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Full text of "Die Erdkunde im Verhältniss zur Natur und zur Geschichte des Menschen : oder allgemeine vergleichende Geographie, als sichere Grundlage des Studiums und Unterrichts in physikalischen und historischen Wissenschaften"

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89 d7 








a 


A 1 











Die erdfunde 


vom 


Aſien, 


Carl Ritter. 


Band VII. Erſte Abtheilung. 


Dad Stufenland des Euphrat- und Zigriöfgftemd. 


0 
Berlin, 1843. 
Gehrudt und verlegt 
bei G. Reimer. 





Bu we 


Die Erdfunde 
' ie Verhältniß zur Natur und zur Gefchichte 
des Menfchen, 
oder 


allge meine 
vergleichende Geographie, 


al s 


ſichere Grundlage des Studiums und Unterrichts in 
phyſicaliſchen und hiftorifchen Wiffenfchaften 


von 


Carl Ritter, 
Dr. und Prof. ‚p. ord. an der Univerfität und allgem. Kriegsfchule in 
Berfin unb Mitglied der Koͤnigl. Academie der Wiffenfchaften ꝛc. 





— — — 
2 


Zehnter Theil, 
Dritte! Bud. Weſt-⸗Aſien. 











Zweite Bart vermehrte und umgearbeitete Ausgabe, 
— — — 1 — — — — 
Berlin, 1843. 


GSGedruckt und verlegt 
bei ® Reimer. 





De 


„Citius emergit veritas ex errore, quaın ex confusiore.“ 
Baco doe form. calid. Aphor. X. 











Bormworf. 


? Weniges ift bier vorläufig zis bemerken, da dem Sn: 
: des vorliegenden Bandes felbft die nothwendigſten Erlaͤu⸗ 
ngen mit eingefchaltet find; aber hierauf aufmerkfam zu 
ben, ift die Abficht dieſes Vorworts. 

Zur Ausarbeitung des Vorliegenden warten mehrere Sabre 
,„ ſo wie eine Reife nach England, auch vielfach perſoͤn⸗ 
e Belanntfchaften anzulnüpfen hothwendig, tum nur in 
Beſitz eines vielfach erwünfchten, aber unendlich zerſtreuten 
ıterialeß der noch nicht veröffentlichten oder ſchwer zugaͤng⸗ 
en Quellen zu gelangen, die zuvor noch niemals für eine 
sgraphie Vorderafiend benugt wären. Es mußten zugleich 
der Unbraucdhbarkeit der bisherigen, erft von neuem bie 
sten in Handzeichnungen sonftruirt werden, um zur Eins 
€ der richtigen Raumverhältniffe zu gelängen, von benen 
Rede fein folte. Der Drud des flarfen Bandes bauerfe 
m ein volles Jahr; indeß ſtand die Wiffenfchaft, die Ent: 
kung nicht fill, Wenn die erfie Verzögerung biefed zehn⸗ 
a Bandes darin ihren notbwendigen Grund hatte, daß es 
a Berfafier, der aus Indien und Perfi en kam, nicht moͤg⸗ 
war den Euphrat zu überfchreiten, ohne durch die Res 
'ate der Eupbrataufnahme, die aber nur auf dem Boden 
Hands zu erringen wären, in Worberaften feſten Fuß zu 








vi Vorwort, | 


faffen, fo war bie Fartographifche Entfaltung der bis dahin i 
chaotiſch gebliebnen Tauruslandſchaften, durch die kaum erſt 
beendeten Laͤnderaufnahmen der preußiſchen Officiere ein 
zweiter eben fo triftiger Grund, in feiner Darlegung der geo⸗ 
graphiſchen Werhältniffe ded Stufenlandes vom Euphrats und 
Tigrisſyſtem nur fehr allmälig vorwärts zu fchreiten. Denn . m 
ein ganz neues Fehd der: Forſchung und der Betrachtung hat 
ſich hiemit, wie durch die Ergebniſſe der Londner Geogr. Soc. 
erſchloſſen, was wir mit Zuverſicht gegen alle fruͤhern Ver⸗ x 
 fuche ähnlicher Art ausfprechen dürfen, Da nicht uns, jonvern il 
Andern, durch vieliährige muͤhſame Anſtrengungen und Ar⸗ 
beiten im Drient, der große Schatz von neuen Thatſachen 
und poſitiven Wahrheiten verdankt wird, den wir nur * 
gluͤclich fi ſind unſrer Wiſſenſchaft anzueignen , und bem Leſer 
in geordneter Weiſe vorlegen zu koͤnnen. 

Fuͤr dieſe Art der Bearbeitung iſt es aber, daß wir die ks 
Nachſicht der Leſer in Anfpruch nehmen müffen. Denn wenn * 
wir uns auch des Dargebotnen freuen dirfen, fo fonnte ein = 
ſolcher jüngfter Fortſchritt während diefer Ausarbeitung ſelbſt, = 
der Form nad), doch nicht unſichtbar bleiben. Daher folgen * 
ſchon in der zweiten Hälfte des Bandes mehrere Berichtigun: '® 
gen und Erweiterungen nach, die in der erften Hälfte deffel: 5 
ben noch nicht. hervortreten konnten. Ja es mußten eigne = 
Nachtraͤge, wie z. B. 812 — 825, deshalb eingefchaltet wers = 
den, dit wir gleich vom Anfang an den Zefer nicht zu übers = 
fehen bitten, Manche Berbefferung ergab fi ſi ch erſt mit dem 
Foriſchritt der Unterſuchung unter der Hand von ſelbſt, durch 
verbefferte Lesarten, Kartenfortſchritt, neu erſcheinende Schrif— = 
ten und durch befreundete, zumal aus armeniſchen, perſiſchen, | 
arabifchen und ‚andern. orientalifchen minder befannten Quellen 
heworgehende hanbſchꝛiftliche Mittheilungen. So erſchien auch 


22 





{ 


Vorwort. Va 


Answorth’3 Reifewerk in 2Bänden erfl ‚gegen das Ende des 
Druds unferd zehnten Bandes, und von W. Hamiltons 
Asia minor Eonnte in ber erfien Hälfte ber Titel bes Wera 
tes noch gar nicht genaunt werben, wenn [chen von S. 388 
an die Seitenzahlen yon Th. I. citirt find, da durch die zu⸗ 
vorkommende Güte des Verlegers, Mr.. Murray, mit Be⸗ 
willigung des Autors, uns nur die Aushaͤngebogen des er⸗ 


ſten Bandes fo fruͤhzeitig zu Theil wurden, daß wir. bei unſrer 
; Arbeit ſchon auf. fie Rüdficht nehmen konnten, denn dad Wert 


— — — — — —— 


erſchien erſt öffentlich mit dem Schluſſe unſers Bandes, obwol 
deſſen ganzer Inhalt ſchon vollſtaͤndig in unſrer Beſchreibung 
mit aufgenommen war. 

Eben fo konnte von Colon, Chesney's Werk über die 
Euphraterpedition, deſſen Drud erſt gegemwärtig von ber 
Admiralität in Gang gefeht wird, doch ſchon ein wichtigfter 
Theil der Handfchriften, fo wie der noch unebirten Karten, 
durch die zuvorkommendſte Liberalität des Autord wie ber 


engliſchen Behörden mit benutzt werben. Da aber zugleich 


— — — — 


— —— — 


unter unſern Augen die neuen, demnaͤchſt erſcheinenden Blaͤtter 
der Karte vom Taurusgebiet und Kleinaſien durch die uns be⸗ 
freundeten preußiſchen Officiere und Herin Kieperts Bemühungen 
zu Stande kamen: fo konnte deren Inhalt zugleich als Grund⸗ 
lage auch unſrer Arbeit zu gute kommen, ein nicht geringer 
Gewinn, der vorzuͤglich dem Beiſtande jener mittheilenden 
Freunde auf einem bisher fo rathloſen Gebiete verdankt wird, 

So bat fih, um nur diefes bedeutendften zu erwähnen, 
noch vieles andre theilö fchon vollendete, theild erft im Ents 
fichen begriffene zufammengefunden, was dem Einfichtigen 
einen Aufſchluß über den innern Zortfchritt unfrer vergleichen 
den Erkunde geben mag, der und nun unaufhaltfam gegen 
das befreundete Europa forttreibt, fobald wir ungefäumt da⸗ 








vui | Vorwort. 


hin über Arabien, Palaͤſtina, Kleinaſien fortſchreiten koͤnnen. 
Einen gleichen Schritt mit unſerm Texte halten die von dem 
Herrn Verleger gefoͤrderten, unſrer Erdkunde zugehoͤrigen 
Kartenwerke der Herren Mahlmann und Zimmermann, 
von welchem letzteren wir insbefondere auf die vier Blaͤt⸗ 
ter von Oſt-Perfien, auf dad Werfnüpfungsblatt Khora⸗ 
fan zwifchen Oft und Weſt und an die daran'fich ſchließenden vier 
Blätterivon WeftsPerfien mit bem Tigrislande, die 
Aufmerkfamkeit aller Freunde des Landkartenweſens zu erres 
gen und die Erlaubniß nehmen dürfen, weil diefelben eine 
ſolche in jeder Hinfiht in hohem Grade ald bedeutender dort: | 
ſchrit verdienen. 


Berlin, den. 4. April 1849, 


| 8, Ritter. 


| 





Inhaltsverzeihniß und Blattweiſer. 


Allgemeine Erdkunde Th. X. 
Asien 
Band VII. Dritte Abtheilung. 

| Drittes Bud. | 
Weſt⸗ Aſien. 


Band IV. 





Dritte Abtheilung. 


Die Uebergänge in den Naturformen von Hod> 
Iran zum Zieflande und zu VBorder-Afien. 


Erfier Abſchnitt. Die Waſſerſyſteme und Stufenländer 
gen Süden. Dad Stromfuftem des Euphrat und Tigris. 


$-. 29. Einleitung. Neberfiht, S. 1—6. 
Erſtes Kapitel. SHiftorifcher Ueberblick auf vie Stromgebiete 
des Euphrat und Tigris. S. 6— 66. 
I. Quellen ältefler Zeit: Herodot, Xenophon, Alerander. S. 6—66. 
1) Nah Herodot im Jahre 440 vor Chr. Geb. S. 6-9. 
2) Nach Zenophon: Cyrus des Jüngern Feldzug nach Babylon 
(401 v. Chr. Geb.). S,A—24. | 
3) Zur Zeit Alexander DM. (331 — 323 v. Chr. Och.) ©. 24 
76. 








Die Erdfunde 


a fie MM 


Carl Kitter. 


Band VII. Erſte Abtheilung. 
Das Stufenland des Euphrat: und Tigrisſyſtems. 


— — — — 


Berlin, 1843. 
sedrucktund verlegt 
bei G. Reimer. 





DE 


Die Erdfunde 
im Berhältniß zur Natur und zur Gefchichte 
des Menfchen, 
oder 


allgemeine 
vergleichende Geographie, 


phyſicaliſchen und biftorifchen Wiſſenſchaften 


von 


| 
| als 
fihere Grundlage des Studiums und Unterrithts in 
| 
| 


Sarl Ritt er, 
, Dr. und Prof. .p. ord. an ber Univerfität und allgem. ſan⸗ 
| Berlin und Mitglied ber Koͤnigl. Academic der Wiflenfcha 





Zehnter Theil, 
Drittes Bud. Weſt⸗Aſien. 





Zweite ſtark vermehrte und umgearbeitete Ausgabe. 
—S — — —— — — 
Berlin, 1843. 


GSehbrudt und verlegt 
bei G. Reimer. 








Pe] 


nCitius emergit veritas ex errore, quain ex eonfusione.“ 
* 


Baco de form. calid. Aphor. X- 


[5 











8. 


AInbaltsverzeichniß. xm 


Die Araxes⸗-Ebene. S. 456— 463. _ 
Sr. Dnbois Umwanderung der obern Araxes-Ebene von Etſh⸗ 
miadzin bis Kulpi, und zurüd bis Arghuri am Nordfuße des 
Irarat. ©. 463— 479. 
Das Dorf Arghuri oder Agorri am Nordfuße des Ararat, und 
das St. Jakobs-Kloſter. S. 479 — 485. 
Der große Ararat und feine dreimal: wiederholte Erfteigung. 
©. 456 — 495. 
Refnliate über die Bebirgsbefchaffenheit des großen Ararat, über 
feine $lora, feine ewige Schneegrenze und feine Seitenattraction. 
©. 496 — 504. 

A. Bebirgsbefchaffenheit. 

B. Ararat : Flora. 

C. Ewige Sıhneegrenze am, Ararat. 

D. Seitenattraction. 
Der fleine Ararat und feine Erſteigung. ©. 504— 507. 

Anmerfung. Das Grobeben und der Einfturz am Ararat! 
(1840). S. 507 — 514. 


5. 36. Grlänterung 4. Etſhmiadzin, der Patriarhalfig der Armes 
nier. Ihre Literatur und Sprade; ihre Golonien und Derbrei- 
tungen in der alten Welt. S. 514—645. 


1. 


2. 


Etſhmiadzin oder Utſh Kilifeh, d. i. Dreilirchen, der Patriarchen: 
fip Armeniens, an der Stelle der alten Gapitale Vagharſhabad. 
©. 514 - 538. | 
Fortſchritt der Kunde des armenifchen Landes und Volfs durch 
die Wiedererwedung der altzarmenifchen Literatur und durch 
Das wieder erwachte Studium der armenifchen Sprache feit dem 
Anfange des 18. Jahrhunderts. S. 538— 577. 
Spradyverwandtichaft der Armenier; eingewanderte Colonien ber 
Fremdlinge in Armenien; Answanderungen der Armenier und 
ihre Derbreitung über vie alte Well. S. 577 — 634. 
A. Die Sprache der Armenier. S. 577. 
B. Die Sinwandernungen der Fremden nach Armenien. S.585 
bie 594. 
Ehronologifche Reihe ver Ginwanderungen in Armenien: 

1) Die Berölferung von Halasdan ; 

2) aus Kannan; 

3) ans Afiyrien; 

4) von Hebraͤern; 

5) von Medern; 

6) von den Kuppabociern; 

7) von den Hindn; 

8) von den Bulguren; 


ar 


nCitius emergit veritas ex errore, quaın ex confusione.“ 
Baco de form. calid. Aphor. X. 


[a . Zi 














Vorwort. 


r Weniges iſt hier vorlaͤufig zu bemerken, da dem In— 
des vorliegenden Bandes ſelbſt die nothwendigſten Erlaͤu⸗ 
ngen mit eingeſchaltet find; aber hierauf aufmerkſam zu 
hen, ift die Abficht dieſes Vorworts. 

Zur Ausarbeitung des Vorliegenden waren mehrere Sabre 
‚ fo wie eine Reife nach England, auch vielfach perföris 
: Belanntfchaften anzufnüpfen hothwendig, um nur in 
Beſitz eines vielfach erwünfchten, aber unendlich zerſtreuten 
terialeß ber noch nicht veröffentlichten oder ſchwer zugaͤng⸗ 
a Quellen zu gelangen, bie juvor noch niemals für eine 
graphie Borderafiend benugt waren. Es mußten zugleid 
der Unbrauchbarkeit der biäherigen, erſt von neuem bie 
ten in Handzeichnungen conftruirt werden, um zur Eins 
: der richtigen Raumverhältniffe ju gelängen, von benen 
Rede fein ſollte. Der Drud des flarfen Bandes bauerfe 
e ein volled Jahr; indes ſtand die Wiffenfchaft, die Ent- 
ung nicht fill. Wenn die erfte Verzögerung dieſes Jehn: 
| Bandes darin ihren nothwendigen Grund hatte, daß es 
ı Berfafler, der aus Indien und Perfien Fam, nicht mög: 
war den Euphrat zu überfchreiten, ohne dur die Res 
ate der Euphrataufnahme, die aber nur auf dem Boden 
Hands zu eiringen waren, in Borbirafien feſten Fuß zu 


zer 





xvi Inhaltsverzeichniß. 


Anmerkung, Nachtrag und Berichtigung zum 3. Kapitel. 
(Dies diem docet.) S. 812—825. 

$. 40. Viertes Kapitel. Der mittlere Lauf des Euphrat von 

dem Zufammenfluß des Frat und Murab durch Mejopotamien 

zum Lande ver Eanäle im alten Babylonien. &.826—898. 
Erläuterung 1. Der vereinte Cuphratlauf durch die Taurusfettem 
bis zu feinem Ginteitt in die Ebene Mefopotamiens. ©. 827. 

1. Gifte Beſchiffung des Cuphrat von Kjeban Maaden bis Gar 
mofat. ©. 827 —834, 

3. Weſiliche Zuflüffe des Euphrat, zumal des Tolmaſu, Melas der 
Alten, bls zur Stadt Malatia in der Landſchaft Melltene. 
©. 84 —864. 

3. Das Land des Cuphrat-Durchbruchs durch bie Cataracten- Kette 
516 Samofat und die Uebergänge der fühlicflen Gliederungen 
des füblihen Taurusfyflemes aus Melitene zum enphratenfifcyen 
Baffageland. S. 664 — 898. 

1) Die Ueberſahrt über ven Cuphrat bei Iſoglu und ber Fels 
mit der Kellinfchrift bei Kümürfan am Barfhiam-fa; Tomifas 
©. 864— 888. . 

2) Der Cuphrat⸗Durchbruch unterhalb ber Kette der Eataracten 
von Berger, Kalhtah, über Ehoros bis zur Thalweitung von 
Samofat und der Südwendung des Stromes. S. 868-882. 

8) Gebirgspaffagen durch den Taurus ans Melitene nach Eoms 
magene; mit ben drei Guphratzuflüflen, dem Kahlthah (Kiachta), 
dem Fluß von Adlaman und dem Goölſu. ©. 882. 

A. Die öftlicgfte Straße am Kafkkah: Flufe. ©. 889, 

B. Die mittlere Straße über den Fluß von Adiaman. S. 884. 

©. Die weflliche Paſſage am Goͤt ſu über den Erkenel-Paß, 
über Belvereh [Berre) und Beheeni zum Euphrat. ©.889, 

D. Der Kara fü. ©. 897. 

541. Erläuterung 2. Die ſyriſche Vorſtuſe des Taurus gegen Mes 
fepotamien; won Samoſat bis zur Gütwenbung des Enphrat bei 
Balis und Thapſalus. S. 898—1003. 

I. Hypſometriſche Berhältnifle: I. am Atares; IT. am Frat; IH, am 

Rurab; IV. am vereinigten Caphrat; V. am Tigris. ©. 898 
bis 908. 
Gebirgsarten, geognofifcge Berhältnife. &. 909 — 917. 
Elima nnd Begetationsverhältnifie. S. 917 —921. 
Topographie des Cuphratthales mit den Städten Samofata, 
Anmtalah, Bir. S. 921-925: 

I) Samofata, Samifat bei Ebn Haufal, Samefate bei Eorif, 

Eamosdia ber Armenier, Shamſad der Syrer, Shamifhat bei 
Bar Hebr. Daher Shamſhath bei Abulfeda, Sumaiſat der 


Pa» 





Inhaltsverzeichniß. ;xvz 


Araber, Gimifat des türfifchen Geographen, . Samofat oder 
Samfat der Europäer. ©. 925 — 831, 

2) Romtalah, Numkaleh; Kala Rumitha oder Kalat ol Ram ber 
Syrer, Kalat or Rum bei Abulfeda; Hrhomgla oder Hrhoms 
elai, au Bla Korhomagan ber Armenien, vulgair Uchnm: 
gala.. ©. 931 - 948. 

3) Bir (Bira), Al Birat bei Abulfeda, Biradjik der Türken bei 
Niebubr, Beredſhik, valgair Beledſhil. ſalai Bea, das Gaftell. 
©. MI— 959. 

Anmerlung. Ueber das Land der Zeugma's am Auyhrat von 
Samoſata bis Thapſakus. ©. 959 — 1003. 
1. Die Lage der beiden Hauptübergaͤnge am Zengma und bei 
Thapſakus. S. 9859984. - 
2. Die 9 audern hiſtoriſch bekannt gewordenen Uebergänge über 
biefen Theil bes mittleren Cuphratlaufes. &.984—1003. 
58. Grlänterung 3. Die ſyriſche Borfiufe des Taurus gegen Mes 
fopotamien von Samoſat bis Thapfalns; Fortfepung: hiſtoriſche 

Berhältaife. S. 1008. 

2. Kriegezuftände am Euphrat, welche bis zum Jahr 1839 zur ge⸗ 
naueren geographifchen Kenntnig der mittleren Euphratlaudſchaf⸗ 
ten geführt hatten, bis zum Schlachttage bei Nizib (23. Juni 
1839). ©. 1004— 1012. 

2 Die Schiffbarkeit des Cuphrat von Bir abwärts, und die Dampf 
ſchiffahrt⸗Erpedition auf diefem Strome durch Colonel Er. Chess 
uey (1834 bis 1837). ©. 1012— 1031. 

Grläutesung 4. Die fyriihe Vorſtufe; Fortſetzung: bie Uferorte 
zu beiven Seiten des Cuphrat, Bir abwärts bis in bie Gegend 

von Thapfalus. S. 1032. 

Der Sadſhur⸗Fluß (Sajur); Aintab, Doliche. S. 1033. 

Serabolos. Curopos. S. 108 —10. 

Cecilia. ©. 1040. 

Bambidfh, vulgair Mambidſh; Hierapolis, dus Heiligthum ber 

Dea Syra; Runbedj 5. Edriſt, Mambegj b. Abulfeda; Mans 

besja und Manbesium in Vita Salad.; Menba, Manba im 

Index geogr. Alb. Schult.; Bambyr, Baupßrun b. Strabo; 

Bambyce und Magog (Mabog) 5. Plinius; Hierapolis (Iega 

zelss b. Neliau; dv “Ispg nos b. App. Parth. 137) b. Strabo 

u. a.; Vetus Ninum (Hiezapoli vetere Nino 5. Amm. Marc. 

xIV. 8, 7). Hieropolis auf Münzen. S. 1041 — 1061. 

5. Kalaat on Nebfhin, das Geſtirnſchloß, bis zu deu Kara Bam⸗ 
buch s Bergen, der Ichten Ginichnärung des Cuphratthales. 

©. 1062-- 1065. 

6. Balis (Barbalifus), Baulus, die BaysQuelle, der Darabars 


Prer 


oe 








KU Inhaltsverzeichniß. 
Aluß. Das Heutige Bales auf der Nalutgrenze au der Oſt⸗ 
wendung bes Cuphrat. S. 1065-1074. 

7. Kalat Zlaber (ſprich Gaftell Oſhaber oder Dſhaaber n. v. Sams 
mer); früher Kalat Danfer (Dauxar b. 3. Solius); Gjabar 
oder Gjabar bei Albufeda; Dgiabar b. Degnignes; Galogenbar 
bei DIN. Tyrins. — Das Saudi Saffain (‚Sfefin oder 
Stun). S. 1074 — 1080.. 

8. Gura b. Biokmänsd; Ura and: Sura s Plinius; ‚Sure Tab. 
Peut.; Beled Surieh b. Balbi; +0 Zodger nölssua b. Bro: 
cop; Surorum oppidum; Ehura bi Firduſi; Seuris b. Roufs 
ſeau; Suriheh b. Chesney. ©. M80.-1087. - 

9 Sergiopolis, Riſapha, ar Roſzafat, eine Stallon! der großen 
Palmyra⸗Noute, nahe dem Kreuzwege mit der großen Wüſten⸗ 

route von Baſſora über Taibe nach Aleppo. Weber die Maaße 
- in ber Wuſte. S. 1087-1088. 
». Die alte palmyrenifche Straße zum Bupbratgebiete ©. 1080. 
Nädelfe der Kaufleute der englifchen Factorei von Balmyra 
nach Haleb im 3. 1691. ©. 1083— 1115. | 
5.43. Bünftes Kapitel. Der Stromlauf des Belik (Bllecha) 
im obern Meſopotamien zum Cuphrat, und fein Mündungs⸗ 
land mit der Stadt Rakka (Niccphostum, Callinitum). &.1115 
bis 1149. 
Grlänternng 1. Der Bellt: Fluß, Bilecha bei Ifivor, Baliffus bei 
Appian, Baleech bei Golins; Balyſche bei Beauchamp; Belikh and 
Belig bei Chesney. Des Iſtdorus parthifche Stationen an bier 
fm Stufe abwärts bis zum Cuphrat. ©. 1117 — 1125. 
Iſidorus Charac. parthiſche Stationen von Apamia am Zeugma 
durch das obere Mefopotamien bie Nicephorium. ©. 1116-1125. 
Grläuterung 2. Die Sriechenſtadt Philiscum, Nicephortum, Cal: 
linicum, Leontopolis; die Landſchaft Mygbonia, mit ihrer einhei⸗ 
miſch⸗ſyriſchen und fremden griechtſchen Colonlſation; das obere 
Neſopotamlen als Grenzland der Römer und Parther. e: 1135 
bis 1198. 
Erlantetung 3. Rakta, die Mähamedaner: Stadt," von ther Gruͤn⸗ 
dung dis auf die Gegenwart. S. 1139-114 


N rar Kon 





Drittes Bud, 





Reft- alien 


Band V. 


Kitten Erdiuxe X. EN 








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Drittes Bud. 
Beflt-Afien 


Dritte Abtbheilung. 
Die Vebergänge in den Naturformen von 
Hoch⸗Iran zum Tieflande und zu 
Vorder⸗Aſien. | 





Erfter Abfhnitt. 
Die Waſſerſyſteme und Stufenländer gen Süden. 
Das Stromfpfien des Euphrat und Tigris. 


6. 29, 
| Einleitung. 
Ueberſicht. 
| Die Betradytung des Weſtrandes von Hoch⸗Iran und feiner Glie⸗ 
verung in Barfiftan, Loriftan und Kurdeſtan, welche wir 
mt der Erforſchung des Alypenlandes um ven Mrmia- und 
| Van⸗See beſchloſſen, dieſe hat uns überall ſchon an die Grenz⸗ 
sxxiete des Araxes⸗, De Tigris⸗ und Euphratſyſtemes 
wvwhrt, in welche wir nun unmlitelbar üͤberzuſchreiten haben. Schon 
gleicher Zeit witteinheimiſch geworden im o bern Gebirge⸗ 
| lanfe aller zum Oſtufer des Tigris ziehender Zuflüffe beffelben 
| Iigeimehifch in Berg und Thal vielfach zerriffenen "Grblrgälanbes, 
\ wesen wir bie zu den großartigen Naturformen Aderbijans 
m Sande ver Begrenzung Berfifcher, Armenifcher und Kurs 
diſcher Bölkergebiete vorgerückt, obne ſevoch noch alle natüre 
: . 72 











4 MWeflsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 29, 


lichen Verbältniffe jener Landſchaften erſchöpft zu haben, weil biefe 
ald überall in andere große Naturformen übergreifende ericheinen. 
Durch Eeine mathematifche Linien, gleich Inhaltleeren Räumen, von 
einander zu fonvern, find fie vielmehr recht inhaltvolle, deren gegen- 
feitige Beziehungen fortwährend, trog der fcheinbaren politiichen 
Schelvungen, niemals getrennt waren, und in ihren Wiloniffen un» 
abhängig von den willlürlihen ſtets wechſelnden Sagungen ihrer 
Gebteter, fig ihr ven eignen. volfäthümlichen Bufammenhang ‚ihr eis 
genthümliches, In fich verwildertes, hiſtoriſches Leben Son den äl- 


| teften Zeiten an bis auf die Gegenwart durch alle Wechfel der ' 


Zeiten, der Herrſchaften, ver Religionen, ber Gultureingriffe be⸗ 
wahrt haben. 

- Auf folchem uebergangsgebiete vom raniſchen Hoch⸗ und 
Alpenlande zur grandioſen Naturform des größten vorberaftatifchen 
Stromſyſtems, dad längs ber Grenze ber beiden unaufbörlich ver- 
feinveten größten, vorberaflatifchen, politiſchen Mächte des Perflichen 
und Türfifchen Reiches fi ein paar hundert Meilm wet vom - 
Hochgebirg zum Inpifchen Deere’ hinſtreckt, war die genauere Bes 
obachtung, alle Iabrhunderte hindurch wegen fortvauernder Hem- 
mungen feindlicher Beftrebungen ungemein erfchwert, lange Zeit⸗ 
räume hindurch ganz unmöglich. Unzählige Irrthümer waren Dede 
halb über fle in unfere Karten, in unfere Bücher eingetragen, und 
erſt feit 6. Niebuhrs (1761) und Beauchampeé (1781) Zeiten 
fing die Eritifche Beobachtung In jenen Bebleten des Cuphrat⸗ 
ſyſtems an, mehr Licht über fie zu verbreiten. Seitvem bat e8 Jahr 
für Jahr an europäiſchen Reiſenden in jene Gegenden nicht gefehlt, 
aber der fcharfen und forgfältigen Beobachter ver großartigen Natur« 
verhältniffe find immer nur wenige gewefen, die ihrem erften Vor⸗ 
gänger Hätten zur Seite geflellt werben können, und wir führen 
unter biefen nur die Namen eines Olivier, EL Rich, 3. Fraſer 
und die unſerer verehrten Freunde Col Cheſsney und W. Ains- 
worth mit ausgezeichneter Hochachtung und Dank an; obgleich fehr 
vide dazu recht ſehr geeignet waren, bie Lichte und Schattenfeiten 
des dafigen politifchen und vollöthümlichen Lebens aufzufafien, und 
manche Ichrreiche Schilderungen von ihren dort erlebten Begegniffen 
den Zeltgenofien zu überliefern. Zum Glück bat auch Hier auf 
viefer großen Durchfahrt der Volkerſtraßen und des Weltverkehrs 
zwifchen Orient und Octident, nachdem bie KRriegführung lange Jahr- 
hunderte hindurch faft einzig das Ihrige gethan, auch der Handel 
fein altes Vorrecht, vie Natur der Landſchaften und ven Reichthum 


Waſſerſyſtem des Euphrat. Einleitung. 5 


ihrer Gaben zu entſchleiern, geltend gemacht, und uns in jüngfter 
Zeit durch neue Mittel ver Wegbahnung der Ströme, durch Dampf- 
ſchiffahrt, Auficlüffe über diefe Stromgebiete in Länber-, Fluß⸗ 
und Küften «Aufnahmen gegeben, die und erft zu einer pofltiven 
i Kmmtniß jener Raumverhältniſſe verhelfen mußten, welche bie 
Grundberingungen zur genauern wiffenfchaftlichen Erörterung ber 
bortigen DBergangenheit abgeben, bie an Inhalt das Intereffe der 
seriunfenen Gegenwart fo welt überbieten und einen ficherern Blick 

in eigen vielleicht zu erwartenden, auf jeven Fall fehnlichft erofiten 

Auffhwung Eünftiger Zeiten geftatten. 

Ä Es fanımeln fih am Südrande von Iran weſtwarts Sie zum 
| Armeniſchen Hochlande und in den vielfachen DVerzweigungen des 
Zaurußfoftems nah Anatoli hin alle fließenden Waffer in ven 
Etufenlänvern der großen Zmwillingsftröme (f. A. IL 60), die 
anfangs innerhalb des Hochgebirgslandes nahe beifammen entquellen 
und firömen, dann fich weiter aus einander begeben, eine Strede 
hin mit einander in parallelem Kuufe, doch hald mehr und mehr 
cenyergirend, in der Normalvirektion gegen SO. fließen, und endlich 
unter dem Namen des Stromes der Araber, d. i. Shat el 
Arad, vereint dem Perſiſchen Meerbuſen zueilen. Nachdem fie von 
ven Quellen an, vie nur150 Geogr. Meilen in birefter Diftanz von’ 

der Mündung abfteben, in boppelt entwidelter Stromfrüummung an 
300 Geogrt. Meilen meit ein Stromgebiet von nahe an 12,000 Geogr. 
Quadratmeilen bewäflert haben, finden fie in jener großen, in 
gleicher Normalvireftion fi ausbreitenden Thalweitung ihrem ocea- 
wide Fortfegung, die mit dem Strombette jener eine großartige 
Einfenfung des Continents bildet, und ald ein großer Naturtypus, 

an Thalſpalt faft von Meer zu Meer, als eine von der Natur felbft 

| geebnete Bahn zwifchen dem Indiſchen Oſten und dem Euro—⸗ 
väiſchen Weſten durch die continentale Mitte Vorder—⸗ 
Aſiens, vom Indiſchen zum Mittelländiſchen Culturmeere, betrachtet 

| werben muß. | 

E Jene beiden Ströme find, als Euphrat und Tigrid welt 
bekannt, das dem Raume nach geringere, doch immer noch höchſt 
bedeutende dritte Paar aflatifher Doppelſyſteme, mit 
gleicher Richtung des Stromlaufes gegen den Sonnenaufgang (üvınv 
:4elleso ulonv Baßvlüva nsonoag, Dionys. Perieg. v.980), wie 
„DB Gangesfyflem; dem Südabfalle des Stufenlanved von ran 
rut voIig parallel, aber auch der ſyriſch⸗ arabifchen, flachen, tiefen 
. Eenpwäße nicht bireft zieilenn, fondern in biagonaler Richtung 








6  Wefl-Afien. II. Abteilung, I. Abſchnitt. 6.29.  " 


zwiſchen beiven ver alten Uramäer, Aſſyrier und Bubylonter Lande 
zeichlich bewaͤſſernd, und darum nur felbft ein verhältnigmäßig ge- 
ringes Waffervolumen zum Meere fendend. Die Wiege beider 
Zwillingoſtrome ift zugleich diejenige der vorberaflatifchen Menſchen⸗ 
geſchichte; ihre Stromrinnen theilten von jeher nicht nur Reiche, 
Völker, Sprachen, fondern auch Vorder⸗Aſien felbft in zwei 
verfchiedene Welten, die Arabifche und Perſiſch-Mediſche mit 
der Aſſyriſch-Babyloniſchen in ihrer Culturmitte, in ein 
ſüdweſtliches und norbdftliches Rand, in ein dieſſeits und 
jenfeit®, citerior und ulterior. Sie zogen durch ihre Welte 
flellung und ihre belebende Ader Inmitten ver Wüften, noch in 
einem ganz andern Sinne wie der Nilſtrom, die Augen aller 
Herrſcher ver Völker des Orients, wie ber Borfcher ihrer Geſchichten 
auf ſich, und auf die Begebenheiten und Thaten, die an ihnen em- 
porftiegen und wie Welle auf Welle wieber in das Meer ver Bere 
geſſenheit fanken. Im alter wie In neuer Zeit bildeten fie die 
große Furth vom Orient zum Decident, eine Beftimmung, 
die Bei einer Fünftigen Höhern Ausbildung des Planeten und feiner 
Beodlkerungen noch zu ganz andern Funktionen ihrer Geſtaltungen 
. führen wird. 


Erſtes Rapitel 
Siftorifher Rüdblid auf die Steomgebiete des Euphrat 
und Tigris. 


1. Quellen ältefier Zeit: Herobot, Zenophon, 
Aleranbder. 

1. Nach Herodot im I. 440 vor Chriſti Geburt. 

Sehen wir auf bie Anfänge der Kenntniß diefer Gebiete zurück 
fo ift und (ba In der Geneſis nur ber Paravelfos-Flüffe Phrat und 
EHivekel Erwähnung geſchleht; 18. Moſ. 2,14) Herodot die erfte 
Hiftortfche Quelle für das Euphratſyſtem. Obwol e8 keineswegs 
volftändig von ihm befchrieben wird, und er wenigftend noch nichts 7 
von einer Vereinigung des Euphrat und Tigris fagt, fo nennt er ã 
.doch ſchon beide Ströme, gibt beider Duellen in Armenien an und, 
läßt beide in das Perfiiche oder Erptärätfcge Meer einfließen (Herod, WI 

1.180.189; Vl.20). Gr kennt die obern Zuflüffe des pfeilfchnellen .. 


Euphratſyſtem; hiſtor. Auͤcblick; Herodat. 7 


Aigtis (ſ. Erdtunde, Weſtaſien, X5..IX. ©. 517) und führt ihn 
au der Stabt Opis (Sinus) vorũber, zur Mundung bei Am pe 
(Apran, wohin ver Perſerkonig Derius die gefangenen Milefler 
anfievelte, :Herod. VI.20), zum Meere. Er weiß, daß ber Cuphrat 
darch Armeniſche Handelbleute, alſo fein oberer Lauf, Häufig bis 
Babylon beſchiſft warb, cr gibt die Beichreibung der den runden 
Schilden gleichen, aus Weidenzweigen gefloqhttenen Kaͤhne, mit 
Hãuten überzogen, bie von zwei Bootelnechten ‚mit Stangen forte 
geſtoßen werben, wie noch heute Die. Voote, Die nach Bagdad gehen. 
Aach Serodot ſtrömt der Cuphrat aus Armenlen in: Oberajlen 
(̊c dra Adinc LI93) nach Aſſyrien, das aber. die Hellenen, wie 
er ſelbſt bemerkt, Syrien nannim (Zupsos VIL. 63)... In dieſer 
Verſtſichen Satrapie war zu feiner Zeit, nach des Cyarares Ben 
ſtörung von Ninive (im 3. 606 vor Ehr. ©. f, Erdk. Weftaflen, 
36. IK. ©. 106), oder Ninus (Nivec I. 193), dad am Tigris 
gelegen war, wie er felbft bemerkt, Babylon (Baßvawv I. 178) 
bie große Prachtreſtdenz am Euphrat geworben, die ex. umflänblicher 
beſchreibt; Doch lagen außer ihr nach feiner Angabe noch viele große 
Gräste im Lande, über vie er jedoch ſchweigt. Er nennt nur bie 
Eimvt 36 (Ic Herod. 1.179; dad heutige Hit), acht Tagerelfen von 
Babylen, in deren Fluſſe das Erdharz, Asphalt genannt, in Klum⸗ 
ven fich finde, mit welchem man bie Mauer der großen Reſidenz⸗ 
ſtert aufgeführt Hatte. Ex weiß es, daß der Euphrat fehr groß, 
tief, zeipenn feinen Weg verfolge, busch ein Land, in dem nur we⸗ 
sig Regen falle, deſſen Mangel er jenoch keineswegs, wie ber NU 
Aegypitens, durch Ueberſchwemmungen erſetzen koͤnne, weil Die 
Damme Dagegen ſchützten, welche die beiden Königinnen Semiramis 
an) Nitokris deshalb erbaut hatten (Herod. L 184. 185). Doch 
ehemals pilegte der Strom, fagt Gerobot, allerdings durch das Lies 
bertreten feiner wilden Waſſer ganze Blaqhfelder wie in eine offene 
Ger zu verwandeln (nelayilev bei Herod.). 

Diefe Semiramis Babylons ſcheint nicht mit einer ältern, wol 
nur mychiſchen, aber durch ganz Aflen vieleicht eben deshalb viel 
berũhmteren Herrſcherin veifelben Namens (über 1000 Jahre vor 
Ge. ©.) verwechfelt werden zu dürfen, deren Architekturen und 
andere Monumente wir fchon früher in Efbatana, im Zagros und 
an Bau-Exe (|. Erdk. Weftaflen IX. 6. 110, 347, 357, 984) be= 
ſqichen Haben. Ihre Erzählung ift mit der Erbauung von Ninive, 
uns den Siegeszügen des Ninus in Baktrien verknüpft, als deſſen 
Gemaflin und Nachfolgerin... Die jüngere Semiramis des Herodot, 








8 Weſt⸗Aſien. II. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 29. 


welche er, obwol ohne ihren Gemahl zu nennen, als Beherrſcherin 
Babylons, fünf Menſchenalter vor der Nitokris lebend, als eine 
hiſtoriſche Perſon aufführt (Herodot. I. 184), würde dagegen um 
die Mitte des achten Jahrhunderts vor Chr. (746 nach. Larcher) 
dieſe Dämme aufgerichtet haben, da Mitofris als Großmutter ober - 
(worüber die Angaben der Elafflichen Berichterſtatter freilich auch 
verichieben find) Gemahlin des Labynetus (oder. Nabanidus), des 
letzten ver Babygloniſchen Könige, etwa. Im Anfange des flebenten 

Jahrhunderts (620 nach Larcher) gelebt Haben muß. En :ift ums 
mit der Beflegurig des babylonifchen Reichs durch Cyrus (536 vor 
Chr. Geb.) ein beſtimmteres chronologiſches Datum gegeben,. von 
dem wir in ver Gefchichte des Cuphratlaufes, freilich nur mit Wahr⸗ 
fcheinlichkeiten und nad) Sagen, auf dieſen großen Landſtrom zurüd- 
blicken Tönen, ver aber fchon fo frühzeitig durch die Kunſt um⸗ 
gewandelt wurbe, daß wir von feinem erfien Naturzuftande 
gar keine Anfchauung erhalten Haben. Iene jüngere Nitefris aber 
war e8, bie nach Herodot durch noch größere, Tunftreichere Waſſer⸗ 
bauten als ihre Dorgängerin dem Cuphrat oberhalb Babylon, der 
von da nebft vielen andern Gräben auch ſchon einen ſchiffbaren 
Canal (vavoınigarog bei Herod. I.. 193. Baadıxn dıiwgvk d. i. 
ver Königscanal, noch heute fo, Nahr Malcha, bei ven Arabern 
genannt) 2) bis zum Tigris befaß, ganz neue Bahnen wies. Der 
früher gerade auslaufende Strom warb künſtlich durch Krümmungen 
fo gefehlängelt, daß er vreimal zu vemfelben Orte, der Arderikka 
hieß, zurückkehren mußte, bei dem man zu Herodots Zeit, nach feiner 
Berfiherung, wenn man den Strom hinabſchiffte, wirflich in dreien 
Tagen dreimal vorüberfahren mußte. Auch andere Veränberungen 
nahm fie mit dem Flußlaufe vor, indem fle weit oberhalb Babylons 
einen ungemein hoben Erddamm aufführte, zur Erhöhung befielben 
unfern des Fluſſes aber, der viele Verfumpfungen bildete, einen 
Umfang von 420 Stadien, d. i. 21 Stunden, fehr tief, bis ſich das 
Waſſer darin zum See fammelte, audgraben und dieſen ringe mit 
behauenen Steinen ummauern Tief. Sole Krümmungen des 
Flufſes mit den vorliegenden Verfumpfungen und dem See follten 
den feinplichen Medern die Zugänge zur Stadt Babylon erichweren; 
ein trocken gelegtes Bette des Euphratarmes Tieß fle dagegen in 
Babylon mit Steinbrüden überdeden. Aus ven vielen Gräben, die 
ber Euphrat nährte, mußte jedoch die große Befruchtung des Landes 


3) Herodot. ed. Baelır. Lips. 1830. I. p. 481. not, 






Ä Euphratſyſtem; hiſtoriſcher Ruͤckblick; Renophon. 9 


erſt durch vieler Häude Arbeit und Hebemaſchinen (Xepol re xad 
snlarnjsoıcı, Herod. L 193) bewirkt werden, um ben Segen an 

| Früchten zu erzeugen, der nach Herodots Verficherung den aller an⸗ 
ven Länder überbot und zum Sprichworte wurde. 


| 2 Rah Zenophon. Eyrus des Jüngern Feldzug nad 
Babylon (401 vor Ehre. &) 
So weit die allgemeinen Herodotiſchen Berichte der älteften 
Zeit, denen bald vie feines Landsmannes, des Zenophon (400 3. 
ver Chr. ©.) folgen, ver freilich nur mit dem Heere des jüngeren 
Gyrus von Syrien auß, ven Euphrat entlang, hinab bis zur baby⸗ 
| Isnifchen Ebene, zu dem unglüdlichen Schlachtfelde von Gunara 
- (12 Stunden im Welt von Bagdad und 18 Stunden in NW. von 
'  Babglon) vordringt, dann aber ald Anführer feiner zehntaufend 
Stiegen am Tigris aufwärts den Rückmarſch bis zum Großen 
Zab und zum Kurvengebirge oberhalb Moful (über den Zabqtus 
zur ven Zakho⸗Paß |. Erdk. Weftaflen, Th. IX. ©. 518 u. 702f.) 
kit. Zwar erhielt er keinen Ueberblick des ganzen Stromſyſtems, 
and durchzog die von ihm geſehenen Theile ver beiden Hauptſtröme 
aur als Krieger und beichrieb feine Wanderung nur als Strateg, 
und nicht al® Geograph; aber eben dadurch gewannen feine Beob⸗ 
«tungen um fo mehr Zofalfarbe und Sicherheit, fo daß die pofltive 
Landeskunde ihm bad meifte unter den alten Autoren verdankt, und 
das Kartenweſen durch feinen fcharffinnigen Gommentator ?) das 
erde und beſte kritiſch berichtigte Bild beider Stromläufe, welche die 
je berühmten mefopotamifchen Landſchaften einichließen. 
| Noch wuind der fo bezeichnende griechiiche Name Mefopota- 
I wien, des Landes zwifchen beiden Stömen (Strabo XVI. 
| 746), weber von ihm noch von Herodot gebraucht; fondern er wird 
erſt ſeit Aleranderd Eroberungdzug durch deſſen Gefchichtfchreiber als 
Ueberfegung einer dort einbeimifchen Benennung, wie Arrian 
jagt (Exped. Alex. VII. c. 7), eingeführt; nämlich aus dem Sy- 
tigen, Bath Nahrin >), ver unftreitig zur Zeit des Seleufus und 
feiner Nachfolger, welche jene Lanpfchaft mit Städten bebauten, bei 
ven griechifchen Beherrfchern in Bang kam. Auch die benachbarten 


2) J. Bennell Illustrations of the history of the expedition of 
Cyrus from Sardis to Babylonia, and the retreat of the ten 
thousand Greeks ete. Lond. 4. 1816. 2) &. Gr. K. Rofenmüller, 
Jrdbrqh der bibliſchen Alterthumoknnde. B. J. Th. 2. p. 133. 





3 





10 WeftsAfien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. . 29. 


Hebräer naunten ihn Aram - Naharaim (1 Moſ. XWV. 10). 
d. i. das Aram oder Syrien der beiden Flüfſe. Aus beſten 
belehrt Zenophon über gewiſſe bedentende Puncte ber Gtrom- 
abläufe und über einzelne characteriftifche Naturbeſchaffenhelten des 
Bodens jener Landſchaft, von denen, die Heeresmärfche nothwendig 
abhängig find. Von den ſyriſchen Piffen, von Myriandrus, über 
ven Ehalus Fluß, an dem das heutige Aleppo liegt, ging er in ges 
radeſter Linie von Weft gegen Oft aus, bis er nach 9 Tagemärfchen 
(iiwa 20 ©. Meilen) bei Daradar wol zuerft die äuferfe Süt- 
weftbiegung des Euphrat, im Marimum der Annäherung 
feines Laufes gegen das fyrifche Meer, treffen mochte, obwol er ihn 
ſelbſt noch nicht bezeichnet, ſondern erft 9 Tagemärfche weiter gegen 
O.S. O. an deffen Südufer hinziehend, bei. Thapſacus den Strom 
zum erftenmale nennt, weil er ihn ba vom Südufer zum Nort» 
ufer Überfegen mußte. Darabar (oder Dardes Xen. Anab. Lib: I. 
> e. 4, 10.), wo Zenophon’ eine reiche Duelle und an ihrem Hunvert 
Fuß breiten Strome den Pallaft und Park des Belesys, eines chen 
maligen Statthalter8 von Syrien erwähnt, die beide Cyrus ber Jün« 
gere nach Barbarenart, nieverbrennen und umhauen ließ, iſt nach 
MRennells Grmittelung *) vieleicht, denn e8 laſſen ſich auch wol Gründe 
dagegen erheben, die Quelle Kay ver neueren Zeit, an welder 
arabifche Horben, deren Strom enilang, Ihre Zeltlager aufzufäjlagen 
pflegen. Diefer große Bach fol einen Tagmarfch gegen Oft in 
den Euphrat fallen, und ift wahrſcheinlich verfelbe, ver in dortiger 
Gegend 5 bis 6 Stunten in N.W. von Balls (Baulis oder Bar- 
baliſſus bei Pol.) unter dem Namen Rafif, von dem an ihm lie⸗ 
genden Orte Rajik genannt (dad Eragiza bei Ptol., Eraciha der 
Tabul. Theod.), zum Euphrat flieht. Dieſes Balis, das auch 
noch Abulfeda 5) als die Nordgrenze Nrabiens am Euphrat angibt, 
Aft einer der vermittelſt aftronomifcher Beobachtung in neuefter Zeit, 
durch Colonel Cheöney’d Dampficiffahrt auf dem Euphrat, genau 
beftimmten Orte, in dieſem bis dahin auch topographiſch noch fo un» 

ſichern Ländergebiete; es liegt nämlich unter 36° 1° 21” N.B. und 
38° 7’ 10.5” O.28. v. Or.; ein wichtiger Punct, weil von da an auch 
die Oftwendung des Euphratlaufes abmärtd gen Babylon 
beginnt. 


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*) 3. Rennel Mustrat. I. c. p. 68. *) Abulfedae Arabiae descri- 
ptio, ed. Rommel. Gotting. 4. 1802. p. 13. 


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Euphratſyſtem; hiſtor. Ruͤckblick; Xenophon. 1 


Zu Thapſacus, dad nur 3 Tagmärſche vom Daradar ent 
ſernt war, mußte Eyrus mit feinem Heere 4 Tage verweilen, weil 
der perfifche Feldherr Abrocomas, der die wahre feinnliche Abſficht 
feine Gegners durchſchaute, vieſen Poſten verlafien, vie bortigen 
Schiffe, die zur Meberfahrt dienten, verbrannt, und ſich gegen Babys 
lonien zuwrüdgezogen hatte. Dadurch wurde dem Cyrus nidht nur 
der Uebergang erfchmwert, fondern auch fein empörerifcher Plan gegen 
ven Eöniglichen Bruder entlarvt; fein weiteres Borrüden wurde num 

zum förmlichen Feldzug, für welchen auch vie griechifchen Hülfs⸗ 
truppen durch neue Verfprechungen gewonnen werden mußten. Dies 
fe Thapfacus fand Zenophun als eine ‘große blühende und reiche 
Stadt; fie war fhon zu König Salomon Zeiten vorhanden, alb 
vie nördlichfie Stadt feines meiten Reiches: denn von ihm heißt 
ed, er herrſchte biefiett des Waſſers, d. i. im Süden des Euphrat 
ven Tiphſah (oder Taphſakh, d. h. Uebergang) bis gen 
Gaza (1 3. der Könige 4, 24). Sie lag an der bequemſten Stelle 
zum Uebergange aus Syrien nad Babylonien wie nach Medien 
und Perfien; daher fie auch fpäterhin die Gauptpaffage des Euphrat 
für alle große Kriegözüge wurbe, und ver unglüdliche Darius zog 
mit feinem unermeßlichen Heere bier über ven Euphrat gegen Alex⸗ 
ander nach Eilicien, und kehrte nach ver Schlacht bei Iſſus über 
dieſelbe Stelle mit feinen wenigen Geretteten, nur 4000 Flüͤchtigen, 
Aligft wieder zurüd (Arrian. de Exp. II. 13). Auch Aleranver 
fegte fpäter, von Aegypten zurückkehrend, zu Thapſacus über den 
Euphrat (Arrian. de Exp. III. 7), mo er an ver feichten Stelle 
des Uebergangs durch eine vorausgefchidte Macedonierabtheilung 
zwei Brücken hatte ſchlagen laſſen, um ſeinen Siegerfortſchritt gegen 
das Schlachtfeld von Arbela zu beſchleunigen; denn von hier (Ende 
Juni) ſchlug er nicht, wie Zenophon mit Cyrus Heere, gegen SD. 
den directen Weg nach Babylon ein, fondern z0g nordwärts, den 
Eupbrat und den Taurus Armeniens zur Linken behaltend, zum 
oberen Tigris, nach Arbela (gegen Moful) hin, gegen Medien zu. 

Diefe Lage des Flußübergangs auf vem Kreuzwege aus Sy« 
rien nach Babylonien gab der Stadt eine fo große Bedeutung, daß, 
we ſchon Mannert 5) bemerkte, Eratoſthenes fie zum Mittelpunfte 
aller feiner Meffungen in Aften wählte (Strabo II. 79 u. 80). 
Bis nach Ihapfarus brachten auch die Bewohner der arabifchen 
Stadt Serra ihre Waaren ven Fluß aufwärtö, und verbreiteten fie 


27 8. Dannert, Geogr. der Gr. und Rom. Sb. VI. 1. ©. 528, 


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12" Wel-Afien. IIl. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.29. 


dann auf Zandivegen in ven umliegenden Gegenden. Als aber 
Mlerander in Babylon feine Flotte zur Eroberung und Umfchlffung 
Arabiens bauen Ließ, und ihm’ dazu dort das Zimmerholz fehlte, 
Dep er die dazu in Phönicien und auf Cypern gezimmerten und zu» 
fanımengefegten Theile ver Bahrzeuge viele taufend Stadien weit, 
in 7 Stationen, vom Meere ber bis nad) Thapfacus (Arrian. 
VII. 19 und Strabo XVI. 741) zu Lande transporticen, um fle 
von da den Cuphrat weiter obwärtd zu fchiffen. Dies find hiſto⸗ 
riſche Zeugniffe für die Wichtigkeit ver Weltftellung dieſes älteften 
großen Hauptüberganges über den Euphrat, weswegen ihn 
Strabo auch dad alte-Zeugma nennt, im Gegenfag des fpäter 
gewöhnlicher geworbenen Uebergangbortes Zeugma (Zeöyun. d. h. 
die Brüde), welcher bei dem nörblicher am obern Euphrat gelegenen 
Rumfala, nebft einem andern benachbarten (bei Bir) auch Zeugma 
genannten, 7) In der fpätern Zeit der forifchen Könige und in der Rd⸗ 
merzeit ber gewößnlichere warb. Denn mit ber Schwädung wer 
ſyriſchen Könige, die unter Seleucus Nicator, wie ed nad 
Plin. V. 24 ſcheint, Thapſacus noch in Ghren halten konn⸗ 
ten, und fogar mit einem andern Namen Ampbipolis belegten, 
der fogar auf eine Erweiterung der Stadt (auf beide Euphrat- 
ufer nämlih, da daB alte Thapſacus nur auf dem ſüdlichen ober 
rechten Ufer lag) fchließen Täßt, drängte die Uebermacht der arabi- 
fchen Hordenfürften von Süden gegen ven Norven, am Cuphrat fo 
fehr vor, daß Hier feine ſichere Paffage mehr wie zuvor flatt finden 
konnte. Deshalb verfant chen diefes fühlihe Zeugma, ober 
Ihapfacus, beiden Römern in ſolche Vergeſſenheit, daß es von kei» 
nem der Autoren nach Ptolemäus (Vada Euphratis juxta Tha- 
psacum, Lih. V. c. 15. p. 137) wieder genannt wird, weil das 
nördlihe Zeugma inCommagene (nahe Rumfala f. Strabo 
XVI. 747), wie Strabo es nennt, während der Partherkriege der 
Römer, die ihre Herrſchaft eben da bis an den Euphrat ausdehn - 
tem, zu dem alleinigen Uebergangsorte für fpätere Heeredzüge ver 
Römer, wie die von Trajan, Julian und den Nachfolgendep, nach 
Mefopotamien und Babylonien wurde. Schon zu Strabos Zelt war 
hier der gewöhnliche Uebergang auch ver Handelskarawanen, an dem 
obern Zeugma, die von da über Anthemufla gegen OR fortfchritten 
(Strabo XVI. 748). . 


) K. Mannert, Geogr. der Gr. und Rom. Th. VI. 1. ©. 503. 


- * 





I 





Eupbratfüftem; hiſtoriſcher Küdblid; Renophon. 13 


Daber ift auch die genauere Localität jener altem berühmten 
Stade Thapſacus in Bergefienheit gerathen, und ſchon D’Anville®) 
wie Rennell, 9) welche in Zenophons Marſchroute, von Daravaz nach 
Thabſacus 3 Tagmärfche (15 Parafangen), zum Arares Fluß (Cha⸗ 
beras) 9 Tagmärfche (50 PBarafangen), einen Irrthum vermutheten, 
weil ihnen fo nahe bei der Oſtwendung des Cuphrat von Balis 
aus feine Ruinenfpur einer großen antiken Stadt bekannt war, 
glaubten leider den griechifchen Tert durch bie Conjectur einer Trans⸗ 
yeitten verbeffern zu müffen, 10) und vie 9 Tagmaͤrſche zuerft 
fegen zu müffen, um weiter obmärtd am Euphrat die Lage der moder⸗ 
nen Stadt Der over Dar (d. 5. Thor, Paflage) zu erreichen, die 
Mennell noch andrer Umflände wegen entſchieden für pas alte Thap⸗ 
ſacus zu halten geneigt war, wezu ihm auch gehört, daß Dar nur 
etwa 2} Tagmarſch von der Einmünbung des Chaboras (Araxes 
bei Zenophon) in ven Euphrat Lege. Auch Goſſelin iſt Hierin ſei⸗ 
zem Borgänger D’Anville gefolgt. 1) 

Schon Wannert!2) indeß fand, daß vie Lage des heutigen Dar zu 
weit den Euphrat abwärts führe, um ver Lage des altn Thap⸗ 
ſecas zu entſprechen. Reichardt bewies «8 mit flegennen Gründen 
gegen Renmell, verlegte jedoch die Stadt, durch eigne Hhypotheien 
verleitet, viel zu weit 19) gegen den Norden (nach Jerabolos bei 
Achuhr, oder Jerabees bei Pococke) in vie Nähe von Bir, nahe dem 
ahrlichen Zeugma. Die mittlere Lage zwifchen beinen Extremen, 
im ver Rachbarfchaft des heutigen Rakka (was als Nicephorlum 
ven Alexander erfl gegründet war, f. Isid. Charac. Mansion. Par- 
ticae. p. 3.), halten wir, wie dies auch ſchon Droyſen 1%) ange⸗ 
dentet bat, für die wahricheinlichere Lage, und hiemit ſtimmt vie erfle 
tichcige Aufnahme des Euphratlaufes durch Golon. Chesney bei 
Gdegendeit der jüngft unternommenen Dampfichiffahrt- Erpebition 
kberein. Hienach lagen ihre Ruinen auf der bei Eorifi von Aleppo 
über Balech (Balis f. oben) und Daufer nad) Rakka beſchrie⸗ 
benen 15) Hauptfiraße längs dem Euphrat. Daufer, nad) Chesney's 





°) D’Anville I’Euphrate et le Tigre. Paris. 4. 1779. p. 17, 23, 5l. 
®) J. Rennell Illustrat. p. 60. 30) Ebendaſ. **) Strabon, trad. 
franc. Paris. 1819. T. V. livr. XVI. p. 190. not. 1?) Mannert 
e. «.D. S. 590. 22) C. &. Reicharbt, ‚Sammlung kleiner geogr. 
Shriften. Güns, 1836. 9. ©. 48.f. :*) 9. Droyfen, Ge: 
ſchichte Aleranders des Großen. Berlin, 1833. 8 S. 218. Not. 
36) Edrisi G£ographie tradait. de l’Arabe p. A, Jaubert. Paris, 
4. T. IL p. 186. 





— — 


14 WeßrAſien. IN. Abtheilung. I Abſchnitt $.29. 


aſtronomiſcher Beobachtung, liegt 85° 52° N. Br. 39 327 7.5" 0 
& v. @r.; es iſt derſelbe Ort welcher bei den Orientalen, aud) auf 
ben Karten, Ralat Iaber, das Caſtell Jabers Heißt, nahe dem 


* Dorfe Walls, 26) wo auch Menmel fon die gewöhnliche Baffage 


ober Furth and Ehren nad) Mefopotsanien durch ben ſeichten Ta⸗ 
vhrat Tennt, und auf feiner Karte eingetragen bat, ohne jedoch vie 
Lage von Thapſacus dahin zu verlegen. Ihr in Often liegt Rats 
Ta am Norbufer des Cuphrat unter 350 55° 35" N. Br. und 
390 3° 58" O. 8, v. Gr. nach Beob. Zwiſchen beiden Orten aber, 
etwa im dſtlichen Drittheile, alſo Rakka genäherter, liegt noch heute 
die Furth des Euphrat, EI Hamman genannt, mit Ruinen auf 
ihrer Norbfelte, EI Harakla (Heraclen) genannt, wie auch an 
ihrer Südſeite, und von dieſer drei Stunden Tanbein find die Ueber⸗ 
zefte einer alten weitläufigen Stabt, die bis jegt noch nicht von 
Europäern näher erforſcht find, aber Feine andere als die von Thap⸗ 
farus fein werden. Möchten fle doch demnächſt von Europäern ber . 
fucht werben, um durch das Gtublum ihrer Monumente bier einen 
fichern Anhaltspunkt zu gewinnen, der und bis jetzt noch fehlt. 

Da Alexander, wie Arrian ausdrücklich fagt, in Thapfacus ben 
Euphrat Überfegritt, fo gewinnt bie Nachricht de Plinius (VI. 26), 
daß er die Stadt Nicephorium nahe dem Strome wegen ber bes 
quemen Lage gegründet habe, was auch Yfiborus beflätigte, fehr an 
Sicherheit; denn allerdings bemerkte Rennell wol ganz richtig, 17) 
daß biefer große Eroberer alle von ihm gegründeten Gtäbte nur 
an folchen von ihm felbft Hefuchten und paffend befundnen Localitäe 
ten angelegt habe. Wäre er bei Dar unterhalb, ober bei Bir ober⸗ 
Halb, wie Rennell und Reichardt wollten, über ven Euphrat ge- 
ſchritten, ſo würde er niemald die Gegend von Nirephortum, ober 
das fpätere Rakka, berührt haben. Es if alfo nicht nothwendig, 
mie Rennell fich feiner Hypotheſe wegen gendthigt fah, das Zeug⸗ 
nißſß des Arrian von Alexanders Thapfarus » Uebergange zu were 
dãchtigen. 

Wir kehren zu Zenophons Nachrichten vom Euphratſyſteme 
zurück, zu welchem jene beiden genannten Localltäten für ihn den 
Eingang bildeten. Das Heer Cyrus des Jüngern ſah ſich gendthigt, 
nach 5 Tagen Aufenthalt in Thapſacus, da bie Schiffe zur Ueber- 
fahrt verbrannt, und wirklich, obwol Mannert ohne Grund dad Ge» 


?#) Rennell Illastrat. p. 68. ?7) Cbend. p. 68. not. 





— ö— — — 


Eunphratſyſtem; hiſtor. Ruͤckblick; Renophon. 15 


gencheil *5) annahm, noch ‚Feine Vruͤcke, wie ſpäter, geſchlagen wat, 
ven Quphrat zu durchweten. Der Autor verfichert, ver Fluß habe 
Iinen Golsaten über bie Bruſt naß gemacht (Xen. Anab. L. I, 
e. 4), fo ſeicht war er damals, Ende Juni, eine feline Erſcheinung. 
Ben da rüdte man In 9 Tagmarſchen, alfo an dem Norbufer des 
Guybrat, bis zum Arares⸗Fluß (dem Chaboras) vor, wo noch Feine 
ehe Stadt genannt wird, obwol ſchon jehr früh im Sten Jahrh. 
vos Chriſte, nach dem Propheten Jeſaias X. 9., dort ein feſter Ort 
Rartemifch Tag, ven Pharao Neo von Aegypten im Kriegäzuge 
gegen Babylon 5 Sabre Iang befehdete (23. d. Chronik. 35, 20), 
derſelbe, Der fpäterhin von Diocletian gegen bie Parther, als Grenz⸗ 
Re anı Chaboras, unter vem Namen Gircefium (Karkiſſa) 
baut und dadurch in ben folgennen SIahrhunderten ‚berühmt 
Aber auch zu Xenophons Zeit war dieſelbe Gegend ber 
Feßmündung des Araxes (Chaboras) zum Cuphrat ſchon mit 
viclen Ortſchaften bebauet, wo man Getraide und Wein in Ueber⸗ 
Hub fand, und in 3 Raſttagen hinreichenden Proviant ſammeln 
fsunte, um, immer ben Cuphrat zur Rechten habend, durch Arabien 
(de arabifche Seite Syriens, weil Zenophon den Namen Meſopotamien 
ne nicht kennt) 5 Tagmärfche zurückzulegen. Gier fand man das ebene 
Blachfe Id, Der Meevesfläche gleich (Xen. Anab. I; c. 5), nur mit Abe 


14 


ſethkraut bewachſen; kein Baum war zu fehen, nur bie und ba 


Witenbe Sträucher und Schilf; von. ven flüchtigften Thieren, dem 
wien Eſel und dem unerreihbaren Vogel Strauß, war die Wü 
Penei belebt, und von den Trappen, pie wegen ihres fchwerfälligen kur⸗ 
ya Fluges (I. Erdk. Weſtaſ. Th. VI. ©. 590) noch jagbar wa⸗ 
wu Orte werben in dieſer Binöbe gar nicht genannt, mo zwar 
die Laſtthiere aus Mangel an. Kütter fleln, aber nicht aus Waſſer⸗ 
mangel, weil’man immes nahe am Ufer des Euphrat blieb. Es iſt 
we ſchon ſehr frühzeitig von Mofe (1 B. Moſ. X. 10) fogenannte 
Lendſchaft Sinear (Shindar oder Schingar ver Hebräer, Sindfjär 
Mr Araber), wo.Nimron Babel erbaute, ein Name, ver aber Xeno⸗ 
Wen unbekannt blieb. Nur ein eingiger Zufluß zum Guphrat, 
Baica, und ein tweitläufiger, aber verodeter Ort Corfote, der von 
dien Seiten vom Waſſer umfloſſen war, werben genannt, die beine 
unbelsunt blicken. Don da an aber begann die zerriffene, vielfach 


1 


Kr 
. 3° 


10) Bersl. Q. Curtũ Rußi de gestis Alex. M. ed. Jul, Mützel, 
Berl. 1841. Lib. II. c. 7. Th. 2. p. &2. not. 2. 


’ 





16 WeſttAſten. II. Abtheitung. 1. bf nit. h.20. 


unterbrochene, ſtellhuͤglige Landſchaft zu beiden Seiten des Euphrat- 
Iaufes, der 13 Tagmaͤrſche hindurch ungemein beſchwerlich für 
ein fo großeß Heer von mehr als hunderttauſend Dann mit Kar⸗ 
zen und Bagage aller Art zu durchſehen war, bis man bei ven 
Bylae, ober dem Ausgangöpaffe aus berfelben anlangte, wahr- 
ſcheinlich in ver Nähe einige Meilen unterhalb ver rauhen Uferlanye ' 
ſchaft von Hit, mit den Erbharzquellen, bie aber Zenophon nie | 
nennt, wenn er fie nicht, wie Rennel vermuthet, mit dem Namen | 
Charmande bezeichnet, jedoch ohne dieſe Naturmerkwürbigkeit vafelbft 
anzuführen. 

Nach dieſen 18 Tagmärfchen war nun erft die heiße, ſtau—⸗ 
bige babyloniſche Ebene erreicht (Xen. Anab. I c. 7), in 
welcher man nach 6 Tagmärfcgen, immer entlang den Euphrat ge= 
gen Babylon Hin, zum Schlachtfeld bei Cunara (nahe dem heutie 
gen Feluja, ſprich Felud ſcha) Fam, mo Cyrus feinen Tod und 
die ganze Expedition ihr unglüdliches Cude fand. 

Auf biefen 6 Tagmaͤrſchen und den nachfolgenven, welde zur 
Einquartirung in babyloniſche Dörfer führten und dann hinüber 
zur Schiffbrüde über den Tigris bei Sitace, was Rennell füh- 
wärts bed Keutigen Bagbab in die Nähe ver Trümmerfläte Se- 
leucia und Cteſiphon verlegt, lernen wir durch Zenophon vie damali- 
gen Zuflände jenes eigentlichen Babylonien Tannen, obgleich er ſelbſt 
die Stadt Babylon nicht fah und noch mehrere Tagmaͤrſche nordlich 
von ihre entfernt blieb. 

Am vierten’ Tage des Iangfanen Herreömarfches kam man von 
den Pylae an das Land der Eanäle, deren Xenophon dicht beiſam ⸗ 
men gleich mehrere erwähnt; der erfte mar ein Verſchanzungsgraben, 
der, gegen ven Feind mit Damm aufgeworfen, bis zur mebifchen 
Mauer lief (Anab. L. I. c. 7); die andern viere aber, jever nur 
eine Parafange von dem andern entfernt und jever 100 Buß (ein 
Plethrum) breit, auch tief, von Kornbarten beſchifft, verbanden Cu-⸗ 
phrat und Tigris und waren mit Brüden zum -Uebergange ver⸗ 
fehen. Ob fie freilich ale aus dem Tigris zum Euphrat: floffen, 
waß hier wegen des höhern Guphratnivenus unmöglich fcheint, 06 | 
fie alle in gleicher Breite ſchiffbar blieben, mas bei ber geringen | 
Breite des Euphrat von etma 500 Fuß, die er nach Strabo an ver 
Brücke zu Babylon Hatte, nicht wahrſcheinlich ift, und geil mehr Waffer 

dazu erforbert wird, um vier Ganäle von folder Breit? und Tiefe 
zu gleicher Zeit zu fpeifen, alles dies wird durch Zenophon felbft 
ꝝidt näher erhärtet, da er außer Stande war, den weiten Derlauf 


j 


——— u m 
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. 


Euphratſyſtem; Hiftorifcher Ruͤckblick; Zenophon. 17 


deſſen, was er hier ſah, zu verfolgen. Es ift wol, wie fchon Ren⸗ 
wel bemerkt, 19) wahrſcheinlich, daß mehrere dieſer Candle nicht zur 
Beſchiffung, fondern nur zur Bewäflerung des Landes dienten, aber 
zu einem Ganaligfieme gehörten, deſſen Ne in den Gauptcanal 
zufammmenfloß, der dann bie große Schiffahrtuerbindung zwi 
ſchen Cuphrat und Tigris bewirkte, wie denn in ſolchem Alluvial- 


men folder Ganäle in ſchiffbarem Stande zu erhalten. 

De Cyrus den erften äußeren Grenzgraben Babyloniens uns 
vertbeisigt gefunden batte, und auch an diefen Ganalübergängen 
kinen Widerſtand fand, deun bie große Schugmaues war noch nicht 
erreicht, To überließ ex fich die beiden folgenden Tagmaͤrſche einer 
grögern Sorglofigkeit. Das Schlachtfeld von Gunara, 20) etwa 
9 bis 10 geogr. Meilen in Suũdoſt der Pylae, fällt nah Rennells Bes 

rechnung faſt Im daſſelbe Breitenparallel mit dem heutigen Bagdad, 

| in das Marimumpder Berengung ded Blachfelves zwiſchen beiven 

;  Sauptfizösmen, welches, felt ver Bluͤthezeit des Ghalifates, von bem 

| Sfa-Ganale (ven Sultan Iffa Ihn?!) graben lieh) vom Tigris 

bei Bagdad His zum Cuphrat durchſchnitten wird, ber noͤrdlich von 

Sehujah, wem ſpäteren Hafenorte der Ehalifenflast, in den Cuphrat 

mänbet. Felujah Liegt etwa 6 geogr. Meilen in Wellen von 

9 geogs. Meilm in NW. der Ruinen von Babylon, 7?) 

Ganal wird wel ſchon damals einer von jenen durch 

überfchritinen gewefen fein, werner auch fpäter erſt ſchiff⸗ 

und bebeutend geworben fein mag. Es iſt derſelbe, 

Heute noch fahrbar iſt, derſelbe, welchen das Dampf» 

Gupbrates im Juli 1838, alfo bei hohem Wafler, mit 6 bis 

Ziefe, glüdlich durchſchifft hat. Feluja liegt nach aſtrono⸗ 
Beobachtung Col. Chesneys 330 217 9" N. Br, 43° 48' 

D. 2. v. ©r. 

Die retrograde Bewegung des geſchlagenen Heeres führt⸗ 

ven Norden über die früher verlaffenen Canäle zurück, aber 

I mit gegen Nordweſt am Cuphrat aufwärtd, weil man ba Feine 

i5 Sebentmeittel erwarten burfie, fonvdern man wollte burch die dia⸗ 

IE gemnle Bitte des Blachfeldes von Mefopotgmien, in 4 bis 5 Gil» 

4 mäcien, gegen RO. zum mittleen Tigris, um biejen bei Samarra 


Mi 


H; 


1— 





1%)'5, Remmell Midstrat. p. 70. 20) Cbendaſ. ©. 87. *') nad 
Gule, y. Hammer Purgſtall d. al. Sürter, Rec. Bien Jahrb. 
xIn. 1821. ©. 2331 °?) Bennell L c. ©. 98. 

Wr Grtinube X. B 








18 Weſfſft⸗biſien. III. Abteilung. I. Abſchnitt. $. 29. 


zum Weberfegen zu erreichen und fo den Rückweg nach Jonlen zu 
finden. Aber ſchon am Morgen des zweiten Tagmarſches durch 
einen Vertrag mit dem Perſerkoͤnig zum Stillſtand gebracht, wur⸗ 
den die Griechen in babylonifche Dörfer einquaztirt, wo fie 


(m Welten des heutigen Bagdad) Weberfluß an Korn, Datteln ' 


und Wein fanden (Xen. Anab. Lib. II. e. 3). 

Sie gewinnt der Grieche während eines Monates Raſtzeit ven 
een Bid in die üppige Natur der Palmenvegetation und bie 
Genäffe, die fle darbot, und ſelbſt ber nüchterne Keinophon fand ihre 
Baben bewundernswerth. Die Fülle der Palmenwälder, bie man 
dort vorfand, wie fie auch fpäter durch Kalfer Iuflans Feldzüge 
dahin, die Ammian Marcellin befchreibt, beftätigt wird, zeigt: ven 
bamaligen hohen ſchon son Herodot -gepriefenen Anbau des vandes 
in dem es nirgendẽ an Vorraͤthen aller Art fehlte, und vie forte \ 
Beodlkerung der babyloniſchen Landſchaft, da Überall die Cultur ber 
Balmenmälver eine ſolche nothwendig vorausſetzt. Diefe vielen 
Dattelwaldungen find aber gegenwärtig bier mit. ven fo zahlreichen 
blühenden Dorffchaften wie ihre Bevdlkerung verſchwunden. Die 
Candle find verſandet, fle befruchten nicht mehr ˖die grünenden Ge⸗ 
filße, und die zahlrrichen Brücken, bie, damals zum belchten Verkehr 
im beften Stande, über vie Canaͤle hinführten, daß «Herreögäge:fle 


bequem überſetzen koͤnnten, finden fi gar nicht nıehe: denn das 


Bebũrfniß derſelben Hat In ver Menfcheneindne und. in: dem dürren 


“ 


Blachfelde aufgehört. Daß fle aber wirklich vorhanden und mit | 


nicht gemöhnlicher Sorgfalt aufgeführt waren, wird dadurch beſtä⸗ 
tigt, daß man die Grundmauern von gar manchen verfelben in der 
Naͤhe veralteter, jetzt troden liegender Canaͤle wieder aufgefunden hat. 
Als Dr. Roß?2) am 7. Mai von Bagdads weſtlichem Tigridufet 
etwa 2 Stunden weit in das innere Land geritten war, wo ein 
Waſſerpfuhl fich an ven Reſt eines uralten verſchütteten Canals an⸗ 
lehnt, kam er zu einer Stelle, an der man im vorhergehenden Jahre 
die Reſte einer antiken Brücke ausgegraben hatte, um mit ihren 
Badfeinen ein Haus in Bagdad aufzubauen. Ihre Backſteine gli⸗ 
Gen ganz denen in Babylon, und waren mit Keilinferiptionen ver 
. fehen, und mie vie dortigen mit Bitumen -aufgemmuert. Wie viele 
dergleichen alter Bauten mögen feit vera letzten Jahrtauſend auf 


22) Wr, John Rofs Notes om two’journeys from Bagdad to: the 
roins of Al Hadhr. 1836. im Joarn. of the Roy. Geo. Soc. 
Lond. 1839. Vol. IX. p. 448. Fi 

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| Euphratfoftem; Hiftorifcher Rüdblid; Renophon. 19 


dieſe Weiſe zerftört fein, und doch finden filh immer vergleichen noch 

| in ihren Ueberreſten vor. 
Die zehntaufenn Griechen, auf deren Vernichtung die PBerfer 
ı Sisterlflig jannen, währenn fie ihnen vie beſten Musfichten zur 
Kückkehr in die Heimath eröffneten, zogen zu ber damaligen Haupt⸗ 
ſtadt an dem Tigris, Gitace (Sırraxr, Xen. Anab. L. IL c. 4), 
weil da eine Schiffbrücke über ven Tigris führte. Gie hatten aus 
| Im Dorfquartieren dahin 5 Tagmärfche gegen SD. zurüdzulegen. 
Am Ende des 3. Tagmarfches kamen fle zu ver mediſchen Mauer, 
‚ Ne ans Backſteinen mit Erdharz aufgebanet war, 20 Fuß breit und 
| 100 Fuß Hoch (eine vielleicht verbordene Zahl, meint Rennell), und 
im nem Durchgange von dem Heere durchſetzt wurde; dann folgten 
ua zwei Ganäle, die man auf Brüden überfchritt, und ein drit⸗ 
‚ ter bei Sitace, alles Beweiſe hoher Eultur, auch gegen ven Ti⸗ 


hin. 

Diefe mediſche Mauer, vie Herodot noch nicht nennt, aber 
weleicht unter ven bewundernswerthen Bollwerken der Semiramis 
(xiuare Herod. I. 184) mitbegreifen mochte, reichte unftreitig von 
Strom zu Strom, eine GStrede von 10 Stunden Wege. Gerade 

| | fo lang, 200 Stadien, gibt fie fpäterfin Strabo in feiner Wefchreis 

i Ä hung Babyloniens an, und nennt fie ein Werk ver Semiramis; er 

‚. Mit fie abwärts der Stadt Opis (Strabo I. 80 und XI. 529) 

em Tigris von da, fühweftwärtd zum Cuphrat ſtoßen, jo daß ihre 

‚ serbäflihften Ruinen, wenn ſolche vorhanden fein follten, nicht 

| em nem Norpweſtende der alten Stadt dab zu fuchen wären. 
3 Adler Sultan kam (im I. 363 n. Chr. ©.) 700 Jahre fpäter als 
' Zenephon nicht fern oberhalb des Austeitts des Nahr Malta 
wer Kdnigs⸗Canals an dem linken Euphratufer, bei einem Orte 
NMacepracta (Ammian. Marcell. XXIV. 2, 6.) genannt, an ihr 
BGSüdweſtende, das aber in Ruinen Ing, und bald darauf an ben 
‚ Infang des genannten Canals. So lich fi ihr Zug im Marie 
 mum der Berengung Mefopotamiens) oder im Iſthmus, 
J I Bebtylonien von dem nörblichern Aſſyrien fo eigenthümlich durch 
‚| Us gedfite Couvergenz beider Stromſyſteme fcheivet, einigermaßen 
\5 mufemeifen.2%) Ihre MWeftimmung hatte Längft aufgehört, ſeitdem 
4 Mäen und Medien mit Babylon unter einem Scepter vereinigt 








| %) &: Rennells Map, the route in detail of Cyrus the younger 

 ärem Sardis te Babylonia and the retreat of the ten thousand Gr. 

Def. Countries situated between Babylon and the Car- 
809. | 


92 


4 


20 Weſi⸗Afien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $ 29. 


waren, man hatte gedacht, daß fie In den folgenden Jahrtauſenden 
als unnüg gänzlich verſchwunden fe. Aber in frühern Jahrhun- 
berten follte fie die fo fruchtbare Landſchaft Babyloniend fo mie ihre 
Hauptftänte ſchützen vor. den Leberfällen ver Affgrier und Meder, 
die fie Iange Zeiten hindurch von Niniveh her bedrohten; fie war 
alfo zu demſelben Zwecke erbaut wie andere ihres gleichen: die 
Ehinefifche gegen die Mongolen (Erpf. IL 125, 199, 201); vie 
Indiſche in MyBoore gegen Nomaben (V. 514), die Kaukaſiſche 
bei Derbent, die Gorinthifche, die Heramilia im Thraciſchen 
Cherſones, die des Severud in Britannien u. a. Diefe Mauer iſt 
nicht geſchwunden; ihr öftliches Ende, gegen ven Tigrid anftoßend, 
wurbe wirklich in der nach Strabo zu vermuthenden Gegen» nahe 
den Trümmern von Dpis (f. Erdk. Weſtaſ. IX. ©. 538) auf dem 
linken Tigrisufer im Jahre 1836 von Dr. Roß 25) zuerſt entdeckt, 
und dann im folgenden Jahre auch von BI. Lynch in feiner Kar- 
tenaufnahme jenes Tigriölaufes verzeichnet. Wir werben unten auf 
bie genauere Beichreibung dieſer Mauer, die wegen. ihrer langen 
Dauer in Berwunderung ſetzt, zurückkommen und fehen, wie fie ven 
gegebenen Daten ver Alten ganz gut entfpricht. Auch ein Portal fand fich 
zu ihrer Durchſchreitung. Da fle aber nach Ausfage der Araber an ver 
weſtl. Euphratfeite bis etwas oberhalb Feluja in den 2 Anböhen Ra⸗ 
melah enden fol: fo ſcheint das Schlachtfelo von Cunaxa, wo man 
noch außerhalb der mediſchen Mauer ſich befand, auch etwas 
weiter am Euphrat aufwärtd gelegen zu haben, und ihre Diretion 
geht nicht, wie nach Rennells Kartenzeichnung, vom Cuphrat gegen 
SD., fondern gegen NO. zum Tigris 14 Tagreiſen oberhalb 
Bagdad, was auch mit ven Angaben ver Alten ſtimmt. 

Der Canal, welcher nebft vielen andern kleinern, vie vorher 
überfchritten werben mußten, unmittelbar unterhalb Sitace zum 
Tigris fließ, war wol wegen feiner Tiefe und Bebeutung, denn es 
führte eine Schiffbrüde von fleben Pontons das Oriechenheer über 





ihn hin, und weil er die Stabt gleichfam zur Infel machte, vom Euphrat : 


hergeleitet; feine Richtung entfpricht dem Sarfar-Eanal ver 
Chalifenzeit; 20) er mar der kürzeſte der Communicationsgräben 
zwifchen beiden Flüſſen. Sitace war eine große volkreiche Stat, 





2%) DrRofs Notes on two journeys from Bagdad cetr. pag. 446. und 
Lieutn. Bl. Lynch Note on the river Tigris p. 472. beive im 
Journ. of the Roy. Geogr. Soc. Vol. IX. 1839. **) J. Rennell 
Illustr. p. 97. 


| Euphratſyſtem; biftorifcher Rüdblid; Renophon. 21 
 Veeisiertel Stunden (15 Stadien) vom Xigrid gelegen, wol nächſt 
Babylon dem Range nad} die zweite Stabt, eben In jener für Ca⸗ 
pitalen geeigneten Ufergegend, wo fpäter nach ihr aus ihren Trüm⸗ 
mern, wenigfiend nicht fehr fern von ihr, denn ihre Situation If 
bis Heute nicht ermittcht, Sele ucia und Cteſiphon im Süden, 
um Bagdad im Norven entftanden find. Sie war von reichen 
‚ Gärten, Dattelmäldern und Eulturen umgeben, eine Schiffbrüde von 
37 Bontons führte über den breiten Tigerſtrom zu deſſen Norbufer 
hirüber, auf feine Iinfe Seite, fo daß alſo hier, von Babylon 
ker, ver Paß nah Sufa (nad Strabo XVI. 744), mie nach 
RNedien und Armenien führte. An ihre Stelle iſt In neuerer 
Zt, etwa 4 Stunden weiter aufwärts am Strome, die Schiffbrücke 
u Bagdad getreten, vie ungefähr aus derſelben Zahl von Schiffen 
(%, 39 bis 40, nach Niebubr 1766, Ives 1758, Thevenot 1664 
! um Andern) zufammengefeßt zu fein yflegt: deshalb wenigftns 
von der heutigen Breite des Stromes fo ziemlich auf die alte Breite 
deſſelben, zu Xenophons Zeit, zuridzufchließen fein möchte. Ueber⸗ 
hanpt ergab ſich ſchon aus einer genaueften Linterfuchung vieler 
ver obigen und in früheften Zeiten angeführten fpecieflen Daten 
dem forfchenden Rennell das Nefultat, daß viefer Lauf des 
Cuphrat und Tigris In dem genannten Marimum gegenfeitiger An⸗ 
näberung wenigftend verfelbe, wie im alter hiftorifcher Zeit, fo auch 
bis heute, wenigftens im Wefentlichen,, geblieben, veshalb auch gar 
mandhe der jüngern Zuflände bortiger Landſchaften auf jene ältern 
zur Erläuterung anzuwenven fein möchten. Aber freilich nur bie 
Returverhältnifie, denn die hiftorifchen Haben das Land doch fehr. 
umgewandelt. Dagegen fcheint es wol, daß der untere Lauf des 
Exphrarfgftems, von dem aber Zenophon Keine Kunde ertheilt, fich 
feit Alexanders und Nearchs Schiffahrten auf ihm fehr veränvert 
haben muß. 
| Ts TZenophon in Mefopotamien eintrat, nannte er ven Theil 
m Norden des Araxes (Ehabur) Syria, ven Theil zwifchen bem 
Years und den Pylae unterhalb Hit, Arabia; venjenigen aber 
zuifchen ben Pylae und dem Tigris bet Sitace Babylonia. Syria 
begeichunete ihm alfo den fruchtbaren Landſtrich des obern Cuphrat⸗ 
Iaufes zu beiden Selten, Arabia aber ven untern, oden Theil des⸗ 
ſeben zu beiden Seiten, und Chabur war ihm zwiſchen beinen ber 
@eemjfirem damaliger Zei Mit Arab ward auch Hier in feiner 
“füheften Iocalen Urxbeveutung, che es noch über vie ganze arabifche 
f Gelinfel (Dfpeftrat el Urab) von ven Autoren audgebehat 










22 WeftsMfien. III. Abtheilung. I.Abſchnitt. 5.29. 1 


ward, wie auch bei Hebräern ?7) und andern Wolkern, der wüßte | 
Zandfri von Horben durchſtreift, genannt, im Gegenfag " 
des Fruchtbodens von Syrien, Zu Xenophons Zeit warm 1 
in biefem Gebiete des Cuphratlaufes noch Feine ver zahllofen Stänte 1 
ober Ruinen von Ortfchaften, Gaftelen, Schlöffern und Ihürmen ı 
vorhanden, welche die fpätern Jahrhunderte dort erſtehen und wie · 
der verfallen ſahen; Zenophon erwähnt keiner vergleichen uußer ı 
den wenigen oben genannten: aud) aus Herodot wiffen wir, wie ı 
gering die Kenntnif der Perfer‘ von Indien vor Darius Hyſtaspes 
Velbzug zum Indus. war, und wenn auch indiſcher Handel bis Ba ı 
bylon ging, fo flieg er doch nicht weiter dem Stromlauf entgegen. ı 
Später erft, als ſich der graße Handelsverkehr zwifchen Indien, Bor ı 
deraflen und Aegypten belebte, konnten in ſolchem Gtromgeblete über- i 
all fo zahlreiche blühende Anflevlungen entflchen, die felbfflännig, ' 
obwol in der Mitte von Wüften, ihre Nahrung und ihren Reid 
thum aus dem großen Weltverkehr fogen, bie aber auch mit deſſen 
Ablenkung durch die oceaniſche Weltſchiffahrt wieder in ihr Nichts 
verſanken. Die Wiederbelebung des Handels über Bafforah, Bag« 
dab, Aleppo, Damascus und das Mittelmeer würde, mit Sicherflel- 
ung des Eigentums und Regullrung der Dampfichiffahrt, der 
Zukunft ein gleiches Schaufpiel bereiten. Die Schiffahrt zu Zeno⸗ 
phons Zeit ſcheint weder auf dem Cuphrat noch Tigriß fehr im Gange 
geweſen zu fein, denn es iſt nie von großem Waflertransport auf 
dieſen Strömen die Rebe, und wo Golbaten zum Bouragisen aus- 
gehen, da fegen fle nur auf Fldßen von Häuten, mit Luft aufgebla- 
fen oder mit Heu außgeftopft, über, auf ähnliche Weiſe wie dergleichen 
Ueberfahrten noch heute im Gebraud find. Die Schiffbrücen md- 
gen wel auf Käfnen geruht Haben, wie fle Herodot beſchrieb. 

Aus der blühenden babyloniſchen Landſchäft mit wenigen gro« 
fen Städten, aber voll Dorfichaften, reich an Bewaͤſſerung, Ganälen, 
Brüden, Gästen, Dattelmälbern, Anbau aller Art, ging nun ber 
Rüdmarf der Zehntaufend von der Tigrisbrüce zu Sitace in 
15 Iagmärfchen ohne Aufenthalt immer auf dem Öftlichen Ufer 
Ianbe des Tigris- Stromes gegen Nordweſt Hin, bis zu deſſen Zu» 
fammenfluffe mit dem Großen Zab. Diefe Landſchaft ward zwar von 
enophon Medien genannt; fie llegt dem Grenzſaume Meviens gegen 


— — 


ꝝegenmüter, Oandbuch der bibl. Alterthumslunde. TH. 8. 1898. 





Euphratſyſtem; hiſtoriſcher Xuͤcblichz Xenophon. 23 


das flache Aſſyrien auch entlang: Medjen ſelbſt aber, Höher. auf, 
eberhalb der Hamrinfeiten (ſ. Erdk. Weſtaſ. IX. ©. 526), fonnte 
auf diefem Zuge nicht berührt werden. Das geographliche Refultat 
dieſes Marſches in Beziehung auf das Thal des Tigris und ſeiner 
Zuflüfſe Haben wir ſchon früher vollſtändig mitgetheilt (ſ. Erdk 
Weſtaſ. IX ©. 516 u. ff. bis 706), wo auch von ver Erſteigung 
des Karduchengebirgs oder. Kurbefland, am Chaburſtrome über die 
Buhtan«Kette, oberhalb Jezireh, die Rede war. 

Wenn Fenophon uns nun nach alle dem etwas genauer am 
mittlern Eupbrat und Xigris orientirt, und reiches Material zu 
fertwhrender Forſchung Hinterlafien hat: fo verdanken wir ibm 
auch noch im obern Laufe beider Ströme vie Entdeckung zweier Ihrer 
Sauptquellarme. Einmal des Gentrites (Lib. VI. e. 3), ber 
nach Heben mühfamften und furdtbarften Tagemärfchen durch das 
wie Karduchengebirg, over dad Bergland von Kurbeflan, erreicht 
werd, und vonXenophbon als ver Grenzfluß gegen das frelere, 
offenese Hochland Armeniens fo beichrieben wird, daß man In ihm 
ven Fluß von Bitlis, ben heutigen Bitlis Tſai, nicht verken⸗ 
am kann (ſ. Erdk. Weſtaß IX. ©. 1003. 1006), welcher ſchon als 
ein norböflliher Quellarm des Tigris anzufehen ft, ‚ver, mit 
den noch Öfllicher im Süden des Van⸗Sees In noch völlig unbe» 
Ianntem Gebirgelande entfpringenven Blufle von S ert, dem Sertofu, 
auch von den Gingebornen ald eine der Tigris⸗Quellen, nämlich des 
Dftarınes, angeſehen wird. 23) Die wahren Quellen des Tigrig Tiegen 
aber demſelben im Welten, mo fie auch von Zenophon, ber Lage 
nach, wenn auch nicht gefehen, doch am zweiten Tagmarfche nady 
den Uebergange über den Erntrite® genannt werben (Xen. Anab. 
IV. c. 4). Dann aber, 3 Zagemärfche weiter nordwärts von biefem 
Flufübergange, gelangte Xenophon im weftlichen Urmenien, am 4. Tag⸗ 
morjche, nachdem man 15 Parafangen zurüdgelegt hatte, auch zu 
vom Bette des obern Eupbrat, den man durchmwaten mußte, wo⸗ 
bei mau nur bis an den Nabel in dad Wafier kam. Die Duelle 
dieſes Stromes, fagte man ihm, fet nicht ſehr entfernt; rings um⸗ 
ber Lagen gewaltige Schneemaffen audgebzeitet (Xen. Anab. IV. 
5,2) Dies war der dftlihe Quellſtrom bes Euphrat, meldher 
jept unter dem Namen Morad im Vafchalit Muſh allgemein be⸗ 
Ianat iR, ver aber, von Zenophon damals entdeckt, von keinem der 


22 . Narrative of Kurdistan voll. App. II., Information 
—8 om natives, P- 876, 378 





24 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 29. 


folgenden Reiſenden wiever gefehen, von keinem Geographen erfannt 
war, bis I. Morier 29) im Juni 1809 ihn zuerſt wieber auffand, 
den Weg von Bayaziv über Diyadin feinem Strome entlang, über 
Alaſhgerd gen Erzerum ziehend. Daß bier ver zweite weſtliche 
Hauptfirom des Cuphrat ſchon längſt ein Jahrhundert früher 
von Tournefort (im Juni 1701) 39) unter dem Namen Frat in 
der Nähe von Erzerum aufgefunden war und ſeitdem für ben ein⸗ 
jigen Quelların deſſelben bei den Europäern galt, iſt bekannt. 

Durch neuere Reiſende wiſſen wir, daß dieſer Mora in ver 
Sommerzeit, bei hohem: Waſſer, nicht fo bequem >?) zu durchwaten 
iſt wie bei nieverm Waflerflande zur Winterzeit, wo Zenophon ihn 
fo leicht durchſehzen Eonnte, da er der Waflerfülle nah dem Weſt⸗ 
arme wenigſtens gleich kommt; und ganz jüngft iſt erſt ver wahre 
Urfprung dieſes Morad, nahe deſſen Quelle Zenophon vorüber⸗ 
gegangen war, durch I. Brant (6. Sept. 1838), auf dem hoͤchſt 
beſchwerlichen GBebirgsmarfche vom Vans Gere nach Diyapin, am 
Südabhange des 8000 Fuß hoben Ala Dagh (Schöner Berg) 2) 
ermittelt worben, von mo er dann über Diyabin gegen S. W. welter 
frömt, wo er von Zenophon auf feiner directen Route zum Aras 
und nad) Trebifond am ſchwarzen Meere durchſetzt fein mag. 


3) Zur Zeit Alexander M. (331 bis 323 v. Chr. ©.). 


Die dritte Periode der Geſchichte, der das Cuphratſyſtem feine 
geographiſche Aufklärung verdankt, ift die Zeit Aleranders, 
welche überall den Blick in ven fernern Orient erweitert; er iſt es, - 
der fich ſelbſt zumal in deſſen unterm Gtromgebiete recht einheimiſch 
zu machen fuchte, weil er nad feiner Rückkehr vom Indus von der 
Idee ganz erfüllt fehlen, dad Euphratland zum VBerbindungse 
gliede in dem Weltorganismus zwifchen Drient und 
Decident zu erheben, und veshalb fo Großes begann, was feine 
Zeit nicht verfland; denn der Euphrat blieb damals ein tobter Welt⸗ 
from, weil der große Mann feine Idee nicht felbft zur Ausführung 
hatte bringen koͤnnen. Uber begriffen war fle doch von feinem ver- 


3°) J. Morier Journey through Persia, Armenia and Asia Minor 
to Constantinople, 1808-1809. Lond. 1812. 4. p. 308. 20) P. de 
Tournefort, Voyage du Levant. Amsterd. 4. 1718. Tom. IE. 
Lettr. XVII. p. 114. »t) M. Kinneir Journey through Asia 
minor, Armenia etc. Lond. 1818. p. 378. *?) J. Brant Notes 


of a journey through part of Kurdistan 1838. im Journ. of the . 


Geogr. Soc. of London, 1841. Vol. X. P. III. p. 417. 


[N . 
> 


⸗ 





Euphratſyſtem; hiſtoriſcher Ruͤckblick; Alexander M. 25 


trauteſten Waffengefährten, dem Ptolemäus Lagi, ver num, als ihm 
das Nilthal ald 2008 zugefüllen war, nebft felnen Nachfolgern dort, 
feriich auf einem anvern Boden, es außführte, ven Weltwverkehr 
aus Indien direct nach Alerandria zu Ienken, was Alexander, dem 
De Umfchiffung von Arabien, obwol er fie fchon ahnete, noch 
unbefannt geblieben war, für dad babylonifche Land, als Mittel- 
glied, ſchon beabfichtigt Hatte. Go werben wir, da Herodot und 
Zenophon über das Mündungsland des CEuphrat, abwärts von 
Babylon, ohne Anſchauung blieben, durch die Geſchichtſchreiber Alex⸗ 
anders zumal in deſſen untern Stufenlande In fo welt orientirt, 
daß wir die dortigen geographiſchen Berhältnifie der Gegenwart doch 
einigermaßen aus dem Zuſtande verfelben in jener Vergangenheit 
begreifen fünnen; wie viel mehr würbe dies der Ball fein, wenn und 
Nie Schriften der Zeitgenoffen und Waffengefährten Alexanvers ſelbſt 
nicht verloren gegangen wären, wie vie eines Ptolemäus Lagt, 
Yritobulos, Onefleritus, Eratofthenes, Dickarchus u. U. 

Nur ſchnell eilt Alexander nad Beflegung von Syrien und 
Aegypten mit feinem Heere über ven Euphrat bei Thapfacus, 
und über den reißenden Tigris oberhalb des Heutigen Moful; wo, 
wis nicht gejagt (Arrian.. Exped. Alex. III.7.), doch wahrſcheinlich 
in der Gegend des Heutigen Jezireh ihn Omar (f. Erdk. IV. 
6. 700, 705, wo Beth Zabda oder Bezabde in fpäterer Zeit), 7) 
weilte eben durch ſolche Uebergangsfähigkeit ihre fpätere Be⸗ 
dentuug erhalten mochte. Niemand wehrte ihm den Lebergang, 
Darius Hatte ihn ganz unbefegt gelaffen; dieſer wurde 4 Tagemäriche 
weiter ſüdwärts auf dem Schlachtfelne von Arbela überraſcht und 
geſchlagen (Erdk. IX. 699); er entfloh mit den Trümmern feiner 
Herrlichkeit über die Zaghroſhketten nach Medien. Alexander ſchrei⸗ 
‚ ven Xigris rechts zur Seite, nun elligft auf Babylon los. 
fand die berühmte Stadt, wenn fie ſchon ihres hochſten Glan⸗ 
beraubt war: denn Darius Hyſtaspes Hatte ſchon bei der zwei⸗ 
Eroberung derfelben durch die Perfer ihre mächtige Mauern 
ihre Thore einreißen Iafien (Herod. II. 159), er hatte Ihr 
andere Bevölkerung gegeben, und Xerxes hatte nicht nur daß 
Scligtfum des Tempels, vie zwölf Ellen hohe Bilvfäule des Gottes 
von Gelo, (Herod. I. 185) geraubt, fonvern er hatte auch nad) 
feinem fchimmpflichen Feldzuge gegen vie Griechen alle Tempel ber 


L 


* 


—AI 


22) Mannert, Geogt. d. Gr. u. R. Th. V. 2. S. 306. 





26 Wefl-Afien, TIL Abtheilung. I. Abſchnitt. h. 29. 


Babylonier niederreißen laſſen, und zumal ben großen Zempel des 
Bel, in der Mitte der Stadt gelegen, der durch feine Größe fo ber 
rüßmt war (Arrian. de Exped. AL VII. c, 16). Die damalige Des 
vdlkerung von Babylon mit ihren Chaldäer Prieftern „und ben 
Häuptlingen zogen dem macebonifchen Sieger bei feinem Anmarſche 
zur Stabt entgegen; fe brachten ihm Gefchenke dar und übergaben 
ihm die Stabt mit der Burg und ihren Schägen. Lange vermeilte 
er diebmal nicht, denn noch fland ihm die Cinnahme von Sufa, der 
alten Reſidenz des Perferfönigs, bevor. Er ſetzte ihnen einen neuen " 
Satrapen ein, legte eine Garnifon in bie Stadt Babylon, gab ihr 
Commando einem Macebonier, und ließ einen Eintreiber ver Tribute 
zurück. Er befragte die Chaldäer wegen Herſtellung ihrer Tempel, 
und wozu fle riethen, dad befahl er auszuführen; ihrem Vorſchlage 
gemäß errichtete er dem Bel wieder ein Helligthum. Dann aber eilte er 
nah Sufa, wo er nad 20 Xagmärfchen leicht eintrat, da ſich 
auch diefe Königöftabt mit allen Schägen mwohlerhalten ihm ohne 
. MWiverfland unterwarf. Außer den unermeßlichen Reichthümern, die 
- er hier vorfand, wird auch ber Kunſtſchaͤte und der Heiligtümer 
erwähnt, welche Kerze einft aus Griechenland geraubt, bie nun als 
Stegerbeute von Ulerander ven Hellenenflämmen als ſchönſter Irie 
umph zurüdgefanbt warb, barunter auch ein Bild ver Artemis Gercaia 
und die Stanbbilder des Harmodius und Ariflogiton der Athener 
(Arr. Exp. II. c. 16. VII. c. 19). Den griechiſchen Göttern wurden 
. bafür im Lande des Lichtvienfted feierliche Dankopfer gebracht und 
ghmnaſtiſche Spiele gefeiert. Wie eilig Alerander von hier über 
den Pafltigris, das iſt den Karun- Fluß (RKuran), durch dag Land 
der Urier (Arr. III. c. 7). nad Perfepolis fortſchritt, iſt ſchon frü- 
her angezeigt (Erdk. IX. ©. 294— 309, wobel die Berichtigungen 
zu vergleichen, welche die bortigen geographifchen Daten durch bie 
forgfältigen eritifchen Noten von I. Mügel zu Q. Curtius Ruf- 
Lib. V. 10, 3. V. 12, 16 und V. 20, 10 gewonnen haben). 3*) 
Belehrender für und nach dem indifchen Feldzuge und ber großen, 
zweiten Beftfeier in Suſa (im Frühjahr 324 vor Chr. ©.) war 
Alexanders zweiter Aufenthalt im babyloniſchen Lande, ber 
«(som Juni 324 bis zum 11. Juni 323) wegen feines fo ſchnell erfolge 
sen Hinſterbens zwar nur kurz, aber nicht weniger thatenreich genannt 
werben muß. Denn in dieſer Periode (natürlich find Hier nur bie 


®4) Q. Cortii Rufi de gestis Alexandri M. cetr. ed. Jul. 
- Mützel. Berlin 1841. Tb.,I. p. 414, 421, 452. 


re 


—— — 2* 





Enpbratfoftem; hiſtoriſcher Ruͤckbblick; Alexander M. 27 


auf vie Geographle einflußreichen Verhaltniffe ind Auge gefaßt) werben 
alle Gauptverhältnifie der dortigen Waſſerſyſteme zum erſtenmale 
durch ihn erkundet, wie nie zuvor, und wie nie wieder nach ihm 
bis im Die neueſte Zeit; auch If faſt Alles was bie fpätern Autoren, 
wie Strabo, Ptolemäus u. A. darüber zu fügen mifien, nur Wie - 
verhelung oder Anwendung aus jener Zeit und aus verfelben Quelle, 
Nearch, ver Steuermann ber inbifchen Flotte Aleranders war 
an den Grenzfluß Perfiens und Suſlana's, an ven Arofis 
(Orsatiß), ven Heutigen Tab» Fluß von Hinduan vorgerüdt (f. 
Edt. X. ©. 134). Bon Her an konnte er, wie er felbft bemerkt, 
wegen ber feichten, fchlammigen Waſſer des ‘Berfergolfs keine genauere 
Berichterflattung von der Küftenfahrt mehr geben, da die Schiffe 
ver Flotte nur vereinzelt Hintereinanver folgen konnten (MNearchi 
Periplus in Arriani Lib. histor. Indicae, ed. Schmieder. 1798. 
ap. 41). Doc ſchiffte er den erſten Tag auf viefe Weile 600 Sta- 
Ken bis zur Nacht, wo die Anker ausgeworfen wurben (an 15 geo⸗ 


graphiſche Meilen, oder wenn wir vie Bleineen Stabien annehmen 


aur etwa bie Hälfte), alio an ven Münbungen des Tigris, die er 
jedoch an viefer Stelle ſeines Tagebuches nicht nennt, obwol er fie 
doch kennt, da er fpäter zu ihnen auf ver Rüdfahrt zurückkehrte, 
vorüber; ven zweiten Tag aber 900 Stadien, 225 geogr. Meilen, 
varch tiefes Waffer, bis zur Mündung des Cuphrat (dm} zo 
ersuate soo Eögpedrov). Hier ging er vor Anker, bei dem Orte 
Diridotis (Teredon, bei Strabo II. 80. Ptolem. ıV. c. 20. 
f. 145, uno Plin. VI. 32), wohin zu jener Zeit Kaufleute aus 
den Lande der Emporien (and zjc ’Eunoelns yis, Arc. l. c.) 
d. i der Araber, ihren Weihrauch (Aıßavwroc) und ihre Gewürze 

Iradhten. Tigris⸗ und Euphrat»Mündungen waren alfo da» 
mals noch entichieven gefonvert, fie lagen wenigſtens eine gute Tage, 
reiſe weit auseinander, wenn auch ihre Berzweigungen innerhalb 
ihres Deltalandes fchon, wie Mannert?°) nach den wechielnden 
Gräßtungen ver Alten zu ſchließen fich für berechtigt Hält, fich ge⸗ 
genfeitig vermifchen mochten. Den früher beftehenden gefonverten 
Lauf belger Ströme 20), der dftee hypothetiſch geläugnet wird, weil 
Herchdot und Xenophon viefen Umſtand weder bejahend nor vernei⸗ 
neuh berũhren, beſtätigt aber des Edrifi ausdrückliches Zeugniß, das 
er bei Gelegenheit der Grabung des Iſa⸗ Canals in den muhameda⸗ 





I ©. d. Gr. Mimer. 25. v.2. ©. 34. °*) Bari 
Geogr. ed. Jaubert. Vol, II. p. 144 








—— 


28 Weſt⸗Aſien. TIL Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 29. 


niſchen Zeiten abgibt. Jene weſtlichſte NRüuͤndung, ehe beine Gtröme 
NG in dem jüngern Hauptſtrom des Schat el Arab vereinten, 
Tonnte wol den dortigen Rocalitäten gemäß Feine andre geweſen fein, 
als dieſelbe, welche noch in ver Mitte des vorigen Jahrhunderts 
3 deutſche Meilen im Güben der Stabt Basra mit dem Innerften 
Winkel des Meerbufens beginnt, ver Chor Ab villa?7) genannt ward, 
als Nieb uhr ihn dort erforfchte. 

Aber von dieſem Hafenorte, der denn auch nach Strab o's, der 
Erzäßfung des Cratoſthenes folgenden Angabe, (suyge Tepnödrog 
xal sg dußoAjg so0 Eöppdzov, Strabo XVI. 766), etwa an 
der Sübweftfpige der jepigen Uferinfel Dauaflz gelegen war, kehrte 
Nearch, auf die Nachricht von Alexanders Ankunft mit dem 
Sanbherre zu Sufa, fogleich zu biefer Hauptflabt zurüd, an ber 
großen Lagune vorüberfchiffend, In welcher ver Tigris, derſelbe wel« 
Ger oberhalb am zerſtbrten Ninive vorüberfloß, mündete, und dann 
Suflana zur linken Hand Habend, um durch den Pafitigris 
Udentiſch mit Eulaeus, dem heutigen Karun) fich mit dem Heere 
feines Gebleters zu der großen Feſtfeler in jener Mefldenz zu verei⸗ 
nen (f. Erdt. X &. 320—323). Bon der Lagune (Aluvn 6. Arr.) 
war die Länge dei Hinauffahrt zur Mündung des Tigris noch 
600 Stadien (15 geogr. Meilen, wenn wir bei dem gewöhnlichen 
Stabium flehen bleiben, und nicht dad Eleinere Stablum des Ariſto⸗ 
teles hier überall annehmen wollen) fern, wo ber Ort der Sufler 
Aginis Ing, ver von Sufa 500 Stabien (124 geogr. Meilen) fern 
war. Die Schiffahrt von Suſa bis zum Tigris betrug 2000 Gta- 
dien ‚(50 geogr. Meilen). Da dieſe Zahl um 900 Stadien (20% 
geogr. Meilen) größer als die directe Diſtanz von Sufa nach Agie 
nis am Tigris, bei Nearch, angegeben iſt: fo muß biefe größere 
Xänge wol die Ausvehnung der Lagune oder Limne bezeichnen, 3%) 
die in großer Krümmung nad) außen um das Mündungsland des 
Tigeis, unftreitig wegen großer Seichte, noch zu umſchiffen war, 
um in ven Pafttigris (Kuran) einzulaufen. Die Entfernung von 
der Mündung bed Cuphrat bei Diridotis bis zur Gtabt Baby 
Ion gibt Near auf 3300 Gtabien (82 geogr. Meilen) an; 
Strabo damit ziemlich übereinftimmend (Strabo II. 80. XVE. 739) 
fagt, dahin zu ſchiffen feien 3000 Stadien (75 geogr. Meilen), und 


37) G, Riebuhr Reif. Th. II. ©. 223; W. Vincent Commerce and 
navigation of the ancients cetr. Lond. 4. 1807. Vol. II. 
p-482 etc. ®*) Not.4. in Arr. hist. Ind. cap. 42, ed. Schmieder, 
1798, pag. 222. " ö 








Eupbratfyftem; Hiftorifcher Auͤckblick; Alerander M. 29 


diefe mittlere Entfernung von 80 geogr. Meilen, nämlich von ber 
Süpofiipige auf jener Uferinfel Dauafir, den Flußlauf entlang 
Dis Hille, wo die Ruinen bed alten Babylon beginnen, ſtimmt wirk 
ſich mit ver jüngflen Kartenzeichnung ver Aufnahme des Euphrat 
fufje® durch Colonel Chesney genau genug überein, nach welcher 
das heutige Baſrah, 15 geogr. Meilen von Dauaſir entfernt, nur 
wegen ber veränderten Flußlaͤufe weiter gegen Nordoſt gerüdt, um 
es Suſa mehr anzunähern, die ungefähre Gegend ver Lage "nes 
alten Aginis der Sufler, aber am Shat el Arab, bezeichnen 
mächte. Mißt man mit dem Zirkel auf biefer aſtronomiſch genaueren 
Slußaufnahme ven Weg, ven das Schiff aus der Nähe der Ruinen 
ven Gufa auf dem Shawur (ſ. Erdk. IX. ©. 321), den Kuran 
abwärts, um das beutige dortige Mündungsland herum, und ben 
d Arab aufwärts, HE Basra, alfo in die Umgegend des 
Aginid am damals Tigris genannten Gtrome zu nehmen 
wäürbe: fo entfpricht auch diefe Meffung ver. Angabe Nearchs 
etwa 50 geogr. Meilen. Genauere Maaß⸗Uebereinſtimmung 
RG kaum über fo vermidelte Localitäten auf fo wechſelnden 
Borenverhältaiften, wie dieſe, zwiſchen ver älteften Vergangenheit und 
unfrer Gegenwart erwarten; zumal wenn man bebenlt, daß, wie 
ver Euphrat fein Bette im unten Laufe fichtlich veränbert hat und 
in fpätern Jahrhunderten, nach Alexanders Zeit, gegen den Oſten 
zum Iigris fichtlich hinübergewandert iſt, fo. auch vieler feinen 
Baffererguß, von einer früherhin weit oͤſtlichern 20) an ber Grenze 
Suflanas hinziehenden Dirertion feined Bette dem Euphrat fich 
, verändert haben muß, wenn ſchon auf eine und noch un» 
bekanut gebliebene Weife. Die Trümmer von Aginis zu Aleranvers 
Zeit, an defien Stelle Plinius einen andern Ort, Aphle (VI. 31) 
nennt, wie die des noch Altern Ampe zu Herodots Zeit, wohin 
Darius vie Milefler - Solonie verfehte,. wird man bier. heut zu 
age freilich vergeblich fuchen, zumal da wir durch Plinius willen, 
daß zu feiner Zeit der Tigris unterhalb Seleucta fich in die gro= . 
fen Berfumpfungen over Lagunenfen Chaldäas ausbreitete 
(Lacus Chaldaicos, Plin. Hist. N. VI. 31), die einen Umfang von 
70 Mill. pass. (14 geogr. M.) einnahmen, che die Tigrismünbung 
ih Daraus, in ver Nähe von Eharaz, zur rechten Hand in den Per⸗ 
fergelf ergoß. Diefe Sagunenfeen reichten aber bis in vie Nähe Des. 
Berfergeifö, weil Plinius an ihnen noch Aphle gelegen nennt. 


135: 


wä 


H 


3°) J. Rennell Illustrat. p. 75. 


30 Weſt-diſten. ILL Abtheilung. IJ. Abſchnitt. $. 2 


WMuklich nimmt man nach Col. Eheöney'3 Beobachtung ihre Laten 
noch heute in den Sumpfgegenden am Tigris unterhalb EI Ghor 
bi wahr, welche in ven Samaygah⸗ und Samidah⸗Marſchen ſu 
HS gegen Korneh nahe dem Verein des Shat el Arab außberisn,. 
innerhalb weren das Tigriöbette, viel ſchmaͤler und tiefer werdend A. 
Bis dahin, auch flatt der groͤßern Schwingungen und Serpentiun , 
men eine ganze Anzahl mehr kurzer plügliger Wendungen geiuml,, 
wedurch ver Character feined Laufes in dieſer Strecke der geg 
wärtig allerdings mehr trocken gelegten Chaldaͤiſchen Seen ſich 8 
lg veränbert, bu er wieder bei Eerahe Orabmel feinen —* 
Characier annimmt 

- ud) M.e8. zu Minus Zeit, alfo Im erſten 3 N 
unfrer Zeitrechnung, daß der Buphratlauf. feine: birerte gefi 
Münvung. zum perflichen Meerbufen bei Diridotis, ober ke 
verloren und feine Wafler fchom mit denen des Tigris v 
haben mußte: benn bie Orchenier, eine dritte dort —— 3 
teilung der Ehäalväer (Orcheni tertia Chaldaeorum doetriem 
Plin. H. N. VI..30.) Hätten chen vor längerer Zeit, fagt Bra 
ihn abgedämmt und bie Anwohner ihn zur Benäflerung: ver 
benutzt, fo daß er nur allein durch den untern Tigrislauf ſeinn 
Waſſer zum Meere eingießen Tonnte.(sed longo tempore * 
tem praeclusere Orcheni, et accolae agros rigantes: nec 
Pasitigri defertur in mare, .Plin. ib. 31). Dennoch fcheint D 
dotid Damals umter. dem nur wenig veränderten Namen. Zered 
fortgedauert zu haben, und als Hafenflarion auf der Weſtſeite he 
—— Cuphrat⸗ und Tigrismũndung noch immer beſucht wong! 

den zu fein, obwol mehrere andre Orte ſeiidem im ber Nähe ve 
wafferreichern Münbungen der vereinigten Gtromläufe von — 
und Tigriß entſtanden waren. (E Parthico autem regno navy 
gantibus vieus Teredon, infra confluentem Euphratis et Tigrisg! 
laera fluminis Chaldaei obtinent, dextra Nomades Scenitae — 
VI. 32). 

- Alexander fuchte fich felbft eine eigne richtige Anſchaum 
der großen babpionſchen Sanbfkröme gu verfääfle, wedhe Ifen, ba 
den Iſtros wie den Indus ſchon fo erfolgreich beſchifft hatte 
hochſt belehrend war, und für vie Verwirklichung feiner großartige: 
Wee über vie Berfchmelzung des Orients und Dreivent6 durch bewr 

Weltverkehr auch nothwendig erfchien: Nach ver Weftfeier in Sufar 
übergab er dem Hephaͤſtion die Führung des Landheeres auf ver 
großen Heerſtraße zum Tigris, der fuflanifchen Königäftrafe, er 


 ; 





Eupbratfoftem ; hyftoriſcher Auͤckblick; ; Alerander M. 31 


(iR beſteg mit einer geringen Truppenbegleitung die Fotte Nearche 
u MR: mit ihr auf dem Euläus (ober Paſttigris) zum perſiſchen 
Mei. Unſern von der Strommündung Meß er den: gedfiten Theil 
ber Sintte, und auch wie umtauglicher geworben Schiffe zuräd, da⸗ 
u fe wurih den Geltencanal, der künſtlichen Dabelung 
(vr Yntige Hafar- Arm, f. Erdk. IX. ©. 322) folgend, 
AMen erreichten; ex FAR afer burefehnit mit feinen Gihnie 
fabzn bie Guläutmimbung und das Meer zur Tigriomündung, 
m deſſen Strome entgegen bis zur Stadt Opis dufzufbeigen, wo 
a wit ven Laudheere wieder zuſammen treffen wollte (Artian Exp, 
& VI 7) Die Abtheilung der Flotte unter Nearchs Commando 
ua aber vom perfifchen BReere, wie Ariſtobulos berichtet, zu glei⸗ 
u Zt auch durch Den Caphratfluß aufwaͤrte bis nach 
—— fährt (ib. VH. 19). 

Auf vielen Beſchiffungen Eonnten ſchon bie bodrograbhthchen 
—2* gefchöpft werben, bie wir bei den Hiſtorikern zetſtreut 
finden. Der Tigris, erfahren wir durch Arrian, nehme 
beiden das meſopotamiſche Gebiet umgrenzenden großen 
eine abfolnt niehrigere Stelle (noAd Ts Taneımöre- 
vor be Arr.) ein, ald ber Cuphrat; deshalb viele Arme oder 
ne wiffeen ie: PBefie ben Algrie zuführten, der, auch noch - 
vun anbern Zuftrömen gefüllt (die der ſinken Seite, wie vie beiden 
3ab's, ver Adhem, ber Diyalah, ver Kerkha und KRuran), 
"u zum Deere elle (Arrian. Exp. Al. VIE 7). Diefe 
‚ weldge die früher von &Zenophon wol nur obenhin 
berichtigt (ſ. oben ©. 16) Haben die Neuern 
; Rennell ®) bemerkt, daß der Euphrat bei ſei⸗ 
die Ebene Babyloniens auf einem höhern Niveau 
fleße: venn feine Waffer haben ſich zu allen Zeiten 

ofwärts und ſüboſtwärts hinüber gezogen: 
gen von Tigris, weiter abwärts aber verliere der Euphrat vie⸗ 
ſes zietin höhere Niveau feined Waſſerſpiegels, wo er, nämlich 
Auinen von Babylon und von Hille, in die Region 
WE geeßen Guphrat-faganen eintritt, wo er dagegen einige Zuflüffe 
ihas als Tigrisarme zurlen. Diefer merkwurdige Wech⸗ 
Aveaus beider Stroͤme zeigt ſich nach der jüngften Beobach⸗ 

ung Col Chesſneys mit Beſtimmtheit durch die erſte Abfen- 
kung eines Bübarmeß (Shat el Hie, oder ver Wafet- Arm) des 


An 


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*%) J. Rennell Illustrat. p. 76. 





30 Weſt⸗Afien. ILL. Abtheilung. 1.Abſchnitt. 4. 29. 


Wirklich nimmt man nach Col. Cheoney's Beobachtung ihre Rage 
noch heute in den Sumpfgegenden am Tigris unterhalb EI Ghor⸗ 
bi wahr, weiche in ven Samaygah- und Samidah⸗Marſchen fidh 
bis gegen Korneh nahe dem Verein des Shat el Arab. ausbreiten, 
innerhalb deren das Tigriöbette, viel ſchmaͤler und tiefer werdend als 
Bis dahin, auch. flatt der größern Schwingungen und Serpentinen 
nun eine ganze Anzahl mehr kurzer plotzlicher Wenhungen gewinnt, 
wodurch der Character feines Laufes in dieſer Stredle ber: gegen- 
wärtig allereings. mehr troden gelegten Chaldaͤiſchen Seen ſich vbl⸗ 
lg verändert, du er wider bei Corahe Grabmal feinen frühern 
(haracier annimmt 

: Au iſt es zu. Minius Zeit, alſo im erſten Jahrhunderte 
unſrer Zeitrechnung, daß der Cuphratlauf feine: directe gefonberte 
Mundung zum perflichen. Meerbuſen bei Diridotis, ober Teredon, 
verleren und feine Waſſer ſchon mit denen des Tigris vermifcht 
haben mußte: denn die Orchen ier, eine dritte dort angefiedelte Ab⸗ 
theilung ver Chaldäer (Oreheni tertia Chaldaeorum doctrina, 
Plin. H. N. VI. 30.) hätten ſchon vor längerer Zeit, jagt Minius, 
ihn abgedämmt und bie Unmohner ihn zur Bemäflerung: ver Ader 
benutzt, fo Daß er nur allein durch den. unten. Tigrislauf feine - 
Waſſer zum Meere eingießen Tonnte.(sed longo tempore Kuphra- 
tem praeclusere Orcheni, et accolae agros rigantes: nec nisi 
Pasitigri defertur in mare, .Plin. ib. 31). Dennoch fcheint Dir i⸗ 
dotis damals unter dem nur wenig veränderten Namen Teredon 
fortgedauert zu haben, und ald Hafenſtation auf der Weſtſeite ber 
vereinigten Eupbrat- und Tigrismändung noch immer befucht wor⸗ 
den zu fein, obwol mehrere andre Orte ſeildem in ber Nähe ver 
waflerreichern Mündungen der vereinigten Stromläufe von Cuphrat 
und Zigris entſtanden waren. (E Parthico autem regno navi- 
gantibus vicus Teredon, infra confluentem Euphratis et Tigris, 
laeva fluminis Chaldaei obtinent, dextra Nomades Scenitae Plin. 
VL 32). | | 

- Alexander fuchte ſich felbft eine eigne richtige Anfchaunng 

bes großen babyloniſchen Landſtroͤme zu verſchaffen, welche Ihm, der 
ven Iſtros wie den Indus ſchon fo erfolgreich beſchifft Hatte, 
hochſt belehrend war, und fürs die Verwirklichung feiner großartigen 
Yare über Die Verſchmelzung des Orients und Occidents durch den 
Weltverkehr auch nothwendig erſchien. Nach der Feſtfeier in Sufa 
übergab ex dem Gephäflion die Führung des Landheeres auf ber 
großen Heerſtraße zum Tigris, der fuflanifchen Königsftraße, er 





. * 
' ⁊ 


Euphratſhſtem; hyſtoriſcher Ruͤckblick; AleranderM. 31 


ſelbſt beſleg mit einer geringen Truppenbegleltung bie Flotte Mearchs 
und ſchiffte mit ihr anf dem Culäus (ober Paſitigris) zum perſiſchen 
Reere. Unfern von ber Strommünbung lleß er den größten Theil 
—— und auch bie untauglicher gewordnen Schiffe zuräd, da⸗ 
mt fie vurch den Seiteneanal, ber künſtlichen Gabelung 
(ver heutige Hafar- Arm, f. "Erst. IX. S. 322) folgend , ven 
—7 erreichten; er ſelbſt aber durchſchnitt mit feinen Schnell» 
ſeglern die —— und dad Meer zur Tigrismündung, 
um deffen Gtrome migegen bis zur Stadt Opis dufzufbeigen, wo 
a mit dem Landheere wieder zufammten treffen wollt (Artian Exp, 
1. VIE 7). Die Abtheilung Der: Flotte unter Nearchs Commando 
aber vom perſiſchen Deere, wie Ariſtobulos berichtet, zu glei⸗ 
Zeit auch durch den Taphratfhuß aufwãrts bie nach 
Sabolon geführt (ib. VH. 19). 

Auf viefen Beſchiffungen Eonnten ſchon bie horrogtabhiſchen 
Beshachtunhen gefchöpft werden, bie wir bet den Giſtorikern zetſtreut 
nichergelegt finden. Der Tigris, erfahren wir durch Arrian, nehme 
von ven beiden das meſopotamiſche Gebiet umgrenzenven großen 
Lenvſtrömen eine abſolut niedrigere Gtelle (noAd 4: Taxeıvöre- 
eos few, Arr.) ein, ald ver Euphrat; deshalb viele Arme ober 
Gandie veffelben ihre Baffer dem Tigris zuführten, ver, auch noch - 
von anbdern Zuſtroͤmen gefüllt (vie der ſinken Seite, wie bie beiden 
Zab's, ver Adhem, ver Diyalah, ver Kerkha um Kuran), 
ſche wafferreiäh zum Meere elle (Arrian. Exp. Al. VIE 7). Diefe 
Beobachtung, welche die früher von Xenophon wol nur obenhin 
ungeführte Anſicht berichtige (f. oben ©. 16) Haben die Neuern 
keRätigt gefunden; Rennell 0) bemerkt, daß der Euphrat bei feis 
nem Gintritt in wie Ebene Babyloniens auf einem böhern Niveau 
eis ver Tigris flleße: denn feine Waſſer haben fig zu allen Zeiten 
in jener Gegend oſtwärts und ſüboſtwärts hinüber gezogen: 
gegen den Tigris, weiter abwärts aber verliere der Euphrat die 
fes relativ höhere Nivean feine® Waſſerſpiegels, wo er, nämlich 
ebwärts ver Ruinen von Babylon und von Hille, In bie Region 
ver großen Cuphrat⸗Lagunen eintritt, wo er dagegen einige Zuflüffe 
ehekte, die ihm als Tigrisarme zuellen. Diefer merkwürdige Wech⸗ 
ſel des Niveaus beider Ströme zeigt fich nach der jüngften Beobach⸗ 

mg Col Cheodneyns mit Beſtimmtheit durch die erſte Abfen⸗ 
' ung eines Güdarmes (Shat el Hie, oder ver Wafet-Urm) des 


*°) J. Rennell Illustrat. p. 76. . 





Fo 


J 


32 Wefiifin. I. Abtheilung . I. Abſchuit. .29. 


Aigris, in ver Mitte feines Laufes von Bagdad bis Kornch, bei 
dem kleinen Ständen Kut al Amara, das nach aſtronomiſcher 
Beobachtung unter 32° 29° 19.5" N. Br. und 44° 45° 37.5" D. 
2. d. Gr. liegt, Diefer Shat el Hie durchzieht, bort direci gegen 
Sud, vie ganze Breite Mefopotamiend bis oberhalb des Ortes Sheikh el 
der 30° SEAN. Br. und 46° 31' 525" 0. 2. v. Gr. 
gelegen IR. Derſelbe Wechſel des Niveaus weiter abwärts, im un⸗ 
tern Zaufe, ergibt ſich aud aus dem tiefern Ginfirimen ber Mee- 
wehfluch in ven Cuphrat als in den Tigris, oberpalb beirer Zu» 
ſammenfluſſes von Kornch. Diefe Beobachtung Hatten die Alten, 
bie zu Meranbers Zeit überhaupt noch wenig mit Cbbe. und Fluch 
vertraut fein konnten, noch wicht mitgetheilt; wir verdanken fie. zuerfi 
Niebuhr; fie geht nach ihm 22 geogr. Meilen (nach feiner Karte 
gemeſſen) aufwärts zum Zufammenfluß von Cuphrat und Tigris 
bei Korneh, aber von da im Tigris fleigt die Fluth nur noch 5 geogr. 
Meilen Höher auf bi Oſer (Uzair, Esra’s Grab); im Cuphrai 
aber 14 geogr. Meilen höher bis Arbfje;*t) alfo tm Ganzen hier 
38 bis 40 geogr. Meilen firomaufmärte. Oberhalb der Fluthgrenze 
bei Eoras Grab, die Niebuhr angibt, ſcheint dieſelbe zur Zeit ver 
Slußanſchwellung ſich auch noch tiefer lanbein In bie obengenannten 
Marſchen ver alten chaldaiſchen Seen, zu beiden Seiten des Tigrid- 
bettes gelegen, zu verbreiten, bie dann gegen Weit, ie; gleichem 
Parallel mit ven Ramlun-Geen des Cuphrat liegend, ſich quer 
durch die ganze Breite Meippotamiens bi6 zum Zuſammenhauge 
mit dieſen legtern leicht ausbehnen Tonnten, und felbft auf bie 
Offeite des Xigris Hinüberreichten, und fo auch ihre Anſchwellun⸗ 
gen durch die Waſſer des Kerkha und Karum erhielten, wie fi 
dies auß den gegenwärtigen Zuſtänden der dortigen Gewäſſer nad 
einer Beſchiffung des Tigrislaufes ergibt, bei welcher Col. Ches⸗ 
ey jenes veränderte Bette deſſelben durch die zurüdgebliebenen Ver⸗ 
ſumpfungen ber chaldaiſchen Seen ber Länge nad) auf 16 Gtuns 
ven Weges bis zum Cora’ Grabe (Dier) verfolgte. 
Der Tigris, fagt Arrian weiter, ſei ein großer Strom, her 
568 zu feiner Mündung (nämlid) abwärts des heutigen Moful, denn 
oberhalb fegte Alexandert Heer ja hindurch) nitgende durchgehbart 
ordauou dsaßarög (Arrian. VII. 7) fei, 618 zu feiner Mündung, 
weil von ihm aus Fein abgeleitete® Waſſer in künſtlichen Ganälen 
Bd) über feine anliegenden Länpereien verbreite, durch welche ex 


) . Riebuht, Reiſeb. IL S. 242. Anm. 





nn ! 
. 


'  Enpbrarfoften; Hiftorifcher Auͤckblick; Alexander N, 33 


we der Euphrat feichter werben Einne: denn fein Uferland liege 

| überall Höher als fein Waſſerſpiegel, Edane daher nicht einmal zur 

| Bendfferung und Befruchtung befielben dienen, und dethalb bleibe 
bie Wafferfülle in feinem Bette zufammengebrängt. Obwol vieſe 
Bemerkung nicht in ver größten Schärfe vom ganzen Laufe ve - 
Zigris, der Heutzutage um Bagbab und weiter unterhalb auch gar 
mennigfältig fein Uferland durch Kunftcanäle befruchten muß, bie 
aber meiftentheild wol erſt der muhamebanifchen Zeit angehören, 
oehten Fam: fo characterifirt fie doch allerdings für jene Zeit int“ _ 
beſendere den Lauf ded Tigris im Gegenſatz des Cuphrats. 

Der Euphrat, fagt Arrian, fließe dagegen aufeinem höhern 
Lausboven, aber feine FBafferfläche fiche dem Uferrande gleich (ue- 
Tmpös ve Hei xal looyelnc martaxod z7 yjj Arrian. l.c. VIL 
T), und überfleige mit feinen Wafiern auch zumwellen das von ihm 

beſpũlte Land; Deshalb fo viele Canaͤle aus ihm geleitet, theils das 
sone Jahr hindurch, theils nur zu gewiſſen Jahrtzelten gefüllt, 
um das dürre Land, dem fo ſelten Regengüſſe zu Theil werben, zu 
befruchten, ihn fo waflerarm machen, daß er nicht einmal als ein 
fehe großer Strom ende und fogar bie und da durchgehbar werbe. 
| Nach feiner Befahrung des Küftenlandes im Perfergolf. zwiſchen 
Guläus- und Zigrismũndung, wo er nur fo lange verweilte, um 
vie abchigen Anorunungen zur Gründung einer Hafenſtadt, die Alex- 
 andria genannt wurbe, zu treffen (Plin. H. N. VL 26 und 31), 
ſcqiſſte Alexander ven Tigris aufwärts (arfmicı, Arr. 1. c.) 
| 8 zum Lager, in nem fich Hephäftion mit dem Heere nievergelaffen 
E beste, deſſen Eitmation nicht näher bezeichnet wird, die wir aber 
: für das alte Sitace des Zenophon halten, weil vieß auf ber gro⸗ 
| en Heerſtraße von Suſa nach Babylon (fiehe oben ©. 21) Ing. 
| auch zugleich zum oben Cuphrat fchiffte man nah Opis, 
der Eroberer jet feine Schritte wandte, da er von da einen 
| Usfeger mach Ekbatana in Mevien beabfichtigte, ehe ex ſich zu 
nenen großen Unternehmungen in Babylon und auf dem Cuphrat 
} OR vorzubereiten gedachte. Die früherhin fo unfichre Lage von 
| Dyis (Dxsc), 4 Kagmärfche in Nordweſt von Sitace, iſt nad 
ven vert aufgefundenen weitläuftigen Irümmerreflen und ven jo 
Visherbleibfehn der mediſchen Mauer, von ver jedoch 
tſchrelber Alexanders ganz ſchweigen, unftreitig well 
vurch feine ſchnellen Siege jene ſtrategiſche Bebeutung ver⸗ 
hatte, wei gegenwärtig keinem Zwelfel mehr unterworfen 
IX. 518, 538). Auch des Fluſſes Phy scon Get Abhem), 











Ir 


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tier Exrhlunte X. & 


FR 


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34 „Weft:Afien, III. Abteilung. J. Abſchnitt. $. 29. 


an deſſen Mündung zum Tigris die Stabt Iag (Erbf. IX. 522), 
wird von ihmen nicht erwähnt; ba Opis aber ven Diyalafluß und 
deſſen Thal aufwärts, die große Heerſtraße von Chala (Holwan) 
nach Etbatana ( Erdtk. IX. 476) dem Eingangepaß zunächſt, über 
den Zagrofk, fowol zu Land wie zu Waſſer beherrſchte, fo begreift 
man leicht, "warum Alexander fie zu feiner diesmaligen Heerſchau 
mwäßlte (im Juni 324 vor Ehriftt Geburt). Auf der Schiffahrt 
dahin, thalauf, gab er Befehl, alle Catarracten (Todg xarad- 
6axsag Arr.) oder Hemmungen, bie von den Perſern ald künſt ⸗ 
liche Dämme im Strome angelegt waren, damit feine feindliche Flotte 
meerwãris her. in ihr Gebiet über diefe erft gemachten Wafferfäle 
eindringe, zu zerſtbren. Denn durch bie dadurch entſtehenden Stroms 
ſchnellen Hatten fie die Flußſchiffahrt erſchweren wollen (vergl. 
Strabo XVI. 740). Mochten auch damals ſchon gar manche biefer 
Bauten, wie heute ähnliche, ven Bewäflerungsanflalten eben fo wol 
angehören, fo mögen doch auch vie Vertheivigungsanftalten durch 
dieſelben nicht ganz gefehlt Haben. Alexander meinte, dad fein für 
ſolche, welche die Waffen zu führen verfländen, unmürbige Verthei ⸗ 
digungsanſtalten; auch wurden fie von ben Seinigen mit leichter 
Mühe zerflört. Er Hatte Leinen Feind von ber Gerfelte her zu 
ſcheuen wie die Perfer, die niemals Schiffahrt trieben; bagegen lag 
‚es ihm recht fehr daran, bie Ströme und Geſtade recht eigentlich 
dem großen Weltverkchr zu Öffnen, und darauf fehlen nun feine 
ganze Aufmerffamfeit gerichtet zu fein. ' 

Bon den Empdrungöfeenen ver Macedonier in Opis berichten 
die Gefchichtfchreiber; über die Märfche nach Efbatana Haben wir 
früher unfere Unterſuchungen mitgetheilt (Exbf. IX. ©. 318, 329 ff.) 
ſo mie über ven Rückweg durch das Gebirgoland ver Urler und 
Eoffäer (Erof. IX. ©. 108, 136) nad; Babylon, wohin Ihm fchon 
die Flotte Nearchs, den Eupkrat aufmärtd, entgegen gefchifft mar. 
Auch die Geſandtſchaften von allen Enden ber bamals bekannten Welt 
Tamen ihm, vem Sieger, huldigend entgegen, ver ſich nun audy ſchon 
für den Gern ber ganzen Erde zu halten geneigt ſchien (Arr. Exp. 
WU. 15. 4). Den nenen Seeweg nach Indien hatte ex fihon ent« 
det, und am Nil dad Emporium für den Weften ber Erbe gegrün« 
det; hier galt es ihm, in Babylonien, dem Mittelpunkte des neuen 
Weltreiches, auch den Weltverkehr zwiſchen dem Morgen» und Abend- 
lande zu beleben und mit jenen beiden Welten in Wechſelverbindung 
zu bringen. Mit ſolchen Beftrebungen füllte ver Raſtloſe das letzte 
Sabr feines Lebens auß. — 








Euphratſoftem; hiſtoriſcher Ruͤckblick; Alexander M. 35 


Als er in Babylon eintrat, Hatte der Cigennutz her Chaldaer 
der bortigen Priefter, bisher fie gehindert, wahrhaft thätig in der 
Herftellung ihres großen Tempelbaues (100 BrAov vewg Arr. VIL 
17) zu fein, ven Alexander aus den alten Fumbamenten wieder em⸗ 
vorzurichten geboten Hatte. Die Babplonier waren fehr träge im 
dem, was zuerſt gefchehen mußte, In ver Wegräumung des alten 
Schuttes geweien, deshalb -faßte Alexander ven Beichluß, zur Ver⸗ 
herrlichung der neuen Üeflvenz felbft mit feinem ganzen Heere 
Sand an Das Werk zu legen (Arr. Exp. VII. 16). Strab o's Be⸗ 
merkung nach durchſchnitt der Euphrat in ver Breite eines Stabi- 
ums (600 Fuß) die Mitte ver Stabt Babylon, an deſſen Ufer vie 
-Bängenven Gärten lagen. Ebendaſelbſt erhob fich. auch das durch 
Zerres, wie man fagte, vernichtete Grabmal des Belos (0 Tov 
Bniiov zapos abı6d9dı Strabo XVI. 738). Es war eine vierfeitige 
Pyramide auß gebranntem Backftein, fie felbft enthielt ein Stadium in 
vie Höhe, und auch jede Ihrer Seiten war ein Stadium lang. Aler- 
andros wollte fie wieder aufbauen, aber das Unternehmen, fagt 
Strabo, war groß und vieler Zeit erforderlich; ſchon bie Wegräu« 
mung des Schuttes war ein Werk zweier Monate für zehntaufend 
Menſchen. Er Tonnte es nicht vollenden, da ihn der Ton fo früh 
ereilte. Nach ihm kümmerte fh Niemand darum, und auch alleß 
übrige wurde vernacdhläffigt: denn was von der Zerflörung ver 
Berjer und der Zeit noch übrig geblieben war, das blieb auch bei 
Macedoniern mur gering geachtet, zumal ſeitdem Seleucus Ni« 
cater die neue Königäfiant am Tigris, Seleucia, mit feinem 
Namen erbaute. Nun verfant Babylon ganz In Eindbe. Da in 
Herodots Beſchreibung von Babylon (Herod. I. 181) zwei Denk 
male vorfommen, von denen er das erftere, bei ihm dad Heiligthum 
ned Gottes Belus (Arc Bujkov ipöv xalxonviov), das er 
ſelbſt noch ſah, genannt, nicht in dem einen Quartiere ver Stabt, 
in deſſen Mitte er die Königeburg (Ta AaoıAnia) mit ihrer gro⸗ 
hen Ummauerung ſetzt, ſondern in ver Mitte des andern Quartieres 
gelegen angibt, dann aber noch ein zweites Denkmal, in der Mitte 
jenes erſten Heiligthums fich erhebend, bloß als Thurm (ndeyos 
vreoroöc) bezeichnet, fo iſt die Frage, welches von beiden Denkmalen 
xefört war und von Alexander wieder hergeſtellt werden ſollte. 
Dwwol das erſte der Denkmale mit dem Namen eines Heiligthums 
ws. Bent belegt wird, ‚aber nad) Herodots Angabe 2 Stadien zu 
aer Geite, alfo 8 Stadien Umfang hatte, ver T hurm aber, bil He⸗ 
rodot, Durch und durch von Stein gebaut, nur ein Stadium tm 


2 








Bm 





36 Weſt-Afen. M. Abtheilung. I, Abſchnitt. $. 29. 


Quadrat auf jeder Seite enthielt, fo iſt hier wol wiefe Zahl ent⸗ 
ſcheidend, wie Letronne*2) bemerkt, in vem „Xapho#" des Strabo 
den „Pyrgos" des Herodot wieder zu erkennen, ber mach ihm 
in 8 Thürmen über einander aufgebaut war, mit ver Wenbeltreppe 
und dem Tempel des Sonnengoites ober Zeus auf dem oberſten 
Stock. Es iſt zugleich wol gewiß, daß bie fpätern Nusfagen A 
rlans und Strabo’8 von ber „Zerfldrung” dieſes Denkmals dureh 
erxes nicht wörtlich zu verfichen find, ba ja Herodot, wie er aus- 
vrüdtich fagt, es noch gefehen hat und beſchrieb, und ſelbſt Plinius 
vier Jahrhunderte nady Alexander verfihert, daß der Belustempel 
dort noch vorhanden ſei (durat adhuc ibi Jovis Beli templum, 
H. N. VL 30). Es kann alfo nur eine thellweiſe Beſchaͤdigung 
veffelben zu verflehen fein, fo daß Alexander wol an eine Reftaus 
ration denken konnte. Die Wiederentdeckung dieſes noch Heute in 
feinen gewaltigen Trümmern ſich erhebenben Denkmals, das zuerft 
von Niebupr, obwol an Ort und Stelle noch unbemußt, welchen 
Bund er gethan hatte (1756), ©) aufgefunden, dann fpäter von 
Beauch amp (1781) Kinneir, Ker Porter, EL-Rih und an⸗ 
dern gemauer beſchrieben warb, beweiſt es vollends, wie die Aude 
drũdce jener Autoren zu verfichen find, worunter auch bad „eben« 
bafelbf” (abros des Strabo) gehßrt, was nur im Allgemeinen 
von der Stabt zu verſtehen fein kann und ſich auf das Cuphrat⸗ 
ufer bezieht, nicht aber von ber beſondern Stelle, wo bie Königd« 
gärten lagen, auf bie es ſich zunaͤchſt beziehen ließe. Denn bie 
Ruinen dieſes Belusthurms, Bird Nimrod ber heutigen dort 
Angefeifenen, liegen mehr als zwei gute Stunben #) fern von ben 
Sentigen Trümmern der Stabt Babylon an ver Oftfeite, wo auch 
die Gärten lagen, alfo wirklich meit ab und noch dazu auf bem 

Weſt ufer des Euphrat, in SB. der Stadt Hille, da jene 
Ruinen im N.O. von Hille ſich ausbreiten. 

Nicht 6108 anf. nie Herftellung der Gebaͤude in Babylon war 
Aleranderd Aufmerkſamkeit gerichtet, und auf ben zu erneuernden 
Ruhm biefe® alten Königöfiges durch feine Gegenwart; fein BId ging 
auch von da gegen den Rorben zum Caspiſchen Meere Hin, wohl 
er den Heraklides, des Argäus Sohn, zum dlottenbau und zu 
Entdeclungefahrten in ven Rändern der Skythen bis zu ben pon⸗ 





*?) Letronne Not. in Traduct. de Strabon, Paris 1819. T. V. 
p. 165. Riebuhr, Reifebeihe. Th. II. ©. 289. **) Kor 

WW in ancient Babylohia eto. Lond. 4. 1822. Vol. 
. p. 305. 


Bvv 


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Euphratfgfbem ; buftorifcher Rücblik; Alexander M. 37 


iſchen Sfotgen und zu den Mündungen des Iſtros ausgeſendet 
fatte (Arr. Eixped. VII. 16). Zu gleicher Zeit war er beſchaͤftigt, fich 
dee Blotte auf dem Euphrat zu ſchaffen, um mit ihr fich auch vie 

‚  Iraber zu umterwerfen. Diefe, bie einzigen ver Völker, fagte man 

(Arien. VIL 20, Strabo XVI. 741), vie ihm feine Geſandte zu⸗ 
gzeſchickt, noch irgend eine Ehre angetban, hätten deshalb feine Er⸗ 
erungegier entflammt; er habe erfahren, daß fie nur zwei Götter, 
den Uranos, als Gebieter der Geſtirne fammt dem Himmel, und ven 
Donyſos wegen feined Zuges nad) Indien, verehrten, feine eigenen 

MWeten aber für nicht geringer als dene gehalten, um würdig als 

| ihte dritte Gottheit verehrt zu werden. Wie er ven Indern Ge 

: fie gegeben und bie Lebensweiſe vorgefchrieben, fo habe er es auch 

| wit den Arabern im Sinne gehabt. Auch Habe ihn ihr Reichthum 
wlodt, da ihr Land die Caſſia (Erdk. V. 823), die Myrrhe, 

em Weihrauch, ven Kinnamom (Erdk. VI. 125), die Narde 
| und viele andre koſtbare Waaren liefere, ein Rand das nicht Fleiner 
ds Indien, voll Häfen, Schifferflationen, voll wohlhabender Stäpte 
und reich an Bevölferung fei. 

Ariſtobulos erzählte, daß zu der Flotte des Nearch, die fich 
ia Babylon eingeflellt Hatte, noch eine andere gefloßen war, bie 
and 2 Fünfruderen, 3 Vierruderen, 12 Zrieren und gegen 30 
Jechten beſtand. Alesanver hatte fle auf ven Schifföwerften von 
CTypern uns Phönicien baum und theilweiſe wieder zerlegen 
leiten, um fie bequem zu Lande nach Ihapfafus zu transportiren 
(mie Died neuerlich mit den Dampffchifien von Alexandrette nach 
Bir wienerholt warb), und von da zufammengejeßt den Euphrat ' 
abwãrta uach Babylon ſchwimmen zu laſſen. Uber damit nicht zus 
ſfrieden, Hatte er am untern Euphrat jelbft, in Babylonien, wo das 
Zimmerbol; jo felten war, aus den Eypreffen der Gärten und 

| ver Beiligen Haine, die das einzig taugliche Holz dort barbieten, 
ane Flotte erbauen, auch viele andre Geräthfchaften zur Schiffahrt 

fertigen lafien, viele Matrojen und Handwerker für dad Seeweien 
engeworben, Fiſcher der Purpurfchnede von den Küften Phöniciens 

sus anderwärtö herbeigezogen (Arr. Exp. VII 19; Strabo XVI. 

741). Er fchidte den Mikealos von Klazomenae mit 500 Talen- 

ws nach Syrien und Mhönicien, um immer noch mehr Seeleute nach 

ver Stadt Babylon überzuficveln, ver er zu gleichen Reichthümern 

; Aush Den Weltverkehr glaubte verhelfen zu können, vie jenen Län⸗ 

1 dem feit fo langer Zeit ſchon zu Theil geworben waren. Ja er 

" Dei bei Babylon ſelbſt ein großes Hafenbeden audgraben, in 


4 





k 








38 WeftsAfien, III. Abtheilung. I: Abfchnitt. $.29- 


dem 1000 große Schiffe vor Anker Liegen konnten, und führte auch 
ſchon die Hafengebäude umher auf. ö 
Auch Vorläufer eines großen Unternehmens gegen ven Oſten 
Hatte ex ſchon auögefandt, welche iym vom Euphrat auß, ven man 
als ven Brenzftrom Arabiens anjah, Bahn machen follten bei fel⸗ 
ner Befignahme Arabiend. Nur unbeſtimmte, dunkle Vorftelungen, 
wie ſich aus den Geſchichtſchreibern Altxanders ergibt, beſaßen die 
Macebonier jener Zeit von der Lage Arablens; gewiß hatten 
fon -Tängft Phönteier und Mraber, fit der Ophirfahrt zu David 
. und Salomos und felt Darlus Zeiten durch Scylax von Karyanda 
(Herod. IV. 44), biefe Halbinfel umſchifft, aber ven Griechen war 
dles weniger bekannt geworben. Doch erzählt ver DVerfafler der 
Historia Indica c. 43, daß offenbar wort das Land meerumfloffen ' 
fe, daß Mancher es auch verfucht habe, aus dem arabifchen Golf 
bei Aegypten, dem Aufgang der Sonne entgegen, Arabien zu ums» 
ſchiffen, zumal nach Cambyſes Ueberfal in Aegypten, um von da 
nad) Perfien und zumal nach Sufa zurüdzufehren, aber fie hätten 
keinmal ihr Biel erreicht. Nur fo Iange das mitgenommene Waſſer 
auf ihren Schiffen -gereicht, feten fie vorwärts gefommen, dann aber 
Immer wieber umgekehrt. So unmwahrfcheinlich dies auch fein mag, 
fo ging diefe falfche Anficht der gänzlichen Unwirthbarkeit bed penin- 
fularen Arabiens, bei diefem Berichterftatter wenigſtens, davon aus, 
daß ſchon die nörbliche Landenge dieſer Halbinſel eine wafferlofe, 
heiße Sandwüſte fel. Diefe habe von ven Plüchtlingen ver Perſer 
aus Aegypten zu Eambyfes Zeit (wol die Perfer, welche zur Seit 
der Rebellion in Aegypten gegen Darius, ſ. Herod. VIL 1, fid aus 
dem Staube machten), ober von den Leuten des Ptolemäus Lagi 
(ver ven aus Babylon durch Antigonus verjagten Seleucus mit 
einem fleinen Xruppencorps zur Wievereinnahme der Stabt aus 
Aegypten zum Euphrat zurüdfandte, ſ. Diodor Sic. XIX. 55 und 
98), die an den Euphrat gefchieft waren, nur auf Kameelen burch- 
zitten werben konnen, wozu bei der größten Schnelligkeit dach acht 
Tage zu verwenden wären; daß ferner bie übergroße Hitze dazu zwinge, 
dem mittäglicen Sonnenſtrahle auszumeichen, und bie Nachtzeit zu 
Hülfe zu nehmen, Wie viel mehr, war nun ber falfche Schluß des 
- Autors, müffe alfo die unausſtehbare Sonnenglut und Dürr gegen 
den noch heißern Süben bei einer Umfchiffung der Halbinfel zue 
nehmen. \ 
In ben demnäcdft mißlungenen Verſuchen ver Schiffer, melde 
Alexander von Babylon ausfchitte, meinte ver Verichterflatter nur 


HE _ _ _ 


Euphratſyſtem; biftorifcher Ruͤckblick; Alexander M. 39 


) eine Befkätigung feiner Anſicht zu finden (Histor, Jadic. c. 43. 7). 
' Yen, fagt er, diefe folten das er ythraͤiſche Meer, d. I. das 
perſiſch⸗arabiſche, Arabien rechter Hand behaltenn, fo weit als mög⸗ 
ih beichiffen, und daſelbſt die Länder in Augenfchein nehmen. Sie 

fanden auch einige Infeln und landeten an einigen Stellen Arabi« 
ob, aber das Vorgebirge, das Nearch bei ver Beichiffung Karama- 
niend ihm gegenüber liegen ſah, nämlich Maceta, von mo ber 
Amamom und andere Gewürze nach Aſſyrien gebracht wurben 
(Arr. Hist. Ind. c. 32.7, e8 iſt das Cap Muffenpom, am Ein- 
gauge des Perfergolfß), Eonnten fie nicht umſchiffen, noch ihre Fahrt 
ju deilen anderer Seite (dem Welten) lenken. Drei verſchiedne See⸗ 
capiteine hatte Alexander mit Jachtichiffen zur Erforſchung des 
Perſergolfs audgefandt, von denen bereit! Archind feinen Bericht 
über zwei von ihm aufgefundne Infeln abgegeben hatte. Diefe foll- 
tn beine vor der Mündung des Cuphrat Hegen, vie eine nur 120 
Studien (3 geogr. Meilen) vom Ufer entfernt; dieſe fei Elein, dicht 
bewaldet, mit einem Heiligthum ber Artemis, von den Infulanern 
bewohnt, welche Heerden wilder Hirjche und Ziegen ungeftört umher 
weiden ließen, weil file, ver Gottin geweiht, nur ihr als Opfertbiere 
vienen dürften. Dieje Infel, wahrjcheinlidy vie heutige Infel %e- 
Iupje, berichtete Ariſtobulos, babe Aleranver mit dem Namen 
Ikaros zu belegen befohlen (Arrian. Exped. Al. VII 20). Die 
zweite Inſel Tylu s (TvAog bei Arr., Töooc bei Strabo), viel fer= 
ner gelegen, war mit dem Jachtſchiff bei günftigem Winde erſt nach 
einer Tag⸗ und Nachtfahrt zu erreichen geweſen; fle war groß, aber 
weder klippig noch bewaldet, fondern fehr zur Erzeugung von Brüch- 
im geeignet. Dies kann wol feine andre als vie größere Infel 
Bahrain gemeien fein. Weiter war Archias nicht geihifft. 
Sann war Androſthenes von Thaſos mit einer andern Jacht 
ausgelaufen, eine große Strecke an der arabifchen Küfle bin, von 
ver aber Arrian, nach feinem Gewährsmanne Ariſtobulos, nichts 
weiter mittheilt. Strabo aber, der aus Eratoſthenes (Strabo XVI. 
766) ſeine Nachrichten nimmt, nennt den Archias zwar nicht, läßt 
aber den Androſthenes, einen frühen Gefährten auf Nearchs 
Flotte, zu einer beſondern Fahrt ausſchiffen und behaupten, mit 
dieſen, ver Perjergolf fei nicht viel geringer an Umfang ald der 
VPentus Eurinus; er führt auf jener Ikaros⸗Inſel auch einen 
Apellotempẽl und ein Orakel der Tauropolos (v. 1. der Artemis) 
an. Gr bemerkt ferner, daß 2400 Stadien (60 geogr. Meilen) wei- 
ter im einem tiefen Meerbuſen die Stadt Gerrha, von chaldäi— 





\ 


40 Weft ⸗Afien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.29. 


ſchen Flüchtlingen aus Babylon bewohnt, liege, die meiſt zu 
Lande mit arabiſchen Waaren und Gewürzen einen Handel 
trieben; es war unſtreitig im Innern des Landes quer durch die 
Salbinfel ein Karawanenverlehr. Do ſollten fie, wie Ariſtobulss 
erzählte, nad) Babylon das meifte auf Holzflögen gebracht Haben, 
von wo die Waaren den Euphrat aufwärts bis Thapſacus gingen 
und fo ſich weiter verbreiteten. In biefem Meerbufen iſt der heutige 
Golf von EI Hadjar und der dortige Marti von EI Katif als 
das Emporium jener Gerrhaͤer nicht zu verkennen. Diefe Nachricht 
allen mußte fchon ſehr günflige Stimmung bei Alexander 
Ausführung feiner großen Pläne herbeiführen. Dem weiter “ 
fenden zeigten fich flatt jener einen, Tylod genannten, Infel nach 
Strabo's Berichte deren zwei, Tyros und Aradus genannt, 
wit Tempeln, vie denen der Phoͤnicier ähnlich fein follten; es be⸗ 
haupteten ihre Bewohner, was auch fchon Herodot nach Ihren eige⸗ 
nen und nach Perſer Ausfagen gewußt (Herod. I. 1. VIE 89, 
vergl. allgem. Erdk. V, 440 ff.), wad aber die neuere Zeit vielfältig 
wieberftreitet, daß die gleichnamigen Städte ver Phönicer von Ihnen 
Abkommlinge fein, vie fich exft im Welten angeflevelt Hätten. Diele 
Inſeln lagen, nach Strabo's Angabe, 10 Tagefahrten von Teredon 
fern von einem DVorgebirge der Macae (mol ein mehr weftlicheres 
als oben genannted Maceta, bis wohin daſſelbe Volt im Oſten ber 
Gerrhaͤer fich ausgebreitet Haben mochte) an ver Berengung des Golfs 
aber nur eine Tagreife ab. Daß dieſe zweite Entdeckung die heuti⸗ 
gen Bahrain-Injeln mit den Perlfiſchereien bezeichnet, beftätigt 
fid) aus Pliniuß, ver ven genauern Angaben des Königs Juba folgt (ex 
adverso Tylos insula, plurimis margaritis celeberrima Plin. H. N. 
VL 32). 

Die dritte Entdeckungsfahrt In diefer Richtung war die des 
Gliciers Hieron aus Soli, eined Steuermanned, der von allen 
am weiteſten fam (Arr. Exp. Al. VII. 20). Er Hatte ven Auftrag 
erhalten, die ganze Halbinfel Arabien zu umfchiffen, und eine Ein⸗ 
fahrt nordwarts in den aegyptiſch⸗ arabifchen Golf bis Geroopolis 
zu erforichen, alfo fo weit als möglich zu dem aegyptifchen Alexandria 
vorgubringen. In dieſem Auftrage allein ſchon entfaltet fih auf 
das Beſtimmteſte ver große Plan #5) Alexanders, Indiens Verkehr 
mit dem von Babylon und Alerandria in Verbindung zu bringen. 


**) Vincent Commerce and navigation of the ancients, etc. Lond. 
4. 1807. Vol. I. p. 522. 


Eupbratfoften; Hifkorifcher Ruͤckblick; Aerander M. 41 


Dinsel ſchon ziemlich, weit fortgeſchifft, Heißt es, habe Hie ron doch nicht 
weiter zu gehen gewagt; vr brachte dem Alexander noch die Mache 
zuräd, daß bie arabifche Halbinſel nicht viel geringer an Um⸗ 
fet als die indiſche. Er ſel bis zu einem gewaltigen Borges 
— — das fich fehe weit in den Ocean hinausſtreckt; 
einung des Arrian nach baffelbe, dad auch Nearch bei ver 
in ven Perfergolf gefehen und von deſſen Umſchiffung ex 
Habe (obiges Borgebirge Maceta); ſehr wahrſcheinlich aber 
welter fünlich gelegenes (Ras el Had etwa), denn ſenes 
ja keine neue Entdeckung gewefen fein, und Gieron feine 
g von dem erflaunlichen Umfange der Halbinfel Arabiens 
zo dc ve rqᷓ zeßoorjoov Javuaozdr etc. Arr.1.c. VIL 
20. 15) dadurch Haben erhalten Fünnen: deshalb er eben wieder zu 
feinem Gebieten zurückkehrte, der nun doppelter Anftrengungen zur 
Audfuhrung feiner Pläne bedurfte. 

Diefe fanden auch ſtatt. Wahrend ver Hafenbau von Babylon 
eifrig betrieben ward, das Baſſin ausgegraben und eine Menge von 
Xriremmen zur Bergrößerung ber arabifchen Flotte gezimmert wurben, 
ging Alexander ſelbſt mit einigen Schiffen von Babylon ven Cu⸗ 
vhrat hinab, um die großen Deicharbeiten am Pallacopas, oder 
vielleicht richtiger Ballacottas (Ilaltaxödrsas in Appiani (Alex. 
Rom. hist. de bell. civil. Lib. II. in fin. p. 853. ed. H. Steph. 
Amstel. 1670), obwol nur ausdrũcklich Appian allein dieſe Schreibe 
ext aufbewahrt, da xorzag dem noch heute dort gebräuchlichen 
Kuta, d. i. Durchſchnitt 40) oder Graben, entfpricht, zu befichtigen. 
Dieſes Wafler, fagt Arrtan (Exp. Al. VII. 21), ſei fein aus 
Queſlen entſtandener Fluß, fondern ein Canal aus dem Euphrat, 
800 Stadien (20 geogr. Meilen) abwärts von Babylon gegen bie 
erabtiche oder vie Weſtſeite gegraben, ver bis zu einem See von 
Aerander beichifft ward. Der Euphrat fließe nämlich von den ar⸗ 
menifchen Bergen abwärts, in den Wintermonaten zwar mit wenig 
Waſſer, mit dem angehenven Brühlinge, noch mehr aber gegen baß 
Gommerfolftiz werde er jedoch durch die Schneewafler im Gebirg 
ſche groß und überſchwemme vie aſſyriſchen Fluren, ja er würde 
ft das ganze Sand überfluthen, wenn man feinen Ueberfluß ‚nicht 
wur den Ballacopas in Seen und Sünipfe ableitete (el un ric 
dsectousioas auröv xasa zöv Ilailaxonav i; za m 78 


un 


* v. Hammer Purgſtall aſiat. Türk. Rec. B. XIII. 1821. ©. 223. 
"As9T. | 


Falten 


in 





42° WeflsAfien, III Abtheilung. I. Abſchnitt. $.29. 


tærotveis xal zäg Muvas. Arr. 1. c.) Diefe beginnen mit. dem 
Bette des Canales, ftreifen an Arabiens Grenze Hin, breiten fich in 
ſtehende Lagunen auß und reichen auf vielerlei mehr verborgnen We⸗ 
gen 518 zum Meere. Wenn nun die Schneemaſſen im Gebirge 

weggeſchmolzen find, und die Waſſer des Cuphrat wie dies mit dem 
Untergange ber Plejaden, d. 1. gegen ben. November der Hall if, 
Heiner werben, fo würbe doch ein ſtarker Ablauf durch den Pallacopas 
in die Seen fortvauern. Ja der Strom würde ſich am Enbe ganz. 
in dieſelben außleeren und keinen aſſyriſchen Ader mehr bewaͤſſern, 
wenn nicht Jemand für die Schliefung deſſelben Canales forgte. 
Damit war.nun immer der Satrap von Babylon befchäftigt, und 
wiewol dad Oeffnen megen des ſchlammigen, Iofen, ausweichenden 
Bodens leicht mar, fo machte das Schließen deſſelben deſto mehr 
Mühe und 10009 Menfchen waren drei, ganze Monate ſchon mit 
ſolcher Arbeit beſchaͤftigt Als Alexander bies erfuhr, trieb es ihn 
an, zum Vortheil des Aſſyrer etwas ins Werk zu richten, und des- 
halb wol unternahm er jene Ganalfahrt, irgend eine Abhülfe für 
das Uebel zu finden. ls er 30 Stadien, oder noch feine Meile 
unterhalb der Ganalmündung vorgebrungen war, fand er einen fels 
figen Uferrand, der allen Erwartungen entſprach. Gr befahl, Hier 
einen Canal durdzufprengen, und ihn in dad alte Bette“ 
des Ballaropas zu leiten, deſſen frühere Mündung nun für im« 
mer zugevämmt bleiben follte. So hoffte er, würde yun künftig 
das Ablaſſen des Euphrat im Frühjahr, wie das Sperren beifelben 
im Herbſte ein Leichtes fein“ Dann fchiffte er auf dem Pallacopas 
welter bis zu den Seen ber arabifchen Seite, und da ihm bie dortige 
Landſchaft wegen ihrer Schönheit gefiel und die. Gelegenheit bedeu⸗ 
tend erſchien, ließ er daſelbſt eine Stadt anlegen, eine Alerandria, 
welche zugleich ven Eingang nad) Arabien hin Öffnete, und Baby« 
lonien vor Ueberfällen der Beduinen fchügen konnte, da die Seen 
und die Moräfte over Lagunen ſüdwärts bis zum Meere das 
Uferland des Stromes deckten. 

In neuerer Zeit Hat ſchon D’Anville in ver Wieverauffindung 
diefer intereffanten Localitäten, die auf der Südweſtſeite des babylo⸗ 
niſchen Cuphrats zu fuchen waren, feinen Scharfjinn gezeigt. #7) 
Zwei größere und Fleinere dem Gauptbette des Cuphrats auf feinem 
rechten Ufer dfter nebeneinander parallel laufende Wafferbeiten, bie 


*') D’Anrille l’Euphrate et le Tigre. Paris 4. 1779. p- 125. _ 








HE __ 


Euphratſyftem; biftorifcher Ruͤckblick; Alerander M. 43 


ſchon oberhalb Hille vom Euphrat ausgehen und weit unterhalb in 
ver Nähe von Rumahie, Diwaniyeh und Sema wat auch In 
Eeitenzweigen wieber in ven Euphrat zurüdfehren, und wenigftens 
Kr Ratur jenes Pallacopad mifprechen, nämlich eines neben dem 
Sauptfirome herlaufenden Waſſerbetted, hielt ex wol mit Hecht, was 
anch Mannert*) dagegen fcheinbar einwenven mag, für die, freilich 
wel mannigfadh veränderten MUeberrefte jenes Pallacopas. 
Bei Meſhed Hoffeln und Mefhen Ali, in ver Nähe des alten 
Kufa, bildeten fie in frübern Jahrhunderten noch Immer große Ver⸗ 
fumpfungen und befruchteten an ver Grenze arabiſcher Beduinen die 
vortige Landſchaft. D'Anville zeigte, daß in ver Nähe jenes zur 
Nuhamedaner Zeit fo berühmt gewordnen Kufa früherhin, zur Zeit 
ver Bartherherrfchaft, fich dort eine ihrer Diynnaftien, die Mondar, 
nahe jenen Seen ihre Reſidenz Hira (daher Hira Mundarorum 
regia) erbaut hatte, durch welche ver Name der dortigen Stabt 
- Mlesandria erft verbrängt worden war. Und hiemit flimmen auch, 
wie wir weiter unten zeigen werden, Maſudi, Eprifi und Abul- 
feda überein. Wirklich war unter Uleranderd Augen pie Stabt 
aufgeführt, mit Stadtmauern befefligt, und eine Colonie griechifcher 
Soͤldner dort angeflevelt, theils Veteranen theild Freiwillige. 
Strabo rühmt dieſelbe Sorgfalt für die Reinigung der Ca⸗ 
näle überhaupt, welche Alexander durch eine fehr. große Menge 
von Menfchen beforgen ließ, fo wie die Arbeit am Pallacopad, ven 
er jedoch nicht mit Namen nennt, obwol er ihn ganz übereinſtim⸗ 
mern mit Arrian befchreibt, fo daß kein Zweifel über ven wahren 
Behand dieſer merkwürdigen, einft fo jhiffbaren, mit veni Euphrat⸗ 
bette parallelen Ganalführung der älteften Zeit flatt finden Tann, 
deſſen Berfumpfungen unterhalb Babylons Ruinen auch‘ heute 
noch, wenn auch im geringern Maaße als früher, flatt finden. 49) 
Der See von Rumahie over Rumiya mar vor dem Jahr 1600 
noch vorhanden, obwol er feitvem als ausgetrocknet erfcheint, und 
als Niebuhr jene Gegend in Welten des Euphrat von Basra aufs 
wärts bis Hille zu den Ruinen von Babylon bereifete (im Jahr 
1765), beobachtete er felbft an vielen ver fünlichern Stellen das Bett 
von einem jet trocknen Fluſſe, ober vielmehr eines gegrabenen 
Canals, Dfjärri Zaade, over Haffar Zaadeso0) bei ven Aras 
bern genannt, ver ſchon bei Hit, 6 Tagreifen im Norden von Hille, 





4) Mannert ©. d. Er. u. 2. ©. 347. **) J. Rennell 
| Iisstrat. p. 76. “ C. —* ieh. u. ©. 223. | 





— — 





44 WeftsAfien. II. Abtheilung. 1. Abfchnitt. $.29. 


som Cuphrat ausgehen follte, aber an Kerbela, 5 Stunden im 
Weſten vom Cuphrat, vorüber, und 10 Stunden weiter ſüdwärts 
auch wirklich an Kufa und Mefhed AH N), pas nur gutt zwei 
Stunden davon entfernt liegt, vorüber zog. Obwol Fein Waller 
mehr zu ihm einbrang und bad Land umbes wüßte Ing, fe zeigte 
ſich am ihm doch Überall Fruchtboden, der einft bebauet. war, und 
die dort wohnenden Araber nannten dieſe Gegend noch Immer EI 
Buheire, d. L die Seen, ober Bahhr Nepfjef, ven See 
Nedſief, und behaupteten, dies ſeien die Seen Buheiret Same 
gewefen, welche zur Zeit von Muhameds Geburt, d. 1. vor. alten 
Seiten, ausgetrocknet fein follten. Bon ba zieht dieſelbe Canalver⸗ 
tiefung viel weiter gegen den Güben an Korneh vorüber, fogar 
bi in Die Nähe des heutigen Basra, und von da noch 6 Stun- 
den weiter abwärts felbft Bid zum Ehor Abdilla, ber alten Cu⸗ 
phratmündumg von Teredon. Einen dflligen Parallelzweig von 
ihm verfolgte Nebuhr yon Kufa aus 5 geogr. Meilen weiter 
gegen ben Süven fort zum Dorf Rumahle, mit vielen zur Gelte 
liegenden, ehemals bewaͤſſernden Ganälen, bie aber jegt troden la⸗ 
gen, vom fruchtbarften, aber unbebauten Boden umgehen. Doch 
beſtand nach deſſelben Beobachtung noch ein großer Eanal bei 
Numahie, 52) der fein Waſſer etwa 3 Stunden vom Orte aus dem 
Cuphrat erhielt und wol dem von Alexander zum Ballacopas 
geführten Durchſchnitte entiprechen möchte; feine Waſſer kehren 
erft über 10 geogr. Meilen meiter abwärts, unterhalb Lamlun, 
das durch feine weiten Berfumpfungen noch heute befannt ift, deſſen 
Uferfeiten bei den Arabern wegen vieler Canäle und Durchſchnitte 
nur Dfjefire, d. i das Infelland, 5%) genannt werden, bei 
Semane (Semamat) zum Euphrat zurüd. Diefer Seitenzweig 
lag zwar ganz trocken, als Nlebuhr ihn im December, aljo bei 
niederm Wafferftande des Euphrat, paffiste; aber bei hohem füllte er 
ich mit Wafler, und vor nicht zu Ianger Zeit war er fogar noch 
ſchiffbar geweſen, wie ver Pallacopas mit feinen Seen «8 zu Alex - 
anders Zeit war. Der mehr weftlicher nad) der arabifchen Wüfte 
zu gelegne große trodne Fluß des Dijärri Zaade zieht etwa 
4 Stunden in Weſten ver heutigen Uferſtadt Basra an ben Rule 
nm ber alten Basra oder Zobeir vorüber, mo er, einft mit 


22) Ge € ieh De Beifebeir. 1.6. 261. **) Gbend. ©. 252. 


Euphratſyſtem; hiſtoriſcher Rückblick; Alerander IR, 45 


Valmenhainen an feinen Ufern befegt, Die Landſchaft befruchtete. 
Gegenwärtig zieht er dagegen durch eine unbebaute Wüuͤſtenel ohne 
Bafier, aber mit trocknem Bette hindurch, jo daß auch Alt Basra, 
als es feine Waſſer, feine Fruchthaine, feine Dörfer verlor, von 
Menſchen verlafien warb und das ganze Land, dem nun bie Ein- 
wohner und bie Hande⸗Arbeit fehlten, über. die einft. bei flärkerer 
Population Babyloniens noch ein Aleranver gebieten Eonnte, in 
Eindde verfant und der Tummelplak der räuberifchen Beduinen wer 
den . 
Shon Niebuhr erkannte in dieſem Wechjel ver Dinge aus 
ber Gegenwart bie frühern Zuflände und bie Natur des PBallacopas, 
der nun, nicht mehr, wie früherhin, nebft ven Unternehmungen Alex 
auvers {0 fabelhaft und phantaſtiſch ericheint. Wie volkreich mußte 
ein Land fein und wie geregelt feine Verwaltung, Tagte ſchon Nies 
buhr, im dem es möglich war, die gewöhnliche Menfchenkraft fo vie⸗ 
ler Taufende zu vereinen, um einen Ganallauf von mehr als 80 
geogr. Meilen Wegs (von Babylon bis Terevon) durch einen Wü« 
Reaftrich zu graben, der nicht nur zur Befruchtung des Landes, ſon⸗ 
bern auch zu deſſen Beichiffung dienen konnte. Schon vor Alex⸗ 
ander war dies gefchehen, als das Canalſyſtem von ibm nur vers 
velllomnmet und zu noch andern Zwecken mehr ausgebildet werben 
felte, venn er fand ja den Pallacopas over Pallacottas fchen. 
vor. Es ſcheint und. baher ſehr unpaffenn, wenn Mannert, 5%) 
Ust den Worten des Ptolemäus folgend, der ven Pallacopas gar 
nicht einmal nennt, fondern den auf der arabifchen Seite dem Bus 
Yorat parallelen Canallauf, ven Fluß Naapogens (nicht Manrfares 
er Baarſares, weil er noch heute Nahr Sartjet beißt) fehr richtig 
bezeichnet, deshalb ven Pallacopas zu einem blos Eleinen Quer⸗ 
derchſchnitte machen will), ganz verſchieden von jenem, ver blos beftimmt 
geweien, von DR nach Welt, vie Wafler des Cuphrat abzapfenn, 
wife im vie arabtichen Suͤmpfe zu leiten. Diefe befchränkte Anficht ver - 
trägt ſich gar nicht mit Der Wichtigkeit, welche von allen Zeitge⸗ 
men dem großartigen Unternehmen Alexanders beigelegt wird. 
Uns fcheint dad ganze Syſtem biefer Ganalführung unter dem Bes 
griſſe des Pallacopas zu Alexanders Zelt zufammengefaßt zu wer⸗ 
vn, wovon Aleranderd Durchſchnitt nur ein Heiner Theil war. 
de Rame wird aber fchon hei Strabo und Plinius nicht mehr 
. geuanat, und fait deſſen führt: wol Btolemäus ven arabijchen 


i 


se) Naunert Geogr. d. Gr. u. R. V. 2. ©. 846. 








x 


48 WefisAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 29. 


dieſes indeß auch früher mit dem Pallacopas bes Alexander ver Kal“ 
war, geht auch ſchon daraus hervor, daß die neue Alerandria an 
ihm und ber Hafenbau zu Babylon nur mit Rüdflt' auf die 
damals in vollem Gange beſtehende Schiffahrt auf dem Cuphrat 
bis nach Teredon angelegt fein konnte, von wo jene Jachten zur Ente - 
deckung der arabiſchen Küfte außgingen. Es möchte ſelbſt fehr wahr- 
ſcheinlich fein, daß der auferorbentliche, fo große und ſchiffbare Pals 
iacopas in frühefter Zeit ſelbſt nur ein vom Euphrat ſchon verlaffe 
nes fühtweftlichftes Bette feines Stromlaufes geweſen wäre; ber ſtets 

eine Tendenz zum Wandern von Weſt gegen Of gehabt Haben muß. 
Wie bei andern wandernden Flußläufen, bei Nil, Ganges, Indus, 
BSoangho, fo werben auch hier die früheren, zum Theil trocken geleg · 
ten, tobten Arme der Ströme, mit ihren durch Jahrhunderte ver 
Görglofigkeit verfchlämmten ober verfandeten DVertiefungen, durch 
Eanalverbindungen von Zeit zu Beit wieder in belebte Flußadern 
durch die Nachhulfe der Menſchen umgewandelt fein,52) und als 
folche erfcheint, wie der Dfjäret Bande Heutiger Zeit nach Niebuhrs 
Anſchauung, 9) fo auch ver Pallaropas aus ältefter, frühefter Zeit, 
als ver directeſte Stromlauf, der wol zu Nebuchadnezars Zeit, des 
erſten Erbauers von Teredon, noch nach dieſem Hafen ging. Diefe 
Mitung war es wol, welche zu Rearchs Zeit noch ſchiffbar 
(Onesicritus. et Nearchus ab Indo amne ad sinum Persicum, 
atque illinc Babylonem Euphratis paludibus etc. Plin. H. N. 
VI. 28) fein mußte; denn fonft würbe er mit feiner Flotte, die 
nad Babylon beftimmt war, nicht nach dem Hafen Teredon geſchifft 
fein, von wo er auf Alexanders Geheiß, als diefer in Sufa angelangt 
war, erft wieder umfehren und an ver Tigrismünbung zurück ſchif- 
fen mußte, in die er ja ſogleich Hätte einfchiffen müſſen, wenn fie 
damals, wie einige Neuere) behauptet Haben, ſchon dieſelbe einzige 
Einfahrt, wie die heutige des Shat el Arab, geweſen wäre, um bie 
rect mit einer Flotte nach Babylon feinen Weg zu nehmen. Könnte 
man ſich denken, daß vie alten Könige des babyloniſchen Reiche, 
affgriiche Könige bei Arrian genannt, deren Namen nicht näher ans 
gegeben werben, denn von Nitrokris allein wiſſen wir, daß ihr 
Grabmal in der Stadt Babylon ſelbſt errichtet war (Herod. I. 
187), ihre meiſten Grabftätten urſprünglich in Sümpfen, und nicht 


y. Rennell Illustrat. p. 76. 2 Rich x, Reife 1 1. EB. 
zo *o) Mannert, Geogr. d. Gi. m. Th. 
N 











- 


Erphretſoſtem; hiſteriſcher Käcbliet; Alerander IR, 49 


vielmehr in fruchtbaren Ufergegenben, bie fpäter erſt verfumpft fein 
werden, würben aufgebaut haben, wo Alexander fle, ven Pallacopas 
entlang, mit feinem Schiffe bei der Rückfahrt zwiſchen Schilfwaͤl⸗ 
vera aufjuchte und wo bekanntlich ihm ver gewaltige Sturm zum 
(dümmen Omen fein Königsdiadem eniriß (Arrian. Exped. Al. 
VIL 22), worauf fein baldiger Tod erfolgte. Auch Strabo (XVI. 
741) beflätigt es, daß die meiſten ‚Grabmale ver alten Könige 
Babgloniens dort In ven Gümpfen gelegen waten und von Alex» 
ander durchſucht wurden. In ven leten Jahren, wo Eolon. Tay⸗ 
lor und 3. Fraſer CU) dieſe Wilpniffe jener Berfumpfungen von 
Lauilun zwilchen den Raubhorden der Monteſik Araber und ande⸗ 
zer beſuchten, fanden fle zwiſchen ven zahlloſen Trümmern antiker 
Sqchutchũgel aud viele Scherben zumal von Sepulcralurnen 
uab darunter viele von Glas und Schmelzwerk, welche wahrfchein« 
B& Spuren jener antiken Königdmonumente bezeichneten, auf deren 
Anböhen vie heutigen Sheiks und Sancti chre Grabſtaͤtten aufzu⸗ 


pflegen. 

Das älteſte hiſtoriſche Datum über die früheften Zuſtãnde am 
untern Eupbratlaufe ift uns glüdlicher Weife in einem Fragmente 
ved babyloniſchen Schriftflellers Abydenus 62), eined Schülers des 
 Bersfus erhalten, woraus fich ergibt, wie frühzeitig bier, fchon 
Inge vor der Macevonier Zeiten, Handel und Verkehr im Gange 
waren, fo daß Aleranderd Einrichtungen dort nur ald Wieverbele- 
bungen und Berjüngungen früherer Verbältniffe, auch in Beziehung 
af Schiffahrt und Welthandel, angefehen werben müflen, denen 
den viele Einrichtungen, vie uns freilich meift unbelannt blieben, 
in veufelben Localitäten voraugegangen waren. Abydenus fagt: 
Aebuchodonoſor, d. i. Nebuchadnezar (vor Eyrus Stiftung 
Med Perſerreiches um das Jahr 600 vor Chr. ©.) führte einen Bau an 
‚, Aa Mündung de Tigris auf, um befien Wafler einzubämmen; er 
ı baute die Stadt Teredon, um den Lieberfällen ver Araber zu wehren, 
‚unh ex exdffnete ven Naharmaldıa CApuaxaiyv, denn Armalchar 
„hieß ex bei Aſſyriern, Plin. VI. 30, was Naher Malek ober Nahr 
A Meet, Königsfiuß, bei Arabern 63) einen Ganal des Euphbrats 
Aibrse uigas Eippdzen), welcher diefen Strom mit dem Tigris 





*) W. Ainsworth Researches L. c. p. 177; I. Bailie Fraser Tra- 
veis in Koordistan Mesopotamia etc. Lond. 8. 1834. VoL IE. 
448. e e2) ſ. er Emend. temp. Fragm. p. 13, in 
Vinetst Commerte and nav. Vol. I. p. 271. ts 44. °°) Abul- 
fedes Tabul. geogr. de finviis b. Wüflenfelv . 
Ritter Grhlune X, 8 





30 Wefkften, III, Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 29. 


„Äan Berbindung feste. “So ſehen wir alſo, weshalb ſchon Herodot 
mit Recht von jenem Königöcanale in ältefter Zeit fprechen konnte 
G. oben S. 8), ein Name den auch Polybius (Aaocdıxyr die- 
ovxa; Polyb. Hist. Lib. X. c. 51), ven vie ganze folgende Zeit 
his Beute beibehielt; wir fehen, wie frühzeitig Wafierbauten zur Firi⸗ 
tung der Tigriömänvung angelegt wurben, von denen auch heute 
noch an der Mündung des Shat el Arab zu Abadan (Appha- 
bana) 9%) fich Dammrefte finden ſollen, die jener ältern Anlage ent» 
ſprechen mögen. Die Erbauung von VTeredon als Euphrat⸗ 
hafen, die bis zu Alexanders Zeit eine fo. bedeutende Hanbelsſtadt 
blieb, zeigt in Verbindung mit allem vorigen, daß auch Neb uk⸗ 
havbnezar drei Jahrhunderie vor Albexander, ſchon dem Welt⸗ 
berkehr die Bahn durch ſeine Euphratſtaaten eröffnen wollte: Die 
älteften Schiffer und Hanvelsleute, welche die indiſchen und arabi⸗ 
ſchen Waaren aus dem Oriente über ven Orcclvent verbreiteten, wa⸗ 
ren, da weder Aegypter noch Perfer noch Inver Weuſchiffer ge⸗ 
nannt werden konnten, nur allein die Araber (Idumäer) und 
| ihre Stammeögenoffen die Phönicier, die am perflfchen Golf (nach 
Herodot. 1.1. u. VU. 89) wie am Nilanitifchen, mo Petra, und 
an dem von Heroopolis Aegypiens bi8 Tyrus, Sidon und 
Aradus in Phönücien einheimiſch genannt werden ſeit dem höch⸗ 
ſten Alterthume. Auch den Babyloniern wurden in der Zeit der 
perſiſchen Unterjochung noch ihre Gewürze und koſtbarſten Waaren 
aus Arabien und Indien durch die Gerrhäer zugeführt, deren Maärkte 
Nearch in Teredon nennt (f. oben ©. 27). Aber vor der Per⸗ 
fer Unterjochung durch Cyrus, als die Könige Babylons ihr eiges 
its Stromland von Mefopotamien bis zum Perfergolf beherrichten, wer⸗ 
den die Babylonier, wenn fie auch Fein Schiffervolk waren: (denn zum Flot⸗ 
tenbau fehlte ihnen das Zimmerholz), doch wol ſchwerlich ihren Strom 
ganz unbenußt gelaffen haben zum WBaarentrandport. Um fich vor dem 
Einfluffe jener mächtigen arabifchen Handelsleute zu fichern, baute 
nun Nebuchadnezar Terevon auf, und darin finden wir mit 
Vincent 8) den Aufſchluß, warum er zu gleicher Zeit die große 
Handelsſtadt Alt Tyrus im Weflen belagerte und zerflörte, und 
auf dem Zuge gegen Aegypten auch Ipumäa bedrohte (Jeremias 49), 
offenbar um den Handel, ver bis dahin, auf dem Meere auf ver 





+) D’Anrille T’Euphrate a le ggıe p- 140; Vincent 1. e. II. 
Not, 45; niebupt Reiſeb. M —8 Vincent Commoerce. 
and nav. Vol. II. p. 271. | 





Aa 3 — Pu — © Wr 1 a — — — — ——— 


Eupbratfuftem; biftorifcher Xuͤcblick; Alerander M. Si 


muthirh acheim gehaltnen Wege um die arabiſche Haltinfel herum» 
asfährt, Tyrus feine Reichthlimer und feinen Glanz verfchafft Hatte, 
nun auf dem Flußbette des Eupbrat durch nie Mitte fei- 
nes Reiches nah Babylon, und fo nah Thapſacus, und 
euf dem Landıwege nach Thadmor (Palmyra) Damaseus, dab 
er wie Tyrus unterjocdht hatte, nach dem Weſtmeere Vorberaflene 
wu Syriens, oder dem mittelfänbifchen Meere, hinzulenken. Nach 
der Eroberung des afſyriſch⸗babyloniſchen Reichs durch Cyrus ſan⸗ 
ken die Städte am Euphrat und Tigris, Babylon wie Niniveh 
eur Opis von ihrer Höhe, weil die continentalen Perſer niemals 
Schiffahrt und Welthandel trieben. Die Gerrhaͤer, durch eine Secte 
Gelnäifcher Fluͤchtlinge (ſ. ob. S. 39) verftärkt und unter perfiſcher 
Heheit ermuthigt und beſchũtzt, kehrten mit ihren koſtbaren Waaren 
auf ven Markt von Teredon zurück, ver fly bis zur Zeit der ma⸗ 
ccaouiſchen Eroberung und auch nachher no bis ‚zum Zeitalter 
Anguſtus erhalten: zu Gaben. fcheint, da ver Begänfligte dieſes Küt- 
fers, nämlich der Dichter Dionyſtus Periegetes, ver ſelbſt an ver 
Nündung des Tigris, in Charax Paflnu (Plin. H. N. VI. 39) 
geboren war, dieſen Ort noch befungen Kat, als an der ſchaͤumigen 
Nündung bed Euphrat zum Perſermeere gelegen (Dion. Perieg. 
v. 982 extremisque vorticibus, sc. Buphrates, Teredonem prae- 
wiebitu). — 

Der Welthandel war alfo zu den Arabern zurlictgekehrt, und 
Men Tyrus währen ver Perſerzelt aus feiner Aſche fo erſtanden, 

‚ be es Alexanders acht monatlidhe Belagerung auszuhalten im 
Gtanve war, che es zum zweitenmale unterging, und durch dab 
urgyptifche Alexandria erfegt werben follte. Als Alexander, 
ia Imwien felb von dem Zufammenhange ver Dinge wohl unter⸗ 
richtet, nun zum Cuphratlande zurückkehrte, fah er deſſen mercan« 
Üe Wetfiellung wohl ein, und deshalb alle feine Einrichtungen am 
Gupbrai und Tigris, wie feine Projerte gegen vie Araber, vie ohne 
dab Gumpfficher das ihn in den Moräften an ven affyrifchen Könige« 
gäsern und Im Pallacopas ergriff, und ohne feinen bald — 
Ted wol in kurzer Zeit realifirt ſein würden. Der Gewinn, den 
es vom Cuphratlande zugebadht hatte, ging verloren, aber ex hereicherte, 
de nie Prolemder fortiekten, was ex begonnen hatte, das Nilland, 
uns Alexandria im Nilvelta bluhte empor. 

Jene Alexandria, an ven lieblichen Pallacopas » Sümpfen 
wie Vie Alerandria an der Tigrismünbung, beide von ihm ges 
gründet, konnten alfo zu Feiner großen Celebrität „gelangen ‚zu der 

| 2 


— 


32 Weſt-Aßen. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. h. 29. 


fle beſtimmt geweſen zu fein ſcheinen. Auch Tere don konnte nicht 
zu ber fißer gleichzeitig beabſichtigten Aufnahme kommen·: bean 
nach Aleranderd Tode war ber Kampf um bie Herrſchaft in Bor 
deraflen viel zu groß und zu leidenſchafilich, als daß das Wohl ver 
Völfer und das Aufblügen des Handels babe hätte gedeihen Kin 
men. Erſt Bremblinge waren ed, welche auch hier, wie in Aegyp- 
ken, in Bactrien und Indien, die vÄR dem ſchöpferifchen Genie eines 
Meranders aufgefundnen Anfleolungspuncte für die Nachfolge zu 
befruchten mußten. 

;  Xerebon, das unter ſolchen Umſtänden zu feinem Glanje ger 
langen konnte, wenn es auch noch einige Jahrhunderte hindurch ein 
GEmporlum ber Araber blieb, ſcheint bei der Vernachläffigung der 
alten Gupfratmünkung fpäter gänzlich verlaſſen worden zu fein, 
als nothwendige Folge der endlichen völligen Verſandung des alten 
Cuphratmundes am Chor Abdil la; wogegen ihm zum Erſatz weir 
ter. aufwärts am Strome ein neues Cmporium an der befahrneren, 
gegen ben Often gewanberten Münbung, vem heutigen Baßra-Gtrome, 
entſtand, nämlih Apologus. Diefe Gtabt nennt ver Periplus 
des erythraiſchen Meeres zu feiner Zeit, etwa in ver Mitte des er⸗ 
fen, Griflichen Jahrhunderts, ein berühmtes Emporium cm 
Euphrat, dem. Charax Paflnu, d. & die Alexandria am Tigris, 
gegenüber gelegen (Asyönevor  AnoAöyov, Arr. Peripl. mar- 
‚Erythr., Oxon. Vol. L p. 20), wo Purpur und Zeuge gemacht 66) 
wurden, wo Wein, Gold, Sclaven in Menge zu Kauf ſtanden. Und 
alß auch dieſe, die unter ben Nachfolgern Alexanders und ven Par- 
Ahern und Saſſanlden aufgeblüht fein mußte, obwol wir nichts nä= 
heres von ihr erfahren, unter die Araberherrichaft Fam, dauerte fie 
unter dem Namen Oboleh (wovon die ſtärker aspirirte Ausſprache 
Obolegh die Veranlaffung zur Gräcifirung in Apologus gegeben 
haben mochte) 67) noch Iange fort. Sie lag, wie aus ber Geſchichte 
der arabiſchen Eroberungen unter Omar bei Abul Faradj 68) hervor⸗ 
geht, nahe ven Dörfern Arkan, an veren Stelle bald darauf Die 
fee Sieger die Stadt Uli Basra (14 bis 2 deutſche Reim in 





“) Vergl. Bochart Geogra, ıphis sacra, Lib. I. c. 6. ed. Villemandy 
Luga. Bat. 1682, fol. 28. *") D’Anville sar TEophrate p. 185. 
Vincent Commerc. and navig. Vol. Il. p. “) 

Abul Pharaji Hist. dynastiaram etc. ed. Ed Pr Pococke. Oxon. 
4. 1683. p 112; Abulfedae Annales Moslemici ed. J. Reiske. 
Lips. 4, 1754. p. 67. 





J 


Euphratſbſtem; hiftoriſcher Nuͤcblick; Merander M. 83 


S.Wdes heutigen Vasra) 9) gründete. Dieſe Stadt, bie der fyri⸗ 
ſche Autor Obolla ſchreibt, wurde von Omar (im I. 635 n. Chr. 
@.) erobert. Obwol nun ein drittes Emporium im Mundungslande 
des Guphrat, nämlich Basra, ald Erſatz des alten Terevon auf⸗ 
blũhte: fo blieb die zweite Stadt el Obolla, wie fie Maſudi In 
der Mitte des 10. Jahrhunderts in feinen goldnen Wieſen 70) nennt, 
nicht ohne Bedeutung. Er nennt vom Uferlande des Perfergolfs 
lanvein, ven Guphrat aufwärts, Abbadan, Gezarah, el Obol- 
lah und el Basra, und bemerkt, daß nicht bei Obollah bie 
Schiffer na Basra einlaufen. Deshalb feien auf der Seite von 
d Obollah und Abbadan Holzmarken, mol Pfahlreihen, errichtet, 
die wie drei Sige In der Mitte der Waſſer ausfahen, auf benen 
man des Nachts Feuer anzünde, um den Schiffern, pie von Oman 
ud Siraf kamen ( Erdt᷑. VII, ©. 774), Zeichen zu geben, pamit fie nicht 
gegen Hezarah (oder el Herarah bei Maſudi, Harharat bei Edrifi nach 
Jaubert, oder Giorgari Ed.) anführen, weit fie fon unfehlbar 
ſcheitern umd verunglüden würben. j 
Coriſi im 12. Jahrhunvert gibt die Lage diefer Leughtihürme 
Ki Ob eolla noch genauer an,?!) das zu feiner Zeit eine zwar Fleine, 
aber mit ſchoͤnen Gebäuden geſchmückte Stadt, von Gärten umge⸗ 
ben, im jeder Hinficht blühend und ſtark bevölkert war, und mit 
 finen Öftfichen Quartiere am Weſtufer des Stromes (nämlich ber 
Cuphratarm, obwol ihn Edrift Hier Divfel nennt), mit dem andern 
«er am ber Nordfeite eined Canales erbaut war, der Nahr 
ODbollæ genannt, welcher 6 Stunden weit (12 Mill) bis Balra 
(namlich Alt Basra) reichte. Durch zahlreiche Canäle war aber 
damals wie ganze Strecke des Landes dahin in ein großes Luſt⸗ 
revier vol Bärten, Palmhainen und Tieblichen Wohnungen verwan- 
vet. Diefes warb deshalb von den Geographen ber fpätern Zeit, 
wie von Abulfeda 72), zu den vier fchönen Paraviefen ver Modle- 
men gezählt. Alt Babra war nach Eprifi ) 2 Tagreifen, 18 Stun- 
ven Wegs (36 MIN.), von Abadan entfernt, einem damals Fleinem, 
aber fehlen Orte, am Meeresufer erbaut, wo bie Waſſer des großen 





°°) Miebuhr Reifeb. TH. II. ©. 222. °) Fl. Masudi’s Historical 
eg ng —* of gold and mines of gems, from the 
ab. transl. by Al. Sprenger. Lond. 1841. 8. Vol. I. p. 259. 
71) Kärisi Geogr. bei Jaubert. I. p. 364. 73). Häzisi L. c. 
: p. 370. Vol 1. p. 868, 369. °) Abulfedae Tabulae geo- 
iese ed. F. Wüstenfeld, Gotting. 8. 1885: e eapite de 

Suviis p. 70. etc. 


2 








54 Wefl:Afien. IE. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.29, 


Stromlaufs fich zu einer tiefen Ankerſtelle und zum Marktorte ver 
einten. Es Iag auf dem Weſtufer des Stromes, ber hier in unge 
meiner Breite fich ausbehnte. Aber auf dem doch noch anderthalb 
Stunden (6 MIN.) fich gegen das Meer ziehenven flachen Vorlaude 
Hatte man unmittelbar am Eintritt des Stromes in ven Perſergolf 
noch einen andern Ort auf eingefchlagene ‘Pfähle erbaut, mit Hätten 
für die Küftenwächter, welche dort ihre Boote zur Beichiffung ver 
Küften fichen hatten: denn dort breitete fih nun gegen Süb zur 
Rechten das Gebiet ber Araber, zur Linken das ver Perſer auß. 
Aus Abulfeda's genauer Angabe 7%) ergibt fi, daß bie 
Stelle, wo der Euphratarm (der vierte, bei Abulfeda Maqel ge 
nannt), der von ber Weſt⸗ und Norbjelte Alt Basra’s kommend, in 
dem Winkel nes Obolla⸗Canals eintraf, ven Namen el Mina, d. h. 
der Hafen, führte, dab aber von bemfelben Euphratarme noch 
ein anbrer, ver fünfte der damaligen Eupbratarme, 4 Parajangen 
(d. 1. 3 geogr. Meilen) weiter abwärts fich fpaltete, ver am Tigris 
vorüberzog, direct auf Basra ging, und eben auch in Canäle ver» 
theilt jenen Parapiedgarten von Obolla bewäfferte und durchſchnitt, 
“DIS er wieder an einer anbern Stelle, mit dem Magel jedoch auch 
bei Basra zufammentraf. Beider Ströme Gewäller, des Obolla 
wie des Maqel, wurde zur Fluthzeit des Meeres aufmwärtögetrieben, 
und mit dieſer ſtiegen die Schiffe aus dem indiſchen Meere bei Ab⸗ 
badan aufwärts nach Obolla, und durch den Obolla nah Basra 
(Alt Basra), dann aus dem Magel in ven Hauptſtrom zurück. 
Bei Ehbezeit aber kehrte das Waſſer auch zurück, und ver Magel 
floß dann in ven Obolla, ein ewiger Wechſel, fagt Abulfeda, 
da beide Flüfie einen Halbfreis bilden, zu dem ber Hauptſtrom, 
der Cuphrat (ver aber bier meift Didjel ober Tigris genannt ifl, 
was aber offenbar-nur der Cuphrat fein kann, da ber Oftfirem, 
der eigentliche Tigris, niemald an ver alten Basra, 3 bis 4 Stun⸗ 
den in S.W. der heutigen Neu Basra, vorüberfloß), die Sehne 
. oder den Halbmeſſer bilvet, fo daß das umfloffene Land eine In⸗ 
ſel, die Djeſireh bilet, die Große genannt, mit Fluren und 
Bärten bevedt. Neu Basra, daß erft nach dem Verfall von Alt 
Basra, wie Obolla an Teredons Statt, zu deſſen Erfah, aber an 
einer ganz anbern Stelle fich erhob, warn erſt in ver erften Hälfte 
des 17. Jahrhunderts, unter den Augen von Pietro della Valle 
(1614—1626) und Taverniers (1650), aufgebaut.”5) Die drei ges 


Te) Abulfed. Tab. 1. o. Wüstenfeld. p. 70. ?*) Nlebuhr, Reiſeb. 
IL p. 211. — 


Euphratfuften; hiſtoriſcher Ruͤdblich; Alerander M. 55 


nannten orientaliſchen Autoren, Maſudi, Edriſi und Abul⸗ 
feda, find nun, hinfichtlich des Landes oberhalb jenes Alt Basra. 
noch voll von den. vielen Waſſern, die ſich dort, wo jetzt Dürre 
iR, ausbreiteten, und bie nur eine Folge bes älteften —— 
zus des veilaurirten Pallacopas fein konnten, die früherhin bie 
biſchen Wũſten und ihre Beduinen viel weiter gegen den Sühm 
zuisforängten, als Dies heut zu Tage ver Ball if. Wir werben 
bei der Erläuterung zu des eupbratifchen Alexandria (Hira) auf fe 
jurüffonmen, wenn wir zuvor den Anſtoß berührt haben, hen 
Alerander der Entwicklung geographiſcher Verhältniffe durch die 
Gründung der Alexandria an der Tigrismündung gegeben hat, 
Diefe Alexandria, welche fpäter unter deu Namen Gharag 
Vaſin u 6) bekannter wurde, war. bei bes Tigriseinfahrt von Suig 
nach Opis von Alerander ſelbſt, wie wir oben nach Plinius Anz 
gabe gefchen, angelegt, um auch hier einen feilen Hafenpunct, an 
vom bis Heute, wie im Nil, fehr ſchwierig aufzufindenven und wegen 
feiner Seichte ſchwer 77) anzulandenden Deltalanve ves Stromes, 
für feine Handelsunternehmungen in vie Nähe und Berne zu gen 
winnen. "Einen Theil feiner macenonifchen unbrauchbar geimorbenen 
Krieges ließ ex als Bewohner daſelbſt zurüd, und auch vie Bevdle 
krung ber damals zerflörten Eöniglichen Stadt Durine (bei .Plin, 
VL 31; vielleicht Dora am Tigrid in ber Nähe von Tekrit, welche 
dech 100 Jahr fpäter nach Polyb. Hist. Lib. V. c. 51 wieder al 
Feſtung in Antiohus Feldzuge genannt wirb) wurde dahin The 
gfenelt; ven Sau nannte ex nach feines macebonifchen Hemath 
Belle. Den Namm Charax (Xagak, dh. dad mit Pallis 
ſaden umfchanzte Lager) erhielt fle durch ihren Anbau ayf 
Dimmer zum Schuß gegen vie See; aber die Fluthen des Tigrts 
wıörten fie. Durch Antiochus V. (Eupator, 163 v. Chr. ©.) wurde 
fie an eines höhern Stelle wieder hergeſtellt und buch Dammbauten 
gegen den Strom gefichert. Neuem Verfall nahe, bemächtigte ſich 
ihrer ein benachbarter arabiſcher Emir, Paſines oder Spaſi⸗ 
nus genannt, nebſt der ganzen umliegenden Gegend, bie unter ben 
Samen ber Safel, d. i. Mefene, befannt warb (v7009 zur Ev 19 
Tiygsdı, vv Meooyrn»,.Dio Cass. LXVII 28 und Steph. 
Byz. s. v. Szaolvov). Hier befefligte er den Ort von neuem und 
Wehng dort feine Reflvenz auf. Hierdurch kam der ganze Gechaubel 


10) Mannert Beogr. b Or. u, Röm. TG. v V. 2. 6, 421; Salımas. 
ad Solin, 847. “5b ”) Riebnhr Reifeb. N. p. 208. | 








56 MWefisfien, TIL. Abthellung. I. Abſchnitt. $. 29. 


von Seleucia ſeitdem in die Gewalt dieſes Fürſten. Die Seeleute 
„on Gharar waren fo tüchtig, daß Ihnen fpäterhin Irajan und 
fein Heer bei dem bort erlebten großen Sturme (im Jahr 117 
n. Chr. G., als Athambilis König zu Charax war) vorzüglich 
ihre Rettung verbankten (Dio. Cass. LXVII. 28).79) Die gluͤck⸗ 
‚ Ice urfprüngliche Ausmittlung der Anlage dieſer Stadt durch Alex 
ander, ald Schlüffel zum untern Stromſyſtem, ergibt fich ſchon 
daraus, daß die Herrſchaft jenes arabiſchen Kürften ſich nicht blos 
über alle Münpungen des Tigris und feiner Candle, das alte Mes 
fene, fondern auch weit den Aigris Hinauf bis über die Gegend 
des heutigen Korne und Die Stadt Wafet Hinaus, nah Mannerts 
Schaͤtzung, erfiredite, wenn man Plinius Erzählung folgt. Zu- 
gleich war ver arabiſche Beherrſcher dieſes Gebietes gegen die Ueber⸗ 
fälle der Parther durch Flüſſe und Dämme geſchützt. Die ältere 
Lage von Charax war nach Plinius nur 10 rom. M. (2 geogr. 
Meilen) von der See zmifchen dem Tigris und einem Arm des 
Euläus; die fpätere 50 röm. M., alfo fünfmal fo weit, ober 10 
geogr. Meilen, was in die Gegend des heutigen Hafar- Armes bei 
Gabla, an den Kuran-Einfluß (Euläus) zu den Tigrisarmen fällt, 
wo analoge Verhältniffe ſich auch Heute noch bei den bortigen Dy⸗ 
naſten wieverholen (f. Erdk. Th. IX. ©. 161, 163, 323). Pli-⸗ 
„ins iſt der Meinung, daß fich die Lage des Ortes nicht verändert 
babe, ſondern daß dad Land um fo vieled zugewachſen ſei. Spä- 
‚tere Berichte arablicher Gefandten und römifcher Kaufleute gaben 
den Abſtand dieſer Stabt vom Meere fogar zu 120 röm. M. ober 
25 geogr. Meilen at, womit dann wahrfcheinlich in ver Gegend 
des Zufanmenfluffes von Euphrat und Tigris ein vieleicht auch 
Charax genannter Ort, dv. h. ein ähnlich pallifapirter Uferort, etwa 
in der Gegend des Heutigen Komme, gemeint fein mußte, das eben 
24 geogr. Meilen, nah Niebuhr, Ianvein liegt, welche Gegend 
bemmfelben Fürften unterthan geweſen Tein mag. Die heutige Feſtung 
Korne”?) felbft Tonnte dies aber nicht fein, ba dieſe erft fpäter als 
Ren Basra durch deſſen Beherrſcher AU (im 16. Jahrh.) zur 
Grenzfefte erhoben und von Höffein mit Doppelmauren umgezogen 
wurde. Auch Eonnte aljo dieſer tiefer landeinllegende Ort nicht das 
Alerandria des Diacevoniers fein; vielleicht Ing aber das ſchon von 
Herodot genannte Ampe (f. oben ©. 7), wohin Darius vie Mi« 


we sro, Brande sur Geſchichte Trajans. 2ie Ku, Dueblinburg. 8. 
©. 289. ?*) Miebuht Reifeb. II. ©. 21 


Eupbratfoften ; hiſtoriſcher Ruͤckblick; Alerander M. 57 


Iefker aus Kieinaflen verpflanzt hatte, In ver Nähe dieſer macedoni⸗ 
fürn Pflanzſtadt. 

Es Bleiben und noch die Nachweiſe des Fortlebend ver zweiten 
Aexrandria übrig, eine Anflevlung, die In der Nähe von Kufa zu 
fadyen if (f. oben ©. 43), von ber jedoch jenes unmittelbare Denk⸗ 
mal, jede Spur verlöfcht ſcheint, ja felbft fein Anklang an den Namen 


Gupbratlaufes, bis in die Terra incognita des bortigen Arabiend 
hinein, doch hochſt wünfchensmerth, na kaum zu denken iſt, Daß fo 
dicht an dem Sige einer der volkreichſten Weltflänte nicht auch noch 
tiefer hinein in das arabifche Grenzland fich Spuren und Denkmale 
früherer Giviftfation finden follten, auf einem Boden, ver freilich 
gegen als unnahbare Wüſte gilt, aber dies keineswegs zu 
allen Zeiten war, wenn auch vie Eultur ver Gegenwart fich völlig 
won ihm abgewendet bat. Ä 

In S. W. von Babylon ſetzt die TabulaPeuting. XL E. die Stat 
Bologefta 18MIN, d. 1. 34 geogr. Meile, entfernt von Babylon, 
eine Richtung bie ihr auch Ptolemäus (Lib. V. c. 10. 2. in Baby- 
ksiae Situs fol. 145) obwol in zu großer Entfernung gibt, mobel 
bemerkt, Daß fie am Baarfares,. richtiger Naarſares, Tiege. 
drei Umflände, bemerkt ſchon Mannert 80), Iaffen keinen 
Zweifel übrig, daß Vologeſia an ver Stelle Ing, wo fpäter Kufa 
eatſtand, das 14 Meile in Oftnorboft von Meſhed Ali (v. 1. 
Grab AUS) und 4 geogr. Meilen von Helle fern ift. Abſtand und 
Richtung von Helle und das trockne Bett bes alten Canals befläti- 
gen dies gegen D’Anvilie8 Annahme, ver fie, diefe Punkte nicht 
berheffichtigend, viel weiter gegen Norven In vie Nähe von Meſhed 

Diefe Stadt warb vom Partherfönige Vologeſes I. (er re 
gierte vom Jahr 52 bis 90 nach Chr. ©.), wie Plinius erzählt, erſt 
Burg: vorher (Plinius farb im I. 79 n. Chr. ©.) erbaut, um ber 
Orbfe von Selena zu ſchaden, des auch Cteſiphon noch nicht ger 
ung Abbruch that. Plinius nennt fie Vologesocerta (VI. 30), 
Steph. Byz. Bologesias ( BoAoyeorag), bei Ammian. Marcell. XXIII. 


: 





*®) Mannert, Geogr. d. Gr. u. R. Th. V. 2. ©. 418. 











58 Wefl-Aſen. EI. Abtheikung. I: Ahſchnitt F. 29. 


6..23. Vologessia. Si⸗ ſcheint zu keiner großen Blithe h 
gewachſen zu fein. Zwiſchen Kufa und Meſhed Alt 5* 
Ofjärri Zaade, ver Pallacopas, ver 5 geogr. Meilen gegen S. O. 
hinab nah Rumahie zieht, einer jetzt noch ummauerten, aber ver⸗⸗ 
fallnen Stadt mit 400 Häuſern, in fruchtbarer, mit vielen trocknen 
Gräben durchzogner Gegend, wo verfelbe Canal, der fein Waſſer 
von dem 3 Stunden weit im Oſten gelegnen Eupbrat noch heute 
erhält, vor der Mitte des 18. Jahrhunderts noch ſchiffbar war. 81) 
Ackerbau, Dattelgärten, Heerdenreichthum verkünden, daß dieſe Land⸗ 
ſchaft, vol von Trümmern von ehemaligen Ortſchaften, einſt ſtark 
bewohnt war. An Bruchtbarkeit des Bodens fehlt: es burchaus 
nicht. An. der. Weitfeite des berühmten Pilgerortes Meſhed 
Alt, over Ali's Grabflätte, breitet fich jene niedrige mit Salz 
bedeckte Gegend aus, die nach der Sage bei Mohameds Geburt ver. 
trocknet 2) fein fol, EI Buheire Bahr Nepdfjef oder Bahei- 
ret Sawe, fo wie die ähnliche Beichaffenheit des einft fo veich be⸗ 
wäfferten Bodens bei Kufa, Bataih Kufa heißt. Daß in der⸗ 
felben Localität, als derjenigen welche Hier, am meiflen von ben 
Naturverbältniffen und dem Borgang eines Aleranverd begünfligt, 
vorbersichenn immer vie flärkfie Anfiedlung an jener arabiichen 
MWüftengrenze berbeigelodt Hat, auch Ale randria vie Macedo⸗ 
nierſtadt angelegt warb, Halten wir für am wahrfcheinlichften, 
der dann in ver Nähe Vologefia die Partherftant folgte, und 
diefer Hira die Saſſanidenſtadt, an deren Stelle dann Kufe 
die Muhamedanerſtadt aufblühte und berühmt ward. Denn 
die nachfolgende Zeit fußt auf.folhem Boden, wo bie Exiftenz gro⸗ 
fer Städte an die Localbeichaffenheit gebunden if, immer gern auf 
worhergegangener Örunblage, zumal wo biefe Durch Ganalbauten und 
Bemwäflerung eine fo anziehende Gewalt gewinnen muß. Don Bo» 
logefla weiß pie Gefchichte zwar nichts; da aber ihr Gründer zu den 
mächtigern Bartherfönigen 82) gehörte, der, mit ven Römern anfangs 
in Kriege verwidelt, doch unter Nero den Cuphrat ald Grenz 
firom beider Reiche behauptete, und dann bis zu DVespaflans und 
Zirus Zeiten in Friede und Freundſchaft mit ven Römern Iebte, fo 
mag feine zmeite Refidenzſtadt nicht unbedeutend geworben fein, 
wenn fie ſchon die erfte, nämlih Cteſiphon, nicht erſetzen Eonnte, 





22) Riebuhr, Reiſebeſchr. II. ©. 252. *2) Abulfedae Annal. Moslem. 
ed. Reiske, Lips. 4. 1754. p. 2,2. 22) Tacitus Annal. XIk 
’ etc. 


j 


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' 


Euphratſyſtem; biftorifcher Ruͤckblick; Alerander M. 59 


welche jeboch erſt durch feinen eigenen Sohn Pacorus erweitert 
und zur Winterrefidenz erhoben warb. 8%) 

Daß nun in diefelbe Gegend die Lage der Stadt Hira (Mun- 
darorum regia ſ. 0b. ©. 43) fällt, erfahren wir beſtimmt durch 
Naſaudi, 85) nad welchem fie 3 Mill. oder eine gute Stunde, 
noch zu feiner Zeit (950 n. Er. ©.) von Kufa entfernt, in ihren 
Irummern lag und umbewohnt war, in ber Nähe von Nepfief 
or en Najaf. Die Zeit. ihres Entſtehens iſt uns nur in fo 
weit befannt,25) daß ſie ſchon während ver unmittelbaren Nachfolger 
Aleranders (den Moluk Thaouaif), durch einen Fürften des Stam⸗ 
mes Azed aus Iemen, Malek genannt, -ver fi in Irak Arabi, 
ser dem Lande der Ehalväer anflevelte, erbaut, und deſſen Sohne 
Auru als Meflvenz hinterlafſen wurde. Aus der Gefchichte der 
Retorianer 87) wifjen wir, daß wie zu Obollah fo auch dort zu Hirah 
(ud Hirte), 3000 Schritt von Kufa entfernt, ver Sik eines 
Oyiscopus war. AS die Lehre ver Iacobitifhen Chriſten 
(ft ©. Jacobus Episcopuß zu Nifibis felt 320 nach chaldai⸗ 
füen Angaben bei Assemani, gewöhnlich erft nach Jacobus Predby- 
m Baradäus, von Nifibie oder Edeſſa hergeleitet, 89) ver fpäter 
578 n. Ehr. ©. ſtirbt) mit dem Mönche» und Klofterleben fich 
ac in Mefopotamien auöbreitete, ward zur Regierungszeit des 
Geffaniven Königs Bahrams (Vararanes IV. reg. 388—399 n. 
Ehe. Geb., ver Erbauer von Kerinanſhah, f. Erdk. Weſtaſ. Theil 
X ©. 374), am Sarſara⸗Fluß (0b derſelbe wie ver Baarſares over 
Aarſares bei Ptolem. nahe Rufa % oder ver Canal im Oſten bes 
Cupbrot gegen Babylon zu, den Chebney für ven Nahr Sarfar 
Ya ?) nach chaldaͤiſchen Nachrichten durch Abdaß von Dorkena 
d. L Geleuda ein Klofter St. Crucis zu Salibe (?). erbaut, und 
von deffen Schüler Ebedjeſus im Jahr 392, auch auf der Weitfelte 
des Euphrat, zu Hira ein zweites Klofter 89) angelegt. Bon 
deſem aus wurden vie benachbarten Araber, hier Nabatäer genannt, 
fo wie mehrere andere Stämme ber ummohnenven Völker zum Kreuze 


se) Ammian Marcell XXIIL 7. Plin. Ep. I. 20. *°) El Masudi 
meadows of gold etc. I. p. 247. 60) Herbelot 
"bibl. Or v. Hira p 418. *7) Notitia ecclesiarum metrop. et 
quao sunt patriarchae Nestoriano subjectae in As- 
ibl. Or. T.IH. P.2. fol.DCCV. s. v. Hirta. 22) A. Re 
ander, allgem. Geſchichte ver chriſtlichen Religion. 2. I. 3 Abth. 
©. 1176. .0°) De Syria Nestorianis diss. b. Assemani Bibl. Or. 
T. DL P. 2. tel. LX. u. LXL | 


| 


ke. 











60 Wefi-diſien. III. Abtheilung. I. Apfchnitt. $. 29; 


bekehrt. Wir vermuten, daß eben von biefem Unſſtande ber bei 
den arabiſchen Autoren für vie wahrfcheinlich Jakobitiſchen Chriſten 
auch in Arabien, wie in Nedjd, zu Fayd u. a. O. fo allgemein ge⸗ 
bräuchlich gewordene Name der Ibapiten, deſſen Entflehung noch 
unbefannt ſcheint, Herzuleiten iſt, als anfänglichen Schülern des 
Ebedjeſu: denn von Hira. aus landeinwärts auf ber großen 
Mekka Pilgerftraße bei Fayd, halbwegs zwiſchen Kufa und 
Mekka, kennt noch Abulfeva das Grab eines Ibady; fo weit 
alfo drangen die Ebebjefunner damals in das Innere Arabiens von 
Hira aus ein. Ebed ift aber bei den Syrern wol nur berfelbe 
Name wie Ibas W) des Biſchofs von Cdeſſa, welche Form die 
Araber beibehalten haben. Zu Edeſſa, Tekrit, Seleucia faß- 
ten viefelben Lehren Wurzel und gelehrte Episcopen erhoben ſich 
unter dem anfänglichen Schuge der Saffaniven Kürften. Nach dem 
Sabre 399 ward zu Babylon, wo bis auf des Kaiſers Theodo⸗ 
fius Magnus (er ſtirbt 395 nm. Ehr. G.) Herrſchaft fi noch 
immer viele Denkmale des Alterthums erhalten hatten, eine neue 
Kirche und ihr benachbart ein Klofter erbaut, ba bei einer kurz 
vorhergegangenen Ehriftenverfolgung (durch Sapor:; II.), auch durch 
den Judenhaß viele chriſtliche Kirchen zerſtoͤrt waren. Deſſen Lage wird 
in ver „Ecclesia Babylone in lacu, quem Danielis vocant“ an- 
gegeben, eine Ausfage die und alfo wiederum an bie analogen 
waſſerreichen Xocalitäten von Hira und Kufa zu verweifen fcheint, 
in Babylons Nähe, wo Denkmale an ven Propheten Daniel urali 
find). Es mar der Urchlepiscopus von Seleucia, Kajuma, ber 
piefen Bau ausführte. Die Reihe ver Bürften von Kira, eine 
Golonifatton, die von Jemen (Arabia felix) ausging, beren Herr⸗ 
ſchaft von ven Azek auf das Gefchlecht der Lakhmi überging, (Bas 
koui nennt fie Beni Hakhem Araber), fuͤhrten den Namen ver al 
Monadherah bei den Arabern, weil jever ven Titel Mondar 
zu feinem Namen Hinzufügte, daher die Alamundari der Autoren, 
welche zur Zeit jener Ausbreitung der Jacobiten felbft zu dieſer 
hriftlichen Secte übergingen. Nooman Ben el Mondar (ober 
Munfer nah v. Hammer), ver zur Zeit Mohamens lebte, fol 
in dieſer arabifchen Dynaſtie ver erfte Ehrift geworben fein 9), 
perfelbe der auch den Beinamen Amrulcaid führte und vajelbft 
große Kirchen erbaute. Er wird von Abulfeda ald ein Weiſer an- 





0) S. Abulfeda trad. franc. par M. Reinaud. p. 131. not, *?) Benja- 
min. Tadel. ed. Asher. T. J. p. 106 unb Not. ‘262. *?) Abul- 
fedae Descr. Jracae ed. Wüstenfeld. p. 12, not. p.98. 


nn BERN 
J 


Enphratfuften; hiſtoriſcher xacblic Alerander M. 61 


verführt, den Khosru Parviz um die Erklärung feiner boſen Träume zur 
Set von Nohamede Geburt und um bie Deutung derfelben befragt.99) 
Da vie Almundari, ihrem Glauben getreu, fich nicht zu den Irrleh⸗ 
wa der feueranbetenden Safſaniden wenden wollten, wurden fie vom 
Anige Kobad verfolgt, aber von deffen Sohne Khoſroe Nu- 
ſhirvan (reg. 532—579) wieder eingefegt in ihre Herrfchaft, blie⸗ 
Gen aber nur Statthalter der Saffaniven Könige. Sie geriethen bet 
ven beftändigen Kriegen dieſer Fürſten mit den griechifchen Kaiſern 
im Streit, und zumal mit den katholiſchen Kaiſern Juſtinian und 
Yufin, wie fie ald arabifche Iacobiten verfolgten). Zur Seit 
von Mohameds Sehurt war Amu, Modhareth el Hegiarat 
betitelt, Konig von Gira; der dritte feiner Nachfolger wurbe von 
Kalte, dem Feldherrn Abu Bekr's, ned erſten Khalifen, im zwei⸗ 
ten Jahre der Hedſchras), Im Jahre 623 unterworfen, aber, 
wie Abulfeda fagt 9), auf frievfiche Weiſe durch Trihutauflegung; 
ed war ihre er ſte Eroberung in Iraf. Zehn Jahre fpäter ſchickte 
während ver großen Verwirrungen, vie auf dem Safſanidenthrone 
4 zutrugen, eine ver letzten Beherrſcherinn deſſelben, Arzemidokht, 
noch ein Heer ven 14000 Reitern gegen Gira zur berühmten Schlacht 
(fe fällt in das Jahr 15. der. Heg. d. I. 636 n. Chr. ©.), die vom 
hmachbarten el Kabesiyah bei den Arabern ven Namen 97) ers 
Set, in der drei lange Tage vom Morgen bis zum Sonnenunter- 
ung blutig gekämpft ward, bis Omar den Sieg davon trug, und 
vie Berfer nah Madaun zurückſchlug. Dies war die Entfcheipung, 
wereuf nach Gefechten von allen Seiten, zu Damascus, Emein, 
Racca, Niſibis, Marvin, Sireefium, Arkan (mo fpäter 
Batra), ganz Irak an die Moslemen fiel, und auch die Prachtrefls 
benz der Doppelftadt, el Madain (Cteſiphon und Seleucla), in Aſche 
serwanbelt warb 9) (637 n. Chr. ©.). 

Im folgenden Jahre traf dennoch auch Hira, welche von 
Gerit3sfahani®) unter 790 30 &. und 310 30’ Br. als eine der 
7 Hauptſtädte von Irak angegeben wird, 2 Farſang, ober 3 Stun⸗ 
ven von Kufa gelegen, daſſelbe Loos. Sie wurde unter Khalif 
Dmar vurd feinen Felbherrn Saad Ben Ali Vacas zerftört, und 


orm) Abelfedae Annales Moslem. ed. Reiske. Lips. 4. 1754. p: 2. 
°6) Greg. Abul Pharaj. Hist. dynast. p. 93. °°) ib. D- 109 =. 
111. °°) Abulfedae Annal. Moslem. ed. Reiske. p. 66. 
°”) Ri Masudi Hist. encycl. or meadows of Gold. p. 246. 

**) Abulfeda Ann. Mosel. I. p. 69.  °*°) Bei Mühtenfeld l. c. 
Net. p. 96, ' 


62 Weſl-Aen. TIL Übrpeitung. l. Abſchaiet. $ 29, 


blieb ſeitdem in Ruinen. llegen, aber in bemfelßen Zahre wurden - 
ebendaſelbſt, nach Abulfeda im. Jahr 638, bie Fruchtgärten 


von Kufa 19) angelegt, das unſtreitig aus ben Trümmern won 
Hira und Babylon fich emporhob, aber zugleich mit Basra erſt 
im Jahre 770 durch ven Khalif el Manſur ſeine Mauern hit. 
So warb auch ber berühmte Pallaſt Chawernak, der außerhalb 
der Stadt Hira lag, zerſtoͤrt, der von dem Könige Nooman, dem 
Sohne Mondars Amrulcais, aus dem Lalhmi- Geſchlechte, durch 
feinen griechiſchen Vaumeiſter Sen am ar (Sanmar bei Bakouh) zu 
‚Hiea erbaut war und in der Maͤrchenwelt unter dem Namen Sha⸗- 
bernack fortlebt, 1) weil der Künftler,. mit- Undank belohnt, vom 
Mebel herahgeſturzt ‚feinen Lob gefunden haben ſoll. Wir erinnern 
Hier nur gelegentlich daran daß jn- Miirfhombs Geſchichte der Saffa- 
niven 2) der Saffaniven König Igbegert.L (reg. um das Jahr 
400), in jener baulufligen Periode der Serrſcher von Kermanfhah 
(Erol. IX. ©. 375 ff.) feinen Sohn. bei ven Arabern in Diezira 
zu Hira durch einen gemiffen Noman, ber ein Eprift wurbe, erziehen 
eß, und. biefen beauftraget, 2 Prachtſchloſſer durch einen griechiſchen 
Baumeiſter Sinmar (alfo identiſch mit jenen Segamar) aufbauen 
gu laſſen, von denen dad erſte, Khounak genannt, Himmelhoch war, 
das zivcite aber Sedir hieß, und durch feine Beſchreibung an bie 
Gonftruction ber großen Pallafthallen auf der Stelle bed. alten Cie 
ſiphon erinnest.. Es ſcheint, daß auch fpäter noch aus berfelben 
„Gegend von Hira nicht alle jũdiſchen und chriftlichen Bewohner, die dort 
in frügefter Zeit bedeutenden Einfluß gewonnen Hatten, durch bie 
Muhamedaner gänzlich verdrängt waren: denn der Name Ebadien⸗ 
ſio bezeichnete 3) noch unter den Abaſſiden im 9. Jahrhundert Ein» 
geborne aus Hirn, wie z. B. ven Honain Ebn JIſaak, einem 
chriſtlichen berühmten Rabba, d. I. Doctor und Lelbargt ) an des 
Khalifen el Motawalkel Hofe zu Bagdad (ſ. Erdkunde Theil IX. 
©. 287 u. fi). Ime Cinwohner von Hira nannten ſich Ebad 
ober Ibad, i. e. Serrus Dei, weil fie fi um freierer Rellgiond- 
übung willen in jene entlegeneren Gegenden zurückgezogen und ‚in 
ver. Nähe des alten Hira fefle Burgen zu ihrer Sicherung erbaut 





200) Abulfeda Annal, Mesl. p. 71/151. *) Herbelot Bibl. Or. 
1. o. 418; vergl Bakoui Not. et extz. p. 43.4. ) v. Sammer 
Burgfall, die aflat. Türkei. Rec. Wien. Jahrb. 1821. XIIL. &.225. 
3) S. de Sacy möm. s. les antig. de la Perse in R. des Sassan. 

A *):Greg. Abul Pharaj. Hist. dyaast. p. ; 
ibl. Or. l. c. 





Euphratfoften ; biftorifcher Xuͤckblick; Alexander M. 63 


peiten. And zu Eorifis Zeit (1150) beſtand ©) noch immer Wie 
Stadt Hire, die nach feiner Beſchreibung ganz gute Wohnungen auf 
frugtbarem Boden hatte, aber unbeneutenn geworden war, weil die 
weiten der Bewohner von ihr, wie von Cadeſta, ſich nach Kufa 
übergefiedelt Hatten, woraus fich wenigſtens noch ſo wiel ergibt, daß 
Kufa keineswegs ganz dieſelbe Stelle mie die ältere Gira Hatte ein« 
uehmen Tönnen, jondern nur in ihrer Nähe lag. Wie vieles würde 
uch anf ſolchem clafſiſchen Boden, wo man ſich bither faſt nur 
lich auf das heutige Euphratufer und die Ruinen Baby⸗ 
ſelbſt beſchränkt hat, ‚ohne die ſenſeitigen Landſchaften einer 
genauern Forſchung zu unterwerfen, zu ermitteln fein, um das Leben, 
Bier zu Alexanders Zeit und feiner unmittelbar nachfolgenden 
| Wmaflien Bis auf die Zeit dos Khauifats vocheerfchend war, un 
Ä auch feine Monumente zurlickgelaſſen haben wird, zu. ermitteln, 
ir fügen daber für Fünftige Localforſchungen auf viefem Boden, 
blaher ſehr felten genauer beachtet wurde, und auf ben ‚wir 
im Folgenden immer nur wie auf eine Wüfte ber Gegenwart 
prũctblicken können, da und jede neuere gründliche Berichterfiattung 
ſchit, wie biſsher unbenchteten Angaben des audgezeichnetften arabiſchen 
Gkeriter6 über dieſe verſchwundene waſſerreiche, paradieſesgleiche 
dudſchaft hinzu, durch welche und auch die frühene Perlode zu 
Aexranders Zeit immer verſtändlicher und begreiflicher zu werden 
ſchelat. Die einſtimmigen Behauptungen fo vieler arabiſcher Auto⸗ 
sen Über den frühern Meeres⸗ ober doch reichen Waſſerſtand in 
Beziehung auf ven Euphrat verdienten wol ebenfalld an Ort und 
Stelle von künftigen Reiſenden mehr, als biöher gefchehen, beachtet 
gu werben. J u 

Der HSiſtoriker el Maſudi fagt uns Im 9. Kapitel feiner 
gelunen Wiefen, die er Mitte des 10. Jahrhunderts ſchrieb: 
„Der Euyhrat, nachdem ver Iſa⸗Canal von ihn fh gegen Oft abge 
„zweigt dat, nämlich von Feluja gegen Bagdad Hinüber (f. o. S. 17), 
„segt feinen Kauf fort nah Sur, Kadr Ibn Hobairah, 
ei el Kufah, el ISamin, Ahmedabad (?), el Derman 
„us et Tafuf; dann ergieht ve fih in die Marſchen und Süms 
„pie zwifchen el Basra und el Waſet; fein ganzer Lauf if 
„RO Yarfang (371 geogr. Meilen). Der größte Theil der 
„Baier des Eupbrat, führt Maſudi fort, Hatte einft ſei⸗ 
Aen rauf durch el Hira, fein Bert läßt " noch heute nach⸗ 







£ 


337* 








°) Rdrisi Geogr. b. Jnabert 1. p. 306. 





64 Weſt⸗dAſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 629. 


„weiſen, es heißt Atik, d. i. das Alte). An ige wurde bie 
„Schlacht zwiſchen ven Mufelmännern und Ruſtam, d. I. den Saſſa⸗ 
„niven, zu Zeiten Om ars geſchlagen, bie Schlacht von el Kade⸗ 
fiah genannt. Vor Zeiten fiel ver Cuphrat, bei dem Orte ber 
miegt en Najaf Heißt, in dad abyſſiniſche Meer (d. I. dad erythräl⸗ 
nie, das damals auch von arabiſchen Stämmen Abyſſiniens be⸗ 
ſchifft wurde).“ Najaf oder Nejef Ashref in Irak Arabi 
79 30, Longit. 310 30' Lat. Heißt aber ver Landſtrich bei Kufa, 
wo Ali begraben ward (in an Nagiaf sic dicto haud pı a 
Kufa tractu) 7), wo bis Beute der Pilgerort IR zu Neſhed ML 
„Denn, fährt Maſudi fort, das Meer flieg einſt aufwärts bis 
min dieſem Orte und an ihm landeten bie Schiffe von Chin 
„d. & Hinterinbien oder China und Vorderindien (alfo noch 
weiter als Geylon und Siraf, von: wo ber Weg freilich bis hieher 
nicht mehr weit war, f. Erb. Th. VEN S. 776), die für bie 
„Könige von el Hirah beſtiumt waren. Viele alte Hiflori- 
‚ker, die wohl bekannt find mit den Schlachtiagen ver Araber 
‚nole Hebham Ben Mohamed el Kelbi, Abu Moffnif Lut Ben 
Dehva und esh Charfi Ben el Katami, zählen, daß bie Ein- 
nwehner von el Hirah fi in dem weißen Thurme (baber ihm 
Abulfeda el Baida i. e. albus nennt ®), von el Kabesiyah, und 
‚an dem ber Beni Bokailah (aber Bakilah d. h. ver grüne) 
verſchanzt Hatten (alfo zwei Beftungswerke), als unter des Khalle 
sen Abu Vekr Befehle Khaled gegen fie zu Felde z0g. Died wa- 
‚pen die Thürme von el Hirah, die jept In Trümmern und unbes 
„wohnt ba liegen“ 

EI Maſudi erzäͤhlt nun, daß Khaled, ber fein Lager zu 
en Najaf hatte, den tapfer vertheidigten Thurm ber arabifchen Chri⸗ 
fien, die er’ hier mit dem Namen eines befonbern Araberftanmes, 
Xaghlebiten bezeichnet, wicht einnehmen Konnte, und fich deshalb 
mit ihnen in Unterhandlung einließ, einen Tribut von 100,000 Dir« 
Hemö forberte und ihnen zum Zeichen ber Abhängigkeit von ven 
Moslemen gebot, eine ſchwarze Binde um bad Haupt zu tragen. 
So kam der Friede durch Gapitulation zu Stande. Tag hĩab führt 

Cdrifi unter den Stäbten 9) des benachbarten Arabiens (Zebala ber 
nadgbart,. dad einſt beudlkert, damals aber ſchon zu einer bloßen 


) El Masdi L c. 1. pı 246. ) Abulfeda Annal. Mosl. ed. 
Reiske. p. 99. cf. b. Wüstenfeld Not. p. 98. *) Abulfedae 
Tab. Desc. Jrac. bei Wüstenfeld. p. 12: °) Kärisi Geogr. 

„bei. Jaubert. T. I. p. 365. 











ee — — — 
— — — 


Eupbratfoftem; hiſtoriſcher Rüdblid; Alerander M. 65 


Station für Karawanenreiſende herabgeſunken war) auf, als einen 
Drt, in dem fi im 12. Jahrhundert fehr viele Araber zu ver 
fammeln pflegten, und fehr ſtark bejuchte Märkte hielten. 
Der Unterhänpler Abdel Meſih, der wegen feines ſehr hohen 
Alterd und wegen feiner Klugheit unter den Arabern in großem 
Aufe fand (er follte 350 Jahr alt fein), und ald der Baumeifter 
5 Bakilahthurms genannt ward, gab fchon Khalen auf feine Bras 
gen den Aufſchluß, daß fie fi) nicht Araber nennten, weil dies 
am Beduinen bezeichne, ſondern daß fie, die Taghlebiten, 
arabifche Nabatäer, daB heiße Ackkerbauer auf ber Grenze 
ver Wüſte feien, welche jevoch auch ‚einige Eitten ver Beduinen bei⸗ 
Hästen. Diefer Bote, von Religion ein Ibapite (ein 


. Serrus Dei), behauptete venfelben Boden, ver jegt fo welt entfernt 


von dem Meere troden liege, einft noch mit Meer bedeckt geſehen 
zu Haben, und mit jenen fremben Schiffen befahren, worüber alle 
Gefährten Khaleds, die ald Zeugen zugegen waren, in Verwunde⸗ 
rung gerieten. Er behauptete, die Fruchtbarkeit des Landes ſei 
sußerorbentlich geweſen, e8 habe fehr viele Pflanzungen, Gärten, Doͤr⸗ 
fer, Anbau aller Art gehabt, und überall von Canälen und Seen 
berchfchmitten,, habe es in der Höchften Blüthe geſtanden. Die um« 
Riuhliche weiter Erzählung, welche natürlich mit einem Wunder zu 
Ehren Khaleds, und mit einer Prophezeiung bed Ihabiten über bie 
Ausbreitung der neuen Religion endet, übergehen wir bier. EI 
Maſudi verſichert, alles dies Hier 10) mitgetheilt zu haben, weil 
e feine eigene Ueberzeugung über bie merkwürdigen 
Wechſel von See und Land, und von bem geänderten Lauf ber 
Flüße wit dem Berlaufe der Zeiten nur beftätige. Als die Waller 
nicht mehr zu biefem Orie hinfloffen, warb das Meer zu Land, und . 
rech betrage, fagte er, zu feiner Zeit bie Entfernung zwijchen el Hirah 
ann Dem Meere einige Tagereiſen. „Wer en Najaf mit Aus 
gen geichen hat, jo envet el Maſudi feine Erzählung, ver wird 
wnb ganz verfichen.” Hierauf geht er zum Nachweis ähnlicher 
Seqhſel an dem Tigris über, von denen weiter unten bie Rebe fein 
wire. + 

Bir führen mur hier noch an, daß Abulfeda diefelbe Sage !) im 
obigen etwas grell außgepußten Gewande von einer frühen, Lan⸗ 
bung invifcher Echiffe in dem Gebiete der alten vor « Iölamfchen 
EA wieserhelt, doch auf eine Art, die mol zeigt, wie fie eben 


. 19) EI Masudi 1. 0. p. 352. :') bei BWüflenfelb 1. 6. 
Ritter Erhlunde X. & 


ge 


66 Wefrdlfen.; MN. Abthellung. I. Abſchnitt. $.30., 


nur fich auf ven frühern großen Waſſerreichthum und auf die flär- 
tere Beſchiffung wiefer ganzen Gegend bezleht, wie ſolche unftreitig 
auch. zu Alexanders Zeiten flattfinden konnte. Da bie Herrſchaft 
der Könige von Hira ficher auch weit den Cuphrat abwärts fich verbreis 





tete, und ihr Volk zu ben feit ven älteften Beiten am Perfergolf 


handeltreibenden Nabatäern gehörte, ihre Herkunft aber aus 
dem hochcultivirten Jemen war: fo hat es auch wol feine Richtige 
keit, daß fchon damals fo ferne Schiffe in ihrem Gebiete, wie Heut 
zu Tage, bis Vasta und felbft weiter aufwärts BIS in das Land 
der Könige von Kira eindringen mochten, ohne daß darum das 
perſiſche Meer felbft fo weit landein zu reichen brauchte. 


$. 30. 
Hiſtoriſcher Rüdblid auf die Steomgebiete des Euphrat 
und Tigris, (Fortfesung). 

IL Zur Beit der Seleuciden, ber römifchen und 
byzantinifchen Kaifer, unter parthifhen und fat: 
ſanidiſchen Herrſchern. 

1) Unter den Seleuchden. 

Die Zeit ver Nachfolger Alexauders im ſyriſchen Reiche, ver 
Seleuciden, In ihren fortwährenden Kämpfen unter ſich und mit 
ihren Grenznachbaren in Aegypten, Kleinafien, Macevonien, Armes 
nien, Parthien, Baktrien und Indien, war nicht geeignet, bie Frie- 
venöpläne Alexanders für die Wieberaufnahme der babylonifchen 
und aſſyriſchen Landſchaften zur höhern Entwidlung und Reife zu 
bringen, obwol fle die merfofirdige Verſchmelzung helleniſcher mit 
vorberaflatifcher Population. und Clviliſation, die unter Alexander 
begonnen hatte, nicht wenig förderte. Noch weniger Eonnte jene 
Gntwidlung gedeihen durch bie naͤchſtfolgende Periode der unaufe 
hoͤrlichen Kriege der Römer und Byzantiner gegen parthifche 
und faffanivifche Dynaftien, bie fi Ir den Beflg ver Seleu⸗ 
eiden «Reiche in Affgrien und Babylonien gefegt Hatten, wohet im⸗ 
mesfort dad Tigris- und Cuphratland der große Zummelplag 
ihrer Herne, ihrer Schlachten, ihrer Belagerungen war, ungeachten 
auch ba: glanzuolle Reflvenzen und Stäbte emporfliegen, bie aber auch 
eben fo fhnell wieder untergingen, 618 enblich Keiner Ohnmacht in 
der neuen Macht der Khalifen unterging, und durch diefe eine 





HE _ 


ratſyſtem; Hiftorifcher Ruͤcbblick; Geleuciden. 67 


e glänzendere Briedensperione für daſſelbe große 
t der Doppelfirdime hervortrat, In welcher aud die geo⸗ 
che Keantniß deſſelben burch Meiſterwerke arabifcher Geogra⸗ 
Tr werden konnte. 
8 tft traurig zu fehen, wie überall, ſtatt aufzubauen, in jener 
nur niedergeriſſen ward, was vorhanden war, und wie ſelbſt 
ste Glanz neu aufblühender Refidenzen nur durch die Plün⸗ 
der älteren fich erhob, die in. Eindden verfanten; wie bie 
anten, flatt ſich zu erweitern, nur dazu dienten, um Schutz⸗ 
gegen feindliche Veberfähle abzugeben, die Dämme durchſtochen 
ı, um die Lager feinblicher Herre zu erfäufen, und wie bie 
reichen Hoffnungen für vie Belebung des Welthandels bes 
e Strom⸗ und Küftenfchiffahrt gänzlich für den Friedensverkehr 
Haffigt wurde, ja bie einzigen Slotten auf Tigris und Euphrat 
n Geereßzügen der Eroberer dienen mußten. Den geringen 
ritt geographifcger Kunde über daB genannte Stufenland fine 
ir daher nur ſehr fragmentarifch zerftreut in ven Berichter⸗ 
ı der Kriegszüge und etwa gefammelter bei Strabo, der aber 
tatoftfenes als feine Hauptquelle wiedergibt, fo wie bei 
a8 nach Juba's Berichten, deren beiverfeitige Originale uns 
verloren gegangen find; bei Ptolemäus, wahrſcheinlich 
ven Armeeberichten der Trafanifchen Feldzuge vom Euphrat, 
A Ammian. Marcellinus aus elgner Anſchauung als Bes 
des Heereszugs Jovians an ven Euphrat und Tigrie. 
dei ver Beribeilung der Statihalterfchaften wurde nach ler 
Tode durch Antipater dem Seleucud, dem Beichlähaber 
tären, die Provinz Babylonien zugefprochen; als er bier 
umened, ver einen Feldzug nach Ierufalem vorbereitete, in 
ge trieb, und wiefer mit feinem großen Heere in große Gefahr 
, weil ein vom Feinde burchflochner Canal fein ganzes Lager 
Bafler fegte, gelang es dieſem, fo eben noch durch eine Kriegs⸗ 
f einem Damm dem Untergange zu entfliehen, und ven los⸗ 
wen Canal wieder abzuleiten (Diod. Sicul. XVII. 3, 39. 73). 
nu im Sabre parauf (315 v. Chr. Geb.) Eumenes dem Se» 
9 gen Babylon fchr nahe zu Leibe ging, bediente ſich dieſer 
en Mitteld noch einmal, ſchiffte zu einem Ganale und durchſtach < 
Mündung, welche durch die Länge ber Zeit zugebämmt war, 
a fogleich des Feindes Lager unter Wafler gefegt und Baby- 
ns feiner Roth befreit warb. (Diod. Sicul. XIX, 13). Reid, 
eln und Seſam, fagt Diodor, warm rn bie Haupt⸗ 
2 





68 WeflsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.30, iü 


ernten auf dieſem Boben. In ber allgemeinen Verwirrung mußte a 
Seleucus, obwol er ſich ald Statthalter ven Babyloniern ziemlih * 
beliebt gemacht Hatte, doch zwei Jahre fpäter vor feinem falſchen 'H 
Breunde Untigonus aus Babylon, nur von 50 Reitern begleitet, ia 
nach Aegypten entfliehen, wo er an feinem Waffengefährten Pto« im 
Iemäusß jedoch eine Stüge fand. Mit Befien Beiſtand kehrte er zu 
den Babyploniern zurüd, die Ihm ſchon vor ber Gtabt entgegen kamen, 
indeß die Partei feiner Gegner aus Furcht vor der Volkswuth in 
das Gaftel floh, wo Diphilus Commandant war. Dies eroberte 
Geleucus nach kurzer Belagerung mit Sturm und befreite dadurch 
zugleich feine Kinder und Freunde, bie man nach feiner Entweichung 
nach Xegypten dort eingefperrt hatte (Diod. Sicul. XIX. 91). - MS 
fpäterhin (im Jahr 310) auch ver Sohn vet Antigonus, Deme» 
trius, von Syrien abgefhidt, Babylon während einer Abweſen ⸗ 
heit des Seleucus mit einem Ueberfalle bedrohte, und der zurück- 
gelafiene Commandant zu wenig Truppen zur Vertheidigung ber 
Stadt behalten Hatte, vermochte er ihre Bewohner, diefelbe zu 
verlaffen, jenfeit des Cuphrat in die Wüſte zu fliehen, oder nach 
Suflana zu gehen. Er felbft verkroch fi mit feinen Begleitern 
Hinter den Schut der Blüffe und Candle durch beftändiges Aus- 
weichen. Demetrius fand daher dad einft fo bevdllerte Babylon 
nun ſchon völlig menſchenleer; nur zwei Gaftelle ober Schlöffer 
waren noch mit Mannfchaft befegt. Das eine ward nach kurzer 
Belagerung ohne befonvere Mühe erobert und zur Plünberung feinen 
Silonern preiögegeben; da er das andre nach mehren Tagen mit 
5000 Mann nicht erobern konnte, zog er ſich eiligft nach ver Küſte 
- von Syrien zurüd (Diod. Sic. XIX. 100). 

So das Trauerbild jener Zeit; fo der gänzliche Verfall des 
Wohnfiged der einft fo gefeierten babyloniſchen Weltweifen ober 
Ehaldäer, veren Weiffagungen felbft noch von Alerander wie von 
Antigonud und Seleucus nicht wenig refpertirt waren, weil bie 
Beobachtung der @eftirne, ver fie ſich felt taufend Jahren ergeben 
Hatten, ihnen eine untrügliche Wiſſenſchaft verliehen zu haben fchien 
(Diod. Sic. II. 81; XIX. 55), indeß fle doch eben nicht im Stande 
waren, felöft durch eined Alexanders Begünftigungen gehoben, ſich 

4 auß der Vernichtung zu retten. 
Erſt als Seleucus Nicator 12) feit ber zweiten Rückkehr 


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22) f. Gl Univerfal. hi Ueberf. der ichte der alten Welt. 
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| Euphratfoftem ; Hiftorifcher Auͤckblick; Seleuciden. 69 


nech Babylon fich am Euphrat und Tigris auch feſtzufeten bei» 
Rand, ald der klügſte und mildeſte ber Ufurpatoren jener Zeit; . fett 

er feine Macht oftwärts bis nad) Indien, weſtwaͤrts bis Kleinaflen 
ausgedehnt, fich den Königstitel (307 vor Chr. ©.) beigelegt, und 
nach der Schlacht bei Ipfus (301 vor Chr. ©.) feine Nebenbuhler 


völlig befiegt Hatte, da kehrte auch einige Ruhe und Glück an ven 


Tigris zurüd. Zwei Städte gründete er als neue Refivdenzen: An⸗ 
tiochia mit ihrer Hafenſtadt Seleucia am Ausfluß des Orontes in 
Rerien, vie fih bald zur Weltftaut erhob, und bie andere Seleucia 
am Tigris, nach ihm ſelbſt benannt, die er in ver Nähe des alten Sitace 
und eined Kleinen Ortes Choche (Xwyn bei Steph. Byz.), den 
man wol für den ſchon früher vorhandenen Ortsnamen gehalten 
det, auß den Irummern Babylons, vefien Bevdlferung er dahin 
überfiebelte, aufführte und feinem Sohne Antiochus (dem 
erſten, reg. von 282 — 262 vor Chr. ©.) als Refidenz der an bie 
fen abgetretenen großen Ofthälfte feines Königreiches. vom Euphrat 
Ks zum Indus überließ. Aus den Worten des Strabo: „nr rüv 
(scil. zaAovulıny) Zeleixesay” und dem „rergllew,” das er für 
wie Erbauung ever Ummauerung der neuen Stadt gebraucht, glaubt 
ketronne 2) annehmen zu müſſen, daß diefer Ort nicht immer 
Diefen Namen gehabt habe, fonbern zuvor ſchon ein anderer Ort, unter 
dem Namen Choche etwa, das aber erſt zur Zeit von Jullans Feld⸗ 
zuge genannt wird, ober fonft ein unbekannter an ver Stelle von 


Selencia geflanden habe, worüber und jenoch nichts näheres bekannt 


Da Seleucus, deſſen Srabmal auch zu Seleucia prachtvoll er⸗ 
richtet ward, wie alle feine Nachfolger bi8 auf Antiohus AR. IM. 
(224-187 v.Chr. ©.) eine große Vorliebe für dieſe Stadt gewon⸗ 
nen, in welcher vie aflatifchen Anfiedler mit ven griechifchen die Vor⸗ 


tztelle griechiſcher Berfaffung der Einzichtung Ihrer Gründer ver- 


banften, fo blühte fie fchnell zu bedeutender Größe auf, und 
wer» für die Folgezeit, wie früher Babylon am Euphrat, der 
Unzicehungdpunct der Weltereigniffe am Tigrid. Das 
derch wurbe feitvem die Aufmerkjamkeit von der fo berühmten Va⸗ 
Selen fo völlig abgelenkt, daß fie gänzlich in Vergeſſenheit gerieth 
unn in Eindve verfant (Plin. VI. 30 Babylon ad solitudinem re- 
dit, exhausta vicinitate Seleuciae), während die freien Bürger 
Seleucia's von den Bricchen ſeitdem ſtets Babylonier (Seleu- 


'") Strabe Geogr. trad. franc. T. V. 1. p. 166 unb'p. 182, note 
9, par du Theil. | | 


70 Weſt⸗Aſien. EIT. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 


«ia ... quae Babylonia cognominatur Plin. VI..30) genannt 
ben. Griechiſches Keben und griehifche Freiheit wi 
durch dieſe, wie andre fo zahlreich ſchon durch Alexander und 
auch durch bie Seleuciden durch ganz Vorderaſien, von Asia 1 
und Mefopotamien an bis Bactrien und Indien hin, gegrür 
Staͤdte dort eingeführt, und trugen in ſofern nicht wenig zur 
ven Ausbilbung des Orientes das Ihrige bei. Die Stadt 
Leuela war zu Strabo's Zeiten, nach dem Verfalle des for 
Neihes, an deſſen Stelle zum Theil ſchon Römer und Partiı 
treten waren, zu folcher Erbße und Vendlkerung emporgema 
daß fle noch den Rang vor Antiochia erhielt, dad doch Alex⸗ 
in Aegypten und Rom gleich war (Strabo XV. 743). In 
Seleucia, bemerkt ver oben genannte Geſchichtſchreiber, ſann 
fich fpäter, während ver Ohnmacht ſyriſcher Gerrſcher, noch al 
berbleibſel ver frühern griechiſchen Niederlaſſungen am Cuphra 
Aigrio, fo daß fle in eben dem Grabe zunahm und ‚fi 2 
verfhaffte, als ſelbſt die Macht der ſyriſchen Dynaſtle hera 
Die Barther ließen dieſer Stadt nicht bios Ihre alte Berfafung 
lyblus nennt Adeıyavas, Diganen, als erſte Magiftrateperfor 
Seleucia, Histor. Lib.V. c. 54, die allen Erklärern unbekannt 
sen von ihnen die Oſtikani Armeniens 1%) ihre ebenfalls unbe 
Würde und Benennung erhalten Hahen?), fondern verſchont 
noch zu Strabo's Zeit mit der Einquartierung ihrer rohen 
ger; doch war fle ihnen unterworfen. Später, da Irajan 
als Sieger am Tigris auftrat, bis auf Sultan, war fie 
-böllig freie Stadt, werlor aber ihren Olanz, ven fie unter de 
leuciden erhalten, weil dicht neben ihr das Winterlager der P 
-Ktefiphon, bie indeß vom kaspiſchen See zum untern Tigri— 
gedrängt waren, und zumal fpäter dieſes durch die Gaffanive 
naftie zu ihrer großen Blanzrefivenz erhoben warb. Leider er 
wir.von Land und Bolt am igris, ſelbſt unter ber fo.berü 
-Serrfgaft Unttohus HL, der nad) den Siegen In Baktrien 
bis 209 vor Ehr. ©.) den Beinamen des Großen erhielt, ui 
Gmpdrer Molon durch einen Feldzug bis Geleuca Hin, das « 
fen Empdrung Theil genommen zu haben ſcheint (Polyb. Hi 
e. 51-54), verfolgte, Teine genawsen Nachrichten mitgetheilt. 
196tu845) nennt nur in dem von Ihm näher beſchtiebenen Bı 
+) Petermann de Ostikanis, arabicis Armeniae gubernab 


Comment. Berol. 1840. 26) Mannert Geogt. der & 
». Römer TH. V.2. p. 306, 462, 456, 463, 


Euphratſyſtem; hiſtoriſcher Ruͤckblick; nad Strabo. 71 


des Antiochus IIL gegen Molon entlang dem Tigris einige Staͤdte, 
wie Liba im Süden von Nifibis, Dura nahe Tekrit, Oricum am 
bamrin (Erdkunde Th. IX. ©. 512), Apollonia (ebd. ©. 508) und 
Ghale (ebd. S. 470), deren Lagen ſich nicht einmal mit Sicherheit. 
genauer, als sir dies ſchon fräher verfuchten, bcammen laſen (Bet 

Th. X ©.113, 513). | 


2) Ra Strabo: das Dnellgeblet von Euphrat und “ 
gris in Taurus und den Ripbates- Ketten Armeniens.| 


Vom Lauf ver Ströme gibt Strabo die erſten überſichtlichen 
Beichreibungen. „Der Euphrates, fagt ex (Strabo XI. 527 
„hat auf der Norbfeite ver Taurus⸗Ketten feinen Urſprung; er flie 
„zuerft gegen Weften durch Armenien, wendet fi dann gegen 

„Süden, durchbricht die (ſüdliche) Tauruskette und ſcheidet die Ar⸗ 
„nenier (im Oſt) von ben Kappadokiern und Kommagenen (im Weft). 
„Dann ſtürzt er aus den Bergen hervor, tritt in Syrien ein und 
„wendet fi} gegen ven winterlichen Aufgang, d, L gegen S.D.,-bi8 
„gen Babylon, mit dem Tigris Mefopotamien ale ; dann 
„aber ergießen fich beide in ven perſiſchen Meerbuſen, d .i. in das 
„erythrãiſche Meer. 

An einer andern Stelle (Strabo XI. 521.) fügt er zu obiger 
fehr richtigen Angabe beö Quelllandes noch erläuternd hinzu: „Von 
„dem Zaurus Giliciens (vergl. Erdk. Th. VII. ©.551) zweigt ſich 
„an der einen (der ſüdlichen) Seite das Amanus⸗Gebirg ab, ‚von 
: „ber andern (nörblichern) der Antitauruß, in deſſen Mitte €» 
„mana (Beute el Boftan) Tiegt ; im fogerinnnten obern Kappa= 
„vokien. Das Amanosgebirg ſtreicht (gegen N.O.) vor bis zum 

„Buphrat und bis Melitene (heute Malatiyah), von wo Kom⸗ 
magene ſich Kappadotien entlang (gegen den Norden) ausbreitet. 
„Auf dem Oſtufer des Cuphrat ſteigen dieſelben Bergzũge wieder 
"empor, wie auf deſſen Weſtufer; fie bilden einen und denſelben 
Kettenzug (was wir ſüdliches Taurus ſyſtem genannt haben, 
„&eot. VII. ©. 6), ver jeboch bon dem Euphrat quer durchbro⸗ 
„hen wird (von N. nach' S.). Ja auf der Dftfeite gewinnt die⸗ 
Aer Taurus noch großen Zuwachs an Höhe, Breite und vielfa⸗ 
„er Verzweigung. Der ſüdlichere Zweig iſt nun der eigentliche 
Aaurus, bad Sqeidegebirge (von Weſt gegen Oft ziehend) 





10) Gtrabo b. Großlurd, Th. I. p.428; trad. franc. Tom. IV. I. p.819. 








— 


72 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 30, | 


„zolfchen Armenien und Meſopotamien, denn von da an iſt 
„es eben, daß vie beiden Ströme die mejopotamifche Landſchaft ges 
„gen: den Süpen zu bilden beginnen, indem fie, fidh einander im⸗ 
„mer mehr nähernd, gegen Babylonien ziehen, und fi dann zum 
„Meere ergießen. Der Cuphrat ift aber weit flärker ale ver Ti⸗ 
„gris, und wegen feiner flarfen Krümmungen bat er auch einen 
„weit längern Lauf zu burchfirdmen.” Auch dieſe Angabe ſtimmt 
mit unferer heutigen Kenntniß jener Gegenden des obern Cuphrat⸗ 
Iaufes vollkommen überein. Minder Mar find die fpeciellen Anga⸗ 
ben des obern Euphratlaufes bei Strabo; theild weil gar manche 
Stelle feines Textes Hier durch fehr frühzeitige Verftümmelung ge= 
fitten Hat, teils weil er vie damaligen politifchen Diſtrictseinthel⸗ 
Jungen, die und jetzt wenig, Überhaupt nur etwa-auß Ältern arme 
niſchen Schriftfiellern einigermaßen bekannt fein Eönnen, und auch 
zu verfchlebenen Zeiten gar manche Verſchiebungen ihrer willkührli⸗ 
chen Begrenzungen erlitten, zur Erklärung des fo vielfach ſich win⸗ 
denden Stromlaufed gebraucht Hat. Nimmt man nun no hinzu, 
bag die pofltive Kenntniß und richtige Anfchauung dieſer Landſchaft 
auf) ven unzähligen Commentatoren und Critikern viefes Autors 
gefehlt Hat, da alle bisherigen Karten die größten Irrthümer von 
ber Terra incognita am obern Eupbratlaufe enthielten, deſſen end⸗ 
liche theilweiſe Berichtigung wir erft der Gegenwart durch Forſchun⸗ 
gen, Meffungen und Aufnahmen an Ort und Stelle verdanken: fo 
läßt es fich begreifen, warum auf dieſem Gebiete, ungeachtet ver fo 
Iehrreichen Bearbeitungen eined Strabo dur einen Cellarius, 
DAnville, Rennell, Mannert, Reihard, Letronne u. a., 
doch noch die größte Verwirrung vorberrichen mußte. Großentheils 
wurbe diefe noch durch verfuchte Zurechtweifung des Strabd ver- 
mehrt, da dieſer doch, felbft im Taurusſyſteme geboren, dort mehr 
einheimifch war, als alle feine Erflärer. Wir ziehen es baber bei 
unferm Zwede, mehr vie Landesnatur Eennen zu lernen, als ven 
Autor berichtigen zu wollen, vor, In feinen in ver That fehr lehr⸗ 
reichen und nicht felten von grandioſer Anfchauung ausgehenden all⸗ 
gemeinen Angaben vorläufig das der Natur jenes Bodens Ent- 
fprechende, ven unverflümmelt erhaltenen Stellen des Textes An⸗ 
gehörige mehr hervorzuheben, als bie Eonjerturen ded offenbar Ber 
flümmelten burch neue Hypotheſen zu mehren, und bie zweifelhaften 
.Einzelnheiten mit Scheinbarer Berichtigung bier zu critiſtren, da ſich 
dazu die Nachweiſe, wo fie belchzend "erfcheinen, erſt bei der Special⸗ 
betrachtung mit ihrem Ergebniß vellfländig darbieten werden. So 


x 









en 


Euphratfuftem ; Hiftorifcher Rüdblid; nach Strabo. 73 


bleibt und doch gar manche pofltive Wahrheit übrig, deren Mitthei⸗ 
lang wir zuerfl diefem Autor zu verbanfen haben. „Dem noͤrd⸗ 

„iden Taurus entquellend, wieberbolt Strabo, burdfirdme 

„ne Eupbrat zuvörderſt Armenin, dad er aber bir Groß⸗ 

Armenia (XI, 521, vergl. 527) nennt, weitiwärts bis zu 

Klein=Armenia,dader zur Rechten behalte; zur Linken aber, d. i. 
m Süden, liege ihm Akiliſene (Lifene). Dann wendet er 

“RS gegen ven Süden und flreift in dieſe Wenpung (druorgo- 

"97 1. c.) die Grenzen der Kappadoken (In N:IE.).“ Diefe 
ste Wendung fann’ feine andere als ver große Weitwinkel 

des Eupbrat, gegen Malatiyah Hin, fein, von mo an abwärts 

bee große Durchbruch der Tauruskette beginnt, welche die kappa⸗ 

nähe Provinz Melitene im Nord von ver Provinz Kom» 
nagene im Süd, darin Samofata die Gapitale war, ſcheidet. 

‚Dean, fährt Strabo fort, diefe, nämlich die Kappadoken, und bie 

Kommagenen zur Rechten (d. i. m NW. und W.), zur Linken 

‚aber an jenem ſchon genannten Akiliſene“ (das alſo Im innern 

Bag jener Wendung von ihm an ver Nord⸗ und Weftfelte befpült 

wird) „und Sophene im großen Armenia vorüberziehenn“ (darin 

Ymida, jeht Diarbefr, die Eapitale: denn beide, Sophene wie 
Yhfene, waren nur ſüdliche Provinzen Groß⸗Armeniens) „ſchrei⸗ 

„tet ver Eupbrat gegen Syrien vor, und macht Hier wieder eine 

‚andere Wendung (aAdny Znıorgogynv) gegen Babylonia und 

„nen perfifchen Meerbufen.” . Diefe „andere Wendung,“ welche 

wir die unterfie Oſtwendung des Euphratknies nennen 

möchten, kann, da fie unterhalb Kommagene liegt, Feine andere als 

vie von Rumlala an fürwärts und dann bei Baulis unter 36° 

nicht. Br. im Marimum ver Annäherung zum ſyriſchen 

Meere entichienen von demſelben ſich abwendende Südoſt wen⸗ 
dung fein, weil von dieſer nun wirklich die Normaldirection 

des ECuphrat gegen Babylon bin beginnt (f. ob. ©. 5). 

Diefe Angaben finden wir durch die fortgefchrittene Beobach⸗ 
tung vollkommen beflätigt, nur hätte Strabo, um vollſtändig In 
feiner Beſchreibung des Tuphraticufes zu fein, auch bie beiden an⸗ 
vorn gleich ſtarken und chen fo Hararterifiifihen Strom- 
wentungen ober Epiftrophen vefielben, welche zwifchen den 
bekbden von ihm angegebnen obern, im Oſt von Malatiyah, und 
 antern, fübwärte Rumkala, fi} befinden, ebenfalls angeben ſol⸗ 
km, um ein richtiges Bild vom Lande, feiner Naturgeftaltung ge= 
mi, zu geben. Wir werben fie zum Unterfchieve von jenen durch 





74 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Ahſchuitt. 5.30, 


bie beiden mittlern Stromwendungen, bie aber nicht wie 
jene gegen ven Oſten, ſondern gegen ven Weſten geben, bezeich⸗ 
nen. Doch zu biefen beiden dadurch gebildeten Kniebieguns 
68 (Gyxüvag &Alfas Dion. Perieg. v. 979) des Euphrat, ge 
. gm ND. zur Duelle der Tigris Hin, und gegen S. O. zwifchen 
Samojata und, dem heutigen Süvereh, gingen Feine großen Heer⸗ 
ſtraßen, weshalb fie vielleicht, dem ganzen römifchen, Alterthume un⸗ 
befannt blieben, und erſt in neuefter Zeit durch unfre preußifchen 
Officiere und einige englifche Reiſende, man kann ſagen für. die Wiſ⸗ 
ſenſchaft, entdeckt werden mußten. 

Strabo, der dem Euphrat ſeine Duelle im Norden des Tau⸗ 
zus ſehr richtig angewieſen bat, ſagt: „dagegen entſpringt nun ber 
rtgrid in den fünlichen Theilen des Taurus, und fließt 
„welter abwärts, dem Euphrat ganz nahe kommend, nach Meſopo⸗ 
„tamien bis Seleucia, dann aber ergießt er fich im denfelben Meer- 
„bufen. Die Quellen des Euphrat und Tigris find an 2500 Sta⸗ 
„dien, d. 1. einige 60 geogr. Meilen, weit außeinanver gelegen.‘ “ Auch 
dieſe Angabe würde der Natur der Sache ziemlich entſprechend ſein, 
wenn man dieſen Abſtand nach dem gekrümmten Laufe des Euphrat 
bis zur Nordquelle in der Nähe von Erzerum nach. Wegdiſtanzen 
berechnet; nach birerter Diſtanz, in der Richtung der Breitengrade, 
ohne auf weſtliche und äflliche Lage zu fehen, würde dieſe Angabe 
aber ‚doppelt zu groß fein, da der Tigris etwa unter 380 20 N. Br., 
ver Euphrat unter 40° N. Br. feine Duelle hat. Die andere Led 
art von 1500 Stabien, d. i. 37% geogr. Meilen, bürfte noch immer 
um.10 geoge. Meilen zu viel fein. 

Aus Strabo's 17) Befchreibung erhalten wir auch bie erften 
Nachrichten von den Kortfegungen der Taurudzüge gegen 
den Oſten, deren Spaltenrichtungen wir im Allgemeinen (Erdk. VII. 
&.552) durch Ihre Erhebungszüge wol kennen, in deren gefonberter 
Gliederung aber und noch vieled unbekannt bleibt. 

0 Bom Taurus, fagt Strabo, und er fpricht von der Oſtſeite 
„des Euphrat (XI. 522), laufen viele Zweige gegen ven Norden 
Aus, und von biefen iſt einer ver fogenannte Antitaurus: venn 
‚ao wannte ınan bie Reihe von Bergen, welche vie Landſchaft So⸗ 
„phene in einem Thale einfchließen, das zwifchen ihm und dem ei⸗ 
„gentlichen Taurus, d. i. der fünlichen Tauruskette ober dem oben 
„jo genannten Scheivegebirge gelegen iſt.“ Man fleht alfo, daß 





7) Strabon trad. franc. Tom.IV. P.I. p.302, not.1. 





er — De 


I er DH ED TE er a = 





Eupbratfoffem; hiſtoriſcher Nuttblick; nach Shake, 75 


Strabo dabjenige ungemein wilde, auch heute noch faſt unzu⸗ 
gaͤngliche Felsgebirg, welches ſich unterhalb des heutigen Ma⸗ 
latiyah, zu beiden Seitenufern des gewaltigen Cuphrat⸗ 
durchbruchs, mit feinen fenkrecht von ven Waſſerſeiten aufftei⸗ 
genden Felowänden emporhebt, mit dem Namen des Antitaurus 
belegt, eine Benennung, die keiner geſonderten einzigen Kette zu⸗ 
fommt, ſondern die unfrer Anficht nach, wie am Libanon, dem Con⸗ 
trafte eines in der Mitte tief einſtürzenden Belsfpaltes zu dem er 
hobenen Felſsgebirge der Seitenwände ihren Urfſprung verdankt, weis 
&e bier überall bi zu 4000 Fuß über den Euphratfpiegel, nach 
v. Mühlbach's Beobachtung, fich erheben. „Von dieſem, faͤhrt 
„Strabo fort, ziehet ſich gegen den Norden, längs dem kleinen Ur 
„menia, ein großes und vielzweigiges Gebirge hinauf. Ein Shell 
„savon Heißt Paryadres, ein anderer die Mofhifchen»- Berge 
‚(Mooxısa den), noch andere haben andere Namen; dieſe aber 
„amfafien ganz Armenien bis zu den Iberen und Albanern.“ 
Im Baryadres möchten wir wol, als dem nörblichfien Zweige, 
denjenigen Bergzug gegen N. O. zwifchen ben beiven Euphratar⸗ 
"am, dem Frat und Murad, wieberfinden können, welcher vort 

anter dem Namen Dujik⸗Gebirge als eine über 10,000 Fuß 
hohe Schnerkette von ‚weiter Auspehnung durch 3. Brant in ben 
Jahren 1835 und 1838 erſt entdeckt iſt. Sie ftreicht von Kebban 
Maden oberhalb des Zuſammenfluſſes beider Euphratarme ges 
gen NOR dem Hohn Bingol Tagh zu, fo daß ver Frat im 
Nord, wie ver Murad im Süd ihre Kängenbegleiter find. Nies 
mand hat die Kette ſelbſt befucht, die durch Kurven unzugänglich 
gemacht wird; aber 3. Brant erblichte fie 1835 von ber Nordſeite 
ber 19), von der Plane von Erzingan, und im I. 1838 von ber 
Gärfeite her 19), von Mezirah am Murad⸗Fluffe, das ſelbſt ſchon 
nach feiner Mefiung 49184 Fuß Par. (= 5245 3. Engl.) abfolut 
hoch lag. 

Die Moſhiſchen⸗Berge können nad übereinflinmenber An⸗ 
ſicht aller Erklärer keine andern bezeichnen, als bie große, mit jener 
des Dujik gleichlaufende, gegen O. NO. aber dem Südufer des 
Murapds Armes entlang ſtreichende Gebirgskette, welche von 
ven zigeiß. Quellen oberhalb Arghana Maden, die dem Oft 





36) J. Brant Journey through a part of Armenia and Asia minor 
1835 in Journ. of the Roy. Geogr. Soc. of Lond. Vol. VI. 1836 
p-201. 10) J,Brant Notes on a journ. thr. a part ofKur- 
distan 1838 ebend. Vol.X. P. III. 1841 p.36®. 





76°. Wefl-Mfien, IIT. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30 


ufer des Cuphrat in Sophene ganz nahe liegen, vfl« " 
wärt8 birert gegen bie heutige Stadt Mofh, in welcher ver antife 
Name fi noch bis Heute erhalten Hat, fortzieht, und ehe fie dieſe 
erreicht, unter dem Namen des Antogh Tagh, Koſhm Tagh, 
6881 %. Bar. (6800 %. Engl.) hoch, und Kizil Ag haj durch I. 
Brant?20) im 3.1838 theilweiſe bereift und überfliegen wurbe. Zu 
ihren ſüdlichen Höhenrüden gehören die Darkufh Tagh, 6090 &. 
Bar. (6490 Fuß Engl.), und Kherzan= Berge, von denen viele 
ndrbliche Tigris«Zuflüffe gegen Süben abwärts zum Tigris fli- 
sen. Im Norden dieſer langen Gebirgskette breitet ſich die an 4000 
Sup Hohe, wellige Plateaufläcde. von Moſh norbwärts gegen 
die Quellen Brat und Aras aus. Die Kette ſelbſt aber fegt al⸗ 
lerdings, wie Strabo bemerkt, weiter gegen Oſt in derſelben Ner- 

malrichtung bis zum Van⸗See fört, an befien Weſtende vie 
ziefige Nimrud- Kette (Erf. DK. 987), noch meiter oftwärtd am 
Norbufer des Gerd der über 10,000 Fuß hohe Seiban Dagh 21) 
Ebend. IX. 994, 923, 1003), und endlich im aͤußerſten Norboften 
deffelsen, an ven Quellen des Murad⸗Flufſes, des Murad 
fat, der Hohe Ararat über. Bayazed emporſteigt (Erdk. IX. 
&.915). Allerdings umfaffen diefe hohen Gebirgszüge mit ven ven 
ſchiedenen Namen ganz Armenien, und fon mit der Quelle des 
Arares auf dem Dingol Tagh, zwifhen ven beiden großen ndrd⸗ 
lichen und fünlichen Euphratarmen, konnte man damals wol fagen, 
beginne in ber Nordoſtſenkung ber weiten Hochebene bes Arares 
zum Kurfluffe und zum kaspiſchen Ser das Land des Iheren und 
Albaner. 

Strabo, ber diefe Tauruszüge noch welter gegen Mebien ver» 
folgt, kehrt (XI. 522) aber auch zu der ſüdlichen Tauruskette, „vem 
„Scheideg ebir g zwiſchen Armenien, Sophene'3 Indbefondre, und 
„dem nörolihen Meſopotamlen zurücd, und bemerkt, daß eben dere 
Selbe Kettenzug von Ginigen auch mit vem Namen ver gorbydl« 
‚Adhen Gebirge (d. i. der Eurpifchen, f. Erof. IX. 517, 630 
„u. a. D.) bezeichnet werde, und zu biefen gehöre auch ber die beis 
„ven. Stäbte Nifibis und Tigranokerta überragende Berg Ma⸗ 
„sion (Mafius, jet Karadja Dagh ober Karapja Dou- 
„gleri im Plural). Dann fteigt die Tauruskette (gegen N.D.) noch 
„höher und Heißt Niphates; Hier etwa And die Quellen des 





20) J. Brant I. c. Vol.X, P.LII. pag. 353. 21) ebend. VoL. X. 
. ul. p.377, 410. 





Euphratſyſtem; biftorifcher Ruͤckblick; nach Strabo. 77 


„Iigris an defien Sübgehängen. Vom Niphates immer welter 
„und weiter zieht fich die Bergkette (gegen &.D.) und bildet hier 
„ven. Zagros, welcher Media und Babylonta fcheivet.‘ 

Zum Verſtändniß dieſer Stelle iſt auß der armeniſchen Hiſtorie 22) 
zu bemerken, daß ſeit uralten Zeiten das ſchneehohe Gebirge an der 
Sübdſeite des Arares (nach Mos. Khor. I. c. 11. p. 33) dort mit 
dem Namen Mafis belegt war, aber au Agherh- oder Da⸗ 
gher⸗dagh, richtiger Arghidagh hieß. Die Armenier fahen dies 
für ven Ararat der heiligen Schrift an. Iener Name Mafis, ver 
hent zu Tag nur als ein Iocaler auf daß centrale Armenien an 
gewendet zu werben pflegt, wo nad Chardin 2) die Armenier 
und Perfer 56 in neuere Beit den Ararat gewoͤhnlich Maris nen⸗ 
nen, mag aber einft viel weiter auögebreitet auch bis zum füdli- 
hen armeniichen Grenzgebirge gegen Mefopotamien gereicht haben, 
weil auch hier ein Mons Masius in fehr weiter Erſtreckung bei 
ven claffifchen Autoren in ven früheflen Zeiten (vergl. Erdk. IX. 
©. 132) allgemein befannt iſt ald der auögezeichnetfle Name des 
Bergzuges, ver ſich dort zwifchen Marbin und dem alten Amida 
(Heute Diarbetr) am Tigris erhebt. Für die hohen Zwiſchenket⸗ 
tem dieſes in Südweſt wie in Norboft duch Maſis berge begrenz« 
ten Gebirgozuges (vom 40° bis 44° äfll 8. v. Gr.), in nord⸗ 
SRlicher Richtung der großen Erdſpalte, welche ver Murap- Fluß 
mer gegen SW. In gleichem Normalzuge bis zum Verein mit 
vom Frat burchfirönft, führt Strabo den Namen Riphates an, 
ver ebenfalls wie der Maflus ein alter armenifcher war, nämlich 
ver Rebad oder Nbadagan 2*), um die Quellen des Murad 
der Türnlichen Eupbratarmes, ver in der armenifchen Hiſtorie dadurch 
berühmt wurde, daß in feiner Nähe ver armenifche König Tiridates 
darch Gregorius Illuminator die erfte chriftliche Taufe empfing (Mos. 
Kkor. III. c. 37.p. 275). Auch viefen gräcifirten Namen Niphates 
hat Strabo, wie den des Maſtus, viel weiter gegen dad Südweſt⸗ 
ende des Zuges angewendet, als bis zu jener bei den einheimifchen Ar⸗ 
meniern nahe ven Murad⸗Quellen bezeichneten Stelle des Nbadagan. 

Dies ergibt fi) aus der fortgefehten Angabe Strabo's, in 
welcher er, das früher Geſagte wiederholend und beftätigenb, zu ſei— 
ner Befchreibung von Armenien binzufügt (Strabo XI. 527): „Die 





22) Sg, Martin M&moires historiq. et geogr. sur PArménie. Paris 
1818. T. I. p.48.. - *®) Chardin Voy.. ed. Amsterd. 4. 1735. 
T.L p.219. 20) St, Martin Mem. 1. c. T.1. 2.50, 





78 BWeftäften. HIL Abtheilung. I. Abfchnitt, $.30, 


„Berge des Maſion beherrfchen das ihnen gegen. Süd: gelegene 
nMefopotumien der Mygdonier, in deren Geblete Miftbis uͤegt, 
„im Nord aber die Landfchaft Sophene, weiche zwifchen dem Maflon 
„und dem Antitaueus gelegen iſt. Die königliche Stabt Sophenes 
ft aber Karkathiokerta. Welt gegen den Often gegen Gordyene 
„(Borgodglene) Tiegt ver Niphates; dann folgt der Abos (nicht 
„ſowol in Oft, als in Norb meinen Du Theil und Großkurd)2), dem 
„ſowol der Euphrates als auch ver Arares, jener gegen Abend» 
„dieſer gegen ven Aufgang, hervorfirömt. Dann folgt -zulegt noch 
„der Nibaros (Imbaros) gen Media.“ 

Strabo bezeichnet hiedurch fehr beſtimmt die Sage ber armenie 
{hen Provinz Sophenes, die ſich vom Antitaurus ober ven wil⸗ 
den Felsketten ber Cuphratdurchbrüche), bie Hier an 300 Strom⸗ 
ſchnellen bilden, über die weſtlichſten innerhalb ver Knieblegungen 
des Cuphrat fo feltfam gelegenen Tigrisquellen fortzieht, und weiter 
gegen Oſten bis zum Niphates gegen Gordyene reicht, d. 1, bis an 
das Bergland der Karbuchen, dad Xenophon am Centrites (Bitlis), 
einem ber Öftlichfien Tigriäquellftzöme, aufwärts im heutigen Kurbiftan, 
zum füblichen Cuphratarme, dem Murad, überfliegen Hatte (f.. oben 
©. 23). Es if alfo das Land am Güpgehänge ver Kette zwiſchen 
don 2 Mafinöbergen, welcher fo viele Tigriszuflüſſe vom Norden 
Her, oftwärts bis zum DBan«Gee, entquellen. In diefem Gebiete war 
Karkathiokerta (Kaxpadıöxepra, Strabo) hie Reſidenzſtadt, 
die Plimus in die Nähe des Zigeis ſeht HB. N. VL 10. 
Tigri proximum Carcathiocerta), weshalb man fie für identiſch 
mit der fHdnen Stadt Amida ober Diarbefe gehalten Hat.2?7) Da 
aber fon Ptolemäuß fie nicht mehr in feinen Verzeichniſſen 
aufführt und Feiner ‘ver fpätern Autoren fle nennt, fo bleibt diefe 
Lage allerdings nur: bloße Vermuthung. Auch weicht deshalb St. 
Martins Anfiht?°) davon ab, der bie Stadt Martyrepolis, welche 

' im 6. und 8. Jahrhundert noch ald die Gauptflabt ber armenifchen 
Provinz Tzophanene (d. i. jene Sophene bei Strabo und Pli⸗ 
alus) galt, für die Lage der ältern Karkathlokerta Hält, an beren 





®*) Strabon Trad. fr. T. IV. 1. p. 320. Not. Grofskurd Strabo 

Meberf. TH. IT. ©. 431. Not. 3. ) v. Moltke Briefe über Zu⸗ 

ſtaͤnde und en in ber Türket. 1835—39. Berl. IS41. 

8. ©. 292, tannert Geſchichte d. Or. u. Rom. Th. V. 2. 

€. 20. *) — Mem, s. lArm. L p.98; vergl. v.Sam: 

Fr de afiat. Türfel, Rec. Wien. Jahrb. Kur 1821. ©. 248. 
ot. 6. 








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on A —— — 


Enphratfyftem; hiſtoriſcher Ruͤcblick; nach Strabo. 79 


Stelle dann die heutige Miafarekein ver Araber liegt. Mite nes 
5. Jahrhunderts ſammelte nämlich der eifrige Epiſckopus Maro us 
tha alle Reliquien armeniſcher Martyre, vie auch durch Syrien und 
Berfien zerfireut waren, und weihete ihnen dieſe Martyropolis, vie 
aber ſchon früher befland und ihren heidniſchen Namen Karkathio- 


kerta wahrfcheintih damals in ven chriſtlichen umgewandelt zu 


haben ſcheint. Auch wurbe dies mit dem Rymphäusfluß (Nym- 
pkius°b. Suidas), der nach Amm. Marcellin. XVII. 9. 2. im N. O. 
von Amida, und nach Procopius (Bell. Persic. I. p. 42, 15 und 
I. p. 108. 3. ed. Dind, 1833) 7 bis 8 geogr. Mellen von Amipg 


entfernt, nicht an Martyropolis vorüberfloß, und damals Grenz I 


fluüß zwiſchen dem rdmifchen und parthiſchen Reiche war; 
zenlich ũbereinſtimmen, da auch die heutige Miafarekein, an 
nem Fluſſe Ainol Haus, der für den Nymphius gelten mag, 
verüberfließt, der aber nur ein Arm des Batman Su, eined aus 
Rord vom Niphates herabſtroͤmenden Tigriöfluffes ift, welcher dem⸗ 
ch diejelbe alte Sophene, In gleicher Richtung ſüdwärts bis 
nm Xigrts, der hier, biefelbe tm Süden begrenzend, von Welt ab« 
wirts von Amida (Diarbekr) nach Oft fließt, in ihrer Mitte an 
weierlei Gerrſcher vertheilte. Nach ver Mufelmänner Eroberung 
abiekt die Stant den Namen Miafarekein (Meyafaretyn; 
Roupbargin bei Armenien, Mayferketh bei Syrern), und 
Hieb noch lange Zeiten die Neflvenz verfchieuner arabiicher, turfos 
manutfcher und kurdiſcher Prinzen. 

Die genauere Beilimmung der Lage des Berges bei Strabo, 
ven er Abos nennt und als das Duellgebirg des Eupßrat und 
Araxes genau bezeichnet, bat doch feine Schwierigkeit, weil der 
Gupbrat einen weit audeinanderliegenden Doppelurfprung, nämlid 
zwei Sauptquellarme bat, und audy am Araxes, in älterer Zeit, 
verfchteone obere Arme ald Duellarme veffelben angefehen werden 
tunen. Die beiden fraglichen Stellen, wo dieſer Abos Tiegen 
ante, find der bekannte Bingheul bei Erzerum mit den Quel⸗ 
len des nordſtichſten Euphratarmes, des Frat, mo auch die Saupts 
quelle des Araret (Arad) bekannt iſt; over der um einige 40 geogr. 
Relen weiter gegen Dflen gerüdte Ararat, nahe welchem aller« 
Wings auch, nämlich an dem gegen 10,000 Fuß hohen Seitenzweige 
Ya Tagh, die Quellen des füdlichen Euphratarmes, nämlich. des 
Burad, lisgen, gegen S. W. bei Diadin, nah Moriers Ent⸗ 
dung (f. oben ©: 24) und I. Brantd genauer Beftätigung (Im 


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80 Weſt-⸗Aſien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30. 


Jahr 1838); 20) denn auch von da gegen S. O. des Ararat iſt 
ebenfalls ein großer Flußarm, der Alſas over Makufluß (Ero. 
Th. IX. ©. 918), welcher zum heutigen Aras fält. Der mangel- 
hafte Tert des Strabo, je nachdem man die Lage des genannten 
A608, mehr nörhlich vom Niphates verfichen Tann, wo man ven 
Bingheul trifft, wie Du Tell und @roßkurd nach veränderter 
Interpunction, und zuvor ſchon Gt. Martin dieſe Stele verſtanden 
haben; ober ob man in derfelben Richtung des Niphates gegen 
RD. fortſchreitet, wo man denn zulegt auf den Arazat treffen muß, 
eine Anficht, ver Mannert?) gefolgt, laͤßt darüber im Ungewiß⸗ 
heit, die auch ſchwerlich vollftändig berichtigt werben bürfte, ba noch 
anbre Umflände in ven Nachrichten bei Plinius und Ptoles 
mäus über ven Abo 8 und bie Euphratquellen hinzutreten, welche 
bald für bie eine ober andere Auslegungsweiſe und Erflärung ver 
Pofition des Abo 8 ſprechen Fönnen. 

Plin ius beftätigt nämlich nad) ven Ausfagen des Domitius 
Eorbulo, der ald Statthalter in Syrien unter Kalfer Nero, im 
Veldzuge gegen den Partherfönig Vologeſes, bis zum Euphrat in 
Armenien im Jahr 63 n. Chr. Geburt vorbrang, und alfo als 
Augenzeuge gelten konnte: „Das die Quelle des Euphrat in 
„ber Provinz Garanitis Großarmeniens am Aba (in monte 
„Aba Plin. H. N. V. 20) entfpringe,“ der unftreitig derfelbe Ab 08 
bei Strabo iſt. Ricinus Mucianus, bald darauf (im Jahr 69) 
„Statthalter des .Bespaflan:;in Syrien, nennt jedoch ven Berg, an 
deſſen Buße die Quellen hervortreten Capot es, XIL M. Pass. 
(feine 5 Stunden Wegs) oberhalb ver Stadt Zimara gelegen, 
„wo er den Namen Pyrirates führe” Schon dieſes Tönnte man 
für 2 verſchiedne Localitaͤten bei fo abweichenden Benennungen ein⸗ 
anber fo nahe ſtehender zömifcher Berichterftatter halten, doch ſchei- 
nen fie nach etymologiſchen Erklärungen einheimischer Namen die» _ 
felben zu fein. Der Name Aba ober Abos beider Autoren bleibt 
an ſich unerklärt; aber in ver alten armeniſchen Benennung Ga⸗ 
zin,>!) welche die heutige Stadt Arzrum hatte, che fie ven Namen 
<heopoftopolis und dann ben bis heute befannten erhielt, lebt 
nach St. Martin der antife Name der Landſchaft Caranitis un⸗ 
ſtreitig fort, den auch Strabo an zwei Stelm XI. 528. Kapn- 





®°) J. Brant en in Journ. of the Roy. "G. 8. 0f Lond, 1841. 
Vol. Ba P. 1. p. 400. **) Mannert Geſc . ir. und Röm. 
2.v26 20. ®1) St. Martin M&m. s, Ar. m. p- 87. 


x 








Enphratfüften; hiftoriſcher Ruͤcblic; nad) Strabo. 81 


sisv und KU. 560. Kapava, vaher die Landſchaft Kaparisır 
ed. Tzsch., obwol nicht in Verbindung mit den Cuphratquellen 
bejeichnet, jedoch auch des damals Fleinen Städtchens Karana er⸗ 
wihet, das Mannert lieber für das heutige Kar 8 anſprechen ?2) 
und Die Landſchaft Ghorzene damit iventificiren wollte, mas aber auf 
za ſchwachen Gründen zu beruhen ſcheint. 
Die Lage der Provinz Caranitis und der Stadt Barin, 
ws heutige Arzrum, ift aber. durch ven Ep'hrad der Armenler, d. i. 
wa Euphrat, bekannt genug, ber hier gayz in der nächften Um⸗ 
bung ver Stabt auf dem Bingdl oder Bingheul, d. i. den 
Bergen der taufend Quellen, feinen Urfprung nimmt. Moſes 
von Khoreme (Hist. lib. 3. c. 50. p. 309) gibt die Geſchichte ver 
Erbauung von Garim, ein Name den bis Heute die Stadt Erſe⸗ 
sum over Arzrum bei den Einheimiſchen führt. Den Namen 
Gapotes findet St Martin eben fo fidyer in ver einheimifchen 
Benennung „Gaboid“ d. i. „Blau” wieder, eine Bezeichnung, bie 
bei vielen Hohen Bergen Armeniend ganz gewöhnlich iſt, und zumal 
verzugäweife die Berge der Kette im Süden des Aradlaufes, zwiſchen 
vem wefllichen und öſtlichen Gupbratarme (Frat und Murad) bis 
m Mais, d. i. bis zum Ararat bin bezeichnet. 
Der Rame Byriratis, den Plinius dem obern Baufe biefeß 
gibt, kommt bei Eeinem andern Autor vor, und eben 
fo wenig iſt hier eine Stadt Zimara bekannt, wol aber kommt 
ewa 30 geogr. Meilen weiter abwärtd am Gupbratlaufe eine Stat 
dieſes Namens, nahe am Berein beider Euphratarme, bei Ptolemaeus 
V. 7. fol. 127 in Armenia minor, ver Stadt Dußcuta ganz bes 
anchbart, vor. Deshalb dem Plinius aber eine Nachläffigkelt vor⸗ 
uwerfen; wie Mannert thut, fcheint nicht nothiwendig, wenn man 
berenkt, daß dergleichen Ortsnamen füch nicht felten wiederholen, und 
zu eine Zimara ganz nahe den Frat⸗Quellen liegen Tonnte, vie 
nur Btolemäus nicht aufgezeichnet hat. Daß Plinius Angabe 
mit der Localitãt aber, wie nach feinen guten Berichterflattern zu er⸗ 
werten war, übereinflimmt, zeigt die Kortfegung feiner Angabe, daß ver. 
Guyheat durch die Provinzen Derrene und Anaitis firdme, aber 
Ruppabedien zur Geite, d. i. in N.W. liegen, laſſe (fluit Derxenen - 
prime , ınox Anaiticam, Armeniae regiones, a Cappadocia ex- 
dedens, Flin. H. N. V. 20). Dersene (Xerxene bei Strabo XI. 
28) und Anaitis (Aciliſene bei Strabo), zwei armenifche Provin⸗ 





22) Meunert Serge. 2. &r. u. Rim. Th. V. 2. ©. 217. 
Aitter Grhlunde X (+7 


we 


82 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30. 


zen Rd -huch in ihren einheimifchen” armeniſchen Nainen wieder et⸗ 
Tender und det angegebenen Lage entſprechend. Naͤmlich Derxene 
in Terbchan bei Moſ. Khor. u. U. im Weſt von Garin gelegen, 
noch jet Terdjan. Anaitis war dem Gultus ber Anahid 2) 
ver Armentet (dt. Diana) gewelht, die hier mie in dem benachbar» 
ten Gebirgslande mehrere ihrer Errühmteften Tempelheiligthümer 
hatte, und daher wol der Name ber Provinz (Procop. de bell. 
Persic.'}. 17. ed. Dind. 1.:83).” Wenn die Lage des Abubberges 
hienach mit dem Bingbl:an. den Arzeum» Quellen des Frat zufam« 
men; fällen ſcheint, fo Hat Mannert) vaflır gehalten, ihn nach 

Aemäud Ortsseflimmungen an die FüdTiche Muradquelle "ober 
am bei: Urſprung des ſüdlichen, richtiger Hftlichen, Caphratarmes 
ern nach heutiger aſtronomiſcher Beſtiinmung irrt Ptolemaͤns, fie 
um 2 40 N. Br. auseinander tlickens, feine: Notrdquetle um 
ter 420 40 Lat. und die Südquelle unter -40° Lat. Ptol. V. 
e. 18. fol. 134) verlegen zu müffen,‘ wo er denn in dem hoben 
Yrarat zu ſuchen fein würde. Allerdings gibt Ptolemäus (va 
ſowol Strabo mie Plinius num die cine nördliche Cuphratquelle 
Tennen, Zenophen nur bie eine ſüdliche kennen Iernte (ſ. 0b. 6.23), 
ohne von einer zweiten nörblichern etwas zu erfahren) zum erflen- 
Male unter ben Geographen des Altertfums zwei Duellarme 
deſſelben an, Die er auch unter den obengenannten Breitengraden um 
mehr als 30 geogr. Melle auseinander rückt, da fie. In Wirklich⸗ 
keit faft unter demſelben Vreitenparallele Liegen; aber ihren Längen» 
abſtand von Weſten gegen Often gibt er ver Wahrheit ziemlich ge= 
mäß an, indem er dem Nordweſtarme, vem Frat, 75°. 40’, dem 
Cüpoftarme, dem Murad, dagegen 77° Long: gibt; aber ver Name 
dleſes letztern Armes ſcheint durch den Abſchrribefehler einer ganzen 
wesgelaffenen Zeile im Texte des Ptolemäus verloren gegangen zu 
fin nah Mannerts Dafürhalten. Der Abos aber erhält hier 
nun feine Stellung unter 77° Long. unb 41° Lat., alfo der Süd» 
Mquelle zundchſt, und wärbe dann, wenn biefe Erllaͤrungsweiſe 
ſich bewaͤhrte, nicht fowol auf den Ararat, fondern auf ven Ale 
Tagh zu beziehen Tein. Dann aber konnte ver Nibarus-Berg 
(6. Strabo XI. 527), ver fonft unbekannt 3), an einer andern Gtee 
aber mit-dem W608 zuſammengeſtellt ift, mit bem Ararat identiſch 
fin, da von ihm der Anfang ber merfägen Laudſcheſt ausgehen fi. 
— 


7 St. Martin M&m. s. TArw. T. I. p. 44. **) Maunert Weir 
». Gr. n. Röm. Th. V. 8. re Pas) Gen. ©. 188. 





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kuphratſyſtem; biftorifcher Ruͤckblick; nach Strabo. 83 


&n diefer zweiten Stelle (Strabo X1. 531) wird gefagt, daß Abos 
hr Ribaros jemfeit ver Armenier binausführen, und ver Abos 
Brge nahe dem Wege, ver neben dem Tempel ber Zaris (Arte 
wis, der Anahid, wofern es nicht Bagıdos vawv, ein Ayobatärium 
ve großen Wlut, wovon unten, bezeichnete), 29) welchen der Arqres 
bfpüle, oberhalb Artarata, alfo in der Gegend des heutigen Akhori 
eu Nordfuße des Ararat vorüberfirbme. Hieraus ergibt fi, daß 
der Mons Abos nit blos den Bingdl, fondern auch ven gane 
ien hohem Bergzug von demſelben, oder den heutigen Ala Tagh, 
6 in vie Nähe des Ararat, ver benachbart im Oſten an dieſen 
ſich anreihet, bezeichnete. 

Den zweiten fündftliden Cuphratarm Tennt Plinius 
anch an feinen Quellen nicht, wol aber im abwärts gehenven Kaufe, 
we er in dem Namen Omiras am Zufanımenfluß (Omiram vo- 
cant irrumpentem Plia. V. 20) tenntlich. genug ift, woraus ver 
neue verflümmelte Name Murad feinen Urſprung haben mag, gb» 
det; man dieſen einem gleichnamigen Sultane zuſchreibt. Erf vom 
Iufammenflufie dieſes Borirates (Frat) und Dmiras (Rurab) 
ſel wer durchbrechende beftigfirdmenve felfige Strom ven Namen 
Gurbrat. erhalten. | 

Strabs gibt dem Arares feinen richtigen Lauf gegen Oft an 
Urtazata vorüber (XI. 629), befchreibt ven Reichthum der Land⸗ 
ſchaft Armeniens uud berichtet nun auch Über ven Urfprung des 
weiten Hauptfiromes, bes Tigris. Zu Armenien, dem 
Ianbe des obern Euphratlaufes gehört auch dasjenige am oben 
Zigris und Arares und deren Zuflüffen: denn urfprünglich. war 
Irmmuien nach den Geſchichtſchreibern, jagt Strabo, nur eine kleine 
Proeinz , file wuchs aber unter dem Gouvernement von Artarias 
wb Zabriadis zu einem großen Meiche, als dieſe aus bloßen Ge⸗ 
ueralen des Antiochus II. nach feiner Nieberlage bei Magneſia 
«u Gipylus (190 v. Chr. ©.) durch die Mömer zu Königen 
wurden (Strabo XI. 528). Für den Artarias erbaute der car⸗ 
thegiſche Hannibal, ver vor feinen Todfeinden, ven Römern, von 
eoqhns Hofe nach Armenien entſloh, an einer von ihm ſelbſt 
wegen glũctlicher Gelegenheit auserwählten Stelle vie fehle Stabt 
Istarata (auch Artariafata genannt), die, wie die zweite biefer 
um Herrſchaft, Arxata, am Arares fi erhob; dieſe gegen bie 


St. Martin Armen. L p. 264: über bie 
Naıo. B. VL ©, 220 1.386. 
& * 


84 Wefl:Aien, HIT. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30. 


Brenze von Atropatene, jene gegen bie Ebene des Arared gelegen. 
Doch Hlevon wird beim Stromſyſteme des Aras das Genauere 
folgen. 

"Am armenifhen Euphrat Tagen damals (Strabo XI.529) 
viele fefte Orte, "unter denen Strabo Artagerae (Artagira bei 
Belle. Pat. und Zonarad) nennt, defien Commandant Ator ſich 
ber Mömergemalt "entziehen zu Eönnen glaubte; aber des Kalferd 
Auguſt Feldherrn belagerten und vernichteten Ihn, wobei Auguſts 
Enkel Caj. Caeſar verwundet wurde und ven Tod fand (im Jahr 5 
n. Chr. Geb.). Weder über dieſe Begebenheit, noch über die Lage der 
Befte iſt eine?7) nähere Auskunft gegeben. 

Nachdem Strabo nun von den großen Seen in Aderbidjan, 
dem Urmid- und Van⸗See, gefprochen, worüber wir ſchon früher bie 
notwendigen Berichtigungen beigebracht (f. Erdk. Th. IX. ©. 763, 
782 u. ff), geht er (Strabo. XI. 529) zu dem obern Laufe des 
Zigris aus dem Niphates über. Diefer fol ven Arſene⸗ ober 
Ihonitld- See unvermifcht wegen ver Schnelle durchſtroͤmen, veffen 
Waſſer, laugenſalzig, zum Reinigen ver Zeuge diene, aber nicht trinke 
bar fe. Der Strom enthalte mehrere Arten Fiſche, der See nur eine 
Art. Im Winkel des Sees falle ver Fluß in. einen Erdſchlund, 
und’ fomme nad} langem unterirdiſchen Laufe in ver Landſchaft Eha- 
Ioniti8 wieber Kervor, von mo er nach Opis ziehe an ber medi⸗ 
fen Mauer vorüber (ſ. ob. ©. 19). Daß hier Strabo falſche 


Lesarten Hat ober Tüdenhaft ift, oder ganz Willkührliches, ver Loca , 


tät des langen Tigrislaufes vom Niphates bis Opis am Phyeron 
Unangemeffenes vorbringt, ergibt fi von ſelbſt. An einer zweiten 
Stelle wiederholt Strabo (XVI. 746) zwar biefelbe Erzäflung 
vom Thonitis, doch ohne von beffen Hervortritt etwas anderes zu 
ſagen, als daß dieſer fern von Gordyäa ſtatt finde. Plinius ver 
von jenen Seen Ähnliches ſagt, erſcheint jedoch durch romiſche Kriegs- 
führung in jenen armeniſchen Gegenden beſſer unterrichtet, und 
nennt denſelben See Thonitid (f. Erdk. IX. ©. 785). 


5) Blinius über die Tigriöquellen. 
Doch fehlt auch dem Plinius die richtige Ueberficht des Vie 
‚grisurfprungs überhaupt, denn er fpricht nur von einem Arme, 
dem öͤſtlichen, und vermengt, wie fon Mannert ®) fehr richtig 





"y Dame Geogt. ber Gt. u. Röm, Th. V. 2. 6.239. 22) Gbent. 





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Enphrarfufteng ; hiſtoriſcher Ruͤkblick; nach Plinius, 85 


benerlte, in feine Beichreibung eine andere Angabe, vie blos von 
ka weftlichen Tigrisarm verftanden werden kann. Uber auch fein 
Hlicher Tigrisarm iſt bis heute, nad) unferer bisherigen Localkennt⸗ 
ss, noch keineswegs fo leicht zu ermitteln, wie vie von ben bis⸗ 
feigen Erklären doch mit fo vielfach combinirten Hypotheſen ge⸗ 
chen iſt. Deshalb wir Hier in dieſe Betrachtung etwas genauer 
ünzugehben haben. „Der Tigris, fagt Plinius A. N. VI. 31), 
„atipringt im einer Gegend Groß Armeniens, fichtbar in einer 
„Ebene, Elegofine genannt. Wo er langfam flieht, Heißt er Di- 
„slito, beim ſchnellern Laufe Tigris, d. h. Pfeil im Mediſchen 
Mrdt. Th. IX. ©. 517). Er fließt, ohne fein Wafler zu ver» 
„mithen, durch den Ser Arethuſa (offenbar ein blos gricchifcher, 
„ner Aretbufa in Syracus analog gehilveter Name (Plin. H, N. 
JL 106), auf dem Alles Leicht ſchwimmen kann, ver immer Sal⸗ 
„ꝓeterdũnſte aushaudht. Auch bat vieler See nur eine Art Fiſche, 
„nie nicht in das Flußbett eingeben, fo wenig als vie Zlußfifche in 
„vie Wafler des Gerd einfchwimmen; feine Duschfirömung ift auch 
Anders gefärbt. Da ihm nun’ der Taurus entgegen tritt, jo 
Aſüürzt ex fih ineine Höhle, und bricht auf der andern Seite wieber 
„hervor. Die Stelle heißt Zoroanda; der hervortretende iſt zus 
„verläffig der nämliche Fluß als der verſchwindende, denn er bringt 
„wiever zum Borfchein, was man im höherer Gegend hineingewor- 
‚fen bat. Dann erfl fließt er durch einen zweiten See Thospitis 
Ptolem. nennt ihn chen fo), verliert ſich von neuem in unterirpifche 
„Gänge und kommt erſt nach 25 M. Pass. (d. i. nach 5 geogr. 
„Reilen), bei Nymphaeum, wieder zum Borfchein.” Gleich 
darauf fährt Plinius fort, auf Autorität des Claudius Caeſar zu 
benerken: „dab ver Tigris vem Arjanias, einem Zuflufie des 
Erphrat (nämlih zum Murad, oder der Murad felbft), in ber 
Landſchaft Arrhene fo nahe komme, daß beider Waffer, wenn fie 
Anſchwellen, aud) zuſqpmenlaufen, doch ohne fich in einander zu 
„nischen, daß das leichtere Waſſer des Arſanias oben aufſchwimme, 
‚nach keinen 2 Stunden Wegs (4. M. Pass.) ſich wieder abwende 
And zum CEuphrat ergieße.“ Daß auch Ptolemäus jenen Ihp&« 
pitia-See und an deſſen Nordſeite vie gleichnamige Stadt anſetzt, 
ij ſhon früher gelegentlich bemerkt, wo auch deſſen Verſchiedenheit 
m armenifchen See Dosb, d. i. der Ban, in Südweſt deſſel⸗ 
ben gelegen, nachgewieſen ift (Erpf. Ih. IX. ©. 785). 

Dieſe Beſchreibungen, in deren Wiederholungen und Anſpie⸗ 
lungen ſich Die römiſchen Dichter und Ptoſaiſten damaliger Zeit er⸗ 





ul 


86 Weſt⸗Aſien. IH. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30. 


ſchopfen, würden hei Wiederentdeckung ver merfwürbigen Thatſachen 
leicht zu geographiſchen Beftimmungen jener vermeintlichen Tigris · 
quellen führen (Lucanus L. III. v.261: At Tigrim subito tellus 
absorbet hiatu, occultosque tegit cursus, rursusque renatum etc.; _ 
vergl. Dionys. Perieg. v. 983; Seneca in Q. nat. L. IH. c. 26: 
idem et in Oxiente Tigris facit, absorbetur et desideratur diu, 
tandem longe remoto loco, non tamen dubius an idem sit, emer- 
gitur etc. und andere Stellen, f. Vibias Seq. ed. Oberlin, Notae 
war. P.197). Aber bis jegt fehlte noch faſt jede unmittelbare Beob⸗ 
achtung berfelben; dafür ift an Vermutungen und fcharffinnigen 
Combinationen fein Mangel geweſen; eine beſſere Rartenaufnahme 
jener Gegenden in neuefter Zeit durch die Rontiers von M. Kin 
nelr, Shiel, 3. Brant, v. Moltke und v. Mühlbach, welchen 
Iegteren wir ald ven einzigen genaueren Beobachten an faft allen dfl- 
Uchen Xigrisquellen ganz neue Thatſachen verdanken, iſt hier aber 
unentbehrliche Vorarbeit zur vollſtaͤndigeren ſichern Grmittelung je 
ner Angaben. Plinius ſcheint allerdings hier mehreres über dem 
Iangen Lauf des Aigris und feine vielerlei verfchievenen Zuflüffe 
compenbiarifch aus feinen Ercerpten zufammengezogen und in eine 
fo unflchre Verbindung gebracht zu haben, daß es fchwer if, bie 
wahre Deutung zu finden. Doc werden wir einigeß nachweiſen 
tdnnen, indem wir fowol feine Daten, als bie feiner bisherigen Eom- 
mentatoren mit ben wirklichen an Ort und Stelle gemachten Beob⸗ 
achtungen in Vergleichung bringen. Die Sen Arethufa und 
:hospitiß, melde einem Öftlichen Tigrisarme ven Urfprung 
geben follen, den D’Anville im heutigen Strome von Hafu, er 
nennt ihn Ha⸗zour 39) (dab alte Zoroanda), wieder zu erfennen 
glaubt, worin ihm auch Mannert: beiftimmt, der venfelben Strom 
bet Er zen aus einem dergleichen See hervortteten und fich fünlich 
unterhalb der Feſte Keifa in den von Weſten kommenden Tigris⸗ 
arm (den von Diarbekr) ergießen Iäßt, hat, aber bis jetzt noch fein 
Beobachter geſehen. 

Die einzige in neuerer Zeit erhaltene Ausſage von einer ana⸗ 
tog en Localität an einem dflichen Tigridarme iſt durch J. 
Mic) zu Moſul von einem In jenen Gegenden des alten Niphates, 
Heut zu Tage durch Kurden ſchwer zugänglichen wilden Gebirgs- 
lande, wohlbewanderten Kurven mitgetheilt. Nach dieſem ſoll diefer 


*°) D’Anrille, PEophrate et le Tigre p. 74; Manuert, Geogt. 
Sr u Ri. 2 e W 





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1} 


_ Euphracfpfben; hiſtdriſcher dcadblictz nach Plinus; 87 


tigris. bei einem fonft unbekannten Caſtell Mit 3, %).11 Stun- 
dea Weges von Sulamerk ff. Erdk. IX, &.1029), aljo mol gegen 
RW., enifpringen. Er breche hier plöglich auf einer Höhle im 
Uerge, alſo wie an jenem Rymphäum, hervor, und. fei gleich beim, 
erſten Urfprunge viel bedeutender als ver Weſtarm des Tigris von 
Diarbekt. Derſelbe paſſire Sert, wo er ſelbſt bei niedrigftem af 
ſerſtande ſchwer zu durchſehen ſei, und falle. in ver Mitte des, Ti⸗ 
srißlaufs, zwiſchen Diarbekr und Omar al Jezireh (Erdk. IX S. 709), 
ti Tela Naprua, d. i. Tallsh auf v. Moltke's, Til auf Gel, 
Shiel's Route, in dieſen Hauptſtrom der Tigris ein. Wenn ſchon, 
dieſer Arm von den dortigen Kurden noch heute Tigris oder viele 
met Did jel genannt wird, und er auch aus einer dem Nym⸗ 
phaum analogen Hoͤhlung hervortriit, fo fehlt doch noch nie. daran, 
ihn deshalb für deu Tigris des Plinius zu halten, da ſolche Bil⸗ 
bangen verſchiedener und plöglich wieder hervortgetender Fluͤſſe hier 
mie auch anderwaͤrts in ähnlichen Kalkiteinregignen gar nicht ſelten 
zu fein pflegen, fh alſo gar leicht öfter, wiederholen koönnen, Die 
fu unbelannte Route von Miks, das damals zu, dem Haklari⸗ 
Gebiete gehörte und von einem Verwandten bes Muſtapha Khan 
(Erst. IX. ©. 650) von Julamerk befehligt wurde, nad! Sert, dab 
Kinneir bejucht hat, warb von bemfelben Kurven fo angegeben, 


dnzutragen wäre. Nämlich von Miks nach Berwari 6 Stunpeg, 
wo ein zu ben milnen Kurbentribuß von Jezireh gehöriger zahlrei⸗ 
der und mächtiger. Stamm von Kurden wohnt, der viel Wachs und 
Henig nach Moful zu Markte bringt. Dann 6 Stunden na Der» 
gen; 4 Stunden nach dem Gaftell Koxrmas, welches dem Shir« 
wen Bey gehöre, und von da 4 Stunden nad) Sert, aljo in al 
km 20 Stunden Weges. en 
Dieſes Sert, Sodrt (Sarit bei Mafubi 41), Sorsith bei 
Grifi, Sairt bei Joſafa Barbaro, ver es Im Jahre 1471. befuchte), 
wurde von D’Anville*) und. Mann ert für pie wahrſcheinlichſte 
fage wer alten Tigransd- Stadt, Tigrano⸗kexta (Tagcit. Ann. 





er Dur Gere Bu — 
9 J.CLRich, Narrative of Kurdistan, Vol. I. app. Il. Information 
from natives etc. p.378. *ı) EI Masudi, Hist. encycl..ar 


| meadows of gold etc. Al. Sprenger. Vol. 1. p. 257. Lond. 1841; 

Fdriai Geogr. bei: Jauhert I; p. 15%; Josata Bitbaro'Vdnellano 

| Vingbis nella Persia hei Hamusio Racc.' ed. Venetia I688} Vol. 

| 1. 101.6, ° "*4) D’Anriie sur PEuphrats'p.84; Munnert 
e. a9. E&. 234. u J id. ar ar ... — 


‘ ar ira Se «LU 14 . 











88 WeflsAfien, III, Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30. 


XV. 4), gehalten, die von Artarias, dem Sohn des Xigraned, nach 
Bliniu und Tacitus 35 M. P., d. i. 74 geogr. Melle, im NO. 
von Nifibis in Mefopotamien am breiten Nicephorius jo glanzuoll 
angelegt war und von Lucullus fo ſchnell erobert ward. Dann 
mäßte diefer Nicephorius, deſſen Namen Blutardy (Vita Lu- 
call. 27) verfchweigt, der aber vom Siege der Nömer dieſen ſtolzen 
Namen erhalten Haben mag, um dem Nicephorion, von Alexander 
nach feinen Siegen am Euphrat geftiftet (Plin. VI. 30), ein Gegen» 
gewicht zu geben, ver Fluß von Sert und der Bitlis⸗Fluß 
(Centrites bei Xenophon, f. oben S. 23) identiſch fein mit dieſem 
oſtlichſten Tigrisarme, den M. Kinneir bei feinem Beſuche 
in Sert %) wieder irrig, wie D’Anville und Mannert auf ihren 
Karten, mit dem Khabur bei Amadiah in einen und denſelben Kauf 
zufamımenzog und verwechfelte. Col. Shiel, ver 1836, nur wenige 
Jahre fpäter, ſeiniin KRandsmanne folgte, und auch wie jener von 
Bitlis nah Sert und über den Tigris *) nah Moful ging, 
wies Dagegen entfchieben deſſen Irrihum nach und zeigte, daß ver 
Sert Su oder Fluß von Sert völlig verſchieden vom Khabur, aber 
wenigftens in feinem untern Laufe identifch fe mit dem vom 
Norden herabkommenden Bitlistfchai ober dem Fluß von Ber« 
118. Diefer alfo würde denn als ver öftlichfte Tig risarm gel- 
ten koͤnnen, ver flch bei dem Dorfe Til wirklich zum Tigris ergießt. 
Auch fehlt e8° nit an orientalen Autoren, vie ihn als ſolchen 
bezeichnen; wie 3. B. der von Otter #5) citixte el Aziz, wel⸗ 
her fagt: die Quelle des Tigris liege im Norden von Miafarekein, 
unter der Feſtung Dul Karnein, womit dad Caſtell von Betlls be⸗ 
zeichnet iſt (Erdk. IX. S. 1004), und alſo der Fluß von Betlis 
der Tigris oder Didjel genannt wird. Der naͤchſte öſtliche, aber ſehr 
fern ſich einmündende Zufluß zum Tigris iſt jener oben genannte 
Khabur, der hier auch Buhtan hai 4) heißt und von Shiel 
gefehen wurde. Der fogenannte Tigris over Fluß von Miks kann 
nun feiner von beiven Blüffeh, weder Khabur noch Sertfluß fein, 
fondern muß zwiſchen beiden in der Mitte liegen. An ber Stelle des 
ganz modernen Ortes Sert haben weder Kinneir, ver es wirklich 
für vie alte Tigranesſtadt Hielt, noch Shiel, ver der Hypothefe 


— —————— \ . 
-*3) EM.Kinnejr, Journey thr, Asia minor, Armenia andKoordistan. 
‚.  kond. 1818. p.408—412. **) Col. Shiel, Notes og a journ. 
„etc. im Journ. of the Roy..G. S. of London, Vol. VIII. P.1.p. 
76 etc. 5) Otter Voy. I, p.126; vergl. Müftenfeld Abulfed. 
Tab. p. 68. °*) Col. Shiel L. c.E.78. 





HE _ 


Ewhratſyſtem; Hiftorifcher Ruͤckblick; nach Plinius. 89 


&. Martins 7) von einer mehr weſtlichen Lage folgte, noch 
». Moltke, @) der es zulegt (1838) in feiner jüngflen VBerwü- 
fung durch des Paſchas Truppen liegen ſah, das geringfle von 
aatiken Ruinen wahrgenommen, obwol man Shiel fagte, daß es derglei⸗ 
u dort geben ſolle. Auch fällt es heut zu Tage niemand ein, 
dieſen Fluß etwa mit dem Namen Tigris zu belegen, obwol er zu⸗ 
weilen viel breiter und reißender durch Anfchwellung werben Tann, 
als der nahe Tigrig; wie er denn dem türfifchen Truppencorps, wel⸗ 
ches v. Moltke begleitete, an feiner Furth Doghan fuj, wo er 
150 Schritt breit war, 2 Tage Zeit zum Weberjegen koſtete, und 
daher dem thätigen Militair Gelegenheit gab, einen Abſtecher nach 
Sert, das offenbar nur an einem Seltenarme deſſelben Liegt, machen 
zu fönnen. Der Strom riß Bagage und Heerden beim Durchfegen 
auf Flößen immer 1000 bis 1500 Schritt unter ven Abfahrtsort 
hinab “ 


Da wir nun in dem Bitlis⸗Fluß fo wenig als in dem Sert 
fui, ver ſicher zu demſelben Syfteme gehört, mögen beine identiſch 
fein oder nicht, worüber Kinneir und Shiel noch zweifelhaft laſ⸗ 
ken, keineswegs ven Tigris des Plintus nachweiſen Eönnen: fo 
Uunte es nur eined der folgenden weftlichern, zwifchen Ihm und 
dem Haupt⸗Tigrisarme Diarbekrs parallel la ufenden, von ber 
Nordkette, dem Niphates (jetzt Haſsru Daghleri nach v. Moltke), 
dem Süden zueilenden Gebirgswaſſer fein, unter denen zunächſt 
ver Fluß von Erzen oder Arzen, dann der Batman ſui, dann 
der Hasru und andere zu beachten wären. Als Augenzeugen haben 
und ganz kürzlich erſt mit dem obern Laufe biefer Flüſſe 3. Brant ?9) 
un Bollington 5) (1838) bekannt gemacht, ohne jenen Anga⸗ 
ben des Plinius irgend etwas analog Gebilvetes vorzufinden; vom 
untern Zaufe und ihrem Ginfluffe in ven Tigris werben wir durch 
Kinneirs SI) und v. Moltke’s 52) Querreiſen, von Sert bis 
zu ver Weſtquelle des Tigris, unterrichtet. Der erfte viefer unter 
Ah parallelen Norbzufläffe zum Tigris wird von D’Anville Erzen⸗ 
fiat 8) (Erfen), dv. 1. Erzen Tfchai, ver Fluß von Erzen 
genannt. Er gründet diefen Namen auf die Stelle bei Procopius 


#7) St. Martin M&m. s. l’Arm. Vol.I. p.167. 26) v. Moltke 
"Briefe a. a. O. S.272. 409) J. Brant Notes I. c. Vol.X. P. 
II. p. 855--304. #0) Yischunt Pollington Notes ib. p.448, 
48. ° ®*) J. M. Kinneir Journ. thr. Asia'min. etc. London 
1818. 9.411418. 2) v. Moltke Briefe S.271— 2. 

34 —*5 sur r [Buplr. p. 74; v. Hammer, aſiat. Türk. Wiener 





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90 . BeftsAfien, IH. Abtheilung. 1. Llbſchaitt. h. 30. 


(Bel. Pers. I. 8; ed. Dindorf. L 41,8), der die Stadt Arz a⸗ 
nene, 2 Xagereifen im Norb ber mejopotamifchen Stadt Eonftan« 
tina (Zelfiuran) gelegen, angibt, und fagt, daß ber Feldhert Eos 
Ier, um dahin von Amida zu kommen, 300 Stadien bid Martyro- 
polis zuräigelegt, und dann den nahen Nymphius (Nvugioy no- 
andy, ibid. I. 42, 16) überfegt Habe: denn dann erft trat man 
in Arzanene ein, das felt alter Zeit als Provinz ven Perfern ges 
Hordjte (ibid. bell. P. II. 45; ed. Dind. I. 217, 10). Auch Am- 
ion. Marcel. (XXV. 7, 9) beflätigt unter ben 5 trandtigritanie 
fen Provinzen die Arzanene, Mozoene, Zabdicene, welche 
beide letztere, die Mofhifche um Mufh am Murad im Nord, uud 
die Bezabde, d. i. Omar al Jezireh, im Süd der mittleren Arza - 
nene gelegen find. Abulfeda 5%) nennt noch bie Stadt Arzan, bie 
bier lag. Da nun Strabo den THoBpitid-«See auch Arfens 
nannte, fo identificirte D’Anville ven thospitiſchen See mit einem 
See, der nad dem türkifchen Beographen (Diihannuma S. 427) 
zwiſchen dem Urmia und Ban in einer Plaine gelegen, der Arzen- 
See 55) Heißen follte; und ihm zur Geite wird noch eim anderer, 
der Duchdjek, genannt, ben wir aber nicht weiter kennen, ‚ver 
denm etwa ber Arethufa des Plinius fein dürfte. Noch cher konnte 
er dies wenigftend, als ber von Kinneir bafür gehaltene, faſt 6 
Stunden lange, füße Nazook gol 56), richtiger Naſik gdl, im 
RD. von Mufh bei dem Dorfe Altae Bayazed, d. i..bas untere 
Bayazeb, gelegen, weil diefer ja viel zu entfernt unb im Norben 
des Kara Su⸗Thales, alfo ſchon im Cuphratgeblete, und: demnach 
gänzlich außerhalb der dortigen Waſſerſcheide zwiſchen Tigris und 
Euphratlaufe ſich befindet. Die Nachricht, welche Kinne ir von 
feinem Kurven erhielt, daß deſſen weſtlicher Ausfluß bei dem Dorfe 
Jezira Ofa eine ver Quellen des Tigris ſei, iſt allerding / ſeltſam 
genug, und Fönnte wol zu der Sage von ver Arethuſa des Plinius 
Veranlaffung gegeben haben, Tann aber jener phyſiſchen Verhält⸗ 
nifſe wegen doch nur eine Fabel fein. Diefer Fluß Erzen kommt, 
wie OttexS”) nach dem türkiſchen Geographen berichtet, von Hazou; 





%%) Albufedae Tab. geogr. Armenia, ed. Reiske in Zitäinge din. 
Mag. Th.V, 6.310. %8) St. Martin ‘Men. s. l’Arm. Voll. 
. p 65. ) J. M. Kinneir Journ. 1. c. p.383; vergl. v. Hams 
. mer, bie aflat. Türkei, Rec. Wiener Jahıb. 1821., Br. Xv.e. 24, 
Note 7; die Sage des Mazuf im MM. des Mimpyp Tagh iR anf 
Glascptt Map of Asia minor and Armenia to illasfrate routes of 
Ainaworth, Brant, Suter and Lotd Pollington, 1840.,° *?) Otter, 








‘ 


Enphratfuftem; Hiftorifcher Ruͤckblick; nach Plinius, 91 


weſen Ort hat D’Anville auch auf feiner Cuphrratkarte oberhalb 
kines Thospitis⸗Sees, ven er abwärts bei dem Orte Erzen ausflle⸗ 
hen läßt, eingetragen als Haſu, und oberhalb veffelben den Namen 
Tigris und Zoroanva zufammengeftellt, auf den er dann den obern 

Se Arethuſa und, als noch höher herabkommend, ven oberfien Ti⸗ 

grißquell einzeichnete. Im Texte feines Memoire gibt er flatt Haſu 
aber den Ortönamen Ha⸗zour an, um auf deſſen gleichen Wortlaut, 

der zweiten Sauptfolbe, die Etymologie von Zoroanda als eine wirk⸗ 

Ihe Localbenennung zu conflatiren. Wahrſcheinlich vermechfelte ex 

aber Hiermit den viel weiter im Weften ziehenden Hasru oder Kha⸗ 

zero⸗Fluß, von dem welter unten die Rede fein fol. Die bes 

fimmtere Kenntnig des Haſu⸗Fluſſes verdanken wir neuerlich 

von Rachrichten v. Moltke's, ver an ihm aufwärts gegen die wil⸗ 

ven Kurven des Karſann Dagh, wie bort die Gochgebirgägruppe 

des Niphates gegenwärtig heißt, im I. 1838 jene kühne Kriegder- 

pebktion des Reſchid Paſcha begleitete. Als I. Brant in demfel⸗ 

ben Jahre von Muſh virert gegen Welt über die obern Duell 

erme dieſer Tigriözuflüffe zeifte, ließ er die ſelbe hohe Gruppe, 

weite er Kharzan 58) fchreibt und von ber Nordſeite ber als fafl 

wanüberfieiglich, nur für Maulthiere gehbar, fchilvert, zur linken over 

Gädfeite liegen, von Nejili am Kolb Su, welcher wel einem ber 

mehr weſtlichen Tigrisarme, nicht dem von Haſu, fondern wol dem 

des Batmanfu angehören mag. 

Nah v. Moltke wird Heut zu Tage der Fluß nicht mehr 
Erzen, ſondern Jeſidhane 59) genannt, wahrſcheinlich nach dort 
m Gebirge überall wohnenden und den Türken jo verhaßten Jeſiden 
eziden, Erdt᷑. IX.S. 748 - 762); er war 300 bis 400 Schritt breit 
and reißend, an ver ſeichteſten Stelle noch immer gefährlich zu durch⸗ 
fegen,, denn die Infanterie ging bis an vie Bruft ins Wafler, und 
vie Gefchüge kamen ganz unter ven Wafierfpiegel. Bon biefer Stelle 
war nordwaͤrts nur ein geringer Marſch zu dem Fleinen Stäntdhen 
Saſu (Azu”bei Tenreiro), von welchem ver Fluß feinen mobemen 
Namen erhielt, welches 8 Stunden Wegs im Norven von Red⸗ 
wan 00) Tiegen foll. Hier fliegen mehrere Bergfiröme in ihm zu⸗ 
femmen aus dem benachbarten, dicht an ver Südgrenze von Mufh 


Voyage en Turquie et en Perse 1737. Paris 1748. 8. Tom. I. 
».124. se) J. Brant Notes 1838 in Journ. of the R. Geegr. 
Soc. of Lond. 1341. Vol.X. P. Ill. pag. 356. 5°). Moltke 
Briefe 6.273. 0) J. Cl. Rich PNarrat. of Kurdistan Vol.1. 
App. p. 376. 








92 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30. 


( Moxoene) liegenden Karſann Dagh, befien wilne Kegelgipfel 
v. Moltke im Anfang Juni noch 1000 bis 2000 Fuß abwärts 
mit Schnee bevedt fand, deshalb er fie den höchſten Gebirgen Vor⸗ 
deraflend zuzählt, ver Natur eined Niphated der Alten vollfommen 
entfprechennd. An dem weiteflen von Norven herabkommenden Ge⸗ 
birgswaſſer deffelben finden wir auf v. Moltke's Karte ven Ge⸗ 
birgsort Arfann im Lande der, wie zu Zenophon’d Zeit ungebän- 
digten, Immer noch inpepenventen tapfern Gebirgskurden, deren Fel⸗ 
fenburgen eben Hier, wie bie von Papur 62), erflürmt werben muß⸗ 
ten, deren Dorfſchaften man unbarmherzig nienerbrannte. So hät- 
ten wir denn am nörblichften Urfprung des vielfach von ven Aus 
toren der ältern wie der müttleren Zeiten befprochnen Stromlaufs 
auch den Urfprung feines Namens, bei Procop Aelarıyn, Agos- 
ynyn, bei Amm. Marcel. Arzanena, Arzan 62) bei Abulfeda, 
im Djipannuma bes türfifchen Geographen Erzen, Erfen, heute 
Arfann, bei Kurden nah Rich 9) auch Herzin genannt, nach⸗ 
gewiefen, und zugleich die ganz irrige Zeichnung D’Anville's, ver 
diefen Ortönamen weit abwärts Hazu einträgt, da er doch weit ober⸗ 
halb vefielden am Stromlaufe im Hochgebirge liegt. Alle andern 
Kartenzeiinungen find viefem Irrthume gefolgt; von ven daſelbſt 
eingetragenm und fupponirten Seen Thospitis iſt aber nicht Pie 
geringfle Spur durch Augenzeugen befannt. Wenn einer der⸗ 
gleichen irgendwo noch zu finden wäre, fo würbe es am Außerften 
Nordende des Fluſſes fein, wo bei dem Orte Erzen, 8 Stunden - 
‚im Norden von Redwan 6%), ein See von vielen taufend Deziden 
ummohnt fein fol. Wie aber M. Kinneir, dem man diefed im 
Jahr 1814 bei feiner Durchreife zu Herbo Peri (wol Chirbi Piri 
auf v. Moltke's Karte) erzählte, eben daſelbſt erfuhr, follte dieſer 
Fluß, den man auch einen Tigrisarm nannte, feine Duelle im Hoch⸗ 
gebirge bei Sufan, im Norden von Betlis, haben. Unterhalb des 
von Moltfe gewagten Ueberganges über dieſen Fluß, dem Jeſid⸗ 
hane, vurchfegte ihn auch Kinneir bei dem Dorfe Givers, von 
Peziven bewohnt, wo er 60 Schritt breit, aber zur Zeit nur feicht 
war, denn er ging den Pferden nur bis an die Knie. 

Der nächfte weſtwärts gelegene, mit dieſem Hazu parallel lau⸗ 
fende Tigriszufluß iſt ver Batman Sui ober der Fluß von Mia— 


“ı)y. Moltke Briefe S. 284. 62) Abulfeda Tab. Armen. bei 


Wüftenfeld 1. c. p.41. s3) J. Cl. Rich Narrative of Kurdi- 
stan Vol.I. App. p. 376, **) J.M. Kinneir Journ. tlır. Asia 


- minor I. c. p4l3. 


HE  _ 


Euphratfuften hiſtoriſcher Rüdblit; nach Plinius. 93 


farefein, ven wir ſchon oben unter dem Namen Nymphäus 
bei Ammian und Nymphius bei Procop als den Grenzfluß 
jener Zeit zwiſchen dem römifchen und parthifchen Reiche kennen 
lernten, weshalb er auch Bafilimfa, 65) oder verflümmelt Baſa⸗ 
nifa 8) bei dem türfifchen Geogr, Bafamfa bei Abulfena 67) 
heist. Wahrſcheinlich find die flarfen Gebirgsſtröme an der Weſt⸗ 
feite der Kharzans Berge, ver Kolb Su bei Nerjii, ver Dat 
Su und der Sarum Su bei Darakol, vie ſich ſüdwärté gegen 
den Tigris vereinen follen, und welche I. Brant in ihren wilden 
obern Bergthälern auf feiner Duerreife®) von Oft nach Weſt paſ⸗ 
firte, die obern QDuellfiröme dieſes Batman Sui, pver es find 
Me feiner weftlichen Zufläfle, vie bei dem türkiſchen Geographen 69) 
die Namen Atak, Kefender Sarki und Gafu zu führen fihel- 
wen, und die ſich an der Brücke Batman koͤpry ſchon zu dem 
Hauptſtrome dieſes Namens vereinigt haben, der aber nicht dicht, 
ſondern in Entfernung einiger Stunden im Oſten ver Stadt Mia⸗ 
farekein vorlberzieht, aber dennoch wol wegen feiner Größe eben 
jmen Grenzſtrom zwifchen dem Römer - und Safjaniven- Reiche zu 
Kaifer Juſtinians Zeit im Weft und Oft abgegeben haben mag, wie 
Procspius verfihert. Dazu würde wol der mehr weftliche Kleinere 
Flug, an welchem Miafarekein (Meia Farlkin bei v. Moltke) Heut 
zn Tage wirklich liegt, wo er aus ſeinem Gebirgsſpalt heraustritt, 
auch weniger geeignet geweſen fein. Er wird von dem tuͤrkiſchen 
Geographen Ain ol Hauf (Ayn al haoudh) 70), Houſch nach 
Duatremere, Ain Hambus oder Habuz bei Abulfeda 71) 
genannt. Ob dieſes Waſſer von dem ploͤtzlichen Heraustreten aus 
der dafigen Engſchlucht den Namen eines Grottenfluffes Nymphius 
erhielt? ob hier das Nymphäum des Plinius gelegen haben ſoll, wo 
das Waſſer des Thospitis⸗Armes wieder zum Vorſchein kommen 
ſolte? Wir wiſſen es nicht; das ganze Land iſt vol Grotten und 
Höhlen und Troglodyten. Bon Miafarekein, das hier auf ver un⸗ 
wrhen Stufe des Gebirgs liegt, ſah v. Moltke 72) ven varaus 
bernerisetenben reichen Fluß in ſchoͤnen Windungen ſich hinab zur 


0) D’Amville =. !Ruphr. p .83, se) Otter Voy. I. p.128. - 
2) Abulfed. Prolegg. HM Ab. Tabul. ed. Wüstenfeld 1. c. p.68. 
J. Brant Notes 1. c. X. P.IH. p.356. *°°) v. Hammer aflat. 

Re. a. a. D. G. 254. 70) 9. Hammer a. a. D. S.254; 

St. Martin Men. 's. Armen. Vol. L p. 96; Quatrem2re Not. in 
Raschid Kddia Hist. d. Mongols, Paris 1836. T. I. fol. 362. 
’1) Abulfedse Tabul. geogr. Mesopotamia beiReisfe in Büihinge 
bifler. Mag. Th. V. &.245. 12) v. Moltle Briefe ©. 287. 





—— 


94 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 30. 


tornreichen Ebene des Tigris ſenken. Diefer Strom iſt eB, ver eine 
größere Waſſermaſſe 73) vom Norden der Niphates⸗ Ketten (Kar- 
fann Dagh, Kandofh Dagh, Kölb Dash, Dharkuſh Dagh und Hadru 
Daghleri in ihren einzelnen. Gruppen, nad) v. Moltke's Karte) 
dein Hauptarme des Tigrt& zuführt, als dieſer felbft beflkt; 
‚auch bildet er eine merfiwürbige Naturabtheilung ver ihm in Werft 
und Of llegenden Landſchaften, welche wol nicht weniger als er 
felbſt dazu beitrug, thn zum Grenz ſtro m zwiſchen dem römifchen 
und perſtſchen Reiche zu erheben. Schifft man ſich in Diyar- 
befr auf dem Hauptarme des Tigris ein, fo legt man feinen Weg 
auf einem breiten, feichten, fanft ſich winden den Strome 
durch die: fruchtbare Diyarbefr» Ebene zurüd, bis zum Batman 
Suf, wo fh der Character der Lanpfchaft 7°) plötzlich 
verändert, benn bie biöher welligen unbeholzten Ufer werben von 
Rellen Uferklippen zu ‚beiden Seiten verbrängt. Der Tigris wird 
vlel tiefer ünd tritt in ſcharfe Zickzackthäler oder enge, höhlenzeiche 
Schluchten des hohen Sandſteingebirges ein, das fi} von hier un» 
mittelbar erhebt. - . 

Als v. Moltke von Dft gen Weit gehend, ehe er noch bie 
Stadt Minfarekein erreichte, ven Batman Suj überfegen mußte, fand 
er eine alte, prachtvoll gebaute und noch wohl erhaltene Brüde (Ko 
pry), ein gewaltiger 80 Fuß Hoch gefprengter Bogen von 100 uf 
Spannung, über den relßenden Bergſtrom von Wels zu Fels fühe 
vend, ganz in demſelben Bauftyl und wahrſcheinlich aus derfelben 
Zeit, wie bie Xrüumer ver zerſtorten eben fo granbiofen Brüde, 
welche einft bei Hagn Kejfa (d. i. Schloß Keffa) über ben Ih 
gris gefpannt war, von ber v. Moltke es unbefimmt Iäßt, op fie 
von ben armenifchen Königen, ober von griechiſchen Kaifern, ober 

. bundp die Khalifen erbaut warb. Mach ver Analogie aı Du 
ten Könnte man fie auch denen ber-Saffaniden vergleichen ( 
S. 156, 499 u. a..D.). Als Joſ. Barbaro ver Venetianer 3 
J. 1471 die Brücke von Aſſanchiph, 7) wie er den Ort ſchreibt, 
pafftzte, welche über ven Set (fo fchreibt er ben Schatt, d. I. die 
dort einheimifche Benennung des Tigris) führte, war es jedoch 
nur eine Holjbrüde, wozu bie Ramuſiſche Randbemerkung gemacht 
wird, daß fpäter dort eine Steinbtücke von 5 Bogen, mit einem fehr 


72) 9. Moltie Beiefe a. ©. D. &.286. 7*) Capt. Blosse Lynch 
in Journ. of the Roy. Geogr. Soc. of Lond. 1861. VoLXI. P.1. 
Kaum 2%) Jasmin Barbern Venetiano L c. bei Ramnsio II. 





FE 


Euphratſyftem; hiſtoriſcher Xuͤckblick; nach Plinins. 95 


hoben Bogen in ber Mitte erbaut warb, welche für eine Art Wun⸗ 
derbau amgefehen werde. Hiernach würde dieſer Bau wenigftens 
von füngerm Datum fein, ver im Süden von Redwan liegt, wo 
nah Ewlia's Angabe ver Fluß Erſen mit vem Batman vier 
Stunden abmwärtd von Redwan fi in den Tigris-ergießen fol. 76) 

Jene Brüde am obern Batman Su Ifl es, zu welder ber 
Bortagiefe Antonio Tenreiro 77), Mitte des 10. Iahrhunderts, 
auf dem Wege von Bedlis über Hafu (Azu bei ihm) gegen Weften 
au einem Morgen fortfähritt. Sie war von Stein mit 2 Thürmen, 
De jetzt zu fehlen jcheinen, erbaut über einen Fluß, ven der Reiſende 
Morato nennt, ver aber der Tigris war (Murad iſt fonft nur eine 
Benennung des Eupbrat). Don da erreichte er in 14 Stunden bie 
ale, einſt den Byzantinern gehdrige Stadt Mayfarquin (er 
meint die: Martgropolis), In deren fchönen Bebäuben, Kldften, Kir⸗ 
Gen, obwol ihnen dad Dach fehlte, ex doch noch griechiſche Inſcrip⸗ 
onen und in Farbenſchmuck erhaltne Wanpgemälpne, die Apoftel 
vorſtellend, antraf, aber nur wenige jacebitifche Ehriften, nie Arabifch 


Hagn Kejfa oder Hößn Keif,d. 5. „das Schloß der 
guten Laune,” am Südufer bed Tigris, nahe jenes Zufammen- 
finfies gelegen, war früher ein wichtiger Stapelplag zwiſchen Diar⸗ 
bekr umd Jezireh. Beide genannte Brüden werben von Emilia unter 
ven Meiſterwerken hydrauliſcher Baufunft im oßmanifchen Reiche 
esfgezählt. Während dieſe letztere längft zerſtört war, iſt jene über 
ven fo berühmten Nymphius, nämlih den Batman fuf, nad 
v Moltke, noch in ihrer Impofanten Große erhalten.‘ Nah Kin⸗ 
neir 78) fol fich dieſer Batman Su, ven er auch Belespena (?) 
us Barima nennt, nur eine Biertelftunne unterhalb dem Orte 
Deman Khoi in ven großen Tigris, der von Diarbefr kommt, 
gießen, in ver Nähe vieler dort von ven Eingebornen bewohnter 
Brotten. Er mußte beide Flüſſe nahe an ihrem Verein durch⸗ 
kgen, und fand den Batman Su 120 Schritt breit, fehr tief und 
semaltfam fortrelßend, ven Tigris, wenn fchon eben fo breit, doch 
weniger tief und bequem zum durchwaten. ‚Hier .alfo konnte men, 
nach der bloßen Größe zu urfbellen, in Zweifel fin, weichen ‚yon 


"pn Damme: afat. Tärlei, Rec. a. a. D. ©. 248. 254. 
Tenseiro Jänerario Rd. 1762. p. 876 f. b. Quatre- 
) Raschid Rddin Hiat. d- Mongols. Vol. L p. 383. 
’°) 5. M. Kimneir Journey 1. ce. p. 418; D’Anrille VRuphrate Ä 
p. 88; Quatremöre b. "Raschid Eddin Ip. 376. 


ee 





9% . Weft-Afien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 30. 


Beiden man ben Hauptarm des Tigris nennen folte. Den Ra- 
men Barima (auch Barma-Berge find weiter abwärts am Gtrome 
nahe Jezireh nach Ebn Haufal), 79) welchen Duatremere, für ride 
tigere Schreibart ald Batman Hält, obwol dies gegenwärtig bie 
allgemeine Bolföbenennung iſt, leitet D’Anville nach Tavernier 
vom Tſchal Barman, dem Fluß Barman ab; dies fol nach ihm 
der Rocalität „ad Tigrim“ in der Thbul. Theodos. entfprechen, doch 
war ber Name einer Batman⸗Stadt bafeldft fehon zu Timurs 
Zeiten bekannt, ver eine folche eroberte. Diefe. gange Anſicht von 
der Ipentität des Varima mit dem Batman wird aber widerlegt 
durch Edriſi, ver entſchieden den Soraith, d. i. ven Gert-Bluß, 
aus 2 Flüffen beſtehen laͤßt, vie aus ven Bergen von Barema 
Tommen und fi) dem Tigris benachbart vereinen und dann. zu ihm 
aufwärts Jezireh bei dem Orte Til (f. 0. ©. 87) ergießen. Dieſer 
Soraith, fagt,Eprifi, Hat feine Quelle in Armenien und if 
bedeutend groß. Leider ift im Texte Hier eine Lüde, in welcher vie 
Entfernung von dem Einguß dieſes, Barema genannten, Stromes 
nahe Natira 0) identiſch mit dem obigen Tela Navrua, vermißt wirt. 

Bir fommen zum vorlepten jener weſtlichen bebeutendern lin⸗ 
Een Tigriszuflüſſe vom Niphates herab, vie man als ſolche öftliche 
Duellarme des Hauptftromes im Gegenfag des weſtlichen Diar- 
befr-Arm& betrachten kann, nämlich zum Fluß von Hasrust) Hei 
v. Moltke, Hazero bei J. Brant, Khazero bei Bollington. 
Diefer erhält feinen Namen vom Städichen Hasru, dad am Süd- 
fuße der dortigen Gebirgöpäffe gegen bie fruchtbare wellige Te 
grisebne von Diarbefr erbaut ward. Sie ift eine Hauptpaffage, auf 
der geoßen Heerſtraße von Oſt gegen Weit, aus ver alten- Arzas 
nene nah Sophene, zugleich aber auch der Eingangspaß gegen 
Nord über JIlidje durch dad Hochgebirg zum Murad. Doch ift 
und dieſer Ort durch Feine ältere Beriennung aus ver römifchepar« 
thiſchen ober byzantinifchefaflaninifchen Kriegäperione befannt, obwol 
es wahrfcheinlich ift, daß ihm irgendwo benachbart an einem Ge 
bitgopaß zum ndrdlichen Murablaufe bie Heine Befte Phiſon %2) 
Ing, au der Klaufe (Kieloovgas) oder Cliſura, welche Kaiſer 
Iuftinian durch zwei Thürme befefligen ließ. Daß D'Anville 





?®) Oriental Geogr. b. Will. Ouseley. 1800. ®°) Bärisi 
Geogr. 5. Jaubert. Vol.ll. p. 154 ®') v. halte Briefe ©. 288;, 

Brant Notes L c. X. P. II. p. 359; Viscount Pollington 

Fa ©. 449. *?) Mannert Geogt. d. Er. und Röm. Ih, V. 2. 
. 249. 


- 


ð 


Enphratſyſtem; hiſtoriſcher Ruͤcblick; nach Plinius. 97 


dieſen Hasru mit dem weiter In Oſt gelegenen Gafu verweihfele, iſt 
ben gefagt. Segen Norb Über das Gebirg erreichte v. Moltke 
in einem Tagmarſche das Stäntchen Il lidſcha 83) (Ilidje) und 
von da nach einem eintägigen flarten Pitt welter nordwärts das 
neu angelegte Eijenhüttenwert Sivan Maaden, auf der 
Bafferfchelvehöhe zwiſchen Tigris und Murad, welcher letztere nur 
ein paar Stunden weiter im Rorben in feinem mädhtigen Exbfpalt, 
ven Of nah We, an allen viefen gegen Süd ablaufenden 
Tigrisquellen vorüberfchleßt. Sehr Üüberrafchend war es, Hier an ei» 
wen oberfien Zuflüßchen des Tigris diefe Hohe Waſſerſcheide zu 
erreichen, und jenfelt in einer fo geringen Entfernung von kaum 
1000 bis 1500 Schritt ven fo mächtigen, bier oberhalb des Ca⸗ 
ſtells Balu (wahrfcheinlih vie Feſtung Khitarizum Kaiſer Juſti⸗ 
niens nad) Proc. de aedif. III. 2, bell. Pers. 1I. 24), &) wenn 
auch nur mit Floͤßen fchon fchiffbar geworunn Cuphrat zu er⸗ 
bien. Die große Bedeutung biefer hydrographiſchen Configuration 
der dortigen Landſchaft wurde auch von Haflz Pafcha aufgefaßt, und den 
Eupbrat von da an ſchiffbar zu machen, wenigftend verfucht; ein 
Umftand dem wir ven erflen Bericht über defien bis dahin un⸗ 
bekannten Flußlauf durch v. Moltkes Belchiffung verdanken. 
J.Braut, welcher 1838 denſelben Ort paſſtrte, den er Ilijeh 
(. h. warme Duelle)®S) nannte, hat dieſe Station an demſelben 
Fluß im feiner Karte niedergelegt, ver ſüdwärts nach Hasru zieht, 
während v. Moltke ihn an einen Öftlicher laufenden Gebirgsſtrom 
verlegt. Der Ort liegt na Brant 3546 F. Parif. (3779 %. engl.) 
ker dem Dieere in reichen Obſthainen, und bildet die Herrichaft 
eines faſt unabhängigen Begs; vie fchönften Flaren Felsquellen, vie 
us Kaltfleingebirg hervortreten, umgeben Ihn. 
Es folgt noch weiter im Weſt dieſes Habru⸗Fluſſes, den wir 
' pe den claſſiſchen Autoren nicht erwähnt finden, ver legte biefer 
| unter fich parallelziehenden Tigrisarme bei KSineh (CKhini Hei 
| 


EL 


aut; Heint bei Dtter nach dem Turkiſch. Geogr.; Heni bei Ar- 
meniern), weicher Heut zu Tage Ambar Su 29) heißt, mehre Zu⸗ 
fake wie den von Piran, ven Zibeneh und andere, die J. Brant 
wqh gefondert gezeichnet hat, im ſich nach v. Moltkes Zeichnung zu 
sy 5, Muttke Vriefe. ©. 289. 26) Manmert Geogr. d. Br. m. 
. Sim. Th. V. 2. ©. 250; f. J. Brant notes 1. c. X. P. Ill. 
p- 268. J. Brant notes 1. c. X. P. UI. p. 359. 
| °) 9. Meitle Briefe a. a. D.; J. Brant; Otter Voy. I. p. 124. 
| St. Martin Möm. sur l’Arm. I. p. 94, 
Aiütter Ewtande X. G 
| 





98 Woſt-Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 8.30, 


sereinigen fcheuft,-ımb bann ven Namen Sebbeneh Su führt. 
Bu fetten obern Duchermen gehört auch das Fluͤßchen von Sivan 
Maaden, das zunächft dem Mutad auf ver vortigen Waſſerſcheide 
entſpringt. Brant Hörte. biefelbe Merkwuͤrdigleit des dicht eſten 
Zuſammentretens dieſer Tigrisquellen mit dem Strombette des 
Murad vom Bibenchr&luffe bel ſeinem dortigen Durchmarſche 
beſtaͤgt. ) Khini liegt nach ihm nur 12 Stunden Wege im OR 
won Diyarbefr und Kat fehr zeichlige Quellen, die aus Belfen her 
vortreten. Mehr iſt uns von dieſem Fluſſe nicht befannt, als daß 
ex, wie gefagt; unter dem Namen Sebbbeneh Su nach v. Moltke’s 
Kartenzeichnung fi oberhalb Diyarbeft von der Nordoſtſeite bei 
ver Sehe Egil, ver Stadt Argana gegenüber, in den KHauptarm 
des Tigris einglest. J 

Es bleibt und nun noch ber. letzte Ga in ber angeführten 
sroblematifchen Stelle des Plinius von dem dichten Zuſam⸗ 
mentreten bed Arfanlas mit dem Tigris, den er durch des 
Claudius Garfar Autorität bekräftigt, zu erörtern übrig; glüdllicher 
Weiſe iſt Hier die neuefte Beobachtung fortgefchritten genug, um 
das Paradorfcelnende in jenem Ausipruche durch dad Natuwer- 
hãltniß ſelbſt in feinem wahren Zufanmenhange nachzuweiſen. Doch 
hier Haben wir. ed zunächſt mit dem Arfanigs des Plinius 
und mit dem Hauptarme des Tigris, deſſen weftlifiem 
Duellfirdme, dem von Diyarbefe zu thun, den Plinius gar 
nicht einmal genannt hat, und wahrſcheinlich mit ven öftlichern 
verwechſelt Haben mag. 

Daß fein Arſanias in der angeführten Stelle nicht ver öſt ⸗ 
liche Arzen ober Arſan des Tigris in Arzanene fein Eonnte, da er 
zum Euphratgebiete gehört, hateſchon D’Anville eingefehen, ob⸗ 
mol er deshalb noch keinen Rath zu geben wußte, ald daß man ihn 
innerhalb ver großen Cpiſtrophe (grande flexion du cours du 
Tigre) 89) des Aigris zu ſuchen haben werde. Unter den Neben- 
‚Käffen des Euphrat kann aber diefer Arſanias fein anderer als 
der ſüdliche Arm des Buphrat ſelbſt fein, nämlich der Murad. 
MB ver Römer welbherr Rurufus, in ben Mihrivatifchen Kriegen, 
im 93. 69 ». Chr. ®,, Tigranocertaä eingenommen hatte und von da 
nad) Artarata ziehen wollte, wußte fein Gegner Xigraned, nach 
Plutarchs Ausdruck (im Lucullus cap. 31. ed. Reiske Vol, III. 

.. “ 


"2 Brant. & p. 202. **) D’änrille Möm. . 1Euphr. p. 75. 





Euphratſyſtem; hiſtoriſcher Ruͤcblick; nach Plinius. 99 


p- 207), daB dad Romerhert auf der ihm einzig möglichen Weg⸗ 
ronte ſchlechterdings den Arſaniad⸗Fluß (vergl. Tacit. Annal. 
XV. 15) paſſtren mußte, und ſuchte deshalb dieſen Uebergang da⸗ 
durch zu verhüten, daß er am Strome ſelbſt fein Lager aufſchlug. 
‚Run reicht aber unter allen Flüfſen, vie in ven Euphrat fallen, wie 
ion Mannert bemerkt,29) Feiner fo weit gegen ven Oſten, daß 
die zu nehmende Route zwifchen Tigranocerta am Nicephorius umd 
Artarata am Araxes -über denſelben führen mußte, als der füh- 
de Arm des Euphrats. Es mußte kein unbeneutender Fluß 
geweſen fein, da Tigranes ben Uebergang glaubte an ihm verbin- 
vorn: zu innen. Bekanntlich trug Lucullus Hier einen Sieg davon; 
«is er aber in Armenien, wie Plutarch fagt, nach der armenifchen 
Karthago, nämlich der von Hannibal erbauten Artarata vorbringen 
weilte, traf das Romerheer ganz unerwartet ſchon um die Herbſt⸗ 
nachtgleiche dort eine fo rauhe Witterung und in dem durchfurchten 
Berglande fo viel Schnee, Eis und Beſchwerde, daß die murren⸗ 
don Regionen ven Felsherm zum Rückmarſche in das wärmere Myg⸗ 
denten nach Niſibis nöthigten. Huch dieſes hbeflätigt bei der bes 
fannten Nauheit des Hohen Armeniens bie Annahme, daß der ge» 
nannte Arſanias Fein anverer als jener füdoͤſtlichſte Euphratarm 
fein kann, über welchen nothwendig bie einzige Geerftraße nach vem 
Daten son Muſh (Moroene) und zum Arares führen konnte. 
Doch iſt ed nicht ſowol, wie Mannert vafür bielt; ner Murad 
felbſt, fondern, wie ſich aus der ſeitdem fortgeſchrittnen Terrainfennt- 
wi ergibt, unſtreitig fein füdoſtlicher Nebenfluß, der Kara 
Su, der dort auf-der Moſhiſchen⸗Straße ven hemmenden Ueber⸗ 
gung bildete und demnach fuͤr den eigentlich ſogenannten Arſanias 
werden muß, der ja noch heute in der Nähe von Ar⸗ 
fann und des hoben Kharzan⸗Gebirgs entſpringt, wo alſo der⸗ 
ſelbe Name gegen Norb wie gegen Süd einheimiſch war und 
Ueß I aber dies die wahre Benennung des ſüdöſtlichen Haupt⸗ 
ans des Murad: fo kann die Stelle bei Procopius (bell. Fers. 
M es nur beflätigen, daß man die Benennung diefeß-Kark Su 
abwãris auch anf ven ganzen Murab-Arm des Euphrafübeitragen 
Gate. „Wo ver Cuphrat, ſagt Brocop, ans Armenien und Ad 

AMſene berabgetommen, nimmt er mehrere Slüffe und auch ven Ar⸗ 
Times (Arſaniae bei Pin.) auf, der aus Perſarmenien mit 

. | | 


ge 


*°) Nannert Geogt. ver Gr und Remn. 54. V. 2. ©. 204 
82. 


‘ 


J— 4 





100 Weft-Afien. TIL. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30. 


„reichen Waſſern Herabgefommen ihn fehr vergrößert, worauf er 
durch Kleinarmenien zur erſten Stabt von Beveutung, nach Melitene 
„(Malatia), fortftzimt” In den armeniſchen Hiſtorien wird her 
Aradzani, ©) d. 1. Arfanias, der Heutige Karaſu, weicher 
das Land Doson, d. 1. das Heutige Muſh, durchſtrömt und feinen 
Waſſerreichthum aus dem Gebirge ber Kurden, dem Kharzan, er⸗ 

- hält, ſehr Häufig erwähnt, und debhalb konnte deſſen beveutungsnoller . 
‚Name auch fehr wol vom oben auf den untern Lauf übertragen 
werben, obwol dem Plinlus auch deſſen Benennung Omiras 
(Omiram vocant irrumpentem Plin. V. 20) nicht unbekannt, doch 
in Beziehung auf vie Benennung bed Arfanias, als feines obern 
Zaufed, dunkel geblieben war, denn er hat beide nicht miteinander 
in Berbindung' zu bringen gewußt, weil beide an fehr weit von ein» 
anber entfernten Stelen von den Romerheeren überfchritten wurden. 
Bet dieſer Nachweiſung der Ipentität des Arfanias mit dem 
Murad bleibt jedoch noch die andere Frage übrig, ob irgend wo 
eine Soralität die von Claudius Garfar angegebene wirkliche Ber- 
mifhung der Murad- und Tigriswaſſer auch. möglich mache, denn 
ungeachtet der größten Annäherung beider Duellgebiete in ber Nähe 
von Palu, möchte vie Höhe ver wenn fon kaum 1500 Schritt 
breiten Waſſerſcheide dies wol unmöglich machen. Gier müflen wir 
daher ven Urfprung des Hauptarınd des eigentlichen Tigris 
ſelbſt erſt genauer ind Auge faſſen. 

Daß die claſſiſchen Autoren darũber fehr unwiſſend blieben, hat 
fh aus dem Obigen hinrtichend ergeben. Strabo Kat gar keine 
Kenutnif von der wahren Tigriöquele, gehabt, Plintus ſcheint Die, 
Gegend. ded Entſtehens zu kennen, die er Glegofine. nennt, und 
von einem ſichtbaren Urfprunge und langſamem ließen ſpricht, 
was aber alles fehr unbeflimmt bleibt; denn die Landſchaft Elegofine 
wird fonft von feinem andern Autor genannt, und es bleibt de&« 
Halb auch blos hypothetiſch, wenn wir wegen ver Stadt Elegia, 
die nach Plintus oberhalb der Catarrhacten des Guphrat lag, wo 
ver Taurus dem Strome abwärts Malatia entgegen tritt (apud 
Elegiam occurrit ei, scil. Euphrati, mons Taurus, Plin. V. 20), 
wermuthen, daß der fie umgebende Gau nach ver Stadt mit dem 
Nomen Elegofinwe belegt werben mochte. In biefem llegen aber " 
wirklich innerhalb des Iſthmus jener doppelten Eupfeat- 
winkel, im Rarimum der Annäherung des entgegengefegten 


*®) St. Martin Mem. s. l'Arm. Vol. L p. 5l etc. 





Euphratſyſtem; hiſtoriſcher Ruͤckblick; nach Plinius. 101 


Cuphratlaufes, in einer hoͤchſt eigenthůmllchen Stellung vie wah⸗ 
ren Quellen des Tigris. Von dieſem Elegia auf der Grenze 
Armeniens (Dio Cass. hist. Rom. lib. LXVIII. 18 u. LXXL 2) 
fing Trajan mit der Demüthigung des Parıhamafirts, Königs 
von Broßarmenien, feine Eroberungen Armeniens im Jahr 115 m. 
Chr: G. an, deren Berichten Ptolemäus ven größten Theil feiner 
vielen geographifchen Namen in viefem Lande entlehnt zu haben 
ſcheint. Er if es nun, der die Quellen des Tigris in viefer 
"Gegend des Diarbefr-Armes beflimmter angibt, unter 74° 40’ Long. 
39° 40’ Lat., und den See, ven fle bilden, Thospitis nennt, fo wie 
Die nächſte Stadt, ihm In N.W., Ihospia 74° 20’ Long. 39° 50 
Lat., die nächſte gegen SD. am Ausflug des Tigris auß dieſem 
Sr aber Colchis. Er iſt es, der auch Das Gebirg zunächſt im 
Nordoſt des Thospitis⸗Sees, welcher auch der ganzen Landſchaft ven 
Namen gibt, vie Gordyäiſchen Berge nennt, alfo dieſelben welche 
her die Tigrisquellen vom Arfanias over Murad ſcheiden 
(Claud. Ptol. Geogr. Lib. V. c. 13, Tabul. Armen. Maj. fol. 
134 u. 135). Vom viel weiter im Often Tiegenden Niphates if 
alſo bier fo wenig wie von einer Arethufa oder einem Nymphäum bie 
Rede, auch von feinem Orte, ver fich mit vem Zoroanda vergleichen 
Bee, fo wenig mie von alle viefem eine Spur ſich an ven Locali⸗ 
täten der fllichen Tigrisarme beftimmt nachweiſen ließe. Eben hie 
durch kann man auf den Gedanken kommen, daß Plintus an jener 
Stelle vom Urfprung des Tigris, dem er nach ihm blos zugefommenen 
Berichten ohne eigene Kenntniß nachſprach, gar nicht an einen öſt⸗ 
Ken Tigrisarm gedacht habe, fondern die ganze hypothetiſche Ders 
kegung dahin erft von den fpätern Zeiten außgegangen fei. 

Bon dem Borbandenfein eines Thospitis⸗Sees wie zu 
Btolemäus Zeiten, wenn auch nicht von dem Namen, erhielten wir 
aber feit Kurzem allervings Beflätigung. Kinneir war bei feinem 
Durchfluge von der Stadt Arg han a aufwärts am Tigris, wo er biefen 
nach einer Stunde nur in einer geringen Breite von 20 Fuß paſſirte, 
um zum Kupferbergwerk Arghana Maaden, 5 Stunden im 
Nerven von der Stadt Arghana, vorzubringen, zum zweitenmal 
an ven Tigris gekommen. Diefer Strom burchfchneidet bei dem 
derügen Bergwerke in einer tiefen Spalte das Land und fommt 
vom We gegen Oft vahin, fo daß er von dem gegen Nord nad) 
Lharput HMeifenven zum zweitenmale, nahe an jeiner wenig 











\ 


— 


— 


102 Weſt⸗Aſien. IH. Abtheilung. I.Abfchnitt, $. 30. 


weſtwärts liegenden Duelle 9), wo er aber feine 20 Fuß 
mehr breit iſt, vurchfegt werden muß. Nordwaͤrts dieies Quell⸗ 
arms paffirt man dad Norvende eines Salzwafferfees (Andere 
haben diefe Eigenſchaft eines falzigen Waſſers nicht erwähnt), in 
einem romantifchen Thale gelegen, ver 5 Stunden lang und 3 Stun⸗ 
den breit fein fol. Kinneir meinte, dies müſſe der Colchisſee 
der Alten fein, nämlich ver Thospitis, dem zur Seite nach Ptole» 
mäus ber Ort Colchis lag. Im Norden von ihm liegt Khar⸗ 
put. Es iſt fonverbar, daß wir wie von ben Altern claffifchen fo 
auch von ven muhamedaniſchen Autoren gänzlich ohne genauere An⸗ 
gaben viefer wahren Zigriöquellen wie dieſes Sees geblichen find, obwol 
beiderfeitig über viele andre Dinge die umfländlichften Nachrichten ge⸗ 
geben werten. EI Mafupi fagt 9%) nur, der Tigris fomme vom 
Lande Amid, dad zu Diarbekr gehöre, die Quellen lägen aber im 
Lande Khelat in Armenien. Auch Edriſi fleigt am Tigriöftrome in 
feiner Beichreibung nur bis Amid aufwärts, und nennt nicht ein« 
mal feine Quellen. 9) Abulfeda gibt zwar nad Ram el Ma- 
mur den Urfprung®®) des Tigris (Digla) unter 64° 40 Long, 
und 39° Lat. an, und läßt ihn, ohne weiteres zu berichten, an 
Amid vorüßerziehen, führt aber zugleich feinen Urfprung im OR - 
bei Bitlis an. Auch der türfifche Geograph fcheint, wie alle an⸗ 
dere, die wahren Quellen des Tigris 9°) bis auf die Nachricht, daß 
er in einer Orotte mit großem Geräufche entftche, mit Stillſchweigen 
zu übergeben und nur in Ewlia Efendi's Beichreibung „ die v. 
Hammer) mittheilt, finden wir eine nähere, noch, wie e8 fcheint, 
etwas romantisch ausgeſchmückte Notiz, die und von keinem Augen« 
zeugen beftätigt wird, aber an vie vagen Gerüchte, die auch dem 
Plinius zu Ohren gekommen fein mochten, erinnert... „Eine Tag» 
„reife nördlich von Diarbefr, beißt es vafelbft, beim Schloffe Pali(?) 
„in einer reizenden Öartengegend, Baghin genannt, quillt die erfte 
„und Hauptquelle, Schatti Baghin au Schatti Sulkarnein, 
„d. t der Bluß des Zweihörnigen (mie die Quelle bei Betlis f. 
„0b. ©. 88) genannt, nach einer islamitiſchen Sage, daß Aleranver 
„(ner jedoch nie in dieſe Gegend kam) das reinſte Waſſer zur Lin⸗ 


°ı) J. M. Kinneir Memoir on Persian empire. Lond. 4. 1813. 
b- — 336. °2) El Masudi Hist. encycl. b. Al. Sprenger. - 
ol.I. p. 257. **®) Edrisi Geogr. b. Jaubert. Tom. Il. p. 152. 
20) Abulfed, Tab. descriptio Tigridis e. capite de fluviis etc. b. 
Wüstenfeld 1. c. p.66. °®) Otter Voy. I. p. 123. **) Aftat. 
Türkei, Rec. Wien. Jahrb. B. XIII. 1821. S. 254. 


‚ 


Euphratſyſtem; biftorifcher Ruͤckblick; nach Plinius. 108 


„serung feiner Schmerzen auffuchenb, bier ſtille ſtand, da er beides 
„ar dieſer Stelle gefunden. Der zweite Duell ſpringt aus eine 
„Goͤhle des Berges Tachti Maſcha bei Arghana mit großem Ge⸗ 
„Aöje; der dritte aus einem Berge Im Thale. Ifchinarli, zwiſchen 
„Arghana und Demirfapı. Ale drei Quellen geben im vereinten 
„Strome unter der Brüde Bardendſch hindurch, und vereinen fi 
ann mit dem Strome des vierten Quells, der von Terdſchil kommt 
md Schatti Terdſchil Heißt.” — Diefer im Wellen vereinte 
Sauptarm des Tigris fol es nun jein, der von Welt die Stadt 
Diarbekr umkreiſend vorüber gegen den Oft fließt, um daun die dſt⸗ 
licheren Zigrisarme in fich aufzunehmen. 

So weit Ewlia's Erzählung, die wir zur weitern Nachforſchung 
auf jenem Boden für künftige Reiſende über die Tigrisquellen. hier 
wieberbolt haben, da unfere jüngften Beobachter dalelbſt uns andere 
intereffante Daten mittheilen. ' 

Den Btolemälfchen Namen Ihospitis ober Colchis haben 
Re aicht wieder aufgefunden, aber wol den bis dahin unbefannt ges 
bliebenen See ſelbſt, Goljik genannt (nah 3. Braut, fprid 
Sold ſchick), oder gedehnter geſprochen, Golendſchick (nach v. 
Nählbach), Gorjik Bol bei Ainsworth, der, wenn bie eine 
alt einheimifche Benennung war, wol eine DBerwandtfchaft mit dem 
Namen der anliegenden Stadt Colchis haben fünnte (Kol, Eul, 
Gut if ein Häufig vorkommendes innerafiatiſches Wort, die kleinen 
Bergfeen bezeichnend, z. B. Erdk. VI. ©: 521). Das Gebirgs⸗ 
lan», in weldiem ver Tigris, ver bier vorzugsweiſe Schatt Heißt, 
d. i. „wer Fluß,“ enifpringe, ik von dem obern Eupbratlaufe 
an drei Seiten umfchloffen, und wenn es irgendwo gebacht werben 
Ehante, Daß deſſen Waſſer fidy mit denen bed Tigris vermifchen kbun⸗ 
un, fo wire hier wol allein eine folche Localität zu vermuthen, bie 
und aber bis jeht noch unbekannt geblichen if. Es wird nämlich. 
vouſtãndig urıflofien, im Norden, im Weften’und im Süden, 
und bildet daher eine wahre rhomboedriſch geflaltete Halbinſel 
(wahrfcheinlich die Elegofine bei Plinius), die nur gegen Südoſſt 
hydrographiſch unabgefchnitten bleibt. Aber eben hier ift es, wo 
auf ihrem Iſt hmus, in einem gewiß feltfam durchfurchten Lande, 
aur.2000 ESchritt vom Euphratufer entfernt, die Hauptquellen 
des Tigris Uiegen M), deren Waſſer ſich erfi 200 Meilen abwärts 
3* bear Cuphrat end en: Der. große en 3327 duß Par. 





“e -_ 


I) Moltte Briefe aa . S. 236. 








og | 
104 WeftsAften, TIL. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 30. 


nach Ainsworth über dem Meere, alfo an 1000 Fuß 9%) hoch über 
der nörblich angrenzenden Ebene von Kharput (2395 Fuß Par. nach) 
Ainsw.) gelegen, vicht an biefem Urfprunge des Tigris, ihm nämlich 
gegen N.O., fteht, nach v. Moltke's Angabe, wenigftend in gar 
feiner von ihm bemerkten Verbindung mit deſſen Stromlaufe. Bei 
Argbana Maaden, jenem auch von Kinneir genannten Ku- 
pferbergwerke, iſt es, mo ber Tigris aus dem Gebirge heraustritt 
und gegen Diarbefr abfließt. Leider find die Refultate einer fpätern 
Ereurfion v. Moltke's von Kharput aus zu den Tigriöquellen 9) 
nicht mitgetheilt. Die Stant Kharput liegt (3870 Fuß Par. über 
dem M. nad) Ainsw., alfo über 1400 Fuß über ver Hochebene) mehr 
. al8 1000 Fuß erhaben über der fruchtreichen umgebenden Hochebene, 
darin Meſireh mit ven Zigrisquellen, die ringe von hohen Bergen 
eingefaßt iſt, und in fofern vielleicht dem Ausdruck des Plinius 
über die Tigrisquellen von der offenen Lage in einer Ebene 
entfpricht (oritur in regione Armeniae ınajoris, fonte conspicuo 
in planitie, Plin.H.N.VL31). 3. Brant,.ver das Kupferberg- 
wert Arghana Maaden, im N.W. ver Stadt Arghana auf Berg⸗ 
hdhen, in dem Tiefthale vom Tigrisarme beſpühlt, an dem die Ruine 
einer Brücke liegt, mühſam erſtieg, fand deſſen abſolute Höhe 3419 
Fuß Par. über dem Meere 20). Um von da nordwärts auf einer 
neugebahnten Milttairftraße nad Kharput zu gelangen, wußte man 
den Hauptarm dieſes Tigris überfegen, ver bier nur ein kleines Berge 
waffer bildete, aber fchon unterhalb ver Mine durch den Verein vie- 
ler andern Bergwaffer zu einem reißenden Strome angefchwollen 
fich zeigte. Nach einem fechöftündigen Ritt zum Kurdendorfe Ki⸗ 
zin erblickte man durch die Schlucht, in welcher vaffelbe liegt, den 
Golijik⸗See und dahinter über die fruchtbare Ebene voll we⸗ 
hender Kornfluren, eine der bebauteiten auf aflatiſch⸗tůrkiſchem Bo⸗ 
den, die kühler gelegene Stadt Kharput, die fich auf einem Hügel 
mit fchroffen Felswänden über diefer Hochebene erhebt, in welcher 
Meficch 3348 Fuß Par. über dem Meere gelegen if. 
| v. Mühlbach !), ver im Mai 1838 ebenfalls dieſe Gegenven 
bereiſte, ſchätzt die Lage veffelben Sees, ven tr Gölendſchik nennt 


⸗ 


ss) W. Ainsworth, Researches in Assyria etc. Lond. 1638. FR — 

20 etc, 385) cbenbe b: Br »00) J. Brant, Notes L, Ge 
— p.365 ch Hauptmann v. Mühlbach's Mfer., 

hiemit öffentlich —* been wohlwollende Mittheilaug uufete 

verbinblichen Dank fagen. 


.. 








®. 


\ 


Euphrarfoftem; hiſtoriſcher Naͤchlic; nach Plinius, 105 


(wos nur als vialertologifche Verſchiedenheit erfcheint) und mit dem 

ihm wohlbefannten Laacher See am Rhein vergleicht, auf 600 Fuß 

höher liegend als die Höhe des nahen Tigristhalee. Er Fam von 

jenem Meſtreh, gegen Süd einige Stunden reitend, zum Dorf Mol⸗ 
« lakoĩ, das von der fruchtbaren Kornflur Mefirehs nur durch einen 
fauften Gügel gefchieven ift, und von einem Bache, wahrſcheinlich 
ver Bokyderée⸗ auf v. Moltke's Karte, reich an Schilufröten, um⸗ 
fleffen, der noch zum Flußgebiet des Murad gehört. Diefer 
Begt am Fuß des Wafferfcheide, vie hier alfo zwiſchen Cuphrat 
und Tigris oder Schatt fi etwa 1000 Fuß ziemlich fleil erhebt. 
Auf ſchlãngelnden Wegen auffleigend erreiht man In 2 Stunden 
ven Göolendſchik, der einige Stunden lang und eine halbe bis 
weisiertel Stunden breit iſt und nur einen geringen Ubfluß zum 
Murapd,alfondrvlich, haben fol. Nach einerfpäter v. Mühlbach an⸗ 
geſtellten Unterfuchung, die er in Folge der jährlich zun ehmen⸗ 
den Ueberfhwemmung feines Uferlanded unternahm, Tönnte 
derfelbe mit dem Unterfchieve von nur 70 bis 80 Fuß auch nach 
einem etwa nur eine Viertelſtunde entfernt liegenden Bache ver Ti⸗ 
ssisquellen abgelafien werben. Hier jehen wir alfo, wie nabe 
dndings Cuphrat⸗ und Tigrismafjer fich legen, und daß 
wielleicht vor Zeiten irgendwo in dieſem feltfam zerriffenen Felsboden 
cine Möglichkeit der Erſcheinung eines wirklichen Zufammenlau= 
ſes beider Waſſer, wie ſie Claudius Cäſar angibt, vorhanden war, 
ebne daß wir jedoch bis jet dieſe Localitaͤt genauer nachzuweiſen im 
Stande wären. Von da überſchreitet man mehrere ſolcher Tigris⸗ 
bache zum kurdiſchen Dorfe Kidjan (obiges Kizin bei Brant), 
7 Stunden fern auf dem Abhange eines ſcharfen felfigen Thales ge⸗ 
legen, in deſſen Riſſen Ende März noch Schnee Ing. Von ba ging 
os über ſteiles, waldiges, faſt grasloſes, aber erzreiches Gebirg auf 
unfahrbaren Wegen über das ergiebige Kupferbergwerk Arghana 
Maaden, und dann zum Städtchen Arghana, 7 Stunden weit, 
Yes anf einem 600 Fuß hohen Kalkfteinrüden erbaut warb, der die 
weite, gegen Süd vorliegende, für dad Auge unbegrenzte, mit weni⸗ 
gen Felshockern beſetzte Ebene, die der Tigris von da ab durchſtrömt, 
überragt. Durch die bis dahin dorfloſe und früher auch ganz weg⸗ 
leje Hochebene der zurüdgelegten Lanpfirede von Kharput bis 
Ie — im Halſe der Cuphratpeninſul, in welche das 
dadurch wohlgeſchützteſte Türkenlager vor ber At⸗ 
gegen Mehmed Ali verlegt war, hatte Haflz Paſcha, we man 
yumor felbft zu Pferde kaum mit. großer Beſchwerde fortkommen 












106 Wefſt⸗iſien. IL Abtheilung. I. Abfchnitt, $.30, 


„Konnte, zwiſchen den Gteintrümmern hindurch einen 6 bis 8 Schritt 
breiten. von großen Steinen beſtreuten Weg bahnen Iaflen. 

Die Schwierigkeiten ver Unterfuchung ber dortigen Terrainver ⸗ 
haͤltniſſe find dadurch in dieſer Richtung hin erleichtert; münfcdend- 
werth wäre ed, zur volftänbigeren Kenntniß des von Claudius Cã- 
far angegebenen fonberbaren Umſtandes, auch noch die Thalbildun⸗ 
gen vom Gblendſchik·See, an ver Oſtſeite ber Kharputebene, norde 
ofwärts bis gegen ven Murad ermittelt zu fehen, wohin in dem 
ſehr fruchtbaren Thale von Arcyur eine beveutenne Einfenfung 
zu dieſem Fluſſe zu gehen fcheint, im welcher bei Anſchwellung des 
Murad doc; vieleicht deſſen Waſſer bis zu einer ver dortigen Al⸗ 
grisquellen vordringen und jenes Zufammentreffen beiver Stroms 
waſſer veranlaffen fönnte: Der Murad braufet oberhalb zwiſchen hohen 
bewalseten Bergufeen, dann zwifcgen fenkrechten prachtvollen Steine 
wänben über Selötrümmer hin 2); von Palu an tritt er in eine 
ebenere Gegend, und flleft zwar noch ſchnell, aber ruhiger dahin. 
Eine fhöne Gehirgägruppe, ver Moftar Dagh, erhebt ſich an fee 
nem linken Ufer, und jenfeit deſſelben breitet fi die weite, herzliche 
Ebene von Kharput auf bem linken Ufer aus. Der Murap 
wendet fi) aber von ihr wieder ab umd tritt abermals in das hohe 
Gebirg des Taurus ein und erreicht den Südrand berfelben Ebene 
(auf der rhomboedriſchen Euphratpeninful), doch nun fchon ald rat 
und Murad vereint, alfo alßs Cuphrat, erft auf einem Ummege 
von 40 Meilen. Am oben Mu rad bemerkte auch v. Mühlbach, 
daß dieſer oberhalb des Ortes in feinen engen Ufern und Felswän-⸗ 
den ven Character eined eigentlichen Gebirgs fluſſes habe, 
daß unmittelbar abwärts dieſe Formen fi mildern. Der Strom 
wird breiter, theilt ſich In mehrere Arne, vie Uferhöhen treten wei⸗ 
tes zurüd, werben niedriger, dad Gefälle gemäßigter; die Riffe, Un« 
tiefen, Belöbänte, welche dem Strome. oberhalb Palu einen treppen⸗ 
artigen Lauf geben, find nun meit feltner. Im allgemeinen ſchei⸗ 
nen die Höhen bed rechten ober nördlichen Murapslifers 
(gegen die Plateaufeite Armeniens Hin) höher als vie der lin ken 
Seite zu jein, obwol eben dieſe die Wafferfcheide zwiſchen Cu⸗ 
yhrat und Tigris bildet, jene aber innerhalb des Cuphratgebietes 
Liegt. Auf dem zechten Ufer fcheint ver Gebirgszug bis weit gen 
gen Weft Hin zum Anſchluß an ven Antitaurus nur eine einzige 
Lücke zu haben, nämlich in ver geringen Unterbrechung, durch weiche 


9) v. Moltle Briefe S. 291. 


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Eupbratfoftem; hiſtoriſcher RAdblid; nach Grrabe, 107 


vr Enphratarm von Erzerum zum Murad tritt. Auf vem lin» 

Ita Ufer des Munad dagegen iſt es anders; ba Öffnet ſich 8 Stun⸗ 
| Ya abwärts Palu, ſogleich Hinter der ſchönen Gebirgsgruppe des 
Möoſtar Dagh, eine bei dem Dorfe Archur zum Murad ausmün⸗ 
vende 7 bis 8 Stunden weite ſehr fruchtbare Thalſenkung, die 
a W.S. W. von der Nordſeite des Goͤlendſchik kommt, und im 
Diien von Kharput mit ihrem ſchlängelnden Fluſſe (wahrſcheinlich 
ver eben genannte Bokydere, mit einem ſchwachen Ausfluffe jenes 
Gerd) eine faſt 14 Stunden breite Unterbrechung im Bergufer ober⸗ 
helb Archur macht. Dicht unterhalb derfelben tritt ver Murad wie 
ver in die Berg⸗ und Felswand ein, die ſich nach der Felsſtadt und 
vom Bergcafiell von Kharput 5 Stunden weit erftredkt, und in gro« 
fen Bogen ben Euphrat weiter abwärts begleitet. 

Hiemit glauben wir die wenigſtens wahrfcheinlichfte Loralität 
einer einfligen, vielleicht zumeilen bei hohen anfchwellenden Euphrat- 
weſſern entſtehenden natürlihen Communicationslinie zwi- 

‚ fen dem Murad und den Tigrisquellen, die demnach keineswegs 
ganz uumöglich zu fein fcheint, vielleicht vermittelft uns noch. wenie 
ger bekannten Orottengänge, wie fie im Kalkſteinboden fo häufig 
Rh zeigen, zu Fünftiger genauerer Erforfhung nachgemwiefen zu has . 
ben, uw den Berichten bei: Plinius und andern die nächfte 
Beranlafjung gegeben haben möchten. | 


4) Strabo über das Ganalland des Euphrat und feine 
Anfhwellungen. 


Nachdem Strabo fich vorzüglich im elften Buche jeiner Erd- 
beſchreibung In der Landfchaft Armenien mit ven Duellfirömen des 
Euphrat und Tigris befchäftige Hat, geht ex im ſechszehnten zu 
we Beſchreibung ihres Stromgebieted in Aſſyrien, Mefopota= 
nien und Babylonien über, wohin wir ihn bier nody einmal zu 
Segleiten Haben, um das, was wir jeiner Uinterfuchung verdanken, 
nicht für die Kortbildung der Wiſſenſchaft in der Gegenwart verlo⸗ 
son gehen zu laſſen. 

Die durch Vernadhläffigung im Texte fchwierige Stelle im An⸗ 
fung feiner Beſchreibung von dem, was er unter dem genannten 
Namen zufauumienfaßte (Strabo XVI. 736), hat im Einzelnen wol 
um hinzeihend: Grflärung 9 ‚gefunden, worauf wir bier zum 


9 Strahon trad. franę. p.Letrone, Paris 1820. T. V. p. 153 eto.; 
Raoul Rochetio Rec. In Journ. d. savans, 1820. pag. 694 etc.; \ 
Großkard Ücherf. des Strabe Th. III. ©. 208, Note. * 








108 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.30. u 


Verſtändniß des Autors verweilen innen. Der Gegenſtand felbft 5 
gewinnt dabel an Nufflärung nur wenig, etwa bie beflimmte Kermmt« ., 
niß des bei den griechiſchen Autoren herkönmlich gewordenen Ger „ 
brauchs, alle jene Volker und Länver ded aſſyriſch - babyloniſchen 
Neiches vom Perfer-Meere, am Stromſyſteme aufwärts, bis zu dem 
Golf von Iſſus und Gilicien hin, mit dem Namen der Aſ⸗ x 
ſyrier und Affyria zu belegen, wofür auch Syria, Syren, | 
für alle Völker aramaiſchen Stammes, wie ſelbſt für die Araber 
zunächft jenfelt des Euphrat und die Rappabofen, bie noch eine fye .: 
riſche Sprache rebeten, oft gleichbedeutend gebraucht ward. Mit Fi 
Aturia, Atyria, im engern Sinne ward. jevod auch insbeſondre | 

ı 

ı 





die Landſchaft am Tigris um Ninive und Arbela bezeichnet, wenn 

ſchon Dio Eafflus (Lib. 68,26; R. 1141. 19. ed. Sturz. Vol. IV. 

und VI. p. 632 not.) etgmologif erklärt, daß nur die Verwecht- - 
lung bed s und t bei den Barbaren bie Urfache der Eorruption des 
Namens von Aſſyria in Atyria gewefen fe. 

Der Berflörung ber ſyriſchen, b. 1. affyrifchen Monarchie, ſagt 
Strabo, folgte unmittelbar die Zerfldrung der Stadt Ninos ober 
Rintve, die in ber Ebene von Atyria lag (XVI. 737); von ihren 
Ruinen wird bei Moful weiter unten vie Rede fein; dann geht er 
zu ber Beichreibung von Babylon und Seleucha über, wovon 
fon oben das hieher Gehörige mitgetheilt ift. Nach Angabe der N 
Eapitalen kehrt Strabo zu feinen Bemerkungen über dad Stromfg- 
ſtem zurüd, die wir noch ald weitere Ausführung zu dem, mas 
ſchon früher barüber berichtet wurbe, hinzuzufügen haben. * 

„Das babyloniſche Land wird von verſchiedenen Flüſſen bemäf- * 
fest, darunter Cuphrat und Tigris nach ben indiſchen die größten r 
„m ſüdlichen Aften find. Der Tigris wird aufwärts 66 zum N 
Marktorte Opis und bis zus Stabt Seleuca, der Euphrat bis Ba- \ 
„bylon beſchifft (f. oben S.34). Wlerander, der alle Hemmungen \ 

\ 
\ 


„biefer Schiffahrt bis nach Opis zerflören ließ, forgte auch für die 
nGanäle (Strabo XVI. 740).“ 

„Denn“, fährt Strabo In feiner Hydrographie des Euphrate 
laufes fort, ‚die ald ein weiter außgeführter Gommentar zu dem er ' 
ſcheint, waß' die Geſchichtſchreiber Alexander darüber gefagt at, \ 
und waß wir aud dem Arrian ſchon oben angeführt haben, „mit 
dem Frühlinge ſchon, wenn die Schneemaffen Armenien ſchmei- 
gen, beginnt der Cuphrat anzuſchwellen, gegen ven Anfang des 
„Sommers aber überſchwemmt er (vergl. Plin. V. 21: increscit 

. autem et ipse Nili modo statis diebus, pauluni differens, ac Me- 





n 


ſtem; hiftorifcher Ruͤckblick; nach Strabo. 109 


inundat, sole obtinente vicesimam partem cancri: 
it in virgine et leone transgresso. In totum vero 
icesima,pona parte 'virginis). „Dann würbe er vie 
ſch n und verſumpfen, wenn man ven Waſſerüber⸗ 
wie beim NU, in Ganäle ablenkte. Das hat die Ca⸗ 
endig gemacht, vie aber großer Nachhülfe bepürfen. Denn 
tief, weich und nachgiebig, fo daß fle von dem Strom⸗ 
t weggefchwenmt wird und bie Ebenen entbloͤßt, bie 
z fült, und der Schlamm bald ihre Mündungen ver- 
nn erfolgen von neuem gegen bie Xänbereien am Meere 
hwemmungen, Seen, Sümpfe, die fi mit Schilfmäl- 
m, aus denen vielerlei Geräthichaften geflochten werben, 
man fie mit Erbpech überzieht, zu waffervichten Fahr⸗ 
ıen fönnen, denen man auch Segel aus Schilfmatten 









Ueberſchwemmungen gänzlich zu verhindern iſt wol 
ich; aber das mögliche zu thun, um ihnen vorzubeugen, 
icht der Regierungen. Dieſe Hülfe befteht aber darin, 
arfer Seltenerguß durch Cindämmung, die Ausfüllung 
mm dagegen durch Reinigung ber Ganäle und durch 
ag ihrer Mündungen verhindert werde. Diefes iſt leicht, 
die Eindämmung, if fchwierig und bevarf vieler Bände, 
Ere ausweichende Boden den dämmenden Schutt nicht 
vie Berftopfung hindert. Die größte Eile iſt dabei noth- 
a die Canaͤle ſchnell zu fchließen, bevor fich alles Waſſer 
'!ann. Denn bei fparfamen Waſſer in der Sonmnerzeit 
der Strom feicht, und wenn er einmal erichöpft iſt, kann 
nenn es am meiftlen Noth thut, vem von der Sonnen 
glühten und verbrannten Lande dad zur Befruchtung 
ye Waſſer nicht mehr Tiefen. Ob dann bie Feldfrüchte 
zmaaß der Wafler erjaufen oder durch Dürre umkom⸗ 
leich ververblih. Auch vie Beichiffung, von beiden Ver⸗ 
abhängig, kann nicht beſtehen, wenn nicht durch fchnelle 
‚. und Deffnung das Waſſer ver Candle in einer Mittel 
ten wird, um dem Weberfließen wie dem Berfeichten zu 


mm oben war es, was Mleranber bei feiner Arbeit am . 
(f. oben S. 41) beabfichtigte, wie Strabo, dem Berichte 
uns folgend, nachzumweifen bemüht if. „Alexander, 
trabo XVI. 741), bemerkte an einem Ganale (er nennt 


110 Weft-Afien. II. Abtheilung. 1. Abſchnitt. . 30. 


nie nicht mit Namen), der ſich vorzüglich zegen ‚bie Seen ynb 
„Gümpfe Arabiens wandte, daß ſeine Mündung zum Cuphrat we 
„gen feines weichen Bodens fo ſchwer zu war. Deshalb 
„öffnete er. einen andern Canal, etwa 30 Sffbien lang, keine wolle ı 
„Delle, im durch fehlen, feligen Boden führend, und wandte ſo 
„sie Waffer nach jener Seite: je Arbeiten hatten zugleich noch 
„ven andern Zwed, daß Arabien, ivegen, ber Waſſermenge ſchon in⸗ 
„ſelaͤhnlich, durch die Seen und Sümpfe nicht vdllig unzugänglich 
gemacht ‚würde: deun er Hatte dieſes Land zu erobern ben Wlan 
aefaßt." B 

. Wenn Strabo in biefer Iegtern Angabe um wol etwas über 
triebene Borftellungen zeigt, fo folgt er darin dem Eratoſthenes, deſ⸗ 
fen mangelhafter Erkenntniß jener Gegenden man auch noch vie fol⸗ 
gende Stelle von dem unterirdiſchen Zuſammenhange ved Cuphrat ⸗ 
Taufe zu Gute Halten muß, eine Vorſtellung, die bei dem. häufigen 
wirflichen Vorkommen folder Erfchemungen auf dem Boden Grie⸗ 
chenlands durch bie theoretifche Anficht des Ariſtoteles (Meteorol 
Lib. I. c.13) unter feine Zeitgenoſſen eine zu verallgemeinerte Ane 
wendung gewonnen zu haben fcheint, gegen meldhe aber ſchon Strabo 
feine befcheivenen Bweifel mit Recht ausſprach. Eratofthenes, ver 
die Seen in ber Nähe Arabiens fannte, fagte (Strabo XVI. 741), 
daß dieſe Waſſer, venen ver Abfluß fehle, ſich unterirdiſche Ausgänge 
eröffnet Hätten, bis zu ben Cdleſyriern. Dort bringe. ed wieder in 
ven Gegenven um Rhinpfolura (EI Ariſh) und. ven Berg. Kaflon 
(Mons Casius) hervor und bilde die bortigen Seen und Barathra 
oder Wafferfchlünde. Ich zweifle, fügt Strabo Hinzu, daß es glaube 
Tiches geſprochen; denn jene, bie Sem und Sämpfe bei Arabia bil 
denden Ergießungen bed Cuphrates, find dem Perſermeete benachbart, 
und ber Zwiſchenraum weder breit noch felflg, fo daß viel wahr ⸗ 
ſcheinlichet fich das, Waffer von biefer Seite her ven Ausgang bla 
an bad Meer bahnen wird, fi es unterhalb der Erbe ober oberhalb, 
viel eher, als daß es 6000 Stabien (150 geogr. Meilen) weit einem 
fo wafferlofen und ausgebörrten Weg zurücklegen ſollte, in beffen 
Mitte felbft noch Bergketten, wie Libanon und Antilibanen und- Gar 

‚ Mus, ausgebreitet liegen. Bel dieſer Verichtigung des Gratofhenes 
hat jedoch Strabo,- mie fon Letronne *) bemerkt, ſelbſt einen 
großen Irrthum begangen, indem er den Mons Casius bei Antiochia 





“) Strabon trad. franc. T. V. p. 177, not.; vergl. Großferd Gtrab. 
Uebgf. Tg. III. ©.217, Rote 3. 





Euphratſhſtem; hiſtoriſcher Ruͤckblick; nach Strabo. 111 


in Rorbfgrlen mit veni Mons Casius an ber forifchen: Grenze Ae⸗ 

sopten® vermechfelee, wodurch jedoch Die Widerlegung ver Oypothefe 
gar SE tens Beränverung erleidet, denn nach ber einen wie nach der 
audern Richtung iſt beides völlig undenkbar. 

Nachdem Strabo- nie bloß theoretiſchen Behauptungen des Po⸗ 
Vitus, Daß ver Cuphrat gar keine Waſſeranfchwellungen wegen zu 
großen Abſtandes vom Gebirge babe, und weil vie vordern Berge, 
nämlich die füblicheren gegen ven Tigris, zu niebrig würben, um 
viel Schnee zu tragen, widerlegt bat, fügt er eine Fehr gehalt⸗ 
reihe Bemerkung binzu, mit meldher wir das Wefentliche feiner 
Mittheilungen über dies Stromſyſtem fchließen können, va alles 
übrige nur topogtaphiſche Merkwürdigkeiten betrifft, die fpäter, in 
den zugehörigen Localitäten ihre Stelle finden werden. „Allerdings, 
„jagt Strabo, ſteigen die Quellgebirge (Strabo XVI. 742) des Eu- 
ꝓphrat gegen Norden Höher auf, aber nicht blos dies, ſondern fie 
ewinnen auch an Umfang und Ausdehnung; gegen ven Süden 
„ernledern fie fih. Uebrigens hängt vie Menge des Schnes nicht 
„blos von ihrer Höhe ab, fondern auch von ihrer nörblichen Lage 
„und ihrem Abdachungen (Toig xAlgagı, d. i. pen Seitenlagen, Schat⸗ 
„tenfeiten und Sonnenſeiten der Berge). Derſelbe Berg wird auf 
„nem Nordgehänge mehr befchneit als auf dem füblichen, unb jeneß 
„sewahrt ven Schnee längere Zeit als vieſes. Der Tigris alfo, wel⸗ 
‚ger aus kan fünlichfien und von Babylonien wenig entfernten Ge 
„sirgshähen Armeniens das Schneewaſſer, deſſen auf der Süpfelte 
Aherhaupt nicht viel iſt, empfängt, wird weniger überfchwenmen. 
„Der Eupbrat hingegen empfängt die Waller von beiden Seiten 
‚umo nicht blos aus Einem Gebirgszuge (vie der Tigris aus Nie 
Aheates ‚und Gordyene), ſondern aus vielen, wie dies in obiger Be⸗ 
Aqhteibung gezeigt iſt, wo er das große wie das kleine Armenien 
‚is fo langem Laufe durchzieht, und vann noch aus Klein⸗Armenia 
„sub Kappadokia den Taurus durchbrechen muß, um nach Thap⸗ 
aus ſtrõmend das untere Syrien von Meſopotamien zu. Icheiven, 
ue daun Babyionien und die Meeresmündung zu erreichen, was 
eime Siromlänge son 36,000 Stadien ausmadht.” — Die 
egsaphiicde Meile zu 40 Stadien gesechnet, würbe dies eine 
Unge von 900 geogr. Meilen machen, die wenigftens das Doppelte 
der wahren Stromlänge geben würde; daher wol das Kleine Sta- 
Sum zu rechnen, —— etwa die Hälfte der Länge geben möchte, ° 
bie —8 und) immer zu groß iſt 

Bertrefflich dat Strabo Hier ven weſen tlich verſchiede⸗ 








112 Weft-Aſien. M. Abteilung. 1. Abfhnitt. $..30. 


nen hydrographiſchen Charaſeter beiner Gtromläufe aufge 
faßt, aber ohne daß die Großartigkeit dieſer Anfchauung von den 
fpätern Geographen beachtet und für die Wiſſenſchaft fruchtbar ges 
macht worben wäre. Wir fehen darin die erfte Erwähnung ber 
beiden ganz verſchiedenen Claſſen von Strombildungen, bie wir 
durchbrechende und blos ablaufende Stromfpfteme, over 
Hintere und vorbere in Beziehung auf Ihre Geſammtentwicklung 
zu ben Gebirgsſyſtemen genannt haben, und wozu ver Indus zu 
jenem, ver Ganges zu dieſem bie entfprechende Analogie in ihren 
Verhãltniſſen barbieten. 


5) Kaiſer Trajans Feldzug am Euphrat 15-117 nach 
Chr. Geb.). 


Saft einzig nur, wie oben gefagt, ven Kriegkgeſchichten des Al-⸗ 
terthums wird der dortſchritt der geographiſchen Kenntniß jener 
Landſchaften von dem armeniſchen Ouellgebiete bis zum ſuſianiſchen 
Mündangslande am Perfergolfe verdankt, und diefe wurben felt der 
Auflöfung des großen vorderaſiatiſchen Reiches der Seleuciden durch 
die mehrere Jahrhunderte dauernde Nebenbuhlerſchaft ver Römer 
und Partherherrfchaft um das zerfallene Beſitzthum der Geleuchden 
berbeigeführt, 

Mit dem Verluſte von Asia minor ober ber Weflhälfte un⸗ 
ter Antiochus II. an die Römer, deren polktifche® Uebergewicht num 
auch auf die Eultur diefed Landes und feiner Bewohner einen fo 
entſchiedenen Einfluß gewinnen konnte, ver ſich bis heute in feinen 
reichhaltigen Dentmalen Kleinaſiens nachweiſen laͤßt, mußte das ſy⸗ 
riſche Reich, vie Oſthälfte, dagegen in ein blos orientali« 
ſches zurüchfinten, obgleich auch Gier griechiſche Anfleolung, griech- 
ſche Sprache, griechifcher Gottercult und Sitte, ja felbft Stäptener- 
faflung und beilenifcherepublifanifche Ginrichtungen feit Alexanders 
Zeit ihm noch immer das Außfehen eines europälfch gewordenen gas 
ben. Im Guphratgebtet concentrirte ſich allerdings der Mittelpunct 
dieſer wie im Weften, fo bald auch im Oſten durch den Abfall von 
Indien und Baftrien mehr und mehr befägränften Monatchie, bie 
noch unter Antiohus vom Indus und Orus bis an daB ägäiſche 
Meer gereicht hatte. Bald Fehrte auch die ſchlechte aſiatiſche Ver⸗ 
waltungemelfe, bie Geldnoth, das Zerwürfniß der Herrfcherfamilie, 
die orientaliſche Wilfähe der Minifiergewaht in biefe Enphratgebiete 
ein, die, auf der einen Seite von Barthern und Armeniern, 
auf der andern von Arabern, Juben und ſyriſchen Empdrern 





Euphratſuſtem; hiſtor. Xuͤcblick; Trajans Feldzug. 113 


vielfach gedrangt, laͤngſt in Ohnmacht verſunken waren, ala die Ro⸗ 
mer nun auch ben Taurus überſchritten und den Cuphrat nicht 
mehr wie anfänglich alg. ven Grenzſt rom des Reichs der „Römer 
und ver Parther gelten laſſen wollten. _ - 
Di Mithridatiſchen Kriege führten, bie römifchen Leglonen un⸗ 
ver Lucullus Commando, der im Koͤnigreiche am Pontus die zuge⸗ 
horigen Reſtdenzen Comana, Amiſus, Sinope erobert und ſich Klein- 
Armenien am Cuphrat unterworfen hatte, zuerſt in das obere 
Guphrat- und Tigriögebiet, weil zu Tigranes, dem bamals 
noch mächtigen Könige von Armenien, ver aus dem Felde geſchla⸗ 
gene Mithridates geflohen war und Schutz geſucht Hatte. Dur, 
Buculls Eroberung. der neuen Golonifation Tigranocerta's und 
Die gewonnene Schlacht gegen Tigraned auf ber Moſhiſchen⸗ Hoch⸗ 
ebene am Arſanias, durch ſeine Belagerung der armeniſchen Koniga· 
reſidenz Artarata am Aras (ſ. oben S. 99) und, durch die Em⸗ 
pirung ſeiner Legionen über die Beſchwerden der Veldzüge in ſo 
rauhem, unwegſamen armeniſchen Hochlande kamen dis erſten geo⸗ 
graphifchen. Kenntniſſe dieſer bis dahin unbekannt gebliebenen. kand⸗ 
ſchaften durch Augenzeugen nach dem Occident. 
Als Pompejus M., des Lucullus Nachfolger, den Küng yon 
Pantus, Mithridates m, zum zweiten male aud dem Felde ge» 
ſchlagen und ven Slüchtigen, ber über ven Euphrat und. Baucafuß 
zur Tautica Gherfonefus entflohen war, bis gegen: Artarala ver⸗ 
felgt Hatte, Ich er wol ein, daß Broß- Armenien ſchwer zu bes 





er ee 


Red demfeiben Könige: T igranes gegen Srihuszahlung, em — 
Lacull feine ihm früher zugehoͤrigen Provinzen von. Klein 
menien: Sophene am. obern- Euphrat und, Tigrif,. wie a 

Istien, Cilicien, Phönicen und Syrien” ſchon entzijjen .} waren und 
auch von feiner Herrſchaft getrennt blieben, 

Diefe. an die Rdmer foͤrmlich abgetretenen Bopringen eihieften 
Beimese, jedoch meiſt nur temporair herrſchende Bürften, die, non den 
** Belbheren cingefegt und, beftäligt, au der Mönzerguenge bje 
ber großen Herrſchaften hrachen je ‚rn ‚denk. benachbgrft 

mehr als jene gezuͤgelt werben fonnten. So hatten. Cp- 
7 am wefllichen Guphratufer, Chalc ‚nähe, pen hrutigen 
Alepyo, Epeffa zu: Orfa eigene Dynaften er alten, von denen bie 
ſch⸗ ſyriſche Stadt 30 unter — DA "deB 
eu Ihn Düchneiie uber Orrhöcne,, ſchon I fiber Pori- 
jeit, ſeit 146 * Chr. Geb. ſelbſtanvig, auf (ana: eis Jahrhun⸗ 













114 Wefichiſien. II. Abiheiinng. I. Abſchnitt. * 
verte hinaus, ja ſogar bis An Ha Mittelalter der Mreuggäge, ' 
Eriſtenz 5), wenn fehon mit: mancherlel Wechſeln, behaupten . 
vbern Mefopotamlen, zwiſchen dene Cuphrat und Tigris, am Ueber⸗ 
gange vom Gebirgslande Armenientz zur Cbene Miefopbtatnlend, im 
ver Gegend ded heutigen Urfa ober Drfa lvon Orrhoa verſtüm · 
welt) ©), war die Stellung auf bem Grenzgebiete der parthiſchen 
wie der romiſchen Hetrſchaften der Met, daß die Politik dieſes klei⸗ 
nen Staates es erforderte, ed mit einem ber mächtigen Nachbarn 
gu verberben, wodurch eben bei kluger Leitung bie laͤngere Selbſt- 
erhaltung durch die melſten der borlibergehenen. Wechſel möglich 
Wurde.Die Geriſchaft dieſes vodthoeniſchen Reiches, eine der vielen 
uf ſhriſch⸗ aſla tiſcheni Boden Älteren eigenthümmlichen ulacedoniſchen 
Colonifationen anfãnglich auch Autiochla genannt (Plin. V. 21: 
Edessa quae 'gnondam Antiochia’ dieebatur, Callirrho& a fonte 
ominata), mit’ fortvauernben Ariftofratien, mit BVürgerfteißelt und 
"gricdgifäem Leben, unter eigenen Fürften, warb nicht immer vom 
Water ® auf im Ebtn fortgeerbt. Die Angeſehenen, deren Abſtam ⸗ 
’ mung unbekannt geblieben, wählten ſich aus den benachbarten Wbl« 
tern immer einen Mann an bie“ Sride hrer Republik, um fle ge= 
Bi af: —— fu ſchuͤden, wie gegen die übeln ‚Folgen einer 
ober Anarchie ohne fih'mächtig zu fen, bie“ beſtehewen 
ah Ynmätiftopen. Sn folther Konigbrelhe der flebenit · war 
er har Abgar, der’ in Tigraner Herre gegen Lrientk dieute, 
‘der: ſohlelch als die Rhmer die Sleger geworden, nach Brieitaßen 
Art auf derer Seife getreten und imit Ihnen in Verbinduntz geblue· 
Ven wit: Diaſelbe wär e8, der nz veram cuch dem Monheins 
"Arie ag’ aglt mb ihn duic Gäßarruben Dienfte Teihete. 
ESy wutdot · die localen Inteteſſen der verſchledenſten Bewohner 
vei ennbrneififihen? Landfchaften Inniet mehr und mehr In vie wo⸗ 
Titjt. ihrer beiden großen Rachbatrelche verwidelt, denn asiih- aibere 
"Widder h ere Dynuſten, veren Entſtehungegeſchichten uns über meift, wie 
‚Die Untkigin — wenig bekannt wurden, tie arabiſche Wmire, 
8 N efüheten "A Bonbart vom Gira, -bie dorften 
San {at "Säakr) Hrio 'unbete, wie le Stabtrepubfkten geisthi- 
ſcer aa malen· aberall "if bein @tehggebieten beider: unit 
er Rigung: hervor⸗ mb ‚ihren Yiralm auch. mehr 

















67 


re 





Euphratſyſtem; hiſtor. Ruͤdblick; Trajane Felbyug. 245 


wa mehr In die Specialgeographie jener, Eegenden ein. Vor allen 
mußte Armenien, von Ärger als ein mächtigen, daß. meſopotami⸗ 
ſche Flachland dominirendes Hochgebirgsland, mit den wenigen Paß⸗ 
ciagãngen und ven Gaupt- Duelfizdmen, Hierauf von Einfluß fein, 
daher auch dieſes Land durch alle folgende Jahrhunderte ver große 
Zummelplag und das Schlachtfeld. oder die zu erflürmenne Völker⸗ 
burg zwiſchen ven firsitennen Weltmächten im Welten. und-O fen 
wer. und blieb. "Aus Groß und Klein- Armenien. beſtehend 7) 
und meift zuvor von geſonderten Königen aus:-werfeblenenen. Fami⸗ 
len beherrſcht, his des. Mithridates Magnus. Schwiegerſohn, Tigra⸗ 
web, auf kurze Zeit beide Konigreiche vereinigte, wurden dieſe durch 
de zämsifche. Poliul in der Tolgezeit Immer wieder getrennt, um je⸗ 
dem lisbergewicht ver. Macht dort zuvorzukammen: Pompeius, 
im Srieden mit Tigranes, ſonderte beine zwiſchen Vater und Sohn; 
Yuguftus riß Klein⸗Armenien durch Schenkung anu Pharner⸗es, 
ven König Kappadociens, von dem ſehr geſchwächten Groß⸗Arme⸗ 
wien ab, vefien ambitiöfe Parteien dagegen, mehr unter den Eine 
Anh ver parthifchen Könige geftellt, bald um vie Protection her Pay 
(ger, bald um die ver Römer. pur Einfegung ihren ſchon zu halben 
Vaſallen — Fürſten buhlten, fo daf rin lange Reiha yon 


werıken * Unser Kalfer Nerv. hatte der Porther⸗ Konig 
BSologefes J. den Armeniern ſeinen Bruder Aridatet zum Ko⸗ 
nige.anfgessungen, er. nad) manchen Kämpfen, ‚in denen. Corbulo, 
BB. Kacıtus Pieblingähel, fo. firgseich auftrat, auf, veifen„Wetrieb 
weisen Nere in: Rom feine Krone echielt, ‚mel ex, ihm, icin Kb⸗ 
u als ramiſches KHehen zugeſtand. Unter. Kaiſer Do mike 
Han war eb Üzebarus, ein von Barthern Beihüpter, den Kalfer 
Zrajam aber nicht :916, König anerkannte und deshalb den Par⸗ 
qectigig Oarhoes over Chosroes (es iſt Narſes J.xctg. von 
298-120 nmach Chr. Geb.) 9) aufforderte, ſeine Truppen. aus Ax⸗ 
zudem guräfzuglehen · und jenen feinen. € zu üborlaſſen. 
Be inne 006, vömifägen ieichs hielt ver ſolze Römer durch ‚die 
Pi Parthers ‚gerlegt und rüftste fich, da nicht ſogleich 

geboten wurde, zum Kriege gegan den Orlent. Da 
an vwnrkuch ein Romerheer zum Aufbruch Jam das Khoroes alle 















2: Bi) Richter, 
| fie ii: — ende. znb Safanfıcı Dir 
s. S. 140.. Zr .5. 

5 2 


a. 
sig 1 





"E16. WepsAfiens: TIL. Abtheilung. I. Abfchnitt. 5.30, 


urſache zu fürchten’ Haite, ſchicte er dem Trajan bis Athen 9) feine 
Beſandten mit Freundſchaftsverſicherungen, mit zeichen Geſchenken 
und der Bitte entgegen, einem anbern Sohn des Pakorus, dem parte 
thiſchen Prinzen Parthamaſiris die Krone von Armenien und feinen 
Beiſtand zu verleihen. Die Geſchenle nahm Trojan nicht an und 
ließ dem Partherfönige antworten: „Freundſchaft bewährte fi durch 
Waten, nicht dutch Worte” Seinen Marſch fepte Trajan’ (bet 
ber unfichern Chrönslogie am wahrſcheilichfien ii den Jahren 114 
bie 117 n. Gr. Geb) durch Klein-Aflen: bis Antiochia An Eyrien 
fort, wo vor ihm mit reichen Geſchenken vie mefopotamifchen Ge- 
ſandten jenes Abgarus (Adyagos; d. der Titel) von Ds- 
r hoen a #fälenen, der fein: Meines Königteich erft für ſchwerrð⸗Geld 
vom: vorigen Partfeefönige Vakorns ertauft hatte, und ed, durch 
feine Lage dazu gendthigt, weber mit Chostoes noch mit Trajan, 
Beide fürdhtend, verderben wollte. Trajan ruͤckte indeß, nachdem 
fi von einem fürchtbaren Erdbeben, das ihn In Antlochia ge- 
troffen, erholt Hatte, ohne Widerſtand (im I. 115 n. Chr. G.) mit 
feinen Legionen bis Thapſacus, Beugma und Samofata (Dib 
Cass. Hist.: Rom. Lib. LXVIII. Trajanus 19) am Cuphrat vot, 
Ye ſich bhne Erſtütmung Ihm ergaben; und ohne fich durch "Bär- 
ihamaſiris heuchleriſche Botſchaften im geringſten aufhalten zu laf⸗ 
Sen, drang et aim Euphrat immer welter aufwärts, buray KR Ar« 
nlens PEHE; über Satala (1à Zarara bei Die! Eaff,, die Lage 
iſt udoch unbekannt) 29) vor, bis Elegla ("Eityad sic Möpenlag 
bel Dio Caſſ., wobeide mal daſſelbe gemeint iſt und keineswegs 
verſchledene wie Mannert 12) meint, bad Ih Süden von Melitene, 
Aahe den’ Euphratcataracten gelegene, und das viel ndrofegerd nahe 
den Cuphratquellen), das nahe ben Cuphratquellen und dem heuti⸗ 
gen Erferum ti Wi noch im Ramen zu Jlija fortdauett. Dieb» 
Yin, ine ‘Gerz von Hoch· Armenien, von Armenia magna; ivo er 
Andhialue, ben: kleinen Gebirgekonig ber Machelonen und Senlocher 
ves pontifchen Grentgebirges (Korar), der fi ihm freiwillig unter- 
worfen, wie alle Neguli von Armenla ſehr huldreich Ale 
bfing, hatie Krafdn:den von Parthern eingefepten König Gtoß- 
Armenkens; Partfiemafirie, der ſich ſelbſt In feinem Schretben 
in Zeilen Fo'ttuik: halte, zur Audienz beſchieden. Er erſchien im 


Bye £ Dr. Brandt ui yelanate Zu Ttajaus und feiner Zeitgenofin, 
men ——— . 818. En VE E20 


Euphratſyſtem; hitor. XRudblick; Itejans Feldzug. 117 


Lager vor Trajan, er legte auf die Stufen’ des Thrones zu deſſen 
Füßen feine Eönigliche Tiara (mie einft Tiripates vor Nero gethan) 
nieger, in der Erwartung des Wiederempfangs aus ver Kaiſerhaud. 
Das Hömerbeer erhob aber, da es den gevemüthigten Barbaren⸗ 
König von der Krone entblößt da flehen fah, das wilde Jubelgefchret, 
ben Kaiſer mit dem Titel ald Imperator und Armeniacus begrüßend. 
fo gewaltig, daß der erſchreckte Partherfönig die Flucht ergriff. Von 
den Soldaten bald fefgehalten und vorgeführt, erklärte er nun mit. 
Freimuth, daß er kein. Kriegägefangner, kein Beflegter ſei, ſondern 
freiwillig ſich hierher verfügt Habe, in der Erwartung, mar werde 
feine Königswürde beflätigen. Trajans Antwort war: „er werke: 
„Armenien Niemand ald Königreich geben, fonvern zur römifchen 
„Brovinz machen; ihm perſonlich gebe er die Sreiheit.” Go die 
Erzählung des Die Cafſius. Die Duellgebiete des Cuphrat und: 
Tigris wurben fo in eine Provinz des römiſchen Reichs ver⸗ 
wandelt, und Das Gebot ging aus, daß jeder Armenier in feiner 
Seimath verbleibe. Der Hartgetäufchte und verſtoßene Parthama⸗ 
ſtris empoͤrt, ergreift die Waffen und fällt in dem erſten Gefechte. 
Run fiel dem Sieger ohne Schwertftreich . auch) das ganze Asia 
extra Taurum zu, ober die vier kleinern norbifchen an Armenien 
angrenzenden Königreiche Kolchis, Iberien, Albanien und 
Sarmatica afiatica, fo daß feine Verbindung bid zum Sauro⸗ 
mates II., dem König am fimmerlichen Bosporus, reichte, Doch nur. 
fo lange, als Romerheere dort fanden ; das konnte nicht Tange fein. 
Die armeniſchen Städte und Zeiten erhielten zwar ihre römi- 
fe Garniſonen, aber Trajan wandte fich, nun ſüdwärts mit’ ſei⸗ 
ner Macht nach Mefopotamien, wo er in Kurzem gleiche Triumphe 
davon srug. Sein Mari führte ihn zunächft nah Edeſſa (Orfa), 
beifen König Ubgarus (Dio Cass. LXVII. 21), ver ihm mol- 
ter Geſandte und Gaben geſchickt, aber nie felbft Ihn aufgefucht, 
Batte, ihm Hier perjdnlich entgegen Fam und 250 Pferde mit Rü⸗ 
kungen uun 60000 Pfeilen als Befchenke entgegen trug. Für biele 
Demütbigung erhielt der König für diesmal Verzeihung; bei einem 
Goßmahle, das er in Edeſſa dem Sieger gab, mußte er ſich doch 
Idne geringe Herabwürdigung gefallen laſſen, denn fein ſchöner Sohn 
Arbonved mußte vor dem Kaiſer nad) Barbarenart tanzen. Ende 
I wurde fogar von ihm Abtretung feiner Gerrfchaft verlangt, und dieſer 
derderung folgte, ba Abgarus fich nicht dazu verfland, durch ven 
Lucius (Lyflab in ven Act. Martyr.) foͤrmliche Belagerung 
np Zerſtorung feiner: ſeit hundert Jahren emporgeblũheten feſten 








118: WeftsÄften, III. Abtheilung. 1. Abſchnitt. $.'30, 


HOaupiſtavt, die wegen ihrer fchönen Duelle von Plinius andy Gal- 
Ikrhoe (V. 21. Callirhoen a fonte' nominatam) genannt wird, 
bern Bewohner, ſowol Helden wie ſyriſche Chriften, 12) daſſelbe 
Schickſal traf. Unter den dabei fallenden Martyrern des Ehriften- 
thums wird auch Barſimaͤus Episcopus von Edeſſa genannt, und mit 
ihm mehrere Glieder feines Hauſes. Coeffa blühte fpäter wieder auf, 
und iſt durch die forifche Legende vom gläubigen Abgarus, der dem 
Heilande feinen Schuß zufagte, durch pie Reliquie des Schweißtuchs, 
wie durch die muhamedbaniſche Gage, daß Hier Abraham feinen Al⸗ 
‚tar izu Iſaaks Opfer erbant Haben foll, und aus ver Perlobe der 
Kreuzzüge durch den chriftlieden Comes von Edeſſa bekannt. 

Traian zog von Exeffa gegen andere Philarchen ober lleinere 
Säuptlinge Meſopotamiens, deſſen zerriffenen polttifchen Zuſtand In 
jenet Periode mir eben nur aus den fehr unvollflännig überliefer⸗ 
ten Nachrichten 4%) von -veffen Rriegezug kennen lernen. So wird 
zunächft Sporaces, der Häuptling von Anthemus (oder Anthe⸗ 
mufla, b. Plin. H. N. V. 21 und VI. 30), das zwiſchen dem Eu- 
phrat und Edeſſa (Strabo XVI. 748) nur 4 Schönus (oder 6 geo⸗ 
graph. Meilen) fern von biefer Stadt Ing, genannt, der es auch 
verfäumt hätte, nem Sieger entgegen zu kommen, aber Verzeihung 
erhielt. Auch Mannus, König eines dem Eupfrat benachbarten 
Aribiens, wahrſcheinlich Verbündeter der Parther, der feine Huldigung 
aufgeſchoben, ſandte jet Herolde und Friedensboten; aber ihm 
traute Trajan- nicht, denn er hatte dem Koönige von Adiabene, 
Mebarfapes, Hülfstruppen geſchickt, die fchon von ven römifchen Le⸗ 
gionen aufgefangen waren. Auch Manifared, ein mefopotamifcher 
Fürf, der, von Chosroes bekriegt, fich In den Befitz eines Iiheifes 
von Armenien und Mefopotamien geſetzt hatte, machte Verſprechun⸗ 
"gen, aber Trajan ließ ihm wiffen, er müſſe flch perfönlich ein⸗ 
fielen. Allen dieſen zweideutigen Freunden im Enphratlande kam 
Trajan zuvor; erfl z0g er nad Adiabene (das Aturia am Nie 
gris im Often von Ninive, vem heutigen Moſul) gegen Manns 
und Mebarfapes, nahm aber auf diefem Marſche unter dem 
Berge Singara die gleichnamige Stadt Singara (die heutige 
Sinjar, Erdk. IX. ©. 749) ohne Gefechte ein, bie fpäter zu einer 
bedeutenden roͤmiſchen Grenzfeſte erhoben wurbe. Die flarfe Feſtung 
— — — r 


12) De Syris Nestorianis rn in ——— biblI. or. Romae 1720. 
ut. IL P. ;2. fol. ; LX. .,. Abulpha 


pru . cap. 
Hist. dmast.. 7, v. —* ur e Tra ans a. 
Br u a sur Geſch. Traj 


Euphratſyſtem; yiftor. Xuͤckblick; Trajans Feldzug. 119 


bes Mebarſapes, Adenyſtraͤ, deren Lage wir nicht näher kennen, 
ging durch Verrath an ihn über; die, von Parthern befekten Stähte 
Batana und Niſibis, welche Iehtere noch Heute in ihren Ruinen 
unter desnfelben Namen Nifibin im .S.D. von Marvin und des 
Maſius⸗Berges gelegen ift, wurden aber vorzüglih durch Lucius 
Duintus Anftrengungen mit Gewalt erobert. So erwarb fih Tra⸗ 
jan zum Zitel des Armeniacus noch den des Apiabenicuß, 
und der Senat in Rom ließ Münzen ſchlagen, auf denen Trajan 
mit einer Lanze im Kriegskleide zwifchen ven Symbolen: des Tigris 
und Euphrates ſtehend, zu feinen Füßen bie gefeſſelte Armenia 
figen hat, mit der Umſchrift: Armenia et Mesopotamia in pote- 
statem P. R. redactae !5), So warb auf Mefopotamien römi.- 
{de Provinz, und da ver Partherfönig um Waffenftilftand bat 
und Geißeln jrhidte, nannte ber Senat ihn auch: Optimus Parthicus. 

So endete der erfte Feldzug am obern Euphrat und Xigriß; 
das Heer lag, für den nächften (116 n. Chr. ©.) fich eifrig rüſtend, 
in ven Winterquartieren ver feflen Ortfchaften Armenien? und Mes 
fopotamien®, und borchte auf ven Ausſpruch des Drafeld zu Helio⸗ 
polis im Libanon mit Begier, pas fich über ven Ausgang des Krie= 
ges vernehmen lafien follte. Denn es war Trajans Ehrgeiz, dem 
Alexander gleich, auch Babylon zu erobern, die parthifche Königsſtadt 
zu Rürzen, und dem indifchen Meere feine Blicke zuzuwenden. Bei 
vom Bedürfniß einer Transportflotte auf dem Tigris, deſſen Ufer 
ohne Baumwuchs waren, wurden bie Wälder bei Nifibis gefält 
zur Schifftzimmerung, und bie zufammenzufügenden Stüde auf 
Laſtwagen zum Sirome geführt (Dio Cass. Lib. LXVIII. Trajan. 
26). Wohin, fagt feiner der Autoren; wahrfcheinlich zur nächten 
ſchiffbaren Stelle des Tigrid, wo Trajan auch unter den gor⸗ 
dyäiſchen Bergen (xazd zö Kapdvvov Ogos, bei Dio Cass. 
bi Die Buhtan-Kette des Zagrod bei Jezireh el Omar, nörd» 
Eh des Zab, die alte Bezabbe, ſ. Erdk. IX. ©. 705) feine Brüde 
über denſelben Strom fchlug, ven Uleranver ohne eine folche an 
cqhalicher Stelle (ſ. ob. ©. 25) durchſetzen mußte. Diefer Ueber- 
‚gang geſchah Dieamal nur mit Mühe, weil am jenfeitigen Ufer ber 
deind ihn wehrte, und nur die Uebermacht der Schiffe und. ber 
Irugpen den Sieg davon trug. 

Run erſt konnte die eigentliche Adiabene⸗Provinz auf dem Oſt⸗ 
ufer des Tigris gänzlich unterworfen werben. Der Zug ging von 





0) Richter hiſtoriſch⸗ lriiſcher Berfuch a. a. O. S. 188. 


= 








120 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. 1. Abfdjnitt:$. 30, 


da über Babylon, alfo zum Euphrat, und dann wieder zum Tigris 
gegen Etefiphon fort; aber Teiner If vie Berichterflattung darüber 
ſehr karg, fle artet bei Div Caſſ. faft nur in Anecvotenfrämerei auß, 
fo daß für Lanvesfenntniß wenig daraus hervorgeht. Don Baby« 
Ion wird, außer der vagen Befchreibung eines Asphaltſees, vermuthlich 
bei Is (Hit), ven Trajan bewundert haben foll, fo wie feines feierlichen 
Befuchend und des Todtenopfers im Haufe worin Alexander geftorben 
war, nichts beſonderes erwähnt, als daß Trajan befchlofien haben 
ſoll, ven Euphrat durch einen Canal in ven Tigris abzuleiten, um 
zu einer Brüdenfchlagung über venfelben feine Flußſchiffe hinabzu⸗ 
ſenden; da er jevoch eingefehen, daß ver Tigris in einem viel hoͤhern 
Niveau fließe, Habe er feinen Entfchluß geändert, au Sorge, ber 
Euphrat möge dapn nicht ſchiffbar bleiben, wenn alle feine Waſſer 
dem Tigris zugeführt würben (Dio Cass. LXVIII. Traj. 28). 
Deshalb Habe er an der Stelle des geringften Abftanves zwifchen 
beiden Strömen, deren Entfernung unbebeutend ſei (d. I. etwa zwi⸗ 
fchen Feluja und Bagdad, wo ver Nahr Malcha over Flumen re- 
gium, den er eben hätte müffen veftaurixen laffen, gegen Cteſiphons 
Ruinen zieht, |. ob. ©. 49), die Schiffe zu Lande von Fluß zu 
Fluß hinüber fchleifen laſſen. Unterhalb dieſer Gegend ergieße fich 
nämlich der Eupbrat in Sümpfe (f. ob. ©. 47), bevor ex fich wies 
ber mit dem Tigris vereine. Diefe Zugmafchinerie (0Axol vewr) 
war vielfach im Gebrauch bei ven Alten. Ammian Marcellin (XXIV. 
6) läßt die Flotie durch ven von Trajan gereinigten 'großen Ganal 
abwärts fchiffen, und nicht zu Lande überfchleifen. Daß derfelbe 
feine am obern Tigris aus den Wäldern von Niflbis erbaute Ti⸗ 
grisflotte zu vemfelben Zwecke einer Brüdenfchlagung hätte abwärts 
ſchiffen laſſen, wird nicht gefagt; er mußte alfo auch auf dem Eu- 
phrat noch eine zweite Flotte befefien haben. Diefe mochte auch aus 
den obengenannten Wäldern von Niflbis, nämlich an den Quellen 
des Ehaburas, gebaut und diefen Fluß abwärts gefchifft fein, va 
derſelbe wirklich eine ganze Strede von feiner Mündung zum Euphrat 
aufwärts ſchiffbar iſt, wie dies durch das Dampfichiff Tigris unter 
Golon. Chesſsneys Euphraterpebition 10 im Jahre 1836 erwleſen 
wurbe. Des Uebergang über den Tigris warb bier zum zweiten 
male bewerfftelligt, und als Sieger, wie es fcheint, ohne Widerſtand, 


120) Colon. Chesney General statement of the labours and 
ceedings of the expedition to the Euphrates im Journ. o ‘the 
Roy. Geogr. Soc. of Lond. 1837. Vol. VII. p. 426. 





Eupbratiyften; hiſtor. Ruͤcblick; Trajans Feldzug. 121 


zog Trajan in die blühende Winterreflvenz ver Parther Könige, in 
Gtefipbon, ein, die fich felbf ihm ergab. Hier warb er nun von 
feinen Xegionen, noch zu den vielen andern, mit dem ruhmvollen 
Vtel Imperator Parthicus begrüßt, wie die Münzen mit dem 
Trajans⸗Kopf beftätigen, auf deren Revers bie Tropäe mit parthi⸗ 
[den Waffen, unter venen zwei gefangne Parther abgebilbet, vie 
Unterſchrift zeigt: Parthia capta. Leider fehlt auch hier jede ſpe⸗ 
cielle Beichreibung dieſer Stabt, deren Entflehen wir früher bezeich⸗ 
wien (f. ob. ©. 69). Hier ließ fich das fo folge Parther⸗Volk vom 
stmischen Sieger die Binfehung eines neuen Königs, ded Partha⸗ 
mabpates, der dem Chosroes Feind war, und freilich auch den 
Thron fogleich wiener verlor, als Trajan den Rücken wendete, ge= 
fallen, und der Bürger Roms bewunderte daheim mit Stolz vie 
Münze feines Trajane, auf deren Revers er ven König auf dem 
Tribunal als Schievsrichter der Welt fiten fah, ihm zur Seite 
einen römifchen Feldherrn, vor ihm ven Partber mit gebeugtem 
Knie und gefalteten Händen, mit der LUnterfchrift: Rex Parthis 
datus. 

Auch die griechiſche Republik und große blühende Colonieſtadt 
Seleucia am rechten Ufer des Tigris, zu der die Schiffe hinab⸗ 
geführt waren, muß von Trajans Truppen ohne Hinverniß beſetzt 
wersen fein, weil nichts von ihrem Widerſtande gefagt wird, wol 
aber fpäter von ihrer Empörung wider die Nömer die Rebe iſt. 
Eben fo difnete dem Sieger von Aſſyria und Babylonis nun auch 
vie große Königärefldenz in Suflana freiwillig ihre Thore; er machte 
dort die Tochter des geflüchteten Chosroes zur Gefangenen und, 
erbentete den aus maſſivem Bolve gefchmieneten Thron der Pariher⸗ 
Binige zu Sufa, vor dem fo mancher Mächtige im Staub ge- 
legen. | 


Nach dieſen Exroberungen, fagt Dio Eafj. (Dio Cass. LXVII. 
28), ergriff den Kaiſer die Begier (mol in folgenden Jahre 117 n. 
Ger. 9.), mit der Flotte, wie einft Alexander M., fein ſtetes Vor⸗ 
bio, zum erptbräifchen Meere hinabzufegeln. Ohne Kämpfe fam er 
in Beflg der Deltainfel des Tigris, Mefene (Mesene b. Ammian. 
Marc. XXIII 6, 23; am xoAnog Mauroarlıng 6. Ptol. VI. 7. 
p. 15%, daher Maisan oder Dost Maisan, Campania Misan bei 
Absifeda, Tahul. deser, Jrac. bei Wüstenfeld pag.. 7,95), weil 
de der Herrſcher von Charar Paflnu, Athambilis, ihm auch in der 
Sturnmmnoth ergeben blieb Ci. ob. ©. 56). Im Angeſicht des Dre 
and, beim Anblick eines nach: Indien ſegelndeu Schiffes, fell Trajan 


\y’ 











122 Wieſt⸗Aften. N. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.30. 


ausgerufen habın, wenn er noch Jung wäre (er war aber im 64. 
Fahre), würde er nach Inbien gehen. Wol find es nur Uebertrei⸗ 
bungen wer Schmeichler, welche dieſe ven Ruhm des Regenten ſchein⸗ 
bar erhöhenden, aber ver "Innern Kraftentwidlung des römifchen 
Reichs fo verberblichen Feldzüge noch über die Grenzen des Wahr 
hinaus ausmalen. In Rom flaunte man über den Umfang feiner 
Siege und beeretirte Triumphe, aber an einen inbifchen Feldzug 
Zonnte Trajan ſelbſt fchwerlich denken; fein Ziel war ihm näber 
gefteeft, und während er noch auf feinem Schiffe mit der Beſichti⸗ 
gung der Waflerbauten und Flußmündungen befchäftigt war, bra⸗ 
chen fchon Hinter feinem Rüden viele Völker und Stäbte wider 
ihn in Empörungen aus, weil ex feine Eroberungen nit behaspten 
tonnte. Ganz Aſſyrien fiel ab, und mußte wieder mit Gewalt 
eingenommen werben; felbft wider bie Stabt Seleucia, von ber 
Prüher nicht einmal die Rede geweſen, wurben bie Legaten Erucius 
Clarus und Julius Alexander abgeſchickt, um fie erſt zu erobern 
and dann niederzubrennen (Dio Cass. LXVIII. 30). Zwar konnte 
dadurch, bei dem ſchnellen Rückzuge Trajans und feinem unmittel⸗ 
bar darauf erfolgten Tode, die große Stadt nicht gänzlich zu Grunde 
gehen, doch war dies ein Vorſpiel ihres gänzlichen Untergangs, der 
kein halbes Jahrhundert ſpäter erfolgte, als Marc Aurels College, 
Lucius Verus, im J. 162 n. Chr. Geh. dieſelbe Stadt ſammt 
dem Pallaſte des Partherkonigs Vologeſes III., der in Cteſiphon 
erbaut war, fo völlig zerſtörte und in deinen Aſchenhaufen verwan⸗ 
velte (Dio Cass. LXXI. Marc. Ant. 2), daß ſit noch 40 Jahre 
ſpäter, als Kaiſer Sept. Severus im Jahr 201 n. Chr. G 
hindurch zog, um Cteſiphon zu demüthigen, in ihrem Schutt ganz 
menfchhenleer valag, wie Babylon (Dio Cass. LXXV. Severus, 9). 
Es ift zu bedauern, daß die ein halbes Jahrtauſend dauernde Glanz⸗ 
periode Seleucias (ambitiosum opus Nicatoris Seleuci, b. Am- 
mian. Marc. XXIII. 6, 23) fo fpurlos für die Gefchichte verloren 
gegangen ift, und fein einheimifcher Autor in dieſer Griechenſtadt, 
fals ſie Geſchichtſchreiber ihrer Begebenheiten (einen Philoſophen 
Seleunkos aus Seleucia führen Poſidonius und Strabo IM. 174 auf), 
herbergte, auf die Nachwelt gefommen ift, wie dies doch bei ihrer 
gleichzeitigen ſo monumentenreichen Rivalin Alexandria der Fall 
war, mit der fie an Größe, Reichthum, Welthandel wetteiferte, wenn 
sg ſchon weniger für Künfte und Wiſſenſchaften ergiebig, wit dieſe, 

«Fit die Nachwelt ward. Selbſt ihre zwee Nebenbuhlerin, Antlo- 
Mia in RPierien, die von ihr nach Straben, un: Bedeutung überboten 





— 
0 


Eupbratfüften; biftor. Ruͤcblick; Trajans Feldzug. 123 


wurde (f. ob. ©. 70), hat mehr geſchicheliche Denkmale binterlafien, 
vie uns noch kürzlich von Meiſterhand in wiſſenfſchaftlichem Zu- 
emmenhange 17) vorgeführt wurden, wie dergleichen von Seleucia 
zu unternehmen unmöglich fein würde. Son einem einzigen Kunft- 
werfe Seleucias hat Amm. Marcell, XII. 6. 24 die Spur ber 
Erinnerung: erhalten; e8 iſt die Statire des Gomeifchen Apollo (Co- 
mei Apollinis), welche bei der Plünderung der Gtabt durch die Ge 
nerdle des Verus nah Rom kam, und dort von ven Prieftern im 
Tempel des palatinifchen Apollo aufgeſtellt ward. Da ein Ort ver 
Gegend, wo Seleuria legt, auch den Namen Coche führte (Amm. 
Mare. XWV. 6, 2), fo meinte Salmaflus, daß dies für bie Statũe 
ns Cocheifchen “Apollo zu halten fei. 

Bir haben ſchon oben (&.69) Het der Angabe ihrer Entſtehung 
Verauf hingewieſen, wie Seleucia, ſtatt der großen Cuphratſtadt 
Babylon, ſpater der Anziehungspunct der Weltereigniffe am 
ieris werben mußte, wo wiederum ihre Steflvertreterinnen Cte⸗ 
ſiphon, Madain und Bagdad ans ihren: Trümmern hervor⸗ 
dingen. An ber Communicationslinie beider Hauptftröme zugleich, 
bean Der Königliche Euphrateanal mündete unterhalb Seleucia zum 
Agrie, und Seleucus verkürzte die Verbindung beider noch durch 
nen von ihm angelegten Zwifchencanal (in confluente Eu- 
phratis fossa perducti, atque Tigris, Plin. VI. 30), gänftiger 

angelegt, ven bequemer zu erreichenden Mündungen und ven Per» 
fe Meere etwas näher gerüdt, wie ven Landſchaften Suflanas, 
Nedlens und Perfiens, wurde. fie darum dem Abendlande Nicht mehr 
entfremdet als fine, und durch die Vortheile, die ein Weltreich Ihr 
ja ver freien Berfaffung (Seleucia, libera hodie ac sui juris Ma- 
eedonumque moris; Plm. H. N. VI. 30), und ver Gunſt ver 
Veherrſchet Hinzufügte, Bald die Roma de Orients, welche derjeni⸗ 
gen des Occkdents zur Zeit Ihres höchſten Flors, nach Strabo, 
am Umfang wol wenig nachgegeben zu haben ſcheint, und nach Pli⸗ 
ud an 600,000 Einwohner zählte (H. N. VI. 30). Im frucht- 
Seren Boben (drum totius orientis fertilissimum, -Plin. VI. 30), 
ut ren Mauern wie ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln gele⸗ 
get (situm rero moenium, aquilae pandentis alas, ibid.), die 
wißehinen ‚Rechte ihted Brlnders bewahrend, ohne In vie Weite 

vr Barbaren außzuarten. gr potens, septa muris neque | in 





7) C. Or. Müller Antiquitätes Antiochenae. Commentt. duae. 








124 Weſt-dißen. IIJ. Abtheilung. I. Abſchnitt. $: 30, 


barbarum corrupta, sed conditoris Seleuci retinens, Tacit. An- 
nal. VI. 42), im Schuß des mächtigſten Staates, frei vom Druck 
bes Oberhaupteß, flieg fie felbft unter. per Berwaltung ihrer. 300 nad). 
Anfehn und Weisheit erwähllen Senatoren mit. ihren Diganen 
ſchnell, Hoch und reich empor, und blieb mächtig, fo lange fie in 
fi einig. war, daß jener Verſuch, fie zu überrumpeln, felbft ven. 
Gewalt habenden Parthern mißlingen, mußte (quoties concordes 
agunt, spernitur Parthus, Tacit. Annal. VI.42). Gegen vie un« 
ter dem Parthereinfluß entflannene Ausartung ihrer Verfafiung In 
Ariftofratie hatte jedoch das Volk -Öfter Kämpfe mit Erfolg burdh 
geführt. Durch babylonifche Ueberfiedlung hatte vie Stadt einen 
Theil ihrer anfänglichen Bevdlferung erhalten, mehr aber waren: 
Macevonier und Griechen und eine große Menge Syrer dort: ein⸗ 
heimiſch geworden, und zu Zeiten auch Juden, 18) deren Zahl durch 
Ueberflevlung aus dem jüdiſch⸗babyloniſchen Raubflaate Neharda 
(Neagd« b. Joseph., Naaoda b. Steph. Byz.; Fl. Joseph. Antiq. 
Jud. XVII. cap. 9. ed. Haverc,) ein folche® Uebergewicht befam, 
daß bei den auch Hier entſtehenden Judenverfolgungen, nady Joſe⸗ 
yhus Angabe, 50,000 Männer verfelben von ihrer Gegenparthei, 
den Griechen und Syrern, erſchlagen wurden. 

Die Parther konnten ſolchen innern Gährungen nicht wehren, 
oder wollten es nicht, zu ihrem eigenen Vortheil, weil der Großhan⸗ 
del der Stadt Seleucia ihr unermeßliche Reichthümer und alſo auch 
ihnen große Einkünfte brachte. Nicht durch Parther, ſondern durch 
Römergewalt und Plünderungsgier ward die Stadt heruntergebracht 
und endlich vernichtet; zuerſt unter Trajan, dann unter L. Ve⸗ 
rus, deſſen Feldherr Avidius Caſſius die,freundliche Aufnahme der 
Romerteuppen durch treuloſe Vernichtung vergalt (Jul. Capitolin. 
Verus c. 8.), wobei damals, nach Orofius, noch 400,000 Bewoh⸗ 
ner gefangen wurden (Paul. Orosii Histor. Lib. VII. c. 15). 
Bon dieſem Schlage erholte fih Seleucia nicht wieder, denn 
Kaifer Severus, den wir ſchon angeführt haben, fand fie menſchen⸗ 
leer, und dem Katfer Sultan, anderthalb Jahrhunderte fpäter (im 
Jahr 363 nach Chr. ©.), zeigten nur vie hin und wieber zerſtreu⸗ 
ten Nuinen mit geringen Neubauten bie Stelle, wo einft die ber 
rühmte Königeftant geflanden hatte. Noch weniger iſt es, mad heut 
zu Tage biefelbe Localität von Mabain dem Beobachrer Date 
bietet. 


Oo 3 ar 
20) Mannert, Beogr. der Gr. und Roͤm. Th. V; 24 393. .- 





Euphratſhftem; hiſtor. Ruͤckblick Srajans Feldzug. 125 


Indeß nun die Legaten uns Feldherrn Trajans mir ver Be 
limpfung: der Empdrungen in den verſchiedenen Theilen Aſſyriens 
beſchaftigt waren, wobei auch die Stadt Niſibis und die blühende 
Edeſſa durch Lucius (oder Luſtus) Quintus das Schickſal der 
Berheerung ttaf, Hatte ſich Trafan auf feinem Ruͤckmarſche gegen 
ven Welten einen beſondern Neberfall vorbehalten gegen den arabi⸗ 
ſchen Stamm der Atrener (Arenvol, Dio Cass. LXVIII. Trajan. 
31), der aber nicht in Arabien nomadifirte, ſondern in der Mitte 
Neſopotamiend (Arabia Mesopotamica, wie bei Zenophon; f. ob. 
6. 15) ſelbſt, zwifchen Cuphrat uns Tigris, füdwärts des heuti⸗ 
gen Moful und Sinjar (Singam); in einer ſchon von Natur: fo 
ſchwet zugänglichen Lage ch noch mit Ummauerungen vesfchanzt 
hene, daß Trajand Auſtrengungen vergeblich waren, bagegen an⸗ 
wiärmen;, und auch ſpätethin eine: Belagerung bes: Kaiſer Sept. 
SEeverus erfolglos: blieb Dio Cass. LXXV. Sererus 10). Irrig 
ſuchte man früher dieſen Ort Atra in dem Innern. Arabien, unb 
leß auch dorthin den: Irafan einen fernen Kriegszug unternehmen, 
shwol doch Stephanus die Lage: innerhalb Mefopotanniens beftimmt 
genug bezeichnet (Bteph. Byz: s. v. Area: nölıs uerate Evpoa- 
wu zal Tiyonzas und s. v. Aıßaval) und die Stadt Libanae 
a Gyrla der Stadt Atra benachbart genannt hatte Ihre Lage 
Ueb uber, weil. auch: ihr Name Veränderungen erlitt, und fie ſelbſt 
 unbelannterer Zels in Trümmer verfant, bis in die jüngſte Zeit 
unbekannt, His D’Anville und Mannert!N) nad der Spur ves 
türfifhen Geographen, ven neuern Namen der Ruinen von Hadr 
uchtig anf das von Ammian beb’Iultans Feldzug ſchon In Ruinen 
wefalline Habra deuteten (Anun Marc. XXV. 8; itinerihus ma- 
is prope Hetramz venimes, vetus oppidum in media solitudime 
positums «iimqus desertum),: deſſen wirklich noch vorhandne merke 
wärdige architectoniſche Arlimmer aber erſt ganz Fürzlich unter dem 
dert -eiueimifchen Nam :UL Hadhr wieder entdeckt find, und 
dederch thee Lage genauer beſſiumt ward (von John Roße) 
1836 und 1897 met, von. All. Aineworth— 4840 genaur 
eiferſchti). 37, OL LM UN i rer peigiil 


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128 Weſt⸗Aſien. mi. albtheilung. I. Abſchnitt. $. 30. 


