach Barbaremart ww
brannt und verheert wurde (Xenoph. Anab. 1. 4, 10). Derfelbe Rem,
nur zufammengezogen, kam bei Arabern in Gebrauch. Abnlfeba)
nennt biefen zu feiner Zeit ſtark bewohnten Ort, den erfien in 6*
rien, Balis, ein ſyriſches Cuporium, dem Nakla im Oſten liege. Ind
Keifenden des Mittelalters, die am ihm vorüberfchifften, wie ber Ef
Ranwolf (im Jahr 1574), 20) blieb das große Gaflell, das er Sal
nennt, nicht unbemerft. Er ſchiffte von da in 24 Tagefahrten nad der
großen Stadt. Ralka, dem alten Ricephorinm, mod im 12. Ich
zu Edriſi's Seit das große Sauptemporium zwifchen Bayıı
und Syrien (f. ob. &. 236), wie es einſt das ganze nahe Thaya?
wear. —
Ranwolf war auf biefer zweitägigen Fahrt zwiſchen Saber zu
Halfa, Orte, die ebenfo von Abulfeva angegeben werden, ſchon an de
Ruinen von Snra (jet Suriyeh b. Chesney) und am denn wi
Thapſacus, im Süden ber Furth mit den Ruinen bei EI Hamız
ber heutigen Anwohner, vorüber geſchifft.
Caſtell Iaber (Kalaat Danfar oder Kalaat Giaber li
Abulfeda, ſ. oben ©. 241-243) liegt, nach Chesney's aſtron. Obfen
unter 38° 32° 7 O. 2. v. Sr. und 35% 52° N.DBr. Dielen Ort se
nen die Alten nicht; aber ihm gegenüber, anf der palmyreniſchen Eeik
führt Ptolm. den Ort Alatis am Guphrat liegend an, ebem ba, wo nah
Gheöney’s Karte ver Thurm Abın Herarah fi erhebt.
Don biefem Alatis feht Ptolem. anf der palmyrenifchen Seil 8
Syria, feine Ortreihen am Cuphratufer fort (V. 15. fol. 140), wi
R abulfedae Tabul. Syr. ed. Koehler p. 130. 25) 2, Kur
Dr. med., oeföreibung der Re im R Morgenlanle, Graf.
Fr Su.
Euphratſyſtem; die Vorftufe des Taurus. 1003
Alatis, Sura, dann in Arabia deserta (V. 19. fol 144), alfo auf dem
Südufer Thapſakus auſetzend, und in Mefopotamia, alſo anf dem Norbufer,
(V. 18. fol. 142) die Stadt Nicephorium. Nämlich) alfo: .
1) Alatis 72° 20° Long. 35° 15‘ Lat. "
23) Sura 72° 40° Long. 35° 40’ Lat.
3) Thapfacus 73° 30° Long. 35° 6’ Lat.
4) Nicephorium 73° 6° Long. 35° 20° Lat.
Alfo in verfelben Reihe und Ortunng ganz den natürlichen
Localitäten entfprechend, wie fie ans der Cuphrataufnahme und bem
Meffungen nah Ptolem. Angaben und denen der Tabul. Peut., fo weit
diefe ausreichen, hervorgehen. Ueberall zeigen Monumente der Gegen
wart, daß hier die Vergangenhelt ihre Spuren zurüdließ, beren nähere
Erforſchung von der nmächſten Iufunft zu Hoffen und zu erwarten find.
ine ſolche Unterfuchung würde fruchtbarer für die Kenntniß des Alters
thums wie der Gegenwart ausfallen, als die oft fo uunüp wiederholten
Klagen und Borwärfe der frähern Unwiflenbeit, fpäteren Verſtümmelung
und Verderbniß des aus dem Mittelalter Meberlieferten, von einem eins
feitigen Standpuncte ans, zu beflen Beurtheilung vor allem erſt ein eben
fo tiefes Gindringen in bie Sachen wie in die bloßen Formen anzurathen
fein möchte. |
$. 42.
| 3. Erläuterung. /
Die ſyriſche Vorſtufe bed Taurus gegen Mefopotamieh,.
von Samofat bis Thapſakus, Fortiesung : Hiftorifche
Verhältniffe. |
Ehe wir von Bir abwärts den Lauf des Euphrat nach Mes
fopotamien, deſſen Hauptpunfte ſchon in voriger Anmerkung in
fo weit feftgeftelt find, als die Hifkorifchen Daten aus alter Zeit
reichen, weiter verfolgen, müſſen wir an der Stelle des alten Zeug⸗
ma's, der beiden jüngften, merkwürdigen Begebenheiten gebenfen,
denen wir die neueflen Gauptquellen unjerer vermehrten, er.
weiterten, berichtigten Euphratkenntniß faft ausſchließlich verdanken,
nämlich ded Kampfes ver Türken unter Hafidz Paſcha gegen
Mehmed Ai Pafcha von Aegypten und der Schlacht bei
Nizib, wie der Chesneyſchen Euphraterpenition, bie beide
am Buphratufer bei Bir ihren Mittelpunkt gewinnen. Nur die
nähere Kenntnißnahme ver Umſtände dieſer beiden Begebenheiten
gibt und den Maaßſtab zur Beurthellung vefien, was für einen
Fortſchritt der Geographie des Euphrat- und Tigrislan-
8
1004 Weſt⸗Aſien. II. Adtheilung. I. Abſchnin. 1.22.
des dadurch gefchehen iſt und geſchehen konnte; und nur varca
Bericht zu geben, ift Hier der Ort, denn die Würbigung der fram
giſchen, politifchen, Hiftorifchen Seiten derfelden bleibt andern Grs-
ten billigerweiſe überlaffen. Die Berichte der unbefangnen Ange
zeugen, die In dieſe Begebenheiten felb mit verwidelt waren, wer-
den hinreichen, und auf diefem Gebiete für umfre nächſten Zmed
hinreichend zu orientixen. i
1. Kriegtzuſtände am Euphrat, welche bis zum Jahr
1839 zur genauern geographiſchen KRenntniß ber mitt
lern Cuphratlandſchaften geführt Hatten, bis zum
Schlachttage von Nizib (23. Iumi 1839).
W. Ainsworth war von Malatia fünwärts zum Guphet,
im Iunt 1839 ; bis Beredſhik vorgebrungn, um von ver wi
Beiftand des türfifchen Paſcha feine Reife, im Auftrag ver Lonber
geographifcden Gefellfchaft, oſtwärts zu ven Neflorianern von Jule
merk und zum Urmia- See im hohen Kurviflan fortzujehen. Aber
die Kriegdzuftände nöthigten ihn, Hier länger, .ald ihm wünjdems
werth ‚fein Eonnte, zu verweilen, da der herannahende unvermeidſch
geworbne Kampf mit dem Aegyptier feinem Ausbruche ganz na
war, und die Bölfer im obern Euphrat⸗ und Tigrislande in der
größten Spannung erhielt. ‚Sicherheit Faunte ver Reiſende vamald
nur in ber unmittelbaren Nähe des commanpirenden Paſchas jinken;,
aber mit deilen Niederlage war auch der Reiſende .eine Beute des
verfolgenvden Feindes, oder der ſchon Jängfl zur Empörung berit
ſtehenden Kurven im ganzen Gebiete des Paſchaliks, und im vie
Schickſal wurde auch die britiſche Neifegefelichaft mit Hinabgezogen,
an deren Spige Ains worth fland. Die preußifchen Offiziere, wie
aus Obigem hinteichend bekaunt iſt, waren Überall die Gefährten
Hafisz Paſchas. | | '
Seine Zelte hatte Ainsworth, 29) von Berger und Samofat form:
mend, bei Biredſhik, picht der Stabt im Norden am Ufer ve
Euphrat in einem Garten unter dem Schatten großer Feigen- wu
Granatbäume aufgefchlagen, da, wo ber Strom eben and einem
engen Felsthale gegen Süpen zur Wetung bei der genannten Stadt
hervortritt. ine große Ebene vol weidender Heerden auf ben
Uferwicfen, von Inrfomanen gehütet, breitete ſich Hier vor bem
Auge aus; die Windungen des Stroms ſchwingen fich von Ser
uw, Kinaworh, Tran. and rer. ILL NUR,
Euphratſyſtem ; das Schlachtfeld zuMifib. 1005
weft ber um den Buß des Hohen Kalkfeld von Tel Balkıs, und
ſüdwärts von biefem, von ven Anhöhen bei Nizib auf dem Weſt⸗
ufer, wird der breiter gewerbne Strom hier gegen Südoſt herüber-
gedrängt, fo daß er die Marmorwälle und die weißen Ufertreppen
der Staͤdt Bir, an feinem Oftufer, befpülen muß. Gegen S. W.
am niedern, rechten Euphratufer. ſah man noch die braunen Erde
wäle um Port William, wie die Station genannt ward, wo
die eifernen Dampfbote der britifchen Expedition einige Jahre frü-
ber zufammengefügt und ausgerüftet wurden, und wo mehrere ber
dabei befchäftigten Europäer ihre Grabftätten gefunden hatten. Die
Stadt Bir erhob fich in maleriſchem Aufbau gegen Süd; gegen
Nord war der Blick weniger ausgedehnt, aber impofant durch vie
fharfen Umriſſe naher Hügel und Berge. und überhängenver Fels⸗
wände, auf deren zadigem Grat das Eaftell, gleich einem gehar⸗
nifchten Krieger, kühn gegen ven raſtlos durchraufchenden, noch im⸗
mer ungehemmten Strom vorfpringt. Nur ein Eleined Truppen⸗
corps hatte auf einer malerifch-vworfpringenven Halbinfel, am grü=
nen Abhange des rechten Zlußufers, fein Lager aufgeichlagen, als
Borpoften, denn erft viel weiter hinter den Anhöhen gegen Welt
war das große Lager der ganzen türfiichen Armee im Nerven bed
Thales, vom Kesrin (Kirfun Tfhai bei v. Moltke) auf dorti—⸗
gem Hügelboven bei Nizib concentrirt. Die Stadt Biredfpif
fland faft leer; die Bazare waren gefchloffen, die Verkäufer zum
Lager gezogen; dad Caſtell war zum Hofpital eingerichtet und Ha⸗
kims, d. i. europäiſche Doctoren, bebienten es. Nur ermattete Rei⸗
hen beladener Kameele, die aus weiter Ferne Proviant aus den
Magazinen Meſopotamiens: Reis, Korn, Gerſte und andre Lebens⸗
‚mittel, über ven Euphrat ind Lager herbei zu bringen beſtimmt wa⸗
ren, zogen bis zur Fähre am Euphrat. Hier fand fletö dad dich⸗
tefte Gedränge ftatt, weil alle Boote der Ueberfahrt in den Dienft
. 568 Pafıha genommen waren, um auch die Rinder, Schaafe und
anderes Scylachtvieh für die Armee, wie Pferbe, Kameele und un⸗
zählige tägliche Bedürfniſſe überzufchiifen. Glücklich ver Reiſende,
wenn es ihm gelang, nach einigen Stunden Wartend in einem ber
feäwer belavdenen Bahrboote, zwifchen dem Gedränge von Menfchen
und Vieh, bis an die Knöchel im Waſſer flehend, noch feine Stelle
und glüdliche Ueberfahrt zu erlangen.
Zwei Stunden in Weſt ver Ueberfahrt, auf Hügelboden, der
ſchon von dem Sonnenftrahl braun gehrannt war, zwifchen beſtaub⸗
ten Saat» und Kornfeldern, die frifh vom Halme zu Fourage ver»
⸗
1006 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 8.42,
ſchnitten ober verwüftet dalagen, an den Zugängen umlagert von
Gerippen gefallner Kameele und Pferde, die zwar von der Hitze ge⸗
pörrt, aber doch noch die Luft verpefteten, erhob fich das Lager wer
Türken und Hafldz Paſchas Zelte auf Höhen über den ande.
Noch Hatten außer einigen Scharmügeln Feine Feindſeligkeiten fe
gonnen; aber das ganze Land war in Aufregung, und wie ki
Gewitterfchwüle vie Zeichen des nahen Ausbruchs da. Den Er
raskier umgaben die europätfchen Offiziere. Preußen, Franzoſen
Staltener, auch die englifchen Reiſenden nahm er gaftlich auf, mb
nöthigte fie auf eine für fie freilich ſehr befchwerliche Weiſe ein
Baftzelt neben dem feinen zu beziehen, und fo Ihr Schidfal mit a
das der etwa 40,000 Mann?) Türken zu fchließen, die fchlagfertig
im verfchanzten Lager ſtanden. An ein Bortlommen für einzeim
Reiſende war, troß alles Derfuchend und Drängens, damals wi
zu denken. Die letzte Reihe ver Jahre Hatte den größten Einf
auf Die Zuflände des Euphratlandes und feiner Bewohner ange
übt, die Zukunft lag noch unentfchleiert vor, und felbft die Polil
der Pforte, ver Beichluß des commandirenden Seraskiers, dem nf
Iofen und drohenden Sultan von Aegypten gegenüber, war ein tie
fe8 Gehelmniß. Die Nieverlagen, welche die Türken 31) von biefen
ı vor foch8 Jahren In Syrien und Karamanien erlitten Hatten, warm
nicht vergeffen ; ven Verluſt fo fchöner Provinzen und die Herrſchaft
der Meccaftraße, als Beſchützer ver Gläubigen, Eonnte Sultan Re
, mub in Gonftantinopel nicht vergeſſen. Heroiſch gefinnt und me
thig entſchloſſen, war er zugleih dem Ehrgeiz und dem Patalitı
bingegeben, nur erfolgreich in dem, wad er perfönlich felbft unte
nahm, wie die gräßliche Vernichtung ber Janitſcharen, zaghaft in
dem, was er durch Andre vollbringen Iafien mußte. Den gegen
Mehmen Alt verlornen Ruhm Tuchte er fich wieder zu gewinnen,
durch ven Nizam Ofhedid, d. i. durch Bildung regulairer Trap
pen im Innern der aflatifchen Türkei, durch europäiſche Disciylin
und Dreffur, auf vie feit dem Tractat von Kutahia 1833, His 1839
mit nicht geringem Erfolge Hingearbeitet wurbe.
An Reſchid Paſcha's Stelle ward Kafisz Paſcha ver
Circaſſe (Iſherkeß), vol Tapferkeit und Geſchicklichkeit, geſtellt, wer
gegen die Aegypter zu Hoͤms und Konia gefochten hatte. Mit viel
Urtheil verband er Erfahrung, Enthuſiasmus für vie Sache feines
Seren, und damit Bildung und liberale Geſinnungen, wie vielleicht
880), Ainzworth L. e. I. p. 318. 22) ebend. I. p. 280-308.
rg:
g
Euphratfuftem; das Schlachtfeld zu Nifib. 1007
keiner feiner Vorgänger. Als Seradfer erhielt er dad Commando
über zwei große und mehrere kleine Paſchaliks, von Brufa bis
Erzerum und von ba wieber bis Moſul, Länperfireden von unge
meiner Auspehnung und Wichtigkeit, die den civiliſirten Guropäern
bis dahin faft unzugänglich und unbekannt geblieben waren, durch
ihn aber ihren Forſchungen gedffnet, ſeitdem und ſchon gegenwärtig
auch für geographifches Willen ganz neue Schätze bargeboten ha⸗
ben. Zuerſt nahm Hafisz Paſcha fein Hauptquartier zu Siwas,
dann aber mehr in dem Centrum der neu zu bildenden Macht, zu
Meſireh und Kharput, von wo er zugleich den Tigris und
Cuphrat beherrſchte, den Kurden drohend werden konnte, und bie
Ausbeute der ergiebigſten Metallgruben des Reichs, an Silber,
Kupfer und Eiſen, die ſeiner Inſpection untergeben waren, mehren
und unmittelbar zur Hebung ver Kriegomacht verwenden konnte.
Hier erbaute er, nahe feinem Sarai, bequeme Baraden für vie
Truppen, die bier von europätfchen Officieren dreſſirt wurden, hier
wurde eine Artillerie gefchaffen, die Milktärftraße zum Landtrand-
port von Samfum nach Kharpıst und weiter fühwärts fahrbar ge⸗
macht, Eifenhüttenwerke, Pulverfabriken, Felsſprengungen zur Schiffs
barmachung ded Cuphrat wurden Ind Werk gerichtet. Die ganz
verfallne Feſtung von Diyarbefr am Tigris, deren römifche Ar⸗
Hiteetur der Grundbauten bis heute in Verwundrung ſetzt, warb
wieder hergerichtet, und im Winter 1836 bis 37 war durch feine
unermüdete Thätigkeit feine Macht fehon auf ein Heer von 25,000
Mann regulärer und irregulärer Truppen mit 50 Kanonen geflie-
gen. In viefer Zeit fingen feine Kriege gegen die rebelliichen Kurs
den an, bie nur eine nothwendige, aber meiſt glüdliche Fortſetzung
früherer Derfuche anderer Paſchas gegen dieſes kriegeriſche Bolt
waren (in Rewandiz, |. Erbf. IX. S. 1026; Reſchid Paſchas gegen
den Bei von Jezireh, ebend. ©. 709 u. a). Nah Reſchid Pa⸗
ſchas Eroberung von Jezireh ben Omar hatten die dort von neuem
rebellivennen Kurden ven türfiichen Gouverneur in bie Enge getrie=
ben. Der Paſcha von Diyarbekr erhielt den Auftrag zur Däm-
pfung diefer Empörung. Aber bald waren vie Provifionen biefer
Stadt erſchoͤpft. Mirza Paſcha war mie 2 Regimentern in der
Heinen Stadt Marbin einquartirt; fen Druck empörte auch biefen
Difriet. Nun wurde vie Unterwerfung ver noch gefährlichen De»
finden in Sinjar (f. Erdk. X. ©. 749 u. f.) beſchloſſen. Ha⸗
fisz Paſcha ſelbſt flellte fi an die Spike der Banpitenjagb.
Die Sinjarli's wurden beflegt, die Weiber den Soldaten preisge⸗
⁊
1008 WeltsAfien. III. Abtheilung. L Abfchnitt.f. 22,
geben, die Männer wie Wild verfolgt. Krankheit zwang den Pa
ſcha, daB Lager zu verlafien, er ließ einen Mutſellim in Sinjar zu
rück, und ſtationirte feinen 2ieutnant Mirza Pafcha mit eins
Eleinen Commando nah Nifibin, er felbft zog ſich nach Diyarkeı
zurück. Der Berfuch, die einft jo berühmte Nifibin, die in ifem
Trümmern bis Heute ehrwürdige Stadt, wieder zu heben, wir
großartig geweien. Die dortigen Kurden waren unterjocht wie I
Sinjarlis, und ald Dr. Forbes von feiner Ercurfion aus Ginje,
im Herbſt 1838, über Niftbin 3?) zurüdkehrte, fand er an diem
Orte, wo früher nur einige elende Hütten gemwefen, fchon ein fi
Eaftel mit bequemem Palaft für ein Regiment Gavallerie um Ir
tillerie‘, und an hundert gute Wohnhäufer mit Bazar, von dam
Dutzend chriftlicher Handeldleute befebt u. |. m. Im Jahre ng .
der Schlacht von Nizib, mo Ainsworth (im I. 1840) via
Ort wiever paffirte, war faft.von alle dem keine Spur met.
Während Hafldz Pafchad Truppen im Süden des Tigril |
gegen Sinjar gezogen waren, brachen nun vie Kurden im Rorkes
des Tigris, an deſſen linken Zuflüffen, in Empörung aus. &%
ftanden im Wahn, vie Armee in Sinjar fei erfchlagen, weil fie Wei
gehofft Hatten. In demſelben Jahre brach Hafisz Paſcha mit ie
nem Heere zu biefer neuen beſchwerlichen Kampagne auf. Yu ven
Kriegözuge gegen Sinjar war ber Beiſtand der englifchen Oft
des Colonel Conſidine und Eapt. Campbell zu fpät gefomma;
in dieſem, ver exft zum Kurdenſchloß Sayd Bey Kalefii a
Nordoſt von Iezireh ging (im Mai 1838), und dann in ben we
deu Karfan Dag (f. ob. ©. 92; im Juni 1833), hatte er da
Beiftand des preußiichen Hauptmanns v. Moltfe, dem wir ie |
Iehrreichfie Schilderung 33) dieſer Erpebitionen verbaufen. E
Stamm ber Kurden nach dem andern wurde geſchwächt und ge
ſchlagen, wenn auch nicht ganz beflegt, und eine Bergfeſtt da
Kurden nach der andern in den wilden Duellgebieten ver eben
Tigriszuflüffe belagert und erobert, oder fie capitulirte. Der Baldı
fchrte mit Ruhm bevedt in fein Hauptlager zurüd, ohne Deshalb
diefe Kurdenſtämme eigentlich unterjotht zu haben; er Hatte fie zu
für jegt zurückgeſchreckt. Die Schlacht von Nizib befreite le wine
von diefer Obergewalt, und feitvem find Sinjarli wie Kurden mir
ber jo independent geworben, wie fle zuvor ed waren.
222) Fr. Forbes, Visit to the Sinjar Hills in 1938 etc. in Ju®
of G. Soc. of Lond. Vol. IX. P. III. p. 421. in) n. Nik,
Drieie o. d. OD. S. 256, 27: u. f- '
— —83
Euphratſyſtem; das Schlachtfeld zu Niſib. 1009
Hafisz Paſcha rückte nun dem Hauptfeinde näher; er ver
gte fein Hauptquartier nah Malatia, aus dem die Einwohner
uf Jahr und Tag nach Asbufi in die Sommerflation verbrängt
werben. Hier wurben neue Arbeiten zur Verſtärkung ber Artillerie
ud der Befchüge eingerichtet. Alle Kräfte des Landes wurden im
Infprucdh genommen; nie waren bie Landflraßen fo ficher für den
Reifenven;, als ımter Hafisz Paſchas Negiment ; ver Feldbau blühte,
ie Erzgruben gaben veichern Ertrag, die Bebürfniffe der Armee
urden im Lande unter feinen Augen felbft gearbeitet, die Induſtrie
ob fi; nur die Schube ver Solbaten murben aus Rußland, bie
opfbedeckung, ver Bez, aus ver großen Manufactur In Conſtanti⸗
opel eingeführt, fonft alles im Lande felbft gearbeitet.
Im Frühjahr und Sommer 1838 wurden neue Krlegözüge
egen die Aghjiak-Kurden In dem Gebirge am Tokma fu in W.
m Malatia (f. 06. &.849), wie gegen vie Kurven ber Cataracten⸗
ette des Tauruß, bie feit Langer Zeit bie unbefchränften Beherr⸗
ber dortiger Gebirgspaͤſſe geweſen waren, unternommen. Diefe
‚ürden für eine Arme In Syrien nur ver böfefte Feind im Rücken
blieben fein. Kur nak (f. 06.6.849), Berger und Kiachta
. 06. &.870 u. f.) und andere Feſten mußten unfchänlich gemacht
erden; Ihre Gebieter wichen vor ber Uebermacht In Ihre wilneften
ebirgöflippen des Taurus zurüd, wo fie fo unerreichbar blieben
te der Bewohner ihrer Hochgipfel, der einheimiſche Steinbod.
Nun begann die Noth in Malatia, bad von jeher hund
ine Ungefundheit befannt war; die heftigen Anfirengungen, bie
erbfzeit, die böfe Luft und was bamit zufammenbing (f. ob.
. 853), brachte viele Hunderte auf das Krankenlager und ins
rab. Die Anftrengungen und die Zurüflungen zum nicht. mehr
sauweichenden Kampfe nahmen im Winter und Frühjahr ned
. Nach Sultan Muhameds Willen follten die Aegyptier im
rühjahr angegriffen werben; er felbft fanbte noch zwei Regimenter
arden mit Kanonen und Munition und andere Hülfen, bie bes
eraslers Gerz erfreuten und mit Hoffnungen und Enthuflasuus
x die Sache des Sultans ber Gläubigen erfüllte. - Das Geheim⸗
6 wurde nun laut im ganzen türkifchen Heide, daß es auf einen
zuptfchlag in Syrien abgefehen ſei. Die Flotte bed Sultans war
; gleicher Beit gemachten an Zahl und Groͤße ver Schiffe, um ber
yptiſchen Flotte vie Spitze zu bieten; aber fie war ohne geübte
tatuofen, ohne Marineoffiziere, ein blos unnüges Prunkſchwert in
e: Sand des Megenten, In Kleinaften aber waren gugleich Izzet
Kitter CErdkunde X. ei
1010 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 42.
Wafchazu Angora und Hadji Ali Pafcha zu Konia mi
dem europäifchen Grerdtium ihrer Truppen befchäftigt ; Die Recruten-
aushebungen waren nicht mehr wie zuvor anf einzelne Broxiaya
wie Diyarbekr und Siwas, fondern bi8 Smyraa und Boli ande
dehnt. Jeder ver Paſchas war thätig für fih. Auch Ali Baia
zu Bagdad hatte weite Pläne, aber init ſchlechtem Erfolge; er m
zichtete Barracken in Arbil und Kerfuf (Erdk. IX. &.552, 691)
Suliman Paſcha von Sulimaniyah (Erb. IX. ©. 56)
hatte nur wenige Truppen zufammengebracht, bie ven übrigen de:
. verleibt werben Tonnten. Der fogenannte Paſcha von Amadie
(rot. IX. ©. 719) war vergeblih zur Einftellung feines Genie
gentes eingelaben. Der Paſcha von Moful bradjte 3000 Ras
— a
Truppen und einen Artillerie Park zuſammen; er errichtete dar
raden. Doch kamen biefe Truppen des äußerſten Oftens damals, im
. Sommer 1839, nicht mit zum Kampf gegen Ibrahim Paſcha. Be
der von Frankreich noch England oder Rußland war ein Beil
im türfifchen Heere, obwol ber Rath ver europäiſchen Höfe li |
ausblieh. Die gebotne Hülfe einiger engliſchen Officiere ſell we
nachläffigt worben fein. Die Dfficiere. des neutralen Bresßenh,
v.Moltkte, v. Mühlbach und Laue, hatten großes Bertraum u
Einfluß ale Milttärs im Loger zu Malatia gewonnen. v. Kiffer
diente dem Paſcha von Konia und verfchanzte Die Gingänge berä
die ciliciſchen Päfle, v. Binde befefligte Angora und organ
Die Truppen Izzet Paſchas. Ihren forgfamen Beobachtungen v
verdienſtlichen geographifchen Arbeiten und Sammlungen aus vieſa
hochſt bewegten Zeit, während ber größten Anftrengungen bei er
amtlichen Gtellung, bat vie Wiffenfchaft einen großen Edi -
pofitiver Daten zu verdanken, ber vie bisherige Geograpfe b
ihrer Kenntniß der Levante, und zumal eined großen Iheils we
Syrien, Klein Aſien und dem Euphrat und Tigridlande, and in
bitterſten Armuth und grenzenlofeften Verwirrung gerettet bat, al
ber ohne. ihre Ergebniffe fi) herauszuwinden, zur Zelt noch unnip |
lich geweſen fein würbe. Und hiermit ſei viefen, einft zum Id
meinen ſehr werthen Schülern, nun meinen verehrteften Sremhe '
mein innigſter Dank vargebracht, für viefe feltnen wiſſenſchafitte
Zeiſtungen an fich, wie für die edle Anſpruchsloſigkeit, weit ber bie
ſelben mir geflattet haben, davon Öffentlich , zum Beden vw
ſenſchaft, Gebrauch zu machen.
:Ba8 fie damals als mangelhaft einfahen, Hat. ——— |
volshjehel
un Releate : er mit ihnen befreundet am Gupfrut
Euphratiuftem; das Schlachtfeld zu Nifib. 1011
zufammentraf, ausgefprochen. 9). Es war der Mangel des Zus
fammenwirkens ver Kräfte; ſchon im‘Princip des Commandos Tagen
die größten Hinderniſſe des beginnenden Feldzugs. Izzet Pafcha
konnte nicht vergeiien, daß Hafisz Paſcha ein junger Parvenü und
Günfling des Großſultans war; ver alte Hadjl Uli Paſcha hielt
fi, dem alten Syſteme getreu, für einen unfehlbaren Osmanli; die
Jalouſie hinderte jene Cooperation, die preußiſchen Officiere drangen
auf Einkeit des Commando's In allen großen Operationen. Die
: Madt des Gegners war keineswegs in gleichen Grabe gewachfen,
ı im Gegentheil, Ibrahim Paſchas Partei war fo herabgefommen,
s daß ihm, wie Ainsworth an Ort und Stelle erkundet zu haben
verſichert, keine 3000 Dann übrig blieben, fie gegen bie 15000 Manıt
Hadji Alis, welche die cilieifchen Päſſe beſetzt Hatten, zu ſtellen.
Und außer ven Truppen waren bie Bergvölker daſelbſt, wenn vie
türfifchen Truppen nur einigermaßen glüdlich zum Schlage vor⸗
rüden würden, zu einem allgemeinen Uufftande gegen die Aegyptier
in Bereitfchaft. Aber Izzet Paſcha blieb paſſiver Zufchauer bei vet
ganzen Begebenheit. Damaskus und Aleppo follen bereit ge⸗
weien fein, fi) der Sache des Großfultand anzufchließen, weni
Ibrahim Paſcha mit feinen Argyptiern ihnen nicht auf dem Naden
gefeflen.
Unter viefen Berhältniffen war im Brühjahr 1839 bei Hafisz Pa-
ſcha in Malatia der Uebergang der ganzen türfifchen Armee über
Den Taurus nad) Syrien befchloffen. Wie und auf welchen Wegen
dieſer bewerkftelligt wurbe, haben wir oben geſehen. Die Schnee⸗
maffen waren wegzufchaufeln, bie Felſen zu fprengen, die Wege zu
bahnen, vie Flooße zu bauen, um Mannfchaft, Neiterel, Artlilerie
und Kriegögeräth auf ven verfchiedenften Wegen glüdlih na Bir
an den Cuphrat zu bringen. Der Bereinspunct war am breiten,
- iefigen, trocknen, jedoch ebenern, offenen Uferſtrich des alten Zeugma,
Biredfſhik gegenüber. Täglich rückten neue, auf ben Märfchen
ermattete Truppentheile ein, aber vol Hoffnungen naher Siege.
Der Euphrat als Transportfirom, wie die Landkatawanen, führten
reichlichen Proviant herbei. Die Verſchanzungen, weldhe bie preußi⸗
ſchen Artilleriſten umher auf ven Höhen aufwarfen, der zuſammen⸗
haltende Lauf des Stromes ſelbſt, im Rücken der Armee, gaben der
Poſltion die groͤßte Sicherheit, und die Fronte gegen die Seite des
Feindes konnte eine ‚vroßende Gulang gewinnen, Aber ver Eus
—
6) Ainsworthi 1.0. I. p- 200. 0
Sa
\
1012 Weſt-⸗Afien. M. Abtbeilung. J. Abſchain. (2.
phrat, Hier tief mit gefahrvollen Sandtrieben, forderte wie Is
fchenleben, denn vie Tageshige verlocte zum täglichen Bar. Vai
fortwährenvde Ertrinfen fo vieler Mannſchaft veranlaßte den Pallı,
gegen den Math der Europäer die vortrefflidhe und verfchungte Su
lung aufgebend, zur Verlegung des Lagers in größer: weiik
Kerne vom Strom, mo das nächfte, doch unentbehrliche Wall a
Bade Kesrin (Karzin bei Rouffeau, Kirfun Tſhai I
v. Moltke) die Aufichlagung der Zelte auf den Höhen von Rijit
(Nezeb dei Rouſſeau) herbeiführte. Hier nun fingen vie fin
Seinpfeligleiten und Scharmügel an, bie bei veränderter Lagafek |
dem Feinde zur leichten Umgehung ver türfifchen Armee vn ie
zeigten, und bei der Unentfähloffenheit des Serasters in ver Die |
fioe, wie bei feinem militärifchen Ehrgeize, dem Feinde gegenite |
ſelbſt den Schein eines felgen Rüdzugs in feine frühere geſchen
Pofition zu vermeiden, in der plöglich ſich entwickelnden Schlett p
unvermeldlichem Verderben führen mußte. 39) |
Schon am Mittage des erſten Schlachttages (23. Iumi 189)
war Alles entfchleven, das ganze noch übrig geblichne Türke
auf der Flucht nach Cllicien und Melitene, mit ihnen die Gurepan
und — daber bier die Brenze der geographiſchen Bat
achtung und des dort kaum erfi begonnenen landſchaftlichen Etw
diums. Denn daß ſeitdem vie Unficherheit und vie alten Bam
zungen des Orients, mit allen den Gemnrungen zum Serie
wiffenfchaftlicher Erkenntniß, und zumal in Syrien von menu hr
vortraten, iſt befannt und hier nicht weiter im Einzelnen nadge
weifen.
2) Die Schiffbarkeit des Euphrat von Bir abwärts,
und bie Dampffaiffahrt-Erpedition auf dieſem Gtrom
durch Golonel Er. Chesney (1834 bis 1837).
Set dem Sabre 1829 %) war man im India Board d
Control mit dem Gedanken einer Dampficiffahrtönerhindung m
fehen England und feinem oſtindiſchen Colonielande befchäftigt; ie
unesmübete edle I. Prinfep 3%) in Galcutta hatte 1824 we ak
».°) >) Auer e. I. p. 385. 50) Reports on the zerig-
se. im Quarteriy review. Lenden, 1058
ar 2 AR 212 — 1)G. A. Prinsep an aceonni dl
Euphratfyftem; die Euphrat:Dampfichiffahrt. 1013
"Anregung dazu gegeben; ; aber die Koften fchienen ungeheuer zu
fein. Zwei Projecte, die Verbindung über das rothe Meer und
auf ver Stromlinie des Euphrat, führten ſeitdem zur genaues
fen Erforſchung ihrer Gegenſtände, und ihre Refultate find nicht
blos für den Völkerverkehr, ſondern auch für vie geographiſche
MWiffenfchaft ungemein erfprießlich geworben. Unter den Männern,
welche für die Realiſirung dieſer Projerte, zumal für bie Inſtand⸗
fegung des letztern, am thätigften mitgewirkt haben, ſteht Gelonel
Francis Chesney von der Artillerie oben an, und mit feinen
Arbeiten beginnt für das Stromſyſtem des Euphrat eine
neue Geſchichte. Ungeachtet die literariſchen Reſultate feiner
großartigen Unternehmungen, in Auftrag feines Gouvernements, bis
jet noch nicht öffentlich erſcheinen konnten, fo find wir doch durch
die perfönliche Freundſchaft und die uneigennügigfte Mittheilung
ber Handſchriften und Rartenzeichnungen dieſes außgezeichneten Dan-
ned, den wir deshalb in feiner irländiſchen Heimath auffuchten, in
Stand gefegt, vie wefentliche Frucht feiner Unterſuchungen ſchon im
unfre gegenwärtige Arbeit mit aufzunehmen, vie burch biefelbe erſt
ihren pofitiven Werth gewinnen konnte, durch welchen fie, wie wis
hoffen, die geographiſche Wiſſenſchaft wahrhaft zu bereichern im
Stande if.
Noch einmal Hier an diefer Stelle dieſem fiebenswürbigen, um
eine fo wichtige Angelegenheit für den ganzen Orient hochverdienten
Manne unfern innigften Dank öffentlich auszufprechen, halten wis
für unfre heilige Pflicht.
Die wichtigften Ihatfachen über ven Euphrat, noch che bie
Dampfſchiffahrt Ins Werk gerichtet werben konnte, hatte Gol. Ches⸗
ney auf feinen viermal wieberholten Reiſen nach Indien gefam«
melt, auf denen ex immer andre Wege zus Erforſchung feines
Hauptgegenflandes verfolgte: einmal über die Donau abwärts durch
die Türkei, über Trapezunt zum Cuphrat, die von Sullivan einſt
vorgefchlagne Route; das zweitemal über Maltfa und Conſtan⸗
tinopel eben dahin; daB brittemal über Aegypten, Sue und
Goffeir nah Indien; das viertemal über Beirut und Damaskus
zum Euphrat. Dies Icktemal, im Jahr 1831, kam ex feinem
Ziele am nächften: denn es gelang ihm von EI Kaim (oberhalb
Anah), bis wohin er mit der Lanblarawane von Damaskus
vordrang, ?°) nun den prachtvollen Strom felbft abwärts zu bes
3°) Report from the Select Committee on Steam Navigation to
1014 Weſt⸗Aſien. M. Abtheilung. I. Abſchnin. . .
ſchiffen. Obwol krank forderte er die Araber In Anah auf, ie
ein Flooß zu bauen, auf dem er ſich mit einem Diener, cm
Dolmetfcher und drei Arabern einfchiifte, den JInſtructionen wi
Generalconfuld Cartwright folgend. Er nahm ein Tiefenmach von
10 F. an, und funbirte die feichtern Stellen des Wluplaufes mit
dem Senkblei in der Hand.
Am 5. Tage erreichte er Hit, mo er das Flooß mit cum
Boot aus Flechtwerk, mit Naphtha überzogen (f. ob. ©. 7), va⸗
taufchte. Mit viefen erreichte er in weniger als 5 Tagen den Ge
fen von Bagdad, Feluja (|. ob S. 16, 20, 148, 203, 219 u.f.w.),
im SIanuar 1831. In Bagdad traf er den Major Tahylor,
Mefivent ver oſtindiſchen Eompagnie, der ven Auftrag hatte, We
Eupbrataufnahme von Mr. Ormsby und Elliot beforgen p
laſſen. Chesney feßte feine Aufnahme auch fort, und burchfdhiiie
den bis dahin fehr unbefannt gebliebenen Stromlauf von Kelute
(prich Feludſh) abwärts #8 Hilla. Kein einziger europälige
Reiſender älterer oder neuerer Zeit fcheint dieſe Fahrt gemacht zu
haben; denn in frühern Zeiten hielten vie Flußreiſenden fleis zu
Feluje fr, Freugten über Land nach Bagdad, und fegten dann ik
Mafferreife den Tigris abwärts weiter fort. Die bls dahin ge
machte Kartenaufnahme des Euphratſtroms ließ Cheöney in Bee
bad Heim Neftventen für das Gouvernement zuräl. Bon Hill
aus erhielt er einen Fleinen Schoner, mit dem er abwärts durch dk
LemluneMarfhen bis Bafjora und durch die Euphratmins
bung nach wem perfiichen Hafen von Abuſhir fuhr. Don da wur
bie Rüdrelfe durch Perften nah Trapezunt gemacht, dann über
den Taurus nah Aleppo und Bir wicer an den obern Er⸗
phrat. An viefem reiſete Cheaney aufwärts, eine gute Strece
über Samofat, dann nad Orfa und wieder zum Euphrat
zurüd, um auch viefen mittleren Lauf, abwärts ſchiffend bis @
Katm, zu fundiren. Aber da er in Orfa für einen verbächtign
Spion Mehmed Alis gehalten wurde, fo mußte er feinen Plan bi
Bir aufgeben, und er Iernte die Strecke des Cuphratthales von Bir
bis EI Kaim viesmal nicht kennen, die er nur auf em
40 geograph. Meilen ſchätzte, während er die von El Kaim ii
zur Mündung auf 192 geograph. Meilen (962 Bil. engl.) meh
und berechnete. Zwei Drittheile des Jahrs hielt ex ven Caphret
rei etc. ‚Ordered by the House of Commons. etc. 14 Jaly.
5
Euphratſyſtem; deſſen Schiffbarleit. 4015
überhaupt ſchiffbar, 4 Monate aber nur für ſeichte Fahrzeugs.
Das Reſultat dieſer erſten Euphrataufnahme war die Ermittlung
einer durchgängigen Sciffbarkeit des Stromes für. alle
Zelt abwärts Hit; ”) ja für ein großes Dampfichiff auch noch
17 geogr. Meil. (84 Mil. engl.) aufwärts üper Hit gegen RW.
bis zur Infel EI US, fo daß ſich während 12 Monat im Jahre
eine Strede von dem Perfergolf bis EI US, 157 geogr. Meil.
(786 Mil. engl.), volfommen offene Schiffahrt darbietet. Bon
EI Us über Anah bis EI Kalim aufwärts bleibt daher noch
. eine Blußftrede von 35 geogr. Meil. (176 Mi. engl.) und viele
zeigte fich als diejenige, innerhalb welcher alle eigentlichen
Hemmungen einer Cuphratbeſchiffung liegen, vie aber
doch auch nur während „ver vier Monate feichten Waſſerſtandes
als folche ericheinen. Die fpeciellen Stromverhältniſſe viefer Cu⸗
phratſtrecke wernen wir weiter unten, bei feinem Laufe an Anah
worüber, näher beleuchten. Hier bleiben wir nur bei dem Laufe im
obern Mefopotamien auf der ſyriſch⸗arabiſchen Grenze
oberhalb EI Kaim flehen.
Ueber diefen obern Lauf zwilchen EI Kaim und Dir aufe
wärt® war nichts durch eigne AUnfchauung gewonnen, man konnte
nur ven Ausjagen esfahrner Araber 40 vertraum, unb auf bie
Daten der Gedichte zurüdgeben.
Hiernach erfuhr Chesney, daß auf diefer Strecke von beiläufig
26 geogr. Meil. (130 MU. engl.) der Strom. zwar auch befchifft
werde; daß man aber 9 Audnahmen von der regulären Tiefe
des Stroms bezeichne, von denen 2, 6, 7, 8 und Ifogenannte Kan
meelfurten find, mit Icjen Blöden beftreut, an welchen Stellen
Kameele ver Araber Hei niederm Waſſerſtande hindurchzuſetzen im
Stande find, die 4 oder 5 andern aber Klippen haben. Jedoch nur
eine derfſelben ſchien eine ernſtliche Hemmung zu fein, bei der man
pie einheimifchen beladenen Schifferboote bis auf 3 Fuß Waflertiefe
von ihrer Ladung zu erleächtern pflegte, um fie pafliven zu koͤnnen.
Solche Schifferboote, roh conſtruirt, 40 %. lang, 12 %. breit, mit.
flachem Boden, nur 4 F. tief gehend, follten zu allen Jahrözeiten
zwiſchen Anah aufwärts bis zum Caſtell Jaber (ſ. ob. &.14,241)
im Gebrauch fein. Ehedney ſchloß Hieraus auf vie mögliche Be⸗
ſchiffung auch viefer oben Euphratſtrecke, zumal da er in Erfah⸗
)0.0D. S. 16. «0) Report I. c. p. 1.
1016 Wefb-Mfien. HIT. Abtheilung. I. Abſchein ur.
zung brachte, daß es noch bis vor 15 Jahren vom Grim vi
Großfultans Herfömmlich geweien, wiederholt von Bir aus fie
res Beichät, wie Kanonen mit Ammunition umd anbern Kriegig
zäh, zu Wafler auf dem Cuphrat im Novembermonate, ehm p
leichtern, zur Vertheidigung bis Bagdad abwärts zu fenden. De
Beweiſe ver Schiffbarkeit des obern Euphrat, von der Gray
"ver Armenier abwärts, fangen mit Gerodots befaunier Eräflug
(f. ob. ©. 7) an; obwol Zenophon berfelben bei Dem Heercäug
Cyrus des Jüngern gar nicht erwähnt (f. 06. ©. 22), fo Geha
fie doch gleichzeitig, wie wir aus Diodor (Bibl. XIV. 81) wifa,
der unter dem PBerferfönig Artarerred (im I. 393 v. Chr. &6)
den Admiral ver Perferflotte, Konon, auf feiner Eilbotſchaft nah
Babylon von Thapſacus aus abwärts den Gupbrat befdife
läßt. Diefe Schiffahrt war, nach dem was ſchon oben ans Ir
buchadnezars Zeiten angeführt IR (f. ob. S. 49 51), höchſt wa
ſcheinlich ſchon 600 Jahr vor Chr. ©. im Gange, und Alcemıet
großartige Pläne des Eupbratfleitenbaues zu Iihapfacus (f. oben
©. 37) follten nur von neuem beleben, was ſchon früher im Gen
geweien.
Aus ven Zeiten ver Seleuciden haben wir, bei den wenig
überliefesten hiſtoriſchen Daten aus jener Zeit, auch nichts erhebliche
über die Euphratfchiffahrt erfahren. Die Feldherrn der Nömer, wie
Irajan und Sultan, erbauten aus den Wäldern von Riibe
und am Chaboras Aransporiflotten für ihre Seere, mit venen fr
ven Cuphrat, wie ven Tigris, wenigſtens von dem genannie
Chaboras an abwärts fchifften (f. oben Seite 119, 120, 138,
139). Iulian lieh aber einen Theil feiner Schiffe für ven Eupbest,
nach 3. Malalae Chronic 1. c. (f. 06. 6.139), auch weiter eben
Halb zu Samofata bauen, wo «8 nach Malalas Angabe theils Help
barken aus den Wäldern des Taurus, theild Kelleks oder Fische
auf Scihläuchen geweien feien, wie fle feit ältefter Zeit bei Armenien
in Gebrauch geweien zu fein fcheinen. Die Berfer find überhaupt
nie Schiffervolk geweſen; daher wol auch vie Gaffanisen is
ihren Kriegszügen wider die Kalfer von Byzanz ſelten Gebzunh
von der Cuphratſchiffahrt gemacht zu haben jcheinen. ine nad»
weißbare Nachricht von einigermanßen fortvauernder Beſchif⸗
fung des obern mejopotamifchen Guphratlaufes, von Bir an ab
warts, finden wir erfl in ven Berichten ver Handelsreiſenden bei
16. und 17. Jahrhunderts. Das erfte uns in viefer Sluſicht be
kannt geiarune Data IR Me Neciricht des venetlanifchen Ham
“un
— *
— _ Tr
Euphratſyſtem; aͤlteſfte Euphratbeſchiffung. 1017
delomannes Caeſaro Federlgo ) vom Jahr 1663, welcher von
Aleppo aus zu ſeiner Zeit bis Bir vordrang. In dieſer kleinen
Stadt, ſagt er, theilten fi damals vie Karawanen ber Kaufleute
je nach dem Bange ihrer Sefchäfte im verſchiedene Wege. Die ei⸗
nen pflegten bier ſich Fluß bo ote zu miethen oder zu Taufen, und
nit Capitaln und Gteuerleuten zu bemannen, um ihre Waaren
ven Cuphrat abwärts bis Babylon, d. i. Bagdad, zu führen.
Solche Fahrzeuge, flach gebaut, aber doch fehr ſtark, pflegten nur
für eine Fahrt benupt ‚werben zu können. Der Fluß fei an vie
Im Stellen feicht, vol großer. Steine, welche die Fahrt fehr hin⸗
derten, die aber doch bis Feluch ia (Feluja) gebe.
Don diefem Orte ſei es unmöglich, die Schiffe wieder ſtromauf⸗
wärts zurüdzubringen. - Die Kaufleute brechen fie daher zu Feluja
in Stüde und verlaufen diefe für ein Geringe. In Bir koſtet
ein ſolches Fahrzeug 40 bis 50 Zechinen (chickens); in Feluja er-
Halten fie für das Wrad nur 7 bis 8 zurüd. Denn die von Bags
dad zurüdfchrenden Kaufleute pflegen, wenn fie Waaren mit fi
führten, vie fle zu verzollen Hatten, Ihren Müdweg 40 Tage lang
dur die Wüfte, die arabiſche nämlich, am rechten Eupbratufer
aufwärts zu nehmen, weil die Dienge diefer Waaren heimmwärts
immer viel geringer ſei, fagt Federigo, ald hinwärts. Ohne zoll⸗
bare Wanre gehe ihr Nüdweg über Moful am Tigris, mohin
man feine Waaren wegen der zu fihweren Zölle mit fich nehme.
Die Schiffahrt von Bir abwärts, bei vollem Wafler des Cuphrat⸗
lege man in 15 bis 18 Tagen nach Feluja zurüd; wenn «8 aber
nicht gesegnet habe, bei feichtem und trübem Strome, könne man
40 bis 50 Tage darauf verwenden. Denn dann fließen die Fluß⸗
barken auch wol öfter auf pie Steine, und man fel dann zum Um⸗
laden der Waare gemdthigt: Daher fei es rathfam, nie in einem
einfamen Schiffe allein die Reiſe zurüdzulegen, ſondern in Geſell⸗
ſchaft mit zweien ober dreien, um einem Unglücke des JZerberſtens
zu entgehen. Ziehe man das geborfiene Schiff mit ven Waaren
an daß lifer, fo fei es ſchwer, dieſelben in der Macht gegen ven
Andrang arabiſcher Räuber zu vertheidigen, vie in Menge wie bie
Ameifen berbeiftrömten, und zwar nicht töbteten, aber alles aus⸗
*ı) The voyages and travels of M. Caesar Frederioke, merchant
of Veniee, into the East Indias etc., transl. from the Ital. by
Thom Hickocke, printed Lond. 1598; und in Asiatick Miscel-
lany Vol. I. 4. pag. 157; f. auch Hakluyt, Collect. New edit.
Lond. 1810..4. Vol. II. p. 899.
1018 Weſt-diſien. TIL Abtheilung. L Abſchain. {.22.
plũnderten. Doch fuͤrchteten fie damals noch bas die Schüſſe der
Arkebuſen. An manchen Stellen gebe es zwiſchen Bir und Feluj⸗
auch Zollpoſten, wo man gewiſſe Abgaben für den Ballen Ban
zu entrichten habe, welche dem Sohne des arabifchen Könige, Abe
zife, angehöre, der die Herrichaft über gewiſſe Städte und Dir
am Euphrat befige.. Bon Feluje, fagt verfelbe, würden vie Bar
ren nac Bagdad umgeladen, das von da an nur anveribalb Zug
reifen entfernt liege.
Diefer fehr verflindliche Bericht des Venezianers wird wurd
den unmittelbar auf ihn folgennen deutſchen Reiſenden aus Ri
berg, den Dr. medic. Leonh. Raumolffen, beftätigt, der ud
feine Schiffahrt von Dir abwärts bis Rakka im Herbſt 1574 af
folgende Weife ſchildert und dadurch bis in Die Gegend bes ale
Thapſacus für feine. Zeit einheimifch macht.
Am 15. Auguft des genannten Jahres ſchlug er, von Alcyys
in Bir angelangt, vafelbft fein Zelt. *?) auf, um mit feinen Ra
gefäbrten eine Barle aus Armenien abzuwarten, vie ihn nal
Babylonien führen ſollte. Bir's Lage am Taurus verglidt a
mit der Lage von Tripolis am Libanon oder ber. von Laufaum ia
der Nähe der Alpen; nicht groß fei ver Ort, aber mit feſtem Shleh,
fruchtbaren, mit @etreive bebauten Feldern umher, und vielem Bid
Im Gebirgslande. Der Cuphrat, wol eine Viertelmeile breit, fa ja
tief, um eine Brücke binüser zu fchlagen; Doch fein Lauf mil
Rast, daher gut zu beichiffen, und. jelbft wenn er breiter übergeiw
ten fei, gut zu überfepen. Sein Wafler fei immer trübe, weshalb
nicht zu trinken, bis es fich gefegt babe; es nähre treffliche Fk
zumal die @elrigi, eine Art Karpfen, nur größer und länger, jr
weilen bis 16 und 18 Pfund ſchwer, vortrefflich zur Speife Ih
farbige Weihen näherten ſich an feinen Ufern zutraulich dem Ras
fchen, auch an Aas freffenden Geiern von der Art, vie Polens
Gyani Rhasis und Rachame nenne, fehle es nicht. Nach Jangen
Berzug kamen endlich etliche Schiffe von oben herab, darunter auf
das für ihn beflimmte, dad Rauwolff fogleich wit feinen und fr
ner Gefährten Waaren beladen ließ. Ex brachte Gihbeben, As⸗
gurien, Knoblauch, Zwiebeln, Mehl, Reis um Hoss
als Neifeproviant ein; noch andere reifende Kaufleute, auch Aürken
Soldaten, Juden, fanden ſich auf dem Schiffe ein, die Fahrt mi
2) 2, Rauwolffen, Dr. med., regt ber — Ai Auigıns
in die Morgenlänver. Franff. 2. M. 1582,
* “
— — — —
uavr mw"
5
N
Euphratſyſtem; Rauwolffen Cuphratbefchiffung. 1019
‚zu machen. Noch 2 andere Flußbarken, von denen bie eine einem
Türken gehörte und Getreide für Bagdad an Borb nahm, fegelten
na 1Ttägigem Aufenthalt mit ihm zugleich von Bir ab, am 30.
Auguſt des genannten Jahres. Am Abend, nachdem man chen erfl
3 Meilen zurüdgelegt, rannten ſchon zwei ver Schiffe in feichtm
Armen feft, die erft wieder loszubringen waren, ehe man noch eine
Meile weiter abwärts bei dem Markte Caffra vor. Anker gehen
Eonnte. Am zweiten Tage verließ man mehr die Uferberge und
kam in offnere Wüſte, wo ber Euphrat ſich öfter in Urne aus⸗
breitet (wol abwärts Diherablus), fo daß die Schiffer nur ſchwer⸗
lich dem rechten Fahrweg auszufinden wußten. Wirklich blieb das
eine Schiff auch’ auf dem Strande figen, das zweite wurde von
dem dritten Schiffe eingeftoßen, und auch dieſes rannte auf eine
Sandbank. Zwar wurde bald alles wieder flott, aber vie naß ges
wordenen Waaren mußten zum Trocknen an das Ufer gebracht wer⸗
den, wo fogleich Hinter dem verbergenden Tamariskengeſträuch am
Ufer Hin ſich eine Menge arabifcher Räuber zu Fuß und zu Roß
einfanden. Nach einer Verſäumniß von einigen Tagen Eonnte nıan
endlich am Mittage des 3. Septembers weiter fehiffen. Dan kam
an einem Eleinen Orte vorbei; fonft zeigte das Ufer nur Gefträudy,
Darin etwas Wild, zumal wilde Schweine, fich fehen ließen.
Am 4. September brachte eine glückliche Fahrt zu dem feften
Scäloffe Galentza (vielleicht das Kalaat on nepfhm?, f. oben
S. 949), dieſſeit des Fluſſes auf einem hohen Berge liegend, vor⸗
dem einem Könige Arabiä gehörig, darin er gegen ven türkiſchen
Kalfer Stand gehalten. Uber dennoch, nach Tanger Belagerung, er=
oberte diefer dies Schloß im I. 1570 (wahrfcheinlich während Se»
lim U. Kriegdzug gegen Arabien), und machte den Fürſtenſohn
zum Gefangenen. Starke Mauern umgaben dad Schloß, dad im
Innern noch einen großen, hohen Thurm zeigte, der feft, aber verd⸗
det und von drei Seiten in Ruinen zerfallen war. AS man am
Abend an einer Injel des Euphrat vor Unter ging, wurde man
dennoch in der Nacht durch die Araber beunruhigt.
Am 5. Sopt. zeigten ſich viele Araber mit Reiterei am Fluß⸗
ufer, in deſſen Nähe man ein Lager vermutbete. Der Sohn des
Königs, in Schanfpelze gefleivet, mit weißen Turban, auf ſchoͤnem
Rappen einhertrabenn, forderte am Mittag Zoll von den Schiffen ein.
Am 6. Sept. ging es weiter, durch Wüſte voll wilder Schweine
im Ufergehölz, das Bis zum Abend anbielt, wo man den Bleden
mit dem Schloß Kala (wol Balls, f. ob. S. 10) am rechten Ufer
1020 Weft-Afien. TIL Abtheilung. I. Abſchaitt. $.42,
erreichte. Man war bier nicht weiter. als 2 Tagereiſen von be
Ebene Aleppos entfernt, ein Beweis, bemerft Rau wolff, ve
großen Krümmen des bisherigen Flußlaufes. Als Beſther vice
Schloſſes führt er einen fehr reichen Paſcha, Johann Rolamit (}),
an, ber auch eine fchöne Behaufung zu Aleppo und 60 Söhne hat,
die 6 bis 7 Sanvfchalate befäßen, und zum Theil am Hofe ii
Sultans lebten.