6) Kaiſer Septim. Severus im obern Mefopotamien 195, 

und fein Feldzug bis Etefiphon mit der zweimaligen, 

vergeblichen Belagerung von Hatra (Al Hadhr) im dabr 
200 und 201 n. Chr. Geb. 


Das obere Mefopotamien auf dem Grenzgebiete zweien Welt⸗ 
reiche erhielt durch deren Jahrhunderte hindurch fortgeführte wech⸗ 
ſelvolle Kämpfe eine immer höhere Bedeutung, welche zu mehr 
ſelbſtſtändiger Entwicklung einiger Eleineren Kriegerftaaten innerhalb 
beider Ströme führte, deren Bewohner fi. nur durch eigne Tapfer- 
keit ihre Eriftenz einigermaßen zu fichern im Stande waren. So 
treten eben dort Edeſſa ober DOsrhoäne, bedeutend durch feine 
Lage am Karamanenwege, durch feine fchöne Duelle, wie durch 
feine mehr ariſtokratiſche Verfaſſung hervor; Niſibis, wichtig 
durch die Wälder, die in ſeiner Nähe in dem ſonſt baumloſen Lande 
das einzige Zimmerholz zu ven Transportflotten ber Eroberer lie⸗ 
ferten; fo Bezabde in Adiabene durch feine. fefte Lage am Ti⸗ 
grisübergange; fo Atra ober Hatra Durch. feine ſichre Stellung in 
der Mitte der unnahbaren Wüfte mit Waarenniederlagen, vie ihm 
Meichrhlümer brachen. 

Kalfer Septim. Severus ging fchon im Jahr 195 n. Chr. 
Geh. in’ den Orlent, um an diefen Eleinen Staaten ſich zu raͤchen 
wegen der Hülfe, die fie einem feiner Gegner bei beffen Ginfällen 
auf Nömergeblet geleiftet. Wären fle 'unter ſich einig: geweien, fo 
würden fie leicht fih vor ſolchen Rachezügen haben ſichern koͤrnen. 
Aber vie kleinen Gebieter befehdeten fidy unter einander, wie. die 
großen. Die Fürften von Osrhoëne (CEdefſſa) und Adiabene bela- 
gerten das zwifchen ihnen beiden gelegme Niſibis, umd ſo gelaug 
dem Servus ihre Beftrafung, fo wie bie Eroberung eines großen 
Landſtrichs Im Norboften, großtentheils Parthergebiet von Niſibis, 
das er nun zum Hauptorte einer rom iſchen Statthalterſchaft 
erhob, bevor er nach Byzanz zurückkehrte. Kaum hatte er dem Cu⸗ 
phrat den Rüden gekehrt und ven Bosporus überſchritten, fe bra⸗ 
hen bie beleidigten Parther von neuem los, uüberf hweinmten mit ih⸗ 
sen Reiterfchaaren Meſopotamien und belagerten Nifisis, das 
aber diesmal tapfer vertheivigt wurde und die Feinde zur Rüstkehe 
nöthigte, weil Bamtlienzwift das Partherhaus damals im Innern 
des Reichs in gleiche Verwirrungen In Ofen verwidelte, wie dies 
Bei den roͤmiſchen Cäfaren im Welten der Erbe ver Ball war. 





Eupbratf.; hiſtor. Nuckb.; Sept. Geverus Feldz. 200. 129 


Bald darauf erſchien Kaiſer Severus (im I. 200-n. Chr. 
Geb.) zu neuem Heereszuge, und in feinem Gefolge mit dem ver» 
| ſteßenen Bruder des damaligen Partherkönigs (Bologefus IV.), 
ver den Römern dad Eindringen ven Tigris entlang‘ mit Flotte 
| und Gepäck bis zur dden Stätte von Seleucia, und ſelbſt bis nad 
ı Eiefiphon erleichterte. Deiien Bewohner waren zwar meiſt ent⸗ 
| flöfen, als man bie Hauptſtadt erreichte, doch fielen daſelbſt noch 
| 100,000 in vie Hand des flegenven Heeres, dem die Partherrefldenz 
| zer vollſtändigen Plünderung und Verheerung preiögegeben war 
| (Dio Cass. LXXV. Server. 9). Das Schickſal diefer und fo vie⸗ 
ker anderer Unglüdlicden bleibt vSllig unbelannt. Weiter verfolgte 
Severus feinen Feind nicht, ſondern Lehrte, nachdem er feine Mache 
gefühlt, Hier um. Da das ganze durchzogene Land verheert, ver⸗ 
beannt und jever Vorrath erſchoͤpft war, fo blieb nur der Rückweg 
mit der Flotte an und auf dem Tigris übrig, zu deren Hinaufzie- 
ben vie Kraft eines großen Theiles des Heeres verwendet werben 
mußte. Um die Stromauffahrt möglich zu machen, mußte jedoch 
nach des ſpätern Ammians Berichte, denn Dio Eafflus jagt nichts 
’  beräber, der große Banal, ver Königdcanal, der in der Gegend 
Seleucias ven Euphrat und Tigriß verband, vom Sande, wie zu 
Arajans Zeit, „gereinigt werden, was auch Kaiſer Julian fpäter 
wießerbolte,, weil fchnelle Verſandung dieſen Ganal fo leicht un⸗ 
brauchbar machte (Amm. Marcell. XXIV. 6, ventum est hinc 
} ad fossile flumen Naharmalcha nomine, quod amnis regüm 
imterpretatur, tunc aridum. Id antehac Trajanus, posteaque 
| Sererus, egesto solo fodiri in modum canalis amplissimi studio 
‘  earaverat summo, ut aquis illuc ab Euphrate transfusis naves 
ad Tigridem commigrarent). Nach obigem Berichte bei Die Caſ⸗ 
us follte Irajan in diefen Canal, ver auch zu Ammians Zeit 
troden lag, kein Waſſer haben einftrömen laſſen (f. ob. ©. 120). 
Severnus fcheint aber ſich deſſelben bedient zu haben; auf welche 
Weiſe Hleibt ums jedoch unbelannt, denn was Ammian weiterhin 
von hineinrauſchenden Wafler und von der Flottendurchfahrt fagt, 
sehe ſich nur auf Sultans Unternehmung. 
⸗ Die Stromauffahrt auf dem Tigris muß ſehr beſchwerlich ge⸗ 
veſſen fein; es wird nichts Genaueres darüber mitgetheilt; doch muß 
. man etwa wie Gegend des heutigen Tekrit oder, gar Moſul erreicht 
eb, um' von da mit vollſtäͤndiger Kriegsrüſtung die ſchon oben 
bexichnete Belagerung der Stadt Atra (Al Gadhr) in der Mitte 
vr Vüſte auch nur verſuchen zu können, durch wel jene in ih⸗ 
| Riter Erdkunde X. 





130 Befts%fin. NI. Abtheilung. J. Abſchuitt. $. 30, 


sen ſchoͤnen Trümmern wiederaufgefundene Localltät ein noch erhäh- 
teres Interefle gewinnt (Dio Cass. LXXV. 10, 11, 12). 

In 4 Tagmärſchen haben ‚neuerlich Dr. Roß von Tekrit und 
Dr. ®. Ainsworth von Moful aus diefe Ruinen erreichen kbn⸗ 
men, von denen EI. Rich, 2) ber in Erfahrung brachte, daß fie 
24 Stunden Wegs von Moful entfernt liegen, ſtets durch Raub- 
orden, bis zu ihnen zu gelangen, abgehalten worden war. Bon 
welcher Geite her aber Severus Truphen diefe Stadt erreichten, er⸗ 
fahren wir nicht. Aber aus Div Caſſius Erzählung geht hervor, 
daß Severus dieſes damals mächtige veiche Gandeldemportum, deſ⸗ 
fen Innere ältere Geſchichte uns, wie die des benachbarten Palmyra, |, 
gänzlich unbefannt geblieben, zu zwei verſchiednen malen zu em ) 
Rürmen verſuchte. Mache trieb ihm dazu an, dieſen unabhängigen 
kriegeriſchen Staat, deſſen Fürſt, er foll Barfuma (Barzemius, N 
Beth Seme, d. 5. Haus der Sonne nad) St. Eroiz) 2%) geheißen | 
baten, ein Freund des Peöcenninus Niger, Todfeindes des Severuß, 
gewefen war, ind Verderben zu flürgen. Aber bel feinem erften 
Ueberfalle erfuhr der Kaifer ſchon, daß der Ort zu feft fel, ald daß 
er ihn nur gelegentlich Hätte erobern können; nachdem er viele Sol- 
»aten vor den Stabtmauern verlosen hatte, und auch feine Belage 
zungsmafdinen verbrannt waren, mußte er feinen Vorfag aufgeben 
und abziehen. 

Die Feſtigkeit des Orts verdankte die Gtabt aber keineswegs, 
wie Herodlan (Läb. UL c. 9. und Xiphil. in Severo Lib. XXV. 
«.10. ed. Sturz Vol. VI. p. 796) fagt, ber in geographiſchen Dingen 
keine Autorität iſt, etwa ver Lage auf einem Steilfels; denn davon 
WM keine Spur in ber blos mit geringen Gypsklippen befehten hü⸗ 
geligen Gegend der Ruinen von Al Hadhr zu finden, bie fogar 
in einer geringen Vertiefung liegen, fonbern ber großen Tapferkeit 
ihrer Bewohner, ihren trefflihen Bogenfgügen und Wurfgeſchoſſen, 
un ihrer tüchtigen Ummauerung, die noch Heute in Verwunderung 


ker. 

Sehr bald kehrte Sept. Senerus, ver ſich noch längere Beit 
in Syrien aufhielt, wahrſcheinlich gleich im folgenden Jahre, 201 n. 
Gpr. Geb., da er es für zu ſchimpflich hielt, daß, nachdem Alles 
umher fid) Ihm ergeben, biefe Stabt allein noch ihm widerſtehe, wohl⸗ 
geräftet zu einer förmlichen Belagerung nach Atra zurück, bei der 


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TCeracs 





33%) 5. CL Rich Narrative etc. Vol. Il. p. 109. »e) St. Croix 
sur Io gouvernement des Parthes in Mdm. Ac. d. Inser. I. p. 74. 





Euphratſ.; hiftor. Ruͤckb.; Sept. Severus Feldz. 1. 131 


fin Herr abermals ſehr große Verluſte erlitt und feine Belngerungk- 
wafchinen verbrannsen. Diele feiner Leute wurben beim Futterholen 
zievergehauen, ba die feinvliche arabiſche Reiterei der Atrenſer im⸗ 
mer ſchnell und mit Heftigkeit über fie herſtürzte, ganz fo wie noch 
heute Der Beduinen⸗ Tribus Shammar ven engliſchen Reiſenden I. 
Roß bei den Ruinen von A Hadhr überfiel. 277) Die Schützen 
ans der Stadt hoffen mit ihren Pfeilen fehr weit in vie Ferne 
und fchleuverten aus Ihren Maſchinen viel Geſchoß auf die roͤmi⸗ 
fen Schifoträger. Jede der Mafchinen warf 2 Geſchoſſe zugleich, 
mit einer Wolle von Pfellen, vie von der Hand und den Bogen 
abgeſchickt wurden. Am meiften fchabeten ſich die Angreifenden, 
wenn fie der Mauer nabe Tamm, und noch mehr, wenn fie eine 
Dreſche in dieſelbe gemacht Hatten: denn dann wurden fie auch mit 
andern Dingen überfäättet, zumal mit asphaltartiger Naphta 
(vapza 5 aogalswdsc bei Die Cafſ.), die Menfchen und Ma- 
finen in Brand fegte. Alles dies mußte der Kaiſer von fehler 
Tribũne, von der er dad Commando lJeitete, mit anſehen, und nes 
ben ihm wurden öfter feine Satelliten durch die Pfelle aus ber Berne 
zu Boren gefiredt. Nur fein Jeldherr Priseus, der bei einer. 
frühern Bertheivigung von Byzanz fich ſchon großen Ruhm erwor⸗ 
Sen Hatte, wußte feine Leute gegen das Heuer ver Feinde zu. fchügen, 
zus vanı auch durch feine Erfindungen einen Sturm auf die Stabt 
mbgfich zu machen. Schon war. die äußere Mauer eingeflürzt, ja 
Gelvaten waren ſchon in eine der reichſten Städte zur Erflürmung 
ver zweiten Mauer, in der Hoffnung ber reichen Plünberung, vorge 
veungen, als Severus aus Furcht, wie außerordentlichen Gelder 
un) vie Schäge, vie er im dortigen Tempel des Sonnengotteß 
(sd sed 'Hllev avadıyara) zu finden erwartete, der Plünberung 
yors geben zu müflen, zum Rückzuge blafen ließ, in ber fichern 
Erwertung, daß die Atrener, um ber. Sclaverei zu entgehen, capitu⸗ 
Iken wären. Aber wie groß war die Täufchung; ein ganzer Tag 
ueſtrich ohne Meldung von ven Belagerten, worauf am folgenden 
Lage Geverus, nachdem jene in der Nacht nie Mauer wieder herge⸗ 
hs Hatten, zum zweiten Sturm ven Befehl gab. Aber im Zorn 
seweigerten nun bie europälfchen Truppen, die allein etwas aus⸗ 
sten kounten, ven Gehorſam, und die forifchen Truppen, bie mit 
Ganelt vorgeirichen wurpen, erlitten eine fo vollſtaͤndige Nieverlage, 
aß der Kalſer nach feiner 20tgigen erfolglofen Belagerung ganz 


87) 5, Bofs 1. c. 1839. Vol. IX. p.455. 
. | 32 











134 Weſt-Aſien. TIL. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.30. 


verlegt wird) 3%) bei vielen Monumenten eines Sonnen-Eultus vor« 
findet, obwol die Nachbarſtädte Nifibis, Edeſſa, Singara und ans 
bere insgeſammt eine fo wichtige Rolle in ver Geſchichte der Tori 
ſchen Kirche gefpielt Haben. Doch bleibt bei alle dem noch man⸗ 
ches in der Geſchichte von Atra dunkel, und es ift faum glaublich 
der Angabe Benjamins von Tudela zu folgen, wenn unter feinem 
Chardah oder Chadrah wirklich Al Hadhr verflanen werben. kann, 
daß zu feiner Zeit (1160 n. Chr. &eb.) dort 15,000 Juden gelebt 
haben folen.) Wenigftens zu Ahulfeda's Beit, 200 Jahre fpäter, 
war DI Hadhr unbemohnt. 30) 

Die Stant Edeſſa (Dsrhoene), im Weſten von Nifibis ges 
legen, erlitt auch durch Nömergewalt ſtarke Eingriffe, indem bald 
darauf Kalfer Caracalla (feit 211 n.Chr. Geb.) während feines dor- 
tigen Aufenthaltes den König dieſes ariflofratifchen Staates treulo⸗ 
fer Weife gefangen fegte, die Stadt zu einer römifhen Mili« 
tair⸗Colonie machte und ihr ven Rang ver erflen Stadt Meie- 
potamiend gab, ven bis dahin das ihm benachbarte etwas fünlichere 
Karrhae gehabt Hatte. So wurde fle nun der Sit Ealjerlicher Gar⸗ 
den, und durch ihre Grenznähe der leichtere Ausgangspunkt von 
Kriegsoperationen in Feindesland. 

Mitten unter ven folgenden immer fortwährenden Wirren in 
den Euphratländern führte dad Aufblühen der Saffaniven-Dy= 
naftie den Sturz ver in fi ſchon ganz zerrifienen, vielfach zer⸗ 
fpaltenen parthifchen Herrſchaften herbei. Die Parther (Arfaciven), 
von nicht perflicher, mehr tatarifcher Herkunft (Erdk. IH. VILS.721), 
bemerkt Schlofier 37) fehr belehrend, vom Nordoſt ber fich verbrei- 
tend, traten niemals aus ihrem Nomabenzuftanve heraus; fle über- 
ſchwemmiten die Länder, ohne fie zu erobern; ihre Beherrſcher nah⸗ 
men den Titel König ver Könige an, behaupteten aber gar nicht 
eine Monarchie, denn da eine Anzahl ihrer Prinzen ven Königstitel 
führte, fo erfolgten unaufhörlidge Tihronflreitigfeitn. Den Armes 
niern und den griechiſchen Stäbten in Allen gönnten fie völlige Un⸗ 
abhängigkelt; daher die bisher angebeuteten geographiſchen Zuflände 
der eupbratenilichen Stufenlandichaften, daher wurben die Thaten 
der Parther auch gar nicht einmal in den perflfchen Annalen er⸗ 


220) v. Sammer -Burgkall, die aflat. Türkei. Rec. in Wiener Jahrb. 
1821. Bd. XIII 36) Benj. Tudel. ed. A. Asher. 
Berlin 1840. —* i. p. 8. VoL II. p. 135, Nr.257. ®*) Abul- 
fed. Tabul. Mesopotamis ed. Reiske b. Bäfding Mag. Th. IV. 
6246. 27) Shlofer, Univerſalhiſt. TH. II. 3. ©. . 


% 





Euphratſyſt.; hiſtor. Ruͤcblick; unter Saffaniden, 135 


wähnt. Dit dem Sohne Gafjand, Ardefhir Babegan (Aria- 
zerzeß J., feit dem Jahr 226 n.Chr. G. ſ. Erdk. IX. ©. 146, 151), 
beginnt Dagegen auch für das Zuphratland eine neue Aera; aus 
ven Trümmern von Seleucia und Gtefiphon tritt mit den Saffani- 
ven ihre Doppelſtadt Mapdain (EI Madain, Medinata bei Syrern, 
binae urbes) 3®) mit neuem Glanze hervor, und fortwaͤhrende Streif⸗ 
jüge gegen den Römerfeind bis gen Kappadocien bin gehören zu 
von Lebenszeichen der neuen Dynaſtie. Die ausgebildete Kriegskunſt 
wer Römerheere, die aber meift nur noch aus Barbaren⸗Söldlingen 
beſtanden, Eonnte über die verjüngte Kraft des neuen Perferreiches 
nicht mehr fo leicht glänzende Siege davontragen, und hätte dieſes 
ein befier geordnetes Kriegbſyſtem gehabt, fo möchte es bei den fort⸗ 
währenden Berwirrungen im römifchen Kalferregimente deſſen gan⸗ 
zen Beſitz in Vorderafien leicht haben verfchlingen können. Alex. 
Severus im vierjährigen Kriege (230 — 234 n. Ehr. Geb.) konnte 
gegen dieſen Berferfeind bei den beften Operationsplänen nichts aud« 
sichten, und mußte fih mit dem Verluſte von zwei Drittbeilen ſei⸗ 
ner Mannſchaft zurückziehen. Shahpur (Sapor I., j Erdf. VII. 
6.834) überfält die Nömergrenzen, belagert Nifipis, bis er ed nach 
langem wiederholten Wivderſtande befiegt; er bedroht fel&f unter Kai⸗ 
ſer Gordian Antiochia und dringt bis Kappadocien und Cilicien vor; 
Gordian weiß fih nur dadurch zu helfen, daß er vie tapfern untere 
drückten Oſsrhoener wieder auf feine Seite zieht, Indem er einen 
Sproͤßling ver Familie ver Abgarus von neuem als felbftännigen 
König ihred Staates anerkennt. Philippus Urabs erfauft den Frie⸗ 
ven von den Perſern mit großen Opfern; Kaiſer Valerian warb 
ven Sapor I. überliftet und in graufamer Gefangenfchaft: gehalten 
(Erpk. Tb. VI. ©. 834), vie Prachtſtadt Antiochia von ihm er⸗ 
ſtäürmt und vermwüftet, und feinen Eroberungen erſt durch Ode⸗ 
nathus Tapferkeit eine Grenze geſetzt. 

Auf dem Rüdmarfch von Antiochla, beim fchwierigen Ueber⸗ 
gange feined Heeres, überfiel Odenathus, der tapfre Bürger von 
Balmyra, ven fremden Ueberzügler, verfolgte ihn, brachte ihm vor 
Eeſſa eine flarke Niederlage bei, entriß ihm Niſibis, vertrieb ihn 
mblich ganz aus Mefopotamien, und erwarb ſich fo den römifchen 
Chrentitel eine® Dux orientis, ſich felbft ſeit feinem erſten Siege 
em Guphrat (im 3.260) einen König von Palmyra nennend. Wie 


groß würbe ver Gewinn für das Euphratgebiet geweſen fein, wenn 





20) Abmifodae Tabul. Descr. Iracae, ed. Wüstenfeld p.15. 





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; WeftsAfien, III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 30. 


nun bier unmittelbar einkehrende Friede und ber Einfluß einer 
m Staatöverwaltung, wie die von Palmyra, wo Handel, Künfte 
Wiffenfchaften in fo Hoher Blüthe ſtanden, dauernder geweſen 
m, als die wenigen Jahre bis zum plöglichen Sturz der Zeno⸗ 
und ver Zerflörung ihrer Prachtreſidenz Palmyra (im I. 273) 
h Aurelian, womit nicht nur das fo glänzend auffteigenne Me 
diefes Staates unterging, fondern auch die Nachbarfchaft mit- 
n mußte. Palmyra war ver Eentralmarkt des großen Landver⸗ 
3 mit ven Loflbarften Waaren, mit Gold, Edelſteinen und zumal 
de und Seidenwaaren, die Aurellan vor allem ausgeliefert 
n wollte Nicht wie früher im Dccivent war biefer Stoff nur 
den Großen, ſondern nah Ammiand Zeugniß (XXIN. 6, 64; 
I. Erpf. VIII. ©. 692, 700 u. a. ©.) aud bei den "unterften 


nben im römifchen Reiche zum allgemeinften Bebürfniß ges - 


den; ein Bedürfniß, dad nur aus Serica bes befrievigt werben 
ite, deſſen Transport mit den großen Landkarawanen von ben 
hratmündungen über Atra und Palmyra nad) Byzanz und 
randria ging, und mit den außerorbentlichfien Summen die Une 
änbler bereicherte. Diefe emigrirten aber vor der grauſamen Ver⸗ 
tung Palmyras mit ihren Schägen und Handelsbüreaus nad 
tandria. Die folgenden römifchen Kaiſer bemühten fich, denſel⸗ 
Handelsverkehr über ihre mefopotamifhen Städte zu leiten, zu⸗ 
‚ wie Diocletians Unterhandlungen mit den Saffaniven zeigen, 
die zur Grenzfeſtung des Römer Reichs erhobene Nifibie, 
halb er auch das von ihm behauptete Mefopotamien mit vielen 
en Feſtungswerken, Mauern und Schanzen verjehen ließ, vie 
mian ruhmvoll erwähnt. Die große Tüchtigkeit der kunſtvoll 
chanzten Niſibis und ihre tapfere Vertheidigung gegen bie Ue⸗ 
älle der Saffaniven hatte den Kaiſer Eonftantins veranlaft, 
N.W. von Ihr, an ven Bergpäflen Armeniens, am obern Tigris, 
zweites Bollwerk der Art in der Burg von Amida (jetzt Diar⸗ 
, |. Amm. Marcell. XVIH. 9) zu errichten, deren fefte Sage fich 
y in ver Folge ſtets bewährt hat. Aber alle viefe Vorkehrungen 
nten die Oftgrenzen des römifchen Reichs nicht ſichern. Blieben 
nal die Saffaniven, durch innere Thronftreitigkeiten abgelenkt, von 
m Ueberfällen zurück, fo brachen dagegen nun auch, offenbar weil 
e palmprenifche Oberherrichaft ihre Gewalt mehr wie zuvor zu 
eln und zu leiten vorhanden war, große Schaaren von arabifchen 
uinen aus ihren benachbarten Wüften hervor, deren Horden bie 


Htbaren und von römifchen Unterihanen befiedelten Landſtriche 


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Eupbratf.; hiſtor. Ruͤckblick; Julians Feldzug, 363. 137 


Meiopotamiens von der Sünfelte her verheerten, wie bie Berfer von 
ver Öftfeite. | 

Die dringendfle Gefahr rief den Kalfer Eonflantius von ber 
norvifchen Völkerwanderung an der Donau zum Schu am Tigris 
und Euphrat terbei, wo im Jahr 360 die erneuerten Saflaniven- 
Ucberfälle den Römern jelbft ihre Burgen Amida, Bezabde, 
Sing ara entriffen hatten und das Land mit meitern Einmärfchen 
bedrohten. Da ihn felbft der Tod fhon auf dem Wege zum Orient, 
in Cilicien (im 3. 361), eveilte, führte nun fein Nachfolger, Kalfer 
Iulianus Apoftata, den Berferfrieg (im I. 363) aus, dem 
er durch Annahme ehrenvoller Frievensvorfchläge von Seiten Shah⸗ 
pur (Sapor IL, reg. von 309— 381) wol hätte entgehen Finnen, 
den aber fein Stolz und feine Eitelkeit in einen thörichten Rache⸗ 
zug verwandelte. Wie alle Verſuche folcher Art endete auch diefer 
nur mit den größten Selbſtſchwächungen der Nömermacht unter 
Jovian. 


M Kaiſer Julians perſiſcher Feldzug bis nach Cteſi⸗ 
phon im Jahr' 363 nah Chr. Geh. Ä 


Da Kalfer Ju lians Feldzug uns zum letzten male durch rö⸗ 
mifche Schriftfteller einen mehr zuſammenhängenden Blick in bie 
damalige Befhaffenheit der Euphratländer vor der 
mehr modernen Umgeftaltung durch die Mohamedaner⸗ 
Zeit geftattet und auf hiſtoriſchem Wege In venfelben immer heis 
mifcher macht, fo werden wir hier ehe wir zu ven rein geographifchen 
Berhältniffen der ſpätern Zeiten und ver Gegenwart fortjchreiten, 
au Iulians Heereszug, 9) wie die von Xenophon, Alex⸗ 
ander und Irajan, begleiten. 

Bon Antiochia brah Julian am 5. März des Jahres 363 
nach Chr. ©. auf, um über Hierapolis auf der dortigen Schiffbrücke 
den Euphrat im Süden von Bir zu überfchreiten. Ob er auß Un⸗ 
fhlüffigkeit oder Mangel an gehöriger Einficht ) erſt gegen ben 
Norden z0g, als wollte ex dem Tigris folgen, dann aber gegen ben 
Süden zum Cuphrat zurüdbog, oder ob dies aus Kriegälift ges 





32°) Ammian. Marcell. XXIII. 2 bi6 XXV. 8; Zosimus ex recogn. 

L. Bekkeri, Lib. III. c. 12 bis c. 31. pag. 143—167, Joannis 
Malalae Chronographia ed. L. Dindorfii, Lib. XIII. Julian. imp, 
p- 326-334. “°) Schloffer, Univerf. hifl. TH. TII. 2. ©. 348; 
vergl. Gibbon, Geſch. des Berfalls des rom. Reiche, Meberf. TH. V. 
Gay. 24. ©. 460 u. f. 


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138 Weft:Afien. TIL. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30. 


ſchah, um die Perfer zu täufchen, die ihn bier ſchon mit ihren plöß- 
lichen Ueberfällen beläftigten, oder um in Carrhae, feinem Aberglau- 
ben huldigend, erſt der dortigen Anaitis, der Luna, wie Ammian 
fagt, nämlich ver Monbgdttin, ein feierliches Opfer zu bringen, lafien 
wir dahin geftellt. In Carrhae (jet Haran over Charan), nur 2 
Tagereifen im Süpoft von Eovefja, berüchtigt für Roͤmer⸗Heere durch 
Eraffus Niederlage, fpalteten fi} die beiden großen perflfchen Ko⸗ 
nigsſtraßen, die eine linko durch Adiabene am Tigris, vie andre 
rechts durch Affyrien am Cuphrat entlang (Amm. Marc. XXIH. 
c. 3) führen. Uuf jener follte eine Geereßabthellung ‚von 30,000 
Mann unter zweier Feldherrn, Procopius und Sebaftian, Befehlen 
gegen Nifibis ziehen, dort vor ihrem Uebergange über den Tigris 
die Streifereien der Perfer abwehren, dann, Adiabene durchziehend, 
die fruchtbaren perfiſchen Lanpichaften mit Feuer und Schwert ver- 
beeren, und mit dem Hauptcorps, das Julian anführte, dann gleich“ 
zeitig vor der Hauptſtadt Eteflphon zufammentreffen. Auch ver Kö- 
nig Armeniens erhielt Weifungen, wie er zum Beiflande der Römer _ 
mit feinen Streitfräften zu verfügen habe, denen zu gehorcdhen ihm 
aber gar nicht einfiel. Julian felbf wandte fi, den Feind täu= 
ſchend, plögli) (ipse exitu simulato per Tigrim, quod iter etiam 
' re cibaria de industria jusserat instrui, flexit dextrorsus. Amm. 
Marc.) durch das Blachfeld von Carrhae zum Euphrat, wo er am’ 
dritten Tagmarſch, am 27. März, vie Feſte Callinicum erreichte, 
Der Weg dahin, der und heut zu Tage unbekannt iſt, ging über 
das verfchanzte Lager Davana am Fluß Belias (jet Belik oder 
Belejit), der in deſſen Nähe entjpringt und nad) Ammian dann in 
den Euphrat füllt (noch heute im Often von Rakka). Ehe Julian 
das verſchanzte Lager auf feinem Pferde, dad „ner Babylonier” 
bieß, erreichte, flürzte dieſes, durch einen Schlag ſcheu gemacht, zu 
Boden, und wälzte fich auf feinem mit Gold und Cdelſteinen bes 
feßten Sattel und Zeuge, was von den Umftehenden und von Ju⸗ 
lian ſelbſt als das glüdlichfle Omen mit Jubel befchrieen wurde, 
wobei der Kaifer in die Worte ausbrach: „pa Liegt Babylon zur 
Erde geſtreckt und feines Schmuckes beraubt!” — 

Ballinicum, früher Nicephorium Alexanders (ſ. ob. S. 14), 
von Seleucus Callinicus verſchoͤnert (jedoch dem Sophiſten Calli⸗ 
nicuß, der Hier ſtarb, zu Ehren genannt), 1) bezeichnet Ammian als 
eine ſtatke Feſtung und eine durch ihren einträglichen Handel fehr 





201) Mannert, Geogr. der Br. und Röm. Th. V. S. 207. 


“ 





Euphratſ.; hiſtor. Ruͤckbl.; Julians Feldzug 363. 139 


angenehme Stadt. Das Euphratwaſſer war hier im Wachſen, als 
man am folgennen Tage am Ufer des Yluffes abwärts zog. «Hier 
naheten verfchiebene Emire arabifcher Horden (Saracenorum reguli 
gentium bei Amm.), deren Huldigungen mit Freuden angenommen 
wurden, um ihrer Gewandtheit im Eleinen Kriege fich gegen pie Per⸗ 
fer zu bedienen. Noch während ver Audienz in dem eltlager fchiffte 
auf dem Euphrat die große Blotte heran, die das Landheer beglei⸗ 
tete und den fonft breiten Strom fichtbar verengte (classis advenit 
.... quae latissimum flumen Euphraten artabat) ; denn fie bes 
fand aus 1000 Laflfchiffen von verfchiebener Bauart (von Holz 
oder dıa Avpowv, Joann. Malnlae Chronic. Lib. XIII. p. 329, ed. 
Dind., Hier wol von Schläuchen) mit Provtant, Waffen und Kriegs⸗ 
mafchinen, wozu noch 50 eigentliche Kriegsfchiffe Tamen, und 50 
andere Flachboote, die zum Schlagen der Schiffbrüden beflimmt was 
sen. Gier, an ver Einmündung des Chaburas, fcheint der Vereins⸗ 
platz fämmtlicher Schiffe, die auf dem oben Euphrat und wahr⸗ 
fiheinlich auch, wie zu Trajans Zeit, aus den Wäldern von Nifibis 
am Chaburad gezimmert waren, zur. Smbarkation bes großen Heeres 
beſtimmt geweſen zu fein. 

Mit den arabifchen Hülfsvölkeen vereint, rückte Sultan Ans 
fangs April in Cercuſium (Eirceflum, Kerliffa, dad Karkemiſh ver 
älteften Zeit, f. ob. ©. 15) ein, vie fehr feft und kunſtreich (muni- 
mentum tutissimum et fabre politum. Amm. M. XXIII. 5) an 
ver Einmündung ded Grenzflufies beider Reiche, des Abora (Cha⸗ 
ur, Araxes bei Zenoph.) oder Chaboras zum Euphrat wie auf 
einer Infel erbaut war. Diocletian hatte viefen zuvor Kleinen und 
unſichern Ort als äußerſte Orenzfeftung des römtfchen Reiche 
noch kurz zuvor mit hohen Mauern und Ihürmen gegen bie rafchen 
Ueberfälle der Perfer umgeben lafien. Nach dem Aufenthalt einiger 
Tage zur Verfammlung ver zahlreichften Krieger von 65,000 Mann, 
aus der geübteſten Reiterei, aus Fußvolk, von Römern und Bar 
beren beſtehend, mit fliegennen Corps von ſcythiſchen und faracenis 
ſchen Reiten und einer Leibwache von Balltern, um dad Gepäck 
und den Troß nebft ver Armee ſelbſt auf ver Schiffbrüde über ven 
Chabur fegen zu laſſen, folgte Julian unter dem Schall der Trom⸗ 
yeten zus leberfchreitung der Reichögrenze, und hielt nur, dem Ge— 
brauch gemäß, feine Rede mp die Legionen, fie zu Ehren des Vater 
landes gegen daß treulofe Perferwolt und zur Rache anfeuernd, mit 
HBimreiſung auf die Thaten und Verluſte ver Vorfahren und auf 
vie eier von Triumphen für die Zukunft und die zu gewinnende 








140  Wefl:Afien, II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30, 


Beute. Dazu erhielt jedweder Dann ein Geſchenk von 130 Silber⸗ 
ftüden. Einen großen Troß überflüffiger Ramelee, der fly der Sitte 
des Orients gemäß dem Heereszuge anfchließen wollte, zwang er 
zur Rückkehr, Tieß dagegen die über den Grenzſtrom gefchlagene 
Brüde alsbald zerflören, um vie Hoffnung des Heeres ganz allein 
auf den glüdlichen Fortfchritt des Kriegszuges zu ſtellen. Doch 
ficherte er vie Grenze durch Zurücklaſſung von 4000 Bann zu Eire 
eeflum, wodurch die Garnifon dieſer Grenzfeſte zu ber bebeutenben 


Macht von 10,000 Mann erhöht wurbe. 





Das Nömerheer zog auf Beinbeögebiet in 3 Colonnen denſel- 
ben Weg dicht am Flußufer abwärts, wie Xenophons Truppen; 
nur mußte bier die Flotte, obmol fie von Windung auf Windung 
im Euphrat traf, doch dem Heere immer zur Seite bleiben. Der 
Kern des Fußvolks und des Heers ging in der Mitte; der rechte 
Flügel aus den verjchievenften Völkern, unter Nevittag Commando, 
blieb immer im Angeficht der Flotte, und ven linken Flügel vedte 
die Reiteret unter Arinthäus und dem Perferprinzen Hormisdas. 
Die Fronte und die Flanken wurden unter Lucillian durch ein Corps 
von 1500 Dann fliegenver Reiterei gedeckt, der Nachtrab durch ben 
Befehlsbaber von Ddrhoene. Das Heer breitete fich in feinen Außer- 
ſten Gliedern auf eine Strede von 10,000 Schritt au, um dem 
Feinde um fo mehr zu imponiren. Nach ven erfien 2 Tagmärfchen vom 
Chaboras Fam man über Zaitha (Zavdcb. Zoflmus) nah Dura 
(4oũoo bei Zof.). Zaitha bezeichnete, nach Ammian, in damaliger 
Lanvedfprache einen Delbaum (mie noch heute im Arabifchen, Erf. 
IX. ©. 135); von da aus erblidte man ſchon aus weiter Ferne 
ven Erdhügel (tumulus 5. Ammian), der dad Grabmal des Kaifers 
Gordian war, der hier (im Jahr 244 durch Philippus Arabs) fel- 
nen Tod gefunden. Da Zofimus es In die nächfle Stabt Dura 
verjeßt, fo mußte es wol im Bereiche des Blickes von Zaitha, nabe 
bet der genannten Stadt gelegen fein. Die Stadt Dura war ganz 
verodet. Die Solvaten erlegten bier einen fehr großen Löwen, vie 
aus den arabifchen Wüften fi) auch noch heute bi8 dahin, obwol 
felten, ausbreiten (Erdk. VI. ©. 713). Die Tödtung viefes Königs 
der Thiere (Amm. Marc. XXI. 5, 8) galt vem Julian und 
feinen philoſophiſchen Schmeichlern. als das ficherfie Omen eines 
Triumphes über den feinvlichen König, Abwol die etrusciichen Wahre _ 
fager der Armee eben darin eine Warnung fahen, den Feldzug auf- 
zugeben. Wo NRaubthlere, da muß auch Wil fein; der umgebenven 
Wüfte ungeachtet fprengten bei Dura doch fehr zahlreiche Schaaren 





Euphratf. ;biftor, Ruͤcblic Julians Feldzug, 363. 141 


von Antilopen (greges cervorum b. Amm. Marc. KXIV. 1, 
5) vorüber, um fi} durch Schwimmen über ven Strom zu retten, 
wobei denn für die Solvaten eine reiche Jagd abflel, weil durch 
Pfeile und Ruderſtangen viele dieſer Thiere erlegt wurben, bie 
das Heer mit frifcher Nahrung derſahen. Auch eine böfe Wolke, 
die ſich am 7. April Abends nad) Sonnenuntergang in jenem Heis 


tem Simmel wie ein Fleiner fchwarzer Fleck zeigte, aber in Fürzefter 


J 


Zeit die dichteſte Finſterniß über den ganzen Himmel verbreitete 
(ex parva nubecula zubito aëre crassato usus adimitur lucis), 
fegte das abergläubifche Volk als böfes Omen in Schreden,, zumal 
da ein fürchterliched Donnern und Blitzen erfolgte, und ein Reiter, 
der noch dazu Jovianus hieß, mit feinen beiden Pferden, mit denen 
es eben von der Iränke aus dem Strome kam, erfchlägen wurde 
(Amm. Marc. XXIIL 5, 12). So Haracteriftifch biefe plöglich 
auffleigenden Meteore wie zu Atra und hier, für jenen affyrifchen 
Simmel, vor alten Zeiten waren wie noch heute, fo merkwürdig 
iR es, daß eben Hier an verfelben Stelle, nahe bei Anah, wo in 
neuefter Zeit durch den furchtbarftin Wirbelfturm zu Werbi das 
eine der beiden Dampfichiffe ver Eupbraterpebition, dad Tigris⸗ 
Schiff, bei ganz heitern Himmel plöglih in den Grund gebohrt *2) 
wurde, daß es mit feiner ganzen Mannſchaft im Strome begraben 
ward — auch Bei Julians Durchmarſch ein folder Orkan erregt 
warb. 

Bon Dura an war man nämlich 4 mäßige Tagmärfche weiter- 
geſchifft, als man fich ver Feſtung Anatha näherte, bie wie meh» 
rere andere vom Euphrat umflofien wurde (quod ut pleraque alia 
ärcumluitur fluentis Euphratis; Amm. Marc.). Zoſimus (Lib, 
III. e. 14) unterjcheivet aber hier ven Ort Phathuſa, dem gegen- 
üßer die Inſel im Fluſſe liege, mit dem fehr ſtarken Eaftell, deſſen 
Ramen er jeboch nicht nennt. Dies kann aber fein anderes als 
Anatha fein, weil verfelbe Commandant veffelben, Puſaeus, 
auf Zureden des Perfer Prinzen Gormisdas feine Feſte und ſich 
ſelbſt dem Kaiſer übergab, worauf er ven Lohn des Verraths durch 
Anftelung ald Tribun erhielt, die Familien der Feſte aber mit ihrer 
Gabe als Colonie nach Chalcis in Syrien verpflanzt wurden. Am 
Tage darauf schob fich der furchtbare Orkan, ein Wirbelfturm, ver 
ausre Wirbel erregte (ventorum turbo exortus, pluresque verti- 


34?) Colon. Chesney General statement 1. c. im Journ. of the Roy. 
G. 8. of Lond. Yol. Yl. p. 427. 








— — ln nn. 





142 Weft-Afien, II. Abchellung. 1. Abſchnitt. $.30, 


gines excitans; Amm. Marc.), und alles was er traf, nieber warf, 
Soldaten und Zelte, und das Lager aufriß. Der Durchbruch eini⸗ 
ger Schleufen brachte zu gleicher Zeit eine Ueberſchwenmung wo⸗ 
durch auch einige Kornſchiffe verſenkt wurden. 
Die eroberte Feindesſtadt wurde geplündert und ging in Feuer 
und Flammen auf; die Heutige Stadt Anah auf einer geringen 
*  Felshöhe zwifchen dichten Dattelwälvern, unter 34° 27':27" N.Br. 
und 51° 58° 46" D.2. v. Gr., nach ol. Eheöneys Obfervation, 
am füblichen oder rechten Ufer des Cuphrat vor einer ganzen Reihe 
von Flußinſeln gelegen, Hat ven Namen jener alten Anatha bewahrt, 
deren Ruinen ‚nur in geringer Entfernung davon noch wahrzunch- 
men find. "Von dem Namen der näcjften Bergfeftung, die Thiln- 
tha bei Ammian hieß, Hat fich Feine Namendipur erhalten; fie 
8 ſich in der Mitte des Fluſſes auf einem hohen Felſen erheben, 
nd dadurch von Natur ſchon fo feſt ſein, daß man nur freundliche 
Ueberrevung zur Uebergabe verfuchte, worauf aber die fchlaue Ant⸗ 
wort am, daß die Befagung am die jehige Uebergabe nicht denke, 
aber mol, wenn der römische Sieger das innere Reich in Befitz ges 
nommen, nicht anftehen werde, fich ihm zu ergeben, va fie fletö ver 
vorherrfchenden Macht zu folgen bereit wäre. Auch ließen fle vie 
Flotte an Ihren Mauern ruhig vorüber ziehen, und gaben ihre Achtung 
vor berfelben zu erfennen. Dann kam man zu einer andern Feſte 
 Ahaja ala, ebenfalls auf einer Anhöhe, zu beiden Seiten nom 
Strome umgeben, und wurde mit gleicher Antwort abgemiefen. Den 
dritten Tag warb ein ſchwächeres Eaftell, das feine Bewohner ver⸗ 
Iaffen Hatten, von den Römern in Brand geftedt. Und ald man bie 
nächftfolgenden 2 Tage 200 Stadien (noch Feine 8 Stunden) zurüds 
gelegt Hatte, kam man zum Orte Parar malcha. Da ging man 
über den Cuphrat, um die 7000 Schritt davon entfernte Stadt Dia’ 
eira (Saxıpa bei Zofimus) zu plünbern, die zwar Feine Einwoh- 
ner mehr Hatte, aber viele Vorräthe von Korn und meißem Salz, 
und wo man auf einer Anhöhe auch einen Tempel fand. Die mes 
nigen Weiber, die fich fehen Tiefen, wurden nievergehauen, bie 
Stadt angebrannt und der Weg dann weiter fortgefekt, an ven 
Erpöhl-Onellen (trajecto fonte scatenti bitumine) vorüber, zur zg 
Stadt Ozogardana (Amm. Marc. XXIV. 2. 3). In dieſem 
Namen iſt die Stadt Zaragardia (Zapayapdıa b. Zosim. II. 
15) nicht zu verfennen, welche Zoflmus in feinem genauen Berichte 
mit denfelben Umftänven, wie Ammian, aufführt, aber vorher noch 
2 anbre Wamen gibt, die bei Ammian fehlen; naͤmlich Sitha® 








r 


Euphratfoft.; hiſtor. Rüdblid; Julians Feldz. 363. 143 


(9a) und Megia (Mnyıa). Da er auch derſelben Asphalt- 
quelle erwähnt, melche nad feiner genauern Beflimmung auf dem 
entgegengejegten Ufer von nem, wo dad Heer 309, daß auf 
ben linken marfchirte, nämlich dem rechten des Eupbrat, gelegen 
war, und weil er dann unmittelbar Sitha nenne, fo iſt es wol 
entfchlenen, daß er damit die herobotifche Stadt Is, jetzt Hit (f. ob. 
©. 7), übereinflimmend mit ver Aipolis*) nad den Maaßan⸗ 
gaben des floor. Charac., bezeichnet, wodurch uns immer mehr 
befannte Drtichaften an jenem Strome hervorireten. Ä 

Die vielen genannten Beftungen und offenen, wohlhabenden 
Städte zwiſchen Anatha und Het, welche In dieſer kurzen Bor« 
überfahrt von etwa 20 geogr. Meilen, mit ven Krlmmungen des 
Gtromlaufed gerechnet, aber nur 14 geogr. Meilen directen Abſtan⸗ 
des gegen SH., zu jener Zeit genannt werben, zeigen, obwol wir 
wie wenigfien davon in ihren jetzigen Lagen mit Sicherheit wieder⸗ 
zuerfennen vermögen, doch vie vamals fehr flarke Vevoölkerung ver 
Ufer viefed Stromlaufes, und zwar durch feheinbar von den Saffa- 
nivden fehr wenig abhängige Gorporationen; denn bier iſt von kei⸗ 
nen pesfiichen Barnifonen die Rede, und die Feſtungen forgen für 
ihre eigene Vertheidigung; die Bürger der offenen Städte entflichen, 
laſſen aber ihre gefüllten Vorräthe zurüd. Der ſtarke Ganvelöver- 
tchr, deſſen Bahn von jeher ver Euphratlauf bezeichnete, war wol 
Ye Duelle dieſes Wohlftandes und dieſer ſtarken Bevölkerung. Auch 
gab vie eigenthümliche Bildung bes. Strombetied, hier In vielem 
fiippigen Berglande mit den vielen flarfen Biegungen des Stroms, 
ſeinen Steilufern und von Natur befeftigten Infeln und Auen bie 
Beranlaffung zur Ausbildung fo vieler kleiner Republiken. Unter⸗ 
halb Anah muß fich der Euphrat, ver Hier noch immer fehr ſtarke 
Biegungen macht, durch eine ganze Reihe von Anhöhen feinen Weg 
hindurch bahnen, die zum Theil bewaldet ober nadt find, meift aber 
aus Kreidefelſen heftchen und auch heute gutes Weideland, viel 
Ackerfeld, zahlreiche Dörfer Herbergen, und zu beiden Seiten die Ufer 
mit zahlreichen Meften antiker Aquäpucte bedeckt zeigen, eine Erin⸗ 
wmeung an ihre früherhin fehr ſtarke Bevdlferung. *) Ä 

In dieſe Loralitäten fallen die Namen von Thulutha, Acha⸗ 
je Sala, Barar malcha (over Parax malcha bezeichnet eine 





90%) Mannert Geogr. der Gr. und Roͤm. Th. V. 2. S. 327. 
) nach Chesoney's Nſcr. 











144 WeftsAflen. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.30, 


koͤnigliche Stadt) und Diacira, denen D’Anville und Mannert, *) 
mit Beihülfe der Angaben von Ptolemäus und Iflvorus Charac., 
angefähre Lagen auf der Karte anmwelfen, die aber In ver Natur 
noch nicht ermittelt werden Eonnten. In dem modernen Orte Zizaeri 
des venetianifchen Reiſenden Balbi (im Jahr 1579), welchem vie 
Bitumenquellen bei Hit ebenfalld benachbart Tiegen, wäre es nach 
D’Anville wol .möglih, dad Diacira wieder zu erfenhen. 

Inder Stadt Dzogardana zeigte man einen erhabenen Stein« 
fit (tribunal 5. Ammian), ven man Trajans Michterfiuhl nannte, 
Die Einwohner hatten die Stadt verlaffen; fie wurde verheert 
und verbrannt. Man hielt Hier 2 Nafttage, und am Abend des 
legten verfelben entdeckte man die erſten feinplichen Truppen, mit 
denen fogleich am folgenden Morgen ein hitziges Scharmügel begann, 
das für die Nömer flegreich ausfiel, venn fie rüdten weiter zum 
Fleinen Orte Macepracta vor, wo ſich halbzerflörte Spuren der 
Mauern zeigten, die vor alten Zeiten weit in daß innere Land forte 
geführt waren, um das aſſyriſche Land vor ben Ueberfällen ver 
Feinde zu fihern (Amm. Marc. XXIV. 2. 6). Es waren bie 
Ruinen der mebifchen Mauer, von der fchon früher vie Rede gewe⸗ 
fen (f. ob. ©. 20); man trat nun in diefelben 2ocalitäten ein, vie 
Jahrhunderte früher von Trajans und Eyrus des Iüngern Heeren 
durchzegen wurben. Hier, wo Zenophon feine Pylae angab, auf 
der Grenze des bisherigen Berglanveß und des nun fd gleichförmi⸗ 
ger auöbreitenden Blachfelveß, fingen vie Lieberfälle ver feinvlichen 
Reiterei an, von denen ſich früher zu Julians großer Verwunderung 
fein Mann hatte ſehen laſſen. Run aber Tamen, zugleich mit ber 
mebifhen Mauer, die Banäle, die Fünftlichen Ueberſchwemmungen 
und Moräfte zur Abhaltung und zum Verderbniß der Feinde, auf 


. de Julian nicht ſcheint gerechnet zu haben. Es folgt auf dieſem 





Gebiete, wo dad Heer fi nun vom Euphrat ab zum Xigris hin⸗ 
wendet, dad Land ver größten Bruchtbarkeit und Bemwäflerung Ba- 
bylons, der flärkften Bevölkerung und des Anbaues, wie zu Zeno- 
phons Zeit (f. ofen ©: 18) fo auch noch in dieſer fpätern faffani« 
pifchen Pertode, aller der Verheerungen und Verwüftungen ungeachtet, 
welche in verjelben Zeit doch wol nur die äußerſten Weſtprovinzen 
biefer Herrſchaft getroffen zu haben ſcheinen, nicht aber den Kern 
des Reichs. 


246) D’Anville sur l’Euphr. P. 68; Manneıt a. a. D. Th. 
V. 2. S. 322—327. 





— —- nn 


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N 


Euphratſyſt.; hiſtor. Ridblid; Julians Feldz. 363. 145 - 


Bon Zaragarbia, jagt Zoflmud in feinem genauern Armee 
berichte, kam man zu einem Ganale, der feiner ganzen Länge nach 
quer durch Aſſyrien, d. i. Babylonien, ziehe, und audy ven Tigrie 
erreiche (Zoftm. IH. 16.). An viefem Iag jener Beine Ort Macepracta, 
den Zoflmus zwar nicht anführt, von dem aber, wie nach Zenophons 
Bericht vie mediſche Mauer und die Banalverzweigung zugleich be⸗ 
gann, fo auch nach Ammians Ausfage ver Euphrat fi in Arme 
teilte, von denen ver eine in einem flarfen Strome in das Bin⸗ 
nenland Babyloniend Hineinlief (mol ver Narraga bei Plin. VI. 30, 
ver heutige Nahr Iſa Canal f. ob. ©. 17), der andere Nahar⸗ 
maldha genannt, d. i. ver Königscanal (alia Naharmalcha, 
quod fluvius regum interpretatur, Amm. Marc. XXIV. 2, 6), 
an Gtefiphon vorüberzog, an deſſen Beginn fi ein hoher Thurm, 
gleich einem Pharus, schob. Es iſt dieſes ver Fünlich vom heuti⸗ 


gen Feluja (f. o. S 129) gelegene, noch feinen Namen Nahr⸗ 


malcha heibehaltenne Ganal, während jener ver noch Heute fchiffbare im 
Rorven gelegene, nach dem muhamebanifchen Reflaurator Ifa ge⸗ 
nannte, geweſen fein muß. | 
Genauer ald Ammian, der nicht von ihren beiden gegenfeitigen 
Abſtänden fpricht, fondern nur von dem glüdlichen Uebergange des 
Heeres über den einen, den vie Neiterei unter Pfeilſchüſſen der 
Feinde, vie hier eine Attade verfuchten, ‘mit Ihren Packpferden in 
veller Rüftung durchſchwamm, während das Fußvolk auf vorſichtig 
geſchlagenen Vrücken hinüberging, worauf die Stadt Piriſabora 
erreicht ward, führt Zoflmus die beiden, eine ziemliche Strecke aus 
einander liegenden Ganalübergänge gejonbert an. 
An dem erflen der Uebergänge fland ver Feind im Hinterhalt 
und begann Scharmühel, weil große Moräfte ſich da ausbreiteten, 
m denen das Heer Gefahr lief, wo zumal die Pferde ſchwer fort 
jubringen waren; dann aber, ohne weitere Verfolgung wurbe bie 
Etat Berjabora (Snpoaßüpa b. Soſ. TIL 17) erreicht, nad) 
Gtefiphon damals die wichtigfle Stadt in Aſſyrien, groß und feft, 
ſchr ſtark bevdlkert, auf allen Seiten vom Steome umflofien. In 
ihrer Mitte erhob fich auf Klippen ein Schloß, mit einer Mauer 
(mit beeifacher Ummauerung nach Ammian) im Halbkreis umgeben, 
wit ſchweren Zugängen, deſſen Beſatzung fi guf das tapferfte ver⸗ 
cheldigte, inde die Stadt von Menſchen verlafien war. Erſt am 
mitten Tage ging die Garnifon, nach ver heftigſten Anſtürmung 
von Seiten der Römer, durch Gapitulation an Julian über, ber 
in der Freude über eine fo glänzende Eroberung jeden feiner Ro⸗ 
Ritter Erofunde X. K 


s 











146 Weſt⸗Aſien. ID. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.30, 


mer mit Lob und 100 Silberſtücken belohnte. Die noch In ver 
Feſtung übrig gebliebenen 2500 Mann Beſatzung beiderlei Geſchlechts 
zogen frei zu ven Thoren hinaus. Weber Namen, noch beflimmte 
Denkmale find von einer fo bedeutenden Stadt jener Zelt übrig ge= 
blieben, die von Sullan auch, dem Gebrauche jener Zeit gemäß, 
ganz zerftört und nienergebrannt wurte; doch Iäßt ihre Loralität 
fih wol mit Sicherheit auf der Stelle ver mehr modernen großen 
Stadt EI Anbar der Araber nachweifen. 

Den erften nörvlichen Canal, ver bei Julians Gefchichtfchreibern 
namenlos geblieben war, Hatte ſchon Mannert mit vieler Wahr 
fcheinlichkeit in vem Narraga des Plintus wieder zu erfennen ge 
glaubt, *%) und das daran gelegene Macepracta für identiſch mit 
Hipparenum gehalten, vefien Mauer, nämlich die mediſche Mauer, 
bie Perfer zerftört Hatten (Hipparenum, Chaldaeorum doctrina 
clarum, et hoc, sicut Babylonii juxta fluvium Narragam, qui 
dedjt civitati nomen. Muros Hipparenorum Persae diruere. 
Plio. H. N. VL 30). $ipparenum war alfo nur die Ueberſetzung 
von Narraga, wie die Stabt nach dem Canal genannt war, wo 
eine berühmte zweite Secte ver babylonifchen Weltweiien, pie Hip 
parener angeflevelt war, zu denen die Orchenier, als vie dritte, 
gehörten, did aber weiter abwärts von Babylon. am Euphrat gegen 
Teredon bin (f. ob. ©. 30) wohnten. Diefelbe Stelle wird bei. 
Ptolemäus (Ptol. V. 18. Mesopot. situs, fol. 143) mit dem wirk- 
lichen Namen ber Stadt Naarda bezeichnet; Naharra in Tabul, 
Peuting. Es iſt viefelbe Gegend, wo einft ein Kleiner jübifcher 
Raubſtaat, mit den Brüdern Afinäus und Aniläus an der Spike, 
unter vemfelben Namen, nah Flav. Iofephus, an ver Spal⸗ 
tung des Euphratlaufes Lv. i. wo ber Canal von ihm. abs 
zweigte, duadenäıv ur nozauüv nosoduevov 6. Fl. Joseph. 
Antig. Jud. XVIII. c. 9) ſich auf kurze Zeit feſtſetzte. Seine 
wohlbefefligten Verfchanzungen zu Nearda (Nacapda Steph. Byz.) 
oder Neharda, mit ihrem geficherten Tempelfchage, und bie Kühn⸗ 
heit feiner Vertheidiger Tonnten ihn, bei ven Räubereien feiner Vor⸗ 
fieher, doch nicht gegen bie. Lieberfälle ver benachbarten Babylonier 
fügen, und auch ihre nothwendig gemorbne Emigration nach Se⸗ 
leucia, von ber oben. ſchon die Rede geweſen, war ihnen verderblich 
geworben (f. oben S.124). Doch ſcheint fi bis In das Mittel⸗ 
alter dort eine ſtarke jünifche Population erhalten zu haben, vie an 


346) Mannert Geogr. ber Er. u. Rom. Th. V. 2. ©. 356. 








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Euphratſyſt.; hiſtor. Xuͤckblick; Julians Feldz. 363. 147 


derſelben Stelle, wo früher chaldaͤiſche TBeisheit, ſich durch rabbiniſche 
Weisheit auch einen gewiſſen Namen erwarb, da Benjamin v. Tu⸗ 


dela zu ſeiner Zeit (1160) der Synagogen in Nehardea und ihrer 


Docteren ehrenvoll erwähnt.) — Naharda wird von Abulfeda nur 
in geringer Entfernung von EI Ambar ober Anbar gefegt, das 
ebenfalls an ver Abzweigung des Nahr Iſa⸗Canals vom Euphrat 
lag, und deshalb auch ſchon von Manmert für Iventifch mit 
jenem Orte, wie mit Birkfabora gehalten wurde. Diefe Meinung 
wird aber durch Folgendes zur Gewißheit erhoben. Bei el Am» 
bara, fagt Abulfeda, 9) unter ver Brücke Dahama, am Felde 
d Feluja (i. e. terra sementi idonea), trete ver Iſa⸗Canal, wie 
noch heute oberhalb Feluje aus dem Euphrat; EI Ambar over 
Anbar, eine Tagreife von Bagdad, wo fich der erfte ver abbaffini«. 
ſchen Khalifen, der blutdürſtige Abdul Abbas Sefah nieberließ, war 
aber eine uralte, fhon von Nabochodo naſſar, dem erften 
Sränder des Nahar malcha (f. oben S. 49), erbaute Stadt, ber 
Bier nomadifirende Araberfamilien ale Aderbauer an⸗ 
fiepelte, woher ver Name des Ortes Ambar (i. e. stabili in 
sede et horreo). #) Michtig iſt aber für dieſe Localität, wa® 
bither zur @rläuterung von Julians Feldzuge überfehen wurde, 
daß diefes Ambar oder Anbara in ver Zeit der dort verbreiteten 
Reftorianer eine Epifcopalftapt mit Kirche und Kloſter war, 50) vie 
aber den Namen Firuz Sabor erhielt, weil der Safjaninenfönig 
(Firnz iſt ein bekannter Prinzenname der Saffaniven) dort eine 
Grenzfefte gegen die Römer anlegte, welche veshalb bei ven 
Syrern au Pheruz Sapor, und bei ven Juden Peruz Sci- 
abbur genannt warb, ein Umſtand ver au) in Casiri Bibl. T. J. 
p. 44 beftätigt wird. Die Benennung der Feſtungsſtadt Piri- 


fabora, hei Ammian und Zofimus an derfelben Zocalität von Anbar, 


MR alſo dadurch vollkommen erflärt, wie vie Wichtigkeit, welche auf 
ihre Eroberung gelegt wurde. Die Stadt blieb, Irog der damaligen 
Zerſtbrung, doch wegen ihrer eigenthümlichen Lage am Zufammen« 
ini des Canals mit dem Euphrat von Bebeutung, denn ſchon daß 
der erfie Der Abbaſſiden Dort reſidirte, beftätigt dies, fo wie vie 


#7) Rabbi Benjam. of Tudela Itinerary tranal. 5. A.Asher, Berlin 
1840. Vol I. p.92. 48) Abulfedae tabul. e cap. de flaviis ed. 
Wästenfeld p. 65; ehend. descript. Jracae p. 122.  *°) Abulf. 
L c. in not. p. 09, nach Ibn Challikan p. 85 und Golü not, in 
Alferg. p- 5. Wüstenfeld. 50) Notitia ecclesiarım Metro- 
polit. et Episcopalium, quae sünt Patriarehae Nestoriano subje- 
etae in Asseman. Bibl. Orient. T. IIL P. 2. (on Decv. etc. 


— 














148 eflAfien, III Abtheilung. I Abſchnitt. $. 30. 


Ruinen feines Pallaftes, die Ebn Haufal (Mitte des 10. Jahrh.)1) 
dort noch ſah, als zu feiner Zeit Anbar noch immer ein Ort mitt⸗ 
lerer Größe war, fehr lieblich von Dattelhainen und Fluren umge 
ben, die veichliche Ernte darboten. Obwol die Lage ver heutigen 
Hafenſtadt Bagdads am Euphrat, Keluja, fprich Kelunicha, unge . 
fähr dieſelbe Gegend bezeichnet, und fein Name viefelbe Bedeutung 
wie EI Anbar bat, alfo viefen Ort, ber auch in dem jekigen Zu⸗ 
flande der Verwüflung verſchwunden iſt, gleichfam zepräfentirt, fo 
- af doch auch In dem Winkel des dortigen Ueberſchwemmungsbodens 
zwijchen dem Euphratufer und dem Südufer des Nahr Iſa⸗Canals 
in den dortigen Trümmerhoͤhen, 52) vie von der jüngſten Cuphrat⸗ 
expebition in Ihrer Karte eingezeichnet wurde, noch immer bie letzte 
Spur jener bebeutenden von Nebuchabnezar zuerfi erbauten Ori⸗ 
fhaft in vem Namen Medinah, d. I. die Stadt, oder Om Barra, 
d. 1. Anbar, nicht zu verfennen, und ber vorige „Tell Alar” 
- möchte wol ver Fels der Arropolis fein, deſſen mit Eifen befchlagne 
Mauerthore Julian felbft mit Mauerbrechern einfließ und mit der 
Helepolis, dem Kriegsthurme des Demetrius Poliorketes, bedrohte. 

Don Pirifabor, der Feſtungsſtadt Firuz Shahpurs, 
aus deren nicht umfchanztem Stabttheile die meiften ver Bewohner 
auf Kähnen entfloben waren, Fam das Römerheer nnch nicht vollen 
6 Stunden Wegs (14000 Mill. Pass.) zu einem Orte, deſſen Flu⸗ 
sen durch Waflerleitungen eine außerorbentliche Fruchtbarkeit be⸗ 
ſaßen, deren Schleufen aber, wegen ver Nachricht von der Ankunft ' 
des Feindes geöffnet, weit und breit das Land unter Waller geſetzt 
hatten (Amm. Marc. XXIV. 3, 10). Zoftimus (Ill. 18) nennt 
das Gaftell nicht, aber wol eine Stabt Fiſſenia (Droonvia); jenes 
war, fagt er, nach Landesart mit einem Graben umzogen, ven bie 
Perſer dadurch Hoch auffülten, daß fie einen großen Theil des 
Fluſſes Hineingeleitet Hatten, welcher ver Köonigsfluß (Aacdduc 
nosauös, b. Zoſ.) hieß. Damit war alfo ver Naharmalcha 
gemeint, welcher ſich erſt weiter im. Süpen abzweigt (mo Blinius 
den Ort Maſſice nennt, V. 21: scinditur Euphrates circa vicum 
Massicen: et parte laeva Mesopotamiam vadit per ipsam Seleu- 
ciam) unb bis Gtefiphon fortjegt. Das römifche Heer zog aber am 
dieſem Orte, von dem es nichts zu fürchten hätte, vorüber, und ließ 
fi auch Durch die Fünftlichen Berfumpfungen, vie jene für unburd- 





' 28°) Oriental geogr. ed. W. Onseley. London 1800. 4. p. 59. 
#3) Colon. Chesney Mscr. 
\ h 





Euphratſyſt.; hiſtor. Xuͤckblick; Sulians Feldz. 363. 149 


gehbar hielten, nicht abhalten, vorwärts zu dringen. Der Kaiſer 
ging mit dem beſten Beifplele voran, bis an die Knie im Waller 
watend, und ließ durch Soldaten und Handwerksleute, wo es ging, 
Bäume füllen, Balken legen, durch Schläuche fie wie Flöße heben, 
tanflliche Brücken fchlagen, Dammerböhungen durch Erde aufwer⸗ 
km u. f. w., unb führte das vorfidhtig nachrückende Heer, bis er 





vie Stadt Bithra (Biſouv) erreichte, wo ein Eönigliches Schloß . 


und Gebäude dem Heer Unterkommen gaben. Die Lage viefed Ortes 
fo wie vie folgenden bis Seleucia nachzumelfen, ift bei unferer heu⸗ 
tigen Unfenntniß jenes Landſtrichs, 8) den wir von Felufe bis 
Hille am Cuphrat und oflwärtd bis Bagdad und Etefiphon, ab= 
värts amTigris, „nad Marimum der Berengung Mefopo- 
tamiend im Lande der Hauptcanäle” genannt haben, noch 
ganz unthunlich, weil dort gegenwärtig alles wüſte und veröbet, 
ehne Ortſchaft und Anfiedlung iſt, daher es an trabitionell = erkenn⸗ 
baren Denkmalen in jenem Lanpftriche fehlt, obwol feine ganze 
Ausbreitung keineswegs eine abfolute Wüfte, ſondern nur eine ver⸗ 
vorrte Verwilderung ift, die durch VBewäfferung und Anbau wol 
meiſtentheils wieder in jenen parabieflichen Zuſtand zurüd verſetzt 
werden konnte, durch den fie einft in ven fo flark bevdlferten Zeiten 
eines Herodot, Zenophon, Alerander und Iulian fo hoch 
geprieſen war. 

Auch iſt nur eine Stimme ver Berwunderung bei allen ge= 
nauern Beobachtern auf Reiſen in jenem Gebiete, 5*) wie überall 
ein hoͤchſt fruchtbarer fetter Alluvialbopden vie Dede des Landes 
bilvet, das von zahllofen Linien jet trocken liegender Ganalbetten 
und Waflergraten nad allen Ridytungen burchichnitten if, von 
unzähligen Trummerhügeln (Tells ver heutigen Bemohner) über 
ragt, die wieder von weiten Schutt-Terraffen umzogen werben (Reſte 
von Acropolen und offenen Städten), deren Oberfläche überall, wo 
ver Tritt des Reitpferdes mit. dem Hufe die fleinharte Decke nur 
ledert, Denkmale ältefter Anflevlung in mächtigen Schichten von 
Backſteintrũmmern, Ziegelfteinen, Scherben aller Art, Toptenkiften, 
Umen, Glasſtücken, Brandſchlacken, Kohlen u. |. w. bloßlegt. Eben 
da, wo heut zu Tage tur einzelne Holzige Salzkräuter, Kappern« 
sanken und Mimofengebüfch ven verbrannien, auögenorrten Boden 


53) Mannert Geogr. d. Or. u. Rom. Th. V. 2. ©. 350. 
s*) J. Bailtie Fraser Travelsdn Koordistan and Mesopotamia etc. 
Lond, 1840. 8. T. il. p. 5 e 











150 Weſt-Aſien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30. 


fparfam bedecken, da Tag einft ver Garten der Welt, das fette 
Mefopotamien, das überall dicht bewohnt, dicht beuölfert gewe⸗ 
fen zu fein, in biefen Monumenten des Bodens ſelbſt den Beweis 
enthält, und zumal auch in ver ganzen Strecke von ben Ruinen des 
alten Seleucia bis zu denen von Babylon Hin, welche zu jener Zeit, 
wahrfcheinlich von den Seleuciern, ven ſpeciellen Namen Meſene 
oder Mefjene erhalten hatte. Diefer Name kommt nur bei den 
fpätern Geographen für: die Bezeichnung dieſer Lanpfchaft in der 
Mitte der beiden großen Ströme vor (Amm. Marc. XXIV.3; 
Dio Cass. LXVII. Traj. 28; Eutrop. VI. u. U), wo es aud) 
fpeciel für den füplichften Theil Mefopotamiens , identiſch mit Ti- 
gridis insula, gebraucht wird. Ungeachtet Joſephus (in ben Antiquit. 
Jud. L. I. 6, 4) ‘ihn von dem vierten Sohne Arams (1.8. Mof. 
10, 23), Mas, und von ven Mafandern ableiten wollte (Mn- 
oüs de Mnouvalovg, Joſ.), fo ſcheint uns doch Mannert's An⸗ 
ficht 55) viel: wahrſcheinlicher, daß er die Bedeutung des „Mittel⸗ 
landes,“ wie Meſopotamia, enthielt, ja daß er vielleicht nur aus 
ver Abkürzung dieſes griechiſchen Namens bei ven Bewohnern Se—⸗ 
leucias in Gebrauch Fam. Diefe Ableitung und den burbarifchen 
Sprachgebrauch fcheint Stephan. Byz. in Mese, fluviorum regio 
‚inter Euphratem et Tigrim (M£on zwr norauürv, Steph.) volle 
fommen zu beftätigen. Ä 

Bon viefem Buftande ber Älteren Zeit jener Gegenden finden 
wir auch die Belege bei ven Berichterftattern. von Iulians Mache» 
zügen, ungeachtet dieſe nur auf graujige Verwüſtung jener Zuſtände 
ausgingen. Im Allgemeinen, fagt Ammian (XXIV. 1, 14), wer 
es dem Soldaten erlaubt, die reichen Kornfelver, Saaten und: Frucht⸗ 
gebiete fammt den Wohnungen, pie man überall vorfand, in Flam⸗ 
men aufgeben zu lafien, wenn nur zuvor. jeder verfelben fich ſelbft 
mit der Beute reichlich verforgt hatıe; und Sultans Lobredner und 
Bewunderer Libanius (Erretap. 265) bemerkt, daß die Palmflänme 
umgehauen wurden, die Weinſtöcke ausgerottet, alle Vorräthe zer 
ftört, alle Wohnungen nievergebrannt, weil Julian den Perſern ver- 
gelten wollte, was fie an Niſibis, Bezabde, Singara verſchuldet 
hatten. 


So ging es auch auf dem Marfche von Fiſſenia über Bithra 
bis Seleucia, der durch eine ebene Landſchaft führte, die an vielen 
Stellen mit Weingärien und Obſtfeldern bedeckt war und mit 


288) Mannert, Geogr. der Gr. u. Röm. Th. V. 2. ©.350. 





Euphratſyſt.; hiſtor. Xuͤckblick; Julians Feldz. 363. 151 


ſo vielen Dattelwäldern, daß ganz Meſene (das Mittelland 
zwiſchen beiden Strömen) bis zu dem großen Meere hinab wie mit 
einem Balmenwalde bevedt fihien (ubi oriri arbores adsuetae 
palmarum, per spatia ampla adusque Mesenem et mare perti- 
nent magnum, instar ingentium nemorum. Amm. Marcell. XXTV. 
3,12). Ueberal fand man Honig und Wein von Palmen und Res 
ben in Ueberfluß, und an Datteln fo reihe Nahrung, daß man da, 
wo man fich eher vor Hungerönoth gefürchtet hatte, vor den Folgen 
der Ueberladung beforgt fein mußte. Daffelbe beftätigt Zoſimus, 
der fagt, wo man auch Feine Gebäude wahrnahm, da breiteten fich 
doch Palınwälder aus, von Weinreben umfchlungen, deren hangende 
Trauben die Palmbaumkronen umkranzten. 

In dieſen Wäldern traf man auch auf manchen feindlichen Hin⸗ 
‚wrhalt, zumal nachdem man an mehreren fehr fruchtbaren Inſeln 
vorübergezogen war," bei einem Orte," wo fich der große Euphrates 
in fer viele Arme verzweigte (prope locum, ubi pars major Ku- 
phratis in rivos dividitur multifidos. Amm. M. XXIV. 3, 14). 
Diefer Ort hatte nur niedrige Mauern und war deshalb von el» 
um Einwohnern, es waren Juden, verlaffen, die, wie wir fchon 
früher angegeben, in viefen Gegenden nicht in geringer Zahl ver 
breitet geweſen zu fein fcheinen. Bol Erbitterung brannten die Sol- 
dasen den ganzen Ort nieder. Wahrfcheinlich war dies der von Zo⸗ 
muß genannte Ort Bithra. Wollte man Ammians Worte ge 
nau nehmen, fo hätte verfelbe noch am Euphratufer feine Sage ge⸗ 
habt, und daß Heer hätte bis dahin dem öftlichen Euphratufer fol- 
gen müflen. Da aber von feiner Ueberfchreitung des Nahr malcha 
oder Konigscanals, der erft fpäter bei Seleucia überfeht ward, bie 
Reve ift: fo konnte dies nicht der Ball fein; man folgte vem Zuge 
dieſes Ganald gen SD. und blieb auf deſſen nördlichem Ufer; 
jene Judenſtadt an den Euphratverzweigungen muß alfo ſchon tief 
landein in ver Mitte von Mefene gelegen haben, und diefe Verzwet- 
gungen find dahin ziehenve, vom Euphrat nur abgeſpaltne Canäle 
geweien. Wirklich rüdte man von Bithra zu der Gegend einer 
ſcht großen und ſtark befeftigten Stabt vor, die nur noch YO Sta- 
bien (d. i. 4 Stunden Wegs) von Cteſiphon entfernt lag. Zoft- 
aus fpricht nur von dem felfenfeften Eaftell, aus dem ein mörde⸗ 
riſcher Ausfall auf ven Kalſer geſchah, der ihm beinahe ven Tod 
gebracht hätte, ohne es mit Namen zu nennen, führt aber an, es 
bege nahe dabei die Stadt Beſuchis (Broovyyis, Zos. Il. 20), 
und aus vielen andern feſten Orten hatte ſich die Mannſchaft in vie 





152 WeftsAfien, TIL Abtheilung. 1. Abſchnitt. $. 30, 


Sauptfefte geworfen, zu deren Vertheidigung, weil der Kalfer aus 
Zorn für ihren Ueberfall fie nun mit ganzer Macht belagern und 
vernichten wollte. Die übrigen Bewohner Hatten die Flucht ergrif- 
fen und fich in die Wälver verſteckt, oder waren auf den Waflern 
mit Kähnen over auf hohlen Baumſtämmen ſchwimmend Eteflphon 
zugeeilt. Die Burg lag auf einer Anhöhe von Steilfelfen, ſchwer 
zugänglih, mit 2 Mauern umgeben, durch 16 fehr große Thürme 
geſchützt und durch einen tiefen Graben. Es ift aus dem Hergange 
er Erzählung Fein Zweifel, vaß dies derfelbe Ort ift, den Ammian 
bie große Stant Maogamaldya (Amm.Marc. XXIV.4,2) nennt, 
bei deren Recognoscirung ver Kaiſer jo kühn überfallen wurde. Die 
ganze milltairifche Kraft ver Nömer war kaum hinreichend, dieſe 
mächtige, mit größter Tapferkeit durch Waffen und Feuerbrand ver« 
theinigte Burg zum Falle zu bringen. Durch Mauerbrecher wurde 
ein großer aus Badfleinen aufgemauerter Thurm zum Cinfturze ges 
bracht, und fo der Eingang von oben in die Stadt gewonnen, wie 
vurch unterirhifche Minen von unten; im Sturme wurbe Alles er⸗ 
obert, erbeutet, Alles nievergehauen, und nach dem dritten Tage blieb 
an der Stätte der.großen eroberten Stadt nichts als ein Aſchenhau⸗ 
fen zurück. 

Bon da bis zur Landeshauptſtadt konnie das triumphirende 
Heer nun weiter marſchiren, weil der Feind durch ein vorausgeſen⸗ 
detes Truppencorps unter des Comes Victor Commando zurückge⸗ 
ſcheucht war, jeder Hinterhalt aber mit grauſamer Vorſicht nieder⸗ 
gemacht wurde. Da in der Gegend noch mehr als ein Strom zu⸗ 
ſammenfließt(nämlich Eanäle), ſagt Ammian, fo mußte man über 
eine Brücke nach der andern (wie zu Xenophons Zeit), und fam fo 


an 2 fehr Flug angelegte Berfchanzungen (ad munimenta gemina 


venimus &edificiis cautis exstructa, Amm. M. XIV. 4, 31), veren 
Beſatzung aber bei Annäherung des recognoscirenden Corps die Flucht 
ergriffen hatte. Meiterhin Fam man zu einer Umbegung, der Königs 
Thiergarten genannt (sig meplßolor, 6v Bacıldug Irgav Exdlovv 
6. Zos, III. 23), eine Pflanzung von Luſtwald vieler Baumarten, lieb⸗ 
lich anzuſehen; darin ein Schloß im römifhen Bauftyl (ubi 
regia Romano more aedificata, Amm. M.XXIV. 5, 1) aufgeführt, 
das wegen des wohlthuenden, unftreitig beimatlichen Cindrucks, denn 
auch romiſche Baumeiſter, eher vermuthlich griechiſche, ſouten es 
aufgeführt Haben (ſ. Erdk. IX. S. 381, 504), den Reſpect des Kai⸗ 
ſers wie der roheſten Maſſe gewann und ganz unverletzt blieb; 
vieleicht das einzige menſchliche Beiſpiel ver Art auf dem ganzen 


u. 





ı 








Euphratſyſt.; hiſtor. Ruͤcblick; Julians Feldz. 363. 153 


Kriegszuge. Die Wildgehege In dieſen Luſtrevieren (gewöhnlich Pa⸗ 
radeiſe oder Bagiſtana genannt, ſ. Erdk. Th. IX. S. 49, 360, 361 
u. a.) mit der ganzen Menagerie, die zur Unterhaltung ver Per⸗ 
ferfönige vienten, wurden aber den Soldaten preis gegeben, und bie 
mähnenreichen Löwen, vie borfligen Eper, die wüthendſten Bären 
und anderes Hochwild, beim Durchbruch aus ihren Gittern ins 
Freie, wurde von den Meitern mit Lanzenflicden und Pfeilfchüfien 
erlegt. So rüdte nun das Heer Immer weiter in der Gegend vor, 
De durch Natur und Anbau zu den gefegnetflen ge» 
hörte (quae loca pingui situ et cultu etc., Amm. Marc, XXIV. 
5, 3), und an mehreren Gaftellen vorüber, darunter auch eind Mi⸗ 
na8 Sabatha, wahrfcheinlih richtiger Madain Sabat, genannt 
wurde (Melvas Saßar9a bei Zos. III. 24, 5), deſſen erſte Na» 
menshälfte vervorben iſt. Wahrfcheinlich aus Madain; denn zu 
Abulfedas Zeit iſt eben daſelbſt noch ein Stäpichen Sabath ober 
Sabat befannt, daB wegen feiner Nähe bei Madain Kosroes 
(ver Doppelftadt des Saflaniven= Königs) au) Sabat el Ma= 
dain 36) hieß. Diefes Mapain Sabath, von dem nichts weiter 
. angeführt wird, lag aber nah Zofimus feine 2 Stunden (30 
Stadien) fern von ver in älterer Zeit genannten Stadt Zochafa 
(Zwyaoa), vie nach Zoflmus ſpäter Seleucia genannt wurde, 
aber damals auch fchon nicht mehr vorhanden war. An dieſer Stelle 
iR in den verborbenen Text des Ammian ver Name des Ortes Coche 
als ivdentifch mit Seleucia eingefchoben, 57) ver aber unftreitig nicht 
hicher gehört, ſondern erfl weiter unten einem jenfeit des Nahr⸗ 
maldya, von Seleucia wol weiter im Süben und entfernter liegenden 
Drte zugehört, alſo von ver Stadt Zochaſa verfchieden war, 
obwol ex auch von den neuern Erklären mit dieſem ähnlich Iautens 
ven Namen identificirt worben iſt. 

Bei Zochaſa Hielt daB Heer zwei Raſttage, weil Waffer und 
Viehweide im Ueberfluß war; am vritten ging Kaifer Julian mit 
vom Bortrab voraus, um bie Veröbung der von Kaifer Verus zev⸗ 
Rörten Stadt (Seleuria, f. 0. S. 122) zu recognodciren, in ber ein 
mie verfiegenber Duell eine weite ſtehende See bilvete, die zum Lie 
eis abflof (in qua perpetuus fons stagnum ingens ejectat, in 
Tigridem defluens, Anm. Marc, XXIV. ⸗ 3). Weiterhin wur⸗ 





260) Abulfedae Tab. al Irak, ed. Reiske, in — Mag. Th. IV. 
6.253; b. Büftenfeld a. a. O. ©.5. 57) Amm. Marc. XXIV. 
5, 3, cf. ed Erferdt. Tom.Ill. p.76, not. 


[3 
en ⸗ 

















154 Weft:Afien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 30, 


den in ven Berfumpfungen viele Flüchtlinge gefangen, die Nömer 
aber zugleich durch Ueberfälle perflfcher Truppen, vie über ven Fluß 
‚(den Zigris) und aus der Stadt Cteſiphon, der Sultan ſchon 
ganz nahe gefommen (jamque regionibus Ctesiphontis propin- 
quans, Amm. Marc.), plöglich hervorgebrochen waren, wüthend ans 
gegriffen. Von einem feiner Lage wegen faft unzugänglichen Ca⸗ 
flel (propemodum inaccesso, Amm. Marc.), das hier fich erhob, 
wahrfcheinlich eine Vor feſte auf dem rechten Ufer nes Tigris von 
der Hauptſtadt, die auf dem linken Ufer gegenüber lag, und dieſem 
Vorwerke ihre Mannfchaft zu Attacken in ven monphellen Nächten 
berüber fanbte, wurben dieſe Angriffe fo ververblich, daß der Kaiſer 
alles daran jeßte, ehe er weiter zog, diefed Caſtell zu erflürmen. Doc 
ging fle zuvor durch Verrath über und wurde nievergebrannt. 

Von da, fagen Zofimus und Ammian ganz übereinflim« 
mend, kam das Heer an dem Flußbette an, das nach Audfage ver, 
Dortigen von Trajan angelegt fein follte, purch welchen ver Nahr« 
malcha (Königscanal) fi) zum Tigris ergo. Gegenwärtig aber, 
fügt Ummian hinzu, lag er troden (ventum est hinc ad fossile 
{lumen Naharmalcha nomine, quod amnis regum interpretatur, 
tunc aridum, Amm. Marc. XXIV. 6, 1). Ob dies der von Se 
leucus aus dem Königscanale abgeleitete Seitencanal war, an 
welchem einſt Seleucia lag (in confluente Euphratis fossa per- 
ducti atque Tigris, Plin. VI. 30), wie ver Bericht des Zoflmus 
ed wahrfcheintich macht (Zos. II. 24), oder ob es der Nahrmaldya 
ſelbſt war, der wol noch fühlicher erft auf Brüden überfegt werben 
mochte, bleibt unficher. Auf jeven Fall müſſen Seleucias Ruinen, 
fo viel geht hieraus hervor, in dem Winkel des rechten Tigrisuferd, 
oberhalb des Nahrmalcha gelegen fein, dagegen der Ort Coche erfi 
auf der Südſeite, abwärts dieſes Waſſerlaufs, erreicht warb, und 
alfo von Seleuciad Lokale verſchieden ift, wenn auch fpäterhin 
biefer Name mit dem von Seleucta ibentiflcirt wurde. 

Diefen trocken liegenden Canal aljo, den zuvor die Perfer zu 
verdämmen für gut befunden hatten, ließ dagegen Kaifer Julian 
wieder reinigen, und nachdem die Damme mweggeriffen waren, durch 
die einftrömende Gewalt der Waffer die Flotte hereintreiben, welche 
auch ˖ nach einer Fahrt von 30 Stadien Weges (feine 2 Stunden; 
fo groß, alfo feheint e8, war der vertrodnete, nun wieder gereis 
nigte, aus dem Nahrmalcha direct gegen Ctefiphon abzmeigenve Sei⸗ 
tencanal). glüflid am Tigris anfam (hacque valle purgata 
avulsis catarractis undarum magnitudine classis secura, stadiis 


“ 








Euphratſyft.; hiſtor. Nücblick; Julians Feldz.363. 155 


XXX. decarsis, in alveum ejecta est Tigridis; et contextis illico 
pontibus transgressus (?) exetcitus iter Cochen versus pro- 
movit. Amm. Marc. XXIV. 6, 2). Ob die Brüder nun über die 
felbe reſtaurirte Canalſtrecke gefchlagen wurben, ven ja dad ‚Heer zus 
vor hätte troden durchſetzen können; ober ob diefe Brüden das Heer 
über den ſüdlichern Hauptcanal des Nahrmalcha, der zuvor fchon 
genannt war, führen follten, bleibt nody immer unſicher. Im letz⸗ 
teren alle, was wir für das wahrjcheinlichere halten, lag Coche 
km Süpdufer des Königscanales nahe. Nur eine fpecielle Landes⸗ 
aufnahme dieſer Localität, in welcher ver Tigris eine fehr große 
Biegung gegen ven Süden macht und dann gegen ven Nor- 
den zurüdfehrt, kann über ſolche Localitäten vollſtändig entſcheiden. 
Aber aus dieſer allgemeinen Situation, wobei zu bemerken, daß die 
Ruinen von Cteſiphon auch Heute noch die ganze durch jene 
Südbiegung gebllvete große Halbinfel, welche an 3 Seiten vom 
Igris umfirdmt wird, einnehmen, gebt fchon hervor, daß Julian 
anfänglich bei jener Vorfefte viefer Hauptſtadt gegen Nord⸗ 
weit in der Gegend ver Trümmer von Seleurta näherte, welche 
Stadt nach Plin. VI. 30 nur 3 Millien von Gtefiphon entfernt lag, 
dann aber in großen Bogen fie gegen Südoſt umzog, weil eben da 
He Einfahrt des Nahrmalcha zum DVerfammlungsorte ſeiner Flotte, 
jur Belagerung Ctefiphons vor ver Süpfeite her, offenbar am vors 
ilhafteften mar. 

Zu Coche wurde gelagert in einer fruchtbaren, Tieblichen, von 
Gebüũſchen und Weingärten bedeckten Gegend, in welcher zumal ver 
grüne Cypreſſenwald dem Auge vorzüglich wohl that; in ber 
Mitte fand ein ſchattiges angenehmes Lufthaus, dad überall mit 
Schildereien von königlichen Jagd⸗ und Kampficenen nach Art jener 
Drientalen (ſ. Erdk. IX. S. 381) geſchmückt war. 

Gier wurden einige ver größern Laſtſchiffe außgeladen, um ſo⸗ 
gleich in der Nacht einen Ueberfall auf ver entgegengefegten Seite 
tes Tigrisufers zu wagen, wo In das höhere fteile Ufer und bie 
Serſchanzung ded dortigen könichhen Paraveifos (Epvua dv na- 
eudclsov Auoıkıxov, Zofim. IIN"24), welche fehr tapfer vertheidigt 
werde, einen unglüdlihen Ausgang herbeigeführt haben würde, 
denn fon maren ver Angreifenden viele getöbtet, und ihre Schiffe 
Seuanten fchon “lichterlob in Flammen auf, nenn nicht eben dieſes 
den zornmüthigen Kaijer fchnell zum Racheſturm mit der ganzen 
Flette, DaB Feuer als verabredetes Signal von Sieg außdlegend, be= 
wogen Hätte. Der kühne Angriff auf dad Beindedlager vor Etell- 














156 Wefl-Afien, TI. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.30, 


phon, obmol viel Mannfchaft Foftend, gelang. Nach Harinädigfter 
Segenwehr ver zahllofen gewappneten blinkenden Neiterfchaaren, 
der überall mit Schilven umgürteten Fußvölker und ver Elephanten- 
‚reihen, die fi) wie Bergwände drohend emporthürmten, ‚wurde doch 
Alles erft in fchwanfende Bewegung, dann in volle Flucht gefekt, 
und mit wilden Kriegägefchrei und Trompetenſtoß zumal von ben 
römifchen Legionen und ven gothifchen Truppen bis an die Mauern 
von Etefiphon verfolgt. Selbft in die Thore der Stadt wäre 
man mit der fliehenden Menge eingedrungen, wenn ver befonnene 
Feldherr Victor nicht die Gefahr in der verengten Stadt für zu 
groß gehulten und zum Rückzug commanbirt hätte (Amm. Marc. 
XXIV. 6). Das peritfche Lager bot ohnedas ſchon den Siegern bie 
reichfle Beute dar (Zoflm. III 25). 

Der größte Ruhm war indeß nod zu erringen, bie 
Eroberung der Stadt; aber im Kriegärathe, jagt Ammian, wurde 
die Belagerung als zu fchwierig ‚abgelehnt (civitas inexpugna- 
bilis, facinus audax et importunum; Amm. Marc. XXIV. 7, 1). 
Durch ihre Lage war fle an fi unüberwindlich (ob, weil fie als 
Halbinfel größtentheild vom Tigris umfloſſen wurde?), durch eine 
ſehr flarfe Befagung noch mehr gefichert, und eine furchtbare Heeres⸗ 
macht war unter des Saſſanidenkönigs Befehlen im Anzuge. Der 
Kaifer ſcheint zur Einſtimmung gendtbigt worden zu fein; die 
ehrenvollen Friedensanerbietungen, die ihm Sapor durch Hormisdas 
machen ließ, wies Julian mit Verachtung zurüd; er forberie bie 
Perfer zu einer offenen Feldſchlacht auf; dieſe aber verhöhnten ihn 
und riethen ihm, lieber felbft das Heer des Königs aufzufuchen. 
Wahricheinlih auf ven Schiffen, denn von einer Tigrisbrücke ift Hier 
gar feine Rede, Tieß er das Heer über den Strom fegen, und folgte 
am dritten Tage nad jenem Siege mit feinen Leibwachen dem 
Hauptheere nad), während er ein Streifcorpe zur Plünderung des 
Landes und zum Bourragieren ausſandte. So kam er (aljo nun 
auf der Oftfeite des Tigris) zu K: Baftell, dad die Perſer Abus 







zatha (Aßoviada Bof. IU. nannten, wo er 5 Tage ruhete 
und den Entfchluß faßte, den Striu plöglich zu verlaſſen, und durch 
das Innere des Landes fich die Wege zu bahnen, da es auf dem 
Fluſſe ſtromauf eben fo unmdglic) ſchien, als auf dem Rüdwege 
entlang vem Euphrat, wo er das ganze Land Hinter ſich in eine 
Wüſtenei verwandelt Hatte. I 
Allem Rathe zuwider, aus Unkunde des Landes durch falſche 
Wegweiſer verleitet, ſezte er, wie Ammian ſagt, feinen unglücklichen 





Eupbratfoft. ; Hiftor. Xuͤckbblick; Julians Feldz. 363. 157 


Einfall durch. Er verbrannte (im Juni 363) im Angeſicht ves 
murrenben Heeres feine ganze fo mühfelig fortgebrachte Flotte, um 
ver Mühe des Stromaufzicehens überhoben zu fein, ließ nur zwölf 
Dleinere von den Kähnen zerlegen und auf Wagen zum Auffchlagen 
von Schiffbrücken nachfahren. Er zog über Noorda (Noopda), 
Beide genannte Orte find und unbekannt, wenn dies letztere nicht 
v3 Napfa des Cedren iſt (f. Erdk. Ih. IX. ©. 418), dann über 
ven Duron-Pluß (Aoöpor noraudy b. Zoſ.), vielleicht den un» 
tern Diyalah, auf der alten Königeftraße, pie auch Zenophon nahm 
(demd. ©. 418 u. a. D.), gegen NW. ven Weggegn Adiabene 
Anfchlagend, weil man von dieſer Seite zunächſt den Zuzug deö 
ermenifchen Hüũlfscorps unter ven Befehlen ver beiden römifchen 
eloheren vom obern Tigris abwärts (f. 0.6.138) erwarten durfte. 
User viefe Hülfe blieb wegen Entzweiung der Feldherrn unter ſich 
aus und weil fie von dem Könige Armeniens nicht unterflügt wur⸗ 
ven. Die verrätherifchen Wegwelfer, venen Julian folgte, führten 
enfänglich durch fruchtbare Lanpfchaften Immer tiefer landein, bie 
Re zwifchen nadten Wilpniffen, wo Waffermangel, Sonnenhige und 
Hungersnot das Heer beflel, treulos verſchwanden; und zu dieſem 
Ungläd kam noch der Schrecken eines heranziehenden Perſerheeres (mol 
vie mediſche Straße vom Zagros herabziehend), mit dem nun 
fortwährenne blutige Kämpfe während des Weitermarfches durch⸗ 
jnführen waren (Amm. Marc. XXV. 1. etc.). Große Verlufte tra- 
fra das Nömerheer, deſſen Wegroute aus den wenigen Angaben ver 
EGecſchichtſchreiber (Joſ. II. 27 etc. nennt Dura, Baropthas, Sym⸗ 
bra, Nisbara, Nifchanabe, Danale, Synca acceta, Tummara, bis 
zam Todestage Juliane), nicht zu ermitteln iſt, bis es endlich von 
«en Seiten durch vie Perferreiterei überfallen wurde und einer ver vielen 
Belle ven Durch viele böfe Omina geängfteten Kaiſer ernſtlich ver 
wendete, worauf er bald in feinem Zelte den Tod fand (Amm. 
Marc. XV. 4). 

Aus dem Forigang der Erzählung ergibt fich, daß dad Roͤmer⸗ 
her unter Jovians Commando feinen Weg zum Tigrid zurüde 
ne, wo Gaftellum Sumere (Zoiua b. Zofim. IN. 30) das 
1 Samarrah, Charcha (mo jegt die Ruinen von Eski 
 "Gigpeb) SC) und die Stadt Dura Getzt Imam Dour) ®) am 
| Zigrisufer von Ammlan (XXV. 6,8). genannt, und am 

















| Zu 





a% 


%5) D’Anville sur l’Euphrate p. 95, 97. ) J. Cl. Rich Narra- 
tive ef a residence etc. Lond, 1836. 8. Vol. I. p. 148, 150. 





mm nn 


158 MWeft:Afien. TIL. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 


legten Orte, der nur wenig unterhalb Tekrit liegt, das Tigri 
wirflich von den Truppen erreicht ward. Hier ſchlugen fie, 4 
märfche nach dem Todestage Sultans, ihre. Zelte auf, und 
Begierde, ven Berfolgungen des Feindes zu entgehen, ſchwamm 
in derſelben Nacht ein Theil des Heeres mit Gefahr auf die ı 
weftliche Seite des Tigriäufers; ja das ganze Heer war im Bi 
am folgenden Morgen auf Flößen ober Fähren von aufgebla 
Thierſchläuchen (Kellel genannt, f. Erdk. Th. IX. ©. 695) üb 
fegen, als der Perferkönig Sapor, von feiner Seite auch 
Noth getrieben, den erften Schritt zum Friepensfchluffe 
der auch eiligft genug zu Stande kam, obwol es der ſchirapfi 
(Eutropius lib. X. c. 17, der jelbft vabel gegenwärtig war, ı 
ihn: necessariam quidem, sed ignobilem), der fogar, auf 30“ 
gelten follte, war, ven je ver römische Staat einging. 

Nicht nur die. Oftfelte des Tigris, fondern auch noch 5 fı 
des Tigris ihm in Welten gelegne Provinzen, die ver Großvate 
Sapor den Nömern unter Diocletianus überlafien hatte, fı 
zurücgegeben werben. Bisher waren die Grenzen bes vömi 
Neiches immer erweitert worden; Hadrian hatte fle freiwillig 
engt; jet fuchte Dad Heer oder vielmehr der Ängfiliche neue K 
ſich durch ſolchen Verluft nur aus der größten Verlegenheit zu 
ten. Hätte er die 4 Tage der Unterhandlungen, fagt Amm. 9 
XXV.4, ftatt im Lager zu Dura, wo nun bei der großen Sun 
noth des Heeres der letzte Reſt des Proviantd dadurch noch a; 
zehrt wurde, ftille zu Tiegen, muthig zum Weitermarſche des H 
benutzt, das nur noch etwa 100,000 Schritt (20 geogr. Mı 
von der fruchtbaren und den Nömern gehörigen Provinz Cort 
(Borpyene) entfernt war, fo hätte er dort in dem römifchen Fe 
gen dem Perfer eheenvollere Bebingungen vorfchreiben Fünnen. 
aber ging er ein auf bie Abtretung der Provinzen Arzanı 
Moxrvena (in Armenien, f. 06.6.9), Zabdicena (Dfäefir 
Omar f. 0b. ©. 25), Rehimena (völlig unbekannt und nu: 
Ammian vorfommend, Purvaw b. Zof. II. 3), und Cordu 
d. i. Gordyene, mit noch 15 Baftellen, mit Niſibie, Singara 
ven fehe feften Caſtra Maurorum (nad Amm. Marc. X 
6 nordbdſtlich über Niſibis gelegen, nahe dem Gaftell Sifara; 
unbekannt) 0). her, jagt Ammian, Hätten fie freilich Lieber 3 
mal fechten follen, ald auch nur eine dieſer Forderungen eing 





| 200) Mannert, Beogr. der Er. n. Römer, Tb.V. 2. ©. 308. 


u 








Euphratſyft.; hiſtor. Rüdblid; Sulians Feldz. 363. 159 


(Amm. Marc. XXV. 7, 9). So wurde die fo ſtark erbaute Sin- 
gara, bie noch zulegt den Perſern getrogt Hatte, und ſelbſt Nifi» 
biß, die unüberwinbliche efte, die tapferfte Schutzwehr des römiſchen 
Reichs, die Sapor in drei verfchievenen Belagerungen nicht hatte in 
feine Gewalt befommen, ohne Schwertſchlag perfiſch, ehe fie noch 
ben traurigen Beichluß ahnen Tonnte. Die tapfern Bürger von 
Riſibis erboten ſich freiwillig, auf ihre eigene Hand, ohne auf Un⸗ 
terfkügung von den Römern rechnen zu wollen, für eigne DVertheis 
digung ihrer Burgen gegen ben verhaßten Perſerfeind zu forgen. 
Die vergeblich flehenden Tapfern wurden von Jovian fammt ihrer 
bexyxeglichen Habe mit ſchändlicher Gewalt ihrer Stadt entriſſen, mit 
| ver fie Haus und Feld zurüdlafien mußten, um nah Amida (Diar- 
bekr) übergeflevelt zu werben. Allgemeiner Jammer und Fluch gegen 
en Kaiſer begleitete diefe Scene (Amm. Marc. XXV. 9; Zofim. IH. 
3). Auf dem traurigen Nücmarfche diefes Heereß von Dura aus 
wurde nun ber zu beſchwerliche Uferweg verlaffen, ver Tigris auf 
Flögen und Fähren überfeht, und ver Rückweg durch die Mitte Dies 
fepotamiens, gerabe aus, an den Trümmern von Hatra vorüber ge= 
nemmen, jedoch ohne daſelbſt zu verweilen, denn bie furcdhtbarfte - 
$ungerenoth mit der treulofen Verfolgung ver Perfer fing ſchon 
an, dad Heer In Verzweiflung zu fegen. Und doch Hatte man von 
da 70,000 Schritt (14 geogr. Meilen) bis zur Stadt Niſibis 
darch Eindde zurücdzulegen, wo nur Abfinth, Steppenfräuter, ſal⸗ 
jigeö und ſtinkendes Wafler zu finden waren. Nach 6 mühevollen 
ragmãrſchen, ohne die geringfte Erquickung, wurbe daß noch inner- 
halb der yerfifchen Grenze gelegene Ur erreicht (ad Ur nomine 
Persicum venere castellum, b. Amm. Marc. XXV. 8, 7), wo 
dem Heere einige Lebenomittel von ven römifchen Grenzbefagungen 
zugeführt wurven. Diefer Drt, vefien Namen Ammian allein unter 
ven Römern überliefert Hat, dient nicht nur zur Orientirung ber 
wehren Lage des alten Hatra, fonvern bezeichnet zugleich die Lage 
vs Ur Casdim, d. i. das Ur der Ehalväer, vie hier nach Xe⸗ 
nsyhon in den an Armenien und Gorbyene grenzenden Bergen no= 
mesifirten (Kenoph. Cyrop. II. 2,7, Anabas.IV.3,4. V. 5, 9. VIEL. 
8,14), welches Abrabams Geburtsovt war (1. Mof. XI. 27, 
29, 4) ven Tharah, deſſen Vater mit feiner Familie und feinen 
Serben, die bier zu ärmliche Rahrung finden mochten, verließ, um 










) Aieamäller, Handbuch ber bibl. Altherthumskunde. Bo. 1. Th. II. 
1 














160 Weſt-Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30. 


nach Kanaan auszuwandern. Der nächfte Weg und ver beſte würbe 
allerdings von Ur über Singara nad Nifihis gemeien fein, aber 
die Römer hatten jene wichtige Seftung Singara ſchon unter Eon» 
ſtantius verloren gehabt, alfo wendete ſich das Heer ſeitwärts über 
Thilſaphata, die römifche Grenzflätte, wahrfcheinlih der Ort 
Tell aafar ver türkifchen Geographie.) | und von da nach Nifibis 
(Amm. Marc, XXV. 8, 16). 


8) Untergang der Saffanidenherrſchaft und ihrer Re⸗ 
ſidenz Cteſiphon (al Madain) am Tigris durch den 
Fortſchritt der Araber. 


So endet der Kriegszug, der die Macht der Saſſaniden nicht 
nur in den Euphrat⸗ und Tigriälänvern befefligt, ſondern ihnen 
auch den Beflg über Armenien und Iberien erweitert, deren ‘Könige, 
die römiiche Schüiglinge waren, fie unmittelbar verjagen, wodurch 
ihr Einfluß durch ganz Vorderafien nicht wenig an Feſtigkeit ge= 
‚ winnt. Es tft die Blütheperiode ihrer‘ Herrichaft, in der auch durch 
die Siege über andre Nachbarreiche ihre Stänte durch Siegesdenk⸗ 
male mancherlei Art geſchmückt werben, ihr Hanbel und Reichthum 
fihtbar fteigt, umd ihre Refidenzen, Ctefiphon am Tigrid zumal, 
‚jenen Glanz gewinnt, der durch die ſpätern Berichterflatter vieleicht 
noch übertrieben wird. 

Unfere geograpbifche Kenntniß der Cuphrat⸗ und Tigrisland⸗ 
ſchaften Hat aber Eeinen Gewinn davon, ed fehlen die Darflellungen 
der Einheimiſchen und die ruhigen Beobachtungen der Fremden. 
Der fcheinbare Friede wirb immer wieder nach ver bergebrachten 
Art durch Grenzfehden zwifchen beiden Reichen unterbrochen, und 
ſelbſt im folgenven 6. Jahrhundert, währenn Kaifer Suflinian nach 
fünfjährigen Perferkriegen (533 bis 539 n. Chr. Geb.), in venen 
ſelbſt Beliſar eine Rolle fpielt,, durch 11,000 Pfund Gold ven end» 
Iofen Srieven von Khosraes (Khodru Nufhirvan, reg. von 532 
—579)%) erfauft, ver nichts anders bezeichnet als einen Waffenftill- 
fand auf unbeflimmte Zeit, ver ſchon im Jahre 541 wieder gebro- 
Ken war, gewinnen wir, ver. Beichreibungen Procops vom 
perſiſchen Kriege, der nachher auch noch in Armenien und Kolchis 





302) D’Anrille sur ur Euph. “RB 83; Mannert Beogr. d. Er. u Won. 
<h. v 336. ichter hiſi ii, ‚Be. über bie Arja 
und —8 Dynaſtie. — 1804. S 








Euphratſyſtem; hiſtor. Xuͤckblick; unter Saffaniden, 161 


fertgefegt wird, ungeachtet, Feine neue Einficht in die Kunde jener 
£andfchaften. Am obern Cuphrat und Tigris halten fich die bei⸗ 
den Kaifer der großen Weltreiche im Weften und Often, die durch 
taufend andre Unternehmungen und auch gegenfeitig fich wie ihre 
Länder immerfort durch Ueberfall, Lift, Kabale und Treulofigkeit 
ſchwächen, fo ziemlich das Gleichgewicht mit momentanen glänzen 
den Streifzugen Saffanivifcher Heere auf Römergebiet, bis e8 im 
Anfange des 7. Jahrhundert dem Kaiſer Heraclius (627 n. Chr. 
Sb.) wider Erwarten gelingt, fein Uebergewicht durch Feuer und 
Echwert gegen Khosru Parviz, den Saſſanidenkönig, bis vor die 
Thore von Gtefiphon geltend zu machen, wo er nebft vielen andern 
Stävten und Schlöffern felbft die glanzvollſte Neflvdenz Daſtagerd, 
2 Tagreifen im Nord vom Tigris entfernt, in einen Schutthaufen 
verwandelte. Doch wird hiedurch nur eine genauere geographifche 
Kenntniß einiger fonft unbekannt gebliebenen Ortfchaften am Oftufer 
des großen und Fleinen Tigris, oder am Didjala und an den Zab⸗ 
Häfen gewonnen, worüber fchon früher vie vollftänvigften Nachriche 
ten über vie dabei zu ermittelnden Localitäten gegeben find (Erdk. 
3. IX. ©. 445; 500 — 510). In den letzten 8 Jahren feiner 
Regierung verlor aber Heraclius diefelben Provinzen, die er mühe 
fm den Berfern abgekämpft hatte, an die Araber. Von ven 
Euphratlandfchaften, vie in dieſer Periode ſchon fehr Häufig von ven 
arabifhen Horden, damald Saracenen genannt, meift von 
Bozantinern dazu aufgeregt, überfallen werben, erhalten wir gar Feine 
nähere Rachrichten über ihre Zuſtände. . | 
Erſt mit dem Sturz der Safſaniden durch vie Mohame⸗ 
daner, und durch die Eroberung Cteſiphons durch Omar, 
wird der ganze Blanz und Reichthum dieſes Koönigsſitzes bekannt, 
and der Verkehr fichtbar, ver dieſe Stadt zwiſchen Orient und 
Derivent zu dieſer Höhe Hatte emporbeben können. Zugleich wir 
fe alles ihres Schmuds beraubt und in einen Afchenhaufen ver 
wandelt, von dem nur ein einziged Denkmal übrig geblieben iſt, 
der wenigſtens die Stätte bezeichnet, wo fie einft geflanden hatte. 


In hyoͤchſten Glanze ver Herrſchaft, da Khosru Parviz noch 
nicht von Heraclius gevemüthigt war, erzählen die Mohamedaner, 
habe er von dem damals noch unbefannten Bürger von Mekka bie 
Gnlsbung erhalten, ihn als ven Botigefandten anzuerkennen. Er 
Gabe Die Cinlabvung verworfen und das deshalb an ihm gerichtete 

Ritter Ereinude X. | 2. 

















160  Wefl:Afien. III Abtheilung. I. Abſchnitt. $.30. 


nach Kanaan auszumandern. Der nächte Weg und der befte würbe 
allerdings von Ur über Singara nad Nifibis gemeien fein, aber 
die Römer hatten jene wichtige Feſtung Singara ſchon unter Con⸗ 
ſtantius verloren gehabt, alfo wendete fich das ‚Heer ſeitwärts über 
hilf aphata, die roͤmiſche Grenzſtätte, wahrſcheinlich der Ort 
Tell aafar ver türkiſchen Geographie, ®) | und von da nach Niſibis 
(Amm. Marc, XXV. 8, 16). 


8) Untergang ber Saſſanidenherrſchaft und ihrer Re⸗ 
fidenz Cteſiphon (al Madain) am Tigrid dur den 
Bortfchritt der Araber. 


So endet der Kriegdzug, der bie Macht der Saffaniden nicht 
nur in ven Euphrat⸗ und Tigrislänvern befefligt, fondern ihnen 
auch den Beflg über Armenien und Iberien erweitert, deren’Könige, 
die römische Schüglinge waren, fie unmittelbar verjagen, wodurch 
ihr Einfluß durch ganz Vorberaflen nicht wenig an Feſtigkeit ge⸗ 
winnt. Es iſt die Blütheperiode ihrer‘ Herrichaft, in ber auch durch 
die Siege Über andre Nachbarreiche ihre Stänte durch Siegesdenk-⸗ 
male mancherlei Art geſchmückt werden, ihr Handel und Reichthum 
ſichtbar ſteigt, und ihre MNeflvenzen, Ctefiphon am Tigris zumal, 
jenen Glanz gewinnt, ver durch die ſpätern Berichterſtatter vieleicht 
noch übertrieben wird. 

Unfere geograpbifche Kenntniß der Cuphrat⸗ und Tigrisland⸗ 
ſchaften hat aber keinen Gewinn davon, e8 fehlen die Darfiellungen 
der Einheimifchen und die ruhigen Beobachtungen ver Fremden. 
Der fiheinbare Friede wird immer wieder nach ver hbergebrachten 
Art durch Grenzfehden zwifchen beiden Reichen unterbrochen, und 
ſelbſt im folgenden 6. Jahrhundert, während Kaifer Juſtinian nach 
fünfjährigen Perferkriegen (533 618 539 n. Chr. Geb.), in denen 
ſelbſt Bellfar eine Rolle ſpielt, durch 11,000 Pfund Gold ven end» 
loſen Srieven von Khosroes (Khodru Nufhirvan, reg. von 532 
— 57978) erfauft, der nichts anders bezeichnet als einen Waffenflill- 
fand auf unbeflimmte Zeit, der fchon im Jahre 541 wieder gebro« 
hen war, gewinnen wir, ver. Veichreibungen Procops vom 
perfiichen Kriege, der nachher auch noch in Armenien und Kolchis 





303) D’Anville sur ur \Euph. 7 83, Mannert Bengr. d. Er. Wom. 
Th. V 336. *s) Richter bifl. fi, „Berl über bie Arja 
und —8* Dynaſtie. Leipz. 1804. S 








Euphratſyſtem; hiſtor. Ruͤckblick; unter Saffaniden. 161 


fertgefegt wird, ungeachtet, Feine neue Einficht in die Kunde jener 
Randfchaften. Am obern Guphrat und Tigris halten fh die bei⸗ 
ven Kaifer der großen Weltreiche im Weften und Often, pie durch 
taufend andre Unternehmungen und auch gegenfeltig fich wie ihre 
Länder immerfort durch Ueberfall, Lift, Kabale und Treulofigkeit 


ſchwãchen, fo ziemlich das @leichgewicht mit momentanen glänzen 


den Streifzügen Saffantvifcher Heere auf Romergebiet, bis es im 
Anfange des 7. Jahrhunderts dem Kaiſer Heraclius (627n. Chr. 
Geb.) wider Erwarten gelingt, fein Liebergewicht durch Feuer und 
Schwert gegen Khosru Parviz, ven Saffanivenfönig, bis vor die 
Thore von Cteſiphon geltend zu machen, wo er nebft vielen andern 
Städten und Schläffern felbft die glanzvollſte Reſidenz Daftagerd, 
2 Zagreifen im Nord vom Tigris entfernt, in einen Schutthaufen 
verwandelte. Doch wird hiedurch nur eine genauere geographifche 
Kenntniß einiger fonft unbekannt gebliebenen Drtfchaften am Oftufer 
x großen und Fleinen Tigris, ober am Didjala und an den Zab⸗ 
Küffen gewonnen, worüber ſchon früher die vollſtändigſten Nachrich⸗ 
ten über die Dabei zu ermittelnden Loralitäten gegeben find (Erf, 
%. IX. ©. 445; 500 — 510). In den letzten 8 Jahren feiner 
Regierung verlor aber Heraclius diefelben Provinzen, die er müh⸗ 
fam ven Berfern abgefämpft hatte, an vie Araber. Bon ven 
Euphratlanpichaften, die in diefer Periode ſchon fehr häufig von ven 
arabifhen Horden, damald Sararenen genannt, meiſt von 
Byzantinern dazu aufgeregt, überfallen werben, erhalten wir gar Feine 
nähere Nachrichten über ihre Zuftände. 

Erſt mit dem Sturz der Saffaniven dur bie Mohame⸗ 
daner, und durch die Eroberung Cteſiphons durch Omar, 
wird der ganze Glanz und Reichthum dieſes Königefiges bekannt, 
uns der Verkehr ſichtbar, der dieſe Stadt zwiſchen Orient und 
Drrlvent zu dieſer Höhe hatte emporheben koͤnnen. Zugleich wird 
fe alles ihres Schmucks beraubt und in einen Aſchenhaufen ver⸗ 
wandelt, von dem nur ein einzige8 Denkmal übrig geblieben iſt, 
| wenigftene die Stätte bezeichnet, wo fie einft geftanden hatte. 


. Im hoͤchſten Glanze ver Herrſchaft, da Khosru Parviz noch 
ut von Heraclius gebemüthigt war, erzählen die Mohamedaner, 
habe er von dem damals noch unbekannten Bürger von Mekka vie 
Gnlstung erhalten, ihn als den Gottgeſandten anzuertennen. Er 
habe die Einladung verworfen und das deshalb an ihm gerichtete 

Alter Erdkunde X. Zu 














162 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 30. 


Schreiben zerrifien; ®) worauf Ihm von Mohamed ver Ausruf 
zugefommen: fo werde Allah auch das Reich Khosroes zerreißen 
‚und fein Flehen verwerfen. Die Zeitangabe diefer Sage iſt natür⸗ 
lich ſehr ſchwankend.) 

In derſelben Nacht, da Mohamed geboren war, erzählt Abul⸗ 
feda, 66) Habe. ein Erdbeben ven Pallaſt des Khosroes zu el 
Madain fo gewaltig erſchüttert, daß 14 feiner Thürme eingeſtürzt 
wären;. vie Heilige felt taufend Iahren brennende Flamme der Per- 
fer ſei erlofchen, ver Baheiret Same (oder ver See am Pallacopas 
f. ob. ©. 44) fei troden gelegt und ver Tigris habe große Ueber⸗ 
fchwemmungen verurſacht. 

Dieſe böfen Omina zeigen wenigſtens die Bedeutung, welche 
damals dieſe Refidenz in ven Augen ver Nachbarn Hatte. Das 
letzte beflätigt der Gefchichtfchreiber EI Maſudi als eine Thatſache, 
die wol auch nicht ohne Einfluß auf vie Localität jener Gapitale 
geblichen ift, von ver ſchon früher das Eigenthümliche ihrer Lage 
auf einer großen Halbinfel angeführt wurde, welche der Tigris von 
allen, außer ver Nordſeite umfluthete. Alle Hiſtoriker wiſſen es, fo 
fagt EI Maſudiss) und feht ed alfo als ein Factum voraus, daß 
im flebenten Jahr ver Hegira, ald der Prophet feine Boten zum 
Kisra (Khosroed) ausfandte (alfo im Jahr 628 n. Ehr. Geb.), der 
Eupbrat und Tigris fo Hoch angeſchwollen waren, wie niemals zu⸗ 

vor. Ihre Wafler machten überall gewaltige Einbrüche und wuſchen 
* Höhlungen aus, größer ald die Candle; da nun die Dämme bie 
Waffer nicht mehr zurüchielten, breitete fich vie größte Ueberſchwem⸗ 
mung aus. Der Perferfönig Abrawaiz (vd. i. Parviz) fuchte zwar 
die Waffer wieder einzubämmen und zu beberrfchen, er war ed aber 
nicht im Stande, und die Strommafler nahmen damals ihren Lauf 
gegen die Stelle, wo heut zu Tage (im 10. Jahrh.) vie Moräfte 
fowel am Euphrat wie am Tigris liegen. Die befannteflen Land⸗ 
haften wurden unter Waſſer gefegt und ganze Diftricte verwandel⸗ 
ten fi in jene weiten VBerfumpfungen, gegen bie jeve Arbeit un 
zureichend geblieben If. Denn vie Perfer wurben bald fo fehr mit 
den arabifchen Kriegen beſchäftigt, daß Niemand daran denken Eonnte, 
während die Waſſer Immer neue Schranken durchbrachen, dad Liebel 


*2 Abulfedae Annales Moslemic. ed. J. J. Reiske. Lips. 1754. 
4 p- 41 °5) Abulfedae Annales ibid. p. 22. cf. b. Wüsten- 
feld. Tabulae 1. ©. not, p. 100. °**) El Masudi Hist. encycl. 


the meadows of sol etc. bei Al. Sprenger. Lond. 184 8. 
Vol. I. p. 254. 


‘ 





Euphratſyft.; biftor. Ruͤckblick; unter Saffaniden. 163 


wieder gut zu machen, bad Immer größer wurde. Um vie Größe 
dieſer DVermüflung des Landes zu bezeichnen, führt EI Mafupt 
ex, daß unter Khalif Moawiah (vem erflen ver Ommajaden; ex 
ſtirbt im Jahre 679) der Tribur von Irak allein in 15 Millionen 
Dirhems befand, die durch die abgefchnitinen Schilfwälder in 
diefen Berfumpfungen gewonnen wurben, welche damals ver 
Staat als fein Eigenthum in Anſpruch nahm. Die Wafler Hätten 
aber fpäterhin immer noch mehr Verwüſtungen angerichtet, und nur 
wenige Verſuche unter dem Khalifen el Walto, durch Hejjaj Ben 
Iufuf, ſeien gelumgen, Ländereien wieder zu gewinnen, fo daß zu 
E Maſudi's Zeit (Mitte nes 10. Jahrh.) dieſe Berfumpfungen 
eine Strecke von 50 Barfang Fänge (nahe an 40 geogr. Meilen) 
und eben fo viel Breite einnahmen. In ihrer Mitte bemerkte man 
damals auf etwas anfleigendem VBoden die Ruinen einer Stadt, von 
ver man bei Harem Wafler noch die Bauwerke und vie aufrechten 
Grundmauern unterſcheiden Eonnte, wie EI Maſudi ähnliche er⸗ 
foffene Bauwerke im Nilvelta Aegyptend (es meint wol bie Ruinen 
von Heliopolis unter Waſſer, |. Erdk. Th. I. S. 824) geichen zu 
haben angibt. Die Hier gemeinte Stabt wird nicht mit Namen ges 
nannt. Wir glauben nicht, daß eben Etefiphon damit gemeint fel; 
aber wir bemerken hierbei, daß wol auch pie Umgebungen von Sitace, 
Seleucia, Cteſiphon, el Madaim, Eoche und Rumiya, welche insge⸗ 
ſammt mehr oder weniger dicht benachbart in dieſelbe Localltät zu⸗ 
ſammenfallen, in welcher der große ſo mancherlei Wechſeln ſeines 
Waſſerſtanded unterworfene Konigscanal im fpigen Winkel zum 
Tigrislaufe ſtieß, dadurch mancherlei Veränderungen erlitten haben 
werben, weiche das Wiedererkennen dieſer Ortslagen nothwendig er⸗ 
ſchweren müſſen, zumal da bis jet noch weder genaue Ortsaufnah⸗ 
men gemacht, noch vie feſten Denkmale daſelbſt gehörig unterſucht ſind. 

Da wir ſchon von Seleucia erwähnt haben, was uns die 
Geſchichte davon überliefert hat: fo bleibt ung hier zum Schluffe 
nur übrig, der wenigen hiſtoriſchen Fingerzeige ebenfalls zu ges 
beufen, die wir über die Partherſtadt, die Saſſaniden⸗Reſi⸗ 
denz &tefiphon und Al Madain, ihre Lage und Bedeutung er⸗ 
halten, welche ihre Denkmale auch beftätigen, deren beſondre Be 
Weribung jevoch erſt weiter unten folgen Tann. 

Reben Geleucda, ver Griechenſtadt, erhob fich unter den Arſaci. 
uGteiiphon, die Bartherftant, die anfänglich nur ein kriege⸗ 
es, auch ſtrategiſch wohlgemähltee Winterlager, wie fi 
ans Pelybius Beichreibung von Xendtas weldzugen 8 gegen Molon 











16% WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30. 


ergibt (Polyb. hist. lib. V. c. 46), für ihre ſcythiſchen Horden ab⸗ 
gab (f. o. S. 70), um den Seleuchern nicht beſchwerlich durch Ein⸗ 
quartirung zu werben. Uber die Partherfönige nahmen daſelbſt, 
des milden Klimas wegen, ebenfalld ihre Winterwohnung, und fo 
wurde fie zu Strabo’8 Zeit (XVI. 743) mit unzähliger Menſchen⸗ 
. menge gefüllt; die Könige flatteten fle mit jebem Bedarf aus, und 
verforgten fie mit Waaren und Kunftwerfen aller Urt. So nannte 
fie ſchon Tacitus im erften Jahrhundert nach chriftlicher Zeitrechnung, 
Ctesiphon sedes imperii Parthici (ad ann. 36 p. X. n. Annal. 
VI. 42), und Pliniue gibt Ihre Lage am genaueflen nur 3000 Schritt 
fern von Seleuda an (H. N. VI. 30: Ctesiphontem juxta tertium 
ab ea (Seleucia sc.) lapidem in Chalonitide — :alfo auf dem 


Noroufer des Tigrid — condidere Parthi, quod nunc caput est 


regnorum). Wenn Ammian die Stadt buch Vardanes grün- 
den und durch König Pacorus mit Einwohnern und Stabtmauern 
verfehen, ihr durch ihn erſt den griechiichen Namen. Etefiphon bei- 
legen läßt, fo irrt er allerdings, denn fchon weit früher als Pacorus, 
ein Zeitgenoß ded Marc Antonin (Tacit. historiar. lib. V. c. 9: 
rex Parthorum Pacorus, Judaea potitus, interfectusque a P. 
Ventidio etc.) nennt, Polybius zur Zeit von Antiochus Feldzuge 
gegen den Empörer Molon (ſ. ob. S. 70) fon das Xager bei 
Etefiphon (Polyb. hist. V. 45. eis nv &v ı7 Krnoipurr⸗ 
Asyousyn orgaronedeiav). Wenn Procoplus dagegen beide Stäbte, 


Seleucia und Etefiyhon, ‚ald von den Macedoniern, den bort 


nach Alexander Herrſchenden, angelegt angibt (bell. Pers. II. 28), 





> 


fo läßt fich nichts dagegen fagen, doch wird auch dies von feinem 


der andern Autoren In Beziehung auf Etefiphon beftätigt, obgleich 
der Name ein wirklich helleniſcher ifl. Plinius Ausorud „condidere 
“ Parthi“ müßte dann für bloße Erweiterung der durch Griechen zu⸗ 
erſt begründeten Stadt gelten. Das aber konnte Procop von den 
Geſandten Kaifer Juſtinians wol mit Beflimmtheit erfahren haben, 


daß der Tigris die beiden Ortölager unmittelbar von einander. - 


mit feinem Strome ſcheide, und, wie er ausdrücklich fagt, Fein freier 
Feldraum dazwiſchen Liege, die Städte alfo unmittelbar über dem 
Tigrisufer fi erhoben. Möchte er fih nur noch mehr davon haben 
erzählen lafien. Daß dieſes Tigrisufer, wenigftens ftellenweife, an 
der Seite Gtefipbons Hoch gelegen war und dadurch der Stabt einige 
Sicherheit gewährte, ergibt fi aus dem Ueberfalle der Vorwerke 
ber Stadt in Julians Feldzuge. Die Stavt blieb anfänglich, wie 
es fcheint, ohne beſondre Befeſtigungswerke, denn Trajan wis Luc. 





u ⏑ — —— — 


Berus nahmen wenigſtens ohne Belagerung Beſitz davon, und ber 
Iegtere verbrannte ſegar daſelbſt ven Pallaſt des Partherkonigs Vo⸗ 
logeſes III., den er ganz in Aſche legte (ſ. ob. S. 122), ohne Wi⸗ 
derſtand zu finden. Es ſcheint dies nur mit einer ganz offenen 
unverfchanzten Lage dieſes Lagerortes ver Parther, vie ſich noch 
nicht viel mit Feſtungswerken abgegeben haben werben, vereinbar 
zu fen. Doch blieb fie bis gegen das Ende der Partherherrſchaft 
die Reflvenz ihrer Arſacidiſchen Könige, denn als Kalfer Severus 
furz vor dem Aufblühen der Safjaniven Dynaſtie jenen Zerſtd⸗ 
rungszug gegen Cteſiphon ausführte, entfchlüpfte ihm kaum noch 
ver König mit den Seinigen aus jener Reflvenz (Herodian. III. 73), 
bie den römischen Legionen ganz zu Brand und Plünderung preid- 
gegeben war, und doch noch an Hunderttaufend Gefangene lieferte 
(Dio Cass. LXXV. 9). 

Zu gleicher Zeit war nun au Seleucia völlig der Erbe 
gleich gemacht und erhob fich nie wiener, dagegen Etefiphon une 
ter der neuen Dynaflie der Saffanivden (fit 226 n. Ehr. ©.) 
mit verfüngten Glanze aus feiner Afche emporftieg. 

Doch nit vom Anfang an fcheint e8, daß dieſes Tigrisufer 
die erſten Saffanivifchen Fürſten, dort ihre Refidenz aufzufchlagen, 
angelockt Hätte; denn fie bauten ſich ihre Prunkfitze anfänglich in 
ihter mehr öftlichen Heimath auf, zu Shahpur und Gonbifa- 
pur m. a. O.; im 4. Jahrhundert aber, als ihre Herrſchaft in Vor 
deraſten fie in Anaufhörliche Fehden mit ven Byzantinern und Ara- 
bern vertwidelte, wird ausdrücklich von Shahpur (Sapor II. reg, 
09-381), vem Triegerifchen und eroberungsfüchtigen Zeitgenofien. 
Cenſtantinus M. und Julians, gefagt, daß ex ver @rbauer®7) von 
Radain der Doppelſtadt gemefen, vie er in Grund gelegt and 
in en em Jahre zur Reflvenz feines Neiches erhoben, und alle Gro⸗ 

den feined Reichs dahin bejchieden, fle zu bemohnen. Er war e8, 
ver von Conſtantin die geraubten Schäe von Nifibin zurück erhiekt, 
ver Iullan den Untergang bereitete, der mit Jovian ven für vie 
Berfer fo glorreichen Frieden abfchloß und zulekt noch die Truppen 
ve Kaiſers Valens aus dem Felde ſchlug. 


Wie bedeutend zu feiner Zeit ſchon die erneuerte Neflvenz, welche 
Ammian, Zoſimus, Greg. v. Nazianz und die Griechen überhaupt 


neh immer Eisfiphon, die Drientalen aber Madain nennen, 


307) Mrihond Hist. des Sayganiden b. S, de Sacy Men, p. 316. 


* 


—68 


Euphratſyſtem; hiſtor. Ruͤckblick; unter Saſſaniden. 168 





166 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30, 


geweien fein muß, ergibt fich daraus, daß es dem Kalfer Sullan 
doch zu gefahrvoll ſchien, Die Stadt felbft anzugreifen und fürmlich 
‚gu belagern. Des Lagers und Paradeiſos, nicht fern von ber Stadt, 
und ihrer Stabtthore, die den Flüchtlingen geöffnet waren, geſchieht 
bei den genannten Autoren allein Erwähnung. Vergeblich fieht 
man fich nach anvern Angaben von ver Stadt um. Gtephanus v. 
Byzanz nennt nur ven Namen Cteſiphon und hat in einem Frag⸗ 
mente aus einem verloren gegangenen Werke Arrians ven Namen 
Choche (Xwyn n. Arrianus Parthico decimo) aufbewahrt, als 
einen Ort, der zwar verfchieven von Seleucia und auch wol von 
Gtefiphon, jedoch ganz In deſſen Nähe Iag; unftxeitig vaffelbe, das 
Ammian im Süden des Nahr Malcha nannte, alfo Eiefiphon 
gegenüber, ober doch nicht viel weiter davon abwärts, an dem rech⸗ 
ten Tigrisufer gelegen. Diefe Coche ift es nun, welche uns das 
vermittelnde Glied wird, durch welches wir wenigſtens einen Blick 
auf den Einfluß gewinnen, ven vamald Etefiphon, oder die Doppel- 
ſtadt EI Madain, auch auf pas reltgidfe Leben in ven Euphrat- 
ändern ausübte. Denn diefe Eo che ift es, welche und in jener Zeit ver 
weiten Verbreitung ver Neftorianer aus Syrien, zumal von Edeſſa 
aus, durch das perfifihe Reich (Erdk. II. ©. 285) in dem Ber 
zeichniß ihrer Bifchofäflge genannt wird, ald eine Vorſtadt von 
Seleucia, 68) wo ber Sig des Patriarchen ver Neflorianer, 
bie Ecclesia Cochensis in Mabuza war, womit bie Provinz der 
Hauptkirche des Patriarchen bezeichnet wird, Die aber an einer an« 
dern Stelle auch die Vorſtadt von Cteſiphon genannt wir. 
Etefiphon felbft wird unter ver Patriarchalſtadt mit Coche und 
Seleucia verflanden, und diefelben zug leich Modaina, Mapdain, 
bei Syrern Medinata, i. e. binae urbes genannt, welche zuvor 
auch der erzbifchöfliche Sig des Metropolitan ver Neflorianer im 
Driente geweien fel. Noch. ein anderer Name, veffen Entfichen uns 
unbekannt, kommt gleichbeveutenn mit dem Ortsnamen Cteſiphon 
bei den Neftortanern in Gebrauch, nämlih Spanira, erſt als Archi⸗ 
epifcopal- und dann als Patriarchalfig der Neftorianer, worüber: wir 
aber feinen weitern Aufichluß erhalten. Nah Cuſebius Berichten, 
der ben Berzeichnifien ver Edeſſaner folgt,®) ging die ſyriſche 





»*8) Notitia ecclesiar. Metropolit. et Episcopal. etc. in Assemani 
BibL Or. T. II. P. 2. fol. DCCV etc. 3. v. Coche, Ctesiphon, 
Mabuza, Modain, Epanira. °®) De Syris Nestorlanis dissert. 





Be Vs A 7” Ger" GE Be "177 CE EEE 


— ee — ⸗ 





Euphratf. ; hiſtor. Ruͤckbl.; unter fyrifchen Chriften. 167 


Kirchenlehre ſehr frühzeitig durch die Schüler des Thappäus uns 
tr Abgarus Schut in Edeſſa (Osrhoene, f. ob. S. 118) zu ven Per- 
ſern über, und ſchon deſſen zweiter Schüler, Mares, nahm feinen 
ſeſen Sig zu Seleucia und Cteſiphon, dem Hauptfige der Magier, 
der Madain hieß, wo er 15 Jahre lang bekehrte und taufte, und der 
Eccleſia des Orients vorſtand. Nachdem er von da feine Mifflon 
in vielen andern Gegenden vollführt Hatte, Fehrte er nah Mapain ' 
jueud (nad) 33 Jahren), wo er ven Sit des Batriarhen im 
Orient wieder einnahm, vafelbft (19. Jul. 390 nach grischifcher 
Beitrechuung) farb und in der großen Kirche zu Dor kena 
jur rechten Seite des Altars begraben wurde. Disfed Dor Teng 
der Araber, Dair Eona oder Dair kuni der Shyrer, war ein Ort . 
nahe bei Eoche, und wurbe auch Beth Daraja (Bapraja bei 
Abulfeda, oder Badaraja) genannt. Es blieb die Brabflätte ver 
ätieften ſyriſchen Archiepiſcopen in Seleuda und wurde auch durch 
fine Schule und ein Klofler bekannt, die aber erſt fpäter zu 
Ehren des Mares errichtet wurden. Die Eccelefia zu Code 
blieb aber die Kirche der Orbinatton für die Patriarchen 
des Drients nach dem forifchen Rituale ver Chaldäer; fie wurde 
daher fortwährend befucht, und Eonnte, da felbft bier in Seleuca 
frũhzeitig Synoben ver orientalifchen Kirche zu Stande famen, wie 
z. B. im Jahr 410, wo 40 Epifcopen verfammelt waren unter 
Maruthas Borfig, nicht ohne Einfluß auf die Verbreitung ihrer 
Lehre bleiben. Bon Mared erzählt die fpätere Sage, daB er in 
Madain viel mit ven Magiern zu kämpfen hatte, doch eine große 
Kirdye Dort erbaute, und zu Dor kena eine edle Matrone zur Taufe 
brachte, Die ihr But ald Opfer darbot, worauf er das bortige Py⸗ 
räum, das Heiligthum in welchem das Feuer ald Symbol des Dre 
muzd verehrt wurde, in einen chriftlichen Tempel verwandelte, in dem 
feine Leiche nachher beigeſetzt wurde. Bon bier breitete fich vie Lehre 
durch vide Orte Perfiend aus, und ganz beſonders waren bie Pa⸗ 
triarchen von Seleucia, wahrfcheinlich wegen des damals häufigen 
Bandelsverkehrs zwifchen Etefiphon und Indien, auch vie anfänglichen 
Plsger und Beichüger der Thomaschriften in Dekan, deren Dre 
Dinaflonen ſtets von dem Mareöfige zu Seleucia ausgingen, die jedoch 
feit dem 7. Jahrhundert von ihnen vernachläffigt zu fein ſcheinen 
(f. Exot. Th. II. S. 284. Ih. V. S. 605). Hier entſtanden daher 
fo manche theologifche Streitigkeiten zwiſchen den unter den Saflar 
nöden fo zelotifch geworbnen verjüngten Ormuzddienern und ben 
chriſtlichen Secten, die um fo heftiger waren, da bie perfifche Prieſter⸗ 








168 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.30. 


Tafte, die Magier, Alles anwandten, ihre alte Lehre vor der neuen 
zu fichern, die vielfach durch das Perferland verbreiteten jüdiſchen 
—— an ihren feindlichen Anſtiftungen Theil nahmen, und 
die ſchwankende Politik der Regenten gegen das —— en 
nifche Nachbarreich bald die Chriſten als Schuͤtzlinge aufnahm, bald 
fie im Feuereifer für ihre Staatöreligion auch wieder grauſam ver⸗ 
folgte. 
Bon dem Einfluß, dem dieſe Zuſtände auf die Lehre des Mani 


und die Verbreitung der Manichäer gegen Ende bes II. Jahrh. 


zur Zeit Shahpurs I. ausgeübt Hatten, iſt ſchon früher vie Rede 
gewefen (Erdk. Th. VI. S. 270. Durch längere Seit der Duls 
dung der forifchen Kirche Eonnte ihr Einfluß mol fehr beveutend 
werben: benn bis gegen die Mitte des IV. Jahrhunders hatte nah 
keine Ehriftenverfolgung der Saffanivifchen Könige gegen viefe Kirche 
flattgefunben, wie dies fi) auch aus dem Briefe Kaiſer Conflantins 
an Shahpur (Sapor II.) ergibt, In welchem viefem fogar ver Schuß 
ver Ehriften im Perſer⸗Reiche empfohlen wird. 79) Die erfte große 
Verfolgung fand erft im I. 343 n. Chr. Geb. flatt. Die Beran- 
laffungen dazu waren die Verläumbungen ver vortigen Suben und 
deren politifche Anfchwärzimgen ver perflichen Biſchöfe bei dem per 
flihen Monarchen und das völlige Mißverſtehen ver Lehren ver fg» 
riſchen Kirche. Iene blutige Verfolgung begann mit dem ehrwür⸗ 


digen Greiſe Symeon, dem bamaligen Biſchof von Seleucia 


Gtefiphon, 72) der der Sohn eines Föniglichen Purpusfärbers 
war, mit dem Greife Guhſciatazades, dem erſten Hofbeamten 
des Sapor, mit Phuſik, einem feiner erften Hofarbeiter, alle eife 
tige Bekenner des, Evangeliums, woraus fich zeigt, welchen Cin⸗ 
fluß die Lehre ſelbſt am Hofe gefunden hatte, und mit der ‚Hinrich« 
tung von hundert Geiftlihen des Landes, bie als Martyrer fielen, 
In dieſer Seit und der folgenven noch 'vierzigjährigen Reihe ver 
Regierungszeit Sapor Il. zeigte vie Fortdauer der Chriſtenverfol⸗ 
gung, daß es dort nie an Laien, Diaconen, Presbytern und Epi⸗ 
feopen ver ſyriſchen Kirche gefehlt Hatte, welche dem Martyrtode 72) 
mit feſtem Glauben und Hohen Muthe entgegen gingen. Wenn 
dann zumellen, wie während ver Verhandlungen des Kaiſers Theo⸗ 
doſtus II. mit Jezdegerd II., durch des Bischofs Maruthas von Tas 





310) Meander Algen. Geſch. der chriſtl. Religion und Kicche. 1828. 
25. I. 2 11) Neander a. a. O. ©.231; ct. b. Asse- 
mani |. c. 5% LII, ’32) De Syris Nestor. b. Assemani L. c, 
fol, AXXV, etc, = . 


pr 





Eupbratf.; hiſtor. Ruͤckblick; unter Neſtorianern. 169 


grit (d. i. Tekrit am Tigris) weiſes Benehmen, 73) die Wuth der 
Berfolgung von Zeit zu Zeit nachließ, fo kehrte fie doch immer 
Bald wieder und zerflörte nicht nur ſehr Vieles, mas für die Ver⸗ 
breitung des Evangeliums ſchon gewonnen war, fondern trug auch 
insbefondre fehr vieles zur Entvölferung und zum DBerfall von Ete- 
fiypon und aller Ortfchaften am Tigris und. Euphrat bei, aufwärts . 
bis nah Hira, Tekrit, Bezabde, Niſibis, Eveffa und - 
Amida, deren Bewohner in dieſen Schreddensperioden die einzige 
Rettung auf dem Geblete des römifchen Reiches finden konnten und 
dahin in zahlreichen Schaaren auswanderten, obwol fie auch da 
nicht felten das Loos des Martyrthums, mie 3. B. zur Zeit Ju⸗ 
Hans, traf. In diefer Periode war ed, daß die ganze chriftliche Bes 
völferung von Niſibis zur Emigration nad) Amida gezwungen 
war, daß die 9000 chriſtlichen Bewohner von Bezabde jammt ie 
sen Biſchoͤfen Heliodorus, Daufas, Marjabus und Ebedjeſus 7*) in 
die perſiſche Befangenfchaft abgeführt wurden, wovon vie meiften 
ven Tod erlitten. Während einer kurzen Perlode der Duldung un⸗ 
ter Sapord II. Sohn, Ardeſchir (Artaxerxes II. zeg.. 381—388), er⸗ 
bielt Giefipbon, das lange ohne Epifcopus geblieben war, wieber 
in Tomarſa feinen erſten Geiftlichen, ver aber ſchon 392 flarb, und 
"you da gingen die Stiftungen neuer Kirchen in Hirta (movon oben 
vie Rebe war, |. ©. 60), in Meſene und in andern Orten ver Eu⸗ 
yhratlänver auß. 

Erſt als die Lehrfireitigkeiten im rönifchen Reiche im Berlauf 
des V. und VI Jahrhunderts jene Spaltung 75) (durch Neflo- 
sinsBerbammung 431) zwiſchen ver chriftlichen Kirche des per⸗ 
ſiſchen und des roͤmiſchen Reiches hervorbrachten, mußte dadurch ber 
yelitifche Grund der Verfolgungen in Perſien wegfallen und dies 
auf die Page ver perſiſchen Ehriften vortheilhaft zurädwirten. Wie 
vie Lehre des Neſtorius, der erſt nach Petra in Arabien verbannt, 
Yan in einem Klofter zu Antiochia Iebte, und endlich in ver ägyp⸗ 
tiihen Thebais flarb, einen fo großen Einfluß in Aflen gewinnen 
kennte, ergibt fich vorzüglich daraus, daß vie berühmtefte Schule zu 
Eveſſa, in welcher damals die Theologen für die forifche Kirche in 
Berfien gebildet wurden, einen fehr eifrigen Neftorianer zum Vor⸗ 
fande erhalten Hatte, und daß der Biſchof des Orients ebenfalls 
Vvartei nahm gegen vie Verfolger des Neftorius. So werden Bar⸗ 





’5) Meander a.0.D. ©.235. 72) De Syr. Nest. I. co. ſol. LX. 
8) Meander a, a. D. S. 241. - 


“ 


[4 











17Q Weſt-Aſien. TIL. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30, 


fuma, Biſchof von Nifibis, 435 618 489, aus ber ebeffenifchen Schule, 
mit feinem Begleiter Narjes, ver 496 flicht, als die eifrigften Ber 
breiter der Neftorianifchen Lehre in den ſyro = perfifchen Landſchaften 
angefehben. Bon ihren Parteien wurde Barfuma’s Nachfolger, 
Joſeph Hazita, und Babaeus 496 als Erzbifchof von Seleu- 
cia erwählt, wo biefer auf der dafigen Synode im Jahr 496. die 
Lehre des Neſtorius beftätigte. Dies fiheinen die Hauptmo⸗ 
mente geweien zu fein, welche dem Neftorianismus über Seleuche 
durch, die ſyriſche Kirche ven Eingang nach ganz Oft aiſten be⸗ 
veiteten. 76) 

Die Schule der Neſtorianiſchen Kirchenlehre, im Gegenſah der 
katholiſchen der Byzantiner, fand nun an den Saſſaniden⸗Königen 
eine ſtarke politiſche Stütze; fie blühete in Niſibis vorzüglich 
auf, dort kamen Synoden zu Stande, deren Beſchlüſſe von den Per⸗ 
ſerkönigen Beſtätigungen erhielten. Die Archiepiſcopen zu Cteſi⸗ 
phon⸗Seleucia wurden aber als die Primaten anerkannt; ihr 
Sitz, das Neſtorianiſche Patriarchat, als Haupt der Kirche im 
Orient, übte immerfort einen ſehr weit verbreiteten Cinfluß im Oſten 
der Erde aus. Die Neſtorianer fliegen nun als Schrriber, Bau⸗ 
meiſter, Kaufleute, Aerzte, Präfeeten,. Vertraute der ſaſſanidiſchen 
Könige zu hohen Ehren auf, und dieſes Verhältniß ging auch ſpaͤ⸗ 
terhin auf ihre Nachfolger, die mohameranifchen Khalifen, über, 
welche anfänglich ihnen einen ausgezeichneten Schuß gewährten 77) 
(EHE Th. IX. ©.287; Xh. II. ©.285). 

Dies find faſt die einzigen Nachrichten, die in die damaligen 
Zuſtände des innern Lebens der großen Safſſaniden⸗Capitale einen 
Blick geſtatten, woraus auch mancherlei in fabelhafte Erzaͤhlungen 
verkleidete Angaben über die dortigen Hofgeſchichten, wie fie in Mir⸗ 
khond's Geſchichte der Safſaniden 78) von fremden Baumeiftern, von 
chriſtlichen Vezieren, von Sektirern, von chriftlichen Prinzeflinnen, 
z.B. Nuſchirvans Gemahlin, u. a. vorfommen, einiges Licht erhalten. 

Bon diefem Khosroes Anufhirman (532—579), dem 
flegreichen Gegner Kaifer Iuftinians, erzählt Mirkhond, 79) daß 
er bei feiner Eroberung von Antiocdhia, der fihönften Stabt in Sy⸗ 
rien, fo fehr von ihr eingenommen wurbe, daß er ihren Plan zu 





370) J. CL Rich Narrat. nad) Assemani Vol. II. p. 112, not. 

77) Nestorianorum status sub regibus Persar. 6.2. foL LXXXVU. 
und sub Chaliphis 6.8. fol.XCIV. bei Assemani Bibl. Or. T. III. 
P.TL.1.c. ’®) Mirkhond, Hist. des Sassanides b de Sacy 
L c. p. 327, 367 u. 0. ©. 79) ebend. p. 366. 





Euphratſyſt.; hiſtor. Ruͤckblick; unter Saffaniden. 171 


Bapier aufzeichnen lleß und ven Befehl gab, eine ihr ganz gleiche, 
in Nichts abweichende Stadt ganz nahe bei Madain, feiner Dop⸗ 
yelflabt, aufzubauen, in welche er, als fie beenbigt war, alle Bewoh⸗ 
ner der ſyriſchen Autiochia gewaltfam verpflanzen und überfieveln 
Be. Sie fol in Straßen, Plägen und allem, wad dem Geſchicht⸗ 
ſchreiber ſelbſt ſehr auffallend ſchien, ver forifchen Stadt gleich ges 
weien fein, und erhielt ven Namen Rumia, d. t. die Römer» 
Radt. Zur Zeit. Greg. Abul Pharaj, fagt derfelbe, ward fie Al 
Mahuza ©) genannt. Jene Anlage wird von Procopius (bell. 
Pers. II. 14) beftätigt, der aber die neue Stadt, bie doch wol feine 
andere als jene Rumla fein kann, Ehosro Antiochia nennt, fie 
eine Zagereife fern von Cteſiphon aufbauen, mit Circus, Bädern, 
mit Wagenrennern, Muflfern und allen Annehmlichkeiten des römi« 
ſchen Lebens verfehen läßt, und fagt, daß die große Zahl der dahin 
übergefievelten Gefangenen bafelbft ihre eignen Gerechtſame erhiels 
ten, unter keinen Satrapen, ſondern unmittelbar unter den König 
zu leben kamen, und das Recht, Ihre Verwandten, die fich etwa in 
Sclaverei anderer Perſer befanden, ald Freie unter ſich aufzunch- 
men. Auch von der Infel Rhodus, welche damals von den Per- 
ſern befegt war, erzählt Greg. Abul Pharaj, habe Khosroes 81) al« 
les, was von ſchoͤnen Marmorfäulen und fonfligem Tempelichmud 
vort war, zur Verfchöneruug nach feiner Hauptſtadt Madain brin- 
gen kafien. Unter den vielen von biefem Regenten erzählten Hiflde 
zien iſt auch die eine von dem Gefandten des Kaljerd von Byzanz 
zu bemerten, ver den Pallaft zu al Madain 8?) wegen feiner 
Schoͤnheit, feiner großen Pracht, feiner Größe und Höhe bewun⸗ 
werte, und nur einen Fehler ver Unregelmäßigfeit daran tadelte, 
vie aber ald eine Folge der @erechtigleit ded Monarchen audgelegt 
wurde, weil dieſer den flörenven Fleck der Eigenthümerin, vie fich 
zum Berfauf deſſelben nicht hatte entfliehen Fönnen, doch nicht mit 
Gewalt hatte entreißen laſſen. Den Pallaft Hatte alſo Khodroes 
ſelbſt erbauen lafien; ed kann wol Fein anderer fein ald der Ai⸗ 
san 8) (Ivan) oder fpäterhin Tauki Khesri (Tal Kesro und 
Tat Khosri bei Arabern und Perſern, Thron Khosroed) genannte, 
deſſen Ruinen noch heute Die Stelle des alten Cteſiphon verkünden. 
Doc bleibt die Beichichte feiner Erbauung, diefer Andeutungen uns _ 


°*) Greg. Abul Pharaj. Hist. dynast. ed. Ed. Pocock, pag. 49. 
sı) ebendaſ. pag. 08. °8) Mirkhond, Hist. des Sassanides 1. c. 
2) Nichter, hiſtor. kit. Verſ. a. a. D. ©..228. 

















172 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. , 30. 


geaghtet, in. fo grandiofem Style noch immer ein Räthſel. Bon 
vem Prunkleben in dieſem Pallaſte unter Khosru Parviz (reg. 
590—628), dem Gegner des Kaiferd Heraclius, wird bei den Orien⸗ 
talen die übertriebenfte Schilverung 9%) gegeben, und doch Hatte er, 
um böfen Borausfagungen zu entgehen, auf längere Zeit Ctefiphon 
felbft vermieden, und fih zu Daftagerd feinen Refidenzfitz mit 
gleichem Luxus erbaut (ſ. Erdk. IX. S. 504), wo er aber doch fel- 
nem Schiefale unterliegen mußte. So dicht grenzte hier der Höchfte 
Glanz des Reichs an deſſen ſchmähligſten Sturz, der unmittelbar 
nah Khosru Parviz erfolgte. 

Nach grenzenlofen Verwirrungen im Haufe der Saffaniben, 
als die nene Lehre mit dem Koran und dem Schwert ſich aus Ara⸗ 
bien fhon über die perflichen Orenzlanpfchaften verbreitet hatte und 
ein funfzehnjähriger Prinz, Jezdegerd, aus Iſtakhar Herbeigerufen 
war, um zu Mapain im Pyräo 85) zum legten male mit ver 
Tiara der Saffanivenfrone geſchmückt zu werden, wälzte ſich die Al 
les mit fortreißende Lawine des Stegd und der Belehrung auch ge= 
gen dieſen Obnmächtigen heran. Die tapfern perflfchen Reiterſchaa⸗ 
ren unter Ruftams, genannt Ferokhzad's, Befehl fuchten noch 
am Guphrat in der Gegend von Hirah (f. oben S.61) dem An- 
range ber Moslemen zu widerfichen. Nach den drei immer er⸗ 
neuerten blutigen Sthlachttagen, bie durch vie beſondern Bezeichnun⸗ 
gen des Tages der Hülfe, ver Beflürzung und des Gchen!s 
bei den örlentalifchen Autoren 86) ausgezeichnet find, und unter dem 
einen Namen ver Schlacht von Kadeſia (im I. 636) sufam- 
mengefaßt werben, weil bei diefem Orte, nahe am Euphratufer, in 
der Nähe des nachmaligen Kufa, die große Wahlftatt war, wurde 
in der Hitze der Mittagsfonne und ver Sandwolken des vierten Tas 
ges das Schiefal von Perfien auf immer entſchieden. Die Ormuzd⸗ 
dieneg eniflohen und vie Anhänger des neuen Propheten verfolgten 
jle in ver Hitze des Sieged bis zu ben Ufern des Tigris, über ven 
Nahr Schtr, den Canal, mo ihnen die Refidenz Modain Khosru, 
wie fie Abulfeva in feiner Gefchichte nennt, mit ihrem fo berühm⸗ 
ten „weißen Pallafte” wundervoll entgegentrat. In lautem Ju⸗ 
bel jauchzte die Menge zur Verherrlichung Allahs auf, denn bad 
fet, riefen ſie mit Staunen, das weiße von ihrem Propheten ver⸗ 
heißene Palatium! Es war gegen Ende des 15. Jahrs der He⸗ 


304) Richter a. a. O. 5.234 86) Mirkhond, Hist. des Sassa- 
nides.l.c.p.416. 20) Abulfeda Annal. Mosel. ed.Reiske, p. 60. 





Euphratſyſtem; hiſtor. Ruͤckblick; Saſſaniden Sturz. 173 


gira (Anfang Februar des Jahres 633 n. Ehr. Geb.), als Omars 
deldherr Saad, Ben Abu Wakkas, ven Tigris überfchritt; Dez- 
degerd war mit feinem Haufe und fo viel Schätzen, als er hatte 
davonbringen Ffünnen, zum mebifchen Gebirgälanve, nach Holwan 
(Erpf. Ih. X. S. 467) entflohen. Ohne Wiverfland warb die Stabt 
erſtürmt, und was ſich von Menfchenleben vorfand, nievergehauen; 
der Ballaft von dem Feldherrn Saab eingenommen, das Hauptquar⸗ 
tir hineingelegt und ein Oratorium. zur Vorleſung des Korans 
darin aufgerichtet. Dies ift unftreitig die Urfache feiner Erhaltung 
gewejen, denn feine Mauern allein find auf. dem weiten Blach- 
felde von Madain bis heute in ihrer erhabenen Größe ſtehen geblie⸗ 
ken, während alles andere in Schutt verfanf. Die Beute, bie man 
darin an Koftbarkeiten aller Art, an Gold, Geräthſchaft und Klei⸗ 
dern vorfand, fagt Abulfena, würde zu weltläuftig berzuzählen ‘ 
fein; er führe nur eins flatt alles übrigen an. Einer der Säle 
war mit einem foflbaren Teppich geziert, der im bunt ſchim⸗ 
mernden Barbenfaume, 60 Ellen breit und eben fo lang, das „Bild 
‚ Led Paradieſes“ vorftellte, deſſen Gemwächfe, Blumen und Früchte 
aus ben verjchievenften Edelſteinen gebilvet waren, vie ſich auf gol⸗ 
denen Stielen erhoben. Diefer wurde dem Ynibeil ber Soldaten an 
der Beute entzogen und als Prachtflüd dem Khalifen Omar felhft 
übergeben, ver aber, unbefümmert um das Kunſtwerk, den Teppich 
zerſchneiden lleß und unter feine mebinenflfchen Kriegögefährten ver⸗ 
thellte. So groß, jagt Abulfeda, war deſſen Koftbarkeit, daß Alt 
fein Stück, das ihm zufiel, allein für 20,000 Stperftüde verkaufte, 
woraus man auf ven Werth des Ganzen zurüdfchließen könne. 
Diefe wenigen Nachrichten von dem, was zu Etefiphon in 
vie Hände ber Eroberer fiel, wozu auch eine ganze Schiffsladung 87) 
ven Kampfer aus dem fernften indiſchen Dcean gerechnet werben 
muß, der damals mit Wachs vermifcht zur Erleuchtung des Palla- 
les diente, aber von den Arabern, venen fein Gebrauch fremd war, 
um des Wohlgeruched willen wie eine Art Gewürz unter ihr Brot 
gebacken ihnen dieſes nur verbitterte, fammt nen Schägen von Ge⸗ 
würzen, Aloe, Pfeffer, Zuder, Ingwer, Burpur, Sei» 
vdengarn, ſeidenen Zeugen, Eoflbaren Stoffen, Stide- 
u seien, GSilbergeräth, welche Eurz zuvor im Pallaſte Khosroes zu 
Defıgard (Erdk. Th. IX. S. 506) den griechifchen Siegern des by⸗ 
zaminiſchen Kaiſers Heraclius in die Hände fielen, find, des völll 
— — 


) Herbelot Bibl. Or. 3. v. Madain. 











174 Wefl-Afien, II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 30. 


gen Mangels näherer Nachrichten über biefen Gegenſtand ungeach⸗ 
tet, doch ſprechende Beweiſe für den Weltverkehr, in welchem Cte⸗ 
ſiphon bei fo vielem Luxus und zumal mit dem Oriente geftan- 
den haben mußte. 

Mit der Hauptflabt fielen auch die übrigen Städte am Tigris 
und Euphrat, wie Tekrit, Mauful, Eircefium 8) u. a. ‚in 
die Hände der Moslemen; die Stelle, wo früher die Doppelftapt 


‚ Mapdain gelegen war, blieb nun verddet, die arabifchen Sieger ver- 


ließen fie wenigftens, da Ihnen ihre Lage und ihr Elima nicht zu⸗ 
fagte, und Saad, ver Feldherr Omars, zog e8 vor, gleich Im fol⸗ 
genden Jahre in ver Nähe von Kadeſia, In den Gärten von 
Kufa fein Lager aufzufchlagen, die ex deshalb abzugrenzen befahl. 
In demselben Sabre ver Belegung von Madain hatte auch ver Kha⸗ 
N Omar ſelbſt fchon am” untern Tigris die Lage von al Bas⸗ 


rah zur Gründung einer neuen Stadt auserwählt und daſelbſt die 


erſte Furche 8%) mit dem Pfluge um dieſelbe zu ziehen geboten; doch 
erhielten beide erft ihre Ummauerungen und Umfchanzungen durch 
Gräben über 100 Jahre fpäter unter den Ommajaden durch ben 
Khalifen Al Manfur (im I. 771), nachdem dieſer 10 Jahre zu⸗ 
‚vor die erſte Grundlage zu der neuen Khalifenftabt Bagdad, 
nur eine Tagereife norbmefhwärts von EI Madain, gelegt hatte (im 
J. 761). 9) ' 

Diefe Städte treten uns als Givilifationspuncte in den Euphrat⸗ 
und Tigrisländern an die Stelle der bisher fo berühmt geweſenen 
Namen, die meift ganz in Vergefienheit zurüdfinken. Es iſt Hier 
der dit, die älteſten Nachrichten ver Mohamedaner von deren Be 
gründung und früheſten Entwicklungsgeſchichte, fo weit wir fle ‘in 
Bragmenten ver orientalifchen Autoren berührt finden, und hier zur 
Erinnerung zu bringen, um, wo fpäter von ihren gegenmwärligen 
Zufländen die Rede ift, einen Vergleihungspunft mit der Vergan⸗ 
genheit voraus zu haben. 


300) Abulfedae Annal. Mosl. l. c. p, 71. 0) ebenbaf. p. 67. 
0) ebend. pP» 147, 151. % , . 





N 


Eupbratf.; hiſtor. Rüdblie; zur Zeit des. Khalifats. 175 


. 31. 


Hiſtoriſcher rRuͤchlick auf die Stromgebiete des Euphrat 
und Tigris. (Fortſetzung). 


I. Zur Zeit des Khalifats. Neuaufbluͤhende 
Hauptſtädte im Euphrat- und Tigrislande: EI 
Badra, Kufa, Waſit, Bagdad. 


1) EI Basra, die alte Stadt, ſpäter Baſſora (Balſora), 
das Emporium und feine Umgebung 


Dieſe Stabt, fagt Edriſi, beſtand noch nicht zur Zeit der al 
ten Perſer; unter dem Khalifen Omar wurde erſt der Plan zu 
ihr entworfen;. erbaut wurbe fie von Otba Ben Gazwan, 9) 
dem Sohn Arars, und daſſelbe beflätigt ver erfle Augenzeuge, Ebn 
Haufal, der fie Mitte des 10. Jahrhunderts felbft beſuchte Abul 
Faradj ”) berichtet dagegen, nicht Otba (ven er Utbal nennt), 
fondern Mifan Abu Mufa Alafhar habe von Omar ven Aufe 
trag erhalten, im Lande Basra die Uraber, die mir ihm waren, 
jeven nad) feinem Stamme anzufleveln, und in ihrer Mitte einen 
Tempel mäßiger Größe zu erbauen, und daß er, nachdem er dies 
ausgerichtet und die Stadt Bas ra zu Stande gebradit, mit feinen 
Zruppen weiter gezogen fei, zur Eroberung nach Ahwaz. Der 
Name der Gegend von Basra beftar aber Iange Zeit vorher, ehe 
die Stadt gegründet wurde, wie fi aus den früheften Neftorianer 
Berichten ergibt, und dieſe Dorfſchaften, vie dort fchon früher 
befanden, find es wol, welche bei Ebn Haufal die Souad von 
Basra heißen; Abul Pharaf nennt aber biefe Dorfichaften vor 
Der Eroberung Omars noch mit dem bejondern Namen Arkan. 
Bon Kufa nach Basra waren 12 Tagreifen, von Basra zum Meere 
2 Iagreifen ober Merhileh. Die fo frühzeitige Anlage diefer Stadt, 
noch während des erften Kriegsjahres, im 15. ober ſelbſt fchon 
im 14. der Heg. (636 oder nach andern 635, wie Abulfeda fagt), 
ſchon vor ver Einnahme von el Mabain gegen die Perfer, hatte 
\ ifeen Grund darin, daß man dieſem die Zufuhr ver indiſchen Waa⸗ 
tem auf ver Waſſerſträße, ver einzigen, welche damals bie indie 





) Bärisi Geogr. b. Jaubert T. 1. p. 368; Oriental geogr. p. XIV. 
XVI. 61—65, 71, 79. °?) Gregor Abul Phärsaj. 1. c. p. 113. 


pP‘ © 2 0 söe 


% 














176 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.31. 


fhen Schiffer und Handelsleute nach ven beiden Nefldenzen Ctefi⸗ 
phon und Sufa, nahmen, abſchneiden wollte; denn ver Landweg an 
der Küſte über Mekran, Karman und Fars war gar nicht im 
Gange.ı Die Meeresflutb führte aber die größten Schiffe damals 
fon, wie heute noch, aufwärts bis zu dem Hafen (EI Mina) ver 
Stabt, und auch wol welter, wenn jene Sagen von Hirah, die wir 
oben nach EI Maſudi anführten, auch nur einigen biftorifchen Hin⸗ 
tergrund haben. Die DVortrefflicgket ver Wahl dieſer Ortslage 
geht aus diefem Doppelverhältnifie, als der Hafenort und Schlüſ⸗ 
felzum Euphrat wie zum Tigris, und Ihren Reflvenzen und Ga- 
pitalen von felbft hervor. Doch war jene Stabt Alt Basra, nicht 
bie neuere, erſt fpäter im 17. Jahrhundert am Euphratufer ſelbſt 
gegrüntete (f. ob. ©. 52), als eine Acht arabifche Stadt auf einem 
weißen Sand⸗ und Steinboven angelegt, ver an fich Fein Gewächs 
trug und durch keinen Regen erquidtt wurbe, ven aber bie —— 
die an ihm, in tauſend Ganäle zerſpalten, vorüberzogen, zu 
paradiefiſchen Landſchaft durch Ihre Bewäflerung und —XR 
umgeſtalteten. 

Nahr Ailah over Rudi Allah, d. i. das MWaffer oder ver 
Fluß Allah, auch Ablah (wol von Obollah), wurde biefes 
Paradies genannt, und denen von’ Damadl, von Samarkand und 
Shiraz gleichgeftelt. Denn vorzüglich ver Eleine Fluß, der nad 
Obollah abfloß, war es, deſſen reizendes Thal fich durch fo große 
Schönheit feiner Auen und Pflanzungen audzeichnete, jo wie ein 
andres Zauberthal Shaab Bewan, am Fuße des Kalai Seflv; 
beide aber haben von neuern Reiſenden 82) Feine nähere Beſtimmung 
erhalten. 

Den Schilberungen ver früheren Zeit kann man bei ven Orien⸗ 
talen nicht immer trauen, Ebn Haufal felbft merkte dies, wo er 
fagt: daß Basra zur Zeit Belal ben Abi Bordehs von 12000 Strömen 
burchfchnitten geweſen fein folle, auf denen allen Boote bin und her 
gingen ; died habe ihn in Verwunderung gefegt; doch fah auch er 
auf feinen Wanverungen in Basra in Mfeilfchußmweite oft mehrere 
Feine mit Booten beichiffte Stromläufe, und die ganze Ausdehnung 
von Basrah betrage, fagt er, 50 Farſang von Sey bis Abadan, 
worunder natürlich nicht die Stabt, ſondern die ganze Landſchaft, 

und zwar ſo weit die großen Dattelpflanzungen reichen, verflanden 


3») Hammer Purgſtall aflat. Türkei. Rec. 1821. Wien. Jahrb. XI. 
©. 217. Rot. \ 


v 


sa 





Enphratf.; hiſtor. Ruͤcblick; zur Zeit des Khalifats. 177 


wird. Unter biefen liegen die Gräber mancher Heiligen und Docto⸗ 
on des Koran, die ald Pilgerorte beivallfahrtet werben, unter denen 
Con Haukal auch dad Grab des Talhah ben Abvallah nennt, das, 
sach Nie buhr bei feinem dortigen Beſuche, auch heute noch in 
Ehren gehalten wird, und in der angegebenen Kocalität bes alten 
Batra, 15 deutſche Teilen im Südweſt ver heutigen Stabt, jene 
Lage beftärigt, die Ebn Haukal befchreibt, deren Natur fich aber 
gegen jene frühere Zeit fo ungemein veränvert hat. Der Fluß 
Zohan (wol iventifch mit jenem Souad), damals ein Arm des Ti⸗ 
gris (eb iſt der Obollah⸗Fluß), fagt Ebn Haukal, fließe 4 Far⸗ 
fang. (d. 1. 6 Stunden) entlang von Basra vorüber, und fel ganz 
Sicht mit Palmmälern und Lanphäufern beſetzt, fo daß feine Ufer 
wie ein zuſammenhaängender Garten erſcheinen. So zieht er 
vom Tigsis bis Abadan. Dergleichen Slupläufe find aber 
und alle durch Palmenwälder beſchattet, und in alle ſtei⸗ 
Fluthzeit die bittern Waſſer herauf, welche alle dieſe Gär⸗ 
ſſern und oft überſchwemmen. Dies iſt auch heute noch 
eu Basra öfter der Fall, nach Kinneirs Beobachtung, fo 
er Ort dann wie eine Infel im Deere liegt; aber jene dürre 
von Alt Basta wird davon nicht mehr berührt. Ableh 
alte Obollah, von dem früher die Rede geweien) war zu Ebn 
Zeit noch ein kleiner, aber Tieblich am Strome gelegener 
Drt, und zwar von allen in ber Umgegenb ver bebeutendfle, vor 
weichem jedoch eine gefährliche Stelle im Strome, Hawer Ableh, von 
alien Schiffern gemieden wurbe, um nicht unterzugehen. Es ſchien 
m Ebn Haufal, ald wenn gar manche der Umgebungen jenes 
Basra in frühern Zeiten trocken gelegen hätten, und erſt in fpätern 
von dem Gtromarme durchichnitten und eingerifien worben wären. 
Rufa, Basra, Wafet, Bagdad, Samarra, Hobeira und Holwan, fagt _ 
Cha Saufal, waren in jener Zeit des 10. Jahrhunderts vie größten 
Gtäbte in Irak. 

Gleich mit der Anlage war außer der Umgrenzung von Babra 
andy bei ver Stadt ein großer Platz, Merban) genannt, (d. 1. jeder 
Det, wo Kameele Halten; dann atuch Merbad ot tamri, Ort, wo 
Datteln getrocknet werben, dann ein freier Marktplatz), abgeſteckt, 
Ü Bazar, auf vem die Araber ver Umgegend ſich nicht bloß zum 
Umfeh ihrer Waaren veriammelten, fonvern, nach ber damaligen 


Elfeneh 





0) Herbelot BibL Or. s. v. Basra; Abulfedae Descr. Jracae ed. 
eld. p. 21 und not. 105. 
Altter Gröfunde X. | M j 


J 














178 WeftsAfien, III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 31. 


poetiſchen Richtung des Volks, auch zu wetteifernden Vorträgen, 
zu difentlichen even, zu Rectationen ihrer Poefien. Dadurch er» 
Iangte die Stabt großen Ruhm in ver moslemifchen fchönen Litera⸗ 
tur, und viele ihrer Dichter und Gelehrte find unter dem Ehren⸗ 
titel Basri bekannt; denn auch unter den Doctoren des Koran von 
Basra und denen non andern Stäbten der Bläubigen, zumal denen 
von Kufa, fanden bier fehr Häufige gelehrte Disputationen flatt, 
an denen in jener Gegend alle Mufelmänner ven lebhafteſten An⸗ 
theil nahmen. Basra Hatte felbft feine Periode des Literarifchen 
Glanzes; man braucht nur Ende des 4. Jahrhunderts der Heg. ben 
Seid Ihn Rifaa 95) zu Basra, den dortigen Stifter einer ber 
erften gelehrten Akademien des Mittelalters, im Sinne 
eines Baco, zu nennen, der von dem Grundfage ausging, daß 
dem, Verfall des Islam durch die Wiffenfchaft entgegen gearbei⸗ 
tet werben, feine Reinigung duch die Phiſoſophie gefchehen 
müffe, daß deſſen Vollendung nur durch ven Verein griehifcher 
Philoſophie und arabifcher Theologie zu Stande zu brin« 
gen fei, um fidh davon zu Überzeugen; zumal da die Werke vieles 
Vereins, 51 Abhandlungen unter dem Titel: „Abhanplungen 
der Brüder der Reinheit” ein fo ichtvolled Streben zeigen, 
daß der Kenner des Orients die Senpfchreiben jenes Süfterd, ‚ven 
er ven Alcuin des Orients nennt, für weit gehaltvoller als bie 
des Abendlaͤnders am Hofe Karl des Großen hält. Kein geringerer 
literariſcher und religidfer Glanz fiel durch folche Unternehmen auf 
dieſe Stapt zurüd, ber die Ehre jedoch nie zu Theil wurde, wie 
Kufa oder Bagdad, der Sig von Khalifen zu werben. Doch pfleg« 
ten dieſe ihr, als einem ver wichtigften Poſten ihres weitläuftigftgn 
Reichs, auch die bedeutendſten und berühmteften Feldherrn als Com⸗ 
mandanten und Gouverneure zuzuſchicken. Basra war in jener 
frühern Periode der Mittelpunct vieler Eleiner Orte und Flecken, bie 
von ſehr Friegerifchen und leicht beweglichen Araberflämmen bewohnt 
den, bie, wie die Baridier und dann die Garmathen, fich 
felbft zu Zeiten zu mächtigen Herrſchern emporfchwangen, und felbft 
die Khalifen in Bagdad zittern machten, wie heut zu Tage bie bag⸗ 
vadiſchen Paſchas. 
Die ähnliche Lage von Kufa und Basra zum Euphrat und 
gegen bie arabifche Seite, ihr ſtarker gegenfeitiger Verkehr brachte 


295) Greg. Abal 1 Fharaj, Hist. dyn. p. 217; v. Hammer Ländervers 
waltung fi. © 


Euphratf.; hiſtor : Nuͤchlick; zur Jeit des Khalifats. 170. 


ven Ausdruck „Basratan" (Dualis von Basra) ober „nie bei 
ven Basra“ damals für beide Städte in Gebrauch, zwiſchen denen 
ga gegenfeitiger Vermittlung ihres Verkehrs auch Wafet, auf hal⸗ 
ben Wege zwiſchen beiden, erbaut werben mußte. 

Der befonnme Edriſi in der Mitte des 12. Iahrhunnerts 
ſpricht auch von den hunderttauſend Ganälen (anvere befchränfen die 
Zahl auf 8000) Basra's, die alle ihre Namen haben follen, theils 


von denen, bie fle außgruben, theils von den Ouartieren, in denen 
fe enden, auf denen beflännig Boote oder auch Schiffe Hin und 
ber fegelten. 


Do war vie hoͤchſte Blaͤthe der Stadt ſchon vorüber, in der 
den Ehrennamen Kubbetol⸗isſslam, d. I. „bie Kuppel 
Lam,” verbiente, denn von den 7000 Mofcheen, welche Abe 
Jakub in feinem Werke el Mesalek we’] Memalek angab, 

Basra fliehen follten, fagt @prifi,9C) feien vie meiften zu 
Zeit verlaffen, und nur noch einige, die.um die große Mo⸗ 
umberflänven, feien bemerkenswerth. Edriſi wiederholt aber 
He Schilderung der Melze und Bortbelle, welche dem Orte durch 
Die vielen Ganäle und ihr weit verzweigtes Netz, das ſchiffbar, ſtets 
vurch Ebbe und Fluth angefchwellt und gereinigt, alle anliegenden 
Acer und Felder befruchtenn, zu Theil werden. Denn alle, fagt er, 
Ränden unter einander in Verbindung, und viele Gräben ſeien durch 
Meaniyenhand in die Bärten geführt, damit fie ven Ueberfluß des 
füßen Ylußwaffers ‘aufnehmen, das von ver falzigen Fluth landein 
gerängt, dann die Umgebungen befruchte: Die Palmenmälber 
mit von Lufthäufern und Obfigärten bilneten, von den zuſammen⸗ 
Hängenden Mauern umzogen, gleihfam nur einen großen Gars 
ten, und fo herrlich fländen diefe Dattelpflanzungen zumal, daß ihre 
Belmm alle wie aus einem Guß hervorgegangen erfchienen, over 
vielmehr ald wären fie alle zu einer und berfelben Zeit gepflanzt. 
Achrere Kaufleute, fagt Eprifi, die im Jahre 1141 n. Chr. © 
(536 ver Heg.) Basra befuchten, hatten ihm verfichert, daß man 
wet 500 Rutl (=400 Pfund) Datteln für einen Denar kaufen 
Bume. Die Datteln von Basra waren zu allen Zeiten berühmt: 
au find. es bis heute; noch Nicbunr”) zählt ihrer 25 verſchie⸗ 
dene Sorten namentlich auf, vie auf dem Markte von Basra gefucht 
fm. Den größten Wohlftand verdankte Vadra aber unſtreitig ihrem 


7*83* 
"PERL 


? 


ee) —— b. Aeben1. p. 308. 7) Riebuhr Reiſebeſchr. 
M 2 














180 WeflsMfien. II. Morheilung. J. Abſchnitt. $.31. 


Handel, da fle durch ihre Lage das große Emporium ber indie" 
ſchen Waaren für die Bedürfniſſe und ven Luxus ver Khalifenſtadt 
Bagdad werben mußte, da ferner die vorlisgenden Perlbänte?®) von 
Bahrein, vie Häfen des Gewürzhandels und der Aromate Ara 
blens, EI Katif und Oman, wie der damald blühende Seehanbel 
des Bafens von Siraf, ver bis Indien und Ehina reichte (Erdk. 


Th. VIII. S. 774), vie Blütheperiove von Jondi Shapur mit 


ihrer hohen Schule ver Arzneiwiffenfchaft, vie berühmte Shufter 
mit Aquaeducten (Erdk. Ih. IX. 171 u. ff.), die große, und reiche 
Stadt Ahwaz mit ihren Zurerrofrwälbern (ebend. S. 220 u. ff.), 
als eben fo viele Bereicherungen in ihren nächften Umgebungen an« 
gefehen werben müflen. Hierzu kommt noch der damals fehr flarke 
Landverkehr durch die jet wüſte liegende Witte Arabiens mit ben 
großen Mefien der Pilgerfahrer in Mekka und Mebina, ver auf die 
Zufuhr nach Badra nicht ohne großen Cinfluß bleiben konnte. Ihre 
Beherrſchung der Schiffahrt auf dem infelreichen Perſergolf gab 
diefem lange Zeit hindurch ven Namm des „Meeres von Basra.“ 
Leider fehlen und bie fpeciellen Daten zu einer genauern Geſchichte 
dieſes Basrahandeld; die einzige Bemerkung mag binreidhen, daß 
fi dieſer Verkehr vafelbft ſeitdem durch alle Jahrhunderte hindurch, 
auch durch die des groͤßten Verfalls dieſer Landſchaft, unter der 
alles mercantiliſche Leben zerflörennen türkifchen Obergewalt, bis 
heute erhalten Hat, und daß auch Heute noch die großen Kauffahrdei⸗ 
ſchiffe von 400 bis 500 Tonnen ®) Laſt mit ihren indiſchen Waaren 
bis dahin ſtromauf fchiffen, jährlich an 50 Kaffeefchiffe allein von 
Mocha und Hodelda aus mit viefem einzigen Probucte ver Kaffee 
bohne beladen, dort landen, und daß faft alle Handelsnationen des 
DrientS in den 72 verfchlevenen Ouartieren der Stabt dort an⸗ 
geflebelt find, wie Araber, Perfer, Armenter, Türken, Mohameda⸗ 
ner, Juden, Chriften, unter denen auch heute noch einige hundert 
indiſche Samilien und viele Banjanen nicht fehlen, deren Zahl in. 
jenen frühern Zeiten unenvlic größer gewefen fein mag. 

‚Bu Beſtimmung ver Lage des zur Zeit Omars erbauten 


Badcra, wovon ſchon früher die Rede war (f. ob. ©. 175), dient 


noch Abulfedas Angabe, 300) ver fagt, auf ihrer Suͤdſeite Uege 





” od Br. Stine, bie Hanbelogäge der Araber, Preisſchrift. Berlin 


* buhr Reiſeb I. &. 33%. 
ME Kinneir Mem. of Persia. p. 288 a. der 1%) Abulfedae 


Descr. Jrac. b. Wüstenfeld 1. c. p. 21. 


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— 


Euphratſ.; hiſtor. Ruͤckblick; zur Zeit des Khalifats. 181 


ein Berg, Senam genannt, ihr in Süũüd und Weſt bie Mühle, we 
sr Wadi en Nesai (vallis mulierum), well dort die Weiber 
Schwaͤnme fuchten. Sena liege eine Halbe Tagreife von Basra; 
und in ber Wüſte fei kein einziger Adler zu finden, ver durch Regen 
ſruchtbar werden Fönne. Die Stadt liege nach Atwal unter 74° 5° 
Long. 30° 5' Lat.; nad) Ibn Said 74° 31’ Long. 31° 5 Eat} 
‘en fo viel Lat. nach dem Ganon, aber unter 74° 40’ Long. In 
ven Anmerkungen 2) zu jener Stelle heißt eö, daß der Wadi Ne« 
ſai in den Tabul. Eliae Damasc. au) der Nahr ol Marati (pn. 
Fluß des Weibes) genannt werde, und derſelbe, Vadineſa ober 
auch Nahar Marah genannte, Strich dem Epiſcopus Metropo⸗ 
litanus von Basra unterwyrfen geweſen ſei, wie auch per Epiſcopus 
von Rahar dair, bei Amru. In derſelben Gegend wird von dem⸗ 
ſelben Elias Damasc. ein Epiſcopat Daheſtan angegeben, das 
Amru Dahemſan nennt, was richtiger Doft Miſan heißen muß, 
denn biefelbe Gegend heißt Mefene, veren Basſra⸗Metropolis ſchon 
weit früber im Jahr 310 nach den ſyriſchen Annalen. angegeben 
wirb, unb bafelbfl die Metropolis der Neftorianer ven Titel „Euphra- 
tes Pherat Mesene“ erhielt, was au Perat Maiſſan, oder 
Bofar Heißt, übereinſtimmend mit Abulfera, ver Maiſan eine 
Gegend an der äußerftien Grenze von Baßra 2) nennt; ein Name _ 
ver fich alfo aus ver Altern griechifähen Zeit noch bis in die arabi; 
ſche hinein geltend zu erhalten wußte (ſ. ob. ©. 55). | 

Unter den Umgebungen von Badra, deren Localitäten und aus 
dem Zrühern fchon bekannt find, nennt Edriſi abwärts des zu fel- 
ner Zeit Hlühenven Obollah 3) noch 2 andere und unbefannte Städt» 
Gen, el Meftah (over Manbeg) und el Madar, vie unter ſich 
an Größe, Art des Baues, des Handelsverkehrs ähnlich, aber nicht 
mit dem welt größern Obolla zu vergleichen feien, weil dieſes viel 
grüßere und ſchoͤnere ‚ teichere und weit zahlreichere Bevdl⸗ 
Iszung habe. Auf der Orenze des Gebietes von Baba, zwiſchen 
ſunen Dörfern und den bebauten Ländereien, fehe man jeboch auch 
viele Schilfwälder und Berfumpfungen, vie aber nicht unbeſucht 
wären, denn in ihrer Mitte fehe man gar häufig viele bemannte 
Beste, vie aber mit Stangen fortgefloßen werden müßten, wegen 
ver Feichten Stellen und häufigen Anfülungen mit Schlamm; wenn 
dam aber vie Bafıe des Euphrat und Tigrie, zumal durch Tinten 





') heat. R 104. 2) Ebend. p. 7. ») Edrisi Geogr. bei 
Jaubert. T.L. 9.368. | 





182 WefisAfien. III. Abteilung. 1. Abfchnitt. 5.31. 


gegen ſeht Hoc) anſchwellen, bann bringen fie auch in biefe Ver- 
fumpfungen ein, wo danu die einen Stellen derſelben im Uebermaße 
auögehöhlt, die anbern mit Schlammmafler fo verflopft werben, daß 
Immerfort Veränderungen im Boben entfichen. Diefe Gegenden 
find es unftreitig, welche Ebn Haufal*) Ahma und Betalah 
(- L. Sümpfe) nennt, wo große Golfen und Grumlbcher fein 
follen, bie fid Die Waſſer des Cuphrat erſt ausgewäßlt zu Haben 
feinen. Abulfeda nennt dieſe ebenfalls in dem Gebiete Basras 
mit Namen Batajceh.S) Von der Lage Ababans, des Marktortes, 
des Ankerplages von Badra, 2 Tagfahrten abwärts am Strome, 
wo bie Boote der Küflenwächter am Eingange des Badra-Bolfeh 
oder des perſiſchen Meeres fehen, war früher die Mebe. Was 
Edriſi von Obolla gefagt hat, wird noch von Abulfeha ein paar 
Zahrhunderte fpäter 6) beflätigt. Doch Haste hiefer Ort wol eher abe 
als zugenommen, denn er wird nur zu ben klein en Gtäbichen 
gerechnet. Der Obollah⸗ Fluß, 4 Parafangen lang (6 Stunden), 
wWwiſchen iht und Vadra, tsenne fie von biefer Gtabt, und der Xi 
geiß umfließe fie in Blegungen, bis er das Meer von Abadan 
erreiche; bie. Paläfte und Gärten an feinem Ufer Hin in gerader 
Linie gereißt, jeber vom anbern durch Ganäle geſondert, durch wel⸗ 
Ge die Bluth zu jedem Palmhaine und zur Eleinften Palmenpflan- 
zung vordringe, ohne daß fle weiterer Fuͤrſorge der Menfchen bes 

 busften, gaben biefer, Gegend in ben Mugen bes Orientalen jene pas 
uablefifchen Reize, welcht auch Edriſi im Naht» oder Rud - Allah, 
der mit dem Dbolla⸗Fluß iventifch if, geſchildert hat. 

Ber Abadan fagt Abulfehn, daß ed 14 Tagreifen von Vasta 
aegen Ofen liege, am perſiſchen Meere, fo eng umflefien, daß ihm 
nur wenig Sand übrig Bleibe, und der Tigris exgieße ſich ihm In 
Südoſt zum Meere; ex wieverholt dieſelbe Angabe von ben bort 
eingeſchlagenen Pfählen und der Küſtenverdämmung zur Sicherung 
der Schiffahrt, um bei Ebben und Fluthen vor dem Stranden zu 
ſchũtzen. Das falzige Meerwaſſer ſteigt nach Ab ulfe das 7) Bemer- 
kung im Strome aufwärts bis zum Maquel⸗Fluſſe; bei dieſem 
ſchopft man nun zur Ebbezeit ſüßes Waſſer; oberhalb dieſes 
Maquel wird keine Spur mehr von falziger Meerebfluth wahrges 
nommen. Was zur nägern Beſtimmung ber Lage von Alt Basra 


30%) Oniental seogr. Pr ©. p. 65. _®) Abulfedae Deser. Jrac. b. 
I ẽ · *) @bendaf. p. 2. äbendeß. 





Enphratf.; hiſtor. Kuͤcblick; zur Zeit des. Khalifats. 183 


dient, iſt fchon oben gefagt; von dem Neu Basra, das feit dem 
17. Jahthundert an eines andern Stelle erbaut ward, wird erſt wei⸗ 
ter unten die Rede ſein. 


2) Kufa, die erſte Kdalifen⸗Reſidenz; Kadeſia; Hira 
und ihre Umgebung. 

Als Cteſiphon⸗Madarn erobert war, erzählt Khonde⸗ 
mir 8) tm Leben des Khalifen Omar, babe fein Feldherr Saad 
diefem in einem Briefe angezeigt, daß feine Araber ſich nicht an die 
Luft und das Klima von Mabain, mo er fein Hauptquartier aufs 
geſchlagen Hatte, gewöhnen koͤnnten, weshalb er um Erlaubnig nach⸗ 
fuche, für fie eine andre Stadt am Strome zu erbauen, ber Arabien 
näher Uege, wozu er auch Omars Zufage erhielt. 

Hiezu wurden in der Nachbarichaft des fo ruhmvollen Sälaft. 
feldes von Kapefla, das dem von Arbela hinſichtlich des akinzen- 
ben Erfolges gleichzufegen ift, vie Gärten in ver Nähe ber alten 
Stadt Hira ausgemäßlt, in Quartiere vertheilt, und bie’ neue 
Stadt, deren Wohnungen nur aus Schilfhütten mit Erdbedachung 
aufgerichtet wurden, Kufa genannt, was eben ſolche Wohnftätten 
im Arabiſchen begeichnete. Doch wollen Andre ver Namen von ven 
„rothen Sandſchollen“ Herleiten, welche die Umgegend charar⸗ 


Als nun Kufa heranwuchs, ſank, ſagt Ebn Haukal, die 
benachbarte ältere Hira, deren meiſte Bewohner nach Kufa ſich über⸗ 
fledelten. Doch ſollen dies nur die Vorſtädte der nachherigen Kufa 
geweſen fein, welche der Feldherr Saad erbaut hatte. Die nach Ei⸗ 
niger Angaben von den perſiſchen Piſhdadiern ſchon früh dort an⸗ 
gelegte Stadt wird wol eben jene obengenannte Vologeſia oder 
Hira geweſen fein, die nah Ebn Haukal nur eine Farſang oder 
45 Stumven fern von ihr Tag, und fi einer ſehr reinen Luft er⸗ 
freute. Doc macht noch ein anverer Name, Atula,?) auf das 
ältere Borbandenfein und auf die Ipentität mit dem ſpätern Kufa 
Anſpruch. Achoali nennt Plinius in jenen Gegenden einen ara. 
biſchen Bolteflamm (Plin. H. N. IV. 2) unter den unzähligen 
Namen ber dortigen mediterranen Tribus, der ven Aula ba 
Greg. Abulph. im Chron. Syr. zu entfprechen feheint; und biefeö 
Alula, fagt verjelbe, ſei inentifch mit dem Kufa, wohin der 


) Herbelot Bibl. Or. 3. v. Cafa. °) Wüstenfeld Nola in Abul- 
fedae descr. Jrac. p. 98, ad p. 10. . 











184 Weft-Afien. M. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 31. 


VFeloherr Sand aus ver Gtabt Jathreb arabifche Stämme verpflan« 
zen ließ. Dadurch daß All, der immer fiegreiche Löwe Als 
Iah8 (Assad Allah al Galeb), nach feinem Siege über die Wider⸗ 
facher am Tage der Kameelſchlacht bei Basra als ber vierte unter 
den Khalifen nah Kufa!o) zurückkehrie, und biefen Ort zu feiner. 
Reſidenz erbob, gelangte dieſelbe zu beſonderm Glan; und Ruhm, 
ja zu einer gewifien ‚Helligkeit durch den baldigen Märtyrertod die⸗ 
ſes gläubigen Helden. Sein Grabmal blieb zwar anfänglich ver- 
borgen, fo lange feine Gegner, die Ommaijaden, herrſchten; mit ven 
abbaffivifchen Khalifen aber, welche zu ven Verwandten feines Stam⸗ 


‚meß gehörten, wurde es aufgedeckt und feitvem der große Wallfahrte- 


ort für alle Unhänger Alis. Auch ver erſte ver Abbaſſiden, Khalif 
Abdul Abbas Sefah, verlegte nah Kufa feine Refidenz, und 
erhob fle zur Eapitale feines weiten Königreiches, obwol feine Un⸗ 
rube ihn bald von pa nah Anbar trieb (f. 06. ©. 147), und ee 
auch da nicht lange aushielt, ſondern nach der von Ihm nahe bei 
Kufaıl) im Jahr 751 n. Chr. ©. neuerbautn Haſchemiah zog, 
der er nach feinem Geſchlechte der Hafchemiten den Namen gab. 
Nach feinem Tode blieb fie auch die Reſidenz feines Bruders und 
Nachfolgers, Abugiafar al Manfur, His viefer die neue Khali⸗ 
fenreſidenz Bag dad erbaute. Geitvem verlor Kufa wieder feinem 
Glanz, noch iſt ihm fein Ruhm geblieben, der ihm durch vie Siege 
ber Helden zu Kadeſia in feiner Nähe zu Theil ward, burch das 
Andenken an Ali und die mit Ihm gefallenen Märtyrer, durch Die 
Studien, Disputationen und Werke der Doctoren des Koran, unter 
denen die zu Kufa fich die hoͤchſte Autorität erwarben, wie felbft 
die Euflichen Texte des Koran fich in befonvderm Anfehn erhielten; 
denn die ältefte Schrift der Araber, vie Euflfche, erbielt aus viefer 
früheften Periode arabifcher Gelehrſamkeit von dieſem Orte ven Na⸗ 
men, und felbft ded Stromes rubmvoller Name, an dem bie Stadt 
erbaut war, wurbe durch bie allgemein werdende Benennung bes 
Nahr⸗Kufa verbringt, womit die Araber lange, Zeit hindurch 
den Eupbratftrom bezeichneten. 

Diefer wirklicde Ruhm wurde noch märchenhaft von den Orien⸗ 
talen übertrieben, inbem man Kufa zum Drt machte, wo Adams 
Grab 12) war, wo bie Sünbfluth aus einem Feuerheerde hervot⸗ 





210) Abulfedae Annal. Mosl. ed. Reiske. p. 89. Gregor Abul 
Pharoj. L c. p. 117, 118. Abulf. Descer. Jrac. b. Wüsten- 


9 18 ‚ die aflat. Türke, Rec, ih 
Bin vahr. ® 2 Baum 1621. ee ae “ 





TE Y _ —; 


Eupbrarf.: hiſtor. Ruͤcblick; ; zur Zeit des Khalifats. 185 


gebrochen, wo Noch die Arche beſtiegen haben ſollie, zu demſelben 
in welddem vie Schlange Evens einheimifch geweſen, um den Kufl» 
ten etwad anzubängen, die immer durch ihre Widerſpenſtigkeit, Durch 
ihre Zankſucht und Empdrungen berüchtigt waren, u. a. m. 

Wie Kufa mit dem Namen Basratan, fo wurde auch Basra 
wiederum unter dem Dualis Al Kufanibegriffen, wegen ber nem 
wandten Lage und Nachbarfchaftz noch bemerkt Ebn Haukal, 13) es ſei 
Kufa Fleiner ald Basra, fein Wafler und feine Luft aber reiner. 
Der Euphrat fließe an Ihrer Oftfeite vorüber, Kadeſia, Gira und 
Khawrnak aber lägen ihre im We am Saume der arabifchen 
Wähle. Bei Kadeſia fei noch flleßendes Wafler und Kulturboden, 
aber von ba an, wo bie Grenze von Irak, bis zur heiligen 
Stadt der Bläubigen in Arabien, bis Medinah, finde man Fein 
Kiepended Waſſer mehr. Das Grab Alis, oder deſſen Meſhhed 
(d. 9. Srabmal), fei zu Kufa, aber die Meinungen fein (fon im 
10. Jahrhundert) darüber verfchienen, fo daß die Einen es in ber Ka⸗ 
yelle am Gingange Ver großen Mofchee aufinchten, Andere aber bes 
Baupteten, daß es 3 Farſang entfernt davon lege. 

Das in Kufa gefertigte Del1*) rühmt Ebn Haukal, nebft dem _ 
zu Kheiri und zu Shiraz, als daß befle, das er kennen gelgmt. 

Zmeihundert Jahre fpäter zeigen Edriſis Nachrichten, 1°) daß 
dieſe Gegenden, weldye Heut zu Tage faft ganz veröbet liegen, noch 
immer Aniprüche auf Wohlftand machten. 

Kadeſla lag auch nady Ihm an der äußerſten Grenze des bes 
bauten Landes und mar felbft eine Grenzfefte Iraks gegen die ara= 
biſche Wüfle, und 6 Farſang (9 Stunden) von Bagdad, alfo In 
AB. von Kufa. Der Ort, einft von einem ber Khoßroer erbaut, 
war nur Bein, hatte aber viel Wieſenwachs, Palmenhaine und 
Bafier, war daher eine Station für Karawanenrelſende durch die 
Mitte von Hedjas, um ſich mit Trinkwaſſer und Datteln auf dem 
Siamwege wie auf dem NRüdwege zu verfehen. Auch Gira beftand 
noch immer als ein Pleiner Ort, ber einft wol bebeutender war und 
feine meiften Bewohner an Kufa verloren hatte. Doch war fen 
Beden noch gut bearbeitet, die Häufer gut gebaut, Ihre Abgaben 
yahlten fie nach Bagdad, und erhielten von da ihren Gouverneur 
emgefeht. Edriſi beflätigt e8, daß ed im Weiten beider Stäbte, 





22) Oriental Geogr. b. W. Ouseley.L c. p. 85-66. '*) Cbend. 
P- 182; vergl. Abulfedae Annal. Mosl. ed. Reiske. p. 151. 
°) Kdrisi . 5. Jaubert. T. I. q. 385—37. 














186 Werft Afien. II. Abtheilung. 1. Abſchnitt. $.31. 


von Kadeſia wie Hira, Leine fließenden Waſſer mehr gebe, dagegen 
wol an ihrer Oflfelte, mit Anbau und Palmenpflanzungen, die ganz 
vorzůgliche Datteln lieferten. "Beide Staͤdte lagen gegenfeitig nur 
eine Tagereife auseinander, und ba Hira der Stadt Kufa viel nä⸗ 
ber Tag (nur eine Farſang oder 14 Stunden fern nad) Abulfeda), 
fo koͤnnten wir hiedurch auch vie bisher unbelannte Lage von Hira 
ziemlich ficher im N.W. von Kufa anfehen, auf halbem Wege nach 
Kadeſia, alfo etwa nur wenige im S. W. von Meſhhed Höffein 
( Hoͤſſeins Grabmal) und Kerbela, auf Niebuhrs Karte; aljo im 
Weſt des Bird’ Nemrud ober der Muinen des alten Babylon, aus 

denen alle dieſe Städte wol daß Material zu ihrer Gröauung erhal» 
ten Haben mögen. J 


Kufa, ſagt Edriſi, liege am Euphrat, habe ſchoͤne Gebäude, 
wohlbeſetzte Bazare, gute Feſtungswerke und ſei von einer Menge 
großer Doͤrfer, bebauter Felder und Palmenpflanzungen umgeben, 
die natürlich ohne reichliche Bewäſſerung eines ſüßen Waſſerſtromes 
nicht Hätten gedelhen können. Died iſt freilich von dem heutigen 
Zuſtande, nach Niebuhr's Berichten, 16) ſehr verſchieden, da gar kein 
Waſſer, ſelbſt nicht mehr durch ven Dſſaͤrrie Zaade, bis hieher dringt 
und alles Land umher wüſte liegt, keine Stadt dort mehr ſteht, 
keine Seele die Gegend bewohnt und ſelbſt die große Moſchee, in 
der Alt durch Meuchelmord feine Todeswunde erhielt, in Ruinen 
baliegt (ſ. oben ©. 58). Doc zeigen vie vielen gebrannten Bad 
fleintrümmer (wahrfcheinli aus den Steinbrüchen Babylons ges 
nommen), bemerkt Niebuhr, daß man vafelbft einft beffer zu bauen 
yerftand wie in Basra, wo dieſe fehlen, und die vielen Münzen, 
die in jenen Trümmern gefunden werden, bie man aber leiver we⸗ 
der fammeln, noch zu Faufen bekommen konnte, das frühere Beſte⸗ 
ben eines flarfen Völkerverkehrs an biefer Wüftengrenze. 


Den Bau diefer Stabt vergleicht Edxiſi nah Schönheit uud 
Sicherheit mit dem von Basra; pad Maffer fri füß, pas Clima ge 
fund und die Bevölkerung von reiner arabifcher Abſtammung. An⸗ 
derthalb Stunden von der Stadt werde auf fehr hohen Säulen ein 
großer Dom getzagen, zu dem die Pforte aber ſtets verichloffen 
bleibe; er fer mit Eoftbaren Stoffen behängt, der Boden mit Mate 
ten von Samanie bebedt; es jei dad Grabmal Alis, des Sohnes 
Abu Talebs, und rund umher lägen die Grabfätten feiner Familie. 





210) Miebupe Reiſebelcht. Th. n. ©. 201. 





Euphrätf.; hiſtor. Rüdblid; zur Zeit des maliſat. 187. 


Roh lag das Grabmal Huffeins, 17) des Sohnes Ali, etwas 
entferuter, nahe Kasr ehn Hobeira, und war zu Edrifis Zeit auch 
fon ſehr flark beſucht. Der Dom Alis, fagt Edriſi, fei nach 
ver Zeit ver Ommaijaden, welche das Grab verheimlicht, erſt unter 
von Abbafjiden durch Abul Haidja Obeid Allah, ven Sohn. Ham 
dans, aufgebaut worden. Den Brundriß ihrer gegenwärtig zerſtoör⸗ 
ten Mauern hat Niebuhr 18) aufgezeichnet (Tab. 42, B). | 

Ueber Kadeſia wienerholt Abulfena nur, was feine Bor 
gänger gejagt haben, und warnt nur, es nicht mit dem andern. Ka⸗ 
deſia, nahe der großen Stadt Samarra am GEuphrat, :19) zu ver⸗ 
wechſeln, wo fich das Volk von Kades angeflevelt haben fol, und 
wo eine Glasbrennerei war. Kira bezeichnet er auch als eine 
vor-ißlamfche Stapt und wiederholt die Sage der Alten, daß einft 
das Perfer- Meer dieſe Gegend erreicht babe (f. ob. S. 64) und bie 
Schiffe der Sinen und Inder bi8 zu den Konigen von Hira ge⸗ 
ſchifft ſeie. 

Auch er beflätigt die Lage von Kufa an dem Cuphrat, den 
er aber einen Arm dieſes Stromes nennt, der gegen Weſt ausgehe. 
Den el Aziz citirt er, der Kufa's Größe mit der halben Groͤße Bag⸗ 
dade vergleiche. Das Grab Ali's war zu feiner Zeit ein Wall⸗ 
fahrtsort für. Pilger aus allem Enden ver Welt. Die Ortölage, 
weiche Abulfeda für dieſe Kocalitäten angibt, iſt: Kadefin n. At⸗ 
wal 69° 25° Long. 31° 10’ Lat., nad) Canon 31° 45' Lat.; Hira 
u. Atwal 69° 25° Long. 31° 30’ Lat., nady Canon 69° 25° Long, 
32° 50’ Lat.; Kufa n. Atwal 69° 30’ Long. 31° 30' Lat., n, 
Rasm 69° 30° Long.. 31° 50’ Lat. Die in der Nachbarſchaft bies 
feg Orte liegende Stadt Hella ober EI Hella, vie heutige Hille, 
ans den Ruinen der alten Babylon eniſtanden, iſt erſt eine moderne 
Gtabt, die Edriſi nicht einmal nennt. Ab ul feda 20) berichtet, nach 
Yakuti, daß im Lande Babel, zwifchen Bagdad und Kufa, erfl durch 
we Söhne Mazjad im Jahre 1101 n. Chr. ©. (495 d. Heg.) da⸗ 
ſeloſt die erſten Wohnungen errichtet fein; doch habe Die Stelle 
zuvor ſchon den Namen elsBami’ain, d.h. „die beiden Tem. 
vel,“ erhalten. Sie heißt bei andern Autoren auch Galla ben 
Mezid und:ift noch mit drei andern ihrer Namenſchweſtern in 
Irak nicht zu verweqhſeln. Leider find bie Mohamedaner ſo gleich⸗ 


* 


) Kdrisi Geogr. b. Jgubert, Vol. M. 18) Niebuhr 
x. Th. 0 — 19) * PoSitedne Descr. Iracae .bei 


Reiſebeſch 
Wüstenfeld p. 10, not. 98. 20) ebenb. p.9, not. p. 87. 

















188 . WefoAfien, TIL. Abtheilung. 1. Abſchnitt. 31. 


gültig gegen die Ruinen von Babylon geblieben, daß wir durch fie 
faſt gar keine Berichte über viefelben aus jenen Zeiten, nur Yabeln, 
erhalten haben. Ebn Haufal?t) erkennt doch noch die alte Glorie 
von Babylon an und fagt, obwol zu feiner Zeit nur ein Dorf, ſei 
es doch der älteſte Ort In ganz Irak, ver dem ganzen Lande ben 
Kamen Babel: gegeben babe, wo auch die großen Könige ihre Nefle 
benzen gehabt, deren Ruinen dort noch zu fehen feien. Auch er 
wieberholt die alberne Babel des Koran, daß Abraham dort in das⸗ 
euer geworfen fei. Zwei Haufen fein dort, Kudi Tereik und 
Kudi Derbar, In welden vie Aſche noch zu ſehen von bem 
Feuer Nimrods, in weldyes Abraham geworfen ward. Edriſi nennt 
Babel nicht einmal, und Abulfeda wiederholt nur vie Worte Ebn 
Gaukals. Doch au Greg. Abul Pharaj, 22) ver Chriſt, läßt 
und varüber fo unwiſſend, wie feine Zeitgenofien, die Moslemen. 


3) Waftt, die Mittelftadt, und ihre Umgebung. 


Diefe Stadt wurde erft in Folge des Bedürfniſſes ihrer Lage 
zwifchen Basra und Kufa, von benen fle gleich weit ab in ver 
Mitte des Weges, wie in der Mitte zwifchen Euphrat und Tigris 
liegt, im Jahre 702 n. Ehr. Geb. (83 der Heg.) noch vor Bagdad 
erbaut, unter dem Khalifen Abdul Malek, durch feinen tyrannifchen 
Statthalter von Irak, Hedſchadſch, Sohn Yufufs (Haglag). 7) 
Bon diefer Lage erhielt fle Ihren Namen Waſit (d. h. die Mitte); 
auch vie große Straße von Fars nad; Irak ging hindurch, 2*) fo 
daß fie in gleicher Entfernung von Ahwaz, Kufa, Basra und 
Bagdad, an 50 Barafangen abflehenn, 23) mit Recht vie Mittel- 
ftadt von Irak und ber damals dazu gehörigen Statthalterfchaft 
genannt werben konnte. Das Gebiet ver Stadt warb bei ven Ara- 
bern Alabar genannt, d.h. „Brunnen,” well es veren vort 
viele gab, auch einer ganz nahe des Neubaues wurde ber Brun« 
nen der Araber (Abar al Arab) genannt. Daher zeichnete fich 
die Umgegend auch durch ihre fruchtbaren Aecker und fchönen Pilan- 
zungen aus, welche die fchnell aufblühenbe, ſehr volkreiche Stadt 





222) Oriental geogr. b. W. Ouseley p. 3, 70. 22) Greg. Abul ’ 
Pharsj. Hist. dynast. p. 7, 12, 47, 62, 68 etc. ?=) Albufedae 
Annal. Moslem. ed, Reiske p. 123; Abulfedae Descr. Iracae bei 
Wüstenfeld pag.19; v. Sammer, bie Länderverwaltung unter dem 
Khalifate, Preisichrift. Berlin 1885. 8. ©. 14. 34) Orient. 
geogr. b. W. Ouseley p. 65. 86) Herbelot Bibl. Orient. s. v. 
Wassit; v. Hammer⸗Purgſtall afiat. Türkei. Rec. W. Jahrb. 1881. 
Bd. XIII. S 224. 





Eupbratf.; hiſtor. Rüdblie; zur Zeis des Khalifats. 189 


richlich mit Lebensmitteln zu verſehen im Stande warn. Ebn 
Saukal fagt, daß le an beiden Liferfeiten des Dejleh erbaut 
werben jet (urbs bipartita nennt fle daher Abulfeda), worunter aber 
sicht der Hauptarm des Tigris felbft, wenigflens nach dem gegen 
vartigen Zuflande der dortigen Stromläufe, zu verſtehen fein kann, 
feabern der von Nord nach Süd, vom Tigris his zum Cuphrat, die 
Mitte des dortigen mefopstamifchen Landes durchſchneidende Arm 
ver Querverbindung beider Blüffe, der noch heute im Suͤden, 4 Tage 
ſührten aufwärts von Basra, oberhalb Sheikh eI Shuyukh, 
unter dem Namen Shat el Dejleh einmünvet, im Norven aber, 
bi Rute el Amara, vom Tigris abzweigend, kürzlich erſt wieder 
unter dem Ramen Shat el Hie (fprih Shatol Hal) durch die 
Dampfichiif- Crpedition näher bekannt wurbe. 25) Diefer Querarm 
theilt die dortige mefopotamifche Laudſchaft in eine weftliche obere 
und eine öfllihe untere Hälfte, welche letztere eine vollfom- 
mene Infel bilvet, bis zur Spike des Vereins von Cuphrat und 
Vgris bei Korne, welche heut zu Tage großentheild ven größten 
Ueberſchwemmungen unterworfen und daher wenig befannt iſt, von 
ven Monteſik⸗Arabern bewohnt. Diefer Querarm durchzieht vom 
Nerven abwärts zunächft Heut zu Tag ebenfalls weitläuftige Sumpfe 
von Kut Hal over Kut Hie, bis In die Nähe einiger Anhöhen, 
De Nuſhayet Wafit genannt. Hier thellt ex fih in 2 Arme, 
Die fig abwärts wieder vereinigen und aljo eine Bleinere Flußin⸗ 
fel zwifchen fich einfließen, auf der die eigenthümliche Anlage ber 
Iamallgen Stadt, wie ed fcheint in einer ſehr geficherten. Stellung, 
in ver Mitte der Schilfwälder, fagt Abulfeda, gemacht war. Der 
wörsliche oder vielmehr nordweſiliche diefer 2 Arme, ver Bu Si 
Heirat, macht eine Biegung um ein altes Fort Tefaini und 
zieht gegen Teli Tendhiyah, wo er fich mit dem zweiten, dem 
mehr ðſtlichen Arme wieder vereinigt, welcher, weil er nicht fchiffe 
bar iR, Shat el Amah, d. h. „ner Wanderer,” heißt und an 
vr neueren Stadt Waſit (Waſit el Hie genannt) vorüberzieht. 
Die dann wieder vereinten Ströme bilden pen Sub Bil, ver, nach⸗ 
den er ein Paar andere Ganäle (Bu Dukan und Shatrah genannt) 
abgeſendet Hat, fly nahe dem Cuphrat bei ven Gräbern von Game 
" zah wieder in 2 Arme theilt, davon nur der nörbliche oder nord⸗ 
weiche, Argaf, ſchiffbar ift, und dann 4 Stunden oberhalb im 





36) V. Aissworth Besearches v. Hammer : Purgs 
Reli afat. Türk. Rec. W. Saft. "ıkeı. —— — x 6. 256. 


0 


wu =“ 











190 Weitz Mfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 31. 


Norden von Kut und des Marktortes Sheikh el Shuyukh, 
und in allem etwa 13 geogr. Meilen oberhalb Korne, fich In ven 
Cuphrat münnet. Das trodne Land am Euphratufer zieht fich ab⸗ 


waͤrtd vieſes Shat el Hie nur fo weit hin, als es burch Dattel- 


pflanzungen und Dänme, auf denen Schliffätten unn bie fefleren 


. Wohnungen ber Montefit« Araber ftehen, geſchützt ift; alles andere. 


Land abwärts jened Marktortes und des benachbarten Omu el 
Bak (d.h. die Mutter der Muskitos) iſt ein Land fort wäh⸗ 
render Derfumpfungen, vol von Schilfwäldern und ver» 
derblichen Mückenſchwärmen. Als B. Fraſer Mitte Januar 
41835 27) von dem Marktorte der Monteſik⸗Araber, von Scheikh 
el Shuyukh, die Abficht Hatte, an ber Oftfeite des Shat el Hie 
nah Waſit zu gehen, um von da, zu Rute el Amara ben Ti⸗ 
gris Überfegenn, nach Bagdad zurückzukehren, Eonnte er viefen Plan 
nicht ausführen, weil die Berfumpfungen (Gores genannt) an ber 
Oſtſeite des Hie größer waren als auf ver Weſtſeite, und weil 
Watt zu ver Zeit von einem See umgeben war. 

-Diefer Heutige Zuftand jener Lanvfchaft mag wol ald ein ver 
wilverter jener früheren. Periove angefehen werden, ver erft durch 
Jahrhunverte fortdauernde Bernacgläffigung ver Ganalführungen und 
der Dammarbeiten zu ‚jenen allgemeinern Berfumpfungen berfelben 
geführt Hat, die Heut zu Tage, wie es fcheint, oft viele Sabre hinter 
einander den Boden kaum mehr verlaffen, während fie in jenen frü⸗ 
been Zeiten zwar auch nicht ganz fehlten, aber doch wol nicht in 
gleicher Ausdehnung wie heute, und wol mehr noch auf gewiſſe 
Ueberſchwemmungs⸗Perioden beſchränkt waren. Sonſt würde man 
wol nicht auf den Gedanken gekommen fein, in dieſer Gegend bie 
Gentralflant von Irak aufzubauen, und biefe würbe unter ſolchen 
ungünſtigen Localitaͤten ſchwerlich zu ſolcher Blüthe gelangt fein; 
daß fle Hätte zu den 7 Capitalen von Irak gezaͤhlt werden konnen 
Daß aber vie Anlage zu ſolchen Verſumpfungen ſchon felt der Saſ⸗ 
fantven Zeiten vorhanden waren, haben wir aus El Maſudli's Be 
richterftattung geſehen (f. ob. S.162), der auch von einem verän- 
derten Laufe des Iigrisbettes im Diftricte von Waſit 29) fpricht, 
den wir aber bei völliger Unkenntniß ver von ihm angeführten Lo⸗ 
calnamen nicht näher zu verfolgen im Stande find. An einer fol⸗ 





337) B. Fraser Trav. in | Mesopotamia etc. Lond. 1840. Vol. II. 
x 122. °*) EI Masudi Historic. encyol meadows of gold b. 
Al. Scherer 1, c. Vol, I. p. 258, 


“ | | 


| — — — 





Euphratf.; hiſtor. Ruͤcblick; zur Zeit des Khaliſats. 191 


genden Stelle fcheint es, als fei derſelbe Querarm, an weldden Wa⸗ 
fit erbaut ward, den Ebn Haukal Dejleh nannte, und weldger 
Heut zu Tage nur während 8 Monaten im Jahre ſchiffbar iſt, doch 
bamals der wirkliche Tigris ſelbſt geweſen. Zur nähern Prü- 
fung für folgende Beobachtung fegen wir EI Maſudi's Worte 29) 
bieber: Wenn ver Tigris Bagdad verlafien bat, nimmt er eine 
„große Menge von Ganälen auf, wie ben Babnal und Nahras 
ARahr Sar oder Nahr Shirt), ven Nahe Wan, nicht fern von 
„Sarjaraya ed Sib und Nomaniyah. Nachdem er vie Stadt 
„Waſit paflirt Hat, zertheilt fih ver Tigris in mehrere Arme; ei⸗ 
„nige von biefen fließen in die Marſchen von Batra, wie ver Fluß 
„Barabub, der el Dahubi und ver Shami- (oder Samarri=) Arm. 
„Huf dem Strome, weldyer nach el Akar geht, wird der größte 
„heil der Schiffahrt von Bagdad und Waflt nach Basra betrieben.” 
Auch Abulfeda 39) in Bezeichnung des Tigrislaufes beſtätigt vie, 
Noch ihm fließt der Digla, d. I. ver Tigris, von Bagdad Aber el 
Madain vorüber nach es Sib und Dair el Acus. Dann ge= 
gen OR nad en Romanian, von da gegen SD. na Fom er 
Celh, dann gegen W. nad Wafet, von va in die Seen von 
Bafet, und dann gegen SO. nah Badra. 

Ob die heutige bei Ainsworth Waſit el Hie genannte Stadt 
be ditere von Hedſchadſch erbaute Wafit fel, pie nach dem Sturz bes 
Khalifats in Bagdad durch Hulaku Khan ein gleiches Schickſal 31) 
ve Zerflörung wie jene traf, iſt zwar noch nicht genau unterfucht, 
dech wol ſehr wahricheinlich, nach den Angaben zu fchließen, bie 
wir von der älteren bei Edriſi ſinden. 3?) Er nennt fie, da fie 
a beiden liferfeiten erbaut war, die „beiden Städte Wafit,' 
weiche durch eine Schiffbrüde über ven Tigris mit einander in 
Verbindung flanden. In jeder derfelben war eine Mofchee erbaut. 
Die Stadt an der Weftieite bie Kaskar und hatte jenen Statt 
halter zum Grbauer; fie war’von Aderland, Balmpflanzungen und 
Dfigärten umgeben, ihre Wohnungen ſtanden dicht beiinmmenge 
sängt. Der andere Stadttheil auf dem DOftufer des Stroms, Was 
fit von Irak genannt, war wie jener vortrefflich gebaut, aber mit 
wetm Straßen, ſehr hoben Gebaͤuden, voll Reichthümer, zwiſchen 
en Gärten gelegen. Das Elima war geſünder als In Basra, 


20) Ei Masudi 1. c. Vol. L. p.258. 20) Abulfedae Tabul. e ca- 

de fluviis b. Wüstenfeld p. 66. si) Greg. Abul Pharsj. 

dynast. p. 339. 38) Kdrisi Geogr. b. Jaubert. Vol. I. 
«367. en 


* 








— nn 





192 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 31. 


der Boden fehr gut, dad Stadtgebiet fehr weitläuftig, von Bnbra 
abhängig; die Einwohner, eine Mifchlingärage von Irak und an« 
dern Abkoͤmmlingen, fchön von Geſtalt, weiß gekleidet, mit großen 
Turbans geſchmückt. Um Waſit ſah man damals keine Verſum⸗ 
pfungen. Die Entfernungen von da nah Kufa rechnet Edriſit zu 
6, nach Basra zu 7 und nach Bagdad zu 8 Zagereifen. Auf dem 
<igris fchiffte man damald von Waſit abwärıs bis Nahraban 
in einem halben Tage, zu Lande brauchte man eine ganze Tagereiſe 
dahin. Auch wird der Weg von Waflt wol auch zu Waſſer nad 
vem Depjlet el Ghauza (pder D. el Ghaur) angegeben, von 
da zum Nahr Ma'akel (mol ver Maquel, |. ob. S. 182) und von 
biefem zum großen Strome Basra's. Genauer gibt Edriſi für 
feine Zeit dieſe Waſſerfahrt 22) ſo an: Von Madain ſtromab auf 
dem Tigris find 40 Mil. bis zur kleinen Stadt Dierpieraia 
(Gargaraja bei Abulfeda); *) nämlih von Mabain nad) Date al 
Arul 10 Paraf. (= 15 Stunden) und von da nad) Bargaraja 4 
"Baraf. (= 6 Stunden). Von da 25 Mid. bis Djabet, wo ber 
Einfluß des Nahrawan in den Tigris If. Bon da immer abwärts 
den Tigris bis Waflt find IM. Bon Waſit geht es abwärts 
zum Nahr La’an, dann nad el Farareth, dann nah Diz el 
Sal, dann nah el Hawanit, d. L zu den Marktbuden; dann 
nad el Gar, dem Caſtell, in ven Nahr Abil Aſad; dann in 
den Depjlet el Ghauza, und von biefeni in den Nahr Abi 
Ma’akel (nee Maquel bei Abulfeda) und in die großen Waſſer, 
d.t. ven Euphratfirom von Basra. Bon Waflt nah Ahwaz 
im Oft des Tigris rechnet man 100 Mid. 

Abulfeda Hat von der Stadt Waftt felbft Leine neue Mit« 
theilung gemacht, dagegen fpricht er von ven el Ba’tajceh°) ober 
den Derfumpfungen zwifhen Waflt und Basra, die auch ven Na⸗ 
men der Sümpfe der Nabatäer führen, wo fehr viele Dorfe 
ſchaften Inmitten der Waſſer liegen follen. Auch gehören dazu bie 
Seen von Basra, dern Mitte nach Rasm el Mamur unter 73° 
Long. und 32° Latit. zu liegen kommt. Dies follen biejelben feim, 
welche feit der Zeit der Safſanidenkriege erſt entſtanden finv (f. ob. 
b. Mafudi). Der Hauptort in dieſen Sen heiße el Gamida. 
- Gig entfichen aus Flüffen, die unterhalb Waflt aus dem Tigris 


888) Rdrisi Geor: b. Jaubert Vol. II. pag. 161. 24) Abulfedae 
Descr. Iracae b, Wüstenfeld p. 17. 26) ebenv. p. 8 und e pro- 
legom. ibid. p. 68, 


LE 
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Euphratſ.; hiſtor. Ruͤcblick; zur Zeit des Khalifats. 193 


treten, fo wie bie unterhalb Kufa aus den Waflern des Cuphrat 
entfteßen. Der Tigris ergießt fi in den größten dieſer Waſit⸗ 
Seen durch einen engen mit Schilf bewachſenen Canal; aus biefem 
tritt er durch einen ähnlichen Canal in den zweiten Se, und eben 
fo in einen dritten und vierten, bie jevesmal durch zwoffepenfies 
gende Schilfwälder von einander gefonvert find. Diefe, bei den 
Yrabern Ba'tajeh, Ba’tiha ober Bahaira genannten, Sem 
werben bei dem dortigen Volle „el⸗Hur“ (Hores Hörte fie Fra⸗ 
fer noch heute nennen) genannt. Beim Austritt aus dieſen Seen 
beißt der Tigris Deglat el Baura (f. oben), und dann erſt ver⸗ 
zweigt er fich in vie vielen Arme und Ganäle von Basra. So ver 
bier ſehr Ichrreiche Abulfeda, der und auch über bie Verzweigungen 
des Stromes unterhalb diefer Sem eine ziemlich umflänpliche Nach 
zit gibt, die wir hier an ber für fie geeigneten Stelle als Ver⸗ 
velfländigung dieſer Hydrographie In den mohamedaniſchen Zeiten 
mittheilen,, obwol wir und befcheiden müflen, daß uns faft alle da⸗ 
bei vorkommende Benennungen unbelannt geblieben find, fo daß 
wir fie mit den heutigen Zuſtänden noch keineswegs zu vergleichen 
im Stande find. In der Zukunft werben Hoffentlich Beobachter an 
Drt und Gtelle das Ihrige zum bereinfligen Verſtändniß derſelben 


en. 

Bertheillung ver Tigrisarme unterhalb ber Ver⸗ 
fumpfungen von Waſit nah Abulfeda. 3%) Auch unter 
halb der Seen treten aus dem Oft- wie dem Weſtufer des Tigris 
Sie Arme hervor. Die aus dem Oftufer abzweigenden find nicht 
beſeuders berühmt, wie der Fluß von Ahwaz (Erdk. TH.IX.©.219) 
zer andere. Dagegen bie des Weſtufers find be berühmteften und 
fo zahlreich, Daß ihrer über 100 find. Vorzugsweiſe find e8 aber 
9 Arne davon. Der erfie und oberfte der Fluß el Morra. Gr 
trin aus Der Weſtſeite des Tigris hervor und bewäflert deſſen Land 
im Weſten des Tigris wie Im Norden von Basra. Sein Ueberfluß 
an WBaffer tritt in den zweiten Fluß, der ed Dair heißt; an 
feine Mündung liegt das Martyrium des Mohammed Ihn el 
Hantifijja, wo bis Heute große Schäge liegen, denn zahllofe Ver- 
mblgtiniffe ver Sterbenden werden daſelbſt zum Opfer gebracht. Zwi⸗ 
fm der Mündung viefes erſten und zweiten Fluſſes find nur 
3 Baraf. (44 Stunde) Zwifchenraum. Der dritte Fluß I ver 
Bethe (i. e. raptura) Sirin, 6 Paraf. (9 Stunden) unterhalb 


80) Abulfeda, Deser, Iracae 5. Wüstenfeld p. 09. 
uter Erohunde X. 











194 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 21. 


der Dair⸗Muͤndung; doch ſoll dieſer nach Ausſage eines wahrhafti⸗ 
gen Augenzeugen gegenwärtig verſchwunden fein. Der vierte Fluß 
if der Maquel, zu ven nobelften unb größten Basra's gehörig, 
der nur 2 Baraf. (3 Stunden) unterhalb des B. Stein feinen Au⸗ 
fang nimmt, gegen Weſt zieht, fich dann gegen Süb mie ein Bo⸗ 


gen krümmt, 5i8 er an die N.W.-Selte von Badra kommt (mo 


ſchon von ihm die Rede war, f. ob. S. 182). Ein Präfert el Ah⸗ 
naf von Basra, der im Jahr 686 nach Chr. Geb. (67 ver Geg.) 
ſtarb, überrevete ven Khallf Omar Ben el Chattab, dieſen Maquel 
ausgraben zu laſſen, zum Bortheil ver Bewohner von Basra. Dies 
fer. fimmte au ein und befahl nem Baumeiſter Maquel Ben 
Jeſar, ven Canal zu Stande zu bringen, welcher von ihm den Na⸗ 
men erhalten bat. Der fünfte Flußarm iſt der el Obolla (von 
ihm iſt vollſtaͤndig oben Nachricht gegeben, |. S. 54). Der ſechſte 
Fluß iſt der Judaei, der 6 Paraf. (9 Stunven) unterhalb dem 
Obolla beginnt und nur zum Thell noch vorhanden, zum Theil zer» 
fört if. Der ſiebente iſt der Abil Chocaib, 1 Paraf. (13 
Stunde) unterhalb des vorigen, auch nur noch zum Theil erhalten, 
zum Tell zerflört. Der achte If ver Cmiri, 1 Paraf. (14 St.) 
unterhalb des vorigen beginnend, zum Theil verlaffen und nur noch 
theilweiſe bebaut. Der neunte iſt ver el Condoli, der einft zur 
Zeit, da Basra gegründet wurde, Beſtand hatte, aber gegenwärtig 
faft gar nicht mehr vorhanden iſt. Alle diefe Flüſſe bewäſſern und 


befruchten die dortigen Fluren und Gärten. Doch fügt Abulfeda 


Hinzu: ein glaubhafter Augenzeuge habe ihm verfichert, daß Basra 
und ihr Gebiet damald (Mitte des XIV. Jahrh.) ſelbſt an dieſen 
Blüffen ſehr verddet fet, fo Daß von den 24 Dimt #7) (? wahrfchein- 
lich Kirath oder Quartier), welche zu Basra gehörten, gegenwärtig 
nur ein einziges noch vorhanden fe. Es ift Ichrreich, mit dieſen 
Angaben Abulfenas die jüngern Darſtellungen des türkiſchen Ewlias 
‚ (Mitte des XVII. Jahrh.) 38) zu vergleichen, welche im wefentlichen 
jene beflätigen. Den 1ften Fluß nennt er Merre, der nach ihm 
vie nörhliche Gegend von Basra bewäſſert und in ven 2ten fält 
den er auch Deir nennt; das Grabmal an ihm ſchreibt er bem 
Mohammen Haafis zu. Den 3tn Fluß, 6 Paraſang unter viefem, 
nennt a Sibk Schirin und fagt,: übereinſtimmend mit Abukfebe, 
ex verliege fich in der Wüſte. Den dien Fluß, 2 Sarfang abwaͤrtt, 
— — 


227) Abalfeda 1. c. p. TI. 220) v. Hammer⸗Purgſtall, aſtiat. Türk. 
Rec. Wien. Jahrb. 1821. Br. XIII. 6 557. i 


ee 





Eupbratf. ; biftor. Rüdblid; zur Zeit des Khalifats. 195 


nennt er Nehr Moakil, alfo jener Maquel, ver fi bei den . 


Ruinen von Dina mit dem Obolla vereine. Diefer Obolla gebe 
unter dem Nehr Moakil aus, und an feiner Mündung liege dad 
Gefilve von Obolla, einem Eden glei. Derfelbe ergieße fich 
mit dem Moakil wieder vereinigt in ven Shat. 4 Farfang unter 
dem Obolia gehe der Nehr Jehud, d. i. ver Iudenfluß, aus, 
und nahe an vemfelben der Nehrol⸗chatib, d. I. der Redner⸗ 
fluß; bei Ueberſchwemmungen vereinigen fich Ihre Fluthen. Cine 
Sarfang näher gegen Basra als der vorige firdne Stens der Nehr 
Emin, d. i. ver Scherfluß, und dann der te Nehr Kandil, 
d. i der Zampenfluß. — So weit Ewlla. 


4) Bagdad — Dar el Sala, d. I. die Stabt des Friedens — 
Erah Babeli ver Araber, dv. i. JIrak Babylon, die Khali⸗ 
fenſtadt Der Abbaffiden und ihre Umgebung mit dem 
Lande der Canäle zum Euphrat und am Tigris, 
bis Jekrit und Waflt. 


Bagdad wird für das Mittelalter im Stufenlanve des Eu- 
vhrat⸗ und Tigrisſyſtems der große Gentralpunct, ver alles, was 
früher Rinive und Babylon, Seleucla, Ctefiphon, Madain und Kufa 
zerſtrent befaßen, in feiner Mitte vereinte, und über ein halbes Jahr⸗ 
taufend hindurch der Sitz des Khalifen, die Hauptſtadt des 
mobamedanifchen Weltreiches, ver Mittelpunct des Handels, 
ver neu aufblühenden Künfte, ver Gelehrſamkeit, der Wiſſenſchaften 
wurde, bis fie mit dem Sturze des Khalifates durch pie Mongolen 
mier Sulagu Khan Im Jahr 1258 nach Chr. Geh. (656 dv. Heg.) 
felhR Ihren altm Glanz wie faft alle ihre Bemohner verlor und in 
einen Aſchenhaufen verwandelt wurbe, fo daß die fpäter wieder het⸗ 
vertzetende türkifche Bagdad an ver Oftfelte des Tigris nur ein 
ſchwacher Wiederſchein deſſen fein konnte, was früher unter dem Na« 
men dieſer Khalifenſtadt in weiter Auspehnung zu beiden Uferſei⸗ 
wu des Tigriöftromes ſich Unter ganz andern weltbiftorifchen Ver⸗ 
häliffen zu einer ver erfim Weltcapitalen ausgebilvet Hatte, 
De ſchͤn ein Ebn Haukul 9%) nur mit der Gonftantinopolis In 
Tercha, der Ganounge In Indien und ver Hamban in Ehin zu 
soogkitien wußte. Don der neuern Bagvab wird weiter unten an 
der dazn geeigneten Stelle vie Rede fein; Hier am Schluffe unſers 
hiſtoriſchen Rüdblides nur non der alten Bagdad, ver Manfuria, 





3°) Oriental geogr. b. W. Ouseley I. c. p. 9. 1 
N2 











‚196 Weft-Afien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 31. 


mit deren Untergang der moberne Zufland ber Geographie ver 
Euphratlandfchaften überhaupt feinen Anfang nimmt. 

Werner Mekka noch Kufa, noch Anbar, noch Gaſchemiah 
(Safchimijet bei v. Hammer) wollten zu feften Mittelpuntien des 
mächtigen Khalifenreiches fi eignen; endlich war ver zweite ber 
Abbaſſidiſchen Kfalifen, Abu Giafar al Manfur (reg. 753 — 
775 n. Chr. ©.) fo glücklich, ven rechten Punct zu treffen, der ſo⸗ 
wol für die Mittelprovinz (Chaldäa oder Aſſyria), nämlih Irak, 
welche ſchon Omar ver Eroberer in feinem erften Bericht 0) „das Herz 
„ner Erde, den Schlüffel des Orients, ven Weg des Lichts ges 
„nannt hatte, welche alle Annehmlichkeiten des lebend ge 
„währe,“ wie für das ganze Meich allen Bebürfnifien zu entiprechen 
fehlen. Ihm war die von feinem Bruder und Vorgänger ererbte Refidenz 
Haſchemiah bei Kufa durch die Empdrungen der Rawendier, bie 
ihn dort In feinem eignen Schloffe belagert Hatten, zuwider +4) ges 
worben, und die Nachbarichaft der treulofen, aufrührerifchen, ihm 
verhaßten Bewohner von Kufa trieben ihn gleichfalld von da weg, 
um mit Hülfe des Gorofcops und guter Vorbebeutungen, eine neue 
Gtelle zur Bründung feiner Reſidenz zu fuchen. Ganz unbefannt 
mochte vie neuerwählte Lage nicht geblieben fein, nur fehlen und au» 
Ber der einen Ortſchaft, vie ſchon zuvor an der Stelle lag, wo 
Bagdad erbaut warb, die Iocalen Benennungen am Weſtufer des 
und nnbefannten Fluſſes Moalla, wo einer der vielen bortigen 
Ganäle, fagt Abulfeda,“?) Iag, in der Ebene, wo Bagdad, ein ſtark be⸗ 
ſuchter Mark tort, Suk et Xhalatha genannt, ein Name, ber’ 
allerdings an das Qurada bei Ptolem. (V. 20. fol. 145) erinnest. 
Die perfiſche Sage erzählt, daß ſchon ältere Könige (Kailaus, ver 
für Nimrods Sohn gehalten wird) dort am Tigris in einem Gar 
ten (Bag) einem Idole (Dad) ein Heiligthum erbaut hätten, und 
daß die Gemahlin Khosroes Nuſhirwan vafelbft (vielleicht zu 
Eski Bagdad, d. h. Alt Bagdad, wo vor⸗ islamiſche Ruinen 
find, f. Erdk. SH. IX. ©. 500) ihren Park und ihre Herden ge 
Habt, der mit ihrem Landſitze den Namen Bagdad ver neuen Stabt 

gegeben. Abul Faradj ) Läft nem Khalifen durch einen bort 
Enheimiſchen den klugen Rath ertheilen, fich in ver Nähe des Sorat 
genannten Ortes zwiſchen den beiden Strömen Buphrat und Ti⸗ 


240) 3. v. Hammer, Linderverwaltang sc ©. 77. _*') Abulf. An- 
nal. Moslem. ed. Reiske. p. 147. “s) Abulf. Desor. Jracae 5. 


Wüntenfeld. p- 6. not. p. 95. 2 2) Gregor. Abul Pharaj. I. o. 
pP | 








Eupbratf.; hiſtor. Ruͤckblick; zur Zeit des Khalifats. 197° 


gris anzubanen, damit Feiner ver Feinde, vom Rorden wie vom 
Sünden, ihn erreichen könne, ohne zuvor über eine Brüde zu geben, 
die er leicht mit feiner Macht würde beherrfchen oder abbrechen koͤn⸗ 
nen. Dann läge fein Wohnfig auch in ver Mitte zwifchen ben 
neuerbauten Hauptfläbten feines Reichs, Basra, Kufa, Wafit, 
Moful, und die beiden großen Ströme nebſt dem Fluſſe von 
Sorat (0b Nahr Sares, Nehr Sartjet? wahrfcheinlich ver heutige 
ſchiffbare Ifacanal, ver an Akerkuf vorüber direct auf Bagdad geht) 
wären die befim VBerbinpungslinien, um von allen Weltge⸗ 
gaben ber feine neue Reſidenz mit allen Nahrungsmitteln über- 
ffüſſig und mit allen Koftbarkeiten der Meere und Länder auf das 
reichlichfte zu verſehen. Ergriffen von diefen Borzügen, habe AI 
Manfur mit Begier fogleidh ven Bau ver Stabt im Jahr 145 
ver Heg. (762 n. Chr. Geb.) begonnen, und die Steine dazu aus 
Mapdain, die Ihore von Waftt herbei zuholen geboten, um fo 
ſchneller die neue Stadt aus dem Schmud ver ältern herzuftchie. 
Ja ver ganze weiße Pallaft, die Bafllica Kosroes (That Kedra 
der Araber, oder That Khosru bei Perfern) zu Madain follte 
nach Khondemirs Erzählung nad) Bagdad übertragen werben. 
Den Rath des Viziers Chaled, eines Barmaliven, eines PBerfers, 
doch nicht das gedßte und flolzefte Denkmal des alles beflegenven 
delams zu vernichten, den Al Manfur aber ver perfifchen Selbfl- 
gefaͤlligkeit zufchrieb, achtete er nicht, und Heß durch unzählige Ars 
keiter die Zerſtbrung beginnen. Uber erft ein Kleiner Theil war 
abgetragen, ald man fich überzeugte, daß der Ertrag dieſer ſehr bes 
ſchwerlichen Arbeit weit Hinter den Koften, die fie verurfachte, zurück⸗ 
Wich. Go rief der Khallf die Arbeiter von der Ruine zurüd, uns 
geachtet Chaleds Warnung, dies nicht zu thun, well nun erft bie 
Nachwelt ihm nachreden werde, wie gering feine Macht, die nicht 
dumal zerflören könne, was ein Perſerkonig aufgebaut. Die er 
lauchten Söhne viefed Chaled, die Barmakiden, fagt v. Ham⸗ 
mer, 4%) waren es, welche ald Wefire den Ruhm ver Herrſchaft 
wit Harun Raſchid getheilt Haben, und denen wol bie meiften Staats⸗ 
einrichtungen zuzufchreiben find, welche von dem mohlgeregelten 

gsſyſteme des alten perflihen Reichs auf das neuwur⸗ 
zinde der Abbaffiven verpflanzt wurden. Mag jened auch ein wohl 
efunbened Mährchen fein, «8 dezeichnet dad Großartige des alten 





%) J. v. Hammer, die Länderverwaltung unter dem Khalifate. Preis⸗ 
hei Berlin 1835. 8. ©. 10. 








‚196 Weft-Afien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 31. 


mit deren Untergang ber moberne Zuſtand ber Geographie ver 
Euphratlanpfchaften überhaupt feinen Anfang nimmt. 
Wer Meta noch Kufa, noch Anbar, noch Haſchemiah 
(baſchimijet bei v. Hammer) wollten zu feften Mittelpunften des 
mächtigen Khalifenreiches fi eignen; endlich war ber zweite Der 
Abbaſſidiſchen Kfalifen, Abu Giafar al Manſur (reg. 753 — 
775 n. Chr. ©.) fo glüdlich, den rechten Punct zu treffen, der ſo⸗ 
wol für die Mittelprovinz ( Chalvda oder Aſſyria), nämlich Irak, 
welche ſchon Omar ver Eroberer in feinem erften Bericht *0) „das Herz 
„der Erde, den Schlüffel ves Orients, ven Weg des Lichts ge 
„nannt Hatte, welche alle Annehmlichkeiten des Lebens ge 
„währe, wie für das ganze Neich allen Bedürfniſſen zu entiprechen 
föhten. Ihm war die von feinem Bruder und Vorgänger ererbte Refidenz 
Haſchemiah Hei Kufa durch die Empörungen ver Rawendier, bie 
ihn dort in feinem eignen Schloffe belagert Hatten, zuminer 41) ges 
worben, und die Nachbarfchaft ver treulofen, aufrührerifchen, ihm 
verhaßten Bewohner von Kufa trieben Ihn gleichfalls von da weg, 
um mit Hülfe bed Horoſcoph und guter Vorbedeutungen, eine neue 
Stelle zur Gründung feiner Reflvenz zu fuchen. Ganz unbefannt 
mochte die neuermwäßlte Lage nicht geblieben fein, nur fehlen und au⸗ 
er der einen Ortſchaft, vie ſchon zuvor an ber Stelle lag, wo 
Bagdad erbaut warb, die Iocalen Benennungen am Weflufer bes 
und nnbefannten Fluſſes Moalla, wo einer der vielen bortigen 
Ganäle, ſagt Abulfeda,“?) Iag, in ver Ebene, mo Bagdad, ein ſtark be⸗ 
ſuchter Marktort, Suk et Thalatha genannt, ein Name, ber’ 
allerdings an das. Qurada bei Ptolem. (V. 20. fol. 145) erinnest. 
Die perfiſche Sage erzählt, dab ſchon ältere Könige (Kailaus, ver 
für Nimroda Sohn gehalten wird) vert am Tigris in einem Gare 
ten (Bag) einem Idole (Dad) ein Heiligthum erbaut hätten, und 
daß die Gemahlin Khosroed Nufhirman daſelbſt (vielleicht zu 
Eskti Bagdad, d. 5. Alt. Bagdad, wo vor⸗ islamiſche Ruinen 
find, |. Erdk. Th. X. ©. 500) ihren Park und ihre Heerden ge- 
Habt, der mit ihrem Lanbflge den Namen Bagdad der neuen Stabt 
gegeben. Abul Sarapi*) läßt dem Khalifen durch einen dort 
Einheimtfchen den Flugen Rath erihellen, fich in der Nähe des Sorat 
omanntn Ortes zwiſchen ven beiden Strömen Cuphrat und Ti⸗ 


200) J. v. Hammer, Länberverwaltung sc S. 7. 1) Abulf. An- 
nal. Moslem. ed. Reiske. ‚14. 48) Abulf. Desor. Jracae b. 
Wüntenfeld. p- 6. not. p. *3) Gregor. Abul Pharaj. Lo. 
p. 141. | 








Eupbratf.; hiſtor. Ruͤcblick; zur Zeit des Khalifats. 197 


gris anzubauen, damit Feiner ver Feinde, vom NMorven wie vom 
Süden, ihn erreichen könne, ohne zuvor Über eine Brüde zu geben, 
die er leicht mit feiner Macht würde beherrfchen oder abbrechen kün- 
nen. Dann läge fein Wohnfig auch in ver Mitte zmifchen den 
neuerbauten Gauptfläbten feined Reichs, Basra, Rufa, Wafit, 
Moful, und vie beiden großem Ströme nebft dem Fluſſe von 
Sorat (ob Nahr Sared, Nehr Sartjet? wahrfcheinlich ver heutige 
ſchiffbare Ifacanal, ver an Akerkuf vorüber direct auf Bagdad geht) 
wären bie befin Berbinpungslinien, um von allen Weltges 
genden ber feine neue Reflvenz mit allen Nahrungsmitteln über» 

flüffig und mit allen Koftbarkeiten ver Deere und Länder auf daß 
reihlichfte zu verſehen. Ergriffen von dieſen DBorzügen, habe AI 
Manfur mit Begier fogleih den Bau der Stadt im Jahr 145 
der Heg. (762 n. Chr. Oeb.) begonnen, und die Steine dazu aus 
Mapdain, die Thore von Wafit herbei zuholen geboten, um fo 
fgnellex die neue Stadt aus dem Schmud ver Altern berzuftckie. 
Sa der ganze weiße Pallaſt, vie Bafllica Kosroes (Thal Kebra 
der Araber, oder That Khosru bei Perfern) zu Mabain follte 
nach Khondemirs Erzählung nah Bagdad übertragen werben. 
Den Rath des Bizierd Chaled, eines Barmaklden, eines Perſers, 
doch nicht das gedßte und flolgefte Denkmal des alles beflegenven 
Jelams zu vernichten, ven A Manfur aber der perfiichen Selbſt⸗ 
gefälligkeit zufchrieb, achtete er nicht, und Heß durch unzählige Ars 
keiter die Zerflörung beginnen. Aber erft ein kleiner Theil war 
abgetragen, als man fich überzeugte, daß ver Ertrag dieſer fehr be» 
ſchwerlichen Arbeit weit hinter den Koften, die fle verurfachte, zurüde 
blieb. Go rief der Khallf die Arbeiter von der Ruine zurüd, uns 
geachtet Chaleds Warnung, dies nicht zu thun, well nun erſt bie 
Nachwelt ihm nachreven werde, wie gering feine Macht, die nicht 
tamal zerftören Eönne, was ein Perſerkonig aufgebaut. Die er⸗ 
lauchten Söhne dieſes Chaled, die Barmakiden, fagt v. Ham- 
mer, 4) waren es, welche als Weftre den Ruhm der Herrſchaft 
mit Harun Raſchid getheilt haben, und denen wol die meiften Staats⸗ 
einrihtungen zuzufchreiben find, welche von dem wmohlgeregelten 
Berwaltungsfofteme des alten perflichen Reiche auf dad neumur- 
eine der Abbaffiven verpflanzt wurden. Mag jenes auch ein wohl 
eıfundenes Mährchen fein, eb hezeichnet dad Großartige des alten 


**) J. v. Sammer, bie gändervermaltung unter dem Khalifate. Preis⸗ 
jchrift. Berlin 1835. 8. ©. 1 








198 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.31. 


Baues, ver wirklich ſtehen geblieben ift bis Heute, während Alles 
neben ihm in Trümmern zerfiel und verging. Ebn Haukal %) 
ſah ihn noch, ven Lieblingsſitz der Saffanivenkönige, eine Tagreiſe 
im Süden von Bagdad. Er nennt dieſe Pallaftruine ven Aiwan 
Kesri, (Iwan ) seu palatium bei Reiske, Taki Eiman bei 
v. Sammer), der bei anbern der Thron oder ver Dom Khos- 
roes heißt, und fagt: Fein größerer Bau mar im ganzen Perfer- 
zeiche, und Mabain war ihre größte Stadt; am Oftufer des Dejleh 
(Zigel) lag fle, aber von ver Brüde, vie Hier über dieſen Strom 
geführt Haben foll, fand er Feine Spur. 
Edriſi rechnet die Entfernung Madains von Bagdad auf 
15 Miles (nach KRinnele*7) vom heutigen Bagbad 18 MIl. engl.), und 
fagt und, daß zw feiner Zeit dort noch ein Eleiner Ort vieſes Nas 
mend am Weftufer des Tigris vorhanden war, vermuthlich alfo 
wol an der Stelle des ehemaligen Seleuca, ober viel wahrſcheinlicher 
ey, fpäteen Coche, die ja auf dem Weſtufer Ing, und ebenfalls 
unter dem Namen von Madain (Dualis von Mevina, die Stadt, 
nämlich binae urbes, wie Mizraim, Basratan und andere 
Dualformen von Stäbten) mitbegriffen war. Zugleich erfahren wir 
von ihm, daß man auch damals dort noch fehr impofante Ruinen 
und Reſte von GBebäuben, den merfwürbigften ‚in ihrer Art an 
Gryoße und Hoͤhe, erblide, die größtentheild aus fehr großen Dun« 
dern beſtehen, deren fehr viele zum Bau von Bagdad gebraucht feien, 
und auch zu feiner Zeit (Mitte des 12. Jahrhunderts) zu gleichem 
Verbrauche noch Immer dahin transportirt würben. Der Größe 
dleſes Khosroed- Pallaftes fei kein anderer gleich. — Wie Babylon 
zum Aufbau fo vieler Nachbarſtäͤdte als Steinbruch gevient hat, 
fo alfo auch der Thak Kedra oder Dom Kesras zu Mabain, von 
dem auch Heute noch fo großartige Maſſen fich erheben. Abul« 
feba, ver EI Mapain mit vem Pallafte Khosroes, 1 Tagreiſe 
unterhalb Bagdad, auf dem Norbufer des Tigris anführt, gibt 9) 
die aftronomifche Lage nach Atwal 70° 20° Long. 38° 40’ Lat.; 
nad d. Canon 70° 5' Long. 38° 10’ Lat. an. Er gibt das 
Mach des Pallaſtes von einem Winkel zum andern nad) einem 
treuen Augenzeugen, wie er felbft fagt, zu 95 Ellen an, und nach 
@ A A def deſſen Hohe zu 80 Ellen; er Hat 3 verſchiedene Benennuns 


"0t) Oriental geogr. 5. W. Ouseley. 1. c. p. @8. 70. **) Abulf. 
ab. VILL al drac ed. Reiske. 5, Bäfging, Hier. Mag, 2%, IV. 
©. 259. +’) M. Kinneir Mem. of Persis. p. 259. ** 
Desc, Irac. b. Wüstenfeld. p. 14. 





? 


[0 


Euphratf. hiſtor. Ruͤckblick; zur Zeit des Khalifats. 199 


gen befjelben aufbewahrt: Rumija el Madarn, Taifafun uns 
Eſchbelun, deren Bedeutung und unbekannt geblieben. Auch bes 
Isgt ex die Stabt auf dem Weſtufer des Tigris mit dem beſondern 
Ramen SabatelMapdain, und eine andre ihr zur Selte liegende 
mit dem Namen Nahr Schir, vermuthlich ver Ort an dem dorti⸗ 
gen gleidmamigen Ganalırme (vergl. 06. ©. 191). Dies find die 
legten Nachrichten aus jener Periode über die Lage jener fernen 
Gapitale, die nun immer mehr und mehr ver Vergeſſenheit preis⸗ 
gegeben ward, je ftrahlenver ihr benachbart das Geſtirn der neuen 
Refldenz emporftieg. I. Rich fand in neuerer Zeit 9) in einer 
Kirche des Neftorianerflofters Mar Elias, oder Deir el Munkush 
ver Mohamedaner, bei Moſul eine alte Kirche von offenbar faffani- 
Sichem Grundbau, deren Innered ihn auffallend an die Eonflruction 
des Taf Kebra erinnerte, vielleicht ver einzig verwandte Bau biefer 
Art, ver alfo eine nähere Unterfuchung verbiente. Doch fo fchnell wuchs 
Bagdad noch nicht heran, da es von Grund aus neu zu bauen 
wor, und heftige Fehden von Parteigängern, zumal vie von Alle 
Söhnen, zu gleicher Zeit beizulegen waren. Doch zog Al Man» 
fur [on im Jahre 763 (145 d. Heg.) mit feinem Heereslager in 
De neue Stadt ein, die, wie noch drei andere von ihm in Sinn 
(n Multan, |. Erdk. Th. IX. ©. 256), am mittellänpifchen 
Meere und in Mefopotamia erbaute, den Namen Manu» 
ria 60) erhielt. i 

Beendet wurde der Bau erft 3 Jahre fpäter, im Jahr 766 
(149 d. Geg.), und als zu jener Zeit wirflich einmal, fo felten wie 
Im römifchen Reiche, an allen Enden des Khalifates Friede im 
Reiche herrſchte, erhielt fie, vielleicht mit Anfpielung auf vie heilige 
Jeruſalem oder auf das Paradies felbfl, ven Ehrennamen Dar 
elSalam, d. i. Sit des Friedens, oder Medinet el Salam, 
d. ĩ Friedensſtadt. 51) Much fcheint ed dem großen Drienta- 
Bien Frähn 52) nicht unmahrfcheinlich, daß fie dieſe Benennung 
(urbs salutis, vel salutationis) dem Umſtande verdanfte, daß bier 
ver nıue Khalif begrüßt zu werben pflegte mit dem officiellen 
Gruße: el-salam aleik jaEmir el-mumenin, i: e. salve, o impe- 
rator fidelium! Die Ableitung vom Tigriönamen, der nach el Zobab 


*s) 5. Ci. Rich Narrative etc. Vol. I. p. 113. *°) Edrisi Geogr. 
b. Jaubert. Vol I. p. 162. st) Herbelot Bibl, Or. s. v. Bag- 
dad; Abulfedae Deser. Jracae. b. Wüstenfeld. Lc.p. 3 . 
ss) C. M. Frähn, Commentatio I. de aliquot numis Kufcis. 
1824. p. 406. | 


U 











200 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 31. 
auch dir Fluß des Friedens geheißen Haben fol, ſcheint ihm ganz 
venverfd), . 


Das umherliegende Land vertheilte Al Manfur in verfchle 
dene Herrſchaften, und verſchenkte biefe an feine Freunde, und Une 
Hänger, 53) die fich hier ihre Wohnungen und Paläfte errichteten. 
Die neue Stadt war in runder Kreiögeftalt erbaut, und von zwei 
Stadtmauern umgeben, von denen bie innere höher, vie äufiere nie= 
driger war. Sie war durch Thürme flanfirt, und die Thore ber 
erſten Mauer waren fo angebracht, daß fle den Thoren ver zweiten 
Mauer nicht gerade, ſondern immer diagonal gegenüberſtanden, fo 
daß dieß der Stadt ven Beinamen „Zauta“ ver Schiefen, oder 
„mit ven ſchlefen Thoren“ gab. Der Khalifenpallaft erhob ſich 
An der Mitte der Gtabt und neben ihm bie große Mofchee, denn es 
ſollte jedweder ver Unterthanen gleich nahe dem Thron wie ber 
Kebla fichen. Die Marktpläge und Bazare waren damals im In« 
nern der Stabt angebracht, doch wurben fle bald nach außen ver- 
legt, denn, erzaͤhli Abul Faradf, 9) als ein Befanbter des Kalfers 
von Gonftantinopel, vom Bizier Al Manſurs zur Bewunderung ber 
neuen Stadt umhergeführt, von ihm über ihren Bau befragt warb, 
antwortete er: ſehr ſchon, nur iſt nicht paſſend, daß beine Feinde 
mit dir zuſammen wohnen. Ex meinte dad oft aufruhreriſche Volt 
der Bazare; und kaum war ber Gefandte abgereift, fo befahl der 
Khalf, um ven Pöbel aus feiner-Umgebung los zu werben, bie 
Marktpläge außerhalb der Stadtmauer nah Korch (Karkh) zu 
verlegen (fo wurden die Vorſtaͤdte an der Weftfeite bed Tigris 
gegannt), und nur ber. Bazar für Gemüfe, Del und Gffig blieb 
innerhalb der Stadt, Nach Al Manfurd Tode, der auf der Wall- 
fahrt nad Mekka farb, verlegte fein Sohn DI Mahodi (vg. 
775—784) dad Lager feiner Truppen auf die Oftfeite bes Tigrige 
ufers, daß durch den ber Meflvenzflabt gegenüber errichteten Bau 
der Truppenftabt ven Namen Osfar, d. I. Eaftrum, ober Askar 
ol Mahdi (Rager Mahdis) erhielt; denn auch einen neuen Pallaſt 
errichtete er daſelbſt in der Mitte des Caſtrums, ver dem feines 
Vaters gegenüber lag, wodurch fehr bald die Oſtſtadt Karkh 
das Uebergewicht über die Weſtſtadt davon trug. 55) Diefe nun 
ſchon durch Prachtbauten fehr gehobene Khalifenzefidenz fegte er 
mit der heiligen Stadt Meffa dadurch in eine glänzende DBerbin« 

#*®) Rdrisi .b. . e⸗) je 

Be au Sie 

. P- u 





Euphratf.; hiſtor. Ruͤcblick; zur Zeit des Khalifats. 201 


Yung, 56) für die Wallfahrt zum Grabe des Phropheten, daß er von 
hier mitten durch die arabiſche Halbinfel den Weg dahin bahnte, an 
jeder Station Karawanferai'd erbauen, am Wege Mellenfleine er- 
sichten, Brunnen graben und bie Waflerteiche reinigen ober erneuern 
Beß, und in den Ortſchaften Kanzeln zum Previgen aufrichten, der⸗ 
jenigen in Mevina gleich, von ver Mahomed feine Vorträge gehal- 
ten hatte. Schon war vie Stadt fo groß geworden, daß ihre Häu«- 
fer ich auf ver einen Seite, fagt Edriſi, 57) bis Hadith (vdieſes 
Habith iſt un feiner Lage nach unbekannt), auf der andern bis 
Kelwad (2 PBarafangen, d. i. 3 Stunden, fern von Bagdad, und 
veppelt fo weit vom Nahrowan) 58) ausdehnten. Karun al 
Rafchin, der fünfte ver Abbaſſidiſchen Khalifen, des A Mahpt’s 
Eohn (reg. 786 — 808), verherrliähte fie noch durch den Bau eines 
neuen Pallaſtes, oder vielmehr eines Standlagers feiner Truppen 
im Oſten von Bagdad, Ruffafa 59% (er Rocafa), von dem 
auch hier der ganze ſich dert umher anflevelnne Stadttheil venfelben 
Namen (Babal Tauk Refafeh bei Ebn Haufal) erhielt. Doch war 
ver Khalif, fo fehr ihm auch die vortreffliche Lage und die Wichtig. 
keit dieſer Reſidenz einleuchtete, mit ihren treulofen, zankjüchtigen, 
abtrünnifchen Bewohnern keineswegs 60) zufrieden, und zog es 
vor, gegen das Ende feiner langen Regierung fich in feine Geburts⸗ 
ſtadt Ray nach Perfin (ſ. Erdk. Th. VOL ©. 595 u. ff.) zurüd- 
zuzichen, und dieſer als Khalifenreſidenz einen neuen Glanz zu ver 
leihen. Doch kehrten feine Nachfolger mit ihren Schägen ©!) nach 
Bagdad zurüd, die nun auch bis zum Sturze des Khalifates vie 
Aeſtdenz blich. 

Zu Cdriſis Zeit?) fand fie in Höchfter Blüthe; beide Stäpte 
der linken und rechten Uferfeite waren durch zwei Schiffbrücken mit 
einander verbunden, die fortwährenn durch dichtgedraͤngte Paflage 
bin und ber belebt waren. Die Oftftadt, fagt er, ſei merfwürbig 
vurch die große Menge von Gärten und Obfibainen, welche duch 
Die Waſſer des Nahrowan (ſ. Erdk. Ih. IX. ©. 418, 497, 505) 
und nochieined andern (mol des Diyalah), zweier bedeutenden Flüſſe, 
befruchtet und bemäflert werbe, fo daß man der Wafler des Tigris 
gar nicht bevürfe. Die Umgebung ver Weſtſtadt aber werde durch 


— 


56) Abulfedae Annal. Moslem. ed. Reiske. p. 154. °’) Edrisi 
Geogr. b. Jaubert. Vol. ll. p. 157. **) Abulf. Descr. Jracae. 
b. Wüstenfeld, p. 15. - 8%) 9, Sammer, Länderverwaltung ꝛc. 
©. 18.  *°®) Abulfed. Annal. Mosl. ed. Reiske. p. 167. 
ss) ibid. p. 69. **) Edrisi 1. c. II. p. 157. 











us 
, 
er 





202 Weſt-Afien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.31. 


ben vom Cuphrat abzweigenden Iſa⸗Canal (Nahr Ifa) bewäſſert, 
an deſſen Einmündung zum Tigris eine Brücke liege, die Dina 
heiße. Von dieſem Iſa zweige ein untergeordneter Canal, el Sirra 
genannt, ab, der nicht nur die doxtigen Felder und Gärten, ſondern 
die Stadt ſelbſt mit Waſſer verſehe. Der Nahr JIſa ſei aber 
durch keinen Damm gehemmt, und vom Euphrat bis nach Bagdad 
ſchiffbar. 

Auf dem Nahr Sirra dagegen ſeien viele SEchleuſen und an 
dieſen vie vielen Mühlen angelegt. Am Nahr Ifa liege die Stabt 
Badzrouia, wo ein fehr einträglicher Zol gegeben werde, auch 
führen daſelbſt verſchiedene Candle bis In die Straßen und Bazare, 
ud ‘alle Ufer feien mit Häufern, Dörfern, Gärten befeht, wie denn 
überhaupt das ganze Land zwifchen Bagdad bis zum Eu- 
phrat bei Kufa nur ein großer Garten voll von Ortſchaf⸗ 
ten und Dörfern fe, die von dem jchiffbaren Sarſar⸗Canale 
(nur weniges fünlicher liegend, ver zwifchen dem Iſacanal im Nor⸗ 
den und dem Nahar Mala im Suͤden wahrfcheinlich mit beiden 
mehrfach verzweigt war) reichlich bewäflert werbe, an dem, auch 
nur 4 Stunden von Pagdad fern, vie gleichnamige ganz offene, 
ohne Mauern gebliebene Stadt Sarfar (Gargar bei Abulfeda) 
entflanven fet, mit gefüllten Bazaren, blühend und reich, mit einer 
Schiffbrücke, vie fletö vol Paffage war. Die Stadt Sarfar, fügt 
Abulfeda, 9) welche als erfle Stadt zur rechten Hand beim Aus⸗ 
tritt der Pllger aus Bagdad nach Mekka liegen bleibe, ſei das un⸗ 
tere Sarfar, 3 Stunden von Bagvad, aber die obere Stadt 
Sarfar liege am Iſa⸗Canale. Diefer Anbau gegen Welt nahm 
aber mit Sarfar noch Fein Ende, *) denn von dieſer Stabt wurde 
nach Eurzer Diftanz (2 Parafang over 3 Stunden nad) Abulfeda) 
der dritte, ber füplichfle jener Canäle, der von noch größerer Bes 
deutung war, erreicht, der Königscanal Nahr Malcha, an defien 
Ufern eine gleiche Stadt (Eorift nennt fle nicht, es ift aber offen- 
bar Nahr el Malek bei Abulfena), ſtatk bevölkert, mit einer Schiffe 
brüde gelegen war, mit den Herrlichften Obfthainen und Palmen⸗ 
wälvern umgeben. Bon dieſem Canal traf man endlich, nur drei 
kleine Tagreifen von Bagdad, in der Entfernung eines Pfeilfchuffes 
vom Cuphrat, die bedeutendſte und reichfle dieſer Städte, Kasr el 
Hobeira, berühmt durch ihre Märkte und ihre Bauwerke. (Zwi⸗ 


es) Apulfed. Deser. Irac. b. Wüstenfeld. p. 14. "es, Edrsil. c. II. 
pP R 


v 





uphratf.; hiſtor. Rüdblid; zur Zeit des Khalifats. 203 


ben Rahr el Malek und Kasr Ibn Hobeira, bei Abulfeda, ©) 
mat diefer zuvor noch nach 2 Parafang die Stadt Kutha, bie 
ven Ramen auch von einem Ganale (Kut, d. h. Eanal) erhielt, 
it Märkten, Moſcheen und Kathever, und läßt dann erft nad 
Barafang,. aljo 9 Stunden, die Stadt Hobeira folgen). 

Bon jenem Iſa⸗Canale, der bei Anbar vom Guphrat abs 
weigt (j. ob. S. 145), der fo fehr vieles zum Ylor von Bagdad 
eitzug, fagt Evriſi, daß In ven Altern Zeiten vie Waſſer des Cu⸗ 
beat nicht bis zum Tigris zeichten (morin er wol im allgemeinen 
ri), Daß aber in der Zeit des Islam biefer Ifa 6%) gegraben 
zrde, um auf ihm nach Bagdad zu kommen, und daß er zu feiner 
kit ein bedeutender Strom fei, auf dem bie Segelfchiffe zur 
Japktale gehen. (Mach der Berichterflattung Ewlia's foll er von 
inem Sultan Iſſa Ibn Ali Ibn Abdullah Abas den Namen er⸗ 
yalten Haben, der und aber unbelannt geblieben). 97) 

Abalfeda, der genauer in bie Beichreibung der Bewäfler 
iberhaupt eingeht, belehrt über vie damals dort beſtehenden vier 
Dauptcanäle auf folgende Welle: 1) Der Flug Iſa, 8) der feinen 
Raum von Iſa Ben Abdolla Ben Abbas, dem Oheim AU Man 
us, hat und aus dem Euphrat, dem Orte Kufa gegenüber, bei 
Dahama, 68° Long. 32° Lat., abzweigt, kann nad} feinem An⸗ 
unge auch von el Anbar (ſ. ob. S. 147) beflimmt werben, wo 
⁊ unter ver Brücke Dahama hervortritt, eben da, wo das Land 
von feiner Fruchtbarkeit Felujia (el Falluga, i. e. terra sementi 
idonea) heißt. Zur Zeit der Wafferabnahme des Euphrat Höre 
jedoch der Ifa zu fließen auf, und dann müßten vie Gärten und 
Gelder durch Waſſerräder aus deſſen ſtehenden Lagunen befruchtet 
werien. Gr ziche gegen Bagdad, wohin er nach vielen abſendenden 
Eritencanälen bei el Mohawwul ankommt, und ſich im Innern 
ed wehlichen Stadttheiles von Bagdad in den Tigris ergieße. 
Mohawwul, oder Mahul 60) abgefürzt, lag in S. W. 3 Stun« 
vn (2 Baraf.) von Bagdad, und 14 Stunden (1 Paraf.) fern von 
& Sendia, ein Eleined, aber zwiſchen Canälen und Palmhainen am 
Ya-Ganal paradiefiſch gelegenes Stäntchen, das zu den erſten Luſt⸗ 
Orten Bagdads gehörte, und dem Guta oder Parapiefe von Das 





*) Abulfed. Descr. Jrac. b. Wüstenfeld. p. 16. .., Edrisf 
Geogr. b. Jaubert, Vol. I. p. 144. *°7) v. Hammer Purgſiall, 
Mat. Türkei. Rec. Wien. Jahrb. 1821. B. XI. ©. 221. 

**) Abulf. Tabul. e. cap. de fluviis. b. Wüstenfeld. p. 65. 
‘*) Abalf. Deser. Jrac, b. Wüstenfeld, p. 5. not. p. 94. 











204 WeftsAfien. II. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 


madk verglichen wurde. 2) Weiter abwärts, überhaupt ſuͤdlicher 

Ya, durchfchneidet eben fo wie er, alfo gewiffermaßen parallel 
ihm ziehend, der Sarſar⸗Fluß (fluvius Cargarae) die X 
von Ira, zwifchen Kufa und Bagdad, an Sarfar, der vorgen 
ten Stadt, vorbei, alled Land befruchtenn und dann zwifchen 3 
dad und el Mabain zum Tigrid fallend. 3) Der dritte If 
Nahr el Malek (Nahr Mala, Königscanal), ver unterhalb fı 
den Euphrat verläßt, Irak bewäflert (mo an ihm die gleichnan 
ſchon oben bezeichnete Stadt Tiegt) und unterhalb, EI Deabain (1 
lich bei Eoche f. ob. ©. 154) fich in den Tigris ergießt. 4) 
vierte Fluß If ver Kutha (d. h. fo viel als Dammeinfcı 
daher es mehrere Kutas gibt, oder Kutal, im Plural Ku 
oder Kawatil, nad v. Hammer), 79) der unterhalb dem Nal 
Malek audtritt und nad der Bewäflerung Iraks fich ebenfalls 
terhalb deſſen Einmündung zum Tigrid ergießt. Diefen legten 
dem, wie Abulfeda angibt, die gleichnamige Stadt Tiegt, hat Er 
ganz unerwähnt gelafien; ob, weil ex erft fpäter zu Stande gel 
men, oder unbebeutender war, Ift und unbelannt. Doch nenn 
bei Gelegenheit der Ruinen von Babel, wo ein Dorf viefes 

mens Tiege, an der Stelle ver von Zohak erbauten älteften € 
Iraks, deren Reſte auch noch Zeugniß Ihrer ungeheuren Größe 
ben, die im Oſten von dieſen benachbarte Kutharia, 71) die 
nur biefelde Kutha fein Fann. Br fagt, es fei eine kleine Stab 
deren Mitte jedoch Abraham, ver Patriarch, ver in Babel gewe 
fi in die Flammen begeben habe (vergl. Erdk. IX. ©. 150). 

beftebe aus 2 Stadten, davon die eine Kutha Itarik heiße, vie 
dre Kutbaria; in diefer gebe es Hügel aus Afche, weldı 
Eigenſchaft habe, anhängig zu fein, von der Art derer, bie 
Nimrod kamen, in deren Mitte fi Abraham niederließ (eine 

fpielung auf Babeln im Koran). Anf jeven Ball gibt und Ab 
feda in feiner Beſchreibung eine fehr deutliche Vorftelung von 
damaligen Zuſtänden diefer Candle, vie unftreitig durch viele ur 
georonete Bewäſſerungsgraben dad ganze Mittelland, zwiſchen 
beiden Hauptſtroͤmen in einen einzigen großen Gulturgarten 

wandeln mußten, und ihn mit den zahlreichften Ortfchaften 

Populationen füllen konnten, weil alle vajelbft ihre Ernährung 

Unterhalt in ver Nähe jener Welthauptſtadt finden Eonnten. 


370) 9 Sammer Purgftall._ Wien. Sabıb. 1821. Bo. x. ©. | 
Not. 7°) Edrisi Geogr. b. Jaubert. Vol. II. p. 100. 





Eupbratf.; hiftor, Ruͤcblick; zur Zeit des Khalifats. 205 


Abulfeda fährt in jeiner Hydrographie ver Weſtſeite von Bagvad 
noch weiter fort,7?) wenn er fagt: Sechs Parafangen, d. i. 44 geo- 
graph. Meilen am Kutha⸗Canale vorüber, alfo abwärts deſſelben, 
fpalte fich der Cuphrat in zwei Theile; ver eine, der ſüdliche, 
gebe gen Kufa an dieſem Orte vorüber und ergieße ſich in die 
Seen (el Batajeh); der andere größere ziehe an dem Kar el 
Gobeira vorüber, unter 705° Long. und 32° 45° Lat. Diefer 
größere werde gewöhnlich ver „Strom Soura” genannt (es iſt 
der wahre Euphrat), er er ziehe an Kasr el Hobeira vorüber und trete 
gegen Süden in die Nuinen der alten Babylon ein, in 70° Long. 
3° 15° Lat. Wenn biefer nun aber die Ruinen ver Babel durch⸗ 
gen habe, dann verzweigen fih auß dem Soura, ver von ber 
liegenden Stadt Soura ven Namen trägt, viele Eanäle, aber 
vr Hauptfirom” zieht an der Stadt en Nil vorüber, und erhält 
dann den Namen Es Sara (ec-Sara) und ergießt ſich weiter 
dwärts zum Tigris. Auch Edriſi, dem wir in feiner Beſchrei⸗ 
kung der Umgebungen Bagdads gegen Wet bis Kasr el Ho⸗ 
heira gefolgt find, und defien Angaben wir nur durch Abulfedas 
pmauere Detaild betätigt finden, führt uns von dem zuleht genann- 
im Kasr oder Caſtell, das nach ihm mit Kufa in einer gemein- 
men Provinz gelegen war, die den Namen es Sib führte, 73) 
uch noch nach Soura am Euphratufer, die er eine Stadt von 
wittler Groͤße nennt, von Palmenpflanzungen, Gärten und Land⸗ 
hauſern umgeben, unterhalb verfelben die Berbreitungen ver Cu⸗ 
pꝓhratwaſſer in die Gegend von Kufa und in die Moräfte flatt finden, 
son denen wir im obigen alles und Bekannte vollftändig erfchöpft 
haben. Hobeĩra nennt Abulfeva 7%) eine Stabt nahe am Haupt⸗ 
ame ve Cuphrat (nach el Aziz 3 Stunden), von dem Eleinere 
Zweige bis zu ihr fich verbreiten; ihr liegt Kerbela, wo das 
Grabmal Huffeins, des Sohnes All, auf dem Weſtufer des Euphrat 
sgenäber in der Wüſte. Die Stadt und pas Gaftell (Kasr) er- 
hielt den Namen von Jezid Ben Omar Ben Hobeira, einem Gou⸗ 
verneur von Irak unter vem Iehten der Dmaljaden Khalifen Mer- 

wen, daher es auch Kabr Ihn Hobeira heißt. Nahe dabei Tiegt 

Air Brhe von Eure, nafe den Duinen von Babel. Auch die 
nöd Stadt, en Nil, ver nun abwärts ver Gura ober große Cu⸗ 


73) Abulf. Tabul. e. cApite de Auvis, l.c.p. 8. "°) Abulf. 
Deser. Jrsc. 1. c. p. 7. '*) Abulf. Desor. Jrac. b. Wüstenfeld. _ 


p. 17. 


d 











206 Weft:Afien, III, Abtheilung. I,Abfhnitt, $. 31. 


phratarm vorüberzieht, hat ihren Namen, wie fehr viele der dortigen 
Städte nicht nur diefen, fondern audy ihr ganzes Entftehen verdan⸗ 
fen, anfänglich von einem Canale?s) erhalten, ven el Hebjaj Ben | 
Jufuf aus dem Euphrat abzweigte und nad dem Nilſtrome Aegyp⸗ 
tens benannte. 

Kehren wir nun von den weſtlichen Umgebungen Bagdads 
am vechten Tigrisufer zu den öſtlichen am Linken Tigrisufer 
zuräd: fo ergibt fih, daß jene Gegend, obwol anderer Natur, doch 
nicht weniger durch dieſe, wie durch die Eultur begünftigt, zur Ver⸗ 
berrlichung Bagdads beitragen konnte. 

Auch Hier liegt zwiſchen den beiden von Nord herablommenden 
Flüffen, Tigris (Diglito, im aramäifchen und arabifchen Dinfbjlat 
oder Didſhile, daher in hebr. Chiddekel) und Diyalah (Delas, d. i. 
Divfpjell, d. h. ver kleine Tigris), 9%) ein 3 bis 4 Tagereifen 
langer mefopotamifcher Landſtrich, bis zu den Ruinen ver alten 
Dpis hinauf, ver durch feine natürliche Bewäflerung und von ber Kunſt 
ber Ganalifation unterflügt, weil die zu tief liegenden Betten ber 
beiden genannten Ströme zur unmittelbaren Bewäfferung nicht ge⸗ 
eignet find, in vie fruchtbarften Gärten umgewandelt zu werben 
befähigt war. An ver Süpfpike des Vereins beider Ströme war. 
die große Bagdad erbaut, die alfo zugleich die Vortheile zweier 
Mefopotamien und dreier zuführenden, fchiffbaren 
MWafferadern vereinigte, von denen die von ND. aus Medien 
aus dem Zagrofh herabkommende, ver Dyala(Delas) oder an 
lah, wenigftend in dem untern Laufe ebenfalls ſchiſfbar iſt ¶ . Erdt 
Th. IX. ©. 413-516). 

Noch heute Heißt dieſe breite, gegen Tekrit bis zu den erſten 
huͤgeligen Hamrinketten ſich hinziehende große Ebene, am Tigris 
aufwärts, dad Land ner Canäle, ungeachtet es meiſt menſchen⸗ 
leer, ohne Anbau und in den meiſten feiner vernachläſſigten Waſſer⸗ 
graben troden und dve da liegt. In jener Zeit der Uebervölkerung, 
von Ortfchaften rings um die Gapitale, war es nur ein weitläuf« 
tige, zuſammenhängendes Gartenland. Noch find wir zu wenig 
genau genug in biefem Gebiete, wo ebenfalls große Wechſel ber 
Waflerläufe vorgegangen find, orientirt, um alle die Specialberichte 
jemer mohamedaniſchen Geographen über dieſe Xocalitäten in ven 
beutigen Zuſtänden mit Sicherheit nachweiſen zu Binnen, und ra 





878) Abulfeda Descr. Jracae 1. j 9. not. 96. b. Wüstenfeld ex 
Jon Chall. p. 89. ’*) ©. PN Borbers und Mittelafien. ©. 716. 








Euphratf.; hiſtor. Ruͤckblick; zur Zeit des Rhalifats. 207 


iR es sur bie eine Linie bed großen, mit dem Tigris ziemlich paral⸗ 
lelziehenden Can als, des Naharowan, (f. Erdk. Th. IX. S. 418, 
497), wahrſcheinlich ein früheres Tigrisbette, ver feinen Namen bie 
heute Behalten Hat, deſſen Wiedererkennung untrüglich fcheint. Da 
aber die Monumentenkunve auch dert von Jahr zu Jahr fortfchrei« 
tet, durch welche ſchon manche der ältern Localitäten ermittelt, und 
eine große Zahl von trodnen Neften alter Waffercanäle aufgefun« 
den find, an denen jene einft urfprünglich ihre bedeutende Stellung 
erhalten Hatten, M fo unterlaffen wir es auch hier nicht, vie über- 
Befesten, hieher gehdrigen Angaben zu Fünftiger Iocalen Erforſchung 
durch Reifende und dortige Beobachter anzuführen. 
Noch ganz unverflänvlih und unvereinbar erfcheint und des 
RNaſudi Bericht von den großen Veränderungen des Tigrislaufes 
be Bagdad, ven er nach ven Angaben von den Beränderungen 
des Euphratlaufes angibt, und als Hiſtoriker dabei feine Gewähre- 
männer zu Zeugen der Wahrheit des von ihm Mitgetheilten auf 
uf. Seine Worte find: 79) „Eben fo wie der Euphrat Hat auch 
„Dee Zigris feinen Lauf geändert. Es iſt ein großer Abſtand zwi- 
‚sen dem heutigen Tigrislaufe (im Jahr 950 n. Chr. ©.) und 
em trocknen, durch Sand verftopften Strombette, das Batn el 
„Jauki benannt wird. Es zieht dicht an ber Stadt Bados (N 
‚a den Diſtrict Waflt von el Irak nah Daflıi (?), und wendet 
SH gegen Sus in Khuziflan; daß neue Bett des Tigris dagegen 
ZJeht in Oft von Bagdad an dem Drte Rakka esh Sheya- 
jJiyah vorüber, und eine Ueberfhwemmung bat den Fluß ge 
„gen Weſt gelenkt, wo ex gegenwärtig fließt, zwiſchen Kotrobbol und 
„Bagdad, fo daß er an den Dörfern el Kobb esh Sharfi und an 
Andern vorüberzieht, die zu Koteobbol gehören. Die Bewohner 
„wiefer Orte fichen in Prozeß mit denen ver Oftfelte, die unter ver 
Meglerung des Khalifen el Moktader und feines Viziers Abul 
Heſan Al Ben Ifa im Beflge von Rakkahesh Shemaflah 
‚wern. Was wohl unterrichtete Männer bei diefer Angelegenheit 
“außgefagt und was wir beflätigt haben, find Thatfachen, die in 
Bagdad mol bekannt ſind.“ 
Die von EI Maſudi bier genannten Namen find uns ihrer 





'') Lientn. Blosse Lynch Note on a part of the river Tigris 
between Baghdad and Samarrah in Jouru. of the Roy. G. Soc. 
of Lond. Vol. X. p. 476. 7°) El Masudi Historic. encyol. 
— of gold etc. b. Al. Sprenger. Lond. 1841. Vol. 1. 
p. oo 

















208 WefbdAien, M. Abtheilung. 1. Abſchnitt. $, 31. 


fperiellen Lage nach unbekannt. Nur von Kotrobbol, das wol 
identiſch mit Ca'trobbol bei Abulfeda 79%) fein mag, das biefer 
einen. berüchtigten Ort wegen des dafigen Zufammenfluffes von 
fehlechten und leichtfinnigen Menſchen nennt, wiſſen wir die unge 
fähre Rage, da es nach ihm nahe dem Städtchen Okbara am Ti⸗ 
gris Tiegt, deſſen Entfernung er aufwärts von Bagdad auf 15 Stun- 
den Weges (10 Paraſ.) angibt. 8 übrige bleibt und noch un= 
bekannt. 

„Wenn das Waffer,” fügt EI Maſudi, um feine Behauptung 
wegen jened angeführten Streite® über verändertes Beſitzthum von 
Ländereien zu beflätigen, Hinzu, „feinen Lauf in Zeit von 30 Jah⸗ 
„ven um + Melle ändert, fo wird dieſe Veränverung in Zeit von 
„200 Jahren eine ganze Meile ausmachen. Und wenn das Waſſer 
„eines Fluſſes fd um 400 Eubitus von feinem anfänglichen Laufe 
„urückzieht, jo wird dieſe Strecke wüſte liegen. Dadurch find un« 
„cultivirte Gegenden entſtanden; finvet das Waſſer aber Neigung 
„und Ablauf, fo erweitert die Strömung dieſe Richtung bid auf ſehr 
„weite Räume, wenn ed nur Nieverung findet, und fo entfliehen vie 
„Seen, Sümpfe,. Zagunen. Das if die Umwandlung ber Eultur- 
„landſchaften in Wüften, und umgelehrt werben auch Wüſten wie- 
„ver zu Bruchtland. Jeder Bernünftige wird dies einfehen.” Nun 
führt Maſudi jene Verfumpfungen im untern Aigrislaufe aͤn, von 

denen ſchon oben die Rede war. 

In dem Kapitel von den Flüſſen gibt Abulfeda von ver Oſt⸗ 
feite des Tigris, nachdem er die beiden Sabzuftäfle erwähnt hat, 
folgende „Abflüſſe“ des Tigris an. 

Einmal, fagt ex, iſt e8 der obere, el Gatul, 9) au Ku- 
tail genannt, ver bei Cair, d. i dem Pallafte des Motawakkel 
(im I. 867), aus dem Tigris hervortritt, bei der Stat Samirra 
(oder Sarramarra), welche ver Ste der Abbaſſidiſchen Khalifen, 
ol Motaffem, zu feiner Neflvenz im 3. 835 (220 der Heg.) zu 
bauen begann, 81) als er Bagdad wegen feiner winerfpenfligen Be 
wohner verließ. Es iſt viefelbe Localität, die auch Ascar, d.i. das 
Lager, beißt, meil verfelbe Khalif Motaffem bier dad Standlager 
feiner türfifchen Leibgarben oder Mamelufen auffchlug, gegen welche 
die arabifchen Bagdader ald eine ihnen verbaßte Neuerung feinpfeltg 

auftraten. Disfer Canal Eatul Be bort durch die Felder und 


370) Abulfedae Deser. Irac. b. Wüstenfeld p.12. 0) eben. 
p. 00. **) Abulfedae Annal. Moslem. ed. Reiske p..100,205. 








Enphratſ.; hiſtot. Ruͤckblick; zur Zeit des Khalifats. 209 


bewaſſert fie ſüdwaͤrts bis zu dem „Geblete Culi“ (wir vermu⸗ 
then identiſch mit dem heutigen Diſtrict Khalis bei Bl. Lynch). e) 
Jenſeit deſſelben verändert er aber feinen Namen, ſagt Abulfeda, 
wird en Rahroman genannt und befruchtet viele Landſchaften und 
Drte, bis er wieder in den Tigrid zurädfälkt, unterhalb Gar⸗ 
garaja, von der Oftfeite kommend, unter 705° Longit. und 33° 
Latit. Diefer Ort ( Diervjeraia bei Edriſt), fagt Abulfeda, iſt 
eine Stadt nahe am Tigris, die zwiſchen Bagdan und Waftt 
Begt, 14 Paraſ. (21 Stunden unterhalb Madain 8) na Abul⸗ 
feda, 40 Mill. unterhalb Madain na Edriſt). Diefe untere Ein- 
mänbung ded großen Nabrowan-Ganals, der feinen Namen 
längs der ganzen Oftfeite des Tigris, von Coki, Bagdad und Ga- 
marra an, fünoflwärts an Bagdad vorüber, bis Heute behalten Hat, 
obwol er, im untern Laufe wenigftens, größtentheild ausgetrocknet 
Begt, obgleich noch immer Dörfer und zahlseiche Dorfruinen feine 
Linie durch die Eindde bezeichnen, tritt heut zu Tage unterhalb Kut 
el Amara, auf halbem Wege zwiſchen Bagdad und Basra, zu 
vom Tigris zurüd. Hier war ed, wo EI. Mich 86) bei feiner im 
: % 1821 im Mai von Bagdad nach Basra abwärts gehenden Ti⸗ 
wisfahrt, nachdem er die Erpfefle Kut el Amara mit der ſüdli⸗ 
den Abzweigung des Shat el Hye, und dann in ven weiten Ehe- 
nen viele Windungen des Tigris und feine Verfumpfungen paffirt 
hatte, aun auch zu ber Stelle kam, wo er von der linken Seite 
„bie Einmündung diefes Nahromwan” beobachtete, wo alio 
Die Lage von Abulfedas Bargaraja zu fuchen fein wird. Hier 
breiteten ſich weite Schilfwälder und dichtes Geftrüpp in den flachen, 
Berfumpfungen aus, in denen man durch das Brüllen ver Löwen 
erſchreckt wurde, während vie zahllofen Muskitoſchwärme mit ihren 
siftigen Gtichen eine unüberwindbare Landplage find, der jedoch 
vie Beni Lanı- Araber, die rechts und links dieſen Sumpfbopen be⸗ 
„üllern, zu trotzen wiſſen. . 

Allgemeiner als viefe untere Gegend am Zurüdtritt des 
Aahroman iſt vie obere Gegend bei Samarra an feinem Aus⸗ 
sritte an ber Dfifeite des Tigris bekannt. Schon Edriſiss) nennt 
ziehe Stadt Sorra men Ra (Sermen Rai), daher contrafirt Sa⸗ 





22) Lieuten. H. Blosse Lynch, Note l.c. Geogr. journ. IX.p.471. 
22) Abulfedae Descr. Irac. p.17; b. Edrisi Il. p. 161. °*) J. 
Cl. Rich, Narrative of Koordistan Vol. II. append. p.166. 

25) Edrici Geogr. b. Jaubert. Vol. II. p.146; v. Hammer: Purg- 
bie aflat. Türkei. Rec. Wiener Bahrb. 1821. Bo. XIII. ©. 229. 
D 


Kitter Erdlunde X. 











210 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 31. 


merra; 80) und Täßt fie noch früher als von Motawakkel und al 
Motaſſem, ſchon von dem Khalifen al Manſur, aljo gleichzeitig mit 
Bagdad gründen, weshalb Abulfeda das dortige Cair oder Schloß 
He Motawakkel, woͤbbei auch eine Stadt eutfland, Medinet el Mu⸗ 
tawekkilija 37% genannt, wol mit dem gewöhnlichen Ausdruck des 
Btafar-Schloffe® (Gefarenfe, Dihaafartje, va Biafar ver Fa⸗ 
milienname von al Dlanfur wie von Motafiem war) belegen Eonnte. 
Diefer Ort lag fchon zu Eprifi’s Zeiten (1150 n. Chr. Geb.) in 
Nuinen, doch konnte man noch die verſchiedenen Schlöffer zu feiner 
"Zeit unterfchelden, auch waren viele Dörfer, Märkte dort angelegt 
und Truppen angefiedelt. Motaffem Hatte feinen Hof im Pallaſt 
zu Sermen Rai, dem Freudenſitze, aufgeſchlagen. Motawakkel 
übertrug ihn auf den in der Nähe vefielben von ihm erbauten 
Dſhaafarije, der au Hira 88) hieß, weil man ihn nach dem 
Borbilve des Königspallaſtes zu Kira (dem Chawrnak, f. ob. S. 62) 
erbaut hatte. Montaffer, des Motawakkel Sohn, verlegte feine Res 
fivenz wieder von Dſhaafarije nach Sermen Rai, dem Freudenfitze, 
zurüd. Nah Edriſi lag dieſer Complexus von fläptifchen Bauten 
9 Mill. aufwärts von Kadeſia, der zmeiten Stadt dieſes Na⸗ 
mens am Tigris (die nicht mit der tm Weften des Euphrats zu 
verwechſeln if, wie Died in der Note zu Rich, Vol. I. p. 153, ge 
fheben); von Sorra men Ra nah Karkh, einer Heinen Stadt 
am Oſtufer des Tigris, rechnet er 6 Mill.; von da nah Halitha, 
einem großen Bleden, 18 Mill.; von da an Tekrit, an ver Weſt⸗ 
feite des Tigris, vorüber nad Senn (Eänd b. Xenophon, ſ. Erdk. 
Th. IX. ©. 518), eine Fleine Stadt von flarfen Mauern umgeben, 
am Zuſammenfluß des Eleinen Zab in den Tigris, 15 Mid. 

Abulfeda rühmt diefe Stadt, die er auch Sarmenran, d. h. 
Breudenfig, abgefürt Samarra SM) over auch Samirra 
fehreibt, obwol fie ſehr bald wieder zerflört warb, und auch bis gu 
feiner Zeit am Oftufer des Tigrid gelegen, bis auf wenige Land⸗ 
leute, unbewohnt geblieben war, obwol, mie er verfichert, Boden und 
Lage ehr gefund ſei. Der achte der Abbaſſiden, Khalif el Mo⸗ 
taffem, fagt er, erbaute vie Stadt; el Wathec, der Bruder Mo⸗ 
tawakkels, verband mit ihr vie fchon früher in ver Nähe von dem 
fünften ver abbaſſidiſchen Kbeliſen angelegte Stadt el Harun, und 
— 


ss) C. M. Fraehn, de numis Cuficis Comment. 1. 1824. .417, 
424. *7) Abulfedae Annal. Moslen:. b. Reiske pag. 
»») 5. v. Hammer, Länderverwaltung ıc. ©. 26. 20) bnlfedse 
Descr. Iracae b. Wüstenfeld p. 13, not. p. . 





Eupbratf.; biftor. Ruͤckblick; zur Zeit des Khalifats. 211 


der zehnte der Khalifen, Motawakkel, auch noch vie von el Manfur 
(reg. feit 846 nach Chr. Geb.) angelegte Stadt el Giafar (ſprich 
Dipaaferije), fo daß fle von außerorbentlichem Umfange wurbe. 
Ihren Ruhm verdankt fie auch ven Gräbern vieler mohamedaniſcher 
Heiligen, zumal mehrerer Imams, die bier lebten ober (mie ver letzte 
und 12te W) dieſer Prätendenten von Al’ Krone, Muhammer 
ol Montathar, im J. 868) ihren Tod fanden. Daß ihr erſter 
Anbau und felbft ihre Benennung ſchon weit vor die mohameda⸗ 
niſche Zeit zurüdgebt, haben wir fchon oben bei Jovians Rück⸗ 
zuge gefehen, wo das Castellum Sumere bei Ammian genannt 
wird, und derſelbe Ort bei Zoſimus (f. ob. ©.157), ja ſchon bei 

,  Btolemäus, Suma heißt (Zoüua 5. Ptol. V. c. 19. fol. 143). Bon 
ben dortigen Ruinen, die fehr weit aufwärts am Tigris- Gtrome 
fortziehen und dort unter dem vielfach verbreiteten Namen Eski 
Bagdad, A) d. „Alt Bagdad,“ bekannt find, fo wie von de⸗ 
wen, weldye das heutige Samarrah unmittelbar umgeben und auch 
weiter abwärts das oͤſtliche Tigriäufer begleiten, bis zum heuti⸗ 
gen Araber-Dorfe Gadeſia (dad Kadeſia des Edriſi), ja bis zum 
Rahraman > Ganal, der Hier noch Waffer Hat, und im Rüden, d. i. 
im Ofen, aller dieſer alten Eulturflätten vorüberzieht, bid er fi 
nur eine Biertelftunde von Gadeſia dem Tigris in der Gegend ber 
Rohem - Mündung und der Ruinen ver alten Opis nähert, haben 
wir durch den trefflichen Beobachter Cl. Rich die erſten belehrenden 
Rachrichten erhalten, venn leider find Lieuten BL Lynch's Beobach⸗ 
tungen nur etwas weiter fübmwärts angebeutet, aber noch nicht fo 
weit norbwärts veröffentlicht worden. 

Bon Telrit, am Süpfuße ver Hamrin⸗Berge (Erdk. Th. IX. 
©. 527), die der Tigris oberhalb durchbrochen bat, beginnt bie mehr. 
ebenere Landſchaft, In welcher ver Tigris aud den Hügeln des obern 
Meſopotamiens mit erweitertem Strome und vielen Bilvungen von 
tulturbarın Slupinfeln bervortritt, und nun fünmwärt® die frucht⸗ 

barere Landſchaft des Bagdad⸗Gebietes durchzlehen kann. Diele 
Gegend liegt auf der Naturgrenze von Bagdad und Moſul, 
und wird daher auch in ven politifchen Abtbeilungen bald zu ber 
einen oder der andern gezogen. Zu Eprifi’s Zeit war Tekrit 
von Moful abhängig, 2%) und in Ihrer Nähe war die Abzwei⸗ 





**) Abulfedae Annal. Mosiem. b. Reiske p. 05. *')3.0. 
Narrat. 1. c. Vol. II. p. 130 etc. 22) Kdrisi Geogr. kei 
Jaubert. Vol. II. p. 147. 
D2 











212 Wefl-Afien, I. Abtheilung. I. Abſchnitt. 4.31. 


gung des Dodjail⸗Canals (d. I. des Eleinen Tigris, noch 
heute Didijeil), der ihre Fluren bewäſſerte und abwärts bis 
Bagdad reichte; Abulfeda rechnet Tekrit im Süden von 
Mefopotamien zu Irak 9) und fängt feine Begrenzung Iraks, das, 
wie er fagt, zu beiden Liferfeiten des Tigris Tiege, mie Aegypten zu 
beiden Uferſeiten des Nil, mit Tefrit an und bört, nachdem er fle 
bis zu dem Meere von Basra abgegeben, auch bei Tefrit wieber auf. 

Da Tefrit auf dem Weftufer des Tigris liegt, wo auch heute 
die moderne Stadt neben den Ruinen der älteren fiebt, fo mußte 
biefee Banal längs dem weſtlichen Tigrisufer dad Land bewäflert 
haben. Diefe Irrigation war ven Europäern früher gänzlich unbe 
kannt gebliebn. Hier find aber auf ven 4 Tagemärfchen, welche 
Dr. Roß im 3. 1836 von Bagdad direct norbwärtd nach Tekrit 
jurüdlegte, um von da feine Entvedungsreife gegen Al Hadhr mei 
ter fortzufeßen, die vollſtändigſten Beflätigungen jener merfwürbigen 
Canaliſirung nachgewiefen. ®) Derfelbe Didjeil⸗Tanal mit vie 
Ien Berzweigungen, ber auch den Namen Ifhafi (verfchienen von 
- Nahr Iffa, mit dem er auf Kinneir's Karte verwechſelt ift) führt, 
. reicht noch Heute von Tefrit bis an die Thore von Bagdad, 
obwol er an den meiften Stellen trocken liegt, Öfter von jüngern 
Durchwaſchungen in feinem Zufammenhange unterbrochen iſt, und 
auch von dem veränberten Flußlaufe eined ältern (Shat Aivha 
genannten) und eines jüngern Tigrishbette8, das bier fehr viele 
Einbiegungen (Hami genannt) macht, nicht wenig Veränderungen 
erlitten Haben mag. Denn an mehreren Stellen bemerkte Roß, daß 
auch er zumeilen zwei Betten bat, wo benn ein moderner Did- 
jeil in der Mitte des alten Bettes des Didjeil fließt, von dem 
er dann nur immer einen ſchmalen Strich einnimmt. 

Durch Abulfeda erfahren wir nämlich, daß im Südoft ver 
Stadt Tekrit, die nach ihm 6 Tagereifen im Süden von Moful 
auf dem Weftufer des Tigris liegt, ver Fluß Iſhaki, d. I. ver 
Canal, beginne, der zur Zeit des Khalifen Motawakkel (im IX. 
Jahrh.) auf Befehl Iſhak, Sohn Ibrahime, veffen Polizeilieu⸗ 
. temant, auögegraben wurde, daher er auch vefien Namen erhielt. 8) 
Nah Ebn Haufal, fagt Abulfeda, ſei ed ver od Dahli (offen- 


»*2) Abulfedae Descr. Iracae b. Wüstenfeld p. 3. ®4) Dr.John 
Rofs Notes on two journ. etc. im Journ. of the Roy. G. Soc. 
Vol. IX. p. 443. °®) Abulfedae Descr. Mesopotam. ed. Reiske, 
b. Büſching HR. Mag. TH. IV. ©. 248, 





Euphratſ.; Hiftor. Rüdblid; zur Zeit des Khalifats. 213 


bar Didjeil, d. i. der Eleine Tigris, ein Name, den verfchievene 
Seitencanäle beffelben führen, die leicht mit einander verwechſelt wer⸗ 
den Fonnten), welcher vafelbft von Tekrit abzweige, und die Sa⸗ 
wad, d. i. vie Länderſtrecken welche von arabifchen Zeltbewoh⸗ 
nern beſetzt waren, bewäfſerte. Ob beide, od Dahli und Iſhaki, 
ganz identiſch waren, ſagt Abulfeda nicht; fie gehörten offenbar 
dem ſelben Irrigationsſyſteme an, das ſelbſt noch in ſeinen 
übrig gebliebenen Denkmalen, wie fie von Roß Schritt für Schritt 
beſchrieben werben, bemunbernöwürbig genannt werben muß. Denn 
aus den großartigen Dämmen, Ganalbetten, Trümmerhügeln, Mauer» 
reſten, Brüden und andern Lieberbleibfeln, bie dort Schritt für Schritt 
des Wanderers Aufmerkſamkeit auf fich ziehen, geht wol hervor, daß auch 
bier einft die dichteſte Bevölkerung einheimifch war. Doch bemerkt. 
Roß °°) ſelbſt, daß es unter den gegenwärtigen Hinbernifien borti» 
ger Reifen und bei der confufen Art ver Wegweiſung und Bericht⸗ 
aftattung ver. dortigen Araber e8 noch unmöglich fei, ven wa hoen 
Lauf jenes Ifhafi in feinen ganzen Zufammenhange von Bagdad 
bis Tekrit zu verfolgen. Wie follte dies auch möglich fein, wenn 
man bedenkt, wie vielen natürlichen Beränverungen in dem DBerlauf 
von Jahrhunderten ſolche Waffernege unterworfen find, und wie 
auch Fünftliche in fleeingreifen. Denn aus dem Berichte des Ewlia?”) 
erfahren wir, daß Murtefa Pafcha, bei welchem verjelbe im Dieufte 
Rand, viefen verfallnen Iſhaki⸗Canal im Jahr 1654 wieder rei⸗ 
nigen und herftellen ließ; und aus ven Erfunbigungen, welche Dr. 
I. Roß an Ort und Stelle einfammelte, gebt hervor, daß zu An⸗ 
fang viefe® Jahrhunderts ein gewiſſer Selim Beg das heutige 
Bette des Dijeil von neuem audgraben ließ, wodurch von vielen 
Stellen Durchſchnitte alter Badfleinmauern, wahrfcheinlich ältere 
Uferdämme oder Brüdenpfeller over fonft andere Localitäten, bloß» 
gelegt waren. Zu den mexkwürdigſten verfelben gehört bie 35 bis 
40 Fuß hohe Badfteinwand ver alten medifhen Mauer (Chalu 
oder Sidd Nimrud- bei ven jegigen Anwohnern genannt, f. oben 
©.19,144). Un ihrer Seite zieht ein jehr breiter Canal von. nad 
©., der in das Bette eined andern Ganald, mahrfcheinlid) nes haft, 
eingreift, das bier fehr gerrifien If. 

Diefe Eanäle fangen dicht vor dem Kadhimein⸗-Thore des weſt⸗ 
lichen Bagdavs an,’®) dem das gleichnamige Dorf zunächſt vorliegt; 


?®) Dr. J. Rofs Notes 1, c. Vol. IX. p. 446. 7) 9. Hammer: 
Burgkall, aflat. Türk. Re. Wien. Zabrh. 1821. Bd. ki. ©. 235.- 
*®) Dr. 3. Roſs Notes I. c. p. 446. | 











214 Weft-Afien, I. Abtheilung, L Abſchnitt. $.31. 


dem darauf gegen NW. folgenden Dorfe Khiyat el Suk, das 
auch Iſhaki Heißt, Tiegt gegen Welt fchon dieſer Aquäbuct von ho⸗ 
hem Alter, dem es feinen Namen verdankt, nahe an befien Ufer ver 
Weg hingeht. Es tft derſelbe, ver ſich nun von bier bis nad) Te⸗ 
krit, vier Tagereiſen weit, verfolgen läßt. An einem der großen 
Waflerpfuhle in feiner Vertiefung Liegen Ruinen jener Brüde aus 
Badfteinen mit Keilinferiptionen (f. ob. ©. 18); er zieht im Oſten 
des großen Trümmerhaufens von Akarkuf vorüber. Mit leichten 
Wendungen zieht er zwifchen nievern Trümmerhügeln, voll Back⸗ 
flein und Terracotta's hindurch, die Hier in großer Anzahl von Strede 
zu Strede als Denkmale älteften zahlreichen Stäpteanbaues hervor⸗ 
treten. Sie werben mit dem allgemeinen Namen ver Tel bei den 
Arabern bezeichnet. Nach einem Ritt von 8 Stunden, an mehreren 
folgen Tel vorüber, fam man norbwärts von Khan Suweidiyah 
durch -3 hintereinander fortſehende alte Eanalbetten und 
dann zu einem großen Waſſerfleck, Tarmiyah, der mehrere 
MU. einnahm und ein Thell des Shat Aid ha over des Hier einft 
durchziehenden alten Tigrisbettes (ob aus Maſudi's Zeit? ſ. 
ob. &. 207) iſt, welches faft eben fo breit wie ber heutige Tigeis 
in weiten Windungen fich ausbreitet. Auch auf feinem Rückwege 
kam Roß 9) an einer mehr nörblichen Stelle zu dieſem Shat 
Aidha zurüd, in dem er fein Wafler fand, aber an feinen beiden 
Ufern die Ruinen einer fehr großen Stadt voll Trümmerhügel 
mit Backſtein, Terracottas, Blasfragmenten, Urnen u. a. m., von 
der aber fein arabifcher Fuͤhrer keinen Namen anzugeben wußte. 

Um 5 Uhr wurde auf dem Rüden eined alten Tel das Grab 
Sayyed Ibrah ims paflirt, eines folder mohammeranifchen Santti, 
deren heilig gehaltene Grabſtaͤtten ſehr Häufig bie Stellen alter Trüm⸗ 
merbügel einnehmen, deren moderne Benennungen bei ven zelotifchen 
Araberflimmen leider nur zu oft vie alterthümlichen Namen ver- 
drängt oder gänzlich in Vergeſſenheit gebracht haben. Bon va 
wurde am Abend an einem bamals ganz troden liegenden Arme 


. »8 alten Ganald, ver hier wieder Dijeil (kleiner Tigris) ge: 


nannt wird, dad moderne Dorf Sumeichah erreicht, dad auch mit 
dem Namen des Ganales benannt wird. Es erhält noch noch im⸗ 
mer von der Feuchte des durchziehenden Canals, ver ed bewüäflern 
hilfi, feinen zeichen Anbau, wodurch es ein ganz bebeutender Ort 
iſt, zwifchen Gärten und Palmwäldern, reich an Obſt aller Art, wie 


200) Dr. J. Boss Notes I. c. p. 459. 








U 


Eupbrarf.; hiſtor. Rüdblid; zur Zeit des Khalifats. 215 


Apfel, Birnen, Wein, Orangen und andere Probucte, vie ehedem 
zur Zeit des Khalifats wol durch den großen Garten von Bagdad 
überall verbreitet waren, wie zu Zenophons Zeit (ſ. oben &150), 
vie aber gegenwärtig nur noch fehr fporadifch in jenem troden ge» 
legten und nackend gewordenen Boden hervortreten. Nach Lynchs 
Erkundigung ſollte der Ort aus 200 Haͤuſern beſtehen; im Dia 
jeil 400) floß, als ex hindurch kam, Waſſer, auch ſollte ex in frü- 
bern Zeiten 9 Monat Waſſer im Fluſſe gehabt haben und nur 3 
Monate lang troden liegen; doch in der gegenwärtigen Zeit, wo alle 
Dimme ohne Reparatur vernachläfligt liegen blieben, hatte er um⸗ 
gelehrt nur währen 3 Monat Waſſer, und doch war bei völliger 
Eorglofigkeit des Gouvernements für jede Art der Bewäflerung bes 
Dijells Diftristö fein Tribut in viefem Jahre auf 1,300,000 Pins 
fer verpachtet, die wenigen Bewohner daher unter dem bärteften 
Drude erliegend und daher fortmährenn emigrirend. 

In verfelben Richtung gegen N.N.IB. wurden am zweiten Ta⸗ 
gemarfche 2) die Canalreſte bis an bie mediſche Dauer, vor den 
Auinen von Opis gelegen, und noch weiterhin bis zum weftlichen 
Ilgrisufer, der im Oſten liegenden mobernen Samarra gegenüber, 
verfolgt. Zwiſchen allen dieſen Verwirrungen fleiniger Trümmerhü⸗ 
gel und ſandiger Wüſteneien auf und ab, zwiſchen Canalbetten und 
Uferdämmen, Verſumpfungen und dürren, wegloſen, ganz unwirth⸗ 
lichen Strecken, weiter zu ziehen, verlor ſchon ber erſte Reiter ver 
Roßſchen Begleitung völlig ven Muth und blieb dahinten, wie denn 
allmälig auch die meiften andern, bis auf wenige, die flarf genug ſich 
an Geift und Leib zeigten, folche Beſchwerden, wie fle heut zu Tage 
den Wanderer auf fo weglofen Pfapen treffen müſſen, zu über» 
winden. Defto dankenswerther die gewonnenen Anfchauungen, veren 
Detail man verfolgen muß, um den fo allgemein gewordenen fals 
ſchen Borftelungen und Einbilvungen ver Geographen zu begegnen, 
als fei Meſopotamien wirklih nur ein von der Natur zu ewiger 
Wüſtenei - over bloßem Nomadenleben verdammted Gebiet per Erde, 
da es doch zu wiederholten Perioden ein Garten Edens fein. konnte. 

Nordwärts von Sum eicha folgen mancherlei Dorfruinen, dar⸗ 
unter auch diejenigen, vie Babilin heißen, deren Einwohner Nach⸗ 
Ismmen von Eski Bagdad oder Alt Bagdad waren, melde 
erſt vor einer Reihe von Jahren auch von bier ausgewandert und 





00) L. BL Lynch Note 1. c. Vol. IX. P- 475. ı) Dr. 3. Rols 
Notes L c. Vol. IX. p. 444. 


/ 














216 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 31, 


ſich nach Hilleh und Kerbela gezogen hatten, wo ihr Lebensunter⸗ 
Halt nur in Ausgrabung ver babyloniſchen Badfteinruinen zu Ver⸗ 
fendung uhd Verkauf dieſes alten Baumateriald beſteht, ein Ge⸗ 
fäft, das fie wol auch ſchon auf den Trümmern von Eski Bag⸗ 
dad geübt Haben mögen. Dies iſt eine Benennung, welche keineswegs 
ausſchließlich nur einer geographiſch beſchraͤnkten Ortslage angehört, 
fondern die vielen jener großen Trümmerſtrecken längs dem Tigris« 
ufer beigelegt zu werben pflegt, fo wie auch ver Name Babylon 
ſchon Iängft nach Seleucia, nach Bagdad und neuerlich alfo auch 
hleher in die Nähe von Samarra verpflanzt wurde. Nordwaͤrts 
dieſer Gegend, an den antiken Muinen von Tel Dhahab (ein 
moberner Name, d. 5. Goldberg), vie rechts auf einer 50 Fuß 
hohen Anhöhe Liegen bleiben, vorüber, gegen Beled (Balad bei 
Bl. Lynch), 2) ſchon ver Tigriswendung gegen Oſt genäberter, in 
Wet ver alten Opis gelegen, hatte die Landſchaft in ver erften 
Maimoche ein ſehr liebliches Anfehn gewonnen durch das fchöne 
Grün, weldhe ver Boden der hiefigen reichlichern Bewäflerung ver⸗ 
dankte. Seltencanäle waren aus dem Didjeil gezogen, und Fellahs, 
jest in Zelten wohnen, die zugleich ven Ader bauen, und fi im 
Winter In ihre Dorfhütten zurüdzichen, waren eben mit dem Schnei⸗ 
den des gereiften. Korns beſchäftigt. In der Nähe fland ein qua» 
dratiſcher Bau a8 in der Sonne gebadnen Steinen, ver 30 bis 30 
Schritt im Geviert groß war. Einige Dattelbäume ſchmückten Die 
Gegend, und bie Gärten yon Beled waren noch umfangreicher, als 
die von Sumeichah. Bis Belad, dem Hauptorte des Dijeil- 
Diftrietes, aus dem auch einige Minarets hervorragen, reicht 
von Bagdad aus, bemerkte Rich, °) ver ſchlammige fruchtbare 
Alluvialboden, in dem Fein Kiefel zu fehen iſt; auch ziehen fich Hier 
im Tigris viele Schlamminfeln Hin. Hier if ein Aufenihalt zahl» 
reicher Büffelheerven und in ven Sumpfgrünven ein Iagbrevier 
für wilde Eber. J | 
Noch weiter an dem ruinirten Dorſe Hamirat vorüber, das 
zu beiden Seiten des alten Didjeil⸗Canals liegt, über ven eine zer⸗ 
brochne Brüde führt. Eine ganz Itfolirte einzelne Baumgruppe, 
Shejerat el⸗Asl (wie Honigbäume) iſt Hier eine weit fichtbare 
Landmarke. Der Voden wird mehr fleinig, und nun folgt über 
dortige Ganäle, mit Pappelreihen bepflanzt, die Brüde von Har⸗ 
02) Dr. J. Rols Notes I. c. IX. p. 445; Blosse Lynch 1. c. 


dv. IX. p. 474 °) J. Cl. Rich Narrative I. c. Vol. II. 
p» 154, 





Euphratſ.; hiſtor. Ruͤcblick; zur Zeit des Khalifats. 217 


bach über den Didjeil, aus der beſten Zeit der Khalifenarchitectur; 
fe ruht auf 4 Langen Bogen, zwiſchen denen 3 Fleinere mitten inne 
eben, ift aus fchönen rothgelben Backſteinen aufgebaut, deren beide 
Mauerwände mit Iangen Zeilen kuſiſcher Inferiptionen bedeckt find. 
le würben wol ein chronologifche® Datum für dieſe Canalführung 
geben, wenn man fie copirt und entziffert hätte. Die Brücke iſt 
52 Schritt lang, 84 Schritt breit, und bat an jevem Ende noch 
eine Ausladung von 22 Schritt. Die Mauerbrüftungen find aber 
fo Hoch, daß der Reiter auf ver Brüde fie nicht überfchauen Tann. 
Der Strom des modernen Didjeil nahm beim Paſſiren nur einen 
einzigen der großen Bogen ein. Bon ven Trümmern bes Ortes 
und der Moſchee, die dicht an ver Oftfeite dieſer Brüde bervorragen, 
bat fie den Namen erhalten. 

Stunden weiter norbwärts, nahe dem Khan Mi- 
zrakji und dem dflih Taufenden Tigris fehr benachbart, zeigt fich 
wieber daß dort fehr breite Bette des alten Iſhaki⸗Canale, an deſſen 
Seite fich eben Hier dicht die me diſche Mauer zu erheben beginnt. 
Rorawärtd von ihr und dem Khan, mo eine große Einbiegung 
(Sawi) des alten Tigris durchſetzt wurde, ſchien jede Spur des 
Divfeil weggeſchwemmt; dann aber gegen N. W. wurde das weftliche 
Ufesland des Tigris allmälig Höher, es wurbe durch Kiefel und 
Ralkfieinconsretionen ganz wellig, und das Anfleigen war fo plöß- 
Beh, daß eine Stunde fpäter nachdem man zum lehtenmale das 
Bette des Didjeil ganz im Niveau ver Fläche liegen gefchen, es 
bier in einer Tiefe von 50 bis 60 Buß wieder ſich zeigte, *) und 
in einen Boden eingegraben, ver ſcheinbar fo hart wie Eifen war. 
Mehrere alte Betten fchimen vagegen bier wieder ausgefüllt zu 
fein. Da, wo nun biefer Ganaleinfchnitt, immer an der Weſtſeite 
des alten Tigrisbettes (des Hawi), das hier vom heutigen Tigris 
gegen Süben abzweist, hinlaufend, dem gefüllten Waſſerſtrome ves 
hentigen Tigris, den Ruinen von Babefla und Samarra gegenüber, 
ſich näßert, fand Dr. Roß die Ruinen von Iftabolat auf, vie 
bisher unbefannt geblieben. Don ihnen waren noch 2 Stunden 
auf und ab, fiber mwelligen Grund und über ein Flüßchen, das er 
Sheriat el Ghazel nennt, und durch einen andern Hawi, bi8 
es der Trümmerſtadt Samarrah gegenüber am weſtlichen Tigris- 
arme Nachtherberge fuchte. Den Sheriat el Shazel, ver fonft 
ımbefannt, Halten wir für einen ehemaligen gegen Of zum Tigris 


*) Dr. J. Rofs Notes I. c. IX. p. 446. 











218 WeflsAfien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. 5.31. 


gerichteten Ablauf des Tharthar⸗Fluſſes, von Al Hadhr kom⸗ 
mend, (et Tharthar b. Abulfeda), obwol dieſer heut zu Tage, nach⸗ 
dem er die Hadhrwüſte von Nord nach Süd gegen Tekrit Hin durch⸗ 
zogen bat, im Weften dieſer Stadt fich in nen Salzfee von Aſh⸗ 
LIE 5) (EI Milh auf BL Lynch's Karte) verlieren fol, ven Roß 
auch auf fener Karte eingezeichnet hat. Abulfeda fagt es wirklich, 
daß biefer et Thartha (Thirtar b. Edrifi) von el Hadhr komme, pie 
Wüfte Sangara durchziehe und fi) dann unterhalb Tekrit In ven Ti⸗ 
gris ergieße, obwol Einige auch ſagten, daß dies 2 Parafang oberhalb 
Tekrit geſchehe. 

Die Ruinen von Iſtabolat hielt er, wegen ihrer großen Res 
gelmäßigkeit und Weltläuftigkeit, genauerer Unterſuchung werth. Die 
zerfallnen Gebäude waren theild aus gebadnen, theils gebrannten 
Backfſteinen in regulären Schichten des Mauerverbandes (die erſte⸗ 
ren mit Kalk ald Mörtel) aufgeführt, und In rechtwinklig ſich 
durchichneidende Straßen georbnet, mit flarten Mauern, Baflionen 
und Gräben umgeben, außerhalb mit mehreren zerriffenen Schutt= 
bügeln (Tepes), die von Vorftänten berzurühren fchlenen. Uns ift 
aus Älterer Zeit kein Ort dieſes Namens befannt; vie Bauart er= 
innert an ein geregelted Lager, die nachbarlihe Stellung zu jener 
von fo verſchiednen Khalifen für ihre Leibgarven, Haustruppen ober 
türfifchen Prätorianer auderwählten neuen Stabtanlage nılt ver⸗ 
ſchiednen Burgen und Gaftellen macht es nicht unmöglich, daß auch 
diefe Ruine als eined verjelben zu feiner Zelt gevient hätte. 

Wir verweilen noch einm Augenblid auf dem Trümmer- 
boden nes fo eben zurüdgelegten Weges, well er einft von 
größerer Bereutung war, ald er e8 heut zu Tage iſt, und wir auch 
durch Lieuten. BI. Lynch, der hier von ber Oftfeite des Tigris, vom 
Nahraman und den Ruinen von Opis am Adhem, mit feinem 
Boote auf vie Weſtſeite des Tigris herüberfchiffte, einige erläuternde 
Beobachtungen zu viefem bisher nur chaotifch und wüſte erſchiene⸗ 
nen Terrain, mit den Reſten der mediſchen Mauer und ber 
vielen Canäle und Städtetrümmer, erhalten haben. 

Schifft man von der Oſtſeite zur Weftfeite ©) des Tigris 
über, der bier In großer Biegung, flatt von Nord, recht von N.W. 
und WN.W. gegm S.SD. feine breite Wendung, von vielen 
Flußinſeln unterbrochen, nimmt, fo trifft man, auf den genannıen - 


408) Dr. J. Rofs Notes 1. e. IX. p. 485; Abulfeda Tabul. e cap. 
de fluviis 5b. Wüstenfeld. p. 68; Fdrisi Geogr. b. Jaubert. 11. 
p. 147. °) Lieuten. BI. Lynch Note on a part, of the river 
Tigris etc. im Journ. of the Bor. G. Soc. p. 473, 





Euphratſ.; hiſtor. Rüdblid; zur Zeit des Khalifats. 219 


Khan von Mizrakfi losgehend, zunächft die mediſche Mauer, 
deren age bier von’ Lieut. Lynch beobachtet wurbe, unter 34° 3° 
30" AR. Br. und 0° 21° 50" W. 2. von Bagdad. In der Nähe 
Tiegen vie Ruinen Sibbarah, einer flarten Feſte oder Kleinen Stadt, 
umgeben vom Dijeil (d. i. das Diminutiv von Dijlah, ſprich 
Digl, Digr, Tigr, d. 5. Fleiner Tigris), und einem Eleinen Seiten- 
canale von ihm, bei den Eingebormen Khidr Iliyas genannt, 
(0. t Prophet Elias und St. Georg, der als deſſen Wienerer- 
ſcheinung bei ven Mufelmännern fehr verehrt I) von einem Grabe 
mal, DaB auf der dortigen größten Anhöhe ſteht. Setzte man an 
dieſer Ruine durch das jetzt trodne Bette Dijeil, und Eletterte fein 
weRlicheß fteiles Ufer empor, jo fam man unmittelbar an das 
Ende einer Mauer aus Kalk und Steinen aufgeführt, mit Thür⸗ 
men und Strebepfeilern an ihrer Nordweſtſeite verftärft, 
uud durch einen tiefen und weiten Graben. Diefe, fagt Lynch, 
aemne er mit Roß, deſſen Iournale ex bier folgte, „pie mediſche 
Mauer” denn bie Anwohner kennen diefen Namen nicht mehr. 
Er galoppirte über eine Stunde an ihr entlang, ohne ihr Enve zu 
finden, und fehrte dann um, weil er feinen aftronomifchen Arbeiten 
nachgehen mußte. Die dort Einheimifchen verficherten ihn, vie 
Mauer laufe bis zum Buphrates bin. 

Es iſt diefelbe, pie wir nah Roß ſchon früher unter dem Na» 

men Chalu ober Sidd Nimrud (Sidd d. h. Mauer oder Damım) 

angeführt, auf deren Rücken er eine Strede fortichritt. Nach feinen 
Mefiungen ericheint fle wie ein einfacher Hügelzug, 25 Schritt 
mädhtig, 35 bis 40 Fuß hoch, In gerader Linie von NND. ı DO, 
gegen SSD. 4 W. fortfireichenn, fo weit das Auge reichte, und 
nad) Audfage der Beruinen bis zum Euphrat, ein paar Stunven 
oberhalb Felujah, mo fle bei den 2 Hügeln Ramelah ihr Ende 
finden ſoll (ſ. ob. ©. 20). 

An ver verfchanzten Weſt⸗ over Nordweftſeit⸗e bemerkte Roß 
ebenfalls den tiefen, 27 Schritt breiten Graben und die Baſtionen, 
welche in Intervallen von 55 zu 55 Schritten auseinander liegen. 
Die Dauer jelbt if, nach feiner Unterfuchung, aus ven Eleinen 
Kiefeln des Landes, in einem Teig von Kalkmörkel von großer Ies 
nacitãt eingeknetet, aufgebaut, woburd fie ein fo hohes Alter zu er⸗ 
zeichen befähigt war. Bon Arabern Hörte Lynch viefe Dauer, nach 
wer er unter dem Namen Seraj (das Schloß) ſich erfundete, auch 
mit den Ausprüden Motbakh und zumelln Shistat belegen. 
Bon viefer Mauer ſuchte Lieuten. BE. Lynch vem Laufe des alten 





m 





220 Weſt⸗Aſien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. §. 31, 


Flußbettes, das ſie von den Ruinen der Feſte Jibbarah trennt, zu 
folgen; aber die Wege zwiſchen den vielerlei Reſten alter Dämme 
und Canäale machten fo große Schwierigkeit, daß er direct ſüdwärts 


auf die kleine Stadt Beled (Balad) zuging, wohin die ganze Strecke 


nur mit Trümmern von Backſtein, Terracotas, alter und mehr 
moderner Mauern, vielleicht von Gärten u. ſ. w., bedeckt war. Der 
Ort bat nur einige 40 elende Hütten, und iſt nebſt dem ſchon frü- 
ber angeführten ſüdlichern Sumeichah die einzige noch heute be= 
wohnte Stelle der unftreitig einft hoch bevolkerten Lanpfchaft. 87) 


Das Refultat diefer Excurfion, die am folgenden Tage fühwärts 


über Sumeichah nah Bagdad zurüdging, war, daß der Britte, 
nach Allem was fich dort dem Auge darbot, ver Ausfage der dorti⸗ 
gen Araber beipflichten mußte, daß vor Zeiten einmal der dortige . 
Boden mit viefen Ruinen, einem großen Theile nach, eine Inſel 


geweſen, die durch eine nahe der mediſchen Mauer beginnende 
Gabelung des Tigris in zwei ſüdwärts ziehende Arme hervor 


gebracht war, von der der weftliche fehr breite und große Arm, 
der in fo vielen trodnen Flußwindungen fich noch heute zeigt, feine 
ſtroͤmenden Waffer verloren und an ven dftlich gefrümmteren Arm 
abgegeben; daß ferner dieſe Veränderung erft ſeit ver Blüthes 
zeit von Opis fich ereignete, und dadurch mehrere der Ruinen die⸗ 
fer alten, an der Mündung ber Adhem erbauten Stadt, die einft 
auf dem Oſtufer gelegen, theild abgeſchwemmt und zerftdrt, theils 
aber auch durch die neue Bahnung des öſtlichen Tigrisbettes auf 
die Weftfeite veffelben hinübergerückt find, und dadurch ver mebi- 
fen Mauer ganz nahe liegen, obwol biefe einft erft auf ver Weſt⸗ 
feite ned Tigrisufers, Opis gegenüber, begann. 

Noch Hleibt und die Wanverung des dritten Tags 8) mit 
Roß, von den Ruinen Iftabolatd am weftlichen Ufer bis Te⸗ 
krit, übrig, ehe wir von da über bie Trümmerorte ver Oftfeite 
des Tigris zu den Thoren der alten Khalifenftant zurückkehren. 

Bon Iftabolat werden gegen N.N.W. in anderthalb Stun⸗ 
ben die Trümmer von Aſhik erreicht, die auf einer Anhöhe dicht 
über dem tiefen Bette des Ifhaki flehen, ver hier noch weit aufwärts 
das dftlicher liegende Tigrisufer begleitet. Iene Trümmer zeigen 
fi aus der Berne wie eine Gruppe von Säulenbilvungen; "näher 
geiehen If es ein offnes, quabratifches Gchäu mit einem Vorſprunge 





407) Lieutn. Bl. Lynch a. a. O. IX. p. 474. °) Dr, J. Rols 
Notes I. c. IX. p. 447—449. 





Euphratſ.; hiſtor. Ruͤckblick; zur Zeit des Khalifats. 221 


gegen N.O., dad Ganze im eleganteften Styl der Khalifenzeit aus 
ven fchönften Backſteinen erbaut, mit 6 Pilaftern auf quadratifchen 
Bafen an jever Façade, ziemlich gut erhalten, deren Zwiſchenwände 
aber eingeflürzt find. Died fcheint das Gebäude Aſhik, dem auf 
der andern Seite des Tigrie Maaſchuk entfprechen fol (Aſchik 
und Maaſchuk, d. h. die Liebende und der Geliebte), zu fein, 
von dem bie Sage 9) eine der Geſchichte Hero's und Leanders am 
Bosporus ähnliche erzählt. 

Hier liegen die Ruinen Samarras gegenüber, auf dem Oſt⸗ 
ufer; nur eine halbe Stunde weiter norpwärtd auch bie Ruinen von 
Shinas, und nur eine halbe Stunde fern am Weflufer paffirt 
man die pyramidale Ruine von Hawaiſilat, einen Quadrat⸗ 
bau noch 25 Fuß hoch, von fehr hohem Alter, wie die medi- 
ſche Mauer conftruirt, jedoch noch mit dazwiſchen eingefchohnen 
2 bis 3 Fuß Hohen Schichten von großen rothen Badkflein » Lagern. 

Der Tigris fließt Hier zur rechten in. einem tiefen, 2 bis 4 
Stunden breiten Ihale, deſſen Höhen am Weſtufer, mit vielerlei 
Trümmern bedeckt, zahlreiche Vorfprünge gegen ven Strom bilden, 
denen dann wieder tiefe Einbuchten (Kawis) entfprechen, vie meift 
troden liegen, aber reichen Boden haben, und mit Brafung und 
Zamariötengebifih überwuchert find; die hoben Vorſprünge zeigen 
Felsflirnen von Sanpftein. 

Zwei Stunden norbwärts wird auf folcher Uferhöhe der hohe 
Trümmerhügel Mehjar erreicht, den mehrere Fleinere Schutthügel 
umgeben, dem auf der Oſtſeite des Tigrisufers ſich abfpaltenden 
Ganale Nahraman, an feiner Mündung zum Tigrid, genau ge - 
genüber. Norowärts von Mebjar ziehen noch immer die Spuren 
vs Iſhaki⸗Canals, hier Khiyat el Suk genannt, nach Colon. 
Chesneys Mittheilung, Länge dem Fluſſe fort, doch fo, daß von 
ihnen bie vielen Älteren Einbrüche des Tigris ober die Hawis durch⸗ 
fegt werven, die aljo aus weit früherer Zeit batiren müſſen. Sol⸗ 
Gen localen Umſtänden gemäß, vie fih auch auf der Oftfelte des 
Zigris analog wiederholen, ſchließt Roß, daß ver Nahrawan, 
deſſen Baumeiſter nicht wie der des Iſhaki bekannt geworden, eben⸗ 
falls etwa jenem gleichzeitig (d. i. im 9 Jahrh.) feine Entſtehung 
erhelien haben möge. Aus allen fruchtbaren Hawis der Weſtſeite des 
Tigris waren erſt feit wenigen Jahren bie Agricultoren durch bie 


x . j r} 
0) 8 Hammer:Burgflall aflat. Türkei. Rec. 1821. Wien. Jahrb. XII. 











222 Wefl-Afien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.31. 


zerſtorenden und räubertfchen Ueberfälle der Sahmmar Beduinen 
aus Mefopotamten in die Flucht gejagt worden. 

Gin rauher, welliger und fleiniger Boden, an deſſen Fuße nun 
jede Spur des Iſhaki⸗Canals verſchwunden war, weil ver Tigris⸗ 
firom Hier dicht an die Oſtwand das hohe Ufer befpülte, führt bis 
zu dem modernen Orte Tefrit. 

Tekrit wird von Ebn Haufal!) zwar ald Stadt genannt, 
aber nicht audgezeichnet; Edriſi fagt, fle habe Häufer aus Gyps 
und Backſtein erbaut, und meift Chriſten zu Einwohnern; 11) 
ihr gegenüber (d. i. gegen NW.) Tiege die Stadt Haphr (Atra 
ſ. 06. ©. 129) am Thirthar- Fluß (jegt Tharthar) in ver Wüſte. 

Die vamaligen Ehriften wernen wol Neftorianer gewefen fein, denn 
Terit oder Tagrit hatte früh feine Epifcopen (z. ®. im I. 560 
den Beorgiu8,12) Verfaſſer einer Epiftel), die unter dem Titel Maphri 
in der Neftorlantfchen Kirche nur noch den Primas von Seleucia 
als Ihr Oberhaupt anerkannten. Im 13. Jahrhundert bekleidete ver 
Annalift Gergis el Mekkin (Elmakin) 13) diefe Würbe, auch 
war diefe Stadt die sedes primatis Jacobitarum. 4) Won einem 
böhern Alter der Stadt haben wir Feine genauere Kenntniß; D’An« 
ville Hielt e8 für Birtha bei Ptol., eben fo auch Mannert. 15) 
Der türfifche EmIta!E) fügt feine Angaben, daß ſchon ihr Saffani« 
den Schloß von Schabur, Sohn Ardeſhir Babekans, gegründet 
gewefen ſei, auf bie Ausfage bei Abulfena, 17) fügt aber hinzu, daß 
eine Naphtaquelle in ihrer Nähe gelegen ſei, und daß fie bei ben 
Perfern Narend ſchabad, d.t. Orangenfladt, heiße, megen Ihrer 
beträchtlichen Orangen. Die Napbtaquelle Hat Fein Neuerer ges 
fehen, aber fehr häufig riecht man,!8) fagt Dupre, auf ver Tigrisfahrt 
von Moful nad Tekrit abwärts, einen flarfen Naphtageruch, auch 
von Schwefel und Erdharz. 

Die von Tavernier bei Tekrit geſehene Casſscade hat auch kei 
net der jüngern Reiſenden geſehen, aber Dupré hoͤrte ihr Daſein 
beſtätigen; doch werde fie nur im Frühjahr bedeutend; die Ein⸗ 





10) Oriental Geogr. b. W. Ouseley. p- 5 2) Edrisi Geogr. 

b. Jaubert. Vol. II. p. 147. 12) — Bibl. Or. T. 1. 
p. 488. 18) D’Anville sur l’Euph. p. 93. 
Bibl. Or. in Notit. eccles. Metropol. etc. I. c. T. m P. 2. sub 
fin. 22) Mannert Geogr. der Br. und Röm. Th. V.2. 6.3892. 
10) v. Hammer » Burgflall afiat. Türkei. Rec. in Wiener Jahrb. 
1821. ®b. XI. ©. 235. '?) Abulfed. Geogr. Tab. VIL Meso- 
potamia b. Reiske. Büfdh. bi, m IV. p. 349. 18) Dupre 
Voy. en Perse. Paris 1819. T . 133. 





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Euphratſ.; hiſtor. Ruͤcblick; zur Zeit des Khalifats. 223 


wohner nennen fie Fas el Ramli. Den Namen habe die Stadt, 
fügt Abulfeda, von der Tekrita, einer Tochter Wajels, der Schwe⸗ 
fer Becr, des Sohns Wajeli, der und übrigens unbefannt iſt. 
Gegen Anfang des 15. Jahrhunderts wird Tefrit, als ein Haupt⸗ 
raubmeft und Schugort der Beduinen am Rande der Wüfle, von 
wo die Karawanen, welche nad) Syrien und Aegypten zogen, über« 
fallen und auögeplündert zu werben pflegten, durch Zimurs 19) 
kühne Erflürmung feines feſten Selfenichloffes erobert, und auch bie 
Stadt mit feinem Raubvol vernichtet, und aus deſſen Schäbeln, nach 
ver Timuriden Art, Siegespyramiden aufgebaut. In der Nähe des 
Ortes erlegte Timur auf der Löwenjago fünf dieſer Thiere, die da⸗ 
mals dort wol noch Häufiger gemefen fein mögen, wie heut zu Tage. 

Der Drt iſt von Europäern nur felten beſucht worben; neuer⸗ 
id von Rich und Roß. Nach dem erfleren 20) iſt dort nur mes 
nig zu fehen, außer dem gewaltigen Schutt jener zertrümmerten 
Stabt, der feiner Schägung nach einen größern Raum als das heu⸗ 
tige Bagdad bededtt. Das Caſtell, das noch heute in feiner Ver⸗ 
wũſtung auf einer 200 Fuß hoben, ſenkrecht auffteigenden Klippe 
den Tigris weit überſchaut, und von einem Graben umgeben wird, 
den wol einſt das Waſſer des Tigris füllte, und der es von der 
Stadt abſcheidet, mag allerdings ſehr ſchwer einnehmbar geweſen 
fein, wie Sherifeddin berichte. Auf dieſer andern Seite des Fe⸗ 
Rungsgrabend lag die ummanerte alte Stabt, vie noch heute voll 
von Mauern, Kammern, Gewölben mit Schutt, Kalk, runden. Kiefel- 
fleinen bevedt da liegen. Die Reſte eines großen Backſteinthors 
am Fuße der Feſtung in der Felsklippe iſt alles, was dort von 
Bauwerken übrig blieb; die Caſtellhoͤhe zeigt überall noch Baftionen, 
Sirebepfeiler, Mauern, auch bemerkte man die Nefte eines geheimen 
Gewölbeganges, der durch dad Innere des Citadellfelſen auf Stufen 
binabführte zum Waflerfcgöpfen an ven Tigris. Dr. Roß, der viefe weite 
läuftigen Ruinen?!) der untern Stadt purdywanderte, fand darin einen 
Halbkreis von Mauern, eine engl. Meile im Diameter, mit durchſetzender 
Kippe, deren Beflimmung ihm ganz unklar blieb; am Südende 
ver Stabt eine confufe Maffe von Mauerftüden mit nienern Thoren, 
die Keniſah, d. t. die Kirche genannt, und am Nordende die Nefte 





10) Cherefeddin Ali Histoire de Timur Bec, p. Petis de la Croix 
ed. Delf. 1723. T. II. p. 141—154. ?°) J. Cl. Rich Narraüve 


| l. «. Vol, II. p. 146. 21) Dr. 3. Rofs Notes 1. c. IX. 
| p. 448. | | 














224 Wefk:Afien. TIL. Abtheilung. J. Abſchnitt. $.31. 


bes Kala ober des Caſtells, zu deſſen Thore noch Eine wohlerhaline , 
Treppe binaufführt. Außerhalb dieſer Mauer Tiegen die Gräber 
vieler moslemifchen Heiligen. Beim Umhergehen in dieſen Ruinen 
fand Dr. Roß vier in Häufern eingemauerte Fragmente von Reliefs 
in Badflein, und ald die Einwohner der modernen angebauten Stabt 
Tekrit im J. 1835 durch Beduinenhorden, unter Sufuls Anführung, 
mit Ueberfällen bedroht wurden, fahen fie fich gendthigt, zu ihrer 
Vertheidigung einen modernen Graben um ihre Wohnungen zu zie= 
ben, wobei viele Bauwerke und unterirbifche Kammern aufgedeckt 
wurben, in denen unter vielen andern Lieberreften auch 2 große irdne 
Vaſen ſich vorfanden, dad einzige, was Dr. Roß von biefem 
Funde zu ſehen bekam. Die eine zwar ohne Schmud, vie andre 
aber, 3 Fuß Hoch, war rundum ormamentist durch einen Kranz von 
‚Greifen und menfchlichen Geſtalten, bie ein Band zufammenhielt ; 
die Ausführung ziemlich roh in gelbbraunen Thon gearbeitet. Ein 
alter Heilig gehaltener Mulla, Rejeb, benutzte fie zu feinen Waſſer⸗ 
behälfern, und war nicht zum Verkauf verfelben zu bewegen. Die 
moderne Stadt Tefrit, mit etwa 600 Käufern aus Badfleinen 
aufgebaut, war im 3.1821, ald Rich fie befuchte, für 22000 Pia⸗ 
ſter an den Einnehmer des Paſcha verpachtet; fle hat zwar einen 
eignen Beg zum Gouverneur, Roß meint aber, fie verdiene kaum 
den Namen einer Stadt; er fand die Bewohner hoͤchſt ungaftlich, 
und meint, ohne feinen Ferman würde er dort haben, verhungern 
möüflen; fein arabifcher Führer behauptete, alle Tekriter fein Spitz⸗ 
buben. 2) Es war fehr ſchwer, dort auch nur auf ein paar Tage 
- Proviant zur Fortfegung feined Marfches von va nach Al Hadhr 
zu befommen. EI. Ric gibt die auffallenne Nachricht, daß in ver 
mobernen Tekrit fih Ruinen von 10 Kirchen (06 aus ver Neftoria- 
ner Zeit?) befinden ſollen; er fagt, AI Hadhr Liege von hier gegen 
N.300W. 2 Tagreifen fen, nah Roß find es wenigſtens 3; 
nach Kerkuk (f. Erdk. Th. X. ©. 554) fol von hier eine Karawane 
nur 2 Tage gebrauchen. 


Das Oſtufer des Tigris von Iman Dour bis Bagdad. 

Wir ſetzen nun auf die Oſtſeite des Tigrisufers über, um am 
Nahrowan⸗-Canale, von dem wir urſprünglich ausgingen, in 
die näͤchſte Umgebung der alten Khalifenſtadt zurückzukehren 


#33) Dr. J. Roſs l.c. IX. p. 459, 466. 





Enphratſ.; hiſtor! Nackblick; zur Zeit des Khalifats. 225 


Der nächte front, Tekrit etwas abwärts, iſt Imam 
Your, den wir ſchon als Uebergangsort des diomerheerh Dura, 
uch Jullans Tode kennen (ſ. ob. S 137); kann daher wol 
nicht erſt feinen Namen Win Grabe ved BB" Yindın' 3) Mobamme 
Your verdanken, weiches vaſelbſt verehrt wirs Nelmeht fſcheint ber 
Det uralt zu fein, denn, obwol mar vie Umnpebuig‘ Babylınd 2%) 
klR für geeigneter dazu halten möchte,- kein anderet iſt bekannt, 
auf weichen fonft die Stelle im Propheten Dahil_paßte , In welcher 
Dura ſchon zur Zeit Nebucadnezars ein Ort ves Bufarnmenfbiffe 
bee Menſchen geweſen fein muß. Es heißt dafekbſt · Der Kdni 

Nebucadnezar ließ ein’ golbeues Bild machen, 66 Ellen hoch un 

6 Een breit, and ließ es fetzen im Lande Baer im KYardüra 


(Daniel IH. 1), 25) welch ale feine Unterthimen anbeten folkten, 
mad auch die Juden, deren banials feit der babyloniſchen Gefangen⸗ 


ſchaft befanntfich ſchon viele im Lande waren ; und ene gtoße Sets 
verfammelung aller Beamten und Großen des Reichs wurde zur 
Euweihung zuſammenberufen. Die Gefchichte ver "breit feommen 
Männer im Seueröfen, welche dieſes Idol nicht? anbeten, Scheint die 
Grundlage zu manchen Verdrehungen ver Aronnbbahffegen’ enge 
von Abraham, ver in ven Flammen ſfich nkederſteß, zu fein vie 
anf verſchicbene der Muineihägel von Babylon’ Bis: Suflinä und 
bie AReher gedeutet, vort im ‚Dune ws Vene nö hente fortlebt 
(6.6.18). 

-- DE heutige Stat Dom 20). * ie —S obwol fie 
nur von wenigen Gärten und Palmen whgebn m; de ſie iſt ein 
Merit; d. h ein Pilgerdtt ver: Verehrer. AH" anid det Jmans, 
ein ſeltſamer· Kegelchurm iſt old Veiligrhuum aufgerlchtet aber 
ein weit Aterez Dioitiitenf‘ tft der mättge Truͤmmerhüͤgel 
wer tinter der heutigen Stabt ſich erhebt. 

Abwarts der Stadt iſt eine Gemmung im Zigetöfluffe, ein 
Damm, Zikr, ver vom linken Ufer nicht tief in ven Fluß hin⸗ 
einreldht, und wol von Kalfeoncretionen gebildet “fein Fünnte; voch 
festen Vie Einwohner, er ſei durch Menſchen erſt gemauert, und 
nahe dabei, unterhalb dem Orte Hheimra, iſt ein zweiker Zikr, 

en Beide: art, ven man Ruwalaht nannte: Der dluß war 





”) Dani sur TBaphr. p. ss, . ) Bofeamüller Bi. —ES 
i So. Rot, 68. 66. ss ex, Haupb. 
23 ©. Da, Rot, 6 BE a. 26 ) — " 


ver SORL. 3 CL Rich 
Narrative Le. Vol, U. p. 8 
Ritter Erdtaude X. ® 








226 . Weiten. Hi, Plötheiting. I. Mbkhuitt.$. 31. 


Hier, als. EI. Rich voruberſchiffte, um 2 Buß gefallen. Gr be⸗ 
werkie nun ‚var. Rechten. einen ſehr hedeutenden landeinllegenden Tu⸗ 
Rulus, Telel Mehefi, offenbar verſelbe, ven Roß beim Vor⸗ 
überziehen Mebiar nennen hörte (. of. ©. 221), denn gegenüber 
an der Oſtſeite des Xigris zeigte man Ihm einen ausgegrabenen 
Canal, der von den Schiffern dem Könige Salomon zugeſchrie⸗ 
be. wurde (daher Nebbi Suleimen), 27) und nach Ommeiza 
zum Anl em geben follte, wo an beinen Orten Gteinbrüden, deren 
—8 mit. Bleitſoampeern ;zufammengefügt wären, übe, Ihn hin⸗ 

g führten.. Auf Gef CheonenB Karte iſt die eins, gang Maße, 

vide über. digſen Nebbi, Suleiman ‚mir. dem Namen Fantarah. ef 
— Bleibrach beyihngt... Rus 20 Minnien- weiter abtndrtk, 

Rich, fingen: dig Ruluen van Coti Bagdad amı ı. .. 
Bar Di iſt alfo entſchieden ver Anfang bed. großen Nahzawan« 
Ganale 8, en dieſen Namen zu. .Apnlienad ‚Zeit iR. weiter uni 
 gphlelt,, .unfireitig. weil Da: Die. gleichnamige, Stadt, Nahrawen, 
ober das ältere Narbe, Ingz hier hieß ex, wie wir oben Inben „bei 
Abulfena, Der.nodgse. Kasylt. aber der große Katul, im 
—* ‚ver, 3 ‚Eheinesn Rarul,, welhe, 3 Stunden —8* 
cbenlalls vom igris mad, Ahulfedq's Angabe, * - ae 
gingen. und offenbaz ‚untergeorpuete Abtheiluugen. waxen; 

„Die, Tri ‚von. EEE Dagdap, auf den. Soßen. Rieiel- 
flippen des linfen Tigrisufers gelegen, find zwar yon ſehr weitem 
Hanfange, aber on ſich unſcheinhate Gaufen von Kiejeifeinen,.- ohne 
eriennbagsä, zufamgıenhängennes Mquerwerk; zahlloſe Risäinjeln zie⸗ 
ben ſich am Flußufty bin, bie: von Vegelſchaaren umfahwärıt. wage 
yon, vasunter bie Yallggn der Mraker, mit langen rothen Schnäbeln, 
und roth und ‚grün. An age, größer als. Tauben, di⸗e 
beweglichen und zahlreichſten Zügt ‚bilden. Eine volle, Stunde⸗ 
hrguchte Das. Schiff, um vom Anfang, dee Trummer von GN Bag- 
Rap, ie, Ende zu ‚erzeichen, daß durch ein quad ratiſches Mauer 
west, de.Ahlmars genannt (‚Ghings auf Cheaneys Karte) bye 
zeipnet. in. Dana, folgen. mehreng ‚Genpmungen im Fluffe, Fahr v 
Seyn genannt, ‚bie Ric, für Kalkcomretzgnen hielt. bit, von men. 
Ueganwehnen aber, für Reſte einer Brügke-ausgegeben werden, bie 
von bier am Xrümmerhügel Hawil ubfa und bem Tel Alek, 
wo ein > An Arkmme Madſchut helzt/ nach Aſ cit Valsnerite 


F Fa * 


a —A -IMB. 3°) Ab Tabel, 
Marssehnn “m lee “ar 


4 


?“ 171 * 





Euphratſ.; hiſtor. Xuͤckblick zur Zeit des Khalifats. 27 | 


haben fell, unter deſſen quabraiiichen Pilcfterbau auf gleiche Weiſe 
Ecttrorſchnellen im Tigris hervortteten. Cine Infel Hegt bier im 
Aigris. Die num abwärts nach mehren Trümmerhohen unmittelbar 
daran ſtoßende moderne Stadt Samarra, bie zwar auch ſchon 
etumal vom Saſſanidenkoͤnige Schabur Ohulaktaf erbaut ge 
weien fein foll, deren fpätere Entflehung wir oben kennen gelernt 
(fr od. ©. 210), welche nach dem Dibihannuma 2) einen Umfang 
ven 7 Barfang, d.i. 104 Stunden, eingenommen haben fol, hat auch 
* Beute noch immer eine große Mofcheer, Malawiyah genannt, %) 
von Backſtein erbaut, 200 Schritt lang und 150 breit, deren Mauern 
son Strebepfeileen geflügt wernen, die aus der Berne fie wie Ihürme _ 
umgeben. Außerhalb ver Stadt, ihr an der Nordſeite, erhebt fich 
der gleich einer nach oben abnehmennen Schraube feltfam 
aufſteigende Thurm, ber fih durch pie umlaufende Spiraltreppe 
in 6 Stockwerke thellt, Die an 200 Fuß hoch emporfleigen, und 
vingöum von einem weiten Ruinenfelde umgeben, einen eigenen 
Trauerblick gewähren. 

Weit entfernt von ihm gegen den Norden erkennt man auch 
ach Die Ruinen des Khalifenpallaſtes, wahrſcheinlich ves 
Didaafarije, ver auch, nah el Maſudi, Hira hieß, weil er nach 
dem Borbilde des zauberifchen Chawernak gebaut fein ſelte. Hier 
war es, wo bie ſtolzen Khalifen fi mit dem Zuruf: „Fürſten 
der Rechtgläubigen“2) huldigen, und ſelbſt mit dem Beinamen 
Gettes, den fie ihrem eigenen Namen hinzufügten, beehren Ileßen. 
Der Ahrouſaal des Pallaſtes hieß Rewat, fein Ehrenfig hieß Sſadr. 
Dis Säle links und rechts hießen Kemin, ber eine zum Schatz, 
der aubere zur Speiſekammer beftimmt, wie noch Heute im Serai zu 
Goufantinopel dieſelben Abtheilungen viefelben Ramen tragen 
(Cheſine we Kilar). Don bier war e8 aber auch, von wo durch 
Morawaltel zuerfi die wuͤthendſten DVerfolgungen, vom Khalifen- 
eng aud, gegen, vie damals zahlreichen Chriſten und Juden 

Am Eupbrat- und Tigrisiande aubgingen. | 
- Die modern angebante Stadt Samarra hat vie Groͤße von Te⸗ 
Bit Die Ruinen, welche weit abwärts von Samarra bis gegen 
Open fortzichen, werben auch noch Coki Bagdad genannt. Sie 
ſtes noch wenig unterſucht. Das Sculpturfragment einer Statue 


2 v. — ⸗Purghall, aflat. Türkei. Rec. Wiener ee u 1821. 
©. 239. s°) J. Cl. Rich Narrative I 
E ——— des Spiralthurms. *1) 3. v. Hammer ander 
u verweltung ic. ©. 27. 
2. ( 





228 .Beft-Afien, TIL. Abteilung. J. Abſchnin. 5.31. 


aus. grauem Granit und Baſalt fand GI. Mich Hier, ein Yhol, das 
die Anwohner: GI Sanam nannten. Davon . waren aber: nur 
zwei Wüße, die parallel: mebendinanber, alſo nach aegyptifcher 
Art, geftellt und 18 Zoll lang waren, gut erhalten, bis zu. ven 
Hüften; der obere Theil mit ver Bekleidung war zerftimmelt; der 
Imam Durli folte ihn abgehauen haben, um baraus Etäfel zu 
Kaffeemörfern zu machen. Die Gräber des 10. und 11ien ber 12 
heiligen Imams der Alliden, die auch von der Lagerſtadt Abkar, 
in ver fie geboren oder begraben wurden, ven Beinamen ver Askeri 
erhielten, werben in den Ruinen von Samarra bepilgert; ſie heißen 
Imam Haffan al Askeri und Alt en Raft; . die der meiflen andern 
wirklichen Imams (vie nur fogenannten fiche Ext. Ah. DL. 
©. 499) Hegen in oder nahe um Bagbad. 

Noch weiter abwärts, fühwärts eine Meien quabratifcen 
Mauerwerls am Ufer, Ghaim genannt, wo ein Fleiner Geltencanal, 
der Rabe ul Erſas, vom Tigris gegen OR zum Nahrawan abs 
zweigt, erheben ſich am Ufer des Tigris wieerum fehr viele 
Ruinen, bie nicht affyelfcher oder babyloniſcher Eonftruction, aber 
doch Alter find als die genannten aus ben Khalifenzeiten; GL 
Mi, einer der einfichtsvollſten Kenner diefer Bauſtyle, rechnet fle 
ven Safpanidifchen zu, deren Mauerwerk: mit Türmen und 
ungebrannten Badfteinen, ſich weit ins Land hinein, längs eines 
alten Aigrisbeites, verbreiten, und denen von Gteflphon uud Daſta- 
gerd ganz anolog find. Der Umfang ver bort. gezogenen Gtabt« 
mauer fol eine Stunde betragen. Die bortigen Landleuit nannten 
den Ort Gadeſia, und fagten, er ſei aus den vor» idlamiſchen 
Beiten, wobei Mich bemerkt, 32) daß die Mufelmänner niemals 
die vor· ilamiſchen Ruinen als bie ihrigen ausgeben, und daher Im 
dieſer Ausſage allerdings Vertrauen verbienen. Died wäre denn bie 

Kadeſia W) am Tigris bei Samarra, von ber Eorifi fagt, daß 
bier das Jrak⸗Glas gefertigt werde, das nad biefer Provinz den 
Namen erhalten habe. Auch Abulfeda wiederholt ed, daß auch 
ein el Kadeſia, eine große Stadt, bei Samarra llege, mo eine 
Glashütte”) fei; nach el Tartib erhielt fie biefen Namen, weil 
das Bolt von Kades ſich dort mieberlieh, Kades aber fei eine 

* Etabt von Merwer Rud (Erof. Th. VOL ©. 230, IX. 101); 


432) J. CL Rich Narrat. II. p. 153. 2) Edrisi 1. b. Jau- 
ders Val. 1. 146. ®*) Abulfeda Deser. Iracae b. feld. 
pP 





Eupbratf.; hiſtor. Xuͤckblick; zur Zeit des Khalifats. 229 


alfe wol aus Berfien dahin verpflanzt, wo die Kunſt der 
Blasziegeln fehr weit getrieben war. Abulfeda 35) rühmt 
dieſes zu Kafhan gefertigte Rımfmaterlal vorzüglich auch zu Tau⸗ 
sts in Aderbidijan (structa pulcherrima lapidibus Kaschanensibus 
b. Abulfeda), eine Art Borgellanglafur (Porcellane de Cachan b. 
Zerifewoin). Merkwürdig iſt es, daß Rich unter den Saffanibifchen 
Trũmmern, die er vort vorgefunben, auch fehr wiele buntfarbige 
®lasrefte nennt. 

Nur eine engliſche Meile entfernt von Gadeſia zieht ver 
Nahrawan, oder vielmehr ver große Katul, im Dften dieſes 
Ortes und einer und noch unbekannt gebliebnen Ruinengruppe Bin, 
Die auf EChesneys Karte Bir genannt wird, mit dem Benat el 
Hafan, wol dem Brabe jener Imam, in ihrer Mitte, vorüber, biß 
er in ver Gegend des Khan Tholiyah das Uferbette des Adhem 
wife Was uns von der Mündung des Adhem und ven Rui⸗ 
nen von Dpis belannt geworben, ift fchen frühes mitgetheilt 
(j. Crot. IX. ©. 537-538); hier nur die Wieberholung, daß auch 
bei ihnen noch Spuren des prachtvollen Nahrawan⸗Canals 
wahrgenommen wurben, deren Zufammenhang 25) wit dem Gros 
pen Katul und mit dem Narbufer ber Tigrisbiegung un— 
terhalb der Ruinen von Opis auf BL Lynchs Kartenffigze ver- 
zeichnet finn. Am Khan Tholiyah am Weſtufer des Adhem iſt 
noch ſteiniger Boden, aber abwärtö des Adhemmündung fängt auch 
an dem Dftufer des Tigris der Alluvialboven ohne Steine 
«m. Hier nun war ed möglich, in vollkommnem Blachfelde, auch 
ven unten Lauf des aus dem Zagroſh herabkommenden Diala- 
Stromes mit dem Tigrisftrom durch einen Canal zu verbin- 
ven, um auch ben zwifchen dieſen beiden Flüſſen gelegenen meſo⸗ 
potamifchen Landſtrich reichlich zu bewäflern; dieſe Verbindung 
in varch ven noch heute beſtehenden Nahr Khalis 37) gefchehen, 
der don Diala unterhalb Adana Keug bei Dellz Abbas (ſ. Erdk. 
%. X. ©. 512 u. ſſ.) verläßt und durch viele von ihm bewäflerte 
mn Gefruchtete Ortſchaften, vie. alle zum Diftricte Khalis gehören, 
gegen S. S. W. HE zum Tigris vorvringt, und mit dieſem oberhalb 
de Dorfes Jedideh ſich vereinigt. Dies iſt denn offenbar das von 





86) Abulf. Tab. ‚Armen. ed; Reiske 5. Bäfcing hiſt. Mag. Tb 25. F 
©. 312; Xeriffeddin Hist. de ey imar P: La Croix. Ed. 
1728. 8. Liv. III. ch. 70. p °) The Tigris een 
Bagdad and Mosul by Liebtn. B Bl Lach 1839. °”7) BI. Teen 
Note L c. IX. p. 471 aqq. ivıdo.o 








230 WefbAfieri, III. Abtheilung. J. Abſchnin. 4.31. 


Abulfeda genannte Gebiet Culi (Pagus Cali ſ. oben S. 208), 
„von wo an, d. i. vom Diala oftwärts, jener Oroße Katulcanal 
„feinen Namen in den des Nahrowan verändert.” 
| Diefer Nahr Khalis iſt gegen deu Tigris Hin wieder im ein 
paar untergeordnete Beine Arme gethellt, die zwar trocken lagen, ſo 
vaß BI. Lynch auf dem Landwege von Bagdad zur Anhemmän« 
hung fie durchſchreiten Tonnte, aber doch immer vie Befruchtung 
über einen breitern Landſtrich verzweigen. Die Ramen ver beiden 
untergeorbneten Zweige ſcheinen Rathan und Nahr Bull zu 
fein ; fle dienen beide nur zur Lanvesbewäflerung, nach Col. Ches⸗ 
neys Mic. Der noͤrdlichere Seitencanal durchzieht nen Ort Howeiſh 
zum Tigriöufer, ver fühliche zieht zwifchen Jezani und der kleinen 
Stadt Denficheh eben dahin. Das noͤrdlichſte am Tigris Hegende 
Dorf dieſes Khalispifirictes, der durch die gleichnamige Ganali« 
fation befruchtet. wird, beißt Sindiyah, in feiner Nachbarſchaft 
Hiegt ver Tel Khumeiſia. Vom Adhemſluß bis Sindiyah iſt ſelbſt 
am Tigris entlang nur wenig Anbau; die Abu Keohmeh Ara⸗ 
ber leben Hier in Zelten und Schilfhütten auf deſſen linkem Ufer, 
eben fo wie die Beni Temen Araber auf deſſen rechtem Ufer, 
wie auf ben nievern Alluvialinſeln, pie fich durch das Siuken ver - 
Tigriswaſſer jährlich zu bilden pflegen. Der ganze Khalispifirier, 
Im Rorden von Bagdad, wird mit feinen 62 Dirfem’®) nur allen 
durch den Nahr Khalis-Durchfchnitt, vom Diala zum Tigris, mit 
Waſſer veriehen, da beine Stüfe wegen ihrer zu hoben Uferwaͤnde 
zu folder Befruchtung der anliegenden Länvereien umtauglich fine. 
Aber jo ward auch dieſe Nachbarſchaft der Khalifenſtadt in jens 
reiche Ganallanpfchaft verwandelt, von welcher die Gegenwart nur 
noch hie und da relzende und ertragreiche Partien aufweifet (f. Erdk. 
ih. IX. &. 511-515). 

Die Hauptoörfer vieles Diſtriets Khalis find nah Rich 
folgende: 1) Denghijeh, nur eine gute Stunde von Bagdad am 
Aigrisufer, jeßt durch die harte Tyrannei der Gebieter faſt verlaffen 
2) Howeioh mit 100 Häufern, berühmt wegen feiner Garten⸗ 
früchte, und 14 Stunde fern von jenem. 3) Dofhala in veifen 
Nachbarſchaft. 4) Hophopa, 24 Stunde von letzterem fern am 
Zigris. 5) Manfuria, 25 Stunde von Howeißh. 6) Saadia, 
14 Stunde von Manſuria. 7) Sindiyah. 8) Doltova und 

mehrere Ortichaften am Diala gelegen. Bei Manfurta iſt viel Baum⸗ 





*se) 5, Cl, Rich Narrat. L c. II. p. 156. 





Eupbratf,; hiſtor / Raͤcblick; zur Feit Bed Kmiſats. a 


wellencultur, im Uebrigen viel Anbau von Gerfte, Korn, viel 
Grafung. Ale Gonvernementsbeamte pflegen ſich in dieſen —** 
baren Diſtriet zurückzuzichen, wo fe durch Erpreſſen die Bauerk 
—— fie frei zu halten, wodurch ber Bortheil vis Fruchtlandes 
wieder zu einer vridmben Laſt der Bewohner wirb. Bon ae 
furie 29) folgt bie reicher bebaute Nachbarfchaft, mit: Dörfern, Gat⸗ 
in und PBalmenbäumen, hiater Venen Ste Rinarets von Bagdad 
uffisigen. 

Aber die große Ganalfährung m bier noch ainerwegs zu 
Ende, denn eben Im Oſten des Nahr⸗Khalis, mit ven Winvungen 
des Diala, zieht der ihn begleitende große Canal Nahrowan vi⸗ 
rect abwärtd und ſetzt auch auf dem Oſtufer ded Dlala, im Rüden 
von Madaln, immer den Tigris parallel laufend fort, bid Kut el 
Amara. Ja nach Einigen fol er andy von da noch welter geführt 
fein, bis zum Kerkhah.“) Schon früher haben wir vort bie weni⸗ 
gen Spuren verfolgt, die von ihm bekannt find, und in vem Ditb⸗ 
mmen Narba der Saſſanivenzeit vie erfte Beranläffung Seide 
algemein geworbenen Benennung Nahrowan gefunden (f. Erbk. 

x. IX. ©. 418, 497, 500, 505), auch ven Ort Bakuba an ihm 
kennen lernen, Überhaupt einen wichtigen Einfluß: auf vie dortige 
Anfleblung von Staͤdten, Luſtſchlofſern, Tulturſtrichen, Neflvenzen, 
ungeventet. Die Erbauer dieſes Canalfyſtems find unbekannt, doch 
IR kaum zu zweifeln, daß die Saffaniven eine Harptaufmertfasiitet 
auf daffelbe verwendet haben. Der Nahrowan verfah mit feinen 
friſchen, füßen und reinen Wogen zu Ebn Haukals Zeit die Stadt 
Bagdad mit Trinkwaſſer. 9) Jenes Narba over Nahrowan, 
hatte auch zur Khalifenzeit noch Beſtand; es war zu Edriſis Zelt 
och nur eine Meine Stadt, %) auf dem Oftufer des gleichnamigen 
Fluffes gelegen, und von deſſen Mrmen vurchfchnitten, der das Ge⸗ 
Wet Bagdads fo reichlich bewaͤſſerte, bis nach Jokal Kent Diefen unv 
Dr Dierat Hin, welche Orte 2 Tagreiſen von Nahrowan entfernt 
Men Rahrowan ſelbſt, 12 Meil. von Bagdad fern, Tag gang 
ia Gärten, und war von zahlreichen Dörfern und den fruchtbarſten 
Pluren und Lanvflgen unsgeben. Aber den Terraffenbobtn am 
Yald' aufftigern, gegen Däslaca und Holman hinaus, auf’ der 
Ayate von Khotaſan, Hört bie Waſſerfülle auf, und die Baht bei 





ss Narrat. 1. c. N. 7. RM ol. gsi „. 
N el R Stine, 6 
Geogr. b. Jaubert. Vol. I. p:158. 











232 . Weftstfien, IH. Wörheilung, J. Abſchnitt. 4. 31. 


. Ralmbäume; nimmt Immer mehr und mehr ab (ſ. Erdk. IX. &. 477). 
Die Route von. Bagdad gibt Edriſi dahinwärts ſo an: Won Bag⸗ 
‚dan nah Nahrowan 12 Mill., nah Deir Barema 12, nad 
Daskara 24; eine heine Stadt von Palmen und Culturen umge⸗ 
ben, mit einer Erdfeſte, die einft bie Mefldenz eines Fürſten ger 
iwefen (f. Erdk. IX. ©. 509), vaher Daskerat el Melik. genannt. 
Bon da über Halula 21 Mill., nah Kharkin 27 Mil, nach 
Kasr Schirin (f. Erdk. IX. ©. 484), und fo nah Holwan, in 
Summa 114 Mil. £f. Erdt. IX. .©..476).. - 

Abulfena®) fügt nichts neues zu diefer Kenntuiß von Rabe 
rowan hinzu; nach feiner. Angabe liegt ed indeß nur 4 Paraſ. von 
Kelwada, und. viefe® 2 Paraf. von. Bagdad, alfo Nahromwan neum 
. Stunden fern von Bagdad. Vom benachbarten Barapan,**) in der⸗ 
felben Richtung. am Dflufer des Tigris (ſ. Erdk. X ©. 491), 

gibt. er nur die. Entfernung von 5 Paraf. (7 Eleine Stunden) von 
Bagdad. an, und. von Bakuba in doppelter Entfernung (ſ. Erdk. 
IX, ©. 498), daß es die Heimath vieler. berügunter Gelehrten ges 
weſen. 

Don ven Drten der Bagdad⸗ Landſchaft, bie. von ber Gapisale an, 
den Tigrid abwärts, über Madain gegen Wafet Hin liegen, haben 
wir noch weit unvolfländigere Nachrichten aus dem Mittelalter er 
Kalten, als vie fo. eben nach den andern ſüdlichen, weftlichen 
und, noͤrdlichen Richtungen bin beiprochenen. Es find nur wenige ' 
Namen, die wir. zur Vervolfländigung unferer Topographie des 
Bagdad⸗Gebietes zur Khalifenzeit der Abbaſſiden hinzuzu⸗ 
fügen haben, obwol ſchon Ebn Haukal %) im 10. Jahrh. ver⸗ 
ſichert, daß der Anbau des Landes mit Wohnungen ſchon zu feiner 
Zeit, von Bagdad hen Tigris abwärts, ſich bis an die Grenze von 
Waſet gezogen habe. Von Kelwada (Kaluada auf D’Anvides 
Karte des Euphrat), das noch oberhalb Madain am Tigris, nur 
2, Paraſ. fern. von Bagdad lag, war ſchon oben die Rede. Unter⸗ 
halb Madain wirh zunaͤchſt Dair el Acul (i..e. Mopasterium 
anfraetus). 6) genannt, in deſſen Nähe ver berühmte Dieter. Mor 
tanabbi im Jahr 965, auf dem Wege von Namania dahin, durch 
einen, Ueberfall räuberifcher Araber vom Stamme Aſſad feinen . I 
fand. Dann folgt Gabbol (Iubbul bei D’Anvie), eine Stam, 


+43) Abulfeda Descr. Iracae b. Wüstenfeld. l. c. p. 15 a. 16. 
4) Ebeud. p. I8. *5) Oriental. Geogr. b. —* p- 66. 
“*) Abulfeda Dieser. Iracae b. Wüstenfeld. p. 6. 





. 
- 


Euphratſ.ʒ hiſtor. Ruͤcblick; zur Zeit des Khalifats. 233 


welche ver Wohnflg vieler Gelehrten mar; noch weiter abwärts am 
Zigriöflreme das Städtchen en Nomanta (Raamanie bei D’An- 
wide), #7) bei dem auch ein Geltenfluß Zab genannt wird, der niche 
weit den gleichnamigen Flüffen im obern Mefopotamien zu verwech⸗ 
fein if. _ Die Lage von Sina (Eina), %) zwifchen Bagbad und 
Wafet, ift und unbekannt. Den Befchluß der genannten Ortſchaf⸗ 
ten am untern Tigris, gegen Waflt. bin, macht Kommeg Celh*) 
(Bam es Gelhi b. Reste) i. e. Ostium pacis, (F um el filh 
Bb. Eprifi), ein. Name, ver, na. Ibn Challicani S. 88, ver 
Mañndung eines großen Fluſſes entiprechen fol, der oberhalb. Waflt 
and dem Tigris hervortritt. Da Waftt, nah EI Aziz, von dieſem 
Yusteittöorte 7 Paraf., d. i. 105 Stunde, entfernt liegt, fo muß bie 
Bage dem heutigen Kut el Amara fehr benachbart gefucht werben, 
we auch mancherlei Ruinen. auf früheren Anbau hindeuten. Aus 
Abulfedad0), Annalen iſt e8 bekannt, daß der Khalif el Mamun 
in Sam ſes Selhi feine glänzende Hochzeit mit ver ſchönen Bu⸗ 
rana feberte (im Jahr 825 n. Chr. Geb.), deren Vater, fein Wefir 
Haſan, Hier feinen Wohnfig Hatte. Damals, als hier ver Braut 
ein Teuſend der Thfäktähften Perlen über, daß Ömupt gefreut wurben, 
uns Amberlerjen von 800 Pfund Gewicht ven Jeſtſaal erleudj- 
teten, als alle anweſende Große Durch verteilte Looſe mit Dör⸗ 
fern und Herrſchaften ſo großartig beſchenkt wurben, muß es freilich 
tim. Lande wol anders ausgeſehen haben, als heute Kam ed Seihi 
Uegt nach Abulfeda 12 Barafangen, alfo an 18 Stunven unterhalb 
Gebtel (Jubbuf). 

Kehren wir nun nad dieſer umkreiſung der bagdadiſchen 
Landſchaft zu ver Khalifenſtadt ſelbſt zurück, fo bleibt und nur 
neh Die ſpeciellſte Angabe, vie wir bei Abulfena von ihren Tho⸗ 
en wach den verfchtenenen Weltgegenden finden, .zu erwähnen übrig, 
u die Angabe der Routen, pie von biefem el nunete 
ut: I vie verſchledenen Provinzen, nach Anleitung. Be is, 
jenen: Heiten geführt haben. 

: AEI Sarim 52) iſt zu Bagdad das Haligthum bed Ahali⸗ 
——— welches nach Jakut ein Drittheil ver Stadt einnimmt. 
Um dvenſelben eine Mauer. gezogen, die vom Oſtufer bed Aigrie 





“) Abulfeda Deser. Iracae b. Wüstenfeld. p- 16. Not. p- 101. 
°*) Gbend. p. 5. *°) Ebend. p. a8. und Note p. 102; Kdrisi 
Geogr. b. Jaubert. I. p. 364. ‚Abulfeda Annal. Moslem. 
od. Reiske. p- 184. 9) "Abulfeda ‚Deser. Iracas b. Wüsten- 

p- ®. 


[tr 








238 Weſt-⸗kiſten. IH. Abtheitung. I Abfmitt... 31. 


anfing und in Halbmondogeſtalt wieder an ben Tigris zuruͤckführte. Dee 
Thore, vie Hineinführen, find 6. Erſtlich Bab el Gorba, Dad Thor ver 
Pilgerſchaft, am Zigris zunächſt. 2) Bab Suc et Xamtr, dae 
MWor des Dattelmarkted, ein Hohes Thor, dad zur Zeit des Khalifen 
Imam en Nager (reg. von 1179—1225) gefchleffen wurde und ach 
geſchloſſen blieb. Dann folgt 3) Bab en Nubi, pas Thor ber 
Mräfeeten, wo vie Schwelle liegt, weiche vie eintretenden Fuͤrſten 
und Geſandten küſſen müſſen. 4) Babel Amma, dad Boll 
thor, auch Amur's Thor genannt. Von da zieht bie Mauer faſt 
eine Meile ohne Thor fort bis zum 5) Bab Boſtan, das Gars 
tentbor, unterhalb der Anhöhe, wo Die Opfer (am 10ten und 12 
Tage des Monats) geichlachtet werwhen. Dann folgt 6) Bab el 
Marateb, dad Stufenthor, das noch 2 Pfeilſchüfſe vom Tigris 
entfernt liegt. Der ganze. von biefen Thoven eingeichloffene Raum 
heißt der Khalifenpallaft, el Harim, und hat ſeine Märkte, 
feine Quartiere und viele Wohnungen des Volks; ſelbſt eine große 
Capitale bildend. Zwiſchen dieſen Wohnungen des Volks ‚aber ann 
dem Titris iſt noch eine ſcheidende Dauer für vie eigentlichen 
PBaltaftgebäune gezogen, innerhalb deren keine Wohnungen der 
Brivaten liegen. (Die. Topographie des mobernen Bagdad At Ries 
buhr ‚gegeben, f. unten.) 

Nur bei folder Abfonberung ber Khalifen nach —— Par % 
rem eignen Verſinken nad innen in folche Ohnmacht, daß fe zus 
Icgt nur, ganz unthätigen Namenkönigen innerhalb ver Mauer 
des Pallafted gleih, der Spielball nicht einmal mehr ihrer Weſire, 
fondern ſchon der unumfdräntten Emir ol umera 52) oder. ihrer 
Majorvome blieben, wo denn die plögliche Zererummerung des ha⸗ 
lifats (1258, |. Erdt. Th. IX S. 837 u. f.) längft: vonbereitet wer, 
konnte fi zutragen, was die Geſchichtſchreiber berichten, naß wer 
letzte ver Khalifen ſchon 2 Monat hindurch in Bagyab: vom Dem 
Mongolen» Heere Hulagu Khans belagert war, ohne Daß er Kuna 
davon erhalten hatte, worauf fein eigner Sturz, ber Untergangber 
Khalifenherrichuft und die Verwandlung Bagdads, der reichſten 
Stadt der Welt, 53) in eine Ruine und in einen Aſchenhaufen um» 
vermeinlich war. Zwar. wurde nach dem Brande vie Wiederherſtel⸗ 
lung *) ver Stabt von dem Zerflörer feinem Weſire geboten, aber 





2) 3: Sammer — Ye PER Me 
‚ 4) Dr e ) 
F. I. Abth. 2. Rafer, 1834. © m. auers 








Euphratſ.; hiſtor. Ruͤcblick; zur Zeit bes. Khaliſats. 235 


Bälle, Thürme und Thore waren ber Erbe gleich geworben, gegen 
eine Nillion der Bewohner der Stadt und Umgegend niedergemetzelt, 
die Lehranſtalten, an denen Bagdad für die Wiſſenſchaften ſo reich 
geweſen, waren alle vernichtet und der größte Scha ver arabiſchen 
Ziteratur, eine ſeit einem halben Jahrtauſend gefammelte Bibliothek 
von mehr als 100,000 Bänben, ein Raub ber Flammen geworben. 
Ben der Beoblkerung Bagdads aus jener frühen Zelt 
nes hochſten Flors fehlen uns die Berichte, wenn man aber ber 
Gräöhlung trauen darf, daß bei einem Begraͤbniß eines berühmten 
Dextors, Ebn Hanbal, ver zu Bagdad ſtarb, 800,000 der vaflgen 
Männer und 60,000 der Frauen dem Reichenzuge gefolgt fein fol« 
len, fo muß ihre Beodlferung wol ber der größten Städte der Erde 
gleich geweien fein, und zu dieſer flarken Population Hatte fie wähe 
rend eines halben Jahrtaufends Zeit, wo fie das Gentrum des Kha⸗ 
Hfates war. Die Einkünfte-ves ganzen Khalifenzeiches, vie in Bags 
dad zufammenflofien, vom Inbus bis zum Atlas und vom Tajo 
Hi zum Nilfirom, Häuften ımermeßliche Schäpe auf; Harun hl 
Raſchids Einkünfte wurden jährlich auf 7500 Gentner Goldes 
angegeben. Bei einer ver letzten Prachtauvienzen, 5°) welche ver Kha⸗ 
Bf Moktapir einem Geſandten des byzantiniſchen Kaiſers in ſei⸗ 
nem Ballafte gab, figurirten 700 Kämmerer mit goldenen Gürteln, 
weiße und 3000 ſchwarze Eunuchen, ein Heer von 16,000 
war in Parade anfgefledt; 38,000 Tücher und Gtoffe, dar⸗ 
12,500 mit Bold durchwirkt, bedeckten die Wände, 40,000 Tas 
veten den Boden des Pallaſtes, 100 Lowen mit ihren Wächtern 
handen vor vefien Thoren. Den Thron beichattete ber berühmte 
Bann mit 18 goldenen und filbernen Aeſten, mit goldenen und fils 
bernen Singobtgeln, eine Nachahmung ver Platane des Xerxes (He⸗ 
sedot VE. 31), ein Seitenſtück zu dem golvenen Baume, ver im 
Beutaygegion, dem Ballafte des byzantiniſchen Kaiſers Theophilos, 
eb. Dies iſt Hier hinreichend, an vie Gewerbe, an vie Induſtrie 
an den Handel, an den Luxus, an bie Verbindungen mit den ent⸗ 
fenteften Ländern der Erbe zu erinnern, die fich bier zufammen fan⸗ 
wer, fo wie an die Geſandtſchaften aus allen Königreichen, Volkern 
zu Rationen der bekannten Erbe. - 
"De Hauptſtraßen von Bagdav 5%) führten nach Abulfea " 
ven ver Stadt nach Kufa, gegen SD., in 4 Tagereiſen; nad 





5%) Dr. Ix. Rehm a. a. O. S. 82. 5°) Abulfedae Descr. Iradı 
b. Wüstenfeld p 7, | 





236 Wep-Afien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5 31. 


Holwan, gegen N.D., in 6 Tagerelfen; nach Tekrit, gegen N. W., 
3 4 Tagereiſen. Rah Wafet, gegen S. O., find 373 geographiſche 
ellen. 

Edrifi gibt die Stationen ber. drei befußtehen Haupts 
eouten an, ‚welche von Bagdad im XI. Jahrh. gegen N.W. 
durch Mefopotamien bis Macca (Nicephorium) am Cuphrat, 
dem damaligen Sauptfammelplag der Rarawanen und bem 
großen Emporium gingen, auf der großen Verbindungeſtraß⸗ 
gegen. Welt mit Syrien und. ‚ganz Vorderaſien. Es find zwei 
Routen am Eupbrat entlang, won. denen: aber. Die zweite, vie 
kürzere, bie und da deſſen Ufer verläßt und bie Mitte des meſopo⸗ 
tamifchen Binnenlandes durchſchneidet; die dritte geht am Tigris 
aufwärts. Ihre Aufzählung mache Hier den Beichluß. unferes hi⸗ 
ſtoriſchen Rückblicks auf bieſes Länvergebiet, zur Vergleichung mit 
den Straßenzügen ver jüngern Jahrhunderte. 

1) Die Euphratroute von Bagdad nach Racca, 67) 
415 Tage reiſen. Sie gebt über Seldjin nach Ambar am Ans 
fang des Ifacanals, wo er vom Cuphrat abzweigt (ſ. ob. ©. 145). 
Ambar ift eine Eleine, aber. bevölferte Stabt mit Märkten, Fabriken 
und von Obfigärten umgeben. Bon Ambar nach Zab find 21 
Min, eine blühende Stat, umgeben von Dörfern und- Obſtgaͤrten 

(die und. nicht weiter befannt if), 
| Bon. Zab nah Hit 36 Mill, die bekannie 38 Wr Herobob 
mit ihren Naphtabrunnen (ſ. oben 8 143), zu Eorifi'e; Zeit ichs, 
ſtark befeſtigi und bevölfert, an ber Weſtſeite des Cuphrat gelsgen, 
dem Tekrit an der Weſtſeite des Tigris entſprechend. 

Bon Hit nah. Nawſ ia (Naufa bei D’Anvide) 21 Mil, eine 
Eleine gut bevölferte Stabt, auf einer Infel des Buntes gelegen, 
von reichen Obftgärten umgeben. 

Bon Nawfia nah Rafa (Dafa. ‚oder Vaſa, der late, Git), 
in einigem Abſtande vom. Euphrat, 21 Mil.. ‚Bon Nafa nach 
Anat, wol dad, alte Hena des Jeſaia⸗ 37, 43; zu Eorifi's Zeit 
eine. kleine Stadt, vom Euphrat umfloffen, it Marft und Kabriten; 
auch noch heute eine ber Hauptfaramanen » Stationen am. Euphrat 
Bon da nah Dalia 21 Mill. eine kleine Stadt am Weltufer des 
Euphrat. Nah Rahabe Malek ben Taouk 30 Mif., eine 
blühende Stadt am Oftufer des Euphrat, mit einer Erdmauer um 
geben, mit Märkten und Bauwerken. Nach oe ur habores. 


..) Bdrisi Geogr. b. Jaubert, Vol. II. p. 146, 








Euphratſ.; hiſtor. Ruͤcblick; zur Zeit des Khalifuts. 237 


Das alte Gircefium), den Windungen des Muffes folgend, 2' Va⸗ 
gereifen; es iſt eine Heine ſehr angenehme Stadt, am Cuphratufer 
gelegen, wit Obfigärten. Nah: Khabuca over Kchal uea (Calluca 
dei D’Anvile) 2 Tagereiſen; eine: kleine Stadt mit ſtark befnchten 
Markten und vielem Verkehr. Endlich nah Racca 2 Tagereiſen. 

2) Die fürgere Mittelroute durch Wüſtenſtriche und 
am Euphrat entlang. 88 find nur etwa 10 Tagereifen, fagt 
Eprifi 55) (over 372 Mil., wenn man die Diſtanz von Bagdad 
nach Nawſia zu 86 Mill. anſetzt). Man geht über Nawſſia, ver 
läßt Gier den Cuphrat und zieht oſtwärts von ihm Durch. nie Wuſte 
nach Rafa, 21 Mil; dann nah Adjima 18 Mill.; nach Toben 
mie durch vie Wähle 36 Mill. Daun nah Doraki 18 Mul, nad 
el Fardha, ein Waarenlager, 18 Mil; nad dem Wadi'l Gehe, 
d. i Das Lömenthal, ein trocknes Flußbett, das D’Anville dein 
Datca bei Zenophon vergleicht, 15 Mil. Don da zum Canal: beni 
Dioumap 15. Mill. und dann zu ben Bergen von Kerkiſie 
Girceſium) 33 MIN; endlich nah Racca 24 Mill. 

3) Die Zigrisronte nah Racca über Roful 60) 
Ban begibt ſich zuerſt nach Tharthar, eine Dependenz von Te⸗ 
krit (Tharthar iſt der von AL Hadhr gegen Süd ziehende Fluß, 
wenach wahrſcheinlich der ſũdlichſte Diſtrict am Salzſee von Aſhlik, 
st ob. S. 218, genannt iſt); dann nad Okbara, eine kleine Stadt 
am Oſtufer des Tigris, 15 Mill.; dann nach Badjeſa 9 Mill. 
dann nach Kadeſia 21 Mill., wo vie Glashütte. Von da nach 
Sermen raa 9 Mill., das in Ruinen liegt. Nah. Halitha, eis 
nem großen Orte, 18 Mil; na) Senn (Come) 15 Mil, sine 
Eleine von flarlen Mauern umgebene Stadt, wo ver Eleine Zab fich 
zum Tigris einmünbet. Bon Tefrit liegt diefe Senn 40 Mil. fern. 
— Ben Senn fegt man über ven Eleinen Zab zu deſſen Weſtufer, 
an welchem einen Pfeilfhuß von ver Mündung zum Tigris Me⸗ 
dinet el Bewareh, 12 Mid. fern, erbaut ifl. Sie iſt von Die 
Je, ver Infel, d. von Mefopotamien, abhängig und von Modhar. 
Ben Senn nah Sadith find 36 Mil. Dies if eine blühende 
Siadt, am Dftufer des Tigris und des Zufammenfluffes des großen 
Zab mit ihm erbaut, 10MIN. fern vom Berge Barama (oder Ea- 
ma lat. Edit), und nicht fern von viefem liegt die Stadt Djei⸗ 
Inn (Aloni, Shilon 5. D'Anville), eine nette befefligte Stabt. Beibe 
Zebt find große Blüffe, fagt Edriſi, die, wenn fie vereint flöffen, 





%2) Rärisi L. c. VoL IL. p. 118.  °®) ebend. IL. p. 146. 











238 WeflsAfien. TEIL Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.31, 


die halbe Grbße de? Aigris übertseffen wärken. Von Sadith 
nach Beni Tamian find 14 und nach Tekrit 21 MU. 

Wer von Tekrit nach Moful will, kann in 2 Heinen Tagerei⸗ 
few. (offenbar zu wenig, bean heut zu Tage CU) rechnet man vom 
Moful nah Tekrit 6 Tagereiſen, auf dem ‚rechten Tigridufer ent⸗ 
lang) dahin kommen; aber von Tekrit nach Racca find durch 
dad Gebiet von Diar Nabia (d. i. das obere Meſopotamien am 
Aigris und Khabur) 61) 9 Lagereifen. 

NMacca, das alte Callinicum oder Nicephorium der Mactdo- 
nier, hatte im VI. Jahrhundert unter dem Namen Kallbızor 
durch Kaiſer Juſtinians Bauten 02) eine neue Sicherheit gewonnen, 
und wer durch ‚feine güuflige Lage für ben Karawanenverkehr ums 
ter van Khaliſen zu einem großen Emporium aufgehläht. Der 
Mame Gallinicum wurde bei ben Juden in Chalne umgewandelt 
unb auf eine ältere Stadt Aſſurs gebentet, wie wie aus Benjamin 
won Audela erfahren; der Name Nicephorium war in Anikos wer 
Rümmelt, wie uns Earifi 69) fage Desfelbe jagt aber auch, daß 
fe Ratte und Raſeka bei den Syrern heiße, welches eigentlich 
2 Stänte waren, bie füch fcheinbar berührten, aber doch wirklich von 
einander noch durch Intervalle getsennt blichen, deren jene aber ihre 
oguen Gebäude, große Mofcheen, zugehörige Dorfichaften und Le 
kerfluß an Waſſern beige Rakka lag an der Oſtſeite des Cu⸗ 
phrat und wer nach Eprifi zu feiner Zelt eine hübſche Stadt, mit 
seichen Sinwohnern, guten Bazaren, vielen Fabrilanten und Kaufe 
leuten und vie Hauptſtadt des Landes Modhar (Dejar Modhar), 
Damals ein Hauptemporism des Karawanenverkehrs, von wo wie⸗ 
der 2 Routen nach Aleppo und andere anderdwohin führten. Bon 
Rakka waren 3 Tagereiſen für Karawanen nach Harran, eben fo 
viele von da nah Ray al Ain und 4 nah Nifibin. Nach 
Abulfeda, 6) ein paar hundert Jahre fpäter, fcheint der Name 
ihrer Vorſtadt or Rafeka (i.e. adjutrix) auf Rakka felbft über 
‚gegangen zu fein, nie auch ol Beidhao (die Weiße) genannt war, 
aber zu feiner Zeit ſchon wieder in Ruinen Ing. Als Aufenthalts⸗ 
art des großen ſabiſchen Aſtronomen AL Bat heni (Aibategnius 


see) J. Cl, Rich Narrat. etc. Vol. I. p. 123. *ı) Edrisi Geogr. 
b, Jaubert, Vol. IL p. 151. °2) Procopius de aedific. Justin, 
Libr. II. 7. p.230. Ed. Dindorf. Bonn. 1838. 8. Opp. III. 

°2) Kdrisi Geogr. b. Jaubert, Vol. II. p.1$6, 155. **) Abulfeda 
ed. Reiske; Bälching Hi. M. IV. S. 240. 





— 5 





Euphratſoſtem; hiſtor. Ruͤckblick; im Mittelalter. 239 


Arecienſia der Abendlaͤuder), 85) ver dort feine aſtronomiſchen Beab- 
achtungen machte, was dab Jahr 912 u, Sfr. Geb. (800 d. vw) 
iR fe Bierasifch berügmt. | 


2. | 
Hiftorifcher Rüdblid auf die Stromgebiete des Euphrat 
und Zigrie. (Fortfegung). ' | 


IV. Bolkszuſtaͤnde in den Erphrat⸗ und Zigris« 
gandfhaften im XIL bis XIV. Jahrhundert nad 
jüdiſchen, chriſtlichen und mohamedaniſchen Au: 
genzougen: Rabbi Benjamin von Tudela (1178), 

Merce Polo von Benedig (1300) und Era \ 
Bu Batuta ans ‚Zanger (1346). | 


= gu — wit —RE Shape iiteriſcher Bengali von 
einer fo eigenthümlichen Landednatur der beſprochenen Gtromfofteme 
und Gtufenländer und Ihrem Einfluffe auf wen Entwidinuwgsgang 
ver Menſchengeſchichte durch die Weltftelung gehört, außer ver 
Kenumig des Landes, auch Die des Volkes, welches vaffelbe be 


Anchet. Dein Kriege, Herrſchaften und Gewaltthaten aller Art 





ofen is den verſchiedenen auf rinander folgenven Jahrhunderten faR 
anqleßlich und zur Genuͤge aus ven Geſchichten hervor, dagegen 
werben im den weitläuftigen Annalen immer mus ganz nebenbei 
ſeiche Thatſachen mit eingefizeut und nur felten einmal folche Ur⸗ 
elle won Zeitgenoſſen und Berichterftattern gefällt, welche über vie 
Defbäuise der Bewohner und ihrer Heimath felbft ein wünſchens⸗ 
wertbes Licht verbreiteten. Wir haben im Obigen e8 verfucht, aus 
dem weitläuftigen Material der vergangenen Seiten ſolche Lichtftreis 
ku auf gewiſſe Localliäten zu concentriren, um beren Verhältniffe 
WER daderch zur lebendigeren Anfchauung zu erheben Bei dem 
ek völligen Mangel: befierex Ueberlieferungen müffen wir und zur 

ung. ver -Bellsucchättniffe jener Zeiten damit beank« 
wa, die Mitteilungen einiger freilich ſehr Gefangenen Augenzeugen 
werigften® nicht zu überfehen, vie jedoch, von ſehr verſchiedenen Ge⸗ 
Iatöyuncen ausgehend, in den mittleren Jahrhunderten, jene Land⸗ 
Naafteis auit Apellnnhun burdgwanbezten und bie einzigen fein moͤch⸗ 


*5) Herbelot Bibl or. s. v. Batan, 














240 Wels Afen: TE Abegeilung. LAbſchuitt. g. 32. 


ten, die oine Vorſtellnug von ben damaligen. Zuſtänden vet VDevbl⸗ 
kerung ber verſchledenen Gonfefftonen: zu erwecken im Stande find. 
Der eine, der fpanifche Rabbiner Benjamin. von: Tudela, der 
im Jahr 1173 von feinen weiten Wanderungen 66) in feine Helmath 
zurüdfehrte, führt und unter die Damald im Cuphratlande mitunter 
noch fehr zahlreichen Gemeinden jübifcher Blaubendgenofjen 
ein. Wenn auch bie Kritik an ſeinen Bahlangaben, wie dies überall 
bei Volkerzaͤhlungen im Orient der Fall iſt (obwol Budingham 97) 
in denſelben Euphratgegenven, bie er kürzlich bereifete, heut zu Rage, 
meift noch mehr fürifche- BDewohner, als einf R. Benjamin, ange 
teoffen zu haben / verſichert)/ wie am ſeinen Legenden gar : —** zu 
beriöhtigen haben wurde, ſofern fte::felbft einen: richtigen Maaßſtab, 
von dem fie ausgehen; konnte, befüße,. ſo kaun es doch ——** 
len Localangahen, die derſelhe auf * Ip. dgmtbärgaliche Meife, 
boch meift in Uebereinfliupug. mit hen Angaben anderer * 
liſcher Autoren anführt,. wie mit en be und Trabitiouen, 
wie. noch bis Heute in dem Cuphratlaude fertleben und beßaͤtigt find, 
keinem Zweifel mehr unterworfen fein, daß er nicht felbft in Per» 
fon wenigfiens gewiſſe helle bis Bagdad auf feinen Kreuz⸗ und 
Duerwegen als Handelömann, ber ‚aber zugleich hie Eynago- 
gen, Schulen und Gemeinden, feiner Glaubensgenoſſen eifrigft 
kennen zu lernen heinuht mar, durchwanderte, wenn er ſchon im fein. 
Tagebuch auch gar: Manches uur.. nach. Hörenfagen mit; aufnahm. 
Nicht anders wird es mit Marco; Poko, dem Venetianer, ver Fall 
fein, Der :auf:. feiner Hin⸗ und Rüdreife nad. China, Indien un 
Berfien nur menige. einzelne Localitäten ned Cuphratlandes berührte 
und vorzüglich in Beziehung ‘auf feine Glaubensgennffen: von dig 
fen in feiner Heimath um das Jahr: 1300 Bericht gab... Eh B.a=- 
tuta, der tingitanifche moßlemifche Schriftgelebrte, welcher auf. fei- 
ner orientalifchen Neife im Jahre 1346 Damaskus verließ, um nach 
Bagdad und weiter zu geben, ignorirt faft ganz die jüdiſche und 
chriſtliche Bevdlkerung jener Lanpfchaften, führt und dagegen nur 
in die Lebendverhaͤltniſſe feiner Glaubensgenoſſen, der Mohameda⸗ 
ner, ein, zu ihren Secten, Doctoren und Gegen, | in. u Roſcheen 
zu den Gräbern ihrer Bhesiien: 
“e®) The Itineräry of Rabbi Benfanin of Tudela. Trimlat, "and 


edit. by A. Asher. Lond. .Beriin 18. 8. VoLI:.p 8 - 
1) J. 8. Buckingham Trar. in esopotamia. Lond.1823, 4, p. 504. 








Euphratſ.; hiſtor. Xucbl.; n,R. Benjamin (1170). 241 


1) Die jünifche Bevdlkerung nah Rabbi Benjamin von 
Zudela (1170n.66r.®.) und die verloren gegangenen | 
X. Stämme Israeld. 


Der RabbL Benjamin aus Tudela In Spanien kommt über 
Paläfiina und Syrien, nachdem er Damask, Thadmot (Paimyra), 
Bamah befucht Hat, auch an den Lauf des Euphtat, wo er zuerſt 
Bales, ©) d. i. das heutige Beles (f. oben S. 10) nenitt, eine 
Gtadt, In der er 10 jũdiſche Einwohner antraf. Er ift ſchnell bes 
reit, wegen eines alten Thurmd, ver bort einem Bileam ben Beor 
a8 Erbauer zugejchrieben wurde, höchſt willkũhrlich den Ort ſelbſt 
mit dem Namen Pethor in Bileams Geſchichte (4.8. Mofe 22, 5) 

zu belegen, obgleich diefer Ort in Moab und nicht am Euphrat lag. 
Seide uncritifche Vergleiche, die durch daB Legendenweſen veranlaßt 
werden, find allerdings bei Juben wie bei Mohamebanern und Chri⸗ 
Ren im Orient nur allzuberfömmli, und können deshalb bie That⸗ 
ſachen ſelbſt an ſich nicht in Zweifel ziehen. 

Eine Halbe Tagereiſe abwärts am Euphrat kam Ben jamin 
um Ralat Jaber, dem Gaftel, mit ver damals fehr gewöhnlichen 
Ueberfahrt, das vordem Im Beil der Araber geweien war, wie Benj. 
fat, ehe die Zurfflännme (Thogarmin) dort einflelen und bie 
Iraber in ihre Wüſten zurüdwarfen. Er fand hier 2000 Juden 
mit 3 Rabbinen ald Vorſtehern. Es war dies, wie wir aus Abul⸗ 
fa’s 09) und Deguignes Geſchichte der Seldjukiden von Alep⸗ 
yo ”) wiſſen, ein Uferſchloß am Euphrat, das einem arabiſchen 
Gäuptlinge, Sabekeddin Jaber, gehoͤrt hatte, von dem es feinen 
Ramen erhalten. Dieſer war aber mit feinen beiden Söhnen, welche 
dert mit ihren Raubliberfällen die ganze Gegend in Schrecken ge= 
fat Hatten, durch den Malekſchah ver Selvjufen im Sabre 1087, 
rauß verjagt worden. Nur der unzugängliche Keld, auf dem bie 
Sarg lag, kann Benjamin verleitet haben, ihr den Namen Sela 
Igulegen, womit Petra im peträifchen Arabien gemeint war. Nur 
ine Tagereife weiter abwärts führte ihn nach Rakka (Nisephorium, 
86. ©. 14), die er eine Grenzſtadt Meſopotamiens, zwiſchen bies 
ſen Lande und dem Reiche der Thogarmin, d. i. zwifchen dem Kha⸗ 
Üeie unb dem Staate der Selvjufen- Türken, von Aleppo, nennt. 





*) Benjamin Itiner. L c. Vol. I. pag. 88 et Vol. Il. not. 235, 
*%) Atyalfedae Tabula VII. Mesopo tamia ed. Reiske bei Büfcying, 


. IV. 6.240. de 6, Geſchichte der Huunen 
= * ic., überf. v. Daͤhnert —— —— en. 11. &.837, 


Aitter Grotunde X. D 





242 WeftsAften. TIL. Abtheilung. 1. Abſchnitt. $. 32. 


Dies war ganz richtig, ob fie aber vie Ehre verbiente, die ihr Rabbi 
Benjamin erweift, indem er fie mit vem Namen ver uralten Chalne 
in der Gefchichte Moſe belegte, Ift eine andere Frage. Denn Chalne 
wird im 1. Buch Mofe 10, 10 im Reiche Nimrops, des gewaltigen 
Jägers, nebft Babel, Erech und Acad unter den vier älteften An⸗ 
lagen im Lande Sinear (vielleicht identiſch mit Calno bei Ie- 
ſaias 10,9) erwähnt, und vom Kirchenvater Bleronymus ſchon, wie 
nach den übereinſtimmenden Meinungen der neuern Commentatoren, 
viel weiter nach dem Süden, in die Gegend von Cteſiphon verlegt?!) 
Ob mit größerem Rechte, bleibt zweifelhaft ; wahrfcheinlich iſt es ber 
römiſche, aber verſtümmelte Name Callinicum, den das alte Nice⸗ 
phorium trug, und die damalige Bedeutung dieſer Handelsſtadt, welche 
ven R. Benjamin zu jener Deutung des moſaiſchen Namens ver⸗ 
leitete (f. ob. ©. 138). Die Entfernung der Tagereiſe vom Kalat 
Jaber over Kala Jiaber nach Racca, welche er zurüdlegte, be 
trägt wirklich 8 Stunden Weges. 72) Er fand Hier 700 jüdiſche 
Einwohner mit ihren Habbinen und eine Synagoge, deren Stiftung 
dem Esra auf feinem Durchzuge von Babel (Buch Esra 7,1) nach 
Serufalem zugefchrieben wurde. Es wär dies bekanntlich die zweite 
große Karawane der Rückkehr des Volles Israel aus der 
babyloniſchen Gefangenfchaft unter Esras Leitung, welche in pas 
Jahr 458 vor Ehr. G. fällt, und die Gründung einer ſolchen Schule 
für die vielen im Lande der neuen Heimath zurücbleibenden Juden 
ſehr Teicht möglich. Denn eben Hier beginnt Affyria, das Land 
zwifchen Euphrat und Tigris, wohin das Volt Israel durch König 
Salmanaffar im I. 720 vor Chr. Geb. (2. Buch ver Könige 
47, 6; 18, 11) zuerft in die Gefangenfchaft geführt warb, wodurch 
bie erſte flarfe Verbreitung einer jüdifchen Bevölkerung in das Stu⸗ 
"fenland des Cuphratſyſtems veranlaßt wurde. | 

Rakka war, wie wir oben aus Edriſi's Wegrouten geſehen 
haben, damals eines der großen Emporien zwiſchen Bagdad und 
Syrien, auf dem Wege nach Aegypten und zum Mittelmeere, und 
von bier fegte der Rabbi Benjamin, wol ven Hanvelögefchäften fol 
gend, feinen Weg auf der Haupt⸗Karawanenſtraße gegen ven Nor⸗ 
den quer durch Mefopotamien, über Charan, Niffbis, Jezireh Den 


71) pofenmäller Sandh. der bibl. Alterthumskunde, Bo. 1. TH.2. 
&.37 und Note. 72) G. Long, Reports on the navigation of 
the oyuphrates im Journ. of the Roy. G. Soc. of Lond. Vol. IL. 


P- 


—— 


Euphratſ.; hiſtor. Rüdbl; n. R. Benjamin (1170). 243 


Dar nach Moful, dem zweiten großen Emporium jener Zeit, auf 
ver Rordfiraße am Tigris gegen Klein- Aflen fort. 

Eine Tagereiſe von Rakka brachte ihn nach dem alten Cha⸗ 
zan, 73) wo er 20 jübiiche Einwohner fand, eine Synagoge, von 
Era erbaut, und vie Erinnerung an die Stätte, wo einft des Pa⸗ 
triarchen Abraham Hütte geſtanden, fo gefelert, bag Niemand ge 


Aattet war, daſelbſt ein Haus zu errichten, und die Mohamebaner 


ſelbſt auf verjelben ihr Gebet verrichteten.. Eharan ober das mo⸗ 
ſaiſche Haran (Carrae ver Griechen und Nömer) bat feinen Na⸗ 
men durch alle Zeiten behalten; feine Lage ift daher Keinem Zweifel 
unterwerfen, ?*) und allen Religionsverwandten die Stätte der Ver⸗ 
heihnng Abrahams, von wo er in das Land Kanaans zog, ehr⸗ 
würdig geblieben. Von Ur (Ur Gasbim, d. i. Ur ver Chaldaͤer, vie 
im alten Teſtamente Casſdim heißen), im Norden von Hatra (f. ob, 
6.159), dem heutigen Urfa (Orfa), vem Geburtsorte Abrahams, 
aus Ehalväa mit Haus und Heerden ziehend, farb Abrahams Vater 
Xharah, 205 Jahre alt, zu Eharan over Haran (1. B. Mof. 
11, 31). Don da, dem Theilungsorte großer Wegftzaßen, zog auch 
Abra ham fpäter nah Kanaan Hin. Der Ort wird unter ven 
Gtösten genannt, bie von ven aſſyriſchen Königeh erobert wurden 
(1.Rön. 19, 12; Jeſaias 37, 12); er trieb zu des Propheten Eze- 
Gel Zeit Handel mit Tyrus (Ezech. 27, 23). Den Römern wurbe 
We Stadt als eine macedonifche Colonie (Kadpaı, Diod. 19, 
91, Dio Cass. 37, 5) fehr befannt, mo ein Tempel der Anaitis war, 
we Bompeius feine Befapung hielt, aber Craſſus von ven Barthern 
geſchlagen feinen Untergang fand (Strab. XVI. 748). Bon vem- 
füben Karrä over Carrhae aus (f. ob. S. 138) begann Jovian ſei⸗ 
um Feldzug gegen Gteflphon. Er iſt alfo immer fehr beſucht ges 
weien, wozu feine Lage ihn eignete, und als Grenzſtadt des grie⸗ 
dicgbyzantinifchen Reichs baute Katfer Juſtinian feine Stabtmauern 
vom werem auf. 7) Edriſi, der kurz vor Rabbi Benjamin feine 
Gesgrapbie aufzeicnete, nennt Haran (Garran bei Edriſi) eine 
Surptflabt der Sabier (Anbeter ver Geſtirne), die daſelbſt 76) einen 
Gägel mit einem Bethaufe beſaßen, das fie hoch verehrten, weil fie 
daſſelbe dem Patriarchen Abraham zufchrieben. Das Land ſei fehr 
ober, Doc Waſſer und Bäume ſparſam; hohe Berge umgeben ven 





19) Benjamin, Itinerar. 1. c. p.80._ ?*) Mannert, Geogr. d. Gr. 


= Röm. V. 2> ©. 282. 76) Procopius de aedificiis Ju- 
stin. et II. 7. pag.230. Ed. Dindorf. Bonnae 1838. 8. Pro- 
cop. Opp. Vol. I. 


70) Kdrisi b. Jaubert, Vol. Il. p. 158. 
O 


2 














244 :MBeft-Mtien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 32. 


Ort, der ſelbſt in einer Ebene gelegen ift, die ſich 2 Tagereifen aus⸗ 
dehnt, mit mehreren: Dorffehaften, vie von der Hauptſtadt abhängig 
find. Daſſelbe wienerholt auch Abulfeva, 77) ver die Landſchaft 
Diar Modh ar (dad norpweftliche Meſopotamien) nennt, der ſchon 
ven Ebn Haufal als feinen Gewährsmann für nad Heiligthum 
der Sabier anführt, bei dem 17 Wächter angeftellt fein follten. 
Es iſt auffallend, saß ver Jude Benjamin viefes Heiligthum ver 
Sabier nicht erwähnt hat; zu Abulfeda's Zeit lag dort Alles in 
Muinen. Leider iſt der Ort in neuerer Zeit von Eeinem Beobachter be⸗ 
fucht worden; Niebuhr, 73) der ihn 2 Tagereifen in S. S. Oſt von 
Drfa (Evefin) angibt, kam vielleicht an. einem feiner -Brunhen vor- 
über und nennt ihn einen Eleinen Ort; Budingham 79) will auf 
dem Wege von Dre nach Marvin, in einer Kerne von. 6 Stunben 
Wegs gegen. S. S. W., die Ihürme von Haran erkannt haben, ob⸗ 
wol, wie er felbft fagt, biefer Ort in Ruinen liegt. Nah Aink- 
worth ®%) iſt Haran von Orfa direct nur 8 Stunden oder 20 
engl. Miles entfernt. Kinneir 3) jagt, von Haran ſei nicht wiel 
mehr zu fehen übrig. 2 

:.- Meber einen Ort, deſſen Name im Texte von Benjamins Iti⸗ 
serar lüsfenhaft: geblieben, wahrfcheinlih -Nas ol Ain b. Edrifl 
RafoYining ober Refaing, i. e..caput .fontis, (b. Abulfeda), 32) 
geht er zu den Quellen des. el Khabur (Chaboras), und von 
da in zwei Zagmärfchen zur großen Stadt Niſibin, 83) wo ex 
1000 Juden vorfindet, Die Quelle des Khabur .ift durch viele 
Route genau genug bezeichnet, und man kann darunter alſo nicht, wie 
e8 eine. Gloſſe im Text eingefchoben zu haben fcheint, einen andern 
Fluß veffelben Namens verflchen, ‚ver fo weit entfernt von hier in 
Mevien zum KRaspifchen See fließt, und als Kifil Ofen bekannt ifl. 
Mir haben früher, (Erdk. VI. ©. 590) ſchon vie Hypotheſe Bo⸗ 
hart, ber Rennell und Rofenmäüller gefolgt fin, berührt, 
nad) welcher vie Stelle über die Verpflanzung ver Gefangenen Seraels 
dur Salmanafjar, im Jahr 720 vor Chr. Geh., an ven Goſan⸗ 
Fluß nah Alfgrien, nit an dieſen Khabur in Mefopotamien, 


*'7) Abulfeda Tabula. VII. Mesopot. ed. Reiske. b. Bäfching hiſt. 
. IV. S. 240. 72) Niebuhr Reife. I. ©. 2400. *2) 1. 8. 
Buckingham Travels in Mesopotamia. Lond. 4. 1827. p. 133. 
20) W. Ainsworth Researches. p. 153." 21) J. J. M Kin- 
'neier Journ. through Asia minor etc. Lond. 1818. p. 431. 
**) Ebend. S. 241; Edrisi b. Jaubert I. p. 155. **) Benja- 
"min Itinerar 1. c. p. 90. 


* 








Eupbratf.; hiſtor. rRuͤckbl.) n. R. Benjamin(1170). 245 


ſondern an. ven Kiſil Ofen in Medien verlegt wird, ber wegen des 
dafigen Ortes Abhor für einen zweiten Fluß von Khabur gehalten, 
und, als jolcher, mit dem Namen Bozan von ven Gommentatoren 
belegt worben if. Wir haben daſelbſt auch aus Benjamins Be⸗ 
richt von den Jubencolonien in ven Gozanbergen, unter einem eige⸗ 
nen Leviten Könige, Alles angeführt, was ſich aus fpäterer Zeit zur 
Unterſtũtzung jener Hypotheſe fagen ließ; ebenfo, was für die Ver⸗ 
legung eines Theils dieſer Eolonie nach ven Grenzgebieten ver alten 
ajfgrifchen und mebifchen Reiche in vie Gegend von Holwan (f. Erdk. 
IX ©. 470 u. fj.) gefagt If. Da nun auch ganz neuerlich durch 
Dr. Srastd Reife an vemjenigen Khabur⸗Fluſſe dieſes Namens, 
einem dritten verſchiedenen, ven wir fchon früher bei der Stabt Amas 
Ya (f. Erdk. IX. ©. 713, 716) Eennen lernten, nach dem Alpen⸗ 
ſtaate der unabhängigen Neſtorianiſchen Chriften in Diula- 
mert (ebend. ©. 670 u, 1029) vie Behauptung aufgeftellt worden 
iR, im feinen Hochgebirgäthälern die wahren Sitze der zehn 
verlornen Stämme Israels, eben In dieſem Neftortaner- 
volke, wieder aufgefunden zu Haben,*®) fo wird e8 hier am rechten 
Orte fein, am eigentlichen mefopotamifhen Khabur-Strome, 
vdem wahren Waffer Bofan der Gefangenschaft, hierüber pas 
Rithige zu bemerken, zumal da in ber ganzen folgenden Wanderung 
des Rabbi Benjamin durch die Ortichaften des Cuphratlandes fort- 
während der dortigen ftarfen jüdiſchen Population: als 
ver Nachkommenſchaft der Zeiten des Exils ermähnt wird. 
Bir brauchen Hierin nur mit wenigen Zufägen ven Nefultaten zu 
fügen, die wir einer neueften critifchegelehrten Unterfuchung dieſes 
Grgenftandeß durch unfern verehrten Freund E. Robinfon in 
ſeiner Recenfion ver Graniſchen Hypotheſe verdanken. 85) 


*., Monatsberichte über bie Beronungen nee Be ie eat: 
funde zu Berlin. Jahrg. 1. 1841. S. 1 
storians by E. Robinson review on tlıe Nestorians, fr he ont 
tribes; eontaining evidence of their identity etc. by Asalıel 
Grant M. D. New York. 1541. 














246 Weſt-Aſien. TIL. Abtheilung. I. Abſchnitt. $, 32. 


Anmerfung. Weber die jüdiſche Population im @uphratlande 
aus ben Zeiten des Erils, und uber die vopotheſe von 
den verlornen zehn Stämmen Jéeraels. 


Die wunderbare Zerfirenung der Inden über die ganze Erde na der 
völligen Zerförung Iernfalems, verbunden mit ihrer Abführung in bie 
babylonifche Gefangenfhaft, lange Jahrhunderte vor derfelben, hat von 
jeher reichlihe Nahrung zur Wiederaufſuchung der in die Befangenfchaft 
gerathenen zehn Stämme, von deren vollftändiger Rückkehr in die Heimat 
freilich teine ansbrädliche Rechenfchaft gegeben wird, veranlaßt. Mau hat 
Diele für verloren gehaltuen zehn Stämme Israels in ven flars 
fen Rachlommenfchaften jünifcher Gemeinden im ſüdlichen Arabien 
(R. Benj. Itin. L ic. I. p. 112), over Indien, nämlih in Malabar, 
auch in China, Turkeſtau und Kaſhmir (ſ. Erdk. Th. III. 5.1185 und 


Th. V. S. 598) wieder zu finden geglaubt, wo zumal EL Buchanan, 


die ſchwarzen von ben weißen Inden unterfcheidend, jene als eine 
viel ältere Verzweigung glaubte nachweifen zu Eönnen. Eine andere, fehr 
allgemein verbreitete Meinung war es in Oftafien, dag in Afghaniſtan 
fehr viele der zehn verloren Stämme Jsraels angefiebelt feien, und bie 
Afghanen find ſelbſt der Anflcht, fich ebenfalls von dem Königshanfe 
Sauls, nnd von dem Bolfe Israel herleiten zu müflen (Erdk. Th. VII. ' 
©. 189, 204). Andere haben fle in noch entferntern Gegenden, felbft im 
Nordamerika, wieder zu finden geglaubt, während die jüngern Verſuche, 
ihre Nachkommenſchaft noch heute im alten Affyria und in deſſen nädhs 
ſter Nachbarfchaft beifammen wieberzufinden, eben anf die drei genannten 
Localitäten ber dreierlei Ströme hinwelfen, deren Namen Khabur 
uud Goſan iventifichht werben fonnten, von denen fo eben bie Rebe 
war. Nämlich der eine, der Kifil Dfen (von Rennell deshalb Goſan 
genannt), mit ber Gtabt Abhor, und daher mit Khabur iventifichtt, im 
Weſten der mediſchen Stadt Rai, zu der Tobias wanderte (Erdk. VIIL 
©. 67, 595 n. a.), im Lande’ Diebal der Aflaflinen, am Sübufer des 
kaspiſchen Sees, gelegen (f. Erdk. VIII. S. 576—592). Der zweite 
Khabur, der erſt nenerlich unter diefem Namen näher belannt geworbne 
Iufing zum Tigris, am Buß der Zalho-Kette, der fogenannte hſaſe⸗ 
mitifhe Khabur bei Jakuti, **) der ans dem Gebirgsgau von Ama: 
dia (f. Erdf. IX. ©. 713 u. ff), aus dem Lande der freien Neftorianer 


von Dinlamerf, kommen foll, welche Dr. Grant für die wieberanfgefuns 


denen Nachkommen der zehn verlornen zehn Stämme Israels gehalten hat 
(vergl. ©. 88). Der dritte iſt der befanntefle EI Khabur aller ori 





#80) A. Schultens Index geogr. "in vita „Saladini; G. Wahl, Vorder⸗ 
und Mittelaſien. Leipzig 1795. S. 718 





Eupbratf.; hiſtor. Ruͤdbl.; die X. Staͤmme Israels. 247 


entalifchen Antoren, °7) der Zuflub ans Singara, ober dem obern 
Wefopotamien, zum linten Ufer des Wuphrat bei Gircefinm eiumündend, 
den Zenophon Arures (f. ob. ©. 15) nannte. Aber ſchon Strabo nennt 
ihn, zwifchen Tigris und Euphrat gegen Anthemufla (ſ. ob. 5.118) fließend, 
Abfras (’ ABBogdas,d.i.aspirirt Khabır, StraboXVI.748); Plinins 
fennt feine Queſle Khabnra (H. N. XXXIL 22), der er bie Gigen- 
ſchaft vor allen andern Quellen beilegt, daß fie lieblich dufte; Btolemäns 
füreibt ihm Khaboras (6 Xaßugas Piol. V. 18 fol. 142), in Mefe: 
potamien, und gibt fa der Nähe von Nifibis feine Ouellen ganz richtig 
im Mons Masius an, feinen 3ufluß, der ihn verftärfe, nennt er Saocoras, 
welchen andere Mygdonius nennen, von der Landſchaft Mygdonia,**) die 
er durchzieht, die ihren Namen aber erfl von den Macevoniern wegen 
ber Achnlichleit mit der macebontfchen Landſchaft gleiches Namens (f. Plin. 
H. N. VL 16) erhielt, und deshalb feine volksthümlich dauernde Beuen⸗ 
zung werben fonnie. 

Bielleiht ift dieſes derfelbe, ven Strabo auch den Königefluß, den 
Befileios (Strabo XVI. 747) nennt, obwol er ihn nicht näher bezeich⸗ 
net; au Hermas heißt er bei den Orientalen. 22) Es if dies ders 
feibe Fluß, vefien Ufer Ammian ale grünende Gefllve bezeichnet (Aborse 
amnis herbidae ripae, Amm. Marc. XIV. 3,4), den Brocopius einen 
großen Fluß uennt ("ABölgac nogauöc ulyas, Procop. B. Pers. I. 
5), aus deſſen nahe dem Quellgebiete ſtehenden Wäldern Trajan wahes 
ſcheialich feine Tigrisflotte bawen ließ (f. ob. S. 120); derfelbe, auf wel⸗ 
dem wahrſcheinlich audy gezimmerte Schiffe Sovians herabſchwammen, über 
weichen er wenigflens bei Circeſium feine Schiffbrüde baute, um die 
bamalige Grenze des römifchen Reiches zu überfchreiten (f. ob. ©. 130) 
Noch hat Fein neuerer Reiſender dies Stromgebiet in allen feinen Thei⸗ 
len gemaner erforfchen können. Doc wiffen wir wenigflens durch Nies 
buhr °°) und Er. Forbes, 22) daß die Quellen diefes Khabur von 
Orfa (EMeſſa) über Ras el Ain (Gallircho& bei Plin. H. N. V. 26, 
Refaina b. Steph.Byz. und Tab. Peut.) fübwärts ziehend, nahe den 
Bergen von Sindſjar (Sinjar ſ. Erdk. IX.S. 740), dem alten Singara, 
mehrere andere Inflüffe unter verfchiebuen Namen anfnehmen, die von 
Nardin und Nifibin kommen und feine Wafler vermehren; und dies if, 
da wir fpäterhin diefe Berhältniffe genauer nachzuweiſen haben, für jest 
hinreichend, um uns auf biefem ausgebreiteten Länderfiriche, der leines⸗ 


°7).A. Schultens Index geogr. in Vita Saladin. °*) Chr. Cel- 
larias Netit. orb. antiq. Lib. III. 15. p. 735 ed. Lips. 4. 1706, 
9°) Abulfeda Mesopot. ed. Reiske. b. Bülding Hifler. Mag. 
Th. IV. ©. 244. v0) Niebuhr Reife. Th. II. ©. 300. 
. 1) Fr.Forbes Visit to the Sinjer hills 1838, im Journ. of the 
Roy. G. Soc. 1839. Vol. IX. P. 11. p. 423. 














! 


248 Wefl:Afien, II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 32, 


wege, wie es bie leeren Karten vermuihen Iafien Töunten, zu ben abfolu- 
ten Wäfleneien gehört, [bie eiufiigen Aufievelungen Israels denken zu 
koͤnnen. 

Faſſen wir nun die Hauptpuncte, auf bie es hier ankommt, zuſam⸗ 
men. Swelmal mit größter Beſtimmtheit wirb erzaͤhlt, daß im netnten 
Jahre Hofen’s, Könige in Israel, uud im ſechſten Sabre Hiskiah'e, 
Könige in Inda, der König Salmanafjer von Aſſyria die Stadt Sa⸗ 
maria in Palaͤſtina einnahm, unb „führte weg Israel gen Aſſy⸗ 
„eien und feste fie zu Halah und an Habor, am Waſſer Go⸗ 
„san, nud bu die Städte ber Meder” (2 B. d. Könige 17,6 m. 
18, 11). Dies geſchah im Jahr 720 vor Hrifll. Zeitrechnung. Etwa 15 
ober 16 Jahre früher Hatte Tiglat Pileſer zu Afiyrien einen Einfall 
anf die noͤrdlichen und öfllichen Umgebungen bes Sees von Tiberias ges 
macht, und In gleicher Art das Volk von Naphtali, Balilän und Gilead, 
wo Anden und ber halbe Stamm Manafie wohnten, gen Aflyrien geführt, 
„und brachte fie gen Halah, Habor und Hara und ans Waffer 
„Bofan bis anf dieſen Tag” (22.2. Kön.15,29,n. 12. d. Chrom. 
&, 26). Den Flußnamen Habor, ober aspirirt Khabor, erkennt man 
leigt im Chabur (Chaboras, Khabur) wieder;*?) der Ort Halah ober 
Chalah ift wol zunähft **) im Orte Calah (1 B. Mof. 10, 11), 


ober Alnanis (Mlovarks) am Ehaboras liegend, bei Ptolem. zu finden, 
ober in ber mehr fünlichen, doch immer benachbarten Provinz Calachene 


ber Römer und Griechen, wo man ihn fpeciell auf bie weibenreichen Hoͤ⸗ 
ben ‚von Holwan (Salawan, f. Erdk. IX. 464, 470) gebeutet Hat. 
Der Rame Goſan fcheint in dem ver Provinz Bauzanitis (Tavim- 
vl Ptol.V. 18. fol. 142), jebt Kauſchan, welche dieſer Chaboras durch⸗ 
zieht, aufbewahrt zufein, nnd wie Bofan felbft nur die Bedeutung des 
dort zum allen Zeiten einheimifchen Dijefire, oder des Infellandes 
zwiichen ven Flüſſen, gehabt zu haben. Die Trennung bes zuerfl genanns 
fen Halah von dem fpäter genannten Habor fiheint es cher zu beſtaͤ⸗ 
tigen, daß bie beiden Localitäten etwas aus einander gerüdt lagen, als 
dag man fie auf einer dicht zufammen. gebrängten Localität zu bes 
beachten hätte. Da hier alle Localitäten der beiden Hauptſtellen 
fi beifammen finden, bie Benennung Hara, welche nur allein 
in der einen Stelle des Buchs der Chronik, vielleicht als eine Gloſſe, fo 
viel als Bergland beventend, unb zur Erläuterung ber Loralität beigefügt 


#®2) J. Lightfooti Opera omnia ed. Roterod. 1686. fol. Tom. II. 
Hor. Hebr. in Ep- ad Corinth. Addenda ad cap. XIV. c. 3. 
De regionibus sedes decem tribuum, nach thalmudiſch⸗ hebraͤiſchen 
Texten erflärt. ©. 931. **) Mannert, Beogr. d. Gr. und Röm. 
Far 2. 292; Rofenmäller bibl, Arch. 9, n. 10. Hauptſt. 


— 








Eupbratf.; hiſtor. Ruͤckbl.; die X. Stämme Israels. 249 


iR, außer Betracht Tommi, fo wird es wol nicht nöthig fein, ſich zur bins 
reichenden Erklärung derfelben nach andern Localitäten umzuſehen, in be 
nen immer nur theilweis pafiende Benennungen vorlommen. Das eigent⸗ 
liche Affyrien im engern Sinne if alſo ald „das Land des Erils“ 
anzufehen, nebſt ven Städten der Meder (bis nad Sepahan, Erdk. 
IX. ©. 43, Gufa, Rubabbar, Erdk. X. S. 402, Sarnah in Pufhtifuh, 
ebend. ©. 424, und den Haftonbergen bei Holwan, ebend. S. 472, und 
Rai, Erdt. VII. ©. 595, weil dahin bas beſtimmte Datum von Tobi 
Banberung weiſet). In vaffelbe Land bes Crils ging wol (588 v. Chr. 
Geb.) die etwa un 100 Jahre fpätere, dreimal wiederholte, mit Joj a⸗ 
him und Z'edekla vollführte Abführung Juda's zum Lande der 
Ghaldäer in bie babylontfhe Gefangenſchaft durch Nebns 
canmezar (2 B. d. Kön. 24, 14; 25, 11; Jerem. 52, 30), mit welcher 
andy der Prophet Czechiel zog, deſſen Geſichte am Wafler Chebar oder 
Khebar (Geh. X. 15, 22), die ſyriſche Benennung befielben Fluſſes, 
dog wol in derſelben Laundſchaft fich zeigten, ba Fein anderer Fluß 
Died Namens befanut if. Ausdrücklich fagt aber ber Prophet, daß ex 
ale ein Wächter über Israel bei den Befangenen am Sluſſe Che⸗ 
bar wohnte (Ezech. A, 1; 2, 15 m. 17), und alle übrigen Angaben vers 
einen ſich darin, daß bie wiederholten Deportationen, fowol von Serael 
wie von Juda, in diefelben Gegenden Mefopotamiens und ber dor⸗ 
tigen Uferlandfchaften flattfanden. Dagegen brachte der König von Afiys 
rien feine Goloniften, bie er in Samaria anflebelte, aus beufelben Gegen⸗ 
ven, von Babel, Eutha,?*) einer Landſchaft um Babylon, von Has 
matt nm. a. D. (2 B. dv. Kön. 17. 24), weshalb dies ans biefer Dex 
mifgung in Samarien entflandne Bolf fpäter den Uebelnamen ver Euthäer 


RNicht alles Bolf wurde in die Gefangenfchaft geführt, fondern nur 
Die Könige und Prinzen, bie Mächtigen des Landes, die ſtarken Krieges 
kente, vie Priefter, alle Arbeitslente, Zimmerlente, Schmiede u. f. w.3 
De Adersiente uud Winzer blieben in Palaͤſtina zurück. Während der 120 
Jahre Fortdauer Inda's in Jerufalem, che dieſes ein gleiches Schickſal 
wie Jorael traf, wurde Juda’s Autorität auch über Israel fortwähs 
uud anerlannt; nur Samaria allein war gänzlich feiner israelitiſchen 
Bemchuer beraubt worben, daher auch dorthin mur die neue heidniſche 
Celeniſation einwanberte, und dort die Bermifchung ber Bevölferung vor ſich 
sing. Das Eril Hatte alfo feineswegs die ganze Bollsmafle, wenn ſchon 
ihren bedentendſten Kern, getroffen, womit auch die augegebnen, keineswegs 
übertriebenen Sahlen von 20,000, 10,000, 8,000, 4,000 n.. a. überein 
fimmen; andy war noch eim Theil des Volkls und der Kriegeleute nach 
Segyptenlaud (1.2. d. Kön. 25. 28) entflohen, 


°*) Roienmäller Bibl. Acc. 1 B. 2 Th. ©. 29, und Note. 














250  WeftsAfien. III. Abteilung. I. Abfchnitt. $. 32. 


Das gemeinfame Ungläd der beiberfeitig früherhin fo verfeindeten 
Reihe Israel und Iuda that feine Wirfung, als der britte Feind 
von augen Israel flug, und Juda noch im Befig feiner Selbfftän- 
digkeit war; denn num ſchon ſchloß ſich Isvael an Jnda an, und zog anf 
die Seflfeier zu dem Tempel nad) Sernfalem hin. Um wie viel inniger 
wird das gemeinfame Unglüd der Gefangenſchaft an den Ufern des Cha⸗ 
hur die früherhin politifch gefchievenen Parteien wieder zur religiöfen 
nnd vollsthämlichen Binheit gebracht haben. Dies war der große Rath⸗ 
ſchluß Jehova's, den auch die Gefchichte bewährt hat. Die Propheten 
Jeremias und Gzechiel weiflagen ven Kindern Israel wie dem Volle 
Juda, „daß fie beide zurädichren follen in bie Heimath, gem Sion 
„(Serem. 50, 4. 5), daß die zerfirente Heerde wieder weiden foll und 
„wohnen anf Carmel, Baſan und Gilead (eben. 50, 17. 19); fie 
weifiagen: „das ganze Haus Jsrael (Ezech. 37, 11), ja ganz Juda 
„und die Kinder Israel fammt ihren Ingethauen follen alle verfanmelt 
„und ein einig Volk werben, und einen König haben, und nicht mehr 
„in zwei Bölfer noch in zwei Königreiche getheilt fein”. (Gzech. 37, 16. 
19. 21. 22). Die vereinigte Rückkehr in das Land der Väter ges 
ſchah auch, als nicht lange nach der Eroberung Babylons und dem Sturz 
des Chaldaͤer Reiches der Freibrief des Königs Cores in Perſien 
(Cyrus, im 3. 536 v. Chr. Geb.) den Gefangenen die Rüdfchr nad 
Palaͤſtina und deu Wiederaufban ihres Tempels geftattete (Bsra 1, 1). 
Die Erlaubnig war nicht an Israel oder Juda gerichtet, fondern an das 
ganze Voll. Die erfie Rüdwanderung unter Zernbabel, an 50,000, 
waren, nach ben Liften, Iuben und Seraeliten;. fein Unterfchieb wurbe ges 
macht, denn viele wußten fchon nicht mehr, woher fie ſtammten (Esra2, 
59). Aller Zwiefpalt war alfo gehoben, die ECinheit der Hebräer 
war bergeftellt, wie nuter den Heimziehenden, jo unter den Hunderttauſend 
der Zurückbleibenden, bei denen damals feine Spur von Scheidung nad 
Stänmen vorfommt. Als die zweite Heimwanderung nach Serufalem, 
fat 80 Jahr foäter, ein Seichen, dag fie fih auch dm Khaboras wohl bes 
fanden, unter Es ra's Leitung (im 3. 458 v. Chr. G., f. Gora 7, 13) 
vor ſich ging, erhielt „alles Boll von Israel mit feinen Leviten 
und Briekern“ vie Erlaubniß, nach Ierufalem zu ziehen. 

Als 13 over 14 Jahre fpäter Nehemia im Auftrag des Perſer⸗ 
Königs nach Ierufalem zurädlehrte, die Diauern der Stabi zu banen, 308 
feine Karawane mit ihn; das Boll war wieber vereinigt im Lande und 
im ZTempelvieufl ; aber Viele waren lieber am Cuphrat geblieben, obgleich 
ihnen Allen chne Unterſchied die Rücklehr freiwillig geftellt war 
 (Gsra 7, 13). Sie Hatten nach 300jaͤhrigem Aufenthalte daſelbſt ein 
nenes Baterland gewonnen, fie fahen fi ſelbſt aljo keineswegs als Ges 
fangene an, fie waren unter fih verbrübert, gemeinfame Hebräer, 
allefammt wieder zn Kiudern Bines Bolles Jorael geworben, durch 





Euphratſ.; hiſtor. Ruͤcbl.; die X. Stämme Israels. 251 


das Unglück im Auslande wie im ber Heimath. Der Rame, ja die 
Sheibung in die zehn Stämme war wirklich verloren, und 
fo bildete ſich fpäterhin die Vollsmeinnug wie von dem verfchmunbenen 
Briefter Johannes unter den Heiden, fo auch von ben verloren gegans 
genen zehn Stämmen Israels, die man glaubte wieder in ihrem 
alten Iufammenhange aufjuchen zu müſſen. 

Wenn aber ſchon zur Zeit CHrifli und der Apoflel von feiner ges 
ſchiedenen Abtheilnug der zehn Stämme von ven Übrigen mehr die Mebe 
wor, fo kaum diefe Scheidung noch viel weniger im dten Jahrhundert zur 
Zeit des Hieronymns flatt gefunden haben, ber allerbings ſchon und, 
wie es fcheint, zueft von ſolchen zehn Stämmen Israels fpricht, 
Die noch zu feiner Zeit in der Gefangenſchaft in Perſien feßhaft 
geblieben fein follten; aber mit Worten, die einer Stelle ans Flav. 
Joseph. Antiqu. XL. 5.2. entichnt find, welde, wie &. Robinfon **) 
gezeigt Hat, mit allen andern Stellen deffelben Autors, wie mit den That, 
fachen felbft im Widerſpruche ſteht. Robinfon hält nicht ohne Wahrs 
fGeinlichleit- dafür, daß diefe Meinung zuerfl von dem Stolz der Juden 
in Tiberias, den Lehrern bes Hieronymus, ansgegangen fei, um ihrer 
dortigen hohen Schule und ſich felbft einen höhern Rang vor den mit 
ihnen rivaliſtrenden Rabbinern der fogenannten zehn Stimme ber Ges . 
ſangenſchaft im Oſten zuzufchreiben. Diefe Anficht gewinnt in der That 
ihre Gtüäge dur das, was ſchon Lightfoot ?*) aus talmubifchen 
Quellen nachwies, daß auch die Rabbinen der im fünften und ſechſten 
Jahrhundert fo berühmten jüdifhsbabylonifhen Schulen, zu 
Raarda, Enra und Bomberitha am Buphrat, fih brüſteten, ihre 
Geſchlechter ans einem viel reinern Blate des Davidiſchen 
Stammes herzuleiten, ale die welde eiuft heimkehrten. Sie 
brhdten ſich fo aus, daß Bsra nur mit der Hefe des Volks nnd dem 
Unreinen nad Serufalem Beimgezogen fei, während fie als der 
seine Saame im Lande jenfeit des Euphrat zurückblieben, 
weil dies Jehova durch ven Propheten im Briefe geboten habe, der von 
Serufalem gen Babel geſandt war (Jerem. 29, 4. Dariu heißt es: So 
fprigt der Herr Zebaoth, der Gott Israels, zu allen Gefangenen, die ich 
Gabe von Jeruſalem wegführen laſſen gen Babel: Bauet Hänfer, darinnen 
ige wohnen möget, pflanzet Gärten, baraus Ihr die Früchte effen möget. 
Rehmet Weiber u. ſ. w.; fuchet der Stadt Befles, dahin ich euch habe“ 
laſſen wegführen, und _betet für fie zum Herrn: denn wenn es ihr wohl 
gehet, fo gehers end auch wohl). Gin andrer Umfand, ber gewöhnlich 





“95) E. Robinson The Nestorians 1. c. p. 63. 
") Joan. Lightfooti Opera omnia ed. Roterod. 1686. fol. Tom. II. 
. Hebr. in Ep. ad Corinth. Addenda ad Cap. XIV. c.2. De 
Hebraeis in Bäbylonia et regionibus adjacentibus p. 930. 











252 Wefl-Mfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 32; 


als Beweis für das noch Vorhanbenfein der zehn Stämme Israels, als 
folder, zur Zeit ver Serflörung Serufalems durch Titus nnd die Römer, 
in ihren Sitzen am Tigris angeführt wird, iſt die Rede des jüngern 
Agrippa au bie Iuben in Ierufalem, in der er fie von der Empörung 
gegen die Römer abmahnt und das Thörichte zeigt, ihre Hoffnung auf 
ven Frtegerifchen Beiftand „ihrer Bruder-Tribus aus Adiabene” 
(ds sie "Adıapıne Opogpviows, ſ. Flav. Josephus de bell. Iud. II. 16, 
4. 'fol. 196, ed, Havercampi T. II. 1726.) am Tigris zu ſetzen, was 
ſich anf das damals erſt zum Judenthum übergetretue Königshaus 
von Ablabene, auf den König Izates, defien Bruder Monobazes und 
beider Mutter Helena, die befehrte Jüdin, bezieht, die ihren Pallaſt und 
Hof in Jernſalem hielt, wo fie fi auch ihr Manfoleum als Grab bauen 
ließ, fo wie auch auf diejenigen reichen und augefehenen Inden, die ſich unter 
dem Schuge jenes Hungen Regenten am Tigris wol in ber Gegend des 
alten Arbela, ober heutigen Diezire al Omar, und zu Moful niederges 
laſſen haben mochten. 

Mlerdings gab es der zerfirenten Inden fehr viele, wie zur Seit der 
Apoſtel am Pontus, in Bithynien, Galatien, Cappadocien, Kleinaſien, 
ſelbſt in Griechenland und Rom, eben fo auch in Aegypten, wohin fie 
fon zur Zeit Mleranders verpflanzt waren, und auch in Arabien uud 
Syrien, wo fle ſchon unter den Selenciden, als Eöniglihe Unterihanen 
geſchützt, gleiche Rechte wie vie Griechen genofien Hatten, dabei aber immer 
von allen Seiten ihre Tribute an ben Tempel in Iernfalem eiufanbien. 
ben fo waren fie nuſtreitig durch ihre erſte Verpflanzung wie durch 
fortbanernde Verbrüberung an dem Cuphrat und Tigris, auch zu bem 
Mevern, Barthern und nad Blam verbreitet, nub im handeltreibenden 
GEuphratgebiete vorzüglich zahlreich geworden, wie dies ans Benjamins 
Berichten hervorgeht, ohne eben noch zu ben verlornen Stämmen Israels 
mehr als andere Indenbevoͤlkernugen zm gehören; wol aber mußten fie 
hier überall das Alter ‘ihrer Sie mit Gründungen von Syuagogen 
durch die Propheten bes Erils felbft, und die Hohe Abflammung ihrer 
Fürftengefglechter und Rabbinen aus dem reinften Blute der äAlteften Zeit 
in ihren Genealogien und Grabvenfmalen, und durch unzählige Legenden zu 
belegen, von denen Rabbi Benjamin reblichen Bericht gibt, defien Wan: 
derung wir nun mit dem Mytigern Verſtaͤndniß wol weiter folgen fönnen. 


Rabbi Benjamin geht von Niſibin weiter über Moful 
nach Bagdad, von wo aus er nach längerem Verweilen deſſen 
Umgebungen beſucht Hat, und dann über Wafet und Basra nady 
Sufa fortichreitet. | 

Von Rifibin führt ihn fein Weg über Iezire ben Omar,”) 





97) R. Benjamin. lüner. I. c. p. Ol. 





. Eupbratf.; hiſtor. Ruͤdbl.z n. X. Benjamin (1170). 253 


das er eine Infel am Tigris nennt, die, am Fuße des Ararat gelegen, 
eine Moſchee beflge, die von Dmar Ben Al Khatab aus ven 
Ueberreften ver Arche erbaut worben fel, welche man von ben zwei 
Gipfeln der benachbarten Berge genommen habe. Wahrſcheinlich ifl 
«8 alfo wol diefer fonft unhefannte Omar, nach welchem fpäterhin 
derſelbe Ort bei allen Orientalen genannt wird, Auch, führt Rabbi 
Benjamin fort, fei eine Synagoge In ver Nähe ver Arche vorhan⸗ 
ven, bie, von Esra errichtet, von den Juden ver Stadt am Tage 
ver Zerſtoͤrung Jeruſalems beſucht werde. Es lebten aber .an 
4000 Juden am Orte unter drei Rabbinen als ihren Vorſtehern. 
Die Lage dieſer Stadt (Cardoa, Cardu, Carduchia insula; bel 
Extern und Armeniern Gozarta.d. 9. insula, oder Diezive, die 
Bezabde . der Byzantiner)?E) ift uns ſchon durch ihre milktärifch wich⸗ 
ige Pofition und die Jebel Judi mit dem Apobatärium Noch auß 
frühern Unterfuhungen bekannt (Erdk. IX. ©. 705, 742,721). 
Es verbient bier nur noch bemerkt. zu werben, daß vie flarke Zahl 
jũdiſcher Unflevlung in biefer Gegend wol fehr wahrſcheinlich mit 
dem Schuß jüdiſch geworvener Adiabenerfürſten, gegen Enke 
bes 1. Jahrhunderis nach Chr. Geb., in Verbindung flehen mag, 
weshalb eben auch hieher unter. vie dortige Judenbevöolkerung 
Die Chriſtenbekehrung, wie in Edeſſa fo auch In Bezabde 80) 
(Gafteum Zabdaeum, dann auch Zebedaeum), ſehr frühzeitig ein 
daung, und als ſyriſche Kirche ſich auf eine fo einflußreiche Weiſe 
feſtſtellte. Don Edeſſa aus, jagen die ſyriſchen Annalen, ver 
breitete fich gleich anfangs die chriftliche Lehre auch im erften Jahr⸗ 
bunbert nad Cardu over Bezabbe, und als in ver Mitte des 
4. Jahrhunders die große Chriftenverfolgung unter des Saffaniven 
Sapot's U. Regierung, im Jahr 352, gegen dieſe bis dahin blü⸗ 
hende Grenzfeſte der Roͤmer auch in Bezabde zu wüthen begann, 
wurden 9000 chriſtliche Männer und Weiber mit ihren Epifcopensvo) 
von diefem Orte in die perfliche Befangenfchaft abgeführt, und bie 
meiften ald Märtyrer hingerichtet, bis auf 25, bie allein fich Dazu 
verlanden, die Sonne auf Art der Saffaniven anzubeten; ſeit die⸗ 
fer Zeit der Chriftenverſolgung mag: wol die jüdiſche Beodlke- 
sung wieder die Oberhand gewonnen haben, Nach 2 Iagmärfthen 

abwärts am Tigris kommt R. Benjamin nad Moful 2) (DI 


2) Reiske Not. au Abulfed. Mesopot. b. Büfching Hi. Dig. IY 

p. ZA. Assemani Bibl. Or. T. UI. P e Syris 
Nestorianis $. VI. Tor. XVII. etc. *00) ebendaſ. * Lin. etc. 
») R. Benjam. Itinerar. p. 91. 








254 Wefl-Afien, IH. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.32, 


Mauſel 5. Abulfeda, Mofful 5. Eorifi), wo er 7000 Juden an⸗ 
fällig findet unter einem Oberhaupte, dem Rabbi Sakhai, der als 
Prinz aud dem Geſchlechte Davids geehrt war, und unter dem Vor⸗ 
flande des R. Joſeph, genaunt Borhan al Phulpk, welcher ver 
Aftronom ded damaligen Königd Seiffenin von Damask war, eis 
nes Atabeken. Die große, ſehr alte Stadt liege an ver Grenze Ber» 
fiend am Tigrisufer, durch eine Brüde in Verbindung mit der ge⸗ 
genwärtigen alten Niniveh, weldhe zwar nur in Ruinen liege 
auf denen. und In deren Umgebung jedoch viele kleine bevdlkerte 
Dorfichaften und Stäpte fih angebaut Hätten. Drei Sonagagen 
feien bier, von Obadiah, von Ionah ben Amithai und von Na⸗ 
Gum Haelkoshi (dem Prophet von EI Kosh, f. Erb. IX. ©. 742), 
angelegt. Dieſe Iange überfehene, fo hochſt wichtige Bemerkung 
M. Benjamins iſt erſt ganz neuerlich beachtet und durch GL Rich 
vollkommen beflätigt worden. 

Dieſe Stadt Moſul oder Muſſul, ſchon zu Ghn Haukals ) 
Beit ein anfehnlicyer Ort, der, an der Weſtſeite des Tigriönfers 
erbaut, ven Ruinen der alten Niniveh, an der Oſtſeite veffelben, ge 
genüber liegt, erhielt feinen Namen von ver „Zufammenfügung,“ ?) 
weil an ihrer Stelle Meiopotamien und Irak, nad, den Begriffen 
ver Muhamedaner, zuſammenſtoßen follte Mofnl theilte vie Vor⸗ 
theile einer ähnlichen Lage mit ver Khalifenrefivenz, hob ſich aber 
erſt Durch kleinere eigne kriegeriſche Dynaſtien feit 934, *) die in 
den Brenzländern zwifchen dem Khalifat und dem griechlichen Reiche 
zur Selbſtſtändigkeit gelangten, bis vie mächtigen Atabeken Vrüder, 
Nureddin und Seiffenin, Aleppo und Moful (1145) zu Refi- 
denzen ihrer beiden Königreiche erhoben. Hiernusch erft gewann bie 
Stadt ein Fönigliches Anſehn, flarke Ummauerung, cin feſtes Schloß, 
große Baumerke, Mofcheen, und wurde als Fabrikort und Handels⸗ 
ſtadt eine ber gefeierteften 5) im Orient, ein Zuflanb, von bem bie 
Gegenwart nur einen Schatten barbietet, der aber in Rabbi Ben⸗ 
jamin, wie M. Polo und ſelbſt noch in Ebn Batuta feine Augen 
zeugen gehabt hat. Noch Heute wird, wie zu R. Benjamins Zeit 
De Synagoge des Propheten Jonas des Gohnes Amithäi (Ion.1, 1), 

fo deſſen Grabmal, 6) das dem Dorfe Jonas (Nebbi Dunus) nahe 

so3) Oriental. Geogr. b. Ouseley. p. 56. 3) Deguignes Geſch. 
der Hunnen Th. IL. ©. 483. ) v. Hammer Länderver: 
waltung unter dem Ghalifate a. a. O. 2 ) Edrisi Geogr 


P. 
b. Jaubert p. 148.; Abulfeda Mesop. b. Reiske b. Safding Bi. 
MR. IV. p. 247. ) M. Kinneir Journey l. c. p. AGbI. 





— — 


_ = 
' 


Eupbratf.; hiſtor. Rädbl.; n. R.Benjamin (1170). 255 


Begt, von ven Juden bepilgert, obwol nach EI. Rich über letzteren 
eine Moſchee erbaut iſt, vie Fein Chriſt betreten darf.) Es foll 
her früher ein chriſtliches Kloſter geſtanden, und in vemfelben ver 
Brophet auf feiner Rüdwanderung nad) Paläflina geprenigt haben. 
Der Ueberreſt dieſes. unanfehnlichen Baues, ver vielleicht ver alten 
Synagoge zu Benjamin Zeit angehörte, ſchien in feinen Gewoͤlb⸗ 
bogen ſehr alt, und den Bauten der GSafjaniven zu Zendan und 
Daſtagard (Exrvf. IX. ©. 500, 506) analog zu fein. Als ver Pro- 
wet Jonas hier, zu Ninive, Buße previgte, war fie noch eine 
mãchtige Stabt Gottes, drei Tagreiien groß (Ion. 3, 2). Moful ” 
ſchlen Heut zu Tage vie berühmten Aſtronomen, vie zu Rabbi 
Benjamins Zeit, und auch nach dem Zeugniß des Rabbi Pe⸗ 
thach ia, der kurz darauf (im Jahr 1180) ebenfalls Moſul beſuchte, 
daſelbſt in Blüthe ſtanden. 

Von Moſul brauchte R. Benjamin 3 Tage, um nach Ra⸗ 
habah, 9) dem Rechoboth am Wafler des Euphrat, zu kommen, 
dab Damals 2000 Juden beherbergte, eine große, ſchöne, wohl um⸗ 
menerte Stadt war, und von Gärten und Obflhainen umgeben. 
Reheboth war der Geburtzort Sauls, bes alten Königs ver 
Soomiter, die im Lande Evom regterten, noch che Israel Könige 
hatte (1 ®. Moſ. 36, 31 u. 37). Schr wahrſcheinlich iſt dieſer 
fen unbelannte und alte Ort wol Inentifch mit Rahabah Man 
let ben Tawk, 9) daß dieſen Beinamen fchon zu Ebn Haukals Zeit 
erhalten hatte, weil es eine von Malik, einem Statthalter des Kha⸗ 
Ufen RNaſchid, 10) neu erbaute Stadt war. Da Ebn Haufal fie 
zwifdgen den bekannten Orten Karkiſa (Eirceflten) am Khabur und 
Hit nennt, und Abulfeda zwifchen Rakka (Nicephorium) und 
Anah, fo kann man fie mit ziemlicher Sicherheit, obwol Ihre genauere 
Lage unbelannt blieb, mit D’Anville 4) zwifchen Circeſium 
und Anah anſetzen. Da aber nach Abulfeda's Angabe, ver el 
Anz citiet, dieſes On Rahabah nur 44 Stunden (3 Parafangen) 
abwärts von Karkiſa liegen fol, zu feiner Zeit als eine Grenz⸗ 
fee des Islams dienend, fo kann es nicht fo weit gegen Süben, 
wie auf D’Anvilled Karte verlegt werven. Zu Abulfevas Zeit war 
der Ort ſchon wieber in Ruinen verfunten, hatte aber doch noch 
hehe Winarets von Tempeln aufzuweiſen, wo zum Gebete gerufen 


) 3. Cl. Rich Narrative Vol. II. p- 29, 31. 2) R. Benjamin 
iüner. 1. c. p. 92. ®) Oriental Geogr. p . 59. 10) Abul- 


fedae Mesopot. ed. Reiske b. Bäfching Sifer, Mag. IV. p. 241. 
ı?) D’Anrille sur l’Euphrate etc, p. 56. 











256 1Meft-Aften, TI. Abtheilung. I. Abſchuitt. 6.32. 


wurbe.. In verfelben Entfernung, abwärts dem Heutigen Abn 
Said, an der Stelle. des alten Eirceflum an ber Mündungsfpike 
des Khabur, feheint in neuefter Zeit, währenn ver Dampfichiffahrte- 
erpevition, Col. Chesney die Ruinen des alten Caſtells von 
Rechoboth wieder aufgefunden zu haben, die auf der Weſtſeite 
des Euphratufers, 33 engl. Mill. in S. W. des Heinen Gtäptchens 
Miaden, auf feiner ſchoͤnen Karte vom Cuphratlaufe eingetragen 
find. Bei diefem Orte Samen , zu Abulfedas Zeit, die Reiſenden 
aus Irak und Syrien zufammen; dies wird alfo auch wol ven 
M. Benjamin hieher geführt Haben, der von da erſt in einer Tag⸗ 
reife, ven Cuphrat wieder aufwärts, nach Karkiſia (Karkemifch ſ. ob. 
©. 15), ging, wo er 500. ſeiner Glaubensgenoſſen vorfand. 

‚Auf: einem und unbelanntem Umwege kehrte Rabbi Ben⸗ 
jamin zum Tigris zurüd, um in 5 Tagen Chadrah, dann in 
2 Tagen Okbara, unb wiederum in 2 Tagen Bagdad zu er 

In Chadrah (ober: Chardah) 12) findet er 15,000 Juden, 
alfo eine ſehr ſtarke jüpifche Gemeinde vor, zu deren Beftätigung 
wir weiter nichts zu. fogen. haben, ale was ſchon oben als Ver⸗ 
muthung angeführt wurde (ſ. ob. S. 134), da dieſer Ort kein an⸗ 
derer als das Ehadr:over Khane bei Mirkhond und andern Ori⸗ 
entalen fein kann. Auch in Okbara, deſſen Lage am Euphrat ie 
dem zu feiner Zeit ſtark bendlferten und gefegneten Canallande, nahe 
Gatrabbol und dem alten Opis, und aus Abulfeda, 15 Stunden 
Wegs oberhalb Bagdad, bekannt iſt (f. ob. S. 208), fand fi} eine 
Gemeinde von 10,000 Juden anfäflig vor, in ver Stadt, deren An⸗ 
lage dem durch Nebucapnezar in die Gefangenſchaft abgeführten 
Könige Sojachim von Juda (2 B. d. Kön. 24, 8) zugefchrieben 
wurde, der allerdings der Erzählung (2 3. d. Kin. 25, 27—30) 
gemäß nach langem Schmachtem im Kerker vom babylonifchen 
Könige Evilmerodach befreit, freundlich, ehrenvoll und Töniglich bis 
an das Ende feines Lebens gehalten wurde, und feinen Stubl, mie 
es beißt, über die Stühle feßte der anvern Könige, die bei ihm 
waren zu Babel. Dann würbe er, biefer Legenve gemäß, feine Hof⸗ 
flatt in Okbara erhalten haben; von ihm leiteten vie jüntfchen 
Prinzen ver Gefangenfchaft, 13) die fich ſpäterhin in Vagdad 
aufhielten, ihr Geſchlecht ab, und von ihm fagt viefelbe Legende wei 


212) R. Benjamin Itiner. 1. c. p. 93, 22) ebendaf. T. IL. p. 135. 
NMote 259. Zunz. 








Eupbratf.; hiſtor. Rüdbl; n. R. Benjamin (1170). 


ter, jeien, außer Okbara, auch die Statt Shafjataib am Eu- 
phrat (f. unten) und dad Grab des J'che kel (des Propheten 
ECzechieſ), daB In Kufa gezeigt ward, erbaut worben. 

Bagdad war zu Rabbi Benjamins Zeit noch bie große 
Sauptfladt des Khalifenreichs; aber die unıhätigen Khalifen waren 
nicht mehr ver Mittelpunct . der Geſchichte des muhamedaniſchen 
Staates, feitvem das Emirat oder vie Herrichaft Mitte des 11. Jahr⸗ 
hunderts in die Gewalt ver Sultane der Seldſchuken gekommen 
war, deren Macht ihrerfeits, Mitte des 12.. Jahrhunderts gleich“ 
falls ſchon wieder durch Thellungen und Bamilienzwiftigkeiten gänz⸗ 
Eich gebrochen, und das Ned, in viele Provinzen getheilt, in bie 
Gewalt einzelner Atabeken (Bäter der Fürften) gekommen war. 
Nur noch die Abflammung von den Abbaſſiden, die Infignien des 
Khalifats, der Stab und ver Kaftan des Propheten, nur ver Pal⸗ 
Iaft, in dem fie blos ihrem Harem, Ihren Eunuchen, Kämmerlingen 
und Hofſchranzen lebten, fo wie die geheimnißvolle Unfichtbarkeit 
ihrer gebeiligten Berfon, erhielt ven Wahn Ihrer alten Herrlichkeit 
beim Volk, währenn ihre Berfon, Ihre Würde und Leben nur zur 
Buype oder zum Spielball des Emir al Omras, oder des jedesma⸗ 
Bogen Gewaltigften oder Schlaueflen geworben war. Der Tod des 
Baters, im Jahr 1160, Hatte dem Sohne Juſſuf Abul Modaffer 
von Weg zu vieler traurigen Würbe gebahnt, welcher derfelben un⸗ 
sr vom Ramen Moſtarſhed (d. 5. Bott um Bnabe bittend) bis 
zum Jahre 1170 vorfland, wo er durch feine eignen Kämmerlinge 
und Leibärzte im gewaltfam erhigten Babe erwürgt ward. 

Er wird von den Geſchichtſchreibern 19) als mild und gerecht, 
ja als einer der noch achtungswertheſten gefchllvert, und damit flimmt 
an, was R. Benjamin von ihm erzählt, denn zu feiner Regie⸗ 
sungszeit muß derſelbe, ver Zeitrechnung gemäß, in Bagdad gewefen 
fein, obgleich er ihn nur mit dem allgemeinen Titel Emir al 
Numenin (Gebieter der Gläubigen) ber Abbaffine 15) bezeich⸗ 
net, olme Ihm mit Namen zu nennen. Da er "ihn einen großen 
Beſchkyer ver Juden nennt, deren viele als Beamte in feinen Dien- 
hen flauden, da er von ihm verfichert, daß er viele Sprachen ver⸗ 
ſiche/ auch Die hebraͤiſche Iefe und fehreibe, und im mofatfchen Ge⸗ 
— bewandert ſei, fo iſt es wol mogliqh, daß die Mittheilungen bes 


7 m, Geſch. des Mittelalters fell den Kreuzzügen. T 
re 16) R. Benjamin Kine, p- —** 104. „1 
"Atter Erdkunde x. R 





258 Wehl-Afim. TI. Abtheilung. 1. Abſchnitt. 5.32. 


abi über Ihn aus Berichten feiner Glaubensgenoſſen herſtammen, 
die freifich nicht von Mebertreibungen frei find, venen jedoch ber 
Character, daß fie von Augenzeugen berühren, nicht wol abzufpre- 
hen fein möchte. Auf jeven Fall Haben wir außer ven Schilde 
zungen. in ven Märchen non taufend und einer Nacht kaum andere, 
die und einen. gleich. lebendigen Blick in ven damaligen, fchon fehr 
berabgemürbigten Zufland der Khaliſen⸗ Capitale geſtatteten, als die 
ſeinen. 

Alle mohamedaniſche Fürſten erkennen, ſagt ver R. Benja min, 
ben Khalifen an als ihr geifiliches Oberhaupt, wie die chriſtlichen 
den Pahfl. Sein Wohafig (EI Harim ſ. oben ©. 233). Hat eine 
fleine Stunde im: Umfang; ver Vallaft iſt von einem großen Part 
umgeben. mit allen Arten von Bäumen zum Nutzen und zum Ver⸗ 
gnügen bepflanzt, darin vielerlei: Thiere und ein. Waſſerbecken, das 
aus dem Tigris dahin geleitet iſt, um zur Unterhaltung der Sage 
von Bögeln, Wild und Fiſchen zu dienen, wozu auch die Hofleute zur 
Theilnahme eingeladen werden. Er Hat kein Einkommen, als was 
er durch die Arbeit feiner Hände gewinnt, (?) deshalb wacht er 
Teppiche , die sr mit feinem Siegel beſtenpelt, damit ſie feine Hofe 
lente auf ven Bagarın verkaufen, wo fie von den Großen des gan⸗ 
zen Landes gekauft werden. Davon- heftreitet er feine Vedürfniffe. 
(Allerdings mußten pie. Khalifen oft darben, während ihre Cuir el 
umera, oder Majordomen, ihre Einkünfte verpraßten, bie He ger 
nicht ‚in ihren Beſitz kommen ließen; doch ſcheint es ‚mit biefer Au 
gabe noch eine. beſondere Bewandniß zu haben). 

.... Der gegenwaͤrtige Khalif, führt ver Rabbi fort, iſt ein trefflicher | 
Mann, redlich, mohlwollend gegen Jebermann, den Muhamedanern iſt 
er jedoch meiſt unſichtbar. Die Pilger aus fremden Ländern, welche 
ſehr häufig auf dem Wege von Mekka durch Bagdad gehen, win» 
ſchen gemöhnlich ihm vorgeftellt zu werben, und zufen ihn an: Gert, 
Licht der Gläubigen! aber ex felbft bleibt ihnen verborgen und 
hängt nur den. Zipfel feines Kleides zum. Fenſter hinaus, der dann 
von den Pilgern begierig geküßt wird, während einer ver Beamten 
des Khalifen ihnen ven Gegen zuruft, ner in den Worten befteht: 
Gehe Hin in Frieden, der Herr, das Licht ber Gläubigen, iſt Die 
freundlich und gibt dir feinen Segen. — So ziehen fie denn voſ 
Freude weiter, da fie den Khalifen ihrem Propheten gleich achten. 

Auch die Familtengliever des Khalifen und feine Brüder küſſen 
ihm das Kleid; fie wohnen auch in Palläften, aber fie finb in Ge⸗ 
wahrfam gehalten (angefeffelt fagt ber Rabbi, mas mit einzelnen 


N / 








Enphratſ.; hiſtor. Xuͤcbl.; n.R.Benjamin(1170). 259 


mol der Ball fein mochte, nach der allgemeinen Sitte der Tyrannen 
im Orient gegen vie Brüder) und Haben ihre Auffeher, um vie 
Empdrungen gegen das Oberhaupt zu hindern. Doch iſt jeder in 
finem Pallaſte hochgeehrt, er iſt Beflter von Dirfern und Städten, 
veren Einkünfte von ihren Haushofmeiſtern verwaltet werden; fie 
trinfen und fchmaufen und führen ein frößliches Lehen. 

Der Pallafl des Khalifen, ver viele große Gebäude, Säulen von 
Solo und Silber, Juwelen und Schäge aller Art enthält, wird nur 
‘ eitimal im Jahre von Ihm verlaffen, nämlich am Feſte des Rama⸗ 
von. Dann befleigt er das Maulthier, im öniglichen Ornat aus 
Geid und Siherfloff. Sein Turban mit ven Eoftbarften Juwelen 
M jevoch zum Zeichen feiner Demuth mit einem ſchwarzen Schleier 
umnbänt (ſ. Erdk. IX. ©. 720). Zahlreiches Gefolge ver Großen, 
barunter Die Prinzen von Arabien, Medien, Perfien und weiter her, 
ales reichgeſchmückt, begleitet ihn. Die Proceflion geht vom Pallaſt 
wu der Moſchee am Botsra (mol Boftan, f. ob. ©. 234) Thore, 
mo die große Bauptmofchee If. Alle vie mitzlehen, Maͤnner wie 
Weiber, find in Seide und Purpur gekleldet; die Strafen und alle 
Dnartiere And dann vol Sänger und Tänzer und Pefllichkelt. 
Aes ruft dem Khalifen Heil enfgegen. In dem Hof der Moſchee 
figf. ner Khalif ab, betritt dann Die Hölzerne Kanzel, und Iegt auf 
das Geſetz aud. Die gelehrten Mahomedaner erkeben fi, be- 
t für ihn, preifen feine Büte und Froͤmmigkeit, worauf er ben 
ertheilt Dantı ſchlachtet er das Kameel, das als Opfer- 
dahin gebracht AN, und theilt die Stücke unter die Großen 
6, Bi ſie dann wieder unter ihre Freunde zur Speiſung verthei⸗ 
; Wein jeder iſt degierig, einen Biſſen von dem Opferthiere zu 
je, DaB von ber’ Heiligen Hand des Khalifen gefallen If. Die 
nun vorüber, ver Khalif kehrt in feinen Pallaſt am Ti— 

wohin ihn die Großen in Booten auf dem Fluſſe beglei⸗ 
er allein in feinen Pallaft eingetreten fl. Denn ex kehrt 

kisen Wege zurück, auf dem ex außging. Der Weg 

entlang iſt das ganze Jahr fürgfam bewacht, daß er 
anders betreten werbe. Hlerauf verläßt ber Khalif 
fol gende Jahr feine Wohnung nicht wieder. 
Sehmmizfelt, jagt R. Benjamin, Hat derſelbe auch 
hewahri vaß er an der andern Seite des Waſſers an einem 
| are viele große Gebäude, ganze Straßen und Kranken. 
bäuker fr Arme erbaut hat, um fie darin von ihren Krankheiten 
curdrin is Yaffen; an 60 Abotheten find hier va. Erdt᷑. IX 

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260 ‚Weft-Afien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.32. 


©. 287 u. f.), die aus des Khalifen Vorxathakammer mit allem ver⸗ 
forgt werben, was für vie Patienten nöthig iſt, bis fie geheilt find; 
auch ein. graßes Gebäude, Dar al Maraphtan (im Arabifchen 
Dar al Morabittan, d. 5. wörtlich: Haus der Ungefetteten), darin. bie 
Berrüdten, zumal während ver heißen Jahreszeit, eingefchloffen 
und jeder an eine Eiſenkette gelegt wird, bis fein Verſtand zurüd- 
kehrt, wo ihn vann feine Familie wieder zu ſfich nehmen fann. Des⸗ 
Halb ift ein Beamter des Khalifen damit beauftragt, jeven Monat 
eine Infpertion zu halten und jeden wieder vernünftig geworbenen 
ſogleich frei zu laſſen. Alles dies ift vom Khalifen aus ver wohl⸗ 
wollenpften Abficht, aus frommer Menfchenliebe eingerichtet für je- 
den Fremden, der dahin kommt und. krank wird. 

Bagdad Hat an 10,000 Iupen 16) unter feinen Bewohnern, 
die in Frieden und Glück Ichen und durch den Khalifen viel Ehre 
genießen. Unter ihnen find viele weiſe Männer, Schriftgelehrte und 
Präflventen der Eollegia, darin das Studium des moſaiſchen Ge⸗ 
ſetzes beſrieben wird. Die Stadt hat 10 ſolcher Collegia (dies ſcheint 
für die geringe Judenbevölkerung ſehr viel, vielleicht daß ſich dieſe 
Angabe auch auf die zur Hauptſtadt ſonſt noch gehörigen Ortſchaf⸗ 
ten ausdehnen jol); des Vorſtand des großen College iſt Rabbi 
Sh'muel Ben Eli, der Principal ded Collegs Geon Ja) Ge 
cob. Auch vie Borflänye der Übrigen Eollegien werben vom Rabbi 
im Beſondern aufgeführt, und von dem des fünften, vom Rabbi 
El aſar Ben Tſemach, geſagt, daß er Meiſter der Studien ſei 

und ben Stammbaum feiner Abkunft vom Propheten Sh’muel 
(Samuel) beflge, daß ex ſowol wie feine Brüder die Melodien 
fenne, die dereinft im Tempel, va er noch zu Sernfalem flaud, 
geſungen wurden. Dieſe Vorſtände wurden die Batlanim (etwa 
Laien?) genannt, weil fie Öffentliche Geſchäͤfte hatten, jeden Wochen⸗ 
tag Recht fprachen; nur am Montage verſammelten fie ſich in ihren 
Conventen. 
Das Haupt von allen ſei der Rabbi Daniel Ben Chis⸗ 
bai,. der Prinz der Gefangenfchaft, ver Herz, deſſen 
Stammbaum fein Geſchlecht an König David anreiht; fo. werde 
ex von den Juden titulirt. Die Mohamevaner nennen ihn Saibua 
Ben Daoud (edler Sproß Davids); er habe unter der Auto⸗ 
rität des Emir al Mumenin ven Oberbefehl über alle jüdiſche Con⸗ 
gregationen, und darüber ſei ihm vom Khalifen das Siegel verlie⸗ 


#*) R. Benjam. Itinerar. I. p. 106; vergl. II. not. 265. p. 138. 
2 


-_ 





u. F oe X 
Euphratſ.; hiſtor. Ruͤcbl.; n.R. Benjamin (1170), 261 
ben. Jedermann, Jude wie Mohamevaner, müffe vor feinem Ange> 
ſicht fi erheben, wenn ihn nicht die Strafe von 100 Streichen 
. teilen fol. Seine Audienz beim Khalifeñ fei ſtets von einem gro- 
den Gefolge von Reitern begleitet; er ſelbſt, in geſtickte Seide ge= 
Heidet, trage einen weißen Tutban mit Diademſchmuck und vor Ihm 
ber riefen die Herolde laut aus: machet Plag dem Seren, dem Sohne 
Davids! Seine Gewalt erſtteckt fi über Mefopotamien, Perfien, 
Khorajan, Saba in Demen, Diarbefr, Armenien und zum Lande 
Kota (d. i. Cuthaea) am Ararat (b. i. am Jebel Judi), auch über 
ns Land der Alanen hinaus bis zu dem eifernen Thore Alexanders 
.i. Derbent, vie ‘Pforte der ’Alanen), auch über Sikbla (?) und 
alle Provinzen ver Turkmanen bis unter die Aspiſiſchen Berge 
(Aspisii montes am Sarartes "bei den Seythen, nach Ptolem.' Vi. 
c. 14. fol. 162); fle reicht über Georgim zum Orus und bis Tü— 
bet und Indien. Er geftattet in allen dortigen Gemeinden vie Wahl 
ihrer Rabbinen und Diener, vie von ihm erft ihre Weihe und die 
Erlaubniß zu funetioniren erhalten; mofür ihm aus den fernſten 
Ländern zahlreiche Gaben zukommen. 


. Diefee Bring der Gefangenſchaft Sat Bohuhäufer, ir. 
ten, Baumpflanzungen und große Tänvessien in Babylonien, ererbt 
von feinen Borvätern, vie ihm Niemand entreißen Tann; auch zieht 
es Einkünfte von den jübifchen Herbergen, Märkten, Waaren, von 
denen Zoll erhoben wire. Gr ift fehr reich, aber auch gelehrt, und 
ſe gaſtfreundlich, daß tägfich eine ‚große Anzahl Iöraeliten mit am 
ſeiner Tafel jpeifen. Zur. Zeit feiner Einfegung hat er jedoch große 
Summen an. ven Khalifen und die Prinzen von, vefien Hauſe ‚zu, 
zahles; feine Einweihung geichieht durch Hände⸗Auflegen des Kha⸗ 
Use in deſſen Pallaſte, worauf der Prinz unter Muſikbegleitung in 
feige eigne Wohnung zurüdfchrt und bafelbft durch Auflegung der 
Gänse die Glieder und Vorficher feiner großen Gemeinde einweihn 


Viele der Juden in Bagdad find reich und gelehrt; fe Hatten 
2 *8* Synagogen, vie theils in ver Stadt ſelbſt, theils in Al 

Karl, ver Stadtian der Weftfeite des Tigrie (f. ob. S. 200), ver 
We Stadt in der Mitte theilt, Liegen. Die Haupt» Synagoge des 
Prinzen ver Gefangenſchaft ift durch Säulen von buntem Marmor 
geſũctt, mit Gold und Silber überzogen, auf deren Pfellern In« 
ſchriften von Stellen der Pfalmen mit gelbe er Buchftabenfchrift ein⸗ 
gerragen⸗· find. Der Altar, auf dem vie Röolle: des MPentateuch Tre 
hoht iR, hat 10 Marmorfufen, auf veren ** Bl Side des 











262 WeftsAfien. II. Abtheilung. J. Apfchnitt. $. 32. 


Bringen ver Gefangenſchaft und ver anbern Prinzen aud dem Haufe 
David fih befinden. 

Der Lage der Stadt Bagdad in ihren zeichen Umgebungen 
von Gärten, Obfthainen und Palmpflanzungen kommt nichts in ganz 
Mefopotamien gleich; Die Kaufleute aus allen Ländern treffen zum 
Handel vafelbft zuſammen; auch viele Weife und Philoſophen, die 
An allen Wiffenfchaften erfahren, wohnen vafelbft, fo wie Magier, 
pie in allen Arten ver magifchen Künfte bewandert find. 

Nach längerem Aufenthalte in ver Gapitale Bag dad beſuchte 
Rabbi Benjamin vie benachbarten Städte am Cuphrat, die ſich 
durch Ihre Hoch ſchulen, Synagogen und, wie es ſcheint, durch 
ſehr ſtarke jüdiſche Bevolkerung auch noch zu feiner Zeit auszeich⸗ 
neten. Zunächſt ging er in 2 Tagen zu einer Stadt mit 5000 jü⸗ 
viſchen Bewohnern und einer Synagoge, die er Gihtagin 17) (uns 
völlig unbefannt) nennt, oder Ras al Aien, welches Reſen, bie 
große Stadt, fei, deren Rage und nur dadurch näher bezeichnet wird, 
daß der Rabbi von da nur einen Tagemarfch zu ver alten Ba» 
bel gebrauchte. Indeß die Lage der alten aſſyriſchen Stadt Refen 
(1. 3. Mof. 10, 12) läßt ſich nicht mehr nachweiſen, und Nas al 
Aien kann wenigflend nicht der bekannte Ort dieſes Namens (f. ob. 
©. 244) fein; eine fehr große Stapt, fo nahe bei Babylon, iſt uns 
zu allen Zeiten völlig unbekannt geblieben. 

Unter Babylons Ruinen glaubt der Rabbl noch die des 
Pallaſtes Nebucadnezars (d. i. ven Mujellibe, am Oſtuſer, die 
Ruine, die heute ausfchließlich mit dem Namen Babel belegt wird) 
unterfcheiden zu Lönnen; noch gehe man aus Furcht vor Schlangen 
und Sceorpionen nicht hinein. Er wiederholt port Die Sage von 
dem feurigen Ofen, auf die Erzählungen der Orlentalen fich bezie- 
Send (f. ob. ©. 188), die jedermann befannt feien. Die flarfe Be» 
völferung, die er biefer Ruinengegend beilegt, iſt wol nur ein fal« 
ſcher Zuſatz der Abfchreiber, fo wie vie Zahl von 10,000 Juden, Die 

er der 2 Stunven ferngelegenen Stadt Hillah beilegt, eine Ver⸗ 
wecifelung mit Bagdad, dem diefe Summe damals ſchon, wie auch 
heut zu Tage, 18) zukommen mochte, dagegen Hillah wol nur jene 
in Bagdad angegebenen 1000 jübifchen Bewohner Haben mochte. In 
den 4 Synagogen dieſer Stat warb täglich Gottesdienſt gehalten, 
Der Ahurm, den das Bol vor ver Zerſtreuung (11.8. Nof.11) ar⸗ 


— ꝰ71 ⸗ 


eu) R. Benjamin itinera-. 1.0.0.105. i s. Beckem 
Travels in Mesopotamia. * 1827. 4- p 


' 





’ 


Euhratſ.; hiſtor. Ruͤckbl.; n. R. Benjamin (1170). 263 


richtete, ſagt verfelbe, liege auderthalb Stunden (auf vem Weſtufer 
des Eupbrat) von hier entfernt, und ſei von Al⸗ajur, d. i. vom 
Backſteinen, erbaut (ein perfijches Wort, das bei den Arabern 
in Gebrauch gekommen); 19 jeine Breite fei 240, feine. Hohe 100 
EGen, una ein gewundener Bang führe in Abfägen von 10: zu 10 
Een Hinauf, zur inne deſſelben, von wo eine Ausficht von @ 
Stunden in die Runde auf die weite ungeheure Ebene. Des Him⸗ 
meld Feuer, das den Thurm zerichlug, fpaltete ihn, fagt er, bis auf 
fein Fundament. Daß hiermit pie enorme. Ruine des Birs Nim⸗ 
rud gemeint ſei, ergibt fich aus den Zahlenangaben, die mit neueren 
Beobachtungen gut ſtimmen; auch CL Rich 2U) erflieg den Thurni, 
deſſen Stufenaufgänge noch wahruchmbar find; er ſchildert die weibe 
Ausficht von ver Hoͤhe, nie bis zum Kefil oder Bid zum Grabe 
Czechiels reicht, und mau verficherte ihn, Daß man ganz in bes 
Harfien Morgenfrühe ſelbſt das 10 Stunden ferne Meſchhed NN 
erblicken kͤnne. Auch vie Sage von der Zerſtörung dieſes babylo⸗ 
niſchen Thurms durch Feuer vom Himmel iſt noch bis heute: unter 
von Arabern im Gange, und erhält immerfort Nahrung durch bie 
ſcwatz verfihlatten und felbft verglaſeten Maſſen, 24) die, unfreitig 
von der Höhe herabgeflürzt, am Buß der Ruine in Haufen umher 


Nur einen halben Tagemasih von Hillah beſachte RM, Ban« 
jamin sen Ort Napacha, wo 200 Iupen eine Synagoge hatten, 
mit dem Grabe des Rabbi Jitſchal Napacha, der im Bien Jahrh. 
in Galiläa geblüht, aber auch in Babylon geweſen fein ſoll, was 
für feine Geburtöflätte gehalten wird. Der Ort ift ſonſt völlig uns 
befannt, nur der Reiſende Buckingham, ver 1827 dieſe Gegenden 
beſuchte, beflätigt die Nichtigkeit von Benjamins Ausjage, daB eins 
halbe Zagerelje fern von ven Ruinen des Bird Nimrud die von 
Anders nicht genannte Synagoge mit. dem Grabe des Napheus2) 
lege, fo wie 3 Stunden ‚weiter dad Grab des Ezechiel. Da au 
ia Galilãa, zu Khaifa, dad Grab deſſelben Nabbi Napacha gezeigt 
warde, jo bemerkt der gelehrte Zunz 23). als Commentator bed .Di. 
Benjamin, daß die meiften jener vorgeblichen Grabftätten der Heilig 


Y.. 93 


20) R. Benjamin Itinerar. Vol H. p. 389, not,  *°) Cl. Jam. 
Rich Narrativo of a journey to üs, site ——— ete.. edited 
by His Vidow. Lond. 1839. 8. J. Baill. Fraser 


 Travels in Koordistan, Meso ie etc. Lond. 1840. 8. Vol. N. 
.23. . *?).J. 8. Buckia Erayıılcn.p Alla 1* R. 
ajamin Itinerar. 1. c. Vol. II. p. 141. J 














264 Wehl-Aien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.32. 


gehaltenen Männer wol GEybichtungen waren, um von den leicht⸗ 
gläubigen Pilgern Gelver einzuſtreichen, und da dies bei den chriſt⸗ 
lichen, zumal in Paläſtina Bekanntlich, wie bei ven mohame da⸗ 
niſchen Secten im Orient mit ven Grabflätten, Kirchen und Mo⸗ 
ſcheen fo ſehr allgemein ver Fall war, fo koͤnne es nicht in Ver⸗ 
wunberung feßen, demſelben Gebrauch und Wahn auch bei ven jũ⸗ 
diſchen Bemeinden in den Synagogen zu begegnen, Allerdings 
zeigen fich hievon fehr viele Weifpiele, hoch Einen biffbehaib nicht 
jedwedes höhere Alterthum verbächtigen ; es bleibt dennoch ſtets wün⸗ 
ſchenswerth, daß eimflchtige Beobachter und Reiſende foldye vermeint- 
liche Monumente ſtets genau erforfchen, in Hinficht auf Sprache, 
Benennung, SInfcription, Architecturſtyl, ſpecielle Localität, naͤchſte 
Umgebung u. ſ. w., weil fie nicht felten zu Denkmalen, wenn aud 
nicht derjenigen, deren Namen fie tragen, führen, doch zu foldden Ver⸗ 
Hältmiffen, die zu hiſtoriſchen Anhaltpuncten der Bergangen- 
heit und Gegenwart führen, venen wir fchon gar manchen intereſ⸗ 
fanten Aufſchluß über Geographie, Voͤlker⸗ und Menſchengeſchichte 
verdanken. 

So führt R. Benjamin nun auch, nach 3 Parafangen (4 
Stunde) Wegs von da, fern vom Ufer ded Euphrat, zum Grabe 
des Propheten JI'che skel, 29) d. 1. Heſekiel oder Ezechiel, 
deſſen geographiſche Lage, mag es ſein wirkliches Mauſoleum ſein 
oder nicht, als eine ſehr erwünſchte Marke zum Orientiren in je 
nem weiten Blachfelde und auch durch den aufmerffamen Nie- 
buhr) genauer, 44 Stunde nörvlich von Mefchhen Alt, unter dem 
bei den Orientalen gebräuchlichen Namen Kefil, beftimmt und auf 
feiner Karte eingetragen If. Diefer Treffliche fand daſelbſt im Des 
cember 1765 nur ein einfach gemauerted Grab, von einer arabiſchen 
Familie gehütet, melche zugleich die Pilger, viele Hunderte von Ju⸗ 
den, bewirthete, welche dies Heiligthum jährlich Hemallfahrteten, auch 
ein kleines ummauerted Gaftel zu ihrem Schutze gegen bie Lieber 
fälle der plündernden Bebuinen aufgerichtet, von denen fie, wenn fie 
einmal von venfelben umlagert worden, durch die türkifche Garniſon 
in Helle leicht befreit werden fonnten, was denn ‚gewöhnlich wine 
doppelte Prellerei für die Armen zu fein pflegte. 

Im 12ten Jahrhundert muß unter dem Schuge der den Juden 
‚geneigten Khalifen ber Ort bebeutender gewejen fein, wenn vor ber 





| 2) R. | Benjamir Itin.“l. ec. bp. 107. 24) Niebuhr, Reiſe Th. II. 
. . —W t oe. . 








Euphratf.; hiſtor. Ruͤdbi.; n. X. Benfamin (1170). 265 


Synagoge der Platz, wie R. Benjamin fagt, mit 60 Thüͤrmen be⸗ 
fegt war und zwiſchen je zweien ein Bethaus ſtand, hinter der groͤß⸗ 
tm Synagoge aber dad Grab des Propheten, über dem ſich ein ſchö⸗ 
se Dombau mit Kuppel erhob, vefien Erbauung man dem Könige 
Jkhoniah von Jehuda (Jojachim, f. ob. ©. 256) ſelbſt zu. 
ſchrieb, nebſt den 35,000 Juden, die mit ihm aus dem Gefängniß 
Ismen. Deren aller Ramen follen auf ver Mauer angefchrieben ge⸗ 
weien fein; vet Koͤnigsname zuerfi und ber des Propheten zuletzt. 
Die Bilger aus den fernften Ländern machten biefe Stelle zu ihrem 
Betorte; zumal Ende September und Anfang October, zur Zeit des 
Nenjahrs und der Gühnopfer waren hier große Feftverfammlungen, 
zu denen fi) der Prinz der Gefangenſchaft und vie Vorſteher ver 
Gellegien aus Bagdad einflellten. Die aufgefchlagenen Hütten la⸗ 
gen im offenen Blachfelve, in einem Umkreiſe von 8 Stunden Wegs, 
und viele arabifche Kaufleute veriammelten fich dabei zur Abhal⸗ 
tung großer Märkte. Am Haupttage wurde aus einer großen Rolle 
des Pentateuchd von ded Propheten eigner Handſchrift die Vorle⸗ 
fung gehalten. Eine ewig brennende Xampe, feitvem fie Ezechiel 
ſelbſt angezündet, fagte man, brannte über feinem Grabe, und in dem 
Ganetuar eines zur Seite ſtehenden Gebäudes warb eine zahlreiche 
Sammlung von Schriftrollen aufbewahrt, deren viele fo alt, wie 
ver zweite Tempel, und felbft einige gleichzeitig mit dem erfien 
Tempel fein follten, da es ver Gebrauch geweien, daß. jeder, der 
finberlod, feine Hinterlaffenen Schriftrollen biefem Sanctuar ver⸗ 
machte. Gine ſolche Sammlung würde freilich zu den merfwürbig- 

fen gehören, wenn fie fih erhalten Hätte; zu Niebuhr's Zeit 
ſcheint Niemand etwas von einer dort vorhandenen Sammlung ge= 
mußt zu haben; doch fagt der größte Kenner ver mohamedaniſchen 
Literatur des DOrientd: „ed verdiene noch heute das Grab 
Tzechiels die Aufmerkſamkeit literariſcher Reifenver 
bush eine ſchöͤne, von den Königen der Sefi daſelbſt 
angelegte Bibliochek. 2) Die Eingebornen führten damals 
alle aus der Fremde kommende Juden, zumal die aus Mebien und 
Herfien in großer Zahl, wie noch heute, 2?) Tamen, zu jenem Grabe, 
ihre Gebete zu halten. Auch vie vornehmen Mohamedaner kamen, 
von Propheten zu ehren und ihr Gedet zu halten, zu dieſem Qrie, 
den ſie Dar Pr licha (den Hieblichen Aufenthalt) nannten, zumal - 


P v. — zrgtlall, bie aflat. Türkei. Rec. Wien. Jahrb. ‚1821. 


27) (Rousseau) Description du Pdclialik 
7 —— Paris 1800. 8. p- 77. 











266 Weſt⸗ Aſien. TIL Abtheilung. I. Abfchnitt. 5.90; 


auch die Araber; daher blieb, In den frühern Perioden-svenigfiend, 
ſelbſt zu Kriegszeiten dieſes Grabmal ſtets in Ehren. Nur eine 
halbe Stunde fern. werben noch andere Gräber und eine Moſchee 
genannt, fo wie 3 Mil fern die Stadt. AI Kotſoneath 2) mis 
300 Juden zu Einwohnern, und 3 Paraf. (44 Stunde) weiter, in 
An Iophata, dad Grabmal des Propheten Nahum von El» 
kos, das nicht blos Hier, ſondern auch im feinem Geburtöorte ge= 
zeigt wird (ſiche Erbkunde Th. IX. Seite 742). Ungeachtet wir 
diefe Loralitäten heut zu Tage nicht mehr nachweiſen Ennen, fo 
bleibt Ihre Angabe doch Intereffant, weil wir daraus fehen, wie Rast 
bevbltert ober doch befucht jene Gegend war, bie. jest ganz wüße 
Uegt und Niemand ſcheint ernähren zu Eönnen. Denn nur eine Xas 
gereife fern von ba lag ein perfifches Dorf (mol von Ehlten, 
den Verehrern Alis und Huffeins, bewohnt, vie noch heute dieſelben 
Gegenden vorzugsweiſe bepilgern, ſ. Grbf. VI. 298, 300 u. a. O.) 
wo bie Sepulcra von brei Rabbis; eine Halbe Tagereiſe weiter ein 
anderes, wo ebenfalls In. der Mitte ver Wüfte 3 vergleichen bewal- 
fahrtet werden, und eine Tageseife fern von ihnen noch am einem 
andern, nicht genannten Orte das Grabmal des Königs Zedekia 
gezeigt wurde, ber fi wider feinen Verwandten Nebucadnezar em- 
pörte und von ihm im neunten Jahre feiner Herrihaft geichlagen 
und geftärzt warb. (2, Buch ver Könige 24,17; 25,1). In Kufa, 
Das nur eine Tagereiſe fern vom biefem letzten Orte, nach Rabbi 
Benjamins Berichte, von ihm beſucht warb, gibt er 70,000 Juben 
ale Gimwohner an, und einen großen Bau mit einer Synagoge im 
Vordergrunde, wo man das Grabmal des Königs der Gefangen- 
ſchaft, Joj ach im, verehrte, der das Grab Ezechleld und Die Gtänte 
Otbara am Tigris, Shafjataib am Cuphrat erbaut haben ſollte. 
Rabbi Benjamin wandte fi von diefen Umgebungen des 
alten Babylon weiter nordweſtwärts, den Cuphrat ſtromauf, um 
noch die 3 Orte Sura, Naarda und Pombeditha, vie berühm⸗ 
teten babylonifchen Hauptſchulen, die Sitze der Geonim, 29) feiner 
@laubensgenofien,, zu befuchen, deren Lage jedoch genauer nachgu= 
weifen feine Schwierigkeit hat, weil eins Verſehung des Textes In 
denjenigen ‚Stellen vorgegangen zu fein ſcheint, wo von ihnen bie 
Rede iR, zumal mit Juba, welches Pumbeditha in Nehät dea 
genannt wird, und. [yon an eines. frühen Stelle Im Text eingefcho- 


20) R. Benjamin Itinerar. I. c. 110. ®*) Baapage Hist. 
des äuifs 1706. II. p. 76. nr 9* 





’ 





Eupbratf.; hiſtor. Ruͤckbl.; n. R. Benjamin (1170). 267 


bes 30) geweſen zu ſein fcheint, obwol es als identiſch mit. dem 
exft fpäter angeführten el Jubar ?1) betrachtet werden muß. 

Bon Kufa lag die erſte Stadt, Sura, 14 Tagereiſen fern, 
(offenbar im N.W., und nicht auf dem Oftufer, mie die fhon oben 
genannte, aud) anders gefchriebene Soura, f. ob. S. 205), wol dies 
felbe, weldhe auch Edriſi, zweimal Sura Sura 32) gefchrieben, 
mehr oberhalb am Euphrat gelegen angibt, ohne Näheres von ihr 
zu melden. Da fie indeß, nach Edrifi, nahe unter Anbar, we ber 
Iſacanal vom Euphrat abzweigt, Tag, fo konnte die Entfernung 
ver beiden, Soura und Sura Sura genannten, Städte nicht fehr 
groß fein, und wir Fönnten wenigſtens von ihrer ungefähren Lage 
fprechen, von ber ſich vielleicht der Name eines dicht am Weftufer 
des Cuphrats hingeſtreckten Sees, Eſſuria genannt, nach Eolon. 
Chesneys Stromaufnahme, herfchreibt, gegen welchen von Bagdad 


aus bie jüngft vom Pafcha projeetirte neue Ganalgrabung zwiſchen 





Zigris und Euphrat gerichtet war. Diefe Lage flimmt mit ber 
Angabe, daß die jünifchen Sura und Pombeditha nur in ge 
ringer Entfernung von Bagdad lagen, während andere Ortfchaften 
und Diſtricte, die venfelben Namen Sura in alter und neuer Beit, 
auch bis heute noch führen, viel entfernter firomaufwäris am Eu⸗ 
yhent gelegen find. Dieſes Sura, jagt R. Benjamin, 33) heiße 
im Talmud Matha M'chasia, und fei früher die Refidenz des 
Fürfen der Gefangenfchaft geweſen, wie des Vorſtandes ihrer Col⸗ 
leggen Die Gräber dreier im zehnten Jahrhundert fehr gefeierter 
sabbinifcher Lehrer der Aca demie (Geonim) in Sura, bie acht 
Zahrhunderte hindurch großen Ruhm unter den jünifchen Gelehrten 
genoß, zeigte man daſelbſt, ver R. Sh’rira, Hal, Saabla, fo wie 
vieler andern, die als Prinzen der Befangenichaft aus bem Haufe 
David dort refidirten, bevor die Stadt zerflört ward. 

Zwei Tagreiſen entfernt von va, befuchte R. Benjamin zu 
Shafftathib eine Synagoge, welche vie Juden aus Grove und 
Gtein erbaute, die fie aus Jeruſalem mitgebracht haben wollten 
(eine Legende des Talmud), *) die fle deshalb „pie nach Nehar⸗ 
bea verpflanzte Synagoge” nannten. Der Name Shafla- 


- l 





#) R. Benjamin Itinerar. I. c. Vol. I. p. 92. u. Vol. Il. Not. 

p. 138— 134 nad Zunz. °°) R. Benj. Itinerar. I. p.112. 
#2) Kdrisi Geogr. b. Jaubert. Ik p. 188, 142. 22) R. Benj. 
Ki . L pilll. U. p.1148.. 22) Zunz in Benj. Itinerar. Il. 
p MS, Not. 281. 0 | 


- 


n aben, wie ein 


ſolches auch j, 
wird, deſſen B tung auch in 
(ehe oben €, 6). Das Groß de 
genannt, und mit | 


| einem ſchönen Don 
Segeln geſchmückt, rei 
den flasf 


tet, zumal von Baı 
Reiſenden etwa Mir ©. 


mu _ 1m 





T 





Eupbratf.; hiſtor. Ruͤdbl.; n. Marco Polo (1300). 269° 


und feine Legenden mitiheilen, nennen ven Fluß, an dem es liege, 
in bebräifcher Sprache Ahava, wodurch der Ort der Berfamm- 
Lung ber Juden, welde in Begriff waren, unter Es ras Leitung 
auß ver Sefangenfchaft nach Ierufalem zurüdzufehren (ſ. Era 8, 
15, 21 und 31: Alſo brachen wir auf vom Waſſer Ahava ıc.), 
feine Localifirung auf der Grenze von Sufiana und Babylonien 
erhalten würde, wenn dieſes Datum ald zuverläflig gelten könnte. 
Wirklich geht R. Benjamin Wanderung von bier nah Su⸗ 
fiana birüber, von wo unß. feine Berichte über Sufa und des 
Propheten Danield Grab ſchon bekannt find (Erdk. IX. ©. 305 
und fi.). 


2) Darco Polo's Berichte (1300 n. Chr. Beh.) von den 
Zigris- und Euphratfiädten und ihren Fabrikaten. 


Marco Polo, ver edle DBenetlaner, berührt nur wenige Orte, 
und gibt wol auch Nachrichten von ſolchen, die er nicht einmal bes 
rũhrt hat, doch bleiben feine Angaben über jene von Europäern 
faum beſuchten Gegenden, für jene Periode, Schluß des 13. Jahr⸗ 
hunderts, Immer dankenswerth. Er geht von Klein Armenien 
und dem Öftlichen Asia minor, dad er Turkomanien nennt, weil es 
damals die Türken erſt in Beflg genommen hatten, im 4. Kapitel 
ſeines erften Buchs, nach Groß Armenien über, und von ba 
über Moful nah Bagdad. 

Armenia major,*!) fagt er, iſt eine große Provinz, an deren 
Eingange (von NW. Her) die Stadt Arzingan liegt, wo in 
einer Manufactur fehr fhöne Baummollenzeuge (Bucherame 
nach Il Mill. oder bocassini di bombagio nach T. Ramuf.), *2) 
fogenannte Boom baffins gearbeitet werben, vie beften, vie es gibt. 
Auch viele andre Fabrikate find dafelbſt, die aufzuzählen zu um⸗ 
ſtändlich fein würde. Es Hat die fchönften warmen Bäder, bie 
and Der Erde hervortreien. Die meiften Einwohner find Armenien, 
We aber unter ber Oberherrſchaft der Tataren ſtehen. In dieſer 

Provinz find viele Städte, aber Arzingan ift nie Hauptſtadt und 
ver Gig des Erzbiſchofs. Die nächften Städte von Bereutung find 
Argiron und Darziz. 





*ı).2g, Polo Trav. ed. Marsden. Lond. 1818. 4. p. 47. 
'% M. Millione di. M. Polo ed. Baldelli Boni Firenze. 
197.4 T. I. p. II. und T. II. p. 2. 








230 Weſt⸗Aſien. TIL. Abtheilung. J. Abſchnitt. $.32. 


Arzingan, bie damalige Hauptſtadt Groß Armeniens, welche 
zu gleicher Zeit als eine merkwürdige Fabrikſtadt ſich zeigt, Heißt noch 
heute Erzingani ®) und Tiegt in wildromantiſcher Natur, In ſehr 
fruchtbarer Umgebung, etwa 20 geogr. Mellen in S. W. von ber 
heutigen Gapitale Armeniens, von Erzerum, entferht, abwärts am 
Kara Su, oder dem großen Weft-Guphratarme, Eriza oder Erez) 
bei Armeniern, Arzengan bei Perſern, bei Arabern, denen das 
G fehlt, Arzendjan, war eine ſehr alte und berühmte Stadt, in 
ben vorchriſtlichen Zeiten, durch viele heidniſche Tempel, die fie 
im erften Jahrhundert durch König Tigranes II. erhalten hatte. 
Später, Im vierten Jahrhundert, wurden aber eben bier dieſe 
Tempel der Anahid dur St. Gregorius Illuminator ge 
kürzt, und. vie Gegend durch diefen großen Mpoftel, deſſen Grab 
auch bier bepilgert wird, die ckaffifche Mitte Armeniens, ver 
Biſchofsſitz, der erft (päter von da in bad jüngere Erzerum 
verlegt ward. 

| Unter der Herrſchaft der Seldiuken und ber Mongolen in Per 
flen, ber Nachfolger Holagu Khans, welche im Jahr 1242 vie 
Stadt erobert hatten, zu deren Zeit Marco Polo fie ſah, war fie 
fehr aufgeblüht und voll Induftrie und Handel. Von den warmen 
Bädern daſelbſt If und von keinem neuern Beobachter Bericht ges 
geben, und wir vermuthen faft, daß fle M. Polo mit venen zu 
Elija nahe Erzerum verwechfelt Bat; dieſe Stadt iſt wiederholt 


hurch Erdbeben fehr zerftört worden. Der englifche Conſul I. Brant, 


der Erzingan im’ Jahre 1835 befucht hat, gibt ihr 3000 84 

und meift türliſche Bewohner, darunter aber 800 armeniſche da⸗ 
milien. 
Die zweite Stabt von Bedeutung, die M. Poto Argiron 
nennt, iſt der verderbte Name der heutigen Arzerum, Erzerum, 
richtiger nach Araber Benennung Arzen er rum, d. i. die Stadt 
Arzen der Römer, weil fle vie legte ven Bozantinern dort zus 
gehörige Stadt Armenien? war, im Gegenfag einer andern benach⸗ 
barten Stadt Arzen (Urbzen over Aorde ſ. Georg. Cedreni hist. 
Compend. ed. J. Bekker. T. II. 1839, 8. p. 577,7), weiter dðſtlich, 


die ein reiche® Emporlum ber She -Armenler war, melde aber 


s+3) Jam. Brant Journ. thr. Armenia in 1835; im Jonrn. of. the 
‚Geogr, —*8 L. 1836. Vol. VI. p. 202. Eug. Bor& Mémoires. 
"Parig. 8. T. I. p. 383. . **) St. Martin Mem. hist, et 
geogr. s. l’Armenie. T. Er p. 70. 


® - x 
! 





Euphratſ.; hiſtor. Ruͤkbl.; n. Marco Polo(1300.) 271 


ſchon im Jahr 1049 n. Chr. &. von den Seldjukiden zerflört ward 
und in Ruinen liegen blieb. Ihre Bewohner fievelten fih nun 
nach der roͤmiſchen Stadt Arzen über, die bi8 dahin nur ein 
Kriegsplatz geweſen war, ſeitdem aber durch Bevölferung und Reid 
chum ſich erſt bob. Ihr ältefter, einheimifcher Name. Barin, in 
verfelben Provinz, die auch bei den Armenien Garin hieß, 
wurde erft Anfang des 5. Jahrhundert? durch den Bau einer Fe⸗ 
fung an ihrer Stelle verbrängt, weldde die Hauptfeflung Armes 
miens wurbe, und den. Namen Theodoſiopolis %) erhielt. Sie 
wurde nämlich von Anatolius, einem Generale des Theobofius 
des Jungern, im Jahre 415 n. Chr. Geb. erbaut, und von ihm 
feinem Kaiſer zu Ehren mit. diefem Namen belegt, ven fie als 
chriſtlich⸗ byzantinijche Stat auch vice Jahrhunderte hindurch bes 
hielt, bis derſelbe im 11. Jahrhundert durch die arabiſche Benen- - 
nung verdrängt warb, deſſen Verſtümmelumg M, Polo Hei den 
Berfern vorfand, ver auch bis Heute, in Erzerum, der allgemein 
gebräuchliche geblieben ift, Im der Nähe. biefer Theopofiopolis, 
wie durch Anaflafius ihre ſtarke Ummauerung erhielt (Pracop. beil. 
Pers. 1. 10. pag. 50. ed. Dind. I. 1833), am. Fuß ber boy 
ügen Berge, lagen. warme Quellen, über welche Anatolius 
Thermen erbaute. Es find unfreitig diefelben, welche noch heute 
zu Itijeg46) als Bänder dienen; +8 .find 2 Quellm von 100° Fahrenh. 
Temperatur, bie ſtark befucht werden, obwol die Babranftalten aus 
Hohen Erphütten beſtehen. Bon ihnen aus erblidt man aber ſchon 
ganz nahe gegen DR bie weißen Minaretd der großen mobernen 
Stadt Erzerum. Andre Halten das noch weiter öſtlich gelegene 
Saſſan kalaa, am nörvlihfien Zufluß des Axaxes, für bie alte 
Thechoſiopolis, weil daſelbſt au warme Bader liegen. *7) 
Die unter dem verflümmelten Namen Darziz aufgeführte Stadt 
iR Beine andre als die alte Arſiſſa, die heutige Ardjiſh, deren 
Lage am Van⸗See und ſchon aus frühern Unterfuchungen  befannt 
M (ErrE.IX. ©.785, 923, 988, 994), desen genaume Beſchreibung 
wir aber erſt im Jahr 1838 dvurch I. Brantsd +8) Beſuch daſelbfi 
erhalten Haben. 


v 
4) 5.'St Martin Mm. ». ’Arm. 1. 9.67.  **) Rev.Hor.Sotth- 
DR 2 our ihr, Armenlü eis. Lo Lond.1840. 8. VoL I. 
Höary Ser Note on a journey from Erz Rum to 
sind eis. 888. Jourd. of R. G. 8. of London 1841. Vol. 
x. P. IM. p. rag “),, Hammer, aflat. Türkei. Rec. in Wiener 
hr. cal. Br. XIV. 6. 35. **) Brant Notes I. c. p.402. 





272 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 32. 


Marco Bolo fährt in feiner Nachticht von Groß Arme- " 
nien fort, daß es eine fehr weitläufige Landſchaft ſei, pie in ber 
Sommerzeit zur Station eined Theils der MReiterſchaaten bir großen 
Armee ver dſtlichen Tataren diene, wegen feines trefflichen Weide⸗ 
laudes, da aber im Winter zu viel Schnee falle, um noch Butter zu 
finden, fo müflen diefe dann gegen den Süden wandern. Nabe 
einem Gaftell, anf vem Wege von Tauris nach Trebifond, welches 
Paipurt Heißt, If eime reiche Silbergrube. Dies tft das alte, 
fon vom Kaiſer Juſtinian auf einem impofanten hohen Felſen er- 
bante Eaftell Baeberbon (Bueßepdo», b. Procop. de aedif. III. 
4. ed. Dind. 1838. Val. Ill. p. 253), da6 Paipert ober Ba- 
pert ber älteften Armenter; 49) bei Arabern und Zürfen Baiburth 
oder Baibuth genannt, im NW. von Erzerum, am Dijoroth- 

> ober Tfhurut- Fluß, ber feinen Lauf von biefem Orte gegen 
RD. über Ispera (Hispiratis) zum ſchwaren Meere nimmt, wäh- 
rend jenfeit der benachbarten Bebirgäfette, in NW. der Giabt, 
der Fluß von Guͤmiſhkhane entfpringt, ver ebenfalls in nord⸗ 
weſtlicher Richtung zum ſchwarzen Meere ftärzt. Dicht bei ver 
Stadt Batburt iſt keine Silbergrabe bekannt; wel aber liegen mm 
in geringer Entfernung von ver Stadt, an dem Wege nach Erzerum, 
Kupfergruben, Ehalvar, bie aber nicht gemeint fein können. 
Die ganze Umgebung ſcheint reih an Metallavern zw fen. Auch 
Silbergruben find Hier, nur Hegen fle etwas entfernt von ber 
Stadt; die einen in RO. im Thale des Afhoruß, gegen Isperaihin, 
das 18 Stunden Wegs entfernt liegt, etwa auf halbem Wege ba- 
bin, 50) im der Nähe des armeniſchen Klofters Sip Ovanes, bie 
jedoch Heut zu Tage nicht mehr bebaut werden, und wenig befannt 
find. Die andern liegen auf ber migegengefehten Seite, im R.B. 
von Batburt, im Thale des Fluffed Gumiskhana, 14 Stun- 
den fern, und haben dem Fluſſe felbft ven Namen gegeben, denn wie 
Bergwerkoſtadt, welche auf ben Granitrüden des Gumish Dagh 
(Stinerberge) aufgebaut ift, Heißt Bumishfhana, das heißt 
„Stlßerbaus.” 51) Offenbar find. es dieſe, welche ver Benetianer 





. 
s4®) 5.,8t. Martin Mem. ». l’Arm. I. p. 20. ®®) W. Hamilton 
Asia minor. 1842. 8. Vol. I. p. 226: **) Gbenbaf. &. 169 und 
D Ban ven 1. Brant Journey 1835 im Journ. of:the G. Soc. of 
L VL 1838. p. 221; Ber. Hor. Southgate 
[2 of 2 tour through Armenia, Kurdistan etc. Lond. X Vol l. 
Bu; 





a 
. - 


Cuphratſ.; hiſtor. Nucblich n. Marco Polo (1300). 273 


meinte, denn fle find ſeit Langen Jahren bearbeitet, fie gelten, trot 
ihrer Tchlechten Bearbeitung, noch Immer für die veichften Haupt⸗ 
gruben, ja für die hohe Schule des Grubenbanes und Huͤttenweſens 
für ganz Kleinaflen und das türkiſche Rec. Die. erfle genauere 
— verdanken wir W. Hamilton; er hoͤrte 
ganz ummifienden Besgwerkäpirector freilich nichts 
über die enger chichte, ober ein fo hohes Alter dieſes Grubenbaues. 

In der Mitte dieſes Armeniens, hörte M. Bolo, ſtehe ein 

febe breiter und hoher Berg, auf welchem: nie Arche None ſihe, und 
dethalb —* er den Namen „des Berges der Arche“ Gil 
moste dell’ arca di Noe, n. Tefl. pi Ramuflo; im II ML. fehlt 
der Name) erhalten. Dies iſt nicht der forifche (Jebel Judi, f. 
Erdt᷑ IX. ©. 721), fondern der armeniſche Ararat, ver Mafls 52) 
der einheimifchen Armenier, den viefe, als fie mit ver heiligen 
Schrift bekannt wurben, für den Ararat der mofatfchen Urkunde 
anfaben, ber bei Ihnen auch ven Namen Agherh⸗ ober Dagher- 
dagh erhielt (f. 0b. &. 7% Daß dieſes rihtiger Arghi dagh 
oder Arghitagh, wie im Dikibannuma bei den. Türken, heißen 
mäfle, bat v. Sammer®>) bemerkt, da dieſer Name: felbft auf den Na⸗ 
men der Arca in. ver Geptunginta, und auf bie danach benannte 
Arche ver beutfchen. Bibel hinweiſet; was durch M. Polo's An⸗ 
gabe eine intereſſante Betätigung abäl. . . 

Den Buß: viefed Berges zu umgehen , bemerkt der edle Bene 
Gamer, brauche man ‚nicht weniger als zwei Tage, °*) ihn zu be= 
Reigen ſei unthunlich wegen des Schnees auf feinen Gipfeln, ber 
nie füpmelze, aber immer durch neuen Schneefall fich mehre. Die 
abfiinnelzenden: Schneewaſſer ‚befruchten aber, fagt er, vie umher⸗ 
Begenben Ebenen fo fehr, daß biefe den zahlreichften Heerden ein 
fett üppigen Weiveland varbieten. Diefed Armenien grenze gegen 
EB. an. die Difiricte von Moful und Mein. Die Provinz 
Mofni, 55) fährt derſelbe im 6. Kapitel feiner Erzählung fort, ſei 
dns Berorinz von fehr verfchlennen Völkerſchaften bewohnt; vie 
duen Araber, welche Mohamed verehrten, die andern Ghriften, 
«her keine ver katholiſchen Kixche,: von ber fle in vielen Gtüden abe 
weder, wie ih Neftorianer, Jakobiten, over Armenier nen« 


Hi 










en a ar ana a TEE 
v.· ut n. Kec. Diener rbücher 
*8 — *8 M. olo b. Marsden. 1. c. p. 48. 


—*8* — u . S 
3 











TA. Weit A ten, FI. Abtheilung. L Abſchnitt. 5:32. 


nen. Sie Geben. einen Patriarchem, ven fle Sarolit (ober Ja⸗ 
kolich d: i Katholikosz nach heute: der gebräuchliche: Tirel, ſ. Trok. 
. IX ©. 677) namen, der ihre Erzbiſchoͤfe, Biſchafe und Aebte con⸗ 
farrire unb in alle Theile Indiens ſende, fo wie nach Bagdad und 
:&afro. und wo ur Chelſten wohnen, eben fo wie ber Pabſt Ser 
rodmiiſchen Kirche. Wir haben ſchen früher das Fortbeſtehen dieſer 
verſchledenen Secten im noͤrdlichen Kurdeſtan und am Zab und 
Tigrio (f. Ertl. IX. S. 656, 732 u. ff.) kennen lernen, wie dies 
ſchon im 13. Jahrhundert und weit frühes der. Fall war, und auch 
hbis Heute *) noch An. Moſul sen zerfpaltuen Zuſtand ber chriſt⸗ 
lichen Kirche characteriſttt, ver dem Venetianer zu feiner. Zeit: ſchon 
ſehr aufgefgllen zu. fein ſcheint. ME Dupro (1809) Mojul :be⸗ 
fuchte, 97) rechnete man auf ſeine SO,000 Cinwohnet 25000 Fyrifch- 
katholiſche Chriſten, 2600 Jakobiten, 5000 Reflorianer, 
750. Juden; die übrigen Bewohner waren Türken, Kurden, 
Araber, Armenier lebten Bier nicht, die doch im den meiſten 
Städten: jener Landſchaften einzeln angefiebelt find. 

Zu .M. Polo's Zeit war Moful als großes Enporium noch 
im: Orient beruͤhmt; alle jene Zeuge, fagt der Venetianer, 58) von 
Gelb und Seide, welche man Muffeline nınnt'(Mosselini), wer⸗ 
den in Moſul gearbeitet, und alle jſene großen Kaufleute, wie fi6 
ebenfalls Moffulini nemen, und alle Spererrien im Großen 
auf die Märkte bringen, find aus derſelbigen Moſul Benvinz 
(Diyar Mäufil, die Provinz Moſul der Araber). Die iger 
Benenuung ver: Kaufleute, ‚weldhe- wie Bäfen der Lesunte- In Immer 
Zeit für Venetianer, Genueien, Plfaner u. ſ. w. mit don Bram 
des Orients verforgten, waren allerdingg Moblemen, Musli⸗ 
man, Mufelmänner; daß flo aber alle aus Mofub waren, If 
kaum glaublich, und hierin wahrſcheinlich eine Verwechſlung in der 
Benennung derſelben bei M. Polo vorgegangen. Die Fabrklate 
and feiner, durchſichtiger, weißer Buumwolle, wie die heutigen avch 
in Indien gefertigten Zeuge dieſes Ramens, und wie die Bombaffins, 
wie in ver Fabrik zu Arzingan gemacht wurden, ‚haben in bei ſol⸗ 
genden Jahrhunderten ben Namen der Muffeline erhalten, aicht 
aber jene ſeidnen, mit Gold durchwirkten Brocuite, die Ahnen Ramen 


V— eſ 25-11 6. 350 f; 1,.Cl. Rich Native. 
#7) Dupté Voy. en Peme. Paris 1819. 8. 
on 1 ss) M. Polo 5: Marsden. 1. & p. re 130. 





Enphratf.; hiſtor. Ruͤtbl.; n. Marto Pole (1300). 275 


als Prunkſtoffe Balvachini, 99) von Baldak, di. Baggvad, et⸗ 
hielten, und vielleitht auch in Moſul zu jener Zeit gearbeitet;: vie 
Berahlaffung zu jener irrigen Auslegung des Namend ver Muffe 
Iine gegeben haben. Es müßte denn fehr, daß auch dieſer Name ven 
Golöhrocaten, als Moſul⸗Wa are beigelegt ward. In der Nach⸗ 
barſchaft diefer Provinz, führt M. Polo fort, find die Orte Mine 
(Mufh, f. oben am oben Murad, S. 99) und Maredin, bad 
befannte Marbin, wo Baumwolle (bombagio) In Menge ges 
haut wird, und woraus fie fehr viele Zeuge, Bocraffint (ein Name, 
ver nicht in allgemeinen Gebrauch gekommen zu fehr ſcheint) ges 
nannt, verfertigen. Auch diefe Leute, Untertanen des Tataren 
Ahans in Berfien, find große Babrikarbeiter und Handelsleute. So 
Hei ſehen wir mol, daß damals mehr Induſtrie und Verkehr ver 
Ginheinifchen in dieſen Provinzen des Orients flatt fand, als Heut 
zu Sage, wo ber Handel faft nur durch das Ausland angeregt 
wird, amd felbft Moful Leine) eignen Fabriken mehr von Muſ⸗ 
felinen oder andern Zeugen. aufzuweiſen Bat; nur noch etwas Fürs 
berei ung Druderei für vie aus Basra eingeführten Zeuge. Aber 
das heutige Moſulei) nimmt auch nur etwa ein Drittheil der Große 
ver ehemaligen Stadt ein, die überall mit Trümmern umgeben iſt. 
In Muſſh ift aber gegenwärtig wer Manufactur noch Handel 
von Bebeutung, und obwol viel trefflicher einbau daſelbſt betrie- 
ben wird, fo ſcheint doch Leine 2) Spur mehr von Baumwollen⸗ 
cultur Dort vorhanden zu fein. Don Mardin aber ruͤhmt noch 
Niehuhr (1766) 62) die dafigen guten Fabriken von Leinwand 
und Baumwollenzeugen, und G. A. Olivier, der treffliche 
Raturforfiher, der 5 Sage in Mardin verweilte, beftätigt auch Wie 
gute Baumwollen⸗Cultur %) auf dem fehr fruchtbaren Geblett 
ver Stadt Marvin; fo wie die Fabrikation guter und Yieler Baum⸗ 
wellenzeuge in der Stabt und den umliegendeh “Dörfern, welche ven‘ 
Narkt von Aleppo damit verſehen. Doch tft Ihe Hanbel gering. 
Auch vanue fon; zu M. Polos Zeit, wie heute, wit die Ge⸗ 
gend um — ferien bedrohi durch die wilden Stänmt 


ak 6 tape’ 6 f zu oder bie argitectanifcen Denlmale ıe. von 
3* Berlin 188 6.241. *°) Dupré Voy. L c. I. p- 121. ' 
NW. Heude’ vor; 8 overland from india ‘to Hngland. 
2 1819. p. 218. * J. Brant Notes 1838. in Journ. of. 
5. FR, of Lond.. Ypl. X. p. II. p. 446. se, Niebuhr Reife. 18. 
5. —* vier Voy.. dane ve ire Ottoman. Pati⸗ 

1604. 4. T. 


| 2 
& 





276 MefbNfen, II]. dMbthellung. J. Abſchnitt. $. 32. 


der Kurden (Curdi) aus ben nahen Kurpiftan-Bergen, da fje als 
Raubhorden die Handeldtarawanen überfisien; ſchon zu feiner Belt 
wagen fle zum Theil Chriſten, NReorianer, Iakobiten und 
zum Theil, fagt ex, Saracenen, welche Mohameb anbeten, böfe 
Menſchen von einer ſchlechten Raffe (uomini cattivi e di mala 
sorte, 6. Ramuflo ©). ;,; 

: Im 7. Kapitel ‚gibt DM: Bolg feine Rachichten von Bas · 
dad, das er ſtetq, wie alle feine Zandalewte jener Zeit, Baldacco 
or Baldag®) nennt, wäßsenn Andere es auch mit dem Titel Ba« 
bellonta ‚belegten. Es iſt, fagt er, eine große Stadt, vordem bie 
Wefldenz ver Khalifen oder des. Bontifer aller Saracmen. Ein. gro- 
her Strom (ver Zigris), vurchſchneidet die Mitte verfelben „. ‚und auf 
Aha. trandportisen. Die Kaufleute ihre Waaren von und nah In= 
sen; wegen der Windungen diefe Stromes - brauchen, bie Sciffe 
zur, Blußfahrt 17 Tage. Diefe Indienfahrer, wenn fie den Strom 
verlaſſen Haben, legen erſt zu Kifi (vie Infel Keifch ober Käs, 
f. Erdt. VI. ©. 776; damals, nach Sirafs Fall, das blühendſte 
Gmmporlum) an, um dann von da in Ger zu fiehen. Ehe fir aber 
dieſen Ankerplag und, diefe Seeſtation erreichen, paſſiren ff} erſt bei 
Balfara (dt Baffpra,, ober Balfora der verweichlichten, oe 
ſprache), die von ven Palmenwaͤldern umgeben if, mie ‚die be 
Datteln der Welt tragcra. 

In der Stabt Baldach iſt eine Manufactur von, Seihen- 
zeugen mit. Gold; (dene Baldadine), aber auch Da maſte 
Damasst bei Ramuflo, wol ebenfalls nach der Stadt Damasf 
Benannt) werden ba. geatheitet and auch Relluti mit Figuren 
yon- Vögeln und Fhieren (drappi a © a ucell, In Zefl, 
A :Miflignes 97) Sei, Rauuflo, Vellati d. L, Velvets), gemäß 
Sammes, ‚Hier aber; unftreitig jene fhöngn fanmtartigen Seppiche, 

durch walche ‚die Arbeiter Shiitſcher Perſer von ‚jeher berühmt waren, 
* bie von ben, Saſſanidquzeiten an.folche Stickereien ‚gewöhnt F eben 
& 173), weniger ſtreng als die Sunniten nicht jeden * 
Vilder aus ihrem haͤusüichen Leben verbannten 

Ale Perlen, ſagt M. Polo, die aus Indien nach Üuropa 
tommen, find zu Baldach angebohrt worden; hier war der Groß- 
Handel mit Petlenſchmuck Der Schap des Kpalifen war a Polo, 
Silber und Zuwelen der größte sa der Welt. Das ohamebas 















Na ea. Baldelli Boni kr , 
p- 688. *') a Ye L 





R ) 3: Polo 5..Marnden, Le 
4... 











Euphratſ.; hiſtor. Ruͤcbl.; n. Ebn Batuta (1346). 277 


aiſche Geſetz wird Hier, ſagt derſelbe, regelmäßig flubirt, venn Bag⸗ 
dad Hatte zur Khalifenzeit feine zahlreichen Medreſſes (hohe Schulen 
und Academien); aber auch die Wilienfchaften ver Magie, ver 
BHHfit, Aftronomie (d. i. Aftrologie), Geomantik (vielleicht 
Geometrie?) und Phyſiognomie (vielleicht Philoſophie). Ce if 
Bagdad die nobelfte und größte Stadt, vie in dieſem Theile der 
Welt gefunden wird. Aber ver Iehte Khalif (Moftafem Billah), ver 
legte ver Abbaſſiden, fand ein: jammervolles Ende (1258), du er 
ſchwach, unthätig, außfchweifend war, von feinem Minifler an ven 
— VFeind verrathen und von biejent umgebracht wurde. — 

So ſchlleßt M. Polo feine Nachrichten von ? Bagvat, das er vielleicht 
nur von Hörenfagen fannte. 


3) Ebn Batuta's Wanderung zu den den Moslemen ge= 
weihten Orten dur das Euphratgebiet. (1346 n. Ehr. Geh.) 


Eben Batuta, ver gelehrte Araber aus Tanger in Maurita- 
nien, der glaubwürdige und erfahrne muhamebanifche Reiſende, 
noch vor- der Mitte des 14. Jahrhunderts, ift in feinen Berichten 
über die fernften Länder in Inner= Afrika, in Indien und China 
volftändiger als in denen über Vorderafien; 08) doch iſt es auch 
hier nicht ohne Intereſſe durch ihn, wenn auch meiſt ohne allen 
innern localen Zuſammenhang, mit den Augen eines ſtrengen Sunni⸗ 
tiſchen Moslemen einen kurzen Blick auf dieſelben Landſchaften zu 
werfen, die dadurch von einer neuen dritten Seite wieder eine ganz 
andre Anficht für diefelbe Periode gewähren, und zugleich in bie 
verwandtere Gegenwart herübergeleiten. 

Ehn Batuta gelangt von Damaskus über Medina und 
Mekka, mit Pilgerkarawanen durch das arabifche Nedjed ziehend 
in die ckuphramah⸗ zurück, und betritt den Boden von Irat 
Arabi zuerſt bei EI Kadiſia (Kadefia ſ. ob. ©. 172), dem be⸗ 
rühmten Schlachtfelde, auf welchem, wie er bemerkt, ver Feuer⸗ 
Gultus vernichtet warn, 9) und ſeitdem die Verbreitung der 
Lehre Mohameds vorwärts ſchritt. 

Die einſt große Stadt dieſes Namens war zu Ebn Batu⸗ 

a's Zeit zu einem kleinen Dorfe herabgeſunken. Von da beſuchie 





o) L. Kosegarten de Mohammede Rbn Batuta, Comment. :acad. 
Jenae 1818. 4. p. 9. **) The Travels of Jbn: Batuta, transl. 
from the Arab by Sam. Lee. Lond. 1829. 4. p: 31. - 











778 Weſt⸗Aſien. III Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 32. 


"er die Stadt Meſchhed ATi (bei Kufa), einen gut beudlferten, - 
hübſchen Ort, deſſen Bewohner aber alle zu ber Rafiza Serte, 
d. i. zu den Shlten gehören. Es find meift reihe und braue 
Kaufleute, ein Urtheil, pas, von einem Doctor ver Sunniten ges 
fat, fchon ein gutes Vorurtheil von deſſen billiger Denkungsart 
gibt. Auch Hält er es werth, zur Beichreibung des gemweihten Ortes 
dep ihm feinvlich gefinnten Serte noch einige Worte hinzuzufügen. 
Den dortigen Garten, fagt er, umziehen mit Gyps übertündhte 
Mauern, mit Malereien bedeckt, und innerhalb verfelben find Tepe 
piche ausgebreitet, Ruhelager und Lampen von Gold und Silber. 
Innerhalb. der Stadt iſt ein großer Schatz, ven der Tribun ver⸗ 
wahrt, denn ein Gouverneur iſt nicht. hier. Derfelbe beſteht aus 
den Gaben und angelobten Opfern fo vieler Kranken und Schwa⸗ 
chen, die Hieher wallfahrten; denn biefer Garten iſt berühmt. durch 
feine Mirakel; deshalb eben ver Glaube, daß dort Alis Grab ſei 
(nach Abulfedas Angabe war unter den Ommaijaden die Stelle 
ſeines Begräbniſſes unbekannt geblieben, ſ. ob. S. 184). Zu die⸗ 
fen Mirakeln gehört die fogenannte „Nacht der Wiedergeburt,” 
denn am 47. Tage bed Monats Rejeb Eommen bie Krüppel 7% 
aus allen Ländern von Zar, Rum, Khorafan, Irak und andern 
Drten hier zufammen, und bilden Gruppen von je 20 over 30, bie 
dann bald nad Sonnenuntergang über das Grab gelegt werben, 
indeß fie und Andere, Gebete und Stellen des Koran recitirend und 
mit Profternationen befchäftigt, vie Heilung und das Aufftchen er 
harren, und um Mitternacht dann alle gefund von dannen gehen. 
Dies ift ihnen eine bekannte Sache, vie mir auch von glaubhaften 
Männern erzählt wurbe; doch Bin ich, fagt Ebn Batuta aufrichtig, 
nicht felbfE Augenzeuge davon geweſen. Doch ſah ich mehrere ver 
Patienten, die noch nicht geheilt waren, aber doch ihre ganze Hoffe 
nung auf dieſe Kur in ver Nacht der Wiedergeburt ftellten. 

Bon bier zog Ich, fagt derfelbe, nah Basra mit den Bada⸗ 
win (Bebuinen) = Arabern: denn eine andere Art fortzufommen gibt 
ed bier nicht über Khafaja (? uns unbekannt). Wir kamen zu- 
nächſt nah Khamwarnaf, 74) ver alten Refidenz von El Noo man 
Ihn Mondhar, deren Vorfahren Könige des Tribus der Bent Ma 


*'0) Ebn Batuta 1. c. p. 83. 72) @benbaf.; vergl. A. Schultens 
Historia imperii vetustissimi' Joctanidarum in Arabia felice p. 
120; . Monumenta vetustiora Arabiae p. Al, 30, 47. Ed, 
Pocock, Specimen bistoriae Arabum; Greg. Abu Faragii ed. 
White. Oxon. 1806. 4. Notae p. 69. 





Euphrarf. > hiftor. Ridbl,; n. Ebn Batuta (1346). 279 


el SLama (dv. 4. Söhne von himmliſcher Aubſaat) mare 
Rd find NRainen dieſes Pallaſtes zu ſehen in aines großen 
Ebene au einem Fluſſe, ner vom Cuphrat abzweigt — 
Bk haben ſchon oben dieſes Pollaſtes der A Mundari, ver Könige 
im Hira, erwähnt (ſ. oben ©. 62), deſſen Meberrefte alſo damals 
nt auf wer Wege von Meſchhey All nach Basra, alſo zunächſt 
ſineſtwärts von Kufa, gezeigt wurden. Schr wahrſcheinlich wür⸗ 
u fie denn. auch wol. noch heut zu Tage aufzufiuden fein, wenn 
Reiſende fichh danach umfehen wollten. Bon da (ob über Basra, 
wir nicht genauer beflimmt) wurde Waflt beſucht, der große Lande 
kit, umgeben mit Gärten und Pflanzungen, befien Einwohner, 
u Eon Batuta's Urtheil, vie beſten in Irak fein ſollen. Ic 
ging von Da sus, fagt er, das Grabmal el Walt el Aarif, un- 
ſets Herrn Ahmed von. Mephag, zu bepilgen, daß nur eine 
Ingereiie fern von Waflt im Dorfe Om Obaida liegt (dieſer Ort 
it und unbelannt), Ih fand daſelbſt den Enkel dieſes Scheithe, 
af deu die Würde des Scheikh übergegangen war, und ber aus 
gleicher Abficht, mie ich, ſchon vor mir daſelbſt angelangt war. Er 
war au Scheilh Ahmed genannt und genoß alles Anfche, 
wie ſein Großvater wor ihm. Am Nashmittage, nach Verlefung des 
Keran, brachten die der Klaufe zugehörigen Religioſen eine große 
Wenge Holz zuſammen, das fie in Brand fegten. Dann fehritten 
Be in deſſen Diitte hinein, vie Einen nahmen daſelbſt Speife zu fich, 
Andere wälzten ſich darauf umher und noch Andere flampften dar⸗ 
auf herum, bis ſle e8 ausgeldfcht hatten. Das iſt die el Rephaa 
genannte Sette und ver ihnen eigenthümliche Cultus. Einige von 
ihnen nehmen auch große Schlangen zwiſchen die Zähne und beißen 
ihnen den Kopf ab. In Indien begegnete ich, ſagt Ebn Batuta, 
Cinigen von der Hydaria⸗Secte, die auch unter Geſang und Tanz 
In der Miite der Seuerflammen zu Herren des Feuers werben, wor⸗ 
über er fich nicht wenig verwundern mußte, 

Diefe Sauklerei ner Feuerbeſchwoͤrung dieſer für Heilig gehal- 
mm Secte mag damals in jenen Gegenden der Waſet⸗Landſchaft 
berühmt genug geweſen fein; fie iſt nur eine der zahlloſen, welche 
ie jenen Gegenden fortwaͤhrend die Phantafie des Orientalen zu ih⸗ 
wu eigenen Vortheile in groͤßter Spannung zu erhalten willen. 
Graf. Lee, ver Ueberſetzer deß Ebn Batuta, führt über die Perſon 
ve Stifters dieſer Secte aus der Schrift Nafahat El In, von 
3a mi, noch folgende Notiz hinzu: dieſer ‚Heilige und Bekenner des 

| laubent hand In hoher Verebrung, ba Allah 











280 WeiAfen. III. Abtheilung. I. Abſchuitt. $. 32. 


durch Ihn viele Mirakel getban, und viele Große durch ihn bekehrt 
waren. Bon feinen Schälern find einige gut, andere fchlecht; einige 
gehen In die Flammen, andere fpielen mit Schlangen. Deun dieſes 
lehrte fie ihr Haupt, ver Scheikh. Allah beſchütze uns vor dem Sa⸗ 
tan. Er war einer der Sdhne bes: großen Imam Muſa Kazim, 
der in Om Obalda wohnte; er flarb im I. 1182 (578 d. Heg.). 
. Bon da ging Ebn Batuta nah Basra, dem palmenreichen, 
defien Einwohner ſehr freundlich gegen Fremde waren, fo daß fich 
kein Reiſender, wie er fagt, bei ihnen zu fürchten brauchte. «Gier 
ift die Mofchee von Alt; darin jenen Sreitag Gebet, worauf fie wies 
der bis zum nächſten Sreitag gefchloffen wird. Diefe lag vordem 
In der Mitte der Stadt; gegenwärtig aber lag diefelbe 2 Miles 
von der damaligen Bevölkerung entfernt (ſ. 06.S. 176). Der Koran 
in dieſer Mofchee, verfichert Ebn Batuia, ſei berfelbe, ven Oth⸗ 
man zum Gebrauche ner Einwohner geſchickt hatte, in dem er aud 
las, als er ermorbet warb; noch ſehe man die Streifen feines Blu⸗ 
tes auf den Schriftzügen. — Diefer Iegtere Zufag der Legende wird 
ſehr unwahrſcheinlich nach Abulfeda's Bericht, der in feinen Annalen 
fagt, daß dieſer Khalif, der beitte, nach zwoͤlfjähriger Herrichaft im 
Jahre 655 n. Chr. Geb. (35 d. Geg.) zu Medina 72) in feinem 
Haufe von den Empdrern erftochen ward, als es im Faſten und Le⸗ 
fen des Koran begriffen war. Daſſelbe Sremplar wird er alfo wei 
nicht ſelbſt nach Basra geſchickt Haben; aber bekannt iſt ed, daß er 
die genaueften Gopien ver Texte des Achten Koran 73) unter Inſpec⸗ 
tion von Beamten fertigen und alle anderen vielfältig Interpolirten 
Texte defielden ven Flammen preißgeben lief. Gin ſolches vidimir⸗ 
te8 Manufcript aus ver Hand Othmans wird alfo, vermuthen wir, 
wol jener Koran zu Basra gewefen fein, dem vie Legende einen noch 
höheren Werth beilegte. 

Bon bier ging Ebn Batuta am Born eines Sambuk 
(Senbufi ver Türken), d. I. eines ſchmalen Bootes, und ſchifſte ſich nach 
el Obolla ein; einft, fagt er, eine große Stadt, jegt ein Dorf (f. 
ob. ©. 52), mit Gärten, 10 Miles von Basra. Don da fegelte er 
durch einen Arm des Golfs und Ianvete am nächſten Morgen zu 
Abbadan, einem Dorfe, dad in Anem Salzſumpfe lag (f. oben 
©. 53). Sein Plan war geweien, von hier nach Bagbab zu rei⸗ 
fen, aber der Rath eined erfahrenen Mannes vermochte ihn Dazu, 
erſt Suflana zu bereifen, worauf ex dann über die Perſerſtadt Ha⸗ 


#73) Abulfed. Annal. Mosl. ed. Reiske p.82. 70) chend. p. 78. 





Euphratſ.; hiſtor. Ruͤcbl.; n. Ebn Batuta (1346). 28T. 


weizga (d. I. Ahwaz, f. Erf. X. ©. 220 _2%0) nach Kufa: 
zurückkehrte. 

Kufa70) nennt er die Mutter der Staͤdte in Irak, die er aber 
in Verfall antraf. Doch ſah er die Mofchee mit dem Oratorium, 
an em Ali dur Ibn Maljim (f. Abalf. Ann. Mosl. ed. Reiske 
p M erdolcht ward. Bon bier ging er nach Hillah, am Ufer 
des Cuphrates, defien Einwohner insgefammt Anhänger ver XII. 
Imams, d. i. Aliden, waren. Hier, fagt Ebn Batuta, haben fie 
eine Moſchee, über deren Thüreingang ein großer ſeidener ‚Schleier 
haͤngt; man nennt fie die Moſchee des letzten Imam, der vafelbft 
zur verfhwand und verborgen blieb, aber fortleben und 

zu feiner Zeit wieder hervorgehen foll ala Imam Mehdi, v. i. 

—* Führer,“ der lange ſchon erſehnt iſt. Es iſt der Gebrauch, 
daß täglich an hundert Gewaffnete zu dieſer Pforte ver Moſchee 
herankommen, mit einem Roß in Sattel und Zaum, begleitet von 
velm Volk mit Trompeten und Itommeln, und ihm zurufen: 

„Komm hervor, Herr der Jahre, denn Tyrannei und 
„Boßheit Hat überhand genommen; es ifl an der Beit, 
„vaß du Hervorgeheft und Allah durch dich die Wahr- 
heit von der Falſchheit ſcheilde!“ So marten fie bis in bie 
Rachtzeit und ehren dann wiener heim. So iſt zu allen Zeiten 
unter dem Volk, das ben Erldfer nicht Tennt, doch die Sehnſucht 
nach einem Meſſias groß. Bon Hier pilgerte Ebn Batuta nah 
Kerbela (liegt 5 deutſche Meilen im N.W. von Hilla nach Nie 
babe) zum Grabe Iman el Huffeln, des Sohnes Ali, wo der- 
ſelbe ſein Martyrium fand; es ift eine der größten Meſchheds; bie 
Einwohner find alle von der Serte der XII. Imand, d. I. Anhän⸗ 
vr Alis ober Shliten. — Die heilige Stadt 76) des Namend, weldhe 
Niebuhr daſelbſt Hefchrieb, iſt erft von fpäterm Anbau. 

Nun erſt kehrte Eon Batuta in Bagdad 7%) (mahrfchein- 
lich im Jahre 1325) ein, das längft feine Khalifen verloren hatte 
und Reflvenz der mongolifihen Dynaſtie in Berflen geworben war, 
wo ver Ichte ver Khane aus dem Gefchlechte Hulagu's, des Befie⸗ 
gers des Khalifate, auf dem Throne ſaß. Es war der tapfere 
Ahr Said Bahadur Khan (reg. von 1317— 1335), 77) ver 
ganz Iran und Kleinafien bebersichte, in Sultanich (Erof. VI. 


7%) Ebn Batuta 1. c. p.43. *6) Niebuhr Reife Th. II. S. 206. 
20) EBn Batuta 1. c. 9.47. 7) Degnignes Geſch. der Hunnen ꝛc, 
uberſ. v. Daͤhnert, 2. III. ©. 301-307. 








287 WefleMien. III. Abtheilung. J. Abſchnilt. 5:32, 


©. 587, 62), das ſein Vater Khedabende Alvjakton erbaut Hatte, 
und in Bagdad reflvirte und ein eifriger Mosleme geworben mer. 
Noch immer, ſagt Ebn Batuta, I Bag dad eine deri ‚größten 
Stäpte; die Sinwohner find meiſt von ber Serte Hanbal; über 
dem Grabe des Abu Hanifa iſt ein Dom und eine Moſchee errich⸗ 
tet, und nicht fen davon das Grab des. Imam Ahmed Ihn 
Hanbal.. Beides find Häupter der 4 Hauptſecten der orthodoxen 
Moslemen, die vorzüglich ihren Sig in Bagdad Hatten. 

Abu Hanifa, in Kufa geboren (ſtirbt Im Jahr 767 n. Che. 
Geb.), ift der berlihmiefle ver Altern Dortoren des Koran, deſſen 
Schüler fih Hanefiten nannten. Dies Maufoleum mit Moſchee 
und Medreſſe (hoher Schule) wurde erft lange nach feinem Tode 
von feinem Verehrer, dem Malekſhah der Selbtuliven in Bagdad, 
im Jahr 1092 m. Chr. Geh. erbaut, als derſelbe Hort pie in Ohn⸗ 
macht verfunfuen Khalifen beherrſchte. Gem Maufoleum und feine 
Moſchee in dem noͤrdlichen Quartiere Bagdads, an der Oftfelte bes 
Tigris, iſt bis Heute erhalten und von Niebuhr 7%) Hefchrichen, 
ver dafür Hält, daß dieſer Stadttheil fein Fortbeſtehen nur dieſem 
Heiligihum verdanke. Ibn Hanbal mar in Bagdad geboren, wo 
er auch im Jahr 855 (241 d. Heg.) ſtarb, ein Schüler Shaafis, 
ein Gochberühmter Doctor des Koran, noch zu feinen Lebzelten ver⸗ 
ebrt, und bekannt durch feine Gelehrſamkeit im Geſetz, feine Pilger⸗ 
zeifen und feine Tugenden; derſelbe, dem das gräßte Leichengeleit zu 
Grabe folgte, aus dem man vie Bopulation Bagdads zu feiner Zelt 
beurtbeilen mag (I. ob. S. 235). Sein Mauſoleum ift nicht mehr 
vorhanden, denn die Waffer des Tigris haben daſelbſt pas 
Ufer fammt den Bauwerken weggeriffen.?9) Außer viefen beiden 
führt Ebn Batuta noch 5 andere beſuchte Grabflätten moalemi⸗ 
ſcher Sancti in Bagdad an, die nad) einem audern Itinerar, des 
EI Harawi, indgefammt In einem weftlicden Stabtviertel Bagpaps,- 
Shunizia genannt, lagen und als Gräber der Abdal und Alias, 
d. di. der Märtyre und Srommen, bepilgert wurden. 

De Sultan ver heiden Iraks (Adjem und Arabi) und 
Khorafans, wie Ebn Batuta den damaligen Herrſcher Abu 
Sad 80) titulivte, nahm den Doctor ded Koran auß der Fremde 
ſehr gaſtlich auf, und geflattete ihm, als er mit feinem Hofflaas 





872) Miebuhr Heife. TH. II. ©. 804. 0) Bien. ©. 305 
s0) Kbn Batuta I. c. p. 48. | 





men et..." 











Eupbratf.; hiſtor. Ruͤdbl.; n. Chr Batuta (1846). 283 


Bagbad verließ, um feine Sommerreſidenz (Gultanich) zu beziehen, 
ihn in der Suite zu folgen, fo daß dieſer waͤhrend der 10 Sage 
Begleitung vie, wie er fagt, wunberbare Einrichtung deſſelben auf 
km Marſche und die zahlreiche Armee ned Geleites kennen Terate. 
Darauf kehrte er aber mit einem ver Emure über Tabriz nach Bag⸗ 
bay zurüd, da feine Abficht war, zum zweitenmale eine Wallfahrt 
nah Mekka zu machen. Da indeß dazu nie Zeit noch nich ge 
lemmen waz, wanderte er erft den Tigrisſtrom aufwärts bis Mar⸗ 
bin und dann wieber nach Bagdad zurüd, um auf dieſem Ge⸗ 
biete alle die für einen Moslemen geweihten Stationen zu fehen. 
So Tom Ebn Batuta zuerſt nah Samarra, dad in Ruinen 
lag, wo auch die Moſchee geſtanden, vie, wie bie in Hillah, dem 
kgten der 12 Imans geweiht war (ihre Ruinen, f. ob. ©. 227 ff.). 
Ben da Uber Tekrit neh Moful, dem alten fehr umfchanzten 
Dre, mit feiner prachtvoll erbauten Gitabelle EI Hadka (wurd 
Seiffedin den Atabeken, ſ. 06. S. 254); dann in zwei Tagen zur 
Iafd Ibn Omar (Diezisch), einft eine große Stadt, von einem 
Ihale umgeben, vom Zigris umflefien, deshalb bie Inſel genannt, 
aber dem größten Theile nach damals fchon in Ruinen Hegenb. 
Do waren die Bewohner gut unterrichtet und damals gegen 
Sremde ſehr wohlwollend; alfo gerane das Begentheil von dem 
taub» und morbfüchtigen Character ver heutigen kurdiſchen Gebie⸗ 
ter®i) biefeß Raubneſtes (f. Crot. IX. ©. 709); aber damals mar ber 
Drt abhängig vom Gultan von Moful. ' 

Bon bier wurde in 2 Tagmärfchen bie alte Stabt Rifibine) 
befucht,, Die damals meift in Ruinen, Doch noch von Wafler und 
Gärten umgeben lag, und ſich burch Berfertigung trefflich duften⸗ 
vn Rofenwaffers außzeichnete; gegenwärtig iſt es nur ein ärm⸗ 
Betes Dorf, aber in fehr fruchtbarer, jedoch wenig angebauter Ebene 
gelegen, in der vie Berfumpfungen 8) nur zu wenigen Netöfelnern 
benntzt werben. 

Dann fuhte Ebn Batuta das in neuern geiten durch die 
Yeziden fo furchtbar gewordne Sinjar %*) auf, und fand bier 
De kurdiſchen Bewohner, die er als ein fehr großmäüthige, , 
kriegeriſches Volk ſchildert, eine Betätigung der Vermuthung, 





i) John Macdonald Kinneir, Journey thr. Asia minor etc. Lon- 
don 1818. 8. p. 449. *=) Ebn Batuta 1. c. p. 49. **) Ries 
bubr Reife. IL ©. 878; Olivier Voy. II. p. 345. °*) Ebn 
Batuta 1. c. p. 








284 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 9.3: 


die wir früher fchon mitgetheilt (Erdk. IX. ©. 750), daß die De; 
den daſelbſt erſt eine fpäter eingewanderte Colonie zu fein fchein« 
Der Drt, jagt Ebn Batuta, iſt fo reih an Quellen und Flüfi 
wie Damask; ich fah bier den Sheikh el Salih el Wali 

Abid Abdalla el Kurbi, ven Theologen. Ich traf vief 
Heiligen mit feiner Begleitung auf ver höchften Höhe des Berg 
wo ex 40 Tage Baften Hält, nämlich nur ven Tag über, und baı 
nur einer Kruſte von Gerftenbrot fich bevient, wodurch er zu 
Sanctus fich qualificirt. Von ihm werben viele Mirakel erzäblt.- 
Wären damals jchon die Deziven dort anfäffig geweſen, fo wür 
ver orthodoxe Pilger gewiß nicht unterlaffen haben, viefer Teufel 
anbeter zu erwähnen. Ein ihm bald nachfolgender Pilger, Al Haran 
fügt in feinem von ©. Leer exrcerpirten Itinerar noch Hinzu, daß 

Sinjar eine Mofchee von All, dem Sohn Abu Talebs, fer, pie a 
dem Berge liege, und in derſelben foll ver Berg von Kambı 
fein (2). Man fagt, die Arche Noah Habe auf einer Zade viei 
Berges angeftoßen und dadurch ein Led bekommen, daher ſei 
Stelle Sinjar (von jara auffloßen) genannt. Die Wahrh 
fei aber, daß Sinjar, ver Sohn Malit, Sohn el Dhaar, diı 
Stadt erbaut habe. Mit viefer etgmologifchen Lieblingserflär 
wird es wol diefelbe Bewanpnig haben, wie mit Roba (pad | 
Edeſſa), das feinen Namen von Roha, ver Tochter Bolai'ds; u 
Amid, das von Amin, Sohn EI Somaids; Dara, dad von D 
rius erbaut fein fol u. id. m. Auch die Sage von ber Arche we 
breitete fich über viele verfchiedene Puncte des Morgenlandes. U 
Sinjar wanderte Ebn Batuta über Dara nah Marvin, d 
damals noch berühmten Befte, vie allerdings durch ihr natürli 
feſtgelegnes Caſtell noch heute merkwürdig if; er rühmt den d 
maligen Sultan von Marvin, EI Malik el Salih, Sohn ve 
el Malik el Manfur, ald einen fehr nobeln Prinzen, vol Cdelmut 
der von Dichtern viel befungen wurde, und kehrte dann nach Bay 
dad zurüd, um fich zu feiner Mekla⸗Pilgerfahrt vorzubereiten. 








Eupbratfuften ; das armenijche Hochlend, 285 


33. 
Zweites Kaptiel, 


Das armenifche Hochland, das Quellland des Eu 
phrat, Zigris und Arares mit. dem Tan: See und 
| Ararat. ı . * J A 


Nachdem wir in Hronslagifcher Rebe ung auf. einem von ber 
Weltgeſchichte nach allen Richtungen und durch alle Jahrhunderte 
hin ſo merkwürdig gleichſam durchackerten Boden, dem beinahe kein 
Raturverhaltniß unverändert und unumwandelt geblieben, ven, ver⸗ 
Midenften Zeiten und Beflrebungen nad, mo bie Audjaaten der 
wechſelndſten Gewalten hundertmal aufgingen und eben fo oft wie- 
ver gerflört wurden, zu orientiren verfucht haben, da nur aus ber 
| Vergangenheit die Gegenwart ihr wahres Verſtaͤndniß ge⸗ 
winnen kann: fo geben wir nun zu dieſer nach ihren Raumver⸗ 
lmiſſen, oder zu den eigentlichen ſpeclellen geographiſchen Be⸗ 
aßtuingen über. Auch in dieſen tritt ung wiederum eine Fülle 
wa Thatfachen entgegen, bie wir, zumal in ihren wichtigſten Thei⸗ 
ln, von Forſchungen des letzten halben Jahrhunderts verdanken, die 
wir hier zum erſtenmale in ihrem organiſchen, gleichſam innerlich 
gewachanen Zuſammenhange, dem Weſen nach, fo vollſtäͤndig als 
adglich, mit gewiſſenhafteſter Angabe der Quellen, aus denen fie 
vxfloſſen find, vorzuführen haben. Dean hiemit allein nur Tann 
Ve Erkenntniß der Wahrheit wachfen, und der Wiffenfchaft felbft 
ein wirklicher Dienſt geſchehen, damit fie. ſich felbft bewußt werke, 
was fie fchen in Wahrheit beflge, um nicht unnüg immer wieder 
im heſchraͤnkter Unwiſſenheit, wie::dis®. body meiftens ber Gebrauch 
iſt, Ballaſt auf Ballaft zu häufen, ;fondern wirklich zu Refultaten 
uud neuen Aufgaben fortzufchreiten durch frifche Beobach⸗ 
tung. wu neue Vorſchung, da ſie ſo erſt imme werben wire, daß 
ve Unbekannten und Wiſſenswerthen viel mehr und boheree vor⸗ 
handen iſt, als des ſchon Bekannten. 

Bir folgen unjerm herkoͤmmlichen Gange ver“ - Unterfuchüng, 
von den Hößen zu ben Tiefen, von den Quellen zu den Mündun⸗ 

gen fertſchreitend weil dies die geographiſche Bahn if, welche vie 
* FeDR nicht blos dem Laufe der Gewaͤſſer, ſondern allem übri⸗ 
sen und ſelbſt auch dem Entwicktuüngtgange ver Volkerſchaften auf 











286 Weftsflfien, DI. Abtheilung. I. Abſchnin. . 33. 


ihren Stufenlandſchaften vorſchrieb. So kehren wir zuerſt auf dem 
Hochlande Armeniens, dem Duellgebiete aller Cuphrat⸗ 
und Tigrisgewäffer, in welche aber zugleich das Quellland 
des Arares eingreifend ift, ein, und geben von ven dftlichen 
Naturgrenzen befielden, dem armenifhen Gochlande und 
defien beiden Gauptformen aus, die und bafelbft als deſſen 
große Grenzmarken erfcheinen, der Hohe Ararat (f. Erdk. 
IX. ©. 767, 869, 915, 916, 919--923) und der Alpenfee von 
Ban, 518 zu welchen beiden unfere frühere Unterfuchung fchon 
fortgefchritten war (f. Erbf. R ©. 763, 784, $. 77, Seite 972— 
1009). 

Da wir den Ban-Gee zwar ſchon zuleht nach den Berichten 
der Augenzeugen von Jaubert, Schulz, Monteith, Spiel, 
Wilbraham, jedoch nur theilweiſe, kennen gelernt Haben, wir aber 
ſeitdem eine vollſtändigere Umreifung und die erfte, fehr vanfend- 
wertbe Aufnahme deffelben durch ven engliſchen General-Gonful 
3. Brant 8) in Erzerum 1838, auch dahin einfchlagende Nach⸗ 
richten aus Schulzes Nachlaß, 9) und durch or. South: 
gate’s e) Reife (1837) erhalten haben, wodurch eine weſentliche Bee 
richtigung in der Kartographie des Sees gewonnen iſt: fo fan« 
gen wir hier, mit dieſer Ergänzung des 6.27 an, ſteigen dann zum 
Ararat auf, und verfolgen an deſſen weftlichen * die Eu⸗ 
vhratquellen durch das armeniſche Bochland. 


‚+ 


3. 


1 Erläuterung. 


De Vans See und feine Umgebungen. 


9 Dr Be von Bitlid na Dan an der‘ Shape 
entlang  —-- BB E 


Noch vor wenigen Jahren war had FERBHPFRAEN: biefen Ar 
penſee eine Terra incognita, gegenwärtig. tft ed eine weiche Jund⸗ 
€ 27 Tore T a en) | 
s.. 3. Binat Notas of a jo ha of. Kurdisten in 
— m don ! * Arne —* London. 184}, 
Yol. X.’P a Aa 8 Ed. Schuhe Mémoire 
sur le lab: Fr Yan * — avrironsa, 2 Journal Asiatiqus, Paris 
1840. Aur., Mai, Jnin. p.,280-323. 7) Rey. Hor. Sonti- 
gate Narrative of a tur through Ärmenia, Kurdistan, Per- 
sia etc..Lond. 1840. 8. Vol· I. p. 24—265. 











Expbeatfoflim; Hodarmenich; der. Ban See. 


geuie für das Stadium des Autiqquars und des Sprachforſchers 
geworden; die Bereifung feiner Süd», OR- und Nordgeſtade if} fo 
eu: vervollſtaͤndigt, und nur feine Weſtküſte iſt noch fafl un⸗ 
unterfweht geblieben... Durch aſtronomiſche Beobachtung von 7 wich⸗ 
gen Banchen: am fer: und darch Vouffoleabnahmen vom. Gipfel des 
Cyan Dug. uns. andern. nachſten Umgebungen des Sees, durch U. 
©.&la 8cott, den Begleiter: J. Brantb,:183B, ifb ein. fehr weſentli⸗ 
der Zottſchriti in ver Orientierung der: ganzen Landſchaft geſchehen, 
uud ſtatt der bisher ganz wphantaftiſch eingetragenen Gontoure vie 
ße Gerichtigte Kartenzeichnung #9). deſſelben gegeben, die mun jeve 
früßere voͤllig verbrängen muß. 
Die Lungen⸗ und Dretten⸗ Beobachtungen dieſer Orte Ar | 
1) Bitlio, Haus: 888: Sheriß Beg 2:880 25 DR, m Or. 
MO AU NBE 1 2. — 
Ban, am Se, kn Garten ver Beni w weſta =.300 
29 0" DR v. Er. : 480.10 35" Nr. : 
N Arne, an der Norboftdte des Bau Grrb: ı = * sw 20”D8. 
' v. ®r 43V. 28’ 50" RBr. ' ee 
9 Arjiſh, am Rorbufer —2 as 58' 54 de v. . Gr. he 1 
+ BORD 
" Myeliivaz,: am Korte: eier Di= 38 a0" De. 
2x: @r. ‚42% 35:30" NBu: .: 
YMDiyarin, Im: NO. 06 Ens a m: ‚de Dale de Bor Age 
ER 3 3 DR. Ar. : it, 
7 Bayayer, am S.W.⸗Fuß vos Mtarat = a9 31 a doe 
v Ge ODieſe Augabe der Lage iſt nur approximati. 
: Bu Bitkis ward yügleih durch Dr. ED. Dickſon die ab⸗ 
fetatenHbhe des: Hauſes des Sherif Beg beſtimmt, — 5137 
Bar. (3475° Engl.) und faſt in gleicher Hoͤhe das Niveau ned 
Gpiageis vom Bas- Bere == 5129 Bar. {5467' Engl.) Kber 
vom Moeere gefunden/ ſe maß wir ‚th mit Recht mit dem Namen 
amt Al penfers bezeichnen Bennten. — 
217 Die Nachrichten von ver Sübtüfte des Ban«Enes, vie (che 
—* * Gap. wiengemn und Col. Sdie —*8* wer⸗ 


nr Br Bat —E rou 2 Nr. Ainsron 
e 8" Glaser nee Erffärun BE b; 
s tu efer Ka 
Journ. of rn E oc. va X. sl 
0: 14 . Ge 














288° ..WBeflsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 6:33, 


den durch die Montierd: der beiden jüngern: Reiſenden von Bulis 
nach Dan, nämlich den Miſſionar H. Southgate, 1837,:unb Den 
britiſchen Eonful zu Erzerum, 3. Brant, 1838 vervollſtäͤndigt, wie 
beide in ver beiten Jahreszeit, im Iuli und Auguſt, das Land: min» 
der flüchtig durcheilend beſuchten und non. einer . vortheilhafteren 
Seite kennen lernten. Ihre. Wege: waren im. MWefentlichen dieſelben, 
ur wenig. von. wen frühern abweichend; de Ortſchaften geben fie 
‚öfter verfchienene Schreibaxten, ohne daß min ‚bie. größere Richtigkeit 
der einen oder der anberw beurtheilen -Slmnsen ‚idea: fie :naift non 
Kurven. herrühren. Beide beſuchten won Bitlia aus. nechwärte 
dad Weſtende des Sees bei Tedavan, das fie beide Tadvan 
ſchreiben. Southgate 89) Hatte einen Kurven als Wegweiſer, der 
ihn in 2 Stunden norbwärts führte gegen. den Nimrut::Dagh 
(f. Erbf. IX. ©. 1002), von deſſen PIE die ganze Kette den Ramen 
führt; ber: Kurde erzählte ihm, auf. deſſen Gipfel falle ein tiefer 
Duell fein, der mit einem kleinen See in Verbindung flehe; aus 
welchem ver Kara Su entipriagen foll; eine Ausſage, die am bie 
Erzählungen von Arzen in jenen Gegenden ‚erinnert. (f. ob. S. 90). 
Die Beine Ebene mit vom Alemani⸗khan in Ruinen: vis bier 
bald erreicht wird, nennt I. Brant Raſhwak, 9y nach einem 
nahen Dorfe, unb- fagt, daß der Kham. ein Penchtbau geweſen fel, 
fehr geräumig und follve, mit vielem Gemaächern, veffen Erbauer un⸗ 
befannt. Zur linken Seite gegen. ven Norden. heißt bie Paß hö He, 
die zum Ninmrut Dagh führt, der Kerku Daghz die Gebirgäfette 
aber, welche von MW., die Südgrenze teil Hochebme: van. Muſh 
bildend, entlang dem Kara Su gegen S. O. fortſtreicht, iſt diefelbe, 
welche Dad Südufer des Van⸗Sees zunächſt : begraizt: ı 'E&:4R hier 
im Vorbeigehen zu bemerken, daß die weichere.tirklicher Miete 
ſprache wie in Dagh für- Berg; flatt des -agh bei den AMbcheren 
Volkern, mit: dieſer MBegenk oflwärts bei Kurven me verſchundin 
ſcheint, weshalb bier nicht mehr won einem Nimrud Des few 
dern vom Nimrut Tagh allgeme vie. Mebe ift, während bel den 
törkifgen Benennungen immer: Dagh. geiprochen, wenn auch nicht 
gefchrieben wird. Von. ver: genannten Paphöhe fleigt' mu: aufdfr 
ser Nordſenkung hinab zum See und zur Bay von Tadvan. 

nach 35 Stunde Weges von Bitlis thut fich zum erften : ale ke 
Anblick auf dad prachtvolle Bellen des azurblauen — 
über dem in MW. der sehr in *. der ‚na 8 — 
1 a 0 dien 


58%) Sonthgate I. p. 224. .o.J. Brant Noten X. p. 383, 








j 








. Euphratſoſtem; der Van⸗See; Suͤdufer. 289 


gende Sipan Dag wol bis zu 10,000 Fuß ſich erhebt. Ehe man 
nach Tadvan hinabſteigt, zeigt ſich über emem Sohlwege eine lange 
Linie ijolirter Inolliger Selsrüden, vie über ven Boden als Lava?) 
über der umher mehr verwitterten Maſſe derſclben hervorragt, welche 
man die Rameele von Tadvan nennt, weil ie Bolksfage in ihr 
eine Reihe verfleinerter Kameele zu jehen glaubt. Das Gehänge 
zum Ufer des Sees hinab iſt bei Tadvan wie ein Obflgarten ganz 
mit Obfibaumpflanzungen bedeckt. Am Weftende der Bai liegt, dicht 
am Waſſer, pad Dorf Tadvan, von 40 Armenier⸗Familien bewohnt, 
und dicht daran auf einem Vorgebirge liegen vie Ruinen eines klei⸗ 
uen Forts. Bon Bitlis bis hieher rechnete I. Brant 2} geogr. 
Meilm. Southgate fand das Seewaffer nur brafifch, ‚nicht übel« 
ihmedenn, und verfichert, öfter davon feinen Durft geflilt zu ha⸗ 
ben; 3. Brant nennt es ganz. ſalzig. Am Ufer fah er Sand, 
Säxeferblätter und viele Bimsfkeine, in Kleinen gerundeten Stük⸗ 
In wie Korkbälle umberliegenn, und Obſidiane, wie biefe auch 
am Nordufer des Sees von Kinneir (Erdk. IX. ©. 994 u. 1003) 
bemerft worden find. 

Das Dorf, 1 Stunde fern, au dem Oſtende derſelben Bai, nennt 
Southgate Ouxrtab, J. Brant aber Ortal. Der Weg ver⸗ 
läßt bier. das Seeufer, man ſteigt über niedere, maleriſche Berghoͤhen, 
darch reich bewachſene Thaler mit. prächtigen Baumgruppen, reichen 
Daßerbachen, fruchtbaren Ohſtbaumen und Zwergeichen; man fin 
det Hlühenne Kleefelder; eine reizende Landſchaft. Mit Recht wird 
lhieſes Thal Guzel Dereh, d. i. das „Ichdne Thal,“ genannt. 
Iuiſchen an ‚liegt: hier. am Seeufer bad "Dorf Elmali (n. 
Brant,. 2. h. Apſelſtadt; Elmalcu bei So uthgate, ber bier fein 

nah; s.e8 iſt das große Dorf Almaliyah, Erb. IX. 

6 1000). 3. Brank ließ es links zur Seite liegen, ‚pa. er noch 
weiter, am Dorf Kurdkhan vorüber, durch. Wälver aufwärts zum 
Gef Sarah vorvrang, das dicht unter der dortigen Küfienkette 
Begt, die hier ven allgemeinen Namen Arjeroſh Dagh ( Erdt᷑. IX. 
©. 1003) führt, der: weiter im Dften durch den Namen Erdoſh 
Zt auch blos Erdoz (Erdk. IX, S. 975, 1003) verdraͤngt 
W: ‚eint 

ber ‚eine Ebene mit mehreren Dörfern, in deren Mitte Ava⸗ 
taf, vs größte derfelben, alle von fchönen, zahlreichen Wallnuß- 
Sänmen umgeben, wieder gegen ven See auf hohem Flippigen 
Dave Hinabfleigenn, erreicht man das immer noch hochgelegene Dorf, 


Sarzit (Harzuf hei Shiel, Erdk. IX. S. 1001); obwol in wen 
Ritter ade X. x 












290 WeſtAſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.33, 


ſchonſten Umgebungen gelegen, doch ein elendes ‘Armliches Neft, nur 
von 12 fehr ungaſtliche Armenier⸗Familien bewohnt, vem ein zwei⸗ 
tes noch kleineres Dörfchen, näher am See, in reizendſter Umgebung 
zur Seite Tiegt. Gier war zu Col. Shiel's Zeit das Grenzge⸗ 
Biet des wien Khan Mahmund, bed Kurden. Hier hielt 9. 
Brant fein Nachtquartier. Den 2ten Tagemarſch (14. Aug.) 
zog er auf dem Tiebliäften Wege 92) entlang ver Küftenebene, vie 
unter ben Bergen hinzieht, mit dem Blick auf ven dunkelblauen 
See unterhalb, an vefien Ufer ein Kahn Holz einlub. Gier begeg- 
nete Southgate einer Karawane von 50 Laſtpferden mit Baum⸗ 
wollen⸗Vallen von Ban belaven; beides feltene Spuren von Ver⸗ 
br In dieſen vereinfamten Gegenden. Nun folgten bald Kur- 
venddrfer, wie Pougah, das Soutbgate nennt, und Gol⸗li 
bei Brant Geulli 6. Southgate), im denen nur wenige Armenter 
wohnen, wie In Golsli, wo noch 30 bi8 40 Familien angeflebelt 
And. Diefe Kurdendoͤrfer fand der Mifflonar 2) viel netter von 
Anſehn, als die bisherigen ver Armenien Ehriften; nicht mehr Höh- 
len unter der Erde, fonbern orventlich gebaute Käufer, mit fleißigen 
induſtridſen Bewohnern. Faſt in allen Dörfern von hier bis ges 
gen Ban behaupteten die kurdiſchen Bewohner, erſt feit einem Dutzend 
son Jahren new Angefledelte zu ſein, die ans dem füdlicher aufftei⸗ 
‚genden Bebirglande erſt bier eingewandert und aus Noinnben zu 
feſten Anbauern geworden. Ste überflügelten bie bortigen arment« 
Feen Dörfler, die fie weit in die Berge zurüdwänfdyen, weil fie an 
Energie dem Kurdenſtamme weit unterliegen. Dieſe Kurven zeich⸗ 
nen ſich durch mancherlei Vorzüge vor Armeniern und Tütken aus. 
Sie find von tüchtigem Menſchenſchlag, ihre Weiber und Kinder 
flud ftiſch und ſchoͤn, beſſer gebildet als jene; die Welber ohne 
"Schleier weit ſittſamer als jene; fie find beſſer gekleivet, ſehr fleißige 
Adersleute ind Obſtgärtner, und nur von Imams beforgt, aber ohne 
Moſcheen, fehr gaftfiäy gegen Fremde Auch I. Brant fand vide 
‚Gegend gut bebaut; zu Gol⸗li traf er einen Agha, der unter ven 
Befehlen des Khan Mahmud fland, deſſen frühere Umſchanzung fe» 
ned Wohnhauſes ſeit der Ordnung und Zucht, die dvieſer Khan 
Mahmud nach ſeiner Unterwerfung unter vie türkiſche Oberhoheit Häkt, 
ganz unndthig geworden war. Denn durch feine energiſche Polizei 
hatte der ehemalige Ruãüuuberhauptmann die größte Sicherheit in jenen 
Gegenden gefchaffen. 


ss.) J. Brant Notes x. p. 385. 2) Southgate L. P- 232, 





Euphratſhftem; der Van⸗See; Suͤdufer. 291 


Der Ite Tagemarſch (15. Aug.) führte auf hoben Uferwe⸗ 
gen über dem See im Rücken an einer Reihe kühner Vorgebirge 
mit zwiſchentretenden Baien vorlber, deren Spitzen gegm NO. vor« 
ſpringen, wit zahlreichen Dorfichaften auf den Vorbetgen. Das 
Dorf Narnigas legt mehr Ianbein, und noch tiefer Ianvein find 
wildere Kurdengchirge. Bein Auf- und Abſteigen zeigte fi, an 
dem niedern Bergzuge Peleu vorüber, in einem ver Thäler das 
armeniſche Klofter Khan jaik, das gafllihe Bewirthung bot; aber 
Die Zeit möthigte weiter zu ziehen bis zum Dosfe Norkukh (Nur- 
Inh 5. Shiel, Erbf.IX. &. 1000). In diefer Gegend ſah Sout h⸗ 
gate dad. einzige mal unter ven Kurben, daß fie. mit ber Sichel 
Gras ſchnitten und Heu machten, eine font in biefen Gegenden 
vs Orients unerhörte Benühung. Hier wurde aber auch Gerſte 
und Weizen gebaut, und fchon am 6. Juli war das Kom 6 Fuß 
hoch und die Ernte nahe. Micht fern von da erreicht man, über 
eine marſchige Uferebene und pas Dorf Iſhkend gehend, das be⸗ 
nachbarte Dorf Alavansk, am äußerſten Süpende des Sees gele 
gen, dem im Norven, nur in geringer Ueberfahrt 9) von 2 Stun⸗ 
ven Zeit, die Infel mit dem armeniſchen Kiofter Akhtamar (I. 
Erdt. IX. ©. 996) liegt. Das genannte Dorf iſt Beſigthum dieſes 
Kefert, Der Superior infpidtte fo eben die Ernte. Sein Boot 
haute ein folides Anfehn, war aber von plumper Gonftruction. Der 
Biſchof ſchien fehr unwiſſend; er rühmte die Zucht des Khan Mah⸗ 
mnd, der Gicherheit Im Lande ber Mäuberei geichaffen, aber freilich 
ſelbu wie härteſten Crpreffungen auflege. Prof. Schulz iſt der ein⸗ 

Neiſende, der Die Infel, vie er Agthamar 9%) fhreibt, beſucht 
"ya inet (ile 3b Gofse der alkm anmmifen Kine bajaöf 
d er zwifchen andern einen runden graulichen Stein, einen Ba- 
‚ fagt er, den man anfänglich für ein Siulmfüd nehmen 
mitte. Ar an feinen beiden Enden fanden fih Keilinferip- 
tionen (f. Ar. XX. u. XXI. Erpf, IX. 6.992) von 10 Zeilen. Die 
Seiten waren pollist, aber ohne alles Ornament. Bon woher fie 
auf dieſes Infeldyen gekommen, iſt unbelannt. 

Zu Akavangsk wurke ein Mafltag gehalten, weil ver Paſcha 
von Van erſt von ver Ankunft des Gaſtes benachrichtigt werben 
muße, ver im Begriff war, fein Territorium zu betreten, und weil 
im ver Näte von Vaſtan Kriegsunruhen auszubrechen brobten. 


leeren 





se) 3. Brant * X. p. 386. *%) Schulz Mem. I. c. im Journ. 
Asiat. 1840. p. 315. ! 
x 2 





292 WeftsAfien, II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 33. 


Sputhgate wurde Gier dur Krankheit an Beobachtungen ge⸗ 
hindert. 

Khan Mahmup, ver fo lange gefürchtete rebellifche Kurben- 
Häuptling (Erdk. IX. S. 974, 998, 1000), war abweſend auf einer 
Jagdpartie; er tft der Sohn des unabhängigen Kurbenhauptes im 
Diſtrict Mukuſh, der an der Shofelte ver Mierofh- Berge 
(gegen vie Grenze der öftlicheren Hakkari) Tiegt. Dieſes Erbe) tft 
an den Sohn eines ältern Bruders übergegangen. Dem Khan 
Mahmud und feinen Brüpern Hlieb nur das Raubleben übrig, und 
der Kühne erfämpfte fi durch das Schwert den Belle von mehr 
ald 100 Dorfichaften, die vorbem zum Pafchalif Ban gehört Hatten. 
Auch auf perſiſches Gebiet hatte er mit feinen Brüdern häufige 
Raubüberfälle gemacht und fi durch Plündern und Erpreffungen 
große Reichthümer gefammelt, mit denen er ſtarke Truppencorps ber 
Tolvete, die dem Paſcha von Ban wie den Perfern Trotz boten. Do 
fchien es Ihm in der letztern Zeit rathſamer, fich durch die Vermitt⸗ 
Iung des Is⸗hak, Paſcha von Van, dem mächtigen Seraiöfer von 
Arzrum unterwürfig zu zeigen; er ſchitkte veshalb feinen Bruber 
dahin, der auch eine ehrenvolle Aufnahme erhielt. Seitdem iſt 
größere Sicherheit in dieſen ſonſt furchtbaren Raubgebieten einge 
kehrt. Doch Hatte ſich Khan Mahmud bis dahin noch. niemals 
in die Stadt Van gewagt, obwol beide Häuptlinge Ihre Zufammen- 

ünfte öfter in den benachbarten Dorfſchaften gehalten hatten, wobei 
ver Khan aber ſtets von 500 bis 600. Mann Reiterei umringt er⸗ 
ſchien. Die Brüder find im Beſth vieler fehler Orte, darunter der 
wichtigſte und feftefle das Caſtell Mahmudiyeh am gleichnami- 
gen Strome (f. Erdk. X. ©. 974), in dem Khan Abdal reflbirt, fen 
nächfler Bruder. Seine eigne Reflvenz if aber Paſhvansk Kaleh 
(Pasvakh, das Capt. Wilbraham beſuchte, Erdk. IX. ©. 1000), 
pie Dicht unter dem Hauptarm ber Arjeroſh⸗Kette, nur eine 
‘Stunde fern von Akavansk, verborgen im Gebirgdthale liegt. 

Den 17. Augufl. Bon hier ſchickte der Generalconful 
Brant jeinen Guide, ven ihm der Sherif Beg von Bitlis zum Ge⸗ 
leit mitgegeben, zu feinem Gebleter zurück, und erhielt dagegen vom 
BPaſcha von Ban einen andern, der In oflmärts begleiten follte. 
Wir ſehen Heraus, daß vden Waffenthaten des Khan: Mahmud das 
son Kr Natur gefchügte, gewiſſermaßen neutrale Felb lin Kardu—⸗ 
hmgebirg, zwiſ q en dem Paſchalit Van und dem Gebiet ind 





6°8) 5. Brant Notes X. p. 389. 2 





Euphratſyſtem ; der Van-See; Sudufer. 293 


Sherif Beg von Bitlis fehr zu fatten Fam, , um hier feine inter- 
mediaire Macht zwiſchen beiven türkifchen Beamten und ver na⸗ 
ben Berfergrenze auszubreiten. Auch kann 68 nicht leicht eine ge= 
ſichertere Naturfefte, als viefe im Süben. durch das Hakkari Ju⸗ 
lamerk⸗ und Rewandog« Bollwerk geſchützte, geben. 

Dom Dorf Akavansk führt ver Meg dicht am Ufer bin, 
nah einer Stunde zu einem Borfprunge der Hauptfette, welcher 
dieſe Ebene von der dſtlicher gelegnen Vaſtan⸗Ebene fcheibet. 
Der große Ort Vaſtan %) ſtand einft an der ſüdöſtlichen Spitze 
nd Sees, im reizender Tage, aber er iſt meift verfchwunten, nur 
wenige Hütten liegen noch in Bärten hie und da verborgen, und 
das Caſtell Vaſtan zeigt fih auf einem Kegel in bominirenver 
höhe über dem See. Auch bemerft Southgate, daß bier feit 
Bitlis wieder die erfte Moſchee mit einer Schule (Medreſſe) erbaut 
fü. Unter viefem Caſtell zog des Weg hin, am Fuß des Ervosh 
Zagh, der hier ohne Verzweigung wol bis zu 4000 Buß hoch aufe 
Reigt, wo die Höhen noch mit Schneeflecken bedeckt waren. Dörfer, 
von Baumgärten umgeben, nehmen alle höhern Ebenen an ver . 
Bafis der Berge ein, und tiefer abwärts liegen Ackerfelder und 
Weideland. Hier waren Khan Mahmuds Truppen in ven dafigen 
Dirfern eingelagert. Nahe Baflan war ein Gottesader mit einem 
hübſchen mohameranifchen Grabmal von Sandſtein, mit arabifcher 
Infeription, wol aus ver. Khalifenzeit, aber fo frifch gehalten wie 
von geftern. In Vaſtan, das Schulz?) auch Vartan ſchreibt, 
follten nach Ausſage Antiquitäten fein, von denen derſelbe aber Feine . 
Spur vorfinden konnte. Die lange in den See einlaufende Spige, 
welche die Bai von Vaſtan bildet, hielt I. Brant für ein Alu 
vum des bebeutenden Fluſſes Anjel Tſhai, ver ſich Hier nahe 
gegen den DOften in den See gießt, und feinen Urfprung weit im 
DR im Gebirg oberhalb Mahmudiyeh Kalch Hat. Da die Bai gem 
genwärtig ſchon durch Sandbänke jehr feicht iſt, wird fie, meint 
3. Brant, wol nach einiger Zeit ganz zugefshlämmt werden. Der 
ebene Boden, dad Seeufer entlang bis zum nächften Dorfe am 
Anjel Thai, iſt mit Alaunefflorescenz bevedit, der Strom nur 15 
bis 20 Schritt breit, aber fo tief, daß an der Furth das Wafler 
bis zum Pferbegurt reichte. , Er iſt der einzige größere Zufluß zum 
See; aber auch ex kommt nur wenige Meilen weit vom Oſten herab 





’*) Southgate F 2a. J. Brant.Not. X. p. 388. 7) Schulz 
Mem.1.c.p. 8 W | 














294 Weſt⸗Aſien. III Abtheilung. I. Abſchnitt. $.33. 


aus den Bergen. Der See Hat Eeinen Abflug und doch fol fein 
Waſſer mie die gewöhnliche Höhe Überfleigen. 

An feinem RNordufer Hegen mehrere Dörfer; nadte Kallſtein⸗ 
ſchichten fenten fich von da zum See. Nach einem zweiten Dorfe 
erreicht man ein grünes ampbithentralifch geſtaltetes Thal, an beffen 
Anfange man einen Aquäduct 98) fleht, der an mehrern Stellen 
durch Mauern geftügt tft, und In einem offenen Bette einen Waffer- 
ſtrom zur Stadt Ban führt. Diefer wird ver Shemiran zuge 
ſchrieben, und erjcheint auf manchen Karten unter dem Namen 
Shemiram Su oder Fluß Shemiram. Die Quellen ſollen 
am Urfprunge des Thales liegen, er fol vie Gaͤrten der Stadt Ar⸗ 
tamit umlanfen, dieſelben bewäflern, und auf feinem Wege bis Dan 
einige Mühlen In Bewegung fegen. - 

Schulz 9) fagt von viefem alten Waſſercanale, In veffen 
Nähe er eine ſehr zerflörte Keilinfchrift fand, daß er aus fehr gro⸗ 
Ben, regellofen Blocken zufammengefegt fei, vie ohne Gement durch 
ihr eigened Gewicht zuſammenhalten. Der Waflercanal fei quabra- 
tiſch, und feine Rinne hoch genug, um: darin aufrecht zu flehen. 
Er Eonnte in verfelben nur 20 Schritt vorwärts geben, well fie 
dann mit großen Blöden verfperrt war. Leber dem Fleinen Thole 
dleſes Aquaductes, fagt verfelbe, erhebe fi auf dem Belfen eine _ 
zweite Terraffe, über welche der Weg von Vaſtan nach Ban 
zwiſchen gewaltigen berabgerolltien Bloͤcken hindurchführe. Zwiſchen 
dieſen hindurch ergießt ſich gegen Norden ein ſehr klares Bächlein, 
2 Fuß tief, 3 Fuß breit, im ſehr regulärem, doch keineswegs ge⸗ 
mauertem Bette. Dieſer entſpringe etwa 7 Lieues im Süd ber 
Stadt Van. Man leitete ihn von da über die Felſen bis Artamit, 
deſſen Gärten er bemwäffert, and von da weiter bis zur Stadt Dan 
ziehend, ergießt er fich in den Ger. 

Dies IR der Shamiransfu oder der Semiram- Fluß, 
(w. L Shemiram rud, Erdk. IX, ©. 996). Dicht an viefem Fluffe, 
auf einem 14 Buß Hohen Belöblo, der auf dem Wege von Arta= ' 
mit nach Baflan, oder auf jener zweiten Terrafie, eine halbe 
Meile darüber in S.W. von Artamit liegt, befindet ſich bie mit 14 
lesbaren Linien gut erhaltne Keilinfchrift, Ar. XIX. (Erdt. IX. 
©. 991). Der Geld iR pords (pierre ponce, Bimsflein?) und 
rothlich, Daher Kiziltaſch, ver rothe Fels, genannt. Die Kurden 
jehen ihn als den Verſchlußſtein des dort verborgnen Schatzes an, 





5°») J. Brant Notes X. p. 389. ®®) Schulz Me&m. p. 312. 





BE 


Euphratſyſtem; der Van⸗See; Artamit. 295 


und nennen dieſen Talisman Mali Schamiram, ven Schatz der 
Semisam. 3. Braut paffiste auf jenem obern Terraſſenwege 600) 
eine lange Reihe von Obfigärten, bie ven Ses bis auf eine Eleine 
halbe Stunde weit, bis zum Orte Artamit umfäumen, das noch 
hoͤher oberhalb Iiegt und von wo ber Weg bis Dan führt. Nur 
ne Halbe Stunde 2) in Wer von Artamit, etwa 100 Schritt 
über dem Gee, liegt ein reizendes Fleines Thälchen non einigen Quel⸗ 
Im Sewäflert, voll großer Felabldcke die ſich von einer Berghoͤhe 
abgeldſt Haben, vie ſich von der zweiten, hoͤher liegenden Terraſſe 
ſcheldet. Auf einem viefer Blöde fand Schulz eine gut erhaline 
Keilinſchrift von 6 Zeilen, davon die legten 3 faft nur Wieber- 
bolung der erſten 3 find, Der Block hatte 45 Zoll Höhe und 47 
Zoll Breite (f. Erf. IX. ©. 996). Ä 
In der Jahrszeit, ald I. Brant in Artamit (nah Schulz; 
Artemid nach Drant) eintraf, ſtand das Dorf faft leer, weil alle 
Bewohner in ihre Bartenwohnungen gezogen waren. Er nahm 
fein Lager unter dem Schatten eines fchönen Obſthalnes, denn Obſt 
wird Hier ungemein viel gebaut, und zumal ſehr viele in ver Sonne 
serörste Aprikofen machen einen Hanptartifel der Erporten aus. 
Ben Alawansk bis hieher hatte man 75 Stunde zur Zurüdlegung 
eines Wegs von böchftens 3 deutſchen Meilen gebraucht. Ich be⸗ 
merkte kein Gebäude von hohem Alter, auch erfuhr ich, fagt 
I. Brant, daß es hier feine Iuferiptionen gebe. Aber auf vie 
Aubfagen der Eingebornen follte fich Eein Reiſender verlafien; Schulz 
batte Hier, wie wir zuvor gefehen, allerdings fchon jene Sufeription 
aufgefunden. 
Nach ihn I Artamit, au Atramit ?) geſchrieben, in 
S. W. nahe bei der Stadt Dan gelegen, halb son Muſelmaͤnnern, 
halb von Armeniern bewohnt. Es find nur einige 100 elende Hüf« 
tm der Armenier, auf den hoben, uadten Selöfuppen gelegen, vie 
ſich am See Hinziehen, während vie eben jo elenden Käufer her 
Nuſelmänner am fruchtbaren, obwol ungefunden Ufer des Sees 
hinfiegen, aber von ven ſchoͤnſten Obfkgärten umgeben, die mit jenen 
nadten Klippen im größten Contraſt ſtehen. Auf einer dieſer Fels⸗ 
flppen liegt ein alter Mauerreſt, das Schloß des armenifchen 
Eaigs genannt; an ihren Buß gegen Nord bricht eine reiche, klare 
Duelle hervor, vie Haupttraͤnke des Ortes; ihr Urfprung foll un⸗ 





ses, J. Brant Notes p. 889. 1) Schulz Me&m. p. 812. 
3) Gbew. p. 311. 











296 Wefi⸗ Afien. IM. Abtheilung. I. Abſchnitt. . 33. 


ter dem Felſen liegen und erſt weit hergeleitet fein. Ein 20 Schritt 
langer Felscanal iſt in der Nähe ſichtbar, der vielleicht vordem zur 
Waſſerleitung diente. Natürlich zeigte auch hier das aberglänbiſche 
Volk den Telſem (d. i. verſtümmelt Talioman), welcher den 
Eingang zu den verborgenen Schätzen zeigen ſoll; es war nichts 
als ein rundes, in einen abgerifienen Felsblock eingeheuenes Loch, 
ven Schulz etwa für einen alten Altar halten wollte, mit der ein⸗ 
gehauenen. Rinne zum Ablauf des Opferblutes. Die Gipfel ver 
Uferberge im W. von Urtamit, bemerkt Schulz, find fo fehr mit 
breiten Lagern von Kalkfleinfchichten belagert, wie wenn fle abflcht« 
U damit überdeckt wären; alſo wol fehr regulär horizontal gela⸗ 
gerte Kalkſteinflötze. 

Bor dem Orte Artamit, zwiſchen ven dortigen Ackerfeldern, 
wo man mit Einſammeln ber Ernte beſchäftigt war, als der Miſſio⸗ 
när Southgate hindurchzog, Fam ein kleines Bauermäochen mit 
einem Garbenbündel herbei, und fette dem Reiter dies in den Weg, 
um* von ihm eine kleine Gabe (GBakſhiſh) zu empfangen. Es iſt 
dies, oder wenn man etwa an einer Heerde vorüberzieht, wo dann 
ein Lämmchen auf dieſelbe Weiſe in den Weg geſtellt wird, eine 
ſchoͤne uralte Sitte des Orients, deren Grundgedanke wol eigentlich 
a, einen gewinnbringenden Segen für das Feld oder die Heerde 
vom Vorübergehenden zu erhalten, wie ſich aus Pſalm 129, V.7 
und 8 ergibt, wo es heißt: „von welchem der Schnitter ſeine Hand 
‚nicht füllet, noch der Bartenbinver feinen Arm voll; und die vor 
übergeben, nicht fprechen: Der Segen des Herrn fer über euch, 
wir fegnen euch im Namen ded Herrn.” — 

In Artamtt Tamen dem britifchen Generalconful ver Kha⸗ 
zinahdar (Schatmeifter) des Jo⸗hak Pafıda aus Van, ihn zu be⸗ 
compfimentiren, entgegen, ‘fo wie der Mutfellin, ein Haklari 
(Erof. IX. ©.645 u. ff.), der aber ſeit 16 Jahren in Ban wohnte. 
Nach Ihm follte Djulamerk (Erdk. IX. S.1029) von Hier 40 Stun⸗ 
den entfernt und im Süden des Gebirges Erdoſh (Hertoshl) liegen, 
deſſen Gebirgsgau durch einen eignen Hertoshi Amir, ober Gou⸗ 
vernenr, beberrfcht werde, ver in Shah-Tagh (G. i. Königsberg) 
feine Reſidenz haben follte, vie 3 Tagereifen im Süden von Diu- 
lamerk Tiege. — Ueber viefe Verhaͤltniſſe haben mir jedoch durch 
Ainsworth im Jahr 1840 genauere Belehrung erhalten (ſ. unten). 

If man von den Höhen von Artamit zum Seeufer binabges 
fliegen, fo bleibt der Reiter auf dem einförmigen Wege der Ufer 
ebene, bis er die Thore von Dan erreicht. Beide engfifche Reiſende 








Euphratf.; die Stadt Ban und ihre Monumente. 297 


waren gendthigt, noch ehe fie die Stadt betraten, dem Paſcha, der 
im Somnterpavillon fie ceremoniell empfing, “noch in ihren Reiſe⸗ 
etdern und wiewol ermübet von dem Wege, ihre Aufwertung zu 
machen. I. Brant wurde darauf zu dem Kiosf in einen Garten 
gewieſen, wo er ſeine Zelte aufſchlagen konnte. 


2) Die Stadt Ban und ihre Monumente 
(vergl. Erdt᷑. X, ©. 977— 993.) 


Derfelbe Iſhak, d. i. Iſhak Paſcha, ver fo gaſtlich und 
wohlwollend ſich gegen den deutſchen Profeſſor Schulz gezeigt 
hatie, empfing auch im Auguſt 1838 den britiſchen Generalconſul 
wit größtem Wohlwollen. Schulz nennt ihn in feiner nach Europa 
gefommenen Handſchrift >) einen der 5 Paſchas mit 2 Roßſchwelfen, 
We unmittelbar unter dem Saradfier von Erzerum fichen. Der 
bOjaͤhrige Greis war gegen Brant *) voll Büte; er erkundigte fi 
nah Großbrittanien und Hindoſtan, und meinte, Beide grenzten ans 
Atander. Den Urfprung det Stadt ſchrieb er der Shemiram zu 
und meinte, der See habe ſich einft bis zu den Bergen ausgebehnt, 
wovon doch ſelbſt die Sage nichts weiß. Er hoffte von feinem 


Gaſte nun einmal endlich vie Erklärung ver Keilinfchriften des 


Dried zu erfahren. Sein Großvater Hatte Die weitlaͤuftige Reſidenz, 
We er bewohnte, aus in der Sonne getrodneten Badfleinen erbaut; 
er felb war. in Ban geboren; ein Freund der Reform und bereit, 
dab. neue Milttärfgften auch bier einzuführen. Durch ihn und die 
Unterwerfung bed Mahmud Khan unter vie Oberherrſchaft des 
Serasliers von Erzerum fehlen der Landſchaft ein glüdlicheres Eco 
sufjugehen. 

Die Stadt würde durch Sicherheit fich bald aus ihrer Armuth 
tmporheben, da Ihre Lage für den Verkehr zwifchen Aderbijan, Kur⸗ 
deſtan und Armenien eine fehr vortheilhafte ift, und zeiche Probucte 
erzielen kann. Bis jetzt aber in ver Mitte von Raubhorben fonnte 
Re ihre eignen Bewohner kaum erhalten. 

Shui, gibt ihr 10000 bis 12000 Häulfer; eben fo viel 
Samilien hätte Eolon. Shiel; 3.” Brant nimmt 7000 Familien 
an, die alfo etwa eine Zahl: von 35000 Einwohnern voraudjegen, 
deruuter 5000 muhamebanifche und 2000 armenifche. Ban Hegt, 
nach Schulz, nicht ganz vicht'am See, fondern $ Stunden davon 





os) Schulze M&m. I. c. p. 280. ) J. Brant Not. 1. c. p. 200. 
Southgate I. p. 250. En, 





298 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Apfchnitt. $.33. 


entfernt, in großer, einförmiger Ebene, die in D., ©. und N. vom 
mehreren Bergreihen ganz monotoner, ſteiler Kalffleinzüge umgeben 
if. Nur die vielen Obſtgaͤrten mit reicher Bewaͤſſerung, mit Wein- 
bergen und zahlreichen Melonenfelvern, geben ihrer nächften Umge⸗ 
bung Abwechslung. Ban ift flolz auf biefe feine Gartenumge⸗ 
bung, welche die Gegend faſt 2 Stunven weit bevedit. Diefen un⸗ 


befeſtigten Theil ihres Wohnflges nennen fie „Baghlar,“ v. i. 


die Bärten, und unterſcheiden ihn beflimmt von ver eigent- 
lichen Stadt Ban Schehri (bei heutigen Armenien auch Pan 
Khayhak oder Ant Kayhak, au wol Schemiram genannt), 
die von 3 Selten von doppelten Staptmauern mit Binnen umgeben 
und von Thürmen flankiert, mit breiten tiefen Gräben umzogen iſt 
In dieſe Gärten ziehen alle Einwohner zur Sommerzeit; alle Haupt⸗ 
wege darin find: mit Käufern beieht; die Bärten find mit Erd⸗ 
mauern eingehegt, die jenen Einblick Kindern. Flüßchen, mit ſchat⸗ 
tigen Weidenbäumen befegt, durchziehen dieſe Baghlar, vie einem 
weitläuftigen Dorfe gleichen. Den größten Kontraft bilden darin 
pie ichönften Silberpappeln gegen die dunkelſchattigen Obſthaine. 
Die Stadt felbf I nur ein Haufe elender GErohütten, voll 
Schmug, wie alle Türfenftädte, ohne Pflafter, ohne Minarets; ſelbſt 
einzelne befiere Häuſer find meift in Verfall; mit ärmlichen Buden 
auf ſchlechten Bazaren und 2 Khanen; ohne europälfche Babrikate 
außer venezianiſche Blasperien zum Putz ver Turbiichen Weiber; 
außer von Türken auch von vielen Armeniern und Kurben bes 
wohnt. “ 
Wenn zu Taverniers Zeiten Türken bei weitem bie Mehr⸗ 
zahl ausmachten, fo find gegenwärtig, fagt Southgate In Lieben 


einſtimmung mit I. Brant, dort auch an 2000 armeniſche Fami⸗ 


len anfäfflg, vie aber meiftens fehr arm find, wenige Kirchen, 40 
Briefter mit 2 Schulen und einen Bifchof haben, ver aber einige 
Stunden entfernt von ber Stabt wohnt. Das Oberhaupt, ihr Ka⸗ 
tholikos im Klofter zu Akhtamar (Erdk. IX. ©. 996), jcheint 
gar keine Obergewalt über fie auszuüben. Die Mufelmänner 
haben 15 Mofcheen, 4 Medreſſen von geringer Bedeutung und 4 


‚Säulen; ihre Zahl ſchäzt Southgate nur auf 5000 Familien. 


Die Hieflgen armeniſchen Kirchen wie die Mofcheen, fagt Schulz, 
find wie alle Wohnhäufer aus fpäter Zeit, Feine 300 Jahr alt. In 
den beiden Kirchen St. Peter und St. Paul in Ban, °) die man für 


*°8) Schulz Mem. 1. c. p. 298. 





+ 


Euphratſyſtem; die Stadt Ban; ihre Einwohner. 299 


ſchr alt ausgab, fand Schulz einige Keilinſchriften (Rr. XIII.- 
XVL Er. IX ©. 992), fonft gar Tine Mertwürkigtit. Nach 
eshen vermeiden fie an ihren Kirchen jÄbe8 Ornament, am Die Kur⸗ 
vn nicht zum Spott zu zeigen. Ihre Ptieſter find meiſt wir un⸗ 
wiſſend und koͤnnen weder leſen noch ſchreiben. 


Brant beſuchte den Kojah Baſh, dad Haupt ber arme 
niſchen Gemeinde; er hatte fich kürzlich ein neueß Haus gebaut, ges 
tumig genug, aber doch in fehr vemüthigem Styl, mie eb die ge⸗ 
irädte Lage der Armenier in dieſem Lande fordert. Das Hausge⸗ 
ih war ärmlich; von feinem Kiosk aus genoß man bie ſchoͤnſte 
Ausfcht auf Gärten und Weinberge. Es zeigte fich kein Mangel, 
aber auch Feine Spur von Luxus; Feine Dienerfchaft, nur ein Knecht, 
ver das Maulthier beforgte. Die Weiber beforgten felbft die Küche. 
69 einfach · leben Hier alle Armenier; nur in Konftantinopel find - 
Re vem üppigften Luxus ergeben. Ihre Kirche zeigte fih von außen 
wie ein gemöhnliches Haus, auf Baumflimmen ruhend, von Erbe, 
bunfel, ſchmutzig, mit angebauter Kapelle, in der nur ver Altar be= 
malt und vergoldet war. 


Die Einwohner von Ban, fagt Soutbgate, machten einen 
guten Cindruck auf ihn, wie die Bewohner von Konflantinopel, 
mit denen fie in vielfacher Verbindung fleben; denn viele fuchen von 
Ban aus in jener Gapitale ihren Unterhalt und kehren dann nad} 
einigen Jahren mit ihrem Erworbnen nach Ban zurüd. Aber nicht 
bles aus der Gtabt gehen fie vorthin, fondern auch vom Lane, 
ven als verfelbe Neifenne zum Dorfe Ardchek (f. Erdk. IX 
©. 924) am gleichnamigen kleinen Ger, den er aber Altchet 
ſchreibt, kam, fand er, daß alle bortigen Männer 6) nach Konſtan⸗ 
ünopel in Dienfte gegangen, die Weiber aber ala Hüter ihrer Heer⸗ 
ven zurlcgelaffen hatten. In Konftantinopel ziehen die Armenier. 
de Berienten aus Ban wegen ihres verfländigen und gelehrigen 
Wehen allen andern vor. Der geringere Drud mufelmänniichen 
Stolzes, in dem fie Hier in Ban leben, macht fie ſelbſt der Bigotterie 
weniger ergeben; die größere Freiheit, bie fie Hier unter Türken ge= 
nießen, gibt Ihnen Höhere Anterefien und Intelligenz, Deswegen 
meinte Southgate, 7) daß Van ein reiches Feld für eine Miiflons- 
ernte barbieten Tünne, gleich Urmi. Doch möchten vie Armenier 
und Rurben ber umliegenden Dörfer noch nicht reif genug dazu 


*) Southgate Narrative I. p. 268. ) ebendaſ. p. 2ER. 








* 


\ 





300 Wefts Mn. TEL Abtheilung. I Abſchnitt. $,33. 


fein: De Türken fand Southgate von Erzerum bi! Dan zwar 
hoͤchſt unwiſſend, aber boch eifrig jn ihrem Ceremoniel und im. Ge⸗ 
bet, ofavol. nur. auf eine feß® mechaniſche Art: denn ſie beteten obne 
Abwaſchungen, brachen oft mitten im Gebet ab, um ihre Befehle 
an ihre Diener abzugeben und weltlichen Interefien zu folgen. Auch 
in ihren Medreſſen treiben fie eine Theologie, dafür Haben fie bier 
viel weniger craſſe Vorurthelle gegen die Ehriften wie die meiften 
Osmanlis. Aber ihre Unwiſſenheit iſt oft grenzenlos, ihr Wahn 
an Talismane, an verborgne Schätze und Magie allgemein. 
Alberne Sagen vom frühern Glanze und Leben der Stadt find 
zwar ſprichwörtlich im Munde des Volks, wie z. B. daß an einem 
der Thore die Stadtwache an einem Tage allein 14000 Reiter als 
Paſſanten zu zählen pflegte. Don’ keinerlei Blütheperiode iſt (außer 
den Felsſculpturen) im Innern der heutigen Stadt vie geringfle 
Spur; audy verficherte ein Greis, daß vor 70 Jahren die Stadt 9) 
nicht mehr Einwohner, feiner Erinnerung nach, gehabt als heute. 
Do ei früher allerdings mehr Handel hier gewefen, als der Ort 
noch feine von der Pforte independenten Beherricher, wie ven Der⸗ 
viſh Paſcha, gehabt, ver 3 Paſcha's, die ihn abjeken wollten, 
zurüdgefchlagen babe, aber doch zulegt dem Paſcha Sert Mahmud 
weichen muß, als dieſem die Paſcha's von Erzerum, Karb und 
Bayazed gegen Ihn Beiſtand leifteten. Dies fol vor 22 Jahren, 
alfe etwa 1816, gefcheben ſein, nachdem Derviſh VLaſcha 14 Jahre 
das Regiment in Ban ausgeübt hatte. 

Bon den jetzigen Bewohnern der Stadt wie bed Stadtgebietes, 
gu dem 75 Dörfer ‚gehören, ſollen ſtets ſehr viele gleich den Sa⸗ 
voyarden Ind Ausland, zumal nach Stambul, auf allerlei Erwerb 
ziehen, als Arbeiter, Träger, Handwerker, Gefcyäftsführe: aller Art. 
Im Jahre 1837 fol deten Zahl 31000 betragen haben, die abwe⸗ 
fend waren. An 3000 Eehren jährlich mit ihrem Lohne zurüd und 
ernähren dann um fo leichter ihre Familien. Bei einem flarfen 
Volksanwuchs und dieſem Hülfsmittel des Ermerbs liegt doch noch 
das meiſte Land öde und wüſte, das bei Sicherheit des Eigenthums 


und beſſerem Gouvernement feinen Bewohnern mehr Erwerb ver⸗ 


ſchaffen koͤnnte, als ihre Emigration. Die Unſicherheit gegen we 
Kurvenüberfälle war wol die Gaupturfache ver bisherigen Armuth; 


"doch, meint J. Brant, fe ſein Freund, der Iſhak Pafcha, zwar ein 


ſehr braver würdiger Dann, aber doch viel zu unwiſſend und zu 





02) J. Brant Notes 1. c. p. 805. 





Eupbratfuftem; die Stadt Banlz ihr Handel. 301 


dt, um ein fo ſchoͤnes, aber uncivilifiertes Paſchalik! ohne : thätige, 
waterrichtete Beamte, und zumal nach den meunenänteeten Peinciplen 
des türfifchet Gouvernements, zu verwalten. 


Den Handel von Ban fand der Konſul ganz "unbedeutend, 
die große Armuth Hinderte biß. jetzt jede Konfumtion europäifcger . 
Babrifate. Engliſche Waaren fanden, hier noch gar keinen Abſatz. 
Anf 500 Webffühlen wurden grobe Calico's gearbeitet; die Baum⸗ 
wolle dazu mußte aber erſt aus Perſien eingeführt werden; einiges 
hiervon geht auch zum Rothfarben nach Bitlis, und kommt dann 
nach Van zu eignem Verbrauche zurück. Einige Zeuge kommen 
auch auß Aleppo und Damas hieher zum Verfauf; alles andre 
nuß man fi aus Perflen. ober ecum zu verſchaffen ſüchen. Von 
dandesprodukten gibt es — und Wein in Ueberfluß, beibe 
And ſehr wohlfeil; friſches und getrodnetes Obſt bildet eine Haupi⸗ 
wöfuhs. Leinſaat wird gebaut zu Lampendl; Auripigment, d. i. 
aachwefelter Arfenik, wird aus dem benachbarten Lande ver Hakkäti 
bieher zu Verkauf gebracht, und bie gelbe Beere (von rhamnus 
infectorias), welche das Schättgelb Yibt, wird En Bäypen im 
ganzen Sande geſaminelt. 9 


Jede ordentliche Guusfaltung in Ban. im. sit, cine ‚Haufes 
in der Stadt und eines Landhaußes im Vaghlar, mit Baumgar⸗ 
un, Weinberg‘ und. einigen Aeckem; hiervon und durch einen: Heinen 
Handel werden alle Bedurfuniſſe beſtritien. Im: Handel fe nur 
din geringes Kapital von einigen hundert Thalern. Aberdieß ‚tft 
Jirtichend, um dort mit der Familie ſo einfach ala moͤglich duch 
inlommen.... Niemand, wird, eis paar Geldwechtler oder Schreiber 
des Paſcha auſgenonnnen, wohlhabend, keiner reich. ‚Nah Bran:s 
genauern Erkundigungen iſt der Preis eines dortigen großen. guten 
Geriend. etwa 150. Pfd. :Sterl.; 5: Pfo.. Sterl: erhält. den: Gärtner 
Lehn; der Ertrag gibt: eiwa 15: Pfo: Stesl., wobei dann sin. reiner 
Geuiem.. von 10 Pfd. eiwa, oder 6 Proe., für, der. Gigenthiuner 
bleibz. Nimmt: man :aber dne Summe nom Sarraf ‚ober dem 
Selamecäler auf, ſo Fann :manıfle wicht unter: 418 Proe. erhal⸗ 
tm. Die Ankegung: ver :Kapitale im, Grundſtücken giht alſo Ir 
guingen Erttag. Den Hauptvortheil gewährt.der Weinberg, in 
tem. alur tin. oorzeitig einfallender Falter Winter fehr: häufig bie 
Iraubenernte zerflört. : Doch werden die Trauben gefeltert, ber 
Moſt verkauft; den Wein bereitet jeder in feinem eignen Bofe. 
Jede Art der Induſtrie if Im höchſten Brave zurüd en dioſem Lande 











302 WeflsPifien. IH. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 33. 


ver älteſten Prachtarchitektur. Auf den See zählte I. Brant 9) 
wur 5 bis 6 gebrechliche Boote, die zum Liebsrichiffen von Baum» 
wolle und Zeugen nah Tadsan und. Bitlls dienten (vergl. 
Erdk. IX. ©. 997), von wo fie Zimmerholz zurüdbringen, das 
um Ban fehlt; ein eigentliches Segelfchiff fehlte. Auch verfichert 
derfelbe, es fei durchaus noch Fein Verſuch gemacht, die Fiſcherei 
im tiefen Wafler des Sees zu betreiben, obwol der Fleine Fiſch 
(eine Sardellenart, vergl. Erdk. IX. S. 997) im Frühjahr, 
wenn er aus dem See die Zuflüffe deſſelben zum Laichen aufwärts 
geht, in dichteſten Schaaren mit Körben gefchöpft werden kann, 
um ihn dann einzufalgen. Der See, meint I. Brant, würbe 
auch in feiner tiefen Mitte wol ſehr ſiſchreich fein, da eine Menge 
von Wafferndgeln, wie Kormorane, Meeven und andre, bie ſich 
nur von Fiſchen nähren, Ihn umſchweben. Die genauere Ermittelung 
der Gontoure des Seed gebe ihm eine von der frühern Zurunbung 
ganz verfchievene Beftalt, nämlich eine größere Länge von S.W. nad 
N.O., von Tadvan bis Arnis, an 15 geogr. Meilen; und von ©. 
nach N. die größte Breite, Taum vie Hälfte, ein Areal von nicht 
vollen 100 Quadratmeilen. Nur an den Ufern, aber nicht nach 
dem Innern zu, ht er zur Winterszeit Eisfruften an, und nur 
fein Außsrfieß Morbeftende, das gejchloffener, ſchenaler und feichter 
if, uͤberzieht ſich in kalten Wintern ganz mit Eis, fo daß man ihn 
wie auf einer Brücke überfegen kann. Das Klima iſt zwar. an 
ihm milder a8 In dem .auf moch hoherer Plateauflaäche gelegenen 
Erzerum, doch faͤllt hier Immer. noch ſehr viel Schnee, und nur die 
Kälte erreicht wicht jene hohen iatenſtven GOrade wie dort. Dem 
Sergrunde des mittleren Sees ‚gibt Schulz Meeredtieſe und 
daß deſſen Infeln wie die Berge umher aus Kalkſtein beſtehen 
Das Wisgtigfle, vons und in Ban vom höchſten Intereffe fein 
muß, iſt jedoch Der ſeltſam in der. bene iſolirt ſtehende Felo⸗ 
rücken von einer guten halben Stunde Umfang, mit feinen Seulp⸗ 
tusen und Krtlinfcrtptionen, deren Verzeichniß wis ſchon frü⸗ 
her gegeben haben( Erok. IX. ©. 991-993), defſen Specialbe⸗ 
ſchreibumg wir aber gegenwärtig nach der von dem CEntdecer 
Sulz ſelbſt nad deſſen Tode in Curopa ungelangten Handfchrift 
witzurhellen ini Stande ſind. | 
VUngeachtet auch bier in der bles topographifchen Beidhweibung 





“as) J. Brant Dotes etc. p. 207. 





Euphratſyſtem; das Felsihlok von Ban. 303 


doch noch fo manches zu münfchen übrig bleibt, wie z. B. Grund⸗ 
ng und Aufriß und Abbildungen dieſes einzigen Monuments antiker 

Semiramidiſcher Zeiten, deſſen Hiſtorie wir ſchon früher berührt 

haben (Ervf. IX. ©. 984-980), fo IE Doch deſſen Bericht, ver 

von einer fo ſchwer zugänglichen Lokalität nicht leicht von einem 

Nachfolger forgfältiger gegeben werben möchte, feinem Wefen nach 

für die Wiffenfchaft und die Vervollſtändigung künftiger Brobad- 

tung bier vollfländig aufzubewahren. 


Numerlung. Ban Kaleſi, oder Kaleeh Van, das Belsihlog 
von Ban, oder das Gbourab mit feinen Grotten, Gculps 
turen und Keilinfcripiionen, nad ber Beobadtung 
von Br. 8. Saul; !°%) 


Bas Mofes Khoren. von biefem Denfmale fagt, wird durch Dieb. 
1. 12 beflätigt,; Diodor aber fhöpfte feine Nachrichten ans Cteſtas 
Ayriaca, und diefer hatte feine Daten ans den Annalen der Perſer 
ans Syrer gefchöpft, berfelben Duelle, aus der Maribas (f. Erdk. 
N. ©. 984) feine Daten nahm, die Mofes Khoren. wieder gegeben hat. 
Ju den benachbarten Umgebungen und Städten, wie Bitlis, Nuſh, 
Ghunus und andern, die Schulz deswegen erforichte, finden ſich ders 
gleichen Denkmale nicht, wie hier in dem einzigen Felfenban Dans, ver 
ualer dem volfsthümlichen Namen Ghourab das ganze umliegende Laub 
ver Barbaren, aller Türken und Kurden, von fly reden macht, der ſchon 
aus weiter Berne von 8 bis 10 Meilen fi in der Ebene am Gerufer 
erſpaͤhen läßt, während der grüne Saum ber Gärten und das Hänfchen _ 
der Gtabtgebäude an ſelnem Buße nur in dichter Nähe fichtbar wird. 
Die Sagen und Mähren von feinen Belfen, Höhlen, Schägen, Talis⸗ 
manen find unerfchöpflih; aber vor Schul; war, feit Timurs Zeiten, 
welleicht Sein Srembling in dieſes geheimnißvolle Aſyl eingedrungen, ſelbſt 
keiner der Unterthanen von Bau, über deren Köpfen nur von den Zinnen 
ber modernen mund doch wieder zerrifienen Schanzen dieſer Feleburg ein 
sine zeriprungene Kanonenſchlünde ſcheinbar herabdrohten, jeden nafes 
weifen ober empörerifchen Iudringlichen zu vernichten. Die Leute im 
Dienfe des jedesmaligen Paſcha Tonnen, zu Schulzes Zeit noch, felbſt 
sur mit einem ſchriftlichen Billet ihres Herrn und beffen Giegel in die 
Aepprigen Thore dieſes geheimnißvollen Burgverließes eingelafien werben, 
vas dem Baia im größter Gefahr als fein leptes Refugium erfchien. 
Nur die dringendfie Empfehlung des Gerasfiers don Erzerum öffacte 


* 


20) Schala Mém. 1. c. p. 200 etc. 








304 MWeft-Afien, II. Abteilung. I. Abfchnitt. $. 33. 


Prof. Schulz, dem helvenmüthigen Antiqnare (Erdk. IX. 649), deu 
Gingang. zu biefem Wunderbau, der fpäter auch von 9. Brant, BI) jem 
doch mit weniger Aufiterkfamteit, beſucht worden iſt. J u 


en Lage des Öhonräb, 

Der in langem Rücken von Weſt nach Of, oder Südoſt, in drei⸗ 
fachen Knppen höher und Höher, bis über 300 Fuß hoch, aufſteigende 
cömpacte Kalkſteinfels vominirt vollkommen die weite Ebene der 
Stadtumgebung und des azurblauen Stefbiegels bis zum fernen, ſchneeigen 
Hochgipfel des Sapau Tagh, und ift fo recht zu eiuem £nruspallafte 
geeignet, und zugleich zu einem für ben Feind ganz unzugänglichen 
Eihloffe. Die Kalkſteinwaͤnde fallen gegen Süd meift fieil ab, oft ſeul⸗ 
recht, gegen N. und N. W. etwas abgeböft, und find von mehrern Hauer 
Akten and’ modern-türkiſchen Baſtivnen geftönt.: Die Shdfacgnpe zeich⸗ 
nete Schulz von dem Pavillon des alten Sarai des Timur Paſcha, die 
Nosbfagade von ber Blaine des armenifchen Dorjes Arwanz, das bie 
Mufelminner Sslele Koi, das Dorf der Hafenanlandung, nennen, weil 
7) im. Norden der Stadt dem Hafen zunaͤchſt liegt. Gegenivärtig hat 
dies. Schloß nur einen einzigen Eingang, von Nordweſt her, nämlich von 
dem dortigen. Nordweſt⸗ Thore, dem Söfele Kapuffi (d.1. Hafen» 
thor), weil dieſes zu jenem Dorfe und zu Uferftufen Goteie, escale) 
bes Landungsplatzes führt. Von da fleigt ver Fels nur allmaͤlig auf; 
daher auch nur bier von den Paſcha's Befeſtigungen angelegt find, die 
von ben andern Steitfeiten unnütz waren. Doch find bie dorf aufgepflanz, 
ten. elenden Geſchůtze nur etwa tauglich, durch Schüſſe das‘ Balramdfer 
an verfünben, und, die  barbarifchen Horben Kurhiftäns and der Berne in 
Schrecken zu fegen. Bu | 


. I... 


2) Treppenflugten zum‘ Khorthor und ıu feinen gelte 
 fammern. 

Au ver Südweffeite des dortigen Kalffteinfelfen,, ben‘ man gewöhn- 
lich ben Khorfhor nennt, ſteigt man zunaͤchſt den einzigen Pfad hinauf, 
der zum Schloſſe führt, nahe jenem Hafenthor. Keſie antiker Treppen 
in Fels gehauen, die man beim Emporklettern bes Felſen bemerken Tamm, 
fcheinen, wenn man ſich ihren Juſammenhang ergänzt, darauf Binziden: 
ten, daß hier ber Haupteingang war. 

Gin großer, runder, mühfam In dels gehauener Vorplatz, der ſich 
zur rechten Hand zeigt, mag damit in Perbindung geftanden Haben; doch 
hat eben hier bie Serförungswuth Timurs und feiner Zehntaufenb Alles 
unfenntjih gemacht, obwol fie nar im Stande waren, einjelne Mauern 





*ı3) J. Brant Notes I. c. p. 385—38. 





Euphratſyſtem; Bar Kaleſi und die Krilinſchtiften. 305 


herabzuſtürzen (Erf. IX. ©. 061). Höher hinanf am Fels fieht man 
sch amphitheatraliſche Stufen, bie, zn beiden Seiten mit einer 
Art Rampe begrenzt, in Fels gehanen find; biefe Stufen Tonnten zus 
gleich als Bänke zn Siken dienen, die den prachtwollfien Blick über ben 
See und feine Umgebung gewähren. Am Fuß des Wels, zur Linken vom 
Bege, fieht man Grundmauern eines antiken Baues, ans 3 bis 4 Lagen 
leleſſaler Dnaderfleine (4 bis 5 Fuß lang, 8 bis 4 Fuß breit) übereins 
ander aufgebaut, ohne Bement und Gefüge, nur auf eigne Schwere baſirt. 
Ein Keineres, jüngeres Mauerwerk, einft die Kirche St. Johannes ges 
naunt, iſt darüber aufgeführt. Die achtzellige Keilinſchrift (Mr. I. 
Edt. X. ©. 981) auf einem jener großen Quadern gibt das Zeugs 
uß ihres hohen Alters. Gegenwärtig umgibt diefen Bau ein Moraft, 
ber durch eine Ouelle gebildet wird, die unter ben Grunbmanern, Fri 
mer gerade unter dem Quader mit der Keilinſchrift hervortritt. e 
Form diefer Keilfchrift tft Hinfichtlich der Charaktere etwas verſchleden von 
ben übrigen, und enthält Charaktere, die allen anbern fehlen; leider iſt fie 
fe gerflört. Ä 

Hat man eine Seitlang jene Spuren der alten Treypenfindht vers 
folgt und wenbet fich rechts ohne Pfad an dem Bellen empor, fo tritt 
man oben durch einen Jelsſpalt heraus, der an ber äußern Seite bes 
Bellen endet, ummnittelbar über dem Garten, in welchem ber Kiosk bes 
Sala liegt (alfo an ber Sübfelte gegen Oft hin, nahe dem Tabriz 
Kapuſſi, d. i. am Tabriz⸗Thore der Stadt, dem anferhalb der Stapt 
vie Reſtdenz des Paſcha zunächft liegt), Das zwifchen dem Tabriz⸗ und 
vom Jokele⸗Thor im der Mitte liegende Thor, das dritte der Stadt 
wauer, heißt Detah Kapuſſi, d. i. das Mittelthor. 2°) Hier flieht. 
man eine Treppe von 20 Stufen, die aber fo zerſtoͤrt if, daß öfter nur 
6 Zoll breite Mefle davon übrig Kind, welche abfchüffig zu einer Heinen 
Grotte führt, und entlang einer fentrecht behauenen nnd glatts 
dollerten Belswand, vie mit Iuferiptionen bedeckt if. Man ge 
Ingt fo zu einem großen Gingangsthor ver 5 Gemächer des 
Khorlhor (Hi geuannt Khorkhor mugaralari). 

Jene klelne Grotte, wie alle übrigen Monnmente durch Kunſt ti 
Bes gehauen, iR quadratiſch, nur B Juß breit, 44 Fuß lang und eben 
ſo hech, mit einer Kleinen Bank links am Eingang, von ber ein Pracht⸗ 
WE auf Gtadt und Ser, anf die Obſtgarten yon Artamit unb bei 
Eqentram fa füllt, wub anf die von Hier ımajeflälifch im Hinter⸗ 
gut von Baſtan fc ethebenden Gebirgsſpiden (des Erdoſh), welche 
Nies ganze Panorama mit ihren ſchöͤnen Formen begrenzen. 

Reis von der Meinen Grotte, aber über ben genannten Treppen: 


UN 0) 


2 J Brent, Notes l. , P-,3%: . | ee on 
Atter Erhlunte. X. u 











& 


“ 


306 Weſt⸗Aſien. IM. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.33. 


Rufen auf der genannten ‚pelierten Felswand, zeigen fih bie 3 gros 
ben Suferiptionstafelu (IL. TIL und IV. f. Erdk. IX. ©. 991), die 
nur durch einfache ſenkrechte Kinien von einander gefchieben find. 
Horizontallinien trennen hier, wie auf allen übrigen, die jedesmaligen 
Seilen; die Gingrabung iſt 3 Linien tief, die Schrift von vollendeter 
Schönheit und NRegelmäßigfeit, aber au verjchievenen Stellen durch An: 
[lagen vou Kanonenkugeln beſchädigt, fo wie auch bie legten Treppens 
Aufen gänzlich zerftört find. 

Zum großen. Bingangsthor wendet man ſich in einem Winkel, 
und-fieht dann Linfs über biefer Pforte einen geglätteten Fels mit 
Inferiptionen, während rechts der Fels feine natürliche Oberfläche ber 
halten bat; doch mit Ausnahme eines Borfprungs, ber jept ganz uner⸗ 
reichbar ift, auf dem aber eine Tafel mit 20Ozeiliger Keilſchrift vor 
treflich erhalten ift (f. Nr. VII. a. a. D.). Links find es am gegläts 
teten Fels 2 Inferiptionen (Mr. V. und VI. a. a. O. ©. 991), 
deren jede, 81 Zeilen enthaltend, 105 Fuß hoch und etwa 34 Fuß breit 
iſt. Die Schrift iſt eben fo ſthoͤn, wie die der 3 großen Tafeln, aber 
vieles davon zerflört. 

Nun tritt man burch bie Rhorfhor: Pforte in das Innere ein. 
Das Thor if B Fuß breit, 54 8. tief, 6 8. hoch, mit einem Rahmen 
von 2 %. Breite. Es führt zu einem großen quadratifhen Fels: 
gemach von 32 F. Länge, 19 %. Breite nnd 104 5. Höhe. Alle Fels: 
wände find mit größter Kunft poliert, wie an den Snfcriptionstafele. 
Diefe Bolitur zeigt, daß nirgends Ornamente, Sculpturen oder Inſcrip⸗ 
tionen vorhanden waren, die man nur für die Außenfeiten bes 
Brunffchloffes verwendete. In den Beldwänden dieſes Gemaches find 10 
quadratifhe Nifchen, jede 14 8. tief, 2 F. breit und 3 %. hoch, in 
Lichten angebracht; fie fangen erfi 34 Fuß über dem Fußboden an; jede 
hat ihren 8 Zoll breiten Rahmen als Ginfafiung erhalten. Beim, Ein; 
tritt aus der großen Khorkhors Pforte in diefes Felsgemach hat man 2 
Niſchen angefichts (en face) zwifhen 2 andern Pforten A und B; 
2 andre rechte zur Seite der Pforte C; 2 andre in ber enigegenfichen- 
den. Mauer, links zur Seite der Piorte D (alfo 6 Nifhen auf den 3 
Felswaͤnden, zu denen 4 Pforten hinausführen). Zu beiden Seiten ber 
großen Eingangspforte, durch die man in das quadratiſche Felsgemach 
hereintrat, befinden fich je zwei und zwei Nifchen; alfo in Summa 10. 

Die Niſchenpaare fliehen etwa 2 Fuß weit auseinander; zwiſchen 
jedem derſelben ift in geringer Tiefe ein in den Bellen gehauenes Bier; 
feit, etwa auf jeder Seite 1 Fuß breit, mit einem kleinen Loch in der 
Mitte, von etwa 6 Zoll Tiefe, von diefer Geſtalt J. 

Sur Seite der Pforte A bemuft man, angefichte (en fage) des 
Eingangs, 2 Vierecke auf dem Boden, einige Linien tief in dem Yels 
gehauen. Das eine, rechts von drrüPforte, bern hel unmikeibar“ bie 


.2 





Euphratſyſtem; Van Kalefi und Die Keilinſchriften. 307 


Vand, iſt 8 J. lang, 6 J. breit, aber keineswegs mit feinen Selten in 

Boralleliemus geftellt gegen ein andres Fleineres, das ein volllommnes 

Duadrat if, jede Seite zu 3 Fuß 5 Zoll, links der Pforte und 5 Fuß 
von der Wand entfernt. Links und über der Pforte A flieht man 6 Stu⸗ 

fen, die offenbar beſtimmt waren, etwas dahin zu flellen, nicht zum 

Auffeigen als Treppe zum bienen. 


Die genannten 4 Pforten, A und B, C und D, jede 6 F. hoch, 
3 8. breit und 3 5. Hef, mit einer 1 Buß hohen Schwelle, führen aus 
dem großen quabralifchen Felsgemach in eben fo viele, alfo in 4 Kleine 
Gemäder, bie insgefammt in Fels gehauen, alle von gleicher 
dorm, gleicher Größe und Einrichtung find. Tritt man in fie hinein, 
fo if man, wie im Großen, angefihts zweier quabratifcher Nifchen, 
benen auch andre in den Seitenwänben entiprechen, und zwiſchen denen 
daſſelbe Bierfeit mit dem Heinen runden Loche eingehauen if. 


Diefe 4 Tleinen, ganz leeren Gemächer haben durchaus Feine Zerſtö⸗ 
ug erlitten; Beldmauern, wie Buben und Dede in größter Binfachheit 
uns dem Bergganzen gehanen, ſetzen durch die Kühnheit biefes ber 
Gwigkeit trotzenden Baues in Grftaunen, 

Diefe Gemacher zeigen nur wenig Unterfchled; in dem angefichts 
v6 großen Haupteingangthors beſindlichen find mehrere Stufen in der Feld: 
wand angebracht, ähnlich den 6 Stufen links über der Pforte bei A. In dem 
Gemache Tinte des großen quadratiſchen Felsgemaches bei ber Pforte B 
* ab Schalz in der Manerede eine Deffnung, groß genng zum Hinab⸗ 
Reigen für einen Menfchen, einem Brunnen gleihend. Er ließ fih am 
Eid Hinab und fand in geringer Tiefe ein enges Loch, das nach unten 
führte und unterwärts einen hohlen Raum zu haben fchien. Die Lampe, 
vom Loche nahe gebracht, ging durch den Windzug aus und hinderte bie 
weitere Beobachtung. 

Der Paſcha Hielt dies für eine Verbindung mit der Waffergnelle, 
bie ans demfelben Felſen kommt und in dem Kiosf feines Gartens her: 
verfyeingt, der wirklich unmittelbar unter diefen Zelsfammern des Khor⸗ 
Der liegt. Nicht fehr fern, in demſelben Garten des Paſcha, fagt 
Gäulz, fand er am Fuße des bebufchten Jelſen mehrere Stufen einer 
allen in Jels gehauenen Treppe, die wol einft zu jenen obern Kam⸗ 
ns geführt haben mochte. | 

echte von dem Fels mit der Juſcr. Nr. VIII. find, 40 Schritt un- 
ter. einem der Feſtungsthürme, die von ven Türken auf dem Gipfel des 
Seerlher erbaut find, noch Reſte von Stufen zu fehen,: die nach: allem 
Biätungen führen. Rechts davon tiefer hinab iſt ein großes Loch ohne 
alle Berbindung, weder nach oben noch unten, das ſich ſchon früherhin, 
nach der Ansfage eines anf Befehl des Vaſcha hinabgelaſſenen Soldaten, 

u2 














308 WeflsAfien. TIL Abtheilung. I. Abſchnitt. $.33. 


ganz leer, ohne Talisman (d. » ohne Infchriften) und ohne Sphähe ges 
zeigt Hatte. 

Die ganze Südſeite des Ghourab von hier an zeigt feine ein- 

zige Spur mehr von höherm Alterthum; die Felsmaſſe if gang fleil uud 
unzugänglih, doch mit ein paar ſchlechten Verſchanzungen noch ficherer 
gemacht. 
Nahe einer ganz ſpiten, pyramidiſch über der andern Sanptmafle 
des Felſen ſich erhebenden Zelsgruppe war auf biefer Seite vor Selten 
eine breite Treppe vorhanden, bie man aber zerflörte und an ihrer Stelle 
‚eine Kaferne ale Gefängniß erbante, daher dies feitvem Zendan⸗Ka— 
pufft, d. i. das Gefängnißthor, Heißt, weil hinter diefen Bauten ein 
Thor beflanden haben foll, das aber Hein war und unzugänglih, ohne 
Kelstammern und ohne Inferiptionen. 

Bon diefem Sendan: Kapnffi an erreicht der Fels feine größte 
Höhe, die gegen Süd nach der Stabtfeite großentheils fentrecht be⸗ 
hauen und umerfleiglih if, daher ohne alte ’ nachträgliche Befeſtigung; 
doch flieht man diefen Gipfelfels für die Hauptfeſte bes ganzen Ghon⸗ 
raAb an, well anf deſſen Kücken ſich das Itſch Kalab, 6 . i. das „ins 
nere Schloß“, befindet. 

An der genannten, ſenkrecht behauenen Steilwand erblickt man, etwa 
bei 60 Juß Höhe über dem Niveam der anliegenden Plaine, eine große 
quadratiſche Yelstafel, die durch fenfrechte Linien in 3 ungleiche 
Golonnen getheilt ift, davon bie erftere fo breit iR als bie beiden andern 
zuſammen genommen, und alle 3 mit Keilfriften von ber größ- 
ten Schönheit überdeckt. Nur die 2te und Ste Eolonne iſt etwas 
beſchaͤdigt, das Uebrige erhalten, wie von. geflern ber. Da ich, fagt 
Schulz, nicht zu ihr heran konnte, copirte ich file Durch das Berfpectiv 
ans dem Kiosk eines Mollah (Nr. IX. X. und XL ſ. Erdk. IX. S. 991). 
Nur die unterflen Linien von 2 Colonnen waren durch Erdſchutt ver: 
deck, die Ifte Colonne aber ganz vollländig. Gs iſt die dreiſprachige 
Inſchrift, deren eine, Send, nicht aus der Zeit der Semiramis 2°) 
fein kann; wenigſtens, bemerkt Schulz, würde eine einzige perfifche 
Zeile, die auf Befehl der babylonifhen Königin dahin gefept wäre, 
durch ſich felbft feine ganze Borflellung über die Idiome Aflens über 
den Kaufen geworfen Haben. Denn die antiten Inferiptionen ber 
Semiramis könnten nur in einer Altern affyrifhen Schrift: 
ſprache verfaßt fein. Deshalb, fagt derſelbe, Habe er auch ſtets dawider 
geeifert, die dreifache Imfeription zn Hamadan für ein Berl der Semi: 
ramis zu halten, was and; durch Gtewarts Copie beflättgt fe (f. 
Erdt. IX. S. 87 — 88). So wie dieſe ein Denkmal der alten par 
Tifgen Monarchie, ſo fat auch bie dreiſache Keilinfſchrift ver 8 e. 





9%) Schuls M&m. I. c. p. 278. 


/ 


Euphratfuften; Ban Kaleſi und die Reilitifihriften. 309 


Ismen zu Ban (alfo verſchieven von anderk rein aſſyriſchen Fuſcriptionen, 
welche aber mit vem Send und Perfifchen einerlei ober doch verwandten 
Schriſtcharacter zu Haben ſcheinen) aus derfelben Zeltperiöde; denn 
un 7 verſchiedenen Stellen bemerkte er darin den Namen: „Zerres, 
Sohn des Darins“ mit noch mehr Titulaturen als diejenigen, welche 
fd gewöhnlich ef den verſiſchen Infchriften voefanden, 


3) Das Innere Schloß, Itſch Kalah ?9) mit dem 
Naphtabrunnen. 

Um zu vicſem auf der größten Belshöhe zu gelangen, kann man nur 
einem einzigen, noch heute gangbaren Pfade folgen, der weftmirts führt. 
U man den Khorkhor mit feinen Felskammern rechts, fo fleigt man, 
etwa gegen N.D., empor zwiſchen einer doppelten Mauerreihe, welche die 
Then Hier gegen die Attaden der Feinde anfführten. Erſt nad eini⸗ 
gem Auffleigen gelangt man an das große Holzthor mit Eifennägefn, 
welhes ven Eingang zum Sunern des Stich Kalah verſchließt, und nie 
ohne eine ganz befonbere Erlaubniß geöffnet wird. Much Innerhalb diefes 
Thors tritt man wieder zwiſchen Manern, die jevoch höher und: fefter ges 
Bart ſtud als die äußern. Zumal viejenigem zur rechten Hand find fchr 
hech, bil, mächtig und In jeber Hinficht tüchtig. Innerhalb derſelben find 
eine Menge moderner Bauten aufgerichtet, einft Wohnungen von Janit⸗ 
ſcheren, welche bie Garniſon der Befte bilveten; auch ein größeres, nen: 
erbautes Bulvermagazin, da ein früheres durch eine Erploflon den größern 
Tpell ter Feſtungsgebaͤnde zertrümmert hatte. Hie und da flanden mod 
Auge geplapte Kanonen ans den Zeiten der Sultane Murad und Coll: 
max, bie fie anf Ihren Erpevitionen gegen Kurbeftan mit dahin führten. 
Gegenwärtig if feine Garniſon mehr Hier. In dem Umfange biefet 
Hg Kalah iſt etne große Strecke des gegen bie Stadtſeite gewendeten 
Pelfen; der ſich an die höchſte Felsſpide lehnt und künftlich behanen iſt; 
auf vieſer Belsfpige fleht das Pulvermagaziu über der dreiſprachigen Ins 
ſchtiſt. Die Jelswand iſt an 60 Buß hoch ſenkrecht abgehauen; faſt in 
Meer Mitte führt ein Thor in den Innern Fels; ein Loch darüber gibt 
Fe Licht. Pforte und Lichtlhoch find durch die Mohamedaner 

zerfißrt, eben fo große laͤngliche Vierecke, die faft im ber ganzen 

Yurtie ver Jelswand angebracht waren. Ueberall zeigt fl Verwüſtung. 

Durch die Pforte tritt man in ein großes Kelegemad mit 

enem Felsgewölbe im Dach, 45 Fuß. lang, 25 Fuß hoch. Die 

inte —2 weniger vollfommen polirt, weniger forgfältig und regelmäßig 

part als die Felskammern in Khorfhor. Diefelbe Bemerkung ergibt 
ün allen folgenden Gemaͤchern. 








IR “DD, p- ‚9m. 








310 Weflsffien. II. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 33. 


Saft en face führt eine zweite Pforte, nur 5 Buß Horb, in ein 
kleineres Gemach, 10%. br., 20%. 1., die Neft koĩon, d. i. ber Na phta⸗ 
brannen, genannt, weil ſich daſelbſt ein fehr flarker, faum- auszuhalten⸗ 
der Naphtager uch bemerflih macht. Dieſes ganze Gemach war mis 
einer fehr feiten, gebrannten Baditeinmauer bekleidet, die mit einer Moͤr⸗ 
tellage überzogen iſt. Ein Loch, in biefe Mauer gebrochen, führte zu einer 
Niſche, die ganz mit ſchwarzer klebrichter Naphta erfüllt war, die burch meh⸗ 
tere Spalten der Backſteine fiderte und jenen Geſtank verbreitete. Der Fels 
war über biefer Localität an mehrern Stellen durch Lampenrauch ge: 
ſchwaͤrzto Da der Paſcha feinen Schügling für einen Kenner der Talis: 
mane hielt, fo Hoffte er noch immer, berfelbe werbe ihm große Schäge 
erſchließen; er hielt dies insbefondre für ein altes Grabmal, nnd meinte 
um fo mehr barin Schäße zu finden. Aber die Arbeiter zerbrachen lange 
Zeit erfolglos an der Härte der Backſteine ihre Werkzeuge; der Mörtel - 
hatte fie fo feft zufammengefüigt, daß Fein einziger Backſtein unzerbrochen 
gewonnen werben konnte. Jeder derfelben von 8 Onadratzoll und 2 Zoll 
Dide war ohne alle Spur von Keilinſchrift. Selbfl dur Sprengen mit 
Pulver wurde wenig gewonnen, und nachdem man einen ganzen Monat 
daran gearbeitet hatte, war das Gemach doch noch nicht von Badſteinen 
befreit. Sollte auch fpäter noch etwas gefunden worben fein, fo, meint 
Schulz, würde doch nie etwas darüber befannt gemacht. 

Ganz dicht neben diefem Neft koion, in der großen Felsmaſſe, die fi 
links davon erhebt, über der dreiſprachigen Infchrift in der Tiefe, und 
unter dem Pulvermagazin auf der Höhe, befindet fi ein irreguläres 
Loch im Fels, etwa 5%. Hoch und eben fo breit. Durch daſſelbe gelaugt 
man in eine Reihe von 5 Gemächern, fo gefellt, daß das große 
Gemad (30%. h. 20%. br.) vorn liegt, mit 2 fleinern Gemächern, links 
und rechts, zu denen 2 Thüren führen, dagegen 2 aubere eben fo Feine 
Zimmer in gleicher Flucht hinter dem erſten liegen und zwar eins bin; 
ter dem andern. Ihre Thüren befinden ſich angeflchts der Oeffnung, 
die als Gingang zum großen Gemache bien. Die Mauern find hier 
Insgefammt ohne Ornamente, nur nachläffig behauen, ohne Nifchen, ganz 
leer; in der Ede von der einen lagen viel Staub und Menfchengebeine, 
die nichts befonders Bemerfbares darboten, aber vielleicht der älteften 
Semiramidifchen Dynaftie angehörten. Im Innern des Stich Kalah zeigten 
fich weiter keine Denkmale. 


4) Die Feleſpize mit dem Atrium und den Todtenfammern. 

Aber im Fels befindet fich noch eine ungeheure Grotte, einige 
hundert Schritt rechts ab von Neft foion, auf dem Gipfel eines Felſen, 
aber außerhalb aller Manern nnd Befefligungslinien, welche das Itſch 
Kalah umgeben. Um zu ihr zu gelangen, Hettert man am Oſtende ber 
Gelfen nahe über dem Tabriz Thore vorüber, an, einer minder abjchäffigen 





Eupbratfoftem; Ban Kaleſi und die Keilinſchriften. 384 


GStelle. IR man oben angelommen‘, fo folgt man gegen S. W. ver lam 
gen Mauer, welche von biefer Seite das Caſtell vertHeivigt. Auf diefem 
Bege trifft man hie und da Nefte antiler Treppen und Bänke in 
dels gehauen, jedoch zu felten, um fe darch Eombination mit aflem fliehen 
gebliebenen in Zufammenhang zu bringen. Sie zeigen nur, daß anf 
dieſer Belsburg Alles im großartigften und edelſten Styl angelegt war. 
Rad einigen 100 Schritien gelangt man fo zu dem Reft einer noch wohl⸗ 
sthaltenen Treppenflucht, von 25 ganzen Stufen, deren jede 10 
Taf breit im Wels gehauen if, an deren Seite rechts eine Reihe von 
Grmädern auf einander folgt, indeß zur linken Hand eine gewals 
tige Felsrampe vor dem Hinabſturz in die Tiefe fihert. Don dieſer 
Treppe Relgt man hinab auf ein ganz in Fels gehanenes Plateau 
(RE. 1, 18%. br.), glei einem Atrium vor dem großen @inganges 
there gelegen; links und rechts deſſelben flieht man noch Mefle (der eine 
3, der audre 17 Buß groß) einer coloſſalen Bank, welche einft, nach 
euderweitigen Spuren zu fchließen, die ganze Felsplatte umgeben zu 
Veaben ſcheint, and die Feſtverſammlung zugleich zu einer Pracht⸗ 
ensfiht über die weite Ebene, bis zu dem fernen Gebirgszug bes 
Barrat Dagh gegen den Aufgang der Sonne nad Berfien hin, 
einlud. Mit dieſer Ausfiht Im Rüden, fleigt man- 6 Stufen, jebe 34 Buß 
keit, nm 9 Inß hohen Eingangsthor hinanf, das 44 Fuß breit mit 
größter Kunſt in den‘ 60 Fuß breiten Belfen eingehanen ift, der fich fenfs 
recht ale Wand, AO Fuß hoch, über jener Plattform erhebt, nnd überall 
sah den Spuren ber forgfältigften Bearbeitung mit Inferiptionen und 
vielleicht noch andern Schnörfeln bedeckt war, den aber wilde 
Barbarenhände zerflört haben. | 

Dur das Hohe Portal tritt man zuerft in ein großes quadras 
tifhes Felsgemach (A), 258.1, 21%. dr., 25%. 5., ganz leer, ohne 
Rifgen, ohne Ornamente, aber mit einer Politur an Wänden, Dede, 
Jußboden und Thärgefims, von unnahahmlich vollendeter 
Arbeit, Drei Thüren, jede 7%. Hoch, 34%. br., eine angefihte (en face) 
W-Hanpteingange, bie andern beiden links und rechts, führen aus 
den großem Feloſaal in eben fo viele Meine Belöfammern. Das 
dauptgemach der einen, en face, iſt gleich den andern 15 J. Hoch, 
von dem großen quabratifchen Felsgemach A durch eine 2 Fuß bide 
Nener gefchteden. Beim Eintritt in daſſelbe fieht man zur Linken bie 
ganze Länge der Nauer entlang eine Art Bank umberlaufen, 35%. h. 
5, ©. br., zu der 8 Borfinfen Hinanfführen, alles’ in Fels gehanen. 
das Rebengemach von A, zur Linken, iſt 33 F. l,. 9 J. br., mit ganz 
Maler Felsbant, welche die lange Mauer rechts vom Eintritt ganz 
cdanimmt, aber ohne Vorſtufen if; und en face endet dieſes Gemach 
in einer Urt von Alkoven. Diefem Nebengemach enifpricht vas andere 








. 312 Wefietfien,. II. Abtheilung. I. Abſchaltt. 4.33. 


zur rechten Seite von A, iſt aber nur 18.5. 1.,.8 F. br., und die Fels. 
bende Mauer hat 3 Fuß Mächtigleit. 

. Me diefe Felsklammern find ohne Druamente, Seinen, ihrer 
Bolitur nach zu uxtheilen, auch uie dergleichen gehabt zu haben; am 
wahrſcheinlichſten Halt Schulz dafür, daß fie zur Anfnahıng der Verſtor⸗ 

beuen,.zu Tobtenfammern, pienten, beven Gebeine in Sarkoyhagen ber 
Ursen ober fonft auf eine uns unbekannte Weife anf ven breiten: Seele 
bänfen ihre Ruhbefatt erhielten. Jetzt find fie voll fniternder 
Eylen und, Fledermänfe, fo daß man Birbuß's Ausſpruch bier bes 
ſtaͤtigt findet: „bie Spinne ſorgt ſchon für das Net im Schloſſe 
„der Cäſaren, die Eule klagt im Haufe der Afrafiab!” 

Nicht fehr fern zur Rechten des Fele, deu biefe Kammern einſchließt, 
fieht man zwifchen den Spalten des Hügels eime Feine, ſchwer zugäsg« 
liche Oeffnung, zu der man nur auf des Steillwand von oben hinabklet⸗ 
tern. Tann. Hier war, bemerft Schulz, wol nie ein gebehuter Sugang, 
das Loch, 3 5. h., 2 8. br, 5 & tief, ziemlich is ber Mitte des Felfen 
zwiſchen Baſts und Gipfel, hat nach oben eine Art Gewölbe, wie auf 
dem Allirpi nahe der Höhle des Zemzem Dagh (f. unten). Durch dieſe 
Oeffnung wicht ohne Beſchwerde eingebrungen, entdeckte Schulz no 
eu quadratiſches Felösgemach, 23 %.lang, 14%. hr. 12.3. hoch, an 
defien Wänden gleiche Bänke wie in jenen Tobtenlammern unaherliefen, 
anf denen fich aber noch eine doppelte Reihe runder Löcher bes 
fand, groß genug, um eine JZwölfpfünder-Rngel zu foffen, vera 
Iweck gänzlich nubekaunt blieb. (Bielleiht für Lampen wie in ber Res 
veito Grotte f. Erf. X. ©. 818). Sonſt waren anch dieſe Grotun 
wie bie andern genannten gänzlich leer. 


5) Die Norpdfeite des Felsſchloſſes außerhalb nes 
Tabriz Kapuffi. 2®) | 

Die ganze Südwand bes Selezuges von dieſen Jelalaunvern 
bis zum Oſtende, in der Nähe bes Tabriz⸗Kapuſſt, zeigt weiter keine Un; 
tignitäten; deshalb wendet fh Schulz nun zur entgegeugeſchien, nam⸗ 
lich zur Nord weſt⸗ und Noxpfeite vefielben, und verfalgt biefe yon 
O. nach W,, d. i. vom Tabriz Kopufli bie zum Zelele Kapuſſi, d. i. 
dem Hafen⸗Thor Hin. 

Blei zur Seite außerhalb des Tabriz hoee zeigen ſich voch Hehe 
einer quadxatiſchen Fels tafel, JO Fuß erhabon über dem Fußbeden, 
Fa gerflöch, fo wie eine aweite über ihr, welche ganz übess 

i 

R —X fern vom Tabru Thot,a am Wege. der won m; sum Ger 


ls) Schulz Mom. l, c. p- 288. 





\ 


Euphratfoßien; Ban Kaleſi und dic Reilinfhiften. 313 


fügt, ſteht mam uuterhalb und außerhalb ber Kortificationen, welche biefe 
Seite befchügen, 2 Felogroſten, die 20 Schritt anseinander liegen unb 
fcht forgfültig ausgehauen find, jede 7 5. br., 84 J. t. und. eben fo hoch. 
Die Dede iR gewölbt ausgemeißelt, alles einfach nud gut polirt. 
Dis Grette zur Linien Hat keine Auszeichnung, bie zur Kechten hat beim 
Eintritt am ihrer liaben Mauerfeite eine Keilinſcription von 29 Li⸗ 
nien (Nx. XII. Erdt. IX. ©. 991). Sie war halb mit Schutt zugedeckt; 
ihre Charactere find groß, fehr ſchoͤn, auf das vollenvetetfie ans» 
gearbeitet, auch meift bis anf wenige Stellen, wo nad nnien alte 
Spalten, vortrefflih erhalten. Die Spalten waren aber ſchon vor ber 
Infeription vorhanden, da man offenbar flieht, wie der Steinmeh öfter 
106 ihnen die Größe oder Stellung feiner Eharactere mobificirte. Ein 
andrer Theil derfelben Infchrift iſt jedoch verberbt duch ein rohe 
Krenz, das Armenier fpäterhin dort eingehauen haben, wie einige arme» 
slfge Schriftzüuge im fehr ſchlechtem Style, darunter angebracht, bes 
weifen. Diefe Grotte wird noch heut zu Tage von Chriften mie von 
Nuſelmaͤnnern verehrt. Schulz HAlt dafür, daß fie ſchon ben alten 
Aſfyrern eine geweihte war, fo wie bei den Armeniern, da fie and 
den Mufelmännern, die jenen Altern aorgängene nur gefolgt fein kön, 
zen, zumal ihren Welbern, ‘ein Ziaret, d. 1. ein Wallfahrtsort, iſt. Die 
Beiber wollten den Guropäer Kindern, die Lumpen von den Characteren 
abzwreißen, die fie als Gelübde dahin zu hängen pflegten. Der Volles 
wahr verlegt dahin Goldſchätze, die unter einem Khazane Kapuffi 
(Thor zum Schaghanfe) liegen follen, deſſen eifernes Gitter den Eingang 
zum Thefauros hindere. Zwei Männer mit Blammenfchwertern, fabelt 
man, bewachen den Eingang ; jede Nacht lagere ſich eine große Schlange 
vor dem Talteman (der Infeription), ziehe fih aber bei Sonnenaufgang 
var ein Loch zur echten in das Innere der Grotten zurlick. Alles 
Babel, ſelbſt die Schlange, von der Schulz feine Spur wahrnahm, obwol 
es öfter mehrere Stunden vor Sonnenaufgang zur Erforſchung der wahren 
Wände ſich daſelbſt aufhielt. Nur wenige Schritte fern von biefer 
Geste: iR der Fols, behauen in fehr antiker Zeit, ſenkrecht, 65 Schritt 
Ist, 60 Fuß hoch, darin B Duabertafeln Keilinfchrift, deren jede 
bisfelbe, alte eine dreifache Wiederholung deſſelben Documents trägt, 
Iwon'2 Tafeln, A und B, an 13 Schritt horizontal von einander gefons 
veub,; Höher fichen ale die Ste, C, weldye ganz am Fuße des Felfen nur 10 
Güpisb voechts unter dev Tafel A und etwa 4 Schritt links unter ber 
Ya B, alfo zwifchen beiden, flieht. Die Tafel B flieht etwa 20 Fuß, 
vom Beben gerechnet, an der Felswand empor, und die Tafel A tft noch 
mas hoher eiagehauen (Me. XIE. XIV. XV. Grof. IX. S. 901). Jede 
be Lofeln Yat einen Rahmen im Wels, 2 Fuß breit und 1 Fuß tief; A ift 
IER, 6%..3 Zoll br./ mit 19 Zeilen, deren jedwede 2 Zoll 2 Knien Höhe 
het. Unter der letzten Linie iſt noch ein iteier Raum von 14 Zoll, der 











314 Weſt⸗Aſten. II. Abtheilung. I. Abſchuitt. 5.3 


nie befcgrieben war, Die Tafel.B hat ganz biefelbe Juſchrift; die vom 
iſt einige Soll höher. Die Juſchrift iſt dieſelbe wie bei A:und B, ai 
fehr beſchädigt. Die Schriftzüge ſind ler von derſelben Net wie 
den andern Monumenten, nur in größern Proportionen; die Buckflaben ı 
1 Zoll höher ald- die am Khorkhor; es bleibt faſt unbegreiflich, wie m 
biefe Inferiptionen in einen fo Parken ‚Stein voll aahtkofer Riffe hat e 
graben können. - 


6) Die große Felsgrotte. 

Das letzte der Denkmale in dieſem wahren Wunderſchloß iſt 
große Grotte, an 100 Schritt rechts von jenen 3 Tafeln, im ob: 
Theile des Felſen eingehauen, ſo daß ihr Eingang hinter der Felswe 
verſteckt liegt. Von unten her iſt derſelbe überhaupt ganz unzugängl 


Sie bildet ein länglichtes Viereck, 70 Fuß lang, 15 Fuß breit, 8 Fuß hi 
aber gegenwärtig mit Schutt und Steinblöden gefüllt. Wände und J 


fond find ganz glatt, aber ohne Ornamente; nur rechts am Eingang ı 


einem vorfpringenben Selfen, auf einem Raum, 24 Zoll I. und 28 Zoll 
ift die 173eilige Inſchrift (Nr. XVI.) eingegraben. Die ſtarke Reſon 
der Grotte macht es wahrfcheinlih, daß fie Souterrains habe, zu de 
Nachgrabung auch der Paſcha Vorrichtungen getroffen hatte. Don bir 
Grotte bis Jstele Kapuſſi fand Schul; Fein Denkmal weiter am Fı 
einige Nifchen und Tafeln ausgenommen, aber ohne Inſcription. Da 
Fels von dieſer Seite ſanftere Abhaͤnge zeigt, fo wurde er hier auch 1 
fganzt. In den Mauern fieht man große Quadern eingefugt, bie ı 
Kreuzen und Ornamenten überladen find, aus armenifcher Seit ſtamme 
in berfelben Art, wie fie auch anderwärts auf armenifchen Gräbern v 
fommen. Auch fehr große Bafaltblöde und eine Art Marmor zn Röh 
ansgehauen, die vielleicht zu noch Altern Sculpturen gehört haben mög 
werben hier bemerkt. . 


Don den Statuen, Säulen und andern Sculpturen, deren die arı 
niſchen Autoren als hier gefunden erwähnen, ‚fand Schulz nicht bie 
ringſte Spur; auch den Bewohnern von Ban war ihr Vorlommen gè 
lich unbelannt. ine einzige menfchliche Figur, einen menfchlihen To 
in Relief, aber ſchlecht ausgeführt, bemerkte er anf einem Steine in | 
Gräben der Stabt, bei dem Ortah Kapuffl (dem Mittel: Thor). An ci 
andern Stelle fah man eine ganz moderne Sculptur, ben befannten | 
genſtand perfifcher Darftellungen, nämlih „den Kampf des Löw 
mit dem Stier“, zweierlei Stüd: anf dem einen iſt ber Stier v 
Löwen anf den Rüden geworfen, auf dem andern flebt ber Löwe gri 
tätifch aufrecht. ber beide find von ganz plumper Arbeit, und = 
mit dem vollendeten Meißel am Khorfhor zu vergleichen. Schulz I 


dieſe ſymboliſchen Sculpturen für Nachäfferei der Mufelnänuer, wie ä 


% 





Cuphtatſyſtem; Ban Kalefi und die Reilinfchriften. 315 


ige ans den Zeiten der Seldjukiden ſich finden, z. ®. die Steine an 
ven Mauern von Diarbeir, Baiburt u. a. °*) 

Die Hentigen Bewohner bilden In ihrer Mobeit nichts mehr; alle 
Infrriptionen ſind ihnen nur Talismane zur Bewachung von Schätzen, 
oder ihres Landes; bie autilen Trabitionen find beiden, Chriſten wie 


Neelenen, noch heute geheiligt. Die Orte für den Cultus antiker Böts 


ver beftimmt, werben auch heute noch, wis ehedem von heidniſchen, fo von 
riklihen und mufelmänntichen Weibern befucht; jene richten ihre Ge⸗ 
kete an Sourb⸗ lirkor oder Aftyatzatfin, diefe an Allah und deſſen Pros 
voten. Jede menſchlichẽ Abbildung würden fie nur für ein Zeichen bes 
Teufels oder des Autichriſt Halten, und die Mufelmänner würden fie zu 
Ehren des Koram fogleich vernichten. Daher dies vielleicht eine Miturſache 
ihres gänzlihen Mangels in ber Gegenwart. 


T) Der Zemjem Dagh mit dem Alfirpi und dem Meher 
 Kapuffi oder den Mithrassthor. ??) 


Aur 4 Meile im Of des Dan: Schloffes dehnt fih ein Hügel fafl 

im Halbfreis aus, troden, öde, lang gefltedt, aus demſelben harten Kall⸗ 
fels beiehenb wie jener. Diefer, wiederholte der Pafcha mehrmals, follte 
in frühern Zeiten nur eine zufammenMäingende Maſſe mit dem Schloß: 
berge ausgemacht haben, aber turch eine heftige Erderſchütterung davon 
- abgetrennt worben fein. Er wird Zemzen Dagh genannt. Deflen 
werligen, der Stadt zugefehrten Theil nennt man Akkirpi (weißer 
Igel), ein Name, der der Natur des Bergs gar nicht entipricht und 
wahrſcheinlich als Verſtuͤmmlung einer ältern Benennung übrig geblieben 
iR. An der Höhe dieſes Akkirpi ift eine Tafel, 14%. 73.5. 6%. br., 
in dels ausgehauen, die von oben bis unten mit affyrifchen Characteren 
bededt if; ihre doppelte ECinfaſſung, die 2 Vorſtufen und die ganze Form, 
and der Ferne wie eine Porta anzuſehen, hat den Wahn erweckt, es ſei 
dies die ECingangoͤthur in das Innere des Berge, wozu fich die Kurden: 
febel gefellte von einer großen unterirbifchen Stadt ber Dins, 
Vie hier verborgen liege. Nur zwei Mittel ſoll es geben, fie zu erreichen: 
wenn man den Talisman entziffert, oder den flebenten Tag nach Oftern, 
ever das Sohannisfeft abwartet, weil fie fc an diefen Tagen einmal von 
ſelbſt öffnen fol. Im Innern des Berge läßt von Zelt zu Jeit der 
verganberte Hahn fein Befchrei ertönen. If es zur Morgenzeit, wenn bie 
ir ſich öffnet, fo if es die gute Stunde, zu ber man ſich hineinwagen 
mag; zu audrer Zeit würde man ſich darin nur verirren. Vor kurzem, 
erbte man, ſei einer der Bewohner von Dan hineingedrungen, aber nie. 
wieergurhltgelchtt. — Schulz konnte feine Spur von Höhlen In biefem 





10) Schulz Memm. L 6. p. 297. ) ebenbaf. p. 300. 


‘ 








316 Wefl-Hfen. V. Abtheilung. I LAbſchain. $. 33. 


Berge wahrnehmen; aber einige hundert Schritt rechts zur Geile bes 
Akkirpi, am Dftende bes Berges, befinden fich dergleichen wirllich. 

Jene große Tafel mit ber Inſchrift wird Neher⸗ oder Mibr- 
Kapuſſi genannt, wol höͤchſt wahrfcheinlich an Mithra erinnernd; alſo 
Mithras⸗Thor, ober das Sonnen:Thor. Da aber im heutigen 
modernen Perfifchen die Sonne nicht mehr, fo wenig wie bei Kurben, 
Türken oder Armenien, mit dem Namen Meher bezeichmet wird, wie im 
Altperſiſchen: fo iſt ihnen der hentige Name eine inhaltleere Benen⸗ 
nung, bie alfo um fo ehrwürdiger als eine reine Tradition aus urs 
alter Borzeit erfcheint. Die Infchrift iR die größte unter allen bis 
jegt aufgefunbenen, son 85 Zellen (Nr. XVII. |. Erdt. X. ©. 081). 
Es ſcheinen verfchiebne, in 4 Sectionen gethellte Juſchriften zu fein. Sie 
iſt ſchwer zugaͤnglich zwifchen Beleflüften, der untere Theil ſehr zerſtört, 
der obere jedoch vollfommen erhalten. Die Sprünge im Fels beſtanden 
auch bier ſchon, ehe die Gingrabung ber Charaltere geſchah. Sie war 
einft offenbar mit einem eigenthämlichen gelben Firniß überzogen, da bie 
oberften gefchästen Zeilen noch heute deutlich einen folchen Meberzug zeis 
gen. Diefes Meher⸗Kapuſſi ift ein fehr geheiligter Pilgerwallfahrtsort, 
zumal für Brauen, wie das KhazanesKapuffi. 

Nın 10 Minuten vom Mithras: Thor, anf der höchſten Spige der 
Nordoſtſeite des Zemzem⸗Dagh, dringt man durch eine Zelsfpalte biefer 
hohen Felſen vor bis zum einer Felsmaſſe mit großem Cingang, faſt quas 
dratifch gewölbt, 6 Fuß hoch, 8 %. breit; am Ende eines langen Eor: 
ridors führt eine Treppe von 50 Stufen, bie an vielen Stellen zerflört 
find, in'das Innere des Felſen. Links über diefem Gingang find an 10 
Selsftufen übereinanter ausgehauen, die ans ber Ferne gefehen gegen den 
GWelsgipfel zu führen fcheinen; aber fie find nur wenige Zoll Breit, ſtehen 
fenfrecht eine über ber andern, die oberften erreichen keineswegs die Spige 
des Felfen. Ihre Befimmung muß urfprünglich eine andere geweſen fein. 
Der lange Corridor oder Felsgang, zum Innern einer Grotte führend, tft 
durch 2 runde Löcher gut erleuchtet, die in gehöriger Ferne von einander 
Reben und zugleich die fhönfte Ausfiht in die Ebene am Fuße bes Zem⸗ 
zem barbieten. Der Corridor, für 2 Mann breit genug, ohne alles Or⸗ 
uament, ohne Inſcription, führt an feinem Ende rechts zu einer Groite, 
25 Fuß etwa im Quadrat, trregulär, die aber gegenwärtig gang voll 
Steine gehäuft if. Sie fcheint von Natur gebildet zu fein, Ihre Dede 
hängt voll tropfender Stalactiten. Gin Kanal, der aus ihr zur Rechten 
hinab zur Tiefe führt, war durch Steinblöde verdaͤmmt; der türkifche Bes 
gleiter fagte, es folge nun ein ganzes Labyrinth von Grotten, im beuen 
ch vormals wol Menfchen verloren, deshalb die Paſcha's fie mit Steinen 
hätten verftopfen laflen. 

So viel Schönheitsfinn, bemerkt Schulz, Habe das Volk, wel: 
es dieſe grandiofen Felsbauten zurädlisg, überall für tie umgebende 





Euphratfuftem; Ban Kalefi und die Reilinfehriften. 317 


Naturpracht gezeigt (der dem heutigen Volke ganz fehlt), daß er bei 
keiner der reizendſten lanpfchaftlichen oder Zelspartien irrte, wenn er fi 
zurief: follte ba nicht aud ein Denkmal ans der Seit der Gemiramis 
ſein? Go ift vie Ansſicht vom Bipfel bes Zemzem⸗Dagh unbe 
ſchreiblich fchöm über See und Stabt; man findet daſelbſt noch die Stu; 
fen, die binanfführten, ihn zu erfleigen, und Sizbänke au den ſchön⸗ 
Ren Bunkten zum Genuß der herrlichen Ansficht. 

Die Sage verfegt auf diefen Gipfel des Zemzem⸗Dagh ein antites 
Schloß, von dem aber heutzutage feine Ueberreſte mehr vorhanden find, 
falls nicht die vielen Spalten und Riſſe im dortigen Boden voll Schutt, 


"Scherben und Terracotias auf eine gänzlidhe Zerflörung befielben hinwei⸗ 


fen. Im dem Umgebungen werben wicht felten allerlei Denkwürdigkeiten 
gefunden, ausgegraben, ausgeadert, die aber won der Habgier ber Türten 
verheimlicht werben, da fie jedes Metall von Werth fogleich einſchmelzen. 
Kinder Gatten ſoeben einen Tleinen ſchwarzen Talisman - Gylinder gefuns 
ven, der in Schulzes Befls Fam. 


8) Sragmente von Inferiptionen in den Umgebungen 
von Ban. !°) 


Außer jenen Raunenswärbigen zum erfienmale von unferm gelehrten 
Sendöemanne im Iufammenhange erforſchten Dentmalen der älteſten Bor: 
ui, dem wir manchen glücklichern Nachfolger zur Vervollſtaͤndigung fel- 
see nur erſt begonnenen und mitten im Laufe unterbrochenen Unter 
fagungen wünfchen, haben fi ihm auch gar manche zerfirente Ueber: 
te dargeboten, deren Zahl die Zukunft wol fiher noch mehren wird. 

Eine Menge Dürfer, *) meift armenifche, fagt derfelbe, umgeben bie 
Stadt Ban; armfelige, in deren keinem merkwürdige Baurefte, jedoch in 
menche ihres Kirchen und Altäre bie und da ein Inferiptionsftein 
wit eingemanert if. Die Kurden ziehen den feflen Wohnfiden das Nos 
nadenleben vor und bei ihren fortwährsnden Fehden zerflören fie immer: 
ft alles noch Beſtehende. 

Die hoͤchſte Gebirgsketie, welche die Bau: &hene gegen Of begrenzt, 
kit Warrat Dagh ?°) (vergl. Erdk. IX. ©. 976), ein fehr ſteiler 
md hoher Reikfieinfels, deſſen Gipfel lange Zeit im Jahre hindurch mit 
Gänse bededt bleiben; in einer dort fichenden Pleinen Kirche, ver Wars 
tals Rikiffa, oder Devi:Ktliffe, fanden fih Inferiptlionen (Mr. 
KIVH.—XXIX. Erd. DI. ©. 902). Huch die Inferiptionen XKIE. 
ms XXVI. achören zweien armeniſchen Kirchen an, die mit drei Dörfern 
is der Sm: Kegen, welche fi im RO. zwifchen dem Warrak⸗Dagh 


} 


“) Schulz Men. c. p. 315-329. 1°) ebend. p. 309. 
»*) chend. p 


N 
>, 
\ 








318 Weft-Afien. II. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 33. 


und dem Zemzem⸗Dagh andbreitet; der Kirche des Dorfes Sitte und 
des Dorfes Schouſchanz, wo fie als Banfteine eingemanert find. Bine 
der älteflen armenifchen Kicchen if die gu Kochbanz am Fuß der Fele- 
Fette Warrak⸗Dagh, 3 Lienes von Ban entfernt, wo 8 Steine mit 6 In: 
feriptionen (Nr. XXX.—XXXV.) eimgemanert fi) befinden. Im Nor: 
ven von Ban fand Schulz feine Spur eines autiken Denkmals vor. 
Bei dem armenifchen Dorfe Kalatſchik erhebt fi ein iſolirter, ſteiler, 
pyramibaler Berg mit einer Kleinen Kirche, ein fehr altes Helligthum, wo 
einft ein Tempel mit einem berühmten Idol geftauden haben foll, ver 
aber durch Chriſten vertilgt ward. Dort fand man unter der Erde einen 
großen Stein, den man In ber Kirche ale Aitarftein angebracht hat. Er 
iſt roͤthlich, und wie ein Mühlftein, 24 Fuß im Durchmeſſer, 6 Zoll 
hoch, die obere und untere Seite rein, aber am Rande umher mit einer 
Doppelreihe von Keilfchrift, die durch mehrere Krenze fehr be- 
ſchaͤdigt If. 

In Nord von Ban, 123 Lenes fern anf einer Gebirgskette, andert: 
halb Lienes von Ardiſh, nad der Ausſprache im Lande, aber gefchrie- 
ben Ardjiz (vergl. Erdk. IX. ©. 785, 923, 989), heißen die dortigen 
dunkeln nud fchwarzen Bellen ‘von ihrer Farbe „Schwarzfels“ (Kara- 
taſch); fie begrenzen im N.D. die Sumpfebene, wo bie armeniſch⸗kur⸗ 
diſchen Dörfer Karghin, Sionrman und Defmate liegen, fo wie bie Meine 
Stadt Ardjiz. Auch kennt man fie allgemein in. Kurbeftan unter dem 
Namen Ilantaſch, b.i. der „Schlauge ufels“ (vgl. Eck. IX. S.9M,. 
918, 989), wo es das ganze Jahr Hinbucch giftige und beberte Schlangen 
geben fol. Schulz fand Im Gebirg zwar feine Spur von Gebäuden, 
aber auf einem Plateau des Karatafch, auf einem fehr gefund und 
weit bequemer gelegenen Blatean als die gegenwärtige feuchte, ebene Lage 
der Stabt, die Spuren vieler eiufligen Gebäude. Am Buß ver Merge, 
gegen N.O. zur Gbene, ſieht man an 3 verfchiebenen Stellen 3 qua 
dratifche Tafeln In Fels, 6 Zoll tief eingehanen (Erdk. IX. ©. 969), 8%. 
über dem Erdboden erhaben. Jede der andern gleich iſt 38 Joll breit, 
14 Suß Hoch, davon 2 mit Inferiptionen, jede von 11 Sellen, gut er 
halten, indeß die ber dritten verwittert if. In den bortigen Felslöchern 
ſah man eine Menge befchuppter Eideren, die fich ineinander ſchlin⸗ 
gen, fo daß man Feine einzeln hervorziehen ann; denn bie Schuppen hal; 
ten fie feft zuſammen (alfo eine Art Giverenkönig, wie ber befannte Rat: 
tenlönig). Diefe find es, welche die Anrben für beherte Schlangen hal 
ten, die in den Welslöchern feſtgebannt feien. Daher per Name Jlantaſch. 
Die Schlangen an andern Belfen find weniger beachtet, weil ſie ſich, 
wie herfömmlich andre, frei nmherbewegen. Sie find aber noch von fei- 
nem Naturforſcher näher beſchrieben. Als Ker Barter wu an ber 





*31) Ker Porter Travels. Lond. 1829. 4. Vol. n. p. 86. 





Euphratſyſtem; Van⸗ Se, Rorduferr. 319 


Rortieite des Ararat anf der Araresebene voräberzog, bie einem ſolchen 
Ilantaſch nicht fehr fern liegen follte, denn es feheint mehre Stellen deſſel⸗ 
ben Namens zu geben, fah er eine folder Schlangen, die, von 2 Per: 
fern erfchlagen, 40 Zoll lang war und die Diele einer Musfetenfugel hatte, 
grän mit ſchwarzen Streifen, die ein volles Rebhuhn verfchlungen 
hatte, das ihr noch. im Leibe flad. Dies ift die einzige fpecielle Nach⸗ 
richt von wirflihem Vorkommen, die wir von dortigen fo oft angeführten 
Schlangen vorfanden. — So liegt doch nicht felten eine gewiſſe eigen- 
thümliche Natnrerfcheinung den allgemein verbreiteteten Fabeln als Folie 
unter. Den Beichluß diefer fo merkwürdigen von Schulz entdedten 
Meonumentenreiben macht die Infertption eines Steinblode, des Vazlu⸗ 
tafch (Rr. XLU.Ff. Erb. IX. S. 993), 2 Lieues in N. W. von daher, nur 
wenige Minuten entferut vom Kurdendorfe Dazlutafch, das von bems 
felben feinen Namen hat (d.h. „beſchriebner Bela“). Das Gebirg 
iM ſehr berüchtigt wegen feiner granfamen kurdiſchen Raubhorden. Die 
Tafel mit der Infchrift if im deu Fels eingehanen, 1B.tief, 7 5. im 
Duadrat; es find 39 Linien Schrift von außerorbentlicher Schönheit und 
Erhaltung; Schulz zählt fie zu den fchönften in ganz Kurbeflan. 


3) Nordufer bed Van-Sees bis Akhlat, und erfte 
Erfleigung des Sipan Dagh. 


Diefen Fortſchritt der Specialfenntniß des merfwürbigen Van⸗ 
Erd gegen das Nordende verdanken wir der jüngften Entdeckungs⸗ 
wife I Brants (1838), den wir auf feiner fernen Rundreiſe 
begleiten, um zu vervollftändigen, was wir früher hier nur aus 
ganz allgemein gehaltenen Angaben darüber mittheilen Eonnten. 

Erſter Zagmarfch, 23. Auguft 1838. Von der Stadt 
Ban gegen N.W., 22) zwiſchen dem Felsſchloß und dem Uferborf 
dekele Esi (Arwany bet Schulz, f. ob. S. 304), geht e8 über 
welligen Boden nad; 35 Stunde zum Ala koi (vd. b. ſchönes 
Dorf), wo etwa 100 armenifche und 30 Kurvenfamilien haufen. 
Drei Heine Kirchen, eine im Dorf, die zweite am Buß, die britte 
uf der Anhöhe über dem Dorf, zeigen die Verbreitung biefer Re⸗ 
Retonsferte. Die Armenier, felt Noahs Zeiten, find gute Wein- 
un De bier find viele Weinberge auf weißlichem Thonboden; 


‘ 
im J. Brant Notes of a journey through a. part of Kurdestan. 
1888. Journ. of { Geosr. ‚Soc. of Lond. 1841. Val. X. p. ul, 
B69B-Al2., , Din 


ki. x . » ee 


* 





320 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. L Abſchultt. 6. 33. 


viel gekelteter Wein wird von hier nach Van geſendet. Eine hier 
noch niedere Berghöhe, die aber weiter gegen NO. hoch anfleigt, 
ſchneidet den Anblid des Sees vom Dorfe ab. Die Bewaͤſſerung if 
nur fparfan. 

Zweiter Tagmarfch, 24. Aug. Gegen NO. von ba, bie 
ſcheidende Bergkette entlang, geht es nach 4 Stunden Wegs durch 
mehrere Fleine Dörfer wieder zum Seeufer. Der Boden iſt gut, 
doh Hat man wenig Uderbau, viele Schanfe und Ziegenheerven. 
Nach einem Stündchen an ver Seebucht hin führt der Weg wieber 
im Rüden des Bergzugd zum Dorf Merek (6 Stunden von Als 
toi), wo auf ziemlicher Berghöhe über dem See ein armenifches 
Klofter, in welchem ein Marienfeſt gefeiert wurbe. Viele Bauern 
waren dahin gepilgert, überale war Jubel und Mufik mehr als 
Devotion. Zumal viele tanzende Weiber ſah man, vie in runden 
Kreifen mit feierlichen Schritten zu den rauhen Xönen von Pfeife 
und Trommel fih in Bewegung fehten. Sie waren alle gekleldet 
in baumwollne rothe Inden, mit Baummollenfchleier, die über ven 
Leib herabhingen. Die Züge vieler fremden Dorfichaften Tamen 
mit ihren Anführern zu Pferde; die Weiber auf Maulthieren, Och⸗ 
fen und Eſeln, mit ihren Eleinen Kindern. Bine Muflfbanve und 
tanzende Jugend zog der Gavalcade voran. Alle waren im Sonn- 
tagsftaat; jede Partel erhielt ihr Lager an beftimmter Stelle am 
Hügel angewiefen, doch fo, daß die Befchlechter gefchteven blieben; 
alles ging fehr ernft und einfdrmig zu. Abends füllte fich die Kirche 
mit dichtem Gedränge, und das Anrufen an die Matonna um Ret⸗ 
tung von Uebeln u. f. w. ging in das lauteſte Geſchrei fiber, unter- 
brochen von Profternationen und den Geberdungen ver gräßlichften 
Superflition. Der Fels, der durch feine Berührung von Sünden 
befreite, folte Mirakel thun. Dan fchägte die Zahl ver verfammtel- 
ten Pilger auf 5 bis 6000; deren Opfer auf dem Kirchenaltar wirb 
zwifchen Paſcha und Beiftlicgkeit gethellt; jede Portion betrug etwa 
50 Pf. Sterl., bei großer Volksarmuth. Der Subafht (ver Bes 
amte des Paſcha) bewachte im Intereffe feines Gebleters vie Büchſe; 
in der Nacht Iäßt er die Kirchthüren zwar ſchließen, abet um vor 
den möglichen Eingriffen ver Geiftlichkeit geflchert zu fein, drückt we 
ſelbſt des Paſchas Siegel daranf. Nicht blos Chriſten, auch Kack⸗ 
den nahmen an dieſer Feſtfeier, zumal am Abend, Theil durch 
kriegeriſche Uebungen, Galoppaden, Zanzenwerſen u. a. m. Gr 
gegen Mitternacht. Fam Alles zur Rabe. 

Dritter Tagmarſch, 25. Aug. Ungeachtet Fra Poste 





— 5 





Euphratſyftem; Van⸗See; Nordufer. 321 


Sei den Jeltlagern bed Briten waren ihm in biefer Nacht doch 
2 Pferbe geſtohlen. Der Subaſhi war felbf ver vermuthliche Thaã⸗ 
ter, obwol er am Morgen ſeine 6 Reiter als Garden für die Wei⸗ 
terrciſenden ſtellte, und ihnen ſelbſt eine Strecke zum Dorfe hinaus 
das Geleit gab. Auf dem Höhenzuge am Südufer ded Sees 
wurde deſſen Oſtende, zu dem man aber erſt hinabſteigen mußte, 
erteicht. Hier ergießt ſich von Oſt ber der Bendi Mahi Su 
Giſchuferfluß) in, den See, den man ſonſt an feiner Mündung 
zu durchfeßen pflegt. Jetzt aber war er zu tief, denn er ging ben 
kurdiſchen Reitern über den Sattelrüden. Er mußte alfo etwa zwei 
Stunden Höher aufwärts auf einer Brüde überfchritten werben , vie 
jedoch nicht weniger Gefahr brachte, denn fie war Halb in Verfall. 
Noch zwei Stunden oberhalb derſelben liegt Bargi kal'eh, pas 
Refidenzfchloß eines Kurven DBeg, gewöhnlich Beigir (Bargerry 
auf Monteiths Map, Berghiri bei Schulz, ſ. Erdk. IX. ©. 989), 
genannt, an dem die Straße na) Bayazed vorüberzieht. Zwiſchen 
beiden Orten, an 20 Gtunden Wegs (man fagt gewöhnlich, nur 
aber irrig, 12 Stunden) auseinander, liegt Fein Dorf weiter; nur 
welllges Land von Raubhorden durchſtreift. Dicht bei der Brücke 
am Ufer entfpringt eine Quelle mit 10° 27° R. (55° Fahrenheit), 
wos J. Brant für ihre mittlere Jahreßtemperatur hielt. Diefer 
Bendi Mahi mit ſchilſigen Ufern, aber dunkelblauem breiten Waſ⸗ 
ferlaufe und ziemlicher Tiefe, Hat feine Quelle in ver Nähe ver 
Elan Bayazen am Südgehänge in derſelben Bergkette, aus 
weicher, nur weiter im Welten, ver Murad⸗Arm des Euphrat feinen 
Ufpeung Hat, ver deſſen Nordgehänge entflieft (Kira Raſhid 
wird dieſer Duellberg auf Monteiths Map genannt). Die ganze 
Enge des Benvi Mahi beträgt in feinem Laufe nur 14 bis 16 

Etunden Wegs (35 —40 Mil. Engl). ° 
An der Brüde lagen Bälfen zu einer Reparatur berfelben, vie 
ber Paſcha beabfichtigte. Ienfeit am Norbufer, gegen ven See Hin, 
Begt der Ort Arnis, und über ihm auf ver Höhe ein Kurdenlager. 
Die zahliofen Schwärme kleiner GStechfliegen am tiefen Seeufer 
waren jegt eine zu große lage, um daſelbſt im Orte einzukehren, 
man blieb alfo auf der Berghoͤhe neben einer Fühlen Duelle im 
Lagers wer Kurven, eines ſehr armen Volkchens, das ſich von feinen 
Seren nährt. Sie hatten ihre Wohnhäufer verlaffen und fi 
unter Ihre Zelte begeben, weil ſie dann auch von ber gewöhnlichen 
befreit find, obwol fie damit zugleich Br Berpflichtung 

Slitter Grofunde X. 








322 WeftAfien. HIT. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.33. 


Gibernehmen, für die Sicherheit der Straße und ber Relfenden zu 
arten. 
bef Vierter Tagmarſch, 26. Aug., Mit einer Kurden Escort, 
deren Häuptling fich aber bald wieder zurüdzog, wurde nun ber 
Weftweg am Nordufer des Sees eingefchlagen, deſſen äußerſtes 
Dftende umgangen war. Beim Hinabfleigen zum Seeufer Tehrte vie 
Plage der Stiegen wieder; das Land ıwar dbe, aber Mauerlinien, 
einflige Feldmarken, zeigten, daß bier früher Anbau war; Obftgär- 
ten und Weinberge, fagten die Kurven, wären hier geweien. Man 
z0g an ven Ruinen eines großen Khand und an mehreren Dörfern 
vorüber. Eine Gebirgslüde zur Nechten gewährte einen Blick wie 
in die Seite eines eingeftürzten Kraterd; die Belfen waren ganz 
ſchwarz und eine zellige, jedoch harte Lava fchien dies zu beftätigen. 
Nah 34 Stunden Ritt fam auf biefem Wege, ver ein Neiterpfab 
nah Erzerum iſt, dem Conſul ein Tatar des Iſha Paſcha vom 
Seraskier entgegen, der Briefe überbracdhte. Ein Kleiner Küftenfluß,- 
der durchfeßt werben mußte, um daß jenfeltige Dorf Haidar Beg 
zu erreichen, rollte Lavabläde. Im der Höhe dieſes durchſetten 
Flußthales fteht eine armentfche Kirche; der tiefer liegende See war 
von hier nicht fichtbar. Nach einer DViertelftunde war aber das 
Seeufer wieder erreicht, und dad Eaftell Ardjiz (fprih Ardiſh) 
das dicht an demfelben erbaut iſt, Feine 5 Stunden fern von Arniß. 
Beim Hinabfteigen zur Ebene von Ardjiz überfegt man mehrere 
fleine und einen großen Fluß, die hier weite Verfumpfungen ver- 
anlaffen. Das Caſtell iſt fehr verfallen, die eingeflürzten Bauern 
laffen die Stadt ganz offen. Sie liegt mit ihren elenden Hütten, 
gleich den Dörfern, Halb unter, halb über ver Erbe, entlang dem 
Se hin. Die Kafabah iſt von 100 mohamedanifchen, aber fehr 
wenigen armenifchen Kamilien bewohnt; doch haben viefe eine Eleine, 
obmwol fehr alte Kirche. Zum Gebiete des Mutfellim gehören 
20 wohlhabende Dörfer, vie zahlreiche Heerden von Rindern, Pfers 
den, Schafen auf den ſchoͤnſten Weidungen befiten. Der Alluvial« 
boden iſt fehr fruchtbar. Der See von bier bis zu feinem Außer- 
ſten Oſtende iſt fehr feicht, der Flußſchutt füllt ihn. Die Tradition 
läßt feine Wafler Hier eine einft fruchtbare Ebene bedecken, welche 
vor Zeiten die Schlangenläufe. ver Flüſſe Ardſiiz und Beni Mahl 
durchwanderten. Gegenwärtig fchiebt fich der Alluvialboden wieder 
vor, und fol in 10 Jahren eine Viertelftunde troden Iegen. Zum 
Beweis zeigt man einen vorbem undurchgehbaren Küftenmorafk, 
durch beffen Mitte gegenwärtig eine trodne Straße führt. Die 


% 








Euphratſyſtem; der Van⸗See, Nordufer. 323 


Raubſucht ver benachbarten Kurden und die ſtarke Taxe (Kiſblak) 
halt die Einwohner Immer in Armuth zurüd. 

Der Tribus der Haideran⸗lis unter dem Süuptling 
Sultan Agha, ver fpäter in feiner fommerlichen Bergftation befucht 
wurde, weibet feine Heerden in der Nachbarfchaft, und bringt bie 
Winterzeit in den Arpjiz-Ddrfern zu. Ihre Dieberei hat gegen 
frühere Zeiten etwas abgenommen, und der Agha erftattet fogar 
zuweilen das Geftohlne wieder, wenn man ihm nur fcharf zufeht. 
Der einzelne Reiſende wire zwar Häufig beraubt, doch nicht ge= 
mordet, falls er Fi nur nicht wehrt. Der Winter iſt bier ſehr 
ſtreng, doch nicht fo Falt wie in dem höher gelegenen Erzerum; ber 
See bedeckt ſich in dieſem feichten Oſtwinkel öfter völlig mit einer 
Eispedke, jo daß er dann überfchritten werben kann. Der Schnee» 
fall iſt ſehr reichlich. Sehr viel Kom wurde Ende Auguft von 
von benachbarten Aderfelvden auf Arabahs, d. I. Karren, heimge⸗ 
fahren, um ausgetreten zu werben (flatt des Drefchens) ; viel Volk, 
Kinder und Gaffer Heßen fich überall fehen. 

Fünfter Tagmarfch, 27.Aug. Ein Gemäuer in ver Ferne, 
einer armeniſchen Kixche ähnlich, fagte man, follte das Grabmal eines 

Beierfönigs fein (7). Drei Stunden Beit waren nöthig, um das 
Darf Aſhraf (nur 9 MU. fern) zu etreichen, wo viele Wein⸗ 
Berge eine ganze Schlucht füllen, die einen recht guten Wein ges 
ben. Der Weg führte immer am Südufer des Sees hin, über dem 
ht ſteile Bergmände emporfleigen, hinter denen, gegen Weiten, 
vr erhabene Sipan Dagh vom Fuß bis zum Gipfel majeflätifch 
emporſteigt. Weiterhin, an einigen Eleinen Uferfeen, war auf ſehr 
ergiebigen Feldern ein einfacher Pflug In zwerimäßiger Anwendung, 
mit dem man 6 Zoll tiefe Furchen zog. 

Das Dorfchen Arin (54 Stunden, etwa 14 Mil., fern von 
Aſhraf) liegt nur eine Viertelſtunde vom See ab; ein Su-Baf bt, 
ber bier während 2 Monaten die Eintreibung ver Ernte des Paſcha 
au deren Ueberichtifugg nach Ban beforgte, empfing pie Gäſte mis 
Höliskeit. Man gewinnt Hier fehr gute Waffermelonen, die 
aber von den Bauern nur noch felten gezogen werden, weil bie 
Narden fie ihnen meift von”ven Aeckern wegftehlen. Das Weines 
Iaub iſt vortrefflich; am Seeufer fammelt man viel Soda. Die 
Kurven find Hier durch Ihre Diebereien, zumal ald Meiſter im Pferdes 
fishlen , bekannt. 

Sechter Tagmarſch, 28. Aug. Die Nacht war fon 
wieder ſehr kalt; einige der Karawanen Titten am Sieber; ver Reit 

2 








324 WeftsAfien, IT. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 33. 


pfab führte zwifchen einigen Eleinen Zeichen und dem großen See 
hin, bie wol niemals miteinander communiciren Tonnten. Dex Icker 
sollte bier fo fruchtbar fein, wie ihn I. Brant fonft nirgends ge- 
funden ; man verficherte, ex gebe vom Weizen ein 25-, vom Rocken 
ein 50⸗, und von Gerfte ein 40faches Korn. Gegen die Stadt Ad⸗ 
el⸗jivaz (Adildſchuwas nach dem Dibihannuma) 2) Tagen zu 
beiden Selten des Weges fchöne Wieſen und Obfigärten, aus einem 
Gebirgäfee trat ein Strom mit Waſſerſtürzen hervor, der einige 
Mühlen trieb. und das Land bis zum See Hin befruchtete. Hier 
wohnte der Mutſellim, bei dem man dad Quartier nehmen mußte. 

Die Stadt Ad⸗el⸗jivaz hat 250 muhamedanifche und 30 
armenifche Familien, alſo an 1500 Seelen zu Einwohnern. Lieber 
ihr auf hohem Fels, über der Tiefe des Sees, erhebt fich das Ca⸗ 
ftell, deſſen Mauern zu dieſem herabflürzen, aber bie Stabt doch vor 
Ueberfällen fügen. Der Ort ift nur Elein, biele Haͤuſer Liegen 
in Ruinen; die meiften feiner Einwohner hatten Gartenhäufer bes 
zogen, die in den obſtreichen Baumpflanzungen Liegen, welche das 
ganze Thal’ bedecken. Waffermelonen, Trauben und mancherlei Obſt 
if in Ueberfluß. Einige 20 Weberftühle follen im Orte mit Ver⸗ 
fertigung grober Baummollen « Zeuge im Gange fein. Don ven 
Spuren einer bafelbit einft gelegenen Stabt, von der Groͤße Bag⸗ 
dads, von der einft dem britiſchen Conful Rich 2*) in Moful er⸗ 
. zählt ward, fcheint I. Brant nichts bemerkt zu haben. 

Diefer Ort war zum Raſten einiger Fieberkranke geeignet, che 
die Nüdreife nad) Bayazed angetreten werben Eonnte. Diele 
paar Tage benugte I. Brant zu einer Excurfion nach Akhlath*) 
und zur Grfleigung des Sipan Dag, der fich im Nordoſt von 
Ad⸗el⸗jivaz erhebt. 


Ausflug nad Akhlath (Rhelat). 

Diefer Ort, der eine kurze Zeitlang in ver Geſchichte eine merk⸗ 
würbige Rolle fpielt, war fräherbin ununterfgeht geblieben, und iſt 
es genau genommen auch noch jegt. Nur Jaubert hatte ihn ein- 
mal, mit Lebensgefahr von Melezgherd über ven Gebirgspaß Taſch⸗ 
Tent an einem türkischen Tekieh (Klofter) vorüber zum Seefpiegel 
berabfleigend , paſſirt, ohne ſich daſelbſt umſehen zu können, und 





»29) v. Hammer aflat. Türkei. Rec. Wiener Jahrb. 1821. XIV. 
©. 22. **%)J. Cl, Rich Narrative etc. Vol. I. App. p. 378. 
2) J. Brant Notes L c. p. 407. " 





Euphratſyſtem; Van⸗See; Akhlat. 325 


von Kinneir und Andern war er nur mit Namen genannt 
(f. Erdk. IX. &. 973, 995, 1002). 

J. Brant brauchte 6 Stunden Zeit, um ihn von Ad⸗el⸗jivaz 
ju erreichen (44 bis 16 Mil. Engl.). Der Weg gebt: am Seeufer 
Hin, burg ein Kleines Dorf, dann auf felflgen Pfaden von Kalk⸗ 
ſteingebirg hoch über den Seeſpiegel empor, nach einer Stunde zu 
einer Hochebene, die mit Thonſchiefer überdeckt iſt; daun Eintritt in 
ein Gonglomeratgefteln, das immer Pleinförniger wurde, bis mar 
bei Akhlath auf Sanpfleingebirg trat. Der Uferweg am See iſt 
hier wieder reich an Obſtwald, und vorzüglih duch Wallnuß« 
bäume ausgezeichnet. Bleibt man auf der Uferhöhe über. dem 
Se, fo kommt man zuerft zu. den Ruinen der alten Stadt, von ber 
man erft zur Tiefe, in welcher der moberne Ort liegt, hinabſteigt 
I. Brant kam zunächſt an mehreren mohamedaniſchen Grab- 
mälern worüber, die donen anderer tärkifcher Orte, wie zu Crzerum, 
Kaiſarieh u. a., ganz gleich jehen, aus Sandflein gehauen, fehr wiele 
mit Infchriften, Davon man viele umber zerftreuet findet, in Gapel- 
len, Bärten und Aedern. In einer engen tiefen Schlucht liegen bie 
Ruinen der alten Stadt, vie unter ben Seldjukidiſchen Prinzen 
fett Khelat heißt. Dies ſind die merkwürdigen verlaffenen Srümd 
mer, auf die zuerſt E. Richs Noten 26) hinwieſen. 

In ihrer Mitte erhebt fich ein Fels, ganz gleich dem in Bich⸗ 
(Edt᷑ IX. €. 1004), welcher unſtreitig wie jener einſt einen Pallaſt 
Bir, don des Schah-Arman oder Armenier- Königs trug. Auf 
der andern Seite ver Schlucht liegt ein großes Grabmal in Ruinen, 
bed der Sage nad} die Gebeine eines Fürften beherbergen fol. Hier 
breitete ſich ein ſehr weiter Gottesacker aus, wicht befegt mit ſehr 
grehen, oft an 12 Fuß hohen Monolithen, und umher noch meh⸗ 
tere kleinere mit türkifchen und arabiichen Inferiptionen und vielen 
Baureften, vie auf eine einft ſtarke Population und Hiftorifche Be⸗ 
dentung dieſer jet jo veröveten und vereinfamten Gegend zurüdichließen 
fen. Die Unmiffenheit ver jetzigen Anwohner iſt fo groß, daß 
Ir nichts weiter zu ſagen wußten, als hier ſei ein großer Fuͤrſten⸗ 
fa geweſen, und va auch I. Brant eben fo wenig in diefe Spe⸗ 
dalgifterte eingeweiht war, entging ihm bie Gelegenheit zu mancher 
— lehrreichen Entdeckung. 

Der Hinabweg führt zur modernen Gtabt Akhlath, von 
deppelter Mauer und Graben umgeben, mit Thürmen flankirt, und 





2°) J. Cl. Rich Narrative Vol. L App. p. 378. 





326 WeftsAften. IT. Abtbeilung. 1. Abſchnitt. $. 33. 


am obern Ende durch. ein Itſch Kalah oder Inner-Gaftell 
befefligt. Die Mauer umgibt die Stadt auch auf der Serfeite. Die 
Wohnhäufer find aus Quader und‘ Mörtel, In ähnlichem Styl wie 
Bitlis aufgebaut, und, nach der Art ver Befeſtigung zu urtheilen, 
noch von einem gewiſſen Alter; aber jet war Feine Iebenbige Seele 
darin zu erbliden. Wahrfcheinli waren die Bewohner in ihre 
Sommerquartiere gezogen. Der Mutjellim empfing die Fremd⸗ 
linge in feinem Garten, ver reich an Aprikofen, Birken und Waſ⸗ 
fermelonen war. Da beffen Vater daß Haupt der Dreher- Der- 
wifche war, fo hatte er fich dem Titel eines Scheikh beigelegt. 
Die Diftanzen von hier gab er folgendermaßen an: nah Tadvan 
4 Stunven, nah Bitlis 8, nah Muſh 16, nah Melazghird 
gegen N.O. 12 Stunben. 

Khelat, bei Armenien Ghelath, 27) war eine alte arme⸗ 
nifche in der Provinz Beznuni gelegene Stabt, die auch bei Sy⸗ 
sern eben fo gefchrieben wurde, aber bei Arabern und Türken auch 
Challath, Akhlath, 3) Achlath. 9) Im -IX. Jahrhundert 
wurde fie von ven Arabern erobert, ihnen im Jahr 993 aber von 
den byzantiniſchen Kaifern entriffen, bis fle wieder an einheimifche, 
felbfländige Kurden häuptlinge, welche Hier felbft in ven Seiten 
des Khallfated zu mächtigen räuberifchen Dynaſtien ſich empor⸗ 
ſchwangen, zurüdfil. Kine von viefen, die Meswaniden, 0) 
welche zugleidh Diarbekr und Khelat befaßen, hatten fich durch 
ihre Tyrannei ven Bewohnern der letztern Stadt fo verhaßt gemacht, 
daß biefe lieber einen Türken, Sofman el Cothbi genannt (ob⸗ 
wol er nur Sclave und tapfrer Mameluf des Seldjuken⸗Hauptes 
Coithb·eddin Ismael in Aderbidjan war), zu ‚Hülfe riefen, um ihr 
Gebieter zu fein. Diefer vertrieb auch vie Merwaniden ſiegreich aus 
Khelat und warb daſelbſt, das feitvem richtiger Akhlath Heißt, 
tm Jahr 1009 (493 d. Heg.) zum Könige ausgerufen. Unter dem 
alte Shad-Arman, König von Armenien, nahm berjelbe zu 
Akhlath feine Reſidenz, bie nun ein Jahrhundert hindurch der 
Sig einer fogenannteg ſeldiukidiſchen Dynaftie wurke, zu 
gleicher Zeit, als der gänzliche Verfall des Khalifates durch ähnliche 


27) J. St. Martin, Me&m. s. l’Armen. T. 1. p. 103; vergl. » Sams 
mer, aflat. Türkei. Wien. Jahrb. Rec. 1821. Bp.XIV. ©. 22. | 

”°) Abulfedae Tab. Arınen. ed. Beiske, b. Büſch. V. ©. 311. 

29) v. Sammer, aflat. Türkei. Rec. W. I. 1821. Br.XIV. ©. 22. 

20) Degnignes Geſch. der Hunnen ıc. b. Dähnert Th.I. Cinl. ©. 408, 
485. Th. U. ©. 442. J 


Euphratfyftem; Ban Gere, Alplat. 327 


Berhältniffe unzählige ſolcher türkifchen Emirate und untergeorb- 
neter Koͤnigreiche, wie in Moful, Miafarefin und andermärts, her» 
vortief. Im dieſe Zeit fällt das Aufblühen und vie glänzenbe 
Periode diefer bisher wenig beachteten Stabt, deren Trummer auf 
vr Höhe bis heute ihre einfimalige Bedeutung beurfunden. Die 
Rabe ver 9 Megenten over Athlathb-Sultane von 1099 bis 
1207 31) zeigt freilich, daß nad) Schach Arman Sokman's Tode 
(m 3. 1112), dieſe Eleine, aber glänzende Herrſchaft meift nur eine 
Beute der Sclaven der neu berufenen Dynaſtie wurbe, von beren 
um, Bektimur, ver im Jahr 1193 ftirbt, ganz kürzlich vie erfte 
zu Akhlath geprägte Münze?) mit feiner vemüthigen Aufichrift 
befannt wurde, gegen welde Dynaſtie die benachbarten Fleinen 
frtwährenn in Tehde flanden. So kam fie im Jahr 1207 in bie 
Gewalt des Malek el Auhad Ayub, eines Prinzen aus ber 
Kurdenfamilie des berühmten Saladin (die zugleich abwech⸗ 
ſelnd die Bebieter von Erzerum, Miafarefin, Muſh, Melezghird und 
anderen Orten war), der fie tapfer gegen alle Ueberfaͤlle von außen 
vertheidigte, wie die Nachfolger. feined Stammes. 

Nur der Uebergewalt ver mongoliſchen Oſchingiskhaniden muß» 
im fie weichen, die fi die Stadt im I. 1245 unterwarfen, aber 
fe einer georgifchen Prinzeſſin Thamtha abtraten, welche ſich mit 
einem der kurdiſchen Prinzen von Saladins Gefchlechte, vem Sohne 
Vektimurs, permählt hatte. Seitdem war dies Stadtgebiet durch 
ale Jahrhunderte im Beflg kurdiſcher Prinzen geblieben, vie ſich bald 
nnabhängig von ven Türfen erhielten, over fich ihnen auch temporär 
unterwerfen mußten, dis ihr Gebiet dem Paſchaͤlik Ban, wie gegen- 
wärtig, einverleibt wurde. Wie mächtig einft biefe Feſte Akhlath 
war, ergibt fich daraus, daß fie noch vor der Mongolen-Eroberung 
zweimal von dem mächtigen Khan Oſchelalleddin von Kharezmien 
belagert wurde, ohne erobert werden zn können, 3?) und daß es die⸗ 
ſem erſt bei der dritten Belagerung im Jahre 1229, als er ſchon 
den ganzen Winter vor ihr gelegen, nachdem er, 20 Belagerungs- 
maſchinen von ber Seeſeite aus auf fir Hatte .fplelen laſſen, und. pie 
Gungerönoth in ihr, auf das hächfte geftiegen, zum Schlachten. der 
Hunde genöthigt hatte, ja das Pfund Brod mit Ducaten bezahlt 
werd, gelang, dieſelbe mit dem. Schwert in der Bau au etſturmen. 


") Degnignes a. a. ‚D. L. Ein. e. 307. 22) Br.. de Saulcy, 
Lettre & M. Reinaud im. Journal Asiatique, Paris 1842., Avfil. 
p. 2935-304 *°%) Deguignes a. a. D. IL &.607 1. |. 











328 Weſt⸗ Aſien. III. Abtheilung. 1. Abſchnitt. $. 33. 


Wahrſcheinlich aus jener Zeit her datiren ſchon die Ruinen der 
untern Stadt, und die der obern mögen einer früheſten arabi⸗ 
ſchen Periode angehören. Genauere Unterfuchungen ver Inſchriften 
würben hierüber wol ficher intereffante Auffchlüffe geben. Ab ul⸗ 
feda fpricht von dieſer Stadt am See in ven vorthellhafteften Aute 
brüden wegen ihrer Gärten und Ganäle, und fagt, fie fei die erfie 
der armenifchen Städte nach Abu Said und fo groß wie Damask, 
Babe aber fehr Talte Winter, liege eine Tagereife vom Gebirg und 
7 Barofangen von Malazgherd. Auch Bakoui ) nennt fie eine 
der Hauptſtaͤdte Armeniens, gibt Ihr zu Einwohnern Mufelmänner 
und Göriften, die armeniſch, perflich und türktich fprechen, rühmt 

ihre Wafler, ihr Obſt, Ihre Früchte, ihren ſtarken Fiſchfang (dem 
Fiſch nennt er Thamrik) und vorzüglich vie geſchickten Eifenar- 
beiter, welche daſelbſt treffliche Schlöffer zu verfertigen verſtehen. 
Eine künftige Unterfuchung ber genannten Ruinen möchte ſehr wün⸗ 
ſchenswerth fein. 


Erſte Erfieigung des Sipan Tagh 3) (Seiban Dagh 
der Türken). 


Bon Akhlat nah Ad⸗eljivaz zurückgekehrt geſtattete es die 
Jahredzeit zum erſten male, den hohen Vulkankegel des Si⸗ 
pan Tagh zu erſteigen, über ven wir früher nur Vermuthungen 
und Fabeln mittheilen konnten (ſ. Erdk. IX. S. 923, 976). Am 
31. Auguſt ging es von Adeljivaz erſt am Abend zu einem kleinen, 
zwei gute Stunden entfernten Dörfchen, Rorfhunjuf, dicht gele- 
gen unter dem Fuße des Sipan Tagh, um von da aus am folgen- 
den Morgen die Erfteigung zu beginnen. 

1.. Sept. Aufbruh um 5 Uhr, von Kurden⸗Guides geleitet, 
erſt gegen RD. am Fuße des Berges Hin, dann gegen N. die Steils 
feite des Kegelbergeö empor, der einen Krater zu umgeben ſchien. 
Bevor man zum eigentlichen Gipfel Hinaufflieg, wandte man ſich 
zwifchen dieſem Gipfel und einer andern Hauptmaſſe des Berges in 
eine Einfentung, um von da aus ben eigentlichen DBulcanfegel zu 
erfleigen. Man Eonnte noch immer reiten; es ging über mehrere 
Schneeflecke hinweg, Hart genug, die Tritte der Pferde zu tragen, 
bis der Rand des erwarteten Kraters wirklich erreicht war. BIS 
dahin Hatte man zu Pferde 31 Stunde zum Erfleigen gebracht, 


*°4) Bakoui in Notic, et Rxtr. Vol. II. p. 518 »*) J. Brant, 
Notes 1. c. p. 409. 





Euphratfuftem; der Van⸗See; Sipan Tagh. 329 ' 


aber von Hier an ging das Reiten nicht mehr; dieſer Stelle gegen- 
über nach Nordoſt lag der Kegel, der an diefer Seite wie erſt aus 
dem Krater emporgeboben zu fein fehlen; nur durch Umfchreitung 
auf dem Kraterrande war berfelbe zu erreichen; denn in directer 
Anie erft in deſſen Bertiefung hinab und dann wieder emporzuftel- 
gen wärbe die Arbeit nur vwerboppelt haben. Um aber vom Rand⸗ 
rüden aus den Aufflieg zum Kegel zu erreichen ‚ dazu bedurfte es 
nur eines geringen Hinabſteigens. 

Am Fuß des Kegeld angelangt ſah man, wie er aus Felb⸗ 
fragmenten ver verfchlenenften Größen zu beſtehen ſchien, nadt, 
ohne alle Erddecke, in Iofen Haufen übereinander aufgethürmt; 
alles von einerlei Felsart, grau oder blaßroth, auffallend hellfarbig, 
fo Iodder zufammengehäuft, daß beim Vorüberfchreiten durch jeden 
Anſtoß Die Stüde raffelnd und leicht wie Schladen und Aſche von 
ihrer Stelle rüdten. In dem frifchen Bruch zeigten fich überall 
Heine glänzende Kroftalle, eine Maffe, wie durch Teuer calcinirt und 
gleichartig bis zum Bipfel des Kegels angebäuft (mol ähnlich wie - 
Kr Veſuvkegel mit feinen Schladen und Rapilli). Das Anfteigen 
wurde nicht blos durch die Steilbeit, fondern durch bie außerordent⸗ 
B vermehrte Engbrüftigkeit ver Steigenven fehr beſchwerlich. Alle 
5 bi 6 Schritt mußte man halten, um frifchen Athem zu fchöpfen. 
Der Gipfel des Kegels zeigte eine mehr ebene Fläche, umgeben von 
einer Kette zabllofer Fleinerer Piks, vie eine Art Umwallung. 
Bilveten ; jeder von vemfelben Beflein, alfo nur eine durch gemeine 
fame Dämpfe emporgetriebene Maffe. Nur ein einzelnes Frag⸗ 
ment von fo verfchienenem Anſehn zeigte fich, daß es einem Fels⸗ 
blod aͤhnlich fah, der nicht vom Feuer umgewandelt wurde; alſo 
wel ein frempartiger Auswürfling, wie file auch auf Veſuv und 
dern Vulkanen vorkommen. | 

Man erflieg die äußere Reihe ver umwallenden Kette und zwar 
nen ihrer Höchften unter ven Eleinen Pike, welcher ven ganzen Ban« 
6x deminirt. Von der Stelle des Abfigens von den Pferden bis 
dahin Hatte man 4 Stunden Zeit gebraucht. Gier wurbe der Theodolit 
aufgeriähtet es wurden Winkelmeſſungen angeftellt. Der Bli in die 
Veſe zeigte, daß das erſte Auffleigen an ver Seite einer andern 
Kutervertiefung binging, in welcher ein Kleiner See, Aghri Bol 
tenannt, Tag; nach Güden zu überfchaute man am Fuße des Ke⸗ 
vis ein großes Schneefeld (alſo wol ein Zeichen, daß ver Vul⸗ 
can ſchon feit langem unthätig fein mag). In dem Zwiſchenraume 
zwiſchen ven Beobachtern und ver Stelle, wo man pie Pferde zu⸗ 





330 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 33. 


rückließ, hatte der. gefchmolzene Schnee eine Lagune gebilvet, beren 
Dperfläche am Morgen mit einer Eiskruſte bedeckt, aber beim Rück⸗ 
marfche zum Theil wieber aufgethbaut und, mit Waſſer bedeckt war. 
Die Kurbenbegleiter, vie von allerlei Merkwürbigfeiten gefabelt und 
der uralten Meinung nach auch von einem Schneewurm (vergl. 
Strabo XI. 528) geſprochen, konnten biefen diesmal leider nicht finven. 
Strabo fagte, daß in ven armenijchen Schneefelvern hohle Eis⸗ 
ffhollen gefrieren, welche gutes Waſſer enthalten, wie in einem 
ESchlauche; daß au Thierchen im Schnee fich erzeugen, welche 
Apollonives Regenwürmer, Theophanes Holzwürmer nannte; 
daß auch in diefen gutes Waſſer eingefchlofien fet, das man trinfen 
könne, wenn man bie Haut aufgerifien habe u. ſ. w. Sonberbar ©) 
erzählt auch der armenifche Geograph vom Ararat, daß mit deſſen 
Waſſerſtrömen auch Klumpen gefrornen Schnee herabſchwimmen, 
MWortnug genannt, in denen man, wenn man fle zerbricht, Wür⸗ 
mer (Wortn) findet und auch faltes geſundes Wafler. Doch wi: 
derſpricht dieſem ein moderner armeniſcher Diacon, ber biefe Eit« 
wũrmer für eine Zabel ver Bauern erklärt. 

Im Oſten exblidte I. Brant ven Heinen Erpjel-Ses (ſ. 
Erdk. IX. S. 974), Öflich von Van; im Weſt ven Meinen Nazuf: 
See, weſilich von Akhlat, einen. britten etwas weiter im, N. 
einen vierten, aus dem bad Flüßchen von Ad⸗el ⸗ jivaz entſprů 
In der weiten Ferne erhoben ſich gegen N.O. in klarer Luft g 
veutlich die beiden Piks des Ararat und im N. W. der B 
gol Tagh, und auch andere kegelgleiche, minder bekannte Piks, 
der Koſeh Tagh über Toprak kal'eh in ver Maine von Ar 
gerd im Paſchalik Bayazed, auf der Nordſeite des Murad⸗ 
waren noch zu erkennen. 

Die Reiſenden fühlten große Uebelkeit; der Arzt Dr. 
ſons Magenfchwäche, ver Capitain Blascott, ber die aſtro 
ſchen Beobachtungen anftellte, war ganz erjchöpft, J. Bran 
heftigem Kopfweh erdrückt; zwei Leute waren Wegen Erbreche 

Fuß des Kegels zurüsfgeblichen, felbft, bie Hüter bei ben. 31 | 
laſſenen Pferden ergriff Uebelkeit. Man fchrieb dies Öasg 
mungen zu, ohne jedoch davon ſonſt Spuren wahrnehmen. 
men; bad Duedfliser, durch Luftblaſen perdorben, fiel unter 
war alſo unbrauchbar geworden. Dem Spiegel des Bay 
— —— 


420) E. A. German Dos, eufüfe Kommin, Sn 1885. 
und Note 14. ©. 16. | | 


‘ 











— — | . 


—* 








Fupbratfuftem; Van⸗See, Sipan Tagh. 331 


batte man fhon früher auf 5467 3. Engl (5129 %. Par., f. ob. 
©. 287) beflimmt. Die ewige Schneegrenze war wol nad} 74 
Stunde Auffteigens noch nicht erreicht, abet es fror jebe Nacht; 
Mittags fland das Thermometer Hier auf 7° 11’ NR. (48 Fahrh.), 
in Adeljivaz auf 21° 33° R. (80° Fahrh.). Der böchfte Gipfel 
des Kegeld war zwar von Schnee entblößt, von Gletſchern Eeine 
Epur, aber in den tiefer liegenden Spalten des Berges war überall 
Sänee zurückgeblieben. Nur vom Auguft bis zur zweiten Sep⸗ 
tmberwoche, fagten die Kurven, ſei feine GErfleigung überhaupt 
udglich; und wirklich ſah I. Brant 13 Tage fpäter, am 14. Sept, 
vom Norden ber, von der Plaine von Ariſhgerd, ven ganzen Kegel 
fon volfländig mit Schnee umhüllt. Er ſchaͤtzt deſſen Höhe auf 
ewa 5000 Fuß über dem GSeefpiegel, oder in runder Summe 
10000 Fuß über dem Meere, was etma mit Monteith's An⸗ 
gabe (f. Erdk. IX. ©. 923) übereinftinmt. 

Ale vom Berge mitzurüdgebrachten Gebirgöproben, ſagt J. 
Brant, fein vulcanifhher Art,. aber weder Bimsſteine noch 


Obſidiane waren darunter, obwol beide am Ufer des Sees vor⸗ 


tommen; es find, fagt ex, Bafalte, Schladen und vergleichen 
Geſteine; Lavaftröme ſah man an verſchiedenen Stellen von dem 
Gipfel hinabziehen. 

Zur Rücklehr zu ven Pferden brauchte man 14 Stunden; ; con 
da war in 2 Stunden Zeit, in ver jede Beſchwerde des Unwohl⸗ 
kind wieder verfchwunden war, das Dorf Norſhunjuk, der Aus 
Gengsert, erxeicht, und 15 Stunden fpäter kehrte man nach dem 
Duartier von Adeljivaz zurück. Nur Weineboven, aber ohne Heer⸗ 
ken, hatte man auf vem Rüden des Berges gefunden, aber feinen 
Bern, feinen Straudy an feinem Gehaͤnge wahrgenommen. Ton 
un Beraflora iſt feine Erwähnung gejchehen. 


4) Rorbofiweg vom Van⸗See über ven hohen Ala Dash 
zur Murad⸗Quelle nad Diyadin und Bayazed. ). 


3, Brant iſt ver erſte Reiſende, welcher dieſe biaher voͤllig 
ua Wegſtrecke (Han Jaubert und Schulz: gingen mehr 
which über Melezghird und Daher, |. Erdk. IX. &.989, 993; und 
Ronteith mehr öftlih über Kurfat, |. Etdk. IX. &. 923) anes 
un dadurch ſehr viel zur Orientirung jener Landſchaft auf einer 
Nittelſt raße beitrug, die zwiſchen den directen Routen, nord⸗ 





") 5. Brant Notes 1. c. X. P. Ill. 0.412428, 








332 MWefl-Afien. III. Abtheilung, I. Abſchnitt. $.33. 


weſtlich nach Melezghird und norpöftlich nach Bayazed, auf vie 
Kreuzgpoftfiraße von Diyadin führt, wo fi die georgifche 
Strafe von Eriwan mit der großen perſiſchen Karama- 
nenftraße von Tauris über Bayazed nah Erzerum fchnei- 
det. Wir können daher nichtd beſſeres thun, als den einzigen Füh⸗ 
rer auf ſeiner Wanderfchaft begleiten. 

Erfter Tagemarfh — 3. Sept. Bon Adeljivaz führte 
der Weg zwiſchen dem See und dem Fuße des Sipan Tagh, ver 
wie befien Gipfel aus einem bafaltartigen Porphyrgeſtein beftchen 
fol, gegen Oft an den Ruinen eines Armenier- Dorfes mit einer 
Kirche und an einem großen Begräbnißplage vorüber. Ein Eleiner 
Uferfee neben dem Dorfe Arin blieb zur Rechten liegen. Dann 
flieg man zum großen See hinab, aber auf dem früher verfolgten 
Wege auch wieder zu Bergen hinauf, ließ das Bergdorf Nurſhin 
linke zur Seite liegen und erreichte nach drittehalb Stunden das 
Doͤrfchen Gujiyeh, das wol 34 geogr. Meilen fern vom Aus⸗ 
gangsorte Ing. Der Boden Ift Hier Gel und ſandig, der Weg war 
gut, dad Wetter ſchwül, das Land durch Räuber unſicher. Im 
Dorfe wohnten 20 armenifche und 12 Kurden⸗Familien. I 

Zweiter Tagemarſch — 4. Sept. Heute war nur eine 
kurze Strecke an einem Doͤrfchen Ar bu zunk vorüber, In einer Ein⸗ 
ſenkung gelegen, und dann über welligen Voden zurückzulegen, um 
das Hoflager des Sultan Agha, ded Kurbenhäuptlings der 
Haideranli, zu erreichen. Sein Empfangszelt war zwar aus 
. Baummollzeug, ein Geſchenk des Paſcha von Erzerum, aber feine 
übrigen etwa noch umherſtehenden Zelte waren aus ganz gewöhn⸗ 
lichem ſchwarzen Filz, fehr ärmlich für einen fo mächtigen Kurden⸗ 
fürften, der feine ein bis zweitaufennd Reiter aufbringen kann und 
an 2000 Zelte commandiren fol. Bon den zwei Abtbeilungen 
ver Hatderanli- Kurden fcheint Ihm jedoch nur die eine zu 
gehorchen, denn der andern fland fein Bruder und vefien Sohn 
vor. Diefe andere Abtheilung, bemerkte ver Sultan Agha, fe 
Immer gewohnt geweien, vie perfifche Nachbarfchaft zu durchziehen, 
wo der Gouverneur von Aderbidjan ihre auch Weideland anweiſe; 
deshalb werde fie feit dem legten Friedensſchluß auch zu Pesfien 
gehörig angefehen. . 

Ein folder Kurvenhäuptling wird gewöhnlich unter ven An⸗ 
gefehenften feines Geſchlechts won dem Tribus erwählt, um beffen 
Angelegenheiten zu vertreten ; deshalb befigt er jedoch feine beſondere 
Macht, ift auch) oft keineswegs reicher als viele andere refpertable 


— es — — 








Euphratſyſtem; der Van⸗See; Haideranli Kurden. 333 


Glieder deſſelben, wie dies auch bei dem Sultan Agha ver Fall 
war. Dieſer verſagte feinen Gaſte den Eintritt in das Innere ſei⸗ 
ned Zelte unter dem Vorwande, dies fei gegen ben Rurbengebrauch. 
In Blutfehde mit feinem Nachbartribus, ven Hafan Ali, zum 
Vaſchalik Muſh gehdrig, ſtehend, ſann er auf Rache, zwei Glleder 
deſſelben zu ermorden, wovon ihm ber Gonful 3. Brant abzura- 
then bemüht war. Er mußte zugeflchen, daß er dem Paſcha von 
Erzerum ein Geſchenk zu machen Habe, aher fein Stolz wollte nicht 
zugeben, daß er ihm einen Tribut, Kiſhlak, in Geld zahle. Auf 
De Trage, wie es möglich fei, vaß die Kurven fich dazu verfländen, 
im Winter in die fchmugigen Hütten ver Armeniee zu riechen (ihre 
Binterftation) , geftand er, daß fie dies ſelbſt für ein Gefängniß 
anfähen. Aber warum Haut ihr euch keine Häufer? Darauf bie Ant⸗ 
wert: dad verfiehen wir nicht. Die Haideranli⸗ und die Zebeki⸗ 
Tribus der Kurven, meinte er, feien nur mit Gewalt und wider 
ihren eigenen Willen vom türkifchen Territorium weggebrängt wor« 
ven. Weideland und Waffer fei ein großer Vorzug des 
türkiſchen Gebietes vor dem perfifchen, vafür gebe jevoch 
De mildere Winterzeit in Perfien Erſatz. Zur Sicherheit 
des Landes iſt der Sultan Agha für alle Räubereien refponfabel 
gemacht, die auf dem Gebiete begangen werben, wo feine Tribus 
weinen. Als kürzlich einige Revan- Kurden (vd. i. von Erivan) 
ein Dorf bei Akhlat ausgeplünvert hatten, verfolgte er die Räuber 
und brachte das Geſtohlne wieder. Bon audern iſt dies nicht ge= 
ſchehen; 16 Vanlis (d. i. von Dan) wurden auf ihrem Rückwege 
ven Gonftantinopel jenfelt des Dorfes Khinis (zwiſchen Muſh 
aus Melezghird) plöglich vermißt; jede Spur von ihren Pferden 
um) Gepäd verſchwand mit ihren Perſonen. Sie hatten Gelber und 
Commiffionen von Erzerum mit erhalten. Ale Nachforfchungen ver 
Yelgas waren vergeblich geweien; der Sultan Agha meinte, vie 
Räuber müßten ihre Beute jenjeit auf die zuffifche oder perfi- 
ſche Grenze gebracht Haben. Die Sache If im Dunkel geblichen. 
De Hieflgen Kurven» Aribus leben Immer nur in wenigen Gezelten 
Wfemmen, nie über 5 bis 10. Im Frühling beweiden fie die Nie⸗ 
kerungen; im Sommer treiben fie ihre Heerden höher hinauf, in 
der Kalten Jahredzeit wieder herab. Bei Befahren geben fie fich 
See von Berg zu Berg durch Trommelfchlag, Dadurch wird es 
km Sultan Agha möglich, nach feiner Ausfage, in Zeit von einer 
Etunde 150 bewaffnete Reiter um fi) zu verfammeln. Ende Oc⸗ 
Iober ziehen fie im ihre Winterquartiere (Kiſhlaks), wo fie 5 {8 





334 Wefl-Afien, I. Abtheilung. J.Abſchnitt. $. 33, 


6 Monate bleiben, bis zum vorgerüdten Srühlinge. Ihre Waffe 
find Lanze, Piftolen, Büchſe, Schwert und Schilb, zumellen an 
Sattel noch ein Köcher mit 3 Wurfipießen. Die Haideranli fin! 
gute Krieger, ihre gute Pferdezucht kommt ihnen feldft weniger zu 
Gewinn, als ihren Gebietern, den Paſchas. 

Dritter Tagemarſch — 5. Sept. Nach einer ſchon Falter 
Nacht, obwol durch die Kurden des gaftlichen Sultan Agha escor 
titt, brachte dies Doch in Beziehung auf die übrigen Kurven keinen 
- Bortheil. Der folgende Tagemarfch bis zum Dorfe Kunduk wa 

faft ganz dde, ohne Orte, one Geerven, obwol mit dem ſchoͤnſten 
Weidelande. Erſt weiterhin zeigten fich Heerden und Zelte im be 
Nähe eines armenifchen Dorfes, mit einer Kirche aus ſchwarzen Stet 
nen erbaut, Kara Kilifa genannt; dahinter folgten armentfche Grab 
flätten und Ruinen von mehreren Dörfern, bis der Fluß von Art: 
113 im obern Laufe durdhfegt wurde, der abwärts an dem gleich: 
namigen Caſtell, dad man in einer Entfernung von 5 Stunde 
Wegs llegen fah, fi In ven See ergteßt. Mehrere Zuflüfie fm 
es bier, die demſelben Fluſſe ver Ebene von Ardjiz zueilen, und de 
ren Thaͤler und Höhen, wenn fie purchfegt find, nach 8 Stunber 
Wegs zum Dorfe Kunduz-führen. Das Dorf war ganz leer 
denn noch waren bie Heerden auf den Höhen; nahe vemfelben ſtan 
ven Zeltlager der Kurven, die aber grob jenen Beiſtand verfagten 
bis Geld fie verfühnlich machte. . 
Vierter Tagemarſch — 6. Sept. Diefer fehr befchwerlich 
Tagemarſch follte über Hochgebirgspäfle an den Murad- Quellen 
vorüber nach Diyapin führen. Dan brach noch in ver Nacht bei 
Mondſchein auf und erreichte doch erft im Dunkel ver Nacht, Abende 
9 Uhr, das Ziel. Die genaue Entfernung diefer fo felten von Frem⸗ 
den betretenen Gebirgsroute iſt nicht angegeben. Man ritt in Fluß⸗ 
thälern aufwärtö, deren Ufer noch mit Weiden, Erlen, Birken, wil⸗ 
den Apfel- und Birnbäumen hie und da, aber überall nur von ges 
ringer Höhe, bewachſen waren; dann durch bequemere Seitenfchluch- 
ten zu ben Weidehöhen, wo Halderanli-Rurden in ihren Zelten 
Iagerten, die eben im Begriff waren, über die Grenze nad} Berfien 
hinũber zu ziehen, weil fie ven Drud der türkifcgen Paſchas nicht 
mehr außzubalten vermochten. Ihre wenigen Zelte waren doch von 
ziemlich zahlreichen Heerden begleitet. Sie fegten, ald man um 
410 Uhr bei ihnen anlangte, trefflihen Doghurt (faure Milch), 
Ereme (Kaĩmak) und Brot ihren Gäſten vor; vie Kinder Tiefen 
nat in Lumpen umher, aber von Ichänftem Schlage, während man 


u 


Euphratſhſtem; Quelle des Muradfluffes. 335 


den Erwachſenen, Männern wie Weibern, wol anſah, wie ihr har⸗ 
tes Leben fie frühzeitig altern mache. \ 

Um 11 Uhr wurde eine Gebirgskette zu erfleigen begonnen, 
deren Bulmination der Ala Tagh (fprih Dagh nach tärkifcher 
Ausfprache), d. 5. der ſchoͤne Berg, nad 35 Stunden erreicht 
war. Sehr fleil war z Stunde lang ver nörbliche Hinabdeg im 
tiefen Zelan Dereh⸗Thale, das ein anfänglich Bleiner Bach durch⸗ 
frült, der aber bald durch eine fehr große Menge von ven Berg- 
ſeiten Hinzurollender Waffer zu einem ſchnell anſchwellenden 
Strome heranwächſt, deſſfen Volumen ſich mit jedem Schritie ver⸗ 
größerte. Dies iſt die wahre Duelle des Murad over oͤſtlich⸗ 

fen Euphratarmes (ſ. ob. S. 79). An dem Nordabhaug des 

| hochſten Piks dieſes Ala Tagh, den I. Brant für nicht wiel nie⸗ 

diiger als den Sipan Tagh hielt, ſah man den Schnee noch in 
goßen Maſſen ausgebreitet liegen. 

Der Strom murbe durchſetzt und fein im engen Thale meiſt 
grafiges Lifer, ohne Spur von Heerden und Menſchen, aber mit 
noch 3 bis 4 Zubächen, davon nur einer den Namen eines Fluſſes 
verbiente, bereichert, verfolgt bis zu der erften Dorfruine am linken 
Ufer. Dann feßte man zum rechten Ufer des Murap über, an 
welchem nach einigen Stunden Wegs erft um 9 Uhr Abends Dis 
Yadim erreicht wurde. 


Naftag In Diyapin. 


Der Beg des Ortes, obwol ein Bruder des Behlul Paſcha 
von Bayazed, war doch nicht im Stande, Herberge zu geben. Die 
Reifenden wurden auf einen Stall zum Nachtquartier angewiefen, 
und auf ein Heulager flatt der Betten; die Laſtthiere Eonnten mit 
der Bagage auf dem fehr beſchwerlichen zurüdgelegten Wege erft 
um Mitternacht die Station erreichen. Raſt war auch ven erſchoͤpf⸗ 
sen Reiſenden nothwendig. Auch war die Wegftrede von hier bis 
Sayazed mie gewöhnlich ehr unflcher, oder wenn auch das nicht, 
wie der Beg von Diyadin, Abdur-rizak, verfiherte, doch fo völlige 
Einöte ‚ohne Alles, daß ed felbft an Pferdefutter fehlte, und vie 
Nähte waren ſchon zu kalt, um dad Dich im Freien zu lafien 
(7. Sept.). 

Diyadin iſt nur ein großes Dorf, von Armeniern und Kurven 
bewohnt, auf ver Hauptroute zwiſchen Tauris und Arzerum gele⸗ 
gen, wodurch den Bewohnern durch vie Paflanten große Laſten zu⸗ 
fallen, für die fle ſich durch den Werkauf Ihrer Vorraͤche, voran 


= 








336 Weſt⸗Aſien. II. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 33. 


von Gerfle und Stroh an die Karawanen, zu übermäßigen Preiſen, 
zumal in der Winterszeit, zu entfchäbigen wiſſen. 

Das Haupt der Zelanli- Kurden, vie bier hauſen, war 
Huſein Agha, defin Sohn Kaflın Agha, ein unwifiender Jüng⸗ 
Iing von 18 Jahren, bier verweilte, aber von einem einfichtsvollen 
Führer begleitet war. Er kam von der ruſſiſchen Grenze, von wo 
er 60 Kurven- Familien feined Stammes zequirirte, die zwar auf 
zuffifhem Boden wohnten, aber nah Perfien zurüdzufcehren 
mwünfchten. Die ruſſiſchen Behörven: hinderten fie auch an ihrem 
Rüdzuge nicht. Diefe Kurven gaben ed zu, daß daß bad tür⸗ 
kiſche Gebiet dem perſiſchen zum Wohnorte vorzuziehen fe. 
In Perfien hätten fie zwar gewiffe Vortheile (mindern Tribut und 
mehr Unabhängigkeit), die ihnen in ver Türkei fehlten, aber alles 
dies werde vurch den Wafferreichthum und dad beffere Weines 
land daſelbſt aufgemwogen. 

Die Reſidenz des türkiſchen Beg lag ganz in Ruinen, und nur 
fein Harem war bewohnbar. Man nannte dies, wie bie meiften 
ältern Bauten daſelbſt, zumal von Caſtellen, deren Geſchichte font 
unbefannt ift, einen Benuefenbau Allerdings zeigte ein Theil 
der noch ſtehenden Mauern eine treffliche Conſtruction; die einen bils 
den eine Steilmand gegen ven Abſturz, in beffen Tiefe ver Murad 
firömt, die andern fleigen aus der Ebene auf und ſchützen gegen 
Kurven Attadlen, find aber darum noch Feine fichernde Vefeſtigung; 
doch folte man fie nicht ganz verfallen laſſen. Der Ort fcheint bis 

‚ vor von ruſſiſch⸗türkiſchen Kriegen durch feine Kramladen für den 
Durchgang ver Karawanen noch von einiger Bebeutung geweien zu 
fein, da er von vielen armenifchen Yamilien, meift Kaufleuten, be 
wohnt war, die aber bei dem NRüdzug der Ruſſen bis auf 3 chrifl« 
liche Familien mit auszuwandern gendthigt waren, wodurch der Ort 

in größten Verfall gerieth. Im viefem Zuſtande hatte ihm ver 
Miffonar Eli Smith 39) befucht auf feinem Rückwege im Jahre 
1831 von Khoi über Bayazed nach Erzerum (j. Erdk. IX. ©. 916). 
Man vermutbet, daß Hier einft vie armenifche Stadt Zarehavan 
(Zaruana ba Ptol. V. 13, fol. 135) lag, die Mitte des IV. Jahr⸗ 
hunderts von den Perfern zerflört ward, und damals 5000 arme⸗ 
nifche, 8000 jũdiſche Familien zu Einwohnern hatte und bis in bob. 
IX. Jahrhundert ald Peiner Flecken fortvauerte. 


°°®) Eli Smith Missionary Res. Lond. 1834. 8. p. 417. J. St. Mar- 
&in Men. I. p. 124. 


\ 


u + . 








Euphratſyſtem; Uebergang nad) Bayazed. 337 


Bon Diyapin nad) Bayazed rechnet I. Brant 18 engl. 
Meilen (33 g. Mel, 6 türkifche Stunden, fagt Smith, zu deren 
Zurüdiegung er 9 Stunden Zeit brauchte). Don 14 Metern als 
Escorte begleitet, immer bei ver Bagage bleibend, wurde dieſe bee 
rühmte Stadt ſchon Nachmittags halb 3 Uhr erreicht, nachdem nur 
einmal Halt gemacht war, am Ufer des Gernawuk, eines fchönen 
Stroms, über den eine Steinbräde Hinüber führte. Schon auf 
halbem Wege dahin war aus der Ferne der Pallaſt des Paſcha zu 
Bayazed fihtbar auf der Felswand, an deren Fuß zur Seite die 
Stadt llegt. Diefer Flußlauf wird von I. Brant nicht näher be⸗ 
kimmt, was doch wünfchenswerth geweſen wäre, da ein bafelbft 
norbwärts fließendes Waſſer zwar auf rufflichen Karten gezeichnet 
aber nicht benannt iſt, ein folches auf Monteiths Karte gänzlich fehlt, 
und überhaupt alle hydrographiſchen Zeichnungen dort über bie 
füblihen Arareszuflüffe ſehr ſchwankend find. Eli Smith, ber 
beufelben Weg von Bayazed nach Diyapin zurüdlegte, fagt, daß 
er F Weſt der Stadt Bayazed nach Zeit einer Stunde Wegs über 

einen ſchmalen Strom?) ſetzte, der rechts abfloß (alſo gegen Nord). 
Ran ſagte ihm, er ſolle um die Makhu⸗Seite des Ararat, 
d.i um deſſen Südoſtfuß, fließen, wo wir ſchon früher ven Makhu⸗ 
Sup, aus 2 Wäflern zufammenfließend, in feinen merkwürdigen 
Bergdurchbrüchen kennen lernten (f. Erdk. IX. ©. 920); Smith 
Börte ferner, er folle zwifchen dem Araratberge und Nakhſchivan 
ſich in ven Arad ergießen; er hielt ihn daher für den größten ver 
dortigen ſũdlichen Zuflüfie zum Aras, der bei ven Armeniern Degh⸗ 
mod) oder Deghmud, bei den türfifchen Geographen Aktſchai 
heist, und welcher fich unmittelbar unterhalb Nakhſchivan mit dem 
Aras vereinigt. Aber jener Makhu⸗Fluß ergießt fich oberhalb vers 
ken Stadt zum Uras, ex wird in St. Martins armenifcher Geo⸗ 
grephie gar nicht genannt, obwol er doch fein unbedeutender Fluß 
R Golon. Monteith ift von feiner Mündung in ven Aras diefen 
Nakhu⸗Strom aufwärts gegangen, bis zu dem feltfamen Höhlen» 
Klsh von Makhu (ſ. Erdk. IX. ©. 921). Hier zwiſchen Diyapin 
un Bayazed iſt nun auch von einem unterirdiſchen Strom 
We Rebe, ver aus Felſengrotten hervortritt (ebenvd. S. 922). Sollte 
NS derſelbe unterirvifche Fluß fein, der ſich nach einer Ausfage*) 
ki Rich dort in den Arad ergießt? der 4 Stunden entfernt 





20) Bli Smith Missionary Res. 1. c. p. 416. *®) 3. St. Martin 
-Lp4l. *1)5. A, Rich: tive I. App. p. 878. 
Alter Erdkunde. X. d 








338 Weſt-diſien. II. Abtheilung,. IJ. Abſchuitt.- h. 33. 


son Bahazed, aber in keinem Thelle ſeinetz Laufes Jichtbar fein 
ſoll, wol aber durch fein Toſen fich hörbar mache, und am Eins 
fluß in ven Arad durch feine Barbe und feine Wirbel erkennbar 


ſel Vergeblich will man Verſuche gemacht haben, ſich in ſein Bette 


hineinzugraben, was mißlungen, weil es zu tief gelegen ſei. Daß 
dieſer Erzählung etwas zum Grunde liegen muß, ſcheint fich auch 
aus andern Angaben zu beſtätigen, wobei aber offenbar Verwechſe⸗ 
lungen vorgegangen find. Im Dſhihannuma wird zweimal, nach 
». Sammer, %2) angegeben, daß an ver norpöftlichfien Brenze ber 
türkifchen Statthalterichaft gegen Perſien, bei Bayazeb, von wo man 
den Arghi tagh, d. i. den Qrarkt, erblide, und „wo die Ebene 
Tſchaldiran beginne, laufe der Cuphrat 4 Stunden 
lang unter der Erde fort," wobei der Recenfent die Bemer⸗ 
fung macht, daß künftige Reiſende dies näher zu erfragen Hätten. 
Aber Hier kann nicht vom wirklichen Euphrat, fondern nur von 
einem fupponirten vie Rede fein, ganz in der Art, wie vie Alten 
vom unterirdifchen, verſchwindenden Tigrid aus dem Arethuſa⸗Quell 
fabelten (f. ob. ©. 85). Es kann bier nur von derfelben Loca⸗ 
lität eines ſüdlichen Zufluſſes, zum Makhu etwa, die Rede 
ſein, von deſſen Herkommen aus Awajuf Chalderan ſchen Fra⸗ 
ſer an Ort und Stelle erfuhr (Erdk. IX. S. 920), jedoch ohne 


vom unterirdiſchen Laufe gehört zu haben, obwol er von deſſen wei⸗ 


teen Felsddurchbrechungen nach ver Vereinigung mit dem 
Strome von Bayazev- Beriht gibt. Wenn viefer letztere auch an 
ben genannten Makh u und an veffen zerriffene Thalbilvungen auf 
dieſem vulcanifchen Boden erinnert, fo iſt es doch nicht dieſer Malte 
ſelbſt, ſondern ein linker Zufluß zu ihm, ven Col. Montetth's 
Karte mit dem Namen Alſas bezeichnet Hat, welcher an ber Nord⸗ 
oftfeite zwiſchen Bayazed und dem Ararat hindurchzieht, zu wel⸗ 
chem jener von I. Brant genannte Gernawuk als ein Zufluß 
oder gar als deſſen oberfler Quellſtrom zu betrachten iſt. Leider 
konnte Eli Smith ven heutigen Namen des von Ihm überfegten 
Stromes nicht. erfahren, den wir jedoch für iden tiſch mit bem 
Gernawuk, und dieſen für einen obern Arin des Alfas, fo 
wie biefen wieder für einen weiter abwärts fich mit vem Makhu 
vereinigenden Zufluß zum Aras, oberhalb ver Einmünbung des 
Aktſchai zu demſelben, halten müſſen. Den Alſas⸗Fluß läßt Mon- 


teith im Weſt von Bayazed oberhalb Arvab (richtiger Arzab) 


— — oh 
I 3. Hammer; afat. Tiorlei Dec. Wien. Jahrb. Bd. XIV. &.25. 





fü 





Euphratſyſtem; Lage von Bayazed. 339 


aus einem Ser, Paluktey Gul, bervortreten, was aber ebenfalls ir⸗ 
zig zu fein fcheint, da die ruſſiſchen Karten, bie bier befier orientirt 
find, diefen See, ven fie Balith Ghöl nennen, und im Nord von 
Diyadin anfegen, als ein geſchloſſenes Seebecken angeben, im 
weldyes ein Eleines Fluß von Oft nah Weit einfließt und fein Ende 
findet. 


Somit find wir alfo entfchleven Hier ſchon aus dem Gebiete 
des Euphrat hinausgetreten, und an deſſen Grenz ſtadt Bas 
vazed, wie an deſſen Grenzberg, dem Ararat, angelangt, von 
wo wir fpäter zu feinem wahren Stufenlande zurückkehren müflen. 

Bayazed oder Bajefin, auf einer Borhöhe des Alle Dagh 
haut, ſcheint feine alte Stadt zu fein, in deren Nähe aber, weſt⸗ 
Ih von ihr, die altarmeniiche Bafovan, *) eine Stadt in der. 
ameniſchen Proving Makrevan, feit dem erften Jahrhundert nach 
Chr. Geh. als Colonieſtadt für Sclaven angelegt war. Auch ſcheint 
vs Aſyl Arfacavana, das von Arfaces für ale Räuber, Mör« 
ver, Spigbuben und Sclaven, wie Mofes Khor. (III. 27. fol. 260) 
erzählt, im Rüden des Berges Maſis angelegt war und von - - 
Shahpur zerflört wurde, in dieſelbe Gegend verlegt werben zu müſ⸗ 
fen, die von jeher für Raubgeſindel fo günftig gelegen war. 
Gt. Martin weifet diefem Drte Leine Stelle an. Das Haus bes 
Baldıa mit einer Moſchee und einem Minaret waren die einzigen 
beſſeren Bebäube der Stadt, doch auch jenes aus älterer Zeit, wur 
einem flellen Felsabhang wie ein Vogelneft angeflebt und durch 
verborgene Bänge mit einer Art Citadelle in Verbindung ftehend, 
in welcher die Quellen vom Trinkwaſſer der Staptbewohner liegen. 
Yurch den vorhergegangenen perflfchen Krieg (1821) und den ruffifchen 
Krieg (1829) war Bayazed im Jahr 1831 zu großer Armuth herabe 
gefunten. +) Die Häufer find elend gebaut, die Bazare waren leer, 
ve fee engen Straßen vol Schmutz; von den Armeniern waren 
sur noch 190 Familien übrig, von den DMoslemen 300 bis 400, meift 
Rurden, welche die Hauptbevölkerung ver Stadt wie des Landes 
ensmachen; auch iſt kurdiſch vie allgemeine Sprache und die Herr⸗ 
ſchaft Bisher immer im Befig eines Paſchas von Furbifcher Familie 
geweſen, der früberhin, wenn unabhängig, wie zu Jaubert's Zeit, 
von furchtbarſten Tyrann und Räuber fpielen konnte, In neuer Zeit 
aber als ein nur untergeorhneter Paſcha von zwei. Roßſchweifen 





*) J. St. Martin Mém. 1. p. 124; v. Sammer a. a. O. ©. 26. 
Smith u.- Res. p. 415. 
92 





340 Weſt⸗Aſien. IH. Abiheilung. I. Abſchnitt. $. 33, 


dem Seradkler in Erzerum gehorchen mußte. Durch die erſte in 
Bayazed gefcheiterte geheime politifche Miffion Buonapartes nad 
Berfien erregte diefer Ort als Raubneſt damals zuerft eine allgemei- 
nere Aufmerkſamkeit. Jaubert, dem zu jener Zeit unmittelbar 
der Oeneral Romieux über Bagdad folgen, follte, war über Con⸗ 
flantinopel und Erzerum als geheimer Geſchäftsführer bis Toprak⸗ 
kalah und Diyadin vorgevrungen, als er am 4. Juli 1805 von 
da weiter gegen ‚die Schneegipfel des hohen Ararat fortfchritt, und 
abfichtlih Bayazen 2 Stunden rechts zur Seite Tiegen ließ, um 
diefen Stz Mahmuds, eine berüchtigten Kurden⸗Paſchas, auf 
minder begangenen Fußpfaden mit feiner Reiterescorte zu vermei- 
den. Über dies half Ihm nichts; denn von dem Nachtquartier, dem 
Kurvenvorfe Arz⸗ab %5) aus wurde er im nächſten Gebirgspaß, 
4! Stunde fern, von Abdalla, dem Häuptling ver Sihfi- Kurven, 
aufgehoben und nad) Bayazed in dad Schloß Mahmud Paſchas 
abgeführt, der ſich nach dem verfatilen Character jener Orenzgebieter 
jegt nicht für einga Diener des Sultan, fonbern für einen Bafall 
des Padiſchah ausgab, deshalb der Eindringling in deſſen Gebiet 
vor fein Forumgezogen würde. Der graufame Tyrann ſandte feinen 
Gefangenen mit ſcheinbar ficherer Escorte, um fich bei ver türkifchen 
Behörde ficher zu fleflen, weiter gen Eriman zur Perfergrenze; 
dort aber, ald am Buße ded Ararat ver Grenzfluß beider Staaten 
(wahrfcheinlih der Makhu) erreicht war, mußten feine Kurven bie 
Reiſenden niederwerfen, binvden, und gefnebelt, mit verbundenen Aus 
gen auf die Pferde gepadt, durch wüſte Thäler und Schleichiwege 
4 Stunden weit auf eine Feſte vor ven Paſcha bringen, der vor- 
gab, daß ein Ferman fie in feine Gewalt ftelle, und daß er in 40 
Tagen weitern Bericht über fie aus Conſtantinopel abwarte. Indeß 
waren fie natürlich aller ihrer Bagage und ihrer Eoftbaren Befchente, 
die fie mit fih führten, beraubt worden, und in derſelben Nacht 
wurden fie heimlich in das Schloß zu Bayazed zurüdgebracht und 
in das Gefängniß der Citadelle geworfen. Wahrhaft wunberbar 
war die Rettung des dem Tode Geweihten; denn vie Peft drang 
noch vor den Verlauf jener Friſt von 40 Tagen in Bayazed ein, 
der Paſcha ſelbſt fiel als ihr Opfer. Die gute Partei ver Stadt⸗ 
bürger wollte feinen Bruder Ibrahim zum Paſcha haben; aber bie 
Kurven» Partei berief feinen Sohn Ahmed Bey zum Paſcha, der 


*«*) P. Amédée Jaubert, Secretaire interprete du Roi etc. Voy. 
en Armenie et en Perse 1805— 1806. Paris 2821. 8. p. 23. 





Euphratſyſtem; Bayazed, die Stadt. 341 


ben Tod des Franken und feiner Begleiter beſchloß. Aber auch ihn 
tötete die wũthende Peſt, und fo warn Ibrahim Paſcha von Bas 
yazed. Indeß war Zeit gewonnen; ein gebeimes Billet, das die Frau 
des Gefangenwaͤrters nach Erivan geſchickt hatte, bewirkte, daß ver 
Gouverneur von Erivan aus die Gefangenen und die Bagage im 
Namen des perflichen Hofes reclamirte. So langte nach größter. 
Verwirrung denn endlich von Conſtantinopel der Befehl zur Bes 
freiung der Franken aus der Citadelle von Bayazed an; Alles wurde 
zurüdgegeben, was man ihnen genommen hatte, und bie Franken 
nad Trapezunt zurüd edcortirt. 6) 

Wir haben dieſe autbentifche Erzählung hier mitgeteilt, weil 
fe am anfchaulichften die frühern traurigen Suflände dieſes kurdi⸗ 
ſchen Grenzgebietes zwiſchen Perſern und Tuͤrken zeigt, denen in 
neuerer Zeit durch mehr Energie der Seraskier von Erzerum, zu⸗ 
mal ſeit den rufſiſchen Feldzügen in Armenien, eine beſſere Wen⸗ 
tung gegeben iſt. Im J. 1831 fand E. Smith den noch immer 
kurdiſchen Paſcha zu Bayazed dem Serasfier völlig ſubordi⸗ 
art, mit Ginübung der europäifchen Tactik unter feinen Truppen 
befhäftigt; er erhielt bei ihm gaftliche Aufnahme und fichereß Gen 

Mit mit Tataren von Dorf zu Dorf. Es war Behlul Paſcha, 
ein Sohn jened tyrannifhen Mahmud, deſſen fürftlicyes Gefchlecht 
felt mehreren Generationen, wie e8 fcheint, erblich im Beſitz dieſer 
Würde geblieben und auch nach mannigfachen Wechfeln immer wies 
der zu einer Art von Invepenvenz gelangt iſt, die nur dem Namen 
af, ngn_ Erzerum abhängig erfchelnt. Mahmud war nur ein ſehr 
den mit Gewalt zur Berbäſchaffung der Materialien zu feinem 

. neuem Pallaſtbau nöthigte, den er auf ver Felshöhe über der Stadt 
mit einer Pracht aufführte, #7) daß I. Brant ihn für ven ſchön⸗ 
Ren aller Palläfte erflärt, die er im ganzen türfifchen Reiche geſe⸗ 
hen habe. Eug. Bore *) fagt, daß aus deſſen Prachtfalon, der 
vergoldet und mil Arabesken bemalt war, ver Bli auf bie Feſte 
und daß einſtige Befängniß feines Landsmannes fiel. Sein früheres 
Schloß Tag auf der andern Seite des Fluſſes, war Halb in bie 
Vergſeite in Grotten verſteckt, voll weitläuftiger Magazine, nad) au 
Pen durch viele Batterien vertheidigt, aber in unbrauchbarem Zus 





**) Jaubert I. c. pag. 50, 64, 90. #7) J. Brant Notes L. c. 
p. — **) Eug. Boréẽ Correspondance etc. Paris. II. 
Pag. 8. 





342 Weſt-Aſien. II. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 33. 


ſtande, eher dem Sig eines Räuberhauptmanns gleich, als der Res 
fldenz eines Paſchas. Auf dem Gipfel dieſes Felsberges, an beffen 
Seite dieſe Hoͤhlenburg Tiegt, erhebt ſich noch ein Alteres Eaftell, 
bad man auch hier, wie fo viele anvere, pad SenuefensGaftell 
nennt. Auf welchem dieſer Felsfchlöffer gene Sculpturen fi bes 
finden follen, von denen der Conſul Rich @) in Moful nach Hö« 
renfagen Bericht gibt, wiſſen wir nicht; fie würden auf jeven Ball 
mol die Nachfrage Fünftiger Reifenden verbienen. „Es follen anf 
„Dem Fels des Bayazed⸗Caſtells drei in Stein gehauene Män⸗ 
„ner mit Stäben fein In ven Händen und Büchern un⸗. 
‚ner dem Arm,” was an ähnliche Perferfeulpturen erinnert; und 
wo folche ſich vorfinden, möchten wol audy noch andere Sculpturen 
vorhanden fein. — In jenem modernen Pallafte war Iaubert 
‚ eingefperrt, in einem Gefängniffe,. das mit dem Harem bed Paſcha 
. ommunicrte, wodurch ihm die Befreiung möglich wurde. Der 
Palaft dominirt die Stadt, nber er ſelbſt wird von den umberlie 
genden Bergen beberrfcht; daher konnte er von ven Ruſſen, vie auf 
diefen ihre Artillerie aufpflanzten, befchoffen werven. So kam Schloß 
und Stadt (29. Aug. 1828), die bei der erften Beichießung. SO) ven 
dem zweibeutigen Behlul Paſcha verlaffen warb, ver feine Flucht 
in die Felsſchluchten von Maku ergriff, in ihren Beflg; die Perl 
müthete dafelbft, Verfall war vie Folge. Es hörte jener Verkehr 
zwifchen Revan, d. i. Erivan, ſeitdem dies in Beflg ver Ruffen 
fam, die dafelbft eine Orenzquarantaine -Anlegten, und Bayazeb auf, 
und der größte Theil der chriftlichen handeltreibenden Einwohner 
ernf bene Reft fon die Here DEF Worte fehler hig,“ brdariig, und bie 
Sitten der Kurven, ihrer Tyrannen und Gebieter, angenommen has 
ben. Auch ihre kurdiſchen Herren werden ſchwerlich lange Zeit von 
der alten Gewohnheit abgehen. Als im I. 1834 vie Jelall⸗Kurden 
in dieſen Gegenden die perflfchen Handelſskarawanen plünderten und 
Behlul Pafcha den Auftrag erhielt, viefe Thaten einer Angehörigen 
zu beſtrafen, erregte er fi durch Saumfeligfeit in ber Erfüllung 
feiner Vafallenpflicht den Unwillen des Seraskiers Ed'ad Paſcha 
von Erzerum; er wurde abgeſetzt und durch einen andern, Demir 
Paſcha, in Bayazed ſubſtituirt. Da aber dieſer ſich durch ſeine 
Habſucht und Raubgier noch verhaßter bei feinen Unterthanen machte, 


*4°) J. CL Rich Narrat. I. c. Vol. I. App. p.378. *60) General 
Paskewitſch Feldzug, bei v. Uſchakoff 30. l. ©. 318. 





II 
J 


Euphratſhſtem; Bayazed, die Stadt. 343 


die das Paſchallk mit vdlliger Evacuation auf georgiſches Gebiet 
bedrohten, ſo wurde Behlul Paſcha doch wieder in Gnaden auf 
feinen Poſten eingeſetzt. Solche Schwierigkeiten ſtellen ſich überall 
anf dieſen Grenzgebieten der großen Monarchien ven Verwal⸗ 
tungen von Landſchaften entgegen, in denen ein ſo raubſüchtiges, 
kriegeriſches, ungebaͤndigtes Volk, wie die Kurden, noch immer die 
erſte Gewalt beflgt. Nur durch trügeriſche Berückung weiß die tür⸗ 
Nie Liſt ſich zulegt von ihrer Obmacht zu befreien, wie dies, 
Ende des Jahres 1838, mit dem S. 290 genannten Khan Mahmud 
durch falſche Vorſpiegelungen des Seraskierd und des Dan Paſcha 
gelungen iſt, ihn in das ewige Gefängniß des Van⸗-Schlofſes mit 
kinm Haͤuptlingen einzujpexren. 9) 

Die große, über drei geogr. Meilen breite Ebene, welche: ſich 
zwiſchen der Stadt Bayazed und dem hohen Agri Tagh Ararat), 
wie er bier allgemein genannt wird (Behlul Paſcha ſelbſt kannte 
feinen andern Ramen), 52) außbreitet, wird an ihrem Nordende ganz 
dentlich fichtbar, durch Diefen erhabenen Doppelpik begrenzt, der fidh 
von allen andesen Ketten infelartig völlig ablöft und diefe mit 
dem einen feiner erhabenen Schneehäupter überall. beherricht. Die 
in diefer welligen Ebene hervorragenden Stlippen, bemerkt I. Brant,- 
befteben aus Lavablöden, veren Lavaſtrom aber feine Diree- 
tion nicht von dem Hauptkegel nimmt, fonvdern von einem Theile 
der Kette, zwifchen welcher und dem Urarat die Ebene felbft liegt. 
Auh Perkins?) will vorzüglih an der Weſtſeite des Ararat bie 

Wirkungen feiner vulcanifchen Ausbrüche wahrgenommen haben, und 
ſchreibt viefed gewaltige Geld von Steinblöden (meift von 1 
8 10 und 15 Pfund Gewicht, die insgeſawmt das Zeichen des 
Gefloſſenſeins an ſich tragen), das eine Strecke von mehr als acht 
Stunden bedeckt, ſolchen Wirkungen zu. | 

Die abfolute Höhe von Bayazed iſt unbekannt, Fann aber wol 
nicht niedriger als ver Spiegel ded Van⸗Sees fein, wol zwiſchen 
5000 bis 6000 Fuß; währenn viertägigen Aufenthaltes, Anfang 
September, flürmten fortwährend Heftige Winde mit Staubwolfen, 
welche, wie die Krankheit des Arztes Dickſon, die er filh vom Sei⸗ 
yan Tagh geholt, jede aflronomifche und andere Beobadhtung, fo 
wie auch die beabfichtigte Beſteigung des Ararat hinderten, was zu 





2) Eug. Bore Correspondance etc. Paris 1840. II. p. 92. 
+2) Parrot Reiſe I. ©. 112. 2) Perkins Journ. at „Jorooraiah > 
im Missionary Herald, Vol. XXXIV. Febr. 1838. p. 5 | 





344 WeftsAfien, II. Abthetlung. I. Abfchnitt. $. 33, 


bedauern iſt, da eine foldde von der Bayazed- Seite noch niemals 
verfucht wurbe, und dieſes ganze Suͤdgehänge des Ararat geogra⸗ 
phiſch ſehr unbefannt genannt werden muß. In der Umgebung 
Bayazeds, nur von ftreifenden Zelanli⸗Kurden durchzogen, iſt jo we⸗ 
nig als bei den rohen Stadtbewohnern irgend eine Spur von einer 
Travition der Arche auf dem Ararat zu erwarten; das Cima würde 
für die Taube, bemerkt I. Brant, wie auch fchon Tournefort *) 
fagte, hier zu rauh gemefen fein, um ein Dlivenblatt zu finden. 


- Die Schneefoppe des Ararat fenkte ſich hier nah Schägung etwa 
2000 Fuß vom ®ipfel herabwärts, und deſſen Höhe überhaupt 


ſchätzte J. Brant von diefer Seite auf 12,000 Buß. Erft in ber 
Nacht vom 10. auf den 11. Sept. hatte auch ver Kegel des klei⸗ 
nen Ararat, der früher davon frei geblieben war, feine Schnee= 
dere erhalten. Die Stadt Bayazed, zwifchen ven Felseinrifſen in 
der Hochebene etwas gefchügt liegend, ift doch ſehr firengen Win⸗ 
tern unterworfen. Am 15. April 1831 fand Eli Smith auf fe 


nem Marſch von Bayazed nach Diyadin auf den fchlechteften We⸗ 


gen noch fFrifhgefallenen Schnee, fo daß man Hier wol auf 
der hoben Platenufläche Armenien? und Aderbidjans, am Fuß ‚des 
Ararat, faft ein Halbes Jahr auf die Winterzeit wird rechnen 
müffen. | 


Statiftifhe Nachrichten über das Paſchalik von 
Bayazed. 5°) 

Da wir während der ruffifchen Befignahme des Paſchalik 
von Bayazed, auf einem Halb offldelen Wege, was wir bisher 
noch nicht befaßen, ſtatiſtiſche Nachrichten über dieſe früher fehr we⸗ 
nig gekannte Statthalterfchaft erhalten Haben, fo folgt Hier das 


‚Wefentliche ihres Inhalts zur Vervollſtändigung des Vorigen. 


Das Paſchalik zieht fich als schmaler Lanpftrih, von Weſt 
nah Oſt, im Süden des Ararat vorüber, ein Areal von nur 
2200 DO. Werft (19 Meilen) lang, und 18 bis 45 Werft (2 bis 


4 Meilen) breit. Es grenzt gegen Nord an die armenifche Land⸗ 


[Haft und an dad Sandſchak Ober» Pafin (Pasin suffla); gegen 
Oſt an das perfifhe Khanat Maku (f. Erdk. IX. ©. 919); gegen 
WB. an Nieder⸗Paſin, und gegen ©. an das Sandſchakat Malez- 





s+) P de Tournefort Relat. II. p. 144. 66) v. Ufchakoff, Garde⸗ 
obrift, Geſchichte der Feldzüge deh General Faerwug in der aflat. 
Türkei 1828—29. Leipzig 1838. 8. Th. J. S 


a} 





\ 


Eupbratfuften; Statiſtit des Pafhalits Bahazed. 345 
I 


gherd (f. Erdt᷑. X. S. 989,994), an einem Theil des Paſchaliks von 
Muſh und von Ban. 

Die vier Sandſchaks oder Kreife, aus denen es beſteht, find: 
1) Bayazed (840 DO. Wa); 2) Diyapin (130 DO. Wer); 
3) CEhamur (102 D. Werft) und 4) Alaſhgert, das mit den 
2 Difrieten Chalyaſs und Nahia (der Naja) 1128 DO. Werft 
einnimmt. 

Höher gelegen als feine umgrenzenden Provinzen Maku, Ban, 
Nuſh, Arzerum, Kar und das übrige Armenien, iſt es bie 
Waſſerſcheide der Flußſyſteme zwiſchen dem kaspiſchen See und 
dem perſiſchen Meerbuſen. 

Seine Gebirge find: 1) der Agri Dagh in feinem fchlängeln- 
ben Zuge, welcher Bajazed von Ober-Pafln ſcheidet, und vie Zu⸗ 
Rüffe norbwärts zum Ararxes, fübwärtd zum Murad und zum 
Mat ſendet. Am Oſtende deſſelben erhebt fich der hohe Kegel des 
Großen Ararat mit feinem noch öſtlichern Trabantenkegel, dem 
Kleinen Ararat. Beide find an ihrem Weflfuße durch eine tiefe, 
itocne Schlucht von dem nor: weftlichern Zuge des Agri Dagh 
getrennt, der verſchiedne Namen annimmt: wie Chatſch⸗Geduk, 
Chadſchi Geduk, Sor Geduk, Surawa Daghz und an ber 
Weſtgrenze des Paſchaliks: Turkman Kiliffar (Chatſch d. h. 
Km; Sor d. h. Gewaltthat; Geduk d. h. Gebirgsrücken). Seine 
hochſten Puncte werden Tchitchally, Sor Dagh und Kuſſa 
Dagh genannt, ein nackter, abgelegner, 12 W. (an 3 Stund.) von 
Topra kaleh entſernter Fels. Andre Berge heißen: Dram Daſh Dſhani 
Daſh und Jas Dafh, welcher letztere ſeinen Namen von einem an 
feinem Buße gefundenen, mit einer unbefannten Infcription 
verſehenen Quaderſteine erhalten hat (0b diefelbe wie ©. 319). 

2) Der Klytſche Dagh liegt in S.W. des Pafchalils, und 
fondert fi von Turkman Kiliffar in der Richtung des Euphrat 
ab; Hei feinem Beginn wird er auch Sopfchah und Misgrog ge= 
sannt. 3) Der Allah Dagh, d. i. Bottedberg, am ſüdlichen 
Ende des Vaſchaliks, vereinigt fi mit dem Klytſche Dagh im 
Weiten, ift aber breiter als dieſer und Höher ald ver Agri Dagh. 

Dr Schuſchink Dagh am Fluß Tſchubugli (?), Kimber Dagh, 
Nenat und Tſchir Geduk an dem Cuphrat (?) find vie höchſten 
Berge. Zu diefen uns unbekannten Berglocalitäten wirb die vierte 
Sauptfette von Diyapin gerechnet, welche ven Allah Dagh mit 
dem Agri Dagh, aljo ein von Süd nad Nord ziehenves Quer- 
jo, bildet. 29 Flüſſe follen das Paſchalik nad) den nerichienens 


6 





346 . Wefb-Afien. III. Abteilung. T. Abſchuitt. $. 43, 


ſten Michtungen durchziehen. Ein Heiner Landſee, Ballik Gdi 
(ihon oben als Belt Ghol angeführt), 18. Stunnen (65 Werft) 
Am Weſt vom Ararat, iſt hoch gelegen im Agri Dagh; aber nur 
13 Stunde (6 Werft) lang und „ Stunde. (24 Werft) breit; : von 
feinem großen Fifchreichtfum ſoll er. feinen Namen haben. Vorbem 
Hatte er Im feiner Mitte eine ‚Kleine Inſel mit einer chriftlichen Kirche, 
von der aber heut zu Tage nur noch vie Ruinen aus dem Waller 
beruorsagen folen. Sein Abflug von 17 Stunden (60. Werft) 
Ränge, beißt Ballik Su, einer der Hauptflüfle des Landes. Aw 
dere find ver Gernauf (f. oben Gernawuk), ver Maku⸗tſchay, ver 
Almalla (und unbekannt), ver Murad⸗tſchay, d. i. der @uphrat; 
Der Scheman .(?). | . .—— 

Der Murad entſpringt ans 2 Ouslten im Tſchir Geduk 
oder dem Bergrücken Tſchir; er durchſtrömt das Paſchalik gegen 
NM. un S.W. an 25 Stunden (111 Werft) weit, bricht ſpater 
"zwifchen dem Allah Dagh im Oft, und Klytſche Dagh im We, 
fünweflwärtd hindurch, in Dad Sandſchakat Melezgerd, wo er im 
Verein mit anvern Zuftrömen ſchiffbar wird. Sein Lauf iſt nur 
mittelmäßig reißend; feine Breite ift 5 Klafter (Safchen) und. 1. bi6 
2 Arſchin tief; fein Waſſer fifchreih, zumal an Forellen; feine. Ufer 
find nackt. Von feinen beiverfeitigen Zuflüſſen. iſt hier nur, ber 
. Scherian zu bemerken, der auf dem Choſſol Dagh (Y entkpringt. 
Die gute Bewäfferung ded Bodens hebt die Vegetation una gibt 
den Kornfeldern 6⸗ bis 10fachen Ertrag; nur die Umgebung: Ba- 
yazeds iſt wenig ergiebig. Vom Juni bi8 October ift bad Berg⸗ 
land mit reichem Wieſenwuchs für vie Heerden bedeckt, fo daß ber 
Paſcha, nach den Rufien, fehr gut aus eignen Mitteln des Landes 
6000 Pferde zu. 4000. Dann Truppen ftellen konnte. Dagegen If 
Holzmangel allgemein; nur Krummholz, Kienbolz, Wachholder⸗ 
geſträuch und Eleine biegfame Birken machen ven einzigen Vorrath 
an Brennmaterial aus, die Bärten fehlen, man jagt wegen ver ewigen 
Verheerungen; Weinbau findet wegen der hohen Berge nicht flatt. 

An Mineralien fehle es nicht, obwol ſte wenig- benugt wer⸗ 
den. Gute Quaderſteine werden bei Diyapin und Bajazed gebros 
hen, beim Dorfe Urtul porphyrähnliche; auf. dem Bergrüden bei 
Diyadin, nahe dem Dorfe Alifor, ziemliche große Alabafterbläde; 
Müuͤhlſteine am Klytſche und Sor⸗Dagh. Treffliher Lchm zu Toͤp⸗ 
ferarbeiten ift häufig. Auripigment, Schwefel, Alaun, Farberden 
bei Diyadin. Die mit Salpeter geſchwängerte Erde wurde im Jahr 
3828 mit gutem Erfolg von den in Bajazed ſtehenden Truppen 


® 





% 


Euphratfyſt.; Statiſtik des Paſchaliks Bayazed. 347 


zur Räucherung (gegen vie Pet?) gebraucht. Kochſalz wird aus 
den Salzquellen Parinek und. Duslafſt (?) gewonnen. Das daſelbſt 
angeſetzte Salz iſt auf 10,000 Pak (d. i. 60,000 Pfund) zu rech⸗ 
am; dennoch brachte das Monopol dem Paſcha nur 100 Eilber⸗ 
rubel ein, zu dem noch ein fpäter nbgetreiner Salzquell an 6000 
Bund Ertrag gab, der zu 30 Eilberrubel Einnahme angefchlagen 
wer. Im Dorfe Arnat durften die Einwohner im Sandſhakat 
Aaſchket aus einem Kleinen Salzbache an 100 Pfund Salz ohne 
Eteuerabgabe benugen. Don edeln Metallen find nur ſchwache 
Epuren bekannt, und bei dem GHolzmangel auch fein Hüttenweſen 
in Aufnahme zu bringen. Viele Mineralquellen find im Lande; 
11 Stunden (50 Werk) von Diyadin find ‚heiße Schwefelquellen 
md Gauerbrunnen, vie wie Strudel aus der Erde bervorbraufen 
und wunverliche Gtalactiten bis 34 Fuß hoch aufwerfen. Nur 13 
Stunde von Diyadin ift auf gleiche Art eine von der Natur. 
Kühn und ſtark gewölbte Steinbrüde, 60 Schritt lang und 
30 Schritt über ven Euphrat gebilvet, die in verfchienenen Farben 
yrangt. Unfern jdavon iſt eine vielfarbige, durch “en ſtarken hei⸗ 
fen Duell, wol durch feinen Tuffabfatz gebi-* Vdhle, in die man 
durch das Waſſer zu Pferde Hinginpgin- - INN. Rabe. ver Höhle geht 
das heiße Waſſer in —X en Bad gegen Rheumatismen 
(ehr Heiland e be Ben Quellen loden durch ihre 
j Mic Wild, zumal Geflügel und Bären in ihre Näpe. 
wi de ber befindlichen Sauerquellen Haben fihäpliche Ci 
Das Elima von Bayazed, in einem Berake ed, 

Cbenen Perfiens jo nahe gelegen, iſt doch Eühl; a Safrrensaia 
ige beſtimmte und ſcharfe Contrafte. Mitte März if Frühlings 

mfang, die Hitze fleigt Mitte Juli, wo die Flüſſe ihre —* 
wrlieren, bis zum Auguft auf das höchſte. Der Septemb "n 
Den gemäßigt, im October bevedt ſich alles mit Schnee; Ph 
ovember nehmen Froſt und anhaltende Kälte überhand; doch 

Reigt die Winterfälte nicht über 10° R., dauert nur bie Ende & 
bruar, dabei immer hoher Schnee. Die Lage von Bayazen iſt fo 
geſund, daß die reichen Fieberkranken aus Erivan dahin um 
ihre Geſundheit wieder herzuſtellen. Das Volk iſt geſund blühend 
und blit mit Entfegen auf-die fieberbefallnen Patienten von Gris 
Ar Aber aljäprlich macht Hier vie Peſt ihre Verheerung. Der 
—— * Sorglofigfeit thut Nichts, fle zu verbannen; durch 
ma ſelbſt wird ſie bekämpft, wenn fie auch einge⸗ 


⸗ 
4 
& 





_ 





348 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.33, 


bracht iſt. Die Neinlichkelt der benachbarten Berfer fol die Ver⸗ 
breitung der Peft bei ihnen verhindern, auch fagte man ven Ruffen, 
ein Präfervativ dagegen fei, ſich vie Hände mit China (?) (wol 
Henna?) zu färben. Die. Aerzte in Bayazed haben ein erbliches 
Gewerbe, und follen ſich fehr gut auf das Heilen der Wunden und 
ber Peftbeulen verftehen; als Präfervativ gebrauchen fie ſelbſt bei 
dem Umgang mit Peſtkranken ein ſtarkes Pulver zum Schnupfen 
und GEinreiben ver Hände, und fcheuen ven Verkehr gar nicht mit 
ven Peſtkranken. Auch vie Ruſſen ‚haben ihre Kuren dieſer Art 
anerkannt, bis Tiflis find fie bekannt und erwerben fich bedeut 
Reichthümer. 

Ueber die Bevdlkerung 50) des Paſchaliks erhalten wir 
folgende Daten. Die Rufen zählten 3190 armeniſche und550 mufel« 
männifche, zufammen 3740 Familien im Lande, die einen Anfchlag 
der Bevölkerung auf 18,000 Seelen männlichen Gefchlechtes gaben, 
fo daß auf jede Quadratwerſt nur 15 männliche Bewohner kommen ; 
eine ſo geringe Anzahl bei der Begünftigung eines fo vortheilhaf⸗ 
ten Elimad, day aur die ſteten Berwüflungen bes Landes und bie 
Gewohnheit, bei jeden. winfall eine große Menge ver Familien mit 


Gewalt aus dem Lande Weyp nfennen und anbermärts üb ufle= 
deln, was ſtets von Perſern und au Ruſſen, —* un⸗ 


ter mildern Formen, mit den Armeniern geſcheh “———— 
erung ſein kann. = 
ſe —Se Bayazed Toll das volkreichſte fein und 
auf 8174 O. Werft 2650 Familien herbergen. Der Stadt Baya F 
theilte man 1735 armenifche, 310 muſelmaͤnniſche Bamilien ‚in 
Summa 2045 zu; die andern 604 armenifchen und 4 türkiſchen Bus 
milien des Sandſhaks hatten in 6 kurdiſchen Doffihaften ihre Sitze. 
Im Sandſhak Diyadin zäflte man 266 Familien, In der Stabi 
und 9 Dörfern vertheilt. Im ©. Ehamur 116 Samilien in 11, 
alfo viel ‚Eleineren Dorfichaften; in ©. Alaſhgert mit ben 2 zu⸗ 
gehörigen Diſtricten 725 Familien, in 60 Dörfer vertheilt. 


Die bedeutendſten Orte ſind die Stadt Bayazed, der Flecken 


Diyadin, das befeſtigte Chamur und dad Caſtel Topra kaleh. 
Von den beiden erſten Hauptorten war ſchon zuvor die Rede. 
Chamur, nur die befeſtigte Refidenz eines geringen Häuptling®, 
von uralten, aber verfalnen Mauern umgeben und von Nachbar⸗ 





56) v. Uſchakoff a. a. O. J. ©. 83. 


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% f | , 


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Eupbratfoftem; Statiſtik des Pafchalils Bayazed. 349 


hohen fiberragt, iſt unbebeutenn, und liegt an ver Mündung des 
Bergſtroms Mandalych zum Murab. Das Stäntchen Topra Talch 
mit 302 armenifchen und 12 mufelmännifchen Bamilten iſt als 
Karawanenflation auf ver großen Süpftraße, füboftmärts von 
Haffan kaleh nach Bayazed, beachtenswerth, an einem Zufluffe zum 
Nurad. Es bar eine chriflliche Kirche, eine Mofchee und wird von 
einem Schloß auf dem 30 Klafter hohen Steilfelien nes Agri dagh 
beihüst, der nur auf einem tief im Fels eingehauenen Schneden- 
wege von der Süpofifeite zugängig iſt und in feinem Innern 
Duellen herbergt. Obwol dies Schloß noch von andern Höhen 
überragt wird, gilt es doch für den wichtigften Pla im Sandſchak 
Hafhgert. Da Topra kaleh, obwol zum Paſchalik Bayazen ge» 
Brig, doch ſchon zum Thalgebiete des ſüdlichen Euphratarmes ober 
des Murad gehört, fo wird erfl weiter unten bei viefem umflänb- 
Biber von ihm und feinen Umgebungen bie Rede fein. 
Der Zahl nad find die Türken die geringern in dieſem Pa⸗ 
ſchallk, aber als Eroberer vie ftolzen, eigenwilligen Herrfcher; bie 
Ruffen rühmen fie jedoch als bieder und gerecht, wenn fchon weni. 
ger höflich, wie ihre perflichen Nachbarn; es follen meift aus Ars 
rum und Gonftantinopel Ausgemanderte fein. Bon ven Arme- 
niern, ber größten Zahl der Einwohner, ihren chriſtlichen Glau⸗ 
bensgenofien, welche die Ruſſen auf ihr Territorium überall hin⸗ 
überzulodten verfuchten, geben fie in dem flatiftifchen Bericht felbft 
felgende Anficht. Als Unterjochte iſt ihr Charakter auch entartet, 
mterwärfig, dabei voll Cigennutz, Uft und Gefühllofigkeit. Als 
keibwachen ver Paſchen gehören fie zu ven Tapferfien; die Kurden 
And ihre unverföhnlichen Feinde. Ihre Melyks (Dorfuorftcher) find 
gegen den Fremden ohne alle Theilnahme, bis er fie zum Beiftand 
durch Gewalt over Lift zwingt. Gibt man Abends den Kindern ein 
Ethl Zuder, den Eltern eine Taſſe Thee, fo fangen fie durch 
Ehrentitel, wie Myrfa (Gelehrter), Jaſſyghi (Autor), oder Bent 
(d. i. vorneßmer Herr), an, ihr Entgegenfommen zu zeigen, und 
dies nimmt zu, je fchönered Beräth, Schmud, Uhren oder derglei⸗ 
en fie bemerken, und am folgenven Morgen, beim Abmarfch, find 
he mit Geſuchen aller Art, und mit Bitten um Ehrenzeichen u.j.w. 
bei der Hand. Den reichern Armentern wirft man bier allgemein 
Stolz und Unhoͤflichkeit vor, als Geſchäftsführern ver Paſchas aber 
Betrügereien, Expreffungen; bei ven Ruſſen fuchten fie durch falſche 
Anklagen gegen die Türken fich Gelber zu erfchwingen. Den in 


Bayazed Gebornen wirft man Trägheit und Völlerei vor; vr Maule 





350 Weſt⸗Aſien. IIE Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 33, 


beerbranntwein (Tuta) fol ihnen; da der Wein fehlt, ſehr ver⸗ 
führeriih fein. Die Archimanpriten in Etſhmiadzin, in Khoi und 
Urmia fahen fie als ihre geiftlichen Vorftände an. Als Haupifig 


ihrer einheimiſchen Geiſtlichkeit in dieſem 57) Paſchalik wird 


am linken Muradufer das Kloſter Surp Ohannes (Sanct Jo⸗ 
hannes) genannt, das bei ven Türken Utſch Kiliſa (m. h. 
dret Kirchen) beißt, und daher nicht mit dem Klofler von Et⸗ 
ſhmiadzin auf der Nordſeite des Ararat, welches dieſelbe Bes 
nennung Utſch Kiliſa beim türkiſchen Geographen (im Dſchihan⸗ 
numa) erhalten bat, verwechſelt SE) werden darf. 

Diefes Klofter Sanct Iohanned des Täufers negt bei dem 
Berge Nepat an der großen Südſtraße, 3 Stunden in Weſt von 
Diyadin, und ſoll, nach der Legende, eines der vielen von einem 
Enkel des St. Gregor Illuminator, vom Sanctus Narfes 
Magnus 0) gegründeten Heiligthümer fein. Die Ruſſen ließen 
fich von den Mönchen ſagen, im. Jahr 301 nah Chr. ©; nach 
J. Brant, der daſſelbe im September 1838 beſuchte, im I. 306. 
Jener fol neben der einen noch beſtehenden Kloſterkirche im 
Thale noch zwei andre erbaut haben, bie von ven Kurven zesftört 
fein follen, davon die eine im Thale ganz verſchwunden iſt, in⸗ 
deß man von der andern noch Trümmer auf jenem Nepatberge 
zeigt. Daher der Name Dreifichen. Dad noch befichende Klofter 
iſt felbft nur ein Haufen elenver, verfallner Mauern, die aber gafle 
freundliche Mönche herbergen, deren geringe Zahl von Almofen 
lebt, und für ihr kleines Grundeigenthum dem Paſcha jährlich 200 
Silberrubel Tribut zahlt. Die 7 älteften Patres reifen jährlich nad 
Etſhmiadzin, um dort dad Myrrhon oder heilige Del zu holen. 
Ste bringen Brot, Butter und Käſe dahin und werden dafür mit 
allerlei Stoffen und Gerätbfchaft beſchenkt. 

Obwol nicht fo geprüdt mie in Perfien, erlauben die Zürfen 
doch den Armenien auch Feine Bloden, um damit zum Gebete zu 
verfammeln, Eeine Waffen zum Tragen, obwol fie deren doch zu ihrer 
Selbftvertheirigung gegen die Kurven als Kontrebande vom Aus« 
ande einführen müſſen. Doch ehren bie Türken. ihre Cigenthum, 
und die Begs ver Kurven ebenfalld vie Heiligen ver Armenier, wie 
ven Surb Sartis (Sant Sergiuo), deſſen Grabmal zu Toprah 





ET, uſchalo a. 5 o. I. S. 88, ss) St. Martin Mem. var 
* PArmen, T. 1. p. 116. * 79 Mos. Khoren. Bist. ‚Art. Lib. IN 
6% ei: 





Euphratſyſt.; Statiſtit des Paſchaliks Bayazed. 351 


kaleh. gezeigt wird. Vor demfelben ſchlachten fle, ehe ſie im den 
Krieg ziehen, einen Widder als Opfer auf dem Steine, der auf ber 
Aſche des Sanctud liegen fol, und zünven dabei Wachskerzen an, 
üben fo verehren die Mufelmänner von Bayazed ven Speer, 
der die Seite des Erldferd durchbohrte und als Reliquie in Et⸗ 
ſhmiadzin fteht, davon ſchon Tavernier ©U) eine Abbildung gab. Wenn 
bie Tjährige Periode, nach ver ſich die Peſt zu zeigen pflegt, vor 
übergeht, jo holen vie Patres des armenifchen Clerus dieſes Heilig⸗ 
thum von Etſhmiadzin ab, und zeigen es Im Gotteshauſe zu Baya⸗ 
ze vor, und allgemein iſt ver Aberglaube, daß dann die Wuth der 
GSeuche gebrochen werde. 

J. Brant, der von Diyadin aus, auf ſeinem Rückwege vom 
Vm⸗See, das Klofter Utſchekiliſſa 61) am Muradufer beſuchte, 
ſagt, daß es nicht fern vom Strome liege, und daß deſſen Prior 
den Namen davon herleitete, Daß es von dreien Kirchen bie größte 
babe. Ein Baumeiſter ver Kirche von Changeri (?) ſollte ſie zu⸗ 
af erbaut und dann auch die von Etſhmiadzin errichtet haben. Die 
kim Klofter ſtehende Kirche ift nach Brants Urthell ein maffiver 
Steinbau, größer und fchöner als vie zu Changeri, aber die zuge 
Börigen Außenbauten find geringer und mehr in Verfall, ver Hof 
von einer fehr Hohen Mauer umgeben. Diele der Fenſter finb mit 
ESäteinen zugefeht, um die Mauern zu verftärken; die Kirche ift da⸗ 

darch verbüftert. Eine Ihrer Eden, die vor mehreren Jahren durch 
in Erdbeben zerflört war, iſt reftaurirt, eine zweite Edle aber dem 
Cinfturz nahe. Die Kirche muß ihre Einnahme an den Patriarch 
von Etſhmiadzin ſchicken, und erhält dafür nur wenige Bepürfniffe 
zurüd. In früherer Zeit brachte eine ftarfe Pilgerfchaft zu dieſem 
Orte, wo ver halbe Leichnam Johannes des Täuferd ald Reliquie 
Wunder that, der Kirche viel Einkommen. Aber vie Bigotterle hat 
eben fo ab⸗, ald die Unficherheit zugenommen. Noch vor 30 Jah» 
ren lag eine große Anzahl armenifcher Dörfer umher zerftreut 
in viefer Ebene von Alifhgert (Ariſhgerd bei Brant), die ſich 
son Diyabin bis jenfeit Mulla Suleiman ausbehnt; mehrere von 
ihnen hatten 300 und 400 Käufer. Jetzt find: deren nur fchr we 
nige geblieben, kaum, ner 2 ausgenommen, etwa mit 20 bis 40 
Säufern. Auch war vie armeniſche Bendlferung fett der Ruffenzeit 


°.», J.B. Tavernier Six voy., a la Haye. 1718. 1. 29 
*ı) 3. Brant Notes etc. im Journ. of the Roy. Soc, 1541. _ 
Vel. X: P.:MIT. pı 438. | 





352 Wef-Afien. II. Abtheilung. I. Abfhnitt, $.33. 


hier fehr zufammengefchmolzen, doch Hatten, 1838, feit ein paar 
Jahren ſchon 5 armenifche Dörfer, veren Familien von den Perfern 
nach Erivan verpflanzt gemefen, wieder Beilg von ihrer Heimath 
genommen. Dan nannte fie Tere kemeh, fie follten von perſi⸗ 
ſchem Herkommen, aber eine Art Zigeuner-Tribuß fein, näm⸗ 

lich Turkmanen, die wie Zigeuner leben, ohne vom eigentlichen Tſhin⸗ 
ganen» Stamme zu fein (mol biefelben, die auch Perkins Hieg bei 
dem benachbarten, nur eine Tagreiſe weſtlichern Kara Eillfia antraf, 
und Eurbifche Deziven nennt, Erdk. IX. ©. 759). Um das Klofter 
fab 3. Brant an 15 Hütten von Bauerfamilien bewohnt, welche 
die Mönche zur Cultur ihrer Ländereien verwenden, davon aber ber 
groͤßte Theil wegen Mangel an Arbeitern unbenußt liegen bleibt. 
Ihre Heerden an Büffeln, Kühen, Ochfen, Pferden und Schafen 
find zahlreich. Das Klofter war oft von den Kurben geplünbert; 
Haſar Khan, der Serdar (Gouverneur) von Erivan, hatte es aller 
feiner Schäße beraubt; erft in ven legten Jahren iſt es unangetaftet 
geblieben, doch find ihre Heerden fortwährend den Baunereien ber 
Kurbenlift ausgejekt. 

Kurz vor Brants Beſuch waren ihnen 6 Pferde geftohlen, 
von denen wurben nach der zigordfer eingeführten Verwaltung 
jedoch 5 reflaurirt, das fechste ſollte bezahlt werden. Oft ſtehlen 
die Kurden nur in der Hoffnung, daß bei den Reclamationen etwas 
werde vergeſſen werden; da der Diebſtahl weder Strafe noch Schande 
bei ihnen bringt, fo iſt dieſe Erwerbbart nicht zu verwundern. Der 
Murad fu fließt nur 100 Schritt vor dem Klofter vorüber; er 
war Mitte September 20 —30 Schritt breit, nur Fnietief,. wird aber 
im Frühjahr unfurthbar; dann kann man Ihn nur auf einer Stein⸗ 
brüde überfegen, vie eine Viertelftunde abwärts über ihn erbaut 
iſt. Im Klofter befindet fich eine Bibliothek, die für reich ausge 
geben wird; Brant fand neben: dem Kirchenaltar nur eine Kam⸗ 
mer vol Staub mit nicht über 100 Büchern, von denen Diejenigen, 
die ihm zu Geficht kamen, nur in Venedig geprudte Bücher (wel 
armenifche der Lazariften) waren, und ein armenifches Manufeript 
theologifchen Inhalte. Ein anderes, dad nach dem Prior in unbe 
kannter Schrift gefchrieben fein follte, war ein Moſes Khoren. mit 
der lateinifchen Ueberſezung; alfo nicht einmal feine eigne armen 
ſche und lateinifche Schrift konnte er Iefen. Ein Prieſter Scafi, 
Begleiter des feanzöftjcgen Gelehrten Bore,6?) der im Auftrag der 





_**?) E. Boré Corresp. et men. d'un Voy. en Or, Paris 1840. n. pl. 





Euphratſyſt.; Statiftil des Paſchaliks Bahazed. 353 


Academie des Sciences in Paris, vie Bibliotheken des Srients 
zu unterfuchen, auch das Klofter Etſhmiadzin hatte befuchen. wollen, 
und auf der ruſſiſchen Grenze als katholiſch⸗ armeniſcher Miſſtonaͤr 
zurückgewieſen war, - machte dem durchreiſenden Engländer Brant 
ber einen Beſuch. Bore erhielt als Gelehrter zwar von Tiflis 
die Erlaubniß, Etſhmiadzin zu befuchen, aber Scaffi, fein Begleiter, 
barfte nicht in Beorgien eintreten; er war deshalb gendthigt, von 
Gümri über Kars zurüdzugehen, von wo er über Ant und Kage 
Biman hieher gefommen war, in ver Abficht in Bajazed ven 
ftauzöflichen Reiſenden, ven fein Weg nach Perfien fühzte ‚ abzu« 
warten. So weit 3. Brants Bericht. 

Den Dritten Theil der Bevölkerung des Paſchalik Bayazcen®) 
maden die Stämme der Kurden aud, vie durch die aflatifchen - 
Previnzen bed fich gegenfeitig begrenzenden perfiſchen und türkiſchen 
Reichs ſich immer mehr und mehr, nach allen Richtungen hin, ver⸗ 
breitet haben. Hier ift ihre Zahl verhältnißmäßig jedoch gering, da 

die Ruſſen nur 230 hier lebende Kurdenfamilien zählıen, deren 
Zahl im weſtlichen Paſchalik Mufh dagegen bis zu 4000 aufs 
feigt, wo daher erft umflänvlicher von Ihrer Verbreituns gegen Weſt 
bie Rebe fein kann. 

- Bir fließen viele Angaben über das Paſchalik Bayazed ait 
deu lehrreichen ſtatiſtiſchen Notizen des zufflichen Berichtes über die 
Bisher wenig bearhteten Maße, Gewichte, Münzen und 
Straßenzäge deſſelben. 6%) 

Die Münzen und Gewichte find denen des perflichen und 
türlifchen Aſiens glei; zu ven ruffifchen ſtehen fie in folgendem 
Berhaͤltniß. Türkische Münzen, ruſſiſche Bankaflignate und perfifche 
Geloſorien haben Hier ihren feften Cours. Einige türkiiche Münzen 
werben in Bayazed felbft geprägt. Ueblichſte Goldmünzen: 
1 Stambul = 1 Rubel, 60 Kopeken Silber; 1 Taruch Talfa = 
1 Ruh. 40 Koy.; 1 Rupi = Taruch Talfa = 57 Kop. Silb.; 
1 Ayla, 34 Kop. Silber. Silbermünzen. 1 Ifcha rychly 
= — Silb.; 1 Kuruſch oder Tech Kuruſch = 10 Kopeken 

1 Bara = 4 Kop. Silber; 1 Juiſch⸗kuruſch⸗beſch⸗paralych 
= — Silber. Die fiſchſchuppenähnlichen Paras 
Kuh. son aiederm Schalt. 

Räiugenmaße find die türkifche und vie perfliche Elle; auch 
bie Umfangmaße wie Samara, Batman, Stil, find perfifche Be⸗ 
e2) 9, Wal a. a. D. I. ©. 90. **) Gbend. S. 0— 183. 

Aitter Grofunde X. 3 





352 Weſt-Afien. II. Abtheilung. J. Abſchnit. 5.33. 


bier ſehr zuſammengeſchmolzen, doch hatten, 1838, ſeit ein paar 
Jahren ſchon 5 armeniſche Doͤrfer, deren Familien von den Perſern 
nach Erivan verpflanzt geweſen, wieder Beſttz von ihrer Heimath 
genommen. Man nannte fie Tere kemeh, fie ſollten von perſi⸗ 
ſchem Herkommen, aber eine Art Zigeuner-Tribus fein, naͤm⸗ 
li Turkmanen, die wie Zigeuner leben, ohne vom eigentlichen Tſhin⸗ 
ganen= Stamme zu fein (mol viefelben, die auch Perkins Gig bei 
dem benachbarten, nur eine Tagreife weſtlichern Kara kiliſſa antraf, 
und Eurbifche Deziven nennt, Erdk. IX. ©. 759). Um das Klofter 
ſah 3. Brant an 15 Hütten von Bauerfamilien bewohnt, welche 
die Mönche zur Gultw: ihrer Ländereien verwenden, davon aber ber 
größte: Theil wegen Mangel an Arbeitern unbenugt Tiegen bleibt. 
Ihre Heerden an Büffeln, Kuͤhen, Ochſen, Pferden und Schafen 
find zahlreih. Das Klofter war oft von den Kurben geplündert; 
Haſar Khan, ver Servar (Bounerneur) von Erivan, hatte e8 aller 
feiner Schäge beraubt; ˖erſt in den legten Jahren iſt es unangetaftet 
geblieben, doch find ihre Heerden fortwährend den Baunereien ber 
Kurbenlift audgefekt. 

Kur; vor Brants Beſuch waren ihnen 6 Pferde geflohlen, 
von denen wurden nach der zigordfer eingeführten Verwaltung 
jedoch 5 reflaurirt, das fechäte folte bezahlt werben. Oft ſtehlen 
die Kurden nur in der Hoffnung, daß bei den Reclamationen etwas 
werde vergeffen werden; da ver Diebflahl weder Strafe noch Schande 
bei ihnen bringt, fo ift dieſe Erwerbsart nicht zu verwundern. Der 
Murad fu fließt nur 100 Schritt vor dem Klofter vorüber; er 
war Mitte September 20-30 Schritt breit, nur Fnietief,. wirb aber 
im Frühjahr unfurthbar; dann kann man ihn nur auf einer Stein⸗ 
brüde überfegen, vie eine Biertelftunde abwärts über ihn erbaut 
iſt. Im Klofter befindet fich eine Bibliothek, die für reich ausge⸗ 
geben wird; Brant fand neben dem Kirchenaltar nur eine Kam⸗ 
mer voll Staub mit nicht über 100 Büchern, von denen diejenigen, 
die ihm zu Geficht kamen, nur in Venedig gedruckte Bücher (wel 
armenifche der Lazariften) waren, und ein armenifches Manufeript 
theologifchen Inhalte. Ein anderes, das nach dem Prior in un be⸗ 
tannter Schrift gefchrieben fein follte, war ein Moſes Khoren. mit 
der Iateinifchen Ueberſezung; alfo nicht einmal feine eigne armeni⸗ 
ſche und lateinifche Schrift konnte er leſen. Ein Prieſter Scafi, 
Begleiter des franzbfiſchen Gelehrten Bore,2) der im Auftrag der 





#03) E. Bor& Corresp. et mem. d’an Voy. en Or, Paris 1840. n. p. I. 





Euphratfyſt.; Statiſtik des Paſchaliks Bayazed. 353 


Arademie des Sciences in Paris, die Bibliotheken des Drients 
zu untesfuchen, auch das Klofter Ctſhmiadzin hatte befuchen. wollen, 
und auf der zuffiichen Grenze als katholiſch⸗ armeniſcher Miifionär 
zurückgewieſen war, . machte dem durchreiſenden Engländer Brant 
ber einen Beſuch. Bors erhielt ald Gelehrter zwar von Tiflis 
we Erlaubniß, Etſhmiadzin zu befuchen, aber Scaffi, fein Begleiter, 
durfte nicht in Georgien eintreten; er war deshalb gendthigt, von 
Gimri über Kars zurüdzugehen, von wo er über Ant und Kag⸗ 
Duman hieher gekommen war, in der Abficht in Bajazed ven 
frarzoͤſtſchen Reiſenden, ven fein Weg nach Perfien führte, abzu⸗ 
warten. So weit J. Brants Bericht. 
Den dritten Theil ver Bevölkerung des Paſchalik Bayazen®) 
machen die Stämme der Kurden aus, die durch die aflatifchen 
| Proeinzen bed fich ‚gegenfeitig begrenzenden perflichen und türkiichen 
Reichs ſich immer mehr und mehr, nach allen Richtungen bin, ver- 
breitet haben. Hier ift ihre Zahl verhältnigmäßig jedoch gering, da 
die Ruffen nur 230 bier lebende Kurdenfamilien zählıen, deren 
Zahl im weſtlichen Paſchalik Mufh dagegen bis zu 4000: aufs 
feigt, wo daher erſt umſtändlicher von ihrer Verbreitung gegen Weſt 
bie vr fein Tann. 

Wir fließen dieſe Angaben über das Bafchalit Bapazeb wit 
den ————— ſtatiſtiſchen Notizen des ruſſiſchen Berichtes über die 
biſher wenig beachteten Maße, Gewichte, Münzen und 
Strafßenzäge deſſelben. ®) 

Die Münzen und Gewichte find denen des perfifchen und 
tizlifchen Aſiens glei; zu den ruſſiſchen flehen fie in folgendem 
Berhälmnig. Türkische Münzen, ruſſiſche Bankaffignate und perfifche 
GBeldforten Haben hier ihren feſten Cours. Ginige türfiiche Münzen 
werben in Bayazed felbft geprägt. Ueblichſte Goldmünzen: 
1 Etambul = 1 Rubel, 60 Kopeken Silber; 1 Taruch Talfa = 
2 Ruh. 40 Kop.; 1 Rupi = $ Taruch Talfa = 57 Kop. Silb.; 
1 Anylla u 34 Kop. Silber. Silbermänzen. 1 TIſcha rychly 
= 40 Sy. Silb.; 1 Kuruſch oder Tech Kurufch = 10 Kopelen 
Eliser; 1 Para = 4 Kop. Silber; 1 Juiſch⸗kuruſch⸗beſch⸗paralych 
= 31, Kop. Sir. Die fifhihuppenähnlihen Paras 
Inh. yon uisherm Schalt. 

Lingenmaße find vie türkifche und die perfliche Ele; auch 

die Umfpsugmaße wie Samara, Batman, Stu, find verfiſche Be⸗ 
— — 

ea) v. Wahr a. a. D. I. ©. 90. **) Ebend. ©. 18. 
Ritter Srofunde X. 3 








354: WeftHfien, III. Abtheilung. I. Abfehnitt. 5.33. 


nennungen. 3 Bayazed Samaraͤ I = 10 Batman = 9 Bub 
zuff. = 360 Pfunn; 1 Samara, auf dem Lande im Gebrauch, IR 
m.5 Batman, oder 44 Tab ruf; 1 Batman = 24 Nula = 
36 Pfund. | 

Drtsentfernungen werden nach der Zeit beſtimmt, in der 

man fie zurlcklegt. Die- Einheit iſt eine Stunde, im Pferde 
fehritt zurückgelegt, wie in Perfin = 7 Werft. Die weit kleinern 
Pferde Der Türken koͤnnen aber nur 6 Werft zurücklegen; dies iſt 
die türkiſche Agatſch (Szagath oder Benged im ganzen Kau⸗ 
kaſus). Auf dem Gebirgsweg von Tiflis zum Ararat rechnete Bar- 
rot 44 MWerft auf eine foldhe Stunde Wegs. 
Ein Fußgänger gebt täglich 30 His 40 Werft. Dies iſt ein 
Karawanen-Tag. Auch nad der Hörbarkeit eines Schuffes de 
Mmmt man Hier die Diflanzen. Bin Piſtolenſchuß weit Manifit, 
ein Flintenſchuß weit Kuraſchun · mankfit; ein Kanonenſchuß weit 
Kop- Mantfit. 

Die Straßenzäge. Die elgenthümliche Weitftellung zwiſchen 
Arzernm und Kars, wie zwiſchen den armeniſchen, georgiſchen umd 
perſiſchen Landſchaften, und zu der Lanpesconfiguration zwiſchens 
Araxes und Cuphratſyſtem, gibt dieſem Paſchallt von Bayazeı 
feine Bedentung in militatrifcher wie commercteller Himficht. 
Denn es Tlegt zwiſchen Ararat und Van⸗See, in. ver Mitte nes 
ebenen Hochlandes; zwiſchen Aderbidjan im OR und Armenien 
im Weſt; zwifchen der Gebirgsmelt Kurdiſtans im Eüb und 
Beorgiftand im Nord. Die Große Hauptfirafe aus Mittel⸗ 
nuch Vorderaflen führt worhiwendig hindurch. Die Straße von 
Xeheran nad Bonftantinoprl bat keine andere directere prae⸗ 
tirable Richtung, al® Aber Tauris, Khoi, Bayazen, Diyapin, 
Arzerum, Sivas, Tokat. Und viefe, melde das Paſchallk im 
ſelner ganzen Bänge von ED. gegen N. W. durchzieht, IM Immer 
aangbar, die Periode der Flußanſchwellungen abgerediner; die an⸗ 
bern zwifchenliegenden Verbindungswege find im Sommer wegen 
Moräften in der Tiefe, im Winter wegen zu großer Anhäfung der 
Göhnermaflen auf den Höhen umprarticabel. 

- Die gegen Nord und Süd von Bayazed abweichenden unter⸗ 
georbneten gangbaren Gommuntcationslinien, welcht ftichechin 
theilweiſe ziemlich unbekannt geblieben waren , And durch rufitiche 
Iruppenmärfche newerfich auf folgende Weiſe ermittelt wurden: 

1) Begen RD. Von Bayazen über ven Chats⸗geduk nach Gar» 

barabad uns Erivan 65 We; ein Weg, den General 








Euphratſyſt.; Statiftit des Pafchalits Bayazed. 2355 


Fürſt Tſchetſche wanfe im Jahr 1829 nahm, der aud 
das Vervienft hat, ihn ale Miltateftrape gangbar gemacht zu 
haben. ©5) 

2) Gegen N.O. Bon Bayazeb über den Sar Geduk ebenfalls 
nah Erivan 93 Werft; beide Wege find brauchbar, aber 
auf beiden großer Mangel an Brennholz und Viehfutter, im 
Winter oft gefahrvolle Schneegeſtoͤber. Der Durchgang durch 
den Araxes, 12 Werft von Sardarabad, ift im Frühjahr 

‚durch Die Flußanſchwellung nicht möglich. 

3) Gegen Oſt. Von Bayazed, zwifchen Ararat im Norb und 
Allah Dagh im Süd, nah Maku 60 Werft; ein ziemlich 
brauchbarer Weg für Laftihiere. 

4) Segen 8.60. Don Bayazed Über Kara Inch (K. Aineh) 
nah Khoi; ihn nahm im Jahr 1828 das Armeecorps des 
General Pankratief nach Perfien. 

5) Gegen W. Bon Bayazev am oben Murad durch Uiſch 
Kiliffa, Kara Kiliſſa, Topra Ealeh über den Koſſa Dagbe 
Paß und daB große Dorf Dely Baba nach Arzerum; die 
große ſüdliche Raramwanenftraße, eine ſtets brauchbare 
Milttairfiraße, auf welcher auch ſtets Holz und Heu in 
Ueberfluß | | 

6) Gegen ®. und SW. Don Bayazed Über Kara Kiliſſa 
nach W., dann aber ſüdweſtwärts Uber Tſchalkani (Tſchelkan) 
und Mulah Schaladin (Chaladin) zum Muraplaufe zuräd, 
nach Melesgird und Mufb; ein Weg, von General Reutt 
tms October 1812 zurüdlegte. Don Tſchalkani bis Melesgird 

ſind 75, von da bis Muſh 131 Werft, in Summa 206 


T) Gegen ©. und S. W. Ehen dahin auf melt beſchwerlichern 
Wegen über Baturp im Van⸗Paſchalik. 

8) Gegen Süd. Bon Bayazen über Kifil, Diefe und Taporis 
nah Ban 110 Werft; ziemlich bequem, überall Brennholz 
und Dichfutter. 

9 Gegen N.W. Nach Kars befleht von Bayazed nur eine ein⸗ 
Ase Berbindungoſtraße, nämlich über Toprah kaleh, uns 
von da über ven Akbulak nah Khaghizman am Araret 
so Werſ. Wie von da weiter, wird nl gefagt; in ber 

“8, qjarrot Reife. 1. ©. 112. 

32 








356 Weft:Aien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 34. 


That iſt dieſer Querweg une bis jet gaͤnzlich unbekannt ge⸗ 
blieben. 

10) Nach den Salzgruben Kulpi führt eine fahrbare Route über 
die und unbekannten Orte Muffon und Kodſchah Bullach, 90 
Werft; auch ein zweiter Über den Haſſanlu Geduk (Haj- 
fanlu= Rüden) 101 Werft, der nicht fahrbar iſt. Auch führt 
ein Rückweg diret von Bayazed nordwärts zwifchen dem 
Ararat und Agriv Dagh hindurch; der zwifchen dem Großen 
und Kleinen Ararat ift aber nur von räuberifchen Kurden 
beritien. 


S34. 
2. Erläuterung. 


Der Ararat, Aghri dagh (Arghi dagh), mit ſeinen 
| | Umgebungen. | 


4) Das Apobatärium am Ararat, nach den älteſten 
Traditionen. 


Erft feit Kurzem haben wir vie Rage und die Natur des Ara 
rat. näher Eermen Iernen, obwol fein Rame fich ſchon an die dun⸗ 
telften und aͤlteſten Anfänge der vorgefchichtlichen Zeit des Men- 
fhengeichlechte, an die heilige Landung der Geretteten aus der Sünd⸗ 
flut, anfchließt, an die Reihe der hochgefeierten Apobatärien ©) 
der alten Waſſerbedeckung, vie einen fo tief nachhaltenden, 
ernten Cindruck auf das Gemüth der fich bewußtwerdenden Voͤlker⸗ 
entwicklung ausübten, daß die Erinnerung einer jo großen Thatſache 
auch nach einer Völkerſcheidung zu Babel, und nach Jahrtaufenden ber 
mannigfachften Völkerzerſtreuung, nicht ganz aus dem Bewußtſein 
der Völker in DVergeffenheit hat zurüdgebrängt werden können. In 
ber ‚erhabenen Epifovde des Maha Bharata, deren quellengemäße 
Mittheilung wir zuerft dem großen Sanferitforfcher F. Bopp ver 
banken, 67) nachdem W. Jones früher nur die ſchon geträbte 
Duelle in Bhagawata Purana nachgewieſen, wie in ben Berichten 
der Babylonier, vie und in Gragmenten des Berofue des 





te Borballe —2 mhegehen —8 Ritter. Berlin 
Bopp, undflut a dem 
Maha Bparats, Roy. 1827. > " " ‘ 





Euphratſ.; der Atarat und ſeine Umgebungen. 357 


Balprieſters und ſeines Schülers Abydenus 668) durch Flav. 
Jofephus ©) und Andere erhalten worden, fo wie vorzüglich in 
ven Mofaifchen und andern Schriften des alten Teflament3, find 
de übereinftimmenden Thatfachen jener großen Begebenheit für 
ewige Zeiten auf die einfachfte Weife zum Gedächtniß ver Dölker 
niedergelegt, während in vielen andern cid= wie trans-= atlantifshen 
getrübteren Traditionen biefe nur noch fo eben durchſchimmert. 
Zwar auch in jenen dem Weſentlichen nach, obwel aus brei 
ganz verſchiednen Quellen und Zeiten ſtammenden, iventifchen Ueber⸗ 
lferungen weichen fchon die Namen wie vie Localitäten in Ihren 
Angaben von einander ab, bie natürlich immer den Heimath- 
' figen der Grzählenden näher gerüdt find: aber in der Dar- 
ı Relung von der Sündhaftigkeit des Gefchlechts, von deſſen Vertil- 
gung durch Waſſerflut, von ver Rettung einer auserwälſteen kleinen 
Shaar von Frommen durch den einigen höchſten Gott, von ber 
Sciffahrt in der Arche, von ihrem Feflfigen auf der Bergeshöhe, 


von dem Landen und Hervortreten der Geretteten mit allen Samen. 


der Dinge, von dem neuen Bunde Botted mit dem Dienchengefchlecht, 
drin find fie übereinſtimmend. Die invifche Ueberlieferung läßt bie 


Are mit Manu (daher Manufcha, Menfchen, vie von Manu 


Abſtammenden) und ven 7 Weifen (ven Riſchis) auf einem Gi⸗ 
pfel des Himawat, d. i. des Himalaya, feflfigen, der deshalb noch 


(. i. zur Zeit des Erzaͤhlers, nämlich etwa ein halbes Jahrtauſend 


vor Ehr. Geh.) Nau⸗bandhana, d. i. Schiffsbindung, Heißt, 
m Brahma nad) jener genannten Reinigungszeit ver Geſchöpfe 
fi zeigt, mit den Worten: „Ich bin der Herr der Gejchöpfe, 
„Brahma ; höheres als ic) gibt es Nichts.” Die babyloniſche Ueber⸗ 
Beferung nennt, nah Beroſus und Abydenus, eben fo ben 
Zifuthrus, der in der Ürche ver Flut entfloh und gerettet ward 
auf den Gebirgen Gordy (Karpu, d. i. die Karduchiſchen), die noch 
bente die Kurviftanischen Berge heißen, über Mefopotamien hängen, 
anf denen die Stelle des Apobatäriums in den Ichel Judi And ſchon 
befannt iſt (j. Exrpf. IX. ©. 721—723). Die Moſaiſche Ucher- 
lieferung endlich führt, in noch größere Nähe auf dad Hochland 
Armeniend, wo.die Arche. mit Noah und feinem Weibe, feinen 
drei Söhnen und besen Weibern, und Paaren von allen Thieren 


8) Sam. Bocharti Phaleg. |. Geograpbia sacra. ed. Lugd. :Bat. 


: 1692. fol. -Lib. 1. .c. 3. fol, 13— 21. *®).Flay.. Joseph. 


Antig. Ind. 1.4. $. 6 und 7. ed. Haverc. T. l. p. 16. 





358 WeftsMfien. III. Abtheilung. I Abſchnitt. $. 34. 


und Gefäme, nah 7 Monaten und 17 Tagen ſich nieverlich auf 
den Gebirge Ararat (1. B. Mof. 8, 4); von welcher Zeit an 
fih das Waſſer verktef, worauf der Opferaltar erbaut und der neue 
eroige Bund gefchloffen warb zwiſchen Bott und dem Menſchenge⸗ 
fhlechte, zu deſſen Gedenkzeichen der Bogen in ven Wolken aufge 
richtet. Diefe uralte Benennung Ararat bezeichnet bei Moſe 
ein Gebirge, kann aber au ein Land bed Namens mit einem 
Gebirge bezeichnen, wie im Jeſaias 37, 38 „das Lund Ararat“ 
genannt wird, und im Jerem. 51, 27 „nie Königreiche Ararat 
und Minni,” Namen, die in allen Ueberlieferungen mit dem drit⸗ 
ten der Landesnamen, Thogarmah, vorkommend, immer auf ven 
Norden, auf die armenifche Landſchaft hinweiſen. Denn Ia- 
phets —5 find Gomer, und deſſen Kinder die Asklenas, Riphat 
Thogarma (1 B. Moſ. 10, 3). In Verbindung mit Gomer, 
in Ezechiels Uufruf, Kap. 38, 6, heißt. ed: dazu Gomer und 
all fein Hesr fammt dem Haufe Thogarmah, fo gen Mitter 
nacht liegt, ein großes Volk; und in Ezedhiel 27, 14 werben 
fie mit ven benachbarten Meſchech und Thubal (Mofher und 
Tibarener) 7) in Verbindung gefegt, und ihre Gewerbe näher be 
zeichnet: „Thubal und Mefcheh Haben mit Dix (mit Tyrus) gehan- 
„delt, und haben die Ieibeignen Leute und Erz auf beine Märkte ge⸗ 
. „bracht, die von Thogarma Haben die Pferde und Wagen um 
„Mauleſel auf deine Märkte gebracht.” Die bei ven Armentern von 
den Hebräern allerbings fehr fpät erft aufgenommene Ueberlieferung 
vom Haufe Thogarma (monacdh fie fich ſelbſt Thorkomatfl nen» 
nen) haben fie wenigftens mit ihrer einbeimifchen Tradition von 
ihrem erften Patriarchen Haik in Verbindung gebracht, ven fie. 
einen Sohn Thorgomas 71) (nicht Thogarmas) nennen, und von 
dem auch alle nörblichern Georgier und Kaufafler fi als Thor⸗ 
gamoſianen herleiten. 

Diejer Ararat ver Geneſis ſcheint alſo hochſt wahrſcheknlich 
identiſch zu feln mit dem armeniſchen, mag nun dies ver um 
fprünglihe Name des Berges over auch ver Hauptlandſchaft felbſt 
geweien fein, die nach Mof. Khoren. Araratia 72) hieß, oder Alra⸗ 
rad, und unter den 15 von Ihm aufgeführten Provinzen Arme 
niend zur Arſaciden Zeit die centrale Stelung von allen ein⸗ 





70) Rofenmüller bibl. Alterthumsk. B. 1. Th. 1. ©. 248, 
71) J. St. Martin M&m. sur l’Arm. I. —— Chore- 
nensis Geogr. im hist. Arm. ed. Whiston, Lond. 4 p. Hl. 


Euphratfyſtem; Ararat, Wafis, Bari. 359 


nahm, und ſelbſt wieder in 20 Bane zerfiel, nach weicher dann ber 
Sauptberg in derſelben ſchon fehr frühzeitig feine Localbenennung 
halten haben mag. Mag nun vie Eiymologie den Namen Ar | 
wentend felbft von dem Ararat Minnt im Ehalsäifchen bei Je⸗ 
vom. 51, 27 herleiten, und dies als Harmini (i. e. Mons Minni) 
wiedergeben, woraus Armen, Armon, Armenien bei Ara⸗ 
bern und Oecridentalen geworben; oder nach der Irabition bei Mof. 
Kor. von Arai, ver Schöne, dem achten armenifchen Patriarchen, - 
ver in der Ebene im Kampfe gegen Schomiram (Gemiramis) er⸗ 
Mlagen award, die nach ihm Araj-jarat, d.i. Niederlage des 
Irai, genannt ward, wonach Hieronymus die Araresebene mit 
km Ramen Ararat belegt (Hieron. im Comment. zu Jeſ. 37, 38: 
Ararat autem regio in Armenia campestris est, quam 
Arazes ‚flnit, incredibilis ubertatis etc.): immer bleibf®bie Locali⸗ 
tit dieſes Ararat in der Mitte Armeniend zu fuchen, fei es Ebene, 
wer Provinz, oder Gebirgshoͤhe. Der armenifche Geograph 
uud Hiſtoriker 75) iſt durchaus der Anficht des Hieronimus, der 
m airarapdifchen Berg (Airaratjan Ijarn) von dem Lande 
"er Gebiete Ararat (Araji arat) Herleitet, ven Namen Agridagi 
aber (vulgair⸗ ameniſch Aherdage) eher no von dem Dorfe Agori, 
ed an feinem Fußſte Itegt. Sowol er wie Moſes Khoren. fehen dies 
fa Ararat- Dikrict als die Weltmitte (Minfchoz arſchcharhi) 
wie Die Mitte Ihres Landes an, und Mofes Khor. (II. 9. fol. 
239) gebraudgt dieſen Ausdruck wie einen hiſtoriſch anerkannten, 
ver nicht den Berg, ſondern das Land chararterifirt, aber, wie Herr⸗ 
wenn bemerkt, offenbar nur der Ausdruck der alten Naturan- 
fit ver Selmath IR, wie er bei ven verfchlebenften Völkern ch 
gleichartig erzeugt hat, und eben darum vielleicht auch ſchon in bes 
‚ wfalfehen Urkunde mit der Sage von der Arche zufammenfält. 
Daß dieſe Bebirgägruppe diefelbe ift, welche, noch heute bei den 
Amwohnern Mafis over Agher dagh gemannt, ſchon von Strabo 
wit dem Namen Abos (f. 0. ©. 77) bezeichnet ward, Darauf führt 
ein merkwürdiges Fragment des Nicolaus von Damascus, bed 
em von Kaiſer Auguſtus, das bei Joſephus (Antig. Ind. 
kb. Le. 3. $. 6) fi erhalten hat, wo eb Heißt: „es Liege über 
‚Dinyas (das Land jener Minni) in Urmenten ein ſehr großer 
„Berg, ver Baris (Bapız Aeyörevov) heiße, von dem man er⸗ 





_ 


ur Iusfhihiähenn nad) 8 „a Herrmann, dat ruſſtſche Armenien. 
1835. 6. ©. 18. 








360 Wefſt⸗Aſien. III. Abtheilung. 1. Abfchnitt. $. 34. 


„zähle, daß ſehr Diele daſelbſt fich zur Zeit ver großen Blut ge 
„tettet und daß auch eine Barfe dort hängen geblieben, von ber noch 
„Golzreſte übrig, vie wol verfelben Begebenheit angehöre, von wel⸗ 
„cher Moſes, ver jüdiſche Geſetzgeber, Bericht gebe.” 
| Zu der Benennung des Maſis, im Armenifchen richtiger Maſ⸗ 
ſis (Maſſis Yarn, d. i. Maffisherg), und Abos für Ararat, 
von benen wir ſchon oben vie hinreichende Iocale Erklärung gege- 
ben (f. oben S. 77— 80), fommt nun hier noch ein neuer Name, 
Baris, hinzu, ven jenoch auch Strabo, welchem der Name Ararat 
unbefannt geblieben, an ber zweiten Stelle, wo er vom. Abos 
fpricht (Die erſte XL 627, vie zweite XI. 531), mit biefem, obwol 
auf eine die Erklärung mit neuen Schwierigkeiten vermehrende 
Welle, In Verbindung fegt. „Ein Haufen der Ainianen fol 
„theild in Yıtia (beides noch dunkle Benennungen, doch letzteres wol 
„bie armenifche Provinz Utia bei Mof. Ehor., Dubie bei St. Mar- 
„tin), 7%) theild jemfeit ver Armenier über ven Abos und Nibaros 
‚(Imbaros) Hinaus gewohnt haben. Diefe Berge find Theile des 
„Tauros, und der Abos, fagt Strabo, Itegt ganz nahe dem Wege, 
‚welcher neben ver Baris Heiligthum (Tjc Bagıdog veuw, nach 
„Conjecturen ABapıdog) vorbeiführt nach Ekbatana.“ Da nun 
Niemand eine Göttin Baris bekannt ift, 75) fo bat man ven Na⸗ 
men in Abarid umgewandelt, wodurch eben fo wenig für Die Er⸗ 
klaͤrung gewonnen iſt, oder auch in Azaris, wie Großkurd gethan, 
um den Namen einer Bdttin von Azara ober Zaraetis 76) (conſe⸗ 
quenter wäre Zugıdog vewv), welche der perflichen Artemis ent» 
ſpricht, zu erhalten; und wirklich Hat Die älteſte Stadt Armeniens 
an derjelben 77) Stelle, wo fpäter das berühmte Klofter Etſhmiadzin 
errichtet wurde, ven Namen Ardimet Khaghath, d. i. Stadt der 
Artemis, gehabt. Diefer Veränderung ver Schreibart wiberfpricht 
aber des Nicol. Damasc. Angabe; deshalb hat ſchon Bochart bie 
Form Baris als die richtigere, welche auch von Seiten der Stra⸗ 
boniſchen Handſchriften allein Autorität hat (nach G. Kramer's Ber 
gleichungen) beibehalten und fragt, 3) ob nicht damit das griechifche 
Wort gemeint fel, das ein Schiff bezeichne. Die jeltne, ja einzige 
Anwendung dieſes Auspruds, den nur Herodot (IL 96, Bags, 
072) Mos. , .D : St. i . I. p. 66 
en. 226. ho Sa oa. france. Tom, ———— Pi ie 
260) Strabo b. Großkurd Th. II. S.431, Note4, 5.439, Note 2. 


2) St. Martin M&m. s. l’Arm. I. pag.115. 20) 8. Bochart 
Phaleg. 1. c. I. fol. 20. | | 








Euphratfoftem; Ararat, Aghri⸗, Arghi⸗Dagh. 361 


dog) für eine agenthümliche Art ven Kähnen bei den Aegyptlern, 
sigentlich blos Fünftliche Flooße, die einer Arche wegen ver Ein⸗ 
falt ihre Baues am nächken ſtehen mochte, ſcheint darauf hinzu⸗ 
deuten, daß biefer Name keineswegs ein blos griechifcher, fondern 
überhaupt orientallicher fel, der demnach hier ein in feiner Bedeu⸗ 
tung mehr unverflänblicher blieb. Diefe Bezeichnung, in Verbin- 
vung mit der Angabe einer jenoch ſehr zweifelhaften alten Münze, 
varauf eine Legende Nıv oder Noe ald eine Spur ver Ueberliefe⸗ 
mg von der Sünhflut enthalten fein fol, nimmt v. Sammer 
a und findet barin vie Erklärung des Baoıdos veuv als eines 
Schiffstempels, wonach denn die herkoͤmmliche allgemein bekannte 
moderne türkifche Benennung Agher dag oder Aghri dagh 
(sur unter viefem Namen war er vem legten Paſcha von Bajazed 
beſannt) 79) mit dem türfifchen Geographen nach dem Dſchihan⸗ 
uuma in Arghi dagh, den Berg der Arche bezeichnend, zu. 
berichtigen wäre, va Argha die Inpifche Benennung des Schiffes 
fü.) Aber Arche ift Feine Sanferitbenennung für jenes Schiff, 
und der deutiche Gebrauch dieſes Wortes, obwol auch bie arfhifche 
”Aeyo ver Argonauten ein uns unbefanntes Herkommen bat, das 
mit demfelben Laute allervings feltfam zufammenfällt, ift wol dem 
arca ver Septuaginta entnommen. Bochart fucht noch ans 
dere etymologiſche Erklärungen auf und meint, auch vom hebräl« 
fen Worte „berith” (i. e. foedus contraxit) könne die Benen⸗ 
aung dieſes Heiligthums kommen, da diefed Hier fo gewichtige Wort 
Jehovas in der Erzählung der Genefis Imal wiederholt werde (1. 
Buch Mofe 9, Ders 9, 11, 12, 13, 15, 16 und 17); oder von eis 
nem armeniſchen Worte „baris” oder „bariz” (i. e. exitus, der 
Audgang. aus der Arche), was eben fo viel als vie Landungsſtelle 
bezeichne, daher es bei Joſephus durch Apobatärium wiederge⸗ 
geben ſei. 

Es iſt wahrſcheinlich, daß auch der Name Baris iventiich iſt 
mit der einheimifchen Benennung des Berges Baraz, den Fauſtus 
von Byzanz V. c. 43 in Gentralarmenien und in der Provinz Pa» 
trevanten) im Süden bed Araxes (dad Bagrandavene hei Ptolem. : 
V. 13. fol. 135) nennt, fo wie das Land Minni des alten Te⸗ 
ſaments identiſch iſt mit dem Sande ber Man avazean ber Ar⸗ 








darrot R. I. S. 1 so) v. Hammer Geogr. Perſiens in 
Jahrb. 1819. 3. VII. ©. 228 u. 235 und deſſen afiatiſche 
Zärfei. Nec. 1821. Br. XIV. ©. 38, Note 5. *ı) J.St.Martin - 
Mem. p. 49, vergl. p. 265. 


% 








362 BWeftiien. IM. Abtheilung. I. Abſhuin. 63 


menler, daß jenem Berge Varaz (Baris) ganz nahe im Süd1J 
auf dem Wege zum Van⸗Sec. Dem Vorgange des Hieronymus 
in feinem Gommentar zu Jeſaias 37,38, dad Land Ararat an ı 
Arares uns die Landung Noe am die Berge, welche deſſen Ch 
überragen, zu verlegen, find die Kirchenväter Euftath. v. Antiochi 
Ghryfoftomus in Orat., Aratus (Armenise celsis instabat me 
tibus arca), Iflvorus Orig. XIV. 8 und andere gefolgt. Die | 
berfeßer der Bibel in die armenifche Sprache haben vie genan 
Anficht, welche auch die ver Bearbeiter ver Septuaginta war, | 
behalten, welche, wie ihre GSrklärer und SL Joſephus, Armen 
zur Helmath des wieder verjüngten Menſchengeſchlecht 
maden und ben Mafis mit dem Ararat Noahs inentifichen, wı 
send bie ſyriſche Kicche mehr des Babyloniers Beroſus Anfik ı 
den gorpgenifchen Bergen gefolgt if. Daher auch ver armendi 
Türk und Moͤnch Haithon in feiner Hiſtorie den Berg feiner € 
math nennt, welcher gemöhnlih „Arath" Heiße, ©) Höher al « 
andern Berge, auf deſſen Gipfel die Arche Noch feflgeranmt 

Der Benetianer Marco Polo verfichert, wie nun alle feine 3 
genoffen und Nachfolger, daſſelbe und fagt, weil eben daſelbſt 
Arche Noe feftgefeflen, werde auch ver Berg veshalb, „nad I 
Arche Noe’s genannt (e per questa causa si chiama il mon 
della archä di No&, bei Ramuflo), &) wodurch aljo die I 
pothetifch berichtigte Benennung Arghi tag gerechtfertigt zu | 
ſchiene; doch geben Andere wieder andere Ausſagen, und Tav 
nier, der im Jahr 1655 den Fuß des Ararat beſuchte und bafıı 
verfichert, gibt einen bis bahin noch) ungelannten, dort einheimiid 
Namen an, nämlich Mefefoufar, und fagt, das heiße „ner Bi 
der Arche.” 85) Aber dies iſt nur doppelter Irrthum, denn 
richtige Schreibart If im Armeniſchen Maffiifu S'ar, und | 
heißt nichts anderes ald Berg des Mafiis ©) (nach Indſe 
ſchean). Kuhi Nup, dv. i. der Berg Noahs, iſt die gewöhnl 
Benennung der Perſer. 

Guillaume de Rubruk ober Rupsbsud, ber Minori 

mönch, welcher im Jahr 1253 feine Reiſe nach Karalorum un 


u aäieronyn, Sct. Opp. T. IV. p. 18, f. b. St. Martin Mm 
22) Haithoni Armeni Historia orientalis, ed. 4. 16 
cap. * p. V. °*) Ramusio Racc. delle narigationi *. 
netia. fok 1583. Sec. vol.; Marc. Polo Lib. L co. 2. fel. 
.s)7, Bapt. Tavernier, les six voy. etc. ed. à ia Haye. 17 8 
Tom. I. p. 42. sg a. Herrmann, dae ruſſifche Armer 
Berl. 1835. 8. S. 17. 





+ Eupbrariyften; Ararat, Maſſis. 363 


nahm, befuchte auf dem Kückwege au Armenien und hörte zu 
Naxuam (dv. i. Rachidſchevan) Im Lande Ararat watärlich 
auch, daß auf einem ver zwei Berge, an deren Fuße der Arareb 
vorüberfließe und welcher Maffis 87) Heiße, vie Arche zur Ruhe 
gekommen, von der, weil jeder Verſuch, den Gipfel zu em, um 
möglidh war, auf daß Inhrünftige leben eines ver Mönche ein 
Stud ihres Holzes als Mirakel durch einen Engel herabgebracht, 
in einer dortigen Kicche als Heiligthum aufbewahrt wurde. Der 
etymologiſtrende Mönchswig bemerkte damals, Maffts fe ein Ye 
mininum, und die Urjache, warum der Gipfel nie erfliegen werben 
fönne, (super Massis, inquit, nullus debet ascendere) „‚quia est 
mater mundi,” was fich tm Vollswahn fo feftgefegt hat, daß bie 
neuerlich wirklich gelungene Erfleigung des Gipfels vurch Partoı 
und einen andern ruſſiſchen Reiſenden bis heute nur als verädht- 
Tiche Ihorheit und Lüge bei den Eingebomen von Akhori gilt. @) 

Spätere-&rgenven und Etymologien, welche fi auf die Locali— 
täten des Ararat und feine Umgebungen beziehen, haben fich auf 
folchem dazu für ven Volksglauben fo fruchtbaren Boden durch das 
Kirchen⸗, Klofter- und Klausner-Wefen hier um fo mehr angehäuft 
und feflgemurzeit, da zugleich auch ver Fuß deſſelben Ararat ber 
Schauplatz der wirklichen Belehrung ver früher heinnifchen Ar- 
menier und ihrer erften chriftlichen Kirchenanlagen, ihrer Martyrien 
und Stiftungen wurde, unter König Tirivat und Gt. Grego- 
rins Illuminator, dem Apoflel Armeniens. 

So nennen die Armenier vie Heine Provinz Arhnoĩodn 8) 
am Ofifuße des Maffis und leiten ihren Namen ab von armenifchen 
Worten, weile „an Noehs Fuße“ benenten, weil er bier aus⸗ 
ſtieg; das Dorf Agorhi, Akhori oder Arghuri, ebendaſelbſt 
am Nordfuße des Ararat, von arg, ». i, „er hat gepflanzt," 
und urri, „bie Rebe,“ weil er bier den Weinſtock pflanzte, von 
vom einige Stöde W) auch vorgezeigt werben, vie auch gute Trau⸗ 
ben bringen. - So nennen fit Marand (f. Erf. IX. ©. 9086) 
wach der Legende vom Weibe Noehs, die bier geftorben fei (Ma- 


*7) Voyage en Orient da frere Guill. de Rubruk etc., Ed. par 
"Avezac in Recnmeil de voyages et de m&moires publ. par la 
de Geogr. Paris 1889. 4. T. IV. p- 883-387. ' s ) Fr. 
Dubois de Montpereux Voy. autour du Caucase. Paris 1839. 
8. T.II. p. 477. se) J. St. Martin M&m. I. p. 286. 
0) %. Parrot, Reife zum Ararat 1829. Berlin 1834. Th. 1. ©. 
110; Fr. Dubois de, Montpereux Voy. T. Ill. p. 469 








364 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 34. 


rand nach ber Etymologie „mater ibi,” aber wmenigftend ſchon 
lange vor dee chriftlicden Zeit Hieß ver Ort Marunda, bei Ptol. 
VL 2. fol. 148); und die Stadt Nachidſchevan, an der Oſtſeite 
des Ararat, am Nordufer des Araxes in der Ebene gelegen, bezeich- 
net der Etymologie nach: „primum descensionis locum,” 22) 
ganz übereinflimmend mit der Localltät, welche Fl. Joſephus 
fon einige Jahrhunderte vor ver Chriftenbefehrung der Armenier 
„ben Ort des Apobatäriums“ (Anoßurngıov uersoı Tör 
z0nov soüroy ’Apuivios xarovcıv, Fl. Jos. Antig. I. 35) ges 
nannt hatte, eine Angabe, die um fo mehr dadurch unterftügt 
wird, daß auch ſchon vem Ptolemäus (V.13. f.135 Nakovava) 
dieſes Naruana, d. i. Nachidſchevan, ald eine Stabt Großarme⸗ 
niens ſehr wohl, alſo ſchon lange Zeit, ſo wie dem Joſephus bekannt 
iſt, ehe noch eine durch die chriſtliche Kirche bedingte Legende dort 
entſtehen konnte. St. Martin vermuthet daher, daß durch ſehr 
frühzeitige jüdiſche Colonien, die in Armenien auch am Arares ſich 
nieberlaffen konnten (f. ob. S. 249), und welche Anfang des 4ten 
Jahrh. wenigftend, zumal am Araxes zu Nachivfchevan, wirklich 
febr zahlreich 7) waren, dieſe Bebeutung jener Ortſchaft ent⸗ 
flanden fein mag. Die vielen andern dhriftlichen Legenden, welche 
nur zufällig der fo Flofterreichen Umgebung des Urarat angehören 
und keineswegs von ihm felbit ausgeben, laſſen wir auf fich beru⸗ 
ben, um nun zu ven eigenthümlichen DVerhältniffen feiner Umge⸗ 
dungen und feiner hoͤchſt merkwürdigen Oertlichkeit felbft überzuge⸗ 
hen. Doch erinnern wir zuvor zu dem, was oben von der centra⸗ 
len Stellung des Araratd nach der beſchränkteren Vorftellung 
ber Armenier gefagt if, daß wirklich eine ſolche centrale 
Stellung in Beziehung auf die gefammte alte Welt 
ſtatifindet, wie dies zuerfi von K. v. Raumer 2) vortrefflich mit 
prägnanter Kürze und Beflimmtheit gezeigt iſt, eine Unficht, die auch 
als eine wirkliche Tharfache ihre Anerkennung gefunden hat. 9) 
Nämlich darin, daß er 1) fat im Mittelpuncte der größten 
Zanvlinie der alten Welt, zwifchen dem Kap ver guten Hoffnung 
und der Behringöäftraße liegt; 2) daß er faft in der Mitte des gro⸗ 


ei) Wliston Not. in Mos. Chor. Hist. Arm. Lib. I. cap. 20. fol. 
71. 3. »2) St. Martin Mem. s. l’Arm. I. p. 88. "8. 
v. Raumer, der Ararat ꝛc., ein Beitrag zur biblifchen Erdkunde, im 
Hertha Bo. XI. 1828. ©. 333-840. +) v. Hoff, Geſchichte 
der natürlichen Veränderungen der Grooberflähe. Gotha 1834. 8. 
Th. Il. ©. 368. .n 


/ 





Eupbratfoftem; Armeniſche geographifche Quellen. 365 


fen afrikaniſch⸗afiatiſchen Wüſtenzuges (wahrſcheinlich eines alten 
Reerbopens),, und eben fo 3) des jenem gleichlaufennen Zuges ber 
Binnenwaffer, von Gibraltar bis zum Baikal⸗See, liegt. Endlich 
4) daß derfelbe in der Mitte von rings venfelben Punct umgeben- 
ven Gewäffern liegt, wie kein anderer Bunct des alten Gontinents 
eine ähnliche Erſcheinung darbieten möchte. v. Maumer gründet 
hierauf die keinedwegs zufällige Lage dieſes Rettungsberges auf 
änm weiten Erdkreiſe ver alten Welt. Dieſes Verhältniß voll« 
fnmmen anerfennend, da wir auch in ver ganzen Erdplaſtik eben 
je wenig, wie in den Organifationen überhaupt, einem bloßen Zus 
ſale huldigen Können, fcheint uns daſſelbe Berhältniß doch weniger 
wm einen Puncte anzugebören, als im Gegenſatze des centralen 
ms der Geſammtnatur Vorderaſiens überhaupt, welche 
wie burch „Bad Marimum ver Annäherung der brei Eon 
„tinente der alten Welt mit ver Begünſtigung der fünf 
„Durchbrüche großer Meeresftragen” zu characterifiren ver 
fuht haben (Erdk. Th. II. S. 78), in welche auch jener Punct mit 
eingeichloffen iſt, der feine größte Bedeutung erſt durch den ganzen 
Gompler zufammengehöriger Berhälmiffe für die allgemeine Men⸗ 
ſchencwiliſation gewinnen Tann. | 


2) Sortfchritt der Quellen und Hüulfömittel zur arme- 
nifchen Geographie. 

Wir Haben uns fchon von der OÖftfeite ber, vom perflichen 
Khei aus, mie Morier und El. Smith gegen R.W. dem Ara⸗ 
zeäthale zu, gegen das Dflende des Araratfußes genähert, mo die⸗ 
fr auf ver großen Fläche der Araredebene ſteht, und durch feine 
Höhe wie durch feine fchöne Form und die infrlartige Lage den er⸗ 
habenſten Anblid gewährt (f. Erdk. X. S. 911— 916). Wir ha⸗ 
ben eben fo, der mehr weſtlichen und directeren Moute von Khoi 
über Bayazed gegen Erzerum folgend, vie Reiſenden Monteith, 
6. Smith und Fraſer über Zavi und das feltiame Maku bis 
Bugazed begleitet ( Erdk. IX. ©. 916924), wodurch und auch von 
weſer Seite Ger Die landſchafiliche Natur ver Süpfelte des Ararat 
entgegentrat, da wir auch von Bayazen aus den Weſtweg bis Di- 
“on durch I. Brant kennen lernten. Es bleibt und aljo, fo 
ſparſam auch jene landſchaftlichen Andeutungen fein mögen, voch 
vorzüglich vie Durchwandetung der Nord⸗ und Weſtſeite des 
Ararat une feiner Umgebung. übrig, ehe wir feine Höhen ſelbſt 
in erfirigen verſuchen. 





N 








366 WefhäAfien. III. Abcheitung. I. Aofheitt. $. 34 


Bon dieſer nördlichen Seite her, ber georgiſchen oder 
der ruſſiſchen, deren Natur durch den Araxeslauf ihre Phyſiog⸗ 
nomie gewinnt, haben wir fett J. B. Tavernier's (1655) unt 
Pitton de Tournefort's (1760) Zeiten eigentlich allein nu 
genauere Beobachtungen, Meffungen und Aufnahmen erhalten, va 
bie ſüdliche, Die kurdiſch⸗perſiſche Seite durch alle Jahrhun⸗ 
derte hinvurch bis heute viel zu unſicher war, um mehr als nur 
Ourchflüge zu geſtatten. Dort aber find es zugleich Städte und 
armeniſche Kirchen und Klöfler, die als Stationen durch ihr 
Safttichkeit ſelbſt wiſſenſchaftliche Reiſende und Umterfischungen 
geförbert Haben, welchen daher auch Kein geringerer geographiſchen 
Fortſchritt in der Kenntniß dieſer Erpgebiete angehört. Bor allen 
aber iſt es die Durch die Beteräburger Alapemie der Wif- 
ſenſchaften veranlafte wiſſenſchaftliche Exrpeition Dr. Fr. 
Parrot's 9%) (im Jahr 1829) umd. feiner Begleiter, Waſſil 
Fedorow, des Aftronomm, M. v. Behaghel, des Beognoften 
und zweier Studioſen der Mediein, Jul. Hehn und K. Schlie: 
mann, welcher wir die wichtigſten Naturbeobachtungen verdanken 
ſo wie dem unermüdeten Wanderer und Forſcher der Antiquitäten 
unferm verehrten Freunde Fr. Dubois de Montpereur,) dis 
intereffanteften Entdeckungen und Berichte über eine unerwartete und 
bis dahin faſt unbenchtet gebliebene File von Dentmälern aller 
- Art, welche oft ein wichtiges Licht auf die weniger berüdfichtigte 
Geſchichte des armenifchen Landes und Volkes werfen, deſſen Kern 
ſich gewiffermaßer um ven Ararat concentrirt. Als einen großen 
Bortheil vor unferm erften, wenn fchon ſchwachen, doch mühſamen 
Berfuche armeniſch⸗ geographiſcher Unterſuchungen (f. Erdk. ers 
Auflage, 1818, TH. II. ©. 704 807) Haben wir es anzufehen, daß 
fett jener Zeit, in der man ſich noch faft ganz vergeblich nach ar- 
menifchem Quellenſtudium umfab, die linguiſtiſchen Arbeiten umnjers 
entfchlafenen Freundes I. St. Martin in feinen bekannten Me 
— 97) über Armenien erſchienen find, fo wie bie unſerer auf 

dem armeniſchen Sprachgebiete fo wirkſamen jüngern Befreundeten 
und Golegen, dee Herren Profefforen G. 9. Reumann °) in 


206) Dr. Ir. Parrot, ccf, Reife zu m Ararat. Berl.1834. 8. Th. I. u. H. 
°°) Fröderio D de Montperenz, Yorage autonr du Ceu- 
. esse eto. en Annönie et ——— veo un atiss etc. Paris 
1839. 8. T. III. 858488. er) 1. St. Martin, M&moires 
historiques et —— sur FArménie. Paris 1816 et 1810. 
2 Voll. 8. »®) C. F. Neumann, Memoire zur ia vie et les 
4 





Eupbrarfuften ; Zugänge zum Ararat von Rord. 367 


München und 3. H. Petermann in Berlin, beren zuvorkommen⸗ 
von perſonlichen Belchrungen und ſprachlichen Mittheilungen aus 
ven armenifchen Quellen wir für unfre. geographiiche Bearbeitung 
dieſer Landſchaften, fo wie indbeſondere letzterem mehre hand⸗ 
ſchriftlichen Mittheilungen verdauken. Nämlich Ueberſetun⸗ 
sen aud des armeniſchen Geſchichtſchreibers Lucas Judſhidſheau 
algemeiner Erdbeſchreibung der vier Theile der Erbe 
( inn tschuritz masautz asch charhi), erfler Theil, 
Arm, erſte Abtheilung, Neu Armenien, Menebig 1806, 8; des⸗ 
zlaichen wie aus Luc. Snpfhinfheans Werke über Alt- Armenien, 
Venedig 1820. 4. Do. 1., und aus veſſen Archäologie Arme» 
niens, Venedig 1835, 4 Bpe., darin das erſte Kapitel des erſten 
Theiled die geographiſche Archäologie des Landes Arme 
nien enthält Sierzu kommt die verbien Arbeit unſers ver⸗ 
cheien Freundes E. U. Herrmann, bie im Maͤrz 1835 in 
Berlin über „das ruſſiſche Armenien, N) von armeniſchen 
SHristftellern gefchildert” (zumal nad Indſhidſhean und 
Thamtſhians Geſchichte von Armenien), 54 Selten in 8., vruden 
üf, und und gütlgft mitgeteilt has. 


I) Zugänge zum Ararat, zumal von der kaukaſiſchen 
Rorpfelte, über das auffleigende Stufenlanp, mit ven 
Profilverhältniſſen zur Hochebene des Araxes. 


Iſt man den Hohen Alpenzug ber kaukafiſchen Kette vom Nor⸗ 
den ber in die Thalebene des Kur bei Tiflis, das an ver Kur⸗ 
üde doch noch 1100 9. Par. Über dem Spiegel des Meeres, ’%) 
alſo noch keineswegs in einer großen Niederung der Ebene liegt, 
hinabgeſtiegen, fo hat man weiter ſüdwärts, gegen ven Ararat Hin, 
des Bollwerk dreifach verüberziehenver, unter ſich mehr oder 
weniger paralleler Gebirgs züge zu überfteigen, ehe man pie 
v90chebene des Arazes, des fürlichen Zuſtromes zum Kur, 
wit Erivan um Etſhmiadzin erreicht, in deren fürlicher Nähe - 


ouvrages de David Philos.Arın. etc, Paris 1829. 8.; deſſ. Vah- 

rams chronicle of the Armenian Kingdom in Cilicia, London 

1881. 8.; deſſen Geſchichte der Ueberfe ung der vierzigtanfend Ars 
wenker im 3. 1888. Leipzig 2884 

*®) Bergl. Coup d’oeil gendrel * les provinces nourellement 

comquises par les Russes et appelldes par eux-mömes Terri- 

ie TArmönie. Venise 1828. 700) Barrot Meife z. Ararat. 

4 


N 








368 ef Afen, TIL Abteilung. I. Abſchnitt. $. 34. 


der Arares ſelbſt am Nordfuße des Ararat, an welchem das 
Dorf Arghuri fich fo eben 'anlehnt, in einer langen Stromlinie von 
Wer nad Oſt vorüberzieht. Die weite Uraredebene, an ber 
Furth zwiſchen Etſhmiadzin und Arghuri, liegt Hier nur 28. 
über dem Waſſerſpiegel des Fluſſes, doch noch 2740 F. Par. über 
dem Meere, 2) iſt alſo eine Plateauebene, die um 1640 %. höher 
geſtellt iſt, als die Kurebene. Wir nennen fie daher vie erfie 
nördliche ober obere Borftufe von Armenien gegen. ven kau⸗ 
kaſiſchen Iſthmus, von welcher jene dreifachen Gebirgsparal⸗ 
lele zu überſteigen find, vie fih noch zwiſchen den Araxes⸗ und 
Kur⸗Thaͤlern erheben, ehe man in die zweite Stufenlandſchaft, 
bie des Kurflvomes, oder nad Georgien, binabfleigt, welche mit 
jener des Arares die beiden Vermittlungsſtufen zwiſchen dem 
Nord⸗Taurusſyſtem und dem Kaukaſus⸗Syſtem bilden, 
welches letztere eben’ hier als eine durch dieſe beiden Stufenland⸗ 
ſchaften vom Jranplateau abgerückte Gebirggumwallung 
erſcheint (f. Erdk. Th. I. S. 38). Wirflich bleibt der Kaukaſus 
noch Immer Maſſenbegleiter des armeniſchen Hochlandes, 
mit derſelben vorherrſchenden Normaldirection veſſen 
ndrdlicher Randgebirge gegen N.W., wie des Normalzuges 
des ganzen nördlichen Taurusſyſtems, dem darum auch die 
Normaldirectionen der dazwiſchen liegenden Stufenlandſchaften mit 
ben Stromlaͤufen des Kur und Araxres in ihren obern Stufen- 
tbälern vollfonmen parallel ziehen. Nur erſt mo ven Arares 
unterhalb Nachidſhevan und Diulfa, bei Urdabad und Migri, 
in feinen gewaltigen Wafferflürgen von mebr als 1000 F. Höhe 
die gegen Südoft ſtreichende Gebirgskette des Alaghez ?) 
mit ihren wilven Felsklippen durchbrochen hat, verändert, er plög- 
lich feine Normalrihtung aus SD. gegen NO. und eilt dem Bette 
und dem Delta ded Kur an ver faspifchen Niederung. zu. «Gier 
tritt er alfo ganz aus den geglienerten Nordabſtufungen nes Iran- 
plateaus und ſeiner nördlichen Randgebirge des Taurusſyſtems hin⸗ 
aus. Wir haben es daher hier nur mit ſeinem obern Stu= 
fen ne ver hoben Araxesebene, zu thun, va fein unteres 

dem Tiefthale des Taukaftjchen Iſthmus und feiner Gebirge- und 
Thallandſchaften angehört. 

Halten wir feſt an jenen Sauptverhättniffen, von denen 





. 101) Barrot Reife —* Ararat. I. S. 43, . 3) Fr. Dubois vor. au⸗ 
tour du Caucase. Paris 1840. 8. T. w. p. 43. 


m 








Euphratſyſtem ; Zugaͤnge zum Ararat, von Nord. 369 


alle andern nur als untergeordnete erſcheinen, fo zeigen ſich dieſe In 
dem Normalzuge ver beiden großen parallelen Gebirgsſy— 
feme: des nördlichen, vielfach gegliederten Taurusſyſtems, 
vſſen hervorragendſtes Gebirgsglied aber eben hier, im Norden ber 
Ketten, um ven Dan» See (f. ob. S. 330) mit vem hoben Ara⸗ 
sat beginnt, als Aghri-Tagh und AlasTagh (f. ob. S. 79), 
gegm Weſten durch den Norden von Erzerum zu den Pontußfetten 
frtfepreitet, und in dem großen Kaufafusfgftem, pas zwei bis 
vi DBreitengrabe, over 30 bis 45 geogr. Meilen, weiter nordwärts 
is Parallelism, in gleicher diagonaler Nichtung vorüber zieht. 
Zwiſchen dieſen beiden Orenzketten im Süden und Norven find vie 
untergeorpneten Bliederungen dieſer beiden Hauptſyſteme 
mennigfach in einander verzweigt, doch fo, daß ihre äftlichen 


fh mehr von einander iſollren und durch Thalſenkungen, in veren . 


dner auch der Erivan«See liegt, fcheinen, ihre weftlichen aber, vie 
yontifhen Ketten vund Hochthäler, höher und mafliger im 
Yufammenhange bleiben, und gegen dad pontifche Geſtade Hin, wie 
der Kaukaſus felbft, Höher und Höher gehoben werden, wo eben die 
mehr mit der armenifchen Plateauhöhe zufammengebörigen Quell⸗ 
gebirge der beivden Cuphratarme, des Arares, des fünlichen 
Kurfluffes (Kura) und die weftablaufenden Küftenflüffe 
zum Pontus, vom Tſhorokh zum Rion und Phaſis Hin, 
ihre gemeinfchaftlichen Quellgebiete haben. 


Von dieſen untergeordneten Gliederungen auf der Strecke zwi⸗ 


ſchen Tiflis am Kur und Arghuri nahe dem Araxes am Ararat⸗ 
fuß, 31 geogr. Meilen Wegs (280 Werft, vurchichnittlih 44 Werft 
S 1 Stunde Reiſezeit nach Parrot), 3) find es vorzüglich jene 
breifachen Bebirgsparallele, vie und durch die dreifach 
überfliegnen Bebirgspäffe von Agsbduk, von Beſobdal 
u von Pambak, und deren Mefiungen über ven anliegenven 


Übenen, zu einer genauern Kenntniß des vom Kurtbale zur Araxes⸗ 


ebene und zum Ararat auffleigenden Profiles von dem Nord⸗ 
abfalle des armenifchen Plateaulandes verhelfen. Dies 
iR ver erſte beflimmte Anhaltpunc, ven wie für bie Gonftruction 
und ylaftiiche Geftaltung jener Landfchaften in neuer Zeit erhalten 
haben, an welche fich die frühern hypſometriſchen Angaben ver 


Rafienerhebungen im öftlichen Aperbivjan und zum caßpiichen Meere 


(Edt VII. ©. 15) lehrreich anfchließen, fo mie im Weſten nach 
®) Barrot Reife, I. ©. 72. 
Aitter rdfgpbe X. Aa 





370 Wefl:Afien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 34. 


der pontifchen Seite zu Die Durch I. Brant geſchehenen, wenn auch 
nur approrimativen Meffungen. 

Alle 3 Gebirgspäſſe, melche fünliche Seitenthäler des Kur 
mit ihren zugehörigen Einfenkungen vom Kurthale felbft abichneiben, 
llegen noch innerhalb deſſen Quellgebiete; erſt der dritte und Hödhfte 
perfelben, der Pambat-Paf, = 7355 F. P. üb. dem Meere, iſt 
zugleich Wafferfcheide zwiſchen Kur- und AraressZuflüffen, 
und finft ſüdwärts unmittelbar ohne weitere Unterbrechung in die 
hohe Araxesebene ab. Doch ift zu bemerken, daß vieſe Päſſe na- 
türlich Ten Maß von den höchſten Gipfelfetten abgeben Tönnen, 
welche eigentlich dieſes 3fache Bollwerk untergeorpneter Gliederung 
am nördlichen Stufenlande Armeniens conflituiren, fonvern 
eben nur von ben bequemfien Einfattlungen in venfelben, durch 
welche daher die ältere große Milttärftraße von Tiflis nach der Feſte 
Gümri auch für die Neifenden einigermaßen gebahnt war, bis 
diefe feit dem Feldzug 1828 anderweitig verlegt, verbefiert und direc⸗ 
tee geführt worden if.) 

Die Höhen der drei Päffe find: 

1) Paß Agsbduk over von Alawerdi = 54598. P. ũb. d. M. 
2) Paß Beſobdal 6268 — 
3) Paß Pambak (Sambaki) . 7355 — 

Aus drei Thalſtufen mit ſehr wechſelnden Niveauverhält⸗ 
niſſen, deren Flußläufe noch insgeſammt zu dem hydrographiſchen 
Gebiete des Kur, als deſſen ſüdliche Zuläufe, gehören, Hat man 
ihre Rücken zu überfteigen, ehe man tn bie vierte, in die Plateau⸗ 
fiufe der hohen Araresebene zum Nordfuße des Ararat ge⸗ 
langen kann. 

1) Erſte Stufe des Kurthales bei Tifus, im Niveau 
des Kurfluſſes = 1100 üb. d. Meere; allmaͤhliges Auffteigen über 
meiſt flachhũgliches Bergland = 4359' empor, 618 zur Culmination 
des Agsbdut- Paffes=5459'; ſüdlicher, weit fleilerer, plög- 
licher Abfall von = 1211° Fuß, bis zur zweiten Thalſtufe. 

2) Zweite Stufe, von Dſchallal Ogluh, = 4248’ üb. M. 
bei dieſem Drte, der in der Mitte dieſer Zmwifchenebene Tiegt, die 
vom Tabedah-Fluß (auh Debada oder Bortfcha), einem 
Zufluß zum Pambaf und Kurfluß, von WB. gegen O. durchzogen 

wird. Erſt almäßfiges, dann aber ftärkeres, ſtufenweiſes Auffteigen, 


= 202%, alfo von doppelt fo hoher Bafls, aber nur Halb fo hoch 


Ei 
m 


94) en. Paslewitſch Feldz. 1828. 6. v. Uſchakoff. I. ©. 165. 
a 





Euphratſyſtem; Zugänge zum Arcarat von Nord. 371 


wie zuvor am Agsböuf, zur Gulmination der zweiten, nur um 766’ 
höbern Paphöhe ale die erfte, zum Paß Beſobdal — 6268”. Aber 
von dieſem faft gleiches fünliches Abfallen wie gegen Nord, nämlich 
= 2002', fübwärts zum Pambak⸗Thal bei der Kifhliak⸗Station. 
Diefe Zwiſchenebene ift vom Pambak⸗Fluß durchſchlaͤngelt, der gegen 
RD. zum Kur durchbricht, nachdem er. den Tabedah aufgenommen. 
Dieſe Beſob dal- Barriere bildet eine wichtige natürliche 
Grenzvertheidigungslinie Georgiens im N. gegen Arme 
sim im S., welche durch die ruſſiſche Beftungslinie ©) von 
dhallal Oglu in ver Mitte, von Gümri im W. und Ger⸗ 
gereh im Oſt des Ucherganges über viefelbe, zu vollfländig firates 
giſcher Ausbildung gelangt war, che noch der Feldzug 1828 u. 29 
ni der Erweiterung biefer Süngrenze ber ruſſiſchen Serriägaft be⸗ 
gann. — 

3) Dritte Stufe von aifbliak im Pambak⸗Thale = 
4266’ über dem Meere. Sogleich im Süden ver Kifhliak (over 
Kiſhla) = Station am Pambakfluß (auch Debada genannt) fleigt 
das dritte Bollwerk, gewöhnlich die Karaklis- Kette genannt, fehr 
hart = 3078 empor, 618 zur Gulmination des Pambak⸗ 
Baffes = 7344' Über d. Meere, von welchem noch ein Rückblick 
gegen Norb auf die Kaukaſusgipfel flattfindet. Sein fünlicher Abe 
il = 4604 Fuß zur Araresebene findet nicht unmittelbar flatt, 
fonbern erſt vermittelft ver Thalſenkung des Abar⸗Fluſſes, ver direct 
gegen Süd am Oſtfuße des coloffalen Alaghes⸗Gipfels, 12871 
über dem Meere, ſich bei Etſhmiadzin vorüber zum Araxes in ber 
Arareöebene (= 2740’ über dem Meere) ergießt. 

Diefes ift das merkwürdige Profil, das hier überſtiegen wer⸗ 
ven muß, um den enblich alles beherrſchenden erhabenen Ararat 
gu erreichen; feine Detailverhältniffe gehen aus dem Routier der 
Reifennen von ſelbſt hervor, denen wie jenes barometrifche 
Nivellement 6) verdanken, welchem jene Hauptverhältniſſe ent⸗ 
nommen find. Die daſelbſt gemeſſenen Stationen find folgende: 


I. Ueberſteigung der Stufe von Tiflis bis Ofhallal 
Ogluh, über ven Agsbduk⸗Paß. 


1) Von Tiflis nach Teleti, Station 2... 1662’ Par. 
2) Station KRovi . ING — 
3) Am Wege 8 Werft weiter en U — 


) Gen. Paskewitſch ei 1828, v. uſchakoff. L. S. 151 m. ' 
) varret Reiſe. I. ©. 
Aa 2 





372 Weft:Afien. IH. Abtheilung. I. Abfchnitt. | 


4) Chramfluß, 3 Fuß über dem Waſſerſpiegel 100: 
5) Station Schulamer, nahe den u Golonim 1602 


6) „ Same! . . 323€ 
7) Abhang des Agsbouk ee © ©: 
8) Gulmination der Paphöhe a0 Su... 5456 
9) Station Agsböuf . en dY4E 
10) Station DfpallalOglu.  . 0 4248 


1. Ueberfleigung der zweiten Stufe von Dfhal 


Ogluh His Pambak⸗Thal, zum über den Beſobdal— 


1) Station Dſhallal Ogluhe. . . er v7! 
2) Station Berger . . . . . 4461 
3) Beſobdal Paphöhe . 2006268 
4) Station Kifhliat, Pambal- <hal 200... 426 


II. Ueberſteigung der dritten Stufe vom Pamb 
Thal bis zur Arareschene, über den Bambat-P 


1) Kiſhliak im Pambal- he . .  .. 4266 
2) Station Hammanluh . . 472% 
3) Pambak, 10 Fuß unter der Scheidece . 734 
4) Pambak⸗Paß, Culmination . 7354 
5) Station eined Koſaken⸗Piquets . . 616% 
6) Baſch Abaran, am Fluß Abaran, Duarantaine 593C 
7) Höhe, 10 Werft (2 gute Stunden) von a . 602€ 
8) Am Fuß eines Berge 10 Werſt wir. . 5832 
9) 20 Werft (44 Stunden) von Erfhmiadzin . 3952 
10) Kloſter Etſhmiadzin, im Hofraum ber 
Katbeorae . . . . 2866 


11) Am Araresufer, 28. über deſſen Waſſerſpiegel 2740 
Bon Tiflis aus bis an den nordlichen Fuß des nd 


niedern Gebirgezweigs von Alawerdi iſt die Gegend meiſt 
ausgebreitet, 7) von weiten Thaͤlern durchzogen, mit Dam 
uͤberdeckt, aber es fehlt außer den gepflanzten Bäumen jeber % 
wuchs die Wege entlang, wie dieſer doch auf der kaukaſiſchen 
des nörblichen Terekufers hervortritt. Das rechte Kurufer 1 


aus porphyrartigem Grünftein und Kalk, und iſt 3 Stunden 


R 





707) Barrot Reife, Th. 1. S. 72— 76; M. von Behaghel & 
fungen auf feiner Reife zum Ararat au M. v. Gugelhardt; eb 
Meiſe, Th. I. ©. 177— 182 


v 


18 





Euphratſyſtem; Zugaͤnge zum Ararat von Nord. 373 


ſüdlich von Tiflis bedeutend Höher (an 600 Fuß über dem Kur) 
als das linke Ufer. Es dacht ſich zu flach abgerundeten Hügeln 
ab, da fich das linke Ufer alsbald zu bedeutendem Höhenzuge er» 
hebt. Dieſe flachen Hügel werden von einem 200—300 Fuß tiefen, 
1 Werſt breiten Thale zwiſchen Teleti und Kodi (pie zwei er 
fen Stattonen) durchſchnitten, darin ein Salzſee, eine Viertelſtunde 
Img, mit Thon und Sanbufern und geringer Pflanzenfpur, vie 
Seitenwände von Grünſteinporphyr. Eüdlich von dieſem Thale 
nahm die Gegend ihren frühern Character an; flache Hügel in der 
Nihe, mit ſchon am 1. September verdorrten Gräſern und Kräutern, 
um nur in ber Berne höhere Berggipfel. 

Nur almäplig ſenkt jidy die Gegend Hier zum Alghet, einem 
Seitenfluß des Kur, der, jetzt nur feicht und fchmal, im Frühjahr 
bile Trummer wälzt. Der Waſſerſcheldezug zwilchen ihm und fels 
um parallelen, auch zum Kur eilenden ſüdlichern Nebenfluß ; dem 
Chram, ift nur bei 1000 Fuß über dem Meere hoch, da der 
Ehram ſelbſt ſchon tiefer fließt, als der Kur bei Tiflis. Das Chram⸗ 
Thal iſt einige Werft breit, weniger flach als dad Alghet- Thal 
Das ſüdliche oder rechte Ufer iſt fiufenartig 200 Fuß über der Thal⸗ 
jele anfleigenn, und bedeutend Höher ald das nörpliche ober Tinte. 
Jet, im Herbſt, war der Fluß feicht, vol Rollblöcke von. Bafalt 
amd Porphyt. Ein alter Brüdenzeft aus unbekannter Zeit zeigte 
bie ehemalige Gangbarkeit dieſer Route. Vom rechten Ehramufer 
ſenkt fich die Gegend etwas gemach zum Thale von Schulameri, 
von wo dann der Weg ftetig vie Eegelföürmigen hoben Vorberge des 
Alawerpt binanfkeigt, wo fich zuerft feinkörniger Granit und 
Vorphyr anftchenn zeigt; weiter aufwärts ragt Borphyr und 
Grünftein aus dem Gerdllboden hervor. Ehe man noch ben 
Öauptzug des Alamwerpi felbft erreicht, feht man, 5 Stunden 
im Süd von Samezk, durch ein tiefes, enges, zu beiden Seiten von . 
hoben Bergen eingefchlofienes Thal, das durch Schluchten zerrifien 
RM Aus ihm ſteigt man flufenweis zwifchen Porphyr den erften 
semıhaften Bergrüden empor, ver in ver Nähe des Alawerdi fich 
hinzieht, und auf defien Eulmination die Wegſcheide Im Tartarijchen 
Agsnduf heißt, = 5459. über dem Meere. Diefe tft oben nur 
100 Schritt breit, mit Porphyr und Grünfteinkuppen beſetzt, vie 
Anm Rückblick auf ven Kaufajus und auf fein Nebelmeer geftattes 
tm. Bis 5 ober 6 geogr. Meilen von Tiflis ſüdwärts iſt ver Bo⸗ 
ben gut bebaut, zumal mit Weinreben; weiter aufwärts, wo ſich 
bie Hige minvert, und ver Boden mehr Seuchtigkeit enthält, tritt 


» mw 


! 





374 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. %. 34. 


Baumpegetation auf, aber nur allmählig fi von Geſträuch zu 
Baummuchd erhebend. | — 
Diefe Baummaldung der Norbfeite hört aber an ber dem 
trocknen Gontinentalclima ver Plateanfelte von Armenien zugekehr⸗ 
ten Südfeite des Ulawerpi- Zuges auf, der ſchon ganz baum 
Ios if. Don einer Kupfergrube Alawerdi, pie au Griechen ver⸗ 
pachtet if, hat ver Bergzug felnen Namen. Bon ver Paßhoͤhe 
am welt fleilem Südabfall des Berges: ald von der Nordſeite find 
zur Station Agsbduk, =4946' Üiber dem Meere, nur 14 Werft, 
Keine halbe Stunve, und nicht fern von da beginnt ſchon vie 4248 
hohe Thalebene, welche wir mit Barrot Die Bmwifchenebene vom 


Dfpallal Ogluh, zwiſchen Agsbduk und Beſobdal genannt ha⸗ 


ben; fie iſt früher unter dem Namen von Lori bekannter. 

Hier beginnt die zweite Stufe mit einem ſehr fruchtbaren 
Gebirgsthale, in welchem keine Felſen fichtbar find, das mit ergie⸗ 
biger Dammerbe bedeckt, und von dem 100 Schritt breiten, aber an 
200 Fuß tiefen Spalte durchbrochen ift, ven der ſchon oben ge 
nannte Tabevahfluß zum Kur durchſtroͤmt. Die Bafaltwände dieſes 
Spaltes, mit Unterlage von porphyrartigem Geftein, fcheinen ihr 
Entſtehen Hebungen aus der Tiefe zu verdanfen. Sur 15 Stun- 
den fern von der Station Diballal Ogluh, an wiefem ſich ge⸗ 


. gen Oſt durchziehenden Ylußfpalte, Liegt Lori mit feiner Umgegend, 


die in frübern Zeiten ſtark durch Armenier mit Dörfern, Burgen, 
Klöftern beſetzt war, und in ven letzten rufflfchen Kriegen das Aſyl 
des armenifchen Patriarchen geworden war. Lori war vorbem ber 
Gig armenifcher Fürften; eine der gefichertfien, geſundeſten und 
fruchtbarſten Landſchaften. Die einflige Stadt und Feſte Lori, die 
jegt in Ruinen liegt, ohne Denkmale höhern Alters, Aber vol mach⸗ 
tigen Mauerwerks iſt auf ſteil abflürzennen Doleritfelfen 9 
erbaut, die von 3 Seiten vom Fluffe umzingelt werben, auf ber 
vierten Seite zeigt fich ein tiefes Flußbett, welches den fchänften 
natürlichen Feſtungsgraben bildet. Die ganze Bevdlferung viefer 
gegenwärtig vereinfamten und felbft faſt vergeffenen Erdſtelle beſtans 
nur noch aus 5 armenifchen Familien, vie Hier in fliller Abgeſchie⸗ 
denheit, unbemerkt, jelbfiftändig ein wahres Aſyl gefunden zu haben 
ſchienen, und fidy durch Gaſtlichkeit einen guten Namerr machten. 

Unfern dem ſüdllchen over rechten Uferrande diefe® Spaltes 
erhebt ſich vie Gegend nur Furze Zeit, allmählig, dann ftärfer, bis 
zur Höhe von 5000° zu einem noͤrdlichen Gebirgszweig des Beſob⸗ 


e {N 5 \ 


708) Barrot Reife, I. ©. 238. 


E 





Euphratſyſtem; Zugänge zum Ararat von Nord, 375 


val, der. auch mit Gerdll und Dammerde bedeckt iſt. Diefer vereint 
fh nun mit dem Beſobdal ſelbſt und fchließt mit ihm ein halb» 
offenes Gebirgäbeden ein, aus deſſen Seiten vie Gegerquellen ihren 
Verein als Zufluß zum Tabedah gewinnen. Von der Südſpitze 
dieſes Beckens ſteigt ſtufenweis der Hauptzug bed Beſobdal aus jas⸗ 
pibartigem Grünſtein empor, ver nörblich einſchießt und das 
Pewhyrgeſtein durchbricht, bis zur Paßhöhe von 6268 Fuß. Aus 
feinem ſehr ſchmalen Paßrücken ragen hie und da einzelne Feldſpath⸗ 
un Porphyrkuppen hervor. Ä 

Bon da geht es durch ein tiefes, kühles, ſtark bewaldetes Ge⸗ 
biugothal, und dann durch eine mehr offene Thalgegend, in der die, 
Dirfer Kifhliak, vie Station, und Hammamlu (Umanli) liegen. 
dolgt man einem Seitenthale bis zum Hauptthale des hier durch⸗ 
zuhenden Pambakfluffes durch Orünſtein und Porphyrboden, fo 
wift man nur ein paar Werft von Kiſhliak die ſprudelnden Sauer⸗ 
quellen, 4693’ über dem Meere gelegen. Der Beſobdal zei 
net ji Durch feine Waldbedeckung zu beiven Seiten feiner Ab⸗ 
dachungen auß. ” \ J 

Hier beginnt die dritte Stufe des Aufſteigens von der Ki⸗ 
ſhliak⸗Station bei 42661. Dieſes Pambak⸗Thal, die Scheidung 
zwiſchen Beſobdal- und Pambakzug, ſchlängelt ſich zwiſchen abge⸗ 
rundeten Hügeln hin, die durch Nebenthäler in kleine Gruppen ge⸗ 
theilt Fand 


Der Gebirgszug von Karaklis (nach der Hauptſtadt am 
Pambakfluſſe genannt), davon der Pambak⸗Paß nur einen Theil 
ausmacht, ift, nah Parrot, ?) überhaupt .nur ein öftlicher Aus- 
läufer der großen Taurudfette des Sagkanlu, die fih vom 
Binghöl oder Bingheul Tagh (f. ob. S. 76, 79) zwiſchen 
Grzerum und Kard gegen Nordoſt abzweigt, bid zu dieſem 
Bambal. | 

Diefes iſt alfo wirklich eine ver nörplichfien Gliederun— 


gen des nördlichen Taurusſyſtems, das wir ald wahres 


Randgebirge von Hoch⸗Iran angefprochen haben, wie es denn bier 
auch noch nicht zum Eaufaflichen Syſteme gehörig erſcheint. Dieſer 
Gebirgszug des Pumbak feigt hier ſehr fleil an über Kalkſtein und 
Srünfteintrümmer, mit Dammerde bevedt, bis zur ſchmalen Scheitel- 
fläche des Gebirgspaſſes felbfl, = 7354’ (over 7355), auf der, nad} 
v. Behaghel, einzelne Granitkuppen Hervorragen, und von wo 


®) Barrot Reife, Th. I. ©. 75. 





376 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 34. 


zum legten male ver Rückblick zum Hohen Kaukaſus noch frei ſteht. 
Den gut gebahnten Fahrweg über diefe Vaphöhe fand Parrot, 
der viel größern abfoluten Höhe ungeachtet, doch bedeutend Teichter 
zu verfolgen, als über vie früher bezeichneten niedern Gebirgspäfſe. 
Doch zog man es auf dem Rückwege vor, eine um 282 %. höhere 
und weiter im Often gelegene, aber kürzere, obwol noch fleilere 
Noute des Rückens (7636 Hoch) zu verfolgen, well man biefe nur 
zu Pferde zurüczulegen hatte. Schwache Grünfteinfchichten in Por 
phyr eingelagert, zeigten fich auf ihr. Etwa 3 Stunden gegen Süd, 
abwärte des Pafles, war wegen ber In Erivan herrfchenten Peft 
damald (1829) die temporäre Quarantaine angelegt, welche fpäter 
an den Nordfuß des Beſobdal⸗Paſſes nach Gerger 10) zur dortigen 
Feſtung verlegt warb. 

Die Quarantaine lag in ver Gegend, vie Baſh⸗Abaran bei 
den Tataren, Abaran Pol bei den Ruſſen beißt, am Abaranfluß, 
länge welchem im Feldzug 1828 durch General Paskewitſch 14) 
eine neue Militäirftraße nach Etſhmiadzin gebahnt warb, dem gegen 
Weſt ein fteiler, hoher, zadiger Felskamm fich ziemlich iſolirt, doch 
dem Pambak anfchliegenn, emporthlirmt bis zu ewiger Schnechöße. 
Dies iſt der Alaghez (auh Alt Guz der Türken, Arakadz 
ber Armenier), 12) der nad) Fedoro wo trigonometifäher Meflung 
fi) 10148° Par. relativ über ver Ebene des Arares, und nad Par- 
rots barometrifchem Nivellement vom Arares zum ſchwarzen Meere 
fih = 12871° Bar. (12766' n. v. Behaghel) 1?) über dem ſchwar⸗ 
zen Meere over dem Drean erhebt. Doc nur an feiner Norbfeite 
Bat er an einigen namhaften Flächen ewigen Schnee, an feiner 
Südfeite fah man im Auguft nur noch kleine Schneefleden auf ihm, 
die fich jedoch erhalten follen. In feinem obern Theile bildet ex 
ſchroffe Spigen, vie, vom großen Ararat gefehen, eine crateräßnliche 
Bertiefung umfchließen. Doch bat ihn noch Fein Beobachter erſtie⸗ 
gen; fein fünlicher Fuß fol Baſalt fein. Vom Südfuße des Pam⸗ 
bat und am Oftfuße bes Alag hez zieht fich ver an 100 Fuß tiefe 
Gebirgsſpalt von Nord nach Süb zur Araresebene Hin, in deſſen 
Einfentung ver Abaran= Fluß (ober der von der Stadt Karpi ober 
Barpi genannte Karpi Tſhah mit flartem Gefälle zum Arares 
frömt. Nicht unmittelbar vom Pambak⸗-Paß kann man den 


710) Barrot Reife, L ©. 236. !1) v. Uſchakoff a. a. D.IL. €. 167. 
m ge Me Martin Mém. I. p. 47. 20) v. Behaghel b. Parrot 








Euphratſyſtem; Ararat⸗ Umgebung. 377 


Araxesgipfel erblicken, weil dieſem der hohe Alaghez vorliegt, aber 
von deſſen ſüdlichen Vorhöhen, durch die Schlucht des Abaran, er⸗ 
Hit man 2 Tagereiſen im Norden von Etſhmiadzin zum erſten⸗ 
nale, vom Norden kommend, deſſen majeftätifche mit Schneegipfel 
gekroͤnte Pyramide. Schon von bier aud zeigte fich deſſen nordweſt⸗ 


icher Abhang viel weniger fteil, als man ihn früher abzubilen 


pilegte, und Parrot ſchöpfte von bier die erfle Hoffnung, ihn erſtei⸗ 
gen zu Finnen. An der Oſtſeite dieſes Abaran erheben ſich Ver⸗ 
wweigungen des Pambakzuges in mannigfaltigen Gruppirungen, 
die in ihrer Mitte gegen Oft den Alpenſee von Erivan, oder 
vn großen Goktſhai See einfchließen. 

In paralleler Richtung mit dem Fluſſe Abaran, deſſen Schlucht 
ds Hofer Einriß in die vulkanifchgebilpete Erdrinde ſich zeigt, 
fam man auf einen hügeligen Seitenwege, alle Dorfichaften wegen 
der Peſt vermeidenn, nach Etſhmiadzin; das Abaranmaffer 
ſelbſt erreicht den Araresfluß nicht, weil es fchon vorher durch Sei⸗ 
tmcandle abgelenkt, zur Bewäfferung des Landes aufgebraucht 
zu werden pflegt. 1%) Nur in der Schlucht des Stromes, in ver zu 
beiden Seiten Doͤrfer, Burgen und armenifche Klöfter zerftreut Tie= 
gen, iſt Geholz zur Feuerung; alle Berghöhen umber find hier 
füon, dem allgemeinen Plateaucharacter gemäß, waldlos und 
de. Auf der obern Dede des Bodens, am Wege, bemerkte von 
Behaghel anfänglich umher Kalkſtein, Grünftein un Ob 
ſidiantrümmer zerſtreut; weiter abwärts zeigte ich unter ber 
Dammerde, öfter in bedeutendem Umfange, Iavaartiged, trach yti⸗ 
ſches Geſtein, ohne vie Geſtalt der Oberfläche bebeutend zu än⸗ 
Km, bis man das Arares- Thal felbft erreichte, als 4 bis 6 
Beilm breite Ebene (30 bis 40 Werft), mit einigen armenifchen 
und tatariichen Dorffchaften beſetzt, zumal aber von Klöftern ver 
ermenifähen Beiftlichkeit belebt, zu denen am Eingange deſſelben das 
berühmtefte von allen, Etſhmiadzin, mit feinen Nebenklöftern 
gehoͤrt, welche fich bis zum Fuße des Ararat ausdehnt. 


9 Die nächſte Umgebung des Ararat und das obere 
Stufenland des Araxes mit feinen Zuflüffen. 
a) Die Plateau- und Gebirgs⸗Umgebung. 
Erf anderthalb Stunden (5 bis 6 Werft) oberhalb Etfpmi- 
adzin difnen fi die Berge und Hügelreihen, und breiten fich 


a — 


29 Barcot Reife, 1. ©. 79; v. Behaghel, ebendafelbft II. S. 181, 





378 Wefl-Afien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.34. 


zur Ebene aus, in welcher alle Steine aufhören!) und nur 
ein grober Kies, ver Reſt jerfegten Lavageroͤlles, von Aſchen⸗ 
und Schlacken reſten, bis zu Sand verkleint, vie Oberfläche des Bodens 
nach allen Richtungen hin in weitem Umfange bedeckt, und ihm, 
wo nur Waſſer ihn befeuchtet, die größte Fruchtbarkeit erzeugt. Et⸗ 
ſhmiadzin, = 2866’ Par. über. dem Meere, nur noch 14 Par. 
über dem Blußfpiegel des Araxes, liegt fchon auf der Araxesebene 
ſelbſt, die, 2740 Fuß abfolut, offenbar bier ven Namen, einer hoben 
Plateauebene verdient. Erſt von bier aus iſt der Aublick ver 
Umriſſe des Alaghez gegen N., wie des Ararat gegen ©., rein 
und vollſtändig. 

Der große Ararat (Aghri dagh) ſteigt, von Weſt her 10) 
ſanft fich erhebend, = 13,530° Par. über ver Araresebene empor 
(= 16,254' Bar. über dem Meere), und fenkt fih gegen Oft auch 
in fanften Linien, aber unter flärkern Winfeln hinab, und zeigt fich 
hier ald ein im ganzen abgerunveter Kegel, veffen Schneefelo faſt 
volle 3000 Buß von feinem Gipfel’ herabhängt und alſo nur eine 
10,000 Fuß Hohe dunkle Baſis übrig läßt, weiche den fchneemei 
gen majsftätiichen Dom trägt. Durch einen flach gerundeten, nur 
ſchmalen, kammartigen Höhenzug fleht dieſe Oftjenfung mit ber 
zweiten Bergfpige in reinerer Kegelgeftalt, aber von beinahe 4000 
Buß geringerer Höhe, in Verbindung, nämlich mit vem Heinen 
Yrdrat Eutſhuk dagh oder Kutſhuk Aghri dagh), 17).der 
nur = 9561’ Par. Höhe über der Ebene (= 12,284 Bar. über 
dem Meere) erreicht, ohne ewige Schneedecke bleist, und mit. feinem 
Gipfel um 35,064’ Bar., na) Bedoroms 18) Mefjung, von dem 
bes großen Ararat in directem Abſtande gegen SD. liegt. Ihr 
‚beiperfeitiger Fuß ift fanft durch jene Einfenfung des ‚Rüden ner 
ſchmolzen, deſſen Thalweite eine Viehweide der Hirten abgibt, und 
früher zu beiven Selten durch die DBerggipfel ein ſchwer nahbares 
Aſyl für Eurpifche Raubhorden bilnete, die hier auf geficherter Höße 
die Nordebene des Araxes wie die Sübebene gegen Bayazed und 
den Mebergang von einer zur andern beherrichen Eonnten, fo dap 
jede Verbindung verfelben ſowol zwischen beiden Berggipfeln him 
durch, ald nad) außen um ihren Welt» und Oſtfuß (oft unmög- 
lich war. 

Die früherhin fo unfide Jage dieſer erhabenen Weenzſteine 

) Fr.Dubois Voy. T. II. p.359. **) Barrot Reife, I. ©.182. 


ı7) J. Morier Sec. journ. thr. Persia, Armenia etc. London 
1818. 4. p. 812. 18) Parrot Reife, I. ©. 118. 








Euphtatſyſtem; Ararat, Plateau⸗Umgebung. 379 


des Plateaulandes iſt nun buch Fedorow's Meſſungen genau 
beſtimmt, und dadurch ein wichtiger Fortſchritt für die Orientirung 
ns8 ganzen Landes gewonnen. Der Gipfel des großen Ararat 
liegt unter 39° 42' N,Br. und 61° 55' DR, von Ferroe, ver Gi⸗ 
vfel des kleinen Ararat unter 39° 39 NBr. und 62° 2 OR. 
von Berror. 

- Der Buß beider vereinten Berge ift, ohne alle Zwiſchenhöhen, 
in N. und NO. von jener 14 bis 15 Stunden breiten Araxesebene 
im großer Auspehnung von. NW. gegen SD. umgeben, die in 
gleicher Richtung von NW. gegen S.D. von dem Strome des Aray 
oder Araxes, der feinen antiken Namen nur in einer verweichlich» 
zeren Ausfprache beibehalten Hat, mehr oder weniger in ihrer Mitte 
und in vielen Krümmungen burchichlängelt wird. Leider wird ung 
von feinem andern Puncte dieſer Ebene, ald nur an ver Furth des 
Ararıd unterhalb Etſhmiadzin, eine Höhenmeffung gegeben, auch 
fenft kein Nivellement verjelben mitgetheilt, obwol Parrot in ihr 
eine anderthalb Werft Iange Standlinie 19) gemefien hat, und auch 

. obere Theile derſelben befucht wurden, um einen Auffchluß über das 
eigenithümliche Gefälle ded Araxeslaufes auf dieſer Platenuebene zu 
abalten, ‚die wenig Senkung zu haben fcheint, obwol der Araxes⸗ 
lauf an manchen oberen Stellen doch reißend Sein muß. 

Nur im Wellen ver Senkung des großen Ararat ſteht verfelbe 
tunch feine DBerzweigungen, vie hier ven Namen Sinaf 2%) ft“ 
ru, mit den noch mehr weſtlicheren Bortfegungen des Ala Tagh 
G oben &. 79) in Verbindung, der und ſchon unter den Gliedern 
ed noͤrdlichen Taurusſyſtems befannt if. Dubois ift der erfte 
Beobachter, welcher diefed Verbindungeglied des Sinak aus eigner 
Efahrung namhaft gemacht Hat, da wir früher über dieſe Ge= 
gend ziemlich ununterrichtet geblieben, obwol wir auch durch v. Be⸗ 
haghel eine Moute um das Weſtende des Ararat, von Arghuri 
um St. Jakob aus, über biefen Zufammenhang ?1) hinweg nach 
Bayazed erhalten haben. | 

Etſhmiadzin, fagt Parrot, liegt in jenem großen 
ihale, weldhes durch die Spaltung bed Tauruggebirges (vom 
VBinghoͤl) um Erzerum in zwei parallele Arme, in einen 
nördlichen und einen fünlichen, gebildet ifl. Der nördliche 
ieht fich von Erzerum ald Saghanlu⸗Gebirge, 22) wie fchon 





3%) Parrot Reife, I. S.195, 213. *°) Dubois Voy. II. ee | 
21) » Behaghel b. Parrot R. II. 8.187. 32) Parrot as vum 
„ Tu v 


* 





380 Weft-Aften. III. Abtheilung, I. Abfchnitt. $. 34. 


oben bemerkt warb, im einem großen Bogen um Kars, und bilvet 
eine mächtige Scheivewand zwiſchen Kur und Arared, und ver- 
liert fidh in die Ebenen von Karabagh, wo der Arpatſchai zum Ara⸗ 
zes fällt, im W. von Etſhmiadzin. Zu feinen norböftlichen Ver⸗ 
zweigungen gehören ver oben genannte Pambalzug umd ver hohe 
zadige Alaghez, und wahrſcheinlich noch andere bedeutende Berg⸗ 
rücken; denn Mitte October erblickte Parrot aus der Ebene vor 
dem Ararat einen Bergrücken in W.R.W. ‚mit einer überſommer⸗ 
tm, alfo wahrfcheinlich ewigen Schneemaffe bedeckt, ver alfo von be 
deutender Höhe war und nur dem babinmwärts liegenden noch um 
bekannten Saghanlu angehören Eonnte. Der ſüdliche Arm defe 
felben Taurus, der eigentlich die Quellen des Arares enthält (eben 
derſelbe Binghöl), ſcheidet viefen Fluß vom Euphrat, der weitwärts 
fließt, der Araxes aber oftwärts, und fchließt nach einer kurzen Un⸗ 
terbrechung (richtiger, in der Kette des hoben Ala Tagh fortfegend 
und dann in geringerer Senkung des Sinaf) fih an bat We ſt⸗ 
ende des Ararat an. 

Eben dieſe letztere, bisher gänzlich unbekannte Verbindung mit 
dem Weſtfuß erhält durch die Genannten einigen erläuternden Fort⸗ 
fhritt. Auf feinem Ausfluge2) vom St. Jakobo⸗Kloſter am Norb« 
fuße des Urarat, nahe dem Dorfe Arghuri, fagt v. Behaghel, 
führte ihn fein Weg zuerft weſtlich durch Schluchten über Felb⸗ 

kämme längs dem N.W.- Abhange bald näher bald ferner am gro 
Ben Ararat Hin. In einer wallgrtig von Felstrümmern begrenzten 
Grasfläche zeigten fich Ueberreſte eines großen Dorfes, die Grund⸗ 
mauer einer Kirche und mehrere Steinhütten, über die man feine 
nähere Auskunft erhalten Eonnte. Dann wurben bie höhern Beld- 
wände umritten, und im Bogen wandte man ſich von Wet nad 
Süd, zu gleicher Zeit fich längs dem fünlichen Araratfupe allmählig 
fenkend, zu einer weiten Fläche von mehreren Quabratmellen. 
Diefe wird nörblich begrenzt vom Ala Tagh, im Süd und Welt 
- von Gebirgszweigen des Taurus, welche die Waſſerſchei de zwi⸗ 
ſchen den Quellen des Euphrat (es follte heißen Murap), näm- 
lid) zu Diyapin, und des Alſas (des dluſſes von Bayazed, ſ. ob. 


Ararat, I. ©. 70; vergl. Carte des possessions Russes au de la 
du Caucase, indi@uant les frontieres actuelles de la Russie, de 
la Turquie et de la Perse , dressee d’apr&s des documeng, offi- 
ciels 1840. Paris, par F. Fonton, Carte rev. et augm. p. 18 o- 
lonel Koch. 

79 v. Behaghel b. Parrot R. I. S. 187. 9— 


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Euphratſyſtem; Ararat, Suͤdumgebung. 381 5 


6. 337) bilden. Gegen DR fol ſich diefe Fläche (alfo die ſüdlich 
vom Ararat gelegene Alfas- Ebene, in ver Bayazen liegt) ver Wei⸗ 
tung der Arares« Ebene gegen Oſt anſchließen. Diefe bald mit 
Sand oder Dammerde überzogene Ebene wurve damals In Folge 
ber großen Dürre von vielen zollbreiten Spalten durchzogen. Bon 
diefer fünlichen Ebene, die gegen Sup hin vom Alſas⸗Flufſſe 
begrenzt wird, an deſſen fühlichem Ufer Bayazen liegt, nimmt fich 
ver Ararat noch mehr kegelförmig aus, als von der Nord⸗ 
ebene des Arared. Sein Weftabfall fleigt von dieſer Stelle der An⸗ 
fiht aus in vielen einzelnen Hauptabfägen bis zum Gipfel, deſſen 
hoͤchſte Spige fich am Oſtende erhebt und einen Fleinen Kegel bil 
det. Bon da fenkt fich der Oftabfall ohne alle merkliche Unterbres 
Kung anfänglich ſtark, dann allmählig zum Verbindungsrüden bes 
großen und Eleinen Ararat hinab. Auch bilvet die Gebirgd- 
mafle des Ararat auf ver Süpfeite ein mehr zufammenhängenveß 
Ganze, an dem feine bedeutenden Schluchten fichtbar find, wie an 
der Nordſeite; dagegen traten an biefer fteil anſteigenden Seite fchroffe 
Bände, zerflüftete Kämme und furchenartige Einfchnitte In den ver- 
ſchiedenſten Richtungen hervor, und wie auf der Norpfelte, fo er⸗ 
fireden fih auch bir nah SD. trachytiſche Trümmermaf- 
fen, zu bedeutenden Höhen angehäuft, weit in die Ebene hinein, 
58 zum Alſas⸗Fluß. Dies iſt ver rechte Zufluß zum Arares, der 
Bier die weite Flaͤche durchzieht, veffen Waſſer an ver Furth gegen 
vie Stadt Bayazed im Herbft nur 15 his 20 Schritt breit und 2 
Gap tief, alfo leicht zu durchſchreiten war. Die dve, völlig baum⸗ 
Iofe Umgebung von Bayazen gab Feine Gelegenheit zu weiterer 
Beobachtung, und Ieiver mußte wegen ver Kurvenräuber der Plan 
aufgegeben werben, auch den fündftlichen und Öftlichen Fuß des 
Meinen Ararat zu umreiſen, 2%) wodurch wir zum erfienmale ven 
Bericht eines Augenzeugen über vie Gefammtumgebung deſſelben er⸗ 
halten. Haben würden. Es konnte deshalb auch das Klofter St. 
Aruthion, das im Norvoften von Bayazen liegt und beveutende 
Reinen haben fol, nicht befucht werben. 25) j 

Sr. Dubois, der die weflliche Verlängerung des Ararat nicht 
überftieg, aber vom Weften her an ihrem Norpgehänge zur 
Iraseöchene bis zum Nordfuß des großen Ararat bei Arghurt in 
Meeres und umfichtiger Begleitung des ruffifchen Generals Bebon- 
tefj, als Landeögouverneur, und feiner Beamten bereifen konnte, 


®. . Behaghel b. Parrot II. S. 188. ?°) Parrot R. 1. S. S. 
„se ® 


€ 





382. Weft:Afien. IM. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 34, 


Yernte daher aulh von Kulpt über Surmali, Rarafala, Ama 
rat, Igdir, Dianat abad bis Arghuri die topographifchen 
Berhältniffe mehr im Einzelnen und mit ihren einheimifchen Benen- 
nungen kennen, als dies zuvor der Ball geweſen war. 

Etwa 9 bid 10 geogr. Meilm (82 Werft nad) v. Behag heh 
weſtwaͤrts von Arghuri, die Thalebene des Arares aufwärts, ver. 
engt fie fh bedeutend von beiden Nord⸗ und Süpfelten und Hört 
bei ven Steinfalzbergen von Kulpi endlich ganz auf, 25) von 
wo an aufwärts die Ihalbildung des Arares nur in engen, ge 
ſchloſſenen Gebirgswindungen fortfegt, die aber bis jegt noch von 
Niemand näher erforfcht find, denn alle Beobachtung drang dahin» 
wärts nur eben bis zu den genannten Steinfalzgruben vor. v. Be⸗ 
haghel, auf feiner Excurſion von Arghuti aus vahinwärts bie 
norbaußlaufenden Flippigen Vorhöhen des großen Ararat umgehend, 
die er Lavaftröme nennt, folgte dem Südſaume ver dortigen Ararrd- 
ebene und nennt vie fünlichen Grenzhöhen bis Kulpi mit dem Na⸗ 
men Ala Tagh, von dem nur flellenmweis vefien Vorberge Trũm⸗ 
merzüge von Trach ytg eſt ein gegen Norb in einigen Erhebungen 
ausſenden, theild in fchroffen, theils in abgerundeten Formen, bis 
fi über viefe gegen Weſt eine einzige Belöfpige Über Kulpi her⸗ 
vorhebt. Schiemann, der biefelbe Tour mitmachte, bemerkt, 27) 
daß fie am erften Tage bis zum armenifchen Dorfe Tafhburni ka⸗ 
men, am 2ten zum Tatarendorfe Arachperi, und dann am Mittag 
des dritten Tages zu den Salzwerfen. Auf ver dürren Sand⸗ 
fteppe dahin war das vorherrfchende Kraut eine Aftragalus - Art. 
Wo der Boden Ertrag geben follte, mußte er wiederholt bewäſſert 
werden. Erſt in der Nähe des Arares fah man Weldenbäume, 
auf denen Stoͤrche ihre Nefter angebaut, die auch bier, wie durch 
den ganzen Orient, ald heilige Vögel gefchüßt find. Die Felder 
waren vorzüglich reih an Arbufen und Melonen, viele Vögel, 
wie Schwärme von Enten, Gänfen, Kropfgänfen, Reiherarten, Kra⸗ 
nichen und Schnepfenarten belebten die Flußufer. Tataren » Hänpt« 
linge unterhielten ſich hier mit Falkenjagden. In den Salzwerken 
fanden fie erft einige ruffifche Beamte. 

Fr. Dubois, der viefelde Wegftrede von Kulpl, aber of- 
wärts am Südrande 28) der Araredebene zurüdlegte, nennt am 
Ende des erften Tagemärfches, nach Teinen vollen 6 Stunden We⸗ 


„ar 


7 Zehegbet b. Parrot II. S. I866. 2) 1) Sölemann pr: 
0 on ®) Dubois vor III. 2.453 


a 





7 


Euphratſyſtem; Ararat, Araxes-⸗Ebene. 383 


98, an den Ruinen von Karafala und an einigen Doͤrfern, 
Arabkerlu und Akhmanmat, vorüber, das Eleine quabratifche 
Fort Amarat, mit Erdwall umgeben und verlaffenen Ruinen weit⸗ 
- Täuftiger Gebäude eined vormaligen Kurvenhäuptlingd im Innern, 
von welchem aus man nur den großen Ararat erblicdt, nichts 
aber vom kleinen Ararat, der von jenem verdeckt wird, woraus 
fi die Situation des Forts in der Richtung gegen N.W. deutlich 
1 

Beim Aufbruch von biefem Nachtquartier am folgenden Mor⸗ 
gen, den 19. März, gegen den großen Ararat hin, bemerft er nun, 
daß ſich Hier die Berge Tafh Haltu und Keuroghlu⸗dagh als 
eine abgelöfte Kette von der Hauptlette des Ararat gegen Er⸗ 
zerum bin zeigten, “und daß berjenige Theil verfelben, welcher Ar⸗ 
menien (dad unter ruflifcher Herrfchaft im Nord) von dem Pa 
ſchalik Bayazed (b.i. dem türfifchen Gebiete im Süden) ſcheide, den 
Namen Sinaf 2°) führe Es beſtehe aus zwei Parallelzüs 
gen mit zwifchenliegennem Thale und dem Eleinen See Balakhli 
gheul (Balikh Ghol der ruff. Karte), ver zumellen gegen Bayazed 
bin audlauft (nach ver Kartenzeichnung Hat er ein gefchloffenes Bek⸗ 
ten). Der nözvliche Barallelzug ift der Eleine Sinat, ber ſüd⸗ 
liche ver große Sinaf, welcher ſeit unbenflichen Zeiten bie Grenze 
zwiſchen Erivan und Bayazed bilvet. Er befteht aus ſchwarzem 
Gehen, mit Trümmerfteinen bevedt von einem gefloffenen La⸗ 
vafrome, den man, von Surmali und Karafala kommend (v. 1. 
von W. her), überfchreitet.. Da, wo Dub ois denfelben ſah, hatte 
de Neigung feines Fluſſes nur einen Winkel von 2° bis 5°; feine 
Dberfläche war auch keineswegs fo tumultuarifch zerriffen, wie dies 
bei andern Lavaftrömen der Fall if. Die Kurden bringen ven 
Gommer mit ihren Heerden ayf dem. Sinak und Reuroglu= 
dagh zu, fuchen aber im Winter zwifchen ven Belsflüften der Las 
ven an dem Vorgebirge des Ararat gegen die Ebene, welcher Taſch⸗ 
burum (alfo wie das Dorf) heißt, ober um Bulak baſchi (v. i. 
Kopf ver Duelle) Schug für Ihre Schafheerden gegen vie Schnee⸗ 
maflen, die fly über die Höhen verbreiten. Der gewöhnliche Weg 
von Erivan nach Bayazen geht Im Süd des Araxes über Sulei⸗ 
nanabad, Malagliou und Igdir, das nahe bei Amarat, ſüd⸗ 
warts, der Bebirgöpaffage genäherter liegt, wo bie ruffifche Qua⸗ 
miaine-Station gegen die türfiiche Örenze angelegt ifl. Zwei qute 





2) Dubois Voy. Il. p. 454. 





384 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.34. 


‚Stunden (10 Werft) Weges weiter, nach Süb zu, liegt Alika⸗ 
marli, dann folgt eben fo weit ſüdwärts Kullut (ob Kul Tapa 
der ruff. Karte?) oder Mullah akhmet, das letzte Dorf der 
Plaine, und eines ver langen Reihe von Dörfern, welche ven Fuß 
des Berges entlang ziehen. Don dieſem Kulluf, 3 Fleine geogr. 
M. (25 Werl) von Amarat fern, fleigt man eben fo viel (25 Werft) 
aufwärts zum Dorfe Mullah kamar, das fich auf einer Plateau- 
fiufe des Sinak außbreitet. Dies ift das Ichte Dorf Arme- 
niens in der Nähe des Sinak⸗Paſſes oder ver türkifchen Grenze. 
Eug. Bore, der im Sept. 1838 diefen Weg von Etſhmiadzin 
über Melaik, ein perfifches Coloniedorf, und Igdir 30) nach Ba- 
Yazed nahm, fagt, daß nur 3 Lieues fern von Igdir gegen Süd bie 
ruſſiſch-türkiſche Grenze gegen Bayazed fe, auf ber bie 
Ruſſen eine Grenzſäule aufgerichtet Haben. Er felbft kam, von 
einigen Kurden geleitet, glüdlich Hinüber, aber an vemfelben Tage 
wurde nach alter Art doch wieder eine Kaufmanns »Rarawane, die 
des Weges zog, geplündert von einem Kurden⸗Chef, Soleiman Aga, 
den die Türken zu früh aus ſeiner Haft in Erzerum entlaſſen 
hatten, der ſogleich wieder an 1000 kurdiſche Reiter um ſich ver⸗ 
-fammelt hatte, an deren Spige feine eigene" Sojährige Großmutter 
auf dem wilveflen Nenner die Naubattaden zu commandiren pflegte. 
Der Keuroghlu⸗dagh iſt in jener Gegend nur die Benen- 
nung einer faſt uneinnehmbaren ſenkrechten Felſenpartie, die nicht 
ohne Můhe erflettert werben kann, und an ven Raubflg eines gleich 
namigen, bort einft haufenden und gefürchteten Kurvenhäuptlings 
erinnert, der Hier ein Aſyl gegen vie Verfolger fand, dad Dubois 
mit dem Felſen ver Baftei bei ver Elbe in ver fogenannten fächfl- 
ſchen Schweiz vergleicht. Ä 
Kehren wir nun zur Norbfelte des Urarat, denn dies iſt als 
les, was und bis jegt von den andern 3 Seiten feiner Umgebun⸗ 
gen befannt geworben iſt, nämlih zur Araresebene zurüd, fo 
iſt es zunächft ver Strom felbfl, über dem fich ver Berg der Berge 
unmittelbar erhebt, der unfere Beachtung hier in feinem obern 
bisher ziemlich unbekannt gebliebenen Laufe verbient. 


136) Eng. Bore Correspond. etc. Paris 1840. T. II. p.58. 


»« 








Euphratfoftem; Arares, oberer Lauf. 385 


b) Die Quellen und Dueltfiäffe bes Arares oberhalb 
feines Eintritt in die große Araratebene von 
Etſhmiadzin. 