Unterhalb des Schloffes blieb man auch den ganzen folgenite
Tag der Schiffahrt, am 7. Sept., in Wilpniffen, und ſah m
Ufer nur hie und da einzelne Hütten, auf Pfähle geftügt, mittuk
bedachung, aber dabei viele Kinder; die Weiber brachten oft Mid
inmn Golzſchüfſſeln zum Verkauf auf das Echiff, die man mit Bilerit
genoß, over in Beuteln an das Schiff gehängt zu dicker Milk i
Käfe werden lleß, um fle nach Landesart mit Zwiebeln zu verfpe
fin. Die Tamaristenbäume ragten zwar bier und da hoch ike
das nievere Ufergefträuch Gervor, darunter Rhamnus und res;
doch erreichten auch fie, wie Rauwolff fagt, nur bie Höfe ve
ſcher Pflaumen» und Weichfelbäume; ihr zarte® Laub und purpe»
farbene Zäpflein unterfchteven fie von allem andern Gewäct. Dr
Moren Reichthum am Ufer befland in Viehherden, zumal an Go
fen und Karheelen, vie ihnen auch Nahrung gaben, fonft warm ſe
arın; Fiſche gab der Fluß, aber an Brot litten fie großen Rand
Am Abend dieſes Tages fchiffte man an der Veſtung Jaber we
über, auch einem Könige ver Araber, worunter Rauwolff ftets cam
Emir verfichen mag, gehörig, die ihm ziemlich groß zu fein fin,
mit Ringmauern und vielen Thürmen verfehen, ähnlich wie ep 3
Aleppo. Auch dieſe Nacht zog man wieder eine Infel im Fluß
Anterflation vor, um vor nächtlichen Ueberfällen gefichert zu In
und zündete Tein Kochfeuer an, um Teine Diebe herbeizuloden.
Bei der naͤchſten Tagfahrt, am 8. Sept. kamen viele ver U
anwohner zum Schiffe herangeſchwommen, und waren frob, wu
fie mit einem Stück Brot beſchenkt wurden; ſobald fie das went
Hatten, fprangen fle über Bord und ſchwammen zum Ufer zurbl;
auch ſetzten gar manche auf aufgeblafenen Schaaffchläuden ie
den Strom. Am 9. Sept. ſtieß die Barke noch einmal auf fü
ten Grund, wurde aber mit Hülfe herbeigerufener Araber durch Er
leichterung an Waaren wieber flott gemacht, und fo gelangie mu
am Abend des zehnten Tages der Schiifahrt “i olüdiih gem
nach Rakka, der Türkenftabt.
Ta. u www
—
—
Euphratſyſtem; aͤltere Euphratbeſchiffung. 1024
Ganz vergleiche Schiffahrten Hat der Venetianer &.Balbi®)
befchrieben, der von Bir im December des Jahres 1580 bis Feluja
ſchiffte; eben fo die Londner Kaufleute, Ralph Fitch,“) J. New⸗
berrie und Eldred, *) die im Jahre 1583 diefelbe Stromfahrt
von Bir bis Feluja unter ganz gleichen Umſtänden zurüdlegten,
um von da dad Emporium Ormuz und dann Inbien aufzufuchen.
Ihre Fahrten legten fle in 15, in 16 und ber letzte erft in 28 Ta
gen zurüd, ohne neue Auffchlüffe zu geben. Nur bemerft I. Eld⸗
ce», der Euphrat bei Birrah (dv. I. Bir) Habe hie Breite ver
Themſe bei Lambeth und firdme fo fchnell wie die Trent; in den
Monaten Jull, Auguft, September fet fein Waffer am feichteften.
Ganz In derſelben Art find die Reifeberichte von Sir Anthony
Shirley*‘) im Jahr 1599 und John Kartwright. Au Ta⸗
vernier, #7) zu Anfang des folgenden Jahrhunderts, gibt Ähnliche
Nachrichten; doch flieht man wol aus feinen Berichten, daß die größ⸗
ten Hemmungen ber Schiffahrt und des Handelsverkehrs auf der
Communicationslinie des Euphrat nicht die feichten Stellen und
Bänke diefed Stromes waren, fondern vie der arabiichen Emire,
welche, durch jene begonnene Schiffahrt angeloct, immer häufiger
zu den Ufern des Euphrat heranzogen, der durch die vorüberſchif⸗
fenden Waaren eine fo reiche Beute zu geben verfprah. Denn im
Jahre 1638 fah Tavernier auf dem großen Kriegszuge Sultan
Amurads gegen Bagdad, von Bir aus, einen Theil ver Armee und
der Geſchütze des Großſultans ungefährdet den Euphrat hinabſchtf⸗
fen; 800 Proviantſchiffe waren zu dieſem Transporte im Hafen von
Feluja erbaut, und in Bir felb 4) zu dem Zweck die colofjalften
Kanonen, zwei Bunfzigpfünder und drei Bierzigpfünder, gegofien
worden. Dennoch Hatten zu gleicher Zeit vie Schiffahrten ver Kaufe
leute mit Gutern auf dem Strome abgenommen: denn die arabie
ſchen Emire mit ihrem ganzen Gefolge, ihren Heerden und Leuten
pflegten in den Sommermonaten, in denen die Karawanen ihre gro-
Ben Züge unternehmen, zur Weidebenutzung und zur Tränkung auß
ihren Wüfln an den Ufern des Euphrats ſich zu verfammeln,
wodurch denn bie Flußfahrer wie bie Landreiſenden ven größten Ge⸗
202) Gasp. Balbi, Viaggio del Indie orientali etc. Venetia, 1590.
* The voyage of Mr. Ralph Fitch ete. in Hakluyts Collect.
New edit. Lond. 1810. Vol. II. p. 382 etc. *8) The voy.
of Mr. John Eidred ete. ebend. II. p. 403. **) Parches Pil-
grims Il. pag. 1383, 1422. MAR: apt., Tavonlon Pl
yages en Tnrguie etc. A la Haye
Hi v. Hammer, heilt bes —— Beide, ne.
1022 WeftsAften. III. Abtheilung. E. Abſchnitt. 1.0.
fahren ver Plünderung und den ärgften Plackercien der Berl:
lung an ven willkührlichen, unzähligen Zollftätten (va mp
nannten Gumruks) audgefegt wurden. Denn nun forberis ieh
jeder Uferbewohner unerhörte Zollabgaben ein, und vie michip
sen, wie bie Jürſten von Anah und andere, zwangen bie Th
ziehenden mit Gewalt zu ververblidem Aufenthalt von 5 m %
Tagen und ſelbſt mehreren Wochen, wie dies Taver nier ſchi
erlebte, um nur an ven Orten ihrer Herrſchaft ihren Leute wm
ſich ſelbſt die beſte Gelegenheit zu Gelverpreffungen me
theuerm Abfap Ihrer Lebensmittel an Die ſonſt nur eilig Bei
berselfenden zu verichaffen.
Diefe ungünftigen etbnographifchen Umflände dauerten ud is
in die neueflen Zeiten fort, von denen bei den beſtehenden pol
ſchen Berhältniffen nur etwa eine neu einzurichtende Damyfidif
fahrt befreien Könnte, welche den Reiſenden in jeder Hiufit aı-
abhängiger vom Uferanwohner macht.
Zu diefem Zwecke erforſchte Chesney nun auch das Ya
vom mittelländ iſchen Meere bis nach Bir, um die paifaık
Verbindung mit bemfelben zu finden; auch folgte er nochmals von
Cuphratlaufe bis oberhalb Samofat, und fand Hier einen fo we
ferreichen und überall noch tieferen Strom als bei EI Kaim, fo vi
wie auch die Ausſage der Bootöleute zu Bir beflätigte, kein Zuocl
mehr an einer möglichen Beſchiffung dieſes Theiles des mittlere Ew
phratlaufes bis Anah und EI Us übrig zu bleiben ſchien. N
einzige Schwierigkeit blieb alſo die Strecke von 35 geogr. Mei
(176 M. engl.) zwiſchen EI Kaim über Anah nah EI Ui
warts, und auch biefe würbe, nad Cheöney’s damaliger Ani
ein Dampfboot von 75 Fuß Länge, 16 F. Breite, pas nur 2 Ki
24 ZoQ tief ginge, gut befchiffen können; ja durch verbefferte Ges
ſtruction ließe ſich, meinte er, noch ein weit längeres Daupften
von 18 Pferdekraft zu demfelben Zwecke ind Werk fegen. Bike
hem Waffer ſei aber jede, Stroniflelle durchaus fahrb ar, da de
allgemeine Tiefe des Stroms über 8 Fuß angenommen wu,
‚ und bie Schnelligkeit feine? Stroms im untern Laufe, ahind
—
Sit, nur 2, aber im obern Laufe, oberhalb Hit, überall mc
ale 3 ML. engl. in Zeit einer Stunde beträgt, zur Fluthzeit abe
weit mehr, bis 5 M. engl. in jeber Stunde.
Der obere Lauf erinnerte den Colonel Chee neh ) an be
ST Repart in Lehen 0 Rs, Cain üh, nr
Euphratſhſtem; Anſchwellungen u. Schiffbarkeit. 1023
Rhein unterhalb Schaffhauſen, wie dieſer zwiſchen zwei Parallel⸗
katen eingeſchloſſen; feine Ufer meiſt dicht mit Gebüſch bewachſen,
hie und da mit mäßigem Zimmerholz und mit einer Reihe von
ſchmalen, langen bewaldeten Infeln beſetzt, die nur mäßig bevölkert
‚find, die Ufer felbft aber hier nicht blos von Beduinen bewohnt,
ſondern auch von permanenten Stäbtern, wie zu Samofat, Rume
Talah, Haorum (wol obige Urma, ©. 940, das auf Ches⸗
ney's Karte wol nur ald Schreibfehler mit Gaftel raum eingetra=
gen erfcheint, weshalb e8 früher nicht von uns erkannt war), Bir,
Jiaber, Deir, Rakka, Anah, Hadifa, EI US, Jibba, Hit
u. a. In der Mitte November ergab fih aus Chesney's Er⸗
mittelungen, daß der obere Cuphrat in der Negel auch mit ſeinem
Niveau zu finfen aufhoͤre.
Don da an bis Ende Decembers zeigt er in der Regel
keine Veränderung ſeines Waflerflanves. 9) In dieſer Periode
des Iahresfchlufies fangen aber vie erfien Regen an fowol ihn,
wie feine Zuflüffe, pen Melas (Tokmafu), Khabur und an«
dere oberhalb Bir zu nähren und anzufchmellen. Zuweilen wirb
jedoch diefee Anwachs keineswegs ſehr ſichtbar, doch ſtets vortheil⸗
haft für die Beſchiffung; zu andern Zeiten ſteigt ſein Waſſerſpiegel
ſchon in der erſten Hälfte Sanuars bis zu 1 Fuß. Mag nun
dieſer Anwachs im Winter auch 12 Zoll oder nur einen Zoll bes
tragen, fo bleibt fein Waflerfplegel vom Januar an bis um das
Frühlingsäquinox, over um den 27. März, kurz vorher oder
nachher immer ganz flationair.
Nun ft, mit Ende März, fängt bie große Anſchwael⸗
Iung an; er waͤchſt continuirlich, füllt ſich mit ſchlammreichen
Waſſern, 61) bis das Schneewaſſer ſich bis zu Ihm. herab⸗
wälzt und feine Farbe umändert, was in der Regel mit. Ende
April (26. April) der Kal zu fein pflegt: Dann aber iſt feine
Anſchwellung weit gewaltiger, und andauernd bis zur legten Weihe
des Mai (21. bis 28. Mai). Dann Hat er die größte Waffer-
Höhe erreicht; bei Anah If dann die Tiefe um 11 bis 12 Fuß
gewachſen, weiter abwärts um 15 bi8 18 Fuß. In jenes Periode
ver Zuwälzung der Schneewafler (vom 11. bis 31. Mai) legt bie
Stroͤmung des Gupbrat mehr ald 5 Mil. engl. in jener Stunde
zurũck; vann iſt es unmöglich, Boote in ihm ſtromauf zu ziehen.
Erſt wenn feine Schnelligfeit zu 4 Mil. engl. auf die Stunde abe
se) Report L.c. p. 18, 56. 52) ebend. p. 19, 566.
1024 Weſt⸗Aſien. TE. Abtheilung. I Abſchnut. 6.42,
genommen bat, fängt man damit wieder an. Nun begimmt wicerum
das fehr allmählige regulaire Ballen des Stromes nad) Xife mb
Eile, bis er ven nievrigften Waſſerſtand, Mitte Rovember, a
langt bat. So if fein Verlauf in jeder Periode ver 12 Amts
des Jahres. In dieſer Art des Verlaufes iſt ex ſehr verſchichen we
dem flürmifcheren Tigris; er gleicht darin ver großen Regeln
ßigkeit und dem flufenmweifen Bortichritte des Nilfiroms, wur be
feine Anfchwellung frübzeitiger im Jahre beginnt, als bei Dem afık
kaniſchen Stromſyſten. Bom Ende März; an haben au We
feichteften Stellen im Euphrat noch hinreichendes Waſſer, fo daS af
im November von ven Klippen in ihm Notiz genommen weh,
da fie den größeren Theil des Jahres vom März bis dahln mit
bis 14 Fuß hohem Waſſer bevedt fein koͤnnen.
Auch Chesaney bemerkte, daß zu feiner Zeit ſelt mehren
Jahren faft gar Feine Schiffahrt mehr auf diefem Theile des Er⸗
phrat flattgefunden babe, doch nicht wegen ber Waſſer, ſenden
wegen der vermehrten Gefahren ver räuberifchen Bebuinen-Tritel,
die von Bir bis Anah meit ſchlimmer find, 52) als weit eb
wärte. Der Waarentrandport wurde mit Karawanen zu Paz
vorgezogen, denen man ſicheres Geleit verfchaffen konnte. Liniechelb
Jiaber fand jeboch immer einiger Verkehr auf der Flußlinie mit
Zandesprobucten flatt, wie mit Zwicheln, Datteln, Dran-
gen, Zimonen, Beigen, mit Wolle, Baumwolle, Star
feu u.a. m., die von Hit aufwärts ober abwärts für daß Be
bürfniß ver Uferanwohner abgefegt werden. Diefe Boote, ver di
auf dem obern Cuphrat zweierlei Arten 89) gibt, fin» groß ge
nug, aber plump und ſchwer zu handhaben. Die eine Urt ve
großen Barken If 40 Fuß engl. lang, 14 breit, und trägt ?e
fien von 20 Etars (1 Etar gleich 600 Den) ober 300 Gentum;
dann gehen. fie 4 Fuß tief Im Waffer, mit halber Ladung 3 Fef,
mit Biertelslanung 24 Fuß tief. Leere Barken flottiren mit 16 I
48 Zoll Tiefe; ihr Boden IR ganz flach, oval, an jebex Längenfe
zugeipigt. Die Fleineren Barken find eben fo gebaut, aber me
25 bis 30 Fuß lang, 12 breit, und tragen nur 15 Etars aber 25
Gentner; fle gehen dann 3 Fuß 8 Zoll tief. Solche Boote iu,
wenn man das Drittheil oder bie Hälfte, auch mel zwei Oruchehe
ber Ladung ausgeladen hat, dennoch über die Klippen
werben, möüffe aber dann durch Rückfahrten bie zurückgeleffene
— — *
ν Report L cup. 26, 56. ©2) ebenb. m. 57. '
1
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J
ſ
N
!
Fupbratfoftem; Zeit der Schiffahrt. 1025
bung nachholen. Auch Kelleks (f. ob. S. 720, 828) gehen ab»
warts, deren Holzwerk dann zu Mühlrävern der fo häufigen Be—
wäfferungen am Euphrat feinen Abſatz findet. Die wenigen Lurus«
artikel ber Araber, wie Reis, Tabad, Kaffee, Zuder, Puls
ver, Blei, Seuerfleine, für Der, Anah, Hit u. f. w. wer⸗
ben auch gelegentlich auf Eleineren Booten herbeigeführt, oder ihnen
von den Karamwanen aus Damadfus und Aleppo zugebradht. Don
oberhalb Jiaber wird außerdem auch wol noch etwas Holz auf
dem Cuphrat Binabgeflößt; die Marmorbrüche In ven Berger
anı obern Buphrat werben aber jo wenig bearbeitet, wie bie Bi⸗
tumen⸗-Lager zu Jiaber over vie Salpetergruben zu Anah,
und geben daher ver Slupfchiffahrt Fein Leben, das erft unterhalb
Hit dur einen größeren Handeloverkehr beginnt Nur durch den
fegendreichen Einfluß einer Dampfſchiffahrt Lönnte die Bele⸗
bung der ganzen Stromader erhofft werden. Drei Ser-Dampf«
ſchiffe würden zmifchen Bombay und Baffora nothwendig ges
weſen fein, um fortwährend bie Verbindung mit Indien zu unters
Halten, wenigftens zw et andere Fluß⸗Dampfboote aber, das eine
in Baffora, das zweite In Bir, würden erforderlich gemefen fein
zur Flußverbindung; für jene hätten Magazine für. das
DBrennmaterial an verjchienenen Stationen, wie Bombay, Mass
eate, Baffora, angelegt werden müffen, für dieſe dergleichen zu
Kohlen und Naphtha, die man auch dazu verwenden zu Tünnen
„hoffte, in Baffora, Hilla, Hit, Anah und Bir; dann wären
dazwifchen noch andere wuͤnſchenowerthe Stationen leicht hinzuzu⸗
fügen gewefen, wie Shugeshug, Feluja, Müffeyib, Deir.
Die Zeit berechnete 9%) man zur Meberfahrt von Bombay
nach Baffora auf 10 Tage; von Baffora na Bir auf 8 bis
10 Tage, den Uebergang von Bir nah Scanderun auf 4, von
da nach Maltha wieder mit Dampffiiffen zu 5, und von da
na Falmo uth zu 13 bis 16 Tagen Zeit; wodurch die ganze
Meiſezeit bei ftillem Wetter auf 43 bis 45 Tage reducirt fein
würbe; alfo noch auf ein paar Tage weniger, als auf der Route
von Bombay übet das arabifche Meer und die Tandenge
Sur; nad) Maltha und England. Nach engl. Miles war det Ue⸗
berfchlag dieſer Iegteren Route um 284 MU. länger, als Die Cu⸗
YHhratsonte. Nümlich
64) Report 1. c. p. 18. .
Ritter Erdkunde X. au
1026 Weſt⸗Aſien. III. Abteilung. I. Abſchnitt. 42
von Bombay nach Baſſora.. = 1587 Mil. engl.
von da nach Br ..... =18 ⸗ -
von da nah Scannen . . . = 1897 = .
| 2817 Mi. engl.
Bon Bombay nah Abven . . . == 1541 Mil. engl.
von da nah Sul . . . -» . =1295 3
von da ach Alerandia . , m, = 235 = »
pr * 3201 Mil. engl.
Demnach von Bombay nah Suez 21 Tage, nach Alerandris
‚ 45185, nah Maltha 5, nad Falmouth 15 bis 16 Tate, x
| Summa 45 bis 47. Bei ver Eupbratfahrt würden 1202 Mi
engl. Flußfahrt eben fo viel 1202 Mil. engl. Seefahrt erfehen, we
durch die Beichleunigung bei günfligem Wetter noch beffer gefürm
werden möchte. j
Dieſe wohl combinisten Unterfuchungen und Erforfchungen füte
ten nun in ben Jahren 1835 bis 1837 zur Mealifirung des grob
artigen, lange vorbereiteten Projectes durch eine Zahl ver geſchil⸗
teften Officiere und Beamten mit den beften Juſtrumenten, ungendit
die Koftenanichläge anfänglich daB Gouvernement mit Gchredes p
erfüllen ſchienen. 55) Und dennoch iſt zugleich bekanntlich nf
die Dampfſchiffahrt von Indien über das rothe Meer nach Gay i
vollen Bang gefommen. Wenn vie Koften ver Eupbrat= Expeiise
som Sept. 1834 bis Beendigung im Januar 1837 audh, wis was
berechnet hat, 39,998 Pfd. Sterl ausmachten, mit Cinſchluß de
beiden eifernen Dampfboote und noch eined Schiffes, woven für
| die der oſtindiſchen Compagnie übeslaffenen Bahrzeuge, Borrätke
u. |. w. an 10,360 Pſd. St. abgehen, fo daß die englifche Segio
rung an Nettofoflen 29,367 Pfo. Sterl. zu tragen gehabt hat, fe
kann eine ſolche Summe im Berhältniß zu ber innern Widtigiet
her Unternehmung für Länderkenntniß in Bezug auf arabifce sa
indiſche Eolonien Englands, in Beziehung auf Polisif, Gommmg
und gefdsderte Wiſſenſchaft gewiß gar nicht in Betracht femme.
Möge die endliche Veröffentlichung der Refultate Durch has eu
Kartenwerk der Aufnahme eines der hiſtoriſch wichtigen Girke
ber Erde und bie dazu gehörige Beſchreibung dieſer Auſicht kb
eine allgemeine Verbreitung im gebildeten Publlcum gewienen..
Die 518 dahin vorläufig hier mitzutheilenden "Gronäuife 9
der. Erpedition find im Wefentlichen folgende! |
*##) Quarterly review, 1833, April, pag. 225 — 238, +) Cal
Euphratſyſtem; Arbeiten der Expedition. 1027
Die ganze Beſchiffung des Euphrat abwärts von Bir und
des Tigris abwärts von Moful bie zum perfifäfen Gplf und
eined großen helles ver Seltenarme des Cuphratſyſtems im
vefien Deltalanve bis tief nad Suflana hinein, If glücklich durch⸗
‚geführt. Die Nipelirung des Mittelmeeres von Skanderun und
dem Orontes bis Bir, behufs einer Tünftigen Ganalifatien. ober
Eifenbahn- Verbindung zwiſchen beiden Enden der fluviatilen und
maritimen Dampfſchiffahrt, I ausgeführt, das nordliche Meſopota⸗
mien genauer erforſcht, viel Material zur genaueren Kenntniß Nord⸗
ſyriens geſammelt, die Aufnahme des ganzen mittleren und unteren
Eupdratlaufed und des unteren Tigriölaufes, mit Ausnahme fehr
weniger Stromfireden, zu Stande gebracht. Auch zreifchen dem
Euphrat und Tigrid wurben Nivellirungen gemacht und neue Po«
ſfitionen früher unbelannter Localitäten durch Querreiſen von einem
Strome zum andern gewonnen. Die Grenzkette des Taurusfnflens
gegen Syrien wurde hypfometriſch und geologiſch näher. bekannt,
ihr Verhaͤltniß zu Mefopstamien in befferes Licht gefeht, und im
ganzen Stromgebiete des Shat el Arab dadurch der Navi⸗
‚gation, dem Kommerz, der Eivilifation neue Bahnen eröffnet, und
die Möglichkeit einer permanenten Dampfiäiffahrt · Verbindung
feiner äußerflen Enden dadurch außer Zweifel geſetzt.
Die Reiſe ver Erpedition ging von Liverpool aus; Ihre Ueber⸗
kuuft nach Maltha dauerte 29 Tage, wo bie Ghronometer und die
aſtronomiſchen und phyſtcaliſchen Inftrumente regulirt, die Obſerva⸗
tionen über Erdmagnetiamus, über Meerestemperatur, Meieorologie
and Naturgefchichte angefangen wurden. Dem Xransport- Dampf
ſchiff George Canning wurde hier ein zweites, die Sloop Colum⸗
bine, zur Begleitung bid zum Drontes beigegeben. Die Barre
am Orontes, die zu allen Zeiten gefaͤhrlich bleibt, war es auch
jegt. Ein Eleined Lager, Amelta Depöt genannt, wurde Hier
angelegt, und hier begann Lieutenant Murphy feine aſtronomiſchen
Obſervationen, um mit Mr. Thompfon und Gtenhoufe, der
ganzen Golf von Gcanderun nordweſtwärts bis: zur Bay
Ayas und fünwärtd Hs zum alten Laodicen, vie Räfkenaufuahme
und Sundirungen zu bewerkſtelllgen, wobei auch Ainsworth alb
Naturforſcher befchäftigt war (f. die Ergebniffe unten bei Syrien).
Vom Amella Depöt beſorgten ver Lieutenant Gleaveland und
Chesney, General statement of labours etc. im Joura, R.G. 8.
London 1837. Vol. VA. p. 411— 439.
Itt 2
Zeit machten Lieutn. Lynha Mr. Staunton und Elliot cm
⸗
‘ , j
J
|
|
1030 Weſt⸗Aſien. IN. Abtheilung. I. Abfchnitt. 8.42.
noch außerdem nothwendig. Die außerordentlichen Anftrengungen,
"vie Togeßhige, Die Im Schatten bis auf 34° 67° M. (110° Sehe)
Rirg, in der Nacht nur bis auf — 10° 67’ R. (+ 8° Fahrh. H, die
zu den furchtbarſten Ertremen überging, machte, vaß alle Officier
erkrankten, ein Arbeiter und 7 Mann ver Erpebition flarben, um
fehe viele von Höfen Miasmaten darnieder gemorfen wurden. Die
ſchlimmſte Station, an ver Brüde über den Karafı bei Mured
Paſha, raffte vie mehrſten Kräfte dahin. Im Ganzen waren 85
Dann bei dem Transporte beichäftigt. und aller Schwierigkrites
ungeachtet, kamen boch beide großen Eifen-Dampfboote glädid in
Bort William an.
Indeß waren von Colon. Ehesney und feinen Begleiten
Alnsworth und Dr. Helfrich andre Exeurflonen zur Kants
deu nörslichen Syriens und ver obern Bupbratlanpfchaften, und auf
diefen viele neue Entdeckungen gemacht, am Orontes, um Antie
Hia, zu Famieh (Apamea) in ber Ebene von Adanah, zu
Zarfus, In dem Amanus, ven Ciliciſchen und Taurus⸗Gebirgelketten,
norbwärts bis Sis, Marafh, zum Agra Dagh, na Game
fat, Urfa, Saran und anderwärts, 59) wovon unten bei Syn
die Rebe fein wird. Im Auguft 1835 fing Lieutn. Murphy de
große Linie der Nivellirung 59% an, vom mitteländifchen Heu
58 zum Cuphrat, mit Beziehung auf eine profectirte Canalver ·
Bindung und andere Gefichtspuncte von dem größten Interefk.
Noth aller Art, die Malaria, der Sonnenſtich, Krankheiten ubdthig
ten ihn nad Wort William zurückzukehren. Dr. Ihompfer
ſetzte das Nivellement fort und beenbigte ed, wonach das Eupfrat-
bette bei Bir um 589 %. Par. (658 8. engl., f. ob. 6. 35)
höher liegt ald der Spiegel des mittellänpifchen Meeres. Zu gleicher
Wüſtenreiſe zu dem arabifchen Tribus der Anezeh, ven gefährliche
ften Bebuinenhorden an ven abwärts liegenden Cuphratufern, zu
ihre Geſinnung in Beziehung auf die neue Unternehmung zu er
forfchen. Die Tribus der Wuld, ver Anezeh, der Bizeh, de
Bu Sipapi und einige ver Turkmanen wurben befucht, um bi |
allen eine wohlwollende Aufnahme gefunden. Nur bie Anezeh
ſelbſt blieben zweifelhaft, und die Bu Lilchi, einer ihrer Tribeh,
vermundete einen ber Diener gefährlich, doch nicht in feinnfeige
+) Col. Chesney, General statement, Lc. vu. 948 — 44
y, Event, S. cio.
‘
Euphratfuftem; Arbeiten der Erpedition. 1031
Abficht gegem die Expedition. Ste machten Feine Diene zu plünbern,
boten fogar Geſchenke zur Ausgleichung des GBefchehenen an, bie
jedoch nicht angenommen wurben.
So mar nun Alles vorbereitet In Port Willtam, vie Auto
züflung der beiden Dampfboote, welche die Namen Cuphrates
und Tigris erhielten, während des Winterhalbjahre zur Ab⸗
fahrt beenvigt, fo daß am 16. März des Jahre 1836 die erfte Probes
fahrt (f. oben S. 954) an Bir vorüber firomaufwärts gemacht
werden konnte, worauf fogleih die Nieverfahrt bis zur Station
Balls begann. Die Aufnahme viefer Strede des Flußlaufes wurde
vom Major Eftcourt und Lieutn. Murphy gemacht und, kar⸗
tographifch nievergelegt, ſogleich nach England geſchickt. Einige
feindliche Demonftrationen der Hier fehr mächtigen Anezeh wurben
in Güte beigelegt, und ein Freundſchaftstractat mit ihnen abgefchloffen.
Bon Naturproducten, ven feltnen Thieren und Pflanzen,
‚wurden Sammlungen angelegt, da8 Dafein von Bibern fomwol im
Euphrat mie In deſſen nächften Zuflüffen entfchieven, auch ſoweit aufs
wärts im Strome eine Familie von Croco dil en bemerkt und eine neue
Schildkrötenart (Trionyx Euphratica), die von ber im Oron⸗
tes verſchieden ift.u. a. m. Die Srühlingsflora zeigte fich reich
an den wunberbarften Formen und prachtvoliften Karben der Ama⸗
rylliadeen, ver Aophodelien, ver Lillaceen, ver Melan-
thaceen u. a., und gab eine reiche botanifche Ernte.
Bon Balis aus wurbe die Aufnahme des Euphrat weiter
geführt bis Anah. Beim Caſtell Jiaber vereinten fidh die beiden
Dampfboote. Der Tigris ging aber von nun an voraus, da er we⸗
niger tief im Wafler ging als ver Euphrat. Col. ECheöney bes
forgte Hier die Winkelaufnahmen. Wie zu Rauwolfs Zeit, fo
bemerkte man auch Heute noch in den Uferwälvern, in denen bie
Tamariske die Hauptrolle weit abwärts ſpielt, ſehr zahlreiche
wilde Eher, aber auh Wölfe, Füchſe. Drei und zwanzig
neue Gewächſe, bemerkte Chesney, die von Balls ſich zu zeigen
. anfangen, bleiben nun anbaltend die Begleiter bes
Qupbratlaufes eine Stred von 30 Meilen abwärts, auf welcher
mancherlei Orte bervortreten, die nun in Folgendem näher zu er⸗
mitteln find (f. unten). .
| 1032 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.2.
4. Erläuterung.
Die forifche Vorſtufe, Zortfegung: Die Uferorte zu beiden
Seiten bed Euphrat, Bir abwärts, bis in Die Gegend vom
Thapſacus.
Don Bir, das nach Chesney an 1700 Häuſer haben fl,
und bis heutzuiag die ſrequenteſte Euphratpaſſage, mit 16
großen Fahrbooten für die Karamanenübergänge von Haleb, von |
öfters nicht weniger ald 5000 Kameelen, geblieben ift, Tiegt der (dm |
genannte Bort Willtam in SW. gegenüber, wo jedoch nur einige
Grabflätten die Erinnerung an die dort temporäre Werkftätte der
Eupbraterpepition aufbewahren werben, denn alles Andre vajelhk
iſt fchon wieder in Verfall. Der Abſtand dieſes Ortes vom
Mittelmeere von 28 geogr. Meilen (140 Miles engl.), unb da
Euphratſpiegel daſelbſi von 589 FJ. Par. über dem Spiegel it
Mittelmeeres Find nebſt ver erften Dampfichiffahrt, von da ab
wärtß, aber überdauernde Denkmale voriger Wirkſamkeit. Der U
fland von da bis zum PWerſergolf, beiläufig 223 geogr. Meila
an Mil. engl.), gibt alfo auf jede Stunde etwa 14 8. Geile
ür ben ganzen Stremlauf des Euphrat. Olivier verglid de
Breite des Euphrat bafelbft nicht nur, ſondern auch feine veißende
nelligfeit mit ver ver Rhone bei Lyon 60) zur Herbſtzeit
Die Normalsichtung des Stromlaufes ift von Bir direct fü
wärts, an dem Strommirbel Gawurluk oder Gurluf (f. obs
©. 945) und an den Muinen von Dſherablus (Europus) ver
über, bis zur großen Steomfpaltung, mit ver größten fruchtbar
und bebauten Euphrat= Aue, unterhalb melcher von der Wefſtſeite
der einzige dort bedeutendere fhrifche Zufluß, der Sadſhur (Sajm)
ſich am rechten Ufer zum Euphrat ergießt. Der weiter oberhalb
vom Schlachtfelde bei Nizib (bei Sacuti 91) Nefibin der Riem
genannt, verfchleden yon dem Nefibin in Mefopotamien) herabfom-
menbe Bach Kirfun tfhal (b. v. Moltke, Karzin b. Rouſ⸗
Y au, Nahr el Kabarin b. Budingham) iſt zu unbebentend, um
ei feiner Einmündung zum Euphrat befonders beachtet zu werben.
Maundrell, 62) ver im I. 1699 nach Nizib Fam, nach 2 Gtundes
00) G. A. Olivier, Voy. de l’empire Othoman etc. Paris 180.
4. T.I. > 327. et) J. Golü Not. ad Alfergani elementa
astronomica. Amstelod. 1869. 4. p. 238. >) H. Maundrell,
Euphratſyſtem; der Sadſhur⸗Fluß. 1033
in W. von Bir, fagt, dies fei ein angenehmer Ort, ver eine fehr
fefte Kirche gehabt, vie man in eine Mojchee verwandelt habe. Den
Bluß, an deſſen Urfprung fle liege, nennt er Towzad, wol ein
Arm des Kirfun, und R. Pococke fpricht von dem tiefen Yluß-
bette, gleich einem Ganale, ver dem Fluß von Nizib eigen fei. Auch
Buckingham ®) fagt, ver Nahr el Kabarin, 30 Fuß breit, ein
reißender Strom, fei zu tief gemejen, um ihn burchreiten zu Fünnen,
weshalb eine moderne Brüde von 3 Bogen erbaut fi, um ihn
paſſiren zu können. Erſt weiter unterhalb des Sabjhur beginnt an
der Stelle, mit welcher vie Lage der alten Cecilia zufammenfält,
eine große Oftfrümmung des Euphrat, um die hoben Klippen
des Kalaat on Nedſhm, oder des Geſtirnſchloſſes, oftwarts
zu umfluten, dad 3% geogr. Meilen abwärts ter Sadſhur⸗Mündung
fih auf weißem Kreivefeld zu anfehnlicdyer Höhe emporbebt. Inner-
halb dieſer großen oſtwärts gehenden Euphratbiegung liegt in ber
dadurch gewonnenen Landftrede, etwa 4 geogr. Meilen fern im
Welten, die Ruine der alten Sierapplis, des heutigen Manbe.
4) Der Sadſhur⸗Fluß (Sajur); Aintab, Doliche.
Der Sadſhur (Sajur) ift kein ganz unbedeutender Zufluß,
denn er kommt aud den DBorböhen des Taurus, theilt fi nad
Chesney in 3 Eurze Arme, und bildet bei feinem Einfluffe zum Eu-
phrat 4 Infeln, denen im Norden wie im Süden mehrere Nefte
alter Bauwerke, als Zeichen ehemaliger Anftenlung, zur Seite lie
gen, wozu auch im Norden bie Refte von Dſherablus (Jerabees,
Europus) gehören. Nah Rouſſeau's Karte von Syrien 6*)
Uegt die Duelle des Sadſhur in Norbeft von Aintab, in ver
Nähe von Tell baſher, &) einer Burg, die unter Salavin zu
ven fefteften de8 Landes gehörte (vergl. ob. ©. 931), 23 Tagreifen
in Norden von Haleb (fie heißt Tel Basjarum in Vit. Salad.).
Maundrell %) fand ven Sadſhur⸗VFluß noch bebeutenn 4 St.
| Account of a Journey from Aleppo to the river Fuphrates.
App. in Journ. from Aleppo to Jerusalem. Oxford. 1740. 8.
R A ; R. Bocode, Beichreibung des Morgenlandes, Th. II.
°») J. S. Buckingham, Trav. in Mesopotamia. London 1827. 4.
R. 23. **) M. Rousseau, Carte generale des Paclıaliks de
aghdad, Orfa et Haleb in Recueil de Voy. et de Me&moires
publ. p. I, Soc. de Geographie de Paris 1825. T. II. p. 19.
%%) Abul. Pharag., Hist. dyn. p. 277; Alb. Schultens, Ind.
geogr. in Vit. Salad. *°) H. Maundrell Acc. 1. c. p. 157.
1034 WeftsAfien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.22.
nörblich von Uintab, wo eine Brüde über ihn führt; 2 Stunden
- weiter abwärts gegen SH. fließt ex auf einer Anhöhe Dit über
der plöglih und fehr groß hervortretenden Duelle ve
Fluſſes von Aleppo Hin, bei dem Dorfe Adjia. Er if dicſe
Duelle bier fo nahe, daß, fagt Maundrell, es leicht fein mürk,
durch einen blos 10 Schritt langen künſtlichen Canal feine Wafin
in die des Aleppo⸗Fluſſes abzuleiten. Einen ſolchen, als niit
dort gegrabnen anal gibt Rouffeau’& Karte an, der zur Zeit bed
Emir Arghun (mol der mongolifche Statthalter Syriens Argın
Aga, nah dem I. 1258) ©) audgeführt fein fol, ſeitdem abe
wieder zugefült iſt. Die Chesneyiche Karte läßt dieſen Sadſher
in Norden von Xintab , auf einer Berghöhe von 3000 Fuß at
fpringen, und nahe an ber Oftfeite der Stabt Aintab gegen Ei»
of vorübergehen; v. Moltke's Karte verlegt eben dahin meh
Quellen des Nahr Sadſhur, ver in fehr ſüdlichem Laufe afl
noch etwa 5 geogr. Meilen an ver Weſtſeite von Zell baſher ver
überziebt, und dann noch 3 geogr. Meilen weiter ſüdlich nun Ye
von Killis herabkommenden weſtlichen Zufluß, ven Kerafalat,
aufnimmt, deſſen nun erfi ganz oſt licher Direction beide vereint
unter dem Namen Sadſhur zum Guphrat folgen, weil ein Def
Sadſhur an feinem Süoufer ihm dieſen Namen gibt.
Aintab (Hamtab der Kreusfahrer, Antab gefprochen) tritt zur
Zeit der Kreuzzüge in den Kämpfen mit ven türfifchen Stimmen
und zumal mit Sultan Saladin, &) von dem es im Jahr 1183
nebft mehrern andern Feſten zmifchen Haleb bis Beira erobert war,
als eine fehr bedeutende Feſte im Norden von Haleb hervor, welche
die Wege von da zum Euphrat wie nach Eilicien beherrſchte. Reqh
ben orientalifchen Geographen 69) Hatte fie ein fehr feftes Schlaf
es gehörten noch andre fefte Burgen in ber Umgebung dazu, une
denen auch Doluc genannt wird, und viele Dorfichafte.
Abulfeda nennt ed eine fchöne, große, Stabt?0) mit einem in FH
gehauenen Schloffe; es fei reich an Waffer, Habe große Märke,
werde von vielen Kaufleuten befucht, und Tiege 3 Stationen in Am
von Haleb, und eben fo viel im Wer von Kalat ol Rum.
Dolue,Doliche, Dolica oder Doltcum(ASovilxıa Theophan.
ser) Abul, Prang Hist. dyn. p. 328. Deguignes, Belt.» 6.
Th. IM. p. 132. **) Deguignes, Geſch. d. 9. Th. I. 448, 48;
IV. 69, 309. *°) Index geogr. in Vita Saladini ed. A, Schul
— v. Aintab. 70) Äbulfedae Tabul. Syr. b. Koehler
p
Euphratſyſtem; Aintab, Doliche, 1035
nogr. 354; richtiger AoAlye’ Theodor. H.E.5,4),71) Tag auf dem
zwifchen Germanicia nach dem Zeugma, von dem es nad) dem
Antonin. 5. Wess. p. 184 nur 5 Stunben (12 Mid.) fern,
or Älterer Zeit genannt wird, als Aintab noch nicht erwähnt
Auch die Tabul. Peuting. feßte bier das Dolica an,
ibt Ihm das Zeichen großer warmer Bänder, ?2) weldyes bie
tät mit der Nähe des heutigen Aintab zeigt, wo Ched⸗
Karte dad Dafein Heißer Quellen beflätigt. Steph. Byz.
die Stadt ald zu Kommagene gehörig, und führt daſelbſt
Aoilxe) einn Zeus Dolichenus an, von dem auch In⸗
onen befannt find. 73) Der Ort lag nicht fehr fern von dem
fübweftlihden Cyrrhus, jebt Koros, 7%) nach welder Cyr⸗
a genannt war, wo man eine Athene Cyrrhestica vers
(f. ob. ©. 928 u. ff.); aber auch nicht fehr fern von ver
lichen Hierapolis, wo bie Dea Syra verehrt wurbe.
In Doliche aber ver Jupiter, von venen beiden Luclanus
ımofata, p. 1070, fagt: beider Statuen feien von Gold, beide
aber die ſyriſche Göttin (Here, Juno) auf Löwen, Jupiter
: von Stieren getragen. Noch iſt uns nicht bekannt, daß vie
refte dieſer Doliche in neuerer Zeit genauer unterfucht worden
Daß neuere Aintab 75) (Antape nah Eheriffenin), ”)
sol an jener Stelle Im Mittelalter zu größerm Anfehn gelangte,
te Maundrell im Jahr 1699; er fagt, es fel auf einer
em Höhe erbaut, fein Caſtell fiege an feiner Norpfeite auf
runden Berge, glei dem von Aleppo, nur von geringerm
nge, und fet mit einem tiefen Graben am Fuße des Berges
zen. Im dieſem ſeien Gaͤllerien eingehauen, die rund um das
I umlaufen, und mit Bortalen verfehen, vie verfchloffen werben
n. Wo der Feld nicht feſt genug war, da hatte man ihn
Auadern bekleidet (f. ob. S. 956). Die Häufer ver Stadt,
aundrell auf zwei Drittbeile fo groß als Haleb fchäkte, find
g, ohne zweites Stod. Die Bazaren find groß. Maundrell
tte, daß man bei Alntab einen fchönen Stein, ven er für
Hieroclis Synecdom. 398 und 521, 21 in Bekkeri Constant.
’orphyrog. 1840. Vol. III. 22) Cellarius, Notit, orb. antig.
I. p. 404. ’3) Itin. Antonin. Wess. p. 184 Not.; Luc. Hol-
tenii Notae et castigat. in Steph. Byz. p. 102. ‚) H. Maun-
Irell, Acc. I. c. p. 159. 76) Eben. ©. 158. 18) Cherif-
jedin, ‚Hist, de Timur p. De la Croix ed. Delf. 1728. T. III.
. 285.
1036 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $.42.
Porphyr hielt, breche, roth mil gelben Flecken und Adern. Geime
Anficht, den Ort für die Antiochia ad Taurum bei Plinius uns
Ptolemäus zu Lalten, ver auch Pococke folgte, Hat jchon Mannert
wiberlegt 77) (f. ob. ©. 896). Pococke fagt, Daß Aintab 9)
“auf zwei Hügeln erbaut fet und ein Thal zmifchen fich habe, drei
MU. engl. im Umfange; der Fluß Sapfhur, ver an der Oſtſeite
vorüber flicße, werde durch A,quäducte rund um die Gügel und iz
die obern Theile ver Stadt geleitet, welche die Angeflevelten daſelbſt
bewohnen, die in dem Thale dagegen ihre Bazare und Kramläden
haben, auf deren platten Dächern man von den Anhöhen hinab
feige. Umher entfpringen fehr viele ſchöne Quellen; vie Zuft von
Aintab iſt fehr geſund. Pococke beflätigt ven merfwürbigen
Jelſenbau bed Caſtells -auf einem runden Hügel, der von einen
tiefen in Fels gehauenen Graben umgeben wird, uud diefem Graka
zur Seite laufe nach außen noch eiu anderer, aber durch Quader⸗
gewölbe beveckter, in Belfen gehauener Gang, von dem an aufmärt
ber ganze Gaftelberg mit Quaderſteinen überkleidet fei. x fagt
Türken und Armeniex wohnen bier; ſchon von Aleppo am nord⸗
wärts bis Aintab werde nur noch wenig Arabiſch gejproden,
das Türkifche nehme faft ganz überband, felbft die armeniſchen
Chriſten ſprechen hier ſchon allgemein türkiſch, nicht mehr arabiil,
und Aintab weiter nordwärts höre dad Arabiiche ganz auf. Bir
hätten alfo bier die Sprachgrenze des Türfifhen und Ara
bifhen anzunehmen. Auch Pocycke lernte den von Maundrell
ſogenannten rothen Porphyr zu Aintab in einzelnen Stücken
kennen, ſagt aber, er ſei blaßroth mit weißen, hochrothen oder blaß⸗
gelben Flecken, er nennt ihn einen Marmor und bemerkt, er werde
6 Stunden im Norden von Aintab gebrochen bei einem Orte Ser-
pent. Sollte davon der Serpentinſtein feinen Namen erhalte
haben, ven man gewöhnlich von Serpens, daher Schlangenſtein
abzuleiten pflegt?
Der Lauf des Nahr Sapf pur ift ung meiter abwärts vor
Aintab und yon feinem Zufammenfluffe mit dem Kerafakat, bi
dem Orte Tel Khalid, nicht genauer befannt, unterhalb deſſen Ber
eine jedoch die große Hauptfiraße von Haleb nah Bir ihn
überfegen muß. Dlivier, ver diefen Weg genommen zu haben
ſcheint, kam am britten Tagmarjche von Galeb nach dem Dorf
sur m, Bocode, Befchreibung b. Morgenl. x. LS S. 226.
20) Mannert, Geogr. b. &. u. 8.2. VI. © a.
Euphratſyſtem; Sadfhur=Uebergang. 1037
Mizir, 7) das In ver Nähe jenes, auf Chesney's Karte mit
Khal id bezeichneten Hügels (Tel) Tiegen muß; denn er fagt, daß
er bei diefem Orte erſt einen Bach, dann einen Kleinen Fluß durch⸗
fegte, der aber zumeilen fo ſtark anjchwelle, daß Reiſende durch ihn
mehrere Tage aufgehalten werden Eönnten. Er hörte diefe ven Kut⸗
ſhuk und Buyuf,d.i. ven Großen und Kleinen nänlid Sad⸗
fHur nennen, deſſen Wafler von da zur Bewäſſerung des Landes
diene, wad auf Rouffeau’s Karte von Syrien wol die vielen
dort angezeichneten Moulins , wahrſcheinlich Schöpfräver, beftätigen,
daß er dann aber zum Guphrat fliege. Auf dem von dort fol
genden ungleichen, gegen ven Euphrat fich ſenkenden Hügelboden
fingen Olivenpflanzungen an ſich zu zeigen, die ver franzöflfche
Naturforfcher, in ihrer Art, nur mit minder großen Bäumen, mit
denen in ver Öftlihen Provence, vergleicht; dagegen noch näher dem
Euphrat bei Groß⸗Mizir (wol Mifera bei Pocode), nur eine
Meile in S.W. von Bir, ſtieß er fchon auf viel größere und
träftigere Bäume der dortigen Olivenwäldchen, welche dieſes
Dorf von allem Seiten umgaben.
Dem vorzüglichern Gedeihen dieſes nur für ein limitirtes
Elina beflimmten evleren Fruchtbaums entjpricht aucd vie Benen⸗
nung ded im Oft um Dir gegenüberliegennen Wadi Zaituni
oder des Dliventhales, wie es Abulfeda vorzug&weie charac⸗
teriſirte (ſ. ob. ©. 949).
Auch Buckingham (1827),8%) ver denfelben Weg wie Oli⸗
vier verfolgte, durchſetzte dm Dritten Tage feiner Abreife von Haleb
nad Bir den Wadi Sajoor, wis er Ihn fhreibt, an einer Stelle,
wo er (Ende Dial) eine Breite von 50 Fuß hatte, und bemerkte,
daß auf den Höhen jenfeit ver Anblick des Hohen Taurus in N.W.,
den man bisher gehabt, verſchwinde, und daß nun das Türkiſche
vorherrſchend werde, da hier die Anflevelung ver Turfomanen-
Dörfer chen diefelbe Stellung und Wirkung einnehme, mie weiter
ſüdwärts die Anfievelung der Beduinen in arabifchen Dorfichafe
‘ten, ſo daß man ven Sadfhur für ven Orenzfluß ver Bedui—⸗
nen= und Turfomanen- Anfiedelung in Syrien anfehen
kann.
Nabe an dem Einfluß des Sadfhur unterhalb Oſherablus
0) G. A, Olivier, Voyage dans l’empire Othoman etc. Paris 1804.
4 T. I. p. 326. 20) J. 8. Buckingham, Tray. in r Mesopo-
tamia. Lond. 1827. p. 12. etc. |
y
1)
"1038 Weſt-Aſien. II. Abtheilung. I Abſchaitt. .22.
zum Euphrat, an feinem Sübufer, bat Pococke's Karte der
Namen Sarudſh 81) eingetragen (maß er irrig für dad alt
Sura hält), der aber wol Sadſhur heißen mag, wie das Darf
am Südufer des Zluffes heißt, von wo der Weg direct auf we
Ruinen von Hierapolis führt.
2) Jerabolos. ECuropos.
Jerabolos, ſprich Dſherablus, Jerabees bei Parodı,
wie wir oben geſehen (ſ. ob. S. 945, 973), Tiegt im Norden da
Sadſhur⸗Verzweigung. Wirklich Hat die Chesne yſche Karıc hie
nördlich vom genannten Dorfe (Jerabulus bei Chesney) anf
die Ruinen deſſelben Namens eingezeichnet. Maunbdrell, 2) m
von Süden ber diefen Sadſhur überjeßte (er fchreibt ihn Se⸗
jour), fagt, daß er von Ihm 3 Stunden brauchte, um Serabulsi
zu erreichen. Er durchzog vom Strome dahinwärts eine fehle
Sruchtebene, mit dem reichſten Kornjegen bedeckt, zwiſchen m
Sadſhur und dem Euphrat gelegen. Hier iſt es eben, wo anf
zwifchen ven Euphratarmen die größte feiner Auen, von eimigm
Stunden Länge und bis zu einer Stunde Breite, ſich ausbehnt, wide
gut bebaut und, wie Pocode bemerkte, vorzuglih mit Hanf be
fäet war. Auch heut zu Tage liegen bier Dörfer zu beiden Grin
des mit reihen Kornfluren bedeckten Euphratufers. Manndrell
fah ven Strom nahe bei Jerabulus, als viefer (Mitte April) eneı
4 Fuß gefallen war, und verglich Ihn mit der Breite der Thenſe
bei London; vie Zlintenkugel, vie er über den Strom abfeusmk,
erreichte dad andere Ufer nicht. Gin Türke fagte ihm zwar, zn
wenig unterhalb jener Stelle folle man bei niederem Waſſer die
Nüinen einer Steinbrüde 89) über den Euphrat fehen Elan,
worin jedoch Maundrell, und mol mit Recht, der allezeit fertige
Ausſage (vergl. oben S. 951) der Orientalen eben feinen Glauben
beimefjen wollte. Auch wir müffen veöhalb daran zweifeln, vawıb |
ih niemals eine fee Steinbrüde Über ven Cuphrat erifkt
zu haben fcheint; alle unfere oben mitgetheilten Angaben der Ale
beziehen fich wenigftens nur auf Schiffbrüden. Wir find dehe
einftweilen geneigt, auch ſelbſt vie oben befprochenen (ſ. 06.6.1)
Reſte einer fogenannten Steindrüde Lieutn. Eynch's uniaheh |
.) DR-Borode, Beſchr. d. 3. Morgent 23.1.624. 22) B Ihe
drell, Acc. Lc. p. 154. 2) eben. p. 265
Euphratſhfiem ; Jerabolos. 1039
des Dorfes Zekterij, die vielleicht auch nur auf einer ſolchen Aus⸗
ſage beruht, zu bezweifeln, bis wir nähere Auskunft über fie erhalten,
: Mon Serabolos Ruinen 9) gibt Maundrell eine Fleine
Skizze, nach meldher der Ort dicht auf dem Weflufer des Euphrat
lag, und im Umfange von 2250 Schritten in einem Halbkreiſe
von Ummwallungen umgeben war, darin ganz gut erhaltene Thore
fich zeigten. An der Sehne dieſes Halbkreiſes fließt ver Euphrat
in gerader Linie gegen Süd vorüber, und in ber nörklichften Ede
dieſes Halbkreiſes, dicht über dem Fluß, erhebt fich eine Anhöhe, de⸗
ren fürlichfter Vorſprung, der Plan, mit dem Namen einer Acro⸗
polis bezeichnet wird. Diefer gegen die Wafferfeite zu fehr ſteile
Berg war bebaut; an feiner einen Seite entvedte Maundrell
noch Reſte großer, 2 618 3 Buß (15 Dard) im Diameter haltender
Säulen, auch Eapitäle und Kornifchen von guter Arbeit. Am Fuße
des Berges bemerkte er einen fehr großen Stein, auf dem vie Figur
eines mit Gebiß gezäumten Löwen eingehauen war. Die Figur,
welche, wie er meint, früher darauf gefeffen, war abgebroch en; ſehr
wahricheinlih wol vie Dea Syra (Atargatis), wie fie auf ben
Münzen von Hierapolis adgebilvet iſt und daſelbſt nach Lucians
Bericht verehrt ward.
R. Pocode 8) beſtätigt im Allgemeinen jene Angaben, nur
2 meinte er, die Stadt babe eine länglih vieredige Gehalt ven Eu⸗
- phrat entlang gehabt, 4 Meile ang, } Meile breit; auf ven hoben
- Wällen, welche fie nad der Landſeite zu auf allen Seiten umgeben,
habe er noch die Reſte der alten Mauern wiebergefunden. An ih⸗
rer Nordſeite zog ein kleiner Bach vorüber; auch fieht man hier
noch eine 170 Schritt lange Mauer, die auf einer Seite Säulen
zeigt. An drei Seiten der Stabt waren Thore, die größten. zeigten
fich noch gegen Welten und Süden; dort fland noch ein Poſtament
von Quaderſteinen, hier nur noch das Pflaſter eines Thores. An
der Flußſeite erhebt ſich vie Berghoͤhe doch 40 bis 50 Fuß, deren
ſüdlicher Vorſprung gegen die Stadt an 44 Schritt Breite hat, auf
vem das Eaftell (Arropolis) ſtand, veffen Mauern noch eine Dide
von 8 Fuß haben. Der Aufgang zu ihm kam von der Weſtſeite,
vom Weſtthore aud. Die Süpfeite der Stadt bat noch große Trüm⸗
mer von Straßen und Gebäuden, darunter auch die fehr zerflörten
Mefte eines in Weften liegenden Baues, der der Tempel geweſen
°»*) H. Maundrell I. c. p. 155 Pr Tab. ad pag. 7. sn. Po⸗
code, Beſchr. d. RT
1040 WeftAfien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. 5.42.
zu fein fiheint. Gegen den Süden zeigen ſich 4 niedere Vauer⸗
wände, an denen noch die Poflamente von 4 Säulen einen fc
großen Cingang bezeichnen. Viele Säulen und Pieveftale liegen
umber; alles iſt ſehr zertrümmert. Pococke Hielt dies für vie Reck
von Gerrhae oder richtiger Serrhae bei Ptolemäus, das aber weit
fünlicher lag (1. oben S. 1000). Sind es wirklich vie Ruinen von
Curopos, deffen Lage nach Obigem Hier genau eintrifft (f. oben
©. 994),.j0 würde hier alfo das fefte Standquartier des Bellfer
zu fuchen fen, wozu ſich die Localität gewiß nicht wenig eigneke (j
oben S. 995). Die jüngeren Verſchanzungen der dortigen Mau
werke würden aus ven Zeiten Juſtinians fein, der auch Eurapal
mit fo vielen andern euphratenfifchen Feſten reflauriren lleß (Pro
cop. de aedif. Just. II. 235); vie ältern aber ſchon aus ver &
faren Zeit, va Plintus dieſer Stadt als einer ſyriſchen erwähet
Die älteften möchten aber wol ven Seleuciden⸗Zeit en angehöem,
da auch Hier, wie noch an einigenianderen®5) Localitäten ihre marchon«
fchen Anſiedler ſich ihre europäifche Seimath in verjüngter Geflalt wir
zu bergegenwärtigen fuchten. Dr. Helfer, von der Euphraterpeeitien,
Hat zu feiner Zeit die Heberzefte von Jerabolus beſucht; heat
lih werben noch manche Iehrreiche Nachrichten aus dem
diefed unermüneten Beobachters auch ver geograpkifchen Wiſſenſcheſt
zu Gute fommen.
I 3) Gecilia.
Die Ruinen unmittelbar ſüdwärts der Einmündung bes Sie
fhur, nahe dem Sarifat- Borgebirge, wo Ainsworih in einer Ich
hen Bucht am Ufer eine griechtiche Infchrift, einen Waſſerfall übe
eine Gircusgeftalt und die Ruinen einer antiken Stadt angibt, W
wol nähere Unterfuchung verdienten, haben wir in Obigem für W
Küge der alten Cecilia gehalten, von ver wir jedoch nichts nähen
auß dem Altertfum erfahren.