Ehe der Aras oder Araxes bei den Steinſalzbergen zu 
Kulpi fun die große Hochebene, welche den Nordfuß des Ararat 
amphitheatraliſch umlagert, eintritt, bat er ſchon eine directe 
Etrede von drittehalb Längengraden (beiläuflg von 39° 30° bis 41° 
4 9.2. von Ferro, im Breitenparallel von 40° N.Br.), alſo an 
45 geographifche Meilen, over mit feinen großen Krümmungen wol 
60 dergleichen im Gebir gslande zurüdgelegt, und durchzieht von 
da, um den Oflfuß bes Ararat, durch die Hochebene noch eine 
directe Strede von etwa 15 geogr. M. (bis zu feinem Zuſam⸗ 
menfluß mit dem Alſas oder Bayazepfluffe, vem Makhu, unter 
2 45° OR. v. Ferro), oberhalb Nakhidſhevan, die Krümmungen 
mitgerechnet an 20 geogr. Meilen, fo daß fein oberer Lauf in 
km Duellgebirge an 60, in ver gleichförmigen Hochebene an 
2%, zufammen 80 geogr. Meilen bis zu feinem Derein mit dem 
Zufluffe des Alſas von der rechten Uferfelte beträgt. Diefe Strecke 
iR es, deren Verhaältniſſe wir, well fie großentheilä zwiſchen ben 
belden Euphratarmen hervortreten, genauer zu beachten haben, che | 
wir und zu dem Ararat jelbft erheben und zu den weftlich Iaufen- 
m Quellwaſſern des Cuphrat fortfchreiten. 
| Die Anficht, daß der Binghöl⸗Fluß zum obern Laufe des Mu⸗ 

twfluffeß gehöre, 1) iſt durch die genauere Bereifung jener verwile 
| Km Quellgebiete in neuefter Zeit, fo wie ver ganze Lauf des 
Gab, vielfach berichtigt. Nichtig fagt Kinneir: 32) ver Arared 
habe feine Quelle etwa 8 Stunden (20 Mil. Engl.) im Güpen von 
Grerum im Binghol⸗Tagh, d. i. „In dem Berge der tau⸗ 
ad Quellen,” die hohe Gebirgskette (f. oben S. 79), die im 
6üp von Arzerum, im Südweſt von Khinis oder Khunus, 
in Rord von Mufh liegt. Es ift Hier, wo der Binghöl- 
64,3%) di der Binghdl- Fluß, der waſſerreichere Quellfluß 
det Arares, feinen Urfprung nimmt, und an den Orten Koili und 
Cipler vorüber gegen N. und NO. zur berühmten Tſhöban 
pri ober der Hirtenbrüde feinen Sauf durch das türftfche Ar⸗ 





* v. „gmne, aflat. Türkei. Mer. Wiener Sahrh, 1821. Bd. XIV. _ 
22) Kinneir Mem. of Persia —* 29) J. Brant 
Notes lc. %. P. III. p.344; Visc. Pol ston Noten ebeit. X. 
P. IIL p. 446. 
Ritter Gröfuabe X. Bb 





386 MBeft-AMfien, TIE Aptheiläng. I. Abſchnitt. $. 34. 


menien zur Provinz Bafin ober Paſſin (im Sandſchak Medſh⸗ 
nekerd) nimmt. Don da flrömt er direct oſtwärts durch Tſhal⸗ 
diran bis zu Kulpi's Salgbergen, wo'er nun bie weite Araxesebene 
bersäffert. und ebenbafelbft mit dem Norbeinfluffe des Arpatſchai, 
dem heutigen Srenzfluffe zwiſchen Zürkiſch— Armenien oder 
Kars im Weſt und Rufſiſch-⸗Armenien in Oſt,) das Gou⸗ 
ernement ‚von Grivan betritt, zu welchem bie Hochebene deß 
Araæxes his zum Orenzrüden des Ararat gehört. 

Den Binghoͤl Tagh over-Berg hat. noch Niemand beſtiegen, 
aber auf dem Wege vom Dorfe Koili (= 5539 Fuß Par. üb. d. 
Meere), 33 Stunde fünwärts, bei Ueberſteigung des Bebirgspaf- 
ses von Aghv.eran, eined Kurbenvorfes, dad noch höher, an 5850 
Fuß üb. d. M., auf der Waſſerſcheidehöhe zwifchen bem nörblichen 
Araxes⸗ und dem fünlichen Muradſyſteme liegt, Hat man den 
Binghöl Tagh an der weftlichen Seite liegen, mo er fi als lan- 
ger flacher Bergzug, ven 22. Juni noch mit Schneeflecken, zeigte, 
die er den ganzen Sommer über behalten fol. Zu gleicher Zeit, 
wie auf dieſem Schneeberg gegen Wet, fällt auch von dieſer Wale 
ſerſcheidehoͤhe ‚ver Blick gegen Oft auf ven glänzenden mit Schnee 
überdeckten, aber weit entfernter hinter vielen andern Vorbergen her⸗ 
vorragenden Sipan Tagh (Hier Sepan genanut, ſ. oben ©. 329). 
Dad Kurdendorf Koili hatte nur 11 Kurdenfamilien zu Bewoh⸗ 
nern, davon nur 3 In. einigem Wohlftand, mit 40 cultivirten Aek⸗ 
fern (wo freilich erſt Anfang Juni die Weizenausſaat beganu) 
und guten. Heerden, mit einem Akſakal⸗Ii (Weißbart), d. Ael⸗ 
teſten, an ihrer. Spitze. Khüinis, am Südfuße des überſtiegenen 
Gebirgspaſſes, ber auf dem Wege nah Mufh Tiegt, gehört 
ſchon mit feinem Bache, der füboftwärts zum Murad fließt, dem 
Gebiete dieſes Euphratarm es an. Koill, das Kurdendorf, 
mit feinen unterirdischen Erdhäuſern am Nordabhange beffelben Ge⸗ 
birgspaſſes, obwol noch zum Beglik Khinis gehörig, liegt aber am 
Binghöl Su, ben man Hier auch ſchon Aras nennt, und beffen 
Furih mit einiger Sicherheit zu durchſetzen Lord Pollingion feine 
Bagage auf eine Araba, ober sinen Zweiraderkarren von Büffel - 
befpannt, bringen laſſen mußte. Als I. Brant (Ende Juni) He 
durchtam, mar der Strom 50 bis 60 Schritt breit, ſehr teißend, unk> 


) 9. Aſchaboff, Gardeohriſt Gefjch ichte der Feldzüge des Genercz 1 
askewitſch in der aflat. The —— 829, aus em Ruf. vos 
A. 6. Lammlein. Lepꝛig 1838. Th.l e 2. » _ 





Euphratfoften; Araxes, Quellfluͤſſe. 387 


sing bis an den Pfervegurt beim Durchreiten ; zur Ueberſchwem⸗ 
mungsdzelt fleigt er viel höher. Das Dorf war erſt nach Auswan⸗ 
derung von ein paar hundert armenifchen Familien auf ruſſiſches 
Gebiet von Kurden in Beflg genommen. Dies iſt ver einzige au 
im Winter gangbar bleibende Paſſageort zwiſchen Erzerum und 
Mufh, da alle andern Gebirgswege, vie dahin führen Eönnen, Höher 
Liegen und dann ganz mit Schneemaffen verflopft werden. Es ift 
Höchft wahrjcheinlich derſelbe Weg, den Kenophon zur Winters 
zei, meint Nennell, 35) allein nehmen Eonnte, als er vom Gen» 
tziteb (Karafu und Murad) durch das Land ver Chaoi (mo Khinis) 
au dem ber Phaflanen (Paſin, Xenoph. Anab, VI. 6) gelangte. 
Das von Korli 5 Stunden: im Norden gelegene nächſte Dorf an 
denſelben Fluſſe, Cipler (= 5817 Fuß Par. üb. d. M., 39° 49 
22° N.Br. und 21° 45° 30" DR. v. Gr.), liegt nicht minder hoch 
auf derſelben Wegroute, und ernährt feine 20 Kurbenfamilien vor 
züglich durch die trefflichen Bergweiden, ‚bie das Hochland bedecken, 
das. freilich nur wenig Kom trägt und nur arme Bewohner her» 
kergt, davon nur wenige in. einigem Wohlftande leben, vie übrigen 
die Kuechte und Hirten von jenen find. Diefen vor q. Brant’s 
Beiudye (1838) unbekannt gebliebenen Ortfchaften Ilegt 7 Stunden 
Weges gegen Norven ver längft und allgemein befannt gewefene _ 
Saypeort Haffan kalah auf der großen Karamwanenfiraße 
von Erzerum nah Bayazed. Um ihn zu erreichen verläßt 
man von Eipler rechter Hand den Binghdl Su, der gegen N.O. 
an 6 Stunden, breit, ſehr reißend zur Brücke Tſhöban Föpri 
it. Dan hat direct norbwärts zmei.von Weſt nach Oft ziehende 
defe Flußthäler, des Ketiven Su im Sin und Kurd Su im 
Nord, zu durchjegen, deren Waldſchluchten durch einen hoben Ge⸗ 
birgspaß, ven Ketiven-Pap (= 6785 Fuß üb. d. M.), mit ſei⸗ 
nen Kalkſteinketten getrennt find. Beide firömen wild, vollufrig 
gegen DR, und vereinigen ſich bald, ehe fie zu dem dritten, noch 
alspficheren, mit ihnen ebenfallö parallel von Weit nach DR zie⸗ 
headen taleh Su fallen, welcher an Haffan kalah vorüber 
sucht, nahe im Oſt von Erzerum entjpringt und oberhalb der Tſhö⸗ 
bau Eüpri genannten Brüde fi mit dem Binghoͤl⸗Su vereinigt. 
‚ Diefer Kalch Eu ifi nun ber noͤrdliche, jener Bingbdl 
& der füdliche Quellarm, und ar beide, etwa 4 Stunden 





se) 1. Rennell Dlustrat. 1. c. p. 218. 
| 3b 2 





388 Weſt⸗Aſien. III Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 34. 


unterhalb Haffan kalah, bilden nach ihrer Vereinigung ven Aras 
dder Atra xes. 

Saſſan kalah liegt nur eine Station von Erzerum. 
Hat man dieſe Hauptſtadt Armeniens durch ihr elendes Erdthor 
verlaſſen, fo durchreitet man zunachſt eine kleine Stunde 36) oſtwärts 
niedere Anhöhen, zwiſchen denen ein paar kleine Flüßchen ſüdwärts 
Jum groͤßern Euphratbette einfließen; jenſeit derſelben überfeeitet 
man nievere nadte Hügel eines bünnblättrigen Kalkmergels, ven 
Peperit überlagert, deſſen Oberfläche mit vielen Bloͤcken von Lava, 


Baſalt und Bafalt-Eonglomerat beftreut if. Oftwärtd auf der Höhe 


von diefem za Kurujuf (39° 5712" N.Br. u. 41° 32! OR; von 
Gr.), bei 5637 $. Par. üb. d. M., 7) Hat man ben Bergräden 
Deveh Boyunu (v.i. Rameelpals; ober Deveh Boint, Paß 


des Kameels), *) relativ etwa 800 Fuß hoch zu erfteigen, zu 








dem felfige Hohlwege die Ein⸗ und Ausgänge bilven. Schon von 
da aus erblickt man die Plaine, und in der Berne das pittoreßfe 
Gaftell von Haſſan kalah. Es ſenkt fich dieſe Höhe wieder hinab 
in die Öftlihe Hochebene Pafin, an deren Weſtende die große 
Route fogleich einen ſchmalen, feichten Strom durchſetzt, der von Sü« 
den kommt, nur eine geringe Strede nordwärts und dann’ ofl- 
wärts über ein weites Steinbett fließt, und che er Haſſan ka⸗ 
lah erreicht, ſchon durch mehrere Zubäche vergrößert, den Namen 
Haffan kaleh Su, d. i. der Strom der Fefte Haffans, er 


"Hält, und 20 bis 30 Schritt breit den Pferden an ber Furth bis 


zum Bauchgurt reicht, aber in den Ueberſchwemmungszeiten auch 
Öfter ganz undurchgehbar wird. Immer an fich unbeveutende De⸗ 
veh Boyunu over etwa 3 Stunden breite Bergrüden iſt vie 
wahre Wafferfcheide zwifchen Arares- und Euphratfy- 
em; denn der genannte Fluß, der oberhalb am Urfprung auch 
Nabi Tfhai genannt wird, 39) ven rufſſiſche Berichte nach einem 
Dorfe Tatu auch Tatu⸗ſu 40) genannt haben, vieler: ifl ver 
nördliche, minder wafferreichere und auch Fürzere Quellarm 
des Arab, beiten fübTi@ger Arm, der Binghot Su der mãch⸗ 


120) w. J. Hamilton Asia minor (1836). Lond. 1842. T. I. p. 
382. ° *') J. Brant Not. 1. c. X. P.IH. p.341; en, Glas- 
cott Map, p. 431; J. Brant Journey ebend. Vol. VI. 1836, 

200. ) Am. Jaubert Voyage en Armenie 1806. Paris 1 1. 

8. p.117. 20) v. Ufchaloff a.a.D. Th. II. &.133. *°) Gtas 

tiftifche Bemerkungen über das Bafchalik Kars in der Tiflis Zeitung 
- and in ber Petersb. Zeitung, 1829, April m und Mai. 








Euphratjpftem; Apares, Queliftͤte. 389 


ügere, auch Öfter ſchon von den Eingebornen (naher auch auf der 
ruſſiſchen Karte) Arad genannt wirb, obmol diefer Name erft bei⸗ 
ven vereinten Waſſern mit Recht zukommt. Viehheerden in gro⸗ 
fer Anzahl, Rinder und Pferde belebten bei Hamilton's Durchzug 
in Juni 1836 die Paſin⸗Ebene, obmol über 5000 Fuß über 
m Deere gelegen; aber außer Zwergweiden an den Rändern na⸗ 
her Verſumpfungen und Rofengebüfchen war kein einziger Baum 
von Urzerum 618 Haffan kalah zu fehen, ver die fo charactexi⸗ 
Rifhe Baumlofigkeit der Plateaulanpfchaft *) unterbror 
den Hätte. Der armenifche Name *2) des Fluſſes IR Eraskh, der 
georgiſche Rakhſi, bei ven Türken und Arabern verkürzt in Aras 
und Ras. Der Schriftuame Araxes ber Griechen und Roͤmer iſt 
der allgemein gebräuchliche geworben.: Es iſt der eigentliche Strom 
ber armenifchen Provinz Araran, GentralsUrmeniend, um 
welche Die andern armenifchen Provinzen im Kreife liegen; zu ber 
Provinz Ararad gehörten aber 20 verſchiedene Gaulandſchaften, 
be zu beiden Seiten des Urared vertheilt find, von denen bie weft» 
life Im oberften Quellgebiete, an beiden Ufern des Aras, eben 
Palin oder Paſſin Heft; Paſen zur Zeit ver Arſaciden bei den 
Armmiern, Phasiane bei Xenophon (Anab. VI. 6), bei Byʒanti- 
nern (Constantin. Porphyrog. c. 45. p. 152, ed. J. Meurs, 4611), 
Paſyn bei Türken (nach dem Dſchihannuma), offenbar ſchon das 
vn Zenophbon (Anab. IV. c. 7) durchzogene hohe Karduchenland 
der Chaoi und Phaſianen, 7) ald er vom Murad. (Gentriteß, 
1.6. S. 23) in das freiere, offenere Armenien vorbrang, und am 
Arares (Phaſis) mit feinen Zehntaufend bis zum Harpafus (Ar- 
yatfchai) Irre geführt, fich über Gymnias (nahe Haffan kalah) 
zun Pontus rettete, von welchen Kreuz» und Querzügen erſt wel⸗ 
bt unten vie Erklärung folgen Eann. | 
Der Diſtrict von Paſin if in 2 Begliks getheilt, in bad 
öbere und untere PBafin, und. Haſſan Kalah, 7 Stunden 
(18 Mil) in OR von Arzerum, tft die Refivenz des Ober-Veglits, ) 
iu deſſen Gebiet 120 Dörfer gehören, gegenwärtig meiſt von Mus 
hanedanern bewohnt, da der größere Theil.ver Armenier und alle 
ameniſchen Landleute nach dem Friedensſchluß 1829 zu Adrianopel, 
in welchem die Khanate Erivan und Nakhidſhewan an den rufflichen 





“) w. J. Hamilton Asia minor 1. c. I. p.183. “2) J.St.Mar- 
tin Mé m. sur l’Arm. L p. 38, 106. *8) J, Rennell Illustra- 
tions of the hist. of the exped. of Cyrus. eto.. 1. c. p, 213. 

**) J. Brant Not, l. c. p. 341. 


®. *4 





390 Weft:Nfien. M. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 34. 


Scepter abgetreten wurben, mit dem abziehenden Ruſſenheer nach 
Georgien emigrirten. Deshalb wurde damals die Bevölkerung aller 
Dorfſchaften ſehr verringert, und große Strecken Landes, bie früher 
bebaut waren , blieben ſeitdem unbebaut Liegen. Eben fo im uns 
tern Bafin, das vom obern, obwol nicht eben ſehr genau, Durch 
den Arares geſchieden iſt, weiter im Oſten liegt, an 70 zugehörige 
Dörfer zählt, und von einem Beg verwaltet wird, ver im Dorfe 
Ars refldirt, nicht wegen veffen Bedeutung, fonvern well bieß Dorf 
feine Heimath if. Die Herrſchaft beider dehnt ſich Über eine Strecke 
von 16 Stunden Wegs, entlang am Araxes, in einer Breite von 
3 bis 4 Stunden aus, über ein fehr fruchtbares Kornland, das gut 
bewäffert ift und ſehr weidenreich, deſſen Dorfſchaften, nur wenige 
größere ausgenommen, nicht über 40 Hütten und felten an 100 
Familien ald Bewohner zu haben pflegen. 

Bor Haffan kalah nähert fich vom Norden her eine Bergreite, 
bie den Araxes gegen Oft ziehen macht; an ihren gerunbeten 
hängen zur Ebene bemerkt man ſich beſtimmt unterfcheldenbe, hort- 
zontale Parallellinien, Waſſermarken %)" vorzeitigen Waſſerſtan⸗ 
des, die Stundenweit allen Sinuoſitäten der nadten Bergreihen fob⸗ 
gen, und an vielen Stellen durch ſtärkern Graswuchs mit veicherem 
Grün ſich dem Auge fehr ausgezeichnet varbieten, fo daß man hier 
zur Annahme eines einfligen großen Binnenſees, ver Hier feine Aus 
breitung gehabt, geneigt fein muß. Die Spuren deſſelben reichen 
auch weit unterhalb 6i8 zum Zuſammenfluß des Haffan kaleh und 
des Binghoͤl Su, wo eine große Allunialpläne ven obern 
Arares begleitet, mit großen Kiefeln und Blöden von Grünfteln, 
Bafalt und analogem Geftein beftreut, dad auch die erhärteten Sande 
ſteinlager, welche die Norpfeite dieſer Araresebene begleiten, bei einer 
Erploflon durchbrochen zu haben ſcheint. 

An dem Süpdufer des Haffan Falch, der Stabt gegenüber, dicht 
an ber Arareöbrüdke, 48) ſprudeln unzählige Heiße Quellen von 
verſchiedener Temperatur und Gehalt, bitumindſe, andre eifenhaltige 
oder kalkreiche; vie heiß eſten 320 44' NR. (105° Fahrh. n. Brant); 
über zweien der wärmften und reichlichflen derfelben warm im 9. 
1838 2 Bäder erbaut; damals vol Badegäſte. Man’ Hält bie 
Stadt für eine ver alten Genueſenſtationen, und pas Baftell 
als von biefen Füpnen Hanbelsführern des Mittelalters erbaut, deren 





108) W. J. Hamilton Asia minor L. c. I. p· ir· is +) W.Ou- 
seley Trav. Ill. p. 461. 





uf 


Euphratſyſtem; Arares, Quellfluͤſſe. 391 


grandisfe Baudenkmale vom Genuefenthurm in Bera an, über ihre 
Caſtelle am Bosporus bis Trapezunt bekannt genug find, und 
fegr wahrſcheinlich auch über ihre Stationen. weit in das Innere 
von Afien fortfchritten. Baiburt, Ifpir, Arzerum und Bayazed 
werden für folche gehalten. Die, Sage von einer foldien Linie 
von Bauten ‚ver Benuefen iſt in biefen Gegenden fehr allge» 
mein, fie beweiſt wenigfiend die Erinnerung an dieſes einft Hier 
fo einflußreiche, unternehmende Handelavolk. Auf dieſer Linie 
werden viele Khane oder große Bauten von Rarawanferais 
ihnen zugefchrieben, und in deren Nähe die Keftungsbauten zur 
Beihügung ihrer Karamanenzüge, bis nach Tauris hin. Ueber vie 
Denfmale von Trapezunt und Haflan falah will W. I. Hamil- 
ton, #7) der auf Architecturftgt fehr aufmerkffam war, nichts ent⸗ 
ſcheiden, jedoch Baiburt und Is pir Hält ex entſchieden für weit 
ältere ſaraceniſche Bauten, und eben ſo auch die Conſtruction 
des prächtigen Khans, den Araxes weiter abwärts, an der berühm⸗ 
ten Iſhoban kopri (ſ. unten). 

Das Caſtell zu Haſſan kalah liegt auf dem langen Sporn 
eines vom Hauptzuge des Karatſhly iſolirten Berggipfels von Tra⸗ 
chyt· Porphyr, der 1600 3. hoch über ver Ebene die ganze Stadt 
bominist. Die moderne Stadtmauer umfchließt den Ort am Fuße, 
und ſtoͤßt mit beiden Enden an das Caſtell. Don einem gewifien 
Haffan (2) erbaut, mag dieſer Name ven frühern, uns unbekannt 
gebliebenen Namen der Stadt verbrängt haben. Man bält es zwar 
auch wol für die Rage ber alten Theonoflopolis, die nach St. Mar- 
tin nach obigem (S. 271) aber iventiich mit Garin und Erzerum 
fin fol, und führt zur Beftätigung die allervings fehr merkwür⸗ 
bigen heißen Quellen an; aber dad Bad, behauptet I. Brant 8). 
wenigftend, ſei entfchleven nicht von römifcher Bauart, fo wenig 
als Die daran ſtoßende Brüde; auch fehle ed fonft an dieſe Hypo⸗ 
theſe beſtätigenden Ruinen. Nach Moſes Khor. Histor. Arm. IU. 
e. 59, p- 309 wird entfchieven die Theodofiopolis auch nicht an 
rm Arares, fondern an den geringern Quellen des Euphrat gele= 
gen angegeben, und es kann vie Ipentiflcirung von Haflan kalah 
mit Theopoflopolis (dem heutigen Arzexum) wol nur auf ber 
früher’ allgemeinen Uinkenntniß der Araresquellen berufen. Des 
ruſſiſche Berichterftatter berichtet, man babe vor langen () Jahren 


7 





“) W.J. Hamilton a. a. O. S. 1885.  **) J. Brant a. a. D. 
©. sa2 u | 





392 WeftsAften, III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $.34, 


zwifhen ven Ruinen um vie Mineralquellen 9) ein großes Baſſin, 
H Gaſchen (ruf. Baden zu 7 Fuß) im Umfang, gefunden, aus 
vom eienbaltige Schwefelwaſſer Hervorfprudelten, und daneben ſei 
von Römern (?) eine Kuppel gewölbt geweſen, vie aber jetzt ein⸗ 
gefallen fet, eine unverbürgte Nachricht, welche vie Ioentität mit der 
ariechiſchen Stadt wol nicht erhärten kann. Die Wärme ber 
Quellen gibt derfelbe Bericht zu 2ER. an; fie feien fehr wirk⸗ 
ſam gegen Gicht und Rheumatism. Die Befte bildet, im Norden von 
grün Weidehdhen umgeben, ein Biere, 150 Safchen lang und 
30 ©, breit, mit doppelter Ummauerung und Thürmen, denen bie 
Nein amphithentralifch gelegene Stabt, aus Stein ober Badflein er⸗ 
baut mit Holzbalfons, gegen Süd vorliegt, die vortrefflidhe® Trink⸗ 
waffer hat. | 

Diefe Feſte mit einigen ſenkrechten Abſtürzen, durch hohe 
Bergrücken gedeckt, aber freilich auch durch dieſe bei europäifchen 
Kriegsoperationen bominirt, jeboch fonft durch eigne hohe ifoltzte 
Rage die ganze umliegende Gegend beherrſchend, war bisher: als ver 
Schlüſſſel des Araresthales anzufehen, SU) durch welches bie 
große Hauptfiraße nach Arzerum führt, als der Bereinspunct 
für ven Zeind, ver über Kard ober Bayazeb aus dem Oſten 
kommt, und alfo die Vorhut für Urzerum, die Haupiflapt. 
Aber in der letzten Periode des Muffenfrieges in Armenien hatten 
pie Türken dlefe Feſtung ganz unbeſett gelaffen; die 80 Samilien, 
welche fle 1828 bewohnten, gingen faft ohne Schweriftreich (24. Sunt 
1829) an die Nufien über, vie fich fogleih in ven Beſitz dieſer 
wichtigen aflatifchen Feſte ſetzten, und fle auch durch neue Befeſti⸗ 
gung zu einem wichtigen ſtrategiſchen Punet erhoben hätten, wenn, 
nach der Einnahme von Arzerum, fie nicht durch die Friedenstrac⸗ 
taten ihre Neichögrenze weiter gegen den Oſt hätten zurüdjchieben 
lafien. Die Türken haben die Feſtungsmauern in dem zerfprengten 
Zuftande nach mehr zerfallen laſſen, in dem die Nuffen fle ihnen 
nach ihrem Abmarfche zurückließen. Die Einwohner find zwar von 
ver jährlichen Abgabentare, dem Saliyanch, an ven Paſcha befreit, 
aber fie haben dafür pie Verpflichtung der Verforgung ver Poſtſta⸗ 
tion, was auf einer fo befuchten Hauptroute zwifchen dreien Welt- 
berrichaften, wobei die Fremden immer freigehalten werden müffen, 
und wenn aud fie gewöhnlich etwas bezahlen, doch die Einheimi⸗ 





J 


’) 9. uſchakoff a. a. D. I. ©. 100. *6) General Padtewit 
deldzug ꝛc. b. v. Uſchakoff a. a. ©. TH. II. ©. 121 u. e ern 


\ 





















Euphratfoftem; Arares, Quellfluͤſſe. 393 


fhen gar nichts vergüten für Butter und Ouaztier, eine In ber 
That fehr große Laſt if. W. I. Hamilton erwähnt eines gro⸗ 
Ben Steinblocks, der in einer Gegend des Eaftells auf ver Kante 
Hege, und eine große Höhle in deſſen unterm. Ende eingemeißelt 
zeige, mit vorfpringenden Hörnern an den Selten und oben. Er 
hielt ihn für einen Altar (?) aus ältefler Heidenzeit; Nimann kannte 
deſſen Bedeutung. 

Der Spiegel des Saffan Talch-Zluffess!) an ver dortigen 
Brüde liegt = 5140' Par. über dem Meere, das fünliche Ende der 
Gehe nur 41 Fuß Höher, nämli = 5181; aber ver höchfte Pik 
über der Feſte um 1703° höher, nämlich == 6843 über dem Meere. 
Glascotts aſtronomiſche Beobachtung gibt die Stadtlage 39° 58 
55" N, Br. und 41° 43° 30” Oeſtl. 8 v. Er. Der abfoluten 
HöHe dieſes Araresihales ungeachtet find hier die Kornfelner noch 
ungemein ergiebig, im Araresthale fol ver Weizen bier ven 
10fachen, die Gerſte den 15fachen Ertrag der Ausfant geben. 5*) 

Weiter, 2 Stunde oflwärts von Haffan kalah, am Einfall 
feines Fluſſes zum Binghol Su, wo biefer Ießtere bei dem Dorfe 
Yaghan aus dem Gebirgslande in eine Thalebene tritt, 3) hat 
ve nun vereinigte Arares, Hier au Paſin Su, ver Fluß 
von Bafin genannt, eine ſchon bedeutende Breite von 160 Schritt 
gewonnen. Bel dem Dorfe Kupre Eieu over Kopri.Eol, dv. h. 


| Brädendorf, auf feinem linken, nörplichen Ufer führt eine an⸗ 


kimlihe Brüde, die Tſchöͤban Edpri (Hirtensrüde ober 
SHäferbrüde), zu vefien rechtem ober fünlichen Ufer hinüber, auf 
die Straße nach Bayazed. Als I. Brant auf feiner Rückreiſe von 
Bayazen Über die Station Deli Baba dieſe Brüde nach Erzerum 
befiirte (19. Sept. 1838), floffen vie ‚beiden Ylüffe Haſſan kaleh 


U Binghdol Su durch verfhienne Bogen viefer Brüde durch, 


vereinigten fich erft unterhalb verfelben zu dem einen Araxes⸗ 
laufe, ver zu jener Zeit nur 100 Schritt Breite hatte, aber doch 
girteltief war. 5*) 

An der Nordſeite dieſer Brücke, auf fanft welligem Hügelboden 
Bet dad Dorf Koprikkoi, und nur100 Schritt jenfeit die Ruine eines 
Katawanſerai, im alten fararenifchen Bauſtyl von ſollden Qua⸗ 


a ———— 


N) Glaseott Map. etc. 1. c. X. P. TI. p. 41. **).J. Brant 
learn. a. a. D. Vol. VI. p. 200. 2) 3. Morier Journey thr. 
Persia, Armenia etc. 1808. Lond. 1813. 4. p. 817. 

‘%)J. Brant Notes a. a. D: X. P. Hl. p. 480. 





394 Weſte Aſien. TIL Abtheilung. I. Abſchnitt. $.34. 


dern gut gemauert, Davon jedoch  vieleß weggebrochen. Jede Seite 
war. vurch vier. runde Thuͤrme vertheidigt. Der Süpeingang hatte 
einen innern und. äußern Thorweg, beide ornamentirt durch ſchöne 
Arabeöfenfculptur, und Die höhere Dauer nifchenartig ausgeböhlt, im 
Form eines gothifchen Gewolbes. Noch fleht im Innern des Ge⸗ 
baͤudes ein fehr weiter, 20 Fuß Hoher gewoͤlbter Stall mit fünf 
Reihen von Bogen auf jever Seite. Dies iſt einer ver Khame, 
der auf der obengenannten Genueſenlinie erbaut geweſen ſein 
fol. — ⸗ 

Der tief. liegende. Arares wendet: ſich von hier nicht wie die 
Bayazedroute über Toprak kaleh gegen S.D., fondern vom Dorfe 
Duzveren an. gegen. MO., wo an. feinem Norbufer die Lucke der 
Kaſabah von Khorafan, ſchon von hier aus fichtbar, vie Route 
nach. Rare zeigt, welche von ihm ablenkt und durch das Gebirg 
des Saghanlu führt. 


. Me Tſhöbanköpri wird von Ewlia 55) wegen ihrer 


Bauart gerühmt, doch hat kein früherer Reiſender fle genauer be⸗ 
ſchrieben. Die verichiebenen Haupicorps der rufflfchen Armee, in 
ihrem Anmarſch gegen Haſſan Talah, fließen bier zufammen, und 
nahmen bier am 25. Juni ihr Nachtquartier. Dex Berichterſtatter 
befchreibt daher dieſe Brüde, nennt fie groß, 56) ſchoͤn, fehr dauer⸗ 
haft, aus 7. höngemölbten Bogen beſtehend, ganz unbefchänigt, die 
von Darius Hyſtaspis erbaut fein folle, (2) eine Sage vie ſchon 
Kinneir?“) vom Sluſſe anführt, ven er nach Major Sutherlands 
Bericht Aroſt nennt, aber fie irrig in die Stadt Haſſan kalah ſelbſt 
verlegt. Der Ruſſe bemerkt zugleich, daß hier, von dem äftliches 
kũhlern Gebirgalande herkommend, eine fo ploͤtzliche Berännerung 
des Climas in nackter armeniſcher Hochebene mit fo unertraͤglicher 
Sonnenhitze eintrat (20. Juli), daß um dieſe Zeit ſchon alles Grüsse 
auf Belvern und Wieſen verbrannt war, und die Anſtrengungen 
ver. biaher fo energifch thätigen und fiegenden Kräfte der ruſſt⸗ 
ſchen Truppen fichtbar zu finfen begannen. 

. MW. 3. Hamilton, der aus Asia minor fam, begegneten hier 
auf der Paſin⸗Hochebene bie erſten Ochfen, welche Laften trugen, >®) 
eine Benutzung, bie im Wellen ungewöhnlich, von hier aber durch 





2 v. . dammen Aſtat, Türk. Res Wiener Jahrb. 1821. Bo. XIV- 
Ä B6. ‚8%).&, Paslewitſch Feldzug b. v. —8 I. ©. 123- 
838 . Kinneir Geogr. mem. of Persia 1. c. p. 3323. 
se) v. . Hamilton Asia minor l. c. I. p. 183, 106. 





on 





J 


Euphratſyſtem; Atares, obere Zufluͤſſe. 395 


ganz Iran und Indoſtan im allgemeinen Gebrauch cf; ihm begeg⸗ 
neten bier die er ſten, im Gontraft mit ben Moslemen. mehr nach 
europäifch knapper Art angefleiveten und coſtümirten Georgier, mit 


flrliedlichen Begrüßungen, die den Osmanen fehlen, eine Annäherung 


an europätfches Weſen, das gegen den Kaufafus bin mehr und wege 
freypant zuningmt. 

Oſtwaͤris der fhbnen Brücke, die auch Tavernier kennt, un 
abwärts des vereinten Araresflufies, verläßt uns faſt jede ſpe⸗ 
elelle Kenutniß feines Etromlaufes, wenigſtens in neuerer Zeit, 
bit zu feinem Eintritt, am Verein mit dem Arpa tfhat, dem türs 
kiſch⸗ruſſiſchen Brenzfluffe, in bie Araxesebene bei Kulpis 
Salzbergen, two wir ven Araxes ſelbſt erſt wieder an feinen Ufern 
entlang begleiten können, während wir Hier nur zu feinen Zuflüffen 
und beren Gaulandſchaften unſern Wegmelfern folgen müſſen. 

Nur von feinen obern Zuflüffen, und zumal von biefem be— 
dentendſten ber nördlichen Zuflüffe, ver am Saghanin: ent⸗ 
freingt und durch das berühmte: Thal ver KarsKefte feinen un⸗ 
gemein gefrümmten Kauf gewinnt, ehe er oberhalb Kulpi bei Habft 
Bolramlu zum Araxes, als defien Imker Zufluß, einfällt, und ver 
an ihm hinführenden Gebirgäpafiage haben wir ganz kuͤrzlich erſt 
einige dem obern Stromgebiete des Araxes zugehörige lehrreiche 
Daten Überliefert erhalten. Das Araresthal feibft fcheint, in neuen 
ter Seit wenigſtens, niemals in jener uns ziemlih unbefannt 
gebliebenen Strede, von einem europälfchen Beobachter durch⸗ 
wandert zu fein; ja von einem bort Ginhelmifchen finden wir 
kat zu Tage, wie doch fon zu Taverniers Zeiten, eine an 
kinen Ufern unmittelbar hingehende Monte bezeichnet, weiche auch 
Ve Heeres züge vermeiden, da die große Karawanenſt raße fich 
nehr ſüdwärts abzweigt, einen Paß der Akhbulak⸗Kette ober 
halb Toprakh kaleh überſteigt, und an einem Nebenzweige des Mu⸗ 
tabfluffes, dann durch deſſen Thal aufwärts über Diyadin nad) 
Bahazed und Erivan führt. Schon Tavernier (1655) 9) be 
wett, daß Die Arzerums Karamanen gewöhnlich zu Tſhöban Bpri 
ein oder zwei Raſttage zu ihrer Erholung zu halten pflegen, weil 
bir der Doppelweg fich fpalte, ver Südweg megen des 
Araxes, der mehrmals ſehr beſchwerlich zu durchſetzen, und we⸗ 
den des dort boppelten Soues gern vermieden, und die Nord 





209) J. B. Tavernier Six, voy. l. c. ed. 1718. 8. Tom 1. 
‚2. ' 








396 Weſt⸗Liſien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 34. 


zoute über Kars, obwol fie länger und mühſamer, doch vorgezo⸗ 
gen werde, weil man da von der Kameellaſt nur die Hälfte des 
Zolles wie auf der andern zu tragen habe. Durch ihn allein, der 
damals auch nicht vie Süoftraße über Vayazed, ſondern eine directe 
Mitteliraße zwifchen Kars und Bayazed nach Erivan, im 
Araresthale entlang, über Khagizman nahm, haben wis einige 
Notizen über dieſes Iegtere erhalten. Wol bie Beſchwerde, welche 
die wiederholte Durchfegung des wilden Arares gibt, mag bie Ur⸗ 
fache der neuern Vermeidung biefer Mittelftvaße fein, überhaupt 
größere Wildheit bed. Landes, wenn. wir. nicht. blos die Grenzver⸗ 


hältniſſe und die Uinficherheit durch räuberifche Kurven als die Ur⸗ 
fache dieſes durchgehenden neuem Mangels von Erkenntniß dieſer 


gocalitäten annehmen wollen. 

Die armentiche Geographie weiß bier auf der ganzen Strecke 
des obern gebirgigen Araxeslaufes von deſſen Südſeite keinen 
einzigen Zufluß anzugeben, und eben ſo wenig von der Ararat⸗ 
ſeite, ver Hochebene, bis zum Maku⸗Fluß, over dem Alſas, ven 
fie Deghmod nennt, und von dem wir ſchon oben geſprochen 
haben (ſ. ob. ©. 337). Der ruſſiſche ſtatiſt iſche Bericht über 
das Paſchalik Kars 60) nennt Hier allerdings 7 verſchiedene Flußna⸗ 
men, von denen uns jedoch nichts Näheres geſagt wird. Sie heißen 
1) Demurkami, 2) Kabut, 3) Baſyrchan, 4) Shighin- 
dara Su, 5) Mamakar, pie insgeſammt dem Achbulak⸗Ge⸗ 
birge entquellen jollen; 6) ver Ach tfhai, vom Berge Sarbaba 
fommend, und 7) ber Infha fu, der auf dem Kiur- ogly (jener 
oben genannte Räuberberg, Keuroghlu dagh) entipringen fol. Der« 
felbe Vericht kennt dagegen von ver Nordſeite nur 2 linke Zus 
flüffe mit Namen, die bei andern nicht vorkommen, nämlid: 1) den 
Bajan Su, vom Adıbaba kommend, ver oberhalb ver Salzgruben 
von Kulpi in ven Arares falle, und 2) ven Tſhinghäua vom 
Jag ly dſha entfpringenn, der und ganz unbefannt if. 

Dagegen führt vie armenifche Geographie folgende linke over 
ndxoliche Zuflüffe zum Araxes von größerer Bebeutung an, bie 
fit) auch in andeen Berichten wieder erkennen laffen. 

Ungerbalb des Arared-Dereind: 

1) Den Murts, in ver Provinz PBafin (Moses Khor. hi- 
stor. Arm. Lib, u. c. 62. p. 185: in provincia Basenia, quo 





u us Der Tiflis Zeitunge u. Petersburger Zeitung. 1830. pril 
Ma 


* 





— 





Euphratfgftem; Arares, Zufluſſe; der Kars tſhal. 397 


is loco Marsius amnis et Eraſsches confluunt etc.), an beifen 
, Yufammenfluß Balarfes, Sohn des Königs Tigranes, von feiner 
Mütter auf dem Wege zum Winterlager nach Ararad, die von ben 
Rutterweben überfallen warb, geboren wurbe, und fpäter daſelbſt⸗ 
ver Gehurtöftelle zur Erinnerung, die große Stadt Valarfavan 
baute Dies iſt wahrſcheinlich der Mufis bei Plinius, ver 
deſen oben Lauf des Araxes kennt (Araxes eodem monte quo 
Esphrates, VI. mill. passuum: iatervallo, auctusque amne Musi. 
Pin. H. N. VI. 10), aber auch nur bis zu dieſem  Zufluß, ben 
Et. Eroix mit dem weiter abwärts folgenden, dem Arpa tihat, 
verwechſelt Hat. St. Martin) weiß ihm noch feinen neuern 
Namen anzuwelien; bie neuere Kriegägefchichte hat uns fo genau 
mit dent bortigen Khan tfhal,. ver. vom. Suͤrweſtabhange des 
Sıghanlu herablommt, bekannt gemacht, daß wir nicht daran 
zweifeln kdunen, ihnn mit dem Murts zu ibdentificiren. | 
2) Der Kars tfbat, Fluß von Kars, oder Alhurean; 
ve Arpah tſhai. Der zweite linke, weiter abwaͤrts darauf fol» 
gende, weit beveutendere Zufluß iſt der AUlhurean der Armenier 
] (nlgair‘ Akhura, Ahuran), au Kareked oder Kars tſhai, bi 
I FIluß von Karg, ver alfo unverkennbar nicht fern vom vorigen 
auf dem Sudoſtabhange vefielden Saghanlu entfpringt, in großem 
5 enboftwärts gehenden Bogen an. ver berühmten Stadt: Kars vor. 
iüberzieht und unterhalb verfelßen ven Ablauf aus dem Palagat⸗ 
ſit See (gewöhnlich Phalath, au Balagatfis ver. Armenier, 2) 
vd. der Nord ſee, Tſhildyr EHI der Rufen) 8) aufnimmt, 
weicher bei den Armenien Rhah heißt. Diefer nur in ber arme⸗ 
uſchen Giftorie erwähnte, aber. fonft noch. unbelannt gebliebne 
Ypen-Gre tritt erſt in ver letzten Kriegsgefchichte hervor, wo in 
der Bitte des Juli 1828 das ruffljche Kriegäheer mit feinen Be⸗ 
Igeungögefüg auf dem Marfche von Gümri und Kar nord⸗ 
wirts mach der Feſte Achalzik, an ihm vorbei, über das ihn umgen 
bende Gebirg Tſhildyr, eine nörbliche Fortſegung des Saghanlu, 
m, und an dem Gras reichthum ſeiner Ufer treffliche Nahrung 
für die Pferde, in vom Fiſch reichthum feiner Waſſer und. Zuflüfſe 
fir die Menſchen vorfand, 9%) deshalb an ihm ſein Lager hielt, in 
in waſſerreichen Umgebungen aber zum häufigen Brücdenfälagen 





“‘) L St. Martin Mem, sur PArm. I. p. 39. *?) Ebert, p- 29, ®. 
‘ soul al Baetenitie deldzug 1828. b. v. uigatofl I . ©. 228. 











398 WeitsAflen. III: Abtheilung. I. Abfchı 


gendthigt war, um nur fortgulemmen. Zeiten: fünaflı 
ber ſo durch nen Seeabfluß bereicherte Fluß von Rı 
nen bedeutenden Gebirgoſtrom auf, der direct im Nord 
Pleinen See, Arpa ghoͤl, entipringt, den St. Martin 
ven St. Croirx wit dem. weit größeren weftlichen Pi 
wechſelt bat. Erſt von ba zieht er an der Weſtſeite d 
Paſſes, deſſen: Gebirgadamm er im Tiefthale durchſchne 
Ser Feſtung Gümri vorüber, wo ex: unterhalbderſel 
Fluß von Kars einmündet. Es iſt der Arhp'ha 
Armenier, ‚ver Arpah⸗tſhai oder Arpa-Su, d. h 
fluß, der heutigen türkiſchen Bewohner. An dem von 
vereinten Kar aſtrome mit-dem Arpah, der nun 
Arypa.sfhat auch mol beibehält, liegen auf deſſen weit 
linkem Feldufer die großartigen Ruinen der berühm 
armeniſchen alten Stadt Ani, deren Wiederentdeckur 
Porter und W. Hamilton vernanken (im 3, 183 
ver ſeit Zenophons Zeit, denſelben Namen Harnı 
naoog, Xen. Anab. IV. 7, 18) trägt. und auch damals 
Huß, gegen Südoſt zum Araxes (d.,i. Phaſis ‚bei Xeno 
zwifchen den Chalybeern und Scythinen war, von. bei 
chentorps nach/ver Verirrung nach Gymnias 60) retrog 
ſelbe Strom iſt es, der noch heuie als Grenz ſtrom 
türküiſchen und ruſſiſchen Armenien nur nach 3 
Ten (26 Werſte) 66) :fünwärts, 2 Stunden vom Dor 
fich zum Arares ergießt und an dem. Fuße des am 
gegenſtehenden, auf dem Südufer des Arares gelegenen, 
ges Kgache mit ben nun ſchon vereinten Waſſern des 
prallt. An dieſer Einmündung des Grenzſtromes lie 
daburch gebildeten ſpitzigen Landwinkeln, auf den. dort 
ben des nörblichen Araxeſsufers, die. Ruinen der alten 
Städte Erovantagern (over Aktcheh⸗kalaa der. Türker 
türkifchen Dorfe Habji Beiramlu (Apjibayram der ruff 
von Weſtufer des Arpa tfhai, und ihr. gegemübe 
tabad (Erovaniafhan bei Mof. Khor.) auf ;nefle 
Deren Wiederentdeckung wir Ir. Dubois im 3,1834 
53) Der Fluß von Eifhmianzin, Kharfall 
over Karpiſtſhai. Der Dritte öftlichere. linke Zuflu 


. 166) J. Rennell Dlustrat. l..c. p. 225, 234, Al. 
hois Voy. L e. 1 p. 436. 


“ 





- — — — — ——— —— — — 


Eupbratfuften; Arages, Zufläfiejber Karpi tſhai. 399 


208 weiten abwärts iſt der Fla ß von Erfhmtanzin;. er Hei 
Kihafagh 67) Hei Armeniern, vulgair nah heute Kharſakh aper 
Kehatſalh, ergießt fih aus ven Arakadzbergen, die. bei Türken 
und Aufien Alaghez, auch Aliguz gemannte 12,000 Fuß babe 
Bergfette ,. von welcher auch wie. fünlich anliegenne Ebene bei. Arme 
nern den Namen Aralapzenn ®) (d. i. Fuß des Arakadz) 


kißt. Der Blu wien: bei den Ruſſen Abaran, oder nach eis 


an: ihm liegenden kleinen autiken Oriſchaft Barps ‚ober Karpi, 
We aber. durch ihre vielen Käfer: °9) in älterer Zeit berühmt war, 
auch gewohnlich Karpitſhatrgenamt; er sieht. ganz nobe im 
VWeſt des Moſters Etſhmiadzin vorüber, wird aber. durch, die Kultur 
in.fo:siele hundert Canale 70) zextheilt und fein Waſſer dadurch auf 
ven Kloſterländereien und des Umgebung fo ganz aufgebramdt, daß 
6 das Urazetufer gar nicht: einupıgl erreichen Bann; ein kleines Ne 
Imfläßchen an feiner. untern Weſtſelte, das aus einem Fleinen Ber, 
Aigher Ghul (Hengfi- Ser), in: ganz kurzem Lauf mit feinen 
übgelekteten. Canaͤlen fich vereinigt, ifl ver Kara fu, per aber. mit ap 
m: ‚glektämamigen auf dem Südufe bes Arares nicht zu verweqh 
ſcin iſt. 
4) Der uf von Geivan, Stastlan. a). an Hurt. 
van (Rhazdan b. Mof. Khor. ©. 34, 102) der Armeniex, gegen 
mäztig gewöhnlich von einer geringen Stadt, vie er beſpült, Ban 
gufen Ed. i. Fluß von. Zengi), daher bei Türken Zengy jui, 
Zeng oder Seng, oder auch Brfhnoi-pihur Ch. i. Waller von 
Peſhai) genannt. Gr iſt der wefkliche Ablauf bed großen Sevan⸗ 
Sees, der bei Türken und Armeyiern. „dad blaue Meer” (Kur 
tſheh Darin ober. Kuktfbeh Tengis), daher offenbar in ver 
Bulgairſprache Baktfhat, heißt, auch ſüßes Meer (Daria Shi⸗ 
rin), im böchften Algerhum bei Armeniern aber nad einem: pa⸗ 
triarchalifchen Könige Kegham⸗See hieß, auch nad einem am 
Sudufer gelegenen; ;: durch chriſtliche Heiligthümer geweihten Ufer⸗ 
gaue Keghark'huni. Rufſſiſche Karten Hatten dieſem Fluſſe frü⸗ 
ber einen’ andern Urſprung gugeſchrieben. Er beſpült die Haupt⸗ 
fadt. Terſarmeniens, Exrivan, je in Ruſſiſch· Armenien, die an 
ſenen Felsufer erbaut iſt. 
9) Der Kerhni tſhai Gerneiſqet ver Rufen), 0 





*7) 3. St. Martin M&m. =. PArm- I. p. 88, 114. .**) ebend. I. 
ı9. 14, 326. ° °*) Eug.Bore Correspond. I. p. 39. . °9% Fr. 
-'Dabeis. Vay. I. p. 418. . °') J. St. Martin 1 c. p- 40, 61. 








300 Weflsffien. III. Abchrilung. I. Abſchnitt. 


Fluß ver alten Armenter, 2) iſt doſtlich vom vorigen, in gi 
Entfernung von ihm, und mit ihm parallel zum Arares fl 
Seinen Urfprung ulmmt er in den wilden baſaltiſchen Felsg 
am Sũdufer des Sevan⸗Sees, um bie wiln romantiſchen Bel: 
des beruͤhmten antiken Kloſters Kleghart, 72) und firdmt ' 
Elippigen Felsthaͤlern an den großartigen Trümmern der do 
ſtigen Prachtſtadt, der großen Karhni mit der Ruine des 
thridates⸗Ahrones, 7% vorüber, ergießt ſich aber fchon ı 
nach einem kurzen, nur etwa 5 Stunden (20 Werft) langen 
nabe Atbafh,:teine volle 4 Stunden (16 518 17 Ward) far 
Erivan, nachdem er hier die letzte Yelsfchlucht durchbrochen 5 
die Araxesebene. Ob ver früher genannte Azad, welche 
Medzamor (vd. h. Moraft) Hieß, an deſſen Zufammenfluß m 
Araxes die antike Ardafhad (Artaxata) von dem Kar 
Hannibal erbaut mwurbe, ver fo eben genannte Karhniſtſh 
war, mit dem ihn St. Martin iventificist, ‚bleibt noch un 
da die wahre armenifhe Stadt Tovin, 7%) die an feinem 
Laufe gelegen war, noch nicht wieber aufgefunden iſt, un die‘ 
mer von Artarata, welche man dafür zu halten geneigt fein ı 
viel weiter im Oſten, ſowol vom: Karhai:fhal. wie ‚vom he 
Arares »lifer entfernt lieggen. 

Außer diefen 5 nörblichen oberen Hauptzufläffen 
weiter abmwärt® noch mehrere andere aus ven Provinzen von S 
und Khapan zum Arares, wie die Fläffe: von. Nakhidſhe 
Megri, Orodn und andere, jedoch nur. von geringerer ( 


noch oberhalb des Araxesdurchbruchs, an feinen bedeu 


Wafferfüllen (K’haravaz oder K'haghavaz ver Arn 
Arasbar ver Türken), unterhalb welcher € er in fein mittlere 
unteres Stufenland eintritt. 


e) Die Gebirgsopaſſagen des Saghanlu Dagh zu 
obern Karstſhai. 
Wir kehren nun zu ber genannten Aſhöobau köpri 
Ara ee zurück, von welcher aus fig die Brei 5a 
Routen gegen ven Often fpalten. 
1) ‚Die Süproute über Dei Baba und ven 8 


772) J. St. Martin M&m..l c. L p. 41. En Debois 
nf. p.391. 790) ebend. III. p-335 exe 759 J. St. 
Mém. I. p.117. ’e) Fr. Dubois Voy. Ill. p. 408, 405 ı 





Euphratſyſtem; Mittelroute am Araxes. 401 


Dagh⸗Paß nach Topra kaleh und Diyadin, von der wir 
ſchon früher das hierher Gehoͤrige von Diyadin bis Bayazed und 
weiter zum Arares geſagt haben (ſ. ob. S. 337), und zu ber wir 
heim obern Laufe des Murad zurüdfchren werben. | 

2) Die Mittelroute im Uraredthale entlang, über Kha⸗ 
gizman (Raguisgan bei Tavernier, Ragfeman nad v. Ham⸗ 
wer) bis Etſhmiadzin, von der wir nur allein bei Tavernier 
belehrende Nachricht finden, und 

3) die Norproute, durch das Akhurean⸗Thal, an Kar 
verüber, zum Karpi thai und zum Araxes bei Etſhmiadzin. 










2) Die Mittelroute über Khagizman durch das Araxee⸗ 
thal (nach Tapernier, 1655). 7) . 

Diefe directeſte Route von Arzerum bi8 Erivan ward zu 
Tavernier’& Zeit gewöhnlich von den Karamanen in 12 Tages 
märichen zurdicgelegt, auf denen Die viermal wieberholten Durch⸗ 
kungen des Araxesfluſſes, mie der Drud der Grenzzollſtation zu 
Khagizman, zwifchen dem türfifchen und perflfchen Reiche, vie 
baupthemmungen und ‚Schwierigkeiten gewefen zu fein fcheinen, die 
Ban durch. bie beiden nörplichen und fühlichen Seitenrouten hat ver» 
Biden wollen. Die Neihögrenze wurde damals, Mitte des 17ten 
dahrhunderts, zwifchen dem Großfultan und dem Nerſer⸗Schah, mie 
heute gegen Rußland, durch den Arpatfhai, im Oſten von Kha- 
fyman, gebildet. Das ganze auf diefer Mouse zwifchen den Aras⸗ 
ud Kars⸗Flüſſen liegende Gebirgsland war damals, mie e8 ſcheint, 
uch ganz frei von den kurdiſchen Ueberzüglern geblieben, die 
ka Murad und Araxes noch nicht nordwärts überfchritten zu ha⸗ 


um vum Ten 


,rRarTmm 


Raubparteien und zahlreich verbreiteten Hirtenflämmen gegenwärtig 
bie verheerende Pet dieſer durch fie fo unfichern Landſchaften ge⸗ 
werden iſt. Jene Landfchaft, fagt Tavernier, war zu feiner Zeit 
sur von armenifchen Chriften bemohnt und von fehr wenigen 
Aubamebanern , die freilich die Obergemwalt hatten und jene im 
Drug Hielten. Zwiſchen ver türkifchen und perfifchen Brenze 
hatten. ie Berfer nach ihrem politifchen Syſtem jene aufblühenve 
Gemzanfieslung immer wieder abfichtlich zerftört, um einen Wü⸗ 
knfaum von 6 HE 8 Tagereiſen Breite als ven beſten Schun 


— — 


Haye 1718. 8. T. I. p. M-28. 
Ritter Gepfuade X | ec 


") 5. B. Tuavernier, Six voyages en Turquie, Persie etc., & la 





den fcheinen, während viefes kriegeriſche Volk in feinen kühnen 


® 








404 Weft:Afien. : TI: Abtheilung. I; Abſchnitt. $. 34. 


ver Im Jahr 1700 dieſelbe Route zurücklegte, gibt feine localen Be⸗ 
Adgreibungen,. um ihn Schritt für Schritt begleiten zu können. Wir 
erfahren von ihm .nur, daß er mit einer Karawane von Kaufleuten, 
Davon etwa 200 gegen bie Raubüberfäle mit Waffen verfehen wa⸗ 
zen, von Arzerum in 7 Zagemärfchen, nom 6 bis zum 12. Juli, 
bis Kara vorrückte. Ohne beſondre Stationen mit Namen zn nen- 
nen, bemerft er nur, daß er erſt am 4. Iagmarfche die fchönen 
Pinuswälver des. Gebirgd erreichte, in deren ergdglidyen 
Waldſcenen er ginige Tagereifen nad) jenem Marſch über vie 
ſchon verfengten Hochebenen des Araxesthales fortfchritt.. In jenen 
Ebenen bemerkte er feinen einzigen Baum, aber guten Korn- 

bau. und treffliche Bewäflerung der Felder, ohne welche die 
Saaten durch die Sonnenhige verbrennen würden; um jo mehr fiel 
e8 ibm bei der flarfen Tageshitze auf, daß zu gleicher Zeit doch 
noch vie. benachbarten Hügel ihre Schneedecken trugen. Ihm war 
Die Natur eined Trockenclimas, das hier ven Continent dyaracteri- 
fit, im Gegenſatz eined feuchten maritimen. Climas, wie es 
ih ſchon auf ven Infeln des Archipelagus, von denen er eben her⸗ 
fam,- zeigte, noch unbelannt. Aber er fuchte nach Erklärung der 
daraus hervorgehenvden Grfcheinungen. Auf ven griechifchen Infeln, 
wo es nur im Winter regnete und im Sommer die Hitze des 
Sonnenftrabls felbft, wie er bemerkte, die Erde calcinirte, hatte er 
doch die fchönjten Getreivefluren gefunven, während bier der arme 
nifhe Boden ohne fortwährende Irrigation gar feine Saat nur 
auffommen laffe. Derjelbe nährende Saft, meint er, fünne daher 
nicht jedem Boden in gleichem Maaße zugetheilt fein, und jene 
Snfeln fchienen ihm dem Kameele vergleichbar, dad fih nur einmal, 
aber für lange folgende Zeiten vollſäüft. Er dachte nicht an bie 
immerfort feuchte Atmoſphäre, welche die In feln fortwährenn ums 
ſchwebt, die aber dem Trodenclima fehlt, und glaubte vie Er- 
flärung. darin zu finven, daß der armenifche zu falzreiche Boden 
mehr Wafler empfangen müffe, um vie Salztheile zu zerflören, 
welche. fonft den Wachsthum ver zartefien Pilanzenwürzelchen 
hemmen würden. 

As. Zournefort nun aus feinem. beißen Araresthale in die 
Walvregion des Saghanlu Fam, fand ex, daß, nachdem er in ven 
Ebenen die jchönften blühenden neuen Kräuter gefunden, das Gras 
erft zu fprofien begann (am 6. Buli), und daß ſelbſt in dem 
fo ſchönen ſchwatzen, fetten Boden im Thale des Karstſhai das 
Korn erſt fußhoch gewachlen war. Am Tage war es unerträglich 





Euphratſyſtem; Nordroute am Karefluß; 405 


heiß und die Nächte hindurch fror ed an allen Quellen noch Eis⸗ 
zapfen. Die Bflanzen, fo viel weiter im Süden, waren doch 
nicht weiter vorgerüdt, als die Flora zu Paris im April ed zu fein 
pflegte. Ia, was ihn noch mehr in Verwunderung fehte, gar Feine 
neuen Kräuter fand er hier, ſondern diefelben Malven, Planta- 
gos, Parietarien, Thalictren u. a. m, vie ihm jchon in Frankreich 
fo befannte Kormen geweien. Auch das Höhenflima mit den 
verwandten Floren war ihn, wie dad Gontinentalclima, 
eine damals noch unbefannte Erſcheinung. Dabei fiel e8 ihm fchon 
fehr auf, Daß da, wo ver gar nicht ſchwere Boden gepflügt 
ward, zum Ziehen der Kurden, die doch nicht tiefer als in Frank⸗ 
reich gingen, nicht”? und 4, ſondern ſtets 10 bis 12 Paar Büffel, 
und jedes Paar mit dem Knechte zur Seite, nothwendig ‘waren, um 
durch Den harten außgetrodneten Boden nur in die Tiefe zu kom⸗ 
men, was auch durch neuere Reiſende 82) beftätigt wird. 

Mehrere treffliche. Beobachter neuefler Zeit: Ker Borter 
(1819),9) I. Brant (1835) 8) und ®. I. Hamilton (1836),85) 
jo wie die jüngſte Kriegsgeſchichte, find es, deren lehrreiche 
Darſtellungen ganz vorzüglich uns in Stand ſetzen, dieſe Gebirgs⸗ 
paſſage zum erftenmal faſt vollſtändig zu erläutern. 

Erſter Tagmarſch nah Khoraſan (10 Stunden). Vom 
Kan Tſhoͤban köpri verengt fich die Straße bald, auf kurze Strecke 
zu einem Engpaß, zwiſchen dem Aras rechts, über. nen Die 7 
Bogen reiche Brüde nach Diyapin ablenkt, und ben hoben Ufes- 
bergen von Sandflein zur. Linken. . Das Araxesthal weitet ſich! aber 
shwärts bald wieder, ünd nur nievere Allunialhügel aus Kies und 
Send von ſüßen Waflern aufgeſchwemmt, Anfang Junt mit: ven 
hönften Blumen, zumal Orchis⸗ und Irisarten gefhmüdt, bes 
gleiten die Nordſeite 8 Stunden weit, bie zur erſten Etation 
Khorafan. | 

Zweiter Tagmärfh nad Baͤrdes do Stunden.) Auch 
den zweiten Tagmarſch von Khoraſan nach Bardes (10 St. 
Wegs) Hat man nach erſter Stunde aus derſelben bene gleich 
artig aufgeſchwemmte Sandhügel aufzuſteigen, deren Rüden 
aber, in vollkommen gleichem Niveau, der vielen ſchroff cine 


22) W. Ouseley Trav. IH. p. 456. 22) Ker Porter Tray. Ik 
p. 649— 662. : 1) ). Brant Journey 1835, in Geogr. journ. 
VI. 1836. p. 198 — 200. ua W. J. Hamilton Asia minor, L 


p. 186 





406 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $.34. 


ſchneidenden Schluchten und Einriffe ungeachtet, welche fie durch⸗ 
furchen, nur eine Plateauebene barbietet, mit volllommen hori⸗ 
zontaler Lagerung von Sand, die mit zahllofen zertrümmer- 


tm Muſchelſchaalen (Mytilus und Avicula und wenige Fleine 


Univalven) esfüllt, ſammt ven ‚horizontalen fchon früher an ihrem 
Buße bemerkten Waffermarfen, die Vorflelung eines bier der⸗ 


einſt geſtandnen, aber. verfchwunnnen Süßwafferfees beflätigen. 


Wenn die Uraredebene am Zuß niefer Hügel fihon mit Ba⸗ 
falt und Lavakieſeln überflreut war: fo ift es merkwürdig, daß 
diefe fandige Plateauebene mit vielen Bruchflüden eines bem 
fhwarzen Obſidian ähnlichen vulkaniſchen Glaſes ganz 
überfireuet war, ein Zeichen, daß auch wol vukkaniſche Bildun⸗ 
gen an jener Trodenlegung ver Plateauebene ihren Antheil gehabt 
haben. | | 

Der Weg erhebt ſich nun gegen Nord, ven oſtwaͤrts ziehenden 
Araredlauf verlaffend, über mehr wellige, nicht alpenartig mit 
Orasdteppichen liberzogene, fondern nur mit jegt blühenven Blumen- 
kraͤutern gezierte Berge, die in wenigen Wochen fpäter fonnenver- 
brannte nadte Gehänge varbieten, hinweg, um dann zum engen 
Thale des Kara Su (Schwarzwaifer) hinabzuſteigen. Ehe 
man zu diefem Fluſſe gelangt, muß wol vordem bort das Dorf Be⸗ 
drowa s 86) gelegen geweſen fein, pad W. Ouſe ley paffirte, wo er 
5 mufemännifche Tempel, 2 armenifche und 3 griechiiche Kirchen 
fand, und in der Nähe, auf der Grenze des Arzerum und Kara Pa- 
ſchaliks, Die warme Heilquelle, die ihm mit dem perfifchen Na⸗ 
men Abigarm, d. i. „heißes Waffer,” genannt wurde. Ker 
Porter nennt es ein Schwefelbad, nahe dem Zebinfluß. Der Name 
Kara Su iſt bekanntlich eine jener allgemeinen. türkifchen Benennun- 
gen von Bergwaſſern, die hier unftreitig auch vemfelben Fluſſe bei⸗ 
gelegt wird, den der rufjifche Kriegsbericht Khantſhai nennt 
(Murts ver Armenter, ſ. ob. S. 396), und weldyer ſich erſt etwas 
oftwärts unterhalb Khorafan, nach ver rufflfchen Karte, auf ver er 
jedoch namenlos geblieben Ift, in den Araxes einmündet. Hamil⸗ 
ton erwähnt deſſen Mündung nicht, ſondern trifft erſt einige Mei⸗ 
len landein zu deſſen Gebirgolauf, wo er im engen Thale von N.W. 
reißend herabflürzt, und überſetzte, eine Viertelſtunde im bufchigen 
hal aufmärtd gehend, die über ihn führende Brücke, alfo zu deſſen 
öftlichem over Anken Ufer hinüber, um den fehr ſteilen Berg aus 


786) W, Ouseley Trav. III. p. 459; Ker Porter Tr. II. p. 660. 


u u 





- Euphratfpflen; Rordroute, Saghanlu dagh. 407 


yorpbyritifhen Trappgeflein, viidhen ver Kara Su um- 
laufen mußte, zu erſteigen. Schon nach Der erfleh Stunde Auf⸗ 
feigen® wird der Gipfel der Kette arrdicht,. und Hnfs in ſteiler 
Ihaitiefe der Rara Su in feinen Windungen wieder erblickt, zu 
der man auch. an wem Dorfe Hadeh vorüber, in 14 Stunde wie 
ver bimabflieg. An der unteren Beruhrangblinie ver Trappichtch- 
ten mit anderm Geftein lagen ſehr viele große Blöcke einer gelben 
jatpisähnlicdhen Yeldart, welche Hamilton al& eine durch Schmel- 
zung umgeänvderte (gleich der bei Koula und Burnubat) erfannte. 
Das jenfeitige Felöufer des Kara. Su zeigt ne Caftellruine 
(wahrſcheinlich Medfhingert. ned. ruffifchen Armeeberichts, (2) dns 
Medſhnekerd 87) der Türken; bei Hamilton bleibt fie namenlaa). 
®. Dufeley®) zog an ihr ebenfalld vorüber und bemerkt, Daß 
vie Gegend ſehr romantifch, vol Hügel und Thäler, Ylüffe und 

Walver, aber auch voll Räuber ſei. Sie Hegt auf, dem Gipfel, iſt 
ſehr maleriſch; dieſer iſt in phantaſtiſche Zinken und: Zacken zer⸗ 
riſſen, die, fo wie eine aͤhnliche Kette von Kegelbergen, vie. einen 
großen Theil ver Höhen zur rechten Seite beveskte, leider nicht näher 
mierſucht werben konnten, weil die Gegend burch Kurbenräuber. zu 
unſicher war. Ihre Geſtalt ſchienen ſie dem verwitterten Trapp⸗ 
tonglomerat oder der Vulcanbreccie zu verdanken, bie ihrem 
Hauptbeſtandtheil zu bilden ſcheint. Bei der zweiten Erreichung dieſes 
Kara Su (Khan iſhai) ward fein Engthal 14 Stunden lang em⸗ 
porgefliegen; des Stromes vielfache Windungen mehrmals durch⸗ 
ſedend, wurde endlich das Dorf Kara Oran over Kara Odman 
erreicht, deſſen Bewohner vorzüglich mit dem Waldfchlag und dem 
Helziransport dieſes Waldgebirgs beſchäftigt find, das hier 
Saghanlu dagh bei Hamilton, Suvanli dagh bei Brant, Sa⸗ 
ganluk oder Saganlugh des ruſſiſchen Armeebtrichts genannt 
wird. — 

Bei der Unficherheit durch Kurden fonnten die Reifenden. im 
Dorfe nur einen einzigen Bauer ald Wegweiſer und Escorte nach 
Barpes finden. Gleich oberhalb dem Dorfe bat der Fluß fi 
durch wie Mitte eines Spaltes hindurchgewühlt, ver die Trapp⸗ 
wand 89) durchſetzt, die ſich weit von Oſten gegen Weſten auddehnt. 
Jenſeit deſſelben führte der Weg im Gngfpalt am rechten ufer 


u. v. Gammer »Purgftall Afiat. Türkei. Wiener Jahrb. 1821. B.XIV. 
©. 34. **) W. Ouseley Trav. III. p. 459. u W. 3. Hamil- 
ton a... 0.1. p- 188. 





108 Weſt⸗Aſien. IH. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 34. 


zwiſchen vorfpringenden Maffen von Trappconglomerat bin. Der 
Fluß zweigt fi bier in 2 Ströme, deren einer von N.D. herab⸗ 
kommt, der anvere.von N.W.; nach Lieberfeßung des letztern fleigt 
der Weg zur Felskette zwiſchen beiden Flüſſen empor, und führt in 
der erften halben Stunde an den Ruinen eines alten vieredigen 
Baued, von großen Quadern In cHelopifchem Style ausgeführt, vor⸗ 
Uber, der am Rande eined Abſturzes einft eine Schugwehr bildete. 
Weiter. aufwärtö verändert fich die Lanpichaft in ein fchwarzes mo⸗ 
raſtiges Hochland, Über deſſen ebenere Oberfläche eine große Menge 
von Trapp⸗ und Trachytbläden zerfireut umberliegt. Auf ver ent 
gegengefegten Seite des Thals gegen Dft, eine Stunde fern, zeigten 
ſich auf einer Steilhöbe die Trümmer eines andern großen Caftells, 
das einem Kara Oglan Bey gehören follte, und auf denſelben Hö— 
Sen traten Wuldgruppen mit pastähnlichen grünem Landſchaften 
zomantifch hervor, währenn ber erfliegene Berg noch ganz nadt une 
* war. Nach 2 Stunden Hitt auf dieſen wilden Höhen wurde 
die erſte Wasferfcheide des Kara Su. überfliegen, und auf 
einem Gteilpfade nach eines Stunde. Wegs gegen Rorb das durch 
einen andern Fluß, ben gegen Nordweſt fließenden Bardes Su, 
wohl bewäßferte und befannte vochthal der Stadt Bardes er⸗ 
eich. — 

Wenig Blume Randen auf ben Bergen umber, nur Nadel⸗ 
Holz (firs), und eine anbere hohe Kette jenfeit Barbed war mit 
Säulenbafaltfuppen befeßt. Das Stäptchen felbfl, von ben 
Ruinen eines Caſtells in feiner Mitte Iberragt, Sultan Suleiman 

kaleh genannt, ‚behersicht ven Gebirgspaß und die Brüde des 
Stromes (Afhurean ?), der hier von D.SD. gegen W.N. W. fließt. 
Die 300 Häufer des Ortd find nur von Türken bewohnt, deren 
Hauptgefchäft In Berfertigung von Holzwaaren, zumal von Hölzer 
nen Bienenftöden beſteht, aus dem Böhrenholz (fir) des Saghanlu 
dagh. I. Brant, der venfelben Weg, aber von Kars aus gegen 
Weſt nahm, und durch ven Waldreichthum des Saghanlu 
überrafcht war, fchägt die Paphöhe, die man nad ihm leicht 
für Laſtkarren fahrbar machen fünnte, auf 3500 Fuß Höhe über 
dem Meer, ®) was. vielleicht als zu unbedeutend gegen die Flußhöhe 
von: Haffan kaleh, die 5140 Fuß hoch gefunden wurde, erfcheinen 
möchte. Sehr beveutend Höher vürfte fie wol nicht geihägt werden, 
wenn man bedenkt, daß es der einzige Walvberg in der ganzen 





100) J. Brant Journ. a. a. .D. VI. p- 200. 








Eupbratfoftem; Nordroute, Saghanlu dagh. 409 


umliegenben meiſt baumloſen Gegend von Bedeutung iſt, und daher 
wol nicht eben zu den Gochgebirgen zu rechnen ſein wird, wenn 
fhon das fleile Auf- und Abfleigen an ihm fehr beſchwerlich if. 
E iſt es, der fomol Kars wie Erzerum allein mit Zimmer- 
holz und Brennholz verfehen Tann, der ganz vorzüglich vie 
großen Balfen und Stämme zu dem ruffifchen Feſtungsbau ber 
Grenzflapt Gümri 9) liefern mußte, wobel die Bauern zur 
nentgeltlichen Arbeit des Waldſchlags und Transportes vom hab⸗ 
ſichtigen Paſcha von Kars gezwungen wurden, während er bie 70000 
Yucaten, weldye Rußland vafür bezahlte, in feine Taſche ſteckte 
Yefer Saghanlu iſt durch bie jüngften Siege des ruſſiſchen 
deeres unter Generalfeldmarſchall Paſskewitſch zu einem claſſi⸗ 
den Boden geworden, weil durch ſie die ſchnelle Einnahme von 
Arzerum möglich wurde, und ber ganze Feldzug von 1828 und 
1829 feine entſcheidende Wendung bier gewann, (davon f. unten). 
Barnes ift das Bardus des türkifchen Geographen Cwlia, ein 
Schloß 22) von Kerimeddin Khatun, der Tochter Aſeddins, des 
herrſchers der Familie Akkojunli erbaut, wie dies eine Inſchrift über 
dem Thore des Schloffes, nach Ewlias Lefung, ausfagen fol. 

Drister Tagmarſch von Bardes nah Rare. (126:.)9) 
Bon Bardes führt um die Ruinen des Caſtells ein Steilweg 
hinab über den reißenden Bardes Su, der bier zwiſchen hoben 
delſen von ED. gegen N. W. ftrömt; leider wird uns nicht gefagt, 
webin er feinen. fernen Lauf nimmt; wir müflen, da uns bier alle 
Kartenzeichnung verläßt, aus dem Folgenden jchließen, daß er zwi⸗ 
hen dem Kara Su und Kars Su entipringend, und gegen 
RB. ſtrömend, alfo nicht zum Araxesgebiete gehört, ſondern ein 
ſuddſtlicher Zufluß des in N.IB. vorüber ziebenden Tſharok⸗Fluſ⸗ 
ſes iſt, des größten pontifchen Küftenflufied jener Gegen, ver ſich 
bei Datum. zum Deere ergiebt. Auf dem Gebirgswege blabt man 
eben noch eine Zeit lang, an 4 Stunden, in feiner unmittelbaren 
Nähe, ehe man, gegen O.N.D. eine andre Waſſerſcheidehdhe *) 
überfleigend, zu der erften Hauptquelle bed Karsfluſſes 
fh kommt. 

Sat mun den relßenden Bardes Su zwiſchen feinen Bafalte 
Häfen durchſetzt, fo beginnt das Aufſteigen gegen N.O. über Trapp⸗ 





21) Hamilton a. a. O. I. p. 190. *?) v. Hammer-Purgſtall, Afiat. 
Türtei. Rer. Wiener Jah, 1821. Bd. XIV. ©. 37. 
2) W. J. Hamilton Asia minor. 1. p. 190. ) Gbend. 1. 
p. 1 5 ' ' 








410 :Weftstfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 3.34 


und Bafaltfelfen mit Spuren irregulärer Säulenbildung. Ein 
Zigeunerbande hatte -fich bis hieher veriert, in Lumpen gehüll 
war fle leicht durch ihren Schmug von ven Türfen zu unterſcheider 
wie durch ihre Geſichtsbildung; einige Kühe trugen ihr Gepäck un 
Gezelt. Nach der erſten Stunde Aufſteigens erreichte man da 
Dorf Güohler, das man das PDaila oder den Sommeraufent 
halt von Bardes nannte, obwol dad Elima beider Orte nid 
fehr von einander abweichen Tann. Die Einwohner waren wi 
Holzfägen befchäftigt. Auf ver andern Seite des Thales fällt ei 
großer Strom von S.D. in den Bardes Su. Das Land vahlı 
war gut bewäſſert und bebaut; denn auch Hier if die Irrigatio: 
unentbehrlich, um nach ven langen Wintern in der kurzen verfen 
genden Sommerzeit eine Kornernte zu erhalten. 

Mad) 2 Stunven vom Ausmarjch warb ver Bardes Su wie 
wer erreicht und ein enges Seitenthal gegm D.SD. emporge 
Regen, bis zu einem Gohwald von Pinus, ver nach fo lange 
"Baumtlofigkeit eine fehr erheiternde Erfcheinung für den Wandere 
ft. Die vorliegenden Berge beſtehen aus Bafalt und zellige: 
Lava, und Die ganze Wegſtrecke war durch fehr viele Maſſen von 
ſchwarzem ober braunen Obſidian, einen vulcanifchen Glaſe 
beftreut, davon ſich andy ſchon Bruchflüde hei Khoraſan gezeig 
hatten. Hier, wo fie auch Ouſeley %) einfammelte, in ſolche 
Menge und in fo großen Blocken, war ver Weg ſtellenweis dami 
orbentlich wie gepflaftert ; man hatte fih alfo vem Urfpru "g 
diefes Glasfluſſes offenbar ſchon mehr genäßert. 

Nach einer Viertelftunde Auffteigen im  fchönen Saitenthei 
zeigte fich zum erftenmale das fchöne Alpengrün der Matten 
mit Blumen in Blüthe und Baumgruppen auf das reizenbfle ‚ge 
färbt; die Bergſeite rechts fchien nur eine zuſammenhängend 
Obſivdianmaſſe zu fein, wenigſtens waren an ihrem Buße mu 
gewaltige Trümmer dieſes Geſteins aufgehäuft. Leider konnte be 
merkwürdige Berg nicht erfliegen werben; aber vie reiche Entwick 
lung von Feuergebilden unter den Gebirgsarten ver ganzen um 
liegenden Landſchaft ſchien Kinlänglich die einflige vulcaniſch 
Thätigkeit in dieſem Gebiete, und zwar in einem fehr großen 
Maaßſtabe, zu characterifiren. 

Um 6 uhr war man ausmarſchirt, gegen 9 Uhr er man! 





»5) W, Quseley T'rav. III. p. 460. 





Eupbratfoftem; Nordroute, Saghanlu⸗Paß. 411 J 


die Plaine auf dem höochſten Bergrücken, von welchem 
Bergketten nach allen Richtungen abzweigen; Schneefleden lagen 
noch umber. Der Blick gegen ©. und S. O. ragte weit über Na⸗ 
whnälder zu einens Theile des Saghanlu dagh Hin; gegen DR 
sog fich eine lange dichtbewaldete Bergkette vorüber, Erſt auf dem 
Rüdwege von Kars ward Hamilton, 8) als er biefelben Höhm 
zum zweitenmale paflirte, von ver grandiofen Gebirgsland⸗ 
Haft überrafcht, die fi von da gegen N.W. außbreitet, wo viele 
habe Ketten mannigfaltiger Geftaltung und Färbung hinter einan⸗ 
ur gegen Ispir und das Tſharokthal wie ein mächtiger Ge⸗ 
birgswall gegen den eurinifchen Pontus fi emporthür⸗ 
wen. : Ein Berggipfel, eine Stunde im Norven von Bardes, zeigte 
fine Kuppe ganz mit Bafaltfäulen überbedt, unter denen Ha⸗ 
nilton einen &avaftrom glaubte hervorbrechen zu ſehen. Ueberall, 
links wie rechts von Bardes zeigten fih Bajaltfäulenzeihen, 
he in verſchiedenen Stufen, Terafien über Terafſen, ſich emporhoben, 
iin hoͤchſt merkwürdig gebilpete® Land, das biefen Verhältnifien nach 
an die irlännifche Nordküſte yon Antrim in der Nähe des Giant 
Gaufeway von gleichartiger Terafſenhildung, auf Bafaltfäulen ru⸗ 
hend, erinnert. Auf dieſem Rückwege folgte Hamilton zunächſt 
vr Nordweſtdirection bed Bardes Sy, und überſtieg in vier 
ſehr mühſamen, aber reichlich lohnenden Tagemärfchen jenen bisher 
von Europäern noch un beſuch ten Gebirgöwall, der zwiſchen dem 
Saghanlu Dagh ung dem Ifharokhthale, in welchem Jopir (Hißr 
piratis der Alten) liegt, ich emporthürmt. Nicht unwahrfcheinlich 
iR es, obwol hierüber nichts mit Gewißheit ermittelt: warb, daß der 
Bardes Su ein ſüdöſtlicher Zufluß nes Tſharokh if. Die Befchrei 
bung, welche Ker Porter 9) von feiner Lieberfleigung dieſes 
Saghanlu⸗Paſſes, Anfang November 1819, gibt, iſt topogra- 
dhiſch unbeflimmt, gibt aber ein anjchauliches Bild von nem Wal 
gebirg und zeigt, daß er dem dortigen Nordpaß auf ver Sewin⸗ 
fraße beging, von der in der Anmerfung nah dem rujflichen 
Armeebericht die Rede fein wird. (Gr trat am Morgen des zweiten 
Tages, von Kard kommend, nachdem ex beifen damald noch ſtark 
bevölkerte und bebaute Ebene durchzogen hatte, am 4. Nov, in die 
prachtvolle und erbabene Scenerie ded engen Gebirgspaſſes ein. Ue⸗ 
ber dem langen, fi windenven Thale erhoben fich kühn zerriffene 


— — — rer — — — 


°®) Hamilton 1. c. I. p. 207— 219. ®') Ker Porter Trav. II. 
p- 652—660. | 








412 Weſt⸗Afien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. 6.34. 


Berge vol Engſchluchten und Defiles mit überragenden Felsſtirnen, 
von prachtvollen Pinuswälnern gekrönt, in ben tiefen Spalten rollte 
ver Karsſtſhai feine Wafler. Die nörblichen Berghöhen über ver 
vichten Waldzone waren auf ihren Gipfeln und tief an den Ge⸗ 
bängen herab mit Schnee überlagert, und e8 war ſchon Falt anf ver 
Höhe. Die Ausficht von der größten Paphöhe, von wo der Waſ⸗ 
ſerſcheide ein entgegengefeßter Bergftron gegen S. W. zum Arares 
abfloß, entfaltete ein weites Gebirgslabyrinth der prachtvollſten Art 
für das Auge, mit Fernblick auf das tief fich windende Araresthal 
und fleile dunkle Abgründe, die dennoch von ven Karawanen durch⸗ 
zogen werben. Aber nur ein gut bewaffnetes Geleit kann hier in 
tiefen Raubſchluchten vor den Ueberfällen ver wildeſten Kurden 
fügen, die von allen Seiten den Reiſenden, damals wenigſtens, be» 
drohten. Die Pferde jelbft, vom Schauer ver Gefahr durchbebt, zie- 
hen Hier in fchärfften Schritten hindurch. Eine Raubburg, über 
dem Ausgang dieſes Paſſes fich erhebenn, und nahe dabei ein Dorf, 
in dem Kurven angefievelt waren, die man gezähmte Kurden 
nannte, führt Ker Porter unter dem Namen Mazengutt (mol 
Mepdfhpingert?) auf; Sein Nachtquartier ſchien ihm mehr einer 
Näuberhöhle gleich, und der nächfte Bergpaß, ven ex von da 
‚am folgenden Morgen zu übetfleigen Hatte, um jenes von ihm ge 
nannte Schwefelbad (Abigarm bei Dufeley) zu erreichen, warb 
ihm der Blutberg genannt, wegen der NRäubüberfälle. «Hier traf 
er viele Holzfchläger und viele hundert Paar Ochfen beifammen, bie 
mit dem Transport der gefällten Zimmerbalfen nach Arzerum be 
ſchäftigt waren. Nun erft erreichte er das Thal des Sewin (de 
bun)⸗Flufſes. 

Bon jener größten Plaine auf ver Höhe des Saghaulu Dagh 
ſtieg Hamilton, ſeinen Weg nach Kars verfolgend, erſt fleil gegen 
N., dann gegen NO. hinab in ein tiefe Thal, %®) deſſen Nord⸗ 
feite wieder wie gewöhnlich ganz nackt fich zeigte, da doch deſſen 
Südſeite dicht bewaldet gewefen war. Erſt um 10 Uhr trat 
man wieder in eine weit gen O.ND. ziehende Xhalebenc, an de—⸗ 
ren Eingang ein Fluß eintritt, die Hauptquelle des Karsfinf- 
ſes (alfo ver Akhurean), deſſen einfürmigem Laufe man nun 10 
Stunden Weges bis zur Stabt Kars zu folgen hat. Das Thal 
Bat nichts Ausgezeichnete; man kam durch einige Dorfruinen, deren 
einflige Bewohner im legten Kriege umlamen over auswanderten. 

1) " ' 


»°8) Hamilton I. c. I. p.192. 








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|| —t ww m Ei Ve 









Euphratſyſtem; der Rars- Strom. 413 


Nur die und da fah man Anbau oder größere Viehheerden. Wei⸗ 
tethin gegen S. S. O., in der Richtung gegen ven Ararat, erhoben 
fh Schneegebirge (mwahricheinlic der Aa Dagh). Die anlie⸗ 
genden Berge gegen Nord zunächſt waren mit Eurzer Grafung 
überzogen, die ihre Gebirgsart verdeckte; noch fah man in den Sei⸗ 
michluchten, daß Die Köpfe ver Schichten ihrer Gebirgsfeiten gegen 
Ber ſteil abflürzten, gegen Oft fich fanft fenkten, und demnach 
vielleicht von den fo eben überfliegenen Ketten bei ihrer vulca= 
niſchen Bildung von der Seite emporgehoben wurden. 
& ging an einem Därfchen zur Linken, in einem Thalgrund gele- 
gen, vorüber, wo dicht am Wege fidy ein Steinbau mit Kegeldach, 
wol das Grab eines türkiſchen Santon (Sanctus), erhob, indeß zur 
Rechten, oder ſüdwaͤrts, nur nievere Berge das Thal begleiteten. Erſt 
um 5 Uhr ſah man ven Fluß von Kars ald einen mäandern- 
den Silberſtrom ſich burch die Ebene winden, ber aljo auch noch - 


. abere Duclflüffe als den genannten haben muß. Eine halbe Stunde 


häter zerreißt das Flußthal die von Rord nach Süd ziehende nackte 
Berglette, welche dad Ende der biäher durchzogenen ‚Ebene gegen 
DR begrenzt. Aus dieſem obern Thalkeſſel tritt ver. Kars⸗ 
from durch eine Stunde lang verengte winklige Biczadthäler nach 
iner plöglichen Wendung in eine-mittlere Thalftufe ein, an des 
im ampbitheatralifchen Weldeingang auf fchwarzen Bafaltflippen 
me Baum, in väfterer, öder Umgebung die Stadt Kars ®) fi 
jiigt, ſchwarz wie der Bafalt, aus dem fie erbaut if. Zunächſt 
vorn liegt die armenifche Vorſtadt auf geringer Anhöhe an dem 
entgegengeſetzten Flußufer. Das dunkle Bergamphitheater, das fich 
nordwarts herumzieht, ift mit ſchwarzen Hütten und Häuſern be= 
beit, die von den Felſen, auf denen fle ftchen, ſchwer zu unterſchei⸗ 
ven find. In der Mitte erhebt fi ein hoher Berg mit der Ruine 
ver türfifchen Citadelle auf feinem Gipfel; ver Strom windet fid 
hinter dieſem iſolirten Caſtell durch enge Felsthore. Man mußte 
die halbe Vorſtadt erſt umreiten und viele ſchlecht gepflaſterte Stra⸗ 
den, dann die Brücke über ven Fluß paſſiren, um durch die Bazare 
in den ummauerten ‘Theil der Stadt und in dad türkiſche Quattier 
zu gelangen, das zum Raſten angewieſen war. 





Hamilion L. c. I. p. is83. 








414 Weſt-⸗LAfien. II. Abtheilung, I. Abfchnitt. $. 34 


Anmerkung. Der Kriegsfhauplap des euffifhstärtaggen 
Feldzugs von 1828 und 1829 im armenifhen Hochlande 
zumal um Kars und am Saghanlu Dagh. 

Da in dem legten ruſſtſch⸗türkiſchen Feldzuge, ver bie gegenwärtigen 
Grenzverhaͤltniſſe Armeniens regulirt Hat, die Gegend von Kare, um 
zumal der Mebergang über den Saghanlu Dagh zu einem claffiicher 
Boden geworden iſt, fo wird es nöthig fein, auf die hieher gehörigen Lo: 
calen Umftände des Feldzugs, bie in ſo genauer Beziehung zu dei 
Terrainverhältuiflen flehen, kurz hinzuweiſen, da wir an dem Feldzuge bei 
fiegenden Feldherrn felbft eine authentiſche Duelle zur Berichterftattung 
befigen, und durch ſolche firategifche Operationen eine Landesnatuı 
von Ihrer plafifchen Seite, im großen Zuſammenhange beı 
Kriegstheater, eineungemein lebendige Anfchaunng zu gewinnen pflegt 

Die Eröffnung des Feldzuges der Ruffen gegen die Türken 
1828, *99) unmittelbar nach Beendigung ihrer Operationen und Grenz 
regulirungen gegen bie Perſer, Eonnte von Tiflis und ven arment: 
fen nörblihen Vorſtufen nicht eher beginnen, bis die tortige rauh 
Sahreszeit und der langdauernde Winter erſt Sicherheit für die Schiffahrt 
an den Küften des Faspifchen und fchwarzen Meeres gewährte, was nich 
vor der Mitte April ver Zall iſt, und bis die Gebirgslandſchaften Hoch 
armeniens durch Abnahme der Schneemaflen gangbar werben, was in de 
Wegel erſt vis fpäter gefchieht. Diefes Jahr konnte der erfie Beldzu 
(1828) wirklich erft in der Mitte des Monat Juni eröffnet werben. 

Wir haben fchon oben zwifchen dem ruffifchen Georgien und dem 
damals noch türkifchen Armenien das Grenzbollwerk der Bermitt: 
Iungöftufen mit ver Befobdal- Barriere ald Örenzvertheibis 
gungslinie Georgiens genannt (f. ob. ©. 369, mit den 3 Grenz 
fetten Gümri am Arpa tſhai im Welt, Dihellal Oglu und Ger: 
gereh in ber Mitte und im Often, beide an mörblichen Suflüffen des 
Kur, und alle drei Beherrfcherinnen ber fünlicheren Paßeingänge zu 
den daſelbſt vorgelagerten türkifch-armenifchen Provinzen. Diefe konnten 
affein zu Depots der Magazine dienen, um von da ans beim Borfchreis 
ten zum Kriegsfchauplage, bei einer DOffenfive, das Ruſſenheer mit allen 
Kriegsbebürfnifien dur) Hauptiransporte zu verfehen. Hier in biefer ers 
ſten Operationslinie Tonnten die Kranfen, die Bleffirten eine fihere Us 


00), uſchaloff, Gardeobriſt, Geſchichte ber Feldzüge des General 
Paskewitſch in der aflatifchen Türkei während der Jahre 1828 und 
4829, aus dem Ruſſiſchen deutſch bearbeitet von Al. Laͤmmlein. Leip⸗ 


gig 1838. 8. Th. 1.; vergl. Examen raisonne de l’ouyrage \ ti- 







faulé: La Russie dans l’Asie mineure du cämpagnes da 
chal Paskewitsch 1828 et 1829 et tableau du Caucase p! 
Felix Fonton etc. par un officier franc. Paris 1840. avec 
augmenteg et corrigee par la colonel Koch. 








Euphratſyſtem; ruſſiſcher Kriegsſchauplat 1828: 415 


terfumft finden. Unter den verſchiedenen möglichen Cingangspäſſen aus 
riſſiſchem anf türkiſches Gebiet waren die übrigen alle vor Weberfällen 
ver Türen durch ſchwer zugängliche GSebirgsfetten, durch große Schnee 
lager oder fonft fchon auf natürliche Weiſe mehr gefchüßt, als es im der 
Achtung gegen Gämri ber Fall war. Die ruffifche Grenze war hier 
von der Türkei, und insbeſondere von Kars her, ganz ungededt. ) 
hier fanden Feine folche natürlichen Semmnugen wie bei ben andern Paß⸗ 
engängen flutt, ja es konnte ein türkifches Gavallerie-Gorps von Kars 
as anf diefem Wege in kurzer Zeit von 48 Stunden durch einen plößs 
len Ueberfall dem ruſſiſchen Gebiete die größte Gefahr bringen, und 
wa ba durch Streifcorps leicht in die andern Provinzen der ruffifch: Taus 
leſiſchen Statthalterfchaft und bis nach Tiflis Vorbringen. Wenn nım 
Gümri ale ſchwächſter Punct für die Defenfive galt, fo zeigte er 
Rh dagegen dem Scharfblid des Strategen als ber wihtigfte Punct 
fir Die DOffenfive, von wo aus deshalb die ganze Operationslinie 
des Feldzuges ansgehen follte. Leicht wäre es gewefen, mit Unterflügung 
der Flotte vom fchwarzen Meere ber von Ghuriel aus zu opericenz 
un wäürben bie Beten Boti, am Südufer bes Phafis, Sanct Nicos 
las, das Schloß Batum, am Pontus und der Mündung des Tfharof, 
wit dem ganzen Kreiſe Kobaleth leichte Broberung geweſen fein; aber 
ven baranf folgenden Sommer ſich in jenen hinter dem Geſtade liegens 
ven Moräften one Benölferung zu behaupten, würbe die Kraft des rufs 
ſiſchen Hauptheeres verzehrt haben. Biel vortheilhafter war es, ven Feld⸗ 
mg durch einen Marſch über Gümri nach Aklhalzik gegen bie türfifche 
Ganptfefte zn eröffnen, bie von ihren tapferften Truppen, den Lagen und 
Adſcharen, vertheidigt ward; ein überrafchender fihneller Ueberfall und 
Ginnahme derfelben wäre entſcheidend geweien, aber bazu ließen fich bie 
Kanonen nicht mit der gehörigen Schnelligkeit von der perflichen OR: 
fette, wo bie Artillerie noch fand, zu der türfifchen Weſtſeite hinüber 
ſchaffen. Der Hauvtſchlag follte.vaher von Gümri gegen Kare 
schen nud dadurch bie Hauptbafis der feindlichen Operation durchſchnit⸗ 
ten werden, die In einer imaginairen Linie von Arzerum über Kars 
nach Akhalzik und von ba bis zum ſchwarzen Meere fi) auspehnte. 
Dar) ein gleiches Mancenvre Hatte ber Feldherr Baskewitich fur 
jusor gegen Berfien geflegt, buch die Eroberung von Abbas abad bei 
Retyihivan am Arares (f. Erdk. TH. IX. ©. 915), wodurch er die perfl» 
ſche Linie zwiſchen Crivan und Tauris gefprengt nnd fogleih in ver 
Mitte ziwifchen beiven fehlen Buß gefaßt Hatte, fo auch war der Plan 

Gümri warb daher das Ceutrum ber Operationen; den armenifchen 
Sesvinzen und der AraressHochebene näher konnte das Feldgefchütz 





2) v. Uſchaloff a. a. O. ©. 164, | 








416 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 34 


am leichteflen, ohne über Hochpäfle zu gehen, uud das Belagermmgi 
geſchütz von Erivaus Fefte, dahin transportirt werden; eine neue bequ 
mere Fahrſtraße von Tiflis wurde dahin gebahnt, die nicht über je 
Reilen Paßhoͤhen des Beſobdal führte nnd. in Zeit von einem Mon: 
beendigt war, auch ein paar andere Nebenftraßen ebenfalls führbar 0 
macht. Am 9. Juni langte Paskewitſch im Lager zu Gümri an; d 
Türken. hatten von ber Grenze alles Land bis Kars von Cinwohnen 
entblößt und beabfichtigten einen allgemeinen Auffland der Lanpbevöft 
enug gegen bie Rufen. Die ruffifchen Proclamationen, die in bieft 
Tagen in die türkifchen Provinzen ausgingen, gaben Berficherungen d 
Ruhe, feine Plünderungen, fondera Bezahlung ihrer Bedürfniſſe, wodur 
der Anffland gedämpft ward ; dagegen wurden Borfehrungen gegem d 
Peſt nöthig, die in Arzerum. Berrfchte. 

Die ruſſiſche Armee an der Donau halte ihren Zeldzug durch di 
nebergang über den Pruth ſchon am 25. April eröffnet; anf dem arm 
nifchen Hochlande konnte Paskewütſch erſt 2 Monate fpäter von hm 
mit feinen 12,000 Mann und 70 Kanonen ausrüden; mit dem Dur 
marfch durch den Arpa tihai von Gümri aus, am 14. Sunt 1828, w 
der Feldzug anf türfifchem Gebiet eröffnet. ?) 

Bon Gümri bit Kars (= 65 Werft, etwa 15 Stunden Wege 
find mit Bagage 4 Tagemärfche nothwenbig; der Feind zeigte fich in d 
Nähe von Kars nur in geringer Stärke; bei Meſchko fiel das erfte klei 
Gefecht vor; von der Höhe überblidte man aber fchon die Pofition v 
Kars, deren Feſte nicht von N.W., fondern von der Südweſtſeit e, vı 
einem Seitenwege zum Dorfe Aſadköw (Azatchef der Karte), angegrifi 
‚werben follte. Keine 3 Stunden von Kare, an der Brüde des Kars tſha 
wurde dad Lager aufgefchlagen, und den folgenden Tag fingen bie K 
nonaden und Gefechte an, wobei die Rufien, zuerft unter Paskewitſe 
gegen aflatifche Truppen in Golonnen zum Kampfe geführt wurde 
Kars, *) eine alte Befle von Sultan Murad IIL erbaut, galt a 
eine der fefteften im türfifchen Reiche, von deren Belagerung felbk «e 
Nadir Shah *) unverrichteter Sache abftehen mußte. Der Kaı 
tfhai, der bier außerhalb des genannten Durchbruchs gegen OR dir 
die dicht anſtoßende fünliche Uferkette des zechten Ufers ‚gegen RD. | 
fliegen genöthigt wird, macht unter mehreren Windungen auch eine km 
Inieförmige Biegung gegen Weit, innerhalb deren halbinfelartigem Be 
gebirge, auf deſſen Höhe, der feſte Theil der Stadt erbaut if. Di 
Hatte eine doppelte Dauerumfafinug und drei in einander_fiehende Cit 
dellen nebft mehreren Angenwerfen. Die eigentliche Feſtung war fe 


so) v. Uſchakoff a.a.D. 8.173. *) ebend. Gap. VI. &.190 m 
Blan der Stadt Kars. ı)y Dem Rural, Geſchichte d 
osmaniſchen Reichs. Peſih, 1832, 8. Th. Vıll. 


.- 








‚Enphrarfuftem; vuſſiſcher Kriegsſchauplas 1828, 417 


geränmig und ſchloß bie meiften Wohnungen ein; die Gitadelle Naryn 
kaleh hatte eine fehr feſte Poſition anf der Spige des Berges. Im 
Norden und Weiten ift viefe Feſte mit der Stabt durch unerfleigliche Fels⸗ 
winde und durch ben Fluß gefidert, in Sübofl und Oft dem größfen 
Theile nach durch Moräfte. Auf der, gegen Norbofl vom ber Eitadelle 
«slaufenden Uferhöhe, dem Kara Dagh, liegt das beventendfie Außen: 
wel. Nur von ber Gäbwellfeite iſt daher der Ort zu attadiren, wo 
peiſchen dem Sumpf und dem Yluß die Vorflänte Ortafapi und Batram 
‚Baia liegen. Die Feſtung foll mach ruffifchem Bericht 11,000 Mann 
Sefagung und 151 Kanonen gehabt haben. Schach Nadir hatte ein 
Jahrhundert zuvor die Stadt 4 Monate hindurch vergeblich belagert, Ans 
fang Juni bis Mitte Ortober im I. 1744, °) und fie nicht einnehmen 
Kanen, obwol er vor der Feſte gleich im Anfange der Belagerung in eis 
us Regreichen achtfündigen Schlacht ein ſtarkes Türlenheer vernichten 
Inte. Paskewitſch hatte nach 4 Tagen das feindliche Lager zerflört, 
die Gitabelle am 23. Juni erflürmt, *) Feſtung und Stabt zur Webers 
gabe gebracht, und felerte, nachdem er buch einen Generalpardou den 
drieden im Drt zu erhalten gefucht, am Zöflen den Geburtstag feines 
Satfers in Kars. Beim Sturme Hatte fi durch bie gefangenen Türs 
len dem ruſſiſchen Heere die Peſt mitgetheilt; emergifhe Maßregeln, 
ſrenge Contumazen traten der Seuche iu ihrem CEutſtehen entgegen, und 
sach 20 Tagen war bie Armee im Stande, ihre Kriegsoperatiouen forts 
zuſehen; an 300 Mann waren erlegen, 263 geuefen. Kars wurde nen 
kefeftigt, das Heer new gerüflet; der Aufenthalt gab auch ben Türken 
Zeit, ich zu verflärken, den Ruflen im Rüden, zu Akhalzik wie zu 
Irgerum - 

Wie leicht die Entflelluug der Daten parteiifcher Berichterfiatter if, 
ergibt ih ans des Bugländers 7) ganz anders lautender Erzählung, tie 
er den türfifchen Karsbewohnern nad dem Rückmarſch der Rufen nach⸗ 
fpricht. Auf ven Bergen hinter dem Gaftell am linken Flußnfer, welche 
De Feſte beherrſchen und einen fchönen Weberblid über bie ganze Stadt - 
gewähren, fagt ex, Hatten die Ruflen eine Fleine Batterie errichtet, obwol 
ihre Hauptattade von der Ebene im Often ausging. Erſt nad 7 Ta 
gen Belagerung foll fiy der Ort, der nah 7 Stunden hätte eingenoms 
men werben können, ergeben haben, da die Garniſon ſehr ſchwach nur 
ans 1000 Mann irregulairen Truppen und A000 bewaffneten Bauern 
beſtanden geweien, die der belagerten Stabt ganz unnäüg waren. 300 Ras 
asnen (?), die hier ohne Artilleriften gefianden, ſeien alle von den Rufe; 


weggefleppt, u. |. w. u 








s), Dsmaniiche Geſch. a. a. D. VII. ©. 55—58. 2, > ‚gef 
a. a. O. 6.219. ?) Hamilton Asia minor I. p.18 


Ritter Erdkunde X. Dd 





418 Weſt-Aſien. HI. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 34 


Die näcfte Aufgabe des ruffifchen Feldzugs war nun bie Belage 
zung der größten Feſtung, Akhal zik, welche ihnen norbwärts im Nüde: 
lag, und anf das kühnfte vertheldigt einer längern Belagerung bedurfte 
über welcher das Ende ber erften. Campagne heranrüdte. Alhalzik, ® 
am obern Kurfirom, wovon erft im Rurgebiete ber kaukaſiſchen Lanbiai 
ten das Nähere vorfommen fann, wurde am 15. Auguft erftürmt, burd 
Fener bezwungen, und damit fiel auch die Jeſte Arbaghan zwiſchen Alhalzi 
und Kars. Bei ber Behauptung von Kars war nun alle türfifche Mach 
zur Flucht bis zur Barriere des Saghanlu gezwungen, hinter dei 
gegen Arzerum zu nur allein noch ein natürlicher Schug ſtattfand. Su 
deß waren In Folge von Seiten-Öperationen auch auf bem. armenifihe 
Hodjlande die Feftungen Bayazed am Alfas, Diyapin und Toprı 
Talch am Murad an die Ruſſen übergegangen. Der Ball Paſfch 
(Behlul, f. oben S. 342) von Bayazed ſuchte frieblicde Zugeſtaͤndniff 

“der Rufen, weil er vom Serasfier in Arzerum feine Hüffe erhielt, um! 
bie vielen Armenier in feinem Paſchalik, für ihre chrifllichen Glaubensge 
‚noffen mehr geftimmt, den ruffifchen Heeren allen Proviant zuführten 
Dagegen brachen bie nngezügelien Kurdenhaufen °) überall los um 
überfielen die armeniſchen Ortſchaften. Achur, d. i. Akhuri (Arghuri) 
am Nordfuße des Ararat, wurde von ihnen geplündert; von dem Ufe 
des Araxes an den Salzquellen von Kulpi trieben fie den Armenien 
2700 Stück Vieh weg; von Ban und Bayazed aus überfielem fie bi 
noch in dem perflfchen Grenzprovinzen flationirten ruffifchen Befagungen 
tie auch Salmas, Khoi; überall fingen fle Händel mit ihnen an, 
die dort nur ſchwache Commandos zurüdgelaflen Hatten. Dies Hatte and 
des Balül Paſcha fhwunfenden Sinn wieder gegen die Ruſſen gewendet 
Nun aber, nad den Siegen in Kars, Akhalzik und zu Bott am 
Phaſis, kounten frifhe Mannſchaften der Rufen zu feiner Zügelung vor 
rüden. Fürſt Tſchawtſchewadſe's ruſſiſches Corps rüdte gegen Ba: 
ya zed vor, fehlug dort die Türken zurück, befehte das Dorf Zangezor 
im Lande zwifchen Etſhmiadzin und dem Maku⸗Fluß, worauf Balül Ba 
fa bei der erſten Beichlefung von Bayazeb die Wlucht nach Make en 
griff; fein für fo fett gehaltenes Gaftell fiel ſchon am 29. Auguſt 1828 
mit vielem Proviant und mit 12 Kanonen in die Gewalt der Ruſſen 
aber zugleich fanden fie vafelbfi die Bel. Nun fiel auch im benachbarten 
Thale des Murad die Feſte Diyapin, und Topra kaleh, kaum be 
droht, war rafch uberrumpelt, mit reichen Vorräthen zur Bente gemacht. 

89 war nun auch ber Iugang über Sophifent zur Stadt Muſh im 
gleichnamigen Pafchalit gebahnt, wo große Mehlvorräthe anfgehäuft la⸗ 
gem. * 19. October fielen die legten Scharmüßel bei Kiſil Kaja und 

°o8) y, uſchakoff a. a. O. Cap. I4. 6.808. 9 ebd. 6.815. 








— EU U u GW © 





N) 


Euphratſyſtem; ruffifcher Kriegefchauplas 1828. 419 


BRara Kiliſſa, im Süboſt von Topra faleh, am obern Murad vor, in wel: 
chen die Ruffen ihre dortige Befignahme behaupteten. 
Nun aber, mit Anfang November, nöthigte die eintretende vanbe 
Witterung, die Winterquartiere zu beziehen. Die Gampague von 5 
Monaten hatte vie Rufen zu Herren der 3 Bafchalife Kars, Akhal⸗ 
zit und Bayazed gemacht, und ihnen 6 Beflungen, 3 Eitabellen mit 
313 Kanonen und 8000 Gefangenen in bie Hand gegeben, wodurch bie 
Aufregung im Lande unterbrüdt, die Bergvölfer gegüchtigt waren. Die 
Rufen gaben ihren Verluf an Mannichaft auf 8200 au, von denen bie 
meiften buch das Glima in Imeret, Mingrelien, Guriel weggerafft was 
zen; die Kriegskoſten auf 5 Millionen Rubel, davon 4 zur Proviantirung 
verbraucht wurden. Bei den Türken 19) war der Seraslier Halyb Ba: 
ſcha in Folge ber Berlufte abgefeht und erilttt, der Paſcha von May: 
dan, Hadſchi Sale, zum Serasfier erhoben; durch neue Rüſtungen 
hatte diefer 80,000 Mann zufammengebradt, vie Paſchas von Ban 
ud Muſſh follten 50,000, der yon Trapezunt 40,000 fielen, fo daß 
man dem Feinde an 200,000 Dann (meifl Milizen) im nächften Feldzuge 
enigegenzuftellen hoffte, mit 136 Kanonen. Die Geſammtmacht ber Ruſ⸗ 
ka, die im Frühjahr 1820 in das Feld rücken follte, Tonute nur bis zu 
12832 Mann Infanterie und 3500 Mann Gavallerie heraufgebracht wer: 
den, mit 67 Kanonen. Dazu follten jeboch noch 20,000 Mann Recruten 
Ren. Eine Hauptverflärfuug fuchte aber der Dberfeloherr in Befrenn; 
bang mit ben Kurdenſtaämmen *!) zu gewinnen, um ihren Beiflanb 
den Türken zu entziehen umd eine freie Marſchroute nah Arzerum 
über Deli Baba, den Saghaulu und Haſſan kaleh zu gewinnen. In Ar⸗ 
jaım wollte man die Verſtaͤrkung ber Recruten abwarten, die Kurden 
aber zu einer Diverfion gegen Sivas und Diarbekr in das ſüdweſtliche 
Armenien gebrauchen, denn erſt Mitte Inli konnte man darauf rechnen 
(vergl. oben &.90), dag die Bergwege nm Arzerum ſchneefrei für 
das Mufienheer würden, um bie einzige Verbindungsmöglichkeit zwifchen 
Bagdad mit Eonftantinopel zum unterbrechen, nnd fo bie Macht der 
Xhrten im D. und W. zugleich zum lähmen. Zugleich follten dann die 
Eilders und Kupferbergwerke um Arzerum befeht und Ginverftändniffe 
mit den Paſchas von Trapezunt und Bagdad angefuüpft werben, wozu 
de Beſtechung des Paſcha von Muſh ſchon den Iugang gebahnt hatte. 
So der Blan des folgenden Feldzugs 1829, als die Wiederbefegung 
der ſchon im Augnft 1828 durch Erflürmung der Ruſſen gewonnenen Fe⸗ 
hung Akhaklzik durch die Türken, Ende Bebrnar 1829, den Ruſſen 
im Süden, diefen die erſte Diverflon machte, und obwol dieſelbe nach we: 
nigen Tagen wieder in ruffiihe Gewalt gekommen, doch durch das im⸗ 





20) y, uſchakoff a. a. D. Th. I. ©.1. +") ebend. S. 12. 
| ‘992 


4‘ 








420 Weſt⸗Aſien. TIL. Abteilung. I. Abſchnitt. $. 34. 


wer wiederholte Beſtreben, diefen nicht zum verfchmerzenden Verluſt ihrer 
gefeiertften Hanptfefte zu erſetzen, bie Türken zum nenen Berfuchen trieb, 
welche auch die Ruſſen an der Norbfeite ihrer Stellung befchäftigten. 

Schon rüfteten die Türken von neuem 60,000 Dann zu Attaden 
gegen Akhalzit aus, als der Saghanin zwilden Kars nnd Arze⸗ 
rum auf allen Berbiubungswegen am 19. Mai noch gang mit 
Schnee bededt war. *?) Der Serastier von Arzerum hatte am Wells 
fuß des SaghaninsPBaffes fi mit 50,000 Maun poflirt, um daſelbſt 
bie Ruffen zu erwarten; überall waren noch Schneefall, Schlofien und 
Regenfchauer mit Stürmen bie zu Ende des Mai vorherrſchend. Ob 
der Serasfier feinen Weg zum Entfap von Alhalzik über Kars 
ober Ardaghan ucehmen wärbe, blieb bis dahin zweifelhaft, als ber 
Oberfeldherr feine ganze Ruſſenmacht in Kars concentrirte, um von da 
gegen ven Weſten vorzubringen. Das ranhe Clima des Hodhlaus 
des geftatiele nur mit dem 2. Juni die Wiedereröffnung des zweites 
Feldzuges mit einem erflen Vorgefechte. Der Uebergang über den Sa⸗ 
ghanla gegen Arzerum warb befchlofien. 

Der Weg von Kars dahin theilt fig für einen Serreszug nur iy 
zwei Wege, bie fi bei dem Orte Kotanly im Afhurean» Thale, we: 
nige Stunden wehtwärts der Stadt Kars, von einander fpalten und tw 
wenig divergirender, faft paralleler Richtung, nur 3 bis 4 Stunden (12 
bis 18 Werft) von einander abſtehend, eime ſüdliche und eine nöord⸗ 
liche Baffage über ven Saghanlu bilden, aber an deſſen jenfeitigen 
Buße, dem Arares, ſich nahe der Tihöban föpri wieber vereinen. 

Die ſüdliche Baffage wird vom ruffifchen Armeebericht ganz ri 
Sig die Medſchingerter Straße (bei Armenien Mejengerb ode 
Medjenkerd, !°) bei Türken Medſchnekerd) genannt, bie nörd- 
liche aber bie Sewinfhe Straße Die erflere if es unverkennbar, 
‚welche wir oben durch Hamilton kennen lernten, obwol im ruſſtſchen 
Berichte weder die Namen bes Ortes Bardes, noch von Kara Osman 
genannt werden. 

Die Südftrage, die färzere, 18 Stunden Weges (80 Wer), !*) 
heißt e6 da, geht von Kars links ab, über das Dorf Aspuga, übe 
bie Gegend von Dely Muffa Baran, über das Dorf Sarakamyſch 
and Milly Düfs, dann über das Schloß Medfchingert und das 
Städtchen Khorafan, von dem, wie wit obem gefehen haben, Hamil: 
tom ausging. 

Die Norpfiraße, die längere, 22 Stunden Weges (100 Wer), 
zieht über die Dörfer Kekiatſch, Kotanly, Tſchixichli, Kiſil Kiltfie 
Kainli, an den Inſcha Su, einen zweiten Bergfirom, der von Ga: 


*13) v. Uſchakoff a. a. D. TH.IL ©. 30, 54, 62. :*) St. Martin 
. Mem. s». l’Arm. I. p.109 9 oUschf 0.0. I. 6.72. 


—3 











Euphratſyſtem; ruffifcher Kriegsſchauplatz 1828. 421 


wilton nicht geuannt wird, weil er ihn nur nahe an feinem Cinfiuß 
am Arares, in der Ebene nahe bei Khorafan, überſetzt haben mag, ber 
aber ein weſilicher Parallelftzom vefielben Gebirgs vom Kara Su ifl, 


ud nach ber zuffifchen Karte weiter yom Norden als jener herablommt, - - 


und unter dem Schloß Se winn voräberzieht. Denn von Kainli führt 
die Straße weiter im befien Thale über die Schlöffer Sagian mund 
Gewinn (Sewin), über das Dorf Ardos zum Nrares. Diefe Straße 
hatte früher Ker Porter!®) genommen, welcher die Nanıen Zebeen für 
Gewinn und Ordooz für Ardos angibt, au deren Ortſchaften er vor: 
idetzieht. 

Die Südſtraße, von Dely Muſſa Purun faſt bis zum Araxes, zieht 
ds felſiger Hohlweg, durch ben der Khan tfhay, ein Gebirgsfluß, im 
Ah Baba⸗Gebirg entfpringend, abfließt (der Kara Su bei Hamilton, 
er doch ein Zweig defielben). Der Rüden des Saghanln ift hier fo 
hoch, daß anf feiner Wegfirede von Al Stunden (50 Werft) noch. über 
hehe Schneedecken lagen, die in der Regel vor Anguft nie ſchmel⸗ 
vu; dichter Fichtenwald erfiredt fih bis zum Caſtell Medſhingert, 
wie bis im die Gegend von Sewinn. In biefer Gegend hatten bei 
Ally Düſs die Türken unter Haki Paſcha ihr Lager von fo gros 
ber Beftigkeit für 20000 Mann und 17 Kanonen aufgefchlagen, daß es 
ducch Verſchanzung faft unzugängli gemacht war. Dies bildete den 
Bexoſten der Hanptarmee bes Serasklers, der den Feind in die dortigen 
Schluchten loden, und dann mit feinem nachrüdenden Hauptcorps ver: 
sihten wollte. Paskewitſch' ſtellte fi), als wollte er die Südftraße 
mit voller Gewalt durchbrechen, nnd richtete anf fie, ale fei er über bie 
Rorvfirage unwiſſend, einen nur [heinbaren Angriff, um auf diefe 
das Hanptaugenmerk des türkifchen Lagers nud der Operationen bes 
Geraskiers Au ziehen. Die Tänfchung gelang, und während ber fingirten 
Attacke anf der Südſtraße marfchirte das Hampteorps ber Ruflen wirt; 
lich duch den Waldweg der Nordpaſſage, ganz ungehindert vom 
Feinde, über den Hochrüden des Saghanln bie zum Inſha Su, faft 
2 Stunden im Rüden der Stellung Haki Paſchas. Die Türken waren 
im höchſten Grabe Aberrafcht nnd verwirrt über die Umgehung mit ber 
ganzen Artillerie, und ale fi bei Kainli die Kämpfe nun entipannen, 
ward Das Lager bes Haupteorps daſelbſt, obwol nach tapferfter Gegenwehr, 
eine Beute der Rufien, am 19. Juli 1829. Der Seras kier felbft, der 
das Lager mit feiner ganzen Macht vertheibigte, wurde gefchlagen, das 
Larkenſchloß Sewinn in die Luft gefprengt, und der Seraskier eutkam⸗ 
de auch vie Khauſchlucht, nämlich der Thalausgang des Sewinfluſſes, 
ver zur Gädpaffage des verſchanzten Türlenlagere des Hall Paſcha 





18) Ker Porter Trav. Il. p. 660. | 








222 Weft-Afien, II. Abtheilung. I. Abfchnitt. | 


führte, von Kuffen befegt war, nur mit zwei Begleitern direct nad 
fan kaleh an den Arares. 

Auf diefen Sieg Im untern Ausgang ber Nordpaſſage folk 
unmittelbar ber zweite gegen das verſchanzte Lager vor Milly 
nnter Haft Pafhad Kommando. Die ruffifche Bofltion war bi 
inli, nur 3 Stunden von jenem Lager entfernt, und fland am 2 
gungepuncte zweier nach Milly Dafs führenden Wege, aber ein 
Gebirgerücen trennte beide Weinde, und nur fehr befchwerliche 
md Hohlwege konnten fie zufammenführen. Durch die fogenannte K 
ſchlucht begannen ſogleich die Altaden, und am zweiten Schla 
die Erflürmung des Lagers, in dem mau noch nichts von di 
berlage des Seraskiers wußte. Sobald aber biefe Nachricht bo 
langte, war aller Muth dahin. Dem erften Angriff folgte die Erik 
die Serfprengung und Flucht des ganzen Lagers von 20,000 Man 
20. Sunt); der Haki Paſcha felbft wurde gefangen. 

Der Doppelfieg war entfcheidend, ?*) und Hatte nun, ı 
Sieg bei Arbela auf afiatiſchem Boden zu Alexanders Seit, eine 
unmittelbar folgender Broberungen zur Folge; bei fo geringen ! 
die glaͤnzendſten Erfolge. Denn der Seraskier war aufer Stand 
Truppen. wieder zu fammeln ober neue zu werben. Alles floh 
Heimath, weber Sold noch Disciplin Tonnte Zufammenhalt geben 
wenige Reiterei wurde in Haflan Faleh zufammengezogen, und mi 
in die Reſidenz des Seraskiers zurüdgelehrt, um ba nenen Mu 
nene Hülfe zu fammeln, in der ſich die Winwohnerfchaft, an 20,00 
fenfählge, zur Vertheidigung bis auf den letzten Hann gemeldet 

Aber auch dies war ohne Erfolg; das ungefänmte Nachräd 
die Erſtürmuug der Feſte Haſſan kaleh ſetzte Arzerum in Ed 
Pasekewitſch's Proclamationen an bie Bewohner !7) der großen 
in- denen er ihnen ben Frieden verfprach, da er nur das Gouvernem 
friege, verbreiteten Unruhe im Hanfen. Schlaue Verraͤther, von 
beftochen, wußten das Volk zu gewinnen, fih an Rußlande Grogm 
wenden; es bewüchte felbft ven Seraskier in feinem Pallaſte, daß 
entfliehen Eonnte. Als nun am 2öften Iunt, nad der Einnahr 
Haflan kaleh, am erften Rafttage des Heeres daſelbſt die Kircher 
abgehalten war, wurde ſchon um 5 Uhr Abends das Komman! 
Weiterrüden gegeben, weil die Nachricht von ver Ergebung Arzı 
anlangte. Am 26ften Sunt waren bie Thore der Stabt erreid 
Capitulation erfolgte; in der größten Aufregung ber Parteien 
der Derwirruug ihrer Maffen wurde die Hauptſtadt Mnatoliens 
die Feſtung felbit eingenommen, und der Serasfier mit 8 9 


229 v. uſchakoff, a. a. ©. I. ©. 115. 7) ebend. 9 
©. 12. 


rn 





Eupbeatfoftem; Kars, Stadt ımd Paſchalik. 423 


ww Gefangenen gemacht. 2°) Hiermit war der fiegreiche Vortſchritt des 
peeiten Feldzugs entichieden, und die SriedensunterhandIungen 
ugebahut, halb bie neue Territorialgrenge beider Reiche über das 


aweniſche Hochland feſtgeſtellt. 


d) Die Stadt Kara am Kart tihay und das Paſchalik 
Kars oder Karf. 


Kars, das man mit Xopoa 74° 40' Long., 42° 40° Lat., 
over mit. KoAca in Armenia magna (78° Long. 39° 50’ Lat: 
ki Ptol. V. 13. fol. 135 u. 136) verglichen Hat,19) Hei ven alten 
Armenien Sarouts, daher Gars am Akhurean im Lande Bas 
nant (früher Chorzene), 2) wurde erft feit dem 10ten Suhrh. 

durch Eonflantin Porphyr. (de administ. imp. c. 44. edı 
4 Bekkeri 1840. III. p. 192) mit dem Namen Kdoc als eine 
Capitale Armenims bekannt, auch als Reſidenz ver Bagra= 
tiven Könige von 928—961, denen Kars als ein eigen begrün- 
detes Königreich folgte, das ver Ichte feiner Negenten, Kakig, 21) 
an den byzantinifchen Kalfer Konftantin Ducas im I. 1064 
übergab, gegen Abtretung der Stadt Dyamentav In Kleinafien. 
Bean auch ver Name der Stabt erſt ſeit jüngerer Zeit hervortritt, 
fo it doch ver Landesname 7% Xoplnvn, dem Kars entfpricht, 
fhon dem Strabo (XI. 528) als ein noͤrdliches fchneereiches Land 
Hocharmeniens nahe dem Araxes bekannt, wo der Schnee fo ho 
falen folle, daß zuweilen ganze Reifegefenfchsften in demſelben ver 
ſinken, wogegen fie jedoch fly großer Stangen zur Rettung bebienten. 
Er fpricht am diefen Stellen auch von Thierchen, die fi im Schnee 
erzeugen follten, wad Apollonives und Theophanes beflätigten, eine 
Meinung die fich bis Heute am Sipan Dagh (f. ob. S. 330) er. 
halten hat. Bon einer Stadt befjelben Namens iſt jevoch bei Ihm 
noch nicht die Rede. 

Kars wurde den Byzantinern von ven Seldjuken entriffen, 
ann von Mongolen erobert, und diefen folgten vie Türken, 
welche die Stadt zu einem Paſchalik mit 5 Sandſhaken 22) ober 








gu a. a. DO. Th. IL ©. 145. '*) W. Ouseley Trar. 

—— 454. 20) Mannert Geogr. ber Gr. u. 

IL ©. 2197. 31) Se Mar Möm. sur Arm. I. 

u v Nomen urghail fiat. Türkei. Rec. Wien, Jahrb. 
831. 3. XIV. ©. 37. 








424 WeftsAfien, III. Abtbeilung. EL Abſchnitt. $. 34 


Kreifen erhoben, bie zur Zeit der ruſſiſchen Eroberung 7) She 
ſhewan (Ketſchlwan von hohem Alter, aus Efraflabs Zeiten na 
Ewlia), Kaghlsman, Tachtin, Shuraghel und Sarifha 
biegen (früherhin aber außer ven beiden erfleren, Ardahan, Ku 
ſhukkhu, Oſhewan kaleh und Zaruſhan genannt wurben), und na 
zuffifcher Vermeffung ein Areal von 9465 DO. Werft einnahmen. 

In frühern Zeiten war Kars einer ver beveutenbften Grenzor 
des türfifchen Reichs gegen Perfien und Georgien, und vieles g 
ſchah Durch Die türfifchen Sultane zur Hebung der Stadt und zu 
Anbau ver Gegend, vie aber. immer wieder von ben perfifchen Nac 
barreiche ſyſtematiſch zerflört wurde, wenn fie fich zu heben began 
So fand es Tavernier 24) Mitte des 17. Jahrhunderts Hier, uı 
als Tournefort im Juli 1700 25) dieſe Grenzſtadt paflirte, w 
fie noch halbmal größer wie Arzerum, zwar von Raubvolf umge 
ben und von türfiicher Beſatzung erfüllt, welche ven durchziehend 
Handelskarawanen zur großen Plage gereichten, aber gut verth 
digt und nicht ohne Bedeutung. Dieſe blieb ihr auch bis auf ! 
jüngfte Zerſtörung, wie fih aus Ouſeleys und Ker Porse 
Beſuch daſelbſt (1819) ergibt. 

Der Paſcha nahm W. Ouſeley 25%) gaſtlich auf; vie Sta 
ſtart bevdlkert, hatte großen Umfang, viele gute mehrflödige Häu 
von Stein mit Holzbalkonen, und ſchien mehr. im europälfd 
Style, die DBergfeiten amphitheatralifch empor gebaut; über d 
Strom ſah man 4 Brüden von Holz und 3 von Stein. Doch w 
es fchwierig, die gehörige Zahl von Poftpferden zur Weiterreife 
erhalten. Zu beiden Seiten, im Often und Wellen ver Stadt, uw 
das Land von wilden kurdiſchen Raubhorden bevroht, gegen ' 
man ſtarke Cavallerie⸗Escorten nöthig Hatte. 

Umflänvlicher berichtet Ker Porter, der von Nakhidſhew 
kam und, dad Arpatſhai Thal vom Araues aufwärts gehend, f 
von einem -Eleinen Dorfe (Marojnck? ſonſt unbekannt) aus, \ 
Stabt näherte, wie hier eine reichbebaute Ebene im Nordw 
von den Tſhildir⸗ und Moffiane Bergen begrenzt, ihn empfü 
an deren weftlichem Schluffe die Stadt Kars 27) eine jehr domi 


38) f, Statiftifche Bemerkungen über das Pafchalif Kars, nad ein 
Brief aus Kars in ber Tiflis Zeitung nnd in ber Betersh. Zeitu 
vom 3. 1829, April und Mai; au 5. Ufchaloff a. a. DO. Ty. 
©. 71—78. **) J.B. Tav. Voy. I. * u. 192 P. de Toı 
nefort Voy. ed. Amsterd. 1718. 4. T. U. P- 122. 2°) W. 0 
aeley Trav. L. c. III. p. 452 — 456. ) Ker Porter Tr 
Lond. 1821. 4. Vol. H. p. 645. 








Eupbratfoftem;. Kars, Stadt und Paſchalik. 425 | 


zende Stellung einnehme, an ver Seite einer gewaltigen felflgen 
Sshe erbaut, auf deren Bipfel gegen Oſt die fehr alte Citadelle fi 
erhebe. Die Stadtmauern zogen in gerader Linie von Weſt nach Oft, 
zand fliegen dem Fels entgegen, bis fie die Gipfel erreichten, wo fie, 
wur ſtarke quapratifche und runde Baſtionen vertheinigt, an bie 
mächtigen Mauern der Befte fließen, ein vollfommned Sperimen frü⸗ 
herer aflatifcher Befeſtigungskunſt. Yußerhalb der Mauern breitete 
ich vie große Vorſtadt gegen Oſt aus, geſchützt durch 3 ober 4 in 
Bentagonen erbaute Batterien, die erſt am Ende des 18. Jahrh. 
Hinzugefügt waren. Alles dies gab der. Stadt aus ber Berne ein 
fehr impofantes Anſehn, dazu noch Die erhabne MNadelle auf ver . 
Höhe, vie Häufer faft alle aus Quadern mehrere Stod Hoch erbaut; 
dagegen war ihr Inneres, von etwa 10,000 Bamillen, alfo etwa an 
50,000 Menfchen, Türken, Kurven, Armeniern, Georgiern, Juden und 
einigen perfifchen Kaufleuten bewohnt, eingeengt wie ein Gefängniß, 
wu Schmutz und Koth, vol Gewühl von Menſchen und Dich, 
überall von frei umherlaufenden Schweinen und zahllofen Schaaren 
anögemagerter Hunde burihzogen. Der vamalige Kommandant war 
Nufapha Paſcha von 3 Roßichweifen, ver in großem Anſehn 
ſtand — 


Auch der genauere rufflfche Bericht 23) ſtimmt mit dieſer An⸗ 
gabe der merkwürdigen Türkenſtadt ziemlich überein, und fügt fol 
gendes hinzu. Der obere Theil ver Eitadelle bilvet beinahe ein 
Viereck, vie beiden untern am Abhange des Berges über der Stadt 
gelegenen Theile machen eine Art von Parallelogramm, und find gut 
mit Kanonen verfehen. Die verlängerte äußere Mauer ver Citadelle 
Röst In Oſt und Süd an die der Feſtung. _ Die Feſtung hat 
4 durch irreguläre Linien verbundene Hauptecken, deren Seiten 260 
Bis 350 Faden beiragen.- | 

Die Nord» und Norpweftfeiten auf dem Fels haben eine ein- 
fache Mauer; nah S.W.S. und D. find doppelte Mauern, von 
benen die Innern höher als die äußern, Eitadelle wie Feftung 
find von Stein, die erflern mit größter Sorgfalt und ſolcher Vol⸗ 
lendung gebaut, daß fle wol erft in fpäterer Zeit errichtet zu fein 
ſcheint; 150 Gefchüge beftreichen die umliegende Gegend, veren ſteini⸗ 

ger Boden und Lage eine regelmäßige ‚Belagerung und Einnahme 
ohne Erſtürmung fat unmöglich macht. 

So iſt die Anlage Sultan Murads IL, ver im 3. 1579 


38) Briefe aus Kars in der Ti. Zeitung a. a. O. 





126 WeftAfien, III. Abtheilung. 1. Abſchui $ 34. 


diefe Grenzfeſte gegen ven Perfer- und Georgier- Beind mit großem 
Aufwand von Koftlen und Mühe zu Stande brachte. Der Umfang 
der zu bauenden Mauer des obern Schloffes und ver untern Fe⸗ 
fung betrug nach den Gefchichtfchreibern 29) bis 40,000 Ellen. 
Steben Beglerbege und Pafchen übernahmen ven Bau je de 
nes ver 7 Bollwerke. Zwei Kirchen wurben in Moſcheen verwan⸗ 
delt, die größte, vom Seraskier erbaute, diente zum Begräbniß 
eines Sheifhs, das bemallfahrtet ward. Während des Baues wurbe 
eine Marmorplatte gefunden, beren SInfeription ſchon ein halbes 
Sahrtaufenn früher die Namen von Erbauern einer Feſte nannte; 
- fe wurde nach Emlia 0) über dem Kiblathor (gegen Mekka) ver 
untern Vorſtadt eingemauert. 
Bei der ruſſiſchen Eroberung mar die Feflung von Mohame⸗ 
danern bewohnt,’ und in 17 Magols (Quartiere) gethellt, jenes 
"mit einer Mofchee, mit 850 Häufern, einer armenifchen Kirche, einem 
Karawanſerai des Gouvernementd, 126 Kaufbuden und 2 Bädern. 
Die Vorſtädte gegen Oft und Süd find tatarifche, vie dritte, im 
Weſt auf der andern Seite des Karäfluffes, eine armenifche. 
In dieſer zählte man 600, In ben beiden mohamevanifchen Bor» 
ſtädten 1174 Häufer; zufammengenommen hatten fie 4 Karawan⸗ 
ſerais, 430 Kaufbuden, und waren In 11 Magols getbeilt, deren 
jedes eine Mofchee und eine Kirche bat. Im ver armenifchen Vor⸗ 
ſtadt zählte man’ 2 Bäper, 2 Gerbereien, 6 Selfenflebereien, 6 Zle⸗ 
gelhütten. Andere Fabriken fehlten, aber die Bewohner bereiteten 
fih zu Haufe ihre mwollenen Zeuge, Filzdecken, Teppiche, Hatten ſechs 
Färberelen für rothe, 15 für Blaue Farbe, 7 Waflermühlen. Die 
Stadt, zwifchen Gruſien, Perfien und ver Türkei gelegen, trieb nicht 
unbeveutenden Handel, zumal Tranſit. Aus rufien bezog fie 
Kaffee, Tuch, Seide, rufflfche Leinwand, Kattun, Rum, Weln, ges 
trodnete Fiſche, Naphtha, Teppiche, Fllzdecken, Leber, Müsikeine 
und Pferde aus der Provinz Kaſach. Aus Erivan, alſo über 
Perſien, ihre felonen, wollnen und baummwollnen Zeuge, Baumwolle, 
Reis, Zuder, Rauchtaback, getrocknete Fiſche, Früchte, Seifenpulner 
und Farben. Akhalzikh lieferte Wachs, Honig, Leinwand, Früchte, 
Bauholz; aus Arzerum, alſo aus der Tuͤrkei, kamen Tuch, Golb⸗ 
und Silberſtoffe, Wärfen, Pulver, Taback, ſeidne und leinene Waaren. 
Die aus Perfien und Bruflen nad Arzerum durchgehenden Waaren 


3 Hammer» Purgflall Geſch. des osmaniſch. Reiche. DeRn 129. 
so) Wiener Jahrb. 1831. B. XIV. ©. 37. 





z ® 


Euphratſyſtem; Rare, Stadt und Paſchalik. 427 


dahlten einen Zoll an ven Paſcha, der 4 Kop. vom Rubel betrug, 
und damals das geringe Gefammteinfommen von 2500 Silberrubel 
gab. Ausfuhrartikel waren Kor, Salz und Holz. Nach dem rufe 
ſiſchen Ueberfalle iſt Kars nur als ein Muinenhaufen 31) übrig ges 
blieben, den ein großer Theil ver ſtets fehr turbulenten Türken⸗ 
population verlaffen hatte, dem auch, wie dem ganzen Lande, bie 
meiften feiner armenifchen Bevolkerung durch Auswanderung unb 
Ueberſiedlung auf das zuffifche Territorium entzogen waren. J. Brant, 
der die Stadt im Jahre 1835 befuchte, alfo unmittelbar nach dem 
Rüdzuge ver Ruſſen, bemerkt, daß ver dortige Pafcha von 2 Roß⸗ 
ſchweifen eine befjere Zucht als zuvor Im Lande eingeführt habe, 
und daß die daſelbſt fchlechte einheimische Volksrace nicht. mehr, 
wie zuvor, Ihrer böfen Willkühr freien Lauf laſſen Fönne. 
So viel von der Stabt Karb; da und jedoch durch die Zeit 
Berhältnifie auch von dem ganzen fonft wenig befannt gewefenen 
Paſcholik Kars, mas In diefen fernen Gebieten fo felten ift, eine 
durch das ruffiſche Gonvernement auf officielle Forſchungen we⸗ 
nigſtens begründete ſtatiſtiſche Beſchreibung 22) deſſelben zu 
Theil wurde, welche die älteren türkiſchen Beſchreibungen weit hin⸗ 
ter ſich zurücläßt, fo fügen wir bie belehrenden Hauptthatſachen 
derſelben hier bei. 
Das Paſchalik Kars oder Karß (zwiſchen 400 — 410 10 
N. Br. und 600 — 61925’ öſtl. 2.) wird im Nordweſt und Nord 
begrenzt vom Paſchalik Akhalzik, Im Oft durch den Arpatfhat 
und Inſhu fu (letzterer uns unbekannt, doch verfchieden vom 
Infha fu In W.), an deren Oftufer die Provinz Shuraghel Tiegt, 
mit der Grenzfefte Gümri. Die Grenzlinie geht von Gümri 
gegen N.W. durdy den Eleinen See Arpa=ghöl, aus dem ein Arm 
des Arpatfhat (oder Arpa fu) gegen SD. hervortritt, über 
den Bergrüden Ach⸗baba, dann durch den Tfhaldyr See 
(Aſhildyr f. ob. S. 397) über das gleichnamige Gebirge, das ſich 
gegen SW. zum Saghanlu unter verfchtenenen Namen (Kabach⸗ 
tapa, Kiſſt⸗dagh, eine vom Berge Buga⸗Tapafſy, Sanfomat, Kiflls 
ghedjich und Tichma gebildete Kette) fortzieht. Gegen Weft wird 
das Paſchalik durch ven Saghanlu und den Aladagh vom 
Arzerum Paſchalik getrennt; gegen Säb reicht es auf bad 


sı) J. Brant Journey in Journ. of the Roy-Geogr. Soc. of Lond. 
18386. Vol. VI. p. 198. ”) Statiſt. Bemerk. a. a. O. unb 
b. v. Uſchakoff a. a. O. 


425 Weft-Afien, IH. Abtheilung. I Abſchnitt. $. 34. 


rechte Araresufer hinüber, bis zur DW. Kette des Akhbulak, 

der bier die Grenze gegen. das Paſchalik Bayazed bildet und ſich 
oftwärts an den Agrivagh ansehe. Das ganze Paſchalik if 
Gebirgsland, vie Ebene, In weldyer die Hauptflabt Kars liegt, 
ift die einzige von Bebeutung, und doch Tiegt auch fie, nach SB. 
Hamiltons Beobachtung des Eochennen Waſſers daſelbſt, bei 200° 
Fahrenh., auf einer etwa 6000’ bis 7000' großen abjoluten Höhe 
über der Meeredfläche. 33) Das Haugtgebirg iſt ver Saghanlu 
in Weit, der die größte Höhe im Sandſhak Tachtin (Tacht, d.i. 
Ihron, wahrſcheinlich weil die darin liegenden Dörfer Eigenthum 
ber Krone waren) nahe der Grenze erreicht. Deſſen Verzweigungen 
gegen Süd und Of am Arares Hin gehen über den Sandſhak 
Ghetſchewan (Ketſchiwan) und Kaghisman; gegen NO. aber 
über den Tſhaldyr und Arpa See in der Richtung des Sanpfhaf 
Sariſchad, und durchziehen bier, In Wogen auf⸗ und abfleigend, pas 
ganze Land. Die Akhbulak⸗Kette zieht am Sübufer des Araxes 


Hin. Das Zufammentreffen mehrerer Bergzüge in ver Mitte des 


Paſchaliks, an ven Flüffen Arpa tſchai und Kars, gibt der Stabt 
Kars ebenfalls eine hohe Lage, deren Berge bei den Einwohnern 
ihre befondere Namen haben (Chadſhi⸗topa, Aga⸗dewa, Goudſha- 
dagh, Achny, Alydſha und Aglydſha). 

Als Duelle des Karsfluſſes (Karstfhal), die auf dem S- 
ghanlu entipringt, wird fperiel der Berg Tikmo angegeben; von 
da an burchfchneivet der Strom das Sandſhak Tachtin von S. W. 
gegen N.O. bis Kars, dann aber tritt er durch Kelsfchluchten ver 
Gebirge, durch die er fi mühfem windet, bis zum Araxes. Keine 
3 Stunden (20 Werft) unterhalb der Feſtung Kar wendet fidh ber 
Strom yplöglih von Oſt gegen Süd, ſcheidet hier vie Sanpfhafe 
Sariſhad von Shuraghel, und fällt bei dem Dorfe Jlanlju in 
den Arpa tihal. Bis dahin ſtrömt er reißend, wie ein Gebirgs⸗ 
from anf fleinigem Grunde, 6 — 12 Baden breit, nur 2—4 Buß 


tief, alfo nicht ſchiffbar, faſt überall mit gangbaren Furthen, außer 


im März und April, wo er hoch anſchwillt. Sein Wafler iſt ge 
fund, vol Weipfifche verfchlenener Battungen und forellenreich. Seine 
fiichreichen Zuflüffe im Saghanlu heißen rechts: 1) Werifh op, 
2) Parßadan fu, 3) Berna tſhai; linke: 4) Besgut tfhai, 
5) Samowat-fu, 6) Dibilaus, 7) Tſhildyr fhat, aus dem 
gleichnamigen See kommend. Der Arpa tſhai, deſſen Lauf wir 





222) W, Hamilton Asia min. 1. p. 206. 





Euphrarfuftem; Kars, Pafchalif. 429 


Thon oben angaben, ſcheidet bier die Provinzen Shuraghel und 
Srivan im obern Laufe von Akhalzik, im untern die letztere von 
Kar; feine Breite ift 4 bis 6 Baden, feine Tiefe der des Kars⸗ 
fluſſes ‚gleich, wie die Natur und der Fiſchreichthum feiner Wafler, 
die überall gangbare Furthen geftatten. Seine Zuflüffe werben uns 
hierauf zum erftenmale namentlich aufgeführt; rechts: 1) der Ka= 
rabana (Dajchbafch), der am Fuße des Ach baba entipringt und 
bei dem Dorfe Baſch Schuraghel einfällt; 2) der Kapikljär, ver 
auf nievern Höhen entipringt und zwifchen den Dörfern Kinak und 
Koſchawjaͤnk einfält; 3) der Dſhala, mit letzterem von gleichem 
Urfprunge, der aber bei Ani in den Arpa tihal fällt; 4) ver 
Tichor, ver auf dem Alydſha entfpringt und 14 Stunden ober⸗ 
Halb des Dorfes Pakran einfällt. Bom Arasfluffe erfahren wir 
außer den ſchon oben genannten Zuflüffen in ver Statiflif des Kart 
Vaſchaliks nichts Neues, als Daß der. Strom überall 2 bis 6 Fuß 
Tiefe habe, zwiſchen fteilen und felfigen Ufern bei 20 Faden Breite 
hindurchziehe, mei furthbar, in der Anſchwellungszeit des Frühfahrs 
ausgenommen. 

o Das Elima des Paſchalik Kars gehdrt zu ven fchönften 
des türkijchen Armentens, und das Land iſt im hohen Grabe frucht⸗ 
bar; beide Eigenfchaften werden ſchon von dem älteſten armenifchen 
Annaliften gerühmt (Mos. Khoren. Hist. Arm. Lib. I. c. 11. p. 31). 
Wir trafen, fagt der rufflfche Berichterftatter, bier das reizende Clima 
unfrer Ukraine an, erblidten auf ven Tſhaldyrbergen (Ende Juli) 
duftendes, faftreiche® Gras, das uns bis an den Gürtel reichte, und 
die mannigfaltigften Kräuter, mit buntfarbigen Blüthen prangenb. 
Der Frühling beginnt gemwöhnlih im März; ver Sommer dau⸗ 


ert vom Juli bis Mitte September. W. Hamilton 3) erlebte: 


dort im Juni die heftigften Donnerflürme und, alle Tage Gewitter; 
in ver Mitte Novembers fällt Schnee, zumellen auch früher. Die 
hochſte Temperatur, nad ven Beobachtungen des Staabs⸗ 
Gapitein Blohm vom Generalſtaab, unter deſſen Direction das 
Paſchalik Kars aufgenommen wurde, beträgt im Augnſt 350 
in der Sonne; die Abende find zuweilen ſehr kühl, und nur all⸗ 
mältg ſteigt es von der kühlen Morgenluft zur Mittagshige; durch 
dieſe gleichmäßige nächtliche Abkühlung wird die. Tageshitze un⸗ 
fhänli für die Geſundheit. Der Frühling bringt gewöhnlich 








— 


Regen und Hagel, welcher lettere oft * Saaten zerſtoͤrt. Auch 
9 Hamilton Asia min 1. p.. 06. 





430 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abfchnitt. 5.3 


der Herbſt zeichnet ſich durch die Mehrzahl der Stürme aı 
MWeftwinde find die vorherrfchenden. Der Winter hat beftäni 
vielen Schnee und Froft, der Im Sanuar bis 20° fleige. 3 
Krankheiten des tiefliegennen Georgiens, wie Gallenfieber, Baı 
fieher, Ruhr, die auch in Armenien, Karabach, Imereti, Dlingı 
lien fo vorberrfchen, find bier unbefannt; dagegen follen Str 
feln und Gliederkrankheiten einheimifch und angeboren fei 
Augenentzündungen finden Häufig im Sommer und Win 
ſtatt, viefelben, welche Anadoli eigen find; im Herbſt bei Erkältu 
gen werden Wechſelfieber herrſchend. Die verheerendſte al 
Krankheiten ift bier die Peſt, vie jenodh nur durch Mittheilun 
son Arzerum kommen fol. Die Vorforge der Ruſſen im Beldzı 
und. ihre, Ougrantaine» Anftalten fcheinen vie. Weiterverbreitung dd 
ſes furchtbagen Uebels gegen bie kaukafiſchen Landſchaften völlig | 
Hinvert zu haben. Die Thäler des Paſchaliks Haben zwifchen ı 
Bergreiben einen. fetten ſchwarzen Boden; bie Vorberge ver 50 
Fetten haben eine mächtige Erdlage, theils aus ſchwarzer Erve, the 
mit Ihonlagern; im Sandſhak Khagisman allein trifft man Le: 
Jagen an. . 

An Getzre ide gedeihen Gerſte und Weitzen, daher über 
wo fie nur, freilig mit großer Anftrengung tief einfchneibeni 
Milüge ‚und. fartmährenp, reichlicher Bewäſſerung 35) gebaut werd 
gibt letzterer das zehnte Korn, die Gerſte weit mehr. Das Bi 
chältniß der Ausſaat der Ger ſte zu. der des Weigens iſt wie 1: 
‚Die Betreivepreife vor der ruſſiſchen Beflgnahme waren: Weite 
4 Samara (d. i. 13 Pud 8 Pfd. rufl. Gew.) zu 1 Rub. 16 Kı 
Silber; Gerfte, 1 Samara (= 12 Pud ruff. Gew.) 80 Kop. S 
ber. Die Gärten Im Sandſhak Kaghiſman, alfo im Ararı 
thale, verfehen die Umgegend mit ven fchönften Srüchten aller Aı 
mit Pfirfih, Aprikofen, Mandeln, Trauben, vie vo 
kommen zeifen und weit verfenvet werden. Eben fo gedeihen a 
Bemäfensten. Bette und gefunde Weinen und Heuſchläge begü 
fie die Viehzucht, außer im Sanbihat Kaghisman, wo ber Bor 


ig If. 
Balı fehlt, 618 auf den Saghanlu, der aber auch Baı 
Holz, zumal Fichten ſtämme für das Bedürfniß bed ganzı 
Paſchaliks liefern muß, und zumal bie Bewohner des Sandſh 





ss5) W. Ouseley Trav. III. p. 456; Ker Porter Trarv. Il. 
J. Brant Journ, 1. c. VI. p. 198. | 


> 








Euphmiſoſtem; Kars, Paſchalik. 431 


ZTachtin mit Holzarbeiten befrhäftigt. In demſelben Reviere wächſt 
auch Brennholz, naͤmlich niedres Geſträuch, das nur noch am Ach 
Baba Berge vorkommt, ſonſt aber ebenfalls mangelt und überall, 
jur Seuerung, durch getrodneten Kuhmift erſetzt werden muß. 

Die eigenthümlihe Fauna ded Landes Kar iR noch fehr we 
nig bekaunt; an- Wild ift Lieberfluß. Büffel, Ochfen, Schaafe, Ejel 
werden in Menge gehalten. Die Rinder zeichnen fich Durch 
Knochenbau, Stärke und Schönheit aus. Die Schanfe, von eigen- 
thümlicher Race, find nicht von den feinwolligen, ihr Vließ iſt jenoch 
weich und zu feinen Geſpinnſten fehr tauglich. Pferde find nur 
ſparſam in Gebrauch und von Feiner befonvern Art. Zur Zeit der 
Ankunft der ruſſiſchen Truppen waren die Viehpreife fehr mäßig. 

Gin Paar. Büffel koſteten 20 — 50 Silberrubel; ein Paar Ochfen 
10 — 15; eine Kuh 4— 6; ein Hammel oder eine Ziege 1 Rubel; 
ein El 3 — 7, ein Pferd 10 — 30 Silberrubel. Federvieh 
wud In großer Menge gezogen, das Huhn ioſtete nur 6 Kopeken 
Kupfergeld u. ſ. f. 

Von Mineralien iſt nur wenig bekannt; % Stunde ober⸗ 
halb des Ories Kaghiſsman, auf dem rechten Arazesufer, iſt ein 
GSteinfalzlager bekunnt (wahrſcheinlich eine weſtliche Fortſetzung 
ver Salzgruben von Külpi), dad auf 100 Baden in gerader Linie 
im Bruche eine fehr ergiebige Ausbeute gibt; In gleicher Entfernung 
bavon iſt eine zweite Steinfalggrube. Nahe dem Orte Magha⸗ 
bert (2) in Shuraghel ſoll natürlicher Salpeter gewonnen werben, 
ki Ani ein Steinbruch fchönfarbiger Steine (Marmor?) fein, und 
en andzer im Sandſchak Tachtin, nahe dem Dorfe Kang⸗käw. 

Im ganzen Paſchalik zählte man bis zum Ausbruch des 
Krieged nur 248 Dörfer; in jenem des Sanpfhafe waren bie Haupt» 
fe ver Gewalthaber in feſte Burgen verwanbelt, deren ſeitdem 
mehrere gänzlich zerflört wurben, wie von ven Dörfern, nach der 
zuffifchen Beflgnahme, 75 zerflört ober von ben Bewohnern ver 
fen waren; einzelne zerfireute Höfe zählte man nach her 
Beanahme noch 1842 von Armeniern und 1887 von Türken be 
wohnte, mit ven Bemohnern des Landes an 22,000 und mit Ins 
begriff der Stadt Kard 29,543 oder nahe an 30,000 Seelen. . Die - 
Dorfſchaften find elenve, Halb unter ver Erde an Bergabhängen 
angelegte Erdgruben oder Höhlen mit vorgebauten Mauerwänden 
mb Erddãchern, die nicht vom übrigen Boden zu unterſcheiden ſind, 
beſſere Staͤlle für das Vieh als Wohnungen, dunkel und ſchmutzig 
für Denfchen, aber im Winten unter der Erbe warm gelegen unk 





432 Weſt-diſien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 34, 


vom Schnee überdeckt, fo daß man ſich vie Ausgänge durchaus erſt 
künſtlich durch die Schneebedten bahnen muß. Sie entfpredhen ganz 
den von Zenophon angegebenen Höhlendoörfern der älteften Zeit. 
Die deutlichfte Anſicht diefer ganz Armenien eigenthümlichen Bauart 
hat W. Dufeley 36) gegeben. Die Dächer, fagt er, find von Holz, 
aber mit Thondeden und Sandlagern überdeckt, auf denen nicht 
felten Wieswachs oder @etreivefelder fi ausbreiten. An ver Bor 
derſeite dieſer Erdhuͤtten ift nur felten, bei Wohlhabenden, wo es 
Balken gibt, dad: Dad etwa von 4 Baumflämmen fäulenartig ge 
tragen, gewöhnlich aber befteht fie nur aus einer Steinmauer, 6 bi8 
7 Fuß Hoch, die zu beiden Seiten an den Erdboden flößt, oder all- 
mälig nad) bee Höhe zu im fpiten Winkel gegen die Erddecke des 
Daches an Höhe abnimmt. Nur an den aus trodnem Kuhdünger 
als Brennmaterial aufgehäuften Kegeln vor ven Eingängen ver 
Hätten, die aber meift nur zum Hineinkriechen fich eignen, und an 
den bellenden Wächtern erfennt man daß Dafein von Häufern 
und Dörfern überhaupt, an denen, ober über deren Dächern man 
fonft, ohne fle auch nur zu abneni, hinreiten würde. Ihr Inneres 
enthält meift nur einen oder einige größere Räume, vie in ver hei⸗ 
fen wie in der Falten Jahreszeit zu Viehſtällen dienen, in deren ei⸗ 
nem Winkel in der Regel nur ein etwas erhöhter Play ver Fa⸗ 
milte vorbehalten if. Nur bei Wohlbabenveren ift viefer mit Brei» 
tern außgejchlagen, ober wol gar mit Vließen belegt. Das Licht 
kann nur durch die Thüre eindringen, venn Benfter fehlen, wie 
überhaupt jede Bequemlichkeit; nur Sicherheit und Wärme gewähren 
fie bei firenger Winterlälte, denn felbft gegen Raubüberfälle find 
fie durch die Erdumgebung und bie vordere Steinmauer mit einem 
einzigen Eingange für Menjchen und Dich gefchügt. 

Türken und Armenier machen die Bevdlkerung des Pafchaliis 
aud; auch Zigeuner ziehen bier umher, deren man an 70 Individuen 
zählte. Die Summe ver Bemohner Hatte ſich währenn ver Krieg⸗ 
führung jedoch um die Hälfte verminvert. Das ganze Land ſcheint 
aber von Zeit zu Zeit folche vernichtende Zuſtände exlebt zu haben; 
denn die Menge der Ruinen iſt weit größer als vie Zahl der An 
fieolungen, und wo biefe auch gegenwärtig gänzlich fehlen, zeigen 
doch viele Reſte von gebahnten Straßen, von alten Dimmen aus 





se) W. Ouseley Trav. Vol. III. pag. 458 — 461. Plat. LXXIX. 

. 6 u. 7: Anficht des Dorfes Fofanl; und PL. LXXVII: Anſicht 

des Dorfs Bedrowas; Anficht des Baltenhaufes; PL. LXXIX, Fig.8. 
Vergl. Ker Porter Trav.l. p. 650. 


& 





—. A — EN ce Be e 





Euphratfoflem; der untere Kars⸗Fluß. 433 


Daaberfteinen, welche durch die Mitte von Sümpfen hindurchführen, 
und eine fehr große Menge von Flußbrücken, wennſchon nur in 
Ruten, doch vie frühere Zugänglichkeit und ven Innern Verkehr 
des Landes. 


e. Der untere Lauf des Karstſhai mit dem Arpatſhai 
vereint, ala Afhurean, bis zum Arares. Die Ruinen 
von Ani, von Palaran, Erovantafhap und 
Erovantugerd. 


Folgen wir dem Laufe des Karsflufies oder Afhuren unter 
halb der Stadt Kars, fo macht derſelbe zwifchen Belsthälern man- 
che Bindung, bevor er nach etwa 2 Tagemärfchen bei dem Orte 
Schuraghel mit vem Arpatfhai zufammenfällt, der nordwärts 
vn Bümri herabfommt und gerade ſüdwärts nach Ani Hinabe 
fest, zu welchen beiden Orten von Kats aus, ohne dem Zlußthale 
des Akhurean zu folgen, die Wege gegen N. O. nah Tiflis, 
gegen S. O. nach Etſhmiadzin und Erivan führen. Diefen 
leſzteren Weg, wozu 9 Tagemärfche für Karawanen gehören, nahm 
Zavernier. 9%) Er fand Leine regulären Stationen. Den erften 
Leg paffirte er ein oͤdes Klofter, ven zweiten aber bie Ruinen 
Wer großen, wie er fie nennt, Anikagaë, das heiße Stadt Ant, 
De an ihrer Mauerſeite von einem reißennen Bergfirome beſpült 
werbe, in den fich ver Kasöfluß ergieße. Ihre Lage fei ungemein 
ff, in einem Sumpfe, durch den zwei Kunſtdämme, von denen noch 
Ace übrig, den alleinigen Zugang in vie Stabt geflatteten. Auch 
bewunderte er in ihr Muinen mehrere ungemein ſchoͤnen Bauwerke, 
jumal von zwei beinahe volllommen erhaltenen Klöftern, von Tönig- 
Der Eonftructton. Von dort paffirte er bie zwei folgenden Tage 


hund mehrere Dörfer und kam fo fpäter nach Crivan. 


Tournefort, ver von Kars nad Tiflis 37) wollte, nahm 


Ne norvdſtliche Monte, auf dem Norbufer des Karstihei hinziehend. 


Im erfien Tagemarſch über eine große Ebene, am Dorfe Barguet 
und einem zerkörten Gaftell vorüber, in ein Thal; am zweiten 


iber gut bebaute Ebenen, in venen ſchon ein milbere® Clima 


ds Korn und ven Flachs (15. Juli) viel weiter gefdrbert batte, 
a auf Der Ürzerumsäbene. Er erreichte einen kleinen Bergſtrom, 
de zum Arpatſhai (alt rechter Zubach) einfiel. 


286) J. B. Tavernier, Six vo. Lc.I p-24. °’. P,de Tourne 
fort L. c. T. II. p. 125. u 


Ritter Erblunde. X. Ge 








434 Weft-Afien. HIT. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 34. 


Hier thellte fich die große Straße gegen Süp und OR und Nordoſt. 

Am britten Tagemarſch überſchritt er ſchon bie damals tür 
Eifche Grenze und erreichte den perfiſchen, ſehr fruchtbaren Boden 
‚aufsber Grenze von Georgiften, wo Ihm ver fehr tüchtige Menſchen⸗ 
ſchlag ver Georgier begegnete, in deſſen jchönen Bau er nad) 
fo vielen Jahrhunderten noch Strabo's Beſchreibung dieſes Volks⸗ 
ſchlages beftätigt fand. Der Arpatfhal, den er Arpagi nemt, 
ſchien ihm einer der fifchreichfien Flüſſe zu fein. Er glaubte am 
folgenden und nächſtfolgendem Tage, als er die Gebirgsſtufen jenes 
Hochlandes hinabſtieg, In eine ganz neue Welt eingetreten zu fein. 
&r, ver Botaniker, fand nach jenen langen, dbven, baum- und 
Holzlofen armenifchen Hochebenen endlich wicher ein Land mit Ge⸗ 
büſch und Wald. Eichen, Buchen, Ulmen, Linden, Ahorn, 
Eichen zeigten fich wieder, die ex lange vermißt, auch Weißdorn, 


Gollun der folgten, und Hafelnüffe, Birn-, Pflaumen» 


und Apfelbäume fehten ihn durch Ihr Wiedererſcheinen und ihre 
reizenden Wechſel in Entzücken. Gr pflückte wieder Erd⸗ und 
Himbeeren, dad Korn wurde hier ſchon am 18. Juli gemäht, 
es zeigten ſich die erſten Weinberge, bie nun bad ganze warme 
Georgien überziehen, und ver Rebenſaft war hier Nectar gegen den 
Wein von Arzerum. Hier begann wirklich die neue Landſchaft des 
warmen Georgiftend oder Gruſiniens, von. der wir jedoch für jegt 
zum nadten Hochlande der Gegenwart zurüdtehren. - 

» Bon vem Oſtthore der Stadtmauer von Kar, ) in wel⸗ 
che einige Basreliefs von Thieren in rohem armeniſchen Styl In 
Stein gehauen find, braucht man nur eima 6 Stunden Zeit, um, 
gegen Südoſt reitenn, die Ruinen von Ani am Arpa tſchai zu 
erreichen. Man folgt anfänglich dem Fahrwege nach Bümri, der 
aber bald gegen N.O. abzweigt, wohin W. Hamilton am 12. 
Juni' 1836, ald er dieſen Weg nahm, eine große Menge mit 
Biffen beipannter Laftwagen ziehen: fah, melde das Zimmexholz 
vom Saghanlu zum großartigen Bau ber »rufflichen Grenzfeſte 
Ginmrb führen ſollten. Seltfamer Gontraft, bemestt er, daß bie 
Kürten ihr Baubok au ihren Todfeind zum eignen. Berberb per» 
handeln; waͤhnend ſie ſelbſt ſchwach, desorganifirt, hülfloß gegen Ahre 
Nachbarn, unterrrückt von ihren eignen Gebietern, ihre Grenze ohne 


Wade, ohne Schilv, ihre Städte vhne Mauern und, Befefligungen, 


- 8 


ohne Geſchũtz, in Trümmern liegen laſſen, et ber ruſſiche Teind, 





rs j 


+") W. Hamilton, Asia minor. 1. p. 185. en 


\ 
- 
= « 








Euphratfgftem; Der Kars: und Arpastfbai. 435 ' 


art und blühend, überall an ver Brenzlinie feine gewaltigen Boll- 
werke zu neuen Bebrohungen und Angriffen. — Nimmt man aber 
den gegen SD. abzweigenden Weg, gegen Anti, fo liegt eine 
ganz baumloſe, wellige, fanft gegen OR ſich erhebende Ebene aus 
einem zellig-blafigen, vullanijchen Beftein vor, auf ber 
ſich 2 Kegelberge nur 2 Stunden fern von Kars erheben, die er⸗ 
leſchene Bulcane zu fein fcheinen. Ihr Durchbruch nach oben hatte 
eine niedere Bergreibe ihnen zur Seite mitemporgehoben, aber uns 
mittelbar‘ gegen N.O. fallen fie fleiler und tiefer gegen das umkrei⸗ 
fende Thal des Karpa= und Arpa⸗tſhai ab. Sie zeigen, daß auch 
in dieſer Direction die einflige vulcanifche Ihätigkeit der Ararat⸗ 
gebilde fich weiter verbreitete, Wo bier Ackerfeld fich zeigte, war 
bie Ernte noch ſehr weit zurüd (Mitte Juni). Von der Nähe ' 
des elenden Hoͤhlendorfes Hadji Veli Kieui, wo Ruinen eines 
Gaftells fich zwifchen Reihen von Bafaltfäulenbildungen er⸗ 
heben, die nach unten ganz dicht find, aber nach oben ſehr bla⸗ 
fige Textur haben und Schmelzung beweifen, nehmen bie 
Zeichen vom Anbau des Landes mehr und mehr zu. Hier zeigt 
ſich von diefer Seite dem Kommenven zum erftienmale ver Fern⸗ 
bu auf ven Aghridag, den majeflätifchen fhneereichen Ararat, 
der fich hier ganz einfam mehrere taufend Buß Hoch über alle an⸗ 
vern Gipfel erhebt, die gegen S.D., Oft um N.D., wie im Alaghez, 
aber auch gegen S. und SW. meift in vulcanifhen Kegel 
formen emporflaren. Nach Durchfegung von 2 ober 3 Fleinen 
Gebirgswaſſern, Die gegen NO. zum Karafu und Arpa tihat fallen, 
iR des letzteren Thalrinne und das jüngere Dorf Ant unter ven _ 
Bergen des Karadagh erreicht, von dem nur eine Viertelſtunde fern, 
im Süden, die Ruinen der alten Ani liegen. 

Durch W. Hamilton, ver von hier ven Weg aufwärts gegen 
Nord nach Gümri nahm, erfahren wir, daß 4 Stunden Wegs 
(40 Werſt fagt Ker Porter) im Nord von diefen Ruinen von 
Ani vie beiden Flüſſe Kars⸗ und Arpa-tfhat bi Shuragel 
Ghurautgel bei Hamilton) 39) fich wirklich vereinen. Fruͤhere 

Augenzeugen fehlten hierüber: denn Ker Porter, der im I. 1817 
Mitte November von Tiflid über Gümri fommend nach Ani ging, 
hatte Den DBerein beider Ströme nicht Tennen gelemt. Er Hatte 
6 Kagemärfche zugebracht, um von Tiflis über die uns ſchon be= 
tannten Paflagen ver beiden nörvlichen Pälfe, des Agsböuk und 


l 
20) W. Hamilton a. a. O. I. p. 200. | 
Ee 2 











436 Weſt-Aſien. II. Abtbeilung. J. Abſchnitt. $. 34. 


Beiobval, am Norpfuße des Dritten dad Pambak⸗Thal mit 
der Station Hammanlu @) (4720' über dem Meere) zu erreichen 
(f. ob. ©. 375). Statt nun ſüdwärts den Pambakpaß direct nach 
Etſhmiadzin Hin zu überfleigen, wandte er ſich erft weflwärts, 
auf der alten Milttärftraße ven Pambakfluß aufwärts, um Gümri 
zu erreichen, das nur zwei Tagereifen fern liegt. Nur nieprigere 
Berzweigungen ver Mofhifchen Berge (Mofflan genannt) waren 
bier zu überfieigen, um zum Dorfe Bedant mit einem Militär⸗ 
poften zu kommen, von dem noch ein geringer Bergſtrom, Tſchit⸗ 
ſchiana bei Ker Porter oſtwärts zum Pambal- Flug (oder Tabedah, 
f. 06. ©. 370) eilt. Jenſeit diefer Station, gegen Welt, wirb in 
2 Stunden ver Berg erfliegen, der das Thal zufchließt, und nad 


2 Stunden über den Paß, der am 14. November ſchon ganz mit 


Schnee überdeckt war, ein milderes Elima erreicht, indem man nad 
einer Stunde Hinabſteigens die rufflfche Feſte Gümri gegen bie 
Türfengrenze erreicht. Ihr im SD. ſteigt in Fühner Steilheit ber 
Kegel des Alaghez zu 12,871 Buß Par. empor (f. ob. ©. 376), 
der dem Diſtrict Shuraghel, in welchem Gümri liegt, dahinwärts 
feine natürliche Grenze feht und gegen N.W. viele Bergmaffer gegen 
Bümri, gegen die Feſte Shuraghel und Ani hinabfenvet, vie ſich 
ale im Arpa tfhat (Arpa fu, dem Harpaſus) vereinen. An biefen 
Berg, den die Armenier Arakadz (Aragaz Mof. Chor. I. 11. 
Kol. 32) nennen, knüpft fich eine der älteſten ihrer Traditionen; 
denn feinen Namen erhielt er nad) einem Enkel Haiks, des Stamm- 
paterd von Armenien (Haikiſtan), deſſen Sohn Armenak ſich zuerft 
in ver Ebene am Arares nieverließ und Hütten an deren Norpfeite 
am Fuße ned Berges erbaut haben fol, dem er jelbft den Namen 
feines Sohnes Arakadz belegte. Der Name Alag hez iſt alfo 
nur türfifche Verflümmlung des Armenifchen, wie fo viele andere. 

Gümri, auf einer Anhöhe gelegen, hat eine dominirende Gtel- 
lung, deren mit großen Koften begonnene großartige und auf fliehen 
Jahre zum Bauen berechnete Berfchanzung, die damals täglich 40 
bis 50 Fuhren Zimmerbolz aus dem Saghanlu erhielt, wo ein 
Daum nicht felten auf 50 Piaſter zu flehen kam, vielleicht nur 
darum unnüß fcheinen möchte, weil vie Türken wol niemals mit 
großer Uebermacht und Belagerungskunft fie von ihrer Seite ber 
belagern werden. Doc if es nicht eigentlich die Stadt felbft, ſon⸗ 


dem die ganze Umgebung, aljo die Grenze, zumal gegen N.W., 


#40) Ker Porter Trarv. 1. p. 166. 


Euphratſyſtem; der Kars⸗ und Arpa thai. 437 


weiche mit Redouten bis auf weite Kernen Hin verfehen ift, mit 
bombenficheren Gebäuden, Barraden und andern Werfen in einem 
ſo großen Maaßſtabe, daß fle darauf berechnet fcheint, eben fowol 
dat eigene Land ſelbſt im Zaume zu halten, wie Ueberfälle nach 
außen bin zu flügen und Einfälle über vie Grenze von türkiſcher 





— 


Seite hier ganz unmöglich zu machen. Sie erhielt durch Kaiſer 


Ricolaus ſelbſt den bedeutenden Namen Alexandropolis und 
bat zuletzt vorzüglich Polen *!) zur Garniſon gehabt. Eine Qua⸗ 
zanteine gegen bie Peſt ift neben der Feſtung eingerichtet. Der 
Arpa tfhai fließt Hier durch reiche Wiefen, und eine gute Viertel 
ſtunde zu beiden Seiten von feinen Waſſern fleigen bie Ufer fteil 
auf wie natürliche Bollwerfe und bilden ein weites Plateau- 
land, das fly durch den ganzen Winkel zwiſchen ihm und dem 
Kartzufluſſe fortzieht. Die Steilabfäle bei Gümri find zu beiden 


Geiten mit einer mächtigen Dede von ſchwarzem Peperit vulcanifcher 


Bildung überlagert; Bafaltbilvungen treten an vielen Stellen ver 
Ränder deffelben als deſſen Träger hervor. Diefes Plateau, das 
auch auf ver ruſſiſchen Oſtſeite des Stroms, wie auf der türfifchen 
Weſtſeite mehrere Meilen weit fortziehend fih an ven Fuß jener 
Kegelberge anlehnt, welches vom Weſt ber der Kardfluß durch 


ſchneidet, um fich in den Arpa iſhai zu flürzgen, wird auch ſüd⸗ 


wärts nur vom tiefen Erpfpalt des Arpa tſhai bis Ani und 
weiter durchfchnitten und durchrauſcht. Diefe Naturgrenze if 
8, welhe zur Staatengrenze geworben; fie iſt vorher fchon vie 
Völkergrenze geweien: venn Hier ift ver Bauer nicht mehr Ar» 
menier, Türke over Kurde, ſondern Georgier over Cir⸗ 
kaffter in feiner knappanſchließenden Nationaltracht mit der Pelz 
kappe; die Weiber verbergen fich nicht mehr hinter ven Schleier over 
vor dem Fremdling. Die Dörfer aber machten nach den verheeren- 
ven Kriegen durch ihr Elend den traurigften Eindrud. Die früher 
hin perſiſche Herrſchaft in dieſen Gebieten hatte einft viele Tauſende 
berfifhe Anfienler mehrere Meilen weit auf die Weftfeite des 
Arpa tſhai hinübergelodt. Ein ſolches übriggebliebenes damals noch 


m Berfern, aus Erivan, bevölkertes Dorf war Uzun Kilis 


ich 2) im Welt von Gümri, auf dem Wege nad) Kard. Gie 
hatten zur Zeit, da das früher perfliche Erivan von Ruſſen er- 
bet ward, diefen ihren Heimathſitz mit Anfiedlungen auf türkiſchem 
— — — 


*) X. Bore Correspondance et mem. Paris, 1540. T. IL. p. 38, 
*) W. Hamilton Asia min. I. p. 200. 


3 








- 


438 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt.$. 34. 


Gebiete vertaufcht. Nach ven Frienendtractaten zwifchen Türken und 
Ruffen mußten alle viefe perflfchen Emigranten von» jegt ruſſiſchen 
Zerritortum fpäterhin, wie alle ruſſiſchen Deferteure, mit denen 
fie, mie es fcheint, in eine Glaffe geftellt wurden, wieder in ihre 
frühern Sige zurücdgefchidlt werden, und nur wenige Hunderte wa⸗ 
ren auf türfiihem Boden geblieben, als W. Hamilton das Dorf 
Uzun Kilifeh paffixte, von dem Kars gegen S. W. nur noch acht 
Stunden Weges entfernt liegt. Das Uebergewicht ruſſtſch⸗ eurepäl- 
ſcher Energie gegen türkifcheaflatifche Erſchlaffung zeigte fich hier auf 
jedem Schritt und Tritt. 
Südwärts von Gümri nur 5 Werft, bei Shiraghel, bemerkte W. 
Hamilton, wie bei vielen Grenzorten jener Gegenden, ein großeß 
oblonges, aber in Muinen llegendes Gebäude von eigenthümlicher 
Eonftruetion, welches zu gleicher Zeit das Berürfniß einer Kirche 
mit dem eines Caſtells zu erfüllen beflimmt geweſen zu fen fcheint. 
As Ker Porter dieſe Straße 5 Werft ſüdwärts von. Guũmri ges 
zogen war, bemerkte er ein altes chriftliches Dorf mit Ruinen, die 
er für chriftliche Kirchen und Steinthürme hielt, die einft bier einen 
Paß in Verbindung mit alten Burgruinen in der Nähe gefchloffen 
haben möchten; dann aber fehte ex durch ven Karsfluß. Vermuth⸗ 
lich war jener Ruinenort die Stelle von Shiraghel, wem alt 
armenifchen Shiragh, *) wo auch Hamilton jene oblongen 
Steinbauten bemerkte. Weiter firomab iſt es, wo fih Kars und 
Arpa thai vereinen; dann folgte eine Stunde jenfeit ver Furth durch 
den Kars, deſſen reißenven Lauf auch Hamilton durchſetzen mußte, 
ein anderes Dorf, Maurek, wo eine Kirchenruine und benachbart 
auch eine Eapelle, im Styl ähnlicher Bauwerke, wie zu Ant. Be 
diefem Dorfe flößt die vom Weit kommende Straße, von der Feſte 
Kara, mit der vom Süden kommenden Straße, vom Arares nad 
Gumri, zufammen. Hier eröffnen ſich mehrere großartige Ausfidy 
ten auf ven Ararat: denn man iſt, wenige Stunden von Ant, in 
dieſelbe Thalweitung in der Nähe von Hadji Beli Kieui gekommen, 
von der nach Obigem zuerft fich diefe Fernblicke dem von Kurs bis 
ect Kommenden eröffneten. Den Boden ver umgebenden Höhen bes 
deckt auch bier noch immer jene ſchwarze Peperitdecke mie be 
Gümri, darin mancherlei Spuren vulcanifcher Materien ericheinen, 
darunter aber ein vünnes Lager gelben Sande, erfüllt von 


zahlreihen Mufcheltrümmern, ganz dem bei Khorafan (ſ. 


#*3) St, Martin Mém. 3. VArm. 1. p. WI. 





= 


Euphratſyſtem; Arpastfhai; Ruinen von Ani, 439 


6. ©. 405) gleich. Bemerkendwerth iſt, daß dieſes Lager jedoch 
bier wicht, wie dort, horizontal, fondern in gegen N.B. abfal⸗ 


lenden Schichten ſich gefenkt zeigt, die. ihre Schlefe unftreitig Io» - 


calen Hebungen von ver Süpoftfeite verdanken, und wie fo viele 
andere Berhältniffe auf einen einfligen Süßwafferfee hindeuten, aus 
Kfm Mitte fich bier, wahrjcheinlich in vielen Sucrefflonen, einft in 
vorgeſchichtlichen Zeiten vie zahlreichen vuleangleichen Kegelbildungen 
des armenifchen Hochlandes emporhoben. Diefelbe Bodennatur, noch 
mehr in Schlackenbildung und wahre vulcaniſche Aſchen und veſu⸗ 
viſche Rapilli übergehend, immer 200 Fuß über den benachbarten 
Enriſſen der Flußbetten bleibend, zieht am Dorfe Aras Oglu nur 
noch eine ſtarke Stunde vor Ant vorüber, bis man deſſen Trümmer⸗ 
haufen ) erreicht. 
Die Ruinenſtadt Ant in Schirag (dem heutigen Shlraghel). 
Schon Zavernier hatte diefer alten berühmten Stadt Ant 
bes armenifchen Mittelalter8 erwähnt, ohne mehr ald Obiges (fiche 
oben S. 433) von ihr audzufagen, und auch durch andere flüchtig 
Vorüberziehende war nichts Gevaueres befannt, als Ker Porter, 
1817 von Neuem durch feinen Beſuch bie Aufmertſantelt auf fie 
hinlenkte. 5) Aber leider waren die Ruinen felbft mie die nahen 
Umgebungen zu gefahrvol durch Banditen und kurdiſche Raub· 
horden, um trotz feiner 10 Mann Escorte auch nur länger "als 
wenige Stunden in ihnen zu verweilen. I. Morier fchmüdte de 
nen Roman mit der Erinnerung an Uni. 6) Br. Dubois, vr 
unter rufflichem Schuge im Jahr 1834, Mitte März, von Erffmlade . 
iin ſchon bis an die Mündung des Arpat ſhai zum Araxes vorge⸗ 
drungen und nur noch 6 Stunden (26 Werft) #7) entfernt war 
von den denfwürbigen Ruinen von Ant, die zu erforfchen ihm fo 
ſehr am Herzen lag, mußte doch, weil biefe Trümmer auf dem 
rechten Ufer des Stromes, alſo auf türkiſchen Boden, lagen, fich 
dieſen Beſuch verſagen, weil er dann bei der Rückkehr auf ruſſiſches 
Gebiet in der langen Quarantaine ſeine koſtbare Zeit hätte verlieren 
müſſen, die zu weitern Forſchungen fo nothwendig war. Auch bie 
benachbarte Trũmmerſtadt Pakaran mußte er unbefucht laſſen. 
Nur W. Hamilton, ver von Weſt her nur auf türkiſchem Boden 
durch Klein⸗Afien bis an dieſe Grenze Armeniens vordrang, gelang 


**) W. Hamilton Asia minor. I. p. 203. *8) Ker Porter Trar. 
I. p. 173. 46) Jam. Morier Ayesha or the maid of Cars. 
Lond. 1834. _ *") Fr. Dubois Voy. a. a. DO. Il. p. 437. 

I 





440 WeftsAfien. II. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 34 


es, unter Begleitung eines griechtichen Agenten des britifchen Con 
ſuls in Kars und eines Chavaſs (Polizeidieners) vom bortige 
Baia, In der Ruinenſtadt wenigftens einen ganzen Tag zu ve 

weilen (13. Juni 1836). %#) Doc ſchon am Morgen des zweite 
mußte er, aus Beſorgniß, von den Näubern des benachbarten Karo 
dagh überfallen zu werben, dieſelben wieder verlaffen, ohne di 
ruſſiſche Grenze berührt, ohne mehr als nur allgemeine Bemerkun 
gen gemacht zu haben, ohne an doch fo wünjchenswerthe Meffunge 
und Zeichnungen ver dortigen Architecturen venten zu fönnen, bi 
wir durch einen Befuch des auf viefem Felde fo thätigen Fr. Duboi 
gewiß erhalten haben würden. Es bleiben alſo wienerholte Ber 
fuche zur genauern Erforſchung dieſer für die Geſchichte und Ar 
chitectur des Mittelalters feit dem 10. Jahrhundert fehr intereffante 
Trümmerflabt, die aber mit einer weit älteren Belle Ani ar 
Euphrat, 9% welche fchon unter ven Arfaciden und Saffa 
niden eine berühmte Tempelſtadt ber heidniſchen Armenier waı 
nicht zu verwechjeln iſt, wünſchenswerth, deren Bedeutung ſich fü 
fünftige Reiſende aus Folgendem ergeben wird. 

J. St Martin gibt Über dieſe Stadt folgenne Daten, *0 
Ani Heißt im Perflfchen und Arabifchen Any, bei Syrern Ana 
es iſt das Avlov“ bei Cedrenus (Hist. comp. ed. J. Bekkeri 1839 
T. II. p. 5856 etc.), vie Hauptſtadt von ganz Armenien im Land 
Schtrag, am (richtiger unterhalb dem) Zufammenfluß des Alhu 
rean und Rhah, unter welchem Iegtern hier ver mit dem Arpa iſha 
ſchon vereinigte Rhah (ſ. ob. S. 397) zu verftehen fein wird. In 
XI. Jahrhundert fol fie 100,000 Einwohner und 1000 Kirchen ge 
habt Haben (nach Mekhithor Dict.; Schamir c. VI. p.133). $rü 
ber, im V. Jahrhundert, fol es nur eine Eleine Feſte ver Gamfar 
(Gamfars) Prinzen gemefen fein, vie fie im VIII. Jahrhundert aı 
ven Prinz der Bagratiden Aſchod abtraten, ner im Jahre 78: 
die Mauern erbaute, um vie Königäfchäge port gegen vie Raub 
überfälle der Araber zu fichern, die damals Armenien verbeerten 
Aſchod IIL verlegte fpäter, 961, dahin feine Reſidenz, vie e 

auch bis 1045 blieb, und damals durch ihn ihre vergrößerten neue: 


+8) W. Hamilton a. a. O. p. 196. “®) J. St. Martin M&m 
a. TArménie T. I. p. 111 — 114; vergl. die fpeciellftien Nachrich 
ten über Ant, vom Vartabed Mina in: Reife nach Lehaſtan 
Denebig, 1830. Davon ein Auszug im Magazin f. d. Lit. d. Aus 
1834. Rr. 128 u. 130, worin die dhronologifhen Daten von benei 
St. Martins etwas abweichen, von Dr. Betermann. 











Euphratfoftem; Ruinen von Ani, 441 


Mauern, Wälle, Ihürme, viele Kirchen und großartige 

Arhitecturen, unter denen auch ein Maufoleum der Könige 
gmannt wird, in deren Aufführung vie Großen des Landes mit 
ven Königen wetteiferten, erhielt. Im Jahre 993 legte Kafig 1. 
(vr Bruder Sempab II.) ven Grund zu einer großen Kirche, welche 
damals der Sig der armenifchen Patriarchen wurde, ven biefe 
uch bis zum Sabre 1064 beibehielten. Aber 1045 wurde Ani 
an de Griechen verratben, und Kakig II, ver lebte König ver 
degratiden, gezwungen, fie dem byzantinifchen Kalfer Eonftantinus 
Nonomachos abzutreten, um fle der römifchen Herrſchaft einzuver- 
kiben, der feine Neichsgrenze nun durch einen daſelbſt eingefegten 
Geuverneur gegen die Augriffe ver Mufelmänner vertheivigen ließ. 
In Jahre 1064 wurde fie fchon von dem Gelvfchufiven- Sultan 
Alp Arslan erobert, und erhielt unter feinen Nachfolgern tür⸗ 
Ne Cmirn, die daſelbſt faft als unumſchränkte Gebieter herrſch⸗ 
m. Alp Arslan entführte den übrigen Theil der Bewohner 
Ani's, die nicht zuvor ſchon entflohen waren, nach Berflen, ver⸗ 
pflanzte pagegen Einwohner anderer beflegter Städte nach Ani und. 
gab Ihe einen perſiſchen Statthalter. Da nun feitbem auch durch 
vd Geſetz des Koran der Patriarchenfig geftürzt war, fo Eonnte 
man erfi 18 Jahre fpäter mit Genehmigung des Emir Manutſché 
Ye Erlaubniß erlangen, zu Ani einen neuen Patriarchen ver Ar 
menier des Orients in der Perfon des Biſchofs Barfegh, oder 
Yaftlius, einzuweihen und einzufegen, der von 1082 bis an feinen 
ip, 1113, dieſe Würde behauptete. Uber fehr viele ver nah Ant 
wrüdgelehrten Armenier, durch ven vielfach erlittenen Drud ges 
Rängt, verließen von Neuem die Stabt, und damals war es, daß 
Anienfer vorzüglich nad Polen (Lehaflan) auszumandern began- 
um, in ein Land, das fich ſeitdem mit armenifchen Anflevlern 
füllte, fo wie ebenfalls nach dem füblichen Rußland und ver Krimm, 50) 
Ne fo zahlreich von ihnen bevölkert war im XII. und XIV. Jahr 
hundert, daß fie in armenifchen Schriften die Armenia maritima 
genannt wurde. Wieverholt traf Ani bald ein neues Trauerloos: 
Ddavid, König von Georgien, eroberte es im Jahre 1124 und 


führte den damals dort herrſchenden Fürſten Abulſewar als Ges 


fngmen ab, beſchühte auch von Neuem in ver Stabt die chriſtliche 
Sirhe und zog dadurch wiever viele emigrirte Armenier zu ihrer 
Snpitale zuruͤck. Aber fchon im folgenden Jahre Fam Abulfewar's 


— ——— 


) St. Martin im Journ. aaiatiq. 1623, Paris. T. U. p. 2. 





442 Weſt-Aſien. II. Abtheilung. I. Abfchnitt. $.34. 


. 
Sohn, P'hadlun, aus Khoraſan mit einem großen Schwarm 
von Türken und Perſern, denen fich alle armeniſchen, muſelmänni⸗ 
ſchen Emire zugeſellten, und belagerte Uni, das von Ivan, Sohn 
Abuleth, einem berühmten georgifchen Feldherrn vertheinigt war. 
Nach langem hartnädigen Kampfe drang Phadlun erft im Jahre 
1126 durch Gapitulation in Ani ein, durch welche ven chrifllichen 
Bewohnern Schug zugefichert und auch geflattet wurde, daß das 
große Kreuz, welches auf dem Dome der Patriarchallicche errichtet 
war, ſtehen bleibe. Uber fchon 35 Jahre darauf fiel Anti wieber, 
im Jahre 1161, in die Gewalt ver Georgier unter König Georg IN. 
zurüd, der ven georgifchen Prinzen Satun dort ald Statthalter 
einjegte, der aber treulos nach Selbſtherrſchaft ſtrebend, bald an ven 
Hof von Ildighiz zu den Atabeken in Aderbidjan entfloh. Nun 
übergab Georg IH. die Statthalterfchaft Ani einem armenifhen 
Prinzen von Furbifcher Abflammung, an Sarkis, Sohn Zafkars, 
der bei ven Chriſten wegen feiner Tapferkeit zwar in Ehren ſtand, 
aber noch nicht im Stande war, der Uebermacht Arslan Schah, 
des Sultans der Seldſchukiden, zu widerflehen, ver Aut im 9.1163 
einnahm. Aber ver Kampf um Uni brachte dieſe Capitale im 9. 
1174 wieder in die Gewalt des Königs: ver Georgier zurüd, ver 


fie nun vem Prinzen Ivan übergab, aus dem Geſchlechte ver- 


Drpelier. Der Sultan von Aderbidjan, ver die Stabt wieber 
einnehmen wollte, wurde mit Schimpf zurückgeworfen. Als nım 
aber durch die Mache des georgifhen Könige Georg IN. faſt alle 
Prinzen ber Orpeller ermordet waren, und ihre Ueberrefte fich nach 
Berfien geflüchtet Hatten, trat der Kurve Sarkis wiener ald Prinz 
von Ant hervor, und vererbte dieſe Herrfchaft an feine Nachkom⸗ 
men. Run fill unter dem Fuͤrſten Shahanfhah, einem Nach⸗ 
fommen von Sarkis, bei der allgemeinen Ueberſchwemmung ver 
Mongholen auch Ani im Jahre 1239 durch Ifcharmaghann, ven 
Mongholengeneral, nad) langer Belagerung in vie Hand viefer 
Barbaren, welche einen großen Theil der Einwohner über vie Klinge 


X 


fpringen ließen, und 80 Jahre ſpäter zerſtörte, nachdem ſchon einmal, — 
im Sabre 1131, eine furchtbare Erſchütterung die dortige Pracht — 
firche des Erlöfers gänzlich. vernichtet hatte, ein gewaltige Erd — 
heben Im Sabre 1319 die Stade vollends, veren übriggebliebene 
armenifche Bewohner fich theild durch das übrige Armenien 
zerftreuten, theil8 zu den Kiptſhak Tartaren in Die Gegend des heu — 
tigen Aſtrakhan flohen, und von da fich auch In ver Krimm an—— 
fievelten, wo feitvem ihre Nachkommen bis heute anfällig find. Ni — 








Fupbratfoftem; Ruinen von Ani. 443 


Hat fich ſeitdem die Stadt Amt wieder erholt, nie wieber bevölkert; 
fle Ilegt ‘öde in ihren Trümmern bis heute. In der Mitte des 
18. Jahrhunderts fol ein Klofter noch zwifchen ven Ruinen Beſtand 
gehabt Haben, das aber nach 1750 durch vie Lesghier zerflört ward, 
und von dem un& Feine nähere Kunde zugefommen ifl. Heut zu 
Tage liegen nur ein paar elenve Hütten neben ven Ruinen, in einem 
Fels ſpalte baut, in deſſen Seiten fehr viele Höhlen, 51) welche 
den alten Bewohnern von Ani als Catacomben und Grabſtätten 
dienten. 
Der Eindruck, ven Ani auf Ker Porter 52) machte, ergibt ſich 
aus feiner Beſchreibung. Sie tft, jagt er, vol Eaftele, Thürme, 
Burgen, und liber dem Eingangsthor iſt ein Leopard in Stein aus⸗ 
gehauen. Große Kreuze in Stein zeigen fih überall In den Rul« 
nen; zerbrochne Säulen, Gapitäle, alles in wilder Verwirrung und 
Endde, ohne eine lebendige Seele. Da lagen Palläfte ver einfligen 
Könige Armenienb, fo groß wie eigne Städte, in ihren Ruinen, 
noch prachtuoll über ale Beſchreibung; mit ven fchönften Sculptus 
tn und Moſaiken in allen ihren Gälm. In der Mitte ver Stadt- 
legen 2 Octagonalthürme zu gewaltiger Höhe, die wieder mit 
Thinmchen beſetzt alles beherrſchten, ſelbſt die Eitaelle gegen S. W. 
Wo er ging und ſtand, ſagt Ker Porter, mußte er den feſten 
und ſchönen Styl in der Arditertur der alten armenifchen Könige 
ſtadt bewundern, denn bie ſchönſten Eapitäle ver Säulen, vie Orna⸗ 
iuente der Frieſe und Anderes, übertrafen alles, was er der Art In 
feiner Heimath gefehen. Die Kirchen mit hochgewölbten Dach, mit 
der trefflichſten Mofalk, reich mit Raͤndern nach etrufcifcher Art, in 
rothen, ſchwarzen und gelben Stein eingefaßt, mit Säulm und 
Dfeilerfchmutt ganz frifch wie von geſtern ber, zeigten, daß nicht vie 
Linge der Zeit, fonvern Menfchen, Krieg, Erdbeben hier gewüthet 
batien. Ueberall luden armenifche Inferiptionen und Ornamente zur 
nähern Betrachtung ein, aber das mordende Raubgefinvel, das ſich 
verborgen gehalten, zwang zum eiligen Abmarſch. 
Genauer ging W. Hamilton In die Einzelheiten ein, und 


theilte dem engliſchen Architectenverein zu London folgende Daten 
mit. 


21) W. J. Hamilton Account of the ruins of the city of Anni 
in Armenia in Transactions of the Roy. Institute of British 
Architects of London Sessions 1835—36. Vol. I. P. I. Sec. Ed. 
London 1839. p. 100-104; deſſ. Verf. Asia minor. L p. 197 
—203. °'*) Ker "Porter 1. c. 4 p- 173. 


. 





444 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.34, 


Die Ruinen Liegen 1 engl. Meile im Süß des mobernen 
gleichnamigen Dorfs, an 24 engl. Mil. direct im O. von Kars, am 
Ufer ded Arpatfhal auf der Grenze des Türkengebiets. Die Stadt 
it in Triangelgeftalt auf einer Art felfiger Halbinfel er- 
baut, deren Oftfeite durch Klippen vertheidigt ift, deren Buß ber 
Strom in tiefer, ſich windender Felsſpalte befpült; die Weftfeite 
umzieht eine breitexe troden Tiegende Kluft, deren Steilfeiten mit 
Gräbernund Grotten ausgehöhlt find. Diefe beiden Schluchten ftoßen ' 
gegen S. an der Spige des genannten Triangeld zufammen, veffen breite 
Bafls, gegen Norven gekehrt, an das große, flache, hohe Plateau⸗ 
land ftößt, und hier durch eine querdurchſetzende, fefle, maflive, oft 
doppelte Mauer geihügt, und durch zahllofe runde Thürme ver⸗ 
theidigt iſt (ähnlich wie die Stantmauer Conftantinopeld). Außer» 
halb liegen nur ein paar Pleine Kapellen mit armenifchen Inſcrip⸗ 
tionen, in demſelben Styl erbaut, wie die innerhalb der Stabtmauern. 
Diefe erheben fih an mehreren Stellen bis zu 40’ und 50’ Höhe, 
von vortrefflicher Conftruction, mit einer äußern Bekleidung großer 
Zunftvoll zufammengefügter Steinquabern. Diefe find gelb, aber 
durch abwechſelnde Zwifchenlager ſchwarzer Steinblöcke iſt eine 
eindringliche Wirkung erreicht, deren Eindruck durch allerlei Orna⸗ 
mente, zumal ſchwarze Kreuze, aus demſelben Geſtein der Mauer 
eingefügt, noch verſtäͤrkt wird. 

W. Hamilton bemerkte nur 2 Thore als Stadteingänge. 
Das weſtliche war durch ſehr hohe Thürme flankirt, aber durch 
herabgeſtũrzte Maſſen fo zugeblockt, daß es undurchgehbar geworden. 
Trat man durch das Oſtthor, dad ziemlich zur Mitte der Stadt 
führt, ſo hatte man eine Doppelmauer zu durchſchreiten, und die 
beiden Thore zeigten fich nicht in derſelben Are gelegen, fondern ' 
das innere Thor, wie bei den alten Bortificationen zu Trapezunt 
und Arzerum, iſt beveutend weiter zur Linken gerüdt als das äußere 
Thor, und der Weg führt alfo eine kurze. Strecke in diagonaler 
Richtung zwiſchen beiven Mauern hin (wie zu Bagdad, vie deshalb 
pie „ſchlefe“ hieß, f. ob. ©. 200). 

An der innen Mauer, dem Eingange ver äußern gegenüber, 
waren armenifche Inferiptionen und eine Thierfigur, ziemlich 
roh in Stein gehauen, die Hamilton für einen Löwen (ein alls 
gemeinered Ornament armenifcher Architecture ald ver Leopard) er- 
Flärte. Auch viefes innere Thor iſt durch runde Thürme flankirt. 
An der Bafld des Thurms zur linken Hand find 3 Niſchen dicht 
an ber Bforte des Thors, jene mit einem großen Steine, datauf ein 











Euphratſyſtem; Ani's Architecturen. 45 


lateiniſches Kreuz eingehauen. Aber nun, im Innern des Thorein⸗ 


ganges, von dem die Mauern zu beiden Seiten zurückweichen, er⸗ 
difnet ſich der ganze volle Blick auf die wunderbare Stadt, die 
zwar nicht mit der erwarteten Größe überraſchte, als vielmehr 
durch ihre Cigenthümlichkeit in der Erſcheinung, und durch 
das ode Schweigen ihres Verfalls, der Friſche ungeachtet, in ber 
fie als chriſtliche und doch keineswegs etwa europäiſche Stadt, 
in der Mitte des moslemiſchen Orients, ſeit 8 Jahrhunderten ihres 
Guſturzes ganz unberührt von außen geblieben war. 

Der ganze Raum innerhalb der Stadtmauer ift mit ben ver⸗ 
felmen Ruinen Eleinerer Bauten und Wohnhäufer erfüllt, zwiſchen 
nen etwa an 20 Baumwerfe in großartigem Styl hervorra⸗ 
gen, meift Kirchen und Kapellen, überragt von 2 prädjtigen octo⸗ 
gonalen Minarets, an deren einem eine fchlecht angefügte Moſchee 
und außerdem noch die Nefte zweier großen Königöpalläfte. 

Das Überraſchendſte beim Eintritt iſt die große chriſtliche 
Kirche, die wir wol zum Unterfchleve der andern vie Patriar⸗ 
chalkirche oder ven großen Dom nennen können; fle liegt faft 
m Süd des Thorwegs in der Geſtalt eines Inteinifchen Kreuzes, 
und IR noch gut erhalten. Das Dad iſt zugefpigt, mit großen 
Steinplarten gedeckt, von Bogen getragen, die noch volllommen da⸗ 
fen; nur die Kuppel über dem Centrum ſelbſt iſt eingeftürzt. 
ds Hauptportal tft am Weſtende des ganzen Baues, und zu befien 
keiten Seiten iſt daſſelbe ganz mit armenifchen Inferiptionen - 
bevedkt, Die, wenn copirt und erflärt, wol für die armenifche Ge⸗ 
fhichte von Werth fein möchten. Ucberkaupt iſt faſt ein Gebäupe 
in Ani, das nicht mit armenifchen Inferiptionen bedeckt wäre; 
wie verſchieden von ver Schweigfamkfeit der Hindus auf ihren 
Ardhiteeturen , bei ver Repfeligkeit ver Aegypter und Perſer, 
ren die modlemifchen Araber meift auf eine einfdrmige Weiſe 
bloß durch Sentenzen des Koran gefolgt find. Das Innere viefer 
Kirche beſteht aus einem Hauptfchiff und 2 Setienflügeln; des er- 
km Länge vom Hauptportal zum halbkreisförmigen Altar: ift “ 
107 Fuß, vie Breite 66. Der Styl bat etwas altfaracenifches mit 
thzantiniſcher Beimiſchung aus der Zeit vor der Einführung des 
Epigbogens. Die runden Gewolbbogen erheben ſich auf luftigen 
Bellen, die ihnen einen ganz verſchiedenen Gharacter vom Rund⸗ 
bogenſihl der Angelſachſen geben. Derſelbe Architecturſtyl if in , 
dany Ani vorberrichenn. Aber in vielen ver Gebäude iſt eine große 
Roni der Ornamente und Sculpturen, die ..1 immer 


% 











446 Weſt-Nfien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 34 


mehr dem reichen arabifchen over mauriſchen Style nähern, ve 
dem ber vreichornamentirte gothiſche Styl des Mittelalters, na 
HSamtltond Meinung, abgeleitet wurbe. Auf jeder Altarfelı 
worin 12 Bogen, ift ein kleines dunkles Gemach mit engem wine: 
ben Treppenhaus, dad zu 10 andern Bogen der zweiten Etage hir 
aufführt. 

Diefe Prachtkirche war, ald W. Samilton in fie eintrat, ve 
einer großen Viehheerde eingenommen, die dort bei der Diittagshi 
im Schatten ihre Ruhe hielt. 

Unfern von diefem Domban in Weſt erhebt ſich das hohe ortı 
gonale Minaret mit einer langen Infeription in arabiſche 
(vielleicht kuſiſchen) Charactern, und 100 Schritt weitr im Ei 
ftehen die Ueberrefte einer fchönen Mofchee mit dem zweiten Min 
ret biefer Art. Sie ift auf vem Rande einer Felsklippe erbaut, d 
über dem Arpatſhai binabhängt, und offenbar aus alter Saracener 
zeit. Das Dach wird von nievern Eolonnen getragen, mit flache 
Gapitälen. In: ven Eden zwiſchen jenen der Bogen, - in rechte 
Winkel einander gegenüber, find verfählevenartige Ornamente, un 
ig einigen derſelben iſt eine große Achnlichkeit nicht zu verfenne 
mit denen, bie man in ber Blütheperiope des gothiſchen Styls m 
aufnahm. Dieſe Moſchee iſt beinahe ein Quadrat; eine der Ede 
ift mit ver Grunnmauer des Minaretd erfüllt, um dieſes zu tragen 
An ihrer Außenfeite find armenifche und. arabifche Infcrip 
tionen. 

Am Süpvende der Stadt, nahe der Spike bed Triangels, ſtel 
eine hohe Felsklippe bie in einer griechiſchen Stadt zur Acropo 
gedient haben würbe; bier blieb fie. nur Privatwohnungen, die jet 
verfallen ſind, überlaffen, fo wie etwa 3 bis 4 Kapellen, die auf de 
Gipfeln umd an den Seiten ber Klipp£ angebaut waren. Nirgend 
zeigt fich an ihr etwa eine Spur von Befefligung. An ihrer Sin 
oftfeite ſteht noch eine dieſer Kapellen in einem guten, reichen, der 
des Hauptdoms gleichen Styl und volllommen erhalten, mit eincı 
conifh gewölbten Dad, eine Form die auch bei audern @ 
bäuden fich zeigt, und höchft wahrſcheinlich auch. die ber eingeſtür, 
ten Kuppel ded Doms war. Nur unterhalb vom Gipfel wı 
Feleberges, und entlang dem Rande feine Abſturzes, läuft eine g 
ringe Mauer, welche nur. zu einer Begrenzung ver Stadt diem 
konnte, va hier die Natur des Bodens jene andre Art der Verthe 
digung ganz unnüg. machte. Zwiſchen viefer zu einer Arzapolis f 
geeigneten Beldflippe und dem großen Dom ftehen er zwe 


r 


x 











en 





Euphratſyſtem; Ani's Architecturen, 447 


ten Kirche, die aber dem Boden faſt gleich gemacht iſt; die Ruinen 
ind ganz verichieven von den übrigen, weniger geborften, weniger 
mit Schutt bedeckt, als wären fie erſt fpäter eingeflürzt. In dieſen 
Trümmern zeigen fich mehrere Specmina der feinften Architectur. 
Kehrt man: von dieſer einer Acropole gleichen Klippe zur Weſtſeite 
der Stadt: zurüd, fo überrafchen mehrere Bauwerke durch ihren 
reihen Styl. Zunähft eine ortogonale Kapelle von 30. Fuß im 
Durchmeffer, mit. 7 kreisformigen Nifchen, von einem Dom über- 
wolbt, mit dem Eingange von der achten Seite. Ueber der Gornifche, 
vor dem Dom und den Seltenflägeln find 14 Eleine rundgemölbte 
mge Genfer; vie Nifchen bilden aber mehr als einen Halbkreis, fo 
dej das Innere fich ſeltſam außnimmt. Im Innern iſt die Archi⸗ 
tectur ſehr einfach, nach außen reich decorirt durch Canellirungen 
und durchbrochene Sculpturen; tief eingegrabene gewundene Ver⸗ 
zweigungen von Verzietungen umgeben die Fenſter unter den 
Gornifchen. Das Dach iſt coniſch, aber wie alle vortigen Dächer, 
aus großen Steinplatten, die mit Balzen und Leiften über einander 
greifen. 

Im Nordoſt dieſer Kapelle fieht eine andre ſehr reich ornamen⸗ 
tirte Kirche, on die eine Kapelle mit einem ungemein fchönen Dach 
Röbt; ihr Gewölbe iſt in Felder getheilt, mit Moſaik aus buntfarbigen 
Gteinen in verſchiedenen Muftern ornamentirt; die Wänve haben 
das fchönfte Sculpturwert in Arabesken, darin das Iateinifche Kreuz 
häufig ald Ornament vorfommt. Das Dach wird von Rundbogen 
Fer deren Interjectionen vier Spigbogen nad} gothiſcher Art 


Hamilton meint, daß in dieſen Ruinen von Ani ſehr wahre 
ſcheinlich der Urfprung des reichen faracenifchen und gothiſchen Styls 
am volftändigfien zu ſtudiren fet in allen feinen Ihellen, in Bogen, 
Sapitälen, nievern Golonnen, Säulen, Ormamenten aller Art, von 
der einfachften bis zur mannichfachſten Zufammenfegung. Ueberhaupt 
wären babei noch gar manche anpre Bauwerke dieſer Art zwiſchen 
den Stadtmauern zu beachten: | | 

Ein ganz neues Feld ver Betrachtung eröffnen am Weſtende 
der Stabtmauer innerhalb der Stadt, am Rande ver trodnen Kluft, 
die Ruinen eines ſehr großen, Baued, unſtreitig des Königspal- 
laftes. Mehrere Stockwerke enthalten ſehr viele Gemächer; das 
Eingangsthor iſt im ſchönſten ſaraceniſchen Styl wie das en ogire 
in großem Bogen gewölbte eine Fenſter über, demſelben. Die 
ganze Mauerfacade iſt reich durch Moſaik ornamentirt, baß Maver⸗ 








A48 Weſt-Aſien. TIL. Abtheilung. J. Abſchnitt. $.34. 


werk iſt das vollendetſte, aus großen Quaderblocken aufgebaut, fo 
daß die genaueſten Fugen mie fo eben erſt eingerichtet erſcheinen. 
Bon den Grotten der anſtoßenden Felswände ſind ſehr viele im 
Innern mit Sculpturen verſehen, fie find architectoniſch geordnet, 
doch darin auch viele rohe unvollkommnere Figuren. In einer gro⸗ 
ßen Grotte nahe dem Pallaſte waren die Wänve in Säulen, mit 
Gapitälen und Eornifchen, Fünftlich audgehaum, bie Dede gewölb- 
artig über die Bogen ausgebreitet. 
Unterhalb der großen Domfirche nimmt mar auch Mefte einer 
fehr Hohen, aber ſchmalen Brüde wahr, welche einft über ven 
Arpa tfhai nach ver Richtung des heutigen ruffifchen Territoriums 
hinüber führt. Aber nur Pfeiler find es, vie davon zu beiden Sei⸗ 
tem des Stromed noch gu fehen fin. 
So weit die Beobachtung Hamiltons, die wol Künfller und 
Architerten zur nähern Erforfhung und Aufnahme balvigft erweden 
möge, fo lange als dieſe Monumente noch ſo unberũhrt wie bis 
heute bleiben. 
Die Inferiptionen von Ani Gaben an Eug. Bore im 
Jahre 1838 einen franzdflichen Gelehrten gewonnen, ver fit während 
eines Ttägigen Aufenthalts daſelbſt, feiner Ausfage nad, co pirt,. 
und ein Memoire darüber an vie Academie des Inseriptions gefanbt 
Hat, welches aber gänzlich verloren gegangen zu fein feheint. 53) Gr 
fagt, vaß aus dieſen Inferiptionen wie aus ven Ruinen das Zeug⸗ 
niß der einfligen Größe Armeniens unter den Pagratiden (Ban- 
gratton) hervorgeht. 
Bon Ani nur 2 Stunden fünmärts am zſtlichen ober Iinten 
Ufer des vereinten Stromes bin, ver bier ald Grengfluß balb 
Arpa tſhai, bald Alhurean genannt wird, Hegt das armenifche 
Klofter Kotfhiran, in dieſer Wildniß und Einde ein gaftliche® 
Aſyl für ven geängfligten Reiſenden. Es iſt uns nur durch Ker 
Porter 5%). befannt worden, ber einzige ver von dieſer Richtung 
der Straße und Bericht gibt. Auf dem Wege dahin traf er noch 
lange Mauern und ungeheuer große Piedeſtals mit armenifchen In» 
feriptionen, die wol zägen, daß die Architectur jener Culturzeit nicht 
blos auf jene Stadtmauern beſchränkt war. Die Steinbrtüche in 
ver Nähe des Kloſters habe viefe wie ale jene Prachtquadern ans 





4 


°53) Kug. Boré Correspondance et mémoires d'un voyage en 
“ Orient. Paris 1840. T. I Ip, m not mp 14. 
5%) Ker Porter Trar. ]. p. 177 





Euphratſyſtem; Pakaran am Afhurean, 449 


denen Ani feinen Schmud erhielt, bergegeben; ein Stein, roth, 
ſchwarz ober gelb, ver eine treffliche Bolltur annimmt und bie größte 
Dauer Hat (ob eine Darmorart?). 

Am Wege zur Engfchlucht, in der das Klofter Höchft roman. 
tiih nahe am Einfluß des Bergſtromes Akhur, eines linken Zus 
Ruffes zum Akhurean, Liegt, erhebt fich ein hoher ortogonaler Wacht⸗ 
tharm. Die Kloſterthürme find in demſelben Styl gebaut mie 
de zu Ani; die Palläſte, vie bier einft flanven, Liegen in Trümmern, 
Am Akhur-Fluß dampfen heiße Quellen. Der Blid von hier 
gen NW. zeigt in ver Ferne die Thürme von Ani und dad 
nörpliche mit dem Alaghez in ven nobelften Formen zufammenhän« 
gende, nörbliche Grenzgebirge Armeniens. Der weitere Weg gegen 
SD. vom Klofter, der fi} von dem Afhureanftirom etwas mehr 
entfernt, führt nah 2 Stunden Wegs zu einer zweiten altarmeni- 
he Eapitale, jest Talyfh ‚genannt, eben fo menfchenleer, voll 
Kirchen, großer Gebäude und weiter Stabtmauern, wie jene Anj, 
ben der man zugleich dad Doppelhaupt des Ararat erblickt. Leider 
erhalten wir über fle weder von Ker Porter, noch von irgend ei⸗ 
nem andern Beobachter eine nähere Beichreibung. Ob dieſe ober 
jme Trümmer in ber Kloſternähe die alte armeniſche Capitale Pa⸗ 
faran bezeichnen, vie in dieſer Gegend ganz nahe ven andern 
Kfdenzen, an dem Einfluß des Akhurean zum Araxes, von Ero⸗ 
vant Il. erbaut wurde, wiſſen wir nicht; andere bedeutendere Ruinen 
als diefe, find uns in viefen Begenven wenigftens nicht befannt. - 

Pakaran oder Bagaran lag nady dem armenifchen Ges 
ſcichtſchreiber am Akhur⸗-Fluſſe (Moses Khoren. II. 37. p. 151), 
U Stapien (asbarez? mol nur 2 Stunden) im Norden von Ero⸗ 
vantaſhad, das amı Verein von Afhurean und Arareb liegt. Gie 
hatte viele Namen, 5°) wie Pakavan, Titfavan u. a.,vdie alle 
ſo viel al8 Verfammlungsort der Obtterfatüen, Pan« 
theon oder Götterburg beveuten. Denn file wurde von Ero- 
dant IL, einem Ufurpator Armenien von arſacidiſcher Abſtam⸗ 
Rung, gegen Ende des erſten chriftlichen Jahrhunderts erbaut, nach⸗ 
dem’ dieſer fchon feine Reſidenz von ber öfllicher liegenden Armavir 
ah Erorantafhad verlegt hatte. Da es ihm aber nicht gele= 
gm war, den Zulauf des Volke bei den Opferfeften der Götter 
unmittelbar in feine Neflvenzflabt zu ziehen: fo, fagt Moſes Kho⸗ 

renenfis, habe verjelbe in obgenannter Entfernung von ihr eine klei⸗ 


ss) 5. St. Martin Men. sur l’Armenie. T. I. p. 122; 297. 
Ritter Erdkunde X. Li 


r 


u "Alten. IL 
F 


450 WeftAfien, III. Abtheilung. 1. Abfchnitt. $. 34. 


nere Stabt erbaut mit dem fehönen Haupttempel, in welchem alle 
Gdtterſtatüen, vie früher in Armavir geweſen, aufgeftellt worden 
fein, und feinen Bruder Erovaz habe er daſelbſt zum Ober- 
priefter eingefeßt. Auch legte verfelbe am ver Norbfeite deſſelben 
Stromes eben da eine große Parkpflanzung, einen Paradeiſos, 
an, den er (Mos. Khor. 1. c. 38) mit Mauern umzog, und mit 
einer Menge von Wild, zumal von flüchtigen Hirfchen und Neben, 
Onagern, Ebern, befeßte, fo daß dieſer Thiergarten ihm zu feinen 
Yagbvergnügungen diente. Später wurde Pakaran auch eine Res 
ſidenz der Bangratier (Bagrativen), die ihre Stadt Erazfavord mit 
diefer Im Jahre 885 n. Chr. Geb. vertaufchten, aber doch nur kurze 
Zeit in berfelben blieben. Diefe Paka van eriflirte als Stadt nody 
am Enve des 14ten Jahrhunderts, Doch iſt ihr weitered Schickſal 
uns gänzlich unbekannt, alſo auch, ob ſie heute noch etwa unter 
ihrem eigenen ober einem fremden Namen fortbeſteht. Aber auch 
über ven Ort Talyſh fehlt uns jeve weitere Kunde. Auf ver Karte 
des ruſſiſchen Kriegstheaters tft er jedoch eingetragen und ihm, auf 
ber türfifchen Wetfeite des Afhurean oder Arpa tihal, gegenüber bie 
Lage von Mogas berd, ein Orenzfchloß, angegeben, von dem ber 
türkiſche Geograph Ewlia 56) fagt, daß 6 Stunden abwãͤrts von 
ihm der Strom zum Araxes falle. 
Bon Talyfh mollte Ker Porter Eiſhmiadzin erreichen; er 

309 alfo fünoftwärts, 9 Stunven weit, bis zu einem türkiſchen 
Karamanferai, fh immer weiter von dem Oftufer des Arpatihal 
entfernend, 6108 durch Eindde, ohne Menfchen und Thlere, in gräß- 
ulichſter Wildniß, die nicht aus urfprünglichem Mangel, ſondern aus 
zerflörter Cultur und Vernichtung aller Population hervorging, ſeit⸗ 
dem die Peſt ver alles vernichtenden Mongholenheere durch biefe 
einft fo hoch eultivirte armenifche Landfchaften gezogen war. Diefen | 
folgten fpäter vie Verheerungen ver Türken, Perſer und Ruffen. 
Der Weg führt allmählig hinab von dem hochgelegeneren Boden 
In die unermeßliche Hochebene des Ararat. Diefer Uebergang ift, 
ohne eine Spur von Grün, 57) überall nur mit Maffen von Ai 
und Scladen überdeckt, ald mären diefe eben aus einer Schmiebess 
‘effe bervorgefchleudert. Bedeutende Kegelberge, die aber im Ang 
ficht de8 Ararat hier zu Zwergen von Hügeln herabfinken, ſchien 
Ker Porter, der fie jedoch nicht näher zu unterjuchen 









9— v. —— Furgſizt Aſiat. Türk. Rec. Wiener Jahrb. 18) 
V. &. 38 6?).Ker Porter Trarv. I. p. 181. 





Euphratſ.; Erovantagerd am Afhurean u. Arares, 451 


erloſchene Bulcane zu fein. Erſt jenfelt der Bergabhänge, im Thal 
der unabfehbaren Hochebene, dicht unter den Füßen, entfaltete fich 
nun ein weites Blachfeld, mit zahlloſen Dorffchaften beſetzt, Hinter 
denen gegen Oſt die Thürme und Spigen ver Kirchen von Etſh⸗ 
miadzin fi aus weiter Berne hervorhoben. 

Ehe wir aber zu dieſem ehrwürdigen Sig des armeniſchen Pa- 

triarchen gelangen, müflen wir zuvor noch den Lauf des Arpa 
tihai ober Alhurean 618 zu feiner Mündung In ven Arares 
wrfolgen. Doc fünnen wir dies bis jeßt nur auf ver Landkarte 
thun, denn wir kennen Teinen Augenzeugen, ber weber von Anl 
noch von Talyſh aus diefen Weg in dem genannten Blußthale ver- 
folgt Hätte; wir find alfo völlig unwiſſend Darüber. Aber an dem 
Berein felbft mit dem Araxes find wir durch Dubois Unterfu- 
dung jener Localität gut orientiert. Dubois Hatte Hier am Süd⸗ 
ufer des Araxes die Steinfalzberge bei Külpi unterfucht. Bon . 
ifmen gegen N.W. verfolgte er vie Schichten ihrer blauen und ro« 
iden Mergellager 69) bis zu einer DViertelftunde gegen das Südufer 
det Arares, wo Schiefertbon jene überdeckt, und auf dieſem wieber 
eine zörhliche Molaffe oder ein feineres jüngeres Sanpfteingebilve 
fh lagert. Gegen ven großen Berg Kgache, ver birert der Mün⸗ 
bung bed Arpa tſhai gegenüber Tiegt, hören die nievern Mergelhü⸗ 
gel ganz auf. Kat man die Eleine Uferebene des Araxes paflirt, 
fo ſteht man eben dicht am Buße des Uferberges Kgache, gegen 
weichen ver Araxes, der hier aus den Gebirgsengen unterhalb Kha⸗ 
gisman in die Ebene hervorbricht, anpralit. 

Unter dem Sanpftein und Mergel treten bier, offenbar erft 
durch Hebungen emporgerichtete, verticale Schichten eines bunten 
Sandfleins hervor, deren Köpfe gegen ven Araxes eine drohende 
Mauer von Spigen, Blöden, Abflürzen bilden. Er geht von der ' 
rothen zur gelb gebrannten Farbe über, In Schichten von einem 
und mebreren Fuß Mächtigkeit. Einige der Schichten find homoge⸗ 
ner, mehr oder weniger feinkörniger, zuweilen mergeliger Sanpflein; 
andere bilden ein Conglomerat mit fauftgroßen Kiefeln von Por« 
phyren, Schiefer und verfchiedenen Gebirgsarten (eine Art Nagel 
flue?). Darin find Petrefacten fehr felten, in den mehr ſandi⸗ 
gen und mergligen Schichten aber Pflanzenabdrücke. Derſelbe 
Sandſtein zeigt ſich auch gegenüber auf dem linken Araresufer, 
wo viele feiner Schichten, unter flellen Winkeln von 50° emporges 


s®) Fr. Dubois Voy. L c. T.Ill. p.434. 
. 812 





452 Weſt-Aſien. III Abtheilung. I. Abſchnitt. 


richtet, die fchroffen Hügel des Felſenwinkels bilden, ver ſich 
dem Zufammenfluß des Arpa tfhai mit dem Arared emporh 
Nordufer des Arares, dem Kgache gegenüber, liegen hier | 
nen einer Burg, 59) von der Duboid eine Zeichnung gegı 
Aber von ihr ftehen nur noch bizarre Mauern empor, 

Gonftruction man das Bunte liebte, wo immer 3 Schichten 
Sanpdfteins im Mauerverbande abwechfeln mit regulairen ; 
von ſchwarzer Lava. Es ift das alte Schloß von Ero 
gerd, in deſſen Mitte fi das Souterrain befindet, von di 
Moſes Khor. (Hist. Arın. II. 36. fol. 150) fpridht, durch 
man, wie auch in manchen andern orientaliichen Seften, 

Tekrit (oben ©.223), hinabſtieg, um Wafler zu fchöpfen. - 
ſchieht dies vom Araxes, deſſen vorüber raufchende Fluth 
einen ſubterranen Canal in dad Innere und in die Tiefe t 
burg einen Zugang erhielten. Diefe Feſtung fland mit de 
ufer des Arares durch eine Steinbrüde in Verbindu 
der aber nur noch 4 Pfeiler fichen, aus rothem Sanpflein 
was verfhobenem Mauerwerf. Des Dichters Virgil, von 


Nachahmern jo vielfach miederholte, Eharacteriftif dieſes 


(pontem indignatus Araxes, Virg. Aen. VIII. 728) fann 
gen ver Tihöban Föpri und ber einftigen hiefigen Brüde kein 
auf diefen obern Lauf de Araxes angewendet werben 
beifen Hier verhältnißmäßig gegen andere Gebirgsflüſſe fehr 
Lauf, meil er eben Platenufluß ift, gab P. Mela eine vi 
gere Beichreibung (Araxes Tauri latere demissus, quoad 
Armeniae secat, labitur placidus et silens etc. cum in aı 
devenit etc. Pompon. Mela, de situ orbis III. 5. 41). ® 
gil Characteriftil kann nur etwa auf den untern Araret 
bruch, wo er Gataracten bildet, angewendet werben. An i 
figen Brückenkopfe flieht man zunächſt dem Araxes noch 
von andern Gebäuden. Reitet man durch den Arared, ver 
18. März dies noch bequem geftattete, fo finden fidy auch ar 
ufer, im Weſt des von Nord ber einfallenvden Arpa tſhäi, 
nem felfigen Winkel zwifchen beiden Strömen die Ruh 


‚einft jo berühmten Stadt Erovantagerd, zu der jenes 


und auch noch Grabflätten gehören. Erobeben, Kriege und I 
übergang zweier Jahrtaufende haben hier Alles zerflört. | 


Grabfteine aus ſchwarzem harten Lavageſtein, deſſen Bhu 


***) Fr. Dubois Voy. Atlas, Il. Serie, planche 36, 


- 


ni 


Euphratſy.; Erovantafhad am Akhurean u. Arares. 453 


in der Nähe Tiegt, Haben ſich fehr gut erhalten. Nach ihren In- 
feriptionen find aber einige nicht alt, vom Jahr 1424, zu einer Zeit 
aufgerichtet, ald eine jüngere Stadt dort noch fland, des 
tn Ruinen fi auch noch meiter aufwärtd am Arpa tſhai bie 
zum benachbarten, zwifchen Wäldern von Wallnuß- und Mandel⸗ 
bäumen ungemein romantifch gelegenen 60) Dorfe Hapji Bei- 
tamlu verbreiten. Doch haben diefe Ruinen nur Steinmauern mit 
Erbe zufammengehalten und find ebenfalls aus jüngerer Zeit. Der 
delsboden des Ortes wurde zum Theil erft zurecht gehauen, zum 
WMeil zu Steinbrüchen für die Erbauung der Stadt verwendet, was 
ſchen Mofes von Khorene fagt. Die heutigen Dörfler haben an 
dieſem reißenden Grenzſtrom des türkiſchen und ruffifchen 
Reiches, zu welchem letztern aber noch jener Felſenwinkel mit der 
Stadtruine als Enclave im Weſt des Arpa tſhai gezogen iſt, ei⸗ 
nige Mühlen erbaut. Er iſt wilder und reißender als der männ⸗ 
dernde, filberfarbige Araxes; den Hohen Kpfakenpferven ging beim’ 
Durchſetzen das Waſſer bis an ven Bauch, und die Lavablöde im 
Bette machten die Baffage felbft gefahrvol. 

Auf dem dftlichen oder linken Ufer dieſes Arpya tfhal, 
jmer Stadtruine gegenüber, liegen die Ueberreſte einet andern Ca⸗ 
pitale Urmeniens, nämlich von Erovantafhad, vie berfelbe Ges 
walthaber, Ero vant IL, ein wahrer Stäptebauer, wie jene zu ſei⸗ 
ner zweiten Refidenz gegründet hatte. Die Gefchichte fagt, daß nach 
Tigranes Magnus Zeit (f. oBen S. 113), als die Herrſchaft Are 
meniend an die Bebieter von Eoeffa übergegangen, nach eines Ab⸗ 
garud Tode aber In die Gewalt eines Königs Sanadrug, bed 
Ehriftenverfolgers, gekommen war, ver die Rage der Abgare zu ver⸗ 
nichten bemüht, dieſer mit feinem eignen Geſchlechte, bis auf einen 

einzigen überlebenden Sohn (Ardaſches), durch den Arſaciden 
Erovant 61) wirklich vertilgt wurde. Ardaſches als Kind fand 
unter ſeines Erziehers Sempad, des Prinzen vom Geſchlecht der 
Bangratiden, Obhut ein Aſyl bei den Parthern. Erovant, der 
Ufurpator, um den Thron von Armenien zu behaupten, auf dem er 
König Erovant I. heißt, trat an die Römer einen Theil feiner 
Beute, nämlich die mefopotamifche Provinz mit Edeſſa (Orfa), ab, 
Iebte dadurch zu Veſpafians und Titus Zeit im Brieden mit ben 
Römern (Mos. Khor. II. 35. ſol. 149), und verlegte feine Refidenz 








°°) Ker Porter Trav. Il. p. 641. *ı) J. St. Martin Mém. sur 


FArm. T. 1. p.2860 etc. 





. 


45% WeflsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.34. 


auf das armeniſche Hochland, in die bortige alte Gapitale noͤrdlich 
des Araxes, nah Armavir. Aber der von Bauwuth Getriebene 
verließ viefe bald und gründete feine zweite Mefldenz weiter weſt⸗ 
wärts, ſchmückte fie mit Prachtbauten und nannte fie nach feinem 
Namen Erovantafhbad. Auch in diefer nicht ruhenn legte ex 
bald die dritte, oder bie zweite, der er feinen Namen beilegte, vie 
oben genannte Erovantagerd, auf der Weſtſeite des Arpa tſhai 
am Arares an. Nörblich von diefer aber die vierte, vie fchon oben 
genannte Tempelſtadt Pakaran (Bagaran). 

Indeß wuchs auch ver geflüchtete Sohn Sanadrugs, Arda⸗ 
ſches, zum Danne heran; mit Sempab, feines Erziehers, und ver 
parthifchen Könige Beiftand gelang «8 ihm, ven Ufurpator bed va⸗ 
terliden armenifchen Thrones unter den Mauern der von Ihm er⸗ 
bauten Refidenzen zu belegen (Mos. Khor. IL 53, fol. 155 etc.). 
Der König fiel unter der Waffe eines ‚gemeinen Kriegerd; Ero- 
vaz, des Königs Bruder, ver Oberpriefter von Pakaran, warb mit 
feinem ganzen Anhange umgebracht. Ardaſches belohnte feine 
parthiſchen Breunde Löniglich, erhob ven Bangrativen Sempab zu 
feinem Sbarabied, d. i. Kronfeldherrn (Spaspeti im Geor⸗ 
giſchen, Sipa⸗hed der Perſer; daher Sbahi, Spahi, Soldat der 
Türken), und ſtellte nun bie ältere Arſaciden⸗Refidenz Arda- 
ſhad, die berühmte von dem Karthager Hannibal weiter abwärts 
am Arared erbaute Artarata (f. ob. ©. 83, 99, 113), die fchon 
von Lucull bedroht, unter Eorbulo (f. ob. S. 115) aber durch Kaifer 
Nero's Regionen zerflört und verbrannt war, in ihrem vollen @lanze 
wieder ber, mit Tempeln und Statüm, und entriß ven Refidenzen 
am Arpa that ihren ‚ganzen Schmud, um diefen Prachtfig zu ver⸗ 
herrlichen (Mos. Khor. II. 46. fol. 161), ven nun audy feine Nach- 
felger wenigftens ein Jahrhundert hindurch in Beil behielten. Merk⸗ 
würpig iſt e8, daß der armeniſche Geſchichtſchreiber jagt, daB ber 
Tempelort Balaran im Bells ver Magier nur unter einem andern 
Borftande geblieben fei, vie große Anzahl ver Sclaven daſelbſt, 
die wol zum Tempeldienſte gehörten, 500 an ver Zahl, aber nebft 
dem Schage dem Sempad geſchenkt wurden, ver für fie im Rüden 
des Mafis (alfo um Bayazen oder Diyabin) eine andere Stadt, 
die a auch Pakaran nannte, erbaut und fie daſelbſt als eine Co⸗ 
lonie angepflanzt babe (Mos. Khor. il. 45. fol.160). Dies 
felbe iſt es, weldye St. Martin Pakovan 62) nennt, von welcher 


v2) St, Martin Mém. s. l’Arm. I. p. 124. 








— 


Euphratſyſtem; Erovantaſhad's Ruinen. 455 


noch im 17ten Jabhrhundert Ueberreſte vorhanden geweſen fein ſol⸗ 
len, die uns aber unbekannt geblieben ſind. | 

Bon jenen altarmenifhen Städten mag überhaupt oft we 
nig mehr als der Name übrig geblieben fein; dennoch find vie heu⸗ 
tigen Ruinen ®) von Erovantafhad dem Umfange nach fehr 
bedeutend. Bel ihrer Zerflörung in ver Mitte des Aten Jahrhun⸗ 
derts durch Sapor IL fol fie nach Faustus Byz., der freilich in 
feinen Zahlenangaben Eeine große Sicherheit varbieten Tann, aber 
doch als Zeitgenoffe im allgemeinen ein Urtheil hat, 20,000 Häufer 
ber Armenier und 30,000 der jüdifchen Einwohner gehabt Haben, 6*) 
welche von ven Perfern mit Feuer und Schwert zerflört wurben. 
Die Armenier ald Ehriften wurden bingefchlachtet, die Juden als 
Gefangene zu neuen Eolonifationen in das perfifche Reich abgeführt. 
Die heutigen Ruinen zeigen ſich vom Oſtufer des Arpa tſhai 2 bis 
3 Werſt weit gegen Oſt, und verbreiten ſich auf einer erhabenen 
Ebene über dem Araxes, die im Norden durch lange ſteile Hügel 
aus Schieferthon begrenzt iſt, die ein Lavaſtrom krönt. Dieſer 
kommt von jenſeit des Arpa iſhai, wo er ale Höhen im Angeſicht 
des Kgache⸗Berges frönt, dann aber plötzlich auf dem Thonmergel 
ſeinen Stillſtand gefunden zu haben ſcheint. Einer der zwiſchen 
dem Kgache und dem Lavaſtrom liegenden Berge ſchien Spuren vul⸗ 
caniſcher Wirkungen zu haben. Unter ven Ruinen dieſer ehemali⸗ 
gen Stabt bemerkte Duboid zwei merkwürdige chriſtliche Kirchen, 
die ganz umgefehrt wurden bei ber Zerftörung. Ob diefed durch 
ein Erdbeben geſchah, wie die Zerſtörung zu Ani? ob es viel⸗ 
leicht ein und baffelbe Erdbeben war, welches auch Ani zertrüm- 
merte? Um viefe Kirchen zeigen fich aud) noch einige Spuren von 
Straßen; Grabmale liegen in ven verſchiedenften Formen und in 
unzäbliger Menge am Fuße des Lavaſtromes hin, und find in 
ihrer einfachen Tafel⸗ oder Stelengeftalt, meift von ſchwarzer Lava, 
gut erhalten; die meiſten ſind mit eingehauenen Kreuzen verſehen; 
eine der entzifferten Inſchriften deutet auf das Jahr 1282 n. Chr. 
Geburt. | 


2) Fr. Dubois Voy. IM. p.439. °*) J. St. Martin im Nour. 
journ. Asia, Paris 1830. T. V. p. 203. 








456 Weftsfien, III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $.35. 


35. 
3. Erläuterung. 


Der Ararat, Aghri dagh (Arghi dagh), mit feinen 
Umgebungen. (Fortſetzung.) 


1) Die Arares» Ebene. 


Von den weitern Umgebungen des Ararat und aus ben mil 
deren Thalgebieten ver Arareszuflüffe zu ver Hochebene des . 
obern Arares am Nordfuße des Ararat zurüdgelehrt, ha⸗ 
ben wir dieſe noch zu ummanbern, ehe wir und zum Bipfel des 
hohen Ararat ſelbſt erheben Eönnen. 

Tritt man zu dem untern Laufe eines ber beiden öſtlicheren 
Zuflüſſe zum Araxes, die ganz dicht beiſammen, direct dem Nord⸗ 
fuß des Ararat gegenüber, in ihn einfallen, von denen wir den ei⸗ 
nen den Fluß von Etſhmiadzin, den andern den Fluß von 
Erivan genannt haben (ſ. ob. S. 398), ſo ſteht man ſchon völlig 
auf dem Blachfeld der weiten Hochebene des Araxes, an deren 
Südgrenze der Ararat unmittelbar, majeſtätiſch, ohne alle 
Vorberge ſenkrecht emporſteigt. 

Erivan, 3,312 Fuß Par. üb. d. M., 6) und Etſhmiad— 
zin, 2,866 Fuß Par. Gb. d. M., find bie beiden berühmten Gultur- 
mittelpuncte, von denen aus biefe ganze Landſchaft erſt ihre Heutige 
Wirthbarkeit für ven Wanderer erhält. Im Norvofl von Erivan 
liegt ver große Alpenfee, Zewanga ber Armenier, Goktſchai 
(0. 5. blaues Waffer) ver Tataren, vom Uferkranz ver Gebirge, ein 
claffifcher Boden armenifcher Gefchichten, umgeben, deſſen Ausflug, 
ber Zewang- ober Erivan⸗Fluß, an der Stadt Erivan füb- 
weitwärts vorüberzieht. Er durchbricht wilden, klippigen Lavaboden, 
der weiter abwärts aber durch gute Bewäflerung in vie fruchtbar 
fien Strecken umgewandelt wird, und fchon nad) furzen Laufe we⸗ 
niger Stunden hat er an feiner Mündung zum Urares deſſen ebene 
Fläche erreiht. Nur ein Weg von 4 Stunden (18 Wat) führt 
von biefer Stabt in noch mehr wefllicher Richtung zu dem zweiten 
genannten Orte, dem Kloftr Etfhmiadzin, das im andern ganz 
benachbarten weſtlichen Flußthale, am Abaran over Karpi tſhai, 


s.s) Parrot Reife, Th. II. ©. 42 und 43, 


— 


— — — * 








Euphratſyſtem; Araxes⸗ Ebene, Horizontalboden. 437 


Regt, aber ſchon ganz ver unermeßlich ausgebreiteten Hoch⸗ 
ebene 6) angehört, im welcher felbft wellige Hebungen felten find. 
Bei diefem Orte ift die Erdfläche meift mit einem Lehmboben über- 
jogen, in dem bie und da Nollliefel aus Lavamaſſen zerftreut lie⸗ 
gen, der durch die Irrigation des völlig dadurch aufgebrauchten 
Ara iſhai die höchſte Fruchtbarkeit gewinnt. 
Nur etwa 3 Stunden (15 Werft) im Süd von Etſhmiadzin 
ht der Arares 67) mit ziemlich raſchem Laufe in einem Bette 
von Thonfchiefer mit Kallgerdl dahin gegen Oft, nur ſeicht zum 
HDuchreiten und einem Steinwurf breit. Der Totaleindruck ver 
Ebene ift bier vorherrſchend, der einer weiten baumlofen Steppe. 
Ganz horizontaler Boden ohne allen Baumwuchs, im Soms 
mer und Herbſt durch vie Hitze völlig veröbet und dürre. Nur um 
De einzelnen Klöfter over ſporadiſch vertheilten Dorffchaften werben 
Yiume gepflanzt; da iſt Gartenbau und Feldwirthſchaft, während 
ver größere Theil der Landſchaft verddet liegt? und die wenigen be⸗ 
wohnten Stellen nur Daſen in einer mwenigflens zur ungünftigen 
dahrszeit verddeien menfchenarmen Steppe gleichen. In wenigen 
Stunden ift vom Kfofter dad linke Ufer des Arares erreicht, aber 
keine Brüde, eine Fähre ©) führt auf, einer fo bepilgerten Gegend 
zu rechten ober füblichen Liferfeite hinüber, ſelbſt Leine Anfuhrt 
m Durchſetzen iſt gebahnt. Der Tatar muß die feichte Stelle erſt 
ſuchen, wo der Steingrund und die Sandanſchwemmung ven Pfer- 
den den Durchgang fichert, denen dad Waffer bis zum Bauchgurt 
reicht. Dichtes Geftripp bedeckt das rechte Ufer, durch welches je⸗ 
dech einige gehauen Fußſteige ven Durchgang erleichtern. Aber dies 
nur ein fehmaler Saum von Ufergebüfch, und dahinter breitet fich 
die völlig ebene, unbebaute Thalſole, dürrer Sand und Lehmboden 
ws, oft Viertelſtunden lang, wie gewagerechtet durch Waſſerſtand. 
Rach einigen Stunden Wegs über vie Fläche, gerade ſüdwärts auf 
dem Wege zum Fuß des Ararat, wo dad Dorf Arghuri liegt, 
tmaf Barrot einen Kleinen Fluß, ven Kara Su der Tataren, oder 
Schwarzbach, 9) Sew tfhur der Urmenier, 70) mas aud) 
Schwarzbach heißt, wie bier viele der Eleinen Plateauflüffe genannt 
werben. Ganz verfchieden von dem Hauptſtrom, ift fein Bette tief, 


vom Moorgrund ganz ſchwarz, und dadurch auffallend, daß feine 


°*) Fr. Dubois Voy. Ill. p. 359, 414. 7) Parrot Reife zum 
Ararat. 1. ©. 79. *°®) ebend. 1. S. 103. **) Shend. a. a. O. 
1. ©. 105. 70) Neumann Gefchichte der Ueberſiedlung der Arme: 
nier ıc. Leipzig 1734. 8. ©. 35, Not. 24. 





458 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung, I. Abfchnitt. $, 3: 


Ufer einige 100 Schritt breit mit hohem und bichtem Schilf | 
ſtark bewachſen find, daß feine Warler fletd im Schatten liege 
Solcher Schwarzbaäche mit Schilf, dem Lieblingsaufenthalt wi 
der CEber, die hier Häufig zu Jagden?1) auffordern, durchziehen mel 
rere die Ebene zwiſchen Ararat und Araxes, alle von demſelbe 
Character und fiſchreich, wol insgeſammt durch kleine Seitenſtri 
mungen bed Araxes gebildet, die ſich in ven vertiefteren Stellen d 
weiten Thalſole fortwinden, um fich unterhalb wieder in das Araxei 
bette zurũckzuziehen. | 

Parrot meint fogar, es feien nicht eigentliche Zuflüffe, for 
dern vieleicht nur, Reſte einer Altern Waflerfluth, welche dieſe © 
gend einft bedeckte und fpäter erft Ablauf gewann; Dubois hä 
die einen für wirkliche Ganäle, vie andern für Spuren von Reſte 
eines ältern Arareslaufes. Diefe Bäche find für Anflevlung d 
Armenier und Tataren gänftig, weil dadurch Reisbau möglii 
wird, indem durch fie vie Reisfelder leicht unter Wafler gefest we 
den Eönnen, was durch Die Wafler des Araxes nicht geſchehen kan 
befien Bette zu tief unter dem Uferrande liegt, um Irrigation ba 
aus zu verbreiten. 

Diefer Kara Su iſt fehr ſchwierig zu paſſiren; man mußte elı 
ſchwimmende Balfenbrüde für Bußgänger ſchlagen, Inftrumente ur 
Gepäk darüber werfen und dieſe durch Geſträuch und Schilflag: 
fichern; die Karren und Pferde mußten aber leer hinüber gehe 
Auf einer geririgen Erhöhung am jenfeitigen Ufer wurde das Nach 
lager aufgefchlagen. Am folgenden Morgen, e8 war fhon Mit 
September, fah Parrot an diefer Stelle zuerſt viele Burpuı 
würmchen 72) im Sand und an den Furzen Grashalmen umhe 
friechen; fie nahmen in ganzen Neftern vie Wurzel der Dactyl 
Dtoralis ein, ver Orasart, bie hier vorherrſchend in größter Men, 
wuchs. Es waren diefelben Thierchen, die in Perfien zur Bereitun 
des Scharlach8 in Menge getrocknet und verbraucht werden, die x 
Repräfentant der amerifanifchen Eochenille (Coccus cacti) find, vi 
von Merico, Weftindien, Jamaika, Brafllien die Märkte zur Kür 
berei in Europa verfieht. Die perfifche, ver die armenifd 
die vonihm aufgefunden war und zum Gebrauch in Rußland ein 
geführt werben follte, vieleicht iventifch if, Hielt er für Coca 
polonicus. Duboiß, der In derfelben Localität daffelbe Thierche 





un Parrot R. .S. 207. 12) Ebend. S. 107; vergl. Dubo 
voy. III. p. ‚si. | 





Euphratſyſtem; Araxes⸗Ebene, Lavatruͤmmer. 459 


es iſt die Larve eines Inſektes, in ſehr großer Menge gegen Enve 
Marz antraf, beſtätigt, daß es dem Coceus polonicus ſehr ähnlich, 
aber weit größer als die Cochenille ſei. Es findet ſich Hier in fo 
großer Menge in ven Grafungen der genannten Dactylis, daß bie 
Ehaafheerven, die man durch dieſelben zur Tränfe zu treiben pflegt, 
vurch fie Öfter wie blutig außfehen. Die Mönche zu Etſhmiadzin 
hmmeln dies Ihierchen ſeit langer Zeit: zu einer Farbe und 
other Dinte, ihre Manuferipte damit zu fchreiben. Nach Aus⸗ 
lage des Biſchof Iſaak vafelbft wird es Mitte Juli und Auguſt 
geſammelt. In einem Tage kann ein Mann wol ein halbes 
Hund zufammenbringen; die Abfonvderung des thieriſchen Ols 
von dem Pigmente bat Schwierigkeit. v. Hamel, der Academiker, 
hat ſeitdem eine Differtation (1834) über dieſe Barbe herausgegeben. 
Des Product iſt ſchon dem alten armentfchen Geographen, veffen 
Verk man Mosis Khor. Geographia nennt, keineswegs unbekannt 
geweſen, und alfo ſeit ſehr alter Zeit in Gebrauch (nascitur 
in Araratia ex graminis radice vermis ad rubrum colorem in- 
decendum idoneus, ſ. Geogr. M. Khor. ed. Whiston. p. 361). 


| Südwärts von Hier war der Boden nun nicht mehr vieſelbe 
chene horizontale Fläche wie am Arared; er erhob fi anfänglich 
unmerflich, dann aber flärfer in abwechſelnden Erhöhungen und 
Vertiefungen; e8 war ver Unfang, der Buß des mächtigen Berges, 
den man bier betrat. Bald folgte ein fleiniger Pfad, der immer 
Reiler anftieg; die Pferde hatten fchon viele Mühe, die Karren fort 


' bringen, fo- viel Steintrümmer Tagen auf dem Boden; eine 





Ange von großen Zayatrümmern??) und Blöden, deren Zahl 
und Größe Hier wächft wie bei der Annäherung zum Veſuv ober 
Aetmna. Endlich war die ganze Breite der Araxesebene völlig 
quer durchſetzt, und das armenifche Dorf-Arghuri, die Einzige 
Anflevlung am Fuß des Ararat, erreicht. Wirklich iſt durch dieſe 
Trüm merwelt und viefes Anfteigen bie Grenze von Berg 
und Ebene ganz fcharf bezeichnet. Der ganze Abhang des Berge 
RM nun weit hinauf, bis zur ewigen Schneegrenze, mit diefen Trüms 
men bedeckt. Sobald fie aufhören, unterhalb Arghuri, zeigt der 
Boven Ichmige Erde mit Fleinem Geſchiebe mit Gerölle gemengt, 
darin der vom Berge herabfommende Arghuri⸗Bach fein tiefes 
Bere gerifien, der Im Frühjahr zu 6 Klafter Breite und 18 Fuß 


— — 


22) Parrot 1. p. 206; Dubois Voy. Ill. p. 465: 








“ 


"460 WeflsAfien. TIL. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 35 


Tiefe, mit wilder Gewalt anſchwillt, welche große Felsmaſſen mi 
fortreißt und oft Thiere ertränft, währen er im Herbſt eine kurz 
Strecke aufwärts, bei vem Klofter St. Jakob, Mitte Drtober faun 
fo viel Waſſer Hielt, um Vieh zu tränfen. 

AB Parrot auf dem Rückwege gegen ven Norden von 
Arghuri⸗Dorfe die Ebene mit den Schwarzbächen zum zwei 
tenmale mit größerer Aufmerkjamfelt: vurchfeßte, bemerkte er, wie ba 
felbft der ſchwach bemooſete Boden mit immer Eleinern Lava: 
broden vom Ararat, mit immer leichterer poröferer Ratur, über 
beit war, und wie dieſes Gerdlle, je weiter nad der Ebene 
immer feiner, bis zu einem ganz feinen Sande wurde, zwiſchen 
dem am Schwarzbach faum noch ein Steinchen aufzufinden mar 
Diefe Gleichförmigkeit In der VBertheilung ber Stein: 
maſſen am Ararat, von ver Höhe zur Tiefe, nady Schwere un! 
. ©röße, die von den vichteften, eifenharten, fchweren Mafien, die balı 
Bafalt,- bald Ravablöcke genannt werden (die wir lieber ſchwar 
308 Araratgeflein nennen möchten, um jede Nebenivee von Bil 
dungsweiſe zu vermeiden), bis zum Fleinften und leichteften, foga 
bimsfteinartigen Geröll, das durch fehr almählige Abſtufun 
gen in feinen förmlichen Sand übergeht, meint Parrot, Finn 
nicht zufällig fein. Die mechaniſche Kraft, pie dies einft nach be 
ſtimmten Geſetzen bewirkte, koͤnne nichts anders geweſen fein alı 
die große Fluth, die vor ſo vielen tauſend Jahren ſich hier ergoffer 
habe. | 

Nur die großen und fhweren Felſen konnten an ihrer einmali⸗ 
gen Stelle bleiben, wo ſie von Anfang geweſen; vie kleineren aba 
wurden von der. wogenden Oberfläche Hin und her gewälzt; fü 
nıußten weiter herabfommen, ohne jedoch bei ihrem Fall wegen bei 
Waſſerwiderſtandes große Tiefen zu erreichen. Je tiefer aber du 
Waſſerfläche fich fenkte, je mehr andere Berge aus ihr bervorragten, 
defto fchmächer mußte ihr Wogen, vefto ruhiger ihre Oberfläche, 
befto geringer ihre bewegende Kraft gegen vie Steinmaffen werben. 
Nur noch die leichteren Fragmente Fonnten von ihrem Plage ge 
drängt und zum Abhange Hinabgeführt werben. Endlich blieb nu 
der Sund im Thale übrig, der aber unter dem gefunfenen, nun ru 
higer und gleich einem See ſtehen d gewordnen Waſſerſpiegel jem 
merfwürbige horizontale Fläche gewinnen fonnte, die nur ein 
Folge der Wagerechtung ſtehender Waffer fein fann, und ned 
heute auf der Hochebene zu beiden Seiten des Arares als das pre 
chendſte Zeugniß eines ſolchen frühern Zuſtandes erſcheint, in wel 





Euphratſyſtem; Araress Ebene, Trachytgeſtein. 461 


chem die ganze Gegend einſt unter Waſſer ſtand. Die ſchwache 
Berafung dieſes Horizontale Bodens hat an vielen Stellen, wie auf 


theile diefed Bodens zur Urjache, die als förmliche SalzErufte”*) 
erftallifiet, ver Oberfläche einen. Schimmeg gibt, und nach per Ana⸗ 





befitht. 

v. Behag hel, der dieſelbe breite hohe Arareschbene noch in 
einem weitern Umfange als Parrot kennen lernte, fagt, 75) fie 
fange ſchon ein paar Meilen in Of von Külpi, wo die Stein- 
ſalgruben liegen, an, fie ende. erjt in meitem Bogen im S. O. des 
nen Ararat. Ihre Sole iſt durchgehends ebene Fläche, bis ei- 
nige Meilen in N.W. pes großen Ararat, wo Trachytgeſtein, 
ald wenn es ſich von demſelben herab ergoſſen hätte, 
weit in die Ebene hineinzieht. Auch norböftlih von viefem Berge” 
iteten in der Nähe des Araxes aus den Schilfnieverungen, gleich 
Infeln, einzelne Hügel von geringem Umfange, höchftens 30’ bis 40° 






sr öLtT VU WW 


dern durchzogen) hervor. Nach ihm ift dieſe horizontale Weitung 
ait Sand und Dammerde bedeckt; jedoch in der Nähe des Ararat 
nur mit Sand und zerfalnem Trachyigerdll und Kiefel. Wo 
dammerde und Sand die obere Schicht bed Bodens det, iſt 
kr Boden zum Aderbau gut, aber wenig benugt, und nur ba 
 hagend, wo er bemäffert werben fann. Stellenwels, mo jenes Koch⸗ 
al; und Glauberjalz feine Effloreöcengen bildet, iſt aber derſelbe 
| Doden ziemlich jteil. 
J Eigenthümlich iſt es, daß das Weſtende dieſer Ebene durch jene 
7 Steinfalzberge von Kulpi dammartig wie verfchloffen er- 
ſcheint. 

Als v. Behaghel vom Großen Ararat längs dem Südrande 
der Cbene am zertrümmerten Nordfuß des Aladagh, innerhalb 
der ruſfiſch⸗ armeniſchen Grenze gegen die Türkei, welche über den 
Riden des Ararat und Aladagh hinmegläuft (Erf. IX. ©. 869 ıc.) 
dahinwärts ritt, ragte ihm hinter ven Vorbergen von Kulpi 76) 
nur eine einzige Höhere Felsſpitze über denfelben hervor. Bis auf 
3 Mellen dem Orte Kulpi näßer gerüdt, hob fich ſchon der Weg, 


. u u nn mn 


ww‘. 


und man gewann vom höher Standpuncte einen Blid guf die - 


— Reife, Mi © 213. ?®) v. Behaghel b. Parrot. 11.©.182. 
10) Gbend. * 


der Strecke wo die Standlinie gemeſſen wurde, auch noch die Salze 


lhſe aus 84,6. Theilen Kochſalz uns 14,5 Theilen Olauberfalz . 


hoch (aus fhwärzlichgrauem Kalk beftehenn, mit weißen Kalkſtein⸗ 








462 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $.35 


theile rundlichen, theils gezadten und zerflüfteten Höhen ver Um 

gebung des Salgbergs. Hier nun verengt fich ſchnell die Araxes 

ebene zu einem Araresthale; fie hört ganz auf, und ber Arareı 

(länge fi) nur noch In feinem Bette fort; am Kgache (f. oba 
©. 451) ift auch dieſes durch Felſen eingeengt. 

Die Hügel von Kulpl fand v. Beha ghel mit dunkelrothen 
oder gelblichem Thon überlagert, ohne alle Vegetation, ganz aus 
geborrt, in Stüde ober Thonfchuppen zerfallend. Die ganze, fd 
mehr als einem halben Iahrtaufend audgebeutete und noch inıme 
unerfchöpfliche Salzmaffe liegt In einem Berge, ver ſich and 
durch feine Außere Form völlig von den Umgebungen unterfcheivet 
Sein Gipfel ift welt, flach, rund, mit trichterförmigen Vertiefungen, 
vie wol durch Einflürze über hohle Räume entſtanden find. Seine 
Oberfläche deckt jener gelbliche ober röthliche Thon mit gewundnen 
Gypslagen von ſehr verſchiedner Mächtigkeit wechſelnd. An den 
am meiſten ſchroff anſteigenden Seiten des Berges ſind, etwa in 
der Mitté zwiſchen dem Fuß und dem Gipfel, die Stollen ange 
Vegt, welche oft nach einer Bypslage und Thonlage von me 
nigen Buß Mächtigfelt ein reines weißes Steinfalz erreiden. 
Sie find in den verfchienenften Richtungen welter ganz wild, ohne 
Kunftberrieb in daſſelbe Hineingebaut, in fehr verfchiepner Bart, 
. Höhe und Tiefe. Im Herbſt 1829 waren dort an 300 Arbeiter 
mit dem Brechen des Steinfalzes beſchaͤftigt, 77) und das Werl 
ſeit einigen Jahren von der Krone an einen armenifchen Kaufmann 
für 12,000 Silberrubel verpachtet. 

Fr. Duboid, der ebenfalls bis zu dieſem merkwürdigem Stein" 
falzgebiet und vem obern Theile ver Araxesebene vorbrang, 
aber feinen Weg von Erivan an Etſhmiadzin vorüber gegm 
Weſt, am Nordufer des Arares über Agdja Arkh, an den 
alten Armavir vorüber, bis zur Arares- Furth bei Tourebi 
nahm, und von da erfl auf deſſen Südufer nah Kulpi vorbrang, 
dann aber die ganze Arazedebene auch an ihrem Südfaume wire 
gegen Often zurüd, zum Ararat bereifte bi Arghuri, verdan⸗ 
Een wir zu obigen Angaben manche Zufüge und Bereicherung der 
Kenntniß dieſer merkwürdigen Naturform, die von einem ſo ent 
ſchiedenen Einſluß auf die älteſten Zeiten der armeniſchen Civilia 


tion var. 
eo 


" 
7) Schiemann b. VBarrot Reiien, 1. S. 193. 


N 





Euphratfuftem; obere Araresebene im Nord. 463 


2) Fr. Dubois Umwanderung der obern Araxesebene 78) 
von Etſhmiadzin bis Kulpi, und zurück bis Arghuri 
am Nordfuße des Ararat. 

Die Umgebungen von Etſhmiadzin und die ihm zugehöri« 
gen Ländereien erhalten ihre Befruchtung durch die vielen Ganäle 
(wahrfcheinlich erft im I. 1703 durch die Sorgfalt des Patriarchen 
Rabapiet von Edeſſa angelegt), 9) in meldye vie Wafler des dorti⸗ 
gen Zuflufies zum Araxes, des Kharfalh oder Karpi tihai (f. 
06.6.398), gänzlich aufgebraucht werben. Er bricht aus den Ber- 
gm, die dem Alaghez im Often vorliegen, hervor; der 12,000 
duß hohe Alaghez 90) (verweichlicht aus Arakadz, f. ob. S. 399), 
der im Norden die canalifirte Fruchtebene fo kühn emporfleigenn be 
grenzt, ſcheint aus feinem Krater einft oder aus den Seltenwänden 
Lavaſtröme ergoffen zu haben, vie mehr oder weniger als Pro⸗ 
mmtorien in jene Ebene vortreten, wo ihre Enden das Ausſehn zer- 
tiiener Mauerwände Haben, veren Fuße überall Trümmerhaufen 
von Lavamaſſen und ähnlichem Geftein vorliegen. "U W. Ou ſe⸗ 
ley 81) am Südfuße dieſes Hochgebirges im Schutze des damaligen 
perſiſchen Statthalters vorüberzog, hörte er bafelbft im Lager des 
Sardar, daß in diefen Alaghezbergen fich öfter fromme Pil- 
ger aus Hindoſtan zur Wohnung auf dortigen ſchönen Wiefen 
und fräuterreichen Anhöhen niederzulafien pflegien, welche von ba 
in den benachbarten Belsfpalten und Höhlen ihre Andacht ver- 
tihteten. Schwefel und Salpeter fehwige da in Geftalt von Eis— 
zupfen aus den Bergen, frifche Waſſer vurchraufchten fie, und hefe 
tige Falte Winde wehten von ihren Höhen. Wahricheinlich, daß vie 
hindoſtaniſchen Pilger in jüngern Zeiten durch das Kriegsgetümmel 
gänzlich aus jenen Gegenden zurüdgefcheucht find, zu denen fic einft 
wie nach Baku und anderwärts hin gewallfahrtet fein mögen, wo⸗ 
von wir aber in jüngerer Zeit Feine Spur wieder haben entdvecken 
Annen. In die Einſamkeiten 82) dieſes Arakadz⸗Gebirges hatte 
Mb ſchon fehr früßzeitig der geblenvete, unglüdliche König Diran 
in der Mitte des Aten Jahrhunderts nach Chr. ©. zurüdgezogen, 
und in die Grüfte ded Ortes Aghts, am Buße des Berges, hatten 
de armeniſchen Bringen vie geretteten Gebeine ihrer älte- 


26) Fr. Dubois Voy. T. III. pag.412—433 et 445-2488. 
19) Brosset, Notice im Catalogue de la —— d’Edschmiad- 
4)zin, Petersb. 1840. 8. p.15. 20) Dubois Voy. III. p.412. 
s:) W. Ouseley Trav. III. p. 414. 22) Nouv. journal Asiat. 
1829. T. IV. p. 407, 409, 446. 





464 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $,: 


ſten armeniſchen Könige niedergelegt, als dieſe durch vie verbrech 
ſchen Räuberhände des Empörers Mehruſſan, vom Stamme 
Ardzrunier, ihrer Ruheſtätte in ver weſtlichen Feſte Ani am | 
phrat, wo bie antifen Grüfte waren, eniriffen wurden, um ı 
Perfien übertragen zu werben, wohin man dadurch auch 

Glück Armeniens zu bannen hoffte. 

An diefen feinen Südabhängen hat, nad) Dubois, ver Al 
ghez keine Quellen, wie er dies auch mit andern plutonifd 
Gebirgsbildungen gemein hat. Denn feine Waller verlie 
fich in feinen Spalten und Löchern und kommen erſt aut Ende 
nes Lavaſtroms, auf halbem Wege zwiſchen Etfbmiadzin ı 
Agypia Arkh, in dem Bafjin des Fleinen Sees, ver Aigher Gt 
heißt (f. oben ©. 399), zum Vorſchein, ver wie in pordjen La 
maffen eingemanert erfcheint, ohne Abfluß, aber vol Elaren tie 
Waſſers if, dad im Winter gefriert. Sein alter Name war Ka 
lod (d. h. voll Wölfe); 8) ein Fluß, Arhun, fol damals v 

ihm ausgefloſſen und bei einer Kleinen Stadt, Dadea, vorüber zu 
Arared gefloffen fein; doch iſt dieſe Angabe wol nicht ganz ſich 
Heut zu Tage treten erjt in geringer Ferne von dieſem See, 1581 
unter feinem Wafferfpiegel und unter Laven, die zahlreichen Quell 
eines Zluffes hervor, die über eine halbe Werft im Umkreis au 
einander liegen, alle in einem nicht fernen Sumpfe (Semtfht 
ber Armenier) fich vereinen und einem Schwarz bache (Kara ſi 
- feinen Urfprung geben. Diefe Duellen hatten am 13. März di 
Temperatur von 13° Reaum.; fig frieren im Winter nie zu m 
find ungemein fiſchreich. Diefer Kara fu, wahrfcheinlich der ob 
gemeinte Arhun, bewäflert und befruchtet heut zu Tage die anl 
gende Landſchaft am Nosoufer des Araxes ungemein; ſeine Dud 
waſſer erhält er unſtreitig erſt aus untern Ausläufen des See 
Keine 2 Stunden von dieſem kleinen See abwärts bemerkt man d 
Ruinen jener Eleinen Stadt Dadea, bei dem heutigen Dorfe Se 
dabad gelegen, die im zweiten Jahrhundert nah Chr. Geb. pe 
einem armenifchen Könige an einen Perſer gefchenft ward. Mi 
fern von da wurde zu Agdja Arkh in des gafllichen Piz 
Dialil-Beg Winterhütte, eines alten Artillerie ⸗ Commandeurd (dä 
Topſchibaſchi) des Sardar von Erivan, Nachtquartier genommm 
‚wo dA impfang unter perſiſchem Pomp nicht wenig mit vem 1 
cale, wo dies gefchah, worin auch das Abendeſſen in koſtbarem * 





222) J. St, Martin Mem. 1. p. 63. 


-_ 





uphratſyſtem; obere Mraresebene; Armavir. 465 


* eingenommen warb, nämlich dem Pferdeſtalle, contraflirte, darin 
: Aufenthalt der Menfchen von dem des Viehes nur durch koſt⸗ 
te Teppiche geſchieden war. 

Der zweite Tagemarſch (14. März) führte, unter guter 
koste, zwifchen den Orten Gurugubon (Gurdugli bei Wa- 
tſchabad) 2) und. Ehagriar (der eine Vorſtadt ver alten Ar⸗ 
avir geweſen fein fol) in die Mitte eines ebenen Feldes, am 
Ye eines Hügeld von rother Lava vorüber, ber ganz Ifolirt und 
riſſen Daliegt, Topabebi Heißt, an 300 Buß Hoch über die 
ene auffleigt, und gleich einer Acropole mit. einer Ruine und 
a Mauer umkrönt if. Dies, fagt Dubois, ſei der Ueber 
der antiken Feſte Armavir (’Apnaoviaga oder Apnaovpla 
d. Palat. het Ptolem. V. 13. fol. 135 in Armenia major), im 
ven des Arared auf einem Hügel gelegen, 9) vie nach Mos. 
orenens. (I. 12. fel. 36) gleichzeitig mit Ninive, aljo fchon 
0 Jahre, erbaut geweſen und über anberthalbtaufend Jahre bie 
ven; der älteſten armenifchen Könige am Süboflfuße des Ge 
8 Araladz. (Magbez) geweien fein fol. Der Hügel von Ar 
vir wird ausdrücklich von Mof. Khor. einerfeits als Charakteriſtik 
Lage diefer alten Gapitale bezeichnet, welche ein Enkel Armenacs, 
mavir, auf demſelben anlegte (Mos. Khor. I. 11. fol. 32); 
ß andererſeits neben Ihm gegen ben Araxes dfter von einem 
en Sumpfe vie Rede ift, der auch das Meer ober ber See 
acunia beißt (ebv. II. 4. fol. 87 u. III. 46. f. 287) und offen» 
als der Ueberreft eines Sees in ver Araresebene in ältefter 
erfcheint. Daß er ſehr groß war, ergibt ſich daraus, daß er 
noch am Arares abwärts bei Artarata, wo er Medza⸗ 
: heißt (fiche oben Seite 400), genannt wird, wo er ſich mit 
m Strome vereint (Moses Khoren. Il. 46. fol. 161). Ar⸗ 
vir ward erſt verlafien, als durch Hannibal Artarata zur 
benz gegründet war. Ende des erfien chriftlichen Jahrhunderts 
fe nur kurze Zeit des Erovant II. Reſidenz (f. oben &. 449), 
2, weil fle nicht hinreichend Waſſer hatte, alfo wol nicht vicht 
Araxes liegen fonnte, bald verließ, um fich feinen neuen Königd« 
mas welter in zu, zu Grovantafpab, am wafferreichen 


mc 


) Me&moire de Jean Ouoskherdjan, prätre Armönien, de Wapar. 
chabad in Klaproth Me&m. relatifs & l’Asie. Paris. 1826. 
7 81, Dot. 4. p. 307. 6“) 3. Bi, Martin Möm. ». Arm. 
.p. 133. 

tier Grofunde X. ®g 








466 WeflsAfien, TIL. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 35 


Araxes zu gründen, die wir oben Tennen gelernt. Die Lage bieft 
Armavir war zuvor felbft St. Martin unbekannt geblieben; Du 
bois Hat ihr zuerft ihre Stelle bei dieſen Ruinen anzumelfen ver 
ſucht; Ker Borter hatte Armavir In Kara Kala 85) aufzufinbe 
geglaubt. Eine ver fchönften claffifchen Stellen bei Mos. Khorer 
it es, wo er die Lage dieſer Armavir, vollfommen jener Situc 
tion auf dem Topabebi gemäß, auf eine granviofe Weife befchreib 
und genau durch die erſte, unverfennbare Charakteriſtik des jedo« 
bei ihm namenlos gebliebenen Ararat, wie durch die poetiſch 
Schilderung des Araxeslaufes, feine Darſtellungsgabe mie feine Lo 
calkenntniß fo- fund gibt, daß es nur auffallen muß, daß eben Bei 
intereſſante Stelle bei feinen geographifchen Gommentatoren unbe 
achtet bleiben Eonnte. Wir können fie Hier leider nur nach der Is 
teinifchen Ueberſetzung Whiſtons, aber nicht. nach dem armenifäen 
Original wiedergeben, von welchem eine revidirte, kritiſche deutſche 
Ueberfegung ein fehr erwünfchteß Geſchenk fein möchte... Moses fagt 
I. c. 11. fol. 31 ed. Whiston: 
?: „Nach Hatte, des armenifchen Stammvaterd, Tode zog ſein 
„Enkel Armenac mit feinem ganzen Geſchlechte aus nem hohen 
„Armenien (von den Euphratquellen) gegen Norbofl, und flieg hir 
| 0b in. vie Ebene seiner tiefen Cinſenkung, welche auf allen Gel 
„nom hohen Bebirgen umgeben war, durch welche von ber Weſ⸗ 
„feite Her Ströme mit flarfem Gemurmel herabflofien. Das Geb 
„ber Ehene zog fich aber in ‚großer Weite gegen S.D., und ven 
. „dem Buße der Berge eilten ihr vjele klare Quellen, in Klüffe wo 
„ent, in die Senkung herbei, lieblich wie Jünglinge mit Iungfrums 
„telbanner einherwandeln. Aber ein fünlicher Berg gegen bie Sonn 
„geftellt, mit fchneeweißem, glängendem Scheitel, ragte 
„gerane aus dem Boden empor,. von ſolchem Umfang, Mi 
„es, nach des Armeniers Ausfage, dreier Tage zu feiner Umwan⸗ 
„derung bedurfte. Dieſer Berg nun, bis zur Kegelfniät 
sich exhebend, raget wie ein Altvater zwifchen Jüpg 
„Lingen überden andern, vie ibn umgeben, hervor 3% 
„dieſer Thalebene lleß fich nun Armenac is ihrer nörklichen Ge 
„aend weder, baute dort feine Wohnung am Berge, den er apfl 
„feinem Sohne Aragaz (Alaghez) nannte, inde fein Sohn Kr: 
„maeuß ſich auf einem Hügel anbaute, dm er Ar mavii mi 


41), ZUSHTE 


141 . 
. J— 8 .332 u t Da > Pi .. . ; m 
' Er Ker Portet Prav. 1 p. 0. ee Zee 





Euphratſyſtem; obere Araxesebene, Armavir, 467 | 


„feinem Sohne nannte, und deſſen Sohn Eraft dem Fluſſe Era- 
„ſches (Araxes) feinen Namen gab.” 

Es ift bekannt, daß Armavir zuvor die Göotterſtadt ver 
hadniſchen Armenier geweſen (f. oben &. 449), vie ihren ganzen 
Echmuck von Statuen an das jüngere Pantheon, Pakaran, 
ütreten mußte. Vom altseinheimifchen Böttercultus gibt Mofes 
v Khorene einen Fingerzeig in dee Armavirſchen Platane, 
Wan vie Dodonaiſche Eiche des griechifchen Alterthums erin- 
nt. „Der Enkel Araĩ des Schönen, ver im Kampfe gegen Sche⸗ 
„aitam fiel, (fiehe oben ©. 359), fagt er, wurde S’08 genannt: 
„van er war dem Gultus gemäß in ven Platanen des Arme 
„Rac geweiht worden, die in Armavir 5) waren. Denn dad 
„Gellüfter der Blätter verfelben (Mos. Khoren. L 19. fol. 54, wo 
„Whiſton trrig Cupressus überfegt), je nachdem ruhig ober heftig 
„das Wehen des Windes war, woher auch Immer die Bewegung 
„tommen mochte, beobachtete Man unter den. Zaubereien des Lan⸗ 
„des Armenien, und das viele Jahre hindurch.“ Da dieſe Reflvenz- 
ſtadt Armavir. fhon zu Zeiten Arſchaks II, Könige von Arme- 
sin, (reg. 363 — 381 n. Chr. ©.) ganz in Trümmern lag und - 
Ungſt vorher verlafim war, auch mol durch die Einführung des 
Criſtenthums ihre ganze frühere Bedeutung verlieren mochte, fo iſt 
% begreiflich, daß von ihre felbft fo wenig übrig blieb und ihre 
Ortslage fogar aus dem Gedächtniß verſchwand. Um ven Fuß je 
ur Akropole mit ven Mauertrümmern lag die Stadt, nah Dubois, 
Nr dort außer den Trümmerhaufen einiger einft großartigen Ges 
Kunde doch Feine anderen Denkmale fand, und daraus fchließt, daß 
un Hier die Wohnhäufer ver alten Armenier, wie die aller dortigen 
dauptorte, nur aus Erd wanden beſtanden, die ſpurlos verfchwin« 
den konnten, wie noch vie heutigen Hütten gebaut find. Die Ar⸗ 
winler 96) ſelbſt find über die Lage dieſer antiten Stadt verfchies 
me Meinung, und Indſchidſchean verlegt fle nach dem heutigen 
ühepentenden Dorfe Surmali (Siurmeli), auf dem Süpufer bes 
Irazes, ver allerdings nicht fehr fern von jenen Ruinen des To⸗ 
Abebi vorüiberfliei. Sein Bette 87) Tiegt Hier 300° — 400’ tief 
dikt dem Niveau der Araredebene, iſt ausgewaſchen in einem engen 
Ile son gelblichgruͤnem Schieferthon. Ein großer Lavaftrom 
at ſich über biefen Hin ergoſſen, und iſt sedßteniheie auf dem 
— — 

gg aun, das rn Armenien. S. 18. Not. 260) Gbens 
ee Fr — vor. pe BR 
g 2 


4 





468 Weft:Ajten. IH. Abtheilung. 1. Abfchnitt. $. 


Müdlen des linken Ufers erſtarrend flehen geblieben. Hier 
dieſes linke Ufer aufwärts bis Habji Bairamlu eine pro 
ſenkrechte Steilwand. Der Lavaſtrom wird heutzutage vom 2 
unterbrochen, fleigt aber an. vefien Südufer wieder mächtig e 
wo die Orte Surmali und Karakala auf feinen Klippe 
baut find. Der Thalſpalt des Arares fcheint demnach erft 
quer durch den Lavaftrom hindurchgebrochenen 2 
feine Entfiehung zu verdanken. Diefe Laven zeigen mehrere 
einanderfolgen von Eruptionen, die von verfchledenartiger Ni 
auch etagenmeife von einander gefchlenen find und bald aus eig 
lichen Laven, bald aus Tuffen, Bulcanafchen, Traß u. 
beſtehen. Dubotis flieg zum linken Uferrande des Urares 
feiner Begleitung hinab und zog an demſelben thalaufwärts bit 
Stelle, die dem Orte Turebi gegemüberliegt, wo der Araxes 
li vurchritten werden konnte. 

An diefer Stelle trennt fich ver Araxes in mehrere Arm, 
einen fehr reißennen Strom, wie der Kur, wälzt fih von e 
Ufer zum andern und. wirft überall Sanpmaffen aus. - So 
- ſchwand ein ganzes Dorf, tem Turebi benachbart lag, vom li 
Ufer mit feinen Gärten und Feldern, wo gegenwärtig kaum 
Raum genug für einen Fußpfad geblieben, ver vorüberführ. ' 
fallend if} Hier, in fo einförmiger Yläche, doch ein fo tiefe 8 
bette, dahingegen deſſen Waſſerſpiegel weiter abwärts, im ur 
Kaufe, ganz im gleichen Niveau mit ber Plaine liegt. Diefe 
alfo von Weften gegen Often eine noch weit flärfere Senkung 
ben, ald der Flußlauf Gefälle, und beider Entfichen möchte ı 
wol nicht einerlei Urfache fein Dafein verdanken. Der Ref 
fah dieſe Differenz für einen Beleg dazu an, vaß fich das ©: 
ſalz mit dem Schieferthon dieſer Ebene an ihrem Weſtende 
einer Zeit in einem großen Baſſin nieverfhlug, das damals fi 
von Weſt her, feinen Arareslauf Hatte, ver fich aber nod 
einen See ergoß, und nun, bie Schiefertheile mit fortreißend, 
feinen Weg erſt bahnen mußte durch mit Sand und Thon 
mifchten Boden. Auf jeven Hall iſt das hohe Niveau diefer BI 
hier die Urſache ihrer Sterilität und der völligen Vernachläfflg 
‚ ihres. Anbaues. Aus dem tiefliegenden Arares ift es unmög 
Bewällerungd- Kanäle zu ihr abzuleiten; ver legte vom Araret 
gezapfte Canal zweigt Hinter Chagriar von ihm ab, alles wı 
in W. und N.W. gelegene Feld iſt dode und verlaffen. Di € 
erzählt: vor alten Zeiten habs anan auf einer Einfattlung bed La 


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Euphratſyſtem; obkre Arareschene; Takhal Tau. 469 


fromeß, der die weftlichere Thalebene des Akhurean abfcheidet, einen. 
Ganal abgeleitet; ja man erzählt fogar, daß der Arares ſelbſt erſt 
durch Runftarbeit feinen Durchſchnitt durch venfelßen erhalten Habe. 
Da hier nur da, wo das Wafler hindringt, auch Fruchtbarkeit ſich 
verbreitet, fo liegt die ganze Strecke wüſte. Den Schiefertbon fand 
Dubois geuifcht mit Lagern einer großen Molaffe, darin ſehr 
zrtrũmmerte Mufchelrefte. von Terttärbilnungen zerfireut; einige der 
Scichten wurben jedoch ganz mufchelreich, bloß aus einer ein« 
zgen kleinen Dufchelbrut (Melania Bebutorii Dab.). beftehend. ::: 
In geringer Entfernung ſuüdwärts vom Araxes beginnt eitie 
fehr verfchiedene Formation; ein dunkelrot her Thon ſtellt feine 
Schichtenden zu Tage gegen ven Strom; er If gemengt mit grauem, 
Irundären Sanpftein, vol Gypsgänge; der Sandflein gewinnt zus . 
weilen die rothe Bärbung des Thons und: fleht Daun ganz rofen= 
wih aus. Der Thon wird Tihonmergel und gebt: fchichtenmweife Ins 
Bläuliche, Grauliche, Grünliegeüher. Aufwärts ſteigend verlieren dieſe 
Echichten ihre intenſive rothe oder blaue Barbe, werden einfürmig. 
gran und geben in einen Mergel vol Gypecriftalle über, ver 
durchaus ohne Petrefacten, dem Wafler feine Entſtehung nicht ver⸗ 
danken kann. Beine Formationen, Mergel wie. Sandſtein, fal⸗ 
kn in die Direction eines fünlichen, fich emporhebenden Bergkegels, 


WE Takhal Tau, 88) und ziehen fich in einer Krümmung, biß fie, 


aufwärts 2 Werft vom Arares, im Angeſicht jenes Berges: wieder 
ſihtbar hervortreten. Hier zeigt fh die Succefflon- ihrer Schichten 
vollſtändiger. Dan flieht, wie unter dem rothen Mergel ver 


blaue Mergel viel häufiger wird. Sandſteinſchicht en treten 


be und da hervor, 1 bis 2 und 3 Buß mächtig. Dom Fuß des, 
Takhal Tau bis zu feinem Gipfel hat man 1,000 Fuß hohe. 
Schichten über dem Niveau des Araxes erftiegen. Hier fangen nun 
Bager von vulkaniſchen Bebirgstrümmern an, die auß ber 
stoßen Efſe des Takhal Tau kamen, und ſich über die Mergela 
und Sandſteinlager ausbreiten. Noch höher aufſteigend, nahmen 
dieſe Trümmer zu; die Schichten find mehr und mehr gebrochen; 
man ſieht Eleine Porphyrkeile Hervortreiben. Die Hebung der Maſſe 
zagt ſich entichieren und auch mit Weuereinwirfung verbunden. Die 
tulfanifchen Trümmer find eigner Urt; Umbildungen bes 
Rırgel und Sand, ohne den Ort zu verändern; gleichjam ge⸗ 
Kim. Die rothen, blauen und grünen Mergel in eine braune, 





") Fr, Dubois, 1. c. IfI. p. 422. 








470 Weſt-Afien. TIL’ Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 35 


grünliche,. blutrothe und auch blaͤulichcompacte Maffe verwandelt, d 
aber nur von weißen Kalkſpathgängen durchſchwärmt wird. Au 
hat die hebende Gewalt, Dämpfe over felbft ein Vulkan; auß groß 
Tiefe: enorme Maffen von Marmor mit emporgesifien, ver fe 
umgeändert iſt. Es find große Marmorblöde vom fchänften Wei 
wenig geabert, grünlich ober Hläulich, indeß viele andere Taufen 
grauer Warmorträmmer wieber durch Kalkſpath cementirte Blo 
und Maſſen bilden, die, viele In Durchmeſſern von 10 und 12 Fu 
in ganzen Haufen vie Berghänge abwärts zerfireut Tiegen. Al 
alle: dieſem tritt num der Takhal Tau felbſt hervor als eime ei 
zige uniforne Maſſe, ſchwarz, vol zadiger Klippen und Felsrij 
ein fprechennes Zeugniß feiner durch plutoniſche Gewalt iſolirt 
Erhebung, im der er die Ihm aufgelagerte Schicht der Erdrinde, 
zum Theil und nad: oben bin immer mehr und meht umg 
Raltend, in Fragmenten mit ſich emporriß. 

Dieſer iſolirte Takhal Tau iſt nur ein gegen Nord vorg 
floßenes Glied 9) des großen, vom Ararat gegen Weſt nu 
Arzerum fortſtreichenden Hoͤhenzuges, der unter dem Namen d 
Aladagh zuſammengefaßt wird. 

Die Steinſalzbank von Kulpi ruht am Norbfufe diefi 
Bulkanberges, dem ſie wol ihre Bildung verdanken mag. Sie rul 
in der Mergeleinfentung, die 2 bis 3 Werft breit ven Grumd di 
Bergkeſſels einnimmt und von dem Hügelkranze des rothen Merg 
von allen Seiten beherrſcht wird. Gegen Weſt und Süd zeigt di 
ſes Steinſalzlager einen Steilabfall von mehr als 500 Fr 
fenfrechter Höhe. Gegen dieſe ganz nadte Wand iſt das Dr 
Kulpi oder Kulpe (Goghp der Armenier, die das 2 durch ein’ 
zu erfeßen pflegen) 90) angebaut, mie ein Amphitheater auf Schieft 
thonboven? den der Bach Verte marg tfhai, vom Takhal Tau hen 
fommend, burchriffen Hat. In der Mitte des Dorfs unterſcheh 
man kaum die Eleine Kirche mit platten Lehmdach von den übrig 
Häufern, die in ganz engen Gaffen fo dicht aneinanver gebaut fü 
daß man in ber fehlechten Jahreszeit bei kothigen Wegen lieber « 
den Erpvächern, die engen Gaffen überfchreitenn, von einem Üi 
des Orteß zum andern zu gehen pflegt. Hie hp da erheben | 
noch runde Wachtthürme auf ven Dächern, um das Annaben F 
difcher Raubüberfälle bei Zeiten zu erſpähen. Die Benutzung 


**®) Fr. Dubois Voy. III. p. 433. °®) chend. III. p. 4 
IV. p. 141. Ä | 





” 


Euphratſ. obere Araxesebene, Gälzberg Kulpi. 471 


et hieſigen Salzfiocks mag uralt fein, wenn auch nicht eben Noah, 
a) wie die Armenier behaupten, ihn ſelbſt ſchon zu ‚bearbeiten. anfing, 
ei mol fie fogar die Stelle, mo dies geichehen fet, noch zu kennen 
ö vorgeben. Es if wel gewiß, daß der Ort nicht immer fo unbedeu⸗ 
tend war, wie er es beutzutuge if. Kulpi war die Heimath 91) 
zweier Schüler de® großen Literators der Armenier, des Patriarchen 
Niesrob, nämlih von Joſeph und feinem Bruder Jesnik, 
wie einft in die ſyriſche Landſchaft nach ver hohen Schule zu 
deſſa gefandt wurden, als Interprggen, um. aus der ſyriſchen 
Sprache die Werke ver Heiligen Väter in daS Urmenifche zu über 
;; Men. Nachdem fle dort ihre Aufträge vollführt ‚hatten, gingen fie 
w! nach Griechenland und wurden bier Ueberſetzer griechifcher claf- 
ı Hier Werke, durch welche die altarmenifche Litteratur im goldenen 
Setalter ihres .Aufblühens, d. i. im V. und VI. Jahrhundert, nach 
Chr., ſich mit fo vielen Schägen der rlaffifchen Zeit bereichert bat. 
Kaiſer Heraclius gab den Ort und die pamaligen Salinen, 
al$ eine Schenkung an den Patriarchen ESdras, %) der von 628 
— 440%. Ehr. ©. der urmenifchen Kirche vorfland. Ruinen von 
vrei einft bedeutenden Kirchen und viele Grabmäler vol reicher 
Eculptur mit vielen Inferiptionen (eine vom Jahr 951, eine andre 
von 1570) wurden durch Duboid copirt und entziffert. Auch 
zeigten fich Ruinen vom älteſten armenifchen Architecturftgl in 
derſelben Art anderer Monumente, wie der der Kirche St. Hripfime 
bei Etſhmiadzin war. Die Kirchentrümmer zu Kulpe find fo felt- 
fam zerftört, daß fie, wie die zu Ani, auf ein furdtbares Erd⸗ 
been zurückſchließen lafien, daß bier einft in biefem Lande fo vie 
In Erdbeben (wo noch im Jahr 1819 eines folchen, das einen Theil 
ded Salzbergs zerriß, erwähnt wird) 9) gewüthet haben muß. Die 
Eyecialbeſchreibung des Salzberged, deſſen allgemeine DBerhältniffe 
wir ſchon oben anführten, ift bei Dubois nachzuſehen; 9) ver 
Betrieb iſt, wie ſich bier erwarten läßt, ganz roh und der Vertrieb 
für Armenien und Georgien nicht unbebeutend, obwol wegen des 
einzig möglichen Landtransports durch Ochſen und Kameele fehr be⸗ 
ſqhwetlich und der Gewinn daher gering. 
Bei den Excurfionen, vie von Kulpe aud über den Arares 
um Arpa fihat und den dortigen Ruinenſtädten gemacht murven, 
— — 





) C. Fr. Neumann üb. armenifihe eohenge u. Litteratut, in — 


Jahrb. der Litteratur. Bo. 33. 1829. ©. 195 ı St. 
Martin Mem.1.p.78. *°®) Dubois Voy. III. p. 231. 3 —8* 
nl. S. 429 — 433. | 


* — 








472 WeflsAfien, III. Abteilung. I. Abſchnitt. $. 35. 


von denen ſchon oben vie Rede war (f. 06. ©. 451), kehrte der 
Reiſende mit der Erfahrung zurüd, daß der milde Arares weger 
feineß Kießbettes, im Gegenſahe des wilden Klippenbeties im Arpa 
tſhai, eher fünfmal als diefer nur einmal zu durchſetzen ſei; Brüden 
fehlen heutzutage ganz. 

Bon Rulpe, dem äußerſten Weſtende, bis zu welchem bishe 
die Beobachtung in der Araresebene fortfchriet, nahm au Du 
bols den Rückweg an ihrem Sünfaume vorüber, zum Bergdorf 
Arghuri, am Buße des Ararat, wohin wir unfern Ichrreichen 
VFührer, durch jene Einöden den einzigen, nun auch zurüdbegleiten. 
Der günfligen Gelegenheit, welche unjer Freund gefunden, ben 
- dort commandirenden ungemein wohlwollenden General Beboutoff 
auf einer Infpectionsreife zu begleiten, wodurch er ſelbſt vor jeder 
Gefahr räuberiſcher Ueberfaͤlle gefichert war, welche früheren Reiſenden 
faft überall die genauere Beobachtung und das längere Verweilen 
unmöglich machte, verdanken wir ven feltenen Reichthum der Mit 
thellungen dieſes vielfeitig gebilveten, gewifienhaften, vortrefflichen 
Beobachterd, dem wir inöbefonvere noch perfönlich für viele lehr⸗ 
weiche geographifche und ethnographifche, auf Autopfle gegründete 
anderweitige Mittheilungen bier gelegentlich, aber recht herzlich unfre 
Verpflichtungen dffentich auszuſprechen vie Gelegenheit ergreifen. 

Tr Weg ging auf dem rechten Ufer des Araxes, den 
Strom anfangs entlang, abwärts auf ver Ebene hin, bis man, das 
Kulpe Thal verlafiend, in das Tfchinfhanat-THal?5) eintrat, das, 
ganz in rothem und blauen Dergel gelegen, vom gleichnamigen Zu- 
bache durchzogen wird, Die Abhänge find großentheild mit Roll⸗ 
blöden von Lavamaſſen bedeckt, die oft mächtige Anbäufungen bil« 
den. Am denannten Fluſſe im Thale etwa eine Stunde abmwärte 
reitend, mußte man dann wieder cinen Lavaſtrom erflettern,, ber 
200 bis 300 Fuß über ven Arareöfpiegel emporfliigt. Er ift über 
eine Unterlage von Schieferthon oder Vulkantuff hingefloffen und 
fließt mit fenfrechten Felswänden zu beiden Seiten ven Araxes 
von ber Einmündung des Afchintfchavat eine halbe Stunde ab⸗ 
wärts bi8 Rarafala ein, das Araresufer jelbft mit feinen Trüm⸗ 
mern bevedlend. Durch gewaltige Spalten in biejem breiten Lava⸗ 
from, der nur ald abgeſetztes Glied der flellen Ravamauer an bem 
gegenüberliegenven linken Ufer anzugehören fcheint, entſtehen wilde 
Seitenſchluchten gegen ven Strom des Araxes, auf deren Feltzwin⸗ 


*e4) Dubvis Voy. II. p. 445. 





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Euphratſyſtem; obere Araresebene; Karakala. 473 


leln die beiden fchon oben genannten Orte Surmali und Kara 
ala erbaut find. Die ſchwarze Lava mit Tänglichen Zellen, 
welche die Direction des Lavaſtromes anzeigen, wird in ihren Mauer- 
wänden Hier durch ſenkrechte Eolonnen fo beflimmt gethellt, 
— Ausfehen nach ganz ven ſenkrechtſtehenden Baſaltſäulen 


Karakala %) liegt von Natur feſter als Surmall; denn ein 
Spaltenzweig im Lavaſtrom iſolirte es auf feiner hohen Felsecke 
völlig. Zwei Selten waren durch einen ſehr tiefen Graben natür⸗ 
lich vertheidigt; bie dritte Seite durch den vorüberſtröͤmenden Araxes. 
8 blieb nur der Iſthmus der Balbinfel übrig, auf deſſen Rücken 
man einft Mauern und Thürme aufhäufte. Selbſt vie Laven⸗ 
sänder, obmwol an fi fehon unerfteiglih, wurden hier doch noch 
mit Mauern gekrönt, und die Citadelle wurde auf ber vereng- 
teflen Stelle des Iſthmus erbaut. Der Felſenreſt bebedte die hohe 
Stadt, wo man aber nur noch Steinhaufen und ſchwarze Mauern 
wahrnimmt; beide Thürme, welche einft das Stadtthor vertheibigten, 
ſind kaum noch erkennbar. Aber die Ciadelle diente, als auch bie 
Stadt ſchon zerftört war, bald ven einheimifchen Armeniern, bald 
den Perſern zur Vertheidigung. Go find in die älteflen Mauern 
Der GUtadelle Karakala's fo manche Reſte von Mauern und 
Thüren übrig geblieben, die mit den modernen Zubauten malerifch 
eontraftiren. Das alte Mauerwerk iſt von großer Trefflichkeit, die 
Thore find mit prächtigen Quadern befleivet; ſchwarze Lavaſchichten 
wechſeln mit Quadern von rothem Bimsſteinporphyr. An 
biefen fieht man mehrere antike, in Stein ausgehauene Kreuze. Die 
Neubauten find meiſt von ſchwarzen Lavaſtücken aufgeführt, 
was ihnen auch den modernen Namen Karakala, d. i. Schwarz« 
Burg, gegeben hat. Der alterthümliche Name ſcheint His jept 
dlfig unbekannt zu fein: denn bie berühmte Tigranorerta, mes: 
für Dubois gehalten, wahrſcheinlich es mit Karakala oder Kara 
mid, andern Schwarzburgen, verwechſelnd, kann es nicht ſein, da 
e an einem Tigrisarme Tag (ſ. ob. ©. 76 un 8). W. Ou— 
leley, 97) einer der wenigen früheren Reiſenden, der dieſe Felſen⸗ 
Dt beſuchte und von den granviofen: Baumerfen wie von ben 


ſchðnen Ausſichten ũberraſcht wurde, hatte fle für die alte Armavir 
dea Ptolemaͤus gehalten. Er lernte drei Thore in den fünf Fuß 


»*) Fr. Dubois Voy. III. p. 446. »7) W. Ouseley Trav. IIL 
2 450; Ker Porter Trav. Il. p. 640, 


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474 Wefl-Afien. III. Abtheilung. I.Abfchnitt. $. 35. 


dien Staptmauern Eennen, fand in ven Ruinen aber nur ein ge= 
singes Dorf, Im Befitz eines Grenzbäuptlings, Kaſim Beg, ver 
‚mit den Kurden im Bunde fland. Ker Rorter, ver viefelbe Be- 
wunderung ver Träftigen antiken Architectur dieſes Drtes mit fei- 
- nem Landsmann theilt, nimmt fie ebenfalls für das Armavir ver 
Alten, das es aber wegen des MWaflermangeld nicht fein Tonnte, 
den Mofes Khoren. in Armavir anführt, weshalb es als Reflvenz 
verlaffen wurde, va ja an biefen Ruinen der waſſerreiche Arazes 
vorüberraufht. Dubois fcheint nah Dufeley und Ker Bor- 
ter der erſte zu fein, der dieſe Kara Kala wieber befucht Bat; 
wir finden wenigftens fonft bei Feinem Altern armenifchen over an- 
dern neueren Autor eine Spur von Hindeutung auf fie. 

Gegenwärtig haufeten dort ſeit der letzten perflfchen Verheerung 
nur wenige armenifche Familien, die den Neiſenden In einem ſtehen⸗ 
gebliebenen perfifchen Prachtfanle ein Mittagseffen von Milchſpeiſen 
bereiteten. Bor ver Citadelle bemerkte man einen Gotteßader, vol 
Grabmäler verfchtenener Nationen, darunter auch perfliche und ta= 
tariiche Inferiptionen mit Sculpturen von Widderfiguren, bie 
man früher blos für Bezeichnungen armenifcher Grabftätten gehal⸗ 
tem hatte. Doch Fönnten diefe freilich auch Armeniern angehört ha⸗ 
ben, die in Perflen gelebt und Hier nur begraben waren. Ein Fleis 
ned Maufoleum, ein Zehned von trefflicher Gonftruction, 
und einen andern Grabftein, in Geftalt eines gefattelten Pfer- 
des, bat Dubois als Proben 9) dieſer Denkmale abgebilvet mit- 
getbeilt. 

Am Nordfuß dieſes Lavaſtroms, der die Citadelle und die hohe 
Stadt trägt, fließt der Araxes vorüber, an deſſen Südufer jedoch 
eine -Uferebene vorliegt, auf welcher einft die untere Stadt mit 
igren Gärten lag, bie aber gegenwärtig ganz verlaffen ifl. Nefte 
einer alten ‘Bräde, vie auch von Ker Porter wahrgenoınmen wur 
ven, zeigen vie ehemalige Verbindung mit dem Norbufer bed Ararced- 
ſtroms. Nur eine halbe Stunde von diefem Lavaſtrome, den Arares 
“entlang binabfleigend, bat man deſſen niedere Horizontal. 
Ebene erreicht; die Oftwand des ſchwarzen Lavaſtroms, auf der 
. Kara Kala erbaut ift, hört bier plöglich auf; die Schieferthon⸗ oder 
Tuff» oder Traßhügel, über bie er fich Hingoß, ziehen fich ganz 
vom Strom und feiner anliegenden Ebene gegen SD. in groben 





s°) Dubois wor Atlas Serie IV. Architecture, planche 29. * 
et ıpl. 28, tig. 8. — 


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— RR DIVAV 


Euphratſyſtem; obere. Araresebene.. 476 


Bogen zurüd zu dem Fuß der Berge, bie fi an ven Bug des 
Aladagh oder ver Ararat⸗Kette anreiben. Diefen Bogen ent⸗ 
lang wurde nun die Rückreiſe nach Arghuri angetreten. Die Ara⸗ 
rebebene hat nun bier bie ebene Oberfläche angenommen, bie ſich, 

de weite Strecke abwärts, gleich bleibt. Ste if kaum um einige 
uf über dem Spiegel des Araxes erhaben, fie iſt ganz ohne Steine; 
zahlreiche Ganäle nad) ‚allen Dirertionen bin bewäffern fie. Durch, 
aptlfche Täuſchung ſcheint Die Plaine fogar noch niepriger als ber 
Atares zu liegen, der feinen Lauf unſtrettig in ihr ſehr veränderte. Es 
wird hier ſehr begreiflich, wie das alte Arta xata einft am Araxes 
liegen mochte, während die jetzige Ardachar an verfelben Localität 
heut zu Tage 6 Werft ober anderthalb Stunden davon entfernt Tiegen 
kann, und wie fich daher jo verfchtenene Meinungen über ihre einſtige 
tage erzeugt haben. Der weite, reichlich bemäfferte Lehmboden dieſer 
Platine ift durch die Eandle auch befruchtet, wo er bebaut wird, und 
trägt einige Dörfer, die, aus Lehmwänden mit Erddächern aufgebaut, 
zwifchen fehr-einträglichen Gätten und Feldern zerſtreut umberlies 
gert. Das zahlreiche Reitergefolge 9 der Karawane Im Dienfte ves 
Generals fand auf diefem Blachfelde fortwährend einen Tummel⸗ 
play für feine kunſtgeübten Wettrennen, Kriegsfpiele und für pas 
zenwerfen, das beliebte Djerid, mobei die größte Gewandtheit 

der hieſigen Berittenen dem Befchauer fortwährende Luft gewährte. 
An ven Ortſchaſten gingen Wechiel alter und neuer Escorten, oft 
in Fehr zahlreicher Begleitung junger, fchöner, gewandter Mannjchaft 
Nationaler Parade vor fi; in den Dorffchaften war überall ein 
devoter Empfang ihres Gouverneurs vorbereitet. Ochſen wurden vor 
Un jedesmal beim Empfang von der verfammelten Gemeinde mit 
Für der Stride als Opfer nievergeflürzt, veren Leben aber je⸗ 
ES mal durch das frühzeitige Abwehren des Generals gerettet warb, 
Be} pen ärmeren Hütten war ed ein Hammel, der zum Schlachten 
bezeit Rand. So ging ed von Erivan bis Kulpe und von Kulpe 
RD Eger bis zum Nrarat, nad altem herkömmlichen Gebrauch wäh 
Texyp der langen perflfchen Oberhohelt. Die Regfamkeit der ganzen 
TE evölfering, die zahlreichen Neiter- Escorten, fletd 70 bis 80 Gas 
feriften, ihre Manceuvers und Scheingefechte gehörten in biefem 
TE uberiſchen Kurdenlande zur Sicherheit. Denn auf ven nahen Berg: 
ben der Aludagh und Ararat⸗-Kette lauerten fie überall, auch heute 
“Roc, wie in älteſter Babelzet am Majis (Moses Khoren. II; 58. 

"I 

) Dubois Voy. Ill. p. 450. 








‚476 WeftsAien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 4. 35. 


fol. 177), zu ſchnellen Ueberfällen im Blachfelde. Seit der Ruſſen 
Zeit und der dort eingeführten Dischplin Hatten Die meiften Kur- 
denhorden das zufiifch-armenifche Territorium zwar geräumt, doch 
waren ‘immer noch einige Raubhorden in ihren ſchwerzugänglich⸗ 
ſten Schlupfwinkeln zurüdgeblieben. | 

Bon Karakala waren Über die Dirfer Arabkerlu und 
Akhmanmiat etwa 5 Stunden (20 Werft) zurüdgelegt, bis man 
Amarat, dad Nachtquartier, erreichte: Es war früher der Sig 
eines Rurbenhäuptlings, der nach dem perflfch-rufitfchen Kriege mit 
feinem Anhange fi auf türkifches Gebiet zurückzog. Späterhin 
fuchte er, um zurüdkehren zu Eönnen, zwar um Amneſtie bei den 
Ruſſen nad; dieſe wurde ihm aber verweigert, weil er fich dann 
nur wieder an die Spitze feines kurdiſchen Raubhorden geftellt ha⸗ 
ben würde. Da dieſe ihren Näuberhauptmann verloren, find die 
Zurückgebliebenen jelbft zu einem ruhigen Lebenswandel übergegangen. 

Hier iſt ed, wo man am folgenden Tage, 19. März, von Ama« 
rat nah Dianat-abad an 6 Stunden Weges (25 Werft) ge⸗ 
gen SD. auf gleiche Weile fortfchreitend, an dem Sinak und 
Keuroglu dagh vorüberzog (f. ob. ©.383). Ker Porter, %9) 
der denfelben Namen Kurd Dugly nennt, ſcheint ihn von den 
jüngeren Siegen dortiger Kurbenräuber herzuleiten. Man blieb aber 
auf vollkommener, ganz einförmiger Ebene, 1) die fruchtbar 
mit Welzen und Baummollfeldern bevedt, von Araxeb⸗ 
canälen burchfchnitten war. Ihr Unterhalt koſtet viel Arbeit, weil 
der Boden, meift Vulcanfand, Eein Wafler Hält. Der Unerfahrne, 
der alle dieſe Canäle zum Araxes gehen ficht, Hält fie für Bäche, 
die von ven Bergen fommen, und fo find fie meift auf den Karten, 
felbR auf Khatof's Karte, eingetragen. Aber vie umberliegen- 
den vulcanifchen Berge find Iinsgefammt waſſerarm, und 
die ganze Plaine erhält ihre Wafler bier nur aus dem Arares. 
Der erfte dieſer abgeleiteten Ganäle, der dem Buße der Berge ent- 
Tang zieht, begimmt etwas unterhalb Karakala, macht einen großen 
Bogen, der ſich 7 Stunden (30 Werft) vom Fluffe ſüdwärts ent- 
fernt, nimmt einige der Quellen mit auf, die vom Fuße der Berge 
ihm zufommen, und weiter bin dem füplichen Schwarzbache 
oder Kara Su, ver fich bier entwidelt, feinen Urfprung geben. Im 
Begenfag diefer verſchiedenen Kara Su oder Sem tſhur ber Ar- 
menter nennt man bier biefe Canfäle mit dem Namen Kulu Su. 


#00) Ker Porter Trav. Ik p.639. *) Dubois Voy. Ill. p.%457. 


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kEuphratſyſtem; obere Araxesebene; Dianatabad. 477 


Igdir mit ſeiner Quarantaine gegen die türkiſche Grenze, nach 
km Bayazed Territorium zu, blieb rechter Hand liegen; mehreren 
andren Dörfer zog man ganz nahe, links oder rechts am Wege, vor⸗ 
über ; die Dorfichaften Tokhanfhalu, Kadjar (Namen der per- 
ſtſchen Dynaſtie, Erdk. VII. ©. 604), Batat (ein armenifcher 
Tribus), wurde paflist, und Djanat abad zur Nachtherberge ge= 
nommen. Das iſt eins der größten Dörfer ver Plaine, kaum an⸗ 
derthalb Stunden (5—6 Werft) vom Arares entfernt, von Mufels 
märsnerm bewohnt, deſſen Gärten mit Pflrfich» und Aprikofenbäumen 
Der einzige Vorzug fein möchte, ver feinen flolzen Namen, Ort des 
Paradiefes, einigermaßen entfchulvigen könnte. 

Das Elima war für die Jahräzeit ganz mil; in Kulpe am 
Morgen des 18. März die Temperatur + 10° R. mit warmen 
Regen, in Amarat am 19. eben fo; in Djanatabad am 20. 
+ 74° R. mit Regen. 

Dr 20fte März führte von Djanat⸗abad nah Arghuri 
7 Stunden Wegs (29 Werft). Rach ven erften zwei guten Stun⸗ 
ven (10 Werft) wurde dad Dorf Haffan abad paflist, das ein 
Bruder des Sarvar Huffein erbaut hatte, nach dem es auch ges 
nanıt ward. Dann umzog man den Buß des Taſh burun, 
eines großen gezackten Vorgebirges voll ſchwarzer Lavabläde, aus 
La vaſtromen beſtehend, die allem Anfchein nad von dem Ara- 
Tatzuge fi herab zur Plaine am Arares ergoffen hatten. In glels 
Ger Diſtanz von 2 guten Stunden (10 Werft) von Haffan abad 
iſt das Ufer des Kara fu (Schwarzbach) erreicht, der für ein al⸗ 
tes zugedämmtes Bette des Araxes, als dieſer noch weiter 
an ärts näher am Fuß der Araratberge hinfloß, gehalten wird. 
Seine Breite beträgt von einer viertel zu einer halben Werft, zu⸗ 
welllen ift fein Beite 10 Fuß tief eingeriffen unter dem Niveau 

Plaint. Gegenwärtig bildete ex einen ganz unmegfamen Mo« 
ap, in dem alle Quellen vom Fuß bed Ararat, vom Bulak 
b ii (ld. 1. Kopf der Quelle) an, zufammenlaufen. Es ift ſehr 

tenswerih, daß fomol der im Norben gegenüberliegenne hohe 
a Laghez, als auch ver noch weit Höhere und ſchneereiche Ara» 

FL im Süden, viefer Crhabenheit ungeachtet, doch kelnen Fluß 
® TE zeugen, weil fie eben vulcanifche oder doch plutonifche 
ebilde find, denen überall diefee Mangel der Quellen» und 
LTußbildung vorhersichenn eigen zu fein fcheint. Ale Regen 
Sletſcher waſſer, bie fie empfangen, verlieren fich unter ihren 
SE Een und Vulean - Irummern; und treten ef an im Cehe 








478 Weſt⸗dAſien. IH. Abtheilung. J. Abſchuitt. 5.35. 


"auf dem Schieferboden hervor. Die des Ararat ſammeln ſich in 
den Moräften dieſes Kara fu, bie vol undurchdringlicher Schilf⸗ 
waldungen ſind. Die Hauptſtelle, wo man ihn auf einer ſchlechten 
Brücke überſetzen kann, iſt 2 Stunden (10 Werſt) von Haſſan 
abad; bis zu Ir iſt die Ebene ohne alle Steine; die Hauptgras⸗ 
:art auf dieſem Boden iſt bie Dactylis litoralis, an beren Wurzel 
-bie Nefter ver Purpurmürmchen (Coccus, f. 06.656.458) ſich befin- 
den. Diefelbe Grabart ift die vorherrfhende Heerbenpflanze 
der Bramineen, auf vielen, ja ven meiften der armenifchen Hoch⸗ 
ebenen. Ihre Verbreitung gebeiht vorzugsweiſe auf dem falz- 
reihen Boden, ver auch die hohe Arareschene characteri⸗ 
ftrt, und wol nicht blos den Verſchwemmungen falziger Beſtand⸗ 
thelle aus dem Salzgebirg von Kulpe, ven Ararat abwärts, zugefchriehen 
werden Tann, ſondern dem ganzen ebenen, aus Bulfantrümmern, 
Alte, Traß, Tuff und Schlacken beſtehenden Boden urſprůͤnglich 
angehoͤrt. 

Bon dem Oſtufer des Kara Su 2) hatte man noch eine 
Neine Stunde (4 Werſt) bis zum Fuß deq Ararat, Immer auf 
Vulcanſande, ſchwarz und roth, darin ein niedres Geſtripp Calli- 
gonum-(Polygonoides or. Tournefort) 3) vorherrſchend wuchert, 
vas ſchon Tournefort Hier zuerfi beobachtete. Den ſchmalen geſchütz⸗ 
teren Uferrand des Kara fu benubien vorzügli die Kurden gern 
zu ihren Winterflattonen. Schon verließen fie (20. März) Ihre Erd⸗ 
Yütten, um ihre ſchwarzen Filzzelte, vie fle auch in Gruppen am 
Flußufer aufgefchlagen Satten, zu bewohnen, die freilich weit ange» 
nehmer find mie jene dunkeln Höhlen. Ihr Reichthum beſteht in 
ihren Herden: Rinder, Pferde, Schaafe, in Butter, Milch und 
Käfe, wogegen fie al$ Ganz Nomaden ihr Korn, das fie nicht 
Bauen, und andre Bebürfniffe von ven Armeniern einhandeln. Hat 
Wie Hitze dieſen nievern Weideboden ausgetrodnet und verfengt, fo 
verlafien fle ihn und ziehen auf bie benachbarten. Gebirge immer 
HöGer und höher, bis auch da der Froſt fle wieder hinab in bie 
Ebenen treibt. Diefelben Grenz⸗Kurden, Hier ein Miſchlinge⸗ 
volk von Kurden mit Perfern und. Armenien, nicht mit: ver re 
nen Furvifchen Sprache, fondern mit einem Kauderweiil, ein zu⸗ 
ſammengelaufned Raubgeſindel, nach Art der einſtigen Baperagen 
Koſaken, ganz -abgewichen von dem ächten unvermifchten Kurden 
ſchlage iſt, wo ch In jeder Hinficht, durch eignen Gebrauch wie du 


‚»03) Dubois voy II p. 468. ) Tonrnef. I. c. T. N. Tab. et. 





J 





Euppratfoftem; Norbfuß des Atarat, Arghuri. 479 


ewalt, ungezügelt bleibt, wie unter perflicher Verwaltung, 

bie *) nicht ausgenommen, furchtbar. Aber bier, unter 
zuffifcher Herrſchaft ohne Häuptlinge, find fie zu friedlichen Noma⸗ 
ben geworben, wie am Südufer des Van⸗Sees unter türlifcher Zucht 
zur feiten Anflevlung und zum Ader- und Gartenbau fortgefchritten. 
Außer jenen Kurven find, abgeſehen von mehren angefehenen ar⸗ 
meniſchen Klöftern und Dörfern, größtentheild Mufelmänner, tarta« 
riſcher Abkunft, die halbnomadiſchen Bewohner 5) ver 
Ar axesebene, die, voll Haß gegen vie Chriſten, in Dörfern ange» 
ſiedelt, Feld⸗ und Gartenbau und dabei Vich- und Pferbezudit 
weißen. . Doch auch fie verlaffen in drückender Sommerbige bie 
Ebene, und emigriren in die Umgebung ver Feſte Maku, deren 
Khanen fie bisher zinsbar warm; dieſe Ueberwanderung aus ber 
ruſſfiſchen auf die perfliche Grenze geſchieht auch Heute noch. Die 
Weiber ſolcher Dörfer, deren Männer abweſend auf Arbeit waren, 
Mpfingen vie Fremdlinge wie Karten, und fchleuberten auf fie, vie 
ner Lebensmittel für ſich und vie Pferde für Geln forderten, von 
vn Dächern ihrer Häufer Miſt und Steine herab. So war «8 
Im Dorfe Syrbaghan, das Im Norboft ned Ararat liegt, wo 
aber pie Männer, nachdem. fie aus. Maku zurückgekehrt, fich viel 
Wngängiger zeigten. Doch bläben fie in ihrer großen Armuth um“ 
zemein wild und rob, zumal die Hirten vom fogenannten Tfhu= 
banterah Tribus, welche‘ zu ven roheſten gehören follen, bie vol 
Bigotterie und mit Haß gegen vie Chriſten erfüllt find. 


3) Das Dorf Arghuri oder Agorri, am Nordfuße bes 
Ararat, und das St. Jakobs Klofter. 


Am Buße des Ararat, durch feharfe Hebung von der Ebene 
umterſchieden, und durch die immer wachfende Menge und Größe 
der Lavabldcke characterifirt, iſt ſehr bald das Dorf Arghuri oder 

Tkhuri erreicht, das gewöhnlich von Etſhmiadzin aus von 

Araratbeſuchern direct als das einzige zu dortigem Unterfgmmen 
nv Verweilen aufgeſucht wird. Agorri nenni Indſhidſ heans) 
—X Budbergs ruſſiſche Schreibart Cark-Ura in dem ſehr fabel⸗ 
REfien Aufſatze eines vielgeleſenen Tagblattes iſt alſo ganz zu ver⸗ 


>erin), 7) daſſelbe Dorf am Nordfuße des Mafls, d. i. des Arge 
— te 


_„..) Dubois Voy. III. p. 464. 8) Parrot Reife I. S. 195, 202, 213. 
WR). 9. Herrmann, das wufffche Ünmenien a. 0. D. €. 17. 
7) Mag. für vie Lit. des. Anslandes: 1834. Nr. 88. 








480 Wefts:Aien, II. Abtheilung. I. Abfchnitt. $ 


zat, deſſen Kirche nach Ihm den Namen des heiligen Jacob N 
nus, eines Patriarchen, führt, zu ver 200 Häufer eingepfarri 
folen. Dubois nennt darin an 1000 Einwohner, Parrot 
nur 175 Familien ald Bewohner an. Ulle Häufer waren von € 
mit platten Erddächern, die nur Zuftlöcher flatt der Fenſter 5 
Sie liegen am Iinfen Ufer eined Baches, im Grunde am o| 
flohen Ausgange 8) einer tiefen mächtigen Spalte, vie auf 
Eingewejde des Ararat an feinem Norvoflabhange aufbradh, 
"welche ein magres Flüßchen von der Höhe zur Tiefe läuft, dal 
im $rühlahr, zur Zeit der Schneeſchmelze, zum tobenven Wil 
wird, der Steine und Zelfen mit fich fortwälzt, aber in der 
Sommerzeit kaum fein trubes Schneewaſſer zur Befruchtung 
Gärten bis zur Ebene bringen kann, und höher auf nicht ei 
waſſerreich genug zur Viehtraͤnke iſt. Diefes Flüßchen If 
einzige am Norbgehänge bed Ararat; doch auch eine Di 
guten Zrinkwaflers tritt einige Hundert Schritt oberhalb des D 
aus dem Yeldgrunde des Spalted hervor, mo Tröge und Mi 
für die Heerden angelegt find, der Sammelplag für die W 
fchöpfenven, und zumal an den Abenden für die Schaar ber fı 
hen Jugend, und für daß durſtende Vieh: Vieh⸗ und Pferde 
it das Hauptermerbe ber Dorfbewohner, auch Aderbau babeı 
doch find die nächften Felder zu fleinig, die beſſern geben I 
reichlichen Weizen. Die Obfigärten liefern Apfel, Birı 
Pflaumen, Kirfhen, Aprikofen, Pfirfig, Wallni 
aber noch keine Feigen. Sole Obfigärten, mit reichlichen & 
ten gefegnet und einigen Elaceagnus- Bäumen (Pihat der 
menter), 2) kommen auch weiter oflwärts in ver Araxesebene vor; 
Blatt der letztern Fonnte vieleicht unter dem Olivenblatt der N 
Taube gemeint fein (f. 0. S. 344). Von Wohlhabendern find ei 
Weingärten beim Dorfe angelegt, doch wol mehr um ver ' 
dition von Noahs⸗Reben zu genügen, auf die fie flolz find, als 
des Weine willen, der bier nicht gewonnen wird; aber Die Tr 
ben 2) waren, nah Parrots Erfahrung, ſchon Mitte Sep 
ber reif und fehr gut; die Meinung, daß die hieſigen R 
in Folge der Sünde feine Trauben mehr tragen jollen, habe 
keinen wahren Hintergrund. Die Kirche foll an der Stelle des 
Noah aufgerichteten Altard fliehen, und ber Ort dem von ihm 


os) Parrot Reife I. S. 108; Duboia Yo. zur. p. 465. °) 3 
Reife I. S. 206, 210. a0) Cbenb. ©. 1 





brasfoftem ; Nordfuß des Ararat, Arghuri. 481 


m Weinberge. feinen Namen verdanken (von Argh-anel im 
nischen: fegen oder pflanzen, nämlich „arg“ d.i. „er bat ge⸗ 
nzt” und „urri“ die Rebe; daher Arghurri, ober in 
meinen Rede Aghurri, bei den Xataren Achuri, over 
rri der armeniſchen Schrift). Diefe Mebenpflanzungen ziehen 
4 Werft vom Dorf zur Ebene bin. Um Arghuri iſt viel 
ere Luft als im untern Thale um den Araxes; denn obwol 
wenig höher gelegen, fo wird bie Hige und Dürre doch fchon 
gemilvert durch die größere Nähe des fchneereichen Ararat⸗ 
% von dem die Fältere Luftſtrömung fortwährenn herabdrückt 
n der beißen Sommerzeit wohlthädg abkühlt. Deshalb wird 
wi öfter von den Bornehmen aus Erivan zum Sommeraufs 
t erwählt, und der vormals perfifhe Sarvar Huſſein Chan 
ſich nach ver Lieblingsweiſe feine® Volks, dem Dorfe Arghurl 
iber, auf einer Fühlen Anhöhe einen anfländigen Sommerfig 
t, mit allen Bequemlichkeiten und zahlreichen Gemächern für 
Hofftaat verfehen, aber auch) mit Mauern und Thürmen zur 
heit gegen Kurvenüberfälle umgeben, ver ſeit der Abtretung 
splend unbenutzt und unbewoßnt blieb. 

Re Aleine Kirche 41) an ber rechten Uferfeite des Baches ges 
wo auch die meiften Häufer ſtehen, iſt ganz hübſch, im Kreuz 
hwarzer Lava erbaut, aus dem 8. ober 9. Jahrhundert, 54° 
30° breit, ver Durchmefler ihres Doms 15‘. Seit ihrer Grüne 
bat fich der Boden umber fo fehr angehäuft, daß Die Seiten⸗ 
ı 8 zum Querballen unter der Bodenanhäufung ſtehen. 
Srabfteine umher beflätigen ihre hohes Alter. Einer berfels 
vom Jahr 955 n. hr. Geb., von einem gewifien Ifaa ge» 
mb wabrfcheinlich wol eben fo alt ift die Mauer, der er ein» 
it. Im Innern ver Kirche, auf einem Pfeiler des Doms, 
Infchrift von Kalig 1., genannt Chahorcha, Sohn Achad II, 
ı Jahr 989 König von Armenien ward, und dem Dorfe Arg⸗ 
Befreiung von Abgaben gab, ein Vorrecht das bie Dörfler 
vergeſſen Haben, die, unter einem Stephan Aga ſtehend, der 
na Kitel Melik beilegt, ihre Abgaben zahlen wie alle andern 
aften. As Tournefort im I. 1700 dieſen Ort, den er 
In 12) nennt, befuchte, führte er nafelbfi, wie auch ſchon 
din, das Klofter des Apoſtels Arasilvanc an, weil man 


Fr. Dubois Voy. III. p. 465. ?'?) P. de Tonrnefort Relatio 
Tun voyage du Levant etc. Amsterd. 1718. 4. p. 146. 


ker Grbfunde X. 8h 








482 Weſt-Aſien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $.: 


vaſelbſt Reliquien von St. Andreas und St. Matthaeus gefun 
haben wollte; die Kirche ſcheint To urnefort zur Herberge ged 
‚zu haben. 

Seiner hohen Lage ungeachtet, war doch im Herbft 18 
als Barrot 1?) Hier ankam, vie Peſt auch bis in dieſes Dorf ı 
genrungen; er zog ed aus biefen und andern Gründen daher 
feine Station in einem 3 Werft oder breiviertel Stunden in 
Schlucht aufwärts gelegenen Eleinen Klofter St. Iucob au 
fehlagen, wo er auch bei wem dortigen Archimandriten, Bart 
(d. i. Doctor) Karapet, eine gütige Aufnahme fand. Em wü 
ger Greis in fchwarzer Kapuzinerfappe auf dem ‚greifen Hau 
in abgefchabtem Gewande von blauem Zeuge, in wollnen perfif 
Strümpfen und Pantoffeln, mit dem Roſenkranz in der Hand, 
aus der niedrigen, einfamen Kloftermauer. heraus und empfing 


ewohlwollend. Die Schlucht, in meldyer dies Klofter in einer ſeht 


deutenden Höhe Liegt, fleigt mit ihren Steilwänden zu beiden t 
ten 1%) an 1,000.%. über ihre Tihalfole empor, findet aber in e 
Entfernung von 2,000 Xoifen, gegen das Innere des Berges 
ſcheinbar ihr Ende, mo vie gefchloffene Wand des Ararat-Ke 
unzerriffen ſenkrecht emporſtarrt. Diefer Einfchnitt, der an 
Norvoftfeite auch ſchon aus weiter Berne fichtbar iſt, beginnt a 
dings fihon am Gipfel, aber nur mit einer flachen mulbenart 
—— die erſt in größerer Tiefe ſich zur Schlucht geſta 
zeit ſchroffen Wänden, die durch Nebenfchluchten zu beiden S— 
zerflüftet iſt. Erſt in ihrem untern helle, in ver Kloſtergeg 
erweitert fie ſich und wird abwechſelnd von Steilſtufen begrenzt 
fie ſich 2 bis 3,000 Fuß unterhalb bed Kloſters wieder zu fia 
muldenartigen Vertiefungen umbilvet, die zulegt in die Araxesr 
übergeben. Sie liegt überall voll mächtiger Felſstrümmer; bei ei 
Tünftigen wiffenfchaftlichen Bejuch würde eine genauere Erforſch 
des Innern Theiles dieſer Schlucht, die freilich beſchwerlich gu 
fein mag, doch recht wünſchenswerth fein. Von Behaghel ent 
hei einer Excurflon in dieſelbe in Ihres Tiefe einen Gletſchera 
und war geneigt, ihn, wenn irgenb wie dem Ararat ein Kı 
angehörte, für den Ueberreſt veffelben zu halten. - 
Dubois, der in viel zu ungünfliger Jahrszeit, noch vor 
231. März, 19) in Arghuri war, konnte aufwärts in ber Schl 


2 Parrot R. IJ. S. 116. 10) 9, De b. Parrot Reife 
. 183. .25) Fr. Dubois Voy. 2 p. vr mm ' 


De Bi en De 
% 





Euphratſ.; Nordfuf des Ararat, Klofter St. Jakob. 483 


wegen des gewaltigen Schneewafſſers kaum bis zu dieſem Klofter 


vordringen, obmol ihn an den von Schnee entblößten Stellen doch 


ſchon die frühzeitige Blüthe einer Colchicum⸗Art (Merendera Cau- 
casica) erfreute. Er fand in St. Jacob nur eine Eleine Kapelle am 
Rande einer natürlichen Terraſſe von ein paar Hütten umgeben, in 
denen ein paar Monche wohnten, welche die Kirche bevienten, und 
dabei ein paar ſchattige Bäume, von Arghuri aus daB einzige Grün, 
eine alte Krüppelmeide am Wege über dem Dorfe audgenommen, 
die Hier aus einem Breite von Noahs Arche Wurzel gefchlagen 
haben foll, und »iefem Umſtande ihre Erhaltung als unantaftbar ver- 
dankt. | 


Im Ealten feuchten Innern des Fleinen Kloſters und der Kirche, 
deren Mauerwände die Schneewafler purchriefelten, fanden fich meh⸗ 
tere armenifche Inferiptionen, eine von Jahr 1271, eine andere vom 
Jahr 1274, die aber bei der Dunkelheit und Entſtellung durch viele 
hunderte roh von Pilgern darin eingekratzter Kreuze zu ſchwer zu 
tntziffern waren. Nicht vom Apoftel Iacobus, fondern von einem 
Mönde des Namens, erzählt bie Legende, 26) ver ven Ararat ver 
geblich zu erfteigen fich.abgemüht, fer die Kirche erbaut. Nämlich an 
derſelben Stelle, zu welchen er”jene Nacht wieder zurüdtrutichte, wenn 
er am Tage zur Ararathöhe hinaufzuflettern verfucht Hatte. Er 
Wurhe aber durch einen Engel ſchon für fein eiftiges Streben nad) 
dem Uinerreichbaren mit einem Sragmente der Arche belohnt, mit 
dem Bedeuten, daß es keinem Sterblichen vergönnt ſei, die Stelle 
der Arche zu crrichen 

Für dieſe Reliqule wurde eine Felsgrotte zu Kieghart als 

Kapelle ausgehauen, wo fie bis heute gezeigt wird, obgleich fie auch 
ir Eiſhmiadzin zu den dortigen Reliquien gehdten fol. Durch dieſe 
Legende iſt ver Wahn der Unerfleiglichkeit des Ararat fo fehr 
Img Lande fanctioniet, daß aller Beweiſe ungendhtet die wirkliche 
Erſteigung von keinem Armenter geglaubt, und felbft von vem 
Stephan Aga over Vorficher des Dorfes Arghuri, der wenigſtens 
theilweiſe Theilnehmer an derſelben Erſteigung war, abgeleugnet 
warn. Er bemerkte teonifch, feine Biegen fünnten 47) eber dort hin⸗ 
nflömmen als die Menſchen. 

Dubois konnte am 20. Mir nicht aiamal bie dreiviertel 

Gtunden über dem Kloſter gelegne Quelle mit einer kleinen Kapelle 
— — 


'*) Pit, de Tourmefort Refit.- I. p. 183; vamet Reiſe, I. S. 136. 
\?) Dubois Voy. III. p. 471. 
552 





> 








284 Welt: Afien, II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 33. 


erreichen, weil die Schneewaffer daſelbſt noch zu tief den Boden 
bedeckten. Keine freie Felswände waren anftehend, nur in den ge 
wälzten Irummern bemerkte er 10 bis 15 Buß im Durchmefte 
mächtige Melaphyrfelfen, in rothen und ſchwarzen vulcaniſchen Gruf 
und Rapili vergraben, und verſchiedne Bragmente porphyrartigen 
Sefteine. Die Gebirgsfchlucht, in deren Schug fowol das Dort! 
Arghuri wie daß Kloſter St. Jacob Liegt, theile ſich wieder oberhalt 
in zwei Arme. Die eine Spalte fegt tiefer in das Herz des Bergi 
ein, die andere wendet fich mehr zur rechten Seite, un» zeigt nod 
einige Reſte gänzlidy vergeffener Wohnungen. Tournefort. er 
zö6lt, daß er bier Tiger19) gefehen, die im bürren Sommer bei 
Dur zur Tränke treibe (mol Tigerkatzen over Luchfe? denn went 
fon norbwärts, Erbf. IL ©. 1125, 118, 653, fo iſt uns doch 
fonft £eine Verbreitung des wahren Tigers aus feiner aflatifchen 
Heimath fo weit gegen’ ven Weften bekannt geworben). Auf Du: 
bois Nachfrage kennt man ihre Vorkommen gegenwärtig dort nid 
mehr, wol aber werden wilde Ziegen (Capra aegagrus Linn.) 
und wilde Schaafe (Ovis musimon), 20) ald Bewohner der dor⸗ 
tigen Belsklippen genannt, von legten gab derſelbe Reifenve ein 
ſchönes Cxremplar der daſelbſt erhaltnen Hörner in das Berliner 
Muſenm. Barrot fpricht während feines Aufenthaltes daſelbſt von 
Wölfen, 22) deren zu feiner Zeit einmal 5 Stud ein Kalb von 
der übrigen GHeerde erjagien; in ber anliegenden Araresebene aber 
von fehr zahlreichen und ungemein großen wilden Schweinen, bu 
zur Erntezeit großen Schaden in ben bortigen Kornfeldern anrich⸗ 
ten, und deshalb durch Hundehatzen erjagt werben. Sie find es, die 
in jenen Schilfmalbungen die breiten Wege treten und fie fo gang 
bar machen. Gin. folyer erlegter Eber 22) von aufßerorbentliche 
Größe wog 280 Pud (1 Pup = 40 Pfund); ein Ochfe Enid 
unter dieſer Laſt zufammen; nur 2 Dchfen Eonnten die Ladung fork 
Bringen. Der Edel der Mohamedaner vor dieſem Thiere läßt daſſelbe 
zu ſolchem Gedeihen gelangen. 

Das Leine St. Jacob Klofter, dad beinahe 6,000 8. bed 
über dem Meere (5,982 %. Par. nach Meffung, 2%) alſo doch fchen 
3,283 F. relativ über der Ebene des Araxes) erhaben liegt, hart am 
zechten, 25 Buß Hohen Ufer des Arghuribachs, zwiſchen Mia und 





vs) P. de romelen. Rel. il. p. 147. 30) Dubois Voy. III. 
P: 473. e) Barrot M. 1. & 206. . 92) ebend. IL G. 43. 
2) ebend. ©. 208. og 


\ 


x 





Euphratf.; Nordfuß des Ararat, Klofter St. Jakob. 485 


Degradten Abhängen der Schlucht, die Hier an 600 bis 700 Fuß 
Ziefe bat, wurde nun bie Herberge der Academiker, 2*) und in dem 
Hofe legte man das Ohfervatorium für den Aftronomen an. Die 
Geſellſchaft dieſer erſten wiffenfchaftlichen Expedition am Ararat bes 
Rand aus 17 Mann und 11 Pferden; 5 Gelehrte, ein Geiſtlicher, 
ein Feldjäger, 6 Kofaden, 4 Soldaten, deren einer den Koch machte. 
Der Feldjäger beforgte die Nahrung aus Erivan; das Pferbefutter 
war Gerfte, da Fein Hafer in ver Nähe gebaut wird. Schaafe 
gaben die Heerden, die Schilfmoräfte an den Schwarzbächen wilde 
Schweine und Wild, die Zlüffe gedorrte Fiſche, und der Gokiſchai 
oder Erivan-See wohlſchmeckende Lachsforellen. Das Dorf Argh⸗ 
ari lieferte Eier, Hühner, Milch. Vorräthe aus der Ferne wur⸗ 
den berbeigefchafft, als Linfen, Grütze, gedörrte Aprikofen, Kiſhmiſh 
(6.1. Rofinen ohne Kern), Reis, Zwieback, Salz, Pfeffer, Thee, 
Zucker und Rum; der gute erivanfche Wein mußte für das fchlechte 
Atinfwafler entfchädigen, da.gutes Quellwaſſer überall jenen vul⸗ 
caniihen Gebirgen fehlt. Loſch ift das allgemein dort übliche Brod, 
wie dimne Pappe in ellenlangn Stüden, aus ſchwach gegohrnem 
Zeig gefnetet, an heißes Eiſenblech geprüdt und fo gebaden, daß 
es zugleich als Tifchlafen ober Serviette dient, in das man, wie in 
Dad Norweger Brod, allerlei Fiſch, Fleiſch, Gemüßftengel u. f. w. 
einwickelt, und dann Hinterfchludt. Der Archimandrit nannte das 
Kofer St. Gregor, und jene kleinere, etwa 1,000 Fuß Köher auf 
Km Nande der Schlucht angeflebte Kapelle, neben ver auch von 
Dubois genannten Quelle, die St. Jacobs Kapelle. Erſt gegen 
Erde von Barrots 2°) Aufenthalt wurbe er non dem mehr un. 
tertichteten armenifchen Diaconen Abowian auf einen Stein in ber 
Raum der Kloſterkirche aufmerkfam gemacht, der ven wahren Na- 
men mihält, deſſen armenifche Infeription folgendes ausſagte: 
‚A Gottes Gnaden gelobe ih Mechitar und meine Frau Tamar 
„Atem Kiofter St. Jacob all unfer Geld und die heiligen Bücher 
vgegen das DVerfprechen, zu unfter und unſrer Nachkommen Ges 
Dichtniß viermal Im Jahre unfer in der Meſſe zu gedenken.“ Die 
Finzugefügte Jahreszahl 737 nach der armenifchen Aera, die erfi 551 
na) Chr. Sch. beginnt, zeigt, daß dies Document dem Jahr 1288 
angehörig iſt. Der alte Archimandrit hatte, wie fich hieraus ergab, 
ine Daten ſich irrig ausgelegt. | 


m 
%) Parrot 1. S. 147. 26) ebend. ©. 205. 








486 WeftsAften. I. Abtheilung. J. Abfchnitt. $.3: 


4) Der große Ararat und feine dreimal wiederhol 
Erfleigung. 

Ein längerer Aufenthalt von Mitte Seytembe er bis En! 
Detober, mährend deſſen mehrere Erfteigungsverfuche der höchſt 
Gipfelhögen verſucht und ausgeführt, und viele Beobachtungen uf 
die Natur ded Gebirgs und feiner phyficaliſchen Verbältniffe, 1 
aftrongmifche und trigongmetrifche Meffungen zu Stande gebra: 
wurden, bereicherte die Erdkunde wit vielen neuen Ihatfachen, ver 
Sauptergebniß wir in folgender: Monographie zufammenfaffen. 

- Schon aus weiter Berne erfannte Parrot?) an dem Nor 
abhange des 16,254 Fuß abfolut hohen, und 13,530 Fuß relaı 
über der Araxesebene auffleigenven großen Araratkegels ı 
tiefe finſtre Schlucht von Arghuri, die ihm einer Spal 
gleich jchien, in welche der- Berg bei feiner Erhebung aufgeborft 
indeffen Andere fle wol für einen audgebrannten Krater gebalt 
hatten. Reineggs wollte darin einem Schlund ſehen, ver im Jal 
1783 im Januar und Februar Rauch und euer ausgeworfen ba’ 


was ihm ohne weitered Zeugniß damals nicht geglaubt werk 


fonnte, 27) was aber eine lehrreiche Beflätigung erhalten. könr 
wenn der im vorigen Jahre angekündigte furdhtbare Erdbebeneinſte 
im Ararat wirklich flatt gefunden Hätte, worüber wir mit Sehnſu 
den wiffenchaftlichlichen Berichten ver Peteröburger Academie ent 
genfehen. Der Nordabhang des Kegelö, die fleilfte Seite, nimı 
eime Strecke von nicht vollen 44 Stunden (20 Werft) Länge e 
der. Nordweſt⸗Abhang eine Stredde von etwad mehr ald 6 Sa 
(30 Werft). Bom Gipfel abwärts, eine gute Biertelftunde (1 Wem 
ſenkrecht, oder in fchräger Richtung faft eine Stunde (4 We 
weit abwärts, hat er ewige Schneedede und Eis, veilen uxs 
rer Rand nad ver Erhöhung und Vertiefung des Vodens au 
zackt ericheint. Aber an ver ganzen nötplichen Hälfte des Bei 
zieht dieſer Schnee als eine flarre von wenig Felszacken unterbrod) 
Krufte hinauf zum Gipfel, und über dieſen hinweg auf ver fü 
lichen Seite wieder bis zu einer etwas geringern Tiefe hinab. Di 


iſt das Silberhaupt des Ararat. 


Der Eleine Ararat, Feine volle 4,000 F. niedriger als ki 
erhabner Nachbar, noch immer 12,284 Fuß über dem Meere, wen 


»20) Parrot, Reife 1. ©. 119. 27) v. Hoff, aeiihte ber natüt 
lihen Veraͤnderungen ber Erdoberfläche, 2 I. ©. 111; Ke 
Porter Trav. Vol. 1. PD 189. 





I 


Euphratfyſt.; Großer Ararat, Erfteigungsverfuche. 487. 


alfo nicht von des Montblanc und Montrofa, doch immer von des 

Tyroler Riefen, des Ortles, Höhe, trägt dennoch feinen ewigen 

Schnee (unter 39° 39 Nördl. Br.), fondern im September und 

„ Detober, wahrſcheinlich auch ſchon im Augufl, und in. warmen - 
Jahren noch früher, iſt er ganz frei von Schnee. Seine Abhänge 
And viel fteiler als die feines größern Nachbars, faft rein kegel⸗ 
förmig auffteigend, vol feiner Furchen, vie fih vom Gipfel 
ſtrahlig herabziehen, und feiner Anficht einen eigenen anziehenden 
Character gehen. 

Beide großartige, ſelbſtſtändige iſolirte Gipfel find jedoch „nicht 
ganz ohne Verbindung mit anderen -Bergumgebungen geblieben, wie 
wir ſchon oben gezeigt haben, wenn auch biefelben nur unterge⸗ 
OTdnete genannt werben müſſen, von denen die gegen Welt und 
Nordweſt die zahlreichften find, unter denen auch einzelne fehr fleile 

tgelformen auffallenn hervortreten. 

Statt der frühern nur unvollfommnen, meift durch optifche 
Taͤuſchung in Spige wie Höhe übertriebenen Abbildungen bei Char= 
din, Tournefort, Morier, Ker Porter, 28) haben wir in 
Neuerer Zeit einige genauere brauchbarere Umriſſe erhalten, vie jedoch 
wegen ihrer meift einfeitigen Auffaffung und wegen des Eleinern Maaß⸗ 

es 29) noch keineswegs für einen fo großen und beveutenven Natur⸗ 
gegenftand befriedigend genannt werden Eönnen. Die beften mit größerer 
Sorgfalt gezeichneten Anfichten find die von Dubois 3%) von Erivan 
aus; und die 4 von Parrot gegebenen: 1) der Fleine und große 
Ararat, fünlih vom Kloſter Etſhmiadzin 31) von Hagen; 2) bie 
Anſicht derſelben von der NN.O. Seite, von dem Dorfe Syrbag⸗ 
han aus gezeichnet; 3) die nahe Anſicht vom Kloſter St. Jacob in 
Aquatinta, fehr fhön, aus ver großen Schlucht ſelbſt genommen, 
IND 4) vie AUnficht Keiner Gipfel von der Norbfeite von Kanakir, 
i Grivan, gezeichnet. 
— —— 
=) Chardin Voy. Amsterd. 1735. 4. T. I. p. 210, eine Anficht von 

Grivan aus; Tournefort 1. c. IL p. 139, Anfiht von Etſhmiad⸗ 

jin ans; Ker Porter Trav. II. p. 623. Tab. 84, Anſicht von Gri⸗ 

van aus; J. Morier Second. journ. Lond. 1818. 4. p. 335. 

Tab. XII. von Grivan aus. 2°) W. Ouseley Trav. Ill. Plate 

LXXIX. 1) Anficht von Nakhſhivan, 2) von Sharur, 3) ven Grivan. 


10% Dubois Voy. Atlas pittor. Serie. II. Planche 34. 
aij Parrot Reife, I. f. zu ©. 87, 125, 126, 234. Taf. 1 — 4 





488 WefAfien, TIL. Abteilung. IJ. Abſchnitt. $.35. 


Erfter Erfleigungdverfuch (ven 12. — 14. Sept. 1829). ®) 
Gleich nach ihrer Ankunft verfuchte Parrot am 12ten September 
1829 die erfte Erfleigung des Ararat. Seine Begleiter waren 
der Stud. medic. Schiemann, ein Koſack und ein Iagpbauer aus 
Arghuri. Es ging vom Et. Jakob⸗Kloſter in der Thalfole auf⸗ 
wärts bis zu ber Eleinem Kapelle, die häufig von Bayazed aus bes 
wallfahrtet wird und bie ihre Errichtung wol des Elaren Quelle 
verdankt, die neben ihr fpringt, der einzigen unter allen auf 
den zablreihen Excurſionen Parrot, die er auf bem 
Ararat gefunden, ver eben fo quellenarn wie ver Alagbez if, 
ein Charakter der Vulkanberge überhaupt. Sie gilt ven Arme⸗ 
niern deshalb als Wunberquel. Don der Kapelle an wurde eine 
begrafete Anhöhe überftiegen, welche das rechte oder äftliche Gehänge 
ber Kluft ausmachte; des großen Hitze erlag zunächft ver Kofad, ver 
zurücdbleiben mußte. Abends 6 Uhr wurden, nach großer Ermü⸗ 
bung, zmwifchen Feldtrümmern bei 11,675° die unterſten Schneefleden 
an fchattigen Stellen erreicht. Die Nacht brach ein, das Thermo⸗ 
meter fiel auf den Gefrierpunkt und ver athletifche Iäger aus Ar» 
ghuri, Sahak (d. i. Iſaak), ward in. feiner Sommerfleivung ganz 
muthloß. 

Am 13. September mit der Dämmerung wurbe weiter bie öſt⸗ 
liche Seite des Bergs emporgefliegen; man war bald dicht am Ab⸗ 
bange, ber fih unmittelbar vom. Gipfel herabzieht. Hinter dem 
rundlichen Rafenhügeln, die auf der Aquatinta-Anfiht Nr. 3 links 
zu fehen, hinter denen zadige Felskämme herabfegen, war man in 
einer Region vol Klüfte angekommen, zwifchen welchen fich Gletſcher⸗ 
maffen einſenken. Der erfie Felskamm wurde glüdlich über 
fohritten und dann auch der darauf folgenvne ſchöne Gletſcher. 
Auf der Höhe des zweiten Felskamms angelangt, verlor aud 
Sahaf, der noch von der Ealten Nacht erflarrt war, ven Muth, weis 
ter zu fleigen. Ihn Hielt der Froſt wie jenen die Hige zurüd. Nur 


2 


Schiemann blieb bet der wachfenden DBeichwerde noh Parrots — 
einziger Geführte Der zweite Gletſcher wurde glüdlich über = 
ftlegen und der dritte Felskamm erreicht. Diefer wurde ſchräg auf— 
wärts überklettert, und Hinter demfelben, bei 13,180 Fuß Höhe, dere 
untere Rand der Eisrinde erreicht, die von hier nun ohne 
Unierbrehung zum Gipfel hinanzieht. Nun ging e8 ven ewigen 
Schneetegel ſelbſt hinan. Obwol er nur unter einen Winkel vor 





033) Parrot Reifen, I. S. 128 — 138, _ 





a —— 


En Ze 


Euphratſyſt.; Großer Ararat, Erfteigungsverfuche. 489 


30° über ven Horizont fich erhob, fo war fein Aufftieg in graver 
Richtung doch für nur zwei Menſchen unmöglich. Alſo ging’ _ 
ſchräg aufwärts zu einem langen Felskamm, der fich fehr hoch an 
den Gipfel Hinanzieht, Davon man auf beiden genannten Zeichnun⸗ 
gen Nr. 2 und 3, zur linken Seite des Berge, eine Eleine Spur 
angegeben findet. Man hieb ſich Tritte mit ven Eisſtöcken ein, er 
reichte den Felskamm und z0g neben ihm, wo fich ver frifche Schnee» 
fal etmaß tiefer als auf dem Eife angehäuft hatte, gerade aufwärts 
zam Gipfel. Die Anftrengung war groß, die Zeit fchon bis 3 Uhr 
vorgerückt. Faſt das oberfte Ende des Felslammes war bei 14,550 F., 
alſo auf Montblanc⸗Höhe, erreicht. Doch lag der Gipfel noch fern, 
hoch und klar vor dem Auge. Die wenigen noch übrigen Stunden 
hüten bei fortgeſetztem Anſteigen dort nur mit dem Dunkel anzu⸗ 
kommen geſtattet; Felsſchutz für die Nacht und Lebensmittel fehlten. 
Der Berg war von diefer Seite nicht unerfteiglich, fo viel zeigte 
fh mit Sicherheit. Die Umkehr ward beſchloſſen. Aber das fleile 
Ginabgleiten brachte zu Falle und zu unmwillfürlichen Hinabſchurren. 
Schieman riß Parrot mit um und beide ſchurrten ſchon befinnungd« 
los hinab, bis fie am-untern Rande des Gletſchers blutrünflig, zer- 
(belt und zerftaucht noch von ven Lavatrümmern aufgehalten wur» 
dem. Barometer, Chronometer u. f. w. waren zerfchmettert, alle 
Sachen aus den Tafchen geichleupert, doch kamen fie glücklich genug 
No mit dem bloßen Schrecken davon. Ziemlich gefammelt Eletterten 
fie nun vie Klippen hinab bi zur Grasregion, mo Sahak fie er. 
wartete und von gefammeltem Geftripp dad Nuchtfeuer loderte. Am 
Orgen des dritten Tages nahm man um 10 Uhr die Rückkehr 
Zum Kofler, wo ein gutes Frühſtück und vollfaftige Pfirfich nach 
ſolcher Strapaze labten. Das erlebte Unglück wurde als Geheim- 
Ni bewahrt, denn es würde nur als gerechte Strafe Gottes für ven 
‚ den Berg erfleigen zu wollen, gebeutet worden fein und jeden 
ferneren Verſuch unmöglich gemacht haben. 

Wirklich waren alle frühern Verſuche mißglückt. Tournefort 
drang am erften Tage nur bis zu der Station 33) der Hirten vor, 
die port noch ihre Schaafe weideten und um feinen Preid zu bee 
Wegen waren, ihn weiter aufwärts zu begleiten. Nach zwei Stun- 
den Wege Höher hinauf, bis zu einer Schneeftelle, wurde ihm das 

zu beſchwerlich, der gänzliche Quellenmangel verfegte In 
aArdie Sorge und die Ausbeute der Kräuter war dem mit der 
— — 
®}) Tournefort Relat. 1. c. IL. p. 148 etc, 


f_ ie 








490 WeftsAfien. II. Abtheilung. I. Abfchnitt, $,35 


Höhenflora noch wenig vertrauten Naturforſcher zu gering, ua 
noch mehr Kräfte aufzubieten. Statt ſich zu freuen, den Geſetze 
der Climatif gemäß, auf größeren Höhen die Pflanzen der Tühlere 
Heimath wieder zu finden, war ed ihm ärgerlich, daß fo gemeir 
Gewächſe, mie Cotoneaster, Hieratium fruticosum, Jacobaea, Fr: 
garia, Euphrasia u. a. fich hier zwifchen fo wenigen neu, ung 
denen er Lychnis oriental. max., Geum orientale, und einige aı 
dere nennt, vorfanden. Seine Ausbeute war in ver That nur 9 
sing zu nennen, Andere hatten e8 gar nicht verſucht, ven Berg 3 
erfteigen, fondern immer nur nach der DBolkömeinung der Armenic 
wiederholt, daß dieß ganz unmöglich Fei. 

Parrot erfuhr, daß jedoch der Paſcha von Bayazed, ver Du 
ter Behlul Paſcha's, vie Abficht gehabt, den Berg zu erfleigen 
Dies war aber mißglüdt; er kam nur fo weit, als fein Pferd ihı 
tragen Eonnte, alfo nicht einmal an den untern Rand der Schnee 
grenze. Der Schach von Perfien follte einen Preis auf die Erſtei 
gung des Gipfeld gefeßt Haben, ven aber Niemand gewonnen hattı 

Zweiter Erfleigungdverfuch (pen 18. — 20. Sept.) * 
Mit mehr Begleiteen und Xaflthieren, mit Proviant, einer Bleiplatt 
und einem ſchwarz angeftrichenen Kreuz von Tannenholz, 104 Fu 
hoch, verjehen, das vom ‘Priefter eingefegnet war, wurbe ber zweit 
Verſuch am 18. September begonnen. Die Herren Parrot, vor 
Behaghel, Schlemann, ein armeniiher Diacon Abomiaı 
bildeten vie Gefelfchaft; vier armenifche Bauern aus Arghuri, vrı 
ruffliche Soldaten, vier Kaflochfen mit einem Treiber begleiteten flı 
und der Dorfältefte Stephan Aga Melif. Als befter Führer riet 
biefer, diesmal den Gipfel von der N.W.-Seite zu erfleigen, we 
diefer Abhang zwar länger, aber weniger: fteil fei als der öftlich 
Man z0g die. erfie Werft am linken Thalgehänge hin, flieg dan 
an ihm hinan, überfchritt quer den noͤrdlichen Abhang in weſtliche 
Richtung ohne große Schwierigkeiten. Bis dahin gehen noch Vieh 
pfade; anfangs fand man zwar den Voden. noch mit vwerbortter 
Graſe und wenigen blühenden Kräutern bedeckt, dann aber fam maı 
zu einer mit vulkaniſchem Sande und bimsfleinartigen 
Gerölle bedeckten Gegend, unfltreitig viefelbe, welche aud 
Tournefort erreichte und die er wegen des fo beſchwerlichen San 
des und der ſchmachtenden Dürre mit einer afrikaniſchen Syrte ver 


_— 
34) Parrot Reifen, J. ©. 138 — 146. 


Fans, 
D 





t 


% 


— 





jen feit ver Behringsſtraße, dem Auge bald gänzlich verfchwin 


| Euphratſyſt.; Großer Ararat, Erfteigungsverfuche. 491 


gleicht 35) Parrot, ver gehbtere Höhenbefleiger, fand diefe Bes 
ſchwerden übertrieben, er ging in Öftlicher, inner. ſteigender Höhe 
meter, bis er Die fleinige Region erreichte, vie unterhalb ver 
Grenze ded ewigen Schnees ringd um den Berg herum eine 
breite Zone einnimmt und aus lauter eigen (aljo nicht gewälzten) 
großen und Keinen Trümmern vunfelfarbigen, vulfanifchen 
Geſteins beſteht, das chaotifeh wild bald rauhe Mauern bilver, 
bald zackige Kämme mit zwifchenliegenden engen falten Schluchten, 
die mit Gletſchereis gefüllt find. Gier führte nur noch ein fchmaler 
Viehpfad ver Heerden, die im Hochſommer bis hieher ihr Futter. 
jugen, zu einer großen, mit Gras bewachſenen, faft horizontalen 
Sammerwiefe, alfo eines wahren Schweizeralpe, zwiſchen 
der wildeſten Trümmergegend ‚auf ber Nordweſtſeite ausgebreitet. 
Weiter konnten die Pferde nicht kommen, fie wurden mit ven Kos 
ſacken zurũckgeſchickt, bis auf einen perfifchen Klepper, ver ven Stephan 
Melik noch zu viel feilern Höhen hinan, trug. Die erreichte Alpe 
heißt Kip⸗Ghioll, d. i. Kip- Quelle, in Folge eines früher 
von dem perfiſchen Gouverneient beabjichtigten Canals, ver dazu 
dienen follte, die Schnenvaffer zu jammeln und einem Bache zuzu= 
führen, an bem vor Zeiten ein Dosf, Borgan, am Wege nad 
Bahazed lag, das aber verlaſſen wurde, weil der Bach dieſes Bettes 
ud einem unbekannt gebliebenen Grunde verfiegte. Man war bier 
nach fünf Stunden Steigend um 11 Uhr auf einer Höhe von 
10,862 Fuß Par. angelangt und konnte eine flärfende Suppe fochen, 
weil Viehnünger binreichenves Brennmaterial gab. Gleich über dies 
ſet Grasebene hebt ſich der Ararat ſehr ſteil empor, doch iſt er gut 
ZU erſteigen, weil er mit etwas Dammerde bedeckt iſt und noch 
Orgasmus hat. Aber bald tritt man wieder in vie öde Fels⸗ 


Tegion ein, die bis an die Eisregion reicht. Auf viefem Wege 


lam man, unfern dem Kip Ghioll, an einen bedeutenden Gletfcher, 
den der Berg mit Trümmern und Lavaſand libervedt bat, fo 
daß man fhon Heutzutage das Eid nur noch in den tiefen Spalten 
wahrnimmt. Bleibt daſſelbe Verhältniß ver Ueberſchüttung wie 
spe dauernd, fo wird der fchon Halb verborgene Gletjcher 

Auge bald ganz verſchwinden und gleich jenem von Eſchholz 3%) 
und v. Chamiſſo beobachteten Polargletfcher im Kotzebues Sunde, 


— — 


2) Tourneſort Relat. II. 149. 20) O. p. Kotzebue Entdeckungs⸗ 
Reifen in die Südſee. Weimar, 1821. Th. 1. ©. 146, 


\ 


[2 





292 - WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.; 


den. Parrot fihien dieſer Gletſcher Feine Fortſetzung 
Eishauptes ſelbſt zu fein, vielmehr gefonvert für fich zu beflel 
doch könnte er vielleicht unter ver Steindecke mit dem Gipfelglen 
zufammenhängen. - 

Der untere Anfang einer Schneebank, die fich un 
telbar von der Schneeregion des Ararat herzog, wurde 
abfoluter Höhe —= 11,844 F. Par. über dem Meere beobachtet. 
Abend um 6 Uhr war bie Höhe von — 12,346 %. über dem Mi 
nicht weit mehr von der Schneegrenze, erreicht: Bis dahin 
ten Ochſen den Holzvorrath gefchlenpt, felbft des Meliks Kle 
kam bis bieher, wo man das Nachtquartier nahm. 

Dad Nachtlager bei geringem Feuer war Tal, Am Mor 
des 19. Sept., bei 14° inter dem Gefrierpunft, ſetzte man fich 
halb 7 Uhr wieber In Marſch. Nach zwei Stunden Zeit war 
ewige Schnee und dad Eid erreicht, d. h. wo die zuſamm 
hängende Eiömaffe beginnt und ihre Grenze nah un 
finvet. Bet = 13,448 $. über dem Meere beginnt die ununt 
brochene Eisflädhe. Der Weg bis dahin, vol fehr ſteiler F 
gehänge, war durch die aufgeſtapolten Blöde mit ſcharfen Kar 
nicht mehr gehbar, fondern nur mit Sand und Fuß zu überflett 
zumal der Trandport des Kreuzes hatte feine Schwierigkeit, vie 
doch ver Heilige Eifer eined ver armenifchen Bauern überwand. 

Mit Heiligem Schauder betrat man nun erft, nach foldhen 9 
firengungen, die mächtige ewige Schneepyramide. Anfä 
Tich war ziemlich leichtes Fortkommen, weil die Steilhelt mäßig n 
und eine Tage frifchen Schnees das Gehen erleichtert. Die wi 
gen Duerfpalten im Eife waren ſchmal und leicht zu überſchrei 
Aber ſchon nach wenigen hundert Schritten wurbe es Schr fi 
Nun mußten Stufen in das Eis gehauen werben, In ben v 
gletfherten Schnee, d. h. in den mit Waffer getränkten und n 
der gefrornen Schnee. Died verzögerte nothwendig ben Fortſchr 
in einer Stunde hatte man ſich in ver Felsregion etwa 1000 7— 
fenkrecht erheben können, bier Eonnte man es nicht bis zu 600 | 
Bringen. Oben auf dem Eisbuckel traf man auf eine 5 Fuß hr 
Gisfpalte, die jedoch an einer Stelle noch hinreichend mit Sc 
gefüllt war, um hinüber gelangen zu können. Don da führte 
nur mäßig anfteigender Abhang auf eine faft wagredte Schn 
fläche, die einen Hauptabfag an diefer Seite des Ararat- bif 
vie auch in allen Zeichnungen als vie Korizontalfläche zunächft d 
Gipfel zu erkennen iſt. Bis dahin gelangt, erhob ſich ein fur 





Euphratſ.; Großer Ararar, wirkliche Erfteigung. 493 


barer Wind. Noch drei Stunden waren, allem Unfcheine nach, zu 
Grreigung des Gipfels nothwendig, aber Schneegeſtöber zu er- 
warten. Hier follte das mitgebrachte ſchwarze Kreuz aufgerichtet 
werden, auf einer etwas gegen den Oſten gerüdten und fo ausge 
wählten Stelle, daß es, durch die vahinterliegende weiße Schnee 
wand gehoben, vom Klofter Etſhmiadzin oder von Erivgn aus ges 
heben werden könnte. In ein in das Eis zwei Fuß tief eingehaue- 
nes Loch wurde daſſelbe eingepflanzt, mit Eisftüden befeſtigt, mit 
Schnee ummauert, fo daß es die Fläche gen Erivan richtete. Die 
daran befefligte Bleiplatte enthält die Inſchrift: „Auf Kaifer Nico⸗ 
lau Befehl errichtet 1829.“ Die Barometerhöhe gab für die Stelle 
8 Kreuzes == 15,138 F. Par. üb. d. M. alſo viertehalbhundert Fuß 
über Montblanc⸗ Höhe. Die Mittagsſtunde war indeß vorübergegan⸗ 
gen, der Himmel verdüſterte ſich, mit Hülfe der Eisſtufen kam man 
Hlüdih Hinab zu der Kip Ghioll, die nun wie ein Paradies er⸗ 
ſchien. Der feuchte, reichlich fallende Schnee wurde im Nachtlager 
am wärmenven Feuer leicht ertragen, und am dritten Tage, 20. Sep⸗ 
tember, Morgens um 10 Uhr Hatte man das Klofter St. Jakob 
Slüdlich wieder erreicht. | 
Dritter Verſuch und wirkliche Erſteigung des Gi⸗ 
P feld (26. — 28. Sept.).””) Das Wetter heiterte ſich wieder auf, 
ES wurde ruhige Luft; das Getoͤſe herabſtürzender Eis⸗ und Fels⸗ 
aſſen ward ſeltener. Der Plan zu einem neuen Erſteigunga⸗Ver⸗ 
Gande wurde in Ausführung gebracht. Der Dorfältefte Hatte ſich 
oh uicht von den Strapazen erholt, er fchlug vie wiederholte Be⸗ 
BSlitung aus, fandte aber doch 5 Bauern und 3 Laſtochſen; zu. die 
ſen geſellten ſich noch 2 Soldaten. Der Diacon Abowian ging mit 
‚und der Stubiofus Hehn folgte, um die Vegetation in grö⸗ 
Bern Höhen kennen zu lernen, doch nicht um die Vegetationdgrenze 
Um überfchreiten. Alles Fam nun darauf an, gleich am erften Tage 
dem Gipfel fo nahe ald möglich zu kommen, um ihn am Morgen 
| %s zweiten fo früh als möglich erreichen zu können. Dan ritt ven 
.  merfien Tag, den. 26. September, bis in vie Nähe ver Grae— 
de Kip Ghioll, und ſchickte von da die Pferde mit dem Kofaden 
mul. Schon vor 12 Uhr war diefer Punkt erreicht; dann flieg 
} Man mit ven Laſtochſen weiter bis zu ven letzten Felswänden; kann 
leß man auch diefe zurück und belud ſich ſelbſt mit ven Kleidern 
m Hol, Halt 6 Uhr Abends war man ber. Schneegrenze, 
— — 
»t) Parrot Reifen, I. ©. 158-- 178. 





———— 











494 Weſt-Aſien. II. Abtheilung. E Abfchnitt, 8.35. 


bei = 13,036 F. P., ſchon ganz nahe, alſo ſchon fo meit, wie bei 
ver legten Erfleigung am zweiten Morgen erft nach 9 Uhr. Hier 
‚ wurde dad Nachtquartier wegen ber größern fchügenven Felsmaſſen 
gewählt; das wärmende euer und eine ſtärkende Zwiebelſuppe 
räftigte die ermüdeten Glieder; der Abend mar ungemein fchön, bei 
440 R. Wärme, die Unternehmung begünftigend. Mit der Morgen- 
dämmerung, am 27. Sept., war ber letzte Trümmerabhang in einer 
halben Stunde überftiegen, die Schneeregion erreicht. Der friſch⸗ 
gefallene und ſchon vergletfcherte Schnee nöthigte, gleich von Anfang 
an Stufen einzubauen, was nicht ohne Ermüdung geſchehen konnte. 
Schon hier blieben 3 Bauern ganz erfchöpft zurück, die andern 
rückten über den großen Spalt hinweg. Um 10 Uhr war man 
(alfo zwei Stunden früher als zuvor) auf ver großen Schnee» 
fläche; das fchmwarze Kreuz wurde in der Entfernung einer Werft 
zur Seite erblickt. Nur ein kürzerer, aber auch fleilerer Abhang 
als der zuräcgelegte war zu überwinden, und zwifchen ihm unb ber 
Außerfien Kuppe ſchien nur noch ein Fleinerer Anberg zu liegen. — 
Aber nichts täufcht dad Auge mehr als die fcheinbare Nähe in äthe⸗ 
riſcher Zuftregion. Mit Hülfe von Stufen überflieg man ven erſten 
fteilften Abhang und die nächfle Erhöhung. Nun aber, ftatt nahe 
am Ziel zu fein, Hatte ſich dem Blicke eine ganze Reihe von 
Hügeln entwidelt, die fogar ven Gipfel felbft verbediten. Do 
wurben fogleich auch einige dieſer Hügel ohne Aufenthalt übers 
ſchritten. Da wehte Gipfelluft; Ich trat, fagt der unermübete Parrot, 
hinter einem der Schneebudel des Abhangs hervor uns — ber än- 
Berfte Kegel lag vor mir. Nur no eine Eisflaͤche war mittel der 
Stufen zu erfleigen und wir flanven, eine Biertelftunde nach 3 Uhr, 
wirtlih auf dem Btpfel des Ararat. Kurze Ruhe auf dem 
Mantel war nothwendig oben auf. der ſchwach gemölbten, faft er — 
förmigen Fläche, von etwa 200 Schritt im Umkreis, die am Rabe 
nach allen Seiten ziemlich fleil abfältt, zumal aber gegen Shy unbe 
Nordoſt. Dies ift das flarre, vom ewigen Eife (v. h wel 
mit einer Eiskruſte überzogene Schneekuppe) gebildete Silber — 
haupt des Ararat, von keinem Feloſtücke unterbrogen — 
Gegen OR Tief dieſer Gipfel am fanfteften aus und fians hier Mil 
einem zweiten, etwas niebrigeren Gipfel durch eine Ebene’ iu 
Verbindung, keiner ganzen Werft Länge (187 Telfen way Je — 
do ro ws Meffung), die von der Ebene des Araxes aus wie elmmmm 
fattelförmige Vertiefung erfcheint. Die aus der Araxedeben⸗ 
von ND. ausgehende Meſſung Fedorows gab dirſelbe vorder — 





ee a 


» 





“ 


Euphratſ.; Großer Ararat, wirkliche Erfteigung. 495° 


Erhöhung um 7 Fuß niebriger an als ven rückwärts oder weſt⸗ 
licher gelegenen Hauptgipfel, ein Unterſchied, der Barrot auf ver 
Höhe felbft viel bedeutender zu fein fehien. | 
Ein weites Panorama eröffnete ſich bier dem erflaunten Blicke, 
aber in fo ungeheuern Abflänven, daß nur die größern Maffen zu 
unterfcheiden waren. Das ganze Thal des Arares deckte ein grauer 
Mebelouft, durch welchen hindurch gegen Norden Erivan und 
Sardarabad nur ald dunkle, handgroße Flecke erfchtenen. Deut⸗ 
licher fah man im Süden die Hügel, Hinter denen Bayazed Tiegen 
ſollte. Am NW. prangte das zadige Haupt des Alaghez, mit 
bedeutenden Schneemaffen in feinen Vertiefungen, eine, meint Bars 
ot, wahrſcheinlich unerreichbare Kelfentrone Zunädft um 
den Ararat, zumal in Südoſt und weit entfernt auch gegen Wet, 
ſah man eine Menge kleiner Berge, meft mit kegelförmi— 
sen Zufpitzungen und Bertiefungen in ihrer Mitte, 
chemaligen Eleinen Vulkanen nicht unähnlih; dann aber ganz 
benachbart gegen D.S.D. den kleinen Ararat, bier nicht mehr 
alt einfache Spitze, fonvern, wie bie Fläche einer abgeflugten Pyra⸗ 
mide, auf den Eden und in ber Mitte mit Fleinern und größern 
Selimerhöähungen verfehen. Aber auch ein großes Stüd des Gokt⸗ 
ſchai-Sees Hinter Erivan erblidte man, eine fehöne dunkelblau 
Mimmernde Fläche im Nordoſt hinter ver hohen Bergkette ſehr deut⸗ 
ich herüber, die den See von Süd her unmittelbar umfchließt und 
de fo hoch if, daß man kaum hätte glauben können, über fie hin⸗ 
weg noch den Seefpiegel zu erfpähen. Das Barometer fland nur 
15 Zoll 2 Linien Hoch bei — 3°,7 Gent. unter dem Geftierpunft. 
Fedorows gleichzeitige Beobachtung im Klofter St. Jakob be» 
die relative Höhe des Gipfels über vemfelben zu = 10,277, 
die abſolute Höhe über dem Meere = 16,254 F. Par. Nachdem 
den Diaronus Abowian auch ein Feines Kreuz am nord⸗ 
duichen / Gipfelrande fo eingefligt war, daß man ‚hoffen konnte, es 
von Arghuri und von St. Jakob aus erſpäht werden, wurde 
Bad keiner vollen Stunde Verweilens auf dem Gipfel der mühſame 
Wicdweg angetreten und um halb 7 Uhr das Nachtlager erreicht. 
Um folgenden Tage, den 28. Sept., fyon um Halb 9 Uhr traf man 
wm Kip Ghioll bei den Laſtthleren und zur Mittagſtunde ins 
Neſer St. Jakob cn. . | | 





496 Weſt-⸗Aſien. 111. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 35. 


59) Refultate über die Gebirgsbeſchaffenheit des gro» 
Ben Ararat; über feine Flora, feine ewige Schnee⸗ 
grenze und feine Seitenattraction. 

A. Gebirgs⸗Beſchaffenheit. 39) Dieſe wieverholten 
Beſteigungen zeigten nach Parrot's Urtheil eine im Ganzen 
einförmige vulcaniſche Gebirgs⸗Beſchaffenheit (viel⸗ 
leicht richtiger und allgemeiner plutoniſche zu nennen, da eigent⸗ 
liche zuſammenhangende Lavaſtröme und ein eigentlichen auswerfen⸗ 
der Krater nicht gefunden wurden). Bald, fah man allerdings ge= 
fhmolzene Lavamaffen, bald Schladen, bald trachytiſches 
Geftein in vielerlei Abflufungen der Farbe und Dichtigkeit, ie 
nachdem die Hige mehr oder weniger auf fie eingemirft und fie 
umgewandelt zu haben ſchien. Faſt durchgaͤngig tritt an viefen Fels⸗ 
maſſen die Natur des Porphyrs hervor, bald mehr, bald weniger 
deutlich, der ja auch als ein plutonifches Product anerkannt if. 
Oft zeigten die Feldarten eine überrafchende Aehnlichkeit mit ben 
von dem Academiker Kupfer am kaukafiſchen Elburs befchriebenen 
Gebirgsarten. Da faft überall nur Trümmer auf Trümmer gehäuft 
liegen, die freilich in fo gewaltigen Maſſen bis tief hinab faft als 
anſtehendes Geftein gelten können, fo bleibt noch vie Natur ver Un⸗ 
‚terkage over des Bergkegels jelbft unbekannt, Ä 

Als Haupturten des Vorkommens zählt Parrot folgende auf: 

1) ſchwärzliche Porphyr- Lava mit glafigem Feldſpath, dem Ararat 
eigenthämlich; 2) fehmärzliche, fchladenartige Lava mit länglich ges 
zogenen großen Xöchern voll Eiſenoxyd (eigmthümlich); 3) ſchwaͤrz⸗ 
liche, pechfleinartige Lava, fehr dicht und ſchwer, in ungeheygern Blöfe 

ten in ven höchflen Regionen; 4) Pechſteinporphyr; 5) PRorphyd⸗ 
Lava; 6) ein fchönes, mittelgraues, vulcanijches Geſtein mit a 
figen Feldſpath, fehr Häufig vorfommend: es iſt eine durch Feuer 
veränderte Porphyrmaſſe, die eine Polktur annimmt und zu Shuud—— 
Keinen ‚dient; ein Kreuz wurbe daraus für die Kaiferin gefertigt IF 
T) ein ſtahlgrüner Thonporphyr mit ſchwächern Merfmalen ul 
niſcher Einwirkung, 9 — 10,000 Fuß hoch am Ararat in Pleite 
anſtehend; 8) Traß in kugligen Maſſen, ver. in vulcaniſchen SuePcc — 
und Sand übergeht; 9) eine ſchwarze, leichte, bimsſteinartige Lang 
mit erbengroßen Poren, ſcheinbar anſtehend; in abgerundeten Enge 
gen Stüden auch nordwärts weithin verbreitet, bis zum 
geblrge; 10) Ob ſidianporphyr, in den obern und mittlern Rue 


gionen ſehr Häuflg; 11) wirklicher Obſidian, In Zu 


»20) Parrot Reife, 1. S. 178. 











Euphratſyſtem; Ararat⸗Flora. 497 


kleineren Naſſen, zumal an der weſtlichen Seite des Bergs; 12) eine 
Art Salz in der finftern Schlucht am Fuße des Gletſchers auf dem 
Bergſchutt. Hieraus ergibt ſich von ſelbſt, daß unſere frühere hy⸗ 
vothetiſche Anſicht von einigen Hier vor Zeiten gefundenen Geſteint⸗ 
arten, die auch ſchon durch v. „Hoff berichtigt ) wurde, irrig war. 
By Ararat⸗Flora. ) Meichere Ausbente fehlte wegen des 
bürren Felsbodens und ver harten nicht leicht verwitternden Lava⸗ 
maſſen, anf denen feine Vegetation, nicht einmal von Ylechten und 
Moofen, haften kann, aber auch, weil +8 in ver Jahreszeit ſchon zu 
fpät war zum herborifizen. Doch zeigten ſich noch überall die Spu⸗ 
son siner hohen Gebirgs vegetätion, mit auffallenden Ver⸗ 
inderungen im Bau im Allgemeinen, wie bei einzelnen Gebilden. 
A wahre Alyenvegetation zeigte fich das Beſtreben ver Gewaͤchſe, 
ſich nicht Hoch über ven Erdboden zu erheben, fondern.einen kurzen 
und flgrfen ober gefrimmten und nieberliegenben Stamm ober Sten⸗ 
gd zu bilden, an welchem Aeſte, Blätter und Blüthen ungemein 
geringe fichen. Die Pflanze, vie ein gewiſſes Maaß der Kälte 
nicht mehr vertragen Tann, bleibt näher am Boden zurück, weil fie 
tin Gedeihen mehr in den obern Schichten ver Atmoſphaͤre findet; 
kan alle Wärme folcher Höhen geht vom Boden aus, den bie 
: Gone direct oder durch Meverberation erwärmt. Da aber auch ber 
Tr Wpen Der Höhe ſtaͤrker durch vie Atmosphäre abgekühlt wird, fo 
ecgibt ſich daraus, wie dieſelbe Pflanze, die in der Tiefe fußhoch 
wäh, auf der Höhe fchon bei ein paar Zoll über dem Boden bie 
Grenze ihres Wahsihuma und Lebens finden wird. Da⸗ 
der verſchwinden Bäume zueft, dann Sträuder, und fo bie 
Gewächſe nad) Maaßgabe ihrer gewhnlichen Bröpe ı und 

Abhärtungsvermögens. 

Die Wurzel bat eine. Tendenz, ſtark und groß zu werben, wo⸗ 
fern nur Nahrung vorhanden iſt, die Blüͤthen find ſehr vollſtändig 
Run prangend mit den ſchoͤnſten Farben im reinen Sonnenllcht, 
Sa find keinetkwegs etwa wegen ver Höhe Heiner ober unvollklomm⸗ 
er in dem Maaße, wit es die übrige Pflanze ift, niemals verkrũp⸗ 
Br in im Gegentheil oft viel reichlicher entwickelt, felbft Ihre Frucht: 
Wa ihr Hauptgeſchaft, das Audhauchen Tuft und dunſtartiger Bes 
na, wird durch die Berbünnung der Atmofphäre eher befür- 

Wert als gehemmt, und u die Erhaltung und. Sortpflenzung iſt 





” .9 N atürl. B d Erbdob 
rer: ef, 46, Mn atfel. Berinberngen der Aebafüce 


Ritter Erkunde. X. Ji 








298 Weſt⸗Aßen. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. . 3 


das Zlel der Naturkraft geſtellt. Aber vie Blätter, die Haut, a 
Mrun an den Pflanzen verkümmetrt unit der Erhebung des Sta 
ortea; obwol tiefe Theile wiel beſſer der Mälte widerſtehen koͤnn 
unterliegen ſie doch einer Schmälerung ihreö Lebensproc 
fes. Au Graͤſern und ſchmalblättrigen Pflanzen zeigt fich dies 
niget als an den breitblättrigen, die fogar Ihre natütliche Fr 
verändern muͤſſen. Sie erlangen nur noch das Anſehn einer. d 
nen Membrane ohne: Grüun, werden aus grün lichtgelb; unverke 
bare Wirkungen, gleichfam Erkrankungen, der verbimnten Atı 
ſphäre, aus welcher die Blätter ihre Nahrungsftoffe faugen fol 
-.. Durch feine Beobachtungen mir’ andern Höhbenfloren, #) auf I 
Kaukaſus, In den Schweizer Alpin 'und auf ven Pyrenaͤen, h 
Barrot fiih ven Maaßſtab zu dieſen lehrreichen Bergleichungen 
der Ararat⸗Flora gewonnen, über vie er Folgendes mitth 

Manche Bilanzen find dieſen verſchiedenen Höhenfloren gentei 
fam um zeigen dann vollſtaͤndigſte Uebereinſtimmung, während 
mit den ſelben Pflanzen der niedern Regionen deſſelben Gebn 
oft kaum noch. fo: viel Aehnlichkeit belbehalten, daß man fie ſegl 
für dieſelben erklären ‚möchte. 'So z. B. das merkwürdige Ceract 
Kasbek , da6 Parrot:ſelbſt noch hoch Über der Schneegrenze 
vom Kasbek⸗Gipfel des Kaukaſus mit fo eigenthümilichen Abweich 
gem auffand. Daſſelbe Cerastiunr. traf der Botaniker Meyer 
von Höhen bed Elbrus, und auch Hier uf Dem Ararat fan 
Bareot wieder, als bie hHöchfte:vortigen Pflanzen. Undz 
mit folder Uebereinfimiung im: ihres ganzen Beſchaffenheit, 
zwifchen ven verſchledenen Exemplaren: des Herbariunid Peine 1 
terſcheidung zwifihen dem Bipfelbewohner des Ro: 
berges und des Prometheudberges zu finden war. 

Diefed. Ceragtium gehört der hoch ſten alpinen: @ewäd 
zone von 12,000 - 13,000 Fuß Aber vem: Mare an. - Eben 
zeigte fi) Saxifraga: muscoidles mit zahlreichen Bläthen, Aber 
Heinen, gegen bie Wurzel ganz. zufammngerrängten menbraki 
Blättern, wähsenn;.bie. Exemplare ve niebrigeren Standes 
ganz gewöhnlicher Veſchaffenheit ohren. . Aster alpinus hler 
auch in den. belegen. Keclyen eine der. ——— Vierden 
— —— , on A Br 


a v. —— un. Be Wartoß Bei in ve Ri u 
Kanfafus. Berlin 1815, 8. Th. j. ©.213: ms die Flora am * 
bek; über die Flora des Mont Rosa derf. in 
Br.XIX. H.4; über: bie nen bee MR 
—28 Dry. 9.1. : | 





Euphrarfoftem; Ararat⸗Flora. 499 


rauheſten Feldgegenden; bier, wie auf der kaukaſiſchen Kasbek⸗Hoͤhe, 
waren bie Blätter ganz Bein, der Stengel Baum einen halben Zoll 
boch, aber vie radförmigen Blüthen ‚ganz friich, groß, mit dem fchön- 
fen pioletten Blüthenſtrahl. Dazwiſchen Draba incompta, zum 
heil nur noch in Blüthe, meift [hen mit Saamen; Arenaria re- 
curva, Aster pulchellus, ungemein zierlich, mit ber Bluͤthenkrone 
auf Fürzeftem Stengel, mit Heinen Blättern, der Gisregion ganz 
nahe, aber Doch nichts von feiner ſchoͤnen Lilafarbe verlierend. Au 
Campanula saxifraga ſehr characterifizente Cimaeinflüffe, wie auch 
en Camp. rupestris im Raufafus und Camp. caespitosa in dea 
Borenäen. Eben foldhe bei Pyrethram caucasicum im Ararat, wie 
ki Pyr. alpinum in ven Pyrenäen. Desgleichen bei Trapogon pu+ 
allam, mit vollkräftigen Blüthen, und bei- Saxifraga. hirculus, von 
en michrere Verwandte auf dem Kaufafus vorkomaun. Un 
:  Atragalas mollis fanden fiy feine Blüthen mehr, wol aber ſehr 
| greße Saamencapſeln, die. gegen die ganz Klein zufammengezogenen 
geſlederten Blätter ungemein contraflistin. Dann eine Potentilla 

her, wie Potentilla grandifiora am Kaukaſus. 
Die geringere, zweite alpine Zone, bie Mittelzone, 
10000 12, 000 Fuß abſolute Höhe, abwärts, zeigt auf aͤhnliche, 
dech ſchon minder auffallend veränderte Weiſe außer den vorigen 
. 106 andere minder hoch aufſteigende alpine Pflanzen: Anthe- 
; mis rigescens, hier als Stellvertreter von Anth. montana auf den 
Porenien- Gipfeln, und Anth. radolphiana auf ven Kaufafus -.Hi« 
Im. Eben fo Ziziphora media, Scorzonera ‚eoronopifolia, Ve- 
waica telephiifolia, Dianthus petraeus, Statice echinus, Hedy- 
| “rum caucasicum, Trifolium trichocephalum mit auffallend gro« 
e en violetten Blüthenknöpfen gegen die überaus Kleinen Blatter. 
Üben fo Pulsatilla albana , Centaurea pulcherrima und ochro- 
; Imea, ganz fo, wie fie Barrot auf dem Kaukaſus⸗Hochgebirge 
huden. U 
Die dritte, untere Region der Vorhöhen, von 7000 
' 8000 Fuß über dem Meere, abwärtß, zeigte an Sträuchern 
mu. zwei Arten: Juniperus oxycedres und Cotoneaster uniflara 
ut fihon reifen Früchten. Wo dis Baumvegetation am Ararat 
see obere Grenze findet, iſt nicht gut zu beflinmen, ba fo be⸗ 
dentende drt liche Hindsentffe anderer Art (durch die: Wateau⸗ 
Kung bedingte und noch andere), als blos climatiſche, vorhan⸗ 
von find, die in der ganzen Umgebung des Ararat weit 
und breit dem bortigen Fortkommen von Bäumen entgegen Trhra. 

| 312 
3 








300 Weft:Afien, HE. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 35. 


Br dem Kloſter St. Jakob, 6000 Kuh über ven: Meere, wo ned 
Mammerde ter, konnten verfihtenene Baumarten noch recht gut for 
tonimen; bier: ſtehen noch in der geſchützten Thalfchlucht hochſtäm⸗ 
mige Wallnubehume und Aprifofenbäume, auch Weinen 
{Baliz alba) una: iraltenifche Bappein, die aber von fleinem 
Wuchſe bleiben. Birken kommen tie 7300 Fuß über den Dis 
nicht mehr ‚recht gerade und. hochſtämmig vor, können aber doch noch 
wicht vom Clima verdrängt ‚werden ‚mie dies ein Birkenwäld⸗ 
Ken :um. Buß des Kleinen Ararat geige Auch im Raufafus 
ſteigt die Birkengsienze bis zu 670P Fuß über dem Meere. 
: CC) Ewige Schneegrenze am'Ararat. 2%) . Da mit 
dom Hbherſtelgen ver Berge die Erdwärme wie vdie Luftwärme 
abnimmt, In. einem 'ungefähren Verhaliniß, fo: daß man auf. ſede 
600 Fuß fenteschte Höhe einen Grade Wärmeabnahme rei 
nen konn, jo wird: in gewiſſer: Höhe eine Megion‘ eintreten, in 
welcher der während des Winterd::igefallene Schnee durch die grb⸗ 
Bere Sommerwärme nicht wiebet:. gänzlich weggeſchmolzen werben 
Iann. Der untere Rand dieſer Region, die ſogenannte ewige 
Schmeegreinze wird. von örtlichen und zeitlichen Berhältniffen fehr 
abhãngig und alfa sandı veränderlich fein; nach der Richtung des 
Bergabbunges gegen die Nord⸗ oder Süpfelte, nach der: Steilheit 
des Bodens, nach Schluchten, Ebenen, nach größerer oder geringerer 
Hitze eines : Sommerd' vor dem andern, u. f. w. Dennoch, beim 
Mangel durchaus conſtanter Linien im mathematiſchen Sinn, wir 
doch eine phyficaliſche Linte für fie flattfinden, d. h. eine in⸗ 
nerhalb gewiſſer genau zu. beſtimmender Grenzen. 
Die Beftimmungdzeit derſelben kann allein der Spätherbſt ſein, che 
der. :Winter neuen Schnee gebracht, vie Herbſtwärme aber vom al⸗ 
ten Schhnwe: nachträglich mit der Sommerwärme noch vollends ab 
18, was fie vermochte, hinweggefchmohen Hat. Nur Auguft ab 
September find zu folher Veftimmungszelt auf Gebirgen 
mittleren Breiten. wie bei Kauka ſus, Alpen, Pyrenäen um 
Ararat, geeignet: : Dann erſt fegt der wirklich eintretende Wirte 
dem. Schmelzprozeſſe feine Grenzen,’ Bein Ararat herrſcht vann 
In der gaugenclimgegend noch ganz ungewöhnliche Hige., ‘weil ie 
Getahlen ver: Mittagtſonne bie Südfeite des Berges direct: Hefchei« 
nen: auf feiner MResofeie- aber, von. den. + bohen wergwaͤnden ven Gehe 
J | iur 


) Parret Reife, 1 Ss-ı. er 


var la J 27 





* 


Euphratſyſtem; Ararat, ewige: Schwergringe 504 


Het :aufgefangen, im Thale des Araxes bis in den. Spätherkfl-eine 
wur dem trocknen Gontinentaklima eigne, ver weſtlicheren, der maxi⸗ 
tmen Seite ver alten Welt, ungewöhnlichere trockne Gige unterhal⸗ 
ten, bie im Juli und Auguft Menſchen und Wick: förmlich aus 
den Ebenen vertreibt. Diefe Hige betrug ſelbſt noch im Oktober - 

20° Cent. und kann unerträglich werben. Diefe heiße Sommerluft 

erhebt ſich Durch ihr geringes Gewicht fortwährenn an den Seiten 
es Ararat empor, erwärmt feinen. Boden und zehrt ununterbrochen 
an feinen Schneemaffen.: Dadutch allein konnte fih Parrot fehl 

;3 WM Nachtwärme erklären, die er Ende September in eines 
Höhe von 13,036 Fuß auf feinem. Beldlager wahrnahm, mo es ihm 
die Nacht hindurch auch ofne Pelzbedeckung ganz bebaglich war. 

3 Dieſe heißen, nach oben gehenden Zuftfteöme und bie ifolirte Tage 

r us beeiſten Ararathauptes machen, daß feine Schneedecke der Er⸗ 

:  wirmung von. unten ber. keineswegs ſo kräftig widerſtehen kann 

, me dies die größeren und zuſammenhaͤngenderen Schnoemaſſen der 

- Sqhweizeralpen thun. Daher die außerordentliche Höhe der 

>) Güneegrenzge am Ararat = 13,300 Fuß Bar. nach Parroi'o 

et Beobachtung. Am 13. Sept. war der Rand des Cisdaches an 
| mOffelte des Berges = 13,180 Fuß; am 18. und 27. Sept. 
2° war berfelbe an ver Nordweſtſeite des Berges = 13,448 Fuß, 

2: da6 Mittel beider aljo = 13,300 Fuß Par. Die öſtliche Seite 

Ei zeigte fich hierin wärmer als die nordweſt liche, bie auch. völlig 

Bi ft und iſolirt daſteht. An ver Öftlichen ragt aber in geringer 

Ei Üufenung der Eleine Ararat 12,284 Buß Par. empor, auf dei» 

5) fm Abhängen die Sonnenftrahlen audy ihre erwärmenke Wirkung 

at aid verfagen, welche ſich ver benachbarten Schneegrenze des 

@) großen Ararat mittheilen muß. 

J Dieſe Eis» und Schneehülle ſendet von ihrem untern Rande 
fo viele Ausläufer abwärte, als ſich unterhalb verjelben Felſenthäler 
em Ararat herabzichen ; fie geben der Schneegrenze im Bernblid 

des Anfehn eines fchönen gezadten Kragens von blendend weißem 

Gtoff auf dunklem Grunde. Nur uneigentlich, fagt Parrot, Eönne 

man diefe Ausläufer Olertfcherarme nennen. Ihr unteres Ende 

ſtellt an der Oftfeite bei 11,675 Buß, an der Nordweſtſeite 
aber bei 13,844 Fuß Par. als bleibende Schneemaflen einen Theil 
der Schneegrenze dar. Die tiefen Cis⸗ und Schneemaſſen bleihtn 
unvergänglich in ver finftern St. Jakob s⸗Schl ucht zutück. Ven 
derfelben bemerkt jedoch v. Behaghel, daß in ihren Klüften ein⸗ 
zelne Eiämaffen, 30 bis Jo Kup mächtig, in Spalten zurück« 








502 Woeft⸗Lißen. M. Mrheifung. L Abfepnitt. 4.35. 


blieben, nie ihn port vom Dafein eines Gletſchers überzeug! 
Hatten, ver fih ohne bemerkbare Unterbrechung %) von de 
Schneeregion an bis etwa 1000 Zoifen (6000 Fuß) oberhalb wei 
Klofters herabziehe. Wo fchroffe Wände vie Schlucht begrenzen 
fült er fle ganz aus; wo bie Seiten weiter auseinander rücken, zieh 
er: fi nur an der Weſtſeite bin. Das untere Ende dieſes Gletſcheri 
iſt mit einer mächtigen Trümmerlage von mannichfachen 
Grdße, alfo was In den Savoyer Alpen die Moraine heit, be 
dedit. Diefe wird durch fortmährendes Nachftürzen in ven Höhlum 
gen und Beränderungen der Bismaflen während des Abfchmelzen 
der Schneemaffen gebildet, wodurch das fortmährende Krachen um 
Getoͤſe aus ven Felswinkeln der Schlucht entfteht, das man im Klo 
fer wahrnimmt. Manche dieſer Morainetrümmmer waren Trachyt 
geftein, mit Gla8oyal und gemeinem Opal überzogen; wen 
der Ararat einen Krater gehabt, meint v. Behaghel, fo feien bie 
zunächſt die Hefte veffelben nach feinem Ginfturze zu fuchen. 
Die Oſt⸗, Sud⸗ und Nordweſt⸗, wie die Süpweflfeite des gro 
fen Ararat feien jedoch ebenfalls von vielem Schluchten purchriffen 
einige davon fangen fchon in ver Nähe des Gipfels an, andere wel 
abwärts; fle vereinigen ſich dann dfter zu ein er großen Schluch 
und münden ebenfalls. als flache Vertiefungen am Fuße aus. U 
der Nord» und Norpweftjeite des Berges beobachtete v. Behaghe 
damals gewiffe „verdorrte Grasflädhen,” die zumellen ci 
Werft und mehr im Durchmeſſer Hatten, meift jedoch Meiner ware 
und faft immer nad) dem Fuße des Berged zu von weallartigen, 10 
und mehr Fuß hohen Klippen, Trümmern und Gebirgsfcyutt (glei 
obigen Morainen) umgrenzt waren. Aehnlliche Trümmermaſſen, mı 
noch mächtigere, ziehen vom Nordweſt⸗ und Südoſtfuße des großt 
Ararat weit in die denſelben begrenzenve bene hinein. Sie ſchi 
nen dem Beobachter zerfallene Lavafirdme zu fein. Nach ik i 
das Geſtein des Ararat Überhaupt durchweg zertrümmert, I 
Maſſen von 10 und mehr Fuß Mächtigkeit. Er nennt es vorher 
ſchend Trachyt, grau over rörhlich, vicht ober pordß, mit viel ob 
weniger glafigem Feldſpath. Alfo große Analogie mit we 
Bonner Siebengebirgäftein. Nur auf ver Norpfeite zeigte fich Bit 
fein, doc fehe zertrümmert und verwittert (mie im Sande > 
Araxebebene). An der Süpweftjeite fand ſich viel Obſidiaa. © 
einzige Stelle, wo in der Umgebung des Ararat einer un 





'*03) v. Behaghel bei Parrot R. II. ©. 184, 185. 


EEE 


Eupheatſyſtem; Ararat, "Seittnattrattion. 503 


dern ald einen zu ben. plutonifchen Bilpungen zu rechnenden ie 
birgtart erwähnt wird, iſt erſt an ver Sühmeltfeite des gror 
sen Ararat, jenfeit des Alſas⸗Flufſſes, auf Dem Wege, ven v. Be⸗ 
baghel nach Bayazen nahm, wo er des bortigen, vom Ararat [chen 
abgelöften und von ihm unterfchievenen Vorberges gepruft, ven er 
auch mit dem Namen Agridagh belegt und von dem er fagt: er 
hehe fich ſchroff aus Der Ebene, von Schluchten zerklüftet, mit zab⸗ 
figen Felskãmmen, an welchem er nur dichten Kalkftein ) von 
weißer und rothbrauner Farbe anſtehen fah. 
Aus Pendelverſuchen, von Parrot am Ararat ange 
ſtellt, geht nach des Aſtronomen W. Strune 8) deshalb gemach⸗ 
* Ma Berechnungen hervor, daß daß Reſultat derſelben eine ziemlich 
ſtarke Seitenattraction der-Bergmaffe des Ararat ergibt, welche 
erinnahme von großen Höhlungen widerfpricht, melde 
Man gemöhnlich als unter Vulcanberg en vorhanden vorausfegt, 
um fidy die tiefen Hitzheerde begreiflich gu machen, aus denen bie 
Vulcanbildungen durch die Dampfgewalt emporgetrieben wurben. 
Ihr Dafein findet durch diefe ſtarke Seltenattraction keineswegs im 
Allgemeinen eine Widerlegung, ſondern nur in ver Zocalität des 
Ararat, dem daher nicht die Natur und Entſtehungsweiſe einer 
Bohlen Bulcanbildung zuzuſchreiben ſein möchte. Die Anga⸗ 
Ben find folgende: 
| Die Bafis des Ararat Gat einen Durchmeffer von etwa 40 
Beaf = 22,000 Toiſen; diefe Ilegt 456 Toiſen (2736 Buß) über 
Dem Spiegel de8 Meeres. Das St. Jafob- Klofter liegt 541 
Toiſen (3245 Fuß) über viefer Bafld; der Gipfel des Ararat 
2253 Zolfen (13,518%.) über ver Bafis. Der ganze über die Balls 
ſich erhebende Theil des Berges Hat die Form eined Kegeld, deſſen 
mittlere Dichtigkeit Parrot zu 2,3 ſchätzt. (Mach den mittleren 
Dichtigkeiten von 19 verſchiedenen vulcanifchen Maffen des Ararat.) 
Die Richtung der Gefammtanziehbung findet Struve gegen 
einen Punct S hin, ver 563 Toiſen (3178 Fuß) über der Bafls, 
oder-1019 Toiſen (6114 Fuß) über dem Meere liegt, alſo faft ge⸗ 
nau in gleicher Höhe mit dem Klofter St. Jakob. Daraus ergibt 
ſich, daß durch den über ver Baſis erhabenen Theil des Berges bie 
Größe der Schwere in St. Jakob nahezu gar nicht geändert were 
den kann, während die Nichtung der Schwere daſelbſt eine vielleicht 


20) 9. Behaghel bei a R. 11. 6.187. *s, W. Siruve in 
Barrot R Th. II. 





x 





504 Werks dfien.: III. Abtheilung. I. Abfchnätt, $. 35 


nicht unerhebliche Aenberung erleidet. Alſo iſt die durch 6,10 Ben 
delſchwingungen beobachtete Zunahme der Schwere vorzugsweif 
der Einwirkung der Schichte von 456 Toiſen Dicke zwiſchen der 
Niveau ver Meeresfläche und der Baſis des Kegels zuzuſchreiber 
Nach Parrot würde die vulcaniſche Natur ver Gebirgsarten ar 
Ararat nachgewieſen und der Ararat ein Vulcan geweſen ſein. Sin 
unter den Vulcanen große Höhlen, fo muß die Schwere an ihne 
eine Deränverung erleiden. - Die von Parrot beobach tete Zu 
nahme der Schwere für St. Jakob widerſpricht aber de 
Annahme großer Hbhlungen unter dem Ararat. 

Erſt bei einer ver letzten Befttigungen der Berghöhe, 894 Fu 
über dem St. Jakob⸗Kloſter, im Süden beffelben, bemerfte Parro 


zuerſt dad Vorhandenſein dortiger magnetifcher Felſen. » 


Parrot nennt ihn einen ſchwärzlichen Porph yr mit ziemlie 
fein eingeſprengten glafigem Feldſpath und Zeichen vulcaniſcher Oihe 
Die Maſſen find ungemein hart und zähe, reich an Eifengehali 
dort ein Metall, das vermuthlich in einem der Oxydationagrade darlı 
enthalten if. | 


6) Der kleine Ararat und feine Erfleigung. 


Den Beſchluß der milfenfchaftlichen Expebition, der wir te 
früher mitgetheilten Schag fo neuer als wichtiger geographiicher un 
phyficaliſcher Thatſachen verpanfen, machte ein Ausflug auf we 
einen Ararat, der bit dahin noch nie von Buropäern befucht wa 
Steintafeln, fagte man, mit unlesharen Infchriften, follten auf feine 
Gipfel ftehen. 

Fünf Reitpferde und 2 armenifche Führer fanden zum Dienf 
bereit. | 

Man ritt halb 4 Uhr am Morgen des 26flen Octobers * 
von Arghuri weg, und paffirte gegen S.O. über 6 Bergräden hü 
weg, ehe man zum Buße des Eleinen Ararat kam. Diefe Ben 
rüden ziehen ſich vom großen Urarat herab; es find Lavamaſſe 
theils anſtehend, theild in Trümmern, die aber von ben wenig 
comparten Gattungen eine Grundlage Haben. An vielen Stel 
find fchroffe Wände, die alle Ausficht hemmen und dem Anfche 
nach wie in ben Anfang eine ausgedehnten Gebirgs verſetzen. Do 
alles iſt nadt, ohne Baumwuchs. Doch um halb 7 Uhr a 
Abend erreichte man am nörbliden Fuße des Eleinen Ararat d 


220) Parrot Reife, I. S. 220. 'ychend. I. S.219. 





Euphraiſhſtem; der Heine Marat. - 505 
einzige Walbgruppe, ein Birkenwälvbchen, an 3 Werfl in Um⸗ 
reis, von nur bis 10 Zuß hohen Bäumen von ziemlich unxregel⸗ 
mäßigen Wuchſe. Das Dingen llegt auf einer Höhe von 7708 
über bein Meere. 

"Hier nahm man fein Nachtlager im Freien; doch wurden zuvor 
die Gewehre geladen: denn hier war der gefährliche Uebergangspaß 
der Kurventäuber, der aus Perfien herüber an den flachen begraſe⸗ 
fen Bergrüden zwifchen dem großen und kleinen Ararat Tegt. Die 
Nacht war fehr kalt. 

Der 27fte Detober. Auch ver Meine Ararat, ganz vulca⸗ 
nifchen Urſprungs, zeigte vom Buß bis zum Gipfel nichts ald vul⸗ 
canifche Felsmaſſen, aber in ſehr verſchiedenen Graben der Feſtig⸗ 
keit, der Farbe und der äußern Beſchaffenheit. Hier fchienen vie 
Beichtern zerreiblichern Lavagattungen die Oberhand zu haben. Unten 
zeigte ſich jener leichte grobe Lavaſand; Die vom Gipfel herablaufen⸗ 
den, auß ver Berne gefehenen Striche find in der Nühe wirkliche 
Furchen, in den lodern Boden gezegen, die mol vom Schmelzen 
des Schnees Im Frühjahr entftehen, fich erweitern und. verändern. 

"Der nordweſtliche Abhang ded Berge, an dem man empor« 
flleg, war an feiner oben Hälfte weniger fleil als der öftliche, doch 
ſteil genug, um das Fortkommen recht ſchwer zu machen, zumal auf 
Isderm fandigem Grunde. Doc iſt er ohne Eid. Gegen den 
Gipfel zu waren die Sandmaſſen mehr nur in vew Vertiefungen 
zu finden; es flarrten daſelbſt überall rauhe fchroife Felſen hervor. 
An einem verfelben zog man entlang, und kam zu einem gewalti« 
gen Felshorn, das 40° bis 50’ über den Boden bervorragte, obwol 
ed in geringer Berne nur einem Steine mittler Größe gleichgefeben. 
Von ba führt eine ziemlich gerad fortlaufende Gräte, mit fehr ſchrof⸗ 
fen Abhängen zu beiden Seiten, bis zum Gipfel. Diefer, ganz ſcharf 
und fchmal, war ſchnell zu erfletten. Um 11 Uhr war er erreicht, 
aber eine Wolke deckte die Außficht zu. Der Gipfel iſt das abge 
Rugte Ende einer vierfantigen Pyramide, eine faſt quadratiſche 
Fläche von 150 Schritt im Geviert, aber mit einzelnen ſehr ‚hohen 
Belserhöhungen, zumal nach den Rändern zu, 6i8 50 Fuß hoch. 
Auf dem höchkten flann das Barometer = 175 Zoll bei 6°,4 Eent. 
Kälte. 

Fede rows gleichzeitige Beobachtung zu St. Jacob gab dem 
Gipfel des kleinen Ararat eine Höhe von. > 12,284 Buf Bar. 
sder 6,302 Fuß Par. über dem St. Jacob Klofter. — 

An den brödlichen, gelblich⸗ braunen kevemaſſen fanh gan 








506 Weſt⸗Aſien. III. Abthellung. I. Abſchnitt. $. 35. 


vulcaniſches Glas, theils im Geſtein felbft, thelld an ihm in 

Arxopfen herabgeflofſſen, volllommen glänzend, durchſcheinend, vom 
braun⸗grüner Farhe, ganz wie gemeines Bouteillenglad, nur 
weniger feſt. Die chemifche Analyſe des Profeſſor Goͤbel zeigte, 
daß dies größtentheild aus Feldſpathgeſtein gefchmolzen wurde. Bet 
einem fich aufbhellenden Blick gegen ven großen Ararat ſah man 
an defien Süpoftfeite viefelben Eegelfürmigen Berge wieder, wie am 
Nſten, Gipfel an Gipfel, mit zugefpigten Kegelformen. An zweien 
derfelben erfannte Parrot ganz deutlich gerade oben auf ber 
Spige eine Vertiefung, wie den Ueberreſt eined Kraterd, die aber 
gegenwärtig mit Kräutern bewachſen war. 

Man Hatte von Gräbern auf dem kleinen Urarat gefprochen; 
fle fanden fi auf vem Gipfel an mehreren Stellen, da, wo zwi⸗ 
ſchen ven höhern Felsmaſſen ver Boden ebener und lodrer iſt. Sie 
hatten, im Kreife flehend, ganz das äußere Ausfchen mahomedaniſcher 
Grabflätten. Un einem ver Kreife fah man auch 2 fchräg aufge 
‚sichtete Steinplatten, 24 Buß lang 1 Fuß breit, roh behauen von 
Lavageftein, darauf tatariſche Infchriften im arabiichen Schriftzeichen 
ſehr flüchtig eingehauen; aber Eeine Zerſtbrung war daran bemerk⸗ 
bar, nicht durch die Zeit, nicht Durch Bemoofung ober. Flechten. 
‚Ihre genaue Kopie war von ben Ginfidhtigen nur theilmelfe mög- 
UN wegen Unleſerlichkeit. An einer der Infchriften endeckte man 
‚gleich im Anfang den Namen Arfalan, ver einer einft im 6. Jahe⸗ 
hundert in PBerfien herrſchenden Bamille angehört. Weiter abwärts -« 
fand: Mahmut von Maku hat's gefährieben. An einer zweiten- 
Inſchrift war vieles unleferlich, doch begann fie mit: „Mein Gotta 
„beine Önade fei über Mahomed. Der Gründer viefes Grabes, Di 
„man, hat's gefchriehen im Monat Schemal des Jahres 650 (nach⸗ 
„kurdiſcher Zeitrechnung; 1292 m Chr. Geb.).“ Dennoch haben⸗ 
dieſe Steine durchaus nicht das Ausfehen eines fo hoben Alters - 

* Der Dorfältefte von Arghurl, Stephan Meltt, war der Mei⸗ 
‚nung, der lebte perfiſche Sarvar Habe fich über die Fremden nur 
Iuftig machen wollen, bie dort Alterthümer gejucht, und. erſt vor acht 
Jahren babe er viefe Steine Hinaufbringen lafien, woran er fi 
noch recht wohl erinnere. Das fchlechte Wetter zwang leider zum 
eiligſten Rückmarſch. Um 2 Uhr war fihon das Birkenwäldchen 
erreicht. Dann führte ver Weg über ein fpäter angeflevelteß perfl- 
ſches Dörfchen, Welidſchan. Die Vegetatlonsſtufen waren sole 
amı großen Ararat. Abends 7 Uhr war man ſchon wieder nah 
88. Jacob zurückgekehrt. 





Euphratſyſtem; Ararat, Erdbeben... 507 


2». Behaghel, @) ver dieſer Exrcurflon beimohnte, wiederholt 
es, daß der Eleine Ararat dad Außerfte Oſtende des Aladagh 
bilde, 12,284 Fuß Hoch, aber durch einen grasbedeckten Hũgelrücken, 
etwa 8000 Fuß hoch, mit dem großen Ararat zuſammenhange. Die 
Felomaſſe erklärt derfelbe auch für Trach ytgeſtein, einiges zum 
Theil zu grünem Glaſe geſchmolzen, und durchgängig zertruͤmmert. 
Auf dem Gipfel iſt die Groͤße der Truͤmmer bedeutend, an den 
Seiten bilden fie einen groben Sand. 


Anmertung Das Erdbeben und der Safer, am Ararat, 
1840. 


Ungeachtet im Vorhergehenden ſaſt überall von onlcanifchen Produc⸗ 
tionen in den Umgebungen des Ararat die Rede war, ſo iſt doch zu kel⸗ 
ner Zeit ein hiſtoriſches Zeugniß von einer vulcaniſchen Thaͤtigkeit am 
Ararat anfbewahrt worden. Bon einem: großen Erpbeben an viefem 
Derge fpriht zwar Mof. Kyor. ſchon zu Aſtyages Zeiten, obwel fn 
fehr unbeflimmten Auédrücken, nud auch von ber obengenannten großen 
Si. Jacobeſchlucht, In deren fürchterlihem Abgrunde er den frevelnden 
König Artawaft II. yon Armenien (reg. 120 — 186 n. Ehr. Geb.) einen 
gramfamen Tod finden läßt, die vielleicht auf eine große Kataftrophe ver 
Vorzeit hindeuten mag. Nach den Vollsliedern wurde hier -Artawaft 
von der Erde verſchlungen, als rächende Gtrafe ber beleibigteh 
Manen feines Vaters. 9°) 

Der fehr unbefimmten Angabe des prahlerifchen modernen Raufafus: 
Reifenden Reinegge, der am 13. Jan. und 22. Februar 1783 von 
den höhern Gegenden des Kaufafus ven fchauerlihen Aublick eines an 
80 geographifche Meilen von ihm entfernten, im Ararat fich aufthuenden 
Schlundes erwähnt, aus dem er Rauch uud fogar Flammen will Haben 
anffleigen fehen, hat ſchon Ker Porter widerſprochen, °°) der in den 
Chronilen der Mönche zu Etſhmiadzin feine Spur einer Aufzeichnung 
eines fo merkwürdigen vulcanifchen Ansbruches finden fonnte, auch Nies 
mand, der davon etwas gefehen. Bon heftigen Erbbeben iſt Hocharmes 
nien in früheren Seiten wie in neneren fo wenig verichont geblteben, wie 
andre Theile diefes Orients. So wird fchon vom: Jahr MI u. Chr. 
Geb. angeführt, dag damals ein Erpbeben die Berge Armeniens aus⸗ 
einandergerifien und dann wieder heftig zufammengefloßen habe, mit 
furchtbarem Getoͤſe, Flammen und Rand, daß fie ſich aber dann doch 





°.) v. Behaghel bei Parrot Reifen II I. ©. 185. *°) 8. A. Herr 


mann, bat ruffifche Armen. a. a. 2.65. 5°) Ker Porter 
Trav. I. p. 185; vergl. v. Sof, a. der natärlidjen Berändes 


rungen ber Srboberfläce. Th. 1. © 412. 


» , [4 
a 
Pr); — 








508 Weftefkhr:: TE. Abtheilung. J. Ahhſchnitt. $.35. 


wieder am ihre: Stelle geſebt hatten (nad Bt. Ephrem Diacen von 
Edeasa). *1) 

ins: der furchtbarſten herſort⸗ im 8. gahrhander nach dem Tode 
Gtephans,..des 22fen Biſchofs von Stunif, ganz Balatfor. in Hocharme⸗ 
nien; nachdem es 40. Tage dunkel geweſen, warb ein. ganzes Thal um: 
gekehrt, und damit alle ſeine Bewohner, an 10,000 Menſchen, unter bei» 
fon Trümmern begraben. Dies, meint Dubols, fei nur in Verbindung 
mit dem Ausbruche eines Bulcans (?) denfbar, und für einen ſolchen wellte 
er den Nal Topa anerkennen. Auch das Jahr 1319 wird ale ein ſolches 
Erdbebenjahr) in den armeniſchen Annalen aufgeführt, und viele 
plöglich umgekehrte Städte, wie ganz Ani, die Kicchen von Erovan⸗ 
tagerd, Grovantafhad, Külpe und andere, viele offenbar durch Erdbeben 
umgeftürzte Prachtbauten, wie 3. B. der Thron des Tirivates, beflätigen 
das Furchtbare folcher öfter wiederholten Naturerſcheinungen in Hoch⸗ 
armenien. 

Noch im November 1827, bemerkt Dubois, ward die ſchoͤne 
Kuppel der Kirche von Ketfharuffe nebft fehr vielen andern Kirchen um 
den Goktſchai See auf dieſe Weiſe zerflört, wo and der Hauptſitz bes 
Erobebene im 8. Jahrhundert war. Und dennoch blieben bie beiden 
Kirchen zunachft auf dem Ararat, zu St. Jacob nnd Arghuri, aus 
fo frühen Jahrhunderten ganz unverfehrt, ja felbft die antiken Architecs 
turen der Patriarchallirche zu Etfhmiadzin aus dem 4., 5. u. 6. Jahr⸗ 
hunderte überdauerten alle Cataſtrophen, obwol fie in der Ebene direct 
in der wahrfcheinlichften Gei@ütterungelinie zwiſchen Ararat und Alaghez 

gelegen find... 

Das Iahr. 1840 if aber leider .nicht fo frietlich für jene hohe Land⸗ 
[haft vorüber gegangen, da fie wirflih von einem fo furdhibaren Erd⸗ 
beben heimgeſucht worden ift, daß mit einem entſetzlichen Einſturze 
in der Schlucht des Ararat nicht nur das St. Sacobsflofter und 
das Dorf Arghuri, oder nach Broſſet richtiger Aghu ri,*) mit allen 
Bewohnern vernichtet wurden, fondern daß auch durch deſſen weitzies 
hende, heftigſte, wiederholte Grfchütterungen ſehr viele Ortſchaften vom 
Arya tihat bis zum kaspiſchen Meere hin zertrümmerten, hunderte 
von Menfchen. das Leben verloren und an vielen Stellen die Oberfläde 
des. Bodens wie der Lauf der Gewäſſer felbft die ſeltſamſten Beränderuns 
gen erlitten hat. Zur Anftellung einer genaueſten Ueberficht des Krjolgs 
diefer fehredlihen Begebenheit wurde vom Gouverneur Transfaufaflens, 
dem General Golowin J., der Major der Berg:Ingenieure Waptoboint: 
fow beauftragt, fo wie der berühmte Academiker Parrot (Vater bet 





i Fr. Dubois Voy. Il. p. 975. *°) Fr. Dubois a. a. 2. 
ss) Bulletin scientiflg. de T’Acad. d. Sc. de &. Petersbourg. 


1841. 4. T. VII. p: 8. - 


KR. 





\ * 


Euphratſyſtem; Ararat, Etdbeben 1810. 509. 


Araraterſteigere) in der laiſerlichen Academie ber Millenfchaften in 
Et. Petersburg einen Bortrag hielt, deſſen Erfolg der Beſchluß. des hohen: 
Bereins war, eine Erpedition zur wiſſenſchaftlichen genaueften Erſorſchung 
diefes großartigen Raturereignifies ax. Ort und ‚Stelle zu ſenden. Don 
Vegterer iſt und noch keine Runde zu hell geworben. :: Des Majoro Rap⸗ 
port if aber in dem Journal des Minifteriums des Innern veröffentlicht, 
von dem wir hier zur Vervollſtaͤndigung des Vorherlgen noch bas De 
ſentlichſte zu berichten haben. * 

Am 20. Juni 1840 bei’ Sommenuntergang fand das aroberen 
Mit, durch weiches das Dorf Aghuri mit allen Bewohnern, fo wie das 
Klofer St. Jacob und das Sonmerſchloß des: Sardar, ‚durch ‚Die! vowß 
Ararat herabftärgenden. Telſen, Exve, Steine and Eisklampen verſchüttet 
warb; das zugleich herabflärzende Schneewaſſer mit feinen Schlammftrönen, 
deckte alles zu, und. verheerte alle Gärten und: Selber .bis. anf einen. 
Raum vom 20. Werft. An demſelben Tage um 7. Ubr. Abends wurden 
Mm Diſtricte Scharur, am Araxes um OR des Ararat, durch daſſelbe 3187 

Vehnhaͤuſer mit Nebengebaͤuden zerſtoͤrt, wobei 33. Menſchen und 258 
Staͤk Vieh umkamen, und ein Verluſt erlitten ward, den man auf 43,928 
Suberrubel geichägt Hat. Zu gleicher Zeit Hatte noch weiter in R.D,, zwl⸗ 
den Arates nud Kur, in der Provinz Karabagh, wo bie Feſtung! 
wu Ha, bad Erdbeben eine Minute lang gewüthet. Eine Kirche 

ad 109. Hänfer waren gerflört, bie :öflliche Mauer des alten Tativſchen 
Aoſters zerfpalten, und Felſen nahe dem Dorfe Schinger nledergeworfen. 
Roc weiter ſuͤdoſtwäͤrts, das Araxesthal abwärts. am: kaspiſchen Seeufer 
m Lenkoran und im Khanat Talyſhin (Erdl. VII. 006, 660), hatien 
3 heftige Stoße ſtatt gefunden, die über eine Minute gebauerk, aber kel⸗ 
nen beſondern Schaden brachten. Gleichzeitig war candy außerhalb der 
Direction bes Axaresthales gegeg ben Norden, zu Alexaundropol 
(Qumti) und Tiflis, das Erdbeben geſpuͤrt, doch echne Schaden zu brin⸗ 
gen. Die 6 folgenden Tage, bis. um Lſten Juni, ſpürte man im gan⸗ 
gen fhurmalinifchen Kreife, und zumal in ven Dörfern, näher. dem Ararat, 
täglich ein, jedoch ſchwachea. Crbbeben, dae nicht über 2. bie ð Minnen 
anhielt. 

Am 24ften Juni erfolgte wieder ein Berpkun am Ararat, 
der ganze. Felomaſſen, ungeheure Cioſchollen umd Waſſerſtroͤme mit ges 
waltigem Tofen und rafender Schnelligkeit herabſandte, alles vernichtete, 
leine Spar. von Gärten und Saaten übrig ließ, und: einen Haan vor 
2 Werſt überbeitte, wobel die Bewohner der, Dörfer Aralüch, Sſirbogan, 
Araten und Dſhortluk, am Juße des Ararat, viele Hänfer verloren, und. 
obwel der: Bergfturg biefelden wicht erreichte doch die Schlamm: ua), - 
Bafleriröme ihre. Iluren verheerte. - | in 

Die gemamsre Unterfuchung De Major. Beploteiniten ergad 
nun Belgeaen.... N DE a 1 GE u — 





310 WeflsAfien; IH. Abtheilung. L. Abſchnitt. $. 3: 


Das Erdbeben begann am 20. Juni um 6 Uhr 45 Min. am Ar 
rat, und danerte mit abwechfelnden unterirdiſchen Gtößen und wellenar 
gen Schwankungen der Erde an 2 Minnten. Die 4 erſten ſtärkſt 
Stöße, mit unterirbifchem Tofen, gingen vom Berg Ararat gegen O. N.« 
und hinterliegen anf threm Wege Spuren ſchrecklicher Serflörung, zum 
in den Kreifen von Erivan umv Rakhitſhewan, bie ia dieſer Ri 
tung liegen. | 

Die Nrareschene zunächft aufwärts bie, zum Kara fu (f. ob 
&.457) und zur Einmündung des Arpa tfhai in den Araxes (f. c 
@&.451) war bis anf eime Werft vom Flußbett fern in Reihen vı 
Spalten anfgerifien, die parallel mit den Wlußläufen an einigen St 
len bie zu 2 Faden Breite fi öffneten und wieder fchloffen. Suglei 
zeigten fich daſelbſt Häufige Gprengungen bes Bodens, ans bem Girö 
füßen Waflere, öfters wie ungeheure Springbrunnen, ans ben Rifien ha 
vorbrachen, die eine Menge Flußſand und Brände (1) Hs 2 Arſchi 
Hoch anfwarfen. Selbſt ans dem Grunde des Araresbeites brachen di 
gleichen herwor, befien Gewaͤſſer dadurch in jo Heftige Bewegung ka 
daß es an einigen Stellen auf. vas Ufer heransgeiprügt ober emporg 
hoben wurde, und in der Mitte des Flußbettes eine rinnenförmige Be 
tiefung zurüdlieg. An andern Stellen wurde bagegen. das Flußbett gaı 
trocken während des Erbbebens ober füllte fich mit. veffen Wafler über d 
gewöhnlichen Stand an, indem es wie Fochendes Waſſer anfwallte. B 
Nachforſchung diefer Ausſagen Jah man Ende Anguſt wirklih noch wie 
Deffaungen im Flußbette des Arares, durch welche Wafler ausgeworft 
warden, fo wie Rift in demſelben, durch welche feine Waffer ſich eiı 
Zeit lang umtes: der Erde verbargen. Auch die Südſeite des Ararı 
iR nicht unerfihättert geblieben; in Makun (f. oben S.337) flürzte d 
größere Theil der Gebaͤnde ein; in VBayazed viele Häufer,: die Wefu 
fammt dem Prachtſchkoſſe (f ob. ©. 341) warb zesflört. Auch in Taı 
ris, alfo anf ver Dſtſeite des Urmia⸗Sees, if daſſelbe Erobeben verfpk 
worden. Am melften litten die Bewohner Atmeniens; von den 206 
Bewohnern Aghuris warb feiner gerettet, Die Städte Nakhitſhewa 


“and Erivan wurden ungemein beſchaͤdigt, fo wie faft alle ihnen zug 


börigen Dorffhaften. Im Sharur⸗Diſtrict öffusten fi die (Exbfpa 
ten mit Wafler- und Schlammftrömen, in Bontainen, auf dem linken Uf 
des Arares; die Dörfer Kartfhalu, Aliſher, Katgaſſauln litten am ui 
fin. Auf dem Lande zählte man 6978 zerftörte Wehrhänfer, 92 AM 
len, mehrere Kirchen; in der Stadt Nakhütſhewan 779 Wohnhäufe 
2 Kirchen, 5 Moſcheen; In Ordubah 466: Wohnhaänſer, die zerſtort we 
ver: Roch warb das Unglät dadurch gemildert, daß die Grfüpätieun 
in die Abendzeit traf, welche das Volt, nad} der dortigen Sambeofiäte; m 
Serhalb der Wohuhäufer im Freien zuzubringen pllegt, daher in: Se 
Doch uns etwa an 50 Menſchen ward ie Arkımteeru ihres Bchiuige 





Cuphratſyſtem; Orarat, Erdbeben 1840. 511 


In jener Begenb ben Tod fanden, obwol fehr viele verlegt wurden und 
ihres ganzen Eigenthumse in Wohnangen und Saatfeldern verluſtig gin» 
gen. Im Kreiſe Nakhitſhewan verfiegten einige 50 Duellen anf einige 
Zeil, während andere ‚ein trübes, milchiges Waſſer mehrere Tage nach 
einander answarfen, und noch audere viel reichlicher als zuvor flofien; 
ad ganz neue Quellen wurden gebildet; aus einer Spalte des Berges 
Uhimdifa’trat eine folche hervor, und um Sarbarat verboppelten 2 Onels 
in ihre Waſſerfülle. 

Am Berein des Arpaſtſhat und Araxes bei dem Dorfe Kara⸗ 
gaſſanlu, In der Shludt des Akhurean⸗Thales (ſ. ob. &.451), 
varen Wirkungen der Erſchütterung mit am furchtbarſten und verderb⸗ 
Idften, eben da, wo wir im Opigen die Kuinen der durch Erdbeben 
wngefehrten Städte Talyſh und Ant angaben. Zuerſt wurben die Bes 
wohner des Dorfes, bei dem Stoß und dem Schwanken des Bodens, 
durch furchtbate Donnerfchläge betänbt, die von der Höhe der umliegens 
ven Berge herzukommen fohlenen. Man fah Belfen nud Steine von ben 
Gipfeln Herabftärzen, als mit dem zweiten Stoß alle Erdwohnungen Tras 
chend in Trümmer zerflelen und wor den Angen der Meberlebenven In ets 
ner dichten Staubwolke verſchwanden. Dann fprang bie Erbe in Riſſe 
ud Spalten anf und goß Waller, Sand und Senerbrände (F) hervor, 
Urter Jammergeheul ſuchten die noch Lebenden die Wucht zu den höher 
gelegenen Feldern zu ergreifen; aber überalk durch Erdriſſe, Waſſerſtröme 
md gerflörte Wohnungen gehemmt, geriethen fie in vie größte Verzweif⸗ 
Img, in der fie jeden Augenblid den Untergang ber Welt erivatteten. 
Vom Dorfe Aghuri find gar Keine lebendigen Zeugen übrig geblieben: 
Gleich Hei dem effiten Stoße wurden von den Stellwänden der ungebenern 
Eqlucht ganze Felſen niedergeſchmettert, die mit furchtbarem Gekrach 
Kb mit gewaltigen Schneemaſſen in bie 6000 Fuß tiefe Schlucht herab⸗ 
Nuten, mit Blitzesſchnelle langſt der Senkung hinflogen und fie augen» 
Mid 7 Werk weit, vericyütteten. Unter ungeheueren Eis⸗ und Schnee⸗ 
naſſen fah man anfänglich feine Spur mehr vom Dorf und dem Kloſter; 
almählig aber fingen bie Giefüde an anfzuthanen, dadurch löͤſte ſich 
da Binbungsmittel der Gefleine, und am 24. Inu, Morgens 9 Ur; 
finte die gleichfam über dem Thale nur hängende Maffe von Ges 
Nrgsträmmern mit unglaublicher Schnelligkeit längs dem Thale bem 
Faß Kara fa entgegen, fo daß in 2 Minuten Welsftäde und Eismaffen, 
verbunden mit verheerenden Schlammftroͤmen, in Bewegung, an 20 
Wer weit Fortgeriflen, die anftegende Araresebene vertrüfteten. Diefer 

Aety aus der leicht zerfepbaren Draffe des felbfpaihigen Trachyt tm Vul⸗ 
tundchkunde des Arurat If.’ ob. G.302) gebildet, der, das Waſſet fo fihnet 
ſich umgenblidtich- in blaͤulichen Aäffigen Thonfchlamm 

, weil unterhalb des Dorfes Kuh des Sommerſchloͤſſes des Barbak 

u I 2» Aaſter hohe Thonſtroͤme auf, und in ehier- Write won IM 








512 Wefl-Afien. I. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.3° 


Werft alles ‚mit: feinem Schlammbette zu. Der Kara fu wurde .tbeilwel 
verbämnit, feine Waſſer dadurch an Stellen oberhalb zu Ueberſchwemmu 
gen. gemöthigt, wodurch dafelbft ſtehende Koſakenpoſten in große Gefal 
famen. Die. Schlammfleöme trugen fortwährend eine fo große Men; 
von zerriſſenen Leichen und Cadavern von Menfchen und Vieh mit zı 
Tiefe, dag die Wafler des Kara fu lange Zeit unbenupbar geblieben fin! 
Erſt am 5. Juli hörten die Schlammftröme auf und vertrodneten endli 
ganz. Der Kamm im Innern der gewaltigen Aghuri⸗Schlucht Hatte mi 
das Doppelte an Breite gewonzen nnd an Höhe bebeutenb zugenommen 
zumal an ber öflligen Seite. Die Schneemafle des Arnratgipfels Hat 
fih viel tiefer, al6 fie zuvor war, herabgefenft; von dem Kloſter iſt kel 
Stein mehr zu fehen; die benachbarte Wiefe, auf der 30 dort campirem! 
Kurdenfamilien. umlamen, if mit. einer Thonſchlammſchicht überzoge: 
Auf der Strede vom ehemaligen Kloſter zum Dorfe Aghuri erhebt fl 
eine Reihe. Segelfürmiger Bergkuppen ans Wels: und Gisflüden, die b 
folgendem Aufthanen uud, Abwafchungen durch die Bitriolwafler, die fi 
in ben Spalten gefammelt haben, einem dritten Ginflurze folgen werbeı 
Die Trümmer der Dorfwohnungen, bie wieter von ben Schlammfträm 
befreit wurden, haben ſich ſichtbar erhalten; aber ihr Inneres if m 
Schutt und Steinmaflen ‚gefüllt; viele wurben alsbald Yon ranbgierigı 
Kurden, bie bie: nad) Beute ſuchten, aufgegraben. Das Stehenbleib 
ihrer Manern, auf denen die Dachballen von oben her eingebrochen w 
ven, und ihre innere Ausfülung beweist, daß nicht von ber Seite, fo 
dern fenfrecht von oben herabfärgenbe Maſſen den Unglüdsort plögli 
vernichteten. 

Nah dem Crdbeben vom 20. Zul dauerten bie Erherfchätterung 
über einen Monat, bis zum 28. Juli, fühlbar fort; aber von da bis zu 
1. September waren es nur noch, geringe Schwankungen. mit ſchwache 
naterirdiſchen Getoͤſe, die man im Sharur⸗Diſtricte am Araxes wah 
nahm. Vom 21, bis 28. Inni dauerten im Nakhitſhewan⸗Krei 
die Schwankungen taͤglich fe ſtark fort, daß alle ſchon beſchaͤdigten 6 
bände dadurch völlig zertrümmert wurden. Im Diſtrict Sfurmali fpär 
man am 23. Juli noch drei Stöße, am Morgen um 10 Ubr, Rachmittag 
um 3 und Abende am 5 Uhr; ber Stoß. Nachmittags um 3 Ubr wur 
angleich aud in ber Umgegenb ber Quarantaine Igbir (f. ob. S.34 
wahrgenommen. Das Erdbeben zeigte demnach kelneswege gleigmäg 
Wirkungen in Armenien; in dem Gebirgeftriche Orduba, ‚Rafbitfhewsn 
Sfurmali war es Heftiger als in den Ebenen; die Gelsmaflen der Bey 
gipfel wurden gewaltiger bewegt, als hie Ioderen Thons unb Saxdmafa 
Die Dörfer auf den Berghöhen vom Alaghez bis zum ne 

(nahe dem Goltſhai See) hatten zwax viele Stöße, aber fle wann | 
cher als im. Sraresihale. In dieſem blieben ‚aber auf ganz mu F 
men, doch dicht nehen heftig erbebenden, andre gang ungr 
® 









Euphratſyſtem; Ararat-Erdbeben, 1840. 513 


(von Etſhmiadzin ift gar Feine Spur der Erfhätterung Im Rapport ber 
merkt). Selbſt ganz dicht am Fuße des Ararat nnd am Karafı liegende 
Orte find dem Xerderben völlig entgangen, während viele entferntere lit: 
ten. Die Einwirkung elaftiiher Dämpfe, weldye durch die Horizontal: 
Schichten ihre wellenförmigen Bewegungen fortpflanzten, möge, meint 
der Bericgterflatter, ans gewiflen Spalten unter denſelben urfprünglich 
mit größerer Gewalt bervorgebrochen fein and eben an folchen Lofalitäten 
das darüber Stehende hejtiger zertrüämmert worden fein. Die kalten 
Answürfe des Arares erklärt er fih, weil fein Bett in einem mit jün- 
geren Schuttmaflen ausgefüllten Erdſturze (Erdſpalte) zwifchen den 
gewaltigen Vulkanen des großen und Keinen Ararat (?) im Süden und 
denen des Alaghez and Ag Mangan im Norden liege, denen man wol 
eine unterirdiſche Communication zuſchreiben mäfle. Das NAraresbette, 
ſchlleßt er, fei einſt ein tiefes Seethal geweien (f. ob. S. 300, 406, 458, 
10), deſſen Oberfläche durch Abſatz folher Thonſchichten, mit vulfanifchen 
hen vermifcht, erſt aufgefüllt fel. Diefer Seekeffel ſei einft an der Ofl« 
ſeite bei Urdabad (f. ob. S. 368) ſichtbar gefchloffen geweſen, und nad 
deflen Durchbruch dortiger Ketten durch den Ablauf erfi das Araresthal . 
kroden gelegt worben. 

Seit diefen letzten Bergſtürzen, bemerft Maj. Woßkoͤbboinikow, 
leietge nun das Herz des Araratvulkans geöffnet da; es beſtehe da⸗ 
"RR die Schlucht ans einer Art weißen und gelblihen Feldſpaths 
vor trübem Ausfeheh, mit Griftallen und Schwefelfiefen, hin und wieder 
! wnglasartigemWeldfpath, welcher entweder in ganzen großen Rin⸗ 

gen, oder in Kiffen, in gewöhnlichen Thon und zum Theil in fchwefelfanre 
mb fogar waflerlofe Thonarten übergehe. Diefe Mafle fei entflanden aus 
4 dem feflen grauen Trachyt, der dem übrigen Theil des Berges bilde 
! (ob. S. 496 und zumal ©. 502) und ebenfulls Criſtalle von glafigem 
deldſpath und Schwefelfies enthalte, durch Ginwirkung heißer Dämpfe, 
Vaſſer und Schwefelfänre. Der genannte Thon fet aber fein elgent⸗ 
; Über Thon, fondern gleiche am meifen dem Cimolit; klebe an ver 
"Junge, fei fett, erdig von Bruch, fauge begierig das Waſſer ein, quelle 

kkigartig auf, werde dann zu einer Flebrigen, elaftifchen Mafle. In Wafs 
fer getaucht, zerfalle fie zifchend in Stüde und löfe ſich in einen flins 
genden, zart angnfühlenden Teig auf. 

Andere Veraͤnderungen find am Ararat nicht bemerkt; off ift auch 
fein Sipfel feineswegs eingeflürzt, wovon anfänglich die Rede war. Der 
Alaghez ſcheint keine Veränderung erlitten zu haben, den fhon Parrot 
für einen Bulfantegel hielt: Ginen dritten, der biäher noch weniger ge: 
kaant war, ben Ag: Mangan, führt der Major au, ver an ber Quelle 
des Rarpitihai (ſ. ob. ©. 398), alfo über Etſhmiadzin liege, au Höhe 
vem Alaghez faft gleiche und einen deutlichen Krater von etwa 300 Klaks 
ter im Unstreife habe. Bon ihm siehe, fagt ex, gegen SD. \ünys vrm 

Ritter Orbfunde X, Kt 


en mn 








514 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 36. 


dem öftlihen Ufer des Goktſchai⸗Sees eine Gebirgékette auf 50 Werfl 
weit, auf deren Kamme ſich in gerader Linte 12 Vulkankegel erheben, 
deren Schlünde von 10 bis 15, zu 100 bis 200 Klafter in Umkreis ha: 
ben, von Lavamaſſen verfchüttet, hie und da Feine Bergfeen enthaltend. 
Der Goktſcha⸗See ſelbſt fei nur ber tiefe Einſturz zur Seite dieſer und 
in der Mitte zwifchen anderen, die ihn noch weiterhin umgeben. Dod 
anf dieſes Locale, das offenbar zu dem großen plutonifchen Ararat⸗-Ge 
biete in nächfter Beziehung fleht und in dem Goktſcha⸗See das Beiſpie 
einer noch nicht trodeugelegteg Araresebene barbietet, werben wir wiede 
an einem andern Orte zurüdfehren. Hier nur, daß es dem Stillfchweiger 
zn Folge fcheint, daß dieſesmal wenigſtens ber Friede dieſes Bullan: 
Gebietes, der, wie wir oben fahen, noch im Jahre 1827 geflört geweſen 
an der Nordſeite des Erivan⸗Sees nicht durch das Erbbeben am Ararat am 
in dem Araresthale geftört warb. | 


$. 36. 
4. Erläuterung. 


Etſhmiadzin, der Patriarchalfig der Armenier. _ Ihre 
Literatur und Sprache; ihre Colonien und 
Verbreirungen in der alten Welt, 


1. Etfhmiabzin, oder Utſch Kilifeh, d. i. Dreificchen, der Pa 
triarchenfig Armeniend, an der Stelle der alten Gapitale 
Vagharſchabad. 


Den hiſtoriſchen Mittelpunkt des bisher betrachteten Lane 
Ararat, daS durch ein altes, fchon 200 Jahre v. Chr. Geb. durch 
Balarfaces, ven Gründer ver Arſaciden⸗Dynaſtie, gegebenes Ge 
fen ausſchließlich 5%) für den Sitz ver Könige und der Erbprinzen 
Armeniens beflimmt, allen andern Prinzen des Föniglichen Haufeb 
aber als Wohnjig verfagt war, nimmt. ver bis heute durch all 
Wechſel erhaltene Batriarchenfig der Armeniex ein, ber unter 
dem Namen Etſhmiadzin allgemein bekannt, doch nur eine Rulne 
der frühen glänzenden Periode geblieben if. Vagharſchabad) 





»**) Nour. journ. Äsiat. Paris, 1838. T. IV. in St, Martin Hist. 
‘ des r&volutions del’Armenie. p.433. *6) J. St. Martin Mem. 
‘ sur l’Arm. T. 1. P. M. 218. 


— v —— —r—— — —— — — — — — 





Euphratſyſtem; Vagharſhabad⸗-Etſhmiadzin. 315 


(d. h Bagharfh Ummaurungp), an deſſen Stelle gelegen, war 
einft die berühmte Hauptfladt der altarmenifchen Provinz Godaik 
oder Godakh, einer ver 16 Diftricte der alten Provinz, Araratia, 
deren Name auch im Cotacene bei Ptolem. (V. 13, fol. 134), 
obwol nur als Gloſſe, aufbewahrt zu fein ſcheint. Sie lag drei 
Stunden in Welt von Erivan, am Ufer des Khaſagh, oder Khar- 
ſakh (Khafal bei Mof. Khor.), d. i. ver heutige Fluß von Etſh⸗ 
miadzin, der zur Befruchtung der dortigen Kloftergüter in ver gro- 
ben Ebene, Chrez 56) bei den Armesiern (Ehregh bei Whiſton), 
in welcher die Stabt lag, verbraudht wird (f. ob. ©. 463), und bei 
Ruflen und Türken Abaran, over Fluß Karpi, over Garpi, 
Di Karpitſhai Heißt. Ihr vorchriftlicher Name bei Armeniern 
bar Ardimet⸗Khaghakh, d.i. Stadt der Artemis, oder ver 
Diana; fie fol fchon 600, Jahr vor unferer Zeitrechnung als Feſte 
von einem armeniſchen König Vardſche erbaut geweſen und daher 
Vardſches⸗Avan genannt worven fein. König Tigraneß II. 
[te vort nach Mos. Khor. (Hist. Arm. I. 15 u. 62. p. 111, 
188), mo ſchon ein bedeutender Marftort war, um das Jahr 100 
v.Chr. ©., eine Juden⸗Colonie an, welche, vermuthlich als Ge⸗ 
fangene von den Mevifchen, am Chaboras, aus Nabuchononoffors 
Zeit dahin gefährt, bedeutenden Kandel treiben mochte. Ende des 
weiten Jahrhunderts umgab fle König Bagharfh (Balarfaces 
b. Mos. Khor.) mit Mauern, nahm vafelbft feine Winter» Neflven, 
un nannte fie Nor K'haghak'h, d. i. Neue Stadt, daher fie 
Dio Caffius durch den Ausdruck 7 xuwn nölıg bezeichnet hat 
(Hist. Rom. Lib. LXXI. M. Anton. Phil. Fragm. R. 1201, 45. 
Ed, Sturz. Vol. IV. p. 452). Sie blieb die Reflvenz der Könige 
bi zum Jahr 354, wo fie unter Arſaces IIL Regierung mit ihren 
19,000 Häufern, die Zauftus Byzantin. ihr gibt, und mit vielen 
umhberliegenvden Yeften 57) durch die Wuth des Safſaniden Sapor II. 
gänzlich zerflört warb und ihre Einwohner in die Gefangenfchaft 
geführt wurben. Die Patriarchen refidirten daſelbſt jevoch noch ein 
Jahrhundert länger, bis 452 Obwol die Stadt gegenwärtig als 
ſolche gänzlich verſchwunden ift, fo hat doch das gleichnamige Dorf 
Vagharſchabad fi in ver Nähe ver Hauptkirche unter dem 
antifen Namen erhalten, meldye unter dem eigenthümlichen Namen 


s*) Brosset Notice sur Edchmiadzin in Catalogue de Ia biblie- 
thöque d’Edchmiadzin, St. Petersbourg. 1840. 8. p. 7. 
®’) Nouv. joarn. Asiat. Paris. 1830. p. 202. 


Kt 2 








516 Weft:Afien. III. Abtheilung. 1. Abfchnitt. $.36, 


Etſhmiadzin, der nur ihr volldmäßig beigelegt mirb, als ein» 
ziger, ehrwürdiger Ueberreſt jener antifen Größe übrig blieb, als 
deren Begründer ver große Apoftel Armeniend, Gregorius Ile 
Iuminatpr, angefeben werden muß. Er hatte fihon bier, nach 
feinen vielen überflandenen Martern, feinen Sig als Patriarch ge 
nommen, und deöhalb iſt hier in der fogenannten „Mutter ber 
Kirchen,” die er ebenfalld erbaute, und von welcher alle anderen 
Gründungen armenifcher Kirchen ausgegangen find, verfelbe Batriare 
chenſitz, mit einzelnen Unkerbrechungen, bi8 -in die neueſte Gegen- 
wart auch geblieben. Denn gleih von Anfang an mar mit dieſer 
Kirche ausfchließlich die Würde des Katholikos, oder Oberhirten, 
verbunden, welche durch eine bedeutende Reihe großer Männer vor 
hoher Geburt, von Tugend, Brömmigfeit und Wifjenfchaft hochge⸗ 
ehrt ward. Nach der Legende hatte Gregor an derfelben Stelle, 
wo heutzutage die Kirche flieht, die Erfchelnung des einigen Sohnes 
im herabfommenven Lichtſtrahl gehabt, weshalb das daſelbſt erbaute 
Helligthfum ven Namen Etſhmiadzin (Descensus), und ber 
Sauptaltar in demſelben noch heute den Namen Idſchman⸗ 
deghi, 59) d. i. „Ort der Herabfunft des Eingebornen,” 
erhielt, von dem dad angebaute Klofter, und nach viefem auf 
der ganze Bezirk genannt worden ift (nad) Indſhidſhean). Daher 
wurbe eben die biefige für die Mutterfirche ganz Armeniens aw 
gefeben. Im Jahr 618 wurde das Gebäude vom ‘Patriarchen Go⸗ 
midas reflaurirt, die armentfchen Concile wurden hier gehalten, 
und feit 1441 Haben die Patriarchen dort ohne Unterbrechung 
bis heute ihren Sig behauptet. Uber erft feit 1629 59) iſt nah 
den Zerfldrungen des Sanctuariums durch Shah Abba I. unter 
dem Patriarchen Mofed III. die damalige Ruine von Kirde 
und Klofter wieder zur Bewohnung für Mönche hergeftellt 
und mit Mauern umgeben worden. In der türfifchen Geographie 
beißt der Ort Utſch Kiliſeyh (Jütſch Kiliifa bei Herrmann) 
von den drei Kirchen Etſhmiadzin, Hripfime und Ka 
jtane, daher auch bei Europäern ver bekannter gewordene Name 
Dreikirchen. Don der Hypotheſe, die Parrot vorbringt, als 
komme biefer Name von ber Dreieinigkeit her, wiffen die Armenier 


gar nichts. 60) 


»2°%) @ 9. Herrmann, das rujflfche Armenien. S. 15 — 23. 
#°) Brosset 1. c. p. 13. *°) Varrot, Reifen. I. S. 82. 





‘ 


Euphratſyſtem; Eiſhmiadzin, Kirche und Kloſter. 517 


Schon Tavernier, 1655, Chardin, 1672, Tournefort, 
1700,61) Haben durch ihren Vefuch die Aufmerkſamkeit auf dieſen 
Drt zu einer Zeit gelenkt, da er noch in größern Flor ſtand als 
heutzutage. Große Handels⸗Karawanen zogen damals noch biefe 
Wege, welche auch dem Lande Wohlftand brachten und zahlreiche 
Pilger zuführten, viele reiche armenifche Kaufleute, deren Opfer 
gaben die Kirche und das Klofler zur Zeit ungemein bereichert has 
ben. Tavernier war erflaunt über die Kirchenfchäge, vie er dort 
noch von Mohamedanern unangetaftet vorfand. Die Kirchen was 
ven mit dem höchſten Luxus ausgeftattet. Als er das Klofter, in 
dem er mit Gaftlichkeit aufgenommen geweien, verlaffen wollte, 
wurde ihm und feinen Mitgefährten, ven chriftlichen Kaufleuten der 
Sarawanen, zu Ehren vom Patriarchen zuvor noch ein Stier« 
gefecht angeftellt, in dem 8 Büffel zum Kampfe gereizt wurden, 
von denen zwei auf dem Plage blieben, und dieſes Feſt wurde mit 
einer beſonderen Eirchlichen Geremonie von Seiten des Patriarchen 
und der Geiſtlichkeit befchloffen. 

Chardin gibt fhon eine Abbildung von Kirche und Klofter, 
mit Grundriß und umflindlicher Beſchreibung, und die gewöhnlich 
dert befindliche Zahl der Mönche auf 12 bis 15 an, obwol bie 
Cinrihtung für 80 getroffen fei. Er wirft ven dort reflvirenben 
Patriarchen. Neid, Ehrgeiz, Habfucht vor, vie mit ihren 20 Epifcopen 
unter ihnen fich in allen Theilen des perflichen und türkiſchen Reiche 
in die Händel der Welt mit einmifchten; er rühmt aber bei ber 
großen Armuth und Unmiffenheit der Armenier, mitten unter den 
Mohamedanern und niedergedrückt von ihnen, ihr treues Ausharren 
in dem Glauben ihrer Väter. Dies iſt um fo mehr anzuerkennen, 
da zu jener Zeit die lebhafteſten Beftrebungen der katholiſchen Kirche 
dahin gingen, die freien, nichtunirten Armenier auf Die päbflliche 
Eriteperüber zu ziehen. Xournefort, ver, von der Fruchtbarkeit 
und dem herrlichen Anbau ver nächſten Umgebung des Kloſters 
ganz entzückt, ed ein wahres Bild des Paradieſes nennt, von den 
Dlumenparterren vol Nelfen und Amaranthen im Kloftergarten 
nit Bergnügen fpricht und von dem Schmud ver Kirche, bemerkt 
jedoch, daß Die dortigen geiftlichen Herren fi nur über die damıa= 
gen Bropofitionen ver fatholifchen Kirche, welche fie Schiömatifer 


———— — 


*!) Tavernier, Six voy. 1. c. I. pag. 30 — 37; Chardin, Voy. en 
Perse. Amsterd. 1735. 4. I. p. 214— 220; Tournefort, Relat, 
l, c. IL. p. 138, 151. | 


’ 





518 Weſt-⸗Aſien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 36 


oder Abtrünnige nennt, die Union mit ihr einzugehen, luſtig mad) 
ten und nicht daran dächten, zu ihr Überzutreten, aber vie koſtbare 
Geſchenke, die ihr von verfelben und wiederholt von den Päbfte 
zugefanbt würben, ganz vergnüglich einftrichen. 

Der armenifche Hiſtoriker Indſchidſchean gibt die umfläni 
lihfte Nachricht in feiner armenifchen Geographie von dem geger 
wärtigen Zuſtande dieſes Ortes, aus der wir nur dad Bedeutendf 
hervorheben. Etſhmiadzin iſt ver Sig ded Patriarchen von A 
menien, welcher den Titel des Katholikos führt; pad Klofter i 
mit einer Mauer umgeben, die 4 Thore hat und welche noch En’ 
des vorigen Jahrhunderts (1763 — 80 durch den Katholife 
Simeon) neu hergeftellt if. Drei Hauptgebäude: dad Klofte 
das Pilgerhaus und dad Waarenhauß nebflder Patriarcha 
Kirche machen, nebft einigen untergeorpneten Gebäuden, dad Gan 
aud. Im Bierfeit des Kloſters nimmt der Katholikos die gan; 
Weſtſeite zu feiner Refidenz ein; auf der Süpfeite find vie zwe 
Refectorien mit den Wirthſchaftskammern; die beiden andern Seite 
enthalten die Zellen der Vartabede (Doctoren), oder Geiſtlichen. 
Im großen Speifezimmer für die Sommerzeit find Tifche und Ei, 
ale aus Stein gehauen, und am Eingange des Saales ift unter 
einer Kuppel der Sig des Katholikos, wenn er mit allen gemein⸗ 
ſchaftlich ſpeiſet. Das Winterrefertorium ift Fleiner. Diefes Kloſter⸗ 
Vierſeit bat 5 Pforten. Auch das daran floßende Pilgerhaud, 
das zur Herberge der Wallfahrer dient und Ghaſarapad Heißt, M 
ein Vierſeit, mit einem Wafjerbaffin in ver Mitte, das fein Brun⸗ 
nenwafler aus dem Garten des Katholifos erhält und durch feine 
Ausfluß theild die Waffermühle des Klofterd treibt, theils in Gand 
len geleitet, vie Zellen der Mönche mit Wafler verflcht. Dal 
Waarenhaus heißt Kerwan jerat, als Sammelplag und Waaren 
lager zum täglichen Tauſchhandel für die Lebensmittel, Kleivung un! 


_ andere Bepürfniffe von Etſhmiadzin; daran floßen eine Wachsfabri 


für die Kerzen, Ställe, Heufcheunen u, a. m. 

Die Kirche flieht im erften Dierfelt des Klofters, fie heiß 
Schoghagath asdudſadéni (m. i. Strablenwurf de 
Mutter) und ift im Kreuz gebaut, 50 Kas (eine ruffifche Elle 
lang, 48 breit, 35 hoch; Mauern, Fußboden und Dach, alles vo 
Stein, mit 3 Pforten, davon 2 nah N. und ©., die Hautpfort 
aber nach Wet geht und die Pforte des Erleuchters heiß 
lieber den Hauptaltar, in ver Mitte der Kirche, ver zugleich I 
bes Mitte der alten Tayirale Bayharistan uk Walarſchaba 





Cuphratſyſt.; Etſhmiadzin, Kirche und Kloſter. 519 


Nach Herrmann) geflanden haben fol, wo, wie fich ber armenifche 
Gelehrte ausdrückt, „unfer heiliger Vater Gregor ver Er— 
„leuchter den furdhtbaren Mann berabfleigen fah,” er 
Geht fich die Kuppel ver Kirche, deren Malereien, ganz mobern, von 
einem armenifchen Künſtler aus der Zeit Shah Navirs (ver 1736 
ven Thron von Perfien beflieg) berühren. Die Reliquienfammer, 
an der Süpoftfeite der Kirche gelegen, bewahrt außer der rechten 
Hand Gregor Illuminatord (an den Beſigz diefer Reliquie 
allein ift die Würde des Katholicos unauflöslich gebunden), 
einen Theil des Schäbeld der Santa Hripfime, ein flußhemmendes 
Kreuz und andere Ähnliche Schäge. Außerhalb der Kloftermauern 
liegt gegen Nord ein großes armeniſches Dorf an der Stelle ber 
alten Gapitale, das auch bald nach diefer, bald nach dem Klofter 
genannt wird. An ver andern Seite, vor der Pforte des Pilger 
baufed und nahe der Mühle, fol des Palaft König Tiridats ge 
fanden haben, worguf man die Marmorquadern deutet, die daſelbſt 
öfter auögegraben werben. In derfelben Richtung, aber mehr gegen 
Südoſt, liegt der gemeinfchaftliche Begräbnißort in einer Obftpflan« 
jung, von Mauern umgeben; die Grabflätten ver Katholiken find 
in den. Hallen der Kirche. Die Dörfer, welche zum Klofterbezirke 
gehören, find nur von Armeniern bewohnt, fle bebauen große Wein» 
berge, unter denen der Chriiki (over Khri-Egi) am meiften ges 
ruhmt wird, defin Wein vom Oghamalenz-ifi und vom Megrdu⸗ 
menz=ifi beſonders geprieim if. (Diefe Namen erhielten fie von 
ven Namen ehemaliger Beſitzer, welche die Grunpftüde, auf denen 
fie gebaut werden, dem Klofter fchenkten; ifi heißt aber Garten im 
Bulgärsarmenifhen). Das Klofter der Sanıta Kalane liegt ganz 
nahe in Süd, hat einen Abt und einige Mönche zur Bedienung der 
Kirche; eine halbe Stunde fern, gegen N.O., liegt dad Klofter ver 
Sancta Hripfime, mit Prior und Möndyen; in beiden find bie 
Gräber der Martyrinnen. Nach den Berichten der Armenier ließ 
ver fehr gelehrte Patriarch Gomidas im VII, Jahrhundert dieſer 
Heiligen einen fehr fchönen Tempel bauen; vielleicht die Grundlage 
der noch heute beſtehenden Kirche; derſelbe berühmte Beiftliche dichtete 
auch einen Hymmus zu Ehren der Marıyrin in ver Art der 
Bialmen Davids, der fehr geehrt wurde und im armenifchen Kirchen⸗ 
buche aufgenommen bis heute an ven Feſttagen der Sancta Hrip⸗ 
fime von den Armeniern gefungen wird. 62) Noch Fleiner als dieſe 





03) Neumann, Berfuh a. a. O. S. 296. 





520  Wefl:Afien. IT. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 36. 


beiden ift ein vierted Gebäude, ein ganz unbedeutendes Kloſter 
Schoghakalhi wanf (vd. h. Ausguß des Lichts, Want d. i. 
Klofter) neben dem Kelterhäuschen, darin das Grab einer Ge— 
fährtin der Sancta Hripfime verehrt wird. Außer dieſen Haupt 
punften trugen auch noch in der Nähe ver alten Vagharſchabad 63) 
eine Kapelle, auf einem Felſen erbaut und Surb Grigor Arkaparin, 
d. 1. St, Gregor vom Feld, genannt, fo wie die St. Metrob- 
Kapelle im Dorf Oſchakon, bie von ©. Sergis, dem General in 
Uſchi, am Fuße des Arakadz, und das Grab ©. Anania, nicht 
wenig zur Heiligkeit des Dsted bei. Nur eine Viertelſtunde im 
Weiten des Kloſters zieht das Bette des Khafagh, oder Karpi iſhai 
vorüber, deſſen Waffer meiftend durch die Kloſterfelder vertheilt dies 
felben befruchten. So welt die Beichreibung Indſchidſcheans, 
wozu und die Beobachtungen ber jüngeren europäiſchen Augen 
zeugen noch folgenve charakteriftiiche Angaben und Beurthrilungm 
darbieten. 

AS W. Oufeley auf feiner NRüdreife aus ‚Berflen nach Klein- 
Afien im Juli 1812 feine Herberge *) in Etſhmiadzin fand, traf 
er dort ven Padre Serafino, der In Rom erzogen war und in 
Bagdad mir I. Rich nähern Umgang gehabt. hatıe. Die gaftlichen 
Mönche fegten ihm ein Diner auf chinefifchem Porzellan ver, mit 
trefflicher Greme, gutem Brot, Butter, Käfe, Kaviar und reich 
lichem Wein. Der fehr alte und ſchwache Katholikos, ver, ob⸗ 
wol er in Rußland und Indien gewefen war, nur Armenifd 
verftand, hatte bei der Aubienz, die er dem Briten gab, 3 Bifchöfe 
zur Bedienung an feiner Seite. Zum Abendeſſen gab es felbft 
Zedereien, wie Confituren und Eingemachtes aus Haleb und Bagdad, 
Wein aus Georgien und weißen Wein aus armeniſchen Trauben 
gefeltert. .Die Kirche, auf der Grenze vreifacher feindfeliger Nationen 
gelegen, hatte ihren Beflg nur ihrer Heilighaltung bei den bigotten 
Türfen wie bei den ıoleranten Perfern zu danken. Shah Abbas 
felbft nahm ihr zwar einen Theil ihrer Reliquien, doch nur um fle 
der armenifchen Golonie zu Dfhulfa in Ispahan (Erf. IX. ©. 47) 
zuzumenden ; doch beichügte er die Mönche von Etſhmiadzin, ſchenkte 
ihrer Stiftung große Geldſummen und drohte jedem feiner Nady 
folger mit Fluch, der dieſelbe beläftigen wollte. Doch hat dieſes die 
Perſer von unzähligen Plünverungen dieſes Heiligchums keineswegs 


— 


”*®) Brosset Notice in Catalogue de la bibliothöque d’Kdchmiad- 
zin. St. Petersb. 8. p. 7. °*) W. Ouseley Trar. Ill. p. 444, 


En 


| 


5 





Euphratſyſtem; Erfhmiadzin, Klofterleben. 521 


jurüdgehalten. 65) Der perfljche Sarvar gab zu Ouſeley's Zeit dem 
‚Kofler eine Sicherheitögarve von 200 Mann, und Abbas Mirza, 
der einfichtönolle Kronprinz von Perfien, war deſſen Befchüger. Der 
jwetägige Aufenthalt an biefem Orte, fagt W. Oufeley, ver Jahre 
in Perfien verlebt hatte, verfehte ihn zum erftenmal wieber nach 
Europa. Nicht ohne einen gemiffen Pomp wurde einige Jahre ſpä⸗ 
ter (1816) daſelbſt der britiſche Befchäftäträger am perflfchen Hofe 
und fein Begleiter, I.Morier, empfangen, ald er auf feiner Heim⸗ 
reife in Etſhmiadzin einkehrte. 6) Der Katholikos, erzählt derſelbe, 
alt der ganzen Reihe feiner Iangbärtigen, in ſchwarze Ordenstracht 
und Moͤnchskutten gehüllten Suite empfing ihn auf das feierlichfte; 
ber Patriarch hatte 3 Handpferde mit Sammt und Goldgeſchirr 
nach türfifcyer Art behängt zur Seite, 3 Läufer gingen nebft einem 
Safnenträger voran und einer der Mönche mit einem großen Stab 
mit Siiberfnopf in der Hand, alle von großer Dienerfchaar umge» 
ben. Der Patriarch, der am rufflfchen Hofe gelebt, war mit dem 
Stern des St. Annenordens geſchmückt, vol angenehmer Sitten 
und vol Würde. Beim Befuche der Kirche wurde der hohe Gaft 
von langen Reihen von Mönchen, Prieftern, Bifchöfen, Diafonen 
und von Sängerchören empfangen, die fich mit ihren Bahnen, Kreuzen, 
Eruifizen, mit Wachskerzen in volle Procejilon fegten. Mit dem 
Aubafſadeur und dem Patriarchen drang der ganze verjanimelte 
Haufe von Weibern und Kindern, von armenifchen Männern, wie 
von Englänvern, Türken, Perfern und andern, die eben verfammelt 
waren, unter vollem Geläute der Glocken und dem Chorgefange ver 
Rinde mit hinein. Nach kurzem Gottesdienſt erhielt ver Gaft mit 
dem golonen Kreuz die Benebiction und hierauf den Zutritt zur 
Veſichtigung ver Reliquien, zu denen auch die heilige Lanze, welche 
de Peſt aufhält (ſ. ob. ©. 351) gehört, die erſt in fpäteren Zeiten 
(fit Chardins Zeit, Tavernier fah fie noch im Kieghart= Klofter 

am Erivan⸗See) hierher gebracht ward. Mitte Juni war die Hitze 
hr groß. Ker Porter, ver bei feinem erften Beſuche gegen Enve 
November in Etſhmiadzin einfehrte (1817), fand die Luft 67) un« 
gemein mild mie im Frühling, und bemerkt, daß erft im Januar, 
ao fehr ſpaͤt, Hier der Winter eintrete; aber dann bei wenig Schnee 
doch ſtarke trodene Kälte, bei 16° bis 18° Neaum., vorherrſchend 


‚ ae. In März und Upril fallen die Negenmonate. (Dubois 


— — eo 


*) Parrot Reifen, I. S. 78. °e) J. Morier Second journ. 1. c, 
p. 824. *’) Ker Porter Trar. I. p. 186, | 








\ 


522 Weft:Afien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36. 


fing feine Reiſe von Etſhmiadzin auf der Araresebene am 1. März 
1834 an, als der Schnee von den Arareöfluren geſchwunden ‚war, 
und die Lerche ihr Lied über Steinfeldern empormwirbelte.) 66) Uns 
mittelbar nach dem erſten Regen tritt die Sommerluft ein, vuftig, 
heiter, bald aber wird die Hitze drückend. Dom Kaufafus berfom- 
mend, ſah er hier die erfle große Karamane mit Kameelen über 
bie Araresebene ziehen, und ven Büffel im allgemeinen, fafl aus⸗ 
fchließlichen Gebrauche des Landvolks. Bei feinem zweiten Aufenthalte, 
auf der Rückkehr von Perfien, in Etſhmiadzin (1819) befchäftigte 
ſich Ker Porter nur mit Hypotheſen 69) über den Sig der Arche 
Noah, vie er zwiſchen ven beiden Gipfeln in ver tiefen Einfenfung 
wie in einem ‚Hafen gelandet fich einbilvete. 

Parrot, ver 1829 vor feiner Araratbefleigung im Kloſter des 
Patriarchen verweilte, beftätigt die große Hitze und Dürre, welde 
bie Umgebungen veffelben brüde und faſt nur in forgfültig bewäfferten 
Pflanzungen ver Klofterbezirfe Bäume geveihen lafje, und auch da 
nur gewiſſe Arten, wie [hmalblättrige Weiden, PBappeln 
und Wallnußbäume am häufigſten; dann auh Maulbeer⸗ 
und Aprifofenbäume, die Hier fehr reichliche und treffliche Früchte 
geben, und der traurige Oleafter (Elaeagnus), 70) ver Pſhat beim 
Armentern, Igda bei Tataren beißt, und mit feinen flarren, Tangn. - 
blattarmen Aeſten und faftlofen dattelähnlichen Früchten nichts zu — 
Verſchonerung der Landſchaft beiträgt. 

Auf den Kloſterfluren baut man Baummolle, Ricinus zum 
Brenndl, Melonen, Kürbiß, Arbufen, Tabak, und zumal ar ve 
fumpfigen, nievern Ufern des Kara fu Reis; fonft auch Weiz 
und Gerfte, vie Rebe nur an ven Berggehängen, nicht In ver Chen. 
Ein Kraut, Kundſhut, wird bei den Armeniern als ein ſehr 
liebtes genannt, weil es ihnen während ver Faſtenzeit den Gebrauc 
per Butter völlig erfepen fol. Mehrere Futterfräuter für vas Vic 
find hier vorzüglich, zumal das fogenannte Jondſcha, dad pererz- 
nirend mehrere Jahre hindurch nur abgemäht zu merden braudp # 
ohne weitere Sorgfalt. Die Kloftervörfer haben Feinen Vorzug Ei 
ihrer Bauart vor den übrigen Ervhütten ber Armenier. 

Parrot's Zeichnung von Etſhmiadzins Situation 7!) if 
dankenswerth, obwol fle in Hinficht der Lage zum Ararat bios fire 





es) Dubois Voy. III. p. 358. °®) Ker Porter Tray. ZI. 
636 etc. 7 arrot, Reife I. S.80. 71) Barrot, Zeich⸗ 


p- 
nung, I. ©. 


| 





4 


Euphratſyſtem; Erfhmiadzin, Kirchenarditectur. 523 


girt if. Nach ihm gleicht die 30 Fuß hohe Kloftermauer mehr ei⸗ 
ner Beflungdmauer; ſie iſt aus blos getrodneten Lehmbadfteinen 
aufgeführt, mit Schiepfcharten und Thürmen an ven Eden, an 
jeder Seite mit 3 Eleinen Eingängen, im Umfang von 2 Werft. 
An ver OÖftfeite find die Vieh⸗ und Pferbeftälle angebaut; im Ins 
nern find außer den fchon genannten Hauptgebäuden auch ſehr viele 
andere für die Bäderel, das Bad, für Werkftätten, für den Bazar u. a. m. 
Parrot wohnte einem feierlichen Hochamte in größtem Pompe bei, 
wo bie ganze Pracht der Drnate von Seiten der Prälaten zum 
Borfchein Fam; der Kirchengefang fchien ihm ein ganz feelenlofer 
zu jein. Derfelbe Patriarch Jephrem, d. & Ephraim, ver ſchon 
Ker Porter empfangen hatte, faß noch am Ruder, vom beften Ruf, 
- aber ein Y3fähriger Greis vol Kalter Förmlichkeit und Miftraun, 
der wie die meiften feiner Mönche nur Armenifch Eonnte, Fein Griechiſch, 
fein Wort Latein verftand. Die Unwiſſenheit feiner Mönche ift 
noch größer als die feine, da er doch In Indien unter ven dortigen 
armenifchen Gemeinden gereift war und auch die in Rußland kannte. 
Von den Mönchen. follen manche felt dem halben Jahrhundert die 
Kloftermauern kaum verlaffen haben; ihr Bli Hat ſich fehr ver- 
engt, fein Studium tödtet die Langeweile, fle ſcheinen eher lebendig⸗ 
todt und nur noch ald audgetrodnete Mumien umber zu wandeln. 
Der tiefe Verfall ver armenifchen Kirche zeigt fich Hier in Ihrer 
oberfien Spige, eine Regeneration des ganzen Prieſterſtandes, der 
in die gröbfte Unwiſſenheit verjunfen, iſt nothwendig; dad Monchs- 
weſen ift obenein vom verderblichſten Einfluffe. Iever Laie, ver nur 
von der Gemeinde erwählt worden und feine 40 Tage unter Faften 
und kirchlichen Uebungen in irgend einer Kirche durchgemacht Hat, 
kann durch den Biſchof zum Prieſter geweiht, und zur Taufe, 
Firmelung, Trauung, legten Delung und zur Vergebung ver Sünden 
jugelaffen werden. 

Genauere Nachrichten über die Kirchenarchiteetur zu Etfhmi- 
. adzin verdanken wir Duboid Mittheilungen, 2) ver feine Bes 
ichreibungen mit Iehrreichen Zeichnungen begleitet hat. Schon in 
weiter Berne, bemerkt er, fleigen die 3 Kirchendome mie negyptifche 
Pyramiden aus weiter unabfehbarer Ebene empor, an denen erft, je 
näher und näher man kommt, die geringern over nievrigern An⸗ 
hängfel fichtbar werden. Sie allein find von der alten fehr weit 





2) Fr. Dubois Voy. Ill. p. 359. 


524 WeftsAften. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 36. 


verbreiteten Vagharſchabad flehen geblieben, während Die ganze 
Plaine nivellirt ward, da faft ale Mauern und Wohnungen vieles 
Landes, nur aus Lehm aufgeführt, mit ver Zeit in fich felbft ohne 
zurüdhleibende Trümmer ald bloße Erdhaufen zerfallen, welche die 
Negen auseinander ſchwemmen. Der einzige bemerkbare antife 
Ueberreft außer ven Kirchen iſt nah Dubois ein Haufen bebaus 
“ner Duadern, welche die alte Porta der Stadt und die einft unge 
mein weite Ausdehnung der Gapitale bezeichnen follen, aus deren 
Mitte die 3 Kirchen allein übriggeblieben. Denn das Dorf Vaghar⸗ 
ſchabad, dad etwa 200 Schritt nordwärts vom Klofter anfängt fid> 
audzubreiten, iſt doch nur aus jüngerer Zeit. Das Klofter von 
außen flieht mit feiner Ummauerung und den überragenden Thürmen 
eher einer Feſtung gleich. Dubois traf beim Abfteigen und Ein- 
tritt im Innern des Hauptthors fehr viele Kaufleute und Hande 
werker, die aber mit der Nacht in das Dorf fich zurüdziehen. Seine 
Beichreibung der Kloftergebäude ſtimmt mit der des Inpfhinfhean 
überein. 


Seine Aufnahme war ungemein wohlwollend, der Biſchof Lu⸗ 
cas wies ihm die Zelle eines abweſenden Biſchofs ald Quartier an. 
Der 60 Jahr alte Patriarch Johannes, der Stellvertreter des 
weit Altern, vamald (1834) noch lebenven Katholikos Jephrem, 
gab ihm im einfachen Winterſaale von ſeinem Throne, auf dem er, 
mit der Tiara geſchmückt, von 12 Erzbifchdfen und Biſchöfen um⸗ 
geben faß, Audienz, und Tieß ihn zum Handkuß zu. Dann ertheilte 
er ihm feinen Segen, ließ ihn Pla nehmen, fid) den Empfehlungsd- 
brief feines Gaſtes vom General Bebontoff durch einen feiner Leute 
vorlefen, worauf von ber Dienerfchaft, welche rothe Strümpfe trug, 
der Thee umbergereicht wurde und die Gonverfation begann. Seine 
größte Verwunderung 7°) war, daß der Fremde nicht einmal den 
Pabſt in Rom gefehen, und doch fo weit hergefommen ſei, de 
Patrtarhen von Armenien zu fehen, wahrſcheinlich ein flatio- 
närer Gegenfland der Unterhaltung des nichtunirten, von ver römi⸗ 
fhen Kirche als Schismatiker angejehenen Kirchenbirten, der fid) da⸗ 
durch in feiner Würve geichmeichelt fühlt, denn ganz dafelbe war 
por 150 Jahren die Unterhaltung mit ITournefort und zu andern 
Zeiten mit andern Reifenden gewefen. i 


Der große Sommerjaal war mit Pracht im perflichen Style 


#’8) Dubais 1. c. III. p. 362. 








0) 
— 


—— ——odd n«e 


Euphtatſyſtem; Etſhmiadzin, Tiridats Belehrung. 525 


decorirt, mit Schildereien und Arabesken, zu denen der Patriarch 
ſeinen Gaſt ſelbſt hinführte, zur Bewunderung. 

Die armeniſcheſchriſtliche Geſchichte concentrirt fich auf 
Etſhmiadzin, die aber mit ver Legende St Gregors genau 
verbunden und von einheimifchen Annalen nicht gefchieven, von 
dafifchen Zeitgenofien unberührt bleibt, daher fie in ver Chronologie 
manche Schwierigkeiten barbietet, aber überall ihre locale Anwen⸗ 
dung und Bortvauer im Andenken gefunden bat, fowol hier am 
Arases, wo St: Gregor befonvers im Leben wirkte, wie am 
Tuphrat um Arzingan, wo er fein Greifenalter in Einfamteit 
verbrachte, feinen Tod und feine Grabftätte fand, Kocalitäten welche 
dadurch elafflfcher Boden für die Armenier geworben. Zur Zeit des 
Verſinkens ver Parthermacht, als ein neues Geſchlecht ven perflfchen 
Thron ufurpirt hatte, brach aus Armenien, weldyed das Aſyl und, 
der Zufluchtöort vieler aus dem weiten PBartherreiche verbrängten 
Arfacidengefchlechter geworden war, einer ver in Armenien herr⸗ 
[enden Arſaciden⸗Prinzen, Khoſrov, gegen Ardeſchir Babe» 

‚fan, ven Stifter ver Saſſaniden los, wurbe aber durch beffen 
fiftung von einem andern Arſaciden⸗Prinzen, Anag, ben er 
als Schuͤtzling bei ſich aufgenommen, meuchelmörverifch aus dem 
Wege gefchafft. 7) Das ganze Arfarivenhaus wurde nun durch 
rdeſchir vertilgt, und nur Khoſsrovs zwei unmündige Kin« 
Der, die in Ani waren, Tiridat und feine Schwefter Khodrovi 
€ ukht, wurden von Barteigängern gerettet, die mit ihnen unter römis 
ſchen Schuß fich nach Rom begaben, wo ver Knabe Derdat, ven 
die Nömer Tiridates nannten, feine Erziehung erhielt. Nach Ver⸗ 
Lauf von beinahe 30 Jahren kehrte Tirivat mit römijchem Beiſtand 
&yı das Erbe feines Hauſes nach Armenien flegreich zurüd, und ver⸗ 
Trieb die fajjaniviichen Ufurpatoren. Es wird in die Zeit des drit 
Ken Jahrhunderts verlegt, in welcher das fönigliche Geſchlecht ver 
Mamigonier aus dem fernen Norpoften (Zenensis regio d. i. 
Diheneftan hei Mos. Khor. U. 'c. 78, fol. 205), welche St. Mar⸗ 
zin?s)für Bewohner Schinadoner&hinefen, womit auch S. de Sacy 
übereinflimmt, angefprochen hat, durch Wamilienzmift vertrieben, 


’*) St. Martin Mé m. sur l’Arm. I. p. 308 ff. 78) St. Martin 
Dissertation sur l'origine de la famille des Orpelians et Je 
plusieurs autres colonies Chinoises &tablies en Arm£nie et en 
Georgie, in M&m. sur lArm. T. Il. p. 15 etc. Bergl. S. de 
Sacy im Journ. d. Savans 1820. p. 203. 








526 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 36. 


bei dem erften faffantoifchen Könige, Ardeſchir, ein Aſyl fuchte, und 
dann auch in Armenien einzog, und bier ſeitdem durch politifche 
Parteinahme bald eine wichtige Rolle fpielte. 

Dertad Medz, d. ii Tiridates IL, ber Große genannt, 
wirt, als König vom Jahr 259 bis 314 n. Ehr. Geb. regierend, In 
ber armemifchen Geſchichte hochgefeiert. Während feiner wiederholten 
Abweſenheit in Rom follen Einbrüche nordiſcher Völker vom Kau⸗ 
kaſus ber, fo wie ver Beitritt der mächtigen Famille ver Seghu⸗ 
nier aus dem ſüdlichen Armenien, ven faffanivifchen Shahpur 
zur temporären Wieverbefegung Armeniens verholfen haben. Tiri- 
dats zweite Rückkehr aus Nom, von römifchen Heeresabtheilun⸗ 
gen begleitet, ließ ihn bald nach flegreichen Schlachten die nordiſchen 
Ucherzügler über ven Kaufafus zurüdvrängen, und durch den Bei- 
tritt der Mamigonter die treulofen Abtrünnigen ver Seghunier 
{oder Silghunier hei Mos. Khor. II. 81. fol. 210) zurüdichlagen, 
deren Länderbefig er ven Mamigoniern übertrug. Als tapfrer und 
‚flegreicher Eroberer drang Tirivat, der nun den Beinamen ves 
Großen erhielt, auch in das Perfergebiet der Saffaninen ein, und 
durch tapfre Thaten auch gegen vie einfallenven noͤrdlichen kaukaſi⸗ 
ſchen Völker verberrlicht, durch gewaltige Beute bereichert, durch eine 
gluͤckliche Regierungszeit von 56 Jahren begünfligt, erreichte er ven 
Gipfel: des Ruhms in ver profanen Geſchichte Armeniens. Aber 
noch war er leidenſchaftlicher Diener ver einheimifchen und ver rö- 
mifchen Götter, und verfolgte nach Nömerart als blinder Heide das 
Chriſtenthum durch Marter und Todesqual. 


Aber indeß war mit. ihm Gregor, fein Zeitgenofie, der Sohn 
feined Todfeindes Anag, des Moͤrders feines Vaters, herangewach⸗ 
fen, und ſollte fein Bekehrer werden. Des verrätheriſchen Anag's 
ganzes Geſchlecht war ebenfalls unmittelbar nach der verruchten 
That niedergehauen; nur ſein Knabe Gregor gerettet und nach 
Caeſarea in Caypadocien geflüchtet, wo der prinzliche Sprößling 
unter Chriften feine Ausbildung erhielt. | 

In Armenien frühzeitig das Evangelium verfündennd und vor 
Uridat predigend, ward er von biefem zelotifchen Heinen zum Tode 
verdammt und in den tiefflen Brunnen verfenft, ver aber troden 
lag. Da, erzählt jeine Legende, lebte der fromme Martyrer Gregor 
13 Jahre lang in furchtbarer Eingeſchloſſenheit unter Gebet und 
Flehen für die Erleuchtung ſeines Verfolgers. (Der Brunnen wird 





Euphrarf.; Etſhmiadzin; St. Öregorius Illuminat. 527 


noch heute als Pilgerort zu Khorvirab, d. b. „trodner Brun- 
nen,” gezeigt in der Araredebene). 7°) 

Auch eine Eöniglihe Iungfrau, Hripfime 77) genannt, eine 
Ghriftin aus dem Gebiete des römifchen Reiche, mit ihrer Wärterin 
GBaiane (Kalane) und noch 50 andern Gefährtinnen bei ver Chris 
firmverfolgung unter Diocletian vor der fie bedrohenden Schändung 
fliehend (nad Moses Khor. Homilie der Scta Ripsime), fuchte in 
Armenien ein Aſyl, in der großen Reſidenzſtadt des Tirivates, 
welche eben die damals noch heidniſche Vagharſchabad (auch 
Alal-Ehalaki oder Nor⸗Khaghakh genannt) war, mo fie aber 
den Anforverungen des noch hHeibnifchen Könige, den fie zur Be» 
kehrung ermahnte, widerſtehend, mit ihren @efährtinnen durch Stel» 
nigung den Martyr⸗Tod erlitt, worauf fpäter erfi Tiridat fein 
Heidenthum verläßt und zum zelotifchen Chriſtenthum übergeht. Er 
ruft Gregor aus feinem Brunnen bervor, nimmt von ihm bie Taufe 
an, zieht eine große Anzahl Priefter aus Syrien und Klein-Aflen 
zur Belehrung feined Volks nach Armenien, das auch von den 
Fürftenföhnen bis zum gemeinen Mann fi zum Kreuze drängt, 
und auf immer ihm treu ergeben bleibt. So die Erzählung, nad 
welcher Khosrons Ermordung in das Jahr 232 n. Chr. fällt, fein 
Sohn Tirivat nach 27jährigen Aufenthalt in Rom im jugenvlichen 
Mannedalter nach Armenien zurückkehrt, im Jahre 259 78) n. Chr. 
Geb., wo feine Regierungszeit an 56 Jahr dauert, bis 314. Gre⸗ 
gor, ft 257 geboren, erhielt feinen Unterricht in Caeſarea, ſoll 
fon 279 in Armenien mit Verbreitung der neuen Lehre begonnen, 
aber Tirivat erſt Furz vor dem Jahre 302 getauft haben. Die 
Taufe geihah am Ufer des Euphrat (Murad) Im alten Pakre⸗ 
vant, nahe dem heutigen Orte Melesgird (Menasgerd). 

Nabe Utſch Kiliffa (f. ob. ©. 351, 355) fol König Tiriva- 
tes, nach Vartam, )pem Sanet Gregor entgegengefommen fein 
und daſelbſt am Fuß des Berges Nbad oder Nebad (ſ. oben 
©. 77) mit feinem ganzen Heere die Taufe angenommen haben, 
womit die heutige Volksſage im Klofter Utſch Kiliſſa ganz über» 
einftimmt Die dortigen Möndye fagten, daß der König ihre Kirche 
varauf Habe erbauen laſſen, und gaben das Jahr 306 als deren Grün⸗ 
dung an. 9) Gregor warb mit großem Geleit von Tirivat (Der- 


»70) Dubois Voy. II. p. 481. ?°) Neumann — einer Geſch. 


ber armeniſchen Literatur. ©. 54. 70) St. Martin Tables chro- 
‚nologig. in Mé m. I. p. 412. 138 etc. 1°) Vartam Geogr. b. 
St. Martin in M£nı. sur Arm. II. p. 427. °°, Eli Smith 


Missionary Res. Lond. 1834. p. 417. 








528 WeftsAfien. III. Abtheilung. 1. Abfchnitt. $. 36, 


dat der Armenter) nach Cäſarea in Cappadocien gefandt, um vom 
dortigen Bifhof St. Leontiuß feine Weihe als Bifchof der neuen 
armenifchen Kirche zu empfangen, daher Maſhak, di. Cä⸗ 
farea, in ben erften Jahrhunderten bei den Armeniern als die 
Metropolis Armenien galt, in ver alle ihre Bilchöfe geweiht 
wurden, bis auf Sahak over Iſaak I. (390 bis 428 als Patriarch), 

Alsbald wurden über ven Grabftätten jener Keinen Martyrinnen 
Kicchen und Klöfter (?) errichtet, Gregor ald Erleuchter (u⸗ 
farovitfh der Armenier, vd. h. Erleuchter) feines Volkes wirb 
der erfte ‘Patriarch der Urmenter, und an verfelben Stelle, wo in 
Tigranes Neflvenz, Vagharſhabad, zuvor neben feinem Königdpal- 
Iafte der Haupttempel der Artemid geflanden, und wo dem Patriar⸗ 
hen „ner Eingeborne im Sonnenftrahl” erfchlenen war, 
ward die Hauptkirche Etſhmiadzin (d.h. Descensus) erbaut, wo⸗ 
zu, nad dem P. Tſchamitſch, ) St. Gregor ſelbſt ſchon im 
Jahre 302 nach der Bekehrung von Aſhdidad (der Stadt der 
Opfer, ſ. unten) den Grundſtein gelegt haben ſoll. 

Die Tempel und vielen heidniſchen Heiligthümer des Landes, 
wo zuvor ein Gemiſch verderbter Zorvdaſterlehre 82) galt, mit grie⸗ 
chiſchem und römifchen Goͤttercult, zumal des Aramazd (Dr 
muzd), der Anahid (Anaitis, Artemis, Venus), des Mihr oder 
Mithra (Mitras), nebſt unzähligen andern, meiſt von nordiſchen 
Skythen und Kaukaſiern herſtammenden Götzen (wie Sbantarad, 
Vahach, Parſcham, Nané u. a., aber auch indiſche, wie Keſane, De⸗ 
meter u. ſ. w.), wurden in zahlloſe Kirchen, Kapellen und Kiöfter 
umgewandelt, deren mol Fein Sand verhältnipmäßig mehr als Ar⸗ 
menlen aufzuwelfen bat, und dazu wurden noch viele neue angelegt. 
Schon im Jahr 344 hörte Vagharſhabad auf, Königäfig zu fein; 
die Patriarchen, ald Nachfolger St. Gregorius Illuminator, blieben 
aber daſelbſt noch ein Jahrhundert länger (bi8 452), von wo ab fie 
fi) nah Tovin (nördlich von Artarata) 8) begaben, mo auch die 
Könige fich niedergelafien harten. Das Klofter bei ver Patriarchal⸗ 
Kirche zu Etſhmiadzin, Surena genannt, foll ſchon im Sabre 524, 
zu Patriarch Nerjes II. Zeit, nach andern erſt unter Nerſes IL. ge 
gründet gewefen, und Lazar von Pharb, der Geſchichtſchreiber, 


s®1) Brosset, Notice sur Edchmiadzin im Catalogue de ia biblio- 
thäque d’Edchmiadzin. St.Petersb. 1840. 8. p-9, 11. +3) St. 


Martin, Mé m. s. l’Arm. I. p.306. °®) Itineraire de 7 
capitale de l’Arme£nie, fi St, Martin Mém. 1. —— ze 





Euphratſyſtem; Erfpmiadzin, Kirchenarchitectur. 529 


deſſen Abt geweſen fein. Im Jahr 618 Tag Die Patriarchalkirche 
in Ruinen, al& der Patriarch Gomidas fie von neuem aufbauen 
und dad Holzdach ald Steinfuppel mwölben ließ, aus vefien Zeit noch 
Ueberreſte deſſen eigenthümlichen Bauſtyl documentiren.) Nerſes II. 
wird dann eine Reparatur zugeſchrieben. Seitdem erlitt fie viele 
wechſelnde Schickſale, davon nur zum Theil noch einzelne Docu⸗ 
mente in ber-gemifchten Architectur ihrer oft reſtaurirten Gebaäulich⸗ 
Eeiten ſich mögen auffinden laſſen. Die früheften chronologifchen 
Angaben find freilich keineswegs über allen Zweifel ficher geftellt. 
Erſt im Jahre 1441 kehrten die Patriarchen Urmeniend, bie 
bis zum Jahre 726 in Tovin bleiben Eonnten, aber dann oft 
durch die Zeitumflände gendthigt ihren Sig wechjeln mußten (mit 
Aramonf, Tzoroi Bank, Aghthamer, f. ob. ©. 291, Se- 
bafle, Dzamendav, Ani, Dzovk, und endlich zu Hromela, 
». i. Rumfala, am Euphrat), 85) in dieſe ihre urfprünglidhe 
Reſidenz, nah der Urfirche Etſhmiadzin, zurüd, und ha⸗ 
ben viefe feltvem bis Heute nicht wieder mit. einem anbern Sige 
vertauſcht. 

Als einer ver merhwürbigften Architecturen im armenifſchen 
Styl hat Dubois dem Gebäude ſeine ganze Aufmerkſamkeit ge⸗ 
widmet, und nach Chardin's unbefriedigendem Aufriß 86) vie erſte 
lehrreiche Zeichnung und Grundriß von demſelben ſelbſt aufgenom⸗ 
wen, auf welche wir hier verweiſen können, 87) wie auf deſſen nu⸗ 
dere Auseinanderfegungen und Beichreibungen des reichgeſchmückten 
Baued. Sie nimmt ein volflindiged Duabrat ein und ift ald An- 
deabtreuz mit überall gleich langen Armen gebaut, jo daß 4 Pfeil 
In, in der Mitte des Kreuzes flchend, den Dom tragen, ber auch 
über der Mitte der Kirche fich erhebt. Unter dieſem fleht der Haupt« 
alter mit den Alabafterfäulen von Tauris (Erdk. IX. ©.846); das 
Naterial der Kirche if rothes Porphyrgeſtein. Das Innere derſel⸗ 
ben iſt erſt, wie oben gefagt, in neuerer Beit (1736) von einent ar⸗ 
neniſchen Maler im perfifchen bunten Blumenftyk ausgemalt; ei⸗ 
Kge der Fenſter find zugemauert. Die Bacaden ber primitiven Kirche 





'*) Eug. Bor6 Corresp. II. p.39. 8) Brosset Notice in Ca- 
talogue de la bihliothtque d’Edchmiadzin. St. Petersb. 1840. 8. 
pag. 19. °*) Chardin Voy. L c. I. p.214 planche IX. et X. 
Profil de T&glise d’Edch-miadzin. **) Fr. Dubois Yoy. III. B. 
371—875 Atlas Serie Ill. planche VL, VII. et VOL; f. auf 
—— gem Bejchreil ung bei Herrmann, das zuflifhe Ar⸗ 
m a. a 


Ritter Erdlunde X. | V— 





530 Weſt-Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnin. 


waren ganz andere als bie gegenwärtigen, welche durch m 
wiederholten fpäteren Umbau, durch Vorſprünge, durch ‚Hallen, 
aufgefegte Glockenthürme und durch viele Ornamentirungen 
gefhmüdt wurden, und alfo Combinationen ſehr verfehlenener 
arten darbieten, obwol biefelben "immer nur den verſchiedenen 
den der eigenthümlih einheimifchen Architectur des un 
bauluſtigen armenifchen Volkes angehören. Jedoch zeichnet D 
dieſe Kirche ala die einzige der vielen armenifchen Kirchen, 
zu unterfuchen Gelegenheit hatte, dadurch aus, daß in ih 
Spuren eines griechiſchen BauftyIs vorhanden find, 
allen andern fehlen. Er finvet darin den Beweis des hoben 
ihrer urfprüngliden Grundlage, daß er bis auf Tiri 
Urbau zurüdführt, ver als baulufliger Monarch fo fehr | 
wear, die griehifche Architectur in Armenien einzuführen 
Bewels dafür findet fi) in dem jonifhen Prachtpallaf 
er für feine Schwefter zu Kharni (am Kharni tfhai bei Ki 
im Oft von Erivan) im fchönften griechiichen Styl aufführte 
her unter dem Namen Takht Terdat (Thron Tirivate 
heute in feinen durch ein Erdbeben zerrütteten, aber fonft vi 
men erhaltenen Rtuinen 88) wohlbekannt if. Im feiner ver 
armeniſchen Kirchenbauten findet man, daß armenifche Bau 
die griechiſchen nachgeahmt Hätten; die Kirche zu Etſhmiadzin 
die einzige Ausnahme davon fein, wenn nicht eben biefer 

törer Älteflen Grundanlage zuzurechnen wäre. 

Nach Chardin's Zeit Hat die Kirche in Thinmen und 
einzelnen Teilen große Umbauten erlebt, der Grundbau ble 
ehrwürbiges Denkmal des böchften chriſtlichen Alterthums 
jüngften Neubau führt Dubots vom Jahr 1816 an, nad 
Infehrift, die auf dem Dache angebracht if; denn überall f 
die fchreibluftigen Armenier ihre Infcriptionen an, mit dene 
diefe Kirche bedeckt iſt. Selbſt die Glocken, deren ſehr viele 
alle Räume des Gebaäudes vertheilt find, haben vie ihrigen, u: 
einer derfelben entdeckte Dubois fogar eine täbetanifihe mit ! 
rũhmten buddhiſtiſchen @ebetformel „om mani” etc. (f. Er 
167, 364, VL 594 u. a. D.), deren Herkunft jedoch Bier un! 
war. Unter den vielen Inſchriften, mit denen einige Grüß 
Patriarchen und bie meiſten Wänbe bedeckt ſind, follen fich 





*s) Dubols Voy. III p. 887. Atlas Serie IH. Architect. | 
deſſen «tat primitif, 





HE» 
_ 


Euphratſhſtem; Erfhmiadzin, Anferiptionen. 531 


feine antiken. vorfinden, wegen ver häufigen Berfiörungen und Um⸗ 
bauten; doch bemerkte Dubois an ber äußern Norbfeite ver Kite 
Genmauer eine griechiiche, Bebete emthaltenn, mit der Unterſchrift 
Daniel Tirer Garikinis, 9) aus der ſich biefem Namen nach, 
der Sarin, das alte Argerum, bezeichnet, auf ein fehr--Hohes Alter 
zrrückſchließen ließ. Bon ver Außenfelte des Chort, . ft E. Boré, 
habe er 2 griechiſche Inſchriften 9) copirt, deren Schreibart 
auf die erſten Jahrhunderte der chriftlichen Zeitrechnung zurüd- 
weihe, auf Fragmenten von Grabfleinen, die man aus einer frühern 
:  Beriope vorgefunden, und nad Art ver Armenier ale Dauerfteine 
“wit in die Kirchenwand einmauerte. Da fle hriftliche Gebete mit 
ka Namen Paulus und Thecla enthalten, fo fchließt er daraus, daß 
f älter ald Bregorius Illuminator fein, daß alfo vor dieſem 
don das Kreuz in Armenien geprebigt wurbe, daß er nur bie dor⸗ 
üige Belehrung vollendete, und daß vor der allgemeinen, Ende des 
Um Jahrhunderts geſchehenen, Einführung des neuen, durch 
Neſrob (Mos. Khoren. III. 47. fol. 288) gebildeten arme⸗ 
niſchen Alphabets fchon einmal griechiſche Schrift in ver 
Üturgte Armeniens nebſt ſyriſcher Sprache im Gebrauch gemeim, 
aber dann wieder verprängt worben ſei. Dies iſt jedoch keineswegs 
ar Bore’s Entdeckung: denn fon Neumann bemerkte, U) daß 
ver ältefte armenifche Gefchichtfchreiber, ver — Tiridats, 
ber dem Aufblühen ver armeniſchen Literatur, ver fo berühmte 
Agathangelos, welcher von feinen Landsleuten ber wahrhafte 
Rann ver Geſchichte genannt wird, fein Wert, aus welchem Mo⸗ 
ſes von Khorene fo reichlich feine armenifch gefäreiehene Historia 
Armeniaca fchöpfte, aller Wahrfcheinlichkeit nach in griechiſcher 
Sprache geichrieben Hatte, und daß die griechiſchen Schulen zu 
Athen und Edeſſa, wo vorzüglich grammatiſches Studium blühte, 
von armenifchen Sünglingen beſucht wurben, wie auch Alexandrien, 
Byzanz und Antiochin, fo daß Moſes Khor. felbft Griechenland 
die Mutter und Säugamme ber Wiſſenſchaften auch für vie Armes 
ter nannte. Erfahren zu fein in griechifcher Wiſſenſchaft war 
auch bier das größte Lob, und daher griechiſche Schrift dem Lande 
keineswegs fremd geblieben. | 


— —— — * 


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‚nn. wn m Rn m m 


®®) Dubeis Voy. II. p. 876; f. Brosset Notice tm Catalogne de 
a bibliothdque ned chmiadzin p.45. ve) E. Bore- Corresp. 
p. #0. GC, J. Neumann, armen. Spr. n. Lit. a. a. 
5 B3. 1829. ©. 168, 194. 


212 


' 


932 Weft:Afien. TI. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 3 


Zu Dubois Zeit, 1834, wohnten im Klofter zu Etſhmiad 
50 Mönde, 13 Biihdfe und Erzbifchöfe und 2 Patriarchen, ni 
“ lich noch immer verfelbe Katholikos Ephrem (82 Jahr alt, ti 

Parrot 93 gibt), welcher faft blind und taub und dennoch fonft 

Beſitz feiner geiftigen Kräfte war, aber einen Stellvertreter im ! 

triarchen Johannes fich erbeten hatte: Noch Immer fchwebte 

Geheimniß um die Bibliothek des Kloſters, von ber m 

große Erwartungen hegte, deren Catalog zu erhalten das ruffli 

Gouvernement felbft alle möglichen Sihritte gethan, ohne zum 3 

gelangt zu fein, unftreitig weil es ven Mönchen nicht an mißtre 

fen Vorurtheilen, wol aber felbft an wiſſenſchaftlicher Kennt 

fehlte, einen folchen audzuarbeiten. Ein neuer Bibliothefäbau 1 

indeß im Hof des Patriarchen mit einer Colonnabe im europälfd 

Style begonnen. Eine halbe Stunde vom Kloſter, im S. O. fül 

ein Weg über ven Kirchhof vol langer Grabfleine und 2 big 

Fuß hoher Sarkophage, mit Infchriften auf den langen Seiten, zn 

fen denen ‚bald auch das Grabmonument I. Macd. Kinneir 
von europälfcher Künſtlerhand ftehen wird, ver in Tauris farb ı 

' Erb. IX. ©, 880), aber bier beigefegt fein wollte, zur Kirt 
Sancta Baiane, %) die aus Tirivats Zeit flammen fol. € 

it gewiß manches Jahrhundert jünger, aber fehr einfach, mit t 
leeren Gruft der Heiligen, ohne alle Merkwürdigkeit. In dem Pe 
ticus der Kirche, zu der ein Mönch als Pricfter gehört, werden! 

Patriarchen beigefegt. Die dritte Kirche, der Sancta Hripfin 

und ihrer 32 Gefährtinnen, liegt nur zehn Minuten im NO. d 
Klofters ; fie ift viel größer als jene, im Kreuz gebaut, mit ein 
Kuppel in der Mitte, ein fehr allgemeiner Typus bei den Arm 
niern. Auch fie folte aus Tirivats Zeit fein, und wenn dies, 
ſchien fte einer ver erſten, rohe ſten Verfuche ver Kreuzform u 
ver Kuppel in der Mitte zu ſein. Das Gewölbe ift noch gedrüt 
die Außenfeite bemerfenswerth durch große Nifchen, die an anke 
Kirchen, wie 3. B. in Kutais, eine fo vollendete Ausbildung erx 
ten haben. Agathangelus, der Vater der armenifchen Gefchid 
fihreiber, erzählt, daß unter Kalfer Conflantinus beim Kirchenb 

81 Kuppeln eingeftürzt felen, bevor man, dad richtige Befeh t 

Gonftruction der Strebepfeller gefunden habe, welche die Kuppel 

tragen haben. Bon den Weliquien, die Tirivat in daß Grab t 

Santa Hripfime einlegte, ift feine Spur mehr übrig (anderwär! 


22) Dubois Voy. Ill. p. 370. 








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v 





’ 


Euphratſyſt.; Etſhmiadzin, gegenmwärtiger Zuſtand. 533 


am Varak Dag beim Pan» See, wird der Ort des Martyribums 
verehrt, f. Erdt. X. S. 975). Dubois fand’ das Klofter zur Zeit 
des Karnevald, mie Tavernier, fehr belebt; der Klofterhof imo 
bie Umgebungen waren voll Gruppen Erwachſener und Kinder: 
zumal war die Plattform an ver Oſtſeite der Kirche, die niit gro» 
den Lavaplatten belegt und mit Kreuzen und. Urabedfen in 
Erulpturen verziert iſt, der Liehlingöfpielplag ‚zahlreicher Gruppen 
von Fröhlichen. Diefe fehöne Tüfelung, überall mit dem Nanıen 
ver Geber verſehen, ift ein Denkmal antiker Pietät derer, die dem 
Kofler ihre Verehrung und Dankbarkeit bejeugten. Der flellvertrc- 
imde Patriarch Johannes entließ beim Abfchien ven Fremdling mit 
Km Segen, den er ihm auch mit Gold- und Sühber- Lettern auf 
Bayer gedruckt für ihn und feine ganze Bamille mitgab. Der 
Ejbiſchof Simon, ber der gefällige Begleiter Dubois gewefen, 
— beim Abſchiede in feinem Buche fchriftlich aufgezeichnet zu 


— jüngften ber wiſſenſchaflüichen Pilger, E. Boré, Ende 
1838, zu jenen armeniſchen Sanctuarien ſchien es endlich gelungen: 
den Schleier von der vielbefprochenen Klofterbibliothet am Fuße des 
Ararat zu Tüften, wenigſtens ven erften Blick zu ihrem Inhalt zu 
öffnen. Als einem von ver Academie des Inscriptions zu Paris 
anerkanaten Sprachgelehrten des Armenifchen, war ihm außer dem 
Zuſtande ver katholiſchen Kirche im Orient audh ver von 
ifm als dem beklagenswerthen Schisma angehörig angefchene Zus 
Rand der armenifchen Kirche und ihrer Kiteratur ein Gaupt- 
gegenſtand der Erforichung. Bon feinen Anfichten und Ergebniffen, 
8 Ergänzung zu dem fchon durch den gelehrten St. Martin 
Bekannten, und zu dem was aus dem Obigem hervorgeht, vorläufg 
nr Folgendes, ehe mir in das Genauere eingehen. - 

Bol Erwartungen wichtiger Titerarifcher Entdecknngen, von 

nationalen Antipatbien geſtachelt, und voll enthuflaftifcyer Hoffnun⸗ 
gen für vie nady feiner Ueberzeugung allein ſeligmachende römifche 
Kirche, und ihre nothwendig wieder zu gewinnende Oberberr- 
{haft im Orient betrat E. Bor ée den armenifchen Boden, wo⸗ 
durch feine Mitthrilungen auf demſelben, wie hieraus allerdings fich 
von ſelbſt ergibt, eine eigenthümliche Fürbung erhlelten, welche dem 
wahren Lichte oft einen falfchen Schein gibt, und Die Gegenſtände 
auch wol ganz entflellt hat. 

Don der Wallfahrt zum Grabe Gregorius Illuminators bei 

Arzingan, deren glüdliche Vollbringung durch die Mitte der Kur« 





534 Weſt⸗Aſien. II. Abtheilung. I.Abfchnitt. $. 36. 


denräuber er allein ver Yürbitte dieſes Heiligen, ®) an ben er 
ſich gewenvet hatte, zufchreibt, Fam er nach Etſhmiadzin, Das nad 
ihm das einzige armenifche Klofter fein fol, welches nicht eine 
bloße Meleret fei, ſondern noch ven Schatten von einem katholi⸗ 
ſchen Klofter Habe. Daher beklagt er es, daß jene armentfchen 
Mönde in ihren Zellen zu Etſhmiadzin fich feiner abfoluten 
Einſamkeit Hingäben, und kein Veto des Sprechens hätten. Diefe 
Wunder der Pönitenz, zuft er aus, find allein eine 
Brärogative des Katholicismus. 9) 
| Dennoch gibt er zu, daß mit der räumlichen Entfernung 
ver fathollichen Gemeinden von dem Mittelpuncte ihre Lebens⸗ 
princips (la papaute qui est le principe vital et regulateur 
du catholicisme), nämlich vom Pabſte, alfo von Rom, als dem 
gemeinfamen Gentrum, ebenfalls auch deren Verfall immer mehr 
zunehme; daß aber doch vie große Wohlthat des Coeli⸗ 
bats 9%) noch bei der Geifklichkeit der mit ver zömifchen Kirche 
unirten Armenier im Orient ſich fichtbar erweife, ba hingegen bie 
Verheirathung der Geiſtlichen ver fchismatifchen oder nicht papiſti⸗ 
fhen zu ihrem immer tieferen Verſinken führen müſſe. Denn nur 
ihre Vartabeds (Dortoren) und. Mönche leben im Goelibate. Die 
Erhebung der fo tief geſunknen und als untergeornete Schavinnen 
behandelten Frauen im Orient erwartet er vorzüglich vom Mas 
riencultus, 9%) der feinen mwohlthätigen Einfluß hei ven katholi⸗ 
ſchen Armeniern auf ihr haäusliches Verhältniß verbreite, während 
die ſchismatiſchen Armenier, die keine Maponnenanbetung wie 
Beinen Bilderdienſt haben, dadurch weit Hinter jenen zurückſtehen 
follen. Diefe und andre wörtliche Ausfagen, wie feine Beurtheilung 
evangeliſcher Miffionen am Beifpiele des frommen H. Martyn 
(Erdk. VII. ©. 855, IX. ©. 876), deſſen Grabflätte er in Tokat 


bejucht, 97) deſſen eignes demüthiges Befenntuiß von dem geringen 


Erfolg wahrhaft durch ihn Bekehrter im Orient, Bord, trium 
phirend durch die Millionen ver einftigen latholiſchen Ntamenchriften 
in China, Japan und beiden Amerikas, durch einen Franc. Zaverius 
und Andere, mit. der Thräne des Zelöten Im Auge, über vie Jäm⸗ 
merlichkeit folder Wirkung des Proteflantismus und Rationa- 
mus, wie er es nennt, bei Armeniern und Neftorlanern (Erik. 


22) Eug. Bor& Corresp. T. II. p. 6, 27, 33. °*) ebend. S. Al. 
®5) Eag, Bor&l. q. T. 1. p. 375, 377. °*) chend. ©. 386. 
&T) chend. S. 337. 





Euphratſvſtem; Etſhmiadzin, Kloſterbibliothek. 535 


IX.:©. 925, 943, 962 - 972, 1028) unwürdig ‚belächelt, verbunden 
mit grober Unwiſſenheit auf dem Saatfelvde evangelticher Miſſionen, 9) 
geben und den Maaßſtab, in mie weit wir ven Ruchrichten des 
enthufiafifchen, aber geifreichen und im Armenifchen wohl bewan- 
derten Sendlings der Akademie überhaupt nur zu folgen haben. 

Gr kam aus ver. Duaranjaine von Gümri nad) längerm Aufs 
enthalte zu Ani, am Günfuße des Alaghez (d. i. Arakadz, daher das 
Rand Arakadzoden), zu den geringen Ueberreſten ver Eleinen 
Stadt Barpi, ”) wo einft berühmte Klöfter Tagen, wie Saghmos, 
St. Augelus, St. Johan, Tegherav und andere, in biefem fo klo⸗ 
ſter reichen Theile Armeniend, von denen nad ihm gegenwärtig 
nur noch ein einziges, Mougni mit Namen, übrig, in welchem ver 
fiebenzigiäßrige Patriarch Johannes, von Etſhmiadzin, feinen Som⸗ 
meraufenthalt zu nehmen pflegte. Gr hatte dieſen Gig im Gpät- 
herbſt chen eine Woche zuvor vertaufcht mit einem andern Wohn- 
ige in dem Dorfe Aſhetarag, das nur eine Stunde fern fehr lieblich 
pwiſchen Obſthainen gelegen war, wo C. Bore von ihm die bis 
dahin unerhörte Erlaubniß erhielt, die Klofierbibliothel zu Et⸗ 
(Gmiapzin. näher erforſchen zu dürfen. Die imponisende Empfehlung 
dner Pariſer Akademie, als. erſtes europäliches wiflenfchaftliches 
Xribunal für dad Ausland, hatte hiezu wol das meifle beigetragen, 
fo wie ver foͤrdernde Unterricht feines Führers 
: Ma ver Audienz zu Etſhmiadzin, bei welcher vom Franzoſen 
bes SBatriarchen vergoldeter Thronfefjel nur darum als merfwürbig 
heachtet wurde, weil er „mit dem fchwarzen kaiſerlichen Adler befchattet 
„war, der ominds feine Fittige noch über dem. Oberhaupte der 
rmeniſchen Schiämatifer außbreitete,” wurde ey fogleich durch den 
Bartaben, Pater Johann, ven einzigen Gelehrten des Klo» 
ers, in die Bibliothek eingeführt, neben ver auch cirie verfallne 
Druderei mit ſchlechten Typen zu bemerken war. Dieſer Vartabed 
wird gerühmt, weil er dieſe Druckerei in neues Leben zu rufen ge 
dachte, und als ver einzige literariſch Gebildete beiguter Kennt- 
niß wer Sefchichte, ver armenifchen Patriarchen und der einheimijchen 
Archive, eine Eritifche Bearbeitung der Geſchichte von Et⸗ 
fhmiadzin herauszugeben gebenke, was allerdings ungemein er» 
wünfcht fein würde. Wirklich maren aber damals ſchon, wie der 
Erfolg Ichrie, auf Veranlaffung der ruſſiſchen Regierung die Vor⸗ 





| } 
®e) Kug. Boré I. p. 344. »®).ebend. II. p. 39. 





536 Wefl-Afien, III. Abtheilung. I. Abfchnitt. 9.36. 


bereitungen zu einer Catalogiſirung ber. Bibliothek angefangen, '00) 
wovon jedoch Vorẽ nichts fagt. 

Welche Erwartungen konnte eine feit ven hiſtoriſchen Zeiten 
Gregors begründete Sammlung literartfcher Sthäge am Buße des 
Ararat erregen, da, nach armenifchen Annalen, von Babylon birert 
die ältefte Eultur hier herauf flieg, fehon zu Ninus und Semiramis 
Zeiten mit bactrifch-mebifchen Schriftdenkmalen, die den FJelswänden 
des fo benachbarten Van unveräußerlich eingegraben wurden; ba 
bis hierher der diserte Einfluß ver Meder, Perſer, und wenn auch 
nicht der Maeedonier, doch ver Syrer, Römer, Byzantiner ſtatt 
fand, und bier dem ver Araber, Beorgier und Mongollſcher Herr⸗ 
fcher in den glaͤnzendſten Perioden ihrer Iiterärifchen Thaͤtigkelt be 
gegnete, in deren Mitte das Heiligthum anf Ararat fi zu erhalten 
“wußte, und alſs, vorandgefegt bei eimer foridauernden Pflege ber 
Wiffenfchaften, in diefem Aſyl ver chriſtlichen Lehre, mitt im Ges 
tünımel der Völker des Orients, fich die Annalen ber ganzen 
Weltgefchichte leicht Hätten wie an feinem andern aufſammeln 
können. Gier Hätte der Enthuflaft denken Lönnen von Schläffel 
zur Keilfehrift, zur Lehre Zoroaſters, zu den vorberafintifchen antiken 
Sprachen und Schreibweifen zu finven, Hier die Reſte ver Bibliothek 
die einft zu Ninive und Eveffa von Mar Ibas von Gatima (yon 
vor Chriſti Zeiten benugt wurde (Mos. Khor. I. 7. fol. 21), Hier 
die Annalen ver ſyriſchen und neſtorianiſchen Kine, der Rrrugglge 
im Mittelalter u. f. w. 

Die älteſten Beberrfcher Armeniens, wie die Arfaciben, —*— 
ihre Annalen durch Fremdlinge, nämlich Griechen und Syrer, 
auffchreiben; erſt mit dem Chriſtenthum erwachte mit der einheimi⸗ 
ſchen Schrift die ein heimifche Literatur, vie ſich durch die Ber 


bindung mit dem Abendlande bereicherte. Seit ver Trennung aber. 


der armenifchen von ber abenplänbifchen Kirche, ſeit dem Kirchen⸗ 


concil zu Chaleedon (im Jahr 451), wurden mit dem Schiema 


allerdings Ihre volffenfchaftlichen Beziehungen zu dem Abendlande 
geringer und hoͤrten bei ihrer fortichreitennen religtöfen map politi⸗ 
fchen Ifolirung, bei der dauernden Umflürmung von Muhamevanern 
‚endlich ganz auf. Dagegen erwachte im Innern eine eigne theolo- 
gifche und eine fehr reiche Ueberfegungsliteratur, wie fie fein 
andres bekanntes Volk gleichzeitig aufzuweiſen im Stande iſt. 


2050) Brosset, Catalogue de la bibliothèque d’Edchniiadzin. 8. 
St. Petersbourg 1840. 





Euphrarfoftein; Etſhmiadzin, Kloſterbibiiothel. 537 


Jedoch fehr frühzeitig And es auch literariſche Zerfiörungen 
welche leider Hiefige Sammlungen trafen,‘ wie. denn, nad) Moſ. Khor. 
(Hist. Arm. I. c. 13. fol. 40), fon Ninus felbft In feiner ſtolzen 
Aufgeblafenbeit damit angefangen haben fell, alle Bücher und 
Schriften. ver alten Zeit vor ihm verbrennen zu laffen, damit feine 
eignen Thaten deſto glänzenver Hervorftrahlten. | 

- Dann trat ein Apoſtat, ein zum Magier gewordner Berfolger des 
Chriſtenthums, Mahruchan over Mehrujan (mach Faustus Byz. 
ed. Venet. 1832, fol. 140) auf, und bewirkte im Jahr 381 nach 
Chriſti Beburt einen Befehl von den fafjantvifchen Beinden, von ' 
Sapor U., alle Bücher und Handſchriften des armeniſchen Landes 
dem Vrande zu uͤberliefern, ) eine Verheerung, vie Im Jahr 439 durch 
Jesdedjerd II. wiederholt wurde. 

Bei der Zerflörung von Ant, ver Capitale Armeniens, durch 
Alp Arslan im Jahr 1064 (f. oben S. 441) gingen vollends alle 
Iiterartichen. Hauptſchaͤze der Kirchen, Klöfter und⸗ Bibliotheken des 
Laube: ganz unter, und nur Weniges konnte damals aus biefey 
allgemeinen Verwüſtung in ven Kellern una GBrüften ver Kirchen 
und Klöfter gerettet werben, wo 08: wol eben fo großem Verderben 
durch die Beuchtigfeit, vie Unwiſſenheit und Gleichgültigkelt ver fol⸗ 
genven Jahrhunderte, wie durch vie Zeit ſelbſt ausgeſetzt gemefen 
war. Dennod, Hätte bei einer Nachlefe in dem feit Jahrhunderten 
von biefee Seite gefchüßten Hauptfige ver armienifchen Patriarchen 
ein nicht unbedeutender literariſchet Schag erwartet werben Fünnen, 
dem das Geheimnißvolle feiner Bewahrung nur einen um fo gro⸗ 
fern Werth zu liefern ſchien, zumal da eine unter ähnlichen Lims. 
fländen zu Ardebil erhaltne Manuferipten- Sammlung ver ori⸗ 
entalifchen Literatur eine fo reiche Ausbeute dargeboten hatte (ieh: 
Erof. IX. ©. 794). 

Wirklich jchien ver Fund der Zahl nach wol nicht fo groß, man . 
meinte früher an 30,000 Dlanufrripte, und es zeigten ſich nad 
Eug. Bore nur etma 5 bis 6000, doc) war er nicht unbebeutend; 
auch verbreitete fi ihre Gehalt nicht über ein jo weites Feld des 
hoͤhern Alterthums allgemeiner Völkergefchichten und ihrer Eulturen, 
aber doch zeigte fich, meint Bore, ihr Inhalt nicht unwichtig für 
die einheimifche armenifche Literatur, und dadurch für den 
ganzen zugehörigen Eulturfreis, mit weldyem einft die arme⸗ 


ı) St. Martin Hist. des rövolutions de l’Armenie in Nouv. journ, 
Asiat. Paris 1830. T. V. p. 344. 





538 Weſt-Afien. I. Abtheilung. 1. Abfepnitt. $. 36. 


nifche Civilifation in Berkehr geſtanden und bis heute noch 
fortbeſteht. Aber erſt durch M. Broffet,?) den Academiker, ha⸗ 
ben wir kürzlich den gedruckten Catalog der Bibliothek in 


Etſhmiadzin wirklich mitgetheilt erhalten, der. jenen ſanguiniſchen 


Hoffnungen keineswegs entſpricht, aber doch ein wichtiges Meſchenk 
zur genaueren Runde der armeniſchen Hiſtorlen iſt. Die wahre Be⸗ 
dentung dieſes Fundes kann jedoch erſt aus einem allgemeinen lie 
berblick der armeniſchen Literatur und der Verbreitung 
der Armenter aus ihrer Heimath durch einen weiten Erdkreis 
ver alten Welt, fo wie aus dem Einfluß der Rückwirkung von 
biefer durch Golonifationen auf die Berhältniffe: ner armenifchen 
Populationen aufgefaßt werben, werauf wir in dem * folgen. 
ben hinweiſen. 


2) Fortſchritt der Runde des armenifdhen Landes und 
Volks durch die Wiedererweckung der altsarmenifgen 
Literatur und dur bad wieder erwachte Stubium ber 
armeniſchen Spraße felt dem Anfange des sum | 
| JZahr tzunderte. 


Die erſt ſelt Kurzem wieber erweckte Kunde bes armenifchen 
Landes und Volkes ſteht in fo genauer Beziehung mit ber Ge⸗ 
ſchichte und Literatur der Urmenter, die und erſt ſeit ein 
paar Jahrzehenden durch die Sprachforſchung und ven Drud 
armenifcher Quellenſchriftſteller zugänglicher geworben, daß es hler 
nothwendig wird, um zu gründlicher Betrachtung jener zu gelan— 
gen, wenigftens auf die Ichrreichen Refultate fchon gewonnener oder 
angebahnter Borfchungen hinzuweiſen, durch welche audy der Geo= 
graphie und Ethnographie ein fehr reicher Schaf vieler That⸗ 
fachen zugeführt wurve, über ven fie bis dahin völlig im Dunfek 
geblieben war. Erſt aus dem großen Zufammenhange mit der Welt- 
gefchichte, durch ale Sahrtaufenve, geht auch dad Eigenthümliche 
der geographiſchen Weltfiellung von Land und Volk, 
von dem man früher faum eine Ahnung gehabt hatte, hervor. 

Die europälfche Kenntniß der armenifhen Sprache uno 


Literatur ift noch jehr jung. 3) Der grope Orientallft und Li— 


terat Eichhorn kennt in feiner Xiterairgefchichte, bie zu Gottingen 





ip) Brosset, Académicien extraordinaire, Catalogue de la biblio- 
theque d’Edchmiadzin. St. Petersb. 1840. 8. °) J.St. Martin, 
Mém. sur (Arm. T.1. Avant-propos p.1—16; G. F. Reumans, 





Euphratſyſtem; armenifche Studien, Literatur. 539 


1812 erſchien, ) nur die armentfchen Bibelüberfeger und Moſes 
Kor. als die einzigen bemerkenswerthen Autoren. Es wird daher 
wol an der Stelle fein, hier, wenn auch nur im Umriß, auf ihre 
größere Bedeutung hinzuweiſen. Nach dem Wiederaufleben ver 
Wiſſenſchaften im 16ten Jahrhundert in Curopa war der Blick ver 
Gelehrten zunächſt auch auf das Gebrätfche, Chaldäiſche, Syriſche 
gerichtet, 5) dad Armeniſche blieb aber noch lange unbeachtet. 
Später erſt erfuhr man das Daſein einer armenifchen Bibelüber⸗ 
fegung, mit manchen Apokryphen und Zuſätzen zum neuen Teſta⸗ 
mente, die in den kanoniſchen Schriften fehlten und auf Tegertfche 
Anſichten ver Kirche 9) fich bezogen. Died und einige. gedruckte 
Schriften der Armenier, welche in einzelnen ihrer durch Eus 
sopa und Aften verbreiteten Golonier erfchlenen, wie zu Diulfa 
bei Ispahan, zu Madras in Indien, zu Conſtantinopel, Am- 
ſterdam, Marfeille, Benevig, in Parts unter vem Schutze 
bes Gardinal Richelieu, in der Propagande zu Nom, und zu Leip⸗ 
zig in ber Druderei eined Breslauer Magiſters, Andreas Acoluth, 
mit armenifchen Typen, erzegten: zuerft vie Aufmerkſamkeit auf dieſe 
Sprache. 3.3. Schröder (er ſtirbt 1756) gab Im Deutfchlann ven 
Thesaurus linguae Armeniaeae, b. I. bie erſte armenifche Gram⸗ 
matif, heraus; das armeniſch⸗ lateiniſche Lericon, an welchem ver zu 
feiner Zeit bemunderte Linguift La Croze (Bibliothefar und Pro⸗ 
feſſor in Berlin, flirbt im I. 1739) gearbeitet, erſchien nicht, aber 
er war es, der vorzüglich die Gebrüder Whifton In England zur 
Seraußgabe ver Historia Armeniaca 7) des Mofes von Khorene 





armenifhe Sprache und Literatur, Rec. in Hermes Jahrb. ber Li⸗ 
teratur. Leipʒ. 1829. XXXIII. &.177—204 ; vergl. deflelben Verſuch 
einer Befchichte der armeniichen Literatur, nach den Werfen der Me⸗ 
hitariften frei bearbeitet, Leipzig 1836, 8.; zumal nad: Quadro 
della storia letteraria di Armenia estesa da Mons. Placido Su- 
kias Somal, arcivescovo di Siunia ed abbate generale della 
congregazione dei monaci Armeni Mechitaristi di St. Lazare, 
Venezia 1829. 8. nnd Quadro delle opere di vari autori anti- 
camente tradotte in Armeno. Venezia 1825. B.; f. auch Brosset, 
> Datalogue de la bibliothöque d’Edchmiadzin. st. Petersbourg 
8. 


1840. 
*) 3.8. Eichhorn, Serärgeiöhiite. @öttingen 1812. 8. I. ©.268. 

°) Neumann, Verſuch a.a.D. ©.240. °) Appendix lit. Armen. 
quae continet duas 44* etc. in Mos. Khoren. Hist. Arm. 
ed. Whiston, p.371—384; |. Chalan de Cirbied et F. Martin, 
Recherches curieuses eto., chap. XXI. p. 271—288; Neumann, 
Berfud einer Geſchichte der armenifchen eh. Leipz. 1838. S. 38 

7) Mosis Khorenensis Historiae Armeniacae Libri IL, * Guil. 
et Georg. Whiston. Londini 1736. 4. 


t 








540 Weft:Afien. II. Abtheilung. I. Abfchnitt. 5.36. 


in der Urfprache unterftüßte, weldde nun mit wem Beginn des dahr⸗ 
hunderts nebfl dem Appendix, dem unter dem Namen Mosis Kho: 
renensis Geographia: (von p. 335 — 368) bekannten Compendium, 
für lange Zeit die Grundlage und Hauptyuelle für bie alle 
gemeinere hiſtoriſche Kenntniß Armenien blieb. Indeß bereicherte 
ih Frankreich zu gleicher Seit durch feine ortentalifchen gelchrten 
Reiſenden (Sevin, Fourmont) auf dem Büchermarkt, zumal in Con⸗ 
flantinopel, mit armenifchen Manufcripten, und fo wurde Paris 
ver Haupifig der armenifchen Sprachkenntniß, zumal ſeitdem dort 
Cirbied (1811) 8) armeniſche Vorlefungen begann, und I. St. 
"Martin fi mit befonderm Eifer um dag Studium der armeni« 
ſchen Sprache, Literatur, Geſchichte und Geographie °) große Ver⸗ 
bienfte erwarb: Doc konnte eben viefer letztere Gelehrte noch im 
Jahr 1818 faft mit vollem Nechte 19) jagen: noch iſt die armenifche 
Sprache in Europa unbekannt geblieben; keine Lexica, keine Gram⸗ 
matik, kein Intereſſe beftcht für ihre Literatur; ihre Unterjochung 
unter die Türken führte Ihren eignen DBerfall, wie ven noch größern 
Berfall ihrer Literatur herbei. Uber man .vermechfelte dieſen fpätern 
Zuſtand mit ven frühern, man verband mit Armeniern nur den Be⸗ 
griff von Hanbeldleuten im Sinn von Schacherjuden. Man kannte 
ihre gelehrte Sprache sicht, und ſah das Vulgair-armeniſch, 
dad neuere Gemiſch mit türkifchen, perſiſchen, arabifchen Zufägen, für 
die armenifche Spradhe an, und die europäifchen Gelehrten faßten 
nur die Meinungen ver Eatholifihen Miffionare. und vie theologi⸗ 
fchen Zänkereien der Armenier ald den mefentlichen Beſtandtheil if 
rer Literatur auf. 

Aber mehr ald alle jene Vorarbeiter, fagt Neumann, wirkte 
der Armenier Mechitar, geboren zu Sebaſte (Simas) Im 3.1676, 
von 2 Nonnen erzogen, der in Armenien und auch zu Eiſhmiadzin 
ſtudirt Hatte, durdy feine Stiftung der armenifchen Congre— 
gation auf St. Lazaro. Nachdem er ſich Iange mit dem Ges 
danken verjelben beſchaͤftigt Hatte, 44) eröffnete es im 3. 1700 an 





°) J.M. Chahan de Cirbied et F. Martin, Recherches curieuses 
sur l’'histoire ancienne de l’Asie, puisde des mscr. orientaux de 
la bibl. imperiale. Paris 1806. 8., und beffelben Mscr. Arm. de 
Vhistoire p. Matthieu Eretz in -Notic. et extr. des mser. Ju 
Roy. 1813. T. IX. p, 280 etc. und Mém. sur le gouvernement 

et ia religion des anciens Arm@niens in M&m. de 1a société des 
antiquaires de France. Paris 1820. T. Il. pag.262—311. 
2) J. St. Martin, Mem. historig. et geogr. sur l’Arınönie, Paris 
3818. 8. Voll. I.  **) St. Martinsibid. I. p.17. 21) Neu 
mann, Verſuch g- 9 O. S. 262. 





Euphratſyſtem; armenifche Literatur, Mechitariften. 541 


neun feiner Schüler feinen Plan, einen Orden zu fliften, deſſen 
Zweck fein follte, die armenifche Nation durch Religion und Wiſ⸗ 
ſenſchaft (wie ver Araber Riſaa zu Basra, f. oben ©. 178) ber 
groben Unwiffenheit und politifchen Sclaverei, unter der fie feufzte, 
zu entreißen. Bald darauf traten alle Theilhaber an ver Kirche des 
armenifchen' Apofteld St. Gregorins Illuminator zu Conftantinopel 
zufammen und conflitwirten ſich als den Orden. Mechitar, von 
großer Thätigkeit, eniwarf die Statuten, darin ein glücklicher Verein 
von religidfen und wifienfchaftlihen Vorſchriſten, ver Orbensregel 
der St. Benebictiner, welche fich ebenfalls fo große Verdienſte um 
Die Wiffenfchaft erwarben, am verwandteften. Schon im I. 1712 
beftätigte Pabft Clemens XI. die -Eongregation 12) der Me 
&hitariften nach dieſer den Benedictinern nachgeahmten Orbensre- 
gel. Mechitar arbeitete vie Lehrbücher aus, die zum Unterricht in 
Religion und Wifjenfchaft nothig waren, und ſchickte Miſſionen in 
die verfchiedenm Provinzen Armenlens aus. Dieſer Eifer der ka⸗ 
tholifch unirten mit der abenvländifchen Kirche verbundenen Armes 
nier mißflel dem Patriarchen ver nicht-unirten fogenannten ſchis⸗ 
matifchen Armenier, der zu Etſhmiadzin feinen Sig hat. Durch ſei⸗ 
nen Einfluß ‚Hei ver ottomanifchen Pforte, welche immer den katho⸗ 
lifcheunirten Armeniern abhold war, wußte er es dahin zu bringen, 
daß die Ordensgeſellſchaft das türkiſche Reich verlaffen mußte, und 
gendthigt war, Frankreich und Venedig um Schutz und Aufnahme 
zu bitten. Die Benetianer, durch Handelsverkehr felt langen Zeiten 
mit Armeniern In Verbindung, nahmen fle freundlich auf, unter 
Küsten fie, erbauten ihnen zu Modon in Morea, ihrer vamaligen - 
Befigung, ein Kloſter. Als fie aber im Jahr 1715 und 1716 ale 

ihre Beilgungen in Griechenland an vie Türken verloren, zogen die 
Mechitariſten mit ihnen nach Venedig, und erhielten von ber 
Republit die früher zu einem Kranfenhofpital verwendete Infel 
San 2azaro 13) zum Gefchenke, im Jahre 1717. Hier blühte 
ihre Hauptanſtalt auf. Mechitar, Vartabed, d.t. Doctor (ſtirbt 
74 Jahr alt im 3. 1749), heißt als Stifter bei dem Mechitari⸗ 
fen der Abbas Vater, deſſen Stiftung in Kirche, Klofter; 
Druderei u f. w. felivem die gelehrte Schule für die Wien 
dererweckung des Stupiums der armenifhen Sprache 





ierigtung des Gelegtmns und den Werdienfe ——— 
6 erdienſten ariſten 
ſ. ra, V u a. a. ——* &.278—308. 











544 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfhnitt. $.36. 


Chaſar Barbezi, ein fpäterer Geſchichtſchreiber im 5. Jahrhun⸗ 
dert, nennt Agathangelus ven mahrhaften Mann von tiefer 
Wiſſenſchaft, Gelehrſamkeit, Wahrhaftigkeit in ver Hiftorifchen Er⸗ 
zäblung, dem niemald in ber Darfiellung ber paſſende Ausdruck 
jehlte. 
Agathangelus war ein Schüler ver Rethoren, vol Worte 
und Fünftlicher Reden, wie andre feiner Zeitgenofien. Wahrfcheinlich 
ſchrieb er feine Annalen in griechiſcher Sprache, obwol fein 
Wert in der armenifchen Sprache auch für original gilt, gewiß 
wol ſchrieb er es noch nicht mit armenifchen Buchflaben, denn 
diefe waren zu feiner Zeit noch nicht gebildet; oder wie der Varta⸗ 
ben Bartan in feiner Vita Scti Mesrop 17) fih auserüdt: 
St. Mesrop Habe feine göttlichen Eingebungen über vie Form ver 
armenifchen Buchflaben, wesen Alphabet er erfand, damals noch 
nicht bekannt gemacht gehabt. Damals ſchrieb man in Armenien 
mit den Schriftzeichen ver alten Perſer (mad die gefundnen Keil⸗ 
inſchriften auf den Felswänden von Ban Ser bi Moſh und Ma= 
Iatiga beweiſen, f. ob. 303, 318, und Erdk. IX. ©. 989), oder mit 
den Schriftzügen der Syrer, da Eoefia die nächfle Schule ver 
Armenier war; oder der Griechen, wie Agaibangelus, wovon die 
alten griechifchen Srabinfchriften in Etſhmiadzin ein früheſtes Zeug⸗ 
niß geben. Doch auch laͤngere Zeit nah ber Eompofition des am 
meniſchen Alpbabetd, die etwa um das Jahr 406 n. Chr. G. fällt, 
brauchte man jene fremben Schriften uoch immer in den Öffentlichen 
Verhandlungen, zumal in Dörfeen, Flecken und auf dem Lanze, 
wohin die neue Erfindung nicht fo ſchnell vorbringen konnte. 
Ein Schüler St. Iſaacs und St. Mesrobs, Borioun, mit 
dem Beinamen Admirabilis bei den Armenien, den man wegen 
- feines lieblichen Styls den Xenophon ver Armenier genannt Kat, 
fchrieb eine armenifche Geſchichte, die bis jegt nur im Mannfeript 
auf der Parifer Bibliothek fi befinde Gr erzählt darin, Def 
Mesrop, ebenfalls Fäniglicher Beheimfchreiber, ver Sohn Bartans, 
in Haiegaz (Bazegaz oder Hazig), einem kleinen Flecken in wem 
Diſtrier Daron, der zu beiden Uferfelten am. oben Muradfiuffe 
(in der armenifchen Provinz Duruperan) lag, geboren und Kiez in 
ber griechiſchen Sprache gut unterrichtet geweſen ‚fe. Hazig, ge 
genwärtig Ehafig, 18) beſteht noch heute, nad) Indſhidſhean (Alt 


17) Menmanı a. a. D. ©. 8, 18) Neumann Verſuch a. a. D. 
S. 9. Rot. 2. 4 


- 





ma wi wi 


ur nen 


ne en — 3 ER 3 WR 
-.—- wen — 





Euphratſyſtem; armeniſche Schrfterfindung. 345 


armenten 104, Neuarmenien 191), als. geringer Ort, gehört zu 
Muſh und bat in feiner Kirche dad SrabmalMesrons, das ſelbſt 
von Kurden fo Heilig gehalten wird, daß fle bei ihm zu fchwören 
pflegen. Diefem Mes rop gelang ed, für die an Kehl» und Zifch« 
lauten fo reiche Sprache eines Bergvolkes erft nad) nielen Anſtren⸗ 
gungen das neue armenifche Alphabet zu fdhaffen (Moses 
Khor. III. c. 52. fol. 296 sqgq.), das bis auf die Gegenwart ohne 
beiondre Veränderung die Schrift der armenifchen Literatur geblichen 
IR Während feiner vielen Reifen 19) hatte ver fromme Mann ger 
häufig Gelegenheit, fowol die ſtudirende Jugend als das ganze are 
meniſche Volk zu bemitleiven, denn vie Gebete und alle übrige zum 
Gottesdienſt gehörige Schriften mare nicht allein mit ſyriſchen 
Chararteren (denen ver PVerferfchrift wol fehr nahe verwandt) 
geſchrieben, ſondern auch in fprifcher Sprache abgefaßt, wovon 
De armenifchen Gemeinden nichts verftannen. Ude griedhiichen 
Schriften waren den Armentern aber verbrannt, und das Erlernen 
des Griechifchen durch Mahruſhan verboten, um fie von dem. Ber 
khr mit den Griechen abzuſchneiden. Dies trieb Ihn zur Erfin« 
dung des. Alphabets für die eigne Mutterſprache an (etwa um 
%6 Jahr 406 n.Chr. Geb.) Den uriprünglich 36 Buchſtaben wur⸗ 
den fpäterhin zur Zeit ver Kreuzzüge nur noch 2 neue hinzuge⸗ 
fügt, fo daß fie in allem 38 Schriftzeichen hat. . Mehrere alte 
perſiſche in Armenien befannte Zeichen wurden mit veränderter 
Ferm und andern Werth zu Grunde gelegt, befonore Zeichen für 
den Ausdruck der dem Armenifchen eigerithümlichen Laute mit ver Syl⸗ 
benfchrift, mit den Zahlzeichen nach dem. griechiichen Gebrauch hin⸗ 
jugefügt. Diefer Erfindung, fagt St Martin, verdanft man vie 
Erhaltung der Sprache und Literatur der Armenier; 
ohne fie würde dieſes Volk ſich höchſt wahrfcheinlich mit den Per⸗ 
fen und Eyrern vermifcht haben, und gänzlich. als ſelbſtſtaͤndige 
Nation aus ver Weltgefchichte. verſchwunden fein, wie fo viele Völ⸗ 
fer veB alien Aſiens, denen folcher Vorzug fehlte, ſchon verſchwunden 
find. Denn mit der Sprache und Literatur konnte fich auch erſt eine 
feitfikännige, geiſtige Bildung für die Nation erwarten laſſen, und bie 
asmenifche Kirche fich feſtſtellen; vie Religlon umd Bortitie 
dieſes, obwol ſeit mehr als einem Jahrtauſend ſtets von außen her 
unterworfen gebliebenen Volks hat fich dennoch dadurch bisauf 


it 
Fe 


19) Menmann ebend. ©. »2. 








546 WeftsAfien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36. 


Die Gegenwart erhalten. Dieſelbe Wohlthat ergeigte Meſsrop audly 
den nörblichen Nachbarn, dem chriftlichen Georgiern, denen er ein 
eignes für Ihre Sprache paffended Alphabet gefchaffen, in dem fe 
noch heutiges Tages fchreiben. ©) Auch den Albaniern (Ag- 

hovans b. Mos. Khor. Il. 54. fol.:300. ed. Whist.) erfand « 

ein gleiches Alphabet, das aber mie das Volt felbft bisher aus ber 

Geſchichte verſchwunden zu fein ſchien. Bon viefem Alpabet aber 

wii ®. Bore 2!) ein fehr antifed Manufeript In der Blollerhet 

zu Etſhmiadzin wieder entdeckt haben. 

Was von einheimiſcher Literatur vor dieſer Periode aiwa vor⸗ 
hauden geweſen, kann nur im uneigentlichen Sinne fo genannt 
werben, benn was nach Obigem Ninus zerftört haben fol, Tonnten 
nicht armenifche Dorumente fein, und der berühmteſte aller armeni⸗ 
ſchen Geſchichtſchreiber, Mofes, von Khorene gebürtig (aub 
Khoren oder Khorni, einer Stadt nur 2 Stunden von Mufh, - 
nahe dem Murad im Diftriet Daron, alfo des Mesrop Lanpömann), 
und daher Moses Khorenasti genannt, 22) fonft auch mit dem 
suhmvollen Titel Kerthogh, d. i. Grammatiker oder Poet, bes 
zeichnet, beflagt um das Jahr 370 n. Chr. Geb. (er lebte 116 Jahr 
lang, alfo wol bis in das 5. Jahrhundert hinein) vie Trägheit der 
Armenier ald Geſchichtſchreiber. Er: felbft, ver unendlich thätige 
Mann, fand bei feinem Volke nur Bolls- und Heldengefänge, 
die er theils als ſolche, theils als Hiftorifche Monumente (Armenie- 
rum carmina historica, Mos. Khor. Il. 45. fol. 160, wo er die 
bes Olypius anführt, eines Priefters von Ani, als Sänger helliger 
Zempel) benugt, und auch. einzelne Stellen verfelben wörtlich an 
führt, die um. ſo willlommner And, da fonft feine Sammlnngen 
perfelben übrig geblieben find (z. B. II. 47. fol. 163, 164; IL fol. 


488). 


Eine jene armeniſche Vorzeit betreffende Stelle bei Mofes Kher 
(dl. o. 21. fol. 74), welche von den Herausgebern, Gebrüder WWhi⸗ 
Kon, falſch verkaumen war, hat Neumann berichtigt fo wieder ge 
geben: 2°) „Winige,. heißt es bei Moſes, mögen fagen, baf ta 
„biefen biößerigen. Zeiten. der Armenier (vor ibm). wenig Wiſſen⸗ 
aſchaften noch Butfaben vr, bagıgm aber viele Kriege im 





30) Neumann Berl. & " E. Bor6 Corresp. 'ete. T. IE. 


p. 49. etc. * Pig "Martin Mr 8.18; Neumann Me&m. 
—— de Dar, a. X esftnann btec. in Germes 


Jahrb. a. a. O. © 1 


| 


! 


| 





Euphratfoftem; armeniſche Schrift und Kieder. 547 


„Lande waren; doch haben dieſe ficher nicht die richtige AUnflcht: 
„denn es gab Intervallen zwifchen ven Kriegen; es gab perfifche 
„und gricchiſche Buchflaben, von welchen wir gegenwärtig, von 
„Sieden wie vom Lande und einzelnen Weilern, ſowol über alle 
„gewöhnlichen Gerichtöverhandlungen, als im befondern auch von 
„Gontracten, unzählige Bände Melationen in Händen haben; vor» 
„süglih aber von denjenigen Orten, an denen vie Herrfchaft in edler 
nBreiheit fich behauptet hat.“ | 

Eind der von ihm aufbewahrten wildspoetifchen Fragmente 
hiſtoriſcher Lieder over epifcher Gefänge, die Geburt des Wahagn 
Befingend, lautet alfo: „In Beburtöfcgmerzen lag der Himmel, tm 
„Geburtsſchmerzen die Erde; In Geburtöfchmerzen lag das purpurne 
„Reer und in Geburtöfchmerzen lag das roͤthliche Schilfrobr im 
„Meere. Aus des Mohres Munde kam Rauch empor, aus des 
„Rohres Munde kam Flamme empor, und aus der Flamme entftieg 
„Aends der blonde Jüngling; Beuer hatte er in den Haaren und 
„dlammen hatte er an dem Barte, und bie Augen und die Obren 
„warm Sonnen.” 

Solche Lieder nennt Mofes ſelbſt Fabeln, und fagt, er habe 
dergleichen von alten Armeniern auswendig zur Gaflagnette (bei 
Vhiſton ad cymbala) recitiren hören, nach verſchiednen Geſang⸗ 
weiſen (Mos. Khor. 1. 5, fol. 19; 23, fol. 62). Die mit ihrer 
beimath fehr vertrauten Mechitariften in San Lazaro behaupten 
fine Runde von Handſchriften vergleichen alter Heldenlieder Armes 
niend zu haben, ja daß noch heute die Thaten ihrer Vorfahren durch 
ſolche Befänge von den Einwohnern gewiſſer Gebirgsgegenden Ar» 
meniend (ob etwa auch Feſte wie Zohaks⸗Todtenfeier am Demamend, 
ſ. Erot. VII. S. 561) gefeiert werden. Da dieſe Ueberreſte der 
äteflen Armenterzeit diefelben Helden und ſelbſt dtefelben 
Thaten befingen‘, welche den größten Theil des perfifchen Hel⸗ 
denbuchs Im Firduſe, das Shahnameh, ausfüllen ?*) (nämlich 

son Ruſtam, f. Erdk. WII. S.183, 289), fo hat man darin einen 
wichtigen Beweis auf die älteſte Stammesverwandtfgaft 
der armeniſchen mitder perfifchen Nation zu finden geglaubt. 
Es iR nach Indſhidſhean dieſer Diſtrict Kolthen ones Kolthan 


am Araxes ganz insbeſondere, in ver Provinz Baspuragan, alſo in 


ver Nähe des heutigen Grivan, wo ſolche Befänge, bie Moſes mit⸗ 





20), Meumanı Berfucd einer Geſchichte ic. Cinl. l. 
| "Mu? 








548 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36, 


theilt, gefungen wurben,25) in berjelben Gebirgseinſamkeit, wohin fd 
Medrop in die Einflevelei zurüdzog, ald er mit der Erfindung fer 
ned Alphabets umging, und eben hier die Anhänger der Zoroafler- 
lehre zum Chriſtenthum befehrte. 

Die frühere Behauptung Wahls, daß ven Armeniern Poeſie 
gänzlich gefehlt habe, wird baher von Neumann?6) als irrig auf 
dadurch widerlegt, daß dad armenifche Geſangbuch, Scharagnoz 
genannt, die vortrefflichften Lieder voll Erhabenheit beflpe, daß dleſe 
nicht durch die Quantität, nicht durch den Reim gebunden ſind, aber 
dur ven Parallelisnus große Aehnlichken mit den Pſalmen haben. 
Die mehrſten Lieder in vemfelben find Nachahmungen ver Palmen; 
ed wirb dieſes Eanonifche Geſangbuch von der Nation außerordent⸗ 
lich geachtet, und zu den claffifchen Werken ihrer Literatur gerechmet; 
auch gehören viele darin enthaltne Geſänge zu den älteften Denf- 
malen der Nation, und einige derjelben merven fogar dem Mofe® 
v. Khorene zugefchrieben, wie 3. B. ber berühmte Geſang vom kr- 
ben Johannes des Täufers, ver fo beginnt: 


„Blänzender Stern des Morgenroths! 
„Vorleuchtend dem Sonnenaufgang der Gerechtigkeit, 
„DBorläufer ver Menfchwerbung des göttlichen Sohnes.” 


Solchen Einfluß konnte erft dad chriftliche Element auf die ar» 
menifche Literatur gewinnen, er zeigte fi auch im Kirchengefange 
der Armenier wie in ihrer heiligen Poeſie; währenn das pro» 
fane Element fie mit ver Cultur der Griechen -verfchwiftert, thut 
es dieſes religiöfe mit ven Iſsraeliten; doch fcheint auch die ara 
biſche Poeſie feit dem 7. Jahrhundert auf die armenifche nid 
ohne Einfluß geblieben zu fein. In ven maß» und reimlofen, ven 
bebräifhen analogen, Sefängen (mie noch heute In ven türkifchen 
der Mofcheen) nahm man nur Nüdficht auf die Mopulationen ve 
Stimme und auf die verſchiedenen Töne der Muſik, die noch heut: 
in den Kirchengefängen ber Armenter durch beflimmte Zeichen ange 
deutet find. Daß die Araber die Vermittlung bildeten, dirch 
welche die Armenier erfi deren Metra und Meime nachahmten, it 
durch zwei berühmte Autoren, einen Juden und einen Ar menier, 
tharfäcylich bekannt, Nämlich durch den Rabbi Jehudah Hal- 
levv, der um das Jahr 1140 n. Ebr. Geb. bluͤht, in feinem be⸗ 


26) Meumann ebend. und im Mém. sur la vie de David ote. 
p. 16. 20) Neumann Verſuch a. a. D. ©. 31. 











® 


Euphratſyſtem; armenifche Poeſie. 549 


rühmten Liber Cosri (ed. J. Buxtorf Basil. 1660. fol. p. 133, 
137, 407), und durch den parthiſchen Prinzen Gregor Magi- 
ſtros, von der Arfaciven Raffe, Statthalter von Mefopotanıten unter 
Gonftantin Monomachos, einen der größten armenifchen Gelchrten 
in der Mitte des 11. Jahrhunderts (blüht um dad Jahr 1040 nach 
Chr. Geb.), welcher felbft Militair, aber dabei Ueberſeger mehrer 
gtiechiſcher Mathematiker ind Armenifche 27) war, und ein fehr ge= 
wandter Dichter, der bie Geſchichte des alten und neuen Teſtaments 
in 3 Tagen In ein Gedicht von 1000 Verfen brachte, das einen 
arabiſchen Dichter Menuſhah, einen feiner Freunde, fo fehr anſprach 
nach Form und Inhalt, daß diefer ſich taufen lief. Don ihm be= 
finden fich Gedichte in der Bibliothek zu Etſhmiadzin. 23) Diefer fagt, 
nah Neumanns Ueberſetzung aus deſſen Schriften, daß dad Me- 
ttum und der Reim in den armenifchen Poeflen von ven Arabern 
überfommen fel; er nennt Sahloum, Sohn Shahpu des Chal- 
Gt, und Aharon, ven Sohn KRahans, als die erften, welche Verſe 
nah Art der ISsmaelier (d. i. Araber bei ven Armeniern) ges 
macht, darin, feßt ver Prinz, feine eigenen Landsleute lobend, hin⸗ 
zu, fi eben fo wie in der Nachahmung griechifcher Hiftoriker und 
Kirchenväter Armenter vorzüglich audgezeichnet hätten. Dies war 
jumal fpäterhin der Kal mit dem Patriarchen Nerfes Elatetfi, 
di Klajenſer, nämlich von Romfla, d. i. Rumkalah, der Nömer- 
file am Euphrat fo genannt, der an der Spige der Dichter im 12. 
dahrhundert ſteht. Don dieſem Nerſes befindet fich eine Hiftorifche 
Cegie über den Untergang der Stadt Edeſſa im Jahr 1144, zer⸗ 
Rört durch den Sultan von Aegypten, in der Bibliothek zu Et⸗ 
ſhmiadzin. 29) Iene Stelle des Gregor. Magiftros ift von Neumann 
aus dem armenifchen Manufeript des I. ECzugazy aus den Schriften 
des Magiſtros über die Grammatik überſetzt, welches fich auf ver 
Knigl. Bibliothek zu Paris befindet. Nr. 127. ©. 84 ff. | 
Erft mit des Geheimjchreibers Und ſpätern Sanctus Mesrop 
Erſindung der armeniichen Schrift begann eine nationale arnıe» 
nifche Literatur. Was von einer frühern dort ſchon einheimijch 
gewordnen etwa vorhanden war, wovon einzelne merkwürdige 
baktriſch⸗mediſche und babyloniſch⸗ſyriſche Fragmente und 





37) J. St. Martin Men. sur l’Arm. I. p. 9. ?®) Brosset Catalo- 
gue de la bibliothöque d’Edchmiadzin. Petersb. 1840. p. 75. 
Nr. 118. not. 11; Reumann Berfuh a. a. DO. ©. 139. 

22) Brosset Catalogue 1. c. p. YA. Nr. 227, Nermann Berfuc 


a. a. O. S. 153 








550 Weſt-Aſien. III. Abteilung. I Abſchnitt. $.: 


Andeutungen fi bei dem Annaliſten Mofes Khor. erhalten hal 
wurde durch die Einführung des Chriſtenthums, als eine Heid: 
ſche von dem blinden Eifer der Neubekehrten ſelbſt, ſammt alı 
wa® auch in der Urchitectur und der Plaſtik gefcheben | 
mochte, zerflört. Daß dies letztere nicht unbebeutenb war, er 
ſich aus ver häufigen Angabe von heidniſchen Tempelgebäut 
und von Gdtterftatuen, welche feit des Altern Tigranes (\. 
©, 113) Eroberung Mefopotamiens, Shriens und Paläſtinas, 
den ganzen Bötterfchmarm der Römer und Griechen in Statuen ı 
Zempeln nady Armenien verpflanzte (Mos. Khor. II. 13. fol. 1C 
nah Mofes und anneren Gefchichtfchreibern vor der Einführung 
Chriſtenthums duch ganz Armenien zerftreut waren, deshalb 
nur an die oben fchon angeführten in dem Pantheon zu Arm 
und zu Palaran, wie an den Thron des Tirivates und an ar 
Prachtbauten des hohen Alterthums um und zu Artarata (N 
Khor. Il. 46. fol, 161), wo Statuen der Heroen der Arſach 
Idole von Sol und Luna, und im Pyräum ein heiliged Feuer 
gezündet war (Mos, Khor. II. 74 fol. 195), audy an bie des 2 
Kalefi zu Schemiram oder bei Ban erinnern. 


Auch das wefllichere Hohe Armenien war mit Tempeları 
tecturen und Idolen ver dort verehrten Bötter, ver Ana 
und des Aramazt, gefüllt, wie die zu Arzen (f. oben 270) 
dem benachbarten Ant (Tpäter Gamach) W) am Euphrat, melde let 
im Jahre 302 mit allen zugehörigen literarifchen Monumenten 
Königlichen Tempelasrchive, wo nach Art jener Zelt viele Schri 
und Befchichtäwerke aufbewahrt waren, auf St. Gregors zu eifr 
Befehl ſelbſt zerflört und alles den Flammen preiögegeben wu 
Der Gebirgsgau der Stadt Arzen over Arzendjan (S. ob. ©.2 
am Guphrat, bei ven Urmeniern Egegheats over Egeghets 
genannt, und megen ver. vielen dort den Altern Bdtterd 
Zandes errichteten Tempel berühmt, vie Acilisene hei Stri 
und Ptolemäus (f. oben ©. 73), fcheint fogar nah Plin 
Angabe ihren Namen Anaitis (f. oben ©. 81 und 82) 
zahlreichen Heiligthümern, ver Anaitis ober Diana zu verban 
der einheimifchen Jagdgöttin, welcher nach Strabo die ganze & 
Schaft geweiht war. Vieles muß auch da zerflört fein, 

Die Fürſten und Könige der Armenier find vom Anfang 





39) St, Martin Mem. I. p. 73, 2) Ebend, ©. 44. 





Euphratſyſtem; Armenier 3 rchitecturen. 551 


Gräptegründer und bauluftige Architecten geweſen; vie Art ihres Als 
teten Bauftyls kennen wir nicht. Aus ven ‚gegenwärtig, wie zu 
Zenophons Zeiten noch in gleicher Art fortbeftehennen halb ſubter⸗ 
reſtern Erde und Steinhütten, ald Wohnungen des gemeinen Dan- 
ned, die ſchlecht genug find, ergiebt fich freilich nur, daß dieſe eigen» 
thümlicher Art find, aber die von Dubois unterſuchten Ruinen 
des Tirivat-Thrond zu Kharni (j. 0. &.508) geben den Beweis 
hoher Vollendung ver Architectur im griechiſchen Styl zu Tiridats 
Zeit, fo wie die älteſten armeniſchen Kirchen zu Etſhmiadzin nach 
Dubois, zu Ani nah Hamilton, und andrer Orten !Bewelfe 
einer fehr frühzeitig hochausgebilveten funftreichen Sculptur und 
eines einheimifchen eigenthümlichen Ardyitecturfiyls abgeben. 

Als nun das Ehriftenthum durch St. Öregor, von dem hei» 
lige Reden, Kirdyenfagungen und Gebete >%) fi in ver 
armentfchen Kirche erhalten haben follen, unter Tiridats mächtigem 
Schutz Eingang In Armenien gefunden hatte, und ald Landeöre- 
ligion mit großer Energie durch das ganze Geblet armenifcher 
Bevölkerung verbreitet war, mußte der Einfluß forifcher und 
griehifher Olaubensgenoffen auf Armeniens , Eulturgang 
noch viel bedeutender werden, als deren höherſtehende Entwicklung 
ihon zuvor auf dieſes Volt durch blos räumlich» nachharliche und 
politifche Verhältniffe hätte einwirken können. | 

Nicht gering war dort der Kampf des Chriſtenthums mit dem 
Beidenthum, das mit großer Gewalt, mie zu Bonifacius Zeiten un⸗ 
er Germanen, fo auch hier unter Armeniern zu Gregors ded Er⸗ 
euchters Zeit, und fpäter unter ver Uebermadht der Saſſaniden, 
vider deſſen Einführung ſich erhob. Um fo theuerer aber ver Sieg, 
ım fo größer der Eifer für die neue Lehre, und um fo unveräußer« 
iher die Anhänglichfeit an den gemonnenen Bellg, der zu einem 
weuen DVölkerleben führte, daB, ungeachtet der taufend Zerwürfniffe 
m Innern, durch Ihn Im fortvauernden Kampfe der nachfolgenden. 
sahrhunderte doch feine Selbſtftändigkeit fich zu erhalten mußte. 
Bie Bonifacius die Heiligen Eichen Germaniens fällen Tieß, fo 
Bregor mehrere Jahrhunderte früher die Tempel und Gduerbilder 
der Armenier. 

Nur mit dem Schwert in der Hand konnte, theilweis wenig⸗ 





13) Neumann, Berfuch einer armeniſchen Literakur, nach den Merken 
der Mechitarifien. Leipzig 1836. S. 14. 








552 Weftslfien. TIL Abtheilung. I. Abfchnitt. $.36. 


ftens, in Hocharmenten das Chriſtenthum zur herrſchenden Mellgion 
erhoben ‚werden; den Beweis dafür gibt ein Zeitgenofie und Schü- 
ler Gregors, der Syrer Zenob, 32) in feiner Geſchichte Darons 
aus defien 1. 3. 1882 edirten Werken einige Daten über bad, was tı 
Daron fich zutrug, Erläuterung geben, denn was in den Staͤdter 
und Landichaften, wo Tiridates felbft die Uebermacht Hatte, geſchah 
iR aus den Annalen des Moſes Khor. ſchon allgemein bekannt. 
Daron, dad Gebirgsthal zu beiden Seiten des obern Mu⸗ 
rad⸗Flufſſes oder des ſüdlichen Euphratarmes, von Diyadin (f. ob. 
©. 335) abwärts, der berühmtefte Sau der hoben Provinz Duro- 
peran, das Geburtäland der beiden großen Männer, Mesrop un 
Moſes, war damals im Beflg einer Eolonie von Hindus, ik 
als eingemurzelte Idolanbeter auch am heftigften gegen das Chri 
ſtenthum auftraten. 
| Zenob erzäplt nun: Als Gregor nad der Taufe des Tir 
dated (mahrfcheinlich gegen das Jahr 302 n, Chr. Geb.) non Gar 
farea zurüdgefehrt war, blieb er einige Zeit in Sebaſte (d. i. Si⸗ 
was, fpäterhin die Metropolid von Armenia prima), und rigf einige 
Doctoren (Bartabeds) von Alerandria, der hohen Schulein Aegypten, 
herbei, vortreffliche Männer, von venen einer, Tiglarios genannt, 
von ihm zum Bifchof Über das Land Tuin (Tovin 3*) im Nom 
von Artarata) geweiht war. Daffelbe geſchah audy mit andern auf 
Affgrien berufenen Männern. Auch mid, Zenob, fagt der Autor 
felbft, ver fpäter vom Klofter Klag, dem er vorfland, auch den Be 
namen Klag erhielt, Tieß er nicht nach Niftra (ob Nofä in Kap 
padorien? ob Nifibin?) 3°) zurüdfchren, fo daß ich diefes meinen 
Bruder Elenzar übergeben habe. Bon Sebaftegingenwir nah Thor 
tan, und liefen da ven Surdinos aus Ephefus als Lehrer ve 
Diſtrictes zurück (Ihortan, am Euphratarme, benachbart Arzerun 
berühmt bis heute bei Armeniern, weil vafelbft fpäter die Grabflätte 
Bregorius Illuminators, St. Vartapes und Huskans bepilgert wur 
den). Damals ſchon war der Ort durch den Tempel eines Kandel 
gottes Parſham 3%) berühmt, der aber durch St. Gregor zei 





ss, Mach Nenmanns Ueberfegung aus Zenob; f. Weberficht ver men 

fien Erfcheinniigen der armenifchen Literatur, eine Zeitfchrift für d 

Kunde des Morgenlanpes, Göttingen 1837. 8. Band I, ©. 25! 

Storia di Taronia scritta da Zenobio Clagh autore del IV. se 

e continusata da Giov. Mamigonense, autore del, VII. Sec. | 

| 1832, S. Lazaro. ®*) St. Martin Mem. l. p. 119. °°) Re 

4 mann Berfuh a. a. DO. ©, 20. Not. 2. 40) St, Martm Meı 
I. pı 14, | 





\ 


Euphratſyſtem; Armenier, und HindusBelehrung. 553 


® 
fört ward. Bon da brachen wir (im Sahr 301) wiederum auf, 
um und nah Charin oder Garin (d. I. Arzerum in Hoch⸗ 
armenien, f. oben ©. 81), und nah Hark, vie Altefte Anfiedlung 
des Stammpvaterd der Armenter, (von Hair, Vater, der Plural 
Hark, d. h. „Väter“) im Norboft von Daron am Murad, zu 
begeben. Als aber einige ver Lanvesfürften dem Gregorius anzeig« 
ten, daß im Diftriet Daron noch 2 Tempel übrig geblieben wären, 
wo den Bögen geopfert würde, fo wollte er auch dahin gehen, um 
fie zu zerflören. 

Als er aus dem Lande ver Balunier, wol mo heute noch 
die Stadt Balu am Murad (f. 0b. S. 97 und 106), in dem gro⸗ 
Ben Orte nabe bei der Stadt Buarh8, deren Lage unbelannt, aber 
an Daron angrenzend fein mußte, ankam, um dort mit einigen 
beipnifhen Prieftern zufammenzutreffen, und biefe von dem 
Fürſten Haſchdeank erfuhren, daß ihre großen Otter Kifane 
und Demeter alsbald zerflört werben follten, gingen fie während 
der Nacht an den Ort, wo ihre Götter waren, und verbargen bie 
Schäge in Höhlen. Sie ſandten alsbald zu den Prieftern nad). 
Aſhdiſhad 27) (vn. i. die Stadt der Gebete oder der Opfer, 
wegen der vielen dortigen Tempel fo genannt, welche alten Göttern 
geweiht waren) nady Hülfe. Dies war die Capitale von Daron, 
die noch lange Zeit in der dhriftlichen Periode fortbeſtand, in deren 
Nähe das berühmte Klofler Surp Garabted, d. I. St. Gara⸗ 
bied oder Johannes dves Täufers (verfchieven von dem am 
Mrares f. ob. S. 350), liegt, weldyes bis in bie neuefte Zeit einer 
dee Hauptmwallfahrtsorte der AUrmenier, nach Etſhmiadzin der 
Heiligkeit nach der zweite, im alten Gebiete des einft heicnifchen 
Daron geblieben iſt, und wahrſcheinlich aus ven Trümmern jener 
heidniſchen Sanctuarien, deren Aberglaube in den Legenden des 
Sanctus daſelbſt im heutigen Volkswahn noch fortbefteht, ?®) In ver 

erften Zeit der Bekehrung ded Landes hervorging. Dieſes Klofter, 
won den 9 Quellen Innagnean Vank genannt, auch Klag 
Bank, von feinem erfien Abt Klag (Dank im Armenifchen if 
Kloſter), jest aber Changeri genannt, in größtem Verfall, wurbe 
im Jahr 1838 von I. Brant beſucht. 39) Es Tiegt zwei kleine 


2?) St. Martin Mem. 1. p. 101. 3:97, Cl. Rich Narratire of 
Kurdistan. Vol. 1. App. p. 376. s®) J. Brant Notes etc, 
in Journal of Roy. G. Soc. öf London. 1841. Vol. X, P. II, 


p- 373 


% 


554 Weſt⸗Aſien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36. 


Tagreiſen in N.W. der Stadt Muſſh im Gebirgslande, in geringer 


Entfernung vom dortigen Murad, wodurch alſo auch die Lage der 


alten Stadt der Gebete (nah Elifäus) oder Aſhdiſhad in 


Daron, melde Audall %) Hinfichtlih ihrer Ipole mit Jagan⸗ 


nath over Kalt Ghat In Indien vergleicht, näher beftimmt ift. 
Diefem Aſhdiſhad ward die Botichaft gebracht: „Sammelt 
„Rreitfertige Männer und kommt morgen zu und, denn der große 
„Kifane wird in Streit ausziehen gegen die abtrünnigen (d. i. 
„chriſtlich gewordnen) Fürften. Sie flifteten auh Männer aus 
Guarhs an, um bei vem Zaun der Weinberge einen Hinter 


halt zu legen. Die Cultur der Weinrebe ift noch heute im Thale 


des Murad um Muſh ausgezeichnet durch köſtliche Trauben, *) 
wenn ſchon über 4000 Buß über dem Meere gelegen. Andere ber 
Streiter verpargen fi In dem Walde. Der Oberprieſter Arzan 
(vd. h. im Armeniſchen Idol), und fein Sohn Demeter nahmen 
aus der Landichaft Guarhs (Guarhs adan; die Stadt Guarhs 
war, nady Benob, von einem der Söhne der indiſchen Fürſten Kiſ⸗ 
ane und Demeter gegründet) 400 Mann Krieger mit fi, und 


‚bejegten den Berg, dem Flecken Buahrs, gegenüber, und blieben fo 


lange da, bis andere Truppen zu Hülfe famen. Dann fliegen fie 
an den Fuß des Bergs hinab zu GStreifzügen. Gregorius dagegen 


kam mit den Bürften der Arbzrunter, der Anzewazier, dem von 


Anke und mit einem geringen Haufen von 300 Mann zum Berge, 
wo es erſt zur Schlacht, dann zum Zweikampf kam, in dem Arzan 
der Oberprieſter purch den Fürſten des Haufes Ankech erlegt warb, 
In einer zweiten Schlacht im Lande Daron, wobei mit den heidni⸗ 


- fchen Prieflern 6946, mit den chriftlichen 5080 Mann kämpften, 


fiegten dieſe Iegteren von neuem. Nun erft kam es zum Frieden; 


den Heidniſchen wurde geftatter, ihre Todten zu begraben mit Dentmä- 





lern, tarauf man in affyrifcher, griehifcher und iömaelifcher 
Schrift (d. i. arabiſcher, alfo vorkufifcher, alfo wol bimjaritifcher 
Schrift, welche durch Handelsverbindungen bis bieher vorbringen 
mochte) die Worte eingrub: „die erſte Schlacht, wo man tapfer 
„kämpfte; der Anführer des Kampfes war Arzan, ver Prieſterſchaft 
„Haupt, welcher Hier im Grabe liegt und mit ihm 1038 Männer 





*°) Joh. Audall Memoir of a Hindu colony in ancient Armenis. 
in Jam. Prinsep Pburnal of the Asiatic Society of, 
Calcutta 1836. 8. Vol. V. p. 832, not. **) J. Brant Not. Lc- 
—— P. III. p. 852, 360; v. Uſchakoff Geſch. des Feldzugs 


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Euphratſyſtem; Armenier; HindusColonie. 555 


„Und dieſe Schlacht fehlugen wir wegen der Gottheit kiſene und 
„wegen Chriſtus.“ 

Möchte dies auch etwa fpäterhin zugefügte Gloſſe fein, ſo iſt 
das Inſchriftenweſen doch Im Character der Armenier, welche alle 
Grabmale damit bedecken. Die Vriefter ver Idole baten mit Thrä⸗ 
nex in den Augen die Sieger, *2) fie felbft lieber zu töbten, als 
ihre Joole zu zerflören; da dies aber geſchehen mußte, wurden ſechs 
der Priefter auf der Stelle erichlagen wegen ihrer Wiverfeglichkelt. 
Dann aber gelang es ven Fürſten der Siunter, die Bemohner von 

Guarhs (Kuard bei Audall) dazu zu bringen, die Ipolanbetung zu 
verlaffen und die Taufe anzunehmen; ihre Zahl war ohne vie Wels 
ber 5050. 

Die fiegende Partei ver chriſt lichen Fürſten, fährt Zenob 
fort, blieb auf dem Schlachtfelde, ſchlug da ihr Lager auf und ließ 
Gregor herbeirufen; die anderen aber, vie Idolan beter, ſchlugen 
ihre Zelte in ver Ebene bei der ſchönen Quelle (Innagnean, d.i. 
die 9 Quellen, bei Audall) am Walde auf. Diefe Ipolanbeter, 
fagt Zenob, waren hoͤchſt merkwürdig anzufehen, venn fie waren 
ſchwarz, trugen lange Haare und waren häßlich von Ange 
fiht. Ihrer Abſtammung nad, ſagt Zenob, waren fie 
Hindu. (Sonderbar, daß auch heute noch in jenen benachbarten " 
Gegenden ſolche von Hindu⸗Cinwanderung vielleicht - herftammende 
GStreiflinge, nämlih zigeunerartige, in zerfireuten 
Haufen angetroffen werden, die in ihrem Ausſehen, langen Saar, 
heimlichen Ipolencultus und ihrer ganzen Fremdartigkeit für Vorder⸗ 
aſien als ein dahin verfchlagened Geſchlecht erfcheinen, f. oben 
S. 352 u. a. O.) Auch Eli Smith *) bemerkt auf feiner Reife 
im obern Pafin auf dem Wege von Deli Baba zur Tſhöban 
Köpri (ſ. ob. S. 333 u.400), daß daſelbſt außer ven wilden Kurven, 
nach Ausſage feines Kurbenführere, um Mufh eine Gruppe von 
600 Famlien lebe, die Zuzijed (ob DVefini? ein Schimpfname für 
Spolanbeter) feien, und eine eigene befondere Sprache hätten, die 
auch er zu reden verfiehe. Sie folten Sünny fein; ob Sunniten? 
— es ſcheinen diefelben Vagabunden zu fein, die Hamilton ala 
Zigeunerbande, Tihinganen im Saghanlu traf (f. ob. S. 410), 
von demſelben Schlage derer, die Brant und Perkins anführen. | 

Auch nach der Taufe hingen jene Hindu doch noch ihren heid⸗ 





#°) J. Audall 1. c. V. p. 339. **) Eli Smith Missionary Re- 
searches in Koordistan etc. London 1834. 8. p. 439. 
® 


“ 








‘ 


556 Weft:Afien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 36. 


nlfchen Gebräuchen fortwährend an. Die väterlichen Ermahnungen 
Gregord machten keinen Binprud auf fie. Zu den armenifchen Für 
ften fagten fie: laßt ihr und leben, fo wollen wir eudy dafür Dank 
bringen, flerben wir aber, fo merven die Götter über euch Eommen. 
Hierauf ließ einer ver Fürften fie nad Phaitakaran (zwiſchen 
Kur und Arares gelegen, wo fpäter Baylafan von Tamerları aufe 
gebaut ward) ) bringen, wo fle gefangen gehalten und ihr Haupt» 
baar gefchoren wurde. Die Zahl viefer Gefangenen war 400.- 

Die eigentliche Entflehungsurfache +5) ver Hier angeführten Idole, 
fagt Zenob, war folgende: Demeter und Kifane waren indiſche 
Fürften und Brüder, die gegen ihren König Tinaskeh (Dineskey 
det Audall, der vergeblich fi bemüht hat, diefen Namen unter den 
Indifchen Dynaſtien aufzufinden) *6) eine Verſchwörung angezebbelt, 
welcher derſelbe purch ein «Heer zuvorfam, daß fie tödten oder aus 
dem Lande vertreiben follte. Mit genauer Noth ver Verfolgung 
entgangen kamen fie zu Waharſhak lv. I. Balarfares, regiert 
149 bis 127 vor Chr. ©.), der zur Zeit des Arfaciven- und Par⸗ 
therkoͤnigs Arfaces Magnus von biefem, feinem Bruber, vie Herr 
fchaft von Armenien überfommen hatte und In Nifibis refinirte 
(Mos. Khoren. 1. 7. fol. 21). Diefer gab den Flüchtlingen das 
Land Daron zum Lehen... Eie erbauten Hier eine Stadt, bie fie 
Wiſhab, d. i. Dradenftapt, nannten (Viſhabadſor biek 
noch fpät, nach Meſrops Zeit, das Dradyenthal in jener Ge 
gend, *7) wo von des Mesrops Schüler Thathul das Klofter St. 
Thathul erbaut warb; auch wurde diefelbe Gegend Kazanadzagkh, 
d. i. die Höhle der wilden Beftten, genannt. (Ueber Schlan⸗ 
genkultus in Indien f. Erdk. III. 1086, 1093, 1162 und IV. 69), 
Dann errichteten fie die andere Stadt der Gebete, Arſhdiſhad, 
deren Ipolen fie dieſelben Namen gaben, mie diefe Spole in Indien 
heißen, die fie dort anbeteten. Nach 15 Iahren lich aber der König 
beine Brüder tödten, gab aber ihr Lehen an deren 3 Söhne: Guarh, 
Mechdehs und Horchean, deren jeder eine gleichnamige Stadt 
baute; der letztere die feine in der Provinz der Palunier (f. oben 
&.553). Nach einiger Zeit verabreveten fich die 3 Brüder, gingen 
auf den Berg Karkeh, nahe ver Stadt ver Gebete liegend, wo 
- Meberfluß an Jagd und Weldeplägen, viel Wiefe und Wald war, 


— . 
**) St.Martin, Mem. s. l’Arm. I. p.155; Journ. des Savans, 1828. 
P- 542. #5) Neumann a. a. O. 1. p. 383. *e) J. Audall 

. c. V. p. 331. *’) St. Martin, Mem. s. l’Arm. fl. p. 457, 
not. 17 und p. 283, not. 11. 


® 





Euphratſyſtem; Armenier; HindusColonie, 557 


bauten da Häuſer und errichteten 2 Idole, die ſie Kiſane und 
Demeter nannten, und beftellten Diener aus ihrem Gefchledjte, 
diefelben zu verehren (dad Idol von Kifane war 15 Yup hoch, das 
andere 12 Zuß, beide von Erz). Kifane ward cd genannt wegen 
des langen Haupthaares, und auch feine Anderer ließen das Haupt« 
haar wachen, was fpäterhin der Fürſt ver Armenier jedoch zu 
fcheeren befahl. (Kis Heißt im Armenifchen mie in andern medo⸗ 
perfiichen Sprachen das Haupthaar, es find aljo £eine‘ eigentlich 
inpifhen Namen, obwol viefe übrige Beichreibung dem Habitus 
der beutigen Hindus nah 3. Audall vollfommen entipricht.) Als 
dieſes Volk, ſetzt Zenob hinzu, fih zum Chriſtenthum bekannte, 
fo hielt es keineswegs in Wahrheit an dem Glauben; fie wagten 
es nur nicht, Öffentlich nad) Ren väterlichen Sitten zu chen, und 
fannen auf Trug. Sie ließen das Haupthaar ihrer Kinder wach⸗ 
fen, damit fie fih ver Anbetung dieſer Scheußlichkeit erinnern möch⸗ 
ten. — So weit Zenobs Bragment. Welter unten werben wir fee 
ben, daß dieſe Leute nicht die einzigen Colontjationen von fernen 
Fremden im Innern Urmeniend blieben. Der mit ver inbifchen 
Welt fo vertraute Laſſen 8) Hat Eeinen Zweifel gegen dieſe antike 
Erzählung, nur hält er ed für kaum richtig, daß ven beiden Prine 
zen naher gleichnamige Idole und Verehrung geweiht worden 
felen , viel wahrfcheinlicher iſt es nach ihm, daß vie Idole und ber 
Cultus fchon fertig aus Indien mitgefommen, und daß die Götter, 
durch deren Schuß die Golonie ſich geleitet glaubte, von ven Armes 
niern in Prinzen verwandelt worden find. Der Name des Kif- 
ane oder Keifaney, fo wie, daß er mit Jang hberabwallenben 
Loden abgebildet wurde, deutet auf Kris'na bin (pinlectifch 
Kistan, Keſen), der ja auch Kecava, ver Lockige, heißt. Iſt viefe 
Bermuthung gegründet, fagt derſelbe Sprachgelehrte, fo ift Demeter 
eine an dad Griechiſche anklingenne Verſtümmelung des Namens 
feines Bruders, der freilich gewoͤhnlich ganz anders, nämlid Ha⸗ 
bad'ara over Baleräma Heft. Dinaskey (Tinaskeh) 
mäßte der böfe König Ranfa fein. Es fei dem, wie ihm wolle, 
füge ex hinzu, es iſt eine ‚ähnliche Wanderung gewefen, wie diejee 
nige, die fpäter die Zigeuner nach Europa brachte. 

In diefer Zeit der großen Meligionsfämpfe, und zumal unmit- 
telbar nach der Annahme und Verbreitung von Mesrops einheimi⸗ 
ſchem Alphabet, begann die brennende Begier für die Literatur 





2) Laſſen in Zeitfchr. fe d. Kunde des Morgenlandee, Br. L. g. 288. 





558 Weft-Afien, III. Abtheilung. 1. Abfchnitt. $. 36. 


bei den Armeniern, die man nicht uneben, wenn fihon im Fleineren 
Maaßſtabe, und nur als partielle, nicht allgemeine Erfcheinung, mit 
der Periode ded Aufblühend der Künfte und Wiffenfchaften nad 
dem Mittelalter feit Anfang des 15ten Jahrhunderts in Mittel-Eus- 
ropa verglichen hat. 9) Eine .neue-Welt des Wiffend ging Ihnen 
dadurch auf, ihre Studien fingen an, fidy über alle Wiſſenſchaften, 
über alle Völker zu verbreiten, eine große Reihe ausgezeichneter 
Männer und Echriftfteller, eine ganze Reihe von Geſchichtſchrei⸗ 
bern trat unter ihnen auf, deren Werke, obwol bisher wenig er⸗ 
kannt, doch von größter Wichtigkeit für die Ergänzung des Fadend 
der allgemeinen Welt» und Gulturgefhichte für die alte Welt, wie 
für die Spectalgefchichte des Volkes und Landes, dem fle angehören, 
bleiben mußten. Eine überrafchende Analogie mit jener mitteleure- 
pälfchen Zeit war in Armenien allervingd die Entwidlung einer 
Periode ver armenifchen Kiteratur, In meldher der Ueber» 
fegungöfleiß den vorherrfchenven Character abgibt, nicht die ei⸗ 
gene, von innen nach außen geſtaltgebende Production, wie 
die urfprünglich claffifche bei Griechen; dazu war vie Nation nicht 
barmonifch vorbereitet genug, und auch nach jener lieberfegung&pe 
tiode trat feine dergleichen, wie die moderne Literaturperiode 
bet den mitteleuropäifchen Völkern, ein, weil zu große Hemmun⸗ 
gen, vor allem religidfe Meinungsverfchiepenheiten und daher then» 
Iogifche Zänfereien und Mangel freier, nationaler Entwicklung, 
und dazu fortwährende Verlufte der politiichen Breihelt durch Kampf 
und Unterjochungen von Außen flörend (fiche die rührenne Lamen- 
tatio bei Mofes Khor. am Schluß feines Werfes III. 68. fol. 326 
bis 331) und das Weſen verfelben erflarren machend, fo fchr ein» 
wirkten, daß fie nur noch eine tobte, nicht mehr nationale bleiben 
mußte, deren Wiederbelebung und Berjüngung eben die Idee Mr» 
chitard wieder anftrebte. Es gejchah Hier, nach Degerando's For⸗ 
ſchung, einmal, was allen barbariſchen Völkern geſchieht, bie plot⸗ 
lich ohne verhergehangen⸗ Regſamkeit des Geiſtes und ohne vorbe⸗ 
reitende Erziehung von einer fremden Literatur ergriffen werben. 
Eine fehon fertige überfommene Wiffenfchaft oder Piteratur, die 
nicht als freies, nationales Gewächs dem Innern entfproffen, wie 
für die Seele ver Wölker viel mehr zur Feſſel, ale ein Stachel 
zum dortſchritt; und je weiter dieſe Wiffenfchaft ſelbſt fortgefchrittiet 
war, deſto mehr nimmt fle viefenigen gefangen, welche fie in Der 


Li 





68) Neumann, M&m. sur ia vie de David eto. p. 12. 
a 





% 


Eupbratf.; armenifche Literatur ale DBermittlung. 559 


Witte des Dunkels der Ignoranz überrafcht. Diefe tiefgebachte Wahr- 
beit des edlen Denkers weifet der armenifchen Literatur als eine na= 
tionale nur ihre fecundatre Bedeutung zu, aber eben aus biefer 
GEigenthümlichkeit mußte dem ganzen übrigen Kreife hiſteriſcher Wiſ⸗ 
fenfchaften ein beſonderer literarifcher Gewinn zu Theil werden. Sie 
wurpe nicht fo reich als andere, wie 3. B. vie hinvoftanifche, aras 
biſche, perfliche, chineflfche, doch Inhaltöreicher als die byzantiniſche, 
und beffer gefchrieben als die arabifche; aber fie wurde durch Ihre 
Chroniſten gleichzeitiger Hiftorien des Orients und Oc⸗ 
cidents, zumal durch ihre Vermittlung wichtig, von den An⸗ 
fängen der chriſtlichen Jahrhunderte bis in die Zeiten der Kreuz⸗ 
züge und der Mongholenreiche. Die Hemmungen brachten die po⸗ 
litiſchen Schickſale des Reichs nach Tiridats Tode, 314, und ber 
verſatile Character von Herrſcher und Volk. Sein Sohn Khos⸗ 
£oo IL, mit Roͤmer Beiſtand durch Conſtantin und Licinius auf den 
Thron geſetzt, zahlte Tribut an die Saſſaniden; aber dieſe 
f&impflicye Unterwerfung brachte Ihm keine Ruhe, da die Alanen, 
Maffageten und andere barbarliche Völker auf Anfliften der Per⸗ 
fer Armenien, vom Kaufafus herabkommend, zu überfallen begins 
nen und eine fortwährende Landplage bleiben, gegen bie Byzanz um 
neuen Beiſtand arigefleht wird. Nah Khosrovs Tode folgt fein 
Sohn Diran, felt 322, deſſen Schwäche, zu gleicher Zeit doppel⸗ 
tän Tribut, an die Romer wie an die Saffaniden, zu zah⸗ 
Im und Neutralität behaupten zu wollen, ihn ſelbſt flürzt und 
fein Volk in Barteiungen zerreißt. Der Erfolg der durch Sapor IL 
sach unfäplichen Kämpfen in ven Kriegen gegen Arſaces II. unv 
Bab (Para 6. Amm. Marcell.) verübten Greuelthaten gegen die 
chriſtliche Bevölkerung war die envliche graufame erfle Thei⸗ 
lung Armeniens im I. 387 nad Chr. Sch. in en öftlihes 
perſiſches und weſtliches byzantiniſches Bebiet, durch 
welche der größte und fruchtbarſte Theil in die Saſſanidengewalt 
kam, in welchem der Diagiercultuß das Chriſtenthum zu entwurzeln 
ſuchte, während dem chriftlich bleibenden weftlichen, durch Byzanti⸗ 
ner beherrſchten Theile auch die Griechen, ihre Gewalthaber, nur 
verfaßt werden mußten. Die byzantiniſchen Kaiſer wie die Saſ⸗ 
ſaniven⸗Konige Inden nur eine Zeit lang einheimifche Königöfa- 
ürilten. den Scepter fortführen, vie aber bald fortgeſchickt ober aus⸗ 
aerottet wurben; dagegen ſetzten jene militairifge Magiftrate, 
dieſe Markgrafen (Marzban) ein; ein Zufland, der erſt durch 
Die Einfälle ver Araber verändert, abes nicht vechefiert wuwe. 








560 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abfchnitt.$. 36, 


Da die Armenter dem Koran miberfirebien, wurbe ide Loos unter 
den zelotiichen Nachfolgern des Propheten nur noch fchlimmer als 
unter den Sapord, fo daß mit wenigen Unterbrechungen bi8 zur 
Dsmanen Zeit und auch dann’ noch Drud und Sclaverei 
vorherrſchend ihr Loos blieb. 

Das Chriſtenthum zeigte jedoch auch hier auf die bis zur 
erften Einführung deſſelben ganz roh gebliebene Maſſe ſeinen befell- 
genden Einfluß, wie auch, troß vielfacher Verderbung, durch alle 
folgenden Wechſel ver armenifchen Geſchichten, durch die Kraft ſei⸗ 
ned Zufammenhaltd. Der durch Gregoriuß befehrte Tiripates 
befahl, nah Agathangelus, alle Knaben in den Provinzen des 
armenifchen Reichs in den Wiffenfchaften zu unterrichten, zumal vie 
Söhne der heidniſchen Priefter in chriſtlichen Schulen zu verfam- 
mein, in Klaffen zu theilen und gute Lehrer einzufegen. Dadurch 
warb gegen Enve des 4ten Jahrhunderts das goldene ‚Zeitalter des 
ermenifchen Kiteratur im Sten und 6ten vorbereitet. Die vorzügs 
lichſten der befonifch-armenifchen Priefter, welche vie Taufe anges 
nommen, ließ Gregor in ihren Würden und Rechten, wodurch es 
fle für die neue Kirche gewann. Viele der Glaubensgenoffen jener 
Periode, vor dem fpäter eintretenden Schiöma, aus dem gebilvetern 
und durch Schulen ausgezeichneten Syrien und Oriechenland 
berufen, ließen fi in Armenien nieder und nahmen Anthell an 
dem Fortfchritt der Ausbildung der Kirche und ver Wiſſenſchaft. 
Auf Koften ver Herrſcher (ſagt Eusebius Chron. ed. Venet. 181& 
Vol.L. XII.) wurden viele armenifche Jünglinge dagegen in die Schu⸗ 
len von Edeſſa, Alexandrien, Athen, Eonftantinopel ge 
ſchickt, um fi in der griehifchen und ſyriſchen Sprache zu 
vervollkommnen, zugleih aber auch Philofophie und Hiftork 
zu flubiven, da nach dem Ausſpruch jener Armenier zu guten Ueber⸗ 
fegungen fowol die Kenntniß der Sprache wie der Sache gehöre. 
In Athen waren feit langem Stubirende aus allen Theilen Aſien 
verfammelt; bei Juliahus waren Schüler aus Arabien, ESyrlen 
und Armenien zufammengefommen, zu Anfang des 4ten Sahrkam 
derts waren dieſelben dort ſchon in Landamannſchaften getreten, wol 
die von. Bithynien, vom Pontus und fo auch die von Armenign 
Armenier befuchten im 4ten und 5ten Jahrhundert jene Sir dea 
Wiſſenſchaften, wie im 15ten und 16ten Jahrhundert bie. 
die italieniſchen Univerfitäten, um dort ihre claſſiſche Buorug pe 
holen. So konnten neue Schulen entſtehen, und fo bildete Fly 
De große Ueberſetzerſchule für Armenien aus. Sahag fd. i. 





* 


uphratſyftem; armeniſche Literatur; Claſſiker. 561 


sat) der Große, vom Arſacidenſtamme, ein Schüler des Pas 
archen Nerſes, der beveutenpfle Patriarch zu Anfang des Sten 
hrhunderis, von großer Gelehrſamkeit und Weisheit, förverte viefe 
f jede Weife, und Mesrob machte fie durch die Anwendung fels 
3 Alphabets erſt zu einer nationalen. Dies geht insbeſondere 
8 einer Note des gelehrten Mechitariftien. Avgier zur Vorrede 
nes armenifchen Eufebius hervor, mo er aus der noch ungebrud. 
ı Vita .Set. Mesrop von Gorium, *) vefien Schüler, mit 
Ten Worten das eigenthümliche, auß Ueberſetzungen hervorgegan⸗ 
ne woiffenfchaftliche eben Armeniens veutlich ſchildert. Es be= 
ihten fich diefe beiden Männer, jagt Gorium, ihre Nation nicht 
ein in den Wiſſenſchaften zu unterrichten, fondern auch gewandt 
machen. Patriarch Iſaak legte felbft Hand an das Lieberfehen 
d an die Ausarbeitung eigner Werke, nach alter Gewohnheit. 
üben fchien es geeignet, die Brüder Joſeph und Jesnick für 
ve Üiterarlfchen Zwecke auszuſenden (f. oben S. 471). Nach eini« 
r Zeit wanderten aber noch andere Priefler von Armenien nad 
rtechenland, wie Leont und ein zweiter Gortum (ber Verfafler). 
8 beider, des Patriarchen wie Mesrops, Schule find die Männer 
Foorgegangen, die in allen Zweigen des menfchlichen Wiſſens fich 
3) Meberfeger und ſelbſtändige Schriftfteller hervorgethan haben. 
le fogenannten „heiligen Ueberſetzer,“ zu denen einige 40 gezählt 
pen). So Moſes Khor., David, Iednid (oder Effnig), 
:ambre, Eltfä, Iofeph, Leont, Gorium u. a. (Mos. 
hor. III. 60. fol. 310.) | 

Diefe Ueberſetzer wurden zugleich vie Claſſiker der Nation; 
: Meberfegungen ſelbſt wurden, wie bei ver heiligen Schrift, wegen 
e reinen, ungefchmüdten Sprache als die claſſiſchen Mufter- 
Ider haikaniſcher Rede gepriefen. Das heiligſte gab die 
huſte, freiefte, fchönfte Sprache. Gleiche Urfachen brachten gleiche 
irkungen in ber Literaturgefchichte anderer Völker, wie bei ben 
eutſchen, hervor. Die armenifche Ueberfegung der 22 Lanonifchen 
acher des alten, wie der Evangelien des neuen Teſtaments (dies 
were wird Mesrop zugefchrichen), des Epifteln u.a. durch Iſaak 
5ahag), den Patriarchen, wurbe nach der Septuaginta im Jahr 
O n. Chr. Geb. vollendet; La Eroze, in einem Schreiben, nannte 
die Königin aller Ueberfegungen überhaupt, wie fie denn au) 





“) Aeumann, Rec. in Hermes Jahrb. a. a. DO. ©. 196. 
Ritter Erdlunde. X. Nn 











1 


562 Weſt-Aſien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. 5.36. 


von den Mechitariſten 50) für das Mufles der reinen haikaniſchen 
Sprache gehalten wird. Gorium galt wegen feines lieblichen 
Styls für den Zenophon ver Armenier; Jesnick, ver als Biſchof 
von Bafrewant (f. oben S. 361) im hohen Alter flarb, deſſen voll⸗ 
Rändige Werke 1833 in San Lazaro gedruckt worben, ift durch 
Feinheit der Diction, des Styls unter den Armeniern ausgezeichnet. 
Mofes zu Khorene (Ehoruni) im Gau Daron, um das Jahr 
370 n. Chr. Geb. geboren, lebte nach Thomas Ardsrunids Angabe 
120 Jahre, und ſchrieb erſt nach feinen Stubien in Meſopotamien, 
Alexandria, Rom, Athen "und Gonftantinopel feine gehaltreichen 
Werke. Alfo erft in der zweiten Hälfte feines Lebens, gegen bie 
Mitte des 5ten Jahrhunderts: denn ver Chronift Samuel vom 
- Ant fegt feinen Tod in das Jahr 489 n. Chr. &. Wie vie größe 
ten Männer ihrer Zeit. ift auch Mofes Khor. von ven critifiren 
den Klüglingen und Nachfolgern, wie einft ein Herodot, Pytheat, 
Marco Polo u. A., nicht over mißverſtanden, ver Uebertreibun⸗ 
gen’ und Lügen befchulvige und angeklagt worden. Wir weiſen 
flatt aller andern in geographifcher Beziehung nur auf eine feine 
glänzendſten Rechtfertigungen, auf die Wiederentdeckung des Pracht⸗ 
baue des Semiramfchloffes am Van⸗Seec durch Schulz Hin (ſ. ob. 
©. 302—319 und Erdk. IX. S. 982—993). Diefe Rechtfertigung 
Balten wir fefl, und bei unferer großen literarifchen Unwiſſenheit 
über fo vieles bereits Verſchwundene aus ver fo inhaltreichen 
aflatiichen Volker⸗ und Menſchen⸗Geſchichte, das demungeachtet 
von Zeit zu Zeit immer mehr aus dem Dunkel der Vergangeuheit, 
die nur für und dunkel geworben, hervortauchen wird, vertrauen 
wir demnad in geziemenver Art ven Ueberlieferungen bewäßrter 
Männer ver Borzeit zur unaudgefehten Erforſchung ihres Juhalth 
für Fünftig mögliche tiefer eindringende Betrachtung ver wahern 
Entwicklungsweiſe des Menfchengefchlechts. 

Der gelehrte Mechitariſt S. Somal, Erzbiſchof von Et 
nennt in feiner 2iteraturgefchichte Armenien 51) nit Necht Mer 
fe8 den Fürſt Haikanifher Gelehrſamkeit, ven Bakıs 
bes armenifchen Literatur, ver big an das Ende feine Ser 
Send vie verfchienenartigften Werke aus verſchiedenen —— 





‚ *®) Neumann, Verſuch a. a. O. S. 30, 37. sı) pL Sukiag Se 
mal, arcivescovo di Siunia ed abbate di 8. Lazaro, Quadro 
della storia letteraria di Armenia. Venezia 1829; vergl. 
Neumann, Berſuch einer Gefdhichte ber. anmenifden, 2 IM) 
dem Werken der Meczitariten hearheiket. Reigulg 838. 8, 









ratſyſtem; armen, Literatur: Moſ. v. Khorene. 563 


aus dem Griechiſchen, überſetzte, und' beinahe in allen Fa⸗ 
des menſchlichen Wiſſens auch als felbftändiger Schriftfteller 
.. Ihm werden bie fchönften Lieder im armentichen Geſang⸗ 
(im Sharagnoz, d. H. Hymnenfammlung) 52) zugefchrieben, 
heute an beflimmten Tagen in der Kirche gefungen werben; 
m fol die nach griechifchen Muftern, zumal des Hermogened, 
tete Rhetorik herrühren, die auch heute noch ſehr lehrreich iſt. 
dle armenifche Ueberfegung der Chronik des Eufebius, 
widhtigfter Bund der armenifchen Literatur feit Kurzem aus 
bliotheken Serufalems nach Eonftantinopel kam, und von 
echitariften wie von Zohrab, in doppelter Ausgabe, ebirt 53) 
wird von den einheimiſch⸗ armeniſchen Krititern dem Mofes 
fleben. Seine auf Verlangen des Fürften Iſaak aus dem 
ber Bagrativen gefchriebene armeniſche Geſchichte 5%) ıf 
Tanntefte feiner übriggebliebenen Werke, dad für die Ges 
überhaupt auch durch Aufnahme früherer gänzlich verloren 
mer biftorifcher Quellen des Auslandes unfchägbar If, aus 
Befammtinhalt der armenifche Gefchichtfchreiber freilich” nur 
fzunehmen beabfichtigen konnte, was zur Geſchichte ſeines 
oriſchen Thatſachen armen Volkes gehörte, daher ihr Werth 
ſchraͤnkt bleibt, aber wichtig iſt zur Audfüllung der Lücken an⸗ 
zeſchichten. Moſes ſchoͤpfte die Anfänge der patriarcha⸗ 
1Geſchichten feines Volkes, nachdem er in der Einleitung 
faifhen Schriften, wie den Chaldäern Berofus und Abyde⸗ 
folgt ift, nämlich die @inwanderung der Geſchlechte ſei⸗ 
ammvaters Haik aus dem Chaldäerlande, deren Anſiede⸗ 
Berbreitung in Armenien u. ſ. w., theils aus einhei⸗ 
Ueberlieferungen, vorzüglich aber aus ven Geſchichtsbüchern 
rers Mar Abas oder Ibas von Catina (nit Maribas, 
‚IX. ©. 984), welcher anperthalbhundert Jahre vor ver 
en Zeitrechnung feine Annalen zufammentrug. Als der ar 
e Herrſcher des großen Partherreiches, Arſhag cover Ar⸗ 
ver Große (reg. 173— 136 vor Chr.), fagt Mofes, feinen 
Balarfaces (oder Waharfhag ver Armenien, reg. 149 
), den erften ver Arfariven, zu Mflbie als erblichen 


tenmanıı, Verſuch a. a. O. S. 55. 52) Eusebii Pamphili 
ronic. ed. Ang. Majus et J. Zohrabus, Mediol. 1818. 4; 
. edit. Aucher, Venet. II. Voll. 4; vergl. Riebuhr, Heine Schric⸗ 
so) Neumann, Derfuh a. a. O. ©.46. 

Nn 2 





562 WeftsAfien. II. Abtheilung. L Abſchnitt. 


von den Mechitariſten 60) für pas Muſter der reinen hail 
Sprache gehalten wird. Gorium galt wegen ſeines li 
Styls für den Zenophon der Armenier; Jesnick, ver als 
von Pakrewant (f. oben S. 361) im hohen Alter flarb, deſſi 
ſtändige Werke 1833 in San Lazaro gedruckt worben, if 
Feinheit der Diction, ded Styls unter den Armenien audge, 
Mofes zu Khorene (Ehoruni) im Gau Daron, um ba 
370 n. Chr. Geb. geboren, lebte nach Thomas Ardsruniv 
120 Sabre, und ſchrieb erſt nad) feinen Studien in Mefope 
Alexanvria, Rom, Athen "und Gonftantinopel feine gehall 
Werke. Alfo erft in ver zweiten Hälfte feines Lebens, ge 
Mitte des 5ten Jahrhunderts: denn der Chronifi Samuı 
Ani ſetzt feinen Tod in das Jahr 489 n. Chr. &. Wie bie 
ten Männer ihrer Zeit. ift au Moſes Khor. von den ai 
den Klüglingen und Nachfolgern, wie einft ein Herodot, Pf 
Marco Bolo u. A, nicht over mißverſtanden, ver Uebern 
gen‘ und Zügen beſchuldigt und angeklagt worden. Wir) 
ſtatt aller andern in geographifcher Beziehung nur auf eine 
glänzendſten Rechtfertigungen, auf die Wiederentdeckung des I 
baues des Semiramfchloffes am Van⸗See durch Schulz Hin I 
©. 302—319 und Erdk. IX. S. 982—993). Diefe Rechiſen 
halten wir feft, und bei unferer großen Iiterarifchen Unwlf 
über fo vieles bereits VBerfchwundene aus ver fo Inhaik 
aflatifchen DVölfer- und Menſchen⸗Geſchichte, das demung 
von Zeit zu Zeit immer mehr aus dem Dunkel der DBergang 
die nur für uns dunkel geworben, hervortauchen wird, ver 
wir demnach in geziemenvder Urt ven Ueberlieferungen ben 
Männer ver Vorzeit zur unausgeſetzten Erforſchung ihres I 
für fünftig mögliche tiefer eindringende Betrachtung ver Y 
Entwicklungsweiſe des Menfchengefchlechts. 

Der gelebrte Mechitariſt S. Somal, Erzbiſchof von | 
nennt in feiner Literaturgeſchichte Armeniens 51) mit Recht 
ſes den Fürſt haikaniſcher Gelehrſamkeit, ven $ 
ber armeniſchen Literatur, ver big an das Ende ſeir 
Send die verfchiedenartigften Werke aus verſchiedenen Liter 





‚ +°) Neumann, Berfuch a. a. O. S. 30, 37. sı) PL. Suki 
mal, arcivescovo di Siunia ed abbate di S. Lazaro, ( 
della storia letteraria di Armenia. Venezia 1829; vergl. 
Neumann, Verſuch einer Gefchichte der armeniſchen ww: 
ben Werken ver Medhitariften bearbeitet. Leipzig 1886. 8, 


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Euphratfuftem sarmen. Literatur; Mofes v. Khorene. 565° 


Ede ſſa, aus dem er feine Gefchichten des Abgarus und Sana⸗ 
beng, nach dem Zeitfchziftfleller Lerubnas (oder Cherubnas) 50) ges 
nommen, die ſich ebenfalls in dem Föniglichen Archive biefer Gtabt 
befanden. Moſes Khor. verfichert noch obenein, daß er bier in 
Wahrheit von Cdeſſa ſelbſt als Augenzeuge sebe, und daß dieſe 
Nachrichten über Armenien, die in der genannten Bibliothek aufbe⸗ 
wahrt fein, bis auf König Eruand herabreichten (f. oben ©. 453). 

Die folgenden Nachrichten gibt er aus des Olypius, eines 
heidniſchen Priefters zu Uni, Tempelgefhichten (I. 45. fol. 160), 
der gegen Ende des erften Jahrhunderts unter Artarerres, König 
von Armenien, lebte, auß Bardefanes von Edeffa, ſyriſcher⸗ 
fpäter ind Griechiſche überfegten Befchichte, der gegen das Jahr 211 
umter Kaiſer Anton. Garacella Iebte, die er durch die Tempelarchive 


-zu Ani vervollſtändigte (I. 63. fol. 185); dann aus Arditheos, 


eines heidniſchen Priefters, Leben des Gregor Iluminator, ver fi 
zum Chriſtenthum befehrt hatte und im Jahr 300 vom Gt. Gregor 
zum Bifchof geweiht war, vorzüglich aber dann aus des Ugathan- 
gelus Zeitgefchichte Dirdats und Gregors, vie jedoch Moſes 
soüflänbiger als fein Vorgänger ausführte (II. 64. fol. 187). Mit 
dem Anfange des britten Buchs (II. 1. fol. 231) fpricht er ale 
Zeitgenofle. 

Diefe Angaben mögen unfere häufigen Hinwellungen auf vie 
Geſchichten viefed Autors als Grundlage zu unfern Fingerzeigen 
für vie alte Kunde des Landes und Volkes von Armenien rechiferti- 
gen, obwol Hier zugleich zu bemerken iſt, daß bie Lieberrefte der ar⸗ 
mentfchen Literatur aus den Stürmen ber Zeit Teinedwegs fo rein 
und unverfälicht fich erhalten Haben, wie bie ver griechifchen und 
zömifchen Claſſiker, denn noch größere Unwiſſenheit ihrer Abſchreiber 
als bei jenen und Nationaleitelkeit ihrer Kommentatoren hatte fie 
Interpolirt. 

Wie die Geſchichte des Moſes Khor., von welcher übrigens die 
Nechttariſten fo eben eine neue kritiſche Ausgabe veranftaltet haben, 
fo Hatte Dafielbe Loos auch die fogenannte Geographia befielben 
Yuter (ed. Whist. 1736. fol. 335—368) getroffen, welche eine 
harch ihn freie Bearbeitung ver verloren gegangenen Xwgoypapia 
elxouueyıxn, oder ver allgemeinen Geographie des Pappus 
von Alerandria, der gegen Ende des 4. Jahrhunderts unter 





so, Neumann Verſuch u. f. w. ©. 3, 


5 


564 Weſt-Aſien. III. Abthellung. J. Abſchnitt. $. 36, 


Statthalter oder Feudalkonig über Armenien und bie Nord⸗ 
weſtprovinzen feines Reichs einſetzte, wollte dieſer, ein Beichüger ver 
Künfte und Wiffenfchaften, fly eine genauere Kunde ber Thaten 
feiner Vorfahren und der Begebenheiten erwerben. Die frühen f 
fogenannten Könige von Armenien aus dem Haufe Haiks waren | 
wol nur Statthalter Irans und Antrans, wie nach dem Untergang 
der Egrus- Monarchie unter Alexander M. dort nur Statthalter 
die Gewalt Hatten (ſ. Erdk. IX. ©. 768). Valarſaces ſandte dei 
"Halb ven in chalvätfcher und griechiſcher Gelehrſamkeit fehr erfahe 
nn Syrer Mar Ibas (d. h. Dominus Ibas, 55) vergl. ob. S. 16) 
mit Geſchenken und Empfehlungsfchreiben an Arfaces (Mor 
Khor. I. 7 et 8, fol. 20 — 25) in Ninive, damit ihm ver u 
gang zu den berühmten Archiven dieſes Ortes geflattet würde. Der 
fand er eine Handſchrift, die, wie er berichtet, zu Alerander bes 
Großen Zeit aus dem Chalpälfhen in die griechiſche 
Sprache überfegt ward, von der er einen getreuen Abriß in grie 
chiſcher und forifcher Sprache mit nah Niſibis zum König VBa⸗ 
Iarfaces zurückbrachte, weil er in ihr die wahren Anfänge ber 
Geſchichten, die er fuchte, aufgefunven Hatte. Der König Balan 
ſaces hielt dieſe Schrift in feiner Burg In größten Ehren und Heß 
einen Theil derfelben auf eine Säule eingraben. Aus dieſer Schrift, 
pie leider verloren gegangen, wurben die älteften Cintheilungen ber 
Herrſchaften und Lanpfchaften und die Anfänge der wirklich ar» 
meniſchen Gefchichten genommen, welche aber der Syrer Mar 
Ibas nicht weiter führt, als bis auf König Arſhag L, den Som 
und Nachfolger Valarfaced. Diefer reg. von 127 bis 114 vor Eh. 
@eb., und die Einfälle bulgariſcher Hoörden in Armenien 
unter diefem Könige find das letzte Factum, das Mofes von Ike 
für feine armeniſche Gefchichte benugen konnte (Mos. Khor. IL 8, 
fol. 160). Als Fortſetzung feiner Gefchichten gibt Mofed zur Duck 
nun das fünfte Bud der Geſchichtsbücher * Julius Afri⸗ 
canus (Mos. Khoren. II. 9, fol. 101) an, ver feine Nachrichten 
von armenifchen Gerrſchern aus ven Schriften ver Bibliothek zn 
Edeſſa (Drfa, |. oben ©. 117, 138, 166, 243) gezogen, bie Hier 
Gefchichtötafeln ver Tempel wiederum aus Niſibis und Sinope 
vom Pontus zugeführt erhalten Hatten. Auch Euſebins, fagt 
Mofes, bezeuge den biftorifchen Schak ver Bibliothek zu | 


**) La Crose Not. in Mos Khor. fol. 2; Neumann, Berfuh «© | 


( ⸗ 





— 





Euphratſyſtem; armen. Literatur; Moſes v. Khorene. 568 


Edeſſa, aus dem er feine Geſchichten des Abgarus und Sana⸗ 
beug, nach dem Zeitſchriftſteller Lerubnas (oder Cherubnas) *0) ge⸗ 
nommen, die fich ebenfalls in den koͤniglichen Archive dieſer Stadt 
befanden. Moſes Khor. verfichert noch obenein, daß er bier in 
Wahrheit von Evefia ſelbſt als Augenzeuge seve, und daß biefe 
Nachrichten über Armenien, die in der genannten Bibliothek aufbe⸗ 
wahrt feien, bis auf König Eruand herabreichten (f. oben ©. 453). 

Die folgenden Nachrichten gibt er aus des Olypius, eines 
heipnifchen Priefters zu Ani, Tempelgefchichten (II. 45. fol. 160), 
der gegen Ende des erfien Jahrhunderts unter Artarerres, König 
von Armenien, lebte, aus Bardeſanes von Edeſſa, ſyriſcher⸗ 
fpäter ins Griechiſche Üüberfegten Geſchichte, der gegen das Jahr 211 
unter Kaiſer Anton. Caracella lebte, die er durch bie Tempelarchive 
zu Uni vervollſtändigte (II. 63. fol. 185); dann aus Arditheos, 
eines heidniſchen Prieftere, Leben des Gregor Iluminator, ver ſich 
zum Ghriftentbum befehrt Hatte und im Jahr 300 vom St. Gregor 
zum Bifchof geweiht war, vorzüglich aber dann aus des Agathan- 
gelus Zeitgefchichte Dirdats und Gregor, die jedoch Mofes 
vollſtaͤndiger als fein Vorgänger ausführte (II. 64. fol. 187). Mit 
dem Anfange des vritten Buchs (IH. 1. fol. 231) fpricht er als 
Zeitgenoſſe. 

Dieſe Angaben moͤgen unſere häufigen Hinweiſungen auf die 
Geſchichten dieſes Autors als Grundlage zu unſern Fingerzeigen 
für die alte Kunde des Landes und Volkes von Armenien rechtferti⸗ 
gen, obwol Hier zugleich zu bemerken IR, daß Die Lieberrefte ver are 
meniſchen Literatur aud den Stürmen ver Zeit keineswegs fo rein 
und unverfälfcht fich erhalten haben, wie bie ber griechifchen und 
sömifchen Claſſiker, denn noch größere Unwiſſenheit ihrer Abjchreiber 
als Hei jemen und Nationaleitelfeit ihrer Commentatoren hatte fie 
interpolirt. 

Wie die Geſchichte des Moſes Khor., von welcher übrigens bie 
Mechitariſten fo eben eine neue kritiſche Ausgabe veranſtaltet haben, 
fo Hatte daſſelbe Loos auch vie fogenannte Geographia befielben 
Autor (ed. Whist. 1736. fol. 335—368) getroffen, welche eine 
durch ihn freie Bearbeitung ver verlosen gegangnen Xmpoypapia 
olzovuevixn, oder ver allgemeinen@eographie des Pappus 
von Alexandria, ber gegen Ende des 4. Jahrhunderts unter 





se) Neumann Verſuch n. f. w. ©. 3. 








— 


66 Weſt-⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36, 


Theodoſius Magnus lebte, zu fein ſcheint. St. Martin, der 
diefelbe Anficht hegte, ſah bet feinen. armeniſchen Studien 57) wel 
ein, daß das Compendium dieſer armeniſchen Geographie Ange 
ben und Namen enthalte, die dem Moſes ſelbſt zu ſeiner Zeit uns 
möglich bekannt fein konnten, ed waren ihrer fo viele, daß er gegen 
das Zeugniß aller armenifchen Literatoren (mie einft Schlözer gegen 
den Btolemäus zu Felde ziehenn) behauptete, daſſelbe kͤnne unmögs 
lich in feiner gegenwärtigen Geftalt von jenem Mofes Khore- 
nenſis herrühren. Er fchloß aus jenen Interpolationen, daß «8 
erſt gegen das Jahr 950 nach Chr. Geb. verfaßt fein kͤnne. Aber 
der Pariſer Gelehrte Hatte damals Feine Handſchriften zum Gebrauch; 
er konnte nur den von Whiſton uncritifch edirten Text benußen. 

Schaffarik, ver große Forſcher ſlawiſcher Sprachen, °®) theilie, 
nach Angabe des gelehrten Mechitariften Bat. Arten. Anthimo⸗ 
ftan, aus einem alten armenifchen Manufcript deſſelben Compen⸗ 
diums dieſelbe wichtige Stelle über vie erfie Erwähnung er 
Slawen mit, welche aber ganz anders lautet als bei Whiſton (Geogr. 
p- 347); und Anthimoflan zeigte, daß die meiften jener dem Moſet 
vorgeworfnen Irrthümer gleich grundlos find, ba fle ven guten 
Manufcripten des Compendiums fehlten, alfo nur der Whiſton'ſchen 
Ausgabe zur Laft fallen. Auch Indſhidſhean beftätigt «8, baß 
die von St. Martin angegebnen Winerfprüche meift in ven ächten 
Mier. fehlen. ' 

Diefe Schrift fcheint eine freie Bearbeitung der Werke 
des Mathematikers und Geographen Bappus, aus ver zweiten 
Hälfte des 4. Jahrhunderts zu fein; .fle wird dem Mofes vie 
dielet und kann auch fehr gut von Mofes herrühren, ver wahe 
ſcheinlich nicht wor dem Jahre 480 n. Chr. geſtorben tft. Neumann 
bat gezeigt,°9) daß auch bei diefer Arbeit Mofes nicht bloß Lieber» 
feger war, daß er, wie er dies felbft verfichert (Geogr. fol. 346), 
einen Auszug des Wichtig ſten mit Zuziehung des Ptolemäns, 
des Theodoros von Samos und Eonftantin von Antiochie gab, 
bei der Beſchreibung feiner Heimath Armenien aber uub bw 
umliegenden Landſchaften wirklich viefelbe in erweitertem Umfang 


#*) St, Martin M&moire sur I’&poque 'de la composition de is 
geographie attribu£e & Moyse de Khoren, ın M&m. II. 9. Wl— 
‚877. +98, 3. Schaffarif, über die Ablunft der Slawen nad 
tor. Suromwiedi. Ofen 1828. 8. ©. 139 1. ff. 6°, Neumann, 
Ya Zeitſch. fürbie Kunde des Morgenlandes. 1837. Br. 1. &. 4 — 


* 








Eupbratfuften ; armen. Literatur; Moſ. v. Khorene. 567 


ausführte, alſo felbftthätig und ſelbſtſtändig verfuhr. Nach einer 
kurzen Einleitung in die mathematiſche Geographie geht er in die 
allgemeine Beſchreibung der Erdtheile über, fügt aber zu Armenien 
pie Spectalbefchreibung (fol. 358362) der 15 großen Provin⸗ 
zen mit der Nomenclatur aller ihrer Unterabthellungn in Gaue 
oder Cantone Hinzu, die ſchon Plinius Präferturen ber 
Strategien nannte, deren barbartfhe Ramen ihm aber aufe 
zubewahren unnüg fchien (H. N. VI. 10: Dividitur, quod certum 
est, in praefecturas, quas osgasnylag vocant, quasdam ex iis 
vel singula regna quondam barbaris nominibus CXX.). St. Mar» 
tin nennt nur 193, aber Moſes Khor. führt vergleichen 240 al⸗ 
lerdings als armenifche, barbarifch Flingende Namen auf, die jedoch 
Durch die Abfchreiber noch in der Whiſton'ſchen Ausgabe faft zum 
Unbrauchbaren entflelt und erft durch vie Vergleichung mit ben 
beffern Hanpfchriften und Lesarten in des gelehrten In dſhidſhean 
geographifchen Werken zu ihrer urfprünglichen Geſtalt zurüdges 
führt find. Außer dem eigentlichen Armenien wurde auch vie Geo⸗ 
graphle ver benachbarten Lanpfchaften am Pontus, in Eilicen, 
Asia minor u. a. aud einheimifcher Kenntniß vervollftändigt, und 
auch dieſe von Indſhidſhean berichtigt. Aus einer foldhen Erwei⸗ 
terung bei Mof. Khor. ergibt fich die fehr intereffante Thatſache, 
daß armenifche Kaufleute, die feit ältefter Zelt einen bebeuten- 
den Zwiſchenhandel zwifchen Nord⸗, Mittel» und Weft- Allen bes 
trieben, damals fchon das kaspiſche Meer umgangen hatten, 
(alfo viel früher als vie Mongholen, von denen dies als den erften 
im 13. Jahrh. gerühmt wird), und zwar zu einer Zeit ald Strabo, 
Blinius, Arrtan, obwol fhon Herodot den gefchloffenen Land⸗ 
fee kannte, das hyrkaniſche Meer noch für einen Einfluß des 
Oceans hielten, Ptol. V. 9. aber über deſſen Ausdehnung noch 
ſchlecht unterrichtet war. Denn Moſes fagt wörtlich: „Da es fi 
„nun teifft, daß ſowol das griech iſche als das kaspiſche Meer 
„von einigen unſerer Leute umgangen wurde, ſo glaube 
„ich nun, daß das indiſche in demſelben Falle iſt, und daß nicht, 
„wie Einige fagen, der Ocean Alles umfließe“ (St. Martin 1. c. 
II. 826 überfegt dieſe Stelle nflyt genau genug). Fällt er auch in 
einen andern Irrthum über dad entferntere indiſche Meer, fo fieht 
man doc an der Vergleihung ven denkenden Autor. Daß aber vie 
Armenter fen in fehr frühen Zeiten ben Handel nach diefen 
Gegenden, ndrblih vom ſchwarzen und Faspifchen Meere, betrieben 
Haben, fieht man aus Strabo XI. 506, we «6 Heißt, daß vie Me⸗ 





1 
⸗ 
v 


568 WeftsAften. M. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36. 


ber und Armenier den Aorſen, die an dem nörblichen Kau⸗ 
kaſus wohnten und die ganze Küſte ver Kaspier beberrichten, in⸗ 
difche und babylonifhe Waaren zuführten, welche jene, bie 
ihres Reichthums wegen Goldſchmuck trugen, dann auf ihren Kas 
meelen weiter im Sande umber vertrieben. 

Schon aus dem Genannten ergibt fi, daß die armenifche Li⸗ 
teratur keineswegs, wie man früher dafür bielt, fi blos mit 
Ueberfegung ©) theologifcher Werke, zumal der alten Kirchenväter, 
beichäftigt habe, von denen allerdings mol wenige unüberfegt blieben, 
zumal im 5. und 6. Jahrhundert, wo Severianuß und bie Werke 
Philo's, welche neuerlich von den Mechitariften edirt 62) worben, 
im 7. aber die Kirchengefchichte ved Sokrates armenifch bearbei⸗ 
tet wurde. Auch die Dichter, die Philofophen, wie vie Hiſtoriker und 
Philologen, wurden in das Armenifche überfegt; man kann annch⸗ 
men, daß ein Drittheil der griechifchen Literatur, und darunter viele 
fpäter verloren gegangene Werke im Armenifchen aufbewahrt 
wurden. ' 

Nach vorhandnen Spuren hofft man, und nidht®?) ohne Wahr 
fcheinlichkeit, ven ganzen Diodor von Sicilten, ven ganzen Polyb, 
und Quint. Eurtiuß, 6) die Chronik des Sy ncelluß, des Julius 
Africanus, unter ven armeniſchen Manuferipten wieder aufzufinden, 
wie man die Chronik des Eufebius, vie Grammatik des Dio⸗ 
nyfius Thrax, Werke des Plato und Ariftoteles in Davids 
Bearbeitungen wienergefunven hat, und Stellen von vielen andern 
Siftorifern. Die fonft verlornen biftorifchen Werke des Chaldäers Be⸗ 
roſus (ſ. ob. S. 356), die mebicinifchen Schriften von Hippokra⸗ 

tes, von Galenus, die Gedichte von Homer, werden hauſig 
wie im Armeniſchen exiſtirend von Moſes und andern citirt; von 
Beroſus, den Moſ. Khor. benutzte, ſcheinen noch im 12. Jahr⸗ 
hundert die Werke vorhanden geweſen zu ſein. Von der ganzen 
hiſtoriſchen Bibliothek des Diodor von Sicilien, von ven Wer⸗ 
fen des Philoſophen Olympiodor, des Andronicus aus 
Rhodus, von den (Bebichten des Kallimachos, waren we⸗ 


*°) Quadro delle opere di vari autori anticamente tradotte in 
Armeno. Venezia 1825. 8. Catalogo dei libri stampati rella ti- 
pografia Armena dell isola di S. Lazza o presso Venezia. 

u) Ueberfegungen im 5. Jahrhundert, |. Neumann Verſuch u.a. D. 

©. 72—90. **) Brosset Catalogue de la bibliothöque .d’Rd- 

chmiadzin. Petersb. 1840. p. 85. Nr. 181, gibt eine armeniſche 

Ueberfegun des Q. Curtius in der dortigen Bibliothek als vorkanben 
**) Moses Khor. III. 1. fol, 281. Not, 1, 





= 








Eupbratfoftems armeniſche Literatur; David. 569 


nigften® armentiche Lieberfegungen vorhanden. Bon dem ſchon 
oben genannten gelehrten Arfackvifchen Prinzen Gregor Magi- 
ſtros, im 11. Jahrhundert, einem Militair, find Briefe vorhanden, 
in Avgier des Jüngern armenifcher Brammatl£©*) mitgethellt, aus 
denen hervorgeht, daß dieſer Gregor unter andern auch mathemati⸗ 
ſche Werke in die armenifche Viteratur eingeführt bat. 

Es fagt Gregor Magiftros in feinem Briefe: Wir haben 
nicht aufgehört mehrere Werke, die nicht in unfrer Sprache vorhan⸗ 
den waren‘, zu überfegen, nämlih 2 Abhandlungen Platos, bie 
Dialoge Timäos und Phädon überfchrieben; unter biefen vielen- 
Tractaten befindet fich auch ver über die Vorfehung und vieles an⸗ 
dere der PhHilofophen. Jedes dieſer Bücher iſt für fich größer als 
unfer Hymnenbuch. Auch Haben wir die Bücher Olympiodors in 
hailaniſcher Sprache von unfern Lieberfegern gefchrieben gefunden, 
weiche David als die herrlichſten und vortrefflichften Werke preifet, 
und fie über jedes Product derſelben Gattung erhebt. Auch babe 
ih die Werke des Kallimachus und Andronicus in haikaniſcher 
Sprache gefunden, aber die Geometrie des Euklides babe ich felbft 
angefangen zu überfegen, und wenn ber. Herr meine Tage noch ver⸗ 
längern will, fo werde ich Sorge tragen, alles vasjenige zu über⸗ 
fegen, was von griechifchen und ſyriſchen Autoren übrig iſt. — 

Der Hier zulegt als hohe Autorität angeführte David 68) ges 
hört zu den großen Elaflifern der Armenier ver erften Ueberſetzer⸗ 
periobe; er, war Schüler Sahags und Mesrops, Zeitgenoß und 
Neffe des Mof. Khor.; ala Philofoph iſt er Das Haupt der Arme⸗ 
nier, 6°) und wird daher als folcher vorzugsweiſe bei ihnen Imas- 
dafer titulirt. Das heutzutage nur von ben unmiffenpften 
armenifchen Bauern, von fanatifchen Türken’ und raͤuberiſchen Kurs 
den durchſtreifte obere Thal des Murapfluffes, von Diyapin bis 
Muſh, nämlich Duroperan, war die gemeinfame Helmath, in ber 
vie großen Männer Mesrop, Mofes und David dad Licht der 
Welt erblicten, ihre jugenpliche Bildung erhielten und als Erleuch⸗ 
ter ihres Volks Heranreiften, das bier fo tief wieder verfunfen er⸗ 
ſcheint 

Im Dorfe Herthan oder Hercan (auch Merken) im Bau Hart, 

‘e) Paschal Aucher „2 grammar Armenian and English. Venice. 

1829. Neumann Mem. sur la vie de David etc. 


Paris 1829. p. 18 te. und befien Verſuch u. ſ. w. ©. 39. 
°.) f. Werke edirt Venedig. 1838, 





560° WeftsAfien, II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36, 


Da die Armenler dem Koran widerſtrebien, wurde ihr 2008 unter 
den zelotifchen Nachfolgern des Propheten nur noch fchlimmer als 
unter den Sapord, fo daß mit wenigen Unterbrechungen bie zur 
Osmanen Zeit und auch dann’ noch Drud und Sclaverei 
vorherrſchend Ihr 2008 blieb. 

Das Chriſtenthum zeigte jedoch auch hier auf bie bis zur 
erſten Einführung deſſelben ganz roh gebliebene Maſſe feinen beſeli⸗ 
genden Einfluß, wie auch, trotz vielfacher Verderbung, durch alle 
folgenden Wechſel der armenifchen Geſchichten, durch die Kraft ſei⸗ 
ned Zufammenhalts. Der durch Gregorius befehrte Ziridates 
befahl, na Agathbangelus, alle Knaben in ven Provinzen bes 
armenifchen Reichs in den Wiffenfchaften zu unterrichten, zumal die 
Söhne der heidniſchen Priefter in chriſtlichen Schulen zu verfam- 
meln, in Klaffen zu theilen und gute Lehrer einzufegen. Dadurch 
warb gegen Ende des Aten Jahrhunderts das goldene ‚Zeitalter der 
ermenifchen Literatur im 5ten und Gten vorbereitet. Die vorzüge 
lichſten der hefonifch=armenifchen Prieſter, welche die Taufe ange 
nommen, ließ Gregor in ihren Würden und Rechten, wodurch ex 
fie für Die neue Kirche gemann. Viele der Glaubensgenoffen jener 
Periode, vor dem fpäter eintretenden Schiöma, aus dem gebilvetern 
und durch Schulen ausgezeichneten Sprien und Griechenland 
berufen, ließen fih in Armenien nieder und nahmen Antheil an 
dem Wortfchritt der Ausbildung der Kirche und der Wiſſenſchaft. 
Auf Koften ver Herrſcher (jagt Eusebius Chron. ed. Venet. 181& 
Vol. J. XII.) wurden viele armenifche Jünglinge dagegen in die Schu⸗ 
len von Edeſſa, Aleranprien, Athen, Conſtantinopel ge 
fit, um ſich in ver griehifchen und ſyriſchen Sprache zu 
vervolfommnen, zugleich aber auch Philofophie und Hiftorte 
zu ftubiren, da nach dem Ausſpruch jener Armenier zu guten Ueber 
fegungen fowol die Kenntniß ber Sprache wie der Sache gehöre 
In Athen waren feit Iangem Stubirende aus allen Teilen Aftens 
verfammelt; bei Juliahus waren Schüler aus Arabien, Syrien 
und Armenien zufammengefommen, zu Anfang des Aten Jahrhuu⸗ 
derts waren dieſelben dort fchon in Landsmannſchaften getreten, wie 
bie von. Bithynien, vom Pontus und fo auch die von Armenign. 
Armenier befuchten im 4ten und 5ten Jahrhundert jene Sitze ber 
Wiffenfchaften, wie im 15ten und 16ten Jahrhundert die. 
die Italienifchen Univerfitäten, um bort ihre clafitfche Dllvans # 
holen. So konnten neue Schulen entfliehen, und jo bildete ſich a 
De große Ueberſetzerſchule für Armenim aus. Sahag G. i. 





* 


Euphratſyftem; armeniſche Literatur; Claſſiker. 561 


Iſaak) der Große, vom Arſacidenſtamme, ein Schüler des Pa⸗ 
triarchen Nerſes, der bedeutendſte Patriarch zu Anfang des Sten 
Jahrhunderts, von großer Gelehrſamkeit und Weisheit, förderte dieſe 
anf jene Welle, und Mesrob machte fie durch die Anwendung ſei⸗ 
nes Alphabets erſt zu einer nationalen. Dies geht insbeſondere 
and einer Note des gelehrten Medhitariftien Avgier zur Vorrede 
feines armeniſchen Euſebius hervor, mo er aus der noch ungedruck⸗ 
ten Vita ‚Set. Mesrop von Gorium, *) dveffen Schüler, mit 
deffen Worten das eigenthümliche, aus Ueberfegungen hervorgegan- 
gene wiffenfchaftliche Leben Armeniens deutlich ſchildert. Es bes 
mühten fich diefe beiden Männer, jagt Gorium, ihre Nation nicht 
allein in den Wiffenfchaften zu unterrichten, fonvern auch gewandt 
zu machen. Patriarch Iſaak Iegte felbft Hand an daB Ueberſetzen 
und an die Ausarbeitung eigner Werke, nach alter Gewohnheit. 
Beiden ſchien es geeignet, die Brüder Joſeph und Jesnick für 
jene Üterarifchen Zwecke auszufenden (ſ. oben ©. 471). Nach eini⸗ 
ger Zeit wanberten aber noch andere Priefter von Armenien nad 
Sriechenland, wie Leont und ein zweiter Sorlum (ver Verfafler). 
Au beider, ded Patriarchen wie Mesrops, Schule find die Männer 
beroorgegangen, die in 'allen Zweigen des menfchlicden Wiſſens fich 
als Meberfeger und ſelbſtaͤndige Schriftfteller hervorgethan Haben 
(vie fogenannten „Heiligen Ueberſetzer,“ zu denen einige 40 gezählt 
werden). So Mofes Khor., David, Jesnick (over Effnig), 
Mambre, Elifä, Joſeph, Leont, Gorium u. a. (Mos. 
Khor. III. 60. fol. 310.) 

Diefe Meberfeger wurden zugleich vie Claſſiker der Nation; 
Die Lieberfegungen felbft wurden, mie bei der heiligen Schrift, wegen 
ver reinen, ungefhmüdten Sprache als die claſſiſchen Mufter- 
bilder haikaniſcher Rede gepriefen. Das heiligſte gab die 
kühnſte, Freiefte, fchönfte Sprache. Gleiche Urfachen brachten gleiche 
Wirkungen in der Literaturgefchichte anderer Völker, wie bei ben 
Deutſchen, hervor. Die armenifche Ueberſetzung der 22 Tanonifchen 
Bücher des alten, wie ver Evangelien des neuen Teſtaments (vles 
Ichtere wird Mesrop zugefchrichen), ves Epifteln u. a. durch Iſaak 
(Sahag), den Patriarchen, wurbe nad der Septuaginta im Jahr 
410 n.Chr. Seh. vollendet; La Eroze, in einem Schreiben, nannte 
fie die Königin aller Ueberfegungen überhaupt, wie fie denn auch 


©) Neumann, Rec. in Hermes Jahrb. a. a. O. &.196. 
Ritter Erdkunde. X. Na 





562 Weſt⸗Aſien. IT. Abtheilung. L Abſchnitt. 9.6, 


von den Medhitariften 50) für das Mufles ver reinen haikauiſchen 
Sprache gehalten wir. Gorium galt wegen feines lieblichen 
Styls für den Zenophon der Armenier; Jesnick, der als Biſchof 
von Bafrewant (f. oben ©. 361) im hohen Alter ftarb, deſſen voll⸗ 
ſtändige Werfe 1833 in San Lazaro gebrudt- worden, iſt durch 
Feinheit der Diction, des Styls unter den Armenien ausgezeichnet. 
Mofes zu Khorene (Ehoruni) im Gau Daron, um daß Jahr 
370 n. Chr. Geb. geboren, lebte nach Thomas Arberuniig Angabe 
120 Jahre, und fehrieb erſt nach feinen Stubien in Mefopotamien, 
Alexandria, Rom, Athen "und onftantinopel feine gehaltweichen 
Werke. Alfo erſt in der zweiten Hälfte feined Lebens, gegen bie 
Mitte des 5ten Jahrhunderis: denn der Ehronift Sarıuel vom 
Ani fegt feinen Tod in das Jahr 489 n. Chr. G. Wie die größe 
ten Männer ihrer Zeit. ift au Mofes Khor. von ben critifiren- 
den Klüglingen und Nachfolgern, wie einft ein Herodot, Pytheat, 
Marco Polo u. A., nicht over mißverſtanden, ver Uebertreibun⸗ 
gen’ und Lügen befchuldigt und angellagt worben. Wir weiſen 
Ratt aller andern in geographiſcher Beziehung nur auf eine feiner 
glängenpften Rechtfertigungen, auf die Wiederentdeckung des Pracht 
baues des Semiramfchloffes am Van⸗See durch Schulz Hin (ſ. ob. 
©. 302—319 und Erdk. IX. S. 982—993). Diefe Rechtfertigung 
Halten wir feft, und bei unferer großen literarifchen Unwiſſenheit 
über fo vieles bereits Verſchwundene aus ver fo inhaltreichen 
aflatiichen Völker» und Menſchen⸗Geſchichte, dad demungeachtet 
von Zeit zu Zeit immer mehr aus dem Dunkel der Bergangenbeit, 
die nur für uns dunkel geworben, hervortauchen wird, vertrauen 
wir demnach in geziemender Art den Ueberlieferungen bewäßrtes 
Männer der Borzeit zur unaudgefehten Erforfchung ihres Inhalth 
für künftig mögliche tiefer eindringende Betrachtung ver wahren 
Entwicklungsweiſe des Menfchengefchlechts. 
Der gelehrte Mechitariſt S. Somal, Erzbiſchof von Sul, 
nennt in feiner 2iteraturgefchichte Armeniens 51) mit Recht Mer 
ſes den. Fürft haikaniſcher Gelehrſamkeit, ven Vater 
ber armeniſchen Literatur, der bis an bad Ende feines Le⸗ 
Send die verfchienenartigften Werke aus. verfchiedenen Literczum, 





‚ ’°) Neumann, Verſuch a. a. DO. S. 30, 37. sı) PL Sukias Se 
mal, arcivescovo di Siunia ed abbate di S. Lazero, Quadro 
della storia letteraria di Armenia. Venezia 1829; vergl. E-®. 
Neumann, Verſuch einer Gefchichte ber araenijdien 2 sabmz,, and 
ben Werken ber Mechitariſten bearbeitet. Leipzig 1838. 8, &, 





—⸗ 





Euphratſyſtem; armen, Literatur: Moſ. v. Khorene. 563 


zumal aus dem Griechiſchen, überſetzte, und' beinahe In allen Faͤ⸗ 
chern des menſchlichen Wiſſens auch als ſelbſtändiger Schriftſteller 
auftrat. Ihm werben die ſchönſten Lieder im armentichen Gefang- 
buche (im Sharagnoz, d. h. Hymnenſammlung) 52) zugefchrieben, 
bie bis Heute an beflimmten Tagen in der Kirche gefungen werben; 
vom ihm fol die nach griechifchen Muſtern, zumal des Hermogenes, 
gearbeitete Rhetorik berrühren, vie auch heute noch fehr Ichrreich tft. 
Auch die armenifche Ueberſetzung ver Chronik des Eufebius, 
die als wichtigfter Bund der armenifchen Literatur ſeit Kurzem aus 
den Bibliotheken Jeruſalems nach Eonftantinopel kam, und von 
ven Mechitariften wie von Zohrab, in doppelter Ausgabe, edirt 59) 
wurde, wird von den einheimiſch⸗armeniſchen Krititern dem Mofes 
mgefchrieben. Seine auf Verlangen des Fürſten Sfaak aus dem 
Haufe der Bagratiden gefhriebene armeniſche Geſchichte 5%) if 
das bekanntefte feiner übriggebliebenen Werke, das für die Ge 
ſchichte überhaupt auch durch Aufnahme früherer gänzlich verloren 
jegangener biflorifcher Quellen des Auslanves unſchätzbar if, aus 
rn Gefammtinhalt ver armenifche Geſchichtſchreiber freilich‘ nur 
ws aufzunehmen beabfichtigen konnte, was zur Geſchichte feines 

am hiſtoriſchen Thatſachen armen Volkes gehörte, daher ihr Werth 
aur beſchraͤnkt bleibt, aber wichtig iſt zur Ausfüllung der Lücken an⸗ 
derer Geſchichten. Moſes ſchöpfte die Anfänge der patriarcha⸗ 
liſchen Geſchichten ſeines Volkes, nachdem er in der Einleitung 
na moſaiſchen Schriften, mie den Chaldäern Beroſus und Abyde⸗ 
8 gefolgt iſt, nämlich die Cinwanderung der Befchlechte ſel⸗ 
us Stammvaters Haik aus dem Chaldäerlande, deren Anſiede⸗ 
ung, Berbreirung in Armenien u. f. w., theils aus einhei⸗ 
niſchen Ueberlieferungen, vorzüglich aber aus ven Geſchichtsbüchern 
ed Syrers Mar Abas oder Ibas von Catina (nicht Maribas, 
Erdk. IX. ©. 984), welcher anperthalbhunvert Jahre vor ver 
seitlichen Zeitrechnung feine Annalen zufammentrug. Als der an 
ichdiſche Herrſcher des großen Vartherreiches, Arſhag over Ar⸗ 
aceB Der Große (reg. 173— 136 vor Ehr.), fagt Mofes, feinen 
euer Balarfaces (oder Waharſhag ver Armenier, reg. 149 
16 127), den erften ver Arfariden, zu Nifibis als erblichen 


=, Menmanı, Verſuch a. a. ©. ©.55. es) Eusebii Pamphili 
Chronic. ed. Ang. Majus et J. Zohrabus, Mediol. 1818. 4; 
ber edit. Aucher, Venet. Il. Voll. 4; vergl. Niebuhr, Heine Echrif 
ten. ) Neumann, Verſuch a. a. O. S. 46. 
An 2 








564 Weſt-Aſien. TI. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 36. 


Statthalter oder Feudalkoönig über Armenien und bie Nord⸗ 
weftprovinzen feines Reichs einſetzte, wollte dieſer, ein Beichüger ver 
Künfte und Wiſſenſchaften, fi eine genauere Kunde der Thaten 
feiner Vorfahren und der Begebenheiten erwerben. Die frühen 
fogenannten Könige von Armenien aus dem Kaufe Haiks waren 
wol nur Statthalter Irans und Anirans, wie nad; dem Untergange 
der Eyrus- Monarchie unter Alerander M. dort nur Statthalter 
pie Gewalt Hatten (f. Erdk. IX. ©. 768). Valarſaces ſandte eb 
"halb den In chalvälfcher und griechtfcher Gelehrſamkeit fehr erfahre 
nn Syrer Mar Ibas (dv. H. Dominus Ibas, 55) vergl. ob. S. 167) 
mit Geſchenken und Empfehlungsfchreiben an Arfaces (Mor 
Khor. I. 7 et 8, fol. 0 — 25) in Ninive, damit Ihm ver Zu⸗ 
gang zu den berühmten Archiven dieſes Ortes geflattet würbe. Dert 
fand er eine Handſchrift, die, wie er berichtet, zu Alexander bed 
Großen Zeit aus dem Chaldäiſchen in die griechiſche 
Sprache überfegt warb, von der er einen getreuen Abriß in grie 
hifcher und forifcher Sprache mit na Niſibis zum König Bas 
larſaces zurüdbrachte, weil er in ihr Die wahren Anfänge ber 
Geſchichten, die er fuchte, aufgefunden Hatte. Der König Balar 
ſaces hielt dieſe Schrift in feiner Burg In größten Ehren und lie 
einen Theil verfelben auf eine Säule eingraben. Aus dieſer Schrift, 
bie leider verloren gegangen, wurven bie älteften Gintheilungen ber 
Herrſchaften und Lanpfchaften und die Anfänge der wirklid ar⸗ 
menifchen Befhhichten genommen, welche aber der Syrer Mar 
Ibas nicht weiter führt, ald bis auf König Arſhag L, ven Som 
und Nachfolger Valarſaces. Diefer reg. von 127 bis 114 vor Chr. 
Geb. und die Einfälle bulgariſcher Horden in Armenien 
unter dieſem Könige find das letzte Factum, das Mofes von item | 
für feine armenifche Geſchichte benutzen konnte (Mos. Khor. IL 8, 
fol. 160). Als Fortſetzung feiner Geſchichten gibt Mofes zur Quelle 
nun das fünfte Buch der Gefchichtsbücher des Julius Afri⸗ 
eanus (Mos. Khoren. II. 9, fol. 101) an, ver feine Nachrichten 
von armenifchen Herrfchern aus den Schriften ver Bibliothek zn 
Edeſſa (Orfa, f. oben ©. 117, 138, 166, 243) gezogen, ie ihte 
Geſchichtstafeln der Tempel wiederum aus Nifibis und Sinope 
vom Pontus zugeführt erhalten Hatten. Auch Eufebins, fagt 
Moſes, bezeuge den Hiftorifchen Schag ver Bibliothek zn 


66) La Croze Not. in Mos. Khor. fol. 2; Neumann, Verfuch . “ 
D | 


\ ⁊ 





1; 


Euphratſhftem; armen. Literatur; Moſes v. Khorene. 565° 


‚vr IV W 


Edeffa, aus dem er feine Gefchichten des Abgarus und Sana⸗ 
deng, nach dem Zeitfchriftfteller Lerubnad (oder Eherubnas) 30) ge» 
nommen, bie ſich ebenfalls in dem Föniglichen Archive biefer Stadt 
befanden. Moſes Khor. verfichert noch obenein, daß er Hier in 
Bahrheit von Cdeſſa felbft al Augenzeuge rede, und daß viefe 
Nachrichten über Armenien, die in ver genannten Bibliothek aufbe⸗ 
wabrt feien, bi8 auf König Eruand herabreichten (f. oben S. 453). 

Die folgenden Nachrichten gibt er aus des DOlypius, eines 
heidniſchen Priefterd zu Ani, Tempelgefchichten (I. 45. fol. 160), 
ber gegen Ende des erſten Jahrhunderts unter Artarerres, König 
von Armenien, lebte, aus Bardeſanes von Edeſſa, forticher 
fpäter ins Griechiſche überfegten Befchichte, ver gegen das Jahr 211 
unter Kaiſer Anton. Caracella lebte, die ex durch die Tempelarchive 


zu Ani veroollfländigte (IT. 63. fol. 185); dann aus Arditheos, 


eines heidnifchen Prieſters, Leben des Gregor Illuminator, der fidh 
zum Chriſtenthum bekehrt Hatte und im Jahr 300 vom Gt. Gregor 
zum Biichof geweiht war, vorzüglich aber dann aus des Agathan- 
gelus Zeltgeſchicht Dirvats und Gregors, die jedoch Mofes 
volflänniger als fein Vorgänger ausführt (II. 64. fol. 187). Mit 
dem Anfange des dritten Buchs (II. 1. fol. 231) ſpricht er ale 


e. 

Dieſe Angaben mögen unfere häufigen Hinweiſungen auf bie 
Geſchichten diefed Autors als Grundlage zu unfern Zingerzeigen 
für die alte Kunde des Landes und Volkes von Armenien vechtfertis 
gen, obwol bier zugleiy zu bemerken If, daß die Ueberreſte der ar⸗ 
menifchen Literatur aus den Stürmen ver Zeit keineswegs fo rein 
und unverfälfcht fich erhalten Haben, wie bie der griechiſchen und 
sömifchen Claſſiker, denn noch größere Unwiſſenheit ihrer Abfchreiber 
als bei jenen und Nationaleitelleit ihrer Gommentatoren hatte fie 
interpolitt. 

Wie die Geſchichte des Moſes Khor., von welcher übrigens bie 
Mechitariſten fo eben eine neue kritiſche Ausgabe veranftaltet haben, 
fo Hatte daſſelbe Loos auch die fogenannte Geographia deſſelben 
Antors (ed. Whist. 1736. fol. 335— 368) getroffen, welche eine 
durch ihn freie Bearbeitung ver verloren gegangenen Xmpoypapla 
olxovuevınn, oder ver allgemeinen Geographie des Pappus 
von Alerandria, der gegen Ende des 4. Jahrhunderts unter 





‘., Meumann Verſuch u. ſ. w. G. 8, 





— 


66 Weft-Aſien. M. Abtheilung, I. Abſchnitt. $. 36. 


Theodoſins Magnus lebte, zu fein ſcheint. St. Martin, ber 
biefelbe Anficht hegte, ſah bei feinen. armenifchen Stubien 57) wel 
ein, daß dad Compendium biefer armentichen Geographie Anga⸗ 
ben und Namen mthalte, die dem Moſes felbft zu feiner Zeit ums 
möglich bekannt fein konnten, es waren ihrer fo viele, daß er gegen 
das Zeugniß aller armenifchen Literatoren (wie einſt Schlözer gegen 
den Ptolemäuß zu Felde ziehend) behauptete, dafjelbe Fünne unmögs 
lich in feiner gegenwärtigen Geftalt von jenem Mofes Khore⸗ 
nenfis berühren. Er ſchloß aus jenen Interpolationen, daß «6 
erſt gegen das Jahr 950 nach Chr. Geb. verfaßt fein inne. Aber 
der Parifer Gelehrte Hatte damals Teine Handſchriften zum Gebrauch; 
er konnte nur ven von Whiſton uncritifch ebirten Text benußen. 

Schaffarik, der große Forſcher ſlawiſcher Sprachen, °®) teilte, 
nach Angabe des gelehrten Mechitariften Bat. Arfen. Anthimes 
flan, aus einem alten armenifchen Manufcript deſſelben Compen⸗ 
diums diefelbe wichtige Stelle über die erſte Erwähnung ker 
Slawen mit, welche aber ganz anders lautet als bei Whiſton (Geogr. 
p- 347); und Anthimoflan zeigte, daß die meiften jener dem Mofes 
vorgemworfnen Irrthümer gleih grundlos find, da fle den guten 
Manujcripten des Compendiums fehlten, alfo nur der Whiſton'ſchen 
Ausgabe zur Laft fallen. Auch Indſhidſhean beflätigt es, daß 
die von St. Martin angegebnen Widerſprüche meift in den ächten 
Mier. fehlen. ' 

Diefe Schrift fcheint eine freie Bearbeitung der Werke 
des Maihematikerd und Geograpfen Pappus, aus ver zweiten 
Hälfte des 4. Jahrhunderts zu fein; .fle wird dem Moſes vis 
bieirt und Tann auch fehr gut von Mofes herrühren, ber wahr 
ſcheinlich nicht vor dem Jahre 480 n. Chr. geftorben if. Neumann 
bat gezeigt,S9) daß auch bei dieſer Arbeit Mofes nicht bloß Ueber⸗ 
feger war, daß er, mie er dies felbft verfichert (Geogr. fol. 346), 
einen Auszug des Wicptigften. mit Zuziehung des Ptolemäns, 
des Theonoros von Samos und Gonftantin von Antiochia geh, 
bei der Beſchreibung feiner Heimatb Armenien aber aub be 
umliegenben Landſchaften wirklich viefelbe in erweitertem Ussfang 





sv) St. Martin M&moire sur l'Epoque (de la composition de is 
geographie attribu6e & Moyse de Khoren, ın M&m. II. p. 201 
‚977.  *%) 3. 3. Schaffarif, über bie — der ——— 
Lor. Surowiedi. Ofen 1828. 8. ©. 130 a. ff. 6°) Semmans, 
—F Zeitſch. fürdie Kunde des Morgenlaudes. 1887. Dh. L. ©.18-— 


% 


— 


a 





Euphratfuftem ; armen. Literatur; Moſ. v. Khorene. 567 


ausführte, alfo felbftthätig und felbfifländig verfuhr. Nach einer 
kurzen Einleitung in vie mathematifche Geographie geht er in bie 
allgemeine Befchreibung der Erdtheile über, fügt aber zu Armenien 
pie Sperinlbefchreibung (fol. 358362) der 15 großen Provin⸗ 
zen mit ver Nomenclatur aller ihrer Unterabtheilungen in Gaue 
oder Eantöne Hinzu, vie fhon Plinius Präferturen dder 
Strategien nannte, veren barbariſche Namen Ihm aber aufe 
zubewahren unnüß fchien (H. N. VI. 10: Dividitur, quod certum 
est, in praefecturas, quas orgaznylag vocant, quasdam ex iis 
vel singula regna quondam barbaris nominibus CXX.). St. Mar» 
tin nennt nur 193, aber Moſes Khor. führt vergleichen 240 al 
lerdings als armenifche, barbarifch Flingende Namen auf, vie jedoch 
Durch die Abfchreiber noch in ver Whiſton'ſchen Ausgabe faſt zum 
Unbrauchbaren entftelt und erft durch die Vergleichung mit ben 
beffern Hanpfchriften und Lesarten in des gelehrten Inpfhinfhenn 
geographifchen Werken zu ihrer urfprünglichen Geflalt zurüdges 
führt find. Außer dem eigentlichen Armenien wurde auch die Geo⸗ 
graphie ver benachbarten Landſchaften am Pontus, in Cilicen, 
Asia minor u. a. aud einheimifcher Kenntniß vervollfländigt, und 
auch diefe von Indſhidſhean berichtigt. Aus einer foldien Erwei⸗ 
terung bei Mof. Khor. ergibt fich die fehr intereſſante Thatfache, 
daß armenifhe Kaufleute, die feit ältefter Zelt einen bedeuten⸗ 
von Zwiſchenhandel zwifchen Nord⸗, Mittel- und Weit-Aflen bes 
trieben, damals fchon das kaspiſche Meer umgangen hatten, 
(alfo viel früher ald nie Mongholen, von venen bied ald den erften 
im 13. Jahrh. gerühmt wird), und zwar zu einer Zeit ald Strabo, 
Blinius, Arrian, obwol fchon Herodot den gefchloffenen Land⸗ 
fee Zannte, das hyrkaniſche Meer noch für einen Einfluß des 
Oceans hielten, Ptol. V. 9. aber über vefien Ausdehnung noch 
ſchlecht unterrichtet war. Denn Moſes fagt wörtlich: „Da es ſich 
„nun trifft, vaß fowol das griechifche als das Faspifche Meer 
„non einigen unferer Leute umgangen wurde, fo glaube 
„ich nun, daß das inpifche in demſelben Falle ift, und daß nicht, 
„vote Einige fagen, ber Ocean Alles umfliege" (St. Martin 1. c. 
II. 326 überfeßt dieſe Stelle nftgt genau genug). FAlt er auch in 
einen andern Irrthum über das entferntere inbifche Meer, jo ſieht 
man doch an der Vergleichung den denkenden Autor. Daß aber die 
Armenter fon in ehr Frühen Zeiten ven Handel nach biefen 
Gegenden, nordlich vom ſchwarzen und kaspiſchen Deere, betrieben 
haben, fleht man aus Strabo XI. 506, we es heißt, daß hie Me⸗ 








568 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36. 


der und Armenier ven Aorfen, die an dem nörbliden Kau⸗ 
kaſus wohnten und vie ganze Küfte ver Kaspier beherrichten, in⸗ 
difche und babylonifche Waaren zuführten, welche jene, vie 
ihres Reichthums wegen Goldſchmuck trugen, dann auf ihren Ka⸗ 
meelen weiter im Lande umher vertrieben. 

Schon aus dem Genannten ergibt fi, daß die armeniſche Li⸗ 
teratur keineswegs, wie man früher dafür hielt, fih blos mit 
Ueberfegung ©) theologiſcher Werke, zumal ver alten Kirdhenväter, 
befchäftigt habe, von denen allerdings wol wenige unüberfegt blieben, 
zumal im 5. und 6. Jahrhundert, wo Severianus und bie Werke 
Philo's, welche neuerlich von ven Mechitariften edirt 61) worden, 
im 7. aber die Kirchengeſchichte des Sokrates armenifch bearbei- 
tet wurde. Auch die Dichter, die Philoſophen, wie die Hiſtoriker und 
Philologen, wurden in das Armenifche überſetzt; man kann annehe 
men, daß ein Drittheil der griechifchen Literatur, und barunter viele 
fpäter verloren gegangene Werke im Armeniſchen aufbewahrt 
wurden. 

Nach vorhandnen Spuren hofft man, und nicht?) ohne Wahr⸗ 
&heinlichkeit, ven ganzen Diodor von Sicilien, ven ganzen Polyb, 
und Quint. Gurtius, 6) die Chronik des Syncelluß, des Julius 
Africanus, unter ven armenifchen Manuferipten wieder aufzufinden, 
wie man die Chronik des Eufebius, die Grammatik des Dies 
nyſius Thrax, Werke des Plato und Arifioteles in Davids 
Bearbeitungen wiedergefunden bat, und Stellen von vielen anbern 
Siftorifern. Die fonft verlornen hiſtoriſchen Werke des Chaldäers Be⸗ 
roſus (f.ob. S. 356), die mebicinifchen Schriften von Hippokra⸗ 
tes, von Galenus, die Gerichte von Homer, werden haͤuſig 
wie im Armenifchen exiſtirend von Moſes und andern citirt; von 
Berofus, ven Mof. Khor. benußte, ſcheinen noch im 12. Jahr⸗ 
hundert die Werke vorhanden geweſen zu fein. Won ver ganzen 
hiſtoriſchen Bibliothek de Diodor von Sicilien, von den Wer⸗ 
fen des Philoſophen Olympiodor, des Anpronicus aus 
Rhodus, von den Gedichten des Kallimachos, waren we⸗ 


*°) Quadro delle opere di vari autori anticamente tradotte in 
Armeno. Venezia 1825. 8. Catalogo dei libri stampati rella ti- 
pografia Armena dell isola di S. Lazzao presso Venezia. 

9%) Ueberfeßungen im 5. Jahrhundert, f. Neumann Verſuch a. a. O. 
©. 72-90. *?) Brosset Catalogue de la bibliothäque .d’Ed- 
chmiadzin. Petersb. 1840. p. 85. Nr. 181, gibt eine 
Ueberfeßung des OD. Curtius in der dortigen Bibllothef als vor 

an, **) Moses Khor. TIL. 1. fol, 281. Not, 1. ; 





Eupbratfoftem; armenifche Literatur: David. 569 


nigſtens armentiche Lieberfegungen vorhanden. Don dem ſchon 
oben genannten gelehrten Arfachvifchen Prinzen Gregor Magi- 
ſtros, im 11. Jahrhundert, einem Milttair, find Briefe vorhanden, 
in Avgier des Jüngern armenifcher Grammatif6*) mitgetheilt, aus 
denen bervorgeht, daß biefer Gregor unter andern auch mathemati« 
ſche Werke in die armenifche Literatur eingeführt Hat. 

Es fagt Gregor Magiftros in feinem Briefe: Wir haben 
nicht aufgehört mehrere Werke, die nicht in unfrer Sprache vorhan⸗ 
den waren‘, zu berfegen, nämlid 2 Abhandlungen Platos, vie 
Dialoge Timäos und Phädon Überfchrieben; unter biefen vielen- 
Zractaten befinvet fich auch ver über vie Vorfehung und vieles an⸗ 
dere der Philofophen. Jedes dieſer Bücher ift für fich größer ale 
unfer Hymnenbuch. Auch Haben wir die Bücher Olympiodors in 
haikaniſcher Sprache von unfern Ueberſetzern gefchrieben gefunden, 
welche David als die herrlichſten und vortrefflichften Werke preifet, 
und fie über jedes Product verfelben Gattung erhebt. Auch habe 
ih die Werke des Kallimachus und Andronicus in haikaniſcher 
Sprache gefunden, aber vie Geometrie des Euklides Habe ich ſelbſt 
angefangen zu überfegen, und wenn ver. Herr meine Tage noch ver⸗ 
längern will, fo werde ich Sorge tragen, alles dasjenige zu über⸗ 
fegen, wat von griechiſchen und ſyriſchen Autoren übrig iſt. — 

Der Hier zulegt ald Hohe Autorität angeführte David 65) ges 
Hört zu den großen Elafjifern ver Armenier ver erften Ueberſetzer⸗ 
periode; er war Schüler Sahags und Mesrops, Zeitgenoß und 
Neffe des Mof. Khor.; als Philoſoph If er dad Haupt ver Armes 
nier, 66) und wird baber als folcher vorzugswelfe bei ihnen Imas- 
bafer titulir. Das heutzutage nur von den unwiſſendſten 
armenifchen Bauern, von fanatifchen Türken und räuberifchen Kurs 
den burchftreifte obere Thal des Murapflufies, von Diyapin bis 
Muſh, nämlid Duroperan, war die gemeinfame Heimath, in ber 
Die großen Männer Mesrop, Mofes und David das Licht der 
Welt erblidten, ihre jugendliche Bildung erhielten und als Erleuch⸗ 
ter ihres Volks heranreiften, das bier fo tief wieder verſunken er⸗ 
ſcheint. 

Im Dorfe Herthan oder Hercan (auch Merken) im Gau Bart, 

se) Paschal Aucher „2 grammar Armenian and English. Venice. 

1829. Neumann Me£m. sur la vie de David etc. 


Paris 1829. p. 18 ei. und befien Verſuch n. ſ. w. ©. 9. 
°.) f. Werke ebirt Venedig. 1828, 





570 WeftsAfien. II. Abthellung. I. Abfchnitt. 6. 36. 


dem Urfitze Haiks, des armeniſchen Stammvaters, war David ge 
baren. Bon feinen Lehrern zum Stublum ber griechifchen Literatur 
nach Alexandria, Athen und Eonftantinopel gefendet, winmete er ſich 
vorzugsweiſe der Philofophie, und blühte um das Jahr 490 nach 
Chr. Geb. Er foll in Alexandria und Athen ein Schüler des Sy- 
rianus und deſſen Schülers Broclus des Neuplatonifers geweſen 
fein, deſſen berühmteſtes Wert „vom Blauben” (nepl nloveng; 
in Gonftantinopel im Jahr 1435 n. Ehr. Geh. gefchrieben) an vie 
Armenier gerichtet war. David felbft wurde durch feine Mebe 
über dad Kreuz der Neftorianer (wol gegen Enbe des 5. Jahr⸗ 
hunderts ie Conftantinopel gefchrieben; er farb In Armenien erſt 
zu Anfang des 6. Jahrh.) am berühmteflen; er war orthodoxer 
Chriſt, und feine meiften Schriften find gegen die Schüler des Ne 
ſtorius gerichtet. Außer einer Grammatik und den theologifchen 
Schriften find auch philofophifche, in denen er nach Art der Neu⸗ 
Platoniker den Plato mit Arifloteles zu verfähnen fuchte, weil es 
doch nur Eine Wahrheit gebe, von ihm verfaßt, unter denen das 
Sauptwerf ven Xitel Fundamenta. philosophiae führt. Seine wid. 
tigfte Arbeit maren aber feine volftändigen Ueberfegungen ver 
Werke des Ariftoteles ind Armenifche, die ſich auf der Pariſer Bi⸗ 
bliothek in Mer. befinden, auf deren große Bedeutung zuaft Neu⸗ 
mann bingewiefen zu Haben das Verdienſt hat. 

Es find die Werke viefes großen denkenden Geiſtes auch im bie 
ſyriſche und wahrſcheinlich aus viefer in vie arabifche, perſtſche und 
ceyloniſche Sprache übertragen; aus dem arabifchen find die he⸗ 

bräiſchen Ueberſetzungen gemacht, und Sagen von Weber= 
tragungen verfelben, die allmählig mol freilich immer unver 
fländlicher werben mußten, felbft in tatarifche und chineſiſche Sprache 
find vorhanden. So bemerkt fehr tröftlich ein feiner gedankenreicher 
Recenfent 07) der Ankündigungn des armmifchen Philoſophen: 
„Die armenifhen Meberfegungen, bie hier zum erftenmale 
näher befannt werben, geben ein neues Beifpiel, wie ver Ariſtotelſche 
Geiſt nicht blos im Abendland wirkte. Die Schwingungen, tie von 
ihm audgingen, brangen in den Orient hinüber, und wie weit fie 
ſich in geheimnißvollem Zufammenbange fortpflanzten, laͤßt fich bis 
jegt noch nicht einmal mit Sicherheit beſtimmen. Wenn man 
in der Geſchichte fand, daß die Culture immer wit der Sonne 


07) Trendelnburg ih Jahrb. (. if. Keit. Mes. 1829, Nr. 100. 6.706. 


BE — 
| X 


Enphratſhftem; armen. Literatur; Ghrereinfluß. 571 


von Of nah Weit zog, fo if doch bier, freilih nur im 
einzelnem Kreife, vie fchöne Ausnahme einer bleibenden Ruͤckwir⸗ 
fung. Wenn das zu Tage erfcheint, was den Geiſt in feinem ei» 
genften Weſen begreift: fo findet es auch allmählig den Geiſt in 
jedem Bolfe. Es bleibt ein Steg des tiefen befonnenen Geiftes, 
daß er, der nüchterne, bilnerlofe, felbft die feurigen und bilperreichen 
Morgenländer ergriffen.” | 

- Das große Verdienſt ver Mechitariften, jener gelehrten und 
feommen, für ihre Nation patriotifch begeifterten Mönche, iſt es, ihr 
unermüdetes Korfchen auf Wiederauffindung folder nationa= 
Ien verloren gegangener Literaturwerke und auf die critifche Ser⸗ 
ausgabe ihrer claffifchen Autoren ihre ganze Kraft zu ver 
wenden, worin fle fchon fo Großes und Ueberraſchendes erſt feit ei» 
nem halten Jahrhundert geleiftet haben, und künftig noch vieles 
leiften werben. 

Wie die Rüdwirkung der Griechen auf die Armenier, eben ſo 
iſt die ihrer nächſten ſüdlichen Nachbarn, der ſyriſchen Litera⸗ 
tur, auf dieſelben, obwol noch wenig erforſcht, doch keineswegs un⸗ 
bedeutend zu nennen, wie aus obiger Hinweiſung auf Mar Ibatz, 
ven Syrer von Gatina, ſich von felbft ergibt. Zu des gelehrteften 
der Syrer, zu Aſſemani, Zeit wußte man noch nicht einmal, vaß 
die Armenier im Aten und Sten Jahrhundert ihren erſten Unter» 
richt in den ſyriſchen Schulen erhalten hatten. Aſſemani 
ſpricht nur von ihren Einwirkungen auf Perfer und Inder. Viele 
ver ſy riſchen Chriſten (Erdk. I. 285 und oben ©. 118, 166) 
Samen in ber frübeften Zeit nach Armenien, da die neue Lehre zu _ 
prebigen, &) und flifteten daſelbſt Klöfter und Bifchofsflge; fo warb 
vas berühmte Klofter Surp Garabied (vb. i. St. Johannes Prae- 
eursor) in Daron auf den Ruinen jenes alten Indier⸗Tempelhei⸗ 
ligthums wurd ven Syrer Zenob aufgebaut, den Jünger St. 
Gregors (f. oben ©. 552). Defien Nachfolger in dieſem feinem 
Bifchefsfige waren insgefammt bis Eude des 6ten Jahrhunderts (bis 
auf Thofig im I. 600) Syrer, und bei ihnen war es nach Johan⸗ 
ned des Mamigoniers Zeugniß bis dahin regelmäßig geſchehen, daß 
die ſyriſchen Väter dieſes Kloſters von Zenobs Zeit an alle Creig⸗ 
niſſe der Zeit chronicaliſch verzeichneten, fo daß dieſe Schriften 
ven Namen ver Geſchichte der Aſſyrier erhalten hatten. @) 





**) St Martin, Mem. L p. 10. °*) Neumann, Berfuh a. a, O. 





1} 


572 WeftsAfien. II. Abtbeilung. I. Abſchnitt. $. 36. 


Ganz Südweſt⸗Armenien, zwifchen Tigris und Eupbrat, Amis, 
Miafarekin mit ihren Umgebungen und ganz Sophene (f. ob. 
S. 78, 93, 136) wurden von Syrern abhängig in religidfer und 
literariſcher Beziehung. Alle dortigen Eplfcopen waren Shrer, uns 
ter dem Patriarchen von Antiochia, fie fungirten und fhrieben in 
ſyriſcher Sprache; ja bie forifchen Priefter waren zu Anfang bes 
5ten Jahrh. in Armenien fo mächtig geworben, daß fie dort fogar 
nach dem armenifchen Patriarchate firebten. Bon den Perfern ge 
fügt mußten fie Hei den dortigen politifchen Wirren (j.06.&. 559) 
bie Iegitimen Patriarchen zu exiliren und ſich felbft auf den Stuhl 
St. Gregors zu fegen. Daher ver frühe Haß der Armenier gegen 
bie Syrer, obwol fie ihnen in Glaubensſachen gar nicht fo fern. 
fanden. Bor Mesrop gab es in Armenien nur ſyriſche Bibeln; 
man überfehte zu Mesrops Zeiten die Werke St. Ephraims 
von Edeffa, die Predigten St. Jakobus von Nifibe und anderer 
Syrer ind Armenifche; Ende des 6ten Jahrhunderts vie Häretifchen 
Schriften von Manes (f. obem 6.168), Theodorus von Mop- 
fuefte, Baul von Samofata, die Apokryphen des alten unb 
neuen Teſtaments, die Apocalypfe von St. Petrus, bie Po⸗ 
nitenz Adams und anderer aus Syrien verjagter Haͤretiker, die 
in Armenien ein Aſyl fuchten. Ja felbft noch aus dem 13ten Jahr⸗ 
hundert, vom Jahr 1245, beflgt die Königliche Bibliothek in Paris, - 
nad St. Martin, die Handfchrift einer Historia universalis vom 
Jakobiten⸗Patriarch Michael von Antiochia, der Ende des 12ten 
Jahrhunderts ſtarb, die oft von Abulfarapfch gerühmt wird, deren 
ſyriſches Original verloren gegangen If, von dem die armenifche 
Ueberfegung fh aber in jenem Manuferipte erhalten Kat. 
Auch die Saffanivden, die Lehren Zoroaſters und de 
Magier blieben nicht ohne Einfluß auf die armenifche Literatur, und 
dadurch iſt bei dem Untergange ver perflfchen Schriften jener Zelten 
(ſ. 0b. ©. 122, 173) in den Hanbfchriften ver Armenier auch wol 
noch Manches zur Aufklärung jener Periode und Literatur für bie 
Nachwelt aufgehoben. Nah ver Vernichtung des mehr ſelbſtändi⸗ 
gen arfacivifchen Königreich Armenien, und als immer wieber ans 
ſacidiſche, aus perfiſchen Gebieten verjagte Prinzen in Armenien 
ein Aſyl fuchten, um von da aus ihre glüdlicheren Rebenbuhler 
vom geraubten Thron zu floßen, begünfligten bie Saſſaniden unter 
ven Magtern einen neuen zelotiſch⸗bekehrenden Aufichwung, ber 
ein gefährliches Borbild zur Nachfolge ihres Gegenſages, der mu- 
hamedaniſchen Araber, werden wußte. Damals ſuchten dieſe Ihre 





Euphratſhſtem; armenifche Lireratur, Perfereinfluß. 573 


Magie ober das Geſetz Mazdezants (von Mazdei esnan, d.t. 
Anbeter des Aramazd, d. i. Ormuzd) mit Gewalt des Schwertes ver 
Shahpure in Armenien einzuführen. Sie machten dort viele Pro= 
felgten, 7%) ungeachtet die chriftlichen Autoren flarfe polemiſche Werke 
gegen die Magier ausgehen ließen; fo vie gelchrten armenifchen 
Geiſtlichen Eznig, Ardſan, Ardzruni und andere. In ver Hiſtorie 
der Kriege des General Vartan gegen die Perſer, von dem Ar⸗ 
menier Eliſä gegen die Mitte des 5ten Jahrhunderts geſchrieben, 
welche die heroiſchen Kämpfe und die Standhaftigkeit der Armenler 
enthält, die mit Gewalt dazu gezwungen werben ſollten, die Lehre 
Jeſu mit dem Feuercultus Zoroaflers zu vertaufchen, 71) iſt ein Be⸗ 
fehl des perfifchen Statthalter von Armenien, Beh Mihir Nerfeh, 
aufbewahrt, ver die armentfchen Ehriften zur Annahme der Religion 
Sorvafter® bringen fol, darin eine Außeinanverfegung von deſſen 
Lehrfägen 72) entwidelt iſt. Und nur zu verführerifch war vie Ver⸗ 
lockung für Viele, da oft greße politiiche Vortheile mit ver Entfas 
gung verbunden waren, wie aus den furchtbaren Kriegägefchichtn 
Sapors II. gegen Arfaces, Mitte des 4ten Jahrhunderts, hervor⸗ 
gebt, wo feldft vie angefehenften Kürftengefchlechter Armeniens, durch 
Die Apoftaten) Mehruſhan vie Arbzrunier, und durch Va⸗ 
han die Mamigonier, zur Abſchwörung des Ehriftenthums ge⸗ 
bracht und dafür mit Stattbalterfchaften des öftlichen Armeniens 
belohnt und zu Lünftigen Beherrfchern ganz Armeniens unter 
der Saffaniven Obergewalt beflimmt wurben. Der erftere erhielt 
Vasburagan, die große Provinz im Süden des Van⸗Sees 
bis zum Araxes und Aderbidſchan am Urmia⸗See, der zweite 
wurde Sharabien oder Generaliſſimus von Armenien (f. ob. S. 454). 
Damals bewirkte der durch Haß gegen das Chriſtenthum und die 
armeniſche Nation entflammte Mehruſhan ein Verbot des Perfer- 
köonigs für Armenien, kein in armenifcher ‚oder griechifcher Sprache 
geſchriebenes Buch zu leſen, und um noch ſchneller feine Zwecke zu 
erreichen, Tieß er tm Jahr 381 alle dieſe Bücher, deren er habhaft 
werden konnte, den Flammen 7%) übergeben. 

Dies iſt der Zufland Armeniens, den ver Zeitgenoffe Am⸗ 


70) St. Martin Mem. I. p. 14. 21) Neumann, Verſuch a. a. O. 
©. 64. 7°) St. Martin, M&m. ordonnance de Mihr-Nerseh 
in deſſen M&m. s.l’Arm. Vol.Il. p. 472—478. ’*) St, Martin, 
Histoire des r6&volutions de l’Arm£nie sous le règno d’Arsaoe II. 

ndant le IV. si&cle im Nourv. journ. Asiat, Dec. 1820, Paris. 
. IV. p.180, T.V. p.343. ?*) Neumann, Bra ©.ı. 








574 WeftsAfien, TI. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 36 


mian im Auge bat, wenn er von dem arößern Thelle Armentens, 
dem Grenzlande gegen Medien fpriht, der, Artarata mit 
eingefchlofien, durch ven fchimpflihen Frieden Iovland am Tigris 
begünftigt (f. ob. S. 158), bald nachher in’ die Gewalt der Safſa⸗ 
niden, die er aber Parther nennt, gelangt fei (Amm. Marc. XXV. 
7,42: Unde postea contigit, ut virus caperetur Arsaces, et Ar- 
meniae maximum latus Medis conterminans, et Artaxata inter 
dissensiones et turbamenta raperent Parthi). Bon viefer durch 
Gewalt eroberten größern Hälfte ganz Armeniens, Oſt⸗ 
Armeniend, welches bei den Gefchichtichreibern auch Perſar⸗ 
menia beißt, ift nach Indſhidſheans Bemerkung die weit Fleinere 
Provinz dieſes Namens zu unterfcheiden, welche noch bis heute 
ebenfalls fehr häufig Perfarmenten heißt, weil fle unter biefem 
Namen in Mofed Khor. geographiichem Compendium als die Yte 
Provinz Armenia Persica, (l. c. ed. Whiston fol. 359), zwifdgen 
Aars und Aderbidjan liegend, genannt wird. Bei St. Martin if 
ſie zulegt, 7) als die 15te, aufgezählt, und mit jenem allgemeinen 
Oſt⸗Armenien irrig als identiſch zufammengeftellt, was Indſhidſhean 
berichtigt hat. Her und Sarewan (Zarovand in Geogr. Arm.) find 
bie beiden Hauptdiſtricte, in denen Saghamas oder Saghamasd, 
die heutige Salmas oder Stlmas, die Hauptſtadt war (ſ. Erdk. 
IX, S. 913, 966). 

Weit entfernt, Hier eine vollſtändige Aufzählung bes Titerarl- 
ſchen Reichthums ver armenifchen Literatur geben zu wollen, vie 
man in den oben angeführten Werfen zu fuchen hat, lag es bier 
nur daran, bie Aufmerkfamkeit auf den Fortſchritt der ethnogra⸗ 
phiſchen und geographiſchen Wiffenfhaft durch fo rei 
lich fließende, bisher unbenugt gebliebene Quellen Hinzulenten. Zu 
diefen gehören auch noch die großen armenifchen Geſchichtſchreiber: 
Elifä, 76) DVerfaffer jener Geſchichte der Verfolgungen der chriſtli⸗ 
chen Religion unter Vartan, welcher im Jahr 480 ſtirbt; dazu 


FSauſtus von Byzanz, 77) den ſchon St. Martin benugt Hat, 


Zenob von Klag, deſſen wir oben (8.552). gedachten, wie Las 
zar von Pharb, Abt des Klofters Surena, d. i. Etſhmiadzin, 
ber Fortſetzer der Geſchichte des Mofes von Khorene vom vahre 





”8) St. Martin Mém. I. p.178. 20) The history of f Yartan 
and the battle of the enians by Elinacun, Dis polen 
dunians, transl. by Neumann, Lond. ——— 
era 5.25, und deſſen Re. iu ar Ya. 1 2. &. 





upbratfuftems armen. Literatur; Indſhidſhean. 575 


38 bis 485, welcher mit der Beichreibung der Provinz Ararat bes 
ant, die im ihrer Art ale ein Meiſterſtück genannt wird (fein 
dert edirt von den Mechitariften im I. 1793). 79) Dazu gehören 
sch vie fpätern Geographen: der durch St. Martins Bearbeitung 
tannte Vartan 7%) aus dem 13ten Jahrhundert (von vefien 
andſchrift fich jedoch ˖noch verſchiedene unverglichene Codices vor 
nden), 80) welcher Die alten und neuen Benennungen Armeniens 
ergleihend gibt, und Thomas aus Cilicien, der nur einen Aus⸗ 
ug aus Moſes Geographie gibt, jedoch über fein Vaterland Neues 
let. Auch Bahram, der Gefchichtfchreiber ver Chronik des 
rmehlfchen Königreichs in Cilicien 81) aus dem 12ten Jahrhundert, 
hört hieher, da wir aus feiner von Neumann überſetzten Hiftorie 
anche geographifche Zuthat zu ber geringen Specialkenntniß dieſer 
eineſiatiſchen Gebirgslandſchaft erhalten Haben. 

Endlich iſt bier noch der nad jenem gefammten einheimi⸗ 
hen Literaturfchage bearbeiteten neueften Geographien des alten wie 
5 neuen Armeniens von St. Martin und Indſhid ſhean zu 
wähnen, die außerhalb jenes Landes das Werk mopern=europäle 
hen Fleißes find, deren Titel wir fchon oben angegeben haben. 
ion dem gelehrten Mecitariften Pater Lucas Snofhinfhean, 
z ef vor wenigen Jahren flarb, ift zu bemerken, daß wie fein 
ehrter Mitbruder Mikhail Tſhamtſhian um die Gefchichte 
& durch fein großes Geſchichtswerk von Armenien, bis zum Jahr 
18% ia 3 Bänden reichen, eben fo er fih um die Geographie 
iberhaupt, wie um die’ feined Vaterlandes insbeſondere, die größten 
Bervienfte erworben hat; denn Fein anvered Volk Aflens hat ein 
eiches umfafiendes, dem Standpunete 82) der europälfchen Wiſſen⸗ 
chaft ſich näherndes, gelehrted und fleißig gearbeiteted Werk, wie 
Kine Beichreibung der ganzen Erde, aufzuweifen (jetzt in 12 Bän« 
va), von Denen für und vorzüglich bie fehr vollſtändige Geogra⸗ 
We Armeniens zu nennen ift: denn leider ift fein Manufeript ber “ 
oh wichtigern Beſchreibung Klein⸗Aſiens bei ver Ueberſen⸗ 





') Reumann ebend. ©. 71. 7°) St. Martin, Geographie du 
Vartabied Vartan avec notes in M&m. Vol. II. p.407—471, nad 
em in Couſtautinopel im Jahre 1728 erfchienenen Original. 

"!) Brosset, Catalogue de la bibliothäque d’Edchmiadzin. 1840. 
ꝑ. DI. Nr. 241. °s!) Neumann, Vahrams chronicle of the Ar- 
menian kingdom in Cilicia during the time of the Crusades, 
Transtat. from the Armenian. Lond. 8. Translat. fund. 1831. 

a Paumanı in Zeitfchrift f. die Kunde des Morgenlandes. 1887. 











576 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 36; 


dung nach Gonftanttnopel auf immer verloren gegangen, un» ber 
Aufforderungen unferd verehrten Freundes Dr. Betermann un 
geachtet Hatte fich der hochverdiente Greis nicht entichließen Tünnen, 
diefelbe Arbeit zu wiederholen. Sein Vaterland KHaijas dan (von 
Haijk) ift ihm aus eigner Anſchauung, wie aus mündlichen und 
ſchriftlichen Nachrichten feiner Zeitgenofien genau befannt; er berei⸗ 
chert deſſen Befchreibung durch ven ganzen, oft den Europäern noch 
unbefannt gebliebenen Schatz der altsarmenifchen Kiteratur, aber au⸗ 
Ber Groß⸗ und Kleine Armenien geht er auch In die Specialbeſchrei⸗ 
bung aller einfl von Armeniern beherrſchter oder in Maſſe bewohn⸗ 
ter, ven Europäern fehr wenig näher befannten Begenven ein, wie 
von Mefopotamten, Eilicten, ven Euphratgegenven, KleinsAften, dem 
Pontus, Albanien (jegt Shirwan), Aderbidſhan u. a. m. Bon 
Groß = Armenien erſchien ein Band über 500 Seiten ſtark, 1822 im 
San Lazaro gedrudt, von dem St. Martin 8) eine Anzeige gab, 
gegen die flch der Armenier wegen darin gemadhter Vorwürfe ſpä⸗ 
terbin vertheibigt hat. Erſt nach feinem Tode kamen feine Alter 
tbümer des armenifchen Landes heraus, und andere da⸗ 
Hin einfchlagende Schriften, die bei den Fortichritten europälfcher 
phllologifcher, Hiflorifcher, Titerarifcher Wiffenfchaften allerdings von 
geringerem Werthe find, und nicht frei und ungetrüht von National- 
eitelfeit. Der Verfaſſer fängt feine Beſchreibung mit Hocharme- 
nien, wo Arzerum, an, geht in einer Spirale weiter, fühmärts 
zum @uphrat, dann von Welt nach Of, um Armenien herum, bis 
zum Verein des Araxes und Kur, kehrt dann an der Nordgrenze 
von Oft zum Weſt zurüd, 618 zur Provinz Ararat im Centro; 
noch laͤßt er ſelbſt am Schluß ein Verzeichniß nody nicht ermittelter 
Rocalitäten in Alt« Armenien zurück. Er berichtigt Stellen des 
Strabo, dem er Namenverflümmelung vorwirft, weil er die arme 
nifchen Benennungen, 3. B. Dſophk Zupnvn (f. ob. &. 74), 
Ggehenz 'Axıdlıonvn (f. ob. S. 73), Artafhao in’ Aprakara 
verwandele und andere anders wiedergebe; shad wie gerd bevente nur 
Stadt, daB Erbaute, wie abad der Perfer. Auch Ptolemäns 
wird, Iehrreich für Tünftige Editoren dieſes mißhandelten Autors, 
zurechtgewieſen, wo dfter Verſchiebungen der nordlichen und Fübk« 
hen Diftricte vom Araxed zum Euphrat u. f. w. vorfommen.: Die 
armentichen Namen fchon find oft lehrreich durch natürfiche Be⸗ 
deutſamkeit, daher viele mit dsor, d. I. Thal (fo hieß Ararat ur 





#8) Journ. d. Savanı, Sept. IR. p. WIR SA2, 





‘ ) 


Euphratſyftem; armenifche Sprache. 577 


Speinglih Craſskhadſor, ®) d. i. Thal des Arares, daher 
wol Gtrabo 8 "Agalıvör nedlov, Strabo XI. 527 Araxenus 
campus), mit phor, 2. i. Höhlung, hovid, d. L Einſen⸗ 
tung, enden, und vergleichen Loralitäten bezeichnen, wovon auch 
Strabo ſchon eine, jedoch unbeſtimmte, Vorſtellung Hatte, ba er 
von Tigranes ſpricht, der, in ſeiner Jugend von den Parthern 
zurückgehalten, feine Freiheit nur durch ein LAoſegeld von ſieben⸗ 
zig Thälern Armeniens erhalten konnte (Strabo XI. 532: 
Aaßövza moXv Eßdounxorra alliüvag sis Apusmwias). Die 
arabifchen, perflichen, türkifchen Beographen werden wegen‘ ihrer 
Untenntniß über Armenien getabelt, und &t. Martin, ver ihren 
geographiſchen Angaben, die zugleich alle aus fehr fpäter Zeit das 
tisen, nur zu häufig gefolgt ſei, vorgeworfen, daß er dadurch, die 
einheimiſchen alt⸗ armeniſchen durch arabiiche neuere Angaben zu bes 


richtigen wähnend, erft. gar manche Irrthümer eingeführt habe, da⸗ 


ber dieſe zu vermeiden Indſhibſhean jene orientalen Quellen meift 
unbeachtet ließ. 


8) Sprachverwandtichaft ver Armenier; eingewanderte 

Golonien. der Fremdlinge in Armenien; Aus wande⸗ 
zungen der Armenter und Ihre Verbreitung über 
die alte Welt. 


. 4) Die Sprache der Armenier. 


Die alten Vollögefänge Armeniens fließen fih, wie wir oben 
faden, aus gleichartiger Stammesverwandtiſchaft an bie älteſtbekann⸗ 
ten der Perferzeit in Firduſis Shahnameh an (f. ob. S. 547); eben 
fo ſcheint die alte Sprache der Söhne Gaik's, die ihr Land 
BSaiabdan, ſich felbft faft nie mit dem Ihnen fremben®) Namen 
Armenier (Erminter bei Arabern und Türken) belegen, der ſich 
inveß über vie ganze Welt verbreitet Kat, als ein Glled ver großen 
weit verbreiteten indo⸗german iſchen und insbeſondere der weſtll⸗ 
Gen Sandkrit⸗Famille Aſtens, der ariſchen nach Läſſen's Aut 
ven (f. Erof. VIII. S. 18, 39, 81), anzugehoͤren, obwol ein gro⸗ 
fer Sprachforſcher 9) es noch Immer für ſehr bedenklich Hält, fie 
wirklich verſelben unterzuornnen, da fie ihrem ganzen Totaleintrud 





°*) St. Martin Mém. I. p. 109. °s) Zeitſchrift f. Kumbe des 


1837. eh 8 °°) rar Br. Bott, über den 


— — —*2 Eneyclop. ©. 
Nitter Ertſunbe X. Do 








578 Weſt⸗Afien. M. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.36. 


nach verfelben fehr fern Rebe. Die Armenier zwar, welche den 
gigantifchen Mann, ihren: mythiſchen Stammvater Half, ven Enke 
Japhets, vom Ararat hinabſteigen Iafien nach Babel zur Zeit bes 
großen Thurmbauts, und nach der Sprachverwirruug auch wieder 
dahin zurückkehren, laſſen ihn, nachdem er ven DVerfolger-Belus 
erſchlagen hat (Mof. Khor. I. 10. fol..27), ‚ven Beſitz De at me⸗ 
niſchen Landes behaupten, und ſammt ſeinem Geſchlechte die 
alte Sprache Noahs reden. Selpſſt die gelehrteſten unter den 
Armeniern, wie Indſhidſhean, Aſhamtſhean und Aucher, 
diefe Abſtammung mit veralteter Gelehrſamkeit unterftützend (f. ob 
S. 363), ſuchen Ihr daher vie Würde ver älteſten Urſprache des 
Menſchengeſchlechts vergeblich zu vindiciren. 

Aehnliches hatte frühere Sprachforſcher, obwol bei der noch 
groͤßten Unkenntniß dieſer Sprache, zumal Schröber . mb 
Adelung Im Mithridates bewogen, ihr alle Sprachverwandtſchaft 
mit andere Sprachen ver Völker überhaupt abzuſprechen, worde 
halb fie Balbi 37) auch wieder zu einer ffolleten Gruppe gemadt 
hat, ner Ihr einen bloß geographifchen Namen, ben ver kaukaſiſchen 
Sprache, fehr unpaſſend beilegt. Noch frühere, wie Acoluth und 
Tromler, wollten. fie der alten ägyptiſch⸗koptiſchen, vie Ihnen nd 
ganz unbekannt war, anreihen. Schon Stephan v. Byzauz, 
unter dem Worte Armenia, fagt, daß die Armenler fich ſelbſt 
von den Phrygiern ableiteten, und ihre Sprache der. phry⸗ 
giſchen fehr ähnlich fei (xl 77 pam noAld Yovyllove), 
eine Angabe, die fih Petermann daraus erklärt, daß der Ararat 
in den ſubylliniſchen Büchern durch. ein Verſehen nah Phryglen 
verieht war. Da aber. das Phrygiſche eben fo unbekannt if, wie | 
daB ihm verwandt fein. follende Altthrakifche, 9) mit dem man 
jene ebenfalls in Verwandiſchaft hat ſetzen wollen, fo läßt ſich Hiet 
eben fo wenig weiter rechtferligen, ais Strabo's allgeumine Be 
hauptung (1. 41. XVI 784), daß vie Armenier (bie fich zuwel | 
Ien. allervingg auch, einmal Aramier, was mit Aramäern behcht 
zu verwechſeln, nennen) in Sprache, Sitte und Korperbildung eine 
nabe Verwandiſchaft zeigten mit Arabern oder Aramäcrh und 
wozu er an ber zweiten Stelie auch noch vie Arianen. ‚Minze 
fügt, als unter fih und mit den Armenien "Ubereinftimumgne. 
Strabo ift ſchon im mdurthum, da Syrer und Aramãer ganz ver⸗ 


22) A. Balbi Inieodaction N Katlas * 
Paris 1826. 8. p. 110. sr. Arrlung, Sinti # 














\ 


Euphratſyſtem; armenifche Sprache. 579 


ſchiedene Völker find. Allerdings zeigt es ſich wol, daß man im 
Armeniſchen Analogien mit ven 3 bekannten Sprachſtämmen ber 
alten Welt, dem indiſch⸗eu ropäiſchen, dem tatariſchen und 
dem femitifhen findet; da aber dieſe Aehnlichkeit ſolcher im 
Armenifchen in nicht geringer Zahl aufgenommener fremden Aus⸗ 
drüde doch mit dem femitifchen wenigſtens zu verſteckt iR: fo 
konnte Strabo's Urtheil fich nicht wol darauf gegründet Haben, 


fondern auf jener blos äußerlich in ver Vermiſchung ver 3 Völker 


Hämme fich zeigenden Uebereinfiimmung berfelben beruben, vie 
er gleich Darauf am berfelben Stelle feines erflen Buchs anführt, 
wie er fie in Mefopotamien ſelbſt beobachtet Hatte. Mit ven 
tatarifhen Sprachen Hat Pallas 9) vie armenifche in Verbin⸗ 
bung bringen wollen, der ihr in feinem vergleichenven Sprachwör- 
terbuche die Stelle zwifchen den türfifchen Dialerten und ven 
kaukafiſchen Sprachen anwies, weil er das Neinsarmenifche ver 
elaffifhen Literatur nicht Tannte, und pas Vulgalr⸗arme⸗ 
nifche Damit vermechfelte, das allerdings auch viele tjirkifche MWörs 
ter in fih aufnahm, und felbft mit dem Finniſchen Berührungen 
zeigt. La Croze hlelt fie zu feiner Zeit für pie eigentliche alt⸗ 
mediſche Sprache, da fie In ihren Wurzeln mit dem Mevo- 
perfifchen vieled gemein hat, und war der Wahrheit wol ſchon weit 
näher gerückt, da nah Neumanns Verſicherung %) die meiften 
hei Herodot erhaltnen mediſchen Wörter fi aus dem Armeniſchen 
erflären laffen. Kein Wunder daher, wenn eine Sprache, fp ober- 
flächlich gekannt, in einer Zeit, wo man, wie felbft ein Klaproth, 
ſchon aus bloßer Wörtrfammlung ein Urtheil zu gewinnen dachte 
was erſt aus dem ganzen grammatiſchen erwachſenen Bau 

Sprache hervorgehen Tann, auf. die entgegengefehteften Erklärungen 
gerieth, bis durch Petermannd Borfchungen, nach des ſcharf⸗ 
finnigen Linguiſten F. A. Potts Anerkennung, zuerft bie tiefer 
Uegenden Berwanptfchaften des Armenifchen mit dem indo⸗ger⸗ 
maniſchen Sprachſtamme nachgewieſen 9) wurden. Auch Neu⸗ 
mann nahm dies als eine ausgemachte Thatſache an, uud bemerkt, 





0°) J. Klaproth Asia polyglotta. Paris 1823. 4. p. 97 — 107° 
vergl. Hamaker Bibliotheca critic. nova, Lugd. Batavor. 1825. 
Vol. I. p. 181. 20) Neumann Berfuh a. a. DO. ©. 9. 
2) in der Meceuf. Porta grammatices linguae Haicanae vom 
Vardapet, d. i. Dr. Theol. P. Eduard Venez. 1833; in Jahrb. 
f. Bill. Kritil. 1836. Nr. 18 und 14; und H. Petermann Gram- 
matica linguae Armeniacae. Berol. 1837. 

Dv2 


4 





580 WeflsMfien, II. Abcheilung. I. Nbfnitt.$.36. 


‚ der Kundige wäre felbft mit leichter Mühe vie urfprünglichen Be⸗ 
| griffe altveutfchen Nechts, altveuticher Verfaffung an mehrern Keutigen 
Tags noch Iebendig und Eräftig daſtehenden Wörtern ver armeniſchen 
Sprache 2) nicht. ohne Nugen für die deutſche Sprache und Rechts- 
Zunde nachweifen köͤnnen. Das Wort Mark (Marz im Per 
fifden, wie in Marz⸗ban, d. i. Markgrafen, ſ. Erof. VIIL 
©. 491, deren König Arfaced von Armenien auch 4 verſchiedene 
an den 4 Grenzen jeines Reichs einfete) 9) werde 3. B. noch 
heute von dem haikaniſchen Volke in feiner urjprünglichen Beben» 
tung von Grund und Boden, zumal von einem. fruchtbaren, 
gebraucht; Bau Heiße Lage, Landfirikh, zumal ein bewohnter; Mor 
‚beige Moor, eine feuchte fumpfige Gegend (f. ob. S. 400, Mebza- 
mor) u. ſ. w. Nah Pr. Petermanns Unterfudhungen, die wir 
deffen gütigen handſchriftlichen Mittheilungen verdanken, und von 
denen wir hier leider, Hinfichtlich ethnographiſcher Charalteriſtik, 
doch nur wenig anführen Eönnen, iſt die Zahl der armeniſchen 
Bußftaben (f. 06. ©. 545) größer als In ven meiſten bekann⸗ 
ten Sprachen; wie in ben femitifchen Dialecten beſindet fich dar⸗ 
unter ein großer Reichthum an Guttural⸗ und Zifhlauten. 
Doch Tprechen die heutigen Armenier mehrere Buchſtaben anders 
aus als ihre Vorfahren; in ber Ausſprache ber mutae iſt eine 
volftändige Lautverſchiebung eingetreten, indem bie urfprünglichen 
tenues jet wie mediae, und umgekehrt bie eigentlichen mediae jept 
wie tenues gefprochen werben. Uxrfprünglich fehlte ihnen, wie dem 
Zend, ver Buchſtabe 1; vafür das Zeichen 1j, ausgefprodhen wie 
das fpanifche U; daher fie bei fremden in ihre Sprache aufgenome 
menen Wörtern dafür einen andern Buchflaben einſchoben, ver jetzt 
gutturaliſch gh ausgefprochen wird. (Der Saljberg Kulpiz. ®. 
bei Armenien Goghp gefährieben, f. oben S. 470; Diäulfa 
beißt fo bei Armeniern Oſchugha oder Oſchugh u. a. m. Dies 
zeigt, wie ſchwierig hiedurch dfter die vergleichende Geographie biefeß 
Landes wird, fo. daß ſelbſt St. Martin in Iektern armenifchen 
Namen die erflere dort bei Türken und Perfern allgemeine. Be 
nennung nicht toiebererfannte).%*) Eben fo fehlte ihnen, obwol bas 

armeniſche Alphabet ein einfaches unb ein doppeltes r Bat, doch 
dieſer Buchſtab im Anfange, und kein ächt armeniſches Wert fäugt 


» Se ae bie Kunde des Morgenlandes. 1837. ©. T. © u8. 
Hist. des r&volutions de l’Arm. in Neur. 
J. int. er T.W. p. 412. **) St. Martin Mdm. I. 7. 78. 





 Supbratfoftem; armeniſches Bahffoftem. 


mit einem r an, worin ed mit ben tatariſchen Sprachen übereln- 
ſtimmt. Deshalb ift auch In St. Martind geographiſchem Wörter _ 
buche Armeniend ver Buchflab r faft ganz ausgefallen, und der 
Name des Jluſſes Rhah (f. ob. S. 397) und Rakhſi (S. 389) 
kann doch wol Fein eigentlich armenifches, ſondern nur ein vom 
Norden von der Wolga Her Übertragened fremdes Wort fein. 
In den Vocalen zeigt Ah die auffallende Analogie mit dem 
Semitiſchen, daß Fein Wort mit einem Vocale beginnt, und zwei 
Borale nicht unmittelbar auf einander folgen können, obwol bie6 
im Armeniſchen nicht fo durchgreifend iſt wie dort, wis dies ſchon 
ans den Namen Armenac, Ararad, Araxes (Erabkh, ſ. ob. S. 389) 
hervorgeht. Durch feine nur einfilbigen Wurzeln unterſcheidet 
fh das Armenifche fireng von dem. Semitismus, welcher faft nur 
zweiſilbige Wurzeln kennt, ſchließt ſich dadurch aber dem in diſch⸗ 
enropäiſchen Sprachſtamme an. Die zu unterſcheidenden Pro⸗ 
nominal⸗ und Verbal⸗Wurzeln find weder fo ſtarr für fich beſtehend 
wie im Tatariſchen, noch fo biegſam wie in. den ſemitiſchen Dia⸗ 
lecien. Am Nomen wird das Genus gewöhnlich nicht bezeichnet, 
wo aber ein Unterſchied nofhwenbig, iſt dieſer, wie im Perflichen 
aub Tatarifchen, durch beigeſetzte Wörter, welche „Mann“ ober 
„Frau“ ausdrücken, angeveutet; doch hat es audy eine weibliche 
rung uhi. Der Plural wird vom Singular auf doppelte Weiſe 
durch Anbängung der Silbe ner ober er, wie im Tatariſchen, ober 
durch Anfügung eines kh gebildet, dad mit ver Bluralendung 
Im Indo⸗germaniſchen aufs (im Slaviſchen umgefchrt daß kine) 
üßereinftiumt, das und kh auch fonft häufig in einander übergehen, 
was dem Urmenifchen eine chararteriftifche Eigenthlimlichkelt in ber 
Bilvung ber Haupt⸗ wie der Zeitwwörter gibt. — Als fehr charactes 
riſtiſch mag Hier noch, um jenen allgemeinen Ausſpruch der Ver⸗ 
wenbtichaft mit dem Indo-germanifchen und doch zugleich des Kigen- 
thümlichen zu belegen, Br. Petermannd Bemerkung über bie 
Bahlwärter 9) beachtet werden. Die Cardinalia find unver 
kennbar, aber noch hochſt eigenihümlich, mit dem In do⸗geemaniſchen 
verwandt. Eins, jez, ez, im Armeniſchen (eis, unus) erinnert 
an das fandksitifche Eka; die Form mi, men, mu aber an dad 
griechiſche ula. Die Zwei, jerku, iſt ohne Analogie aus dem 
Nomen jer, mit der Dualendung ku gebilvet, welche letztere ſich 





®5) De numeralibus in Petermaun Grammatica ling. Arm. 
P⸗ 150--166. 





582 WeflsHften. TIL Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36. 


nur allein in. biefem Zahlworte erhalten Hat: Die Drei, jerjeb; 
jerr (ter), iſt aus vemfelben Nomen mit ver Pluralendung hervor 
gegangen; fo daß dies „mehrere Einer,“ eine unbeftiuumte Anzahl 


von Einheiten bezeichnet. Die. Bier, tschorkh @quatuor), —5 


dem fansfritifehen tschatur. Die Fünf, hing (quinque), dem 
ſandkritiſchen pantscha; Seh 8, wjetz, dem ſanskritiſchen schasch ; 
Sieben, jertbn, euthu, dem fandfr, saptau (septem); Act, 
uth: (octo), dem :fandfr. aschtau; Neun, ian, dem 
ivvda, und. ift der deutſchen Korm am nächſten ſtehend. Zehn, 
tasn, iſt das fandfr. dacan. Die folgenden Bablmwörter bis 90 wede 
ven durch Verbindung ber Einer mit ver Zahl Zehn gebildet. Hun« 
dert, hariur, ober jeriur,. ſcheint auf gleiche. Weiſe, wie pie Zahl 
Drei, durch Aufügung ber PMuralendung entſtanden zu fein. Tau⸗ 
fen», hazor, flimmt mit dem Neuperflfchen: hezar, dem fantkr. 
sahasra überein,. und 10,000, biur, eniſpricht dem getechifdhen 
pvguı. Die Ordinalia werken durch Anfügung ber Ayfertivenbung 
ord, word (b. h. urfprünglich „Sohn”) an pie Korm der Cardinalia 
gebildet, und nur das Zahlwort primus . wird durch ehr Adjectiv 
arradschin, d. i. „was zur Rechten iſt, was. vorllegt,“ ausgeerückt 
Auch die Pronomina beſtätigen die genannte Ha 
wie auch die Bildung des Tempus und Modus des Seitweiit 
die größte Analogie mit dem Sanskrit sd. 
Dad Vulgair⸗armeniſche iſt dem Weſen nach * 
ams. nicht verſchieden von ver armeniſchen Schriftſprache, ‚aber:hisit 
eben durch die fpätere Zeit verderbt umd verdunkelt; ‚flatt ker allen 
Biegungen am Worte Hat. vie mobeme Sprache Partikeln yazeb 
ſchen gefchoben, wodurch fie eben fo. unkenntlich wire, wie derch 
de vielen nen aufgenommenen perfifchen und türkiſchen Wieder, 
für welche fi aber im alten Hallanifchen meiſt auch ſchen 
Benennungen vorfinden. Mit dem ginzlichen Berfalle ver armenis 
ſchen Literatur. ſeit dem 13. Jahrhundert, 97) währen beſtͤnniger 
Kämpfe und Unterdrütckungen durch Seldjuken, Orlehen Düsnanm, 
verbunden mit Vernachläfſigung des Stubiums ber GI 
ſich die reine Schriftſprache nur..noch hie und da vielleicht iu.uen 
einſamen, geſchützten Klöftern Armeniens erhalten, obwel auch im 
dieſen das Treiben der ſyriſchen und griechiichen Studien, wie zulcht 
auch der lateiniſchen Spache, nicht ohne Einfluß auf: dieſe EAlieb 
Die Volksſprache verſank, zumal auch durch viele ubwanberungen 













»6) Neumann Verſuch a, a. S. Ss.Uu, en) —* ine | 


— 


% 





4‘ 


Expheatſhſtem; ameriſche Dielecte. 583 


und Zerſtreuung in: pas Uußland, in verfipieanen Dunde ctanu in bie 
von · den alten ſehr abweichende Vulgairſprachen. Im 44. Jahr⸗ 
hundert fingen die armeniſchen Schriftſteller an in dem ver derbten 
armeniſchen Idiom zu ſchreihen, wozu auch das Varbarenlatein des 
Wittelalters kam, dad auch hier nicht ohne Einfluß Klick. Jahann 
"yon CErziugaꝰd) (genannt Bluz), vor 1326, iſt der letzte Autor, 
ber. in der claſſiſchen Sprache von. Moſes Khor. und -Elifäus, 
ſchrieb und. ein Werk ũber die Sakramente des Thomas von Aquino 
an Cinzelne Dialerte - erhielten ich, wie nahe am Araxat, 

noch mjemlich rein, ver. Syrade im 5. und 6. Jahrhundert am 
wächften ſtehend, wo auch fich eben noch Volkslieder aus jener. Zeit 
erhalten Haben. ſollen. Dieſer Dialect iſt zugleich derſelbe, welcher 
fr, am. maeiſten gegen Oſten 9) ausbreitete, und vorzüglich im 
rafſiſchen und perſiſchen Armenien im. Munde des Belles 
leht; ‚Dagegen der zweite Gauptdialeet, ber. weſtliche, der nom 
Gonfantinopel, iſt derjenigze, welcher durch ‚ganz. Kleinaflen vor⸗ 
herrſcht, und, auch noch In rar, mit ‚nielen, suite Wirte 
verualiäht, geluroden wieb, (0.2 ..; Bee 

:: De Dinlech, tochcher: fs den Knfen gröaflen che, vr 1 
ve Särriftfprache am -meiften wäheen fol, wird, nach Mina's ‚Reife 
un ‚(ds 1. Polen) . gegenwästig, in Aſtrechan geſprochen. 
Dez. verherhiefle,. ein ynbreh.Raunsrwelfch, #00) Dad völlig: unver 
ſtaͤndlich geworden, fol, nach Indſhidſhean, im Norden des. Ararxes 
nicht sem en aan In. Sborfoth und Me temoce 

‚Con. Die. vigen einmanbssuben Gelonten int fer 
au in pie. armeniſchen Landſchaften mußten frühreitig Einfluß. anf 
deren Fynrache ung Benöllerung audüben, bis die ſpaͤrern Eroberng 
viefer Landſtriche, wie die Mömer, Örleen, Parther, Saſſaniden 
Araber, — Mongholen, Osmanen, jenen Einfluß vorherr⸗ 
ſchend machten und die Zerſtreuung des arme niſchen Volks 
airßerhato ihrer Sehmnih herbelführten/ Ir "der" fie’ har durch bie 
Berkreitung, des Über bie. ganze. Welt zerfiyeuten zudiſchen Vollkes 
überholen: werden. J rear Le TI oh 
— ran . J ir BEE 


RT Valzarıa "hranicle of the A Rn: Aingdem in 
| Ser) aan ‚during the time of the Km an. 
inal. Lond. 1688. p. XVI. Eil Eli Smith End —2 
Aimlonury — vet, „Lond. 183: p. 206: 299%) Reymamı 
Ze de LE D. © 238. ER ta 








584 WeflsPifien. THE Abthellung. I. Mbfnitt.$. 36. 


Vom Euphrat bio I Indus und Druß, vom ſchwarzen 
m kadviſchen Meere bis zum perſiſchen und indiſchen, wohn 
ten. felt dem Anfange der Menſchengeſchichte verſchledene, aber 
nach Sprache und Religion innig verwandte Stämme, von denen 
bald ver eine bald ber andere ſich zur Gerrfchaft emporſchwang, und 
die Freiheit und Selbſtſtaͤndigkeit der Übrigen mehr ‚ober weniger, 
auf längere over kürzere Seit, in Gefahr brachte oder ganz unter⸗ 
prüdte; fo die Aſſyrier, Chaldaͤer, Mever, Perſer, Parther, Saſſa⸗ 
niden nur als verſchledene Glieder ver einen großen: medo⸗verſiſchen 
Volksfamilie erſcheinen. Diefen glünkte es eine Zeitlang, ſich zu 
Herrfhaft, Ruhm und Glüc emporzuffiuingen, und einen Rıimen 
in ver Gefchichte zu erhalten; andern neben. ihnen, die nur bie 
Abhängigkeit blieben, nämlich zweierlei Stämmen, Armenikr wis 
Kurden, zwiſchen ime geſtellt gelang es aber nicht, auf eigentliche 
Waſſe hertſchend zu werden über andere. Doch wußten fie ſich feit 
dan älteften Zeiten, in welche bie Gefehachte zurackgehtt in hren 
Seimathſitzen (die: Armenier nach Herovot, ſ. ob. S. 7, Wie 
Kurven nach Xenophon, ſ. ob. ©. 23) bis Heute: —X zu 
walten und unter allen Stückien, ſeli Cyrus Zelt‘, Ihre Nationa⸗ 
nãt zu bewahren. So lange der Diue nicht: zu unertrgiic way 
um mann die Armenler wie Kurden nach eignen Geſetzen ib Gais 
ben in ihren: Hohen’ Gebirgelanden Leben Ueß; gehorähten re Ihrem 
fevesmalign  Oterhertn und zahlten Tolbut;:' aber it dein Ein: 
giiff in beldes und in Ihre bürgerlichen: Cinrichtungen traten ſie 
auch tapfer und Lühn ‚ven Angrelfenden entgegen. So bie Kurden 
zuallen Zeiten, ſo Br Armenier; jumal in hrent Blxtibenselfer 
ae Gelben In den VHdeligiondkriegen : det; fie mit Veritkgung bebre⸗ 
henden Magier unter: ven Saſſanan oe vegen Die cderfaue der 

a “ " 


vie R . u ee trage. . . . .. - w. nn *i 
— 1 IE) er de n .. .. ⸗ Pr 


| y Oi⸗ cianſahcaatee ver Fremden nad, Aemenien. 


‚1. Zu allen Zelten: konnte dab durch die Natur fo eigeuhüncich 
geſtellte und natürlich geſchützte Land Armenien, tn feinen Gum 
dert Hochthaͤlern ein Aſyl für viele Berprängte_nuh Wer- 
pflanzte varbieten, vie theild freimillig dort Schug und —5*— 
fachten, theils an die Stelle der durch Gewalt Vervrängten: weisber 
mit Gewalt durch bie Gewalthaber, nach ber Gitie bei, Moergen⸗ 
laudes, feit urãlteſter Beit (f. ob. ©. 7,147, 171,248, 39 uia. Di), 
ſelbſt ald Gefangne, aus anhern Gebieten bafefbt —*2 wur⸗ 





Eupbratfoftem; Einwanderungen in Armenien. 585 


den. - So ſteht eine ganze Reihe von. Einwanderungen bin 
Auswanderungen emtgegen, deren Ueberſicht hier vorzufügren 
ip um den fo eigenthũmlichen Zuſtand des armeniſchen Bol: 
kes in ver Gegenwart zu begreifen. 


CEhronologiſche Reihe der Vinwanderungen in 
- Armenien. 10) ? Ä 
| 4) Di⸗ Bevoblkerung 208 Gaiasddan ſelbſt Besinnt mit 
ver mythiſchen Einwanderung Halks und feines Geſchlechts (Die 
Halgafan, d. i. Abköonmlinge Haiks), an 300 gigantiſche 
tapfere Männer (Mos. Khor. I. 9. fol. 25), vie aus Mefopotamies 
ſich dem Joche des Belus, Königs von Babylon, zu entziehen, ua 
in Daran, vum am Arakadz, am Araxes und Mafls im Lande 
Ararat, fich feſtſiedeln, und von da durch ganz Armenien fi ver 
breiten; deren Nachkommen ſich auch noch weiter. durch andre Ge⸗ 
genden Aflenk ausgedehnt, und mehrere Reiche geſtiftet haben ſollen. 
Da wo fie Ag. in Daron zuerſt niederließen, ſagt Moſes . Khos, 
Hätten vor ihnen nur wenige audre Menſchen zerſtreut gelebt, die 
Saik ſich unterworfen. Die erſte Niederlaſſung in Daron ſol 
HSaigaſchen (v..i.Heilshan) genannt worden fein, der Diſtriet 
Diefer Stadt! aber Hark, 102) der armeniſche Plural von hair Vater,“ 
alſo daB „Land. der Väter. - Nach Indſhivfheans Neu⸗Arm. 
©. 145. {00 es hier noch viele Ruinen und Denkmaͤler geben, unter 
denen au „das Brab des Satanas" genannt wird. Ob etwa 
der, Grabhuͤgel der beflegten Hindu⸗Gotzendiener , 

2) Aus Kanaan. Zur Zeit als Joſua das Land Kan aan 
eingenommen. hatte, flüchteten. füch wehrere der .Rananiter nad) 
Armenien, zus, Zeit da ein Nachkomme Gails, nit Namm Sur, 
Anführer der Armenter war, Don dieſen Kananltern ſſammt ter 
armeniſche Stamm der Kenthunter, welchem bia zur Zeit des 
Saffaniden Shahpur (Sapor J.) jener Gau Daron, an beiden 
Ufern des obern Murad, in der Provinz Duroperan ‚gehörte (ſ. ob. 
®. 552)... 

3) Aus Affyrien. Die, Edhn· bes Afgeier Königs San 
Arrib gu Ninive, Adra Molech und Sar⸗Czer, nachdem fie 
ihren Vater erſchlagen hatten, flüchteten nach Armenien (2 B. des 
‚Rn. 19, 37), Don Sar Cjer (San⸗aſar) ſollen die Saffunter 





“) Bomann Jeitichr. f. d. Kunde des Morgenlanbes, 1837. 8.1. 
8 200. 2 Neumann Beigiäte der Ueberfiebelung, a. a. D. 





586 Weſt⸗Aſten. III. Abtheilung. I Ahſchnitt. $: 36- 


in der Provinz Achz nik lan deu öoſtlichen Tigriequellene, in 
sen, ſ. ob. S. 92), und von Adra Melech ver Stemin der Ard⸗ 
zrunier und Kenunier entſprurigen ſein, welche, von den arme⸗ 
niſchen Herrſchern freundlich empfangen, die fünliche Gmmzprovinz 
Armeniens (Vasburagan) vom Dan» bis zu den weſtlichen 
Tigrisquellen bevdlkerten wo auch einer ihrer ſpätern Nachkommen 
um Amid, als Marzban (Markgraf Hver Pekeſhkh) eingefeht, Lan⸗ 
besfürft Sieb, Der Eigenname Sancherib war ‚ganz allgemein 
unter den Arbzruniern gebräuchlich. Im 10. Jahrh. beſaßen fie 
ſchon ala Lanveöfürften auch einen Theil ver Feſten von Daren 
und Dan; fe waren vie Großwürdentraͤger, welche dem armentſchen 
Könige ven Adler (Urbitv) -als Königeinfignien vortrugen, daher 
fle: den Titel. Ardzrunker, die Adlert räg er, führten, "Unter ven 
Arabern gu großer Würde und Hesrfchaft:gelangt; reſidirten fle mit 
vem itel Könige; tin Dan, der alten: Semiramlaveſivenz; un bes 
ſaßen das Land vom Iulamert, mit Urmia, Ban and Nachu- 
ſhewan, bis zinn: Araxes (von —— Aus Ihnen. Haufe 
wurde fogar eines: ihrer Sptoßlinge auf: den Ahron von Conſtau⸗ 
Anopelb erhoben, Bro der Armenier oder Leo V. (ng. '813— 820), 
deſſen Geſchlecht auch als halb aſſhriſch, halb armeniſch vom pe 
Weſchichtſchreibern anetkanut iſt (Geneshis' ax ;ree. C Lachmann 
Bonn. 1834.:p. 281 Ws.dd ıö ya. zur& ovluylu ik ’doww- 
ulwy sal ’Apuwlens dvapvelc):.: Much Baſtlius I, ver Are 
grunler, und: fein Enklel Conſtantiaus Porphyrogeneta 9) 
ſind aus dieſem Geſchlechte, an zehn Bögontisifgie Kaiſer von dem⸗ 
fealben atmeniſchen Stamme. — I ERS N 

4) Bon den Hebräcrn. Mebuladnezar ſandte einen! ber 
gefangenen Gebräer ‚von edler Geburt, Shambap ones Sambad, 
Nach Armenlen; von dieſem ſoll der berühmte Stamm ber —R 
vnnier abſtammen, vie Später als die Könige Georgiens verſttheat 
ſind, deren prinzllche Nachkommemn ſich bis heute Baugrutiven ®) 
Her Bangratidn nennen. Gleich anfangs wurdeafls it dahin 
Sofamte belehnt, ven König Armeniens zu Trdnen, uns Tel beim 
seiften chtiſtlichen Jahrhundert WE die Provinz GSber (Ui fratis, 
fi 06.6.4117) DaB Erbe ihres Hauſes geweſen, das parcchiu fahr 
Beſitzthum auch nach Daren, gur- Quelle des Murao;' neh Sa- 
Rrevant und durch Paſen am Arareb (ſ. oben S. 336 ‚HR, acc 


‚puöbreitete, bis Mefopotamien gegen Süd und Geo Tgiew gegen 


108) St. Martin Mm. Ip. 361: 9— Neumann — a. D. 
©. 125. ) St. Martin Mém. I. p. 418 etc. 





Suphreiisfiem; Einwanderungen in Armenien. 587 | 


Horb. Ihr: Tincht wuchs vorzüglich unter ber Begünfligung wer 
Khalifen zu Bagdad, bie zu Dagbab fie erft im Jahre 859 zu 
Emir al Omras machten, und felt 888 die Königefrone an 
Aſchod EL: verlieben, während die byzantiniſchen Kalfer ihnen nur 
den Titel der Archonten zugeflanden, und fie als Befreundete 
der Araber nicht felten verfolgten. Sie warm es, welche bie pracht⸗ 
volle Stadt Ant erbauten, und dahin ihre Mefidenz verlegten (f. ob. 
©. 440), während ein anberer Zweig (962— 10807 in Kar ſei⸗ 
nen Hof hielt. In Armenien felbft verloren diefe Bangratiden mit 
König Kaligs II. Ueberfleülung nach Kappadocien, 1029, ihre Gere - 
ſchaft. ©) Aber durch die Vermählung mit einer Peinzeffin des alten 

Könuigsbaufes von Beorgten gehoben, ſchwang ſich einer ihrer 
Nachkommen auf den Thron von Georgien. Durch bedeutende 
Großerungen im Norben des Araxes bis zum Kaukaſus, zwiſchen 
dem kaspiſchen und ſchwarzen Meere, theilte ſich zu Anfang des 15m 
Jahrhunderts vas Königreich Georgien, unter Iweigen ber 
Bangratiden, In verſchiedene Königreiche: in Kartheli where 
das eigentliche Georglen, in Kakheti und Immareti. Anfangs 


des 18. Jahrhunderts wurden die beiden erſtern vereint, und von 


David, dem Erben ‚dos legtern georgiſchen Königs Georg XI, 

bekanntlich ganz Georg ien an Kaiſer Aleranver (im Jahr 2 

ũbergeben, indeß vom dritten: Zweige verſchiedne Prinzen als tärs 

Tue Baſallen in ihren Provinzen vom Bangrativengefgheihte zuruch 
blieben. 


Auch anvere Coloniſationen der Hebräer find in Armenien in 
großer Zahl- eingezogen, und daher vieleicht manche ber Ueber⸗ 
einſtinmungen, bie man gelegentlich in dem Menfchenfchlage. beider 
wahrzunehmen glaubte. Tigranes, der Zeitgenoffe des Pone⸗ 
us M..(f. 06. &. 113), Hatte eine bebeutende Zahl Hebräͤer aus 
Paläftina zit wiederholten malen (Mos. Khor. II. 15. fol. 111. IE 
18. fol..114) nah Armenien geführt, und unter. andern auch in 
Bagharſhabad (Etſhmiadzin f. ob. ©. 515) am Marktort angefle 
velt, wie Samarier in ber Stadt ver Semiranis (Mos. Khor: D. 
38: fol: 718), die fpäter theils Chriſten wurven, theils Juden blle⸗ 
ben, und als ſolche ſchen von Shahpur H. nach Perſien üben 
geſtedelt wurden. Die zahlreiche Juden beyblkerung in Armenien, 
welche zu des letztern Zeit, bei Gelegenheit feiner Verheerungskrieg⸗ 
in Armenien zur VBertilgung des Chriſtenthume, von den Geſchicht⸗ 


*) Neumann Vahrams ohrenide 1. c p. XI. 


Ns 





6 
. J 


588 Weft⸗Aſten. HL Abtheilung. I. Wbfebnke. $.36. 


ſchreibern Mitte des Aten Jahrhunderts angeführt werben, kann nur 
als vie Kolge ſolcher ‚fortgefegten Anflevlungen derſelben angefehen 
werden... Denn wenn der Gefchichtichreiber Fauſtus v. Byzanz 7) 
auch die Zahlenangaben fehr übertreibt, fo bleibt es immer merk 
würdig, daß .er in Zarehavan damals 8000 jüdiſche Familien an- 
gibt (f. ob. ©. 336), In Vagharihaban, (Etſhmiadzin f. ob. 
©. 515), wohin Zigraned jene Juden am Marktorte angeſiedelt Hatte, 
bergleichen; daß er zu Erovantaſhad 30,000: jübifche Häufer 
siennt, als viefe Stadt zerflört wurde (ſ. ob. S. 455), zu Ban, 
der Scmiramißflabt, 10,000, zu Nakhitſhewan 16,000, im Salze 
thale Aliho vid (nahe Sarehavan) in Duruperan 14,000, in Are 
tarata 9000. Während alle Chriſten erfählagen würben, fagt 
Sauftus, ließ man Dagegen an 71,000 jũdiſche Familien am Le⸗ 

ben, die man aber in Ralhitſhewan zuſammentrieb, um fie dann als 
Anfievler nach Perfien zu verpflanzen; wie Mofes fagt, nach Su 
flaua und Xspahan®) (Mos. Khor. III. 35.. fol. 271), vu. i 
IAs pahan; mad «flo: damals erſt in der Mitte des Atem; Jahrhun⸗ 
derts feinen Namen Dehuvia erhalten haben wird, von. dem für 
Her die Rede war (Erb. IX: ©. 42): 

7.5) Bon den Medern. Ein Dikran ober Zigranes I. 
ns früheſter Zelt, derſelbe welchen Zenophon als Buundesgenoſſe 
des. Cyrus an die Spitze der Armenier ſtellt (Xenoph. Cyri insti- 

tut. II. cap. I. etc.), brachte nach dem Stege über Aſhtahal 
(Aftyages) eine Dienge Meder ala Gefangene zurüd nach Armenien, 
darunter felbft deſſen erfte Gemahlin Anuifch, die von Ihm. in der 
Gegend von Rakhitſhewan, am Uraresufer, angeflevelt ward (Mlos. 
Khor. I. 29; fol. 71), wo er der neuen Golonie ein weites Gebiet 
zum Anbau preißgab. Die Plätze, welche die Nachkommen biefer 
Gefangenen bewohnten, werden von Leont, einem Geſchichtſchreibert 
8.10. Jahrhunderts, noch Die „Städte per Meder”. genaum. 
»6) Bon ven Kappadoriern. Zur Zeit va Tigranes, der 
Zeitgenoſſe des Pompefus, noch auf dem Gipfel feines Glüds al 
Eroberer Paläftinad Bewohner nach Armenien verpflanzte, Hatte ex 
auch Kappadocien bei feiner Eroberung menfchenleer gemacht, und 
nach dem Prachtbau feiner Tigranocerta (f. ob. ©. 87) eine große 
Kolonie berfelben gewaltfam verfeßt (Strabo XI. 539; Mos. Kber. 





) St, Martin, Histoire des r&volut. de l’Armenie sous le digne 
d’Arsace Il. in Nour. journ. Asiat. T. IV. p. 203, 252. 
2) Nour. journ. Asiat. T. V. p. 341. 


21 


> 


_ * 








Euphratſhſtem; Einwanderungen in Armenien. 589 


I. 29. fol. 71), von wo jedoch nach Lucullus Eroberung, wie Strabo _ 
fagt, von ven Kappadoken zurüdkehrte, wer Eonnte: und wollte. 
: N Bon den Hindu Don ihrer Anſiedlung in Daron 
iſt ſchon oben die Rede geiveien, wie von ihrer Beflegung und Der 
pflanzung: zur Zelt ver Belehrung Armeniend zum Chriſtenthum, 
nach Phaltalaran, zwiſchen Kur und Araxes (f. ob. ©. 552--557). 
8) Bon den Bulgaren. "Die Bulgaren, melde bei 
Neſtor und den biyzantinifchen ‚Schrififtelleen erſt im Tien Jahr⸗ 
hundert vorfommen, 9) werben von Moses Khor. (II. 6. fol. 90, 
und 8. fol. 100) fon zweimal, nad Mar Ibas Hiftorien, gegen 
Ende des zweiten Jahrhunderts vor Chriflo genannt. Dar⸗ 
aus hatte La Croze ven Schluß gezogen, Moſes Khor. fei erſt aus 
fpäterer Zeit des Sten Jahrhunderts, obwol dagegen alle andern 
neuern Zeugniffe des Autors flreiten. Wenn fchon die Mebergänge 
der Bulgaren über ven Iſtros nach Thracien von den byzantinie 
ſchen Geſchichtſchreibern erſt um das Jahr 678, unter Eonflantin IV 
angegeben!) werden, doch aber fhon andre Ihnen verwandte Stämme 
58 Dalmatien im Jahr 449 vorgedrungen waren,11) fo kann, ba 
Das Altertum auf gar Leine Hiftorie ver farmatiichen Völker aus⸗ 
ging, in diefem Nichtanfüihren!?) verfelben durchaus Fein Grund 
Tlegen, fräderes Vorhandenſein verfelben, mie felbft ihre Fortſchrei⸗ 
tungen zu bezweifeln, wie dies früher von Schlöger!?) und Ande⸗ 
zen geſchah. Wir Haben daher gar keinen Grund, die Cinwan⸗ 
derung ber Bulgaren-Golonie zu bezweifeln, die Moſes von 
Khorene nach der Provinz Ararat In Armenien, unter * 
zung Arſchag J., dem Sohne Wacharſchags (Valarsaces), des 
Stiftets der Arfackden (Arſchag oder Arſaces L reg. 127 — 114) 
nach den Bericht des Zeitgenofien Mar Ibas angibt (f. ob. S. 563). 
Diefe Bulgaren, aus den kaukaſiſchen Gegenden Tommenb, ließen fich 
zuerft Im Diſtricte Koch oder Kol, im Norden Armentens, in der 
Provinz Daik 10) niever. Dann aber (gegen 120 v. Chr.) zogen 
fle in einen holzleeren Diſtriet der Provinz Ararat, in das obere 





& 8 Gebharbi Beitiäte ber Glawen und D adenben, In ag- 

G. Bortj. XXXIU. 1789. I. $. 20. S. 805 etc. 9) G 
Areni Histor. compend. ed. Bekkeri. Bonn. 1885. L p. 766, 10; 
Constant. Porphyrog. de thematibus ib. 1840. p. 44. *') Con- 
stantin. 8 hyrog. de administrando imper. ib. c. 298. p. 126. 
e P. J. affarit, über die Abkunft der Slawen. Dfen 1828. 

. 134 ꝛec. 18) A. 2. Schloͤzer Nord. Geſch. S. 378. 

8 St. Martin Mém. I. p. 74. 





590 WeftsAfien. I. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.36. 


"; Bafin (f. ob. ©. 389), der früher Anapaid geheißen, welches nach 
dem Anführer ver Bulgaren⸗Colonie ſeitdem Wunt (Went) bier 
Manant!S) (Vanand bei St. Martin) genannt wurde, deſſen 
Haupiſtadt Kars ifl. Der Name des Anführers felbft, der an pie 
allgemeine Benennung flanifcher Volkerſchaften, an vie Beneber, 
Wenden, Winden erinnert, fpricht ſchon durch fich ſelbſt für Die 
Wahrheit ver fehr alten Erzählung. 

9) Bon ven Alanen. König Arbafches II, nach einer 
fiegreichen Schlacht Über nordiſche Ueberläufer, vermählte fi gegen 
das I. 90 n. Ehr. ©. mit einer Prinzgeffin des Zürften der Ala- 
nen (Mos. Khor. II. 47. fol. 163). Schon im Gefolge viefer Ti» 
niglichen Tochter Sathinik mögen manche Alanen mit na An 
menien „gefommen fein, aber bie große Anflevlung derſelben geſchah 
erft fpäter, nach wiederholter Beflegung verfelben, worauf Ardaſches 
uilele dieſer Alanen ald Gefangene nach Artarata führte und an 
ber, Dftfeite des Maſis CArarat) anflevelte (Mos. Khor. I. 40. 
ſol. 166). 

10) Von den Raöptern. Auch von dieſem Vollke wer» 
pflanzte berfelbe Ardaſches II., nachdem er einen glüdlichen Krieg 
gegen dieſe Abtrünnigen geführt hatte, eine große Menge nebſt ih 
rem Könige ald Gefangne nach Armenien (Mos. Khor. II. 60 
fol. 167). 

11) Bon Dſchenasdan (Xſchin), dem Lande Sin« 
China), i) die Orpeller, die Mamigonier. Zur Zeit Arda⸗ 
ſchir Babegans (Artaxerxes L), des Stifters der Saſſaniden⸗ 
Dynaſtie (er ſtarb im 3. 239 n. Chr. G), der ſeinem Sohn⸗ 
Shapur (Sapor J. reg. 220 - 271) das neuperſiſche Königreich 
hinterließ, erzählte man (Mos. Khor. II. 75. fol. 200), vaß der 
Stammvpater des Gefchlechted ver Mamigonier von angeſchener 
Herkunft aus Nordoſt, und aus einem trefflichen Lande, dem wen 
gügliääften der noͤrdlichſten Völfer, nämlich aus Dichenasvan nad 
Armenien gefommen fei, von Norvoft, fagt Mofes , offenbar, weil 
man nur auf ſolchem Wege zu Ihrem Lande am Nordweſteingange, 
zu Shenft, (f. Erdk. II. S. 365 u. a. O., und VII. ©. 403 u. 537 
u. 0. D.) gelangen Eonnte. Es fein wel Neffen, Vechtoch um 
Mamkon mit Namen, vie bei ihrem Oheim, dem Lanpehlänige 
Arpag Pagur (mad Mafubi Fakfur, Brocop. Poreie. 15 





216) Neumann Seitfchr. a. a. O. I. &. 383; beffen Verfach einer kit, 
Geſch. S. 48; St. Martin in Nour. Journ. Asiat. T. J. 10 
9 Nenmann in Zeitfchr. a. a. O. S. 8 


A 
=,r 





Euphratfoften; Einmanderung in Armenien. 594 


Jlaxovgıos nennt, f. v. a. Himmelsſohn), verläumbet waren, zum 
Tode beftimmt gemein. Mamfon entfloh mit ven Seinen zu 
Ardaſchir. Als dieſer flarb, lieferte auch Shahpur, vefien Nach⸗ 
folger in der Herrſchaft, ven Flüchtling Mamkon nicht aus, obwel 
dles ber König der Diben von ihm verlangte: Doch geftatiete er 
ihm auch Beinen Aufenthalt, ſondern ſchickte ihn mit allen ven Sei⸗ 
nen, gleich einem DBerbannten, hin zum Statthalter (Vaſallfürſten) 
nach Armenia. Dem Könige der Dihen ſchickte er aber die Ant⸗ 
wort: Es möge dich nicht verbrießen,, daß Ich den Mamkon deinen 
Händen nicht übergeben Fonnte, denn mein Vater Hatte ihm beim 
Sonnenlichte den Schuß geſchworen. Damit du Dich aber beruhigen 
mögeft, habe ich ihn aus meinem Lande verbannt, hin an den Rand 
ver Erde, wo die Sonne untergebt, und mo ihm der Tod ficher iſt. 
(Die Chineſen jener Zeit erhielten alfo Ihre abenteuerlichen Mähr⸗ 
chen und Die entſtellte Wahrheit über den Oecident abſichtlich vurch 
die Perſer mitgetheilt). 

So Tamm alſo auch Bewohner aus Ofhenasdan nach Arme 
nien; mögen dies nun wirklſche Sinen (Chineſen), over nur Einwoh⸗ 
ser and den weſtlichſten ihnen bid zum Drus hin unterworfnen Pro⸗ 
vinzen geweſen fein, die ihr Aſyl eben fo gut auf Safjanivifcher 
Grenze fuchen fonnten, wie, nur weniges fpäter, ber legte den von den 
Arabern verfolgte Saffaniven König Degbebjerb auf cineſſcher 
Seite (Erdk. II. S. 209, III. ©. 647). 

Gegen die Grgählung als Thatſache iſt wol kein gweifel: dem 
Moſ. Khor. iſt ſehr vortrefflich uͤber die damaligen Oſhen (das ar 
weniſche kurze e in Dſhen hat einen dumpfen Ton und eine zwi⸗ 
füpen e und i ſchwebende Ausſprache, ganz dem perflfchen und ins 
biſchen Oſhin entſprechend), vie er als ein fehr friedliebendes ſchil⸗ 
dert, unterrichtet, obwol er ſie von ven äfllichern, dem indiſchen Merz 
anwohnmven Sinern unterfchelnet, und es iſt biefes, wie Neumann 
bemerkt, 17) auch nicht zu vermundern, da fein unmittelbarer Vor⸗ 
gänger und Zeitgenoß, der Nömer Ammian Marrelin (RIM. 6), 
Ende des IV. Iahrhumdertd nicht weniger gut, wie er, über jenes 
merkwürdige Volk unterrichtet ift, und fchon fett Ptolemäus Zeit 
der Seidenhandel, durch das Land der Seren geführt, mit demſelben 
in Verbindgug geſetzt Hatte. Noch vor Moſes hatte ſchon der erſte 
Vorſteher des Moſters Klag, aus einer griechiich gefchrichenen Ge⸗ 
ſchichte ner Dſhen, vie in Edeſſas Bibliothek bewahrt wurde, Aut 
u 


37) Neumann a, a. D. S. 886— 393. 








er | 


592 WeftrAien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36. 


gäge gegeben, und. Agaddangelos hatte noch früher ber Oſhen er⸗ 
wäh. 
Es ift die Flucht der. Mamigonier auch nicht‘ Die einzige Co⸗ 
loniſation aus Dfhenasvan, die. ſich in Armenien einfand. Schon 
wor ihr ift vom einer viel frühern Einwanderung einer Colonie 
and Dfhenasdan bei armenifchen Autoren bie Rebe, nämlich 
der Orpelier, vie ſchon einige IMegentenwechfel vor Alexan⸗ 
ders M. Einfall. im Orient (in ber Regierungszeit Kalfaous ober 
Kat Khosru), unter der anfänglichen Benennung ber Dfhenazi 
in Georgien angelommen fein follen, fpäter aber nach ihrem Erb⸗ 
fürſten Orpeth die Orpethier ober Orpelier 18) genannt wurden. 
Zweige dieſer Orpelier ließen ſich fpäter in Armenten nieber, wo fie 
durch Verheirathungen mit den Bagratiden verwandt wurden, baber 
fie auch in ihrer Gefchichte Öfter mit biefem Namen belegt werben, 
indeß manche ihrer urfprünglichen Gefchlechtönamen, wie Liparid, 
Eligum, Pulrthel u. a., Ihnen aus der Dſhenasdan⸗Heimath blieben. 
Sie zeichneten fih in Georgien ald vie Anführer. der Kriege 
aus, wie die Mamigonier in Armenien, erlitten aber, zumal im 
12ten Jahrhundert, daſelbſt, ungeachtet Ihres beveutend gewordenen 
Ginfluffes, doch große Verfolgungen. Die Geſchichte der Orpeller 
iſt von einem ihrer illuftren Nachkommen, von Stephan!?), Ep 
biſchof von Siunif, gegen Ende des 13ten Jahrh. gefchriehen und 
von St. Martin herausgegeben, deren Authenticktät ganz neuerlich 
durch Broſſets Mittheilung des Originals ganz außer Zweifel geſeht 
18.20) Die Anfänge dieſer älteſten Colonie find chronologiſch nicht 
näher zu beflimmen; ber Haupteinwurf, ven, St. Martin felbft ges 
gen ihr Hohes Alter machte, und dem De Sacy?!) beiſtimmte, war, 
daß der Name Chinas (Dihenaddan, Tfinä, Sina, Thinä) zu 
dene Epoche, vor Aleranders Zeit, noch nicht exiflirte; da er erſt 
Bei ben Begründer der großen Oynaſtie der Tain (Tg. 249— 

206 vor Chr. Geh., berichtigt gegen Erb. II. S. 199) in Umlauf 
gekommen ſei. Aber biefen Einwurf Hat Neumann?) durchh di⸗ 
Bemerkung befeitigt, daß ſchon felt dem Anfange des Iten Jahch 
vor Chriſto Tain der Name eines bedentenden Feudalreichs In 








22) Histoire des Hans in St. Martin Mm. s. TA 
p. 57— 800. De la vie et⸗/ des Serita d’Blienne 
archeröyue de Sioanle, in St, Martin Mé m. IL p. 

, 20) Brosset in Bulletin scientif. de Lacad. des 358 * 
bourg. 1841. T. VM. p. 180. 21) 
vans, 1830. p. 200. 29) Neumann —E a. a. 28 






| 





Euphratfoftems; Einwanderung in Armenien. 593 


Shenft war (feit deſſen erſten Regenten Feitſe, fett dem I. 897 vor 
Er. Geb.), und daß gerade durch dieſes weſtlichſte Borland von 
jeher der einzige Verkehr Chinas mit den Seren und ben baktriſch⸗ 
perfifchen Raravanen offen war; daß alfo immerhin eine Kunde von 
ODſhenasdan, unter diefem Ramen, auf viefem Wege, auch nach 
Georgien gelangen Eonnte. Doc find darum die andern Einwürfe 
De Sacy' 8125) gegen ein fo Hohes Alter ver Orpelier Einwandrung 
keineswges erledigt. So wenig wie jene Hindu ber fechflen Colo⸗ 
nie auß dem eigentlichen ſüdlichen Hindoſtan herzukommen braudje 
ten, fondern wol eben nur von hohem Norvhinvoftan zu dem hoben 
Armenien vorbringen mochten (etwa aus dem Lande der Darbi, 
ſ. Erdk. IH. ©. 660), eben jo, meint De Sacy, brauditen auch 
dieſe nicht eigentliche Chineſen geweien zu fein, zumal da ihre Nas 
men Teine chineſiſche find, und fie bei Vakhtang in den georgifchen 
Hiftorien nur Turanier, d. 1. von jenfeit des Oxus ber, genadnt 
werden. Alle jene weſtlichen Königreiche ver Chinefen bis zum 
Drus waren ja ihre Bafallenftaaten, und viefe ſtanden in fleter Be⸗ 
rührung mit Perfern, Partbern, Saffaniven und Arabern. Ein fol- 
Her Tusanier mochte auch der König der Dſhen, ein chineſiſcher 
Statthalter in Mittelaflen fein, von dem bei Zenob von Klag,?*) 


> in feinen Hiflorien, angeführt wird, paß er im Namen des Himmels⸗ 


ſohns fi bemüht Habe, obwol vergeblich, einen Frieden zu vermitteln 
zwifchen dem Könige Armeniens, dem Arſaciden Khosro (reg. 214 
bis 259) und dem Arbafhir Babegan, dem Stifter des Hauſes der 
Saſſaniden. 

Jene Mamigonier, denen unſtreitig ein nicht unbedeutender An⸗ 
bang ihres Fürſtenhauſes gefolgt mar, da bei chineſiſchen Verfol⸗ 
"gungen eines Individuums auch zugleich Immer die Ausrottung des 
ganzen Befchlechtes beabſichtigt wird, gewannen den größten Einfluß 
auf die Entwidelung des armenifchen Volks. Als Tiridates I 
(Dervat f. ob. 543) durch Römerhülfe die Saffaniven aus Ar⸗ 
menien vertrieben und ben Thron feiner Väter wieder beftiegen hatte 
(im 3. 259 v. Chr. Geb), Fam ihm Mamkon mit den Seinigen 
hülfreich entgegen. Unzufrieden mit ber Behandlung ber Saffaniven 
warf er fich in die Arme ihres Feindes, des Könige ver Hall, ver 
ihn und die Seinen auch zw Ehren annahm. Anfangs zogen fie 
nomabdenartig im Lande umher. Aber ſchon Mamkon erwarb 


223) De Sacy ebend. p. 210. 2) Neumann in Zeitſchrift a. a. O. 
. 392. | | 
Mitter Erdluude X. Pp 











594 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 1.36, 


durch feine Bervienfte ſich den erblichen Befitz des Diftricteß Daran 
in Duroperan, wo er die Landesverräther, vie ed mit dem Saſſa⸗ 
niven hielten, die Seghunier (oder Silghunier), flug und zum 
Kohn das Gebiet von Daron ald Lehen erhielt, zu dem fein Ge 
ſchlecht ſpäärerhin noch andere erbliche Lehen erwarb (Mos. Khor. Il, 
61. fol. 210). Seitvem blieben die Mamigonier vie wichtigfe 
Stütze der armenifhen Könige, der Selbftänpigfeit der Armenier 
und ihres Ehriftenthums gegen die Verfolgungen der Magier (mit 
kurzdauernder, obwol ververbliher Apoſtafie des Mamigoniers 
Vahan, f. ob. ©. 573). Ihr Begrabnißort ſcheint, nach Indſhid⸗ 
ſheans armenifchen Antiquitäten, jenes berühmte Klofter Klag in 
Daron geweſen zu fein. Die Mamigonier waren fo audgezeichnet, 
daß fle lange Zeit die erblichen Kriegäherzdge Armeniens 
(Sharaped von Spah oder Spay, heute Sipah im Berfifchen, 
fo viel ald Krieger, und Rad d. i. Oberhaupt, was im Arme 
nifchen Zorawor heißt) maren, und auch nach dem Sturz der Arſa⸗ 
ciden dies noch unter den Saffaniven blieben. Sie erbielten ſich 
al8 bedeutendes Befchlecht in Armenien bis in das 9. Jahrh., und 
ein Zweig von Ihnen fol in das Kurvengefchlecht ver Manekziet 
übergegangen fein, bie Heutzutag Ihre Abſtammung von den Mami- 
goniern herleiten; nach Indſh. armen. Antiquitäten. Die Mamige⸗ 
nier find Häufig von den byzantiniſchen Gefchichtfchreibern erwähnt. 
Die fpätern Colonien find in Armenien Immer mit den frems- 
den Beherrfchern, den Seldjukiden, Osmanen, Türken, Perfern, Rufe 
fen eingezogen. | 


C) Die Aubwanderungen ber Urmenier in bie rembe 
und ihre Serftreuung. 

So mannidfaltig die Verbindung der Armenier mit Fremd⸗ 
fingen war, bie fie in ihrer Heimath in ſich verwandelnd aufnah⸗ 
men, eben jo mannichfalt'g iſt Ihre eigne, jedoch ſelbſtaͤndig blei⸗ 
bende Ueberfiedlung in frembe Länder und unter bie verſchie⸗ 
denften Volker des Orients und Occidents gewefen, die in wahre 
Zerſtreuung des armenifchen Volks in die weiteften Kernen ver 
alten Welt übergegangen if, und nur etwa an die der Ju den = 
innert, die aber nicht einmal in ihrer Heimath als ein ſchwacher na⸗ 
tionaler Kern zurücblieben, oder an bie Araber, welche außerhalb 
ihrer Halbinfel viel zahlreicher wurden als innerhalb, aber doch durch 
ein gemeinſames Bank ter Sprache wie der Religion, glei Tem 
Armeniern, ihre Ratkonalktär tehanatet Taken. An er Seimath find 





Euphratſyſtem; Armenier: Auswanderungen, 595 


de Armenter Hirten und Aderbauer geblieben, in ver Fremde aber 
Dandelölente und Gewerbtreibende aller Art geworben, und eben 
nes Hat ſowol zu ihrer Zerfireuung, wie zu ihrer Gruppirung in 
er Zerfireuung zu compacten Gemeinden beigetragen. 

Als weitreiſende Hanveldleute bis Babylon werden fie 
“on von Herodot aufgeführt (f. ob. &. 7), noch früher von 
vom SBropketen Czechiel bis zu dem Weltmarfte von Tyruß 
(f. 06. ©. 358). Gegen ben Norven führen fie in fehr frähen 
Zeiten, mit den Mevern, die Indifchen und babylonifchen Waaren 
ven Aorſen am Norbufer bes Easpifchen Seed zu, und umwan⸗ 
dern (ſ. 06. ©. 568), wie es ſcheint, unter allen Volkern die er- 
Ken, diefen Binnenfee. Brühzeitig mit der chriftlichen Bekehrung 
des armeniſchen Volks find deſſen Priefter und Xehrer in ihren 
Studien auf die Hochſchulen in Edeſſa, in Aleranprien, Athen 
a Gonftantinopel angemwiefen, und bie große Zahl ihrer im 
4. und 5. Jahrhundert im Auslande gebilveten Geiſtlichen, vom 
fürkfiden Stande bis zum gemeinen Mann, mußte auch ven Blick 
des ganzen Volkes mit dem Auslande vertrauter machen, als vieß 
ſonſt wol in ver Negel bei den orientalen Völkern ver Fall war. 
Shen im 4. und 5. Jahrhundert, hören wir, wanderten viele 
Armenter nach Conſtantinopel?s) aus; fo auch das Wefchlecht ber 
Saharhunier, von dem Fauſtus von Byzanz, der Geſchichtſchrei⸗ 
ber, abftammite. Durch vie vielen politifchen Kämpfe und Eingriffe 
der Römer, Saffaniven, Byzantiner und Muhamedaner wurben durch 
Me Jahrhunderte fletd die in Armenien untervrüdten Partelon ges 
nöthigt, in der Fremde ihr Leben zu friften, da fie fo Häufig in der 
Seimaih dem politifchen wie religiöfen Parteihaß als Opfer fielen; 
hiezu Samen die Religiondtämpfe. Beides mochte vorzüglich wäh« 
rend ver Saſſaniden Periode viele Armenier aus ihrer Heimath in bie 
Fremde vertreiben. Diele der Unglüdlichen armenifchen Ehriften, . 
ren heldenmüthige Tapferkeit damals ver Uebermacht unterliegen 
nußte, denn nur fehe wenige wurben Apoflaten, entflohen zu ven 
Briechen nach Byzanz ‚20) viele in den Kaufafus und in bie Kurs 
Aftanberge, viele zu dem Volke der Khal dier (Chaldäer) im 
Bebirg dm Sünden von Trapezunt,27) in bie unzugänglidde Hibpe⸗ 
itis; aber ſehr viele wurden als Gefangene abgeführt in die per 
ſchen Landſchaften. 


126) N 335) Menmann Verſuch a. a. O. S. 26. 260) St. Martin Précis 
fl Tlistoire de "Armönie in M&m. I. p. 327. *") Constantin. 
Porphyreg. de thematibus ed. Bekker. p. 80, 10. 


Pw2 





596 Weſt⸗Aſien. III. Abthellung. I Abſchnitt. $.36. 


Als die mahomedaniſch gewordenen Turkſtaͤnme gegen Wehen 
vorrückten, Perfien und vie Länder am Euphrat verheerten, brangen 
fie auch im I. 1042 in Armenien ein. Hier wurde ihr Joch fo 
hart, ihr Druck fo unerträglich, daß die Armenier, fagt Bahram, 
es vorzogen, Fremde im fremben Lande zu fein, als Sclaven im 
eignen. Sie verließen dad Land ihrer Vorfahren und entflohen in 
nördliche und weftliche Regionen; Kafig II. ver König (ber 
Bangrative in Ani) überließ, fagt der armenifche Ehronift, fein Land 
dem Schutze des Kaiſers von Byzanz (f. ob. S.441) im Austauſch 
gegen die große und berühmte Stavt 28) Garfarea und andere Orte I 
in Kappadocien im Jahr 1045 (mol eine blos befchönigenwe I 
Uebertreibung des Chroniften), um dort ald Ausgemanvderte zu | 
leben. Die Kappadoken batten aber die frübern Mißhandlungen 
die fie durch die Armenier (3. B. unter Zigranes, Strabo XII., 539) 
erlitten, nicht vergeifen, und ver Haß ber vortigen Griechen gegen 
die Armenier serzeugte ihnen bald blutige Verfolgung. Kalig IL, 
ber’ audgewanderte, ver legte der Bangrativen Könige warb (1079) 
ſelbſt erfchlagen, und die armenifchen Führer des Heeres, in Schreb 
fen gefeßt, zerftreuten fi) nun mit ven Ihrigen In die weite Welt.) 
Einem Theile von ihnen gelang es, unter des Ruben Anführumg, 
die Ketten des Taurus ſüdwärts zu überfleigen und das armeniſche 
Königreih Cilicien zu begründen, dad während ber Periode 
ber Kreuzzüge burch feinen tapfern Kampf gegen die Sultane Aegyp⸗ 
tens und feine Befreundung mit den Pähften und ven chriftlicgen 
Kreusfahren, zumal unter ven Leonen und Haithon’s, bis ge 
gen Ende des 13ten Jahrhunderts (Xeo II. warb noch im J.1269 
als König von Eilicien gekrönt, und Leo VI., ver letzte der Könige 
von Armenia Cilicia, warb 1375 von den Mamelufen Aegyptens 
zum Gefangnen gemacht) eine wichtige vwermittelnde Rolle ſpielt 
zwifchen Orient und Orcivent.30) Hierdurch wurde die armeniſche 
Bevölkerung auch durch Cilicien, ISfaurien und burg einem 
großen Theil Kleinafiens mehr und mehr ausgebreitet. Erſt 
durch die Seldjufen wirb dort ihre Gewalt gebrochen, und mit De 
sen Ball werben fie dort, wie in ihrer Helmath, die Knechte der D6- 
manen. Seit jener Zeit wanderten wiederum viele um ng Gun 
dels willen nach Eonftantinopel, wo ſich nach und nach vie größte 
ihrer Gemeinden im Auslande gebilvet hat. 


120) Meumann Vahrams chronicle 1. c. p 2 


VNVabram⸗ 
ehronicle l.op.21. '% ha Biker € in Vahrams ohron. 








euphrathfiem; Armenier⸗Auswan. im Occident. 597 


Als Ant, von feinen Königen verlaffen, in vie Gewalt ver By⸗ 
antiner, und dann mit Alp Arsland Eroberung (1064) in die 
zewalt der perflfchen Oberherrn gekommen war, wurde von Teßterem 
er Ueberreft der noch zurückgebliebenen Armenier in beflen perfifche 
zeſttzungen zur Anfiedlung abgeführt (f. ob. S. 441). Uber der 
rößte Theil derfelben hatte fich fchon mit ihren Stammgenofien 
ah vem ſchwarzen Meere und auf die europäliche Seite, nach 
I9zanz, nad der Moldau und bis Lehaftan (Polen) verbrei⸗ 
t. Dieſen folgten andere in den nächſten Jahrhunderten nad, 
nd als Ani vie letzte, fechfte Eroberung durch die Mongholen im 
. 1239 erbulden?!) mußte, wandten fich die GHäupter der noch 
tebriggebliebenen auch nach der damald mongholifchen Tatarel, 
nd ließen fi zumal un ver Wolga in der Gegend von Aftras 
yan am ſchwarzen Deere nieder, während andere in ven nähern 
erfifchen Begenden von Dihulfa (Oſhugh, Sjulhfa) am Arares, 
on Ban, von Sis In Kleinaflen und andermärts, ein Afyl fan« 
en. Die ander Wolga fortwährend von tatarifchen und mongho⸗ 
chen Herrſchern geprüdten und verfolgten Anienſer wandten ſich 
on da an die damals noch in Kaffa auf der Krimm herrichen- 
en Genueſen, und erhielten vom Oberhaupte verfelben die Erlaubs 
is, fh in Kaffa nieverzulafien. Seit viefer Zeit begann dort bie 
Bezeichnung (im 13. und 14. Jahrh.) der oben fchon genannten 
5 maritima. Als Ani nun ganz zerflört war, zogen ſich 

ie letzten ihrer Bewohner durch Baspuragan (am Dan See und 
dakhitſhewan) tn die Umgebung von Aftrafhan, wo ſie fich bi8 
eute die gute armenifche Sprache bewahrt haben. Andere zogen 
ach Trapezunt, mo ihnen ver griechifche Kaiſer Kir Alexius 
Dohnungen anwies und Gelegenheit zum Bau von Kirchen und 
Möftern gab, wo fie nun mit ven früher dahin Gegangenen fich 
inen Bifchof erwählten und als Armenier am PBontus In 

chen®@emeinden auch durch das Land verbreiteten. 

olche zahlreichen Blüchtlinge über das ſchwarze Meer zur 
Donau, Moldau und Wallachai machten, daß Armenier ſich ſeitdem 
a großer Anzahl durch jene untern Donaugegenven, durch Süd⸗ 
ußland, Polen umd Ballizien verbreiteten, wo file bis heute eine 
o bedeutende Bopulation ausmachen. Nah Minas Angabe war 





51) 7, Minas, des Mekhitariſten, Reife nach Lehaſtan. Demebig. 8. 
" 1830, u Betermann a. . Mag. f. Lit. des Ausl. 1885, 


* 





598 MeftAMfien. IIE Abtheilung. I. Abfnitt, $. 36. 


es Theodor, Sohn des Dux (Bräfent) Demetrius von Roth⸗Ruß⸗ 
Iand, der in ver Zeit ver Zerflörung Ani's (im I. 1060) in Galli⸗ 
zien berrfchte und die durch ihre Tapferkeit berühmten Armenier in 
feine Kriegsdienſte, mit zugeficherten großen Vorrechten, aufnahm, 
die auch noch ein halbes Jahrtauſend fpater vom Polen Könige 
Wladiélaus IV. in dveffen Schreiben an die Armenier (im 
J. 1641 n. Chr. Geb.) zu Ilwow (over Lwow, d. i. Zemberg) 
anerfannt wurden. So ftevelten fich in jener Zeit ſchon tapfer 
Armenier in ver Reflvenz des Dux zu Kiew an, wo noch eine 
ſteinerne Kicche ver Urmenier ſtehen, aber kein Armenier mehr woh⸗ 
nen fol, Aber mit dem fortvauernden Unglüd der Provinz Shi 
rag (1. 0b. &.439) wuchs die Zahl der Auswanderer nach Minad 
Angabe bis zu 40,000 Familien an, die durch Tapferkeit fich Adel, 
Wohlſtand und Unterkunft an den Ufern des Dnepr zu Kiew, web 
Drieker zu Kaminieg, in ver Moldau und Wallachei, vorzüglich 
aber in Ballizien zu Lemberg (Kwow over Leopol), zu Zamolsk, 
Jaslowirz,??) und anderwärts erwarben, felbft, zumal durch ben 
Handel, ven fie in Polen faft ganz an fich riffen und dadurch 
auch den Stäbtebau erſt in Aufnahme brachten, nicht unbedeutenden 
Reichthum. Auch in Litthauen erwarben fie Güter, auf denen 
ihre Abkommlinge noch bis Heute Ihre armeniſchen Famillennamen 
in ihren neuen Colonien bewahrt haben (mie die Grigorowiiſch, 
Malchaſovski, Nuridſchan) und fich bis zu ven höchſten Würden⸗ 
trägern, naͤchſt dem Könige, emporſchwangen. In dieſen Anfledluß⸗ 
gen, deren eine in einer ber großen polniſchen Ebenen bis heute 
von ihnen ven Namen Ormiani (von Urmiah) bewahrt Kat, 
erhielten die armeniſchen Eolonien Ihre Sprache, ihre Religion, 
ihre eigenen Inftitutionen bei, bie ihnen auch, wie ihre Frei⸗ 
beiten, 3. B. eigene Gerichtshdk unter einem Stammoberfar, 
Woith, Richter, Gemeinde⸗Deputirte, In allen Städten, in Kam 
ninez noch im Jahr 1344, in Lemberg im I.1356, durch Ey 

König Kaſimirs beſtätigt wurden. Ja, fe hatten den Vorzug, Def 
fle fich dabei lange Zeit ihrer ein heimiſchen Geſetze des Königs 
Johann (BGovhannes oder Sempad IV. im J. 1020), aus der Dynaſti⸗ 
bee Bangratiden, bedienen Eonnten, die fie in Dad Lateiniſche überfeh⸗ 
ten, wie fe noch heute vorhanden find. Diefes günflige Seos 
ber Armenier in den polnifchen Gebieten zog fpäterbin, gegen das 


* 


ug‘? Armeienne 06. it Hear. 





08) At, Martin Analyse d’une 
Asiat, 1838. T, u P. u. 





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Dr 
— -» 








Enphratfuftem; armen. Auswandr. im Occident. 599 


Jahr 1500, eine fehr große Maſſe verfelben aus den tatarifchen Ge⸗ 
bieten, wo fie dem. härteften Drud faſt erlagen, nach Polen. Das 
ergibt fid) aus ihren in tatarifcher Sprache gefchrieberien Büchern, 
da fle port ihre Mutterfprache verlernt hatten, und durch Ihre Mehr⸗ 
zabl und ihr Uebergewicht nuch bei den polniicyen Armeniern von 
nun an in Gerihtähdfen und fogar in Kirchen die tatas 
riſche Sprache Eingang fand. Denn es bemerkt ver armeniſche Ver⸗ 
faffer der Reife nach Lehaſtan, der dort felbfi die Horen und 
Dialmen in tatariihe Sprache überſetzt fand: „es ſei feiner Nation 
eigenthünlich, das Eigne zu perachten und dad Frembe zu umfaſſen.“ 
Minas fand ein Buch’ von Rechtsſprüchen, angefangen im Jahre 
1463, welches armenifch bis zum 12. März des Jahres 1521 fort 
geführt war; dann begann es mit dem 26. Aug. veffelben Jahres 
in tatarifcher Sprache bis zum Jahr 1564. Das Dekretalienbuch 
von Lemberg fängt mit dem Jahre 1630 tatariſch an, und geht 
fort bis zum Jahre 1641. Don ber Zeit an werben viele latei⸗ 
nifhe und polniſche Ausprüde mit eingemiſcht, und die 
Sprache ver dortigen Armenier iſt ſeitdem ganz in die polniſche 
umgewandelt. Erſt fpäterhin, durch nen hinzukommende jüngere 
armenifehe Eolonien aus verjchievenen andern aflatifchen Gegenden, 
fing man hie und da wieder an armenifch zu fprechen. Auch nach 
Ungarn breiteten fi, von Polen, armenifche Colonien aus, bie 
auch da Ihre elgnım Berichtändfe, Nichter und Sprache beibehielten. 
Shre Ausſprache, bemerkt Minas, ber jene Eolonie bereifet, ſei nicht 
ſehr verfchieden von der Der Armenier in Trapezunt, bie Ueber 
bleibſel von ihnen find; nur ſei ihre Articulation flärfer und ihre 
Zunge ſchwerer. 

Faſt In allen bedeutenden Theilen Polens, bemerkt Minad wei⸗ 
ter, finve man Lönigliche Räthe aus dem Geſchlechte der Anienſer, 
auch ihre Beifllichen feien angefeben. Dennoch haben viele ihren 
Mitud verändert und den polnischen angenommen, und wenn nicht 
iu Lemberg ein erzbifchdflicher Stuhl der Armenier wäre, fo wür⸗ 
ven wahrfcheinlich ale Anienfer ihren Gottesdienſt umgeännert haben, 
Das Erzbisthum der Armenier in Lemberg, früher in Kiew, 
und erfk jpäter zur Belt ver tatarifchen Ueberfälle, gegen ven We⸗ 
ſten >) verlegt, vehnte fi früher Über die Colonien Bis nach Ungarn, 
ver Moldau und felbft der Tatarei aus, wie auß der auf Perga⸗ 
ment gefchriebenen Bulle des Erzbiſchofs Ichannes zu ſehen if. 
nn ' 


22) Bt. NMartin in Journ. Asiat, I. pP» 25. 





600 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 36. 


Aber es behielt nicht mehr den erſten Titel feines Episcopus patri- 
archalis, ber die Abhängigkeit vom armenifchen Patriarchen am 
Ararat bezeugte, bei; im Jahr 1624 trennte ſich erfterer ganz von 
der armenifchen Kirche und ſchloß ſich der römifchen an. . Gegen» 
wärtig umfaßt jenes Epifcopat aber nur ben beutfchen Antheil 
Bolens und iſt in 16 Parochien geteilt, deren ſämmtliche Geiſtlich⸗ 
von dem Erzbiſchof in Lemberg gewählt werben und unter ihm 
ſtehen. In früßern Zeiten erfannte dieſer Erzbiſchof ver Golonien 
aber ſtets ven Patriarchen von Etſhmiadzin als einzig rechtmäßiges 
geiftliches Oberhaupt der armenifchen Kirche an. Im Jahr 1606, 
als der perfifche König Shah Abbas die Armenter aus Berfien 
vertrieb, bie feine Vorfahren dahin verpflanzt Hatten, fuchten viele 
derfelben auch in der Tatarei und in Polen ihr Aſyl, wo fle be 
deutende Kirchen und andere Bauten aufführten. Doch, bemerkt 
Minas, da fie im Anfange durch Uneinigfeit ihres ſchoͤnen väter 
Tichen Erbes beraubt waren, fo war es ihnen, ihres Beſtrebens 
ungeachtet, in fernen Landen und unter fremden Nationen wieder 
mächtig zu werben, dennoch unmöglich, ſich eines ungefldrten Ges 
nuſſes ihrer Freiheit zu erfreuen. Denn als im Jahr 1795, mit 
der legten Theilung Polens, dieſes Königreich als ein felbfiftändiges 
aufhörte, verloren auch die Anienſer aller Orten ihre Freiheit. Geit- 
dem, bemerkt berfelbe, beginnt ihre Verminderung, ihre Verarmung. 

Nicht minder merkwürdig wie im Occident if bie weite 
Serfiveuung ver Armenier im Orient. Die Araber hatten bie 
armenifchen Landſchaften mehr, ober doch zuweilen auch durch ein« 
heimiſche Statthalter, Oftitanen,3*) Emirn oder Fürſten, verwalten 
Iaffen, und ihnen dadurch ein beffered Loos bereitet, daß fie wieder⸗ 
holt (wie 3.8. Harun al Raſhid), die Bangrativen In ihrem Anfche 
begünftigten. Wie aber Urmenien durch die Nebenbuhlerſchaft der. 
arabifgen und byzantinifhen Weltherrfchaft unſägliches 
Elend, ald Zwiſchenprovinz, bereitet war, von bem ſie aur 
in den kurzen Zwifchenperioden ſelbſtſt ändiger Königreide, 
wie ber einheimffchen Bangrativen (von 859 bi6 1045 unter 
9 Königen bis auf Kafig I.) in Ani, und der einheimifchen Ru« 
benier in Eilicien (reg. von 1080 bis 1375, bio Leon VL), 
einigermaßen erlöfet werden konnten: fo Hatten päter, felt ber Tuͤr⸗ 
kenherrſchaft, die Bewohner Armeniens wieder ale Leiden einer 





?°%) J. H. Petermann de Ostikanis Arabicis, Armeniae guberuake- 
ribus, Berol. 1840. B 57 





Eupbratfoftem; Armeniers Auswan. im Drient. 601 


abhängigen Grenzlandſchaft zwiſchen zwei großen. rivaliſtrenden 
Weltreichen zu erleiden. Denn die neuperſiſche Politik der 
Sophid EGefiden) ſetzte die Menſchenplünderungen, vie Gefan⸗ 
genſchaften und gewaltſamen Verpflanzungen von Colonien aus 
Armenien nad) den perfiſchen Provinz a fort, die unter ben Saſſa⸗ 
niden begonnen hatten, durch welche fehr frühzeitig ſchon I8= 
pahan eine Iubencolonig (Nehudia, f. Erdk. IX. ©. 42) erhalten 
hatte. Zumal als Shah Abbas I. fih überzeugte, 3°) daß er bie 
Provinz Armenien nicht mehr gegen die Türkenüber macht werbe 
behaupten können, beſchloß er feinen Feinden nur das leere Land zu 
überlaffen. An 24,000 armenifche Familien wurden mit Gewalt ent⸗ 
führt und in die verfchievenen Provinzen des Perferreiches verfeht, 
wo bie meiften mit Mahomedanern vermifcht wurden, und ihre 
Sprache, ihre Religion, ihre Abflammung in Bergeffenheit Tam. 

Shah Abbas I. zerftörte die damals blühende Stadt Armes 
niens Dfhulfa (Eski Julfa, d. i. das alteI.) am Arares, nahe 
Rakhitſhewan, vie bis jet noch ein Bild der Armuth und ers 
flörung geblieben ift, 3%) um auf das graufamfte im Jahre 1605 
beffen ganze Bevölkerung ald Eolonie, Degni Dfhulfa, d. 1. 
Neu⸗Oſhulfa 37) genannt, nah ISpahan, feiner aufblühennen 
BPrachtreflvenz, zu verpflanzen, die von jener den gleichen Namen 
bis Heute behielt (f. Erof. IX. ©. 47). Um die übrigen Armenler 
zu fchredlen, wurben zwei der damals am meiften widerſtrebenden 
Bürger dieſer Stadt enthauptet, andern die Naſen und Ohren abe 
geſchnitten; viele der 24,000 Familien, 38) welche das traurigfte Loos 
traf, kamen auf dem Transporte um (nad Arakel Bartap. arm. 
Geſch. Amfterd. 1669). Aber ihre compactere Maſſe, vie bier bei⸗ 
fammen blieb, erhielt ſich ihre Nationalität, ergab ſich dem Handel 
und gebieh. In Ispahan, zu Kämpfer Zeit (1650), war jene 
Colonie Nen⸗Oſhulfa unter einem eigenen armenifchen Obere 
haupte, Hobge Keler genannt, bis zu 30,000 Seelen herangewachſen. 
Sie Hatten fich ven Umftänden gefügt und, wie die Söhne Abrahams, 
ven Handel ergriffen, und der Reichthum Perfiens brachte ihrer In⸗ 


"ı5) Lettres edif. I. c. T. III. p. 32. 3°) W. Ouseley Trav. 
Lond. 1823. 4. Vol. II. 0432, 3. Hanmay Reifen in Bers 
fien. Hamburg 1754. . 11. S. 92, 373. 7) De la Croix 


La Turquie chretienne etc. Paris 1685. 8. p, 196. 20) Neu 
mann Beichichte der Weberfievelung von 40,000 Armeniern, die im 
Sabre 1838 ans der yerfifchen Provinz Aderbaidſhan nach Rußland 
answanderten. Leipzig 1834. 8. ©. 4, 








602 WeftsAfien. II. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 36. 


bufirie bald großen Gewinn. In wichtige Handelsverbindungen mit 
dem ganzen Orient und Occident eingetreten , hatten fle bedeutenden 
Meichthum zu erwerben Gelegenheit gefunden. Don da mögen fie 
fi weiter durch den Orient, zumal nach Indien verbreitet haben; 
aber auch wol ſchon frübzeltiger auf andern Wegen, über welche 
die Geſchichte Feine nähere Auskunft gibt. Ihr SGlü war aber 
dort nicht von Dauer, denn wie durch Gewalt berufen, wurden fie 
auch mit Gewalt, durch Nadir Shah und Ahmed Shah, wie 
der nievergebrüdt und verdrängt. Vor Navir Shahs Zeit rechnete 
man in verfchievenen Städten Perſtens noch 12,000 armeniſche 
Bamilien, die durch Handel und Inpuftrie überall fih zu Wohlftenb 
erhoben hatten, vie jegt aber in Dfhulfa, nach den Bajeler Miſſions⸗ 
berichten, auf etwa 500 verarmte Familien zurüdgefunfen find. Der 
jäingfte Berichterftatter, €. Bore, gibt 1800 armenifche Einmehner 
von Oſhulfa an. 39) Ihr Reichthum war vom Anfang an, unter 
dem desporifchen Negiment, die Urfache vieler Erprefiungen und 
‚ Onalen für fle geworben, die fie Verſtellung, Betrug, Ueberliſtuug 
lehrte 

In Indien find armeniſche Kaufleute in großem Wohlſtand in 
vielen Anſledlungen zu Bombay, Madras (Erdk. VI. ©. 331), 
Kalkutta einheimiſch geworden, deren Jahl Neumann auf 20,000 
anfſchlägt, obwol dies nach andern Daten zu viel zu fein ſcheint. 
Frühzeitig traten fie in Berfien 9) dem beginnenden Handel ber 
Engländer überall entgegen, währenn fie ber engl. oſtindiſchen 
Compagnie von größtem Vortheil In ver Leitung des Handels im 
Innern Hindoftand wurden. Daß fie feit ihrer Verpflanzung nad 
Derften nicht blos in Paften, ſondern auch durch Indien und ale 
Länder ver Türkei, bis nach Aegypten, ja im ganzen Orient, “bie 
Finanziers, die Banquiers, bie Oefchäftsführer, die Secretaire 
aller Fürſten, Sultane und Herren find, ift befannt, fo wie, daß fle 
auch durch alle Ränder der Ruſſen, Polen, von Aſtrachan, durch die 
Krimm, die Wallachet und die untern Donaulänver vie Greß⸗ 
Händler und Gefhäftsführer wurden. 

Sie Haben in Indien einen großen Antheil am auswärtigen 
Handel mit den Königreichen jenfeit de8 Ganges in Siam, Barma 
| und ben englifchen Beflguugen umter den Intoschineflichen Nationen 


1809) E. Bore Corresp. IE p. #62. * Hanwey 2. c. R 
Bruce Annels o tie en Ind. Be 8! Du —X 
Mem.Vol. I. p. 2. 






2 








. 
‘ 
’ 


Eupbrarfoften; atmenifche Auswande, im Orient. 603 


Bon Singapore ans, wo fie die reichften Kaufleute find, beſuchen 
fe nah Neumann,*l) der bier auf feiner Geiſe nach Kanton als 
Augenzeuge fprechen Eaun, des Handels wegen ven Öftlichen Archipel, 
Java, Sumatra, Borneo und Kanton. Forbes fagte ſchon Ende des 
18. Jahrhunderts, daß er ſehr viele achtungswerthe armenifche 
KRaufmannsfamilien in Bombay und In andern indosbritifchen 
Eofonien Tennen Iernte, die dort den Großhandel *2) betrieben, 
and in Freiheit ihres Neligiondcultus Ichten. Eben fo follen le auf 
Häufigen Reifen ven Handel in den Khanaten und Fürſtenthümern 
Mittelaſtens betreiben, bis Vochara, Kokand, Chiva, vie Gebiete 
der Sikhs bis Kafhmir durchſtreifen, und in Afghaniſtan nicht un⸗ 
thatig fein. | 

Bon einer Eolontfation mehrerer Hundert Armenter, welche einft 
durch Shah Nadir und Ahmed Shah aus Dſhulfa und Mefheh 
nad Kabul gewaltfam verfeht war, fand AL. Burnes, im Mat 
1832, in der Stadt Kabul nur noch 21 Armenier vor. Aber ar 
mehlfche Grabinſchriften zeigten, daß dort einft mehrere ihres Stam⸗ 
med anfällig gemwefen, die ımter der Durani⸗Herrſchaft (Erdk. VIE 
&. 202) bis zum Tode Timur Shahs hohe Aemter befleiveten, 
aber fih während ver Erbfolgeftreitigkeiten mit ihren Yamillen in 
andre Länder zurüdzogen. Bis an die Grenze von Ghina, auf ber 
großen Handelsſtraße von Tangut nach Peking, waren fon zw 
Anfang des 18ten Jahrhunderts Armenier bis auf den Marftort 
Sining vorgevrungen, wo Pater Negis einen armenif chen Kaufe 
mann angeflevelt fand, der das fchönfte Pelzwerk führte (Erdk. IE 
177). | 

Daß fle vurch ganz Vorberaflen, Syrien, Eonftantinopel, Aegyp⸗ 
ten u. f. mw. als Handelsleute angeflevelt find, iſt befannt: in Cairo 
and Aleranpria find fie vie wohlhabendſten Kaufleute, (an 2000 
gegenwärtig in Aegypten, nach Lane) ; auch nach Aethlopien brangen 
fie vor; der erfle Geſandte, der von Abyſſinien nach Portugal ges 
ſchickt wurde, war ein Armenier, und bad Haupt ber Kirche von 
Abyfiinten war 1834 ein armenifcher Priefter. Ein Autor Hat ſo⸗ 
gar die Vermuthung aufgeftellt, vaß die inpifhen Chriſten, 
welche ſchon Dasco de Gama in Melinve vorfand, die ihm einen 
Hintu-Pllsten verfchafften, Armenier #) gewefen felen, obwol mar 
Doch eher vabei an ſyriſche Chriſten von Malabar denken möchte. 


“2 ) Deſſen Geſchichte der «2) J. Forbes 





® Orient men. T.Lp 122. %) Alistic {ouzu, IRXT. Tal. 


xx. dan, pP: 4. 





% 


604 Weft:Afien. II. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 36. 


Einen wieberholten Abzugscanal für armeniſche Eoloni« 
fatton hat in neuefter Zeit Rußland erdffnet, und dadurch einen 
Theil ver alten armenifchen Heimath ungemein entvölkert, in 
welcher das Volk innmerfort, während des Wohlſtandes feiner ihm 
entfrembeten Brüder, durch dauernden härteften Drud der beiden 
großen Nahbarftaaten, und durch den förtwährenden Stachel 
in ihrer Seite in die größte Armuth an leiblichem und geifti- 
gemBefigthum verfinfen mußte, nämlich durch die bort vorher 


ſchend gewordnen raubgierigen Kurden, vie Armenien immer mehr 


und mehr überſchwemmt haben, fo wie dies mehr und mehr im 
Innern in Ohnmacht verſank. 

Man kann Armenien feinge Ausvehnung nach von D. nad 
W. zwifchen Euphrat und Urmia⸗See, von S. nad N. von Mar 
din bis zur Grenze von Trebifond und Georgien, dem Areale nad 
ganz wol mit ver größern Hälfte von Deutfchland, In runder Summe 
an 5000 bis 6000 Quadratmeilen, vergleichen; im weitern Sime, 
mit der armenifchen Bevölkerung des obern Mefopotamiens, C⸗ 
liciens u. a., zwifchen dem ſchwarzen und kaspiſchen See, und von 
Syrien 518 Albanien, umfaßt e8 weit mehr. Cine bloße, aber 


vielleicht noch zu hohe, Schägung iſt es, ihm 3 Millionen Bewoh⸗ 


ner zu geben,, was immer noch 600 Einm. auf die Quabratmeile 
gibt, zwar wenig genug, aber doch immer noch viel zu viel für bie 
vielen veröveten menfchenleeren Landſtriche Armeniens, auf bie 
man im Durchſchnitt wol kaum die Hälfte viefer Bevölkerung rech⸗ 
nen darf. 

Schon frühzeitig Hatte man in Rußland ven Vortheil armeni- 


fer Anflevlungen Eennen lernen. Noch che die Krimm zu Muß — 


land gehörte, hatte Kalferin Katharina II. im Jahr 1780 armenis 
ſche Bewohner jener damals noch türkifchen Halbinfel zu einer An- 
ſiedlung am untern Don, abwärts Tſherkaßk, bemogen, und diefer 
den anziehenden Namen Neu Nachitfhbewan ) (zuſammenge⸗ 
zogen Nachtſhewan) gegeben, wo die Anflevlung, nach Whitting⸗ 


tons Beſuch Im Jahr 1816, von 6000 männlichen Bewohnern in 


4600 Säufern, unter eignem armenifchen Magiftrate, in Aufſchwung 


-und Wohlftand war. Sie hat gegenwärtig über 11,000 @inw, 


a 


meift Armenier, und ift die bedeutendſte Handelsſtadt am Don. Eben 
fo find andre Localitäten Anziehungspuncte auf ruſſiſchem Boden 





*6) Whittington * in Rob. Walpole Trav. in variong ⸗ 


tries of the east. Lond, 18. p. ST-46l, 





y3 Yeh N 
m n 
. . 








Eupbratfuft.; Armenier-Auswan, nach Raufafien. 605 


für armenifche Anflevelung geworden. Ein großer Theil der alten 
Helmath der Armenier warb nad) und mach von ben Ruffen in 
wiederholten Orenzfriegen mit ven Perfern und Türken erobert. Der 
größere Theil des armenifhen Volks, der nichtunirte, der eigent« 
U nationale Armenter, ber unter dem ſchweren Joch ver Tür« 
fen und Perſer feufzte, betrachtete feit einiger Zeit ſchon das ruſſi⸗ 
ſche Kaiferreich als fein neues Vaterland. Seit ven Iegten Jahrze⸗ 
henden ſchon wanderten deshalb nicht felten die Urmenier in Mafien 
aus den ehemals perflichen und türfifchen Provinzen, aus Ghilan, 
Aderbaidſhan, Erzerum und anderen, auf nie ruſſiſch gewordenen 
Antheile Armeniens hinüber, und Jießen fih auch In anderen Theilen 
des ruffifchen Reichs nieder. Die Armenier behaupteten ven Glau⸗ 
ben ihrer Väter; ihre Maſſen widerſtrebten ver Vereinigung mit 
ber griechifchen wie mit der Iatelnifchen Kirche, und nur felten er⸗ 
eignete fich bei ihnen ein Uebertritt zum Koran, daher das chriftliche 
Bolf der Armenier von feinen mohamevanifchen Herren fortwährend _ 
im Zuſtande der Belagerung gehalten wurde. In den, Friedens⸗ 
fhlüffen mit feinen fünlicden Nachbarn warb daher von Rußland 
immer (aud mit den Türken 1830, f. ob. S. 423, 436) die freie 
Emigration der Ehriften mitbenungen, wodurch Perfien in 
der That mehr geſchwächt wurde, ald durch Abtretung ganzer Pro« 
vinzen. 

Die Armenier, welche es vorzogen, unter ruſſiſchem Schutze zu 
leben, brauchten nicht zur Ueberflevelung gezwungen zu werben, 
wie died den Ruſſen, als hätten fie dieſen Zwang ausgeübt, dfter 
vorgeworfen iſt. Uber freilich feit ven letzten Begebenheiten biefer 
Art find die Erwartungen ver Urmenier vielleicht zu hoch geipannt 
gewefen, die Zuflcherungen ver Fürforge für fie auf ruſſiſchem Ges 
biete iſt nicht in der erwarteten Art in Erfüllung gegangen, und 
viele der ärmften zulegt Lebegfledelten mögen getäufcht worden fein. 
Selbſt mehr ald die Hälfte der Emigranten, ging daß Gerücht, ſoll⸗ 
ten in den Provinzen von Eriman und Nakhitfheivan vor Hunger 
umgelommen fein. #) Kein Wunder, daß nun bie Blicke vieler 
Getãuſchten und Mißvergnügten, vie noch ärmer, als fie früher ges 
weien, in ihre verlafiene Heimath zurückzuwandern gendthigt wa⸗ 
ven, im Haß gegen die Ruſſen fich nach neuer ‚Hülfe in der Fremde 
umfahen, und nun ihre trügeriihe Hoffnung auf "England fehten, 


we; en, Geſch. der Ueberſiedelung ©. 6, 22, 13, 74, 08, 18, 
Rt. — 





‘ 


s 





606 Weſt⸗Aſien. III. Abcheilung. I Abſchnitt. $. 36. 


das durch feinen temporairen Einfluß in Perſien (Erb. IX ©. 867 
u. f.) eine folche Hoffnung bei Uinwiffenden auf eine vorübergehenve 
Zeit auch nähren mochte, ohne fie befriedigen zu £önnen. Die früs 
her unbeftimmt gebliebenen Grenzverhältniffe zwifchen Rußland und 
Perfien (Erdk. IX. S. 869) hatten 1827 zu neuen Ueberfällen ber 
zuffifchen Truppen nach Perfifch Armenien geführt, wobel Etfh mia» 
zin und Eriwan, Nakhitſhewan und Abbasabad einge 
nonmen, ber Araxes überfchritten und felbft Ardebil von Ruſſen 
befet wurde (Erdk. IX. S. 794). Der Beiſtand der Armenier Hatte 
den Ruffen die Ihore von Eriman geöffnet, daß fie ohne Schweri⸗ 
ſtreich beſetzen konnten; fie hatten Ihnen die Wege durch die Ararek- 
ebene gebahnt und vie Lebensmittel zugeführt. Das Klofter zu Er 
ſhmiadzin war im März 1827 zum Sauptquartier des General 
Bendenvorf, und dann durch die Pflege der Geiftlichfeit zum Laza⸗ 


reth des rufflfchen Geereß geworben. Die Armenier jubelten vem 


Kaiſer Nicolaus als ihrem Netter entgegen, und ſchloſſen ſich überall 
als Führer und Kampfgenoffen ven flegreichen Kriegern am. Die 
Nufien zogen in Taurid ein (19. Dct. 1827), Obrift Lazarew, von 
altarmenifcher fürfllicher Bamilie aus Moskau, welche dort zu ben 
großartigen Wohlthätern ihrer Nation gehörte, wurde Comman- 
dant ber Stadt, und mit ihm erhielt ver Erzbifchof Nerſes von 
Tiflis die provijorifche Verwaltung von Perſarmenien. Alle 
Armenter fuchten nun bei ihnen ihr Hell. Der Kaiſer erkannte 
die Anhänglichkeit und Ergebenheit der armenifchen Nation durch 
einen Gnadenbrief an, durch den ihnen, zur 2elohnung ihrer 
geleifteteten Dienfte, Borrechte bewilligt wurden; er ließ fie aufs 
fordern, fih in Rußland niederzulaſſen, und ficherte ihnen, als 
Blaubensgenofien und Bürgern feines Reichs, Schuß und Schir⸗ 
mung zu.%%) Der Befegung von Ardebil folgte ver Friedendtractat 
zu Turfmentihat am Araxes (Erdk. IX. S. 880, wo Zelle 25 von 
oben 1828 flart 1826 zu leſen), in welchem alles Land im Süd 
des mittleren Arareslaufes, aufwärts bi8 zum Ararat, mit ben 


Gebieten von Arvebil, Taurid, Khoi bis Maku und Bajazeb an 


Berfien zurüdfiel, wogegen es 20 Millionen Süberrubel in gewiſ⸗ 
fen Terminen zu zahlen Hatte. Der Ararat felbft und bie Ara 
zeßebene mit Etſhmiadzin als Enclave warb rufflfche Grenz⸗ 
provinz. Die Armenier konnten nun jene perſiſchen Khanate ver⸗ 
laſſen und ſich über ven Araxes auf ruffliches Gebiet zurüdziehen; 





160) Menmann a. a. D. S. 3%, IB, AL. 


Eupbratfoftem: armen, Auswandr. n. Kaukaſien. 607 


im 15ten Artikel des Yrievenstractates ward allen armenifchen Cin⸗ 
wohnern und Beamten von Averbivfhan geflattet, binnen Jahres⸗ 
friſt aus der perfiichen ins ruffiiche Gebiet überzuziehen, mit Aus⸗ 
fuhr oder Verkauf ihres beweglichen Vermögens; für vie Entäuße⸗ 
zung des unbewegliden wurde eine Friſt von 5 Jahren feſtgeſtellt. Ale 
Zurüdbleibenden follten die Amneſtie des Schachs von Berflen er⸗ 
halten; aber ſehr wenige blieben. 

Die Ueberfievelung nach dem Friedensſchluß ſollte unter Obriſt 
Zazarew's Leitung geſchehen. Man hatte gehofft, auch die Ne⸗ 
Rorlaner, die man ganz irrig, weil file einen Theil des alten 
Armeniens bewohnen, für einen andern Stamm ver Armenier ges 
halten, was fie aber offenbar bei ihrer ſyriſchen Sprade nicht 
find (f. Erof. IX. ©. 663 — 687, 791 u. a. D.), wenn ſchon ein- 
zelne Armenier unter ihnen heimifch geworben fein mögen, audh 
dieſe. (an Zahl die Armenier übertreffend) mwürben mit auszumandern 
geneigt fein. Dies geſchah aber nicht; ob auf Ginflüfterungen ver 
Verſer, wie es hieß, oder auß Eigennug oder aus fonfligen @rün- 
den, genug, fie ſchrieben ven ruſſiſchen Behörden Bedingungen vor, 
auf welche dieſe nicht eingeben Eonnten, die auch nur aufridhtig an⸗ 
Bängliche neue Untertkanen aufzune&men ſich bereit erklärten, und 
keineswegs foldhe, denen es mit fnechtifcher Hinterliſt blos um 
ihres eigenen Gewinnes willen darum zu thun fel. 

In den 19 Artikeln ver von ruffiicher Seite verbreiteten Pro⸗ 
elamationen hieß es: 1) daß Niemand follte zur Auswanderung ge= 
zwungen merden. 2) Diejenigen, welche auswandern wollten, ſoll⸗ 
ten auf zufilfchem Gebiet freien Handel treiben koͤnnen, fruchtbares 
Ackerland für ihre Familie angewieſen erhalten, und auf 3 Sabre 
Freihelt von allen Abgaben, dann erft den Zehnten zahlen. Die 
Unbenittelten ſollten einregiftrirt und ihnen Hülfe dargeboten wer⸗ 
den. Eile wurde ihnen empfohlen, um dem Drud, der Perfer zu 
entgehen. Lazarew ſah e8 für das glüdlichfte Loos feiner Stam⸗ 
mesbrüder und Blaubensgenofien an, wenn fie unter den Schuß der 
zuffiichen Sahne träten. 

Mitte März 1828 wurde von den ruffifchen Truppen Tauris 
geräumt; vie Auswanderung : ganzer armeniſcher Dorffchaften bes 
gann; fie wurde gegen die ruffiiche Grenzprovinz Karabagh auf 
dem Nordufer des Araxes dirigirt, in deren Mitte Schufcha bie 
ſchũtzende Feſte if. Schreien ergriff die Perferbehdrden, die nun, 
gegen Ihre Erwartung, ganze Difkricte fich entwölfern fahen. La⸗ 
zarew warb von ben Armenien als Netter feiner Srammeke una 





608 Weft-Afien, I. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36. 


Slaubendgenofien gepriefen, man nannte bie Veberflenlung eine ein⸗ 
zige Erſcheinung in ver Weltgefchichte, eine Bereinigung der Geelen 
und der Herzen. Abbas Mirza, der Kronprinz von Perſien, dem 
feine Habgierigen und blutvürfligen Beamten immer das Gluck ſei⸗ 
ner Unterthanen unter: perfifchem. Scepter vorgefpiegelt Hatten, ges 
rieth außer fih. Diele Umtriebe 37) gefchahen, um ven Auswan⸗ 
berern Hinderniffe in den Weg zu legen. Den Ruffen warfen bie 
Derfer Beftechungen und VBerführungen vor, ven armenifchen Prie⸗ 
ſtern Mißbrauch ihrer geiftlichen Gewalt, dem Kathollfos von Et⸗ 
ſhmiadzin, daß er die zurüdbleibenden Priefter mit Entfegung von 
ihren Würben beftrafe, die Gemeinden aus der Reihe der Glaͤubi⸗ 
gen zu verfloßen probe, u. dgl. m. Das fchlimmfte war, daß die 
perfifche Negierung es ihren Unterthanen verbot, von ven austwan- 
beenden Armeniern Güter zu kaufen. Dadurch wurben viele ber 
Grundbeſitzer gendthigt, zurückzubleiben. Andere opferten ihren gan 
zen Wohlſtand auf, im Bertrauen zu dem neuen Schugherrn. Abe 
die Maffe der Auswanderer mußte bald Noth erzeugen. Bon 
Salmas, Urmia, Maragha, felbft von Kaswin her, Famen pie Emil 
granten gezogen; fie trafen bei Maragha mit anderen Schaaren zu 
ſammen, die aud ven Gebirgen Kurdiſtans berbeizogen ; aber ſchon 
Biele wurben in den Gebirgsſchluchten von ven Kurven erfchlagen, 
die wie Raubwild den wehrlofen Heerven folgten. Die Zahl ver 
ruſſiſchen Beamten war viel zu gering, fie zu ſchützen. Die Noth 
nahm mit dem Uebergang über ven Araxes nicht ab, Die vom Kal 
fer, wie vom Gonvernement, und enblich aus ven Beivatmitiefn La⸗ 
zarews fo großmüthig beſtimmten Summen zum Abhelfen ver drin⸗ 
gendſten Moıh waren völlig unzureichend; es fehlte an Mitteln bes 
Transports, an Quaxtieren, an Brpt ſchon beim erften Uebergang 


von 5000 Familien über ven Araxes am 28. April. Die Arme | 


nier verließen das parabieftfche, fruchtbare, reich bebaute Uferland bet 
Urmia⸗Sees und das Khanat Khoi, um In ein erſt wirthbar zu 
machendes Karabagh einzuziehen, wo ihnen alle Mittel des Erwerbs 
fehlten, wo, wie es fcheint, durchaus Feine Bürforge zu einer Auf 
nahme fo zahlreicher Ueberſiedler getroffen war. Mehr als 8000 
Familien Hatten in Zeit von 34 Monat den Arares überfegt, auf 
deren Unterflügung 48) 14,000 Ducaten verwendet waren. (Der 
Riffionar Eli Smith ließ ſich vom Biſchof von Aderbieſhan erzaͤh⸗ 

14) . EL Smith Missionary Foearches in Armenia p. an. 

“ Neumann a. a. D. &1 





2. 44 em Ha a A Ei DH ei 





. 


Euphratſhftem; armen. Auswandr. n. Kaukaſien. 609 


len, es ſeien 9000 armeniſche Famillen ausgewandert, an 2800 zu⸗ 
rũckgeblleben, und an 50 bis 60 nach ihrer Emigration wieder heim⸗ 
gekehrt.) ») Das neu zu organiſtrende Armenier⸗Land auf der 
Nordſeite des Araxes warb in allem mit nahe an 40,000 neuen, 
anhänglichen, eifrigen Lintertbanen bereichert, vie dem Grenzlande 
entzogen waren und die befle Vorhut für das Reich werden konn⸗ 
ten. Der edle Lazare w mußte aber nach. der beforgten Auswan⸗ 
derung dies neue Feld der Unfievelung, wo erft durch fortgefegte 
Thaãtigkeit dad Gluͤck ver Eolonie zu Stande kommen konnte, wel 
der Krieg gegen die Türken im Welt bei Kars (f. ob. ©. 414) be= 
gaun, verlaffen. Seitvem wurbe nichts weiter über das Schickſal 
derſelben bekannt; ein furdhtbares Schweigen, dem jenes finflere 
Gerücht der Verunglüdung vieler der Uebergefiebelten durch Hun⸗ 
gertod vorangeeilt war, fehlen daſſelbe zu beſtätigen; offenbar, wie 
fi ans folgenven offlciellen Daten der gegenwärtigen Zuſtände er⸗ 
gibt, wenigſtens eine große Ucbertribung. 

Aus des Finanzbeamten v. Chopin, der fih 10 Jahr in 
Trandkeukaſien aufbielt, genaueften Xiften, welche v. Köppen der 
Katferliden Academie der Wiſſenſchaften SU) mitgetheilt hat, iſt ver 
gegenwärtige Zuftand der Bolkläömenge bes feit 1828 
(nach ven Brievensfchlüffen mit den Perfern und Türken, in wel 
chem Iegtern dieſelbe Sreizügigkeit ver Armenier aus dem Türkengebiet 
bedungen war) zu Rußland gehörigen Armeniend zu erfe- 
ben, obwol nur theilmeiß die Zunahme der neuen Volksmenge zur 
früheren, fo wie das Berhältnig der neuen zur alten Bevölkerung 
zu beurtheilen. Mehr fpertalijirte Angaben wären höchſt wünſchens⸗ 
werth geweien. Indeß auch diefe enthalten dankenswerthe Haupt⸗ 
rejultate: IJ | | 

Die Sefammtbenälferung der 3 von Welt gegen Oft 
fih am Morbufer des Arares BHinziehenden neuen Provinzen: 
1) Eriwan, 2) Nachitſhewan und 3) Ordubad, beträgt 
gegenwärtig (1841) 164,450 Individuen, davon die erfle bei wei⸗ 
tem bie Mehrzahl, 122,968, die Iegte die Minderzahl, 10,975, vie 
zweite die Mittelzahl, 30,507 Individuen, beſitzt. Der Nellgion nach 
zerfallen fie in vie belden, ſich faft das Gleichgewicht Haltenden Abe 
thellungen: ver Chriften, 82,377, ver Muhamedaner, 81,749; 


® D 





. \ \ ' . 
**) BliSmith Missionary Res. p. 3%. *0) Chopin, de l’origine 
* peuples habitant la province d’Armenie im Bulletin sclentif. 
de l’Acad. Impı d. Sc. St. Petersb. 1841. T.YII. p. IR. 


Mitter ihlunde. X Da 








610 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 36. 


die dritie Abtheilung beftcht aus Iefiden, nur 824; vom Juden, 
die einft bier fo zahlreich waren, iſt Heutzutage Teine Rebe. Die 
Iefiden find nur Momaben, in 67 Bamilten umherziehend, unter 
den Muhamedanern find noch 1344 Nomadenfamilien, 14,734 
Familien find anfäffig. Die Ehriften ſcheinen ohne Ausnahme 
anfäffig zu fein; es find die Armenier. - 
Die Zahl diefer armenifchen Ehriften vor der Ueberfiede⸗ 
lung war 4428 Bamilien mit 25,151 Individuen. Die neuen 
ntdmmlinge aus Perfien (1828 und1829) betrugen 8036 5a» 
inllien mit 35,560 Individuen. Die Zahl der neuen Ankömmlinge 
auß der tärkifchen Gränze Armeniend warb auf 3682 Bamilim 
angegeben, mit 21,666 Individuen; alfo zufammen eine Vermehrung 
von 57,226 Individuen, wodurch die frühere Volkezahl (25,151) 
um das Dreifahe, wenn nicht wieder anderer Verluſt eingetreten 
wäre, erhöht fein würde. 


Bon biefen find 20,377 Indlvlduen Bewohner der 3 Hanpte 
Räbte: Criwan, bie bedeutendſte, Hat 11,463 Einw., Naditfher 
wan 2599, Ordubad, bie erſt entſtandene, 3444. Die Zahl ber 
aderbauenden Famillen iſt 24,906 in ven 3 Provinzen; bie ver 

- Romaden, welche früher 2684 Bamilien mit 15,000 Individuen 
betrug, iſt auf 847 Bamilien herabgefunfen. In dieſem fehr bedeu⸗ 
tenden Maaße hat aljo ver Aderbau das Nomadenweſen ver- 
drängt, ein außerordentlich fegensreicher Fortſchritt und Bürge einer 
fortfchreitenden Civiliſation für das armenifche Land. Denn die no» 
madifirenben Kurden ber frühern Periode auf dieſem Gebiete 

wichen nach Perfien aus. Gtatt ihrer find jene 67 Jeſidenfamilien 
eingewanbert, Da nun aber dieſe auswandernden Nomaden für bad 
Land einen Verluſt von etwa 15,000 Inbivinuen gaben, fo find 
dieſe von den 57,226 eingewanderten Inbivipuen abzuziehen, und die 
Geſammtzunahme der Bevölkerung nah Chopin in allem auf 
etwa 46,000 Indivlduen anzufclagen. 

Die Altern Einwohner waren Kurden 10,413, Kaſachen 
8445, Ajrumli 6807, Tataren 1935 Individuen; an 200 
Samilien Muganli und andere Trümmer größerer Vdlierreſte, zu 
denen auch Kjangarli in ber Provinz Nachitſhewan zu rechnen, 
6473 Individuen, die dur blaue Augen und blondes Haar 
(vergl. Ufun, Grof. IL ©. 193, 434; VII. 6.612, 623) ſich an 
zeichnen. An Zigeunern, bie teils Chriſten (hier Voſcha ger 
nannt), thells Muhamrraneı (ud, zählte man von erflern 50 da⸗ 





Eubphratfyſtem; armenifche Kirche. 611 


millen mit 212, von ven Iektern 107 Bamilten mit 306 Individuen, 
alfo in allem 157 Familien und 518 Zigeuner» Inpivipuen. 


D) Die nationalsarmenifhe Kirche und bie mit der rd« 
mifhen unirte; bie ſchismatiſchen Armenier; die pa— 
piftifhen Armenier; ihre Patriarchen; ihr Katholikog 
und deſſen Refidenzen. Das armenifche Kloſterweſen, 
bie Schulen, die Drudereien und die Bibliothek 
zu Etſhmiadzin. N 


Was die Armenier in allen dieſen vielfachen Wechſeln ver 
Dinge national zufammenbielt, war nicht fowol daB Vaterland, 
das fie zwar immer als bie Heimath Hoch ehren und preifen, das 
fie aber oft genug verlaffen mußten; auch nicht die arme niſche 
Sprache, von deren Reinheit ſie ſeit dem 13. Jahrhundert ſo ge⸗ 
waltig durch das fih immer mehr verunreinigende Vulgär⸗arme⸗ 
niſch abwichen, ja, die fie endlich ganz, wie im ſlaviſchen Europa, 
wo fie ſich zum Polniſchen wandten, und im muhamedaniſchen 
Dſhulfa, wo fle das Perſiſche reden, verließen, fondern die arme 
niſche Kirche, und in fo fern ihre Religion, die fie durch ihr 
böchftes Oberhaupt, ven Katholiko 8 zu Eelhmiadıln, auch wies 
der an ihre Ararat= Helmarh band, mie ihre theologifchen Stupien 
und ihre einheimifche Literatur fie zu der altarmenifchen Mut⸗ 
texrfprache zurüdführten. 

In dieſer Hinficht iſt es von der Höchften Wichtigkeit für das 
guffifche Armenien geworben, daß dem anerkannten Oberhaupte ver 
ganzen armenifchen Kirche, vem Katholikos, wie dem Patriarchen⸗ 
fige zu Ctſhmiadzin am Buße des Ararat, der fire Schuß des 
zuffifgen Geepter zu Theil warb, und hierin ein Mittel der core 
gantfation für die ſelbſtändig gebliebene armenifche Kirche und Vol⸗ 
kerſchaft dargeboten if: Aber freilich beftchen in ihr noch große 
unüberwunbne Spaltungen, weldhe In ber Gegenwart, vielfacher An⸗ 
firengungen ungeachtet, die Nation In ihrer Erniedrigung erhalten, 
und nur begänftigteren Individuen nnter ihnen die Mittel zu hoͤherm 
Aufſchwunge verleihen, von dem die ganze Nation noch fehr weit 
entfernt if. Die Innern Spaltungen der Kirche haben auch Hier 
das große Verderben berbeigeführt, zu deſſen gründlicher Heilung 
wol nur der. Verein von fortfchreitender nationaler Erziehung, von 
wahrhafter religiäfer Erweckung, von Entknechtung, von bürger- 
Ticher Freiheit, von claſſiſch⸗ nationaler Ausbildung und Befreiung 
von hindernden Nationaleitelfeiten und Menfchenfagungen, in te 

| Da? | 


Z 


612 Weſt⸗Aſien. I. Abtheilung. L Abſchnitt. $.36. 


fie auf das feſſelabſte verfirit And, führen Tann. Die einfige 
Gründung eines eignen Mittelpunktö der armenifhen Kirche 
durch dad Patrlarchat des Gregorius Illuminator zu Ctſhmiadzin, 
und die ernſte Abwendung derſelben, in den dogmatiſchen Strei⸗ 
tigkeiten ber Kirchenconcilien, von der abendländiſchen Kirche, 
wie von des ſyriſchen, gaben ihr unſtreitig zu jener Zeit innere 
Kräfte und Einheit. Als damals orthoboze Kirche Hielten fie ſich von 
den Berführungen Barbfumas und der Neftorianer im 5tm 
un» 6ten JahrhunpertSt) frei, die ihnen unter der anfänglichen Bes 
gänfligung der Saſſaniden (f. ob. S. 166) feindſelig entgegentraten 
und arge Berfolgungen zuzogen, bis auch dieſe fyrifch- ne florias 
niſche Kirche von den Magiern, wie die armeniſche, ihre großen 
Leiven erbulden mußte und nun weiter gegen ven Oſten entrüdt 
ward. Wir Haben fhon oben die Kriegegefchichte König Vartams 
mit den Neligionskämpfen gegen bie Magier angeführt, welche Pa- 
triarch Elifä (viefer farb im I. 480) beſchrieben, einer ber weni« 
gen Autoren der Armenier, welcher eine Hinneigung zu ben Reflos 
zianern zeigte, we8halb die dahin einfchlagenven Kapitel feines Wer⸗ 
te8 von dem orthodoxen armenifchen Klerus ver fpätern Zeit in den 
Abſchriften audgelaffen worden. Denn bie armeniſche Kirche folgte 
in ben Streitigkeiten über die doppelte göttliche Natur Jeſu Gprifi 
der Lehre des Cutychius in Gonflantinopel im Sten Jahrhundert, 
ver, als Heftiger Begner der neflorianifchen Lehre, feldft ein eignet 
Dogma anfftellte, das von Theodoſius dem Jüngern angenemmen, 
aber unter defien Nachfolger Kalfer Marclan im Kirchenconcti 
zu Shalcedon, 451, von der katholiſchen Kirche als keheriſch ver» 
dammt wurde, von der fi auch die griechiſche Kirche erſt ſpater 
trennte. Seitdem ſtand nun bie armenifche Kirche als eine abe 
gefpaltne für fi da, die Der abendlandiſchen als eine ſchis⸗ 
matifche galt; Patriarch und Pabſt alfo im Gegenfag. Du 
bie häufigen politifcpen Gewaltüßergriffe der griechiſch · byzantintfchen 
Kaiſer wurde den Armeniern, der vielen Verbindungen mit Gen- 
Rantinopel ungeachtet, die griechiſche Nation und die griechtſche 
Kirche ungemein verhaßt;$2) doc fehlte es nicht an Verſuchen ver 
gegenfeltigen Annäherung beider Kirchen, und ihre in @laubent 
facgen angebahnte Bereinigung?) war fogar zur Zeit des Kaifer 
Manuel v6 Gomnenen und des Patriarchen Nerfes vom Lampron 





182) Clifa bei Neumann ch . D. ©. 66. #2) Vahrams 
Chrome L 0 9.20. 11} Kemens Bafıd aa. D. aan 





u 





Euphratſyſtem; armenifche Kirche, 613 


in Cilicien auf der Synode zu Romklah (Rumkala) im I. 1179 
ganz nahe, Fam jeboch durch leider dazwiſchentretende Krieggunruhen 
nicht zur Ausführung. Mit der römifchen Kirche und mit ven 
Zateinern traten fie auch zuerft Durch dad armeniſch⸗-eiliciſche 
Reich, während der Kreugzüge dirert mit den Päbſten in eine nä⸗ 
here Verbindung, welche (zumal Pabſt Coeleſtinus III.) es nie 
aufgaben, die ſchismatiſchen Armenier zur katholiſchen Kirche 
zurüc zu bringen.5%) Zuerſt fol Mariminian, ein Patriarch beider 
Armenien, der auf dem Concil zu Ierufalem im 3. 1036 erfchien, 
fi dem Pabſt Eugen II. unterworfen haben, im I. 1045. Auch 
Vabſt Innocenz II. trat mit dem vormaligen Patriarchen ver 
Armenier, ®regor IH. (er fteßt von 1113 bis 1166, 53 Jahre 
lang, ſehr würbig der armenifchen Kicche ald Patriarch vor), zur 
Zeit König Leons von Armenia⸗Cilicien in gleicher Hoffnung in 
gegenfeitige freunbfchaftliche Beziehungen, und Otto von Frei⸗ 
fingen, ver des letztern Geſandtſchaft am päbſtlichen Hofe fah, 
will von einer damaligen gegenfeitigen Annäherung derſelben wiſſen. 
Das Jahr 1145 wird fogar als das Jahr einer folchen Vereinigung 
der ciliciſch⸗ armeniſchen mit der römtfchen Kirche angegeben, deren 
Einverſtändniß aber fi) bei dem Kirchenconcil zu Florenz, 1439, 
wieder förmlich gelöft haben foll.55) Eine folche Rückkehr in ven 
Schooß der römifchen Kirche wird ohne weitere von den andern 
Autoren als beflätigt angenommen.) Wiederholte Verſuche*7) Im 
14. Jahrhundert unter Pabſt Johannes XXII., durch feinen 
Sendling (1316) den Dominikaner Bartholomfäus von 
Bologna nach Armenien, ver vorzüglich für die Vereinigung ber 
armeniſchen und Iateinifchen Kirche im Blauben und Ritus ſich bes 
mühte, und eine nicht unbeveutende Zahl von armenifchen Geiſt⸗ 
lichen, unter feinen Schülern, zur Bereinignng mit den Dominikanern 
brachte (fie nannten ſich die Gefellfchaft ver vereinigten Brüs 
Der), erwedten nur um fo heftiger ven Haß des armenifchen, feinem 
Gregorius Illuminator als Oberhaypt blind und außfchlieglich an⸗ 
hangenden Volkes, ver nur in dem Katholikos feine geheime Kraft 
von Geſchlecht zu Geſchlecht vererben konnte, gegen eine foldje 
Union. Doch verbreiteten fi des Bartholomäus Anhänger 
‚Is. Dominikaner Möndge durch ganz Armenien, Georgien und 





°+) Vahrams Chronicle p. 4, not. 52. p. 85; Neumann Beriudh 
a. a. O. ©.150, °#) De la Crekz, la Turquie ohretienne etc. 
L c. Bu BL. oo, > E. Bor& Cortesp. IL. p. 70, 7) cas 
a. a. 2— 4 6 











614 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I, Abſchnitt. $. 36. 


De Krimm, wo fie in Theodofia (Kaffa), dad damals noch unter 
genueflicher Botmäßigkelt fand, ihre Klöfter gründeten; als aber 
-  diefe. Beflgungen verloren gingen, mit ihren Befchirmern nach Ge⸗ 
nun zogen. Doch behielten viefe vereinigten Brüder, bie man 
auch. Branken- Armenier®) im Gegenſaz ſchibmatiſcher 
Armenter nannte, noch in 12 Ortfchaften Armeniens ihre Nieder 
Iaffungen, obwol die Partei ihrer Gegner, an deren Spige Gregor, 
ein Abt des Kloſters Euftathius (oder Dathen; er ſtarb im I. 1410) *0) 
geſtanden, ihren Haß gegen jene auf alle ihre Schüler und viele 
armenifche Mönche vererbten. Wieherholte Beftrebungen jener Do⸗ 
minikaner Miffionare, denen auch Theatiner folgten (wie P. Fi- 
romalli, geboren 1633, K. Galanus, flirbt 1666), gingen barauf 
aus, bie armentfche Sprache und Literatur durch Eindrängung deö 
Zateinifchen und ver ſcholaſtiſchen Terminologie zu verdunkeln und 
zu verwirren. ) Diefelben Beſtrebungen des Stuhles zu Nom, vie 
armenijche Kirche zur Anerkennung des Supremates des Pabſtes 
in Rom zu bringen, ober, nach deren Ausdruck, vie ſchismatiſchen 
Armenier in ven Schooß ver alleinfellgmachenden Kirche zurückzu⸗ 
führen, Haben feitvem bis heute fortgebauert, ohne daß die Mittel, 
welche dabei benutzt worden find, weder zum beabfichtigten Ziele 
geführt Hätten, noch auch nur im geringfien den Zuſtand des ar 
menifchen Volks verbefferten; die vielmehr viele traurige Fehden und 
Mißverſtändniſſe erzeugten, und niemals auf vie Veredlung des 
Volks gerichtet waren, fondern nur auf die Lieberliftung ihrer Vor⸗ 
fände, mit deren Gewinn man ſchon hoffte, daß die Heerde dem 
Hirten bald nachfolgen würbe. Dies ergibt ſich auß den eignen bes 
sichten der Jeſuiten Miffion,St) vie Ende des 17. Jahrhunderts 
unter dem Schuß Louis XIV, dieſes Unternehmen planmäßig ver 
folgte, welches neuerlich, wie wir aus E. Bored Correſpondenz 
erſehen, wieder aufgenommen ift, und fo oft als eine heilvolle Pros 
tectton Frankreichs für die chriftliche Kirche im Orient angepriefen, 
ja fogar im alten Sinne Louis XIV. als der Grund des ausjchließ- 
lichen Anrechts der Franzofen®?) auf die Protection ver Kirche im 
Drient geltend gemacht wird. 


260) De la Croix, la Turquie chr£tienne L c. & 235. *0) Verſach 
a. a. O. S. 216. 0) Ebend. a. a. O. ©. 239. *!) Let- 
tres ödifiantes des missions &trangtres. Me&moires du Levant, 
Paris 1780. T. Ill. De la mission d’Frivan p. 821-477. 

*2) Dela Croix, ci-devaff secr£taire de l’ambassads de B.Maj. 
& ia Pörte, ia Turguie ähretienne sous ia puissante protection 


⸗ | = 
& 


Euphratſyſtem; armeniſche Kirche. 615 


Des erſte gelungene Verſuch geſchah, nach St. Martins®) 
Angabe, bei den Armeniern in Gallizien. Um das Jahr 1624 hatte 
der Erzbiſchof Nicolas Torobcewicz fich, ungeachtet des Widerſtandes 
der armenifchen Geiſtlichkeit, des armenifchen Volks und feiner Ma» 
griftate, des Epiicopates von Lemberg (Leopol) bemädhtigt und 
erklärte feinen Plan, fich der römifch- Fatholifchen Kirche anzufchließen, 
um die Protection des polnischen Gouvernements und der Geiſtlich⸗ 
Zeit zu erhalten, fo wie eine Stütze an Rom. Seine nächſten An⸗ 
bänger folgten feinem Beifplele; aber es entfland ein Schiöma unter 
der bortigen armenifchen Bevölferung. Jene Kirchen ver Wallachel, 
der Krimm und Rußlands, die bis dahin jenen Erzbiſchof ald Vor⸗ 
fand anerkannt, fagten ſich von demfelben los, und erklärten, daß 
fie mit Ihrem Patriarchen vereint blieben. Das Benehmen des Erz⸗ 
biſchofs Hatte lange Streitigkeiten unter den Armeniern in Polen 
zur Bolge; nad) langen Beftigen Oppoſitionen flimmte ein Theil 
von ihnen erſt im 3. 1652 in die Bereinigung mit der katholiſchen 
Kirche; doch blieben Immer noch viele Gegner übrig. Zur Vollen⸗ 
dung der Vereinigung und zur Ausbreitung des Unterrichts unter 
den unirten Armeniern beichloß die Gongregation ver Propaganda 
in Leopol, welche ein Zweig der von Pabſt Urban VIIL im I. 1623 
zu Rom geflifteten Propaganda war, ein Collegium zur Erziehung 
junger Armenier, dad auch 1664 zu Stande kam, und jenen KL Ga⸗ 
Ianus, ven Theatiner Mönch, zum Director erhielt, der aber fchon 
frühzeitig ſtarb. Einem der Schüler dieſer Anftalt, deren Haupt⸗ 
beftreben es war, die armenifchen Gemeinden in ganz Polen (auch 
in Raminterz‘*) war damals fchon ein armenifcher Geiflicher, ver 
fich Patriarch" ver Armenter titulivte) unter dad Supremat des rb⸗ 
mifchen Stuhles zu bringen und gänzlich von ver beimatblichen 
Kirche abzuwenden, gelang dies endlich auch. Vartan Hounanian, 
Erzbiſchof von Lemberg und Nachfolger des Nicol. Toroscewicz, be⸗ 
rief am 20. Okt. 1689 zu Leopol eine Provinzialſynode, worin mit 
ihm der Nuntius Apoſtolicus in Polen präfloirte. In dieſer erklärte 
ſich der Erzbiſchof mit feinem Anhange als vdlllg unabhängig vom 
Patriarchen Groß⸗Armeniens, und vollendete dadurch die Vereinigung 
mit der roͤmiſch⸗katholiſchen Kirche, 


de Louis le Grand, protecteur unigu du cehristianisme en 
Orient. Paris. 8 1605. Ternaux Compans in Nouv. Annal, 
de Voy. 1842. Mars. | 
*s) St. Martin in Journ. Asiatig. 1828. IE p.85. °*) De la Creiz, 
Turgquie ehrötienne L c. p. 237. 











616 Wellen, MI. Abtheilung. I. Abſchnitt. §. 36. 


Dieſelben Machmationen wurden von ber katholiſchen Diffien 
in Armenien bei dem Katholikos zu Etſhmiadzin unmittelbar dar⸗ 
auf wieberholt, wobei man durchaus nicht von bem Gedanken an daß 
Hell des Volks und der Belehrung ausging, ſondern blos von dem 
ſchlau⸗ politiſchen, ven Patriarchen Herüberzuzichen zum vömifchen 
Stuhl, weil dieſem an der Spike dad Volk fchon wie eine blinde 
Heerde nachfolgen werde, das In allem nach dieſem feinem Ober 
haupte, im Leiblichen und Gelftigen, wie nach ven Regeln deß Klo 
ſters, dem er vorſtehe, fich richte (Comme les Eglises Armeniennes 
se conforment en matiere de religion au sentiment de leur pa- 
triarche et de son monastere, nos missionaires furent persuades 
que leur conversion à la foi catholique dependait principale- 
ment de celle du patriarche).&) Deshalb follte in Erivan eine 
katholiſche Miffion durch die Jeſuiten eingerichtet werden, 
weil von biefem Puncte aus dieſes äußere Ziel am Ieifhteften zu er⸗ 
seichen fehlen (c’est dans cette vue que les pères Jesuites ont tres 
prudemment etabli une mission à Erivan),%) und auch ſchon in 
der benachbarten Provinz Nachtihivan eine Anzahl von Dorfichaften 
ſich erhalten Hatte, deren Bewohner feit der Zeit der Dominikaner 
Bekehrung bei der Tatholifch-armenifchen Kirche geblichen waren, 
aber über manche Bedrückungen ſich zu befchweren hatten. Zu fols 
Ger Miſſion war aber die Erlaubniß des Shahs der Perfer unent- 
behrlich, und dieſe Eonnte nur durch directe Verwendung des Königs 
von Frankreich erlangt werden. Der vamalige Bifchof von Eäfare- 
polls, Krane. Piquet, Vicarius Apoftolicus in Bagdad und Pros 
teetor der Franzoſen im Orient, brachte durch den Beichtunter Bere 
la Chaiſe es bei Louis XIV. dahin, daß eine Geſandtſchaft mit 
Briefen von ihm und großen Geſchenken nach Ispahan an. ven 
Schach ging, an deren Spige die 2 Jeſuiten⸗Paters P. Longenu 
and P. Potter flanden. In der Audienz zu Ispahan, im I. 1683, 
erhielten fie die Erlaubniß der Mifflon zu Erivan und den Finig« 
lichen Schut für die Fatholifch » unirten Armenier in ver Provinz 
Nachitſhevan. 

Der Katholikos von Etſhmiadzin erbittert über das Benehmes 
dieſer Patres, die ohne feine Erlaubniß fich in feiner Didcefe anſie⸗ 

selten, um ſein Anfehn zu untergraben, verbot ihnen, unter yo 
Weohung der Errommuntcation, weiter vorzuſchreiten und. feige Ar⸗ 





108) Lettres &difiantes des mis Lo UL a; 6 dei 
Croix, la Torquis chretienne I. c. P. 248. 





Euphratſhſtem; armenifche Kichee 617 


meniern, dieſelben zu unterflügen. Der Khan von Erivan ſchuͤtzte 
fie zwar; aber Pater Longeau farb fo plöglich, daß man Ihm für 
vergiftet hielt; feinen Armeniern verbot der Patriarch, deſſen Leiche 
zu beervigen. Pater Rour, ein anderer Iefuitengeiftficher aus Ib“ 
pahan, erſetzte bald feinen Bormann: ed gelang ihm, in einer Au« 
dienz beim Patriarchen: zu Etſhmiadzin deſſen Berföhnung mit ber 
Miffton zu gewinnen und die Erlaubniß, im Klofter Meſſe zu lefen. 
Aber auch er ſtarb bald darauf im 9. 1786. Wein Nachfolger, 
Roter Dupuis, fette die begonnene Verbindung mit dem Patriar⸗ 
chen fort, und Hoffte durch vielfältiges Drängen von ihm envlich 
ein Schreiben an den Pabſt zu erhalten, darin er als Öffentliches 
Zeugniß erkläre, daß er in Union und Communion mit dem Heiligen 
Stuhle zu leben und zu flerben wůnſche. Durch eine feiner fo wũr⸗ 
dige Handlung, flellte man ihm vor, würde dann das beflagenß- 
werthe Schisma ber armenifhen Kirche aufhören. Vlele Bifchdfe, 
wie alle Armenier, würven feinem Beifpiele folgen, da ihrer ſchon 
fo viele zu ben Katholifch-unirten gehörten. Aber ver Patriarch 
Nahablet, ungemein wohlwollend gegen vie Jeſuiten, deren Mife 
flon er, wie fie felbft geitehen, fchügte, auch mit Dank das Portrait 
des hoben Mäcens Louis XIV. annehmend, das über einer ber Kir⸗ 
chenpforten jeine ehrenvolle Stelle erhielt, blieb bei feiner einmal ge= 
gebnen Außfage, fi nicht in Einzelnes einlafiend: daß feine ars 
meniſche Kirche im Glauben nit von der römifchen 
Kirche abweiche. Der Muth, fagen die Jefuiten, vie ihn fchon 
für ihren Convertiten hielten, habe ihm gefehlt, um ſich auch dffent» 
lich darüber zu erfläreh, weil er dann feine Abſetzung durch bie 
feindlichen Armenter gefürchtet Habe.) Die Differenz ver fchib« 
matiſchen Armenter von der Tatholifchen Kirche beſtand aber, 
nach dem Berichte des von Pabſt Sirtus V., Ende des 16. Jahrh., 
zur Betreibung der Union ausgefanbten Legaten‘®) zu den Secten 
des Drientd, darin, daß viefe Armenier in Chriſto dem Herrn nur 
Eine Ratur anertennen, nur Einen Willen, Eine Wirkung, und 
nur bie 3 erften Kirchenconcilien, die andern aber nicht. Ferner 
fegen fie dem Symnus: „Dreimal heilig” vie Worte: der für uns 
ifk gekreuziget worben, bei; fle zeichen ungemifchten Wein, glauben 
nicht an das Fegefeuer, verfegen das Geburtsfeſt Chriſti vom 25ften 
Dezember auf ben 6ten Januar, bringen an biefem deſte fowohl als 





#7) Lettses @difiemtes 1. o. III. p. 438. .) 5.0. Gamamı, 
Geſchichte der Domanen, Bd. IV. ©. 268. — 











618 WefAfen. HIT. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 36. 


an anbern In die Kicche Stiere und Kälber, beren Hörner mit Krän- 
zen umwunden, mit Lichtern beſteckt find, und ſchlachten dieſelben 
nach übergeworfenem ‘Pluviale mit allen Geremonien des Mithras- 
opfers, wider welchen heidniſchen Gebrauch fchon der Kirdhenvater 
Narſes in einem Hirtenbriefe vergebens geeifert habe. Etwas ähn- 
liches von heidniſchen Eeremonien wird auch noch im I. 1759 von 
einem katholiſchen Armenier) dem Eultus ver ſchiomati⸗ 
fhen Armenier in Gonftantinopel vorgeworfen, deren Pattiarch 
den Bittfteller, ver ſich zu feiner Rechtfertigung damals an ben pol 
niſchen Gefandten, Grafen Potocky, bei der Pforte wandte, hatte 
zur Annahme von 7 Punrten zwingen wollen, ald welche: 1) Berfül 
ſchung einiger Schriftterte, 2) Verdammung des chalcedoniſchen Con⸗ 
ciliums, 3) Verwerfung des degefeuers, 4) der Glaube, daß Gott neun⸗ 
mal des Tages ſterbe, 5) Geſetzmaͤßigkeit des Wuchers, 6) Bde 
des Geburtsfeſtes Chriſti im Januar und 7) Anerkennung der Stier⸗ 
opfer aufgeführt werben. In wiefern bier wahre und falſche Be 
ſchuldigungen durcheinander Iaufen, möchte ſelbſt noch Heutzutage 
ſchwer zu unterfcheiden fein, da bis jegt meift nur bie Parteiſucht 
ihre Sahne erhoben hat. 

Aus einem Briefe des Pater Ricard vont 3. 1697 ergibt ſich 
daß den Patriarchen Nahabiet dennoch das gefürähtete Loos, wenn 
auch nur vorübergehend, traf. in bittrer Feind der Katholiken, 
der Biſchof der Armenter zu Jspahan, wußte vom Perfer Schach vie 
Entthronung ded Patriarchen Nahabiet zu bewirken; er drängte ſich 
ſelbſt, als undefledites Haupt der Schiömatifer, in ven Patrlarchalfig 
von Etfhmiabzin ein, und wurde nun ein Verfolger der Katholiſch⸗ 
unirten. Aber feine Zeit war nur vorübergehend, venn ber Da 
triarch Nahabiet, ver fein Leben gerettet hatte und große Achtung 
bei den Armeniern wie beim perſiſchen Bouvernement beſaß, und 
auch den Iefuiten noch Hoffnung zur Erreichung ihrer Zwecke Tief, 
wurde durch Vermittlung des Pater Ricard, der einen Perſer⸗ 
Bringen durch feine mebtcinifchen Kuren von Tode gerettet Hatte, 
wieder auf feinen Patriarchen» Thron ale Katholikos eingefeht. Che 
der flandhafte Patriarch jenoch in des Iefulten Pläne einging, flarh 
Pater Ricard, und auch die damals erbeine Mitwirkung bes 
Königs Joh. Sohiesty,?0) venfelben Patriarchen durch Miſſto⸗ 
nen und Ehrenbezeugungen zur Union zu bringen, mißlang vurch 
befien frühzeltigen Tod. So blieben alle jene Projerte vergeblich, 


10°) o. Hammer Geſch. d. Dem. Dh. IV, &. 698. .’*) Lettres ddi- 
fianfes 1. c. II, p. 448. 


Euphratſhſtem; armenifhe Kirche 619 


und die Armenier behielten ihre Nationalkirche. Wie von per 
ſtſcher Seite, eben fo Hatten die Jefuiten zu gleicher Zeit von tür 
Fifcher Seite aus, die Armenier von Erzer um?!) auf gleiche Weiſe 
vergeblich bearbeitet. Doch fielen die Erfolge h ier noch ungünfliger 


aus. Der Minifter Louis XIV. an der hoben Pforte, M. de 


Guilleragues, erhielt den Firman für die Errichtung einer Miffion 
in Erzerum, wo im Jahr 1688 die Patres Roche und Beauvoiller 
auch bei den dortigen Tatholifchen Ehriften große Freude erregten; 
auch gewannen fie, beißt es, ven gutmütbigen armentfchen Biſchof 
und feine Vartabeds für fi, Aber ale der Tod den einen wegge⸗ 
rafft, die Peſt ver andern fliehen gemacht hatte, und daß Unter⸗ 
nehmen erneuert ward. und ſich weiter verbreiten follte, erhoben ſich 
Die Anhänger der nationalsarmenifchen Kirche von neuem mit 
Macht wiber fie, verjagten fie, und ſchwaͤrzten ſie verläumberifch als 
Spione der Moscowiter bei den Beamten der Pforte an, woraus 
ihnen viele DVerfolgungen erwuchſen, wenn fchon jene ſpäterhin 
wieder durch die hoͤchſte Behoͤrde gerechtfertigt wurben. ben fo 
ging es bei Ähnlichen Verfuchen vem Pater Monier im Lande Kur⸗ 
diſtan, wie dem Pater Ricard, der wegen vieler’ Berfolgungen biefer 
Art fi im Jahr 1711 nach Trapezunt zurückzog, wo er mit 
mehr Glück unter ven dortigen Armeniern 22 Priefter und 875 Ge⸗ 
meine zur Eatholifchen Kirche herüber zog. Er fungirte zugleich 
als Arzt, während Monier des Nachts In die Häufer ver Bekehrten 
zur Lehre verfelben ging, um dad Aufſehen am Tage zu vermeiden. 
Der Brief des Pater Ricard an feinen Sefulten-General”2) aus 
jener Zeit erwähnt 2 Abtheilungen Ihrer damaligen Miffton in 
Armenien, deren erfle er vie St. Bregor Illuminator- Miffton 
nennt, zu welcher er vie Orte Torzon, Haſſankala, Kars, Benzit, 
Arabkir und 20 Dorfer der Katholifch-unirten rechnet. Zur zwei⸗ 
ten, ver St. Ignaz-Miffion, zählt er die Städte Isbir, Baiburt, 
Alaska, Trapezunt, Gumiſhkhane und 27 Dorfichaften. In jenen 
Stäpten gibt er an, daß 1500 In den Schooß der katholiſchen Kirche 
zurückgekehrt fein. Die Arbeiter in viefer Miffion zogen fich nach 
fo vielen fruchtlofen Verſuchen meift nach Perfin, nah Oſhulfa, 
ven Haupt-Dperationäpuncte orientalifcher Mifflonen, zurüd; wo 
feitvem fortwährend von beiden Seiten parteitfch geleitete Kämpfe 
zur Erreichung gleicher Äußerlicher Zwecke, denen das Wohl ver 





74) Mission d’Erzerum in Lettres &dif. I. c. TIL. p. 450. ’2) Let- 
tres edif. L c. Il, p: 438 


= 





620 Wefl-Afien, II. Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 36. 


Rationen felbft ganz fremd geblieben, bis in pie Gegenwart fort: 
dauerten. Moͤgen die jüngften Berfuche daſelbſt, vie fich auf eulere 
Weiſe ankündigen, 73) von dem wahren Wohl dieſer Völker durch⸗ 
brungen fein, fo wird jede Berzweigung ber Kirche nicht fehlen, th 
wen, die veſſen fo. bebürftig find, wahren Gegen zuzuwenden. ‘ 

Diefe fortwährend äußern Angriffe ver allgemein herrſchend ge 
worbenen Kirche find unftreitig mit eine natürliche Folge des Innen 


- Zerwürfnifies und Berfalled der armenifchen Kirche geweſen. Ru 


die geographifche Seite dieſer Exrfchelnung haben wir hier zu berühren 

Die entfprechenve Dankbarkeit des armenifchen Volks gegen el 
nen großen Wohlthäter, ven Erleuchter Gregorius, ver zugleich die 
BSauptkirche und den Patriarchalſitz an das antike Vaghar 
fhabad und an den Ort ber Herabfunft des Eriöfers im Sonnen 
ſtrahl (ſ. ob. ©. 528), an Etſhmiadzin, Iocal gebunden: hatte, 
sing in dem bald mönchiſch erftarrten heiligen Eifer fo weit, vos 
Hell ver armenifchen Kirche nicht ſowol an vie befeligennen Wahr 
Heiten des Evangeliums, ſondern an den Beſitz der Reliquien 
des Apoftels zu knüpfen, und an ven Sitz ſelbſt feines Ba- 
triarchats, wie an bie Perſon feines durch priefterliche Nach⸗ 
folge beſtimmten Stelvertreters und Verwalters, des Patriarchen 
von Etſhmiadzin, ver vom Anfang an als das eine Ober⸗ 
Haupt, ver Katholikos, der ganzen armeniſchen Kirde 
anerfannt mar. Denn ſolche Einfegnung als Katholitoß war dem 
Gregor felbft bei feiner Weihe zu Cäfaren zu Theil geworben. Die 
Einheit der armenifchen Kirche war mit ver Verbrängung dei 
urfpränglichen Patriarchenfigeß in ven Perionen der bürgerlichen 
Verwirrungen (ſ. oben ©. 529) nad Tovin und anderwärts Kin 
anfänglich, wenige Intervallen abgerechnet, nur wenig gefährket. 
Doch entſtanden durch Vervielfachung der Nachfolge des geiſtlichen 


Oberhauptes natürlich bald dauernde Spaltungen, meldye die Haupt 
macht des Einen nothwenbig ſchwächen mußten, fo daß zufekt ber 


gegenwärtig anerkannte Katholikos von Etſhmiadzin, als 
Oberhaupt aller Armenier vom Ganges 618 zur Donau, aflervings 
der Idee und Würbe nach einer ver ethabenften und größten Brä- 
Iaten der Erde ift, aber zugleich ver ohnmächtigfte ımb ärmſte 
von allen. 2 

Schon im 6ten Jahrhundert, zur Zeit Kalfer Mauritius, hat⸗ 





ı$?) Eug. Bor£, Lettre de Dj 20. Avril 1840, in deſſ. Oerresp. 
—XX * | | 


. c. Til 








Euphratſyſtem; armenifche Patrlarchen. 621 


ten Perſiſch⸗ und Griechiſch⸗Armenlen ihre zwei momentan gefchie- 
Venen Patriarchen, 7%) gleich den fpätern Benenpäbften in Nom und 
Avignon. Im 11tem Jahrhundert gab es 4 von einander indepen⸗ 
vente Patriarchen, dann 6, dann 3; durch polisifche Umſtände und 
durch ven Ehrgeiz der Individuen zu foldhen Spaltungen gebracht. 
Diefe Trennungen wurben jedoch ehr oder weniger vorübergehend 
oder dauernd, und die armenifche Nation wie ihre Nationalkirche 
dadurch geſondert, geſpalten, geſchwächt. Im 12ten Jahrhunvert, 
nad dem Patriarchate jenes Gregor TU. im eiliciſch⸗armeniſchen 
Kaigreiche, aus dem illuſtren Geſchlechte de Pahlavuni, wel⸗ 
der zu Sie feinen Si genommen (1113— 1166) und mit der la⸗ 
teintichen Kirche und ven Päbften in Verkehr getreten war, bilvete 
ſich ein neuer dauernderer Patriarchenfitz auf ter Infel des Van⸗ 
Sees zu Aghthamar, 75) der, mie es ſcheint, in damaliger Zeit 
größere Sicherheit vor plbtzlichen Ueberfällen und Verfolgungen ge⸗ 
waͤhrte, und auch wirklich bis In die Gegenwart, obwol in tiefſter 
Erniedrigung, fortdauert (f. 06. S. 291). 7% Ein armenifcher Prie 
fer, David, 77) benutzte damals die Abneigung der Anhänger ber 
nattonalen armenifchen Kirche gegen bie Vereinigung mit der latel⸗ 
niſchen; er bemächtigte fi durch feine Partei der Reliquien St. 
Gregors, am welche die Suprematie des Patrtarchatd geknüpft war, 
nämlich der rechten Hand befielben, und brachte dieſe auf die 
Infel zur Betätigung feiner Würde, die ihm auch nicht flreitig gen 
macht zu fein fcheint, obgleich fein Einfluß von Feiner Bedeutung 
wurde. Es war ein Irrthum St. Martins, dieſes Patriarchat zur 
griedhjfchen Kirche zu zählen. 7°) Die fernere Geſchichte der dorti⸗ 
gen Patriarchen, welche jedoch auch den Titel des Katholikos 
führten, if übrigens ganz unbekannt; ihre Wirffamfeit ſcheint nur 
auf ihre Kloſterinſel befchränft geblieben zu fein. Dort ift auch 
von einer dazu gehörigen Schule die Rede, vie fich im 16ten Jahr⸗ 
hundert auf ver Inſel Lim, bei der Inſel Aghthamar, außzeich 
nete, in welcher damals vie Voefle mit Erfolg betrieben ward. Ner⸗ 
fes von Mog wird in der Literaturgeſchichte, im Jahr 1622, als 
eimer ber Dichter diefer Schule aufgeführt. 79) 


7%) Brosset, Notice sur Edchmiadzin im Catalogue de ia biblio- 
thdque d’Fdchm. 1. c. p. 20. nn) ebend. p. 21. 70) Eug. 
Bor& Corresp. II. p.92. ebend. p. 88; Brosset, Notice 
sus Bdchmiadzin I. c. p. 27; c amich, Flist. of Armenia etc. 
Tremsi. by Audall, Calcutta 1927. Vol. ıL. 2 a ’®) E.Bors, 
Corzesp. IL p. 98. 19) Nenmann Def. 6 








672 WeftsAfien. III. Abtheilung. L Abſchnitt. $. 36. 


Ein anderes Oberhaupt 89) ver armeniſchen Kirche entſtand, 
nachdem daB ciliciſch⸗ armeniſche Königreich im I. 1374 durch wie 
Sultane Aegyptens zerflört und ber bortige temporaire Patriarchen-⸗ 
fig nah Etſhmiad zin zurüdverlegt war, auf ven Trümmern je 
nes ciliciſchen Reichs. Von ber ſchwachen dort zurüdgeblichenen 
armeniſchen Partei warb ein Gregor IX. zum Patriarchen In J. 
41441 erwählt. Da er bie Zuflimmung ber Biſchöfe Ofl-Armeniens 
nicht erhalten Tonnte, und auch im eigentlichen Armenien unter ihnen 
nicht wohnen wollte, fo zog er fi in die Trummerflabt Si, &) 
die alte Reſidenz ver cillciſchen Könige (hm Nordoſt von Adana um 
Zarfus), zurüd, mo er die Würbe des Patriarchen und felbft den 
Titel eines Katholikos, feit dem Jahr 1697, wenigſtens quf fein 
Nachfolger bei den dortigen Gemeinden vererbt. Diefes uſurpiru 
Patriarchat, deſſen Gefchichte ebenfalls wenig befannt iſt, hatte, nad 
bem Geſandtſchaftsberichte Pabſt Sixtus V. im, I. 1583, &) in 
den ortentalifchen Kirchen 36 DBifchöfe, 20 Klöfter und 20,000 Bo 
milten in feiner Diöcefe, in Cilicien unn Syrien, und ber dw 
malige Patriarch fol bereit geweien fein, fi) dem Pabfte anzu 
fließen, wozu es jedoch nicht Fam. Derfelbe Patriarchalfig zählte 
am Ende „des 16ten Jahrhunderts in feiner Didcefe 50 Biſchofte, 
wozu man auch die von Serufalem und Aleppo rechnete; um 
nach letzterem Orte Hat fih auch dieſer Titular- Patriarch übergefle 
belt. In Ierufalem hatte fi ebenfalls fchon im I. 1314 einer 
ber armenifchen Bifchdfe den Titel eined armenifchen Patriar⸗ 
hen beigelegt, gegenwärtig aber ſcheint der Vorſteher des armeni⸗ 
ſchen Klofters &) daſelbſt auf dem Berge Zion, des reichſten unter 
den bortigen Klöftern, keine Anſprüche mehr auf dieſen Titel zu 
machen. 

Seitdem Conſtantinopel in Beſitz der Mufelmänner ge⸗ 
kommen war, hatte fi die Zahl ver dortigen Armenier außer⸗ 
ordentlich vermehrt, die ſich der Handelsgeſchäfte wegen dorthin 
überfiedelten; bei ihnen entſtand ſeit dem Jahre 1461 eine briite 
oder vielmehr vierte Patriarchenlinie, die ſeitdem bis Heute 
ohne Unterbrechung fortgebauert hat, und in vielfachen Widerſtreit 
mit der des Katholikos der alten Heimath getreten if. Die Zahl 
ber armenifchen Ueberſiedler Hatte während der beſtändigen Revolu⸗ 
tionen in Kleinaſien im Anfange des 17ten Jahrhunderts unter 


180) Zarosset, Dan . Ki p- 21. 2 St. Martin, Mém. T.1I. 
22) v. ch. des osman. Reichs. Peſth * 
KIN iṽ. S. 161. X © Robinfon, Palaͤſtina, TH. 1. ©. 29 








[ [1 
er 
. 


Eupbratisftem; armenifche Patriarchen. 623 


Sultan Murad IV. fo fehr überhand genommen, daß dieſe auf 
efien Befehl %*) insgefommt wieder (im 3. 1635) in ihre GHeimath 
urũcktranſportirt werben follten, wad fich jedoch nicht bewerkftelli⸗ 
en ließ, da jene viel zu wohlhabend und ſchlau geworben, um fi 
kcht durch Beſtechung in ihren neuen Wohnftgen zu erhalten. Ihr 
Vachéthum und ihr Reichthum Hatte den armenifchen Erzbifchöfen 
tefer Sultanrefivenz, die vom Katholikos vor Zeiten eingefegt wur⸗ 
en, ſchon längft die Mittel angewiefen, nach dem Vorgange ber 
riechifchen Kaifer, bie den bortigen Erzbiſchof zum Patriarchen er 
oben, fich durch die Gunſt ver Pforte ebenfalls zu Patriarchen 
erheben zu lafien. Das türkifche Gouvernement unterfagte 85) aber 
ugleich demſelben jeden freien Verkehr mit Etſhmiadzin, wodurch 
erſelbe um fo mehr veranlaßt warb, fich dieſelben Privilegien, wie 
er Katholikos der Rationalkirche fle Gefaß, zuzuſchreiben. Ihre Au⸗ 
orität für die armenifche Nationallirche war dadurch nicht geſtie⸗ 
en, ihre Selbſtändigkeit und ihr Einfluß blieben nur auf ihre 
Didcefe 89) beſchränkt, die aber vom Bosporus ſudwänrts durch 
isia minor bis Tokat, nordwärts bis zur Donau reicht, ob⸗ 
vol nicht bis Polen hinein gegen Weſt, da dort die Armenter fich 
18 Unirte an Rom anfchloffen. Indeß kann vie Zahl der zugehöri« 
em Armenier nicht gering fein, da nach den neuern Berichten ame⸗ 
Haniicher Miffionare 87) in ver kappadociſchen Landſchaft allein 
5,000 Armenter, in ver Stadt Gäfaren deren allein an 8000 woh⸗ 
en follen. Conftantinopel felbft zählte Ende des 1Tten Jahrhun⸗ 
estö nach De la Crobr 89) über 8000 armenifche Häuſer mit 50,000 
rmeentfchen Bewohnern und 5 Kirchen. Auch in Oſhulfa in 
zerſien Hatte eine Zeit Iang bie dort mächtig und reich gewordene 
rmeniſche Colonie in ihrem Bifchofe ven Ehrgeiz nach dem Pa- 
Harchate erregt, und durch Lift und Gewalt, unter den Perſer⸗ 
xchahs begünſtigt, fich in Befit der rechten Sand Bregoriuß 
IHuminators als Zeichen ver Suprematie gefet, die in neues 
er Zeit, nach dem Verfall jener Colonie, erſt wieder mit großer 
Rühe, durch Lift und Geldſummen, durch Vermittelung des Ka⸗ 
olikos Philippos ®) an ven Patriarchenſitz In Etſhmiadzin zu⸗ 
ickgebracht ward. 


— v. — —8 a. a. O. Th. V. S. ↄ11. **) Eug. Bor6, 

‚I.p 20) De ia Croix, la Turquie chretienne 

un p. al. Ä s7) Missionary Herald Vol. XXIV. Bost. pag. 

all, °®) De la Croix, la Turquie chretienne 1. c. pes. 
213. 20) Brozset, Notice 1. c. p. 28. 


ff EEE 


624 WefisAften, TI. Abtheifung. I: Abſchnitt. 5.36. 


Dee vielen politiſchen, religidſen und perſdalich aud Chroch 
J entſtandenen Spaltungen der armenifchen Nation, ihrer vielſechen 
Berſtreuung und Ihrer fo mannigfach zerſtbrenden Schiclſale unge . 
achtet, Hat doch das allgemein anerkannte Oberhaupt des Katho⸗ 
litos die Suprematle in feinem Urſiße zu Etfhmianzin = 
Halten. Nach ver Verlegung biefer Sitze in Bolge jener Wechfel- 
ſchickſale felt dem 4. Jahrhundert (f. ob. ©. 515) na Tovin, 
nach Ani, nah Siß, nah Momkla, nah Aghthamar, Ik vr 
Katholitos feit dem Jahre 1441 dauernd nach Etſhmiadzin 
zuruͤckgekehrt, ſcitdem Eiracos Biraptfi zu biefer Würde ermäßlt 
worben war. GSlet bildete ſich wieder der hierarchiſche Mittels 
punct für ble armeniſche Nationalfirde, von ber Die mi 
der katholiſchen untrte abgefallen blieb, und die von der grier 
Sifchen wie von ver Pforte in mancherlel Abhängigkeit gerathne 
auch nicht mehr die Inveflitur von dem Urfige begehrend, mehr ober 
weniger entgegenſtrebend fich zeigte, wie hieß bei dem Patrarchiau 
in Gonftantinopel und Jeruſalem der Fall war. Diefe beiden nad 
Selöftändigkeit firebenden Würbenträger Eonnten unter dem Gin 
fluß der Osmanen Ihre Stellen eben fo leicht gewinnen wie wieder 
verlieren. Da fie von dem Großvezier ſtets durch eine Gelbfumme 
von Piaftern erſt erkauft werden mußten, fo wechſelten fle durch ihr 
auch fo. häufig als möglih. Vom Jahr 1650 Hi 1705 gab «8 in 
Conſtantinopel %) (alfo in 55 Jahren) allein 36 Patriarchen⸗ 
wechfel; in Serufalem deren nur 14. Dafür erhielt ver jeded⸗ 
malige Pattiarch auch die beöpotifche Gewalt, wol fon in einem ‘ 
Jahre, feiner Didcefe, ohne weitere Rechenfchaft, an Geld abzupreffen, 
was feine Ernennung gefoftet hatte. So ging e8 in ber Türke 
In dem unter Perfien flehenden Armenien fehlte ed auch nicht an 
Kabalen und Gewaltſtreichen ver Schahs gegen ven Katholikos; doch 
war bier mehr Beftand und mehr Würde. Im denſelben 55 Jap 
en fanden nur 5 Patrlarchenwechſel flatt, fo daß bie mittlere 
Dauer jedes Patrlarchats doch 11 Iahr war. Die Unabhängigfät 
ihrer religldſen Verhaͤltniſſe war alfo offenbar größer in Perſten 
als In ver Türke. Das perfifche Gouvernement bekũmmerte ſich 
weniger um fie, bie Verwaltung, die Jurisdiction des Katholitet 
konnte ohne despotiſche Mittel mehr Teiften und fich behaupten. 
Daß dieſe recht eigentlich bei dem armenifchen Volke, ver Rational 





ee) Broeaet Notice im Catalogue de la bibl. d’Edchmindsin L c. 
p- 22. 





Euphratſyſtem; armenifcher Culturzuſtand. 625 


Tirche, auf dem Beſttzthum von Gt. Gregors Erbſchaft und zumal 
der Reliquie feiner „rechten Hand“ beruhe, iſt ſchon oben ange 
führt, obwol auch darüber ‚viele Streitigkeiten 9) flatt fanden, ba 
über deſſen Legende frühzeitig. ſchon vie verſchiedenſten Meinungen 
herrſchten. Der Sanctus fol ſich 4 Iahre vor feinem Tode in ab⸗ 
gelegene Einfamkeit zurüdgesogen haben, um fein Leben in Buße 
und Gebet zuzubringen. Sein Topesjahr wird verſchleden angegeben 
(306 nah St. Martin, 332 nah P. Ifhamitfh). Eih Schäfer 
follte ven ‚Heiligen, ohne ihn zu kennen, beerbigt, ein Geiſtlicher, 
Garhnic, durch Offenbarung fein Grab wieder aufgefunden haben 
(Mos. Khor. II. 88. fol. 226). Seine Glieder follten nach dama⸗ 
figem Gebrauch in viele Kirchen zerſtreut, zum Theil gemalt 
fan, zu Kaiſer Selbns Zeit, auch nach Eonftantinopel entführt fein; 
ein andrer Theil nach Neapel; die rechte Hand nad Etiſhmiadzin, 
von da aber nach Aghthamar, von wo fie wieder, entwenbet, nach 
Romkfla und Sis, dann mit den Kriegszerfiörungen In Cilicien 
nach Aegypten, endlich im 15. Jahrhundert abermals nach Etſhmiadzin, 
darauf nach Aghthamar gekommen, und durch Schah Abbas Gewalt 
temporär für feine Colonte Dſhulfa zu Iöpahan entwendet worden 
fein ſoll, bis fie durch Philippus wieder nach Etſhmiadzin zurückkam. 
Nach dem Berfuft jener Hauptreliquie ſuchten vie Prälaten zu Et⸗ 
ſhmiadzin, natürlich den ihnen noch zurückgebliebenen andern Reli⸗ 
quien @) einen deſto Höhern Werth beizulegen, wie St. Gregors 
Ledergürtel, ſeinem Schleier, den Sandalen u. a. m. Mit allen dieſen 
Reliquien und ihren Translationen find aber auch die kleinen Feh⸗ 
den und Kämpfe der Innern Parteiungen der national» armenifchen 
Kirche, und keineswegs zu ihrem ober ihrer Vorflände und Gemeinde⸗ 
glieder geifligen Gewinn, ftetd Hand in Hand gegangen. So daß 
von der beſeligenden Xehre des Evangeliums, für das verirrte Volt 
wie für feine Hirten, faft nichts als das dürre, hinfällige Gerüfte 
der Kirche und der ignoranteften Hierarchie übrig geblieben tft. 
Hiervon gibt nım auch, jener Titerarifchen Ausbildung der ar⸗ 
menifchen Nation in den frühern Jahrhunderten, die mir oben her» 
vorgehoben haben, ungeachtet, ihr gegenwärtiger @ultur- 
zuftand bie traurigfien Belege, den wir nur an Ihrer Höher ge= 
pildet fein ſollenden Priefterfchaft, an ihren Schulen, Klöftern, Bis 
plioihefen abzumefien im Stande find. Die tiefe Verſunkenheit, 





s1) Brosset Il. c. p. 27. »2) E. Boré, Corresp. II. p. 88. 
Nitter Erdkunde X. Mr 








626 WeltsAfien. IL Abtheilung. L. Abſchnitt. $. 369. 


pie grobe Unwiſſenheit, die Verbauerung ber ſchismatiſchen Armenier 
und ihrer Priefterfchaft vom Haupt bis zu den Gliedern, iſt in ber 
armenifchen Heimath fait allgemein, und fie ſteht barin, wegen 
ihrer völligen Iſolirung, unftreitig unter dem Zuſtande ver katholiſch⸗ 
unirten SPriefterfchaft, vie doch noch einigen Verkehr mit ver 
abenblänpifchen Kitche Hat, ſchon durch die Studien berfelben, 
welche von ihren Prieftern zumeilen wenigftens in Nom gemadıt 
werben. Die unglüdfelige Verftopung und Exilirung ver Mechi⸗ 
tariften aus der armeniſchen Heimath Wit vieje leider aller noch 
vorhandenen Vortheile einer möglichen Regeneration und einheimi- 
mifchen Reformation, mit Bewahrung ihrer Selbſtaͤndigkeit, bes 
raubt. Die ganze Ausbildung der Armenier beruht feit der frühe 
fien Zeit auf der Ausbildung der Priefterfchaf® durch die Kirche. 
Der einftige Uebertritt der ganzen heinnifchen Nation der Armenier 
zur Kirche war zu gewaltfam, zu plötzlich, zu leidenſchaftlich, als 
daß fle von dem wahren Evangelium gleich ſchnell hätte durchdrun⸗ 
gen werden können; zu roh, ohne alle Vorbereitung, in Hunderte 
von Tälern, Bergketten und Gaulandſchaften zerfpalten, die von 
eben fo vielen Hunderten gefonverier Häuptlinge und Fürſten⸗Fa⸗ 
milten (vie 200 Stratagien f. oben S. 567) in ſcheinbarer over 
wirklicher Vaſallenſchaft, nach eigner Laune over altem Herkommen, 
oder frembaufgetrungenen Weifen der verfchiebenften Art beberricdt 
wurden, konnte nicht Einheit eine jchnelle Grzeugniß ſolcher Viel⸗ 
artigkeit fein. Es blieb vie Zerfpaltung des Volks, und bloß cine 
feheinbare Einheit ver Kirche war dad Ergebniß ver theologifchen 
Schulen, ver zahllofen Klofterfliftungen und der anfänglich großen 
Macht ver Hierarchie, weil die einheimifchen Fürſten und Prinzm 
ſelbſt um die höchſten Würben In der Kirche buhlten, und dadurch 
bie politifche mit der geiftlichen Gewalt ſich vereinte. Jede Höhere 
Ausbildung nahm daher Hier ausſchließlich den kirchlichen, ven thro- 
logiſchen Character an. 

Wir haben oben ſchon angeführt, daß nach einem alten Ge⸗ 
fege Valarſaces, des Gründers der Arſaciden⸗Oynaſtie in Armenien, 
bie Provinz Ararat ausſchließlich 9) als Sig dem Königk 
baufe und dem Erbprinzen zur Wohnung vorbehalten blieb, web« 
Halb auch nur ein geblenveter König, wie Diran, ih am Fuße 


193) St, Martin, Journ. Asiat. 1829. T.IV. p. 433. 


ed 





Euphratſyſtem; armenifche | Kloſterherrſchaften. 627 


der Araladz niederlaſſen konnte (vb. S. 463); ven übrigen Arſacidi⸗ 
ſchen Prinzen war dagegen anfänglich die Provinz KHaſhtian 
(Austanitis b. Ptol. V. 3) 9) odex Hafhdennt, gegen vie Quel⸗ 
len des Tigris hin, als Appanage angewiefen. Mit ihrer Vermeh⸗ 
rung verlangten dieſe natürlich, wie Mofed Khor. (II. 59. fol. 178) 
auch angibt, ‚Bald Erweiterung ihres Beſitzthums. Neben ihnen 
waren zahllofe andre fürftliche, einheimifche oder eingewanderte, Fa⸗ 
willen, die mit Grafſchaften oder Herrfchaften, wie 3. B. die Ban⸗ 
grativen (ſ. ob. S. 454) mit Sher, die Mamigonier mit Daron (f. 
ob. ©. 594), andre mit andern Bauen belehnt wurden. Der Ges 
fchichtöfchreiber des Patriarchen Nerfes I. im zehnten Jahrhun⸗ 
dert verfichert, daß In der Mitte des 5. Jahrhunderts die Zahl fol« 
cher fouveräner berrfchaftliher Familien in Armenien fi) auf 170 
belaufen habe, 95) deren Namen er auch aufzählt; und aus Moſ. 
Khor. iſt es gewiß, daß fie alle al Dynaften Armeniens, nur 
unter dem Vorſtande des königlichen Oberhauptes, mehr oder wenl⸗ 
ger einen artiven Anteil an ver Verwaltung des Landes hatten, 
aber auch unter ſich In fortwährender gegenfeltiger Fehde das Fauſt⸗ 
recht übten, wie dies fchon von Moſes Khoren. bejammert wird 
(Mos.-Khor. III. 2 fol. 232). Hiemit flimmt die Angabe ver 240 
Saulandichaften, in welche nad Mof. Khor. Arınenien zertheilt war, 
welche fchon Plinius, wie wir oben fahen, mit dem Namen ber 120 
Strategim oder gefonverter Herrfchaften bezeichnete. in folcher 
Zuſtand der Dinge unter einem noch barbarifchen, ganz rohen Erie- 


gerifchen Volk in einem alpinen Feudalreiche, deſſen Lehnsherr Halo 


ver eine oder andere Ufurpator, bald ver Safjaniverifönig, ver by⸗ 
zantinifche Kaifer, der Khalif oder ein anderer war, zeigt es wol, 
wie nun nach der einmal dur Gewalt und Ueberredung (darin 
Tiridates gerühmt wird; Mos. Khor: II. fol. 224) bei Volt und 
Donaften gefchehenen Belehrung zum Kreuze deffen Gebirgéland 
Bald mit feinen hundert Hoghthälern in fo wielerlei gejonderte Klo⸗ 
RRerherrfchaften, wie zuvor nur politiſche Gewalten, zerfallen 
Zonnte, denen ebenfalld nur ein gemeinfamer Katholikos, fie kaum 
in ihren Privatintereffen und Berwürfnifien zufanmenhaltend, vor⸗ 
fland, mie zuvor nur eine ohnmächtige politifche Gewalt, fo nun auch 
als geiftlide Macht, und wie es demnach mit biefer beſchaffen fein 
| , 
we St. Martin, M&m. I, p. 92, **) St. Martin, Hist. des rérolut · 
e V’Armänie etc. it Journ, Asiat. 1820. T'om. IV. p. 411. not; 
Meumana a. de O. ©, 27. 





Nr? 








628 Weft:Afien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.36. 


mochte. Die Einſamkeiten ver Hochthäler Armeniend waren bei 
ſtets geringer Volksmenge, wie in den ihrer Natur und Lebensweiſe 
nach fo verwandten tübetifchen und abyifinifhen Gochlän⸗— 
dern, den einzigen in denen das Moͤnch s weſen zum characteris 
ſtiſch vorherrſchenden Volksleben ganzer Nationen gewor« 
ven iſt, recht eigentlich zur Anlage von Kloſtergemeinden geeignet. 
Wenn die Könige und Heren Städte bauten, fo waren es doch im⸗ 
mer nur wenige vorübergehende ummauerte Werke des Ehrgeized, 
der Prunffucht, ver Desypotie, die mit ihren eigenen fo oft wechſelnden 
Schickſalen wieder fielen, und mit dem Sturz ihrer Dynaflien wies 
der in Schutt verfanfen, wovon das armeniſche Land überall Zeugniß 
gibt. Die Kirchen, die Einſiedeleien, vie Klöfter dagegen, vie 
nun in allen Baulandfchaften zu Mittelpuncten ver Anfiede- 
lungen wurben, und deren Borfland zu fein ein Hauptbeſtreben 
des frommen Ehrgeizes von Yürften und Volk war, gewannen durch 
die Grabftätten ihrer Heiligen, durch deren Verehrung von Seiten 
der Nation, durch die Schulen, die in ihrer Mitte unter Monchs⸗ 
und Prieſterſchaften erblüheten, eine längere Dauer. Nicht in feiner 
Reinheit war das Chriſtenthum über Eaefarea in Armenien einge 
führt, fondern mit Gewalt und ſchon getrübt mit vielen Menſchen⸗ 
fagungen. Gregorius, der 400 Epifcopen auf einmal confacrizte, 
ganze Schaaren zu Prieftern machte, zahllofe Gonvente und Nonnen» 
Möfter fliftete, 309 es felbft vor, vie legten Jahre aus ner Welt fi 
ganz zurückzuziehen, um in aßcetifcher Einfievelet einer Berghbhle 
zu leben, obwol fein Volk erft in Maffe vie Taufe empfangen 
hatte. Schon 50 Jahre nach feinem Tode wurde mit feinen Gebei⸗ 
nen abgöttifcher Götzendienſt getrieben (Mos. Khor. II. 88. fol. 226). 
Das Möonchsleben war fchon fo tief mit der Nation verwachſen, daß 
vom Patriarch Nerfes, von prinzlidem Geblüte, dem fünften 
Nachfolger St. Gregors, in des Tſhamifh armenifcher Hiſto⸗ 
sie 9) gerühmt wir, er allein babe mährenn feines Regiments in 
Armenien 2000 Convente gegründet, viele Afyle für Witten und 
Waiſen, Xenodochien und Hofpize für Fremde, Hofpitäler und Ar 
menhäufer geftiftet, deren Erhaltung den Städten und Dorffchaften 
übertragen war, und daß fein Diacon alle viefem vorſtand. Gr 
babe dad große Verdienſt, zu den älteren einheimifchen Kirchen 


ı#e) F, Michael Chamich, History of Armenia etc. transl. from 
the origin. Arm. by J. Audall. Calcutta 1827. Vol. I. p. 182. 





Euphratſyſtem; armeniſches Kloſterleben. 629 


ceremonien bed Landes auch noch aus Byzanz, feinem frühern 
Wohnorte, bie dortigen Kirchengebraude und Eeremonien 
mit herübergebracht zu haben nach Armenien, vie er nach dem Aus⸗ 
drude des Kirchenvaterd, „wie neue Edelſteine in altes Gold 
gefaßt” Habe. So alfo wurde das Unkraut mit dem Weizen aus⸗ 
gefäet. Diefed immer mehr und mehr vorherrfchend werdende Klo⸗ 
fterleben bat der ganzen Entwidlung des armeniſchen Volks ven 
Uirchlicdhen Stempel um fo mehr aufgedrückt, da dad politifche Leben 
durch fortwährende Unterjochung ganz in ben Hintergrund treten 
mußte. Alle großen Männer der Nation, von Thatkraft wie von 
MWiffenfchaft in ner Blütheperiove Ihrer Literatur, im 4., 5. und 6ten 
Sahrhundert, waren Mönche, Priefter, Aebte, Patriarchen. Drei 
Biertheile ihrer eigenen claffifchen Literatur, 9) abgeſehen von Ihren 
Veberfegungen, find theologifche Schriften; ihre Meifter der Geſchicht⸗ 
fchreibung geben. Kirchenhiftorien und LXebensbefchreibungen ihrer 
SBatrlarchen und Heiligen. Den Angaben ver Welthändel, flatt der 
Erforfhungen ver Urfachen und Folgen, find fromme Sermone, Lita⸗ 
neien, Previgten, Irauerelegien angehängt. Ihre Poefie ift nur Diche 
tung geiftlicher Liever, ihre Philoſophie nur dogmatiſche Disputation 
geblieben, ihre Arbeiten felbft” über vie Sphära, die Chronologie, ven 
Kalender betreffen nur vie Feſtſtellung der Kirchenfefte, zumal ihrer 
beweglichen. Der Standpunkt, auf vem fie flehen blieben durch alle 
folgende Iahrhunderte, iſt nur derſelbe, ein kirchlich und national 
beengter; wenn ſchon mancherlei Gaben ſich darin Fund thun, fo 
mußte er doch eben dadurch unfruchtbar bleiben für vie eigne 
höhere allgemeinere Ausbilvung, wie für die des Menſchengeſchlechts. 
Selbſt als im 10. bis 12. Jahrhundert fich die Literatur wieder zu 
heben ſchien, war ed vorzüglich durch die Gelehrſamkeit ver Klöfter 
von der Megel St. Baflld, von denen ihr verjüngter Ruhm aus⸗ 
ging. Die zwei berühmteften viefer Klöfler im 10.. Jahrhundert 
find; Gamarſoſch im Thale (Zor,)®) im Diſtrict Arſcharunik in 
der Brovinz Ararat, daher Gamardſchazor genannt, dad unter 
feinem vritten Abte, Samuel, um das Jahr 934 nicht weniger ald 
300 Möndye zählte. Daß zweite, zu Nareg in dem Diſtrict Rheſch⸗ 
dunik, ver Provinz Vasburagan (mo Nachitſhewan), war durch 
Frömmigkeit und Gelehrſamkeit feiner Mönche berühmt. Die Klöfter 
Sanahin und Hochpad, nur eine Stunde aus einander, brei 





97) Brosset, Catalogue de la bibl. d’Edchmiadzin.. p.29. ?*) Rews 
mann a. 0. O. ©, 126. 











630 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I, Abfchnitt. $, 36. 


Stunden von Tiflis gelegen, mo fie noch heute befichen, datiren auch 
aus jener Zeit, wurden aber erft, fo wie ein hfittes Klofter, Hal⸗ 
pad, im 11. Jahrhundert berühmt als Pflanzfhulen ver Wif- 
fenfchaften. Eben fo die Klöſter Sewan, Chnad und ander, 
zumal dad Klofter St. Lazaro,) over der Apoftel in Daron, das 
fon von Gregor gefliftet war, nun aber ſolchen Ruhm erlangte, 
daß alle, welche vie Gabe der Wohlredenheit erlangen wollten, 
dort ihre Studien machen mußten. In allen biefen wurde bamald 


‚neben ver armeniſchen auch noch vie griechiſche und bie ſy⸗ 


rifche Sprache, was fpäter wegfiel, getrieben, e8 wurben Ueber⸗ 
fegungen und Poeflen gefertigt. Im 12. Jahrhundert wurden als 
Pflanzichulen für die Wiſſenſchaften berühmt pad Garmir Vank, 
d. i. dad rothe Klofter, zwifchen Sis und Maraſch in Cilicien 
gelegen, eben jo Sgewrha ober Sewlearn, d. i. Schwarzen« 
berg, unmwelt Lampron in Cilicien, wo ſich die berühmteflen Aus 
toren Gilveten. In Broßarmenien wurden außer. ven obenge 
nannten Sanahim und Halpad auch noch vie Klöfter Kadig 00) 
berühmt, dad In ver Proninz Kufark nicht weit von Halpad lag, 
fo wie das Kloſter Kanzagor bei Kanzag (jeßt Gendſche in ver 
Nähe des Kur, wo Eliſabethpol). Alle dieſe gründeten Biblio⸗ 


theken von Handfchriften, die zu ihren Ueberſetzungsfabriken noth⸗ 


wendig waren, bis in dad 12. Jahrhundert, wo die neuen Klöfter 


u Sepuh,!) der Höhle ver St. Mane, ver St. Bregoriuß- 


o 





berg, au der Berg Taranali, alle um vie Einflevelei St. Gre⸗ 
” gor8 gelegen, dad Kloſter Choronaſhad, d. i. ver vielen Altäre, 


in der Provinz Arzach, das Klofter St. Thaddäus und dab 
Dfordfors Bank und andere noch zu den alten Hinzufamen. 

Wie in andern Ländern während ver Periode des Mittelalters, 
wird dieſen Aſylen der Wiffenfchaft im jener Zeit das meifte ver 
dankt; aber dabei blieb e8 auch in Armenien, mo feine andre Mit 
telpungte der Ausbildung fich erhoben, und vie Despotie muſel⸗ 
männiſcher Völker, nach einer Reihe von Sahrhunderten unter per 


ſlſcher und türkiſcher Zuchtruthe, das Volk erdrückte, das Moönché⸗ 


weſen zur Mumienexiſtenz und zur craſſeſten Ignoranz herabdrückte 
Die eignen Handſchriften ihrer Vorfahren hlieben ihnen todte, un⸗ 


verſtaͤndliche Schäße, deren Goldkoͤrner erſt durch das Ausland wieder 


geläutert, Durch die Buchdruckerei und das erneuerte Sprachſtudium 


100) Reimang Bertuß a. a. 2,6 00) ECbend. ©. 148 
ı) Ebend Vs. 





Euphratfoftem; armenifche Manuferipte. 631 


oleder flüffig gemacht, und als brauchbare Münze in Ichenbigen 
Berkehr mit ven indeß fortgewachienen Zweigen der Wifienfchaften 
efeßt werden mußten.. 

Die Bekanntmachung des Catalogs der Bibliothek zu 
Stfhmiadzin, welche, nun unter ruſſiſche Oberhoheit gefommen, 
m alles Gute fördernden Eifer des in Transkaukaſien fo hochge⸗ 
tellten Baron von Hahn und dem Drientaliften Broffst ver 
anlt wird, gab dem Herausgeber befielben Veranlaffung zu einem 
leberfchlage des ganzen, noch aus den vielen Schiifbrüchen ber 
mglüdlichen Armenier gerosteten Schatzes ihrer Nationalliteratur, 
on deren wichtigfter einheimifcher Sammlung er eben jenen Cata- 
pgue raisonne gegeben hat. Danach wird nun dieſes Feld immer 
scher und mehr ein Überfehbares. Die Königliche Parifer Biblio» 
hek beflgt nur etwa 160 armeniſche Manuscripte; ?) ver Gas 
log der Baticana in Rom gibt nur 13 an, die Bibliothek ver 
zropaganda bafelbft fol veren mehrere haben; auch in griechi⸗ 
hen Klöftern, zumal auf dem ‚Berge Athos, deſſen Bibliotheks⸗ 
atalog nun envlich auch befannt werden wird, 3) mag Davon ein 
3orrath fein. Die reichfle Sammlung ber armenifchen Handſchrif⸗ 
a bat die Bongregation zu San Lazaro zufammengebracht, doch 
avon bisher nur einiges Im. Drud herausgegeben. Bon ver Liten 
ıtur überhaupt find die früher genannten Werke nachzufehen. An 
)ruden ver armenifchen Literatur fol der gedruckte Catalog des 
lrmeniers Khoudabachef 9) am vollſtändigſten fein, ver 233 
Iummern enthält, und darin die Editionen aus ben armeniichen 
rud = Dfficinen von Amſterdam, Warfeille, Conflantinopel, Peters⸗ 
urg, Moskau, Tiflis, Schufcha und Nachitſchewan, wozu noch 10 
andſchriften Tommen. | 

Zu dieſer bisher bekannten Summe des Vorraths armeni- 
Her Literatur kommt nun die Bibliothek des Patriarchats 
u Etſhmiadzin, die früher vom Vartabed Johannes Sure» . 
am (Surena Ik der Name des zugehörigen Klofters), dem Se⸗ 
etair des Katholites Ephrem, mit gewaltiger Unwiſſenheit auf 
5,000 Bände angegeben 5) wurde, obwol er fie felbft fo wenig 
ne einer feiner Mitmoͤnche oder Vartabeds Fannte: denn fle lag in 
faubten Saufen in dunklem Loche, um — nicht vie Habgler ber 


æ) Brosset, Catalogue de la bibliothöque d’Kdchmiadzin p.83, 
3) ebend. Not. p.121. *%) Sm Departeıment Asiatigue du mi- 
nistere des affaires Etragg. St. Petersb, 1830. *) Eli Smith, 
Missionary researches in Armenia. Lond. 1834. p.310. 


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—8R 
ri 





632 MWeflAfien, III Abtheilung. J. Abſchnitt. $. 36. 


Plünverer zu erregen. Erſt felt ven letzten Jahren murbe ihr nun 
ein Bibliothekszimmer eingeräumt, da unter rufſiſchem Schuß Teine 
Plünverung mehr zu fürchten war, und auch ein Gatalog in ruſ⸗ 
fifher Sprache (vieleicht vom Vartabed Pater Sean?) ©) an 
die Academie ver Wiffenfchaften nach Petersburg geſandt. Dieſer 
enthaält nun doch nicht mehr als 635 Nummern, davon nur 462 
armenifche, die andern in fremden Sprachen. Er zerfällt in 11 Ab⸗ 
theilungen:7) 4) Helige Schrift und Gommentare berfelben 
83 Nummern; 2) Theologie 20; 3) Poeſie 8; 4) Kirchenbücher 33; 
5) Geſchichte und Geographie 86; 6) Klafjifer 34; 7) Predigten 53; 
8) Kirchenväter u. a. 105; 9) Ordensſachen 4; 10) Dogmatik 14; 
11) Gebetbüdher 22. — Unter dem Neuen ver 5ten Abtheilung bes 
findet fi eine Gefhichte vom Urfprung der Aghbvanen, 
Nr.163, aus dem Hten Jahrh.; eine Lieberfegung des Quint. Eur 
tus Geſchichte Alexanders, Nr. 181, eine Hiftorie von Paläſtina, 
Nr. 202, mehrere Beichichten von Armenien, eine Geographie Ar 
meniens vom Biſchof Mathufala, aus dem Tten Jahrh., Nr. 207, 
u. a. m. 

Bei dem völligen Erſtarren ver Ausbildung und ver geiſtigen 
Berarmung 8) in Armenien felbft (denn obwol auch in Etſhmiad⸗ 
zin einmal eine Druderei war, die wol nichts als Gebetbücher ge 
liefert haben mag, iſt dieſe doch längft eingegangen) fam ber arme 
niſchen Nation die größere Strebfamkeit ihrer wohlhabenveren Co⸗ 
. lonifationen im Auslande zu flatten. Dies zeigt fich zumal im 
17ten Jahrhundert in ben damals durch fie angelegten armeniſchen 
Drudereien, und im 18ten durch Gründung von Hochfchulen, 
aus denen eine gebilbetere Jugend und Priefterfchaft für vie Zus 
funft hervorgehen Fann. Die erſten Drudereien 9) Tamm in 
Rom und Venedig zu Stande; 1616 die in Lemberg, 1624 
in Mailand, 1640 in Paris, in Livorno und in Dfhulfa 
bei Iöpahan in Perfien, 1660 in Amſter dam durch einen Biſchof 
Os gan, ver 10 Jahre fpäter in Marfeille eine gleiche Druckerei 
anlegt. Da er aber zur armeniichen Nationalfirche gehörte, gerieth 
ee bei der Herausgabe der Werke mit den unirten Armeniern ber 
Propaganda zu Rom in Streit und mußte ber Sefuitenpartei aus⸗ 
weißden, worauf er nach Amſterdam zurückkehrte, zur Offtein, welche 


20€) E. Bor&, Corresp. II. p. 42. ’) Brosset, Catalogue I. c. 
p. 62—121; vergl. B. Bor, Corresp. Il. p. 16-51. °) Eli 
Smith, Missionary researches pag. 327—333. ) Neumann, 
Verſuch S. 23. 


ar 


eo 





Euphratfoftem; armenifche Hochfchulen. 633 


Die corresteften und fchönften Ausgaben armeniſcher Autoren zu 
Tage förderte. 1677 wurden Druderiien in Gonftantinopel, 
1680 in Leipzig, 1690 in Papua angelegt. 

Zu den Hochſchulen für armenifche Studien gehörten bie 
der Propaganda 1623 zu Rom; eine andere in Conſtanti⸗ 
nopel; eine britte 1629 in Eriwan errichtet, die 1631 nach Et⸗ 
ſhmiadzin verlegt wurde, wo fle aber nach einiger Thätigkeit ein⸗ 
geichlafen zu fein ſcheint. Zu gleicher Zeit Tamen die Eollegien zu 
Shorhoth, auf der Norbfeite des Araxes, nahe bei Nachitihewan 
gelegen, und zu Akulis, eine Tagereife fern von da, zu Stande, 
deögleichen 1662 das armeniſche Collegium zu Lemberg, ald ein 
Seitenzweig der römifchen Propaganda. 1706 wurde die Schule 
Mechitars zu Mo don errichtet, die 1717 nad) Venedig kam; 
aus dieſer ging 1773 ein Mechitariften- Collegium in Trieft her- 
vor, das 1810 nah Wien verpflanzt wurbe. 1) Zu gleicher Zeit 
wurben 2 armeniiche Klöfter auf dem Berge Libanon begrün⸗ 
det von Antonianer Mönchen, einer geiftlich« gelehrten Geſellſchaft, 
die fich ebenfalls die Kultur der balfanifchen Sprache angelegen fen 
läßt und die armenifche Jugend in Künften nnd Wiſſenſchaften un« 
terrihtet. Das Libanonkloſter, auf dem Berggipfel gelegen, er- 
bielt fpäter ven Namen des patriarchatiſchen, well Im J. 1750 
Abraham, gebürtig aus Antheb oder Aintheb (Antiochia ad 
Taurum bei Ptol.), zum Patriarchen von Sis in Eilicien erhoben, 
babin feine Refidenz verlegte. 

Im Jahr 1770 wurde in Kiutahieh in Anaboli eine arme⸗ 
niſche Schule gegründet, ebenfalls in Paris ein armenifches Inſti⸗ 
tut durch Jefuiten, zur Ausbildung 12 armenifcher Knaben in Spra⸗ 
hen und Wiffenfchaften zum Dienfle Frankreichs ale Dolmetfcher 
in Gonftantinopel und ald Miſſionare im Drient. Das erhöhte In« 
terefie für die armenifche Literatur gründete neue ober erwei⸗ 
teste frühere Druckereien ihrer Werke in London (mo Mofes Khor. 
von Whiſton erfchien), Smyrna, Mapdras, Etſhmiadzin 1774, 
rief, Petersburg, Neu⸗Nachitſhewan am Don 1790, 
Aſtrachan 1796. Die Druderei, von Venedig im 3.1788 nad 
San Lazaro übertragen, erwarb ſich den Vorrang vor allen, und 
durch ihre Editionen, herausgegeben von der Akademie ver Mechi⸗ 
tariften, den größten Nuhm. 4). Auch in Moskau iſt durch die 


10) Neumann, Verſuch S. 259. 21) Ueber Mechitar und die Ber: 
dienſte der Mechitariften |. Neumann, Berfuh S. 258200. 





- 


634 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt.$. 36. 


armeniiche Familie der Lazarews im Jahr 1916 in großartigem 
Styl eine Hochſchule 12) für die Ausbildung ihrer Landslente auf 
ruſſiſchem Boden organifirt, wie durch Biſchof Hebers Beranlaf 
fung im Bifchofd-Eollege zu Galcutta in Oftinvien eine höhere Bil⸗ 
bungsanftalt für Armenier und eine Druderei mit in dieſes Inſtitut 
aufgenommen wurde. 


5) Fragmentariſche Schilderungen ver Armenier und 
ihrer gegenwärtigen Zuſtände nach verſchiedenen Au⸗ 
genzeugen und von verſchiedenen Standpuncten. 


Eine Characteriſirung ganzer Völkerſchaften bleibt, genau ge 
nommen, ftetd eine Anmaßung, und ein Unping, ein unendlich Man» 
nigfaltiges in ein Einfoͤrmiges zufammenfaflen zu wollen, von dem 
eben fo viele Ausnahmen außerhalb, wie Erfcheinungen innerhalb 
der angegebenen Megel find. Gibt aber die fogenannte Characteri⸗ 
firung die tiefere Bedeutung auf, und will fie nur eine Schilde⸗ 
rung gewiſſer allgemeiner Erfcheinungen fein, fo ift ihr ihre rechte 
Stelle zur Veranſchaulichung auch ethnographifcher Berhältnifie kei⸗ 
neswegs abzufprechen, ſobald fie nur die relative Wahrheit im ſich 
trägt, und als folche fügen wir einige Schilverungen von Augm | 
zeugen und treuen Beobachtern, obwol von ganz verſchiedenen Stand | 
puncten, zum Schluß bed Bisherigen herbei. Ä 

Vor hundert Jahren ſchilderte der treffliche Kenner des Orkenti 
De la Eroir die Armenier, vorzüglich diejenigen, die ex im 
Gonftantinopel und Vorderaſien Eennen gelernt, mit folgenden Wor- 
ten. 123) Die Armenier find fehr verftänvig, maaßhaltend, friedlie⸗ 
bend, Feinde des Streites, mildthätig gegen Fremdlinge, fehr arbeit« 
fam, fparfam, enthaltfam und unermüdlich; im Handel und Wan« 
del find fie fo Hug, daß fie die Juden darin übertreffen. Obwol 

fie von einem flarfen Schlage, fonvern eher zart gebaut find, fe 
find fle doch fortwährenn auf der Wanverfchaft von Indien durch 
Perfien bis in ale Provinzen des türkifchen Reichs, zumal aber 
nah Smyrna und Conftantinopel, wie auch bis in vie Aufßerfien 
Länder Weſteuropas, wohin fte überall ihre Eoftbarften Artifel zum 
Handel mit fich führen, die fe mit f olcher Schlauheit anzubringen 
wiffen, daß es faft unmöglich iſt, von ihnen nicht überliſtet und 
betrogen zu werben. Aber viefen zu rühmenden Gaben fliehen an- 





312) f, Neumann a. a. O. ©. 291, 308. 22) De la Oroix, La 
Turquie clıretienne \. c. pı 185. - 


Euphratſyſtem; Armenier, Characteriftil. 635 


dere Eigenfchaften ald Gegengewicht entgegen, die fie vorzüglich zu 
dem Laſter des Trunks, des Wuchers, der Simonie, des Geizes und 
zu dem größten Mißtrauen verleiten. 

Ein Jahrhundert fpäter werden die Armenier in Gonflanting« 
pel auf ähnliche Welle von einem berühmten Kenner des Drientes 
geſchildert. Sie erlernen nach ihm die türkifche Sprache 1*) weit 
vollkommner als jede andere Völkerfchaft. Fleiß, Ausdauer, Er 
werbſamkeit, Maͤßigkeit find die lobenswerthen Züge des armenifchen 
Gharartergemältes, das aber auf ber andern Seite durch unvertilg- 
bare Schatten von Grobheit, Unverſchämtheit, Geſchmackloſigkeit 
entflellt wird. Aehnliche Beurtheilu zen find die bei Chardin und 
anderen ältern Autoren, unter bei n wir vorzüglich auch die ge= 
haltreicheren und umflänblichen des Pere Monier 35) in 8 Kapiteln 
an ven Père Fleuriau ald Frucht ver Reſultate ver Mission de la 
Compagnie de Jesus verweifen. Schon oben haben wir hie Schil⸗ 
derung der Armenier nad) ruſſiſchen Berichterflattern mitgetheilt (f. 
oben ©. 349). 

Zu den einfihtövoliftien und unbefangenften Beobachtern ver 
gegenwärtigen Zuflände ver in dem perfifchen und türfifchen Armes 
nien feit der Ruſſenoccupation zurädgebliebenen Armenier gehört 
unftreitig der von ächt chriftlicher Liebe gegen biefelben erfüllte treffe 
liche Nordamerikaner Eli Smith, deſſen Schilverung freilich Feine 
erfreuliche iſt. Wir heben einzelne characteriflifche Züge aus feinen 
Bemerkungen hervor. 

In Bajazed, wo vordem fehr viele Armenier anfäffig waren 
(f. oben ©. 348), find nur ſehr wenige übrig geblieben; die in ber 
Stadt Haben keine Schule mehr und doch 5 Priefter. 16) In Ian 
malava (Erdk. IX. S. 948) waren nur 15 bis 20 armenliche Fa⸗ 
milien feit dem Abmarſch ver Ruſſen zurüdgeblieben., Im Orte 
Salmas (ebend. ©. 913 u. a. D.) waren von 200 nur 20 arme 
niſche Famillen zurüdgeblieben, und im ganzen Difricte nicht über 
400, die werner vor ber Emigration noch nachher eine Schule ge= 
habt. 17) Ueberall grängenlofe Unwiſſenheit und Berar- 
mung durch ganz perfifch Aderbidſhan unter den ungemein ver⸗ 
bünnten Armeniern, deren Character unter dem Joch der Perſer zur 
Miederträchtigkelt herabfinten mußte. Die armeniſchen Priefter wie 


% v. aoammer, Gonftantincpolis und der Bosporos. Peſth 1822. Th. II. 

18) Lettres Edifiantes, Mem. du Levant. 1780. 8. 

T. m. p.1—150. 20) Eli Smith, Missionary reseasches L «. 
p- 415. 17) eben. p. 360. 





636 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt.$. 36. 


der gemeine Diann find ven niebrigflen Xaftern ergeben, Trunken⸗ 
bolve, Berräther und Spione gegen die Perfer, was erklaͤrlich if 
aus deren Drud, aber auch gegen bie dortigen Engländer, bie ihre 
Wohlthäter. waren und fie vor Mord und Todtſchlag fichernd in 
ihre Dienfte nahmen, mofür fle dann un Ihnen beim Ginrüden ver 
Ruſſen in Tauriz zu Verräthern wurden. 

Armentfche Diener 18). wurden vort>allgemein für Betrüger ge 
halten; armenifche Eltern in Tauriz, Eriman und Arzerum fin 
allgemein durch ſchändlichſten Handel mit ihren Töchtern an Fremd⸗ 
befannt, und galten dabei im Lande doch für gute Chriſten; ihre 
Priefter fegneten für Geld felbft eine polygamiſche Ehe ein; ver 
käuflich iſt alles, ſelbſt ver Biſchofsſtz und das Patriarchat. Die 
Prieſter können gewöhnlich eben fü wenig Iefen wie ihre Gemeinde⸗ 
glieder; heidniſche Gebräuche find mit ihren Kirchenfeſten verbum 
den, 3. B. Anzündung von Scheiterhaufen mit der Purificationk 
feier ver Jungfrau Marla. Die Kreuzanbetung vertritt ihnen fehr 
oft die Stelle der Anbetung Chrifli. Die Berfammlung bei ver 
Meffe in der Kirche geht zur gemeinften Gonverfation, zu Prüge 
Ieten, zu Theetrinken über während der Gebete u. |. w. Nur Ce⸗ 
remonien und zumal Faften find vie einzigen für ben armml 
ſchen Nationalchriften verdienſtlichen Handlungen. 

Wie das perfifche, fo iſt auch das türkiſche Armenien 
in dem Feten Nuffenkriege des größten Theils feiner armenifchen 
Ginmwohner beraubt; Hier fcheinen fie mehr mit Liſt oder Gewalt 
entführt zu fein, wenn man ben Ausſagen ver zurüdgebliebenen 
papiftifchen oder unirten Armenier glauben darf. Auf dem Wege 
vom Muradthale über Topra kaleh (f. oben S. 401) nad Ar- 
zerum kehrte Eli Smith am Weſtende der dortigen Thalebene in 
dem Dorfe Mollah Soleiman 2%) ein (f. ob. ©. 351), das aus 
25 papififhen Armenier-Familien befteht, bei deren Prie 
ſter er fein Ouartier erhielt, wie gewöhnlih nur im Stall mit ben 
Kühen In einer Flur. Deſſen Großvater Hatte zur Zeit der Jeſui⸗ 
tenmiflion Rom. befucht; er war mehr ald gewöhnlich unterrichtet, 
mittheilend, dabei gegen feine fchiömatifchen Glaubensgenoſſen im 
Höchften Grade unduldſam. Nur 2 Bamilien ſolcher nicht unirten 
Armenier, welche größtentheild auf ruffiiches Gebiet hinübergezogen 
waren, hatten ihren Sit im Dorfe behalten. Sie waren daher nun 


218) Eli Smith I.c. p.325. 1°) ebend. p.329u.f. 20) ebend. 
p. 429. 








Euphratſyſtem; Armenier, Characteriftil. 637 


: weit fehwächeren geworben. Der papiftifche Briefter Hatte 2 
ge zuvor einigen vurchreifenden Kurden zugenruthet, biefe in fei- 
m Dorfe noch übrigen Schismatifer mit Bewalt zum Papi- 
18 zu bringen, weil e8 feinem Ausorude nach unmöglich fei, daß 
ıpiften mit ſolchen Ketzern fich vertragen könnten. Der Flügere 
urdenchef batte ihm aber kein Gehoͤr gegeben. Nach dieſes Prie⸗ 
r8 Ausſage follte außer feiner Gemeinde auch noch eine Anzahl 
sirter Armenier In der Stadt Mufh und ven umliegenben 
drfern Norſhin (j. Erdk. IX. ©.989), Arinj und Oghunk, an 
Oo Familien, fi befinden. Berner follten im Diſtrict Alaſhgerd, 
Ber. ven 25 Familien ſeines Dorfed, noch im Dorfe Khaflor und 
. Dorfe Iritſu⸗kegh fi 10 andere befinden. Auch in Khanus 
Hints) und in Pafln, nämlich in Haflanfaleh (j. oben ©. 389) 
on Medſhingerd, waren einige andere, aber alle dieſe follten, nach 
aßfage des Prieflers, von den Ruſſen zur Auswanderung, 21) über 
elche wir aus den türfifchen Provinzen Leine fo detaillirten Bes 
hte, wie über die aus den perfiichen befiten, mit Gewalt ge⸗ 
vungen worben fein. Jetzt feien in Khoraſan (f. ob. S. 405) 
ch 15, in Aljarak 12, in Baſhkegh 10, alfo zufanımen nur 
' Samilien, und mit biefen noch einige wenige in Arzerum zurüd- 
blieben, zu denen fich wenige andere feit dem Ruſſenrückzuge ge 
lt Hätten. In der legten Station im Often von Arzerum, zu 
amatjor, einem armenifchen Dorfe nicht fern vom Dorfe Kho— 
fan, waren von ehemals 45 armeniichen Familien nur 15 zurüde 
blieben, und der armenifche Wirth fchätte die Summe feiner Glau⸗ 
nögenofien, die überhaupt in ganz Pafin zurücdgeblieben, nur noch 
ıf 500 bis 600 Bamilien. 2?) Das el, mobel jedoch die von Ka⸗ 
atfor nicht mitgerechnet find, die ganze Summe der papifti« 
ben Armenier, von der jener Priefter zu Mollah Soleiman 
ne Kenntniß hatte, und mehr lernte auch Eli Smith nicht fen- 
m. Der Priefter verficherte zugleich, daß ihre Gemeinden früher 
nreichende Zahl von Prieflern gehabt, feit ver Verfolgung der ar⸗ 
enifch=papiftifchen Priefter aus Gonftantinopel (? |. oben ©. 619) 
yer fein an 50 verfolgt und verbannt, und er allein und noch ei= 
7 zu Muſh feien zurüdgeblieben, und einer in Erzerum. Bon 
schften Prieftern feines Glaubens fein ihm nur ver in Khodrova 
. Erpk. X. S. 963) und in Gonftantinopel bekannt; bei jener 
erfolgung (?) Habe er fich verborgen gehalten und habe 3 Dörfer 


a2) ebend. p. 480. 22) ebend. p. 440. 











638 Weftsifien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.36. 


beforgt, in Eeinem derfelben fe eine Schule. Selitdem feien wieder 
tolerantere Zeiten eingetreten. Doch gäbe es allerdings auch noch 
papale Armenter in Ziflis, Bor, Kutaid und eine fehr geringe 
Zahl in Akhaltfikhe, fo wie außerdem auch noch welche im Oflen 
bei Tofat und in Trapezunt, 2?) wo ihre Zahl doch nur 80 bis 
90 Familien betrüge, die eine Kirche haben, veren Geiftliche in Des 
nedig, oder auf dem Libanon, ober in Marvin ftubirt Haben. Die 
Armenier ver Natlonalkirche find ver Zahl nad bajelbft 250 
Bamilien, in 4 Kirchfpiele vertheilt, mit einem Biſchof, der auf 
Gümiſhkhane (f. oben ©.272) bevient. Aber im I. 1831 war is 
Zrapezunt Fein katholiſch⸗ unirter armenifcher Priefter und fein ben 
Unirten gehörige® Convent. In Gümifhfhane follte 2°) es, nal 
Ausfage eined papalen Armeniers, 70 armenifche Käufer der Nick 
unirten und 10 der Unirten geben, nach einer andern Ausſage fol 
aber die Zahl beider 500 armenifche Familien betragen; fo feht 
wechſeln alle folge Daten im Orient. 

Dies wäre der Zuftand der Fatholifheunirten Armenler 
in der Gegenwart im türkifchen Gebiete Armeniens, weldhe, 
wie e8 fcheint, von den ſchismatiſchen ober nationalen Ar⸗ 
meniern faft gänzlich durch den ruffifchen Einfluß verlaffen ward. 
Wenigſtens fehlen und darüber alle andere genauere Nachweife: venn 
die von E. Bore gegebene größere Zahl betrifft nur die Katho⸗ 
liſch-unirten, von denen nachher noch die Rebe fein wird. 

Zuvor ift noch von einer Kleinen Gruppe mit der griechifchen 
Kirche unirter Armenter die Rebe, deren näheres Verhältniß 
zum griechifchen Patriarchen in Gonftantinopel und jedoch unbekannt 
ift. Uber derſelbe Miffionar, Eli Smith, führt fie an und be 
merkt felbft, daß auch Ihm fonft keine anpre Spur griechifdy«en 
thodoxer Armenisr In dem türfifchen Reiche vorgefommen fd, 
als dieſe. ES iſt died nur eine Fleine Gemeinde, die zu Agr 
oder Aguntſi?s) (Egin, Akin, eine Stunde vom Weſtufer web 
Eupbrat gelegen, tm Nord von Arabfir?6) gegen Simas bin) 
wohnt, 30 Stunden von Simas, 30 von Diabefr nnd 16 von Ma 
den. Einen Bewohner von Agn, einen Banquier, traf Eli Smith 
in Etfhmiabzin, ver ihm darüber Auskunft gab und fagte, daß nad 
5 Dörfer in der Nähe lägen, veffen Einwohner Armenier fein, uud 
armeniſch fprächen, aber der griechtfchen Kirche angehörten um 


328) Eli Smith 1. c. p. 455. **) Gbenbaf. p. 448. 250) CECbendaſ. 
p. 419. 36) St. Martin, Mem. s. l’Arm. I. p. 189. 


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. Euphratſyſtem; katholiſche Armenler. 639 


einen eignen Biſchof Hätten, der unter dem griechiſchen Patriarchen 
zu Conſtantinopel ſtehe. Sie ſollen vordem viele Vortheile von dem 
türkifchen Gouvernement genofien haben. Aber als die Ruſſen in 
Arzerum waren, verleiteten fie diefelben zur Empörung, und ſeitdem 
erlitten fie viel Verfolgung. Nach einer andern Ausfage follen ihre 
Kirchenbücher armenifch fein; wenn fie als Pilger nach Ierufalem 
kommen, follen fie dort, gegen die Wünfche ver griechifchen Prieſter, 
e8 vorziehen, dem Cultus der armeniſchen Kirche beizumohnen, weil 
file dieſen verſtehen den griechifchen aber nicht. Diefe Gemeinde⸗ 
gliever von Aguntfi, d. 5. Armenier von Agn, find bei ven 
Armenien fehr gerühmt als Banquierb; ‚einige von ihnen be⸗ 
figen in Conflantinopel die größten Reichthümer. Einer ihrer 
Bartabens beſaß mehr als gewöhnliche Kenntniß in der Kirchen- 
geſchiche. I. Brant, der Egin im Jahr 1835 beſucht Hat, 
nennt daſelbſt neben den 2000 Türfen nur noch 700 armenifche 
Einwohner. ?7) 

Dit befonderer Aufmerkfamkeit bat jüngft E. Bore, nebſt ſei⸗ 
nem Begleiter M.Scafi (im I. 1838), bei feiner Durchwanderung 
Armeniens von Weft nach Oft, insbeſondre ven gedrückten Berhält« 
niffen der Fatholifhen Armenier nachgeſpürt, in der fehr 
preißwürbigen Abficht, ven traurigen Zuftand Ihrer Kirche zu heben; 
daß er durch feinen Eifer zu fcharfen Urtheilen und Ungerechtigkeiten 
gegen Andersgläubige, die nur nicht von feiner Confeffion find, ge= 
fallen ift, Haben wir oben ſchon bemerft. Seine dankenswerthen 
Nachrichten über die dortigen armenifchen Bewohner beflchen dem 
Wefentlichen nach in Folgendem, wodurch die bisher fo frag. 
mentarifche Kenntniß von der Ausbreitung dieſer merf« 
würdigen Nation Immer mehr und ‚mehr Vervollflännigung. erhält. 

Die ſtarke armenifche Bevölkerung ft, wie fich aus 
dem Borigen ergibt, aus den dftlihen Provinzen des per- 
fifhen und türfifhen Armeniend völlig verfhwunden, 
und auf dad ruffifhe Gebiet im Norden des Arares hin- 
übergewandert. Der Zufland ver vereinzelt zurücdgebliebenen 
kann fein andrer ald nur ein verarmter, alled nationalen Zufammen- 
haltens entbehrender fein, der ſehr wahrfcheinlich bald als folcher. 
verſchwunden fein, und mit den mufelmännifchen Nachbarn 
fi) vermifchen wird, wie dies auch ſchon mit vielen ber ſeit Schach 


21) J. Brant, Journ, trough a port of Armenia etc. in Journ. of 
the Roy. G. Soc. VI. 1836. p. 204. s 








640 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 36. 


Abbas Zeit dnurch Perfien zerfireuten Colontfationen geſchehen. 
Erft weiter im Welten finden fich noch flärfere armeniſche Gemein- 
ven vor, doch Fönnen fie keineswegs in ſolchen Zahlen hervortreten, 
wie Bore fie angibt. Zu diefen gehört im Außerften Welten, fchon 
über die Grenze Armeniend hinaus, die einft blühende türkiſche 
Handels» und Fabrikſtadt Tofat, in welcher E. Bore 2%) eine 
Gemeinde von 12,000 Armeniern angibt, von benen ein Zehnthell 
katholiſche Armenier fein follm. Diefe rühmt er als eine 
enge compacte Gemeinde, die ſich fireng von ben andern fondert, 
nur Verhelrathungen unter Ihren gegenfeltigen Glledern geftattet, 
insgeſammt Ehrenmwerthe und die Reichften im Lande, deren Wohl⸗ 
fland auf ihrer Orthodoxie beruhe; denn fie flupirten in Nom, lern 
ten Latein, Italienifch, Kicchengefchichte, und nannten ſich Franken, 
dagegen die ſchismatiſchen Armenier daſelbſt in ihrer Igno⸗ 
ranz verharrten und ihrer Apathie gegen die Eatholifchen Armenter. 
3. Brant??) Heflätigt den Wohlftand ver Armenier und Katholtken 
in Tofat, gibt dafelbft aber nur 1500 armenifche Einwohner und 
30 Eatholifche an, obwol er nur 3 Jahre früher vd war, und ber 
Biceconful H. Suter?) von Treblzond, ver In vemfelben Jahre wie 
E. Boré Tofat befuchte, gibt ebenfalld nur viefelbe Zahl von 
1560 armenifhen Familien in Tokat an. Beide bemerken, wie ſcht 
der Handel und die Induftrie in Tokat gefunfen, fo daß Bore offen 
bar fich leicht phantaftifchen Uebertreibungen hingibt, und frühere 
ganz unbegrünvete Relationen oft als Facten feinen Ratfonnementd 
zum Grunde legt. Ihm liegt daran, mit ven glänzenpften Reben 
die Sache der Unirten auf Koften aller übrigen zu heben. Gier 
in Tokat, fagt er daher, erwache bie orthobore Kirche von neuem;*i) 
die politiiche Ohnmacht der Türfenherrfchaft fordere dies. Ihre 
Emancipation würden file nicht von der Pforte erhalten haben, ohne 
die Abſchwächung durch Griechenland und ohne Rußlands Siege, 
weshalb die Pforte den Neclamationen Frankreichs für die Aa 
tholiſch⸗ unirten nicht länger zu widerfiehen gewagt. Deshalb ver 
ſtand fich die Pforte für dieſe zu neuen Eonceffionen; fie gab Bir 
mans, durch des Reis Effendi Reſchid Pascha Vermittlung, zu neuem 
Kirchenbauten, und, was früher unerhört war, die Katholiken zu 
Tokat erhielten unentgeltlich vie Erlaubniß, ihre Kapelle zu Bauen. 


228) E. Boré, Correspondance Il. c. 1.'p.379. 2°) J. Brant 
l. c VI. p. 219. s0) H. Suter, Notes etc. in Journ. of - 
tbe Roy. G. Soc. London 1841. Vol. X. P. IH. p. 440. 
21) E. Bor& 1. c. p. 383. | 








Euphratſhſtem; katholiſche Armen. 641 


Dee Biſchof Michael von Cäſarea (Kalſarleh), ver Haupt⸗ 
dadt Kappadociens, wo nur ſehr wenige katholiſche Gläubige, hatte 
such in Tokat feinen Sitz genommen, wo er zugleich als Delegat 
8 Patriarchen vom Libanon fungirte, für Tokat, Sebaſte, Amida 
and andere Städte im Pontus, die ‘von dent Patriarchen In Con⸗ 
Rantimopel abhängig find. Don viefen wird alfo wol aud die Ge⸗ 
meinde der Armenier zu Agn abhängig fein, von der zuvor die Rebe 
mar. Berarmt, nur von drei Kirchendienern umgeben, bewohnte 
Bifchof Michael mit diefen gemeinfchaftlich einen Saal, ver ihnen 
gleich ald Kirche diente, und auch ihm mar ver Wunf zur Er⸗ 
bauung einer neuen Kapelle enıflanden. Die Nichtunirten, Na⸗ 
Honal=- Armenier, berichtet Bore, die er die Abtrünnigen 
nennt, follen 4 ſchöne Kirchen haben; aber ver ganze Zuſtand von 
Induſtrie und Handel, gibt auch er zu, fel durch das Türkenjoch 
ungemein zerflört, durch die Peſt ganz herabgefunfen. Die Werk⸗ 
flätten einheimifcher (armeniſcher) Fabrikanten flänven Ieer, während 
fe Dazare mit europüifchen (er meint englifchen) Waaren über 
ſchwemmt würden, wodurch auch die Verarmung der fonft wohle 
babenven katholiſchen Armenier entſtehe. Doc rühmt er eben bei 
bhofen die Achtung der meiblichen Würde, eine Folge des Jungfrau⸗ 
Mariendienſtes, während vie ſchismatiſchen Armenier vie Gefangen⸗ 
haltung der Weiber nach türfifcher Sitte im Harem angenommen, 
obwol fie Polygamie vermerfen. Bet den Katholiſch⸗ unirten ſei 
dad weibliche Geſchlecht dagegen nicht fo auögefchloffen wie bei jenen, 
und mit in vie Gefellfchaft ver. Männer gezogen. Bet keinem ber 
andern Beobachter haben wir hierüber nähere Aufichlüffe gefunden. 