“en Berkel, Not. ad. Steph. Byz. fol. 390, a: v: Ruropss;
BE
Euphratſyſtem; Bambidſh, Hierapolis. 1041
' 4) Bambidſh, vulgalr Mambidfſh; Sierapolis, das Heilige
thum der Dea Syra; Munbedj b. Eorifl, Mamdegi b. Abul⸗
feda; Manbesja und Manbesjum in Vita Salad.; Menba,
Manba im Index geogr. Alb. Schult,; Bambyx, Baupßvxn b.
Strabo; Bamb yce und Magog (Mabog) b. Plinlus; Hiera⸗
polis CItoh nodıs bei Aellan; dv ‘Iepü nöAsı b. App. Parth.
137) b. Strabo u. a.; Vetus Ninum (Hierapoli vetere Nine
hei Amm. Marc. XIV. 8, 7); Sierspolis auf Münzen.
Die Ruinen diefer Stadt haben 5. Maundrell im I. 1699
und R. Bocode (1737) zuerft wieder entdeckt und beſchrieben;
Buckingham Eonnte im I. 1827 ET) von ven Anwohnern des
Cuphrat bei Bir und auf dem Wege dahin von Haleb durchaus
Leine Nachricht Über die Lage dieſes Ortes erhalten, obwol doch
Niebuhr (1766) 8) menigftens die ſüdlichere Lage abwärts feiner
Route von Bir, über Tihamurli nach Haleb, von einem Dorfe
Bombänfh fuhr, das er für das alte Bambyce hielt, und auch
eine Route yon Ierabolos über Bombädſh, Acamy, Bezaga, Surbaß bis
HGaleb in f. Tabul. 52 eintrug, obwol er weder den Ort ſelbſt, noch
ſonſt etwas von demſelben in Erfahrung bringen konnte. Die Ver⸗
ſchiedenheit obiger Benennungen zeigt ſchon einigermaßen, daß er zu
” feiner Zeit ein gefeierter Ort geweſen, dem jedoch kein Iebenbiger
Innerer Verkehr einen durch Die Stimmen ver Völker und der Jahr⸗
Hunderte gleichmäßig Überpauernden Namen zu Thell wer
‚ den Tief. Erſt durch Col. EhHesney iſt die Lage ber heutigen
Nuinen genau in die Karte, 5 geegr. M. im Weſt von den Ufern
des Euphrat und dem Geſtirnſchloß (Kalaat ol Nebſhm),
eingetragen, dad nach Obſervation unter 36° 33° 17" RN. und
38° 16' 15” DR. v. Gr. liegt.
H. Maundrell fuchte zuerſt ®%) von Haleb aus die Ruinen
von Bambidſh auf, und nahm viefelbe Route dahin, welche Nies
Buhr in feine Tafel eintrug. Den erften Tag (17. April 1699)
Bam er nah Surbaß; den zweiten in 32 Stunde gegeh N.O.,
ar Bab und veffen Aquäpuete, Dyn il Daab Mm: h. Diſtrict
non Daab) genannt, zu dem man 30 Stufen binabfleigen mußte,
Worüber, nad Bezay (Bezagha), und zum netten Dorfe Lediff;
#1) 5. 8. Buckingham, Trav. in Mesopolt. 1. ep 80 ,Q,
| Aiebar, Beleiefär. 5.1. 6.416. °°) H. Maundrell, Acc.
Ritter Orbiunde X. . Uun
1040 WeftAfien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. 1.42,
zu fein fcheint. Gegen ven Süden zeigen ſich 4 nievere Mauer
wände, an denen noch bie Poflamente von 4 Säulen einen fer
großen Eingang bezeichnen. Viele Säulen ımd Piedeſtale liegen
umher; alles ift fehr zertrünmert. Pococke Hielt dies fir vie Rei
von Gerrhae oder richtiger Serrhae bei Ptolemäus, das aber weit
füplicher lag (f. oben S. 1000). Sind ed wirklich die Ruinen von
Curopos, deſſen Lage nach Obigem Hier genau eintrifft (f. oben
©. 994),.f0 würbe Hier alfo das feſte Standquartier des Belifer
zu fuchen fein, wozu fidh die Localität gewiß nicht wenig eignete (f.
oben S. 995). Die jüngeren Verſchanzungen der dortigen Nasa
werke würben aus ven Zeiten Juſtinians fein, der auch Europas
mit fo vielen andern euphratenflfchen Zeiten reflauriren ließ (Pro
cop..de aedif. Just. II. 235); vie ältern aber ſchon aus ver &
faren Zeit, va Plinius diefer Stadt ald einer ſyriſchen ermähet
Die Älteften möchten aber wol ven Seleuciven=Z eiten angehöm,
da auch Hier, wie noch an einigen anderen 36) Localitäten ihre mareren-
fchen Anſiedler fich ihre europäiiche Helmath in verjüngter Geflalt wie
zu vergegenwärtigen fuchten. Dr. Helfer, von der Euphraterperitien,
bat zu feiner Zeit die Ueberrefte von Jerabolus beſucht; hefas
lich werben noch manche Ichrreiche Nachrichten aus dem Nah
dieſes unermüdeten Beobachters auch der geograpkifchen Wilfenfhei
zu Gute kommen.
— Ä 2 3) Ceecilia.
Die Ruinen unmittelbar ſüdwärts der Einmündung des Si
fhur, nahe dem Sarifat- Borgebirge, wo Ainsworth in einer Ich
hen Bucht am Ufer eine griechifche Inſchrift, einen Waſſerfall übe
eine Circusgeſtalt und die Ruinen einer antiken Stabt angibt, W
wol nahere Unterfuchung verdienten, haben wir in Obigem für We
Lage der alten Cecilia gehalten, von ver wir jedoch nichts nähen
aus dem Alterthum erfahren.
"en Berkel, Not. ad. Step. Byz. fol. 390, 2. v; Reropo-
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Euphratſyſtem; Bambidſh, Hierapolis. 1041
4) Bambidfh, vulgals Mambidſh; Slerapolis, das Heilig:
tfum der Dea Syra; Munbedj 5. Eorifl, Mamsegi b. Abuls
feda; Manbes ja und Manbesjum in Vita Salad.; Menba,
Manba im Index geogr. Alb. Schult.; Bambyx, Baufvxn b.
Strabo; Bambycre und Magog (Mabog) b. Plinlus; Hiera⸗
polis CIto nodıs bei Aelian; dv ‘Iepü nöAsı b. App. Parth,
137) 5. ©trabo u. a.; Vetus Ninum (Hierapoli vetere Nine
bei Amm, Marc. XIV. 8, 7); Sieropolis auf Münzen.
Die Ruinen biefer Stadt haben H. Maundrell im 3. 1699
und R. Pococke (1737) zuerſt wieder entdeckt und beſchrieben;
Buckingham konnte im I. 1827 87) von ven Anwohnern des
Cuphrat bei Bir und auf dem Wege dahin von Haleb durchaus
Leine Nachricht Über die Lage dieſes Ortes erhalten, obwol doch
Niebuhr (1766) 99) wenigſtens die ſüdlichere Lage abwärts feiner
Route von Bir, über Tihamurli nach Haleb, von einer Dorf
Bombänfh fuhr, das er für das alte Bambyce hielt, und au
eine Route Yon Ierabolos über Bombänfh, Acamy, Bezaga, Surbaß His
Haleb in f. Tabul. 52 eintrug, obwol er weder den Ort felbft, noch
fonft etwas von vemfelben in Erfahrung bringen konnte. Die Ders
ſchiedenheit obiger Benennungen zeigt ſchon einigermaßen, daß er zu
feiner Zeit ein gefeierter Ort geweien, dem jedoch kein Ichenbiger
Innerer Verkehr einen durch Die Stimmen ver Völker und der Jahr⸗
Hunderte gleichmäßig Überpauernden Namen zu Theil wer⸗
den ließ. Erſt pur Col. ri eöney iſt vie Lage ver heutigen
Ruinen genau in wie Karte, 5 gecgr. M. tm Weſt von den Ufern
des Euphrat und dem Geſtirnſchloß (Kalaat ol Nebſhm),
eingetragen, das nach Obſervation unter 36% 33’ 17" N. dr. und
38° 16’ 15" DR. v. Gr. liegt.
H. Maundrell fuchte zuerſt 9%) von Haleb aus die Fuknen
von Bambidſh auf, und nahm vieſelbe Route dahin, welche Nies
Buhr in feine Tafel eintrug. Den erften Tag (17. April 1699)
Lam er nah Surbaß; den zweiten in * Stunde gegen N.O.,
an Bab und deſſen Aquädnete, Dyn il Dank G— h. Diſtriet
Son Daab) genannt, zu dem man 30 Stufen hinabſteigen mußte,
Soorüber, nach Bezay (Bezagha), und zum netten Dorfe Lediff;
#1) J. 8. Buckingham, Trav. in Mesopot. ang,
Aiebar, Beleieär. x. I. ©. rei hs Er Maun drell, Ace.
Ritter Grofunde X. . Uuun
10 Weblin, LIE Abchetlung. L. Abſchaitt. |.
von da aber Nachmittag, nody 3 Stunben weiter, zu den Rum
von Acamy (Mfamt), eines einfligen Ortes won Bedeutung. Diek
Tiegt auf einer Anhöge; er wat gtoß, vol Mauern alter Bauwahll
aber von Wildniß umgeben. Der vritte Tagmarſch (19. Ad
führte nach 4 Stunden Wegs gegen NO. nad Bambidſh.
Diefer Ort zeigte nur vurch Mauern Die Reſte feiner ale
Größe, die noch an drei Seiten, jede eine engl. Mil. Tang, in >
fammenhang ftehen blieben; am ver vierten, ber Oftfeite, find mm
Trümmer vdavon, und zumal die eines Thots, vas zum Cups
füßste, übrig geblieben. Ä
Außer dieſen bemerkte man noch ein anderes Mauerſtück m
30 Schritt Länge, von ungemeiner Feſtigkeit, aus Quadern chem
das fi mis feinen Ihürmen erhalten Hatte An ver Nordſein do
werte Maundrell die Büſten einer weiblichen und dm
männlichen Figur in Lebenägröße, in Stein gehauen, und üfe
ihnen zwei Adler angebracht (ob taiferliche Infignien, etwa we
‚ya Ergerum? f. ob. ©. 766). Nicht weit davon an ver Seite dus
großen Mauer war ein Stein eingemauert, mit drei Kiguren a
hbalberhabner Sculptur; zwei Sirenen, bie ihre zur Get
arefhlungenen Fiſchſchwänze ald Sig einer nadten weil
udn Figur darboten, bie zwifchen ihnen ihre Arme auf brix
Sirenen flügte (offenbar eine Anfpielung-auf die Derketo, weit
in. Hierapolis als fgrifche Göttin unter der Fiſchgeſtalt verchet war).
Auf ver. Weftfeite fah Maunprell ein tiefes, Damals trodan
Baffin. ‚von 100 Schritt im Durchmeſſer, von. einfligen grob
Bauwerken umgeben, deren Mauern wid Säulenwerke
ſtürzt einem Theil der Vertiefung zugeſchüttet Hatten. De fe
merfte ex auch noch Waſſer darin, und eine Menge umteriräe
Aquäpucte, bie nach dem Innern der Stadt gingen. Die den
Wohnenden fagten, «8 feien ihrer ver Zahl nah 50. Maundrtell
bemerkte, daß man bie Stabt rings umreiten Tünne, aber überci
bergleichen Waſſerleit ungen antraf. Un einer derſelben Im
Oſten der Stabt, vie nach einen fchönen burchfließennen Gtrumfait,
ſchlug er fein Zelt auf, , Diefes Waſſer ergoß ſich in ein aehel
Thal, das dadurch ungemein befruchtet wird, und das er für dan
Weiveplag der Opferſtiere hielt, welche hier der ſyriſchen Gätie
halten werben mochten (f. ob. S. 774). Schöne
Nefte ‚von Moicheen, Baͤdern und andern Bauwerken aufehll
jener Mauern ‚iclgten, daß Hier einſt eine ſtarke ſaraceniſche Bulk
kerung geweſen, wo gegenwärtig nur wenige Anfleoler were, wo
N
RURA.... ,. M
"wauna _uUWu
u
Enphratſyſtem; Bambidſh, Hierapolis. 1048
in der Rähe raubſüchtige Turkmanenhorden, vie dem Beiten vie
baldige Weiterreiſe auf Nebenſtraßen rathſam machten.
Pococke, der kein halbes Jahrhundert ſpäter (im Aug. 1737)
Diefelbe Stätte des alten HKHierapolis befuchte, 99) kam unter dem
@elcite eines arabifchen Sheikhs von Sumata dahin, deſſen Lager
von 50 Zelten an einem Sirome aufgeſchlagen war, veilen Waffer
auch nach den Ruinen floß, vie nach dem Mitt einer Stunde vom
Rager aus erreicht wurben. Die Stadt, fagt er, lag am fünlichen
Ende eines langen, viertelftunnen breiten Ihales, von einem Strome⸗
bewäfiert, ver aus den Waflerleitungen ver Stadt abfloß, und dem
zur Meinerbaltung ein Canalbett mit wagrecht gelegten Stein⸗
platten bereitet war. Die Figur der Stabt hielt Pococke nicht
für regulär (Cheaney's Karte gibt ein regelmäßiges Quadrat an).
Ginige Stüde der noch vollſtändig flehennen Mauern waren 30 F.
Hoch, und hatten B Fuß Die; fie waren nach inuen wie nach au⸗
Ben mit großen Duaberfleinen befleivet; ihren Umfang fchägte Po-
code auf 2 engl. Mil. Auf ven Mauern, bemerkt er, war ringe⸗
umber ein Spaziergang, zu. dem eine Treppe mit Ruheplatz, der
unterwödlbt war, binaufführte (mie die ſchͤne Promenabe auf ven
quadratiſch laufennen Mauern des antifen Nömercaftelld von Chefter
in Nord⸗Wales noch heute). An 5 Selten werben vie Maueru
von Thürmen vertheidigt, deren jeder 50 Schritt fern von dem an«
bern ſteht. Außerhalb ver Mauer zieht ein niedrer Graben umher;
bie 4 Stabtihore zeigen eine Weite von 15 Fuß, und werden auf .
jeder Seite von einem balbfreisförmigen Thurme vertheidigt. Die
Waſſer follen aus ver Berne von 5 Gtunden von einem Hügel,
der gegen Süpen liegt, zur Stabt geleitet fein. Sie felbftift auf eineg
Anböhe erbaut, fo daß der Aquäpuct 20 Fuß tief unter der Ober⸗
läge der Erde fortgeführt werden mußte. Zu biefer Tiefe gehen
- Innerhalb ver Stadt Zugänge hinab, pie meiſt 5 &. weit und 15.
lang find, umd durch große 5 und 10 Buß lange Steine von oben
überlegt, vie nach Pococke's Anficht das Hinabſteigen erleichtern
foßten. Er meint, daß man auch eigne Werkzeuge gehabt, das ges
ſchoͤpfte Waſſer durch Löcher nach oben zu ziehen. An einem biefer
Löcher bemerkis er den Sculpturflein mit den beiden Sirenen,
wahrjcheinlich nenfelben, den auch Maun drell befchrieb. Er neun
Diefe Figuren mit Fiſchſchwaͤnzen aber geflügelte Menſchen (9)
8. Bocode, Befchreibung des Morgenlandes. TH. I. S. ME —
| | uuu2
1014 Weit:Mfien, III Abtheilung. I. Möfheit. |.22.
und hielt fie für Zephyre, die eine Venus über das Mer tri
gen. Uns ift keine neuere Unterfuhung vdiefer Ruine befannt. Dei
viefe reichliche Beräfferung der Gtadt bis in das Mittelalter,
zur Zeit Sultan Salavdind, noch im beften Zuſtande war, erg
fi aus deſſen Zeitfchriftftellen. Diefer Ort, Heißt es in Vm
Saladini ed. Alb. Schult. Ind. geogr., iR eine fehr alte un wir
läuftige Stadt, veffen Bewohner trinken aus Brunnen ſüßen Br | '
fers innerhalb ihrer Käufer und Vorſtädte, und aus Ganälkn, de
ſich nach allen Richtungen bin durch das Land ergiehen.
Pococke beflätigte das Dafein jenes großen, jegt troden lie
genden Wafjerbedens an ber Weſtſeite ber Stadt Hlerapelli zu
fagt, e6 ſei dreleckig, Liege dicht an ber Stadtmauer und habe a
der einen Ede pie Ruine eines fehr zerflörten Gebäudes, pas abe
mit veffen Innern in näherer Verbindung ſtand, und wel zu cam
Heiligen Gebrauche bei Öffentlichen Feſten dienen mochte. Hi,
meinte er, würde wol der Teich mit den heiligen Fiſchen
weſen fein, von dem Plinius ſpreche.
Plinius (XXXU. 8) fprit - allerbings von dem heilige
Teiche der Venus gu Hierapolis, in denen die zahmen mit Geh
geſchmuͤckten Fiſche auf den Ruf der Tempelmächter berbeifdwammen,
thnen ſchmeichelten, ſich Eragen lichen und die Mäuler auffperten,
Die fie mit der Hand begreifen ließen. Aelian (de nat. asim
X. 2) feßt noch Hinzu, daß fle dort in großen Schaaren geht
und gefüttert wurben, aber ftets in Frieden unter einander Ichts;
thre Anführer fein vie Vorkofler ver Ihnen zugeworfenen Speiſt
gewefen. Sie find vielleicht zu Drakeln benutzt worden. Reh
heute iſt an gar manchen Stellen Syriens ver Gebrauch, ſolche
heilige Biiche zu Halten.
Etwa 200 Schritt außerhalb des oͤſtlichen Thotes bemerike
Pococke eine Anhöhe, auf welcher feiner Anfſicht nach wahrſchei⸗
li der Tempel der Atargatis geſtanden, von ber Blin ins fagke,
daß die Griechen fie Der keto genannt (Plin. V. 19: Bambycen
qeae alio nomine Hierapolis vocatur; Syris vero Magog. li
prodigiosa Atargatis, Graecis autem Derceto dicta, c®
litur). Die Fronte dieſes Tempels Eonnte hienach eine Ausschuung
von 200 8. Haben, auch Höhe genug, ur bie zum Opfer Beſtiun⸗
ten rudlinge hinabzuſtürzen, damit fie ſicher den Hals beiden.
Eine Mauer lief von dieſer Tempelſtätte dem Thore zu, daß arh
ein großer Vorplatz vor demſelben ſich ausbreiten konnte Un biefer
Stelle hatte Has LUnregelmäßige in der Dauer aber das Unfehe, ch
u a. voran. gg m 2
5
y ei
Euphratſyſtem; Bambidfh, Hierapolie. 1045.
wenn ein Theil des Bodens nach der Erbauung der Mauer noch
mit eingeſchloſſen worben wärd, um ven großen Vorhof zu erweitern,
zu welchem wahricheinlich der ganze Raum nospwärts des Tempels
zehörte. Es wird auch eines Hofes norbwärts des Tempels ges
acht, und eined Thurms vor dem Tempel, der auf einer 12 Fuß
yoben Terraffe geſtanden. Hätte dieſer Thurm auf ber genannten
Böhe geftanden, bemerkt Pocode, fo müfle ver Tempel wehhwärts
yavon gelegen haben, wo fich aber gar feine Spuren eines ſolchen
Baues entdecken ließen. Vielleicht daß er ba fland, wo gegenwärtig
och bie Trümmer eines großen Gebäudes fich erheben, Has einſt
vol In eine chriſtliche Kirche mit einem Thurme umgewandelt war,
enn Hierapolis Hatte feine Epifcopen (f. S. Abercii epis
:opi Hieropoleos memoriam ecclesia graeca celebrat 22. Oct.
j. Menolog. graec.).) Auch gegen Weſten bemerkte man nody
erwüſtete Bogen ; vielleicht von einem Kreuzgange.
Zu dem Unterhalt de alten Tempels ver DeaSyra hat
m nicht nur Syrien, fondern auch Cilicien, Kappadocien,
lrabien und ſelbſt das Gebiet von Babylon einſt ihre Beiträge
s liefern.
Im Weften ver Stadt auf einer Anhöhe, wie auf einer an⸗
ren im N.O. derfelben, erkannte Pococke noch einige Grabſtätten,
n denen er mehrere orientalifche Infchriften und auch Kreuze bee
jerkte; im N.O. In einiger Entfernung aud einen Bau, ben er für
ne fehr alte Kirche Hielt, die in eine Mofchee verwandelt, obwol
ngemein verfallen, einft fehr feft gebaut war, und an jeber Gelte
z füplichen Ecke ein Gemach Hatte, das fein Wegweiſer mit dem
amen „Haus des Phila“ belegte.
Es wäre wol wünfchenswerth, von einer fo merkwürbigen Le
lität genauere neuere Unterfuchungen zu erhalten.
Den großen Ruf der Stadt bezeichnet ſchon ihre Name Hie⸗
apoliß, den ihr jedoch erſt Seleucus Nicator beilegte; denn frü-
x hieß fie mit dem einheimischen Namen Bambyke (Baupvxn),
x wol richtiger Bambyg und daher iventifch mit dem ſyriſchen
amen Magog oder Mambog geweſen, ver bei Plinius over
men Abfchreibern nur irrig In Magog verwandelt wurde (Aelianı
» nat. anim. XII. 2. xara zn» nalas Baußüuxnv, zalgizar
! vi “Ieganodıc, Seleuxov drouaouvyTog Toüzo avsyv; und
en fo Appian. Alex. de bellis Parthic. Toll. 157, p. 270).
es1).J, Golius ad Alferganum 1. c. p. 261.
—
1046 Weſt⸗Aſien. IH. Abtheilung. I. Abfchnitt. 1.42.
Strabo nennt diefe Stadt unter allen Autoren zuerſt Bam-
vbyre und Hierapolis (sacra urbe), in welcher Sie ſyriſche
Gottin Atargatis verehrt wurde, und er zeigt, Daß fie ein Em-
porium war. Denn er fpricht vafelbfl von den Kameel⸗Kata⸗
wanen (saunAiras) der Handelsleute, die von da Über da
Euphrat gingen zu den Grenzen Babylons (wo Skenal m
Canale lag) bis nach Seleucia, den Weg durch Mefopetumin
nehmenn, wo fle Waffervorräthe in Eifternen fanden und von im
Zeltbewohnern, ven Steniten (ol Zxnvizar) nur mäßige Zolle up
erlegt erblelten. Desbalb vermieden fie das Eupbratufer, ber
felbe 3 Tagereiſen zur rechten Sand Tiegen laſſend, weil bie vertigen
Hordenfürften (guAcpxor, d. I. die Emirm der Araber) zu I
den Seiten des Stromes, jeder nach feiner Willkühr, Zollſtener w
hoben, und Teineswegs ein mäßige. An verfelben Stelle (Strabo XVI
748) aber fügte Strabo Hinzu, daß Bambyke auch Evefa bele
mad aber ein Irrthum Strab0o89) (oder feiner Abfchreiber) war,
der das wirkliche Edeſſa in Mefopstamien (nämlich Bhea, Urk)
noch nicht gekannt zu haben fcheint, da er es in feiner Wefchreitum
Meſopotamiens gar nicht nennt, over es mit biefer Stadt Syrient
im Welten des Euphrat vermedhfelt Hatte.
Seine Nachricht vom Karawanenverkehr der Sterapılid
iſt wol aus der ältern vorparthifhen glänzenden Periede
ber directen Handelöverbindungen Syrien 8 mit Seleucia, m
zweiten blühenden Reſidenz der Seleuciven, genommen, von ter om
umſtändlich die Rede war (f. 06. ©. 69 u. ff.). Gie gibt um
lehrreichen Blick auf die Altern Zuflände Mefopotamtiens, che
noch Parther und fpäter arabifche Ueberzügler wie kurdiſche won
der Süd- und Norbfeite dort jeden Durchgang erfdywerten. El
macht e8 zugleich begreiflich, wie fdhnell eine Hierapolis une
den Seleuciven aufblühen konnte, die eine Mittelftation zwiſchen
den beiden glänzenden Refidenzen Antiochta am Mittelmeere uab
Seleucia am Tigrisdelta war. Sie war zum Theil das gewerden,
was Alerander mit Thapſacus Im Sinne gehabt, was aber alt
durch die Seleuciven hatte vealiftrt werben innen, weil Alexander
feine Eroberung Arabtend nicht ausgeführt hatte (f. ob. ©. 37, 4,
49, 51 u. a. O.), wodurch nun erſt der Andrang der Araberherden
gegen dad Cuphratland feine Verſtaͤrkung erhalten mußte.
u er G. Groskurd, Strabo's Erdbefchreibung. TH. II. ©. 31,
st. |
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Euphratſyſtem; Bambidſh, Hierapolijs. 1047
Schon drei Jahrhunderte vor der chriſtlichen Zeitrechnung muß
bie alte ſyriſche Stadt Bambyke durch ihren Cultus bedeutend ‚ger
weſen ſein, daß ihr Seleucus Nicator den ehrwürdigen Namen
des Hierapolis beilegen Eonnte. Daß durch den Schutz, den er
auf diefe Weiſe dem dortigen Nationalheiligthume in feinem. großen
Weltreiche som Taurus bis zum Inu angebeihen ließ, die große
Meſſe ober das Emporium ergeugte, oder doch ungemein gehoben
Gaben mußte, liegt wol ſehr nahe Wie wichtig die Stadt auch
noch zur Zeit ver erſten Nömerbefignahme war, gebt auß der flol-
zen Schenkung des Marc. Antonius an ven parthiſchen Großen
Monejes bervor, ber ben bei ihm Schuß ſuchenden Ylädstling,
wie einſt Rönig Ürtazerres den guoßen Themiſtokles, mit den Einr
Fünften ver drei ſyriſchen Städte: Lariffa, Aeihufja und Hieras
polis beſchentte (Plutarch. Anten. 37, u. Appian. de bell. Parth.
Toll. 157. p. 270). Wie reich aber ver Zempelfgag ver for .
chen Böttin daſelbſt geweien, fagt die Plünderung durch
M. Craſſus, deſſen Geige und Habſucht Plutarch es mit Recht
vorwarf (Pl. im Crass, 17), wie er, flatt ven Krieg fhr den zömi»
ſchen Bunbeögenoffen, den König der Armenier, Artabezes, wis
die Parther weiter zu führen, viele Tage nach einander in Tempel
zu Hierapolis ſitzend, ſich vefien Gold⸗ und Silbergefäße und audre
Reichthümer nah Wange und Gewicht zuzählen ließ (f. Appian.
Alex. de bell. Parth. Toll. p. 223); vafür ihn dann freilich beim
Hinaudgehen zum Tempel dad böfe Dmen traf, daß erft kin Sohn
auf ber Schwelle ver Tempelpforte nieverfiel und dann der Vater
über ven Sohn hinabſtürzte.
Plutarch jagt bei viefer Gelegenheit, die ſyriſche Göttin,
welche bie einen die Aphrodite, andere pie fprifche Here naun⸗
ten, fe „die Natur ſelbſt, ober die exſte Ur ſache ver Dinge,
„nie Allem ven Urfprung und Saamen aus ver Beuchtigkeit verleihe,
„oder ala die Gebärenmacherinn (omsiparens Dea Syra), die
„Duelle aller für den Menſchen beftinunten @üter bei den Syrern
verehrt worden (rerum natura parens; Apul.).
So iſt denn auch nad den umfläublichern Nachrichten, Die
Zucan von Samofata über ven Cultus verfelben (De dea Syra
c. 1. etc.) mittheilt, Fein Zweifel, daß bier der Cultus der ſyri⸗
fen Sauptgdttin 9) flatt fand, welche unter den verſchieden⸗
8 C. Movers, unterfuäungen über die Gottheiten der Phönizier.
onn 1841. 8. ©. 534—600.
.
‘ *
1048 Weft. daßen. TIL Abthellung. I. Abſchaitt. {.22.
ſten Namen, wie die aſſyriſche Here, die Benus von Aua⸗
thus, die Baaltis oder Berut, d. I. die Göttin von Libanın,
verehrt ward. Diefelbe, welche bei Babyloniern Salambe em
Mylitta(i..ob. ©. 858), auch Thalaffa hieß, die als Derceto, wi
Lucian fie im Xempel zu Sierapolis fah, als Weib mit um |
Fiſchſchwanz (de dea Syra $. 14) und eben fo auf den Mänyn
zu Aſkakon, wo'fte auch als Adirdaga (i. e. magnificus piscs;
Dagon ver Philiſter) 9*) verehrt ward, abgebildet wurde Ihe
ward auch Semiramis (ſ. ob. ©. 855) ald Tochter, wie Dieter
erzählt, zugefellt. 9%) Sie hieß aber in Abkalon auch Aterga-
ti8; daher au ber Plinius In Hierapolis prodigiosa Atargats,
ein Name, ver mit weggelafinem a und Verwandlung des g in k,
derſelbe wie Derkotis ober Derceto, nur andern Dielecie
Seoxex et Targat plane idem sonant, Th.Hyde) ®°) angehörk,
und die außerordentliche Werbreitung und Bedeutung des Guits
dieſer Botiheit Durch einen großen Theil Vorderaftens Hinreicen
beurfundet.
Unter Kaifer Dioeletian over vielleicht Eonftantinns R
wurde Hierapolis vie Enpitale ver neuen Provinz Cuphrateſie
(1. 06. S. 928 u.ff.) 9), deren Name nicht überbauerte, dagegen der
Name Kommagene, im Arabifhen Kamach, 98) bis heut: der
Name ver Provinz geblieben IR. .
Zu Kaifer Sultans Zeit nennt Amm. Marcel. viefen Bri
nebſt Samofata als die weiten und glänzeuden Hauptſtädte Er⸗
phrateſſena ((XIV. 8, 7: Hierapoli vetere Nino et Samoeata
eivitatibus amplis illustris), und wiederholt Die Bezeichnung ihre
Größe, wo er von dem Einzuge des Kaiſers auf feinem Kriegöjuge
gegen Cteſiphon (jr ob. S. 156) durch ihr Thor und dem böfen Om
deſſen Einflurges fpricht (XXII. 2,6: Hierapolim „ . . . ubi cum
introiret civitatis capacissimae portas, sinistra porticus subito
lapsa etc.), wodurch an 50 Soldaten erichlagen und viele verwen
bet wurden. Die chriftliche Lehre hatte damals. allerdings ſchon In
Antiochia und ganz Inwer Nähe des berühmten heidniſchen Tempels
ber Dea Syra großen Volkszulauf erhalten, wie fich aus der E⸗
) 5. Seldeni de Dis Syris. Amstelod. .1680, Syat. IL. c. 8
p. 198—204. ts) Diodor. Sic. bibl. hist. Lib. IT, 65. fol. in
ed. Wessel ®®) Not. in Itinera mundi Abrah. Pesitsel.
Ram. ah. vi 4. pag. 49. *%) Mannert, Geoge. ber Gr. zu
m. Th. VI. I. S. 490. °®) Jac. Golius Alferganum
Rlem. astron. p. 262. dm © un
M
⸗
Euphratſyſtem; Bambidſh, Hierapolis. 1049
zählung von I. Malalas von St. Domitins Martyrthum
zu Kyrrhus (Joan, Malalae. Chronographia. Lih. XII. Julian. '
Imp. p.328. ed. Dind.) ergibt, das nur einen Tagmarfch früher
von Julian auf feinen Marfche von Antiochia nach Hierapolts
befucht worden war. Dort zu Kyrrhus in Khyrrfteca hatte Do⸗
mitins als Einflevler in einer Felshoͤhle durch feine Heilung ver
Kranken und Bertheilung feines Segens viel Bolt vwerfammelt,
worüber der Faiferliche Apoftat fich ärgernd die Grauſamkeit beging,
um den Einflevler, wie er ſich ausdrückte, ganz zu vereinfamen, ben
Heiligen in feiner Höhle einmauern zu laſſen.
Der Einfluß ver ſyriſchen Göttin mußte dem Fortſchritt bes
Evangeliums in Syrien weichen; die von Seleucus und ven Mace⸗
boniern. aufgebrängten griechiichen, Namen der Städje wichen ohrve
das fchon zu Ammians Zeit, wie biefer felbft e8 bemerkte (XIV.
8,5), vor den einheimifchen zurüd, auch ver heidniſche Name
der Hiera polis mußte ſchwinden, und es tauchte der alteine
heimifch-fyrifche, von den Römern und Griechen nur verbrehte,
Bambyke, als der bald herrſchendwerdende wiener hervor. Aber
mit dieſer Veränderung ver religidfen Zuſtände verlor auch die Stadt
ihren Glanz, ihre Einwohner, ihre Bedeutung.
Died ergibt fi aus Procopius Kriegäberichten. Das Ma-
gisterium orientis, oder ben Oberbefehl der Armee im Oriente, hatte
Kalfer Juſtinian flatt eines frühern fpäterhin zweien Feld—
herrn übertragen, davon der eine, Buzes, zur Bewachung ver
Meichögrenze gegen die Saffaniven feine Hauptmacht zu Hierapo⸗
lis concentrirte (Procop. de bell. Pers. c. 6. p. 176). Aber die
Stadt war fchon veröbet, und ald Khos roes mit feinen Perfer⸗
heere ven Euphrat aufwärte über Sura beranrüdte, hielt Buzes
zu’ Sierapolis Kriegdrath, und erklärte, bei Mangel an Proviant
und bei dem fchlechten Zuftanve der Mauern diefe Stadt gegen ein
fo mächtiges Kriegäheer nicht vertheldigen zu Eönnen. Ex verlieh
-alfg mit feinem auserwäßlten Truppencorps die Stabt Hierapolis,
und ließ nur eine geringe Beſatzung in ihr zurück. Der von Con-
ſtantinopel zu Hülfe geſandte Neffe des Kaiſers, Germanus, gab Sy⸗
rien preis, und beſchraͤnkte ſich darauf, die Stadt Antiochia gut
zu vertheldigen. Doch ſuchte diefe durch den Erzbiſchef Mega von
Beroea, einen gewandten Geſchaͤftsmann, der dem Perſerfeinde ent⸗
gegengeſchickt wurde, jenen mit einer Summe Goldes abzujinden.
er Erzbiſchof traf Khosroes beim Lagern vor Hierapolis
wilbzornig, aufgerelzt und entfcloffen, ganz Syrien und Cilicien zu
1050 WeftsAfien. III. Abtheilung, I. Abſchnitt. 5.42,
unterjochen. Die großen und ſtarken Mauern ber heiligen Gtekt,
die er für gut mit Mannfchaft befegt hielt, machten momentan
Eindruck auf ihn, und er lleß fh gegen Tributzahlung in Unte-
Hasblungen ein, da bie Bewohner einfahen, daß ihre zu große
YUmmauerung, die bio zu den Anhöhen reichte, für fle zu ſchwer zu
vertheidigen fei, und 2000 Pfund Silber zum Cutſatz anbot.
Dies gab auch dem Erzbifhof Muth, für ganz Syrien um Ede
nung zu flehen, und enblich gelang «8, ven Khosroes zum Bes
fprechen zu bringen, für 1000 Pfund Bold die MRömergreng zu
verlafien. Aber vergebliche Friedenshoffnung. Nach der Ausjah
lung des Tributs zu Hierapolis folgte Khoſroes fohuel den
Erzbiſchof von Bergen nach und überholte Ihn noch vor den The
zen von Antiochia in Zeit von 4 Tagmärſchen. Bon Beross,
das halbwegt dahin lag, erpreßte ver Habfüchtige Die Doppelte Summ
wie von Hierapolis, überrumpelte dazu noch die Stabt, plündert
und verbrannte fie, und fegte nun feine Verwũſtung bis Anti⸗
dien fort.
Eine merkwürdig abweichende Erzählung von viefer Begeber⸗
Belt, für welche wir nur ven byzantinifchen Geſchichtſchreiber Bre-
cop ald Gewahrsmann befigen, gibt aus orientalifchen Our
Firduſi, die wir ihrer Merkwürdigkeit wegen, und da fie bicher
unbeachtet geblieben (nah A. D. Morbtmann’s handſchriftlicha
Ueberſetzung nach dem Mſcr. der Hamburger Bibl. T. II. fol. 181
recto) hier. beifügen. Bon Shurah (Sura) zog das PBerfaker
weiter, biß fie vor einem anbern Schloffe anfamen, wo der Schaf
des Kaifers war. Der Aufſeher dieſes Schapes war ein reichet
Mann, da der Schmud ber Mömer ihm zu Gebote ſtand. *
König (Khosroed) betrachtete das Bergſchloß (Manbedſh), weil
ſein Heer noch nicht angekommen war; er befahl einen Regen von
Pfeilen zu machen. Die Luft warb wie von einem Frühlingehagel
erfüllt, welcher die Männer des Platzes dahin raffte. Darauf legte
man Peuer an bie Stabt und Feſtung. Von ven Römern blieb
kein Vornehmer übrig, und alle wurben zu Boden gefiredt. Den
ganzen Schag des Kaiſers überließ Kesra (Khooroes) Dem Heert
zur Plünderung. Gr brachte den jüngſten Tag über den Ort, uns
alle ergriffen den Weg der Flucht. Heraus kamen Knaben, Dim
nes und rauen zuſammen, begaben ſich zu dem erlauchten König,
ſchreiend und Hülfe ſuchend. „Der Aufſeher jenes Schates, fag
ten fie, iſt Dein; Du verpflanzeft ſchnell den Krieg in das Bat
Reich. Mit reinen Herzen flehen wir Di um Gnade an, und
Y k
| Euphratſyſtem; Bambidfy, Hierapolis. 1051
namen ald Deine Diener Deines Thrond und Deiner Krone.” —
Jarauf befahl er, ven Uebrigen dad Lehen zu ſchenken. — So weit
ird uſi.
Bei jenem zweiten Ueberfalle des Khodroes (ſ. oben S. 995)
s derfelben Gegend Syriens ſpielte Hierapolis ebenfalls keine
laͤnzende Rolle als Keftungsflabt, denn Belifar gog diesmal das
efeſtigte Lager zu Curopos als fein Hauptquartier vor, und ent«
ot dahin die ganze Befagung von Gierapolis, nur wenig Mann⸗
haft in den Mauern diefer Stadt zurücklaſſend. Wirklich war
er innere Raum, wie Procopiud anderwärts e8 deutlich aus⸗
pricht (de aedif. Justin. II. 9. p.237, ed. Dind.), ganz veröbet,
ad viel zu groß, um vertheidigt werden zu köͤnnen. Don einem
eidniſchen Tempel iſt damals ſchon nicht mehr vie Rebe; er mag
Ingft zertrümmert und fein Gemäuer zu chriftlichen Kirchen ver⸗
sendet worden fein, veren Ruinen ſich Heute noch umber zeigen.
Joch wollte des Kaiſers Bauluft den Ort erhalten; Suflinten riß
en Ueberfluß der Mauern, fagt Procop, nieder, verengte die Um
nauerung und gab dadurch dem Ort fehr fichere Verſchanzung. In
er Mitte der Stadt brach eine lebendige Quelle hervor, vie einen
Leich bildete, der in Kriegszeiten ſehr willlommen, aber Im Frieden
iicht nothwendig war, da auch fonft von außen hinreichend Waffer
erbeigeführt ward. Diefen Teich Hatte man durch Vernachläfiigung
er Bäder und Wafchanflalten verichlämmen laflen; ex war zu ei
vem Pfuhl geworben; der Kaifer Lich ihn wieder "reinigen und her⸗
tellen. Dies vielleicht möchte jenes jet meift trockene Baflin fein,
a8 aber Damals wol von ven verengten Ringmauern eingeichlofien
vard, denen es gegenwärtig noch dicht anliegen joll.
In der Pertove der Türkenberrfchaft in Syrim umd ver Kreuz⸗
üge tritt nach langer Vergeſſenheit verfelbe alte aſſyriſche Name
Bambyke, nur in feiner vulgair gewordenen Verſtümmelung, als
Menba, Manba, Manbej, Manbenfh wieder fehr häufig
n der Geſchichte Syriend Hervor.
Die Altefte Erwähnung finden wir in dem Türzlich erſt durch
Möller ebirten Liber climatum des Sheith Abu Iſhak, 9
ver ed Manbedſh fchreibt und ald Stadt der Wüfte nennt, deren
Saatfelder aber meift mit Korn bedeckt find. Die Zeit ver Abfaſ⸗
°°°) Liber climatum auctore Scheicho Abu Isshako el-faresi, vulgo
Ei Isstachri, ed. Dr. Möller. Gotha 1839. 4. Die baudichriftliche
neberſetzung dieſes merkwuͤrdigen Werkes verbanfen wir der gütigen
Bereitwilligkeit des Herrn A. D. Mordtmann tn Hamburg.
%
1050 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung, I. Abſchnitt. $.22.
unterjochen. Die großen und ſtarken Mauren ver Heiligen Stadt
die er für gut mit Mannfchaft beſetzt Hielt, machten momentanen
Eindruck auf ihn, und er ließ fich gegen Tributzahlung in Unier⸗
Handlungen ein, da bie Bewohner einfahen, daß ihre zu große
YUmmauerung, die bis zu den Anhöhen reichte, für Fe zu ſchwer zu
vertheibigen fel, und 2000 Pfund Silber zum Entjag anboten
Dies gab auch dem Erzbifhof Muth, für ganz Syrien um She
nung zu fliehen, und endlich gelang es, ven Khosroes zum Der
fprechen zu bringen, für 1000 Pfund Gold die MRömergrenge ja
verlaffen. Aber vergebliche Brienenshoffnung. Nach der Ausjah
lung des Tributs zu Hierapolis folgte Khodr oes ſchnell vom
Erzbiſchof von Beroea nah und überholte ihn noch vor den Ihe
zen von Antiochia in Zeit von 4 Tagmärſchen. Don Beroen,
das halbwege dahin lag, erpreßte der Habfüchtige die Doppelte Summ
wie von ‚Hierapolid, überrumpelte. dazu noch die Stabt, plündert
und verbrannte fie, und fehte nun feine Verwüflung bis Anti
chien fort.
Eine merkwürdig abweichende Erzählung von dlieſer Begebes-
beit, für welche wir nur ven byzantiniſchen Befchichtfchreiber Bro:
cop als Gewährsmann beflgen, gibt aus orientalifchen Quella
Firduſi, die wir ihrer Merkwürdigkeit wegen, und da fie bieher
unbeachtet geblieben (nah A. D. Morbtmann’s handſchriftlichet
Ueberſetzung nad; dem Mier. der Hamburger Vibl. T. II. fol. 181
reeto) hier beifügen. Bon Shurah (Sura) zog das Perſerheet
weiter, biß fie vor einem andern Schloffe anfamen, wo ver Schaf
des Kaifers war. Der Auficher dieſes Schapes war ein reiche
Mann, da der Schmud der Nömer ihm zu Gebote fland. Der
König (Khosroed) betrachtete das Bergſchloß (Manbedſh), weil
fein Heer noch nicht angefommen war; er befahl einen Regen vom
Pfeilen zu machen. Die Luft warb wie von einem Brühlingähagel
erfüllt, welcher die Männer des Platzes dahin rafite. Darauf legu
man euer an die Stadt und Feſtung. Bon ven Römern blieb
ein Vornehmer übrig, und alle wurden zu Boden geſtreckt. Der
ganzen Schatz des Kaiſers überlich Kesra (Khosroes) dem Heer
zur Plünderung. Er brachte den jüngſten Tag über den Ort, uns
alle ergriffen ven Weg ber Flucht. Heraus kamen Knaben, Män⸗
ner und Brauen zufammen, begaben ſich zu dem erlauchten König,
fhreiend und Hülfe fuchend. „Der Aufſeher jenes GSchapes, füge
ten fie, iſt Dein; Du verpflanzeft fehnell den Krieg In das römıfde
Reich. Mit reinen Herzen flehen wir Di um Gnade an, und
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| Euphratſyſtem; Bambidfh, Hierapolis. 1051
kommen als Deine Diener Deines Thrond und Deiner Krone.” —
Darauf befahl er, den Uebrigen das Leben zu fchenfen. — So weit
Firduſi.
Bei jenem zweiten Ueberfalle des Khosroes (ſ. oben S. 995)
in derſelben Gegend Syriend ſpielte Hierapolis ebenfalls keine
glaͤnzende Rolle als Feſtungsſtadt, denn Beliſar gog diesmal das
befeſtigte Lager zu Curopos als fein Hauptquartier vor, und ent⸗
det dahin die ganze Beſatzung von Hierapolis, nur wenig Mann⸗
fHaft in den Mauern biefer Stadt zurücklaſſend. Wirklich war
der innere Raum, wie Procopius anberwärts es deutlich aus⸗
pricht (de aedif. Justin. II. 9. p. 237, ed. Dind.), ganz verddet,
und viel zu groß, um vertheidigt werden zu Finnen. Don einem
heldniſchen Tempel IR damals ſchon nicht mehr die Rede; er mag
längft zertrümmert und fein Gemäuer zu chriſtlichen Kirchen ver⸗
wendet werden fein, deren Ruinen fich Heute noch umher zeigen.
Doc wollte des Kaiſers Bauluft den Ort erhalten; Juſtintan riß
den Ueberfluß der Mauern, fagt Procop, nieber, verengte bie Um
mauerung und gab dadurch dem Ort fehr fichere Verſchanzung. In
der Mitte der Stadt brach eine lebendige Duelle hervor, vie einen
Teich Hilvete, ver in Kriegszeiten ſehr willfommen, aber Im Frieden
nicht nothwendig war, da auch ſonſt von außen hinreichend Waſſer
herbeigeführt ward. Diefen Teich hatte man dur Vernachläffigung
Der Bäder und Waſchanſtalten verfchlämmen lafien; ex war zu eis
nem Pfuhl geworben; der Kaiſer ließ ihn wieder reinigen und her⸗
ſtellen. Dies vielleicht mochte jened jetzt meiſt trodene Baſſin feln,
das aber damals wol von ben verengten Ringmauern eingeichloffen
warb, denen es gegenwärtig noch bicht anliegen joll.
In der Periode der Türkenherrfchaft In Syrien und ver Kreuz⸗
züge tritt nach langer Vergeſſenheit derſelbe alte aſſyriſche Name
Bambyke, nur In feiner vulgair geworvenen Verſtümmelung, als
Menba, Manba, Manbei, Manbedſh wieder ſehr häufig
in ver Geſchichte Syriend hervor.
Die Ältefte Erwähnung finden wir in dem Tärzlich erſt durch
Möoller ebixten Liber climatum des Shefh Abu Ifhal, 9
der es Manbedſh fehreibt und als Stabt der Wüſte nennt, deren
Saatfelder aber meiſt mit Kom bedeckt find. Die Zeit der Abfafe
ge) Liber climatum auctore Scheicho Abu Isshako el- faresi, vulgo
ed. Dr. Möller. Gotha 1839. 4. Die baudiriftlihe
— dieſes merkwuͤrdigen Werkes verdanken wir der gütigen
Bereitwilligkeit des Herrn A. D. Mordtmann in Hamburg.
\
1052 Weil An, III. Abtheilung. L Abſchnin. $,42.
fung viefer Nachricht iſt nach Möller's Unterfuchungen um vab
‚Sahr 920 (oder von 915 bis 921 n. Er. G.). Difenbar If dere
aus die verftümmelte Benennung in Ouſeley's Ebn Haukal, oriental
geogr. WO) zu berichtigen, wo (|. oben S. 930) ver Ort Menje
_ genannt wird, deſſen Bewohner Gebrauch vom Regenwaſſer maden
mußten; er liege 4 Tagreifen von Malatiah, 2 von Haleb, 2 von
Samofat und nur eine vom Cuphrat; ihm im Norven Tiege die
von Stein erbaute Brüde Saihah (Kantareh oder Kentarab, v.}
die Brüde, f. oben S. 942), die Abu Iſhak au Saiha er
die merkwürdigſte Bräde in ven Ländern des Islam nennt, obm
jedoch, wie jener Text bei Ouſeley, anzugeben, über welchen Gtrem
diefelbe gefchlagen jel. Denn möglich wäre es, daß fie auch eine Brad
bei Manbedſh über ven Cuphrat bezeichnen follte, was wir jedeqh
aus obigen Gründen (f. 0b. ©.941, 944 u.a.m.) bezweifeln müfen.
Doc wird auch ſchon von dem Zeitgenofien des Abu Iſhak, nim
lich von dem großen Gefchichtfchreiber EI Maſudi (950 n. Er.
Geb.), die Jaſr Manbidji 4) oder die Brücke Manbedſh gr
sannt, zu welcher der Euphrat von dem Caſtell Somaifat, das von
Erde erbaut ſei, abwärts eile, und von Manbidji nad Balet
(Balis) und weiter.
Wirklich war zu Abu Iſhak's Zeiten der Ort Manbedſh
fhon 280 Jahre in der Gewalt ver Araber geweſen, und wie ed
fcheint, unter ihnen nicht wenig aufgeblüht. Nachdem Damas!
im Jahr 635 n. Chr. Geb. in des Khalifen Omar Gewalt vurd
lange Belagerung gefulen war, hatten auch Hama, Haleb, An⸗
tiochia und Mambegi, wie Abulfeda 2) vom Jahre 636 Ir
richtet, daſſelbe Schickſal. I. Golius fagt, ?) daß es Obeidolle
(er ſtirbt im J. 639) war, der feinen Feldherrn Jaſd vorqusſandee,
welcher den Griechen und Römern Manbigz, denn fo ſchrieben «6
nachher die Araber, in diefem Jahre entriß, nebſt pen benachbarten
Feſten Raaban, Delouc (wol Dolihe) und Korus (Eyrrhub),
und daß fpäterhin ver Khalif Harun al Raſhid (reg. von 786
bis 808 n. Chr. Geh.) alle diefe Orte noch flärfer in den Marten
befeftigte gegen den chriftlichen Grenzfeiad. Jacuti erzählt, eh
»»a) W. Ouseley, Oriental geogr. p. 44, 47, 49, 50. 1)
Masudi, Historic, encycl. or meadows of gold and mines
gems, from the arab. Msc. of Al. Sprenger, Dr. med. Londea
. 1841. Vol, I. pag. 246. 2) Abulfedae Annales M ich
arab. J. J. Reiske, Lips. 1754. pag. 68 et 73. 2) L Geli
ad Muhammedis Alfergani elem. astronom. p. 260.
RS
*
Ehphrarfuftem; Bambidfh, Hierapolie. 1053
derſelbe al Raſhid, ver eine Zeitlang Rakka am Cuphrat zu
feiner Reflvenz ermwählte (im I. 804), *) Manbedſh zur Haupt
fefte jener forifchen Grenzprovinz erhob und fie dem Ibn Ali ©.
Abdolla, dem Abaſſiden, als Statthalter zur Wohnung übergab,
der fie mit Prachtbauten gefhmüdt Habe. Der Stadt Manberf
‚gegenüber ſei eine Brüde und Verſchanzung am Cuphrat, vie
Brüde Manbedſh genannt, beigegeben, vie nicht unberühmt ges
blieben und von fehr gut bewäfferten und fruchtbaren Fluren um⸗
geben werde. Died wäre demnach vie Ältefle Nachricht, vie wir von
dieſer Anlage erhalten haben, woraus «8 wahrſcheinlich wirb, daß
jene fpätere Berfchanzung des Geſtirnſchloſſes am Brüden-
übergange von Manbedſh (f. ob. S. 998) nur eine Reflauration
ber frühern Gründung des Khalifen Harun al Rafſhid's ge-
weſen fein wird, ber fchon vor feiner Erhöhung auf den Thron,
unter der Regierung feine Bruders DI Mahdie, mehrere fleg-
reiche Feldzüge 5) In jenen Theilen Syriens gemacht hatte.
Daher kannte nun auch fon Maſudi die Brüde von
Manbedſh, und Eprifi (im 3. 1150 n. Chr. ©.) konnte, nach
jener Hebung dur Ihn All, Menbedi 6) als eine bedeutende
Stadt nennen, eine flarke Tagseife fern vom Euphrat, mit Mauern
umgeben, welche die Römer erbauten. Doch iſt «6 merkwürdig, daß
ex bier nur der Nömer, und nicht au) Harun al Raſhid's, des
Nefkaurators, gedenkt. Er rühmt die guten Bazare der Stabt, ihren
großen Handel, ihre Reichthümer, ihre vielen Waaren aller Art, wie
man finde, und erwähnt ganz auf gleiche Weiſe ver fchen früher
einmal genannten Brüde, die er aber Sindja nennt. Er gibt die
. Entfernungen richtiger von Manbedj nah Malatia auf 5, nach
Samoſat auf 3 Tage, nach Haleb aber nur auf einen, über den⸗
felben Ort nach Hemd (Emeſa) aber auf 5 Tagemärfge an.
- Der gelehrte malatenſiſche Arzt Abul Pharaj, dort einhei⸗
miſch und. Zeitgenoffe ber Ueberfälle der Mongolen in Syrien un-
ter Hulagu Khan (ſ. oben ©. 862), kennt ven Drt fehr wohl aus
von Kriegögeichichten feiner Zeit, wo er keine unbedeutende Rolle
fpielte. Aber ex verlegt gleich Im Anfange feiner Chronik oine fehr
alte Begebenheit, nämlich den Sieg dea Pharao Necho im 9.
611 vor Chr. Geb. auf feinem Zuge aus Aegypten gegen Aſſyrien
zum Gupbrat über ven König Joſia von Juba, ben man nad
*%) Abulfedae Ann. 1. c. pag. 167. 6) ebend. pag. 155 ete.
e) Edrisi G£ogr. b. Jaubert, Vol. II. pag. 139.
1054 Weſt⸗Aſien. 111. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.42.
Herodot II. 159 am der Grenze Aegyytens zu Magdolon, ober nel
2. 8. der Chronik 20—22 zu Megiddo auf der Ebene Einem
in Paläftina ſich dachte, 7) noch viel weiter nordwärts zum En-
phrat, nämlich hießer, in die Nähe von Menbaj (Greg. Ak
bist. dyn. pag. 44). Obwol Necho's Zug gegen E Harhemis
(Sircefium) an dem Cuphrat gerichtet war, und Abul Phami fag,
es babe ihn Sofia Hier bei Menbaj von feinem Uchergang:
über den Bupbrat abhalten wollen, fo muß doch vieſe Lem
litãt des Schlachtfelves, auf vem König Joſia feinen Tod gefunden,
auffallen, und liegt der Grund vielleicht nur in einem Schreibfchia
Oder follte ſich von eimer folchen, andern Autoren unbekaunt geble
benen Thatſache eine Tradition bis zu jener Zeit erhalten haha!
An anveren Stellen bei Abul Pharaj wird Ber Ort Manbe
(ebend. ©. 250, 277, 280, 347) etwad anberö gefchrießen. Zur Jar
Der Atabelen und Sultan Galapins ſcheint dieſes Manbei
oder Manbedſh nach jenem Beitgenofien eine ve Hauptfeſten
Eyriend zwifchen Haleb und dem Cuphrat gemeien zu fein, wen
He Harun erhoben hatte; denn viele der damaligen Eroberer jap
tea harte Kämpfe an den Beſttz dieſer Stadt und ihres Schlofies,
welches ausprüdlich (wahrſcheinlich ala Harunis Werk) noch nei
derſelben genannt wird. Go belagert es Balak Bahram, a
Ortokide, Herr von Haleb, In demſelben Jahre, in welchem vie Sum
ten Tyrus einnahmen; er wurde aber aus ver Feſte von dam
Pfeil getroffen und getöbtet, worauf ſich fein ganzes Heer
Nah Sultan Salapins Tode waren es feine Söhne, die ſich da
Beflen Telbafber, Apamea, Samifat, Raslain (Theedeſe⸗
polis), Saruj (Anthemuflae) bis Caſtellum Nojm (a. L Au
Iat ol Nedſhm, dad Geſtirnſchloß) und vieler anderer bemid
tigten, unter denen auch Man bej nicht fehlte (Hist. dyn. |. e),
Hs auf Hulaklu, des Mongolen, Lieberfall. Diefex, nach dem deri⸗
fachen Uebergange über den Cuphrat (f. oben S. 2337), concnisik
ſein großes Heer zu Manbedſh, und beflegte bier im ver grefen
Schlacht die forifchen Heere (im I. 1259). Don da aus fanbte «
nun mit den Truppen nach allen Richtungen feine Felbherren nad
Maarra, Hama, Emefa, Damaskus, Marvin, Mirafa⸗
rekin und anberwärts ald Würgengel aus, welche mit ber in Sp
rien zurüchleibennen Mongolen⸗Reiterei unter Cetbuga ganz &
..) Rt mull ,
52 Refenmäller, Bible Alterthumoleade o 0.2.2 69,
—
*
* i “
ee). — [3 — — — — Pa
Euphratſyſtem; Bambedfh, Manbedfb. 1055
rien verwüfleten, ein Schickſal, vem auch Manbedſh nicht entge⸗
ben konnte (Abul Phar. Hist. dyn. p. 347). 8)
Bor dieſen Kämpfen in Syrien um vie bortige Obergewalt,
in denen die Muhamedaner ſeit Sultan Saladins Zeiten obflegten,
wer im Sabre 1175 von Aegypten fam und mit flürmenver Hand
die Stadt Manbedſh eroberte, war biefer Ort, au nach Harun
al Raſhid's und feiner Nachfolger temporären Befig, noch nicht ganz
der Gewalt des Briechen durch die Araberlämpfe miwunden. Mes
kitene und Hierapolis wurven und blieben noch lange Zeiten
hindurch mit Ihren griechiſchen Sarnifonen (f. 0b. ©. 859—861),
wie Samofat (f. oben ©. 931) und andere, wenn auch nur tem⸗
porair, als ſtarke Grenzfeſten des chriftlichen griechifcyen R
gegen die muhamedaniſchen Dynaftien im Beſitz der Beherrſcher von
Byzanz. So fahren wir, daß ver Kalfer Rmanus Dioge⸗
nes:im Sabre 1069, wo der Ort noch einmal den alten Namen
Stierapolis bei Zonaras erhält, ver feitnem ziemlich aus ber
Erinnerung verſchwindet, ihn ven eingebrochmen Seldſchukiden durch
einen gluͤcklichen Feldzug wiener entriß, 9) und das Schloß vom,
nenem herftellen und befefligen ließ. Zwanzig Jahre ſpaͤter hatten
es dieſelben Seldſchukiden wieder in ihre Gewalt bekommen (im J.