Die nächſte Stadt, Sebaſte (Simas), gegen Kappadocien hat 
nur 1200 armeniſche Familien zu Bemohnern, 3?) darunter aber nur 
wenig Katholiken; in dem benachbarten Dorfe Perfnid aber waren 
am 60 Furholifche Familien, vie, nad) der Meinung des Biſchofb 
Michael, Nachkemmen vom Geſchlechte der Bangrativen fein follen, 
ve im 11. Jahrhundert nad) Kappadocien ausmandern mußten. 
Zu Arzingan im Paſchalik Arzerum (f. 06. &.270), und in ber 
nädften Umgebung des Sehuhbergs, wo St. Bregord Brab, fand 
&: Bore wol einen clafflfchen Boden der Armenter,33) aber fine 
beachtenswerthe armenifche Gemeinde; I. Brant gibt nur 800 are 
meniſche Yamklien?*) in der Stadt an, das Land IR ganz von Kurs 


383). J. Brant 1. o. VI. p. 214; H. Suter I. c. X. P. M. p. 480. 
23) E. Bor, Corresp. I. p. 308, °*) 3. Braat I. co. Vi. y. Wi. 
Bitter Erbfunde X, " Si 














642 Wefl:Afien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 3 


den erdruͤckt, und vie Stadt felbft vor Ihnen nicht ſicher. Don Ars 
zerum, der erſten Stadt des türfifchen Reichs, die vor der Inva⸗ 
flon der Ruffen, nah I. Brant,?5) dem als britiſchen Eonful das 
ſelbſt wol eine genauere Kenntniß diefer Verhältnifſe zuzumuthen if, 
im Jahr 1827 noch 130,000 Einwohner gehabt, find nad) verfelben 
nur 15,000 übrig geblieben, und auch diefe find durch die Peſt de⸗ 
eimirt; nur dad Ankommen und Abgehen der Karavanen gibt dem. 
Drte eine größere Beveutung, obwol diefe Capitale Armeniens eben 
fo in Verfall gerathen ift, wie das ganze armenifche Land. IS 


Eli Smith den Ort im 3. 1831 fah,30) waren die fonft gefühl 


ten Bazare leer, ver Handel ganz gefunfen. Von der frühern chriſt⸗ 
lichen Population. waren ‚nur 120 armenifche ſchiematiſche und 48 
papale unirte Bamilien in der Stadt zurüdgeblieben, und die Ic 
teren erft von andern Orten hiehergezogen. Don den frühern 6000 
Läden war die Hälfte noch geichloffen. Der Wirth, Zohrab, ein 
unirter Armenter, war Handeldagent des englifchen Gonfuls in Tra⸗ 
pezunt; 2 ihrer Priefter waren in der Stadt, die einen Firman zur 
Fortfegung des Ausbaues einer katholiſchen Kirche erwarteten, die 
unter rufflfcher Oberhoheit zu gruͤnden geflattet war, die aber un 
vollendet blieb, weil der armentfche Bifchof felbft mit zu den Ruflen 
hinübergewandert, und noch fein neuer erwählt war. Der Dr 
ſchien dem amerifanifchen Mifftonar fo herabgefunfen, daß er ihm 
unter den gedrückten Umflänven nicht einmal zu einer paffenden 
Miſſionsſtation geeignet ſchien, wozu er doch zur Zeit eines Wieder⸗ 
aufſchwunges feiner Population ſich ganz vorzüglich qualificiren würke. 

E. Bore, der 7 Jahr fpäter als Eli Smith durch Arztes 
rum??) fan, gibt es auch zu, daß die meiften armenifchen Yamilien 
diefer Stadt den Ruſſen gefolgt feien, fo daß von 450 Familien nur 
36 zurüdblieben; ganze Quartiere wären dadurch in Ruinen verfak 
Ien und verdvet. Seit der Jeſuiten Miſſion daſelbſt, und ihrer 
Verfolgung durch Türken fein die Katholiſch-unirten auf 
durch die Moecoviten verfolgt, pie fie als politifche Conſpiratoren 
verläumdeten, und durch Gelobeftechung ſich von den Türken einen 
Firman verfihafften, der jeden Religions wechſel im Lande ver⸗ 
bot... Dennoch, verfichert Bore, feien vie Zuflände des Batholifde 
unirten dafelbft beſſer, als die proteftantifchen Miffionare fle glau⸗ 
ben machen wollten. Zum Beweiſe führt ex eine möglichſt voll⸗ 





238) J. Brant l. C VI. p . 200. se) Eli Smith, Miss. LOS, P- Mil. 
27) E. Bore, Corte. i IR, 





Euphratſyſtem; Tatholifche Armenier, 643 


tändige, bis in das Detail gehende Kifte ver Zahl ihrer Samilien 
uf, deren Nichtigleit in Namen wie in Zahlen wir nicht zu ermit« 
teln im Stande find. Hier ihr Hauptinhalt, ver, die ſtatiſtiſche 
Wahrheit voraußfegenn, allerdings weite, dünne Zerſtreuung beur⸗ 
funden würde. In Arzerum 8) find 36 Fathol.-unirte Fa⸗ 
milten unter ver Zeitung des Priefters Silviani, die gegenwärtig eine 
Rirche bauen, was felbft vie Iefuitenmifflon zu ihrer Zeit nicht er⸗ 
langen konnte. Rund umher wohnen Unirte: In der Ebene von 
Arzerum zu Touandje find von 36 Familien, die mit den Ruffen 
sogen, 3 zurüdgeblieben; in Ardzati von 110 nur 2; in Inne 18%, 
mit einer Kirche und einem Prieſter. In Rabat find alle bis 
auf 5 Familien emigrirt. In Norachem von Tortoum 37 ohne 
Mriefler und Kirche. 

In Gumiſhkhane find von 43 Familien nur 7 gebfleben; 
Zrapezunt bat 70 Bamilten mit einer Kirche und 2 Prieftern. 
Zu Artuin, wo fie mit großer Anftrengung eine Kirche bauen, 2500 
Seelen. In Hordzril 21 Familien und 1 Kirche, in Arbanoutche 
80 Fam. und 1 8.; in Satlel 70 Fam. und 1 8.; in Pephigour 
20 Bam., in Devlet 8, in Mamanelis 5, in Tonvzout 10, ohne 
Kirdye und Priefter. In der Provinz Kiefim find 5 Dörfer mit 
3000 Katholifch-unirten, mit Kirche und Priefter. In Kars find 
7 Fam. und nahe dabei im alten Shiragh mehrere verlaffene Fa⸗ 
milten. Im Diftriet Alaſhgerd (f. 06. 351) 3 katholiſche Dor⸗ 
fer mit 2000 Familien und 1 Kirche. In Bedlis 1 Familie, die 
aber aus 50 Perfonen befteht, wo es immer an 400 Katholifche 
unirte geben fol, vie ald Handelsleute dort paffiren oder ihren Han« 
velögefchäfien nachgehen. Der dortige Priefter, Gregor Khoroian, 
fol in ver legtern Zeit mit Gewalt von ben fchlömatifchen Arme 
niern in ihr Klofter St. Barabied abgeführt worden fein, um ihn 
durch tägliche am Morgen und Abend wiederholte Baftonnave zur 
Entfagung der Unton zu bringen, wobei er aber unter gewaltigen 
Dualen flanphaft blieb, bis er durch einen Kurdenchef von den Bar- 
baren befreit wurde. 

In Mufh werden noch 7 Familien angegeben, zu Oghounk, 
nahe dabei, 18; dad Dorf Nordachan, auf ruſſiſchem Gebiete liegend, 
iR ganz katholiſch⸗ unirt. Zu Akhaltzike, der neuen Feſte, ſoll es 
4000 katholiſche Armenier geben, und in der Umgegend 1400, mit 
2 Kirchen u. 5 Prieftern. Zu Akhirkaleh 1000 mit 3 Prieſtern; 


se) E. Boré Corresp. 1. p- 398. ein 











644 Wefl:Afien, TI. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.36, 


zu Loron 500 mit 3, zu Karaeflifie 30 Familien mit 2 Prieftern. . 
In Keftarlon 50 Famil. mit 1 Kirche und 1 Prieſter. Nahe dabei 
3 Dörfer mit etwa 1000 Seelen. Zu :iflis 60 Fatholifch = unirte 
Familien unter der Sorge ver Pater Kapuziner. Dieſer großen 
Zahl ift freilich wol eine ganz andre Serljorge als vie bisherige 9) 
Bedürfniß: denn fle find ohne Schulen und der katholiſche Kies 
rus felbft iſt daſelbſt höchſt unwiſſend. Die Ruffen nennt E.Bore 
ihre Todfeinde, welche alles batan feßen, um die auögewanberten 
Katholiſch- unirten zu Unirten ver griechifcher Kirche zu ma⸗ 
hen, und deshalb dem Priefter den Unterricht verbieten, Eeinem 
fremden katholiſchen Prieſter ven Zutritt auf ruſſiſch⸗ar⸗ 
meniſches Gebiet U) geflatten (|. ob. ©. 352). Da es ihnen dem⸗ 
nach an katholiſchen Bifchdfen fehlt, fo Fännen nach vem Tode ver 
vorhandenen die Gemeinden Feine neuen erhalten, und bie Heerden 
bleiben ohne Hirten, ein beklagenswerther Zuftand, ber fie dann frei⸗ 
Ich zur ſchiomatiſchen armeniſchen Kirche zurückführen oder mit der 
griechifchen uniren wird. “ 

Der große Einfluß des rufflichen. Gouvernements auf Die Kas 
tholiſch⸗ unirten gebt Hieraus von ſelbſt hervor; eben fo fehlt er 
nicht bei der nationalearmenifchen Kirche. Unter Perfern und Tür 
fen war die Würde ded Kutholifos von Etſhmiadzin, wie 
Alles, verkäuflich, wodurch Simonie erzeugt wurde. Gegenwärtig 
iſt dies nicht der Fall, dagegen iſt die wirfliche Befeßung von ver 
Betätigung ded Czar, als unumſchränktes geiftliches Oberhaupt fels 
ned Reiches, abhängig. Nach vem Tode des Katholikos werden vie 
15 feinem Sige zugehörigen Prälaten aus Berfien, Rußlınd und 
den übrigen Reichen zur Synode berufen, fo wie die Großen ber 
armenifyen Netion, die Iſbekans, und die Deputirten der Corpora⸗ 
tionen, um die neue Wahl zu vollziehen. Die erfte Wahl fällt auf 4, 
die zweite auf 2 von biefen Ganpivaten, zwifhen denen zuletzt das 
8008 entjcheivet, worauf dann die kaiſerliche Betätigung erft erfol⸗ 
gen muß. Dadurch, fagt E. Bord, ſei diefelbe Kirche, welche daß 
—  Eupremat des Pabſtes perhorreöcirte, der fpirituellen Dependenz 
eines Militärchefs unterworfen; doch ift hiermit fein Eingriff in die 
Berfafjung ihrer Kirche verbunden. Die auf ruffliches Gebiet über- 
gewanderten unixten Armenier nennt ihr frangdfifcher Wortführer 
getaͤuſcht, weil fie nad) ein paar Generationen als foldye ausſterben 


220) R. Boré, Corresp. I. c. p. 401. 0) Gbendaf. a. a. D. 
I. p. 401, IL p. 85. 





BEE 


Eupbratfuftem; Quellarme, Murad, Frat. 645 


nrörßten. Die ſchismatiſchen Armenier auf ruſſiſchem Gehtet ſeien 
angefehen, reich, fländen in Staatswürden, verfolgten Ihre katholiſchen 
Glaubensbrüder; während fie z. B. in Gumri, d. i. Aleranpropol, ſich 
eine flolze Kirche erbauten, müßten dieſe fich in ihren feuchten Eb⸗ 
chern, in denen fie ihren Gottespienft halten koͤnnten, begnügen. 
Daſſelbe Schick al treffe noch in Georgien viele andere der Unirten, die 
in obigen noch nicht angeführt waren, und deren Zahl. in Tatholifchen 
Dörfern anf 4000 Seelen angegeben wird. Es iſt allervings zu 
Hoffen, daß nach fo großen Wechſeln, die mit der in fo verſchiedne 
Spaltungen geratinen armenifchen Kirche unter fo verſchledenen 
politiſchen Wechſeln vorgegangen find, envlich auch auf pas wahre 
Heil und den bürgerlichen Frieden viefed fo begabten Bol 
kes von oben ber mohlwollenn, gerecht und foͤrdernd, erhebend ein⸗ 
gewirkt werde, da fie bisher nur, dem härteften Druck felbftfüchtiger 
umdriftlicher Despoten und ihrer eignen eigennügigen, unmwifienten 
Priefter Hingegeben, ein Spielball der Liſt und der Gewalten ges 
blieben waren, und von biefen Sqlagen d des Schickſals die Narben 
tief in ſich wagen. 


$. 37. 
Drittes Kapitel 


Der obere Lauf des Euphrat, oder feiner beiden 
Duellarme, des Murad und rat, bis zu ihrer 
Vereinigung. 


Nach ven frühern Unterfuchungen ſchon im Allgemeinen mit” 

dem Urfprung der beiden großen Quellarme ded Euphrat, 
des rechten und linken, befannt, über deren Herfommen ven als 
ten wie den nenern Geographen manches Dunkel geblieben (f. ob. 
©. 23, 71, 75, 76, 79—83, 85, 98—107, 335, 338, 385, 398), 
die wir aber gegenwärtig ald Frat im Nordweſt und Murad 
im ©. D., als Längenbegleiter des Binghol Tagh von DO, 
gegen W., der zwiſchen beiden ‚gelegen fe durch Zuflüffe nach beiden 
Getten nährt, mit Sicherheit unterfchelden, und deren Lauf wir auch 
von den beiderſeitigen Quellen bis zu ihrem Vereine kartogra⸗ 
phiſch mit ziemlicher Beſtimmtheit verfolgen können, geben wir ſo⸗ 
gleich zur Darlegung ihrer fpeciellen DVerhältniffe über, wie fle vie 
frühere Zeit nicht kannte, und auch auf der Karte nicht darzuſtellen 

vermochte. Die wahre Wafferfcheide zwiſchen ee urn 





! 


646 WeftsAfien. III. Abtheilung. E Abſchnitt. $.37. 


dem Araxes Haben wir ſchon genau Im fanften, relativ nur 800 
Fuß hohen Bergrüden Deveh Boyanu und der Plateauhdhe 


im Weit der Hochebene Paſin, zwilchen Arzerum und Gaflan 


Kalch kennen lernen (f. ob. S. 388); ebenfo vie wahre Duelle 
des Murad, des um einige 30 geographiiche Meilen weiter im 
Dften entfpringenden linken Euphratarmes am hohen Ala Tag 
(ſ. 06. S. 335), von ‚wo wir ebenfalld die Wafferfcheide zwi⸗ 
fhen Euphrat= und Araresfyftem, auf dem Wege von Diyas 





din zum Gernawuk bis Bajazed Überfliegen, ohne, fo wenig wie ' 


am Deveh Boyunu, ein hohe Scheivegebirge zu finden (f. ob. 
©. 337 u. f.). Beide Thäler der obern Stromläufe des Frat 
wie des Murad, von ihren Quellen an, find auf der Plateau» 
landſchaft Hocharmeniens relativ fehr Flache Thäler, gleich dem 
bed Araxes, weil fie eben bier. Plateauftröme find, die beide 
in ver Normaldirection der großen gegen Oft ſtreichen⸗ 
den Taurußfetten ihre fehr allmälige Senkung gegen W. ge 
winnen. Sie fließen durch Längenthäler des nörvlichen Taurus 
ſyſtems, bis fie, um ven Derein ihrer Waſſer erſt die Normal⸗ 
rihtung gegen Süben nach vielen kurzen Querdurchbrüchen und 
Zickzackläufen plöglich ändernd, die großen Durchb rüche durch vie 
fünlihen Taurusfetten in Quertbälern gewinnen (f. ob. 
S. 73 u.f.), mit denen ihr Stromdharafter völlig fich ändert, und 
von wo fie nach dem ebenen Mefopotamien übergeben. 


1. Erläuterung. 
Des Euphrats ſuͤdoͤſtlichſter Quellarm, der Murad (Morad). 


1. Sein Quellland, vom Ala Dagh bis Uitfſhkiliſa. 


Aus obigen Unterfuchungen wiſſen .wir, daß vieſer oͤſtlichſte 


= 


Sauptarm des Cuphrat in feinem obern Laufe nur allen dem Ze 


nophon im Höhern Alterthume befannt war (f. ob. ©.23 u. 24), 
und daß er erfl neuerlich (1809) dur I. Morter zuerft daſelbſt 
wieber entdeckt, durch J. Brant bis an feine Außerfien Quellen 
"am Norvoftabhange des Ala Dagh, bis Diyapin (f. ob. ©. 79), 
genauer verfolgt warb; auch haben wir es ſehr wahrſcheinlich zu 
machen gefucht,. daß fein nächfter, fünlicher Gauptzufluß, ver Kara 
Su bei Mufb, ver Arsanias bei Plinius und Tarttus, und befe 
fen mit dem Murad (Omiras bei Pliniud) weiter abwärts unten 
halb Bal jun, Eupteat ſtebwender Hauptzufluß, ber Arsines des 








Euphratſhſtem; Murad, oberer Lauf. 647 


Procop geweſen ſei (f. ob. S. 98 und 99). Hieraus ergibt fi 
unmittelbar, daß wir bei den Alten Feinen genauern Auffchluß über 
das Stromgebiet diefed Murad finden Fönnen, und und Hinfichtlich 
feiner Topographie nur allein an die jüngern NReifenden balten 
müfm. Denn auch den größten orientalifchen Geographen, einem 
Mafupdi,) Edriſi, Abulfeda, iſt er gänzlich unbekannt ges 
blieben, welche nur deſſen nordweſtlichen Quellſtrom, den $rat, ans 
führen; ſelbſt noch die türkifche @eographie, weldher v. Sammer‘2) 
vorzugäweife folgte, Hat zu einer ganz verwirrten Vorftellung ver 
Euphratquellen verleitet, in der vielfache Verwechslungen des Nord⸗ 
und Südarmes vorfamen, vie ſich aus Folgendem von ſelbſt berich⸗ 
tigen laffen. Des Reiſenden Otters Bericht, ver jedoch auch dem 
türkischen Geographen folgt, fiimmt mehr mit der neuern Entdek⸗ 
Tung überein. Er nennt?) die zwei Quellſtröme Euphrat und 
Murad. Diefer Murad, jagt er, habe au zwei Quellen; 
vie eine im Berge Ala (Tihir Geduk ver rufflichen Berichte, f. ob. 
©. 346, der Ala Dagh bei Brant), welche aus mehreren Stellen 
der Erve hervorbreche und einen großen Fluß bilde (ganz überein⸗ 
ftimmend mit I. Brant, ſ. ob. ©. 335), ven man bei Tſcharmur 
noch durchreiten koͤnne, wo er fich in 4 Arme theile, vielleicht wo 
3. Brant ihn durchſetzte (ſ. a. a. O.), dann aber führe eine 
Steinbrüde über ihn, Dſhudaminſhah genannt (von dieſer 
Haben wir keine Nachricht, Daß fle noch beftche; fie müßte denn unter 
Halb Diyadin zu fuchen fein). Die an dre Quelle veffelden Murapsg, 
fagt der türkifche Geograph bei Dtter, entjpringe auf dem Mailack, 
d. i. der Sommerflation, des Bingheul (Binghöl, d. 6. den 
taufend Quellen, f. ob. ©. 345), von defien Süpoftgehänge 
Der Fluß von Melezgherd oder Melazgherd zum Murad gegen 
GSuͤd abfließe, der erfte Zufluß unterhalb der genannten Steinbrüde 
Oſhudaminſhah. (Der Binghdl Fluß iſt e8, der ihm gegenüber im 
Nordoſt zum Arares abfließt.) Diefer Fluß Melazgherd aber, ver 
feinen Namen von einer früher befanntern Stadt, nahe an feinem 
Einflus zum Murad gelegen, erhielt, vie jedoch in neuerer Zeit nur 
Schulz (I. Erdk. IX. S. 989) und Jaubert“) berührt haben, iſt 





*41) El Masudi, Hist, encycl. ed. A. Sprenger I. p. 245. Kdrisi 
bei Jomard Il. p. 137; Abulfedae Tabul. de fluv. bei Wüsten- 
feld p. 64. 22) v. Hammer, die aflat. Türkri. Wien. Jahrb. 
1821. ®b. XIV. ©. 35. 22) Otter, Voyage en Turquie 
etc. (1737) ed. Paris. 1748. 8. T. I. p. 108. etc. **) A. Jau- 
bert, Voy. p. 131, 133. 


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a Mr 
* A 
3 . 











648 Weflslfien, M. Abtheilung, I. Abſchnitt: 1.37. 


ber Kaleh Su oder ber Fluß von Khinis bei 3. Vraut eb 
Pollington (f. 06. ©. 385. Uber verfchieden vom gleichnamigen, 
nordoſtlich fließenden Kalch Su, der zum Araxesgebiete gehoͤrt, 
f. 0. &. 387) nimmt der Murad, weiter gegen We ſtromend, 
den Kara Eu (Schwarzwaffer) des Thales von Mufh auf, amd 
ergießt fi, nachdem er an Gendſeh, Tſhaktſhur (Tſhabakiſhar 
bei v. Hammer) und Palu vorübergegogen ift, bei Riſhwan im den 
Frat oder Rordarm des Cuphrat. So weit die frühern fehr ung 
seichenben Daten, denen wir die jüngfte Beobachtung als Ergänzung 
folgen Iaffen, die Eeinedwegs und vollfommen befrienigen kann, aber 
uns doch topographifch über den Lauf des Murad orientirt, deſſen 
genauere Erforſchung in geographiſcher, naturhiftorifcher und anti⸗ 
quariſcher Hinficht fehr wunſchenswerth fein möchte. 

Ueber diefe Quellen des Murad in Südweſt von Diyabkı 
auf dem Ala, die nach Moriers früherer Angabe *) auch wei 
von den dort Einheimifchen mit dem Namen rat belegt werben 
foßen, if und aufer nem, was fihon oben (6.335) mitgetheilt iR, 
nichts Näheres bekannt. Obwol auf ruſſiſchen Karten 46) in hen 
felben Strecke oberhalb Diyadin beigefchrichen ſteht, Daß hier der 
Cuphrat 4 Stunden weit einen unterirdiſchen Lauf habe: fo ziel 
feln wir doch nad dem oben Geſagten (f. ob. &. 337, 336) en 
der Richtigkeit viefer Bemerkung, zumal da wol dem I. Braut , 
auf feinem Marfche im Gebirgäthale des Stromes sutlang eine 
ſolche Thatſache ſchwerlich hätte verborgen bleiben können. Au 
von Diyadin (ſ. oben ©. 335) und von der Nordoſtwendung bei 
Murad von ba gegen Nordweſt abwärts, 3 Wegflunden weit am 
Slußufer Hin, wo Das Klofter Utſh Kilifa (d. i. drei Kirchen) 
Sobannes des Täuferd oder Surp Ohannes, am obem 
Murad (wicht am Urares, wie durch einen Schreibfehler ob. ©. 558 
Beile 11 von unten angegeben If), ein beſuchter Pilgerort in ie 
Ebene Alifägert an per großen Karawanenſtraße nad) Crzerum ge 
legen ift, fo wie von dieſer nicht fo gar lange her noch von Armeniera 
ſtark bevdlkerten und bebauten Ebene, die erfi Durch bie Kunnm 
werdvet ward, und jetzt herumſtreifende Peziven und Zigeuner Sub» 
bus herbergt, iſt oben (S. 351, 352, 355, 357) in fo weit Be. 
- Rede geweien, ald und genauere Berichte darüber zugelommen finb. 








**. ,Journ. Lond. 1812. 4. p. 809. 
iat Armenien, als Ueberblick der 
unter  Boskmin-Gevanstn. München, —* 


a. 
® 4 










“e) Georgien 
s&bruntieuen 
2088. 





Euphratſyſtem; Murad; Duroperan. 649 


Bir haben hinfichtlich des ganzen obern Muradthales oben wieder⸗ 
holt auf die große bisher unbeachtet gebliebene hiſtoriſche Wich⸗ 
tigkeit dieſes in ven letzten Jahrhunderten ſo verwilderten Ge⸗ 
birgothales, das einft bis Malazgherd (Meledgird, Menas⸗ 
gerd, Melezgherd) hin zu den altarmeniſchen Provinzen Du⸗ 
roperan und Pakre vant gehörte, wovon in ber älteſten Periode 
das Land im Thale zu beiden Seiten des Muradfluſſes den Namen 
Daron führte, aufmerkſam gemacht (ſ. ob. S. 327, 544, 552), wo 
suerf das Chriſtenthum in Armenien Eingang fand, wo Tiringt 
um Fußr des Nebadberges mit feinem Heere die Taufe empfing, mo 
Gt. Bregor die Alteften Kirchen gründete, wo Mesrop, der Er⸗ 
finder der armenifchen Schrift, geboren und begraben warb, wo der 
größte Annalift ver Urmenter, Moſes von Khorene, nur 2 Stunden 
von, Muſh enıfernt, zu Khoren (Khorni) das Licht der Welt er 
blickte (f. ob. S. 546), und wo die Heimat) Davids des Philoſo⸗ 
phen, des Ariftotelifchen Schülers, war (f. ob. S. 569). 

Wir erinnern bier noch einmal Daran, wie militärifch wichtig 
dieſes einzig von Süben, von dem Quellengebiete des Xigris ber, 
für feindliche Heere gen Armenien zugängige Thal ſchon ven Ms 
mern, nach Tacitus, erfchien (f. ob. S. 99), und wie eben dieſes 
Grengverhältniß unftreitig die Urfache war, warum Tiridates 
feinen treueſten Anhängern, ben tapfern Mamigoniern, jenes Da« 
son im Muradthale als Erblehen zur Vertheidigung anvertraute, 
als fie deſſen uns fonft unbekannte Urbemohner, die rebellifchen, 
ven Perſern ergebenen Silgbunier (nah Mof. Khor. II. S. 97 
von einem gewifien rohen Ahnherrn Slachus oder Slucus abſtam⸗ 
men») beflest hätten. 

&s if} nicht unintereffant, bei diefer ſtrategiſch fo eigenthümlichen 
Zuge uns Localbildung eines Hochgebirgihales am Eingang zu 
Socharmonien daran zu erinnern, daß Tacitus chen dieſe Localitit 
auf dem Durchmarſche dos Romerheeres unter Corbulo, norpwärte 
von Tigranocerta 7) gegen Artarata Hin, mit dem fonft gang 
umbelannt gebliebenen Namen Taurantium (over Tauranitium, 
Tacitus Annal. XIV. 24) belegt, was genau dem dort feit öltefler 
Zeit (fett Kifuchens Zeit, nah Mof. Khor. I. 5) einheimiſchen 
Namen Daron entipricht, und nichts anders als „bad Land Des 
Xaurus-Einganges nad Armenien zu bezeichnen fcheint, eine 
wörtliche sebrtlije Ueberſehang nes Duroperan, der dortigen Provinz, 


—8 nert, Geogr. d. Gr. und — zb. V. 2. &.228. Ren 
Su D. Kunde des Morgenlanbet, B.1. 5. A. 











650 WeflsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 37. 


die aus 16 Diſtricten beftand, deren einer, ver wichtigfte im Eng⸗ 


thale des Murad, eben dieſes Daron war. Demnach würden - 


wir zugleih bier an ver Wurzel der Bezeichnung des eigentlichen 
Namens „Taurus“ der Alten (eine Verſtümmlung des einhei⸗ 
mifchen Daron) flehen, von deſſen weiten Verzweigungen nach vem 
Sprachgebrauche der alten Claſſiker (f. Erdk. VIII. ©. 551 u. ff.) 
ſchon anderwärtd umflänplicher die Nede war. Taurus oder Taur, 
Zur, Tor (paher Giebel Tor, der Sinai mit der Adamepik auf 
Geylon, der Tabor, Taurien u. a.) fol nach Castelli Lexie. L 
©. 488 wirflih im Chalvälfchen, womit A. Saubert der Orientaliſt 
übereinftimmt,*9) fo viel ald Berg heißen, wir koͤnnen alfo Hier mit 
Necht geographifch wie Iinguiftifch an ver Wurzel viefer Be 
nennung ftehen. Nach Indſhidſhean, Neuarmenien 192, follen no 
heute die dortigen Ruinen Dachon von den Eingebormen, die 
wir nicht näher kennen, nach ihrer verberbten Aueſprache die Ueber⸗ 
reſte des alten Daron bezeichnen. 

Folgt man vom genannten Kloſter Utſh Kiliſa ven Baufı 
des Murad gegen N.W. abwärts, jo hat man eine gute Tagreiſe 
(24 Miu. Engl.) zurüdzulegen, bi man Kara Kilifa (Gchwar 
kirche) erreiht. Eli Smith wie I. Brant Haben beide zu ver 
ſchiedenen Jahrbzeiten, im April und September, in ven Jahren 1831 
und 1838 denfelben Weg zurücdgelegt. 

Eli Smith U hielt in Utſh Kiliſa, das er auch St. Gara⸗ 
bied (SanctusPraecursor) nennt, einen Rafttag; man zeigte ihm im 
Klofter eine Reliquie, die man Johannes dem Täufer zufchrieb, veffen 
Grabmal in Mufh fein und flarf bepilgert werben follte (wahr 
fcheinlich das bei Mufh gelegne Klofter Surp Garabied oder Chan⸗ 
geri, auch Klag Dank genannt, f. ob. ©. 553). Er fand, wie pl 
terbin Brant, in Kara Killfa eine im guten Styl gebaute maſſwe 
Kirche, fehr alt, Doch gut erhalten, an ver Bafls eines iſollrten 
Bergd, und von einer hoben Mauer umgeben, aber ſammt dem 
Klofter im Innern ganz verarmt und leer. Un ver Außenſeite 
iſt eine Art Karawanſerei angelehnt, in dem der wachhabende Dffi- 
zier, ein roher Kurve, die Reiſenden flatt in ein Quartier in den 
Stall verwies. Noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts fol bier 
ein Katholitos der Armenier feine Meflvenz gehabt Haben, der ein 
ververblicher Nebenbuhler feines Eollegen in Eiſhmiadzin war; 1831 
war nicht einmal mehr ein Bifchof daſelbſt zurückgeblieben; C. Smith 


349) A, Jaubert, Yoy. 2.9. *°) E. Smith, Miss, res. p- 417. 
% 


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1 
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Euphratfoftem; Murad, Utſh Rilife. 651 


nd nur 5 Vartabeds und einige Diaconen im ärmlichfien Zus 
mde vor. Die Nuffen hatten ihnen Vieh und Leute entführt, 
ich den Superior hatten fie gewaltfam zus Auswanderung ges 
ungen, weil fonft die andern ihnen nicht gefolgt fein würben. 
o gerieth das Klofter fammt feiner Schule ganz in Verfall. 

Bei der Weiterreife vom Klofter, auf der großen Heerſtraße ge= 
n Welt, paflite E. Smith nad einer halben Stunde eine Gtein- 
üde über den Murad, blieb aber dann immer an deſſen rechtem 
er nördlichen Ufer, wo er zahllofe Heerden wilder Enten 5!) und 
änfe bemerkte, vie Hier wol auf ihrem Durchzuge fein mochten. 
echts breitete fich nicht nur ein weites waldloſes, ſondern völ- 
5 baumleeres 52) Weideland aus, bis an bie begrenzenven 
erge; links ein Ähnliches; überall zogen fich. zur Seite, am 
3. April, noch Schneefelver Hin. Man fah nur bie und da 
rfallne Hütten, aller Anbau fehlte; in 2 oder. 3 noch bewohnten 
drfern hauften Kurven, hier zumal im Sommer ald Räuber ge 
schtet, wo ihre ſchwarzen Zelte, zerfireut auf ben «Höhen der Dais 
8, ihnen mehr Schlupfwinfel gewähren, während fie in ihren 
iinterbörfern leicht zu controlliven und zu beftzafen find. Mehreren 
r Schäfer begegnete man bier mit ihren Heerden und mit frifchs 
bornen Lämmern, vie fie, weil fle noch zu ſchwach zum Laufen 
aren, .in ihrem Bufen trugen, ein Bild des Propheten, fagt ver 
Kfftonar, im antifen Styl. Alle Heerden, ja jedes Stück Dich, 
uß Hier im Lande der allgemeinen Raubſucht und Dieberei wegen 
men Wächter haben, um vor Menfchen und Raubbeflien wie Hya⸗ 
n, Wölfen u. a., vie nicht meniger ald jene überall auf Beute 
ıögeben, gefiyert zu fein; deshalb man auch des Nachts bie Heer⸗ 
a nie im Freien fchlafen laſſen ann. Diefe unermeßlichen 
Beivelänner Armeniend und Kurdeſtans bieten durch ihre 
chlreichen Heerden den Bewohnern das Hauptmittel des Erwerbes 
ww, und verfehen faſt alle großen Märkte der Türfel, zumal aber 
onftantinopel mit Schlachtvich, welche Gapitale nach Jaubert 8°) 
lein von bier aus jährlich ihre anderthalb Millionen Schanfe 
igetrieben erhalten fol. Diele von dieſen kommen freilich ſchon 
ıf der Wanderung dahin um. Jede dieſer Heerven, 1500 bis 2000 
tu, wird von ein paar Hirten geleitet, vie auf ven höhern Rücken 
x Welvelänver, die großen Heerſtraßen vermeidend, gegen Welt 


) R Smith, Miss, res. p. 428. 2) A, Jaubert, Voy. p. 19. 
2) Bbend. © 








650 Wefi-Aſien. I. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 37. 


die aus 16 Difteicten befand, deren einer, ver wichtigfte im Eng⸗ 


thale des Murad, eben dieſes Daron war. Demnach würden - 


wir zugleih bier an ver Wurzel ver Bezeichnung des eigentlichen 
Namens „Taurus” der Alten (eine Verflümmlung des einhei⸗ 
mifchen Daron) ſtehen, von deſſen weiten Berzweigungen nach dem 
Sprachgebrauche der alten Claffiker (f. Erdk. VIH. ©. 551 u. ff.) 
ſchon anvderwärtd umflänblicher die Rede war. Taurus oder Taur, 
Tur, Tor (daher Giebel Tor, der Sinat mit der Adamepik auf 
Geylon, der Tabor, Taurien u. a.) fol nach Castelli Lexie. L 
S. 488 wirklich im Chalvälfchen, womit U. Jaubert der Orientallſt 
übereinftimmt,9) fo viel al8 Berg heißen, wir Eönnen alfo hier mit 
Recht geographifch wie linguiſtiſch an der Wurzel dieſer Be 
nennung fliehen. Nach Indſhidſhean, Neuarmenien 192, follen noch 
Heute die dortigen Ruinen Dachon von den @ingebornen, bie 
wir nicht näher Eennen, nach ihrer verberbten Aus ſprache die Ueber⸗ 
reſte des alten Daron bezeichnen. 

Folgt man vom genannten Kloſter Utſh Kilifa dem Zaufe 
des Murad gegen N.W. abwärts, fo hat man eine gute Tagreiſe 
(24 MU. Engl.) zurüdzulegen, big man Kara Kilifa (Schwarz 
Tirche) erreicht. Eli Smith wie I. Brant haben beide zu ver 
ſchiedenen Jahrszeiten, Im April und September, in ven Jahren 1831 
und 1838 denjelben Weg zurüdgelegt. 

Eli Smith 59) Hielt in Utſh Kiliſa, das er auch Gt. Gara⸗ 
bied (SanctusPraecursor) nennt, einen Rafttag; man zeigte ihm im 
Klofter eine Reliquie, die man Iohanned dem Täufer zufchrieb, veffen 
Orabmal in Mufh fein und flarf bepiigert werden follte (wahr⸗ 
ſcheinlich das bei Muſh gelegne Klofter Surp Garabied oder Chan⸗ 
geri, auch Klag Vank genannt, ſ. ob. ©. 553). Er fand, wie ſpa⸗ 
terhin Brant, in Kara Kiliſa eine im guten Styl gebaute maſſtve 
Kirche, fehr alt, doch gut erhalten, an ver Bafls eines tfollrten 
Bergs, und von einer hohen Mauer umgeben, aber fammt dem 
Klofter im Innern ganz verarmt und leer. An der Außenfelte 
iſt eine Art Karawanſerei angelehnt, in dem der wachhabende Dffl- 
zier, ein voher Kurve, die Reiſenden flatt in ein Quartier in den 
Stall verwied. No zu Anfang des 19. Jahrhunderts fol Hier 
ein Katholikos der Armenier feine Meflvenz gehabt haben, der ein 
vesverblicher Nebenbuhler feines Gollegen in Etſhmiadzin war; 1831 
war nicht einmal mehr ein Bifchof daſelbſt zurüdgeblieben; C. Smith 


>) A, Jaubert, Voy. 2.20. *°) E. Smith, Miss. res. p. 417. 
— 





Eupbratfoftem; Murad, Utſh Kiliſa. 651 


and nur 5 Dartabens und einige Diaconen im ärmlichſten Zu⸗ 
Rande vor. Die Ruſſen batten ihnen Vieh und Leute entführt, 
such den Superior batten fie gewaltfam zus Auswanderung ges 
mungen, weil fonft die andern ihnen nicht gefolgt fein würben. 
So gerieth dad Klofter jammt feiner Schule ganz In Verfall. 

Be der Weiterrelſe vom Klofter, auf der großen Heerſtraße ge= 
zen Weſt, paffirte E. Smith nach einer halben Stunde eine Stein- 
brüde über ven Murad, blieb aber dann immer an beffen rechten 
ober nördlichen Ufer, wo er zahllofe Heerden wilder Enten 51) und 
Bänfe bemerkte, die Hier wol auf ihrem Durchzuge fein mochten. 
Rechts breitete fich nicht nur ein weites waldloſes, fonvern völ« 
lig baumleeres 2) Weldeland aus, bis an bie begrenzenden 
Berge; Links ein Ähnliches; überall zogen ſich zur Seite, am 
18. April, noch Schneefelver Hin. Man ſah nur bie und da 
verfallne Hütten, aller Anbau fehlte; in 2 ober 3 noch bewohnten 
Dörfern hauften Kurven, hier zumal im Sommer ald Räuber ge 
fürchtet, wo ihre fchwarzen Zelte, zerfireut auf ven Höhen ver Dale 
laks, ihnen mehr Schlupfwinfel gewähren, während fie in ihren 
Binterbörfern leicht zu controlliven und zu beftrafen find. Mehreren 
bes Schäfer begegnete man bier mit ihren Heerden und mit frifchs 
gebornen Lämmern, vie fie, weil fie noch zu ſchwach zum Laufen 
waren, .in ihrem Bufen trugen, ein Bild des Propheten, fagt der 
Miffionar, im antiken Styl. Alle Heerden, ja jedes Stüd Dich, 
muß hier im Lande der allgemeinen Raubſucht und Dieberei wegen 
feinen Wächter haben, um vor Menfchen und Raubbeſtien wie Hyde 
nen, Wölfen u. a., die nicht weniger als jene überall auf Beute 
ausgehen, geflyert zu fein; deshalb man auch des Nachts Die Heer⸗ 
ben nie im Freien fchlafen laſſen Tann. Diefe unermeßlichen 
Weideländer Armeniens und Kurdeftans bieten durch Ihre 
zahlreichen Heerden ven Bewohnern dad Kauptmittel des Erwerbes 
dar, und verfehen faft alle großen Märkte der Türke, zumal aber 
Gonftantinopel mit Schlachtvieh, welche Capitale nach Jaubert 8°) 
allein von hier aus jährlih ihre anderthalb Millionen Schaafe 
zugeirieben erhalten fol. Diele von viefen kommen freilich ſchon 
auf der Wanderung dahin um. Jede dieſer Heerden, 1500 bis 2000 
Stud, wird von ein paar Hirten geleitet, die auf ven hoͤhern Nüden 
ber Weideländer, die großen Heerſtraßen vermeidend, gegen Welt 


ss) E. Smith, ins. res. p. 423, 63) A. Jaubert, Voy. p- 19. 
2) Gbend. © 








be 


- Xfhelebi im Dſhihannuma, nach Indſhidſheans Angabe,56) Hier au. 


652 Weft:&ften. I. Abthellung. J. Abſchnitt. 8. 37. 
ziehen, und an 17 his 18 Monate Zeit brauchen, ehe fie den Be 


porus erreichen. Eben fo liefern fle in Kriegszeiten ven Armen 


den Hauptproviant, und berfelbe erfahrene Beobachter verfichert, daß 
ſelbſt in Syrien und Aegypten vie türfifchen Heere, bie mit ben 
Franken in Krieg flanden, meift durch die Viehheerden dieſer kurdi⸗ 
fchen Htirtenflämme ernährt wurden. Aleppo, Damaskus, felbfl 
Beirut, erhalten von bier aus regelmäßig ihr Hammelfleiſch 
überall ift e8 dad Schaaf mit dem Fettſchwanz, dad nur ällein Ha 
bis Trebiſond von Eli Smith gefehen wurde. Sein perfifcher Reife 
Begleiter bis zu dieſem Hafenorte war verwundert, bort bie er ſten 
Schaafe von der europälichen Art ohne Fettſchwänze zu fehen, fo 
wenig kommen diefe im Orient vor. Durch dieſes Heerden⸗ und 
Hirten» Lehen hat fih auch der Hirtenhund 5*) hier zu einer ſch 


großen Anzahl vermehrt; er ft von enormer Bröße, ungemein wih 
- von Ausſehen, und faft eben fo wie der Wolf dem Reiſenden ge 
fährlich. 


J. Brant, der Mitte September denſelben Weg von uiſh⸗ 
nach Kara⸗Kiliſa zurücklegte, 55) fand alle Zwiſchendoͤrfer von 
Terekehmes (ſ. oben & 352) bewohnt, bei denen zu verweilen 


er nicht für ratbfam hielt. Vor Sonnenaufgang war, e& ſchon ſeht 


alt; auf halben Wege erreichte er das Dorf Allegbur, wo er 
einen Zufluß des Murad, von Norvoft herabkommend, paffiren mußt, 
der bei dem Dorfe einmündet. Gier raftete eine große Karawane 


son georgifchen Kaufleuten, die nach Tauris beflimm: waren, m 


englifhe Fabrikate dahin zu führen. Ste waren die Nacht hindurch 


marfchirt, weil ihre Dlaulthiertreiber Perfer waren, die den Rab | 


marſch ſtets dem am Tage, felbft zur Winterzeit, vorziehen. Jenſei 


des Dorfes macht der Muradſtrom eine Biegung; zu feinem Ufe | 


binabfleigenn ſtieß man auf einen großen Trupp Reiterei von Re, 
die einen Zug von Zibelli Kurden, aus 15 Zamilien mit SB 


been, Kindern, Vieh und gelten beftehend, zum perflichen Gebet 


edcortirte. Brants Weg ging immer auf der rechten Uferfelte ziel 
ſchen hoben Gratebenen bin, denen gegenüber am linken Ufer der 
Ort KRalafur lag. Dann bog fi ver Murad, der von Kyab 


den Namen Tfharmur, d. i. dluß Mur, tragen fol, zur Linken in 


384) Bli Smith, M.r. p.426. 55) J. Brane N Notes etc. Lc. Joum. 
of the G. Soc. of London. X. P. 8. p. 428, vo, Yurfhinfiean, 
Nen⸗Armenlen. Th. 1, Mir, 0. Riemann, - 


S 





\ ch BE Mu m pr m: 2C 





Euphratſyſtem; Murad; Melazgherd. 653 


Thale gegen Süd hinab, indeß an feiner rechten Uferfeite das hohe 
Zafeland mit fruchtbarem Boden überfitegen werden mußte, an deſ⸗ 
fen Abfalle zum Strome die Dörfer Ziro und Dunyapli paflırt 
wurben, die auch von Terekemehs bewohnt find. Bel Iegtekn endete 
dad hohe Tafelſand durch einen plöglichen Abfturz, ven ein paar 
rechte Zubäche (einer davon wol der von E. Smith genannte 
Kortfbat) zum Murad umfließen. Bon bier aus erblidt man am 
füplichen Horizont ven Sipan Dagh (f. 06. ©. 328), ver tief 
herab mit Schnee bevedt war, und auch bie Orenzberge der Thal⸗ 
ebene gegen Norden trugen ſchon Ihren Schneeüberzug. Kurz dar⸗ 
auf wurde am Ende des Tafellandes das Ärmlihe Dorf Kara 
Kiltfa erreicht, dad nach den fchwarzen Mauern einer verfallenen 
Kirche feinen Namen erhalten haben fol. E. Smith”) fand dort 
nur Perfer, moslemiſche Shilten, als Bewohner, vie bei der Erobes 


rung Grivand von da vor den Ruſſen entflohen waren; darunter 


nur ein armenifcher Wirth, ver ihm beherbergte, der ganze Ort in 
größter Armuth, und bie ganze Gegend feit dem legten Durchzuge 
ber Rufien von Erzerum bis Bayazen voll Hungersnoth. 
Eieben Jahre fpäter, bei 3. Brants Durdyzuge, hatten fi ſchon 
wieder 35 armenifche Familien hier eingefunven. 

Bon hieran wendet fi) ver Muradtſhai nun für immer, und 
plöglich einen verengteren Thaldurchbruch bildend, gegen S. W. 
zum Thale von Melazgherd, wohin er feinen Ausgang erft durch 
eine Maſſe damald, Ende April, noch weißbeſchneiter Berge 
findet. Die hohe Tafelfläche, welche fein rechtes Ufer bisher ⸗bio 
zur Wenpung begleitete, ſandte an derfelben noch ein halbes Dutzend 
vom Schneewaffer angeihwollener Bache zu ihm, die in diefer Jahrs⸗ 
zeit gefahrvoll zu durchſehen waren; dann aber zieht fle fich eben⸗ 
falls, wie der Strom, ſüdweſtwärts, und bleibt deſſen Begleis 
ter, da fle eigentlich die Fortſetzung des Höhenzuges vom 
Ararat und Ala Tagh (f. ob. S. 382, 383, 470, 483) iſt, melcher 
fih weſtwärts an ben hohen Binghol Tag (I. of. ©. 386) an= 
fchließt, und ald erhabne Wafjerfcheide 59) zwiſchen Frat und 
Murad (Capotes der Alten, f. of. ©. 81, jegt Dujit Tag 
nach DBrant) gegen Südweſt bis zur Bereinigung beivep Euphrat⸗ 
arme fortſtreicht. 

Bon einer begangenen Karamwanenftraße, die tiefer Wendung 
des Stromthales gegen S. W. nach Melazgherd folgte, it ung kaum 





7) E. Smith L c. p. 420. 6) Ebend. ©. 428 











654° WeftsAften, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. g. 37. 


etwas bekannt, dagegen iſt die große Hauptfiraße zwiſchen 
Tauris uud Erzerum berühmt, welche aber bei Kara Kilifa das 
Murad⸗Thal verläßt, und, wie wir fchon früher anführten, 
über Topra kaleh und ven Ruffabag- Paß nah Deli Baba 
(ſ. db. S. 401) durch die Landſchaft Paſin nah Haſſan kalah 
(ſ. ob. S. 388) zurückkehrt. Hier alſo wird der Ort ſein, wo wir 
über dieſe Route gegen N. W. und orientiren, ehe wir den Lauf des 
Murad felbft gegen S. W. weiter begleiten. 


Die große Karawanenroute aud dem Muradthale 
von Kara Kiliſa gegen N.W. nach Erzerum zum 
Fratthale. 


Dieſe muß aus dem Muradthal ven in N. W. vorüberge 
henden Höhenzug überfteigen, ver bier zunächft aber nur eine God 
plaine bilvet, die, als E. Smith fie am 19. April überfchritt, ned 
mit 2 Fuß hohem Schnee bedeckt war, deſſen ſchmelzender Zuftand 
eine höchſt befchwerliche Paſſage verurfachte und viele reißende Berg 
wafler bildete. Der Weg felbft war nur zu einem ganz eng hin 
durchziehenden audgetretenen und von vereif'tem Schnee gebilveten 
erhöhten Fußpfade zufammengezogen, ber ein befländiges Stolpern 
und Fallen der Laftihiere und Reitpferve veranlaßte, bio man To⸗ 
prafaleh nabe Fam. 

Diefer Ort wird noch zumellen von ben Armeniern mit feinem 
antifen Diftrietönamen Vagharſhagerd 59) genannt, dem ber 
Difriet von Bafrevant benachbart Tiegt. Die Moslemen nennen 
ihn Alaſhgerd (Ariſhkerd bei I. Brant), aber die gewöhn⸗ 
liche Benennung iſt von dem feftlen Schloß Toprakaleh auf dem 
Agri Dagh bergenommen, das für uneinnehmbar (f. ch. S. 349) 
gehalten wird, und ber Karamanenflraße gegen Norven etwas zur 
Seite auf ver Anhöhe Liegen bleibt, indeß der Flecken an ihrem Fuße 
paffirt wird. Diefes Toprafaleh iſt ver Hauptort des Bauch, 
und war 1838 ©) die Meflvenz ded Beg, Sohns von Behlul Bas 
ſcha (j. oben S. 341). Nur eine flarke Meile weiter gegen We 
liegt das Dorf Molla Suleiman, dad 7 Stunden, eine Kara 
wanenftation, von Utſh Kilifa entfernt liegt. Diefe Straße wird 
fehr häufig von großen Karamwanen durchzogen; Brant begegaeie 
hier einem Zuge von 1500 Saumthieren mit europaͤlſchen Waaten 





ss) St, Martin, Mm. sur l’Arm. I. p.124; Eli Smith, Mian, ron 
p: 428. ‘s) J. Braxt \. Q » 





Euphratſhſtem; Murad, Toprakaleh Strafe, 655 


für Perften beladen. Der Weg gebt an einem Zuflufie, vem She⸗ 
riyan Su (Sherrian bei Indſhidſhean), aufwärts, der, vom She» 
riyan Tagh kommend, gegen S.D. zwiſchen nievern Plateauhd⸗ 
hen herabfließt, und noch oberhalb des vorhergenannten Mu rad⸗ 
Durchbruches fich zu deſſen Strome einmündet. Die ganze Thals 
ebene von Alaſhgerd (f. oben ©. 345) reicht noch weiter gegen 
Weſt über Topra kaleh hinaus, und wird von Brant auf eine Ränge 
von 8 und eine Breite von 3 bis 3% deutfchen Meilen gefchäht; ‘der Vo⸗ 
den ift nach ihm fehr fruchtbar, trefflich bemäfirrt, und etwa mit 30 
Dörfern bejegt, davon jedoch nur 3 armenifche Bewohner haben; 
Kara Kilifa und Molla Suleiman nehmen fie ausschließlich 
ein, von ben 200 Häufern Topra kaleh's ift über die Hälfte von 
Armeniern bewohnt. Alle übrigen Ortfchaften hatten zu Brants 
Zeit nur Terekemehs und Kurden zu Bewohnern Molla Su- 
leiman hat nur 35 Familien, alle andern Dörfer find Eleiner, und 
der Schöne Bau Fönnte ſehr wohl die doppelte Population ernähren. 
Bon Mulla Suleiman beginnt erfi die Gebirgspaſſage 
fiber die erhabene Waſſevſche ide höhe zwiichen bem obern Mu⸗ 
rad und obern Arared, die dort unter dem Namen des Kuffa= 
dagh bekannt ift, und ven Bau Alaſhgerd vom Pafin- Gau 
ſcheidet. Sie ift fo befchwerlich, daß feine Araba (Zweiräderkarren, 
f. oben ©. 386) fle paffiren kann. Zwei verſchiedene Päſſe füh- 
sen ©) hinüber. Der eine durch dad Dorf Dahar, ver vorzuge« 
weile von den Karawanen befucht iſt, wie von einzelnen Reifenven, 
weil er im Winter wie im Sonmer gangbar if. Der andere 
windet fich unter dem hohen Kuſſadagh (Koſeh Tag b. Brant, 
wel richtiger Kuſſeh Dagh nah A. Jaubert, &) vd. 5. Berg 
ohne Bart, d. i. waldlofer Kegel; Kus Dag im Dſhihan⸗ 
auma, fonft auch Djedek genannt) hin, unter deſſen Pik am Buße 
das Dorf Mulla Suleiman liegt; aber diefer Weg wird felbft im 
Sommer nur felten von NReifenden genommen, aber nie von Kara⸗ 
wanen, Weil er im Winter ganz mit Schnee verrennt und auch im 
Sommer bejchwerlicher if. Doch ift er der Fürzefte, und darum 
wurve er von I. Brant in der noch guten Jahreszeit vorgezogen. 
Der Eonful begann von Mulla Sulciman um 6 Uhr das Auf 
fligen, dicht unter dem nadten Kegel bin, vefien Geſtalt der des 
Ararat verglien wird. Da feine Balls fchon jeher Hoch Tiegt, ſo 
ericheint er relativ niebrig, zeigt aber, vom Sipan Dagh aus geſe⸗ 


°ı) J. Brant l. c. p.428. 22) A, Jaubert, Voy. p. IR. 








656 Weft:N fin, Un Abtheilung. 1. Abfchmikt: 4. 37. 


den, daß er gegen 8500 bis 9000 Buß abfolute Höhe erreichen mag. 
Der Schnee bleibt jedoch Im Sommer nicht auf ihm. Ilegen, und 
am, 17. September war er auch von friſchgefallenem noch gang fee. 
‚Höher auf wurde ein Bergthal Chat Derehfi mit einigen Dorfe 
rulnen pafit, von benen man aber nur noch Steinhaufen Kemerig 
zwiſchen zufammenlaufenden Bergicluchten, welche ver Gammelplag 
kurdiſcher Raubhorven vor dem Jahre 1833 waren. Seit dieſer Zeit 
wurden fie beffer in Zucht gehalten. Bon Chat bat: man vew 
neuem emporzufteigen in enger Schlucht an einem Bergflrome, defe 
fen Ufer mit Unterholz dicht bepagjfen find, bis man die Gul- 
mination des Paffes, eine ganz nadte Höhe, erreicht, von wel⸗ 
get dad Abſteigen beginnt, durch ſhne Welvethäler, voch ohr⸗ 
Dörfer. Dieſe, vermuihet Brant, winden ſich wahrſcheinlich zur 
Station Deli Baba; er ſelbſt aber verließ fie, um einem directern 
Wege über einen zweiten Bergrüden zu folgen, auf deſſen Hg 
ein Kurdendorf, Haji Khalil, paffirt wurde, che man wieder zum 
Hinabfleigen zu dem Dorfe Deli Baba gelangte, das erſt um 
3 Uhr Nachmittags nad) 9 Stunden Marſches erreicht warb; ned 
Schyigung eine Diftanz von 54 geogr. Meilen (26— 28 Mil engl). 
Die Bagage konnte erſt 2 Stunden fpäter denfelben Marſch vollenden 
* Deli Baba ®) hat nur 35 armeniſche Familien zu Vewoh⸗ 
nem, die ftarfen Aderbau trieben, aber unter fo großem Drud flan- 
den, daß / ſie es beflagten, nicht mit den Ruffen nach Georgien ae 
gewandert zu fein. Der Grundherr des Dorfes, ein Officer der 
Sipahis in Erzerum, erhielt ald Abgabe 100 Somar Waizen (= 
4100 Bufpel), die &. Smith Im Werthbetrag zu 80 bis 85 Pf 
Sterling anfdlägt. Der Arared fließt nur 2 Stunden im Nordes 
des Dorfes vorüber, daß feinen Namen Deli Baba (vd. I ver 
rückter Baba oder Vater) wahrſcheinlich von einem Heilig ger 
Haltenen Türfengrabe erhalten hat. Das Dorf liegt ſchon in Ba, 
nur wenige Stunden fern von Khorajan (fr ob. ©. 405) und der 
Tagereiſe fern von Haflanfalah (f. ob. S. 391). €. Sufls, ver 
zu Mulla Suleiman in ver naßkalten Jahreszeit bei zwei mens 
niſchen Matronen zwar eine freundliche Aufnahme, aber doch nur 
Schmug und Armuth fand, und nur in einem Gtale mit 40 Mb , 
hen fein Nachtquartier angewieſen erhalten Eonnte, folgte ber Kin 
gern, aber minder ſteilen @ebirgöpafiage über Daher, %)- diem 





ses) J. Brant U. c. · AR, **) Eli Smith, Missionary reseas- 
es P« 433. 





Enpbratfgft.; oberer Murad; Toprakaleh⸗Straße. 657 


fo wie frühe I. Morier, 65) deſſen Beſchreibung viefer ſehr ma- 
Terifchen und romantifchen Paffage auf das erfreulichfte mit der von 
Smith übereinftimmt. Er fand am 20. April jedoch auch da el⸗ 
nen hoͤchſt beſchwerlichen Schneeberg unter Sturm und Hagel, 
durch Did und Dünn von Schlamm und Schneewegen, und nicht 
ohne Befahr zu überfleigen, worauf 6 Stunden: bis zur Erreichung 
des Dorfes zu verwenden waren, doch olme bie Bagage: benn bie 
Maulthiertreiber konnten erfi um 9 Uhr Abends Ihe Quartier er- 
reichen. : Nur während einen ober Höchftene 2 Monaten im Jahre 
fol bier ver Schnee ganz wegfchmelgen; ven übrigen Iahrestheil 
bleibt auch dieſe Paſſage imnier ſurchtbar durch die vielen Riffe und 
Abſtüͤrze, vie ihr deshalb den omindfen Namen Geduk⸗Dagh 
( d. i. der gefpaltene Berg) gegeben haben. Ein großer Theil 
der Bagage, die man hatte im Schnee ſtecken laſſen müſſen, nöthigte 
zu einem Raſttage in Dahar, auch hatte ſich ein Laftpferb unter 
mwegd auf der Stelle todt geftürzt, und dies mußte erfegt werben. 
Der Wirth, ver Aga (d. 1. Dorfichulz), war ein hoͤchſt habgieriger 
Kurbe; nur gefäuerte Milch (Dughurt), mit Wafler gemifcht und 
mit Brotfrumen, war die einzige Speife, vie er vorzufegen hatte. 
Auch A. Jaubert fand bei, feiner Paffage über dieſen Paß, ven 
er Djedek (d. i. Gedük) nennt, freilid mitten im Winter, am 
13. Februar 1806 , große Noth; ©) es war fehr kalt, alles mit 
Schnee bedeckt, und in den Schluchten lagen die Kabaver- einer vor 
wenigen Tagen von. einem Orkan überfallenen und im Schnee er⸗ 
feornen Karawane. Auf vemfelben Paß, den wol einft Zenopheon 
mit feinen zehntaufend Griechen überftieg, als er in das Land ber 
Bhafianen eindrang (Xenoph. Anab. lib. IV. 6, 5), mußte fich 
auch er, wie jener, die Augen mit ſchwarzen Schleiern gegen bie 
Schneeblendung verhüllen. Derſelbe Paß ift bis heute Grenzgebirg 
verſchiedener Völker und Territorien geblieben. 

Bei viefem Dahar Hatte Schulz noch eine prachtvolle 
Keilinſcherift, die weftlichfle von allen, bie er aufgefunden, ent» 
det (f. Erdt. TH. IX. S. 989, obmol keineswegs die abfolut weſt⸗ 
Hichfte, |. ebd. S. 309, 990), und hier im legten weſtlichſten Dorfe, 
das zum Paſchalik Bayazen gehört, ſah E. Smith die Iegten 
Kurden, und von ba an über Erzerum bis Trapezunt Feine mehr. 
SWie wenig verſchieden die Zuſtände der Gultur feit jener antiken 
Perſerzeit 518 Heute in dieſem Gebirgölocale! Weiter weſtwärtte 





°s) J. Morier, Journ. I. c. p:315. °*) A Jaubert, Voy. 9.0. 
Nitter Grhfunde. X. xt 


= 








658 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung, I, Abſchain. 4.3. 


kann das eigentliche Land der Kurden nicht ausgedehnt werden, 
ohwol fie fi) von da an auch ſchon weiter nordwärts Uber Kart 
bis Akhalzike in neueren Zeiten durch einzelne Ueberfälle verbreitet 
Gaben. Aber weber ihr Land ned ihre Sprache reicht weſt⸗ 
wärts über.diefe Berge hinaus. Die moslemiſche Popula⸗ 
tion, von hier an ofmärts, unterſcheidet ſich doch eben fo ſehr im 
Sitte, Character und Sprache von den Kurven, wie die der Türken 
| von denen der Klein-Afiaten. Ale Kurden fpredien 
türfifch und. meift auch armeniſch; doch vie kurdiſche Sprache 
iſt bier auch bei ven Modlemen ganz allgemein geworben, und felbfl 
hei den dort wohnenden Ebriften. Der weftlihfle Kurdengau 
iſt das Sandſhak Mufh, das noch zum türkiſchen Kurdi⸗ 
fan gehört, welches in 8 Sandſhake zerfällt (in Bayazed, 
Muſh, Ban, Iulamerf, Amadia, Sulimaniceh, Kara⸗ 
tſholan und Zafu). 97) Ueberall in Horden und Xribus ge 
teilt, fich keineswegs als türkifche Untertbanen betrachtend, haben 
fie werer ven Cabuc (d. 1. den Turban), noch das ottomani⸗ 
ſche Kleid als Tracht angenommen, und behalten ihre erblidgen 
Arikofratien bei, aus benen fie dem Gouvernement ihre Pa⸗ 
ſchas und Begs zur Einfegung vorfehlagen. Bis an biefe Bremge 
zeicht ihr. Nomaden⸗ und ‚Hirtenleben, mie ihre Hoſpitalität und Ihe 
ewige Raäuberei, durch welche alle ihre Bauen fo unflcher und ge 
fahrvoll zu bereiien find. Nur erft in neueren Beiten haben fie 
einzelne ihrer .Raubparteien auch noch weiter gegen ven Welten 
vozgeichoben, wo vordem Turfomannen aueſchließlich die 
Weagelagerer und Nomadenhirten waren. 
Erſt am dritten Tage konnte Eli Smith von Dabar®) 
aus feinen Weg gen Erzerum fostfeken, ber ihn nach 4 Stuben 
—* zur Station Deli Baba führe. Der Weg ging ww 
abwärts von ver Berghöhe, und fehr fehnell war ver Uebergang 
and ver Falten Winterregion in den lieblichen Frühling, 
der fich in dem Paſin⸗Gau, welcher nun betreten wume, fihen 
verbreitete. I. Morier traf bei feinem Uebergange am 13. Juni 
hier den erſten Brühlingsanfang, der ſich ihm durch das junge 
Layb einzelner Weidenbäume und Platanen kund Ahakı : &8 
ging nun an einem Bergabfalle mit einem wilden Stutzbachs syn 
über, und dann durch einen Engpaß, Kara derbend, u 4 vu 
Ihwarze Thor, genannt, zwiſchen enormen ſenkrechten Seiutiigieek 


»*7) A, Jaubert, Voy. 2.7.  °*) E. Smith,’ Mine. zen DAR 





Euphratföftem; Muradlauf bis Muſh. 699 


hindurch, die wie Vorpoſten ven Eingang In das mehr ſanft wel 
Lige Bafin mit fhwelligem GSügellande auf feiner Pla- 
teauhdhe bezeichnen, wo überall pflugbares Land und fehr frucht⸗ 
barer Boden folgt, obwol er keineswegs überall bebaut wird. Daß 
Darf Deli Baba blieb rechter Hand Tiegen, fo wie das große Dorf 
Khoraſan am nördlichen Arareöufer, worauf, nah 9 Stunden 
Weges von Dahar, das Nachtquartir m Ramatjor genommen 
wurbe, von wo aus die große Karawanenſtraße über bie 
Tſhoban koͤpri in 11 Wegſtunden Marſches nach Erzerum führt 
di. eben ©. 394). | 

Wir kehren nun zum Xhalgebiete des obern Murad zurüd. 


2) Der Murapdlauf von Utfh Kilifa bis Muſſh. 


Bon Utſh Kilifa, wo ver Murad nach Indſhioſhean die 
erſte Brücke, aber nur von eimem Bogen bat, und von dem She⸗ 
riyan Tagh an gegen Süoweft, über Melazgherd bie Muſh, 
breitet fich eine jener Landſchaften aus, die wir gegmmärtig noch 
faR gänzlich zu der Terra incognita rechnen müſſen; wir wiffen faft 
aut, daß der Murad dieſelbe durchzieht, aber auf welche Weiſe tft 
und faſt ganz unbekannt; denn die kurdiſche Mäubergebiet hat fat 
alle Reiſende von feinen Grenzen zurückgeſchreckt, große Handelsſtraßen 
Zehen nicht hindurch, und einzelne Meifende können von Glück fa- 
gen, wenn fie beim Durchfluge mit dem Leben over fonft ungepluͤn⸗ 
bert davon kommen. Don Beobachtung In einem foldyen Gebiete 
faun daher gar nicht Die Meve fein. Wir haben nur Namen und 
Bermuthungen anzuführen. 

Die Entfernung vom Sheriyan Tagh bi6 Melazgherd 
fihägt I. Brant auf 36 engl. Miles (7 bis 8 deutſche Mellen), 
von da bis Khinis auf 24 (5 ventfche Meilen); ven Zwiſchen⸗ 
raum ließ er ſich als eine hochgelegene wellige Plateaufläche 
befchreiben, 9) aber nur die Strede von Khinis nach Mufſh 
am Kalah Su und von da am Kara Su aufwärts, von Muſh 
nad Bitlis, ift von ihm bereifet worden; er lernte daher nur die 
Seitenthaͤler keanen, das Hauptthal des Murad aber nicht. 
Ben Mrof. Schulz, ver dieſt Gegenden durchforſcht zu haben 
ſcheint (1827), da er nach Keilſchriften in Ghunus (Khinis It 
J. Brant, ſ. ob. S. 386), in Muſb, Melazgherd und Bitlis 
vergeblich fuchte, ©) aber Dagegen vergleichen zu Dahar, noͤrdlich und 


es) J. Brant l. c. p. 427. Toy, veffen Memoise {m Journal 
Asiat. 1840. p. 259. 2 
. t 














660 Weft-Afien. III. Abthetlung. I Abſchnitt. $.37. 


nicht fehr fern von Melazgherd, fand (f. Erdk. IX. ©. 209 um 
989), ift leider fein Tagebuch noch nicht dffentlich erfchienen, dab 
dereinft wol viefe Lücke in geographiſcher Hinficht ausfüllen möchte. 

Bor ihm hatte, fo viel wir wiflen, nur allein. JSaubert auf 
feiner abenteuerlichen Erpebition nach Bayazed (f. oben S. 340), 
mehrmals hin und zurüd, um auf feinen Wege vie Hauptfiraßen 
au vermeiden, dieſes gefahrvolle Hochland im Norden von Muſh 
quer durch von Wer nach Of, über Melazgherd, —— 
und von der Vulkanität der dortigen Felamaſſen geſprochen; was 
er darüber berichtet und mas ſonſt von dieſem Orte bekannt ward, 
iſt fchon früher gelegentlich mitgetheilt (ſ. Erdk. Ih. IX. &. 993 
und 994), fo wie feine Vermuthung über die Etymologie der Na 
men des Omiras und Murad (f. pb. ©. 83). ' 

Seine Stationen auf dem Hinwege von Erzerum über Khinis 
zum Murad, wo er die Brüde bei Melnzgherd paflixte (eb iA 
die zweite‘, fie fol nach Indſhidſhean 7!) unterhalb ver Stabt 
Melazgherd über ven Murad von Stein erbaut fein), um bann durch 
das Defille Tachcoum (Taſhkent nach Monteith, f. Erdk. Th. X. 
©. 994) In die Gewalt ver Heziven am Sipan⸗Dagh zu gelangen, 
werden nur genannt. Auf dem eiligften Nüdwege aus Berfien im 
Auguft des Jahres 1807, wo er vom Van⸗See aus faft niefelbe 
Direction verfolgte, gibt er nur folgende Angaben mit wenigen Be 
. merkungen. Bon Ardfiz am Van⸗See (ſ. ob. S. 322) ritt er am 
erften Tage bis Horchum, im Defile Tachco um (ſprich Taſh⸗ 
tum) gelegen; am zweiten legte er von da vie Wegſtrecke bis zur 
Brüde am Muradfluffe bei Melazgherd zurüd, und erreichte, noch 
weiter dem Stromufer abwärts folgend, Sultanteh, 72) ein elen⸗ 
des Dorf, in einer Ebene gelegen. Bon einer Höhe herab erblicke 
er einen weitziehenden Feuerſtrom, einen Wiefenbrand, ven die Kun 
ven abfihtlid an den fchon dürren Kräutern angezünbet, um bee 
durch den Boden zu Düngen. 

Am dritten Tage fehte er über einen rechten Nebenfluß ne 
Murad, den er Zuzla nennt, an deſſen Ufer eine Salzgrabe 
fich befinvet, von der diefer ven Nanıen erhalten fol. Diefer Bar 
fluß iſt noch nicht auf den Karten eingetragen, er muß abes mei 
von. N. WB. herabkommen, und kann nicht ganz unbedentend fol, 
ba er felbft im hohen Sommer nicht furthbar war, ſondern anf 





a 11) Indſhldſhean, Neu⸗Arm., u. Betermanns Mſc. 2) A, Janbert, 
Voy. p. 1. nn 


% 





Euphratfäftem; Muradlauf bis Muſh. 661 


einem Flooße von Schläudyen überfegt werben mußte, das er un⸗ 
bequem und nur langfam hinüberbrachte; die Pferde ließ man neben 
ber ſchwimmen. (Sollte dies vielleicht ver Avi Mafi, d. h. Fiſch⸗ 
fluß, fein, ver fo groß wie der Zab fein, und zwiſchen Shoſik 
und Khamoor fließen, nahe dem Dan See entſpringen und in 
den Murad, nahe Melasgherd, fich erhießen, wie von I. EI. Rich 
erzählt wurde, und reich an Borellen fein ſoll)7)) Das Nachtquar⸗ 
tier ward in Kara tſchoban (Schwarzer Schäfer) genommen. 
Am vierten Tage, ben 17. Auguft, wurde der Paß über ben 
AL Dagh (Weißer Berg) zurüdgelegt, und das Nachtquartier 
am obern Araxes im Dorfe Kulli genonmen. Dies ift iventifch 
mit dem oben genannten Roili, 5,539 F. üb. d. M. gelegen (ſ. ob. 
©. 387). Hier trifft alfo JSauberts Route mit I.Brants Route 
von Erzerum, über Koili und Khinis, nah Muſh zufammen, 
was biöher unbeachtet geblieben, aber topographifch Ichrreich für die 
dortigen Gommunicationen If. Noch 3 Tagemärfche waren von da 
an notbwendig, um Erzerum zu erreichen. Der erfle am 18. Aug., 
alfo in der günftigften Jahreszeit, führte nach Tatu (? mol auf 
einem nähern Wege als über Eipler); ver 19. Aug. über den Gipfel 
Bi hohen Tel Dagh (ein Name, ven auch ſchon Kinneir 1814 

bei feiner Paſſage?*) hier nennen hörte), von welchem herab ver 
Blick über alles Land bis zum Ban See, und gegen SW. fogar. 
bis zu den Ebenen von Diyarbefr reichen fol; ein Panorama das 
Jaubert für viel Impofanter ausgibt, als alle Umfichte in den Alpen, 
Borenäen, Apenninen und auf dem Hämus. Rings unıher waren 
noch viele der niebriger ald der Tek liegenden weitverbreiteten Höhen 
mit Schneefelvern überzogen, in denen ver Araxes, vie beiden 
Euphrate und ver Tigris ihre Ouellen haben. Bon Melaz- 
gherd an bis hieher, fagt Jaubert, reichte jened mühfam zu über- 
fleigende gewaltige Plateauland, von dem er nur hinabzu⸗ 
eigen hatte in vie Ebene von Erzerum, dad er am GSchluffe 
ves dritten Tages nach einem fehr ſtarken Marfche höchſt er- 
mũdet erreichte. Der große Schneereihthum gibt diefen Gegen⸗ 
den auch Wafferreihthum, ver bei dem fpäten Schmelzen bes 
Schnees in diefen Begenven, felten vor Mitte des Aprils,75) der Soms 
merhige ungeachtet, dad Land trefflich durchwäſſern und befruchten 





’®) 3. Cl. Rich, Narrative L c. I. App 3 - 377. 70) J. Macd. 
j , Journey treugh Asia minor. Lond, 1818. p. 3. 


’e A. Jaubert, Voy. p. 128, 





662 Weftsfien. TIL. Abtheilung. E Abſchaut. $.37. 


kann. Zuweilen bedecken ſich andh mitten Im Sommer bie Tälteen 
Höhen noch mit neuem Schnee, wie denn Jaubert noch am 27. 
Inni in Erzerum ſchneien fah. Auf vielen Höhen bleibt der Schue 
faft dad ganze Jahr Tiegen. 

Das Pafhalit Mufh na ruſſiſchen Beriöten. 

Bet folcher Sparfamkeit von genauern Beobachtungen über 


das antife Daron und die ganze zugehörige Landſchaft, die gegen⸗ 


wärtig zu dem Paſchalik Mufh gerechnet wird, müſſen wir uns, 
außer ven weiter unten mitzuthellenden Routiers ber Briten, 
mit dem ſtatiſtiſchen Berichte über dieſes Paſchalik begnügen, 
welcher den Erkunbigungen der Ruſſen während ihres letzten 
Feldzuges verdankt wird, deren Routiers nach Muſh fchon früher 
mitgetheilt find (f. 06. &. 355). Als file Herren von Bayazed und 
Erzerum geworden waren, fand ihnen auch ver Weg nah Muſh 
offen. Die Einwohner des Bergortes Khinis Überbrachten ihnen 
fogar freiwillig die Schlüffel zu Ihrem Caftell und baten zugleich 


um Schonung und Schuß gegen bie Kurden.) Da auf fenen 


Bergrüden das trefflichfte Pferdefutter und ein Ueberfinß von Pfer⸗ 
den if, fo war den Ruſſen diefer Befitz von Wichtigkeit; vie Bage 
von Khinis auf der Straße nah Muſh bot ihnen Gelegenhen 
auch deſſen Pafcha in Ihr Intereffe zu ziehen, doch hiel ten bie be⸗ 
ſchleunigten Friedenstractaten vie Ruffen für diesmal noch von einen 
förmlichen Befuche im dortigen Muradthale ab, wohin nur eingefme 
Gtreifcorps vorbrangen, die aber nicht plünverten, fondern des fe 
zahlten, um fich dort einen belichten Namen zu verfchaffen. - 
Das Paſchalik Muſh“) grenzt gegen Oft an bie Pfeil 
Ban, gegen N. an Bayazed, gegen W. an Erzerum, gegm 
S.an Diarbekr. Der Paſcha, meiſt vom kurdiſchen Stauue, 
aus erblicher Familie, iſt bald Ban, bald Erzerum untergeäee, 
aber meiſt independent durch feine Lage. Drei ziemlich 
Diſtricte oder Kreiſe nehmen das Paſchallk ein: Muſh, 2 
und Suſſan. Die Gebitge Binghol und Keffir Dagh 
KuffenY begrenzen ven Kreis Muſh; ein ſchneebedecktes 
Birg, Über weldies nur 4 Fußpfade führen, vurchſchneidet Wr’ dis 
dern Diftricte, deren Lage uns nicht näher bezeichtiet intth. Fr „er 
Der bei Diadin entfpringenne Rurad, bei” 
auch Afharmur, d. i. Fluß Mur, ober Chamnr want; 
— — — ⸗n 411 


u v. afaetof! Geſth. der des Beuscaf Yesktuiißire: . 
©, 163 m, Shen LO -MB furı .A ig D 












- 





Enphratſhftem; Muradlauf bis Muſh. 008 


ans 4 großen Quellen hervortreten läßt, die fich auf ver Ebene von 
Bayazed, nah dem Gihannuma, auf 4 Stunden verlieren ſollen, 
biſdet nach langem Laufe durch das ganze Paſchalik an deſſen Weſt⸗ 
grenze bei dem Dorfe Gurgur, dad 6 Stunden in Welt unten 

halb der Stadt Mufh liegt, einen bedeutenden Waſferfall. 
Died beätigt Inpfhipnfhean,”®) ver die Lage 2 Stunden won 
Gurp Garabied angibt, und nicht den Ort, fondern den Waſſer⸗ 
fur; von 6 Ellen in die Tiefe ſelbſt Kurkuor nennt, wegen 
Des Betdfes fo von den Anwohnern genannt. Unterhalb viefes 
Waſſerfalls breitet ſich, nach Indſhidſhean, dieſer Murad 
im der weitern Ebene von Tſhabaghoſhur aus, und zieht 
dann in der verengten Thalfluft an dem uns wiener befannten Palu 
sorüßer. Der Arm eines Tigriözuflufes, Shallach genannt, fagt 
ver ruffiiche Bericht weiter, entfpringt an der Grenze (wol der Süd⸗ 
grenze; aber weldher der oben ©. 87 u. f. angeführten Tigrisquell- 
arme, bleibt uns unbelannt). Bin dritter Bluk, Megradek, ift. 
(wenn nicht der Kara fu damit gemeint wird) und eben fo uns 
bekannt; er fol auf dem Kerkur () bei dem Dorfe Nor» 
tean .entfpringen, na 15 Werft Lauf einen‘ Se, 30 Werft 
im Umfang, bilden, dann in fein Bette zurüdfchren und fich bei 
vom Dorfe Megakom (nad der ruſſiſchen Karte Mitchakom, 
zwiſchen Muſh und Khinis gelegen) in ven Murad fallen. Die 
fumpfigen Ufer dieſes Fluſſes, jagt der Bericht, ziehen eine Menge 
Bären, Wölfe, Eher und Hochwild herbei, auf die niemald Jagd ge⸗ 
macht wird. Noch ein andrer Fluß, Tiharbuhur, wird genannt, 
Der ſich brauſend zum Murad flürzt (diefen nennt auch I. Brant, 
Char Bukur Su, ein linker aus dem Binghöl von R.W. herab⸗ 
kommender Bergſtrom, der fich oberhalb des Kara fu, bei einer 
ſcharfen Suüdwendung des Murad, bei dem Kurdendorfe Korba Eu, 
in denſelben ergießt). 9) Indſhivſheans Neu⸗Armenien0) 
führt hier 6 Zuflüffe zum Murad auf, mit meiſt andern Namen, in 
denen jene ſchwer wieder zu erkennen find. Erſtlich der Scherrian 
in Chamur, alfo ver oberfle der Zufläffe in OR, den auch Brant, 
Sheriyan Su im obigen nannte; 2) ver Tſhar Malaskerti, 
d. t. ver Binb von Melazgherd; 3) der Tſhar Ehnufa, wol 
der weiter unten vorkommende Fluß von Khanus over Khints; 

M Wann der Tſhar buhnr; 5) der Mezraket in Ruf, mahe- 


‚. ens Ur, nach Pettimanas Die. 724 I. Braun 
a, p. * u *e) Mac Pelermanne Dir. 5 





| 


664 Wefi-Hfien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.37. 


ſcheinlich identifch mit obigem Megradek, und mit dem von Brant 

genannten Kara Su bei Mufh, obwol Indfſhidſhean dagegen 

formlich proteftirt, daß ein folder Name Kara Su bei Muſh in 

Gebrauch ſei, worin er doch wol irren mag, gegen bie Ausfage fe 

verſchiedner europälfcher Augenzeugen. - Seinen 6ten Zufluß zum 

Murad nennt er Tſhar, oder Dſhur Geghu, im Banton Tſha⸗ 

baghoſhur, der und fonft ganz unbekannt it,, aber den Waſſer⸗ 

fall Kurkuor nahe fein muß. 
Noch wird das Waller Sert (d. i. der Bitlis Fiuß, ſ. ob. 

S. 89), der dem Saſſunſchen Kreije eniſpringt und zum Tigris 

fücßt, genannt, wodurch wir die Lage dieſes Kreiſes wenigſtens ken⸗ 

nen lernen. Das Clima des Pafchalifs, Heißt es weiter, iſt eins 
ver beften nicht nur in Aflen, ſondern ver ganzen Welt; bier ſcheint 
das Even der Alten zu liegen, zwifchen Tigris und Euphrat. Die 

Bewohner find kerngefund, ver Boden ergiebig, dad Obſt vortreifiid, 

zumal ift die Weintraube durch Größe und Wohlgeſchmack aub 

gezeichnet; ihr Wein gilt für ein fehr geſundes Getränf. Man 
gibt 110,000 Einwohner beiverlei Geſchlechts im Paſchalik an, be 
von die Armenier ihre feften Wohnfige ‘haben, die Kurden um 

Turkomannen ald Nomaden umberjchweifen. Sie find indge 

fammt Eräftig von Körperbau, abgehärtet, vol Kriegslif. Bags 

und Meltefte ftehen ihnen vor, welche die Lehnsmänner des Paſcha't 
find. Sie zahlen Naturabgaben. Jagd, Viehzucht, Zifcherei, Bie 
nenzucht, Aderbau find ihre Hauptbefchäftigung. Sie Finnen über 

8000 Dann Fußvolk und Reiterei ind Feld ftellen. 

. Die Stadt Muſh, die im Urabiichen, Türfifchen und Syriſchen 
re einheimiſche Benennung heibehalten hat, war einft vie Gapkak 
von Daron,Sl) die Refidenz der Mamigonier, wie fie noch hewe 
die Hauptſtadt des ganzen Pajchalifs ift, vie Refidenz des Paſcha 
Sie enthält viele Klofterreliguien. Sie liegt am Fuß eines Berge, 
am Gingange einer weiten Ebene. Die Reflvenz des Paſcha iß va 
Gräben umgeben und von Thürmen gefchügt; eine kleiner Kiaf 
läuft durch bie Stadt, treibt. 10 Mühlen, und ergießt ſich Same 
busch den Megradek (ver alfa wol iventifch mit dem Rarafa id 
muß) zum Euphrat. Die Stadt hat 8000 Einwohner, Diele Gier 
werkſtaͤtten, Teppichfabrifen, Strumpfwirkerei und 

‚einige Bazare, Öffentliche Bäper, Karavanferale. Das: er 









’*1) St. Martin, Möm. sur !’Arm. Ep 10; IL Mn. A 
f en ta 








Euphratſhſtem; oberer Murad; Muſh. 6885 


Paſcha ik ein großes, fchöned Gebaͤude, vie Umgegend iſt maleriſch, 
durch wohlbebaute Felder und Weinberge gefchmürt. 

Zwei beſonders geheiligte armenifche Klöfter werden bier ge⸗ 
nannt, das eine Surp Garabiet over Tſhangly Kilifa (d. i. 
Changer, |. ob. ©. 553), da8 am Buße eined Berge anmuthig, 
6 Stunden von Mufh entfernt gelegen, mit einer Mauer und eifer 
nen Thoren umgeben durch Größe und Alterthum merkwürdig fein 
fol (den neueften Zuſtand Hat I. Brant geſchildert, f. unten); das 
andere Surp Ohannes (von dem Ichon früher unter dem Namen 
Utſh Kilifa, f. 06. S.350, vie Rede mar), das in gleicher Berne 
von Muſh, als das vorige, angegeben wird (aber wol weiter gegen 
Norvoft entfernt liegt) und Marmorbrüche haben fol. Saffun 
und Suſſan find von den Bamilien der regierenden Begs bewohnte - 
Sclöffer. Bitlis (ſ. ob. ©. 88 und Th. IX. ©. 1003 —1006), 
Kulp, Liſh (Liga), Bullamlyk, Hindſh, Tſhadak follen 
andern Begs gleiches Namens angebörige, ziemlich gut bevöllerte 
Stadtchen fein, deren Lage uns jedoch meiſt unbekannt if. Nur 
Liſh (Eyſa der Ruffen, Leefe bei Kinneir) iſt die einzige, die uns 
durch einen Augenzeugen befannt geworben, nämlich duch Mach. 
Kinneir,?) auf feiner Duerreife von Erzerum über Khinis 
und das uns unbefannte Daman und Karagul zum Murad, ven 
er auf einem Holzflooß von aufgeblafenen Schläuchen an einer 
Stelle überfepte, wo er fehr tief und reißend, und faft fo breit als 
der Zigris bei Moful war, an welcher das Dorf Mora Ing, 
von dem diefer wol auch den Namen tragen koͤnnte. Nicht weit 
von dieſeni Liebergange Fam Kinneir nach Lifſh (Xeefe), das nach 
ihm 8 Stunden in Of der Stadt Muſh liegen fol, was ganz gut 
mit den zuffiichen Beneralflabsfarten übereinftimmt. Bon Leeſe fand 
Kinneir einen guten gangbaren Weg bis Bitlis, der ihn über Alti 
Bayazed führte, dad Monteith auf feiner Karte eingetragen bat, 
worüber wir aber weiter feine Kunde erhalten Haben. Melaz⸗ 
gherd (Monad-ghird oder Manavazgherd, die einftige Ne 
fivenz der Manavaz Prinzen (f. TH. IX. S. 994) fleht auf einer 
Hochebene, 2 Werft oͤſtlich entfernt vom Murad, und ift mit hoher 
Steinmauer und Thürmen umgeben. Die Citadelle, ein uralte, 
ſehr Hoch gelegenes Gebäude, von Granitfels (von ſchwarzem 
vulkaniſchen Geſtein nach Iaubert) erbaut, iſt nur durch große 


*®) J. Maod. Linneit, Journ. thr. Asia minor |. c, De a a: 
vergl. Col. Monteith, Map of Georgia and Armenia, Tond, 1 


/ 


ZU EEE 


868 Wifktfien, THE. Abiheiluns. I. Mbfchmikt. $. 37. 


Artillerie einnehmbar und liegt im Öften der Stadt vor. Gem 
eine flarfe Garniſon berbergen, aber eben fo wol von einer kleinen 
Truppenzahl vertheivigt werden; ein Brunnen im Innern ber Eite- | 
delle verfteht fie reichlich mit Waſſer. Die Schanze Kalch-rapiä 
Hegt im Gebirg an ver Straße zwifchen Melazgherd und Muſh. 
Bon den biftorifch fo Intereffanten Ortfhaften Khoren oder Cho⸗ 
runi, der Heimath des Mofes Khor., wie von Hercan ever Mer- 
can, der Heimaih des Philofophen David (f. ob. S. 562, 569), 
haben wir leider in der neuern Topographie dieſes Landes noch Leim 
Spur wiedergefunden, um ihre Lage genauer iventifleiren zu koͤnnen 
Nach ver armenifchen Geographie lag Khoren In ver Nähe dei 
berühmten Klofter am Fluß Madnevankh, bei Aſhdiſhad (ſ. eb. 
©. 554), 2 Stunden Wege (offenbar weſtwärts) von Mufg. 8 
hieß Ghazaron Bankh,.d. i. Lazarus Klofler, auch Ehe 
zaron Vankh (Elenzars KL), auch Arhathelots Vankh, vi ¶ 
Apoftel» Klofter; im Unfang des Aten Jahrh. hatte Khoren 1900 
Käufer und fonnte 700 Mann Reiterei und 1700 M. Fußvolk ſtellen 
(nach Zenob. Hist. de Daron .p. 70, 71).8) 
Zwei Hauptfiraßen verbinden Muſh mit Bayazer 
Die eine geht von Muſh über Kaleh⸗radſh, Melazgherd 
und das Dorf Tſhelkan dahin, in Summa 204 Werſt (an 29 
g. Metlen) meift durch fehr fruchtbares Land, nicht ſehr beſchwe⸗ 
lich, aber an einzelnen Stellen für Heeresmärſche ver Ausbe 
»  fehe bedürftig. Die andere geht mehr nordwärts, von.Maufh 
Über Khinis (Khniſs), Melazgherd und Topra kaleh, uw 
beträgt 300 Werft (an 43 g. Meil.), fle iſt nicht weniger unbe 
um. Don Melazgherd, das 10 Stunden Wegs von Uri 
entfernt fein foll, gist C. Niebuhr, nach Hörenfagen, ein are 
⸗ niſches Routter,®®) das von erſtgenanntem Orte in 9 Stunden uch 
Boftanvist, in 8 nah Jeſidkoi, in 11 nad Rellittor⸗ 
im 8 nah Khinis (Khanis) Führen foll. Ä “ng. 


%-Brant und Biscoumt Pollingtons Reiferonten. AM) 

Durch dad Bafhalit Muſh; mit Zufägen ans; ap 

Bilbrahamoe und ſ. Southgates Berichten (AEN:r 

\ Bon Erzerum über Haſſan kalah bis Reit, em want alten 
Umfläffen des Araxes, haben wir ven beikifähen € 


s0 artin, Möm. =. FArm. 1. ni 02. Kl ee 
erben san Mcken Krakes, TE: Baer rer ar 









⸗ 


Euphratſ.; oberer Muradlauf; J. Mrants Routier. 667 


J. Drant zu Trapezunt ſchon früher begleitet (ſ. ob. 386 u. f.). 
Bon da am fehte er feine lehrreichen Beobachtungen und Wande⸗ 
mngen, weldje durch ein genaues Routier, durch aftronomifche Orks 
eſtimmungen, Höhenmeflungen una Winkelaufnahmen für Karies 
mwapbie einen beſondern Werth erhalten haben, auch durch einige 


Beitentbälee oberer Quellzuflüſſe des Murad weiter fort, 


ch Muſh oſtwärts bis Bitlis, weſtwärts bis Balu und Khar⸗ 
put, wohin Mir ihn demnach jet, zur genauern Kenninif von 
veren zugehörigen Landſchaften, zu begleiten haben, ehe wir zu den 
ebrplicheen Thaͤlern des Frat übergeben. 

Am 23. Juni 1838 verließ I. Brant das geringe Kurdendorf 
Reiti®5) auf alpiner Höhe, ſechſtehalbtauſend Fuß über des Meeres⸗ 
läge gelegen, um einen Fleinen Tagmarſch von nicht vollen 4 Stun⸗ 
on (9 Mil. E.) weiser nach Süden, bis Khinis (Khnis bei 
Rufien, Khenus im Dfhihanuma, Khenes nach Jaubert) zurüd- 
mlegm. Dee Weg führt über eine Hochebene, von tiefen, ſchmalen 
nd breiten Schluchten durchſchnitten, an Deren Seiten vie Felſen 
weißt ſenkrecht emporſtarren. Die Hochfläche hat gute Vliehweiden, 
mich behautes, von Ochſen durchpflügtes Feld, das Weizen mit Elch 
nem, aber ſehr weißem Korn trägt. Bei einem Dürfen Parmak 
ſiz (d. h. fingerlod), das in einer dieſer Schluchten gelegen, wire 


in Bergfirom durchſetzt, der im Berge bei Aghveran entipringt, 


and Kara kaya (Schwarzfels) heißt. Nicht weit davon felgt 
nue breitere Schlucht, deren Fluß Kilifa fu von eimer daſelbſt 


weflörten chrißlichen Kirche feinen Namen erhielt, an ver eu vod⸗ 


üßerzieht. Diefe Ruine liegt nach Didfons Barometermefiung, °G) 
dem wir auch alle folgenden Höhenangaben verdanken, = 5058 par. 
Fuß (5391 engl.) über dem Meere; weiter oberhaͤlb heißt derſelbe 
Fluß nach einem Dorfe Beig fu. Beine Gebirgtwaſſer ſtrömen 
Mon dem Murad entgegen; bir iſt man alfo ſchon aus dem 
Araned- in das Murad⸗Thalgebiet eingetreten. Diefe Berg» 


landſchaft iſt e8, deren höchſten beucchbarten, immer ſchneebedech. 


ten Gipfel U. Jaubert, bei feiner Durchreife, ven Al deg hM) 
(d. i. Montblanc) nennen hörte. Kinneir Hat zur Bezeichnung 
dieſer Hoch ebenen,E)die er durchſehdto, ven dort einheimijchen Na⸗ 


say5. Brans, Naken.of a jeurn.:etc.. in Journ. ef Gesgr. See. of 
Lond. Mel. Vol; X. P. & p. 34. *e) £ Giancatt, Map 
...;’o& Mundistan in dwurn. L. c.. Vol x. P. 8 p. 681-481. 


A) du Jumbent, Vo: 7. : 1%) 3 MoKismeie L 0: p 378; 


Col. Monteith, Journ. ot a tour ete. in:deugn, BR. 


u 





66H AeftsBlften. M. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.37. 


men Doman gebraucht, der an keine beftlmmte Localltät gebumben 
‚zu fen ſcheint; Colonel Monteith gebraucht ihn auch, und be⸗ 
merkt, Daß mit Doman die dortigen Hohen Plateauflädhen 
bezeichnet würden, wegen des anhaltenden Nebels, ver fie zu 
bedecken pflege; er hält viefen für vie Urfache der Verirrung des 


Xenophon und feiner zehntaufend Griechen, die gendthigt geweſen 


felen, diefe Hochflädhen, von Bitlis aus Uber den Murad bis zum 
Phaſis, zu paſſiren. 

Khinis (unter 390 21 42" N. Br. gelegen, 5355 Bar. F. 
5686 engl. %. über dem Meere) iſt nur eine kleine, fchlechte, Im 
Stunde einer tiefen Schlucht gelegne Stabt, die ein Bergſtrom wit 
vielen Windungen, ver Kaleh fu, gegen S.D.9) durchſtromt 
fiber den zwei kleine Steinbrüden, jede mit einem Bogen, führt 
Derſelbe Fluß Heißt, weiter abwärts, nach einem anliegenden Deorft 
Aruz fu; feine Quelle liegt gegen NW. im Binghol Dagh, dei 


Halb er von Kinneir,®) der zu allererfi im I. 1814 diefen Ge 


birgepaß als europälfcher Reiſender zurücklegte, ver Binghdl Fluf 
genannt ward. Die Stadt fol ſehr alt fein, mas auch ihr noch be 
ſtehendes, fehr alterthümliches Gaftell beſtätigt. Die armenifche &te- 
graphie) nennt fie Khnous oder Khnoun, und den zugehbri⸗ 
gen Sau Dovaradzapapb, in Duroperand Nordgrenze gegen 
Paſin und Pavrefant. Die Stadt war ber Aufenhalt ver in ver m 
meniſchen Hiftorie bekannten Sectirer, der Arevorti (vd. h. Kinder 
ber Sonne). Die Türken machten fie zum Sig des Sanpfhcleil 
Khenus; und obwol fehr verarmt, kaum mit 130 Häufern, daren 
nur 30 armenifche, die andern türfifche find, iſt fie doch noch du 
Neſidenz eines Beg geblieben. Der Mifflonar Southgate,® 
der hier im 3. 1837 durchkam, fagt, daß unter biefem Veg von 
Khinis (er Schreibt Kheunneus) 28 Dörfer flehen, davon 12° 


menifähe, die andern kurdiſche fein follen. Das Caſtell ſteht auf WM. 


ſenkrechten Felswänden einer Halbinfel,. die in die Schlucht vorfyeingt, 


die ganze Stat beherrſcht und über die umgebende Platin 


hervorragt. Eine jetzt verfallne Dauer durchſetzt den — ben 


of Gr. Br. Vol. ID. p. 51 und beflen Map of Georgia ü 
—8 ILpnd. 1883. 3.0.88: en rg 
Brant . c. X. 8. p. — SE’ L 
20) J. M. Kinneir, Journ. —X m. ri 
2) St — Mém. J rFAtm. I p. I00.  :Wy E Her. 
—— 8RT of a tour khrongir Arsen laden 
- 1840; ok Lie: eh a, nt, er **8 








Euphratipftem; oberer Mureblauf; Khinis. 669 


der Selbinfel, und beſchützte einft ven Eingang im die Tele. An 
beiden Enden dieſer Maucr ſtehen Außenwerke mit Thürmen, welche 
das Caſtell mit der Stabt verbinden. Alles if im Verfall; bie 
Bazare liefern nur Lebensmittel für die Bauern,. und einige 39 
Kramladen find noch verfehen mit einigen rohen Waaren, wie 
Aleppotücher, die zu Turbanen dienen, mit Schuhen und Stiefeln 
von Erzerum, Baummollenzeugen vom Lande, Tabak, Pfeifenköpfen 
u. f. w. Das Einkommen des Beg beſteht In Zehenden von den 
Aderprobucten, die an 150 Pfo. Sterling betragen. Statt des Sa⸗ 
liyaneh (ver Taxe an den Paſcha) müflen vie Einwohner die Rei⸗ 
ſenden unterhalten, was ihnen ſehr zur Laſt fällt, da bier eine tür⸗ 
fifhe Poſtſtation iſt, die Pferde zu flellen hat. Der Boden wird 
nicht als Privateigenthum betrachtet, und weder gekauft noch ver⸗ 
kauft; wer ihn bebaut und dem Beg feinen Zehenden ‚en 

kann ihn in Beflg nehmen, da es an Aderfelo nicht fehlt. Baut 
er aber den Acker nicht, fo gefahrt er ihn zu verlieven, well er es 
nicht hindern Tann, daß ein Anderer ihn beadert. Doch geſchieht 
dies nur felten. Der Winter ift fireng und lang, der Sommer ift 
heiß und folgt bald auf die Schneeſchmelze. Um von ver Stabt 
aus den Gipfel des Binghol Dagh (mol Jauberts Ak Dagh) zu 
erreichen, auf dem, nach der Führer⸗Ausſage, ſich die Reſte eines 
Caſtells befinden ſollen, woran jedoch zu zweifeln iſt, gebraucht man 
6 Stunden Zeit.‘ Nur 7 Stunden fern, gegen N.D., fol der ſchon 
oben genannte Diſtrict Tuzla liegen, deſſen Steinfalzlager pas 
ganze Paſchalik mit Salz verfieht. Ob dieſes etwa vie armenifche 
Drovinz Aghiovid oder Alihovid, d. H. Salzthal in Duro⸗ 
peran fein mag, wo einft die alte Stabt Zoriſhad lag, vie Im 4ten 
Jahrhundert die Königliche hieß, und unter biefem Titel auch bis 
heute fortbauern fol, wagen wir nicht zu beflimmen.®%) I 
Khinis Eonnte man 15 Pfd. Salz für den Werth von 2 Pence 
kaufen. Der Kiaya war jehr höflich gegen den britifchen Relfenden, 
ba der Beg (ein Bruder des Paſcha von Mufh) gerade abweſend 
war; er verjah Ihn mit Lämmern und Mil. Der Biscount Pol⸗ 
lington traf Hier mehrere ruffljche Deſerteurs, vie fh, flatt ver 
gehofften Wohlfahrt, bitter über ihr gegenwärtig trauriges Loos be⸗ 
klagten. Dies ift dasjenige Khanus, dad Rennell (Khanoos) 9) 


?3) St. Martin, Mem. I, c. I. p- 305; ebenderf. in Nour. journ. 
Asiat. T. V. 1830. p. 203. *) J. Rennell, Illustrat. of the 
history of the expedit. of Cyrus etc. Lond. 1816. 4. p. 212; 
vergl. Mannert Gel. d. Er. u. R. Th. VL 2. ©. 407 u. f. 





670 Weſt-⸗Aſien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. 6.37, 


B Tagemaͤrſche im Süpen von Erzerum für das Gebiet ver Chadi 
und Phaflanen (Kawr xal Daoıaviv Diod. Sic. XIV. 29) 
Hält, Die aber bei Zenophon richtiger Taochi ( Taoysı zai 
®ooıarol Xenoph. Anab. IV. 6,:5) heißen, welche zu feiner Zeu 
den tapfern freiheitöliebennen Chalybern (Xadußes Kenoph. 
- Anab. IV. 4, 18) am obern Arares zur Seite wohnten. 

Diefe Landfchaft, bemerft Jaubert, fei durch eine treffliche 
MBferderage ausgezeichnet; er übernachtete bei feinem erſten Durd 
mariche fühmwärtsd von Khinis In einem armenifchen Dorfe, ad a 
Couzli nennt, mo er aber fchlechte Aufnahme fand, well vie Hm 
Age Autorität vafelbft wenig refpeetirt ward, und die Einwohrn 
tapfre Vertheidiger ihres Beſitzthums gegen vie kurdiſchen Leber 
fälle waren, die durch fie und andre dortige ruſtige Gebirgsbewohnet 
damals in Mefpert gehalten wurden. Das jenfeitige Land zeigte we 
 wigek Aderbau, und fehlen nur zu Heuernten benutzt zu werben. 

25. Suni. Auf der beſten und gewöhnlichen Route von Ak 
nis nach Muſh, erfuhr 3. Brant, würde er in biefer Iuhrögek 
feine Cinwohner finden, weil biefe auf den Bergen in ven NYailekt 
ihre Heerden meldeten; es würde feiner Karawane deshalb auf Wie 
fer an Nahrung gefebkt haben; auch war auf diefer direrten Menke 
en großer Fluß zu pafliren, der gefahrvoll zu durchreiten war 
dagegen führte der Um weg über eine Brüde. Dieſer Icptere wutde 
daher diesmal gemihlt, Man ritt von Khinis gegen Süd übe 
mehrere enge Orasıhäler und Schluchten; nach 3 kleinen Gtuneee 
an einen Kurdendorfchen Malsatulaft, 5,058 F. Par. (5366 engl. 
Fuß) Hochgelegen, vorüber, und dann gegen S. W. Über Berge wb 
Mebenpfade durch Weideboven, wahre Alpen, auf denen eine uncch⸗ 
Uche Bülle der "berrlichften alpinen, duftendſten Blumen heruc 
ſproßte. Noch hat leider kein Boͤtaniker dieſe Höhen beſucht. ik 
lange weſtliche Abvachung herabſteigend, erreichte man nach 94Ei 
Wegs, wobei aber oftmals Halt gemacht wurde, das chem 4 gene: 
Meilen entfernt liegende Dorf Gumgum, 4,588 F. Par. (EEE 
engl.) über vem Meere, mo ein Donnerwetter, jenoch ohne Reg 
ſchauer, obſchon ein wildes Naturphaͤnomen, die Reiſenden he 
kehr beachte. 

Dad Dorf Hegt in einem fihönen Thale im Süden des 
hol Dagh, den man von Khinis aus an feiner Oſtſeite Hatte nme 
gehen müflen. Man Tann von diefent Orte in einet pirerten , 
Richtung quer über ven Binghöl die Stadt Erzerum 0.20 Def 
flunden erreichen. Uohrigeiulich iſt es dieſe mehr nosbeuuflck 





. 
⁊ 


Euphratſyſt.; oberer Murad; J.Brants Routier. 671 


Noute, in welche Jau bert eintrat, als er auf feiner Ruͤckreiſe von 
Tuzla über den hohen Akdagh (Montblanc) und Tekdagh 
(Southgate nennt ihn Terktob), 9) mit dem graudioſen Pano⸗ 
rama, direct nach Erzerum in fo wenig Xagemärfchen (ſ. oben 
©. 661) vordrang. Disc Pollington nahm wol mit feinen 
fehr guten Pferden von Khinis aus die directe, mehr äftliche Route, 
. auf welder er ſchon in 8 Stunden, obwol auf jehr fleilen Pfaden, 
geradezu wie Fleine Steinbrüde des Tſhar Buhur erreichte, und 
dann nad) 5 Stunden gegen S.S. W. das armenifche Dorf Sika⸗ 
wah mit einem Fort, an einem merkwürdigen Kegelberge gelegen, 
am weltlichen Ufer des Muradfluſſes. Von da vom Fort erreichte 
er in 2 Stunden den Murad mit feiner Steinbrüde%) von 
14 Bogen, da wo ihm niefer Fluß die Breite ber Themſe bei 
Maidenhead zu haben fchien. 

3. Brant fand in Gumgum nur 30 kurdiſche und 15 ar 
moniſche Familien, deren Gäuptling, von der Secte der Dervifhe, 
ſich Sheikh tituliven ließ; vie Einkünfte des Dorfs gehören dauernd 
einer frommen, zur Mofchee gehörigen Stiftung (Vakuf geuannt). 
Der Aderbau war auf dem ganzen Wege hieher, ſeitdem man den 
Sau Pafin verlafien Hatte, fehr vernachläffigt; nur im Thale fah 
man Ackerfelder, die 12fachen Ertrag geben follen in guten Jahren. 
Die Saat fproßte eben erft, alfo ſehr fpät im Jahre, hervor. 

26. Juni. Bon Gumgun nad Kirami. 7) Die erſte 
. Stunde Wege gegen DR führt am Kurdendorfe Kerba kuh vor⸗ 
üßer, an einem Berge gelegen, an deſſen Buße ver Tibarbuhur, 
vom Binghol herabflürzenn, dicht vorüber rauſcht. Nach 14 Stunde 
Abſteigen· gelangte man zur Steinhrüde, jenfeit welcher nach 14 
Stunden Wegs viefer Strom mit dem Muradtſhai zufammen 
lebt. Der eine kommt direct vn Wet; ver Murad, täufchend 
ald wäre er, aus ver Kerne geſehen, nur bie directe Verlängerung 
von jenem, von Oſt, beide in gerader Linie gegen einander laufend, 
‘worauf fie im rechten Winkel am Berein ſich gegen Süd wen⸗ 
sen. Diefer Zufammenfluß liegt 3883 5. P. (4138 e. 5.) üßer 
dem Meere, 11 engl. Mil. fern von Gumgum. Die directe 
Straße trifft gerade von den Bergen berabfleigenn auf biefen Ver⸗ 
eis, von wo an fich der Strom ſein erweitertes Thal (ſeine Waſſer⸗ 





”) Southgate, Narr. L. c. p. 184. »*) Visc. Pollington L c. 
we A Brant 1. c. p. 37. „ 








672 WeftsAfien. M. Abtheilung. 1. Abſchnitt. $, 37, 


beeite beträgt bier nach %. Brant 70 Schritt) bald zur Blaine 
von Muſh eröffnet, wo auch feine Waflerbreite ſehr zummmt. 
Anderthalb Meilen vom Verein Tlegt das Dorf Sika wah In 
der Ebene, -und eine Stunde (3 engl. Mil.) weiter dad Dorf Ki⸗ 
sawi, wo nach 8 StundenRitt das Zeltlager aufgefchlagen wurbe. 
Kirawi, unter 38° 53' 16” N. Br. gelegen, bat nur arment- 
Ihe Bewohner, und die ganze Ebene Muſh hat, ala ächte 
 aemenifhe Baulanpfchaft (Daren), Feine Modlemen mit Ar 
meniern gemifcht zu Bewohnern. Die Zelt«Rurven find nur Ueber 
zügler, und die flationatren Kurden kamen erft als Nomaden bieher, 
Bingen dann erſt zum Aderbau über. Kirawi gehört dem Ru 
rad Beg von Khinis, Hat nur 20 Pamilien, die an 300 Stüd 
Rinvwieh, eben fo viel Schafe, und wenig Pferde befigen; ihr 
Ackerboden ift fandig, unbemwäffert, gibt in trodnen Jahren nur 4 
bisb 5faches, in naflen 10 bis 12faches Korn ald Ertrag. Ihre 
Schaafwolle dient ihnen zum Selbftverbraud. Der Winter iR Ehe 
zer von Dauer wie in Erzerum, der Schnee fällt fehr tief, ver Flah 
bepanzert fich jedes Iahr mit Eis und trägt Wagenlaften. Der 
Kihlat, d. I. das PWinterquartier, das die Bauern den Kurden ge 
ben müflen, iſt ihnen ein harter Drud. Als die rufflichen Strip 
eorps bis hieher vorgehrungen waren, wurde den Armentesn 
nicht geftattet, Ihnen ald Auswanderer zu folgen, die Kurven aber 
ſahen fie als Verräther an, und ergriffen jebe Gelegenheit, fe aut 
zuplündern und zu ermorven (f. ob. ©. 608). 

Seit der ſtrengern Zucht Reſhid und noch mehr Safl; Be 
ſchas, und ſeit der Bildung der türkiſchen Landmiliz im Paſchet 
(vergl. ob, ©. 292, 297, 333, 427 u. a. D.), obwol diefe Ruh mir 
auf wenige hundert Mann beläuft, wagen die Kurven wenig 
nicht mehr mit derfelben Wrechheit und Deffentlichkelt zu rauben mie 
zuvor, und felbft die heimlichen Diebereien find feltner gemerib. 
Nahe Sikawah iſt ber, auch von Pollingion bemerkte Segel 
Berg, Osp⸗polur genannt, der einft, etwa vor 100 Jahre ven 
einem rebellifchen Kurdenhäuptling, Alaueddin Beg, weilfeeäw 
Begründer der Familie des Emin Paſha von Mufh wait, Ag 
reich, trop vieler Angriffe der Türken, verthelbigt und behautht 
wurde, wodurch er hiſtoriſche Bedeutung erhalten hat. Mai 
Thale am Zufammenfluffe des Afharbuhur und Mureh R 
I. Brant felt der Ueberwanderung des völlig holzteegen de: 
ben Zafellandes ver Armenier von Erzeräim aus } 
Bäume wieder; «6 waren jenoh nur Weinen und 








| 
. 





Euphratſoſtem; oberer Mürab;' Zuftuß Kalehſa. 673 


Bäume. Dagegen aber: birtet baffelbe alpenhohe Tafellaud 
dem Reiſenden, der von ven Menſchen, von ver Jahrszeit und dem 
Wetter begünfligt iſt, und die Styapäzen- ber Meife mılt grſundem 
Körper und frohem Muche überwinden Tann, ſo imanchen andern veis 
Gm Genuß dar. Capt. Wilbraham, ver’ im Jahr 1837 unter 
foldyen Umſtänden fat viefelbe Noute nahm, aber flüchtig reife 
und weil andre Quartiere fand, umd- andre oft ſchwer zu beſtim⸗ 
mende Namen ver Ortichaften nennt, die zwiſchen jene oben ange 
gebene Stationen fallen (daher wir Phn nit im einzelnen beglei⸗ 
ten konnen), iſt hingeriſſen von der großartigen, wie er ſie nennt, 
arcadiſchen Natur viefes welligen Tafellandes mit feinen 
Alpenwiefen, und von den patriatchaliſchen Leb en ſeiner 
freien, kräftigen Naturſohne. 9) 

ESchon am dritten Tage, nachdem er von Erzerum außgeritten 
war, erreichte ex die hoben fchneereichen Quellberge bes KRalchiu 
oder Fluſſeb von Khinis, den er aber von jenem Dorfe Aruz 
(f: #6. S. 668, ex ſchreibt Aroos) den Aroos-Klufß nennt, bei 
ven herrlichſten Septemberwetter dad ſuͤdlichere mweidenreiche Hirten⸗ 
Ian, auf dem noch die Gruppen von Schäfern mit ihren zahlreichen 
Geerden ſich zwifchen frifch fproffenden Gräſern an den warmen 
fonnigen Abhängen Iagerten. Ein Dailat ver Jliyat (d. I. Wan⸗ 
derhieten, f. Erdk. VIII. ©. 375 ff.), bier wol Kurden, auf einem 
zeich Hewäfferten Weidegefilde bot die reigenpften arcadiſchen Scenen 
dar. Auf ihren freien Sitzen in frifcheften Lüften, an Klippen, 
Bergen und plätfchernven Bächen und Zlüffen, verachten fie die Dorf 
figer, wie Wilbra haem meint, mit vollem Recht. Friſche Die 
nen, nicht eben jchdn, aber rüflig und gewandt, voll Humor, unver⸗ 
fegteiert, in buntefte fröhliche Farben gekleidet, beforgen die Milche⸗ 
rel “auf der Alpe, oder in der Iuftigen Hätte den Webſtuhl; vie 
jungen Männer dagegen treiben die Heerden und Wildijagd. Die 
Alten aber genießen otium cum dignitate, vor den Ihren her 
ſchwarzen Zelte figend, die Fremdlinge gaftiich empfangene, und 
zum Willtommen mit Ihnen die Pfeife rauchend. Die maleriſchſten 
Gruppen bieten überall diefe Lager im Grünen, unter Bellen, au 
ſftromenden Waffen var. GH. Southgate, ber im genannten 
Dorf Arood einen Sonntag 9) raſtete, wo Ihn nur ein Ent 





se 0 Wilbraham, Trav. in Transcaucas. etc. London 1830. 
L Ds °. H. :Southgate, Narr. l. © pP 197. 


a Shane X un 








674 Weit Afien. III. Abtheilung. 1. Abſchniu. 437. 


zum Quartier angewleſen werben kounte, fand, daß bie Dorſbeneh⸗ 
ner, ver Befichtöbilbung nach, Armenier waren, die aber kurdiſch 
gefleivet gingen und auch kurdiſch fprachen. Sie waren ſehr 
arm, verdienten wehig, waren ſehr roh, unwiſſend, hatten Seine 
Kirche, aber doch einen Priefler, ihre Gottesdienſt war bloßes Cere⸗ 
monienweſen. 

Vom Aroos⸗Fluſſe rädten beibe Reijende, Wilbraham wie 
Southgate, ſüdwärts zum Kizil Tſhai (d. I. rot her Fluß) 
vor, ber von den rothen Felſen feinen Namen haben ſoll, and kein 
andrer fein wird, als ber von andern genaunte Tſhar Buhur: 
denn 4 Stunden weiter abwärts ergoß er ih zum Murad, uns 
fließt mit Ihm aus einem engen Thale alsbald in bie weite Chben⸗ 
von Mufh ein. An dem Ufer dieſes Fluſſes kam Sowthgate 
ein ſehr muntrer kurdiſcher Gochzeitözug enigegen. Auch fanden 
beide Reiſende Kiez wieder, nach langer Entbehrung, den erſten 
Baumwuchs. 

Den 27. Juni, von Kirawi nah MufH.%0) J. Brants 
Weg führte Ihn vom Dorfe Kirawi auf der Ebene weiter, der 
Murad- Fluß blieb anfänglid zur Linken, und erſt nach cam 
halben Stunde wurde bie große antife Steinbrüde über den 
Murad, die ans 14 Bogen beſteht, aber ſehr verfallen iſt, übers 
fegt. Ihre Länge, welche die Breite des Stromes an dieſer Gichls 
bezeichnet, beilug 208 Schritt; der Wafferfpiegel Tiegt 
3,868 5. Par. (4,123 engl. J.) über dem Meere, alfo nur 15 6 
fälle Hat der Murad vom obengenannten Vereine bis hieher. De 
Brücke iſt fehr Hoch, wie alle türkifchen Brüden, und ohne Bruße 
wehr.2) Southgate, der bier die Flußvertine am genauchge 
beobachtet zu haben ſcheint, berichtet, vaß ver Murad, 2) nach 
nem rafchen Thallaufe in ver Engfpalte von N.O., in ver 
eine Wendung made, und zuvor noch einen andern Fluß, dan 
EHabur, von Wet ber aufnähme, dann noch einmal eine 
fpalte gegen S. W. purchfließe, die anfänglich ganz unmerfbat 4 
fange. An dicſer Stelle des Vereins fe ver Murad 100. 
belt, des Chabur nur 50 Fuß, und an feiner Mündung, 
man ihn durchreiten müffe, nur 4 Juß tief (Ende Juni). 
Aruz bis hieher ſeien 20 Mil. engl. 

Southgate ritt nun am Weſtufer des Mmuredtiaffe⸗ K 















866) J. Brant L e. 


1 
2) E. —— MÆ.. ) Capi. —2 & na 


Br 





Eupbratfuftem; oberer Murad; Stadt Muſh. 675 


in einem lieblichen Thale, kaum breiter als das Flußbett ſelbſt, das 
bier ofter nur einem Canale gleicht, deſſen Waſſer aber zuweilen 
uber Felsgrund dahin ſtrudelt, bald faſt ſtillſtehend wie ein See⸗ 
boden erſcheint. Erſt nah 2 Stunden Wegs wird wirklich bie 
große Ebene von Mufh erreicht, die vorher durch jenen ſchon 
oben erwaͤhnten Kegelberg Osp⸗polur verbedit blieb, der ifolirt an’ 
ve GEinmimbung zum Thale Hegt, deſſen Ginfelfehe aber, na 
Soutägate, bei den Anwohnern Sultan Mahmud Kalefi ges 
nannt wird (d. i. Mahmuds Schloß). Der Murad macht um ihn 
eine große Windung gegen Oſt, und zieht dann erſt wieder gegen 
©. und W., nimmt in der Ebene den Kara fu von SD. auf, 
dringt dann wieder durch eine Deffnung der Berge, die ven 
Südrand der Ebene bilden, und. nimmt dann feinen fernen Kauf 
gen S. W. An einer feiner Windungen in der Ebene vor Muſh 
nahm Sonthgate fein Quartier In einem armenifchen. Dorfe, vem 
fi zweites größeres, Ated genannt, gegenüber Tiegt. Der Mu⸗ 
tab war damals, Mitte des Sommers, an mehren Stellen zu durch⸗ 
eiten; er war fifchreich, zumal an einer Art Stör; aber die Ana 
vohner fangen dieſe nicht. Von hie! aus zog man auf einem 
eichen ſchwarzen Boden, der nur bie und da bebaut iſt, über einen 
benen Raſenteppich bin, und gelangte nach zwei Stunden an ben- 
zũdrand des Thalgrundes, in dem die Ebene fi von D. nah W. 
ußpehnt. Hier nun erreicht man die obengenannte, von 3. Brant 
emeſſene Steinbrüde über dem Murad, die Southgate auf: 
00 Fuß Länge fchägt. Sie war einft von 14 Schwibbogen ge⸗ 
sagen, . von benen aber nur noch 6 unverfehrt geblieben. ‚waren. 

finige derſelben hatten zömijche Rundgetwölbe, andre faracenifche 
Bypiggbogen, aber alled von gehauenen Quadern, einft ein Prachi⸗ 
aun. — 

Z. Brant fagt, vie Stadt Muſh ?) liege im Süden viefer 
Brüde, bleibe aber fern von diefem Strome, ber fih an Ihr gegen 
Be vorüberziche. Gleich jenſeit derfelben verließ er ihren Strom, 
tt gegen dad Dorf Suluf, von ba über Wiefen, we chen Heu⸗ 
nie war, und erreichte nach 2 Stunden den linken Zufluß zum 
Murad, ver aus Südoſt demfelben mit feinem trägen, trügeri⸗ 
[hen Waſſer entgegenzieht,. und deshalb wol eben Karafu 
Schwarzfluß) heißt. Obwol daſelbſt eine zweite große Stein⸗ 
brücke erbaut war, die aber ganz in Verfall gerieth, von der zwar 


8) J. Brant, I. c. p. 840, 
| Uu? 











676: Weftsükfien; III. Abtheilung. I. Abfeinkt: 4.37. 


nach 8 Bogen ſtehen, aber zu gefährlich, um darüber Hinzureiten, 
fo muß man doch gegenwärtig durch ‚ben. Karaſu hindurch Teilen. 
Brant fand ihn Ende Juni nur knletief und 25 Schritt breit 
Erſt 2 Stunden unterhalb dieſer Furth vereinigt er ich mit vom 
PDurav. Cine halbe Stunde jenfat der Furth ritt Brant nad 
Gheyermeh, nur in geringer Berne Am Weſt ver Stans Maik, 
ein Dorf, das, A MU. engl. von. Kirawi ‚entfernt, die Rulmen eines 
früheen ‚Reflvenz ‚nes. Bafcha von Muſh zeigt, das alte Serai ge 
nannt, mp wer Conſul fein Lager für Diesmal aufſchlug. ben fo 
weit vom der Brida, wie dieſes Dorf, Negt die Stadt Muſh feih 
entfernt, In welche ex anf’ folgenden. Tage nach dem Mitt einer hob 
ben Stunder eintrat, ‚und in Bern Haufe: eines Armeniers ſein Quat⸗ 
tier nahm. : Mit. der Annäherung: zur Stadt nimmt der Aubau ver 
Gegend zu, fe ſelbſt iſt mit Gärten und Weinbergen umgeben, 
Bise. Wellington. legte. den. Weg von: Khinis nach Düfh, 13 
Poſtſtunden, in 173 Stunden Zeit. auräd. 


3) Die Stadt Mufh (das alte Serai nach Glascott unter 38° 


. 46’ 30".,N.Br. und 41° 29' 30" DE. v. Gr...) . 


Die Stadt llegt In einer Schlucht‘ fo ganz verborgen, daß men 
fle nur durch die Mündung dieſes Erdſpaltes erſt gewaht win. 
Don dieſer Nordſeite zeigt fie fi ganz romantiſch, auf Alken Selm 
von Bergen umgeben, deren Höhen nadt, auch mol noch nit Eike 
flecken bedeckt waren, veren rothe Abhänge aber, an deren Buße de 
Stadt erbaut iſt, von weltlaͤufigen Weinbergen begrünt in.‘ 

:: Auf einer der Anhöben llegi die Feſtungsruine über der Cult, 
beten Inneres, - wie gemöhnfich bei türkifchen Ortſchaften, grng Wie 
gulate, eng, fehr ſchmutig iſt, ohne bedeutende Bazare; Dice 
find nur elende Hütten und fothige Ställe. Ein 2A 
waſſer windet ſich Durch die Straßen in den Karafı, web 
den elenden “Hütten an deſſen Ufer ſchweift die rohr Gaffeichen 
Aumpen oder ganz nackt, Maͤdchen wie Jungen, umher denn 
Bewohner von Muſh find alle vürftig. Am wohlhabenbſtin ſ 
noch Die dortigen armenifchen Chriſten. Southgate gur e 
Einwohner an; darunter 600 Familien ver Mosledien, 30 
wi und 50 armenifch= Eatholifche; Brants —E 

er gibt 700 mohamedaniſche und 500 armeniſche Boten Ni 


—*2* 














804) J. Brant \.c. p. 220-8583 Southgate I. c. p- 198 — 
Wilbraham IL. c. p. 332, Vie. Palinazaa \. ae. ’v.0il. 





— — PP Pr 


a A a Me A A a — 





kuphracſhſtem; oberer Murad; "Stadt Mufb. 677 


en Chriften laſtet allein ver Druck des Sallyanah, ver jäßrlichen 
zahlung einer Tare, Im Werthe von 2,000 Pf. Sterl: Don dies 
ee find Die Moslemen frei; vie AUrmenier können fi bet ſolchem 
Druck nit aus ihrer Armuth erheben. Die allgemeine Sprache iſt 
ner die tirkifche, deren. Dialert aber dem von Tauris näher fleht, 
ds dem von Gonflantinopel; doch finden ſich die Einwohner nur 
urch die Benennung „Türken“ geehrt, rechnen fi nicht zu bei 
Hmanlid. Sie haben 5 Moſcheen, 10 Medreſſen, 3 Schulen; eine 
er Moſcheen mar ehedem eine chriftliche Kirche, wurde aber im J. 
79 der Heg. (d. I. 1571 u. Chr. Geb.) nad) einer Ueberfchrift, die 
iber der Pforte angebracht iR, in eine Moſchee vermundelt. Die 
Bauptmofdye ift ein ganz hübſches Gebäude. Ihre Kircyenbücher 
Inn arabiſch, das hier für bie Gemeindeglieder erft ins Türkifche 
m» Kurbifche übertragen werben muß. Bei diefen Türken in dies 
sn abgelegenen Winkel ves Reiches fand Southgate bie größte 
Reugier nad) Neuigkeiten aus Stambul. 

Die Armenier haben 5 Kirchen und 14 Priefter; eine ver Kir- 
ben, die 1300 Jahre alt fein follte, Heißt Keuh Vedavend, d. i. 
kirche der 40 Stufen, die von ihrem hohen Stanppuncte, au 
ex viele Stufen hinaufführen, ven Namen: erhielt. Southgate 
and Het ihr 4 Priefter, vie eben mit 25 Knaben, die auf ven Grabe 
keinen vor der Kirche umber faßen, ihre Lectionen hielten. Das 
ſene Teftament, ein fchöner, armenifcher, auf Pergament gefchriebener 
oder war in viele Lumpen forgfältig eingemidelt, aber zu leſen 
chien ihn niemand. Bei der Erbauung der Kirche fol man dafe 
elbe ſchon vorgefunden, und damit feitvem viele Mirakel gewirkt, viele 
dranke gefund gemacht haben. Auf folder Stufe fleht dort das 
Ehriftenihbum der Armenier. Doch iſt es nicht hierher, fondern 6 
Stunden weiter im W. von Muſh, nach dem Klofler St. Garabted 
das Sonthgate Tchangeuret fehreibt, bei I. Brant Ehangert, 
. oben 6.351, 553), wohin die größten fogenannten Mirakel dem 
Bolföwahne zu ven meiften Pilgerfahrten die Veranlaffung zu ge 
ven pflegen. Auch katholiſche, d. i. mit dem Pabſt untrte Ar 
wenier, vie man bier wegen ihrer Verbindung mit dem Weflen 
Franken nannte, hatten einen Priefter in Muſh tm 3. 1837, ale 
Bouthgate dort war; Ihre Kirche war aber durch Die ihnen feindſe⸗ 
igen nichtunirten Armenier zerftört worven. In der Nähe ber 
Btadt fellen noch 8 Dörfer von ypapalen Armeniern bevölkert fein 
(vergl. ob. ©. 643). Kurden bewohnen nicht ſelbſt die Stadt, aber 
Re drängen fid) gewaltfem An vie Straßen herein: Sie —8 








678 Weſi⸗diſien. m. Abthelung. J. Abſchnitt. $. 37. 


aus dem Paſchalik von Diarbekir, ſchweifen in der warmen Jahres⸗ 
zeit im Lande umher, und ziehen fi nur im Winter, wie In die 
Dorfſchaften, fo auch nach der Stadt; ba fle immer bewafinet ges 
ben, wit Schwert und rundem Schild, wild und. brutal jenem ent» 
gegentreten, fo ſind fie überall fchlimme Gäſte; ihre Weiber tragen 
Ihnen die größten Laften nah, Die Kiſhlak parabs, d. i wu 
Tare, welche pie Kurventribus für ihr Winterquartier nicht an bie 
armen armenifchen Bauern, jondern an den Erraßlier zu Erzerum 
zu zahlen haben, ift eine ganz willführlich aufgelegte Summe, Vie 
auch nicht einmal dem Paſcha von Mujh zu Bute Fommt. 

Die Refivenz ded Emin Paſcha, deſſen Vater, Selim Paſcha, 
vor 30 Jahren von dem Paſcha zu Erzerum enthauptet worden 
war, fein Serai genannt, liegt nicht in der Stadt, ſondern eim 
Biertelftunde im Oſten derfelben, in dem Dorfe Mogiyunk Die 
fen großen quadratiſchen Bau, mit einem irregulairen Thurm an 
jedweder Ede, hat ſich Emin Pafcha, der zur Zelt, da fein Be 

ter geflürzt warb, erft 15 Iahr alt war, felbft aufgeführt, ganz im 
Etyle des Altern Serai, bei deſſen Ruinen I. Brant zuerf fen 
Lager aufſchlug. Ein frei auf einer Terraffe liegender Kiosk biete 
eine weite Umſicht dar, und nahe dabei iſt das Schloß feines Drw 
ders. Emin und diefer jüngere Bruder, Khurſchid Bey, ein 
ſchönes tapfereä Gefchleht von Eurbifchem Stamme, das felt eiwa 
hundert Jahren das Paſchalik durch Erbſchaft in feiner Gewalt ges 
habt, wußten fi auch nach jenem Unglück wieder zur Oberer 
ſchaft emporzuſchwingen. Emin Paſcha hat ſich mit Khurfdih 
und feinen 2 andern Brüdern gemeinſchaftlich in jüngſter Zeit *) 
in fein ſubordinirtes politiſches Verhältniß zu Hafiz Paſcha, 
dem Seraskier zu Erzerum, zu ſtellen gewußt. Er empfing wieder⸗ 
holentlich die Europäer ſehr gaſtlich bei fich, und gab ihnen Ein 
ten nach allen Seiten durch fein Territorium, das in den Bergge 
genden Immer unficher blieb. Sein Sandſhak ober Paſchalit 
fol 600 Dörfer enthalten, davon 75 bis 80 zu dem Diſtrict ber 
Stadt. Muſh gehören; die Zahl ver Kurden gibt man auf, 000 
Famillen an. Der Kharaj oder die Zolltaxe ©) des ganzen 
Paſchaliks, welde die Rayahs zu zahlen haben, ſoll * au 
460 Beutel, d. i. 2300 Pfund Sterling, belaufen, . f9. che 
feine Schägung ver Rayabpopulation machen Läßt, well e9 ‚yarfhler 
bene Steurrelaffen unfes dieſen gibt. Zrant ſcat pie. al der 


J ses) J. Nraut Lk — 918. e ebend. 2.877. u „ u F 


er 











geh 


Evphratſoftem oberer Murad; Ebene Mufb. 679 


Nayahs auf 12,000 Individuen über 14 Jahr, welche viefen Kharaj 
zu zablen Haben. Der Kinderzahl nah müßte die Population 
weit größer fein, aber durch Hunger, Schmuß und Noth aller Art, 
mozu ·˖ wegraffende .Epivemie ohne ärztliche Hülfe gehört, geht ein 
großer Theil verfelben jährlich zu Grunde, 

Die Ebene von Muſch, an 16 Stunden (40 Mil. engl.) 
lang und 5 bis 6 Stunden breit, von Slüffen gut bewaͤſſert, fon 
aber fleinig und dürr, fol über Hundert Därfer, jedes mit 20 bis 
40 Bamilien, Haben. Die ſtarke Population in den Hier zahlreich 
mahe aneinander liegenden Ortſchaften brachte Southgate auf den 
Gedanken, daß Hier wol ein geeigneter Pla zur Errichtung einer 
Miffion unter den nicht unirten armenifchen Dorfbewohnern fein 
möchte. Die mehr ald anderthalbtauſend Fuß geringere 
abfolute Höhe diefer Ebene gegen vie hohe Platenuebene von Erze⸗ 
zum gibt ihr, bei gleich vielem Schneefall, doch viel milnere Winter 
Goch dauert derfelbe 5 Monat), aber auch viel heißere Sommer, 
and daher iſt bier ein fehr gebeihliches Glima für Trauben, Me⸗ 
Ionen und Obſt. Doch findet man Obfigärten nur dicht um bie 
Stadt und einige Dörfer angepflanzt. Eigentliche Waldung fehlt 
auch hier, doch gibt es in der mehr bergigen Nachbarfchaft im Sü⸗ 
den der Stadt Eichenwälder aus ſtets niedrig bleibenden Bäu⸗ 
men. I. Brant bemerkte die beiden Arten von Quercus, deren 
eine bie trefflichen Galläpfel Liefert, indeß die andere, die Wanna 
Eiche, eine zuckerſüße Materie ausſchwitzt, die, ohne offieinelle is 
genfchaften, von Blättern und Zweigen abgefchüttelt eine Art Wanna 
zu Gonfituren darbietet, das aber nicht in allen, fondern nur in be⸗ 
fonders trocknen Jahren erzeugt zu werben pflegt. Diefe Gall⸗ 
Apfel, etwas Bummi, etwas Tabad, der am Karaſu gebaut 
wird, aber von geringer Qualität if, Obft in Menge, doch Feine 
guten Sorten von Nepfeln, Birnen, Kirfchen, dagegen fehr gute 
Trauben, auch etwas Wein, von den Chriſten zubereitet, einhei⸗ 
miſches Baumwollengewebe, dann aber vorzüglich Pferde, 
Schaafe, Rinder, find die einzigen Producte des Landes, die in 
Verkauf geftellt werben. Das Vieh wird hier auf dem Markt für 

Syrien und Conſtantinopel aufgefauft. Der Handel ift baber 
fehr gering, und wird nur mit Bitlis, Erzerum, Diarbetir 
geführt, welches Ichtere direct an 4 Tagemärſche fern Hegt, aber we⸗ 
gen der Unficherheit ber daſelbſt zu durchſezenden wilden Gebirgs⸗ 
wäffe- auf Umwegen von‘10 Tagereiſen, das rechte Ufer bed Mus 
Tab entlang, über Bald um Kharput befucht zu werden pflegt. 








680 Weſt⸗Afien. TIL Mötheikung. 1.Möfhmitt.ju 37. 


Man rechnet, daß etwa 500 Saumpferde zum Trausport auf viefen 
Rarawanenwegen in der Stabt bereit fliehen, in ber aber uus em 
einziger Khan zur Aufnahme ver Paflanten fich vorfindet. Zum 
Abſatz für europäiſche Fabrikate, vie I. Brant dort einzuführen 
verſuchte, iſt der Ort noch zu arm; nur etwa von Aleppo aus 
werden einige Zeuge vahin eingeführt, die Hei der höchſten Claſſe 
allein Abſatz finden. Der Handel if aueſqq uchiich in den Hinten 
armenifcher Kaufleute. 7) 

Auf den genannten Handels ſtraßzen nach Bitlis, Balı 
und Diarbekir, die früherhin für Suropäer gänzlich —* 
geblleben waren, iſt in neueſter Zeit durch kühne Reiſende die fer 
nere Kenntniß des Stromgebietes des Murad um vieles er⸗ 
weitert worden. Wir folgen dieſen Routiers erſt am Nebenflufft 
dem Karaſu, von Muſh an aufwärts gegen Oſten bis zu 
dem uns ſchon bekannten Bitlis, zu den oͤſtlichſten Quellarmen o 
des Tigris, und geben dann auf der andern Karawanenſtreße 
abwärts, längs dem Murapthale gegen We, bie Palu un 
zu feinem Bereine mit vem Frat oder nörblichen Cuphratarme. 


4) Reiferoute von Muſh, den’ Rarafu, Nebenfluß des 
Murad, aufwärts'bis zu feinen Quellen und bie 
Bitlis. 


In 8 Tagereiſen Hat I. Brant, und in uoch kürzerer Zelt 
bat Southgate dieſen Weg zurüdgelegt, beide in der Mitte nes 
Sommers. 

7. Aug. Erſter Tagemarſch von Mufh nach Khafs kol 
J. Brant verlleß Muſh am 7. Aug. und nahm feine Richtung 
‚Mwärts, immer entlang am Südrande ver Muſh⸗Ebene, 
südte am erſten kleinen Tagemarfche nur 4 Stunden (10 MU. mel.) 
weit vor, bis zum Dorfe Khafskoi (Hafs keui bei Sonth⸗ 
gate),®) gegen Südoſt gen Oſt gelegen... Der Weg führt über 
ben, flachen Boden; gegen ven Fuß der Berge liegt Über Kit; Wie 
Ufer am Karafu- Fluß find Dagegen fehr fruchtbar. Die gegen ben 
Süden vorliegenven Hügel find bie erſte ftarfe Stunde mit Weiz 
bergen bedeckt; auf ven hie unb da dazwiſchen liegenden Kerner 
dern war, ungeachtet ber trocknen Sonumhin, “rn. aech 2 

. ea 1 Be SE 2} 
30T) Yisc. Pollington I. c. p.d46. Brass, ‚Botse starre 


Journ. of R. Geogr. Soc" VeLx. B, 8 —— — 
gate, Narr. I, 0. 9. 201-208. ; * 











Erphratſyſtem; oberer Märadi: Kara fu. 688 


gereift. Jenfeit ver Weinberge änderte’ ſich Aber die Landſchaft und 
die Abbänge waren nur noch begränt und bewaldet. Khaſé kei 
bat 3 armeniſche Kirchen: und gilt als eins ver blühendſten Doͤrfet 
in ber Tüͤrkei. Die ſtarke Bendlferung der Muſh⸗CEbene ködunte Hier 
Doch noch weit bevesstender feln, da nody ſehr große Landftrecken 
anbebaut liegen, una auch: für zahlreichere Vlehherden würde noch 
Ueberſluß an Weideland fein. Im Dorfe wohnen 150 armeniſche 
Familien, und an 50 Eurbifche nehmen da ihr Kiſhlak, ». h. müſſen 
da von den Bauern in die Wintemuartiere aufgenonimen werben: 
Kür file und Ihre Heerden, vie im Sommer auf den Bergbähen weis 
den, fah man zu Wintervorräthen bie größten Geuniaffen aufge 
bäuft, In gewaltigen phramivalifchen Diemen. Dieſer Drud ver 
Kurveneinquartierung laſtet ſchwer auf dem Bauer, und erhält ihn 
ſtets in der Armuth. Im vorhergehenden Jahr Hatten fle allein in 
Diefem Dorfe 80 Pfund Sterling für Viebfutter- der Kurdenheerden 
zabtlen müſſen, weil ihre eigenen Vorräthe an Butter bei dem lange 
auhaltenden Winter nicht ausreichten. Zroei Brüder des Kiaya 
oder Dorfſchulzen waren von Ihrer rohen Cinquartierung erſchlagen 
worden. Die Verbrecher wurden zur Beſtrafung nach Erzerum vor 
Xen Geradkier geführt, aber die Hinrichtung magte dieſer nicht, weil 
Deren Blut dann über ven noch lebenden Kiaya gekommen, und 
Diefer wiererum von ben kurdiſchen Verwandten wegen ber Blut⸗ 
Gebe feinen Top gefunden haben. würde. Drei Stunden fÜüdmärts 
Diefes Dorfes jenfeit des Bergzuges, welcher hier die Suüdgrenze ver 
Muſſh ⸗Ebene bildet, breitet fidy eine andere Ebene aus, vie dem 
Beg von Kharzan gehört, der aber nicht Hier, ſondern 26 Mel» 
In entfernt (unfteeittg gegen Weſt im Karfann over Kharzan 
Dagh, f. oben S. 91, 99) refiviren fol, obmol ver Kharzan 
Dagh vie ganze hohe Gchirgäfette im Süden von Muſh und deß 
Karafır bezeichnet, eine Localltät, die I. Brant nicht näher bes 
Tannt war, obwol er die Kharzanlt- Kurden Eennt, über vie aber 
von ber Südfeite her wir durch v. Moltke als Migenzeugen bes 
Yehrt worden find (f. oben S. 91 u.f.). Vordem war jener Rei⸗ 
fende hier In Lebenägefahr, che es Hafiz Paſcha gelang, vie dor⸗ 
Ügen Kharzanlis Kurven, nach ven vergeblichen Verſuchen Reſchip 
Vaſchas, wirklich zu beſiegen. Rur die Bewohner des Hochgebirges 
Lämpften gegen ven Pafcha, von denen aber zwei Drittheile der Bes 
wülterung, nämlich vie Armenler, leinen Antheil an ver Gegenwehr 
nahmen. Ale vereinigt wärbe auch Hafiz Paſcha nicht haben be⸗ 
Regen koͤnnen. 


Mi. HE 


682 Weſſt⸗kiſten. AIR Abtheilung. 1-Obftpeitt.$.37, 


Um Khaſo koi bemerkte 3. Brant (unter 38° 43’ 12". N, 
Br. und 410 38 0" DL v. Gr. nach Glascotts Beobachtung ge 
- Iogen) noch viel Kornbau; bie Erntewagen mit Korn beladen wa⸗ 
sen Arabahs, d. i. Karren, deren zwei Räder meift jo gebaut find, 
daß Ach die Are noch mit ven Rädern herumdreht. Nur wenige 
andere, bei. denen vie Are feſtſtand und nur die Räder rotiztem, 
fhlenen jedoch einen Foriſchritt der Civiliſation zu bezeichnen. Aber 
jene, ſagte man, ſeien zwar theurer, aber dauerten 20 Jahre, wäh 
send dieſe nur 2 bis 3 Jahre aushielten, dafür aber freilich wohl⸗ 
feilee und nur bei den Armeniern im Gebrauch wärm. Die guien 
Mäder konnte man nur in Erzerum zum Kauf befommen, da es 
bier gänzlih an Eifenjchmieden fehlt, und nur das Geſtell, 
ganz aus Holz, wurde hier an Ort und Stelle dazu gefügt. 

8. Aug. Zweiter Tagemarſch. Bon Khafs koi nad 
Muſhakſhir. Noch bei Mondſchein brach vie Karawane 3. 
Brants auf, 9) durchzog dad Dorf Iriſhdix und ſetzte banz 

durch den Karafu, der bier Enietief und nur 15 Schritt breit wer, 
unjtreitig dieſelbe Stelle, wo ihn au Southgate paſſirte, der 
fein ſchmutziges Waſſer nur 4 Fuß tief fand, das viel. Serpentinen 
macht, und Häufig an feinen Ufern das Erdreich einreißt. Jenſeit 
kommt man am Klofter Ahkevank (Arkavank bei Wilbra⸗ 
ham) vorüber, mo ein Eeiner Zufluß zum Karafu füllt, an veſſen 
Ufer man nad einer halben Stunde Wegs zum Dorfe Nokh ge 
langt, und eine halbe Stunde weiter zum legten der armeniſches 
Dörfer, Marnik, gegen Bitlis Hin: venn jenfeit trifft man um 
noch kurdiſche an. «Hier würde aljo eine Grenze der arme 
nifhen Bevölkerung gegen die kurdiſche, des eigentlichen 
Kurdiftan, zu. jegen fein, und fo weit reichen denn auch Die fg er 
genthümlichen unterirpifchen, mehr den Höhlen gleichen armeni⸗ 
fhen Stollwohnungen für Menfchen und ihr zahlreichen Bich, 
die bier beim Eintritt vom Gentrite® ber, ndrdlich ber, oͤſtlichen ‚Tb 
grisquelle (f. 06. S. 23, 86), vom Kleinen Telcboas- lügen) 
an, dad offenbar nur dieſer Karafu fein kann, bid zum Murar 
(Xenoph. Anab. IV. 4,3) dem Xenophom eben fo auffielen, wi 
bie behagliche Wärme und Sicherung gegen den Schnee im Blnm, 
die darin aufgehäuften Vorräthe von Lebensmitteln und dat berar 


green 


80») J. Brant,. Notes I. Bonihgate Le En ne 
Wilbraham 1. c. ag. Fer ag | 7, Re nn 
ag, Tg? - "199 4, Rennell,, Tlupigatic 











Eapheatioflem; obere Mumd; Kara fi. 683 


ſchende treffliche Berftenbier (olvos apidwog, Xenoph. Anak, 
IV. 5, 26), das in ben Kratesen bei ven Oelagen damals, nicht 
fehlte, aber gegenwärtig bei ven Armeniern ganz in Bergeffen- 
heit!l) geraiben iſt. Hier in verfelben Localität war es, wo 
Cheiriſophus und Zenophon auf ihre eigene Anfrage durch ihren 
perflich redenden Dolmetfches vom Dorffchulzen (xwuuexns, ei 
Zenopb.) es felbft erfuhren, daß Dies Land Armenia heiße, in 
das file aus Karduchia eingehreten waren. E 
Jenſeit Marnik, ſagt Southgate, ritt er. bald durch den 
Kara fu, und weiterhin an die Quelle dieſes Fluſſes, die aus 
einem kleinen, kreisrunden, unergrünblich tiefen Xeiche des Flarften 
Waſſers Hervortritt, der am Ende ber Ebene, nahe dem Kurkennorfe 
Moshenm, in einer fehr lieblichen Gegend liegt, die auch durch 
Baume geihmüdt if. Bon da an, bemerft verjelbe, wendete fich 
fein Weg von ver Dirertion gegen Oſt mehr und mehr ab gegen 
Süd, und führte zwifchen fchlanken Bergkegeln, ner von Welt nach 
Oſt gehenden ſüdlichen Grenzkette ner Mofhugebene, in ein 
Gebirgothal hinab. Died entſpricht der Kartenzeichnung, welche 
Col. Monteith dem Kara fu auf feiner Karte von Armenien 
gibt, die aber Hier blos hypothetiſchen Werth hat. J. Brant 
nennt aber denjelben Fluß nicht Kara ju, fondern fagt, daß es nur 
ein feiner Zuflup zum Kara fu fei, der aud einem Sumpfe 34 
Demfelben (natürlich gegen Nosd) durch flache Wieſen, Kornfelver, 
Melonmäder abfliege; daß er nachher wieder bei dem Dorfe Mu» 
"rn akſhir ven Kara fu Fluß erreicht habe. Sein Weg muß alſo 
wol etwas nörvlicher von dem vorigen abgemwichen fein, weil auf 
dieſem des Dorfes Muſhakſhir Leine Erwähnung geſchieht, und 
Gouihgate auf feinem früher gegen Süd abliegenden Wege Feine 
Aymenier mehr traf, und fehneller durch das Kurdengebirg nad 
Bitlis gelangte, als fein Nachfolger. , 
Das Darf Muſhakſhir Hatte, obwol es fihon Eigenthum 
ed Sherif Beg von Bitlis war, doch noch 50 armeniſche Familien 
zu Bewohnern. Bon Khaſskoi nah Marnif waren 9, von Mar- 
gif gegen D,5S.D, bis Muſhakſhir nur 6 engl. Miles Weg. 
Gegenüber, d, j. in N.O., lag die Kette des Nimrud Dagh (f.o. 
6.288) uud mehr gegen Sünden, an ber anbern Geite ber Sumpfe 
ebens, daB Kurbendorf Nurſhin (Norſhin, vieleicht identiſch mit 


mn . wur | er 

. 22) Col. Monteitb, Journ: tn Journ, of R, Geogr. Soc, ul. p,332; 

" A. Jaubert, oy. pP» ⸗ 
TUE .g . Roy hit EN 





634 MichMfien. UI. Abtheilung. l. Livſchaitt. 5.37. 


oAlgein Nofhem bel Southgate)/ das, fo wel wir wiſſen; unter ven 
Eutvpaͤern bis dahin nur allem von Prof. Schulz beſucht war 
ef: Erdt. Th. IX: S. 080). Die Nimrud⸗Kette, bemerkt I. Brant, 
zieht. faft direcrt von Nord gegen Süd, aber an ihrem Ehtenie 
wurbe fle von der Querkette des Kerku Dagh (f. ob. ©. 288) 
von W. nach O. durchſchnitten, vie, von buſchigem Unterholz ganz 
begrunt, abgeſtumpfte Gipfel wie erloſchne Bulcanformen 
zeige, die vielleicht von hier ſchon ſich dem plutoniſchen Gebiete 
des Ban Sees und Ararats anrelhen ob. ©. 28, 3, 
34 u. f. w.). 
9: Aug. Dritter Zagmarfch. Bon Muſhaſhkir nat 
Birtie. Von Mufhakſhir wurde bald vie Ebene von Hier ia 
" einer Stunde bis NRurſhin vurchritten; ſchon nach ber erfien 
halben Stunde wurde ver Karafu burchfet, der bier neh N. nah 
S. fließt, aber nicht fern herab vom Südabhange des Nimrud 
fommt, deſſen Thäler er entwäflert. Das meitläufrig zwiſchen Fel⸗ 
dern und Gärten audgebreitete Kurdendorf Nurſhin gewährt 
einen ſehr lieblichen Anblick Bon da an begann ein fanfte An⸗ 
fleigen zmifchen 2 Bergketten, an einem Dörfcyen mit einem ruinie 
tm Khane und, am Kafir Bozg over Borj (v. i. ungläw 
Higer Thurm) vorüber, ver aber von Modlemen bewohnt wir. 
Finige Jeſiden, die von ihren Vergzelten auf dem Nimrud berab- 
famen, zogen bier vorüber nach Bitlis. Einer von ihnen, ver 
tuͤrtiſch ſprach, fagte, fle fein Feine Mosfemen; er trank Brankt, 
wein und gründete darauf feine Blaubensgemeinfchaft und Rameräb» 
ſchaft mit den europäifchen Ehriften, weil vie Meinung unter ver 
bortigen Türken allgemein, das Ehriftenthum beftehe nur darin, be 
rauſchende Getränke zu geftatten; daher vie Mäßigkeit der Curopfet 
im Oriente in biefem Puncte nicht ſelten die Türken in Verwun 
drung ſetzt. 
Erſt 2 Stunden jenſeit Nurſhin, dem Oſtende des Kelu 
Dagh gegenüber, wandte fih I. Brants Karavane gegen’ nv 
in ein enges Ikal, dad zwiſchen hohem Bergrande wit fenterügfen 
bafaltgleihen Felſen, über die ſich ſpaͤrliche Baffafälz ſtit 
hinabwãrts führte, nach Bitlis. Man zog hier an mehreren 
Ben Khans (4 nah Southgate), yon foliver — ek 
altem Saracmenfiyl aus gehauenen Steinen aufgefählt; ak 
sundeten Ihürmen an ven Eden ver Gebaͤude, und mit u Sea 
gefaßten Brunnen vor Ihnen,!2) vorkber, bie eg 2 B, {na in 
813) J. Brant l, 0, pı 878, Wanfıma \ ur 


— 









, 





7 fen oͤberer Murad; Wille. 683 


Verfall, doch als Zeichen einft‘ bedeutenden Karawanenverkehrs gels 
ten Eönuten, wo e8 allerving®; auf ver Grenze de warnen GI: 
maß: von Bine: zum Falten Plateau Elima Hocharmeniens, 
von Wichtigkeit für vie zahlreichen Wanderer fein: mußte, Yier für 
die füneereiche und langdauernve Winterzeit Aſyle vorzufinden. : 
Die Thalſohle ver Engſchlucht war fo welch," daß die Pferde⸗ 
hufe ſich varin fehr: tiefe Reitpfade ausgetreten, und die Erde ſo 
leicht, daß man fie für Bimsfein halten konnte; alles deutete auf 
Vulcanboden bin. An einer Stelle watß ver Felspaß nur 20%. 
breit kuͤnſtlich durchgehauen. Die Nadtheit und Wildheit dieſer 
Felsſlucht erhöhte die Ueberraſchung, als man plögfih, durch fld 
Ninduch, am Cingange des ſchoͤnen und teigenven Thales von 
Bis fſtand, das in feiner gränen Umgebung Yon reichen Wale 
Bungen, bärten und Obſthainen einer ganz andern Natur anzuges 
Hören ſchien ald der baumleeren Eindde des welligen ein« 
förmigen Plateaulandes. Von' der ploßzlichen Sudwendung 
der Route brauchte man 2 Stunden 26 Minuten' Zelt, um Bitlis 
zu erreichen; bie ganze Strecke von Muſhakſhirbis Bitlit 
role min Auf 3 geogr. Meilen (15 sis 16 Dit. engl.). — 


— a Die Stadt Bisfis und das Beglit.n) 


gwat liegt die Stadt nicht mehr Im: Muradgebiete, and If 
fon früher von Blttis (Erdk. Th. IX. S. 1003 — 1006) einmul 
die Rede geweſen; ſeitdem haben aber J Brant und Southgate 
manche ver früheren, nur bei einem erſten Durchfluge gemachten Bes 
mertungen von Kinneir, Spiel und Wilbraham fpäterhin 
vurch längern Aufenthalt‘ miehtfach berichtigt und erweltert, was am 
zweitmäßidfien hirr nachzutragen ſein wird, da wir fa auch frü⸗ 
ber ſchon gendthigt waren, vas Verhältniß des Bitlistfhat zu 
des Tiqris Quellarmen zu berühren (ſ. ob. ©. 88 u. f.). Die 
aſtronomiſche Lage der Stadt iſt durch Glascotts Obfervation 
dahin berichtigt, daß fle unter 38%23'54" N. Br. und 42° 4' 45” 
DR. in feine Kartenſkizze eingetragen wurde, und ‚le abfolute 
Höhne des Sherif Begs Pallaſtes über dem Deere beträgt 5,137 8. P. 
(5,475 9. engl.), fo daß die meit tiefer gelegne Stadt etwa auf 
6,000 Bar. &. Höhe über dem Meere, nach runder Summe, gelegen 


anzunehmen fein wird. 
28) J, Brant & c. p. 870-—884; Southgate 1. c. y. WL— DA. 


— 





GBA Weht-aifien. II. Abtheilung. l. Libſchrit. 5.37. 


obigein Nofhem bel Southgate)/ das, fo vil wir wiſſen; unter von 
Gatopänn bis dahin nur allen von Prof. Schulz beſucht war 
€: Erdt. Th. IX: S. 980). Die Nimrub- Kette, bemerkt I. Braut, 
zieht. faft dirert von Nord gegen Süd, aber an ihrem Süͤbende 
wurse fie von der Querkette des Kerku Dagh (ſ. ob. ©. 288) 
von. nach O. durchſchnitten, die, von buſchigem Unterholz ganz 
begrunt, abgeſtumpfte Gipfel wie erloſchne Bulcanformen 
zeige, die vielleicht von hier ſchon fi dem plutoniſchen Gebiete 
des Ban Gerd’ und Araratd anreihen A ob. ©. 289, 331, 
343 u. ſ. w.). 
229: Ang Dritter Kagmarfl, Bon Muſhafſhkir na6 
Bitlis. Don Mufhakſhir wmurbe bald die Ebene von Hier in 
einer Stunde bis Nurſhin vüurchritten; ſchon nach ber erflen 
Halten Stunde wurde der Karaſu vurchiet, der bier neh N. nach 
S. fließt, aber nicht fern herab vom Südabhange de Nimrud 
fommt, deſſen Täler er entwäflert. Das weitläufrig zwiſchen Fel⸗ 
dern und Gärten audgebreitete Kurdendorf Nurſhin gewährt 
einen ſehr lieblichen Anblick Bon da an begann ein ſanftes An 
fleigen zwiſchen 2 Bergketten, an einem Doͤrfchen mit einem ruinte 
tim Khane und, am Kafte Borg oder Borj (v. t. ungläu- 
Higer Thurm) vorüber, der aber von Moslemen bewohnt wire. 
@inige Jeſiden, die von ihren Vergzelten auf dem Nimrud herab 
famen, zogen bier vorüber nach Bitlis. Einer von ihnen, ver 
tuͤrtiſch ſprach, fagte, fie felen Feine Moslemen; er trank Brauud. 
wein und gründete darauf feine Blaubensgemeinfchaft und Kamerad- 
ſchaft mit den europäifchen Ehriften, well die Meinung unter ven 
dortigen Türken allgemein, dad Chriſtenthum beſtehe nur darin, be⸗ 
rauſchende Getränke zu geftatten; daher die Mäfigkelt ver Eurupäer 
im Driente in dieſem Puncte nicht ſelten die Türken Im Bewer 
drung ſetzt. 

... &f 2 Stunden jenfett Nurſhin, dem Oſtende des "Kıska 
Dagh gegenüber, wandte fih I. Brants Karavanc gegen‘ on 
in ein enges Ikal, das zwifchen hohem Bergranve mit fei 
bafaltgleichen Felſen, über die ſich ſpaͤrliche Wafferfälte Kite 
binabwärts führte, nach Bitlie. Dian zog bier an ——⸗ 
ßenKhans (4 nach Southgate), von ſolider 
altem Saracenenſtyl aus gehauenen Steinen aufefähtt; wi er 
rundeten Ihürmen an ben Eden ber Gebäude, uns an 
gefaßten Brunnen vor ihnen,12) vorüber, bie BGF — 


. UI; map lun. il 


N 
N 













 Gupbrätfofleng öberer Murad; Wild. 683 


Berfall, doch als Zeichen einft: bedeutenden Karawanenverkehrd gel⸗ 
ten tönnten, wo es allerving®, auf ver Grenze ded warmen GIt: 
mas: von Bis: zum kalten Plateau» Elima KHocharmenien® 
von Wichtigkeit für vie zahlreichen Wanderer fein: mußte, hier für 
die füneereiche und langdauernde Winterzeit Aſyle vorzufinden. 
Die Thalſohle der Engſchlucht war fo weich, daß die Pferde⸗ 
hufe ſich varin ſeht tiefe Nettpfade ausgetreten, und die Erde iv 
leicht, daß man fe für Bimsfetn hälten konnte; alles deutete auf 
Vulcanboden Hin. An einer Stelle war vet —28 nur 20 F. 
breit -Fünftlich durchgehauen. Die Nadtheit und Wildheit dieſer 
Zelsſhlucht erhöhte die Ueberraſchung, als man plbtzlich, durch fle 
diadurch, am Cingange des ſchoöͤnen und retzenden Thales von 
Bithis Rand, das in feiner gruͤnen Umgebung Yon reihen Wal⸗ 
Yungen, Gärten und Obſthainen einer ganz andern Natur anzuges 
Hören ſchien ald der baumleeren Eindde des welligen ein« 
förmigen PlateanTandes. Von' ver ‚piöglichen Südmenbung 
der Route brachte man 2 Stunden 26 Minuten’ Zeit, um Bitlis 
zu errelchen; bie ganze Strecke von Ruſhakſhir⸗bid Bitlie 
ſhaen mdn auf 3 geogr. Meilen (15 bie 16 Di. engl.). — 


— \ Die Stadt Bitlis und das Beglit.) 


gwat liegt die Stadt nicht mehr im Muradgebiete, auch iſt 
fon früher von Bithie (Erdk. Th. IX. S. 1003 — 1006) einmaul 
die Rede geweſen; ſeitdem haben aber 3. Brant und Southgate 
manche ver früheren, nur bei einem erſten Durchfluge gemachten Be⸗ 
merkungen von Kinneir, Shiel und Wilbraham ſpãterhin 
vurch längern Aufenthalt’ mehefach berichtigt und erweltert, was am 
zweckmaͤßigſten hier nachzutragen ſein wird, da wir ja auch frü⸗ 
her ſchon gendthigt waren, das Verhäimiß ves Bitlistfhat zu 
des Tiqris Queſlarmen zu berühren (f. ob. ©. 88 u. f.). Die 
aſtronomiſche Lage der Stadt iſt durch Glaſscotts Obſervatlon 
bahn berichtigt, daß fle unter 3802354 N. Br. und 42° 445° 
DR. in feine Kartenſkizze eingetragen wurde, und die abfolute 
Höhe des Sherif Begs Pallaſtes über dem Deere beträgt 5,1378. P. 
(5.475 8. engl.), fo daß die weit tiefer gelegne Stadt etwa auf 
6,000 Par. J. Höhe über dem Meere, nach runder Summe, gelegen 


anzunehmen fein wird. 
18) J, Brant L c. p. 870-884; Southgate L. c. r ML — DA, 


-  geichügteren obſtreichen Thaͤlern. ie 








686 Wefbiiifien; TIL. Abthellung. I. WfGmitt. h. 37. 


Seltſam hineingebaut in 3 tiefe Thalſchluchten, bie von N, 
SD. und Weſt zufanmenftoßen, mit 3 Fleinen Strömen, die in 
einen, den Bitlistfhai, zufammenfließen, ner nach 24 Gtunben 
Lauf zum Tigris faͤllt, Kat dieſe Bergſtadt eine romantiſche Lage, 
welche durch den Terraſſenbau ber Strafen und Häufer noch erhößt- 
wird, die, aus der Thaltiefe aufwärts geſehen, dfter dem Beichauer 
über dem Kopfe’zu ſchwehen feinen. Die melften viefer Hauſer 
find von Gärten umgeben, die dem Ganzen ein varadiefiſches An- 
fehen, zumal immitten ber umgebenden Wäften, verleihen. Das 
Pflaſter iſt ſchlecht, aber die Steinhäuſer, alle mit platten Dach⸗ 
terrafien, find aus einem fchönen Quaderſandſtein erbaut; vie Mar 
zare find groß, ‚oft übermölbt, reich mit Warren gefüllt. Im wer 
Mitte ded Vereins der verfchlevenen Thalfehluchten, deren Bergmände 
bis zu 2000 Fuß emiporragen, erhebt ſich ein Steilfels, Auf deſſen 
Gipfel die imponirenden Ruinen des, fehr alten Gaftelle, mit . 
vielen arabifchen Inferiptionen, legen, das vor Zeiten die Reflveng 
der einft unabhängigen Begs von Bitlis war, aber gegen⸗ 
wärtig nur von einigen armen Familien bewohnt wird, weil bes 
heutige Sherif Beg von Bitlis, der Vaſall bes Bafıha von 
Mufb, fich einen modernen Ballaft auf einem andern, mehr 
Dergvorfprunge erbaut hat, der, an 300 Fuß höher als die Stadt, 
piefe dominirt, und über deren oft erſtickend Heißen Thalengen fich in 
eine Tühlere Luftregion erhebt. Im dieſem Iegtern murbe I. Brant 
von dem. gaftlichen Sherif Beg fehr freunpfchaftlich beherbergt. 
Er ift ſehr weitläuftig, Aber von roher Bauart, mit großen Hefe 
säumen, mit einge reichen Fontaine, mit Ställen in dern untern 
Räumen, mit Wohnungen und Gallerien in ven obern, die auf ed 
Selten für die Männer, auf der vierten. für das Harem. beim 
find, und aus ihren weiten geräumigen Fenſtern, Balkenen uub 
Terraſſen vie fchönften Ausfichten in die Umgegend geſtatten. Den⸗ 
no war e8 auch Hier im Sommer unerträglich heiß, vol Figen 
und nur die Flaren Nächte geftatteten auf ven freien Terraſſen um 
quickliche Ruhe und Schlaf. Den Winter hindurch iſt Dagegen, bie 
Kälte hier durchdringend, der tiefe Schnee aus den Cälnten, 
durch Stürme noch höher aufgeweht, hemmt nicht felten gang: “ 
Communication zwifchen dieſer Reſidenz und ver Stadt mit iu 






Die frühere Angabe Kinneirs von 12,000 Fine 
Stadt iſt von Brant und Southgate auf 3,000 Samillen, 1 
alſo wahrſcheinlich auf 12 000 Weleuce keflätigt; naͤmlich 





Euphratſyſtem; oberer Murod; | Bitlis. 687 


emifche und 1000 armenifche, wozu noch 50 jal. Htifche Familien 
einer Kirche und 2 Prieſtern Tommen, die Souihgate für die 
‚igen jafobitiichen Chriften im nörblihen Kurdiſtan anfleht. 
ver durch ihre Thalfchluchten und viele Gärten ungemein weit 
ig auägebreiteten. Stadt treiben die fließenden Waffer 32 Müh— 
viele einbogige Steinbrüden find über dieſelben Kinweggebaut ; 
zählt. bier 32 Moſcheen, 8 Medreſſen und an 12 Tekiyehs 
Convente der Dreher⸗Derviſhe, die Hier Ihren Haupifig 
n follen. Die Mofcheen find unanſehnlich; nur eine ift aus 
re Belt in demſelben faracenijchen Architecturſtyl wie jene vier 
se; auch find einige andre Ruinen in gleicher Art mit Sculp« 
| vorhanden. Bet einer derſelben bemerkte Southgate zwei 
* gehauene Löwen in liegender Stellung. Aus derſelben 
mag auch wol das Kaſtell auf dem 50 bis 60 Buß hohen 
echten Fels mit feinen 30 Fuß hohen, im Kreife fehr folive 
sten Ningmauern batiren, das, durch enge Steilwege und mieh⸗ 
Thore vertheidigt, einft uneinnehmbar gewefen fein mag, aber 
imärtig nur aus einem Haufen von Ruinen beſteht. 
Die Armenier In Birlis find wohlhabend, ſehr geachtet, ein⸗ 
eich, einſichtsvoll; fie haben 8 Kirchen und 4 Priefter. Jede 
e ift eine Art Klofter, darin viele Möndye; aber ihre Kirchen 
fo dunkel im Innern, daß man darin nichts zu erkennen im 
we iſt. An 2 bis 3 find ziemlich groß, von Steinen aufge 
‚ gewölbt und mit Malereien. geziert. Mit einer verfelben ift 
inzige armenifche Schule ver Stabt verbunden, in ver South- - 
: 200 Schüler zählte. Dex armenifche Bifchof, den verfelde hier 
bte, war 120 Jahre alt; in felner Kirche befand fich eine Glocke, 
och in allen andern türfifchen Orten ven Ehriften entzogen zu 
pflegen. 
Die Stadt hat 7 Khane, von denen 2 große nur zur Aufe 
se ‚für Kaufleute beſtimmt find; man rechnet für den Gebrauch 
Karamanentransportd nur 200 Saumpferde in der Stadt. 
Gemüſe und das Obſt von Bitlis find gut. Das Ieptere 
oblfell und im Ucberfluß; man zieht Hier Aepfel, Birnen, 
ılbeeren, Kirfhen, Quitten, Aprifofen, Melonen, 
uben, Beigen, Pomgranaten, Lambertsnäffe, Walls 
e. Das Clima den Obſte fo günflig, obwol doch eigentlich 
nichts aus dem beißen Elima hier vorfommt, iſt es auch für ven 
ſchen, der hier von ſchonem Schlage, ſehr geſund iſt, und ein 
Alter erreicht. Die Bewohner von Bitlis find freier und ge» 
7 als in andern Türkenkädten; fie Tieben Belang und RUNL;, 








688 With Nfien, IH: Abchellung, J. Abſchaltt. 6.37, 


fie Haben Rackveftillationen in der Siadt, aus denen täglich 150 Pfr, 
(80 DOffas) confumirt wird. Die geſalznen Fifche erhält fie aus vom 
Ban «Ger. Baumwollenwebereien, Farbereien und Getbereien in 
in der Stadt. 
- Kurden kommen nur als Gaſte, ohne da zu wohnen, 
in geringerer Zahl als nach Muſh; in der Stadt nennen fie 
Mufelmänner ‚im Gebirg bekennen fie ſich zu feiner Religion; KH 
Reben unter fi Immer in Blutfehde, und vauben mo es gebt;“ 
Staͤdter haſſen fie; alle Ortfchaften von Birlis bis Dan, Salwat 
and weiter find ihren Ueberfällen und Plünderungen aubgefeht, 
Doch iſt der Sheriff Beg von Bitlis ſelbſt ein Kurve; es war (1839 
der Bruder des Emin Pafcha von Muſh, deſſen Vater Fich erſt don 
Beg von Tiflis unterwärfig gemacht, und dadurch fein Bafgelt 
um ein ganzes Drittheil vergrößert hatte; denn 80 Dörfer ſichen 
unter ihm. Vor Zeiten war ver Beg von Bitlis ganz Invepennent, 
flug feine eigne Münze, und kümmette ſich auch um ben Gulten 
von Gonftäntinopel als Oberherrn gar nicht. Bon der Sage ki 
Hohen Alters von Bitlis, und feiner Gründung durch einen Helben⸗ 
konlg, den fie &8-fender!*) Oder Dulfarneien nennen (f. Coeifi Orogr 
b. Jaubert H. 315), iſt früher vie Rede geweſen. 
WVrbvrzüglich um des Handeldintereffes willen wurde Mir 
td von J. Brant, dem britiſchen Generalconſul in Trap, . 
beſucht, weil dieſer Ort Hinficgtlich des Verkehrs eine der bedenlen⸗ 
flen dortigen Handelsſtädte iſt, auf ver Grenze bes tuͤrliſchen Neiche 
und des perſiſchen, wie auf den Durchgangpuncte ven Un 
menien und Georgien nach Bagdad, Diarbekr, Syrien und ven 
Euphratlande. Daher iſt ſeinem folgenden Berichte wol etwas‘ u 
Vertrauen ald den gewöhnlichen Angaben der Reiſenden über u 
Gegenſtände zu fchenken. 
Bon einem großartigen Handelsverkehr fann " 
bier nicht die Rede fein, obwol die Lage ganz vortheilha 
wäre. Nah Moful find 15 Iagreifen (80 Stunden) gel 
Weges, Bagdad iſt 220 Ston., Bafjora 300 Sion. fra.nah. 
der Schägung ver Eingebornen; Diarbefr fol 48 Ehe. —2 
Jeſireh al Omra eben fo viele von der Stadt 
fein. Mit Erzerum, Moful, Bagdad und Ban, 
Hauptverkehr getrieben. Der Kaffee wird nur allein & 
über Bagdad eingeführt. Den Innigo aus O nen 3 

















324) Otter, Voy. 1. p. IM. 


v 





1 


Cupheatfofiem; Murad, oberer Lauf bis Palı, 689 


zer erhält man Durch Perfien über Erzerum. Die einzigen non Ca⸗ 
sopäern einzuführenben Srempwaaren find bier: ungebleichte engli⸗ 
ſche Galleod und engliſche Shawls, pie fehr wohlfell finn; etwas 
Wollenzeuge, gedruckte Calicos, gelbe Seiden und Satind, und etwas 
zsaffinieter Zuder. Der Hauptverbrauch befteht in Manufactur⸗ 
-waaren von Damasfus, Aleppo, Diyarbekr, und In groben 
bier. einheimiſch gewebten Wollenwaaren. Vieles Garn und viele 
Stoffe werden bier roth gefärbt, da die brillante roche Farbe von 
Bitlis berühmt IR; vie Hier gefärbten bunten Stoffe werden zumal 
nach Beorgien exrportirt. Nur wenige europäifche Callcos werden 
Bier gefärbt gegen vie Unzahl ver einheimifchen. Die dazu benupte 
Baumwolle wird zu Shirwan in Süd, zu Kharzan in Weſt ges 
baut, und von Khoi In Perſien aus dem Of eingeführt. Man 
rechnet, daß bier jährlich mehrere 100,000 Stüd Calicos auf biefe 
Art producirt werben. Der rothe Farbſtoff wird in Shirvan 
gewonnen. Balläpfel kommen aus Kurdeſtans Gebirgen hierher 
zum Berlauf. Der Gummi⸗Tragacanth wind in den Bergen 
von zweierld Pflanzen in unfäglicher Menge gefammelz (Astragalus 
tragacantha); von einer weiß bluͤhenden, die ein Ve und von 
einer blaßrothen, die ein braune Gummi von geringerm Werthe 
gibt, das nur von den Einheimiſchen verbraucht wird. Don Leu⸗ 
ten, die jährlich ſehr zahlreich durch Die Berggegenden fireifen, wird 
das Bummi eingefammelt; fie befreien die Wurzeln ver Pflanze 
von ver Erde, machen in dieſelbe Einfchnitte und erhalten dadurch 
einen ausfchwigenden Saft, der fchon im erſten Tage trocknet. Da 
au Weiber und Kinder dieſe Einfammlung beforgen konnen, fo iſt 
im Sabren der Nachfrage die Zahl der einſammelnden Arbeiter fehr 
groß, fo wie die Dunnitäten, die von der ſehr gemeinen Bebirge- 
pilanze an diefen Bummiarten gefammelt werden, ungeheuer groß 
ſind. Gonthgate gibt vie Menge diefed Bummi (pad er au 
Arabicum, obwol irriger Weiſe nennt), welches jährlich ven "Krane 
Durch Bitlis nach Armenien macht, auf 15,000 Okkaß an | 


5) Reiferoute, den Muradfluß abwärts, von Muſh 
über Palu. 

Das Muradthal ſelbſt, von ver Mufbs@bene bis Palu, 
Bleibt auf einer Strecke von wenigſtend 40 geogr. Mellen von Of 
nach Weſt vom größten Theile nach noch ein gänzlich unbelannter 
Gebirgägau, und nur Die Gebirgoketten, die den Strom zu 
Beiden Geltm im Norden und Sünden begleiten, und mwahricheln- 

Ritter Erbdlunde X. Er 








690 Weſt⸗Afien. TI. Abtheilung. 1. Abſchnitt. 8: 37. 


lich feine höchſt wilde, felflge und parums ummegfame wie unburds 
ſchiffbare Thalfpalte eng begrenzen, find und bie und ba durch di» 
nige Behirgspäfle, vie über vie Sünfette zu dem Tigrisgebiete füh⸗ 
ven, wie dur ein einziges Routier I. Brants über bie 
Uferberge der Nordkette, ver DujilsKette (Paryadres ber 
Alten, ſ. ob. S. 75), von Palu über Chang eri bi6 wieber zur 
Mofbusebene zurück, bekannt geworben. Bon Palu an abwärts 
aber, bis zum Berein mit dem Frat, verdanken wir ber erſten 
kühnen Beſchiffung dieſes Stromes durch die preußiſchen Difidere 
von Moltke uns von Mühlbach, feit ven Zeiten des Pli⸗ 
niut, die erſte Wieverentvedlung dieſes Stromlaufs für die Wiſſen⸗ 
ſchaft. Wir werden auch hier, wie im biherigen überall, im Ge 
genſatz der in ver Compendien⸗Geographie herkoͤmmlichen Methode, 
in der von uns befolgten, um zugleich mit dem Wiſſen auch das 
Nichtwiſſen in der Wilfenfchaft an das Tageslicht zu ziehen, 
wiederum dis fragmentarifch gewonnene Kenntniß nach den Raums 
 serhältnifien an einander reihen, fo daß wir zuerft die füplide 
Gebirgskette auf dem Tinten, dann bis noͤrdliche auf dem rechten 
Ufer beach und dann von Palu an abwärts auf dem Murad 
ſelbſt uns einſchiffen bis zum Frat. 


A) Ueberſteigung ver ſüdlichen Gebirgékette am linken 

Ufer des Durad; der Kharzan Dagh, Kolb Days, 

Darkuſh Dagh und Ihre Papübergänge zum Tigris- 
gebiet, von Nord nah Süb, 

Nur eine ſehr kurze Strecke dieſer Gebirgszüge lernen wie, 
wenigſtens von ber Seite ihres Nordgehänges gegen das Mu⸗ 
radthal Hin kennen durch I. Brant und Visc. Pollington, 
die beide, demſe Iben Wege anfänglich folgend, von Muſh ans 
gegen SW. dieſe Kette im Darkuſh⸗Paß überſtiegen Haben. 
Bon da an rang Pollington welter ſüdwärts vor; aber 
3. Brants Route fenkte fi, vem Murad parallel bleibend, 
nur zum Südabhange biefer den Murad begleitenden Kette hinab, 
über die obern Thalſchluchten der Tigriszuflüffe von D. nach W. 
vom Kolb fu (f. ob. S. 93) oberhalb Nerjiki, bis der Meifenbe 
wieber in bie Umgebung von Kharput (f. ob. ©. 104), alſd um 
Güpufer des Murad zurucklehrte. Obwol nun diefe Route zum ZU 
fon in das Grenzgebiet ver Tigrisflüffe hinübergeht, dadurch aber ber 
Waſſerſcheidezug zwifchen Zigris und Muradgebiet, die Mefhie 
[den Berge, der Maflus, der Nebad, der Riphates Des-Milien 








Euphratſyſtem; Murad, Kizil Aghaj. 69 


(f. 08. ©. 75—78), feine einzige nähere Erläuterung erhält, denn 
Kein anderer Augenzeuge gibt Hier nach ihm vollſtändigern Aufs 
ſchluß, und da wir auch aus obigem Paragraph (3. Plintus über 
die Tigrisquellen S.84—107) auf diefem Gebiete ſchon Hinreichend 
geographiſch orientirt find: fo werben wir um bes beffern Zuſam⸗ 
menbanges willen zunähft I. Brant von Mufh bis in die Näpe 
von Kharput begleiten, um durch Ihn eine lebendige Anfchauung 
dieſes Ländergebiete® zu gewinnen, auf vie wir dann nur fpäter 
um der Kürze willen bei der Orientirung im Tigriögeblete zurück⸗ 
zumelfen brauchen. 

2. Juli. Erſter Tagemarſch, von Muſh bis Kizil 
Aghal, 4 Stunden. Beine Beobachter 15) verliehen die Stadt 
Muſh, um den erſten Tagemarſch nur bis Kizil Aghai (v. i, 
rother Baum) vorzubringen, 4 ſtarke Stunden weit zu dem Dorfe 
deſes Namens, das am Weftende der Muſhebene unmittelbar am 
Nordfuße der dortigen Bebirgsfette Liegt, die überfliegen werden 
muß, um aus dem Euphrate in das Tigrisgebtet Überzugeben, fowol 
der Eingang zur Karawanenflrafe nah Diyarbekr am Xigris, 
wie nach Kharput am Euphrat. Die große Beſchwerde diefer Route, 
fo wie die bisherige Unficherheit durch das wildeſte Kurbengebiet, iſt 
wol die Urfache, daß erſt Im Iahre 1838 nach Bezaͤhmung vieler 
dortiger Kurbenflänme eine ſolche Tühne Entdeckungsreiſe gewagt 
werden und gelingen konnte. Der Weg geht immer am Nordfuß 
der Südkette in der Ebene Hin, durch welche ver Murad rechter 
Hand zieht, in den der Kara fu fich einmündet; man: überfegt Halbe 
wegs einen Haren Bergſtrom, ver ebenfalld wie Iegterer, von Süd 
nach Nord, ſich nach einem Lauf von 2 guten Stunben zum Mus 
rad fchlängelnd ergießt. Die Ebene ift Hier noch überall auf gleiche 
Weiſe, wie weiter oberhalb, mit vielen armenifchen Dürfern beſetzt. 
Neben mebrern Kurbenzeltlagen iſt Kizil Aghaj ein ſolches fehr 
armes armenifches Dorf von nur 30 armenischen Familien, 4214 F. P. 
(4491 8. engl.) über dem Meere. Das befte Haus des Kiaya, 
bei dem Brant Jogirte, wur doch vol Schmuß und Ungeziefer 
Hier Halten 30 Zamilien vom Tribus der El manli Kurven, 
bie unter einem Sherif Aga flehen, zur großen Laſt der Armenier 
ihre Winterflation, die aber im Sonmer mit ihren zahlreichen 
Heerden (300 Rinder, 600 Schafe), auf dem benachbarten Gebirge 
haufen. Der ganze Xribus foll aber 180 Familien zählen, un 





28) J. Brant I. o. p‘ 863; Visc, Pollingten I. e. p. 47. 
ar? 











⸗ 


692 Weſſt⸗Afien. M. Abiheilung. I. Abſchnitt. $.37. 


erſt ſeit hundert Jahren, nur 7 Familien ſtark, aus Orſah unter 
dem Schutze der Vorfahren Emin Paſcha's als Colonie hier ein⸗ 
gewandert fein, und ſeitdem ſich ſo vermehrt haben. Sie find nur 
Hirten und bauen Bein Aderfelb. 

Der Sherif Hilvete mit 9 Kurden Brants Belelt. Der Boden 
umher fehr dürr und fleinig, kann nah Brant keinen hinreichen⸗ 
ben Ertrag von Welzen ober Gerſte, ſondern nur von Sirfe 
geben. - 
3. Juli. Zweiter Tagemarſqh. J. Brants Weg von 

Kizil Aghaj nah der Kurdenſtation Shin Darkuſh 

Dagh; Koſhm Dagh; Antogh Dagh. 16) DB. Polling⸗ 

tone Pferdetreiber verſagten ihm den Dienſt, von bier weiter zu 

geben, aud Angſt vor der blutduͤrſtigen Rage ver Dezinen, pie hie 

im Gebirge Haufen und feinen Moslemen paſſiren lafien follten. 

Bollington aber drang doch vorwärts und wurde ſchon nach wen 

erften 4 Stunden Wegs in Erfleigung des Hochgebirge reichlich 

belohnt durch die Herrliche Luft und den balfamifchen Duft ver 

Alpenblumen, vie in größter bunteſter Farbenpracht Die Gebirgl- 

rüden überziehend alles übertrafen, was er bis dahin in dieſer Art 

gefehen. Mit der oberflächlichen Angabe von Anemonen, Tulipanın, 

großen carmofinrothen Päonien und ven frifcheften Almen, vie wer 

Reiſende mit ven fchönflen grünen perflichen Teppichen in Verglei⸗ 

hung bringt, müflen wir und begnügen, 618 ein Botaniker bie 

bortige unftreitig neue Alpenflora ven Europäern befannt mischen 
wird; bis dahin wird es auch wol problematifch bleiben, ob bie fa 
tigen aromatifchen Sprößlinge des Gewächſes, womit hier die Füh⸗ 
ver ihre Brot würzten, wie Bollington fagt, wirklich der office 
nele Rhabarber war (vergl. Erdk. I. 1033, IN. 373, IV. 190 
u. a. O.), für ven er Ihn hielt, ven er zu Mufh in großen Ber 
säthen geſehen Haben will, und ver au in ven GBebirgen wer 
Türkei, nach ihm, in Menge von feinfter Dualttät eingefammelt 
werden fol, Wir vermuthen, daß dieſe blumenreiche Alpe, Die au 
der Grenze des kalten nörblidhen Hochlanded und der mildern: füh 
lichen Berghöhen ſchon den Einfluß der warmen fyrifchen Sud⸗ 
lüfte empfinden mag, bei den Armenien der Berg Dyagdge Im 
Nabad der Alten war (f. 06. ©. 77), oder ber Dzaghats teach®, 
d. L der Berg der Blumen, der wegen der großen 





s10) J. Braut 1. c. p. 35%; Pollington 1. c. p. 48. 





EEE, . 


⁊ 
Euphratfoftem ; Murad, Koſhm Dagh. 693 


feiner Gebirgsthäler dieſen Namen führte 1) Nun trat der Rei⸗ 
jende zwifchen zwei fehr Hohen Bergen, deren einen zur rech⸗ 
ten, d.. gegen Weft, er Darkuſh Dagh nennt, ven andern hoͤch⸗ 
fin aber Khanduſh Dagh zur linken ober gegen Oft in ven 
Hauptpaß ein, in welchem auf einer Strecke von brittehalb 
Stunven mehre Bergwafler gegen Often, wahrfcheinlich noch zum 
Murad gehörig, floffen, an. denen auch Kurden Jailaks Iagerten. 
Weiber mit langen, groben, ſchwarzen, fliegenden Haaren, wilden 
Furien gleich von Unfehn, und häßlich, da die Schönheit des weib⸗ 
lichen Geſchlechts unter ver Lebenslaft Hier fehr ſchnell mit der erften 
Jugend verfliegt, zeigten ſich, doch, wie Ihre Männer, gafllih; es 
folten Yeziden fein. Gewiß waren fle von den bisherigen Kurden 
verſchieden. Sie brachten friſch gebadne noch Heiße Brotkuchen 
(nun), frifhen Käfe, faure Milch (shir, die fle nicht mit dem 
türfifch bekannten Namen Doghurt, f. 0b. ©. 334 u. a. O., nann⸗ 
ten) und Waffer (av), und belegten biefe mit Namen, die fchon 
einen perfifchen Dialect verriethen. Mit dem Gebirgspaß wechfelt 
hier die Volksfprache wie die Natur. Hier Übernadhtete der Vis⸗ 
eount; er Hatte auch am folgenden Marfchtage noch 11 Stunden 
über fchr beichwerliche Gebirgswege zu reiten und Paßhöhen zu 
überfleigen, bi8 er zum Dorfe Kherun (Khems der Kurven) 
kam), zu einem prachtvollen Wallnußbaum, unter dem er fein 
zweites Nachilager auf dem Gebirgäwege nahm, bis er am Mor⸗ 
gen des dritten Tagmarfches ſchon nach 2 Stunden Abfleigens vom 
Geblirg im Thale ven Kolb fu erreichte. 

J. Brant reifte Iangfamer, und erreichte erfi am Abend des 
vierten Tages denfelben Kolb fu, weshalb feine Tagemärfche, venen 
wir Hier folgen, auch kürzer und feine Beobachtungen betaillirter 
find. Er erreichte an dieſem zweiten Tage nur die Kurdenſtation 
im Gebirgsthale Shin. 

Bon Kizil Ag haj nämlich umritt er noch eine halbe Stunde 
weit die äußerſte Suͤdweſtgrenze der Plaine, und wandte fi) dann 
gegen Süd, zur ÜErfleigung der Gebirgäfette. Dom Gipfel ver 
ertten Vorkette, vie man ihm Koſhm Dagh nannte, und mel 
che an 1515 J. relativ fich über die Mufhebene erhebt (der Gipfel 
gab 5398 %. Par., d. 1. 57538. engl, abfolut über —— 
erblickte man gegen Sũd 2 andre Ketten, davon bie hoͤchſte, ver 
Antogh Dagh, noch viel Schnee, doch keinen ewigen Schnee 


37) St, Martin, M&m. sur l’Arm. I. p. 50. 








656 Weib Mfien, IH. Abtheilung. I. Aibſchnitt. $.37. 


ſchen Paſchas war er fehr heruntergekommen. Seine Frau halte in 
allen Scharmügeln ihm vie Flinten geladen, wie ex abgefäheffen. 
Nerjili liegt ſehr romantiſch unter rauhen klippigen Yelswänsken 
Yon Kalkſtein (7, und überſchaut das tiefe Thal des Kolbſu, ver 
ſchon zu ven nörblichen Zuflüffen der Tigris⸗Quellarme gehoͤrt 
Das Land if reichlich Bewäflert, Hat nur wenig anbaufähiged Laub, 
daB aber Überall benupt if. Das Clima iſt mild, weniger Scham, 
frühere Schmelze, Obſtreicht hum im milden Tiefthale, das nur 
noch 3331 Fuß Par. (3550 8. engl. nad) Dickſons Baromelsrmef- 
fung) über dem Deere Liegt. Doch reifen Melonen und Trau⸗ 
Yen auf viefer Gebirgohdhe noch nicht, was um fo merfwärbiger 
HE, da auf den Hügeln des noch Höhern armeniſchen Plateaulaudet 
zu Muſh, 3868 Buß Par. (4123 Buß engl.) über dem M., vo 
gute Melonen und ganz vorzügliche Trauben reifen, alſo Sie 
viefelben Berbältnifje ver Temperaturdifferenz zwiſchen Ma⸗ 
teauland und Gebirgsabhang einzutreten feheinen, wie Wi 
Tübet und dem. fünlichen blmalavaabhange Exdt. Th. III. ©. 69, 
VI. S. 433). 


B) Gebirgemarfqh von Oft na Beh, Fortſetzung, von 
I. Brant; von NRerjili am Kolbfu über Darakol, Sit 
jeh, Khini, Piran, zu den Tigris- Quellen bei Arghanı 
Maaden und bis zum Bolynere-AJuflüßchen (f. een 
©. 105, 107) zum Rurad bei Kharpmt. 


6. Juli. Erſter Tagemarſch. Bon Rerjilt nad 
Darakol. Steigt man von Nerjift noch weiter das Thal Kind, 
fo überfegt man den gegen Südoſt ſtrömenden Kolb ſu, und we. 
det fh nun gegen Südweſt, niedrige Verghöhen, mit Bweykie 
mm dber-Gallapfel-Eiche wie ver Manna⸗Ciche Sewaikfen, 
überfleigend, bis man zum Thale eines zweiten, dem Kolbfu ya 
lel gegen Suͤd firbmenven Tigrisquellarmes gelangt, ven 3. Brauft 
Mak ſu nennt. Das Elima fand derſelbe Hier ſchon weit weile 
als zuvor, denn vie orientalifhe Platane und Vie ’agiis 
castus beſchatteten flatt der biöherigen Welvenbäume bie’ TUE WB 
Fluſſes, die Baum wollenſta ude ımb Waffermelone wei 
auf ven Feldern gebaut. Die abfolute Höhe des Dorfes Darat 
dad um 10 Uhr am Morgen im Thale eines briitet noch Th 
tenberen Parallelfluffes, des Sarumfu, erreidt ward, Inge Talake 
um ein halbes Taufend Fuß tiefer, nämlich ‚nur 7 er 
(2983 Fuß engl.) ihr un Me, Der 














⸗ 


Euphratſtſt.; oberer Murad; Pollingtons Routier. 697 


ſcheinlich mit mehrern feiner nächſten Zuflüffe, wie ver Half, 
Kolbfu und der Fluß von dem weſtlichern Illjeh, bildet weiter ab⸗ 
wärts vereinigt einen ber Ganptzuflüffe des Tigris, den⸗ 
felben, ven wir früher Hasru (Khazero) genannt haben (f. oben 
&.89, 96 u.f.), und welcher fih im Diyefirch- Diftrict (Ies 
zireh ben Omar, f. oben &.87, 252 u. a.), der dem Generalconſul 
8 Tagereiſen fern von Darakol angegeben ward, zum eigentlichen 
Tigris ergießen ſoll. 

Bisc. Pollington verfolgte dieſelbe Route vom Kolb ſu bit 
hteher nach Darakol 20) am 13. Juni, aber er hörte andere Namen 
ver Orte und Flüffe, die nicht Teicht zu Iventifietren find; wie denn 
hier die kurdiſchen, perfifchen, türfifchen und anvere Benennungen 
gar vielfach durcheinandergehen und vie topographifche Kenntniß 
ungemein erſchweren. Er berichtet, daß ex von dem oben von ihm 
zulegt genannten Orte Kherun, wo er den erſten prachtvollen Walls 
nußbaum wahrnahm, vom Kolb fu Über ſandige mit Zwergeichen 
und Weidenbäumen bedeckte Hügel in zwei Stunven durch den Fluß 
Pokreh ritt, der gegen S. S. O. fließe (vielleicht ver Dat fu bei 
Brant); daß er dann nach brittehalb Stunden zum Kurdendorfe 
Hajt Anna, und nad einer Stunde zum armenifchen Dorfe 
Teltafi kam, obwol auf der Süpfelte des überfliegenen Gechiräs« 
zuge® nirgends mehr bie fubterrane armenifche Bauart ver Hütten 
fich zeige, ſondern die überall In dieſen türfifchen Gebieten gewöhn⸗ 
liche, mit platten Dächern; woraus wir fchließen möchten, daß vie 
fparfamen, an diefen Südgehängen zwifchen den kurdiſchen erwähn⸗ 
ten armentfchen Dörfer nur ſpätere, aus ihres eigentlichen Hel⸗ 
mach verbrängte armenifche Golonien fein werden. Unter den vies 
In Obſtbäumen, die auch PVollington Hier fchon mit Vergnügen 
wahrnahm, bemerkte er fogar einen Barrubenbaum (Ceratonia 
siliqua), der doc) fonft nur im warmen Elima gebeiht. . Am näch⸗ 
fen Tage, den 14. Juni, durchritt er den Fluß Semch Sarum, 
ver gegen D.SD. floß, und wol Fein anderer fein Tann, als der 
von Brant genannte Sarumfu: denn von Hier trat der Vis⸗ 
count nach einer Stunde Weges durch ven letzten Engpaß ber 
Borketten binaus In die flache Ebene des Tigris (hier Hid- 
dekel genannt), mo fein Weg nun völlig von I. Brants Route 
gegen Süd abzweigte, und ihn über das nächſte Städtchen Kha= 
zero (d. 1. Hasru, am gleichnamigen Fluß, ſ. ob. S. 96), im Lande 





20) Visc. Pollington I. c. p. 449. 





I) 


698 | Wefl⸗Eſten. III. Abthellung. I. Abfchnitt. 8.37, 


der Maulbrerbäume und ber ſich wieder zeigenden lombardiſchen 
Pappeln, die für ganz Syrien einen fo characte riſtiſchen 
Baumwuchs abgeben, in einem langen Tagemarfche nach Diyar- 
bes führte. | 

Wir bleiben aber mit I. Brant auf unferm Weſtmarſche im⸗ 
‚mer nördlicher innerhalb der Vorketten, durch welche ber 
Karawanenweg Im nievern Hügellande, in minder heißem Gllma, 
und wo die noch nicht angeſchwollnen Ströme leichter zu durchſeher 
find, hindurchführt. 

Darakol Hat unter feinen 60 Famillen nur 11 armeniſche 
die arm und blos Knechte der Moslemen find, die fie auch mit Ge 
walt zum Wiperflande gegen Reſchid Paſcha nötbigten. Der Ort 
gehört zum Diftrict des Beg von Ilijeh. Der Boden, eine weiß 
liche Kreide, if ſehr Dürr, aber. durch Waſſerreichthum gut zu bes 
fruchten; die Häufer find aus Thonfchiefer aufgebaut. Die Luft 
war bier ſchon ſchwũl und entlun fi In Regenſchauern und Keil 
gen Stürmen. | 

7. Juli. Zweiter Tagemarſch. Von Darakol nat 
Ilijeh. ?!) Durch obſtreiche Thaͤler gelangt man auf bequemen 
Wege von 4 Stunden Diflanz zur Stadt Ilizeh, d. 5. wart 
Quelle, wo klare Belsquellen zwiſchen Obſthainen hervorſprudel, 

"uf einer Höhe von 3545 Fuß Par. (3779 Fuß engl.) übern. M Mñ 
Der Ort hat 750 mohamedaniſche und 213 armenifche Fami⸗ 
lien zu Bewohnern; die letztern haben Fein Landeigenthum, few 
dern find Weber, welche die einheimifch gebaute Baumwels 
oder die von OR und Weft aus Khoi (in Perfin) und Wan 
(über Kharput) eingeführte frembe, zu groben Baumwollengengen 
verarbeiten. Diefe Stadt mit 2 Mofcheen und 4 lauwarmen Qud⸗ 
Ien, mit elenden Bazaren, zu denen noch Teine- europätfchen Yabrikuk 
Zugang fanden, liegt unter einer hohen Kallſteinklippe, tm X 
Schlucht voll Obſtbäumen, aus der eine weite, grandioſe 
ſich in die tiefer liegende Ebene eröffnet. Die Lage ber Eich. 
gut gewählt, aber viefe verfank in Ruinen; ſelbſt ber ein 
und glänzende Pallaſt des Beg, der Hier feine Meflvenz Hatte, id A 
Branpflätte geworben feit der Iegten Züchtigung ber hrei, 
Begs von Ilijeh, von Hazero und von Khint burg a 

Paſchas Truppen. Diefe drei Begs des Sandſhak von zirn 
waren unter fi verbündet und fanden gemeinhaftli wegen dar 


sl) 1. Brant L 6 2.38. 


ur 





* 


Euphratſyſtem; Murad, Khini. 699 


Türken« Paſcha auf, woflr fie ſelbſt, wie ihr Land, büßen mußten, 
indeß ſich die andern bortigen Gebirgochefs demſelben unterwarfen. 
Vorher berrichte dort Raub und Mord, gegenwärtig Zucht, Ord⸗ 
nung, Sicherheit auf der Landſtraße; dafür mußten die Landesbe⸗ 
wohner aber flärkere Taxen als zuvor an ven Pafcha zahlen. 

Das Beglik Hazero, von Rejeb Beg beberricht, enthielt 
60 Dorfer, Hatte 600 Mann regulair befoldete und gut armirte Ga» 
vallerie, konnte aber zur Behdezeit noch 700 Reiter und 3000 bis 
4000 Bußgänger, mit Schweriern bewaffnet, auf die Beine bringen; 
er galt für den zeichfien der 3 Begs, weil es 3 bis 4 Paſchas von 
Diyarbefr und manche reiche Karawane auögeplünvert hatte. Doc 
wurde ihm mit Unrecht noch mandye andere Raubthat zugefchries 
"ben. Er wurbe von Reſchid Paſcha Heflegt, gefangen nach Adria⸗ 
nopel ind Eril geſchickt, wo er feinen Kleinen Jahrgehalt aus feinen 
großen Nevenüen wol nicht Iange genofien haben wird. Der Beg 
von Jlijeh, Hufein Agha, mit jenem verbindet, warb auch bes 
flegt, und feln ältefter Sohn und Nachfolger, Beiram Beg, eben- 
falls gefangen nach Adrianopel exilirt. Diefer Beg Tonnte aus fei- 
nen 70 Dörfern 300 Mann GCavallerie und 4000 bis 5000 zu 
Fuß flellen; feine Ginkünfte waren bedeutend, wurden aber mit Frei⸗ 
gebigkeit wieder verſchwendet, jo daB ihm felbfi-wenig Im Schage 
übrig blieb. Der Beg von Khini, Temir Beg, Hatte mit den 
vorigen gleiches Schiefal; er Eonnte aus 60 Dörfern nur 200 Reis 
tee und 2000 bis 3000 Mann Fußvolk ftellen. | 

8. Juli. Dritter Tagemarſch. Bon Jlijeh nad 
Khini. 22) Erſt über Elippigen Boden, dann durch wohlbebauten 
und mit Obfigärten bepflanzten eined großen armenifchen Dorfes, 
wo man ſchon mit der Kornernte begann, kam man nad) 5 Stun 
den Nitt zur Kaffabah Khini oder Hineh nah v. Moltke (eine 
©trede von etwa 4 geogr. Meilen, 18 bis 20 Mil. engl.), ein Drt, 
wer nach 3 angeftellten Barometerobfervationen 2744 %. Par. (2924 
5. engl.) über d. M. liegt. Died Städtchen hat 300 moBlemijche 
und 150 armeniſche Famillen zu Bewohnern, die ungemein gebrüdt 
find durch eine fchwere Tare von etwa 300 Pfund Sterl., die fie 
Ubrkt an den Paſcha zu zahlen gezwungen werben. Sie rebellic- 

ten gegen den Paſcha nicht, die Erpreſſungen wurden aber ſtaͤrker 
als zuvor. Keiner bebaut hier einen Acker, wol aber Weinberge 
und Bärten, deren Ertrag fie an die Stadt Diyarbekr abſetzen, 








Li 


22) & Brant I, c. p» 861. 





700 WefAfien, TIL Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 37. 


die 12 Stunden Wegs gegen E. W. entfernt liegt. Die Armenler 
find Spinner und Weber, die auf 120 Webſtühlen an 30,000 
Stud grobe Zeuge zu Stande. bringen, die nad Diyarbekr, na 
Muſh und in die umliegenden Dorfichaften Ihren Abſat finden. 
Ihre Baummolle beziehen fie von Kharput und Erzerum. Ya 
der Stadt fpringt eine fehr reichhaltige Quelle, Anbar fu ode 
Ambar fu (d. i. Korn- Fluß) genannt, die mit einer Temperatur 
von 11711! R. (57° Fahrh.) unmittelbar aus dem Kalkfteinfels 
hervortritt. Jene Wärme wurde von Brant für die mittlete 
Erptemperatur gehalten, weil die unferne Quelle zu Jlijeh 
aus Kalkſteinfels hervorbrechend, viefelben Temperaturgrabe zeigk 
Da man dieſe Quelle Im Sommer fühl fand, im Winter aber al 
"warm angab: fo ſcheint fle viefelbe gleiche Temperatur auch zu be 
wahren. I. Brant wurde zu Khini vom Mutfellim Sherif By 
aus Diyarbekr fehr gafllich aufgenommen, und erfuhr von ihm, def 
SHaflz Paſcha auf feiner Ruͤckkehr vom Kharzangebirg auch die Ei. 
fenminen von Sivan Maaden, auf vem Wege nah Balu 
Iogen, beſuchen würde, die verfelbe von Europäern bearbeiten lich 
10. Juli. Vierter Tagemarſch. Don Khini nal 
Piran.2) Im demſelben Thale von Khint brachten die An 
14 Stunden zum Ende ver wohlbebauten Ebene, und durch eiam 
Gehirgspaß in eine andere ebenfalls gut angebaute Ebene, h 
welcher man nad) 34 Stunde Wegs zum Ufer eines Zluffe 
Iangte, der vom Norhen herab durch einen Bergipalt in viefelbe de 
tritt. Diefer Fluß windet fich erft eine Meine Stunde gegen @, 
dann gegen ©., am armenifchen Dorfe Zibench vorüber, vor ven 
"en ver Ziheneh= Fluß (Sibeneh) genannt wird. Seine Dirk 
follte weit im Norden, ganz dicht am Murapfluffe, alfo ef [3 
engften Stelle ver Wafferfcheide zwiſchen Tigris und Bi 
rad liegen, was auch durch v. Moltke beſtätigt iſt (f. ob. €. 
Man fteigt vom hohen Ufer durch die Engſchlucht des Mark . 
‚Senden Stroms hinab, deſſen Uferfelfen kaum 50 Fuß = 
feinem Durchbruche geftatten, und eben bier, auf ihrer Ge —* 
an ber man vorüber ſteigen muß, eine Menge Exrenvatioueg zuge 
die aber zu Hoch über dem Waller Iagen, um fie nähes mul 
ober erzeichen zu koönnen. Die naͤchſtfolgende aus Bien ‘ ke N * 
ũberſteigende Berghoͤhe mit breitem Rüden Hatte Rörufeie 2 
denen fchon die Schnitter mit ber Erhte leſcãſusi warei. ns 


Sue FE 


ri 













#29) J. Brant Lo. p.BOR, 





* 





. Eupprasfoftem; Murad; Arghana Maaden. 701. 


Mais wurde hier bei einem Dorfe gebaut, an dem man vorüber 
wieder ein enges Thal, nun ſchon das dritte, durchſetzte und an deſ⸗ 
fen Weftenve, nach 64 Stunde Marſches (etwa 16 bis 18 engl. M. 
Wegpiftanz), dad Dorf Piran erreichte. Diefes liegt 2861 F. Bar. 
(3049 %. engl.) über d. M., Hat 90 mohamedaniſche und 80 ars 
meniſche Bamillen zu Bewohnern, und ifl eins der 50 zum Beglit 
Egil gehörigen Dörfer (die Lage der Feſte Egil in NO. von 
Diyarbekr, ſ. 06. S. 98), deren Beg, fletd dem Gouverneur des bes. 
nachbarten Argbana Maaden am Tigris (bei dem Kupferberg- 
wert, |. 0b. S. 105) unterwürfig, nie Raub geübt hatte wie feine 
örtlichen Nachbarn. Daher war in feinem Gebiete Sicherheit und 
Wohlſtand eingekehrt, Ver aber feit ver verftärkten Betreibung jener. 
Kupferwerke durch übermäßige Anforderungen fehr untergraben 
wurde. Ihnen war die Lieferung von 5000 Labungen Golzkoh⸗ 
len für jene Hüttenwerke auferlegt, was dieſem Dorfe allein eine 
Auslage von 250 Pf. Sterl. Foflete. Die Wälder an ver Nord⸗ 
feite des Dorfs mußten fie daher nienerhauen, und das Rand von 
Holz vdllig entbldßen, um dem Gebote nachzukommen. Das Dorf 
liegt an der Mündung einer Schlucht, wie viele der Hieflgen Dorfs. 
fdyaften, aus der man eine. weite Plaine überfchaut. In der Nähe 
bemerkte I. Brant die Ruine einer armentichen Kirche, von ver 
nur noch ein einziger Bogen von. rober Gonflruction ſteht. Ein 
jũdiſcher Handelsmann war bier, der gegen Babricate für fein Haus 
in Aleppo bei ven Bauern Balläpfel eintaufchte. Der Ahmed 
Aga erhielt bier die Nachricht, daß Hafiz Paſcha ſchon von feiner 
Reife nah Kharput in feine Refidenz zurüdgelchrt je, wohin 
J. Brant nun eilte, um Ihm aufzufuchen. Daß ver Fluß, ver bei 
Piran fließt, wie ver Sibeneh fu, fi mit vom Anbar fu in 
einen großen Hauptarm zum Hauptfirome des Tigris er- 
gießt, iſt ſchon früher bemerkt (f. 0b. ©. 97), auch daß eben das 
Thal eines viefer nörplichften Quellflüſſe, nicht am Murad entſprin⸗ 
gend, zum Eifenhüttenwert Sivan Maaden führt, das nicht 
fern von der Uferſtadt Palu liegt (f. ob. ©. 97). Nicht duch 
I. Brant if diefe Xocalität befucht, die unmittelbar In Norden von 
Piran wol nur 2 Tagereiſen entfernt liegen mag, weil es gegen 
Wehen na Kharput eilte, wol aber von ven preußifchen Offi⸗ 
zieren, worüber wir weiter unten, bei Pal, berichten werten. 
11. Jult. Fünfter Tagmarſch. Bon Piran nad Are 
ghana Maaden, eine Diflanz von 5 geogr. M, (25 M. engl), 
voll wegloſer, gebirgiger Paflagen ohne ein einziges Dart, a WO 








702 WeftAften, M. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.37. 


Zurücklegung 12 Stunden Zeit nothwendig waren. Gin paar bes 
deutende, gegen Süd ziehende Bergfiröme, unflreitig Zuflüffe zum 
Tigris, mußten burchfegt werben, bis man eine fleile Bergwand 
über dem eigentlichen Tigrisftrome, dem von Diyarbekr, 
erreichte, an deſſen weſtlicher Uferfelte daB Kupfergebirg Ar⸗ 
‚ohana Maaden, wo bie Berg und Hüttenwerke liegen, in da 


Auge fällt. Die Bergwand Hinabgefliegen, ward ber Tigridſtrom 
auf einer ſehr verfalinen Brüde überfeht, und die Bergwand zur 
Mine emporgeftiegen, die 3419 8. Par. (3644 F. engl.) üb. d. M. 
Siegt. Bel einem der Bergwerkobeamten wurbe eine gaftliche Ber⸗ 
berge gefunden. Die gleichnamige Stadt, weldde weiter abwärts 
am Strome liegt, wurde nicht berührt. 

12. Juli. Schäfer Tagmarſch, zum Rurbenvorfr 
Kizin (Kidjan). Don der Kupfermine wurde norbwärts em 
Schlucht durchritten und darauf die von Reſhid Paſcha be 
Samfun angefangene bequemere Militärſtraße zum Weiler 
kommen benußt, bie jeboch erſt von Hafiz Paſcha bis Kharput 
zu Stande gebracht (ſ. ob. S. 106). Wie von hier aus noch dw 
mal der obere ſich fo vielfach windende Hauptarm des Tigris, gem 
dicht an feiner Duelle und. nahe dem Gbolendſchik See, durchfch 
werben mußte, um über daB Kurbenbörfchen Kizin ober Kädjan, 
4286 3. Par. (4,568 $. engl.) üb. d. M,, zur Hochebene von 
Kharput, dem damaligen Stanvlager der türfifchen Arte uni 
Baſiz Waſcha zu gelangen, ift ſchon früher berichtet (f. ob. 6.104) 
Diefe Hochebene, eine der fhönften und am beſten culttoirten I 
der ganzen Türkel, war eben vol wehender Kornfluren, und e& ie 
gann die Erntezeit. Ein Zug nievriger Berge, von denen anlge 
hend, auf veren einem, mit fchroffen Beldwänven, vie Stadt Khar⸗ 
put, mit einer alten Citadelle und einigen Minarehs, fich erheht, 
4,534 %. Par. (4,832 5. engl.) üb. d. M., zieht gegen OR ab | 
ſcheidet die Ebene in zwei Theile. Das Oftenve dieſed Hägeizugb 
wird vom Muradſtrome befpült, ver Hier, von Palu herabgekem⸗ 
men, diefe Hochebene gleich einer Halbinfel umſtroͤmt, aber zunee 
fih mit dem Frat zum Euphrat vereint, ehe beider Tee | 
Diele Cuphrat⸗Halbinſel, die wir oben für die 33 
Alten angeſprochen, faſt ganz, bis zum nur noch eng 
benden Iſthmus, nun wirklich umfluthet (ſ. ob. S. 108 ı u. 3 








A} 


Euphratſyſtem; Murad; Ehangeri⸗Kloſter. 703 


C) Gebirgsmarſcham Norbufer des Murad, von Rufh 
über die Borberge ver Dujil Kette bis Palu. | 

Auf diefem Wege If I. Brant ver Entdecker?) und ber 
einzige Führer; kein andrer Reiſender, fo viel und befannt, Hat 
je viefe Höchft beſchwerliche Gebirgsſtraße begangen, welche fortwäh⸗ 
renv’am Sündgehänge und über bie füblichen Vorketten der alpinen 
bis 10,000 Fuß Hohen, oft fähnerreichen Dujif- Kette (Paryadres) 
Hinzieht. Obwol er dieſen Weg auf feiner Ruͤckreiſe von Kharput 
über Palu nah Muſh, von Palu an, In 6 Tagen (Anfang 
Auguft) von Weit nach Oft gehend zurüdlegte, fo Finnen wir doch, 
feinen Angaben folgend, bei unferm herkomlichen Gebrauche, ben 
Stromlauf abwärts zu begleiten, diefe von Of nah W. für unfre 
Wanderung aneinanner reiben. 

Erfter Tagmarſch. Don Muſh zum Klofter Chan⸗ 
gert, oder Surp Ohannes, dem großen Wallfahrtsorte 
(6 bis 7 Stunden fern). Der Weg führt von Muſh Aber das uns 
ſchon bekannte Dorf Kizil Aghaj zu dem Dorfe Shefiran mit 60 
armenifchen Bamilien, bie 30 kurdiſchen das Winterquartier zu geben 
haben. Oberhalb veffelden fpaltet fi ver Murad Fluß in zwei 
Arme, deren füplicher fHultertief, ver nörbliche Enietief, nur 
allein in ver trodenften Jahrszeit furthbar iſt, in den waſſerreichern 
Monaten aber nicht, fo mie noch weniger fein Strom etwas weiter 
abwärts, wo die beiden Arme, wieder vereinigt, eine Breite von 100 
bis 120 Schritt gewonnen haben, und das Flußbett fehr jchlammig 
erſcheint. Nur eine ſtarke Stunde von ber Furth, etwa 5 Stunden 
fern von Muſh, liegt dicht am Buß dort auffleigenver Berge, am 
Nande der Ebene, das Dorf Ziyaret (dv. 5. Pilgerort), mit 
40 Armenien, die ebenfalls durch die Winterfistionen der Kurven 
nicht wenig geplagt werden. Bon da find noch 2 Stunden Wegs 
zum Klofter. Dies wird bei I. Brant Changeri genannt (fprich 
Tſhangeri, daher es au Tfhangeuset bei Southgate ge⸗ 
- fgrieben wird). Die Armenier tituliven dies Heiligthum Gurp 
Ohannes (Sc. Johannes), oder Surp Garabied (Sanctus 
Praecursor, d. i. Johannes der Täufer). Cs iſt nicht mit 
dem Surp Obannes am obern Murad ‚zu verwechſeln, das auch 
Up Kiliſa, Dreikirchen heißt, (f. ob. ©. 350), dad mit dem Utſh 
Aliſa am Ararat, oder mit Eifhmiabzin einft rivaliſtrte. Von ſei⸗ 
ner urfprünglichen Begründung, nad) dem Siege des Chriſtenthums 


°°*) J, Brant l. c. p. 868 875.- 











704 Werfen, II. Abtheilung. J.Abſchnut. $.37. 


ſelbſt Geſang und Muflf Ichre, auch vie Kaufmannfchaft; daß ab 


fers ala Reliquie bewahre, zu walfahrten; dann erſt zögen fie ah 


- Kirche, ein großer maffiver Bau, ohne alle Zierde, mit fehr Nan 


über das Gotzenchum, ald Klag Vank, tft ſchon oben bie Kehe 
geweien (f. ob. ©. 553), und Zenob, der Nachfolger jenes Abtes 
Klag In dieſem Bank oder Klofter, und der erfle Biſchof vaſelbſt, 
nachheriger Patriarch, erzählt in feiner Klofterchronik, die er auf 
Sct. Gregors Befehl ſchrieb, allerving® die Translation der hei 
Ligen Reliquien Johannes des Täufers aus Caeſarea, m 
Zeit Sregorius Illuminator, nah Daron, wodurch viefeb 
Klofter fo ſehr frühzeitig zu dem berühmteſten Wallfahrt orte 
in Armenien erhoben ward. Auch ver 35fte Nachfolger des Zenob, 
als Biſchof dieſes Klofterd, Sohann ver Mamigonier, befkätigt 
daffelde 25) (vergl. ob. S. 571). Dies Klofter Härte I. EL RiE 
zu Moful au Tſhengedeh und Tfhengelli?6) nennen, 6 
Stunden von Mufh, eine Station von Sillugh (?) entfernt, am 
Meagha Kial, einem Fluſſe, gelegen, ver zum Murad fließe (M) 
Die Pilger, fagte man ihm, pflegten zuerſt nach Kaiſeriah (Car | 
sarea), wo ein berühmtes Klofter ven Schädel Johannes des In 


Tſhengedeh, mo es mehrere Eonvente geben follte, und von is 
erft nah Etſhmiadzin. Bon diefem Tſhengedeh wure 
viele Legenden erzäßlt, 3. B. daß der Sanctus im Gauptllche 





wegen der Herodias feinem Weibe geftattet ſei, fich ihm zu nafee; 
aus einem tiefen Brunnen follen dfter6 die Stimmen gefangen 
Dämone hervorſtoßen, auch äfter eine Lichtglorie ſich um dich 
Stelle, und zumal nach Regen, ſehen Iafien, was vielleicht in dem 
befondern Naturphänomen feine Begründung haben mug Be 
Mirakel, die Wunderkuren werben weit und breit gepriefen. Mn 


enfterdffnungen, im Innern ganz düfer, fol im 3.304 u. Gee® 
aufgeführt fein. Rings um vie Kirche läuft ein fehr geuiumnige 
Hof, mit einer fehr großen Menge von Ställen und Budch fr 
Pilger und Kranke, und das Ganze umzieht eine Fhägeube ii U 
Vertheidigungsmauer, -gegen jeden feindlichen Angriff ausge 
Dennoch wurde während bes rufflfchen Kriegs dies Kloſter ven H- 
Kurden befegt, der nicht unanjehnliche Kirchenſchaz geraubk; wi U 
Klofter ausgeplünvert, alle feine Kirchenbücher, Pergammnie Wh U. 
Manufcripte wurden in das Waffer und das eu — 






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226) Reumann, Verſuch e. armen. Literatur a. a. 2. « 
3%) 5, CL. Rich, Narrative of Kurdistan Vel. I. App * 





Euphratſhſtem; Murablauf bis Palı. 705 


em Tractat von Adrianopel gemäß gab der Sultan zwar einen 
irman zur Wievererflattung des Geſtohlnen, aber nur wenig davon 
ar zu retten. Mehrere Bifchöfe, die I. Brant bier ſeßhaft vor 
md, gehörten zu ber großen Zahl ganz unwiſſender armenifcher 
eiefter, tie nicht ald Klagen über die Abnahme der Pilgerfahrten 
orbracdhten. Sie befigen von zwei Dörfern als Grundeigenthum 
ur fehr wenig Einkünfte, und müffen vorzüglich von Pilgeralmo⸗ 
n leben. Die Audfagen vom Reichthum und ver Gaftlichkeit des 
Tofters fand der britifhe Generalconſul fehr übertrieben. Selbſt 
e befte Stube, die man ihm zu feinem Quartiere anwieß, war ver 
üfle:. Doch waren viele Dauerleute eben mit ver Ausbeflerung 
x Gebäure beſchäftigt. Das Hauptfeft des Kloflerd, der Johan» 
iſtag, zieht große Haufen von Pilgern aus ver ganzen Umgegend 
bei, wobei es auf der dann fich bildenden ſtarken Mefie nie an 
treitigkeiten zwiſchen den Kurven und ben Mönchäleuten fehlt, 
n» die roheſten Prügelelen eniſtehen. 

Zweiter Tagmarſch. Dom Kloſter Changeri nad 
okareh, oder Ober⸗Pakengog. Dom Kloſter 2 Stunden 
felgen zum Rüden einer Berghöhe, von der ein letzter NICH 
af die weite Ebene von Muſh und in die Tiefe auf den ſich gegen 
ũd Durch Die Berge hindurch winvdenden Murad fällt, von deſſen 
fer fi ver Weg immer mehr gegen Nord zu den Berghöhen er 
ebt. Dann wieder Abflieg zum Dorfe Boghlan, deſſen 60 Kurden⸗ 
milien ein Mutſellim vorſteht. Don da beginnt eine Plaine, 
ie mehreren Eleinen Dörfern und recht am Wege, unter ven nie⸗ 
en Vorhöhen, erhebt fich ein Pik, deſſen Form einem Bulcan- 
egel gleich ſah. Der Boden der Ebene iſt ſehr fruchtbar; ein 
luß, der Takhtah Kopriſu, d. i. Fluß der Holzbrücke, kommt 
on N. nach S., und fällt nach einem Kaufe von 3 Stunden in 
efem, bewaldeten Felsſpalte, reißend, gürteltief, 30 Schritt breit, 
idwärts in den Murad. Dann führt ein Elippiger waldiger Aufs 
ieg zu einem hoben Bergrüden, ver mit dunkelrother Erbe über 
zgen iſt, und oben fehr viele und große Ob finian- Bilde zeigte, 
lach Dreiviertelflunden Abſtieg gegen N.W., durch geringe Eichen⸗ 
aldung, wird über rauhe Wege dad Dorf Dokarch oder Oder- 
zakengog erreicht. 

Dritter Tagmarfh. Vom Pokareh nad Chevli. 
otareh liegt 4883 J. P. (5204 %. engl.) üb. d. M., dennoch 
emerkte I. Brant hier noch einen Wallnußbaum (ber am 
Irarat fogar noch auf einer Höfe von 6000 8. wäh, f. 0.6. 500, 

Ritter Erdkunde X. 99 





706 Weſt⸗Afien. HI. Abcheilung. I. Abſchuitt. '$. 37. 


obwol er in Europa bie firenge Kälte gar fehr fcheut) von befon- 
derer Pracht, und fehlug unter ihm fein Zeltlager auf: denn be 
den bortigen wilden, rohen, ungaftlichen Hirtenbemohnern war keine 
Unterkunft zu finden. Nokareh liegt 2 gute Stunben fern von 
Aſhagah oder Linter- Pafengog, zu dem man ſehr ſteil durth 
ECichen waldung hinabfleigen muß. Gegen Süb. bleibt zur linken 
Geite eine höhere Kette zwifchen ven Wege und dem Murad liegen, 
die den ganzen Sommer vie Schneedecke bewahren foll, unb von 
I. Brant auf 10,000 Fuß hoch gefchätt wird. Das Dorf, von - 
50 bis 60 Kurvenfamillen bewohnt, vie fortwährend mit ihren Nach⸗ 
bam und Stammedgenofien zu Dokareh, auf ver Berghöhe, in eher 
ſtehen, bat eine ungemein fchöne Lage, die faftigften Wieſen, von 
fühlen Quellen bewäflert und von Bäumen umfchattet. Don be 
führt ein langer Abſtieg zum fchönen Thale des Gunluk fu, ve 

non N.O. herab firdmt aus einem gleichnamigen Diſtricte und zum 
Murad eilt. Jenſeit waren Berge zu -erfleigen, dann folgte ein 


u Beinige mit Unterholz bewachſene Ebene die von verfchievenen, vom 


Norden ftrömenven Flüſſen durchzogen wird, und aus biefer, burf 
eine Bergſchlucht empor, gelangt man nach langen beſchwerlichn 
Tagmarſche nach Chevli. 

— Vierter Tagmarſch. Don Chevli nad Mezireh 
Chevli liegt, nach Glascotts und Dickſons Beobachtungen, unit 
38953’ 20° N;Br., 40927’ 40" DR. v. Er. und auf 3545. 58 
(3,778 8. engl.) üb. d. M. Ein. Eleiner Strom zieht durch Ah 
Schlucht, in ver 150 Familien, halb Kurven, halb Armenier, bes 
beide gleich arm, leben, und ergießt ſich nach drittehalb Stunden Lauf 
gegen Süd in ven Murab- Fluß, der Hier. zur Sommerzeit an pp 
rern Stellen durch reitbar if. ‚Die Armenier bauen bier cab 
Korn und Gerfte, doch keineswegeh hinreichend; Holz zur Geurum 
und Heu zur Fütterung für die Herrn, von etwa 1000. Geil. 
Vieh, iſt in Ueberfſluß. Die ärmften unter ven Einwohnern fh 
fon durch die Berge und jammeln Gummi Tragasanıy ih | 
Balläpfel, au Manna ein, die fie au bie Aufkäufer nee Mg 
und Diyarbekr, die hieher kommen, verhandeln. Doch uw: ieB 
Jahre, meinte man bier, gebe 8 ein ertragreiches Diauunnliiie 
Auch Biegenwolle Fit ihnen ein einträglicher Handeldarcikte u = 
außen. Hier iſt die Refldenz des Beg von Jabakjur (riiiih 
bakchur), vefien Diftriet zur Stabt. Diyarbefr. gehört, die *2 
den fern. von hier liegen ſoll; unter ihm ſtehn zwar au 507 | 
ſchaften, vie aber alle nur. gering find, mit 5 bis 10: 












it 55 








Euphratſyftem; Muradlauf bis Palu. 707 


nicht mehr ald 100 Mann Relterei und 1000 Mann Fußvolk ins 
Feld flellen koͤnnen, die jenoch felten Widerſtand Ieiften, ſondern bei 
den Öftern Raub⸗Ueberfällen ver viel mächtigern Nachbarn, des 
Paſcha von Muſh, wie des Beg der Khilji, ihre Rettung 
durch Flucht in das Gebirge fuchen. 

Der Weg von Chevli nad Mezirah Beirägt 4 geogra- 
phiſche Meilm; man fteigt almalig purdh Waldung bergan, 
geht dann auf und ab, oft fleil durch Hohe Walbregion, zu= 
mal durch Kihenwalt, ver Galläpfel mie Manna gibt, 
aber wegen des zwerghaften Wuchſes Fein eigentliched Zimmerholz ; 
aus einem engen Thale, in dem nur Zelte der Hirten von Chevli 
ſtehen, die bid Hieher ihre Heerden auf die Weide treiben, fleigt man 
wieder bergan, und erreicht erft nach 35 Stunden über rauhe Berge 
wege, die von fchönen Weiden und Quellen unterbrochen werben, 
und mit unzähligen großen Felsblöcken bevedt find, das Dosf Me⸗ 
zirah, das auf einer Berghöhe, unter 38° 49'0” N.Br., 40° 10° 
30", DR. v. Gr., und auf abfoluter Höhe von 4,931 F. P. (5,243 
8. enal.) üb. d. M. erbaben liegt. 

Fünfter Tagmarfh. Don Mezirah nah Palu. 
Das Dorf von 50 bis 60 mufelmännifchen Bamilien bewohnt, die 
wohlgekleidet find, deren Wohnungen aber, felbfi in dieſer reinen 
Bergluft, in welcher vie Fieberkranken fich leicht erholten, doch wie 
überall Hier voll von Ungeziefer find, liegt ungemein Tieblih. Die 
Zelte konnten Im Schatten von Obftbäumen aufgeichlagen werben. 
Der Blick über das Thal in W. und zu den fernen hohen, mit 
Schnee bedeckten Bipfeln der DufifeKette iſt fehr anziehend. 
Nach einer Stunde bergab von biefer Höhe beginnt die ungemein 
fruchtbare Ebene, in ver man 2 Stunden Wegs zurüdzulegen 
hat, ehe man das armenifche Dorf Hofhmat erreicht, bei dem ein 
Karawanenweg gegen NO. nah Erzerum abzweigt. "&es 
gen Nord ift dieſe Ebene durch eine nienre Bergreibe begrenzt, jenfelt 
verſelben der Perez Su, ein großer doch im Sommer furthbarer 
Fluß, feinen Lauf hat, der welter nordwärts Im Sandſhak Khiji 
enifpringt, dad zu Erzerum gehört und, gegen S. W. ſtroͤmend, nach 
3 Stunden Lauf unterhalb Palu in den Murad, als rechter Zufluß, 
fig ergteßt. Gegen N.W. von Hofhmat liegt in dieſer Ebene, bei 
dem Dorfe Habsb, ein großes armenifches Klofler, von dem 
wie aber feine nähere Nachricht erhalten. Nur 15 Stunden von 
GSofhmat fern, gegen S. S. W. durch eine, weite cultivirte Plainet 
voll U zehlreicher Dörfer, umgeben von Baumgärten und BeArkerann, 

Yy2 


7% 











708 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.37. 


Aehend, Hat man noch eine fanfte Anhöhe zur Gebirgskette zu erfleigen, 
auf welcher vie Stadt Palu dicht am Muradufer Ilegt, über der 
noch Höher das Eaftell hervorragt. 


6) Der Muradlauf pon Palu abwärts und feine erſte 
Beſchiffung His zum Verein mit dem Brat bei 
Kleban Maaden. | 


Baln, 27) Palo bei Niebubr, Pald bei v. Mühlbach, Pa⸗ | 
lude bei Paul Lucas, das früher den europälichen Geographen 
kaum dem Namen nach belannt war, liegt, nach Glaſscotts De 
fervation, 389 42' 50" N.Br. und 39° 58' 15" DR. v. Gr., auf 
einer abfoluten Höhe von 3089 Fuß Par. (3292 %.engl.) über dem | 
tere; der Spiegel des Murapflufies vafelbfi an ver Brücke aber 
nur 2645%.Par. (2819 F. engl.), alſo Palu relativ 444 F. Bar. über 
dem Muradfluffe, auf einer nicht unbedeutenden Anhöhe. Die Meſſung 
iſt in des Sarrafs, d. i. Banquierd, Haufe gemacht, bei ms 
Brant einquartirt war, welches auf einer fehr Tuftigen Höhe fickt, 
eine fchöne, freie Ausficht Hat, aber doch noch von einem Luftigen | 
Spigberge überragt wird, ver mit dem Caftell gekrönt if. Die 
iſt eine prachtvolle Ruine einer alten Burg, die von ven Dfhennt 
(d. i. Dſhinnen, Genien, Dämonen) erbaut fein fol. Die Gt, 
zeigt fih ringe von Bärten und Baumpflanzungen eingefchlefe 1. 
Der Murad, bis hieher zwiſchen wenig befanuten, aber hoben be U 
waldeten Bergufern fortfirdmend, und bei Chun prachtvolle feab 
rechte Felswaände über zahllofe Felstrümmer durchbrauſend, tritt’ wen 
Palu an in eine offenere Gegen, biefe glatt und eben zunäiif, 
aber doc) fehr ſchnell durchgleitend. Hier ſteht eine elende Hal 
brüde über dem Strom, vie letzte überhaupt, welche ihn oberheß 
Bagdad überfchreitet, feitvem vie Brücken ver beiden obern 
und die bei Thapſacus (ſ. oben S. 12) zerflört find. Sie IR cd, 
welche die Verbindung von Palu, das am Norbufer liegt, zeit ben 
Südufer Herftellt, auf welddem die gewöhnliche Heerſtraße 15 ua 
den Weges weit gegen Weſt nach Kharput führt. Nur bei wies 
gem Waflerflanve gibt es einen kürzern Weg dahin, wenn nid 
der Murad weiter abwärts eine duschreitbare Furth barbietel, 9) 
wobel man 3 Stunden Umwege erfparen Kann. Diefe 
maſſive Bogenbrüde über ven Murad war Im Februar 1, 
v. Mühlbach fie paffirte, mit Hölzern auf ven, wie es fehlen, ſche 


alten Steinpfetlern überlegt. Auch I. Brant pafiiste-fle auf dem 





837) 7, Brant lc. p-R.  ?U)n. Bahlalı Me 








Euphratſyftem; Murad; Stadt Palu. 709 


Rückwege von Kharput über Aliſhan nach Palu. Das Dorf 
Alifhan 29) Liegt nur 2 Stunden ſüdwärts vom Murad, in ber 
korn⸗ und weidereichen Ebene, vie fih von Kharput öſtlich nur 
eine Halbe Stunde von Aliſhan über mehrere Ortfchaften und auch 
über das armenifche Dorf KHogaſur bis gegen Palu hinzieht. Wo 
man von biefer hoben Ebene zum Sübufer des Murad hinabſteigt, 
liegt das Dorf Tilkeh, von dem, den Strom aufwärts, noch 4 Stuns 
den Wegs bis Palu zurüdzulegen fin. Man trifft Hier am Süd⸗ 
ufer ebenfalls bergige Vorfprünge, mit Obſt⸗ und andern Bäumen 
beichattet, vie man überfleigen muß bis zur Brüde, welche nun erft 
zum Norbufer nach der genannten Stadt hinüber führt. Don ver 
40 Fuß Hohen Brüde fprangen, ald I. Brant fie paflirte, drei 
Schpimmer, glei ven Halloren an der Saale, hinab, tauchten un⸗ 
ter umd ſchwammen dann an das Ufer, um ſich einen Baltſhiſh zu 
verdienen; bie Breite des Murad ſchaͤtzte Brant bier auf 100 
Schritt. Der "Sarraf ober Banquier des Beg von Palu, ber 
eben abweſend war, und von dem Bruder feines Gebieters zur Be⸗ 
complimentirung dem Fremden bis an vie Brüde entgegengefchickt 
war, empfing ihn bei verjelben, und bot ihm das Quartier in fei- 
ner Behauſung an. 

Der Beg war auf einer Excurfion zu dem für ben türfifchen 
Orient fo hoͤchſt werthvollen und faſt einzigen Eifenhütten- 
werte, Sivan Maaden, abweiend, dad 8 bis 10 Stunden am 
Murad aufwärts, nabe an deſſen Süpufer, auf der bort fehr 
fhmalen Waſſerſcheide zwiſchen Murad und dem Tigridzu- 
fluſſe liegt, einer hydrographiſch⸗ merkwürdigen Localität, von ber ges 
Iegentlih ſchon früher einmal die Rebe war (f. oben ©. 97). Daß 
v. Moltke von SIlivfha (Ilidie), dv. i. von OR herkommend, 
daſſelbe befuchte, ift eben daſelbſt bemerkt. Raum kann e8, jagt der⸗ 
felbe, 30) eine relchere Eifenmine geben, vie leichter zu benugen wäre, 
ale diefe: man braucht gar nicht unter vie Erddecke hinabzugehen, 
Denn Berge und Thäler find hier weit und breit mit Eleinen und 
großen fehr elfenhaltigen ſchwarzen Steinblöden befäet, 
die auf Hunderte von Jahren Material zum Schmelzwerf darbieten 

Durch v. Mühlbach, 21) der an dem Baue des dortigen Hüte 
tenwerkso practiſchen Antheil nahm und von Palu dahin ging, er⸗ 
fahren wir Folgendes. Das Ufer des Guphrat befteht bier aus 


9°) J. Brant 1. c. p.366. 0) v. eollle, Briefe über & Zufänbe 
und Begebenellen in der Türkei ıc. Berlin 1941. 8. ©.28 
sı)y hlbach Difer.; vergl. J. Brant L c. p. 300. 





710 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.37. 


Lehm, Sornblende, Thonfchiefer, etwas Kalkftein, Grün⸗ 
flein, Sandſtein und einmEonglomerat. Die Fels⸗ und Berge . 
wände zeigten an ven im Februar von Schnee ſchon entblößten Stel- 
Ien violette, grünrothe Färbung. Zu Sheich Jomaelan, in ver 
Nähe von Sivan Maaden, zeigen fih Kalkſtein und Eifen- 
erze, die zum Ginfchmelzen dienen. Die Fugeligen, [ywarzen 
 Eifenfteintlöde, oft von 3 bis 4 Fuß Durchmeſſer, Tiegen oft 
In großer Dienge zu Tage und halten 75 Procent Robeifen. 

Bon Balu aus nahm v. Mühlbach auf dem Wege nad 
Sivan Maaden am 18. Februar, nach einem Marſche von 6 Stun 
den, fein Nachtlager im dicht am Südufer des Murad gelegenen 
Kurdendorfe Akrakli. Des Saummeg dahin läuft zum Theil an 
den Abhängen ded Muravufers Hin, und war wegen der noch ge 
frornen Stellen, wegen des Schnees, ver Wildbaͤche, bie von ven 
füplichen Berg- und Felswaänden herabſtürzten, gefährlich zu paſſiren 
Am 19. Februar Eonnte er nur zu Fuß die Wafferfcheide zwi 
ſchen dem Murad und Tigriszufluffe zum Dorfe She 

Ismaelan erflimmen, um von da Sivan Maaden zu erreichen, 
wozu bei dem noch tiefen Schnee, ohne Wegſpur auf den Berghi 
hen, 8 Stunden Zeit verwendet werben mußten, obwol vie Diſtam 
nur bald fo groß iſt. Das Hüttenwerf war noch unvollende, 
und durch die Krankheit des franzoͤfiſchen Ingenieur de Chatil⸗ 
jon, der es angelegt hatte, aber auf feiner Ruͤckreiſe nach Conſtan⸗ 
tinopel geflorben war, in Stillſtand gerathen. Die Beranlaffung 
zu gegenwärtiger Befichtigung dieſes Werts war die Ankunft bei 
ſchottiſchen Bergwerk«Ingenieurs Robertfon, ver durch die ungäne 
ſtigen politifchen Berhältniffe feine zu Ahar bei Tauris für ab 
perfifche Gouvernement im größten Styl angelegten Eifenwerts 
(f. Erdk. Th. IX. S. 799) als englifcher Unterthan mit allen feines 
Berg⸗ und Hüttenarbeitern verlaffen mußte, zugleich mit 12 engi- 
ſchen Officieren und 30 Unterofficieren, welche die perſiſchen Trup⸗ 
pen einexercirt Hatten. Dieſe ſchifften ſich über Bagdad und M 
Inſel Karrak nach Oſtindien ein; jener war auf feiner Rüge 
nach Gonftantinopel begriffen, als er für ven Paſcha mit v. Mägl- 
bad die Infpectiongreife nah Sivan Maaden unternahm. Das 
Hüttenwert, bemerkte unfer Landemann, fei im hohen Ofen nik 
den andern Räumen ganz lobenöwerth aufgebaut, an Baumateiul 

auch jo viel vorhanden, daß es vom Mai veffelben Jahres um ie 3 
bis 4 Monaten vollendet fein Lönne, um dem türfiichen Armeecorpe 
des Hafiz Vaſcha am Euphrat eine gute Eiſ eamunitlen, Die von 





B ” % 


Euphratfyſtem; Murad; Sivan Moaden. 711 


Gonftantinopel nur viel zu unvollkommen und befchwerlich dahin 
gebracht werden fonnte, zu gießen, auch, demnächſt Schmieveifen 
zu malen, und dadurch bie Einfuhr dieſes englifchen und ruſſiſchen 
Materiald zu erjegen. Mit der Zeit würbe es ein großer Gewinn 
gewejen fein, von- bier aus der Feſte Diarbekr am Tigris, vie 
bis dahin ohne alle brauchhare Vertheivigung geblieben, ihre ganze 
Armirung zu liefern, dem einzigen. feften Buncte zwiſchen 
Moful und dem ſchwarzen Meere, zwiſchen Samfun und Eonflan- 
tinopel, zwifchen Erzerum und Aleppo; alfo vem Communica⸗ 
tiondcentrum zwifchen Rußland und Syrien und dem Schlüf- 
fel der Straße über den Taurus, ein ficherer Uebergang über 
den Tigris, wie eine teile Wehr gegen Kurbiflan und Perſien. 
Ueber die fpätere Fortbildung biefer Hüttenwerke iſt und nichts 
befannt. 

Der Rückweg nach 2 Wegſtunden ging über den Wafſerſcheide⸗ 
rũcken nordwaͤris über das Dorf Sheich Iömadan zum Murad 
zurüd, wo ein bort vorhandenes Flooß mit aufgeblafenen Schaaf 
ſchlaͤuchen (Kellek) benupt wurbe, um nach Palu, eine birecte Ente 
fernung von etwa 8 Stunven, zurüdzufehren, bei welcher Fahrt ber 
windende Flußlauf durch v. Mühlbach mit der Bouffole aufgenom« 
men 3) wurde. Bei einer Schäferel (Rum), die vicht am linken 
Ufer des Murad liegt, wo eine Ueberfahrt, iſt diefer Strom nur 
80 bis 90 Schritt breit; Felswände und Gipfel von 1000 bis 
- 4300 F. relative Höhe über dem Waflerfpiegel begleiten 1 Stunve 
weit feine Güdufer 618 zur Stromverengung bei dem genann- 

ten Dorfe Akrakli am Südufer, Vie nur nodh 20 Schritt 
Breite beträgt. Oberhalb des Dorfes teilt ſich der Strom durch 
eine Klippe in 2 Arme von 25 und 40 Schritt Breite; unterhalb 
deſſelben bewirkt vie 300 F. hohe ſenkrechte Felswand, Shah Ma⸗ 
randaſhi, einen gefährlichen Strudel, fo daß der. am gewaltigſten 
gegm Süd anprallende und gepreßte Waſſerſpiegel im Marl 
mum ver Verengung 40 %. Breite, vom linken zum rechten Ufer 
hinüber eine Neigung von 2 Buß erhält. Unterhalb diefer Wild⸗ 
enge gewinnt der Murad wieder 65 bis 70 Schritt Breite, bis 
nach einer halben Stunde Wegs ihn wieder mehrfache Strubel und 
gefährliche Bergftürze am Süpufer, hohe Bergwände am Nordufer, 
von neuem einengen. Un ven Bergftürzen, Die aus Breccien⸗ oder 





238) Karte von einem Theile des Gupbrats bei Palu, mit einigen 
Dnellen des Zigrie. Mic. von Capt. Mühlbach. 








712 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. 1. Abſchnitt. 5.37. 


Nagelflue⸗Klippen beſtehen, mußten die Reiſenden auf Drängen ber 
kurdiſchen Schiffer audfleigen, zur Entlaftung des Flooßes, um 
veſſen Umfchlagen zu verhüten. Leber bie Trümmer des Belöftur- 
zes am Ufer klettert man dann bis wieder zum Einfleigen fort. 
Eine quer den Strom von S. nad N. durchſchneidende Bebirgte 
fette, 2500 bi8 3000 Fuß über dem Muradſpiegel erhoben, bringt 
oberhalb dem Dorfe Hunn neue gefahrvolle Paflage; dann folgen 
durchſtreichende Beldbänfe auf Felsbänke, und wechſelnde Stromengen 
von 100 Schritt zu 25 und 80 bis 90 Schritt bis zur Brüde 
von Palu, über ver ſich dad Caſtell hoch emporthürmit. Erſt 
unterhalb ver Stabt wird der Strom wieder 100 bis 150 Schritt 
breit, und theilt jich in ver Niederung bei Koi, 14 Stunden 
unterhalb, fogar in mehrere Arme. Lieberall wird auf dieſer ganzen 
Strecke das Nordufer des Stromes von 1000 bis 3000 F. hoben 
zadigen, kahlen Gebirgs⸗ und Felsketten begleitet. 

Zu diefer topographiſchen Darftelung gibt von Mühlbach 
noch folgende brieflihe Mitthellung. Der Murad bat auf viefe 
Flußſtrecke eine Befchwindigfeit von 8 bis 10 preuß. Fuß in der 
Serunde; feine Waffertiefe wechjelt von 1 auf 2, 3 und 8, ja mehr 
Zub. Nah den Waflermarken am Ufer ſchwillt er gewöhnlich. 16 
bis 18 Fuß an, bei plöglichen Schneefchmelzen und Regengüſſea 
aber- weit mehr. Im allgemeinen bat fein Flußufer kein Vorlank, 
und daher auch Feine Bewohner. Die Bergwände gehen mit 30, 
40 bis 80° Boͤſchung Bis in den Strom, und fleigen oft zu Belß 
wänben und Pelsfpigen empor. Wegen ber vielen Untiefen, el 
fen, Steine, Gerdlle, welches vie Biefbäche, wenn fie ſchon im 
Sommer meift wafferleer find, zuführen, iſt der Murad mit 
für Kähne. fchiffber. Nur die Kelleks, dünne mit Stricken je 
fammen gebundene Stangen, von aufgeblafenen Schläuchen getew 
gen, geben das einzige Trandportmitte. Auf 6 foldyen zuſammen⸗ 
gebundenen Schhafhäuten fahren ſchon 4 Uferbemohner (Kuren) 
zum Fiſchfang auf weite Streden aus. Mit großer Sicherheit 
ſchießt man fo über Strupel, Uintiefen, Anflauungen und wilne 
Wellen dahin, wo weder Kähne noch andere Flooßen hindurchu⸗ 
kommen vermöchten. Dit hölzernen Schaufeln wird das Kellek be⸗ 
wegt und regiert. Nur an wenigen Stellen, zwiſchen Aratli.aße 
waͤrts bis Beridgik, ifk der Strom zur beffern Beichiffung auf 
geräumt worden. Im Winter 1839 war der Murad nicht zu⸗ 
Befroren oder vielmehr. purch die ſchwimmenden Kisfchollen, welche 
überatl Felſen und Infeln zu Haltpuncten finden, nicht zugeſcho⸗ 


“. 





Euphratſyſtem; Murad; Stadt Palı. 713 


ben. Es geſchieht dies jenoch Innerhalb des Taurus bis 2 Stun. 
unterhalb Iſoglu (bei Malatia) ſehr oft, und in folher Feſtig⸗ 
Zeit, daß Menfchen und Laftihiere die Eisbahn pafjiren können. So 
1837 zu Iſoglu. Im Winter 1839 gab es Hier nicht über 12° M. 
Kälte, und nur im December und Januar; meift abmechfelnd zwi⸗ 
fhen 2, 4, 6° R. Kälte, dazwifchen aber Sonnenfchein. Am 1ſten 
März 1839 waren alle Berghöhen um dieſes Muradthal noch mit 
Schnee bevedt. 

Wenn unter alleh viefen Verhältniffen, oberhalb Palu, der 
Murad noch den Character eined zwifchen Felswänden eingeengten, 
in fich ſehr ungleichen, faft flürzennen Gebirgsſtromes zeigt: fo 
baden wir fhon an einem andern Drte (f. 06. S. 106—107) von: 
feiner wenn auch nur temporären Erweiterung unterhalb Palu bis 
Kharput, und von der neuen Berengung feiner Felowände bei 
Arch ur, jenfeit des Moſtar Dagh gefprochen, fo wie von der ver⸗ 
fhienenartigen Erhebung feiner linken und rechten (plateauartigen) 
Uferfeite. _ | 
Die Stadt Palu, In welcher fih I. Brant 33) 3 Tage auf 
halten mußte, fol nach Ihm 1000 Bamilien, nämlich 600 mufel« 
männifhe und 400 armenifche, zu Bewohnern haben. Die letzteren 
find allein die Beflger von Gärten und Aderland; die Armenier 
find meift Handelsleute oder Handwerker, Gerber, Bärber und Baum⸗ 
wollenmweber, die auf etwa 200 Webftühlen nur grobe Zeuge Tiefern. 
Auch Hefigen fie Weinberge, deren Wein gerühmt wird. 

Wir Haben oben die Vermuthung der Spentität von Palu mit 
der byzantiniſchen Feſte Kitharizum angegeben (f. 06. &. 97), 
weil das Bigenthümliche der Lage beider vies wahrſcheinlich macht. 
Die armmifche Geographie nennt diefe Feſte Palu, am Nordufer 
des Murad, In nem Bau Khozan von Armenia quarta ges 
legen, 3 Tagreifen von Amid (Diarbefr) und nahe Biichfuffragan, 3) 
fpäter wird fie zu den indepenventen Eurbifchen Herrſchaften im 
Paſchalik von Diarbefr gezählt, und ald folche lernen wir fie zum 
erftenmale etwas genauer durch einen trefflihen Augenzeugen, 
Baul Kucas, auf feiner erfien Reife in die Levante (im I. 1700) 
tennen. Auf feiner Karamanenreife von Malatia am Euphrat, 
norbwärts bis Arzerum, iſt er einer der fehr wenigen Reiſenden, 
weldhe ein paar Tage in Palu verweilten. Der Benettaner Jo⸗ 
fapha Barbaro (im I. 1471) ſpricht zwar auch vom Beldcaftel 





s38) J. Brant I. c. p. 368. °*) St. Martin, Mem. I. ꝑ. 85, 166, 





714 WeftsAften, III Abtheilung, L Abſchnitt. $.37. 


Ballu, 3) mit 300 Häufern, an einem großen Strome, nennt 
diefen jedoch nicht einmal mit Namen, und fügt feiner Wanverung, 
die er von Trebiſond über Baiburt, Erzingan, Kharput nach Balls 
nimmt, nur noch hinzu, daß er von da immer gegen den Often, 
4 Iagemärfche weiter, zum Caſtell Amus (mahrfcheinlicy im obern 
Thale des Murad, aber und unbekannt geblieben) vorgerückt fe, 
und an allen diefen Orten guten Wein gefunden habe, ven man 
aus den Trauben bereite, deren Meben bier ohne Stüßen die Baum 
empor ranken. Paul Lucas Angabe 3%) dagegen iſt genauer; er 
braucht von Malatia 3 Tagmärfche bis zur Fähre über ven Ew 
phrat; dann 2 Tagmärjche durch wilde Berge und Wälder, um 
wieder durch fchöne borfreiche Ebenen unter alten Bergruinen bie, 
bis er am dritten mit feinen Maulthiertreibern Rafttag hält, mei | 
biefe einen Boten zum Prinzen von Palude ſchicken mußten, um 
von diefem die Erlaubniß zum Durchzug ver Karawane burg 
fein Territorium zu erhalten, und mit ihm wegen des zu zahlenden 
Zolls zu verhandeln. Der Durchzug wurde gegen bie Abgabe von 
einem halben Piaſter für die Saumthierlaft zugeſtanden. Die Kara 
wane bewegte fi) alfo am 8. September des genannten Jahn) 
weiter fort am Muradſtrom (ver bier aber Euphrat genannt win) 
und nachdem ſie ihn zweimal durchjegt hatte, mußte ein Eleiner Berg 

überftiegen werben, um das Lager an feinem Ufer in einer Ebeme 
aufzufchlagen, vie vol wildes Geflügel war, fo daß Paul Luc 
in Zeit von 3 Stunden an bunbert Stück Enten, Schnepfen 
Becaffinen u. a. m. erlegen Fonnte. Hierauf führte ver folgen 
Tagmarſch, am 9. September, bald zur Stadt Palude, ver ber 
man in ver Thalmeite auf einer Wieſe das Lager aufichlug. Disk 
Stadt, fagt er, liegt auf einem von allen Seiten ſehr fleilen Bag; 
ihre Lehmhäuſer, in fehr enge Gaſſen zufammengerüdt, find fee 
ſtark bevolkert. Der Brinz von Palude fei fehr duldſam gegen 
Chriſten wie Moslemen; beide trinken hier Wein; es ſel ver ek 
Wein ver Welt, den er hier getrunfen, von dem er ſich eine get 
Proriflon zu feiner Weiterreife mitgenommen. Auch fand BP. Lu⸗ 
cas hier Gelegenheit, antike Dlünzen und Gemmen für vie inigl 
Pariſer Sammlungen einzubanveln. Das Schloß nennt er bewum- 
bernöwerth und uneinnehmbar; vergeblich ſei es wiederholt wa 


3838) Vjaggio di M. Josafa Barbaro nella Persia b. Ramesio Bar 
colta dei viagg. ed. Venet. 1583. fol. 100. ?*) Paul Laca 
Voyage an Levant, A Is Haye 1705. 8. Tom. I. P- a — 
217. . x 








Eupbratfoftem ; Murad; Stadt Pau. 715 


flarfen türtifchen Truppencorps der Großfultane belagert worben — 
(doch führt die Gefchichte an, daß einmal im Jahre 1515, unter 
Sultan Selim I., in dem damaligen Kriege gegen Kurdiſtan aller 
dings die Fahne ver Osmanen auf der Feſte von Palu aufgepflanzt 
ward). 37) Nur ein fehr fchmaler Pfad führt zu dem fehr fleilen 
Felſen Hinauf, durch ein kuͤnſtlich ausgehauenes Felsthor in pas 
Schloß von fehr antiker (06 byzantinifcher?) Bauart. Hier reflvirt 
ver Prinz von Paluve, der in Nichts ven Gropfultan anerfenne, 
ihm auch feinen Tribut zahle, obwol er in ver Mitte des türkifchen 
Reichs fige. Oben auf dem Gipfel des Schloßberges find Aeder, 
von deren Ertrag eine mäßige Befagung leben kann; tief unten 
umfpült ver Murad die eine Seite des Belsichloffes, auf deren 
andrer Seite vie Stabt Liegt. Hier hörte Paul Lucas in ver Stadt 
die Sage, daß die armenifhe Schrift eben bier erfunden fei; 
und nicht ohne Intereſſe iſt es, wiederholt varan zu erinnern, daß 
Ihon durch St. Gregor von dieſem Palu aus (f. ob. ©. 553) 
erſt Dad Chriſtenihum in Daron und Armenien ausgebreitet ward, 
und daß Mesrop, ver- Erfinder des Alphabets, Hier wirklich ein⸗ 
heimiſch war (f. ob. ©. 544). Der Vartabed Bartan (er flirbt 
im Jahre 1271 n. Chr. ©.) beftätigt in feiner armenifchen Geo⸗ 
graphie jene Sage, denn er fagt: „Athakh und Gent find die 
„Orte Terdſhan und Palu, wo Mesrop bie armenifche 
„Schrift erfand.“ 3) 

D’Anville hat Palou irrig an den Urfprung des Arjanias 
geießt, den er Arfen nennt, und hat e8 mit Balisbiga, einer Stabt 
in Armenia major, identificirt. 39) Mannert bat ed gar nicht ge= 
kannt; Büſching ) Hat es in feine Beichreibung des Paſchalik von 
Diarbekr eingetragen, und es ſchon ganz richtig für identiſch mit 
Riebuhrs*) Balugarpud gehalten, wie derfelbe ein Sandſhak 
von Diarbefr nennen hörte, nämlih Kharput, darin Balu liege 
Beauchamp iſt ver erfte,*2) ver die Lage von Palu richtig in feine 
Karte eintrug, und e8 Palis nennt. Neichard*) erfannte auch 


37) 9. Hammer, Gefchichte des cömaniihen Reiche. TH. II. ©. 434. 
„e) Géogr. de Vart. Varthan. b. St. Martin, M&m. sur !’Arm. 


T. II. p. 435 u. not, 1. p. s) D’Anville, Carte de 
l’Euphr. et Tigre. a * eiföing, Gröbereiß, xl.. ae 
1. Abtheil. Afia. Ste auf. 1792. 21) C. Niebu 


Beifebel@reitung nach Arabien u. ſ. En "eöpenhagen 1778. Tb. II. 
©. 405 3) Beanchamp, Karte eines Theiles von Berfien, in 
v. Ja monatl, Gonef April 1801. S. 383. *8) ‘Chr. Th. 








716 WeftsAfien. HI. Abtheilung. J. Abfchnitt. $. 37. 


in dem Moutier, dad Niebuhr von Diarbefr nah Arzerum mit⸗ 
theilt, fehr richtig dieſes Palu als Mittelftation, und trug es ald 
ſolche, wie dies auch J. Rennell In feinen Atlas von Weftaflen *) 
gethan hat, in feine Karte ein, doch 'viefer gegen Nordweſt, und 
Reichard gegen Nordoft, und zu nahe bei vem Zufammenfluß von 
Murad und Frat. | 

I. Brant fchägte die Entfernung Palu's von Kharpus auf 
5 geogr. Meilen (26 Mil. engl.) directe Diflanz gegen Weſt; von 
Mühlbach legte den Weg von Kharput'nah Palu in einem 
Tagmarſche zurüd, und gibt ihm 12 Stunden Entfernung; von 
Kharput nach Malatia war anch nur ein flarfer Tageritt. Den 
directen Rarawanenweg*) aber von Palu nah Erzerum, 
der ſich bei dem Dorfe Hofhmat gegen Norden abzmeigt (ſ. oben 
©. 707), hörte 3. Brant, betrage 42 Poſtſtunden, wozu 8 Kara 
wanentage noͤthig find; die Namen ber Stationen theilt er leider 
nicht mit; aber 3 Monate im Jahre fet diefe Route wegen vieles 
Schnees unwegſam. Dies flimmt nicht ganz mit Niebuhrs Er 
tundigung zu Diyarbekr, *6) wonach von diefer Stabt 5 Tag 
märfche (30 Stunden Wegs) nach Palu find, nämlich von Diyar- 
beir 6 Stunden nah Sherbettin Khan, 6 Stunden nal 
Burdeniſh, 6 Stunden nah Orta Chan, 4 Stunven nah 
Buſh Ehan, 8 Ston. nah Palo, Bon Palo an nah Erze- 
zum find aber nah Niebuhrs Routier weit mehr, nämlid 
64 Stunden Wegs, alfo faft 4 mehr Difkanz von Erzerum; eim 
Strede, die auch nur in 9 Raramanentagen zurüdgelegt werben 
ann. Die Stationen find folgenne: Don Palo 8 Stunden nach 
Tdppe, 8 Stunden neh Tſhun, 8 Stunden nah Horbor, 7 
ei. Kot (Koismuir bei Rennell), 8 Stunden nah Melikan 

elifent bei Rennell), 6 Stunden nah Buſhkoi, 7 Stunber 
nah Dusle, 6 Stunden nah Chanedſje und 6 Stunden nad 
Erzerum. Leider fehlt jene weitere Befchreibung durch diefe Terra 
incognita. 


Aus Paul Lucas Reife erhalten wir nun einige Erläuterung 





Beichard ‚ Geographica delineatio Asise minoris etc. Neorimb. 


»**) J. Rennell, General view of the geogr. constractions of 
Western Asia. P. I. Jan. 1811, und Map of Western Asia. 
1831. **) J. Brant 1. c. p. 368. ° «6) €. Nichubr a. a, D. 
L. ©. al. R + 





Euphratſyſtem; Routier von Palu nach Erzerum. 717 


zu dieſem Routier, denn nicht nur die Zahl der Karawanen⸗ 
tage iſt mit feinem Wege ganz dieſelbe, ſondern auch mit dem Sten 
Marſchtage, wo er erft Stationen zu ‚nennen anfängt, werben auch 
die tveptifchen Namen: Melican, Bachecou, Douche angeführt. 


Nah Paul Lucas Angabe wird aber fchon am zweiten Karas 


wanentage, alfo bei Tſhun, vie Nähe des Fratſtromes em 
reiht, und nun geht die Route meiſt in vefien Thale aufwärts, 
bis nach Erzerum. Dies muß aber ein großer Umweg fein; die 
von Brant erfragte directe Route wird wol als die weit Fürs 
zere über Die hohe Kette der Dujtf- Berge führen, und eben da⸗ 
zum im Winter ungangbar werben. Bielleicht if dieſe nur für 
Poftpferde gangbar und gar nicht für Karamanen. Eine ſolche die 
recte Route hat auh Rennell *7) in feine Map of Western 
Asia eingetragen, doch ohne Daß uns der Reiſende, ver fie zurückge⸗ 
Iegt, befannt wäre. Er nennt die Ortſchaften von Palu (Paloo) 
an: Paloo korby, Simavye, dann folgt das Gebirge Koh Ghi⸗ 
Ian (wol die Dujif- Kette), dann ein Paß, Der bend; dann bie 
Stationen Atfhekal, Jebel Hamrin, Kafirkoi (ein Ungläuble 
gen=- Dorf), Argana und Erzerum, alſo auch 8 Stationen. 

Wir wollen Paul Lucas Routier von Balu durch jene Terra 
incognita hier beifügen, weil dieſe faſt vergefiene Nachricht uns auf 
eine lehrreiche und anfchauliche Weiſe, als die einzige biefer Art, von 
Süden her in das Geblet des noͤrdlichen Euphratarms oder Frat 
einführt, in dem wir demnächſt und zu orientiren haben. 


Paul Lucas NRoutier von Palu nah Erzerum, vom 
11. 518 19. September im 3. 1700. 


11. Sept. Erfter Tagmarſch. Ben Palu an wurden 
nun bie zu durchwandernden Berge gegen die von Malatia ber 
durchzogenen weit oͤder, nadter als bisher; fie waren alle mit runs 
den Steinblöden überfäet, welche ven Pferven jeden Augenblick Fehl⸗ 
tritte verurfachten (dies ift der Character des bier beginnenden ho⸗ 
ben Plateaulanves von Große Armenien). Nach Abftieg von hohem 
Berge erreichte man in fchöner Plaine ein Dorf (vielleicht Toͤppe ) 
und ſchlug hier das Lager auf. 

12. Sept. Zweiter Tagmarſch. Es galt 12 Stunden 
angefirengten Marfches über hohe Berge voll Zwergbäume und 


47) Rennell of the comparative geography of Western Asia, 
1831. b. Jane Rode. p * 





— 


718 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 37. 


Eichen, deren lange herabhängende Blätter ſägenartig gezähnt wa⸗ 
ren, die aber ſehr große Eicheln trugen (ob Quercus aegilops oder 
bellote?). Die hohe Vergpaſſage bezeichnet unſtreitig die weſtlichen 
Ausläufer der Dujik⸗Kette. Am Fuße eines Berges dicht ap En- 
phrat, d. I. der Frat, wurbe gelagert. 


13. Sept. Dritter Tagmarſch. Ein bergiger Weg ging 
den Fluß entlang; man flieg auf engem in Feld gehauenem Pfade 
hinab, über dem oben auf Felsgipfeln Adler In ihren Neftern bau 
ften. Man mußte ungeheure abgeftürzte Veldlager und Trümmer 
umgehen, bis zum Nachtquartier an einer Eleinen Golgbrüde (mi 
über einen füolichen ober Tinten Zufluß zum Frat). 


14. Sept. Vierter Tagmarſch. Während 6 Stunden 
Marſches, immer ven Euphrat entlang, mußte dieſer viermal hin 
und her. durchfegt werden, wegen feiner häufigen Bindungen (gleich 
feinem ®egenftrome, dem Arares, f. ob. S. 402). Dann führte ver 
Wa durch unglaublich furchtbare Abgründe, wo die Mauern und 
Felsthürme Hoch, wie Nötre Dame in Paris, über dem Euphrat 
fpiegel emporftarrten, indeß mur ein ganz ſchmaler Fußpfad bed 
oben an ihrem Abſturze vorüber führte, ver meift noch durch Roll⸗ 
blocke halb zugededt und alſo doppelt gefahrvoll war, da ber ge 
singfte Fehltritt Pferd wie Reiter unmieberbringlic in die Tiek 
flürzte. Ein wahres Wunder, daß hier Pferde und Maulthier 
noch fortfamen. Man fegt hier wiederum über ven Euphrat anf 
einer Brüde von 2 Bogen; er mag aljo wol nicht fehr breit fein. 
Dann folgt ein Aufſtieg auf einen fehr hohen Berg, auf dem man 
pas Lager nahın, von einem noch höhern Amphitheater von Bebirgk 
otpfeln umgeben. Hier war ein befonverer Wafferfall, herrlich⸗ 
Duellen, und das Gebirg voll Eifenminen und Schemi ede⸗ 
werftftätten. 


35. Sept. Fünfter Tagmarfd, nah Melican. Shen 
hat 5 Stunden Hinabzufteigen in vie Tiefe zum Guphrat;- wiefer 
wurde noch einmal von ver Karawane durkhritten, was ſehr leicht 
war, da er nur noch die Größe eines Baches Hatte. Ja an one 
Stellen war er fo fehr mit herabgeflürzten Felstrümmern 
dag man trodnen Fußes, von Stein zu Stein ſpringend, hätte er 
überfommen können. Nur eine halbe Stunde von de value m 
bad Lager bei dem armenifchen Dorfe Melican, wo amchh ‚cm 
zweite Karawane ihre Raſt hielt, bie auf den —2 ng 6- 
zerum andging. 


Euphratſyſtem; Routier von Palu nad) Ergerum, 719 


16. Sept. Seäfter Zagmarſch, nach Bafgtoi Bades 
cou bei P. Lucat). Nach Erfteigung eines fehr hohen Berge auf 
ſehr fchönen Wegen zog man über eine große, von einem Fluß 


durchſchnittene Pfnine, die ringe von Bergen umftellt war. An. 


Ende berfelben wurde bei dem Dorfe Bachecou gelagert, wo in ber 
Nacht. der Karawane durch Diebe ein fehr fchönes Pferd abhan⸗ 
ver kam. ” 

17. Sept. Siebenter Tagmarfch, nah Dusle (Douche 
bei P. Lucas). Der Weg, dem ſchönſten Spaziergange gleich, führte 
zwiſchen Hügeln zum Dorfe Dusle, das halb von Armeniern, 
Halb von Türken bewohnt wird und zum Lagerplatz diente. Cine 
Truppe kurdiſcher Sackpfelfer und Tambourinfpieler nahele vem Las 
ger ald Kunpfchafter einer Raubbande. 


18. Sept. Achter Tagmarſch. Man war faum an ven 
ſchwarzen Zelten eined Kurdenlagers vorüber, als ein Raubüberfall 
zu einer blutigen Vertheidigung führte, bel ver mehrere der Räuber 
durch Paul Lucas Unerfchrodenheit ihren Tod fanden. Der Aufe 
enthalt machte, daß man In einem fleinen Dorfe, noch 5 Stunden 
fern von Erzerum, fein Quartier nehmen mußte, bis von biejer 
Stadt ein Aga, mit Eöcorte gegen die nachfolgenden Räuber, ber 
Karawane entgegenfam. 


19. Sept. Der. neunte Tagmarfch führte nach vielem 
glũctlich Überftandenen Gefahren nah Erzerum. — 


Kehren wir nun nad Palu zurüd, um von ba ben Murad 
bis zu fenem Berein mit dem Frat hinabzuſchwimmen. I. Brant 
fagt uns, daß er während ſeines breitägigen Aufenthaltes an biefem 
Drte (Ende Juli) 4 Kelleks oder Jlooße auf Schaaffchläuchen, 
mit Holzkohlen belaftet, jedes von nur einem Gteurer geführt, 
Habe hinabſchiffen fehen. Große Fahrzeuge fann der Strom bis 
Hierher noch nicht tragen; ob er nicht welter abwärts es Fünnte, han 
au fehlten bis dahin die Erfahrungen. 


Daß neu eingerichtete Ciſenwerk mit feinen Hättenerzeug« 
aiffen, die Vorräthe ver Holzkohlen, die Hier gemonnen werden 
Übanten, felbft ver Kornfegen, ver in ven fruchtbaren (Ebenen 
von Balu und Kharput gemonnen warb, fo wie andre militde 
riſche Zwecke machten es, nachdem ber Cuphratlauf feit Jahrtans 
fenden von feinen Anwehnern unbenupt geblieben war, hochſt 
wünfdenswerth, denfelben big in die meſo potamiſche Klähr 








720 Weſt⸗Aſien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 37. 


hinab ald Transportfirom*®) benutzen zu Tinnen. Diefe Bes 
nugung als Waſſerſtraße für die Verfchiffung folder Producte 
durch bisher felbft den Anwohnern ganz unbefannte Gegenden war 
Niemand eingefallen. Keine Land» und Strom- Karte gab darüber 
Aufſchluß; der Stromlauf war nur fabelhaft eingetragen, eine omi⸗ 
nöfe Stelle zwiſchen wildeſten Taurusketten, mit dem ſchreckhaften 
Namen „Waſſerfall von Nuchar“ 9) beſchrieben; aber Nie 
mand im Lande ſelbſt kannte dieſe Benennung, und Niemand war 
Im Stromthale des Cuphrat, aus dem obern in den untern 
Lauf, als Augenzeuge vorgedrungen. Auch europälfche Beobachter 
haben dieſe pfadloſe Wildniß niemals durchdringen fünnen, bie von 
den feindlichſt gefinnten Kurdenſtämmen bewohnt wird. Am Ufer 
dieſes Euphrat fortzufommen ift ganz unmöglich; nur auf wem 
Fluſſe ſelbſt würde dies zu bewerfftelligen fein. Gegen ven Strom 
aber würde auch das ftärkfte und flachfte Eifen- Dampffchiff it 
anarbeiten Fönnen, felbft abgefehen von den Untiefen und dem Zub 
zacklaufe. Nur abwärts, und auch da für Fein anderes Kahrzeug all 
nur für das Flooß auf ledernen Shläuden, ein Kellel, 
“ wäre eine folche Fahrt möglih. Dieſes biegt fich wie ein Viſch, 
fagt ver erfahrne Augenzeuge, nimmt vie Geflalt ver Belle an, auf 
der es fchwimmt, indem es fich aufwärts und abwärts Trümmt; 
es fcharet ihm nichts, wenn es, mit Waffer überfchüttet, momenten 
untergebt; die aufgeblafenen Hammelſchläuche arbeiten fich inmcg 
wieder empor. Das gewaltſamſte Antennen gegen Klippen zah 
Felsſpitzen zerbricht höchftens ein paar feiner Stangen, oder weft 
einen oder ein paar Schläuche ab, auch plagt wol ber eine ba 
der andere, aber das Ganze kann nicht untergehen. Am obere 
Strome iſt dies Flooß leicht und ſchnell zufammengebunben, m 
untern, in jeder holzarmen Gegend, ift es vortheilbaft verkauft; da 
Pferd oder ein Efel genügt, um ſämmiliche Schlauchhäute ün 
Land nach dem Orte der Abfahrt zurückzutragen. Ja ver einzelzt 
Schlauch: ift dem Uferhemohner gar oft ſchon hinreichend, um, auf 
ihm reitend, furchtlos bie reißenden Strommellen des Cuphrat su 
Tigris zu durchfegen. Zweimal hatte Hafiz Pafcha, der bumm _ 
lige kommandirende General ver türfifchen Armee, deren Geupiinge 
in Kharput fand, ſchon Verſuche gemacht, mit ſolchen Reeis: is 
Gupfrat binabzufchiffen; beide Male waren mißglüct und Mein 











86%) 4 Moltle Briefe a. a. 0.6.29. *) . 
-  smith, Map between Gonstantinople and Delhi. . 








Eupbratigften; oberer Murad; Beichiffung. 21 


wi ertrunken. Seitvem hatte er einige, wenn fchon fehr unbedeu⸗ 
de, Steinfprengungen im Eupbratbette audgeführt; er faßte vie 
ze Wichtigkeit des Stromd ald Waſſer ſt raße auf. Der 
ttlere Waſſerſtand war Mitte Juli 1838 einer neuen Probe» 
et auf demſelben Euphrat günftig; ein preußifcher Offizier im 
fifchen Lager, v. Moltke, 80) übernahm ed, auf dringendes Be 
ven ded Paſcha, einen neuen Verſuch zu wagen, ob es überhaupt 
Sführbar fei, ven Euphrat in diefer Strede abwärts für militäri⸗ 
e Zwede ald Wafferftraße zu benugen. Der Bau eineß foli- 
ı Blooßed aus 80 Schaafſchläuchen wurde zu Balu zu Stande 
sacht, wohl verproviantirt und mit 4 rüjligen Ruderern bemannt; 
Moltke beftieg es mit zweien feiner Leute und einem Aga des 
fha, alle gut bewaffnet; mit Inftrumenten und Bouſſole verfeben, 
m er von Ort zu Ort einen ded Fluſſes kundigen Steuermann 
„ Die Abfahrt geihah von Palu am 10. Juli des genannten 
red; der Murad ellte. vorüber am Fuß der ſchönen Gebirgs⸗ 
wpe des Moftar Dagh (ob. ©. 106), dann breitete fih auf 
ı linken Ufer die weite, gefegnete Bruchtebene von Kharput aus. 
8 Flooß umfchifft fie, wendet fich aber mit dem Strome wieder 
von derſelben; dieſer tritt noch einmal in hohe Gebirgswände 
‚ und erreicht den Südrand derfelben Ebene erſt wieder bei Te⸗ 
', nachdem er einen gewaltigen Bogen von etwa 40 geographi⸗ 
n Meilen gegen Weſt (vie beiden obern Epiftrophen ſ. o. S. 73) 
ückgelegt bat. Anfänglich wird die Schifffahrt von Balu ab⸗ 
ris, einiger Hemmungen und Strudel ungeachtet, die jedoch gut 
überwinden find, leicht zurüdgelegt, 518 in bie Nähe von Khar⸗ 
: am Süpufer, dem am Nordufer, benachbart gegenüber, die Rui⸗ 
bdes alten Bergſchloſſes Perteck Kaleſſi Liegen, die ſich auf 
ſem Felskegel des rechten Ufers erheben. Auf dem hier noch 
iz bequem ſchiffbaren Murad konnte man ſelbſt in der Nacht 
ter ſchiffen; gegen den Morgen ward nun die Stelle erreicht, wo 
Murad ſich mit dem faſt eben ſo großen Frat vereinigt, 
von der rechten Seite vom Norden von Erzerum herabkommt. 
vei Stunden weiter abwärts, auf dem nun ſchon vereinten 
ome, dem eigentlichen Euphrat, der aber hier überall von 
Einheimiſchen no Murad genannt wird, landete man zu 
erwan over Kieban Maaden, dem Silberbergmwert, von 
dem nun erſt dicht abwärts daranſtoßend die wilde Ver⸗ 


'©) Defien Briefe a. a. O. S. 200. 
Ritter Erdlunde X. NN 





722 WeftsAften. II. Abtheilung. J. Abſchnitt. 8.38. 


engung der Taurußfetten und die gefahrvolle Euphratbeſchf⸗ 
fung in ver Mitte ihrer Zuſammenſchnürung beginnt. Do che 
wir dieſe weiter zum Xieflande verfolgen, müflen wir zuvor no 
einmal zum armenifhen Hochlande zurüdfekren, zur Duke 
bed zweiten Hauptarmeß, des Frat, in der Nähe von Arge 
zum, und zu veffen Verlaufe bis Kieban Maapen 


6. 38. 
2. Erläuterung. 


Des Euphrats noͤrdlichſter Quellarm, der Frat, um 


ſein Stromgebiet. 


1. Die Euphratquellen und der obere Lauf der erſten 
Quellarme. 


4) Die Frat⸗-Quellen nach den Claſſikern, nach den nme⸗ 
ſelmänniſchen Geographen und nach den Armeniern, 
zumal nad Indſhidſhean. 


| Was die Griechen und Römer von dem Urfprunge viefes Er 

phratarmes erfabren hatten, haben wir oben bei Gelegenheit — 
Strabos und Plinius Ausſagen (ſ. ob. ©. 71, 73, 80) ſchon a 
gegeben; die Byzantiner find bier eben jo wenig genau untertihet 
wie ihre Rorgänger: denn Procopius, der doch durch die Krieg 


berichte hier tepographifch ortentirt fein follte, gibt mit dem VWahea | 


droßer Sicherheit doch ganz falfche Nachrichten (Procop. Bell, Pia. 
1.17), die noch dazu mit: feiner eignen Angabe vom Arfines (fü ui 
©. 89) unvereinbar find, wenn er behauptet: in Armenie‘, 

ſtarke Stunden (42 Stadien) In Norven von Zheoboflopons 1} 
©. 271, dad heutige Erzerum), entiprängen aus einem nicht ſche 
ftetlen Berge zwei Quellen, davon bie eine, zur Rechten, ver Büphest, 
die andre, zur Linken, der Tigris fe — Hlebei ſcheint Proianbit 
nur eine fehlechte Karte vor Mugen gehabt zu haben, nid 
des Agathodaemon Blatt zu Mtolemäus, Asiae Tab. UL, 'i das W 
fehr weit außeinanter liegenden Norpquellch wir 
phrat und die Quelle des Tigriöftroms für jene Bei‘ Goriieit 
barlegt. - 


Bei ven wunlenänniigen Geagraphen iR in ve 4 ei 






\ 





— u 3 AED — AD — am 





Euphratfyftem; oberer Srat. 723 


zone Beine genauere Nachricht zu finden, da zu EIMafupi’s Zeit 
(9850 n. Chr. ©.) ver Euphrat, wie er felbft bemerkt, 51) feinen 
bern Lauf no im Gebiet der byzantiniſchen Herrſchaft habe. 
Er fagt, der Euphrat babe feine Duelle an ber Grenze Arme 
wiene, auf den Afradohos Bergen eine Tagerdife von Kali 
Eala, unter welcher Feſte bei ven Wrabern®?) Arzenruma, das 
Geutige Erzer um, verfianden wi. Diefer Berguame If aus 
ht näher bekannt; er fcheint von einem Orte, Afredkhemeſh, 
Ga dem die Duelle fein fol, genanut zu fein. Wahrſcheinlich iſt 
es der Kali kala Dagh, wit welchem Namen vie ruffiiche Ge⸗ 
meraliaböfarte De Bergzüge im Norden von Erzerum bezeichnet. 
WBettertin, fagt EI Maſudi, ſließe ver Euphrat durch dad Land 
der Bzzantiner bis Malatiyah; was derfelbe aber bis dahin nach 
herner angibt, Hat er nur, wie er felbft fagt, von einem Modlemen 
gehort, ver ein Gefangner in chrifllichen Ländern war; deſſen An« 
gabe IR auch bloße Babel. Aus Mafupi Hat aber Eorifi %) 
ſolne Weisheit geſchoͤpft; er weiß nicht mehr barüber gu fagen, als 
war Wie Quelle liege im Inner son Rum (Asia minor), nicht 
ſern von Cazala (?) in ven Bergen von Kali Eala; von da fliehe 
er an Kemkh (Kamekh) vorüber, dann nach Malaria und Game- 
fat, wo ex ſchiſſbar zu werben anfange Mehr weiß auh Abu! 
feda wit, ber ſich noch kürzer faht, una nur noch die Lage won 
Arzener Rum,St) nie letzte der byzantiniſchen Städte, wie ex fie 
went, unter 64° ever 69° Long. und 424° Lat. angibt (maß von 
Naſſir Eydins viel richtigerer Breitemangabe ungemein abweicht: 
Yan neften Tabul. long. 55) fagt, Arzan Alrum liege 77° Long. 
ak 39° 40' Let., um keine volle 15 Minuten von ber Wahrheit 
worfchiehen, da Ergerum nach Glascotts Observ. unter 39” 55° 49 
MB: kegt). Bon Erzerum fpringt aber Abulfeda in feiner 
Besgrayhie fogleich nach Malatia und Somalfat (Samosata) über, 
wo wir feine Angaben erſt weiter unten zu verfolgen haben. 
Mun ſollte man denken, bei den türkifchen Geographen genaue⸗ 
von Auffchluß zu finden; aber auch fie bleiben nur beim allge⸗ 
meinſten van, ®) oder geben noch Veranlaſſung zu Verwir⸗ 





s81) Bi Masudi, Hist. encycl. ed. Al. Sprenger, 1841. Vol. I. p. 245. 
- #9) 8. Martm, Mem. 2. l’Arm. I. p. 69, 48. vgl. Greg. Abul 
arug. Hist. Dynastar. p. 280. *s) Kdrisi b, Janbert I. 
p. — 2 ubaleia Tabul. etc. ed. Wüstenfeld I. c. p. 9. 
* dain, Tab. ‚som Ed. Joh. Grawrli. Onen, 1711. 
As Otter; Fo p. 908. 


312 





724 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. 1. Abfchnitt.$. 38. 


.zung;57) den Irrthum des Kjatib Tſhelebi im. Dibkkannuma, 
der zwei Murads nennt, von denen er einen im Ala Dagh, ven 
andern: trrig im Binghiol entfpringen und ſüdwärts zum Sluj 
von Diadin fließen läßt, flatt daß der von ihm \gemeinte Fluß ſich 
nordwärtd zum Brat ergießt, bat Inpfhipfhean in feiner Ge 
graphie von Neu= Armenien vollfommen berichtigt. Am überein 
flimmenpften mit den wirklichen Daten. find vie doch Immer fehr 
dürftigen Angaben bei Otter. Der@upbrat, fagt er, entfpring 
im Thale Chougni (Schughni Dior bei Indſhidſhean) zwiſchen 
den Bergen: von Kalt kala (Erzerum); er fließe dann über Terd⸗ 
jan, Erzendjan, Kiemakh und von da über Kuru tſchai, 
Ekin, Richevan zum Verein mit vem Murad; was fich meifl 
ver Wahrheit gemäß fo verhält. Wir müſſen und daher nach neue 
.ren europäiichen Beobachtungen umfehen, und da find die Verdienße 
des großen Botaniferd. Tournefort zu feiner Zeit (im I. 2700) 
‚um bie erſte genanere Erforfhung der Euphratquellen fer 
dankenswerth, bis dieſe Forſchung, jedoch erft anderthalb Jahrha⸗⸗ 
derte fpäter, von jüngern Beobachtern wieder aufgenommen usb 
vervollſtaͤndigt, jedoch noch keinegwegs erſchöpft ward. Die Belis- 
mung ber Euphratquellen ſollte aber doch, ſchon um der Sage yes 
Paradieſe willen (1. B. Moſ. 2, 14), wenigſtens ein eben fo.grofet 
Intereffe erregen, mie die der Nilquellen, ver Sorbanquellen und-ew 
derer Hauptftröme der Erde, die einen fo großen Einfluß auf Me 
Schickſale ver Völker außübten.  Diefer Einfluß eines ip reifienbes, 
‚mächtig. anfchmellennen , alle Grenzen überfluthenden Stromes -Peeb 
dem Kenner des Euphrat, dem Propheten Jeſaias klar vor Auge, 
als. er mit deffen Gewalt, in dem herrlichen Bilde, das um sid 
greifende afſyriſche Reichss) verglich (Jeſaias 8. 7: Mt 
darum wird der Herr über fie die wilden und großen; Waſſce Wi 
Euphrats ſtürzen Iaffen, ven König von Affyrien und: feine gang 
Macht. Der Strom wird allenthalben über feine Dämme Beige 
und allenthalben über feine Ufer treten. Gr richtet danız auch. felms 
Lauf gen. Juda, er überſchwemmt und vurchfirömt ef; Bien. Ne 
Kehle wire fein. Waller reichen, und wird mit ausgeſpannicn Nr 
men dein ganzes, breite Vaterland umfchließen, o enge 
. ..Dieſe feine Bedeutung Hat ihm ſchon im 1. B. er 
und im. ®. Joſua 1, 4. den ‚Namen nbeh stos.i med” 
ill ET 7 2 | 


11°#?) 1. Hamm Türtet ik ©. J 4 
he i an 5 Cenmenta at L Park —X 


NN 








Euphratſyſtem; oberer Grat; Name 725 . 


gegeben, bis zu melddem, vom Libanon ber, dad Land der Verhei⸗ 
Bung audgebehnt war; oder auch nur des „Stroms“, bis zu wel⸗ 
dem vom Schilfmeer an die Grenze für JIsrael gefeht war (2. B. 
Mof. 23, 31). Daher brauchte er nur bei vem Propheten jener 
große Strom genannt zu werden (Sefalad 11, 15; 27, 12), und 





Jedermann wußte, daß damit die Waffer Babylons gemeint 


waren, an denen die Weinenven faßen, wenn fie Zions gebachten 
(Palm 137,1). Die Etymologie des für dieſen Strom hei Griechen 
und NRömern gebräuchlidden Namend Euphrat iſt unbekannt, 
zumal die Vorſetzſylbe eu; nach Günther Wahl 5:9) von Ab Fraat, 
oder Av⸗fraat, d. i. Waffer Frat, doch nur jehr zweifelhaft; 
auch if diefe Benennung niemals bei ven Drientalen im Gebrauch 
geweien. Phrat, Perath und Fraat, Borat dagegen, ber 
Etymologie nach von einer hebräiſchen Wurzel farrah, d. i. frucht⸗ 
bar machen, iſt ſchon durch Flav. Josephus alſo von ver 
„Fruchtbarkeit“ oder ver Zerfireuung hergeleitet (Flav. Joseph, 
Antig. 1. c. 1. $. 3.: xadsiraı dE 6 uiv Eipeaıns Yopu, o7- 
nalveı 62 701 oxeduouöv 7 ayFog). Dieſer fehr hypothetifchen 
Erklärung pflegt man in Ermangelung einer beffern gemöhnlidh zu 
felgen, ®) auf jeden Fall könnte eine ſolche appellative Bedeutung 
erft von dem untern fruchtbar machennen Laufe aufpen obern 
mehr zerflörennen Lauf des Gehirgsfiromd übertragen fein. Diefe 
Erklaͤrung wird ſchon durch Philo von Uleranprien dadurch mo- 
tivirt und in Schuß genommen, daß er fagt: der Tigris fel der 
wildeſte und ſchädlichſte von allen Flüſſen, welche die Babylonier 
und Berfer kennen, der Euphrat dagegen fehr milde, belebend, be= 
fruchtend, deshalb ihm die aſſyriſchen und hebräiſchen Welfen ven 
Frucht⸗- un Shmudserzeugenden Strom nannten. (Indſh. 
Altarm. 40. Vened. 1822). Der perfliche Dichter Firduſi nennt, 
in fehr. früher Zeit, ihn Ab i Korat,Ct) in feiner Erzählung von 
der Konigin Humal, und eben fo nennen ihn die heutigen Urmenier 
und Türken, ganz fo wie er auch im arabifchen Frät, Forät, 
zuweilen Forad geichrieben wird. Da aber das f bei ihnen aud) 
wicht felten in m und.v verwandelt wird, fo beißt er au Mvo⸗ 
rad, woraus fi der Orientaliſt W. Oufeley die Entflehung 
des Namens Murad (daß er gewöhnlich von Omiras, oder vom 





sog, Mahl, Vorders und Mittelafien S. 609. «o) Rofenmüller, 
Handb. der bibl. Alterthumotunde Bd. I. Th. 1. ©. 189, Not. 33, 
©. 201; 87. &. 202. eı) W. Ouseley on Euphrates in Roy. 
Eco. Of’ Uterat. 4; Febr, 1826; ſ. veflen Travels II. p. 470.‘ 





126 Weflsfifien. IIL Abeheilung. L Abſcheritt. $. 38. 


Gultennamen hergeleitet iſt, |. oben S. 83) zu erllären ſucht, mik 
welchen: die heutigen Türken ganz gewöhnlich ven Cuphratlauf um 
tethalb feines Vereins mit dem Murad⸗Arme, der von Dihadin 
kommt, zu benennen pflegen. Doch wellen wir bier noch elmel 
an dem biſher ganz überſehe nen ſehr wahrſcheinlichen Urfprung 
dieſes Namens an der Duelle erinnern, ven wir oben nach JIube 
ſhidfhean anführten, wer behauptet, der Fluß von Diyapin merhe 
bei ven Anwohnern (nicht ein Ort, wie Andere fagten) mit Dam Se 
men Tſharmur, d. i. Fluß Mur, belegt, wovon Musab wie 
Quiras Teiche abzuleiten ſind. 

Die alte armenifche Geſchichte nennt pen Skeom immer Ep Hratz@). 
an ‚ver Stelle, wo Moſes Khor. von ver Erbauung de Beutigen 
Erzerums oder von Theodofiopolis durch Amutolius im Jahr 465 
nach Chr. Geb. in der Provinz Garin ſpricht (ſ. ob. S. 81 m. 271), 
iſt es allein, wo er auch der Quellen dieſes Stroms erwähnt 
und feine Beſchreibung wiederholt woͤrilich Indſhidſheau, Yan, 
wie ed ſcheint, keine beffere Kunde zu Theil ward. Moſch Mes 
fagt aber (Hist. Armen. Ill. 59. fol. 200): dem Feldherro Yinaise 
Bus geflel nach Durdywanvderung Armeniend vie Provinz Garis 
(Carasitis), die reich an fruchtbaren Aeckern ift und in ber Min 
- ver Landſchaft Kegt, um da eine neue Stadt zu erbauen, nicht fürn 
von der Gegend, wo einige Quellen des Ephrat eurfpringm. | 
.  Diefe ſuͤeßen fanft und mild ab zu einer Art See ower großen 
Veich, der eine große Menge von Fiſchen enthält und wildem af 
baten Geflügel, von deren Ciern die Anwohner ſich zu wälem 
pegen. Um us Secufer wächſt fehr viel Rohr und Giptäfs 
wald, vie Gras und Adertrucht; viele Heerden und Wu we 
wefflichem Echlage halten da ihr Lager. Am Fuß des Berges alek 
wo in lleblichetr Gegend einige Quellen fyrangen, erbaute ap: Si 
Burg, Wie er mit Gräben, ſtarken Mauern und Ihürmen wungeh, 
und flo Theodoſta nannte. In ihrer Bitte erridtete u Gänge 
‚ine, Augustiana, bie Umgebung verfah er mis beraufkhuuunien 
Waſſerleitungen, und gab tem Ganzen, zum vwigen Aadentn va 
feinen Kaiſer, den Namen Theodo ſlopolis. Ucher bie Take 
Quellen, die eben daſelbſt waren, errichtete er maſſive BDaumerke 

Dieſe Angabe führt uns dem wahren Quellge blete ob Saul 
ſchon näher, über das wir nun zunäachſt ven größten — 


öxx 


.., Yanipofieen, Kitskon. 10 4 SL n — Hi 









Eupbratfoftem; «berer Frat; Quellen. 727 


Geographen 62) zu vernehmen haben, der bisher von allen Geogra⸗ 
phen außer Acht gelaſſen war. Obwol auch er den Frat von Er⸗ 
zerum gleich den Türken mit dem Namen Murad belegt, ſo blei⸗ 
ben wir doch bei dem Gebrauche der Occidentalen ſtehen, und nen⸗ 
nen ihn, um jedes Mißverſtändniß zu meiden, nur mit dem Namen 
Frat over Cuphrat. Dieſer Frat nun iſt, nach Indſhidſhean, 
in der Provinz Erzerum (Erzirrum bei Indſh. nach Peter⸗ 
manns Schreibart) aus kleineren Flüſſen gebildet. Der erſte vers 
ſelden heißt Sardſhamu dſhur, dv. i. Fluß Sardſhamu 
(Sartſheme fu der ruſſ. Karte, wahrſcheinlich Saman ſui bei U. 
Jauhert), &*) der im Gebirge von Sper (Jopir, Hiepiratis, 
f. ob. S. 272), d. i. im Norden von Erzerum, entipringt. Es iſt 
ein geringeres rechtes Zuflüßchen des Frat oder Kara ſu, dad von 
neueren Reifenven faum erwähnt wird. Der zweite, oder Haupt⸗ 
arm, den der Armenter mit dem fonft unbefannten Namen Sur 
dſhur belegt, iſt der eigentliche, allgemein bekannte Erzeruma 
Dipur, d. i. Fluß von Erzerum, bei ven Türfen Kara fu, 
d. i. Shwarzfluß, der in der Provinz Erzerum entipringt, und 
nabe bei der Stadt Erzerum in Schilfwäldern fine Wafler 
fanmelt (mol der Schilffee vol Fiſche und Geflügel bei Moſes 
Khor.) Diefe laufen weftwärs nah Shughani pfur, d.i zum 
Thale Shughan (Ehougni hei Diter, wol Biogansderefi 
auf der rufjifchen Karte), und vereinigen fi zu Mamachathun 
(Mamakhotun), eima 16 Stunden weit im S. W. von Erzerum. Hier 
fließen auch andere Bergmaffer Hinzu, von Oft, aus dem Gebirg 
Binghdl (over Bingheul, f. 06. ©. 75, 79, 81, 385 u. f.), deſſen 
Kette faſt allen Blüffen Armeniens Waſſer zufenvet, und fo bilden 
fie zuerfi ven zweiten Hauptarm, ber vorzug sweiſe Phrat 
oder Phurat Suji (Forat⸗Fluß) genannt wird. Diejer weis 
det fih von Norden nah Südweſt, gebt durch Terdſhan 
(Dersene, f. 06. ©. 73, 81), Gamach (Kemakh), Ekin (Eghin), 
Axrapker (Urabgir), und vereinigt ſich an den golohaltigen Ber» 
gen von Baben Maden (Kiebban Maaden) mit dem ſüdöſtlichen 
Hauptarme von Diyadin, nämlihd dem Murad. 

Da diefer Euphratarm, jagt Indſhidſhean, nur kurzen Lauf 
habe (nämlich nur von Mamakhotun an), fo nehme er auch nur 
wenig Zuflüffe auf. 1) Den Kail (. 5. Wolf, Lycus der Al 





28) Zupfhidfpean, Neu⸗Arm. n. Beiermanns Mir, **) A. Jau- 
ert, Voy. p- 115, 


’ 








728 Weft:Aften. II. Abtheilung. I. Abfchnitt. 5.38 


ten), der bei Ezuga (? vieleicht Eriza?) vorbeifließt, 2) den Ku- 
ritſha in ver gleichnamigen Gegend (wol bei Karichi, auf der ruf 
fiſchen Karte, von Oft her, von ver Linken); 3) ven Kurrma (vb 
Keumar bei Brant?) in Eghin; A) den Aske kedak (vi 
Goldbach) in Arabghir, und andere Fleine Bäche. Diefer Haupt: 
arm des Euphrat, fügt Indſhidſhean Hinzu, habe 4 Brüden: 
die erfte in ver Mitte jenes Schilfwaldes(Sazled), von Etein, 
mit vielen Bogen; fie wird Twinifi Gamurpfch genannt; wol 
biefelbe, aller Wahricheinlichkeit nach, welche noch heute bei Elija 
in 6 Bogen über ven bortigen Fluß führt, f. unten). Die 2 
weiter unterhalb Sazlech, von Stein. Die 3te zu Gomach 
(Kemkh), von Holz; die Ate zu Eghin, vor dem Dorfe Pengan, 
von Holz. — Die weitere Beichreibung des vereinigten großen Ex 
phrats folgt weiter unten. 


2) Die Frat- Quellen nah Tournefort, im I. 1700. 
Bei ver großen Zahl von Bergwaffern, aus welchen be 
Frat in feinem oberen Zaufe von allen Seiten zufam: 
menfließt, ift es, wie bei den meiften Urfprüngen großer Flüſſe 
ſchwer, die eigentliche Hauptquelle anzugeben, weil barkde 
felbft bei den Einheimifchen verfchievene Anftchten beftchen, wege 
no in folchen Xocalitäten, wie bier, die durch verſchiedene Jahr⸗ 
Hunderte und bei verfihlenenen Bevölferungen verfchienene Beneunun- 
gen dieſer Quellbäche kommen, und die fhwierige, meift vernachläf 
figte Orientierung ihres Laufs auf den Karten. | 
So weichen gleih Tourneforts, Befchreibungen ver Er⸗ 
phratquellen von denen bei Indſhidſhean ab, weil ihm oflen 
bar auch Öftliche und fünlichere Zuflüffe als foldde von ven up 
tigen Armeniern und Kurven gezeigt wurben, die des armenife 
Gelehrte nicht mit In feine Befchreibung aufnahm, in der er mw 
von zwei dauptarmen, dem nordweſtlichſten, Sarpihams 
(Sertfpeme Su ver rufjifchen Karte), und dem norböftfichenen, 
Karafu, den er auch Erzerum⸗Fluß nennt, ſpricht. Wenn a 
von biefem-fagt, daß er nahe bei der Stadt Erzerum feine nel 
von andesswo hinzukommenden Wafler ſammle, fo find ed cha 
biefe vorzüglid von Süden und Oft zufließenden Bir» 
waffer, die von Tournefort, dem einzigen Reiſenden, Me 
es eigentlich darauf angelegt hat, vie Cuphratquellen feibk 
aufzufuchen, als die wahren Euphratquellen beſchrieben vadben. 
Dies ergibt ſich aus folgenden Angaben. men 





Euphratſhſt.; oberer Frat; Quellen. 729 


Erzerum, fagt derſelbe, 65) liegt nicht am Cuphrat, ſondern 
auf einee Halbinfel, die von ven Duellen nes Euphrat um— 
floffen wird. Die erſte Duelle Legt eine Tagereife fern von Er⸗ 
zerum, die zweite anderthalb Tagereiſen fern, beide im Oſten, in 
den hohen Alpen, die das ganze Jahr vol Schnee find (dem Bin- 
ghöl Dagh, oder deſſen norpweftlichen Vorketten). Die Ebene von 
Erzerum iſt zwiſchen viefen zwei Strömen eingefchloffen. Der 
er ſte fließt von Oft gegen Süd (mol vonNO. gegen S.W.), mb 
zwar hinter den Bergen (d. i. im Norden verfelben), an deren Buße 
(d. i. am Südfuße) die Stadt Erzerum liegt, und diefer ergießt 
fi gegen Süd, bei Mamakhotun. Dies iſt offenbar der Karaſu 
bei Indſhidſhean und bei ven Heutigen Türken. Der zweite fließt 
eine Strede von Süd gegen Nord, dann unter der Brüde von 
Elija durch (vie im Weit ver Stadt Erzerum liegt), dann weiter 
gegen Weft in der Richtung gen Tofat, wendet fi) aber dann ges 
gen Süd, nahe Mamakhotun, wo er mit dem andern flärfern 
Fluſſe (nämlih dem von Karafu) zufammenfließt. Jene beiden 
haben einzeln venfelben Namen Frat, eben fo wie ihre Vereini⸗ 
sung benfelben beibehaͤlt. Erſt von diefer Bereinigung an, die 
3 Tagereiſen im Weſt von Erzerum flattfindet, fann, fagt Tour» 
nefort, ver Cuphratſtrom Fleine Nachen (Tſhaiken) tragen; aber 
fein Bette ift zu Elippig, um ed weiter abwärts wirklich zu befchife 
fen. Diefe beiden genannten Eupbratquellen find e8 nun, die Tours 
nefort zur Bereicherung feiner Herbarien befuchen wollte. Er ver» 
ließ 66) die Stadt Erzerum am 19. Juni und ritt eine Tagereife, 
an 8 Stunden weit, gegen Oft zu den Bergen, auf denen der Schnee 
zwar ſchon geichmolzen war, ver Nafen aber kaum zu fprofien bes 
gann, und in der Nacht, das Eis noch bis auf 2 Linien did gefror. 
Am 20. Juni war es auch noch zu Ealt zum berborifiren, deshalb 
Tehrte ver große Botaniker, vol Berwunderung über bie 
Trägheit des Bodens in der Production ver Gewächſe, 
die er damals noch auf ven Salpetergehalt der Erbe fchob, da 
ihm die abfolute Höhe des dortigen Plateaus unbekannt war, 
auf einem andern Wege (ven ex nicht näher bezeichnet, wol einem 
mehr nörblihen) über dad Klofler St. Gregors zurüd, das 
ebenfalls eine Tagereife von Erzerum entfernt Liege. Wir ver« 
muthen, in den norböftlichen Bergen ver Stabt, in dem fogenannten 


ses ) Pitton de Tournefort, Relat. d’un voy. Amasterd, 17]8, 4. 
Tom. II. p-il4. *®) Tournefort I. e. IL p.11&, 





739 Weftdlfien. II. Abtheilung. L.Abſchnitt. $. 38. 


ſtalikala Dagh, das er nicht näher characterifirt. Das Kofler 
fond ex zwar wohlhabend, aber in ſehr kaltem Berglande gelegen, 
obwol die Berge feiner Anſicht nach nicht Höher (d. 5. relativ 
über des Erzerum«Ebene) feien, ald ver Mont Valerien bei Parit. 
No am Abend wurde von ba ein zweited Gonvent, das os 
the Klofter, zum Nachtquartier erreicht, dad nur 3 Stunden von 
bes Stadt Erzerum entjernt liegt. Deſſen Bifchof, einer ber ge 
Iehrteften feiner Zeit, fland damald in gutem Vernehmen mit des 
wilden Kurden, die an den Quellen des Euphrat, auf den 
benachbarten Höhen, ihre Heerden meldeten. Daher konnten bie 
Reifenden am Morgen des dritten Tages, den 22. Juni, bie 
unter deffen Schuge beſuchen. Tournefort und fein @efähet: 
hatten ald Meviciner im Klofter ihre Arzneien geipendet, und win 
den daher zum Dank vom Bifchof felbft mit dreien feiner Leute zu 
Pferde begleitet, zu denen fid nad dem Marſche einer Halben 
Stunde noch ein Greis gefellte, ver hier an demjenigen Armı 
des Euphrat wohnte, ver bei Elija vorübergebt. Dadurch v 
fahren wir erfl, daß die zu beſuchenden Euphratquellen eben nie 
nigen des Elija⸗Armes 67) find, ver von andern Reifenden nit J 
befonder8 hervorgehoben wird: denn ausprüdlid fagt TZourae FE 
fort, daß er nun vom Kloſter demſelben Arme bis zu volle 
Quellen gefolgt fe. Die von dem Greiſe im Strome frijch gefew 
genen Borellen waren von ver Föflichften Art. Man flieg uza 
in ven fchönen Ihälern des Euphrat aufwärts, ver bier false 
Windungen dur die fhönflen Blumenparterre nimmt; ver Fr 
einer fchönen rothen wilden Pimpinele, die biöher nur von Gone 
aus die Bärten von Varis als Zierpflange ſchmückte, entzüdig a 
Botaniker. Aber bald nahm der Schnee mit vem Anfteigen übe 
band; die Höhen, ganz nackt wie dad ganze Land, für Jahr 
jeder Art von Holzwuchs beraubt, zeigten nur noch eine ungen 
lie Menge voa Quellen, die unmittelbar abfloffen, ur 
Heinen Waſſerbccken, von Rafen umgeben, bhervorfprupelten. „I 
waren die Euphratquellen des Elija⸗Armes, eben fi Fass 
Ienreich wie jener, und noch von ſchoͤnen Alpenpflanzen ummaq 
die am die der Alpen und Pyrenäen erinnerten. Die umherſchn 
fenden Kurven fihlenen nur durch die Begenwart bes Blei. _ 
res Vertrauten, dem fie ein Geſchenk von Kaͤſe brachten, und Wi 
Branntwein, den ihnen vie Meifenven fpenveten, in Reſpect g 












pet) Tournefart 1 c. p.116. on ir ” 








Eupbratfoftem; oberer ut; Queſlen. 731 


erden. Als Tour nefort aber, nach Beſichtigung dieſer Quel⸗ 
nun auch bie des andern Euphratarmes, der bei Mama⸗ 
n einfließe (des Karu Eu?), zu ſehen begehrte, wurde ex vom 
of zurüdgewieien, des ſich damit entfchulbigte, daß er die Kur⸗ 
ın jenen Quellen nicht näher kenne. Bet einem zweiten Ber 
‚am 28. Auguf, zu. dem rothen Kloſtor und zu denſelben 
hratquellen ®) Hatten vie Kurden ſich ſchon von den dor 
Alpenweiden zurüdgezogen, und flatt der Blürhen fonnte man 
Saamen einfammeln, die in Paris dem Jardin du Roi zw 
' Samen, denn der Herbſt war da ſchon eingetreten. 
Als nun Tournefort die Stadt Erzerum am 12. Septb. 
hen Jahres mit einer großen Karawane ver Geidenhändler 
5, zog ex über die warmen Bäder von Elija, über troden 
vone, Bde, ganz pflanzenlewe Flächen, immer am rechten 
nördlidyen Ufer vefielben Buphratarmes bin, des unter De 
te von. Elija durchgeht. Diefer blieb zur linfen Hand; feine 
reifen nöthigten ihn, feinen Lauf gegen Wer zu nehmen. Ned 
dritten Tagmarich, dem 16. Septemb., fegte vieler Cuphrat 
a Weſtlauf mie großen Winpungen fort, in einem großen 
e, mit nur einem KRarawanferai, das damals voll Räuber war, 
ı Anfälen man durch Veränderungen ver Route außzumeichen 
e, indem mean zweimal vas Waller des Stromed durchſetzte 
a Mittag verengte fich fein Bert zu einem Deflld, und nachdem 
b duschiegt war, begann er im großen KAniebogen few 
fünlige Wendung, um ſich vem andern Cuphratzweige 
einem füokichern ?), der bei Mamakhotun vorüberzieht, zu nähern. 
Raramanenweg über Lort nach Tofat ging aber gegen 
I, weiter, und verlieh alfo bier den Cuphratlauf. Das 
iNlager wurde nämli (etwa in 18 Stunden Abflenn von 
rum) au dem rauhen Aufſtie ge eines Bergihaled genommen, der 
nächflen vierten Iagemariche (17. Sept.) aus der heben Bin 
bene Erzerums ald erſter Gebirgs paß überfiegen werben 
I, und nad Karafulak (Caracoulac b. Tournef. führte.) — 
weis Tournefort. . 


Der Weg am Südufer des obern Bratlaufes von Er⸗ 
m nah Mamakhotun, nah 3. Morier und 3. Brant. 
3. Morier, dem wir vie Entvedung des Murad⸗Quellſtromes, 
we Berihtigung dee Urarchqurfien verdanken, m übet die 


) head. IL 6.16, 








732 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $.38. 


Fratquellen vieles dunkel gelafien, obwol er, hundert Jahr ned 
Tournefort, wieder der erfle war, ver dieſem Gegenſtande befonber 
Aufmerkfamkeit zumenvete. Er fagt nur: auch vom Euphrat berichte 
man, er quelle aus dem Bingböl 5 Stunden in Süden ®) von 
Elija, doch fleht er ven Karafu oder ven Nordarm als deſſen 
Sauptquelle an, ven er bei Elija vorüberziehen läßt. 

Der einzige Augenzeuge, von dem wir erfahren, daß er viek 
ſüdlichen ) Ouellen des Euphrat, von venenTournefort, I. M⸗ 
rier und Andere nur nach Hörenfagen geſprochen haben, wirfäg 
ſah, IR Hor. Southgate, auf feiner Gebirgspaſſage von Ergerum 
über die nördlichen Borberge des fchneereichen Binghöl Dagh 
nah Khinis und Muſh, im Jahr 1837. Er ging nämlich nid, 
wie Zournefort, Brant, Polington und die meiften feiner Veorgin 
ger, von Erzerum auf der großen Heerſtraße von Boyunu med 
Haſſan kaleh (ſ. 06. S. 388), fondern er wandte ſich von Erje⸗ 
zum gleich gegen Südoſt, am Grabmal des Sheich vorüber, da 
häufig von Pilgern bewandert wird, und von wo er gleich am ım 
fen Tagmarfche (23. Junt) die erften Hohen noch mit Shaw 
fleden bedeckten Berge erreichte, zwiichen denen Fein Dorf, fie 
Aderfelo lag, aber grüne reiche Alpenweiden, von zahlreichen Vich 
Herden und Hirten belebt. Gegen NO. erblidte man in weh 
Berne die Lage von Haffan kaleh, und von den langen Schnechrge 
gegen Süden fab man das Land der Taufend Quellen (Bing 
HN), aus dem au dem Cuphrat feine wafferreichen 6ir 
flüffe zuellen. Die befchmwerliche Gebirgspaſſage ließ man ia, 
d. 1. gegen N.O., liegen, und folgte mehr ebenem Weideboden zus 
Kurdenborfe Dent zli, von welchem aus dann der Weg direct m 
Hauptquelle des Araxes führte (f. ob. S. 385). 

Bon Erzerum ging I. Morier über die warmen Onde 
von Elija, aber dann direct, 74) nicht wie Tournefort dem Web 
Iaufe des Euphrat folgend, fondern gegen S. W. quer über vie m 
zahlreichen Dörfern und Saatfelvern reich bedeckte Ebene Elijeh 
und dann durch ein überaus reiches, reizendes Thal vol Grafung 
Mafferfühe, FJelsbildung und Baumwuchs, direct nah Minh 
khotun, der Station des dritten Tagemarjches (am 23. Juni 1800) 
Sier ſah er viele Grabſteine mit kufiſchen Seigeifee, ein far 











_®0®) 5, Morier, Journ. 1812.4 P. 826. *0) Hor.. Soutkgeie 
Narrative of a tour ihr. Armenia eie. Lond. 1840, 8, Vol I. 
p. 182. 'Y) 3. Modier Aa. EUER . | u 





i 
‘ 


Euphratſyſtem; oberer Frat bis: Mamakhotun. 733 


cenifches Grabmal und andre fonverbare Reſte von Gebänden, die 
noch nicht näher unterfucht find; den Boden fand er fehr hart; ven 
biefigen Fluß nannte man ihm nicht mehr, werer Karaſu noch 
Frat (obgleich er dieß, wie I. Morier ausprüdlich verfichert, doch 
noch fei), ſondern Klub Mamakhotun, 7?) womit man ben’ 
weiterfirömenden Euphrat meinte. (Morier verfäumt ed jedoch zu 
bemerken, daß eben bier bei Mamafhotun ein oͤſtlicher Zufluß vom 
Bingheul ber zum Kara fu tritt, ver ebenfalld diefen Namen Ma⸗ 
mafhotun trägt, und den 3. Brant ausprüsflich nennt, wie ihn 
auch die Karten verzeichnen). 

Dorn Mamakthotun nahm Morier feinen Marſch immer 
gegen S. W., wo er den Strom bei Mofs 73) wiener traf, ver 
von Nordweſt Fam, .und ben er für. ven eigentlichen Gauptarm 
des Euphrat (original parent) hielt. Dies iſt aber offenbar der⸗ 
ſelbe Kara fu, von dem er bisher auf feinem. linken ober Süb- 
ufer fi nur entfernt hatte, ald er in Mamakhotun lagerte, und 
‚dem er nun bier wieder in ganz entgegengefehter Direction, 
nämlid; von N. W. ber fließend, begegnen mußte, weil verfelbe eben 
Hier, wie: Tournefort fchon bemerkte, feine große Kniebeugung 
oder erſte Südwendung erhält. Eine Brüde führt hier (wahre 
ſcheinlich Kuttur Fupri auf I. Brants Karte) Über die pittoresken 
Ufer des Cuphrat nad Moſs gegen Welt, wo viele Grabſteine die 
einflige Bevoölkerung des Thales bezeugen, das jet von Kurden ver» 
Heert war. Auf dem Oſtufer dieſes Frat bemerkte bier I. Mo⸗ 
zter bie Lage eined Berges. und des Ortes Pekeſidge, ver auch 
auf der ruſſiſchen Karte angegeben ift (Peleril, Pekeridge), von An⸗ 
‚ven aber ungenannt bleibt. 

Im Weiten von Mofs verließ nun auch 3. Moriers 
Karawane dad Euphratthal, nur etwas ſüdlicher ald Tourne⸗ 
fort; denn Hier führte ein Gebirgpaß (ver Almali dagh 
fiber Lori), der von Kurden beherricht warb, zur großen alls 
gemeinen Heerfiraße nad Gonfantinopel zurüd, durch 
hochſt wrizende malerifche Bergwälder und Defiles hinüber in das . 
Thal von Sadak und Chiflik, das ver Brite einem kleinen 
Een vergleicht, und von wo bie Hauptroute vielfach begangen if, 
vie ſowol weftwärts über Tokat nach Eonflantinopel führt, 





'») J. Morier l. 0. P. 829 12) a. a. O. G. 380. 


— 








734 Weſt-⸗Afien. IH. Abteilung. I. Abſhnitt. 6,38, 


wie Wireet norbwärts über Ganmifhthan⸗ nah Teapezunt 
(in 22 Stunden). 7%) 
I. Brant iſt einer der wenigen Reiſenden, welcher, wie 3. Ne: 
tier, die bireete Querroute durch Vie Gbene nach Mamala⸗ 
tun genommen, währenn vie gemöhnlikhe große Bofronte gegm 
Weſt im Kara fu Thale hingeht. Durch bie Bereifung beiner 
aufmerffauer Beobachter ver jüngften Periode hat num vie Topo⸗ 
graphie dieſes obern Buphratthales ‚gegen nie frühere Unkcunic 
vieleß gewonnen, wie fih auß Folgendem ergibt. 


Die directe Ousrroute von Grzerum gegen S. W., nu 
Mamalhotun una Rargbau; von I. Brant (4835). 75) 

Brant Ereuzte durch die Ebene ſüdweſtwärts won Ergerum 
Nachdem er 4 geogr. Mellen (20 Mil. engl.) weit dem Laufe kei 
Kara fu gefolgt war, wandte er fi} von ber großen Geerfink 
nach Conſtantinopel, die dit am Gtrome fostzieht, ab, gegen Gl, 
‚and erhob ſich Über einen erhöhtenen Landſtrich mit weniger (ker, 

- ber bei feiner trocknern Lage in gewöhnlichen Zahren nur fparfam 
Ernten gibt, in naſſen Jahren aber fehr reichlichen Ertrag. Men 
piefem höhern Landſtrich ſtieg er nun ſädwärts hinab in db 
Ebene von Terdjan (Terdſhan), In welcher ver Biamel: 
hotun⸗Fluß (von Oft kommend) ſich mit dem Kara fu vor | 
eint; eine weite gut bewäflerte Ebene mit 40 Dorffchaften, mel 
von Xürfen bewohnt, dazwiſchen nur wenig Mrmenter, vie abes ef 
ihrem jet woüfte llegenden, jedoch ungemein fruchtbaten Lande mi 
mehr Bewohner ernähren koͤnnte. Das Volk beklagte ſich über ib 
Raubzüge der Kurven, die in den ſüdlich bie Gbene Gegrenzeuie 
Bergen der Dujif- Kette wohnen. Ihnen fchreiben fie die Ber 
beerung des Landes zu, in dem fein gefchnittene® Korn Die ef 
durch auf Dem Felde fliehen bleibt, in dem man keine Bichpeuge 
Nachts auf ver Weide Iaffen darf, weil Alles am nächſten Merge 
gerauht fen würde. Die größere Milde. des Climas gegen I 
zaubere Plateau von Erzerum zeigt fich in Diefee bene aueh | 

, Bad Rom, das um Erzerum ned nicht einmal ia Aeheen Fa, 
Hier ſchon gelb und zur Ernte reif wer. Der Weigen gibt HR 
zehzufaches Korn, und He Wintertälte fol nicht su frag fein, w 


70) J. Morum ic. p. 3M, 4. Brants: Jauresy theeagh ;pent e 
Armenia 1835; ia Journal ai tue Ray. Geggr re 
1836. Vol. VI. a 2 len N *8 


a, 


—XX 





| Euphratfoftem; oberer Frat; Poftftrafe. 735 


Das Dich noch Ind Freie zu ſchicken. Der Kara fu, nad dem 
Berein mit dem Mamakhotun, wird nun als Frat ſchon ein 
bedeutender Strom, ver felbft in ver tredenftien Jahrszeit nur noch 
an wenig Stellen die Durchfurth geflatte. Der nächſt anliegenve 
Ort an diefem Frat IE Karghan, 12 geogr. Meil. (60 Mi. 
engl) W.S. W. von Erzerum. I. Brant iſt der einzige neuere 
Neiſende, der von hier an dem Laufe des Frat bis zu jenem 
Bereine mit vem Murad gefolgt ift, ein Weg, auf dem wir 
ihr fpäterhin begleiten werden, wenn wir und erft noch mehr in 
den verichlenenften Nichtungen an ven Euphratquellen, in der 
Umgebung von Erzerum, orientirt haben werben. 


4) Große Poſtſtraße nah Eonflantinopel von Erzerum, 
am rechten Ufer des Kara ju oder rat hin, bls Aahkalah 
und zum Shaitani Dereſi. 


H. Suter, Viceconſul von Trapezunt, ſagt uns, daß dieſe 
türkiſche Poſtroute 76% (für Reitpoſt) von Erzerum nad 
Aſh kalah 9 Stunden, und von da bis Kara kulak 16 Siton, 
zu welcher Tournefortd Karamane 4 Tage-brauchte, von ihm in 2 
% agemärfchen zurüdgelegt wurde. Die Einrichtung ber türfifchen 
Miervepoft im ganzen Weiche iſt bei der fortgefchrittnen Sicherung 
der Wege von großen Bewinn für den einzelnen Reiſenden und bie 
Beobathtung, da man ſich früherhin nur mit ven fchmerfälligen 
Karawanen fortzubewegen im Stande war. 

Die Entfernung’ von Erzerum gegen Welt, nad) dem Dorfe 

@fija, iſt 2 fehr flarfe Stunden (6 Mil. engl.); von ba ritt 
Guter auf welligem Boden über nievre Berge mit Spuren von 
Anbau, 22 geogr. Meilen (12 Mit. engl.) weit. Man fleigt dann 
durch eine Schlucht zum Thale Hinab, dad der Kara fu over Frat 
durchflleßt, und durchjegt ihn, um zur Poſtſtation Aſhkalah (frü⸗ 
her ungenannt) zu gelangen, bie zwiſchen Weiden und Buſchwerk 
am Norpufer des Frat fehr angenehm unter einem Felſen liegt, 
und 15 Bamilien zu Bewohnern hat (30 nach Southgate, die armes 
niſchen Bamilien waren mit den Ruſſen nad ihrer Invaflon 77) 
emigrirt). 

Don Ashkalah geht es gegen Weſt auf eine Höhe Über den 





70) Henry Suter, Notes on ajourn. from Erz Rum to Trebisond 
im. Jaurn. #f Rdy. G. 300. of Lond. 1841. Vol. X. P.8. p. 434. 
H. Southgate Narr. I. p. 108; vergl. Mii Smith, Miss. 


62 





‘ 








736 WeftsAfien. II. Abtheilung, I. Abſchnitt. $. 38, 


rat, deſſen Laufe man jedoch, ihn zur Linken behaltend, parallel 
Bleibt, bis man wieder zum Ufer des Stroms hinabſteigt, wo er an 
100 Schritt breit if. Hier folgt nun feine, auch von Tournefort 
Befprochne, Südwend ung, bis man ihn verläßt und nun bie ob 
genannte wilde Berg⸗ und Belsfhludt paflirt, welche Shaitan 
Derefi (Satans Ort) oder Satanad I hal heißt. 

Don da führt der Weg dann über eine Eulturebene nach Kara 
Fulaf, ein Dorf von 50 mufelmännifchen Famillen bewohnt. 
Huch MW. Dufeley Hatte (am 29. Juli 1812) ganz dieſelbe 
Route genommen. In Eltja, wo bie warmen Quellen find (f 
06. &. 271), babete er fih im Euphrat, 7°) ver Hier fehr feidt 
war, aber doch ein fehr breites Bette Hatte; ein Beweis, vaße, 
cbwol ſeine Quellen hier ſehr nahe, doch zu andern Sahrögeiten viel 
bedeutender ſein muß. Dies ſcheint ſich aus 6. Southgates 9 
Bemerkung jedoch auch dadurch zu erklären, daß eben der Karafs 
fi in mehrere Arme vertheilt, wodurch er eben fo feicht wir; 
auch Elagt derfelbe Reifende über den fo fehr ſchlammigen Weg, 
der von Ilja nach Erzerum führe, wahrjcheinlich in einem fe | 


naffen Jahre. Es ſcheint, daß In dieſer Gegend die einſt größen 


erf umpfung ver Ebene, mit den Schilfwäldern gefucht werder 
muß, von der Moſes Khor. wie Indſhidſhean ſprechen, welche kam 
vieleicht nur in der naffen Jahrszeit merkbar fein mag. 

Der Autor einer feltnen orientaliſchen Handſchrift des Speise 
Muftafevey, die W. Ouſeley anführt, fagt: Arzen ar rum 
fei eine berühmte Stadt mit einer Quelle Ain al Forat, vi 
Duelle des Frat. Wer im Frühjahr ſich in derſelben babe up 
waſche, werde frei von Krankheiten. Auch fei in ver Nähe }. | 
Stadt eine Duelle, die mit heftigem Getdfe bervorbreche, in der c 
Thiere, wenn ſie ſich ihr nur näherten, ſchon des Todes ſelen, 
ein Wächter fie hüte. Welche Quellen aber heut zu Tage wi | 
fen gemeint find, bleibt ungewiß. | 

Bei der Erbauung von Theodofiopolis (Erzerum) ab » 
zer warmen Bäder, wie bei Trajans leichtem Triumph über ‚Ds 
thamafiris (f. 06. ©. 271 und 116), haben wir ſchon zweimel 
fer merkwuͤrdigen Localität von Elegia der Alten, dem ** 
Elija (oder Ilijah, ſprich Ilidſha), und ſeiner warmen 
der gedenken müſſen. Eben hier in der Elegia Armeniae {R. “ 









oo. .,ı 3? i 3* 
W. Quseley Trav. T. UL; . 470. 79 Ei inte 
.  Narratige etc. Vol, I. p. ie 


* 4 I 








Euphratſhſtem; Frat, Elija. 737 


wo (nah Dio Cass. lib. LXXI, in M. Anton. Phil. R. .1177.- 
19, ed. Sturz. IV. p. 402), im Jahr 162 n. Ehr. Geb. ein 
Romerheer des Severlanus, Statthalterd von Kappadocien, gänz« 
lich durch vie Parther, unter Bologefed, gefchlagen und vernichtet 
wurbe. Es ift daffelbe Elegia trans Euphratem des Steph. Byz. 
(’Pilyua xwpioy nepdy Evpparov, s. v.), dad darum fo Heißt, 
weil das bei Dio Cass. I. LXVIII. 1135 genannte Satala Cap⸗ 
padociens, wohin Trajan zuerft ging, in Armenia minor auf dem 
rechten Ufer des Euphrat Tag, W) Elegia aber auf dem linken in 
Armenia major. Plinius (V.20. apud Elegiam occurrit ei Tau- 
rus mons, nec resistit) fcheint allerdings von einer andern Elegia 
bei Malatia zw ſprechen (vergl. ob. ©. 100), vie aber fonft Feiner 
der Alten kennt. Auch Ptol. (V. c. 13. fol. 135) Tennt nur bie 
eine armenifche Blegia, 73° 20° Long., 42° 45’ Lat., nabe den 
Duellen des Euphrat, und eine andere. 

Elijas (fprih Ilidſha; d. h. bei Türken warme Quelle), 81) 
warme Bäder und Schwefelquelle, hatte zu Tourneforts 
Zeit ein flattliches octogones Babegebäu mit durchbrochnem Gewölbe 
dach; Jaubert nennt es ein octogones Baffin, 80 Fuß im Um⸗ 
fang, 12 bis 15 Fuß tief, mit Marmorſitzen umher. Neuere Rei⸗ 
ſende ſprechen nur von heutigen elenden Erdhütten. Von dieſen 
Bädern, die in den jüngern Jahrhunderten ſtets von den durch⸗ 
ziehenden Karawanen, aber auch von ven Bewohnern Erzerums 
ſelbſt ſehr Häufig benutzt wurden, erreihte W. Oufeley auch nach 
5 geogr. Meil. (26 Mil. engl.) Weg! die Station Aſhkalah, 
dann aber verließ er nach einiger Zeit den nun ſchon bedeutend 
angewachsnen Cuphratſtrom bei einem noch an ihm liegenden Kar 
zawanferei, daß wegen der vielen dort vorkommenden Plagen von 
Schlangen, Fliegen, Scorpionen das Shaltan Derefti, 2) pas 
Zeufeldhaus, genannt ward, wovon erſt vie daranſtoßende Eng⸗ 
Auft und Paffage den Namen des Satanas⸗Thales erhalten 
haben wird. Dufeley, der ſich hier noch im Strome babete, Tonnte 
ihn quer überfchwimmen, obwol dieſer ſchon ſehr breit und reißenn 
war, doch in feiner Mitte nur 5 bis 6 Fuß tief (Ende Jul), trübe 
und warm, dabei voll Fiſche, zumal voll Forellen, bie eine Länge 





°o) J. A. Cramer, Geographical and en description of 
Asia minor. Oxford 1838. . Vol. II. 2 Tournefort, - 
Relat. 1. c. II. p. 111; Jaubert, Voy. 2: 306. °*) W. Ouseley 
L c. IH. p. 472. 

Ritter Erkunde X. Arc 


J 








738 Befl:Afen. M. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.38. 


618 zu 2 Buß erreichten, und bei fehr heißer Luft In Heben Sprün« 
gen aus dem Waſſer nach Fliegen fchnappten. Bon dieſer Stelle, 
bis zu welcher nach Ouſeley's Verfiherung durch ganz Armenien, 
von Kard bi hieher, der Weg fo gut über die Hochebene Ar- 
meniens befunden warb, daß man ihn wol mit einer vierräbrigen 
europälfchen Karoffe hätte zurücklegen können, wenn man flatt ber 
bloßen  Zweiräderfarren (Arabahs) fich dort vergleichen bedienen 
wollte, was bie Plateaunatur im Gegenfah ber angrenzenden 
Gebirgsketten recht charakteriftifch bezeichnet, beginnt nun das Auf- 
feigen durch die wilden TZauruspäffe nad) Kara Kulaf um 
Lori, die wir weiter unten zu verfolgen haben. Gier war es, am 
Shaitan Derefi, wo ver Miſſionar E. Smith an ven bortige 
Berggebängen ein paar Früpplige ECedern®) wahrnahm, We 
erften in ihrer Wildniß wachſenden Bäume, welche dem Aug 
fo wohl thaten. In der ganzen Strede von 300 engl. Miles vor 
Tauris, von D. gen W., vurch,die ganze Breite Urmeniens | 
verfichert er Teinen Wald baum gefunvden zu haben, Taum da 
wildes Gebüſch am Ufer des Murad, doch mit Ausnahme da 
Fleinen Waldgruppe von Pinus an der Tſhoöban köpri (f. ob 
S. 393), welche man al8 ven äußerſten gegen Weit vor geſcht⸗ 
benen Poften ver Fichtenwaldungen des Saghan Iu Dagh 
anfehen kann (|. ob. S. 407). Und auch viefe Baumloſigkeit 
ift eine zweite Charakteriſtik des armeniſchen Plateaw 
landes. 

Ker Porter, der auf ſeiner Rückreiſe, im Nov. 1819, wor 
Erzerum im allgemeinen viefelbe Richtung nahm, gibt doch üba 
diefen fo vielfach betreienen Weg (leiver mit fehr verftünmeln 
Namen) noch einige ergänzenve Zufäge zur Kenntniß des Giew 
gebieteß, das noch weit davon entfernt ift, In allen feinen Theis 
topographiſch genau aufgeklärt zu fein. Sein Weg von Erzerna 
war In ber Richtung N.70°W., und fenkte ſich allmällg gegen Ye 
Mitte des fruchtbaren fehr gut bewäflerten Thales, im welchen 
Elija liegt. Die Berge (Kalikala) im Norden viefe® Thalu 
ſchienen ihm ein trefflicher Schutz für die an ihrem Südfuße Begeab 
den Dörfer. Erſt bei Eli ja entdeckte er, daß man fich dem Lauf 
des Kara fu nun erfi näherte,®*) ver bis dahin im Norder 
Hinter den genannten Bergen feinen Lauf gehabt (in dem Thele 


— — 
°2) Hli Smith, Mission. res. p. 444. 20 
Trav. It. p. 673. p· BER ) R. Ker Porter, 


% 





Euphratſyſtem; Frat; Elija. 739 


des Rothen Klofters, das Tournefort beſuchte). Diefer fer einer der 
weftlihen Quelflüffe des Frat, aber, obgleich feiner Quelle noch 
ſehr nahe, doch ſchon ein großer Fluß, über den eine Brüde von 6 
Bogen führen müſſe. Die Duelle dieſes Kara fu liege an 12 
Stunden (30 engl Mil.) entfernt von diefer Brüde, gegen Nord⸗ 
oft, in dem Zweige der Tſchiller Berge (?), welche Auggi⸗ 
Daghler heißen; und die Landſchaft um vie Quelle ſelbſt Heiße 
Keldir (damit waren wol die von Tournefort beſuchten Localis 
täten bezeichnet, die dieſer namenlos ließ; aber Ker Porters Namen 
find meift fehr verflümmelt). Dieb wäre demnach die fernfle Nord⸗ 
quelle 85) des Frat; dagegen liege, fagt Ker Porter, eine zweite 
Duelle des Frat an 12 Stunden in Süden von Erzerum, und 
bie dritte im Nordoſt bei Bayazen (nämlich der Dura). Die 
ruſſiſche Statifif des Paſchaliks Erzerum®) und bie Generalſtabs⸗ 
karte gibt für dieſelbe fernſte Nordquelle des Frat wieder andre 
Gebirgsbenennungen. Nämlich Dümmli Dagh und Giaur 
Dagh, an deren innerſtem Winkel (dem Schughni Dſor bei 
Indſhidſhean, ſ. ob. &.727) bei Kizil Kiliffa (Mothe Kirche, 
vermuthlich identifch mit Tourneforts Rothem Klofter, pas 
diefen Namen, nad ihm, nur von einem roth angeftrichnen Thurm⸗ 
dache Haben fol) die Duelle des Karaſu entfpringe. Dieſe 
ziebe anfangs ſüdwärts im Thale Owa gegen Erzerum zu, aber 
dann im Rücken ver Höhen, nörblich von ber Stadt Erzerum, wende 
fie fich erft gegen Welt, bis fie bei Elija aus ven Bergen heraus im 
die Ebene von Elija und Erzerum eintrete. 

Nach der Orientirung der rufflichen Karte würden diefe Rara fu 
Duellen nicht in NO., ſondern direct im Nord ver Stabt Erze⸗ 
zum liegen. Daß fie im Dümmli Dagh llegen, wird auch von 
W. Hamilton?) beftätigt, ver fie daſelbſt (er fchreibt Domli) 
befuchen wollte, aber leider durch zus fchlechtes Wetter davon abges 
halten wurbe, 

Bon Elija aus legte Ker Porter am linken ober füpli- 
chen, feltner begangen Ufer des Frat feinen Weg, jevoch ohne 
auf beſondre Merkwürdigkeiten zu floßen (er nennt ein Dorf Alaia, 
ein außgezeichnete® Grabmal und einen Khan Gennis) fort, bis er bet 
Afſhkala ven Strom von dem Südufer zum Norbufer vurchfegen 
wußte, um blefe Station zu erzeichen, beren Lage wir nun fchon kennen, 





°s), Ebend. II. p- 403. se) nſcaloff ‚Geld. der zehzäge sc. I. 
©. 8. “7, W. Hamilton, Asia minor I. p. 


die 











730 Weftsfien, TIL Abtheilung, 1. Apfcpnitt.$.38. 


und wo mit ver Sudwendung des Frat auch die große Erzerum« 
Ebene, ja ganz Groß⸗Armenien gegen Wert feine Natur» 
grenze in den zunächft auffleigenven Ketten der Tauruszüge finbet. 
Wir Haben Hier noch zu bemerken, daß A. Jaubert die Station 
Aſhkala auch mit dem Namen Diennes Ach Calehss) wieder⸗ 
Holt belegt, und Ihn, gegen Kinneirs und Mennell Meinungen, 
für Gymnias des Zenophon hält, das, feiner Erklärung nad, 
nicht in dem fernen, Öftlichen Khinis am Tek Dagh (f. ob. S. 668), 
fondern mit D'Anville Hier zu fuchen fei, weil ver Heilige Theches 
Berg (Xenoph. Anab. IV. 7, 21) eben hier ſich in der Nähe be 
“finde, und feinen Namen noch im vortigen Klofter Tekieh bewahrt 
. babe. Leber dieſe Verſchiedenheit der Erklärung der Marfchlinie ver 
zehntaufend Griechen kann jedoch erſt weiter unten vollſtändig bie 
Rede fein. Nur bemerken wir, daß außer Jaubert und Ker Porter 
kein anderer der neuern Reiſenden bei Aſhkala dieſen Namen Diennes 
gehört zu haben ſcheint. 
5) Oſtzugang zu dem Thale des Frat bei Erzerum. 
Auch von ben andern Seiten ber find und vie Zugänge je 
dem obern Eupbratlaufe und zur Erzerum-Ebene näher bekami 
geworben. Ker Porter erſtieg von Haffan kalah pie oflwärk 
gehende Senkung des Kalch ju aufwärts gegen Wer zur uiht 
unbeveutenden Erhebung des vortign Waſſerſcheiderückent 
Deveh Boyunu (f. ob. S. 389), welcher auf der ruſſiſchen Kark 
Karatſchly Daghso) genannt wird. Don ihm zurüdhliden 
gegen Dften (Süd 65° g. Oſt) V) zeigte fidy, bei einem ganz freien 
wolkenloſen Himmel, zum Iegtenmale der erhabene Gipfel des Ara- 
rat, von dem man bier, gegen Sonnenuntergang gehend, auf im 
mer Abſchied nehmen muß. Die felgen Höhen dieſes Ueber⸗ 
gangspasfes, an fi nicht abfolut Hoch, find doch rauh um 
- Feil, und ſcheinen erſt Durch Menſchenhand bequem gangbar gemalt 
Auf der Eulmination fült nun das Auge gegen Wet auf we 
jo berühmte Hochebene Großarmeniens, und auf die nur eine guk 
Stunde (3 Mil. engl.) von da noch fern liegende, weitläuſtig 
Stadt Erzerum, bie, aus ber Berne wenigflens, mit ihren Bine 
set und Mofcheen und ihren vielen Bauwerken einen viel anfpredgen 
deren Anblick varbietet, als die meiften perfifchen Stäbte, deren bi 
ſterer Bauſtyl, mit allem was perfifch Heißt, hier feine Grenze fie 


#0) A, Jaubert, Voy. p. 115, 372. »20) v. uſchakoff a. a. D. 1. 
.&.99. 0) Ker Porter, Trar. I. p. 686 667. 





Euphratfuftem; Frat; Kop Dagh⸗Kette. 741 


det. Kein Zufluß zum Cuphrat wird bei dleſem Uebergange bes 
rührt, er ſelbſt gar noch nicht erblickt; denn feine Domaine fängt 
erft weiter im Weflen an. - 


6) Zugang vom Nord Her, vom Pontus amifheruf auf- 
wärts über ven Kop Dagh (Skydises), zum Ihale des 
obern Frat bei Erzerum. | 

Noch ein andrer Eintritt zur Ebene von Erzerum, welche 
der Frat von Oft nach Wet durchzieht, ift vom Norden ber, wenn 
man vom Geſtade des ſchwarzen Meeres, von Trapezunt 
her, zur Stabt Erzerum von Nord gegm S.D. vorrückt. Ws 
ft der Weg, den auch Tournefort zuerft wiffenfchaftlich gebahnt 
Bat; nur find feine Beichreibungen nicht topograpbifch genau, oft 
ohne Namen der Orte, Flüſſe und Berge, fo daß es fchwierig If, 
ihnen Tartographifch zu folgen. Auch iſt er feiner Zeit mit einer 
Karawane des Paſcha durch viele Umwege, und mit Zwifchenanfent- 
Halt, erft in 11 Tagmärfchen dad Hochland von Armenien empor« 
gefliegen, während doch ſchon die Hälfte der Zeit auf den directeren 
Straßen dazu hinreicht. Doch fehen wir, daß er von Trapezunt, 
wie alle feine Nachfolger, über Baibort (f. 06. S. 272, 391) am 
oben Tſhoruk⸗Fluſſe (ſ. ob. ©. 411) emporfteigt, U) um von 
da mun die eigentliche Hochgebirgskette des nörbliden 
Zaurud= Zuges, welche hier die Norbbegrenzung bed arme 
nifchen Plateaulandes bildet, zu überfleigen, an beren Süpfuß 
ver Frat von Erzerum His Aſhkalah, ala Längenbegleiter, 
in feinem flachen Längenthale von Oft nach Weſt fortzieht, bis zur 
Süpdwendung, mo er die geglienerten Rängenzüge dieſeßs Taufus« 
Bollwerkes zu durchbrechen beginnt. Es war am 12. bie 14. 
Juni, wo Tournefort diefe Höchften, rauben Gchirgsfetten 2 Tag⸗ 
reifen im Süden von Baibort überflieg, und dann bald vie mil- 
dere Ebene des Fratthales erreichte. . 

Was bei dem gebildetſten Reiſenden am Ende des 17ten Jahr⸗ 
hunderts nur unſicher und verworren für die Nachfolge angedeutet 
ward, iſt im 19. Jahrhundert ſchon in helleres Licht getreten und 
zu einiger Sicherheit gelangt. 

M. Kinneir erreichte Im I. 1813 von Trapezunt aus am 
6. Tagemarfche, ven 13. Juni, die Stadt Baibort 2) am Tſho⸗ 





*1) Tournefort, Relat. d’unvoy. etc. il, p. 107—112. °*) Macd. 
Kinneir, Jouro. through Asia minor. Lond. 1818. p. 356. - 


” 








742 Weft-Aften. II. Abtheilung. 1. Abſchnitt. &38. 


ruk Gyaboot oder Booboordy und Tchorah bei Kinneir 
geſchrieben), die nach ihm in ver Mitte zwiſchen Trapezunt und 
Erzinghan (f. ob. S. 270) liegt. Von da aus drang er in wilden 
Thälern nach einem Marſch von 5 flarken geogr. Meilen (26 MiL 
engl.) zum Norpfuße des Kop Dagh vor, den er mit vieler Wahr 
fcheinlichkett für das wilne und rauhe Gebirge des noͤrdlichen Tau⸗ 
rusſyſtems Hält, das Strabo Skydiſes (6 Zxosdlong, Strabo IX 
527 u. XIL 548) neben dem Paryadres nannte, bie fich, beide 
Ketten, am Strombette des Euphrateß, welches Armenia von Kappa 
dokien und Kommagene ſcheide, von der Weſtſeite bis Arımenis 
minor ziehen, von der andern Seite aber, über dem Lande en 
Trapezus, Pharnakia, ver Tibarener, Chaldaier (f. ob. 
©. 585) und Sanner, weldhe früher Matronen hießen, an ww 
Mojhiſchen Berge gegen Kolchis Yin anfchlöffen. Den Namen Loy 
Dagh, veften Lage fonft unbekannter war, finden wir auf ber zur 
ſiſchen Generalſtabskarte eingezeichnet; offenbar verdankt er ver an 
feinem Nordabhange gelegenen Station Kop) feinen Namen, die 
glũcklicherwelſe ebenfalls eingetzagen iſt. Zwar iſt Kinneirs Angabe 
noch nicht erwieſen, daß diefer Berg, wie man ihm dort fagte, be 
Höchfte Berg in ganz Armenien, felbft den Ararat nicht auögenem 
men, fein folle; ſehr beveutenn muß er aber wol fein, da auf 
WB. Hamilton deſſen Waſſerſcheide auf 10,000 Buß üb... R 
ſchaͤtzt. Nach 54 g. Meilen (28 Mil. engl.) beſtändigen Unfteigens 
war die Culmination des Bergpaffes erreicht, von ber eine Au 
fücht, die auch Southgate,?*) obwol von Donnerflurm und Ge 
witter daſelbft überraſcht (Mitte Juni 1837), bewundern mußt, 
auf eine ungeheure Maffe ver Fühnften, Hinter einander 
auffleigenpen Bergketten fich aufthat, fo weit das Aug 
reichte, mit grünen Thälern, braunen zadigen Piks und weißen ewi⸗ 
gen Schneehöhen. Bier$) mit einander parallel, von RA. 
gegen S. W., ſtreichende BGoͤenzüge ſtellen fich hier als ge⸗ 
ſonderte Maſſen dem Auge als eben fo viel Gliederungen bei 
udrdlichen Taurusſyſtemes dar: 1) die Kette links beim 
Eintritt in Baibort; es iſt die pontijche Kette, vie nächſte em 
Meeresgeſtade; 2) die hoͤchſte, auf der Kinneir land; es iR wer 


2) 5, Mahlmanne fehr dankenswerthe Karte des Kankaſus, 
nach den neneften Aufnahmen des Faiferl. rufl. Generalſtabs. Berlis 
b. Schropp. 1842. °«) H. Southgate, Nr. Vol, L. p. 10. 
28) Macd. Kinneir \, c. p. 858. 








ED 


Euphratſhſtem; Frat; Kop Dagh⸗Kette. 743 


Kop Dagh ESkyypdiſes), die wir die noͤr dliche Grenzkette des 
Plateaus von Erzerum nennen können; 3) der Kebban 
Dagh (Kepan Dagh der ruſſtſchen Karten, wo auch der Gipfel 
Palantu ken genannt wird), welcher die Plateau⸗Ebene von Erze⸗ 
sum gegen SD. begrenzt, die Vorhöhen des Bing hol bildet, und 
gegen Weſt fich an deſſen Verlängerung, nämlich an die Dujik⸗ 
Kette aureiht. Wir koönnen dieſe die ſüdliche Grenzkette des 
Plateaus von Erzerum nennen, vie zugleich die Mittel⸗Kette 
des Plateaus von Sroß-Armenien bilvet, welche dieſes Ich» 
tere in eine nörbliche und ſüdliche Hälfte theilt, und Brat von Mus 
rab ſcheldet. Der Ate von Kinneir erblidte Höhenzug war per 
noch weiter im S. O. ziehenne, im Sünen des Muxad, ven wis 
ald Darkuſh Dagh, Kharzan Dagh, bis zum Nimsup 
Dagh un Siban Dagh, zum Nordufer des Bari Set In obi⸗ 
gem hinreichend kennen lernten. Um jene Kinneirfche vortrefflicht 
überfichtliche Betrachtung aber zu vervollſtaͤndigen, müfien wir hin 
zufügen, daß die ganze Breite des Plateaukandes von Ars 
menien erſt durch diefen vierten Höhengug in feiner füde 
weftlihen Richtung als Quellgebirg der Tigriszufläffg 
(Niphates und Mafius, ſ. 06. S. 77) beſchloſſen erſcheint; fe 
daß dieſes Plateau wirklich zwiſchen dem nördlichen und ſüd⸗ 
Uchen Taurusſyſteme ſich als ein Hochland erhob, das jo charak⸗ 
teriſtiſch vom tiefen pontiſchen Geſtadelande, wie vom ſyriſchemeſo⸗ 
votamiſchen Tieflande fich unterſcheidet. Die dem Plateau aufge⸗ 
ſetzten Gebirgsketten beſitzen insgeſammt großen Quellenreichthum; 
von der erſten Kette ergießen ſich alle Waſſer nördlich zum Pon⸗ 
tus, von der Süpjelte der zweiten alle zum Euphrat. Die der 
dritten fallen zum Frat oder Murad, und bie der vierien,z 
Niphates der Alten, eilen fünwärts dem Tigris zu. Dies. 
die hydrographiſche Vertheilung. 

Von der Culmination des Kop Dagh, auf welchem ſelbſt 
mitten im Juni noch ſehr kalte Nächte vorherrſchen, erblickte King 
neir ſchon unter ſich im Thale den Strom des Euphrat gegen 
Weſten ziehend, und nur ein Tagmarſch abwärts reichte hin, um 
die Station Aſhkalah am Karafu zu erreichen, bie nur noch 9 
Stunden Wegs fern von Erzerum liegt, am Anfang ver, im Gegen⸗ 
fa des zurüdgelegten Gebirgslandes, felbft gut angebauten und bes 
vdlkerten großen Ebene, vie, wie alle zwiſchen ven Taurusketien 
gelegenen, doch nur ein erweitertes flaches Kängenthal bilbet, von 
weit geringerer Breite von N. nach S. ald Länge von D. nach W. 





746 MWeftsAfien. III. Abtheilimg. I. Abfchnitt, $. 38. 


ſtamm, aber ohne Gelänver, war die Brücke, auf ven ihn ſelbſt wie 
Pferde paſſtren mußten, vie aber bier ungemein vorfichtig ihre Tritte 
wählten. Dann Ginabflieg eine Fleine Stunde in ein hal, dann 
an nievern Bergen, zur Linken, mühſames Borüberklettern, bis man 
um 6 Uhr, alfo nach 2 Stunden befchwerlicheren Weges, die fanft- 
welligen Boralpenmit ihren Weideplätzen betritt, weldge vie 
große Ebene des Erzerum⸗Thales gegen Norden begrenzen. Don 
hier an waren noch 8 Stunden Wegs (20 Mil. engl.) bis Erze⸗ 
rum. Die Gegend des Eintritts entſpricht alfo etwa der Diftem 
Aſhkalahs von Erzerum, liegt aber wahrſcheinlich mehr norddſtlich 
Bon ven vielen armienifchen, ſehr ärmlichen Dorfichaften, mah 
nur einzelne Gruppen elender Erdhütten, die bier Liegen follen un 
in größter Eile durchritten wurden, wird Eeind genannt. Der bes 
tige Regen hatte vie Ebene mit einem tiefen Schlammboden üb 
zogen. Die Lleingeftalteten, breiten, plump und häßlich gebildeten 
Weiber dieſer Dosfichaften machten .mit ihren hoben Schultem, 
wilden vergerrten Phyflognomien und mit großen Mäulern cine 
ſchr ſchlechten Einprud auf den flüchtig Hindurcheilenden. Kun 
nach 8 Uhr, alſo In 2 Stunden, wurde das Ufer des Karafu oem 
Frat erreicht, und fein Waſſerſpiegel, der hier ſchon als ein am 
fehnlicher, reißender Strom ſich zeigte (durch den gefchmolzens 
‚Schnee und die Regenwaſſer, Ende Mai's), auf jenes huͤbſchen 
mehrbogigen Brüde (bei Elia?) überfegt, um die Stadt Erzerum 
ſelbſt zu erreichen. 


2. Die Ebene, dad Paſchalik und die Stadt Erzerum. 
1) Die Ebene Erzerum. 

Noch iſt die Ebene des obern Frat, in welcher Erz er un 
Uliegt, ihrer häufigen Durchwanderung ungeachtet, in ihren Cinzel⸗ 
heiten und Naturverhältnifien noch fehr wenig bekannt. Die To 
sainverhältniffe, die Blora und Sauna eines fo eigenthümlich ge 
ftelten Hohen Tafellanded auf ber großen Heerſt raße von 
Oſt⸗ nah Weſt⸗Aſien, eine natürlich durch Bollwerke ringsum 
geſicherte Bdlkerburg, und Doch zugleich. ein Land der Baffage 
durch die engen Gebirgspforten und wenigen Gocdhpäffe, 
die nur auf beflimmt gemiefenen Wegen hinein und heraus führen, 
und bie fo ſchwer zu erobern wie leicht zu veriheivigen find, ferner 
bie Weltftellung zwifchen vreifachen Meeren und Ländern, wi 
‚Völkern ver mannichfaltigften Art nach allen Umgebungen, mit dem 
Urfprunge des ardgten un Wien Stremfyflems in gan 








BE 


Eupbratfuftem; Frat; Kop Dagh= Kette. 745 


Streichen der dortigen Schichten von O.N.D. nah W.S. W. durch⸗ 
fegen. Nach 9 Uhr mußte man wieder Öfter den Zickzacklauf des 
Bergſtroms durchfegen, dann folgte man feinen Windungen im 
Marſchboden, bis man ihn In feiner Wendung gegen Oſt verließ, 
und wieder, an Öirtenzelten vorüber, durch grünen Alpenboven ſich 
gegen S. S.O. In ein andres Seitenthal wandte. Aus dieſem end⸗ 
lich erreicht man nach einem lang ſich windenden Aufſtieg ven Gi⸗ 
pfel einer ſehr Hohen Kette nackter Gebirge, auf denen noch Schnee 
Jag, deren Höhe wenigſtens 9,000 bis 10,000 Fuß über dem Spiegel 
des ſchwarzen Meeres betragen muß. Hier war nun die Waſſer⸗ 
Scheide zwifchen vem Pontusgeſtade und vom Cuphratſyſtem. 
Bon dieſem engen Rüden flieg Hamilton nun durch wilde Landſchaft 
hinab In ein Felſenthal gegen S. S. O. zu dem elenden Bergborfe Bun 
rula (ober Kebhur), dad auch auf Brants Karte von Asia minor”) 
(fo wie auch Mafjat) als Station eingetragen iſt, aber auf den 
zuffifchen Karten fehlt, wo jedoch diefe Paſſage wahricheinlich mit 
dem, Namen Kiopfhapun Dagh,) oberhalb Ghük Daghi, 
bezeichnet If, der auch die Schwefelquelle zur Seite angegeben iſt. 
Man erreichte den Ort um 1 Uhr; alfo nah 11 Stunden Wege. 
Ein fehr Heftige® Bewitter entlud fich Hier; umber war kein Grün, 
Ten Baum zu fehen. Gurula war ein noch ſchlechteres Dorf als 
Mafiat; von 11 Famillen vor der rufflfchen Invaflon waren nur 
noch 5 übrig, Indgefammt Mahomedaner. Man war fehr hoc 
herabgeſtiegen, bemerkt Hamilton, und doch war man noch Immer 
ſehr hoch über ver Ebene von Erzerum erhaben, vie man in 
der Berne gegen Süd erfpähen zu können glaubte, | 

Der dritte Marſchtag (30 Mai)®) führte envlich, alfo in 
ähnlicher Zeit wie etwa die Gotthard⸗ ober St. Bernhard», Mont 
Cenis⸗- und andre Alpenpaflagen in dieſe Ebene hinein, jeboch unter 
fo ungünftiger Witterung, daß fly weniger Gelegenheit zu genaues 
ses Beobachtung, als erwünſcht gewefen wäre, darbot. Man brach 
um 4 Uhr am Morgen von Burula auf, flieg gegen Oſt in einem 
Thale Hinab, das von einem reißenden Strome, wahrfäheinlich ver 
Sartſhem der ruſſtſchen Karte, bemäffert wir, ver ſich nun ſchon 
zur Ebene in ven Frat hinabflürzt. Ein glatt behauemer Baum⸗ 


97) Asia minor and Arnıenia to illustrate routes of Mr. ‚Ainsworth, 

Mr. Brant, Mr. Suter and Lord Pollington. 1840. y Glasoott 

and Arrowsmith. 99) Georgien und das Seht Telementen, 

als Neberblid der Sriegboperationen te. Münden b. Cotta. 1820. 
®®) W. Hamilton 1. c. p. 176. 





748 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.38, 


390 55° 20” N.Br. (39° 38’ N.Br. n. Kinncr) und 38°58' 6" OR. 
v. P. (nah 3. Brant auf 41°18'30" DL. v. &r.).) 

Die abfolute Meereshöhe von Erzerum, welde früher 
ſelbſt einem Tournefort unbefannt geweien, und von allen GBeogra- 
phen und Beobachtern ver folgenden Zeit unbeachtet geblichen, 
von dem unternehmenden W. ©. Brown aber zuerft durch Beob⸗ 
achtung (auf Tennants Rath mit kochendem Waffer) 2) an Ort 
und Stelle auf 7000 Buß engl. ermittelt ſchien, eine Angabe, die 
J. Nennell, dem fie zu feiner Erklärung des Rüdzugs der Zehn 
. taufend fehr erwänfcht kam, zuerſt veröffentlichen 3) konnte, iſt durch 
60 fortlaufende Beobachtungen Didfons im April 1838 auf ik 
wahrfcheinlicheree Maaß von 5735 Fuß Par. (6114 F. engl), oder 
nach fortlaufenden früheren Beobachtungen I. Branıs *) im De 
cember 1830, die mit correfponvirenden im Trapezunt verglichen 
wurben, doch wenigſtens auf 5000 Buß reducirt. Diefe ſehr ber 
tende Plateauhdhe, welche die des Urſeren⸗Thales auf dem Sat 
Gotthard noch um 1000 Buß überfleigt, und nahe an deſſen Ba 
Höhe mit dem Hoſpiz reicht, iſt ein wichtiger Anhaltpunct zur Er 
läuterung der dortigen Climatik geworben, und zur Beurtbeilung 
der vielen, das ganze Broß- Armenien überagenden, relativ nur 
geringen und doch ewigen Schneehöhen. Die Ebene det 
Karafı felbft oder des Frat ift nur 3 bis 4 Stunden breit, u 
etwa in boppelter Zerne auf beiden Nord⸗ und GSüpfeiten mit fe 
ben abflügigen Bergen umgeben; nahe am Strome aber IR der 
Boden naß und marfchig, meift beſtehend aus einem reichen Alu 
vial⸗Lehm. Unſtreitig war bie ganze Plaine, fagt Hamilton, ®) 
einft ein See, ehe der Euphrat die Bergfetten weiter unten durch⸗ 
brach. Der völlige Walpmangel der Gebirge, ja ver Rum 
gel felbft einzelner Bäume in dieſer weiten, ganz nadten (bene 
nimmt biefer Landſchaft gar viel von ihrer natürlichen Schänhelt. 
Die nächften Hügelreihen im Süden ber Stadt Erzerum, melde 
Hamilton wiederholt befuchte, beſtehen nach ihm ©) aus trachy⸗ 
tifchen oder Feuerbildungen (au W. G. Brown fpreh 
fon von den vielen Laven Erzerums) 7), deren Trümmer gewaltige 


*°!) Journ. of R. G. Soc. of Lond. X. P.3. p. 431. 2) W. G. 
Browne, Journey trough Asia minor, 1802; f. in Rob. Walpole, 
Travels in var. countries. Lond. 1820. 4. p. 178. not. 
®) J. Rennell, Illustrat. of the history etc. L c. preface p. xzı. 
*) J. Brant, Journ. of R. G. Soc. of Lond. 1836. VI. p.222. 
°) W. Hamilton, Asia minor \. „118. 9) ebend. 9.178. 

7) Rob. Walpole, "Traxels \ c. 





 Ü 


Euphratſyſtem; Hochebene Erzerum. 747 


Vorderafien, alles dieſes wäre mol eines eigenen genaueren Stu⸗ 
diums für Natur», Völker: und Menfchengefchichte werth. Wir 
Fönnen es nur bebauern, daß und die wichtigften Vorarbeiten dazu 
noch fehlen, und möchten zur Ausfüllung fo mefentlicher Lücken ver 
Wiſſenſchaft wol jüngere Kräfte zur Beobachtung jener vermitteln- 
ven VBerhältniffe an Ort und Stelle zwifchen ver Natur von Per 
fien, Kaukafien, Kleinaflen und Syrien auffordern. Doch wir wols 
Ien uns für jest auch mit den fehr mühfam errungenen por 
fitiven, wenn auch nur noch fehr wenigen Daten begnügen, vie wir 
den jüngften Beobachtern verdanken. Erſt felt kurzem iſt die aſtro⸗ 
nomiſche Orienttrung einiger Hauptpuncte dieſes Hochlandes möglich 
geweſen, über welche man zu Anfang des Jahrhunderts noch in 
völliger Verwirrung war, als der um Geographie unſterblich ver⸗ 
diente Aftronom von Zach feine erfte Eritifch berichtigte Karten⸗ 
ffizge vom ſchwarzen Meer und von Kleinaflen, wie er felbft er⸗ 
flärte, nur als vorläufige Gerippe zum Dienfte Fünftig herauszu⸗ 
gebenver Karten ausgeben laſſen Eonnte. Seit hundert Jahren, fagt 
er, w) Heichäftigten ſich die Geographen mit der wahren Zuge und 
Geſtalt des kaspiſchen Meeres; vie Länder zwifchen ihm und dem 
wittellänvifchen Meere Yatten fich dadurch fo ſehr verändert, daß 
man zwifchen ältern und neueren Starten Unterfchieve von 6 bis 7 
Graden verfelben Derter fand, oder folche Ungewißheiten, wie wenn 
man In Deutfchland in Zweifel wäre, ob man vie Öftliden Lifer 
des Rheins nach Coln oder nach Dresden zu verfegen habe. Noch 
weit mehr war dies am Tigris und Euphrat, am Van⸗See und 
am Pontus der Fall, und dem gemäß war auch das ganze arme⸗ 
niſche Binnenland kartographiſch verzerrt und verfchoben. Das 
ſchwarze Meer war um ein volles Viertheil feiner ganzen Länge 
vergrößert worven, und nahm die Stelle ein, welche jeht auf den 
beften Karten GSeorgien einnimmt. Dadurch war dad Faspifche 
Meer aus feinem wahren Plage verbrängt, und alle daſſelbe umge⸗ 
bende Länder und Ortfchaften mit ihm. 

Ein Niebuhr war nicht durch Armenien gekommen; biefer- 
fireifte nur an deſſen forifchen Grenzen im mittlern Euphratlande, 
in Mefopotamien, vorüber. Die aftrongmifche Zage von Erzerum, 
His dahin nur nach Berechnungen ziemlich unflcher geflelt, wurde 
nah Obſervation des kaiſerl. ruſſ. Generalſtabs beſtimmt auf 





200) v. Zach, Monatliche Correſpondenz 1801. 2b. III. S. 394, 567. 








750 Wefl-Afien. IL Abtheilung. L Abfchuitt. 5.38. 


trale Hochebene, obwol wenig angebaut, wirb doch als frucht ba⸗ 
res Kornland gerühmt. 2) Zwiſchen dem temperirten Geflabes 
lande des Pontus und dem brennend heißen Boden Mefopotamiens 
und Spriend, mit dem Tigris⸗ und mittleren Eugbratlande, liegt dab 
fehr Ealte Plateauland Groß⸗Armeniens mitten inne De 
Winter ift ſehr hart; die Kornſaat fproßt erft mit Anfang Juni; 
noch am erften Juni ſah Tournefort?) dort Schnee fallen; bei 
Sonnenaufgang war noch empfinvliche Kälte, dabei aber um 10 U 
ſchon empfinvlide Hitze durch den Sonnenflrafl Der Sommer 
aber, wie auf allen PBlatenuflächen der Erbe (Erof. IIL ©. 697), f 
gefteigert und fo brennend heiß, daß man dem Verfengen des Kormi 
vor feiner Reife durch Bewäflerung zuvorfommen muß, und daß fh 
der fchörfte grüne Rafenboden doch in eine harte, braunrothe ven 
brannte Erorinde verwandelt. Die Ernte fällt erft in den Mond 
September, der Winter fällt ungemein früh ein. Kein Wunder, 
daß ver römiiche Feldherr in Armenien gegen Zigranes und Dis 
thridates, Lucul lus, bei feiner dortigen Ankunft jenfeit des Tar⸗ 
rus (ſ. oben S. 88, 99) fehr überrafcht war, obwol ſchon mitten 
Im Sommer, flatt einer reichen Kornernte vie Ackerfelder noch alle 
grün zu finden (Plutarch. Vit. Lucull. 31), und daß bie Legion 
fhon zur Zeit ver Herbſtnachtgleiche am Arares und Cuphret 
in ihrem Lager dur Schneefall ihnen unbefannte Beſchwerdes 
zu erdulden hatten, die Pferde ver Meiterei im Eis der gefrormen 
Ströme einbrahen und im Trunk des Ealten Waflers fich ven Io 
holten. Auch Alerander Severns fol nad) Zonaras Erzählung 
noch viel fchlimmeres von der dortigen Winterfälte erduldet Haben. 
Die Wege auf viefem Boben find nur Streden, die erſt durch 
ennflante Paffage der Karawanen zu Heerſtraßen werben, und ſich 
als folche von felbft, ohne alle Zuthat von Menfchenhand, hinrei⸗ 
chend markiren. In den Bergen bleiben fie immer dieſelben, aber iz 
den Platinen wechjeln ihre Dirertionen fortwährend nach nem flet 
wechſelnden Anbau ver Ländereien over ihrer Verddung. Die die 
zige Ausnahme hiervon macht eine einzige, jenoch Groß =- Armenim 
kaum berührende Via militaris, die von Reſchid Mohamed Paſche 
in der jürgften Zeit behufs des Transportes ver Artillerieftüde von 
Samfun am Pontus über Kharput (f. ob. ©.104, 702) nach Di 
Yazrbefr, eine Strecke von ziemlich 100 geogr. Mellen, wegbar gemadht 


40%) J. Brant; L c. Journ. R.G.S. VI. 1836. p. 221. °) Tonr- 
nefort, Relat- 1. c. U, p.IL. 





um 


Euphratfuftem; Hoch⸗ Ebene Ezerum. 749 


Boͤſchungen bilden, vie fich gegen eine Stunde in: vie Ebene nach 
der Stadt zu ausbreiten. Es zeigt fich in ihnen, in der genannten 
Entfernung etwa, eine amphithentralifche Bertiefung, vie man für 
einen einft auswerfenden Krater während jener trachytiſchen Ope⸗ 
zationen zu halten geneigt fein dürfte. Darauf weiſen wenigſtens 
die fenkrechten Wände, die Umwandlungen ber flratificirten Gebirgẽ⸗ 
ſchichten und vie Barlationen im den plutoniſchen Gebilden Hin. 
Jetzt find diefe friedlich gewordenen Bügel mit vielen Schaaren von 
Nebhühnern (Attagen over Bagrakala) belebt. 

In diefer Angabe Hamilton von einem frühern Zuftande 
möchte vieleicht der Aufichluß über obige Stellen bei Mofes Khor. 
vom Schilfwalde (dem Sazlech bei Indſh.) und dem ſchlammi⸗ 
gen See oder Sumpf um bie bogenreihe Brüde von Elija lie⸗ 
- gen, welche Gegend in früheren Zeiten eine andere Geſtalt haben 
mochte, wenn man des Procop fonft unverſtändlicher Erzählung 
trauen darf. Diefer fagt nämlih vom Eupbrat, er beginne mit 
Engthälern und entziehe fich dann, mo er hervorbreche, dem Auge 
nicht unterirdiſch, ſondern durch Wafferflürze. Lieber feiner Waſſer⸗ 
fläche fleige ver Schlamm in einer Strede von zwei ſtarken Stun« 
den (50 Stadien) Länge und eines Stunde (20 Stadien) Breite in 
folcher Menge auf, daß viel Schilfrohr darauf wachje, in felbft 
Reiter und Räderkarren darüber wegfegen konnten. Jährlich brenne 
man den Schilfwald nieder, dann. trete das Waſſer wirder hie. und 
pa hervor; der Schlamm (rmAds) wachſe aber wieder zu, wie zu- 
vor. Bon da fließe ver Cuphrat weiter durch Ucilifene (Procop. 
Bell. Pers. I. 17. p. 82). Sollten dies damalige Auswürfe von 
Schlammftrömen etwa bewirkt Haben? Nur Unterfuhung an Ort 
und Stelle kann darüber Auskunft. geben, ob biefer Schlamm plu⸗ 
toniſcher Entſtehung ſein mag. 

Von der Beſchaffenheit der benmchbarten Gebiegeketien erfahren 
wir noch gar nichts, doch ſcheinen fie reich an mineraliſchen Quellen 
und Metallichägen zu fein; nur ihr Reichthum an Alpenweiden und 
an zahlreichen Heerden ift bekannt, und hie und ba jinben ſich auch 
in den geſchützten Theilen ihrer Thäͤler Waldgruppen, jedoch meiſt, 
wie es ſcheint, von Zwergbäumen, zumal Nadelholz und«@ichenar- 
ten. Tournefort ſagt, die naͤchſten Fichtenbaͤume fländen 3 Tagerei⸗ 
ſen von Erzerum entfernt; Holz ſei dort die größte Koſtbarkeit und 
Kuhmiſt bleibe das einzige Brennmaterial, wenn man nicht, wie er 
hoffe, einſt daſelbſt Steinkohlenlager entdecken werde, nach de⸗ 
nen aber zu ſeiner Zeit wenigſtens noch Niemand ſuchte. Die cen⸗ 








750 Weft-Afien, III Abtheilung. L Abſchnitt. $. 38. 


trale Hochebene, obwol wenig angebaut, wirb doch als fruchtba⸗ 
zes Kornland gerühmt. 8) Zwiſchen dem temperixten Geſtade⸗ 
Yande des Pontus und dem brennend heißen Boden Mefopotamiens 
und Syriens, mit dem Tigris⸗ und mittleren Eugbratlande, liegt das 
fehr Ealte Plateauland Groß⸗Armeniens mitten inne. Da 
Winter iſt fehr Hart; vie KRornfaat fproßt erft mit Anfang Juni; 
noh am erften Juni ſah Tournefort 9) dort Schnee fallen; bel 
Sonnenaufgang war noch empfindliche Kälte, dabei aber um 10 Uhr 
ſchon empfindliche Hitze durch den Sonnenflraf. Der Sommer 
- aber, wie auf allen Platenuflächen der Erbe (Erdk. II. S. 697), if 
gefteigert und fo brennend heiß, daß man dem Verſengen des Korn! 
vor feiner Reife durch Bewäflerung zuvorfommen muß, und daß ſich 
der fchörfte grüne Raſenboden doch In eine harte, braunrothe ver 
brannte Erdrinde verwandelt. Die Ernte fällt erft in den Mond 
Geptember, ver Winter fällt ungemein früh ein. Ken Wunde, 
daß der römifche Feldherr in Armenien gegen Tigranes und Bi 
thridates, Tucullus, bei feiner dortigen Ankunft jenfeit des Tan- 
zus (f. oben S. 88, 99) fehr überrafcht war, obwol ſchon mitten 
im Sommer, flatt einer reichen Rornernte die Ackerfelder noch alle 
grün zu finden (Plutarch. Vit. Lucull. 31), und daß die Legion 
fchon zur Zeit ver Herbffnachtgleiche am Araxes und Cuphrat 
in ihrem Lager dur Schneefall ihnen unbelannte Beſchwerden 
zu erdulden hatten, die Pferde ver Reiterei im Eis ber gefrormen 
Ströme einbrahen und im Trunk des kalten Waflers fich ven Ted 
holten. Auch Alerander Severus fol nach Zonaras Erzählung 
noch viel fchlimmered von der dortigen Winterfälte erpulber Haben. 
Die Wege auf viefem Boden find nur Streden, die erſt derch 
eonflante Paffage der Karawanen zu Heerſtraßen werben, und ih 
als folche von felbft, ohne alle Zutat von Menfchenhand, hinrei⸗ 
hend marklren. In den Bergen bleiben fie immer dieſelben, aber in 
den Platinen wechſeln ihre Directionen fortwährend nach dem fleit 
* wechfelnnen Anbau der Länvereien oder ihrer Verddung. Die die 
zige Ausnahme hiervon macht eine einzige, jenoch Groß = Armenien 
faum berührenne Via militaris, die von Reſchid Mohamed Paſche 
in der jürlgften Zeit behufs des Transported der Artillerieſtũcke von 
Samfun am Pontus über Kharput (f. ob. S.104, 702) nad Di 
Yarbefr, eine Strede von ziemlich 100 geogr. Meilen, wegbar gemadht 


*0®) J. Brant; L. c. Journ. R.G.S. VI. 1836. p. 221. °) Teur- 
nefort, Relat. I. c. I. p-111. 





Euphratſyſtem; s Hochebene Erzerum. 751 


ward. Die Wege find in ber Sommerzeit auf dem weifigen Plas 

teaulande fo, daß fie Feiner Kunftnachhülfe bebürfen ; im Winter 
Dagegen oft nicht zu pafjiren wegen hohen Schneefalls, zumal aber 
ſchwierig bei Thauwetter. 

Mit einiger. Genauigkeit den Nufien, während ihrer Befigsnahme 
des Paſchaliks Erzerum, bekannt gemorvene Wege, bie wir zur weis 
tern Benugung nach ihren Daten anführen, 20) find nur 5 nad 
verſchiedenen Directionen, deren mehrere jeboch noch welt genauer 
zu erforjchen fein werben. 

1). Die große Karawanenſtraße nach Conſtantinopel 
zu Lande gebt von Erzerum über Aſhkalah, Ki Tſhiftlik, Si⸗ 
was u. ſ. w. Sie fol für Fuhren (Arabahs) fehr befchwerlich fein. 
Beim Dorfe Andreyas (Enderez), 120 Werft von Siwas, Eann man ' 
über dad 130 Werft entfernte Tofat einen Umweg nehmen. Diefe 
Straße ift aber fleinig und befchwerlih. Don Siwas nach Tokat 
find 60 Werfl. Don Tofat zum nächiten Hafen des ſchwarzen 
Meeres, Sameyn (e8 iſt Samun), find 170 W. Dahin Einnen, 
mit einiger Mühe, beladene Fuhrwerke gebracht werben. Diefelbe 
Noute gibt der Viceconful H. Suter, ver fie 1838 zurüdlegte, in 
ihren Diftanzen von 153 Stunden Wegs, 45 Tagmärfchen alfo an:1ı) 
1) von Erzrum nach Aſhkalah 9 St. guter Weg; 2) n. Karakulak 
16 St.; 3) n. Gemeri 12 St.; 4) n. Uleh Sheivan 6 St., bergig, 
aber gut; 5) n. Shebb Khanah Kara Hiffar 18 St.; 6) n. Endes 
res 6 St., ſchlechte Weg; 7) n. Zara 12 St.; 8) n. Sivas 
12 St.; 9) n. Arslan Togmifh 10 St.; 10) n. Tokat 8 St.; 
11) n. Zileh 12 St. Diefe Iepten 4 Tage haben trefflidde Wege 
und Pferde. 12) Von Zileh n. Amaflyah 8 St.; 13) n. Kavſah 
8 St.; 14) n. Kavak 8 Gt.; 15) nad Samfun 8 St.; beide letz⸗ 
tere Wege über Gebirg mit trefflichen Pferden. In Summa 153 
Stunden Wegs. 

2) Eine andre Landſtraße nach Conftantinopel kann auch 
fühwärts über Erfingan nach Siwas gehen, ober nörblich über 
Baiburt und Trapezunt zum Poutus, und dann zu Waſſer dahin, 
zwar an Meilen vie längere, aber feit der Dampfichiffahrt die viel« 
fach befuchtere Route. 

3) Die große Straße über Haffan kaleh, Dell baba, Topra 
kaleh nach Bayazen, 160 Werft, die wir oben (S. 654) kennen 





20) v. Uſchakoff a. a. O. J. S. 102. I), Suter, Notes I. c.; 
Journ. R. G. S. Vol. X. P, 3. p. 444. 








752 Weſt⸗Aſien. TI. Abtheilung. I. Abfchnitt. $. 38. 


gelernt, und welche vie gewöhnliche Route nach Tauris umd ehe 
san, if, für Karamanen und auch für Heeresmärſche brauchbar. 

4) Die große Straße nach Georgien über Haſſan falch un 
den Saghanlu nad Kar, die und aus ber ruſſiſchen Kriegkge⸗ 
fchichte ebenfalls bekannt iſt (ſ. ob. ©. 415). 

5) Endlich die direrte Nordſtraße nach Imereti, von Gr 
zerum über Olti, Ardaghan nah Akhaltzike, 278 Werft, um 
von den Ruſſen zurüdgelegt; bei ven Gebirgen Karatfhly Dag um 
Ulgar ift fie etwas fchwer zu paſſiren, fonft aber auch für Gere 
märfche brauchbar, da e8 ihr nicht an Holz und Waſſer fehlt. Bon 
Dit kann man oflwärts, ebenfalls duch einen Seiten zweig, 
iiher Perthes, Wartonet und Keketfh (97 Werft) auf vie über ven 
Saghanlu führende Straße nach Kars gelangen, ber im J. 180 
von einem ruſſiſchen Corps genäht ward; eine Strecke von 173 
Werft. 


2) Das Paſchalitk Erzerum. 

Erzerum iſt der Mittelpunkt der Provinz, die ſeit den Zee 
ten der Erbauung von Theoboflopolis, unter den Griechen als Praͤ⸗ 
feetur für die Kalfer von Byzanz, und eben fo ſeit ver Herrſchaft 
der Osmanen für den Großfulten ald Paſchalik, ein Hauptſchu⸗ 
land beider politifchen Serrichaften gegen Parther, Saffanipen um 
Perſer, von größter Bedeutung gewefen. Ban und Erzerum waren 
unter Sultan Selim (1567) 412) vie Sauptgrenzfeften feines Meike 
gegen den perfiihen Oſten. Deshalb iſt auch in neuerer Zeit bad 
Paſchalik von Erzerum gegen ven doppelten Feind, die Ruſſen wie 
Derfer, zum Hauptpafchalit des Reichs in Afien geworben, uud 
nur dem Range und ver Ausbehnung nach venen von Aegypten 
und Bagdad nachſtehend, zumal ſeitdem die Macht des vortiges 
Paſchas durch die Vernichtung des früher fo gewaltigen Saal 
ſchareneinflufſſes ungejchwächt bleiben Eonnte. Kein befferer Sammel⸗ 

plat 2) für ein großes aflatifches Heer, bei einem Ginfalle gegen 
Kaukafien, Perfien oder Indien, als duf ven gefunden, heerdenreichen 


WBochebenen von Erzerum, wo Waſſer und Butter im Ueberfluß HR. 





Schon zur Zeit Tourneforts, 1%) zu Anfang des 18. Jahr⸗ 
hunderts, war ber Paſcha von Erzerum ein Begler Beg (Gürk 





#18) v. Hammer, ichte der Os II ©. 380. 
x it. Klach, Joum. Le * c. p. man. * 16) Tournebart, Rälst, 
c p . 





Euphratſyſtem; Pafchalit Erzerum. 753 


ver Fürften, ever Paſcha von drei Roßſchwelfen), well ex die unter 
Hm ſtehenden Paſchas beherrſchte; er zahlte dem Großſultan 300 
Beutel im Jahr (jener Beutel zu 500 ecus, alfo 150,000 Thaler). 
Er nahm ven Waarenzoll ein, ver auf 3 Prozent Heflimmt war, 
aber oͤfter zum Doppelten gefleigert wurbe; alle fremde Reifende, 
Die Durch Erzerum nad) Perfien geben wollten, mußten, wenn auch 
une Waaren, voch 5 The. Abgabe und oft weit mehr zahlen; 
zumal an ven damaligen Mifficnaren und ven Jeſuiten wurden 
ſtarke Erprefſungen gemacht. Ueberdem hatte ver Raſcha das aus⸗ 
ſchließliche Vorrecht ver Verſteigerung aller Transportthiere für bie 
Kgrawanenreiſenden. Seine Einkünfte konnten alſo Ind außeror⸗ 
dentliche wachſen. Die ganze Provinz Erzerum brachte dem 
Sultan noch 600 Beutel ein, und außer dieſen noch 300 Beutel 
Karadſh von Armenlern und Griechen, wozu noch 6 Procent von 
allen Waaren, fo daß die Waaren überhaupt 9 Procent Zoll zu 
zahlen hatten, und dennoch war der Handel bedeutend. Außerdem 
Hatten die Spahis als Grundeigenthümer noch eine Grundſtener 
(Beldargi) für die Ländereien, vie ihnen von der Pforte ald Ziamet 
oder Timar (Lehen) 15) verliehen maren, mit der Verpflichtung, in 
Kriegdzeiten eine Anzahl Reiter zu ftellen, und in Perfon ſelbſt ge⸗ 
gen den Feind zu ziehen. Die Macht des Pafcha, ver nur in einem 
elenden Serai wohnte, war aber durch die Gewalt des Janit⸗ 
ſcharen⸗Aga ſehr befchränft, der 1200 inſcribirte Janitſcharen im 
Der Stabi und 50,000 in der Provinz zählte, die ihm insgeſammt 
eine Abgabe entrichteten, dafür fle unter feinem Schutze, fagt Tour⸗ 
Refort, vie Erlaubnig im Lande hatten, alle Art Spitzbübereien 
zu treiben. Auch Die honetſten Ginwohner mußten ſich unter die 
danitſcharenrotte enrolliven laſſen, um ven Ghicanen des Aga nicht 
audgefet zu fein und ohne Juſtiz zu bleiben. Die geringe vom 
Groffultan ausgehende Befolvung der Janitſcharen zog ver Aga 
da; ex veflpirte auf der Anhöhe der Stadt in einer Urt Feſte, deren 
Thore die Großen des Landes nur dann pafſirten, wenn fie Ihre 
Köpfe darin verlieren follten. 

Zu Armenia rechnete man 16) die türkifchen Bafehalil® von 
Usgerum, Akiska, Kars, Bayazed, Mufh und Diarbekr; 
wm Paſchalik oder der Statthalterſchaft Erzerum aber 
werben tm Dſhihannuma ober der türkiſchen Geographie 13, im 





28) A. Jeabert, Yoy. p. 117. *) M. Kinneir, Mem. on Persian 
Kitten Exbkmde X. Bot 








754 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 38, 


KRannunname 17) nur 10, bei M. Kinneir 12 Sandſhakate ge 
rechnet; nad v. Hammers Schreibweiſe heißen fie: Erzerum, 
Bafftn, Tortum, Chonos, Karahiſſar, Mamremwan, Tel- 
man, Keift, Melaskerd, Medſchnekerd, Aleſchkerd, Isyer. 
Nach der Statiftif dieſes Paſchaliks, welche aus ven neueſten Datın 
des rufflichen Generalſtabs waͤhrend der Iepten Occupation zufem 
mengeftellt ift, find e8 gegenwärtig nur 9 Sandſhakate 12) aim 
ih 1) Owa over Erzerum (Owa Heißt die Ebene); 2) Ober: 
Baffin; 3) Unter⸗Paſſin; 4) Kygi (wel Khinis); 5) Terd⸗ 
fban; 6) Erfingan; 7) Bayburt; 8) Ispir; 9) Teortum. 
Zwanzig Jahre zuvor gehdrten noch dazu die Sandſhakate Tiger 
tfhants, Kurmtſhai, Kiamah und Kilkit (oder Kerkid) 
Tſhiftlik, davon aber die drei erften zum Paſchalik Mappen, bei 
vierte, nämlich Tſhiftlik, zu Gümiſh Ehane, dem Silberbergmai, 
geſchlagen wurde. Dies letztere geichah erft im Jahre 1831, uf 
GErkundigung EI. Smith3 19) auf feiner Rüdrelfe zum Pontus, we 
ihm ein Einnehmer im Dienfte des Paſcha von Erzerum fagte, def 
in den jegigen 9 Sandſhaks fi 3,800 Dörfer, befänden. 

Wir führen dieſe politifchen Abtheilungen nur auf, um ws 
veftänpigen Wechſel, den Mangel der Stabilität folder Verhälmif 
auch bier zu bezeichnen, weshalb mir es eben abfichtlich vermeiden, 
3.3. bier an biefer Stelle von jevem dieſer einzelnen Sanpfhafee a 
eben, die zwar eine, freilich mit ben Beitverhältniffen fehr oft 14 
umwanbelnde blos polttifh zufammengefügte Bruppe ww 
Ränvderräumen bilden, aber Feine natürliche mit Innerm uf 
menhang. Es würde eine bloße Täufchung fein, zu wähnen, baf 
man durch eine vollftännige Aufzählung und WBefchreibung we 
jenen willtührlichen Thellungen wol auch zu einer volfkäubige 
Kenntniß eined Ganzen gelangen koͤnnte. Dazu kann nur vie Ber 
folgung nad einem organifchen Zufammenhange führen, dem wi 
bier nachgeben, in welchem alle weientlihen Berhältnifte wiriit 
vollſtaͤndig erſchoͤpfend fich von felbft hervorheben, fobald ihre Kenar 
niß nur vorangegangen iſt. Wir bleiben alfo trog des großen pe 
Ultiſchen Umfangs des Paſchaliks Erzerum bier doch nur im Er 
phratgebiete zurüd, und nehmen nur bie Bingerzeige auf das All⸗ 
gemeinere gelegentlich mit auf, weil dieſes meift auf ſehr uuufkäeem 
































ar), 9, Sammer, affat. Türkei. I Biene Ja ehlcher 1621. ©. UT. 
RN. VO 9, Oifgeke ⁊h. L & 8-IK 
10) RL Smith, Mac. ven. TR, \ 





Eupbratfoftem; Paſchalik Erzerum, 755 


Grunde ruht. So 3. B. bier das zunächft folgende zum Paſchalik 
überhaupt gehörige Statüftifche. 

Die Bevdlkerungdverhältniffe des Pafchalif3 zu ermit- 
teln, war felbft der ruſſiſche Generalflab unter General Paske⸗ 
witfch, dem doch fehr viel daran Liegen mußte fle zu wiſſen, nicht 
im ‚Stande. Nach dortigen Angaben 19) hatte jedes Sandſhakat 
feine 200 von je 10 bi8 50 Bamilien bewohnten Dörfer; nur von ber 
Stadt Erzerum fonnte man beflimmtere Daten erhalten. Die An⸗ 
gaben der armenifchen Geograpben über die Zahl ver Armenier 
find zu fabelhaft übertrieben, um fle hier auch nur zu erwähnen, 
was Indſhidſhean,?) obmol er fle anführt, felbft zugeſteht. Die 
Kroneinkünfte waren beveutend, wurden aber keineswegs ſyſte⸗ 
matifch eingeforvert. Die Kopffleuer, ver Karadſh, der Sallyan 
(1. 06. S. 669, 677) wurden von den Individuen aller Glaubens⸗ 
befenninifie erhoben; auf den Ehriften lafteten wieder andere Steuern; 
Monopole, Zoll, Domainen, Hornviehverkäufe, Gewerbfteuern, Kurs 
denabgaben brachten noch anderes ein, was fich gar nicht berechnen 
ließ. Die Bergwerke follten 61,000 Kurufb liefern. Uber die Ein- 
treibung der Steuern für die Krone nimmt der Seradfier von Ihr 
in Pacht, und gibt fie wieder In Pacht an feine Befchäftäführer und 
Serafs (Banquiers), fo daß die Mittel aller flatiftifchen Rüdfchlüffe 
auf Land und Leute eigentlich fehlen. Die meiften Mufelmänner in 
dieſem Bereiche find keine Osmanlis, 21). obwol fie fich fo titu⸗ 
Uren, fondern Turks. Die wahren Osmanlls fehen es für eine 
Beihimpfung an, ihre noblere Race Turks zu nennen, weil fie 
diefen Namen nur auf die Barbaren auf ver Oſtſeite des Taspifchen 
Sees beſchränkt wiffen wollen; bie meiften Turks find hier Soldaten, 
Givilbeamte, Handwerker, Kaufleute, Aderbauer; viefe letztern find 
roh, wie jene ihre Stammgenofien. Ihre Pflugfchaar geht nur 
wenige Zoll tief in den Boden; der Pflug iſt ganz von Holz, fein 
Dünger wird gebraucht; ihre Hütten find voll Ungeziefer; fie ſelbſt 
find ſchmutzig und unwiſſend. Die noch vorhandenen Reſte der exe 
ſten Eroberer des Landes, die Turkmannen, ziehen ald Hirten um⸗ 
ber, und’ haben vieles mit den Kurden» Tribus gemeinfam. Die 
Kurden führen bier wie anberwärtd ihr räuberiſches Hirtenleben, 
faft independent vom Gouvernement. Es war erft das Beichäft 
Reſhid Paſchas, fie zur völligen Unterwerfung zu bringen. Sie 


29) v. Ulchalof a. a. DO. 3°) ) Snöfffen, Ren srmenien, in 
Geogr. v. Aflen, Br. J. wolgn. 1 . S. 13. n. Betermanns Mic. 
31) Southgate I. c. I. p. | 

Bhh ? 








7156 Weſt⸗Aſien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.38. 


waren Jedermann zur Laſt. Die Armenier, vie Originalbewehee, 
bevölfern vorzüglid) vie Städte, und find die GSandelsleute oder 
Aderbauer, dürfen aber Feine Waffen tragen, und werben weder 
als Solvaten noch ald Civilbeamte angeftellt, weil fle Chriſten find. 
Ihre Zahl ſchätzt J. Brant 2?) auf 4 der Turkzahl und $ ve 
ganzen Population Armeniene. 

Ueber die Landesproducte wird von den Neuetn nur fo 
ziemlich wiederholt, was wir feit Tournefort® Zelten fehon won 
denfelben mußten. Nämlich alfe KRornarten fein um Green 
"von vorzüglicher Güte; Weizen und Berfte werbe aber am mb 
fen gebaut, und in ven Kreifen Owa (d. 5. Ebene), Baybazt, 
Terdſhan, Erfingan und beiden Paffin fol man vom 30- IH 
zum 50fachyen Ertrag 2) des Korns ernten(?). Dies wire darch I 
Brant wol berichtigt, indem er fagt: in den hundert einſt bl 
henden Dörfern des Erzerum⸗Thales, das fett der rufjifchen Inne 
flon aber fehr entvölfert und verfallen ift, fe der Boden ſehr mw 
gleich; die Weizenäder ver höhern Lagen gegen Erzerum geben 
nur ein 5⸗ bis 6faches, die in ver Tiefe am Fluß gelegnen aber da 
12= bis 15faches Korn. 2%) Obſt gedeiht beffer in den Tpklem 
von Ispir, Tortum und dem fünlicden Erfingan; aber da 
befte Eommt, wie zu Toutneforts Zeit, aus Georgien dahin. Itas- 
- ben fehlen im falten Erzerum ganz, die fhon in Muf fe tw 
lich find, daher auch ſchon Tournefort den ſchlechten Vin de Brie 
feiner Heimath gegen ven fchlechten Wein, ven er in Ergerum p 
trinken bekam, für Nectartrant erflärte. Dad Bauholz muß vo 
Kop Dagh oder Saghanlu herbeigeführt werden; Cichenholz zu e 
brennen würbe für den größten Frevel angejehen werben, zumal da 
bie Galläpfel der Eichenwälber ein Hauptpropuct des Landed für 
den Handel abgeben. Pferde, Mäuler, Rinder, Schaafe von vor⸗ 
züglicher Zucht, und nah Kinneirs Benertung?5) viel geb 
Ber von Geftalt (fo auch die Hunde) wie in andern Ländern, ge 
mal auf ven fetten Alpen des Binghöl, und bei dem Reichthum da 
trefflichften Wafler zu Trunk und Nahrung, gibt es in Ucherſtß 
Paflin und Terdſhan find befonders reich an Heerden; Bicuenzut 
ift eben daſelbſt fehr in Aufnahme; Salz liefert Tortumi we Tab 
fan. Ueber dad Vorkommen von Metallen geben auch vie zuffb 
ſchen Berichte gar Leinen neuen Auſſchluß, obgleich doch eben Ne 


»®) 1. Brant 1. c. p. 200. °°) v.üfhatof 0.0.0. 0) eieah 
6. 221. ?° M" Kinneir, Jona, 0 — 3 


Euphratſyſtem; Erzerum, die Stadt. 757 


Matallarbeit ein Haupigewerbe ver Hauptſtadt ausmacht, von 
Dom wir noch heute nicht wiſſen, woher es fein Material erhält, 
durch deſſen Verarbeitung ſchon die Alteflen Armenier (f. oben ©. 
358) belannt waren. Tournefort?7) hörte ſchon, 3 bis 4 Tag⸗ 
zeifen von ber Stadt fole «8 ſehr gute Kupferminen geben, 
deren Ertrag in großer Menge in Erzerum verarbeitet werbe von 
Den dortigen Griechen. Auch Silberminen follte «3 Hier geben, 
noren Befuch aber die Jalouſie der Eingebornen nicht rathfam machte. 
Bwiſchen viefen Minen follte auch Lapis Lazuli vorkommen, doch 
nur fparfam und zu fehr mit Marmor vermengt, um brauchbar 
zu ſein, wie derjenige ber Provence, meint Tournefort, den man bei 
Toulon im Mont Carqueirano finde. 

GB bleibt ums nur noch ‚einiges von ver Hauptflaht des Lan⸗ 
des ſelbſt zu fagen übrig. 


3) Die Stadt Erzerum, Arzerum, bad Arzen⸗er⸗Rum, 
Oder Die Stadt der Römefr. 

Don ihrer Entſtehung if früher vie Rede geweſen (f. ob. ©. 
270); ihre heutige Benennung gegen die frühere Fam erft durch bie. 
Araber in Bang, vie auch ven Namen ver Feſtung Kalikala 28) 
Damit identifieirten. Rum 29) bezeichnet noch. heute in Armenien 
das Land nes Romanen im Weſten, und die erfle Stage iſt dort an 
wen Sremben: ob er aud Iran oder Rum fomme In Berfien 
heißt noch Heute das ottomanliche Reich Memleket Rum, d. i. 
Imperium Romanum, und am rothen ‘Deere heißt der Groß⸗ 
fulten immer Sultan von Rum.) Schon Mitte des 11. Jahr⸗ 
bunnerts iſt dieſe Stadt nad) dem angeführten Bericht des Cedre⸗ 
nas (Hist. Comp. U. 577, 7) ein fehr reiches und großes Em⸗ 
porium, fowol von eingebomen Kaufleuten bewohnt, als auch 
von ſehr vielen ſyriſchen und andern armeniſchen KGanbeläleuten. 
Die Zahl feiner Kirchen fol in die Hunderte gegangen fein, und 
bei feiner Belagerung und Zerfldrung follen 140,000 feiner Bewob⸗ 
mes Den Tod gefunden haben. 

Su Tourneforts Zeit 21) ſoll die Stadt 18,000 türfifce, 
0800 asmenifche, 400 griechiſche Familien zu Einwohnern gehabt, 





»’) 'Tournefort, Relat. 1. c. Il, p. 118. 220) St. Martin, Mém. 
sur !’Arm. I. p. 67; Toüurnefort 1. c. I. p. 317. 29) J. Brant 
L c. p. 200. se) A. Jaubert, Voy. p. 17; Valentia, Voy. II, 
p- 808. °*) Tournefort, Relat. IL p. 113. | 





758 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.38, 


und an 12,000 Sanitfcharen gezählt haben, was etwa dieſelbe Sees 
lenzahl geben möchte. Die Armenier hatten 2 Kirchen und einige 
Kidfter, die den Patriarchen, ver damals in Erivan reflvirte, aner⸗ 
kannten. Die griechiichen Bemohner waren fehr arm, Hatten nur 
eine Kirche und einen Bifchof, und burften nur die Vorſtadt bes 
wohnen, wo fie vorzäglih dad Schmiedehandwerk trieben in 
Kupfer und Erz. Bon Keſſelſchmieden und Keſſelflickern, 
fagt Tournefort, war ein unaufbörliches Gehämme. Ihr 
Kupfergefchier ging durch die ganze Türkei, durch Perflen, und om 
fah felbft ven Hof des Groß-Moghul in Indien. 

Gin anderes einheimifches Hauptgewerbe war ber Pelzhan⸗ 
bel, zumal mit dem Welle einer Marderart, Sarpava ober 
Zerdava genannt (bei Tournefort), die ungemein beliebt waren, 
zumal die dunkelſchwarzen. 

Auch der Handel mit Galläpfeln, vie von ben Eichbäumm 
im Gebirgölande eingefammelt wurden, war fehr bedeutend. Ber 
allem war aber Erzerum fchon damals die große Niederlage 
für die indifhen Waaren ver Großhändler, ver Araber, Aleh⸗ 
pinen und Bagdader; dann für perfifche Seine. Baumwolle, 
Droguerien, bunte Zeuge, Nhabarber, Bota (Krapp) ans 
Berfin, Tabak und Caviar, ver aber damals dem europäiſche 
Geſchmack noch nicht. zufagte. Tournefort nennt ihn noch ca 
ragoüt detestable; womit man, nad) dem Sprichworte, nebft Zahl 
und Kaffee ohne Zucker, nur ben Teufel zum Frühſtück vegalinen 

inne. | 

Diele diefer Waaren wurden damals au nah Trapezum 
und von da nad: Bonftantinopel gebracht. - Erzerum war im jeme 
Zeit noch für Paul Lucas 32) ein guter Ort, wo er ſchöne an 
tife Münzen in Silber und Broncen, gefchnittne Steine, Bemmen, 
ſchͤne Nubine, Kapenaugen und allerlei merfvürvige Anticaglien 
für das konigliche Muſeum in Varie einzuhandeln im Staue 
war. — 
Den Rhabarber handelte man, nad Tournefort, damat 
von den Usbeck⸗Tataren ein, gewiſſe Droguen von den Bow 
golen. Baummollfärberei und die Maulthiertreibere 
waren einheimiſche einträgliche Gewerbe; ver Transport der Dres 
guerien auf Laftthieren war das auäfchliefliche Geſchaͤft einer ber 
fondesen Kafle, die daffelbe vom Vater auf ven — weit 


#8?) Voyage au Levaat, N\a Hay Vras. T. Lr p. —— 





> 





| Euphratfüftem; Erzerum, die Stadt. 759 


und fich entehrt geglaubt hätte, wenn ihr der Transport einer 
andern Waare wäre zugemuibet worden. Wöchentlich gingen 
damals Karawanen nah Tiflis, Tauris, Trapezunt, Tocat, 
Aleppo u. f. w., troß der Wegelagerer auf allen Seiten, der Je⸗ 
ziden, Kurven, Turfmanen und anderer Raubhorben, und ungeachtet 
der ſchlechteſften Landwege, welche nie von Gefahren gefäubert, 
nie verbefiert wurden, da, wie Tournefort bemerkt, die Türken vie 
Welt überall, laſſen wie fie iſt, nur daß, nach ihrem eignen 
Sprihworte,3?) da Fein Grashalm wieder wächſt, wo ein- 
mal ein Osmanli feinen Fuß hingejfept. 

Driie vollſtändigſten Nachrichten von dieſer durch ihre Lage und 
Schickſale fo merkwürdigen Stadt zu Anfange des gegenwärtigen 
Jahrhunderts, vor ihrem Verfall durch die ruffifche Invaflon, bet 
dem noch zu wenig beadhteten armenifchen Geographen Indſhid⸗ 
fhean (f. ob. ©. 576) find, nad) Prof. Neumanns Angabe,*) 
folgende: Die von Anatolius erbaute und von Anaftafluß befefligte 
Theopoftopolis blieb auch fpäterbin, als die Perſer und Gries 
hen fi In Armenia theilten,.in der letztern Beſttz. Zwar eroberte 

ver perſfiſche König Kawad I. durch die Verrätherei des Befchls- 
habers Conſtantins, im J. 502, die Stabt, doch vor dem Ablaufe 
eines Jahres fiel fie an die Griechen zurüd. “Sie behielt, ungeach⸗ 
tet ihres jüngern griechifchen Namens, bei ven einheimifchen arme- 
niſchen Bewohnern ftetö den Alteften, mit der Provinz, In ver fie 
lag, gleichen Namen, Garin over Karin (Kapavizıs |. ob. S. 81, 
271) bei, wurde aber gemöhnlich von ihnen Karnu Kalhakh, 
 » h. die Stadt Karins, genannt. "Ende des 6ten Jahrhundertts 
wurde fle noch einmal von Saffaniven eingenommen, die einen gro⸗ 
Gen Theil ihrer Einwohner nah Hamadan (Erdk. Th. IX. ©. 115) 
verpflanztn. Im Jahr 647 ward Karin eine Beute ver Araber; 
e8 verging mehr als ein Jahrhundert, ehe die Griechen, unter Kai⸗ 
fer Conſtantin Kopronymus (755), fih ihrer wieder bemäch⸗ 
tigen konnten. Diefer Katfer ließ die Wälle fchleifen und alle mufel» 
männifögen Einwohner mit ihrer Habe in andre griechifche Provin⸗ 
zen uͤberſtedeln. Bald darauf ward jedoch die Stadt von den Ara⸗ 
bern wieder aufgebaut und bewohnt. Die griechifchen Heere erftürn- 
tem fie noch einigemale (tm I. 950, 1019), konnten aber den Ort 
in die Länge nicht gegen vie Uebermacht der Moslemen behaupten. 


— 





t. Ar. 


ur 


88) Otter, Voy. I. p. 815. **) 6.8. Reamonn in 
Staniiiung 120, 6 —R | Wigen. Pr. 





. 
| 


760 Waft⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchoitt. $.38. 


Wahrſcheinlich warb in dieſer Zeit die arabiſche Benennung I 
Stabt Urtas oder Arzasrum allgemein. Die Araber nannten ſu 
nämlich deshalb daß Land Rums (vd. 1. ver Romanen ober 
Griechen), weil fle lange Zeit hindurch ver Grenzdiſtrict me 
zwifchen ven arabifchen Befigern und ber griechiſchen Provinz Asie 
(Natolia). Die Urmenter blieben aber bei ver alten einheimiſchen 
Benennung; fo fagt 3. B. noch der armeniſche Geſchichtsſchreiber 
Kyrialos aus dem 13ten Jahrhundert, daß zwei Große der Up 
menier dem Sultan der Stadt Karin tribuipflichtig ſeien 
Unter diefem Namen ift wol der Sultan von Iconium zu verflchen, 
in beffen Händen die Stabt in der erflen Hälfte des 13ten Jahe 
hundert335) fich befunden Hatte. Im Jahr 1247 rüdten die Bons 
golen vor die Stadt und verlangten Unterwerfung; ber Pep 
weigerung folgte Erſtürmung und Plünderung wit einem 
fuschtbar zerftörend für ChHriften wie für MWufelmäuner, 
welchen auch viele Manufrripte zu Grunde gegangen fein ſeltn 
Do nad) einiger Zeit ließen biefelben Mongolen die Steht wicht 
aufbauen, und fegten, ihrer Tolgranz gegen Chriſten gemäß (f. Eupf, 
Th. X. ©. 837), einen Bifchof in verfelben ein (er bie Eari 
ber die Erbauung bed Ortes vollennete und die lauge zerfirguim 
Bewohner nerfelben wiener um ſich verfammelte. Mach Aufiöfyng 
der Mongolenherrſſchaft kamen Stadt und Feſte in Veflg der 

denen fie auch feispem, und felbft feit Nabir Shahs (1735)%) m | 
der Ruffen heftigen Uaberfällen und Verheerungen, verblieben. 

Die Stadt, die unter dem herrſchend gemprbeuen Namen Mge 
zexum am befannteften, in einer Ebene gelsgen und theils zeug 
Dergen, theils von Graben und Verſchanzungen umgeben ri bed 
nach Indſhidſhean aus 3 Thellen: ver Feſtung, ber eigents 
lihen Stadt und ven Vorſtädten. 

Die FJeſtung wird von ven Moslemen Itſh Kalab, & 1 
bie Jeſte It ſh, genannt, fe iſt auf Haba Berge exhaps, hei IB 
Thürme (9, die Höher fein ſollen, als die Der Feſte von 
nope (9). Uber fe kann Leicht von einem andern, gleich 
Derge beſchoſſen und in Brand geſteckt werben, der Say 
(Rananenberg), oder bei den hriſten has she Yay 
hen’ genaunt wird, weil auf ihm noch Augen ein altıy See 
Reben. (Im Jahr 1828 Hatten bie Zürfen quf ifpm, der urAit 
Saſhen von dem JItſh Kala abflcht, Batterien errichtet). 27) Di 


—X& —* as, er ER 











HE . | 


v 


Eupbratfaftenn; Erzerum, die Stadt. 761 


Feſte hat wur ein Ther zum Cingang von außen, Holzgebaͤude 
zu Magazinen, und im Innern eine Münze des Sultans, bie So 
ausprägt. 
Die Stadt IR mit einem dreifachen () Steinwall um« 
geben; den innern, ver Feſte zunächft liegenden und ſehr Hohen, 
nennt man ben erften Wal Machaborisb); den Aufßesften fehr 
niedrigen, aber mit einem tiefen Oxaben umgebenen, ven Doppel«- 
wall (Krkeneborisb); der mittlere, her vom lettern eine 
ale Strecke abſteht, wird vom Bolfe Hifarbifhen genannt. 
Die Brite diefer Wille heträgt 10 Fuß. In Kriegszeiten rettet 
Rh DaB Lananplf in dad Innere biefer ummallten Stadt, in weldher 
daher zwiſchen den Wohnhäufern flets große leere Räume für ſolche 
Falle veiennizt bleiben. Jeder (7) Wal hat 4 Thore, die ſich gegen⸗ 
feitig ſchief gegenüber liegen; von jevem Thore Läuft eine Brücke 
zu ber Verſchanzung ded andern Walles; die Zahl ver ſämmtlichen 
ZIpürme IB 72(2). Türken und Armenier, der Zahl nad) 100,000 
won ismen und 13,000 von dieſen, machen vie Bevölkerung der Stadt 
ays, darunter fehr viele fremde Kaufleute, die fih um ihrer Ger 
fhäfte willen Hier aufhalten, Stadt und Vorſtadt haben treffliches 
Waſſer. In ven Vorſtädten, ziemlich nahe beifammen, flchen 
"2 axmeniſche Kirchen; beine, wie überhaupt viele vergleichen, find 
Asduadſhin, d. i. zum Gottesfohne, genannt; es iſt eine 
obere und sine untere. Ihre Gebäude find ſehr alt; nug der innere, 
dem Alter am nähen gelegene Theil iſt von Stein, ber äußere 
nus non Holz. In ber obern Kirche iſt der Begräbnißplatz der gr« 
meniſchen Gemeinde; die Grabſtätten vieler ausgezeichneter Männer 
liegen hier. Der Griechen, die hier wohnen, ſind nur wenige Fa⸗ 
milien; fie ſprechen alle armeniſch, und haben eine einzige, ſehr bau⸗ 
fädige Kirche, St. Theodorus genannt. Ju der Stadt follen 
über 200 Moscheen (?) fein, davon vie meiften in frühern Zelten 
Kixchen geweſen. Die berühmtefe und größte von allen hat 7 
Thoce, und Jiegs in der Mitte ber Stadt; fie wird Ulgpfhamin 
(Ulu Dſhami, f. unten) genannt und war früberbin ebenfalls 
eine Kirche, zu St. Stephanus genannt. Nahe der Gtabt find 
mehrere armenifche Klöfter; in der Stadt ein Palaft des Ges 
zasfird und ein Karawanſerei, dad für eins her erſten (näm⸗ 
U das Zollhaus, f. unten) in Aflen gilt. Jahr aus Jahr ei 
ip bie Maxkt für eluen großen Theil von Weſt⸗ und Mittelaflen. 
Karamanen von Tiflis brauchen hieher 15 Tage. Der Lands 
handel mit Indien war einſt bedentend; nur auß Cigennuß Ihlänern 











762 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 4.38. 


pie englifchen Kaufleute den Landhandel durch Armenta fo aben⸗ 
teuerlich (fagt Indſhidſhean, dem die Bereifung feiner Heimath 
freilich minder befchwerlich erjcheinen mochte). Die Gegend um Er⸗ 
zerum iſt metallveich, daher fich viel Bolb- und Silber- Arbeiter 
dafelbft finden. Diefe Gewerbe werden meift von Armeniern be 
trieben, fo wie auch der Handel faft ganz in den Händen dieſel 
fparfamften und betriebfamften Volks von ganz Aften il. Bam 
beſonders flarker Handel wird mit der Provinz Kerman getrieben 
(nämli auf dem Landwege nad Indien, ſ. Erdk. Th. VE 
©. 725 u. f.). Alle Waaren zahlen ol; über andre Abgabe 
hat man Tarife, vie In dſhidſhean vom Jahre 1806 volfkändk 
aufführt. Der Zoll betrug damald von Waaren aus dem osme 
nifchen Reiche und aus Rußland 4 Proc., von ven perfifchen Ber 
ducten aber, wie dies auch in Perfien bei fremden Waaren ver Bel 
if, 11 Proc. . 

Die Ebene, In welcher Erzerum liegt, iſt von allen Seiten mit 
Hohen Bergen umgeben, diejenigen, welche im Süden fich bid as 
die Stadt ziehen, heißen Tſhochalan, und Ihre höchſte Eye | 
Bei ven Armenien Kohanan, eine Benennung im Vulgair⸗ar⸗ 
menifchen, die vielen über andere hervorragenden Bergen beige 
legt wird (vielleicht weil Kohan den erften Priefter, etwa wie Gau, 
bezeichnet). Die Öftliche Bergkette if ver Devepotinou (Deveh 
Boyunu, f. 06. ©. 388); die ndrpliche und weſtliche ww 
Dumly und Bahlan deoken. Diefe beiven Iektern muß men 
auf dem Wege nach Trapezunt überfleigen, wo fein größerer Di 
und keine bedeutende Feſtung Widerſtand leiften kann, ſondern um 
mehrere Dörfer, von Armeniern und Türken bewohnt, Tiegen. — 
So weit Indſhidſhean. — — 

Die ruffifhe Statiftil vom Jahr 1830 vervollſtändigt ie 
Beichreibung dieſes militärisch fo wichtigen Punctes, der für ie 
kaukaſiſche Seite allerdings als ver Schlüffel zur ganzen af 
ſchen Türkei angefehen werben kann, und baher vie genaue Wap | 
merkſamkeit der Ruſſen auf ſich zog, auf folgenne Weile. Ab 
terſcheidet 39) auch die 3 Haupttheile, 1) die Eitadelle, wu 
fle Ikkala (oder Kalakala, Kalikala ver Araber) zuilt; 
2) vie Feſtung, nämlich die befefligte Stadt, un 2) W 
Vorſtädte. en 

Die Citadelle, auf einer Anhöhe erbaut, beherrſcht die geip 


‚a0, v. Wateita. a. FL ©. 97. 








Euphratſyſtem; Erzerum, die Stadt. 763 


Stadt; ſte beſteht aus einem mit 8 Thürmen beſetzten länglichen 
Viereck von 50 Saſhen Länge und 20 ©. Breite. Die Mauern 
find 2 Arfhinen dic, und 3 bis 5 Safhen hoch. Sie enthielt nur 
eine Kaferne für 500 Mann, die Commandantur und 2 Mofcheen, 
die man aber zu Bulvermagazinen verbrauchte; fonft fein anderes 
Gebäude. Am Eingangsthor fprubelte eine Fontaine, und im Ine 
nen hatte fie einen Brunnen. Oeſtlich daranſtoßend Liegt bie 
Feſtung (mit ver Stadt), mit doppelten durch 62 Türme ver» 
flärften Ningmauern, fo mächtig und Hoch mie in der Citadelle, im 
Umfang von 2 Werft, mit Graben. Bon ihren 4 Thoren (Kapi) führt 
nach Zaurid dad Tauris Kapi, nah Grufien dad Giurdſchi 
Kapt, nah Erfingan dad Erfingan Kaypi und had Tortum 
Dad Kiska Kapi. Das Schloß des Seraskiers iſt durch Neu⸗ 
bauten verſchoͤnert, angenehm, weitläuftig; doch brannte ein Ihe 
deffelben ab, als die Ruſſen im I. 1829 dort im "Winterquartier 
fagen. In dieſem Theile der Stadt find die Wohnungen vieler 
reichen Türken, 15 Mofcheen mit Minaretö, einige Karawanſerais 
und reiche Kaufläven; alles aus Stein, aber fehr dicht aneinander 
gebaut. Beim Tauris⸗Thore iſt ein altes von den Türken zum 
Zeughauſe gebrauchtes Gebäude (nad Tſhifteh Minareh, 
f. unten) merfwürdig, das nach der Sage zur Zeit der Mömer 
(d. 1. der Byzantiner) erbaut fein fol; 2 römifhe Wappen (Ad⸗ 
Ver, f. unten) waren an ven Eingängen: fie follen von den Ruflen 
auf Faiferlihen Befehl nah Sc. Peteröburg transportiert worden 
fein. Die vier Vorſtädte (Moglehs) vieler Feſtungsſtadt find 
meift von Griechen und Armeniern bewohnt, die Handel und Ge 
werbe treiben; flehaben große und fchöne Gebäude. Die Wohnungen 
ber Reichen haben hier, in Erzerum, die im Drient im Innern der 
Gemacher gebräuchliche Vergolvung ver Wände, und an Thürpfoften 
und Senflerrahmen artige Schnigarbeiten,; dazu aber bier noch die 
wunderliche Einrichtung verborgener Gemächer. Im Haufe, 
dad General Gillenſchmidt bei der Einquartierung daſelbſt bewohnte, 
entdeckte man ſpät erft an 20 Zimmer von ziemlicher Größe, bie 
ganz verſteckt geblieben waren, davon ein Theil zum Harem beftimmt 
war, in dem orientalifche Pracht herrfchte. In jedem ver dazu ges 
hörigen Zimmer fpielten Springbrunnen in Marmorbeden und vie 
Wände waren mit erotifchen Schilvereien verziert. Bintge Karawan⸗ 
ferais, 24 Mofcheen und. einige chriſtliche Kirchen verfchönern bie, 
Vorſtädte; auch die Bazare und vie Öffentlihen Bäder, zumal 
das marmorne Seraskierbad; ‚neben. jenem. berfelben If ein Kaffees 


I 





16% Weis Wien, HL Merpetlung, 1. Wofuht. 1.36 


haußs. Das Karawanenweſen gibt ber Stadt großen Umſatz uns 
Tronfiie. In den Karawanſerais ſieht man bie levantiſchen Stoſſt 
Juwelen, koſtbares Pelzwerk, perſiſche und indiſche Shawld, funk 
Snbienes, Taback aus Shiras, perſiſche Pfeifenrähre, europäliie 
Waaren aller Art, vie meift über Aſtrachan und Reſht (f. Ersk 
Sp. VIII. G. 648) hieher gelangen. Auf die Pferdemaͤrkte werke 
durch Die Hanbelslenie von Mekka pie fchönften arabiſchen Pfer 
mitgebracht. Obſt wird aus Erfingan eingeführt. Eis iR allge 
wainer Rurus. 

Die Cinwohnerzahl wurbe von den Ruffen auf 80 bis 100,00 
männlichen Geſchlechts ermittelt, pavon ein Fünſtheil Armin 
fein ſolen. Diefe Angaben bleiben immer unſicher und wechſc⸗ 
ſehr. Unreinlichkeit hat Erzerum mit allen türfifchen Cents 
gemein; das Ans Bleibt auf den Straßen liegen, unb wish von da 
Gunden, die in zahllofen Schaaren umherſchweifen, und hier fi 
Uch nörhiger find als in ben übrigen Städten Kleinafiens, we im 
Sommer Tauſende von Gelern umberichmärmen und ihre Glle 
vertreten, zerriſſen und aufgezehrt. Für Sünde würbe es gelten, I 
tobt zu ſchlagen. Die Umgegend If} ganz waldlos, ber Gariuieg 
wabeentend, die Umgebung kahl und einförmig; das Grün Am 
Micken muß für Alles entichänigen. Dad trefflichte Gew Lamm 
som Berge Balantusen>?) im Süden ber Stadt, Der fie uf, 
bie an keinem groͤßern Fluſſe Liegt, durch Waflerleitungen wit up 
geſundeſten Waſſer reichlich verſieht. 

Nach dem Rückzuge ver Ruffen muß Erzer um in greje 
Vorfall gerathen fein, wenn es, wie im Jahre 1835 bei I. Brand 
VBeſuch daſelbſt, nach deſſen Ausſage, ſtatt früherer ſtaxken ep 
menge nur ach 15,000 Einwohner ) Hatte (vergl. ob. ©. 5 
aher «8 erholte ſich auch ſchnell wieder, denn fon im 3. SEM, 
8 der erſte Cenſus in der aflatiigen Tuͤrkei zu Stande geiemmg 
war, beirug die Einwohnerzahl von Erzerugiti) wieder IHRE 
Das Regiment des Paſcha war energiſcher gewarden, mit Muyemmfe 
inB, d. 1. ausgefertigten Päflen, Tonnie mar ſicher zeifen; Die Dig 
Innen waren in ihrem Benehmen gegen bie Chriſten mehr 
als zuner; und dieſen wurde es geflattet, bie Mofcgeen im | 
zum ſelbſt zu beſuchen, da «8 Rer Porter im J. 1819 fogaz } 
aerweigert was), nur Das Inuers der Stadt zu beiseien. - 


0). Me 8.1. 6. 9, W. 40) 4. 
TE Dre 
32) Kor Bose, Tante Pay 














Euphratſyſtem; Erzerum, die Stadt. 765 


Smith fand jedoch nichts Bemerkendwerthes in ben Moſcheen, nur 

geſchmackloſen Prunk, ‚mit Candelabern von Glas und Straußen⸗ 

eiern, mit Sentenzen aus dem Koran wie gewöhnlih, m. a. m. 

Gelb die moderne Moſchee Ulu dſhami, *) vie größte, iſt nur 
vurch dieſe Groͤße (66 Schritt lang, 41 Schritt breit, nah AH 
Smiths Mefjung) und ihre Düfterhett ausgezeichnet, und ohne alle 
GScchoͤnheit. Hier wlrde übrigens die einzige neue Mofchee gebaut, 
welche der Miſſionar Sonthgate überhaupt Im ganzen türki⸗ 
fhen Afien (in Conflantinopel If e6 anders) im Werden bes 
merkte. Freilich find fle bier kein Bedürfniß, wo vie Population 
fo fehr Im Abnehmen if; aber auch einen Beweis des Verfalls ver 
muhamedaniſchen Religion glaubte er darin zu erbliden, vie nicht 
einmal im Stande iſt, die alten Moſcheen zu erhalten, welche über- 
all, bis Bagdad Hin, zu vielen Sunderten in Ruinen zerfallen, ohne 
daß neue Hinzufommen. 

Das Tſhifteh Minareh (d. 9. das Paar ber Minarets 
oder die Doppelthürme) ) im N.W. ver Etadelle wird als das 
einzig bemerkenswerthe antite Gebäude der Stadt genannt, das frü- 
here Reiſende gar nicht anführen, daß aber jeht in Ruinen liegt. 
Es Hat feinen Namen von den 2 hohen Minarehe, die zu beiden 
Seiten des Haupteingangs fich erheben. Ihr Bauſtyl IR von dem . 
des Bebäunes felb ganz verfchieven, au Beinen gefärbten Back⸗ 
feinen und glaflrten, tief cannellizten, bunten, zumal blauen Zle⸗ 
geln, gleich perſiſchen Baumerfen aufgeführt. Eli Smith erinner- 
ten fie an ähnliche Thürme in Shamkor und Salmas (Erdk. Tb. IX. 
&.913 u.f.). Hamilton fand Analogie zwifchen dieſem Bau und 
vom einer Kirche in Ani (f. 06. ©. 447), und Hält fie für eine Al 
tere armenifche Kirche, noch vor dem 14 Jahrhundert erbaut, als 
in Ani und Erzerum durch die Plünverungen Alp Arslans nicht 
weniger ald 300 Kirchen zerflört fein follen (f. ob. ©.441). Die 
beiden Minarets im perſiſchen Styl wurden nie ganz audgebaut. 
Die Kreuzesform des Hauptbaued un» bie Nebengebäube mit 
vielen Zellen ſprechen nad Southgate un Eli Smith noch 
mehr dafür, dag ex einſt ein chriſtliches Klofter war, che er in 
eine Mofchee verwandelt wurde, was wol zur Seit der Zufügung 
der Minarehs gefhah. Die Architectur, bemerkt W. Hamilton, 
fei eine Mepiflcation des byzantiniſchen und ſaraceniſchen Styls. 


2 





22) Eli Smith, Miss. res. p. 41. *) Eli Smith L c. p. 448; 
Southgate I. p.173; W. Hamilton, Asia min, I p.178. 





⁊ 


766 Weſt⸗Aſien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 38, 


Der Haupteingang Ifl gegen Nord, und diefem gegenüber eine Ka 
pelle mit dem Grabmale cine? Sultans (Khatonigah?) von Irm, 
der, der Sage nach, vor 570 Jahren, alfo in der Mitte des 13m 
Jahrhunderts, fie erbaut Haben fol. Die Kapelle, ein Eylinverbau, 
20 Fuß im Diameter und 40 Fuß hoch, mit einem Kegelvom, gleich 
alten urmenifchen Kirchen, fand Eli Smith über und über mit 
dem fchönen Maragha⸗Alabaſter (I. Erdk. Th. IX. ©. 865) 
bekletvet. Un einem. Pfeiler des Portales am Gaupteingange fd 
man zuvor die Sculptur eined doppelköpfigen Adlers, de 
wol fchwerlicy mufelmäannifch fein fonnte und den E. Smith ut 
für einen Net byzantinifcher Katferzeit hielt. Das Gebäude dien 
feit langem ven Türken zum Zeughaufe; die Ruffen mühlten gierk 
in diefem Baue, in det Hoffnung, Schäge darin zu finden, und ar 
führten die Thür des Grabmald, um eine Kirche in Georgien vamit 
zu ſchmücken. Die fogenannten Wappen der Doppelabler fdheinm 
) dem ruſſiſchen Berichte zu Folge nach Petersburg abgeführt zu fein. 
” Nahe dieſem Gebäu ſah Southgate noch andere Ruinen, Gewälb 
reihen um einen weitläuftigen Hof, an beren einer Seite ein ande 
ser, dem Tſhifteh Minareh ähnlicher Bau, mit der Steinfculptur & 
ned Adlers und einer Eufifchen Inferiptien auf einem Perul 
Unter einem großen Dom im Innern lieb damals (1837) der Peſch 
einen Dfen zum Kanonengießen aufbauen. Derfelbe Reiſende be 
merkt, daB der große Thurm ver Eitavelle, den er um ber weile | 
Ausficht willen beftieg, zuvor eine große Glocke gehabt, welche zum 
" Schlagen der Uhr diente, die aber ald Beute von den Rufen mr 
führt warb, wie denn überhaupt auch die ganze Citadelle in Aus 
nen zerfiel und von dem vielen Geſchütz nur ein paar Kanonenrihe 
zurücdblieben, die noch zur Verkündigung ver Feier des Ramazan 
feftes dienen. An dem Sauptthore der Stadt gegen Süden, dei 
nah Erzinghan führt, entdeckte W. Hamilton noch eine ak 
griechiſche Inſeription aus ver Byzantiner Zeit, in feht 
ſchlechten Schriftzügen und fo hoch geflellt und übertüncht, dej 
er nur weniges davon zu entziffern im Stabe war. Es fünist 
Die einzige zu fein, vie fich Hier erhalten hat; möchte fie doch vo 
ſtändig entziffert werden; vielleicht, vaß fle über Theovoflopofis af 
ſchluß gäbe. 
Im Jahre 1837 Hatte Erzerum nicht weniger als 36 Khan I 
dad Zollhaus, *) von Indſhidſhean auch Karamanfıral ge 





#46) Southgate L c. I, 9.147. 








Euphratfoftem ; Erzerum, die Stadt. 767 « 


nannt, fol wirkſich eins ver größten im ganzen Türfifchen Reiche 
fein. Zum Vortheile des europäifchen Handels find ſeit der zuffl- 
jchen Invaflon bier ein ruſſiſches und ein englifhes Conſu⸗ 
lat errichtet, die nicht wenig zu deſſen Sicherung wie der Reiſenden 
beitragen. Das Gebränge ber verſchiedenſten Nationen in ven Stra= 
Ben, Khanm und Karawanferais von Perfern, Beorgiern, Armes 
niern, Türken, Kurden u. f. w. hatte fich wieder wie jonft eingefun⸗ 
den. Es erregt aber größere Ideen vom Verkehr der Stadt, als 
piefer factifch befteht, wegen der unanjehnlichen, krummen, fehr en⸗ 
gen Straßen, die noch Immer ungepflaftert und daher fehr ſchmutzig 
find. Doc macht die Stabt einen beſſern Einvrud, wenn man 
aus perfijchen Städten zu ihr zurüdfehrt, ald wenn man von euro⸗ 
pälfchen zu ihr Eommt. Denn fie hat doch wenigftens auch Häufer 
von Stein, wenn auch nur fehr wenig zweiftddige; manche find doch 
von einem folivden und netten Anfehen. Wenn ſchon vie meiften, bloße 
Erdhütten mit Plattvächern und Terraffenbauten, und viele in Ver⸗ 
fall, nur einen fehr ärmlichen Anbli gewähren, fo find doch auch 
bie und da Fenfterverbrämungen nach europäifcher Art gegen bie 
Straßenfeiten gerichtet, obwol mit Gitterwerk verftedt, und laſſen 
dahinter gemaächliche Wohnungen ahnen. Die feitvem in Bang ges 
kommene regelmäßige Dampfichiffahrt nach Trapezunt hat den Tran 
ſito von dieſem Emporium ungemein belebt. Perſien fenvet feit 
dem Frieden durch Erzerum 45) fehr bedeutende Quantitäten von 
Seide und Kaſhmirwolle, roh wie verarbeitet, über Trapezunt 
nach Buropa. Dagegen gehen Baumwollen⸗Manufactur⸗ und Co⸗ 
lonial⸗Waaren dahin ebenfalls durch Erzerum zurüd. W. Has 
milton, im britifchen Confulate zu Erzerum wohnend, war felbft 
an der Duelle, um zu erfahren, daß gegenwärtig jährlich an 
6000 Ballen britifcher Waaren durch diefen Markt hindurch⸗ 
gehen, die, jeder Im Durchichnitt an 50 Pfund Sterl. Werth, einen 
Umfat von jährlich 300,000 Pfund Sterl. oder gegen 2 Millionen 
Thaler geben; mit den Erporten, etwa von gleichem Werth, aber 
die doppelte Summe, waß fchon bie Koften zu ſolchen Conſulats⸗ 
reifen abwirft, wie bie von 3. Brant, H. Suter und Andeten, 
bie und zugleich fo wichtige geographifche Belehrungen gebracht ha⸗ 
ben. Diele diefer Waaren follen, aller Grenzbewachung ungeachtet, 
doch über Georgien auch nad Rußland eingefchmuggelt werben. 
Hamilton wiederholt ed, daß die @ifen- und Kupfer-Schmiede 





**) W, Hamilton, Asia minor I. p-181. 








768 Weflslfien. EIE. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 39, 
In Erzerum beſonvers zahlreich find, und daß ihte Arbeit durch Ye 
ganze Türkei berühmt fe. Im Erz arbeiten fie vorzüglich Trinkbe⸗ 
Ger, Lampen und allerlei Hausgeräth; in Eifen vorzüglich Hnf- 
eifen, mit denen fie ganz Perfien verfehen, und Waffen, zumel 
Schwerter, von vorzäglicer Güte. Auf eine Schmiedefamilte, 
die fogehannten NRedi Kardaſh, d. 5. die 7 Brüder, iſt vorzüp 
lich der größte Künflerruhm vererbt. Mar kann nicht unbe, 
In diefem Lande Japhets und Thubal Kains, des erſten Mei: 
ſters in allerlei Erz und Eiſenwerk (1.3. Mof. 4, 22 m 
10, 2), auch des Silberreichthums der Alyber am Pontus (Ihm 
I. 856), wie der kriegeriſchen Chalyber (XuAvußes) neben tm 
Chaldaͤern bel Zenophon (Anab. VH. 8, 14) zu gedenken, vie dm . 
da wohnen, wo die Eifen und Stahl bearbeitenden Cha— 
Iyber Hei Strabo an der Norbgrenze der Armenter (Strabo XI. 52, 
XH. 549), am Pontus, figen, von denen die Briechen dem GStaffe 
den Namen gaben (KaAuy), und deren eiſenreiche Thäler ah 


‚ Bontusgeftade (am Gap Jaſonium zwiſchen Ktrafun und Cam 


fun, bis zum Thermodon), wie deren dort bis Heute noch fortbe⸗ 

ſtehendes „Bolt der Schmiede“ duch W. Hamilton 1897 

wiever aufgefunden ift, 7). von denen ihre altausgeübte Kunft 16 

unftreitig zu ihrer Nachbarſtadt ſchon in fehr früher Zeit auf mt 

Hochland verbreiten mußte (j. unten Chalyber und oben S. 71. 
$. 39. 

3. Erläuterung. 


Der Lauf des Frat aus der Ebene Sryerums bis zu ſeiner 
Ä Vereinigung mit dem Murad. _ 


Wir Tonnen nähft Paul Lucas, deſſen wir ſchon , oben a 
wähnten, nur einen einzigen genauer beobachtenden Meifenkek, 
dem es gelungen iſt, das Thal des Frat entlang aus ber 
Erzerum-Ehene abwärts zu reifen bis zum Verein.alt 
dem Murad; es if I. Brant, durch ben wir bier dieſe sul 
Lücke in der bisherigen Geographie des Euphratlaufes auszufßlin 
im Stande find: denn durch bie getreuen Angaben dieſes Augemgm 
gen fönnen wir nun auch die biöher ſchon bekannten Fragmente 
ſchen, wenn auch wenigen Notizen über biefen Theil des arepeijlfen 
Gochlandes einigermaßen verftehen und räumlich ordnen 


d 












*47) V. Hamilton, Asia minor I. 0.271— 282. 








Euphratſyſtem; Frat; Ebene Terdſhan. 769 


1) Die Ebene Terdſhan und bie Kette der Dujifberge. 


Bon Erzerum bis zum Verein des Mamahfhotun- Flufe 
fed mit vem Karaſu ober dem Frat bei Karghan, 12 geogr. 
Meilm in W.S.W. von der Hauptſtadt, wo bie Ebene von 
Terpfhan ihren Anfang nimmt, find wir oben fchon vorgerun 
.. gen (f. 06. &.735). Der Name Terdſhan, 8) Derzene (f. ob. 
S. 81, oder Xerxene bei Strabo), bezeichnet einen alten Bau in 
Hocharmenien, ver im W. von Barin lag, und wegen feiner Frucht⸗ 
barkeit öfter von Moſes Khor. und andern genannt wird. Der 
Sardſhamu iſt es, ver noch oberhalb Mamafhotun zum Karafu 
einfällt (f. 06. b. Indſhidſhean S. 727); weiter abwärts iſt es ver 
Kail⸗Fluß, welcher ebenfalld vom Norven, aus der Kette Trape⸗ 
zunts ber, ihm zufließt, ven St. Martin für ven Lycus bei Plin, 
V. 20 hält, da Kail auch im Armeniſchen einen Auxos ober 
Wolf bezeichnet, und Plinius ausprücdlich viefen Lycos, verſchieden 
vom ciliciſchen und pontifchen, ven Euphrat zufließen läßt. Dann 
erft fließt ver verflärkte Frat an Erzingan voräber. 

Zwiſchen der Plaine von Terpfhan und Erzingan tritt 
jener weſtliche Uuslaufer der Dujik⸗Kette 9 mit vielen flar- 
ten Päffen hervor, weldhe von Kurven bewohnt und leicht zu 
vertheinigen ‚find (ver Antitaurus). Der Frat macht Hier große 
Umſchweife um die Berge, und fein Bette fol voll Klippen und 
Stromſchnellen fein; erſt In ver Plaine von Erzingan kehrt ver 
Pfad des Reiſenden zu feinem Ufer zurück. Das Dujif- Gebirge 
ik nur von Kurden bewohnt, die den Winter in Därfern zubrin- 
gen, wo fie auch Aderfelo Haben. Sie follen fehr wohlhabend fein, 
zahlen keine Abgabe an den Sultan, forbern aber ald die Herren 
der Päffe, wie einft ihre Stammesgenoffen felbft von ven mäch, 
tigften Königen Perfiend (ſ. Erdk. IX, ©.138), fo noch heute von 
jedwedem Reiſenden ihren Tribut ein. Es find 2 mächtige Tri⸗ 
but: die Shah Hufein und die Balabanli, deren jever 4000 
His 5000 Mann zu Fuß Ind Feld ftellen kann. Auch noch anvere 
Tribus wohnen in biefen Bebirgen, von denen jedoch I. Brant 
Leine beſondere Nachrichten erhalten Eonnte, da fle in ven fünlichen 
Theilen dieſer Ketten wohnen. 





4°) St. Martin, Mem. ». l’Arm, T. I. p-45, 74. *°) J. Brant, 
Journey through a part of Armenia im Journ. of R. G. Soc, 
1836. Vol. VL p.202. 


Nitter Erdkunde X. Er 





710 Weſi-Aſien. II. Abtpeilung. I Wofpaitt.5.39. 


2) Erzingan.. 

Erzingan (Erez, Eriza, Arzenka ber Armenier, vul- 
gair, Erz⸗Inghian gefchrieben nah Jaubert:, U) Erſend⸗ 
ſhan gefprochen bei den Türken nah von Hammer), an 6 ge 
graph. Meilen (30 engl. M.) im SW. von Karghan gelegen, fol 
3000 Bamilien zu Bewohnern haben, davon 800 armeniſche, dk 
übrigen Turk-Familien; ihr Bey If abhängig von Erzerum. As 
die frühere Bedeutung diefer einfligen Hauptſtadt Hoch- Armenient 
(Partér⸗Haik, d. i. das Hohe Haikland, well ed Moſes Kher 
für das höchſte ver ganzen Erde hielt) iſt ſchon oben vorläuſtg e 
innert worden (ſ. ob. S.270). Zur Zeit Joſafa Barbaro', 9) 
der im Jahr 1471 von Trapezunt über Baiburt durch Erzingen 
nach Kharput reiſte, war, wie er bemerkt, dieſe einſt große Stab 
ſchon dem größten Theile nach zerſtört. Zur Zeit Timurs wm 
Erzingan die Reſidenz Kara Juſufs, des Fürſten ver Dynafte 
Kara⸗Kojunli, geweſen, ver mit Ahmed Dihelair von Bagdad zu 
Sultan Bayazed vor Timur flüchtete. Schon im Jahr 52) 126 
war Erzingan bei dem erflen Ueberfall üer Mongolen von Grub 
aus zerflört worden; unter Tamerlan wurde es im Jahr 1387 ® 
halten, und fein Dynaft Tahartan, der fih ihm unterwarf, als Bag 
deöfürft daſelbſt beflätigt. Nah Emilia fol bier ein großes til 
fees Klofter der Memwlemi fein, mo der Meönewi, Son ver a 
Ofhelaleddin Rumts gefchrieben, gezeigt wurde. 

Nah I. Brant bilden die Dujif-Berge die ſüdliche 
ver 8 Stunden langen und 3 Stunden breiten, ſchoͤnen, reichen 
an deren Weftende, wo ver Karafu over rat ihren Fuß 7 
fpült, die Stadt liegt, die, mie die umliegenden Dörfer, fhoR vor 
einen viel freundlicheren Eindruck machen, weil ihre GHäxfee WM. 
nicht mehr, wie in den nörplidden Gegenden, blos unter 5 * 3 
gebant find. Diefen Winterfchug brauchen fle In dem welt ı Zr . 














maligen etwas verfpäteten Jahreszeit ungeachtet, ſchon am. 6° SE: 

für die Sichel reif waren. Die Winter Haben hier ihre große: x Be: | 
verloren, die Sommer find fihon fehr warm. An ver Noch x. 
Ebene iſt der Suͤdfuß ver begrenzenden Berge mit Da 


480) A. Jaubert, Voy. p.114. sı) Vinggio di Messer 3:-Bii 


baro nalla Persia bei Ramusio Raccolta, ed, Verst, 
foL. 108. wo Deguignes, Geſch. der Hansen Un * 


nert, ðh· m. de W. 2. —U——— 
= Be 








Cephratfofen; Frat; Erzingan, 771. 


be won weltlänftigen Gärten umgeben find, bie mit ihrem trefflichen 
)bſtreichthum Die Bazare dee noͤrdlicheren Ortfchaften bis Erzerum, 
— Gumüuſhkhane derſehen. Trauben und Melonen find 

ler vortrefflich, und berühmt find nach Ewlia 53) die Birnen, 
ich wie getrocknet, und die fchwarge, weiße und gelbe Manle 
rere von Erzingan. Der Kornjegen ift jehr groß, das Walzen- 
en ungemein ſchwer, der Ertrag zwölffach, dad Strob weit länger 
8 um Erzerum. Nirgends, bemerkt Brant, habe er mehr Fleiß 
uf ven Aderbau verwendet geſehen, ald in viefer Ebene. Rur in 
wor Mitte fei fie etwas ſumpfig und zeige Spuren von Salz; bie 
erge umher geben die treiflichfte Weide für vie zahlreichen Heerden 
= Gtuten, Rinder, Schafe. Ohne die Plünderungen ver benach⸗ 
wsen Berg⸗Kurden würben die Hundert Dörfer, welche dieſe Ebene 
hmücken, im hoͤchſten Wohlftanve fein; fo aber verringert ſich fo» 
ir nach ihre Bevölkerung durch die dadurch bewirkte Norh. In 
wen Dorfe, das früher 100 Familien zu Einwohnern gehabt, fand 
‚ Brant bei feinem Durchmarſche Feine 30 mehr. Doch iſt noch 
n anderes Lehel, dad ſehr zeritöyenn auf die Gegend von Erzin⸗ 
m eingewirkt bat, es fin die öfter fich wiederholenden Erdbe⸗ 
4. Die furchtbarfte Zerftdrung, 5%) welche die Geſchichte aufbe⸗ 
abet Hat, fand im Jahr 1667 am 28. Juli flatt, wobei die Hälfte 
er Stadt Erzingan mit ihren Bewohnern verichlungen wurde, 
gleicher Zeit, als in Mejopotamien vaffelbe Erpbeben wü⸗ 
ste und ber Stadt Moſul am Tigris großen Schaven brachte. 
ie vom Erdbeben zerflörten Mauern von Erzingan wurden vom 
sDofcgufiven Alaeddin Kaikobad wieder aufgebaut. 

J. Brant durchritt die ganze Blaine Erzingund in fübs 
der Richtung, bis er nad) 14 Stunden von der Stabt ein enged 
efile erreichte, dab der Karaju (rat) durdhfirömen muß, um 
nen Lauf weiter zur Tiefe nach Kemakh zu gewinnen. Diefer 
a gpaß if in feiner ganzen Entwidlung ungemein feft von Nas 
e, und zeige unzählige gut zu vertheidigende Pofltionen, bie einem 
wre ben Durchmarfch fehr erfchweren würden. Der Weg ging am 
Hten Ufer dicht unter ganz fenfrecht abſtürzenden Felswänden Hin; 
z Linken befpülte der Strom den Fuß der DufiksBerge; nur an 
ı paar Stellen iſt der Frat bier währenn ber trodnen Jahreszeit 





3, v. Kammer, aflat. Türkei in W. I. 1821. Bd. XIV. ©. 
1) 3% v. „Senne: osmaniſche Geſchichte, 2 Vı. S. 190; dere im 
8X W. Jahrb. 1821. Bv.XIV. © 
* 2 





TIL Weft-Afien. III. Abthellung. I. Abſchnitt. {.39. 


furthbar. Kurz vor Kemath,S) das von Erzingan In 10 Stu⸗ 
den Zeit (an 5 geogr. Meilen) zu erreichen war, kam Brant za 
einer Brüde von Holz, vie über einen tiefen Bergſpalt geworfen 
war, in welchem ver wilde Frat ſich feine Bahn durchbricht. Km 
vor diefer Brüde und dem Bergfpalt hat fich, von ver rechten ode 
MWeftfeite her, ver Keumar Su mit dem Frat vereinigt. Diefe 
Zufluß kommt vom Gebirg, pas im. Weſt auffleigt, mo Die bertige 
Taurusthäler wieder waldreich fein müſſen; denn auf ihnen win 
das Holz abwärts zum Frat eingeflößt, der nun von ba bie Em 
&gin und das Bergwert Kieban Maaden mit Zimmerfeli 
verfieht. U. Saubert, ver im April 1806 auf feiner Irrfahrt ven 
dieſer Nord weſtſeite 56) nach Erzingan durch unwegſame Ge 
birgsgegenden der dortigen Taurusketten kam, erwähnt hier wirllh 
des Waldes von Chatakli, den er ven Iehten nennt bein 
Austritt aus dem alten Kappadocien und beim Gintslit ia 
Broß-Armenien. Gr bezeihne heut zu Tage noch die 
Brenze zwifchen vem Beglik Sivas und Erz-Inghian & 
mußte mitten durch dieſe Wildniß vol Rantengewächfe, welche de 
vortigen Bauern nur durchgiehen, um ven Fichten ihr Harz eb 
zugewinnen und Kienfadeln zu reißen,. mit venen fie ihre Ech 
nungen erleuchten, zumal in ven Winterabenven, wobei fie iht Ges 
ſpinnen und ihre Leinwand weben. 

In Erzingan find wir auf einem claififhen Boden dei 
alten Armeniens, deffen Kieblichkeit und Milde auch von Ian 
bert bewundert wurde, wo der PBfirfich, vie Maulbeert m 
die Feige ihre nordlichſte Grenze gegen das ältere Hedlah 
finden. 5) In der Stadt wohnten nah Jaubert nur Bkuflale 
ner, aber in ven Dörfern umber viele chriftliche Handelsleun Mn 
bier aus ſchien ihm ver Tauruszug fih in zwei GBauptketter 
zwifchen Erzingan und Erzerum zu theilen; vie eine ae 
gen S.D. und floße zu den Bergen an ven Tigrisquellen (se sg 
bie Dujit= Kette, die fich gegen ven Kharzan Dagh vetzweighh WE 
bie andere ziehe gegen N.D. zum Kaukaſus hin (er meint Dirhd 
Kop Dagh, Skydiſes, f. oben ©. 743). Aber viefe feine Emm | 
jo relativ richtig fie ſich auch in Beziehung auf ven Gtamngkar 
des Reifenven im Xhale, der von einer bloß particuleiesgie 
ſchauung ausgeht, zeigen mag, fo ift fie doch nur von einp-I 

















“88) J. Branf 1. c. p. 202.  ®*) A. Jaubert, Voy.: ak 
1% 9, Hammer, Raox. Küxket, im 2. Jahrb. 1821. Alm. 3 








Euphratf.; Frat; Erzingan, Aziris, Aurea Comana. 773 


ſchraͤnkten Gefichtspuncte aufgefaßt, und aus vem oben ſchon hei 
Gelegenheit der Kinneirſchen Ueberficht angeveuteten Höheren Stand⸗ 
puncte aus zu berückſichtigen: denn bier find es nicht blos Gebirgs⸗ 
ketten, ſondern es iſt eine andere Plaſtik, ein Syſtem von Pla⸗ 
teaubildung mit Gebirgsketten, welches erſt den richtigeren 
Slick über das Ganze zu geben vermag. 

Der Frat fängt bier fchon ven Durchbruch der einzelnen. 
Taurusglieder des fünlichen Tauruszuges an, zu deren Ueberwin⸗ 
bung er aber vielfaher Wiederholung und einer langen Weg⸗ 
ſtrecke bedarf, ehe er In die tiefer liegenden Ihalftufen eintreten kann. 
Daß Erzingan (Erez, auch Urriuz; vielleicht Aziris bei Ptol. 
V. 7, fol. 127) in ver älteften vorchriftlichen Zeit die berühm⸗ 
tefte Stadt Urmentens durch ihren Tempelcultus ver Anahid war 
(f. Strabo XI. 532), den Gregor IUuminator dort gleich anfangs 
zerſtoͤrte, ift fchon früher gefagt (ſ. ob. S. 270). Wir lernen dieſe 
ihre Bedeutung aber erſt durch die chriftlich-armenifchen Schriftftel- 
lex kennen: denn die älteren Griechen und Römer nennen fie noch 
nicht; wahrſcheinlich kommt fie zuerft als Aziris bei Ptolemäus, 
der fle wenigſtens ganz an vie Stelle des heutigen Hoch-Arme- 
niens in feine Tafeln einträgt. 