3088); aber Tancred 10) von Antischten entriß es ihnen im Jahre
1111, fammt ven Nachbarfeſten Haleb und Balls am Cuphrat,
und jagte den Moslemen nicht wenig Schreden ein, bis zur Zeit
König Balduins 1. von Jeruſalem wieder Atabeken ia Beige
von Manbedſh kamen (im I. 1123), und es dann fpäter ganz
in der Bewalt Sultan Saladins und feiner Söhne bis zur Mon-
golmzeit blieb.
Aus Abulfena’s Berichten fehen wir, daß ſich Manbedſh
auch fpäterhin von ver Mongolen⸗Zerſtoͤrung wicht hat erholen
können, denn er beflätigt zwar, was Ebn HKHaukal von der Bes
wäflesung und Bruchtbarleit des Bodens umber jagt, und fügt aus
eigner Anficht hinzu, daß ed an Aquäducten und Bärten ungemein
reich, und befonders mit Maulbeerbaum- Pflanzungen für
die Seidenzucht 14) befegt jei, wie dort betrieben werde, aber die
weit umlaufenden Mauern wie vie Stadt jelbft ſeien Ihrem größ-
e) yergl. N)
RA Degul en ia, d. an nunen, ED II. ——— PP
*8 ss16, 56. _ m * "Albufedae —8 Syriae ed. Koehler
p.
1056 We Afim, II. Abtheilung. L Abſchnitt. $.32,
ten Theil nach verddet. Und dieſe Verddung wirb durch Ti
murs Verheerung Syriens nur noch verflärft worden fein. 1?)
Lebrreich ift ed aber, wad Abulfeda feiner Beſchreibung vie
fer mertwürbigen Stadt noch hinzufügt, Die nach ihm in ver for.
ſchen Provinz Kinneöryn, feiner Angabe nach unter 36° 35° Long.
und 62° 50° Lat., lag: „Diefe ſyriſche Stadt, fagt ex, ward
„von einem der Khosroe gegründet, als er Syrien er-
„oberte; er nannte fie Manbe und erbaute dort einen
"nBeuertempel, dem er den Ihn Dinar, aus dem Gr-
„ſchlechte des Ardaſhir ihn Babec, zum Vorſtande gab.
„Aus Manbe wurde in arabifher Ausſprache Wan-
„bedj. Auch fagten einige, der Feuertempel ſelbſt habe
„Manbe geheißen, und dadurch ſei der ältere Name dei
„Ortes (wol Sierapolis) verbrängt worden.”
Was Abulfeda von der Gründung der Stadt fagt, iſt wit
wörtlich zu nehmen, fondern nur von einer Meftauration, we
fo Häufig bei Orientalen, 23) da Bambyce fchon früher ſtand m
den Römern erft von den Khodroern entriffen wurde. Daß daſelbſ
en Ateſhgah, d. i. ein Pyräum, erbaut und einem SBriekr
von Ardeſhir Babekans Geſchlechte übergeben warb, beflätiet
auch nach TE. Hyde 2) Galcafbendi Tom. II. p. 29, und if wel
nicht zu ‚bezweifeln, da die Saffaniven an vielen Orten ihrer Erebe⸗
rungen vergleichen gründeten (in Faffa, f. Erdk. VIII. S. 759, She
pur ebend. ©. 829, bei Perfepolis ebend. S. 944, bei Aderbidſhan
zb. IX. ©. 769, Takht i Soliman chend. ©. 1047 u. a, D.), um
die Vorfahren Babeks, des Stifter des Saſſanidenrei⸗
ches, vor Begründung ihrer Dynaſtie wirklich die Aufſeher der
Ateſhgas in Iran waren (ſ. Erdk. Th. X. S. 151). Daß mr
Name Manbe nur durch Arabiſirung in Man begz überging, be
ſtätigt Calcaſhendi (1. c. Hierapolis dicta est Mambe, qued
deinde arabizatum fit Mambegz, inque ea olim fuit zugeier
Persarum).
Menba aber, bemerkt Golius, 15) ſei die Benennung eines
Berjertempels, von Manba nicht verfchleven, und bei den häufiges
Berwechjelungen des perfiichen P mit dem forifchen M (wie Mecte
912) Cheriffeddin, Hist, de Timur b. de la Croix. T. II. ch. X.
. 282 etc. 13) Beifpiele davon b. Assemani bibl. ot. T. I.
ag. 28, not. 14) Th. Hyde in Itinera mundi aut. Abrak.
eritsol. Oxon. 1691. 4. p- 42, not. sy Jac. Golü ad Al
ferganum I. c. p. 260.
1 4
4 EL.
Euphratſyſtem; Bambidſh, Mabog, Bambyfe. 1057
einft Vecca hieß, Valbek bei Syrern Malbek) eigentlih Panbe,
Venbe ver Perſer; daher, ſagt Alb. Schulteng, 15) die verweich⸗
lichteren Bambe und Bambyke ganz dieſelbe Benennung. Statt
Bambyk oder Manbug ſei dad n häufig weggeworfen und ver⸗
boppelt in Mabbog, da aber bei Syrern die Verdoppelung
fehlte, fei Gierapolis auh Mabog genannt, wie im Lexic. Isa
Bar Ali. Des Plinius Magog fei alfo offenbar Schreibfehler
und müffe Mabog heißen (Plin. V. 19: Bambycen, quae alio
nomine Hierapolis vocatur, Syris vero Magog). Afo Bambe
war der von Perſern gegebene Name des Ortes, und dieſes Wort
überfegt Th. Hyde mit Bombyx (Bombycinum. quidris), per
Naine der Baumwolle, wie noch heute Pambuc oder Bams
bug bei. Türken, daher Pambuk Kaleſſi das Baumwollenſchloß,
womit auch heute noch Die andere Hierapolis in Großphrygien Vor⸗
yeraUflend (Strabo XIII. 629, obwol aus ganz andern wi Grän-
ven) bezeichnet wird
Noch bleibt nach allen dieſen ſeltſamen Gombinationen die Urfache ber
Benennung Bambyke ver Griechen (Baußvxn, i. e. Bombycina
ırbs, Bombyciis copiis gaudens, n. Th. Hyde), 18) ũbereinſtimmend
nit Bdußv:, BaußvE, zu erflären übrig (lanugo bombycina, s.
anugo serica), wad fowol auf Baumwolle wie auf Seide
yezogen werben kann. Wüßten wir, was die Orientalen unter vem
Zeuge von Manbedſh (Menbegianus unde notum vestium
genus, |. J. Golii ad Alferg. p. 262) verfländen (mwahrfcheinlich
restis bombycina, wie bei Plin. H. N. XI. 26), fo erhielten wir
arüber vielleicht Auffchluß. Denn daß ſpäterhin dort die Eul-
ur des Maulbeerbaumd um der Seidenzucht willen einge⸗
ührt war, fagt Abulfeda mit Flaren Worten, und fehr wahr
cheinlich wurde dieſe Eultur durch die Safjaniden erfl dahin ver⸗
Hanzt. Aus. früheren Unterfuchungen wiſſen wis (Erdk. Th. VIII.
5.700 u. fi), daB erfi in der Saſſaniden-Periode die
Zultur ves Seidenwurms in Iran und Vorderafien verbreitet
vard, genauer aber vie Zeit anzugeben, möchte jchwierig fein. Daß.
ie Monche die Eier des Wurme aus Serinda er umter keiſer
20) Index geogr. in, vitam Saladini, ed. Aid. Schultens s. v. Man
C. Ritter, über bie verfleinernde Duelle von
ambuf Kaleffi ober Hlerapolis, im Monatsberihte der Selellie. f.
nde zu Berlin. 1840. Jahrg. I. ©. 84-88.
kin. mundi Abr. Peritsot I. c.; Joann. Seldeni de Di Syn
Amstelod. 1680. Synt. II, o. 3. p. 192. =
Nitter Erdkunde X. % x
1058 WeflsAfien. HL Abteilung. I. Abfheit, [RL
Yuftintan nach Europa brachten, iſt befannt (Era. IE VILLE MM,
wäre fchon vor ihnen bie Gelbencultur vurch Gaffautven mi ia
Boräum zu Manbe in Aufnahme gekommen, fo Hätten fe va
freilich nicht fo weit herzuholen brauchen. Lange vor Prolmil
Beit mar aber Hierapolis fhon die große Hanvelskatin
der tyriſchen Kaufleute am Cuphrat nad; dem Lantein
Seren gewelen; denn Marinus Tpyrins, vom ver me
niſche Aſtronom folgt (Ptol. geogr. lib. I. c. 12), Jets m
Sierapolis aus felne Stationen nad bem Rein
Thurme (Takt i Soleiman, f. Erdk. Th. VII. S. 483, 485 1. ıl)
über von Cuphrat zum Tigris, nach Aſſyrien, Medien, Ekbatau.
zu ven Laspiichen Pforten nach Sekatonpolis (Erf. EU
©. 463 n. f.), Bactrien und dann zu Den Komeden mb be
sen genau berechnend angegeben. Alfo mag es va fen Sud
wit feivenen Zeugen gegeben haben, von benen ja vielleicht ui
Thon Ezechiel, R.27, auf den Märkten von Tyrus ſpricht Died
ſchon Ariſtoteles (Hiet. anim. V. 19) das Thier Bombyı (WR
za Beußöxıa) in Kleinaflen nennt (Bombyx frondium ve)
weiches das feine Befpinnft macht, fo bat Doch Latreille Ip
zeigt, daß dies nicht der Heutige Seldenwurm fein Eaun, bee
mit der Anpflanzung des Maulbeerbaums fich verbreiten ms;
und jene Benennung des Seide fpinnenden Inſectes Bombyz (WM '
Boußio, dad Summen und Schnurren des Schmetterlingh), v
ren verſchiedene Arten von ven Alten genannt werben, mug 5B
zufällig mit dem Namen ber Stadt Bambyce übereinfiimmn.
Baummolle vagegen war ſchon in früheren Zeiten in Bw
veraflen verbreitet. Herodot HI. 106 beſchreibt nach ſelner BE
die wilden Bäume in Indien, ben äußerflen Enden ber Welt, ub
hen vie koſtlichſten Gaben ver Erbe zugethellt find, vortrefflich ui |
fie ſtatt der Frucht nur Wolle tragen, die an Büte und Sie
heit die Schafwolle übertreffe, und daß fie daraus gewebte Abe
tragen. Iheophraft (Hist. pl. IV. 7, 7 nennt ex fie dirdgen
Zpiopöpa) beſchreibt fie eben fo unverkennbar 20) als ben Basw
wollenhaum, ver in Indien und Arabien wachſe, und ah B
großes Menge auf ver phoniciſchen Colonie der Infel Tyie
CBabsrin, f. ob. ©. 39) im Besfergoffe Damals gar ut @
. Latreille, Coura d’ento 1831. 8. p.06-M.
so
—* EUER. beerieane ge ber ber Gem Ultens 2838
ZEHNTE _ WUBrTT
Euphratfiiftemy: Bambidfh, Bambhke. 1039
wahrſcheinlich mochte fie aus öftlicheren Gegenden, vermuthlich unter
ven Seleuciven, nach Syrlen verpflanzt werben; denn zu Alexan⸗
Ders Zelt war durch Nearchs Schiffahrt im Perſergolf exft die Aufe
merkſamkeit des Botanikers Theophraſt, wie diefer fagt, auf je=
nes merkwürdige Culturgewächd gertchtet, das in Vorberaflen von
Feinem Autor früher ald einheimiſch genannt war. Strabo, ber
«8 eben fo unverkennbar aus deſſelben Nearchs Berichten kennt, hat
Doch noch Feinen eigenen Namen dafür (Str. XV. 693 in fin,),
obwol ex die feinen Baumwollengewebe (ouvdörac, d. I. wahre
Indiennesd) fehr wohl kennt, deren fich ſeit Alexanders Zeit die
Macedonier bebienten. Obwol die Aeg ypter ſchon Iängft ihre
koſtbaren Mumien in Baumwollen⸗Vandagen einwickelten, ſo iſt doch
kein hiſtoriſches Datum (Herod. II. 86: totum corpus 2!) sectis
ex sindone byssina fascũs inrolrunt) davon vorhanden, daß dort
De Baumwolle im älteſter Zeit einheimiſch geweſen ſei. Denn
Herodot, ver genaue Kenner Aegyptens, würde dies nicht über⸗
ſehen haben, pa er das Gewächs ausſchließlich in In dien, an ben
äußerfien Enden der Welt, als einheimiſch nennt. Aber wie unter
Seleuciden nach Syrien, fo wird unter Btolemäern viefes
treffliche Gewächs, deſſen Gewebe durch den alten Handel mit In⸗
von längft dort ald Waare bekannt waren, erfi nach Aegypten
yerpflanzt worden fen, denn dort gebaut wurbe es ſchon vor
Blintius Zeit. Doch nur erf in Oberägpypten, wie er
fagt, gegen die arabiſche Seite Hin, und bier Ik es, wo zum erſten
male ihr son Romern gebrauchter, bis vahin unbelannter Name
Gossypium ober Gossypion hervortritt (Plin. H. N. XIX. c.II.3:
Superior pars Aegypti in Arabiam vergens gignit fraticem,
quem aliqui gossipion vocant, plures 'xylon, et ideo lina
inde faeta xylina). Zur Grflärung der Eigenthüũmlichkeit dieſer
som Baume kommenden Wolle (Gossypium arboreum) and
der Art, wie die Wolle aus dem Innern der nußartigen Frucht
gewonnen werde, bedient fi Plinius der ſchon Alter befanditen
Horte eine feinen, vom Geſpinnſte Bombyx hergenommenen Aus-
pruds (ebenvaf.: Parrus est similemque barbatae nucis de-
fert fructum, cujus ex interiore bombyce lanugo natur). Das
ſchone characteriftiſche Wein diefer Gewebe machte fie Überhaupt
im hohen Alterthum fehr gefucht, und alſo auch insbefondere bei
pen as vytiſchen Prieſtern, wie Plinius ſast Ebend.: Vestes
sı) Herodoti Musae, ed. Baeht. Lips. 18%0. 8. VoLI. p.675, not.
&rr 2
1069 Weſt⸗Nſien, III. Abthellung. "I. Abfchnitt. 5.42,
inde sacerdotibus Aegypti gratissimi). Wir vermuthen aber,
daß fie ‚auch den Prieftern der Dea Syra in Hierapolis ver
züglich erwünfcht geweſen fein mögen, und deshalb Gewãch
vielleicht fo frühzeitig dort, nebſt andern auf reiche Bemäfferayg
(wie zu Malatia, |. oben ©. 855 und andern ähnlichen Orten, we ;
der Name der Tochter Sewiram flatt der Mutter verehrt win) ge
gründeten Gulturen, feinen Anbau erhalten Hatte. Die Gaupig
ver Prieſterſchaften fcheinen dem Anbau Diefer Baumwolie
(wahrſcheinlich Gossypium herbaceum) beſonders gewogen grurja
zu fein, denn auch in Elis, bemerkt Paufanias, und zwar me
ner Berwunderung nur allein in Elis und ſonſt ingen :
Griechenland nidt (Eliac. libr. V. c. 5. 2: Sayudon dü
rev ya Eidlaıziv Te Adooor, Brı dvranda uoror nr.)
werde diefer Byſſus gebaut, was wie auß der nächſten Bergleiuyg
mit demſelben Product bei den Hebraͤern hervorgeht, euiſchiacn x⸗
Baummolle war, die ja auch heute noch in Griechenland fpew
diſch gebaut wird, damals alſo über ven Prieſterſt aat Elis p
erft eingeführt war. Denn die Wolle in Elis war weißer, fe
Pauſanias, nicht. gelb (Faydoͤc) wie vie bei den Ebraͤern (we ni
‚dad Gossyp. herbac., ‚fonvern wol Bombax ceiba gebaut warn)?
Aus alle diefem würde ſich nun für den Alteflen Namen ve
Stadt Bambyke.ergeben, daß biefer von einer irgend einkeimifge
‚Benennung den Namen .erhtelt, ver fpäterbin nur zufällig mit Jen /
perfiſchen Pambe, per Selbe, und dem griechiſchen Geivengeiiuf, | ft
‚sem Bombyx (animalculum, nerwruuuxig tela ipsa), zufemmm | 1
‚Re, und. vielleicht eher von Manbe eine ‚Heilige, und: unkeiue | ©
gebliebene Bedeutung Haben mochte. Well aber daſelbſt die Baum |
‚wolle in ältefler, Zeit.in ven ‚Plantagen der. forifchen Briefe ge | €
baut fein mag, fo erhielt in der Bolgezeit die Baumwolle zur | va
dem Emporium zu. Hierapolid ben in der Levante im M ei
telalter perrſchend werdenden, Bewerb Namen: Bombyz, Ben | =
bazx, 22) Bombare, Bombaffino, Bombazin, Bombay: *
5... Bolo.(i. 06..©.269, 275), ver im ben Rreugzägen, m 1°
Jac. de Yitriago Lib. I..c. 84, biefen, Nomen Bombage pi] ©
mit großer Beftimmtbelt yon einem dortigen Gulturgemädfe 3;
Unterſchiede von Sericum gebraucht hat, der für Die Genbeiiud
#28) Dav. Scott on the Sadstance called Fine Linnen in the 5
ered Writings Jameson Edinb. Philos. J. 1837. p. 71. *’) I
u ‚Cange Glamar, med, seri. s. v. Bambax. |
)
Euphratſhſtem; Bambidſh, Bambyke. 1061
ſchon längerher bekannt geworden war. Der mehr botaniſche Name
Goſſypium, deſſen Etymologie uns unbekannt iſt, kam nicht ſo in den
Verkehr; und der bei Arrian auf dem erythraäͤiſchen Meere unter
den griechifchen umd arabifchen nach Indien handelnden Kaufleuten,
Othonium sericum (Arriani Peripl. Mar. Erythr. ed. Oxen.
36. 6F0v10v 10 angıxov), ſcheint die Veranlaffung zur Benennung
von Ot-hon, d. i. Muffellin (nah Dr. Vincent 2°) Hot⸗hon
und Kot-hon), und dem modernen Cotton gegeben zu haben,
was fonft bei den Alten nicht in Gebrauch Fam. Die Waare over.
die Zeuge felbit erhielten alfo erfi von der Sanvelsftadt Bam-
byce den Handeldnamen, aber nicht umgefehrt die Stadt
von der Anpflanzung. Späterhin aber, als die Baummollen-
eultur feine fo große Seltenheit mehr im Weften von Aflen war,
wurde unter ven Saffaniden mit der Einführung des Feuercul-
tus auch die Anflevlung der Maulbeerbäume (ovxanıyog) zus
Seidenzucht dahin verpflanzt, wo nun das perfifche Pambe für
Seide mit der alten foriichen Benennung Mambe und dem grä-
cifirten oder romanifirten Bamb yce zufammen traf, und von neuem
durch Wrabifirung in Manbedj und Manbedſch umgewandelt
murde.
Noch haben wir an die beiven Irrthümer zu erinnern, bie fi
in den Benennungen der Stabt Hlerapolis bei Strabo (XVL
748) und Ammian (XIV. 8, 7) vorfinden, von welchem erfteren
fchon oben (©. 1046) die Rede war. Was den legtern Autor bes
wog, biefe Stabt mit dem Namen bed alten Ninus zu belegen,
welcher nur allein den Ruinen am Tigris, welche Moful gegen-
ber liegen, von rechtswegen zufommen kann, ift und völlig unbe⸗
kannt. Zu bedauern iſt es übrigens, daß eine für die älteſte Ge⸗
ſchichte Syrtens fo merkwürdige Stadt, wie dieſe Hierapolis nad
obigen Ergebniffen geweſen fein mag, und nur durch ſo ſpaͤrliche
und fragmentarifche Travitionen befannt geworben ift, die mir je
doch Hier, da biöher ein folder Verſuch noch nicht gemacht fchien,
fo volftändig als es nur möglich war, in ihren Innern Zufammen-
hange darzuftellen verfuchten, dem noch manche Vervolftändigung
und Beritigung zu Ihell werden möge. | |
%%) Dr. Vincent Comm, and navig. 4. 1807. Vol. II. p. 749.
..
„a ti - «
“
‘
1062 Weſt⸗Aſien. HL Abtheilung. L. Abſchnitt. 1.22.
5) Ralaat on Nedſhm, vas Geſtirnſchloß, Bis zu den
Kara Bambuch⸗Bergen, ver letzten Einſchnürung hei
Euphratthales.
Kalat Nes jm bei Alb. Schultens, oder Kalat Ragin
bei Abulfeda, ſprich Kalaat on Nevfhm n.v. Hammet, )
das Geſtirnſchloß oder dad Sterncaſtell, hat Chesney ım
Euphrat feiner Lage nach unter 36033 17 N. Br. und 38° 18'15'
DR. v. Br. nad Obfervation genau beſtimmt, und ihm auf fr
ner Karte am Dftufer gegenüber dad Zeichen einer Brücke us
einer KRunftfirafe (Causeway) beigefügt, die wol feine ax.
Stelle als die Anländung der ehemaligen Brüde von Rum |
bedj (GisrMambegj b. Abulfeda) bezeichnen kann. Leider iR ver
Zocalität, 26) mie es fcheint, noch nicht genauer unterſucht worden
Es lag am Fuße des Caſtells, das von feiner zu den Gira
(Mesim) reichennen Höhe ven Namen Haben foll, ein gleichnamige
Ort, von welchem aus vie Brüde gefhlagen war. Abulfera
nennt den Ort mieberholt, 27) ohne ihn jedoch genauer zu Beide
ben. Er führt die Nordgrenze Syriend?8) von Balis am Us
phrat über Kalat Nesim nach Bir, Romkalah, Samofat, Ge
Manfur, Behesni, und von da weflwärtd nach Maraſch, Eh um
Tarſus zum mitteländiichem Meere. Er fagt: vie größte Buie
Syrlend gehe vom Euphrat am Giar Manbegj über Kris
(Kurchos) bis über ven Berg al Lokkha nach Tarfus in Cilikien.?)
Nach Kochlers Lieberfegung fol Abulfeva den Ibn Said (ver
ſtirbt im Jahr 1274 n. Chr. Geb.) fagen Iaffen, daß zwiſchen des
Euphrat, mo dad Kalat Nesim, und jener Brüde, nämlich dem Zeugms
von Manbedj, 25 Mill. Entfernung flatt finde;?0) aber biefes feet
ganz irrig zu fein, ba dad Caſtell dicht über dem Euphrat, we
Abulfeda ſagt, in ven Wolken ſchwebt, und die Brüde ummitiefher
an dem zu feinem Buße ſich anichließennen Orte auf Die Offee |
des Cuphrat hinũberführte. Koehlers Angabe iſt ſicher ein Ir
thum: denn auch ber Index geogr. in Vita Saladini s. v. Ne
mum gibt biefelbe Stele des Ibn Said fo wieder, daß zuifien
dem daßen und dem Zeugma Manbedij bis zur Stadt Aw .
bedj, d. i. Hierapolid, eine Diftanz | von 25 Mill. ſei, und vami
‚3-
ur 3 Sonne, Matiige Türkei. Wiener Jahrbücher. Bb. XIV.
Ainsworth, Research. 1. ce. p. 61.
* — Tab. Syr. ed. Koehler, p. 4, 27, 33, 126, 137.
20) ebend. ©. 4. 2°) ebend. ©. 33. 20) eben. ©. 37.
En 5
N
‘
Euphratſ.; Kalaat on Nedſhm, das Geſtirnſchloß. 1063
ſtimmt die Natur der Sache und auch bie Angabe des Ind. geegr.,
welche dieſe Diſtanz auf 4 Paraſangen feftelt, genau zuſammen.
Eben daſelbſt wird gejagt, man nenne es auch Feſtung Man«
bedi (Chesn d. I. Hösn Mambegj), ?1) aber weit edler fe
der Name dad Geſtirnſchloß (Kalat Nesim), das zu denen
gehörte, welche der Sultan Mahmud Zenghi erbaute (d. h. res
Raurirte, nach Harun al Raſchid's erfter Anlage, ſ. ob. ©. 1053),
der bier oft reſidirte, und von da fehr oft gegen die Kranken in
Syrien Ueberfälle machte. Don feinem Bau wurden Wun-
derdinge erzäßlt. Ueber dieſe Brüde, fügt des arabifche Autor
- Hinzu, ſetzte man, um nad Haran (.Charrae) zu fommen, wo⸗
bin der erſte —— bis Tedaja (bei Alb. Schultens; Chesan
Bataja b. Kochler, wol in ver Gegend von Thilaticomium, f. ob.
S, 997) führte, wo man ben Saruj (d. i. der Fluß von Anthe-
mufias, der wol iventifch mit dem von Batnae fein mag) über⸗
fegen mußte, den heutigen Sarudſh. Dr. Helfer, der Natur
fosfcher von der Eupbraterpebition, fagt in einem Privatſchreiben
von feiner Fahrt: Am 25ften März erreichte man von Ieraboles
abwärts dad arabifche Zeltvorf nahe ver Mündung des Sad ſhur⸗
Fluſſes, unterhalb der Strudel des Gawurluk, wo ihn die
Gehirgsrüden zu beiden Seiten an das Rheinthal erinnertn. Ben
nun an folgten fruchtbare Ebenen an beiden ‚Uferfeiten, und wo fi
weiße Kalkfelfen ven Ufern näherten, maren fie überall mit Trüms
mern einer untergegangenen Gultur ver Vorzeit bedeckt. Die Felſen
hatten bisweilen gallerienrtige Aushöhlungen, in nenen damals Azas
ber hauſten. Die Ruinen einer großen Stabt gehörten vielleicht
Geriliana an. Unweit davon falle ver Sapfhur in ven Eu⸗
phrat. Am 28m März erreichte man vie nach gut erhaltene,
alte. faracenifche Feſtung Nidſhim Kalah, wahricheinlich auf ur⸗
altem Fundament errichtet, denn nach der mefopgtamifchen Seite
* ſich die alte röͤmiſche Straße nah Carrhae (Garan).
Die Araber glauben, daß von dem Caſtell ein unterirdiſcher
Weg (alfe ein Tunnel) unter vom Euphrat hindurch nach Me⸗
fopotamien führe. Die Reiſenden fanden einige tiefe Bänge, doch
Schienen viefelben nur zu Ausfällen vom Schloffe gebient zu haben.
Don dem weißen Kreinefelfen dieſes Hohen Sterncaftells
weitet ich hier das Cuphratbette; in defien Thalwinkeln lagert
fi in Heinen Ebenen Alluvialbonen ab; das Land abwärts
EEE
st) Abulf. Tab. Syr. p. 37.
1064 Weſteeiſten. M. Abthellung. 1. Mofgeit. [1
wirs fanfter in feinenimriffen umd eiuförmiger. Da Sten⸗
ſchloſs war reiht eigentlich ale Warte gemacht, zur Beabaktm
aller Begebenheiten in viefem Bebiete des Stromlaufs Aber md
einmal änvert fich vie Phyfiognomie des Landes gänzki, 7 Eh.
(18 Mi. engl:) unterhalb dieſes Caſtells, durch vie ſchwarzu
Bambupfd (Kara Bambuch)⸗Verge, 37) weldye hier in das
Höhe von 1200 Fuß den Strom noch einmal einfhnüurn m
vurchſegen. Sie find die öftliche Forſetzung des tiefer im ferhte '
Lande gegen Weſt fich erhebennen Jibbel edh Dhayadh, wm |
haben an ihrem Fuße gegen den Eupbrat auch Muinen, wik
mit der Localität des alten Serrhae, am Südende der grije
Euphrataue, zufammenfallen (j. ob. S. 1000). Die Stelle, wat
nem Zeltlager eingenommen, wird auch Kara Bambud gm
und erinnert dadurch noch an den Namen ver alten Bantslı
Barum viefer bis hie her übertragen ward, iſt uns unbefamt p
blieben.
Die Kara Bumsud- Berge Gaben nur milb gerusie
Räden und Gontoure; file beftehen ganz aus harter Kreire de
Kalkftein in Lagern, mit weicher Kreide alternirend. Ben
Euphrat fie durchſchneidet, werden ihre Mauerabſtürze interefes
durch locale Einſenkungen im Defile, und durch Senfungen, %
beiden Stromfeiten entgegengefeht find. Die untere weiße Kae
der Oftfeite ift nach Ainsworth vol Echiniten, Zoophyten, Fiise
DOftraciten und Eleiner Feuerſteine. In denfelben Klippen find Bi
dungen jüngerer Örtlicher Anfpülungn. Im Güden ber Rarı
Bambud- Berge beginnt das Eupbratthal nun fid zu
weiten. 33) Die Ufer werben von den weiteſten Alluvialebea
eingenonrmen, weldhe die Heerden ber umberftreifenden Araber ih
ren. Niere Hügel fortgewälzter Trümmerfteine, und mädhtige er
über hin gelagerte Kalkſteinblocke, die oft haushoch find, unterbe⸗
hen die einförmigen Flächen; fie erinnern an große Zerſtbrr
perioden dieſer Oberflächen durch Waſſerfluthen. Sechs Gruna
(15 MU. engl.) unterhalb des ECuphratpaſſes durch die Kara Ben
buch» Berge, deren alternirenve harte und weichzerreibliche Gebicz
lager biß zu 800 Fuß Höhe emporfteigen, zeigt fih auf der Wef-
fette des Euphratufers ein hoher Berg gleicher Art, ven aber cm
Schicht verhärtster Kreide überlagert; er heißt Sheik Hera
u Ainsworth, Researches 1. c. p.6l. *) Ainsworth, Rescarch
. & 2.8. et
Enyhratſyſtem; Balis, Barbalifus. 1065
(Arudi der Karte, In ver Nähe wo Arimera over Apammaris,
f. ob. S. 1000), genannt von dem Grabe eined muhamievaniichen
Sanctus, dad auf feiner Höhe liegt. Ihm gegenüber, auf der lin⸗
fen mefopotamifchen Selte, fleigen vie weißen Klippen auch noch ‚bis
800 Fuß auf; dann aber ſenkt ſich die Fläche allmählich fufenmeis
gegen Sib hinab, in bie große ‘Blaine, die an der Nordſeite ver
nun fon beginnenden Oſtwendung des Euphrat, Balis (ſ. oben
S. 10) gegenüber, liegt, auf welcher (bei Tell Marabut, we Sar-
nuca b. Ptol. f. ob. S. 1001) ver zahlreiche Stamm bee Beni
Berkahals Araber feine Lager hält.
6) Balis (Barbaliſus), Baulus, die Fah⸗Quelle, der
Daradar- Fluß. Das heutige Bales auf der Natur⸗
grenze an der Oftwendung des Eupbrat.
‚Auf der weftlicden fyrifchen Seite, che der Eupkrat noch
an den Hohen Klippen von Bali, die ihm feine Grenze
gegen Süden ſetzen, und ihn endlich von mitteländifchen Meere
ganz weg gegen Oft hinüber drängen zum Perfergolf, iſt ein Kleiner
Zufluß zum Guphrat, der letzte aus Syrien, ver Abu Ghalghal
(auf Rousseau’s Carte de la Syrie) genannt, der nur 7 Stunden
fünwärts von Sheik Harudi durch einige fleile Klippen, die Balls
überragen, eine Hemmung erleiven fol, und von Aindworth für
ben antiten Aapdduxos, Daradar (Toü Aupdnzos norauov
Xenoph. Anah. I. 4, 10, auch Dardes, f. ob: ©. 10) gehalten
wird, an deſſen Norfeite der Einmündung dann die Eragiza bei
Btolem., oder Eraciza der Tab. Peuting. (f. 06. &.1000) gefucht .
werben mußte, in deffen fünlicher Nähe aber die alte Barbalifus
lag, wie das heutige Balis noch Tiegt (f. ob. ©. 10 und 241).
Shon Mannert bemerkt fehr richtig, *) daß die einzige Stelle
bei Zenophbon von ver oben bei Gelegenheit dieſes Ortes vie
Rede war, hinreichend zeige, daß dieſe Gegend nicht zu allen Selten,
wie in den neuern, eine Wüſte geweſen.
Wo die Klippen eine ſtarke Stunde im Norden des heutigen
Caſtell Balis den ſyriſchen Uferrand des Euphrat erreichen, ſtei⸗
gen fie bis zu 143 Fuß ſenkrecht empor; hier macht ver Cuphrat
die Hauptkrümmung gegen Oſten, und bildet einige In⸗
ſeln. Gier an der Station, melde bie Dampfſchiffahrt⸗
u Ban, Geographe ve. Griechen — mad Römer &. VI. l.
—8
-
w
1066 Wefl-Afen. HIT. Abtheilung. I. Abſchnitt. $,22,
expedition nahm, wurde durch Obſervation die Lage beflimmi
auf 36° y’ 2" NBr, und ‚38° y 10%” DR v. &r.
Ainsworth ?5) bemerkt, dieſe jenfrechtse Kreideklippe non
Balis- zeige von oben abwärts erſt ein Lager, 20 Fuß mäckig,
von Trümmern von Beuerflein, Kiefel und Sanpflein ; darunter eins
Schicht, 3 Buß mächtig, von tiefrother, mit dunkelrothes
Adern durchzogener, Kreide, fheinbar in Säulen zerflüftet; barız
ter ine Schicht, 2 Fuß 2 Zoll mächtig, von weißer Kreide,
dann eine Schicht, 3 Fuß mädjtig, von braunem Mergel und Kreke;
darunter eine nadte Kreidemauer von 55° Mächtigfeit, herm
Fuß noch 60 Fuß tiefer hinab mit einer Bdoſchung ˖ von Schau⸗
kegeln zugededt ſei. So ſei hier die Natur des Bodens; im Nor⸗
den von Balis ſei daz ganze Land mit Kreideklippen auf ans
Ioge Weiſe überlagert,. aber. von bier an zeige ſich Die Tendenz;
zu einer neuen Formation bed Bodens, melde num Ye
flache Gebiet des abwaͤrts liegenden Mefopotamiens characten⸗
ſire. Der Kalkſtein trete von bier an nad und nach une
neuen hemijchen Verbindungen hervor. Diefelbe neue Ber
mation, die bald eine unermeßliche Entwidlung gewinm,
fei bier nur noch engumfchloffen. Obwol gleich anfangen
Don ihr gewdhnlih zugehörigen Mergellagern begleitet,
zeige fie bier doch noch Feine Spur von Süßwaffermufgeln,
obwol bald iu ihr dieſelben übrigen Chargetere, wie in andern Lin
vorm der Erde, auftreten.
Die nun in Süden und Südoſten von Balis folgende
großen Alluvial⸗Ebenen des untern Mefopotamiens, wei
einen großen Theil des Euphratthales weit abwärts ſeines Laufek
einnehmen, werben von ben Urabern mit dem chararteriflifchen Ro
men Hawi 6) bezeichnet, das heiße Alluvialebene Die nähe
fen Hügel abwärts von Balis, auf dem fühlichen ober arabiſche
Ufer des Euphrat, find die Abu Bara. Abul Rarra hießen fe
bei frühern englifchen 37) Reifenden, wo das Hgus eines Gheifft
fand, und dabei bie Ruinen einer Stadt angegeben wurben,
von denen im Sabre 1691 jedoch nur noch ein quabratifger
h ur and orbinären adpeium erbaut, ſtehn geblichen, aber
ns5) Ainsworth, Researches l. c. p. 64. 8°) Gbend. 6 es.
37) Extract of Journals of two Voyages of the Euglish Mer-
'chants of tie Factory of Aleppo to Tadmor or Palayraz . is
Philosoph. Transact, Nov., Dec. 1685. Nr.218. p. 18% :_.
v yonınıwee —
Euphratſhftem; Balis, Barbaliſus. 1067
gut erhalten war. Weſtwärts von ihm ſah man alte Felſenhoͤh⸗
Iungen, der Winteraufentbalt ber im Sommer am Cuphrat umher⸗
firdfenven Tribus. Sie heißen Abu Herarah auf der Chesoney⸗
ſchen Karte, find mit Gypobänken überlagert, und cin Berg ähn⸗
licher Structur auf ver nörblich gegenüber liegenden mefopotamifchen
Seite ift derjenige, auf welddem die Ruinen des Kalat oder Ca⸗
tells Jaber (f. oben S. 241) liegen. Died ift der Anfang neuer,
nun anhaltender Bildungen. Diefe Bergreibe ver Abu Bara, wie
auch. Atnswortb bemerkt, durch manche Ruinen und Thürme aus
frühern Zeiten ausgezeichnet, find Tafelberge, deren obere Flaͤchen
mit Oypslagern, meift in Horizontalfchichten, überzogen find.
Aber an ihrem Südoſtende Haben viefe auch ein ſtarkes Fallen, im
Winkel won 80° gegen S.D., wahrfcheinlich Hier nur ein Iocaler
Einſturz. Die Formationen auf dem Linken, oder meſopotami⸗
Ichen Ufer zeigen ähnliche Irregularitäten. Dad Kalat Jaber
fleht anf einem foliven Gypsaboden, der nach unten mit Mergel-
und Gypolagern wechſelt. Die Mergellager zeigen bier num
ſchon einen großen Reichthum von vielen Süßwaſſermuſcheln,
dig fie einſchlleßen (zumal Cycladeen). Der Gyps iſt ſchmutzig weiß,
grobkornig mit Inolligen Menilithen (eine Opalvarietät), blätt⸗
rigem, Befellgen Gyps, vie Mergel find ſtrohgelb, und gehen durch
verſchiedenfarbige gelblich-bräunliche Abſtufungen.
Die Veränderungen, in welchen hier die neuen Bodenver⸗
haltniſſe welter abwärts auftreten, zeigen ſich noch deutlicher im
Vergleich zu denen, weldge den obern Gupbratlauf von Taurus am
abwärts bis Baltd und Kalat Jaber begleiten.
Ainsworth fagt darüber folgendes zur Lanbesfenninig Kies
her Sehörige:
Im ganzen Eupbratlaufe von Samoſat bis Feludſche (f.
oben S. 969) zeige ſich intervallenweife, in größeren ober klei⸗
nern Räume, ein Gebilde von Xransportmaffen, 3)
als Kies, Kiefel und Steinblöde, deſſen Ablagerung, Gnt«
widlung und allgemeine Vergefellichaftung mit andern Erſcheinun⸗
gen ſich entſchieden als ven Iehten Niederſchlag einer Wälzung-
im Eupbratlande manifeſtire, vie jeboch keineswegs ber gegenmwärtis
gen Wirkungsweiſe des Eupbratfgftems angehöre, ſondern auf eine
frühere Fluth Hinwelie.
Im obern Blußthale beftche dieſes Gebilde ver Trans
portmaffen aus Kiefeln cxyſtalliniſcher Gebirgaarten, wie aus Gere
20) Ainsworth, Res. I. c. p. 93.
!
1068 WelsAfen. II. Abthellung. I. Mbfceitt, 1.22.
pentinen, Serventin und Aibit (eine feldſpathartige Suhkan;),
ans Diallage, Diorit (Grünſteine), Jade, Bafalten uns cam
großen Menge von Duarzen und Jaspis. Im mittlera %
ſtricie des Cuphratthales beftehen diefe Transportmaſſen meiſt and
Feuerſteinen; in ben unten Diſtricten und am Anfange ir
Hawi oder Alluvialplainen find es mehr Keuerfleine mit Heinen
Bypsfragmentem Die obern kamen wol von ben Taum-
ketten, die in den mittlern und untern Regionen ans den I»
Ingerungen berjelben, vie. fi Überall in ihrem Vorkommen nad
weifen laffen. : Dabei treten noch folgende locale Berändsın-
gen hervor.
- Be Bir und Wort Will iam iſt dies Gonglomerat oder Wi
Breccie dieſes Trümmergeſteins mit einer Formation vorher
Thones begleitet, oder mit einem Boden aus zerfegtem Jatyik
geftein, das ihm die rothe Barbe gibt; eine Schicht, bie hoͤchſent
bis 30 Fuß mächtig wird, aber auf Klippen liegt, vie ſich jet
an 200 Fuß über dem Heutigen Eupbratjpiegel erheben. Sie fin
eine jüngere Ueberdeckung des alten Trümmergeſteins, wol bie Wir
ung zweier verſchiedenen Wafferfluthen, aber unmöglich nes Pre
duct einer ueherſchwemmung, etwa eb heutigen Crphratweſe⸗
ndes.
gZwiſchen zen Baltis (Baitis if den Araber vie weile
Königin von Saba, weldhe König Salomon 39) beſucht haben
ſoll, von deren Thron man auch In Damaskus Antiquitäten ®)
zeigte), dad wir oben nannten (f. ob. ©. 944), und Bir, we die⸗
fe8 Breccienlager reichlich entwidelt. wie ein Dach den Rdn
mehrerer Kreiveflippen: überdeckte, ift über dieſes und ven reihen
| Thon noch eine undre Schicht, von Kalkſtein Überlagert, die zwar
+ Xrandportmafle von der benachbarten identiſchen Kalkfteinformatie
AR, aber aus nicht gerundeten, ſondern noch edig geblichenen
Böden beſteht. Diefe Kalkfteintrümmer find fehr groß; einige fe
gar 4 Fuß did und 12 Fuß lang. Nur ganz befonvere Iocals Ir
fachen konnten fie hieher verfegen; vielleicht, meinte Ains worth,
fiche ihre Verbreitung mit einem ploͤtzlich veränderten Nlvean bei
Eupbratfpiegeld im Zufammenhang.. Uns reicht ver ton, vai
Factum zur Characteriſtik des Landes Gin.
3 J. Golii ad Alfergan. p. “°) Ibn Al v im Ber
geogr. b. Koebler, Tabul. Bir. Abalf. p. Ns; ie
Alferganum L c. p. 87.
IBM
.. .Euphiatfyſtem; Balis, Barballſus. 4069
Die Breccie zu Tell Baltis, Port William MS zum
Sheik Ibrahim, zu des Sanctus Ziyaret und weiter abwärts
iſt wiederum durch ein Kalkcement zufammengebaden; vie Schichten
And meiſt horizontal, nirgends mit flärfern ald bis 10° gehenden
Regungen ; ausgenommen bei einzelnen localen Einftärzen.
Zwiſchen Bir und Balis, in der Nähe des Shell Harudi⸗
Berges, find ‚einige. niedre Hügel aus derſelben Vreccie auf dem
Unken Euphratufer, welche mehrere eolofjale Transportbläde in eckt⸗
. gen VFormen dieſer Art tragen. Einer derſelben von 15 Fuß im
Duadrat, und eben fo hoch im Cubus, ift in eine Kammer mit
Eingang ausgehauen, gleich einem aegyptiſchen Monolith- Tempel.
Micht weit davon, im Norden auf dem Kreideboden des rechten
uUfers, wiederholen fich ſolche rieflge Maffen, vie gegen eine halbe
Stunde in graber Linie fortziehen, was den Cindruck einer Akt
Fanftlicher ‚Eonftrurtion (etwa nach Art einer Tenfelomauer am
Harz) gibt.
Eine gute Stunde: im Norden nun, an ben hoben Klippen ı von,
Balis, wird die Breccie zu einem Fiefeligen Grus (sili-
ceous Grit) mit ſchiefrigem Sandſtein ober alternirend mit
EonglomeratsLagern, weldhe ſowol die höchſten Uferflippen am
rechten Cuphrat überdeckt, ald auch vie ganze niedere Plaine,
‚vom Euphrat bis Hin el Zeheb, in ver Nähe von Haleb,
‚Übersicht. Bis hieher konnte Ainsmworth vie obern Xransporte
maflen von dem Tauruszuge und feinm Anlagerungen herleiten;
von Balls an aber, und in ber weiter abmwärtd ſüdlicheren Ver⸗
‚breitung treten vorherrſchende Subſtanzen auf, die nur ein Reſultat
‚der -Berflörungen von Lagern der obern Kreideformationen
fein. koͤnnen, zu denen fich auch bald aufgelagerte fchwarge Bafalt«
blöde geſellen, die auf ganz andere Localverhältniffe hin⸗
weiſen.
Balis- ober Beles liegt daher in jeder Hinſicht auf einer
merkwuͤrdigen Naturgrenze, die zugleich eine hydrographiſche
durch die Oſtwendung des Stromes genannt werben muß, wo⸗
Dusch von jeher bier auch eine Völker- und Staatengrenze
omtfichen mußte. Eine Staatengrenze: denn bis in dieſe Ge⸗
gend um Thapfſacus ging das ſalomoniſche Reich, das aſſyriſche,
daß palmprenifche, vie Gerrichaften von Damascus; hier war 8,
wo auf dem Schlachtfelde von Saiffin (f. unten) im. 7. Jahr⸗
hundest ‚ver Kampf zwiſchen den Ommajaden und Aliden auf: dem
Grenzgebiete zwiſchen Syrien und Irak entfchlenen ward. Balis,
!
— u
1070 Wehen. TIL. Abcheilung. I. Abſchuit. ‘0,
fagt Abulfeda, fel ber erfte ſyriſche Ort, den man tere, wen
mn aus Irak und Arabien zum Cuphrat mad EI Ehen tum
Eime Bällergrenze: denn bis hieher reicht von Süden un Din
die Geſammtbevdlkerung des Landes Burg arabiſche Bi.
terftämme noch heute; weiter nor dwärts bringen einzelne he
Borden zwar auch noch vor, aber nur ſporadiſch, und nit mer
ala Bebuinen oder Kinder ver Wüſte, ſondern als Ange,
Fellahs, und ſchon untermifcht von T urfomancen- Gtänmen,
Die ihnen den ausfchlieflichen Beſiz von Ober⸗Syrien von jch
ſtreitig machten. n |
Wir haben ſchon oben ven Parallel von Bir alt ie ie
herſte nördliche arabiſch⸗türkiſche Sprachg renze angeghn
(. oben ©. 1036). Zwei Stunden unterhalb Bir hat noth ie
Zurlomanen-Gtamm der Howadſhe %4) Weg vom ven ke
tigen Flußinſeln im Euphrat, uns Turtomamen find die Bir
bauer an beiden Uferfeiten. Aber 14 Stunden unterhalb Bir,
am zechten Cuphratufer, alfo unterhalb der GSarunfbmündzng,
wo noch Turkomanenflämme bie Obergemalt Haben, füngt ber ara
bifche Tribus der Subha an fh auszubreiten, und 14 Cm
den weiter abwärts, alſo im Suͤden der Kara Bambuch, beritet Mh
nun auch auf dem rechten Ufer ver Stamm ver Beni Gaib⸗
und Anazeh⸗Araber als ver vorherrſchende aus, wer DIE Kalt
Siaber ver herrſchende bleibt. Ganz wie die Arabes Scenitse 5
Plinius Zelt.
Sir zu Balis, ſagt Colonel Chebney, wo einſt ber Ham
des alten Beroea war, und ber Strom fly vom wittellänkiiges
Meere abwendet gegen das indiſche Meer, ift er vorm dem erflse,
in gleichem SBreiteparallel, in directer Difdanz noch 25 geogr. A
(1254 Mil, engl.) in der Richtung über Haleb nach Sucdich we
Jskenderun, was gleich weit ift, noch etwas weniger, Beine volle 4
geogr. Meilen (1194 MU, engl.), entfernt. Aber an einer Etefk,
4 kleine Stunden (9: Mi. engl.) im NW. von Port Willten,
zu Urum (Caſtell Graum auf Col. Chebney's Tuphratkarte, wel
ein Schreibfehler ſtatt Ur um, weöhalb auch oben ©. 944, Zeile 1
von oben, Gaftel Graum in Gaftell Urum zu verbeſſern iR, we
bush dann auch S. 940 pie Stelle fürUrma Giganti, Urems
und Urhum wiebergefunnen zu fein ſcheiat), was ex dem miärk
* R ts fram the Bel. Comm, of Steam Navig. L e.
X. & Int. Choeasaay Very. %. St. An
Eupbratfuftem; Balis, Baubalifus. - 1071
lãndiſchen Meere ſchon um etwas näher, nur noch 19 geogr. M.
(983 M. engl.) von ihm abfichenn. Sein Lauf iſt alfo von va in
mittlerer Direction faft nord-fünwärtd, nur mit geringer
öftlicher Abweichung, anzufehen. Nun verläßt der Strom bie
Hemmungen feiner Hohen Ufer, und tritt in das mehr flache
Blahfelb Mefopotamiens ein.
Vom Bluffe Daravar Haben und die alten Autoren nicht
mehr überliefert, als was fihon früher (ſ. ob. ©. 10) varüber aus
Xenophon mitgelheilt if; and von Balis (Belefys) if oben vie
Identität mit Barbarifus bei Piolem. (Barbaliffo der Tab,
Peut. und Barbalifus nach Proc.) nachgewiefen worben (f. oben
&. 1000), und daß es von Kalfer Iuftinian als ſyriſche Brenz«
fefte aufgebaut wurde, daß es zu Albufeva’s Zeit ein Emporium
wer Syrer am Euphrat war; aber dieſe Nachricht Hatte Abulfeda
aus feinem. Borgänger, vem Ebn Haukal, entlchnt; denn Ab
Iſhak, #2) zu Anfang des 10. Jahrhunderts, fagt ſchon, Balis
fel eine kleine Stadt am Euphrat, die erfle Stadt Syriens,
wenn man von Irak komme, welche ven Syrern ald Emporium
am Euphrat diene. Weſſeling hat den früheren Irrthum wider⸗
Iegt, #) dieſes Barbarifus mit Arabiffus in Armenien zu verwech⸗
feln. Zu einer Zeit, da, wie fich aus der Notitia dignitatum er»
gibt, die Grenzbeſatzungen des romiſchen Reiche in Euphratefla DIS
nah Callinicum (Rakka) und Eirceftum*t) reichten, mußte auch
vie Feſtung Barbartfus, wenn ſchon nicht groß, doch als Sta⸗
tion der Equites Dalmatae Illyricani unter dem Dux Syriae im
Drient von Bedeutung fein; ihm Tagen bie bebeutenden Orte Thap⸗
facus im Often zur Seite, Sura und Rakka (damals Kallini-
tum) ſchräg gegen N.O. auf der andern Seite des Euphrat, das
Gaftel Jaber ward erft fpäter, doch zunächft am Cuphrat gegen-
über, errichtet. Was bei Abu Iſhak und Abulfeda als ein
Emporium überfeht wird, fagt Bolius, 4) ſei eigentlich ein
Forda, d. i. Portus, alfo ein Schifferhafen der Syrer gewe⸗
fin, von wo aus fie ven Euphrat abwärts nach Aſſyrien fchiffe
ten. Do bemerkt Jakuti, es fe der Cuphrat etwa von ber
Stadt Balis gegen den Oſten zurückgewichen; zu feiner Zeit
*°) Liber climatum auct. Abu Ishac al-faresi, volgo El Issthachri,
ed. Moeller. Gotha 1888. 4. pag. 34. 62) Itin. Antonin. ed.
Wessel. p. 181, 188 not. **) Notit. dignit. b. Paxciroll, ed.
Venet. 1608. p. 97 a. und p. 06a. “8) Jac. Golius ad Alfer-
ganum 1. c. p. 258.
1072 Wefl-Afien. M. Mtheikung. 1: Abſchnitt. $.22,
zu Anfong des 13. Jahrhunderts (Jakuti ſtirbt im I. 1229 nut
hr. Geb.), fiche der Cuphratſtrom Davon 4 Wil. mel ab. Bi
von Syrern wurde ber Ort Balas genannt, wie fich aus da
Stelle wer Patriarchae Jacobitarum ex chronico Gregorü Bar
Hebraei ergibt, wo dad Klofler des Ananias %) genannt win,
das zwiſchen Balas und Kallinitum gelegen war, we Beim,
dea Paulus Kalinifus Soßn, zum Patriarchen geweiht wars (m
3..889); auch ift KdHler’s Conjectur 7) möglich, daß unter im
Nia Baltvua deb Hierocles in Synecd. p. 714 bei Weſſel Neid
Eupbratcaftell zu verfichen wäre, denn von einer Valentu
iſt Hier fonft nirgends die Rede und bie Lage von jener fon vl
unbefonnt. |
Abulfena bemerkt noch, daß Balis faſt in ver Mitte ar
fhen Rakka und Haleb liege, da .ed von jenem 13, von um
15 Barafangen entfernt fe. Noch vor Jakuti's Zeit wi in
Feſtung Balis unter demſelben Namen, der als der ältehe eiche⸗
miſche wol die gräcfixte Benennung Barbalifus überbaumk,
auch einmal in ver Periode ber. Kreuzzüge erwähnt, wo ver file
Tancred ald Prinz von Antlochia im I. 1111, nachdem er ud
Manbedj erobert Hatte, bis zu biefer Befle mit gewaffneter Sem
vom. Bupbratlande Befig nahm, und von Balis 48) aus alle Ra
barn in Schreden feßte.
Vor dem Anfange des 18. Jahrhunderts war noch einmal we
Aufmerkfamkeit auf Balis gerichtet, als verfchieune englifche Kauf
leute auß ver Bactorei zu Aleppo wieberholte Reifen burch bie Kalk
zur Entdeckung ber bis dahin unbefannt gebliebenen Pracktruise
von Zabmor oder Palmyra machten, und gewöhnlich von d
ihren Rüdweg nordwäris zum Cuphrat und über Balis jurid-
nahmen, das fie Baulis fchrieben. Nur aus bem Bericht da
einen Reifegefellfhaft, vom Jahr 1691,%9) erhalten wir einige
intereffante Belehrung über dieſes Bali, vie aberleiver Erine Nude
folge gehabt Hat. Der damalige Emir (er wird immer König
genannt) der dortigen arabijchen Tribus, welcher in ber Nähe en
Balis fein Hauptlager Hatte, Aſſyne genannt, ein ſehr verkis
diges und auögezeichnetes Oberhaupt, hatte die Raubhorden ber Be
buinen, welche zuvor jeben Zugang der palmpreniichen Oaſe fat
%
.?®*) Assemani bibl’ orient: T. IL p. 332. “T) Köhler in Abel.
: Tab. Syr. p. 130, not.250. :':**) Degsigues, Geſch. dv. Human,
- UB Sa8. - «0 Extrant o Journals 1: c. in Philesophical
Tranaactions, Now., Dec, 108, . nA, . |
|
%
. Eupbrarfoften; Bas, die Fay⸗OQuelle. 1073
anmdglich ober doch höchft lebensgefährlich gemacht Hatten, zu ſtren⸗
zer Zucht gebracht, und fland in Freundſchaft mit dem Paſcha von
Haleb und der britiſchen Bartorei. Unter feinem Schutze wurden
Balmyras Palläfte und Tempel zum erftenmal gezeichnet und
vefien Infcriptionen eingeinmmelt, Nach dort beendigtem Bew
&äfte Tchrte man im October won Palmyra auf dem Wege
jegen Nerven in 5 Tagmärfchen zum Cuphrat zurüf, und ges
angte am Abend vieles 5. Tages an dem Caſtell Jiaber vorüber
u ben obengenannten Grotten von Abu Bara, und lagerte nahe
m Guphratufer. Bon da wurde ver Rüdweg weftwärts nad
Aleppo genommen. Am 13. Dctober ritt man von Abu Bara
mmer am Sübufer des Euphrat hin durch Tamariskengehölz, big
nan nach 6 Stunden Wegs vie Ruinen von Balis (Baulus)
ah, wo früber ein Sandſhak der Türfen gewefen war. Damals
1691) war der, Ort ohne Einwohner, felbft ohne Käufer. Nur
inen fehr hohen ahtedigen Thurm bemerkte man, zu dem 107
Stufen hinaufführten; er war Eunftreicher gebaut, und an der Au⸗
jenfeite mit Blumengewinden und arabifchen Infcriptie«
ven ornamentirt, die ringöumber Tiefen; ein ſehr fchöner Bau,
vahrfcheinlich, meinte man, aus ver Zeit ver Mameludenberrichaft
wol feit Sultan Saladins Zeit im 13. Jahrhundert). Nur we⸗
ige Stunden weflmärts von Balis fegten bie Reiſenden, noch am.
Rachmittage deſſelben Tages, ihren Marſch fort, um die Duelle
Kay zu erreichen, an weldyer ver Emir der Araber, Aſſyne,
ein großes Lager hatte; man behielt auf nem Ritt dahin Immer
ven Lauf des Euphrat im Geficht, und erreichte das Lager, das
twa eine gute Stunde zu reiien vom Cuphrat entfernt Ing. Hie⸗
yurch Iernen wir die Zocalität jener Quelle Eennen, Die Rennell
für den Daradar des Xenophon gehalten bat (f. ob. S. 10), einen
Flußlauf, den Roufſeau's Carte de la Syrie mit dem Namen Ghal⸗
hal bezeichnet. ine fehr weite Plaine, unabfehbar mit Araber
Zelten bedeckt, breitete fi hier aus. Die Zelte des Häuptling
handen in der Mitte, an einem Wafferlaufe, der aus einer fehr
reichen Duelle, Hay genannt, durch die Mitte des Zeltlagers ab⸗
Aoß, deſſen Bewohner ſich ſtolz die Söhne Isracld, Sohn Abra-
hamd,snannten. Hier mußten bie Fremden einen Tag unter gaſt⸗
lichen Schmaufersien und Falkenjagd verweilen. Don ba Tonne
in 2 Zagen bequemen Nitted von 7 und 8 Stunden, über Seray
und Sherby, die Stadt Aleppo am Morgen des dritten erreicht wer⸗
ben. In neuerer Zeit blieben die Namen Fay wie Daradarx unbes
Ritter Erdkunde X. Dyy
1074 WeftsAfen. II. Abtheilung. L. Abquit. |.
kannt. — Unftreitig war ed bier im der Nähe, wo yes Gtaikehe
Beleſys Palak und Park vom Cyrus dem Jünger yrükt me
den war.
V) Kalat Jiaber ([prih Eaftell Dſhaber, oder Dſhabn
n. v. Sammer); früher Kalat Dauſer (Dauxrat 6.3.%
Uns); Siabar oder Giabar 5b. Abulf.; Dgiabar b. 9%:
suign., Galo genbar b. Witt. Tyrius. — Das Egli
feld Saffain (Gfefin oder Siffin).
Der erſte Dit, etwa 10 St. abwärts Balis, von vn it
einige Daten erhalten, If das Kalat Jiaber, Caftell Pike
ber, das nach Ehesney’s Obſervation unter 35° 57’ RI. |
3’ 32 7" D. 2. v. Gr. liegt.
As das Dampfihiff. vie Gegend des Kalat on NReofke we
laffen hatte, fagt Dr. Helfer, gerieth e8 am 31. Mär; uf da
Sandbank, und mußte lange auf berfelben verweilen. Gi a
19. April gelangte man nah Balls, das 16 Stunden Nırt m
Aleppo entfernt liegt, mo man einen Monat bis zum 17. Rd
ſich aufbielt, um mancherlei Unterflügung und Vorräthe von Am
abzumarten: denn von hier an begann die Fahrt durch vie Viß
wo man fi nur auf vie eignen Borräthe verlaffen fonnk. 3
Bales oder Balis, das Maſudi Balos nennt, nah Ara Ih
2 Tagreiſen von Halcb, nämlich im Pferderitt, denn bie Kara
braucht dazu 4 bis 44 Tag Zeit, 5) fand man nur ned day
bauliche Ueberreſte der Vorzeit, unter -vem Chesney and ein Fb
naret nambaft macht, von dem wir ſchon oben gefproden. E
tft zu erwarten, daß mir durch die Specialberichte der Thrilnder
an der Guphraterpebition über dieſe Gegenden bald noch gensm®
Mittheilungen erhalten werben, da es wenigſtens nicht an Zip
feßlt Hat, in dieſer fo wenig befuchten, für ältere Anflevlung fe
intereffanten Gegend Excurſtonen in der Nachbarfchaft zu med,
um bie dortigen Vorkommniſſe felbft einer genauern Prüfung F
unterwerfen. Nur fürdhten wir, daß die Anazeh auch damals Mi}
Gegend nur zu unſicher machten.
Die Waſſerfahrt ging nun, von Hier ſchneller, zunächk ver
üppige Ebenen. Die zahliofen großen und Heinen Auen ds
Hlußinfeln, die von Balit abwärts bis Kalat Jiaber nicht ab
AEMA AS n[_.L 2 nn a m
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ms
—
ITKOPIB ZSÖLIAIE RT N
»89), Report \. c. App. 2. WW.
G. WE We —
Enphratſhſtem; Kalat Jiaber; Lbwen. 1079
Hören, mit Tamariskenbäumen, Espen, Brombeerſträuchen, Abe
paragus und Smilar überwuchert, waren bei dem hohen Frühlings⸗
waſſer zum großen Theil überſchwemmt. Des beutiche Naturfore
fcher bemerkte hier eine große Zahl von wilden Schweinen, Scha⸗
Talen und Wölfen an ven Uferfeiten, auch follen dieſe von
Balis an abwärts zumellen von Löwen durchſtreift werden, die
wol bier ſchon überall zu den Seltenheiten gehören mögen. Denn
wenn ſchon früher zu Simſons *1) Zeit ver Edwe in Paläflina ums
Arabien, auch noch zu Ammians Zeiten in Mefopotamien
. zu Carrhae, fehr häufig (Erdk. TH. VI. 715) und allgemein war,
und auch noch Heute im untern Deltalanbe bed Euphrat, um
Bafiora nach Olivier, nicht ganz felten if: fo hat man doch In
neuern Zeiten niemald mehr in der Breite von Babyicnien am
Euphrat auch nur eine Spur von Löwen gefchen, wenn ſchon
Marco Polo vie Leoni di Babilonia, 32) obwol irrig nannte.
Aus Syrien und Paläftina aber if der Löwe gänzlich verdrängt,
und auch in dem Sefuchteren Arabien felbft feheint keine Spur
mehr von Löowen vorhanden zu fein, 3?) obwol er daſelbſt einft
recht einheimifch genannt werden mußte, wie ſich dies fchon aus
dem Sprachdocument (f. Zdwenland, Erdk. Th. VI. &, 703—723)
und ber Bebuinenromanze des Helden Antars ergibt, zu deſſen Goch⸗
zeittafel taufend Löwen als Siegeözeichen gebracht wurden. Des
2dwe am untern Euphrat, den dort Rich und Keppel gefchen, 5%)
den auch Olivier (Lion d’Arabie nennt er Ihn) in der Menagerie-
zu Bagdad zu beobachten Gelegenheit gehabt, Behauptet letzterer, ſel
eine andre, mähnenlofere Gattung, eine der zwei Arten, vie ſchon
Arifoteles und Plinius unterfchieven (VIIL.18: Leonum duo ge-
nera: compactile et breve crispioribus jubis. Hos pavidiores
esse, quam longos simplicique villo: eos contemtores vulnerum),
Diefer, der arabifche, ſei ſurchtſam und gar nicht der König
der Ihiere, eine Würbe Die nur der Gattung mit ber großen
Mähne, die in Afrika einheimiſch, zukomme. Dies fcheint ſich
wol am obern Euphrat zu beflätigen, wohin er vielleicht erſt durch
Kalfer Declus, um Circeſium, verpflanzt wurde (f. Erdk. Ip. VI.
©. 715) wo es auch vielleicht wirklich Hi8 an die Cuphratwendung
von Balls Löwen geben mag; denn Ainsworth fah
sı) Olivier, Voy. d. Pemp. Ottom. 4. T. Il. p. 428. ee) bei
Ramusio Vol. II. fel. 37.b. °°) Quatrehöre in Raschid-Ed-
din. hist. d. Mong. Paris 1836. fol, p. 157. 64) Rich, Kur-
distan II. p. 167; Keppel, Narrat. I. p. 108.
Dyy 2
1076 WeRsAfien. EL Abecheitung. L. Abſcheiu. 1.2.
Adwen-Fußtapfen am Khabur, und E. Lynch bei Baliı.®)
Diefe müſſen jedoch ſich fo furchtſam verbergen, daß fie ſelbſt von
feinem einzigen, wenigſtens der europäiſchen, Reiſenden geſehen wer
pen, und mögen vielleicht nur ſolche ſein, die ſich aus dem uuiı
Euphratdelta oder den und noch unbekannter gebliebenen mr
arabifchen Wüften bis Hierher als Streiflinge verlaufen haben
Das Euphratwaffer Hatte in dem Laufe von Balis WW
gegen Kalat Jiaber eine ſchmutzig braune Farbe von vems |
Ken Schlammaufldfung ver reichlichen Frühlingswaſſer. Ob Fahr
wirffich ein fo bedeutender Ort fein mag, wie Chesney anfängt
durch Erkundigung einzog, von 1000 Wohnhäufern, wo man dleih
Gier und Reis fell Habe, erfahren wir nicht näher; umher fl ed
fehr viele Bitumenquellen 56) geben, von denen wir jeboch uf
feine ſpeciellen Nachrichten erhalten, weil fle nicht bearbeitet werke,
obwol fie fehr reichlich fließen follen. Bom Euphrat aus geſche
ſcheint gegenwärtig den Borüberfähifienden bei Siaber kein Bee |
Haus daſelbſt fihtbar zu werden. |
Dad Kalat Jiaber (il Djabar b. Rousseau) kommt nm
alteſten Zeit nur unter dem Namen Daufer vor; ein An
noch älterer Name iſt uns unbelannt. Über ihm gegemüber geye
Sid, an ver arabifchen Uferfeite, muß dad Alatis des Ptolen p
legen haben; vielleicht an ver Stelle des heutigen Abu Barı
(Abu Horaiteh auf Rousseau’s Carte de la Syrie f. 06. 6. 1067)
jedoch iſt uns von beiden Orten, aus alter wie neuer Zeit, ud—
näher bekannt. Rouſſeau ſetzt nur auf diefe Güdfelte des Girmi,
Jia ber gegenüber, von Balls bis Seffin abwärts ven Am
II Zawr für das Uferland, und fagt: dies fei eine fee rk
Waldung, weldje Beine Uferfelten von Balis bis Sherbat, m
©trede von 80 Lieues, bedecke, und aut Beiden, Eichen, nie
dem Wacholder (Genierres, wol Thuja) und Tamaritla
beftehe. Damit flimmen au fhon Rauwolfs und Dr. Helfen
Angaben überein, wenn ſchon hier nur von @chädlz und nit a
gentlich von Waldung die Rebe fein kann. Es wäre mdglih, wi.
bier fchon eine jemer vielem Jeſten, auf ver fo ausgezeichneten KUN :
des —— Kalat Jiaber, zu Juſtinlant Zelten erbaut wer '
wäre, die Procopius nicht einmal alle am Cuphrat enflang =
haft gemacht bat (Procop. de aedif. II. 9. 20. pag. 235), %
aa 2a a A An a 02 A „mi ee Be Me ER ER A Aa A mm
*58) Ainsworth, in Assyria efc. p. 37. se) Repertl c.
Ay. p. 58, 67, ern | —
—
Fupbratf.; Kalat Jiaber, Schlachtfeld Saffain. 1077
von Procop genannte Fefle Savoapww (ebend. II. 61. p. 228)
kann es aber nicht fein, obwol fle ganz gleich lautet, Da fie als
in den Umgebungen von Eircefium, alfo viel weiter abwärts
am Strome, genannt wirb, wo fle vielmehr mit der Stadt „Satvape
b. Steph. Byz. und Aulapa b. Ptolm. V. 19. fol. 144 zufammens
fällt. Auch ſtimmen hiemit die Erzählungen der Ortentalen. überein,
weldye ven Namen Danufer erſt im 7. Jahrhundert entfichen laffen.
Die Volksſage aber läßt daſelbſt die Ruine auf ihrem Fels, die
noch zu den gewaltigen gehört, wie fo häufig als ein Riefen-
werk durch Is kander 57) aufführen.
Zum erflenmale fcheint Edriſi pas Felsſchloß Daufer zu
nennen; aber ex nennt ed auch nur ein einziges mal 98) als Sta⸗
tion auf dem Wege von Haleb oder Alep über Naghura, bemn
über Khoſhab, Balech (Balis) nah Daufer und Rakka.
Weder Abu Iſhak noch Mafnvi erwähnt dieſes Caſtell, obwol
fle ven Lauf nes Euphrats hier abwärts beſchreiben, un Ma⸗
ſudi gibt noch beſonders abwärts Balls, wol etwas unterhalb des
Geholzes, aber noch oberhalb Rakka, wodurch die Localitaͤt ſehr be⸗
Rimmt wird, das berühmte Schlachtfeld von Saffaiu, Sſe⸗
fin 6. Abu Ifhat, 9) Siffhen 6. Maſudi, 9) au. Zwiſchen
ben Moslemen von Irak und venen von Syrien, fagen fe, fel es
gelegen, das man bier vorbeifchiffe. Hier ware, mo nach be
Rhaliiem Omars Ermorvung, fein Nachfolger Ali aus Irak von
Rufe, feiner Reflvenz, ber ven Cuphrat aufmärtd gegen die
Brenzen von Syrien zog, weil defien Statthalter Moawiah
(oder Moavijah) von Damaskus her wider ihn, ven rechtmäßigen
Khalifen, als Empörer auftrat, und gegen ibn das ſyriſche Heer zum
Kampfe aufbot. Hier firittien (im I. 657 nach Chr. Geb.) 70,000
Mann von der einen, und 80,000 Manıt von ber andern Gelte, 110
Tage hindurch, nicht in einer, ſondern in vielen S@lachten;t)
man zählte an 90 Gefechte, in venen, wie Abulfeda fagt, vom
ben Syrern 45,000, von Alle Seite 25,000 Strteiter fielen, untee
denen die erfien Sterne ißlamitifcher Heroen glänzten, bis der tapfer,
großfinnige Ali, betrübt über den Tod fo vieler Moslemen, von
jeinem feigen Gegner, dem er vergeblich angeboten, durch den Zwei⸗
. 6) Bdrisi b. Jaubert. II. p. 136. se) Reports I. c. A 35
8°) Abu Jshak Jstakhi Liber climat. ed. Moeller. Gotha 1839.
8 42. **) El Masudi, meadows of gold etc. transl. fr. AL
prenger. Vol, I. p. 246. *t) Abulfedae, Annal. Mostem. b.
Reiske l. c. p. @.
1078 Weflsälfien. HL. Abtheilung I. Abſchun. 1.
kampf das Blut fo vieler Gläubigen zu fparen, einen Bayidt o
nahm, ver baln fein Verderben, feine Ermorbung, zur Selge Ik
und Moawiah, @) vom Befchlechte der Ommajaden, ui
von Stämme der Koreifhiten, auf den Thron ver Atalime
b. — DR
” Seinem Barteigänger Noman 63) übergab nun der Ali
Moawiah dad Kommando in Syrien zum Kampfe gegen Ye gb
chiſchen Kaiſer, ber ihnen auch Cuphratefia gänzlich eutrik a
Diener Nomand, Daufar genannt, berichtet Abulfeda "fe !
damals dad Caſtell erbaut, dad von ihm ven Ramm Lalei
Dauſer erhielt, Das aber fpäter von einem arabiſchen Ging,
Sabakeddin Jaber (Sabikoddin Sjabar Kosjerita; im Ida |
geogr. wird er Sjafar Ibn Malich genannt, Sabek ei
Sglaber bei Deguignes, ©) der irrig von ihm fügt, def a uf
Dufuria,geheißen), beſetzt warb, der, bis er blind geworben ııı ra
ſehr hohes Alter erreicht hatte, in veſſen Beflg blieb
Da aber Jaber, zumal jedoch feine beiden Söhne bad Rast.
hand werk trieben und bie ganze Gegend in Schreien fein, f
wurden ie vom Sultan Malekſhah der Seldjuken, als viefer Si
von Haleb genommen hatte, aus ihrem Schloffe verjagt, im Ye |
1087. Dennoch bileb ber Name Kalat Iahber dem uueip
lichen Feleſchloß (I. ob. S. 241), vefien ſtarke Sunenbenälfeug is
12. Jahrhundert ſchon Benjamin v. Tudela erwähnte Grm
blieb es im Befig der verſchiednen Seldjukldiſchen Dynafin I
Sorien, mußte aber mehrere Belagerungen aushalten, in den
ſtets als eine unelunehmbare Beldburg 6) erfcheint.
Abulfeda fagt, daß fie zu feiner Zeit in Ruinen anf dus
ganz unzugänglicen Felſen am Norbufer des Euphrat
Dalis und Rakta liege, und kein Haus darin übrig fe. Dasle
geogr. in Vita Saladin. fagt aber, e8 liege eine Mille vom
phrat entfernt gegen Nero, und ihm gegenüber auf ver Eihk
breite ji die Landſchaft Saffain aus (Siffin 5. Mafadi, Eyef
fain b. Abulfeda.) | |
vs) Albbon Gef. des Berf. Neberſ. von Schreiter. Th. XIV. &
. ©. ; Rehm, Handbuch der Geſch. des Mittelalter. At
1821. Th. L ©. 396 n.:ff. *°) Abalf. Annal MeLL«
p- 68. “*) Index geogr. in Vita Saladini 5. Alk,
ne Siabarum. . N 8* Deguignes ‚ Bei. d. Summen b.
. . ° X \ . .
guan 1.4. DU, S. a. 0 Abulph. 285;
Euphratſyſtem; Kalat Jiaber; Gebirgsarten. 1079
Durch den ploͤtlichen Tod des Großvaters von Otman,
6 Gründers ver Dömanen Dynaſtie in Vorderafien, If das
Eupbratufer bei Jiaber berühmt geworden. 7) Suleiman
Shah, fo hieß Oomans Großvater, hatte mit 50,000 feiner türki-
ſchen Krieger einen fiebenjährigen flegreichen Krieg in Armenien und
Syrien am Euphrat geführt, und als er mit Beute Gelaben, nebft
feinem Stamme, ven Rüdzug in. feine Heimath Khorafan antrat,
Rürzte. fein Pferd bei dem Uebergange über den Euphrat zum
Siaber vonder Steilflippe des dortigen Ufers hinab in den Strem, in
dem Suleiman Shach im I. 1231 ertranf.®®) Nun zerfireuie
ſich die durch. feine Zucht bisher zuſammengehaltene Rot teder Kriegen
sach allen Seiten In Syrien, Rum und Asia minor, we
ihre Nachlommen noch heute als Turkomanen Haufen. Seine
Srabflätte bei Jiaber, Turk mejarl, ». h. Türbengrah, ge⸗
nannt, iſt bis heute dort bekannt.
Die letzte Spur von einem Bau: des Kalat Jiaber finden
wir in der Gefchichte der Türken aus Kaptſhak oder der Baha⸗
risfhen Mameluken ald Herrſcher über Aegypten und Syrien,
beren Sultan Muhamed unter feinen vislen großartigen Bauten
uch im Sabre 1341 den Befehl gab, dieſes Schloß am Cuphrat
wieder aufzubauen. 9)
. Die Hügelreiben im Süden von Jiaber %) ziehen fi
am rechten Euphratufer von S. W. gegen NR.DO. In einer Länge von
einer Stunde und 300 %. hoch fort, und find mit Mergel und
Gyps überlagert. Diefer Iehtere wird gegen das nörbliche Ende zu
20 bis 25 Fuß mächtig, und ruht auf 150 Buß Hohen freinigen
Mergeln, die von rother Lachöfarbe find. Der Gyps wird immer
mächtiger bis zu 40 Buß, dann zu 80 Fuß, und nimmt bie ges
wöhnliche runde Kuprengeftalt an, aber voll feltfamer krauſer Ver⸗
Hefungen und flebartiger DVerwitterungen. Auf dem linfen Eu⸗
phratufer, an der Seite des Caſtell Jiabder, zieht fidh dieſelbe
Kormarlon etwad weiter vom Cuphratufer zurüd, die Hügel find
kaum noch 100 %. hoch; ihre Klippen, wo fie der Euphrat befpült,
ungemein auögewafchen und ausgeböhlt, fo daß fle mit ihren Höß-
lungen, Schluchten und Gallerien vie ſeltſamſten Geſtalten bilden,
pie von Gebüſchen maleriſch von oben herab beſchattet und gezieri
And. Meift find di Lager fcheinbar Horizontal gefhichtet, doch
7) J. Golius ad Alferg. p. 259. “.)y Hammer, Sei. d. cöm.
Ride. B. J. ©. 41: or) Degnignes, Sec. d. 9. 5. Dähnert.
ih. IV. ©. 223. 70) Ainsworth, Res. I. c. p. 66.
1080 Weſt⸗Aſien. TU. Abcheilung. I. Abſchnitt. 1.22.
fenten fio.fich, wiewol ſeht alimägllg, doch fo, daß fr in dam
Strecke von zwei Fleinen Stunden etwa von 100 Fuß Hl iu
gun Nlveau des Flußſplegels herabgeſunken find.
Bei Jtaber, einem ver 14 berühmteſten Kalaats ober GEF
fer ver Mufelmänner, nach Jakuti, 7%) und dem fülkibfen ver
Drei Sauptſchloſſer, welche die Furthen Des Cuphrat vertheiigen
zu Jakuti's Zeit (um das Jahr 1220 n. Chr. G.), namlich Kal
se Rum, Kalaat or Nedſchm und Kalaat Dſchaber, war dm
Ueberfahrt, In früherer Zeit ſeht befucht, zur Zeit. Ab ulfches,
wo Balis nad eine ſtatke Besdlterunng 72) Hatte. Gier Fuah
durch den Strom ſinvet erſt etwa 10 Stunden weiter untehelb
fi EI Hamam flatt, In deſſen Nähe gegen Süden vie Ruin
einer großen Stadt, efwa 3 Standen lanbeinwärts, nah de
Aubfage ver Eingebomen, bie Eol. Chesney 73) bare ub
fragte, llegen follen, vie mit der wahrſcheinlichſten Localnit von
Thapſacus der Alten auf eine und dieſelbe Localität zufammm
zutseffen ſcheinen.
Das Innere dieſer Uferlandſchaft ift von niederen Hügeln m
welligem Grunde, von Breccien, von criftallinifchen Helfen uns 1»
ben Sanpfteinen eingenommen, auf denen vorzüglich Die Tamcick
und die Pappel zu wuchern fcheinen. Die im Süden berwerge
den drei Hügel Aff Dien (Thye⸗tein auf Col. Ehesney's Kai)
befteben aus verfelben Breccie. Der Eupbrat wendet ſich von bie
fen norbmwärts in wiederholten Serpentinen zwei bis drei Gtume
weit gegen bie Seite Mefopotamiens bin, und bier iſt es, wo mn
die Ruinen der alten Sura bemerkte, denen Beute eine weis
Flußinſel vorliegt. - ”
8) Sura bei Ptiolem.; Ura und Sura beiPlinius; Gar
Tab. Peut.; Beled Surieh bei Balbi; 1 Zorpam nolens
bei Brocop; Surorum oppidum; Schura bei Firkuji;
Soarie bei Rouffeau; Suriyeh bei Chesney.
Am Südufer des Euphrat liegen hier, nach Cheoney's Be
obachtung, und er iſt der erfle unter ven Neuen, ver fie bemal
hat, die Ruinen. elner Stadt, in denen man noch Reſte ven
Gebäuden wahrnehmen kann, die von eine großen Menge vd
*’1) v. Hammer, Geſch. d. Dsman. Reiche. Th. IL. S. 455, 6
22) Abulfedae Tab. Syriae ed. Koehler. * 280. ”) Cd
Chesney Map u. Ainsworth Res. 1. c. p. 67.
Euphratſhſtemz Gira, Kılllen Gorigeh. 1081
Kunft ausgearbeiteter Höhlen and: Grotten umgeben Ind, Sutlyeh
(Sourie 5. Reusseau Carte de la Syrie) bet den Einwohnern
genannt. Die vorliegende bewaldete Infel, an weldger: bie
Dampfichiffe ſtationirten, Legt, nach Ehesney's Obfervation, une
ter 35° 54° 34 NBr. und 38° 46’ 404” DE. v. Greenw. Da
Ptolemaens nah obiger Angabe (f. ob. ©. 1003) eine Sura
zwiſchen Malie, over Alatis, Caſtell Jiaber gegenüber, oberhalb
Thapfſacus und Ricephorium (Rakka) angiebt, un viefe
Sauxra an das Cuphratufer anfegt (Ptolem. V. 15. fol. 140), We
Orttebeſtimmungen aber ganz mit ben Diſtanzen von-Cheöncy's
Euphratkarte übereinfitumen, fo ift kein Zweifel, daß bier diefilße
Sura (Zoüpa) zu fingen iſt, die nur während einer Reihe voo=
ntger Jahrhunderte, von ver Zelt des Alexandriniſchen Aſtronomen
bis auf bie der Abfaſſung ver Tabul. Peuting. (Segm. X. F.), auf
ver Route von Malmyra nach Nicephorlum (over Kallinikum, Rakka)
vorkommt, aber nur vom wenigen Autoren überhaupt genannt
wird. Strabo nennt fie nit, uno auch Teiner ber arabifchen
Hiſtoriker oder Geographen, weder Maſudi, Abu Monk, Ebn Hau⸗
Tal, noch Evriſi, obwol dieſer wie beiden weiter abwärts am Eu⸗
pbrat gelegenen: Sura Sure und Soura 7*) In Mefopotamta (f.
oben S. 267) wohl Eennt; noch auch Abulfeda und Andere. Pto⸗
Icmäns führt noch eine andere Sara an (Ptel. VI. 1. fol, 146
in Assyria Long. 63°, Lat. 36°40), die wahrſcheinlich eine derje⸗
nigen. des Evrifl fein wird. Roch eine Sura, Sura Castrum
(wol Zouea ua) Jeüpor, in Vita Symeonis Stylitae, Cap. 26,
mit Svugunu nahe Europas in Hierocl. Synecd. ed. Wess, p. 718:
Not.), 75) iſt viel weiter oberhalb Balls, auf ver forifchen Seite,
und mit dieſer Gura des Prolemäus, zwifchen Kalat Jlaber und
Nitephorium, eben fo wenig zu werwechfeln, wie mit jenen beiben
babylonifchen Sura's. Diefe Sura, derm Ruinen Suriych, wie
wis oben bemerkten, durch Cheſsney wieder entbedt, obwol nicht
näher unterſucht find, ſcheint von Plinins bei. feiner erſten An⸗
führung unter Ura verſtanden werden zu müflen, das er abwärts
Syrien am Cuphrat gelegen angibt, we er Curopus und Thap⸗
facus (Amphipolis f. ob. S. 982) nennt: denn er Täft nun die
Arabes Scenitae ganz richtig ihren Anfang nehmen, jene Zelt⸗
Tribus der Araber, vie feit jener Zeit bis heute dort ihre Gigs
19 Kdrisi b. Jaubert T. Il. p. 142,. 34. 1) Assomanni Bibl.
Orient. T. I. p. 279, 416. |
1082 WeitsAfien: UI. Abtheilung. L Abſchau.n
behauptet haben, wie wir aus ben meueflen Berichten über Ye U
vr Deni Said und Aneczeh fahen (ſ. oben ©.1070) Zum
fährt: Blinius fort: Der Cuphrat fließe am Orte Uta vorn |
we. er gegen ven Ofen fit wendend die Balmpsrmifchen Einen
keiten Syrient verlafie, die (ſüdwärts) bis Petra um» Arabia Feia
zeichen (Plin. V. 21.1. c.) Hierauf beſchreibt Pliniae vie kp
von Palmyra, una fährt dann In ber Verfolgung des Ge
laufes weiter fort, mit Sura beginnend, was offenbar disfelie w
sige Urea if, von der er fagt, nicht weit davon entfernt ig |
BhHiliscum, eine Stadt der Pariber am Gupbret, won weiie
noch 10 Tagefahrten zu Schiffe nach Seleucia und eben fo wid
na Bahyionien fein (a Sura autem proxime est Philiscm,
oppidum Parehorum ad Kuphratem etc. ebend.) Schen Manucıt)
fagte, daß Pheiliacum kein: anderer Ort ald Nilephorium fin
Honne, das fpätechin erſt dieſen und andere Namen erhielt, fee
aber unter jenem erflern, defien Urjprung uns auch völig zube
tannt if, bei keinem andern Autor vorkommt. Nur fo wiel ii ge
wiß, daß es ein älterer, bei Perſern gebräuchlicher Rame viel
Ortes fein muß, da wir ſchon unter dem Berferfönige Artarınd
den Namen eines feiner Geſandten, an bie Griechen des Bhilis-
«08, bei Zenephon (Hist. Gr. VII. 1. 27) verfinnen.
In der Notit.. digu. imp. or. 77) fommt biefe ſeyriſcht
Sreuzfeftung des Roͤmerreiches, in. welcher Die XVI. Legion Kies |
Winterfation hatte, unter dem Namen Flavia Firma Sura
ver, bis wohin damals noch ‚die Provinz Augusteuphrategsis. zıiz
ven Dux Syriae reichte. Durch Khoſ roes, des Kobads Sete,
erſten Feldzug gegen Antiochia (im I. 540 m. Gr. f. 06.6. 1001)
werden wir am beften über vie Lage orientirt; denn von Jemobis,
deſſen Rage durch Chesney zu Zelibi (f. unten) genauer be
Rimmt und von Gurich in gerader Linie 26 Wegſtunden entſern
AR, ſagt Procop, kam der Gaffaniten» König, das änferfe
Mömercaftel Kirkefium zur rechten Hand am Norbufer des En
phrat zur Seite liegen laſſend, in brei Tagemärſchen unflreitig mit
feiner Meiterei gegen Wellen nah Sura, ’7) das am Gupfrei
liege. Hier ſchlug er fein Lager auf. Bei dem erſten Angıif
die Stadt fiel ihr Commandant Arſaces, cin Armenier, ver di
a. A
ẽ
229 Mannert, Geogr. d. Gr. m. R. Th. VI. I. ©. 527. °')
“ dignit. ed. Pancir, fol. 86. ’°) Procop. de beil. Pers.
e. 5. ed. Dind. I. p. 172. |
5
'
I
Euphratſhſtem; Sura; Sergiopolis. 1083
Mauern mit feinen Kriegern ungemein tapfer vertheldigte, durch
einen Pfeilſchuß der Perfer, die ebenfalls große Niederlage erlitten,
Am Abend kehrten dieſe In Ihre Zelte zurüd, um am folgendem
Morgen'ibrn Anfall zu erneuern. Die römiſche Beſatzung hatte
indeß nad) dem Verluſte Ihres Anführer den Muth verloren; bir
Epifcopus: von Sura warb mit Geſchenken in das Lager gefanbt,
und bot für die Stadt, damals vie 'erfte roͤmiſche an ber: Grenze
ded Reich, ein Löſegeld, dad Khosroes, ſich verfiellend, anfänglich
verfhmähte, dann aber doch Zufage gab, die Thore ver nun forg-
lofern Stadt bei der Rückbegleitung des Biſchofts aber doch noch
fig überrumpelte. Bon feinem nachrückenden Geere würden busch
Niederreißen, Sengen und Brennen, durch Mord und Sclaverei,
Stadt wie Bewohner gänzlich durch den wildes Zorn des Barbaren
vertilgt worden fein, wenn nicht die Habſucht, oder, wie anders
fagen, feine heftige Leidenſchaft gegen eine ber ſchönen gefangenen
Suremerinnen, Cuphemia genannt, auf deren Bürbitte, ihn zw
einer gewiſſen Nachgiebigkelt gebracht Hätte Der Nachbarſtadt
Sergiopolis und ihrem geiftlichen Oberhirten, dem bamaligen
Cpiſcopus Candidus, fandte er nämlich einen Boten mit vem
Antrdge, ihm vie 12000 gefangenen Surener gegen ein Loͤſegeld von
200 Pfund Bold abtreten zu wollen. Der chriſtlich gefinnte Seel⸗
forger, obwol ohne die Geldmittel zur augenblidlihen Zahlung,
ging doch den Antrag zur Befreiung fo vieler Unglüdlichen, ſelbſt
auf eigne Gefahr, ein: denn Khodroed gab ed zu, daß vie Summe
nur einftweilen In Die Schulbtafeln eingezeichnet wurde: der Epi⸗
ſcopus mußte aber Durch einen Schwur ſich anheifchig machen, in
Zeit eines Jahres dieſe Summe, oder dad Doppelte, zu zahlen und
dann ver Verftoßung von feinen Epifeopalfige gewärtig zu fein.
Die meiften der Befreiten, bemerkt jedoch Procopius, überlebten
Das Blend nicht Tange, das fie fo hart getroffen Hatte. Khosroes
rüdte nun weiter mit feinem Perſerheere gegen Hierapolis (ſiehe
ob. S. 1049) und Antiochia vor.
Schon vor dieſer Zeit, unter dem Vater des Khoeroes (Ru
ſhirvan), nämlich unter Kobad (ober Kavades, reg. 491— 532
n. Chr. ©.), 79) war ſchon einmal von berjelden Sura (Procop.
b. P. 1.18 1. e. p. 91 - 97, wo flitö:dv noAss Fovpwr) vie
Rede, als ganz unerwartet ein ſtarkes Streifcorps der Saſſani⸗
10) C. g. Richter, Hi, k, „Berl über die Mrfaciden u. Saffaniden ⸗Dy⸗
naſtie. seid; 180% &
%
1084 WefbOlfien, III Abtbeilung. I Abſchein |.
ven von 15,000 Reitern und Fußvoll, unter des kühnen Yzarı-
thes Befehl, vom Alamundar als Wegweiſer biente, anf ya;
ungewöhnlicher Stelle den Cuphrat durchſegend, ylögii in Am
magene esfchlen und ſchen weit in Syrien vorgedtungen wer. Tank
Brocop’s Erzählung viefer Begebenheit wird bie gesgraphide
Lage dieſer Sura noch in Beziehung auf ihre Nachbarorte a
eine neue Weile beftätigt. Der Schrecken des fo weit in Weſt we
weingenven Barbarenfeinbes hatte ſelbſt den unverbereiteien Bel
"far, vamals Beichlöhaber im Orient, überrafcht; aber bald mu |
fin Entichluß zur Kriegboperaiton gefaßt. Gr brach mit fine »
geringen Heere in Syrien auf und flug zu Chalcis (Im Ein
von Haleb) fein Lager auf, weil er in Erfahrung gebradit, daß wi
Caſſaniden⸗ Heer hen Did Gabbula (dv zuge Taßfim ii
Proe. 1. c.) vorgenrungen ſei. Bir keunen wie Lage dieſes Dvd '
nicht näher, ©) doch muß er auf dem Wege von Ghalcis meh
Sura, alfe im Dften von Chalcis, liegen, auf dem Wege gegm
Barbalifus (Balls), und, wie Procop fagt, nur 5 Gtua
(110 Stadien bei Procop) fern von Chalcis, was mit Der Lage ii
bentigen Djebul und den bertigen Ruihen einer alten Gicht
am Shaufer eined Salzſees, II Sabkh (auf Mouffeau's Carte
de la Syrie), vie nur etwa 6 geogr. Meilen im Weſt vom Guyfen
und von dem heutigen Balls entfernt Ilegen, zuſanmenfällt, cia
Name, in dem auch der alte Laut fich bis heute erhalten zu haben
feheint. Die Unterfuchung dieſer Ruinen würde vielleicht befkätigen
Finnen, 05 dies wirklich dieſelbe biäher unbekannt geblichene Lay
ver Stadt Gabbula wäre, da He ſpäterhin auch durch Kaiſer
Inſtinians Bauten, nebſt den benadgbarten Barbaliſus, Ree-
cdſarea, Pentacomium, Europus und anderen, zu das
Reichtfeſtung erhoben ward (Procop. de aedif. 11.9. p. 235). De
Saſſanidenfeind, fagt Procop, marſchirte von da nun wie
sifenbar rückwärts, wol aus Furcht vor den dreiſt aurüdımaen
Römern, nämlich fo, daß ihm ver Cuphrat zur linken Hand bis
(Proc. 1. e.: auzol ve yoüe Eögedınv norapor dv desarıpa
&yovses x. 1. 4). Er zog alfe am Süpufer Hin, und Beltfar
zudte ihm fo dicht auf dem Fuße nach, daß er ſtets am Abend die⸗
felße Station befegte, welche der Feind am Morgen verlaſſen hatte
Angreifen wollte ihn Belifar nicht, fondera den Tlüchtling zur
ermüben. Schon waren bie Saffaniven fo ſehr gedrängt, daß fe
IO, Manmert, Braar. V. Dr. a. . W. . .
.
|
|
Euphratfyſtem; Sura, bei Kallinikum. 1085
num ſchon, oſtwäͤrts an Gura vorübergezogen, ſich gendihigt fa,
hen, ihren Weg durch die Wüſte zu nehmen und das Romer⸗
gebiet ganz zu verlaſſen; denn ihre frühere Abſicht, vie Straße
am Eupbrat zu ziehen, hatten fie ſchon aufgegeben. Sie lagerten
amı fünlichen Ufer des Stroms, Kallinitum gegenüber. Dis
Römer Hatten Ihe Nachtquartier nur einen Xagmarfch fern in
Sura gehabt und fahen nun fchen, wis der Feind aufbrach und
zur Retirade feine Anordnungen machte; und dad war ber Zioed
geweien, ven Belifar obme Aufopferung feiner geringen Streit
kräfte zu erreichen gefucht Hatte. Diefer Anbli aber entflammis
- den Uebermuth der Verfolgenden, in der Hoffnung, ven Feind vbdl⸗
Kg zu Grunde zu richten. Aber ed war der Tag vor dem Oſter⸗
fefte, den Chriſten ver heiligſte Faſttag, fagt Procop, fo vaf
an ihm Alle ohne Speife und Trank, viele von. dem eiligen
Fußmarſch fehr erihöpft waren, und felbft ein Theil ver zurüdgeblien
benen Mannfchaft das Hauptcorps noch nicht hatte erreichen Funen,
Bergeblich ſuchte ver befonnenere Feldherr feine Truppen von bem
Angriff gegen den Beind abzuhalten; die Verwegenen überbäuften
ihn mit Borwürfen ver Beigbeit; er mußte der Gewalt weichen,
Klug waudte er feine Rede wo möglich zum glünfligen Ausſchlag
und ihren Feuereifer preiſend, ven er nicht länger hemmen weils,
gab er ven ſchon Voranſtürzenden das Zeichen zur allgemein
Schlacht. Was er erwartet batte, geſchah. Der Kampf warb un»
gemein blutig für beide Theile und war doch nicht fo entſcheidend,
wie eine Flucht des Feindes am ſich fehon geweien fein wärke.
Dean der ermübete und gefchwächte Römer Eonnte doch den nun
mit VBerzweiflung noch kämpfenden Perſer nicht beflegen. Dex
Schlachtkampf dauerte bid zum Abend, wo dad Dunkel beide Par⸗
teten trennte. Am folgenden Tage zogen fich die Römer in die
nabe Stadt Kallinitum, wohin ihre Laftfchiffe fe trugen. Dis
Saſſaniden begruben erſt ihre Todien und kehrten Bann auch in ihr
Land zurück. Die große Näbe, in welcher alfo Sura im Weſten
von Kallinitum (Phlliscum bei Plinfus, jet Rakka) log, If
dadurch Har. Firduſi, der ven fpäteren Feldzug Khoſroes von
Sura gegen Hierapolis auch erzählt Hat, nennt diefen Ost Shu⸗
zab (in den 3 Mifer. der Berliner Bibl. Fol. Nr. 147, 172 Bibl.
Diez Nr. I. und in dem Mſer. ver Hamb. Stabibibliethef). Die
Ueberſchrift feines Geſanges nennt derſelbe Dichter aber Shurah
(in Nr. 147). &)
*2) Handfhriftl. Mitth. von Morbtmann.
—
(086 WeftsBifien. IE. Abtheilung. I. Abſchnin. {.42.
Die leichte Eroberung Su ra's durch Khosroes zeigte wei, we
vernachlaͤſſigt ihre Feſtungswerke fein mußten, daß ein vorgriäe
bener Balken over Stein, wie Procop erzählt, es ven treulofen po
fiichen Begleitern des Cpiſcopus möglich machte, das ganze Ihe
am Einlaß zu ſperren (1. c. IE pag. 173). Die Mau, de fü
ſchlecht geweſen waren, daß Khosroes Feine Halbe Stunde de
brauchte, um fie zu übermältigen, ließ nun Kaiſer Juſtinian ſpatet
Bin wieder aufführen, und umgab, wie Kallinitum, fo and I
ganze Stadt Sura mit einer neuen, ungemein feflen Außenma
(Proeop. de aedif. II. 9. p. 234), fo daß fie fypäter dem Perie
‚feinde beſſer winerftchen konnte.
Aber nah Procop verläßt uns jede Nachricht über die Shi
fale viefer Stabt; nur auf der Tab. Peuting. iſt ir Name Gurt
noch eingetragen, nämlich auf der Straße, die von Paluyre
über dieſen Ort nach der damaligen Hauptſtadt bes Mömerreidel,
Kallinitum (Nikephorlum), führte, eine Strede von einig 2
geogr. Meilen (104 Mill. p.) bis ©ure, über vie Orte Karat,
Druba, Cholle, Rifapha, von denen uns jedoch nur dis hei
den legteren Orte auch von Ptolemäus genamnt werven (Prel
V. 15. fol. 139: Xo6%An und "Pnodga, 72° 15° Long, 31° 6
Lat.; XoAin 71° 45’ Long., 34° 30' Lat.). Aus deren Lage gt
jevoch hervor, daß die ‚angegebene Route von Süden her geym
Nord zum Euphrat fortfchreitet, va Balmyra nad Piokmizt
unter 71° 30’ Long., 34° 0° Lat. (nach Rennell's Berichtigung u
tee 34° 24° N. Br. und 38° 20/ DL. v. Gr.) æ) alſo faft 14 &.
fübwärts von Rifapha oder Sura zu liegen kommt, mas bie
ziemliche Uebereinſtimmung mit der neueren Landkarte gibe. Abe
von. Sure nordwärts nach Kallinitum find leider Zahlen und Orte
namen in der Handſchrift der Tabul. Peut. gelöjcht, vie nur an We
Stelle fühwärts ver muthmaßlichen Lage von Kallinikum veuih
genug die Worte einfchreibt: arce, d. t. „Arae (bie Grenzaltän)
Fines Romanorum,” und noch füblidyer „Finis Exereites
Syriaticae et Comertium Barbarorum, dem dam de
Desertum folgt, woraus fich ein Anbaltpunc für das frühe
Alter der urfprünglicden Daten der Tab. Peut. ergibt. Denn nf
fpäterbin, unter Kaiſer Diocletian, die Beflgungen ver Ras
weiter gegen den Südoſten bis nach Gircefium und zus Pin
J. Reunell, Comparative geogr. of Western Asis, Tom. L
pag. 106. |
BM
Ri Ä
.
Euphratſyſtem; Sergiopolis, Atſapha. 1087
dung des Ehaboras nusgebehnt. wurden, bat ſchon Mannert
bei dieſer Gelegenheit erinnert, und Katfer Julian überfchritt, wie
wir oben fahen (f. ob. S. 139), erft bei Girceftum die Romer⸗
grenze I. Rennell in feinen genauen Forſchungen über vie lo⸗
ealen Diftangen dieſer Gegenden finbet, daß die Diſtanz ver Tab.
Pent. von Riſapha nah Sura 21 Mill., und von da bis Kal.
Iinitum 10 Mill., ober zufammen 31 Mill., alſo an 12 His 13
Stunden Wege, der wahren Entfernung jene Orte ganz ange
meſſen ſei. ©)
9) Sergiopolisé, Riſapha, ar Roſzafat, eine Station
‚ ber großen Palmyra⸗Route, nahe dem Kreuzwege
mit der großen Wüftenroute von Baffora über Taibe
nad Aleppo. Usber die Maaße in der Wüſte.
Die Nachbarſtadt Sergiopolis, welche Procop bei Gele
genbeit der Eroberung von Sura erwähnte, lag nach ihm drei
ſtarke geogr. Meilen (126 Stadien) im Süden von Sura, im
fogenannten Barbaren⸗Felde (Proc. de bell. Pers. II. 5. pag.
475: div 70 Papßapıny xalovudtrw neölp). Es war eine rð⸗
mifche Anflevlung, vie nach dent chrifllicden Sanctus Sergius
Martyr genannt ward, der hier in befonderd großer Verehrung ſtand;
daher auch die Stadt ſelbſt mad; diefem Heiligen genannt ward, des
bier Kirche und Kloſter erhielt. Sergius Hatte mit: feinem. Brus
der Bacchus %) zur Zeit ver Kalfer Diocletianus und Ma⸗
zimianus und des Eyprianus Epijcopus, alfo im Anfang ber
Saffaniven » Herzfchaft gegen Ende des 3. Jahrhunderts, das Mar⸗
tyrium 85) erlitten; fein Gultus z0g zu Martyropolis (f. oben
©. 95), wo ihm Kaiſer Mauritius eine Kirche baute, zu Nifi«
bis &) und Hier von allen Seiten viele Unbeter herbei. Auch
wie Perſer bezeugten feinem Heiligthum ihre Verehrung und weiße
sen Ihn Opfer, ſelbſt Khosroes foll in dem erſten Jahre feiner
Thronbeſteigung, als er mit Byzanz noch in gutem Vernehmen
fand, nad Evagrius und Theophylactes, dem Kirchenſchatze
dieſed Heiligen koſtbare Geſchenke geweiht haben, veshalb er auch
noch ald Plünderer von Sura feinem Zorn gegen das Sanctua⸗
rium wenigftend den Bügel nicht ganz fchießen ließ. Als jedoch
°s) J. Rennell l. e. T. IL p. 30. %*) Evagrius, Hist. ecclos.
ib. IV. cap. 28; VI. c. 21. °®) Greg. Abulph. Hist. dyn.
8. se) Theophylacti Simocattae histor. libr. V. 1.
p- 80,
p. 208 018, p- 239 — 231.
%
1088 Wefl-Mfen. TIL Abcheilung. I. Abſchaitt. .42.
Khosroes im dritten Feldzuge gegen bie Römer wicerum en
rechten Cuphratufer aufwärts und zum zweiten male ver Giakt
Sergiopolis nahe kam, ging ihm Ihr Epifcopus Gaupinns m
gegen (Proc. de bell. Pers. IL 20. p.239), ven Zom des Bar
baren gu brechen. Denn noch hatte er ihm keine Abzahlung ges
flet, auch erinnerte er daran, daß er gleich anfangs das Lifegeh
verweigert, weil er gar nicht im Veſitze von Bold fei; nur dit Er
barmung um feine Blaubensgenofien hatte Ihn zur Zuſage Seingen
Eönnen. . Seht mußte der edle Mann dafür büßen; er wurde feige
halten und Erecution nach der Sergiusſtadt geſchickt, den Tempel
feiner Schaͤtze zu berauben. Doch gelang dies nicht, denn die bee
Anſaſſigen vertheidigten ihr Heiligthum tapfer gegen bie Tempe.
räuber und trieben fie mit Hülfe der benachbarten Saracenen fihk
zurück. Mangel an Wafier für ein Belagerungsheer hielt von &
nem ernſteren Angriff zurück, auch wollte Khos roes ſich mit Ro
bendingen nicht zu Iange aufhalten, da fein Project war, Die nie
zen Schäge des Tempels zu Serufalem zu plündern, bas ihn vom
gen Weiten trieb. Candidus wurde ald Befaugener meirgefhl,
und weil ex feinen Cidſchwur gebrochen, feines Epiſcopates weriuilg
Auch für Sergiopolis forgte fpäterhin ver. Kaifer Iafir
nian, das damals nur noch nievrige Verſchanzungen, nämlich kei
Erdwalle zur Vertheldigung gehabt Hatte, die nach Landedart, we
Procop bemerkt (Proc. de aedif. Just. II. 9. p.235), wol hass
hen mochten, ven lieberfällen von Sararenen zu wolberfichen, be
man freilich keine Städteerſtürmer nennen KBnnte, aber Teinetwegl
orbentlichen Belagerungen. Der Ruhm des Chriſtentempels, vom fi
siele koſtbare Schenkungen zu Theil wurden, beweg nun Yen Rab
fer, den Ort wit fehlen Schutzmauern zu umgeben; ex leitete ihn
Waſſer zu, legte Waſſerbecken von fehr großem Umfange void :
au. Gr baute dort Häufer, Wohnungen für die Garnifon, kg
Berticuß an, und machte den Ort fo fidher, daß fpäter die Gaffenb
ven: Ihm nicht mehr anhaben Tonnten, wozu auch vie Grrictum
anderer feſter Caſtelle am Cuphrat das ihrige beitrug.
Aus des S. Ephraem Syrnus, der unter Kaiſer Gonflen
tinus M. zu Niſibis geboren warb, bie Taufe empfing und mu
- einer fehr würbevollen Wirkſamkeit als Doctor orbis et Propheu
Syrorum 87) unter Kalfer Valens Regierung farb, Yinterleffene
en Vita S. Ephraem Syrus b. Assemani bibl. orient. T.L cap-&.
Pag. #.
aan wÜl
"1
u Euphratfüftem ; Sergiopolis, Riſapha. 108
Schriften in ſyriſcher Sprache, hat Aſſemanus nachgewieſen, daß
die Sergiopolis ver griechiſchen Chriſten von ben ſyri—
ſchen Epriften Rofapha oder Rafiphta genannt wurde, wie
dies urkundlich eine. ſyriſche Symnenfanmlung, beweifet, bie dom
„Josephus episcopus sacri monasterii Rasiphtae”
dem Kirchenſchatze des Set. Sergius als Opfer. uͤbergeben wurde.
Es beſtand alſo daſelbſt auch ein Kloſter, wie dexgleichen fo viele
unter den Syrern aufblüßten. Mehr wird und aus jener, Zeit
nicht überliefert von der Gefchichte des Ories, aber dies iſt hinrel⸗
chend, um feiner räumlichen Identität mit dem, aͤltern Riſapha
des Ptolemäus, wie des glücklicher Weife auch nad, von Arabern,
bei Edriſi und Abulfeda, erwähnten el Reffafg,, Rufafe oder |
ar Roſzafat gewiß zu jein.
Edriſi, im Clima IV. 5, zaͤhlt zu "Syrien auch er Refe
fafa ®) und ſagt, daß es auf ber großen Hanpelöftraße von Rakka
Kallinikum) nach Hoͤms (Emeſa) liege, ala erſte Station gegen
S. W., naͤmlich 24 Mil. fern, Es fei der, Drt, an welchem. die
DOmmajaden-Khalifen mehrere Schlöffer bauen ließen, 8)
‚deren Umgebungen ſtark bewohnt und vol Dörfer felen, mo blü—
ende Märkte gehalten würden. Dies wirb in Abulfeda' 8 Ge⸗
ſchichte eines der letzten Ommajaden beſtaͤtigt, denn er erzaͤhlt, daß
Haſhem, der 10te der Ommajaden⸗Khalifen, der Sohn Abdelma⸗
lets und Bruder Jazids, ver 19 Jahr und 9 Monat regierte, zu
Rufafa in einer geringen Hütte wohnte,! als ihm der Ring und
Srepter zum Khalifat überbracht ward, ) und aud) zu Ruſafa im
.$. 742 n. Chr. ©, feinen Tod fand, vafelb auch begraben ward,
Noch gab es damals Leine deſignirte Khalifen⸗Reſidenz (ſ. oben
©. 196); Hafhem hatte dieſen Ort, ver, wie Abulfeba fagt, zu⸗
wor den Chriſten gehört und durch ein Kloſter (ev meint bes Sct.
Sergius) ſehr berühmt geweſen, das aber feit dem Ginbruch des
Jslamismus zerſtoͤrt war, aus feiner Erniebrigung wieber gehoben.
Don. ihm rühren alfo jene Schlöffer her, deshalb der Ort auch
Rufafa Hafhemiah genannt ward (eine andere Hafhemiah wurde
ı fpäter ‚bet Rufa. erbaut, ſ. ob. ©. 184). Der treffliche Boden, und
feine geſunden Lüfte machten ihn zu einem fehr Lieblichen Aufente
halt. du ver Veſchrelbung Syriens fuhe Abuife #ba mg Jatar'e
— — F u 33
82) EMrisi b. Jaubert u. Pag. 100. | 9— cbendaſ. IF. p. Br.
70) ‚Abulfedae Anaal. mel: ed. Reiske pat⸗ 130, 28} ‚Greg:
Abalph. Hist. dyn, p. 192, 334 :
- Alter Erdkunde X 77
1095 WeftAfien. IE. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.42,
AMofhtaret an, vaß es viele Orte gebe, die nian Reſapha (sem
al Rofzafat) nenne, daher vlefer insbeſondere Roſzafat Heffam
nach ſeinem Erbauer genannt werde; er Tiege in al Bariat, m
Örle Rakka gegenüber. Diefem fügt der Fürft Abulfeda ha
u, vaß er den Ort ſelbſt geſehen, ver aber Feine volle Tagreife vom
Buyhrat entfernt liege. Al Bariat wird alfo wol ver Bar-
baricus campus bed Procopiuz fein, den er nur auf ſein
Weiſe graciſirt hat, und vielleicht auch die läng® des dortigen &r
phrat Tiegerive Kunvfchaft "AF7xwPBaplrız (V. 18. fol. 142), tu’
her Ptolemdus die Lage von Reſaphat angibt. Dem Barbaren
campus bei’Procop entfpricht, wie fon D’Amville bemerkte, *)
vab Comerkium barbarorum ber Tabula Peut. und bie Ars
fines Romanorum, die Örenzaltäre gegen vas Geld der Barke-
rengrenze, auf derfelben,
Diefer Ort Riſapha, Rufafa oder ar Rofiafad in
im, welcher von den engliſchen Palmyta⸗Reiſenden, Ende det 11.
Jahrhundetts, auf dem Rückwege von Tadmor zum Euphiet, we
ter dem Namen Arfoffa) beſucht worden iſt, wodurch die eilt,
unſtreitig ſehr merkwürdige palmyreniſche Hauptſtraße mm
Euphrat aus, von Orfa, Ricephorium, Sura und Sergi⸗
-poliß, führwärts nach jener Tabmor Salomons ober ber Pal.
myta der Zenobia, auf eine intereffante Meife erläutert wir
10) Die alte palmyreniſche Staase sum Suprab
| gebiete 7
Denn EIN von Rifapha über Arfoffa uegt Ani
teife weiter gegen Palmyra Bin, 10 Stunden Wegs over 5 ge.
Meilen, die Station Alcome derſelben Palmyra-Meifenden, wei
auf Carmichael's Ronte vom 3.1751 Ain al Kum?) u
and eine der Stationen auch auf ber großen Ronte burg die
Wuünſt e von Aleppo nach Baſſora if. Diefe Station wu a
Duelle, wovon fir Ain al Kum genannt witd, ift alfo eine Krem-
Ration ver Balmyra-Route ımb ber Daffora-Routr, MR
Weg in ihrer Nähe gegen Sit Tigt die Hauptftation Zeite,) '
— — —
m 44 a Mi EB a MB BB 3 U CA rn u Dr ur. —— u
1) Dianvile, —E—— eto, L €. pag. 38. Br Rutra dl
Journals 1. ec. Second Journ. 1691 in Philosoph. transact. 1006,
ar. 218. p. 150, 151. 9°) The common route of the chrävan B®
Alep po to Bassora, qver the germt desert of Arabia au degaribei
a Jonraal kept by Mix Gasmichael in iho_y. 1751; f. in Edr. |
Ives, Voyage from England: %o India. in: tie 9 KIA abe. Load.