Mahrfcheinlich iſt es diefe Stadt, welche erſt ſpät von Conſtant 
Porphyrogen. (de administr. imp. 44. 8. p. 197, ed. Bekk) mit 
dem Namen Arzes belegt wird, die er ſtets mit ven und unbe- 
Tannten Feſten Chlist und Pereri zufammen nennt, von denen er 
fagt, daß, wenn fle im Beflg des Kaiſers blieben, das zömifche Reich 
vor den Ueberfällen der Perferheere gefichert fei, da fle zwiſchen Ar- 

menien und ber NRömergrenze gelegen find; fe beherrſchen vie Ein- 
gänge zu Iherien, wie zum Pontus und nad) Syrien. Mans 
nert 58) hielt anfänglich dafür, daß dieſes Arzes ober Arzen viel- 
mehr dad Arzenrum gewefen fe. Da aber hier ver Cultus der 
Anahiv von Gregor zerflört warb, fo wird e8 nach Procopius 
Erzäflung auch wahrſcheinlich, daß, verfchieven von ven beiden bes 
Fannteren Comana's in Pontus und in Kappabocien, hier in Aci— 
Itfene feine Aurea Comana (N xevon Kouava, Procop. bell. 
Pers. I. 17,7. p.82) lag, wo ein Tempel ver taurifchen Diana 
(Artemis) fland, ver aber zu feiner Zeit in eine hriftliche Kirche 
verwanbelt war. Don viefem erzählt er die Legende ( viefelbe, 





2 5 Mannert, Geogr. d. Gr., u. R. Th. V. 2, 6. 242; vergl. Th. VI.a, 
S. 200. J 





774 Wellen. HIT Abtheilung. I: Abſchnin. 4.39, 


pie Strabo XU. 535 von ver Romana in Kappaborien erzäßli), in 
welcher Oreftes und Iphigente ald die Gründer dieſes Gellig 
thums, neben dem auch. noch ein Tempel ver Iphigen ia erriähtst 
war, genannt werden. Wahrfcheinlich ift es derſelbe ſeltſame Cab 
tus der Anattid oder Diana, Artemis, der in gang Acilifenemh 
Strabo (XI. 532) durch die Hieropulen gefeiert warb, ver aud hier 
im Gange war, wie überhaupt auf ver Oftfelte des Euphrat, 
wo dem Lucullus bei dem Uebergange über den Strom, als win 
Armenien gegen ZTigranorerta marfchirte, an deſſen rechtem Tine 
die der perfifchen Diana geweihte Heerde wilder Kühe begeguek, 
denen ald Zeichen vie Bade ver Diana aufgebmunt we 
(Plutarch. im Luculkus c. 24). 


3) Bartsr Hait, Hocharmenien mit feinen antiken 
Sanctuarien: dem Taranaghi, vem Berg Sepuhz 
die Bilgerfabrt nad dem Klofter Luſavorieſh. 

Partör Half oder Hocharmenien In de® Mof. Ke. 
Geographie (ed. Whiston fol. 358) hat 9 Baue oder Diſtricte, 
bie, nach einer durch Petermann berichtigten Meberfegung veb a 
meniſchen Originals, folgende Namen führen: 1) Zaranagfi 
(Japavicoa bei Ptol. V. 13. fol. 135); 2) Arriuz (Alles Wi 
Ptol.); 3) Menzur; 4) Jekieghaz; 5) Mananasfi; 
6) Terdfhan (Derzene 6. Plinius, Heolyyn b. Strah. XI. 63); 
N) Sper (Hispiratis, "Yon/gazıg bei Strab. XI. 529); 8) Se 
gha Kamth und 9) Barin (Kapnviss, Strab. X &9) 
Indſhüdſhean in feinem Alt« Armenien fagt: die Landſchaft Las 
ranaghi fei das Heutige Gamach ober Kemakh (feucht 
Comagene, vielleiht Oumathene 6. Amm. Marc. XVIIL 9. 2; 
es gränze (gegen N.W.) an die Landſchaft Jekleghaz. Dem eb 
jener Benennung gibt Ersngatzi in feiner Lobrede auf Gens 
PHotifted, indem er fagt: dieſe Landſchaft fei auf ven Bergen. mü 
Blumen geſchmückt, in ven Thälern an Waſſern rip, mb 
nehme bie aus Even fließende Duelle des Cuphrat, des ale 
Stromes, auf. „Auch in den Schluchten veiner Berge, füge Y 


„ſchwülſtige Lobredner fort, haft vu im. Innern der Erag,uuf 
„borgen (taranatzial im, Armeniſchen) Duellen. van Gall 
„(agh), und‘ aus der Tiefe, emporgefommen durch Geanmfl 


„faugt die Bewalt Va Teurrt tod gemengte Waſſer ° 
„Dieb Saly aber wich arena) ů 














Cuphratfüftenn; Frat; Taranaghi, Sepuh Berg. 775 


„Bärge; darum wirft du au Taranaghi, d. i. Salzgrube, - 
„genannt Gr fügt die Merkwürdigkeit biefer Landſchaft hinzu, 
daß zur Sommerzeit, in fehr heißer Stunde, wenn der Schnee 
ſchmelze, die Waflertropfen, die fih in ven Höhlen anhäufen, zu 
Eis gefrieren, dad man früher zum Gebrauch der Könige, wegen 
feiner Heilenden Kraft, in entfernte Gegenden brachte, pabingegen im 
Winter, wenn andre Gewäfler gefrieren, dieſes erwärmt fich er» 
weiche. Die früheren Bewohner dieſes Landes feien Teivenfchaftliche 
Bexehrer der heidniſchen Magie geweſen, aber fie gelangten zur Er⸗ 
kenntniß der Wahrheit durch die großen Wunder und Verkündigung 
Set. Gregors, der in dieſe Provinz Taranaghi fan, und mit 
Des Könige Tiridates Hülfe Hand anlegte, um.Ale aus dem. von 
den Vorfahren exerbten ſataniſchen Dienfte ver Bögen zu befreien. 
Er brachte fie zum Gehorſam der Knechtichaft Chriſti. Große 
Zeichen wurden ven Bewohnern des Landes fichtbar, und verſchie⸗ 
dene Seftalten der Dämonen flohen in die Gegenden von Chaghdi (9). 
Dieje Taranaghi hat einen Berg Namens Sepuh, fo genannt 
wegen der furchtbar ſchroffen (sepaziat im Armen.), felfigen 
Abhaͤnge, aber Ersungatzi, im Geſangbuche, ſcheint die Ableitung 
von dem Worte sephagan (nobilis), dem Sct. Gregor zu Ehren, 
vorzuziehen. Es hieß derſelbe auch Manta airkh (d. i. Höhle 
der Mane), weil in einer der Felſenhoͤhlen dieſes Berge die Sancta 
Mane (eine Befährtin Set. Oregord, f. ob. ©. 527) vermellte 
(Mos. Khor. Il. 88. fol. 224 etc.), in welche ſich fpäter auch 
Gregorius in die Einſamkeit zurückzog. Deshalb Heißt er auch 
in den Haismavurs (d. i. den Biographien der «Heiligen, nach 
nem, Kalender zum 5. October): Berg von Taranagbi, und bie 
Birhöfe Avetis: und Sarkis heißen Biſchöfe ded taranaghiſchen 
Berges des Sanıt Gregorius. 

Die Rage diefes Bergs beſtimmt Eröngatzi „auf der 
GSrenze zwifchen beiden Provinzen Jefieghiag und Ta⸗ 
rawaghi”: denn da ber Berg noch über Eleinen Bergen ſich ex» 
hebt, fo: breitet fich jeine Lage über zwei Provinzen aus, und 
darem ſchreibt der genannte Autor auch von ihm: „bei vielen Ber⸗ 
am: und Ihälern vorbeigegangen flieg er (St. Gregor nämlich) auf 
dich ( Sepuh).“ Da aber Mos. Khor. Il. 88, und Asolich. IH. 5 ihn 
in die Provinz Taranaghi fegen, fo tft offenbar, daß der eigentliche 
Derg: in vieſer Provinz lag. Heilige Orte find auf dieſem Berge von 
ver früheſten Zeiten: 1) vie fühe ſchmackhafte Duelle Aghpiur 
parcham, fo genannt, weil, nah Eröngatzi, durch ven Gegen 


4 





776. Befl-Afien, IH. Abtpeilung. I Abſchnitt. $. 39. 


Sct. Gregors das falzige Waſſer verjelben einen guten Geſchmatk 
erhielt. Es warb geehrt (fagt der Lobgeſang auf Sct. Gregor) ber 
Berg Sepuh, gleich dem Berge Hermon, aus dem floß die Quelle 
des Lichts, dad füge (parcham im Armeniſchen) Wafler n. ſ. w. 
Aus dieſer Quelle trank zumellen unfer heillger Bater (naͤmlich 
Sct. Gregor), wie Johannes Cathol., ver Pilger, fagt: „Ich ing 
zu ber Meinen Quelle Parhdam.... welche mit harten Felſen um- 
geben und, fie zu ehren, mit Thüren verfchloffen if, und aus wel⸗ 
her die heiligen und reinen Hände Bregors fein Getränk holten“ 
Das zweite Sanctuarium if Tarag, wo von ben Hirten ber 
Heilige Vater beerbigt wurde (f. 06. ©. 625); auch von ihm ſpricht 
Johannes Cathol. 
Am Buße des Bergs waren zur Zeit Johannes Cathol., d. L 
im Ytem Jahrhundert, eine Menge firenger Einfiedler in Hö& 
Ien und ®rotten hie und da zerſtreut, deren Leben derſelbe Auter 
kurz beichreibt. Darunter war auch feine eigne, vie er einige Jet 
"bewohnte. Diefe nennt ver Autor Aſolich aber Karnu Bautf 
(Garrnu Wankh, d. I. Garnus⸗Kloſter), weil jener Einflenier im 
Karni heimiſch war, oder nach einem andern Anachoreten Karrauf, 
Eröngatzi, ver. auch in der Nachbarſchaft zu Haufe war, wendet 
alle Kraft ver Beredtſamkeit an, biefen Berg zu rähmen, und Bars 
tabed Bartan, ver Seograph (0b. S. 675), gleihfam zur Erklds 
rung ded Gedichtes, „vie Berge” betitelt, fagt: Auf dem Berg 
Sepuh iſt das Schwert Tervats, welches ihm Eonfantiuus, der 
Herrſcher, gab. Denn als Terdat auf den Berg Sepuh ging, ur 
heiligen Gregor zu fuchen, fagte dieſer viele propbetifche Worte ze’ 
ihm, nahm das Schwert, flellte es auf mit dem göttlichen Wern 
und fagte: „Wenn die tapfere Nation ausgehen wird, ban web 
dieſes Zeichen erfcheinen.” — Als nun Johannes Ersugatzi 
mit feinem leiblichen Auge auf dem Gipfel des Berges dieſes Zeichen 
ſah, ſprach er jenes Gericht „bie Berge”. So weit Bartan; ) 
bei andern Schriftftellern ver Armenier wird hiervon nichts erwmäßut: 
. In diefen Gebirgegau Taranaghi wird, nah Judfſhib⸗ 
fhean, 0) au der Ort Turdan (Thortan bei St. Miele 
verlegt, der vor St. Gregors Zeit nur ein Dorf (Kiug h), par 
ein Marktflecken (Avan) genannt wird, an welchem In err * 





e60) Na dſhidſhean, A: M German; Alles: 
Bande Sue Bley {. 5. St. Martin, —— —RRX ar a 






RN T Belermunne Mfc.; vergl. St. Martin in Nour Nouv, 
Asist, T D V. m 5 ann -——r 


.“ > 


Euphrarfoften; rat; Taranaghi, Sepuh⸗Berg. 777 


das Bild des ſyriſchen Idoles Barſchamin fans (Parſcham, 
bei St. Martin I. 74), von Piurel und Phlosker (D, d. i. 
von Elfenbein und Cryſtall in Silber geformt, welches Tigranes II. 
erſt aus Meſopotamien hiehergebracht. Dieſes Barſchamin haͤlt 
E. Bore“t) für das chaldäiſche Wort bar schemsche, Sohn 
der Sonne, over bar schemaia, Sohn des Stmmels, und 
dad Idol felbft für das göttliche Symbol ver Ehalvier, welches 
Tigranes nur in dad ältefte Laud der Chaldäer, vie auch Ze 
nophon noch in Hocharmenien vorfand (Anabas. IV. 3, 4 etc.), 
jurüdgebracht habe. Zur Zeit ver Einführung des Chriſten⸗ 
thums Tam dieſer Ort in Beſitz ver Kirche, und wurbe durch 
Sct. Gregor berühmt, ver ihn zu feinem Vergnügungsaufenthalte 
machte. Dahin wurden fpäterhin auch deſſen Gebeine vom Berge 
Sepuh gebracht, und nebfl denen von andern Heiligen beigelegt. 
Auch feine Söhne und Enfel follen daſelbſt ihre Vegräbniſſe er⸗ 
balten Haben. Noch heute Heißt vieler Ort Turdan, und wird 
von Pilgern bewallfahrtet. 

Von einer ſolchen Pilgerfahrt in dieſes bis dahin für euro⸗ 
päifche Reiſende ganz unzugänglich gebliebene wildeſte Sanctuarium 
der Armenier haben wir von dem feurigen E. Bore ganz kürzlich 
einen erften Bericht erhalten, ver leider nicht genau geographiich 
orientirt iſt, aber doch, eng verbunden mit obigem Bericht des Ar⸗ 
meniers im dortigen Legendenſtyl, einen damit harmonirenden 
Totaleindruck des Ganzen zurüdläßt, der vielleicht von fpätern Be⸗ 
obachtern berichtigt, wie vie Localität felbft noch beſſer erläutert 
werben wird. 

Nach der Karte Armeniens, die zui Tſhamtſheans Geſchichts⸗ 
werte gehört, tft die Lage Taranaghiß, die auf allen andern fehlt, 
in N. W. von Erzingan angegeben, und eben vafelbfi ver Berg Se> 
puh, auf der Weftfeite des Frat⸗Ufers, zwifchen deſſen rechten Zu⸗ 
flüffen Kail und Keumar fu eingetragen. Bon Erzinugan pilger⸗ 
ten wir, erzählt E. Bore,%) durch große Gefahren zum Berge 
Sebouh (Sepuh), um am Grabe Sct. Gregors nieverzufnien. 
Diefer Berg gehört zu der Langen Kette des Daſſim Dagh, ver 
den ganzen Horizont mit Schneeketten einnimmt, eine Schugwand 
für Die inbepenbenten Kurven, die in Empdrung flehen gegen Hafiz 
Bafya, fo daß der Mutſellim in Erzingan felbft in feiner eigenem 
Stadt keineswegs ſicher war. Daher der Schreien aller Pilger, 


er) BE, Boré, Co ndance et m&moires etc. Paris 1840. T.I- 
is. > e8) Grad. T. I. — — — 








TTR Weſt-diſten. TIL Abcheilung. I. Abſchaitt. 4.39, 
bie nur im Vertrauen: auf vie militärifche Haltung ber Franken ſich 


ihrem Pllgerzuge anfdjloffen. Sechs Terfonen. zogen wit einem fun 


⸗ 


viſchen FTührer ab gegen dad Aoſter Avak, das bis auf St. Thab⸗ 


dadus zurückgeht; zuerſt nach Thortan, der antiken Grabſtätte ver 
Patriarchen und armeniſchen Könige, wo Die enorme Grotte ihre 
Walbungen ausbreitet, vie einſt Ser Gregor zum Aſyl viente, dam 
zum Klojter Avak, von Thidat erbaut, wie viele andre hiefigen 
Orts anf frühern Tempelflätten ver Anahid. Die wihe 
ſten Felsfdjluchten: ver Schweiz und Tyrols, die ddeſten Yelökfliygen 
von Anavoli haben nichts fo grauenvolles wie dieſes DBerglam, 
fügt €. Bord. Der ganze Boden von Erzingans Gauen iſt zeha 
mal von Erdbeben umgekehrt, und gleicht einem primitiwen Ghast 
Mar bie und da auf Klippen ein paar Fichtenbäume, fonft nur nie 
driges Geſtripp; vom Geſchrei hungriger Geier wird das Toſen de 
Bergſtũrze noch überbaten, die von allen Seiten aus den ſchmehzen 
den Schneefeldern ſich entfpinnen. Auf ven Plateauflächen tif 
man nur felten die ſchwarzen Zelte eined Kurdenlagers, mit ifus 
Rindern und Ziegen in der Sommerflation. Gmmufiger wie be 
Mebais fand Boré die Thäler von Thortan und vie Abſtütz 
des Schouh- Berges. Hier, meinte er, koͤnne man ganz in: Get 
verfinfen. Am 20. Juli verließ er Erzingan 9) mit einigen 
treuen armeniſchen Begleitern, 2 Reitern als Gsforte, einem Au> 
ven und dem Serkis, einem Wächter der Kirche Ext. Gregort im 


ein erfahrner tapfrer Strekter wider die Kurden war. Ed ging im 


trockne Klippen und das leere Bette des Im Sommer verflges 
Karnl⸗Fluſſes, deſſen Quellen an die eined andern autiken, be 
fannteren Lycus anftoßen follen, ver nicht hieher zum Ydat;- few 
dern in: entgegengefeßter nordweſtlicher Richtung ' nady. Seläfes 
(Neo-Caesarea) und über Magnopolis zum: Iris: ſlleßt (Sccio 
XL 556; Plin. VE 3). In einigen Entfernung; auf dem Mini 
Ufer vieſes Kail (dv. 5. Wolf; eben ver Lycus, ven: Pink 
V. 20 zum Euphrat fließen: läßt, ver Dianneet unbefanut bi), 
bließen Ruinen von zwei Kapellen liegen, vie an der Stelle: sen 
tiken Tiln (Oadıva bei Pol, 7. 13. fol. 135)- exbant: wrurken, 
wo einſt ein berühmter heidniſcher Tempel ver Nane 8: Mpale 
ſcheinlich eine Anahid oder Analtis; Daher v. Gmmmm Ye 





+) E. Borölc. T. U. p- & °*) Manuert, Geogr. v. Gun 


Th. V. & 208. . *8) St. Martin, Möm. s. l’Arm, L p, 78 z 
REM en 





Euphratfuft.; Frat; Taranaghi; Sepuh Berg. 779 


Bancta Mang für dieſelbe Beibwifihe Gottheit hielt) oee) durch Sanct 
Bregor zerſtört ward, we die Patriarchen Verthanes und Ariso⸗ 
aged, deſſen Söhne, und fein Nachkemme, Set. Nerſes J., ihre 
Brabfätten fanden, vie im 13ten Jahrhundert (im Jahr 1288) wies 
er aufgedeckt wurden. Doc ſchien das einflige Gtäntchen. (a6 
ach Thiln⸗avan hieß) weite im Weit der Kapellen gelegen zu. 
ben, nach von. Reiben wer Ruinenreſte und der Felderabtheilungen 
u urthellen, pie man bei nem Klofter ver virgo Mariae wahrnche 
nen konnte. Beden armen, aber gaflichen, nur zu oft von Kup⸗ 
can beraubten Mönchen wurde ein Mabl von Brot, Mich, Eiern 
nd» weißen, zudesfüßen Maulbeeren eingenommen. Dann ging: e& 
m 11 Uhr weiter, in dad Klippengebirg, und nad) einer Stunde 
buffleigen® warb das Plateau ewreicht, von dem man in das ovale 
‚hal von Erzingan zurückblichen konnte. Der Cuphrat windet 
ch wie eine Schlange durch die gelben Welver; alle hohen: Pile 
gen Norden: fliegen weiß von Schnee, oder braun in den blauen 
Ammel. Hinter den Wanderern erhob fidh das grüne Amphitheater 
er Sepuh⸗Berge, ſtufenweiſe mit ihren Alpen aufſteigend bis 
ur Schneeregion. Um Fuß 07) dieſes gefeierten Berges, der früher 
karanaghi hieß,. aber durch Get. Gregor erſt feinen Adel erhielt 


mb Sepuh genannt (i. e. nobilis) warb, lag dad nädfte Ziel 


er Pilgerſchaft. Man flieg gegen Weſt bis zur großen Tafelflaͤche 
af, von: der man im nahen Thale kurdiſche Zelte erblickte und 
wergige Sichtenbiiume, ein BIKE wie in eine neue Welt, an ber 
Buenge Taranaghia. Bin fanfter Weg führte zu: ein paar Kurden⸗ 
olten; im. einſamen Thale vor ven Füßen zeigten fich vie weißen 
Moftermauem des Avak Bank, von einigen Weiden, Birken und 
Raulbeerbäumen umgeben. Gteil: ging «8 den wilden, quellenreichen 
köhang hinab zum Vorbau: des Moſters, ven bee vafige PBriefter 
Ko von. älteſten in Armenien hielt, in der Zeit Sct. Thad daud 


son deſſen Sohne, fagt Vartam) co) aufgeführt. Keine Damm 


eriptenfammlung, wie man gehofft, auch feine Vibliothek fand fich 
08; der Briehher konnte nicht lefen, er wohnte im Vichflall; niedrige 
un enge Bforten, leicht zu verrammeln, follten gegen vie häuſtgen 
turpenüberfälle zur Sicherung dienen. Vom Grabe des Apoſtels 
var bier feine Spur .. zu finden, auch von ben ãhütfli— 





**) Bien, Yet, 1a: 3. XIV. ©; 31 


@).'E. Bore 
18. .. Vartabied Vartan, Göogra eb. St. Maria, 
M s. l’Arm. T. Ur p 488. Pi 





180 WeftAfien. II. Abtheilung. I Abſchnitt. 5.39. 


geln®) ver Kirche nichts, die Thaddäus ſelbſt eingerichtet Haben 
fol, nach Indſhidſhean, ver In der Nähe auch noch einen Felt 
Taghtapu, d. h. Gegengift, nennt, auf welchem die vier 
Evangeliſten eingegraben ſtehen follen, ein Fels, ven St. Sylveſter 
dem Sct. Gregor verehrt hatte. Vielleicht ein Inſeriptionsfelt, 
nach dem Fünftige Reiſende doch weiter nadyzufragen haben möchten. 
Man ritt von da fogleich weiter, um noch das Klofler Xhortan 
zu erreichen. Es ging durch wilde Selöfpalten, mit ärmlichen, krürp⸗ 
ligen Zwergfickten hie und ba bemachfen, an düſtern Räuberwin 
teln vorüber; dann über Berghöhen an weltläuftigen Grottenbilkue 
gen bin. Es folgte ein Eleined Dörfchen (wahrſcheinlich Garrui, 
ein ſolches nennt nämlih Indſhidſhean,?o) nur eine halbe 
Stunde vom Thaddäus⸗Kloſter entfernt), wo einige Schnitter mit 
der Kornernte beichäftigt waren; dahinter eine grüne ‘Alpenmele 
mit fchönftem Blumenteppiche, dann einige noch grüne Gerften- um 
Waizenfelder, und zulegt ein wiln zerriffener Lchmberg, ver Thor: 
tans Berg, der erlettert werden mußte, um bei einigen Baum 
das berühmte Klofter zu erreichen, dad im Angefichte des Schne⸗⸗ 
bergs Daffim liegt. Eine Herberge war aber nicht zu finden; 
bie einft von König Tiridat fo reich dotirte Kirche mit ven Grab 
flätten berühmter Zeitgenoſſen ift jet nur ein büftrer Steinen 
mit engem @ingang, deſſen Licht durch die Dachöffnung einfält; 
der Prieſter, voU grober Unwiſſenheit, der den Stein mit der Iw 
ſchrift für dad Brab St. Verthanes ausgab, auf dem aber mike 
ale das Wort Garabed fland, das er nicht einmal leſen konnu 
Bon diefem Orte Thortan over Turdan fagt auch Indſhid⸗ 
ſhean,?1) vaß er wenig befannt fei; fein Kloſter liege nicht fern 
an ver Weflfeite des Frat. In der Kirche feien vie Gräber St. Ge 
gors, St. Verthanes, Gt. Huscon, dann der Königin Aſhchem, ver 
Chasrovi⸗ducht, d. i. die Schweſter des König Tiridats, und Bed 
Königs Tirivat ſelbſt. Doch nur eine Zeit lang blieben vie Ge 
heine hier, fagt Inpfhiofhean; denn fpäter wurben fie in das Klee 
fer Sancti Spiritus nach des Provinz Ban gebracht. Bir 
keicht, jet er hinzu, wurden fie auch zum Theil andertwotin - 
freut 4 ob. &. 625). 


#*°) E. Bor& I. c. II. p. 14. 0) In ———— 
S. IOI, DRIN —* | 


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ME . | 


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Euphratſyſtem; Frat; St. Gregors Eremus, 761 


Der zweite Tag (21. Iull) führte über eine dreifache Berg- 
fette zum Klofter&ufavoritfh. 72) Nach ver erften Ueberſteigung des 
Berge belegte man ein paar daſelbſt ode und Ieerfichente Hütten im 
Grün unter wenigen Bichten mit dem Namen des Kloſters Sirope, 
nach einer Legende aus den Zeiten St. Bregord. Ein ſchäumender 
Bergfirom, ver zum Cuphrat ftürzt, mußte Hier paſſirt werden, um 
die erfle Stufe des Sepuhs Berges zu erreihen. Das fehr ſteile 
Gebirg vol loſen Schiefergerölles nöthigte zum Abfleigen vom 
Pferde, bis man nach 14 Stumven Wegs drei Zelte eined Kurden⸗ 
Jailaks traf, deſſen Bewohner in Lumpen umherzogen. Bon ia 
gings zum Kloſter Luſavoritſh, das ein Kurden⸗Beg mit drei 
Dienern zu ſeiner Behauſung gemacht, der hier einen Tribut von 
den Pilgern einfordert. Das Kloſter liegt in St. Gregors Ere- 
mus. Es iſt bloß eine Hütte, die Kirche iſt einer Scheune gleich, 
in der fih nur die Altarfteine unterfcheiven laſſen. Hier fol der 
Hellige durch Engel in eine Gruft gelegt fein, aus ver ihn die 
Biflon eines Anachoreten Arnoug (over Garhnic, f. ob. S. 625) 
bervorzog. Hier fiel Bore in Anbetung niever vor dem Heiligen, 
mit dem Ausruf: welcher Philofoph, wie er, wandelte eine ganze 
Nation um, und erfüllte fie mit Liebe zu Bott! Wir ehren dieſe 
Begeifterung, aber vie Anbetung gehörte dem Heiland, ver dies Wun⸗ 
der that, und nicht feinem Boten. Nur wenige Schritte fern von 
hier zeigte man die Quellen des ſchmackhaften Waſſers 
( Parcham tfhur, ſ. ob. S. 776), die jegt koſtlichen Labetrunf hatte, 
aber zuvor bitter und falzig gewefen fein fol, ehe Gregor fie ſuͤß 
machte ; fie, fol heute noch Mirakel thun. Etwas bergab zeigte man 
die hohe Grotte, in der St. Gregor als Anachoret gelebt haben 
fol; ihr hoher Bingang iſt gegen Süpen geöffnet, tiefer find die en⸗ 
gern @rotten und Oänge, in denen er die flerbende Jungfrau, die 
St. Mane fand, die eine Gefährtin ver St. Hripfime (f. oben 
S. 527) und auch der Scta Nunia geweien fein fol, welche 
Iegtere das Evangelium zuerft unter den Iberern verbreitete. Er 
felb fol in dieſen Eiskellern feine Bußübungen gehalten haben, 
und das Tropfen ver Stalactiten ein Zeichen feiner Ihränen geblies 
ben fein. Obwol bier weder Denkmal noch Iufchrift das Andenken 
an ven Apoſtel Armenlens erhält, und überall vie bitterfle Armuth 
vorherrſcht, fo iR dieſes Klofter Lufavoritih doch fortwährend bes 
pilgert jeit vem 9. Jahrhundert, wo zur Zeit des Patriarchen Jo⸗ 


» 





762 Weſt⸗Aſten. HI. Abcheilung. I. Nbſchaiu. $. 3. 


dann VI dieſe Gegend voll Gremiten und Bßer war, wetbelb 
verſelbe auch damals eine Kapelle über zer Gruft des Gametus «= 
bauen Tich. 

Hier wurde Nachmittags um. 3 Uhr Abſchied vom Keen 
gensmmen, und ver Rückweg Über bie Schneefelder des Berge Se⸗ 
pub, der au Kuhanan, 7°) d. h. hervorragender Bipfel, genaumt 
wird, angetreten, ven ver Führer für ben wahren Mafis ober 
Ararat, das Afyl zur Belt ver Sinoflurh, erflärte. Man fig 
gegen NO. durch ſchoͤne Thaͤler hinab in das Thal, im melden da 
©t. Jakobo⸗Kloſter zur NRachtberberge erreicht wurde. Auch dieſes 
ſoll zu Tirldates Zeiten geſtiftet fein. Die Kirche iſt in einem m 
tiken Style erbaut, deſſen fchönere Formen in den Kirdhen zu Uni 
weiter ausgebildet zu fein fheinen. Dad Schiff ver Kirche wih 
yon 4 Säulen getragen, dazwiſchen Grabinſchriſten angebracht ſin 

Dieb Klofter 7%) liegt nur 3 Stunden (wahrfcheinlich im Nee 
den) von der Stadt Erzingan entfernt, die alfe am Morgen da 
dritten Tages (22. Juli) bei guter Zelt wieder erreicht werben Benni. 
— Weiter gegen Süden IR E. Bore nicht vorgebrungen. — 


4) Die Feſte Ani oder Kemakh, Gamach, der alte Icm- 
— pelort, das Schatzhaus, die Stätte ver Arſacidiſchen 
Königsgräber. 

Die Feſte Ant ander Kemath 75) (Kumach, Kamach een 
Gamach, dad Kauaya b. Gonſt. Borph.). Schon längſt mit wer 
Name dieſes merkwürdigen Ortes in ver Geſchichte .‚befanat, wm 
Miemand wußte ihn geographiſch zu erientiren. - I. Brant iR da 
sehe, ver ihn nach feinem Moutier 10 Stunden Wegs im Güpm 
son Erzingan in feine Karte eintragen lonnte. Ge iR ein ſeltſan 
gebauter Ort, fagt er; ein erhabner Theil ver Stadt Liegt inwerkeib 
eines Wale von fehr alter SGtructur, aber beherrſcht win 
Bergen, die Hinter ihm emporfleigen. Der übrige Theil Tiegt ai 
Abhange zwifchen Gärten, die vom Ufer des Fluſſes Frat eper⸗ 

"eigen. Der Gouverneur iſt einer des noch übrig gebliebenen Des 
reh⸗Beys (d. i. Thal⸗Haäuptlinge, vergl. ob. ©. 627), wem 
Samilten noch im erblichen Beflge ihrer Würde und großer wmlin 
geuber Länderrien waren. Die Gtabt hat. 400 türfife uns 30 v 
meniſche Famillen; von Handel und Wanufacturen ſah I. Bxket 


0... n. Zudigivigenn, Reusicmraien, u. Aetermanns Mic. 2* Bert 
 Le1.p8 TMılkan lamie iu 


— 





Euphratiuftem; Frat; Koma. — 783 


me Spur. Die Bewohner lebten vom Anka ihrer Nachbar⸗ 
aler und vom Solztran Sport zum Bergwerk von Kje ba n Maa⸗ 
n. Es muß alſo in der Nähe wol auch wieder Waldung vom 





mmen, bie dem Platenulanve bis dahin fehle. Der Frat⸗Fluß 


ıtte wol an ven meiften Stellen Waller genug, um ihn mit Kah⸗ 
m befahren zu können, aber doch zeigen fi) darin Stromfchnellen, 
elshänke und Sanpbänkfe zu Häufig, als daß man hoffen Einnte, 
m unter den jegigen Berhältnifien des Landes wirklich ſchiffbar zu 
achen. Doc hörte I. Brant von Jemand, ver mit dem Holz 
ansport von Kemakh bis Egin bekannt war, die Meinung aus⸗ 
rechen, daß die dortigen Hemmungen doch wol zu überwinden fein 
Schten. 

: Bon Kemakh nah Egin reifend, fegte I. Brant auf der⸗ 
lben Holzbrücke, vie er hinwärts paſſirt hatte, wieder zum rechten 
fer des Frat zurüd, und wandte fi) mehr weſtwärts vom 
trome, ziemliche Berge überfleigen», die deſſen rechtes Ufer beherr⸗ 
ben. Die Poſtſtation, wo ber Pferdewechſel, war früher nahe bei. 
a Bluffe geweſen; man hatteofie aber mehre Stunden weſtwaͤrts 
ya deſſen Ufer entfernt verlegt. Dadurch war ein Umweg nothe 
endig geworden. Diefe Poſtſtation Herhemeh iſt nur ein Kleines > 
yorf, dad nach einem Ritt von 10 Stunden (etwa 25 Mil. engl.) 
zeicht wurbe. Der nächte Tagmarfch führt von da wieder gegen 
DD. zum Frat⸗Fluſſe zurüd, ber über das Dorf Hafan 
)vabh (Hafand Ebene), in einem ungemein fruchtbaren Thale 
eiegen, nah 4 Stunden Wegs (12 Dil. engl.) erreicht wurde 
zier mußte er auf der Bähre Khostu Überfeht werben. Der 
eat, den man bier noch immer Kara fu nannte, war an ber 
ähre fehr reißend, breit und keilnebwegs furihbar. Am linken 
fer ſah man Weiber mit der Kornernte befchäftist, denen aber 
ur Seite bewaffnete Wächter fanden, um die Kurven von Ueber⸗ 
illen zurückzufchreden. 

Auf dem linken Frat⸗Ufer waren bier 3 engl. Mi. zurüdzu- 
‚den bis zu einem Dorfe, unterhalb welchem der Strom wieder in 
men gewaltigen Gebirgsſpalt eintritt, deſſen Steilmänve zu 
»er Seite an 1000 bis 1500 Fuß ſenkrecht auffleigen. Hier ver⸗ 
eß der Reiſende den Fluß, um über eine Behirgäfette ven Weg 
bzukürzen. Der Strom durchſetzt bald’ darauf ven Spalt, und 
nacht eine Biegung gegen Südoſt; der Ritt über das ſehr ſteile 
zebirg ſchnitt dieſe Eike ab. Man fagte zwar, es gebe einen hriren. 
der freilich auch Jängern Weg, wenn man am’ eäyten fer web 





8 





784 WeſtAfen. II. Abtheilung. I. Abfeitt. 39 


Fluſſes bleibe; aber auch dieſer Weg Eonnte bei der Raubelt ver 
Thalſſcluch nur verbältnigmäßig etwas weniger ſchlecht, deqh 
nie gut fein. Die Entfernung von Herhemeh gegen S. W. fchägk 
I. Brant auf 6 geogr. Meilen (30 Mil. engl.) bis Egin, da 
Weg der gleich fchlecht für Pferd und Reiter war, fo daß 13 Et. 
Zeit darüber hingingen. — 
Gamach oper Remadı, fagt Inpfhinfhean,?6) hieß im U 
terthume auch die Feſte Ani (verfchieden von dem Ani in Chip 
f. ob. S. 439); und die Hewſchaft hieß Taran aghi Erg 
Hört noch heute dem berühmten Stamme Sagbr-Oghlu, ine 
der Sohn immer an bie Stelle des Vatere, als Bey von Bam“ 
eintritt; doch fleht er einigermaßen unter Erzingan, deshalb der Ba 
auch mit der dortigen Behoͤrde in Freundſchaft zu bleiben fud 
Die Provinz If rei an Wohnpligen, an alten und neuen Darf 
Achaften, von Urmeniern, zumal aber von Türken bewohnt. 3 
Flecken ſtehen unter ver Herrſchaft des Beys. In der zugehlrige | 
Zanpichaft Tusla befinden ſich in Seen, deren Waſſer aus m 
Gebirge kommt, Salzquellen, auch babe von dem Borfemmn 
des Steinfalzes in Gruben und Höhlen vie Provinz ven An 
Taran aghi (f. oben die Etymologie) erhalten. Ihre Viekuehe 
liefern vortrefflihen Käfe; berühmt iſt dort der Bogelfey 
Der Vogel Tut kuſhi, groß wie eine Wachtel, von weißer w 
ſchwarzer Farbe, iſt ein Liebhaber der Daulbeeren (Tut), von tes 
er auch den Namen erhalten. Aljährlih zur Reifezeit verbreiten fh 
diefe Vögel in ungeheuren Schaaren, zumal in den an WMauliemm 
fo reihen Umgebungen der Stabt. Das Fleiſch diefer jungen Big 
iſt ſehr ſchmackhaft und dient den Bewohnern zur Naheng 
Dtter?7) macht diefe Vögel zu Wachteln und vergleicht fie mitin 
Wachteln der Israeliten und denen, die im Koran Selva pe. 
Die türkiſchen Geographen 78) flellen dieſen WBachteifiug, ie 

‚ in Wolfen die Sonne verfinftre, als ein alljährlich im Zräfiey 
unter Regengüffen ſich erneuerndes Wunder dar; v. Sammı! 
meint, eg Fönnten, vielleicht die nur von Eupen aus beiaumin 
Baccafiguen fein: denn bie Vögel werben ald große Delicatfe 
sühmt, die füß wie Honig fchmeden; fie werben auch due 
und ald Handelswaare verſchickt. 


470) Indſhidſhean, Ren ien S. 101. u 
— Age © nt 
© —8 8. Ga. —S asmanifche Geſchichte . 1 


3 








Euphratſhftem; Seat, Kemakh, Feſte Ani. 785 


Die Feſtung Ant mit der Stabt, gewöhnlich. Gam ach ger 
naunt, iſt am Gipfel und Abhange eined Berges gelegen und mit 
einer Mauer umgeben, welche halb durch. die Natur, halb durch Die 
Kunf erbaut iſt. Es Hat dieſelbe nur ein Eingangsthor. Sie If 
in Wahrheit unnahbar, fagt Indſhidſhean, und nur die Oftfeite 
des Vergs und der Weite ift nicht jäh abgefchnitten, ſondern fleigt- 
allmählig Hinab. Sie Hat Waller in Ueberfluß durch lange zu ihr 
geleitete Röhren. Außer. dieſen geht aber aud noch ein langer 
Ganal von ver Feſte bis zu dem nahen Bach Tanasr tfhat, mit 
einem durch venfelben gebilveten eich, ver fie fortwährend mit Waſ⸗ 
fer verfehen kann, wenn ver Feind bei einer Blockade auch jene 
Röhrenleitung unterbrochen haben follte. 

Der Einwohner find 1500 meift türkifche Samilien, und nur 
wenige armenifche; dem Umfange nach Eönnte ber Ort aber 4000 
Hamilien berbergen. Noch fichen 6 fleinerne Kirchen innerhalb 
der Feſtung. Am Fuße des Bergs ift die Ebene, weldhe ver Grat 
beipült, fa ganz In Gärten verwandelt. Außerhalb, nur wenig 
entfernt von ber Zefte, ik ein Engpaß, durch Kunſt in den Felſen 
gehauen, fo daß eine Felsmaſſe auch noch deſſen Decke bildet (alſo 
ein Tunnel), unter welcher ver Reiſende feinen Weg nimmt. Am- 
Ausgange dieſes Engpaſſes fieht man die @eftalt eines figennen 
Menfchen, gleich einem Siegel in ven Felſen eingebrüdt, von dem 


Die Gage geht, daß Ali daſelbſt gefeffen und dieſen Eindruck zurüdz 


gelafien. Die türkifche Beographie 79) nennt diefen Berg Kepan, 

und dieſen Belfen Ali Kiafi over Kirli Kia, weil bier Ali aus⸗ 
gerußt Haben fol. Nahe dabei ragt ein dider Maſt an 2 Ellen 
weit hervor, deſſen Ende. tief im Beljen ſteckt; es fol vie Lanze Ali's 
fein, die er mit gewaltiger Kraft in ven Felſen Hineingefloßen. Unfern 
davon fleht ein feht alt erbauter, fteinerner, ſpitzer Thurm am Wege, 


und dicht dabei flieht man nahe ber Holzbrüde im Felſen 2 Roß- 


trappen eingedrückt, doppelt fo groß wie die gewöhnlicher Pferde. — — 
Da der britifche Eonful I. Brant fogleih den Rüdweg über dieſe 
Brüde auf die Weftfeite des Frat zur Gebirgäpaffage nahm, fo hat 
er leider viefe Merkmürdigkeiten nicht gefehen, von denen es und 
zweifelhaft bleibt, ob fie blos Täufchungen zu Liebe des Legenden⸗ 
weſens ſind, oder ob fie vieleicht als Sculpturen aus einer älteren 
Zeit für künftige Wanderer einige Aufmerkſamkeit verdienen. 


“ Sitter Grblunde X. Dvd 


& 


79) v. Hanmer, aflatifche Türkei, Wiener Iahıb. IR2L. Ur. AN. 
"al ' 





782 Weſt-iſien. HIT. Abcheilung. I. Nbfchaiu. 4. 39. 


dann VI. vieſe Gegend voll Gremiten und Büßer war, wethalb 
verfelbe auch damals eine Kapelle über ter Oruſt ves Gamcius er⸗ 
baum lieh. Ä 

Hier wurde Nachmittags um. 3 Uhr Abſchied vom Kloſte 
genommen, und der Rückweg über bie Schneefelver des Berge Se⸗ 
puh, der auch Kuhanan, 73) d. h. hervorragender Bipfel, genaust 
wird, angetreten, ven der Führer für ben wahren Mafis obe 
Ararat, das Afyl zur Beit ver Suͤndfluth, erflärte. Man fig 
gegen NO. durch ſchoͤne Thaͤler hinab In dad Thal, in welchem da 
St. Jakobse⸗Kloſter zur Nachtberberge erreicht wurbe. Auch biefel 
ſoll zu Irivates Zeiten geftiftet fen. Die Kirche iſt in einem m 
tißen Style erbaut, deſſen fihönese Formen in den Kirchen zu Uni 
weiter auögebifvet zu fein ſcheinen. Das Schiff der Kirche uk 
von 4 Säulen getragen, dazwiſchen Geabinfchriften angebracht fub. 

Dies Klofter*) liegt nur 3 Stunden (wahrfcheinlich im Nee 
den) von der Stadt Erzingan entfernt, die alfe am Morgen ws 
beiten Tages (22. Juli) bei guter Zelt wieder erreicht werben feumlt. 
— Wetter gegen Süven IR E. Bore nicht vorgedrungen. — 


4) Die Feſte Ani oder Kemakh, Gamach, der alte Tem 
— pelort, das Schatzhaus, die Stätte ver Arſacidiſches 
| Königögräber. 
Die Feſte Ani ader Kemakh 75) (Kumach, Kamach eur 
Gamach, das Kausya b. Conſt. Porph.). Schon längft wit wer 


Name dieſes merkwuͤrdigen Ortes in wer Geſchichte .befanat, ulm 


Aiemand wußte ihn geographifch zu erientiren. - I. Brant iR ve 
erſte, ver Ihn nach feinem Moutier 10 Stunden Wegs im Günm 
von Erzingan in feine Karte eintragen lonnte. Es iſt ein felem 
gebauter Dirt, fagt er; ein erhabner Theil ver Stadt liegt Innerhalb 
eines Wales von fehr alter Structur, aber beherrſche von 
Bergen, vie Hinter ihm emporfldgen. Der übrige Theil Tiegt ei 
Abhange zwifchen Gärten, die vom Ufer des Fluſſes Frat eier 
"Reigen. Der Gouverneur iR einer der noch übrig geblichenen Mes 
reh⸗Beys (d. i. ThalsHäuptlinge, wergl. ob. ©. 627), dau 
Samilten noch im erblichen Befige ihrer Würde und großer elle 
genver Ländereien waren. Die Stadt bat 400 tuürkiſche uub 20 au 
meniſche Famillen; von Handel und Manufacturen [ah 3. Beuet 


73) n. Indſhidſhean, NensArmenien, n. Betermanns — ® 2* 
EUER yı Rab dumie bh 





Euphratiuftem; Frat; Koma. — 763 


keine Spur. Die Bewohner Ichten vom Anka ihrer Nachbar⸗ 
thäler und vom Solztran Sport zum Bergwerk von Rieban Maa⸗ 
den. Es muß alfo in der Nähe wol auch wieder Waldung vom 


fommen, die dem Plateaulande his dahin fehle. Der Frat⸗Fluß 


hatte mol an den meiften Stellen Wafler genug, um ihn mit Kaäh⸗ 
‚nen befahren zu fönnen, aber doch zeigen ſich Darin Stromfchnellen, 
Felsbaͤnke und Sandbänke zu Häufig, als daß man Hoffen könnte, 
ihn unter ven jegigen Verhältniffen des Landes wirklich ſchiffbar zu 
machen. Doch hörte 3. Brant ven Iemand, ver mit dem Holz 
transport von Kemakh bit Egin bekannt war, die Meinung aus⸗ 
fprechen, daß die dortigen Hemmungen doch wol zu überwinden fein 
möd)ten. 

: Bon Kemakh nah Egin reifend, fegte I. Brant auf dere 
ſelben Holzbrüde, vie er hinwärts paflirt Hatte, wieder zum rechten 
Ufer med Frat zurüd, und wandte fid mehr weſtwärts vom 
Strome, ziemliche Berge überfteigenn, die deſſen rechtes Ufer beherr⸗ 
fhen. Die Porftation, mo der Pferdewechſel, war früher nahe bei 
dem Bluffe geweien; man hatte@fle aber mehre Stunden weſtwaͤrts 
von defien Ufer entfernt verlegt. Dadurch war ein Umweg noth⸗ 
wendig geworben. Diefe Poſtſtation Herhemeh ift nur ein kleines 
Dorf, das nach einem Ritt von 10 Stunden (etwa 25 Mil. —— 
erreicht wurde. Der nächſte Tagmarfſch führt von da wieder gegen 
SD. zum Frat⸗Fluſſe zurück, ber über das Dorf Haſan 
Ovah (Hafans Ebene), in einem ungemein fruchtbaren Thale 
gelegen, nach 4 Stunden Wegs (12 Dil engl.) erreicht wurde 
HBier mußte er auf der Fähre Kheostu Überfeht werden. Der 
Senat, den man bier noch immer Kara fu nannte, war an der 
Fähre fehr reißend, breit und keinebwegs furihhar. Am linken 
Ufer fah man Weiber mit ver Kornernte befchäftigt, denen aber 
zur Seite bewaffnete Wächter ſtanden, um bie Kurven von Ueber 
fällen zurüdzufcreden. 
| Auf dem linken Frat⸗Ufer waren bier 3 engl. Mil. zurückzu⸗ 
legen bis zu einem Dorfe, unterhalb weldyem ber Strom wieder in 
einen gewaltigen. Gebirgsſpalt eintritt, deſſen Steilmänve zu 
jeder Seite au 1000 bis 1500 Fuß ſenkrecht auffleigen. Gier ver 
ließ der Neifende den Bluß, um über eine Gebirgskeite den Weg 
abzukürzen. Der Strom durchſetzt bald’ darauf den Spalt, und 
macht eine Biegung gegen Südoſt; der Ritt über dad fehr fleile 
Gebirg ſchnitt diefe Ele ab. Man fogte zwar, es gebe einen beſſern, 
aber freilich auch Jängern Weg, wenn man am rechten Ufer des 





784 Weſt-⸗Aſten. II. Abtheilung. I. Abſchunitt. 5.39, 


Flufſes bleibe; aber auch biefer Weg konnte bei der Raubelt ver 
Thalſchlucht nur verhältnißmäßig etwas weniger ſchlecht, deqh 
nie gut fein. Die Entfernung von Herhemeh gegen S. W. ſchate 
J. Brant auf 6 geogr. Meilen (30 Mil. engl.) bis Egin, da 
Weg der gleich fchlecht für Pierd und Reiter war, fo Daß 13 Stra. 
Zeit darüber hingingen. — | 

Gamach over Kemach, fagt Inpfhinfhean,?6) hieß im U 
terthume auch die Feſte Ant (verfchieben von dem Ani in Chir 
f. ob. ©. 439); und die Hewichaft hieß Taran aghi. Sie 
Hört noch heute dem berühmten Stamme Saghr-Oghlu, imbem | 
der Sohn immer an die Stelle des Vatere, ald Bey von Gama ; 
eintritt; doch fleht er einigermaßen unter Erzingan, deshalb der Be \ 
auch mit ber dortigen Behörve in Freundſchaft zu Bleiben fudt | 
Die Provinz iſt reich an Wohnpligen, an alten und neuen Darf 
ſchaften, von Armeniern, zumal aber von Türken bewohnt. 3 | 
Flecken flehen unter ver Herrichaft des Beys. In. der zugehlcige 
Landſchaft Tusla befinden fi in Seen, deren Wafler aus km 
Gebirge fommt, Salzquellen, nud habe von dem Borfommm 
des Steinfalzes in Bruben und Höhlen vie Provinz den Name 
Taran aghi (f. oben vie Etymologie) erhalten. Ihre Vieh 
liefern vortrefflichen Käfe; berühmt iſt Dort der Bogelfang 
Der Vogel Tut Eufhi, groß wie eine Wachtel, von weißer u 
ſchwarzer Farbe, iſt ein Liebhaber ver Maulbeeren (Tut), von vum 
er auch den Namen erhalten. Aljährlich zur Reifezeit verbreiten I 
diefe Vögel in ungeheuren Schaaren, zumal in den an Maulbuum 
fo reichen Umgebungen ver Stabt. Dad Fleiſch diefer jungen Bigd 
iſt ſehr ſchmackhaft und dient ven Bewohnern zur Naben 
Dtter?7) macht diefe Vögel zu Wachteln und vergleicht fie ui Im 
Wachteln ver Israeliten und denen, die im Koran Selva kan 
Die türkifchen Geographen 7°) flellen diefen Wachtelfiug, ie 
‚in Wolfen die Sonne verfinftre, als ein alljährlich tue Srügiug 
unter Regengüffen fich erneuernded Wunder dr; v. Hammet 
meint, e3 Eönnten, vieleicht die nur von Cypern ans befenmin 
Baccafiguen fein: denn die Vögel werben ald große Deikoniufe-ge 
zühmt, die füß wie Honig fchmeden; fie werben auch no 
und ald Handelswaare verſchickt. 


416) Indſhidſhean, Neu⸗Armenien ©. a DR Ueberf. v. 
77) Otter, Voy. I. 9 103. 
I 4 6. 6863. 6. v. Hammer, —* m 









. 
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Euphratſhſtem; Feat, Kemalh, Feſte Ani. 785 | 


Die Feſtung Ant mit ver Stabt, gewöhnlich Gam ach ge- 
aunt, if am Gipfel und Abhange eine® Berges gelegen und mit 
mer Mauer umgeben, melde halb durch. die Natur, halb durch bie 
bunft erbaut if. Es Hat dieſelbe nur ein ingangsthor. Sie if 
a Wahrheit unnahbar, fagt Indſhidſhean, und nur bie Oftfeite 
es Berg und der Weite ift nicht jaͤh abgefchnitten, fondern fleigt- 
Umählig hinab. Sie hat Wafler in Ueberfluß durch lange zu ihr 
jeleitete Röhren. Außer. viefen geht aber auch noch ein langer 
kanal von ber Feſte bis zu bem nahen Bach Tanadr tſhai, mit 
iem durch denſelben geblideten Teich, der fie fortwährend mit Waſ⸗ 
se verfehen kann, wenn der Feind bei einer Blockade auch jene 
Röhrenleitung unterbrochen haben ſollte. 

-Der Einwohner find 1500 meift türkifche Familien, und nur 
venige armenifche; dem Umfange nach könnte der Ort aber 4000 
familien herbergen. Noch ſtehen 6 fleinerne Kirchen innerhalb 
er Feſtung. Am Fuße des Berges ift vie Ebene, welche ver Frat 
eipült, fat ganz In Gärten verwandelt. Außerhalb, nur wenig 
ntfernt von ber Feſte, Ik ein Engpaß, durch Kunft in ven Felſen 
«hauen, fo daß eine Felsmaſſe auch noch deſſen Decke bildet (alfo 
in Tunnel), unter welcher ber Reiſende feinen Weg nimmt. Am- 
Iusgange dieſes Engpaſſes ſieht man vie. Geftalt eines ſitzenden 
Renſchen, gleich einem Siegel in ven Felſen eingedrückt, von dem 


ie Gage geht, daß Ali daſelbſt geſeſſen und dieſen Eindruck zurück-⸗ 


elaſſen. Die türkiſche Geographie 79) nennt dieſen Berg Kepan, 
md dieſen Felſen Ali Kiafi oder Kirli Kia, weil bier Ali aus⸗ 
eruht haben fol. Nahe dabei ragt .ein dider Maſt an 2 Ellen 
velt hervor, deſſen Ende tief im Felſen fledt; «8 fol vie Lanze Ali's 
An, die er mit gewaltiger Kraft in den Beljen Hineingefloßen. Unfern 
avon ſteht ein ſeht alt erbauter, fteinerner, ſpitzer Thurm am Wege, 


md dicht dabei ſieht man nahe der Holzbrüde im Felſen 2 Roß⸗ 


rappen eingedrückt, doppelt fo groß wie die gewöhnlicher Pferde. — 
Da der britiſche Eonful I. Brant jogleih den Rüdweg über biefe 
Zrücke auf die Weftfeite des Frat zur Gebirgspaſſage nahm, fo bat 
e leider dieſe Merkwürdigkeiten nicht geiehen, von denen es uns 
weifelhaft bleibt, ob fie blos Täufchungen zu Liebe des Legenden⸗ 
vefens ſind, ober ob fie vielleicht als Sculpturen aus einer älteren 
yeit für fünfege | Wanderer einige Aufmertſamteit verbienen. 


a v. Hammer, aſiatiſche Türkei, Diener Jahr. 1821. Bb. XIV. 
. BI. 
AAitter Ortlande X DV _ 


% 


N 











786 Weſt⸗Aſien. TI. Abtheilung. J. Abſchaatt. 4.39. 


Sobald man die Golzbrücke über ven Frat, deren auf 
Brant erwähnt, paſſirt hat, fo, erzählt Indſhidſhean wei, 
bemertt man drei Türpe oder Gräber, Sheitler mezerl 
bei den Eingebornen genannt; fie find gemölbt aus gehauenen uab 
aus "Ziegelfteinen, haben aber verfchloffene Thüren, fo daß man ia 
zweien derfelben nur durch die Fenfter eine Menge fleinemer Erg 
wahrnehmen kann, im dritten if} aber außen auf einen Kaften da 
ſchwarzer Leichnam gefekt, mit einem grünen Kleide bedeckt, mit 
rothlichen Malen von Wunden auf der Brufl. Diefer iR geehn 
von den Xürfen,, die ihn Ag golun Padiſhah nemen, d. i 
König des türfifchen Stammes Ag gojunli. Der Wächter vafcihk 
verwehrt jedem Ebriften ven Bingang (man fönnte hiebei am eimin 
Märtyrer Huffen der Serte Ali's denken). 

Bei den Gräbern, an derſelben Seite des Flußufers, ſieht men 
eingehauene gewölbte Felsgrotten, unfcheinend Wohnungen ws 
Anachoreten. 

In feiner Nachricht von Alt⸗Armenien kommt In dſhidſhean 
auf daſſelbe Gamach unter dem Namen Ani zurück: denn biedwe 
der älteſte Name der Feſte mit einem daneben liegenden Wilden, 
deren Erbauer aber unbekannt geblicben. Schon zu den Zeiu 
Artaſes, des Tigrancs Vater (ſ. ob. ©. 113), wird dieſe See 
genannt, als dieſer kriegeriſche Fürſt feinen weſtlichen Nachbarn = 
tee anderer Beute auch die Götterſtatüen der Grie chen ab 
führte,.die er für Armavir (f. oben ©. 449, 467) beftimmt Gele. 

Da’ aber indeß bei ver Rückkehr feines Heeres eine Empdrung mb 


ftand, in der er felbft fein Zehen verlor, erzählt Mof.Khor. El 


fol. 104), fo ſeien die Statuer ded Zeus, ver Diana, Miu, 
des Bulcan und der Venus nur erft bis zum mittlern Sms 
nien vorgerüdt .gemefen, mo fle dann in das Gaftel Ani gei 
men. In diefem hätten dann auch vie griechifchen Priefter ihr Mi 
gefunden. | ' 
Als nun Tigranes den Thron beflleg, forgte er (nach Mies 
Khor. Il. 13. fol, 108) vor allem für die bortige Erbauung won 
Tempeln für die Götter: denn die mitgebrachten griechiſchen Weiche, 
- ie nicht weiter nach Armenien bineingeichleppt fein‘ wollent, «file 
ten, daß Hier zu Ani der Sig ihrer Bötter fe. Tigranes gl 
ob. ©. 530) willfahrte ihnen, und erbante In ver Feſtung Uuitem 
olympifchen Zeus einen Tempel, ver Athene einen zu Zpiln, 
bee Artemis (Anahiv) zu Eriza (Erzingan), dem Bulcen x 
. Bagariny. Die Statue ver Venus, ald der Geliebten. ded He⸗ 


— 








mphrachtfi.; Frat, Ani, Konigsſitz der Arſaciden. 787 


icles, ſtellte er neben deſſen Standbilde in der Stadt Aſtiſat 
if. Zugleich ließ er nun die Befehle an alle Optimaten des Lan⸗ 
8 ausgehen, daſelbſt ihre Opfer zu bringen, gegen Androhung 
ter Beftrafungen. So ver Tyrann, der auf ähnliche Weiſe wie fein 
ohn die Tigranorerta (j. oben ©. 87, 113) ſchnell empor- 
Angen wollte. Unter dem fpätern Ufurpator Er ovand vom Ar- 
icidiſchen Stamme (f. ob. ©. 449, 465), erfahren wir (Mos, 

hor. 11. 50. fol. 168), wurbe dieſes An! audy der Sitz des 
rmuzdpdienftes, denn dieſer König feßte Tafelbfl den Ober⸗ 
rie ſter des Ormuzdeultus ein; zu gleicher Zeit diente ihm Ant als 
taategefängniß. Aber Ani iſt auch die Reſidenz ver 
tfactden= Könige, wo ihr Schatzhaus war und bie Brab- 
ätten der Könige Armeniend Daß hier auch Tempel» 
echive waren, kann nicht überrafchen, und wir haben ſchon oben 
5. 565) des Prieſters Olypius zu Ant ermähnt, aus deſſen 
achrichten Mof. Khor. ſchöpfte, welcher ihm daſelbſt einen Scriba 
‚crorum nennt (Mos. 'Khor. II. 45. p. 160: Olypius Anii sa- 
rdos fanorum historicorum seriptor). Nod mehr geht dies aus 
r Stelle über Bardeſanes ) Hei Moſes Khor. (I. 63. fol. 
35) hervor, dem Beitgenoffen Kaljer- Ant. Caracalla (f. ob. S. 565), 
z als Gelehrter feiner Zeit vieles gegen die Verehrung‘ des Fa⸗ 
ins und der falfchen Götter fchrieb, und deshalb auch nach Ar- 
enien kam, ſchon vor St. Gregor, um die blinden Heiben zu bes 
hren. Da ihm dies nicht glüdte, fagt Moſes, ging er in bie 
efte Ani, flubirte daſelbſt die Tempelgeſchichte, darin auch 
ber die Thaten ver Könige berichtet ward (alio Tempel» 
zoniten, ganz wie Gerobot von ihnen ſprach, wie Mar Ibas fie 
ittheilte u. a.). Dann gab er, fährt Mofes Khor. fort, von dem 
jeinigen hinzu, was er, nur Immer hatte, und überfeßte dies alles 
8 Syriſche (ipäterhin ward diefe Geſchichte ins Griechiſche über- 
gen). Das heut zu Tage fo ganz verfunfene und vergrffene 
(mi, wohl zu. unterfchelden von ihrer fpäterhin glanzvoll fi) erhe⸗ 
enden Ramensfchwefter in Shiragh, iſt alſo in jener früheſten Zeit 
ir Armeniens Culturgeſchichte von großer Bedeutung. Durch St. 
jregor wurde die Statue des olympiſchen Zeus und ver 
‚empel des Ormuzd zerflört und zur Kirche gemeiht; ſpäter⸗ 


er Bardesanes, ssance,, „Enosticus Syrorum primus hymnologus, ad. 
vergl. Neumann Jahrb. für wiſſ. Keitif. 
18%. ©. 


| DAR 








788 . Weft-Afien, BIT. Abcheilung .I. Abſchnitt. 1.39, 


Bin, durch Sapor ven Saffaniven, wurde dieſe Feſte Ani doch mit 
Gewalt erobert, ver. ganze Föniglihe Schad dafelbft beraukt; 
auch die vortigen Königägräber der Arſaciden (vaber nah 
St. Martin’t) der Name Gamakh, d.h. Knochen reſte, im Arme 
nifchen) wurden durch den Saffanivifchen Feldherrn, ven Apoflater 
Mehrufben (f. oben ©. 573) aufgerifien, und deren Gebeine 
zum Schimpf dieſer Dynaftie, oder aus andern abergläubifchen 
Sweden (was Mos. Khor. II. 27. fol. 260 ‚dahin geftellt fein läßt) 
entführt; nur die ded Sanatruf blieben (nach Faust. Byz. IV. 2). 
Aber auch nach Perfien Eamen die verbrecherifch geraubten Gebein 
nicht, wie died der Plan. geweien, ſondern fle fanden am Fuße nd 
Arakadz ihre Ruheſtätte (ſ. ob. ©. 463). Damals wurden auf 
ale Bewohner Ani's, bis auf die Säuglinge, durch das Schwen 
vertilgt. Zwar fol fpäterhin dafjelbe Ani ‚wieder äls Schaghen 
gebraucht worden fein (Mos. Khor. III. 45. fol. 286). - Wenn d 
ſchon als Aſyl ver unglücklichen armenifchen Prinzeffin KHosrani 
tucht und deö General Ova Amaduni, nad) dem Tode des a: 
menijchen Königs Khosrov I., den Saffaniven unter Ardefhir nah 
einmal tapfern Widerſtand lafteie, fo war doch fein Glanz off 
bar dahin, und feine literariſchen Schätze gingen mit andern db _ 
en oder altſyriſchen gemaltfam zu. Grunde (ſiehe obe 

S. 573). 

Die folgenden byzantiniſchen Kaiſer legten in die Feſte, die nam 
ihres antiken Namens Ani verluſtig geworden, und von ihen 
Kamach genannt wird (Kauuya b. Constantin. Porphyrog. da 
_ administr. imp. c. 50,22. ed. Imm.Bekker, Bonn. 1840. Vol. M 
p- 226; u. Bar, Hebr. in Chron. Syr. p. 128), zu verfchieaenes 
Zeiten fehr ftarfe Garnifonen ein, zum Schug ver Oftgrenzei 
res Reichs gegen den Andrang der Mufelmänner. Bei. im 
Schrififtellern des 12. und 13. Jahrhunderts, bei Sammel 
Barian,2) wird der Ort Gamach genannt, und damit dann an 
bie ganze “Provinz bezeichnet. Auch die Gricchen nannten ihn fen 
im 7. Iahrh. fo, da ver Eptfcopus von Toranagki, auch ms 
Gamach genannt, bei dem 7. oefumenifchen Goncil zu, Genen 
nopel zugegen war. Der latelnifche Interpret fügt hinzu Anslr 
plensis Episcppurs, ald ob Taranaghi und Analibe Fr" 
Analipla (bei Ptol. V. 7. fol. 127) gleichbeveutenn waͤren. Ib 


mer — 


®ı) St, Martin, Men. sur ar. 1. p. 72. 82) Vartabiod Vertes, 
Geogr. b. St. Martin, Mem. Il. p. 433. Er 








Euphratſhſtem; Ani, Gamach. 7389 


ſhidſhean Hält dafür, der Name Gamach ſel von ver benachbarten 
ſyriſchen Provinz Comagene (f. ob. S. 73) erſt entlehnt, und 
daraus Gamach⸗Ani entſtanden. Er führt zwei Eroberungen ded 
Ortes, vom Kaiſer Leo, dem Armenier, im I. 814, und vie ber 
Osmanen im Jahr 1520, an. In der odmanifdhen Befchichte wirb 
aber das Jahr 1515 ald das Jahr ver Wievereroberung Gultan 
Selims 9) angegeben, ver einen eignen Kriegszug dahin von 
Amafia und Siwas aus für eine Ehrenſache hielt. 

Die türkiſchen Geographen 8) des letzten Jahrhunderts nennen 
den Ort noch einen der feſteſten Plätze im türkiſchen Reiche, der einſt 
Bayazed erobert ward, aber unter Timur wieder verloren ging. 

Er ift nad Ewlia berühmt durch dad Fabrikat feiner Leinwand 
zu Zelten, wie e8 Erſendſhan durdıfeine Schaafe und Bai⸗ 
burt durch feine schönen Mädchen ift; daher das türfifche Sprich 
‚wort: „Kumachun beſi, Erfendihanun kuſi, Baiburdun 
kiſi.“ Derſelbe Autor ſagt, daß nicht weit von Gamach im 
Diſtrict Urla Berggruben, ergiebig an Gold, Silber und Kupfer, 
fich befinden follen, und daß dieſes Maaden, d.i. die Fundgrube 
Gamachs, zu den vorzüglichflen gleichnamigen Bergſtädten des 
osmanifchen Reichs‘ gehören fol. Auch mird in der Nähe von 
— ein Ort Kirkkeliſa, 85) d. h. 40 Kirchen, genannt, 

ver jetzt zerflört ft, aber von den vielen Kirchen, vie einft daſelbſt 
‚Randen, feinen Namen erhielt. Nachdem Indſhid ſhean in feiner 
Beichreiburig von Gamach noch über 30 Namen von türfifchen 
Ortſchaften angeführt har, ſchließt er mit Aufzählung zweier türfi« 
ſcher zu Gamach gehöriger Diftriete, Gertfhanis und Kuritſha, 
die unter eignen Begs flehen, und ihren Tribut für Erzerum an 
den Gouverneur von Gamach zu entrichten haben. Kuritiha, ſagt 
ex, habe ven Namen von einem trodnen Fluſſe, ver es durch 
ſchneide, aber 6 Stunden fern vom Euphrat fih im Sandboden 
verliere, im Frühjahr aber anwachſend zum Euphrat falle. Bet 
dieſeim Fluſſe fei ein Berg, wo man fo vurdhfichtigen Marmor 
(mol Alabafter, wie bei Maragha Erof. IX: ©. 845) finde, daß bie 
Großen des Ortes deſſen Tafeln flatt des Glaſes in die Fenſter ein» 
fegen. Der Erdboden fei daſelbſt nicht fehr fruchtbar (dies moͤchte 
vielleicht noch eher auf Gopsboden und Marienglas hindeu⸗ 


2) v. Hammer, oamauiſche aeiüihte. Th. II. ©. 425 
°s) v, Sammer, aflat. —*8 . Sahrb. 1821. Br. XIV. ©. 31; - 
derſ. in osmagifhe Geſch. B ‚©. 248. II. 425. 26) Judſhid⸗ 
ſhean, Ne a. a. O. 


N 











790 Defräfen, I. Abtheilung. L bſchain. 9. 


im). Ein Martifleden an dieſem Kuritfha, Hafan ova g 
nannt, werde von Armenien und Türken bewohnt. 


5) Egin, Akin, Agn Aguntfi, ein. AfyI der Armenien. 

Agn der Armenier, auch Aguntſi, Alin ver Türken, 9 
wöhnlih Egin (Eguin bei Otter), hat feinen Namen von cam 
Agn ©) oder Duelle, die in ver Nähe liegt; dic Stat wurde MR 
im 11. Jahrhundert durch eine Colonie Armeniee gegründet, ie 
mit Senek'harim, König von Basburagan , aut Asia mine 
kommend, ſich hier niederließ. Sie gehörte früher zu Siwas, 9) 


gegenwärtig zum Sandfhakat Arabkir. Sie liegt im wer Abi ° 


{ung von Armenia secunda. in ber Armenia minor. Erſt vu 
Brants Beſuch 1835 und durch v. Moltke's, der 1839 tm Apel 
bis Hieher gegen den Norden vorbrang, find wir über dieſen merk 
würdigen Ort durch AUngenzeugen belehet, da er zuwor kaum 
dem Namen nach gekannt war. Don feine armenifchen mi 
ber griehifchen Kirche unirten Gemeinde ift ſchon fee 
(ſc oben ©. 638) einiges. angefühnt, worauf wir bier nur zuchde 
weiſen haben. 

Egin, fagt 3. Brant, liegt ss in einem fee tiefen Ih, 
auf dem rechten over weittichen Ufer des Frat; es iſt von allen 


ten fehe ſchwer, dem Orte zu nahen. Wir ſetzten af einer Iuugm 
Bolzbrücke über ven Strom, um zu ihr zu gelangen, da unſer u 


weg auf ber linken Seite lag. Sehr viele Dörfer im Thale ih 
faſt eben fo flark berdlkert wie.bie Stadt. Die Berge erheben Fü 
am FSlußufer fehr fteilftugig empor, bie ganze Keste erteicht wil 
4000 Buß Höhe. Das Thal iſt fo eng und daher won ihmen we 

bedroht; vie Berggehänge find mit Gärten bedeckt, mit dichten Bamas 
gruppen, Terraffen über Terraſſen, und vie Hänfer Ingen Yanııf 
und darin wie In emem Walde. Der Gontraft zwiſchen dem ne 
deren Ihelle ves Thales und den fleilen Geben % 
68 begrenzen, ift auffullend; ich ſah, ſagt J. Brant, wie dee | 
feltfames Thal. Das Clima if feld wild, augenche, nor 
im Sommer Tühl, durch die vielen Bäume und vie Make, wur 
ven Luftzug im Thale. Im Winter luͤgt mur ſelten cimmial ik 
wien Thalboden, aber die hoͤheren Verge iderden "ber ν 


se) St, Martin, Mém. sur FArm. I. 10. — 
—— 8. Yabıh. i8g1.. wir. 6 " 


Journ. L c, Vi. p. 








| 


| 





} 


| 





Euphratſuſtem; Grat, die. Stadt Egin. 791 


bar, und wochenlang If dann nicht felten alle Verbindung zwiſchen 
dem Thal und den Lanrichaften jenfeit ver Berge abgefchnitten. Die 
Stadt bat 2700 Käufer, davon 2000 von türfijchen, 700 von atz 
menschen Familien bewohnt werden. Diele ver benachbarten Dörfer 
haben 400 bis 500 Käufer, aber jehr wenig Aderbau, weil es an 
Wene fehlt, dagegen find fle ganz von Bärten eingehült. Maul⸗ 


- beerbäume, vefien weiße Srucht Hier eine Hauptnahrung aus⸗ 


macht, find dad Hauptgewaͤchs der Gärten. Ihre Beere wird auch 
getrodnet und Brauntwein darüber abgezogen; gekocht wird fie zu - 
- Betmez oder einer Art Syrup verbraudt, den man hier au 
aus Weintrauben (richtiger Pekmez, d. i. verdichteter Trans 
benfaft) bereitet. Wein wird nur wenig gemacht. Gemeines Obſt 
wãchſt hier in großer Menge. Der Kropf iſt hier ein allgemeines 
Nebel; ein Mann erzählte daſelbſt J. Brant, daß dieſe Krankheit 
in feiner Familie erblich ſei; alle feine Kinder waren damit behaftet, 
Dagegen die Kinder feines Vaters von einer zweiten Frau davon 
verſchont geblleben. — 
Mit dieſer Beſchreibung von Egin ſtimmt auch v. Moltke's 
Bericht überein, ver noch mehr von ver Lage überraſcht war, da er. 
nicht vom Thale aus der Tiefe, fondern ‚von den wilden Gebirgs⸗ 
Höhen der Weſtſeite fi) gegen Nordoſt dem Fratthale näherte, und 
als er kaum ven ſchroffen Bergkamm erreicht hatte, das Thal des _ 
Guphrat vor fi fah, und tief unten im Spalt die Stadt Egin. 80) 
‚Diele Stadt und Amaſia, jagt v. Moltke, fein das Schönfte, 
was er in Aften gefeben babe; Amafia iſt noch jeltfamer 


amd merfwärdiger, aber Egin iſt großartiger und fhöner, bie - - 


Berge find gewaltiger, der Strom bebeutenver. Egin beflcht nach 
ihm aus einer Gruppe aneinander ſtoßender Dörfer; denn alle Häu⸗ 
fer liegen mitten in Gärten, von Nuß- und Maulbeerbäumen, 
son Bappeln und Platamen überfchattet; fie nehmen einen gro⸗ 
Gen. Flachenraum ein. Bon oben herab gefehen fcheint der Ort ganz 
im Thele wein zu liegen; unten am Fuße angelommen erblidt man 
Himen Shell vefjelben Hoch über ven Köpfen, auf allerlei ſeltſamen 
Klippen und Felöfuppen; vie fleilen Wände des Thales find bis 
1060 Fuf enwor ganz mit Obfigärten und Weinbergen bekleidet. - 


Sablueliye Kleine Gebirgowafſer rauſchen herab; an einem berfelben 


zählte v. Bette 5 Mühlen, von denen ver Fuß der einen immer 





*) v. *18 Sriefe über Sufäube und Begebenheiten tn ber Türkei, 





- 


192 Weſt⸗Aſien. III. Abtbeilung. I. Abſchnitt. 5.39. 


auf dem Dache ver andern flieht, fo daß dad Waller von Mb zu 
Rab fiel. Welchen Anblick muß dieſes Thal in ver Blüthezeit ai 
geben. Egtn iſt eine Haupiſtadt für Armenier; hieher, fagt von 

Molltke, flüchtet fly Her armenifche Saraf (Banquier) mit feinem 

erwucherten Schage, wenn der Paſcha, fein Principal, ihm eine due 
zwei Millionen Piaſter ſchuldig geblieben, und ex fi dann etwa mit 
eben fo viel Erwerb aus dem Kandel zu ziehen weiß; denn ex bei 
ihn um 2 id 4 Millionen übertheuert. Dahin zieht fich ver Kalfe 

oder armenifche Baumeifter, ver Bakal, oder Eßwaarenhändler, wie 
ber. Sam al, over Laftträger, zurüd: denn feit Tangem iſt ed Ge 
brauch, daß aus Egin ale junge Männer (wie aus Bau, f. oben 
S. 300) auf 10 Jahr in vie Hauptſtadt des Meiches ziehen, dert az 
der Peſt zu flerben, oder wohlhabend in ihre Felsthäler (wie he 
Savoyards) zurüdzufehren. Zu dieſen Leuten gehörte unſtreitig —2 
jener Banquier, der en Smith die Rachricht von Agn (f. ba 

S. 638) gab. 

8ier haben die Haͤuſer ſtatt der flahen archierraſſe orden te 
Dächer; jedes Haus hat eine fleinerne Subſtruction, in der Riemen 
wohnt, auf der aber 2 bis 3 Stockwerke ruhen, von benen ve 
obere ſtets das untere überragt. Oberhalb der großen Fenſter in 
den Häufern zeigt fich eine Reihe Kleiner runder Fenſter. Dies uub 
vieleB andre erinnert täufchend an das Innere von Gonflantinepd, 

in bem fo viele der Bewohner ihren - Erwerb fanden. 

Der Hohe Schnee (am 9. April) hinderte den Offlgier, weile 
am Euphrat gegen Norden aufwärts zu geben. Er kehrte auf 
einem andern als. dem Hinwege, nämlich in ber Richtung —X 
Sudoſt, ven Frat überſchreitend, zum Muran bei Pertek, mh 
fo nach Kharput zurück. Auf dieſem Marſche durch ein frühe 

gänzlich unbeſuchtes Ländergebiet kam er etwa halbwegs übte 

= Aſhimiſhgeſek, eine beträchtliche Stabt, vie bis dahin noch nf 

keiner Karte eingetragen war. Sie liegt ſeltſam zwifchen Feltzuun 

an einem fchönen Gebirgäftrone, an deſſen gegenüberliegender Sc 

eine fenkrechte Felswand von weichen Sanpflein eine Menge auf 
gehauener Höhlungen zeigte, die früher Txoglopyten zu Wohuuugs . 

dienen mußten. Da aber ein großer Theil ber Außen. Felaſche 

| herabgeſtürzt war, ſo fiel der Blick Hoch oben, ohne allen Zugang, 

‚nur noch in den Aufriß des Innern biefer Behaufungen Kia. 
Nahe der Stadt fah man einen präditigen Waſſerfall, der, ini 
ber Piffenache, über ven - Borfprung einer ſenkrechten Alewech 
fig in einem Saul 60 Fuß tief herabſiũrzt⸗ aber aa au —J— 











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in. \ 
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Euphratfoften; Grat; Arabgir. 798 


Tropfen auftgelbſt ankam. Diefe Schönheit iſt jedoch wahrſcheinlich 
nur 'mit. der Zeit der Schneefchmelze vorübergehend. Die. armenifche 
Geographie U) ſchreibt diefe Stadt TIſhemeſhgadzak, und fagt, 
vaß fle vorvem Hierapolis, vie "heilige Stadt, geheißen. Erſt 
feit der Geburtszeit des nachherigen Kaiferd Johann Tzimisces, 
der bier dad Licht ver Welt erblidte, ward ſie Stadt des Tzi⸗ 
misces genannt, und daher ver Name, ber bei den Syrern in 
. Shumufpty noch unfenntlicher geworden. Sie lag in Armenia 
quarta, tm'Gau Khozan (Xolav b. Constant. Porphyr. de ad- 
ministr. imp. c. 50. p. 226, 3. ed. Bekk. Vol. Ill. 1840), gehörte 
aber fpäter zum Sandfhak Amid. Don dieſer Stadt wird ver 
Winkel zwifchen dem Zufammenfluß beider Ströme. vollends gegen ' 
ED. durchſchnitten, und unter einem alten, fehr hoben Caſtell bei 
Bertet der Murad aberſchruten, dem Kharput gegenüber am 
Südufer vorliegt. | 


6) Arabgir (Arabker bei Subfhibffean, Areblir bei Dtter); 
Ercurfion noch Divrig (Tephrike, Nicopolis?). 

| J. Brant nahm feinen Weg in der Mitte des Sommers von 
Egin, am Weſtufer ve Frat, gegen Süd nad Arabgir; je⸗ 
Doch ohne ven Windungen dieſes Stromes zu folgen ſetzte, er mehr⸗ 
mals über fleile Berge und tiefe Thäler auf minder beſchwerlichem 
Wege ald der zuvor nach Egin genommene. Derkauf nes $rat?ı) 
iR Hier mehr oder’ weniger, durch Uintiefen und Klippen gehemmt, 
unterbrochen ; fein Strom fann nur zum Flößen des Holzes be 
nutt werben, das für dad Hüttenmerf und die Gruben von Kies 


ban WMaavden verwendet wird, nicht zur Beſchiffung. Nach 6 


Stunden Wegs (15 bis 16 Mi. engl), am Fluſſe entlang, verließ 
man ihn gegen Wet, überiehte eine Bebirgäfette, vie nach fanftem 
Abfieg zu dem erhabenen Plateau führte, auf dem Arabgir 
Hegt, in einem Abſtande von eiwa 12 Stunden Wegs (30 M. engl.) 
von Ggin, gegen ©. und SW. Brant hörte, es gebe vom 
Rorden noch einen beſſern Weg nah Arabgir als ven zurüdges. 
legten, nämlich ven über Hafan Ovah (Haſans⸗Thal), wobei 
man aber Egin vermeide, und fortwährenn weſtwärts in einiger 
Entfernung vom Fratthale entfernt bleibe. v. Moltke, ver den⸗ 
felben Weg, aber noch zur Schueezeit, Unfange April, und zwar 





*e) St. Martin, Möm. s. l!’Arm. I.p. 986. 2) J. Brant 1. o. 
P. 308. oo : 





FE Wefsätfien, TIL Pötpeiknig. E Sofäpnirt. 1.39. 


von Arabgir nach @gin zuruͤcklegte, gibt durch ſeine Beſchreibung 
ein anſchauliches BVild vom Lande. Arabgir,) ſagt er, iR eins 
bedeutende Stadt mit Obfgärten, in einer tiefen Schlucht; fie Dept 
nicht am Brat, ſondern an einem feiner rechten Zuflüffe, vew Arab⸗ 
girfut, der aber faft eben fo beträchtlich an Waſſer wie jener (jur 
Zelt vor Frühlingoſchmelze) war. Bon ba ging es nötelidh, immer 
gegen den vom Euphrat durchbrochenen ſcharfen Gebirgsorücken ve 
Munfur Dagh, ein weſtlicher Auslaufer der Dufik- Kette, hin. 
Die durchſetzte Gegend iſt en Plateau, auf dem noch Schnet lag 


uif eingeriffene Schluchten werden darin von vielen Bächen burg 





ſetzt. Die Blmbung durch den Sonnenflrahl auf den Schneeflaächer 
war bei dem ſchutzloſen Bez, ver allgemeinen türfiichen Kopftsadt, 
faſt unerträglich, und nur durch ven Gebrauch der Tataren, Schich⸗ 
pulver unter die Augen einzureiben, etwas Milderung des empfind- 
lichen Reizes zu gewinnen. Zumellen erblidte man zwei Därke, 
die belſammen zu Liegen fchienen, bis man, ihnen näher gekommen, 
die Schlucht exft ſah, die fie ſtundenweit auseinander Hielt. Cheges 
den Frat Hin wurde vie Landſchaft abwechſelnder. ben fo bed 
wie bie: zadligen Gipfel des Munfur, vie bis In den Somma 
hinein ihren Schnee tragen, über die Hochebene fldh erheben, auf 
der bisher der Pfad hinlief, eben fo tief fenkte fi ver Abgrem 
an ihren Fuß unter fie hinab. In diefer Schlucht fließt Der nie» 
liche Euphratarm tief unten, der braufende Strom eingejchlefie 
von Steilmänven, vie ſich in ſteter Anfteigung 3000 bis 4000 af 
erheben. Unten ift das Thal fo eng, daß ver Fluß es gan au 
füllt umd der Weg in den Fels ‚eingehauen und eingefprengt mer 
den mußte. Diefer Steinpfab, der oft fehr hoch auffleigt, blldet im 
Winter nie einzige gengbare Straße von dem armenifchen Godplauke 
nach Kurdiſtan, recht für Maulefel, um am äußerften Rande bei 
Abgrunves Hin zu traben. Den fleilm Winsungen folgend img 
die Thiere in einigen. Minuten unter bie Schnerregion hinab, in 
‚eine bebagliche Temperatur. Die Nacht überrafchte die Reiter. Ei 
mußten zur Höhe hinaufklimmen in das nahe ſchͤne Dorf Kaba⸗ 
nos. Es mar Heiler Mondſchein, unten glänzte ver Frat, ben 
ſchloſſen die Schneegipfel ihren Kreis. Bon Kabunos wurde uw 
auf ven Fußwege längs ter Thalwand, 1500 bis 2000 Fuß pub 
recht über dem Fluß erhoben, bingerktien, zu dem man fü. dia 
lich hinabſenk. Die Felſen traten nun immer naͤber — 


| 908) 9, Moltie, Briefe x. a. a. D. ©. 857. | “or 


w 





Euphiatſyftem; Frat, Arabair. 795 
fie nothigten an einer fcharfen Wendung bes Sttoms den Thalweg 
zu verlaffen und im endloſen Zicdzads eine ſehr beveutenbe Höhe zu 
esfleigen, von deren füharfen Kamme man nun ven Cuphrat unter - 
fü liegen Hatte, aus deſſen Tiefe vie Stadt Egin herauffleigt, von 
veten Lage ſchon oben die Rede war. 

Egins amphitheatraliſchen Bau über dem Cuphrat Bat ung 

der franzöfkfche Neifende und Akademiker Otter bewundert, der Im 
Jahr 1740 bis dahin vordrang und dann auf einem von ihm als 
furchtbar, und siegen‘ ver Kurdenräuber gefahrvoll beichriebenen, 
wilden Gebirgewege in 2 Tagen weſtwaͤrts bis nah Divrigat®) 
vordrang. Diefer Ort und diefer Gebirgsweg ift, mie es fcheint, 
uach ihm von keinem Europäer wieder befucht worden. Er hatte 
ven Weg nah Egin (das er Eguin ſchreibt) von Arabgir 
(Asebkir Bet Otter) in einem Tagritt zurfidgelegt. Auch Arab⸗ 
air fol nach ihm nur zwei Tagmärfche in Of von Divrigui 
Zegm (mac Annsworth 7 geogr. Meilen), ein Ort ver in N.W. 
auf de Straße na Siwas, 3 Tagmärfche vom diefer Stat 
entfernt, and nur wenig gekannt iſt. Divrigui Miegt,%) nach 
Dit, 2 Tagreiſen in Of von Simas, aber auf der Weftjeite Des. 
Berges Tſhitſhek dagh, d. h. Blumenberg (was v. Sam⸗ 


mes") für eine türkiſche Verſtümmelung ber alten Benennung . 


Skydiſes Yalt, in veffen weſtlicher Verlängerung er allerringe 
Best; |. ob. S. 742). - Divrigni liegt auf ver Nordſeite deß Ha⸗ 
fan Daghe, gegen Süd an den Diftriet von Malatia ſtoßend. 
Gier Hegt die GStadt am Ende eines von zwei unfruchtbaren Bellen 
. gebilosten Thales, mit einem Fort, auf hohem Berge erbaut. Das 
VLghal zieht zwei Stunden weit, iſt voll Gärten, trefflich bewaͤſſert. 
Der Fluß fließt am Hafan- Berge vorüber unv fält in einem alte 
wen Fluß in Nord von Egin; Heine aber gehen, bald unter dem 
NRamm Keumar fu oder Kymyr fa vereinigt, unter einer Holzbrüde, 
Kamakh gegenäber, zum Euphrat. In jenem Thale it es auch, 
weh Nicopolis, die Siegesſtadt, verlegt wird, die Bompeius 
„an der Stelle erbaute, mo eu das erfiemal ven Mithrivates 
beſlegte. Sie Heißt Hei den Armenien Dinrig,%) vaher fie bie 
Byantiner T ephrite nannten. Bei Procopius (de aedif. II. 4. 


—— 





ej Otter, Vor. I. p 205, 308. °*) Cbend. II. p. 8B6. 
®5) 4, Damme, Drmanife Erle. EL ©2368, **) ge Martin, 
Möm. s. !’Arı. I, p.188; Mannert, Geoar. d. Gr. u. R. TH. VL 
.2.&, 318; J. A. Cramer, Geogt. and historie. description of 
Asia nilien: Oxterd, 1839. Vol. H, p. 150. 








796 . WefisAien. III Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.39. 


p. 253, 18. ed.’ Dind. Vol. II.) wird fle aus alter Zeit noch Ni⸗ 
copolis genannt, ald Kaifer Iuftinlan dieſem verfallnen Orte Ar 


J meniens eine neue Feſtung erbaute, zu gleicher Zeit wie zu Se⸗ 


bafte (d. i. Siwas). Mber Eonflantınus Worphyr. (de 
thematibus Lib. I. ed. Bekker. Bonn. 1840. Vol. III. p. 31, 16. 
nexo: Nıxonökewg xai sjg alovneıng Teppxäg) felı ven 
armenifchen Namen ſchon mit ven römiſchen des Pompeint 
zufammen, weldyer letztere aber bei den’ folgenden Byzantinern (3. ®. 
Cedreans, Hist. comp. Vol. II. ed. Bekk. p. 154, 21; 206, 
11 u. 0. D.) ganz vergefen wird, mo denn nur nad) der Ram 
Tephrike übrig Hleibt. Dio Caſſius (36, 6. $. 47.) fagt, 2} 
Pompejus den Sieg gegen Mithrivate® an der Grenze gegen 
Armenien auf einer rings von nicht gar zu hohen Bergen die 
gefchloffenen Ebene erfochten Habe, und eben bier feine Sieget- 
ſtadt für die unbrauchbar gewordnen Soldaten erbaute, zu bene 


fi aber fehr bald darauf gar viele Einwohner ver Umgegend ebe⸗· 


falls niederließen. Mithridates entſchlüpfte nur fo eben. fdas 
damaligen Niederlage und entfloh von da, die armeniſche Grenx 
des ihm feinpfelig gewordenen Tigranes meidend, Über bie Gebirge 
nad) Kolchid und zum Bosporus. | 

| Strabo (XI. 555), der diefe Gegenden genau kennt, ſchilder 
fle ganz fo, mie wir in obigen Berichten ihre wilde Natur anf 
heute noch Eennen lernen. “Der ganze Paryadres (die gegen ®. 
fortgefegte Dujif- Kette, ſ. ob. S. 734), fagt er, bat bei feine 
Waſſern und Wäldern, bei feinen zahlreichen Xiefthälern und wii 
zerrijfenen Feloſchiuchten ſehr viele Natur feſten, deren ſich anf 
Mithridated zur Anlegung ſehr vieler künſilicher Schlofſer es 
weniger als 75 gibt Strabo an, von denen er die wichtigften, die 

ihm auch als Schaßhäufer dienten, mit Namen belegt, wie dies mit 
Ant bei den Arfaciden ver Fall war) bediente. In der Außerfim 


| Roth, von Pompejus an die. ®renze ſeines pontifchen Meike ww 
. folgt, nahm er feine Zuflucht zu einem viefer Berge, der mit Kia 


vorrath verfehen war, und, bei Daftira (Saorepa) Alk 
nicht fehr fern vom Euphrat (hier offenbar auf defien We 
feite) .Iag, der Kleine Armenia von Alilifene trennt. . ie 
verweilte er jedoch nur kurze Zeit, weil er von Pom pejus ze 
Flucht gendthigt war, die er much Kolchis ergriff. An werſclka 
Stelle aber in Klein» Armenia erbaute Pompejus die Rice 
poliß, die auch zu Strabos Zeit ein angenehmer‘ Bepdert wer. 

Mir vieler —* ver Weecitãt von Divrig Rimmen: arch die 





Euphratſyſtem; rat, Arabgir. - 797 


meiſten Angaben ver Alten und Neuern?”) überein, nur ver Autor 
ber Acta Martyr. bei Wefjeling®) fagt, daß Nicopolis nur 6 
töm. Meilen fern vom Fluſſe Lycus gelegen fei, was venn jener 
Lage von Divrig widerſpräche und eher auf vie etwas nörvlichere 
Enderes, vie im Süden von Kuleh Hiffar, und auf der Süpfelte 
des Defpil Irmak (Lycus) gelegene Stanf, paflen würbe, wo nad 
E. Bores Entdeckung 9) auch Inferiptionen den Angabe des Procop 
widerſprechen follen (ſ. unten). Von Ainßworth0) Haben wir 
zuletzt eine Nachricht uͤber Divrig (Diwrifi b. Ainsw.) erhalten. 
Er nahm den directen Weg von Arabgir dahin, und brauchte 
dazu 11. Stunden Zeit; die Diſtanz gibt er zu 7 geogr. Meilen 
(38 Mil. engl.) an. Von Arabgir erftieg er gegen N. W. fogleich 
die kühleren Berghöhen von Arab Baba, vurchfehte einen 80 
Schritt breiten und 1 Fuß tiefen Gebtrgäfkrom, der vom Sarit⸗ 
ſhitſhek⸗Gebirg (vd. H. höchſter Pik) herabkommt, und mit vie 
fem gleichen Namen trägt, weiter abwärts gegen SD. aber ſich 
mit dem Arabgir fu vereint und zum Euphrat ergießt. "Der 
Strom kommt von dem Gebirgäthal des Dorfes Beraſtik herab. 
Ainsworth folgte dieſem aber nicht, fondern überflieg gerade ans 
das waldreiche Kalffleingebirg, kam dann in graflge Ebenen eines 
Baſaltſtrichs, ver vie öſtliche Fortſetzung jenes Gebirgszuges 
bildet, auf dem die Kurden vom Akjah Tagh bis hieher ihre Heer⸗ 
den auf die Weide trieben. Jenſeit wurde ein tiefer Paß durch 
Trachytfelſen durchſezt, und über den Erumbet Tagh die Stadt 
Divrig, an einem Zubach des Kymyr fu, erreicht. Die Stadt 
bat einen Bey und 10,000 Einwohner, darunter 2000 Chriſten, 
nad Ainsworth (im Jahr 1839). Die Lage ſoll noch ſchoͤner 
als die von Arabgir fein,.offener und freier, im Norden vom hoben 
Dumbugh Tagh begrenzt, im Süden vom Erumbet, gegen W. vom 
Yamur Tagh, im Oft von Felswänden. Das Strombette liegt vol 
von großen Blöden von Magneteifenftein. Der Fels über ver 
Stadt trägt eine große Caſtelruine mit Doppelmauern und faraces 
nifdiem Bauwerk. Dus Portal ver Mesjin zu Divrig hält Ains⸗ 
worth für eins ver fchönften, im blühendſten Styl faracenifcher- 
Architektur in ganz Weſt⸗Aſien. Auch ift darin cin Mihrab, d. i. 
eine Kanzel, in teefflichfer Arbeit nur dem des Al Iowelah in Mo» 


a) Mannert, Beast, d. Gr. u. R. Th. VI. 2. ©. 317; Cramer, 
Asia minor II. p. 150. Ä 26) Wesseling, Itin, Antonin. in 
Bieroclis synecdemus p. 703 not. E. Boré Corresp. 
I. p. 367, 393. ) Ainsworth, Travels and res. II. 0. 68. 


‘ “ > 
\ n 








798 Weſt⸗ Ai, TIL Abtheitung. I. Abſchnitt. 39. 


ful zu vergleichen. Die Gebe von Divrig blleb im Miitieieie 
unter den Byzantinern ein wunder Fleck ihrer Herrſchaft, va ſih 
festwährenn empdrerifche Sertiver (Manichier, Baulider m. a.), bie 
an ven arabifchen Eroheretn eine Stüge fanden, fich dert be 
haupteten. Sie wurde von ben Gelufhufen beſetzt, und dleſes Im 
Jahr 1243 von den Mongolen entrifien. Später kam fie an wei 
"Ganvfhalat von Siwas. Zu Dtters Zeit (1740) ſtand ihr cin 
Kurben-Aga nor. Er Hörte, daß in Oſten der Stadt, in einmm 
der bostigen Berge bei dem chrifllichen Dorfe Klesme, ſich reiche 
Eifenminen vorſinden follten, und ihnen in N.W. gegenüber 

trefflicher Magnet ſtein. Zwei Tagreifen in Süden davon, gegke 
Die Grenze des Diſtrictes von Malatla, llege Derende 1) (Des 

ranta ver Armenier, Turanda der Syrer), wit einem flache 
Fort und einem hoben Felſen, der wie durch Menſchenhand gefyeh 

tem erfcheine, um dem Fluſſe Akſu (Ak’ [su bei v. Hammer) ein 
Ganal zu eröffnen, der auch wirklich hindurchfließe in ven Ou 

Son wird weiter unten, nad Alnsmworths Beiuche, 2) We 

Rede fein, da der Alſu Bein andrer als der Tokma fu fein kan 


Von dieſer Abſchweifung nach ven benachbarten hiſtoriſch e 


merkwürdigen und doch früherhin fo wenig erforſchten Dinrig 
ehren wir nach Arabgir zurück, das weniger berühnnt me, 
bei Armeniern ſchon frühzeitig Arapger hieß, bei Byjantiners, 
aber unter bem Namen Arabrake (ziv ——— X 
Const. Porphyr. de thematib. I. 31, 13. ed. Bekk.) ver 
den wird. - 
Bon viefem Arabgir, hörte. Brant ) felen 14 Rarawın 
Zage n nah Aleppo (270 engl. MU.) und 11 vergleichen nah 

Trebizond. Das Clima daſelbſt fei fireng wegen feiner Hofes 
Lage; im Sommer Fühl, im Winter kalt mit vielem Schnee. B% 
Erntezeit Mitte Juli, alfo 2 Monat fpäter ala z. B. Die Gef» 
ernte in Suyrna, dad nur wenige Meilen ſüdlicher liegt. De 
iſt der Boden um Arabgir fruchtbar, ver Walzen gibt zurätffediet 
Korn, die Ouantität ift wegen ber vielen Kfippen nur gering, ab 
blos für einheimiſche Conſumtion hinreichend. O bſtwalbd ut 
die ganze Stadt; weiße Maulbeeren find au hier eine Geuhb 
nahrung wie in Egin. Der Ort zahlte 6,000 Käufer ut 4 


ser) Otter, Voy. II. p. 306; v. Sammer, Aflat. Türe, U 3. 1SBL 
MX x. 6. 4. 2) W. Ainsworth, Notes ea a in 
J. of Rey. Geogr. Soc. 1541. Vol. X. P. 8. b· au. ya 
L & VI. » N. 
















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Euphratfoftem; Frat⸗ und Murod⸗Verein. 79 


sBlemitähen und 1,200 armesdichen Familien. Diefe letztern follen 
eiſt Fabrikanten von Baummollenzeugen aus englifchem 
arn fein, das erft feit Eurzem bier eingeführt iſt. Diefe Manu 
ctur bat ſich daſelbſt ungemein ſchuͤell ausgebreitet; es follten eben 
hon an 1,000 Webſtühle in Gang ſein. Ueberhaupt iſt der Ort 
a Aufblühen; nah J. Brant eine der intereſſanteſten Städte im 
anern der armenifchen Luandfchaften. Ainsworth,:*) der ven 
rt im 3. 1839 ſah, beftätige die Angabe von veffen Gärten, dem 
hönen Elima, der gefunnen Luft, von dem Geſchick feiner Bewoh⸗ 
er und von ihrer Induſtrie; er fagt, daß fle häufig als die beſten 
temer nach Aleppo auf Erwerb andgeLen; gibt aber doch ver Stabt 
000 Seelen zu Bewohnern, davon 6,000 Armenier fein- follen. 
a8 enge tiefe Thal, in welchem Arabgir, das auch Arab kall 
mannt werbe, liegt, habe von den ſchwarzen Baſaltmaſſen, 
e feinen Cingang bilden, den Namen Göl Tagh und Kara 
aba .erhelten. 

Im Diſtrict Divrig, gegen Norden, auf dem Wege von 
rafan Ovah Hirte Brant von Eifenminen, bie aber jet 
Icht regelmäßig bearbeitet würben; wer wolle, £önne Erz zum Ver⸗ 
ymelzen haben, was auch Ainsworths Nachricht vom dortigen 
tagneteifenflein beſtätigt. Es fei aber Leine größere Arbeit im 
Jange. Bei einem Orte Zeitun, am Wege der nach Uleppo 
ihrt, follen andere Eifengruben liegen, vie dagegen regelmäßig 
arbeitet wurben, und welche das umgebende Land mit einem 
Retall von trefflicher Qualität verjehen. 


) Weg von Arabgir zum Eupratverein bei Kieban 
Maaden. 

Der Weg von Arabgir fünmärtd, nur ein Tagarſch nach⸗ 
jeban Maaden, gebt, nah I. Brant, 5) über eine wellige, 
ffene, unbebaute öde Landſchaft, die nur ſparſame Sutterfräuter für 
Inder und Schaafe trägt. Ehe man auf diefem Wege, an d_gecgr. 
Reilen (20 Mil. engl.) weit, wieder daB rechte Ufer des Frat er 
icht,, - paffirt man nur durch ein einziges Dorf mit etwas Gultur 
aber (ob etwa Rifhevan? wie Otter6) dort am Verein einen 
st nannte, ber von feinem neuern Reiſenden geſehen worden iſt; 





*, W. Ainsworth, Travels and researches in Asia minor Fr 
Lond. 1842. Vol. II. p- 9. ®) J. Brant, Journ. l.c. p. 206 
°) Otter, Voy. II. p. ah und v. Hammer, “a Türlei, in ®.3. 
1831. Br. MV. &. 86 








500 Weſt⸗Aſien. III Abtheilung. I. Mbfcnitt, $. 39. 


fo daß mir vermuthen mäüffen, der Ort babe gar nicht exiſtirt, jew 
dern es fei nur der Name eines Kurdenſtammes, Riſhwan, da 
mit dem der Reſhi auch anbermärtß, am obern Euphrat, genannt 


wird).7) Hier ſtoͤßt man auf die einzige ſchon oben genannte große 


Militärftraße (f. ob. S. 106, 702), vie von Samfun anf, 
alſo vom Pontus ſüdwärts, auf Reſchid Mohammed PBafchet 
Befehl nach Kharput gebaut ward. Die-Eile, mit der fie gemadt 
war, fühlen ihr, nad) Brants Urtheil, Eeine große Dauer zu verfpe 
ben. Hier envlich vereinigen fich beide Hauptarme. „Der Weſtarn 
rat, over Rara fu ver Türken, und der Oſtarm Murantfhel 
der Türken; doch behält der vereinte Strom bei ver heutige 
Anwohnern noch immer den Namen Murad tſhai, bis abında 
bei Bir dieſe moderne türfifche Benennung allgemadh ber ältefes 
Benennung Frat weichen muß, an die fo viele ehrwürdige Gxiume 
zungen gefnüpft find. ° Zwei Stunden unterhalb des Verein # 
bie Fähre, ein plumpes Boot, über den Strom, der bier 120 GR. 
breit, tief und reißend iſt, welche nach dem Siãdtchen Kjeba 
Maaden am dftlichen Euphratufer Hinüberführt. 

Diefer Ort Tiegt eine halbe Stunde von ver Fähre in einn 
Schlucht, welche ein Bergftrom durcheilt, ver nur eine ‚gering 
Strecke unterhalb ver Bähre zum Euphrat fällt. Die Stadt m 
dankt Ihr Entſtehen offenbar erſt der nahen Stibergrune: ven 
ein -andrer Grund in einem völlig dden, baum⸗ und firandlefe 
Bergwinkel ohne alle Spur von Vegetation fei, meint Brant, ſu 
ihre Entftehung gar nicht vorhanden. Die Zeit ihrer Grob 
‚und der erften Aufnahme ihrer Metallgruben ift uns unbckamt 
An der. rechten Seite des Frat⸗Flufſſes, Ihr gegenüber, feat, 
nad allen Itinerarien bis zur Tabula Peuting., »ie Lage des in 
 Dadcuta geweſen zu fein (Ptol. V. 7. fol. 127), vas nah Fin | 
VI.20, LXXV. M. pass. von Zimara in.Armenia minor, DI 
15 geogr. Meilen von Zimara abmärtd am Euphrat Tag, weiih 
dieſes Zimara zwiſchen die heutigen Egin und Kematg, e 
‘etwa 36 geogr. Meilen abwärts der Bratquellen im N.D. von & 
zerum, zu liegen fommen würde. Wir erinnern jedoch *28 
daran, daß wir dieſes Zimara der zweiten Erwähnung tel 
Plinius feineswegs, wie Mannert 8) und ale frühern Geg» 
phen, für identiſch mit dem anige Bell vorher vom a es 





| vr, v. Hammer, Klare Türkei, im ®. * 1531. 8,0. 6 ® 
*) Rosa, 8... AH. 6 0 








Euphratſyſt.; Kieban Maaden, Eilberbergwerk. 801 


wähnten Zimara in Armenia magna halten können, has nach 
Liciniaus Mueianus nur XII. M. pass. unterhalb. des Capotes- 
Berges (f.’0b. ©. 81), d. i. nur 24 geogr. Meilen, aljo. ganz nahe 
dem Urfprung des Euphrat liegen folte, movon auch in 
der folgenden Anmerkung die Rebe jein wird (j. unten). Die 
Kluft, in der Kieban Maaden liegt, wird duch den Zufammenfluß 
zweier Bergketten, die fi im fpigen. Winkel treffen, gebildet. So 
Heiß es auch hier im Sommer fein mag, ſo gewaltig ift doch im 
Winter der Schneefall, ver die Begend verfi. Die Bewohner des 
Stäbtchens, an 400 bie 500 Zamilien, find. in Arbeit over mit 
Auffiht der Mine beſchäftigt; der größern Zahl nach. follen es 
Griechen fein, Gebirgler, zwiſchen Trebizond und Gümiſhkane 
{f. 06. ©. 272) zu Haufe, aber auch Urmenier und Türken. 
Diefe letztern find die Directoren, vie Armenter die Handwerker, vie 
Griechen find, die eigentlichen Grubenarbeiter. Handel fehlt ganz. 
Die Dine hat filberhaltiges Blei, ſchien aber, nach dem brili⸗ 
ſchen Reiſenden, dem Gouvernement fehr wenig einzubringen. 
Schon in zer Mitte des vorigen Jahrhunderts, ald Otter?) viele 
Gegend beiuchte, fand er dieſe Minen noch fchlechter in Stand, als 
die zu Arghana am Tigris (j, ob. ©. 101). Nur 8 bis 10 
Scämelzöfen waren in Arbeit, fein Holz, Bein Proviant bier. Das 
Mehl zum Brot wurde mit Sand gemengt; die Hige war furchtbar, 
Der Ertrag des gewonnenen Goldes und Silbers unbebeutend, da⸗ 
mals wie auch heute. Diefe Silberminen find auch jegt10) noch 
im elendeſten Zuſtande. Die Türken bejchönigen dies mit der Aus⸗ 
fage, das Holz, welches zum Schmelzen auf die Mine verwendet 
wird, koſte ihr nichts, denn der Wald gehöre in ver ganzen Türs 
kei Niemand, oder Jedermann. Aber das Hiefige Holz muß noch 
vazu viele Tagmärfche weit hergebracht oder hergeflößt werben. 
Auch das koſte nichts, fügen fie, denn dad fei Frohndienſt. Aber 
des gewonnenen Silbers fei jo wenig? Das fei aber doch reiner 
Gewinn! — Wollte man jedoch, bemerft v. Moltke, ven Werth des 
Brennmateriald und ber Handarbeit in Rechnung bringen, fo würde 
man wol zu dem Refultate kommen, daß die Koften der Bearbei⸗ 
tung biefer Minen den Ertrag verfelben um das 3 bis Afache überfleige. 

Oſtwaͤrts von dem Städtchen fleigt man gegen, 4 Stun 
zen Wegs die Bergichlucht aufwärts, ehe man aus ihr heraustritt 
in eine zwar noch immer bergige, aber doch mehr offene und weit 





| 5 Otter, Voy. II. p. 283. 16) v. Moltke, Briefe a. a. O. 6.21. 
Ritter Erdkunde X. Eee 








802 Weſt⸗Aſien. II. Abthellung · I. Abſchnin. 139. 
fruchtbatere Landſchaft, aus ver man nach einer gleichen Wegſterke 


immer gegen Oſten, im die reiche, prachtvolle Culturebene voll Darf 


ſchaften eintritt, in deren Mitte ſich ver ſcheidende Bergzug erhebt 
der in einer Ferne von 6 geogr. Meilen (30 Mil. engl. im Sinef 
von jener Silbermine) mit der Feſtungsſtadt Kharpur gekrdat MR 
vie alle ihre Umgebung weit beberricht. | 

Pat! Lucas, der im Jahr 1700, von Malatia Fomment, m 
verſelben Führe auf einem fehr fchlechten, waſſerſchͤpfenden Boste Me 
den Euphrat ſchlffie, muß wol denſelben Landweg genommen Yabaı; 
wie er fagt, über Berge, Wal und Quellen. @s ging an cm 
guten Feſtung vorüßer, die, auf einem Fels über dem Fluß, in gutem 
Stande zu fein fhien, aber ohne Einwohner war. Er neunt fſe 
nicht; es kann wol Reine andre ale Kharput gewefer fein. M 
führen dies nur an, well’'er bemerkt, daß er außerhalb ver Web 
dung dieſer Berge zu einem antiken Tempelit) gefommen fü 
der feht Schön war, obwol er In Ruinen Ing. Die Türken Heim 
ihn in eine Moſchee verwandelt. Bon da blickte man auf den ib 
zu 30 Schritt verengten Euphrat. Nach ihm fcheint Rinne 
etwas von diefem Tempel wieder wahrgenommen zu Haben, See 
Localltãt von folgender Reiſenden beachtet zu werden verbiehte, 

Kommt man auf dem Wege von Siwas, d. i. sm RE 
4 Tagmaͤrſche fern, zu dieſem Euphratvereine, fo bat man eh ih 
große Taurudfette, die Im Welten des Frat gegen vie Ume 


nus⸗Ketten ſüdweſt wärts forıflreicht, zu Überwinven, ehem 


das Euphratgebiet ſelbſt erreichen kann, dem nun alle Waſſer wm 
ber Shd- und Südoſtſeite viefe® Querzuges zufallen. Die 
if die Fortſetzung des bei den Türken genannten Tfhitfhet 
Dagh (f. eb. S. 797) oder Sari Tſhitfhhek, gegen Dbärke 
Bin, wie des hoben Uluku Jaila, 12) Leilef Dagh, Well 
Dagb und anderer Gliederungen deſſelben Kettenzugesiui 
SB. gegen N.O., von denen vie am weiteſten gegen Wer zug 
rückte, der Delttig Taſh, d. h. der dutchbrochene Stein; li 
Tagreife im Oſten von Siwas, zugleich die Wafferfgeiue ii 
zwiſchen dem Kizil Ir mak (Galys), der zum Pontus zieht mie 
Euphratzuflüſſe, zumal ver Zuflüſſe zum ſüdllhen Totaniſe, 
Br unterhalb des Vereins bei Malatiyah zum Euphrat füR 


- Einen Tagmarſch im Often von Siwas erreicht man, nach Sn 
a FE! . ’ - Tau 


——— — 


#48) Paul. Lucas, Voy. au Levant l. c. L p. 208. 2. | nn 
u a. D. ©, 38T. u ? 4 In 


N 





— AM DENE EEE mm nn 
_ m 


eupbrarfften: Weflerfheide Delikte Taſh. 803 


Diem Steigen über Gochebenen, ſchon jenen Delikly Lafh; es acht 
an einer Tchönen, fehroffen Feloklippe voräber, und man hat vie Waſ⸗ 
ſeeſcheide zwiſchen dem fhwarzen und mittellänpifchen 
Meere erreicht; vie hoͤchſte Stufe dieſes Antitaurus ver Alten, 
ach v. Moltke, wo am Derbent13) oder dem Paßthore ein 
Möhned Odrfchen deſſelben Namens, früher ein Raubneſt, 8 Mo⸗ 
wet Winter haben fol, 5000, ober nad o. Mühlbach ſelbft 
7089 Fuß und vielleicht mehr, Aber dem Meeresſpiegel erhaben. 
Man ſah das Fundament eines feſten Schloſſes zur Behauptung 
ves Paſſes, der einſt von einem Dere Bey, oder Thalfürſten, 
deherrſcht ward. Aber Reſchid Paſcha Hatte neuerlich dort einen 
Ayan, eine Art Markgraf, eingefeht, um vie Sicherheit ver Straße 
ya bewachen; Bei ihm fanden die preußifchen Officiere gaftliche Auf⸗ 
nahme, ein erwaͤrmendes Kaminfeuer unter einem platten Dach mit 
Erbbecke über Fichtenflimme gebreitet, und von Holzfäulm In dver 
Ritte getragen; das Innere durch faubere Teppiche, Polſter und 
Abendeſſen ganz wohnlich gemacht. Als Dupre im Jahr 1808, - 
am 27. September,2*) Gier vurchpaffirte, war eben erſt die Ernte 
Mm Gange und das Korn ftand noch uf dem Halm; fo fpät fält 
Wer Die Herbſtzeit. 

Der folgende Tagmarſch brachte nur 10 Stunden weit über 
eine fanft gegm Süp geneigte, aber an fi fehr hochliegende 
Cbene, die, fo weit das Auge reichte, Mitte März nichts als blen⸗ 
bern weiße Schneeftächen in ver Nähe und Schneegipfel In der Ferne 
zeigte; Feine Spur von Vegetation war Hier noch erwacht, und was 
fi davon zeigte, waren nur bie und da in Felsſpalten geſchützte, 
verkruͤppelte Fichten. Der Schnee, aus dem fich hier die udrdlich⸗ 
ſten Quellen des Kaſykli fu entipinnen, des von Nor herabkom⸗ 
menden Gauptzufluffes zum Tokma fu (f. unten), lag überall 4 
Fuß hoch, doch Durch die herannahende Frühlingsluft ſchon aufge» 
todert und um fo ſchwieriger zu paffiren, da er faum noch den 
Sußgänger trug. Während des Winters hatten die Saumthiere el⸗ 
nen Fußpfün gebahnt und feflgetreten, jegt die einzige, etwa 2 Fuß 
breite, feftere Bruͤcke, auf welcher fich die Reiter in einer Tangen Linie - 
ziötfchen dem Schneefelde fortbemegen konnten. Eine zum Unglüd 
degegnende andere Karawane auf diefer engen Dammſpur brachte 
nun den. größten Aufenthalt und wahre Noth. Denn die audwei⸗ 


— — 


ie) v. Moltke, Briefe, a. a4. D. &. 209; v. Nihlsade we: 
24) Dupre, Voy. en Perse. Paris 1819. 8. T. 


an: 








804 Weſt-Afien. III Abtheilung. I. Mbfhnitt. .30. 


chenden Kameele, wie beladene Roſſe und Führer, glitten und für. 
ten zu beiden Seiten, Alles abzuladen und umzupacken half auf 
nichts; bald lagen die Verunglüdten mit den Ballot® wie Trummer 
gefcheiterter Schiffe umber, und die Pferbe waren meift nad) ben 
Durchbrüchen und Stürzen mit blutigen Spuren bezeichnet, ba ber 
nom vorigen Negentage halbgeſchmolzene Schnee wieder zu ſcharfen 
Eiskruſten erhärtet war. Solcher Noth entronnen mußte man frf 
fein, nur noch Schritt vor Schritt, wobei das Stürzen ver erfäpp 
ten Thiere nicht aufbörte, die dann am Kopf und Schweif wen 
den Saradihes (Bührern) barbarifch angepadt und mit dem Kantiis 
emporgehetzt wurden, vorwärts rüdend gegen Abend das Dörſche 
Alladſha Han noch zu erreichen. Es iſt dies außer noch cum 
das einzige auf der ganzen Strede von Siwas bis hieher (20 
Stunden), wo man ein Unterfommen beim Mollah finden fonnte. U 
led bis dahin ift Eindve, den Näubereten, früher ver Turfomanum, 
jegt der Kurven, audgefegt, daher die Hane oder Khane mit ihew 
Hütten feftungdartige Berfchanzungen bilden. In viefem Zufleniı 
fand auch Dupre 15) das Land; zur Herbfizelt meiſt nur win 
Hügel, in denen Escorten nothwendig waren. Es folle Hier, exfah 
er, viel Eifen und Kupfererz geben; an einem Ocherberge mi 
ſchwefelhaltiger Erde ritt er vorüber. Das Dorf Allapfha Khas 
fol vom Sultan Murad auf jeinem Feldzuge gegen Bayazed bes 
fein, und von den großen fihönen weißen und blauen Steinen fe 
nen Namen haben, aus denen es aufgebaut ift (Alladſh, d. h. bui 
Am folgenden Tage, ven 14. März, wurde von den preußiſcha 
Offizieren ver Ritt über diefelbe einförmige öde Ebene, die noch pe 
dem fidher 4000 618 5000 Fuß hoben Plateau 16) des mittle⸗ 
ren Kleinajiend gehört, 6 Stunden weit, doch meift ſchos da 
Senkung eines Guphratzufluflies abwärts folgend, fortgeſegt iint 
Haſſan Tſheleby. 17) Den Zufluß nennt Dupre. Kirs 
tſhai, d. h. trodner Fluß, und ſagt, er ſei der Grenzſtren 
zwiſchen ver Provinz Sivas und Kieban Maaden. Die tür⸗ 
tifhe Geographie läßt ihn von Kan tagh entfpringen, ge) 
nennt ihn Kirkgös, d. h. die ein und vierzig Queilen 9 
Dies türkifche Dorf am Abhange eines engen Thales dieſes Bu 
tſhai, mit feinen Hütten in bie Erde hineingebaut, zeigte nur. I 
s18) Dupre, Voy.-. c. I, 10) v. Moltke a. a. O. cr 


17) chend. ©.212; n..v. tions vr ,!). 
Tür m ©. 3. 1b. XV. 6 7 N 








* X 


Euphratſhflem; Kuru tſhai, Hekimhan. 805 


Abſtufungen von Erdterraſſen, über die man hinwegzog, ohne zu 
| ahnen, daß man über die Dädyer der Häufer reiten In Gefahr 
wear, buch den Rauchfang oder einen Einbruch in ihre Mitte hinab⸗ 
ı  zueflüsgen. Diefe Bauart, vie wir an der Ofl- und Nord⸗ und Süd⸗ 
ı grenze Armeniens ſchon hinreichend beſchrieben (f. ob. ©. 432, 682, 
; 697, 770),. beginnt alſo bier fchon auf ver Weſtſeite des Eu- 
ı phrats. Bon da führte ver Weg aus ver dven Einfdrmigkeit, die 
: mr buch wenige Weiden und Pappelbäume am Flußufer unter 
brochen wird, wieder durch das tiefe Felſsthal eines ſchäumenden Ge⸗ 
birgsbachs zwiſchen ven ſchweizeriſchen Winterhöhen des Orde han 
Daghs und des Surbchan Daghs hindurch, wo nun ſtatt der 
Böen Schneetreppenwege in der größeren Tiefe eine gemächlichere 
Stratße fülgte. Diefe Berge des Engpaſſes befichen nad Dupre 
aus Kalkſtein, darin auch Kohlenſchicht en 19) fich zeigen follen. 
Noch lagerten zu beiden Seiten mächtige Schneeberge, aber es wehte 
Schon mildere, italiſche Luft aus ver Cuphrattiefe entgegen; beim 
purpurfarbigen Uintergange ver Abenpfonne erreichte man den Blef- 
— Een Hekimhan mit einer Palanke oder Feſte, wo man eine Her⸗ 
berge beim Mutſellim fand. Der Hof des Gans oder Khans iſt 
son einer Mauer umfchlofien, und ſchützt einige Dutend Hütten mit 
einer Moſchee und einem Babe gegen plöglichen Naubüberfal. Zur 
Sommerzeit ein lieblicher Aufenthalt, uber doch auch ſchon wieder 
im Herbſt 20) einförmig und oͤde. Als v. Moltke zur Herbſtzeit, 
am 3. Ortober, dieſelbe Hochebene von Hekimhan nach Delikly Taſh 
paſſtrie, Rand das Kom noch auf dem Galme, die Leute ſchickten 
fich erſt zur Ernte an, und ſchon war einige Tage zuvor Schnee 
gefallen. Das Fruhiahr fängt Hier fehr fpät an, und bie Ernte 
zieht ſich bis in ven Winter Hineln. Bei Hekimhan fpaltet fich 
die Günfraße nach Malatia von ver Oftfiraße nah Kie- 
kan Maaden, die v. Moltfe verfolgte. Iene nahm: Dupre, 
ven wir weiter unten begleiten werben, fo wie 3. Brant im Jahre 
1835, der bieher von Malatia (nad ihm 7 geogr. Meilen oder 
36 Mil. engl. fern) kam, ‚aber in Hekimhan gegen Wehr nad 
Gurun zu den Quellen des Tokma fu abbog. 21) Er gibt dieſem 
armen Flecken 250 türkifche und 35 armeniſche Yamilien zu Bewoh⸗ 
WM. : Das Caſtell fol alt, im perſiſchen Styl, von einem Doctor 





"=00y Daprs, Vor. 1.p.58 20) o. melte 0. a. O. ©.808. I 
sı) J. Brant, Journey 1885, im Journ. of R. G. Soc. of London 
1886,. Vol. VI. p. 21 2. | 


J 





B _e u 


806 Weisen. IIL Abtheilung. I Mofgeikt, (39. 


(0. i. Gatim) erbaut fein, daher fein Name. Auf ben aut 
Kaltfleinboven umher werben nur wenig Früchte und Taback ge 
Saut. Die Weintraube Hat-bier aber ſchon wegen ber firengen 
Bisterfälte ihre Grenze gefunden. Der Weizen giekt 6 Dis Be, 
| Sen Ertrag. Der Kuru ıfhal war hier gürteltief. 
Am folgenden Tage, den 15. März, ging es durch Hefe. Wi 
ſchluchten und baumloſe nackte Bindven zu ver Gähe des Uge 
rula Oglu, von: dem über die niedern Bochähen, gleich den Ben 
alpen der Schweiz, ſich die weißen Hochketten des Taurus u 
AntisTaurıs mit ihren zadigen Formationen tm Morben a 
Meften erhoben, indeß ver Blid gegen Ofen, am Fuße eines M 
Ien Berges, in der Ziefe auf ben breiten Spiegel des Gupkeki 
füel, der son hier aus zum erſten Male exhlidt wire. Gin Aut 
Ritt von 16 Stunden, aftwärts von Hefimban, Hatte aäuik 
bis dicht an den Euphrat zum Kurvendorfe Sarai Oſhik p 
führt, we fchlechtes Ouartier, aber von wo das nächte Del 1 
erreicht war. Kurdiſche Frauen fah man hier im Brei us 
ſchen zwei kleinen fenfrecht in die Erde geſteckten Pfſhichen, vd 
einfachſten Webſſtuhl, gang Hübjche wollene Aeppiche ſerizea 
Zwar verhüllten fie das Angeſicht, als aber bie Kiuder wit da 
paar Muͤnzen beſchenkt wurden, ließen fle ihr fChwärzlichSeuuml, 
nicht ubles Ungeficht ſehen, deſſen Heiz fie darch einen Silheewen 
Ring in dem vechten Nafenflügel. gar ſehr erhöͤtht wähusen. G 
Ing noch der Schnee im Drte, wie an ven Winterjeiten Ser bench⸗ 
harten Hügel und Klippen, ein Zeichen ber no innmer gesfen 
abfoluten Höhe der nur fcheinbaren Niederung, wie m 
ganzer meilenweiter Kranz von Schnechößen ver Taurutketten umgah, 
Am 16. März, alfo am fünften Morgen. des Amerfie 
von Simwas, ſenkte man ſich von der bicherigen Godhebeite, adf un 
auch Sarat vfhit noch liegt, hinab in die tief eingeriieit Aa 
ſchlacht, zu ver man wel 2000 bie 3000 Buß Hisabzufbeigen Get) 
Die Gegend nahm einen viel wilder Chutarter am; bie Berge ¶ 
- en den Wogen eines Mürnrifchen Meeres. Reine Vogetatian⸗ Mk 
Buſch, nicht einmal Grus over Roos beleibeie Die nacktten Utlape, 
deren natürliche Faͤrbung aber auf das Abereuſchendſte nirhehple 
Anter den ſchwatzen, zinnoöberrothen und vra unan Seib 
wänden ſah man- die Schuttkegel und Boſchungen aus grses 
und Glansn Eetten angelehnt; eben bie weißen yaonpenlon ah 


Er) v. Mitt, Briefe, a, 0. D. 6.218; —R 




















3 
1 


/ 





3 


Espbaetſotſan; «Richan Maaden-eherfeht. 807. 


Über an Gipfeln den lichten blauen Himmel; In der tiefen, griſchen 
den Felſen fich hinwindenden Thalſchlucht den Euphrates ver Al 
von, die Naturgrenze des römischen Weltreiches, den. nur wenige 
Ber großen Imperatoren gegen ben Oſten üperfchritien. Alles war 
bier ode, wilb,. weglos, ohne Spur von Anbau, wie an einem Ende 
der Pet. 

Erk ‚ganz in der Tiefe, nachdem der Abenpländer ein pgar 
Binnen in viefen Anblick einer neuen Welt des Orients verſenkt 
Fahgeſtlegen war, erblidte er die Hütten des Fleckchens Kjeban 
Maadan, der Silbergruben, auf dem gegenäberliegenven hohen 
Wise ver ſchmalen Reihe zacktger Berge, die den Strom zu weiten 
Mindungen nörhigen. Der’ Cuphrat oder Murad, wie er au 
dier nach unser dem Zufammenfluß von ben Odmanen zur Grin 
nexuug an den Sultan Murad, 2?) fagt man, von dem zahllofe Fe⸗ 
Pen uud Anlagen an ihm berrühren, genannt wird, erinnerte feiner 


‚Brdbe und Art nad, ungemein an den vaterlänpifchen Strom ber 


Mofel #) Ganz eben fo if er bier, wie jener, zwifchen ſchroffen, 
Hohen Bergen eingeſchloſſen; nur ift die Mofellanpfchaft überall weit 


Uchlicher und angebauter: denn hier If alles baͤumlos und wahr 


Icheinlich zu jeder Jahreszeit ohne Brün. In den feltfamften Win- 
»ungen firömt ex reißend bahin, und tritt von hier an erſt nach 
zehnflündigem Laufe and diefem Wilngebirge, wo er unfern Mas 
Iasia nen Tokma fu (Melas.der Alten) aufnimmt. 

Rab Kjeban Maaden mußte man den Strom vom⸗Weſt⸗ 
zum Oflufer, wo er an 120 Schritt Breite haben mag, in ſeltſam 
gefoxmien Faͤhren, ſchwerfälligen Bontong, überſchiffen; an einem vor⸗ 
ſraagenaen Felſenkopf oberhalb iſt er nur 80 bis 90 Schritt breit, 
nahe unurhalb ver Ueberfahrt an 160. Gr iſt ungemein reißend, 
un hiex, ewa eine Siunde Weges unterhalb des Zuſammenfluſſes 
por Frat und Murad, auch im Sommer bei niedrigſtem Waſſer⸗ 
Banpe niemals zu durchreiten oder zu durchwaten. In der Mitte 
ws Bupbrat angefommen gleitet die Fäbre, mit Menfchen unp 
Bierden angefüllt, pfeilſchnell abwärts, als konne fle das andere Ufer 
gar nicht exxeichen, aber ein Gegenſtrom erfaßt fie und führt fle ges 


aga.gur Lanpımgöftelle des ligken Ufers zurück. 


WVax dem Pergwerbsbetrleb des Kjeb an Maaden haben wir 
ſchon oben geſprochen; neuere Unterſuchungen fehlen; die preußi⸗ 
————— vo. 
sb) v. Roitte Belt, a. a. O. 6.228 20) ebd. S.2B6; v. Mühl 

base Mic. nn 











808 Weſt⸗Afien. III. Abtheilung. I. Abſchniti. . 39. 


ſchen Dfficere waren Hier durch ihr Dienſtverhältniß von genauen 
Unterfuchungen abgehalten; fie eilten zum Sauptlager Hafit; 
Paſchas nah Kharput, deſſen Lage wir im Allgemeinen ans 
obigem fchon Eennen (f. ob. S.104, 702, 721), wozu noch Selgm- 
bed zum Scluffe viefes Kapitels Ginzugufägen fein wird. 
| Bon Kieban Maaden fleigt man 2°) durch ein tiefes trend 
verfale® Gebirgthal während 3° Stunden (Brant brauchte 4) ge 
gen Oſten aufwärts, dann erreicht man ein flaches, aber ho het 
Hügelland, auf welchem einzelne Kurbenbörfer zerfireut liege 
Am 19. März 1838 bedeckte noch Schnee die Gipfel umher, ib 
einzelne Stredden des Wegs das Schneegeflöber des vorigen Tage. 
Je weiter man vorrüdte, deflo dichter war das Land mit Bafalt- 
ftüden überfireut, wie ein aufgeriffenes Straßenpflafter, una be 
war Korm zwiſchen diefe Trümmer gefärt. Der verwitterte Bafalt 
gibt den trefflichften Kornbonen. Gegen Abend, erſt nach 10 Ehe 
Wegs, eröffnete fich die weite Ebene (von der au 3. Brest 
entzücdt -war, f. ob. S. 702), mit Dörfern und Weingärten ie 
det, von Bächen und Wegen burchichnitten, durch Pappeln u 
Nußbäume (Freilich damals noch ohne junge® Laub) verfäänet 
So: wurde dad Auge nad) der biäherigen Cindde erquickt, und fr 
den Anbli der nackten Berghöhen entſchädigt. Die Dörfer fake 
fattlich genug aus, die Häufer find Koh, aus an ber Sonme ge 
trockneten Backſteinen erbaut, mit Lehm überzogen, mit Ballen mb 
. Erdterrafien überdeckt und reinlich. Mitten in der Ebene erhebt ſich ve 
Hügel mit fchroffen Felswänden; auf ihm glänzte Die Stabt Afıs 
put mit einer alten Citadelle und einigen Minarehs in der mb 
fonne; aber rings umher in weiter Ferne fchlofien noch mm 
ſchneebedeckte zadige Bergreihen vie Ausſicht. Bine Kalbe Grube 
vor der Stadt, im Dorfe Meſſre (Mezirah bei Brant, ſicher nal 
allen übereinftimnenvden Maaßen der Alten vie Mazara bei:Pak 
V. 13. fol. 135, wie nicht Mahara, ſondern Maza rah ver Tel 
Peuting. XVIII. M. p., d. 1. 35 geogr. Meil. von Goldis,n. m O 
vom Goljik⸗ oder Thofpites= See entfernt; f. ob. ©. 103), wer-se 
Hauptquartier. Diefer Ort liegt nach Diffons urn GEutail 
Beobachtungen 3,395 F. Par. (3,618 3. engl:) 2%) ũb. d. Un, 
und unter 38° 40' 32” N. Br., 39 16° 15° O. E. v. 
“) d. Moltke, Briefe, a a. O. ©. 214; v. Nuhlbache . 
ei of og, Soc. of Lond, 1861. une; 
' les 85: 





Euphratfthſtem; Meffre; Stadt Kharput. 808 


Ein weitlaͤuftiges Geblüde and Lehm wit flachem Dache, frü⸗ 
her der Gig eines rebelliſchen Paſcha, war die Wohnung des oben 
Ken Commandirenden, Bafisz Paſchas; eine Peine Wache, zahl⸗ 
sehe Dienerſchaft, Kavaſſe, Tataren und Hausofficianten aller Axt; 
erfüllten den Hof. Cine halbe Stunde fern von ba, am Buß dves 
HOugels von Kharput, war durch Meſhid Paſcha eine neue Ras 
ferne für 6000 Mann Truppen erbaut worden, von Lehm und 
Pappelholz: denn bis auf weite Kerne iſt Fein andres Bauholz hier 
zu finden; ein großes Viereck mit Hof von mehren hundert 
Schritt Durchfchnitt. Hier wurden unter Hafldz Paſcha die sl 
daten wie die Landwehr (Redif) auf europälſche Weife vrefiirt: 
Da es bei dem unebenen Boden und fchlechten Wegen an bequemen 
Räumen fehlte, erereirten pie Rekruten in Kharput, wie in ven ums 
Hegenven Dörfern, auch auf ven flachen Dachterraſſen ber Häufer. 

Hafisz, ald geborner Tſcherkeſſe zum Sclaven für dad Seraü 
gekauft, gut unterrichtet, nachmals kühner Vertheidiger ver Feſtung 
Skutari (Scodra) in Albanien, begleitete ven Serabker an ven Hof 
nach ©t. Peteröburg, warb Bafıha, und erhielt, ala Refbin Pafıda . 
in Diarbekr flarb, vom Großherrn pas Commando über die Armee, 
die damals mit ven Kurden im Kriege fland, mit ben Haupi⸗ 
aufteage der Beobachtung der aegyptiſch⸗ſyrifchen Armes 
Mehmed Ali's. 27) Unter Ihm und dvarch feine Begünfligung 
der preußifchen Offichere, vie ex als feine Muſaffirs over Gaͤſte aufe 
nahm, wurde auch für und die Geographie wiefer Landſchaften aufe 
geheilt, | | u 

Die Rage der Stadt Kharput auf ver boden Felsklippe, 
mehr als ein taufend Fuß (f. ob. S. 104) über ver Ebene von 
Meffre erhaben, läßt von da den Ueberblick über die Dörfer, 
Wege, Bäche, Baummollenfelder, Weingärten, Maulbeermälben, 
Kornfluren und "über die verfchievenen Lager der Truppen gewin⸗ 
nen, kurz Über ein weltes geſegnetes Gebiet wie über eine Lands 
Tarte. Ungeachtet der auf ver Höhe kühlern Lage 29) und ver ſtrei⸗ 
enden erfriſchenden Winde wird doch die Sonnenbige auch da 
Mitte Auguſt brennend heiß; und doch ſieht man auf ben fernen 
Bergen Armeniens immer noch mit den Augen ven Schnee, und 

wagt erſt nach Sonnenuntergang ſich in das Freie — 


; 0 v. Moitjea, a. 2.8. 215. X ebend. ei 30, . D 


ee 4 


* 


812 Werften. BIT. Abcheilung. I. Abſchnin. 1.39. 


einem ſehr feften Orte, des Haſſanbej Gemahlin Despina Taten, 
Me Vrinzeſſin⸗Tochter des Kalferd von Trapezunt, ihre Gofhaltung 
gehabt, daß viele Caloyer, geiflliche Herrn, dieſer Dame daſelbſt Ge 
ſellſchaft geleiſtet, und dieſe Stadt meiflens Griechen zu Einwohnern 
gehabt habe. In der Umgebung führte derſelbe noch viele anım 
fefte Gaftelle an, die am großen Strome lägen, ven man nur wit 
Fahren überfegen Einne; er nennt Mofchont, Halla und Theme, ak 
feſt ummanert, jedes von 500 Feuerſtellen. Die Einwohner, ik 
unter der Jurisdiction dieſer Caſtelle ſtänden, heißen Cainari, wei 
Am Italieniſchen durch Mandrieri wiederzugeben fe. Die tinn 
ſche Geographle *) nennt den Ort Kharput, und rechnet ihm zur 
Gtatthalterfchaft Diarbekr; den benachbarten See nennt fie Kökd⸗ 
ſhek (baber Gueuktscheh b. St. Martin). Kinneir, der vie Chen 
von Kharput durchzog, hat doch feine Beobachtung über die Bam 
tung dieſes Ortes 35) aufgezeichnet, aber er erkannte im benadgbazin 
See ven Colchis der Alten (f. ob. &. 102). 





) 





Anmerkung. Nachtrag nnd Berichtigung zum 3. Kapitel 
| ' (Dies diem docet). 


- Im Begriff in das mittlere Stufenlandb bes Guphrat einge: 
treten, fommt uns zur glüdlichen Stunde noch ber letzte Theil von me 
ſers verehrten Freundes W. Ainsworth ausführlihern Reiſeberichten zur 
Hand, ans denen früher nur Bruchflüde im Journal der Londner Gesgr. 
Societät mitgeteilt waren. Der Schluß berfelben enthält num in de 
Kückreiſe von Bitlis nach Erzerum einen ungemein belehreuten Dach 
Ang durch das fo eben von une durchwandette HohFand Mrmeniest 
zwilchen bein obern Murad (der oben ©. 389. nur ans. Berfehen Cs 
teites genannt iM), und Frat, nebfl einigen Kartenberichtigungen, Biefisb 
Dadurch zu folgenden Berbeflesungen und Erweiterungen des Berker 
in Stand geſegt. 
Bon Bitlis ans zieht Ninswogzth se) dieſelbe Straße am a 

fu entlang bis Muſh, die wir oben (S. 680— 685) beſchrieben 

Gr neunt die ©. 684 angeführten Khane mit Namen: der suße, Mn 





Be! at. Türke, W. 1881. XI. 
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Euphtatſyſtem; Kharput, Karlathtokerta. 818 


: Bon ſcharvm fuͤhrt, wir ſchan frühes bemerkt iſt, die nenne 
—* Milltarſtraße fünmärts über die Ebene, und dann an einem 
ſtelles Aufflieg zur Wergeshähe. 2 Stunden, dann nad) einer Grunde 
Dinabfreigens zum Goljit (prich Bolpfpik), d. i. Fleinen See, 
oder nach franzoͤflicher Schreibart Gueuktscheh, d. i. blauen 
Bee?) (oder Golendſhik f. ob. G. 105), ver überall nen hohen 
Bergen umgeben iſt. In deſſen Mitte lag eine Inſel mit der Feſte 
Ozov'h, Die Ende des 14. Jahrhunderts vom Prinzen aus dem 
Urfacivangeflhleagte beherrſcht wiaxb, wo der armeniſche Patriarch 
Sreaor M., ein Arſacide, ſeine Reſidenz im Jahre 11260 genommen 
haste. Die Ruinen ſollen, nach den Mihannuma und nach Geftigk, 
noch Drum vorhanden ſein. Neueſte Nachrichten darüber ſehlen und, 

Kharput, nur die pulgaice ſchon non. den Myzantiusr yep⸗ 
ſammelte Berienaung, hieß bei Strabo Karkatbioterta, Di 
Ränigäfien?. Sophene's (XI. 827: Baolleon de sag Ser 
gmüs Kapxadıdxıpia; : vergl. ob. ©. 78), hei dan Armenieng 
Kharpert oder Garperd, 1) eine Stadt im alten Sophene⸗ 
mit dem Sitze eines Erzbiſchofs und 4 Bifchöfen auf der Berghöbe 
über dem genannten See, der von ihr auch venfelben Namen führte. 
@8 iſt das fehle Eaflel, dad Eedrenus Xapnore nennt (Hist. 
comp. IL 419. ed. J. Bekk.), weldyes Mefopotamia tominize ; 
es warb von einem Turfomanen-Prinzen Balak, vem Sohne Bah— 
rams der Ortokiden befeflen, als die fränfifchen Kreuzfahrer es Im 
Jahre 1123 n. Chr. Geb. eroberten. Bei ven Syrern wurde eb _ 
Kortbert (doher Chartbirt b. DAnville, Khartabert b. Her⸗ 
belot,Haretbaret b. Aſſemani) uud Hiöna di Zayd (Feſte der 
Zayd) oder Hisn Zeyad (Schloß der Zeyav)3?) genannt. Im 
Zah 1302 viente vie Seflung Kharput noch als Iegteb- Aſyl nem 
Schriftgelehrten Kaſi Burhaneddin, ver ih zum Fürſten von 
Einas und mehrerer dortiget mongoliſcher Hersicharten im Gebixghe 
Tanne des Guphrat enporgeſchwungen harte, aber vom Sultan Bayer 
zeb beftegt ward, und auch ſpäter wird fie zu ben Hauptfeſten des 


dortigen Ländergebiets von ven orientaliſchen Gefchidgefchreibern ges 


Zu den Zeiten des Venellanerb Sof. Barbaro ſcheint 


vaſeldſt ſotgar eine glänzende eflvenz geweſen zu fein, denn er er⸗ 


gast, bob vaß zu Carpurth,'®) 5 Tagereiſen fern von Crgingaf, 


BL. nr ih Bar A in ne EN N 


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812 Weibsilfien, HI. Abthellung. J. Abfehnit. 5.39. 


einem ſehr feften Orte, des Haſſanbej Gemahlin Despina Eaton, 
die Prinzeſſin⸗Tochter des Kalferd von Trapezunt, Ihre Geofhaltung 
gehabt, daß viele Galoyer, geiftliche Herrn, dieſer Dame daſelbſt Ge 
ſellſchaft geleiftet, und dieſe Stadt meiflens Griechen zu Ginmohnen 
ggehabt Habe. Im ver Umgebung führte derſelbe noch viele andre 
feſte Caſtelle an, die am großen Strome lägen, den man nur wit 

Fähren’ überfegen könne; er neunt Moſchont, Halla und Theme, alle 
fe ummauert, jedes von 500 Feuerftellen. Die Einwohner, Ye 
unter der Jurisdiction dieſer Caſtelle fländen, beißen Cainari, wei 
- In Italieniſchen durch Mandrieri wiederzugeben fe. Die türk 
füge Geographle 3) nennt den Ort Kharput, und rechnet ihn zur 
Statthalterſchaft Diarbekr; den benachbarten See nennt fie Külr- 
fhet GGaher Gueuktscheh b. St. Martin). Kinneir, der die Cbent 
von Kharput durchzog, hat doch Feine Beobachtung über Die Bm 
tung dieſes Ortes 35) aufgezeichnet, Aber er erkannte im Dtnaberie 
Ex den Colchie der Alten GCo ob. ©. 102). 





Anmerkung. Nachtrag und Berihtigung gum 8. Kapitel 
(Dies diem docet). 


Im Begriff in das mittlere Stufenland des Guphrat eis 
treten, fommt uns zur glüdfichen Stunde noch der letzte Theil vor zB 
ſers verehrten Freundes W. Ainsworth ausführlichern Heifeberichten zum 
Hand, aus denen früher nur Bruchſtücke im Journal der Londner Geogr. 
Societät mitgetheilt waren. Der Schluß derfelben enthält num in ie 
Rückteife von Bitlis nach Erzerum einen ungemein belchrewben Dach⸗ 
Ang durch das fo eben von uns durchwandette Hochland Armenieit 
zwifchen dein obern Murad (der oben ©. 389 nur aus. Berfehen Can 
teites genannt ii), and Frat, nebſt einigen Kartenberichtigungen, : Wie fab 
daburch zu folgenden Berbeflesungen unb Grweitezungen de⸗ Peer 
in Stand geſetzt. 

Bon Bitlis aus zieht Ninsmorth * dieſelbe Stufe, m, 
fa. entlang bis Muſh, die wir oben. (6. 680685) beſchrich⸗ | 
Gr nennt die ©. 684 angeführten Khane mit Namen: u“ rg 


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| 229 v. —— Türkel, W. 3 Pi. 8, XII. € 3L 
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Euphratſyſtem; Nachtrag, Borichtigung. 813 


Stunde im M. von Bitlls, am gleichnamigen Gebirgeſtromaufwaͤrto 
heißt Khan Babſhin; er it hübſch gebaut aus ſchwarzer Lava, 
an einem Bach, ter ſich über einen Damm von baſaltiſcher Lava ergießt 
einem gleichnamigen Dorfe benachbart. Cine Stunde Wegs weiter liegt 
der zweite Khan von ähnlicher Bauart; eine Stunde weiter der dritte, 


Baſhekhan (d. i. Khan am Quell⸗Haupt) genannt, an dem Un 


fprunge des letgten, freill ſehr geringen Quellzufluſſee zum Ti⸗ 
aris: denn nordwärts von da hört .jche Abdachnng fühwärts anf, da 


von Bafh khan an bie zum Fuß des Nimrud Ahaus und zum Van⸗See 


ſich nur eine Horizontale Hochs@&bene verbreitet. Strabo XI. 528 
fagt ſchon vortrefflich,, unfern obigen Ausſpruch S. 773 beflätigend: 
iv as; din  Agnela zolla nie öpn, mollca Bi Sgowddıe. — 
Gegen fo großartige und characteriſtiſche Raturverhältuiffe find auch 
die Orlentalen, bemerft W. Ainswgrig, keineswegs ‚ganz gleichgültig 
denn auf der Wafjerfcheide zwifchen bem großen Zab umb dem perfis 
fügen Flüffen liegt dort ein Caſtell, Baſh kaleh, wie. hier auf: ver 
Waſſerſcheide zwifchen Tigris uud Cup ein Bafh than, welde 
beide ihre Namen von ber hydrographiſchen Lage anf Waflerfcheiven 
führen. Die Thermometerbeſtimmung durch kochendes Waſſer gab dieſem 
Khan eine abfolnte Höhe von = 5,3889 F. Par. (5,600 F. engl.) 
wonach Betlis etwa 4,002 J. Par. über dem Meere liegen würde, alfo 
etwas niedriger als die oben ©. 685 von Dilfon gegebne Höhe. Dies 
ſtimmt auch beffer zur abfolnten Höhe des Van⸗Seeſpiegels von 
5.139 F. Bar. über dem Meere (f. ob. S. 287), da man na Yines 
worth6 Bemerkung von Betlis bis zum Baſh khan fortwährend im 
Anfleigen bleibt (etwa 447 3. Bar. nach jener Rechnung), von wo aber 
vann bis Tadyan am See forttauernd Ebene fih ausbreitet. 

Ueber diefer Ebene iſt es nun, daß der Nimrud Dagh (f. oben 
©. 238 und 688) emporfeigt, deſſen Südfronte von Baſh khan aus eine 





Gruppe fait fegelartiger Berge mit 6 gefonderten Gipfeln zeigt, , 


die alle ächtonlcanifchen Urfprunge zu fein fcheinen, an ihren untern Ab- 
- Hängen mit Unterholzs von Bichengebüfch befleivet find. Links ab über 
die genannte Ebene von Tacht Ali (d. 5. Thron Ali’s) hinweg bes 
ginnt erſt das Abfteigen gegen die Ouellen des Kara {n nnd bie 
Gentung zur großen Ebene von Muſh. Bisher fah man den Nim⸗ 
rud Dagh als die öfllide Fortſez ung der großen Tanrus⸗Kette 
(Niphates) Sad⸗Armeniens an (wie noch oben ©. 743 angegeben iſt, 
weil er nad) den frühern Angaben in verfelben Direction, und durch den 
Kertu Dagh, f. ob. S. 288, 684, mit dem Khargan Dagh in: Derbins 
dung zu fliehen fchien, and nur durch die Spalte des Kara ſu⸗Paſſes 


davon gefchleven). Dies ift aber nach Ainsworths Berichtigung nicht ' 


der dall. Jene große Tanınd - Kette, fagt Ainsworth, heiße 
Ali Dagh, norbwärts von ihr breite ſich die genannte Gochsähene aus 





814 Weſteißen. IT: Abchellung. J. Abſchuitt. . 39. 
unb ber Nimgub Dagd.fet: ner eine Iocale ®") Bult aug ruvde, 
die aus dieſer Plateas fläche emporgchoben wurde. Die greſer 
Stroͤme, wie in Kurdiſtan und Asia. mindr zum Poutwsgeflebe, fo 
auch in Nrmenia zum CTuphrat und Vigrie, fein Durchbrecher ber 
Hauptgebirgstetten. Diefe fei. Bier der Ali Dagh (Aa Dash! 
ſ. 06. &. 79), deſſen Ing füpmwärts vom Betlie vorüberſtreiche (effe 
Betlis Liegt. noch innerhalb des Plateaulandes, und leineswegs am Gi 
abhange feinen :fünlichen Naubgebirges, wie Dies Die bisherige Auſicht fein 
mußte),. und einesowegs nosdwärte zur iſolirten Bulcaagenpye dei 
mimruy Dagh Dies war wiederum einer ber Irrihümer, deren fe um 
zäblige aus ber Verwechslung und aus der wech immer fe mangelhafle 
Kartanzeichnung vder himmelweit von einauerr verſchiednen Heoch landet 
und Gebirgs dettem ‚uud. der mil vieſen lepterm für zufnanmenfali 
gehaltuen Waſſerſcheiden Heranrgeht. 
Beim Mbſtieg vom Tacht Ati paſſirte Aineworth das Dorf Or: 
wan (. h. Beftie), das erſte, an dem er die armeniſche Mamert im 
Grdhütten. warnakm, wi Sonthgate nach obigem am Dorfe Marail 
(£. eb. ©. 682), das Yon biefem wicht. weit entferut fein Saum. Dem 
fam er auch an dem guoßen Kırdenborfe Nurfhie f. ob. Norſhie 
und Rofhem, S. 888) vorüber, and gu ker Duelle vos Kara fl, 
über vie. er beſtimmtere Beobachtung mittheflt As feine Vorgänger Gech 
gate und Braut. Nahe dem Dorfe Aurfhin bemerfte er auf einer fe 
Urt liegenden Grabflätte (ſelbſt wol ein Grabmal) cin weites Gebiubt 
mit. eimem halbfzeierunden Dom mit Gpigbogen und Fenſtern, auf das 
nutern Maner ruhen von ſchwarzer Lava, während die obere Mans 
von vother Lava aufgeführt war (im bunten Styl, wie zu Goswanib 
gerd am Mrares, f. ob. S. 452). Ganz nahe dabei lag bie Duelle 
ME Kara ſuz' wie Ninsworth "*) fagt, ein natürlicher artchſcher 
Brunnen, der ans einem krdisrumben Koh im Dulcanfels Yervorteitt. Das 
Waſſer bricht fogleih in zwei fehr reihen Bachen, jeder. über 80 -Iuf 
breit, hervor, über denen bie Ränder des Kraters emporſteigen, bes a 
3 —Zuß im Unfang hat, und beiläufig 4260 5. Bar. (4540 5. cl) 
über dem Meere liegt. Brant, der dort nur von einem Sumpte fueidk, 
war biefer Urſpruug bei. feiner Darchreiſe ganz entgangen, und Sech 
gate erzählte der Kurbe von einer mergrümdlich tiefen Duelle auf em 
Nimmd Dagh, die mit dem: Quellſee bes Kara fa in Beybinbung ſiche 
felle (f. ob. S. 288), eine Iorale Hypotheſe, die anf einer wiciihie 
Maturmerhwürbigfeit beruhte. Das Waſſer bein Auobruch Yisfer Kara 
ſu⸗Ouellen If ungemein Far und rein, ba co ſich aber zudier & 





‚ 7) W. Ainswozth L c. II. p. 374. | ss) dab. BE p- SM. 





- Cupheatfoftent; Rachtrag/, Berihtigung. 815 


einen Weiten Sumpf verbretet, ſo nimmt es die dunfle Farbe «u, die 
Tom den Namen Kara fu (Schwärz waſfer) zu Wege gebracht. 

Auf ven Berghöhen über dent Dorfe Narſhin bemerkte Ains worth 
bie Ruinen eines alten Caſtells, und auf einem Vorgebirge im Motven 
des Kurdendorfes Kotni, wo er fein Blvonac am 7. Sept. 1889 hielt, 
Aber ber Sumpfebene des Kara [u eine fehr einfache armenifche Stein: 
Ueche ohne Fenſter, ein quabratiſches Gebaͤn, nach Art der meiſten nım 





a5 


folgenden armenifch=chriftlihen Kirchen. Ueber das Vorgebirg hinweg . 


führte der Weg zur Mufp:&bene, über Me Atusworth jedoch nichts 
nenes zu tem ſchon oben ©. 601 Befagten Hinzufügt, ale daß im Jahre 
2859 Hafisz Paſcha den Gedanken gefaßt habe, das Schickſal der un⸗ 
glücklichen Armenter daſelbſt durch Aufhebung ber Berpflihtung, bie 


Kurdenhorden in ihren Dörfern aljährlich zu aberwintern (ber Kifhlak 


ſ. ob. S. 672) zn verbeſſern. ») Die Armenier im Gebiet von Muſh 
waren bisher nicht Blog einer vom Gouvernement attotifirten Plage vie 
fer Winteretuguartirung (f. ob. S. 681) unterworfen, fondern wurden 
noch dazu Im Sommer, und zumal zur Herbftzeit, vom ihren Manbhorden 


Überfallen, geplündert, ihre Felder dbgeniäht, ihre Heetden weggetrieben. 


Die Unmöglicgfeit des Dsmanli-Gonvernements, fie zu ſchuͤtzen, hatte fie 
jur Emigration auf ruflifches Grenzgebiet gebracht, wo biefe ihnen Im 
Einem’ Jahre fhon wieder ati 80 ihrer Heinen Kirchen nen anfgebant 
haben foffen (was manche der übelollenden Inſtnuationen Anderer, f. dB. 


S. 644, wieberlegen würde). Die Rufen, verficherte Ein’ achtungewerther 


Praun von Muſh, ſchickten Emiſſare in ihr Land, unter der Mate rel⸗ 
fender Hafims (Doctoren der Mebiein), um die @migration zu verftäts 
fen, und ta dieſen letztern Jahren felen über 1000 armenifche Familien 
von bier ausgewandert. Die Osmanll's flellten zwar Wachen an vie 
Grenzen, um bie Auswanderung zu verhüten; um. ihren Zweck zu et 
reichen wärben aber vollſtaͤndige Grenzcorbons nothwendig fein, umb 
folche Kräfte konnten dann beſſer dazu dienen, dic armenifchen Banern vor 
ven Plünderungen der Kurden zu ſchützen. 

Daß vieſe Hier trotz der verſuchten Baͤndigung der Kurdentribus durch 
Haſfisz Paſcha dennoch furchtbar fortwäthen, ergibt fih ans Ainsworths 
Bericht vom 8. Sept., der ſagt, daß das Gonvernement von Mufh nicht 
weiter als bis 3 Stunden Entfernung von der Stadt einen Schutz für 
Heetven und Saaten der Armenter zu gewähren im Stande ſei; baber 
nur einiger Wohlftand im Laudvolk ganz nahe der Stadt. Am Dorfe 
Narnlk vorüber kam er nach Nokh (f. ob. S. 682), dem Kurbenborfe, 
das eben vom Paſcha zut Strafe für Hänbereien in Brand gefetzt war, 
wobei der Unfchnldige mit dem Schuldigen leiden mußte, ein Verfahren, 


2°) W. Ainsworth IL. 37 








816 WeflsUfien, TIT-Abtheittung, I. Abſchaicc. $. 39. 


das nur immer größere Grbitterung zwiſchen Kurben und Dsmalls er: 
zengen muß. Das armenifche Dorf Ahlevanf war erſt vor weriges 
Tagen ausgeplündert, eben jo Terfemer; überall war Glend verbreitet, 
auch jenfeit des nun zu burchfegenden Kara fu in den Dörfern JIriſhdir 
und Haſse⸗keuy. Die Reſidenz des Paſcha in einem Thalwinfel unter 
einem malerifch auf der Berghöhe gelegenen Gaftell nennt Ainsworth 
mit Namen Mogisyuuf, von ber. ex. noch am Abend deſſelben Tages 
die Stadt Muſh erreichen Tonnte. 

. Mit Ainsworth können wir biefes Nuſh nit für das Moten 
dei Ptol. (V. 13. fol. 134) Halten, weil dies zwifchen den Eyıns uw 
Araxes geftellt if, wie dies fhon Mannert *9) gezeigt hat. Aber us 
eben ſo wenig für die Otene bei Plinius (Hist. N. VI. 16), weil bie 
 Lambfchaft mit Artarata am Arares zufammenjällt. **) Aber ach wid 
für Moro&ne, das nicht bei Mofes Khoxen. vorfommt, ſondern bi 
Anımian Marc. (XXI. 3, 5), wo es D'Auville *?) in dem Rama 
Mufh wieder zn finden glanbte. Wir waren diefer gewöhnlich gewerk« 
wen Anficht ebenfalls gefolgt (f. oben S. 75 u. ff.), indem wir aud We 
MontesMoschici (Strabo XI. 521) für bie Tanrusfetien bei Mufh e 
ſorachen, bie uns fünliche Berzweigungen des Paryadres zu fein fchiens. 
Fortgeſchrittue Dergleihung der Naturverhältuiffe mit den Sick 
ber Autoren (f. auch Ptolem. V. 13. fol. 134; und Plin. V. 37; TI 
Al) lehrt und’ jedoch nun entſchieden, bag die Montes Moschid Wi 
&trabo, wie wir auch oben S. 742 ſchon anführten, viel weiter nord: 
öftlich Im der Richtung des Skydiſes nad Kolchis und dem Kaufıfas 
zu gefucht werben müflen (Strabo Xi. 521, 527, 548, 492, 497). er 
ner, fo muß auch das davon verfhiedene Moroene bei Ammim 
(XXUL 3, 5: cumque eo per Corduenam et Moxo@nanı, Chiliocome 
uberi Mediae tractu etc.) viel weiter oͤſt lich als die Stadt uf Be 
gen, wie dies aus ber genannten Aneinanderreifung der amgefüfetes 
Laudſchaften hervorgeht, deren legtere zu Aflyrien *°) am Zabfiufie ge 
hörte, die erſt ere Kurdiſtan iR, Moroäne aber zwifchen beiden lag 
Aus Kaiſer Iulians Befehl an feine zwei Feldherrn (ſ. ob. S. 188), 
durch jene beiden Provinzen Eorbuene und Moroene nad). Ehiliocome, ia 
Norden des heutigen Amadia (Erdk. IX. S. 705, 717), damals in Wie 
bene gelegen, einzuziehen, ift jene öftlichere Lage dieſer Provinz entſchte 
den. Nur war bisher ihre genauere Lage nach heutigen Zeng niſſen unle 
kannt. Im Oſten der obern Tigrisquellen mußte ſie liegen, unb bier neun 
die armenifche Geographie auch eine Landſchaft Mog oder Mogt’}. 5; 
eine Stadt Mekes, an dem Ufer des Khabur, die von Ban abhängie 





| 2 Manuert, G. Rn B. 1. 8. ENG 216. Tu en 
217. ” e, /’Ku et le 
5 Mannert, G. db. Gr. u. ®. Ih v2. ©. 226, 430. 
+) St. Mardn, Mön, ı. Par, Tb 7 


An 





Eupbratfuftem; Rachtrag; Berishtigung. 817 


iR, wurhbe vom türkifdhen Geographen im Gihannuma daſelbſt auch ge⸗ 
mannt, was dem Namen nach dem Momoöne:des Ammian auch genau 
antſpricht. Da aber jene Gegend dem wenig bekannten Gebiete des Pa⸗ 
ſchalik von Amadia unterworfen: war, fo blieb diefe Angabe Immer unge 
wiß, obwol fe auch fchen von St. Martin der DAuvilleſchen Hypo⸗ 
ahefe entgegengeſetzt wurde. Zum Blink tft aber nach vbiger Mitiheilung 
MR (ſ. eb. S. 86 und 87) die Route des Aurben durch daſſelbe 
Saftell Mits (Meukuſh, nach Braut, im Süden ber Arjeroſh Berge, ſ. 
ob. S. We, oder Mukuſh, nah v. Moltke, im Oſten von Bitlis, 
an der Quelle des Böhlen Tſhai, ober des alleroͤſtlich ſten Zigries- 
ermes), 11 Gtunden in N.W. von Inlamerk, befannt worden, wo⸗ 
tech denn hoͤchſt wahrfcheinlich bie Lage des Moxoöne im Aten Jahr⸗ 

Gumbert beftimmt iſt. 

Gehen wir uns nach der älteften Benennung von Muſh, der 
Siebt, um, fo finden wir nur, wie ſchon oben geſagt (ſ. ob. S. 640), 
‚den Namen ver Laudſchaft Duroperan and Daron bei Armeniern, 
; Taurentiam bei Tacitns, wozu noch das Strabonifche Tamonites 
(Tapurtens, wofär wol richtiger Tapursrne, d. i. das Land Daron, zu 
leſen ware, Strabo IX. 528, obwol Feine der Hanbfchriften Hier eine verän- 
derte Rebart barbietet) hinzuzufugen fein wird. Die Stadt Nuſh aber ſcheint 
erſt mit der Berlobe der Mamigonier⸗ Herrfchaft als ihre Eapitale **) 
anfgebläbt zu fein und daher feinen antiken Namen bei Griechen 
und Mömern gehabt zu Haben, fonft würde er wol anf Lucnlius umb 
Geoebulos Zügen mitgetheilt worden fein. Zuerſt finden wir ihn als 
Muſh (Moca b. Mos. Khor. Geogr. ed. Whiston. p. 359) zwiſchen 
- Dutsperan in N.W. und Gorzala in Südoſt eingetragen, «als die fünfte 
: Brain, Großarmeniens im Süben des Ban Sees. Hier num fcheint es 
a6 Mosczia der Tabul. Peut., 151 M. p. d. i. an 30 geogr. Meilen 
fern von Tigmmocerta gelegen, zu fein, wenn nicht Isumbus. 

Mod wollen wir bei dieſer Gelegenheit bemerfen, daß Hente die mo: | 
bene Bensunnug eines Mufher Dagh, nah v. Moltke's Euphrat⸗ 
Karte, fchr weit im Weſten von ber Stadt Mufh vorkommt, wo das 
Geäbinfelsorland in der Anßerfien Weſtkrümmung bes Cuphrat, zwiſchen 
Ajeban Maaden und Malatia, eine merkwürdige Geftaltung barbictet. 

Weber die Stadt Muſh, erfahren wir nichts Neues duch Ainbs 
worth, voch hörte er den Bach, der ihre Thalſchlucht durchzieht, Alte, 
d. 1. Weißwaſſer, nemen, und beflätigt Southgate's ſtatiſtiſche Auga⸗ 
Dow Aber die Stadt und die Cbene (ſ. ob. ©. 680). - 

m :10. Sept. wanderte er *°) von Muſh norbwärts, bie beiden 
erſten Tage auf Brants Nonte, bie er jedoch am Abend des zweiten 

*8) St. Martin, M&m. s. Arm. I. p. 102. se) W. Ainswortli 
1. & U. p. 888. a J 
Nitter Erdkunde X. | . Bf 








- 





[2 


818 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 8,39, 


Zagmarfches verließ. Der Weg von ber Stabt über bie dorfreiche Ehene 
"führte ihn hach der erflen Stunde zur Brüde von 7 Bogen über ber 
ſchlammigen Kara fa, deu er dennoch burchreiten mußte, weil deſſen Senf 
gegenwärtig welt von der Brüde weggewanbert ifl, was wol auf ii 
höheres Alter zurückſchlleßen läßt. Das Ufer war voll Schaaren weires 
der Kraniche. Zu Suluf (f. ob. ©. 675), 8 Stunden fan ve 


Mufh, kam er zur zweiten Steinbrüde, deren Raaße er wie I. Brent 


angibt. Die Iwifchenräume der eingeflürzten Bogen zwifchen ver med 
fiehenven Pfeilern waren mit Planfen bebrüdt, und diefe mit Kalkſteis— 
platten belegt, auf denen er die Ciudrücke von Fuß tapfen in 
Kraniche und zahllofe Anodonten, derfelben Mufchelart, wie fie zed 
heute im Murad⸗Kluſſe lebend vorfommen, verfleinert vorfand. Gr we 
glich beide genau mit dem heutigen Borlommen derfelben Thiere und fen 
fle einander gegenfeitig entiprechend; alfo wol eine jüngere Kalktuffbilum. 
Das Nachtlager bei Kirami (f. ob. ©. 672, 674) war am faſt tmb 
nen Murad, umfchwärmt won zahliofen Schaaren der Kraniche, Bänft, 
Enten und anderer Maflervögel, die wol auf ihrem Durchzuge fe 
mochten. ' D * 
Am 11. Sept. paffirte er das Thal mit den Caſtellruinen, dehes 
Name Osp Polur, d. h. Linfenberg (f. ob. S. 672, 675), bie ar: 
meniſche Benennung iſt. Die Bewohner des Dorfs Sikawa, ober Re 
vous, waren kürzlich zu den Ruflen ausgewandert. Der Weg ging imm 
"norbwärts, das Thal verengte fich zu beiden Seiten durch ber Krebe 
bildung anfgelagerte Kalfitein und Sandfleinwände, in Horiyoutal: 
ſchichten. Nah 4 Stunden Weges fam Ainsworth zum Zufamn 
Öng des Tſhar buhur (f. ob. S. 674), bier 40 F. breit um 20 4 
tief, von NW. vom Binghöl fommend, zum Murad, ber hier 150 % 
breit und fehr tief il. Wo er feinen Lauf von OR gegen Süd abwerbet 
verließ Ainsworth die von Brant verfolgte Route, nud erſtieg ef 


mehr Öfllihem Wege, näher am Murad bleibend, gegen N.O. einen fek 


hohen Gebirgspaß, auf deſſen Rüden er bei 5,504 5. P. (5,866 5. engl.) 
bes Nachté fein Lager im Freien halten mußte. Auf dem erſten erſtieg 
nen Rüden fand er einen groben Sandſtein, emporgerichtet derh 
Bafaltfelfen, und große Aölagerungen bei; biefer Erhebung umge 
wandelter Mergellager. Der Weg führte dann mehrere Gtuwes 
über 5,000 bis. 6,000 Fuß hohe Bergrüden gleicher Beſchaffenheit, auf 
denen nur wenige Kräuter, wie Astragalus, Gnaphalium und. andere Ip 
ten ben @lima-Ertremen anf biefen Höhen, welche eine Berlängerumg 
bes Binghöls Dagh bilden, zu widerſtehen vermochten und noch in Blithe 
waren. Die CEinbde dleſer Bergrücken war ohne alle Holzuug, bie a 
NRachtfener zur Erwärmung hätte bienen lnnen. Der heftige Rudi 
war ungemein empfindlich. 

Am 12. Sat. wurbe ein iweiter Bergräden deep, Per dom 

surinig 


= v 





Eupbratfuftem; Nachtrag; Berichtigung. 819- 


zum Kizil Tſhai (f. ob. S. 674) hinabgefliegen, der aus den äftlichen 
Abhängen des Binghöl Dagh fein Waller erhält, die er direct zum Mus 
rad fenbet; er faun alfo nicht, wie oben ©. 674 irrig vermuthet wurde, 
identifch fein mit dem Tſhar bnhur, der ein ihm füblicher Parailelflug 
zum Murad if. Der Kifll Tſhai, wie fih ans Ainsworths Reiſekarte 
ergibt, fließt zwifchen jenem im Süden und dem Arus fu im N., alle 
drei rechte Zuflüffe zum Murad. Die Ufer aller dieſer Bebirgsfläffe des 
Hodlandes vom Murad bis gegen Erzerum find mit Unterholz be 
wachſen, das einen angenehmen Contraſt gegen bie nadte Gindde ber 
Höhen bildet, und wie in grünen Kränzen ven Buß der Berge umlagert. 
Die Aufeinanderfolge der Gebirgsarten**) if hier von unten 
nah oben: Blimmer: und Thonfchiefer, dann eifenreiher 
Kalkſtein, Songlomerate falzhaltigen rothen Sandſteins, 
baun bunte Sandfleine, endlich Sand, Mergel und Gyps. Die 
oberften Theile diefer Lager find diefelben, durch welche die letzte große 
Eruption der augitifchen Feldſpath⸗Reihe hindurchbrach, oder über welche - 
fie ſich in großen Accumulationen ergofien hat, die Thäler mit mächti 
gern Maſſen ausfüllend ale an den Bergfelten, die frühern Formationen 
in viele Waden umwandelnd. Späterhin wurde biefes Gebilde öfter 
wieber von den flrömenden Waflern in Engſchluchten und tiefen Tobeln 
soll angehäufter Zertrümmerungen durchichnitten und burchrifien. In -2 
Heinen Stunden vom Kizil Tſhai wurde das Dorf Aruz am Kalch fe 
(f. ob. ©. 673) erreicht, und bald baranf das merfwärbige Khinis, ber 
Sig des Gouverneurs mit feinem Gaftell (ſ. ob. S. 668 — 670), auf 
einem Bafaltfels gelegen, von dem feine Baflionen in wilder, male: 
tifcher Verwirrung emporflarren. Die geringen Hätten an deſſen Fuße 
fand Ainsworth nar 4,916 5. Par. (5,239.%. engl.) nad kochender 
Waſſertemperatur, alfo um mehr ale 400 Fuß niedriger liegend, ale Dik⸗ 
fons Barometermefiung angegeben Hatte. | 

- Die characteriſtiſche Bhyfiognomie bes armenifhen Hoch: 
Tandes, bemerlt Yinsworth,**) werde weſentlich insbeſondre durch 
vie Wechſel in ven Schichten der aufgelagerten Gebirge: 
arten bedingt, die, anf Schieferunterlage ruhend, durch einmalige ober 
mehrmalige vullaniſche oder vielmehr plutoniſche Ernptiomen vers 
ändert und verfchoben wurden. Der Terk tob (auf der Sübfelte des 
Binghöl fu, wie ihm auch Sonthgate nennt; oden S. 661, 671 wol irrig 
zufammengeftellt mit’ dem im Norden des Binghölfn liegenden Tet Dagh) 
ober ber Barmafbiz Dagh gibt das Beifpiel einfach emporgehobs 
“ger, aber ruhig gebliebner horizontaler Ablagerungen; ber- 
Sfhetmah Dagh dagegen anf der Weſtſeite des Wegs gegen dem 
Binghäl Dagh, in N.W. von Khinis, das Beifpiel eines aus ber Zieht 





ser) W. Ainsworth Il. p. 355. **) ebend. Up. 886. 
-dff 2 








820 MWeftsAfien. III. Abthellung. J. Abſchnitt. 5.39. 


erhobnen Gebirge, das in ®ängen bie Glimme rfchiefer vurchbrad 
bie zu den Gipfelrücken, indeß an ben Abhängen emporgerid:- 
tete nud umgewandelte (wie ob. S. 744). Kalffleinwände abflärzien. 
Der Binghöl Dagh ift eine weitverbreitete Maffe plutoniſchet 
Bebilde mit alterirten Sormationen (zu diefen mögen auch obige 
Hügel mit Kratervertiefung in ber Nähe von Erzerum gehören, f. ob. 
©. 74). Bon dieſem „Berge der taufend Duellen” (f. ba 
S. 81, 385), dem Binghöl oder Bingheul, von weldem vide de 
bein bei Armeniern und Türken im Gange find, if, nach Ainsworth, 
zu bemerfeu, daß er keineswegs ein gefonderter Berg iſt, ſondern viel⸗ 
mehr der Ianggezogene Bergrücken eines hohen Tafellandet; 
daher er, obwol abfolut fehr hoch, doch relativ, alſo fcheinbar, war mie 
drig (f. ob. S. 386), und nicht durch Gipfel, ſondern durch pralligech 
fleigende Manern und Klippenzäge plutonifcher Gebirgsbilduugen umge 
zeichnet if. Dadurch iſt er geeigneter als feile Kegelhöhen, wieg. 2. 
der höhere Sipan Tagh, f. ob. ©. 328, auf feinen breiten Fläde 
mächtige ewige Schneefelder und Cismaſſen zu bewahren (f. obe 
©. 732), daher fein Wafjerreihthum zahllofer Gchueebäde, Gm 
nud Stromablänfe, denen er feinen Namen verbanft, die in feimen ewigen 
Schnee: und Gisfellern Jahr dns Jahr ein ihre Nahrung finden, ebrel 
feine Höhe nur unterhalb ver dortigen ewigen Schneegrengt 
iſolirtſtehender Berge zurüdhleibt, bis zu deren unterfler Grenze fh 
dagegen der Sipan Tagh fo eben erhebt (f. oben ©. 381). 

Von Khinis braudte W.Ainsworth an 4 Tage, um (rem 
am Morgen bes fünften zu erreichen, obwol er auf bem directeſtern 
Wege dahin ging, der alfo nicht blos vor Sonthgate, wie wir obes 
S. 732 meinten, begangen wurde, denn ihn zwang bie Kranfheit feine 
Begleiter zu fehr kurzen Stationen und zu Bivouafiruug auf bex w 
wirthbaren Berghoͤhen, die durch ihn auf feiner Karte im Route, 
nad feinen aſtronomiſchen Beobachtungen und Höhenmeflungen eins 
ger Uebergänge, genauer beftimmt find, als dies zuvor ber Wall wer 
Denn er ließ 3. Brants Route, die über Haflan kalah ging, öftlid) Kegm. 

Der 13. Sept.*") brachte im N. von Khinis zu mehrfachen zu 
fammenfliegenden Bergſtroͤmen, die bis zur Bergkette des Tfhelmeh 
Dagh nod zum Murad fübwärts abfließen. Am 14. Sept. wu 
vom Nachtquartier an defien Sübfuße der Aufflieg zu ihm am dm 
Kette gegen We fich ziehender, ſchwarzer Bafaltfelfen (daher de 
Name Kara kaya auf Brants Karte an diefer Stelle) begonnen ; bex weites 
oftwärts ſich fortziehende Gipfel des Tſhekmah Dagh if harter Kell: 
Rein auf Glimmerſchiefer. Hier fland, wie auch am Günfug, eis 
Grabmal (Kumbet, vielleicht das bepilgerte des Sheilhs, bei Southgeßt, 


\ 


sa) W. Alnsworkh II, 2. 888 — 301. 


1 
—— 








Fuphratfoftem; Nachtrag; Berichtigung. 821 


f. ob. &. 799) von fchwargem Geſtein, mit umliegenden Grabfteinen, ob» 
wol Hein Ort in der Nähe war. Der Abſtleg ging durch ein offenes 
baſaſtiſches Thal zn einem Bergwaffer, über dem der Gipfel eines Bafalk 
felſen ein zerflörtes Caſtell trug. Der Haltplag liegt unter 39° 29° 40” 
A.Br. und 5,086 3. Par. (5,380 8. engl.) üb. dv. M. Der heftige 
Nachtfroſt erfchütterte die Glieder der Reifenden, die kaum erft bie groß⸗ 
ten Extreme meſopotamiſcher Hitze überſtanden hatten. 

15. Sept. Im Oſten des Tſhekmah breitet ſich der Al Dagh aus; 
im Rorden veſſelben lag der Khan Dagh vor, der aus Kalkſtein be⸗ 
‚ſteht, aber fo relch an Ciſenſtein iſt, daß ſich der Reiſende für verpfltich⸗ 
tet hielt, feinen Gönner Haſtsz Paſcha auf dieſen Schatz feines Paſchaliks 
aufmerkſam zu machen. Am Norbfuße des Khau Dagh zieht ver Bin» 
gH5l ſu, der waflerreigere Onellfluß des Araxes, gegen ND. vorüber 
(f. ob. S. 385); viele andre Bergwafler eilen ihm zu. Er tft fiſchreich; 
jonfelt einer zweiten Derghähe geſellte fich ein zweiter reicher Waſſerſtrom 
zu ihm, an deſſen Ufer bei einer Khaurnine und einer Salzquelie . 
Halt gemacht wurbe, unter 39% 37° 30“ R.Br. auf 5,188 5. P. (55308. 
engl.) abfoluter Höhe. 

‚Der 16 Sept. führte am Bache entlang zu mehreren: Salzanelı 
Leu, aus denen auch durch Berbampfung Salz gewonnen wird. Der Weg 
ftleg: wieder einen fleilen Berg empor, am einem centralen Bade hinan, 
bee zwiſchen zwet Zuflirfien von der Rechten und Linken feinen Lauf hat. 
Bei 5068: F. Par. (6350 F. engl.) Meereshöhe, unter 89% 4 50” M. 
Be., nothigte die Krankheit zum Stillſtand. Der 17. Sept. führte end 
Wi üben: gleichartige Ketten von Cuphotiden, Diallage und Tremolitge⸗ 
' feinen mit Serpentimen, welche aufgelagerte Schichten ber Kreideforma⸗ 
sion. enyorftülpten, in 7, Stunden Marfches nach Eryerum ’ 

uch über biefe Gegend erhalten wir, mit Beflätiguug der: wichtige 
Ren obigen Angaben (f. ob. &. 757-768), während ANinsworths Ink 
zem Aufenthalt dafelbſt, doch auch einige Berichtigung. “Die Stabt war 
tm He 1839 9°) ver Sig einiger Engländer geworben, die mit geos 
graphiſchen Uuteriuhuugen über biefe Gegend beicyäfligt warm. 
3.8 raut ſetzte bie feinigen fort; Eolomel Shiel und Thomfen (wei 
bekanme, ınn aflatiiche Geographie ſchon fehr verdiente Männer, ſ. Erbk 
39.1X. &. 968, 978 ff. und: Th. VII. S. 003), von der perſtſchen Cu⸗ 
Boa, waren mit Aufnahme einer Karte der Umgegend von Erzerum 
omhäfttgt, deren Beröffentlihung um. jo wänfchenswerther iſt, da wir, 
wie ans Obigem hervorgeht (f. oben &. 723-752), durchaus nodh keine 
beſeterigenoe Topographie. der Cuphratquellen uud ihres Stromgebietes 
beſthen. Dadurch· wũrden wel mande Mißverſtaͤndnihhe aus ben claffiſchen 
und armeniſchen Berichten der früheflen "Jahrhunderte berichtigt werben, 


0 W. Ainsworth L c. II. p. 391594. 





822 Weft:Afien, IH. Abtheilung. I. Abfchnitt. 5.39. 


Denn Plinins z.B. fagt: Arares entipringe auf dem ſelben Berge, 
wie der Buphrates, feine zwei Stunden weit auseinander (VI. 10: 
Araxes eodem monte quo Euphrates, VI. M. passuum intervallo), fs 
iſt dieſes ziemlich geman richtig, man mag es nun auf eime Duelle des 
Frat (f. oben ©. 388, 397, 739, 740) oder eine Duelle des Murat 
(nämlich des Kaleh fu und Binghoͤl fu, f. oben S. 385) deuten; wer 
aber Brocop (f. oben ©. 722) dbafielbe von dem Cuphrat und Tis 
gris ausfpricht, fo if dies unbegreiflih, da felbft der Binghölfn, wer 
auch für eine Duelle des Murad genommen, boch immer feine des Tb 
gris fein kann. — Wenn es fchon wahr if, dag die Stadt Urzerns 
keineswegs felbft an einem der Hauptquellarme des Frat liegt, ſenden 
immer mehrere Stunden bavon entfernt, fo fehlt es ihr doch nicht cn 
fließenden Waflern, die ihre Gärten bewäflern und zum Kara fm falles, 
noch an trefflichem Triufwafler, wie wir oben (6. 761) anführten; abe 
jene Zuflüffe werden in mancher Jahreszeit allerdings wol zur Ireigatien 
aufgebraucht, fo dag fie dann den Hauptfluß nicht mehr erreichen I 
uen. — Hiebei haben wir nach ber ruffifchen Generalfiahstarte, welche ned 
die Hybrographie des obern Cuphrat am beften darflellt, zu bemerken, vaf 
nach ihr Die er ſte Brücke, die nach. Judſhidſhean über den Euphrat führt 
(f. oben S. 728), wicht, wie wir vermutheten, die bei Elija if, ſonden 
weiter oberhalb liegt; die zweite von ihm angeführte aber, munter 
halb dem Sazlech, ebeu bie von Elija if, and dag Sazlech de 
Sazlit (f. oben ©. 726, 727, 728, 749) nur.ein von dem armenifcen 
Geographen .anfgenommenes türfifches Wort if, welches foviel al 
Schilfwald bebentet. Diefer hier befchriebene. Schilfſumpf würbe zum 
bieuach wirklich direct gegen Norden von Erzerum au den Kara fu a 
liegen fommen (f. 06.6.727). — Beftwärts if Shug hani dfur, ci 
tiger ‚nach der ruſſiſchen Karte Schagan, gelegen, am G@infixf bei 
Sardihamm (f. ob. S. 727) vom Norden her zum Karaſu; Dier de 
Dipur Heißt Wafler. Der Schilfwaln ſelbſt it nnz wol nach einer glid 
lichen Conjectur unfers jüngern Freundes Kiepert, dem die alte Gew 
graphie durch feine Ausarbeitung vorberaflatifcher Karten dereinſt neh 
vieles verbanfen wirb, ber Lucas, ober vielleicht der Lacus Basare 
ber Tabula Peut. Hienach müßte nun auch bie bisber völlig unbe: 
tannt *2) gebliebene Landſchaft Baferopeda. bei Gtrabs Xi. 
588 in dieſelbe Localität, an bie Quellen des obern Frat, im da 
fogenannte Owa (das heißt Thal, daher die ruſſtſche Bezeichnung dien 
©. 7% pleonaſtiſch) verlegt werden, das M in bas dortige Thal, 
norhwärts Erzerums. Eben dahin an das Nordende des Lacus Bess 
fegt aber bie Tabula Peut. bie Station Simara. '?) Die Maße 





!) G£ographie de Strabon, trad. francaise. Paris 1014 4 Tom. 
5 ‚834. mot. 8. *%) Bipaner, Genge. d. Or, m, BF 





Euphratſhſtem; Nachtrag; Berichtigung. 8233 


ftimmen ‚bei Blinins (V. 20) von Dascufa bis zum zweiten (in der⸗ 
felben Stelle) genannten IZtmara, von weldem feine Malatia begins 

‘wen, den Cuphrat abwärts, über Dascuſa, Paſtona bis Malatia (f. oben 
&.802), vortrefflich zuſammen; aber durchans nicht mit des Licinius Mu⸗ 

“ edanus Angabe von der Lage des zu erſt genannten Simara: (Plin. V. 
20: Licinius Mucianus sub radicibus montis quem Capoten appel- 
lant, supra Zimaram, XII. M. passuum initio Pyxirates nominatus). 
Diefes erſte Zimara heißt in andern Codieibus Simyra und ft bei 
Harduin ed. Franzius, Lips. 1778, Vol. IL pag. 396 erft in Zimara 
umgefchrieben. Seine Lage fl aber, XIL M. P., d. i. 24 geogr. 
Meilen, genau bie von Simara der Tab. Pent. im Norden des Schilf⸗ 
waldes (Lacus. Basaro). Es find alfo zwei ganz verſchiedene 
Städte; die zweite in. Armenia minor, die wirflihe Simara, auch bei 
Stolem.; and die erfle in Armenia major, uämlich die Simyra oder 
G&imara der Tabula Peut., nicht weit vom rothen Klofter an den 
Quellen des Kara fun (f. oben S.730, 739), und Plinins alfo von 
dem groben Vorwurfe der gewaltigfien Unwiſſenheit und Nachlaͤſſigkeit 
(b. Nanuert, Geogr. >. Or. u. R., Th. V. 2. S.201) befreit (vergl. ob. 
©. 81.801). ° 

Diefe Jimara oder eicpliger Simyra wäre demnach viemlich ges 
nan im Norden nur ein paar Stunden von Eryerum (Garin, Theobes 
Kopolis) beflimmt, nahe der erften Brücke über den Euphrat gelegen, 
an demſelben Aufftlege zum Arares über deu Deveh Boyımm (f. oben 
©. 740), an dem Weflabfall ver Wafferfcheide und der großen Ge⸗ 
birgspaffage von Wei nah Of, unr weniges ſüdwaͤrts bed vom 
Zonrneiort befnchten rothen Kloſters (f. ob. S. 730, 789), ver aber 
nichts von Ruinen einer früheren, wol nicht nnbebeutenden Stadt wahr: 
genommen, bie. wahrfcheinlich durch die aufblühende benachbarte Theodor 
flopolie ganz in Vergeſſenheit gerieth. 

- In der Stadt Erzerum felbfi Hebt W. Ains worth nur einen 
neuen Gegenſtand zur Beachtung hervor, der früher unerwähnt blieb, es 
if ein Pfeiler, *’) ganz im Styl der merkwürdigen Keli Shin (d. h. 

blauer Pfeiler) der Shemiram, von denen wir früher in Aderbidjan 

Bericht gaben (Erdk. Th.IX. S. 1023— 1026), nur daß diefer Hier, ges. 
genwärtig wenigflens, feine Spur von Keilinfchrift mehr zeigt, wie jene. 

Den Bau der Tihifteh Minareh (f. oben S. 768) erklärt er für ein ans 
fänglich griechifches Klofter, das in eine armenifche Kicche verwandelt wurde, 
aber auch zu andern Iweden dienen mußte: denn die Rnflen zogen wähs 
rend ihrer letzten Beilguahme der Stadt aus dem Schutt diefer Zellen 
allerlei alte Helme, Schilde, Bogen, Pfeile, Schwerter, halpälfege und 
ſyriſche Inſchriften hervor, vom denen leider nichts genawes befannt wor⸗ 





62) W. Ainsworth 1. c. II. p. 898. 








824 Wieſt-Aften. III Abcheilung. I. Abfcheitt. $. 39. 


des if, Seit Southgate's Anweienheit (1837:, |. ob. S. 706) uuh: Se 
bei: über. den elenden Inftand der armenifchen Kirche befelbii Kasten Wie 
Armenier einen nenen. Kirchenbau angefangen; die wieder Urginseabe 
Aufnahme der Stadt versulaßte, nach Eli Smiths trauriger Schilsenug 
derſelben Eſ. oben. S. 642), auch den amerikaniſchen Miſſionar Jackſon 
fig daſelbſt niederzulaſſen, um die große und blühende Miſſien Urmin 
(. Crdot. Th. X. S. 10209) in ſteter Berbindung mit derjenigen zu Tra⸗ 
pezumt zu erhalten, welche damals ein Dir. Joh uſon leitete. 

- Hinfihtlih de6 Nordweges von Erzerum nah Srapezunt, ws 
befien Wechfelu in Obigem (S. 741 — 746) bie Rebe geweſen, bunalı 
Ainsworth, °*) daß es dahin verfchiebene Ronten gebe. Be 
Binterroute, die längfte, paſſire Gümifh Khase und verfolge ben ke 
geven Thalzug; alle andern fehen aber über: die Bergkette am verſchie⸗ 
denen Stellen, insgefammt, im Oſten jened Weges: zu den Minen. Wim 
abgeiehen von, jener Route durch das Thal wie üben Die Dergieiie je 
gen die Maulthiertreiber auch oft weſtwaͤrts bis Aſh ka leh (dem bauch 

“genannte Diennes, S.1740, oder Dſchunis, nach des ruffifchen Ge 
neralſtabs⸗Karte, anf dem Sühnfer des Karaſu gegenüber liegt), inkef a 
zu andern Zelten auch wieder den Weg über die Dörfer Bey ae 
und Kodja Bunar vorzögen und dann erſt in die Gebirge einträten. Fine 
ähnliche Bewandniß hat es auch wol nach ben Jahreszeiten und Us 
‚Händen mit. den verfchievenen Paffagen über ven Saghan In (fi. ehe 

-&:405--448), wol am richtigfien Soghanlu, wo fi: ame Kieperit 
forgfältiger Kartenconfirnetion der verfehievenen Routen im Vergleich nö 
dee rufflichen Generalſtahskarte ergibt, daß Hamiltons Neiferonte ve 
über Barbeb (Varutha bei Ptolem. V. 13: fol. 136) wirklich im a 
biede ‘des nordweſtlaufenden Suflromes zum Zfhorm! die mörblichhe wm 
allen iſt, uoch wözblich von der Straße über Sewisn (f: ob. &. 420), me 
nach alfo obige Angabe zu berichtigen fein wind. 

Alnsworths Weg ging von Erzerum den erften Tag übe die 
weldlofe, aber gut angebante Plaine voll Dörfer, an dem warmen Dusle 
len .von: Ilja voräber, ohne dieſe zu berühren, zum Dorfe Bey Mam 
far, das am. Fuße von Bergen nicht fern von einem Kegel erbdani I 

der 59° N. W. von Grzeram liegt, . wo ein Zuflug zum Gupbeat: ve 
größerer. Beventung als ber Frat felbſt Lunflreitig der Gurtibaum, f 
ob, S. 727, 745) aus den Bergen zu ihm hervortzikt, wonach ber Mes 
rafu oder Frat von Grzerum wicht eimmal als der enfferutefle, geräte bus 
im phyſtlaliſchen Sinn eigentliche Quellarm bes Frat zu betrachten fein 
wärbe., Der zweite Tagmarſch führte über Berge, die aus den ji 
gern ber. Kreibeformation übergelagerten Ralllein: un Sa ad ſtotn⸗ 
bildungen beſtrhen, welche buch bie Gabbro⸗ (Cuapholiven⸗) uub 


„®%4) V. Ainsworth 1. c. U. PB : Eee 





Euphtatſhſtem; Nachtrag ; Berichtigung. 825 


Serpentinfelfen emporgerichtet wurden (wie oben nah Hamilton 
©. 74). Bon da fleiler Abftieg zum Bol Beran, d. I. trodner 
See (Goͤlweran auch auf: der ruſſiſchen Karte; daher die Verdrehung in 
Siöloran und Gulura, melde oben ©. 745 zu berichtigen iſt), und wier 
der Auffteigen zum Dorfe Kod ja Bunar (alten Mannes Quell). Bon 
da erſt findet der Hinabweg zum Thale des Ispera- oder Tſhoruk⸗ 
Binffes ſtatt (am deſſen Nebenflufle Thortan, jept Tortum, alfo 
nicht mit dem andern geheiligteren. Thortan oder Turdan in Taras 
naghi, im N.W. von Erzingan am Frat, zu verwechfeln, wovon oben 
©. PM und 8.552: vie Nede war, wobei alfo ver Zuſatz der Worte „bes 
nachbart Arzerum“ als Schreibfehler zu fireichem iſt). Der Tſhoruk⸗Fluß 
wurde bier zum Dorf Mafat oder Marrat (Maflat, ſ. oben S. 744) 
verfolgt. Die überfeßte Gebirgskette zwifchen den Thälern des Kara ſu 
and Tihornf nenut auch Ainsworth Kop Dagb, ihn mil Paryadres 
und Skydisos ibentificivend (f. oben S. 742). Der Ritt vurch das Thal 
von Naſat weſwaͤrts, das von nadten Kalkſteinklippen, bie aber reich. 
an Metalladern find; eingeſchloſſen erfcheint, führte nach Baiburt (f. oben 
©; 746) unb von. da exft norbwärts über ‚ven fogenannien Teich 
Dagh (vom Tekieh im Türkiſchen, d. h. Klofter), den man. beshalb: 
mit dem Iſcheches des Zenophon identificirt bat (f. oben S. 740); aber 
doch wol mit Unrecht, da es nichts anderes, als ganz allgemein nun Klo» 


 ferberg bedeutet, diefe Benennung ihn alfo wegigftens feinen Auſpruch | 


anf ein höheres claſſiſches Alterthum gibt, wenn nicht andere Umflände 
hinzukommen. Doch wir. Tehren von diefen Angaben zum Cuphrat aus, 
rüd, und fügen nur noch zu obigen Berichtigungen hinzu, daß, weun ber 
urfprünglicde Name jenes Sheitan Derefi (f. ob. S. 736 und 737) 
wirklich in Dereſi die türkiſche Benennung eines Thales, nicht eines 
Ortes oder Wohnplatzes, enthält, jene Station ihren Namen eher vom 
Thale erhalten Haben wird, als umgelehrt, wie Onſeley meinte, bas Thal 
vom Hauſe. Leider iſt bie Pofleinrichtung, deren wir oben ©. 785 ruhm⸗ 
lich erwahnten, im kuͤrkiſchen Reiche wegen zu großer Koflen, bie fie ver» 

arte haben fell, nah Kieperts Erfahrung im Keinafien im Jahr 

2042 fon wieber aufgehoben worben. 





828 Weff-⸗Aſien. BIL. Abtheilung. I. Mbfehnitt.$.40, 


ziz Furthen wiedergibt. I. Brant nennt eine Brücke, die über 
den Tokma fu führt, Kirkgenz, welches die vierzig Augen, mel 
wegen der vielen Brückenbogen, bedeute (ſ. unten). 
An jenem Iſoglu war v. Moltke auf feiner erſten 
Bahrt, im Juli 1838, auf dem Kelle glücklich vorübergeſchiff 
nun aber glitt das Fahrzeug mit entfeglicher Schnelle) in m 
um die Hälfte verengten Stromlauf hinein; bald hörte man fermd 
‚Braufen, von dem die Felswände wienerballten, und nicht lange, ſi 
war man den omindfen Jilan Degermenti d. I. der Sälu: 
' genmühle, nahe gekommen, eine Flußſtelle, die ihren Nauu 
"recht mit ver That trägt. Vorſichtig legte man an, und erfpaͤhte a 
einer vorfpringenven Klippe die Gelegenheit, ehe man ‚fly wide 
m den Wirbel Hineinwagte. Solche Stromfchnellen, mie diefe, io 
‚gen fletö an ſolchen Puncten, wo daß jähe Bett auchh eines geie 
gern Gießbachs In den Strom mündet. Aus feiner Bergfihlut 
find im Laufe der Zeit--eine Menge größerer und kleinerer Fe 
trümmer herabgeſtürzt; fie Haben vor der Mündung des an ſich 
singen, aber dennoch, wenn angefehwollen, wũthenden Tobels de 
Zandzunge angefeht, welche die Breite des Stroms ger IR 
vermindert (3. B. der Parſhian fu von Kümürhan, wer ir 
durch fein Vorland "oberhalb ' des Engfpalte® vie Breite nes & 
phrat bis zu nur 25 Schritten verengt hat).3) Oft ſiund ul 
gewaltige Steinblöde in das Bette gerollt, die hei nieverm Wehe 
ſtanbe Hervorragen, bei höherem aber von: der Flut Übesfpäl: Feb, 
der fie einen ünbeflegbaren Widerſtand entgegen ſetzen. Der weiße 
Strom, verengt und aus feiner Richtung geworfen, brauſet gap 
die Unebenheiten an, bildet über. venfelben hohe Waſſergarben ua 
jenfeit eine gewaltige wirbelnde Gtrömung, wie wenn mon ww 
Waſſer aus einem- breiten Gefäße in eine enge Rinne göfe Sk 
‚weniger ſchlimmen, oberhalb ſchon paſſirten Stellen gaben: Mb 
trauen zum Flooß; kaum vom: Ufer abgefloßen, wurde es von m 
allgemeinen WBaflerzuge erfaßt, und ehe ſich vie Schifſenden nur-is 
finnen konnten, waren fle fihon glücklich hindurch, doch von Kerpt 
zu Buß burchnäßt: denn von allen Seiten fchlugen die Wafferweiin 
über fie zufammen ; bei 40° Reaumur eine angenehuje 
Dr NiveausUnterfchien des Flußſplegelt nicht. ——22 
und unterhalb der Stromſchnelle, auf eins: En Entfernung. ws 
20 Echritt, konnte nicht weniger als etwa 18 "Sa Kun, te 


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Enphratioftem; Befchiffung der Euphrat⸗Cataracten. 829 


wagen. Solcher Stromfchnellen, die mehrſten zwar von ge, 
ringerer Bedeutung, aber wol preihundert an ber Zahl, eine 
hinter ver andern, bilden auf einer Strecke von etwa 20 geogr. 
Meilen zwifchen ven wildeften ſchwer zugänglichfien Felagebirgen 
die fogenannten Eataracten ned Euphrates (Plin. V. 20). 
Kaum iſt man durch die eine hindurch, fo hört man fon das 
nahe Braufen der andern. Das Kelle dreht fich befländig herum; 
ohne feinen Sig zu ändern auf dem wogenden Strome, Tann ber 
ſtaunende Schiffer, fagt v. Moltke, vie wildromantiſche Gegend 
von allen Seiten betrachten. Hoch oben Eleben einzelne Kurdendoͤr⸗ 
fer, unter fchattigen Nußbaͤumen verfledt, und Waflerfälle fchäumen 
Dis fleilen Bergaebhänge herab. Die ſchlimmſten Stellen find bei dem 
Stadtchen Schtro, und dann drei Cataracten, eine unmittelbar 
Hinter der andern, dicht oberhalb Telek, wo heiße Schwefel» 
quellen vampfend aus dem Geſtein pringen (die Elegia 
bei Plinius, X. Mill. pass. d. I. 4 Stunden unterhalb Melitene, 
H. N. V..20), in veren Benennung’ noch ver antile Name, nur 
etwas verhärtet, unverkennbar geblieben, wodurch vefien bis dahin 
unbelanmt gebliebne Lage (f. ob. S. 116, 737), wodurch auch die 
Benennung ver anliegenden Landſchaft Elegofine (ſ. ob. S. 100) 
ihre Rechtfertigung erhält.‘ In der zadigen Belöfpalte, nahe unter 
halb des Dorfs Telek wird ber oberhalb 200 bis 300 Schritt 
breit geweiene Strom durch einen Erofturz auf 35 Schritte verengt. 
Diefe Stelle heißt Geiklaſh, d. i. der Hirſcheſprung; ber Eu— 
phrat hat hier durch feine feltiamften Windungen durch die Tau⸗ 
rusketten feine äußerſte Nordoſtwendung im ſcharfen Winkel er⸗ 
reicht und ven größten Thell der Halbinfel von Kharput (d.i. 
Elegofine) umflurhet. Auf den fehmalen Ifthmus dieſer Halbinfel 
preitet fih nun eben jener Gol dſhik See (Colchis, Ihodpitis, 
f. ob. S. 101— 103) aus, und dicht in Norvoft von Telek (Ele 
gia), vielleicht Feine Stunde vom Euphratſtrome entfernt, Liegen auch 
die wahren Quellen des Tigris, von denen früher fchon bie 
Mede war. Da wir nun eben hier in dieſer Localität, die ware 
men Schwefelquellen Eennen lernten, deren Vorkommen früher 
unbetannt war, und dieſe mit Plinius Ungabe von Elegia (fo 
heißen überhaupt die warmen Quellen noch heute Ilijeh, Ilidie, 
f. ob. ©. 698) dem Raume nod völlig zufammenfällt: fo bezweis 
fein wir nicht meht, wie zuvor, ein doppeltes Elegia (f. ob. 
©. 100); halten aber doch immer jenes obere Elegia’ am Frat 
(f. 06. ©, 116.und 736) für dasjenige, ‚wo Partkamafiris ant⸗ 


- 
* 


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verminderter Geſchwindigkeit fließt nun ber Euphrat zwar nod ie 


. erhebt fi noch zu 300 bis 400 Fuß Höhe, und zeigt die greul 


interius autem juxta montana, d. i. nicht in Das GStromthal, fr 


nel, oder Gurgur, mol wie oben ©. 663, d. i. das Getdſe, we 









830 WeftAfien. IH. Astpeilung. I. Abſchnitt. $.20, 


thront warb (weshalb die Stelle &. 101, 3. 2 von oben zu be 
richtigen). Diefe Meinung iſt dadurch begründet, daß wir jegt we 
früher ebenfalls unbekannte Lage von Satala (f. 06. ©. 116; übe 
welche Zrajan durch Klein- Armenieng Päſſe nach Elegia vorbramg) 
durch die Stinerarien in der Situation von Lori (f. ob. ©, 73) 
wiedererfennen müflen, da Satala nicht fo dicht am Cuyhrat ig 
wie Eramer‘*) annahm, fondern eine Stätion davon entfernt, in ®s 
ſten jenfelt des Bebirgäpaffes vom heutigen Karakulak (Itiners. 
Anton. ed. Wessel. p. 207, 217, 703, ung Kieperts Karten we 
obern Tigrielauf), womit Ptolem. V. 7. fol. 127 übereinfium 
der dieſe damals bedeutende Stadt ausdrücklich Zrzöc de etc, ai 


dern gegen das Gebirgsland ſetzt. Nun zweifeln wir u 
nicht mehr daran, daß die merfwürige Euphrat- Hall 
infel felbft von dieſer, fo eigenthümlich gelegenen, unteren @iegs 
den Namen Elegofine erhalten habe (ſ. ob. S. 100); un af 
diefe Elegia paßt dann auch vollfommen Plin. V. 20: Apud Be 
giam occurrit’ei (i. e. Euphrati) mons Taurus, quamquam ZI 
M. pass. latitudine praevalens, das wäre 5. Stunden Wegs IH 
Berger, wo der Cuphrat wieder fchiffbar wird, wie PBlin. ebenbel 
fagt: a cataractis iterum Euphrates navigatur. 

Unter dem Geiklaſh bei Telek wendet fi num m 
Cuphratſtrom gauz gegen S. W., und führt nady einigem Lak 
abwärts unter einer Kreidefelswand zu einer fehr miphen 
Stelle, dicht oberhalb ded Bergſchloſſes Berger (Kharkar bei Aw 


das Geſäus an der Ens in Steyermark bei Admont); von da a 
verändert fidy der ganze Character des Strombettee. Denn mit ſch 


mer zwiſchen ven hohen, fenfrechten Wänden bin, aber die Geh 
treten fchon auf beiven Seiten zurüd, und die Nebenthäler, db 
nur kurz, find von niebrigen, mauerartigen Bafaltgängen dump 
ſchloſſen. Das röthliche Geftein, das ſenkrecht zum Fluß abſuck 


fin Formen ver Sandſteinbildung und viele Höhlen.“ Einig 
der letzteren enthalten vie Trümmer uralter Klöfter, vie nur wi 
einem fchmalen, ſchwindelnden Pfade längs ven Felsmauern zu e⸗ 
reichen find, und ſeltſane Wartthürme kleben an nen Fühen 


m EM Ma A BE Ho Do . ME 5 WE TE rn DM 5 





d0%) Gramer, Asia miners Oxford. Nu IL ꝑ. 188, 


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Euphratſhſtem; Beſchiffung der Euphrat⸗Cataracten. 831 


Felsvorſprüngen. An welchen von dieſen Localitäten etwa die Feſten 


Barzala und Laudias im großen Bogen des Stromes (nach 
Ammian. Marc. XVIII. 7, 10), oder das Barſalium und Clau⸗ 
dias nach Tabul. Theodos., in fpäterer Zeit, wie D'Anville fagt, 
Berfel und Cludiehẽe) genannt, liegen mögen, bleibt ſpätern Er⸗ 
forſchungen an Ort und Stelle, die vorzüglich von den Landreiſen 
am Stromufer entlang andgehen müſſen, überlaſſen. Als vor⸗ 
läufige Annäherungen nach Diſtanzberechnungen ver Itinerarien 
diene die Angabe verbefferter Kartenzeichnung, wonach Claudias 
unmittelbar untersalb der obengenannten Jilan Degermint ober 
der Schlangenmühle liegen würde; Juliopolis unterhalb Telek, wo 
jeßt das Torf Ibolkdiler, Barzalo aber an ver Stelle des heutigen 
Berger. Eben fo verbleibt ihnen vie genauere Beſtimmung ber von 
&1. Blolemäus In Armenia minor an diefem Stromufer, oberhalb Ma⸗ 
Iatia (MeAızEvn), genannten Uferorte Dascuta, von dem ſchon oben 
die Rede war, und Sinis Eolonia, mie unterhalb Melitene 
Metita (Mira), wol in der Gegend des heutigen Sfoglu; 
dann die zwifchen feiner Claudia (Kiavdias) und Barzalo 
(BapLulw) nur von ihm genannte Juliopolis (Ptol. V. 7. 
fol. 128), abwärts feine Cholmadara, wahrfcheinlich indgefammt 
Niferfeften, und andere, auf welche dann erft noch weiter abwärts 
von ihm die erſte Stadt Syriens, nämlid Samofata 
(Zaudoata, f. Ptol. V. 15. fol. 138) genannt wird. . 
Unterhalb jener Klofterruinen und Warttbürme, bie 
bisher noch ganz ununterfucht geblieben, und vieleicht durch In⸗ 
feriptionen und Seulpturen manchen Aufſchluß über jene frühere 
Periode ver Geſchichte an dieſen Euphrat- Cataracten im Anti= 
Taurus (f. ob. ©. 74) geben möchten, ſchiffte v. Moltke's Flooß 
an dem alten Caſtell von Ehoros%6) auf dem rechten Ufer vor⸗ 
über, wo der Strom, nun in immer weſtlicher Richtung, zwei 
große Serpentinen macht, aus dem Felsgebiete in ein offenes 
Hügelland eintritt und, in der feichten Sommerjahrezeit etwa 


der fchlefifchen Oper bei Frankfurt an Bröße und Bedeutung ver- 


gleichhar, an ver berühmten Samofata vorüber, nun in bie Stein- 
wüßte von Syrien übergebt. Hier war das Ende ver erften 
Wafferfahrt. | 


Nicht fo glücklich war eine zweite, In einer andern Jah⸗ 


*6) D’Anville, Mé m. l’Euphrat et le Tigre. 1779. 4. p. 6, 15. 
**) v. Molike, Briefe, 6 204, 224. 


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7 
/ 


832 Weſt⸗Aſten. W. Abtheilung. I. Abſchnitt. 40. 


reszeit, Mitte April, um bei hohem Waſſer ſtande md de 
mal zu unterfuchen, ob bei Waſſerfülle vielleicht der Sum 
doch noch zu einer Wafferverbinbung und zum Xranspert 
der Kriegtbedürfniſſe aus Armenien nad) Syrien uns Meine | 
tamien dienen könnte. Nicht ſowol die unbedeutenden Gele 
fprengungen, welche hie und da indeß im Euphurtlaufe auf Bil 
Hafisz Paſchas gemarht waren, gaben dazu cinige «Heffuung, HM 
‚vielmehr die damalige Stellung der türfifhen Armee dazu Yräugk, 
auch dad Aeußerſte in dieſer Hinſicht zu verfuchen, zu deſſen Ouch 
führung ein weifes Gouvernement lange vorher die Vorbereitunge 
getroffen haben würbe, was aber bier im Moment der Noth (ni 
lid) vor der Schlacht bei Niſib, im Juli 1839) wo möglid vun 
gefegt werden follte. ber vie Unmöglichkeit der Belegung im 
wilden. Waffergewalt des fo mädtig gewordnen Gem 
(Euphrates cunctis excellens Ammian. Marc. XXI 6, 25, u. 
Pomp. Mela Ill. 8: Kuphrates non exit tanlum unde eorite, 
‚sed et vaste quoque decidit etc.) ergab ſich aus der Probe mit 
Lebendgefahr. 

Der Euphrat iR eben jeft, wo wir ihn brauchen, (fagt u. Sb 
ke's Brief, 97) vatirt:  Malatia vom 12. April 1839) um 15 I 
geſtiegen, und der Pafcha war.fehr in Sorge, ob es mögi a 
werbe, ihn jetzt zu befahren, und wen er mit dem etwas migihet 
Verſuche beauftragen follte. Die erfahrenſten der Kelektfthi, es 
Ruberer, erflärten es für ganz unmögli, die Stromſchnellen Sin 
zukommen, da ſchon bei günftigem Waſſerſtande von 3 Berfage 
zwei verunglückt waren. Beim Abendeſſen ſchlug ver Paſcha uk 
die Partie vor. Ich ritt noch denſelben Abend nach Ece beh is 
Euphrat (gunächft bei Malatia, unterhalb des Einfluffes ver I& 
ma fu), wo mein Kelek over Flooß bei Fackelſchein ſchnell gebe 
wurde, und war bald nach Mitternacht flott. Gegen Senne 
gang kam ich nah Kümürhan, wo die fehwierigen Stellen anf 
gen. Es war fehr arg; was früher nur Stromfchnelle gewii 
war jegt wirflih Wafferfall, und vor vr Schlangenwäht 
(Jilan Degermeni) mußte Ich meine Arche In ihre integeizuiius 
helle zerlegen, Stangen, Schläuche, Gepäd über Land ragen u 
unterhalb dieſes Cata ractes wieder zufammenfegen laſſen, unit 
3 Stunden vergingen. Dann fiel bei der Weiterfahrt Sagen da 
der und aber nicht näßte, venn ſchon die Wellen des Siremes ib 


ne | 


sen) y. Molke, Brit, 0. 0. D.E. ML. z 





‚Cuphrarfoft.; Beſchiff. der Euphrat ⸗Cataracten. 833 


fegütteten uns. Oberhalb Telek (bei der Schwefelquelle Clegia) 


- wußte das Floeß nochmals auseinander genommen werben: bein 


«8 war gar nicht daran zu denken, durch die dortigen Waſſerfaͤlle 
und Brandungen hindurchzukommen. In ftodjinfterer Nacht lande⸗ 
ven wir in Telek, wo wir blieben, um und zu trodnen. Wir hat⸗ 
ten in 6 Stunden eine Stredde auf dem Strome zurückgelegt, zu ber 
ich nachher 24 Stunden Zeit auf dem Landwege gebrauchte. Meine 
Begleiter, ein Ingenieur⸗Obriſt des Bafcha und Andere, verliehen 
mich bier; ein Aga des Paſcha und 4 Keletfht (Ruperer) blieben 
mir am Bord, dazu nahm ich noch einen fünften aus dem Docfe 
mit; aber Selm Einſchiffen am andern Morgen 308 fich auch mein 
Tſhauſh (Sergeant) zurüd; er mußte zur Fortſetzung wer Fahrt 
gezwungen werden. Wir fließen vom Ufer ab; pfellfchnell ging «6 
davon, und in 10 bis 15 Minuten ſchoſſen wir eine ganze Stunde 
Wegs durch den Euphrat, ver, oberkalb 250 Schritte breit, fich bier 
zu 100, dann zu 80 Schritten und noch weniger verengt hat. 
Die ganze gewaltige Waffermafje flürzt durch dieſen Trichter um: 
über Felsblocke fleil hinab, wodurch fo gewaltige Strubel und Wels 
len entfichen, daß an einigen Stellen die Waflergarben von 5 Fuß 
Höhe ſich emporrichteten, während zu beiden Seiten bie Flut ſchnell 


wie fledend dahinſchoß. Die Wogen jchlugen auf unfre Köpfe nie 


dex, das Flooß mar zuweilen ganz unter WBafler; aber die Ham⸗ 
meelfchläudge arbeiteten ſich beſtaͤndig wieder empor, und nur bei 
dem fleilen Auf⸗ und Abfleigen über vie hoben und kurzen Wellen 
war Gefahr umzufchlagn. An ein Rudern war gar nicht zu 
denken. Zwei der Keletſhi fielen über Bord, fle hatten ſich aber 
mit Stricken feſtgebunden. Der Schrecken blieb nicht aus, bean das ‘ 
Kelek trieb wol eine Drittel- Stunde „istedi gibi”, d.i. nach Gut⸗ 
dünken, fo fort, bis Allah uns in einen Strudel feitwärts führte 
umd dort ein dutzendmal im Wirbel umdrehte. Gier erſt kam man 
zur Beſinnung; vie Ruder wurden wieder ergriffen, doch blieb eß 
zweifelhaft, ob wir. daß Ufer erreichen oder einem neuem. Waſſerfall 


zugeführt würden. Schon waren drei 'ver Floeßſtangen mitten 


burchbrochen, 4 Schläuche geplagt, 2 weggeſchwommen: doch ka⸗ 
men wir glücklich ans Ufer. In der Angſt retteten ſich die Türken 
ſchnell auf vie Klippen und fielen ;niever, um ber Kaaba in Mekla 


ihre Gelübde für vie Rettung zu bringen. Reicht Hätte man, bes 


merkt v. Moltke, an dieſen Tage, bei der auferorbentliäyn 


Schnelligkeit ned Stroms, noch den Schlopberg won Srrart, 
ia 30 Stunden unterhalb Malatia, erreihen rauen, ober. ie 
Kine Gifune X. ® X 


I HE 


838 Meft«Ofien. IE. Abtheilung. . Abfchmit.$. 40. 


wer war zum Weiterſchiffen zu bringen. Auch Hätte dies Telm 
Frucht gebracht: denn daß Feine MöglichTleit vorhanden fd, 
auf um Euphrat abwärts Güter zu verſchiffen, war num fen 
mtihienen. Nun galt es nur, von Weg zur Rückkehr zu finden 
ie mußten aus wiefen wilden Kfippenufer eine faſt ferfundk 

- Welywand;; In ver Schlucht eines Bergwaffers, an 1000 Fuß def 
wuporflinmen über Schutt und Beldtrimmer, um zum bl 
Derfe auf ver Höhe zu gelangen, wo man Maulthiere zum Mb 
marſch bettreiben konnte. In Telek hatte man die Ahnen Sdife 
ſchon für verloren gegeben ; rad drei Tagen kehrte aber v. Melk 
no Malatia zum Lager des Paſcha zurüd. Ea blieben zum Eu 
beuch wos Tauruds Heeres von Malatia demnach, da ber Wef- 
fermeg unmdglih war, nur no zwei Kanbmwege vard ww 
Tauras, nah Samfat und Beridſhik In Syrien, zu nam 

ubrig, dason der eine für die Artillerie geräumt werben wußte, iu 
andre für die Infanterie noch mit hohem, leider ſchon fh meigaiben 
Gun bedeckt war. — 

Do che wir zu der mähern Kenntniß dieſer Rand wege ah 
der dem Taurus vorliegenden Ebene fortfchreiten, müfjen wir uw 
ao einmal innerhalb jenes Taurußfetten zurüdtchren, zu ven ui 
befunnter gewordnen Roealitäten, die zu beiven Uferfeiten des €e 
phratſtromes gelegen find, deſſen Wafferader ſelbſt una ven 
dieſe kuͤhnen Fahrten zum erflen Male in ihrer wahren Ranie 
ſchaffen heit geographiſch an das Licht getreten iſt 


2. Meſtlich⸗ Zuflüſſe des Eubphrat, zumal des Tolmäfs, 
Melas ver Alten, bis zur Stadt Malatia Mealatiye 
in ber Landihaft Melitene. — 


Erſt nachdem wir und durch die Waſſetreiſe mit dem Muh 
5 Stromes in feinen felfamen großen Wendungen G 
Durchbrüchen, die Alen frühern geographifcgen ; Bearitbene 
thellweis oder gänzlich unbekannt geblieben waren, und woher 
kimer Stromſtrecke von 40 bis 60 geographiſchen Meilen: Sreguitiäf 
Irrtum gehäuft hatten, im allgemeinen befannt gemmacht Fk, 
wird es und nun erſt nidglich, auch auf einer La nd reife We Mb 
den Uferſeiten des Stromgebtetes zu begleiten; u 
Zuftüffe sum Euphrat mit ihren Thälern: und ' 
richtget verrinen 018 biaher zu befchreiben, wenn X 
men wege auf ze woltoemme Ware ar Wiır 
— Arien. Der wehliige her un Cuyiret, he 


















Guphrasoft,; Lefizuflcffe zum mittl, Eupbretlauf. 835 


Aleinaflen gu, iſt hier zunuchſt vorzugkweiſe durch feine bedeuten⸗ 
dern Anflüffe und cultivirteren Landſchaften zu beachten, weil das 
Aftliche Tier nur geringe Zufäffe erhält, da hier, Ihm ganz benach⸗ 
Kart, Die Bilsung des Tigrislaufes die meiſte Bewäſſerung an 
ſich veißt, und deſſen Quellflüſſe überall, fünmärts bid zum Mha⸗ 
baur⸗Fauffe kei Orfah, nur in geringer Ferne von wenigen Stun⸗ 
Den des linken oder oſtlichen Ufers des Cuphrat entfpringen, 8 
Zanı vie Wüſte Meiopotamiens jevem ferneren Zufluffe zu dem⸗ 
‚ ‚Selten auf lange Streden Hin sin Ende macht. Bom Weften 
her ibn aber viele und bedeutende Ströme durch weitläuftige Thal⸗ 
ſenkungen und Landſchaften dem Cuphrat in mehr oder weniger 
her ſich parallelem Laufe zu, die insgeſammt ven Gebirgs⸗ 
 Betson bes ſüdlichen Kaurusſyſtems auf der Grenze Kim 
j altıms, in Rappapocien, Klein⸗Armenien, Melttene, Soma- 
‚game und Dem wörblichen Syrien entfpringen, und fo zugleich: bie 
Mebergänge und Eingänge zu jener weſtlichſten klein⸗aſiati⸗ 
Hier Habbanfel Borbesaflens bilden, die bisher ganz hypothetiſch 
dm unfee Lanvlarten eingetragen ‚waren, aber in ben letzteren Jahren 
wwotzemein lehrreiche Orts beſtimmungen, Aufnahmen und Grläutes 
P zungen schalten. haben, nach denen man fich früßer vergeblich 
uhr. 0 
Wir ſetzen von ben ung nun ſchon befannten Puncten vom 
Morden nach Süpen unfee Wanderungen fort, am vie wirklicken 
Anſchauungen des Landes felbft zu gewinnen, ohne von vorn her⸗ 
on und in die zahlloſen polktiichen Abtheilungen und Zerftüdelun- 
yon ſeiner Landſchaften einzulaften, die feit den Zeiten ver Nömer-' 
Beige unter Zuculi und Bompetws gegen Mithridat und die 
vrmeniſchen, dann die parthifchen Könige beginnen, und mit jedem 
qelgenden Kriegs⸗ und Greberungdjuge der Byzantiner wider bie 
Saſſaniden, der Armenier gegen die Sleinaflatifchen Könige, ver 
Grlechen gegen die Araber, ver Gilicier gegen die Araber und Ma- 
welusden, ver Griechen gegen Die Osmanen, Mongolen, Türken und 
Merſer, und wisverum der Zürken gegen die Kurden, fortwährend 
wechſeln. Diefer politiſche Wechſel, der. durch ale Jahrhunderte 
Mintuch die Territorialgrenzen ver vielen kleinen Dynaſtien, 
Mraßecturen, Themate, Konigreiche, Statthalterſchaften, Sandſchakate, 
Paſchaliks, in welche vie vielen Gebirgägaue der Taurusgebiete im 
Weſten des Euphrat durch ihre Naturzerriffenhett zertalken wagen, 
fortwährend verſchiebt, ft .oft gar nit \ecl nawerien, 
Bleibt meiftentpeils, boposheiiihy, und IR - Für ‚ven Bang a N | 
x G 832 


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832 Weſt⸗Aſten. W. Abtheilung. I, Abſchnitt. 1.40. 


retzzeit, Mitte April, um bei hohem WBafferftanne ned de 


mal zu unterfuchen, ob bei Waffesfülte viefleicht ver Girem 
doch noch zu einer Wafferverbinnung und zum Xrausperi 
der Kriegtbedürfniſſe aus Armenien nach Syrien und Meſepe⸗ 
tamien. dienen könnte. Nicht fomel die unbedeutenden Gele | 
fprengungen, welche bie und da indeß im ECuphratlaufe auf Bell 
Hafldz Paſchas gemacht waren, gaben dazu einige Goffnung, U 


vielmehr die damalige Stellung der türfiihen Aznıee- dazu vränge, 


auch das Aeußerſte in dieſer Hinſicht zu verfuchen, zu deſſen Dunk 
führung ein weiled Gouvernement lange vorher die Borbereitunge 
getroffen haben würde, was aber bier im Moment ver Noth (aim 
lich vor der Schlacht bei Niſib, im Juli 1839) wo möglich vunf 
gelegt werben follte. Aber vie Unmöglichkeit ver Beflegung ie 
wilden. Waffergewalt des fo mächtig geworbnen Ser 
(Euphrates cunctis excellens Ammian. Marc, XKIH. 6, 25, u. 
Pomp. Mela Ill. 8: Kuphrates non exit tantum unde erite, 
‚sed et vaste quoque decidit etc.) ergab fih aus der Probe mit 
Lebenägefahr. 

Der Eupbrat iR eben jekt, wo wir ihn brauchen, (fagt v. Si 
ke's Brief, 9) Datirt: : Malatia vom 12. April 1839) um 25 uf 


‘- gefliegen, und ber Pafcha war.fehr in Sorge, ob es mögEd fi 


werde, ihn jegt zu befahren, "und wen er mit dem etwas milk 
Verſuche beauftragen follte. Die erfahrenſten der Kelektfhi, Me 
Nuperer, erklärten es für ganz unmoglich, die Stromſchuellen has 
zukommen, da ſchon bei günftigem Wafferflanve von 3 Verſeha 
zwei verunglückt waren. Beim Abendeſſen ſchlug der Paſcha uk 
die Partie vor. Ich ritt noch venfelben Abend nah Ecebeh 
Euphrat (zunächſt bei Malatia, unterbalb des Einfluffes ves IE 
ma fi), wo mein, Kelek over Flooß bei Fackelſchein ſchnell ‚gehen 
wurde, und war bald nach Mitternacht flott. Gegen Sonntacch 
gang kam ich nah Kümürhan, wo vie ſchwierigen Stellen aafıb 
gen. Es war fehr arg; was früher nur Stromfchnelle gewißh 
war jegt wirflih Wafferfall, mb vor der Schlangenumkfke 
(Jilan Degermeni) mußte ich meine Arche im ihre - 
Thelle zerlegen, Stangen, Schläudje, Gepaͤck über Land trage 
unterhalb diefe8 Catara ctes wieder zuſammenſegen laſſen, seuullr 
3 Stunden vergingen. Dann fiel bei der Welurfahrt Singie-de 
der uns aber nicht näßte, denn fchon bie Wellen bed Sim. In 
at 
yy, Meltke, Dit, aD. in u u 




















Euphratſyft.; Beſchiff. der Euphrat⸗Cataracten. 833 


ſchũtteten uns. Oberhalb Tele? (bei der Schwefelquelle Elegia) 
mußte das Flooß nochmald auseinander genommen werben: denn 
es war gar nicht daran zu denken, durch die dortigen Wafierfälle 
und Brandungen hindurchzukommen. In flodiinfterer Nacht lande⸗ 
ven wir in Telek, wo wir blieben, um und zu trocknen. Wit hat- 
ten in 6 Stunden eine Strecke auf dem Strome zurüdgelegt, zu ber 
Un nachher 24 Stunden Zeit auf dem Landwege gebrauchte. Meine 
Begkiter, ein Ingenieur⸗Obriſt des Bafıha und Anpere, verliehen 


wich hier; ein Aga des Paſcha und 4 Keletſhi (Muperer) blichen 


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mir am Bord, dazu nahm ich noch einen fünften ans dem Dorfe 
mit; aber Selm Einſchiffen am andern Morgen 308 fich auch mein 
Tſhauſh (Sergeant) zurüd; er mußte zur Zortiehung der Fahrt 
gezwungen werden. Wir fließen vom Ufer ab; pfellfchnell ging e6 
davon, und in 10 bis 15 Minuten ſchoſſen wir eine ganze Stunbe 
Wege durch den Euphrat, ver, oberkalb 250 Schritte breit, fich ‚bier 
zu 100, dann zu 80 Schritten und noch weniger verengt Bat. 
Die ganze gewaltige Waffermafje flürzt durch dieſen Trichter und: 
Uber Feloblocke fleil hinab, wodurch fo gewaltige Strubel und Wels 
len entfliehen, daß an einigen Stellen die Waflergarben von 5 Fuß 
Höhe fich emporrichteten, währenn zu beiden Seiten bie Ylut ſchnell 
wie flevenn dahinſchoß. Die Wogen fchlugen auf unfre Köpfe nie 
bes, das Flooß war zuweilen ganz unter Waſſer; aber die Ham⸗ 
melſchlaͤuche arbeiteten fich beſtändig wieber empor, und nur bei 
dem fleilen Auf» und Abſteigen über die hoben und kurzen Wellen 
war Gefahr umzufchlagn. An ein Rudern war gar nicht zu 
Denken. Zwei der Keletihi fielen über Bord, fle hatten ſich aber 
mit Stricken feſtgebunden. Der Schrecken blieb nicht ans, bean pas ‘ 
Kelek trieb wol eine Drittel-Stunde „istedi gibi”, d. i. nah Gut⸗ 
dünken, fo fort, bis Allah uns in einen Strudel feitwärts führte 
und dort ein dutzendmal its Wirbel umdrehte. Hier erſt kam man 
zur Beſinnung; vie Ruber wurben wieder ergriffen, doch blieb «8 
zweifelhaft, ob wir. das Ufer erreichen oder einem neuen Waſſerfall 


-zugefühst. würden. Schon waren brei der Flooßſtangen mitten 


durchbrochen, 4 Schläuche geplagt, 2 weggeſchwommen: doch ka⸗ 
men wir glüflich ans Ufer. In ver Angſt vetteten ſich bie Türken 
ſchnell auf die Klippen und fielen .nlever, um der Kaaba in Mekla 


ihre Gelübde für die Rettung zu bringen. Reicht hätte man, bes 


met v. Moltke, an dieſen Tage, bei ver außerordentlichen 

Schnelligkelt des Stroms, noch ven Schloßberg von Berger, 

wa 30 Stunden unterhalb Malatie, erreichen koͤnnen; aber Kae 
Mister Grdfunde X. INN 





834 Weſt⸗Aſien. TEI. Abtheilung. J. Abſchnitt. $ 40. 


wer wer zum Weltssichiffen zu bringen. Much Hätte dies Tolme 
Frucht gebracht: denn daß Feine Möglichteit vorhanden fü, 
auf um Muphrat abwäns Güter zu verſchiffen, war nun fen 
emfieven. Nun galt es nur, don Weg zur Rückkehr zu ſtuden 
Wie mußten aus dieſem wilden Kllppenufer eine faſt ſenkerchu 


VBelowand, in der Schlucht eines Bergwaſſers, an 1000 Fuß bei 


mporklimmen über Schutt und Beldtrünmer, um: zum nahm 
Derfe auf ver Höhe zu gelangen, wo man Maulihiere zum A 
marſch buttreiben konnte. In Telek hatte man Die Ahnen Gchtſa 
ſchon für verloren gegeben ; nach drei Tagen kehete aber v. Molrke 
no Malatia zum Lager des Paſcha zurüd. Ea blieben zum Auf⸗ 
beuch v8 Tauruss Heeres von Malatia demnach, da der Maſ⸗ 
ferweg unmdglig war, nur no zwei Landwege vard Ws 
Taurus, nah Samfat und Beridſhik In Syrien, zu nd 
übrig, davon ver eine für die Artillerie geräumt werben mußte, da 
andre für vie Infanterie noch mit hohem, leider ſchon fehmeigaibem 
Son bedeckt war. — 

Ooch che wir zu der mähern Kenniniß diefer Kann wege ah 
der dem Taurus vorliegenden Ebene fortfihreiten, müffen ante w 
noch einmal innerhalb jenes Taurusketten zurüdfchren, zu den mi 
betannter gewordnen Loealitäten, die zu beiden Uferſeiten dei’ Er⸗ 
phratſtromes gelegen find, deſſen Waſſerader felbſt un nk 
dieſe Llühnen Fahrten zum erſten Male in ihrer wahren Rat 


we Amaffenpeit geographifih an bad Licht getreten iſt. 


2. Menlich⸗ Zuflüſſe des Eubbrat, zumal deo Jotau- 


Melas ver Alten, bis zur Stadt Malatia (Materiye]) 


in der Laudſchaft Melitene ' ed 


ei nachdem wir und durch die Waiferreife ‚mit dem ER 
des Stromes in feinen feltfamen großen Wendunge ws 
Durchbrüchen, die allen frühern geographiſchen 
thellwels oder gaͤnzlich unbekunnt geblieben waren, und WR 
einer Stromſtrecke von 40 bis 60 geographiſchen Meilen —— 
Irrthum gehäuft Hatten, im allgemeinen bekannt gemnache Yan, 
wird es und aun erſt midgähh, auch auf einer Zum: reife ER 
sen Uferfeiten des Stromgebietes zu — rn 
Zuftüffe gum Eupbrat mit ihren Thälern: und 
Yihtiger wenigſtens als bisher gu befchreiben, wein (dl 
ehwege auf ine vollkommne Weiſe afle khre 
Item. DM wehren Mr war Suyarat, ui? — 


TEILTE 4 












Ephrachofi.; Weflzufldffe zum mittl. Euphratlauf. 835 


Meinafen gu, iſt Hier zunaͤchſt vorzugämelie durch feine bedeuten⸗ 
dern Bnflüffe umb cultivirteren Landſchaften zu beachten, weil das 
Afliche Ufer nur geringe Zufkäffe erhält, va hier, ihm ganz benach⸗ 
Bart, Die Bilvung des Tigrislaufes die meiſte Bewäſſerung an 
Ach veißt, und deſſen Quellflũfſe überall, ſüdwärto bid zum Ka 
bur⸗Flufſe kei Orfah, nur In geringer Ferne von wenigen Stun⸗ 
den des linken oder ‚Öfklichen Liferß des Cuphrat entfpringen, bis 
Zaun vie Wüſte Mefopotamiens jebem ferneren Buflufie zu dem⸗ 


felben auf lange Strecken Hin sin Ente macht. Bom Welten 


ber cin aber wide und bebeutende Ströme durch meitkäuftige Thal⸗ 
fentungen und Lanpfchaften dem Cuphrat in mehr oder weniger 
uhr ſich parallclem Laufe zu, die insgeſammt ven Gebirgs⸗ 
Beiden des ſudlichen Taurusſyſtems auf der Grenze Men 
aftens, in Kappadocien, Klein«Ürmenien, Melitene, Coma⸗ 


gene und dem mordlichen Syrien entſpringen, und fo zugleich: bie 


Mebergänge und Eingänge zu jener weſtlichſten klein⸗aſiati⸗ 
Ichen Halbänfel Borbesaflend bilden, die bisher ganz hypothetiſch 
ia unfre Lenvlarten eingetragen ‚waren, aber in ben Ießteren Jahren 
‚ugesuehn lehrreiche Orts beſtimmungen, Aufnahmen und Grläute 

sungen schalten. Haben, nach denen man fich früher vergeblich 
| 

Wir fegen von ben und nun ſchon "Sefannten Punetn vom 

Horven nach Süden unfee Wanderungen fort, am bie wirklichen 
Anſchauungen des Landes jelbft zu gewinnen, ohne von vorn her⸗ 
‚u und in die zahlloſen politiſchen Abtheilungen und Zerſtückelun⸗ 
‚on ſſeiner Landſchaften einzulaſſen, die ſeit ven Zeiten der Romer⸗ 
Belege unter Zuccull und Pomperws gegen Mithridat und die 
vrmeniſchen, dann die partbifchen Könige beginnen, und mit -jebem 
gelgenden Kriege» und Eroberungszuge der Byzantiner wider bie 
Maifaniven, der Armenier gegen die Fleinaflatifchen Könige, der 


Griechen gegen vie Araber, ver Eilicier gegen die Araber und Ma- 


elusden, ver :Biziochen ‚gegen vie Osmanen, Mongolen, Türken und 
Merſer, unb wiederum der Kürken gegen die Kurven, fortwährend 
WwWechſeln. Bicier politiſche Wechſel, ver. durch alle Jahrhunderte 
Minduch bie Territorialgrenzen der vielen Heinen Dynaſtlen, 
Mräfertusen, Themate, Königreiche, Statthalterſchafien, Sandſchakate, 
Paſchaliks, in welche bie vielen Gebirgtzgaue der Taurusgebiete im 
Beim des Euphrat durch ihre Naturzerriſſen heit zerfallen mußten, 
Toxtwährenn verſchiebt, iſt oft gar nicht Iocal nachzuweiſen, 


vleibt meiſtentheils hypothenuſh, und fur den Bang er nie 


G 2 





836 Weiden, M. Abtheilung. I. Abſchai. $.40. 


ten, in fofern dies von dem Gelehrten auf dem Papiere geſchehen 
Tonnte, ſchon hinreichend erläutert worden, worauf wir bier nur 
zu verweifen haben. &) Dagegen iſt bie Gonfiguration des 
Landes, von der ſolche Werhältniffe doch mehr ober weniger ab 
Hängig wurden, nur zu ſehr vernadiläffigt gewefen, veahels mir 
für dieſe Hier die wichtigften Thatſachen, wie fie des Bortfchritt da 
Borfhung darbletet, vorzugämelfe ind Auge faffen. 

‚Stier iſt nun zunaͤchſt an ver größen obern Kuiewer- 
dung des Euphrat gegen Weſt, unterhalb Kiebban Manden, 
der exfte bedeutende Zufluf, der Tokma fu, unb bie Lankihek 
Melitene beſonders zu beachten. 

. Beläpt man von Hekim han (f. ob. ©. 805) auf ber Russ 
wanenftrafe von Siwas ven Weg ofimärts nach Kiebban Maede 
und folgt der großen Karamanenftrafe von Gonftantinopel nah 
Bagdad „gegen Süd, fo führt diefe in einem Tagmarſche nad 
Malatia zum Tokma fu. Der Weg geht erſt den Lauf des Kurs 
tſhai eine Strecke ®) entlang, über ven Hier eine türkiſche Gebe 
von 3 Bogen und 27 &. Höhe führt, die fo verfallen, Da mm 
den Strom neben ihr burchreiten muß. Dan freift durch Hügel, 
mit Eichengebuͤſch bewachſen, dann an einer trefflichen Ouse V 
pungat vorbei, durch ein Defile über dde Gtreden bis Hafen 
Sadrit (d. h. Patriarch Haffan), ein Doͤrfchen, das Ja 6 & 
erreicht wird. Hier fängt bie große Ebene von Melitene en, 
weldje ver Tokma fu durchzieht. I. Brant 70) bemerkte an bir 
ſem Orte die Ruine einer ſchönen Moſchee aus Duanerfein, im 
perſiſchen Architecturſtyl gearheitet. Nach ihm iR Diefer Ort, and geagt. 
Meil. (18—20 engl. Mil) fern von Hafim han, und 3 geogr. Bel 
(45 Mi. engl.) fern von Malatia; den Fluß Kuru tfhei Ihe 
3. Brant hier Tſham ur Iu fu (Charmurlu fu, d. i fchlammigt 
ee) nennen, wie auch ein anderer nordlicher BZuſluß genumt 


a sieht ver Kuru tfhai gegen, SD. zum Thale bes Be 
phrat, in deifen weftlicher Curve ex ſich zu ihm einmehnnsi; Me 
"Straße nach Malatia geht aber in ditect ſüdl iche r Michtung fen, 
über eine ungemein ausgebveltete Ebene, bis zum Totma fm, 28 
zu durchreiten if, um an feiner fünlichen Geite in dar. Gm. 


” 800) Bet. Mannert, Cramer, Rennell, ie den Gel; an 
ins, Ammlar —*8 und bei dem —* 


SENDE 











IBV 


— 


Euphratſyſtem; Tokma ſu, Melas. 837 


2 Stunden die Stadi Malatia zu‘ erreichen. Diefe Stadt liegt 
an einem füdlichen Zufluſſe deſſelben Tolma fu, welcher letztere ſich 
nur in geringer Entfernung von ihr, oſtwaͤrts zwiſchen Malhaſan 
und Ecebeh, zum Cuphrat ergießt. 

- Der Tokma fu, Melas (MAag bei Strabo und Ptolem.). 


Diefer Strom, der von einem wenig. bekannten Gebirgſorte Tolma 


feinen Ramen trägt, der die doppelte Ränge des Kuru tihat hat 
und aus 'weiter Berne, in Weften aus dem alten Kappabocien, 
berbeiftrdmend, viele andre Zuflüffe aufnimmt, ift felt kurzem erſt 
genauer bis zu feinen Quellen bekannt. worden. Ueber dieſe war 
 Säöher fo viel Dunkel verbreitet, weil der Rame Melas der Grie⸗ 
en, d. h. Schwarzwafter, eben fo wie der heutige Name Kara 
fu, der daſſelbe, nämlich dunkele, träge Waffer bezeichnet (ſ. ob. 
©. 467, 460, 464 u. a. D.), ſich Öfter im Alterthum wiederholte, 
und daher fon vem Strabo und Ptolemäus zu Berwechälun- 
gen Beranlaffung gab, vie von den neuem Geographen wieber- 
Holt wurden, fo lange fein Augenzeuge ven Irrthum berichtigen 
konnte. Beide Autoren legten zwei verfchledenen, aber nahe 
Beifammen entfpringenden Quellflüſſen, vie fogar nach entgegen ges 
feigten Seiten, zum Pontus und zum Euphrat, wirklich abfließen, 
Denfeben Namen Melas bei, von dem fie fagten, daß er bei 
Garfarea, ven altem Mazaca, dab am Fuße des Argacus in 
Gilicten Tiegt, entfpringe, und daß er zum Euphrat ˖ fließe. So if 
auch die Zeichnung diefed Melas auf der Tafel des Agathodaemon 
zu Ptolem. (Asia, Tab. I. Asia minor) eingetragen, 
Strabo fagt ausprüdfich, daß dieſe Stadt ganz dicht unter 
vem Argaeus liege (Strabo XII. 538: xeiraı yap ind u Ap- 
yaln dos: x.7.%.), und daß ver Melas nur 40 Stadien, ».5.26t. 
von dieſer Stadt feine Quellen in einer niedrigern Gegend babe, 
daher fie nicht bewäflere, fondern in Sümpfen flagnire. Denfelben 
Melas (Schwarzwaſſer) Habe aber der König Ariarethes fei- 
nen Ungpaß, durch ven er zu dem Euphrates lege, verftopft, 
und dadurch ueberſchwemmungen veranlaßt (ebend. sovü Millavos 
sard zıva orevü Egonsog saw eis zöy ’ Eöpgasnv dıdkodor x. 7.1.) 
wodurch den Balatern, die Phrygien bewohnten, großer Schaden 
zugefügt ſei. Btolemäus fagt noch beflimmter, ohne dieſe Ne 
benumftände hinzuzufügen, daß der Argaeus In Gappaboria der bes 
deutendſte Berg ſei, von welchem bie Duelle bes Melas zum 
Euphrat fließe (Ptolm. V. 6: ö9ev 6 Milas xaAovuevog 
worauög ovußalktı ip ö Eögesen voran x,3.1.). Den Argaeut 


. 





x 


gzs eben. IH. Arpeilung. Adſchnitt. $. 40. 


fegt: er'unter 06° Long. 39° 40’ Lat., vW Start Ma zaca nüis 
66” 30’ Long. 39° 30° Lat.; die Gtnmürtbemg vis Melaso in 
zam Gupheat unter 71° Long. und 39° 20 Lat., woraus ſich ws 
gibt, daß er feinen Lauf auf 4 Laͤngengrave ober an 60 geogr. 
Meilen, und zwar in faſt gerader Direction von W. nach D. wel 
kannte. Ob num zwar Flicias (H. N. V. 22) in wem ſiuiq 
angrenzenden Cilicien auch einen Melas zum weittsWännifie 
Meere, im nörolichen (VI. 4) noch einen andern Melas zum 
denue fließen läßt, ven obigen großen weſtlichen Zufleh zum Ex 
-  Peat In feiner Aufzählung ver Fläffe (H. N. V. 2) aber nik 
einmal :anführt, alſo auch Hier von keinem een, fo teuuis 
man bei ihm keinen Aufichluß über jene wahre Quelle des Melad 
finden. Denn man erfuhr durch W. G. VBrowue's BWeiferouien 
in Kappadocien (1813), bei feinem Beſuche in Kabfſarioh 9 
( Caeſarea), zuexft, daß ver daſelbſt, nuͤmlich 12 Gtunen (30 SO 
engl.) tm Südoſt jener Stadt, entſpringende Fuuß archs gegen D 
durch Armenia minor und Melttere zum Cuphrat, ſondern gegm 
RW. zum Kizil Irmark (Hulys) flirhe, und diefe Beichuung 
terug 3. Nennell zuesft nach Bromme's Angaben ie feiner Aue 
von Klein» Aflen ein. Da: Browne bet feiner weiten Öfiikie 
Ruſe von da gegen Boſtan, noch che er Catasnien veufleß, nahe iss 
Oſten ver dortigen Taurusketten einen andern Quellfluß Abe 
ſetzte (wahrſcheimich, nach‘ Rennell, in der Raͤhe ver Lage des ans 
tiken Lariffa), ver gegen RO. firömte: fo hielt er dieſen mis größe 
ter Wahrfcheinlickeit für vie Ouellen des Melas, ver um Ei 
phrat fühl, um fo zeichnete ihn auch Rennell 72) ſehr richtig anf 
feiner Karte An. Aus Sulltvand and Beughand Reiferauiu 
erfuhr nun KRennell, vaß viefer Fluß Durch Meliteno wii 
zum Euphrat fließe; er wurde dieſen Reiſenden an Ort un Ste 
Kara fu, d. i. ſchwarzer Fluß, genannt. Strabo, ſagt fee 
Rennell, muß fi alſo geirrt haben, jene Lieberfgnenmung, wi 
wol ſtatt gefunden Haben. mag, wer Verſtopfung diefes Reich zu 
zuſcheeiben, da zwiſchen dem Fluſſe von Katfarteh uns wen vo. 
Yariffa voch eine große Tateruskette gelegen ME 
Durd) Mach. Kinneire Reiſe durch das Wim, bie vor 





8 Rob. Wilpdte, Travels in various ooneittic, Lead 2088. 
4, in Biograph. mem. of Mr. Browne, p. 178. 


"2,5 Rennoll, Treatise on the comparative —* ey 
Western Asia, accompanied ‘with as ans etc. Lond. 
VeL U. p. 165. a. I. p. 201, Not. — 











Enpkratfoftren; Quelle des Dielas ober Zobmafı. 829 


Kenwells ſcharfſichtiger Besichtigung erſchien, wurde, obgleich der⸗ 
felbe wie Breitenbeſtimmung von Kaiſarieh 38° 41’ N. Ur, machte, 
fonbesbar genug des alte Irrthum wieberbolt, denn er fagte: „Die 
Ebene 7) von Eaefarea werde bewäflert durch den Fluß Kara, 
fu, Melas der Alten; dieſer fließe von W. nad O. und er» 
gieße fich bei Malatia in den Cuphrat.“ So. fdywer find Öfter alte 
eisunal feftgewurzelte geograpbifche Fehler auszurotten. Diefelben Irr⸗ 
thimer ũber die Quelle des Melitenſiſchen Melas, als entipringe ex 
am ſchnerigen Argaeus, dem höchſten Berge von Klein=Aflen, ſchie⸗ 
nen durch die gelehrien Borfchungen eines Mannert 7% ums 
Gramer”’S) ganz feſtgeſtellt; und Manmert fügte durch fehr dreifte 
Behauptungen, in dem er Strabe grobe Unwiſſenheit und ſchlechte 
Lanbeſkenntniß vorwarf, wenigſtens neue, nad) unerwielene Hypo⸗ 


: Wehen bimzu: nämlich als babe Strabe unter dem von ihm am 


a ee genannten Karmalus ( Kaguakog, StraboXN. 537), 
Dis. jedech wel nicht von jeder Verderbniß frei find, und fich auf 
einen ciſciſchen Strom, einen Zufluß zum Pyramus, und auf einem 
Cataoniſchen beziehen, auch nichts anderes als denſelben Melas 
in Melitene bezeichnen wollen. 76) Daß Strabe den einen biefer 
Giröme richtiger in das cil iciſche Meer gegen Süden einfließen 
Keh, ſchien, nach Eramer,’7) ver Heutige Kermel fu, wie ihn D’An« 
Side nennt, Wer noch denſelben Namen trage, zu beflätigen; aber 
nach der. Karte der preußifchen Officiere in Cilicien heißt dieſer 
Fuß nit Kermel (von Karmelas), ſondern Chorma fu, wad 
im Türkifchen Dattelfluß Heißt, aljo einex ganz andern Etymologie 
angehört. Aber auch Man nerts Behauptung, daß der Melas von 
Meliene auch darum fihen ver Karmelad von Gataonien fei, weil 
Biolemäus nahe Melitene an ven Melas eine Stadt Rarmalad 
fege, und ev felbft auch Koremos heiße, was er für identiſch Dikt, 
Recht auf ſchwachen Füßen, va flatt Karmalas vie beſſere Lebart 
(bei. Piel. V. 7. fol. 128) Marcala gibt (ſiehe unten bei Cili⸗ 
chen). Iene vorläufig aufgeftchte Hypotheſe Nennells nah Bro w⸗ 
we’6 Qoutier, über die A. Zeune 1838 noch zweifelhaft war 
und deshalb Fragen 78) zur wiederholten Unterfuchung aufflelite, 
nämlih die HHpothefe vom Dafein zweier entsese ageſede 


) M. Minneir, Journ. thr. Asia minor. Lond, 1818. ‚ 104. 
‘) Meet, „Beosr. der Gr. und Röm. TE. VE. Ar 
J. A. Cramer, Asia minor. Oxford. "988. 
1. 0. 190. 10) Mannert a. a. D. ©. 287. 208. 
v1. AP Cramer, Asia minor, IL p» 141. Brof. Zenre, 








840 MWeftsfien, III. Abtheilung. J. Abſchnitt. 5.40, 


laufender Ströme gegen N.W. und Of, bie im Texte eb 
Strabo als. zu einem Melas gehörig bargeflellt werben, IR um 
volftähbig an Ort und Stelle durch zwei ‚Augenzeugen behligt: 
durch W. Hamilton, ber die Quellen ves norbwe Lenin 
den Stromes zum Kizil Irmak bei Kalfarich Gbefuchte, mb 
durch W. Ains worth, der die weiter im SD. liegenben Due 
des Stromes von Melitene zum Cuphrat entdeckte, unb ben 
Lauf des Melas ober des heutigen Tolma fu bie zum Cuphret 

- verfolgt Hat, womit auch die Kartenaufnahme ver preußiſchen Of 
ciere übereinflimmt. 

Strabo’s Beihrelbung vom Strome bei Gäfaren fans Ha⸗ 
milton währenn feines achttägigen Aufenthaltes (1837) vafeik 
vollfommen richtig, auch die ſtagnirenden Waſſer und den Bergfyell, 
der durch Berftopfung Ueberſchwemmung bervorbringen würke, mb 
ſelbſt den Namen Kara fu, den derſelbe Heute trägt; nur fllcßt ® 
"nicht zum Cuphrat, was auch wegen ber Berge im Oſten gun 
unmöglich wäre, fonaern gegen Nordweſt zum Kizil Irmat 
Alfo If nichts wahrfcheinlicher, 79) ald daß nit Strabo, ber Im 
genzeuge, dieſen Fehler im Texte beging, fonvern feine Abfdgreibe, 
bie flatt ded Halys ven Namen Euphrates einſchoben, daß ab 
ſchon Ptolemäus zu feiner Zeit durch jene irre geführt warb. Gin 
Fluß Karmalas kommt aber bei Ptolemäus gar nicht ver, neh 
welchem man über vie Straboniſchen Stellen vieleicht Aufſfchi 
erhielte. 

Nach dieſer Berichtigung eines wichtigen Hauptpuncies inne 
Beinaflatifcher Geographie, mit dem viele andere Verwirrungen je 
fanımenhängen, auf die wir an einem andern Orte zurückkommen 
werben, Eönnen wir nun erſt zu ven Quellen und ber Beſche⸗ 
bung des Stromlaufes felbft und feines Gebietes 

Unferm verehrten Freunde, dem unermüdlichen W. Ainswertb 
gebührt, neben unzähligen anvern für die geogeaphifche Wifenfgei 

‘ Höchft bedeutenden, auch das Verdienſt, die Quellen des weh 
sen Melas entvedt, und dadurch ben Grundirrthum mb feine 
zahlreichen Berzweigungen für Immer aus dieſem seograpfifigen 6 e⸗ 
biete verdraͤngt zu haben. 





zur Kenninig von Kleinafen, mit einer Karte vom Selas u Fu 2 
raſn; nach Ptolemäns, ee und Hamilton, in Derajans: Siame 
ien, dte Reihe. 1839. DB. VII. Heft 3. &.200-8 

” W.. Hamilton, Rormaches in Arie minor, nor, Lenden 200m. 8. 
. Yol, II. BZ 259 sq. 








“  Emphratfuften; Quelle des Tokma ſu. 841 


BGurun (Garnace bei Ptol.?), nach Ainsworth8%0) Beob⸗ 
adhtung unter 38° 42’ 10" N.Br. auf einer Höhe von 3664 Fuß 
Bar. (3906 F. engl.) über dem Meere, obwol in einer Mo bis 500 
"Buß tiefen, engen -Ralkfteinfchlucht gelegen, iſt vie nächfle an den 
Quellen des Tokma fu (Tokhmah⸗Su) bekannt geworbene 
Stadt: denn deſſen Quellen llegen nur etwa 3 geogr. Meilen (15 
Bil. engl.) ihr gegen Weſten. Im Norden von Gurun (Ghu⸗ 
sun bei Brant, Bdrün bei v. Moltke) erhebt fich eine mäßig 
Hohe Bergkeite (Sdrün Dag bei v. Moltke), die in dem abgefchie- 
Denen Diſtricte Baghran liegt, und die Wafler des Manjulik⸗Fluſ⸗ 
ſes von dem Tokma fu ſcheidet. Es ift eine Kalkfleinkette, vie an 
der Nordſeite beim Ueberſteigen noch Schneeflede trug, indeß an ber 
Sonnenſeite die frifchefte Srühlingsvegetatton fie überzog, mit ver 
seigendflen Alpenflora (am 15. Mat), füß vuftenden Hyacinthen, 
blauen Anemonen, weißen und gelben Liliaceen, Ranunkeln, Tuli⸗ 
panen und anderen Blumen, vie zuweilen ald Seerdenpflanzen tep⸗ 
pichartig mit der einen over andern Farbe ausſchließlich ven ðelſen 
von der einen Seite bedeckten, indeß die andere dve und nadt war. 
Eben fo groß war der Eoniraft des hrillanteften Sonnenſcheins an 
der einen, und des tiefsdunfeln Schattend an ber andern Seite. Nur 
zwei Stunden Abfleigens gegen Süden durch fplittrige Kalkſtein⸗, 
Feuerſtein⸗ und Schieferklippen ohne organifche Reſte, führten von 
Dielen Höhen zum Thale des Tokma fu, in welchem vie Stadt 
maleriſch zwiſchen Gärten zerftreut liegt. Die milden Kallſteinklip⸗ 
pen umber find vol zahflofer Locher und Höhlen, die durch ſplit⸗ 
trige Abflürze unbemohnbar wurden. Auf ihrem Gipfel. liegen Die 
Reſte eines trregulaisen Caſtells, deſſen Facade mit ver vorbern 
Felswand abgeſtürzt iſt, im deſſen ſtehengebliebenen Mauern ſich 
noch einige runde und viereckige Thürme erheben. Doch fand Ains⸗ 
worth deine Spur von höherem Alterthum, wenn ſchon vie Lage 
ſich recht ſehr zu einer der 75 feften Burgen eignete, die Mithri⸗ 
Dates in feinem pontifchen Königreiche als Afyle und Schatzkam⸗ 
mern erbauen ließ (Strabo XH.555). Die Stadt mit Fleinen, aber 
weiß getändhten reinlichen Häufern zeigte viel Wohlſtand; ihre Kaufe 
leute fanden in vielem Verkehr mit Aleppo, Maraſh, Sivas, Con⸗ 
| ſtantinopel Burun hatte mit dem oͤſtlicher llegenden Deren dah 


se, W. Ainsworth, Notes in journ. of the Roy.Geogr. Soc. Lönd. 
8. Vol.X.3. p. 315; deſſen Travels and researehes in Asia mi- ' 
var J Meropotamia, Chaldaea and Armenia. London 1842. 8. 
+ Pe 








842 Wefl:Afien. TIL Abcheuung. I: dibſchuitt. $. 40. 


vie: frũherhin bedeutendere Stadt Boſtan (wahrſcheinlich vie alt 
Comana), die von da gegen Süb am Sarres fu (Garus uw 
Alten) liegt, erſetzt, da biefe durch ihre große Linficherhels zwiſche 
den Berggügen vieler Raubhorden zu einem bloßen Dorfe besabfesk 
Die Abgaben von Burun gehören an bie Haramein, d. 6. den 
belden heiligen Mofcheen zu Mecca und Medina. — Auch I. Brest 
Haste ſchon im Jahre 1835 dieſe Stat Gurun auf einem: Du 
wege 31) von Halim fhan vabinwärtd beſucht (0 geogr. Meilen san 
45.M. engl. entfernt), und fo das Land zwiſchen bee Kura thai 
und dem Tokma fu durchſtreift. Es geht über Beuge, Thaler um 
Gtröme, ohne allen Pfad. Man machte einen Umweg, um be 
Berge zu vermeiven, die auf diefer Strecke, im Norden des Telms 
fa wie im Süden beffelben, die Agdii Dagh (oder eb Hadſhi 
Dagb?) genannt wurden, und erreichte den Tokma ſu 2 Guns 
abwärts. Gurun bat nach Brant 850 türliſche, 360 armmiſcht 
und 63 armeniſch⸗katholiſche Familien zu Einwohnern, uns iſt ned 
ihm die einzige Stadt Im Innern des Landes, in welcher vis ab 
liche Beoölferung die muhamedaniſche ver Zahl nach überfliigt. Be 
wenig esttagreiche Boden, ber kurze Sommer, ber Iaugs und flug 


Winter Hat die Bewohner auf die Handelſchaft angewieſen Zei 


alle Bewohner find Handelsleute mit ven Wanserkämmen ver Im 
komannen und Kurven in ihren weiten, dden Umgebungen. Disk 
breiten ich Im Sommer bis Angora aus, überwintern aber in ka 
Umgebung von Gurun in Abfländen von 6 bis 18 Stunven. Di 
Krämes von Gurun haufiren mit ihrer Kleinwaare unser ihren Zeh 
ten gegen Rinder und Schaafe und deren Producte, vie fie hans 
weiter verarbeiten ober verlaufen. Zumel iR Hier der Wollmarki 
von Bedeutung. 

Bon viefem Orte aus fuchte Ains worth die Quellen ie 
Tokma 82) oder des Melas auf. - Er tritt in einer wörkidke 
Guoe in Gurun ein durch eine tiefe Kalkſteinſchlucht, Kopzaf 
Biran (d.h. öder Boden) genannt, oberhalb verfelben ver Gi 


Injebfu, d. 5. enger Fluß, genannt wird, ober Schmalmwah - 


her, wie es denn viele In jehſu's 9°) bei ven Türken, wis Aa 
zafu’s und Kizil Irmak's, d. K. Rothwaſſer, nud ‚Aal 
Benennungen gibt, die aflerbinge leicht, wis der Name Dicke, 


23 Brant, Journ. I. c. VE. p. ar2. ' WW. Alusweit 1 e 
u rn 8 def. Traveis and res. Vol. L pa. 8. 
v. Bü re &.815, 


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 »uwu um 


BEE Zi 


Eupheuſyſtem; Quelb⸗ das. Tolme ſu. 843 | 


Berwechtlungen Berankıfjung geben. Da viefe Schlucht undurch⸗ 


gehbar if, fo mußte W. Ninsworth über vie Hier Khurkhun ger 


wann: Welöberge hinwegſtelgen, um zu ben Quellen gelangen zu 
Ian. Gin fleiriiger Pfad führte ihn zwiſchen Schneefleden und 
wärmeren Strechen fon grünender Alpen hinauf zur vominisenves 
Möge, von ver man das Thal des Injehfu gegen S. W. fich zus 
Höfe ver Gok Dikli= Berge binziehen fah, deren noͤrolichſter im 
der Richtung gegen. N. 80° W. Liege. Zwiſchen ihnen und ven mehr 
nmorddſtlich gelegenen Bagharan= Bergen, die am Tage vorher 
uberſtiogen waren, ſtreicht die niedere Kalklette des Sungerie 
Oagh In 2 Stunden Ferne von S. 70° W. gegen N. 80° Of 
De Ort Kara Bunar an einem Zufluffe des Kizil Irma 
lag, vor da aus gefchen, Hinter dieſen Bergzügen in N. W., in bes 


MVichtung, too Sumgerlu und Gok Dilli fich vereinen. Aus dieſen 
Besgthäleen nimmt nun der Injeh fu viele Bergwafler in feine 


Engſchlucht auf; durch ein Revier von baſaltiſchen Bergen ritt 
Ainsworth an einigen Kurven- Zelten, Kizil Viran, wieder zum 
Ufer des Stromes hinab, der bier an emer Brüde, die über ihn 
führt, nut noch 6 Schritt Breit und 2 Fuß tief, alſo fehr nahe an 
ſeinem Usfpsunge war. Dann wurde die Anhöhe von Injeh fu 
Knut erfliegen, wo eine Meierei an einem Seitenbache des Injeh fur 
ſteht, der ihm wol die Hälfte ſeiner Waffe zuführt. Der Haupt⸗ 
are, ver immer noch ein ſtarkes Waſſer in feinem Felsbett fließen 


Dorfe Kopekl Viran (p. h. Hundswäüfte) ber, wo Ihn noch 2 
andere Fleinere Zubaͤche mit ihren Waſſern nähren, deren einer vom 


Tagh⸗terah (d. I. Bergwand) kommt, bie im W. von Kopel 


Diren liegt, ver andere vom Bel Bunar in ven Gok Dilli⸗Ber⸗ 
gen. Hit waren He Quellen des Tokma fu oder euphra⸗ 
senfifchen Melas erforſcht. 

Ben Gurun abwärts begbeitete W. Ainsworth *) den Lauf 
ves xXolma fu am 18. Mai einen Tagmarſch weit bis Deren 
vab (Daranta ver Armenier, |. oben S. 798). Anfänglich find 
es 300 Fuß Hohe Kreideklippen, vie fein Nordufer begleiten bis ein 
halbes Stndchen weit zum Dorf Khuzin, von 600 moslemiſchen 
Banttlim bewohnt. Die Gaͤrten an ſeinen Ufern werben oͤfter durch 
bie vlidlichen Anſchwellungen zerſtort; auf den Klippenhbhen IR al- 


°.) W.Alssworth bo: KB, p.817; Dell, Tray, and res. L p.249, 


hactte, kommt Hoch eine Stunde weiter aud der Berne von dem , 





' x 


- 


844 Weſt-Afen. III. Abthellung. L Abſchnitt. (.40. 


les voll Brotten. Cine Halbe Stunde abwärts bildet der Strom d> 
nen Fleinen Waſſerfall über einen burchfegenden Bafaltgang, um 
nimmt dann noch weiter abwärts einen Zufluß auf, der von Gäten 
ber nur eine gute Stunde weit aus Kalkſteinklüften Hervorfirimi, 
veshalb er als unterirrifher Strom Got Bunar ober blazır 
Fluß, d. i. Himmelsquell, genannt wird, der durch einen wem 
ALL Heiligen Fiſch im Lande berühmt tft, welcher nur einem ein» 
zigen Knochen haben fol. Aindworth befam ihn, vielleicht cm 
Art Proteus, nicht zu fehen. Oberhalb im Thale liegt Tanil, da 
Dorf, und gleich unterhalb vemfelben bricht der Tokma [u mi 
Gewalt feinen Weg durch einen fteilen, Elippigen Paß von Bafalt- 
geftein. Ueber vemfelben erhebt ſich eine feltiam geformte Heli 
Bafaltmafle, die wie ein altes Caſtell ausfieht, Tanil- Feld ge 
nannt. Jenſeit des Tanil⸗Dorfes von 60 bis 70 Gäufern, zu en 
Ainsworih Hinabftieg, weitet ſich das Thal des Tokma fu, mh 
diefer tehält als Zufluß ven Sach Aghz, der durch Hohe KRafkfiie 
Plippen ihm nordwärts zufält. Hier liegt nun am rechten Ufer, am 
Fuß eined überragenden Berges, dad Dorf Tokma (Tokh mah) 
von dem ber Strom feinen Namen erhält. Eine Biertelftunde we 
terhalb führt eine Brüde über ihn Hin, wo ex mit den Flüffen Gel 
Bunarund Sad Aghz. vereint ſchon vie Breite von 16 Schut 
(Hard) und von 18 Zoll Tiefe Hatte. Im Sommer iſt er jcheqh 
viel felchter. Er durchſtürzt eine enge Schlucht von Kalkfkeinfdt, 
die der Weg umgeben muß, aber bei dem Dorfe Ortah Ei Ihe 
wieder trifft, an einem Vorſprung des Nordufers, Sari ka ya, af 
ber gelbe Sels, genannt, vorüber. Senfeit verliert ſich ver Cm 
zwiſchen hoben, unzugänglichen, ſenkrechten Kaltflemklippen, Dereh 
jik, d. 1. kleines Thal, genannt, in befien Mitte eine ifelirk 
Felsinſel aus dem Wafler hervorragt; ver Weg muß über Kalb 
fleinberge gegen S. SO. abzweigen, zum Thal Oeren dah wit ie 
gleichnamigen Stadt, von deren Mauern der Tokma fu nur dam 
obern Theil befpült,, wo wenig Gärten legen, aber von zwei ſchla 
fen Minarchs überragt. Dann wühlt fi der Strom wisber is 
einen engen, dunkeln Bergſpalt ein, Holist ven Caſtell⸗Felſee 
von den Ihm entgegenftebenven Kelswänben, und tritt mun gewälb 
fam ſtrubelnd aus feiner Klemme hinaus in ein erweitertes Sfel 
um bier bie vielen Gärten und Landhäuſer anmuthig zu Gewilfem 
welche die Sommerfige der Städter Derendahs find. 
Dem höheren Altertbum war diefer Ort nicht belannt, wenn 
68 nicht vieleicht das Dalanda oder Tamadaris bei Ptolem. in Ar 


— 








ee 


Euphratſoſtem; der Tokma fü, Derendah. 845. 


menia minor iſt. Die armenijche Geographie 85) nennt fie in ver 
Vulgairſprache Derende, im Syriſchen Turanda, und fept fie 
nad) Armenia secunda, 2 Tagereifen im Süden von Divrig; fie 
Liegt aber nicht, wie diefelbe fagt, im Norden von Malatia, fon- 
bern dieſer Stadt einige Tagereifen fern virert im Weſten. . 
Der Selb des Caſtells, von 100 bis zu 300 Fuß hoch über 
dem Flußſpiegel emporragend, befteht nach Ainsworth aus Num⸗ 
mulitentalt. Nur in einer Richtung iſt er zu erfleigen, und auf 
Diefem Pfade durch ein modernes Thor vertheidigt. Das Caftell, 
im Saracenen⸗Styl aufgebaut, hat eine Infeription, vie aber fo 
Hoch angebracht war, daß Ainsworths Begleiter, ver Eprachken- 
.. mer Raffam, fie nicht leſen konnte. Don ihr 223 Fuß Höher auf 
- iR ein zweites Portal in gleichem Styl, und hei 261 Fuß Höhe tft 
Der Gipfel des Felſen mit einer fleinernen Baſtion umzogen. Seine 
Norvieite ift von 2 Mauern vertheipigt, mo eine-Treppe zum Fluß⸗ 
ufer binabführt, die noch von einer dritten Mauer geſchützt if. 
Biele Gifternen find zur Aufbewahrung ver Waflervorräthe in die 
Belfen eingehauen. Die Südfeite vertheivigt eine Courtine, 30 Fuß 
bredt, mit 2. Seitenthoren. Jenſeit ift ein Meiner quabratifcher Xhurm 
auf einer engen Stelle des Felſen. Der vielen Vertheidigungsmauern 
bedurfte ber überall fleilflippige Fels kaum, ver von der nördllchen 
‚zur ſüdlichen Mauer eine Länge von 662 Schritt (Marb) maß, in 
der wechielnden Breite nicht über 150 Schritt bat. Auf feiner 
Plattform fichen einige 40 Hütten, die Ain 8worth erſt für Mach⸗ 
‚wert der Türken hält. Spuren älterer Gonftructionen waren gar 
wicht zu entdecken, ungeachtet die ganze Roralität recht geeignet ge= 
weſen wäre, eine der fefteften römijchen, byzantinifchen oder felbft 
ſchon älteren mithridatiſchen Burgen Kappaporiens oder Melttenes 
zu bilden. Vielleicht, meint Ainsworth, 6) vie alte Tavadapıc bei 
Ptol. V.7. fol.128, in ver Präjertur Eataonien von Armenia mi- 
nor, oder Tandarum des Itin. Anton., Singa, Drega oder Drenga 
auf ver Tab. Peuting., falld «6 nicht Dalanda wäre, wofür na 
Kieperis Karte vie Maaße der Alten zu fprechen fcheinen. Ä 
Derendah, wie Burun und Malatis, alle brei bedeu⸗ 
tendfte Staͤrte im Thale des Tokma fu, werden zur Sommerzeit von 
ihren Bewohnern verlafien, vie fi) dann in ihre Gartenwohnungen 
auf pas Land begeben, etwa wie die Marſeiller auf ihre Baſtiden 


s0s) St, Martin, M&m. s. * Par, I. pag. 189. 26) Ainswerth, 
Trav. and res. Vol. I. p. 344. | 





SI WeflsWHfien, TI. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.40, 


and anbre in ähnlichen Cmaten. Die Cinwohner wow Guru, 
aur 918 Fuß relativ höher gelegen als Derendah, Hatten ihee Geakt 
noch nicht verlaffen; die von Derenbah waren Achon 14 Tage fir 
her aus Ihrer Stabt gezogen, die nun, bei Eröffnung aller ige, 
zur Reinigung, zu einem flinfenven, veröbeten Orte geworben. 9a 
warmen Thale Derendahs ſammelte Ainswort6 (am 18. Mai) 
an 200 Sperieß ſchon in Blüthe ſtehender Blumen, jedoch mciß vu 


bekannten Gattungen, wie von Thlaspi, Cynoglossum, Sinepis, 


‚Bapaver, Ranuneulus u.a. für dad Herbarium ein. Dex Kokme is 
Aicht bier fehr reißen» unter 8838’. R. Breite. 

Ben Derendah an verlieh Ains worth zwar, währen: a 
'un 8 Tagemärſche 9) (von 20. bis 22. Mai) efiwärtt mi 
Maladah, unmittelbar das Ufer nes Tokma fu, noch Sich er ihn 
an Hefien ‚Süpfeite im Gebirgowege, wo ex feine rechten Zufläf 
‚paffieen ‚mußte, Immer nahe genug, um deſſen ungeführen Pad 
noch zu verzeichnen, den wir vollfkindig auf per Karte ber pemib 
ſchen Difistexe ziemlich won Weſt nach DR; wie aud) bei Mtalemiah 
wingetragen ſinden. 

Erſter Kagmarfd (20. Mat. Gegen SEA. von De 
rendah Über dem erſten Berg binabgeflitgen, gelaugt man zum 
Afhik Dereh⸗ſi, d. i. zum Riebhaber-Thale, vol Gar 
| Wu, das, noch ſchoner bewaldet wie DaB vechergenammte, von 

einem relßenden Bache bewaͤſſert wird, ber au der Bruͤcke 5 Schriu 
breit, 2 Fuß def iſt. Man ſteigt wieder einen Berg aus Gy 
hinan, dem Dorfe Shabuf entlang, und behält indes, d. 1. gegen 
Horven, das Thal des Tokma fu immer im Auge Zu ihm unten 
bald dee Batitlu fu (Book Iu fu, d. h. Fiſchfluß bei Minh 
worth), vereinigt mit dem Klub von Manjulit (Mandjelit td 
9. Mol tke), veffen am weiteften vom Norden ber kommendu 
Zufluß ‚veffelben. Na v. Moltke's Kartenzeihnung iſt cd." 
calbe, welcher aus den Schneefeldern der Iren Hochfläche em Ei 
weht von Delikly Taſh herabkommt (ſ. ob. S. 803), ver aber p 
vor noch zwei linke Seitenarme von Nord ind Nomoſt anfuieit, 
‚akmlid, der Kaſikly fu, am Suüdgehaͤnge des Delikly Taſh af 
aſelbſt entſpringend / und den Bal ghlawa ſu, der noch ueisig U, 
A gegen Alladſha Han entſpringt, vie ſich alle aget: wahr cu 
 aufaly ſchon zu emem Gauptſtrome: vereinigt haben; Yala.debaf 
erft meiter abwärts, äftlicher als Aindwo rih anzudeuten fepela, 
— 77 
sen, W. Ainsworth \. N ana. Anm Fat 





Euphratſyſtem; der Tokma fu, Manjulik. 847 


4 von Norden Her mit dem Xolma [u vereinen. Den Namen 
Manjulit Hat tiefer nordweſtlichſte Zufluß des Tokma fa erhal 
ten von einem gleichnamigen Oorfe, an dem er In einer weiten 
Eindde, die weit und breit ganz dorfleer iſt, vorüberzieht. Brant®) 
Cam durch dieſen Ort, ald er eine ſonft wenig befuchte Querrouie 
von Gurun Über Deiifliy Taſh und U'laſh nad) Siwas nahm 
"Auf der ganzen Strecke von Gurun bis Ulafh, 11 geogr. Meilen 
(55 MU. engl.) IR Manjulit ver einzige Ort, der in Quartier 
geben Taın. Im Winter würde ohne viefen Ort bie ganze Rouie 
vbllig ungangbar fein, Deshalb Der Drt von ven türfefdgen Behor⸗ 
ven milder behandelt wird, um feine Bewohner nicht ganz aus dem⸗ 
faben zu vertreihen. Denn Fe Haben [chen genug vor ben Plün 
Yerungen der ungezügelin Kurven zu leiden, vie jene unbewohn⸗ 
ten Weivetänder umher mit ihren Heerden buriäfitelfen. Ben Ou⸗ 
Tun nordwärts mußte Brant einen Gebirgeſtrich vol von Thal 
Jchluchten mit trefflichem· We d eLand Überfleigen, sie ſich meftwänts 
448 Kalſarleh ausdehnen und im Frühllng ven ſchonſten Luxus ver 
Begedation darbleten. Fruͤhzeitig werden fie von ven Rinder⸗ und 
Schaafherven Der Kurden abgeweidet. Im Herbſt fand et fie ganz 
drrr, und Über ihnen ragten nur nackte Kalkſteinklippen empor. 
Mawjwitt Hegt 5 geogr. M. (25 Mil. engl. von Gurun entferut, 
und 6 geogr. M. (30 M. engl.) von Ullafh, wohin gegen NM. 
vaſſelbe Weideland fortfetzt, ohne üllen Anbau, ver nur durch bie 
Naubũberfälle ver Kurden gehinvert wird. Das Dorf iſt nur klein; 
Miomijwlit Hitte- vordem ‘100: türkiſche Familien, vie aber, der 
Acherfalle ver Kurden müde, von da wegzogen. Etwa 15 arme 
Are Famllien blieben zurück, weil: eine fehr alte Kirdye, St. Tho⸗ 
ros genannt, ein Pilgerost von beſonderer Hekligkeit, fie daſelbſt 
zurückhielt. Bei dem größten Ueberfluß von Ländereien wird von 
men mur das beſte Land bebamt, das wohlbewäſffert wicht an Ihrem 
Gürten Negt. Der Waizen gibt zmölffachen Ertrag. Das Elima iſt 
Far Winter ſehr fireng, mititiefem Schnee; der Sommer iſt kurz und 
Wh. Das Kom iſt, wie vie Butter von ihren Kühen, trefflich, die 
Schacfe tragen reichliche Wolle. Ihre Vorräthe werden aber mei 
Pens von Gaſten aufgezehrt, die nichts bezahlen, wie alle ruͤrkiſchen 
Bchorden, und Die Kurden Wänden m aus; fe bleiben fie doch 
ar und v find of in Ro. 





02) 3. Bank 1, VI. 213 Travel and 
gr London 16A8. 8. VoL.T. Aaron, * 


L 





‘ 


848 Weſi⸗Afien. M. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 40, 


WBon Shabuk wandte Ainsworth ih anf der Bergfirei 
mehr vom Stromlaufe ab gegen SD. über niepriges, wellget 
Gypo⸗ und Mergelland, das theilweife bebaut und im Süden vun 

Hohe Kalkfteinberge beggenzt wird. Am Dorf Deniiah, ve 
Bauern fon ihre Sommerflation bezogen hatten, wurden rotbe u 
braune Sandfleins Berge überfliegen, venen Mergel uns Mu 
ſchelkalk folgte. Hier ließen ſich zeige Sarkmlungen von Muſche 
verſteinerungen machen, zumal von Turritellen, Gonus m 4 
Zenfeit ver Thaͤler ſtarrten große Kegelberge mit Feilen Blastformen 
non bafaltifhen und Trappgebirgen empor. Beim Dorf Getrif 
fing ver Aufflieg zu dieſer Gruppe, die Bel⸗li Gebdik .genammk, 
an; jeder ver einzelnen, wie ‚alte Gaftelle geftalteten, Sipfel hat feine 
befondern Namen, wie Chichak⸗li, Kara kayik, Kiliſa kal'ahſit, Gr 
zit chak und andere. Nach zweiflündigem Auffleigen wer be 
Aüden, 5278 %. Bar. üb. dv. M. (5625. F. engl.) erreicht mb 
bot eine herrlicha Ausſicht gegen Sũd ‚über alle Berge Boftasl 
(ver altn Comana in Gataonien) und ber ciliciſchen Greuz⸗ 
Bette, die ver Saihun, ſprich Dſhihun, (Pyramds- Flug we 
Alten) duschfisömt,, dar. Der Hinabweg von: viefer Höbe führn 
am Abend des erfien Tagmarfches von Derendah zum Lager des 
Kurdenftammes Bekr U'ſhaghi, unter deſſen Schude bi’ 
Zelte aufgeſchlagen wurden. 

Der zweite Tagmarſch (21. Mal) — — aa Of, 
abermals, über Trappgebirge zu U Petzefacen, 
zum Dirfchen Jafali, das am Anfange des Thal zum Ag% 

—jah Tagh (Agpie Dagh bei v. Moltke, oder Akjah Datgh 
liegt, von dem ein langer Aufſtieg über dieſe Berg kette begn 
Diefe zieht ſich von SW. gegen N.O. als ein Taurusglieh 
vorüber, und trennt hier die öftliche Ebene von Malatia, is 
welcher ver Sultan fu, der größte ſüdliche Zufluß bes Tome, 
deren Oſtabhang von Süben nad Norben ‚begleitend, nem X of 
ſelbſt nordwaͤrts zueilt. Durch bie Thaͤler dieſes Bebirgs zichr (hd 
wärts die Straße nach Boflan, auf ber .chen ein Kursen Eh ad 
Gefolge dahin ritt; feine zwei Weiber vor Ihm, fette Geftalsey, my 
verfchleiert, aber voll ſtolzer Haltung ald Gebieterinnen im Gayem; A 
Diener hinterher. Oftwärts überfrgte man ven Rüden vicfet Safe 
jah Tagh, um bei Arka (Arga bei v. Moltke, etwa Araa 5 
Areca des Ptol.) die große Euphratebene von Delktene zu 
Bon Safali folgt auf den Berghöhen noch bie uns be — 2** 
Land, rauf Bar N dor 8 wm Sk, ER 













“ 





— 


Enphratſyſtem; der Tokma ſu, Melitene. 849 


ſteigt man an der Ruine einch zerſtoͤrten Khans hinab zu einem 
weiten, malerifchen Thale, das von fteilen Kalkfteinwänden begrenzt 
if. Dies iſt der äußerſte Punct, der zum Gebiete der Aghjah⸗ 
Kurden gehört, die noch vor wenigen Jahren viefe Gebirgswege 
buch ihre Räubereien völlig unzugänglidd) machten. Erſt durch 
Hafisz Paſcha wurden fie von allen Seiten attakirt, in ihrem 
Hauptcaſtell Kurnak, 80) das zwei Fleine Stunden im Norden von 
der Khanruine liegt, beflegt und gezüchtigt, doch nur temporär ge= 
bändigt, da fie nach der bald eintretenden Schlacht von Niftb fich 
son neuem zu Rachefehden erhoben. Bon ver Kbanruine ging. es 
ziemlich ſteilklippig empor, doch nur über geringere Höhen, und 
bald fiel von dieſen ſchon ver Blick in das weite Blachfeld von 
Melitene. Ein kurzer Abſtieg zwiſchen Zwergeichen mit blühen⸗ 
den Epipactis, zumal der Orchis, welche ven Salep gibt (Orch. 
mascula), führte hinab nad Arka, das gleich den meiften Orten 
des Alterthums (vielleicht Aoyoͤc, die hohe Bergvefle am Tauzuß 
in Kappadocien, bei Strabo XII. 537) in diefem Lande als Feſte 
doch immer noch .auf einer Anhöhe erbaut iſt. 
Dritter Tagmarſch (22. Mai). Bon Arka bi8 Mala- 
tia und felbft zum Euphrat if cine zufammenhängende 
Ebene, almählig abfallend gegen den Tokma fu nad tem Norden, 
wie oftwärts gegen den Euphrat; die tieffte Are ver Plaine iſt na⸗ 
türlih gegen SD. unterhalb des Vereins beider Ströme von 
Mala hafan bis Iſoglu. In der Mitte ver Ebene liegt Malaria 
die Stadt, die Landſchaft ift die Melitene der Alten. Nur eine 
gute Stunde in Oft von Arka, auf vem Wege nad Malatia, muß 
der Sultan fu, der von Süpen nad) Nornoft die Ebene bewäſſert, 
ehe er ſich zum Tokma fu ergießt, vurchfegt werden. Er hatte bier 
am 22 Mai nur 5 Schritt Breite und 5 Fuß Tiefe; er durch⸗ 
fehlängelt die ganze @bene, die Kalkſteinconglomerat zu ihrem 
Boden hat der mit nen Kiefeln der verfchiepenften Größe überftreut . 
iſt und dazwiſchen in biefer Zeit „mit blühenden Gewächſen bepedt 
war; ein ungemein lieblicher Aublick. Auf den Höhen fand Ains⸗ 
worth vieſelben Blumen wieder wie in England; vie Inpivinuen 
und vielleicht diefelben Species fchienen ihm über vemjelben Areal 
verhältmißmäßig reicher vertheilt zu fein, 'ald auf den blühendſten 
englifchen Wiefen; auch zeigten fich Iocale DVerfchievenheiten, wie 
bei Pflanzen, die an fehattigen Heden fichen, . B. bei Vinca mi- 








5s®) Ainsworth, Trev. and res. I. p. 251. 
Ritter Erdkunde X. sn 


’ 





850 . WeftsAfien; III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 40. 


nor, und die Bilanzen fleiniger, warmer Gehänge fah man Pier 
untermifcht mit reinen Wiefenkräutern u. dergl. m. 

Der Sultan fu, d. i. ver Sultans-Fluf, der zwei Mae 
Tagercifen im Süden von Malatia entipringt, erhält feine Waſſa 
aus mehrern Quellbächen, die zmifchen ven Quellen des nad Ei 
cien gegen S. W. abfließenven Dſhihan (Jaihan, Pyramus) m 
des gegen &.D. zum Euphrat abfließenden Gök⸗ſu bervortrim, 
aber insgeſammt ſchon oberhalb Arfa in der großen Ebene vn 
Melitene vereinigt find und dieſe reichlich bemäflern. Die 

” Strom ſcheidet die weftliche Taurudfette des Aghjah Dazl 
(Akgah Dagh, d. h. Fleiner weißer Berg, oder Agdje Tagh), wm 
welcher der Tinte weſtlichſte Quellarm' des Sultan fu bei Kymy! 
entfpringt, von den Öftlichen, dem Euphrat näher gelegenen Bay 
zügen,, bie Kurd Dufuf Dagh und Baghli Khanli Daıl 
(d. i. Berg des Garten⸗Khan, nah Ains worth, v) wen 
ber anliegenven Sommerftationen) oder, vulgär gefprochen, Balli 
Daghleri Heißen, von denen der Öftlichfle Quellarm bei dem Deck 

" Gozenah (Goͤſene Hei v. Moltfe), ververbt von Goz Khanı 

(d. i. Khan am Urfprung der Quelle) entfpringt, daß, ml 

Ainsworths Objervation, in einer Schlucht des Baghli Ahanl 

unter 38° 11’ N.Br. Tiegt. Zwiſchen viefen beiden Seltener, 

weiter fübmwärts, iſt der Urfprung des mittlern Armes, vei Gal- 
tan fu, der durch eine tiefe, mit Eichen bewaldete KRalffeinfkuhl 
des Kurd Yuſuf Dagh, deſſen Geftein auf feinfärnigem Opel 
aufliegt, herabrauſcht, von einer noch, ſüdlicher gelegenen, an Wr 
lich hervortretenden Quellen!) ungemein reihen Biateauböße, We 
nah. Ainsmorth 3456 F. Par. (3688 8. engl.) über d. RM.» 
baben liegt. Auf ihr entfliehen, 8 Stunden in Süden von Meise 
gelegen, die Quellen ver beiden nah entgegengefehtes 

Richtungen abfließenden, Gok fu gegen Süd, bei Gürgfi 

vorüber, und des Sultan fu bei Biran Shebr (n. 5. zafkt 

Stadt) vorüber gegen den Norden. An dieſem letzten Orte, af 

ber Plateauhöhe, entdeckte W. Ainsworth die Ruinen einer alter 

Bisher unbefannten Stadt.*2) Sie war von zwei Mauern auf als 

Seiten, gegen den Süden audgenommen, umgeben, vie fehe WE 

find und von Türmen flanfirt. Im Innern der Stadt ſah mm 

‚ ine fehr einfache Kapelle ohne Ornamente, 28 F. ang, 1 $. 
‘\ #°e) Ainsworth l.c. X. 3. p. 320; deſſ. Travels and ‚ren. VoLLp2 


2) v. Moltke, Briefe, a. a. ©. ©. 2 
LER. MAL u. Travel and vo. Yon 28 


& N x Se Pr zu 











ORTE 


Euphratſyftem; Ebene Malatia, Asbuſu. 851 


Sreit, wit einem balbereicbogen von 20 Zuß; und eine Atrovol⸗ 
auf einem Berge in der Mitte verfelben, vie zu einem Khan um⸗ 
gewandelt il. Ainoworth hielt fle für vie Lacotena auf dem 
Wege von Melitene nach Samoſata (Itin. Anton, Augusti ed. Wes- 
seling. p. 210,215), die auh Ammian nennt (Amm. Marc. XXI. 
14) und für die Lavinianesine, die Ptolemäus als Präfectur 
an den Euphrat (Ptol. V. c. 7. fol. 128): fest, in Süben von 
Melitene; aljo, wie Rennell angibt, auf ven Taurus, ber viele 
LZaudſchaft in Süden zuſchloß.8) Hieher fällt die Unterabthei= - 
Lung ber alten kappadociſchen Laͤndſchaft, die auch Strabo mit Na- 
men Laviniasene voer Laviasene (Strabo XII. 534) als eine 
wer Tappaporifchen Präfecturen anführt. 

Außer ven Drei Quellarmen, welche ben vereinten Sultan fu 
bilden, ver fich durch die ‚große Ebene in NW. von Malatia zum 
Tokma fu ergießt, iſt noch ein zweiter, mehr oͤſt licher, am Weft- 
fuße des Baghli Khanli Tagh hinziehender, jenoch kürzerer, 
mit dem unteren Sultan ſu aber parallel gegen Nord laufender 
Fluß, nämlih der Shak ma fu,%) zu bemerken, der, ver Stadt 
Malatta noch benachbarter, fi} etwa 2 Stunden fern von jenem 
Sultan fu ebenfalls zum rechten Ufer des Tokma fu eingicht, und 


- Buch fein Irrigationsfpftem die dortige Gegend, zumal um 


Asbufn, der Sommerftation, in eine parapieflicye Landfchaft um« . 
wanpelt. Bine Brücke mit einem elliptiichen Bogen von felmer 
Borm überdeckt ihn. Noch ein dritter Zubach zum Tokma fu iſt 
4, ver dftlider und Türzeren Laufes, durch die Statt Malatia 
ſelbſt hindurch, zum Tokma fu fich ergießt. Die türfifche Geo⸗ 
graphie 8) nennt. dieſe beiden Waſſer Deir Mefih, d.i. Klofter 
des Mefflas, uno Bunarbafhi, d. i. Quellenhaupt; Jaubert 
Härte ven letztern Fluß, der die Stadt Malatia felbft bemäffert, 
Kirgos nennen. %) Bom Süven her zu dieſem Shafma fu, 
son Abdul Harab kommend, hat man Stunven lang ein ſtel⸗ 
niges, nacktes Thal aufwärts bis zur Höhe des Bey Daghs, 
d. i. des Fürſtenbergé, 97) zu erklimmen, um dann wieder 
abwärts zu ſteigen. Bei gewaltiger Hitze, ſagt v. Moltke, 
der vom Süden herkam, hoffte er Hinter jeder Felsecke endlich ven 





22) J. Rennell, Western Asia II. 162. 24) W, Ainsworth 


. 3, 321; vdeſſ. Tr. gand zes. I. p. 252. 98) v. Hammer, 
Pr Kirk in ®. 3. 1821. B. XIV. ©. 47; vergl. J. Brant, 
Journ. I. c. VI. p. 2il. ee) A, Jaubert, Voy. p. 55. 


22) v. —8 Briefe, ©. 208. 
Hyh 2 


\ 





852 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.40. 


Blick in vie weite nörbliche Ebene von Malatia zu gewinnen 
Plotzlich fand er neben den gewaltigften Quellen; dad croflaffe 
Waffer ſprudelte armesdick an 20 bis 30 Stellen aus ven Kalk 
fteinflüften hervor, und firömte als rauſchender Bach unter jdäne 
Platanen zwiſchen grünen Ufern über Felſstrümmer und Grfzs 
nahin. Eine Gruppe großer Maulbeerbäume gab Schatten um m 

quickende Beeren. Bon bier an beginnt das parapiefifche Thal 
des Sultan fu, deffen Eindruck unvergeßlich durch den Gega 
der Bewäflerurig. Dicht an dem Urfprunge des Stromes hat me 
feine Waſſer fchon gefaßt, und Ihn zu beiden Seiten des Thal, 
wol 200 Fuß über der natürlichen Ihalfole, an ven Bergiches 
und auf Brüdenbogen über die Querthäler bingeführt. Die Tik | 
wände entfernen fid mehr und mehr, bis zur Breite von wel ct 

taufend Schritt. Diefer ganze Zwiſchenraum if angefült mi 

einer forilaufenden, 8 Stunden langen Reihe von Ortfchaften, wi 
den Dörfern Hyndebeg, Tſhirmigly, Vargaſu und Assafı, 
(us puſi nach dem Dibihannuma),S$) vie fih bis auf eine Grm 
nahe an die Stadt Malatia heranziehen. Alles was unterhall 
jones Wafferfapen 5 Itegt, iſt durch die hunderte von filberflems, 
befruchtenden Waffercanälen ein Para pies; was nur wenige duů 
oberhalb veffelben, ift eine Wüſſte. Das tiefe, ſchattige Grin wi 
Thales, unter welchem an 20,000 Denfchen wohnen, content 
wunderbar mit dem röthlichen Geſtein ver nadten Höhe, glhen 
von Sonnenhige, wo Fein Bufch, kein Grashalm geveibt. Day 
unterhalb überbeden bie Breiten Kronen der Nuß- und au 
bäume die Wohnungen jo, daß nur felten einmal ein flaches Dei | 
over ein Minareh für das Auge zum Vorſchein Eommt Beh | 
Tauſende der ſchlanken Pappeln erheben fi mit ihren weile | 
Stämmen und Tichterem Laube aus der dunkelgrünen Maſſe dei 
Obſtwaldes und der Gemüfefelder, weldye vie Löftlichfie Nafrus 
liefern, hervor. Tauſende von Käufern, Straßen, Brüden fin w 
ter demfelben Laubdache verſteckt, ein feltmes, ja ein einziges Ber 
fonımen in ver Levante. Hier in diefen Schatten von Asbaſt 

liegt die Sommerſtadt ver Malatienfer, ein Lagerplag wi 
wenige in der Welt. Wo man hier nur Waller haben wig, hs 
man fogleih fußdicke Waſſerſtrahlen des klarſten Cryſtalls erfale 
und überall hinleiten. 

v. Moltke fiel es auf, daß man in einer dem Bade vi 

Maulbeerbaums fo günftigen Localität ia anen Befah da 


MR) m. Hammer 9. 0. D. 








»Enphraifbften; die Stadt Malatia. 83 


Alntwortä gibt Ihe 500 Häuftr, und bemerkt, daß Haſtaz Pas 
ſcha zwei. Winter hinvurch in fie ‚fein Hauptquartier verlegte und 
dadurch die. unglücklichen mohamedanlſchen wie chriftlichen Bewoh⸗ 
ner noͤthigte, auch die Winterzeit in Asbuſu zugubringen, worauf 
Das Luger auch Einfluß gewinnen. mußte. 

Die aͤlteſte Geſchichte der Stadt Malatia iſt dunkel; Strabo 
nennt nur Die Landſchaft Melitene (7 Meier), bie er mit 
Katnonien zu ven zehn Strategien oder Provinzen des Rei⸗ 
ches Kappadokiens zähle, dem zu feiner Zeit Archelaus waͤh⸗ 
rend eines ‚funfzigjährigen Herrſchaft als König vorſtand. Nach 
Dorfen Tode wurde von. Tiberiuß veffen Königreich aber zur sömifchen - 
Provinz geſchlagen (Strabo XI. 583). Strabo fagt ferner, daß 
Melitene neben Kataonien und Kommagene, und zwifchen 
Kataonien und dem Cuphrat liege, wodurch ihre Tage genau bes 
filme wird. Er rühmt fie unter kappadokiſchen Landſchaften, neb 
ver füslichern Kommagene, als die einzige, welche mit: Bruchtbäumen 
bepflanzt fei, und ſowol Del (Dlivenbäume fcheinen gegenwärtig 
ganz zu:fehlen) als auch Wein liefere, ven. fonft unbelannten Mo⸗ 
nasites (zd» Movaplınv olvov, XIL 535), der mit dem hellenl⸗ 
fchen Beine wetteifere. Alſo fchon damals genoß fie als Eultum 
‚Ianpfchaft einer beſondern Pflege. Aber zugleich bemerkt cr aus⸗ 
drucklich daß weder die Ebene Kataonien, noch die von Melitene 
eine Stadt befitze, ſondern nur fefte Burgen auf’ ven Bergen (AU. 537). 
Noch fügt. er Hinzu, daß dieſer Lanpfchaft gegenüber, auf dem ans 

Bern Ufer des Cuphrat, die- beträchtliche Bergveſte Tomiſa (rd 
Topsoo, Strabo XII. 535) ‚liege, welche Lucullus nach ver Bes 
ſegung des Tigranes dieſem von deſſen armeniſchem Reiche in 
Sophene abriß und: zu Kappapoßien ſchlug. Un einer andern Stelle 
CÄIV. 683) führte er; nad dem Beographen Urtemidorus von 
Eyhefus (ce blüht 100 Jahr vor Chr. Oeb.), die alte Handelt» 
Rrade der Karawanen in den Orient, und nah Inpien (fagt 
Polybius XXXIV.. 33) an, die. von Ephefns burch vie Mitte 
Kleinsfiend über Maz aca (Caeſarea), die Hauptſtadt ver Kappado⸗ 
ken, zum Cuphrates bb. nach jenem Tomiſa führe, wobel neh 
keiner Stapt: in Melitene. amähnt wird, woraus. aber bad 
hohe Alter, des Handels verkehrs durch dieſe Thon nach 
Strabo ſo ausgezeichnet angebaute Landſchaft hindurch offenbar 
hervorgeht, bis zur gegenüberllegenden Uferſtadt Tomiſa, auf ber 
Seite nach Babylonien zu, wohin dieſe Handelsſtraße führte. 
Des Name Tomtſa verſchwindet aber in det äkteca Yet. VD in 








856 MWeflsAfien, II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.40. 


fehen der Stadt Malatia und ver Sommerftation Asbafl, 
von nut etwa 200 Fuß nah Ainsworth, iſt dieſe legiere zwar 
nicht weniger kalt im Winter als die Stabt, aber vielweniger heiß. De 
in. der Stadt, die auf ihrer Ebene doch immer noch 2608 $. Bar. 
(27808. engl.) nady Ainsworths Meſſung über dem Meere Iiegt, 
vie Sommerhige, zumal durch eine fehr ſtarke Radiation, ganz um 
erträglich wird, fo iſt es viefe, welche bie Stänter aus ihren Mauas | 
vertrieb, die ihnen im Winter, der eben na ihrer abfolut hohen 
Lage, ungeachtet ihrer fo fürlichen Breite, ungemein firenge iR, deqh 
einen beffern Schutz verleihen. Cine reiche, große, aus einem Kalb | 
ſteinfels hervortretende Duelle zeigte während Ainsworths ww 
tigen Aufenthalts ſtets 10° 22° R. (55°%.), was er für die waht⸗ 
fcheinlihe mittlere Temperatur von Malatia Hält. Die fri⸗ 
her nur hypothetiſche, um einen ganzen Breitengsad irrige aflrene 
mifche Lage dieſer Stadt bei D’Anville, Rennell und Anden 
M nah Brants Map berichtigt auf 38° 27' N. Br; Asbuſi, 
nah Ainsſsworths Obſervation, liegt unter 38° 23° M. Br. Du 
Meridian von Malatia war bisher auf den Karten nur nach den 


von Samofat eingetragen, deffen Rage man nach den Krümmunge 


des Euphrat beftimmte, vie unbefannt waren, wodurch große Fehler 
In die Zeichnung von Asia minor überhaupt kamen, welche wie nun 
Kartenaufnahme ver Eol. Chesney'ſchen Erperition berichtigt het 

Durch die Verlegung der türkiſchen Armee In das Lager vw 
Asbufu hatte dieſer Ort an Anbauten, Bazaren und allen Be 
teilen einer flarken Anfievlung in kurzer Zeit fehr gewonnen, wäh 
vend die Stadt M alatia 5) in Berfall gerieth, dve und einfam wert. 
Dicht bei diefer Stadt ſteht fein Baum, die nadte Ebene IR gay 
dem brennenden Sonnenftrable ausgeſeht, vaher fie chen im Gemum 
verlaffen wird. Alte Reſte von frühern Stadtmauern und Them, 
- aber alles im Verfall, umgeben: fie; die Thürme find eingeftink, 
die Eitadelle Tiegt in Ruinen; doch hat ein Kalmakan des Pafke 
feine Reflvenz In ihr. Nah v. Moltke hat fie nur aus Ach = 
baute Häufer, mit Terraffen flatt der Dächer; feet die. Aupyls 
der Mofcheen wie der Baͤder find mit Lehm überzogen; alle HR 
And mit Lehmmauern umgeben, fo daß bie gange Stadt dieſelbe ce 
förmige graue Farbe trägt. Die Häuſer Haben noch eine. aufs 
ſcheiben, im Sommer find fie unbewohnt;: etwas’ anpngenet. em 
fle daher nicht haben. u 
— — nn 17 


SuenS . 208; Ausworth 1. 6'p- von; 
Travels and rer. I. p. 35 





Euphratſyſtem; Die Stadt Malatia. 8 


Aintworth gibt ihr 500 Säufer, und bemerdt,; daß Haſtoz Bas 
fa zwei Winter hinbdurch in fie ‚fein Hauptquartier verlegte und 
dadurch vie unglüdlichen mohamenanifchen wie chriftlichen Bewoh⸗ 
ner nöthigte, auch die Winterzeit in ASbuſu zuzudringen, worauf 
das Lager auch Einfluß gewinnen mußte. 

Die alteſte Geſchichte der Stadt Malatia ift dunkel; Strabo 
nennt nur Die Landſchaft Melitene (7 Meiızyor),. die er mit 
Kataonien zu ven zehn Strategien oder Provinzen des Rei⸗ 
ches Kappadokiens zählt, dem zu feiner Zeit Archelaus wäh“ 
zend einer funfzigjährigen Herrſchaft als König. vorſtand. Nach 
deſſen Tode wurde von. Tibe rius deſſen Königreich aber zur sömifchen - 
Provinz igefchlagen (Strabo XII 533). Strabo fegt ferner, daß 
Melitene neben Kataonien und Konmagene, und zwiſchen 
Kataonien und dem Euphrat liege, wodurch ihre Tage genau bes 
fiiuimt wird. Er rühmt fie unter kappadokiſchen Landſchaften, nebft 
ver fünlihern Kommagene, als die einzige, welche mit Bruchtbäumen 
bepflanzt fel, und ſowol Del. (Dlivenbäume ſcheinen gegemwärtig 
ganz zu fehlen) als auch Wein. Hefere, ven: fonft unbekannten Mo⸗ 
narites (zdv Movuoélvnv olvov, XII. 535), der mit dem helleni- 
ſchen Weine wetreifere. Alſo ſchon damals genoß’ fie ald Cultuv⸗ 
landſchaft einer beſondern Pflege. Aber zugleich bemerkt er aus⸗ 
drücklich, daß weder vie Ebene Kataonien, noch die von Melitene 
eine Stadt befige, ſondern nur fefte Burgen auf’ ven Bergen (XII. 537). 
Rod fügt. er Hinzu, Daß dieſer Lanpfchaft gegenüber, auf dem an⸗ 
Bern Ufer des Eupbrat, die- beträchtliche Bergveſte Tomiſa (rd 
Tousoo, Strabo XI. 535) liege, welche Lucullus nad) ver Bes 
ftegung des Tigranes biefem von deſſen armeniſchem Reiche in 
Sophene abriß und zu Kappadokien ſchlug. Un einer andern Stelle 
(XIV. 683) führte er, nach dem Geographen Artemidorus vor 
Eyhefus (er blũht 100 Jahr vor Chr. Geb.), die alte Hannelts 
safe ver Karawanen in den Orient, und nah Inpten (fagt 
Polybius XXXIV.. 13) an, die. von Epheſus durch vie Mitte 
Aleinafiend über Maz aca (Caeſarea), die Hauptſtadt der Kappado⸗ 
ken, zum Cuphrates bis nach jenem Tomiſa führe, wobei ne 
keinor Stadt. In Mettitene. erwähnt wird, woraus aber das 
hohe Alter, des Handeldverkehrs buch dieſe Thon nach 
Strabo ſo ausgezeichnet angebaute Landſchaft hindurch offenbar 
hervorgeht, bis zur gegenüberliegenden Uferſtadt Tomiſa, auf der 
Seite nach Babylonien zu, wohin dieſe Handelsſtraße führte. 
Der Name Tomĩſa verſchwindet aber. in der fpätern Jeit. Um fo 





860 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilang. I. Abſchnitt. $. 40. 


Vol. IV. Exc. Xiph. pag.415) wiffen wir, daß jene Legion un 
Kaifer Marc Aureld Negterung aus lauter Chriſten beftand, welche 
um eines Wunderd willen, da ver Feind auf ihr Gebet durch ven 
Big getroffen worden war, von dem erflaunten Kaifer den Ehe 
namen ver Legio fulminatrix ?) erhalten Hatte. Darauf wuchſe 
nun die Stadt und zumal ihre Vorſtädte durch die Menge ver Un 
fſiedler; Wohnungen aller Art, Tempel, Gouvernementögebäutde, dw 
Agora, eine Ston, Bäder, Theater und andere Architecturen wur 
den aufgeführt. Kaiſer Anaftafius fing an, ıhre Ringmauern zu 
erweitern, flarb aber darüber bin; Kaiſer Juſtinian vollender 
dieſe und gab ver Provinz Armenien (Armenia minor) in Meli⸗ 
tene ihre glänzende Capitale. AG folche erhielt fie fi au 
die folgenden Jahrhunderte hindurch, in denen fie auch Melitiss 
(Amm. Marc. XIX. 8. 12; XX. 11. 4) over Melentenis (Tab. 
Peuting.) oder ‚Melitena (itin. Anton. ed. Wessel. p. 209) ge 
nannt wird. Im 6. Jahrhundert kam fie in den Kriegen Khoteei 
und der byzantiniſchen Kaiſer am Cuphrat fehr berunter, zumal 
nach der blutigen Schlacht, melde ver Saſſanide in der Ebene Ar 
Iitened auf feinem Zuge gegen Gäfarea, die Capitale KRappapefiess, 
im Iahre 572 n. Chr. &eb.. verlor. Auf feiner Flucht vom Schlech⸗ 
felde verbrannte Khosroes Nuſhirvan vie ſchon verddete Stasi ver 
lendo, und ſchwamm von da, unbefünmert um das Schidfal fa 
gurüstgelaffenen Truppen, auf feinem ’ Glephanten durch ben &8 
ppm. 0). , 

... Aber Melitene. erholte fi und wurde bedeutender als guet 
unter der Byzantiner Herrſchaft (Const. Porpbyrog. de tbemal. 
18, 19; de .administr. imp. 227, 12. ed. Bekk. Vol. II.) 6% 
rillus nennt es im 11. Jahrhundert (Vita Eatychii.) die glän- 
gende Metropole der Armenter, vie’ bebeutennfte Stau da 


Dibceſe des Massiardhen von Antiochta, in der-fich 56 dei 





liche Kirchen ‚befanden, und 60,000. webrhafte Männer ihr Gebiet 
bewohnen jellten. 11) Epxrifti (1450) nennt ven Ort Malaria 1) 
eine Feſte und noch bedeutende Stadt, deren Wohlſtand aber gefgwun- 
den ſei; er wiederholt ihren Namen als: Duucgengefanen, ws 


— — — 


s00) ver .Rorebii Histor. eccles. Làb. V. c. 5, ans vem —— 
Ile Erzaͤhluug ſchöpfte, —— dem Dio Saflus bein beinegeben i. 
10) Gibbon, Geſch. des Verf. XLVI. Th. XII. &.57. Ueberf. 
11) "Wesseling im Itinerario Antonini Augusti. Amsteisd. 173. 
2 % 796 209; mel. ;° 3°) Bairid; di Fambeit, AL pes- 00,308, 
189, 308. ee a. 


W 





‚Eupbratfuftem; Stadt Malatia, ihre Gefchichte. ‚861 


auch Mulateni und Molutent fehreibt, und fagt, fie liege 2 Mil⸗ 
lien vom Euphrat, 51 Milien von Samojat entfernt, in einem Xhale, 
das Ueberfluß an Sommer» und Winterobfl, zumal an Nußbäumen 
und Weinreben babe, die aber ohne Eigenthümer feien unv- ber 
Benugung Jedermanns freiſtänden, was auch ſchon Ebn Haufal 
(im 10. Jahrhundert), nach Abulfeda's 13) Bericht, ald eine Merk⸗ 
würbigfeit des Ortes angegeben hatte. Alſo jcheint damals das 
fruchtbare Thal von As buſi verwilvert geweien zu fein. Zu 
Abulfeda's Zeit gehörte ver Ort noch ven griechifchen Kaifern, 
war eine Grenzfeſte, hatte einen Aquäduct, der Ihr das Wafler zus 
führte, war aber oft Schauplaß von Kriegsfehden gemefen, wodurch vie 
Landſchaft wol von Ihrer früheren Blüthe immer mehr und mehr 
herabſank. Gleich anfangs war ſie unter den ſtürmiſchen Siegen 
der erſten Zeiten des aufblühenden Khalifates von den Arabern 
erobert worden, und in diefer Periode blühte ver ritterliche Helv, in 
Malatia 1%) geboren, genannt Sid oder Seid al Battal, vd. i. 
ber Held, der Kämpe, der erfle arabifche Eid, deſſen Thaten 
in den arabifchen Ritterromanen befungen wurden, nach dem faft 
ein halbes Jahrtaufend fpäter erſt der große ſpaniſche Ritter, 

der Cid el Campeador, von den bemundernden Arabern viefen 
Beinamen nad) dem größten Ihrer Kämpen erhalten haben foll, 
der im I. 739 n. Chr. Geb. ven Martyrtod im heiligen Kriege ge= 
gen die Chriſten gefunden hatte. Unter dem Khalifate Al Man⸗ 
: furs im I. 755 n. Chr. Geb. ging jedoch Malatia, das Abul⸗ 
feda Malathija fchreibt, wieder an bie Griechen verloren, Kaifer 
Gonftantin Kopronymos nahm fle ein, zerflörte fie und ents 
führte ihre armenifchen und georgifchen Bewohner nad) Conſtanti⸗ 
nopel. Als aber verfelbe Khalif Al Manfur 2 Jaͤhre darauf, im 
$. 757, durch ein ‚Heer von 70,000 Mann unter Anführung feine 
Neffen Abderrahman wieder davon Befig genommen hatte, ließ 
er jle von neuem aufbauen, was In einem halben Jahre in fo welt 
geichehen war, um dafelbft eine Barnifon 1°) von 4000 Mann Truppen 
zu berbergem, die er mit Waffen und Schägen aller Art verfah. 
Später fiel es in die Gewalt der Seldſchukiden, denen es aber 
um das Jahr 1068 durch den griechifchen Kaifer Nomanus Dioge- 





18) Abulfedae Geogr. Tab. b. Büfching TH. V. S. 34. 
1%) v. Hammer, afla at. Zack in Mae Yahrb. 1821. Br. Xiv &.47; 
derf. in osmanifche Gefchichte I. S. 45, Rote, S. 572, Ill. ©. 147. 
15) Greg. Abul Pharag. Hist. dyasat. u ed. E. Pocock, Oxon. 
1668, pag. 140. 








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862 Weſt⸗Aften. II. Abcheilung I. Abſchnitt. 8.40, 


ned 36) wieder entriſſen ward. Zur Zeit der Krenzzͤge, als %e 
Franken die Länder des Sultans Kilidge Arslan von tonlım 
ũberſchwemmten und dieſer mit ver Gegenwehr gegen ſie zu th 


hatte, brachte der Turkoman Ku mtſh⸗teghin, Som Thilun', 


mit dem Beinamen Ben el Daniſhmend (vd. L Sohn ai 
Gelehrten), Xruppen in Melitene zufammen, weit deren Hülk 
es daſelbſt einen eignen Turkomanenſtaat errichtete. Gr belagen 
die Stadt Malatia, dern Commandant der Armenier Gabriel 
war; er nahm den Boemund, der dieſem zum Entfag zu Sülfe die, 
gefangen (im I. 1099), und erhob die Stadt zur Reſivdenz der fe 
berahimt gewordenen kappadokiſchen Dynaftie Ber Danifh—⸗ 
mende 17) während des 12. Jahrhundertö (bis gegen 1200). De 
mal® ward bie Stans, zur Zeit Balduind von Edefſſa (2190) u 
Katfer Fried riche in Ifonium (1191), wie durch Die Siege Ge 
ladins albefannt, und fam mit ihrem Gebiete als eins ver nie 
Konigreiche 18) an deſſen Nachfolger, die Atabefen, in Syrimmh 
Aegypten. Im Jahr 1235 wurde Malatia dur den Mongheke 
überfal unter Dfktal Khan 19) und Hulagu aller Echäge ſti⸗ 
ner zahlreichen Kirchen beraubt, aud denen fie die viren 
Kreuze, die goldenen und fllbernen Weihgefäße und alle Ornamak 
entführten, wie ald Augenzeuge Gregorius Abulphareg, ie 

berühmte Arzt und Geſchichtſchreiber, der felbR in Mal atia gie 
sen war und dies erlebte, in feiner Chronik 20) verzeichnete (er farb 
im Jahre 1286). Damals und auch fernerbin unter barbariides 


mongoliſchen Commandanten, denen Malatia übergeben wer, 


zerftörten dieſe auch die Bärten und Weinberge ver Nehbe 
landſchaft, und mißhandelten deren Bewohner auf das graufame; 
entfegliche Hungerönoth und. Peſtkrankheiten folgten diefen unglid 
lichen Ereigniffen, von denen fich wel der dauernde Berfall we 
fer Stadt und Lanpfchaft Herfchreibt. Der Gewalt des Sultan Be 
jazeds, bed Donners, der zur Erweiterung feiner Herrſchaft gege 
den Oſten erſt den Prinzen von Siwas geflürzt und fich durch fee 
nen Feldherrn Timurtafcy auch der Stadt Malatia im Jahre 138 
bemädhtigt Hatte, ”) wurde biefe bald wiedet mit Sturm durch Te 





*10) Degnignes, Geſch. der Hunnen, I. 6.221. > ebend. LE 
©. 306; v. Gammer, osmanifge Geſch. I. 21. ) Degulgse 
a. a. O. V. 6.286. 1°) ebend. IL. ©. 118. 2%) Gre 
Abulfaradi,- Hist. dynastiarum p. 818, 988. 2.) v. Damme, 


—V Le, RM, Iapianes, Beh. der Gumns 





4 


Euphratſyſtem; Malatia, Population. 863 


merlan, ven Big, im Jahr 1400 entriffen und von neuem zer⸗ 
flört. Denn die Beraukung und Ermordung einiger feiner mongo⸗ 
liſchen Krieger durch turkomaniſche Näuber In dem Gebiet von Man 
Iatia erregte ven Zorn des Gewaltigen, den dieſe Vernichtung Ma⸗ 
latias und der Sturz Bajazeds auf dem Buße folgte. So war 
Denn Malaria fchon laͤngſt feines früheren Glanzes beraubt, als 
es mit Haleb und anderen benachbarten ſyriſchen Grenzfeſten, wie 
Divrig, Behesni, Aintab u. a. m., In vie Gewalt ves Sultan 

Selims I. fam, im I. 1516, 22) und feltvem dem türfifchen Reiche 
auch verblied. Zur Zeit Baul Lucas, d. 1. im I. 1700, war 
Malatia 2) nur eine geringe Stadt, aber voll Chriſten, die Brannt« 
wein feil hatten, mit dem ſich der Reiſende bei ihnen verfah. Selt⸗ 
dem ift fie bis im bie neueſte Beit wenig vor Europäern befucht 
worden. 

J. Brant gibt die ganze gegenwärtige Population (1835) von 
Malatia und Asbuſi auf 3923 Familien an (alio an 19,000 
bis 20,000 Seelen), davon 2800 türkische, 1123 armen iſche?) 
find. Doc hatte fie in der legten Zeit, durch Cholera, Peſt und 
andere Liebel heimgefucht, eher an Bewohnern abgenommen. In 
der Sommerzeit, wo Brant die Stadt leer fah, nur mit wenigen 
Wächtern in den Käufern, machte fie mit ihrem Graswuchs in den 
Gaſſen einen ſehr jammervollm Eindruck, da auch die oft in Rui⸗ 
nen zuſammengefallenen Häuſer eher Kothſtällen als Menjchenwoh- 
nungen glichen. Nur 2Mofcheen und 2 Karawanſerais, in beſſerm 
perflihen Bauſtyl aufgeführt, machten davon eine Ausnahme, 

Brant zog von der Stadt norbweftwärts durch die Eßene, 
auf der Straße nah Hafan Batrif, und fand hier Über ven 
Tokma fu eine Brüde, Kirk genz genannt (vd. 5. die 40 Au⸗ 
‚gen, nah dem Bihannuma), 2 Keine Stunden oberhalb feiner 
Einmündung zum Euphrat. An beide Seiten diefer Brücke über 
den alten Melas, den die Armenie Meghos 25) oder Melos 
nannten, den auch St. Martin für identiſch mit dem Kureh maz 
hielt, daher Koremoz, fchließt fich ein fortlaufend auf Bogen erhöh⸗ 
tee Kunſtweg an, ber zeigt, wie groß die Lieberfhwenmung ber 
Ebene durch feine Waſſer zu Zeiten fein muß. Nur etwa 3 Stun⸗ 
den (7 Mi. engl.) von diefem Tokma fu (Grenzwaſſer nennt «8 





- \ 


— 





22) v. Hammer, osmanifche Geſch. Th. II. S.476. 28) Paul Lu- 
cas, Voyage au Levant. A la Haye 1705. 8. T.I. Be g. 201. 
20) 5, Brant, Journ. L c. “vl. p-2H.: 28) St. Martin, M&m. 
zur VYArm. L p.I 188. ' 





864 WeftsAfien. III Abtheilung. I. Abſchnitt. 1,40, 


Brant) nordwärts, traf er den Ifhamurlu (nit ber weite 
nördlich fließenve gleichnamige, fondern mol ein ſüdlicher Arm au 
Kuru thai, an welchen Haſan batrif liege. Im dieſer Ebene, 
in ver Näße eines ruinirten Kbans, ſteht eine Gteinfänle, ®) 
welche anzeigt, daß bier die Hälfte des Wegs zwifgen 
Gonftantinopel und Bagdad fei, wie einft in bes Artemis 
Routier von Eybefus, am der Ueberfahrt über ven Euphrat, Ir 
mifa, Malatia gegenüber, ald ein ſolcher Bunct, bis zu vem ge 
zaͤhlt wurde, gelten mochte. Leider fehlt und jede nähere befimme 
Angabe dieſer Stelle, um fie heutzutage wieder nachweifen zu fünem 


3. Das Land des Euphrat-Durchbruchs dvurch die Ges 

taractensKette bis Samofat und bie Uebergänge der 

ſüdlichſten Gliederungen des füdliden Taurusfgfeni 
aus Melitene zum eupbratenfifhen Paſſageland. 


1) Die Ueberfahrt über den Euphrat bei Iſogla, am 
der Fels mit der Keilinfhrift bei Kümürkhan, am Bar 
fhiam fu; Tomifa. 

Dur den Aufenthalt Hafisz Paſchas in ven Kriegslagen 

‚zu Malatia und Mezirah (Mazara in Armenia bei Ptolem.T. 
13. f. 135), bel Kharput (Xagpnore b. Cedren. f. ob. ©. 811), 
wahrfcheinlich da8 Karkathiokerta, die Königeftant ver auf 
glänzenden Sophene (bei Strabo XI. 527 und Plin. HA. N. V. 
10), welche zugleich die Tigris« wie die Euphratübergänge va 
nirt, 27) wurde die Route zwifchen beiden Orten und die vorige 
Ueberfahrt über den Euphrat auf diefem Querwege befauskn, 
als fie zuvor ed gewefen war. - Zur Erleichterung ver Trap 
durchmärfche waren bei Malatia Verfuche gemacht, um ven uch 
ungebänvdigten Strom mittelft Fliegender Brüden?8) von Hast 
flooßen, jowol hier bei Ifoglu (mahrfcheinlidy dem Metita td 
Ptolem.) wie bei Samfat und Beridſhik zu pufflren, vie abe 
‚ damals (1838) nicht zur Ausführung gelangen. Es fehlte = 
eifernen Ankern (die man erft au Sivan Maaten, f. o. ©. M 
erwarten Eonnte), und der von dem Obriften Emin Bey, dem 
frühern Fiſcher an der Donau, angefertigte hölzerne Anker wei 
an der Stelle des 140 Schritt breiten Euphratfiroms , mit 6 I 
Geſchwindigkeit In der Serunde, auf fleinigem Grunve nicht Scq 





2) ],.Brani.c Vin. A, 3?) Ainsworth, Trar. am 
res. Vol. 1. p. W. Dia ir 


5 





.. Caygenifäftinn; Webetfahrt:bei I; Oglu. 865 
Galın.. 1:08 .feßtee au Material, an Pfaͤlen zum: Cinrammen, am 
Acbeitern. Die Holznoth am Cuphrat iſt daſelbſt vlelen Unter⸗ 
nehmungen hinderlich; vom Tokma fu hätte man erſt das Geſtripp 
zu TFafchinen und Schanzkorben konmen laſſen mäffen, um nur vie 
er zu Brücenkoͤpfen se: Iſoglu over Verlvſhlk zu befefligen. 
Solche Anlagen winden hur nicht nur: die Kriegdoperationen un⸗ 
gemein: erleichtert huben, ſoudern auch für vie Friedenszeiten dem 
arawanenvertcor ein weſentlicher Gewinn geweſen ſein. 

Malatia Megt:nicgt uumitielbar am rechten Ufer ned Cudhrat, 
wie Dies noch: Mennells, Reichards und alle frühern Karten 
angaben, fonbern einige Stunden: davon ab. ISaubert brauchte9) 
vor 1 Uhr Morgens 5 Stunden Zeit, um von ber Stadt das 
Ufer; des Cuphrat an der Ueberfahrt, deſſen Breite er auf 70 Meetres 

‚zu erreichen. Die Fähre führte ihn hinüber, nah Iz Oglu, 
eine Damals bedentende Kmdenſtadt, die. einen Flintenſchuß vom 
. Vinben Ufer entfernt. lag, und ihr zur Seite ein Dorf, Das von Ju⸗ 
fuf Paſcha in Beflg genommen war (Im 3. 1808), ver ſich ver 
geblich abmũhte, auch jene Kurdenſtadt zu unterjochen. Die wilden 
haͤßlichen Kurpenmeiber, vie ‚Hier umherſtreiften, erinnerten 
3. Jaubert an die Beichreibung ihrer wahrſcheinlich einfligen 
Gtammeßserwandten, die Mardi, bei Ö. Eurtius (V. 21. 17. 
p- 457 .... ventum est in. Mardorum gentem bellicosam et 
multem a ceteris Persis eultu vitae abhorrentem. Specus in 
meontibes fodiunt in quos seque ac. conjuges et liberos condunt: 
pecorum aut ferarum carne vescuntur. Ne feminis quidem pro 
naturse habita. molliora ingenia sunt: comae prominent hirtae, 
vestis super genua est: funda vinciant frontem, hoc et orna- 
mentum capitis et telum est etc. vergl. Erbf. Ah. VIE ©. 9 
und 95, wo fihon von der Stammesverwandichaft ver Marder 
wit den. Kar duchen, d. k Kurden, bie Rede war). Ihr Kopfr 
vutz war freilich nicht mehr, wie. damald, die Schleuder, ſondern eine 
Der perſiſchen ähnliche, Häßliche runde Müge, mit Blech und Gelb⸗ 
ſtacen bebängt, über wilden, firuppig umberhängenden Saar, un, 
verſchleiert; mit Meſſingketten um ven Hals, Nafenving, zuwellen 
auch einem Ring durch die Lefze zu befonderem Bube, Ringen an 
allen Fingern, nadten tätowirten Armen und Jupen, die nur bie 
zum Rule herabhängen. Ben. dieſem Iz Oglu (over CizOghlu, 
Eyas Dahln, Tu Dot bei Rennell, Eu Do bei Andem) zog 





, Voy. p. 6. = — 
Nitter Erdtuube X. U 





366 Weſt⸗Aſien. II Apttwikung. I. Abſuitt. 8.40. 


ver Weg anderihalb Stunben am Flußufer (dbewanie?) Kia, Kin 
‚durch eine Bergſchlucht (mol bie bed Marſhian fu, f. ob. ©. 828) 
vom Euphrat gegen Nordoft, an einem Bache vosüber, ber Gold⸗ 
fund wälgen follte, und bei einem Karamanferai (mol bei Kü⸗ 
mür than?) abzweigte gegen Kharput Hin, das an vemicdke 
Tage von Jaubert bequem. erreicht ward. Auf dieſem Wege par 
firıe Iaubert einen Berg mit Erzebern von Eifen uns Kupfer, 
defien feiner ‘ver folgennen Reiſenden ermähnt. Die hier zu af 
‚ genden Berghöhen, um zu ver Plateauebene Kharputs zu ı gelungen, 
Hatten für ven franzöſiſchen Reiſenden ein ſchreckhaftes MUnichen, 
Dorfshaften lagen nur weit-ab von dem Wege in ver Wilenißj 
3, Brant, der venſelben Weg von Kharput zum Euphen 
nach Moglatia binabflieg, bemerkt, daß an ber Südgrenze ber Kan 
pute Ebene eine hohe Gebirgokette, ») mit Zwerge ichen b 
wachen, vol Galläpfel, zu überfteigen il, um zum Ufer nes Gupfest 
zu gelangen, wo die Ruinen einer Moſchee neben einem geufes 
Karawanjerai lagen; eine Entfernung von Kharput bis dahin vos 
12 Stunden (30 Mil. engl.). Eine Viertelſtunde unterhalb wi 
Karawanjerai, (offenbar aljo das zu Kümür khanu) fängt m 
Durchſchnitt des Stroms durch die Beldengen veb Taurus an, I 
denen: er vollig unbefhiffbar fe. Von dem zerſtörten Ass 
wanferai zog Brant Feine zwer Stunden (4 Mil. engl.) gegen km 
Strom, an deſſen öſtlicher liferfeite aufwärts bis zer Fähre m 
Ei, Oghlu, von wo die früher old beveutend genannte Aue 
ſtadt aber verfchwunden jein muß; bean Brant (1835) jagt: a 


jeder Uferſeite liege hier ein Dorf, vie beine zuſammen nur 100 
Kurpenfamilien zu Bewohnern haben, bie arm find, und Eimer 


bensmittel mittheilen fonnten, menn ſchon einige ihrer Rinbertenin 
an den Uferfeiten des Euphrats weideten. 

Auch v. Moltke kar veffelben Wegs von Kharput u 
ſtieg am 24. März, noch vor Sonnenaufgang, die ſteilen Bergfäfen 


zum Tiefthale des Cuphrat hinab, ver ſich hier, von 250 60 38 | 


Schritt Beeite fo plöglich auf 80 Schritt und mehr veren gt, ca 
jenen Felſentrichter wüthenn burchfchießt, von dem oben bie Mebr mir 

Eine alte ganz verfallne Burg?!) klebt über neu Knie 
Ufer des Gupfrat an ver 300 Fuß hohen Felsklippe, welche im 
Meg. nadı Diyarbeh: boiminitt; darunter lest am Wibete Bu 


nn 


*20) ], Brant, Im. Lo. vad. wi Bei, Dreh, 
a. a. D. S. W | 





* LEE - = 
® \ x 













Euphratſhfiem; die Keilinſchrift bei Kuͤmuͤehan. 867 


THiam fu, der zum Euphrat ſtürzt, ein von Sultan Murad m ⸗· 
bauter Khan wit einer Moſchee, der aber auch in Trümmer ver 
fenf, wo jeht eine Pofkiatin iſt. Etwas aufwirts am Stromufer 
von da, au Weſtende deß Ufergebirgäguges, ver 500 bis 1500 Fuß 
hoch Über den Spiegel des Cuphrat ſich erhebt und bis zut 
Bier von Ifogiu foreſtreicht, bemerkte v. Moltke, am der dorti⸗ 
‚gen Geldwand (5 Stunde oberhalb Kümüchen und 14 Standen 
unterhalb Iſoglu, nad v. Mühlbachs Angabe) eine große Ta⸗ 
fel wit Tauſenden von Kleinen Keilchen, die bei genaurer Unter⸗ 
ſuchung ». Mühlbachs von ihm als eine Keilinfeription ep 
Tarnt und mit großer Mübe uud Sorgfalt copirt warb,??) für de⸗ 
sen Mittheilung wir ihm ven innigften Dank ſchuldig fine. 
Gleich oberhalb derſelben erweitert ſich das Euphratthal zu ber 
frachtbaren Ebene von Malatia. 

Der Wichtigkelt dieſes älteſten am obern Cuphrallauf cube 
pedten Denkmales aus dem höhern Alterthum an biefer 
Seelle des Stromüberganges, auf einer antifen Handels⸗ 
ſtraße von Cpheſus nah Babylon, Haben mir ſchon oben für 
Die Tulturperiode dieſes geſegneten Cuphratthales, des erſton und 
einzigen oberhalb ſeiner Cataracten, innerhalb der Taurus⸗ 
Reiten, auf. dee Grenze ber alten armenifchen und mefopotamiſchen 
Zandſchaften erwähnt. Wir bemerkten, daß es bis in Die Semira⸗ 
midifchen Zeiten zurüdführe, nämlich. bis zu denjenigen, denen 
auch wie Keilinfcriptionen um Wuſh, um ven Dan See, um 
Efbatana.u. a. m. ir Daſeia verdanken. Diefe Infchrift liegt 
nicht an nes großen Route, welche von ver kappadociſchen Caeſares 
zum oberen Tigria nach Ninive führte, welche Cyrus Perſerbeer 
aus Medien zum Halys (Kizil Irmak) nehmen mußte, als er gegen 
Erbius lydiſches · Königreich im Nordweſt zog, oder auch Xerxes auf 
_ feinem Wege zum Bosporus, Der kleine Situntiensplan zeigt bie 
Rage dis Schriftfelfen, nur 200 Schritt vom Ufer des Eupbrat 
eutfernt. An einer ſenkrechten, fogar eiwas überhängenben Fels⸗ 
wand aus’ Kalkſtein, 150 Fuß hoch, ift die viesfeilige, nicht gang 
ms Rechtec ſondern etwas verſchoben eingehauene Schrifttafel 40 





2, C. Ritter, Fa der von bem Königl. Breuß. Ingenieur 
Saupimanı 4 —— am obern Enphrat gem (Oak: 
decuag einer Rei. —— in Monatsberichte über bie — 
[ungen der Geſellſchaft für Erdkunde zu Berlin. 1840. . Jahre. 
S. 70—73; nebſt Plan der umgegend von Kamargen us 
der Kellinſchrift. | 

AR 





808 Wehen, TI. btbeilung. I. Ablchai. :4:48. 


E” ser voffen Woferpiegel angebracht. Sie iſt 6 Tab 4 Di 
hoch, 4 Fuß 9 Zoll breit, mit 40 horizontal laufenden Schrift⸗ 
zeilen beſchrieben, und vie ganze Tafel um einen Fuß und 4 Zell 
von oben nach vorn überhängend eingehauen, fo Daß fir, bei If 
ohnehin fünlichen Wendung, gegen die Witierung feit Jahrtarhen- 
den gut geſchuͤzt war und nur durch Serunterträufeinnes Wehe 
In wer Tinten Ecke einiges auf ihr unleferlich wurde. Die Self 
tafel llegt von dem vorüberziehenden Wege sur. 50 Schritt fer, 
und doch wurde fie früherhin von Niemann erwähnt. Ye zur 
Geite iR im Fels ein großes Loch, welches vielleicht einſt zur Hab 
tung anbrer Sculpturen viente. Ein Wildbach ergießt fich fürmiett 
wveſſelben zum Cuphrat. Die einzelnen Keile ber Schrift ſind mit 
großen technifcher Wertigkeit 4 6i6 4 Zoll tief in den Stein einge 
hauen. Bei dem möglichft ſorgfältigen Copiren der Inſchrift wer, 
wegen feſten Kalkfinters, klelner Steinavern, Riffe und nicht ferk 
zubürfenver fremder Erdtheile, dennoch mitunter: Die Michtung der 
Keilſpien nicht mehr genau zu ſehen. Im Ganzen: ift fie Jach 
ſehr wohl und Ieferlich erhalten. Nun erwartet fie noch ihres giib 
Ingen. Eutzifferere. Möge ein Laſſen, Bournouf, Mel 
oder Grotefend ihr fo lange verwahrtes. Gehelmnig entfchleien 
und Musfunft geben über ihr gegen alle übrigen: : Keilinfeheifies 
am. meilten gegen ven Weften vorgerüdte Vorkommen, un Be 
dad Gigenthümliche ihrer Schriftart, bad von ben. bisher fe 
kannten auf perfliden Boden befindlichen doch in Etwas‘, binfihe 
lich einzelner Zeichen, abweicht. Auch ſcheint es und nicht zufläig 
zu. fein, daß ber Wildbad unter jener. verfallemen Burg 
Colglleicht jene alte Toon des Artemidorus f. ob. ©. 857,5 
In dieſer Gegend Tiegen mußte: weöhalb vie. Erſteigung piefe Es 
ſtells Durch Fünftige forſchende Reiſende wünſchenswerthh wäre), km 
Ramen des Parſhiam fu führt, darin ver chalndifche Raw 
Bar ſhemſhe (Bohn der Sonne) ones Bar. ſhemain (Gar 
bes Himmels) fih aus her Semiramidiſchen Seit erhalten: ze 
haben. ſcheint, der ganz ibentiih mit dem Baal Gamin am 
Baal Chamman ver Babylonier und Baal Gemes ?) vc 
Palmyrenifchen Infchrift (ded Zeus, Jupiter, Sol, Melicartes, Ges 
Tules), hier mit dem der Milita, am großen Emporium, 
wicht, ohne Bereutung war. , Schon. oben war von ihm le 
Sande ver Chaldaͤer einmal "Sei Erzingan bie Rebe, 5 6. 71. 














A 
in = 


— — 
os‘, Mivert, X Kaas, v. V. EN % I sea 





Guphrosigflemn; die Keilinſchrift bei Kuͤmuehan. 867 


THiam fm, ver zum Eupbent ſtürzt, ein vom Sultan Murad er⸗ 
bauter Khan wit einer Moſchee, der aber auch In Trlmmer were 
ſank, wo jett eine Pofbfatien iſt. Etwas aufwirts am Stromufer 
von da, aus Weſtende des Ufergebingäguges, der 500 bis 1500 Fuß 
hoch über den Spiegel bed Euphrat ſich erhebt und bis pur 
Faͤhrre von Iſo glu foriſtreicht, bemerkte v. Moltke, am der dorti⸗ 
gen Felswand (4 Stunde oberhalb Kümürhan und 14 Standen 
unterhalb Iſoglu, nach v. Mühlbachs Angabe) eine große Ta⸗ 
fel weit Tauſenden von kleinen Keilchen, die bei genaurer Unter⸗ 
ſuchung v. Mühlbachs von ihm als eine Keillnſcription sp 
Tmat und mit großer Mühe uud Sorgfalt copirt warb,3?) für bes 
zn Mitthellung wir ihm den innigſten Dank ſchuldig fine. 
Gleich oberhalb derſelben erweitert ſich das Euphratthal zu ber 


fruchtbaren Ebene von Malatia. 


Der Wichtigkelt dieſes älreſten am obern Cuphratlauf ne 
weiten Denkmales aus dem höhern Alterthum an vieſer 
Gele des Stromüberganges, auf einer antikeh Handels⸗ 
ſtraße von Ephefus nah Babylon, haben wir ſchon oben für 
vie Eulturperione dieſes geſegneten Euphratthales, des erſten und 
einzigen oberhalb feiner Cataracten, innerhalb ver Taurus⸗ 
Ketten, auf. der Greuze ber alten armenifchen und meſopotamiſchen 
Zandſchaften erwähnt. Wir bemerkten, daß es bis in die Semira- 
wmidifchen Zeiten zurückführe, nämlich bis zu denjenigen, denen 
auch wie Keilinfcriptionen um Muſh, um den Ban See, um 
Ekbatana u. a. m. iihr Dajein verdanken. Diefe Infchrift liegt 


dicht an wer großen Route, welche von ver kappadociſchen Caeſarea 


zum oberen Tigrid nad) Ninive führte, welche Cyrus Perſerbeer 
aus Medien zum Halys (Kizil Irmak) nehmen mußte, als er gegen 
Erbius lydiſched · Königreich im Nordweſt zog, oder auch Kerze auf 
feinem Wege zum Bosporus, Der flcin: Situatiensplan zeigt bie 
Lage des Schriftfelfen, nur 200 Schritt. vom Ufer des Euphrat 


estfernt. An einer ſenkrechten, fogar eiwas überhängenden Walde 


wann aus’ Kalkſtenn, 150 Fuß hoch, ift die vierſeitige, nicht gang 
ms Rechte, ſendern etwas verſchoben eingehausme Schriftiafel 40 





02, C. Mitten, Mitteilung ber von dem Königl. Breuß. Ingewlenrs 
pa Fa —— am obern Gunhrat gemachten (ink 
vedung eiger Keil: Infcription, im Monatsberichte über bie Verhand⸗ 
Inngen der Gefeilſchaft für Erbfunde zu Berlin. 1840. 1. Jahrg. 
S. 70—75; nebft Plan ver Umgegend von Kümürhau umd Tafel 
der Keilinichrift. . er BE | 

0 . am 





870 WefkMifien, II. Abteilung. 1. Wofhhktt.j.d0. 


von Malatta über Elegia entlang deu Laufe ves Euphent ab⸗ 


wärts zu folgen; aber der Auſfruhr der Kurden (Cude Mei 1839) 


machte dies unmöglich. Sie waren zwar kürzlich erſt in ihern Ge 
Sirgäfeften diefer Mediere attafirt worden, wie zu Kakhrah (Riadta 
auf vo. Moltke's Karte) und ſüdlich babe za Brrger Kaleſi 
durch Haftz Pafchas Truppen; aber bei ber Uebermachhtt des Ge 
birgovolks Hatte dieſe Campagne wenig Erfolg gehalt; Kakht ah 
war noch im offener Mebellton, und der Kaimakan verſugte daher 
Bferve und Geleit. Deshalb mußte ſich Alnsworth Yamit Be 
gnügen, ven directen Landweg bunh wie Geblegsſtraße Abe 
ven Paß Erkenek füdwärts mach Samoſat einzufhlagen, zb 
- son da aus verfuckte er anr Strom aufıwärtd zu weißen, ven a 
micht abwärts hatte verfolgen Mtinm; Eomnte aber, wie gefagt, nit 
weiter als bis Berger vorbringm. v. Moltke kam vow Ablja⸗ 
man, alſo von Weſt Ber, nach einem Rut von 20 Gtunken muß 
Gerger, 20) deſſen alten Stchloß auf einer Irloſpihe üder ven > 
phrat thront. Der Weg dahin war halsbrechend über Gebiege mm 
angeſchwollne Gebirgeftröme. Das Caſtell (vielleicht Band; 
Amsworth Yielt es für Jullopolls) ſchien ſilbſt in feinen Aulam 
umeinnehmbar zu fein, obmol fich in diefee Cndde Nlemaunb namal 
abmühen würde, und e3 nur In ven Fehben wer Kurden eine Genen 
were Rolle fpielen konnte. Die Grunpmauern Thieme 9. Meltke 
von hohem Alter zu fein; auch bemerfie er eine Folstafel mi 
Aner fo großen griechiſchen Infertption, daß ihem Kir We 
Zeit fehlte, eine Abfchrift von ihr zu nehmen. Ya einer Beim 
bemerkte er 4 Benfter, die in Belslammern führten, aber gegenwär 
üg ganz unerreichbar find. | 

Ainsworth näherte fi von 6.8. her (anı 4. Iaut), von 
Diffriet Tokariz (Tchoros auf v. Molttes Karte) viefen Gce 
Gerger,) ver am Austritt bed Euphrat aus dem Ta 
Best. akhtah (Gakthy der Syrer), ) mir 3 Stunden wei 
in Notden, hätte er getn befucht, weil es fräßer die Gelenk 
Rolle geſpielt, ald e6 dem Sultan Bayazed von Timer ke fall 
foetjägen Kriege 38), entriffen war, zu Ab ulfedas Die für ie me 
Abetwindliche Feſte galt, un weil He Autden die eifernen Wer 





I) v. Moltte, Brit, a. a. D. ©. 288. 29 w. Kiewe, 
ee and rn a derſ. in Journ. of Roy. G. See. IL 
v = 11 ' 113 ‘ Hist, . 
N Chereffedäin, Hit. — ar Yan, ed. P. zug Se Dei 
71723. T. M. 2.208, Abulledae Tabl, Iyean AL Ahee q IL 


rvrewwwseve uwuVuwn m 


ı 





Euphratſhftem; Gerger, das Caftell. 660 


war es von dieſem Parſhiam fu, daß A. Jaubort 
die Sage 3. die er fuͤr Thatſache nahm, daß er nämlich Golb⸗ 
farb führe (f: ob. S. 866). Ä 
Nahe oberhalb der Felſeninſchrift iſt im Eupbrat ein. velſenriff 
(eine Steinbank), welches bei dem damaligen mittlern Waſſerſtande 
mit der Spige 3 — 4 Fuß über deſſen Niveau hervorragte, in ſei⸗ 
ner Mitte aber Hark ũberfluthet wurde. Nicht alle Steine fchienen 
son Natur dort hingelagert zu fein, ſondern gar manche wie. durch 
Menfihenhand dahingebracht. Nach der freilich nur traditionellen 
 Üubfage ver Bewohner von Iſoglu fol des Cuphrat vordem bis 
zu biefeme Feleriff ſchiffbar geweien fein, mie Plinius dies in der 
ſchon angeführten Stelle beftätigt hat. Durch die Anorbnungen 
des Paſcha waren im vergangenen Jahre, eben auf jener Strede des 
Durchbruchs, einige Felſen im Fluſſe abgeiprengt und fortgeräumt, 
md vadarch erſt Die Borübenfahrt felbft nur auf Kelleks Hei nie⸗ 
vera Waſſerſtande were gefahrvoll ald zuvor geworben. . Eine 
andre Sage gibt an, es ſeien Hinter der Iufchrift große Gewölbe , 
v. Mühl bach fand auch wirklich auf der nörplichen, Seite des 
. Slim, auf mehr als halber Höhe deſſelben, einen Eingang zu einer 
üble; dio ihm aber natürlich zu fein ſchien; jedoch. durch 4. Treppen⸗ 
ftufen und eine in Stein ausgehauene Bank war. ihr. durch Mens 
ſchenhaud nachg⸗holfen. Die Höhlung ‚geht mit einer Krümmung 
von 20 Schritt. tief in den Felſen hinein, iſt 8 bis 10 Fuß breit, 
eben fo hoch, und diente jeht einem Wolfe zum Raublager.. Vor 
| mr delewand bezeichnen Quaderſteine sine türkiſche Grabſtaͤtte. 


2) Der Euphratdurchbruch unterhalb der Kette der 

Cata racten non Berger, Kakhtah über Choros bis 

zur Ihalmeitung von Samofat und ber Sühwenbung 
| des Strom. 

Weiter abwaͤris am Cuphratufer as bis gu dieſem Denkwal⸗ 
—8 nach Kümürhan iſt kein Beobachter zu Landa vorgedrungen; 
und erſt weiter. abwärts ber 300 Cataracten des Cuphrat, zu Gev⸗ 
"ger, ſaͤngt wieder die Specialkenntniß der Uferorte am. Cuphrat au. 
Berger wurde wiederholt durch v. Moltke beſucht, und Ain⸗⸗ 
worth konnte am Euphrat von Samofat oder Samſat aufe 
——— Bi dabin verbringen. Seme zog war ei ven) 


5 KL len" Vol 1, 2 veſen — 2— 


ib K. LT a BE ar Be | 





nigfeitigfien. 
 (Riadta), der hohe. Kegelberg Aſhur, vie kühnen 





872 Weſtdiſen. MI. Werheilung, L-Püfgeltt. 5,40. 


eine intexoffante antike Ruine, vie Abulfedaet) noch als ungemia 
feſte Burg rühmt, von deren Höge der Cuphrat nur wie ein Main 
Bach ausſehe. Der Caſtell berg IR von den anliegenden Kliyyem 
geſchieden durch einen 21 Buß tiefen und 41 Fuß breit amd Ba 

Weg, über den eine Holzbrüde führt, die anf einem qua⸗ 





Weatifchen Pfeiler in deſſen Mitte aufliegt. Das Thor iR füle 


im faracenifchen Styl mit einer. arabiſchen In ſchrift über dem 
Bortal; eb führt In einem bedeckten Bang mit drei Bogen, der 3 
Zuß lang, und dann auf einem vffenen Gange, die Feldſein 100 
GSchritt entlang, zu einem zweiten Thore. Hier if. Der Darchgang 


durch von Fels gehauen, mit einer Art Nifche zur Geite, kein 


velleicht einft eine Statue ‚fand, ober ſonſt eine Sculptut, zub 
rund um den Rand befindet fi jene ſchon u Moltke angefälek 
fehr lange griechiſche Imfeription aus der mittlern Zeit, am 

weicher jedoch nur hie und da einige Worte lesbar waren. Jeſ 
eſes Felsdurchganges tritt man erſt in den Theil des Innern, fi 
zerſtoͤrten Gafteld, in welchem etwa 30 GHäufer und einige alte Ber 
nowen, ſcheinbar noch aus der Zeit der arabifchen Herrſchaft, ſtriac 
vielleicht aus Timurs Perlode, ver bei ſeiner Kriegführnung gs 
Sultan Bayazen*2), der Sage nad, hier über ben Supfeet ui 








. haben fol. 


Die Ausfiht von dieſer Caſtelhohe N von granbiofer er 
heit und nach der einen bermefopotamiichen Seite, gegen iR: 
über Sũvereck hinaus, ungemein ausgebehnt; nux der Kearekiha 
Dagh, der direct gegen Oft nach Mardin zieht, begrenzt fie, gegm 
son Süben aber iſt die meiopotamifähe Ebene, gleich. einen 
unbegrenzt. Die große Senkung des kurdiſchen Diſtrictez 
zum -Euphrat, gegen S. W., if dem größern Theile nach ne Ü 
see ben. nähern Kaltfteintlinpen verborgen... Gegen RN... RA 
RW. erhebt: fich die Gebirgslandſchaft bes Taurus. im den 
Formen, darunter ber felſige VBaß von. Kakhig 











von Kizil Dabun, Sara bun, Haſeran und ** 
merkwůrdige Kegel Ura Baba die Hauptmaſſe bilden. Nm. 
lichſten find die anſtoßenden grünen Thäler und bie zeichen. ı 
ſenkungen in ven nähern Bauen, die faſt gang. unbewehnt, | 
nen, in denen jedoch Dörfer und Gultur chen fo verbreitet 





*01) Abulfedae Tabul, Syziae..ed. Kochler p. er 
reieddin, Histoire —— Sul, an oh. ode. 


TER 





rip fee; Wal von Setget.““ 1878 


ma allen andern Midytunigen: Der nody wilbe heat) 
weh ſich einige Miles oberhalb ner Führe Deristo rund im 

Taurudketten, bie ihn Hier noch vorher, che er ſie überwun« 

Dat, gegen: ven Oſten zurückwerfen; er Rürgt Sich obethalb jeneb 
risto ‘über bie legten Gtromfchnefken‘, wendet fi ech inter be 
bye. ves Caſtells von @erger nad einmal, an 400 Fuß weit, 
ch eine fehr enge Welsichhicht, die meift von ſenkrechhten Kltypen 
tragt wirt, und tritt van aub ven melft bden, nackten Gipfeln 
ſchattigen, gut: beigalbeten : Tiefſchluchten der Taurus » Bor 
few, die Gier noch Den Gindruck einer fubnipiriien Lande 
aft muchen, unterhalb: des ChamunisTHales, in srweitersem 
vmbette hervor, veſſen Mfeslanpfchaft' ertragreich, ſelbſt hie und 
wit Tururidfer' Begetation und reicher Weintultur audgeflaitet 
heint Das Thal Berger, weiter und eultivirter als dad von 
miuni, prangt außer der Stadt noch mit zwei Dörfern, jenmm 
rrsto und Panduri; ver Hauptfluß, ver es nit Wiſern ver⸗ 
t, louumt vom felfigen Kakifhur Kiebban; indeß ein anbrer 
om in der Ferne ſich wie ein. eilberbaud ſarabrolt, über dle 
hange des Sara bun. 

Im Thale beſtehen die niedern qebivgeſcichten ans rothem 
ndſtein und Sandſtein⸗Conglomerat, welche Nuſſcheb⸗ 
kſtein tragen, mit Pectliciten, Conus und Mabreporiten. Die 
ht Fallen: nach entgegengefehten Richtigen gegen die zwei 
ten des Thales, vas, awöginoumien gegen Nord, nur einen’ eine 
‚on Ausgang gegen Süd Bat, nämlich die ſchon oben genaumte 
Misflucht, die Hab ro Heißt, dutch welche man nady Berger kam, 
’'yurd) die man Yon ba ben jo zurückkehrte. Na Ainsmosih 
EB Caſtel Gerger unter 370 S0' 30" Nr. und auf tik 
w üb 2156’ 5. P. (2724 8. engk) üb. d. M.) Die gadige 
r-fötneß: Mufentgaltß zu Berger ging faſt sur damit he, bie 
cherriſchen Kurden ve Ortes, deren LBeiber ſich in ven Acyflin 
Impfitsen gegen vie: Yesmblinge' ergoſſen, während bie wenigen 
nenier Ihnen tapfer zur Seite flanden, in gutem Humor zu "Hals 


j uuuaıeh wicht: zu Thãtlichkeiten und blutigen Hudeln lommen 


laſſen, Die jene ſuchten. Nach maunchem Streit und Zank ge⸗ 
ge Mindwerth, für fich und:feine Beglekier. güüecklichet Deiſe 
Aerve gum Beitiskonenen nach Bir zu erhelten, \wohhk er 





Ip. I. > 2813 Aefipn Journ, h ©, X. 3. 21,933 


Trav. ad ren I. p 27; derf. 2x 0. 


⸗ 


876 Meilen; TEE. Abteilung: L.Eichaiit. 1:40. 


vaar Tagereiſen zu ihoen auffteigen Eauen, ohne zu maclen, baf ame 
auf einem Gebirge iR, und erſtaunt dann, wie es vo. Meltfe ging 
anf ihrer doch wicht unbedentenden Höhe ( bis 5000 Fuf) Im ya 
noch Schu zu finden. Wahrfiheinlich hat er von den Bajal- 
trüämmern ‚mit been ex überfireut. IR, ven Namen ves ſchwarza 
Beugs: schalten; zwiſchen dieſen ſtehen noch in Sommer ie 
Wawergen Zelte. ber Tustmanen, die fich hieher mit. ihren Gem 
Zwiſchen ihm und bem zuvor. genannten Gegen 
— in ‚dee Die, einige Stunden oflwärts nes Cuvhret, Ik 
Staat Suͤvereh oder Söverok (Guverek bei v. Moltke), dm 
Station anf ver großen Karawanenſtraße zwiſchen Diarbelt mb 
 Defa mag Haleb. Niebuhr, ) ver fie auf ſeiner Rdreiſe um 
Diarbetr mar Orfa yaifizte, Has: Une Breite unter 37°.46° Seflauk 
und fast, daß fie im Thale, 105 geogr. Meile in Weſt von Disc 
entfemnt Uege, das ſehr maizenreich und voll fchöner: Frotttzicin 
ſei. Ste ‚Hatte an 2000 Käufer, davon 450 von Wrmmian-ie 
wohnt, einige Moſcheen und Baͤder, feine Feſtungawerke; all 
Bemerkte in der Stadt einen von. Erde aufgeworfenen Hügel, ui 
er fie ia Kerkuk uns Erbil (Arbela, f. Erb TG IX. G 
geſchen, und zugleich, daß der hieſige ebenfalls noch Die Grusi® 
maner eines Gaſtells, wahrſcheinlich eines ſehr alten, -tupE 
D’Ansille hielt den Ort für Saura, wo ein Jacsobitiſches Bi 
thum mom, Buſch ing0) fin Si babareh, deſſen Lage Drum 
nicht beſtimmen konnte, weil jenes Saura zwiſchen Diarkckunc 
Moerdin lg: ſollte; beider Namen erwaͤhnt jedoch kainer bes MN 
zen Reiſenden jud auch ſchon Niebuhr nicht, obwel dr Keil 
Wege von Mardin mac Diarbelt, an) von da nach Göneret yadıb 
Iogte.. v. Moltk⸗bi) machte den: Erg. vom Orfe auch Sicrich v 
40 Stunden, ſah aber auf dieſer ganzen: serwüftetene Gerdirul 
Steinhaufen, anf der die Araberſmme dm: Winter : fick ‚-<imaiiem 
außer der Stadt S av evel nur noch 4 Diefer, : wenige email 
unn die meiſten Ihäter ohne Spur yon Waller Nur ven Cuiß 
zu ‚Gtrode zeigten Airats, d. h. übermölbte GifernenyB 
denen zur Winterzeit vis Waſſer zufammenisafen, daß die Gib 
für welche viele fremmen: Gtiftungen gemacht: find, ' tut "Geisel 
wer,'um> auch-gegenmärtig nicht ganz unbeodllest if. Sunägfl 
fun Don auf viefeun Töege Im Dionas Makı bie ſchlaſten Bes 
2* lang Ir 


































so. . Rukakt, 2. .I. 6.406. 60) 
beſctu a u, Sur. V N Wellle, Behfe, ©: 


* 





Emdraiſhſteinz linkes en) ¶ Halenblwwung. 89) 


faungen für vie Saumthiers feinen Karawane, und v. Moltke 
ſugt, daß im Sommer zumellen die Turkatanenhorden und wie _ 
Araber mit: hundertiauſenv Stk Bieh um vieſe Eikernen: lagern, 
pie dadurch aber freilich im Monat Juni ſchon uieiſtens etſchopft 
ſelen, wenn fie nicht ſehr tief Uegen. Des Nachts And ſie der Auf⸗ 
whot zahlreicher Schaaren wildflatternder Tauben. 
Enorarts von Kantarah, das auch Niehaht veiſchen ſo 
sie zerſtͤrten Ortſchaften als eine der noch fortbeflchenden in 
feinen’ Routier, Tafel I., eintrug, kam Ainsworth nah 7 Stun⸗ 
Von. Mit zu einer Schlacht, voll von. zahlloſen, weit ausgehöhlten 
Grüften, deren einige von ſehr großen Dimenflonen waren; näher 
igunterfucht: wurden biefe Höhlen, in ‘denen viele wilne Tauben ihre 
Refter bauten, nicht. Es fängt übrigens Hier auf dem Voden ver 
Reeidveformation das Land folder Höhlen zu beiden del 
tm des Gupbratflromes an, und dauert bis welt unterhalb Bir 


. fort, ſo weit‘ die weichen Kreidee und Kaltfteinklippen bis 


gur: Ebene Meſopotamiens vie Ufer Überragen, und die Ans 
wohner unflseitig einft zum Troglodytenleben einluben. Am Urs 
fprung ver Schlucht Kiegt dad Dorf Hoshun mit 50 Hütten auf 
einem fünftlichen Erohügel, nach Obfervation unter’ 37° 37’ 20" NBr. 


"Der folgmbe Tag, der 12. Juni, führte‘ über wenig angebautes 


Sand zu dem nahen, linken Guphratufer, wo unterhalb: ded genann- 
tem Dorfes, auf der entgegengefehten Seite des Stromes, der oben» 
genanute Kakhtah⸗Fluß in drei Armen fi In ven Hauptſtrom mün⸗ 


vet und ein kleines ebenes Deltaland bilde. Die Reſte des einſti⸗ 


gen Aqufaductes62) nach Samoſat zeigen ſich von da an auch 
heute noch hie und da, in hohen Bogen von ſtarken Mauern oder 
Pfeilern gettagen ; einft ein großartiger Bau. 

Bon Hoshun immer am Weftufer des Euphrat entlang, über 
Nahr Lage, wo ein Haln von Maulbeerbäumen und Rommgranaten 
ven Wanderer erquickte, und dann durch fortlaufende Gärten, wurde 
aus Abend ded Tagemarſches mit dem ˖ Einfall der Dunkelheit pas 
Oerf Ledar, nur 2 engl. Miles von Sanıofat fern, erreicht, das 
nah Obfervation unter 37° 34’ Nr. Br. liegt. Die Faͤhre bei 
Rantarah führt‘ zur gegenüßerllegenden Stadt Samoſat; biefe 
Sonnte aber wegen ber damaligen Kriegdunzuhen Teinen günſtigen 
Aufenthalt zu Beobachtungen darbieten. Ainsworth beſuchte fie 





*).W. Ainsword, Tau and, ren I. pı 298; herf. in Joum. X, 8, 
P- . r. j 0 





ı 878 BWeflfien. II. Mötheilung. I. Askhein. 4.40. 


daher diesmal nicht. Wir find daher über ſie auch in une 
Zeit zur wenig untssrichtet geblieben. Rich. Pococke, ver ia 
Auguft 1837 His Bir vordrang, Fonnte noch nicht etumel Die Lage®) 
des Drted Samofat durch Erkundigung erfahren. | 
v. Moltke fagt, das heutige. Samfat5*) fühle nicht den zu 
zigften Theil des weiten Umfanges des antifn Semejata; fees 
ſei e8, mitten in Aderfelvern „und Bären antike Ihhrbogen m 
Gäulenicgäfte noch fiehen zu ſehen. Er fand daſelbſt da Mune 
fries von fo ſchöner Sculptur, wie ex. zuvor nie geſehen, wit dab 
wesfornausenten und Ihierfiguren yon Stieren, Vögeln erhalten, ai 
wäre es noch ganz neu. Auf einem künſtlich erhöhten Berge, wer 
fcheinlih einft die Ucropole, ſtanden noch die Ruinen eines flan 
vieresligen Bauch, der nicht weiter bekannt if. Die Steht Brgt af 
dem rechten Cuphratufer, bat ober aus antifer Zeit Erin Brik | 
mehr wie zu Strabo's Zeit; alles was ihr geblishen, jagt Yin 
worih, fei jener £ünfttishe Hügel müt den GafleIruinen. Ga ie 
diſcher Boyah Beg commanpire gegenwärtig bie Stadt mit im 
400, meilt von Turfmanen und Kurven, aber wenigen Dimgeid : 
bewohnten Häufern. Zu Strabo’s. Zeit (Strabo XIV. wi | 
XVI. 749) war Somafata, za Sausoaze, in dem wehlkiie i 
ven Konigsſitz des klemen Reiched Kommagene, zu ein Cie 
** der Roͤmer geworben. Ste war in einer umgemis ge ’ 
ſegnaten Landſchaft gelegen, nahe vem Zeugma, d. i. verBräd: | 
über dem Cuphrat, an weicher auf vem linken Ufer am Brüdunif 
von Bompeind das Caſtell Seleucia erbaut war. Doch wie Is 
miſa in ähnlicher Lage zu Melitene, jo wurbe auch viefes als Be 
poſten noch zu Kommagene Hinzugefügt. Diefe. Samofeta uf . 
eine ältere Stadt gewefen ſein, da ſchon Artemidorus fie bei feimm 
Meffungen anführte. Ihre Entfernung von Tomifa gab a m : 
durch die Breite des Taurus auf 450 Stabien, d. i. 22 bi 288, | 
an, was dem biresten Abſtande ziemlih entipzechen mung 3 : 
dieſer Seleucia, jagt Strabo, habe König Tigranes Die aus uun 
verttirbene Rleopatza, die Salene genannt, nachtam ex fe due i 
Zeit gefangen gehalten, hinrichten laſſen. 
Um Samofat iſt das nächſte Land 5°) mei angeben, al 
Dörfer, in Weſten von nun ſchon mehr gerundeen Bug u. 


EL: Bar | 
=D. Rich. Pochaee Beſchreibung des Morgenlandes: w 
Dreger. 2, Aufl. 37 1771. 4. ⁊ — 228 be —* 
,S. 3. ingwarth, We | 


- Lond. RW, 8, p Ä Wi 














Eupbrarfoftem; Ihalchene unterhalb Samoſat. 879 


ben, Se tiendich Parallel ven Stroms begleiten; ber von NO. geten 
SB: zieht. Gegen Nord und DR umkraͤnzt ihm ein langgezoge⸗ 
ned Iafelland, mit gerunneten Höhen und gewölbien, zu venm 
auch jme Karadſha Daghlar gehören, die‘ ſich von da an über 


‚50 Ston. weit, auch gegen Sup und ſüdweftwaͤrts über Orfa, wis 


auf ver Wefktsite des Seroms fünwärte über Rumkalah bis Ma⸗ 
safe, 95) zichen. 

Auf der Oftfehte des Cuphrat find bie. vorbern bigel diefes 
flachen Plateauruckense, welche die Waſſerſcheide zwiſchen dem 
mietlern Cuphrat und dem Aigrie von Diarbekr abwärts bilden, 
wur wie kurzen linken Zuflüffe zum Euphrat in tiefen Schluchten 
eingeriſſen, und zu einigen ganz iſolirten Kögelpiks umgeſtaltet. 
Ihre grbßten Höhen Reigen nach Lieutn. Lynch In S. W. von Sa⸗ 
moſat nicht uͤbet 1200 Fuß empor; iſolirte Berge dieſer Art dicht 
am Ufer machen ſchon mit 800 Fuß Höhe Effeet. Ihre Böſchun⸗ 
gen im algemeinen, mit fehr fanft gerunbeten Gontouren, haben 
febe regulaire Senkungen; «8 find Äberall Kreidelager, weiß oder 
gelblich, überveckt mit Rolkiefeln non Diaflage-, Hornblend⸗ und 
Daarzgefteinen.‘ Auch auf dem rechten oder weſtlichen Euphrai⸗ 
afer iſt dieſelbe Bodenbeſchaffenheit ven Höhern Taurusfetten vor⸗ 
Hegend, nur daß hier die Thaleinriffe viel tiefer und gewaltiger find, 
is vie Foriſetzungen aus den hohen Taurusketten. Diefer ganze - 
Strich, bemerkt v. Moltfe, fei von Erde faft gänzlich entblößter 
VZeleboden (aud) wol Kreide und Gypo), aber fo fehr mit Stein- 
trammern wild überfhüttet, daß man fich außerhalb einiger weniger 
mähfam gebahnier Saummege kaum nur zu Buß, zu Pferde aber 
gar nicht, ſortbewegen könne. 

Be Samofat felbft jirdınt ver Cuphrat, aus den Gebirg⸗ 
lande des Taurud und aus dieſem vorgelagerten Tafellande heraus⸗ 
getreten, durch eine etwa 4 Stunden breit gewordne Thalebene 


“mit verfegledenen Stufen, die in ven verfchlenenen Perioden vom 


Strome verlaffen zu fein fcheinen, jo wie fein Bette in dem Kreis 
deboden fich mehr und mehr vertiefte, 

Dieſe Thalweitung ſchließt fi) unterhalb Samoſat wieder, 
und der Cuphrat bleibt nun zwiſchen engern, obwol nur menige 
Wurivert Fuß heben, gleichartigen Uferbergen eingefehloffen, die er in 
einer nun faft blos weftlich (unter dem Parallel 37°24'N. Br) 
gewordnen Richtung vurchzieht, als wollte er feinen Lauf direet zum 





se) v. Moltfe, Briefe, S. 224. 








SR Bafolkfenn.. TE Mibtheikunng, 1. Abfuhr: 4 00h 


Gelfı: von Alewan drette nehmen, ber vom BR HS 30° 
x. ismemwkh,:alfo: feine. 30 geograph. Meilen mehr alamärit’eb 


faunt.. liegt. Mur auf dieſes Raturverkäitnt unfeeitig, ah 


niiht:auf. jene obe re Weſtwen dung im Norden von Melde, 
wir Ainsmeorih meint,*7) bei. der doch wol mach Remend auf 
den Bebanten. kommen konnte, daß ber: Euphrat füch nass: fihen Im 


Mittelmeere zuwenden möchte, iſt es, auf welches cher Pin.V.S: 
apa Klagiam oeeurrit illi 'Taurws;mons, paßt. — Auf dieſche 
Zecalinit: ſpielt auch die Stelle bei Pompon.. Mela an (HEL.&,5 
oeler et fremens, aril. Kuphrates, per Armemios, rg Gappedan | 


9geidentem ‚petit; ni Taurus ohstet, im nastre: Marie vente 
Inde ad meridiem avertitur, et primum 'Syros tum: Arabes i- 
gressus ete,) . Breilieh iſt es eigentlich ert mad dem Zeum- 
duxchbrache und ber Cataracten, daß ver Cuphrat eime ganj 
waſtliche Richtung anuimmt, wo ihm nun nicht mache bie Zap 
zußfette. ſelbſt den Weg zum mittelländifchen Meere verſpern, fe 
darn deſſen ſüdlicher vorgelagerte Plateaulaupichaft mit Mm 
breiten, aber zuſammenhängen den Hochf läche n. Dem M 
zum rechten Winkel der Südwendung bei Rumkalah, fagt uns 
Moltke, ) fließt der Cuphrat immerfort nur durch ehensd 
Plate au, obwol fein Bette. tief eingeſchnitten unb vom fennfe 
ten. Sandſteinwänden fo eingefaßt iſt, daß dieſe nur am weuigm 

Stellen datz Hinabſteigen zum Strome geſtatten. Nur in fehlen 
tief eingeriſſenen Flußthaͤlern iſt es, daß ba dieſe Pintenufiäden 
als Berge erſcheinen, auf deren flachen Rüden die Stante Mes 
raſh, Aintab, Killies, Aleppo immer noch in Kevenindun 
abfoluten Höhen Tiegen, aber nur von relativ geringen ‚Gößuzäge 
überragt, die, zwifchen ven Taususketten im Norden, und ber Ab 
ſtenketie des Amanus im, Weit gegen Cilicien, noch menige. de 
Gegenſtand genaueres Erforſchung geweien —* aber keincta⸗ 
mehr in ber allgemeinen Streichungslinie von NO, gegen GM 
dem Syſteme des fünlicen Taurus, als deſſen Glederaon * 
ner Hochketten, beigezählt werben können. 

Sobald aber ver noch ſehr enge: Euphrat in feinem —— 
Weſtlaufe, etwa 8 geogr. Meilen, abwärts Suemsufat, m 
Meridian von 38 Oſtl 2. v. Br. erreicht bat (mach et. u⸗ 

Obſervat. 1836), wendet er ſich anterhalb ves Oorfea Bette 


en oo Vin. 


est) W. Atasworth im Joum. X. 8. pı38l. +) wma mu 
©. mM. . AN. fs str o . ,° 


— 











Euphratſhſtem; Sad⸗ und Dft- Wendung. 881 
bei einer Kellekfähre, wo Lynſch noch eine Steinbrüde über-ven 


Euphrat gefehen Hatte, plöglich direct gegen den Süden. Ale : 


bioherigen Karten, feit D’Anville'8 Vorgang, dem die andern nun 


- gefolgt fine, liegen ven Euphrat bei Samofat plöglich eine ſüd⸗ 


liche oder ſüdöſtliche Wendung nehmen, ſelbſt bis auf Rennell 
(Samosata stands at that remarkahle hend in the course of 
the Euphrates etc.),5°) die durchaus micht vorhanden ift und zu 


fehr vielen Irrthümern in ven folgenden Pofltionen veranlaffen. 


mußte, und nur allein Reichards Karte von Asia minor fuchte 
dieſem offenbaren Fehler durch eine etwas gegen den Südweſt gezo⸗ 
gene Verzerrung des Euphratlaufes zu entgehen. In derſelben 
Rormalrichtung, obwol in unzähligen Zickzackwendungen, 


deren Aufnahme wir erit ver Euphraterpevition verdanken, vom 


37° 24 Nr. Br., an Rumkalah und Beridſhik vorüber, un= 
zählige untergeoronete Höhenzüge der Kalfftein- und Kreineformationen 
durchbrechen, verharrt der ſüdwärts firömende Euphrat un« 
ter 360 N. Br, alfo nach einer direct durchlaufnen Diflanz von 
20 geogr. Meilen oder 40 Ston., weldye wir dad Marimum der 
Annäherung feines Laufes zum ſyriſchen Meere genannt 
Haben, bis er nahe bei Balis feine Oftwendung beginnt (f. ob. 
©. 10), in der er dann abwärts bis zum Perfergolfe verbleibt. 
Diefes eigenthümliche Verhältniß feiner Strommen= 
dDungenzsvon feinen Urquellen, fo nahe am Van⸗See und Pon⸗ 
tus, mit der hier abwärts Samoſat entfchiennen Neigung zum 
fo benachbarten Mittelmeere, wie feiner nachherigen Abwen— 
dung zum perficheindifchen, hat ifn von Anfang an zu dem wah⸗ 
ren hydrographiſchen Vermittlungsgliede 8 Occidentes 
mit dem Oriente geſtempelt. Deshalb feine große Bedeutung 
für den Verkehr zwijchen Europa und Indien, nicht blos für Po⸗ 
Utik und Handel der .neueften Zeit, wodurch die Aufmerkſamkeit 
ver Begenwart dur die Dampfichiffahrtserpedition, die von der 


-genannten Localität audging, allerdings noch erhöhet ward, ſondern 


für alle Zeiten: denn eben dafſſelbe Naturyerhältniß allein iſt es, 
das jeit Aleranders und der Srleuriven Zeiten nun auch die Ihate 
Fraft der Römer und Byzantiuer fo viele Jahrhunderte hindurch 
nad) viefer Localitaͤt hinzog, weil eben hier die einzige Brücke des 
Uebergangs fur große Eroberungdheert zu den Renten der Parther, 





es) J. Rennell, Compa ative geogr. oh Western Asia, Lind‘ 3831. 
8. Vol. II. p. 205. r 


Ritter Erdkunde X. | gt 


3 





882 WeftsAfien. IH. Abtheilung. I. Abſchnitt. 3.10. 


der Saffaniven und ver übrigen oflaflatifchen Herrſchaften fi ver 
bot. — 

Die Länge des Bratlaufes bis Samofat berechnete Col 
Chesney 0) auf 90 geographifche Meilen, die des längern Murab 
aber auf 116; abwärts aber ven übrigen Lauf des Cuphrat bi 
zu feiner Mündung auf 240, ‚vie ganze Länge aljo auf etwa is 
sunder Summe 350 geogr. Meilen, was fo ziemlich der Länge da 
Donau durch ganz Mittel- und Ofleuropa gleihfommen mag. Te 
von nimmt der Lauf von Sam ofat bis Balis nahe am 30 geegt. 
Meilen ein, und biefe Uferſtrecke iſt es zwifchen ben genanntm Dr 
ten, und für die Ältefte Zeit audy noch bis nad) Thapſacus abwärk, 
die wir dad Land der Zeugma's (der Brüdenübergänge f 
oben ©. 11 — 14), ober dad euphratenfifhe Paffagelanı, 
feiner Weltſtellung nad, nennen müffen. 


3) Bebirgspaffagen dur den Taurus, aus Meliten 

nah Commagene, mit den drei Eupbratzuflüffen, bem 

Kakhtah (Kiachta), dem Fluß von Adiaman und dın 
Gdk fu. Pan 

Che wir zu der Unterfuhung von deſſen fpeciellen geograpk. 
Perbältniffen fortfchreiten, haben wir jedoch zunor noch die Ge⸗ 
birgsmwege und Zugänge aus Melitene over von Rele⸗ 
tia zu dieſem Guphratufer von Samofat und der plägäiien 
Sũdwendung nachzuweiſen, deren Berichtigung wir faſt nur ala 
den dortigen jüngften Krichögefchichten verdanken. 

Bon Samofat abwärts bleiben vie Windungen des Gupfest 
noch immer kurz und abgebrochen, zwifchen zwar nur niebern, at 
doch ſtellen Uferbergen, vie an ver rechten Uferfeite von Sccin 
ſchluchten durchſchnitten werden, welche die dafigen Zuflüffe ans der 
fünlihften Taurusketten durchſegen. Seitdem Plinins Hier bes 
einfallenden Marfyas nannte (V. 21: a Samosatis autem latere 
Syrise Marsyas amnis influit, Cingilla Commagenem fell 
_ Imme ciritas incipit), hat Niemand diefer Flüffe wieder named 
gedacht, obwol Abulfeda bei Romkalah einen Fluß 233 
nannte, der unter der Feſte dieſer Stadt zum Cuphrat falle, wi 
hen Mannert ber Namenähnlichkeit wegen mit dem Marie 
des Plinius identificirt. Wirklich Hat ver Zubach zum — 

20) Col. Chesney’s Mic. **) Abulfedae Tabul. Syrias_od. Kasb- 


ler. Lips. —* 4. p. 126; vergl. Mannert, Seogt: d 
Rim. Tb. VI.1. 6. 507. ee r 


U IB m: 





— — mn a 1 Be 1 SR 


Euphratſyſtem; ; der Kaktah⸗Paß. 883 
nordwaͤrts unterhalb der Feſte Romkalah bis heute ven Namen 


Marſifan 2) bewahrt. 


In neuerer Zeit lernen wir hier jedoch zwiſchen Samoſat 
und Romkalah noch drei andre rechte Zuflüffe zum Euphrat 


kennen, von denen zumal bie beiden erſteren als Tauruspaſſagen 


wichtig find; auch find fle insgeſammt bedeutender ald die aus ber 
gegenüberliegenden Wüfte kommenden linken Zuflüßchen zum Gu«- 
phrat. Da der erfte abwärts Samofat nah feinen Verzwei⸗ 
gungen fehr verſchiedne Namen trägt, fo wollen wir ihn nach ber 
Hauptpaffage, bie er bildet, ven Fluß von Adlaman nennen; 
der zweite, weiter weſtwärts, iſt der Gök fu; der dritte ber 
Kara fu (ad flumen Cappadocem der Tab. Peut.), auf welchen 
dann weiter abwärts der Eleine Zluß von Romkalah, ver Mar- 
fifan, erft folgt, Auf ver Tab. ‚Peut. ficht man, was auch ſchon 
3. Rennell hinreichend auseinandergeſetzt bat, 6) welche Bedeu⸗ 
tung zur Zeit ihrer Abfaffung Samofata ald Grenzfefte des 
römischen Reichs gehabt haben muß, well dahin fo viele römi« 

ſche Straßen mit deren Stationen von W. und N.W. zuſammen⸗ 
laufen. Es find ihrer viere im Norden- des Kara fu, und im 
Süden veflelben mit dem Zeugma (bei Bir) hören nun mit ver 
legten vortigen Via Romana auch alle ferneın Römer «Stationen 
‚auf, weil bier die Deserta an ver Grenze des NömerreichE anfangen, 
wo nun feine Regionen mehr flattonirten, und Eein Verkehr, wie. et 
daſelbſt Heißt, mehr mit ven Barbaren flatt fand. 


A. Die öftligfte Straße am Kakhtah⸗Flufſe. 

ine öftlichfte, in der Tabula angegebene, Ouerroute 
durch diefen Taurus zieht, jedoch noch im Oſten von Sa⸗ 
mof ata, direct gegen den Norden nach Melita immer In geringer 
Entfernung vom weftlichen Lifer des Euphrat Hin. Wir haben fle 
Hier Öfllih der genannten drei Zuflüffe der Volftändigkeit megen 
nur Eurz zu berühren. Es kann feine andre fein ald "eine ſolche, 
melche durch das ſchon oben angeführte Stromthal des Kakhtah 
(Kiachta) und über ven Kakhtah⸗Paß führt, eine Straße, bie 


zu Abulfeda's Zeit %) noch gangbar war: denn er gibt an, daß 





22) v. Moltfe, Briefe, ©. 2325, 870. *3) J. Rennell, Compara- 
tive geography of Western Asia. ‚London 1831. 8. vol. 1. 
Bann und 11. p. 209. *s) Abulfedae Tabul. Syriae ed. 


pehler. p. Mi. 
OO Kte2, 





! 








884 Weit: Aſien. M. Abtheilung. L Abſchnitt. $. 40: 


von Kakhtah nach Malatia zwei Tagereiſen (alfo "mol ſehr fake) 
feien. Die Tab. Pent. gibt von Melentenis, d. i. Malatia, nad 
Samojata folgende Stationn an: Eorne 14, Metita 12, 
Claudia 16, Barjalum 9, Iteba 30, Charmodara 12 Mik; 
alfo in Summa 18! geogr. Meilen, was freilich auch um eis 
Drittheil mehr als die von Artemivor angegebene Diftan; der 23 
Stunden von Zomifa beträgt. Diefer Ießtere Ort mußte aber & 
mofata auch um ein bedeutendes näher Tiegen als Malatie. 

Auf v. Moltke's Karte If von Gerger eine jolche mit den 
Weſtufer des Eupbrai parallele Route über Klachta oder Kakhiah 
wirklich bis nach Malatia eingetragen, dje wir jedoch nicht näher 
fennen. Ainsworth Halt dafür,66) daß diefe Straße über Claubist, 
maß er für dns heutige Kakhtah halt, in der Nähe von Tokarij; 
zum @uphrat nach Samoſata eingelentt habe, weil er das Dei 
Berfel, eine Halbe Stunde von Tofariz (f. ob. S. 834), für ib 
alte Barſalum Hält. Wo follten dann aber Iteba Und here 
vara zu liegen fommn? ?— 

An einem Zubache des Kiachta⸗Fluſſes ift aber eben de 
ſelbſt bei v. Moltke die Etele einer römlfchen Brüde, m 
neben ihr zweier Säulen angegeben. Gier würde alfo wel mit 
Recht jene öftliche Route zu fuchen fein. Nach ver verlornen Schlaf 
von Nizib am 23. Juni 1839 entfloh Hafisz Paſcha 60) auf die⸗ 
fer Route, der nÄchten nach Malatia, zurüd, doch nicht ob son 
den auffäffigen Kurven von Kathtah und nd Gerger rachevoll verfolgt 
zu werden. 


B. Die mittlere Straße über den Fluß von Adiamen 


Es Die er ſte Taurubpaſſage im Weit, von Samofata, ie 
Adlaman, ift nicht in der Tab. Peut. angegeben, wir Ierum fr 
aber durch v. Moltke's Karte und durch feine Beſchreibung kennen. 


Es find mehrere Bergwaffer.-von kurzem Laufe, ven füplichen Ber 


fetten des Taurus entquellend, die fih einige Stunven unterfal 
‚Samofat unter verſchiedenen Namen, wie Ha xburtſhi, Siaret, 
Eyet-tſhai, erſt ganz nahe am Euphratufer zu einem Hape 
ftrome vereinen, ver fich bei dem Dorfe Hajas, gegenüber dem auf 
dem Öftlichen Ufer liegenden Dorfe Tut, in den Euphrat elmiz 
‚det. Am mittleren diefer Surafle ‚Aufwärts, est Adlaman 





8 Minaworth, Tamm. and ı tes. I. p. 263, a), eben, n. ©. 





..Euphratföften; Adiaman, Hysn Maufur. 885 


9. Möltke war dem elenden Kurbennefle Samofata's, der einfligen 
PMPrachtſtadt, aus der ihn dad Ungeziefer feiner Herberge vertrieb, 
fon um Mitternacht .entflohen, fo daß er nach 6 Stunden mit 
Sonnenaufgang fhon Adiaman,ET) Hajfn manna ver Kurven, 
wWol nach dem türkifchen Hafan Manſur verftümmelt , erreicht Hatte. 
NMoch Legt diefer Ort in der Ebene, doch am Südfuße des Taurus 


and an’ der Duelle jenes mittleren Flüßchens, von Weinbergen und ' 


Obſtgaͤrten umgeben, ein reizender Anblick. Die Trümmer eines 


Bergeaftells und eine große Anzahl Minarehs lafſen aus der Ferne 


eine ganz anfehnliche volkreiche Stabt erwarten; aber enttäujcht, wie 
in. allen Türfenflädten,. betritt man ihr armfeliged Imnere, vol 
Schutt und Trummerhaufen. Auch Ains worth 6) yaffirte am 
5. Juni 1839, auf einer Duerftraße von Weiten aus ven Thale 
des Sof fu kommend, dieſen Ort Adiaman (Adiyamen), um von 
da oftwärtd nah Gerger zu gehen. Er durchſetzte alfo nur daB 
Land am Südfuße des. Paſſes, ohne viefen ſelbſt nordwärts des 
Ortes zu überfleigen; denn er war den weiter weftlichen Paß von 
Malatia über Perre am: Gok fu herabgefliegen, von dem es alſo 
eine Straße gegen DOften auch hieher gibt. Er fand die Lage von 
Adiaman unter 37° 46. N. Br. auf einer Höhe von 2533 F. Par. 
(2700 8%. engl.) über d: M., mit 800 Käufern von Modlemen und 
300. von Chriften bewohnt. Auf einer nahen Anhöhe werben die 
Gräber zweier muhamedaniſchen Heiligen: verehrt, des Mahmud 
el Anfari und Ibn air Anſari. Don. Gärten und Hainen 
umgeben, zeigten fich nur noch wenige Reſte eines früheren Wohl 
ſtandes, den. der Ort wol feiner Lage als wichtige Gebirgäftation 
einſt verbanfte. : Aus noch beſtehender Tradition hielt Alnsworth 
dieſes Adiam an für iventifch mit dem Hysn Manfur ver Gyr 
rer, auch Hafan Manfur oder der Feſte Manſurs bei Ebn Hau— 
Tal, ©) die; von Merwan, dem legten Khalifen der Ommajaden, 
ecbaut, nach dieſem Autor ne: Tagreiſe von Samofat und zwei von 
Malatia entfernt lag, Moſcheen und Oratorien befaß, und: mit: Mer 
genwaſſer Ihre Umgebung reichlich beibäfferte. Auch Edriſi neunt 
fie, gibt abet andere Stationen an, die zu ihr von Behesnt führen. 
Ains worth vergleicht‘ viefes Ariaman mit Carbanum 'der Tab. 
| ‚Peuting.; Cholmadara konntees aber nicht ſein, Da dieſes eine 


7) v. Moltle, Briefe, S. 222 206-208. **). Ainsworth, Trav. 
. and res. I. p. 264, 267; derf. im Journ. X: 3. 


pag ‚327... 
e°) Oriental geogr. b. Ouseley p. 44, 30; b. Eudrisi, ed. Jau- _ 


bert, IL. p.318; St, Martin, Möm. s. TArm. I. p. 141. 








888 Weſt⸗Aſien. IL Abtheilung. 1. Abſchnitt. $. 40, 


gange. des Fußvolks und ver leichten Reiterei unter dem Käommanie 
Muſtapha Paſchas beſtimmt, den v. Moltke 72) begleitete. Es mer 
Mitte April 1839; Ströme von Regen goffen herab, cin Kerle 
Südwind hatte den noch 3 bis 6 Glen heben Schmer (im be 
Schluchten. wol) fo aufgelodert, daß die Pferve, am Zügel gefüße, 
nur kaum noch mit burchzubringen waren. Alles Gepäd muis 
umlchren und eines zweiten Golonne folgen. Am erſten Tage Get 
mm ein paar Todte, doch wurden vie Etappen erreicht une nem | 
den drei Dörfern Abdul⸗harab, Bölem und Kymprpif, ven 
etwa 20 Hänfern, jedes mit einem Negimente belegt. Am felgen 
den Tage ging v. Moltke mir Muſtapha Paſcha voraus, um J— 
ſehen, ob es bei dem eingetretenen Wetter überhaupt zöglich fa, 
nen Ausweg gegen Süd zu finden. Die Truppen mußten Raflig 
halten... Die Berge waren mit fo hohem, lockerem Schnee beaelt, 
daß an ein Leberfcheeiten ‚gar nicht zu denken war. Man weis 
alfo eine Brücke über ven Bölem fu fchlagen, dann dieſem Wale 
abwärts folgen bis Kariktan, wohln.v.: Moltte vozans gm 
um eine zweite Brücke über den Chadſhaly ſu zu: fchlagen De 
jer Bach war 50 his 60 Schritt: breit, angeſchwollen, reißend, u 
ließ nur an einer 16 Arſchin breiten Stelle aus hohen Bappılkle 
men, bie an ihm ſtanden, in :24 Stunden eine Brüde über ii 
ſchlagen. Von 2a ging. v. Moltke über halsbrechende Yapfeige 
am Siaretsfhat hinab nach Adiaman, um von dort Lebensmittel 
den Truppen entgegen zu: ſenden. Nun eilte er der zeiten Ge 
lonne entgegen, vie über Sürg hü und Tut, alſo durch ben Gil 
ſu⸗Paß, Hieher nachrüden jollte. Die Ebene von: Adlanan we 
ein Morafl; die Pferde ſanken bis an ven Bürtel. cin. De 
ShembEr fu war kaum für Pferde zu durchfurthen. Gier fie 
jeder Baum, um eine Vrücke zu ſchlagen. Hoch int Gebirge muß 
ten erſt 40 Mann zufammengerafft werden, die 2 Bäuſer okaselfes 
mußten, um 3:3alten von nothbürftiger Bänge zu erhalten, zu ie 
nen eine vierte Pappel drei Biertelflunven weit von 25 Mann u 
den: Bergen 'herbeigetragen wurde, um auf Welsblöden im raſch au 
ſchwellenden Strome eine leidliche Brüde über ihn Gismsegzuftgle 
gen: Als nun die zweite Kolonne in verzögerten Marſchen unge 
langt war, mußte noch Die dritte aus Artillerie und’giwel Kayalisir 
Regimentern nächrüden. Sie fanden unter Sherif Pafıha: uub je 
gem ug "über: Sürsps, ‚Beten, Belvere ehem 


.um ıd 








m. eolie Briefe, 0 e nn 





J 


Euphratſyftem; Goͤk ſu, Erkenek⸗ Paß. 889 


heran; aber Ihnen traten num noch größere Schwierigkeiten entge⸗ 
gen. Nur das glüdliche Auffinden einer älteren ‚gehafntem Riw⸗⸗ 
ſtraße im Thale ves st fu ſicherte ihren Fortmarſch. 


c. Die weſtliche Paſſage am Bit fu über ven Erkengte 
- Baß, über Pelyrren (Berre) und Behesni sum. 
N ‚Euphrat. pe 


Die zweite Zauruspaffage im Weſt von Samaiztakl | 
in der "Fabul, Peut. unter venz Namen Perre, aber unvollſtindig, 
eingetragen; fie führt auch nach Malatia, durchzieht. über vie Ahäter 
ved;@dEfu, der weit größer und bedeutender ift, als ber zuvonger 
nannte Adiaman⸗Fluß. Im Itiner; Antonin: 73) iſt diefe Route mit 
folgensen Stationen angegeben: -von Melitena. nah Meffena 
12, Lacotena 28, Berre 27, Samofata .24 Mil., zufanmen 
19 geogr. Meilen. Mefiena Hält: Ainsmortf 7%) für das heutige 
Tfhirmiktah. Don Lacotena, an der Stelle des heutigen br 
ran Sehr, deren Rulnm Ainsworth auf der Plateauhkge 
an der Südgrenze der kappadokiſchen vandſchaft Laviniaſene bei. ven 
Duellen des Sultan ſu auffand, fo.wie won:der, dortigen Quell⸗ 
Höhe De3-GdE fu bei. Strghü:'gegen Sin, war fihon oben die 
Never ll: ob. S.’850), wo rhen viert Bakiam Odt:fu Aauß .ber 
alten Commagene im Süpek: nordwärts Über dir Tauruskette nad 
Melitche hinüberführtr. Wir: Haben. diefe Straße alfo nur noch, van 
ber Gok ſu⸗Quelle an fünmwärts bis zum Zuphrat zu verfolgen 
auf Wegen, die ſowol duch Alnswortk‘ als: v. Moltte erſt 
neuerlh bekannt geworden ſind. oe el er Dmenup 

Nach einem Ritt von 8 Stunden gegen: 7 W von —E 
fogt v. Moltke,?) erreichtt er am Ende eines braten Thales, das 
fich weht: und Mehr ſchloß, das Dorf Sürghü, zwiſchen hohen 
ſchneebedeckkten Bergen hRegend (am 23. März).1: Ex: erſtauntenicht 
wenig, anf einer ſtelnernen Brüde über einen rauſchenden Bach zu 
reiten, vet lürimittelbar aus der Felswand zu kommen ſchien. Ein⸗ 
undzwanzig! 6 bis 15 Zoll ſtarke Quellen ſprupelten unter ei⸗ 
nem‘ Kalkfelfen ‚hervor; ' fies biſlden ein weites Baſſin und fließen 
- dann verelnigt als ein beträchtliäher Bach hervor, aus deſſen ficher 
ſchon früherhin gebildeten unterirdiſche n Laufe. Anderthalb 
Stunden’ weiter oberhalb liegen noch 40 eben folche: Quellen. bebe 


—— — 


22y Itin. ‘Antonin. ed. WVeacel. p. 210, 215..: 70) Aiasworth Prev. 
and res. I. p. 263. 76) v. Moltke, Briefe, &. 219, 222... 


’ 





* 


890 Weſt⸗Aſien. II. Abtbeilung. I. Abſchnitt. %.20. 


ſammen, und alle diefe vereinigt: bilden den Gok fu, v. t. bei 
«Stmmelswaffer, einen taufchennen Fluß wie die Ilſe am Her 
gebirge, mit gleich Föftlichen Sorellen, der aber zur Zeit der m 
ſchwellenden Schneewafjer zu einem gefahrvollen Wildbache werke 


Tann. Nur menige Tage nach dem erften Uebergange (am 30.Min) 


war er fo gefüllt, jagt v. Moltke, daß 20 Männer and ws 
Dorfe feiner Gefellfchaft zu Hülfe eilen mußten; fie ſchwammen iha 
migegen Durch ven eiäfalten Strom; vier Männer. nahmen bein 
Durchfehen die Reitpferde des Reiſenden in ihre ‘Mitte, anbre tm 
gen deſſen Effecten auf dem Kopfe, und nun ging es mit aufmm 
terndem Mufen und Geſchrei, für Thiere und Menſchen nidt ohe 
Befahr, durch den reißenden Strom hindurch. 

Aineworth, der dieſelben Quellen 76) auf ver Höhe und in 
Thale ſah, bemerkt, daß fie. eine Stunde im Nordoſten des Doris 


‚entfpringen, dad er Sarghi fchreißt, deſſen abjolute Höhe ce m 


. 3781 5. ®B. (4030 F. engl.) beſtimmte; die Berggruppe, an Deus 
fünlichem Buße das Dorf Hegt, nennt er Kuru Dagh (tradam 
Berg), und fagt, daß ex eine Fortfehung des Kurd⸗Muſuf⸗Dagh fi 
Die Gok fu fließe nach feinem Verein abwärts gegen Särurt 
zum Diſtrict Virum Sheht, ven bie Berge von Teil 
Boziten und Marfo (im Süd) begrenzen; nord wärté iß 
nah Ainsworth, der Nur Hals Dagh, bie fünmeftliche Ber 
laͤngerung des Aghjah Dagh, ver vom Tokma fir Hier Seile 
ſtreicht (f. ob. ©. 848) und ihn gegen Südweſt nöthigt, bagegm 
Nie kühne Gruppe; des Aliſhehr Dagh, die höchſte in diehn 
Tauruspiftricte, ihn wieder gegen ven Dften zurüdwirft. Wii 
ninunt er auf v. Moltke's Karte erſt einen, wie es Jevoqh fühelat, 
weglofen "weiten. weſtlichen Lauf, che er ſich yplägli ie 
Bogen ganz gegen. Süd und. Südoſt wendet, wo ihhm vom 
Her ein zweiter Arm, auch SIE fu genannt, zueilt, mit Dan 
vereint--ein großes Waſſer bildet, über. welches ganz nahe untere ; 
de. Bereins eine moderne Brüde gefchlagen if, nie vom nörkädien 
zum füblicgen Ufer nach Pelvereh hinüber führt. Unsechgih bißg 
Brüde fließt ihm von Often ber ein britter waßlerreicher 
zw, ber auch ganz mahe, fühlih des -genamnten quellreichen 
Sürghü, feinen. Urſprung nimmt, am. Gebirgapaß veg, Kr 
net, und erſt ſüdwärts abſtürzt, dann aber ſich⸗ weſtwarts um 


N. 










+94) ‚Ainsworth Trar. ‚and res: I. p. 201 ven. imoleanalı x® 
p 3. an than ba- 


| 
| 





Euphratſyſtem; Goͤlſu, GSkenek⸗Paß. 891 


Thale des Gok ſu wendet und dieſen von neuem mit Waſſer be⸗ 
zeichert. So iſt es nun dlefer kürzere Paß von Erkenek nach 
Pelvereh, und nicht jener weſtliche Umſchweif am Gok fu, 
welcher die Hauptpaſſage zwiſchen Melitene und Commagene, 
oder über die Hauptkette des Taurus, bildet. Um ihn zu über⸗ 
winden, fagt ». Moltke, mußte er (am 26. März) in Suͤrghü 
Meulihiere nehmen, um die fehr fleile Bergwand bis zum 
Kamme des hohen: Taurus empor zufteigen, und nach manchexlet 
Wegen, auf und ab, auf haldbrechenven Pfaden über wildes Stein⸗ 
gerdll gegen Süd wieder hinab zu kommen, mo an fleiler Berg⸗ 
Ichne der wilveften Felokluft das Dörfchen Erkench an der Wand 
Hebt, indeß in ver Tiefe ver Wildbad) von Klippe zu Klippe dahin 
ſchäumt. Beim Rückblick ſchien es unmöglich, die fchmarzen Fels- 
währe herabgekommen zu fein. Nur ein paar Stunden abwärts an - 
dieſem Strome gegen SW. wird jenfeit ver Brüde jenes Dorf 
PBelveren erreicht, dad auf dem flachen Rüden ber Waſſe r⸗ 
ſcheide Liegt, ver fich Hier zwifchen den Zuflüffen des Bupbrat 
EZ! ger des perſiſchen und des mittelländifchen Meeres (näm⸗ 
lich des Dſhihun over Pyramus der Alten, in Cilicien, oder viel⸗ 
2 mehr feines linken Zufluſſes des Akſu), von Norden gegen S.W. 
Shinzieht, und durchaus durch Feine hohe Gipfelkette repraͤſentirt iſt. 
WB Diefes Pelvereh iſt verſchieden von einem andern weiter weflwärts 
W Uegenden Belneren, einem großen Dorfe der Sinimini- Kurven in 
W Bazarbihik ovafli, an einem Zufluſſe des Dſhihun. Pelveren hat 
200 KHaͤuſer, die unter einem Dache oder vielmehr einer einzigen 
Terraſſe liegen, die nur von wenigen Straßen unterbrochen. ift, über 
Die man wie über ſchmale Gräben gemächlich auf ven Hausdächern 
voer einem Ende des Dorfs zum andern fortichreitet. Von ba ges 
Iangt man auf der fonft ganz borflofen Straße im. Stromgebiete 
jenes. Affu und Dibihun nad einem Tagmarfche in vie weite 
prachtvolle Thalehene von Marafh. 

Auch Ainsworth”®) bat denſelben Paß überfliegen, ven er 
Erkenek ſchreibt, und ſeine Hoͤhe gemefſſen. Vom Dorfe Suͤr ghü 
ſetzte er am 1. Juni 1839 quer Über das Thal des Gök fu, und 
erſtieg die fleile Kalkſteinwand des Goöͤk Tenah, die mit dem 
noch höhern Marſo gegen Weſt zuſammenhängt, deſſen nadie Ab⸗ 
ſtürze und Selägiofel mit langem Grate und Schneelehnen noch im 


num 


4 





’) v. Molite, Briefe 6. 290, 222, ‚’s) ‚Ainsworth, Travel 
and' res, I. p. 2860— 267 ; Yerf. in Journ. X. 8. p. 823—327. 
3.5 Fu .. * , j .. . 13 BEE . 


. Du ar ee — — — 


890 Wefl-Afien. III. Abteilung. I. Abſchnitt. 3.40. 


ſammen, und alle dieſe vereinigt bilden ven GBE fu, v. t bed 
:Stimmelöwaffer, einen rauſchenden Yluß wie vie Ilſe am Harp 


gebirge, mit gleich Löftlichen Sorellen, der aber zur Zeit ver «m 
ſchwellenden Schneewaffer zu einem gefahrvollen Wilnbache werben 
Tann. Nur wenige Tage nach dem erften Uebergange (am 30.Rän) 
war er fo gefüllt, jagt v. Moltke, daß 20 Männer aus den 
Dorfe feiner Geſellſchaft zu Hülfe eilen mußten; fie ſchwammen Ihe 
entgegen Durch ven eiokalten Strom; vier Männer, nahmen beim 
Durchfetzen die Reitpferde des Reiſenden in ihre Mitte, andre tm 
gen deſſen Effecten auf dem Kopfe, und num ging ed: mit aufmm⸗ 
teuıtdem Rufen und Geſchrei, für Thiere und Menſchen nicht ofm 
Befahr, durch den reißenden Strom hindurch. 
Ains worth, der biefelben Quellen 76) auf ber Höhe un) im 
e jah, bemerkt, daß ſie eine Stunde Im Nornoflen des Dorfes 


kingen, das er Sarg hi ſchreibt, deſſen abjolute Höhe er uf 
. 3781 5. P. (4030 F. engl.) beſtimmte; bie Berggruppe, an derer 


fünlichem Fuße dad Dorf liegt, nennt er Kuru Dagh (trockzet 
Berg), und fagt, daß er eine Fortfehung des Kurd⸗Muſuf⸗Dagh fi 
Dir Gok fu fließe nach feinem Berein abwärts gegen Südweſt 


-zum Diſtrict Virum Sheht, ven bie Berge von Tefil 


Boziten und Marſo (im Süd) begrenzen; norbwärts iR di, 
nah Ainsworth, ver Nur Hals Dagh, die ſüdweſtlichſte Ber 
ingerung des Aghjah Dagh, ver vom Tokma ſu Hier herüber 


ſtreicht (f. ob. S. 848) und ihn gegen Südweſt nothigt, bageg 
die fühne Gruppe: des Aliſhehr Dagh, vie hoͤchſte In Diem 


Taurußpiftricte, ihn wieder gegen ven Oſten zurũckwirft. Wii 
nimmt er auf v. Moltke's Karte erſt einen, wie es Jevoqh fihelst, 
weglofen "weiten. wefllihen Lauf, che er ſich piäplic Im 
Bogen ganz gegen Sud und Südoſt wendet, wo ihm 











her ein zweiter Arm, auch Goͤk fu genannt, zueilt,. valt- den · | 


vereint ein großes Waſſer bildet, über weldys ganz nahe 


ded Dereind eine moderne Brüde gefchlagen ift, vie. vom gen 


zum fünlichen Ufer nach Pelvereh hinüber führt. Unterhalh 
Brüde fließt ihm von Oſten ber ein britter wafferreicher 
zu, ber auch ganz nahe, ſüdlich des gennuaten quellzeitien Doris 
Sürghü, feinen. Urfprung nimmt, am, Geblrgspaß von Erle 
net, und erfl ſuüͤdwärts abſtürzt, dann aber fg: weflwärze zum. 


— — — — 


"*) Alnswordi Trav., ‚amd mel. Pp ar der. inojenmalı X & 


p SA. 2 un bh uası ba: 





| 


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Euphrarfäftem; Goͤlſu, Glenek⸗Paß. 891 


Ahbale des Gotk ſu wendet und dieſen von neuem mit Waſſer be⸗ 
zeichert. So iſt es nun dieſer kürzere Paß von Erkenek nach 
Pelvereh, und nicht jener weſtliche Umſchweif am Gok ſu, 
welcher die Hauptpaſſage zwiſchen Melitene und Commagene, 
oder über die Hauptkette des Taurus, bildet. Um ibn zu über 
winden, ſagt v. Moltke, mußte er (am 26. März) in Suͤrghüͤ 
Maulthiere nehmen, um die fehr fleile Bergwand bis zum 
Kamme des hoben. Taurus empor zufteigen, und nach mancherlei 
Wegen, auf und ab, auf halsbrechenden Pfaden über wildes Stein» 
geröl gegen Süd wieder hinab zu kommen, wo. an ſteiler Berg⸗ 
lehne der wilveften Felokluft das Dörfchen Erkeneh an ver Wand 
Hebt, indeß in ver Tiefe der Wildbach von Klippe zu Klippe dahin 
ſchäumt. Beim Rückblick fchien e8 unmöglich, die fchwarzen Felt - 
wähnbe ‚berabgelommen zu fein. Nur ein paar Stunden abwärts an - 
dieſem Strome gegen S. W. wird jenfelt ter Brüde jenes Dorf 


Pelveren erreicht, das auf dem flachen Rüden ber Waffers 


ſcheide Liegt, der fich Hier zwifchen ven Zuflüfien des Quphrat 
oder des perſiſchen und des mittellän diſchen Meeres (naͤm⸗ 
lich des Dſhihun oder Pyramus der Alten, in Cilicien, oder viel⸗ 
mehr feines linken Zufluſſes des Akſu), von Norden gegen S.W. 
hinzieht, und durchaus durch Feine hobe Gipfelkette repräfentirt iſt. 
Dieſes Pelvereh If verſchieden von einem andern weiter weſtwaͤrts 


Uegenden Belveren, einem ‚großen Dorfe der Sinimini- Kurben in 


Bazardſhik ovafii, an einem Zufluſſe des Dſhihun. Pelveren hat 
200 Haͤuſer, die unter einem Dache oder vielmehr einer einzigen 
Terraſſe liegen, die nur von wenigen Strafen unterbrochen ift, über 
bie man wie über fchmale Gräben gemädhlich auf ven Hausbächern 
von.einem Ende des Dorfd zum andern fortfchreitet. Don da ges 
langt man auf ber fonft ganz dorflofen Straße im. Stromgebiete 
jenes. Affu und Dſhihun nach einem Tagmarſche In vie weite 
prachtvolle Thalebene von Marafh. 

Auch Ainsworth”) hat denſelben Paß überfliegen, den er 


Erkenek fchreibt, und feine Höhe gemeffen. Vom Dorfe Sürghü 


fette ex am 1. Juni 1839 quer über das Thal nes Goöͤk fu, und 
erſtieg die ſtelle Kalkſteinwand ve Gök Tenah, bie mit dem 
noch höhern Marſo gegen Weſt zufammenbängt, deſſen nadte Ab⸗ 
flürze und Felsgipfel mit langen Grate und Schneelchnen noch Im 


27) v. Molke, Briefe, S 20. 222. .’®) Ainsworth, Travels 


oo „and“ res. . p. 200 - 267 ’ der. im Journ. X. 8. p. 323— 327. 





892 Weft:Afien. III. Abtheilung. I. Abſchuitt. $.40. 


FJuni ihm einen wahren alpinen Character darboten. Bon der 
Belshöhe ging es anfänglich Hinab zu einer marfchigen, aber fiuge 
baten Thalebene, vie fih am Buße des Tafik Dagh um U 
Dagh ausbreiter, und einen Zufluß zum SE fu fehldt. Ben da 
waren noch "elite andre, niebrige Berge zu überfteigen, um ck 
ven Paß von Erkenek zu gelangen. Diefer liegt im pem ge | 
Bert Grenzzutze zwiſchen Melttine im-:Roren und :Gemm 
gene im Süden, im Streichen ver Tauruskette, die, m 
Gerger an, dem Nordufer bed Euphrat EIS zur Süü— 
wendung bei Rumkalah von ND. gegen S. W. parallel freak, | 
deren ſüdlicher Längenbegleiter bier: der Euphrat iſt. Die 
Zug beginnt mit dent Afhur Dagh im Of oberhalb Kathi, Ä 
ſeßt im Ak Dagh und Tojik Dagh gegen Weſt fort, und wi 
fich ohne ven Durchbruch des Gök ſu⸗Thales noch weiter nk 
weſtwaͤrts won sBelvereh ven hohen Ketten des vom Tokma fü heub. 
fireigenden hohen Aghjah Dig, gegen Cilicien, oberhelb Ar 
raſh anſchließen In dem Centrum vieſes Taurueruger lieg vun 
dieſer Paß von Erkenek, bie Unterbrechung ver eoloſſalen 
Kalkffeinklippen von rkenel und Pelvereh, welche vie Bet in 
Waffer durchſetzen. -Ainsworth trat in ihn ein anf einer de 
mallgen alten‘ Strafe an einem’ Wafferlauf durch Efipyige Kal 
fleinfchtuäht; aber bald emporſteigend ließ er ven Wafferlanf in da 
Tiefe zurück; bid die Stelle erreicht ward, wo er feinen Zu vn . 
A Dagh erhält, und mo einige maleriſche Mühlen vie wilde Grm 
beleben. Von“ hier wandte er fl zu vem Dorfe Erkenek, ii 
früßer Hur ein Wachtpoſten im Paffe war, der aber’ fdhnell- zu. dam 
Dorfe heranwuchs. Es liegt romantiſch an ver Roidſrie im 
Echlucht; unter ihm flürzt ver fortwährend durch Felſen um WE 
bföde 'gehemmte Strom fchäummb "und toſend dahin: BD 
ff einer Höhe von 3592 E "Bar. ‚(3828 8. engl.) Er ah | 
faͤhige Plaͤtchen zum Anbau —*— An danſaben —* were 
der 4 noch adwarts im Thale gegen. SW., entlang vi &- 
Lenet-Sluffe fortgeftgt; ‘ver hier elnen prachtvollen Weir 
fall, rechts am Wege, über Kalkſtelnkiippen "Hitnel: ‚Mae 
eiſt tritt et in’ das Schtkferferagentide dm, tor ei 
bee Taurudkette bildet, hler aber mit ſchlechiem Boden Bari‘ ciaij⸗ 
Cypreſſenbãumen hinreichende Nahrung gibt. Erſt im Dani, m 
Abend vet ſtarken Tagmarſchesz, wurde die helle etrricht. jo de 
Ertenste@tug wu Gok fu Faß, von wo au nua beine wersiuigt 








— ns > wu . 


Ä Euphratſhftem; Pelvereh, Perre. 893 


ihren Lauf gegen Oft nehmen, durch ein felfiges, alpines Borland. 
So eng war an dieſem Verein der Raum und ſo klippig, daß kaum 
ein Plägchen fich fand, wo nıan das Zelt bequem aufſchlagen konnte. 
Am folgenden Tage (2. Iuni) fegte Ains worth eine Birrtel- 
ftunde oberhalb des Zufammenfluffes übes jene, oben ſchon genannte, 
moberne Brücke von 2 ungleidhen Bogen zum Südufer des Gok fm, 
an welchem hier die Ruinen eines viel älteren-Baue liegen. Von 
hier begann der Aufftieg durch die Ruinen eine antifen Aquä⸗ 


ductes, ver als Zeichen feines höhern Alters einen viden Lieber» - 


zug von Travertino trägt. Auf der Höhe angelangt, fund man 
auf warmem Kreivefteinboven Weinberge, die zum Dorfe Pel⸗ 


vereh gehören, dad gegenwärtig verlaffen war, um dem Drud ber. 


durchziehenden Armee Hafisz Paſcha's außzuveichen. 
Dieſes Pelvereh, over richtiger Parverah, wie eb Kennel 
nannte, ift nach Ainsworth entſchieden das antike Perre ver 


Tabul. Peut. und Itin. Anton.,. nicht nur wegen ber unverfenn- 


baren Ipentität des Namens, fondern auch weil es, wie dieſes, 


den wahren @erfnüpfungspunct ber antifer Römerftra« | 


gen: zwiſchen Kappadocien und Mefopotamien, Armenia 
minor und Syria, wie noch Heute den Kreuzweg zwifchen ven 
Routen von Aleppo und Al Boftan, von Bir und Samofat 
nad Malatia und dem armenifchen und vontiſchen Norven bil⸗ 
det. Diefer Umſtand Hatte I. Rennells Scarfiinn veranlaft, zu 
Perre deshalb, obwol ihm noch fein Tauruspaß daſelbſt 


bekannt fein konnte, doch einen ſolchen zu conjerturiren, ber nun 
fpäterhin erft als wirklich vorhanden durch v. Moltke und Ainse 


worth nachgemiefen wurde. Es iſt derfelbe, durch welchen im letz⸗ 
ten forifchen Kriege, da der Euphrat von Malatia abwärts nicht 
Fehiffbar Befunden war, ver Weg für die Artillerie Hafisz Pafcha’s 
gebahnt®®) werden mußte, durch welchen nur mit größter Anſtren⸗ 
gung die Kanonen über den Taurus zu fchleppen waren, um von 
Da über Behesni dann in Syrien in ber Schlacht von Nizib gegen 
Mehmed Ali zu dienen. Dies iſt der einzige Taurus⸗Gebirgspaß, 
ver ſo frühzeitig im Jahre noch in Zeit von ein paar Monaten 
durch die Arbeit von ein paar tauſend Menfchen möglichft fahr- 


bar zu madjen war: denn bie Öftlichere Strafe, über Abdul harab 


und Adiaman, konnte nur von Fußvolk und leichter Reiterei ge⸗ 


er» J. Rennell, Comparative geogr. of Western Asia. Lond. 8. 
'1831. Vol. I. p. 284 , Vol. II. p. 204—205. 0) Ainsworth, 
Trav. and _res. I. p. '263, 301. 





— 





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804 Weſt-Afien. TIL. Abrgeilung. I. Abſchnitt. $.40. 


nommen werben, SU) und auch dieſem lebergange traten, wie wir 
oben fagen, faft unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen; daher 


es nicht wahrjcheinlich fein möchte, daß etwa Adiaman daB antile 


Berre wäre, wenn fchon auf directerer Route gegen Gamofat g⸗ 
legen, und nur diefe beiden Päffe waren die einzig möglichbe⸗ 
nusbaren, 82) da vie Waſſerſtraße auf dem Euphrat von Wale 
tiz aus verfagt war. Die größten Hinderniffe flellten bie .gewalig 
angeſchwollnen Ströme des Gok fu entgegen. 

Pelvereh oder Parverah, dad alte Perre, nad dem Hi» 
rocles im Gebiete Euphratesias liegend; war eine fehr alte Ste, 
welche nach Aſſemanni bei den Syrern Parin oder Wharin®) 
hieß. Als Sig eines Episcopus kommt fie in den 
des Conciliums zu Chalcevon ( ’AYuvaoıog, Enloxonoc Tl) 
und in andern vor. Ein Weg fol von da gegen S.D. im Thale") 


des Gok fu nach Tut, und abwärts über ben Tleinen Zu 


Shemb£er fu, der aber im Frühjahr kaum furthbar iſt, nach Tale 
man führen, von wo dann ver Böffu direct fübmwärt®, dem Lage 
plak Karakaik gegenüber, zum Cuphrat fällt, vo aber ned we 
Weft her zwei beveutende Zuflüffe, ven Afereh, von Tſhilbogat, uah 
den Degerman fu, von Behesni herfommend, aufgenommen het 
Jene Goͤk fu-Straße über Tut lernen wir nicht näher fa 
nen, obwol ein Theil ver türfifchen Armee dieſen Weg yeafelgke; 
dagegen ift uns von Pelverch die Fürzere Duerpaffage fühlt 
über Behesnt zum Euphrat näher bekannt geworben. 
Ainsworth. fand In Pelvereh Feine frifchen Pferde, « 


mußte die feinigen bis Behesni (Bent) beibehulten. Gr semee 


jevoch bier, in S. W. von Pelvereh,85) verſchiedene Quellen, I 
von ber Südſeite des Bergrüdens, auf dem es liegt, abfloſſen mb 


. jn einer geringen Ginfenkung einen Eleinen See bilbeten. Dies 
* folgte ein zweiter See, und biefem wieder ein dritter, mb 


dieſe insgeſammt ergießen fich gegen S.W. in den Akſu, ven bie 
lien Arm des Oſhihun (Pyramus), ven früher ſchon Geld 
Chesney wenige im Süd der Stadt Maraſh zum Ganptfem 
des Dfhihun hatte fließen fehen, bevor dieſer die tiefen, &gp. 


ſchluchten ver ciliciſchen Päfle (Durdun Dagh) durchbeicht Be | 


3 Eleinen Seen heißen, nach v. Moltke 6 Karte, Gbl Baftl, 


„4 
21) v. Moltie, Briefe, S. 300, 366 — 387. °2) chend, 
ss) Wesseling, Itin. Anton. p. 210. a 304. )- v. Baltke, 
©. 367; Ainsworth, Trav. and 
Ter. and res. I. p. 264. 





- #4 I u ai 


Dec, Bit 
[ro 








Euppratfyfiem Behesni⸗Paſſage. 895 . 


Maden Obl um Dfſhenari Bd. Verlaßt ‚man Pelvereh 
auf dem Wege gegen ben Süben, fo wird bier der Boden weniger 
gebirgig und vie Vegetation immer mannigfaltiger, zumal um ben 
Zuß des Khurkhun Dagh, der bier faſt umgangen werben mußte. 
Es IR ein aus Ophiolit und Talkſchiefer beſtehender, faft Ifoliter 
Kegel. Don da flieg man hinab zum Thale des genannten Neben⸗ 
flufies Al dereh (d. i. Weiß⸗Thal), 6) der am Süpfuße des 
Ak Dagh vorüber zum SÖE fu (nicht direct zum Euphrat) fließt. 
Ein langer Aufftieg aus dieſem Thale, immer direct gegen Süd, 
über bie plateauartigen Hamiyayan Berge, und wieder fanftere® 
Abſteigen gegen Suͤden führt zu einer engen Schlucht, an beren 
Eingang die, Fleine Stadt Behesni mit ihrer Caſtellruine liegt, 
die einft von Balduin von Edeſſa, im Jahr 1116, erobert warb, 
Daun wieder an bie Atabefen Syriens zurüdfiel und im Syri⸗ 
ſchen ven Namen Belt hesnas”) führte. 

Behesni der Türken 88) (Bahasna bei Abulfeda) unter dem 


Rücken des Hamiyahan, ver 2965 F. Par. (3160 F. engl.) abfolut 


me Wim _. 


Hoch ift, Liegt über 700 Buß niebriger, nah Meſſung 2196 %. ‘Bar. 
(2340 8. engl.) üb. d. M. und unter 37042! N.Br. Das enge 
Thal zwiſchen Kalkfteinbergen, ohne Gärten, ohne Baum und Strauch 
gibt ihm ein ſehr Heißes und ungefundes Clima, zumal in ver 
Sommerzeit, wo fih dann die Bewohner des Orts auf die Höhen 
in ihre Weinberge und Sommermohnungen zurüdziehen. Das Ga- 
fiel, das noch Abulfena®) als ein fehr feſtes ungemein rühmt, 
das zu ven unbefiegbaren gerechnet werbe und 2 Tagreifen von . 
Aintab, 6 von Siwas entfernt fei, liegt jet auf dem Gipfel einer 
ifolirten Klippe, den bie Stadt umgibt, in Trümmern. Allerdings 
wurde Bahasna in ven frühern Zeiten häufig als Feſte mit Ma⸗ 
raſh genannt, und war felbft noch, ald Shah Rokh und Tamerlan 
fie im Jahre 1400 auf dem Zuge nach Aintab belagerten, nicht 
mit Gewalt zu gewinnen, ſondern ging nur vurch Vergleich über, 
Die Stadt iſt auch Heute noch, wie zu Abulfeda's Zeit, keineswegs 
unbedeutend zu nennen: denn fie hat 2500 Häuſer ver Mohamme- 
daner und 250 armenifche, guten Bazar, Mofcheen und Bäder. 





6) Ainsworth, Trav. and res. 1. p- 264; berf. im Journ. X. 8. 
p., 326 87) St, Martin, M&m. =. l’Armönie I. p. 105. 
3 v. Hammer, aflat. Türkei, nm. Jahrb. 1821. Br.XIV. ©. 47. 
Abulfedae, Tab.- .Syriae ed. Koehler p. 142; f. die Zeichnung 
Sei Ainsworth L ne: ss Deantguet Sch. der Hunnen b. 
Daͤhnert II. ©. 586; 


' 


— — 





908 Wehß⸗Aſten. TEL Abtheilung. K Abfämiet. 1.41. 


unfern Stufen zuruͤckgebliebenet Alpen⸗Seen, vie wieheiht in 

ben jegt troden liegenden Baffins einft ſtanden, aber ‚bei fo vie 
heftigen Erdbeben⸗ Erſchũtterungen dieſer Gegenden durch nie Engſpelten 
ihren Ablauf erhalten mochten, würden dieſem Gebiete noch geb 
fere_ Mannigfaltigkeit der Grfcheinungen und neue Reise für Deb 
Maleriſche ver Landſchaft wie für vie Anfienelung bergeboten haben, 
gamal ‚würden die ſüdlichen Stufen in ben lieblichfien Climaten de 
burch die größten: Meige erlangt Haben, während gegenwärtig uk 
höchſten Vlateauſtufen in ven Fältern waldloſen Regionen zur nah 
wirch wenige einzelne, aber colofiale Seen geſchhuückt erfcheinen. De 
meiften Bebirgspäffe liegen zwifcken den mäßigen abſoluten Gb 


. hen: von 3008 bis 5000 Buß; wenige fleigen höher -auf; das Me 


zimum ver Einfenfungen der Bergrüden ift durch bie Gelatine 
hebung der vorherrſchenden Plateaublivung limitirt; DI fehle 
nmoch zu viele fpeciche WMeffungen, um ihr wahres Berbältsig zu 
Gefammterhebung der Baſlo, wie zur Particularerhebung ver Nele 
tem. Gtpfel um Jade, genauer im Vergleich mit andern Alxr 
hun. und bochgebireslandern zu beſimmen. 


Die Paſſe im Norden des Arares Über bie Ketten des nl 
Tichen Taurusſyſtemes hinab zum Ziefthale de3 Kur, zu 5000, 6000 
und 7000 Buß auffteigend (f. oben &.370), find abſolut Höhe «B 
die ſüdwärts des ſüdlichen Taurusſyſtems zum Euphrat has 


henden; ber vom Murad über den Koſhm Dagh zum dſtuchſen 


Tigrisarıme, unter den gemefjenen, iſt noch ver hochſte von ach, ud 
doch nur 6379 Fuß üb. d. M.; der Matineh⸗Paiß im N ve 
Amadia zum Kurdengebirge von Hakkari nur 3379; ver vom Nik 
radzufluß Karafu am Baſhkhan voräber zum hal von Dill 
5339.. In ähnlicher Höße, vie durchaus nicht den «hoben Sirofgk 
Alpenpaſſen vergleichbar If, bleiben alle die andern seuAfaa 
Tauruspäffe zukfd, wie ver Deveh Boyunu andfcen rd 
und Frat 5637; der Deveh Boyunu zwiſchen Dlurup, Tg 
und’ Euphrat am Ooljit-See 3984; der VPaß von Karaber si® 
Im N.W.: von Divrigi; der Paß derbent am Delirt — 
wol ſchwerlich 5000. ln 


= Die. Bäffe der vordern gaurupleiten (inte nei Se 
harab, wie der Erkenek⸗Paß 35099, ver Gamipegem- Wal 
AR06, ver Beheönt- Pa 2196. Moch zedmis ssuruit:e 
ven Cole zur ‚Binfentungen der Rüden mb ı 

bungen ed Inneren Teurusßerglanbes, Die it in 








I 











nn A a EA 


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mom: -—— u mn 3 ——-, 


Euphraiſhſtem; Gebirgsarten. 99 Ä 


eigentliche Hauptketten zu führen ſcheluen, bie Bforten 9) von 
Kicebban Maaden oder Maaden Gomüſh (Stibergrube bei 
Arghana) auf 4741, von Khutel 3170, won Ghul Dagh im 


MD. von Kiebban Maaden 4511, von Ayeli im N. von Arab 


gir 5301, von Selioki 3988 u. a. m. 

Den Uebergang vom Bergland in das worllehende Nieder⸗ 
land Meſopotamiens bildet jene niedere Plateauftufe,' vie 
unter faft gleichem Breitenparallel ( von etwa 37° R.Br.). in ven 
Weitungen ver Flußthäler bei Samofat zu etwa 1000, bei 


Niſibis zu 1220, oberhalb Jezire al Omar zu 1400 Fuß ab⸗ 


foluter Höhe herabſinkt, über deren Flächen die Uf erberge mit 
Blateaurüden nur etwa noch 400 bis 600 Fuß emporfteigen: 
Zum eigentlihen Niederlande Meſopotamiens finkt das Eu⸗ 
phratthal, durch den cilicigen Taurus und Amanus vom mite 
tellännifchen Meere zurückgeſchreckt, nach dem Engthale bei Bir, 
5689 %. üb. d. M., erſt mit ver Oſtwendung bei Thapfacus 


herab, und das Tigristhal erft unterhalb Jezire al Omar, 


842 $.üb.9.M,, mit dem Blachfelde bei Moful, 330%. üb. d. M. 


2)- Gebirgsarten, geognoftifihe Berhältniffe. 


Das Streichen ver Tauruskette des ſüdlichen Taurus» 
ſyſtens von SD. gegenN.W. iſt nur die gleichartige Fort⸗ 
ſe zung diefes großartigen nörmalen Streichens in der Entwicke⸗ 
kung des ganzen Syſtems, von dem fündflichen Perſten an bis 
zur fünweRlichen lyciſchen Spige von Asia minor. Mit ver Süd⸗ 
wendung bed Cuphrat bei Bir beginnen weiter weſtwaͤrts bie ges 
gen Gün ſtreichenden niedern Amanus⸗Ketten dem Taurusſy⸗ 
ſteme ſich anzuſchaaren, und bieten fo die Erſcheinung einer gro⸗ 


Ben Gebirgscurve dar, welche Cuphrat und Tigris, wie Pfeile 


wen Bogen, beide gegen den Suͤden, durchbrechen müflen, um in bie 
Niederung vordringen zu innen. Diefe Curve zieht fich in 
GB. und NW. vom Giaur Dagh über Maraſh als Waffer- 
ſcheide ver Zuflüffe zum ciliciſchen Oſhihun (Pyramus), nämlich 
Hier des Akfu. und ver Euphratzuflüfie, über die Gebirgspäſſe 
von Behesſni, Erkenek und Kakhtah, dann oberhalb Samo⸗ 
fat bei Berger als Cataractenkette auf dad Oftufer ded Zus 
phrat hinüber, und von da, im Süden von Diarbekr, an ver rech⸗ 
ten Uferfelte des Tigria fünoftwärts über den Bug: v8 


*) Alrworb, Beierühen ie, 2.20. 











910 Weſt-Aſien. III. Abteilung. L Abſchnitt. $.41. 


Maſius ver Alten, nämlich Über die Kette von Marvin uber den 
Karanfbs Dagh, über ven Jebel Tur nörvlih von Niſtbis Di 
zu den Bergen von Jezire al Omar, um in ben Jebel Iabi 
(der Buhtan- Kette), auf dem Oftufer des Tigris, von neu 
zu Kurdiſtans Hochgebirgen emporzuſteigen. 

So entſtehen durch diefeß Bebirgäverhältniß auf diefer Grenz: 


des Hochlandes im Norden und des Niederlandes im Gä« 


den dreierlel Naturabtheilungen, die nicht blos bypfe- 
metrifch, fondern auch geognoftifch und.climatifeg eben fo 
verfchlenenartige Zonen bilden. Die nörbliche des Hochland 
iR die Bone des Urgebirges ober, ber Hebungotheorie gemif, 
wie fie Aindworth bezeichnet, die Bone der plutonifcher um 
‚metamorphbifchen Gebirgsarten; die mittlere, Die Zone ber 
Fldzbildung, mit vorberrfchenven Kalkfteinmafien, mit dem Al⸗ 
lu vi um, mo trodner Thon und Sanvebenen mit „Kliypenbilumg 
"und nieberen Plattformen vorherrſchen. Characteriſtiſch if es in 
geoguoftifcher Hinficht nah Taylor Thomfons 97) Bemerkung 
daß fomwol bier im Amanud und Taurus, wie in 'dllen andern ma 
ihm weiter oſtwärts in Kurbiflan und ben perfifchen Ayennias 
(d. i. Bakhtigari und Curiſtan) beobachteten Gebirgen, die Kae 
bee Secundairgebirge fehlt; daß alſo ver völlige Bazgel 
jedes Gliedes von Uebergangsgebirge zwifchen Lirgebirg meh 
jüngern Kalkſteinformationen bier fehlen, eine der merk:wurdigſten Ev 
ſcheinungen In der Bildung der Erdrinde im Gegenfage mit da 
geognoftifchen Gonftruction Mitteleuropas, vie ſich nmach deſſeller 
Beobachters Erfahrung. au am Demavend, der nörkldhen Tr 
ruskette im kaspiſchen Perfien (ſ. Erdk. VIIL ©. 568), zw. wie 
holen fcheint. Die ſüdliche Zone der Niederung iſt num wie belt 
mit aufgeſchwemmtem Lande im weiten Blachfelde 

In. der erfien Zone %) tritt das hohe Gebirgälann zeit Im 
walblofen, aber weinereichen, alpinen Tafelflähen unbaub 
ten Gebirgegipfeln. hervor, die bis gegen bie Schweegrengemb 
chen, zwifchen deren Einfenkungen in den geſchũtzten Geblugsäie 
jedoch Wald, Obftgärten, Weinberge, Korn bau ei ee 
delhen. In ber zweiten Zone auch noch nackte Gipfel unge ' 
singerer Höhe, weniger Alpenweide, in den heweren Spülen ein | 


„en 


on Journ. of the Roy. G. Bar. o Lan 8. 1088 va 
P- ) W. wo esearches in — 
mm, Shaldarn ein. Land. 1836. 8. PM. .., names sin 











Euphratſhft.; die drei Zonen. des GStufenlandes. 911 


ſchon mehr die Cultur der Maulbeere, ber Olive, des Mais, 
Seſam, Taback und der Baum wolle, mit vorherrſchenden 
Pflanzen aus der Familie der Labiaten und der Compositae. In 
der dritten heißeren Zone ver Niederung, wo. Waflerfüle mit 
Meiscultur und Palmenpflanzungen, wo Steppenboven und 
Kieſelwũſte vorberrfcht, trockner Anger, Holzige, ſtachlige Wüfen- 
kraͤuter, Salzpflanzen, Schilfe, Riengräfer und niederes Bufchwerf 
von Tamariäfen, duftende Abſynth, Liquiritia (Giyeyrrbize), Aſtra⸗ 
galen, Mimoſen und andere Papilionaceen. 

Sp verſchieden die Streichungslinien ver Taurusketten und der 
Amanusketten, fo verſchieden 9) find auch ihre Gebirgobe⸗ 
ſtandtheile. Der fürliche Taurus, welcher vom Amanus aus bei 
Ainsworth nur ald ein einfacherer, obgleich in fich nicht we⸗ 


nig geglieverter Gebirgszug angefehen wird und als ſolcher mit ber 


Cataractenkette die alte Kommagene (das Gebiet von Aln- 
tab und Samofat) von der alien Melitene und Sophene (Ma- 
Iatia und Kharput) jcheidet , gliedert fich nach Ains worths Ans 
ſicht, "de wir aber gleich wie die Strabonifche, ver Ains- 
worth mehr oder weniger folgt (f. ob. ©. 74 u. 75), nach *F 
(S. 772, 743) für eine blos relativ wahre anſehen müſſen, in 

die drei Hanpizüge, weldye ex 1) die nordliche Höchfle Kette, 
den Niphates over Aſikur, nennt, die wir oben als vierte 
Kette im Plateauſyſteme (ſ. ob. S. 743) und fonft ald bie Haupt⸗ 
kette (Nipbates) oder dad Duellgebirg ‚ver Tigriszu⸗ 


" flüffe (Kolbe Darkufh, Kharzan⸗Dagh) genannt haben; 2) die 


Gentralfetie bei Ainsworth, die er Azarah Dagh nennt, 
und barunter die Gebirgöfette im Norden von Melltene verfteht, 
nämlich das vom Cuphrat umflrömte peninfulare erzreiche Taurus⸗ 
gebirge mit den Silbergruben von Kieban Maaden (ober Mans 
ven Bomufh) und ven Kupfergruben von Maaden Kapur ober 
Arghana an den Tigriöquellen. Wir koͤnnten daher biefe auch 
Das Erzgebirge des Taurus nennen, da bie Benennung eines 
Gentralgebirges nur auf einen localen Standpunct fich bezieht, 
und vaſſelbe in Hinficht auf das ganze Taurusſyſtem, wegen feiner 
Durdyjdmittenheit nach allen Richtungen bin, am wenigften eine 
foldye Benennung, die am erfien die Idee eines Gebirgéknotens ober 
ein größten Daffnanpäufung in ſich trägt, verbienen möchte. - 





®°) Ainsworth L c. p- 18. | 


| 








dar Wefl⸗ diſten. m. Abtheilung . I Abſchuin. (Ai. 


Der vriite Hauptzug iſt endlich nach ihm, ver große NRaſiad 


Zug, ver aber freilich erſt auf der Oſtſeite des Cuphrat Segient, 


und aus dem Karadſha Daghli (d. 1 Schwarzberg), um 


Berge von Mardin, dann aus dem Jibel Tur, der wol fe 
lich eine antike Benennung if, beſteht, und daher auch wol milk 
wie Ainswerth meint, als die urſprüngliche Wurzel im 
Benennung von Tur, Turan, Taurus u. |. w. Überhaupt angefehe 
werden Tann, welche wie im Obigen ſchon der Loralität des wei 
älteren Duroperan, Taurantium und Taronitis (f. ob. 640, #17) 
vindicirt zu haben glauben. Aber noch ein brittes Sika 
Glied reiht ſich dom Jibel⸗Tur an, nämlich der Baarem Dagh, 
ber ſich bis Jezire el Omar ausdehnt, und denen nur erfk vicl mb 


-tee im Süden wieder, mitten im Blachfelde, ie und da Höhen, 48. 


die Beige von Sinjar (Erof. Th. IX. ©7539), fich aus ber unalihen 
FAache einfam emporbeben. Dur vie und genauer, woenigfiet ir 
rem Durchbruche nad, zur Erfennmiß gekommene Ga taratten 
Kette des Taurus, welde Ains worth in feiner dreifachen Sie 
rung faft gänzlich außer Acht gelaffen_zu haben ſcheint, weil fe im 
Innern Naturwildniß nad ihm wirllich unbekannt gebfiehen met, 
!nnen wir jedoch eben in viefer nichts anderes als bie waßtt 
Bertnüpfung ber Sübkette des fürlichen Zaurusfgieut auf 
der Weftfeite des Euphrat mit ver auf ver DOffeite wide 
wahrnehmen, weil die Weituferhöhen ganz gleichartig wow Die 
hðdhen des Stromes .entiprechen. Unſerm Dafürhalten and fh 
alfo dieſer Taurus, auf dem Oftufer des Cuphrat gelegen, im Neh⸗ 
rab Dagh (zwiſchen Gerger, ber Tigrisquelle und Diarbeik) gge 
Sudoſten, zwar im Karadſha Dagh auf den Güpufer we 2 
grid durch ven Maftuszug bis Jeztreh el Omar fort, aber if 
nur als füpliche Workette Die eigentlihe Sauſptkette im 
Sud⸗ Taurusſyſtems iſt der mehr nordliche Zug zuuiigun m | 
Sütufer des Murad und den Quellhoͤhen aller obern 
im Nord der. Diarbekr⸗Ebene, neldyer in R. von Eait- Die 
farefin (f. 06.6. 93), Tigtanocerta, Sort un WU; 
zum Kolb Dagb, Darkuſh Dagh, Kharzan Dagt, vuieb 
ũchen Niphates bildet, ober das Duellgebirge ber Kigeiuiiten 
von der Gauptquelle des Tigris bie nad Big pgfrk 
Im den folgenden Angaben Aindwortg6 Ale. zu urayb 
arten behalten wir befien oben angegehne Gehirgäbenennungen- bi 
um, ba jede Eontrolle verfelben von Seite graanahllnız Sm 
wer RR jent nad ahanltı Wirt, Icher Loralverwechiung zu Gegeguen. 














Eudphrotſyen; ebiegänrikri dos Kaurus. OS 


Aile Centralkette ves Tauriis ) (va Eagle 
Kameud) ‚jeigt einen Km won Granit, Gnruß,/ lines 
ficchlefer, verbuncen mit Kalkkeln, Dorlven EGranſtein, wie 
in Macken Gomäfh) und Diallagegeftein Cie im Bumbu 
agb); biefen Kern umgeben Seitenformastenen von Nallagegeſtein, 
Gerpentin, Actynolit, Talk» und Thon⸗Echtefern, mit anfiegenbeie 
Sanv⸗ umd Kaleſtein. Gier Anm moi Die ver Gragruben, 
melde vie meiſte Oetalllenntuiß darbleten. 

Die Geblrgbärten von Mauden Kayuer. )- bei; Aeghana, 
ame bie Kupfergruben fie nach' Ainsworth: 1) Meionoke 
wit Quarz, mit Gernblenne, Diallage, Serpenuine, Cuphonte u. a. 
He firto alle magneſlahaltig, Die Horublende AR IemeRAfh; ber Quarz 
"wo@bartig, bie Diallage adbeariig. Damit kommen taffige Schie- 
fer, Steatite u. ſ. mw. ver. 3a tem Grubenberge Nagharat 
&. 5. ver Höhlenbers; bei Answorth), dieſer Kichfetminen 
"BA ürghana, ſind abe 14 Stoll (Gaterien) I den Berg ges 
leben, um das Kupfererz gu gewinnen, das gewonnene — 
"Rein fe 2,250,000 Manns, d. i. 150;000FPfund, betragen, davon 
"beim Echmelzen 25 bis 36 Procent veristeh gehn, und doch geben 
4721 Mound (118 Pfo.), alfe etwa ein Gmetker, Erg hier In 
der Hütte an 154 -Mounb ober eiwas Aber-40 Po. Mipfermetefl, 
Aus vemſelben Geſtein beſtehen wie norbweſtlichen Berge des Rzarah 
Bagh um den Boljik⸗See und die Waſſerſcheidehbhe des Bevch 
DBoynun. Die imllegende fruchtbare Ebene bat Kalffisinberge, ver 
Fals auf dem die Statt Khardut Arht, iſt Gornblenbgeftein, Takt 
hiefer, taliger Quarzfels und trägt far hortzontale Schichten von 
Ealtſtein. Mi Ahnlicher Beſchaffenheit gegen N.W. ſteigen um 
Kjeban Maaden 2) ewa 1000 Fuß hohe Werke über viefer 
Dörr anf, die von SB. gegen RD. zichen, aus zweäletlei Kall⸗ 
feluarien beſtehend, die auf Glimmerſchlefer aufllegen, und ſich auch 
BRE auf rind Biertelſtunde von ber Stadt ſenes Rament hingichen. 
Auf ver Beruͤhrungẽegrenge ver Kallſteine mit ven Glmmerſchiefern 
konnnen vie beſten Ninen des dortihzen Erzgebitges ver. Die Stabt 
TWetgi 66. ©. 801) If anf Granit gebaut, ver auch bei den Erz⸗ 
Gruben uotfomiht, und fi hinabwärts bis zum Euphratufer forte 
zieht, wo er batın and nordwärts jenfeit beB Stromes in bie dor⸗ 
tigen Maffenberge auffeigt. Rabe „Kebben Maaden, rmal gegen 





260) Ainsworth, Researches in —8 etc: p. I0. ) ebend. 
p. a.  ?)ebend. p 
Ritter Erdlunde X, Rum 





— — * 





von jenen), nimmt ven Fuß des Berges ein Arabgir,. im, Un 


horizoutal Ahereinanägt gp 
lagerte 3 bis 10 Fuß maͤchtige Bänke aa ee 22 





' 


Mi Wehn Aſien⸗ M. Abchellung. I. feier, 4.31. 


Gh, treten ſehr mancherlei Founationen hervor; das Grauro· 
Rein Quarz, Feloſpat und Glimmer; auch Velnfpate und Gem) 
fels wib Chloritſchiefer uͤberdeckt, wozwiſchen Feloſpatgaͤnge chaſchen 
Die Silber minen ( Maaden Gomüfh): ſollen einen Gewin 
‚gehen von 195,000 Mounkk, d. i. 15400 Pfo. Blei, 400 Di, 
F. i. 1000 Ba. Silber; vad 1060 Mound, d. 1. 130 Bfo. Gekml 
Die ofen Berge im Norden van Kirban Maaden am weite 
_ Sratufer, im Kirtfu-Digriet, 2) beſtehen an: Dee: Bafls u 

Granit mit. gufgdagdiem Guenß und Ehlo vitſchiefer, au ie 

Rorafeite mit Kallſtein. Auf dieſe erſte Granitketie folgt de Cal⸗ 

turebene non Madali, jonſeit perfeiben zeigen fig Kal kſteis⸗ 

‚oa Bafſaltgangon durchhrochen. Bei Kart ſthhu ſelbß, 210 E 

„üb. d. DM, iſt alles Kalten; das Thal, ichs. tief von Maſſerade⸗ 

durchriſſen, wird in NW, von Bergen begrenzt, fie. aus wehlle 

den ‚Lagen. von, Kreide und augitiſchem Feloſpatgeſtein befche 
Noch weiter nat. werden Dolpite und  Gpilitesfelfen seeier 

ſchend, fie achmen bie Hoͤhe des Fafellandes ein, das bie zum 

BE Dagh in NW. ſich forizleht. Achnliche Verhindungen we 

Nieverfäjlägen (Kreide) und plntouifihem. Geſtein CDolsit) yign 

* auf dem derugen Oſtufer des Frat. Die Kreide wird im Sp 

von Kietihu durch Kalkſt⸗in wicht; aber ein tiefes Thel Ihe 

Kar Pe dieſe Berge vom Gdi Dagh (v. h. SopBerg), eines jehen 

‚tft coniſchen Berge, deſſen Gipfel. ſehr hoch aus - augitijien 

Beth [heisehrin be beſteht, aus Bafalten und. Augitfei; Krrtadage, 
‚aber in. fehr alterirtem Zuſtande (wol durch bie, Eusporhebunge 












‚Aal des Brot, zeigt am Fuß der Berge Glimmerſchiefer — 
Vdhe mächtige Kreidelager, die mit Augit⸗Feldſpat wechſein; = 
gegen Nordoſt fleigen in ven nächflen Ketten wilde 

‚empor;: gegen Nord biefelben Geſteine mit fa fenkrecht „up 
richteten Schichten zu hoͤchſt -plttoreßlen Geſtalten. Der Fre 
Fluß ſcheidet dife Berge. von dem noͤrdlicher gelagentau, ‚Feh 
Ayeli⸗Dagh, zu dem fehr zeguläse, 


gen, deren oberſte Schichten mit Kreidebãnlen euben „bie fehg. - 
nigfache Veränderungen erlitten. ‚haben. Der on m 

a Geſtein, ſteigt in2 geſchiednen Glpfeln ee 
W. iſt OD. If abgerundet, ber in RD. hat oben einen 


STE 


u en rn x3 
res) Anm Ainsworth 1. c. 279. In J Ad 
Rv 4 Henke. zuih: 


N 








= 4m. m ı Ih Mi ii Ra Er I a m . 


ii % ı R 








— 
— — 


Cube; Gebirhearten des Zaurus. 915 


Gipfel; der ‚ganze Berg IR wie feine Sipfel in viele Spalten 
und Klippen zerriffen. “Daffelbe Geſtein fett mehrere Miles. gegen 
RW, zum Berastik⸗Thale fort, wo wieder Kalt auftritt, ver mit 
ſeinem Bitumengehalt wol zur obern Kreibeformation' gehören mag. 
Weiterhin wird er wieder mit augitifchen Feldſpatmaſſen üͤberdeckt, 
und fietgt fo bis zum hoͤchſten Bipfel im Norden des Verastik 
Thales zu 4050 Fuß empor. Weiter nordwaͤrts tritt wieder bie 
felbe obere Kalkfteinformation hervor; ver Diftriet iſt durch das 
Thal von Karfi mit einem Bergmaffer von einem nörblichern 
niedern Vergzuge geſchieden, ver bie Hochebene von Diyrigt 
im ‚Süden begrenzt.und von SB. gegen N.O. zieht. Dies iſt ein 
Kalffteingeblet, von: Bafaltgängen durchzogen. Der geringe Fluß, 
walcher die Ebene von Divrigi gegen NO. vurchkrömt: und zum: 
Keumar fu (f.. 0b. S. 795) fält, Heißt Ekmah Tſhai; *) er 
fließt zwiſchen dem Erumbat Dogh an feinem Südufer, und dem 
Dumbu Dagh (Dumbugh) an feinem Norbufer Din, und Bricht 
zwifchen nen Klippen des Caſtells (ſ. 06: S. 797) hindurch. Die 
feß Thal erfihien Ainsworth wegen: des bortigen Magnete 
eif eu feine, der in Blöcken darüber zerftreut Tiegt, beſonders merße 
würtig; er ſagt, daß große Maſſen gediegenes @ifen (native 
iron) ſich wort befänden, deren er ‚einige. von 3 Fuß Länge and 
233 Sup Diele wahrnahm; wahrſcheinlich jene von Ebn Batuta, 
Mitte des 14. Jahrhunderts, von einer ſonſt unbefannten armenifchen: 
Stadt Birki (vielleicht Tephrili ?) genannten, vom Himmel ges 
fallenen Steine, 5) die der bortige Landesfürſt dem Relſenden 
als. ein Wunder. zeigte. Der auf feinen Befehl Herbeigebrachte Stein 
wer ſchwarz, nicht, glängenb und ungemein hart, hatte wol über 
ein Talent an Gewicht; vier Steinmetzen, mit ihren eifernen Hammer⸗ 
ſchlaͤgen von größter Gewalt, konnten dem Steine nicht das geringfle 
anbaben, worüber der geehrte Ebn Batuta nicht wenig erſtaunte. 
Weiter gegen N.W. folgen Kalkſteine, Serpentine, Oranite; 
viefe Ichteren bilden 2 gefonverte Berge, bie von S.O. gegen N. W. 
ziehen, und Mrriörunde Precipice bilden, gegen Nord abflürzend zum 
Diorigi- Fluß. Hier wird der Granit ſyenitiſch. Eine Brüde führt 
über ven Strom zum Dorfe Selioki, 3145 FJ. üb. d. M. (ie 
Kal Maaden, auf v. Molttei Karte), dem gegen N.W. gewaltige. 
Gypslager folgen, mit verſchwindenden Baͤchen, bis zum Thale 





*) Ainsworth 1. c. p. 2. *) Ebn Batota b. 8. Lee. 
. Lond. 1829. 4. p72. ’ en 
| Dumm 2 





916: Weibltfin TEL Bestellung. 1, Möfrehe. |.41. 


von Siman und jenfeit bis Unrbaflen, über: 5 Stunken weit Se 
—* ven. Gyrtberge ſteigen bit 3988 Buß (4260 ©. engl), de 


. Hifi Mappe mod 281 Feb Höer af, alfo Sie 1200 EM 





In zen: mnligen Kara bela Bergem erheben ſAch Die Gerpeniim, 
din lohleuſauren Aalkſchiefer, mit Guͤngen von Cuphotiten une Dykie 
lichen, über 6000 Fuß hoch empor. Bon ver Lanbeimatus wer 
noto weſtwãrts jenfelt des Eupheat - Stromgehieis wird: bei Ass 
Minor. vie Mde fein. 