1783. 4. book II., wo bie Driginaltarte, . '% wi, Halfız,
\
uphratſyſtem; die Palmyra⸗Route zum Euphrat. 4091
Ache zur Orientirung aller großen Karawanenzüge durch biefe
oße Wüfte an der Südſeite des Euphrats ven Hauptpunct
vet. Die meiften Reiſenden, bis biefes Weges an der Süpſeite
3 Euphrat voruberzogen, haben ihn paffirt ober find in feiner
Ihe vorübergegangen, wodurch er feine Berühmtheit erlangt Hat,
id feine Lage, obwol alle aftronemijchen Obſervationen über Ihe
jlen, mit großer Zuverläjfigkelt aus bloßen Wegdiſtanzen bes
hnet werden konnte). Diefer Eritifchen Arbeit Hat ſich befannt-
h 3. Rennell auf eine fo meifterhafte Welfe unterzogen, daß
durch dieſer Theil 96) der fo Schwer zugänglicden. großen ara⸗
ſchen Wüſte am Euphrat entlang feine den aſtrono⸗
Ifchen Obfervationen möglichſt genäberte Beſtimmt⸗
it der verſchiedenſten Localitäten zu verdanken hat.
Hin el Kum liegt. nach Mennell?”) 20 geoge. Meilen (100
engl.) in SD. von Haleb oder Aleppo; 8 geogr. Meilen
0 Mi. engl.) im Süd vom Euphrat, unter 35° 411’ N.Br. unb
o 54° 30”. öſtl. &. v. Gr., 8 Minuten in Weit von Maffa.
Kmlich wenn Rakka (Nicephorium), dad von dem berühmten
abifchen Afteonomen Al Battani auf 36? N.Br. beſtimmt war,
ch Rennells Berechnung unter 36° 1' N.Br. und 39° 3° 30
ILL. 2. Gr. liegt. Nach diefer Diftanz if Yin el Kum Ibentifch
t XoAAn bei Ptolem. und mit Cholle der Tab. Peut. Taĩbe
gt°®) faft direct füdlich vou Ain el Kum und feine drei volle
tunden davon entfernt, und Ihm nur wenig in ſüdweſtlicher Rich⸗
ng liegt Sukney (Sach ney bei Carmichael; Sukana bei
exeira), 5 Stunden Wegs entfernt, fo daß von Yin el Kum
z Sukney, der zweiten Station von Palmyra, 74 bis 8 Stun⸗
n Entfernung find. Sufney fält alfo nad der Angabe ver
ab. Peut., die auf ver Palmyra⸗Route XXI. M. pass. d. i. 84
kunden Diftanz von Eholle nach Oruba angibt, das von Ptole⸗
ius nicht mehr genannt wird, an deſſen Stelle hei ihm aber vielleicht
—ſ
Relation of a voy. to Palmyra 1691 in Phij. tranaact. 1695.
No. 217 p. 108; Pietro Della Valle, Viaggi. Venet.‘' 1068. 12.
Parte III. p. 614. Olivier, Voy. l.e. T. 111.9.:497.
3) J. Rennell, On the rate of travelling as perfonned, by camels
and its application as a scale ta tlıe Purposca af geography in
Philos. transact, 1791. ®*) J. Rennell, Comparative geogt.
of Western Asia T. I. p. 34 — 42 und deſſen Atlas Tafel oon-
struet. Map. IX. u. Tab, X]. Syria and northern Palestine...
#7) ebend. pag. Ar. °°) ebent. p. 96. el:
333 2
+“
1092 BWefbdffien,: IH. Abtheilung. I. Abſchaiu. 42
"Ooita, obwol etwas weſilich geruckt, ſteht (Ptol. V. 15, fol. 139)
wit diefem Oruba zufammen.
Showärts von Sufney (Oruba) folgt nun auf der Balmım-
Noute in 7 Stunden Berne, etwad gegen SW., die Stafim Yu
rita (Dareeia), die der Harae der Tabul. Peuting. in gleihea
Diſtanz (XXII. M. pas.), wie vie vorige Entfernung, emtimiht '
und ſelbſt Im Laut des Namens nicht undeutlich den Anflang ke
Ioentität gibt. Don diefem Darifa folgt nun, immer in giehhe
Direction gegen Süpen, wenig gegen Werften geneigt, nach 5} &
Wege (XVIIII. M. p. der Tab. Peut. freilidy etwas mer) ie
Lage der berühmten Palmyra, oder Tadmor Salomons. . Din
Webereinftimmung der Namen und Diftanzen, nach 3. Renzelll
vielfältigen DVergleichungen, Berechnungen und unfichtigfien Er
rectionen, ſchließt fih nun auf das ũbereinftimmendfte an die ꝙ
nannten Diftenzangaben von Sergiopolis (Refapha), an Eın
gegen N.W. und an Rakka gegen NO. am Euphrat an. Im
hierdurch iſt, wie Rennell bemerkt, unftreitig eine ver älteken,
ten Euphrat bei Rakka (Nicephorium) quer durchſetzenden Rein,
eine der Hauptpaffagen 0) nes höchſten Alterthams p
fhen Palmyra, Nicephorium und Eveffa, von Süden uh
Norden wit von Babylonin gegen N.W. über Xhapfarusmd
Syrien wieder ermittelt worden. Denn eben bier, in der Krın-
jung: biefer beiden großen Hauptrouten burdy dies Gupkren:
fiſche Wuſtenland yah Syrien, Mefopotamien un day
Llouia, mo eben Taibe und Ain al Rum noch heute gelege
Mind; wo früher Reſapha und Sergiopolis nur näher dem 6»
phrat gerückt, lagen, ebendaſelbſt, nur dem Stronrthale noch beach
barter, müſſen wol die Ruinen vet alten Thapfacus, un Di
Ueberganges gefticht werden, dem ſpäterhin nad) deſſen Unterzey
die meſopotamiſchen Uferſtaͤdte ihr Aufblühen verdankt zu hele
ſcheinen. Eine ſolche wichtige Localitaät entſpricht ganz ver Se
flellung, welche durch bie wenigen uns übriggeblichenen Nadrides
aus dem höchſten Alterthume, von viefem Orte erwedt werben ([.d
GS. 11,37, 51.00)
HBiernach ſind es von Palmyra norbwärts bie Rattı
oder Süra 4 bis 5 Tagemärfche, welche zum Gupbrat füe
‚und in 20 Stunden Wegs (544 geosr. Meilen) zurädgelet J
492493. - un - 82 2 u u
ars) —— sur l'Eupbrate et le Ti Yo .
TEN Te ir 3.07 )ıBe,
\
gl
N
IB
Euphratſyſtem ; Die Palmyra⸗Route zum Euphrat. 1093
werden pflegen, bis Ain al Kum und etwas mehr Bis Aff Dien
am Cuphrat, wenn man, wie jene Palmyra⸗Reiſende, den Rüdweg
mit nordweſtlicher Wendung gegen Balis nimmt.
Die merkwürdigſten Vorkommniffe auf dieſer Palmyra⸗Noute,
durch weldge die Ipentität von Arfoffa (Reſapha) mit ver al
ten Sergiopolid zu Procops Zeiten dur Monumente eine neue
Beftätigung erhält, find nach ven wißbegierigen Palmyra⸗NReiſenden
aus der englifchen Bactorei Haleb, den damaligen erften Ent-
dedern ver Prachtruinen von Balmyra, folgenve:
Palmyra oder Tapmor, bei Ptolemäus unter 35° 6° Lat.,
tft nah Rennells Beredynung, 2) denn Obfervationen fehlen bis
auf eine unfichere Breitenbeftimmung mit, wie ver Obfervator felbft
gefteht, mangelhaften Inftrumenten, von 340 N. Br., durch Bruce 2)
unter 34° 24' R.Br. und 38° 20° öfll. &, v. Gr. gelegm. Nach
Berghaus Bereihnung, ?) ver vorzüglich Bruce folgt, 33% 58’
M.Br. und 33° 35° 69 fl. & v. Bar. Bon da führte ber Weg
in 53 Stunde etwas D. g. R. nad) Darika; von da in 7 Stun⸗
den gegen NO. na. Soukney, In 2° Stunde gegen N. O. nah
Taiba, und in 5 Stunden nad Ain al Kum. Bon da aber in
10 Stunden nah Reſapha, alfo in Summa 30 Stunden Wegs
bis Sergiopolis (Arfoffa oder Reſapha).
Rückreiſe der Kaufleute der engliſchen Faktorei von
PBalmyra nach Haleb im Jahre 1691. *)
Erſter Tagemarſch. Den 8. Okt. Unter dem Vorwande
als wollte man ſüdwärts über Damaskus ziehen, nahmen bie
Reifenden, um jedem beabfichtigten Ueberfalle von Wegelagerern zu
entgeben, ihren Weg gegen Norven zum Euphrat, ven man in
vier Tagemärfchen erreichen konnte. Dit wenig öftlicher Wendung
ging es gegen Nord; man Tief eine halbe. Stunde zur linken Hand
eine weit fortziehbende Bergreihe ‚liegen, die fich oft weiter ausbog.
Sie ſollie reihe Adern von Steinen haben, zumal aber enthält fie
ven Marmor, aus vefien Brüdhen Palmyra einft erbaut ward.
An ihrem Fuße liegt die Duelle Abulfarras, nahe Balmyra,
welche die Reiſenden mit Waflervorräthen verfah. Dieſes find bie
—
1) J, Rennell, Comp. geogr. of W. Asia I. p, 105. 2) 3. Bruce,
Reife; Gutd. d. Onellen d. Nils, aberf. v. Boltmann u. Blumenbach.
Leipzig. 1790. Th. I. S. 55. *) Berghaus, Geogr. Memoire zur
- Erflärung uud Grläuterung der Karte von Syrien. Gotha. 1835.
4 5.28. *) Philos. Transact, I. c. 1695. Nr. 218. p. 147.
1094 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnin. 121
Untass Berge (Toul Autor; vie erfien Reiſenden im Jahn 169
hörten, Anture fei der Name des Gaflelld,°) das auf den Bay
bei Tadmor ſtehe), welche auf ver Straße, die von N. W. von Hk
nach Balmyra führt, Überfept werden muß. Cs iR vu ang
hohe Bergkette, weiche Hier durchſtreicht, und auf dem fünf
Tagemarſche von Haleb, fünmwärts gegen Palmıyra, ein pas ig
Zeit zum Ueberſteigen koſten Tann. Sie ſcheidet die Flippige ik
Die fih von ta norbweftwärts über Höms, Hama un Hıld
518 zum Euphrat bei Balis fortzieht, von dem flachen lu
feln im Dften nah Arabien und Babplonien hinein, an mm
weſtlichem Gingange Palmyra liegt. ALS Pie Reifenden nad Fıl
myra zogen, hatten fie am 3. Oktober ©) ven Meliub ie
Bergkette erreicht, und durch den unebenen Voden der Wirk vl
Schluchten, Waflerriffe und trockene Wapis, die von viefen daſ
gegen N. hinabzogen, ſehr befchiwerlichen Weg gehabt Ad
4 Stunden folgen Weged vom letzten Nachtquartier fing zu
Auffteigen zu den Höhen an, von benen man eimen fchönm Su
über das Land gewann und zumal biß zu einem Berge gegen Ed,
hinter welchen Palmyra liegen ſollte. Diefe Berge wun p
beiden Seiten mit vielen großen Terpentinbänumen Imdia,
die nach‘ fo langer, kahler Cindde einen ungemein lieblichen ie
drud machten. Die Bäume waren DIE und fchattig um trage
reichliche nußähnliche Früchte (Zapfen), aus denen Del bereitet wi
die auch von den Arabern wie vie Piſtacien gegeffen wur, ıb
wol ihr Kern weit Sliger il. Ein ſehr befchwerlicher, langweilige
Gerabweg führt von diefer erſten Bergreihe zu einer engen, jaha
Schlucht, ohne Waſſer, bei welcher an der Al⸗Wiſhal genannin
2 u — — — wi 3
Stelle die Zelte aufgefchlagen wurden. In ver Nacht ergej h
hier ein fo plögliches und gewaltiges Negenfchauer, daß in id
einer halben Stunde eine Waſſerfluth umherſchwamm, in ver, Ib
merkt der Reiſende, ein ganzes Heer feinen Durft Hätte ſtillen Be
nen. Don allen Höhen flürzten Cataracten herab. Aber mb
genden Morgen hatte ſich ſchon alles Wafler wieder verlaufen, dd
man die nächftfolgenne Reihe ver Berge zu überfleigen hatte. Ze
den Höhen erblidie man nun ſchon in der Ferne die Ruinen bi
Caſtells, das nur eine Halbe Stunde von Palmyra auf einrm Bar
gipfel Liegt. Der Weg führte ſüdwärts Durch eine Schlucht, zu
*) Philos. Transact. I. c. 1685. Nr. 218. p. 132. )q. 4. C.
&, 142, x
N Euphratfoften; van Palmyra ner SGouturp. - 1095
M nach einer halben Gtunde über die hier Antar (Toul Autor) gen
Kı nannten Berge. Ein gewaltiger Kelsfpalt, wie durch Menfchen«
u band gehauen, aber viel zu coloffal, um ein Kunfkweg zu fein,
wi der allerdings ven Gingang zum Ihals Palmyra's bildete,
a wurde. baschjegt, und nun zeigte ſich auf einem ber Berggipfel ein
iv Gebäude „Haus des Sheikh“ genannt, das jeboch nicht näher
unierſucht wurde. Nach 4 Stunden Wegd über bie Klippen biefer
r Vorberge, die von andern durch ſehr enge Schluchten geſchleden
; lud, in denen die Marmorbrüche liegen, die zum Aufbay der Pa-
läfte dienen, erreichte man das Gaftel und dieſe Prachtruinen ſelbli,
die nun auf dem Nordwege nad) 3 Tagen wieber verlafien wurden·
Im O ſſten dieſer Antar⸗Berge breitete fh nun eine une
abfehbare Ebene aus, ganz dürr, ohne Gruͤn, an sin paat
Stellen audgenommen, wo Gurken ober Kuͤrblsgewachſe auf bem
Boden hinrankten. Diefer Rüdweg „ging ganz eben auf dieſer
. Bläcge eine Halbe Tagereife gegen Nord hin bis zu einer elenden
‚ Kaphar, d. 1. einer Zolhütte, wo früßer ein Poften zur Erpreſ -
"fung von Weggeld geftanden. Bon dieſem mar noch Immer ber
Mücblick auf das Caſtell von Palmyra vergöunt, das aber
nun ſchon wieber aus den Augen verſchwand. Das erfie Nacht⸗
quartier wurde nach 55 Stunde Marſch genommen bei dem Dorfe
Darecca over Darica (Harae Tab. Peut.), weil Hier eine Quelle
des trefflichften Waſſers ift, das einzige gute, das auf der ganzen
Strede bis zum Cuphrat angetroffen wird. ) Ein Dorf in Rui«
nen, das ber Duelle ben Namen gibt, dicht dabei, Hat nur wenige
Bewohner, weil biefe fortwährend ven Ausplünberungen ber Berg«
Araber auögefegt waren, obwol dieſe wenigen dem bamaligen Cmir
AfyneAbaffe, ihrem Könige, Im Lager an der Duelle Gay, am
Daradar, jährlig 300 Dollar Tribut zahlen mußten. Wäre e& wahr,
was man ben Reifenden Hier fagte, der Ort folle feinen Namen
von einem Giege der Türken über die Mamelufen haben, fo bürfte
freilich die Uebereinfimmung des Namen mit dem ber alten Zeit nur
zufällig erfcheinen.
Zweiter Tagemarſch. 9. Oct. nad Soufney. Diefer
Weg führte über dürte Ebenen zwiſchen Hügelreihen Hin, bie in
halben Stunden von einander abftehen, nad) 7 Stunden Marfches zu
dem Dorfe Soufney (Sokhne, Sachney, Sukana), das von
der heißen Quelle feinen Namen hat, die ganz ber Natur der
)a.09. S. 147.
1096 Wirt Afien. II. Abtyeilung. I. Abſchnitt. 2,
heißen Quellen zu Palmyra entipredien. Von dem dortigen Ball,
das die Palmyra⸗Reiſenden wild und frech fanden, 8) werden ve
Löcher dieſer Quellen ſehr Päuflg zum Baden benugt, ebelah Is
ohne ale bequeme Anftalten geblieben, und Weiber wie Riem,
obwol nach einander, in denſelben Waſſerbecken ſich Kermmtrir
Gin habgieriger Unter⸗Baſha des Emir Affyne, der damals (1691)
Bier feine Reſidenz Hatte, bewirthete die Säfte im feiner dena
Hütte mit Pillaw, verlangte aber dafür von Jedem eine Ihm
| Zoll, that jedoch mit vielen. Entihuldigungen darauf Verjicht, Ar
er erfuhr, daß feine Bäfte feinem Emir nahe Befreundete jem
Diefer elende Ort mußte demfelben doch einen Tribut von 150
Dollar zahlen, der wahrfigeinlich nur Durch Plünderung von m |;
Bewohnern felbſt zufammengebracht werden konnte. Woher ver Kam
Druba der Tab. Peut., vielleiht 'OpiLa bei Prolem., iſt und ar
befannt. ” u
Dritter Tagemarſch. 10. Det. nad Alcome, Ar
al Kum, 7 bis 8 Stunden Weges. Ein fehr angenehm Wez
führte etwas mehr nordoſtwärts ald bisher etwa in 24 Ein
nah Tiebe 9 (ſprich Teibe), das feine Benennung ver Sit
ſeines Waffers verdanken fol, das die englifchen Reifenden ai
kelneßwegs rühmten, fondern eben fo miner aliſch gefdmäsget
und wenig genießbar fanden, mie das in den Quellen zu Sontary
und Tadmor. Die Einwohner waren aber wohlhabender, fie hu⸗
gen eine Moſchee mit einem Minaret, doch ſchien diefe mr m
Ueberreft einer chriftlichen Kirche zu fein, den man erſt in cm
Moſchee verwandelt hatte. Dieſe hatte Spuren von größerer Ku
und Schönheit, als die meiften tärkifchen Bauten zeigen, und %
vielen Ruinen umher gaben Beweis, daß der Ort eind md
bedeutender gewefen fein müffe, als er Inder Gegenwart ſich zeigt,
wo er nur 1009 Dollar Tribut an den Emir Affhne zahlte. Ch
Beweis, für die einftige größere Bedeutung dieſes Ortes iſt de
Stein mit der griechiſchen Infertption in 4 Zellen, wii
pafelbft zu Teive, d. 1. Teibe, von Will. Halifar gefunden uı
davon eine. Copie mitgetheilt· wurde darin von einem _gewife
Yy en
Agathangelus Kbilenus die Rebe fein ſoll, der auf eigene Krfın
bem Zeus torians, zu Chren dep Kalferd Habrinn, ein Keilgfien -
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nn 8* 2 ⸗ -
... “ BEE 2, .n . ® Ir. . ır7 .. “nr ”.
*) a. a. O. ©. 148, u ·0) wi. Halifax, Relat, of a wyage freu
Aleppo to Palmyra in Philos. Transact. 1685. Nr. 217. p. 10;
ebend. in Phil. Transact. Nr. 218. Extr. etc. p. 150
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N
Euphratſyſtem; Teibe, Tyba, Zaibae. 1097
mie, mit demfelben Datum’ des Jahres (123 n. Ehr. Geb.), in
weldjem ver Kalſer im Oriente feine Neifen machte, und vielleicht,
über Teibe gehend, damals auch in Palmyra war, das nach ihm
Hadrianopolis genannt wurde (Steph. Byz). Die Nömer
Fannten den Ort früher wol nicht näher, ver bei ihnen zuerſt von
Cicero mährenn feines Procanfulats in Cilicien genannt warb
(in Epist: ad div. XV. 1. an den Senat im I. 51 v. Chr. G.),
ale er die erfte Nachricht vom Ueberfalle der Parther über den
Euphrat erfuhr, die, wie ihm ſeine Kundſchafter geſchrieben, un⸗
ter Pacorus, des Orodes Sohn, mit einem großen Schwarm Rei⸗
terei ihr Lager zu Tyba aufgeſchlagen hatten (1. c. castra posuisse
Tybae). Ste waren alſo wol unterhalb Sura, zu Nicephorium
(Philiscvm b. Plin. V. 21), über den Euphrat gezogen, und von
da war es mol, daß der berühmte Proconſul fogleih von dem,
wie er fagt, den Röniern fehr befreundeten arabifchen Emir
Jamblichus (eodem die al Jamblicho, phylarcbo Arahum l. c.)
über diefen Einfall, ver nun Syrien u und Gitieien‘ in ‚Gefahr brachte,
eine Boiſchaft erhielt.
Uns ift fein anderes Vorkommen vieſeb Orinamens in den
Schriften der Alten bekannt. In den ſpätern Jahrhunderten aber,
im 17. und 18., if Taiba eine wiederholt von Tereira, Della
Valle, bi8 auf Dlivier beſuchte Miti:Iftation auf der dama=
ligen Hauptroute der ‘großen ſyriſchen Karawane von
Haleb nad) Bagdad, wo die Wüftenftreden von Haleb bi8
Anah über Taiba ober doch dicht daran vorüber durchzogen zu
werben pflegte, di8 man bei Anah zum Euphrat -Tam und Dies
fen überfeßte, um dann weiter Durch Mefopotamien zu ‚ziehen, wenn
die Raramane nicht alıf dem Südufer des Guphrat.blieb, und dann
weiter über Meſſid Ai bis Baſſora ging. Auf’diefen Wegen tft
Pietro della Valle hingezogen über Taibe, AmJähre 1616, und
auch wieder über Taibe zurückgekehrt im: hr 1625.
Auf dem Hinwege fam Della Velle:von Haleb direct, 10)
ven Euphrat und die Fay- Quelle weit zur Linken Iaffend, ven
vierten Marfchtag nach Taibe. In Melluba, 7 Mill. von
Haleb, war die Zolftätte und zugleich :der Verfammlungsort ver
belavdenen Karawane gemefen, wo bie Abgaben an den damaligen
Im) Pietro della Valle Retfebefchreibung, ueberſ. Aueg. v. Wiederhold.
Genf. fol. 1674. Th. I. S. 1825 vergl. deſſen Viaggi ed. Venot.
1663. 12. Parte lil. p. 617. -
_
1098 Weis Aßen. TI. Abtheilung. I. Abſhuin...
König dieſes Wüftenftrichs, an den Emir Feiad, gezahlt weh
mußten, wofür aber die ganze Karawanenroute bis Anch je fe
vor Mäubereien war, da biefer Emir feine Horden trefflich in Jude |
zu halten wußte. Bon dem Dorfe Achla, oder Ace, Agle uih
Beauchamp, Hhagla bei Rouſſean, Höcdle bei Riekuhr, ach
Melluha, an einem Salzfelde, das bald eine Lagune bilbe, bei,
wie zu Tereira’s Zeit, troden liegt, begann erft ver Aufterh
der verfammelten Karawanen ganz fo, wie dieß auch no a m
neuern Zeit der Ball zu fein ſcheint Mennell nennt vie de
fammlungsert Hagle U) (nahe dem Salzfee II Sabkh bei Died
f. 0b. ©. 1084) und berechnet, vaß er 11 Stunden Wege von bh |
entfernt an ber Grenze des bebauten forifchen Landes Meg Ba
da begann am erſten Marfchtage ver Eintritt in bie Bil
am zweiten fam man zu warmen Quellen, Hamas is
Araber, d. i. Bad, genannt; am dritten zog man an vicls |
Brunnen mit guten Waſſern vorüber (ob Centum Putei in Tab. |
Pout., oder die novrda b. Ptol. V. 15, fol. 139, in Norwweſt m |
Balmyra?). An viefen Brunnen, fagt Della Valle, ſah «
Ueberbleibfel einer alten, fehr großen Stadt, deren Grundveſten me
noch erfennen möge. Marmorsfäulen und Steingebäude,
fehr mächtige, vide Mauern von großem Umfange zeigten we
Bedeutung dieſes Ortes, damals gänzlich verlafien , den bie Arche
Siria oder Seria nannten (vielleicht Seriane des Itiner. Anton.
ed. Wess. p. 195) und erzäflten, er fei einft von Chriſten be
wohnt worven, und ver große Bau in der Mitte ihre Kirche ge
weien. Näheres wiffen wir hierüber nicht; in Bea ucha mp's Reile
route, befien verloren gegangene® Journal 12) wir fehr beflngen
müflen, weldye von Halch nad Bagdad (im Sahr 1783) au
befien Karte von Perfien 13) eingetragen ift und viefelbe Directiea
von Achla gegen Taibe nimmt, flieht bei Agle, daß es in Aw
nen liege, und auf der nächften Staiton If beigefchrieben: „Säloi
und Kirche ver Tempelherrn“ was fi wol nur auf biefelben
Trünmerrefte von Seriä beziehen mag, deren Benennung aber im
übrigen fehlt. Worauf fly dieſes hiſtoriſche Datum gründet, if
uns unbefannt geblieben; Fünftige Reiſende werben dieß genauer je
24 u — N — an
21) J. Rennell, Comparat. geogr. of Western Asia T. 1.
12) v. Zach, Monatl. Gorrefpondenz, Band I. S. 62. 3») "harte
eines Theils von Berfien nach den neueflen aſtronom. Üpiamazgıı
des Bürger Beaakamy's, Conſuls der Franz. Reg. zu Raccate in
Arabien, in Mon. Su. RAN, SUR,
—
Euphratſyſtem; Teibe; Wüftenreifen. 1099
ermitteln Haben. Beauchamp bat von da an in Zickzackrichtungen
noch 3 Stationen eingezeichnet, aber namenlos gelafien, bis er
in norddſtlicher Nähe von Taibe die Station Kom erreichte, welche
unflreitig das obengenannte Ain al Kum if. In feinem Briefe
an ben Aftronomen Lalande bemerkt Beauchamp, daß vie vie⸗
Ien Umwege der Karawane wegen der Brunnen gemacht feien, um
nur Wafler zu finden. Bine bewundernswürdige Sache, fügt ex
binzu, fei es, zu fehen, wie die Araber in einer fo unabfehbaren
Wüfte, wie diefe, ohne Gompaß, ohne irgend einen Erfennungdpunct
Strecken von 300 bis 400 Lieues, ohne fich zu verieren, zurück⸗
legen koöͤnnen. Die Würfe, fagt dieſer gelehrte Aſtronom, gleicht
fo ziemlich dem Meere, und doch finven die Araber ganz beſtimmt
die Eifternen, deren Deffnungen dem Erdboden ganz gleich find,
und fie treffen von Aleppo ohne Ummege in Baffora ein. No
wunderbarer ift es mit ven einzelnen Kameelboten, vie ganz allein
auf fihnellteabendem Kameel mit ihrem Munpvorrath abgeben und
in Zeit von 10 Tagen von Aleppo nad) Bagdad kommen koͤnnen,
obne ſich in einer Wüfte zu verirren, die fo groß wie das mittel-
Tändifche Meer If, vie oft noch Umwege machen müflen, um feind»
lichen Horden audzumeichen, die fie in ber Berne bemerken. Diefelbe
Bewunderung ſpricht Della Valle über vie erfahren Steuer»
leute der Karawanen !*) aus, welche die Richtungen durch die
einförmigften Flächen nach ven fehr weit auseinanverliegenden, meift
feltenen Wafferftellen und Brunnen, vie öfter noch von Feindlich⸗
gefinnten zugebedit werden, doch zu finden wiſſen, wenn auch Feine
LEandmarke fle zu leiten im Stanve ift, indem fie fich fchon nach
dem unmerflich anfleigennen Boden, nach der Färbung ver Erbe,
nad) vorfommenven Kräutern, ja nad) dem Geruch und mit Hülfe
der Sterne zurecht zu finden wiſſen, daher In dieſen Wüſten auch
eben fo die Nachtreifen wie die Reifen am Tage allgemein, ja
vorherrſchend find.
Eine Beihülfe folder Wüſtenreiſen für ven durchziehen⸗
ven Führer ver Karamane, der dadurch natürlich zu den bedeutend⸗
fin Männern des Landes gehört, iſt allerdings das ihn ſtets bes
gleitenne Schiff der Wüfte, das Kameel, das unter allen
Thieren die am wenigften varlabeln Schritte zu machen
fcheint, und dadurch ein jo wortrefflicher Wegmaaß ver Difkanzen
abzugeben im Stande ift, nad Tagemärfchen, wie nach Stun-
106) P. della Valle Reifebefch. a. a. D. ©. 184.
| 1100 Weft-Afien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $.22.
den⸗Zeit, daß die genaueſte Berechnung darnach, verbunden mi
der von Rennell fo meiſterhaften Vorſicht in ver Anwending,
ſelbſt nur wenig von den Beſtimmungen ver Ortslagen durch afır«
nomifche Inftrumente abzumeichen pflegt. Gin in ver That über
rafchendes Nefultat, das fi} aber eben aus den Beobachtungen ver⸗
ſchieventlich geführter Journale auf dem großen Karawanen⸗
wege zwifchen Haleb über Taibe, oder Ain al Kum, nad
Meſhed Alt (f. 06. ©. 57, 186) und Baffora (f. ob. 6.175)
ergibt. Der englifhe Reiſende Carmichael (im Jahr 1751) gab
den erften auf diefer großen Strecke durchgeführten Verfuch, den
Gang beladener Rameele auf directer gerader Linie, jum
Behuf der Intervalldiſtanz zwiſchen zwei aftronomif bein
ten Puncten genau zu beobachten. Seine Meiferoute war im
Stich ſchon Im Jahre 1783 In Jves Voy. veröffentlicht, aber dei
Journal nicht publicrt, dad Rennel erft durch feinen Freund, im
Dr. Batri Nuffell in Aleppo mitgetbeilt ‚erhielt. 15) Gem
Meffung, nah Kameelfhritten, zwiſchen Aleppo un
Baffora, betrug 720 engl. Miles (1704 veutfche Meilen, 44 mgl
Mil. zu 1 deutfche Meile gerechnet); und dieſe Diſtanz ceinci«
dirte mit ber, welche die aftronomifche Beſtimmung von Alpe
und Baffora varbietet, fehr genau. Garmichael notirte vie Ri
tungen ded Compaſſes und berechnete vie Diftanzen jedes Tagmarjchel
oder Heinen Gurfes, indem er die Kameelichritte des Thieres zähle,
auf dem er ritt, und dann bie Diftanz.einer Anzahl von Schritte
auf dem Boden durch feine Meßſchnur genau beſtimmte. So far
er die Mittel, das Detail ver Diftanzen mit großer Genarig—-
keit zu beurtbeilen. I. Rennell trug aber dieſes Detail zuijden
die aftronomifch beſtimmten PBuncte Aleppo und Baſſota au
der Karte16) nach der diagonal durchziehenden Route des Iourmald
ein und verglich dieſe mit andern Routen berfelben ; ober hoch wer
wandten oder theilmellen Wegſtrecke. Zu ver Eleinern Bey
ftrede von Aleppo nach Bagdad: dienten bie zwei Journale von
Irwin und Holford, zu der Meffung der großen Wegftred:
von Aleppo 518 Baſſora die. drei Sournale von Garmidael
(1751), Gunter an und Colonel Capper (1778). Be
N.
18) J. Rennell, Mem. on the rate of trarell. etc, 1. c. iz Philos.
Transact: * p. 17; deſſen Comparative geogr. of Western
Asia. Tom. I. p. 2. te) J. Rennell, Sketch of the route
across tlıe deserts between Aleppo and Bussorah. 1791.
a
— —
Euphratſ. ; Wuͤftendiſtanzen nach Kameelſchritten. 1101
erfte legte dieſelbe Diſtanz der Zeit nach, In 322 Stunden, die
‚beiden andern in 310 und in 299 Stunden. zurück; welche Vers
ſchiedenheiten aber nur durch Iocale Abweichungen von ber
direrten Route bewirkt wurden. Meſhed Ali; das von Nies
buhr aftronomifch- beftimmt warb, und zur Conftruction dieſer
Nouten von großem Werihe war, liegt etwa In Zweidrittheil
der Diftanz und faſt in geradefter Linie zwiſchen Aleppo und
Baffora; eine Art’ Landmarke der Küreolmen‘ durk- die ara⸗
bifche und ebatbäifdie wife, um nad) ihr richtig hindurch zu
ſteuern .
J Diefe Straße eur die ealbäifge Wüfte ober das füh-
doſtliche Drittheil von Meſhed Alt nah Baffora If auß
verſchledenen Gründen grö-fern Wechſeln und Aushiegungen ver
Routen unterworfen; bagegen bläben Im der bei weiten größeren
nordweſtlichen fang dee zwei Dritigeile durch die
arabifh-Fyrifche Wüſte, von Meſhed Ali bis Aleppo,
Die: Differenzen viel geringer und bie Diſtanzen fich In der Regel
in der Meffung nad) Kameelftunven ganz gleich. Sidurch konnie
nun: dad ſichere Mach ermittelt werben, das für alle coniinen«
tafen Diſtanzen, in dieſtni Parallelſtrich mit dem Südufer des
Euphratlanfes und’ zur gtogravhifchen Orientirung aller
GEingelheiten ber beſonderen Ortölagen "auf dieſem Boden verhelfen
ann’; zu einer DOrientirung, die über Erwarten‘ weit genauer
if, als man m elnem Büßensoven von vorn bertin erwarten
mt.
Jeder Schritt, und dieß find die gewonnenen, ganz allgemein
guͤltigen Nefultate, 18) des Laſtkameels diefer arabifen
Wüftenftrede beträgt 54 Fuß engl. und in jeder Stunde auf
gleichem Boden, nach 20 zu 20 Stunden im Mittel:gezäplt, macht
daſſelbe 2000 Schritte, wobei diefe Zahl freilich mehr oder weniger
abhängig if von der Natur der Wüſte, von ben Futterpflanzen,
die da6 Kamel im Vorübergehen bricht, und andern Eleineren Ne-
henumftänden. So legt dad Kameel aber in jeder Stunde Zeit
nah mitther runder Summe 24 Mil engl. Wegbiftang zurück
ein bequemes Maaß der Berechnung. Die Länge des Tage
marſches mit dem Kameel hängt von der Beladung berfelben
ab; vie Hier in Rechnung gebrachten Zahlen gelten nur ald vie
37) J.Rennell, Mem. L c. p. 5. **) ebend. p.12; vergl. deſſelben
Comparat, geogr. of Western Asia T. 1. p. %.
1104 Weisen, IH. Ahtheilung. I. Abſchnitt. {22
und feine Grenze bis Thapſatus reichte, aber Fein Beweis ſthien
für eine ſolche Ausfage. vorhanden zu fein, deren im Orient fo um
zählige im Munde der Völker find. Vielleicht iſt es dieſelbe Loca⸗
lität, welche Nouffeau auf feiner Karte von Syrien, im SL. von
Zeibe (Ttaibé b. Rouſſ.), die Ruinen der alten Stadt Il⸗Men⸗
deme nennen..börte, hinter welchen er am Karamanenwege zur lin⸗
Een, d. i. gegen die Supbratieite, II Die har mit 3 Brunnen bit
‘
tern Waſſers, und zur rechten Seite gegenüber II Khedher ut
einem Brunnen bittenn Waſſers eingezeichnet Hat. Ehe man je
doch dieſe, wie. es nach Rouſſeau's Zeichnung fcheint, ſehr aus⸗
gedehnte Ruineuſtadt exreicht, hat derſelbe einen von S. W. gezea
MD. quer ven Karawoneuweg durchſetßenden, mol meh
Meilen langen Aquäduct eingegeichnet, der jedoch zum Theil ve
fallen fein ſoll, und im Sühen an einem Bergzuge II Doduaihhet
oſtwaͤrts vvyn Sufney, zwiſchen zwei. Caſtellen feinen Ur
ſprung nimmt, wie denn an ſeinem nördlichen. Ende ebenfalls zwi
Caſtelle angegehen ſind, Keſur el akhawain, von denen Roai-
ſeau dafür Hält, daß dieſe von gewiſſen Reiſenden, mie er ſagt, jr
eine alte Stadt, Il Hhair rıit Namen, gehalten feien. Wüllih
him ella Valle auf feines Rüchreiſe pon Bagdad über Anl
und, Mleypo: am 11., Zagmarfıhe von Anah (am 21. Juli is
Japırz 1625).22). feier an einem großen tzodnen Grabtn
(gran fossa secca) vorũber Defomain, der fich aber zuweilen mi
Waſſer füllen ſolle, darauf Habe er das ruinirte Caſtell Hheit
getroſien, Dad er zwar. auch ſchon einmal auf dem Hinwege (wo f
es El Hir nannte). nach Babylonien paflirt, aber nicht. gefehen hattı
weil .gr in der Nacht durchgezogen war. Er nennt es ein g roßel
Gebäude, gaug aus weißen Stein von ſchönen großen
Marmorquadern aufgefühn, ein längliches Viereck bilden,
wit Vorwällen oder Curtinen voll kleiner runder Thürmchen; is
ber Miite dieſes Bques befanden ſich viele Häuſerreſte von bemik
ben weißen Steine, aber. in ſolcher Zertrummerung, daß man aid
genaues untericheivden konnte. Nur, ver halbe Tagmarſch führte won
da; gegen M.W. nad: ven bewohnten Gegenden von Taibe, me
dieamal für den. Landesherru, den damaligen Cmix Mudleg, ca
Zoll bezahlt werden mußte. Nach dieſem Verichte wird es „weht
ſcheinlicher, daß pie Im Weſten des Aauaduetee he Kouffe f
Bu Pietro Della Yale, Viaggi. Venet. 16868. 13, Parte Il
Pag. 614. ‚2 J
.d*—
Euphratſyſtem; Taibe, Ruinen. 1105
eingezeichnete, Taibe genähertere NRuinengruppe, die aber bei
ihm namenlod geblieben ift, vie von Della Balle gemeinte SI
Hhair (oder El Her) fein mag, die nach der Zeichnung au einer
Anhöhe zu Liegen fcheint, vie Taibe's angebautere Thalebene zunächft
gegen SD. begrenzt. An dieſelbe Stelle hat Beauchamp, ver
die mehr dftlidere Route über Ain al Aum nahm, und alfe
x aibe nicht felbft ſah, fo wenig wie EI Hhair, Hoch das Zeichen
einer Burg eingetragen, mit ver Erklärung: „Schlofi eines al»
ten Khalifen,“ deſſen @rbauer wir jedoch nicht näher Tennen,
Denn dad Schloß des Khalifen Haſchem zu Refapha kann damit
nicht etwa gemeint fein (f. oben S. 1089).
Auch der franzdfifhe Naturforicher Olivier Bat zu Anfang
des 19. Jahrhunderts, von Anah und Nehabe kommend, viefen Weg
des Aquäducts nad Taibe (er fchreibt Taib oder Taibeh) paſ⸗
firtt. Drei Tagmärfche fern von Rebabe am Eupbrat wurde am
25. Juni 23) in der Wüfte bei furdhtbarer Hitze das Lager geſchla⸗
gen; am folgenden Tage, ven 26. Juni, doch 95 Stunden zurüde
gelegt bis Taibe. Auf vom Wege dahin blieben 2 Pferde vor Er⸗
mattung todt liegen.
Dlivier bemerkte bier drei ſehr alte und ſolid gebaute
Aquäducte, aber ohne Waſſer, davon der erſte, den man eine
halbe Lieue weit mit dem Auge in ſeiner Ausdehnung verfolgen
konnte, nur wenige Fuß über ven Boden erhöhet war. Zu beiden
Seilm lagen zwei große feit-Iangen Jahren gänzlich verlaffene Flek⸗
ten; wahrſcheinlich wol die obengenannten Caſtelle im Norden und
Süden. —
Taibe, meint Olivier, habe wel. nur vergleichunghweiſ⸗
den Namen der „guten“ erhalten gegen bie andern Umgebungen,
wol wegen des dürftigen Wafferflandes, ven man daſelbſt finbet,
mit trinkbarem Waſſer. Aber dicht daneben fand er eine Mi⸗
neralquelle, flinfenb wie faule Eier, zum Erbrechen; beide Waſſer
lagen unterhalb ver Stadt, vie am Abhange eines Hügels uns
flreitig einft ein ‚bedeutender ‚ Ort- war. - Stabtmauer und Cltadelle,
meint des franzofiſche Reiſende, fen noch immer hinreichend feft
gegen gewöhnliche Araberüberfälle. Von ven alten Befeſtigungs⸗
werten bemerkte Olivier noch. ein wohlerhaltenes Staptthor
. and jenen auch von Della Valle bemerkten fchmalen hohen Thurm,
den er aber für einen Bau der Mufelmänner anjah. Neben dem
. 28) Olivier, Voy. 1. e. T. II. p. 466. 0
Nitter Erdkunde X. Aaaa
9
1106 WeftsAfien. IH. Abtheilung. I. Abfhnit. 3. |
Thor bemerkte Dlivier eine cufifche Inſchrift, vie eds
ner eniziffern konnte. Diele, wie alle Grenzſtädte der Bi,
fagt besfebe Reiſende, ſei feit langen Zeiten verlaffen und gi
Dan darf alfo Heut zu Tage dort ben Markt nicht mehr io
hen wie zu Della Valle's Zeit, und DaB wird benz and mi
Die Urfache fein, warum in ber neuern Zeit bie KRaramanın mm
noch felten den Ort Taibe berühren, und mehr oflmörte, u we
nige Stunden äbweichend, über Ain al Kum ia 3
nehmen.
Olivier bemerkte jenoch in den Ruinen von Taibe ned wi
elende Araberbäufer, und nahe einer Duelle einige bebaut: Gehe
mit guten Ernten von ®erfte, Weizen, Mais, Seſan, Bess
wolle und Gemüſe. Den Sheikhs der Nachbarfchaft muiuie
armen Fellahs drei Viertheile ihres Ertrages abgeben, vom kim
Viertheile konnten fie ihr Lehen friften, wenn fie nicht auch h
dieſes Ueberreſtes durch. die fehr häufigen Plünverungszüge ver u
herſtreifenden Beruinenhorben beraubt wurden. Die Wüſtenſtick
im Nordweſten von Taibe, welde nah Beauchamp mi he
figen Wermuthpflangen und Sodageſt räuch bededt fen il, |
weiches Iettere, zu Aſche verbrannt, den vortigen Arabern, mi |
Rouffeau, zumal denen von Sufney, einen guten Hanpriseiid
für den Marti von Haleb, Damask, Homd und Hama abgibt, jet
Dlivier, obmel noch immer unbebaut, doch culturfähiger d
gegen DR; doch blieb der ganze nächte Tagmarfch von Laibe
104 Stunde Wegs zwifchen zwei Hügelreihen gegen Halb We
ziehenb, ohne Waller, und auch ber zweite, 6 Stunden wi,
durch die Ebene und dann über ein Kreivefteinplateau mit wein
Beuerfteinktefeln überfireut, führte nuran ein paar falzigen Wal
ferfellen vorüber, »ie in diefem ganzen Wäüſtenboden il
ſchwefelhaltigen Quellen .und beißen Waſſerquellu
keineswegs felten zu fein (wie oben bei Sukney S. 1095) jram,
wogegen die seinen ſüßen Wafferquellen zu dem oft vorge |
lich erfehnten gehören. Noch am dritten Warfchtag (105 S
weit) blieben dis von Taib aus gegen N. W. zur linkes Gele ii
Mariched continuirlihen Höhenzüge, nach Olivier, wie ſe
au Beauchamp auf feiner Karte bis gegen Haleb bin gegeidet |
bat, die ununterbrochne natürliche Begrenzung des wäh
das rechte Cuphratufer begleitenden Blachfeldes. Olivier, der mi
feine Vorgänger auf ver Route nach Haleb, an jensm obengenanua
4
”
Euphratſyſt.; Wuͤftenweg von Tacbe gegen RW. 1107
Salzſee, II Sabkh, nahe Achla und Diebul vorüber kam, ſcheint
auch dieſelben Quellen und Baureſte bemerkt zu haben, die wir
ſchon oben näher bezeichneten; da er aber ihre Namen und gegen⸗
feltigen Diftanzen nicht nennt, fe iſt es unficher, fie mit jenen zu
identifieiren.. Zur Vollſtändigkeit ver dortigen Landetkunde fehen
wir jeboch feine Angaben hier bei, ehe mir wieder nach Taibe any
von va na Ain al Kum zurüdfehren. |
Am vierten Tagmarſch von Taibe gegen N.W. (nad
ihm in 27 Stunden Wegs Entfernung) richtete ſich der Weg mehr
gegen den Hügelzug, 2*) ver fi) gegen Norden vorzog; man
paffirte einen Boden, auf dem im Winter, d. 1. zur Megemzeit, Waſ⸗
fer flagnirt, das Anfang Juli, wo man bier durchzog, eine trockne
Salztrufte zurüdgelaffen: hatte. Nah 84 Stunde Wegmarfces
ſchlug man die Zelte auf einer. Anhöhe auf, ven welcher eine heiße
Mineralquelle ſchwefelhaltig ſehr reichlich abfloß; fie war
für die Pferde purgirend. Dort fah Dltwier die Reſte eines gro⸗
Ben Gebäudes (ob das Schloß Der Tempelherrn 6. Beauchamp?
wahrſcheinlich iventifh wit Maſchoug bei Rouffeau, wo zwei
alte Bauwerke wie Kloͤſter ſtehen follen; over. vie bei Nonfifenu
weftlicher angegebene reiche Mineralquelle Ain Moalligue, die
auch noch auf einem Seitenarm des Karawanenweges zum Salz⸗
fre Il Sabkh und nach Aleppo führt. Neben dieſem großen
Gebäude bemerkte er noch Muſelmänniſche Gräber, ſonſt aber kane
Spur von einer Stadt. Umher zeigte ſich Gier auf dem weißen
Kreideboden ſehr viel ſchwarzes Bafaltgeftein, das ihm,
aber wohl irrig, dem Boden fremd wm» erſt von der nor
dſtlichen Cuphratſeite heruͤbergebracht zu fein ſchien. Es iſt daB
erſte Vorkommniß dieſer ſehr merkwürdigen charaeteriſtiſchen
Geſteindart in dieſem Wüſtenſtriche, wenn man vom Oſten
Jommt, und bie Beobachtung Ol iviers if hier local in demſelben
von Nord, fen von Mardin aufangend, 25) gegen S. W.
Kortziebenden Bafaltfkriche, der wahrfcheinlich bis Hauran und
zum Of-Iordanlande fortiegt, ganz übereinſtimmend mit Nins-
worth, der die erſte Meberfireuung ber GEyps⸗ und Mergel⸗
lager mit Bafaltbldden 2%) auf vr Säpfelte eb -Euphratt,
obwok deſſen Bette viel genähester, zunächft in wer Gegend von
‚ ?*) Olivier, Voy. 1. c. II. p ‚488. ) Buckingham, Travels in
u. He — ond. 17. 2.16, 7° #) Ainsworth,
es A etc: L c. p. 97.
' D
Aaaa 3°
1108 We Aften. IN. Abtheilung. I. Abſchnin. \.2.
Gura und El Haman und ver wahrfcheinlichen Lage ws alın
Thapſacus beobachtet Hat (f. ob. ©. 1069).
. : Am 5. Tagmarſche gelangte Dlivier mit feinen Karamancı,
zwifchen niederm Hügelboden hindurchziehend, ver ihm zu fie
Seitm:vulcanifch.zu fein fchien, nach 7 Stunden WRarike ja
ven Ruinen einer. alten, jegt namenlofen Stadt nahe den Ed
jee II Sabkh, von denen. fon oben die Rede war, von wi
chen Olivier jenoch. bemerkt, daß er unter denſelben vice verd
Kunft behanene Quadern von Vulcangeſtein (mol Trachtt ne
Bafalte) wahrgenommen babe.
Da die folgende. Route: ven da nach Aleppo uns zum Id
nad obigem ſchon bekannt ifl, oder an einem anvern Urte bi €
- sim Gegenfland genauer: Uinterfuchung fein wird, fo kehren wir fr
jeßt nach Taibe, Ain al Zum. mad. Reſapha, die nehm
rechten Euphratgebiete oder in ‚ver Gefammetbetraditung zu win
arabiſcher Uferfeite gehören, zurück.
An al Kum (Min il Kom bei Carmichael, Ain il |
Koom bei Rennell; Kom bei Beauchamp, wahrſcheinlich II
Kamm als Mineralquelle auf Rousseau’s Carte de la Sım,
aber viel zu. weit gegen OR, und deher auch auf Berghaus ef
meifterhaft beacheiteter Karte. von Syrien irrig eingetragen) Im
nur 5 Stunden Wegs noͤrdlich, mit geringer ‚Öftlicher Richtung wu
Keibe, auf dem Wege nach. Arfoff (Reſapha), wodurch vie dp
durch. Reunell 27) genau beflimmt: werben konnte.
"Rah dem ſarit ten Tagmarſche von Palmyra aus fa
Taibe kommend, erreichten die engliſchen Paluryra⸗Reiſenden im 3
1691, den 10. October, die Duelle, vie fie A Ico me ) nennen, u |
der fie nichts weiter ſagen, als daß fie ihnen fo ungenicÿbar we
wie dad. Wafler zu Sukney, und daß fie Erin Haus dort vorm |
non. Ob in neuerer. Zeit bier Anflevlungen flattgefunnen haben,
erfahren wir nicht: denn Carmichael führt ven Namen nur al
Karamanenftation an; Beauhamp hat nahe dabei, öflih ve
Som; zwei Rocalitäten dur „warme Bäder“ bezeichnet.
Bon Ain al Kom fchritten vie Palmyra⸗Reiſenden am 11. Da
16651 über eine meiſt nadte Wüſte, hie und“ pa mit Heiden (mi ı
Holjartige Salzpflauzen) bewachſen, in noͤrdlicher Richtung bis dr- -
ſoff 9) ſoff =) Eeſapha) vor, das nad) ihnen nur noch 4 Stunden ws
— 77 — +
1. Regnell, Opmpar vgeo Let. 37. 28) Kirch
l c, I Phil. — Sa P —ER—
ebend. a. 151.
— ——
Di
Euphratſyſtem; Reſapha, Arſoff, Ruinen, 4109
Euphrat entfernt liegt, und durch ihre dort entdeckten Diönumente
Beſtaͤtigung erhielt, daß es die Sergiopolis des Procop geweſen
ſei. Die Araber nannten den Ort Arſoffa Emir, welcher der
Ueberreſt eines Monaſteriums zu ſein ſchien, von einer Stadt oder
einem Dorfe fanden fie keine Spur, wol aber eine zuſammen⸗
bängende Reihe von Mauerreften, in einem Oblongum von
D. nach W. aufgebaut, von großer: Ausdehnung und Geräumigkeit
(wahrfcheinlih Juſtin ians Ummauerung) mit einer ‚ungemein
großen Area in der Mitte. Aus Gyps erbaut machen dieſe Bau⸗
ten, aus der Ferne geſehen, einen glänzenden Eindruck, denn aus
Marienglas (Rock Isingglass) aufgeführt, erſcheinen fie weiß wie
von Alabaſter, doch minder hart und weniger ausdauernd. In den
benachbarten Steinbrüchen zeigten fich eben ſo in Sonnenſchein
glänzende Spiegelflächen. Die Structur und Sculptur war. dage⸗
gen ſehr mittelmäßig, und ſtatt des Moͤrtels hatte man blos Lehm
gebraucht, Alles Tag In Ruinen umber, und fihlen doch keines⸗
wegs einem fehr hohen - Altes: anzugehoͤren. In einem Gebäude
tonnte man noch eine Anzahl Zellen unterfcheiten, von einer
Etage, und darunter gewölbte größere Räume, die nicht zum Woh⸗
nen dienen konnten, ſondern fcheinbar zu einem Schul- over Ar⸗
beitshauſe. In der Mitte einer großen Area. flanden noch mehrere
Baumerke; einige fhienen als Eifternen benugt worden zu fein,
fie waren aber jetzt troden, anpre zu Bädern. . Das merkwür⸗
digfte, beſſer gebaut als die übrigen, mochte die. Behaufung bed
Abtes over Epifcopus eines Klofters gemweien fein, und da⸗
bei fand noch der Ueberreft einer Kirche. Zu
ieſe Beobachtung iſt entſcheidend, denn fonft könnte n man jene
Bauwerke auch für Reſte aus der Zeit des Khalifen Hafhem
(Harlam bei Golius ad Alferg. p. 254) halten, der hier gern ver-
weilte und von dem der Ort feinen jüngern Namen erhielt.
Bon diefer Kirche in einem nidht übeln Style. konnte man noch bie,
brei Schiffe oder Abthellungen ertennen, davon bie mittlere non
18 runden Marmorfäulen getragen wurbe, deren Gapitäle aber
nicht aus Marmor waren. Sie waren aus Thon oder: jonft einer
Maſſe gefertigt, In Farbe aber ven Säulen ganz gleih, und auf
jedem verfelben war eine griehifche Inſchrift, nicht eingehauen,
fondern aufgedrückt durch Stempel, die ven erhabenen Band»
flaben zur Seite Vertiefungen eingenrüdt Hatten. Pie Schrift
war von der rechten Hand auf orientale Weiſe nach ver linken
hinüber gefchrieben, und enthielt bie Namen eines Sergius Epis
— — — — —
1110 WeſtAſien. III. Abtheiluug. L Abſchnitt. 3.42.
ſeopus und eines Maronius 0) Epifcopus, von denen de
exfte ſich wol auf den Patron des Ortes bezieht, der bier verchei
wurde, der zweite auf den Erbauer, der ihm dieſen Bau weihn
Ein Maronius Epifcopus von Ymida iſt in ver Mine nes
5.Jahrh, und das berihmte Klofter eined St. Maro?!) am Dr
tes, zu Apamea in Shrien gehörig, befannt, das von 800 Klo
brüdern bewohnt ward, und auch nady Procop von KRaifer In»
ſtinian feine Ummauerung erhielt (Procop,. de aedif. V. 9).
Ein andrer Maxo 7) if als Kloſterbruder unter den ale
hiten im 13. Jahrhundert fehr berühmt, der auch In einem Klefer
des ©. Sergius, aber In ver Gegend von Mardin, wirkſam wer;
ob einem von biefen ower fonft einem unbefannten Epifcopus vie
Namens dieſer, wie der Berichterfintter meint, nicht fehr alte Bas
zu Arfoff äuzufchreiben fein wird, mäflen wir genauern Unter
fuchungen an. Ort und Stelle überlaſſen. Ganz von Menſchen ver
laſſen fcheint das heutige Riſapha nicht zu fein: denn Ronſſean
hat auf feiner Carte de la Syrie zu IL. Riſſafa gefchrieben, dej
die arabifchen Uferanwohner des Cuphrat an dieſem Dre cm
Farberei beſäßen; andre Nachrichten beſigen wir darüber au
neuer Zeit nicht.
Noch an demſelben 4. Tagemarſche, am 11. Det., Tamın
Ye Palmyrareiſenden, von dieſen Ruinen von Arfoff norbwärts
über zwei Hügel weiter ziehend, gegen Abenb an bie Stelle, we fe
zunächft das Eupbratufer erreichten, vie von ihnen Aff Dien ®)
gemanxt wird, von welcher. weftwärts Baulus (Balis) nad 12
bis 13 Stunden entfernt Ing, das fie auch. in den nächſten beine
Jagen, im Süden am Caſtell Jiaber vorüberziehend, erreichten.
Vochſt erquicklich nad fo langer Wüßenreile war ihnen zu Ui
Dien ver Anblick des herrlichen Eupbratfiromes, deſſen Waſſer
damals ganz klar dahin floh, weil die Anfchwellung ver jchmay-
gen Schurewafler and. dem Taurus ſchon vorüber, vie Regenzeit
«ber noch nicht eingetreten war. Man war 14 Stunden auf vn
Marſche durch Die. Wüfe ohne Wafler gewefen; nun labten ſich
Menſchen und Laflthiere an den Wellen des Stromes. Gr war
dies nicht Breit, denn die Musketenkugel flog weit auf feine aner
3%. Will, Halifax, Relation in Philos, Transact, 2005, Nr. 37,
:: pp. 109; eben». Extracts, Nr. 218. Assemani Bibl.
‚or. T. I. p. 256; 497, 503, 507, 22) eb. I. m 250.
288 Extracts in Philos. Transad. L c. 1003. Nr. BI p
eo
Euphratſyſtem; Ruinenmenge um Thapſakus. 1111
Uferſeite hinũüber; es war die Periode der größten Seichtigkeit. Der
Uferweg am Euphrat aufwärts ſchien nun Im Gegenſatz ber
Wüſtenlandſchaft eine paradiefifche Landſchaft zu fein; ſolchen
Einprud machten die grünen Kräuter, das Laub der Tamaristen
und einiger Maulbeerbäume, wie ver Fernblick über den Strom
nach der mefopotamiichen Seite und auf die kühn ſich erhebenden
Bormen des Eaftelld Jlaber, das an die Burg Aleppo, wenn ſchon
‚nur im Kleinen, erinnerte.
Nach beftimmter Angabe über Ruinen einer Stadt Thap⸗
ſakus flieht man fi in allen viefen Berichten vergeblih um;
nicht einmal Sagen, ja nicht die geringfien Erinnerungen tre⸗
tem Über dergleichen weder bei den einheimifchen Syrern und Ara-
bern, noch bei den europälfchen Reiſenden jener Periode hervor, und
man möchte daher, abgefehen von Chebney's Erkunpigungen, fafl
daran zweifeln, jemald wieder Spuren davon auffinden zu Eönnen.
Indeß ift es nicht unbeachtet zu laffen, daß diefe ganze Ge⸗
gen» am Sünufer ded Eupbrat, von Balis bis Rakka und füb-
wärts bis Taibe, wie zu beiven Geiten dieſes Ortes, voll von
Trümmerreſten alte Schlöffer, Aquäducte, Heilbäder,
Baureſte, Städteruinen liegt, von denen uns biöher nur
die wenigſten durch flüchtig Hindurchreifende befannt werben konn⸗
ten. Denn keinen ver Beobachter war es biäher vergönnt, dort ge=
nauere Borfchungen über diefe und ihre benachbarten Monumente
anzuflellen, von denen Rouffeau durch feinen zmölfjährigen Auf-
enthalt in Syrien die größte, in der That hoͤchſt werkwürdige Reihe
von Daten, aber .in viefer Region freilich nur nad) Ausſagen An⸗
derer und wicht ald Augenzeuge, in feine Karte eingetragen bat. Bon
einem Thapſakus ift bei ihm feine Spur, obwol er unterhalb
Sura (Sourid), dem linken Uferorte II Oman (Al Hamman
bei Eheöney) gegenüber, alfo auf ver rechten oder arabiſchen Ufer
feite des Stromed, direct im Norven von II Riſapha, den Ort
Geffin mit einem großen Kreife bezeichnet, von dem es hienach un⸗
beſtimmt bleibt, ob es ein wirklicher Ort, oder etwa noch vorhandne
Auinen find, welche viefe Xocalität bezeichnen, von denen dunn das
berühmte Schladyifeld Seffin der Mufelmänner, von welchem oben
die Rede war, ven Namen erhalten haben würde. Nach Golii Net.
in Alferg. p. 254 war ed wirflid ein Uferort am Euphrat, nad)
dem das Schlachtfeld genanut ward.‘ Es würde eben dies ungefähr
die Gegend fein, von welcher man, nur 3 Stunden weiter landein,
und zwar von Al Hamman, nad Ausfage der Eingebormen, wie
1112 WeftsAfien. II. Abtheilung. I. Abſchnin. 1,22.
Chesney's Karte angibt, die Ruinen einer fehr großen bin
zu fuchen Hätte, welche Chesney für die von Thapfakns ieh,
und welche nach obigem, ven Diflanzen unb ber Beitimmung de
Gtolemäus nach, auch mit biefer Zocalität zufammenfallen wäre
Gewiß ift e8 nicht wenig für dieſe Gypotheſe günflig, vap mi
dieſer Localität Hei der genannten Stelle AI Samman ned IH
heute die einzige Fähre vorhanden, die zwiſchen Balis m
Rakka, nur etwas unterhalb Suriyeh, die Ueberfahrt von
ver palmyreniſchen Seite mit Rakka zur meſopotamiſchen Seite be
werfftelligen Tann: alles Hindeutungen auf eine feit alter Jet |
eben bier frühzeitig höher gefteigerte Ianpfchaftliche Eulter, |
die ein Emporium wie Thapſakuüs im weiteren Umkreiſe m
fireitig feit ven falomonifchen, den afſyriſchen und ſeleuchiſhe
Zeiten, 618 in vie palmyrenifche Blütheperiode Hinein, hätte fer
rufen müflen, um defien centrale Stellung nad feinem uns uni
kannt gebliebenen Verfalle ſich eben ber dichte Kranz junge ai
blühenver Stäpte und Reflvenzen, wie Balmyra, Sergiepelis,
Sura, PhHillscum, Nicephorinm, Kallinifum, Ralfı,
NRofapba=-Hafhem und andere, wieder ausbilden Eonnte.
Die nähere Ufergegend der Südſeite nes Eupkrat,
von Balis abwärts bis Rakka, begünfligte unftreitig ein jede
Aufblühen von Thapſakus wie feiner Enfelftäpte, weil fie, we
Ehesney?*) verfichert, keineswegs unwirthbar, fondern noch bet
ein ſehr ſchöͤnes Weideland tft, obwol ohne alle Derfichafen
aber vol von Heerden der anmohnenden Beduinen. Auch Aint:
worth gibt an,‘ daß die ſüdliche Uferfeite des Kuphrat,
von ber Gegend des Gaftell Jiaber bis Al Hamman, *) ausw
ligem, nieverem Hügelboden befleke, mit Breccienlagern we
cryſtallinen Gebirgsarten überbedt und groben Sandfteinen, «de
kein Wüftenfand, wo niederes Sefträuh von Tamarisken, Pay
peln nnd anderem Buſchwerk gedeihe. Die Hügel von Ai
Dien (mol Thye tein auf Chesney's Karte, über welde ve
Palmyra-Reifenven zur füplichfien Wendung des Cuphrat famen),
fagt er, beſtehen nicht, wie früber die Höhen, aus bürren Ara
oder Gyps, fondern aus derfelben Breccienart, vie offenbar fer
einen fruchtbareren Boden an ver Oberfläche bedingt. Bei Sure,
bemerkt er ferner, ziehe ſich eine nievere Hügelreihe längs ver Ufer
feite hin, an veren Fuße man noch den Ueberreſt eines alten Damm:
ng
?%) Chesney, Mscr. **) Ainsworth, Research. 1. c. p. 67.
s
— — — — —
Euphratſyſtem; das Zeugma von Thapſakus. 1113
weges (Causewäy) oder einer, Kunſtſtraße wahrnehme. Wir
vermuthen ‚ daß dies der noͤrdliche Ausgang der geraden Linie iſt,
welche Rouffeau von Süd gegen Nord, an Riſapha vorbei, die
zeet gegen Sourie ziehenn, eingetragen unb ihm die Benennung
„Schaeib il Rissafa, ravin” beigefährieben hat. Die Benen-
nung des Ortes ſelbſt fcheint mit dieſer Kunftfiraße in irgend ei⸗
ner Beziehung zu flehen: denn ver Name Rezeph, wie es ſchon
unter den ſyriſchen Städten, veren ſich Aſſyrien bemächtigt Hatte
(im 2. Buch d. Könige 19, 12 und Jeſaias 37, 12), genannt wird,
heißt feiner Bedeutung nach 36) fo viel ald „Steinpflafter” oder
Pflaſterweg (Aıddarewmzor; b. Kebr: et quia lapidibus
stratae erant viae, peculiari nomine, quod aliis etiam oppi-
dis, vicis palatiisque — 3. B. f. ob. ©. 201 in Bagdad — fuit
inditum, Rusafa fuit appellata. So gab e8 auch eine Rusäfa
Basrae, einge Rusäfa GCordubae und andere nach Golius in
Alf. p. 254). Bagbdad Hatte im Anfang jeiner Entflehung als
Neubau venfelben Namen er Roſapha oder Ruſſafa erhalten (f.
ob. ©. 201).
Diefe Hügelreihe befleht wieder aus Mergellagern, ans Kreides
eonglomerat und Gyps. Eine Ebene (Hami, f. oben ©. 1066),
eine Stunde in Ausdehnung, von dem Tribus der Weldah⸗Ara⸗
ber bepflügt, ſcheidet dieſe letztere Hügelreihe von einer anderen
gleicher Art, die gegen Norboft flreicht und ſchon im Oft ver Lieber
fahrt von Al Hamman den Euphrat etwas gegen Norden zu⸗
rückſchiebt. Bei Al Hamman, welches nach obigem offenbär vie
Stelle des Zeugma von Thapfafus, ver Vada Euphratis juxta
Thapsacum (f. 06. ©. 11, 12, 25, 37, 51, 111; vergl. 133, 136,
236— 238, 967— 984, 1003) fein mußte, gibt Cheſsney an dem
Süpdufer der Ueberfahrt Ruinen an, die jedoch nicht näher cha=
sacterifirt werben; an dem fonft flachen Norpufer?”) des Eupbrat
aber, der Fähre auf der nächſten Anhöhe dicht vorliegend, ein Ca⸗
fell in Ruinen, el Haraklah bei Chesney (ober Uragla bei
Ainsworth, Hereglé bei Rouffeau, etwas zu weit abwärts
eingetragen; eine Heraclea, an der Stelle, an weldyer bei Ptol. V.
18. fol. 142 eine Baumae, zunächſt Nicephorium, genannt wird),
von dem wir auch nichts näbere® erfahren. Keine Stunde unter
halb dieſes Caſtells el Haraklah und der Bähre Al Hamman
3%) Roſenmüller, Bibl Blertgumsfunde Th. 1. 2. s. 2600, Note 103
und 104, ©. 312 37) Ainsworth, Res. I. c. p. 68.
.
*
1114 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. . .
erhebt fich in der Mitte des Euphratſtroms eine Kleine Felsinſel,
etwa 500 Schritt vom Ufer abſtehend, von verfelben Gebirgiet
wie jene Hügelreihen, welche Had jar Rafas (Sadjar Rafint
bei Chesôsney) oder Daſh I Surieh genannt wird, und arch bei
Höchftem Waflerftande doch noch über den Cuphratſpiegel bervoragt
Süͤdwärts von da fleigt eine 200 Fuß hohe Klippe von Basd
und Gyps gegen Oſt empor, die eine Stunde vom Guphrat ſüd⸗
wärts eine Curve gegen Südoſt und Sid bildet, ver an iu
port vielfach gewundenen Roroufer des Euphrat die Stadt Rakk⸗
vorfiegt. Ihr gegenüber, am Südufer des Stroms, bat Korſ⸗
ſeau's Karte den Ort „Raggat il Wacet“ eingefihrichen, (d
iſt Rakka Wafet ver Araber) eben da, wo Beaunhamp's Kark
u die Worte eingezeichnet hat, „Ruinen von Alep,” welde ky
. tere Angabe, worauf dieſe Benennung nämlich beruben mag, se
unverflännlich geblieben If. Wir vermuthen jedoch, daß es Ark
zweier Schldifer °%) fein werben, melde von dem Khallfen He
ham, dem Erbauer von Reſapha, auf dem Wege von Raflı m
dieſer ſüdlichen Uferfeite des Euphrat nach feiner Reſidenz Re
ſa pha erbaut wurden, weshalb der Uferort Rakka Wafer, dk
das mittlere Rakka (mie oben die Mittelſtadt Walt im
Deltalanve), eben feinen Namen, als zmifchen beiden gelegen, erhal
ten haben wird. Ob dieſen Stellen vielleicht auch noch ältere Bau
werke angehören, willen mir nicht.
Thapfalus, dad zu Zenophons Zeit noch eine große, Hi
hende und reiche Stadt war, und wie wir oben fühen (S. 11), te
nen Namm Thiphſach unter König Salomo von dem „Ueber⸗
gange” über ven Fluß erhalten hatte, fland unftreitig mit wm
| von Salomo erbauten Tadmor (Palmyra) in genauem Verkehr,
| denn noch eine dritte Stadt, jene Rezeph, war es ja, welche
zwiſchen beiden, wie wir zuvor bemerften, ebenfalld dem Hebtin |
wol befannt war. Durch fie iſt die große Handeldftraße zum
Euphrat⸗ Uchergange aus Arabien und Syrien nad Mefopotamies
nachgewiejen, welche feit ältefter Zeit durch alle Jahrhunderte bis zu
Edrifi's Zeit über Rakka ging, und auch heute noch in verfelben
Richtung, wenn auch bei den veränderten Zeiten nur wenig beſuch
wird. Plinius nennt die Stadt Ampbipolis, ein mace doni⸗
fer Name, ven flo wol zur Zeit ver Seleuciden erhalten he
ben wird. Der Name Thiphſach, Thaphſach migperdelt ſich
2)J. Golius ad Alferg. I. c. p. 258.
x
— —— — — ur
L “ I "2. 2 Shane, —
Euphratſyſtem; die verſchwundne Thapſakus. 1115
such mehrmals, wie näher gegen Paläſtina bin (im 2. B. ver Kö⸗
ige 15, 6), worauf ſchon Büſching in feinem Dleifterwerfe 39)
rufmerkſam gemadt hat. Strabo, Plinius, Ptolemäus nen-
nen noch Thapſakus, obwol fie wenig davon zu fagen wiflen.
Bon Ammian Marcellin im Atem und von Procopius im
ten Jahrhundert wird es fchon gar nicht mehr erwähnt, obwol.
yeive Männer doch In jenen Gegenden fehr einheimijch geworben
waren. Der compilivende Stephbanus von Byzanz fcheint ber
iegte zu fein, Der den Ort Thapſakus nad einem uns unbefannt
zebliebenen Quellendtat aus Theopompus lib. Ill. Philippicorum
a feinem Stäpteverzeichniß ald eine ſyriſche Stadt am Euphrat
inzeichnete, doch ohne zu bemerken, daß er diefelbe Stadt noch ein⸗
nal unter ihrem zweiten Namen Amphipolis, ven und Plis
alus V. 24 mitteilt, eintrug; er ſetzt hinzu: gegründet ſei fie (mas
wol nur fo viel als reſtaurirt bezeichnen Fann) von Seleusuß,
vermuthlich Nicator; bei ven Syrern habe fie ven Namen Turs
meda (Tovgueda) geführt, ein Name, ven Berkelius wegen ber
Unwiſſenheit des Byzantiners in orientalifchen Sprachen füs ver⸗
tümmelt und für das Thur-abpin (Tur-aamdim n. Barf.) bei
Eprifi (ed. Jaubert. T. Il. p. 151) Hält, was aber wegen feines
age in Diar Mebia, d. b. im nördlichfien Meſopotamien, gang
unftatthaft ſcheint, keinen Ort, fondern eine Lanpdfchaft. bezeichnet,
die im Gebirgslande bei Marvin und Nifibis ihre eigenem Patriar⸗
hen *) Hatte, von der wir aber auch nichts weiter ‘ale dieſen Ras
men erfahren, der zur Erklaͤrung von Thapſakus fein Licht gibt.
Auch Greg. Abulph. nennt nur den Ort Ihur abdin (Hist. dyo.
p. 112) als Marvin benachbart.
$. 43.
Bünftes Kapitel
Der Steomlauf des Belik (Bilecha) im obern Mes
fopotamien zum Euphrat, und fein Mändungsland
mit der Stadt Rakka (Nicephorium, Callinikum).
Rakka's Aufblühen feit ven Zelten der Saleuciden, der Nö«
mer, Byzantiner und der Khalifen, zumal de& Ahbaffiven Harun
wg ” A afeins, Erdbeſchreibung Th. XI. B. Afien, 3, Aufl. 1792.
%®) Assemani Bibl. or. Il. p. 220, 236, 384, 336.
1116 Weſt-Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt, 43.
al Raſhid, ver am Ende des 8. Jahrhunderts Hier feine Ref
nahm, um ber von ihm eingerichteten fyrifchen Grenzmar
(at Xfhogur, mit den Grenzfeften al Amafem genamt) 4) .
gen ven byzantiniſchen Feind nahe zu fein, verfanf vie Erinnerum
an die falomonifche und macevonifhe Thapfafus ver frühen
‚Zeit volftändig, weil in dem Reiche des Islam ein neues glänzge |
deres Meteor jenem fo nahe emporflieg.
0 Rakka, deſſen wir ſchon oben als des ſtark befefligten Neu:
baus durch Kalfer Ju ſtin ian, als des HGauptfammelplage
der Karawanen und des großen Emporiums im 12 Jh |
hundert zu Edrift’s und Benjamin von Tudela's Zeit, |
als des Sites des herühmten ſabiſchen Aftronomen AI Batkısi
\ (Albategnius) genachten (f. oben S. 236— 239, 242), hat in zw
| ver Zeit jehr wenig aufmerkſame Beobachter gefunden, weil nur ſch
ten ein Europäer dieſes Weges kommt und dann nur flucdhtig fir
durch eilt. Um fo mehr Haben wir hier deſſen Bedentung ald ver
bindendes Mittelglien unter ven Eupbratftationen in feinem ganzes
Zufammenhange der wichtigften Raumverhältniffe hervorzuheben
Die Lage des Ortes felbft blieb unſicher, wenn ſchon U
Batheni #27 port im I. 912 nach Ehr. Geb. feine aſtronomiſchen
Beflimmungen machte, und vie Breite in ven Zafeln auf 36°,
oder 36° 1’ nörhl. Br. nach Ihn Zathir, 36% 3" nah Ihe Te |
nis angab, denn die Längenangabe warb in deſſen Handſchriften
unter ber corrumpirten Benennung Aracta flatt Arraca, wat
eingetragen. Ptolemäus Lage von Nicephorium em 6
1003 angegeben. I. Rennell's Berechnungen nach KHorijontak
diſtanzen ver Routiers geben vie Lage von Rakka auf 36V! RU.
und 39° 3° 30” OR. v. Gr. an, vie Connaissance des temps au
| 38° 50°. Rennell's Berechnung ©) war gegründet auf vie Past
von Hauran, richtiger Haran (f. ob. S.243), nad feinen I
flanzrecinungen unter 36° 40' N.Br. und 39° 2' 45" O.L. v.
Don Saran aber gibt Eprifi die Entfernung auf nahe 9 gesge
Meilen (443 engl. Mil. oder 42 arabifhe M.) an, nämlkh von |
Haran nad Nadjera (Bapjera) 12, nad) Bapjeran 2i, |
nad) Naffa 9. Die Entfernung von Ras al Ain tft Hei Edriſi
!
|
*1) Abulfedae Annal. Mosl. ed. Reiske p- 159. 42) J. Golis
al Alferg. p.252; J. Rennell, Comparat. geogr. I. p. 34,
) J. Rennell 1. c. p. 37; vergl. Edrisi b. Jaabert II. p. 158.
or wa — — nd
Euphratſyſtem; der Belit- Fluß, Bilecha. 1117
unvollſtändig, dei Ebn Haukal aber auf 4 Ragrelfen beftimmt,
zu 76 Mil. engl., nach Rennell's Karten »-Eonflructtion 68 Mil.
engl., wa® an 13 bis 14 geogr. Meilm beträgt. Die Entfernung
von Aleppo nach Rakka gibt Abulfeda zu nicht vollen 19
geogr. Meilen (933 Dil. engl.) an.
Nah Chesney's Obfervation, die im Pallaſt Harun al Ras
ſhids an der Oſtecke der Stadt gemacht ward, iſt die Lage dieſes
Ortes unter 35° 55' 35" N.Br. und 390 3' 58,5" DO.2. von Gr.,
begegen die öfllichere Mündung des benachbart einfließennen EI
Belik⸗Fluſſes zu Aran (Amram) unter 35° 53 22” N. Br.
und 39° 7 40,5 O8. v. Or.
1. Erläuterung.
Der Belil: Flug, Bilecha bei Sfidor, Baliſſus bei Appian,
Baleech bei Golius; Balyſche bei Beauchamp; Belikh und
Belitz bei Cheöney. Des Iſidorus parthifche Stationen
77 an diefem Fluſſe abwärts bis zum Euphrat.
Das alte Nicephorium (Niænpoorov), ſagt Iſidorus
Charac.,) warn von Alexander M. am Euphrates erbaut
(nach Appian de hell. Syr. 125 erſt von Seleucus Nicator).
Durch Iſidorus erhalten wir das erſte genauere Datum über
den linken Zufluß Bilecha (BAnxe), der ſich dſtlich dieſer Stadt,
nur wenig unterhalb derſelben, zum Euphrat ergießt. Denn er
gibt ſein Itinerarium in Schoenus (oxoiva; ein Schoenus iſt
gleich einer Parafange, over 30 Stadien, d. i. = J geogr. Mei⸗
Ien) nad parthifchen Stationen (ZraJol, Mansiones), von
Apamin am Zeugma (f. 06.6. 965) durh Mefopotamien, über
Anthemufta und von da entlang am rechten oder weftlichen Ufer
des Bileha Hin, bie Nicepborium zum @uphrat. Als Grunde
lage aller Tpäteren, genaueren meſopotamiſchen Ortöbeflimmungen
ift dies Itinerarium bier mit feinen Stationen anzuführen, weil
wir dadurch allein über ven Fluß, wie über das Hiftorifch fo merk⸗
würdige Schlachtfeld von Carrhae orientirt werben können.
— — — 1 a I...»
**) Isidor. Charac. ed. E. Miller, Paris. s. 1839 in Supplem. aux
deznieres €dit. des pet. g&ogr. p. 248.
1118 Weſt-Aſien. III Abteilung. I. Abſchnitt. (43.
Iſivorus Charac. parthifhe Stationen“) von Ayamia
am Zeugma durch das obere Mefopotamien bis
Nirephorium.
4; Bon Apamia am Enphrat na Daea ra (Aatapa zur)
24 geogr. Meilen (3 Schoenuß).
2. Ueber das Vallum Spasini (zapa& Zxaoiror, vergl
ob. ©. 85) und die Hellenenſtadt Anthemuflas (vn0 d'B-
Arvwy Avdeuovolag noAıs) 3% geogr. Meilen (5 Schoenut). -
Diefer Damm, Verfhanzung oder gezogene Graben md |
Spafinns (over Bafinus) ift und unbekannt. Die Localitätfgen
mit der oben angeführten Stele von Oruros, ale Grenze id
Nömerreihs im Oſten des Euphrat zu Pompejus M. Ja,
zufammenzufallen; denn Plinius gibt die Entfernung vom Zeugn
zu 250 Mill. pass., d. t. 6 geogr. Meilen an; vie beiden Dike
zen des Iſidorus aber betragen 6 geogr. Meilen (f. ob. ©. %i;
Plin. VI. 30: Durant, ut füuerant, Hebata, et ductu Pompej
Magni terminus Romani Imperii Oruros, a Zeugmate ducests
quinquaginta millibus passuum). Anthemuf ias tft in Garzy,
das heutige Sarudſh (f. ob. S. 945); auf dem Wege dahin, da
Zieutn. Lynch im. Jahre 1830 zurädlegte (der auf Shesacgy's
Euphratkarte ſpeciell im großen Maaßſtabe von zuoues n
iR) findet ſich keine dieſen Begenfland aufflärende Spur das
Kunfl-Dammes oder Grenzgrabens. Nur an ber Stelle, m
Da eara hinfallen würde, iſt ein Wafferlauf, Mankali genanst,
von N.O. gegen S. W. etwa einige Stunden weit gezogen, an en
ein Khan Tensh liegt, und welter oſtwärts, jenſeit eines zen
Nord nah Süd weit hinſtreichenden Hügelzuges mit cum
Hügel Tell Begger, der wahriceinlich künſtlich aufgeworfen fein
wird, bei dem ſich Ruinen vorfinden, {fl dicht vor Sarudſh wine
ein kleines Waſſer, von Nord nach Sid laufend, in bie Karte de
gezeichnet.
3. Von Anthemuſias ober Anthemufia nad) Coraea,
ein Caſtell in Batana gelegen, 2% geograph. Meilen (3 Sqheen)
(Kogula 7 &v Bazdvn 6. Isid.). _ Diefelbe Route des Liextuen
Lynch drang in biefe Gegend vor, melde von Steph. By; auf
Baıdvn genannt wurde; biefelbe Localitaͤt, durch welche Mae
Julian von Hierapolis über Batnae (f. ob. ©. 137, 906) uf |
) ed K. Miller L. c. p, 847-248, Not. p- 36.288, , =
ru. m- ir — —
Tr EU
Euphratfuftem; Batnae, Batanı. 1119
Carrhae zog. Der Name Coraea verſchwindet ganz und nur ber
Name Batnae bleibt fpäterhin übrig, bis auch dieſer Ortänaue
durch ven fpäteren Landesnamen Sarug, Saraj, Seroudge, *%)
Sarudfh verdrängt ward. Diefe Wegftredde wendet ich von DR
mehr gegen Süd als zuvor und führt durch nie heutige, ſehr frucht⸗
bare, von mehreren Bächen trefflich bewäflerte, von vielen Heerden,
Zeltlagern und Dorfichaften belebte ebene Landſchaft, welche
wol mit Recht einft ven Namen Anthemufia, d. 5. „pie blü=
hende“ führte 97) Wir werben ſpäter, bei Meiopotamien, auf
fie zurückkommen, führen aber vorläufig Hier ſchon an, daß in ber
Gegen», wohin nad) 23 geogr. Meilen Wegs vie damalige Station,
das Gaftell Eoraca, fallen wärve, unter vielen andern Trümmer-
zeften, ald Zeichen früherer Eultur diefer Landſchaft, von Lieutnant
Lynch, zwifchen ein paar Gtromläufen, welche die dortigen Araber
Mas elAin, 2.5. Haupt der Quelle, (nicht mit dem: Öftlichern
Mas al Ain bei Edriſi, |. oben ©. 742, zu verwechſeln) nannten,
auch ein quadratiſcher Thurm, auf einer DBerghöbe zwiſchen
zwei Dörfern, in NO. und S.O., mit Ziyarets. und Tells
(f. oben ©. 944 und 876, 956, 997) fich befand, an deſſen Süd⸗
Abhange aber die Ruinen Arslan Tagh, d.H. Zöwenberg, bie
von zwei Löwenfculpturen in Baſalt, die ſich daſelbſt be⸗
finden, ihren Namen führen.
4. Bon Batana nah Mannurrhoa Aviretb (Mar-
vovodga «Atdıen9) 34 geogr. Meilen (5 Schoen.). Beigefügt if,
Daß dieſe Station zur rechten Hand, d. i. auf die Weftfiraße;
führe, denn die Oftfiraße würde von da direct durch den heutigen
„Bab von Kulleyuk“ nah Heran (Carrhae) zum oberen
Duelflufie des Belek, dem Belecha der Alten, geführt Haben,
ver dafelbft Heutzutage nach Lieutn. Lynch ven Namen Iulsab
führt. Die Wehftraße, oder vielmehr die weftlichere gegen Südoſt
gehende, führt zum mittleren Laufe des Belek. Diefe Weg
firede gebt nun direct gegen Süpdoft auf Rakka; in dem fonft
unbekannten, frembartigen Namen fcheint doch der Grundbeſtandthe
des landſchaftlichen Namens Orrhoa (taber Orrhoene, fpäter
Oorhoene) und des Volkernamens Rhoali, den Plinius gibt (f. ob.
©. 961), durchzublicken. Doch können wir darum nicht allein,
wie Mannert gethan, > der den Namen in feine Betandeheile
“.) Otter, Voy. I. ch. 11. p. 110 Not. ) Mannert, Gros. v.
Gr. u. Kt. th. V. 2. 6. PAR *) ebend. ©._279.
1120 Wefts-Afien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. 8.43,
Mannu — orra Aviret zerlegte und darin ven Ramen Ort
unter des Mannus SHerrichaft (06. S. 118) und in dem a
wort eine Verſtümmelung von Kallirchoe zu finden meinte, ve
Statton für identifch mit der weit nörblicher Tiegenven Cdeſſa,
Orrhoe, Kallirchoe, Halten, fondern nur für eine fünlichere Ir
felben Herrſchaft allerdings angehörige Feſte. Der Ort Man
orrhoa Avireth wird eine „Beftung und Quelle” (or :
owua xal xon?n) genannt, aus ver vie Gingebornen ihr Ariak
waffer nehmen. Da alle partbifchen Stationen in ver Regel im
Verfchanzungen hatten, fo mögen biejenigen, bei dem dieſes md 1
indbefonvere beigefügt wirb, vielleicht ſtärkere Feſtungen ganie |
fein. Die Angabe einer Quelle iſt hier vielleicht nicht unberatad, |
da bei Ammian Marc. hier in der Nähe audh von ver Om |
des Sauptfluffes, den er Belias nennt, die Rede iſt (f. une).
5. Nah dem Gaftell Eommifimbela ( Koppusaufne)
find von da 3 geogr. Meilen (4 Schoen.). An demjelben fliegt ie
Bilecha (noruuös Beinya, ver Belek) vorüber. Das bir pe
nannte Caſtell Commiſimbela, das fonft unbekannt, bleibt au
dem rechten Ufer des nun direct gegen Sübfüdoft Iaufenven Finke
Nahr Belek oder Belit. .
6. Nah Alagma (Adayua), eine Feftung (Oydoaua) u
Königsftation (oraduög Paoılıxög) 24 geogr. M. (3-Shen)
Hier war mol, nach Art ver alten Perfer, auf ihren Station da
Pallaft oder Gebäude zur Aufnahme ver part hiſchen Ki⸗
nige bei ihren Helfen, #) eine Herberge, gleich einem w
teren Khan.
7. Bon da na) Ichn ae (’Iyval nölıs "Eiimig), eine grit⸗
ch iſche Stadt, von Macevoniern erbaut, die am Bilecha⸗Flaj
liegt, 23 geogr. Meilen (3 Scoen.). Es ift »iefelbe, vie Dis
Caſſius bei Eraffus erftem Ueberfalle in Meſepotamien (f. oba
©. 991) eine Feſtung (Teixos, Dio Cass. XL.’232. Rain.) mem,
wo es zu einem Gefechte kam, in welchem ber parthiſche Gans
Talymenus Ilakes verwundet warb. Auch bei dem zweites
unglüdlicden Kriegszuge des Craſſus nennt BIntascg (M. Cr
c. 25) denfelben Ort, wohin, als einem benachbarten, dem Pitt
Eraffus, ald er von den Perſern ſchon total” beflegt wer / 5
zweien Griechen, bie in Carrhae anſäſſig waren, sin’ Vorſchtez pw
Flucht gemacht wurde, dem er aber ben freioiigen an vr |
uns
**) Not. p. 262 b. E. Miller 1. c. N ae
Le u ee u a BE A AS
—
Euphratfyſtem; Craſſus Niederlage am Baliſſus. 1121
Ayppian (Parthic. 146) ſagt, daß dieſes Ichnae zu Eraffus
Zeit. ein aus ver früheren Periode des Bompejus noch den Rd
mern hefreundeter Ort gewefen fel, wo ber Sohn des Eraffus alfo
noch fein ‚Leben wol hätte retten. können. Echon der Name von
Ichnag, dem der macevonifchen gleichnamigen Stadt eniſprechend,
wie. Steph. Byz. (f. 06.) fagt, zeigt. ihre Gründung zur Beit der
Macevonier, wie vie ihrer weit größern Nachbarſtadt.
8, Bon Ichnae führte Die legte Station in 3$ geogr. Melle
(5 Schoen.) nach Nicephorium, das alſo in Summa an 234
geogs. Meilen (31 Schoen.) von Apamia am Tuphrat auf diefem
Wege entfernt war, von welchen ver Lauf des Bilecha⸗Fluſſes
von Commiſimbela an bis zum Euphrat 8% geogr. M. (11 Sion.)
einnahm. |
Mit Sicherheit kennen wir alſo den Lauſ dieſes Fluſſ es, ſo
weit nordwaͤrts reichend, den Appianus (Parthie. 143) und
Plutarch im Leben des Crafſus auch Baliffus nennt (M. Crass.
23). Dieſem Namen entſpricht auch der neuere, namlich Balyſche,
den Beauchamp in ſeine Karte von Perſien eingetragen hat
und deſſen ndrdlichſter Quellarm durch Lieutn. Lynch beſtimmt
iſt. Hierdurch ſind wir im Stande, dad Schlachtfelo des unglüd- °
lichen Craſſus mit feinen 7 Legionen, an 4000 Mann Reiterei
und eben ſo viel leichtes Fußvolk, topograp iſch eiwas genauer zu
localifiren. Bis zum Baliffus hatte ver Feldderr vom Zeugma
des Euphrat an fich durch den verräiherifchen Nathgeber, einen
arabiſchen Sheikh, der fi feit Pompejus Belt ven Freund ber
Roͤmer nannte, mit feinen Regionen in das ‚offene Blachfeld ganz
irre. und gleichfom in den Tod führen laffen, wo ihn bie parthifche
Meiterel von. allen Selten umſchwärmen und einfließen konnte
Dean anſtant am Euphrtat entlang gehend, um durch den eiranl
von, einer Seite gedeckt zu bleiben gegen. ben Feind und zugleich auf
ihm Proviant nachgeſchifft zu erhalten, ließ fig Craſſus vor
fpiegeln, der durch feine bloße Ankunft ſchon geſe reckte Feind fliehe
vor ihm; er ließ ſich überreden, keine Zeit in der Verfolgung zu
verlieren und ihm direct durch die Wüſte und wegeloſeſte Land⸗
ſchaft (offeubax gegen Südoſt bis in bie Nähe zwiſchen Mannuos
rhoa Avireth uud Eommiflmbela) in Parforcemärfchen nachzüeilen
So traf er, mit feinem abgematteten Heere am Weſtufer vleſt
Baliffus. (Balyſche) nord warts von Ihnae ein, wo ba
Parther heer amı Oflufe ex uuter A Yiftigen Eurenas Dberbefehl,
RER... ‚die Römer durch feine | dere Ute Bug in a Falle ‚geiedt
Ritter Erbfunde X.
12 Weſi⸗dAſien. HE Abtheilung. I. Abſchain (.M.
hatte, feiner wartete. Der Fluß Ba liffus, ver, wie Apypien ig,
weder groß noch waſſerreich war, erquidhte jedoch dat von M
Staub und Eilmarſch ermattete Heer; aber der Abermüthige Erf |
Tieß diefem, nad) dem Wunfche ver meiften, nicht einmei che
Nacht zur Erholung und zur VorBereitung, fondern führte fh, m
dem Ungeftüm feines Fühnen und tapfer Sohnes Publind geiie
ben, fogleih zum Kampfe, dem nun Unglück auf Ungfkl fie.
(Appian. Parth. 1. c.), und zunächſt die Vernichtung des jeme |
Publius Eraffus felbft mit feinem abgefonderten Ger m
einigen Tauſend Mann, das die Barther, von der GHauptarme db
gelodt, umzingelten. Die Parther überfepfitteten mit ihren Bılı
von furcdhibaren Pfelch vie übrigen Mömer fort un» fat, m
lockten, immer ſcheinbar flichenn, aber kämpfend zugleich, da w
befonnenen Feldherrn iminer tiefer im fein Verderben. Nur er
Abend machte dem Blutbade ein Ende, das zumeifl die ungen
tapfern Römer traf, denen ader mit der eintretenden Radt, wen
Kampf ganz aufhörte, weil vie Barther ſich zurädzogen, ih
übrig blieb, als bei der Sicherheit ihres gänzlichen Umtergengei nf
einem zeiten Gchlachitage dieſer Art, der vorauszufehen wer, p
in die Stadt und Feſte Carrhae zu werfen. Diefer uf fi
ſich nach dem erften Befechtanfange, das ja Ichnae benchbei
gewefen (f. oben), alfo norvwärts entlang ver grefen Fiem u
Baliffus (Balyie, Bilecha, Bell) aufmärts ziehenn, ver we
Tarrhae fünmwärts nach Ichnae flieft, offenbar um vieles geil
haben. Denn noch an demſelben Abenbe ded Schlachttagets cellh
aus dem Lager, in den Eraffus ſich feiner vıracpfen Berpeällung
überließ, ein Schwarm von 300 tomiſchen Reitern unter eb de
Iofen Ignatius Anführung, und erreichte ſchon um Mitternefil
bie Mauern ber Stadt Garrhae (ME. Crass. 6. Pet... M,
um von da Weiter nach Zeugma zurückzuflicehen. Grafiue gm
folgte am naͤchſten Morgen, vas Lager mit ver 4000 ungiudäh
Zurüdgelaffenen, meift Verwundeten, und aller Gabe den Berka
preißgebenn, Iangfam nady, und wurde von dem Commenbenit
der tömifchen Stadt, ver Ihm hülfreich entgegen fa, 1. ui u
lich na Garrhor geretlei. Da der Römer ſich aber aa (ie
in der Gewalt treulofer Freunde innerhalb ver.
und außerhalb von. einer Belagerung ver Bartber bedroht fh
fo ſuchte et, bon Neuem treuloſen Rath‘ und falfchen Wegweies '
folgend, ſich mit 500 Weiten weſtwaäͤrts nach Gore bung
u (Glagen, fiel aber, wahtfprinli gegen Norden fich wenden, ah
a 9 Aa Fer HR HE ER Aa B Te TE Fr HE IT m AM Mn en Ho A —
ugs
a u aADo ei , 9
Euphratſ.; Eraſſus Niederlage am Baliſſus. 1123
Strabo zu Sinnaca (Strabo XVI. 747), wuderholt durch
falſche Vorſplogeluugen ber Parther geblendet, mit feiner ganzen
3 tapfeen Begleitung auf ſeinem Schilde, unter ihren Pfellen, Lanzen
; amd Schwettern, ein Seitenſtück des Verraths, wie Macnaghten
’ neuerlich unter ben Afghanen.
Die Localltät iſt hierdurch ins: Klare gefegt: venn das erſte
Sefecht am Baliffus, wo Publius Craſſus ſiel, konnte nur
wmiſchen der vierten und fünften der parthiſchen Stationen, naͤmlich
2 zwiſchen Man nu orrhoa Avireth und Commiſimbela flat
“Anden, wo man zuerfl den: Vilecha⸗Fluß in feiner weft lich ſten
Beugung treffen Tonnte. Diefe Stelle liegt aber nur 45 geogr.
Meilen oder 9 Stunden fern von dem fünlichenen Ichnae, was
allerdings eine größere Nähe genannt werden konnte, als die Ent⸗
fernung von 6 geograph. Meilen, ober 12 Stunden, welche nad
unferer Meſſung der Chesney'ſchen Kartenaufnahme Garrhae
im Norden von. berfelben Localltät des erſten Schlachtfeldes ent⸗
fernt war. Ven da wurden die Römer durch den nord wärt«
ſich ſcheinbar zurückzlehenden Feind aber den ganzen Schlachtiag
über gelockt, ſo daß von dem Roͤmerlager am Abend wol die preis
hundert Reiter um Mitternacht ſchon an ber Stadtmauer von
Tarrhae, wie Plutarch fagt, der dort poſtirten römifeg-
ſprechenden Stadtwache dad große Unglück ves Tages: ver
Pünbe Tonnten. In meldger Gegend aber ‚Die zweite den Römern
Hier fo nadhthellige Schlacht worflel, Die Galerlus Marimianuıs
(Im 9.296 n. Chr. ©), der Mukaiſer Diecletiand, gegen den
Saſſanidenkonig zwiſchen Callinieum und Carrhae verlor, läßt ſich
nicht nähte beſtimmen (Eutrop: Brev. hist. Rom. IX. 15: Gale-
rius Maximianus primo: adrersus Narseum proelium habuit intee
Calfinieum Carrasque congtessüs, cum inconsulee magis, quam
ignave dimieasset); a
In die Gegend des erfien Sqhlachtfeldes eva faut die von
Ptolemaͤus genannte Stadt Acraba (Ptolem. V. 18 fol. 143)
"Angapßu * 10° Long. 35° 50' Lat.), von der uns ſonſt nidt6
betanut iR; da ſtine Lage von Carrh ao (ebend. Kiadyaı, 73°20'
Lotg. 260 10 Lat.) hiermit in geringer nordoſtlicher Stellung üͤber⸗
einſtimmt. Aus Julians Veldzügen wiſſen wir⸗ ſchon, daß damals
d oben ©. 138) das gioße Römerheer von Carrhae, ſtatt ſich
u
se), Fietärch im'M. Craseus u Appin. Bel, Partı.261
pag. |
Bbob 2
!
1124 WeplsAfien. HI. Abtheilung. I. Abſchnin. 3,
zum Tigrig zu begeben, wie es, die. parthiſchen Lilien nacdakmeh,
dem KSeinde vorgefpiegelt hatte, fich -plöglich gegen Süd fehwenin,
und nun einen fo fiheren Weg fand, daß der Kaifer ſchon am fel
genden Morgen. dad vamald gut verfchanzte Lager von Davası
erreichte, von wo ber Beltiad- Fluß (Balifſus, Bilecha, Belf), ne
Ammian fagt, feinen Urfprung nahm. und abmärts zum Guye
ſich ergoß (Amm. Marc. XXIII. 3, 7: Davanam veait cam
praesidiaria, unde ortus Belias flurius funditur in Euphrate)
Man bat biöher diefen Ausdruck wörtiicd, verſtauden und Dasanı, -
das fonft wenig vorfommt, ald etwa in. ver Notit. diga.,:!) m
daſelbſt eine Station illyriſcher Reiterei angegeben wird (an de
Para: b. Proc. de aedif. II. I8, hei Manneri,®) das äitai de
mit verwechfelt merden, if ein anderes. Gaflefl, das viel mean ie |
Morden zwiſchen Data und Ymiva lag), für pie wirflid: aa
doch nahe liegende Quelle des Belsas gehalten, wie Kar
wert dies gethan, ven Fluß von Carth ar aber für einen anııra
Sluß.. Aber auch vie orientalen. Ausoren flimsmen mit m e
Land gegebenen, freilich immer nur noch hypothetiſchen Ban da
Fhuffes bei Hasan überein, daß dieſer derſelbe ſei, welhe fe
warte miſchen Racca. alba und Racca ‚nigra. vorüber, nehent, jun
Caphrat falle. Die wahre Duelle des Belias müßte demuch wi
weiter. nordivarts geſucht werden. Golius nennt digen d
Daleech, *) und ſagt: er entſpringe aus den OQuellen u
Gaxrtan G. i. Coarhae, ſ. ob. S. 243), m» ergieße ſich au ve
Bluffe Biylak. merring ( wol einem oftlichen Zufluſſe, der vickeit
vos Davana kam) im den Euphrat⸗Einen Giulaß {Fulesi
bei LEy nch), der om „benachbarten Dixie: ( Dubbho ſagt Hebeij
ſeinen Namen. haben (ol, ‚nennt auch, Jaknti, un mer Dh
daß die. Einwohner: von. Haran .biefen Fluß, der Feine 2. Min
fern von ihnen gelegen fei (4 Mill), nicht zur. Bewägerung is
Belber. und. zum: Arunke gebrauchten, Ya fie Dad ihr Waſſe wi
einem ‚Berge ı hevbelleiteten, ‚Der 43 geogr. Meilen £2 -Berianem)
ra von Ahr. gegen SD. liege. Jenen Binlag Ik Malie
für venfelben Fiuß, den Steph Byg. Fluß Sharchac (Aakem
ap. einer. andern, Stelle icrig Kugas sl. Beyenar) aut, AR |
Bist, daß avon Ihm die Gtabt den; Namen führe, Dam: Unhg IM
— — Ti. Din. 0 Teile Fun . BEE Ge 7
s) ed, Pancir. I. c. in Dux Osrh, fol. 9 58) Manuel, GR
BE ARTEN 5 EEE... 1 EEE
fergan. cp. 20 et 2. | «Ei
ss N x x .
- 35.
PU a 2 aan u 2. mo...
Enphratſhſtem; Philiscum, Nicephorium. 1123
dem Bruder Abrahams herleiteten. Wir halten jenen benachbarten
Ort, von welchem der Glulab feinen Namen erhalten haben fell,
für die in der Notit. dign. fol. 97. in Osrh. angegebene eriie
Station der Equites Dalınatae Illyricani Gallabae, welche nebſt
ver zu Gallinicum und Danabae (Davana) die Grenz⸗
I Sarnifonen damaliger. Zeit am Belias⸗Fluſſe bildeten. Wenig⸗
x ſtens iſt uns fonft Fein Grund dirfer Benennung eines währfcheinlich
s öſtlichern Flußarmes des Belek befannt. Zur näheren Beſtimmung
s vieles Flußlaufes, ver blöher-außer Acht geblichen, dient noch ‚ae
u Ste bei of. Stylites, *):wo von Cavades, dem Paten
3 CEhodroes des Saflaniven, gefagt wird, daß er.auf feinem. Marke
u’ yon Tela (das nördliche Nicepherium): nah Edeſſa fein. Lager
> „ad flurium Galabum“* aufgefchlagen, der auch Medorum fluvimg
» heiße, worauf fie dann Gvefla belagert härten, und. nach Daran
' gezogen felm. Nach Colonel Eheöney entſpringt ver Fluß, vom
er Belikh und Belig (: i. Bilecha) ſchreibt, ebmfalls: nahe
Harran, bei einer Quelle Al Dakabia. (nach einem. Manuſcript
ves Abulfeda auch Debenta, die Goldene, genannt; bei Otter
Duhebanie, der den Fluß auch Rouha nennt von Orrhoa); 5°),
nach ihm let es gegen: Sup, im Oſt von Rakka nur wenige
Miles unterhalb. ver verlafienen Palapruinen ) de Keliphen vberua
a u Rafhiden in den Cuphrat. = ur Be
nich
a - on m: ww
Fe 2. Eriäuterung
Die Griechenſtadt Philiscum, Nicephortum, Callinicum, Leon⸗
topolis; die Landfchaft Mygdonia, mit ihrer einheimiſch⸗
—3 und fremden griechiſchen Coloniſation; das obere
Meſopotamien ald Grenzland der Römer und Partber.
Nikepharion wiro bie Stadt nur einmal nebfl Karrhae bei
Strabo (XVI. 747) genannt, unb dabei der Nienerlage des Craſſus
erwähnt, ohne weitered hinzuzufügen. Plinius nennt Nice»
phorium nebft Anchemufig ald Stäpte in des Präfectur Meſo⸗
potamiens gelegen (H. N. V. 21); In vemfelben. Kapitel aber,
nachdem er von Palmyra gefprochen, nennt er es noch einmal
mit einem parthiſchen Namen, ganz nahe abwärts Sura, nänılid)
PHiliscum (f. ob. ©. 1082), als eine Stadt ver Parther, von
‚_&*) Assemani Bibl, Or. T. 1. pag. 277. °*) Col. Oliesney Mic.
vergl. Otter, Voy. I. p. 104, 106, 110. : .
41126 WehrAfien. III. Abtheilung. L. Abſchuiut. .43.
welcher die Schiffahrt nach Babylon, wie nach Seleucia, 10 Ing
auf dem Cuphrat abwärts daure. Pitimiws Tommt noch cin wit
tes Mal, nachdem. er 'wieber Anthemus genannt bat, auf Kict⸗
phorium (H. N. VI. 30) zurüd, die Stadt am Euphrat, weihe,
wie ex bier bemerkt, Alerander M. wegen ver guten Gelegenheit
des Gegend habe anlegen lafien (vergl. ob. ©. 14).
Deu Namen Eallinicum für biefelbe Stabt kennt Pin
noch wit, der Name zo Nıunpopor, die Siegbringenn,
war die allgemeine Benennung geblieben, bie im vierten Sahcher
dest bei Juliand Zuge auf einmal TO Kalilrıxor, b. i N
Schonſilegende, an derſelben Stelle von Amm. Mare. (XI
3, 7) genannt wird, wodurch der frühere Name bei den fpdims
Autoren 'ganz verdrängt wird (f. ob. ©. 138). Schon Manneit
zeigte, daß beides nur verwandte, aber veränderte Benennungen der⸗
Felben Localität feien.50) Nach dem Chronicon Alex. Olymp.
434. Ann. 1. fol Seleucußs (II.) Calliniceus, Bater des Ir
Aochus M. (Polyb. V. 40, 5 uud 89; ex flirkt 227 v. Ce 6)
der. Grüner ober vielmehr Verſchoͤnerer dieſer Stapt Nicephoriuu
gewefen, und viefe deshalb nach Ihm benannt fein. Auch Gr
Abulph. ſcheint dieſer Anficht gewefen zu fein: denn ex fagt, dej
zut Zeit des Ptolam. Cuergetes die Staat Kerkefium und Cal
Iinieum (er ſchreibt Hist. dyn. p.65: Kalonicus quae enden
Al Rakka) gegrünvet worden ſei. Aber die ſehr unrüßuide
Regierung dieſes Seleutiden, der: fogar: in die Gefangenſcheft ver
Parther ıgerieth, bietet allerhings wenig Grund zu einer felhen do
hauptung ‚bar, auch wird dieſe Stabt erft in fo fpäter Zeit mit den
Namen Sallinicum belegt, daB man dem Balefius in fear
Note zu Amm. Marcel, eher folgen muß, der aus bes Libanius
Epist. ad Aristaenetem anführt: 9) Gallinicum fe cm
Station in Mefopotamia am Euphrat, die darum fo heiße, weil
der Sophiſt Eallinicns daſelbſt erſchlagen worben fol. Dahe
denn auch die erft fo fpäte Benennung: denn Galliuicns Ex
torius lebte unter Kaiſer Ballienus (zeg. 201 — 268 a. &k
Ge.) nah Suidas, und iſt ald Autor einer Geſchichte Mieranben
in 10 Büchern befannt; ber Name der Stadt Gallinicum, #
Ehen des Sophiſten genannt, lonnte alſo zu Anmmians Zi
se) Mannert, Geogr. ber &. und Rom. Th. V. 2. 6. 286.
No. Ammian. arcell. ed. Erfurdt. Tom. I. "2808. p ®
ot. 7.
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Euphratiuftem; Callinicum, Lesutopolis. 1127
noch Fein Jahrhundert in Gebrauch fein. Defter wurde er. verſtüm⸗
melt in Ballanicos, Galonicus,58) Eolonica,Sa) Klunicojo u.a,,
wie das aus Nicephorium verſtümmelte Anikos ©) für Rakka
auch noch bei Edriſi vorkommt. Bald Hat fich der Name Gallinis
cum überlebt; denn ſchon dm 5. Jahrhundert trat ain anderer, Leone.
topol.is, an feine Stelle. Im Ehronicon von Edeifa‘!) ſteht,
daß Kalfer Leo (I. Thrax.) im Jahr 466 n.. Chr. Geb. die Stadt
Gallinicum in Dschoene erbaut, nach feinem Namen Leonto⸗
polis genannt, und ihr einen Epiſcopus eingefegt habe, was aber
nady der Vergleichung mit dem Chron. Dionys. aur fo viel heißen
Tann, daß diefelbe Stadt, welche laͤngſt beſtand, von ihm nur re⸗
ſtaurirt, etwa mit Mauern umgeben und nicht erft ein neues Cyi-
feopat in ihr errichtet warb, fondern nur ein neuer Epifcopus ein»
geſetzt, dem neue Privilegien extheilt wurben. Auch ward ihr ein
eigner Dux gegeben, 2) um ven Veberfällen der Araber zu wider⸗
ſtehen. Daß fe zur Zeit des Kalfer Ju lian, ſchon im 4. Jahr⸗
Hundert, eine ſtarke Feſte und durch bedeutenden Handel und
Verkehr ausgezeichnet war, Hatte ſchn Ammian geſagt
(Amm. Marc. XXIII. 3, 7.... Callinicum munimentyın ro-
bustum et commercandi opimitate ‚gratissimum); fie wurbe bei
Sultans Durchmarſch durch Feſtfeier, Schiffahrt ver Flotte any
Huldigungen der Araberflänme vor Ihren Thoren am Guphratufer,
die dem Sieger eine Krone barbrachten,, verherrlicht. Daß fie ſpä⸗
ter in den Friebendintervallen zwifchen ven Roͤmer⸗ und Saſſaniden⸗
Kriegen zu einem Emporium in Osrhoene, deren Gapitaliä fie
war, außerjeben wurde, zeigt Lex 4. Cod. Justin. de commer-
ciis et mercatoribus. In Hieroclis Synecd. ed. Wessel. ;p. 714
wird dieſer Ort in der Eparchie Osrhoene nech „Leontopolis,
quae et Callinice“ genannt; alfo waren beide Namen doch
noch im Gebrauch. Die Namen Eonftantia, Conſtantine,
Antoninupolis und Tela, welche bei Steph. Byz., Amm.,
Marc., Procop genannt und auch auf biefe Nicephorkum ange
wendet wurden, gehören nicht diefer Stadt am Kuphrat, fantera
einem andern, viel nörpitchern Atem) an das auf
26) Alb. Schultens in Vita Saladini im Index geogr. s. v. Rakka.
5°) Assemani Bibl. or. T. Il. p. 77. *°) Kırisi b- "Jaubert 1.
P. 136. °!) Assemani, 1. c. p. 258, 405. 03) chend.
I. ©. 276. o2) Mannert, Geogr. d. or u. Roͤm. Th. V. 2.
©. 288, 803.
— nn SI GE —*&
1128 Weſt⸗Aſien. IH. Abtheilung. J. Abſchan..
dem Wege von Carrhae nach Niſfibis lag, umd eine wei je
Siadt war, weldye mit diefer Biter verwechſelt werden fenztı.
Aus dem Berichte des Eutrop. (Hist. Rom. IX. 15) wa
wir nach obigen, daß zwiſchen Gallinicam und Garıhar ze
Galer. Marimianne; der Mitrigent Kaifer Dierletiand, eine Ekiahı
gegen den Saſſaniven⸗Koͤnig Narſes verlor, daß er aber vifa da
uf durch einem zweiten ſehr glänzenden Sieg über dericha
wieder gut machte fim Jahr 297 nm. Ehr. Geb), worauf, wie En
Nufus (Breviar c. 26) berichtet, Die Sajfaniven im Fına
gezwungen wurden, „Defopotamien und Die 5 trandtigritu
niſchen Provinzen“ (bie: Moroene und Zabvicene, d. i Ruh I
und Zab⸗VFluß, f. ek. ©. 816) an die Kaifer von By dd
treten, was nun auf eine gute Zeit hinaus dieſem obern Kir
potamien unter dem Schuße der Kaifer fehr zum Vortheil gemike
(f. 06. &. 136). Im dieſer Zeit konnte deun auch Gallinicen,
wie jo v:cle andre Stübte, dur den Handel aufblühen, wie Jr:
lian fie fand, und zur bebeutenden Station und ehe der Rien
werben, wie fie von Anim. Barcellin nur ein halbes Jahrhen
fpäter und auch von andern geſchildert wird (Libanius ad Mast
Thom. oraduds dorı nepi Eögodıny Kallfvızaz Orepa;
Theod. hist. relig, c. 26: Kallırixoy gpergrer uinemw
u. a. m.). ®)
Zur Zeit Kaiſer Inſinians eing Khos roes kei feimm m
Ren Kriegszuge gegen Sura an ven römifchen Grenzfeſtungen Cir⸗
cejium und Callinicum vorüber, weil fie feinen PBlinzberungk
zug gegen Antiochia nur verzögert haben würden (Procop. beil
Pers. il. 5); aber bei dem Rückmarſche vom Dritten Belzug,
nachdem er fchon mit Belifar in Sriedensumterhamdtnngen
getreten war ff. ob. ©. 996), uns Geißeln beuhalb im Eveſfa m
halten hatre, brach der Saſſanide Doch fein gegebnes Bern m
sing auf Gallinicum Ios, dab ihm im Bertrauen auf wie gyle
genen Unterhandlungen auch gar keinen Wiverftäand leiſtete (Pree.
bei. Pers. II, 21).
Dan Hatte freilich umoorfichtiger Weife vie Masern zum Theil
eingerifien, weil man feinen Feind erwartete und mene aufjuhre
wollte. Die Reichen der Stans entflohen bei der Anmäberung da
Verſer noch glücuich mit ihren Eigen. Die z
Armen und viel Bofts, fagt Procoy, war in Biete
pw
**) Itiner. Antonin. ed. Wessel, p. 191. Not,
„1. i =
k
,
Euphratſyſtem; Callinicum, Roͤmergrenzfeſte. 19
fammengelaufen; fie wurden von Khodroed zu Sclaven gemacht,
fie mußten ven Ueberreſt der Stadt vollends zerſtören, und: nachdem
er alled rein ausgeplündert hatte, zog ex in ſeine Reſtdenz an: den
Tigris zurück. ©
Nachher ließ Kaiſer Juſtinian die. derfallenen Mauern —8
Ortes wieder aufbauen, fo. daß ſie wie. Ihre Nachbarſtädte Kar⸗
rhae, Batnae und andere, mit denen ein gleiches geſchah, wach
wieder zu tüchtigen Römerfehen wurden Erocop. de ed,
1. 7):
Als ſolche erfcheint fie unter Kaiſer Rausitins, ı mit kam
Namen Callinicum, noch ganz kurz vor dem Anfange des Iten
Jahrhunderts bei Theophyl. Simocatta (Histor. IE c. 17,
p- 151. ed. J. Bekker), in. dem Kriege ‚gegen den graufanen Hor⸗
muzd (Sormisdas IV:). 65) Von Caeſarea in Kappadocien zog
Mauritius gegen dus Frühjahr, nachdem er fchon. früher. ven Feind
in Armenien glücklich beſiegt hatte, auch um obern Meſopota⸗
mien ein, in die Romerſtadt Circeſium, mell er von da den
arabiſchen Wäfenmeg am Euphrat entlung ſchnell vorrücken und
den Perſer in ſeiner Heimaih überraſchen wollte. .:Dies wurde aber
durch feinen eignen Wegweiſer, den Alamundar, den Cmir ver
dortigen treulofen Nomaden vereitelt, wer dem Saſſaniden Könige
einen Wink über den anrüdenven Beind gab... Hormuzd concen⸗
tririe nun die ganze Kraft ſeines Heeres, deſſen Kommando er vum
tapfern Adormaanes übergab, auf einen Ueberfall gegen Balls,
nicum im Rüden des Beinded, wodurch Mauritius ylöglicy
⸗
zum Rückzuge genöthigt ward. Er mußte auf dem ſchon begon⸗
nenen Marſche umkehren, ſeine eigne den Proviant nachfahrende
Flotte auf dem Enphrat verbrennen: ‚(weil fie micht ſtromaufwaͤrts
ſchiffen konnte), damit fie nur nicht dem Feinde in die Hände fiel;
and froh fein, vie Romerfeſte Calli nicum mit feinen beften
Truppen zeitig genug zu erreichen, wodurch dieſe wenigflen& ge⸗
fichert und das Uebergewicht der Roͤmermacht noch am Cuphrat
erhalten ward.
"Nur wenige Zahrzehnde ſpäter nimmt die Hereſchaft ber
GSriechen In Mefopetamien ein Ende: venn fihon 622 fallen
die Araber 6%) in PBaläfiina ein, 637 beſetzen arabiſche Ddlker
08)’ Michter, Air krit. werna über die Arſalden⸗ und Sa
Dynakie. ©. 231. **) Chranicon Diopysii Patriarchae *
cohitarum b. Assemani bibl, or. T. I. c. XVI. p. 102 104;
vergl. Abulfed, Annal. ed. Reiske, p. 66: - | re
1130. Weite Aien. IH. Abtheilung. L Abſchei 8.
Epefia, 941 erobern fie Dara und bleiben feitvem im Beige wi
Vander, indem nun eine neue MNeligien zn eine neue dumm
derade Bevölkerung unter dem Schutze des Khalifete
die herrſchende wird. Arabifge Stämme wardern in is
Gupbestiausfähaften und Mefopotamiens ein, wie chriſtliche Berl
kerung wird ungemein verfolgt .unb verblnnt, muhamcderiſt
Gtäpte werben aufgebaut, chriſtliche Kirchen in DRofcheen verwarkdi,
uns alle Berbältnifie des Landes verändern ih. Khalif Abdal⸗
malet, fagt Dionysius Patriarcha, fchrieb im Jaht 6%
n.6.@. in gan, Syrien wie in Mefopotamien einen allgemian |
Genius für vie Chriſt en aus, dem gemäß fid jeder in hei
Haus. feines Vaterß begeben mußte, wo fein Name, fein: Bis
berge, Die Dlivenbäume, kurz alle Güter, bie Zahl ver Sohnen In
wafgezeiihnet und von ihnen Tribut gefordert warb, weit, füg
ver Patriarch Hinzu, das Unglück der Hrifligen Berill«
zung im Laude begann. Denn vorber zahlte man bem fur
besheren, nach ihm, bie Abgaben vom Rande, aber nicht von a |
Berfonen. Dies war der erſte Taadil (p. 4. Zoll, was pie
Charadſh heißt), den die Araber den Ehriften in Rıfare |
tamien auflegten.
Da nun Die alte macedoniſche Nicepborium and kl
ihren roͤmiſchen Nanen Eallinicum wie Leontopolis wert,
und zu einer zein arabifchen Rakka umgewandelt erſcheint, ſe
it es bier an der Gtelle, zu dem was wir ſchon oben über grir-
chiſche Bevdlkerung, griechiſchfreie Städte und gricdi-
ſches Leben zus Seleuciden- Zeit gefagt haben (f. oben Exik
66-71), noch dad Wenige hinzuzufügen, was viefes merkwürdige
Berhältuiß, von dem uns leider nur viel zu wenig ſpecielle Rai
sichten übrig geblichen find, für die obern meſopotamiſchen
Städte betrifft, an deren Spige wol Nicepborium, als die ww
Alezander M. ſelbſt ausgegangene Gründung , geflanden hal
Nicepborium hatte urſprünglich al Eolonie Aleran-
vers wel Wacedonier und Griechen zu Bewohnern, deren An
fledlungen fich aber zu den Geleuriven-Zeiten durch ganz Weir
yotamien und Syrien ungemein vermehrt haben müffen, wie wE
aus den Städteverzeichnifien fo vieler griechiſchen Geleni«-
Städte erfahren, die ſchon Seleucus Ricator (f. Appian. de
beil. Syr. 124) und dann bie andern Seleuciven, feinem Belfyiek
folgenn , andy ylklen Ka oh Covhrat gegründet Haben (Ach
8
Euphratfyſtem; Landichaft: Mygdonia. uai
Steph. Byz. a. a. O.). Daher dad Land dieſer griechiſchen Co⸗
loniſation im obern Meſopotamien, wo fie ber ältern ein⸗
heimiſch⸗ſyriſchen wol das Gegengewicht gehalten gu haben
ſcheint, die niemals zahlreich war (Strabo XVI. 747), nicht um
pafiend mit dem Namen ver macedonifhen Landſchaft Myg⸗
donia belegt warb, da fie. verfelben ihrer Naturverhaltniſſe nach
verliehen wurde (Plin. H. N. VI. 16: Mygdoniam appellaverunt
a similitudine). Syriſche und griegifche Sprache wurden da⸗
ber die wort einheimifchen Landebſprachen des Bells in Myg⸗
donia. —
Diefe lehjtere Benennung dehnt Plinius noch anf ein weitereß
Feld auch bis zu dem Orte der Großthaten Alexanders zu Arbela
aus; Strabo aber (XVI. 747) gibt dieſer Mygdonia, verſchie⸗
ven von der in Macedonien und dem vordern Asia minor, eine
beſtimmtere Umgrenzung, welche mit dem obern Mefopotamien
dem Raume zwiſchen Nicepborium bis Niſibis, was Poly⸗
bins nur noch unter dem Namen Antiochia in Mygdonia
tennt (Polyb. hist. lib. V. c, 51), und ben beiden Zeugma’s zu⸗
fammenfält. Diefe Gegend mit dem, wie «6 fcheint, bei ven aſia⸗
tiſch⸗griechiſchen Coloniſten fehr beliebten heimathlichen
Namen (wie vie deutſchen Coloniſten in Nordamerika bis Auſtralien
auch ihre heimathlichen Namen ſelten aufzugeben pflegen), ſagt
Strabo, liege entlang dem (Taurus⸗) Gebirge, und ſei ziemlich
fruchtbar. Die von den Macedoniern ſelbſt ſo genannten
Mygdanier (Strabo XVI. 747) bewohnten daſelbſt ven Theil
zunächft dem Cuphrat und ber beiden Zeugmas, von dem⸗
jenigen Commagene's bis zu dem alten bei Thapſacus. Sie be»
faßen die Stadt Niſibis, ſagt Strabe, welche auch Antiochia
der Mygdonier Heiße und am Fuße des Mafius liege; des⸗
gleichen Tigranocerta (f. ob. ©. 76), auch die Gebiete von Gars
shae und Nicepborium; auch Chordiraza und Sinnaka,
we Graffus durch Surena’6 und der Parther Gewalt und. Verrath
feinen Untergang fand (ſ. ob. S. 1125).
Das weiter im Oſten liegende Land Gordyene, zu dem
Strabo in feiner Beſchreibung weiter fortichreitet, Das erſt durch
Pompejus M. (Dio Cass. 37. 7) zur xbmifchen Provinz ges
macht wurde, fo wie bie fünlichere Hälfte Mefopotamiens, wo
Strabo die Wohnungen ver Zeltavaber (Arabes Scenitae ebb.
XVI. 748 ) angibt, rechnet er nicht mehr zu jenem Lande Myg⸗
donia. Hier konnte daher auch mol ſchwerlich vis griechiſche Sprache
«
1132 Weſt-diſien. TIL. Abtheilung. I. Abſchnin. {.83.
und Sitte neben der vinbeimifchen gedeihen, obwol viefe Romabden,
"wie Strabo ausdrücklich bemerkt (Strabo XV, 748), innerhalb
ver beiden Ströme, alſo die mefopotaniichen, Doch noch meit mehr
von ven Nömern abhängig waren, als die. jüdlichern, deron Häupi⸗
Inge ſich mehr ven Patthern anſchloſſen, oder als diejenigen, Die
yon beiden unabhängiger entlang dem rechten um des Euyhear
Rramt umberzogen. Ku
Dieſelbe Bereihnung der Myasonen. wi·derholt Strabs
(XI. 527:und XVI. 736): an zwei. Stellen, wo er den: Wafius,
der im Norden fich über ihrem Lande emporıhürmte, und Die Zeng-
ma’d am Euphrat, im W. und S., als die Auedehaung ihrer
| Grenze bezeichnet. - Ä
:: Innerhalb vieſer Begrenzungen, w wo gegenwärtig foR nur Raub
und Biüftemei gevacht wien, erhob ſich damals eine Anzahl beder⸗
tewner Städte, welde wer Gig ausgezeichneter Eultur (wir ja
Edeſſa, Niſibis, Eallinicum) und eines Welthandels (we
zu Batna in’ Sarug, Gallinicum: u. a) wurden, in derea
einheinuſche und fremde, nämlich ſyriſche und grlechifchr Syrad:
und Lireraturin Hochſchulen und Bipliocheten (zu Niſib,
Eusiia, ſ. 06 S. 563, 364) flch ‚frühzeitig zu ungewöhnfihe
Höße. erhoben. Es waren biefe, im welchen eine gewiſſe frem
ſelbſtſtändige Verfaſſung mit eigenthümlicyen‘ Eintichtungen ua»
griechiichem Leben mie In Seleucia (f. oben ©. 70, 123), fo zu
Trajans Zeit noch unter. eignen Dynaſten in Edeſſa, Anıhemas
(f. 06. ©. 114, 117 u. ff.) flatt fand; mo ſich daher andy neben
dem politischen ein höheres religidfes Leben theils in eigen
thämlichen alten Cultus ‚erhielt; wie dem der Atargariö und ber
Sabiemus, feit Abraham bis auf Benjamin :von Tudela's Zeit
(i. :06. .©. 248); oder der. fremde, wie verjenige: ver Juden, im
Lande des Erild am Khaburas ſich verbreitete (#.- ob. ©. 248);
oder die Xehre des neuen Evangeliums zuerſt Wurzel faßte un-
ter. den ‘Heiden, wie zu. Eneffa:(i. 06. 6.118), und daſelbſt fen
während die eifrigften orıhopgren Anhänger‘ gewann, indeß eben aus
besjelben Mitte auch die reformatorijihe Serte der Neſtoria⸗
wer. ihren gewaltigſten Auffhwung, und In der hohen Schule
zu Edeffa ihre wiffenfchaftliche erſte Ausbilvung (ſF. u ©: 106)
erhielt, die fi von da über den ganzen Orient ‚verbreitete. = +2:
Dergleichen. im Ganzen. zuſammenhängende
Art konnten, von einer foldyen Golontfation au n 7
Enſtg und Zurückwirkung auf die Ausbilvung: ——
Euphratſ.; mygdaniſche Staͤdta; ihre Cultur. di 33
uns: ihrer Bewohner bleiben, pie wir haſſer zu beurtheilen im Stande
fein würde , wenn und bie Befchichte ihre Annalen aus: ihrer Frie⸗
Dindzeit unter den Seleuciden aufbewahrt hätte, ‚von denen faum
einige Rezen übrig. blieben, fo wie van der ‚fpäteren Halfte ihrer
Eriſtenz fi faſt nur ganz zufaͤllige Berichte über ihre Role als
Seſtungen, welche fle in dem, Gonilict ver Parther und Sıj-
ſaniden mit. von Rämern und Bezantinern jpielen, erhalten
Guben, ums. einige Auszüge. aus ihren mei in Syrifcher Sprade
in ihren Kloͤſtern gefrhriebenen geiflichen Chroniken über. vie
Kämpfe ihrer Kirche, zwifhen Epijcopen und Barriar-
den, zwiſchen Orthodoxen, Zafobiten und Neftorlanern
(wie im Chronicon Edessenum eined Unbekannten, 67). im
Compendium Chroniei Dienysiani, ®) in de Grego-
zius Bar Hebraeus sive AbulpharagiusPrimas Orien-
tis Schriften, deſſen Ghronicon: u. a. m.), bi6 auch dieſe in der
alles. erſaͤufenden Fluch der roberupden Mubamedaner uniergingen.
Schon nie noch im 10. Jahrhundert von Abu Ifhaf, „Henannt
El Iſthakri, gegebene Notiz von Roha, *) d. i. Cpeſſa, daß fie
eine, Stadt, meiſt von Ghriften bewohnt fei, welche dajelhft über
300, Klößer, vicke. Berhäufer und. eine [ehr große Kirche hätten, he⸗
flätigt die große Vedeutung deſer meſopotamſchen Huſchaſin in
früheren Atiten. —
Unfreing ‚haben. bieſe Vertalimiſie an zurũckgewirkt, wie auf
jede ber audern Städte am Cuphrat, ſo ‚such auf Nssvhorium
es, Callinikum, aber nie Geſchicte weiß dapon nichts zu.
zählen; fie: berichtet nur, was die ‚Era: in, rralkhung: der War
ther betroffen ist: .
‚Die Barsher- treten aber: ern mie ver Schwächung. ber, feleue
eieifijen Gerrſcher, 200. Jahne ppx.der qhriſtlichen Zeigrechung , al8
ſelbſtãndig wrrvende Volker hervor Denn alo des Prolgmäue.Ciij,)
@vergetes von NAegypten ſiegreiche Heere bid Vabylonien vor⸗
drangen (im J. 221: vor Chr. Seh), ſagt der Geſchichiſchreiber ber
Adriſchen Kriege, filen die bis dahin der Seleyriven-Dynaftie erges
benen Paxther vor ihr ab, weil fie die innern Verwirrun«
gen und. Familianzwiſte der Seleuciden⸗Gerrſchaft vor
Mugen Biugen hate Aappianı de bell. Syr. 130). Das politiihe In⸗
* —* h or. T. I. °®) ebend. TM.
— — 100420 26) Abu Ishak, eiber
nah; iör! "Gotha 1889, 4, pag. 42; vergl. Th:
: Bayen. —— et Edessenn. ‚Petrep. 12344... 2
6 Wei-Miens IN. Abcheilung. I. Abſchain. (83.
‚bie. MWart het⸗ ſchon im. thellwmelfen Beſitze Mygdonient
und feiner Ghädte,: und ihre Streifcorps waren his an den Br-
ſicha⸗Slus (Brlit) yorgerungen. Aber eigentlichen Beſttz hatz
Sies namadiſche Volk Doch noch nicht davon genommen, denn Ber:
„ihepigungäanfaltensißser. Grenze, weder am Deugma neh im
‚inne ‚Lande, traf Craſſſus gar nicht an, und Eanmie | ftri⸗
lich, weil ea untrwartet geſchah, einen.großen Teil. eſopo⸗
tamiens, nämlich die mygdoniſche Lanpfchaft, durchſtrei⸗
fen und ausplündern (Dio Cass. XL. 12.; Rain, 232). Eq
ba Ihre e. fiel ein Scharmügel mit dem. ſchwachen Poſten der da⸗
dam varthiſchen Reiterel vor (ſ. ob. S. 1121). Mit ter Schatl⸗
Agleit růct⸗ ‚Anmals Craffus mit ſeinen Truppen in die Caſtcke
und Stadtt zumal in bie griechiſchen Des mefopotemi-
ſchen Randek. (Tüg, Fuimridac adlıcra 5. Dio Gaflins), m
unten. Dita auch; in Nicephorium ein. Dean ven Mache:
Niarn un: anhern, Heljenen, deren fo. viele. nie Mkitfireiser in da
Sen Alzandend geweſen, jegt. die Golonen Myapesisi,
agt Mio:Caſſins, war ver Drud der Parther⸗Obergewalt a |
Marsa, Br; gern gingen fie aber, weil fie große Hefe |
nung auf Die Roͤmer ſetten, bie ihnen ale Bhpilnellenen
‚Ieleunt.imaren, zu dieſen über. unb nahmen fie als Freunde bei fh |
auf. Mur, die. Bewohner von Senpbotium (Tod Zurodemee |
‚olnirogas 5. Dio-Capp. XL. 13) waren verrächeriſch. Mn er |
‚Moie ‚Band. nee Iyann Apoilon ius (Appian, de beil, Part. |
136), der an (hundert; der roͤmiſchen Solbaten In »ie Guam vi, al⸗
welltg ex, Üdh ihnen engchen, dann aber. innerhalb der. Mauera üb
fee perl und fie niederhauen ließ, worauf. dann Eraffus die unt
ærebarte und Ike. Eirmohnfr alg Eclaven verkaufte. Die Lage
Dieiedı Eafrild,, ‚dab ‚ach ‚non ‚Pluarch (Crass. 1) ann Ch
pp. mach Aryian. ‚Parth,, I. Zuvodöton, Sei Appiam. Lę aber
Bmonetia,gemaunt wird, fl: nicht. genau befannt, afer weohr
ſcheinlich in, der Naähe von Nicephoriun zu ‚fudhem,. we, 2 Apr.
BSlorus (Hist, Rom, 11. 11). .2en Graffus fein-Zager auffchlagn
amd ſpdniſch durch varthiſche Geſandte fragen läßt: „ob. Wr
Arartateı mit. Pemnejus. und: Sylla auch wol eingebeat, A.
Auch hei: dam zweiten unglüdlichen ‚elngnge dee Sala
won, dem oben ‚al abe. .iar,, haben wir geiegen, naß Jamel;ä dies
sine; den) Aziocen heffemungte ‚Gtapt a a
123 Ingns; des gefchlagenen Röuıerfeftheunn. auf, eher
— ‚hen, malen, ‚Parsber ‚a ne
—
= ji
. f
a
=.
’ n wa *
J
Euphrarf.; erfie Parthereinfaͤlle in Mygdonien. 1137
Thore dffuete, um Abe innerhalb feiner Mauern eis Afyl zu Be⸗
zeiten und ‚feine Rettung berbeisufüßen. Die Wachtpoſten ber:
Stadtmauer verſtanden fogar die lateiniſche Rede des Slücht⸗
lings, ver ihnen in ver Nacht die erfle Kunde von Braflus ver⸗
lorner Schlaht uf. Ä
Bei dieſem Feldzuge war ed, daß nach der Geſchichtſchreiber
Angabe (Appian. de bell. Parth. 153) dem Craſſus von Su⸗
rena, dem Feldherrn des parthiſchen Königs Drodes, die bitter⸗
fies Dormürfe gemacht wurden über den Treuebruch, deſſen ſich
die Männer gegen fie, ihre Nachbarn, ſchuldig gemacht hätten, wo⸗
für ſie nun häüßen ſollten. Denn nur Spott konnte es von den
tiktteraten. Parihern fein, den geängfligten Feldherrn au das Ufer
des Euphrat gelsiten zu, mellen, damit er dort den neuen Trası
tat untenrſchöeibe (App: I. ce: Surena dixit jam inde pacses
esse Orodi regi em Homamo :;popula; füedus: hate oportane
seribi quam vegesint ad Auvium:. Saletis enim, inquit, vos Bar
meni. abe 'adınedamı ‚esse pattorum memores —). Ventidtus
radchte zwar dieſe Niederlage des Graſſus (f. ob. ©. 922), IE as
aber doch dabei bewenden, bie Pariher nach Meſopotamien und:
Medidn zurückgedraängt zu haben (App: L c. 156), um des M.
Antonius Ned wicht zu erregen. Unter. Kaiſer Auguſt und
Tiberbus war der Cuphrat die Nömergrenze geblieben (Tar:
ch. Aünal: IV. 3); tie aber 4 Regionen befegt hielten. Die Ware
tther Wehen: ſich fogat vie Wiedereinſezung ihres zu Tiber geflüch
teten Veinzen Artaban auf ihren Thron gefallen, und brachten,
als vie romiſchen Legionen dieſen bei dem Zeugma über dan Exe-
vꝓhrat begleiteten, dom ploͤgzlich zu weißſchäumigen Wegen,
ohne allen Regen, angefhwollenen Strome, in befler
brillanter Kräufelung fie Königsdiademe als gutes:
Dmen zw fehen vorgaben, dem Cuphrat nach Ihrer Sitte «im,
Bferdeopfer (Tacit. Annal. VI. 37). Au unter Gleupiug,
(f. ob. ©. 991, 993) hlelten innere Bamilienzwifle die Pazther
von ven Mömergrengen zusüd, und zur Belt Trajans ſehen win
and ſcinem Durchzuge durch das alte Mygdonien ſ. oben Ga
447, 118), daß auch damals die Barther Erin grofies Acherge⸗
wicht in obern Meſopotamten autäbten, wo ber. Aaiſto vie le
kleinere Häuptlinge noch immer im ſelbſtändigeren Be»
fige der mygdoniſchen Städte vorfand,, welche demnach noch
lange Zelt hindurch Gelegenheit gefunden haben müſſen, nach pige»
nem Gutdunken ihre Angelegenheiten zu verwalten, wie ſich dies
Ritter Erdkunde X. Cecc
AM
1140 WebAfen. BIT. Abtheilung. 5. Abſchnitt. 43.
mygbonifche Landſchaft, durch welche nach und nach bie fo eigen⸗
thümliche ſy riſch⸗ ⸗griechiſche Coloniſation, eine gemiſchte,
verdrängt ober unterſocht werden oder ausſterben mijn
Dieſe wilde Horde der heldniſchen Araber war durch ken
Saffantvenkönig Cavades (Vater Khosroes in das Land ge-
zogen (Cavades ... . Arabes cuactos in Sarugum immisit, 1.
Jos. Stylit. Chronic. ), unftreitig um. bie ihm fo tapfer widerſtee⸗
benden verhaften Städtebewohner Mygdonias zu züdtigm
und zu ſchwächen. Denn diefe Araber waren es, welche Diefe
ganze Landſchaft von Batna bis an ven Cuphrat verheerten, au⸗⸗
plũnderten, ſengten und brennten. Zum erſten male bemerkt bei
diefer Gelegenheit wer in den ſyriſchen Geſchichten dieſer Ränder fe
singeweihte Aſſemani, daß Inf, St hlites den Namen Gasıy
(vielleicht wie. das nahe Haran nach Abrahams Bruder, fo Sa ⸗
zug nach Sorug, dem Ururenkel Sema und Urgrofvater Ra
hors, Tharas und Abrahams, nach 1.9. Mof. 11, 22-9, 3
naunt) für dieſe Landſchaft gebrauche, ver bis dahin ganz unfefaunt
geweien. Von nun an gber, wo bald der Name Batna verfhwin
bet, blieb diejer der. vorhemfchenne, obmol er anfänglich no mül
jmem gepaart bei ben Zeitſchriftſtellern jener Jahrhunderte in den
Ausbrüden „Batna Sarugi,” ober „Batna in Saruge,”
oder „Batga quae in Sarugo” gebraucht ward, niemals aber
etwa Sarug et. Batna, als zwei belondere Stäbte bezeichnend,
wie dies fpäter irrig bei Erfläreen in Gebrauch gekommen. Batns
war eine Stadt und Caſtrum zu jener Art mit Mauern, Ge:
zug aber war niemals eine Gtabt, ſonpern eine ganze Land-
fhaft, yon. weicher auch die Dibceſe, ‚der en St. Sacotih
yorfiand, And ibr Epiſcopus ven Namen Saru gensis erhk
Diefer Jacobus iſt der exſte, welcher von Sreg oriui FA
Hebraeus, 73). in feinem Chronicon ad, ann. 535 u. Gr. c
mit dieſem Titel belegt ward, der noch jene
Didcefe mit Ruhm überlebte. Denn feine gelehrten Krbeiten, h
albungsreichen Sermonen und Tractaten, werben fiber Du
aßen ger: bunt; allein 70 Amanuenfes fol er ‚sehabt. haben,
mit Abſchri feiner fo geſuchten Sermonen beſchäfligt waren, De
sen man ber. Zahl nach 760 angab, außer vielen | iu
Epifteln, Hymnen, Cantifen und andern Werfen, die von ihke ie
rüßrten, Bon Ionen fol er and, den Serme de Maria ed
v2 ,'
— —.
u) GregorliB Bar Hebr Chron. 5. Assemanl, Eike. Degen.
r
|
|
|
}
—
Euphratſy ſtem; Neephorium, Rakka. 1139
3. Erläuterung.
Kafka, die Muhamedaner-Stadt, von ihrer Gründung bis
auf die Gegenwart.
Zu dem, was fehon im Obigen über ven jüngeren Zufland
diefer Stadt am Euphrat, zu Edrifi's und Benjamin's Zeiten, als
großes Emporium gefagt if, Haben wir noch folgende Nach-
zichten auß den orientaltfchen Autoren hinzuzufügen. Nah Greg.
Abulph. (Hist. dyn. p. 112) if es in demfelben Jahre, in wel⸗
Gem Omar die Saffaniven aus ihrer Reſidenz Mapain (im I.
633 n. Chr. Geb., f. oben S. 173) verjagte, daß aud die Staͤdte
Rakka Co. . Callinikum) am Euphrat, wie Amida, Nifibin,
Zur Abdin (f. oben ©. 1115), Mardin, Saruj und Rohe
(Coeffa), alfo alle mygdoniſchen, In die Gewalt ver Araber
Tommen. Iyas, Sohn Gunmis, wird als der Eroberer genannt;
Habib, Sohn Mufalma’s, ald derjenige, dem ſich Kerkeſitum In eb⸗
nem Vertrage übergeben, worauf dann der Gau von Baflra und
Mabain eingenommen wurde. Jyas iſt offenbar der In demſelben
Jahre auch beim jakobitiſchen Dionys. Patriarcha (in Chron. Dio-
nys. Assem. II. p. 103, ad aon. 637 p.X. n.) Afuß, bel Theo⸗
phanes Jasdus (dv. 1. Jasd) genannte Araber, welcher mit ſei⸗
nen Talern (Tajos nennt fie Dionyf.; einer ver maͤchtigſten
Arlbus aus Nefd, In ven Bergen bei Medina, von dem das
mals die Araber Überhaupt benannt wurben) 71) Edeſſa befehte.
Dies feinen naͤchſt ven Älteften ſcenitiſchen, aber noch
heidniſchen Arabern, die ſchen Strabo im fünlicheren Mes
fopotamien kennt, wel die er ſten muhamebanifhen Aras
berfämme zu fin, die ſich aus dem centralen hohen Arabien
Ger heutigen Wahabiten) im obern Mefopotamien- oder in
ven eigentlichen myg doniſchen Landſchaften am früßzeitig«
fen nievergelaffen Haben. Denn eine fon um 100 Jahr frühere
(im Jahre 503 n. Ehr. Geb.), von dem Joſ. Stylites verzeich⸗
nete, 7) Einwanderung von Uraberhorden na Batna,
in der einft fo reich cultivirten Landſchaft Sarug (Sarudſh,
nur eine Tagreife im S. W. von Eveffa, f. oben ©. 1119), brachte
auch, jedoch nur noch nihtemupamedanifche, Araber In dieſt
?!) Chr. Rommel, Abulfedae Arabiae deser. Götting. 1820. 4.
”) "Assemani, BibL or. T. 1. c.XXVIl. 8. Jacobus
: Erin, Barug. p. 283.
Eee 2 .
re A"
an 1
Here Mefopotamien, fo daß Mafar (bei Edriſi lets Mob: |
- Rebia, ber bei der Erbſchaft ſeines Vaters Pferde erhielt, heiht
11AR Wefl:Afien. II. Abtheilung. J. Abfchnitt. $.23,
men, werben genannt: Moful, Beh Garme, Heza, Marg, Cau⸗
fapur, Refa, Coche (f. oben S. 166) und Salache.
Welcher von dieſen Einwanderungen nun auf vie Grim
bung der muhamedaniſchen arabifhen Rakka auf den
Trümmern Nicephoriums zukommen mag, bie Edriſi ne di
Anikos kennt, wiffen wir nicht; aber die Sage, welcher fie ihre
Gniftehung, und daß ganze obere Mefopotamien feine muhe-
medanifche Geftaltung verdankt, IR nach unſers hochverchein
Gonners Duellenberichten, denen wir aus Dem unerſchopflichen
Reichthum feiner bewunderungswerthen orientalifchen Manuſcripien⸗
fammlung ſchon fo vieles lehrreiche für eine fortſchreitende Gregre
phie des Orients verdanken, folgenve, die den damaligen Cultutze⸗
Fänden der nomabifchen ingewanverten auch nicht unangemefn
zu fein fcheint.
In drei Landſchaften (Diar) theilten die Araber we
Infel (Dfpefire) zwifhen Euphrat und Tigris m
drei Stammovätern: den beiden Söhnen NRefars, *) we
Rebia und Mafar (oder Modhar) hießen, und nach Ber, vom
Sohne Wails. Ber Tieß fih Im nörblichften Teile Meſo⸗
potamten8 nieder, dem Gebirgslande, dad nad Ihm ven Ram
DiarsBefr, „dad Land Bekr's,“ erhielt (Diarbefr, web |
alte Amida). Die beiden Brüder tHeilten fi in das füdli⸗
bar) 9) am Euphrat zu Rakka, aber Nebia weiter abwärts
und oflwärts am Tigris, zu Moful, Ihre GHauptfige nahmen.
daher Rebiat ol Fars, d. i. „Nebia der Pferde;“ Mafer
(over. Mod har bei CEdriſi), welcher die Efel nahm, Maſar ol
himar, d. i. „Maſar der Eſel“ (ver Name Maſar fommi
ſchon als mediſcher Name, MaLaons, wie v. Sammer bemerkt
vpr bei Polyaen. VII. 3. $.4). Unter diefen Gintheilungen, näm
Ich Diar Bekr, Diar Rebia und Diar Mafar oder Die
Modhar, die aljo uriprünglih von Nomadenftämmen karte
men, wurde erſt unter Sultan Selim (1515 n. Chr. Geb) Died
mefopotamifche Land durch, Bickli Mohamed Paſchet
Eroberung zu einer Provinz des aroßen türfif-oömasi-
arm Reihe,
2 ir
\
Kenetmmntten [
- Ps x a
Euphratfoftem; Ralka's Entſtehung. 1143
Makka war, nah Roha (Edeſſa) die zweite Kauptſtadt
des Diar Rebia, nach jenes Nieverlaffung genannt. Der Name
Rakka, fagt dad Lexic. geogr. 5. Schultens, 89) bezeichne ei⸗
gentlich ein Land, von dem das Waffer abfliept, alfo wel
ein „bewäfferter Landſtrich“ (terra unde aqua deflüxit 1.c.);
vermuthlih vom Belicha, der, auß vielen Quellen zuſammengelei⸗
tet, von Haran nach Rakka abfließt (ad Raccam defluens ex agro
Charrensi l. c.) und fh zum Cuphrat ergießt. Bon biefem
Haran (Carrhae) liege Rakka 3 Tagereiſen entfernt. Diefe Be⸗
nennung beſtätigt Golius, der bemerkt, 2) daß Rakka (Ar-
raca) überhaupt im allgemeinen einen bewäſſerten Landſtrich
bezeichne, mit dem vorgeſetzten Artikel Ar Rakka aber die
Stadt, welche die Capitale von Diar Modzar (was bei Jau⸗
best Modhar, bei v. Hammer Maſar) ſei, wie Niſibin vom
Diar Rebia und Miafarekein (wie früher Amida) zur Blä⸗
thezelt des Khalifen Almamun die Hauptſtadt von Diarbefr.
Schon unter Hafbem, dem Ommajaden, ber von 724 bis
743 als Khalif regierte und feine Mefidenz an der Südſeite des
Euphrat zu Rufafa hatte (f. oben S. 1089), ſcheint die Stadt
Rakka zu einiger Blüthe gekommen zu fein, vie gewöhnlich erſt
dem Khalifate Harun al Raſhids zugefchrieben wird. Er jchenkte
der Eultur des Landes, zumal der Bewäfferung ber Uferland⸗
ſchaften, viel Aufmerkſamkeit, und e8 wäre wol möglih, daß eben
duch ihn das danach benannte Stadtgebiet von Rakka erſt
feine Benennung erhalten hätte. Der Jakobiten - Patriarch Die-
nyſtus fagt Im Chronicon beim Jahr 731: daß Hafhem 82)
(Sisciam) den Zaitun⸗Fluß abgeleitet und befohlen habe, meh
rere Städte und Dorffchaften an Ihm. zu erbauen. - Der Fluß
ift fonft nicht bekannt, wol aber ver Ort Zaltha (f. ob. S. 140),
weiter abwärts am Euphrat, In deſſen Näbe dieſe DBewäflerung
flattfinden mochte. In der Nachbarfchaft leitete Haſhem noch de
nen zweiten Klug, Beth⸗Cales genannt, auf gleiche Welle
zur Verbefierung des Landes, und an biefem erbaute fein Bruder
Caſtelle und Dorfichaften. Derſelbe Khalif, fagt pas Chronicon,
Heß im Jahr 741 gegenüber von Callinikum eine Brüde
‚über den Euphrat ſchlagen, unftreitig um die Verbindung
zivifchen den an dem Südufer des Cuphrat eben daſelbſt (ſ. oben
20 In Vita Saladini s. v. *°) J. Golius ad Alferg. p. 252.
22) Chronic. Dionys. b. Assemani Bibl. or. II. p. 106.
Aa Wefldlien: TU, Astheilung, I. Abſchuin. 5.13.
.&.1114) von ihm erbauten Schlöffern, vie auch auf ven Bis
‚na Rufaphe führten, eine bequeme Gommunicatien berusl
‚ken. Es kang wol wegen der Breite des Stroms keine audte aid
‚eine Schiffbräde geweſen fein. Ueberhaupt muß er bauicfig
geweſen ſein; denn an bem Ban einer Zigrisbrüde bei der Eimkt
Amida, fagt daffelbe Chronicon vom Jahr 743, wurde er nut
‚feinen zu frächen Tod verhinsert. |
f Früher alß au Haſhems Zeit finden wir aber ben Mamırn Relle
„für Disfe Stelle Callinicums, wie fie Dionys. 1. e. noch neunt, mt
vor; wahrſcheinlich ward die dortige Laudſchaft durch feine Baer
leitungen vom Belt auch erſt in eine ſolche Rakka verwandelt.
Auf dieſe Verhältniſſe der Stadt bezieht ſich unfreitig die
Stelle bet Edriſi, ver fie zur Hauptſtadt von Diar Modhar
macht, welche wir ſchon früher anführten (f. ob. ©. 238); daher
ee auch den Weg von Rakka über Roſafa Keil Reſſafa) neh
Höms (Emeſa) genauer beſchreibt 82) (f. ob. ©. 1089).
Dem Khalifen Harun al Raſhid (reg. 786 bis 808 n.
Chr. Geb.) ®) ward die Stadt Bagdad als Meflvenz zumibe,
dedhalb er bald in Rakka, bald in Rai (Erdk. Th VII. ©. 5%
und ob. S. 201) fein Hoflager aufſchlug. Er machte Rakka,
fagt Greg, Abulph., 8) zum Staatsgefängniß der von ihm
verfolgten Barmakiven (f. ob. S. 197); dann erbaute er ſich de⸗
ſelbſt aber auch einen Pallaf, ven er eben fo wie den von feinen
Großvater Almanfur in Bagdad erbauten benannte (f, ob. S. 186).
Auf feiner Reife von Rai ging Sarun al Raſhid, fagt Abel»
feda, an den Thosen von Bagdad, ohne In dieſe Neflvenz daze
treten, vorüber, um nur nach Rakka zu fommen, und von Rakka
‚relfete er zum Ichten male Im November des Jahr 807 nach Chr
Geb. ab in den Orient, um nie wiever dahin zurückzukehren, weil
fein Tod unmittelbar daranf erfolgte. ED) Die Ueberreſte des Bal-
laſtes von Harun zu Rakka, fagt ver türfifde Geogtaph im
Dfhihannuma, 87) felm noch zu. feiner Zeit (Gadſhi Chalfa, der
Berfaffer, ſtirbt im Jahre 1659 nach Ehr. Geb.) zu fehen; en
renwolff ſah fle und Cheoney hat fie in ſeiner Gupfrasfarie da
°*) Edrisi b. Jaubert. I, ‚P 137, fl Abulfed. Amank Ma
ed. Reiske. p, 159— A ul Pharag. Hist, dynast,
p. 151; vergl, b. Abulfeda Lc. °*) Abulfed. Annal,
Mon J ©. m 168, 437) v. Hammer, eemauiſche Geſchicur. I, Il,
N
"m Er zn —
Euphratſpflem; Rakka, Harun's Aefidenz. 1145
getragen. Or gen Harum an dieſem Orte verweilte, fo zuwider
war dieſe Reſidenz ſeinem Nachfolger, dem Khalifen Almamun
(vg. 814 bis 833), weil ihm von ven Aſtrologen verkündet war,
Daß es in Arraca flerben wũrda wie cd auch geichah.%) Dean ale
er vom Feldzuge aus Aegypten gegen das Römergebiet in. Syrien
zurückkehrte und fein Zeit bei der gefunveften Quelle Bodo adun
aufgeſchlagen Hatte, daſelbſt aber erkrankte, fragte er nach vem Nas
men des Ortes, den man Arraca (v. i. bie Bewäfferung, wie
fo viele) naunte, worauf er (nach Mirchonde Erzahlung) ſogleich
ſich auf fein Ende vorbereitete, uch ſtarb und in Tarſus begra⸗
ben ward. Unter dieſem Khalifen Almamun, ‚der wegen. feiner
aftronomifchen Keuntniffe gefeiert murde, und in ber Nähe von
Rakka, nämlich gegen Nordoſt von da, am Khaburas in der
Ebene von Sinjar (f. ob. ©. 1007) den erſten Meriviangrap
der Erbe von einer Gefelljchaft gelehrier Aſtronomen und Mathe⸗
matifer wirklich vermeſſen ließ, 89) machte der berühmte Aftronom
Muhamed ben Ketiri, genannt Al Ferganus' (ver im Jahre
833 ftarb), feine Beobachtungen zu Rakka, und ſchrieb feine Ele-
mente der Aftronomie, wie ber Gelehrte 3. Golius mit fü
reichhaltigen Noten auägeflattet Hat.
Im 10. Jahrhundert war Rakka noch fehr bluͤhend; ; fie wer
Damals nad; Abu IfhaEW) die größte Stadt in Diar Mohr
har. Schon.werden von ihm bie beiden Geſchwiſterſtärte Rakka
und Rafila neben einander genannt, ale verbundene, in dee
son jeder aber eine Hauptmofchee fich befinde, die beide auf ber
Dfifeite (d. L bier das Linke Ufer) des Cuphrat Ligen. Sie
lagen auf einer Ebene, vie fehr fruchtbar, und waren reich an Bes
wäflerung und Obftbäumen. |
Daffelbe IR es, was nur von Edriſi wiederholt wird, der ven
Abu Iſhak oder Em Haukal wol vor Augen gehabt zu haben
ſcheint. Do hebt er vorzüglich dieſe Stadt zu feiner Zeit als
großen Handelsplatg hervor, zu welchem von Bagdad aus
Die größten Karamanen und Waarenzüge gegen Syrien, Aegyp⸗
ten uud dab Land Der Römer gehen (f. ob. ©. 236). Daffelbe
beflätigt Greg. Abulpharag, 2) der file den Mittelort zwi⸗
9°) Abulfedae Annal. Most. ed. Reiske. p.188; und J. Golius in
Alterg. p. 252. °°) Golins ad. Alferg, Klementa astron. p. 18
und 68-— 74. °°) Liber olinatumı 9d. Moeller I, c. p. 42.
9°) Hist. dynast. I. e. p. 203,
Fi
[2
1146 WeftsAfien. IH: Abtheilung. I. Abſchain. 8.43,
fügen Bagdad und Haleh nennt, der ungemein Häufig beat
werde
Nah Jakuti ſoll Rafika (oder Raphika) nur die Verſett
von Rakka fein; Ibn Sayd nannte aber Rakka auch el
Beidao, d. t. „bie weiße Rakka,“ wol im Eegenfag ver mc
unterhalb gelegenen Raphika, weldhe auch die ſchwarze Raflı
hieß. %) Bon beiden war bie dritte, Rakka Wafit, %. Li ke
Mittelftapt, verfchlenen, weldde auf vom Güpufer des Enphret
lag, in welcher zwei Palläfte Seſhams, auf dem Werud
feiner Reſidenz Rufafa, erbaut waren. Rafica, fagt Bolins,®)
fol von Almanfur (alfo früher?) erbaut worben fein, nad ie
| Form Bagdads, kaum eine Drittel Millie von Rakka fen, ie
! daß beide nur eine Stadt zu fein fchlenen, obwol eine jede deqh
durch ihre eigne Mauer umfchlofien war. Zu Jakuti's Jet (a
| ſtirbt Im Jahre 1229 n. Chr. Geh.) war Rakka zerfört; abe d
erhielt fich ihe Name in ver andern Rafika, der man nun anf
den Ramen Rakka beizulegen begann. Die Ram en
weißen und ſchwarzen Stadt find wahrſcheinlich nad im
politifch-religtöfen Parteiungen 9) der Araber und Berfer is
Mefopotamien entflanven, welche als Abzeichen weiße und ſchwarzt
Kleider trugen, davon die erfien auch bei den Syrern im Chra.
Dionys. mit dem Namen avar, i. e. purum, album, belegt wer
den, die Perfer aber mit dem Beiworte: uchama, i. e. nigrem;
daher auch die Perfer bei Theophan. ad ann. 741 bie Maure-
phori genannt wurben, weil fle ſchwarze Kleider trugen, wie
die Arabers Partei weiße Kleider, darin fie oft zu Gefechten
girgen. Schwarz war bie Farbe ver Abaffinen, fagt Abal⸗
feda, 9) welche Rafeka erbauten, wie grün damals bie Fark
der Aliden war. Die Specialgeſchichte der Erbauung ber drel
—Raktka's, bei welcher diefe verſchiednen Factionen nicht ohne im
finß geweſen zu fein fcheinen, iR uns unbefannt geblieben.
' Zu den fehr wenigen Augenzeugen, bie und im ben lecker
I Jahrhunderten von Rakka Bericht geben, gehört zumal ins Jaher
1574 der Nürnberger Dr. med. Raumwolff, ver nach einem Re
nat fehr langſamer Schiffahrt, vol Gemmungen aller Art, «m
93) Index geogr. in Vita Salad. b. A.Schultens. °.)J. Gohs
ad Alferg. p. 258. - **) Chronic. Diönys, 5. Assemaai hibl
er. T. II. p. 108, 108. °%) Abulfedae Annal, Mesl. od
Reiske. p. 174. ‘
Euphratſyſtem; Rakka zu: Raumolfs Zeit. 1147
9. September In der Stadt Rakka, 9) welche damals fehon dem
türkiſchen Kaiſer gehörte, landete. Sie liegt, fagt er, an den
Grenzen ver Wüflen Arabise, am großen Euphrat zwiſchen zwei
Höhen, daß fie nicht eher, bis man dicht davor, zu ſehen if. Dabei
iſt das Schloß eines Sandſhak, das ſammt ber Stadt 1200 Spa⸗
his zur Beſatzung vom türkiſchen Kaiſer erhalten Hatte.
Die Stadt fand er ſchlecht erbaut und mit Mauern übel ver⸗
wahrt, die erſt nach dem Verfall ver frühern aufgeführt fein konnten.
Neben ihnen ſah man noch die Ruinen ver alten Mauern
in zufammengeftürzten Bögen und Stockwerken, darunter aber andy
noch eine vorhandne fehr alte hohe Behauſung, .vie noch
ſtark war und fo gewaltige Auſehn Hatte, daß fie ihrer Ruinen
ungeachtet fich als ein altes Königefchloß barftellte.
Zwiſchen dieſer verfallenen und ber neuern Stabt ſah
Raumwolff noch ein andres altes Schloß, weldges ziemlich
ſtark und mit türkiſcher Beſatzung gut verwahrt ſich zeigte, zum
Arug und Schub, an der Grenze von Arabien und Perfien. Dies
mögen wol die Reſte der Balläfte von Harun al Raſhid
und von Almanfurs noch frühern Anlagen fein, welche durch
der Mongholen Durchzüge unter Hulaku Khan (im Jahr 1260)
nach Ausfage der Binwohner, wie Raumolff daſelbſt vernahm,
ihre Verheerung erlitten haben. Doch iſt uns hierüber, wie über
die ſpäter erfolgte wahrfcheinliche zweite Zerfidrung durch Timur
Bein genaues Datum durch bie Geſchichtſchreiber überliefert. Oeſter,
fagt Rauwolff, Habe er von der Höhe dieſer Trümmer, wo ex
in Ruhe gefeflen, dem Rennen, Lanzenwerfen und Gtechen ber tür⸗
Tifchen Reiter zugeſehen, die biezu Leinen andern Wablplag in ber
Umgebung bed Ortes fänden, als auf ver Trümmerebene der ehema⸗
ligen Stadt. Gegen die Bladereien ver Zoller, wie ver Reiſende
bier die Douaniers nennt, ward er durch vie firengere Zucht des da⸗
maligen Paſchas, der zu Karahemit (d. i. Amida) reſidirte, geſchützt.
Ein arabiſcher König (d. i. ein Emir) mit feinen 3— 4000
Kameslen, mit Bich, Roß und Mann, Familie, Hab und Gut, zog
damals, als Nomade fein Standquartier gegen einen andern Weide⸗
play wechſelnd, an der Stadt vorüber, deren Thore man bei vieler
—— zuſchloß, ſich ihrer nichts Gutes verſehend, obwol ſie
jegt in Freundſchaftsbunde mit dem türkiſchen Kaiſer ſtanden, mit
* Bauwelfen, Bei Beigeitung der NReyß x. a. a. O. Th I
ap. ©.
D
1148 WeflAfien. II: Abtheilung. :I. Abſchuitt. $.43.
deſſen Leuten fie jedoch ſehr oft in Streit gerieten. Bon guten
Yaudbau, : Ohftgärten : over ſonſtiger Cultur thut Rauwolff de
mals Heine Erwähnung. Er fegte von da (am 27. Gept) fem
Flußſchiffahrt weiter abwärts fort. oo Ä |
Seitdem fehlt ans jede neuere Nachricht von Rakka dark
Augenzeugen; biß auf Gheaney, ver auf feiner Karte Dis hall-
Euehörteäben Stabtmauern an. Norden des Zuphrat und im We⸗
fen der Bellfeinmändung verzeichnet, in welchen sr den Ballafl
Garumtſal Rafhins am ihrer. nordweſtlichen Ede alt vie Sick
feiner aſtronomiſchen Beobachtung einträgt.
: Im der Mitte der Stadt gibt er «einen Xhurm, an ber fü
weſtlichen Außemfeite ein Gaſtell an, gegen Müheft. aber ebendafrib
‚einen Khan. Be Ä
In ver Nordmauer der Stadt gibt er das Timurthor en
und daneben einen Tempel, wol eine Moſchee; außerhalb ve
Stadtmauer gegen Of einen Wallfahrtsort ver Bilger (da
Biyaret), und im Süden veſſelben einen Hohen quadratiſchen
Xhurmban.. Dar Winkel ver Laudzunge zwiſchen dem dw
phrat und dem Belik, welche ſich feine Halbe Stunde von be
Stadt gegen S.D. vorſtreckt, äft nach Ainsworth heutzutage mit
einem beventenderen, dichteren Uferwalde, Aran 9) genemi
(Amran bei Chetney), bewachſen, der ganz aus Tamarisken,
Bappeln und weifen Maulbeerbäumen beftcht, und ſich fe
weit ausdehnt, ald das Auge reicht. Doc ſcheint er nach Ehe
we y’3 Karte im Ofen vom Belik⸗Fluſſe begrenzt zu ſein, am
deſſen Mündung aber ver Cuphtat fehr flarke Windungen wach,
zwifägen befias Urmen einige ſehr große Auen ſich ausbreiten, am
serhalb derſelben jedoch das Fleinere Tifergehälz wieder quf welter
Strecken anzuhalten feheint. Die Anhdhen Iegen unterhalb Rakka
vom Cuphratufer entfernter als zuvor.
Die zunaͤchſt ſolgende merkwürdige Uferlaundſchaft des
Eunphrat iſt diejenige, in deren Gegend fich bei Kürkeſtum ver
Khabur (Araxes ſ. ob, S. 13; Abora f. ob. S. 120; Abor⸗
ras ſ. ob. ©, 247, aus Sinjar, Niſibis, Haran, Ebdeſſa,
Reſſaina kommend) in den Gauptſtrom ergisft. Da feine Quel⸗
len aber ſehr nahe dem Tigrieſtrome enifpringen, mb: an fol
Stromgebiete bie widtigften Loralitäten ‚zur Keantif er Innern
Sandfchaften des obesn Mefopotamiens liegen, ſo werden wir
eiſt dieſet Tünnergriier um won atece Sant Det Feuer
21, Alasworth, Res. in Barıt.\.c. 9. MR.
An. =.
Euphratfoflem; Khaboras, Uferlandſchaft. 1149
ten Tigrisftromes ſelbſt verfolgen mäffen, che wir zum mitte
lern und untern Mefopotamien, mit ben beiden gegeneinander
ſtark convesgivenden und einander ungemein fih näh ern den
meſopotamifchen Strömen vom Tigris zum Euphrat!unh
ihren inſulariſch eingefchloffeneen Ufergebleten, oder den meſopota⸗
miſchen, in ver näͤchſten zweiten Abtheilung unſrer Uaurſe huungen
zurückehren.
— —
1 J 4
Nothwendige Verbeflerungen und einige Drusite. «
Eeite 9 Zeile 8 von unten ließ Ströme Ratt Stöme.
&. 10 3. 12 v. o. ließ 8 Ratt D Ta; ſche. J
em 3.9 v. u. ließ Graciza fast. raciha.
©. 12 3. 2 v. n. ließ nahe ſtait an m. f. v.
©7 3.5 v. u. find die Worte: „bie WRofhiihen-Berge fonnen Pr 49
u berichtigen nad. em, mas ©. 816 diefe ‚Stelle gefagt iR.
©. d 3.160. if —— gu leſen Simyra, und RL 12
Pa zagtigen nad dem, 833 barüber beigebracht
v. o. Tieß Land Doron Matt Doron.
2. 0..leß „Richt von Viefem untern egih,. fendern.
FR mehr mörblihen, von welchem &..116 3, Mi vor zn ve
6 ER“ Matt wie dort Mae man dieſem Elegla u. f w.
S. 1160 3. 18 v. o. find bie Worte Thapfacus, Iengme und“ zu Äste
den, wach der Berichtigung: weldhe ©. 986 angegeben if.
S. 01 3. In o. lie —8* ſtatt Bhropheien.
©. 351 3. 16 v. o. fait des Fragezeichens im Klammern iſt bie is.
tunft darüber ©. 558 nachzufehen.
©. 389 3. 16 v. o. ließ Ararai flatt. Mrarab.
Em. 3. Bi u. Üeh „enördlih von Gentziich u. ſ. m)“ Rott ö
6 u. ſ.
©. 400 3. 6 ». u. wie ©. 407 u. a. a. D, gdR fa Sachenla ut
Pr “a. Fr anlı Ang —— eh eh 2 *
er er er fen: e ap A er
gem de hal om Ani 4 Ha
der Bolanller aus Jena, welcher einen —8 —— —*
ai
&. 552 3.5 vn. find Sie "Motte ,„benacbart'Atzerum“ zu Aecihen,
da biefes Thortan, wie das S. 776, mit mit dem nörblidien Thor⸗
, seen ober Tortum, S. 754 ober 825, zu verwechſeln IR. u
Eu uv» Wi tt „Arares” richtiger obern Murad.
3 v. 0. flatt IN 9.
I 9. v. o. fiehe für ers bie ie Deriättgung biefer Beuennyı ing
m he Ber Wort. Tefieh fo viel ale Klofter bebi nn
u, Graum“ WG Urum, nah dem was ©. 1
Be ift; wonach bie Ekel ©. 940 3.15u. em
vo X Berne fändigen fein wird.
Gens. Mn 3 u o. iſt = ge Ballis“ zu vergleichen, was ſpoter S.
een einmolegfhe geant at if
6. Prey ů vo. — ua K felden Worte bei Potyb. X 18 Weil
dies Bragment erſt aus dem Strabu dem Polyb. vindictrt worden iſt.
7
—E
Nachtrag zu den Hoͤhenmeſſungen.
Zu ©. 900.
Zur —— der armen iſchen Höhenangaben fdım
Bier die Wefultate von Eh. Terier’6 Barometermefiungen, wei a
deien legt erſchienenem Cahier ver Description de l’Arm£nie,
la Perse et la Mesopotamie, T. IV. Pianche 176, fin
Moutier von Trapezunt bis Diapim im Metres eingetragen fl, |
wozu aber noch der Text fehlt. Diefe Angaben kounten in obigen kim |
Dad noch nicht beuupt werben; Re folgen Hier im Pariſer ui md.
L Rontier von Trapezuut aber Baidurt und den Koyp-Dazgh
(ven auch Kinneir, Hamilton, Ainsworth überfliegen, f. ober €. 76,
145, 825) nah Erzerum.
1. Trapezunt, Hans des franzöflfhen Eonfuis, 270 Fuß Bar. il.
dem Meere. |
3. Dievislif, 1146 8.
3. Khan Kara Kapau, 5558 $.
Gehirgtsag: Station, A. 7162 5.
— — B. 8105 F.
4. Ralabad Bogazi, 7646 8.
5. Gtation C, über dem Dorf Korom, 8040 F.
Station D, auf dem Korom Dagh, 8655 8.
6. Biefernif, im obers Tihorufthale, 5018 5.
7. Jenl Kupru, ebenv., 5114 $.
8. ne am he, m %.
®. n E, am Rorbabhange des KopeDagih, abwärts eıner kai
fen Duelle, 6148 %.. * s» ”
10. Gebirgeſtation F, weiter fübwärts, 8319 J.; mamenlcos bei Terier.
6 * der Kop Dagh, die Waſſerſcheide zwifchen Thherck m
Frat. Man hatte ihn früher 9000 bis 10,000 5. hoch geſchatt
11. Kocha Bangur, am Zufinf Armin zum rat, 6728 8
22. Dorfebene im R. des Cuphrat bei der Station G, wehli vn
Dorfe Karas, 5908 %.
18. Stadt Ergerum, 0086 $. \
MH Rontier von Erzerum über Heffan Kale, Karagsren,
Karo nad Ani.
1. Grzerum, 0046 8.
3. Im Norden von Zervin Kalk (oder Sewin) das Darf Kara⸗
goran (Rara Dran oder Kara ‚f ob. ©. 407, m &$
sche des Sohle), t 5026 $.
3. gspaß im Goghanin, Statien H, 7783 8.
4 afhlepafien, im obern Thale der Ducllen bes Kart Blakt,
g.
5. Kars, die Stadt, 5902 %.
6. Ani, Ruinenfladt, 4640 %-
UL Rontier von Ani über Khagisman am Hrarrs nad Tr:
praf Kalé und Diadim.
1. Aut, Ruinenfladt, 4640 8,
2. Khagisman, am Arares, 4713 8.
8. Keres, 5654 8. ,
4. Station I, auf dem Gebirgswege nach Toprak Kale, liegt OOR2 J.
$. Station K, ebend., 8942 $.
6 Toprak Kale, 5045 3%.
7, Kara Kiliife, am Murabfhal, auf dem Wege nad Diebin, 53%
Buß Ab. d..M. '
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