Steigen wir ‚non jenem taurifgen Grzgebirge ww 
Arghanſa uns ven benachbarten Kupfergruben am Xigris ahtalait 
Ks Diyarbekr, fo herrfchen hier viefelben augitiſchen Kell 
ſpatgeſteine ©) vor wie dert, und über Der großen Birne Diyan 
heixs firigt gegen Suͤden ver Kara oder Carad ſha Dag hli c 
aͤhnlicher Structur empor. Nur Hägelreiben von verh aͤrtein 
Kreide trennen jenes Erzgebirge von ber fühl anklegenben Piche 
vor viefen Gebtrgöbllnungen wird weiter unten Beim oben Tigib 
laufe vie Mede fein. Hier kehren wir zur Süpfelte der Zauııl 

katte, zwiſchen Cilicien Bis zur Gatapıctn- Kette oberhalb Ge» 


“ 

De ellieifche Ta uns, ? Nie Wißen — 
zuolächen: Cuphtatgeblet und den cilitiſchen Küftenflüffen, im enge 
ae Tarfus, beſteht meiſt aus Kalkſtein mit Gimme . 
(Cipollino), vom. harten, koͤrnigen Areinchäuten uns din wein 
Meannigfeltigfeit tertiären Ablagerungen, Begleitet, Die Siam 
Ramadan Oghlu zwiſchen dem Vaß Kuld Boghaz uub mb 
ſiriet Sis, d. i. vie ciliciſchen Bälle, beſtehen aus: tertidvesa Bub - 
fin: Zu Sis folgen: auf Kallſtein und Ahonſchiefer, kat Zum | 
Sis, Sirpentiae und Talkfchiefer. Auf ber Plain. treten Melle 
Kpeivefellen einpor, mit Caſtellen gekrͤnt, wie Sie, Wuuzanld, 
Zum, Shah Meran u. a. Der Ourdun Dagp beſtche ñ 
Shlrmen und Gpigen von Glunmerſchiefer, Duarafeis,. Dust 
@tefer mit: anliegesten Schicheen von Xfonfchtefer, Zattfiie, 
Cbloritſchiefer, Gornblendegeſtein, Gornbienbeichiefer, uliieis uch 
Sandſtein. Dee Agda Dag h über. Mareih bricht uk Din 
a; 




















und Serpentinen, mit Kreivehänten und Sandſtein 

erſt, oſtwaͤrts des Aifu = Bufluffes. zum. Dibihum;, tratem. mu 
das hydrographiſche Gebiet bed Eupbraig im - 
rubketten zurück Sie, im fubalpinen Gebiete fen Tansnt 


200 J 
Alan 10.20 ') ehend. 9. 8: FR 








2 .Kuphratſyſtom; Cluna und Vegetation, :917 


an wu Ebenen von Syrien treten im Thale Deals, wie 
‚Hei Marafh, fo nuch weiter fübmärts gegen ben Enphres zu. Hin- 
tab, dis angitifchen Feldſpatgeſteine hervor; fo auch auf her 
Waſſerſcheidehbhe zwiſchen Atſu (zum Pyramus) und Karaſu (jum 
‚Gupbrat), nordwärts von Alntab zu Ufa Jaklay (Mfob- 
ſhakly auf v. Moltke's Karte), una im Thale Bekir Kara fu, 
wie ſüdwaͤris von Aintab zu Killit; ja daſſelbe Geſtein ſett 
auch zwifchen Rumkaleh bis Samoſat, in ver Aiefe, von elamm 
Ufer des Cuphrat zum andern hinüber. Alles andre Rand iſt, wo 
dieſe Bebirgäart nicht hervortziit, mit Rreipebänten und Sand⸗ 
ſteinſchichten überdeckt. Auch oſtwärts des Cuphrat ſetzt 
dieſelbe Beſchaffenheit der Gebirgkarien durch das ganze welte 
Gebiet des ſubalpinen Gehirgslandes oder der Vorſtufe bis zur we⸗ 
ſopotamiſchen Niederung fort. Daſſelbe augitifche Felbſpét⸗ 
geftrin 9) ſtoßt zwiſchen Gampfat und Uefa oder Orfa (f. ob. 
©. 243) in jenen iſolirten mäßighohen Kegeln aus. der allgemeinen 
Niederung hervor; feine Trümmer haben jene Reinigen Wäſten 
in Nordoſt von Urfa mit ihren zahllofen ſchwarzen, Iafelwdiien 
Bldden überſtreut; fie bilden auch In S.O. von Bir und in ©. 
yon Urfa, noch zu Serupfh (Seruj, dem alten Earug ober 
‚Anthemysia, f. 05. ©. 118, nahe bei Carrhae, ſ. #5. ©. 138), 
die ver Euphratbiegung ausweichenden leiten niedern ‚Gägel, iudeß 
Fr norowärts, gegen ven Karadſha Daghli und gegen Diharbekr, 
ſich zu großern Zůgelreihen erheben. Alles übrige Eu deckt u) 

Bier die mächtige Kreideformatiom 
Von ſolchen geognoftiſchen Verhaltniſſen Aft nan Ye gas 
Gonfiguration des Cuphrat⸗Thales in fine Duschen, 
non Samofat über Rumlalah, Bir, ahwärts HE Bells und 
‚Sbapfacu, abhängig grmerden, mis TU we | unten and har 
Epetialbeſchreibung ergeben wird. 


| 9 Clima und Begetationsverhältniffe. 7 
Zu deu fragmentariichen Bemerfungen, vie. fon im Qubigem 
gelegenilich über das Clima her durchwanderten armeniſchen und 
tauriſchen Landſchaften mitgetheilt ſind (ſ. ob. S. 600, 664, 678, 
660, 692, 696, 697, 700, 729, 750, 772, 795, 819, BSA u. a. 0.) 
fügen * noch folgende Angaben Alnoworthe Hinzu, welche 
ns großen Temperatussontraße und die Crtrem⸗ vonKalt⸗ 


°) Ainsworih l. C pi .: .) cbend. B- PS Ni. 





. \ 


906 BER. II. Abteilung. I. Abſchnitt. .4Al. 


Fuß Bar. über em Rem. 
m Alpengebirg Kurdiſtans, Pi von 


- Rowandiz in N.D. von Moful . . 9,916 n. Ainsweril. 

38) Jawur Dagh über Julamerk, ebend. 
(@@ägung) . - . . . 12,000 bis 13,000 u. Monti 
u. Andworth 


Aus biefen. odhenangaben ergibt es ſich, wie die Rieſenhöhe 
der Taurusketten bis zu 10,000 Fuß und vielleicht mehr mu 
erſt mit der Oſtſeite des Frat- und Murad» Vereines um ven 
eigentlichen Xigriöquellen beginnt; wie fie mit dem Ararat um 
allein Montblancs Höhe überfleigt, in der Gruppe der Allaghe; 
und Samwur im Norben des Araxes und am obern Zab nur ie 
Höhe der höchften Berner Alpen erreicht, im Sipan und Riem: 
rud Dagh um den Ban-Gee, im Kop Dagh der Rorp-Tan 
ruskette, im Bingheul und Dujik ver mittlern, im Alam 
Kharzan Dagh der ſüdlichen Tauruskette nur etwa bis ja 
10,000 8. fidy erhebt, und alle andern. Blieverungen verfelben is 
untergeorpneter Höhe zuruckbleiben. Nicht ſowol die übermäfige 
Höhe, als vielmehr die Steilheit, Nacktheit, Zerriffenheit ver Ketten 
und ihre vielfachen Verzweigunng, vorzüglich aber die zwiſchen if 
sen Parallelzügen auffteigenden hohen und weitverbreitetn Sta⸗ 
fen» und verhältnifmäßigen Blatenuländer machen das Gigen- 
thümliche des Taurusfyftems aus, welches durch Das Bor: 

Herrfchen Hoher Tafellanpfhaften gegen das benadberk 
Kaukaſusſyſtem einen ganz verſchiedenartigen Character hat 
Das audgevehnte Plateau von Erzerum in Hod- Armenien 
bildet in fofern ven Kern der Maffenanhäufung, 5000 Fuj 
hoch, und eben fo dad Plateau: Aderbidſhans am Bau- Er; 
das Araresplateau, vie norddoſtliche Vorſtufe 2700 is 2800; 
im Wet des Frat die Blateauflähe von Divrigi 2900; had 
Plateau der Muſh⸗Ebene, am Murad 3500; Die Arahgir- 
Stufe 3300; die ſüdlich daran ſtoßende Abflufung der Kirtfhr- 
Ebene oberhalb des Euphratvereins 2500; das Tafelland Meſſre 
um Kharput 3400; die Hochebene von Malaria am Tolmafs 
2600 ; die Thalebene von Samofat 1000; die bei Birenfpit m 
Euphrat ſchon ımter 600 %. Eben fo abfiufenn am Tigris we 
Plateauftufe von Diyarbetr 2350; die Ebene von Rifl- 
bin 1220, am Ehaboras oder Mygbontus; wie Tigrisfufe aber 

Kalb Iezire al Omar 1500: das Tigris thal SE Zezire 
850; das Bloq Vd Reiagsrunieon a Ruta sa. | 


n 





u. 


ECuphratſhſtem; Walber Tm: Taurus; "  9EG: 


im Berglande norwärts Mard in iR etniget Sehetndoch nicht 

tl Ueberfluß. Alles zwiſchen jenen genannten waldreichern Am⸗ 
gebungen mitten Inne llegende armentfche Hochland, wie die Taurus⸗ 
gifel, ſind waldlod. Dem tauriſchen Erzgebirg um Kjeban Maa⸗ 
ver: und Maaden Kapur fehlt das Brennholz gänzlich; der Gut 
SDash, vie Kirtſhu⸗Cbene find ganz nackt. Dagegen iſt wer ci 
olfige Taurus, näher am Deere, wieder gut bewaldet, wie: Die: 
Berge det Amanus, von Rhofius, ber Eaflus, eben ſo ver Rama! 

ban Oghlu und der Durdun Dagh. 

Die meiſten Wälder des Taurus beſtehen aus Pinus und IJ 
—XR Pinus pinea bildet die Walbungen des Kara bel 
iu N. W., auf der Grenzo Armenieus und von Asia minor; Pinus: 
haleppensis die. Wälder des Amanus und Durdun Dagh, in S. W. 

gegen den cilicifehen Taurus; aber auch vie Eichenazten: Quer 
. aus. cerris, pedunculata, sessiflora, Jlex suber, aegilops, conifere 
und infectpria. Die zahme Caſtanie (Castania vesca), di⸗ 
Mime, Ornus europaea, rotundifalia, die Erle, Alnus cordifolle,; 
pie Haſel ſta ude, Corylus coturna, ver Ahorn, Acer pseudo-.' 
päatanus, bie Eſche, Fraxinus parvifolia, lentiscifolia, Cicer 
monsspessulanus u. a. ſchließen ſich auch In Waldungen an. Aber - 
vereinzelt. nur ſchließen ſich ven Vorwäldern an: Ceratonia si- 
liqea (f. 06. ©. 697), Cercis silliquastrem, Mespylus pyracantha, 
Premas laurocerasus. An den Ufern der Bäche und Fläffe tritt, 
wie uͤberall in ner Levante bis Griechenland, auch bier Ihe Tchönfter 
Schmuck in. Tamarisken und zumal In reihhlühenden Olean dern 
(Neriam oleander) und weitfchattigen Platanen, Platanus orien« 
talis (ſ. 05. 696), zumal biejer, an ben Quellen hervor, wo * 
ewig Alnus eordifolia einfindet. 

x: Zum niedern Buſchwerk gehören bier als ceracieriſuſch · 
Gewäce: die immergränende Cypreſſe, Cupressus' semper- 
virens, bie immergrünen Wachholber, Juniperus phoenicea un 

; ber liebliche Myrthenſtrauch, Myrtus communis; 
vie Piſtacie, Pist. terebinthus, bie Geniften, Genista scopar 
ria und tincteria, Vibarmım minus, fer Arbutas unedo, Hex aqus 
folia, Ostrya vulgaris, Daphne pontica und sericen; ber immer⸗ 
grüne Burbaum, Buxus semperrirens, Elacagaus spinosa, 
Bryonia cretica, Dianthus arboreus, Clematis orientalis vitalbe, 
Cistus incanus, JAsminum fruticans, Lonycera pereclimeniim, 
Rhamnus alaternus und paliurus und Poterium spinosum. - 

Andere ſcheinbar verwandte Bebüfche werbreiten ſich jebod nicht, 








208 Weht⸗diſten. M. Bibtheilung. E Abfämi. 1.41. 


ungern Stufen zurückgeblicbener Alpen-Geen, vie wieeiht in 
nen jegt troden liegenden Baſſins einft ſtanden, aber bei fo vida 
eigen Grobeben-rfrütterungen dieſer Gegenden durch Die Eingipaleen 
Keen Ablauf erhalten mochten, wirven dieſem Gebiete noch gri⸗ 
here Mannigfaltigkeit der Erfcheinungen und neue Neize für nei 
Maleriſche ver Landſchaft wie für vie Anſiedelung dargeboten haben, 
zumal ‚würden die ſüdlichen Stufen in ben lieblichfien Climeten be 
durch die größten Meige erlangt Haben, während gegemmärtig uk 
hochſten Wlateaufufen in ben fältern waldloſen Regionen nur zog 
" durch wenige einzelne, aber colofiale Seen geihmüdt ericheinen. Be 
meiſten Gebirgopäſſe liegen zwifchen den mäßigen abfoluten 6% 
. hen: von 3000 bis 5000 Buß; wenige fleigen höher -auf; dad Bis 
zimum der Einfentungen der Bergrüden ift pur vie Befakımkn 
bebung der vorherrſchenden Plateaubildung limitiert; dvoch fehle 
noch zu viele ſpecielle Meffungen, um ihr wahres Berhältuig pe 
Gefammterhebung der Baſis, wie zur Partieularerhebung ver Kelle 
vom. Gtpfel und Joche, genauer im Bergleich mit andern Alx⸗ 
komm. und bochgebirgeldndern zu beſtimmen. 


Die Päſ ſe im Norden des Arares über bie Ketten des adr⸗ 
Tichen Taurusipftemes hinab zum Tiefthale des Kur, zu 5000, 6000 
und 7000 Fuß auffteigend (f. oben S. 370), find abſolut höher «B 
die ſüdwärts des fünlichen Taurusſyſtems zum Cuphrat hinabge 
henden; der vom Murad über ven Koſhm Dagh zum öſtlichſes 
Tigrisarme, unter den gemeſſenen, iſt noch der hochſte von allen, ab I 
doch nur 6379 Buß üb. d. M.; ver Matineh⸗Vaß im N. ww 
Amadia zum Kurbengebirge von Halkari nur 5379; der vom Re 
radzufluß Karafu am Baſhkhan voräber zum Thal von Bitlu 
5339. In ähnlicher Höhe, die durchaus nicht den «hoben Schwch⸗ 
Aipenpäffen vergleichbar ft, bleiben alle die andern gemeffenn 
Taurus päſſe zukäd, wie ver Deveh Boyunu zwiſchen Ara U 
und Frat 5637; der Deveh Boyunu zwifhen Murad, Xigl 
und Kuphrat am Goljik⸗See 3984; ver Paß von Rarasel SU Hi 
im N.W. von Divrigi; ver Paß Derbent am Delifiy Tufl U 
wel ſchwerlich 5000. | 


Die Paͤſſe der vordern Zaurugkeiten ſinken noch Ude 
herab, wis der Crkenoek⸗Paß 3592, ver Bamiygayen-Baf 
2905, ver Behesni⸗Paß 2196, Naeh rechmet Ainswerih 
Deu Eure won ‚Eiaientungen der Rücken und mitileuen Ech 
lee... bungen vd Inneren Lavnradarralunurn, ii Hat sicht Ahr 


| 





\ 





uam. ua ——T 


| m — 


yr 


Euphrarfuftem; OrBicgsarten. 909 Ä 


eigentliche Hauptketten zu führen ſcheinen, bie Pforten ©) von 
Kichban Maaden ode Maaden Gomüſh (Sübergrube bei 
Arghaua) auf 4741, von Khutel 3170, won Ghul Dagh im 
RB. von Kiebban Maaden 4511, von Ayeli im N. von Arab 
gir 5301, von Selisft 3988 u. a. m. Ä 
Den Uebergang vom. Bergland in dad vorliegende Nieder 
land Mefopotamiens bildet jene niedere Plateauftufe,' die 
unter faft gleichem Breitenparallel (von etwa 37° N.Br.) in ven 
Weitungen ver Flußthäler bei Samofat zu etwa 1000, bei 


Rifibis zu 1220, oberhalb Jezire al Omar zu 1400 Fuß ab⸗ 


foluter Höhe berabfinkt, über deren Flächen die Uferberge mit 
Plateaurüden nur etwa noch 400 bis 600 Fuß emporfleigen: 
Zum eigentlichen Niederlande Mefopyotamiens finkt das Eu⸗ 
phratthal, durch den clicichen Taurus und Amanus vom mite 
tellännifchen Deere zurücdigeichsedt, nach dem Engthale bei Bir, 
589 F. üb. d. M., erſt mit ver Oftwendung bei Thapfacus 
herab, und dd8 Zigristhal erft unterhalb Jezire al Omar, 
842 J. ũb. vJ. M, mit dem Blachfelde bei Moful, 330 F. ũb. d. M. 


2) Gebirgsarten, geognoſtiſche Verhältniſſe. 


Das Streichen ver Taurusdkette des fünlihen Taurus» 
foRems von ED. gegenN.W. iſt nur die gleichartige Fort⸗ 
fegung biefed großartigen normalen Streichens in der Entwicke⸗ 
kung des ganzen Syſtems, von bem fündfllichen Perſien an bit 
zur fübweRlichen lyciſchen Spige von Asia minor. Mit ver Süd⸗ 
wendung des @uphrat bei Bir beginnen weiter weſtwärts bie ge⸗ 
gen Süd flreichennen niedern Amanus⸗Ketten dem Taurusſy⸗ 
fleme ſich anzuſchaaren, und bieten fo die Erſcheinung einer gro⸗ 
Ben Bebirgdcurve dar, welche Cuphrat und Tigris, wie Pfeile 
den Bogen, beide gegen ven Süden, durchbrechen müflen, um in bie 
Niederung vorbringen zu Eönnen. Diefe Curve zieht fih in 
S. W. und N.W. vom Giaur Dagh über Marafh als Waſſer⸗ 
ſcheide ver Zuflüſſe zum ciliciſchen Oſhihun (Pyramus), nämlich 
hier des Alfu. und der Cuphratzuflüfſe, über die Gebirgopaäßfſe 
von Behesni, Erkenek und Kakhtah, dann oberhalb Samo⸗ 
fat bei Gerger als Cataractenkette auf das Oftufer des Eu⸗ 
phrat hinüber, und von da, im Süden von Diarbefr, an der rech⸗ 
ten. Uferfeite .ves Zigrie ſüdoſtwirts über den Sua De 


®*) Ainsworth, Reiearohen on Assyria etc, | DR \ A 








910 WelsAfien, II. Abtheilung. L Abſchnitt. 5.41. 


Mafins der Alten, nämlich Über Die Kette von Marpin uber en 
Karadſſha Dagh, über ven Jebel Tur nöͤrdlich von Nike 6 
zu den Bergen von Jezire al Omar,.um in ven Jebel Judi 
(ver Buhtan⸗Kette), auf dem Oftufer des Tigris, von neum 
zu Kurdiſtans Hochgebirgen emporzufleigen. 

-  Go:entfichen durch dieſes Gebitgsverhaͤltniß auf diefer Grenze 
nes Hochlandes im Norden und des Niederlandes im Gi—⸗ 
den dreierlei Naturabtheilungen, vie nicht blos hypſo⸗ 
metrifch, fondern auch geognoſtiſch und .climatifg eb ſe 
verfchievenartige Zonen bilden. Die nördliche des Hochland 
iſt die Bone des Urgebirgeö ober, ber Hebungstheorie gemäß, 
wie fie Aindworth bezeichnet, die Zone der plutonifchen u 
‚metamorpbifchen Bebirgsarten; vie mittlere, die Zone ber 
Flidzbildung, mit vorherrfchenven Kalkfleinmaffen, mit dem Al⸗ 
Iuvium, wo trodner Thon und Sandebenen mit „Klippenfibun 
"und nieveren Plattformen vorherrſchen. Characteriſtiſch IR ed ie 
geognoſtiſcher Hinficht nach Taylor Thomſons 9) DBemerkum, 
daß ſowol Hier im Amanus und Taurus, wie in ‘dülen andern ven 
ihm weiter oſtwärts in Kurdiſtan und ben perfifchen Ayenninm 
(d. i. Bakhtiyari und Guriftan) beobachteten Gebirgen, vie Re 
der Gecundairgebirge fehlt; daß alfo ver völlige Mangel 
jedes Blieved von Ucbergangdgebirge zmwifchen Lirgebing ums 
jüngern Kalffteinformationen bier fehlen, eine ber mertwürbigfen Es 
feheinungen in der Bildung ver Erbrinde im Gegenfage mit de 
geognoflifchen Gonfiruction Mitteleuropas, die ſich mach deſſelbe 
Beobachters Erfahrung. auch am Demavend, zer nöordlichen Im 
rudkette im kaspiſchen Berfien (f. Erdk. VIIL ©. 568), zu wie 
holen ſcheint. Die ſüdliche Zone der Niederung iſt nun vie bei 
mit aufgefhwemmtem Lande im weiten Blachfelde 

In. der erfien Zone 8) tritt das hohe Gebirgsland mit im 
walplofen, aber weinereichen, alpinen Tafelflähen uwmub 
ten Gebirgögipfeln hervor, die bis gegen die Schneegrenzemb 
chen, zwifchen deren Einfenkungen in ven geſchühten Bebirgächäies 
jedoch Wald, Obſtgätten, Weinberge, Kornbau ischih ge 
deihen. In der zweiten Zone auch noch nadte Gipfel von ge 
singerer Höbe, weniger Alpenweide, in den heißeren Thalern ehr 





on Jura. of the Boy. G. Bor. A Lond. 8. 1838. Vol. VOLI. 
\ “.. Kinzuarla, Wenerrches in Aszyria, Babyie 
a, Chaldaeı etc. u u 





Eirphearfäften; das Thal abwaris von Sarich. 948 


flufen Aufgebaut, bie erft An der Seite einer Selömä N12 Yang 
Bis zu 400 bis 500 Fuß außgchanen ſind. ‚Ein Pfad HE’ von 
Stufe zu Stufe zweckmaäßig hinaufgeleltet, auf veren 'oberflet Mad 
tequhdhe man vie Plaine Dib bin erreicht, auf“ welter Armenier 
Weinbau treiben und guten‘ Wein gewinnen. Mehrerr his 
ſenkungen, dein Euphratthale patallel ſtreich end, nut’pöher Mei 
mieberholen fich bis zu einem ſolchen, der Lage vom Rumkalah ge 
genüber, auf der Oflfeite des Euphrats, 17) wohin man Bi” 
Station Apamen bei Iſtidor Charac. am Zeugma, obwol irrig, je 
zu verlegen pflegte, 100 gegenwärtig auch nicht die geringfte Spir 
einer Altern Anlage mehr fichthar war. \ u 
Nimmt man von Samofat aus, von den mit gieslheveikten 
Kreivehügeln deſſelben Jemſeme's, mit Ninsworths z weltet 
Wanderung daſelbſt, 13. Juni 1839, einen ſedoch Immer auf Yen 
‚ Tinten Eupfratufer gelegenen mehr fünlihen Weg, nicht ſo 
vicht am Cuphrat felbſt entlang, ſondern mehr Innerhalb ‘ver 
Landſeite, fo pafjirt man Bald das Dorf Dafinjah, 18) und ge 
langt am Abend des erften Tagemarfches zum Orte Datlaf h 
Gallach auf v. Moltke's Karte), in eine ſehr fruchtbare und gut an⸗ 
gebaute Ebene, wo der Sitz eines Bayah⸗Beg war. Auf bem 
Lege dahin flogen dem brittiſchen Reiſenden zahlreiche Schaaren 
der Rofendroffel (Turdusroseus, ber Senfchredientödter, f. Exbk: .- | 
xp. VII. ©. 804) entgegen. Der Ort Nailaſh If rund um einen 
fünftlihen Tepe angebaut, das Feld gut bepflanzt, doch nöthigte 
die Dürre des Bodens, alles Waffer zur Befruchtung aus Brunnen 
Herauszuzichen. Die Lage unter 37° 23° N.Br., meinte Ainsworth, 
müffe dem antiken Porfica (Ptol. V. 18 142) In Meſopotamia 
entfprechen, das vlellelcht doch noch weftlicher zu ſuchen ſein möchte: 
Der nächſte Tag (14. Juni 1839) führte landeln direci gegen 
Bir, über die Hochebene voll Kalkſteinberge, mit Gteinhäufern in 
Ruinen beſetzt, die vordem, nach ber Große der Quadern und ihrer 
Dmammte zu urtheilen, zu ſtaͤttlichen Gebäuden gehört haben muß⸗ 
ten. Ste waren in drei Gruppen, , von viertel zu viertel Stunde 
auseinander ſtehend, vertheilt. Die Emtralgruppe war die größte, 
fle Hatte 2 Kicchen- Ruinen, die noch in gutem Gtänbe, ſolid ges 
baut, nad) Art ver tappadociſch⸗ griechiſchen Ken in al Aseb, 





N Ainsworth 1 Lcp . 56. | 18) Ainaworth‘, Travels and rescar- 
ches etc. Vol. LILp .285; derfelbe im Journ. Roy. G. Soc. X. 8. 
p. 883. 


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“ Waffermangel war bie größte Dürte; die Ruinen früherer 





12% Meſt⸗tfien IN. Abtheilung · L.Abſchaitt. .41. 


mit khnen ‚Dunbbogen. uch doch von großen Giteintafeie. Eis 
gehörten unſtreitig einfl Bier fo zahlreichen ſyriſchen Gemeinden an: 
| Altar ſtand im Niveau mit dem Tußboden, und nik 
eher erhöht, wie In den armmilden Kirchen, ober in dam 
arie augebradit, wie in den griechiſchen Kischen. Neben bie 
fen. Ruinen, bie. man dort Utſh Kiliſa, d. i. bie vr ei Kirchen, 
nannte, in deren Nähe nur wenige Hülten armer Ära 
fah man einige, feltfame ‚Höhlen In feſten Fels gehauen, in Konz 
elner Biene, Die, Baſis 8 bis 12 &. im Diameter.; bie 12 bu 





29.Suß und meht; der Eingang klein und rund, meiſt mit zei 


großen Steinen überdeckt. Die Grotte If nach innen ut Mär 
Übergogen; einige, nach Innen. eingefallen, dienen zu Diouchlerikäfke, 
qudre find mit Futter und Stroh für Pferde gefült. Es. fol 
einft Grabſtätten geweſen fein, Kirchen Uegen nicht fern; wett 
bienten fie quch zu Rormkamınern, ober Waſſermagazinen Se m 
berm Gegenden Soriens findet man allerdings viele Geabpläm 
ieh Art, voch weniger forgfältig ausgearbeitet. _ “ 

. Im DBerfolg nes weitere Weges gegm S. W. traten ned m 
vere Muinen auf. Eine einzige Mauer mit 2 Fenſtern wer ih, 
wah von einer Kirche des naͤchſten Dorfes übrig geblichen. wur. 
Der Kallboden hatte mitten Im Gonmer frinen Raſen läuft v 
loren, und wer fo hart wie Stein geworken; allgemein bei Min 




















Wohnungen, an Trümmern von Kirchen und Klöfern, oft zu 
größter Schönheit, erkennbar, hörten nicht auf. An vereimfemin 
Felſen und jet troden Hegenden Quellen fand man at. Yen 
Meſte der ſchoͤnſten Gewölbbogen. Hier mußte einſt der zeile Kuh 
tusfig einer zahlreichen Heiligen Vevälferung geivefen fehg, ı 
eigner Kaſtelung ober vor Verfolgung fi in dieſem Aſul = 
Aehnliche Socalitäten hatte Alusworth In Syrien zu Reige ab 
Edlib, oder zwiſchen den Belfen von Sheikh Bare ee 
Berge St. Simeon gefehen, in denen die verfolgten Denon Mi 
ſten der erſten Jahrhunderte ihre Zuflucht gefucht „Kasten... Si 
zweifeln wir au einem fo hohen Alter dieſer chriſtlichen = Ra 
Te ee DR 
xmen LET, DIE zur EUR or 
Fee Rumfalah reflbisten (f. ob. ©. 618, 615 0 4 
fin mußten, unb aud im Gäuge een: | 
Meifiäen Gerrfcher leben konnten· a jur > ——— 
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Euphratſhftemn; Samoſata. 928 


RW‘ ver von Rumkalah auf feintar Wegt niich MefR 
Bieſelbe rulnenreiche Gegend kteuzte, ja wol dieſelben Ruinun 
chriſtlicher Kltihen fah, erkannte ſie füt a rin enlſiche, td fand 
threr NEHE auch noch das nrmenifche Dorf Gibin wit einer ſche 
arten Kteche und andere Nefte armenifcher Banwerke, Wie er fü 
gewefene Mdfter hhirkt. Die arimenitfche Iechendauart gehe A 
vort beſonders durch die 2 Fenſterreihen uͤbereinander aub von bed 
die untere: ans laänglich viereckigen Fenſtern beſteht ar man: ih 
Sommer wegen det Kühliing Affen läßt, im Winter aber ul be⸗ 
hauenen Quaderſteinen zuſtellt, da Hingegen die obere Weihe weit 
Heinerer vierecklger Fenſter immer offen bleibt. Dazwiſchen mag. ef 
“un Keſte ſyriſch⸗chriſtlicher Anſtebelungen geben. J 

BE a die Oſtufer ded Euphtat norbwaͤrtd von Die, gegenäßes 
won TEAWEETEB, Hieft: dieſabe Tnnbfehiftiiiher Rane mht: benz Keikite 
merboden an. Nach. einem Witt von 9 Stunven Zeit; vol Plage won 
Staub und Fliegen, durch diefeh wäle Blachfelv, von Dallaſh ar, 
wurden bie Belte eine Stunbe nordwaͤrts von Bir in einent Gaͤrten 
unter Maulbeerbaumen und Feigen dicht am Euphrat «ufteſchlagen, 
und die Breite diefer Stelle auf 370 3° 45” N.Br. beſtimmt. 
Keen wie nun nadj genauer erworbener Kenntniß bei: Cam 
vphratlaufed und feiner Uferlandſchaften zu ven Ganptfläpten des 


Siromes fett zuräd, zu Samofat, Rumkalah, Wir, und zu 


them Berhaltniffen im ben ältern und neuern Zelten in dem nord⸗ 
ien Laune ber Belt- Paffagen. 


4) Samofate, Gamiſat bei. Ebn Haukal, Saucſat⸗ bei 
Edrifl, Samoddia der Acmenier, ) Shamfhad der 
Syrer, Shamtiſhat Hei Bar Gebr. daher Shamſhath 
bei Abulfeda, Sumaifat der Araber, Gimifat des 

turriſchen Geographen, 22) Samoſat oder Samfat 
det Curopãer. 

Die Lage dieſer Stadt und was Strabo, als der einge ber 
alien Autoren, von ihrer Brüde und dem Caſtell (Ypougeor) 
ober dem Brüdenkopfe,Seleucia, deren beiderlei Bauten weder 
von Plinius, Ptolemãus noch anderen genannt werben, zu ſagen ſcheint, 
ER ſchon oben. angeführt (f. 06. ©.878). Plinius führt ſie nur alb 


18) m, Vocod IL 6,231 u.f., 6.237. 20) St.Mar- 
* Men oe p.198. 21) v. Hammer, ofat. Zürkel, 





n - — — 





Auvochebevx⸗ 
‚von jenen), nimmt ven Buß des Berges ein. Ayabgir, is np 


horizontal 
lagerte 3 bis 10 Fuß mächtige Bänke von Trappgeflein 


‚ 


Hm Wehn Aſien TH. Abcheilung, I. Mbſchaitt. 4.21. 


deln, treten ſehr mancherlei Formationen berwer;: das Gmunbge 
Bela Quarz, Feloſpat und Glimmer; auch Jeloſpate und Garch 
‚file, wit Chloritſchiefer iberdeckt, wozwiſchen Felaſpatgãnge einſchen 
Die Silber minen Maaden Gomüſh) follen einen Gew 
gehen von 195,000 Mounes, d. i. 18,000 Pf. Blei, 400 Dil, 
». 1.1000 Ba. Silber, vnd 1950 Mound, d. 1. 130 Bf. Geld | 
Die an Berge in Norden von Kieban Manden ame mweriken | 
- Bratufer, im Kirtfhu-Dißrict, 3) beſtehen an der Bes ui 
Granit mit. aufgelagertem Eneuß un Ahl o xitſchiefer, an in 


 Rorajche meit -Kalkfein. . Auf dicke erſte Gennitfette folgt Wie Gar 


tuxebene von Madali, jonſeit erfelben zeigen fi Kalter, 
‚von Ogfahtgängen nunkirokm. Bei Kirtfbu feibf, 212 E 
üb d. M, iſt alles Ralkiken; dos Abal, ſehr tief vom Waſercha⸗ 
dyrchriffen, wird in MID, von. Bergen begrenzt, die aus wehfde 
den Lagen non, Kreide. unb augitiſchem Feloſpatgeſtein Defhen 
Noch weiter. närnlih werden Dplerite und Spilitesfelſen werfen 
ſchend, Rie-nchum vie Höhe des Tafellaudes ein, das biu zum 
‚Gdl Dagh in N.W. ſich forizieht. Aehnliche Verbindungtea wu 
‚Nieverfälägen (Kreiver und pintonifihen. Geftein (Dolerii) vige 
‚Sch auf dem bertigen Oſtufer des Frat. Die Kreide wird in A 
den von Kiriſhu durch Kalkfiein erfeht; aber ein Hiefes Thel fer 
det nach dieſe Berge vom Gdi Dagh (d.h. See⸗Berg) einen hen, 
‚faft coniſchen Berge, deſſen Gipfel. fehe hoch aus a ugitijchen 
‚Belnfpatgeftein beſteht, aus Bafalten und Augitfel& Krehdage 
aber in. fehr alterirtem Zuſtande (wol: durch die 














hal des Frat, zeigt am Fuß ber Berge Blinnmerjchlefer, auf ie 
‚Döße mächtige Kreidelager, die mit Augit-Selbfpat wechfeln —* 
gegen Nordoſt ſtelgen in den nachſten Ketten wilbe Kaltſteiſich⸗ 
empor; gegen Nord dieſelben Geſteine wit faſt ſenkrecht eumperge 
richteten Schichten zu hoͤchſt pittoresken Geſtalten. Dex. Araba⸗ 
Sluß ſcheidet dieſe Berge von dem mörblier gelegenen, Sal 
Ayeli⸗Dagh, zu dem ſehr zeguläre, übereinaubee gP 





gen, Deren oberſte Ghichten.mit Kreidebaͤnken enden, die fehr mp 
nigfache Veränderungen erlitten ‚haben. Der Ayeli ſelbſt, 


Plutoniſchem Geſtein, fleigt in: 2 gefchiednen Gipfeln empor; der ie 





e. . If abgerundet, ber In MO. fat oben einen Holen Bit 


ar Ausworth \. c. us” 


“ . 
va * Sie N 





Euren; Samefaieı.. 927 


war Ansiohus, der 48te feiner Dynafie, deſſen Mutkr, Klevo⸗ 
vctra Selhene, eine aͤghptiſche Prinzeſſin, von Tigranes. in ſei⸗ 

wen Kriege gegen Syrien gefangen und ‚zu, Samofata ‚hingerichtet 
ward (ſ. ob. ©.878).. Des Autlochu 6. große Schäge. und feine 
Beftrchungen. waren eh, die Ihm von Auculkud wie von Monte 
yrius. ne Beſtaätigung in. ſeinem kleinen Kdnigzeiche ‚und. bie 
Buybedgensfienichaft mit Rom (Dio.Cass. XXXV. 2) verfrhafften. : 
Marenaß Antoniya im Jahr 36. vor EChr. Geb, feinen Febbzug 
gegen. vie Parther eröffnete, in welchem fein Feldhert Bemtipiup,. ‚ehe 


nen glänzenden: Sieg über den ParthemRänig ‚Passt ns. (deiien 


Wahergang über. den ‚Buphras .biedmgl ‚sieh weiter, abwärtB von 
der Stabt Jeugma, & 1. von Bir, flattgefunden) davongetragen hatte, 
uugrm die geichlagenen yarthifihen Soldaten zum Theil über die Cuphrat⸗ 
Säge (Dio Cass. Hist.Rom. XLIX Rain. 583,206, ed.Sturz.) zurüdges 
flohen... zum Ihe aber. hatten fie ſich nach Samofata geflüchtet, - 
ge nerfele König Antioch us, der von den Römern. abgefallen 
wor, diefe Parther in Schutz nahm Ventidius rüdte daker, nun 
ar veſſen Reſidenz Sam oſata, um Ihn zu. beflzafen, ‚doch elgenta 
Sich um ber Schäge willen, bie er dem reichen Seleuciden Hier. ab⸗ 
zunehmen hoffie. Marc. Antonius, ſein neidiſcher Nebenbuhler 
im Commando, verkrängte aber. bald den Ventidius und übernahm 
ſelhſt die Belagerung von, Sampfata. ‚Das erſte Gebot des 
Antiochus, ſich, wie Plutarch erzählt (Plat. im Marr. ‚Anto- 
nins,34), durch 1000 Talente frei zu Taufen, warb ſtoiz verjchmaͤht; 
da oe ſich nun ſehr tapfer, neriheinigte und. dadurch die Belagerung 
in bie Länge zog, vie roͤmiſchen Truppen aber pen Muth verloren, 
mnhte M. Untonius, der Insgeheim. Friedensunterhandlungen 
apınünfen für. rathſam hielt, noch froh fein, durch ein, geringeres 
Sdfegeld von: 300 Talenten die. Schanze. feines Abzugs, zu bemäne 
teln. Samoſata muß. alfo hamals eine bedeutende Feſtung ge⸗ 
orten. fein, daß fie: ven ſiegreichen Legionen Widerſtand leiſten konnte, 
und des große Reichthum ihres Königs, wie bie gerühmte große 
Fruchtbarkeit des wenn ſchon nur Heinen Königreich® hatte ihr 
Mianz verliehen als Konigsſtadt. Doch raͤchte fpäterhin Kaiſer 
eh, ‚die begangene Untreue des Könige gegen die Nömer und 
I4ß ihn unter dem Vorwande eined Brudermords im Jahr 29 vor 
Chr. G. zu Rom Hinrichten. Doc erhielten ſich die Nachkommen 
noch ein Jahrhundert hindurch im Geleuctvifchen väterlichen Erbe, 
* x ok erkannte vl bangen Sohn det ae alg Ki 


ı. . v Y 
Br 








g16: Wefekfien. TH Abceilung. 1. Abſchuitt. 4.41. 


von Siman und jenfeit Bis Yarbaffan, über: 5 Stunden weit. Bi 
Gipfel ver Gyptberge ſteigen bis 3988 Fuß (4250 5. engl), ie 
hachſten Kappen noch 281 Fuß höher anf, alfe DIE A200 EA 
In zen: waldigen Kara bel Bergen erheben fig bie Gespeuin, 
die kohlenſanren Aalkfchiefer, mit Singen: von Eupfetiten uns Dysle 
Then, über 6000 Buß hoch empor. Ben der Laudedaater wer 
nersmeilwärte: jenfelt bed Euphent »-Eiramgebieis wird bei Ada | 
Minor. vie Rede fein. Ä 
- Steigen wie von jmem tauriſchen Grzgeblege ws 
Arahena: uns den benachbarten Kupfergruben am Xigris ul 
Ws Diyarbekr, fo herrfchen hier dieſelben uugitifchen Sl | 
ſpatgeſteine ©) vor wie heut, und über bes großen Kira Dieb 
beixs ſteigt gegen Güben. ver Kara oder Karad ſtha Dag hli ui 
ähnlicher Steuctur empor. Nur Hägehriben von verhäsn 
Keriine trennen jened Erzgebirge von ber füblich anllegenden Bid 
ver dieſen Geblsgebllpungen wirb weiter unten Selm obern M 
laufe die Mebe fein. Gier kehren wir zur Südſeite der Tau | 
katte, zwiſchen Cilicien bis zur Catararten⸗Kette oberhalb Gais 


Arr eilieiſche Tautus,? im EBefken der Döwgerkgcheiifen | 
uiſchen Cuphtatgebiet und den.cilisifcen Küftenflüffen, in berlin 
oberhalb Tarſus, beſteht meiſt aus Kalkſtein mıit Glimmee 

rnigen Kreibebänten I, 






Ramaban. Dghle zwiſchen dem Vaß Kuld Boghaz uub vn 3b 
Belt Sis, d. I die cilciſchen Paſſe, beſtehen aus: tertidren Gule 
fein: Zu Sis folgen: auf Kallſtein uub Thonſchlefer, bel Rasa 
Sis, Serventiae und Tallſchiefer. Auf ver Plaiue treten Kelle 
MAWeidefelſen empor, mit Caſtellen gekrönt, wie Sic Anazace 
zum, Shah Moran u. a. Der Ourdus Daghh beſte a 
Ahlismen und Spitzen von Gihtmeräiefer, Quarzgfels Kiste 
f@ptefer mit; anliegenden Schichten von  Tponfchiefer, Xaitpäiefe 
Wloritſchiefer, Bornblendegeſtein, Gornblendeſchiefer, Hallein zb 
| Der Agha Dagh über Maſraſh beſteht aus Diele 
und Serpentinen, mit Kreidebänken und Sanbflein Bert, m 
eK; oßeirte: des Akſu⸗Zufluſſes zum Dihihum, tretem- wi MR 
das hodrographiſche Gebiet des Euphrats. im fehmactad 
sußfetten zur. Gier, im [ubalpinen Gebiete zwiſchea Kauınd 





’0*) Anzworkı Le. p. 2. ') ehenb. d. SE: 





— 


Hmm ua m = v— 
. 





— 


Eubrathſtenz Samoſata. | 90% 


GSie nahm alfo die ganze rechte Uferfelte der Hier in Re fichenden 

Deſt⸗ und Südwendung des Cuphrats ein. Zu dieſer in Stra⸗ 
50’8 Zeit blüuhenden und ſehr bebauten Landſchaft, voll großer 
Staͤdte, gehdrte auch pie Burgſtadt Gindaros, bei welcher Venti⸗ 


bins den Parther Konig-Pacorus in der Schlacht Heflegte und 


töhtete, zur Sühnung ber Manen des bei Carrhä unter Graffus. 
erfchlagenen Romerheeres, wofur ihm ber erfle Triumph in Mom - 
über die Parther zuerkannt wurde. Diefelbe Raubvefte lag umfern 
eines Tempelorted, Herakleion genannt; im Hauptorte Cyrrhus 
keit war nach Strabo ber Tempel ver Athene Cyrrhestica 
ein ſchr verehries Heiligthum. | 
‚, Ammian gebraucht noch den Altern Namen der Provinz 
(Amm. Marcell, XIV. 8, 7: Commagena nunc Kuphratensis, Hie- _ 
rapoli vetere Nino et Samosata civitatibus amplis illustris); aber 
zu Procopius Zeit, dem Beitgenoffen Kaifer Suftinians, war bee 
Ram Kommagene ſchon flatt ded jünger Namens Cuphra⸗ 
tefia ein veralteter geworben ((Procop. Bell. Pers. I. 17: 7355 
swalaı Kouuaynvıv x. 5. %.); auch Eupbratenfid und Auguſteu⸗ 
phratenfis wurbe hier genannt. In ven Kriegen des Gonflan« 
stus und Julian gegen die Saffaniven unter Sapor, bie Am⸗ 
mian beſchreibt, fland Immer noch eine. ſehr flarke rd miſche Ber 
fagung in der einft berühmten Königsflaut Samofata (Amm. 
Marc. XVII. 4, 7). Zu Ralfer Gonftantius Zeit fand noch 
ver Uebergang bei Samofata zu gleicher Zeit flatt, wie auf 
wer weiter unterhalb bei Zeugma (d. i. Bir) und Caperſana 
über den Euphrat führenden Brüde Bel Samofuta zog Am⸗ 
zuian mit dem Heere hinüber, doch fagt er nichts von einer Brücke, 
was unfere obigen Zweifel an einem dort vorhandenen Bau einer 
folchen beſtaͤtigt, da er doch ausdrücklich fagt, daß zu gleicher 
Zeit die Brüdenbelegung ber andern abgeworfen wurde, um 
wort dem Feinde ven Uebergang zu wehren (Amm. Marc. XIII. 8,1: 
Nos disposuimus properare Samosata, ut superato exinde flu- 
mine, pontiumque apıd Zeugma et Capersana juncturis 
abscissis, hostiles impetus, si juvisset fors ulla, r@pelleremus). 
Denn bei Samofata blieb auch nach jenem verunglüdten Unter 
nehmen der directeſte Uebergang, den Eonftantius, ver aus 
Kappavorla über Melitene und Lacotena kam, über ven Euphrat auf 
feinem Marſche gegen Eveffa nehmen konnte (Amın. Marc. XX.11,7). . 
Damals hatte vie Tte Legion Ihr Standquartier an der Reichs« 


grenze zu Samoſada, welche nach Julians Tode in des Libanius 


Nitter Erdkunde X. Nun 


{ 
| 





90 Weſt⸗Afien. UI Abtheilung. I. Abſchnitt. $.A1. 
Parentation auf dieſen Kaiſer noch Immer eine große und vollreiche 


Stadt genannt wird (Orat. parent. in Julianum Libanii c. 108: 


ueydAnv ze al nolvaydgwnov nölıy Sauscasa xalovuirm) 
Grft als nun Hierapolis mit ihrem Tempelvienft der Dea Sm 


als glänzenvere Capitale ver großen euphratenfifchen Provinz fe 


vortrat, ſcheint Samofata mehr in Hintergrund getreten zu fen; 
zumal da auch feit den Siegen der Araber über die Saffanin 
und feit ihrer Beflgnahme von Syrien die Brüdenköpfe von Zeugmm 


und Samofata an den Euphrat-liebergängen Feine jo große mike 


riſche Bedeutung mehr haben Eonnten ald zuvor, fo Iange ver En 
phrat Hier ald die Grenze des Nömerreiches gegolten batk. 

En Haukal nennt nur Samifat 25) als eine Stadt um 
Euyhrat, ohne einer Brüde vafelbft zu erwähnen, von vera 
weiter keine Spur mehr vorlommt. Doch flelt er es an ein 


dern Stelle mit Jaſir Menje gufammen und fagt, beibes ſan 


Städte, mit Bärten und gut bemäffertem Culturlande umgeben, we 
von auch jene bis Heute vorhandenen Aquäpuct«Mefte Deal 
geben; fle lägen beide am Weftufer des Euphrat, zu 6» 
miſat ſei die letzte (weſtliche) Stabt, die noch zu Jeziteh Ohr 
Dmar; v. i. zu dem arabifchen Fürftenthum ber Gamabanlim, die 
Moful am Tigris zu. jener Zeit beherrfchten, gehörte. Aber km 
vorher, in den Jahren 936 und 958 n. Chr. G., war Seausſat 
durch Ueberfälle der Byzantiner bis dahin wieberkolt zerfärt 9) 
worden. Edriſi Eennt zwar Samofate 27) und gibt die Ccha⸗ 
nung von Malatia dahin über das Fort Manfur (Gisn Re, 
f. oben &.885) auf 51 Mill. an, fo wie er die Entfernungen we 
da nach Amid (Diarbefr) auf 3 Tagereifen, und nach Nifibie af 
%“ Mil. und noch andere Diftanzen aufzaͤhlt jedoch ohne fenf > 
gend eine Merkwürbigkeit des Ortes zu erwähnen. Zar Zeit ie 


Kreuifahrer, alfo anderthalb Jahrhunderte vor Gorifi, als Bab 


duin im Jahr 1097 Graf von Edeſſa (Roba, Urfa) wurde, ns 
daß benachbarte Samofata 28) unter dem türfiichen Emir Bal- 
duc, aus ber Familie der Ortofiden, ein ſehr feftes Schloß; ui» 
wohner der Stadt, unter dem harten Drud dieſes Tyrames jap 


zend, riefen deshalb ben Franken um Hülfe an, und da Nas 
Beeresamacht zu einer Belagerung fich anſchickte, zog Bahas, da 





a Pan „ze 


> 
2m 
- * 


226)] Onseley, Orient. geogr. p.44, 57. 26 Degzigues, fh. 
der Hunnen ıc. Ginf. ©. 404, 405. 27) Greif. b, Yan I. 
. ©.138, 152, 155. **) Deguignes 0.0.0. Bo. . 6.447. 


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Euphratfyftem; Romkalah, Castell. Graeoorum. 931 


fi der Vertheidigung nicht gewachſen fühlte, e8 vor, dem Franken 
die Stadt für die Summe von 10,000 Goldgulden abzutreten. Da 
nun Balduin in vemfelben Jahre auch einen andern Cmir ber 
Drtofiden, des im Beflge ver Cuphratfeſte Sarudge (am heu⸗ 
tigen Sajur- ober Sadſhur⸗Zufluſſe zum Guphrat unterhalb 
Bir, im Norvoften von Hierapolis) war, beflegte, fo erhielten damals 
Die Franken sinn völlig freien Uebergang über den Eu- 
phrat: denn auch Bira (Bir, an dem Zeugma) kam fo in ihre 
Gewalt, obwol fpäterhin die Franken unter Balduin II, König von 

Jeruſalem, alle dieſe Orte (im I. 1151, alfo zu Corlfi's Zeit) 2%) 
in Eupbratenfien, wieTellbafher, Aintab, NRawandan, Tell- 
khaled, Bira, Samofat und andere, wieberum den Griechen 
überlafien mußten, von denen fie gar. bald wieder In die Gewalt 
der türkifchen Atabeken in Syrien zurüdfielen, und durch biefe an 
den Kurdenhelden Sultan Saladin kamen. Abulfeda führt 
Shemſhath als Grenzfeſte ) in Meſopotamien zwiſchen Amid 
( Diarbekt) und Chorxt Bert (Kharput) auf. Endlich ſcheint 
Simiſat des Gihannuma 21) unter den Türken zu völliger Be⸗ 
deutungslofigkeit herabgeſunken zu fein, fo daß R. Pococke, wie 
wir ſchon früher bemerkten, obwol ex bei Bir den Euphrat paſſirte, 
durch Erkundigung 3?) nicht einmal von der Lage ded Orts Sa⸗ 
moſata und noch weniger von feinen Denkmalen Nachricht erhal⸗ 
ten konnie. Er begnügte ſich nur damit, anzuführen, daß biefer 
Ort durch die dortige Geburt bed Lucian von Samofata und 
Des Paulus Samofatenus, des ketzeriſchen Biichofd von Ans. 
tiochia (f. 05. S.572), berühmt gewefen ſei. Um fo verbienftlicher 
müffen demnach bie oben mitgetheilten Beſtimmungen ver Jüngfien 
Zeit für ben Fortfchritt der Erdkunde erfcheinen. 


2) Romkalah, Runkaleh; Kala Rumitha oder Kalat 
ol Rum (Castellum Graecorum) der Syrer, Kalat or Rum 
Bei Abulfeda; Hrhomgla oder Hrhomglai, auch Bla ho⸗ 
. shbomagan der Armenier, vulgär Urhum gala. 
Senfeit des modernen und jeßt nur geringen Samofat, deſſen 
Thal noch Immer reichhaltig und fruchtbar wie fonf iſt, wo aud) 





” Deguigues a. a. O. en 492. 30) Abulfeda b. Reisle in 
Fra % Magazin, ‚IW. ©: 249. sı) MY A 
na ürfel in En a. FR XIV. ©. 47. M. Po⸗ 


—8* — — Rorgenlandes. Ueber. von Berge. x. IL 
Sie Auflage ©. 
Nan2 





918° WerAfien. UI. Abthellange I. Abſchaitt. |. 11. 
und Hitze, von Schnerfülle, :Schreedauer uns voii 


wicber von Durtre und Trocken heit im biefem Gebiele Befkkign, 


‚von been früher wiederholt die Rede war. Der Taurus, feet 
‚Ainsworth, hat nicht nur im armeniſchen Norden, fonbern ul 


in feinen ſüdlichſten Theilen fehr kalte Winter. Am 15. Jan. 18% | 


‚fiel zu Aintab, alfo auf der Vorſtufe Syriens, das Tpermende 


um 7. Uhr Morgens an einem Schugorte Doch auf 15° min | 
von Gefrierpuntt (5° Fahrnh.). Sehr vie Schnee Tat mim | 


zus, der auch fehr Heiße Sommer Hat. Zu Amafie, wen 


Kjebau Maaden empfand Ainsworth in den Thaälem ie | 
drüũckendſto Hitze Im Sommer, wie v. Moltke zu Astufii 
Malatla. Auch zu Diyarbekr ımb überall im Plateaulaae 8 


der Sommer ungemein veüdend. Die warnen Tage und Füße, 


oft alten Mächte foͤrdern die Vegetation, erhalten aber zugleh e 


Schneefelder bid tief In deu Sommer hinein. ' 


Als Alnsworih am 26. Behr. 1836 die Berge von Re 
raſh übeeſtieg, war der Schnee noch 2 bis 3 Fuß tif (we | 


Eogin.no am 9. April, |. ob. ©. 792), aber Hart gung, m 
den Reiter zu tragen; Spinnen liefen barüber bin und Grecat 


‚blühten daneben an von Schnee miblößten Stellen. Die füie | 


früßgeitige Daphne, Anemonen und Euphorbien fuze 
ſchon in ihrem Blumenſchmuck. Im März blühen in da I 
lern überall die Mandelbäume, die Birubäume, wer Leber 
naum, die Mispel u. a. Zu Amaſiah, auf dem über 1000 8 
hohen noͤrdlichen Taurushochlande, Im Thale des Kizil Irnek, 
blüßten die Roſen im Mai (im I. 1837) Solchem Gin: ar 
ſpricht die vegetative Bekleidung. | | 

Den ubrblichen Taurus, gegen: bie pontifche Seite, zeit 


die gtßn Flſe vom Kräutern, Büſchen und Bäumer; 


dagegen Mangel daran ven füdlich en. Socharmenien HM gm 
baumlod, ber Bingheul ift nur durch Alpenweiden ausge 
net, mit dem Saghan lu am Karstſhai fängt die Waldung is 


RD. Tenfeit: Armenlens, jenfelt des Euphrat und Arazeh, of | 
wieder an (f. ob. S. 407, 738, 748, 749), wie bie erfien Wehr 


Herge im Weſten des Cuphrat, weſtwärts Arzingan und Rebell, 


6 Welse Chatakli (ſ. ob. ©. 772) und auf ven Hi 
Acgeli und Rasa bel Im Süden wird nur wer Mefint We 
"ah walv relch, und einige Difiikte im Jebel Yur mb | 


Baaren Days Koh «6, aus deren Gehölz Trajan feine Diet 
von, Hirten tn VRR Au RS ' I 


ım u am Er m 5 





F D 
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* 


uphratſpſtem; Romlalah, Castell. Graecoram. 933 


oote abgerechnet, hler gar Feine Waſſerverbindung früherhin ſtau⸗ 
ad. Un der Nordweſtſeite des Cuphratufers, 2 bis 3 Tagreiſen 
ı Geblrg, würde man eher noch Nadelhoiz und auch Buchen⸗ 
imme, meint Chesney, finden, bie groß genug, wie bie englijche 
ſche wachjend, und nur erſt in hoher Krone ſich verzweigend, wol 
m Schiffbau dienen könnten; doch bleibt auch da die Waldung 
arſam und zur Benuzuug ſchwierig, wie bie Iegte Erfahrung ia 
ürkenfriege gezeigt hat. Unterhalb Bir foll es cher noch bie und 

ı zerfireute, gute Waldung zu Zimmerholz geben, viel Kieinhol; 
ıd Bufchwert bis Hit hin im Ueberſfluß fein, von da an aber 
arfamer werben, wogegen dann am untern Euphrat der Wuchs 
r Dattelpalmen allgemein wird, ver oberhalb ganz fehlt oder nur 
iner hervortriit. Die erfie Schiffahrt zum gröfern Trand« 
ort wurde auf dieſer Stromftrede Im letzten Türkenfriege durch 


e preußifchen Offiziere von ber Mündung des einfallennen 


fr fu an, im Mat 1839, bis Bir Ins Werk gefept:S) denn vie 
ampfichiffahrt ber Briten begann erſt von Bir abwärts auf 
m Euphrat. Noch war beim Uebergang ber Armee Hafidz Po- 
jas von Malatia innerhalb 16 Tagen, über die Sauruspäffe 
‚ob. ©. 888, 893) die Cavallerie und die Artillerie in 
ebeoni und Sürghä zurüdgeblieben, weil dad Unwetter und 
e angefhwollnen Ströme jeden Kortfchritt hemmten. Der Paſcha 
ar ſchon im Lager bei Bir over Bired ſhik, das auf ver Höhe 
irch v. Mühl bach verſchanzt wurde, und v. Moltke erwartete 
ı Lager, 5 Stunden unterhalb Samoſat, zu Karakaik am Cu⸗ 
wat, ver GE fu- Mündung gegenüber, die 700 Kelleks von Ma⸗ 
tia lange vergeblich, die zum Waflertransport des Geſchützes auf 
m Cuphrat dienen follten. Die Brüden, die Halil Bey über die 
ebirgeflüffe des Taurus gefchlagen Hatte, waren von deren wilp« 
fchwellenden Fluthen immer wieder weggerifien,. und Hunderte 
m Kranken lagen auf ven Stationen. Die Zeit drängte, die’ Kräfte 
ı Bager bei Biredſhik zu concentriven ; ; es Tam nun barauf an, 
nen fahrbaren Weg von Behesni an den Euphrat unterhalb 
r Got fu » Einmündung zu finden. Sauptmann Laue und 
‚Moltte fchwammen durch die Flüſſe Hinburch und entbedten 
nen ganz bequemen Weg, wahrſcheinlich den Heft einer alten 
bmifchen Militärfiraße, die mit prächtigen Ruinen einer 
rücke am Goök fu endete. Laue ging nad) Beheöne zurüd; zur 





3%) v. Moltle, Briefe, a. a. DO. ©. 865 — 374. 





. 
\ * 


a Weſt⸗Aſñien. Il Abcheilumg. I Abſchrutt. 5. Ai. 


wie:  Yiefe, fo went. nach dem haheren Suden, wie die Khlliyzaca Tati- 
fol umb angustfolia, und bie Rhododendren, die, wie Rhod. 

penleum und maximum, nur af im Nor den des Shemmlubel, bi 
im Norden von Siwes oder des Kizil Irmak fich zeigen, we ihre Ber 
giatlon aber auch. eins vor herrſchende aa pontiſchen Küſteng⸗ 
fie 20) wiss, ‚mit ven Azaleen und Laurutarten, eins alles Diem 
wischerute, Von Geidearien irehem dagegegen in Der beißen tun» 
von Deriufe gegen Syrien zur bie: Krica arhboren un. scopen 
ria auf. 

Zu den ansgueihneten Enlturgewächfen ver Kauzutl- 
Rhafım gehoren: ver Wein, ver NE Erzingan, Palu zu 3000 
um ſthqrput zu 3400 unb-in Dinfb 5is zu 3505.29. 46..R 
aufſteigt (f. ob. &. 771, 708, 714, 808, 679); der Maulheer⸗ 
baum, zumal in Melltene wie zu Kemach und Cgin (S 771, 
No, 784, IP); den Pfürſich und der Feig enbanm, bie if 
mirdlichſte Grenze im milden Thale von Arzingan zu finken ſcha⸗ 
nen (f. ob. ©, 772); der Wallnufbaum, der noch an bes 

oberſien Gipfeln der Cataractenkette fein veiches Lauboach anrühuelist 
. ob. ©. 829), und an den Zigris- und Murabzuflüffen bit m 
4880 Sup (©. 693, 705), am Ararat foger bid zu: C00p up 
empoufeigt. Eben fo if der Mandelb aum weit: serbreise, ber 
Diivenbaum fegeint aber aur auf fehe wenige tiefere Zauzube 
thaler des Günabhanges, ia Weſten des Cuphratlaufes, beiäelel 
zu ſein. Der Dlivnbaum Pelgt nirgends HM) Im. armeniſchen Ge 
biete zu gleichen Höhen, wie wie Maulberrbaͤnme, Aprikofen, Bi 
nußbäume, empor; am ben tiefem, geſchuͤzten Küflee von Arcpi⸗ 
zant!2) gibt Die Olive, neben dortigen Wallnuß« umb Kaflanime; 
Pomeranzen« und Eitronenbäumen zwar auch ein gutes Sei, di 
fübreärte won da im Hochlande iſt feine Rebe vom Ike; Dftnes- 
 wälber fangen: erſt wieder im tiefen, heißen Eupfentthele gu Gas 
mo(at!3). an: fich zu zeigen, ‚(ben da, wo wilde Beigenmälher® 
vom Ahale des Kakhtah⸗Fluſſes twefhodets Bis Bir ſich zur ph 
um begiamen, un Bifkacienwälner erſt im Rarallel von um 
Edel, Walzen, Spelt, Gerſte, ſechetzeilige und zweizeilige; ui 
ven Aberal gebaut; die Baumwollentul tur beginnt erſt an tim 
—— Dortergm der Aigriezuſluſſe, gegen bie Cben⸗ von Das 


BR W. Hessilton, Asia 2) ) Bernst, Aral 
ee Rnreurth , Te on ERS kr tr *. * En 


un Jousn. ei Ray. Gage. Bon. TR. ah 








u 


) 





7 


Euphraiſyſtem; Rumkalah, Castell. Gracoorum. 935° 


tlefer Tiegende Stabt, die aber aud) in den behauenen Fels hincin 
gebaut ift, deſſen an ſich weiches Geſtein, ſobald es nur der Luft 
ausgeſetzt wird, wie ber Malthaftein erhärtete. Faſt jährlich durch 
Erdbeben heimgeſucht, iſt es auf ſolchem Boden, auf dem bie Stadt 

Rumkalah flieht, ſchwer zu fagen, mo ber Feld aufhörte und bie 
Denfchenarbeit anfange. Zunäachſt ift die Vergzunge, die auf ber 
einen Seite vom Cuphrat, auf zwei andern von ber tiefen Kluft 
des Marfifan (Marsyas 5. Plin.) umfchlofien If, 40 bis 100 8, 
Hoch ſenkrecht abgeſchnitten. Auf biefer Wand erheben ſich Die 
Mauern aus demſelben weißlichen Kreide» oder Kalfgeftein an 60 8. 
Hoch mit Zinnen und Thürmen. Durch 6 Ihore Kintereinander 
windet ſich der einzige Aufgang, um zu etwa 40 Käufern zu ge= 
Langen; alles andere find Irummerbaufen. Das Ganze fieht aus, 
fagt v. Moltke, wie ein beſonders faconnirter Fels, wie man fih 
ein großes Stud Kreide etwa zufchnelden koöͤnnte. Die Geſchichte 
von Rumkalah zu kennen müßte intereffant fein. Im fpäterer Zeit 
war es der Sit armeniſcher Priefler, die bier ein prächtiges Klofter 
gründeten; die Zerſtörungswuth hat davon nicht alle mächtigen 
Quadern ganz ummerfen Finnen. Mur bie fchön ausgehauenen 
zömifchen Adler find zum Theil abgefragt, und bie großen Säu⸗ 
Ien mit zeichen Gapitälen Tiegen am Boden. Späterhin bemädhtigte 
fi ein Dereh Bey (f. ob. ©. 782) des Schloffes, ein Kurbens 
fürft verdrängte ihn; Baba Paſcha vertrieb diefen. Dann bes 
ſchoß Mehmed Ali's Sohn, Ibrahim Paſcha, der Syrer, bie 
Feſtung, und ſo zerfiel alles in Trümmer. Nur die ſtattlichen 
Mauern und ver gewaltige Fels ſtehen noch Heute, wie ihn bie Md« 
mer fahen. Ein Brunnen der Armenier, 200 Buß tief, iſt ihrer 
romiſchen Vorgänger würdig; er iſt weit genug, daß eine In den 
Fels gehauene Wenveltzeppe in ihm fich bis auf das Niveau wei 
Cuphtat Hinabwindet, auf ber Maulthiere das Waſſer hinauftragen. 
Die vierte Seite des Schlofjes iſt vie gefährliche; Hier (nämlich ger 
gen Süd, nad) Pocode) hängt der Fels mit einem Plateau zu⸗ 
ſammen, das ihn nahe überhoͤhet. Don dieſem hat man es durch 
einen 80 Fuß tief eingehauenen Graben künſtlich getrennt Nach 
SBocode*1) fol es die Abſicht gewefen fein, dieſen Graben fo ſehr 
zu vertiefen, daß bie Waſſer des Marfifan Hineingeleitet bie Feſtung 
zu einer Inſel gemacht haben würden. Wollte man Rumkalah 
au, einer wirklichen Feſtung machen, fo müßte man vothwendig auf 





MR, Pococke, Beſchr. 4. O. M. ©. 220. 





J 


932 Wefueilſien. TIL. Abthrilung. LAfWſchau. et 


| zugehörigen Geſteinen, wie gu Hiar, Soghel r und zu Birıly 


Silben alle Bettze, vie von Armenad ME Kalat ei: :Mudit-zichen. - 
Pbwol alle dieſe Gebirgdarten Kch tatneswegs zu fe geeſea 
abfehstih Odhen grheben wie bie ndeblichers Tauruskettin,fe fehlte 


rc auch hier ebin ſo wenig wie ost: un großen Hemmaigm, 


welche ver Stronuauf! es; Emphrat zu⸗ beſtoegen Hatte, wanshid ww 


We! Blachfelde Mefopotamiens: vurch tiefe etten nid 


Gtiminttäten: 98: gogen 2000 Fuß hehe Stufe Yieseerriäguieingen: 
Sicher uch hier Ramıpf- in dem Ufrrlände aufgeveckt, begehen Top 
reich vie Latioſchaft Ale, ots, oft romnutiſchuund elek . 

Buerft'jeigt fi’ jenft Fort! Redvefea Aminen MRAGe pinkonliter 
Geblrgbarten kelnne Melle fern unnitälter" anterhalb Sa wo ſat zu 
Jemſeme 26) Km Süideer wo'nie Hohen Uher ven Fluß Küng 
ben Kelsklippen. fehr merkwurdig fıtb, und SIE zu3200 J. Ua 
das Cuphratbette emporragen. Zerreibliche lederbraune Mergel⸗ au 
Kreldeſchichten ſinvUg wie bier gegen S. O. Harte Ralffieine uf 
ihrem Rüden tragen. Im Suͤden viefeß Hochlandes treten bie ya 
toniſchen Gehlegäarten;; wie fchlefelge Dolerite, mit zahlloſen Bes 
naten, Augiten und Xitanelfen Gervor; - auch etwas Baſalt, aber 
ſehr wenig Spillte und umgeaͤndertes Goſtein. 
Die große Zone plutonifcher Belügebirge, be Sie | 
durchzieht, HAIE in einet mächtigen Curse an, die im Weſt in Ka⸗ 
samanien beginnt, über Kommagene und den Euphrat.fer- 
feht zu ven Karadſha Daghti, um an' dem Faße des Mafiui 
entlang bis über Orfa und Jezire al Omar anhält. 

- Der Einmänsung des Bölfu zum Cuphrat gegenüber, dm 


- gute Halbe Stunde in S. W. der Bühne: über den Eriphrat zu Ehle 


‘ 


Cyhrlfen geroefen zu fein ſchaͤnen, te ıfleir: im: ben erſten Jahche⸗ 


Bazar Idle Bazar b. Ainſworih Haidli Bazar —— 


ney's und v. Moltke's Karte), einem. Dorfe mit 80 GHäufern, fi 


Sandfteine mit Auſtermuſchetn und alten Breccien des 
Kielveferien übergelagert, obwol nur iauf-dne fahr kurze Strece ww 
eiwa 300 Schritt Es folgen ein paar Stunden ‚abwärts, Sei Ker⸗ 
Sit mit 59 Häufern, einem einſtigen Armenier Drte von Bm 
tung, eine Menge Grotten, die nicht ſowol Brüfte won Grailike 
ats vichmehr wirkliche Troglobytenwohnungen·einſt hicher geſtũtean 








berten hieher ba vie Verborgenheit zurückgezogen haben medhlen. 
Unweit bivon liegt Hhanha, din Uferdorf, an auffleigenben * 


rꝛey Kissworkı, Rewenkchen — | 


* 








Eupbratf;; Rumlalah, Hrhomgla der Armenien, 987 


Dunderiäinen. Bei Regenzeit ſchwelle das Euphratnivean Pier 
leicht um 15 Buß Höher auf; über fandige Hügel flelge man von 
Den hoben Kuppen zu feinem grünlichen Wafler' hinab, das zwi⸗ 
ſchen glänzendem Sande dahinſchieße, um auf ber breiten, Hinten 
offenem Führe, die vorzüglich zu Ueberfahrten für Vieh eingerichtet 
war, das jenſeitige meſopotamiſche Ufer zu erreichen, wo der Laud⸗ 
weg durch Ruinen armeniſcher Dorfſchaften in 3 Tagmärſchen Hin 
über führt nah Urfa (Orfa, d. i. Eveffa, f. ob. 117, 244). 
Aus der Gefchichte iſt dieſe Feſte bei den Syrern unter dem Ras 
men Kalah Rumitba over Kalat ol Rum (d. i. Castellum, 
Grascoram) bekannt, wie es Gregor Abul Pharag, ber Zeit⸗ 
genoſſe, felbft zur Zeit nennt, da Hulaku Khan, ber mongoltfche 
„Groberer, nachdem er Im Jahr 1258 das Khalifat in Bagdab ge 
Rürzt Hatte (f. ob. ©. 195), bis hieher vorgentungen war, &x 
gibt uns die fehr Intereffante Nachricht, daß dieſer mongoliſche Sie⸗ 
ger KHulaku *) im Jahre 1259, alt er feinen Erpberungdzug ge= 
gen Syrim fortfehte, zur Ueberſezung feines gewaltigen Heeres 
zu gleicher Zeit über den Euphrat an drei Stellen Bräden 
ſchlagen ließ; vie eine zu Malatia, die zweite zu Kalat el 
Rum, diefem Rumkalah, und bie dritte an ber damals von 


Mudsmebanern am Häuflgfien begangenen Gandelsſtraße nach dem 


großen Emporlum zu Racca (oder Callinicum, f. ob. ©. 238), 
nämlich bei Kerkefin, d. i. Circesium am Khabur (wo daß alte - 
Zeugma bei Thapſacus, f. 0b. © 12, 15, 139 u. a. O.). Diss 
iſt das einzige, ausprädliche, und bekannte. hiftorifche Zeugniß von 
einer Hei Rumkala gefchlagenen Brüde. In der armenifchen Ge⸗ 
ſchichte wird verfelbe Ort, den bie Araber au Kalat er Rum) 
treiben, Hchomgla ober Srhomglini, auch Bla horhoma⸗ 
gan genannt, und im Bulgärsarmenifgen Urhum ghala ss), 
nämlich Ur hum, das Schloß. Ob darin vielleicht auch der aͤlteſte 
Name der Station Urma giganti aufbewahrt fein möchte, welche 
- in deni Itinerar. Anton. (p. 190 ed. Wessel.), ald auf ver Straße 
von Eyrrhus (In Cyrrheſtica) Aber Zeugma (Bir) nach Edeſſa 


(Drfa) gelegen angegeben wird? wodurch dann bie gewöhnliche Ab ⸗· 


leitung vom Caſtell ver Roͤmer zweifelhaft wärbe, ober doch nur zu 
einer zufälligen Lautverwandtſchaft, wis dies Bfter bei orienta- 





48) Gregor. Abol Pharag. zu. dynast. p. 347; vergl. Deguignes J 
Geſch. d. M. I. I 373. “) A bulfedae Tabul. Syriae 
ed. Koshler p. 125. x st. Malin, Men. s. l’Arm. I. p. 19. 


92% Mbeinltfien INN, Oiptheilung. LAblqain. |. kt, 


mis Lühmen Rundbogen und doch von großen Girintafeie. Eis 
gar unfreitig einft Hier fo zahlreichen ſyriſchen Gewtinden cn: 

ver Altar ſtand Im Niveau mit dem Fußboden, und nicht 

küher erhoͤht, wie in den armeniſchen Kirchen, ober ing dem 
Eawtuarie angebracht, wie in den griechifchen Kinchen. Neben bie 
fen Ruinen, bie man bort Utſh Kilifa, d. i. Die drei Kirdgen, 
nannte, in deren Nähe nur wenige Hülten armer Ranben, 
fah man einige feltfame Höhlen in feſten Fels gehauen, In Sem 
du Bine, ie Baſis 8 bis 12 &. im Diameter.; die Tiefe 12 66 
20. Buß uud meht; der Eingang Klein und rund, meiſt mit zud 
großen Steinen überdeckt. Die Grotte If nach innen wit Mäckd 
überzogen; einige, nach innen eingefallen, bienen zu: Diaulthierfäee, 
anbre find wit Futter und Stroh für Pferde gefüllt. Es folke 
nf Grabfätten geweſen fein, Kirchen Lsgen nicht fern; wiellät 
—* ſie auch zu Kornkanunern ober Waſſermagazinen. Ia am 
dern Gegenden Syrlens findet man allerdings viele Grabkäin 
Spule Art, voch weniger forgfältig außgenzbeitet. 

Im Verfolg des weiten Weges gegm S. W. traten nom 
rat Ruinen auf. Eine einzige Mauer mit 2 Fenſtern war ak, 
was von einer Kirche des nächflen Dorfes übrig geliehen wer. 
Dex Kallbeden hatte mitten Im Sommer feinen Nafen längk ww 

„Ioren, und war fo hart wie Stein geworben; allgemein hei ailigem 
"Waffermangel war bie größte Dürte; bie Ruinen früherer driiie 
Wohnungen, an Trümmern von Kirchen und Klöftern, ofi vos 
größten Schönheit, erkennbar, hörten nicht auf. An vereinfomin 
Belfen und jetzt trocken Hegenden Quellen fand man nicht fs 
Mefte ber ſchoͤnſten Bewölbbogen. - Hler mußte einſt der reiche Gar 
tusfig einer zahlreichen chriſtlichen Bevölkerung gewefen fein, de g 
eiguer Kaſteiung ober vor Derfolgung ſich in dieſem Aſyl nicheckch 
Aehnuliche Localitaten Hatte Alusworth in Syrien zu Reife mb 
Edlib, oder zwiſchen ben Felfen von Sheikh Baraket «m 
Berge Gt. Simeon geſehen, in denen die verfolgten vevoten Chi 
fen der erſten Jahrhunderte ihre. Zuflucht geſucht ‚Basten. eh 
zweifeln wir an einem ſo hohen Alter dieſer hriſtlichen Aufichlung, 
und Halten Dep größern Theil dieſer Werke vleimche für Me 
Armen ier, bie bier zur Zeit des 12. Jahrhunderts, de ihre Se 
telargen In Mumfalahı reflbirten (f. ob. ©. 618, 615 m a DJ 
ſehr zahlreich fein mußten, und auch J en - 








Lerricher leben bonnten. 


4 





Eüphratfoft; Rumkabah, Hthomgla d. Armemier. 939 


Fam, minßte Ihm ber dortige Fürſt, ver nachher ſo berühmte Hiſteri⸗ 
ter und Geograph Im. Abulfeda, mit den Prinzen feines Haus 
ſes und mit feiner Streitmacht bis zur Belagerung von Romkalah 
folgen. Die Belagerung war langwierig und blutig, daher Abul⸗ 
feda den Ort in ſeiner Geographie auch zu den ſehr ſchwer zu er⸗ 
‚obernnenSV) rechnet. Die Truppen von Hamah nahmen ihren Poſten 
unter dem Commando Abulſeda's auf der Höhe eines Hügels, von 
ber alles zu überfehen wer. Die Stadt wurde endlich mit Sturm 
genemmen. Der Khagie, oder Statthalter, des Königs von Arme» 
nia minor 308 fi nun in das Caſtell; da ex aber Die entiehlichen 
Belagerungsmajchinen anrüden fah, die man von Hamah herbei⸗ 
führte, zog er die Kapitulation vor; doch wurbe die ganze Befagung 
Friegögefangen. Der Sultan Tehrte nach Damaskus zurück uns 
"gab einem Emir den Auftrag, ven Pla wieber herzuftellen. Alte 
aus biefer Zeit mögen ebenfalle manche der Bauten herſtammen: 
denn Romkalah blieb nun mit den Plägen Bahſna (Beheöni), 
Maraſh und Tell im Beſitz der Sultane Aegyptens. Noch ver 
dieſer Periode, als die Mongolen auf die Eroberung Syriens aus⸗ 
‘sogen, Hatten fich die Stärke Gasran und Rohe (Urfa) dem 
Hulagu ohne Schwertſchlag ergeben. Die widerſetzlichen Eins 
wohner der Stadt Saruj (Sarudſh) waren alle ermorbet worben; 
Nomkalah, we vie Brüde geichlagen worben, ſcheint fih nicht 
widerſetzt zu haben; es if wenlgſtens von keinen Streitigkeiten pie 
Mede. AS aber zweihundert Iahre fpäter Timur, im I. 1401, 
Syrien bis Damaskus eroberte, ließ er unter ben 13 Gtäpten, bie 
feine ganze Rache fühlen folten, wie Malatia, Ableſtan, Kakh⸗ 
sah (Kiachta), Kerkur (Berge), Schloß Manſur (Adiaman), 
Bahasına (Behednt), Aintab, Telbafber, auch Romkalah, 5) 
das Schloß Rum, ganz zerftörem, indeß andere Stähte, wie Cmeſa, 
Bira (Bir) u.a. m., rein ausgeplündert wurben. 
Davon iſt wol ber gänzliche Verfall dieſes Ortes herzuſchreiben; 

denn bald kam er nun in Beſitz ber Dimanen und wurde zum 
Paſchallk von Halep geſchlagen. 

Ueber ein hoheres Alter des Namens Momkalah, Schloß 
der Römer, iſt uns kein Zeugniß vor den angegebnen belaunt; 
allersings kann dieſer Name auch nur ein jüngerer fein, wie die 
von Arzerum (f. ob, ©, 757; 1 780) und andern, die wol nicht vor 

se) Abulfedse- TAb. 83 ed, Koehler p. 120. 22) Dequigues 

A, a. O. 2. IV. ©. 308. 





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940 Weftdifien, III Unheilig. I. Abſchaitt. j.41. 


dem Auftreten ver Araber In Gyrien, olfo nicht vor dem Eu 
ves 7, Jahrhunderts in Gebrauch gelommen fein Finnen. De 
ſchelnen die Nuinenzefte ein Höheres Alter zu foren. Gehe 


wir und nun nach Namen um, die eine ältere Stadt in yar 


Kocalttät bezeichnen, fo find es nur -wenige, pie Darauf Anfprüde 
machen konnen: wa Neocaeſarea, Urma giganti a 
Arulis. Neocaefaren blos wegen der Verbindung, in weite 
dieſer Bau in Guphratefla mit Zeugma (Bir) durch Procop 
geießt wird, weil wir Denfelben Ort non gar Feinem andern Auter 
genannt finden. Nachdem Procopius (de aedificiis, Justin. IL 9 
p: 235 ed Dind;) nämlich von den Gtästen und Castris an is 
äußerten Grenzen von Cuphrateſia ‚und ihren Bauten gefpeoden, 
nennt er, nach Hierapolis gegen Norven zurädtehrenn, auch Zengma 
und Neocaeſarea, das jonf unbefannt, und fagt, fie Hätten um 
‚Mauern zum Schein gehabt, medrig genug zum Ueberſpringen, x 
sug und ohne Raum für die Bertheibiger; deshalb wurden Se- m 
Kaiſer Iuftinten mit gehörig ſtarken und hohen Mauern wugegs, 
und mit allem Apparate zur Vertheidigung verfehen, wodurch ſie af 
zu Stäbten erhoben wurden, wolche dem Beinde Troy bieten I 
ten. Über norbwärts von Beugma konnte biefer Name: ver Ru 
zaefaren Feiner paſſendern Feſtungaſtadt zukommen als Repkleh 
das vielleicht eben beöhalb von Syrern, Arabern uns Ber 
fern nur das neue Schloß ver Rum, wie bier übel We 
Byzantiner des griechlichen Reiches heißen, genannt warb. 

Der Name Urma ober Urma gigenti, das auf der Benk 
von Gyrrhus nach Cdeſſa im Itinerar. Antonin. (ed. Wessel. p.19) 
als identiſch mit dem ſonſt unbefannten Ciliza angegeben wirh, Bag 
64. Meile (XXX. M. pass.) fern von Zeugma (Bir). I da he 
tisch mit dem Odonum, dem Urema bei Piolemäus, unter Un‘ 
Long., 37° 30° Lat., fo wäre es eine Uferflabt, da Piskeiel 
ausdrücklich dieſes Urema an ven Cuphrat ſetzt (Pre -V. 5 


fol. 138). Es würde in die Nähe der Mündung den Singet 


(Ziyyas 6. Ptol. ebend.) zu liegen kommen, da biefer uni 72° 
37° 20° Lat. zum Cuphrat fällt. Freilich -twas zu weit = 

um dad heutige Roinkalah zu fein, deſſen vnlgaimermerifieg: Sage 
Urhum vielleicht nur eine zufällige Lautverwandtſchaft haben app 
Der ſonſt unbefannte Ort Urema muß indeß von einiger Bıkg 
tung gemwefen fein, da ber Kirchenvater Socrates HL _25, au 
Iar, ®?) von einem Abraham, Urimprum Episcopne, fyrkät... 















. a 
’%%), Gellarius Notit, orb. antigai IL. p. 406, _ 


’ 

















\na 4 a u MA 1m. 





- 


Euphratſhſtem; Numkalah, Arulla ° 941 


Der dritte damit zu identiſicirende ältere Ort wäre das Aru⸗ 
die ober Arulis, der Uferort am Cuphrat, bei Ptol. 71° 56’ 
Long. 370 15,Lat., ver auch in ver Tabul. Peuting. als Arulis, 
nordwärte bed Zeugma (bei Bir) nicht volle 10 Stunden, nam⸗ 
U XXIV. M. pass. uorbwärts befielben, ebenfalls am Cuphrat⸗ 
ufer eimgetragen if, eine Entfernung, bie ziemlich genau ber gegen- 
wärtigen zwifchen Bir und Rumkalah entſprechen würbe, wes⸗ 
Hals auch Schon Mannert diefe Arulis für identiſch mit Rom⸗ 
kalah 5°) Het. Bon dieſem Arulis entfernt norbwärts bie 
Tabal, Peet. die Stelle ad pontem Singae um chem fo viel, 
nanmlich um faft volle 10 Stunden, welche unftreitig einen Brüden- 
Übergang über ven Fluß Singas bezeichnet, ben zwar bie Tabal. 

. Peut. unter dieſem Namen nicht einzeichnet, wol aber einen 
noch weiter gegen Rorb emtfernteren Fluß, bei dem die Zahl, weiche 
die Entfernung angeben follte, leider verborben if. Da er dem 
Namen: ad flumen Cappadocem in ver. Tabul. Peut. führt, fo 
Tann es kein andrer ald ‚der obengenanute BE fut fein, deſſen 
Duelle allerdings aus dem füblichften Grenzgebtige Kappaboriens 
Kerbeifträmt, und unterhalb der durch v. Moltke wieder entdeckten 
Ruinen einer prächtigen Brüde (f. ob. S. 933) fi in den Euphrat 
ergießt. Dann würbe nad dieſer Zeichnung der Karaſu note 
wendig der Siugas des Ptolemäus fein, deſſen Duellen im 
Vieriaberge, nach Ptolem., d. 1. in NW. über Aintab auf vortiger 
Waſſerſcheide, umter 71° Long. unb 37° 30' Lat. n. Ptolem., 
entfpringen, die derſelbe unter 72° Long., alfo nach einem Lauf 
von etwa 30 Stunden von Weit gegen Nord und Oft, unter 37° 
20’ Lat. zum Eupfrat einmünden läßt. Xeiver haben weber . 
Strabo noch Plinius diefer beiden Flüffe, weder bed Cappado⸗ 
eifchen noch des Singas, Erwähnung geihan, fo daß ihre nähere 
Beflimmung und Bergleigung mit der Gegenwart dennoch zweifel⸗ 
haft Hleibt. Der dritte no fünlihere Zufluß zum Euphrat, 
der Marfyas, den Plinins allein nennt, und welcher unmittelbar 
unter dem Cafel von Romkalah In den Euphrat fällt, den Po⸗ 
cocke wie Eein anderer, Simeren nannte, 5°) kann nicht ber viel 
noͤrdlichere Singas fein, wofür man ihn feit Pococke's Vorgange 
gehalten Hat. Auch Cellarins 55) meinte den Singas mit dem 
Marſyhas des Blinius Ihentificiten zu koͤnnen. 


6%) Manuert,-Beogr. d. Er. und Röm. Ein VL 1. S. 491. De 
SL) RM. Bocode, Beiär. an. D. I. ) —X 
Not. orbis antiq. II. p. 404. 








942 Weſt⸗Afien. IH. Abtheilung. I, Abſchnin. ga 


Eshon Mannert bemerkt fehr richtig, #6) vaß die Stadt Ein 
508 von Ptolemäus an ven Urfprung des gleichnamigen Flnftd, 
untes 71° Long. 37° 30' Lat., gefeßt werde; alfo ndrdüch von 
Aintab, wo fi auch nach v. Molite '8 Karte * wirklich vie Duck 
ves Karaſu befindet, und daß der türkiihe Geograph dorthin einem 
anfehnlichen Fluß Sensia over Sengia ſetzte, ben man mid 
durchwaden könne; er falle zwiſchen Hisn Manfur (v. i A 
man f. ob. ©. 885) und Kaifun, das uns unbekannt, in den Er 
phrat, und Habe in ver Naͤhe eine fehr Fünftliche Brücke, de 
aus einem einzigen Bogen beftche (nich Schultens Index geogr. i 
Vita Saladini s. Fluvius Sensja). In ver erften Hälfte bie 
Nachricht des türkifchen Geographen iſt der alte Singas md 
unvierkennbar; ob die Notiz von ber Brücke, in der zeiten Half 
auf ad pontem Singae ber Tabol. Peuting. anzuwenden fei, ae 
auf die jet zerflörte, aber von Moltke wieder entvedie anik 
Prachtbrücke nahe ver Mündung des Gök fu, bleibt wegen be 
Unbeftimmihelt des Auspruds beim türkifchen Geographen zweiſe⸗ 
baft. Auch Ebn Haufal, 5?) ver von Balis den Cuphrat gege 
Norvden aufwärts fleigt, und nad) Menje (mol auch fein Jaſu 
Menje, die Stadt; ob vie nachherige Manbedj, d. i. Hierapell) 
. von der Wüfte Menje's fpricht, in Norden über Alntab Hinanl, 
in welcher man nur Regenwaſſer in Gebrauch Haben Fönne, un 
. dann wieder zuerſt den Strom Saiheh, über ven eine GStein⸗ 
brücde, genannt Kentereh Saiheh, führe, bie merfwärigße 
Brüde, fagt er, im ganzen Lande des Jolam. Jenſeit kennt er fein 
andre Stadt am Eupbrat (fo wenig wie PBtolemäus und vie Ta 
Peuting., norböftli von Arulis und Urema und ad pontem Se 
gae) bis nach Sumofata. 

Diefer Saiheh kann alfo wol fein anderer ale derſelbe Sia- 
ga dem Namen nach fein; der Brücke nach vielleicht ver Gele 
Vollſtändiger ift na Edriſi, der ebenfalls nad der Stadt Ma 
bedj oder Hierapolis, die ex als reiche Handelaſtadt rühmt, fag: 
won da nicht fehr fern fei Sinpja, 58) eine Fleine aber gut ie 
volkerte Stabt, in deren Nähe eine Brüde aus behauenen Glen 
ſehr kunſtreich und dauerhaft gebaut, weile Bräde Sindja feih 

und binfichtlich der Größe eine der größten fei, die man nur ja 
‚ Eine: denn fie habe Die ganze Breite des Cuphrates. 


’8%) Mannert, Geogr. d. Gr. u. Röm. Th. VI. 1. ©. 407. . 
6) Oriental geogr. by W. Ouseley. Br 4, 8. 92) Bin 
Geogr. ed. Jaubert, T. U. 139. 





" Euphraufgflem; Bir, Berl, 3 


Auch Hier it der Aushrud fo unbeflimmt, daß man nicht weiß, 
hat die Sindja⸗Brücke nur die Ausdehnung einer Cuphrat⸗Brücke, 
ober ging fie wirklich als Brüde über nen Cuphrat. Letzteres nimint 
Jaubert an, 'und dieſe Anficht würbe fcheinbar Durch eine An⸗ 
gabe auf Eol. CHesney’s Karte vom Cuphratlaufe beflätigt wer⸗ 


den, der nach Lieutn. Lynchs Recognoscirung des Euphrat im 


Jahr 1836 zwiſchen ver Mündung des Karaſu, etwas aufwärts, 
und einer dortigen Fähre, unterhalb des Dorfs Zekterij, durch 
eine punctirte Linie quer durch den Euphrat, einem ver⸗ 
muthlic ‚noch wahrnehmbaren Mauerreft einer alten Brüde ein» 
zeichnet, und dazu ſchreibt: Stone bridge over the stream, v. 1. 
Steinbräde über den Strom, von welcher jedoch Chesſsney 


. ſelbſt Feine weitere Nachricht gibt, fo wenig als die preußiſchen Offi⸗ 


uuuu. wo 


. 


ciere davon Nachricht geben. Fuͤr die Anficht, daß die bei Arabern 
fo berühmte Brüde aber über den Singas und nicht über den 
Euphrat, alfo über ven heutigen Kara fu ging, fpricht auch 
vie Angabe auf I. B. 2. 3. Rouſſeau's Karte von Syrien 
(Bari® 1825), auf welcher am Singas (Karafu) vie Belfchrift 
gegeben ift, daß der einzige Bogen ber Brüde über den un⸗ 


tern Singas (In einer Entfernung von etwa einigen Stunden . 


vom Euphrat gegen WE.) die große Weite von mehr ald 200 8. 
gehabt haben folle. — B.toird alfo in biefens erft kürzlich wieber 
entdeckten Gebiete für künftige Reiſe noch immer vieled von neuem 
zu buschforfchen fein. 


3) Bit (Bire), A Birat bei Abulfeda, Biradfilt der. 
Türken bei Niebuhr, Bexedſhik, vulgair Beledſhik. — 
Kalat Beda das Baftell. 


Bon Romkalah' ſchon eine Stunde abwärts, unterhalb des 
Kaffee Beg ) (Kefer beg auf Chesney's Karte) auf dem lin⸗ 
Een Ufer, beginnt dad Euphratthal fich etwas zu erweitern, obwol 
vas Ufer noch felflg bleibt, und faft denſelben Character beibehält 
558 zur Thalebene im Norden von Tel BalEis, die in ver Na⸗ 
tur ihrer Schiehtenbilpung derjenigen von Samojat glei if. Dis 
dahin gibt Chesney's Karte ven Selfenuferwänden, voll Srotten 
zu beiden Selten, eine relative Höhe von 250 8. über dem Eu⸗ 
phratiplegel. An ein paar Eleinen rechten Zubächen werben. die | 





#°) Ainsworth, Researches in Assyria p. 56. 


n_ 











N . 
\ 


948 -Weflsdlfien, II. Abtheilung. I. Mofnit. fit. 


Meninen cinet Caſtells Graum, und die eines Gchmißbegens da 
zeichnet; unmittelbar am Nordfuße. des Tel Balkis mit dem geile 


namigen Dorfe, ein Kreivefeld, der fih zur Lage eines vimiigen 


ober griechiſchen Tempels reiht elgnete, und vielleicht noch cin & 
teres Heiligehum De Bald war. Von dieſem Berge wendet ih 
ver Euphrat etwas gegen Süboft bis nach Bir; an ver Bub 
feite feines Ufers breitet fi eine niedere Ebene ans; vie Di 
feite wird von weißen, 150 F. hohen Kreinefelfen begleitet, de 


mit einem Lager von Kies und Erde überdectt, an einer ˖ Stelle ala 


auch mit gewaltigen Transportblöden von Kalkftein ũberſtrent Feb, 
deren Urfprung mit einer weiter außgebreiteten jüngern. Cuphen 
überfpwenmung In Berbinvung zu flehen ſcheint. Die Gtabt Bir, 
das Zeugma des Ptolemäus (V. 15. fol. 138, unter 72° Long 
37°Lat.), ſteht felbft auf einem ähnlichen Kreivefels, in wegen 
jedoch zweierlei Beſtandtheile zu unterfcheiven find. Der unter 
Theil beſteht aus weißer reiner Kreive mit Feuerſteinlagers is 
mächtigen Bänken; auf denen If das Eaftell von.Bir amt 
Der obere Theil If von dem unten Öfter durch blaue thecie 
Schichten geſchieden, und feigt meift ohne Feuerſteinſchichten, mb 
ohne Foſſile zu enthalten, in 200 bis 300 Buß hohen Maffen auf, 
iſt aber dagegen mit Eifenfteintnollen (Ximonit), meikt ie fie 
sengeftalt, erfüllt. Diefe eiſenreichen Lager ber Kreivchiak p 
gen fi vorzäglih In S.W. von Bort Willtam, wo die Daupf⸗ 
ſchiff⸗Exrpedition Ihre Station aufgefhlagen hatte, nämik um 


Weſtufer des Cuphrat, wo fi der Cuphrat in mehrere Urme ab 
ſchen vielen Infeln verteilt. Ihnen im S. W., auf der erſten maß 


Uferhöhe, erhebt fi ein Ziaret, d.i. dad Grab eines moslifge 
Ganctus, des Sheik Ibrahim, mit einher Fünfllichen Grotte, we ww 
ber jenen Minern auch mehrere Varietäten von reinen Gulyk- 
ten vorkommen, darunter zumal auch Bederalaun®) non Kine 
wosth genannt wird. Die, Kreidebänke Tiegen mei he 
zontal gefchichtet, oder mit fanfter Reigung von 5° Bis. 15 
gegen ven Horizont, und bilden fo dad Tafelland ober rundt 

Kuppen, die mit den Kegeln und tief eingefchnituen Thalern we 
leriſch contraſtiren. Diefe engen’ Thaleiuſchnitte bahnte ſich hi 
weichern Boden der Cuphratſtrom; wo die obern hartern Dagen M> 
Ien, da entflanden Kegel, runde Kuppen, Domgeflalten;. Kugıf m 
heftige Strömung, gerundete Borm wo geringere WWafferfyiie 











’0o) Ainsworth, Res. p: 87. 





Eurhratſoſtemz; Wir, Mberabfbil..." 946 


wirkſam war. Die. Strömung. war. an der Begrenzung gegen bie 
trotzende Dauer: der Plateauwand heftiger ald In der Mitte des Stroms; 
vaher die Wechſel und Contraſte der dadurch mobellirten Euphrat 
ufer, von Samofat an abwärts bis unterhalb Bir, fo weit die⸗ 
felbe gengnoftifche Befchaffenheit dieſelben daractert» 
Rifhen Formen in ven Bonfiguragignen.beroorrief: - Dies 
gelbe Tafellandſchaft ver Kreideluger breitet fich aber abwärts 
bis zur bene von Serujaud, wo ſie eine Unterbrechung durch bie 
—vlutoniſchen Maſſen erleidet. Die Glieder der die Kreideforma⸗ 
E tion überlagernden Gebirhöſchichten zeigen fi nur an einer 
E Stelle in der Nähe des Port William, nämlich, auf der Verghoͤhe 
3 am. rechten Ufer bed dort einmündenven Kleinen zechten Euphrat⸗ 
m zufluſſes, des Kerfin (Karazin auf Chesney's Karte; Kirfun _ 
tfhai, Im Sup des Schlachtfeldes von Nifib vorüberſtrömend, auf 
v. Moltke's Karte; Maundrell 6) nennt ihn Towzat), der vom ger 
w nannten. Ziaret gegen SD. abfließt. Es find Feuerſteinconglo⸗ 
zw merate mit großen. Kalffleintrummern durch Kalkcement verbunden, 
5’ welche vlel weiter abwärtd, am Sajur- over. Sapfhur-Fkuffe 
BD (MUND. von Hierapolis), eine viel größere Mäch tigkeit erreichen 
mw) und ganz fleile Uferwände und Succefſionen von Vorſprůngen am 
-s @upbrat gewinnen. 
w - Eine gute Stunde unterhalb jenes Ziaret, aber an ber Düfte 
u De Stroms, auf welcher Bir liegt, fangen auf ven dortigen Hü⸗ 
— gelkuppen die erften Spuren der dunkeln plutonifhen Geſtetne 
um an fich zu zeigen, welche Ninsworth einer jüngetn gewaltfanen 
—: (ruption folder Waffen zufirelbt, die er den. Seruj⸗oder Sa⸗ 
r + ru dſh⸗Erguß nennt, weil er das Genitun ihres Gerworbrechend: eine 
eu Tagereife oRwärts Bir in das ſchwarze Klippenland baſal⸗ 
m tiſcher Geſteine von Sarudſh (vd. i. Surug oder Anthe⸗ 
muſias, ſ. ob. S. 118) verlegte (ſ. unten). Unterhalb der Einmün⸗ 
dung des genannten: Kerfinfluſſes, aber etwa eine Stunde abwärts 
pavon, liegt in SD. ded Tell Jisrein (d. h. des Brücken⸗ 
Hügels), unmittelbar unter dem Dorfe Ketkujah, an einem öfls 
chen Borfprunge des rechten Enphratufers wie Stelle, welche von 
einer. felſigen Semmung im Strome Gurluck, d. h. Don ner ge⸗ 
td fe (Klara der Araber), 6?) genannt wird, die hiermehrere Wire 
Het im Strome bildet. Die Waſſer werben in. jener Beiömafie des 


W. 


nm 
is 


[1 Fry 


| — 
ter) H. Maundreil, "Journey from Aleppo to Jerusalem. 1697. Ox- 
ford 1740. 8. Acc. etc. p.155. %) Ainswortli, Research. in 


- Altıyria. p 
Ritter Gröfunde X. Dan 





"946 Wefl:Mfien. II. Abtheitung. L. Möfduitt, (A. 


Slufteins voll GHählenbilsungen zu Ruͤcklaufen gendthigt, vie wege 
ihrer Pielichnelligkeit für kleinere Boote ſelbſt gefährlich ins. m 
Dftufer in demſelben Parallel ed Gurluk, nahe dem Dorfe Ze⸗ 
heareh und dem Kegelberge Tell Adrah, find Die harten Knie 
banke des Plateaulandes mit ſchwarzen Bafalten bedeckt; Kia 
Zehereh aber mit weichen Kreideſchichten, und eben fo vom Tell 
Adrah bis zum ſüdlichern Cuphratvorgebirge Moghar (mi 
Tell Mezora ever Adarah der Karte). 

Gleich unmittelbar abwärts dieſes Stromwirbels Tiegen auf ie 
weſilichen Uferſeite nahe dem Dorfe Jerabolus alte Ruinen, ie, 
ver Lage nach zu urtheilen, dem antilen Curopus des Pie 
angehörm (Ptol. V. 15. fol. 138: 72° Long. 36 50’ Lat.) Sie 
exweltert fich mehr. abwärts um vie Münvung des Sajur m 
SGadſfhur tſhai das Euphratthal bedeutend zu einer Culturcben 
‚in weicher vie größten Flußinſeln im Strome Tlegen, an derm ih 
ter, der Sudſpitze gegenüber, die Klippen von Sarifat, mit dem 
 alddmamigen Dorfe auf der Höhe, In kühnem - Borgebige wm 
Weſtufer in den Fluß vorſpringen. Es beflcht aus weiße Kur, 
. und hat große Höhlungen und Grotten, bie zn Troglerrucnch 
nungen verbunden find. Hier am Vorgebirge bemerkte Answer) 
eine griechiſche Infeription und eine liebliche Tpakfentung, au 
der ein Tleiner Strom fich über eine FJelbwand flürzt, die wen Re 
tur eine Circusgeſtalt hat, neben weicher an der Bergſeite Nie Hub 
non einer antiken Stadt legen, die Aind worth für Greif 
Bei Ptolem. (V. 15. fol. 138, unter 51° 56’ Long. unb 3 Wi 
Lat.) ober Geciliana der Tabul. Peut. hielt, die nah Ui 
nicht volle 10 Stunden (XXIV. M. pass.) von Siersyahl 
entfernt angegeben warb, uns eben fo weit entferut yon Zeugm 
(wel der fo genannten Stabt, von der aber noch eine Such 
zum Ufer des Cuphrat, alfo ber Cuphratbrũcke dem cigmile 





Beugma im der Tab. Peut. angegeben wir). Se wire 


terhalb. der Mündung des Ganfhus tſhai nad zu: biefen- Zielen 
Gecilia’s iſt der Lauf des Cuphrat direct gegen Sar; sa 
begimmt ex von neuem Bald ditlichen, bald 1 : Dei 
* * 8 unten weiter zu verfolgen haben Bon Teciue 
uinen kehren wir für jebe zur "Stadt Bir, ); 
Thal beherrſcht, zurüd. — Äh . 
Ben Bir gibt fon Tavernier einige nähere wel 
.® ned} qu feiner Belt der große Gauptäbergeang für Me fr 











SITE Karawane war, Wr ven Akeppo nad) Wahlen zu; 


\ 
— * ” 


Mu MIR A MM ı\. . . 


I 1 





BE | 


Egyyhratſyſtem; Bir, Biredſhit. 087 


fe ping über Bir und Orfa (Edeſſa). In 4 Tagemäcſchen kam 
der franzöfliche Hanveldinann‘ von Aleppo mit der großen Karawaue 
im März 1644 an dag Weſtufer des Euphrat, dem auf dem Di 
fer gegenüber Bir liegt. 9) Da die Waaren bei dem dainals 
noch ſtarken Karawanenverkehr nicht alle an einem Lage Horgen - 
ſchifft werden Eonnten, fo, war Hier ein fchönes Karawanferai erbaut, ' 
das gut gefchloffen und hinreichend geſichert war gegen etwaige 
nachiliche Ueberfälle zäuberifcher Beduinen. Man paſſirte em ‚müde 
Ken Tage ven Fluß in großen Fähren, und auf dem Oftufer wine 
ben bie Waaren verzollt: Die amphitheatraliſch 0%) am Menge 
hinaufgebaute Stadt wurde von der Karawane nicht Beireten, few ü 
Den auf einem ſehr schlechten Seitenwege umzogen, zu einem ‚alt 
dern Karawanferai am Fuße ved Berges, in welchem ſich auch Grotten 
zur Aufnahme ber Heifensen, wenn vie Karawane zu zahlreich war, 
Kefanden. Bon jeher Pferde⸗ ober Maultfier-Eabung waren 2 Bias 
Ser Zell, von jebem Proviantpferde 4 Piafter zu erlegen; bie Mein 
erde gingen frei durch. Die Stadt, bie ber Franzoſe Bir Her 
Sarhy geon ſchreibt, fand ex ſchlecht gebaut, ihren Bazar aber mit 
einem Ueberfluſſe von Lebenemitteln verfehen, wit trefflichen Brot, 
Bein, Obſt, Fiſchen. Das fchr alte Caftell, Halb fo laug als wie 
Stadt hinziehend, fand ex eng, unvertheidigt, zur mit einem Aura 
nach der Stromſeite und mit 8 bis 9 elenden Feldoſchlaugen verſo⸗ 
Gen. Auf ver hoͤchſten Höhe der Stadt war das Reſidenzſchloß bes 
Aga, ver ſich auch Paſcha titulicen Heß, und etwa 400 Spahis unk 
200 .Yanitidyaren commanbirte. In 2 Tagemaͤrſchen ging He Ks 
zamane von va über Eehmis am Cuphrat, die türfifge Ber⸗ 
Rümmelung von Beugma (Iſhaſhmeh n. Jaubert) und über 
Aſharmely nah Orfa. 

Sue Jahre 1699 ©) hat der Kaplan GH. Maundrell von 
Aleppo aus feinen Weg über Hlerapolis und Jerabolus, alſo vom 
Güren her, nach Bir zurüdgelegt; er Hat zuerſt bie Breite des 
Ortes unter 37° 10’ beftimurt, was von Niebuhrs Breitenbeſtim⸗ 
mung freilich um nicht weniger al6 um 43 Minuten abweit: Da⸗ 
mals wurbe der Cuphrat zum Transport vieles Korns benutzt, das 
vom Paſcha von Orfa auf zahlreichen Booten von hier nah Bagz⸗ 

dad abwaͤrte verſchickt wurde. An Booten war damals uf vo 





105) J. B. Tavernier, Voy., ed. à la. Haye 1718. 8. T.L p. 496, 
800, vergl. auch Jaubert Not. in Edrisi Ge£ogr. II. pag. 133. 
*58 die Auſicht von Dir, Zeichnung b. Buckingham, rav.p. 25. 

Maundrell Journ. 1. c. p.185. 


Do 2 


L 








gaB WepbsMien. MIL-Abtgeihng. 4. Abſchnitt. 4. 


Cuphrai rein Mangel; aber ſie waren fo ſchlecht, wie ſie ned heat 
find. Maundrell beſuchte dad Caſtell auf Der Höhe eines gie 
Gen Felſen, der vurch einen tiefen Spalt vom Feflland getrennt wer. 


‚Die Shore waren von Eifen; daß fie in eifetnen Arm ſich wi 


ten, bemerkt auch Buckingham. Es ſtanden da einige Metallze 
fchüge, plumpe Rader mit eifernen-Aren: verbunden, Maſchinen, m 
Bogen: zu ſpannen, und am Boden fah man viele bis 20 Zoll im 
Diameter baltende Steinfugeln zum Schleudern Tiegen. Ein in SM 
gehauener Wer führte ſchräg zum Caſtell hinauf, eim under = 
teeiebifcher führte zum Euphratufer hinab. In der Rüftfeeme 
des Schlofies fah man große Pfeile mit angebundenen @lasflafden, 
die, mit Pulver oder Naphtha gefüllt, beim Abſchleßen zum Jr 
vplatzen unter dem Feinde bienen follten. Man fah allerlei Rate 
nerte zu. Belagerungen dert vorrätig, große zömifche Cättdl zu 


coloſfale Pickelhauben, gewaltige Riemen: zu Schleudern und ann 


dergleichen Waffen mehr, an deren genauerer Betrachtung az # 
Hoch durch dis Saloufle ver türkifchen Führer gebinvert wurde. & 
nige. Bäche flirgen von der. Plateauhöhe die Bergſeite zur Get 
gegen den Cuphrat hinab, und trieben nichrere Mühlen. Iu ie 
sine Selewand war ein Khan unterirdiſch cingehauen, in be 


. Bämmen man 15 mächtige Pfeiler fichen Heß, vie Decke zu trage. 


Diiefelbe. große Höhle mit ſtehenden Säulen :viente im. I. 107. 
Bukinghams Zeit zu einem Viehſtalle. Ueberhaupt ifk dad up 
Seloufer am Cuphrat vol Höhlen, die zum Theil wol zu Suſ— 
brächen bei andern Bauten dienten, dann aber als Wohnuntzen 
ölteften Seit benutzt werden mochten, wozu ſie nach: heute im Gehen 
fine. Von Wir zeiiete Maundrell nach Aintab und Aleppo zack 

Dtter ©) paffirte im I. 1737 auch) von. Aleppo übe ir 
kab und Mezar, das nad, ihm noch 6 Stunnen vom Gupfesi mr 
fewmt liegt, deu Cuphrat bei Bir, bad er Bire uns Bireib 
gik ſchreibt. Er ſchätzte bei der Ueberfahrt wie damalige Breite 6 
Stroms auf 200 Schritt, die aber bei Wafferanfchwellung 6 
500 und 600 Schritt.wachfe, wo dann die Ebene am reiten. 


! 


unter Waſſer geſetzt werde. Die Stadt Bir am Oftufer famle 
nur klein; das unmnauerte Caſtell, fagte man, folle von Mlczauer 


dem Großen erbaut fein. Noch hörte er von drei andern Caſtckec 


‚die in der Nähe lägen, nämliy von Kalai Rum im NW. (meh 


ihm irrig gegen Wy, Souroudje im N.O. (es ſoll Sacuſi 





- 


vo.) "Otter, Yoy. Up 101: . 





tiefer Tiegende Stabt, die aber auch in den behauenen Fels binde 
gebaut If, deſſen an fich weiches Geſtein, ſobald es nur der Luft 
‚ amögefegt wird, wie ber Malthaſtein erhärtete. Faſt jaͤhrlich durch 
Erdbeben heimgeſucht, iſt e8 auf ſolchem Boden, auf dem bie Stabt 
Rumkalah fleht, ſchwer zu fagen, wo ver Fels aufhörte und bie 
‚ Menfihenarbeit anfange. Zunädhft, iſt die Bergzunge, vie auf ber 
. einm Seite vom Cuphrat, auf zwei andern von ber tiefen Kluft 

. bes Marfifan (Marsyas 6. Plin.) umfchloffen if, ‘40 bis 100 &, 

f E od ſenkrecht abgefchnitten. Auf biefer Wand erheben fi »ie 
Mauern aus demſelben weißlichen Kreide⸗ oder Kalfgeftein an 60 8. 

r " hoch mit Binnen und Thürmen. Durch 6 Thore Kintereinander 
windet ſich der einzige Aufgang, um zu etwa 40 Häufern zu ges 
langen; alles andere find Trümmerhaufen. Das Ganze fieht aus, 

* fagt v. Moltke, wie ein beſonders fagonnicter Felt, wie man ſich 
" ein. großes Stüd Kreide etwa zufchneiden könnte. Die Geſchichte 
von Rumkalah zu Tonnen müfte intereffant fein. In fpäterer Zeit 
war es der Sig armenifcher Priefler, vie Hier ein prächtiges Klofter 
gründeten; bie Zerftörungswuth Hat davon nicht alle mächtigen 
Quadern ganz umwerfen Finnen. Mur die fchön ausgehauenen 
zömifhen Adler find zum Theil abgekratzt, und die großen Säu⸗ 
fen mit zeichen Gapitälen Tiegen am Boden. Späterhin bemächtigte 
fih ein Dereb Bey (f. ob. ©. 782) des Schloſſes; ein Kurbene 
fürft verbrängte Ihn; Baba Paſcha vertrieb dieſen. Dann be⸗ 
ſchoß Mehmed All's Sohn, Ibrahim Paſcha, der Syrer, bie 
Feſtung, und fo zerfiel alles in Trümmer. Nur die ſtattlichen 
Mauern und ber gewaltige Fels ſtehen noch Heute, wie ihn bie Rd⸗ 
mer fahen. Ein Brunnen der AUrmenier, 200 Buß tief, iſt Ihrer 
zömifegen Dorgänger würdig; er iſt weit genug, daß eine in ben 
Fels gehauene Wenveltreppe In ihm fich bis auf das Niveau des 
Guphrat Hinabwinvet, auf der Maulthiere das Waſſer Hinauftragen. 
Die vierte Seite des Schloſſes iſt vie gefährliche; bier (nämlich ges 
gen Süd, nach Pocode) hängt ber Feld mit einem Plateau zus 
fammen, daß ihn nahe uͤberhöhet. Won diefem hat man ſes durch 
einen 80 Fuß tief eingehauenen Graben Eünftlich getrennt Nah 
Bocode +) fol. es vie Abficht gewefen fein, dieſen Graben fo fehr 
zu vertiefen, daß die Wafler des Marfifan hineingeleitet die Feſtung 

* einer Inſel gemacht haben würden. Wollte man Rumkalah 
zu einer wirklichen deſtune machen, fo müßte man nothwendig of 


LEDER - Gun Sen 





0), Vocode, Veſchr. 0. a. O. II. © 220. 








936 weht. IL eibchellung. I. Abſchnitt. 1.01. 


.eſes Vlatten hinauf, vas nur an wenigen Puncten erficigher I. 
Dis alte Römer-Eaftell hat aber heutzutag, im ber ummp 
ſamen Wüte, nicht mehr wis ehedem bie ſtrategiſche Brbentung dem | 
Weſte, und gegen gewaltfamen Angriff If es, ſelbſt im feinem m | 
fallenen Zuftande, vollkommen geſichert. Die Beichiehung kam m | 
wenig fchaten, da alle Käufer zum Theil, ober ganz, im ben Fl 
gehoͤhlt find. — So weit durch v. Moltke die erſte umfimigen | 
Schilderung dieſes Ortes, der früher, ſeiner Natur nad, faſt unfe 
kannt geblieben war, weil keine größere Karawanenſtraße hindurh 
ging. Nur R. Pococke hatte denſelben Ort ſchon im Jahre M 
beſucht, als er von Aleppo über Aintab nah Urfa zu Rum 
Talah Aber ven Euphrat na) Mefopotamien hinüber fepte, mh 
auf dein Rückwege bald darauf etwas weiter abwärts über Br 
. na Syrien zurückkehrte. Er fagt, ver Aufgang zu der Feſte,) 
De damals zum Gefängniß für türkiſche Gtantögefangene bien, 
feige von Welt Her auf 4 übereinander in Fels gehauenen Terraffın 
empor, deren jede ein Eingangsthor habe, davon ein paar Deyprk 
thore fein. — Mon einer zur andern führen in Wels gehenem 
Stufen zur Höhe des Caſtells Hinauf, in dem 2 Kirchen ſuhen 
Die niedrigſte ſchien die Altefte zu fein; fle Hatte drei Schiſſt, c 
war wol griech iſcher Bauart, aus ver Zeit, da byzantisifge 
Kaiſer die Stadt beherrſchten. Auf der größten Göße fefes 
prächtige Bauwerke, darunter auch eine, wiewol Pleine, aber yet 
volle Kirche. Im gothifchen Styl. Site warb an gewiffen Tagen won 
den benachbarten Ebriften Häufig befucht, und ihr Name Dar Ras 
fite zeigte wol, daß fle zu einem Kofler (Deir, wie oben 6.851) 
gehörte, wahrfcheinlich zur Zeit, da armenifhe Patriarden 
bier ihren Sig Gatten. Die Kirche iſt faſt Im Viereck gut, 
beiden Selten des hohen Altars iſt eine Kapelle; der Aufgang pe 
Kirche hat eine Treppe mit 8 Stufen, zu beiden Seiten mit Sue 
plägen, und unten an diefen Stufen flanden noch zu Berndi't 
Zeit zwei große achteckige Pfeiler mit gothifchen Gapklakn. 2m 
tiefe Brunnen war zu feiner Zeit mit großen Steinen * 
doch follten fi, bei niederm Waſſerſtande des Cup 
dem Brunnen mehrere verborgene Zugänge zu dem © 
den laſſen. Dem Gaftelfelfen. gibt Bocode einen 
halben Meile; die Mauer, welche vie ſenkrecht behamene 
gegen NO. und Süd Eröne, beſtehe, fagt er, aus roh 


J 
4 


In 


il 





TR, Vococke, Veſcht. a. a D. IL ©. 220, 





Euphsatfoflem; Bir, Viredfbi, : 058 


. nur 214 Schritt Breite ein, war aber 9 bis 10. Fuß Hief, und follte 
au bis 12 Fuß abſinken. Auf aufgeblaſenen Hammelſchläuchen 
geſchieht Hier fortwaͤhrend, wie überall auf deni Cuphrut, der Ein⸗ 
zelnen Ueberfahrt. Als Nocode ven Euphrat vetließ, fragte er, 
ob nicht vieleicht ein Ort des alten Namens Zeugma (Brüde) au 
Euphrat liege; fogleich erhielt er vie Antwort, daß etwa 12 Mel 
ken oberhalb Bir ein Ort Liege, ver Zima 72) Heiße, bei dem man 
bei niedrigem Waſſerſtande im Euphrat zu beiven Mferfelten Xrä:me 
mer von Mauern, vieleicht einer Brüde, ſähe. Auf ſolch⸗ 
Ausſagen der Drientalen, mit denen fie fo ſchnell bei der San) 
find, zu vertrauen, würde ohne weitere Prüfung ſehr leichtglaͤubig 
fein. Dem Pocode haben viele nacdhgefprochen, aber Niemand bat 
dieſes Zima aufgefucht; ſollte eine Kocalliät ber Art: fi; vorfinben, 
ſo wäre es vieleicht das Gechmis bei Tavernier ober die oben au⸗ 
geführte Faͤhrſtelle zwiſchen Rumkalah und dem Dorfe —5* 
bei welcher Lieutn. Lynch in feiner Flußaufnahme beiſchrieb: Sto- 
hebridge over the Euphrates. 

Dusch C. Niebuhr, der auch von Orfa aus nach Bir: Iam, 
DaB er zuerft mit dem türfishen Namen Bir anfjit (Brun« 
nen⸗Thal?) belegt, wurde bie aftronomifche Breite des Drked 
yurch Beobachtung auf 36° 59 N.Br. fefigeflellt, 7°) die Lage des 
Dorfes Halekoi auf dem Weflufer des Cuphrat nach der Ueberfahrt 
anf 36° 57' NBr. Auf nem Hügel am Oftufer des Cuphrat, zu 
wen man über ſehr monotones, welliges, wüfled Land, nur vom vie⸗ 
en Gelern und Falken überſchwebt, aber ofme Grün, ohne Baum 
und Strauch, gelangt, von welchem ſich einige Kleine Bäche zum 
Gaupifirome hinabſtürzen, fagt Niebuhr: in der noͤrdlichen 
Ede ver Stadt Liege jenes Caſtell auf einer fleilen Anhöhe, bie gang 
wit behauenen Steinen bekleidet iſt, deren Eden abgehauen wurden, 
wie an dem Dache der Bekleidung ber zweiten Pyramlide bei Ka⸗ 
hira, wodurch dad Hinaufklettern am Hügel ganz unmboglich ges 
macht worben. Deshalb galt einft das Caſtell, wie Ab ulfeda fagke, 
für uniberwindlih. Zu Niebuhrs Zeit (im I. 1766) war allıd 
verfallen; der Kreiveflein, aus dem Gaflell wie Stadt erbaut find, 
hatte aber fein glänzendes Weiß erhalten, das zumal bei zurüd« 
prallendem Sonnenſchein ſehr blendend und durch Staub bei Win⸗ 





18) R. Pococke a. a. O. I. S. 228. °*) C. niebuhr, Reijebefät. 
— * S. 3353 Buckingham , Trav. in Mesopotamia. 











088 —ER TIL. Abteilung. I. Abſqnitt. (41. 


lijchen Namen der Fall iſt. Der Tleine Fluß, bes die Stadt uufyält, 
wird bei Armeniern Barzeman genannt, es iſt der Marfifes, 
ven Abulfeva Marzeban nennt Am berühmteſten wire bie 
Guphratfefte dadurch, daß ver aus dem Arſacidiſchen 
ſchlechte ſtammende Patrtacch der Armenier Gregor UT. feine I» 
ſidenz von Dfo pt (ob Dosbb, einer Infel im Van⸗See, f. 06.6. 621 
u.Th. X. 785) nah Hrhomgla(ſ. o. &.621, 625) verlegte, zur Zack, 
da das armentifchectitcifche Königreich auf ver Weftfeite vos Su 
phrat in Blüthe war (f. 06. S. 613). Gregor Ill. kaufte die Stabt m 
damaligen Befiter, dom Sohne des Franken Ioscelin, des Graf 
son Edeſſa, ab. Vom Jahre 1446 bis 1293 blieb fie die Reſi⸗ 
denz %) dieſer Patrlarchen aus altem Fürſtengeſchlechte, bü 
der dreizehnte, ver lebte dieſer Reiihe, Stephan IV., ad & 
fangener (im Jahr 1293) von den ägyptifihen Gultanen an Im 
RU abgeführt und zu gleicher Zeit die Stadt der Gerridaft de 
Armenier entziffen warb, und unter bie Gewalt ber Guliane lan 
Sie in Schomgla ober Rumkala murben hie Grabkiie 
eb Patriarchen Gregorslli. und feined Bruders, bes Dawlankıs 
Nerfes IV., Klatetft genannt, des armeniſchen Dichters, nel 
Bartans??) Angabe verehrte. Aus viefer Zeit flanımen alfe wei 
auch. die Ruinen armeniſcher Kirchen unb ber Klofterardhiiektur nf 
vleſem Caſtell her, wis fo wiele im der weiten Lmgegenb, in weder 
damals Armenier fo weit am Euphrat hinauf, bie Berger (f & 
S. 871), herrſchend waten. In biefer Belt waren auch Armınist 
Bir Gommandanten“) nisfex Burg am Gupbrat, wie in ie 
Periode der Kreuzfahrer, wo im I. 1190, zu Sultan Salaıins wi 
Kaifer Friedrichs Zeit, der Prinz Bar Gregorios, ein Sohe ii 
Baſil ius, als folder genamum wird. Begreiflich If es, wie in 
dieſer Zeit” fich bie —— Bevdllerung au über die 
Landfchaften des nörblichen Syriens verbreitet haben muß, ms 
ver überall fo ſehr viele Architekturrefie in jenen Guphraigegeubens 
bis heute vorkommen. Hundert Jahr fpäter, im Jahr 1291, we 
das Rumkalah noch im Beſitz der armeniſchen Könige. AU Is 
ägyptiie Sultan ver Mameluden Malekh al Aſhraf , 
naunt Khalil Selaheddin, Im ſolgenden Jahre feinen Selm 
gegen Rtolemaid machte, und dann über ben Libanon nach Gauch 


ur eben. I. p. 42-443, wo ihre Succeffion chronologiſh vr 
—* “u. not. 128. ui * Denn es ra. ** 
| d. Diner wu 1 ea IV. €. 179. 


u 





Ks Euphratſyftem; Bi, Biredſhik. 958 


des Nilmafferd viefen ſchnellen Niederſchlag keineswegs wahrnehmen 
Tann. Die Prahmen zur Ueberfahrt fand Niebuhr Hier beſſer 
als die am Tigris, denn es brauchten den Saumroſſen bei dem 
Trausport in der Fähre die Ladungen richt einmal abgeſchnallt zu 
werden. 


Der Khan an der Weſtſeite der ueberfahrt nach Bir: "bes 


ſteht, wie zu Taverniers Zeit, fo noch Heute; von ihm aus machte 
Buckingham feine Ueberfahrt In. 6 großen Fahrbooten, dle 40 Fuß 


Jang, 10 Fuß breit, 2 Fuß hoch waren, und je 2 Tonnen Laſt tra⸗ 
gen Tonnten, aber durch die 8 bis 10 Paſſagiere nebft. 4 Kameelen; 
4 Eieln, sin paar Pferden ſchon ſo überladen warm, um von 4 
Bootsmännern und 2 Jungen nicht ohne Gefahr His zum Zollhauſe 
hinübergebracht zu werben, wodurch ein Aufenthalt von einem ganzen 
Tage veranlaft wurde. Andere Schiffahrt den. Strom auf ober ab 
beſtand zu dieſer "Zeit nicht wegen der: Unſicherhen der Ufer durch 
die Raubhorden der Beduinen. 

Diele Stadt Bir, gegenwärtig gewohnlich Bir adfhit oder 
vulgair Beledſhik genannt, Kat als erſte Station ver Dampf- 
fHiffahri- Erpevition anf: dem Euphrat unter Colonel 
Ghesney in dem gegenüberliegenven: Port William und durch 
das Lager des Türkenheeres unter Hafisz Pafcha in ihrer Näpe, 
bei Niſib, wie durch die dort erfolgte Schlacht ‚gegen Mehemed 
Ah von Aegypten, an welthiſtotiſchem Intereſſe gewonnen, da fie. 
vordem nur als die große Zeugma bed Alterthums bekannt 
war. Ihre Lage iſt allerdings von Natur eine wichtigere Localität 
als nie von Rumkalah: denn Hier tritt der Euphrat zuerſt aus ber 
engen Klauſe feines fteilen Bergwände hervor, und bleibt von’ nun 
an 618 zu feiner Mündung in einer Ebene, die mehr ober weniger 
ſich ausbreitet, und bis zu feiner Meeresmündung das unabfehbare 
berühmte Blachfeld von Irak Arasi bilde. Ven'nun an wir 
er erſt ſchiffbar als ein großes ununterbrochenes Stromfyſtem für 
vie Verbindung it dem Ocean; dadurch dürfte Bir In einem fol⸗ 
genden Jahrhundert noch eine andere welthiſtorifche Bebeutung er⸗ 
rungen haben als in der Gegenwart. Rod) ſtehen einige!: Ruinen 
von den Häufern, die Colonel Chesney zu Port William am 
rechten Flußufer zur Ausrüſtung ver beiden erſten Dampfſchiffe auf 


dem Cuphrat und Tigris erbaute, und noch hörte v. Moltte 7) 


dort an Ort und Stelle die Türken mit Grfaunen \ von dem Staur 
— — | 


27) v. Motte, Briefe a. a. O. S. 226ss. ae 


940 Weflsdiieu. TIL Attheilmg. I. Abſchaitt. 4.41. 


dem Auftreten ver Araber in Syrien, alfo nicht vor dem Cube 
des 7. Sahrhunderts in Gebrauch gekemmen fein Finnen. Dei 
fipeinen die Ruinonrefte ein höheres Alter zu fordern. Gehe 
wir und nun nad Namen um, die eine ältere Start in jur 
Kocalttät bezeichnen, fo find es nur wenige, bie darauf Anfprüde 
machen Finnen: etwa Reocaefarea, Urma giganti a 
Arulis. Neocaefaren blos wegen der Verbindung, in welcher 
diefer Ban in Cuphrateſia mit Jeugma (Bir) durch Procop 
geſetzt wird, weil wir Denfelben Ort ven gar feinem andern Aus 
genannt finden. Nachdem Procopius (de aedificiis Justin. IL 9. 
p: 235 ed Dind.) nämlidy von den Gtästen und Castris as im 
äußerftien Grenzen von Cuphrateſia und ihren Bauten gefpreden, 
nennt er, nach Hierapoliß gegen Norden zuräckkfehrenn, auch Zengms 
uub Neocaeſarea, das jonf unbekannt, uny ſagt, fie hätten um 
Mauern zum Schein gehabt, nievrig genug zum Lieberfpringen, j5 
eng und ohne Raum für die Vertheidiger; deshalb wurden fe ww 
Kaiſer Iuftinten mit gehörig flarken und hohen Mauern wuygm, 
und mit allem Upparate zur Veriheidigung verfehen, wodurch fe-af 
gu Städten erhoben wurden, wolche dem Feinde Trotz bieten Im 
ten. Aber norbiwärts von Zeugma konnte biefer Name ver Ri 
caeſarea Feiner paſſendern Feſtungaſtadt zukommen als Renlakh, 
das vieleicht eben Deshalb von Syrern, Arabern mer 
fern nur dad nme Schloß der Rum, wie bier übend de 
Byzantiner des griechiſchen Reiches heißen, genannt ward. 
Der Name Urma oder Urma giganti, das auf ber Monk 
von Cyrrhus nach Cdeſſa im Itinerar. Antonin. (ed. Wessel. p.1%0) 
als iventifch mit dem fonft unbefannten Ciliza angegeben wird, Bagt 
65. Weile (XXX. M. pass.) fern von Zeugma (Bir). IR a ie 
tisch mit dem Odprua, dem Urema bei Piolemäus, unter 7Ies' 
Long., 37° 30' Lat., fo wäre e8 eine Uferflabt,, da Biokmisd 
- ausbrüdlich dieſes Urema an ven Euphrat ſetzt (Peol. V. 15 
fol. 138). Es würde in die Nähe der Mündung bes Ginget 
(Ziyyas 6. Ptol. ebend.) zu Tiegen Eommen, ba viefer unter 72°-L. 
37° 20‘ Lat. zum Cuphrat füllt. Freilich etwas zu weit nö, 
um das heutige Roinkalah zu fein, deſſen vulgair⸗armeniſcher Auge 
Ur hum vielleicht nur eine zufällige Lautverwandtſchaft haben umg 
Der ſonſt unbekannte Ort Urema muß indeß von einiger Bei 
tung geweſen fein, da der Kirchenvater Sorrates, HI. 25, na d. 
Iar, °?) von einem Abraham, Urimorum Episcopus, ſpricht 





78%) Cellariun Not, orb, anlianı IL. ARR. 





Enphratſhſtem; Bir, Ghredfhit, 7.958 
verfchlenner Hd He, nämlich einer öftlichen Höhern und einer weſt⸗ 


lichen niedern, bie beide aber worherrfchenn ebene Vlateau⸗ 


| 


— wu gguunau um 


rücken darbleten. Aleppo liegt in der Witte viefer Scheidung 
wo die dftlihe Höhere Plateauſtufe in einer mittlern abſoluten 
Erhebung von etwa 1200 %. vom Steilufer der Weſtſeite ded Eu⸗ 
phrat3 an, und nur von wenigen Kuppen unterbrochen, gegen Weſt 
bis zum plöglichen Abfall in das tiefere Thal des Aleppofluſſes 
( Chalus) fortzieht. Won Aleppo an weftwärts bleibt die gerin» 
gere Höhe der weſtlichen Plateauftufe bid zum Oronteß-Finfchnitt 
und zum Meeresufer bei Suedia in einer mittleren abfoluten Er⸗ 
hebung von etwa nur 500 bid 600 F. über dem Deere, alſo halb 
ſo hoch als jene. 

Der Hefe Einſchnitt des Cuphratthales mit feinem Fluß⸗ 
fpiegel beträgt beinahe die Hälfte der abfolnten Höhe jener oſt⸗ 
lichen Plateauftufe, nämlih nah Murphy und Thompfons 
Nivdlement vom Mittelmeere bis Bis, noch 580 Fuß Par. 
(6264 3. engl.) über dem Meere; und bies iſt von da an dad - 
ganze Sefälle des Eupbratlaufs bis zum Perfergolf. 9) 

Dftwärts von dieſem Guphrateinfchnitt iſt uns bie abſolute | 
Göhe der dort fortziehenden Landſchaft nicht bekannt, daß es aber 


‚ auch eine Plateaubildung iſt, zeigt ihr Auffteigen am dfllicden Lifer 


des Euphrat und das Verharren des Meifenden auf dem bort nur 
welligen Boden, über Drfa und Niſibis bis Moful Im offenen 
Blachfeld. Durch viefes zieht daher eine wenn ſchon wegen ber 
Befdung mit ſchwarzen Streufteinen und bafaltifchen Rollblocken 
zur enge und fehr fchlerhte, aber doch fahrbare 9) Straße, nämlich 
Durch die Steinwüfte von Orfa und Nifibin zum Tigris, welche, bie 
einzige zum aſſyriſchen und babyloniſchen Binnenlande, ven großen 
Durchzug der Handelskarawanen wie ber Kriegäheere und der Er⸗ 
oberer von jeher bedingen mußte. In biefem Lande der Paffage 
vom Sinus Issicus bis zum aſſyriſchen Tigris bei Ninive und bie 
Babylon, nimmt nun Bir oder Biredſhik eine ver allerwichtigften 
Stellen ein, weil file vie bequemfte fowol zum Uebergange ber 
Landkarawanen über den Cuphrat barbieist, ald auch weil fie als 
ber erfie Cuphrathafen zur t Stromſchiſahet abwärts zu be⸗ 
trachten iſt. 





‘7®) Colon. Chesney Msc.; Ainswortt, R Ren, in Assyria L.o p- 100, 
%) v. Moltle, Briefe a. a. O. ©: 226 





56. Wefi:Mien; M. Arheifunger X. Mk. {AL. 


So wichtig nun dieſe Weltftellung zum DOriente, wei 
dieſer Localitat, bei, einem zur Civiliſation herangereiftern friekh⸗ 
chern guſtande ves Orients, im Lande ber großen Pajigge 1 
is Porderaſien dereinft eine Hauptrolle im Verkehr ver Bölker ju 
figern wird, eben fo. eigenthümlich ift biefe topiihe Lage, we 
v. Molike bemerkt. 

Auf dem linken Ufer iſt die Stabt am Abhange und am druje 
mehraer ‚Hügel erbaut, die fich Hier sujommengruppiren; eine gu 
Mauer, mit Ihürmen flanfirt, umläuft ven Ort, aber. in ber iz 
der-Stadt und, zugleich wicht am Flußufer erhebt fich ein ifelicks 
Feltzkegel an 180 Buß, über ven Spiegel, der mit. Dem außerorden 
lichſten Bauwerke gekront iſt, das man nur fehen kann. Die mein 
Befeftigung beftand, nach v. Molike's Anſicht, aus einem von Mer: 
ſcenhänden aufgeworfnen länglich runden Berge, auf web 
chem dann die Burg over daß Gaftel erbaut ward. Solche Faß 
liche Berge (mie der zu Superek S. 876, zu Samofat S. 878 wie) 
finden. fid) In Syrien zu Hunderten und ſelbſt neben unzäpligen Diem 
Die Lage aller Wohnorte ift durch ſie firist, und durch das Daſr 
eines Brunnend oder einer Duelle bedingt, und auch burd dam 
folgen Tumulus bezeichnet. Sie find zuweilen von Rieſengtiß 
wie der zu Samofat, der nad v. Moltfe 100 Fuß hoch, MO 
Schriti lang, 100 Schritt breit iſt. Die Abhänge wurden mit be 
hauenen Steinen bepflaftert oder unter Winkeln von etma 75° uf 
gemauert, und fo ein fünftficher Fels erzeugt, deſſen fehräge Werk 
z. B. zu Süverek 80 F. Hoch aus foh qhwarzen Bafaitkeinie 
befteht, oder eim fehon vorhanpner Berg, wie 3. B. beim Gafel 
EHoris, wird in diefer Art nur fortgefegt. So nun auch Wehr 
Feſtungsberg zu Bir oder Beledſhik, ver bei ven Türken Kalıt 
Bepd, d. i. Schloß des Beda, ) genanut wire. Sn Diem 
aufen hinter jener äußern Bekleldung gewoölbte Schießſcharten m 

er. Das eigentliche Schloß Beda beſteht aus drei oder fogar wer 
Btagen von Gemölben der coloffalften Art. Es bedurfte ſechs Hell 
ger Erdbeben, die es heimgefucht Haben follen, unr ſolche Steinblode 
auseinander zu reißen. Doch ſteht daß meiſte och unerfchüttert we; 
ein wahres Labyrinth. Eine ſchöne Hohe Kirche, Acht bh Meer 
ſoleum eines türkijchen Sanctus mit datan ſtoßenden Gemäcers M 
noch erhalten. Andre Räume find verfchüttet. Ein Brunnen, meh 


rere hundert Fuß ef, halt noch Waſſer; er ei in einem Orr 





» — " 


es), Meltke, Briefe a. a. O. ©. 228 . PX 7 





tn. Euphlatſhſtem;· Bir) Bitebſhil Apr 


ur Ber Nordfeite; vet Aufgang in ihm iſt durch den Wellen’ ſelbſt 

»gtfäßtt. © In- einem“ anbern Gewolbe fand v. Moltke zwei menſth⸗ 
: He Figuren-in dehoſſaler Große abgebilvet, und eine per⸗ 
"Kippe Infcriptibn (od. Wehlevl vder Keilſchrift?); möchte fle doch 
uchher unterſucht wWerden Wie Ruine von Kalai Beda ift, wie 

waſteht, Völlig ſturtifrei uncinnehmbar ſagt v. Mottke; es iſt eine 
WO: ihhohe Feldwand auf der eine: 60 bis 80 F Mauer 
ab Feldblocken ſteht. Was das anhaltendſte Breſcheſchleßen niit 
vermag, hat das Erdbeben gethan. Ein an himdert Kup Tariges 
Stck ver aͤußern Bekletdungomauer iſt von oben den Berg heruntet 
geſtürzt; aber die Gewölbe dahinter ſtehen unerſchüttert, amd dad 
Schloß iſt unerſteiglich i nach wie nor. — Die Eindde im‘ -Often 
son Bir auf · dem Karawanenwege von ba Aber Vharmelyk (I ſham· 
Ever Karte) nach Drfa; den auch Tavernier, Oater,“ Bul 
; Einghäm:mb Rndere zuvücklegten, fand’: "DroTtke 8%) vefruge 
' ach Dem arten Tageniarfch von Wir gegen of, ſcigt er, Abernacht 
ntener in einem’ Doͤrfe kigner Art. Yin’ ganzen’ obern Thelle von 
Meſoporamim, der Stetninifte;"fehe: malt keinen!: Want; Münch 
Muſch, Wicht fo viel um! ein Schwefelholz davon zu mathen; ja’ 
andy; nicht Etde pri Ach “auch” har Wrashahtie zu’ treiben. 
Menſchenwohnungen find daher in ven weichen Sandſtein eingehögtd 
fle Uegen auf ven: Spitzen der Hügel, wo der Sanpflen zu’ Ahge 
fleht⸗ Well aber: inne Eten⸗ koin BEL: hetvorttitt; Furore 
große Kuntiſtũc worl an Dach herzuſtellen.! a’ fha ureiy 
¶(Khan Tſharmelektb. Duckinghatn) hatte min ffch damit heholfeuit 
vaß .man aus Stein’ und Lehm eine Art Kuppel wrolbie verei 
das Dotf. hunderte dergleichen aneinander: gereihte · Backöfen” achte 
wo jede Wohnung aus mehrern Domen: biefer- Art hefländ; von 
denen. einer das Harem/ ein anderer dad Selamlik vver Eitpfürige 
zimmer, din dritter Ser. Stall: u. ſ. w. wat: Das Bauer“ wurre 
aus Kamectniſt und ver" Wurzeln der Siirltngerflange angejtind 
bet. So mußte man ji behelfen. — 

MNoch iſt tl: Bezichung anf dieſes Bir der Getgenwart ˖ 1:00 
Mugbe m83) Bemerkung im Jahr 1827 beachtenswerth, ber fagt, 
die Sprache in Bir: ſet rarklſch, die mäften der Bewöhner verflänu 
den nicht einmal arabiſch; die Kleidung fei wie in Aleppo, unv 
man ſehe hier ſehr viele Sherifs mit grünen Turbanen, vbelanni 
uch ein Abzeichen due, ‚bie a Abtommlinge des Propheten. "u 


22).v. Moltte, Briefe ei... D ©: 239; ' m ES —e 
Trav. in Mesopotamia Il. c. p. 37. 


TER ARE 








Pr; * 


1 
‘ 
s 





a Wei. VMbcheilung. L Abſcmitt. Cai. 


ſcha uag der: Kümpfe des Qrientsmn uad Decidents‘ war, de 
großeiſtrabegiſche Linie, an der ſich alle Thaten ‚und Kräfte glei 
ſam ſpalten und brechen mußten, um zu verſinken ober zu großen Crebe 
ringen foxtzuſchreiten, jo mußte fie auch zum Gegenſtande ter verſchie 
denſten Deutuggen der älteren, und neueren. Erflärer werben, zumal ie 
Stellen, bei ben Autoren der Kriegs gefhichten Alerantert, 
Eenophuns und der Seleuciden, wie der Römer: und Parther 
kriege, der Byzantiner uud Saffaniden, oder der Griechen m 
Kranken in dem Mittelalter der Kreuzzüge, in ihren fortwährender 
Fehden am Euphrat, mit arabiihen Khalifen, Emirn und Sullasıe 
türkifcher BVölferfchaften. Von den Buphratübergängen und ihren & 
enlitäten. hing. aber’ ſehr häufig die ganze Dispofition der Geeresmärde, 
der Gang der Feldzüge ſelbſi ab, fie. bebürfen baher einer genaue Ab 


waͤgung ber Angaben mit den nun duch Ehesney’s Meiſterwerk ge 


mehfenen wählen NRaumbeithaltniſſen und Localitäten, die ihnen Dis haha 
noch gar nicht zu Theil werden Konnte. Wenn auch nicht Alles, fo wir 

aa Einiges; ovhellricht fogat, genen das Fruhere gehalten, fehr Bickt 
zw’ gtoͤßerer Matfjeit gelangen und durch Vermeibung der Berwirzugs 


der fſpãtern Hypotheſen der Erklaͤrer, die durch den Scharffiun ihen 


Schlüſſe anf einem ihnen nur: fcheinbar. kartographiſch vorliegenden, abet 
im Wahrheit nur gänglich verzerrten mud ambefunnien Terrain in jun 


 aifgefleflten' Thedrien zu beu’gröften Ertremen gelangten, die. Glefhks, 


ſelbſt verſtaͤnblicher werden, wenn: auch nicht fehlerfrei; Die Thetjches 
muſſen aber dadurch liähter und zufammenhängender hervortreten. 
Denn wm nur einige der verfchlerenen:: Meinungen anzuſahera, 
Ahben Tluvet, D’Arville und Reunell das heutige, EI Dar der. 
Dir, Dr: Pr das':afte Thapfarus"gehalten.: Manmert ließ cs aueub: 
fAebeh) Three u Amphipolis bei Wlinins gehöre, ober die Er 
ver: Jehobia, Eli Der,⸗ oder · gat das noch gegen SD. entferutere herüge 
Miah elugenommen habe. Cellarius ſuchte den Ort zwiſchen Callin-: 
Ai ind Circesium; Reicharvikat dagegen in allen feinen: Karten acu 
aite Thapſarus ganz nahe bem heutigen Dir eiugetragen, norbinärke zei‘ 
Hletapolls. Die age des Zeugma: von Thapfincms iR .aber:be 
Kittelpintct ," von dem die meiflen andern Mefjungen ober Dereigfuungni 
der Alten nad Neuern -aüögehen, ober mit dem fie in näherer. Vezichenz 
flögen; zunil auch basnörbfidgere fo berühmte Zeugma van Bemumaagenn 
befien Lage von den’ meiftew: der: Erklärer wol ſehr siptigi, nach Amn 
heuligen Bir, oder doch-in deſſen unmittelbare Nähe, verlegt: winNic 
fanden daher mit dieſem Puncte zuhäupfl unfre Untesfachungen; am ker: 
= Die entfchledenfle Stelle vlefes ‚alten Zeugma in::ber;i 
heutigen Bir (Blrebſſik) iſt Die::des :-Plinins (EL X. R Big. ilen. 
Deutgnta-EXXI -Millibis passnum: a Samosatis‘ —XXI 


Veplcuci⸗ 
ndbũe). "Er Hr von Sumafata geſprochen, aber er vn dieſer Giabt 


| 


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1 
1 





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Euphratſyſtem; das Land der. Zeugmas. bl 


von feinem „‚Uebergange oder Beugma“ über ben Fluß geſprechen te 
dies Strabo gethan. Plintus unterfegeivet alfo entfchleven das Zeugma 
von der Stadt Gamefata, und fagt, daß es 72 Millien ( Mille pass. 
— 1 Rilie; 5 Nillin — 1 geogr. Meile), oder etwa 145 geogr. Meile 
' entfernt von Samofata liege. Dies iſt aber eben bie Entfernung, in 
welcher das Heutige Bir unterhalb Samofat nad Chesney's Karte zu Ne 
gen tommt, da von Samoſat bis Rumlalah nur 20 Stunden ſind, Bir 
aber 8 bis 10 Stunden abwärts von Rumlalah liegt, wenn wir bem 
Krümmungen des Stromlaufes folgen; wobei die ferupulöfehe Genauig⸗ 
keit einzelner Millten und ihrer Brüche hier bei den allgemeinen: Meint: 
; taten une ben Schein einer Genauigkeit geben wände. Wir ‚halten uns 
I daher der Klarheit wegen tm biefer Art der Berechnungen an bie runden 
' Summen und erinnern 5. B. nut hier, daß des Plinius Zeugma, nicht 
blos eine Brücke, ſondern auch eine Stadt des‘ Namens, anf dem Web 
mrufer des Stromes gelegen if, die vlelleicht nicht einmal der Brücke gamg 
vicht anlag, mie dies ans der Tabul, Peut. hervorgugehen ſcheint. Bis 
zu welchem Puncte an die Brüde ober bie Stadt Seugma zum bie: Re 
fung ging, ift alfo nicht einmal genauer anzugeben. 
Pllnins fept an derfelben Stelle Hinzu, daß Seleucne (Oiicator) 
dem Zeugma gegenüber, alfo auf der Dfifeite der Stadt und der Brück 
diefes Namens, den Ort Apamla durch die Bräde mit jenem verbuns 
den habe, und ba eben er der Erbauer beider Drie, JSeugma und 
Mpamia, war (... ex adverso Apamiam Seleucus, idem utrumgae 
conditor, ponte junxerat...). PBlinins fügt noch Hinzu, dag auf. ber 
Selte Mefopotamiens die Anwohner Rhoaler hießen (... qui cohaerent 
Mesopotamiae, Rhoali vocantur). Es mag hledurch wol der zunaͤchſt 
Vlegende Ban Roha und fehte Bewohner bezeichnet fein, wo Cdeſſa lad, 
das Ur⸗hoa oder Urrhoe, daher Döchoene, vom Fluſſe Rohe 
( Aborrhoa, Erroha bei Zenophon, dem Ehaboras) und feinen Suflüffen 
durchzogen, baffelbe Boll, dem Strabo den von den Marenowiern beige 
legten Namen ver Mygdonier gab (Strabo XVI. 747). - Des Ramen 
ver Stadt Apamia am Zeugma beflätigt Blinins (VI. 30) noch einmal, 
wo er. gleich daranf von ben daſelbſt feftgeflellten Grenzen’ des -Mömess 
reiches durcch Pompejus Magn. zu Drnro6 fpricht, was von allen &: 
Härern unberührt und and) uns ganz dunkel geblieben if. i 
Es muß auffallen, daß Plinins, der doch kein halbes Zahrhmwort 
ſpaͤter blüht als Strabo, nichts von einem Zengma ober einer“ Aber 
den Euphrat gefchlagenen Brüde bei Samoſata fagt, da Hingegen Strabo 
an verfchienenen Stellen ein Jeugma in die geraneſte Berbindung 
mit der zu feiner Zeit freilich noch bebeutenden Konigsreſidenz Samos 
fata fest, über weldhe fi damals durch den Reichthum des Könige 
Autiochns von Kommagene noch einiger Glanz verbreitete. Zwar nennt 
Strabo auch nur einen Durchgang oder Vebergang -(dapaaıy) Bei 
Ritter Erdkunde X. Ppp 





8F 











Su Weſt⸗diſten. TIL Abtheilnng. J. Abſchnit. |.4. 


Sameſam über den Cuphrat, auch führt er leine beſondert Bräde ki 
biefer Stadt an; dennoch if die unmittelbare Verbindung, in welde « 
mit: dieſer Gapitale Kommagene's „das Zengma Kommagene's“ 
fept, fo werlodend, daß er leicht zu der Annahme verführen fan, dei 
Seugma felbR, d. i. die dauerude Brücke, liege dicht am, oder bh 
nahe bei der Gapitale Kommagene's, nämlid bei Samoſata. Strabe 
fagt, nach bes Polybins Urthelle lönne man im jenen Gupbraigegenven, 
was die Bermeflungen ber. Wege betreffe, am ficherfien dem Artemide 
und dem Gratpfihenes txauen; biefer aber fange feine Stationen mit Ga; 
mofata in Rommagene zu zählen an, welches am lebergange und km 
Seugma nahe. liege. (Strabe XIV. 664: ano Zumogdser züg Kopnsyr 
wc, A ngöc wi deapdss nal 19 Levyuarı nesas m. v. 2 — pi 
dieſelben Worte bei Polyb. XXXIV. 18). Im ber lateiniſchen Ude 
fehung (ed. Tzsch. T. V. p. 653: ineipit a Samosatis Commagesm 
urbe ad transitum et Zeugma, quod pontem significat, zita) zu ki 
Coray (Trad. fr. T. IV. p. 358; il commence par Samazsatı de h 
Commagène, situ6e pres du passage et du Zeugma de I’Esphrak 
otc.) wird der Stun nicht beflimmter wiedergegeben. 

Aunch in ber zweiten Stelle Strabo’s kann man baffelbe vorn 
fegen, daß nämlich cin Zeugma bei ber Königsſtadt Gamofala lin, 
und alſo das Caſtell Seleucia, welches, wie Strabo daſelbſt fagt, derh 
Sext. Pompejus mit zur Herrfchaft Kommagene anf bie Nordſeite dei 
Guphratufers gefchlagen ward, ebenfalls verfelben Reſidenzſtadt gegeribe 
gelegen habe. Daß Pompejus ties aber nicht erſt erbaute, ſonden baf 
«6 ſchon ein früheres Werk der Seleuciden war, ſcheint fchon der Rum 
zu beweifen. Ausdrücklich braucht Strabo, nachdem er von ber farb 
ſchaft Kommagene und ber feſten Stadt Samofata gerebet und geil 
hat, daß jene eben damals aus einem Königreiche zur römifchen Previz 
geworben, ſehr fenchibar, aber von geringem Umfange fei, ohne im ge 
zingfien oh nur eines Abftandes des Zeugma von ber Stadt Gamefalt 
trgendwe gu erwähnen, den Ausdrud: „Hier nun iſt gegenmärlig 
das Zeugma bes Cuphrats“ (Strabo XVI. 749... irraide A 
eur dar) vo. Levypa vouv Ebggarov =. v. 1.; vergl. b. Tzach. T. TI 
pr SOL: Commagena .... urbem habet .... Samosata regni cape: 
auno provincia faota est. Circumjacet regio, ut parva, ita ade 
dum felix. .Hoc in loco nunc est Euphratis pons, apnd quem si 
est Selencig oto.). | 
Ä Strabo macht nun, und dies if allerdings fehr auffallend, wei 
terhin keine andre Stadt namhaft, an welcher etwa bie fies 
zu. Plinins Zelt fo berühmt geworbne Brüde, oder Zengma, ben Uebe⸗ 
gang übey ben Cuphrat gebilbet Hätte; doch führt er noch öͤfter We 


' Brüde felbf an, fie ſtets das Zeugma bes Euphrats ( Levrne wei 
‚Buggdien),. oder 9a Seugma Kommagene's (and vob zura Kur 





5 Mphratfofien; Mir, Biredſvit. 087 


Re ping über Bir und Orfa (Eyefa). In 4 Tagemäcſchen kam 
ver framzöfljche Handelsmann von Aleppo mit der großen Karawane 
' is März 1644 an bag Weſtufer des Cuphrat, dem. auf dem Of 
’ fer gegenüber Bir liegt. 2) Da die Waaren bei dem dainals 
sch ſtarken Karawanenverkehr nicht alle an einem Tage überge» 

ſchifft werden konnten, fo, war hier ein ſchoͤnes Karawanſerai erbaut, 

das gut gefchloffen und himeichend geſichert war gegen etwaige 
nachtliche Ueberfälle zänberifcher Beduinen. Man paſſtrie am .mäde 

Ben Tage ven Fluß in großen Fähren, und auf dem Dflufer ip 

den bie Waaren verzollt.: Die amphitheatraliſch 6%) am Menge 

KHismnufgebamte Stadt wurde von ber Karawane nicht betreten, few 

Lern auf einem ſehr schlechten Seitenwege umzogen, zu einem ‚als 

dern Karemanferal am Buße des Berges, in welchem fi) auch Grotten 

gar Aufnahme ver Meifensen, wenn die Karawane zu zahlreich war, 

Kefanden. Bon jeher Pferde⸗ oder Maulthier⸗Ladung waren 2 Bias 

fer Bed, von jebem Proviantpferde 4 Piafter zu erlegen; bie Rei⸗ 

‚erde gingen frei durch. Die Stadt, vie der Franzoſe Bir der 

Berggeon ſchreibt, fand ex ſchlecht gebaut, Ihren Bazar aber mit 

einem Ueberfluſſe von Lebensmitteln verfehen, mit trefflichem Brot, 

Bein, Opft, Fiſchen. Das fchr alte Caſtell, halb fo Iang als wie 

Stabt hinziehend, fand ex eng, unveriheibigt, zur mit einem Ahern 

mach der Stromſeite und mit 8 bis 9 elenden Feloſchlaugen verſo⸗ 

Zen. Auf ver hoͤchſten Höhe ber Giebt war das eſtdenzſchioß bes 

Men, Der Da Kaum Th und etwa 400 Spahie und 

300 Zauitſcharen commandirte. In 2 Tagemaͤrſchen ging Me Ku 
gawane von da über Erhmis am Cuphrat, die türkiſche Ber⸗ 
Aümmelung von Beugma (TfhafhmeH n. Ianbert) und über 
Aſharmely nah Orfa. 

Sm Jahre 1609 66) hat der Kaplan H. Maundrell von 
Aleppo aus feinen Weg über Hlerapolls und Jerabolus, alſo vom 
Saden her, nach Bir zurückgelegt; er bat zuerſt die Breite des 
Ortes unter 370 10 beſtimmt, was von Nieb uhrs Breitenbeſtim⸗ 
muag freilich um nicht weniger als um 43 Minuten abweicht. Da- 
male wurbe der Euphrat zum Transpost vieles Korns benutzt, das 
vom Paſcha von Orfa auf zahlseichen Booten von bier nah Bag⸗ 

dad afwärts verſchidt wurde. An Booten war damals auf vom 





s.) J. B. Tavernier, Voy., ed. & la. Haye 1718. & T. 1 DO, 
800, vergl. auch Jaubert Not. in Edrisi Ge£ogr. II. pag. 
*8 die Anſicht von Dir, Zeichnung b. Buckingham, rar. Ps on. 
*®) H. Maundrell Journ. I. c. p.18S. 


Dod 2 





60 Woſt⸗diſien. M. Abtheilung. I. Abſchnit. j.M. 


Im Gegentheil, aus folgenden Gründen, zumal denjenigen, die aus 
den demnächſt zu erörternden Diflanzverhältuiffen hervorgehen, wir ı6 
ſehr wahrfcheintich, daß dieſe Angaben. immer nur von dem einen be: 
rühmten Jeugma der Seleuciden, in der eigentlichen Kyrrheiike, 
nämlich demjenigen bei dem heutigen Bir, zum verfichen fein werben, «& 
wol die ältehen Mefiungsangaben ans Aleranders und GEratofühenes Zeu 
ſich auf Samofata beziehen. Die vorherrfchende Benennung des Kom: 
magenuifhen Jeugma bei Strabo können wir uns nur eben dadurh 
erflären, daß die Fee Seleuria von Pompeins nit zur Stabi Ga: 
mofata, fondern, wie Strabo fagt, mit zur Landſchaft Komme 
gene gezogen ward, und dadurch diefer Name bei ihm der vorkem 
fehende wurde. Ä 
. Dies vorausgefeht, müflen wir dann ‘annehmen, daß vie Brake 
Rädte Seleucia uud Apamia auf dem linken Euphratufer war eine 
und diefelbe Localität, etwa ein Gafell und eine zugehörige Sicht 
(wie das Heutige Kalai Beda über Biredfjll), bezeichnen; oder daß vli⸗ 
nins in der fpätern Benennung Apamia irrte, den Mamen der Gemeh 
Na (Mpainia) mit dem des Gemahls (Geleucus) vermechfelad,*?) (zit 
der Mutter Namen, wie Steph. Byz. =. v. ſagt); oder daß fenf en 
anbrer Grund ber Doppelbeuenunng flatt fand, ber uns umbelaui ge 
blieben. - Denn daß der Name Apamea für die dem Zeugma ex st 
verso liegende Stabt noch die Zeit des Plinius überbauerte, zeist Mh 
wie ſchon Harbuin bemerkte, ans Stephanus v. Byz. (sv. dw 
mua: Kors. xal vüc Ilsgoalar 'Edloan: mess agmeous, Plin. ELNT. 
231. od. Franz. Vol. I]. p.408) und Isidorus Characenus im 2 Yet 
n. Ghr. Denn diefer geht von diefer Zeugma und dem anliegt» 
den Apamta in der Berechnung feiner Gtationen aus, die er, uf 
Schvenus , welter die Straße nach Babylon entlang fortführt (⸗ 
Büvsuv zör Euggieye nasa co Levyna, nölıs derıv ’ Anapea. la. 
Charac. ed. Miller. Paris. 1830. p. 247). Bon einem Gelencie = 
Gupbrates, das zwifchen ben beiden berübmteren Selemca’s, um Wet 

nahe der Drontesmändung und am untern Tigels (f. ob. S. @), o 
von beiden verfchieben geweſen, gibt fonft fein andrer Auter des Win 
thums eine beſtimmte Nachricht. Wenn in Steph. Byz. ver Aw 
Seleucos, eine Stadt in Syrien, nabe Apamea, angegei® 
(B. v. Muxoc mölsg wugi un dv Zuglg 'Anunele) iR, fo werden vewd 
die beiden nebeneinander liegenden Gtäbte Liefer Namen (jept Has 
nnd Famie, welches Iehtere bei Steph. Byz. und Ptol. auch Geleurebiek 
ober. Belencos ad Belum heißt) gemeint. Au einer dritten Seche be 





Appiani Alex. de bellis Syriacis liber p. 125, ed. To. Amstebi. 


&, 1670. p. 201; Steph. B A 
fol. 143. Not 65 PA By-. ꝛ. pamen Syriae cr. od, Bu 





oe. wa MB eh A ee u os nm 


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Euphratſyſtem; das Land der Zeugmas. 965 


Steph. Byz. (6. v. Balya) wird zwar noch eine Stabi Gelenria 
in Mefopotamia genannt, die auf das Straboniſche Caſtell am Zeugma 
gebentet werben Eönnte; aber ber Zuſatz zeigt, daß unter dieſer Selencia 
nur wieder bie berühmte Nefivenz am untern Tigris gemeint war, bie 
freilih eigentlich in Babylonia und nicht mehr in ber fogenannten Mes 
fopotamia oberhalb des hentigen Bagdad gelegen war. Denn Phalga, 
fagt Steph. Byz., fei ein Ort, der in ber Mitte zwifchen ber Selemin 
in Pierien und ber Seleucia in Mefopotamien (fol heißen Babylonien) 
liege, wie dies Arrian im zehnten Buche der Parthiſchen Gefchichten an» 
gebe. Phalga, fügt Steph. Byz. hinzu, Heiße in der dort einheimiſchen 
Sprache die Mitte; daß es anf jeden Ball eine andere fei, exgibt fi 
andy aus Isid. Charac. (ed. Miller. Paris. 1839. p..248, 263, not.). 
Wenn uum durch bie Analogie ber beiden gefelligen Apamia und 
Selencia am Drontes auch einiges zur DBefätigung einer wirklich 
gleichzeitigen Exiſtenz der gleichnamigen Orte am Zeugma (woraus 
fi) anch die neuere Doppelbenennung von Kalai Beda nud Biredſſik abs 
leiten ließe) gewonnen wäre, fo müflen dieſe Namen doch ſehr frühzeitig, 
ſchon während der Saſſaniden Kriege, wieber verſchwunden geweſen fein, 
wie dies mit fo vielen während der Selencidenherrſchaft fremdaufgedrun⸗ 
genen macebonifchen Namen ber Ball gewefen if, und wie auch bie bozs 
tigen durch byzantinifche Kalfer den Städten am Euphrat gegebne gries 
chiſche Namen im Lande felbfi durchaus keine Wurzel gefaßt Haben. - 

Wirklich tancht auch ſchon in ber Pentingerfchen Tafel an derfelben 
Stelle, dem Zeugma gegenüber, wo jenes Apamia Seleucia geflanden, 
ein vermuthlich dort einheimifcher, uns fon unbekannter Name, Thiar 
(Tab. Peut. XI. D.) auf, eben ba, wo erſt viel fpäter die türlifche Bes 
nennung Bir, oder Biradſjik (Thal der Brunnen) hervortritt. Denn 
das Castellum Bira au biefer Localität (nicht Birtha, womit es oft 
verwechfelt worden) wird zum erflenmale is der Periode der Kreuzzüge, 
um die Mitte des XII. Jahrhunderts, von dem bort einheimifchen Gregor 
Abulpharag (Hist. dynast. p. 255, 311) genannt. rüber if es gaͤnz⸗ 
lich unbelannt. Damals aber fam es mit Cdeſſa in Beſitz der Franken, 
die jedoch, auf die Länge den Belagerungen der Gultane nicht wider 
fiehend, e6 gegen das Jahr 1150 au bie Fürſten bes benaqhartez Mar⸗ 
din abtraten.*®) 

Nach diefen Rebenumfländen, bie Benennungen - ver Orte am Zeuge 
betreffend, welche, theils irrig gedeutet uud angewendet, zu ſcheinbarex 
Stügung gewiſſer Hypothefen beunpt ober gänzlich überfahen. waren, ‚ges 
ben wir zu denjenigen Difanzangaben der Alten. über, welche ‚die 





22) Deguignes, Geſch. der H. Th. IL ©. 478, 4, L 8 2 
. Gregor. Abulpharag. 1. 6. 


wen! 
a 


x 


968 Weſt⸗Aſien. HI, Abtheilung. I. Abſchnitt. 5,21. 


Jiallen, Fraukrelch und Deutſchland keine weſentliche Werfchiebenkeit dam 
bletet. 
— Strabo gibt zuerſt, nach Cratoſt henes, der die Meffungen en 
Alexauders Felbzügen auführrt, und Thapſacus, das alte Iengmes 
(Str. XVI. 746: «0 Leüype sou Eipgasov so ulm; ober WI: 
zu nulas zu nara siv Odyazor, |. ob. S. 12), zum Mittelpnattic 
ner Meffungen macht, bie Breite Mefopotamiens an, in der Ritus 
von Aleranders Marfche, zwifchen feinem Uebergauge bei Thapfans u 
vberhalb Arbela (d. i. oberh. Moful, ob. &.25). Daun aber and zweis 
ten 6 die Antfernung von Thapfacns nach Babylon, ben Enphrat abwirk, 
und drittens die Entfernung von Thapſacus nach. dem Zeugme Sn 
magene's. Diefe Iehtere iR jedoch, nah Strabe’s Ausdruck, zur e 
nähernde Schaͤtzung. Hieraus läßt fih nun, da bie Chesneyſche Eye 
dition zu beiden Seiten ber Lage des alten Thapfacne, bie wire 
für anerkennen mäflen, aftronomtfche Längen» nad Breitenbeflinumungen yo 
geben, und auch auf gleiche Welle Bir am Zeugma Kommagenes ae 
nomifch firirt iR, der zwifchenliegende Enphratlanf aber be 
naueften kopographiſchen Details für antife Ortsbeſtimmung un Be 
gleichung der Maaße der Gegenwart darbietet, aus gemancfter Gembia 
tton alter und nener Daten die Lage, nicht nur ber beiden berife 
ten Zengma’s, fondern auch ber meiften zwiſchen ihnen fiegesse 
merfwärbigfien Eocalitäten, zu beiden Uferfeiten des Cuphrat, mit jew 
licher Sicherheit beftimmen. Um: hierin jedoch mit Erfolg anf eine fu 
bare Anwendung für Geographie und Geſchichte forifchreiten zu 
werben wir uns, wie Strabo gegen vie Alten, fo auch zm einer ie 
mil gegen die neuern Grflärer verfiehen muͤſſen, durch welche die Wis 
ſchen Daten der Vorzeit auf dieſem Schauplage fo wichtiger Begehe 
heiten cher verwirrt und in Dunkel verhälltt, als ins Licht geſtellt wer 
ben zu fein fcheinen. Vergleichen wir nun jene wenigen ‚Ganptyusit 
oßne alle Conjectut von Zahlenveränverung, wie fie im Text übereizfim 
mend vorkommen, mit den Meflungen der Cuphraterpedition, fe fer ſe 
ſchon hinreichend zu unfrer allgemeinen Orientirung, anf die es hier « 
lein anfommt. 

2) Breite Mefopotamiens von Thapſacus zum lesen 
ders Tigrisäbergamge, noch mehr als 4 Tagmärſche oberhei I 
Bela; alfe oberhalb Moſul, abwärts Jezireh ebn Omar (ſ. ob. 6.3) 
Diefe beträgt, nach Cratoſthenes und Strabo (II. 79, XVI. 746, UN 
aun von S. W. gegen RD. — 2400 Stadien, d. i. nach gewiß 
Rechnung 60 geogr. Meilen. Die directe Diſtanz if, nach Epesuer's 
Katte, 42 geogr. M.. Die Krümmamgen. berbefolgten Marfdgreuie Iei 
Heeres welche allerdings wol ſeht groß waren, va der Weg möcht bie 
durch bie Mitte der klippigen Steinwüſte, fondern über dem oberen She 
boras, wie uoch heute übet Reſaina, Nifibie m. f. w. gehen mufte; mm 





Euphratſyſtem; das Land der Zeugma’s. 969 


Duellen und Futter für Keiterel und Laflihiere zu finden, was and 
Artian (IH. 7) ausbrädlic angibt, würben demnach auf ein Fleines 
Drittheil oder 18 geogr. DM. zu rechnen fein. Dies ſcheint nicht zu abs 
uorm, um beöhalb der Mefiung eine wenigſtens fehr annähernde Wahr: 


ſcheinlichkeit zu verfagen, welche wir bei allen biefen Angaben ber Bass 
:matiften Alexanders überhaupt une erwarten Tonnen. Bier, bemerit 


Strabo, liege überhaupt gegen das Taurnsgebirge zu bie größte Breite 
Mefopotamiens. Die geringfte fei dagegen zwifchen Selencia (unters 
Halb Bagdad) and Babylonia, wo bie Breite nur 200 Stadien, d. i. 
5 geogr. M., betrage. Go groß iR bentzutage genau bie kürzeſte Dis 
fan; von dem Tigris, bei dem alten Selencia⸗Cteſiphon, fünwehwärte 
gum Gupbrat, unterhalb Feludſchie, in ber Direction des vom Paſcha zu 
Bagdad jüngſt projectirten Verbindungscanales beider Ströme. ine fo 
große Benauigkeit iſt bei einer fo kurzen Diſtanz weniger zweifelhaft, ob: 
gleih auch aus ihr keineswegs deshalb allein fchon zu ſchlleßen wäre, 
die Betten bes Guphrat und Tigris hätten felt Alexanders Seit, feit 2000 
Jahren, dort gar keinen Wechſel im ihren gegenfeitigen Abfländen erlitten. 

2) Die Entfernung von Thapfacus nah Babylon gibt 
Strabo, nachdem er von der großen Biegung bes Cuphrat um Mefos 
potamien herum (gegen den Weſten) gefprochen hat, wodurch dieſes Land 
zwiſchen beiden großen Strömen nach Gratofihenes Vergleich die Geſtalt 
eines großen Ruderſchiffes erhalte (wAodp zus duxes, II. 79, AVI. 746, 
747), nach demfelben Eratoftheues auf == 4800 Stadien, d. i. 120 geogr. 
M., an (Strab. II. 80, XVI. 746). Die wirkliche Mefiung nah Chess 


ney's Kartenanfnahme gibt in directer Diſtanz 100 geogr. Meilen; alfo 


wären 20 für die Krümmen bes gemefienen Weges an den geringeren 
Bindungen des Cuphrat für dieſe Gtrede zu rechnen, ein Fünftheil, 
was der Natur der Sache ganz angemeflen ericheint, wenn man mit 
dem Heinften Maaße die Meflung auf der Karte verfolgen wollte. Au 
hier fand zu Mleranders Zelten eine ziemlich genane Vermeſſung ber 
Baematiften zu erwarten, da durch ihn bie Schiffahrt von Thapfacne 
abwärts bis Babylon durch Heeresmärfche und zumal durch feinen Slots 
terban auf dem Euphrat und feine Inräflungen von Phönicien über 
das Schiffsbauwerft zu Thapſacus bis zum men angelegten Hafen zu 
Babylon (f. ob. 6.37) ungemein belebt war. Durch diefe beiden Maaß⸗ 
angaben erhält Thapfacns Lage am Guphrat, wie wir fie fchon ans 
derwärts nach Xenophons Marfchronte 8 Tagemäride abwärts vor des 
Beleſys Ballafte befimmt haben (f. ob. 6.10), eine ziemliche Sicherheit. 

3) Die Angabe der dritten bier zu beachienden Cratoſthe⸗ 
nifhen Diſtanz, nämlich Das Intervall zwiſchen Thapfacns ober 
dem algen Zeugma und dem Zeugma Kommagene's ſcheint wicht 
fowol eine Mefiung, als mur eine Schätzung oder doch nur eine theil⸗ 
weiſe Meſſung zw fein (Strabo II. 77, 80, 82). Thapfacus, fagt 


« 





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! 


970 Weſt⸗Aſien. IT. Abtheilung. I. Abſchnitt. {M. 


Strabo (II. 78), Liegt „weit entfernt vom Gebirge.“ Nah Iiw 


toſthenes lag Thapfarns, nad Meffung, von den arme niſchen 9: 
len etwa 1100 Stadien, d. 1. 274 geogr. M., fern (IL 80: aszp ab 
or "Apperlar aulär). Aber von da bis zu den armenifdgen Ber 
gen (mirge zür "Agnevlar ögüy) dad. fei nody ungemeffen (iptpr 
vor). Dafür nehme nun Hippard eine Entfernung von uch IM 
Stadien (25 geogr. M.) an, aber irrig (Strabo IL 82), da Trate⸗ 
fihenes Annahme für den ungemeffen gebliebenen Raum zu ber w 
meniſchen Bergen nur etwa 400 Stadien (d. i. 10 geogr. I.) reded, 
alfo für den ganzen Abſtand 1500 Stadien, d. L. 37, geogr. N. Re 
gende aber, bemerkt Strabo (TI. 77) gegen Hipparch, °*) fei es dem 
Gratoſthenes eingefallen, zu behanpten, daß Thapſacus von Babylon a 
4500 Stadien gegen den Norden liege. 

Diefen Mefiungen im Meridian von Thapſacus gegen den Rerbts 
anf Eheönen’s Kartenanfnahme des Buphrats uud Tigrislaufes neh 
hend, würden bie.von feinem der alten Elaffifer näher bezeichneten za 
auch uns bis dahin unbelannten „armenifhen Pylen des Greie 
ſthenes,“ die D’Anville, Rennell, Nannert und Reichard, mi 
alle neneren Kommentatoren gänzlicdy außer Acht gelaflen, oder vie Viork 
zu den Borbergen Armeniens in die Gegend ummittelbar nater 
halb des 'hentigen Gerger fallen (f. oben ©. 874). Denn bimt wi 
Thapfacns gegen Nord bis dahin find 81 bis 82 geogr. Meilen. Be 
Gerger, im Norden von Samofata, in der Nähe tes alten Barfelan, 
verläßt aber ber Cuphrat wirklich die Iehten Yelebänfe, die feinen karl 
bis dahin in ver Kette ber EupbratsGataracten des Tanınd, 
wie fie fchon Plinins nannte, hemmten. Wir Iermen dieſe Localität cf 
durch die genaueren Aufnahmen der preußiſchen Officiere und durch m 
erfie Beſchiffung des dortigen Euphratlaufes innerhalb der Gatararten- Sat 
kennen. Er tritt Bier aus dem lepten einengenden Felsſchluchten here, 
die man mit Mecht bie armenifchen Bylen nennen fomnte, als % 
menien fi) noch durch Armenia major und minor bis Melitene w 
Commagene herabzog. Sagt doch Arrian an ber genannten Eu 
dag Alexander duf feinem Marfche von Thapſacus zum Zigrisübergung 
‚oberhalb Arbela den Taurus Armeniens flets zu feiner Iimten Hand zu 
Begleiter gehabt. Die 400 Stavien (1O geogr. M.) weiter uorvwärd 
ber Pylen würben daſelbſt die Breite ver füblihen Taurus⸗Ketit 
ziemlich genau bezeichnen, da Tomifa (bei Ifegin, f. ob. ©. 878) nah 
Artemivors Meſſung 450 Stadien von Samofata entfernt lag. Us 
Gratofihenes armenifchen Bergen iR alfo bier entſchieden die Keil Im 
Norden von Samoſata zu verfehen, mit den Tantuspäffen, die wir bir 





730) vergl, Großkurd Not, zu Strabe ib. 1.72, in befj. Ueberf ThL 
©. 127 und 128, nebſt dig. ı 


⸗ 


I 





Euphratfuftem; das Land der Zeugma’s. 971 


lich durch unfere Landsleute fo genau Gaben kennen lernen, nud weiche 
einft Melitene von Kommagene trennte. 

4) Strabos. Entfernung zwifhen den beiden Jeugmas. 
Nach diefen Beflimmungen des Eratoſthenes über die Lage von Thapſacus 
gegen das nördliche armentfche Sebirgeland gibt Strabo in feiner Bes 
fchreibung von Aſſyrien (XVI. 746) noch ein anderes, wie es ſcheint, 
nicht von Gratofthenes überliefertes Maaß: „des Abflandes zwiſchen dem 
Sengma, nämlih der Brüde in Kommagene, wo Mefopotamia anfange, 
bis nach Thapſacus, was nicht weniger als 2000 Stabien beirage (ovn 
Massov XVI. 746). Alſo an 50 geogr. M. Diefe Angabe if, wie 
die beigefügten Worte zu verfiehen zn geben feheinen, nicht ſowol wirkliche 
Meflung, als ungefähre Schätzung ober Berechnung anderer Art, etwa 
nah Schhifferflationen auf vem Flußlaufe. Sie ift nicht auf eine directe 


„Difanz für GHeeresmärfche oder für conſtructive Zwecke Gratofthenifcher 


Sphragiden zu beziehen, wie bie andern Angaben aus Alexanders Bes 
riode; denn damals war auch noch von feinem Zeugma Kommagenes 
die Rebe, das erft fpäser durch Seleuciden gegründet ward. Die Schaͤ⸗ 
tung weicht von der vorigen Angabe auch beveutend ab, mit ber fie num 
auch gar nicht zu parallelificen ifl. Irren wir hierin nicht, fo find dieſe 
2000 Stadien nach den ungemein gefrümmten Windungen bes Cuphrat⸗ 
laufes und zwar nach ber vielwinkligen Flußſchiffahrt zwiichen dem 
Seugma Kommagene's nnd dem alten Zeugma bei Thapſacus zu rechnen, 
die damald durch den Großhandel von Hierapolis, wie Strabo aus; 
drüdlich fagt, fehr belebt war. Daher diefe große Entfernung, obwol 
viel weniger weit norbwärts reichend ale die armenifhen Pylen, 
doch ale Reiſeroute weit länger, nämlich um 124 geogr. Meilen läss 
ger ale jene Diftanz. | 

Mefien wir nun die wahre Entfernung von Thapſacus, anf 
Chesney'e Cuphratkarte die Krümmen verfolgend, aufwärts nach, fo 
führen uns.die erften 35 geogr. Meilen etwa nach Bir, die 40 geogr. 
M. voürden nach Romkalah, die ganze von Strabo angeführte Diftanz 
oder Summe von 50 geogr. M. aber gerade nah Samofata führen. 
Diefe Schägung wäre alfo minder genau und offenbar zu groß, nm blos 
zum Zengma nad Bir zu führen. Aber Strabo feheint fich ſelbſt nach 
den in früheren ſchon berührten Stellen das Zeugma Kommagene’s ſtets 
dem Samofata fehr viel näher gedacht zu haben, als es wirklich lag. 
Und wirklich if dem Strabo die ganze große untere Weſtwendung bes 
Guphrat von Samofata abwärts (wie wir ſchon anderwärts gezeigt. das 
ben, f. ob. ©. 73) gaͤnzlich unbefannt geblieben. 

- Sollte damit nicht fein Irrthum in dieſer übertrichenen Schähung 
der Diftanz des Zengmas Kommagene's von Thapſacus zufammenhän- 
gen, da er bei. allen Gelegenheiten biefes Zeugma viel zu ſehr der von 
ihm gefeierten Königsftadt Samofata näherte, und doch nicht cinmal eis 


972 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $.41. 


nen einzigen Ort zwiſchen dem Zeugma und biefer Gapitale Kemmagen's 
anzuführen im Stande wart Die Ueberfälle der kriegeriſchen Partie, 
welche noch zu Strabos Zelt als die gefürchteten Beinde ver Rima 
am Oſtufer des Euphrats in Mefopotamien Wache Hielten (Strabo XVL 
748), ſchnitten viefen Unter nach den friedlicheren und für dortige Soral 
tenntniß günftigeren Zeiten der Periove Alexauders nud des grofen Se 
lencidiſchen Reiches von jedem neueren Fortſchritt bortiger geographiſcher 
Sperialtenntuiß ab, daher ſich vielleiht Strabo eben hier aud nur mi 
einer ungefähren Schägung der Diſtanzen begnügen mußte. 

Können wir ann ans biefer lezteren Schätzung Strabss bie ge 
nauere Rage des Kommagenifchen Sengma keineswegs allein Befimmen, 
fo lernen wir. doch defien ungefähre Lage dadurch, und zumal befien gi⸗ 
Ben Abftand vom weit fürlicheren Thapſacus Tenuen, das ja ud 
mach obiger Meußerung des Eratofipenes [ehr weit vom den armeriſches 
Pylen entfernt lag. Durch Plinins oben befprochene Lage des Zeugm 
und Apamia’s, 72 Millien abwärts Samoſata, wirb aber Gtrabos Ir 
gabe berichtigt und ergänzt, das Berhältnig der wörplicheren Lay 
deffelben gegen das viel ſüdlichere Thapfacns aber ba db 
len Sweifel erhoben. 

Hiedurch werben wir bei ber bis hente noch nicht gefcgehenen Bis 
berauffindung der Auinen bes alten Thapſacus wenigftens ver ven 
groben, bis jetzt noch nicht widerlegten Irrthume bewahrt, nicht we 
Reichard in feiner heftigen Critik 3. Rennells und vefien Goumen 
tars über Zenophons Feldzug des jüngern Eyrus die Lage dieſes ein 
Sengma fammt dem Uebergange Alexauders M. ganz dicht neben dal 
Zengma der Seleuciden und Römer in eine umd dieſelbe 
Flußgegend zu verfegen. Hiedurch mußte nur die größte Benin 
sung über jeue Theile der alten Geographie und der Kriegszüge wrus 
laßt werben, ja die Lage bes Zeugma der Gelenciven ſelbſt wurde de 
durch verdunkelt. Der triumphirende Einfluß, den diefe Hypotheſe yıanh 
Reihards Orbis veteribus notus auf faft alle neueren Schullarten md 
ſelbſt auf viele hiſtoriſche und philologifche Arbeiten ausgeübt, macht ed 
zugleih zur Sicherung aller ferneren Unterfuchnng nothwenbig, in ik 
Behauptungen diefer Lehre einzugehen, ver eine eigene Abhandlung is 
den Kleinen Schriften *?) jenes Verfaſſers gewibmet if. 

Reichard ging von der zuverfichtlichen nud fehr bedenklichen Tichen 
zenguug ans, daß ihm nach feinen Unterfuchungen der ganze Gupkab 
lauf und das dortige Terrain der Kriegebegebenheiten „num [chen fi 
genau befannt fei, daß man fi Hier nicht irren könne" 
Gewiß wird man ihm fehr vielfache geographiſche Kenntniſſe zur Gin 





”*) © ©. Reigarb, Kleine Scheften. Günz 1836, 8. win. IL 
ecenfen yon J. Nennell’s Ilustrations. 


A Bi 
[ " = “ An. 





Euphratſyſtem; das Land der Zeugma’s. 973 


Dien nicht abfprechen koͤnnen; aber ein einziger Blick auf die Chesoneyſche 
Cuphrataufnahme, die freilich zu feiner Zeit noch nicht gemacht war, zeigt 
nur zu deutlich das Grundloſe dieſer felbfigefälligen Meinung. 

Aber im Dertrauen auf bie frühere fehr willfährliche Seichnung des 
mittleren Enphratlaufes, auf bie übrigens der Wahrheit fehr nahe kom⸗ 
menden, freilich fehr fparfamen Niebuhrfchen Breitenbeflimmungen von 
Hilla bei Babylon und Haleb, wie der von Triesneeler und v. Zach bes 
rechneten Längenbeftimmungen von Hilla und dem von R. Pococke zuerſt 
genannten Orte Serabees am Cuphrat (zwiſchen Hierapolis und Bir ges 
legen), fand Reichard die birecte Diſtanz von Babylon, nach, wie er 
fagt, forgfältigfter Berechuung, bis Jerabees == 102 geographifchen Mei: 
len. Dies glich feiner Berechnung nach den 4800 Gtabien Diflauz zwi: 
ſchen Babylon und Thapfalus bei Eratofibenes bis auf $ geographifche 
Meilen. 

„in ſolches Sufammentrefien, rief er ans, Tann kein Zufall fein ; ; 
„dieſe erſtannen swürdige Benanigleit**) babe bis dahin Teine 
„Seele bemerkt.“ Die Lage von Thapſakus hielt er nun aus biefem eins 
zigen Datum für unwiderruflich gefunden. Gr fährt fort: „Mit 
„Strabo's Stelle (XVI. 746), wo biefer Thapſakus 2000 Stabien. vom 
„Zeugma Kommagene's entfernt angibt, Tann es numöglich richtig 
„fein. Iſt es keine falfche Lesart, Fein Binfchiebfel, fo iſt es fein eigener 
„Irrthum, Mißverſtaͤnduiß, oder aus ganz falfchen Nachrichten und Vor⸗ 
„ansfepungen gezogene Künftelei, dergleichen fich die Alten häufig ſchul⸗ 
„dig gemacht haben.“ | 

Eine fo außerordentlich genane Uebereinſtimmung der alten Maaße 
für fo große Intervallen mit aftronomifchen Beflimmungen nmf immer 
etwas bedenkliches habe, wenn man ihre Meflungsmethoben mit denen 
der Neueren vergleicht, zumal wie hier auf fo große Diſtauzen und burg 
die Mitte mefopotamifcher Wuͤſten. 

Dbige dem Strabo gemachten Borwürfe werben nun nicht weiter 
begründet, ſondern die Lage von Thapſakus iſt ohne weiteres ver Cu⸗ 
phratfarte an der Stelle von Jerabe es (Dſherablus unter 300 20 N. 
Br. nad) Ehesuey) unter 36° 51’ N. Br. und 55° 27° 29” 2, v. Yerro 
bei Reicharb eingetragen, ganz nahe dem alten Hierapolis, Die 
Stelle ift nah R. Pococke 4 Stunden unterhalb Bir, dem Zeugma 
Kommagene’s, angegeben, und dieſes Datum feitbem im alten Karten der 
alten Geographie und danach in den Gompenbien der Weltgefchichten wier 
derholt. 

Man begreift in der That gar nicht, worum, wenn bie eine von 
Gratofihenes angegebene Mefiung von Babylon bis Thapfalns, wäms 
lich der eine Dreieckſchenkel feiner dritten Sphragide, von OR gen Weſt, 





20) Reichard a. a. D. ©. 49. 








® 


974 Weſt-⸗Aſien. II. Abtheilung. L Abſchnitt. .Ii. 


jeue exrflauuenswerthe Benanigfeit zeigt, warum bie Meſſung des zwei 
Dreiechſchenkels derfelben Sphragide, von Süb gegen Nord, nämlich we 
Thapfacus bis zu dem armeniſchen Pylen, die doch weit leichter zu be 
Rimmen war, gar eine Berüdfichtigung erhalten hat, ſondern ihrem &: 
gebniß geradezu wiberfprochen wird; nicht durch Gründe gegen dieſche 
aus den Strabonifchen Daten, fondern durch “Deutung der Stellen wie 
rer geographifcger Angaben der Glaflifer, im Sinne der veransgefafte 
Meinung, nämlich der yermeintlicden Identität von Jerabees (Dile 
rablus) und Thapſacus. Deun triumphirend wirb verkündet: °*) „mei 
„sergebliche Auſtreuguygen bisher bei den Geographen, bie Lage Nick 
„weltberühmten Stapelſtadt des oflaflatifchen Handels zu beſtimmen, Ns 
„ſes Gentrums aller Mefiungen bes Cratoſthens burch ganz Aſien, dire 
„Beenichloffes aller Gefchichtsfchreiber nnd Geographiekundigen bis herk! 
„und wie offen und Har liege doch der Beweis vor Augen.“ 

Eben diefe Wichtigkeit des Lage von Thapfacns, mund ber mil hie 
ſem antilen Seugma aus Alexanders Zeit fo oft in Vergleichnng ** 
ten Zeugma's ber Selenciden in Kommagene, macht es nothwendig, de 
aubern in der Reichardſchen Kartenzeichnung beigebrachten Befätigunge 
jenee Annahme, weiche zumal die Berbienfle Mannerte uud Renzelid 
bei dieſen Unterfuchungen ‚für Nichts gelten läßt, zugleich zu beadken, 
um die wahre Lage des Sengmas der Selenciden zu Apamia in Ss 
magene dadurch näher zu begründen. 

‚Der zweite Autor, der von Reichard zur Beftätigumg ber Lage mi 
Thapfacus in fo hoher nörblicher Breite zu Hülfe gerufen wird, if Piste 
(V. 19. fol. 144), der aber gerade das Begentheil in feiner Tafel we 
Arabia deserta ſagt. Ptolemäus führt in einer Reihe am Guy 
abwärts, von N. W. gegen S.D. firtfchreitend, wie ſich bies ans 6 
Längen. und Breiten ergibt, die 4 Drte an: 

1) Thapfacus 739 30° Long. 35° 6’ Lat. Ohne weitere Brisk 
nachzuweifen, wirb biefer Ort ans ber Reihenfolge der übrige 
Btolemätfchen Breitebeflimmungen beransgerifien, aub von 35° 

um 1° 45‘ weiter uorbwärts verſetzt, alfo nach 36° 51’ RE“ 

2) Bithra (Birsda) 73° 40° Long. 35° O' Lat. 

8) Gadirtha 73°50° Long. 34° 45' Lat. « 

4) Ebbara (Dadara) 74° 20° Long. 34° 10‘ Lat. 

Dieſer legtere Ort, der bis heute im der angegebenen Breite wenif 
ſtens noch nicht wieder entdeckt iR, den man früher bei der ſchlethte 
Zeichnung des Enphratlaufes leicht mit dem heutigen EI Der, Dar, Der 
(d. 5. Thor Baflage; nach Chesney umter 35°5 N.Br.), einem ber be 
beutentfien Orte am Guphrat, verwechfeln konnte, da man ihn nach fin 
gabe der Neifenden auch viel weiter ben Strom anfwärte gerückt fh 


‚2, Reichard a. a. O. ©. 48. 











. Euphratſhſtem; Das Land der Zeugma's. 975 


mämli 2 gute Tagreiſen oberhalb der Cinmündung des Khabuk (Cha- 
horas), wurde von Rennell für bas Thapfacus des Zenophon . gehalten. 
Die Localität der alten fo berühmten Thapſacus war fo gänzlich in Ver⸗ 
gefienbeit geraten, daß ſchon D’Anville, und nah ihm Mennell, 
welche in Zenophons Marihroute „von Daradar nach Thapſacus 
. 8 Tagemaͤrſche (15 Parafangen), . zum Nraresfing (Chaboras) 9 Tages 
‚ märfche (50 Barafagen)“ einen Irrthum vermutheten, weil ihnen fo: nahe 
‚ bei der Dftwenbung bes Guphrat von Balis aus feine Raineuſpur einer 
großen antilen Stabt befanunt war, glanbten leiver den griechifchen Text 
durch die. Conjectur einer Transpofition jener Daten verbeſſern 
zu mäflen. Sie wähnten dadurch weiter abwärts bie Lage dieſer mader⸗ 
men Der ober Dar zu erreichen, bie Reunell noch andrer Umflänhe 
wegen entishieven für Has alte Thapſacus zu halten geneigt war. Dazu 
gehörte ihm. auch, daß. Dar nur 25 Taginärfche von der Cinmündung 
bes Chaboras (Arares bei Kenophon) in den Euphrat liege. Auch Goſ⸗ 
felin war. hierin feinem Borgänger. D’Anville nachgefolgt. 

. Schon Maunerk indeß fand, bag die Lage des heutigen Dar zu 
weit den Cuphrat abwärts führe, nm ber Lage des alten Thapfacns zu 
entfprechen,; . Reichard wiberlegte diefen Irrthum Nennells mit fiegreichen 
Gründen; er zeigte, daß Thapfacus und Dar ganz verſchledne Staoͤdte 
ſeien, feste. aber num: biefelbe Stadt Thapfacus jener einfeitigen Berech. 
nung zu Folge, von einem Extrem zum andern. , 

Und wodurch follte diefe Verlegung von Thapfucne, ſiatt bei Piol ˖ 
95° 5° Lat., unter 36° 51’ N.Bt. an die Stelle non Jerabees, ober 
um 1° 46° nördlicher, gesechtfertigt fein? blos dadurch, daß Ptolem. in 
der Reihe der in obiger Ordnung von ihm aufgezählten Stäbte auch 
eine Birtha (Bilhra) nennt, von der Reichard in Klammern beiſetzt: 
„maß dieſe Stadt einfimmig ale Bir anerfannt ſei.“ Aber 
dem ift in der That nicht ſo, denn es gibt Ptolem. dieſe Bithra oder 
Birtha unter 35° Lat., alfo um 5 Minuten ſüdliſh er als Thapfas 
ens an, da Bir. doc. viel nörblicher liegt. Hier fügt nun Reiharb 
ohne weitern Scrupel die Bemerkung °°) bei: „dag Ptolemäus ans 
„Irrthum Birtha ſüdlicher als Thapfacns ſetzt, wird hof⸗ 
„fen ich Niemand in Anſchlag bringen,“ und ſcheut ſich daher 
gar nicht, ohne weltern Beweis geradezu das Gegentheil von Ptolem. 
Angabe zu befolgen, und dieſes Birtha um die 5 Minuten weiter nord⸗ 
wärts an die Stelle des heutigen Bir oder Biredſchik (obwol dies ans 
ter 37° N. Br. n. Ehesney liegt) zu rũden, in der irrigen Meinung, das 
durch noch dem Ptolem. verbeflert, und die Lage von Birtha bei Ptolem. 
in dem heutigen Bir, nnd damit zugleich die genaue Lage des Sengma 
Kommagene's, wirklich ermittelt zu haben. 





se) Reichard a. a. O. ©. 40. 





976 Weft:Afien. EI. Abtheilung. L. Abſchniti. 5.41. 


Nun find Ihm durch biefe Hypotheſen zwei Orte, freilich um vo 
30 geogr.M. mehr im Norden, ſcheinbar wieder gefunden, die aber Mein 
in umgekehrter Drbnung 30 geogr. Meilen weiter im Güben in gg 
folgerechter Reihe feiner Tafel eingetragen hatte, und der wirkliches tag 
nah nur nm ein verhältuißmäßig Geringes, um 5 bis 9 Minzten y 
weit gegen den Süden gerückt Hatte. Freilich huldigte Reiarb fie 
nur einem bis dahin fehr allgemeinen Irrthume: denn ber verwashk 
Name von Birtha (Bith ra) bei Ptolm. hatte viele Frühere, uud nf 
fon Manuert, irre geleitet, biefen Ort im Süboften von Theyſecu 
für das Bir im Norbweflen dieſes alten Seugmas zw Halten. Bar: 
nert meinte, der. alte einheimifche Name, der ſich burch Olpame's Us 
tergang wieder Luft gemacht, nämlih Thiar ver Tab. Pent., fel pe 
auch verſchwunben gewefen, dagegen fchon im Aten Sahryundert trete ie 
Rame des Castellum Birtha (in der Notitia dignitatem) here, # 
einer Zeit, da die Saffaniden ſchon im Belt vom Riſibis geweſen. 1 
fun wäre es ja von den byzantinifchen Kaiſern geweien, meinte er, un 
Gehung au einer, benachbarten Stelle des Fluſſes anzulegen, und der ii 
herigen gewöhnlichen Uebergang unbedeckt zu laffen. Dies Raijsuneam 
gibt ihm den Muth, die in der Notitia dignitatum *1) in Dice 
Bintha gefchriebne Stadt für Birtha zu leſen, und fie wie bei de⸗ 
ciroll, nebſt der inHierocles Synecdemus p.715 ed. Wessel. augegrhuit 
Birtha (Big9a) für eine und biefelbe mit dem Bir des Arne 
niſchen Zeugma zu Halten. In diefer Anſicht war ihm auch ſchen Leeb⸗ 
ler in feinen Roten zu Abulfeda's Syrien vorangegangen. 
ierig: denn des Gynecdemus wie Pancirolls SIufammenfelluns e 
Oorhoeniſchen GEparchie mit den fühlichern Gtäbten am Gupket, i 
von beiden Autoren angeführt werden, wo es erfi nad) Gallininm Au 
Nicephorium (Rafla) abwärts, von Thapfacas aufgeführt iR, zeigt, da d 
"wie fchon der beſonnene Weffeling bemerkt hat, weder mit dem Bit 
bei Amm. Marc. XX. 7, 77 in Mefopotamien, weil dieſes am Til 
Sag, verwechfelt werben barf, noch mit dem fo viel wörblichern Dxk ® 
Sengma Kommagenes, der vor bem 12. Jahrhuundert Hei feinem be 
Autoren Birtha genannt if. Und auch feitdem, ſetzen wir Kings, sie 
mals Birtha hieß, fondern ſtets Bir ober Caſtell Bira Id 
Syrern, °°) und Al Birat bei Abulfeba. 99) Erſt nachdem ed 18 
mit den Städten Edeffa und Garudfch genannt IR, tritt es öfter ia I 
bort wechfelmollen Fehden am Guphrat als Feſte von großer Behr 
zwifchen Haleb und CEdeſſa hervor, wird aber nie Birtha, ſenden io 
mer nur Bira genannt. Iwar führt Kochler in feinen Roten ze ws | 
feda noch einen Punct * Unterflägung feiner Meinung an, def Bit 






Fer — — —— — — — — — 





103) Notit. dignit. imperii orient. ed. G. Pancirolli. Veonet. I 
fol. 97, b. cap. 168. °2) Greg. Abulphar. Hist. dyast 
Bd Rð, **) Abulf. Tab. Syrine od, Kochier. p. 131. 


\ 





Euphratſyſtem; das Land der Zeugma's. 977 


alt Birtha füridentifch zu halten, der aber eben fo unhaltbar iſt; 
er erinnert nämlich daran, daß in Assemani Bibi. or. T. I. p. 281, 
im Tompendio Chronici Jösuae Stylitis ad Ann. 506, ein „Sergius 
Rpistopus Birtae castri, qnod ad Ehphratem jacet,“ vorfomme, 
der baffelbe auf Koften Kaiſer Anaflaflus mit Manern befefligte, und 
dag dieſes nur dem Birtha in der Cyparchie Osrhoene angehören koͤnne. 
Da wir aber ſchon oben den Grund augaben, warum dieſes oschoenifche 
Birtha nicht das Bir der ſpaͤtern türfifchen Dynaſten am Zeugma Kom: 
magenes fein könne, fo füllt diefer Zuſatz zum Beweiſe von ſelbſt weg. 
König Darius, bemerft Reichard ferner, habe nach der Schlacht 
von Iſſus, als er von Aleranderd Truppen verfolgt warb, den fürze. 
fen Weg zum Guphrat nehmen müſſen, weil er, wie Arrian (de exp. 
Alex. II. 13) ſich austrüde, Feine Ruhe gehabt, bis er den Guphrat 
zwoifchen ſich und den Macedoniern gewußt. Die Schlußfolge, **) daß 
deshalb nun Thapfacas viel nördlicher, als Ptolemäns angegeben habe, 
Liegen müfie, fcheint edem fo gewagt wie die Bemerkung, daß es von dem 
Berfer: Monarchen thöricht geweſen fein würte, flatt durch das mehr 
bergige nörblihe Syrien, burh das offene, flache Blachfelv 
Syriens feine Flucht, alfo gegen S.D., zu ergreifen? Relchard findet 
noch in dem Ausdruck, den Diodor. (XVII. 37. p.187. Wess.: zur Ava 
oasparedr) gebraucht, um zu bezeichnen, wohin feine Flucht geſtellt 
war, einen Beweis für feine Anfiht. Denn habe Thapſacus fo viel ſüd⸗ 
licher als Bir gelegen, wie es nach Ptolem. zu liegen fomme, wie hätte 
da Diodor fagen fönnen, daß Darius In die obern Satrapien ge- 
flüchtet fei? dann hätte er wieder bergam reifen müflen. Aber Diobor 
fagt durchaus nicht, daß er ſog leich durch die obern StattHalterfchaften, . 
worunter Reich ard die nörvlichern Cyrrheſtiea und Kommagene Im Ge⸗ 
genfag der fühlichern Chalcidice und Chalybonitis gemeint wiſſen will, 
eutfiohen ſei, fondern nur im allgemeinen, nicht in Bezug anf den Mo: 
ment der erften Flucht, fondern auf feinen ganzen Rückzug, daß er 
au den obern Statthalterfchaften zu eilen die Abficht gehabt. Bas Da: 
zins nad der Schlacht von Arbela auch in den obern Statthalter: 
ſchaſten, da mur biefe im metifhen Gebiete Elbatanas darunter verftan: 
Ben werden Fönnen, fein Afyl wirklich fuchte, if aus den Hiſtorien bes 
kanut. Auch ift befannt, dag Darius über die Bräde bei Thapſacus 
Zurückfloh, deren Bewachung andy noch Tpäterhin, Im Sommier des fol- 
genden Jahres, als Alexander eben dort den Guphrat (im Monat 
uni) zu überfchreiten beabfichtigte, dem Perſet-Feldherrn Mazaens noch 
anvertraut war (Arrian, IN. 7). Aber feine Spur iſt bei ven Autoren, 
welche dafür fpräche, daß Thapfacus felbft ſchon im jenenn obern Sytien 





20) Reichard a. a, O⸗ 150. vergl; Mützel Cart. Rafı V. 1, p 
168. not 


Mitter Grofunte X. Qaa 





| 





! 


978 Weſt-Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnit (AL. 


gelegen geweien wäre; vielmehr gerade das Begentheil bezeldmen vei 
Strabo Worte, wo er, den Lauf des Enphrat und feine Waſſerauſchrel⸗ 
Iungen beſchreibend (Strabo XVI. 742), fagt: „fo weit er, ver Enpkrel 
„nämlich, and der. Armenia minor und Kappabocien durch den Tarız 
„ſchon hindurchgebrochen, nah Thapſakos hinabgeht, das unten 
„Syria (nr xare Zuglar) und Meſopotamia von einander ıb 
„ſcheidend n. |. w.”’ Der Weg über bas offene Blachfeld gegen EL. | 
war mit nntergelegten Reityferden an ben fchon befannten Statiesa N 
zur fihern Brüde von Thapſacus für einen flüchtigen König, wie Dari, 
wegen ber größtmöglichften Schnelligkeit des Fortkommens dur wein 
reitbares Steppenland, das bis heute die flüchtige Reiterei er 6 
duinen fo leicht nah allen Richtungen durchjagt, weit vorzuziehen vw 
dem Steinklippenboden, direct im DOften des heutigen Bir, we 4 
ganz unmöglich ift, durch die mit bafaltifchen Steinblöden beftrenten Kd 
penwüften, zwiſchen welche nur enge, oft künſtlich eingehauene Reityfer 
erſt den Durchritt möglich machen, mit einem Schwarm Reiterei zu vark 
jagen, wie bies von Darius gefchah. 

Leider wird uns von Curtins, Diodor und Arriaz ge 
nichts fpecielles über Aleranders Marfch von Tyrms nah Thapfacıd 
mitgetheilt, font hätte man dadurch entſcheidende Thatſachen üb bi 
füblichere Lage dieſes Zeugmas erwarten können; aber alle Data ie 
guügen fich damit, zm fagen, daß er in Thapſacus feinen Uebergang über 
den Enphrat bewerfftelligte, ohne die geringfle Nachricht, wie er taklı 
fam, zu geben. Aber Reichard, um zu zeigen, daß er über das fo wel 
nordwärts gerädte Thapfacus wenigfiens feine Richtung gencume 
haben müfle, führt an, daß Alexander den Quäſtor von Berrhia, Kat: 
ranus, mit der Gintreibung der Tribute unter ven Phönicern bar 
tragt habe (Arrian. III. 6) — und ſetzt dann Hinzu: „alſo **) we 
„Alexander felbft in Berrhöa; fein Zug ging alfo gegen orte (af 
„Jerabees); denn ohne weitere Umſtäude kömmt er dann nach Thapfamk 
„Wäre er nah Dür gezogen (was Rennell, freilich viel zu wei in 
„S.dD. für Thapſacus hielt), fo bätte er die Armee von Berrhöa et 
„jedem andern fyrifchen Orte aus durch unwirthbare Wüſte genötfig 
„— Kein Wort davon bei den Geſchichtſchreibern.“ — Go Reichau. 

Reichard irrt anzunehmen, daß diefer Weg am dem Gübafer ii 
Guphrat Hin, fo unwegfam, fo unwirthbar zu allen Zeiten gewefen fe 
wie cr es nur durch die ungezügelten Raubfllämme ver Beduinen gem 
ven ift, daß Feine Karawane, keine Armee im Stande fei, ihre Wege jr 
durch zu nehmen. Della Balle, 1625, **) und viele andre Reiſende 





+6) Reichard a. a. D. ©. 51. °*) Pietro della Valle, Viaggi ek- 
In netia 1663. Part. III. Lettera II. di Aleppo, m 58 - 











Euphratſyſtem; das Land der Zeugma’s. 979 


Im Mittelalter, Carmichal *?) im Jahre 1751 nad) Ines Mittheilung, 
Dlivier °*) ber franzoͤſiſche Naturforſcher (1806) und Andere nahen 
benfelden Karawaneuweg, anf ber Rückreiſe von Babylon über Anath 
und Där, immer bem Südufer des Cuphrat nahe bleibend, mit großen 
Danbelsfarawanen direct bis nach Aleppo (Berrhoͤa). Alerander 
vermieb abfichtlih, wieArrian bemerkt (III. 7), diefen directen Weg won 
Chapfarns nah Babylon, ſchon wegen der großen Hitze und bes dar⸗ 
aus entfiehenden Buttermangels, denn es war fchon im Junins, ale er 
daſelbſt den Euphrat zum Tigris uberfchritt. Aber nach der Schlacht 
von Iſſus am den ſyriſchen Päflen, die in ber Herbſtzeit gegen Mitte 
Rovember die Berfer zur Flucht nötbigte, war gar Fein climatis 
er Grund für ven unglüdlihen Berferlönig vorhanden, einen Rückweg 
über das fühlicher gelegene Thapfaens (etwa unter 85° 50° M. Br. 
nach Chesney's Karte) zum fchenen, wenn es fonft feine Abſicht geweſen 
wäre, direct nach Babylon vorzudringen. Webrigens IR es aus dem 
Jeldzuge Cyrus des Jüngern ja befannt, daß eben über Thapfacns 
ieſer Weg den Cuphrat entlang ging, und nubegreiflih If es, wie 
Reichard die von Zenophon gegebene Marfchroute von einem fo 
drblich gelegenen Puurte im Norden von Europus, wohln er Thapr 
nenne verlegte, deuten wollte; andy hat er wol dieſe fperielle Ausfühs 
ug unterlaſſen (f. Erdk. ob. S. 11. u. fi.). Es iſt fermer befannt, aus 
m Veldzuge Kaiſer Iulians wie biefe Route für ein größtes Kriegs⸗ 
ser auch die gehörigen Mittel darbot, und durch Procopius fyperielle 
eſchichten der Kriege Khosroes Anuſhirvan, des Saflaniden, gegen 
afer ISuftinian, Mitte des 6. Jahrhunderts, if es befannt genng, 
r$ diejer fogar in feinen großen Feldzügen mit vielen Tanfenden von 
teſiphon und Babylon and gegen bas römiihe Syrien, zumal im ers 
en und dritten °*) berfelben, den Heeresmarſch am Südufer bes 
mphrat dem Durchmarfche durch das obere Mefopotamien vorzog, 
a6 er nur auf den Rückmärſchen mitnahm. Zwar lernen wir aus bie 
> Kriegsperiode, die ein halbes Jahrhundert dauert, über bie genanere 
wge von beidengengmas, au Thapſacus und Bir, insbefondre nichts 
Sheres tennen: denn beider Namen bleiben den Perſern wie dem Ges 
Bichtfchreiber Brocop gänzlich unbelannt, da bererfiere zu alt und laͤngſt 
Egeſſen, der andre zu nen und noch nicht durch Araber oder Türken 

Anfuahme gelommen war. Aber die an deren Stellen und in ihrer 





»') Edw. Jves, Voyage to and from India to England etc. Lond. 
1773. 4. Book, Il. Map. the common route of the caravan 
from Bassora aver the great Jesert etc. by Carmichal. 

?*) G. A. Olivier, Voyage dans l’empire Ottoman etc. Paris’ 
an XII. Vol. III. p. 459 — 460. »®) Procopius de bello 
Persico ed. Dind. Vol. I. Lib. II. 5. p. 170 — 183; u. Lib. II. 
20. p. 239 — 254. 

.. DAN 2 





980 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abfchnüt. $.M. 


Nachbarſchaft damals entfiandenen oder ſchon blühenden Driichaften wer 
den uns mit ihren Localitäten bekannter, wodurch wir and ein en 
herudes Urtheil über die dortigen ſrühern Zuſtände gewinnen, in ſejſer de 
natürliche Phyſiognomie des Landes, ſobald fie nur wirklich erlami 
ein ewiges Geſetz in ſich trägt, für alle Phaſen und Wechſel nahe 
gender Geſchichten. 

Khosroes erfier Feldzug (540 I. m. Chr. G.) gebt aber am mb 
ten, d. h. am füblichen Ufer des Guphratſtroms aufwärts, über Cus 
fium und den Aborrhas, nah Zenobia, Sara und Gergiggelit, 
welche, in der nähern Umgebung des autifen Zeugma vor Tha 
facus, feit der Periode des palmprenifchen Reichs, ter Ghrikemeks 
gungen Diocletians (St. Sergins Martyr), und ber Heftungsbanten hrs 
zantinifchen Kalfer, zumal Iuftinians (Procop. de aedif. Just. 9. 
zu fo hohem Wlor gelommen waren, daß die alte IThapfaras Kai 
ganz in Dergefienheit gerathen war, die hoch ſchon als Tipkjef m 
Taphſakk (3.8. d. Könige 4, 24), d. i. ber Lebergang übe in 
großen Strom, nub als die Stadt an ber äußerfien Norngreag ii 
falomonifchen Reiches berühmt war, und daurch das hehe Alterihes di 
großes Handelsemporium, zu Alexanders Zeit als Stapelplaß ir & 
phratſchiffahrt, an der Grenze von Syrien, Arabien, Mefcpetamin w 
Babylonien von größter Bedeutung bis gegen die Zeit der deilihe 
Hera blieb (f. ob. ©. 11). 

Bon Sura rüdte aber Choſsroes in denselben Feltzuge Bey 
über Hierapelis bis Antiochia vor, chne den Cuphrat zu überu 
Mit unfäglicher Beute diefer Prachtſtadt beladen, kehrte er abe I: 
mea am Drentes und Chalcis (im Süd von Nieppo) zum Guy 
zurüd, wo er an einem, früher ganz unbekaunten lebergangsert, P 
Obbane, *°%) nur 40 Stadien, d. i. 2 Stunden, von Barbaliieh 
feine Brücke fchlug, um duch das obere Mefcpotamien gan; gemihht 
feinen Plünderzug fortzufepen, mit deſſen Gewinn er dann neben MM 
MReſidenz Cteſiphon die Prachtſtadt Khosro-Antiochin erbaute. 

Durch den zweiten Kriegszug des Khosroee, ) im 3. 541, I# 
wir, in feinen Kämpfen mit Belljar, nur genauer tie Mater bes dB 
Mefopotamiens kennen; fein dritter aber (im 3.542 n. Gibbon I) 
führt uns wieder am rechten fer bes Cuphrat uber Sergiopelis ei 
bis in bie Nähe von Hierapolis und Europus am Guykreil,® 
Belifars drohendes Kriegsheer und des Felbherrn großer Rufe 9 
Saffaniden zur Umkehr brachte. 

Im Angefihte des Nömerfeindes, fagt Procop, ſchin 9 
Saflanive ficlz feine Brüde ?) über den Cuphrat, von ber 




















*°®) Precop. de bello Persic. Il. 12. p. 205. 2) cheat. —X 
2.207. cat. U. 21. p. 246. 


bs 
3 


Euphratſyſtem; das Land der Zeugma's. 981 


yriſchen nach der mefopolamifchen Seite hinüber, um von da nad 
Edeſſa zw ziehen. Belifar, der fi dem zahlreichen Berferheere kei: 
teswegs gewachſen fühlte, beförberte durch Liſt dieſen glüdlichen Weber: 
zang, um ben Zeind aus der weſtlichen Provinz nur los zu werben, wor⸗ 
nf dann erſt, von Defopotamien ans, bie nenen Friedens-Unterhandlungen 
wiſchen Khosroes und dem Kaifer Iuftinian begannen. 

Durch diefe Ientere Stelle des Procop iſt die umgefähre Lage von 
Suropus (bei Ierabecs Ruinen) zwifchen dem heutigen Bir und den 
Ruinen von Hterapolis, die feit Manndrells erfier Entdecknug nicht 
el genauer unterfucht worden find deren Lage aber durch die Buphrat- 
spedition aftronomifch genau (unter 36° 33 N. Br.) beflimmt wurde, 
ammt diefer Brüdenfchlagung uber den Cuphrat anfer allen Zwel⸗ 
el gefeht. 

Auch ſchon ans frühern Angaben der alten Autoren konnte man 
nit ziemlicher Sicherheit in diefer Gegend die Lage von Curopus 
uchen; daß es aber die Stelle des alten Thapfacus felbft mit feinem 
zengma einnehmen follte, war eine ganz neue Behanpiung des Berjaflers 
bengenannter Kritik Rennelle, die nun in alle nenen Schnllarten des 
Irbis antiquus aufgenommen wurde, der verdienſtvolle Reunell aber 
abet der größten Inconfequenz *) angellagt. 

Und welhe Scheingründe biefer durchaus einer Anfeitigkeit der 
Betrachtungsweife der Literarifchen Quellen wie der Naturverhältnifle ers 
naugelnden Kritif, deren Kombination bei ſolchen Unterfuchungen uns 
rläßlich bleibt, find es, welche diefe Behauptung über allen Zweifel 
rheben follen ? 

„Man Iefe die Stelle des Plinius (V. 21), die wir gleich im An: 
ange als eine entfcheidende Stelle für die Lage des Kommageniſchen 
Zengma anführten, fagt Reichard, nnd reiße fie nur nicht aus ihrem 
Zufammenhange.“ Man ift begierig diefen Iufanmenhang in einer Com: 
Hlatien des Plinins zu finden. Nachdem er gefagt: das Zengma 
Rommagenes liege 72 M. pass. unterhalb Samofata ; diefen berühmten 
debergange im Dften fei Apamia angebaut; Rhoaler heißen bie öſtlichern 
Anwohner, fo fügt Blinins (der nun von einer weiten Strede bes Gus 
shratlanfes weiter abwärts, weil dort die Purther die Römergrenze zu 
einer Zeit fortwährend bebrehten, nichts zu fügen wußte) nur hinzu: 
‚At in Syria oppida Europum, Thapsacum quondam, nunc Anphi- 
volis.* Man fehe offenbar, fagt der Kritifer, daß Plinius die Grenzen 
von Rommagene und Syrien bezeichne fer hatte früher ald Grenze bie 
Stadt Cingilla genannt, deren Lage aber unbefunnt if) und zu verfiehen 
‚eben wolle, daß Europus und Thapfacus nicht in Kemmagene, ſondern 








2) Reichard a. a. O. ©. 3. 








980 MWeftsAfien. III Abtheilung. J. Abfchnitt. 6.4. 


Machbarfchaft damals entfiandenen oder ſchon blühenden Ortſchaften wer 
ven ans mit ihren Localitäten befannter, wobnrch wir and ein ans; 
herudes Urtheil über die dortigen frühern Zuſtäude gewinnen, in fefera fe 
natürliche Phnfiognomie des Landes, fobald fie nur wirklich erfanzi ij 


ein ewiges Befeh in fi trägt, für alle Phafen und Wechſel nadie 


gender Geſchichten. 

Khosroes erfier Feldzug (540 3. n. Chr. &.) geht aber am uk 
ten, d. h. am füplichen Ufer des Guphratfiroms aufwärts, über Eim 
fium nud den Aborchas, nah Zenobia, Snra und Sergiepelit, 


welche, in der nähern Umgebung des antifen Zengma vonTher | 


ſacus, feit der Periode des palmyrenifchen Reichs, ver Chrikemerkb 
gungen Diocletiaus (St. Sergius Martyr), und der Feſtungsbauten der b 
zantinifchen Kalfer, zumal Inftinians (Procop. de aedif. Just. 9, p. 4) 
zu fo hohem Flor gekommen waren, dag die alte Thapſacus Dark 
ganz in Dergefienheit gerathen war, die doch ſchon als Tiphſah de 
Taphſakk (1.9. d. Könige 4, 24), d. i. der Mebergang übt ka 
großen Strom, nub als die Stadt an der Außerfien Nordgrenze ii 
ſalomoniſchen Reiches berühmt war, und durch das hehe Alterihm di 
großes Handelsemporium, zu Aleranders Zeit ale Stapelplap ker Er 
phratſchiffahrt, an der Grenze von Syrien, Arabien, Mefcpotamir m 
HBabylonien von größter VBebeutung bis gegen die Zeit ver chrijlihe 
Aera blieb (f. ob. ©. 11). 
Porn Sura rüdte aber Ehosroe6 im demſelben Feldzuge ſiegreich 
über Hierapolis bis Antiodgia vor, chne ben Cuphrat zu uber 
Mit unfäglicher Beute diefer Prachtſtadt beladen, fehrte er uber Are: 


| 


— — 


mea am Drontes und Chalcis (im Süd von Aleppo) zum Erphrat 


zurück, wo er an einem, früher ganz unbelannten Uebergangserk, # 
Dbbane, 9°) nur 40 Stadien, d. i. 2 Stunden, von Bacrbealilas, 


feine Brüde ſchlug, am durch das obere Mefcpotamien gauz gemihbt | 


feinen Plünderzug fortzufepen, mit deſſen Gewinn er daunm neben frz 
Refidenz Gtefiphon die Prachtſtadt Khoero⸗Antiochia erbaute. 

Dur den zweiten Kriegegug des Khosrces, ’) im 3. 541, mat 
wir, in feinen Kämpfen mit Belljar, nur gemaner tie Natur des ii 


Mefopotamiens kennen; fein dritter aber (im 3.542 m. GibboaIlM) : 
führt une wieder am rechten fer des Cuphrat aber Sergiopelis aufull 
bis in die Nähe von Hierapolis und Europus am Gupärat, Wr 


Belifars drohendes Kriegsheer nub des Veldherrn großer Aufn M 
Saflaniven zur Umkehr brachte. 

Im Angefichte des Mömerfeindes, fagt Procop, Pa 
Saflanide fiel; feine Brüde ?) über den Guphbrat, ven der 





80°) Procan. de hello Persic- I. 12, p. 205. 2) ebend. I 15 
p. 217. ar I Un, 246, 








Euphratſyſtem; das Land der Zeugma's, 981 


ſyriſchen nach ber mefopotamifchen Seite hinüber, um von da nad 
Edeſſa zu ziehen. Belifar, der ſich dem zahlreichen Berferheere ei: 
neswegs gewachſen fühlte, beförberte durch Liſt diefen glüdlichen Ueber: 
gang, um den Feind aus der weftlichen Provinz nur los zu werben, wors 
anf dann erft, von Mefopotamien ans, die neuen Friedens-Unterhandlungen 
zwifchen Khosroes und dem Kalfer Iuflinian begannen. 

Durch diefe letztere Stelle des Procop iſt die ungefähre Lage von 
"Snropus (bei Jerabees Ruinen) zwiſchen dem heutigen Bir und dem 
Auinen von Hlerapolis, die fet Manndreils erfier Entverkung nicht 
- viel genauer unterfucht worden find deren Lage aber durch die Cuphrat⸗ 
erpedition aſtronomiſch genan (unter 36% 33 N. Br.) beflimmt wurde, 
fammt dieſer Brückenſchlagung über den Euphrat außer allen Zwel⸗ 
fel gefeßt. 

Auch ſchon aus frühern Angaben der alten Autoren lonnte man 
mit ziemlicher Sicherheit in diefee Gegend die Lage von Curopus 
fuchen; daß es aber die Stelle des alten Thapfacns felbft mit feinem 
Jengma einnehmen follte, war eine ganz neue Behauptung bes Berfaflers 
obengenannter Kritik Rennelle, vie nun in alle neuen Schulfarten des 
Orbis antiquus aufgenommen wurde, der verbienfivolle Rennell aber 
babet der größten Inconfeguenz *) angeflagt. 

Und welche Scheingründe biefer durchaus eimer Anfeitigteit der 
Betrachtungsweife der Literarifchen Duellen wie der Naturverhältnifle ers 
mangelnden Kritif, deren Kombination bei ſolchen Unterfuchungen uns 
erläßlich bleibt, find es, welche dieſe Behauptung über allen Zweifel 
erheben follen ? Ä | 

„Man leſe die Stelle des Plinins (V. 21), die wie gleich im An: 
fange als eine entſcheidende Stelle für die Lage des Kommagenifchen 
Zengma anführten, fagt Reichard, und reiße fie nur nicht aus ihrem 
Zufammenhange.“ Man iſt begierig biefen Juſammenhang in einer Com⸗ 
pilation des Plinins zm finden. Nachdem er gefagt: das Zengma 
Kommagenes liege 72 M. pass. unterhalb Samofata ; biefem berühmten 
Hebergange im Often fei Apamia angebant; Rhoaler heißen die öſtlichern 
Anwohner, fo fügt Blinins (der num von einer weiten Strede des Cu⸗ 
yhratlanfes weiter abwärts, weil dort die Parther bis Römergrenze zu 
feiner Zeit fortwährend bebrchten, nichts zu fügen mußte) nur hinzu: 
„At in Syria oppida Europum, Thapsacum quondam, nunc Amphi- 
polis.“ Man fehe offenbar, fagt der Kritifer, daß Blinius die Grenzen 
von Kommagene und Syrien bezeichne ter Hatte früher als Grenze bie 
Stadt Eingilla genannt, deren Lage aber unbekannt iſt) und zu verfiehen 
geben wolle, daß Europus und Thapfacus nicht in Kommagene, fonterz 





2) Reihard a. a. O. ©. 3. 





970 Weft:Afien. III. Abtheilung. I Abſchnitt. $.41. 


Strabo (I. 79), Liegt „weit entfernt vom Gebirge.“ Rah ho 
tofthenes lag Thapſacus, nad Meflung, von den arme niſchen Ir: 
len etwa 1100 Stadien, db. 1. 274 geogr. M., fern (IL 80: new | 
wör "Apperlur nulär). Über von da bie zu ben armeniſchen Bu 
gen (mirgs zür "Agmerlar ögüws) das ſei noch ungemeffen (ankr 
vor). Dafür nehme nun Hipparch eine Entfernung von uch MM 
Stadien (25 geogr. M.) an, aber irrig (Strabo IL 82), da Grat" 
ſt henes Annahme für den ungemeffen gebliebenen Raum zu den e 
menifcgen Bergen nur etwa 400 Stadien (d. i. 20 geogr. MR.) vedad, 
alfo für den ganzen Abſtand 1500 Stadien, d. i. 375 geogr. N. Rn 
gende aber, bemerkt Strabo (II. 77) gegen Hipparch, **) fei es dem 
Gratoſthenes eingefallen, zn behanpten, daß Thapſacus von Babylıı e 
4500 Stabien gegen ben Norden liege. 

Diefen Mefiungen im Meridian yon Thapſacus gegen ven Rordes 
anf Cheonev's Kartenanfnahme des Guphrats und Tigrislanfes nedee 
hend, würden die von feinem der alten Elaffifer näher bezeichneiez zu 
auch uns bis dahin mubelaunten „armenifhen Pylen des Eratr 
ſthenes,“ die D’Anville, Rennell, Mannert und Reihart, nk 
alle neneren Sommentatoren gänzlich außer Acht gelaſſen, ober die Bisztt 
zn den Borbergen Armeniens in bie Gegend unmittelbar zatır 
halb des "heutigen Berger fallen (f. oben ©. 871). Deun bimi wi 
Thapfacus gegen Nord bie dahin find 81 bis 32 geogr. Meile. Mi 
Gerger, im Norden von Gamofata, in ver Nähe des alten Barjelam, 
verläßt aber der Guphrat wirklich die letzten Felobaänke, vie feinen karl 
bis dahin in der Kette der GCuphrat⸗Cataracten des Tazınd, 
wie fie ſchon Plinins nannte, hemmten. Wir Iernen dieſe Loonlität af 
durch die genaneren Aufnahmen ber preußifchen Officiere und durch du 
erfte Beſchiffung des dortigen Euphratlaufes Innerhalt der Gataraden-St 
kennen. Er tritt hier ans den letzten einengenden Felsſchlachten her, 
die man mit Recht die armenifchen Pylen nennen Eomute, ale Ip 
menien ſich noch durch Armenia major uud minor bis Melitese w 
Gommagene herabzog. Sagt doch Arrian au ber genannten Su 
daß Alexander duf feinem Marfche von Thapſacus zum Tigrisübergeng 

‚oberhalb Arbela den Taurus Armeniens ſtets zu feiner Linken Hand jew 
Begleiter gehabt. Die 400 Stabien (10 geogr. MR.) weiter aorrmär 
ber Pylen würden bafelbft die Breite der fürlichen Tanrnsskıtit 
ziemlich genan bezeichnen, ba Tomifa (bei Iſoglu, f. ob. ©. 878) sed 
Artemidors Mefiung 450 Stadien von Samofata entfernt lag. st 
Sratofibenes armenifchen Bergen iR alfo bier entſchieden vie Kette iM 
Rorben von Gamofata zu verfchen, mit den Tanınspäflen, die wir iur 





790) vergl. Greskurd Not, u Btrabe Ab. 4. 72, in deſſ. ueberf Ml. 
&. 121 ud I, sit 





Euphratfuftem; das Land der Zeugma’s. 971 


Tich durch unfere Landsleute fo genan haben kennen lernen, und weidie 
einft Melitene von Kommagene treunte. 

4) Strabos Entfernung zwifhen ben beiden Zengmas. 
Nach diefen Beftimmungen bes Gratofthenes über die Lage von Thapſacus 
gegen das nörbliche armentfche Gebirgsland gibt Strabo in feiner Bes 
ſchreibung von Afigrien (XVI. 746) noch ein anderes, wie es fcheint, 
nicht von Gratofihenes überliefertes Man: „des Abſtaudes zwiſchen bem 
Zengma, nümli der Brüde in Kommagene, wo Mefopotamia anfange, 
bis nach Thapfacne, was nicht weniger als 2000 Stadien beirage (ove 
Narsov XVI. 746). Alſo an 50 geogr. M. Diefe Angabe iR, wie 
die beigefügten Worte zu verftehen zu geben fcheinen, nicht ſowol wirkliche 
Meflung, als ungefähre Schätzung ober Berechnung anderer Art, etwa 
nad Schifferflationen auf dem Flußlanfe. Sie ift nicht auf eine directe 
„Diſtanz für Heeresmärfche ober für conftrncetive Zwecke Cratoſthenifcher 
Spöragiden zu beziehen, wie die andern Angaben ans Aleranders Bes 
tiode; dent damals war auch noch von feinem Sengma Kommagenes 
die Rebe, das erft fpäser durch Seleuciden gegründet ward. Die Schäs 
Buug weicht von der vorigen Angabe auch bedentend ab, mit ber fie nun 
auch gar nicht zu parallelifiren if. Irren wir hierin nicht, fo find Diele 
2000 Stadien nah den ungemein gekrümmten Winbungen bes Cuphrat⸗ 
laufes und zwar nad der vielwinkligen Flußſchiffahrt zwifchen bem 
Seugma Kommagene's und dem alten Zeugma bei Thapfacus zu rechnen, 
die damals dur den Großhandel von Hierapolis, wie Strabo aus⸗ 
drücklich fagt, fehr belebt war. Daher biefe große Entfernung, obwol 
viel weniger weit norbwärts reichend als die armenifhen Bylen, 
doch als Neiferonte weit länger, nämlid um 124 geogr. Meilen läss 
ger ale jene Diſtanz. 

Meflen wir nun bie wahre Entfernung von Thapſacus, anf 
Chesney's Kupbratfarte die Krümmen verfolgend, aufwärts nach, fo 
führen nns.die erſten 35 geogr. Meilen etwa nah Bir, die 40 gevgr. 
I. würden nah Romkalah, die ganze von Strabo angeführte Diflanz 
oder Summe von 50 geogr. M. aber gerade nah Samojata führen. 
Diefe Schägung wäre alfo minder genau und offenbar zu groß, um blos 
zum Seugma nad Bir zu führen. Aber Strabo frheint fich felbft nach 
den in früheren ſchon berührten Stellen das Zeugma Kommagene's ſtets 
dem Samofata fehr viel näher gebacht zu haben, als es wirklich lag. 
Und wirflih if dem Strabo die ganze große untere Weltwentung bes 
Cuphrat von Samofata abwärts (wie wir ſchon anderwärts gezeigt. has 
Ben, f. ob. S. 73) gänzlich unbelannt geblieben. 

- Sollte damit nicht fein Irrtum in diefer übertriebenen Schäpung 
der Diſtanz des Zeugmas Kommagene's von Thapfacus zufammenhän- 
gen, da er bei allen Gelegenheiten biefes Zeugma viel zu fehr der von 
ihm gefeierten Koͤnigsſtadt Samoſata näherte, un voðð ar el dr 





97% WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $.41. 


nen einzigen Ort zwiſchen dem Zeugma und biefer Gapitale Remmagea'i 
anzuführen im Stande war? Die Weberfälle der kriegeriſchen Partye, 
welche noch zu Strabos Zeit als die gefürchteten Feinde ver Rime 
am Dftufer des Euphrats in Mefopotamien Wache hielten (Strabo XTL 
748), ſchnitten biefen Unter mach dem frieblidyeren und für dortige Lorak 
Seuntnif günftigeren Zeiten der Periode Aleranders umb bes grofen Er 
lencidiſchen Meiches von jedem neueren Fortſchritt bortiger geographiide 
Syecialkenntuniß ab, daher ſich vielleicht Strabo eben hier auch zur mi 
einer ungefähren Schhäpung der Diftanzgen begnügen mußte. 
Können wir nun ans biejer lezteren Schätzung Strabss bie ge 
uauere Lage des Kommagenifchen Iengma keineswegs allein befkinmeen, 
fo lernen wir. doch deſſen ungefähre Lage dadurch, und zumal deſſen gre 
Ben Abſtaud vom weit fühlicheren Thapſacus kennen, das ja and 
nach obiger Aeußerung des Eratofthenes [ehr weit von den armeriſche 
Pylen entfernt lag. Durch Plinino oben befprocdhene Lage des Ieagmı 
und Apamia's, 72 Millten abwärts Samofata, wird aber Gtrabos Ir 
gabe berichtigt und ergänzt, das Berhältniß der mörblicheren Lay 
deffelben gegen das viel füblihere Thapfacns aber ihn & 
len Zweifel erhoben. 

Hiedurch werben wir bei der bis Kente noch nicht geſchehenen Bi 
berauffindnng ber Muinen des alten Thapſacus wenigftens ver ven 
groben, bis jept noch nicht widerlegten Irrthume bewahrt, widt we 
Reichard in feiner heftigen Critik 3. Rennelle und veflen Gase 
tars über Xenophons Feldzug des jüngern Cyrus die Lage viefes als 
Sengma fammt dem Uebergange Aleranders M. gauz Dicht neben dal 
Seugma der Seleuciven und Römer in eine nnd dieſelbe 
Tlußgegend zu verfepen. Hiedurch mußte une die größte Berwin 
sung über jene Theile der alten Geographie und ber Kriegszüge ws 
laßt werben, ja die Lage des Zeugma ber Selenciden ſelbſt wur te 
durch verbunfelt. Der triumphirende Einfing, den biefe Hypotheſe ud | 
Neichards Orbis veteribus notus auf faft alle neueren Schullarten hd 
ſelbſt auf viele hiſtoriſche und philologiſche Arbeiten ausgeübt, macht ei 
zugleich zur Sicherung aller ferneren Unterfuhung nothwendig, in ve 
Behauptungen biefer Lehre einzugehen, der eine eigene Abbanblung is 
den Kleinen Schriften *?) jenes Verfaſſers gewibmet if. 

Reichard ging von ber zuverfichtlichen und fehr bebemklichen lieber 
zengung ans, daß ihm nach feinen Unterſuchungen der ganze Gupheab 
lanf und das dortige Terrain der Kriegsbegebenheiten „nun [chen fo 
genan bekannt fei, daß man ſich Hier nicht irren könze” 
Gewiß wird man ihm fehr vielfache geographifche Kenutnifle und Eis 





‚9, 8.©. Ada, Kne Surtten. GBünı 1836, 8. Mbrt. IL 
- Recenfion von A. Reamlls INnatralünor, 





Euphratſyſtem; das Land der Zeugma's. 973 


dien nicht abſprechen können; aber ein einziger Blick auf die Chesneyſche 
Suphratanfnahme, die freilich zu feiner Zeit noch nicht gemacht war, zeigt 
nur zu deutlich das Grundlofe diefer felbfigefälligen Meinung. 

Aber im Vertrauen auf bie frühere fehr willführliche Seichnung des 
mittleren Euphratlaufes, anf die übrigens ber Wahrheit fehr nahe kom⸗ 
menden, freilich fehr fparfamen Niebunhrſchen Breitenbefimmungen von 
Hilla bei Babylon und Haleb, wie der von Zriesneefer und v. Sach bes 
rechneten Laͤngeubeſtimmungen von Hilla und dem von R. Pococke zuerſt 
genanuten Orte Jerabees am Cuphrat (zwiſchen Hierapolis und Bir ges 
legen), fand Reichard die directe Diſtauz von Babylon, nach, wie er 
fagt, forgfältigfter Berechnung, bis Jerabees — 108 geographiſchen Mei: 
len. Dies glich feiner Berechnung nad den 4800 Stadien Diſtanz zwis 


ſchen Babylon und Thapfalus bei Eratofihenes bis auf 4 geographifche 


Meilen. 

„Gin ſolches Iufammentreffen, rief er aus, Tann kein Zuſall ſein; 3 
„dieſe erſtannenswürdige Genaunigkeiteey Habe bis dahin keine 
„Seele bemerkt.” Die Lage von Thapſakus hielt er num aus dieſem eins 
zigen Datum für unwiderruflich gefunden. Gr fährt fort: „Mit 
„GStrabo’s Stelle (XVI. 746), wo biefer Thapfalus 2000 Stadien. vom 
„Zeugma Kommagene's entfernt angibt, Tann es unmöglich richtig 
„fein. Iſt es keine falfche Lesart, kein Binfchiebfel, fo if es fein eigener 

„Irrthum, Mißverfländnig, oder aus ganz falfchen Nachrichten und Vor⸗ 
„ansfebnugen gezogene Künftelet, vergleichen fig die Alten Häufig ſchul⸗ 
„dig gemacht haben.“ 

Eine fo außerordentlich genane Uebereinſtimmung ber alten Maaße 
für fo große Intervallen mit aſtronomiſchen Beſtimmungen muß immer 
etwas bevenfliches habeıs, wenn man ihre Meſſungomethoden mit denen 
der Neueren vergleicht, zumal wie hier anf fo große Diftanzen nud durch 
die Mitte mefopotamifcher Wüften. 

Dbige dem Strabo gemadhten Borwürfe werben nun nicht weiter 
begründet, fondern die Lage von Thapfalns iſt ohne weitered der Cu⸗ 
phratlarte an der Stelle von Jerabees (Oſherablus unter 30° 24 RN. 
Br. nad Chesney) unter 86° 51’ N. Br. und 55° 27' 29° 2 v. Seren 
bei Neihard eingetragen, ganz nahe dem alten Hierapolis, Die 
Stelle it nah R. Pococke 4 Stunden unterhalb Bir, dem Zeugma 
KRommagene's, angegeben, und biefes Datum ſeitdem in alten Karten ber 
alten Geographie und danach in den Compendien der Weltgeſchichten wies 
derholt. | 

Man begreift in der That gar nicht, warum, wenn bie eine von 
Eratoſthenes angegebene Mefiung von Babylon bis Thapfalas, näms 
lich der eine Dreiedtfchentel feiner dritten Sphragide, von OR gen Weſt, 





»*) Reichard a. a. O. ©. 49, 





‘ 


97% WertsAfien. II. Abtheilung. L Abſchnitt. $.41. 


jene erflaunenswerthe Benanigfeit zeigt, warum bie Meffung bes zweiten 
Dreieckſchenkels derjelben Sphragide, von Süd gegen Nord, nämlid von 
Thapſacus bis zu den armenifchen Polen, die doch weit leichter zu bes 
Rimmen wer, gar keine Berüdfichtigung erhalten hat, fondern ihrem Gr: 
gebniß gerabezu wiberfprochen wirb,; nicht durch Gründe gegen biefelhe 
ans den Strabonifhen Daten, fondern durch Deutung der Stellen ande 
rer geographifiger Angaben ver Glaflifer, im Siune der voransgefaften 
Meinung, nämlich der yermeintlichen Ipentität von Serabees (Diie 
rablus) und Thapſacus. Denn triumphirend wird verkündet: °*) welche 
„vergebliche Anftrengupgen bisher bei den Geographen, bie Lage biefer 
„weltberühmten Stapelſtadt des oflaflatijchen Handels zu beſtimmen, Ne 
„tes Centrums aller Mefiungen bes Cratoſthens durch ganz Aſien, dieſes 
„Beenichloffes ‚aller Befchichtsfchreiber und Geographiefundigen bis henie 
„und wie offen nnd klar liege doch ber Beweis vor Augen.“ 

Gben diefe Wichtigkeit des Lage von Thapfacns, und der mi bie 
ſem autiken Zeugma aus Alexanders Zeit fo oft in Bergleichung gebrach⸗ 
ten Zeugma's ber Seleuciden in Kommagene, macht es nothiwendig, die 
andern in der Relchardſchen Kartenzeichnung beigebrachten Befätigungen 

jener Annahme, welche zumal bie Verdienfte Mannerts und Rennelld 

bei dieſen Unterfuchungen für Nichts gelten läßt, zugleich zu beachten, 

um bie wahre Lage bes Seugmas ber Seleuciven zu Apamia in Rem 

magene baburch näher zu begründen. 

Der zweite Autor, der von Reichard jur Beſtaͤtigung ber age ven 
Thapſacus in fo Hoher nörblicher Breite zu Hülfe gerufen wird, if Piolm. 
(V. 19. fol. 144), der aber gerade das Gegentheil im feines Tafel von 
Arabia deserta fagt. Piolemäus, führt in einer Reihe am Cuphrat 
abwärts, von N. W. gegen S.O. fortfchreitend, wie fich bies aus vs 
Längen. und Breiten ergibt, die 4 Orte an: 

1) Thapfacus 73° 30° Long. 35° 6’ Lat. Ohne weitere Grün 

nachzuweiſen, wird biefer Ort aus der Reihenfolge der übrigen 
- Btolemälfchen Breitebefiimmungen heransgerifien, und von 35° 6 
un 1° 45‘ weiter nordwaͤrts verfept, alfo nach 36° 51’ R. Vr. 

2) Bithra Girtha) 73° 40° Long. 35° 0 Lat. 

: 8) Gadirtha 73950° Long. 34° 45° Lat. . 

4) Eddara (Dadara) 74° 20° Long. 34° 10° Lat; 

Dieſer leptere Ort, der bis heute in ber angegebenen Breite wenig 
ſtens noch nicht wieder entbedt iR, den man früher bei ber ſchlechtes 
Zeichnung des Euphratlaufes leicht mit dem heutigen EI Der, Dar, Dei 
(d. 5. Thor Paflage; nad Chesſney unter 35%5' N.Br.), einem ber be 
beutentfien Orte am Cuphrat, verwechfeln konnte, da man ihn mach As 
gabe der Neifenden andy viel weiter ben Strom aufwärts gerädt fen 


709), Reichard a. a. D. ©. 48. 


j 





Euphratſyſtem; das Land der Zeugmais. 975 


uämlih 2 gute Tagreifen oberhalb der Cinmänbung des Khabut (Cha- 
boras), wurde von Nennell für das Thapfacus des Zenophon gehalten. 
Die Localität der alten fo berühmten Thapfacus war fo gänzlich in Ver⸗ 
geffenheit gerathen, daß fon D’Anuville, und nah ihm Rennell, 
welche in Zenophons Marfhroute „von Daradar nach Thapfacıs 
8 Tagemärfche (15 PBarafangen), zum Araresflug (Chaboras) 9 Tages 
möärfche (50 Barafagen)‘ einen Irrthum vermutheten,, weil ihnen fo: nahe 
bei der Oſtwendung des Guphrat von Balis aus keins Rainenſpur einer 
großen antilen Stabt befanst war, glaubten leider den griechifchen Text 
durch die. Conjectur einer Transpofition jener Daten verbeſſern 
zu mäflen. Sie wähnten dadurch weiter abwärts bie Lage dieſer moder⸗ 
nen Der oder Dar zu erreichen, die Reunell noch andrer Umflände 
wegen entishieben für das alte Thapſacus zu Halten geneigt war. Dazu 
gehörte ihm. auch, daß Dar nur 25 Tagmärfche von ber Einmündung 
des Ehaburas (Arares bei Zenophon) iu den Cuphrat Liege. Auch Gofs 
feltn war. bierin ‚feinem Vorgänger D’Anville nachgefolgt. 

Schon Maunert indeß fand, dag die Lage des heuligen Dar zu 
weit ben Cuphrat abwärts führe, um ber Lage bes alten Thapſacus zu 
entſprechen. Reichard. widerlegte diefen Irrthum Rennells mit fiegreichen 
Gründen; er zeigte, daß: Thapfacus und Dar ganz verſchledne Städte 
feien, fetzte aber num biefelbe Stadt Thapſacus jener einfeitigen Berech— 
nung zu Folge, von einem Extrem zum andern. 

Und woedurch follte diefe Derlegung von Thapfucne, ſiatt bei Piol 
85° 5° Lat., unter 36° 51’ N. Bt. an die Stelle von Jerabees, oder 
um 1° 46° nördlicher, gevechtfertigt fein? blos dadurch, daß Ptolem. in 
Der Reihe der in obiger Ordnung von ihm aufgezählten Städte auch 
eine Birtha (Bithra) nennt, von der Reichard in Klammern beiſetzt: 
„daß .diefe Stadt einfimmig als Bir anerkannt ſei.“ Aber 
dem ift in der That nicht ſo, denn es gibt Ptolem. diefe Bitbra oder 
Birtha unter 35° Lat., alfo um 5 Minuten füdlicher als Thapfas 
eus an, da Bir. doc. viel nörblicher liegt. Hier fügt nun Reichard 
ohne weitern. Scrupel die Bemerkung *°) bei: „dag Ptolemäus ans 
„Irrthum Birtha ſüdlicher als Thapfarns ſetzt, wird hofs 
„Fenttih Niemand in Anfhlag bringen,” unb fcheut fich daher 
gar nicht, ohne weitern Beweis geradezu das Begentheil von Ptolem. 
Angabe zu befolgen, und diefes Birtha um die 5 Minuten welter nords 
wärts an die Gielle des heutigen Bir oder Biredſchik (obwol dies uns 
ter 379 N. Br. n. Chesney liegt) zu rucken, In der irrigen Meinung, das 
durch noch den Ptolem. verbeflert, und die Lage von Birtka bei Ptolem. 
in dem heutigen Bir, und damit zugleich die genaue Lage deö Zeugme 
Kommagene's, Pit ermittelt zu haben. 





20) Meichard a. a. O. G. 40. | 





976 Wefts:Afien. EI. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.41. 


Nun find ihm durch biefe Hypotheſen zwei Orte, freilich um vell 
30 geogr. M. mehr im Norben, ſchelnbar wieder gefunden, die aber Pielm, 
in umgelehrter Orbnung SO geogr. Meilen weiter im Süden in gem 
folgerechter Reihe feiner Tafel eingetragen hatte, und ‚der wirklichen Lage 
nach nur mm ein verhältuißmäßig Geringes, um 5 bis OB Minuten zu 
weit gegen ben Süden gerädt hatte. Freilich huldigte Meichard hin 
nur einem bis dahin fehr allgemeinen Irrthume: denn ber verwardie 
Name von Birtha (Bithra) bei Ptolm. hatte viele Srühere, und and 
fon Maunert, irre geleitet, biefen Ort im Süboflen von Thapfecn 
für das Bir im Norbweflen biefes alten Jeugmas zw Halten. Bas: 
wert meinte, der. alte einheimifche Name, der fi durch Apamea's Un 
tergang wieder Luft gemacht, nämlih Thiar ver Tab. Penut., ſel zwar 
auch verſchwunden gewefen, dagegen fchon im Aten Jahrhundert trete der 
Name des Castellum Birtha (in der Notitia dignitatum) herser, za 
einer Zeit, da die Saffaniden ſchon im Beſitz von Nifibie gewefen. 1x 
fun wäre es ja von den byzantinifchen Kaiſern geweien, meinte er, ein 
Beſtung an euer Henachbarten Stelle des Fluſſes anzulegen, und den bi 
herigen gewöhnlichen Uebergang uubebedt zu laflen. Dies Ratfonnemesi 
gibt ihm den Muth, die in der Notitia dignitatum 92) in Dächern 
Bintha geſchriebne Stabt für Birtha zu leſen, und fie wie bei Pas 
ciroll, nebſt ber inHierocles Synecdemus p. 715 ed. Wessel. angtgtbars 
Birtha (Blgsa) für eine und biefelbe mit ven Bir des Remmage 
uffgen Zeugma zu halten. In diefer Auficht war ihm auch ſchon Koch 
Ier in feinen Roten zu Abnlfeda's Syrlen voramgegangen. 
irrig: denn bes Gynecdemus wie Pancirolld Infammenfellung der 
Oorhoeniſchen Cparchie mis den ſüdlichern Städten am Gupfrei, die 
von beiden Autoren angeführt werben, wo es erfi mach Gallinicam sit 
Nicephorium (Rafla) abwärts, von Thapfacus aufgeführt if, zeigt, daß «sb 
wie fchon der beſonnene Weffeling bemerkt hat, weder mit dem Virthhe 
bei Amm. Marc. XX. 7, 77 in Mefopotamien, weil biefes am Tigri 
Iag, verwechfelt werben darf, noch mit dem fo viel noͤrdlichern Orte em 
Seugma Kommagenes, der vor dem 12. Jahrhundert bei keinem ber 
Autoren Birtha genannt if. Und and, feltvem, feben wir Binzu, nie 
mals Birtha Hieß, fondern ſtets Bir oder Caſtell Bira bei ya 
Syrern, *2) und Al Birat bei Abulfeda. 9°) Erſt nachdem es um 
mit den Städten Edeſſa und Sarudſch genannt IR, tritt es öfter in be 
dort wechfelwollen Fehden am Cuphrat als Fee vom großer Bebeuiumg 
zwiſchen Haleb und CEdeſſa hervor, wird aber nie Birtba, fonbera ie 
mer nur Bira genannt. Zwar führt Rochler in feinen Noten zu ieh 
feda noch einen Puxct zur Unterflüpung feiner Meinung an, baf Dit 





103) Notit. dignit. imperii orient. ed. G. Pancirolli. Venet. 1008. 
fol. 97, b. cap. 168. *2) Greg. Abulphar. Hist. dynes. 
pP: S5, Al. V Akulf, Tab, Syriae ed, oehler. p. 187. 


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Euphratſyſtem; das Land der Zeugma’s. 977 


mit Birtha füridentifch zw halten, ber aber eben fo unhaltbar iſt; 
er erinnert nämlich daran, daß in Assemani Bibi. or. T: I. p. 281, 
im Compendio Chronici Jösuae Stylitis ad Ann. 506, ein „Sergius 
Episcopns Birtae castri, quod ad Ehphtatem jacet,” vorfomme, 
der baflelbe auf Koſten Kaiſer Anaſtaſius mit Mauern befefligte, und 
daß diefes nur dem Birtha in der Cparchie CO schoene angehören fönne: 
Da wir aber ſchon oben den Grund angaben, warum dieſes oorhoeniſche 
Birtha nicht das Bir der ſpätern türfifchen Dynaſten am Jeugma Rom: 
magenes fein Tönne, fo fullt dieſer Zuſatz zum Beweife von felbft weg. 
König Darius, bemerft Reichard ferner, habe nad der Schlacht 
von Iſſus, als er von Alexander Truppen verfolgt warb, den fürze. 
Ren Weg zum Euphrat nehmen müſſen, weil er, wie Arrian (de exp. 
Alex. II. 13) fi austrüde, Feine Ruhe gehabt, bis er den Guphrat 
zwifchen fi und den Macedoniern gewußt. Die Schlußfolge, **) daß 
deshalb nun Thapſacus viel nörblidher, als Ptolemäus angegeben habe, 
liegen müfle, fheint eden fo gewagt wie die Benterfung, daß es von dem 
Berfer: Monarchen thoͤricht geweſen fein würbe, ftatt durch dae mehr 
bergige noͤrdliche Syrien, durch das offene, fläche Blachfeld 
Syriens feine Flucht, alfo gegen S. O., zu ergreifen? Neichard findet 
noch in dem Austrud, den Diodor. (XVII. 37. p.187. Wess.: zur Ava 
sargasedy) gebraucht, um zu bezeichnen, wohin feine Flucht geftellt 
war, einen Beweis für feine Anfiht. Denn habe Thapfacus fo viel für- 
licher als Bir gelegen, wie es nach Ptolem. zu liegen fomme, wie hätte 
da Diodor fagen fünnen, daß Darius in die obern Satrapien ge- 
flüchtet fei? dann hätte er wieder bergan reifen müflen. Aber‘ Diodor 
fagt durchaus nicht, daß er ſog leich durch die obern Statthalterfchaften,.. 
worunter Reichard die nörblichern Eyrrheflica und Kommagene im Ge- 
genfag der fühlichern Ghalcidice und Chalybonitis gemeint wiſſen will, 
eutflohen jet, fondern nur im allgemeinen, nicht in Bezug anf den Mo: 
ment der erften Flucht, ſondern auf feinen ganzen Hüdzug, daß er 
zu den obern Statthalterfchaften zu eilen bie Abficht gehabt. Daß Da: 
kins nad der Schlacht von Arbela and) in den obern Statthalter: 
[haften , da nur diefe im metifchen Gebiete Ekbatanas darunter verftan: 
den werden können, fein Aſyl wirklich ſuchte, iſt ans den Hiſtorlen bes 
fanıt. Auch if bekannt, dag Darius über die Brüde bei Thapſacus 
zurüdfloh, deren Bewachung andy hoc fpäterhin, Im Sommier des fols 
genden Jahres, als Alerander: eben dort den Cuphrat (im Monat 
uni) zu überfchreiten beabfihtigte, dem Perſer-Feldherrn Mazaens noch 
anvertraut war (Arrian, III. 7). Aber feine Spur ift bei den Autoren, 
welche dafür fpräche, daß Thapſacus felbft fchen in jehem obern Sytien 


20) Reichard a. au De 150. vergl. Mützel Cart. Rafı IV, 1 p. 
168. not; 


Nitter Erbfunde X. Qgg 





978 MWefl-Afien. MI. Abtheilung. 1. Abſchnitt. 8.41. 


gelegen gewefen wäre; vielmehr gerade das Begentheil bezeichnen ver 
Strabo Worte, wo er, ben Lauf des Guphrat und feine Waſſeranſchwel⸗ 
fungen beſchreibend (Strabo XVI. 742), fagt: „jo weit er, der Euphrat 


„naͤmlich, aus der Armenia minor und Kappadocien durch den Tauris 


„ſchon hindurchgebrochen, mad Thapſakos hinabgeht, das nutere 
„Syria (mr xure Zuplar) und Meſopotamia von einander ab 
„ſcheidend m. f. w.” Der Weg über das offene Blachfeld gegen EL. 
war mit untergelegten Reitpferden an den fchon befannten Statiouen bis 
zur fihern Brücke von Thapfacns für einen flächtigen König, wie Darizs, 
wegen ber größtmöglichfien Schnelligkeit des Fortkommens durch weitet 
reitbares Steppenland, das bis heute die flüchtige Neiterei der Be 
duinen fo leicht nah allen Richtungen durchjagt, weit vorzmjichen vor 
dem Steinflippenuboden, direct im Oſten des hentigen Bir, we 6 
ganz unmöglich iſt, durch die mit bafaltiihen Steinblöden beftrenten Kit» 
peuwüſten, zwifcgen welche nur enge, oft künſtlich eingehauene Reitpfade 
erſt den Durchritt möglich machen, mit einem Schwarm Reiterei zu durch⸗ 
jagen, wie bies von Darius gefchah. 

Leider wird uns von Gurtius, Diodor und NArrian gar 
nichts fpecielles über Alexanders Marfh von Tyrns nah Thapfacad 
mitgetheilt, fonft hätte man dadurch entfcheidende Thatſachen über die 
ſüdlich ere Lage diefes Seugmas erwarten löunnen; aber alle Daten be 
guägen fich damit, zu jagen, daß er in Thapfacus feinen Uebergang über 
den Cuphrat bewerfitelligte, ohne bie geringfte Nachricht, wie er dahin 
fam, zu geben. Aber Reichard, um zu zeigen, daß er tiber das fo weit 
nordwärts gerädte Thapſacus wenigflens feine Richtung genommes 
haben müfle, führt an, daß Wlerander den Quäſtor von Berrhöa, Kot: 
zanus, mit der Gintreibung ber Tribute unter den Phöniciern bearf 
tragt Habe (Arrian. III. 6) — und ſetzt dann Hinzu: „alfo °*) wer 


AAlexander felbft in Berrhöa; fein Iug ging alfo gegen Morboft (auf 


„Jerabecs); denn ohne weitere Umfände fümmt er dann nach Thapfaczk. 
„Wäre er nach Dür gezogen (was NRennell, freilich viel zu weit im 
„S.d. für Thapſacus hielt), fo hätte er die Armee von Berrhöa oder 
„jedem andern fyrifchen Orte aus durch unwirthbare Müfe gemöthigt. 
„— Kein Wort davon bei den Geſchichtſchreibern.“ — So Reichard. 
Reihard irrt anzunehmen, daß dieſer Weg an dem Süpufer bed 
Euphrat Hin, fo unwegfam, fo unwirihbar zu allen Zeiten geweſen fe, 
wie cr es nur durch die ungezügelien Raubſtaͤmme ver Bebuinen gewer 
ben iſt, daß Feine Karawane, Feine Armee im Stande fei, ihre Wege Kir 
durch zu nehmen. Della Balle, 2625, °*) und viele andre Reiſende 





98) Reichard a. a. DO. ©. 51. *°*) Pietro della Valle, Viaggi et 
Do snetia 1663. Part. Ill. Letters Il, di Aleppo. p. 58 — 





Euphratſyſtem; das Land der Zeugma's. 979 


Mittelalter, Garmichal 97) im Jahre 1751 nad) Ives Mittheilung, 
vier *°) der franzöflihe Naturforfcher (1806) und Andere nahmen 
elben Karawaneuweg, auf der Rüdreife von Babylon über Anath 
Dir, immer vem Südufer des Cuphrat nahe bleibend, mit großen 
belsfarawanen direct bis nah Aleppo (Berrhoa). Alexaunder 
vieb abfichtlih, wieArrian bemerkt (III. 7), dieſen directen Weg von 
pfaens nah Babylon, ſchon wegen ber großen Hitze und des dar⸗ 
entflehenden Futtermangels, denn es war fchon im Junins, ale ex 
HR den Cuphrat zum Tigtis überfchritt. Aber nach der Schlacht 
Iſſus an den ſyriſchen Päflen, die in der Herbfizeit gegen Mitte 
vember vie Berfer zur Flucht möthigte, war gar fein climatis 
r Grand für den unglüdlichen Berferlönig vorhanden, einen Rückweg 
das füdlicher gelegene Thapſacns (etwa unter 85% 509° N.Br. 
Chesney's Karte) zum ſchenen, wenn es fonf feine Abſicht geweſen 
:, direct nach Babylon vorzudringen. Uebrigens iR es ans dem 
zuge Byıns des Iüngern ja befannt, daß eben über Thapfacus 
e Weg den Gnphrat entlang ging, und nubegreiflih if es, wie 
hard die von Zenophon gegebene Marfchroute von einem fo 
lich gelegenen Puucte im Norden von Enropns, wohin er Thape 
ı6 verlegte, denten wollte; auch bat er wol biefe fpecielle Ausfühe 
unterlaſſen (f. Erdk. ob. S. 11. nm. ff.). Es iſt ferner befannt, ans 
Beldzuge Kaifer Inlians wie diefe Route für ein größtes Krieges 
auch die gehörigen Mittel darbot, und durch Procopins fperielle 
hiehten der Kriege Khosroes Annfhirvan, des Saflaniden, gegen 
er Juſtinian, Mitte des 6. Jahrhunderts, if es bekannt genug, 
diefer fogar in feinen großen Feldzügen mit vielen Tanfenden von 
iphon nnd Babylon ans gegen das römifche Syrien, zumal im ers, 
und dritten °*) derfelben, den Heeresmarſch am Sübufer bes 
‚rat dem Darchmarſche duch das obere Meſopotamien Yorzog, 
er uur auf den Rückmärſchen mitnuhm. Zwar lernen wir aus dies 
triegsperiode, die ein halbes Jahrhundert dauert, uber bie genauere 
: von beidengeugmas, zn Thapfacns und Bir, insbefondre nichts 
eres Teunen: denn beider Namen bleiben ben Berfern wie dem Ge⸗ 
ſtſchreiber Procop gänzlidy unbekannt, da bererfiere zu alt und längf 
eflen , der andre zu menu und noch nicht durch Araber ober Türken 
Infnahme gelommen war. Aber bie an deren Stellen und in ihrer 





') Edw. Jves, Voyage to and from India to England etc. Lond. 
1778. 4. Book, Il. Map. the common route of the caravan 
from Bassora aver the great Jdesert etc. by Carmichal. 

’»®) G. A. Olivier, Voyage dans l’empire Ottoman etc. Paris‘ 
an XII. Vol. III. p. 459 — 460. 258) Procopius de bello 
Persico ed. Dind. V.l. I. Lib. II. 5. p. 170 — 183; u. Lib. II. 
20. p. 238 — 254. 


2 Daar 
























980 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $.4. 


Nachbarſchaft damals entflandenen oder ſchon blühenden Driſchaften wer 
ven and mit Ihren Localitäten befannter, wodurch wir auch ein am: 
herndes Urtheil über die dortigen frühern Zuſtände gewinnen, in fejera die 
natürliche Phyſiognomie des Landes, fobald fie mur wirklich erlanıi i 
ein ewiges Geſetz in fich trägt, für alle Phafen und Wechſel nad 
gender Gefchichten. 

Khosroes erfier Feldzug (540 I. a. Chr. &.) geht aber am wi 
ten, d. h. am ſüdlichen Ufer des Guphratſtroms aufwärts, über Gin 
fium nnd den Aborrhas, nah Zenobia, Sura uub Gergiepelil, 
voelche, in der nähern Umgebung bes antifen Zeugma vouTher: 
facne, feit der Periode des palmyrenifchen Reichs, der Ghrikranne 
gungen Diocletiaus (St.Sergins Martyr), und der Feftungsbanien ke" 
zantimifchen Kalfer, zumal Iuftinians (Procop. de aedif. Just. 9. p. 23 
zu fo hohem Flor gelommen waren, daß tie alte Thapfacus deriie 
ganz in Dergefienheit gerathen war, die doch ſchon als Tiphſah de 
Taphfatt (1.8. d. Könige 4, 24), d. i. der ebergang übe a 
großen Strom, und als die Stadt au der äußerfien Norbgreag ki 
falomonifchen Reiches berühmt war, und durch Tas hohe Wlterifum di 
großes Handelsemperium, zu Alexauders Zeit als Etapelplap her v 
phratfhiffahrt, au der Grenze von Syrien, Arabien, Mefcpetamia m 
Babylonien von größter Bedeutung bis gegen die Zeit der deiibfe 
Aera blieb (f. ob. ©. 11). 

Bon Sura rüdte aber Choſsroes in denfelben Feldzuge ſegrih 
übes Hierapolis bis Autiochia vor, chne ben Guphrat zu überjee 
Mit unfäglier Beute diefer Prachtſtadt beladen, kehrte er übe In: 
mea am Orontes und Ghalcis (im Sid von Aleppo) zum Gayfui | 
zurüd, wo er an einem, früher ganz unbefannten Webergangserk, # 
Dbbane, *200) nur 40 Stadien, d. i. 2 Stunden, von Barbalilsl, | 
feine Brüde fchlug, am durch das obere Mefcpotamien ganz gemähih 
feinen Plünderzug fortzufepen, mit deſſen Gewinn er bazu neh is 
Nefidenz Giefiphon die Prachtſtadt Khosro⸗Antiochia erbaute. 

Durch ben zweiten Kriegszug bes Khosroes, ’) im 3. 541, am 
wir, in feinen Kämpfen mit Beliſar, une genaner tie Natur tes 9 
Mefopotamiens kennen; fein dritter aber (im 3.542 n. GibboallN) 
führt uns wieder am rechten fer des Cuphrat über Sergiopelis anf 
bis in die Nähe von Hierapolis und Europus am Euphrai, * 
Belifars drohendes Kriegsheer und des Veldherrn großer Rufe M 
Saflaniden zur Umkehr brachte. 

Im Angefihte des Römerfeindes, fagt Procop, fl I 
Saſſauide ſtelz feine Brücke ?) über ben Cuphrat, von der wei 





0) Precop. de bello Persic. II. 12. p. 205.  °) chat. IB 
p. 217. 2) cbend. II. 21. p. 246, 





Euphratſhſtem; das Land ter Zeugma's. 981 


ſyriſchen nad ber mefopotamifchen Seite hinüber, um von ba nad 
Edeſſa zw ziehen. Belifar, der ſich dem zahlreichen Berferheere lei⸗ 
neswegs gewachſen fühlte, beförderte durch LiR diefen glüdlichen Ueber: 
jang, um den Feind aus der weftlichen Provinz nur los zu werben, wors 
ınf dann erft, von Mefopotamien aus, die neuen Friedens⸗Unterhandlungen 
wifchen Khosroes und dem Kalfer Iuflinian begannen. 

Durch diefe letztere Stelle des Procop If die ungefähre Lage von 
Snropus (bei Jerabees Ruinen) zwifchen dem heutigen Bir und den 
Ruinen von Hierapolis, die ſeit Maundrells erfier Entdeckung nicht 
rel genaner unterfucht worden find deren Lage aber durch die Cuphrat⸗ 
zpebition aſtronomiſch genau (unter 36° II N. Br.) beſtimmt wurbe, 
ammt diefer Brückenſchlagung über den Enphrat aufer allen Zwel⸗ 
el gefeht. 

Auch ſchon aus frühere Angaben der alten Autoren Ionnte man 
nit ziemlicher Sicherheit im dieſer Begend die Lage von Guropns 
uchen; daß es aber die Stelle des alten Thapfacus felbf mit feinem 
jengma einnehmen follte, war eine ganz neue Behauptung des Berfaflers 
bengenannter Kritik Rennelle, die nun in alle neuen Schulfarten des 
Irbis antigaus aufgenommen wurde, der verdienftvolle Rennell aber 
abet der größten Inconfeguenz ®) ungeflagt. 

Und welche Scheingrünmde diefer durchaus einer Anfeitigteit der 
Beirachtungsmeife der literarifchen Quellen wie der Naturverhältnifle ers 
nangelnden Kritif, deren Kombinatien bei ſolchen Unterfuhungen uns 
rläßlich bleibt, find es, welche dieſe Behauptung über allen Zweifel 
rheben follen ? | 

„Man lefe die Stelle des Plinins (V. 21), die wie glei im Ans 
ange als eine entſcheidende Stelle für die Lage des Kommageuiſchen 
zeugma anführten, fagt Reichard, und reiße fie nur nicht aus ihrem 
zuſammenhange.“ Man tft begierig diefen Iufammenhang in einer Com: 
Hlation des Plinins zu finden. Nachdem er gejagt: das Zengma 
dommagenes liege 72 M. pass. unterhalb Samoſata; dieſem berühmten 
lebergange im Dften fei Apamia angebaut; Nhoaler heißen die öſtlichern 
Anwohner, fo fügt Blinins (ter nun von einer weiten Strecke des Gas 
'hratlanfes weiter abwärte, weil dort die Parther die Römergrenze zu 
einer Zeit fortwährend bebrchten, nichts zu fügen wußte) nur Hinzu: 
‚At in Syria oppida Europum, Thapsacum quondam, nunc Amphi- 
olis.“ Man fehe offenbar, fagt der Kritifer, daß Plinius vie Grenzen 
‚on Kommagene und Syrien bezeichne fer Hatte früher als Grenze bie 
Stadt Eingilla genannt, deren Lage aber unbefannt iſt) und zu verflehen 
‚eben wolle, daß Curopus und Thapfacus wicht in Kommagene, ſondern 





2) Reichard a. a. O. ©. 3. 





982 Weſt⸗Aſien. TIL Abtheilung. I. Abſchuit. 1,41. 


in Syria lägen. Man kann bies ohne weiteres zugeben, aber wit ie 
daraus gezogene Conſequenz: „alfo lagen die beiden Städte, fü 
„R. fort, fo nahe an Rommagene, daß man fi über ik 
„Rage an der Grenze irren konnte.“ Alſo umf nad kim 
Ralfonnemeat, da Curopus wirklich ziemlich nahe Liegt, aiq 
Thavfacns eben daſelbſt, alſo dicht bei Guropns um Ya 
Uebergange über den Cuphrat, gelegen Gaben. Uber follen dam uk 
andy die Arabes Scenitao eben fo weit gegen ben Norden hincziehe: 
denn auch biefe folgen ammitielbar anf Thapfarms, und Blinins El: 
heißt vollſtandig: at in Syria eppida Kuropum, "T'hapsacum quonden, 
aunc Amphipolis, Arabes Scenitae. Ita fertur scil. Euphrates, umge 
Uram (mol Sura) locum, in quo conversus ad orientem relingi 
Syriae Palmirenas solitudines etc. 

Sehr richtig und dem Ptolemaͤns beifällig bemerkt ferner neh Kei⸗ 
Hard, daß dieſer Geograph, gang der Angabe Brocops gemäf, ie 
Stadt Enropns nur weniges unterhalb dem hemtigen lebergange kei 
Bir eintrage. Diefes Zengma gibt Biol, unter 37% Lat.; Can; 
pus *) nur 10 Minuten fürlicher unter 36950‘ Lat. an; zur Wil 
anch na Chesney's Kartenaufnahme wirklich bie richtige Bariie mm 
Jerabees. — 

Wie iR es num möglich, mäffen wir fragen, deffelben fo gem 
Biolemäns im nächſten Kapitel in vollfiänbiger Reihenfolge, a 
Fortſetzung ber Uferflähte am Enphrat, gegebne Breite von Thapfacat 
35°6’ Lat. b. Biol. °), alfo des am 1°44° faft direct ſuũdlicher, ie 4 
Stunden entfernter liegenden Ortes, gänzlich zum ignoriren, und iha sr 
ben ber Stabt Europus bei Jerabees einzutragen ? 


Es kaun nur durch ein blindes Zeilrennen in eine einmal erziiew | 


Hypothefe erflärt werben, wenn ein Mann von fonft vielfachen wile 
ſchaftlichen Verdienſte ſich durch eiferfüchtige Kritik gegen cinen chıw 
werthen Ansländer, gegen Rennell, verleiten läßt, noch mande un 
eben fo feichte Gründe zur Beflätigung einer gänzlich verfehlten Beham 
tung beignfügen, bie aber, weil fie in einem ungemein fichern Ten ah 
treten, felbft ausgezeichnete Forſcher in Dingen der alten Geographie kn 
geführt Haben. Es wird nämlich gefagt: der Name Amphipolis ki 
Plinius zeige, daß bie Stadt, wie ihre Namensſchweſter in Macchein 
am Strymon, zwifchen Flußarmen lag. Diefe Arme des Euphrat fein 
nun Bei Jerabees auch wirklich vorhanden, und von Borode *) amp 
geben, wie von Ranwolj ") Naͤchſtdem zeigten die Ruizen um Je 





*®4) Ptolem. V. 15. fol. 138. s) Ptol. V. 19. fol. 14 
IR. Pococke, Morgen. Reifebefhr. Th. II. $. 288. S. Hi. 
’) Leonh. Rauwolffen Befchreibung der Reyß ꝛc. Franff. «8 
IR BIS. 


N 


x 





Euphratfuftem; das Land, der Zeugma's. 983 


bees von einer bedeutenden Stadt. Wenn wir auch dies alles zugeben: 
ſo müſſen wir doch dem ganzen Nachſatze vollländig widerſprechen. „Da in 
„dem ganzen fernern Laufe des Guphrat bis Felndle, den man aus Am⸗ 
„mian, Zoflmus, Zfldorus, Balby, Rauwolf, Beandamp, Dlivier und 
„andern genau Fennt, nicht eine einzige Stelle weiter vorhanden 
„iſt, jener aͤhnlich, wo ſich der Fluß In folche Arme und Candle aus⸗ 
„breitete und durhwabbar würde, fo möchte andy bie ein Mitgrund 
„fein, daß ihn Cyrus des Jüngern Truppen, nebſt den Griechen unter 
„Xenophon, an Feiner andern Stelle durchwadet (im Auguſt). Daß alfo 
„Thapſacus, wenn es nit Enropus ſelbſt if, ganz nahe an dem; 
„felben innerhalb der Flußarme geftanden, und fein jüngerer Name 
„deshalb Amphipolis geweſen.“ *) 

Wie ungegrändet die Annahme, daß bei Guropus in bem gangen 
Laufe des Enphratſtroms abwärts die einzige Verzweigung In Arme 
fein follte, ergibt fi unmittelbar aus der Karte Chesney’s, welche die 
‚genauefte Aufnahme des Euphratlaufes von Bir bis Felndje enthält. 
Gleich unterhalb Jerabees wiederholen fi die Stromfpaltungen bes 
CEuphrat, wie die Karte fie zeigt, oberhalb Hacca iſt die fehr befannte 
Kameelfurth durch den Euphrat, el Hammam genannt, Die In berfelben 
Gegend liegt, die wir für die Lage bes alten Thapfacıs halten, deſſen 
bedeutende Localität niemals ganz veröben konnte, wie bie fpäterhin eben⸗ 
daſelbſt entſtaudnen Orte Nicephorinm und Callinienm, Rakka, 
weniges oberhalb die berühmte Sura, und fübwärts, nur wenig ſern, 
das Sanctuarium des Sanctus Sergius, Sergiopalis, bezeugen, 
wenn fehon der Name feit Ptolemäus Zeiten aus dem Audenfen ber dor⸗ 
figen Bewohner verſchwunden war. Sehr wünfchenswerth würbe die Gr, 
forfhung der Aninen einer größern Stadt fein, die nur ein paar 
‚Stunden fübwärts bes CEuphrat, nach Ehesney’s Erkundigung, liegen 
follen, and wahrfeheinlich die Iehten, verödeten Reſte des alten Thaps 
facus auf der Palmyraſtraße ans dem arabiſchen Syrien nah Meſo⸗ 
potamten fein werden. Bis jebt find ſie noch von feinem Europaͤer bes 
fucht worben. “ 

Aber nicht nur diefe Vada Euphratis juxta Thapsacam, wie fie 

Ptolem. (V. 15..fol. 187) nannte, fondern noch viele andre find in dies 
ſem Laufe des Guphrat Hinab bie gen Anah und Hit befannt, bie 
freilich nicht das ganze Jahr, ober zur höchſten Fluthſchwelle durchwadbar 
And, aber wol, da die &uphrattiefe Hier im Mittel nnr felten 8 bie 9 
Fuß Waffertiefe überfleigt, doch während der einen Hälfte bes Jahres, 
zumal zur Herbfizeit. Zwiſchen Bir und El Kaim (unter 3L5'R.Br.), 
in der Breite von Anah, zählt Chesney auf einer FJlußſtrecke 
von 26 geogr. Meilen Länge allein 5 ihm befaunt geworbne Kameel⸗ 
— —— — 


*) Reichard a. a. O. ©. 64. 


984 Weſt⸗Aſien. IH. Abtheilung. I. Abſchnitt. 9.41. 


furthen °) auf, welche regelmäßig yon den Arabern durchwadet werben, 
und 5 andere mehr Hippige, feichte Stellen, welche der Schiffahrt Hem 
mungen barbieten; deu gunzen Strom abwärts iR bie Menge per Auen, 
und alfo der Flußarme, fogar ein eigentlichen Eharacter de 
Euphrat. Ueberhaupt if unfre Kenntniß vom Cuphratſtrome biske 
fehr ungenügend uud verworren geweien, daher die Beitimmungen fir 
alte Geographie und die fcheinbaren Beweife aus dem claffiichen Autcrrz 
fo voll von nenen Irrthümern und den auseinandergehendſten Meisss 
gen, wie wir nur in Beziehung auf 2 Puncte, die beiden berühmleſten 
Zeugmas, dies nachgewieſen zu haben glauben. 

Eben fo find aber auch alle Zwiſchen orte verfchoben werben; 
es würde ähnlicher Zuräftungen bebürien wie ber obigen, nm dies im be 
fondern nachguwelfen, wozu hier wicht der Ort IR. 

Zu ſolchem Nachweis wird es aber nicht überfluffig erfcheinen, ba 
die uns in der Bejchichte befanntgeworbpen Uebergänge übe a 
Suphrat anzuführen, um zu zeigen, daß bie beiden berühmteſten Ueber 
günge keinesweges die einzigen waren, auf Die man, als foldye, gemöhr 
‚lid zurückzuweiſen pflegt, als wäre der Cuphrat hier für Völker: m 
Heereszüge ‚eine fo unüberwindliche Barriere, und daher eine fo fik, 
ſcheidende Naturgrenze, wie man bean Üch gewöhnt hat, die Flüie über 
banpt für natürliche Scheidungen in ber Völfergefchichte zu Halten; is 
fie umgefchrt im Hanshalt der Natur und im Gange der Culturgeſchiht 
bie Bereimiger der Menſchengeſchlechter fein follten, 


1. Die 9 gnderen hifgrifh bekannt geworbenen Uehr 
gänge über diefen Theil yes mittlern Eupbratlanies. 
1) Der Hebergang bei Tomiſa über deu Guphrat in Meike. 
Sr liegt oͤſtlich von Malatia; er iſt der älteſte, den wir durch Artemiton 
‚große Reiferonte (100 I. vor Chr.) von Ephefus nach Babylon kama 
jenen, auf der er die Stationen und Gntfernungen (Strabo XIL 55) 
aufzaͤhlt, und bemerkt, daß dieſes Tomifa in der Mitte zwißchen Kia 
aͤußerſten Orten liege (ſ. ob. S. 857, 868). | 
‚ Bir Haben früher gezeigt, daß es die Ueberſahrt bei Iſeglu iR, da 
‚auf dein Oflufer die weRlichhe große Keilinfeription am Felſen zu Kir 
märhan buch v. Moltke und v. Mühlbach entvedt ward, zub Wi 
über demjelben eine drohende Burg in ihren antifen Ruinen liegt, weht 
‚bie Ueberfahrt beherrſcht, die wir für bie Lage des alten Tomija helle, 
bie früher unbefaunt war. Wir haben ſchon früher bemerkt, doß Lncalad 
wach der Beſiegung des Tigrancs diefe Feſtung Zomifa yon deſes @ 





"°®)Report from the Select Comittee on steam navigation 40 Is- 


dia, with minutes of evidence etc. At the Iguse o£-Commoss 
July 1534. fol. p. 17. #g..At the Liguse of. Cos 











Euphratfuftem; die neun Euphratsllebergänge. 985 


menifchen Meiche in Sophene abriß, um fie ber Fappabofifchen Provinz, 
die auf der N.W.⸗Seite des Cuphrat lag, einznverleiben. Hier ſchwamm 
im 3. 572 der faffanttifhe König Khosroes Anufhirvan, nach dem Ver⸗ 
luſte der Schlacht ‚bei Mefitene, fliebend anf feinem Glephanten durch 
den Guphrat hindurch nach der mefopotamifchen Seite. 

2) Weiter abwärts folgt "der Durchbruch des Cuphrat durch bie 
Eüdfette des Taurus bis zur erflen Oeffnung des Guphratthales bei 
Berger, bie armenifchen Pylen des @ratofihenes. ‚Bis dahin reichen 
die Gataracten bes Guphrat, die feine Schiffahrt geflatten; aber fogleich 
oberhalb Gerger, bei Dirisko, iſt die erfte Fähre über den Cuphrat (f. ob. 
©, 873), und weiter abwärts nimmt, von ber zu Masro und Oldiſh bei 
Kantarah, das heißt Brücke im Türlifchen (f. ob. ©. 877), die Zahl der 
Ueberfahrten zu. Hier in Gerger felbfl, oder nahe babel (wo das heu⸗ 
tige Dorf Berfel) iſt die Lage von Barzalo, von ber Amm. Marcell. 
XVIII. 7, 10 ſpricht, als des nüchften Meberganges über den Cuphrat 
von Amida aus, we, obwol damals im I. 359 der Strom zu fehr ans 
gefehwollen war, um von ben Perferheere durchſetzt werben zu fünnen, 
doch nach dem Feldhetrn Antonins, der diefer Gegenden ſehr kundig war, 
der Borfchlag gemacht wurde, das Perferheer auf. dem Marfche von Ni⸗ 
fibig auf die Weſtſeite des Cuphrat überzufeßen. Denu nach feiner Ber 
fiherung war dort der Guphrat noch nicht durch große Iuflüffe zu fehr 
mit Waffer gefüllt, wie ties weiter abwärts der Fall war. Auch Laudia 
(Elaudiae) nannte er als einen zweiten Ort einer dortigen Guphrats 
daſſage, ber noch eberhalb Barzale liegen muß, den wir aber bie jept 
nicht feunen (f. ob. ©. 831, 884). Damals nahm das Berferheer jes 
doch viefen Mebergang nicht, weil es In Mefopotamien blieb und Amida 
eroberte. Aber fpäterhin iſt ans der Geſchlchte Timnrs?!“) bekannt, 
daß er im dem Feldzuge gegen Sultan Bayazed bier bei Gerger (wol 
nahe dem alten Barzalo; Berger heißt nur „das Getöſe“ von bem 
dort raufchenden Etrome) fein Heer über den Guphrat feste, 

3) Bei Samofata. Diefer Uebergang wird vorzüglich zur Zeit 
der Römer berühmt, als diefe Start die reihe Königsrefivenz des lehten 
Zweiges der Seleuciden in Kommagene war, die von M. Antonius und 
Pompejus noch erhalten, aber fpäter im eime römifche Provinz vermans 
delt wurde, nnd die Hauptſtation der Legionen ward, von wo ber Guphrat 
gegen die Barther überfchritten wurde. Ob hier eine dauernde Brücke 
fiber den Guphrat fland, läßt ſich aus den unbeflimmten Angaben, die 
man zumal bei Strabo daranf gedeutet bat, durchaus nicht ermitteln. 
Heut zu Tage liegt zwar auch der Stadt im Oſt ein Ort Kantarah, 
das heißt im Türkifchen fo viel ale Brüde, gegenüber, obwol hier doch 


. 49) een Hist, de Timur Bec. 5. De Ja Croix T. Ill. 
ch. 16. p. 269. 





986 Weſt⸗Aſien. II. Abtheilung. I. Abfgnit. ji. 


auch nur von einer Ueberfahrt die Rebe if. Denn obwol ſehr Kazda 
son dem Vebergange roͤmiſcher Heere bei Samofata die Rede ik, je wir 
vrieſer doch immer nur der Durch gaug ( dsdfaıs, was ſttilich anf 
Drücke heißen kann), oder Uebergang genannt, babei aber, wie wir eber 
fahen, oft noch dad Zeugma Kommagene's Hinzugefügt, weldes ns 
Blinins weiter abwärts zw fuchen if (Strabo XVI. 746, 747). Kalle 
Trajan ſetzte ſich mit feinem Heere auf dem Partherzuge (im J. 114 Is 
ar7 on. Chr. ©.) fogleih von Mntiodia aus in Beſitz von Saueſau. 
am von ba ans den Enphrat aufwärts nach Armenia minor ja geha 
(Dio Cass. Hist.R. LXVIIL. Trajan. 19). Er bramchte alfo gar mi | 
über den Cuphrat zu gehen, um nad Satala vorzurüden, woven anf 
die Alten an biefer Stelle nicht ſprechen. Dennoch Läßet ber jüngfe die 
graph Trajans!?) dieſen Kalfer von Antiochia über Thapſacus m 
BZengma nad Samofata marſchiren, weil er ber Reichardſchen Karte es 
Wegweiſer des Feldhern folgte, die ihn freilich über das bicht beim 
Zeugma liegende hypothetiſche Thapſacus ziehen laſſen muß. Nah we 
lem vergeblidhen Suchen, wo bie verborgne Duelle biefes merkwürdign 
Berichtes von Trajans Marſche zu finden fein möchte, die ber fonf f 
gewiſſenhafte Autor ber Biographie in feine Erzählung einfliht (va 
die auch wir, wie oben ©. 116, Zelle 18 von oben, aus der bei za 
ſtreichenden Stelle getäufcht wurben), zeigt ſich erſt, daß in feinem Tat 
der Glaffifer hievoen auch nur bie geringfle Spur zu finden ifl, amd dej 
fie blos in der oben angeführten irrigen Hypotheſe und Kartemzeihausg 
Neichardo ihren Grund hat, — Dies hier nur zur Warnung ale ca 
-Beifpiel üblen Einfinfies Bei uns ſelbſt ſtatt vieler bei andern. 
Ä Als Ammian, Marc. in Kaiſer Julians erſtem Regierungsjahre vor den 
Anſtürmen des Saflanidens Könige Sapor II., im 3. 359, von Rifkis 
‚ans Aber den Buphras mit dem Römerheere zurückweichen mußte, ek 
‚man bei Samofata über der Strom, und ließ die Brücken bei Zengme 
nnd Gaperjana abbrechen (XVIII. 8, 1..... pontinmque apud Zeugm 
‚et Capersana juscturis abscissis etc.), woraus man anf eine damalige 
Balfenverbindung an beiden Orten, ober auf Schiffbrüden zurüdihliefe 
Uuute, bie fich in größter Schnelligkeit abbrechen ließen. Bine Führe be 
ſteht noch heute bei Samofute, die, wie ſchon gejagt, zum Dorfe Kan: 
tarab, auf ber Oftfelte bes Stromes, überführt (f. ob. S. 877). 
45) Bo Gaperſana, biefer vierte Uebergangsort, liegt, ifi uns vol⸗ 
lg unbelaunt; er wird fonfl von Niemand genannt. Die Bencazuj 
-Gapar, over Gaphar, läßt auf ein ſyriſches Dorf zurüdichließen, da dick 
Vorſylbe vielen ſyriſchen Orten, wie Kaparturi, Kapernaum u. a., werst 
ſchon Relaud und Weſſeling 22) erinnerten, gemeinfam if. Kein audttt 





12) H. Fraucke, zur Geſchichte Trajans und feiner Zeitgenoflen, 
Leivvg IA, N ER. ꝛ8 a a Ahtonin.p 197, mi 








Euphratſyftem; die neun Euphrat⸗Uebergaͤnge. 987 


slaffifches Autor nennt ein Caperſana. Amm. Marc, der «5 aber zum 
sweitenmale Capeflana fchreibt (XXI. 7. 7: per Capessanam Euphrate 
navali ponte transcurso) beflätigt e6, daß hier eine Schiffbruͤcke ge⸗ 
ſchlagen war, und daß Kaifer Couſtantius, Julians Vorgaͤnger, biefen 
Marſch wählte, um direct auf reichlich mit Lebensmitteln verjehenen 
Wegen mit feinem Heere zur befefligten Stadt CEdeſſa vorzurüden. 
Diefe Umfände ſtimmen allerdings mit der ungeführen Lage einer fonft 
unbelaunten Stadt Borfica in Mefopotamien, dit am Cuphrat über- 
‚ein, die Ptolem. (V. 18. fol. 142) nennt, mit welder Man next jenes 
Eaperfana verglicgen **) hat. Zwar Iennen wir die Lage Porfica's and) 
aus feinem andern hiftorifchen Zeugniß, als bei Biol. Nach befien Ans 


‚gaben liegt es 72° Long., aljo in bemfelben Meriviane wie befien 
Zengma bei Bir, aber nörblidger: denn Zeugma liegt, nach Ihm, unter 


37°, Porfica aber unter 879 30° Lat.; alfo 20 Minuten, ober einen 
halben Grad gegen Nord. Dies würbe anf die Gegend von Rumkala, 


‚oder noch etwas weiter norboftwärts im biefelbe Gegend fallen, wo von 


Lientn. Lynch, bei der Guphrataufnahme, die Reſte einer Steinbrüde 
gefehen find, die auf feiner Karte unterhalb des Dorfes Suburgut auch 
eingetragen wurde. In der Aufurth diefes Dorfes, wo die preußiſchen 
Officiere ihre Flooße bauten und ihre Station zur Einfhiffung bed Ars 
tillerie-⸗Trains Hafisz Paſcha's nahmen, ?*) waren fie genöthigt ſich erft 
einen Borbau am GStellufer zu bilden, bis zu dem eine einzige, bes 


queme Römerfiraße ber Vorzeit die Zufuhr der ſchweren Bagage 


über den dortigen Tauruspaß, aus Cappadocien und Melitene nach Com⸗ 
magene, möglich machte. Dies war aber ber birectefte Weg, den au 
Conftuntius Eilmarfch zum Guphrat nehmen Eounte, um Edeſſa zu ers 
reichen, wodurch die Spentität der Schiffbrüde von Caperfana an 
biefer Stelle, oberhalb Rumfalah und unterhalb Samoſata, fehr 
wahrfcheinlich wird, und mit Ptolemäus Porſica, in bemfelben Locale 


‚mit Lynchs Beobachtung, die jedoch von feinem feiner Nachfolger veri⸗ 


—ñ— 


ficirt werden konute, zuſammentrifft. Nur dürften die genannten Ruinen 
doch eiwad zu weit lanbein anf meſopotamiſcher Selte liegen, um zur 
Bezeichnung der Sciffbrüde, wahrfcheinlih nah einem Uferorte der ſy⸗ 


riſchen Weftfeite, zu dienen. Da nun der jüngfle Herausgeber 1°) ber 


Parthiſchen Stationen des Isidorus Charac. bei den Bollandiften (de Sa- 
iamane Silent. 23. Jan. p. 490) ein Dorf Baperfaun amfgefunden 
hat, das dort, auf dem rechten Ufer des Cuphrats an feiner Uferhöhe ges 
legen, genannt wird: jo würbe biefes eher jener Localitaͤt des Ammianus 
entfprechen; aber auch bie genauere Lage dieſes Dorfes if unbeſtimmt 


18) Damen, ®. d. Er. u. 8. Th. v2. ©. 273. 1%) u. Molite, 
Briefe, ©. 368. 5) E. Miller, Supplement aux dernieres 
Editions des petits geographes etc. Paris. 1838. 8. p. U. 


9588 Weſt⸗Aſien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. .41. 


gelaſſen. Des Conſtantias Route würde über Samoſata freilich 26 
direcier nah Edeſſa geführt haben, aber die im Rüden, d. L im Ren 
den über Samofata liegenden Tauruspafiagen waren fo außererdenllich 
befchwerlich, daß fie nur für Fußvolk und leichte Reiterei bis Keule gan 
bar waren und noch find, wie wir aus Hafisz Paſchas Feldzuge geger 
Ibrahim Paſcha wien. Ungeachtet auf der mefopotamifhen Seile 
des Guphrat, dieſer einfigen Schiffbrüde von Caperſana gegenüber, 
heutzutage ein für wüſte gehaltnes Plateanland vorliegt, fo iR dieſes 
doch noch hente mit vielen Aninen, Architecturen, Ciſternen einer frühern 
Culturperiode bebertt (vergl. ob. ©. 923), die auf trefflichen Anbau iz 
der Nähe der alten Porſica zurüdfchliegen laſſen, vielleicgt die Rule 
Borficas zum Theil ſelbſt noch enthalten, obwol die meiften ans eier 
fpätern griechifchen nud armenifchen chriftlicden Anfievlung herkammıa 
mäflen, wie bie Reſte von Kirchen nnd Kloflergebänden im srichiiken 
und armenifchen Bauſtyl aus dem 10. Jahrh. darthun. 

5) Rumkalah, das Römerfhlog. Sehr Häufig if dieſer On, 
den man für ein fchügendes Bollwerk eines alten Cuphratüberganges um 
de ſſe a Weftufer anfah, fo dag man das berüähmtere Zengma na 
glanbte verlegen zu müſſen, audy mit dem Zeugma der Alten iten | 
tificirt worden, 3. B. von D’Anville!*) und Soffelim, der üben 
al in der Bearbeitung des Strabo das Zengma mach Romlalah vergl. 
Aber fein Zeugniß fpricht für beffen höheres Alter; feim erſter Aufkas 
fann von wmifcher Seite wel in die Periode Juſtiniaus fallen, der, mt 
Brocop (de aedificiis, ed. Dind. III. p. 237) bemerkt, dort viele Um 
feſten, die er nicht einmal alle namhaft macht, anfrichtete, von denen Pre 
cop in diefer Gegend nur Zeugma und Neocäfarea nennt, mas 
etwa bie Beranlaffung zu der fpäteren Benennung Romkalah, des Ri: 
mercaftells, gegeben haben möchte. Denn exft in der Periode der Krerz 
züge tritt biefer Name hervor. Die armenifchen Patriarchen feit Ger: 
gor III., der im Jahr 1147 dahin zeg nnd es Füuflich am fich bredk, 
führten es zu erſt unter diefem Namen eines Römercaftelle, Hrhemgla, 
In ihren Annalen auf. »25) Durch den Befitz der Armenier nnd arme 
fhen Commandanten wurde es den Kreuzfahrern befrenmbet, aber 11% 
auch von Sultan Saladin in Befig genommen, fpäter von ben Gullanı 
Aegyptens, denen der Fürft Abulfeda zur Belagerung verfelben fein 
Truppen leihen mußte, im 3.1292. ber bei feiner diefer Begebenheiten, 
ſelbſt nicht in Abnlfeda's Hiflorifchen un» geographifchen Werfen, if ven 
einer Brüde bei diefem Orte und nicht einmal von einem daſigen Ucher: 
ganze über den Euphrat bie Rebe. Das einzige mal, wo bie Geſchichtt 





*ıe) D’Änvilte, l’Enphrate et le Tigre. Paris 1779. 4. p.8. Te 
duit franc. de Strabon. Paris: 4. T. V. p.190 etc. u) St 
Martin, Mem. s. PArm. H. p. 195. “ 





II 


Euphratſyſtem; die neun Euphrat⸗llebergaͤnge. 989 


eines Ueberganges bei Romtola erwähnt, if in Hulaknkhan, bes 
Mongolen s Eroberers, Siegeszuge, nachdem er das Chalifat in Bagdad 
geftürzt hat (im I. 1258), gegen Syrien. In diefer Schredenszeit, fagt 
Gregor Abulpharag, der hriflliche Arzt zu Malatia, der Zeitgenof, 
dag Hulafu zu gleiger Zeit drei Brüden '*) über ben Euphrat 
fhlagen ließ, um fein gewaltiges und zahlreiches Heer, das von Bagdad 
heranfzog, überzufeßen, nämlich die eine, vie nörblichfte, über den Strom 
bei Malatia; bie zweite, die füdlichfte, bei Kerkefla, alfo unterhalb 
des alten Thapfarus, am Ginfluß des Chaboras (Khabur, Saocoras); 
und die dritte in der Mitte zwifchen beiden zu Kalat ol Rum 
(Castellam Graecorum). Bon diefen 3 Uebergängen fammelte er feine 
Hauptmacht um Manbedſchi (Hierapolis), von wo feine PVerheerung 
ganz Ober-Syriens begann, und anf feinem Zuge über Haleb, Hamah 
und Damascns unzählige Opfer fielen. 

6) Zengma, Bira, Bir und Biredfjil (Beledſjih). Die Lage 
entfpricht den Maaßen, bie Plinins in ihrer Diflanz von Samofata ans 
gibt, ziemlich genau, wie wir oben gefehen; fie liegt 10 Stunden fübs 
wärts von Romkala. Im ber Entſtehung der Stadt Zeugma uud Apa⸗ 
mia, an den Weſt⸗ und ben Oftenden der Brüde, durch den erfien der 
Selenciven, find die alten Autoren mit Plinins einig. Die Brüucke ſelbſt 
nach ihrer Bauart wird von Teinem ber Autoren befchrieben, fie fcheint 
aber einen älteren Urfprung zu haben; wenigftens befand eine Sage, 
die fie Alexander zufchrieb, oder gar einer noch ältern Seit, bem 
Dionyfos, ven Paufanias für denfelben hielt, der dem Theſens die 
Ariadne entführte, und auf feinem Zuge nach Indien diefe Brücke über 
den Buphrat ſchlug. Bon diefer habe die Stadt Zeugma den Namen 
erhalten (Pausan. X. Phoc. c. 29: ngwrog d} Eugparyv yıpypaaazc 
zorauor. Zevyua ze wrouuodn nölıc x. 3. 1.) Man zeige daſelbſt 
noch das Seil, das er gebraucht, tie Brüde zu befefligen, das aus Res 
ben von Weinranken mit Epheu znfammengeflochten gewefen. Mag bies 
als Zabel gelten, fo ift es merkwürdig, wie frühzeitig fchon die Mythe 
vom Bacchus, mit der des Aleranders vermifcht, fi) durch ganz Border 
aſien vom Enphrat bis zu ben Quellen des Drns und zum Indus wie 
Feine andere Iocaliftrt hat, wo Iefenders und Dulcarneins Ginzug in 
vielen Hunderten von Drtsuamen und Volksſagen wie fein anderer forts 
lebt, und bis Badakhſhan, Turfeftan und Isfardo, fogar an den Indus⸗ 
quellen die Fürftengefchlechter bis heute ſtolz find auf die Abflammung 
von dem Macetonier. Andere wiflen von des Dionyſos Uebergange 
freilich nichts, auch weiß die Befchichte nichts davon, dag Nlerander 
bier über den Guphrat gegangen fei, da fie ihn einflimmig bei Thap- 
farns den Cuphrat überfchreiten laſſen (Arrian. IH. 7; Curt. Ruf. IX. 





33) Gregor. Abulpliarag. Hist. dynastiarum p. 347. 








990 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. 1. Abfchnitt. 4. M. 


37, ed. Mützel p. 200; Strabo XVI. 746). Wenn auf Loacan. TI 
235 veehalb diefe Brüde dag Zeugma Pellaeum (weil Aleranter juw- 
nis Pellaeus) neunt, und ſelbſt Dio Eaffins im feiner Geſchichte tes 
Graffus (Hist. Rom. lib. XL. c.17. Rain. p. 235, ed. Sturz VoLL 
p- 503), der bei Zeugma überſchreitet, fagt, bag auch Alerander bajchf 
übergefchritten fei, wovon die Stadt Jeugma den Namen erhalten hake, 
was auch Stephanus Byz. (s. v. Zeugma, ed. Berkel p. 374) mit ven 
Zufage wiederholt, daß Alerander, nach dem er Hier die Ufer des Cuphratet, 
darch Ciſenketten verbunden, übergefähritten fet, fo tft dies doch, wie der 
Herausgeber des Stephanus ſchon bemerkte, nur Sage. Die ſpäteren 
Grflärer, vielleicht feyon ein Proteas Grammaticus Zeugmatites, ans 
der Stadt Zengma felbft gebürtig, den Stephanns anführt, dachten f4, 
die ältere Brũcke des Dionyfos fei untergegangen gervefen, beshalb habe 
Alexander erft eine neue gebaut und überfchritten, die tamm bie mw 
Herrschaft der Römer daſelbſt in Aflen angebanert, weshalb fe and ven 
Statius lib. ID. Sylv. carm. 11, v. 137: „‚Zeugma latinae pacis iter“ 
genannt wurde. 

Blinins fagt noch nit, daß Alexander ſelbſt fiber biefes Iengme 
gezogen fel, foudern nur, daß er es habe banen laflen. Er hatte am 
(H. N. XXXIV. 48) bei Gelegenheit der Antipathie der Metalle bemerlt, 
Daß man zu Zeugma, der Stadt am Euphrat, wo Alerauder Magızd 
eine Brücke zufammengefügt (junxerat pontem, in Anfpielung auf des 
Zengma), die dazu gebrauchte Bifentette zeige, deren Ringe, feitven 
fle wieder ausgebeflert worden, durch Roſt überzogen würden, was juen 
nicht der Fall gemefen fei. 

Diefe Erzählung, die wol einen hiftorifchen Grand Haben konuke, 
daß eine ſolche Brüde wegen der großen Bequemlichfeit und des weit 
näheren Ueberganges für nachfolgende griehifche Hülfstruppen hier 
fehr wäünfchenswerth fein mußte, laßt bei Aleranders großer Umſicht 
ſelbſt vermuthen, daß fie auf einer wirflichen Ihatfache, eines paſſendes 
Brüdenbaues über den Guphrat, berubte, nämlich für Truppen, bie nicht 
wie fein Heer aus Aegypten, Paläftina und Syrien famen, ſondern die 
den directen Weg ans Eilicien und Kommagene nad) Babylon nehmen 
follten. Das andere wird nur fpätere Ansihmädung fein, aber bie ei: 
fernen Kettenriuge führen doch wol daranf, daß auch bei der er: 
fen Anlage nicht an eine Steinbrüde von gemauerten Bogen, fonbern 
nur an eine durch eiferne Keiten verbundene Schiffbrüde gedacht werben 
faun, welche dann nur von ben unmittelbar nachfolgenden Selenciden 
über ben breiten Strom zur Vollendung gebracht wurde. 

Appian gibt in feinen Büchern von ben forifchen umd parfhifchen 
Kriegen gar Feine nähere Andeutung fiber diefes fo gerähmte Werk, das 
buch Seleucus Nicator im Weften die Stadt Zeugma und im Ofen 
Apamia erhielt, deshalb ihn auch Plinins den Erbamer des Zengna'e 


—2 





Euphrarfoftem; die neun Euphrat⸗Uebergaͤnge. 991 


überhaupt nannte (V. 21: Zeugma ... transita Eaphratis nobile. Ex 
adverso Apamiam Seleuous, idem utriusque conditor, ponte junxerat), 
obwol derfelbe Plinins an der andern Stelle dem Alerander die Zuſam⸗ 
menfügung beider Cuphratufer durch Kettenringe zuſchreibt. 

Bis anf des Sylla und Pompejus Zeiten ( Florus Hist. III. 11) 
war auf diefe DBrüde von der Römer Seite feine befondere Aufmerkſam⸗ 
keit gerichtet: denn beide hatten mit den Parthern, die damals erſt fidh 
hoben, noch im freundlichen Bunde geftanden (Dio Cass. XL. 237. Rain.) 
und von jener Zeit mochte noch gelten, was Strabo (XVI. 748) fagte, 
des Parther.Reiches Grenze fei der Euphrates und das jenfeitige Ufer 
land. Doc fehon mit E. Erafius fing der große Hader zum beiden Seiten 
des Stromes an, und danerte, wie der am Rhein umd ber Donau, Jahres 
hunderte, nur mit wenigen Unterbrechungen, wie bie eine unter Kaifer 
Augnft (im 3. 208 vor Chr. G.), deren Florus gebeuft, ale die Parther 
felbR die Signa der Römer zurüdgaben, der Cuphrat iwieber auf kurze 
Zeit Reihögrenze wie zuvor war, und bie Sanuspforten zum dritten 
male während Roms urfprünglicher Herrfchaft gefchlofien werben konnten. 
Aber ſchon Seneca zweifelte an der Dauer eines ſolchen Schuges (Natur. 
quaest. I. praef.: Parthis obstet Euphrates...), obſchon noch vor ſei⸗ 
nem Hintritt Gorbulo (feit 54 n. Chr. ©.) fo fiegreih in Armenien und 
Parthien vorbrang. Schon früher waren nur am obern Guphrat in 
Armenien von Bompejus und Lucullus Schiffbrüden gefchlagen (Pln- 
tarch. Lucullus 24). Als ber geldgierige Eraffus zum erflen male 
mit römiſchen Legionen den mittleren Cuphrat (im 3. 54 vor Chr. ©.) 
ohne Auftrag und ohne allen Grund, nur um bie damals noch forglofen 
Parther zu überfallen und fi) zu bereichern, überfchritt, wird bie Stelle 
feines Ueberganges nicht näher bezeichnet (Dio Cass. H.LX. 231. Rain.). 
Appian, der überhaupt felten geographifche Beſtimmtheit zeigt, fagt 
nur, daß er auf einer Brüde über den Guphrat fegte, die leicht und 
ſicher geſchlagen war (Bell. Parth., ed. Toll. et Steph. Amstel. 1678. 
8. p. 222). Aber im folgenden Jahre feines vorbereiteten, anf größeren 
Raub thöricht ausgehenden Kriegszuges (im I. 53 v. Chr. ©.) fehte ex 
beim Zengma unter den fchlimmflen Vorbedeutungen über ben Guphrat 
(Dio Cass. XL. 235. R.; Seneca Nat. q. V.18 ... circa Euphratem 
prasaga fulmina et deos resistentes ...). Nur in fofern haben biefe 
bier für uns einen Werth, weil aus deren Schilderung hervorgeht, daß 
es ebenfalls Feine dauernde Bogen oder Pfeilerbrüde, fonvern eine 
Schiffbrücke war, wie die früher dem Alexander zugeichriebene. Der 
Starm machte ben Uebergang fehr gefährlich; er riß die Berillen in den 
Strom hinab, der dichtefte Nebel verhinderte dem Aublick des Oſtufers, 
die Truppen verrennten fich die Wege beim Mebergange uud beim Abſtei⸗ 
gen von der Brüde, was unter Sturm und Blitz geſchah; noch che alle 
glücklich hinübergekommen, war die Brüde ſchon vom Sturme wieder zer⸗ 








992 WeftsAfien. II. Abtheilung. I. Abfchnitt. 5.41. 


riſſen (j se yipuga mgir wartag avsors dueldeiv dueludn nr. 1), 
Nach Appians Ansdruck muß man annehmen, daß dieſe Brücke zw jener 
Zeit erft vom den Römern geichlagen wurde, nad alfo eine ältere aus 
den Zeiten der Seleuciden ober ihrer Nachfolger, eine vielleicht Hier fri 
herhin dan er nd geweſene, am fo berühmten Zeugma nicht mehr vorkar 
deu war. Sollten die Römer etwa damals noch feine Meifter im Schla 
gen folcher Brüden geweien fein, weil diefe fo ſchnell wieder vom Sturm 
zerftört werben Eonnte® Doch hatte ſchon ein Jahr vor Erafins Cuphrat 
übergaug Jul. Caeſar feine Brüde über den breiten Rhein gefchlager 
(im Sahr 55 v. Ehr.), und fpäler wenigftene zeigten die Römer la 
Trajan bei der berühmten Donaubrüde zu ben Daciern anf fein 
Bfellern, wie an der Schiffbrüde, die fie über den reigenden Tigril 
ſchlugen (Dio Cass. Beichreibung beider LXVIII. Traj. 13. 1129. 
Rain. und 26. 1141 Rain.), daß fie unter ben verfchiedenften Umßaͤnden 
in diefer Knuſt die größten Schwieriglelten zu befiegen im Stade 
waren. 


Sur Zelt des P. Ventidius, der nah Grafins Niederlage ki 
Carrhae, 15 Jahre fpäter, ale römifcher Feldherr Cilicien und Exrie 
von den PBartherüberfällen befreite, und im Jahre 38 v. Chr. durch die 
Niederlage des Partherheeres und feines Fürften Pakorus (Sohn Kizigt 
Orontes) jene ſchimpfliche Vernichtung der Römerlegiomen rächte, erfah 
ren wir auch bie ftrategifchen Gründe, warum ber Enphratübergang am 
Zeugma den Römern fu gelegen war. Nicht nur die geograpkiht 
Lage binfichtlich der dort zufammenlaufenden Straßen und der find 
Diftanzen, fondern auch das Terrain der Brüde felbit am Sengma war, 
wie dies die Lage des heutigen Bir beflätigt, für die Römer, die hir 
durch Antiochia in Syrien, Eilicien, Melitene und Gommagene im 
Rücken vollflommen gedeckt waren nnd den beften Hinterhalt hatten, ſcht 
vortheilhaft zu ihren nun immer häufiger werbenden Uebergängen übt 
den Guphrat. 


Dies geht ans der Kriegslift des P. Ventidins gegen Baforns ber 
vor, der mit jugendlich ſtürmiſcher Eile und großer Macht zum Ueber 
fall gegen den Enphrat herandrang, noch che Ventidins am Zeugm 
Zeit gewonnen hatte, daſelbſt die Kraft feiner Trappen zu comcentries 
(Dio Cass. XLIX. 583. Rain.). Zeit zu gewinnen fchien ihm daher ze 
nächſt das Nothwendigſte: denn mit gefammelten Truppen hoffte er für 
den Parthern die Spige zu bieten. Gr fuchte alfo den Parther vom 
kürzeſten Mebergange am Zeugma abzulenten, damit ihm durch bee 
mweitern Umweg bie auf biefen verwendete Zeit zu gute füme. Vie &i 
gelang; den Chaunaens, einen der kleinen Grenzfönige, der im Juterche 
ber Parther fiand, wußte er an fidy zu loden; unter dem Geheime der 
Sreundfcgaft vertrante er ihm, wie fehr er es befürchte, dag bie Parker 








r 


| Eupprarfoftem; ; die neun Euphrat⸗Uebergaͤnge. 993 


an dem Seugma diesmal vorüber geben würden, weil bier bie Römet 
von den Uferbergen herab offenbar bie vortheilhafteſte Poſition haͤtten, 
am ben Feind mit Sicherheit zurückzuwerfen. Denn nähmen fie weiter 
unterhalb des Zeugmas am offenen flachen Uferlande den Uebergang fiber 
den Euphrates, io fönnten dort die Römer ihnen dies natürlich nicht 
‘ wehren. 

Die Berftellung gelang, Pakorus ging mit feinem zahlreiden Heere 
in die Balle; er nahm dem großen Umweg durch das Blachfeld, und 
fepte weiter abwärts, vielleicht nahe Hierapolis, über. Dadurch Hatte 
BDentivins alle Zelt gewonnen, feine Truppen zu fammeln. Gr geſtattete 
den Parthern den Umgang, ohne fie anzugreifen, und ertregte dadurch 
noch obenein die Meinung, als felen die Römer für dem offenen Kampf 
zu ſchwach und feig; fie hofften nun auch die Verſchanzungen ber Mb: 
mer leicht erſtürmen zu koͤnnen, obwol biefe auf der Anhöhe in Kur: 
rheſtica ?*) lagen. Aber bei dem erſten Angriffe machten die Römer ihren 
Ausfall, warfen die parthiſche Relterei zurüd, verfolgten ihren Sieg, 
vernichteten das Partherheer und todteten Pakorus. Die wenigen über: 
bleibenden Parther flüchteten zur GBuphratbrüde, wo viele von ven Rö⸗ 
mern anfgefangen und nievergehanen wurden: Die übrigen entfichen 
nad) Kommagene und fuchten Schntz in Samofata bei König Antiochne, 
der un mit DVentivius In Fehde verwidelt und von M. Antonius bes 
lagert warb. | | | 

Kür die Uebergänge der Römer behanptete nun das Zeugma feis 
nen entfchieveuen Werth, denn es mar der bequemfte und geficherifie, von 
wo and auch andere Uferpaͤſſe befeftigt werben Tonnten (Tac. Annal. XV, 
37). Strabo nennt bied Zeugma Kommagene's den Anfang Mefopota: 
miens. In jemem Sinne wird es von Tacitus gefchildert, als ber Pars 
ther: Bring Meherdates auf dee Kaifer Elaudins Befehl vom Präferten 
Syriens, C. Caſſius, über den Cuphrat in fein väterliches Erbe wieher 
eingefeßt werden follte (Tacit XII. 12: .... positis castris ad Zeugrha, 
unde maxime pervius amnis), und als fpätere Befehle kamen, die (in: 
phratufer weiterhin zu befefligen (... jubet expedire copias quae Par» 
thorum fines intrarent, simul pentes per omnem Euphratem jungi 
etc. ebend.). 

Der Uebergang am Zengma dauerte durch mehrere folgende Jahr: " 
hunderte fort;. er ift dem Ptolem, Amm. Warcell., Steph. Byz. bis zum 
ſechſten Sahrhundert noch wol befannt; aber die zahlteichern Kriegeheere 
der römifchen Kater gegen: bie Saffaniden fepten, feltdem bie üppige 
Anttochia der Erholuugsort und Verſammlungéplatz der Kalfer und 
der Kriegsheere mit ihren Feldherrn Im Drient, und Hierapolis ihe 





1°) Appian, Alex, de bellis Parthic., in a Opp. l. p. 209. 
Kitter Erdkunde X, Rrr 





994 Weſt⸗Aſien. TIL. Abtheilung. I. Abfchnitt. 5.41. 


Naſtort geworben war, mehr in fühlihern Breiten äder den Eupfret, 
wo Ihnen Palorns zuerſt den leichteften Uebergang gezeigt Hatte. 

Auch die Saffaniden zogen in ihren großen Meberfällen gegen Syrien 
mehr die ſüdlicheren Wege vor, und kehrten Dann über die nördlicheren 
Guphratpaflagen durch das obere Mefopotamien in ihre Heimath zurüd. 

Brocop nennt das Zeugma niemals ale Mebergangsort, obwol er 
die Stabt Zengma unter den damals am Enphrat ſchon ganz in Ber 
fall gerathemen Uferorten mit aufführt, deren Mauern und Befehligungen 
Kaiſer Suftinlan Mitte des Gten Jahrhunderts wieder berfiellte, um ben 
Saſſaniden⸗Uehberfällen Trop bieten zu fönuen (Procop. de aedif. IL 
p- 237, ed. Dind.). Derfelbe Cuphrat⸗Uebergang, bei dem fpälrcke 
Bir hervortrat, hat wol nie ganz aufgehört; zur Atabelen⸗ und Fras 
kenzeit wurbe er nur wieder nen belebt. Aber vom der Stadt Zeuge 
- feleh If Beine Spur weiter übrig geblichen; niemand fpricht von Ruine, 
bie am Weflufer des Guphratsliebergauges bei Bir etwa gelegen wärs; 
‚ der Drt mag vielleicht nur von geringerer Bebentung geweſen fein, m 
feinen Ruhm nur durch die Brücke erlangt haben. Das Verhältniß fe 
ner räumlichen Stellung hat aber biefelbe Localitit bis heute als Haupt⸗ 
übergang über deu Cuphrat erhalten, an dem im Jahr 1837, zur IR 
der Dampfichiffahrts Erpebition, immer noch 16 große Paffageboote zum 
Meberfepen der durchziehenden Rarawanen in Ihätigleit warem , bie zuwei⸗ 
Ien ans 5000 beladenen Kameelen und mehr beſtanden. 

7) Europns und fein Uebergang nebſt dem von Hier« 
polis bet Gecilia auf der Straße nach Thilaticominm na 
Batnac. Der nächſte Ort vom Zeugma, den Ptolemäns augilt, 
nur 10 Minuten (etwa 5 Stunden) ſüdlicher, iſt Enropne (Ecbeuvic, 
36° 50’ Lat. b. Ptol. V. 15. fol. 138). Wit Btolemäus fiimmt Pi 
nins überein (V. 21), der, ohne eine beftimmte Entferuung anzugeben, 
ihn als den erflen Ort vom Sengma an gegen Syrien nennt. Sticho 
bat diefes Ortes gar nicht erwähnt. Die Tabul. Pent. hat den Ramen 
ansgelafien, aber den Ort mit 2 Thürmen 12 Millien, wicht vol 5 
Stuunden, von bem Zengma eingezeichnet. 

Ge if einer ber vielen, von den Maceboniern mit Borliehe 
für ihre Heimath mit dem Namen ber macebonifchen Stadt Guropas 
fon fräßzeltig auch am Cuphrat wie am Tigris verfchiebentlih be 
legten Orte, deren einer, wie Steph. Byz. (z. v. Eigezac) fagt, an 
in Syria lag. Schon Polybins (V. 48, 15) führte an, daß der Cupo⸗ 
ser Molon zu Antiochns II. M. Zeit ſich der untern Provinzen des Se 
lenciden⸗Reiches bemächtigt hatte, von Selencia (Cteſiphon) die Parapes 
Samie bes Tigris aufwärts bis Curopos, und in der Mefopotamie cm 
Cuphrat aufwärts bis Dura, das abwärts des Khaboras gelegen, nad 
Ifidor. Charac. ebenfalls Enropne genannt warb (Mans. Parth, od. 
Miller, Paris, 18%. 8. 2.249). Beide find vom Enropns in Eye, 





Euphratfuftem; Die neun Euphrat⸗ Uebergaͤnge. 


zwifchen vem Sengma und Hierapolis gelegen, verſchieden. Das ſyriſche 
Europns ſetzt Piolemäus in denſelben Meridian wie Zeugma, aber von 
Hierapolis (bei Btol. 71° 15‘ Long., 36° 15‘ Lat.) um 45°. öfllidder; 
alfo von lebterer Stabi gegen N.O. Hiedurch ließ ſich die Lage von 
Guropnd auch auf Ehesney’s Cuphratkarte genau bekimmen, wodurch 
Brocop'6 Bericht vom dritten Kriegezuge Khosroes Annſhirwan gegen 
Bellfar und vom Rückzuge des Saſſanidenheeres über ben Eupbrat im 
Augefichte von Beliſare Lager feine vollſtaͤndige Erlaͤnterung 
erhaͤlt. 

Denn dieſer Rüdyng geſchah nicht bei Barbaliſus, wie ber erſte, 
ſondern weiter nörblih am Guphrat, wörtlich im Angefihte von Curopus. 

Denn Belifar, 2°) der mit Eilpferden von Gonflantinopel zur Nets 
tung an ben Euphrat gefandt war, hatte, da ber Neffe des Kaiſers Ins 
Rinian, der feige Infius, als ber dort Commandirende, fich mit feinem 
General Bnze hinter ben Mauern von Hierapoli6 verborgen hielt (Pro- 
cop. bell. Pers. II. 20), ſogleich fein ofienes Lager am Cuphrat Bei 
Enropne bezogen. Bon dort rief er feine GStreitfräfte aufammen, von 
da ſaudte er nach allen Seiten feine Boten und Befehle aus. Auch bie 
Befogung von Hlitrapolis mußte zu ihm herüberzichen In das Lager. 
Mur wenig Munnfchaft unter Juſtus blieb in den Mauern jener Stadt 
zuräd. Der Rame Belifars und feine Kriegslift, durch eine entgegen: 
geſchickte Botfchaft zu imponiren, hemmte ben ſtürmiſchen Anmarſch des 
Saflauidenfönigs ; Khosroes, überrafcht, einen Bellfar bier zu finden, Hielt 
es für gerathener, nicht weiter vorzubringen, fondern erſt Unterhandlun- 
gen zu verfuchen. Sein Stolz nnd fein Gelbfiverirauen waren aber zu 
groß, um geradezu umzukehren. Auch hätte er bei einer Umkehr auf 
bemfelben Uferwege an ber burch ihn verheerten und ſchon ganz ausge⸗ 
fogenen Süpfeite des Cuphrat, den er heraufwärts gezogen, Teine Le⸗ 
beusmittel für fein zahlveiches Heer gefunden. Gr zog aljo den kühnen 
Vebergang über den Cuphrat im Angeſichte des Roͤmerlagers vor, um 
danu den Rückmarſch durch das noch ungeplünderfe Mefopotamien zu 
uehmen, dur ein Land des Veberfinfies, wohin auch neue Beute ihn 
lockte. Ihn von einem folhen Uebergange in biefer Gegend abzuhalten, 
bemerft Procopins, würde Belifar, auch wenn er es gewollt, nicht im 
Stande geweien fein, hätte er auch Huntertianfende zu feinem Commando 
gehabt: „denn eben bier koönute ber Euphrat in einer weiten 
Strede feinesLaufes an vielen Stellen von Schiffen über: 
fegt werden.“ Aber Belifar lag felbf daran, ben Feind, der feinem ſehr 
Beinen Heere um fehr vieles überlegen war, recht bald jenfelt bes Stromes 
zu willen. Mit bewunderuswärbiger Schnelligkeit, fagt Pro. 
cop, ließ Khosroes die Brüde über den Cuphrat fhlagen, eine Kunfl, in 





220) Procop., ed. Dindorf. VoLI. p. 341. 
Nr 2 





996 Weſi⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnin. di. 


Der die Perſer eine große Gewandheit beſaßen. Sie führten uni im 
Kriegszügen Reis eiferne Halen (ayssergesdi asöngee, Proc. L 
24. p. 247.) mit ſich, bie ihnen zur Berkimbung der zugerichteten Dale 
‚beim Brüdenichlagen dienten. Kaum jenfeits amgelangt begaumı ım 
die Unterhandiungen beider Mächte zur Wiederherſtellung des gehcehan 
‚ewigen: Friedens. 
Aber dies war nicht der erfie berühmte Uebergang am birfer cin 
‚Stelle über den Euphrat, von dem bie Geſchichte Bericht gibt. She 
Kaifer Inliam hatte im 3. 363, Anfang März, zum Hierapclis jew 
Truppen gefammelt, um von da ungefäumt auf einer Schijihrät: 
‚den Cuphrat zu überfegen (Amm. Marc. XXIIL 2, 6: Euphrate mar 
ponte transmisso), und beu Weg nad Batnae im Dorhoene uud mi 
Garchae eingefchlagen. Diefer Mebergang muß hienach alſo fürmirs m 
Bir flattgefunden haben, denn das Zeugma wirb nicht genant. Eh 
wol ebenfalle zu Enropus oder noch etwas füblicher, denn dert men 
ja viele Uebergäuge möglih, weil, wie Brocop fagt, bafelbi der & 
phrat fich in mehr offener Laudſchaft in verfchiebene Arme un adı 
gertheilte. Könnten wir vorausfegen, bag Julian den directeitt 
Uebergang von der Hierapolis nach Batnae und Grelfa gemonmen, mu 
ſelbſt wahrfcheinlich ift, fo wäre, nach ber Cuphrataufnahme ter Cheich 
fchen Karte, hiedurch das Locale deſſelben, fo wie die Lage ber fi 
befannten Orte Säciliana and Thilaticomium zu beiden Eck 
des Ueberganges und des noch norböfllicheren Batnae zugleich milbeimmt 
Denn bie Lage von Hierapolis if befannt. BPiolemäns gibt j 
zu 71° 15’ Long., 36° 15° Lat., alfo in S.®. von Guropus an (V.B. 
fol. 138); duch R. Pococke find die Rninen vom Hierapolis wis 
aufgefunden, durch Chesney ihre aftronomijche Lage durch Objerein 
beftimmt, und 3 geogr. Meilen im S. W. vom Guphratufer eingeizue 
Die Stelle des pirectem Ueberganges von Hierapolis nach Bet 
wäre nun 3 geogr. Meilen abwärts von den Ruinen Dſherablus (% 
rabees) voraussniegen, tie mit der Lage von Curopus zufammenicht 
in deren Namen noch die Spuren der antilen Benennung aujbenak 
feinen. Gleich unterhalb Curopus feht Btolem. den Ort Gecilis, 
unter 71° 56° Long., 36° 40’ Lat., alfo 10 Minuten, d. i. 5 Stiriu 
füblicher, faſt in beufelben Meridian mit geringer Abweichung gegen SL, 
welche auch anf der Karte die bortige TCuphrat wen dang bejeiien 
Dort würbe alfo die Lage des Ueberganges mit dem Gecilia di 
Ptolem. vollſtaͤndig zufammenfallen. Daß dies and das Gecilie 
ber Tabul. Peut. war, 24 Willien abwärts von Europns, hat jdn 
Mannert 2") vermuthet, obwol die Ginzeichuung ber Tab. hier m 
Richtung nach eine ganz verkehrte iR. 





"’2) Manuert, G. d. Gr. u. R. Th. VI. ©. 508. 





J 


Euphratſyſtem; die neun Euphrat⸗Uebergaͤnge. 997 


Nun if es fehr wahrfcheinlich, daß diefer Cecibia des Ptol. auf 
dem Weſtufer bie ihrer bisherigen Lage nach eben fo unbelannte Sta⸗ 
ton Thilaticomium anf dem Oſtufer des Euphrat gelegen Haben 
werbe,. die weber Btolem. noch ein anderer Claffifer nenat, welche: auch 
bie Tabul. Peut. nicht eingezeichnet hat, deren Rage aber doch Im Itin, 
Antonin. durch mehrere Krenzrouten von Hierapolis nach Batnar;, und 
Edeſſa fehr genau zu beflimmen iſt (Itin. Anton. ed. Wessel. p. 192). 
Deun von Hierapolis ging bie gerade Straße über den Cuphrat (wol 
bei. Eerilia) in 31 Millien nah Thilaticomium (31 M. pass.; is 
ven ‚Sahlen wechfeln Hier Die Handfchriften von 10 zu 24, 31; bie, mitts 

lere hielt Mannert für bie paflendfle zu feiner Grtlärung); von da 
im 22 Millien nach Batnae aud von da in 30 Millien nach Garshae Aſ. 
Iter a Carris Hierapoli p. 192 1. o.) Schon: Ajfemani machte 
auf einen Ort Teladecnm oder Telacum anfmerffam, ben Diony⸗ 
fins, ein Iafobiten-Batriarch, in feiner Chronik in jener Gegend nannte, 
den er für benfelben hielt, und bemerkte, daß die. Vorſylbe Tel, dort fehr 
Helen an; den künſtlich aufgeworfenen Berglegeln, ven Tals, augebanten, 
Ortſchaften zulomme. Binem folchen, durch bie preußiſchen Officiere dort 
befaunt gewordenen, Tel el Ghara, ſehr benachbart, würde nach Gin⸗ 
tragung des Itiner. Anton. das alte Thilaticomium ober Comum (ber. 
Ott, wie ‘ein öldına zone bei Theodoret. Hist. rel, c. 22), ‚nahe. 
zu Biegen fommen.. Die Notitia dignitatum (fol, 97, ed. Panqim. Ve- 
metiis 1602) führt im Gapitel 168, de spectabili duoe Ogshoenae, 
mehrere. verwandte Mamen biefer Art bier an dem Guphratufer auf, 
welche im 4. Jahrh. Stationen von Truppen waren, von denen Thilla⸗ 
cama.bem Laute nach diefem am nächften zu kommen jcheint. 

— Merkwürdig iſt es allerdings, daß bei Kalfer Iulians Uchergang 
an biefer Stelle weder bei. Zofimus no Ammian des Uebergangéortes 
Gecilia oder Ceciliaua erwähnt wird, fo wenig als in dem Itiner.. 
Antonin., obwol viefes die. Direrte Monte mit den Stationen und an 
der Oftfeite des Stromes mit Thllaticomium anfzählt; ;der Name muß 
alſo, halt Mannert dafür, fchon fehr frühzeitig verfchtummden fein. Dies: 
mit Tann man and einverflanden fein, aber keineswegs mit feinen. 
Nachſatze, 3?) wo er meint, diefem Geciliana gegenüber, alfo anf bes 
DOftfeite des Cuphrat, möchte wol das heutige Caſtell Meſjm zu ſuchen 
fein. Denn ba das frühere Geciliana zeitig eingegangen, fo habe man, 
fagt er feiner Hypotheſe nach, dafür Thilatioominm ag der DOflfeite 
des Buphrat jenem gegenüber erbaut, und wegen ber leichteren Befeflif: 
guug eines Berges biefe dortige Stelle. erwählt gehabt, weiche. nen Bahr 
Seuühergang : ſchüͤdgen Tonnte- Diefer Brückenübergang fei berfelbe,n dan 
Abulfeda fpäterhin die Brüde von Mambepji nenne, melde jenes 


je m <; 





23) Mannert, G. d Gr.'n. R. Tb. VI. 1. G. 513. u 








998 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I Abſchnitt. 41. 


Caſtell Refjm (d. 1. das Geſtiruſchloß) befchäßte. Aber hierin ſũhrte 
pie damalige Kartenzeichnuug irre! denn vom Hierapolis Läuft die Rouk 
nach Batnae und Cdeſſa gegen Nordoſt, wohinwärts aud Guru 
und Ceciliana geſucht werden mußten, mb noch mehr Tpilaticominm 
Dagegen liegt das genannte Gaftell Nefim oder das berühmte Gr 
ſtienſchloß direct Im Oſt von Hierapolis, und Teineswegs auf der mu 
fopstamifchen, ſondern auf der ſyriſchen oder Weſtſeite des Eupfne, 
Die noch heute vorhandenen Keſte einer ehemaligen Brüde und Kb 

ſtraße unter diefem Schloß ſehen es allerdings außer Sweifel, daß anf 
hier ein Uebergäuge über den Euphrat waren, nur biefer lehigemausit 
wicht ans fo früher Seit. Mber wir können noch mehrere Stellen Die 
Art finden, als man bisher annahm, in einer Pocalität, welche dan ſe 
reichliche Selegenheit bot, nnd wo bie zahlreichen Ruinen aller noch we 
nig näher unterfuchten Denkmale zeigen, daß ſolche Geltgenheilen ya 
Uebergängen auch benutzt worden find. 

Dune die hiſtoriſche Bedeutung der Stabi Hierapolis, Yan: 
byte oder. ſpaterhin Mamberpji, bier zu berühren, was anberwic 
Gegenſtand ausführlicher Unterfachung bleibt, haben wir bier um mh 
an den Marten Rarawanenıng der Handelslente zu Gt 
bo's Sekt zum erinnern, der damals von Bambyle ans mit vielen Bas 
ren durch das Band der Skeniten, am Guphrat abwärts, bis Babylen 
ging, und die ſen Uebergang, nah Strabo nur 4 Gchönns (WE 
pass., d. i. 4 geogr. Meilen) im Oft von Bambyke entfernt gelegen, sw 
gemein beleben mußte. Diefer Durchzug (Sactärcoy yap 7 bin 
Strabo XVI. 748), ver Aber Anthemuſtas ging, berührte das be 
kanntere Seugma alfo keineswegs, wie Letronne n.. A. aunahmen, *) 
fondern fand in directer Nähe ber heiligen Stadt und ihres großen 
Marktes, an ber Stelle von Geciliana, flatt, wen, nicht anf ned für 
licherem Uebergange der viel fpäter- erft erbauten Brüde von BRazkeril 
ine andere Hypothefe Harbuin’s, diefe Eecilia (Menslla des Bien) 
ohue weiteren Grund für die ihrer Lage nach. unbelannte Gingille bi 
Blintus zu Halten (V. 21: Cingilla Commagenen finit. Imme civitas 
incipit, ed. Franzius Vol. II. p. 401, not. d.), und fo weit fübwärts is 
jemer Zeit die Grenze von Rommagene 'ausbehnen zu wollen, die af 
GStrabo ein fehr Meines Bandgebiet umfaßte, ſcheint uns eben fo gru⸗ 
los zu fein. 

8). Die Brüde von Manberji am Gafell Refjm, sem 86 
ſtirnfchloß. Obwol dieſe Brüdte während der: Kreuzzäge einen grofet 
Auhm erlangte, zu einer Seit, da die Zeugmas ber Alten längf vergeii 
waren, fo if doch dieſer Uebergang einer. ber. vielem, welche nach Proch 


"»°) Strabon, trad. fs. Paris, 1819. T. V. p. 192. 


| 


7 





Euphratſyſtem; die neun Euphrat⸗Uebergaͤnge. 999 


in diefen offnerern Gegenden des Stromlaufes möglich waren; aber 
niemals iſt ex von den Altern claſſiſchen Autoren erwähnt. Die Berühmt, 
heit dieſer Brüde bei den Arabern hatte bie jüngeren Kommentatoren ber 
orientaliſchen Befchichtfchreiber nnd alten Geographen, einen Thom Hyde 
3u Abr. Peritsol Itinera mundi p.48, wie Golius a4 Alferk. p. 261 
und andere irre geleitet, fie für das berühmte Seugma (bei -Bir) zu hal⸗ 
ten, von dem fie doch an 9 geograph. Mell. fübwärte entfernt liegt. Erſt 
Ab. Schultens (in Vita Saladini, Index Geogr. s. v. Nesjaum) 
Hat dieſen Irrthum gezeigt und zugleich aus orientalifchen Quellen dar⸗ 
gethan, daß das KAallat Redjim (Kalaat ou Nedihm n. v. Hammer, 
das Geftirnfchlog) erſt fpät im 12. Jahrhundert durch den kriegeriſchen 
Sultan Mahmud Senghi (ex ſtirbt im J. 1145 m. Chr. Geh.) **) er: 
. baut warb, der von bier ans die Franken mit feinen Weberfällen dieſſeit 
und jenfelt des Enphrat fo haͤnſig bedrohte; es iſt wol hoͤchſt währfcheln- 
lich, daß zu ſolchen Zwecken auch damals erſt die Brüde von Manbebji 
Aber den Etrom geſchlagen ward. Denn früher iſt uns Fein Zeugniß für 
fie befannt. Nach Chesney's Beobachtung follen ſich daſelbſt noch Heute 
Spuren von einem Brüdenbau an dem Oflufer und eines Kunſtweges 
vorfinden, der auf eine Oſtroute hiuweiſet. Aber nähere Beichreibung 
fehlt; auch if uns fein ſicheres Datum in der Geſchichte bekannt, dieſen 
Weg für eine antife Straße zu halten, oder wie Mannert meinte, dahin 
den im Intin. Anton. bezeichneten Mebergang ber Alten von Hierapolis 
auf der Straße über Thilaticomium nach Anthemuſias zu verlegen. Die 
Lage des Geſtirnſchloſſes (Kalaat on Nedſhm), if durch Chesney 
aſtronomiſch feſtgeſtellt, anf 300 83° 17" N. Dr. uud 88° 16° 15” O. 
2.0 &r 

Durch diefe genauern Beſtimmungen gewinnen wir nun für bie 
Drientirung auch in dem noch übrigen, bisher blos willführlich hin⸗ 
phuntafirten Euphratlaufe (nur Rennells und Berghaus Pirbeiten 
ausgenommen), abwärts bis Thapfacns, erfremlicher Weiſe eine 
ganze Reihe für comparative Geographie alter und neuer Seit ſehr lehr⸗ 
reicher Puncte, durch welche Btolemäns Tafeln ſehr weientliche Bed 
Hgungen erhalten. Im Weſentlichen beſtehen diefe im Solgenbtm; wie 
fie unfere Karte verzeichnet hat. 

Der von Btolem. angegebmen Breitenbeſtimmung nach, dicht an der 
Sübfelte diefer ausgezeichneten Kocalität des Hoch zum Himmel fich ers 
hebenden Gekirnfchloffes, am Weſtufer des Euphrat, die Betham⸗ 
maria bei Ptol. (V. 15. fol. 138. Bndaunagıa 71° 50'Long.; 36° 
80’ Lat.) die Bethammaris der Tab. Peut., 14 Mil: feta von Cecillaua 
zn liegen fommen. In denfelden Meridian abwärts fallen bie fonft gleich 
falls ihrer Lage nach bisher gänzlich umbelaunt gebliebenen Ptolemaͤiſchen 


2°) Degnigues, Geſch. d. Hunuen, Th. II. ©. 470. 








4000 WeftsAfien, II. Abtheilung. L. Abſchniti. 1, 41. 


Dirte, die aber mit ihren nach Cheöuey’s Dermeflung am Guykreilıu 
fer gut ſtimmenden Diflanzaugaben, und mur mit geringerer Lauiahwei 
ung, auch in der Tabul. Peut. eingetragen find. 

Es find der Reihe nach folgende Namen, von beuen Naunert?) 
noch feine Rechenſchaft zu geben im Stande war, weil ihn die Kurs 
zeichunng bier gänzlich verließ; ber herühtigte Guphratlauf ik u 
aber bier der fihre Baden, an dem wir una glücklich durch das % 
byrinth der Verwirrung hinduvch finden lernen. 

4) Ptolemäns Ortéreihe if folgende; an dem Behzfe 
de⸗s Enphrat, 

1) Bethammaria 71° 50' Long. 360 30. Lat, 
: 3) Gerrhe 36° 15° Lat.; Serrhae in Tabul. Peut; von dv 
thammarie ‚dahin 13 rm 
3) Arimera 369 Lat.; Apammaris ig Tabul. Pent.; haka 
8 Mil. 
4 Sragtiza 86% 0’ Lat.; CErazica oder richtiger Gradiza be 
Tab. Peut., dahin 18 MIN. jet Rajik. 

5) Barbariffus 719 56° Long. 35° AS“ Lat.; Barhalijie 

der Tah. Peut., Barbalifns Proc.; dahin 16 Ri. 

- 6) Athis 72% Long. 85% 30° Lat.; Altas in Tab, Peut. ; va 

NE 

Die Drte 3, 3 und 4 haben gleichen Meridian wie 1, folgen ale 
iu angegebener Reihe von Norden nach Süden. 

:2) Ptolemans Ortséreihe am Dfufer bes Eupbrat. 

An dem Oftufer bes Cuphrat find eben fo die Ptolemäifchen Urk 
eingetragen, da ihnen aber die Gontrolle der Tabul Peut. fehlt, bie bier 
am Oſtufer von Ortsnamen leer geblieben if, fo fehlt auch hier die gleiche 
Sicherheit wie auf der Weſtſeite. Doch Tann man bei der genauen Kt 
sig, die Ptolemaͤns in diefen Gegenden hatte, in denen ihm GEratoffeas 
voransgegangen war, ihm nachfolgend, doch wol mur wenig von ber wahr 
ren Lage ber einzelnen Ortfchaften abirren, fo weit nämlich bie Meribius 
Direction des Buphratlanfes felbft die Fehler berichtigt, die im des Pie 
Imäus fo unfichera Längenbefliunmungen leicht irre führen können. Di 
Reihenfolge von Borfica, deſſen ungefähre Lage wir oben berühtt ie 
ben, il bis Thapfacue und Ricephorium aber biefe: 

“, DH Borfica 72° Long. 37% 30° Lat. | 
. 2) Aniana 72° 20° Long. 36°. 40° Lat., alfo im Gütck vci 

3) Barfampfe 724 20° Long. 36°. 15° Lat. Alfo in Güte 

von Bethammaria, in derfelbeg Gegend, wo ber Euphrat eige weite Ben 





bung gegen Beh wacht; deu Höhlen und Ruinen von BI Afatir gegen 


UI) Mount, ER t. . . Sm. 





kuphratſyſtem; die neun Euphrat-Uebergaͤnge. 1001 


iber, einer Gegend, in der überhaupt ſich den Vorüberſchiffenden ſehr 
ſiele Höhlen in den Felsufern zeigten. Barfampfe wie Bethammaria 
ind ſyriſche DOrtsbenennungen. Die legtere ift von Weſſeling ſchon mit 
Beith Ammuris, ?°) der Wohnung Ammuris, verglichen, und Berfes 
ins fuchte das Barfampfe, Bassauya, mit dem Betfhemeſ h ober 
anam Solis der Syrer zu ibentificiten. 
4) Sarnuca, 72010’ Long. 35° 10°Lat., an ben. weißen Klippen 
jelegen, wo heute ze Marabut, der Hügel eines mohamedaniſchen Sancı 
m6, hervorragt. Ge Rellt fih der Balis-Station des engl. . Dampf 
chiffes Euphrates gegenüber; dieſe kommt nach aſtronomiſcher Obfernation 
ın die erſte Oſtwendung des Guphratlaufes unterhalb des Zeugmas 
na liegen, nämlich unter 36° 1’ 21° R.Br. und 38° 7° 10” O. L. v. Gr. 
sach Ghesuey. Hierdurch iſt auch die Lage des modernen Caſtells und 
Rinarets. Balis gegen S. O. beflimmt, das für die Erklärung von Xeno⸗ 
hons Anabafis ein wichtiger Anhaltpunct iſt, und ungefähr mit ber 
Stelle des alten Burbalifus . zufammenfällt. (f. ob. S. 10). on 
= 5) Berfima over Birfima, jenem gegenüber auf ver linken Mes 
eite des Euphrat bei Ptolm. unter 72% 20° Long. 35° 36° Lat. . 

Bon hier an folgen weiter öftwärte unter. verfpieuen. kangen. 
ıber ähnlichen Parallelen ; 
6) Baunae 72° 50' Long. 35° 40° Lat. 

7) Nicephorium 73° 6° Long. 35° 20’ .Lat., bas tm Norden 
ven vermeintlichen Ruinen von Thapſacus gegemüher —2 


9) uebergang über den Euphrut zum. Obbane bei Bars. i 
balifus. 


Procop fagt, daß Khos roes auf feinem erften Ariegezuge g gegen die 
Römer in Syrien, im 13. Regierungsjahre Kaiſer Juſtiniaus, ale ex 
en einigen Frieden brach, nicht durch Mefopotamien, ſondern am Süd; 
nfer des Cuphrat entlang, von Eircefinm immer ben Cuphrat zur rech⸗ 
ten Hand behaltend, bis Hierapolis zog und von da bis Antiochia, flege 
reich, alles zerflörend, plünderud umd verheerend, vorbrang. Seinen Rück⸗ 
weg aber nahm er von dba durch Ehaleis und dann über den. Buphrat, 
andy Mefopotamien ausfaugen®, um beutebelaven nad Cteſiphon heim⸗ 
zukehren. Gr fchlug deshalb bei Obbane, einem Orte, der 40 Stabien, 
alſo nur 2 Stunden fern vom Gaftell Barbalifus lag, eine Brüde 
über den Cuphrat. Und als er hinüber war, gebot er allen Webrigen 
ben Uebergang: zu befchleunigen, ‚weil er am dritten Tage zur beſtimmten 
Stunde bie Brüde wieder abbrechen lafien wollte. Sie wurde 'aud; bes 
ſohlner maßen zerflört, und mehrere Nachzügler mußten kuchen -auf ihre 
—- ' 1 
398) Wessel. Itin. kotonin. p. 185; Berkelius i Step Byz. 5. % 

Oayano; fol. 390, not. 


ı. 


1002 Weft-Afien. IIL Abtheilung. L.Abſhein. (41. 


eigne Hand in die Helmath zurückzugelaügen (Prooep. de bei. Pen. 
Il. 12. p. 205 ed Dind). 

Der Ort Obbane If uns nicht befanmt, andy von ewen Bar 
balifns iR hentzutag mit die Rebe. Die Lage if aber in chigem 
duch Biol. und die Tabul. Peut. ziemlich ſicher geſtellt. Obuel vr 
Ort any bei Steph. Byz. als ein ummaneries Gaftell, Bappalem 
mit boppeltem s gefcgrieben vorfommt, im ber Nolitia digm. (bei Pu 
cirell. Veuet. 1602, fol. 96) aber Barbarifio, Barbarino gefchrichen wei, 
fo Bleibt des Procop Schreibart, der biefelbe andy am einer zweiten Eik 
(de aedif. Justin. II. p. 235) beibehält, doch bie richtigere. Iufinia 
reſtaurirte das Caſtell Barsbaliins. Noch if ein Ueberreſt dieſe 
Ramens im Gaftell Balis unverleunbar, defien Ortslage mit jenem = 
titen identiſch iR. Schon Zenophon war dort ein verwandter Ram 
beiannt, Beleiys, eines frähern Statthalters von Syrien, dehes dei 
ger Pallaſt und Park von Gyrus dem Jüngern nach Barbaremart ww 
brannt und verheert wurde (Xenoph. Anab. 1. 4, 10). Derfelbe Rem, 
nur zufammengezogen, kam bei Arabern in Gebrauch. Abnlfeba) 
nennt biefen zu feiner Zeit ſtark bewohnten Ort, den erfien in 6* 
rien, Balis, ein ſyriſches Cuporium, dem Nakla im Oſten liege. Ind 
Keifenden des Mittelalters, die am ihm vorüberfchifften, wie ber Ef 
Ranwolf (im Jahr 1574), 20) blieb das große Gaflell, das er Sal 
nennt, nicht unbemerft. Er ſchiffte von da in 24 Tagefahrten nad der 
großen Stadt. Ralka, dem alten Ricephorinm, mod im 12. Ich 
zu Edriſi's Seit das große Sauptemporium zwifchen Bayıı 
und Syrien (f. ob. &. 236), wie es einſt das ganze nahe Thaya? 
wear. — 

Ranwolf war auf biefer zweitägigen Fahrt zwiſchen Saber zu 
Halfa, Orte, die ebenfo von Abulfeva angegeben werden, ſchon an de 
Ruinen von Snra (jet Suriyeh b. Chesney) und am denn wi 
Thapſacus, im Süden ber Furth mit den Ruinen bei EI Hamız 
ber heutigen Anwohner, vorüber geſchifft. 

Caſtell Iaber (Kalaat Danfar oder Kalaat Giaber li 
Abulfeda, ſ. oben ©. 241-243) liegt, nach Chesney's aſtron. Obfen 
unter 38° 32° 7 O. 2. v. Sr. und 35% 52° N.DBr. Dielen Ort se 
nen die Alten nicht; aber ihm gegenüber, anf der palmyreniſchen Eeik 
führt Ptolm. den Ort Alatis am Guphrat liegend an, ebem ba, wo nah 
Gheöney’s Karte ver Thurm Abın Herarah fi erhebt. 

Don biefem Alatis feht Ptolem. anf der palmyrenifchen Seil 8 
Syria, feine Ortreihen am Cuphratufer fort (V. 15. fol. 140), wi 








R abulfedae Tabul. Syr. ed. Koehler p. 130. 25) 2, Kur 
Dr. med., oeföreibung der Re im R Morgenlanle, Graf. 


Fr Su. 





Euphratſyſtem; die Vorftufe des Taurus. 1003 


Alatis, Sura, dann in Arabia deserta (V. 19. fol 144), alfo auf dem 
Südufer Thapſakus auſetzend, und in Mefopotamia, alſo anf dem Norbufer, 
(V. 18. fol. 142) die Stadt Nicephorium. Nämlich) alfo: . 

1) Alatis 72° 20° Long. 35° 15‘ Lat. " 

23) Sura 72° 40° Long. 35° 40’ Lat. 

3) Thapfacus 73° 30° Long. 35° 6’ Lat. 

4) Nicephorium 73° 6° Long. 35° 20° Lat. 

Alfo in verfelben Reihe und Ortunng ganz den natürlichen 
Localitäten entfprechend, wie fie ans der Cuphrataufnahme und bem 
Meffungen nah Ptolem. Angaben und denen der Tabul. Peut., fo weit 
diefe ausreichen, hervorgehen. Ueberall zeigen Monumente der Gegen 
wart, daß hier die Vergangenhelt ihre Spuren zurüdließ, beren nähere 
Erforſchung von der nmächſten Iufunft zu Hoffen und zu erwarten find. 
ine ſolche Unterfuchung würde fruchtbarer für die Kenntniß des Alters 
thums wie der Gegenwart ausfallen, als die oft fo uunüp wiederholten 
Klagen und Borwärfe der frähern Unwiflenbeit, fpäteren Verſtümmelung 
und Verderbniß des aus dem Mittelalter Meberlieferten, von einem eins 
feitigen Standpuncte ans, zu beflen Beurtheilung vor allem erſt ein eben 
fo tiefes Gindringen in bie Sachen wie in die bloßen Formen anzurathen 
fein möchte. | 


$. 42. 
| 3. Erläuterung. / 

Die ſyriſche Vorſtufe bed Taurus gegen Mefopotamieh,. 

von Samofat bis Thapſakus, Fortiesung : Hiftorifche 

Verhältniffe. | 
Ehe wir von Bir abwärts den Lauf des Euphrat nach Mes 
fopotamien, deſſen Hauptpunfte ſchon in voriger Anmerkung in 
fo weit feftgeftelt find, als die Hifkorifchen Daten aus alter Zeit 
reichen, weiter verfolgen, müſſen wir an der Stelle des alten Zeug⸗ 
ma's, der beiden jüngften, merkwürdigen Begebenheiten gebenfen, 
denen wir die neueflen Gauptquellen unjerer vermehrten, er. 
weiterten, berichtigten Euphratkenntniß faft ausſchließlich verdanken, 
nämlich ded Kampfes ver Türken unter Hafidz Paſcha gegen 
Mehmed Ai Pafcha von Aegypten und der Schlacht bei 
Nizib, wie der Chesneyſchen Euphraterpenition, bie beide 
am Buphratufer bei Bir ihren Mittelpunkt gewinnen. Nur die 
nähere Kenntnißnahme ver Umſtände dieſer beiden Begebenheiten 
gibt und den Maaßſtab zur Beurthellung vefien, was für einen 
Fortſchritt der Geographie des Euphrat- und Tigrislan- 


8 





1004 Weſt⸗Aſien. II. Adtheilung. I. Abſchnin. 1.22. 


des dadurch gefchehen iſt und geſchehen konnte; und nur varca 
Bericht zu geben, ift Hier der Ort, denn die Würbigung der fram 
giſchen, politifchen, Hiftorifchen Seiten derfelden bleibt andern Grs- 
ten billigerweiſe überlaffen. Die Berichte der unbefangnen Ange 
zeugen, die In dieſe Begebenheiten felb mit verwidelt waren, wer- 
den hinreichen, und auf diefem Gebiete für umfre nächſten Zmed 
hinreichend zu orientixen. i 


1. Kriegtzuſtände am Euphrat, welche bis zum Jahr 
1839 zur genauern geographiſchen KRenntniß ber mitt 
lern Cuphratlandſchaften geführt Hatten, bis zum 
Schlachttage von Nizib (23. Iumi 1839). 

W. Ainsworth war von Malatia fünwärts zum Guphet, 
im Iunt 1839 ; bis Beredſhik vorgebrungn, um von ver wi 
Beiftand des türfifchen Paſcha feine Reife, im Auftrag ver Lonber 
geographifcden Gefellfchaft, oſtwärts zu ven Neflorianern von Jule 
merk und zum Urmia- See im hohen Kurviflan fortzujehen. Aber 
die Kriegdzuftände nöthigten ihn, Hier länger, .ald ihm wünjdems 
werth ‚fein Eonnte, zu verweilen, da der herannahende unvermeidſch 
geworbne Kampf mit dem Aegyptier feinem Ausbruche ganz na 
war, und die Bölfer im obern Euphrat⸗ und Tigrislande in der 
größten Spannung erhielt. ‚Sicherheit Faunte ver Reiſende vamald 
nur in ber unmittelbaren Nähe des commanpirenden Paſchas jinken;, 
aber mit deilen Niederlage war auch der Reiſende .eine Beute des 
verfolgenvden Feindes, oder der ſchon Jängfl zur Empörung berit 
ſtehenden Kurven im ganzen Gebiete des Paſchaliks, und im vie 
Schickſal wurde auch die britiſche Neifegefelichaft mit Hinabgezogen, 
an deren Spige Ains worth fland. Die preußifchen Offiziere, wie 
aus Obigem hinteichend bekaunt iſt, waren Überall die Gefährten 
Hafisz Paſchas. | | ' 
Seine Zelte hatte Ainsworth, 29) von Berger und Samofat form: 
mend, bei Biredſhik, picht der Stabt im Norden am Ufer ve 
Euphrat in einem Garten unter dem Schatten großer Feigen- wu 
Granatbäume aufgefchlagen, da, wo ber Strom eben and einem 
engen Felsthale gegen Süpen zur Wetung bei der genannten Stadt 
hervortritt. ine große Ebene vol weidender Heerden auf ben 
Uferwicfen, von Inrfomanen gehütet, breitete ſich Hier vor bem 
Auge aus; die Windungen des Stroms ſchwingen fich von Ser 





uw, Kinaworh, Tran. and rer. ILL NUR, 





Euphratſyſtem ; das Schlachtfeld zuMifib. 1005 


weft ber um den Buß des Hohen Kalkfeld von Tel Balkıs, und 
ſüdwärts von biefem, von ven Anhöhen bei Nizib auf dem Weſt⸗ 
ufer, wird der breiter gewerbne Strom hier gegen Südoſt herüber- 
gedrängt, fo daß er die Marmorwälle und die weißen Ufertreppen 
der Staͤdt Bir, an feinem Oftufer, befpülen muß. Gegen S. W. 
am niedern, rechten Euphratufer. ſah man noch die braunen Erde 
wäle um Port William, wie die Station genannt ward, wo 
die eifernen Dampfbote der britifchen Expedition einige Jahre frü- 
ber zufammengefügt und ausgerüftet wurden, und wo mehrere ber 
dabei befchäftigten Europäer ihre Grabftätten gefunden hatten. Die 
Stadt Bir erhob fich in maleriſchem Aufbau gegen Süd; gegen 
Nord war der Blick weniger ausgedehnt, aber impofant durch vie 
fharfen Umriſſe naher Hügel und Berge. und überhängenver Fels⸗ 
wände, auf deren zadigem Grat das Eaftell, gleich einem gehar⸗ 
nifchten Krieger, kühn gegen ven raſtlos durchraufchenden, noch im⸗ 
mer ungehemmten Strom vorfpringt. Nur ein Eleined Truppen⸗ 
corps hatte auf einer malerifch-vworfpringenven Halbinfel, am grü= 
nen Abhange des rechten Zlußufers, fein Lager aufgeichlagen, als 
Borpoften, denn erft viel weiter hinter den Anhöhen gegen Welt 
war das große Lager der ganzen türfiichen Armee im Nerven bed 
Thales, vom Kesrin (Kirfun Tfhai bei v. Moltke) auf dorti—⸗ 
gem Hügelboven bei Nizib concentrirt. Die Stadt Biredfpif 
fland faft leer; die Bazare waren gefchloffen, die Verkäufer zum 
Lager gezogen; dad Caſtell war zum Hofpital eingerichtet und Ha⸗ 
kims, d. i. europäiſche Doctoren, bebienten es. Nur ermattete Rei⸗ 
hen beladener Kameele, die aus weiter Ferne Proviant aus den 
Magazinen Meſopotamiens: Reis, Korn, Gerſte und andre Lebens⸗ 
‚mittel, über ven Euphrat ind Lager herbei zu bringen beſtimmt wa⸗ 
ren, zogen bis zur Fähre am Euphrat. Hier fand fletö dad dich⸗ 
tefte Gedränge ftatt, weil alle Boote der Ueberfahrt in den Dienft 
. 568 Pafıha genommen waren, um auch die Rinder, Schaafe und 
anderes Scylachtvieh für die Armee, wie Pferbe, Kameele und un⸗ 
zählige tägliche Bedürfniſſe überzufchiifen. Glücklich ver Reiſende, 
wenn es ihm gelang, nach einigen Stunden Wartend in einem ber 
feäwer belavdenen Bahrboote, zwifchen dem Gedränge von Menfchen 
und Vieh, bis an die Knöchel im Waſſer flehend, noch feine Stelle 
und glüdliche Ueberfahrt zu erlangen. 
Zwei Stunden in Weſt ver Ueberfahrt, auf Hügelboden, der 
ſchon von dem Sonnenftrahl braun gehrannt war, zwifchen beſtaub⸗ 
ten Saat» und Kornfeldern, die frifh vom Halme zu Fourage ver» 








⸗ 


1006 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 8.42, 


ſchnitten ober verwüftet dalagen, an den Zugängen umlagert von 
Gerippen gefallner Kameele und Pferde, die zwar von der Hitze ge⸗ 
pörrt, aber doch noch die Luft verpefteten, erhob fich das Lager wer 
Türken und Hafldz Paſchas Zelte auf Höhen über den ande. 
Noch Hatten außer einigen Scharmügeln Feine Feindſeligkeiten fe 
gonnen; aber das ganze Land war in Aufregung, und wie ki 
Gewitterfchwüle vie Zeichen des nahen Ausbruchs da. Den Er 
raskier umgaben die europätfchen Offiziere. Preußen, Franzoſen 
Staltener, auch die englifchen Reiſenden nahm er gaftlich auf, mb 
nöthigte fie auf eine für fie freilich ſehr befchwerliche Weiſe ein 
Baftzelt neben dem feinen zu beziehen, und fo Ihr Schidfal mit a 
das der etwa 40,000 Mann?) Türken zu fchließen, die fchlagfertig 
im verfchanzten Lager ſtanden. An ein Bortlommen für einzeim 
Reiſende war, troß alles Derfuchend und Drängens, damals wi 
zu denken. Die letzte Reihe ver Jahre Hatte den größten Einf 
auf Die Zuflände des Euphratlandes und feiner Bewohner ange 
übt, die Zukunft lag noch unentfchleiert vor, und felbft die Polil 
der Pforte, ver Beichluß des commandirenden Seraskiers, dem nf 
Iofen und drohenden Sultan von Aegypten gegenüber, war ein tie 
fe8 Gehelmniß. Die Nieverlagen, welche die Türken 31) von biefen 
ı vor foch8 Jahren In Syrien und Karamanien erlitten Hatten, warm 
nicht vergeffen ; ven Verluſt fo fchöner Provinzen und die Herrſchaft 
der Meccaftraße, als Beſchützer ver Gläubigen, Eonnte Sultan Re 
, mub in Gonftantinopel nicht vergeſſen. Heroiſch gefinnt und me 
thig entſchloſſen, war er zugleih dem Ehrgeiz und dem Patalitı 
bingegeben, nur erfolgreich in dem, wad er perfönlich felbft unte 
nahm, wie die gräßliche Vernichtung ber Janitſcharen, zaghaft in 
dem, was er durch Andre vollbringen Iafien mußte. Den gegen 
Mehmen Alt verlornen Ruhm Tuchte er fich wieder zu gewinnen, 
durch ven Nizam Ofhedid, d. i. durch Bildung regulairer Trap 
pen im Innern der aflatifchen Türkei, durch europäiſche Disciylin 
und Dreffur, auf vie feit dem Tractat von Kutahia 1833, His 1839 
mit nicht geringem Erfolge Hingearbeitet wurbe. 

An Reſchid Paſcha's Stelle ward Kafisz Paſcha ver 
Circaſſe (Iſherkeß), vol Tapferkeit und Geſchicklichkeit, geſtellt, wer 
gegen die Aegypter zu Hoͤms und Konia gefochten hatte. Mit viel 
Urtheil verband er Erfahrung, Enthuſiasmus für vie Sache feines 
Seren, und damit Bildung und liberale Geſinnungen, wie vielleicht 


880), Ainzworth L. e. I. p. 318. 22) ebend. I. p. 280-308. 








rg: 


g 





Euphratfuftem; das Schlachtfeld zu Nifib. 1007 


keiner feiner Vorgänger. Als Seradfer erhielt er dad Commando 
über zwei große und mehrere kleine Paſchaliks, von Brufa bis 
Erzerum und von ba wieber bis Moſul, Länperfireden von unge 
meiner Auspehnung und Wichtigkeit, die den civiliſirten Guropäern 
bis dahin faft unzugänglich und unbekannt geblieben waren, durch 
ihn aber ihren Forſchungen gedffnet, ſeitdem und ſchon gegenwärtig 
auch für geographifches Willen ganz neue Schätze bargeboten ha⸗ 
ben. Zuerſt nahm Hafisz Paſcha fein Hauptquartier zu Siwas, 
dann aber mehr in dem Centrum der neu zu bildenden Macht, zu 
Meſireh und Kharput, von wo er zugleich den Tigris und 
Cuphrat beherrſchte, den Kurden drohend werden konnte, und bie 
Ausbeute der ergiebigſten Metallgruben des Reichs, an Silber, 
Kupfer und Eiſen, die ſeiner Inſpection untergeben waren, mehren 
und unmittelbar zur Hebung ver Kriegomacht verwenden konnte. 
Hier erbaute er, nahe feinem Sarai, bequeme Baraden für vie 
Truppen, die bier von europätfchen Officieren dreſſirt wurden, hier 
wurde eine Artillerie gefchaffen, die Milktärftraße zum Landtrand- 


port von Samfum nach Kharpıst und weiter fühwärts fahrbar ge⸗ 


macht, Eifenhüttenwerke, Pulverfabriken, Felsſprengungen zur Schiffs 
barmachung ded Cuphrat wurden Ind Werk gerichtet. Die ganz 
verfallne Feſtung von Diyarbefr am Tigris, deren römifche Ar⸗ 
Hiteetur der Grundbauten bis heute in Verwundrung ſetzt, warb 
wieder hergerichtet, und im Winter 1836 bis 37 war durch feine 
unermüdete Thätigkeit feine Macht fehon auf ein Heer von 25,000 
Mann regulärer und irregulärer Truppen mit 50 Kanonen geflie- 
gen. In viefer Zeit fingen feine Kriege gegen die rebelliichen Kurs 
den an, bie nur eine nothwendige, aber meiſt glüdliche Fortſetzung 
früherer Derfuche anderer Paſchas gegen dieſes kriegeriſche Bolt 
waren (in Rewandiz, |. Erbf. IX. S. 1026; Reſchid Paſchas gegen 
den Bei von Jezireh, ebend. ©. 709 u. a). Nah Reſchid Pa⸗ 
ſchas Eroberung von Jezireh ben Omar hatten die dort von neuem 
rebellivennen Kurden ven türfiichen Gouverneur in bie Enge getrie= 
ben. Der Paſcha von Diyarbekr erhielt den Auftrag zur Däm- 


pfung diefer Empörung. Aber bald waren vie Provifionen biefer 


Stadt erſchoͤpft. Mirza Paſcha war mie 2 Regimentern in der 
Heinen Stadt Marbin einquartirt; fen Druck empörte auch biefen 
Difriet. Nun wurde vie Unterwerfung ver noch gefährlichen De» 
finden in Sinjar (f. Erdk. X. ©. 749 u. f.) beſchloſſen. Ha⸗ 
fisz Paſcha ſelbſt flellte fi an die Spike der Banpitenjagb. 
Die Sinjarli's wurden beflegt, die Weiber den Soldaten preisge⸗ 


⁊ 








1008 WeltsAfien. III. Abtheilung. L Abfchnitt.f. 22, 


geben, die Männer wie Wild verfolgt. Krankheit zwang den Pa 
ſcha, daB Lager zu verlafien, er ließ einen Mutſellim in Sinjar zu 
rück, und ſtationirte feinen 2ieutnant Mirza Pafcha mit eins 
Eleinen Commando nah Nifibin, er felbft zog ſich nach Diyarkeı 
zurück. Der Berfuch, die einft jo berühmte Nifibin, die in ifem 
Trümmern bis Heute ehrwürdige Stadt, wieder zu heben, wir 
großartig geweien. Die dortigen Kurden waren unterjocht wie I 
Sinjarlis, und ald Dr. Forbes von feiner Ercurfion aus Ginje, 
im Herbſt 1838, über Niftbin 3?) zurüdkehrte, fand er an diem 
Orte, wo früher nur einige elende Hütten gemwefen, fchon ein fi 
Eaftel mit bequemem Palaft für ein Regiment Gavallerie um Ir 
tillerie‘, und an hundert gute Wohnhäufer mit Bazar, von dam 


Dutzend chriftlicher Handeldleute befebt u. |. m. Im Jahre ng . 


der Schlacht von Nizib, mo Ainsworth (im I. 1840) via 
Ort wiever paffirte, war faft.von alle dem keine Spur met. 


Während Hafldz Pafchad Truppen im Süden des Tigril | 
gegen Sinjar gezogen waren, brachen nun vie Kurden im Rorkes 


des Tigris, an deſſen linken Zuflüffen, in Empörung aus. &% 
ftanden im Wahn, vie Armee in Sinjar fei erfchlagen, weil fie Wei 
gehofft Hatten. In demſelben Jahre brach Hafisz Paſcha mit ie 
nem Heere zu biefer neuen beſchwerlichen Kampagne auf. Yu ven 
Kriegözuge gegen Sinjar war ber Beiſtand der englifchen Oft 
des Colonel Conſidine und Eapt. Campbell zu fpät gefomma; 
in dieſem, ver exft zum Kurdenſchloß Sayd Bey Kalefii a 
Nordoſt von Iezireh ging (im Mai 1838), und dann in ben we 
deu Karfan Dag (f. ob. ©. 92; im Juni 1833), hatte er da 


Beiftand des preußiichen Hauptmanns v. Moltfe, dem wir ie | 


Iehrreichfie Schilderung 33) dieſer Erpebitionen verbaufen. E 
Stamm ber Kurden nach dem andern wurde geſchwächt und ge 
ſchlagen, wenn auch nicht ganz beflegt, und eine Bergfeſtt da 
Kurden nach der andern in den wilden Duellgebieten ver eben 
Tigriszuflüffe belagert und erobert, oder fie capitulirte. Der Baldı 
fchrte mit Ruhm bevedt in fein Hauptlager zurüd, ohne Deshalb 
diefe Kurdenſtämme eigentlich unterjotht zu haben; er Hatte fie zu 
für jegt zurückgeſchreckt. Die Schlacht von Nizib befreite le wine 
von diefer Obergewalt, und feitvem find Sinjarli wie Kurden mir 
ber jo independent geworben, wie fle zuvor ed waren. 


222) Fr. Forbes, Visit to the Sinjar Hills in 1938 etc. in Ju® 


of G. Soc. of Lond. Vol. IX. P. III. p. 421. in) n. Nik, 
Drieie o. d. OD. S. 256, 27: u. f- ' 


— —83 





Euphratſyſtem; das Schlachtfeld zu Niſib. 1009 


Hafisz Paſcha rückte nun dem Hauptfeinde näher; er ver 
gte fein Hauptquartier nah Malatia, aus dem die Einwohner 
uf Jahr und Tag nach Asbufi in die Sommerflation verbrängt 
werben. Hier wurben neue Arbeiten zur Verſtärkung ber Artillerie 
ud der Befchüge eingerichtet. Alle Kräfte des Landes wurden im 
Infprucdh genommen; nie waren bie Landflraßen fo ficher für den 
Reifenven;, als ımter Hafisz Paſchas Negiment ; ver Feldbau blühte, 
ie Erzgruben gaben veichern Ertrag, die Bebürfniffe der Armee 
urden im Lande unter feinen Augen felbft gearbeitet, die Induſtrie 
ob fi; nur die Schube ver Solbaten murben aus Rußland, bie 
opfbedeckung, ver Bez, aus ver großen Manufactur In Conſtanti⸗ 
opel eingeführt, fonft alles im Lande felbft gearbeitet. 

Im Frühjahr und Sommer 1838 wurden neue Krlegözüge 
egen die Aghjiak-Kurden In dem Gebirge am Tokma fu in W. 
m Malatia (f. 06. &.849), wie gegen vie Kurven ber Cataracten⸗ 
ette des Tauruß, bie feit Langer Zeit bie unbefchränften Beherr⸗ 
ber dortiger Gebirgspaͤſſe geweſen waren, unternommen. Diefe 
‚ürden für eine Arme In Syrien nur ver böfefte Feind im Rücken 
blieben fein. Kur nak (f. 06.6.849), Berger und Kiachta 
. 06. &.870 u. f.) und andere Feſten mußten unfchänlich gemacht 
erden; Ihre Gebieter wichen vor ber Uebermacht In Ihre wilneften 
ebirgöflippen des Taurus zurüd, wo fie fo unerreichbar blieben 
te der Bewohner ihrer Hochgipfel, der einheimiſche Steinbod. 

Nun begann die Noth in Malatia, bad von jeher hund 
ine Ungefundheit befannt war; die heftigen Anfirengungen, bie 
erbfzeit, die böfe Luft und was bamit zufammenbing (f. ob. 
. 853), brachte viele Hunderte auf das Krankenlager und ins 
rab. Die Anftrengungen und die Zurüflungen zum nicht. mehr 
sauweichenden Kampfe nahmen im Winter und Frühjahr ned 
. Nach Sultan Muhameds Willen follten die Aegyptier im 
rühjahr angegriffen werben; er felbft fanbte noch zwei Regimenter 
arden mit Kanonen und Munition und andere Hülfen, bie bes 
eraslers Gerz erfreuten und mit Hoffnungen und Enthuflasuus 
x die Sache des Sultans ber Gläubigen erfüllte. - Das Geheim⸗ 
6 wurde nun laut im ganzen türkifchen Heide, daß es auf einen 
zuptfchlag in Syrien abgefehen ſei. Die Flotte bed Sultans war 
; gleicher Beit gemachten an Zahl und Groͤße ver Schiffe, um ber 
yptiſchen Flotte vie Spitze zu bieten; aber fie war ohne geübte 
tatuofen, ohne Marineoffiziere, ein blos unnüges Prunkſchwert in 
e: Sand des Megenten, In Kleinaften aber waren gugleich Izzet 
Kitter CErdkunde X. ei 











1010 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. $. 42. 
Wafchazu Angora und Hadji Ali Pafcha zu Konia mi 


dem europäifchen Grerdtium ihrer Truppen befchäftigt ; Die Recruten- 


aushebungen waren nicht mehr wie zuvor anf einzelne Broxiaya 
wie Diyarbekr und Siwas, fondern bi8 Smyraa und Boli ande 
dehnt. Jeder ver Paſchas war thätig für fih. Auch Ali Baia 
zu Bagdad hatte weite Pläne, aber init ſchlechtem Erfolge; er m 
zichtete Barracken in Arbil und Kerfuf (Erdk. IX. &.552, 691) 
Suliman Paſcha von Sulimaniyah (Erb. IX. ©. 56) 
hatte nur wenige Truppen zufammengebracht, bie ven übrigen de: 
. verleibt werben Tonnten. Der fogenannte Paſcha von Amadie 
(rot. IX. ©. 719) war vergeblih zur Einftellung feines Genie 
gentes eingelaben. Der Paſcha von Moful bradjte 3000 Ras 


— a 


Truppen und einen Artillerie Park zuſammen; er errichtete dar 


raden. Doch kamen biefe Truppen des äußerſten Oftens damals, im 
. Sommer 1839, nicht mit zum Kampf gegen Ibrahim Paſcha. Be 
der von Frankreich noch England oder Rußland war ein Beil 


im türfifchen Heere, obwol ber Rath ver europäiſchen Höfe li | 


ausblieh. Die gebotne Hülfe einiger engliſchen Officiere ſell we 
nachläffigt worben fein. Die Dfficiere. des neutralen Bresßenh, 
v.Moltkte, v. Mühlbach und Laue, hatten großes Bertraum u 
Einfluß ale Milttärs im Loger zu Malatia gewonnen. v. Kiffer 
diente dem Paſcha von Konia und verfchanzte Die Gingänge berä 
die ciliciſchen Päfle, v. Binde befefligte Angora und organ 
Die Truppen Izzet Paſchas. Ihren forgfamen Beobachtungen v 
verdienſtlichen geographifchen Arbeiten und Sammlungen aus vieſa 
hochſt bewegten Zeit, während ber größten Anftrengungen bei er 


amtlichen Gtellung, bat vie Wiffenfchaft einen großen Edi - 
pofitiver Daten zu verdanken, ber vie bisherige Geograpfe b 


ihrer Kenntniß der Levante, und zumal eined großen Iheils we 
Syrien, Klein Aſien und dem Euphrat und Tigridlande, and in 
bitterſten Armuth und grenzenlofeften Verwirrung gerettet bat, al 


ber ohne. ihre Ergebniffe fi) herauszuwinden, zur Zelt noch unnip | 


lich geweſen fein würbe. Und hiermit ſei viefen, einft zum Id 


meinen ſehr werthen Schülern, nun meinen verehrteften Sremhe ' 


mein innigſter Dank vargebracht, für viefe feltnen wiſſenſchafitte 
Zeiſtungen an fich, wie für die edle Anſpruchsloſigkeit, weit ber bie 
ſelben mir geflattet haben, davon Öffentlich , zum Beden vw 
ſenſchaft, Gebrauch zu machen. 


:Ba8 fie damals als mangelhaft einfahen, Hat. ——— | 
volshjehel 


un Releate : er mit ihnen befreundet am Gupfrut 








Euphratiuftem; das Schlachtfeld zu Nifib. 1011 


zufammentraf, ausgefprochen. 9). Es war der Mangel des Zus 
fammenwirkens ver Kräfte; ſchon im‘Princip des Commandos Tagen 
die größten Hinderniſſe des beginnenden Feldzugs. Izzet Pafcha 
konnte nicht vergeiien, daß Hafisz Paſcha ein junger Parvenü und 
Günfling des Großſultans war; ver alte Hadjl Uli Paſcha hielt 
fi, dem alten Syſteme getreu, für einen unfehlbaren Osmanli; die 
Jalouſie hinderte jene Cooperation, die preußiſchen Officiere drangen 
auf Einkeit des Commando's In allen großen Operationen. Die 
:  Madt des Gegners war keineswegs in gleichen Grabe gewachfen, 
ı im Gegentheil, Ibrahim Paſchas Partei war fo herabgefommen, 
s daß ihm, wie Ainsworth an Ort und Stelle erkundet zu haben 
verſichert, keine 3000 Dann übrig blieben, fie gegen bie 15000 Manıt 
Hadji Alis, welche die cilieifchen Päſſe beſetzt Hatten, zu ſtellen. 
Und außer ven Truppen waren bie Bergvölker daſelbſt, wenn vie 
türfifchen Truppen nur einigermaßen glüdlich zum Schlage vor⸗ 
rüden würden, zu einem allgemeinen Uufftande gegen die Aegyptier 
in Bereitfchaft. Aber Izzet Paſcha blieb paſſiver Zufchauer bei vet 
ganzen Begebenheit. Damaskus und Aleppo follen bereit ge⸗ 
weien fein, fi) der Sache des Großfultand anzufchließen, weni 
Ibrahim Paſcha mit feinen Argyptiern ihnen nicht auf dem Naden 
gefeflen. 

Unter viefen Berhältniffen war im Brühjahr 1839 bei Hafisz Pa- 
ſcha in Malatia der Uebergang der ganzen türfifchen Armee über 
Den Taurus nad) Syrien befchloffen. Wie und auf welchen Wegen 
dieſer bewerkftelligt wurbe, haben wir oben geſehen. Die Schnee⸗ 
maffen waren wegzufchaufeln, bie Felſen zu fprengen, die Wege zu 
bahnen, vie Flooße zu bauen, um Mannfchaft, Neiterel, Artlilerie 
und Kriegögeräth auf ven verfchiedenften Wegen glüdlih na Bir 
an den Cuphrat zu bringen. Der Bereinspunct war am breiten, 

- iefigen, trocknen, jedoch ebenern, offenen Uferſtrich des alten Zeugma, 
Biredfſhik gegenüber. Täglich rückten neue, auf ben Märfchen 
ermattete Truppentheile ein, aber vol Hoffnungen naher Siege. 
Der Euphrat als Transportfirom, wie die Landkatawanen, führten 
reichlichen Proviant herbei. Die Verſchanzungen, weldhe bie preußi⸗ 
ſchen Artilleriſten umher auf ven Höhen aufwarfen, der zuſammen⸗ 
haltende Lauf des Stromes ſelbſt, im Rücken der Armee, gaben der 
Poſltion die groͤßte Sicherheit, und die Fronte gegen die Seite des 
Feindes konnte eine ‚vroßende Gulang gewinnen, Aber ver Eus 
— 

6) Ainsworthi 1.0. I. p- 200. 0 
Sa 


\ 





1012 Weſt-⸗Afien. M. Abtbeilung. J. Abſchain. (2. 


phrat, Hier tief mit gefahrvollen Sandtrieben, forderte wie Is 
fchenleben, denn vie Tageshige verlocte zum täglichen Bar. Vai 
fortwährenvde Ertrinfen fo vieler Mannſchaft veranlaßte den Pallı, 
gegen den Math der Europäer die vortrefflidhe und verfchungte Su 
lung aufgebend, zur Verlegung des Lagers in größer: weiik 
Kerne vom Strom, mo das nächfte, doch unentbehrliche Wall a 
Bade Kesrin (Karzin bei Rouffeau, Kirfun Tſhai I 
v. Moltke) die Aufichlagung der Zelte auf den Höhen von Rijit 
(Nezeb dei Rouſſeau) herbeiführte. Hier nun fingen vie fin 
Seinpfeligleiten und Scharmügel an, bie bei veränderter Lagafek | 
dem Feinde zur leichten Umgehung ver türfifchen Armee vn ie 
zeigten, und bei der Unentfähloffenheit des Serasters in ver Die | 
fioe, wie bei feinem militärifchen Ehrgeize, dem Feinde gegenite | 
ſelbſt den Schein eines felgen Rüdzugs in feine frühere geſchen 
Pofition zu vermeiden, in der plöglich ſich entwickelnden Schlett p 
unvermeldlichem Verderben führen mußte. 39) | 

Schon am Mittage des erſten Schlachttages (23. Iumi 189) 
war Alles entfchleven, das ganze noch übrig geblichne Türke 
auf der Flucht nach Cllicien und Melitene, mit ihnen die Gurepan 
und — daber bier die Brenze der geographiſchen Bat 
achtung und des dort kaum erfi begonnenen landſchaftlichen Etw 
diums. Denn daß ſeitdem vie Unficherheit und vie alten Bam 
zungen des Orients, mit allen den Gemnrungen zum Serie 
wiffenfchaftlicher Erkenntniß, und zumal in Syrien von menu hr 
vortraten, iſt befannt und hier nicht weiter im Einzelnen nadge 
weifen. 


2) Die Schiffbarkeit des Euphrat von Bir abwärts, 
und bie Dampffaiffahrt-Erpedition auf dieſem Gtrom 
durch Golonel Er. Chesney (1834 bis 1837). 

Set dem Sabre 1829 %) war man im India Board d 
Control mit dem Gedanken einer Dampficiffahrtönerhindung m 
fehen England und feinem oſtindiſchen Colonielande befchäftigt; ie 
unesmübete edle I. Prinfep 3%) in Galcutta hatte 1824 we ak 


».°) >) Auer e. I. p. 385. 50) Reports on the zerig- 
se. im Quarteriy review. Lenden, 1058 
ar 2 AR 212 — 1)G. A. Prinsep an aceonni dl 





Euphratfyftem; die Euphrat:Dampfichiffahrt. 1013 


"Anregung dazu gegeben; ; aber die Koften fchienen ungeheuer zu 
fein. Zwei Projecte, die Verbindung über das rothe Meer und 
auf ver Stromlinie des Euphrat, führten ſeitdem zur genaues 
fen Erforſchung ihrer Gegenſtände, und ihre Refultate find nicht 
blos für den Völkerverkehr, ſondern auch für vie geographiſche 
MWiffenfchaft ungemein erfprießlich geworben. Unter den Männern, 
welche für die Realiſirung dieſer Projerte, zumal für bie Inſtand⸗ 
fegung des letztern, am thätigften mitgewirkt haben, ſteht Gelonel 
Francis Chesney von der Artillerie oben an, und mit feinen 
Arbeiten beginnt für das Stromſyſtem des Euphrat eine 
neue Geſchichte. Ungeachtet die literariſchen Reſultate feiner 
großartigen Unternehmungen, in Auftrag feines Gouvernements, bis 
jet noch nicht öffentlich erſcheinen konnten, fo find wir doch durch 
die perfönliche Freundſchaft und die uneigennügigfte Mittheilung 
ber Handſchriften und Rartenzeichnungen dieſes außgezeichneten Dan- 
ned, den wir deshalb in feiner irländiſchen Heimath auffuchten, in 
Stand gefegt, vie wefentliche Frucht feiner Unterſuchungen ſchon im 
unfre gegenwärtige Arbeit mit aufzunehmen, vie burch biefelbe erſt 
ihren pofitiven Werth gewinnen konnte, durch welchen fie, wie wis 
hoffen, die geographiſche Wiſſenſchaft wahrhaft zu bereichern im 
Stande if. 

Noch einmal Hier an diefer Stelle dieſem fiebenswürbigen, um 
eine fo wichtige Angelegenheit für den ganzen Orient hochverdienten 
Manne unfern innigften Dank öffentlich auszufprechen, halten wis 
für unfre heilige Pflicht. 

Die wichtigften Ihatfachen über ven Euphrat, noch che bie 
Dampfſchiffahrt Ins Werk gerichtet werben konnte, hatte Gol. Ches⸗ 
ney auf feinen viermal wieberholten Reiſen nach Indien gefam« 
melt, auf denen ex immer andre Wege zus Erforſchung feines 
Hauptgegenflandes verfolgte: einmal über die Donau abwärts durch 
die Türkei, über Trapezunt zum Cuphrat, die von Sullivan einſt 
vorgefchlagne Route; das zweitemal über Maltfa und Conſtan⸗ 
tinopel eben dahin; daB brittemal über Aegypten, Sue und 
Goffeir nah Indien; das viertemal über Beirut und Damaskus 
zum Euphrat. Dies Icktemal, im Jahr 1831, kam ex feinem 
Ziele am nächften: denn es gelang ihm von EI Kaim (oberhalb 
Anah), bis wohin er mit der Lanblarawane von Damaskus 
vordrang, ?°) nun den prachtvollen Strom felbft abwärts zu bes 


3°) Report from the Select Committee on Steam Navigation to 








1014 Weſt⸗Aſien. M. Abtheilung. I. Abſchnin. . . 


ſchiffen. Obwol krank forderte er die Araber In Anah auf, ie 
ein Flooß zu bauen, auf dem er ſich mit einem Diener, cm 
Dolmetfcher und drei Arabern einfchiifte, den JInſtructionen wi 
Generalconfuld Cartwright folgend. Er nahm ein Tiefenmach von 
10 F. an, und funbirte die feichtern Stellen des Wluplaufes mit 
dem Senkblei in der Hand. 

Am 5. Tage erreichte er Hit, mo er das Flooß mit cum 
Boot aus Flechtwerk, mit Naphtha überzogen (f. ob. ©. 7), va⸗ 
taufchte. Mit viefen erreichte er in weniger als 5 Tagen den Ge 
fen von Bagdad, Feluja (|. ob S. 16, 20, 148, 203, 219 u.f.w.), 
im SIanuar 1831. In Bagdad traf er den Major Tahylor, 
Mefivent ver oſtindiſchen Eompagnie, der ven Auftrag hatte, We 
Eupbrataufnahme von Mr. Ormsby und Elliot beforgen p 
laſſen. Chesney feßte feine Aufnahme auch fort, und burchfdhiiie 
den bis dahin fehr unbefannt gebliebenen Stromlauf von Kelute 
(prich Feludſh) abwärts #8 Hilla. Kein einziger europälige 
Reiſender älterer oder neuerer Zeit fcheint dieſe Fahrt gemacht zu 
haben; denn in frühern Zeiten hielten vie Flußreiſenden fleis zu 
Feluje fr, Freugten über Land nach Bagdad, und fegten dann ik 
Mafferreife den Tigris abwärts weiter fort. Die bls dahin ge 
machte Kartenaufnahme des Euphratſtroms ließ Cheöney in Bee 
bad Heim Neftventen für das Gouvernement zuräl. Bon Hill 
aus erhielt er einen Fleinen Schoner, mit dem er abwärts durch dk 
LemluneMarfhen bis Bafjora und durch die Euphratmins 
bung nach wem perfiichen Hafen von Abuſhir fuhr. Don da wur 
bie Rüdrelfe durch Perften nah Trapezunt gemacht, dann über 
den Taurus nah Aleppo und Bir wicer an den obern Er⸗ 
phrat. An viefem reiſete Cheaney aufwärts, eine gute Strece 
über Samofat, dann nad Orfa und wieder zum Euphrat 
zurüd, um auch viefen mittleren Lauf, abwärts ſchiffend bis @ 
Katm, zu fundiren. Aber da er in Orfa für einen verbächtign 
Spion Mehmed Alis gehalten wurde, fo mußte er feinen Plan bi 
Bir aufgeben, und er Iernte die Strecke des Cuphratthales von Bir 
bis EI Kaim viesmal nicht kennen, die er nur auf em 
40 geograph. Meilen ſchätzte, während er die von El Kaim ii 
zur Mündung auf 192 geograph. Meilen (962 Bil. engl.) meh 
und berechnete. Zwei Drittheile des Jahrs hielt ex ven Caphret 








rei etc. ‚Ordered by the House of Commons. etc. 14 Jaly. 





5 


Euphratſyſtem; deſſen Schiffbarleit. 4015 


überhaupt ſchiffbar, 4 Monate aber nur für ſeichte Fahrzeugs. 
Das Reſultat dieſer erſten Euphrataufnahme war die Ermittlung 
einer durchgängigen Sciffbarkeit des Stromes für. alle 
Zelt abwärts Hit; ”) ja für ein großes Dampfichiff auch noch 
17 geogr. Meil. (84 Mil. engl.) aufwärts üper Hit gegen RW. 
bis zur Infel EI US, fo daß ſich während 12 Monat im Jahre 
eine Strede von dem Perfergolf bis EI US, 157 geogr. Meil. 
(786 Mil. engl.), volfommen offene Schiffahrt darbietet. Bon 
EI Us über Anah bis EI Kalim aufwärts bleibt daher noch 
. eine Blußftrede von 35 geogr. Meil. (176 Mi. engl.) und viele 
zeigte fich als diejenige, innerhalb welcher alle eigentlichen 
Hemmungen einer Cuphratbeſchiffung liegen, vie aber 
doch auch nur während „ver vier Monate feichten Waſſerſtandes 
als folche ericheinen. Die fpeciellen Stromverhältniſſe viefer Cu⸗ 
phratſtrecke wernen wir weiter unten, bei feinem Laufe an Anah 
worüber, näher beleuchten. Hier bleiben wir nur bei dem Laufe im 
obern Mefopotamien auf der ſyriſch⸗arabiſchen Grenze 
oberhalb EI Kaim flehen. 


Ueber diefen obern Lauf zwilchen EI Kaim und Dir aufe 
wärt® war nichts durch eigne AUnfchauung gewonnen, man konnte 
nur ven Ausjagen esfahrner Araber 40 vertraum, unb auf bie 
Daten der Gedichte zurüdgeben. 

Hiernach erfuhr Chesney, daß auf diefer Strecke von beiläufig 
26 geogr. Meil. (130 MU. engl.) der Strom. zwar auch befchifft 
werde; daß man aber 9 Audnahmen von der regulären Tiefe 
des Stroms bezeichne, von denen 2, 6, 7, 8 und Ifogenannte Kan 
meelfurten find, mit Icjen Blöden beftreut, an welchen Stellen 
Kameele ver Araber Hei niederm Waſſerſtande hindurchzuſetzen im 
Stande find, die 4 oder 5 andern aber Klippen haben. Jedoch nur 
eine derfſelben ſchien eine ernſtliche Hemmung zu fein, bei der man 
pie einheimifchen beladenen Schifferboote bis auf 3 Fuß Waflertiefe 
von ihrer Ladung zu erleächtern pflegte, um fie pafliven zu koͤnnen. 
Solche Schifferboote, roh conſtruirt, 40 %. lang, 12 %. breit, mit. 
flachem Boden, nur 4 F. tief gehend, follten zu allen Jahrözeiten 
zwiſchen Anah aufwärts bis zum Caſtell Jaber (ſ. ob. &.14,241) 
im Gebrauch fein. Ehedney ſchloß Hieraus auf vie mögliche Be⸗ 
ſchiffung auch viefer oben Euphratſtrecke, zumal da er in Erfah⸗ 





)0.0D. S. 16. «0) Report I. c. p. 1. 








1016 Wefb-Mfien. HIT. Abtheilung. I. Abſchein ur. 


zung brachte, daß es noch bis vor 15 Jahren vom Grim vi 
Großfultans Herfömmlich geweien, wiederholt von Bir aus fie 
res Beichät, wie Kanonen mit Ammunition umd anbern Kriegig 
zäh, zu Wafler auf dem Cuphrat im Novembermonate, ehm p 
leichtern, zur Vertheidigung bis Bagdad abwärts zu fenden. De 
Beweiſe ver Schiffbarkeit des obern Euphrat, von der Gray 

"ver Armenier abwärts, fangen mit Gerodots befaunier Eräflug 
(f. ob. ©. 7) an; obwol Zenophon berfelben bei Dem Heercäug 
Cyrus des Jüngern gar nicht erwähnt (f. 06. ©. 22), fo Geha 
fie doch gleichzeitig, wie wir aus Diodor (Bibl. XIV. 81) wifa, 
der unter dem PBerferfönig Artarerred (im I. 393 v. Chr. &6) 
den Admiral ver Perferflotte, Konon, auf feiner Eilbotſchaft nah 
Babylon von Thapſacus aus abwärts den Gupbrat befdife 
läßt. Diefe Schiffahrt war, nach dem was ſchon oben ans Ir 
buchadnezars Zeiten angeführt IR (f. ob. S. 49 51), höchſt wa 
ſcheinlich ſchon 600 Jahr vor Chr. ©. im Gange, und Alcemıet 
großartige Pläne des Eupbratfleitenbaues zu Iihapfacus (f. oben 
©. 37) follten nur von neuem beleben, was ſchon früher im Gen 
geweien. 

Aus ven Zeiten ver Seleuciden haben wir, bei den wenig 
überliefesten hiſtoriſchen Daten aus jener Zeit, auch nichts erhebliche 
über die Euphratfchiffahrt erfahren. Die Feldherrn der Nömer, wie 
Irajan und Sultan, erbauten aus den Wäldern von Riibe 
und am Chaboras Aransporiflotten für ihre Seere, mit venen fr 
ven Cuphrat, wie ven Tigris, wenigſtens von dem genannie 
Chaboras an abwärts fchifften (f. oben Seite 119, 120, 138, 
139). Iulian lieh aber einen Theil feiner Schiffe für ven Eupbest, 
nach 3. Malalae Chronic 1. c. (f. 06. 6.139), auch weiter eben 
Halb zu Samofata bauen, wo «8 nach Malalas Angabe theils Help 
barken aus den Wäldern des Taurus, theild Kelleks oder Fische 
auf Scihläuchen geweien feien, wie fle feit ältefter Zeit bei Armenien 
in Gebrauch geweien zu fein fcheinen. Die Berfer find überhaupt 
nie Schiffervolk geweſen; daher wol auch vie Gaffanisen is 
ihren Kriegszügen wider die Kalfer von Byzanz ſelten Gebzunh 
von der Cuphratſchiffahrt gemacht zu haben jcheinen. ine nad» 
weißbare Nachricht von einigermanßen fortvauernder Beſchif⸗ 
fung des obern mejopotamifchen Guphratlaufes, von Bir an ab 

warts, finden wir erfl in ven Berichten ver Handelsreiſenden bei 
16. und 17. Jahrhunderts. Das erfte uns in viefer Sluſicht be 
kannt geiarune Data IR Me Neciricht des venetlanifchen Ham 


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Euphratſyſtem; aͤlteſfte Euphratbeſchiffung. 1017 


delomannes Caeſaro Federlgo ) vom Jahr 1663, welcher von 
Aleppo aus zu ſeiner Zeit bis Bir vordrang. In dieſer kleinen 


Stadt, ſagt er, theilten fi damals vie Karawanen ber Kaufleute 


je nach dem Bange ihrer Sefchäfte im verſchiedene Wege. Die ei⸗ 
nen pflegten bier ſich Fluß bo ote zu miethen oder zu Taufen, und 
nit Capitaln und Gteuerleuten zu bemannen, um ihre Waaren 
ven Cuphrat abwärts bis Babylon, d. i. Bagdad, zu führen. 
Solche Fahrzeuge, flach gebaut, aber doch fehr ſtark, pflegten nur 
für eine Fahrt benupt ‚werben zu können. Der Fluß fei an vie 
Im Stellen feicht, vol großer. Steine, welche die Fahrt fehr hin⸗ 
derten, die aber doch bis Feluch ia (Feluja) gebe. 

Don diefem Orte ſei es unmöglich, die Schiffe wieder ſtromauf⸗ 
wärts zurüdzubringen. - Die Kaufleute brechen fie daher zu Feluja 
in Stüde und verlaufen diefe für ein Geringe. In Bir koſtet 
ein ſolches Fahrzeug 40 bis 50 Zechinen (chickens); in Feluja er- 
Halten fie für das Wrad nur 7 bis 8 zurüd. Denn die von Bags 
dad zurüdfchrenden Kaufleute pflegen, wenn fie Waaren mit fi 
führten, vie fle zu verzollen Hatten, Ihren Müdweg 40 Tage lang 
dur die Wüfte, die arabiſche nämlich, am rechten Eupbratufer 
aufwärts zu nehmen, weil die Dienge diefer Waaren heimmwärts 
immer viel geringer ſei, fagt Federigo, ald hinwärts. Ohne zoll⸗ 
bare Wanre gehe ihr Nüdweg über Moful am Tigris, mohin 
man feine Waaren wegen der zu fihweren Zölle mit fich nehme. 
Die Schiffahrt von Bir abwärts, bei vollem Wafler des Cuphrat⸗ 
lege man in 15 bis 18 Tagen nach Feluja zurüd; wenn «8 aber 
nicht gesegnet habe, bei feichtem und trübem Strome, könne man 
40 bis 50 Tage darauf verwenden. Denn dann fließen die Fluß⸗ 
barken auch wol öfter auf pie Steine, und man fel dann zum Um⸗ 
laden der Waare gemdthigt: Daher fei es rathfam, nie in einem 
einfamen Schiffe allein die Reiſe zurüdzulegen, ſondern in Geſell⸗ 
ſchaft mit zweien ober dreien, um einem Unglücke des JZerberſtens 
zu entgehen. Ziehe man das geborfiene Schiff mit ven Waaren 
an daß lifer, fo fei es ſchwer, dieſelben in der Macht gegen ven 
Andrang arabiſcher Räuber zu vertheidigen, vie in Menge wie bie 
Ameifen berbeiftrömten, und zwar nicht töbteten, aber alles aus⸗ 


*ı) The voyages and travels of M. Caesar Frederioke, merchant 
of Veniee, into the East Indias etc., transl. from the Ital. by 
Thom Hickocke, printed Lond. 1598; und in Asiatick Miscel- 
lany Vol. I. 4. pag. 157; f. auch Hakluyt, Collect. New edit. 
Lond. 1810..4. Vol. II. p. 899. 





1018 Weſt-diſien. TIL Abtheilung. L Abſchain. {.22. 


plũnderten. Doch fuͤrchteten fie damals noch bas die Schüſſe der 
Arkebuſen. An manchen Stellen gebe es zwiſchen Bir und Feluj⸗ 
auch Zollpoſten, wo man gewiſſe Abgaben für den Ballen Ban 
zu entrichten habe, welche dem Sohne des arabifchen Könige, Abe 
zife, angehöre, der die Herrichaft über gewiſſe Städte und Dir 
am Euphrat befige.. Bon Feluje, fagt verfelbe, würden vie Bar 
ren nac Bagdad umgeladen, das von da an nur anveribalb Zug 
reifen entfernt liege. 

Diefer fehr verflindliche Bericht des Venezianers wird wurd 
den unmittelbar auf ihn folgennen deutſchen Reiſenden aus Ri 
berg, den Dr. medic. Leonh. Raumolffen, beftätigt, der ud 
feine Schiffahrt von Dir abwärts bis Rakka im Herbſt 1574 af 
folgende Weife ſchildert und dadurch bis in Die Gegend bes ale 
Thapſacus für feine. Zeit einheimifch macht. 

Am 15. Auguft des genannten Jahres ſchlug er, von Alcyys 
in Bir angelangt, vafelbft fein Zelt. *?) auf, um mit feinen Ra 
gefäbrten eine Barle aus Armenien abzuwarten, vie ihn nal 
Babylonien führen ſollte. Bir's Lage am Taurus verglidt a 
mit der Lage von Tripolis am Libanon oder ber. von Laufaum ia 
der Nähe der Alpen; nicht groß fei ver Ort, aber mit feſtem Shleh, 
fruchtbaren, mit @etreive bebauten Feldern umher, und vielem Bid 
Im Gebirgslande. Der Cuphrat, wol eine Viertelmeile breit, fa ja 
tief, um eine Brücke binüser zu fchlagen; Doch fein Lauf mil 
Rast, daher gut zu beichiffen, und. jelbft wenn er breiter übergeiw 
ten fei, gut zu überfepen. Sein Wafler fei immer trübe, weshalb 
nicht zu trinken, bis es fich gefegt babe; es nähre treffliche Fk 
zumal die @elrigi, eine Art Karpfen, nur größer und länger, jr 
weilen bis 16 und 18 Pfund ſchwer, vortrefflich zur Speife Ih 
farbige Weihen näherten ſich an feinen Ufern zutraulich dem Ras 
fchen, auch an Aas freffenden Geiern von der Art, vie Polens 
Gyani Rhasis und Rachame nenne, fehle es nicht. Nach Jangen 
Berzug kamen endlich etliche Schiffe von oben herab, darunter auf 
das für ihn beflimmte, dad Rauwolff fogleich wit feinen und fr 
ner Gefährten Waaren beladen ließ. Ex brachte Gihbeben, As⸗ 
gurien, Knoblauch, Zwiebeln, Mehl, Reis um Hoss 
als Neifeproviant ein; noch andere reifende Kaufleute, auch Aürken 
Soldaten, Juden, fanden ſich auf dem Schiffe ein, die Fahrt mi 


2) 2, Rauwolffen, Dr. med., regt ber — Ai Auigıns 
in die Morgenlänver. Franff. 2. M. 1582, 


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— — — — 





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Euphratſyſtem; Rauwolffen Cuphratbefchiffung. 1019 


‚zu machen. Noch 2 andere Flußbarken, von denen bie eine einem 


Türken gehörte und Getreide für Bagdad an Borb nahm, fegelten 
na 1Ttägigem Aufenthalt mit ihm zugleich von Bir ab, am 30. 
Auguſt des genannten Jahres. Am Abend, nachdem man chen erfl 
3 Meilen zurüdgelegt, rannten ſchon zwei ver Schiffe in feichtm 
Armen feft, die erft wieder loszubringen waren, ehe man noch eine 
Meile weiter abwärts bei dem Markte Caffra vor. Anker gehen 
Eonnte. Am zweiten Tage verließ man mehr die Uferberge und 
kam in offnere Wüſte, wo ber Euphrat ſich öfter in Urne aus⸗ 
breitet (wol abwärts Diherablus), fo daß die Schiffer nur ſchwer⸗ 
lich dem rechten Fahrweg auszufinden wußten. Wirklich blieb das 
eine Schiff auch’ auf dem Strande figen, das zweite wurde von 
dem dritten Schiffe eingeftoßen, und auch dieſes rannte auf eine 
Sandbank. Zwar wurde bald alles wieder flott, aber vie naß ges 
wordenen Waaren mußten zum Trocknen an das Ufer gebracht wer⸗ 
den, wo fogleich Hinter dem verbergenden Tamariskengeſträuch am 
Ufer Hin ſich eine Menge arabifcher Räuber zu Fuß und zu Roß 
einfanden. Nach einer Verſäumniß von einigen Tagen Eonnte nıan 
endlich am Mittage des 3. Septembers weiter fehiffen. Dan kam 
an einem Eleinen Orte vorbei; fonft zeigte das Ufer nur Gefträudy, 
Darin etwas Wild, zumal wilde Schweine, fich fehen ließen. 

Am 4. September brachte eine glückliche Fahrt zu dem feften 
Scäloffe Galentza (vielleicht das Kalaat on nepfhm?, f. oben 
S. 949), dieſſeit des Fluſſes auf einem hohen Berge liegend, vor⸗ 
dem einem Könige Arabiä gehörig, darin er gegen ven türkiſchen 
Kalfer Stand gehalten. Uber dennoch, nach Tanger Belagerung, er= 
oberte diefer dies Schloß im I. 1570 (wahrfcheinlich während Se» 
lim U. Kriegdzug gegen Arabien), und machte den Fürſtenſohn 
zum Gefangenen. Starke Mauern umgaben dad Schloß, dad im 
Innern noch einen großen, hohen Thurm zeigte, der feft, aber verd⸗ 


det und von drei Seiten in Ruinen zerfallen war. AS man am 


Abend an einer Injel des Euphrat vor Unter ging, wurde man 
dennoch in der Nacht durch die Araber beunruhigt. 

Am 5. Sopt. zeigten ſich viele Araber mit Reiterei am Fluß⸗ 
ufer, in deſſen Nähe man ein Lager vermutbete. Der Sohn des 
Königs, in Schanfpelze gefleivet, mit weißen Turban, auf ſchoͤnem 
Rappen einhertrabenn, forderte am Mittag Zoll von den Schiffen ein. 

Am 6. Sept. ging es weiter, durch Wüſte voll wilder Schweine 
im Ufergehölz, das Bis zum Abend anbielt, wo man den Bleden 
mit dem Schloß Kala (wol Balls, f. ob. S. 10) am rechten Ufer 





1020 Weft-Afien. TIL Abtheilung. I. Abſchaitt. $.42, 


erreichte. Man war bier nicht weiter. als 2 Tagereiſen von be 
Ebene Aleppos entfernt, ein Beweis, bemerft Rau wolff, ve 
großen Krümmen des bisherigen Flußlaufes. Als Beſther vice 
Schloſſes führt er einen fehr reichen Paſcha, Johann Rolamit (}), 
an, ber auch eine fchöne Behaufung zu Aleppo und 60 Söhne hat, 
die 6 bis 7 Sanvfchalate befäßen, und zum Theil am Hofe ii 
Sultans lebten. 


Unterhalb des Schloffes blieb man auch den ganzen folgenite 
Tag der Schiffahrt, am 7. Sept., in Wilpniffen, und ſah m 
Ufer nur hie und da einzelne Hütten, auf Pfähle geftügt, mittuk 
bedachung, aber dabei viele Kinder; die Weiber brachten oft Mid 

inmn Golzſchüfſſeln zum Verkauf auf das Echiff, die man mit Bilerit 
genoß, over in Beuteln an das Schiff gehängt zu dicker Milk i 
Käfe werden lleß, um fle nach Landesart mit Zwiebeln zu verfpe 
fin. Die Tamaristenbäume ragten zwar bier und da hoch ike 
das nievere Ufergefträuch Gervor, darunter Rhamnus und res; 
doch erreichten auch fie, wie Rauwolff fagt, nur bie Höfe ve 
ſcher Pflaumen» und Weichfelbäume; ihr zarte® Laub und purpe» 
farbene Zäpflein unterfchteven fie von allem andern Gewäct. Dr 
Moren Reichthum am Ufer befland in Viehherden, zumal an Go 
fen und Karheelen, vie ihnen auch Nahrung gaben, fonft warm ſe 
arın; Fiſche gab der Fluß, aber an Brot litten fie großen Rand 
Am Abend dieſes Tages fchiffte man an der Veſtung Jaber we 
über, auch einem Könige ver Araber, worunter Rauwolff ftets cam 
Emir verfichen mag, gehörig, die ihm ziemlich groß zu fein fin, 
mit Ringmauern und vielen Thürmen verfehen, ähnlich wie ep 3 
Aleppo. Auch dieſe Nacht zog man wieder eine Infel im Fluß 
Anterflation vor, um vor nächtlichen Ueberfällen gefichert zu In 
und zündete Tein Kochfeuer an, um Teine Diebe herbeizuloden. 


Bei der naͤchſten Tagfahrt, am 8. Sept. kamen viele ver U 
anwohner zum Schiffe herangeſchwommen, und waren frob, wu 
fie mit einem Stück Brot beſchenkt wurden; ſobald fie das went 
Hatten, fprangen fle über Bord und ſchwammen zum Ufer zurbl; 
auch ſetzten gar manche auf aufgeblafenen Schaaffchläuden ie 
den Strom. Am 9. Sept. ſtieß die Barke noch einmal auf fü 
ten Grund, wurde aber mit Hülfe herbeigerufener Araber durch Er 
leichterung an Waaren wieber flott gemacht, und fo gelangie mu 
am Abend des zehnten Tages der Schiifahrt “i olüdiih gem 
nach Rakka, der Türkenftabt. 











Ta. u www 


— 


— 


Euphratſyſtem; aͤltere Euphratbeſchiffung. 1024 


Ganz vergleiche Schiffahrten Hat der Venetianer &.Balbi®) 
befchrieben, der von Bir im December des Jahres 1580 bis Feluja 
ſchiffte; eben fo die Londner Kaufleute, Ralph Fitch,“) J. New⸗ 
berrie und Eldred, *) die im Jahre 1583 diefelbe Stromfahrt 
von Bir bis Feluja unter ganz gleichen Umſtänden zurüdlegten, 
um von da dad Emporium Ormuz und dann Inbien aufzufuchen. 
Ihre Fahrten legten fle in 15, in 16 und ber letzte erft in 28 Ta 
gen zurüd, ohne neue Auffchlüffe zu geben. Nur bemerft I. Eld⸗ 
ce», der Euphrat bei Birrah (dv. I. Bir) Habe hie Breite ver 
Themſe bei Lambeth und firdme fo fchnell wie die Trent; in den 
Monaten Jull, Auguft, September fet fein Waffer am feichteften. 
Ganz In derſelben Art find die Reifeberichte von Sir Anthony 
Shirley*‘) im Jahr 1599 und John Kartwright. Au Ta⸗ 
vernier, #7) zu Anfang des folgenden Jahrhunderts, gibt Ähnliche 
Nachrichten; doch flieht man wol aus feinen Berichten, daß die größ⸗ 
ten Hemmungen ber Schiffahrt und des Handelsverkehrs auf der 
Communicationslinie des Euphrat nicht die feichten Stellen und 
Bänke diefed Stromes waren, fondern vie der arabiichen Emire, 
welche, durch jene begonnene Schiffahrt angeloct, immer häufiger 
zu den Ufern des Euphrat heranzogen, der durch die vorüberſchif⸗ 
fenden Waaren eine fo reiche Beute zu geben verfprah. Denn im 
Jahre 1638 fah Tavernier auf dem großen Kriegszuge Sultan 
Amurads gegen Bagdad, von Bir aus, einen Theil ver Armee und 
der Geſchütze des Großſultans ungefährdet den Euphrat hinabſchtf⸗ 
fen; 800 Proviantſchiffe waren zu dieſem Transporte im Hafen von 
Feluja erbaut, und in Bir felb 4) zu dem Zweck die colofjalften 
Kanonen, zwei Bunfzigpfünder und drei Bierzigpfünder, gegofien 
worden. Dennoch Hatten zu gleicher Zeit vie Schiffahrten ver Kaufe 
leute mit Gutern auf dem Strome abgenommen: denn die arabie 
ſchen Emire mit ihrem ganzen Gefolge, ihren Heerden und Leuten 
pflegten in den Sommermonaten, in denen die Karawanen ihre gro- 
Ben Züge unternehmen, zur Weidebenutzung und zur Tränkung auß 
ihren Wüfln an den Ufern des Euphrats ſich zu verfammeln, 
wodurch denn bie Flußfahrer wie bie Landreiſenden ven größten Ge⸗ 


202) Gasp. Balbi, Viaggio del Indie orientali etc. Venetia, 1590. 
* The voyage of Mr. Ralph Fitch ete. in Hakluyts Collect. 


New edit. Lond. 1810. Vol. II. p. 382 etc. *8) The voy. 
of Mr. John Eidred ete. ebend. II. p. 403. **) Parches Pil- 
grims Il. pag. 1383, 1422. MAR: apt., Tavonlon Pl 


yages en Tnrguie etc. A la Haye 
Hi v. Hammer, heilt bes —— Beide, ne. 





1022 WeftsAften. III. Abtheilung. E. Abſchnitt. 1.0. 


fahren ver Plünderung und den ärgften Plackercien der Berl: 
lung an ven willkührlichen, unzähligen Zollftätten (va mp 
nannten Gumruks) audgefegt wurden. Denn nun forberis ieh 
jeder Uferbewohner unerhörte Zollabgaben ein, und vie michip 
sen, wie bie Jürſten von Anah und andere, zwangen bie Th 
ziehenden mit Gewalt zu ververblidem Aufenthalt von 5 m % 
Tagen und ſelbſt mehreren Wochen, wie dies Taver nier ſchi 
erlebte, um nur an ven Orten ihrer Herrſchaft ihren Leute wm 
ſich ſelbſt die beſte Gelegenheit zu Gelverpreffungen me 
theuerm Abfap Ihrer Lebensmittel an Die ſonſt nur eilig Bei 
berselfenden zu verichaffen. 

Diefe ungünftigen etbnographifchen Umflände dauerten ud is 
in die neueflen Zeiten fort, von denen bei den beſtehenden pol 
ſchen Berhältniffen nur etwa eine neu einzurichtende Damyfidif 
fahrt befreien Könnte, welche den Reiſenden in jeder Hiufit aı- 
abhängiger vom Uferanwohner macht. 

Zu diefem Zwecke erforſchte Chesney nun auch das Ya 
vom mittelländ iſchen Meere bis nach Bir, um die paifaık 
Verbindung mit bemfelben zu finden; auch folgte er nochmals von 
Cuphratlaufe bis oberhalb Samofat, und fand Hier einen fo we 
ferreichen und überall noch tieferen Strom als bei EI Kaim, fo vi 
wie auch die Ausſage der Bootöleute zu Bir beflätigte, kein Zuocl 
mehr an einer möglichen Beſchiffung dieſes Theiles des mittlere Ew 
phratlaufes bis Anah und EI Us übrig zu bleiben ſchien. N 
einzige Schwierigkeit blieb alſo die Strecke von 35 geogr. Mei 
(176 M. engl.) zwiſchen EI Kaim über Anah nah EI Ui 
warts, und auch biefe würbe, nad Cheöney’s damaliger Ani 
ein Dampfboot von 75 Fuß Länge, 16 F. Breite, pas nur 2 Ki 
24 ZoQ tief ginge, gut befchiffen können; ja durch verbefferte Ges 
ſtruction ließe ſich, meinte er, noch ein weit längeres Daupften 
von 18 Pferdekraft zu demfelben Zwecke ind Werk fegen. Bike 
hem Waffer ſei aber jede, Stroniflelle durchaus fahrb ar, da de 
allgemeine Tiefe des Stroms über 8 Fuß angenommen wu, 


‚ und bie Schnelligkeit feine? Stroms im untern Laufe, ahind 


— 





Sit, nur 2, aber im obern Laufe, oberhalb Hit, überall mc 
ale 3 ML. engl. in Zeit einer Stunde beträgt, zur Fluthzeit abe 
weit mehr, bis 5 M. engl. in jeber Stunde. 

Der obere Lauf erinnerte den Colonel Chee neh ) an be 


ST Repart in Lehen 0 Rs, Cain üh, nr 





Euphratſhſtem; Anſchwellungen u. Schiffbarkeit. 1023 


Rhein unterhalb Schaffhauſen, wie dieſer zwiſchen zwei Parallel⸗ 
katen eingeſchloſſen; feine Ufer meiſt dicht mit Gebüſch bewachſen, 
hie und da mit mäßigem Zimmerholz und mit einer Reihe von 
ſchmalen, langen bewaldeten Infeln beſetzt, die nur mäßig bevölkert 
‚find, die Ufer felbft aber hier nicht blos von Beduinen bewohnt, 
ſondern auch von permanenten Stäbtern, wie zu Samofat, Rume 
Talah, Haorum (wol obige Urma, ©. 940, das auf Ches⸗ 
ney's Karte wol nur ald Schreibfehler mit Gaftel raum eingetra= 
gen erfcheint, weshalb e8 früher nicht von uns erkannt war), Bir, 
Jiaber, Deir, Rakka, Anah, Hadifa, EI US, Jibba, Hit 
u. a. In der Mitte November ergab fih aus Chesney's Er⸗ 
mittelungen, daß der obere Cuphrat in der Negel auch mit ſeinem 
Niveau zu finfen aufhoͤre. 

Don da an bis Ende Decembers zeigt er in der Regel 
keine Veränderung ſeines Waflerflanves. 9) In dieſer Periode 
des Iahresfchlufies fangen aber vie erfien Regen an fowol ihn, 
wie feine Zuflüffe, pen Melas (Tokmafu), Khabur und an« 
dere oberhalb Bir zu nähren und anzufchmellen. Zuweilen wirb 
jedoch diefee Anwachs keineswegs ſehr ſichtbar, doch ſtets vortheil⸗ 
haft für die Beſchiffung; zu andern Zeiten ſteigt ſein Waſſerſpiegel 
ſchon in der erſten Hälfte Sanuars bis zu 1 Fuß. Mag nun 
dieſer Anwachs im Winter auch 12 Zoll oder nur einen Zoll bes 
tragen, fo bleibt fein Waflerfplegel vom Januar an bis um das 
Frühlingsäquinox, over um den 27. März, kurz vorher oder 
nachher immer ganz flationair. 

Nun ft, mit Ende März, fängt bie große Anſchwael⸗ 
Iung an; er waͤchſt continuirlich, füllt ſich mit ſchlammreichen 
Waſſern, 61) bis das Schneewaſſer ſich bis zu Ihm. herab⸗ 
wälzt und feine Farbe umändert, was in der Regel mit. Ende 
April (26. April) der Kal zu fein pflegt: Dann aber iſt feine 
Anſchwellung weit gewaltiger, und andauernd bis zur legten Weihe 
des Mai (21. bis 28. Mai). Dann Hat er die größte Waffer- 
Höhe erreicht; bei Anah If dann die Tiefe um 11 bis 12 Fuß 
gewachſen, weiter abwärts um 15 bi8 18 Fuß. In jenes Periode 
ver Zuwälzung der Schneewafler (vom 11. bis 31. Mai) legt bie 
Stroͤmung des Gupbrat mehr ald 5 Mil. engl. in jener Stunde 
zurũck; vann iſt es unmöglich, Boote in ihm ſtromauf zu ziehen. 
Erſt wenn feine Schnelligfeit zu 4 Mil. engl. auf die Stunde abe 





se) Report L.c. p. 18, 56. 52) ebend. p. 19, 566. 


1024 Weſt⸗Aſien. TE. Abtheilung. I Abſchnut. 6.42, 


genommen bat, fängt man damit wieder an. Nun begimmt wicerum 
das fehr allmählige regulaire Ballen des Stromes nad) Xife mb 
Eile, bis er ven nievrigften Waſſerſtand, Mitte Rovember, a 
langt bat. So if fein Verlauf in jeder Periode ver 12 Amts 
des Jahres. In dieſer Art des Verlaufes iſt ex ſehr verſchichen we 
dem flürmifcheren Tigris; er gleicht darin ver großen Regeln 
ßigkeit und dem flufenmweifen Bortichritte des Nilfiroms, wur be 
feine Anfchwellung frübzeitiger im Jahre beginnt, als bei Dem afık 
kaniſchen Stromſyſten. Bom Ende März; an haben au We 
feichteften Stellen im Euphrat noch hinreichendes Waſſer, fo daS af 
im November von ven Klippen in ihm Notiz genommen weh, 
da fie den größeren Theil des Jahres vom März bis dahln mit 
bis 14 Fuß hohem Waſſer bevedt fein koͤnnen. 

Auch Chesaney bemerkte, daß zu feiner Zeit ſelt mehren 
Jahren faft gar Feine Schiffahrt mehr auf diefem Theile des Er⸗ 
phrat flattgefunden babe, doch nicht wegen ber Waſſer, ſenden 
wegen der vermehrten Gefahren ver räuberifchen Bebuinen-Tritel, 
die von Bir bis Anah meit ſchlimmer find, 52) als weit eb 
wärte. Der Waarentrandport wurde mit Karawanen zu Paz 
vorgezogen, denen man ſicheres Geleit verfchaffen konnte. Liniechelb 
Jiaber fand jeboch immer einiger Verkehr auf der Flußlinie mit 
Zandesprobucten flatt, wie mit Zwicheln, Datteln, Dran- 
gen, Zimonen, Beigen, mit Wolle, Baumwolle, Star 
feu u.a. m., die von Hit aufwärts ober abwärts für daß Be 
bürfniß ver Uferanwohner abgefegt werden. Diefe Boote, ver di 
auf dem obern Cuphrat zweierlei Arten 89) gibt, fin» groß ge 
nug, aber plump und ſchwer zu handhaben. Die eine Urt ve 
großen Barken If 40 Fuß engl. lang, 14 breit, und trägt ?e 
fien von 20 Etars (1 Etar gleich 600 Den) ober 300 Gentum; 
dann gehen. fie 4 Fuß tief Im Waffer, mit halber Ladung 3 Fef, 
mit Biertelslanung 24 Fuß tief. Leere Barken flottiren mit 16 I 
48 Zoll Tiefe; ihr Boden IR ganz flach, oval, an jebex Längenfe 
zugeipigt. Die Fleineren Barken find eben fo gebaut, aber me 
25 bis 30 Fuß lang, 12 breit, und tragen nur 15 Etars aber 25 
Gentner; fle gehen dann 3 Fuß 8 Zoll tief. Solche Boote iu, 
wenn man das Drittheil oder bie Hälfte, auch mel zwei Oruchehe 
ber Ladung ausgeladen hat, dennoch über die Klippen 
werben, möüffe aber dann durch Rückfahrten bie zurückgeleffene 


— — * 





ν Report L cup. 26, 56. ©2) ebenb. m. 57. ' 





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Fupbratfoftem; Zeit der Schiffahrt. 1025 


bung nachholen. Auch Kelleks (f. ob. S. 720, 828) gehen ab» 
warts, deren Holzwerk dann zu Mühlrävern der fo häufigen Be— 
wäfferungen am Euphrat feinen Abſatz findet. Die wenigen Lurus« 
artikel ber Araber, wie Reis, Tabad, Kaffee, Zuder, Puls 
ver, Blei, Seuerfleine, für Der, Anah, Hit u. f. w. wer⸗ 
ben auch gelegentlich auf Eleineren Booten herbeigeführt, oder ihnen 
von den Karamwanen aus Damadfus und Aleppo zugebradht. Don 
oberhalb Jiaber wird außerdem auch wol noch etwas Holz auf 
dem Cuphrat Binabgeflößt; die Marmorbrüche In ven Berger 
anı obern Buphrat werben aber jo wenig bearbeitet, wie bie Bi⸗ 
tumen⸗-Lager zu Jiaber over vie Salpetergruben zu Anah, 
und geben daher ver Slupfchiffahrt Fein Leben, das erft unterhalb 
Hit dur einen größeren Handeloverkehr beginnt Nur durch den 
fegendreichen Einfluß einer Dampfſchiffahrt Lönnte die Bele⸗ 
bung der ganzen Stromader erhofft werden. Drei Ser-Dampf« 
ſchiffe würden zmifchen Bombay und Baffora nothwendig ges 
weſen fein, um fortwährend bie Verbindung mit Indien zu unters 
Halten, wenigftens zw et andere Fluß⸗Dampfboote aber, das eine 
in Baffora, das zweite In Bir, würden erforderlich gemefen fein 
zur Flußverbindung; für jene hätten Magazine für. das 
DBrennmaterial an verjchienenen Stationen, wie Bombay, Mass 
eate, Baffora, angelegt werden müffen, für dieſe dergleichen zu 
Kohlen und Naphtha, die man auch dazu verwenden zu Tünnen 


„hoffte, in Baffora, Hilla, Hit, Anah und Bir; dann wären 


dazwifchen noch andere wuͤnſchenowerthe Stationen leicht hinzuzu⸗ 
fügen gewefen, wie Shugeshug, Feluja, Müffeyib, Deir. 

Die Zeit berechnete 9%) man zur Meberfahrt von Bombay 
nach Baffora auf 10 Tage; von Baffora na Bir auf 8 bis 
10 Tage, den Uebergang von Bir nah Scanderun auf 4, von 
da nach Maltha wieder mit Dampffiiffen zu 5, und von da 
na Falmo uth zu 13 bis 16 Tagen Zeit; wodurch die ganze 
Meiſezeit bei ftillem Wetter auf 43 bis 45 Tage reducirt fein 
würbe; alfo noch auf ein paar Tage weniger, als auf der Route 
von Bombay übet das arabifche Meer und die Tandenge 
Sur; nad) Maltha und England. Nach engl. Miles war det Ue⸗ 
berfchlag dieſer Iegteren Route um 284 MU. länger, als Die Cu⸗ 
YHhratsonte. Nümlich 





64) Report 1. c. p. 18. . 
Ritter Erdkunde X. au 





1026 Weſt⸗Aſien. III. Abteilung. I. Abſchnitt. 42 


von Bombay nach Baſſora.. = 1587 Mil. engl. 
von da nach Br ..... =18 ⸗ - 
von da nah Scannen . . . = 1897 = . 
| 2817 Mi. engl. 
Bon Bombay nah Abven . . . == 1541 Mil. engl. 
von da nah Sul . . . -» . =1295 3 
von da ach Alerandia . , m, = 235 = » 
pr * 3201 Mil. engl. 
Demnach von Bombay nah Suez 21 Tage, nach Alerandris 
‚ 45185, nah Maltha 5, nad Falmouth 15 bis 16 Tate, x 
| Summa 45 bis 47. Bei ver Eupbratfahrt würden 1202 Mi 
engl. Flußfahrt eben fo viel 1202 Mil. engl. Seefahrt erfehen, we 
durch die Beichleunigung bei günfligem Wetter noch beffer gefürm 
werden möchte. j 


Dieſe wohl combinisten Unterfuchungen und Erforfchungen füte 
ten nun in ben Jahren 1835 bis 1837 zur Mealifirung des grob 
artigen, lange vorbereiteten Projectes durch eine Zahl ver geſchil⸗ 
teften Officiere und Beamten mit den beften Juſtrumenten, ungendit 
die Koftenanichläge anfänglich daB Gouvernement mit Gchredes p 
erfüllen ſchienen. 55) Und dennoch iſt zugleich bekanntlich nf 
die Dampfſchiffahrt von Indien über das rothe Meer nach Gay i 
vollen Bang gefommen. Wenn vie Koften ver Eupbrat= Expeiise 
som Sept. 1834 bis Beendigung im Januar 1837 audh, wis was 
berechnet hat, 39,998 Pfd. Sterl ausmachten, mit Cinſchluß de 
beiden eifernen Dampfboote und noch eined Schiffes, woven für 
| die der oſtindiſchen Compagnie übeslaffenen Bahrzeuge, Borrätke 
u. |. w. an 10,360 Pſd. St. abgehen, fo daß die englifche Segio 
rung an Nettofoflen 29,367 Pfo. Sterl. zu tragen gehabt hat, fe 
kann eine ſolche Summe im Berhältniß zu ber innern Widtigiet 
her Unternehmung für Länderkenntniß in Bezug auf arabifce sa 
indiſche Eolonien Englands, in Beziehung auf Polisif, Gommmg 
und gefdsderte Wiſſenſchaft gewiß gar nicht in Betracht femme. 
Möge die endliche Veröffentlichung der Refultate Durch has eu 
Kartenwerk der Aufnahme eines der hiſtoriſch wichtigen Girke 
ber Erde und bie dazu gehörige Beſchreibung dieſer Auſicht kb 
eine allgemeine Verbreitung im gebildeten Publlcum gewienen.. 
Die 518 dahin vorläufig hier mitzutheilenden "Gronäuife 9 
der. Erpedition find im Wefentlichen folgende! | 





*##) Quarterly review, 1833, April, pag. 225 — 238, +) Cal 





Euphratſyſtem; Arbeiten der Expedition. 1027 


Die ganze Beſchiffung des Euphrat abwärts von Bir und 
des Tigris abwärts von Moful bie zum perfifäfen Gplf und 
eined großen helles ver Seltenarme des Cuphratſyſtems im 
vefien Deltalanve bis tief nad Suflana hinein, If glücklich durch⸗ 


‚geführt. Die Nipelirung des Mittelmeeres von Skanderun und 


dem Orontes bis Bir, behufs einer Tünftigen Ganalifatien. ober 
Eifenbahn- Verbindung zwiſchen beiden Enden der fluviatilen und 
maritimen Dampfſchiffahrt, I ausgeführt, das nordliche Meſopota⸗ 
mien genauer erforſcht, viel Material zur genaueren Kenntniß Nord⸗ 
ſyriens geſammelt, die Aufnahme des ganzen mittleren und unteren 
Eupdratlaufed und des unteren Tigriölaufes, mit Ausnahme fehr 
weniger Stromfireden, zu Stande gebracht. Auch zreifchen dem 
Euphrat und Tigrid wurben Nivellirungen gemacht und neue Po« 
ſfitionen früher unbelannter Localitäten durch Querreiſen von einem 
Strome zum andern gewonnen. Die Grenzkette des Taurusfnflens 
gegen Syrien wurde hypfometriſch und geologiſch näher. bekannt, 
ihr Verhaͤltniß zu Mefopstamien in befferes Licht gefeht, und im 
ganzen Stromgebiete des Shat el Arab dadurch der Navi⸗ 
‚gation, dem Kommerz, der Eivilifation neue Bahnen eröffnet, und 
die Möglichkeit einer permanenten Dampfiäiffahrt · Verbindung 


feiner äußerflen Enden dadurch außer Zweifel geſetzt. 


Die Reiſe ver Erpedition ging von Liverpool aus; Ihre Ueber⸗ 
kuuft nach Maltha dauerte 29 Tage, wo bie Ghronometer und die 
aſtronomiſchen und phyſtcaliſchen Inftrumente regulirt, die Obſerva⸗ 
tionen über Erdmagnetiamus, über Meerestemperatur, Meieorologie 
and Naturgefchichte angefangen wurden. Dem Xransport- Dampf 
ſchiff George Canning wurde hier ein zweites, die Sloop Colum⸗ 
bine, zur Begleitung bid zum Drontes beigegeben. Die Barre 
am Orontes, die zu allen Zeiten gefaͤhrlich bleibt, war es auch 
jegt. Ein Eleined Lager, Amelta Depöt genannt, wurde Hier 
angelegt, und hier begann Lieutenant Murphy feine aſtronomiſchen 
Obſervationen, um mit Mr. Thompfon und Gtenhoufe, der 
ganzen Golf von Gcanderun nordweſtwärts bis: zur Bay 
Ayas und fünwärtd Hs zum alten Laodicen, vie Räfkenaufuahme 
und Sundirungen zu bewerkſtelllgen, wobei auch Ainsworth alb 
Naturforſcher befchäftigt war (f. die Ergebniffe unten bei Syrien). 
Vom Amella Depöt beſorgten ver Lieutenant Gleaveland und 





Chesney, General statement of labours etc. im Joura, R.G. 8. 
London 1837. Vol. VA. p. 411— 439. 


Itt 2 


Zeit machten Lieutn. Lynha Mr. Staunton und Elliot cm 





⸗ 
‘ , j 
J 
| 
| 


1030 Weſt⸗Aſien. IN. Abtheilung. I. Abfchnitt. 8.42. 
noch außerdem nothwendig. Die außerordentlichen Anftrengungen, 


"vie Togeßhige, Die Im Schatten bis auf 34° 67° M. (110° Sehe) 


Rirg, in der Nacht nur bis auf — 10° 67’ R. (+ 8° Fahrh. H, die 
zu den furchtbarſten Ertremen überging, machte, vaß alle Officier 
erkrankten, ein Arbeiter und 7 Mann ver Erpebition flarben, um 
fehe viele von Höfen Miasmaten darnieder gemorfen wurden. Die 
ſchlimmſte Station, an ver Brüde über den Karafı bei Mured 
Paſha, raffte vie mehrſten Kräfte dahin. Im Ganzen waren 85 
Dann bei dem Transporte beichäftigt. und aller Schwierigkrites 
ungeachtet, kamen boch beide großen Eifen-Dampfboote glädid in 
Bort William an. 

Indeß waren von Colon. Ehesney und feinen Begleiten 
Alnsworth und Dr. Helfrich andre Exeurflonen zur Kants 
deu nörslichen Syriens und ver obern Bupbratlanpfchaften, und auf 
diefen viele neue Entdeckungen gemacht, am Orontes, um Antie 
Hia, zu Famieh (Apamea) in ber Ebene von Adanah, zu 
Zarfus, In dem Amanus, ven Ciliciſchen und Taurus⸗Gebirgelketten, 
norbwärts bis Sis, Marafh, zum Agra Dagh, na Game 
fat, Urfa, Saran und anderwärts, 59) wovon unten bei Syn 
die Rebe fein wird. Im Auguft 1835 fing Lieutn. Murphy de 
große Linie der Nivellirung 59% an, vom mitteländifchen Heu 
58 zum Cuphrat, mit Beziehung auf eine profectirte Canalver · 
Bindung und andere Gefichtspuncte von dem größten Interefk. 
Noth aller Art, die Malaria, der Sonnenſtich, Krankheiten ubdthig 
ten ihn nad Wort William zurückzukehren. Dr. Ihompfer 
ſetzte das Nivellement fort und beenbigte ed, wonach das Eupfrat- 
bette bei Bir um 589 %. Par. (658 8. engl., f. ob. 6. 35) 
höher liegt ald der Spiegel des mittellänpifchen Meeres. Zu gleicher 


Wüſtenreiſe zu dem arabifchen Tribus der Anezeh, ven gefährliche 
ften Bebuinenhorden an ven abwärts liegenden Cuphratufern, zu 
ihre Geſinnung in Beziehung auf die neue Unternehmung zu er 
forfchen. Die Tribus der Wuld, ver Anezeh, der Bizeh, de 


Bu Sipapi und einige ver Turkmanen wurben befucht, um bi | 


allen eine wohlwollende Aufnahme gefunden. Nur bie Anezeh 
ſelbſt blieben zweifelhaft, und die Bu Lilchi, einer ihrer Tribeh, 
vermundete einen ber Diener gefährlich, doch nicht in feinnfeige 


+) Col. Chesney, General statement, Lc. vu. 948 — 44 
y, Event, S. cio. 





‘ 


Euphratfuftem; Arbeiten der Erpedition. 1031 


Abficht gegem die Expedition. Ste machten Feine Diene zu plünbern, 
boten fogar Geſchenke zur Ausgleichung des GBefchehenen an, bie 
jedoch nicht angenommen wurben. 

So mar nun Alles vorbereitet In Port Willtam, vie Auto 
züflung der beiden Dampfboote, welche die Namen Cuphrates 
und Tigris erhielten, während des Winterhalbjahre zur Ab⸗ 
fahrt beenvigt, fo daß am 16. März des Jahre 1836 die erfte Probes 
fahrt (f. oben S. 954) an Bir vorüber firomaufwärts gemacht 
werden konnte, worauf fogleih die Nieverfahrt bis zur Station 
Balls begann. Die Aufnahme viefer Strede des Flußlaufes wurde 
vom Major Eftcourt und Lieutn. Murphy gemacht und, kar⸗ 
tographifch nievergelegt, ſogleich nach England geſchickt. Einige 
feindliche Demonftrationen der Hier fehr mächtigen Anezeh wurben 
in Güte beigelegt, und ein Freundſchaftstractat mit ihnen abgefchloffen. 

Bon Naturproducten, ven feltnen Thieren und Pflanzen, 
‚wurden Sammlungen angelegt, da8 Dafein von Bibern fomwol im 
Euphrat mie In deſſen nächften Zuflüffen entfchieven, auch ſoweit aufs 
wärts im Strome eine Familie von Croco dil en bemerkt und eine neue 
Schildkrötenart (Trionyx Euphratica), die von ber im Oron⸗ 
tes verſchieden ift.u. a. m. Die Srühlingsflora zeigte fich reich 
an den wunberbarften Formen und prachtvoliften Karben der Ama⸗ 
rylliadeen, ver Aophodelien, ver Lillaceen, ver Melan- 
thaceen u. a., und gab eine reiche botanifche Ernte. 

Bon Balis aus wurbe die Aufnahme des Euphrat weiter 
geführt bis Anah. Beim Caſtell Jiaber vereinten fidh die beiden 
Dampfboote. Der Tigris ging aber von nun an voraus, da er we⸗ 
niger tief im Wafler ging als ver Euphrat. Col. ECheöney bes 
forgte Hier die Winkelaufnahmen. Wie zu Rauwolfs Zeit, fo 
bemerkte man auch Heute noch in den Uferwälvern, in denen bie 
Tamariske die Hauptrolle weit abwärts ſpielt, ſehr zahlreiche 
wilde Eher, aber auh Wölfe, Füchſe. Drei und zwanzig 
neue Gewächſe, bemerkte Chesney, die von Balls ſich zu zeigen 
. anfangen, bleiben nun anbaltend die Begleiter bes 
Qupbratlaufes eine Stred von 30 Meilen abwärts, auf welcher 
mancherlei Orte bervortreten, die nun in Folgendem näher zu er⸗ 
mitteln find (f. unten). . 








| 1032 WeftsAfien, III. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.2. 


4. Erläuterung. 


Die forifche Vorſtufe, Zortfegung: Die Uferorte zu beiden 
Seiten bed Euphrat, Bir abwärts, bis in Die Gegend vom 
Thapſacus. 

Don Bir, das nach Chesney an 1700 Häuſer haben fl, 
und bis heutzuiag die ſrequenteſte Euphratpaſſage, mit 16 
großen Fahrbooten für die Karamanenübergänge von Haleb, von | 
öfters nicht weniger ald 5000 Kameelen, geblieben ift, Tiegt der (dm | 
genannte Bort Willtam in SW. gegenüber, wo jedoch nur einige 
Grabflätten die Erinnerung an die dort temporäre Werkftätte der 
Eupbraterpepition aufbewahren werben, denn alles Andre vajelhk 
iſt fchon wieder in Verfall. Der Abſtand dieſes Ortes vom 
Mittelmeere von 28 geogr. Meilen (140 Miles engl.), unb da 
Euphratſpiegel daſelbſi von 589 FJ. Par. über dem Spiegel it 
Mittelmeeres Find nebſt ver erften Dampfichiffahrt, von da ab 
wärtß, aber überdauernde Denkmale voriger Wirkſamkeit. Der U 
fland von da bis zum PWerſergolf, beiläufig 223 geogr. Meila 
an Mil. engl.), gibt alfo auf jede Stunde etwa 14 8. Geile 
ür ben ganzen Stremlauf des Euphrat. Olivier verglid de 
Breite des Euphrat bafelbft nicht nur, ſondern auch feine veißende 

nelligfeit mit ver ver Rhone bei Lyon 60) zur Herbſtzeit 

Die Normalsichtung des Stromlaufes ift von Bir direct fü 
wärts, an dem Strommirbel Gawurluk oder Gurluf (f. obs 
©. 945) und an den Muinen von Dſherablus (Europus) ver 
über, bis zur großen Steomfpaltung, mit ver größten fruchtbar 
und bebauten Euphrat= Aue, unterhalb melcher von der Wefſtſeite 
der einzige dort bedeutendere fhrifche Zufluß, der Sadſhur (Sajm) 
ſich am rechten Ufer zum Euphrat ergießt. Der weiter oberhalb 
vom Schlachtfelde bei Nizib (bei Sacuti 91) Nefibin der Riem 
genannt, verfchleden yon dem Nefibin in Mefopotamien) herabfom- 
menbe Bach Kirfun tfhal (b. v. Moltke, Karzin b. Rouſ⸗ 
Y au, Nahr el Kabarin b. Budingham) iſt zu unbebentend, um 

ei feiner Einmündung zum Euphrat befonders beachtet zu werben. 
Maundrell, 62) ver im I. 1699 nach Nizib Fam, nach 2 Gtundes 





00) G. A. Olivier, Voy. de l’empire Othoman etc. Paris 180. 
4. T.I. > 327. et) J. Golü Not. ad Alfergani elementa 
astronomica. Amstelod. 1869. 4. p. 238. >) H. Maundrell, 








Euphratſyſtem; der Sadſhur⸗Fluß. 1033 


in W. von Bir, fagt, dies fei ein angenehmer Ort, ver eine fehr 
fefte Kirche gehabt, vie man in eine Mojchee verwandelt habe. Den 
Bluß, an deſſen Urfprung fle liege, nennt er Towzad, wol ein 
Arm des Kirfun, und R. Pococke fpricht von dem tiefen Yluß- 
bette, gleich einem Ganale, ver dem Fluß von Nizib eigen fei. Auch 
Buckingham ®) fagt, ver Nahr el Kabarin, 30 Fuß breit, ein 
reißender Strom, fei zu tief gemejen, um ihn burchreiten zu Fünnen, 
weshalb eine moderne Brüde von 3 Bogen erbaut fi, um ihn 
paſſiren zu können. Erſt weiter unterhalb des Sabjhur beginnt an 
der Stelle, mit welcher vie Lage der alten Cecilia zufammenfält, 
eine große Oftfrümmung des Euphrat, um die hoben Klippen 
des Kalaat on Nedſhm, oder des Geſtirnſchloſſes, oftwarts 
zu umfluten, dad 3% geogr. Meilen abwärts ter Sadſhur⸗Mündung 
fih auf weißem Kreivefeld zu anfehnlicdyer Höhe emporbebt. Inner- 
halb dieſer großen oſtwärts gehenden Euphratbiegung liegt in ber 
dadurch gewonnenen Landftrede, etwa 4 geogr. Meilen fern im 
Welten, die Ruine der alten Sierapplis, des heutigen Manbe. 


4) Der Sadſhur⸗Fluß (Sajur); Aintab, Doliche. 

Der Sadſhur (Sajur) ift kein ganz unbedeutender Zufluß, 
denn er kommt aud den DBorböhen des Taurus, theilt fi nad 
Chesney in 3 Eurze Arme, und bildet bei feinem Einfluffe zum Eu- 
phrat 4 Infeln, denen im Norden wie im Süden mehrere Nefte 
alter Bauwerke, als Zeichen ehemaliger Anftenlung, zur Seite lie 
gen, wozu auch im Norden bie Refte von Dſherablus (Jerabees, 
Europus) gehören. Nah Rouſſeau's Karte von Syrien 6*) 
Uegt die Duelle des Sadſhur in Norbeft von Aintab, in ver 
Nähe von Tell baſher, &) einer Burg, die unter Salavin zu 
ven fefteften de8 Landes gehörte (vergl. ob. ©. 931), 23 Tagreifen 
in Norden von Haleb (fie heißt Tel Basjarum in Vit. Salad.). 
Maundrell %) fand ven Sadſhur⸗VFluß noch bebeutenn 4 St. 





| Account of a Journey from Aleppo to the river Fuphrates. 
App. in Journ. from Aleppo to Jerusalem. Oxford. 1740. 8. 
R A ; R. Bocode, Beichreibung des Morgenlandes, Th. II. 


°») J. S. Buckingham, Trav. in Mesopotamia. London 1827. 4. 
R. 23. **) M. Rousseau, Carte generale des Paclıaliks de 

aghdad, Orfa et Haleb in Recueil de Voy. et de Me&moires 
publ. p. I, Soc. de Geographie de Paris 1825. T. II. p. 19. 
%%) Abul. Pharag., Hist. dyn. p. 277; Alb. Schultens, Ind. 
geogr. in Vit. Salad. *°) H. Maundrell Acc. 1. c. p. 157. 





1034 WeftsAfien. II. Abtheilung. I. Abſchnitt. $.22. 


nörblich von Uintab, wo eine Brüde über ihn führt; 2 Stunden 
- weiter abwärts gegen SH. fließt ex auf einer Anhöhe Dit über 
der plöglih und fehr groß hervortretenden Duelle ve 
Fluſſes von Aleppo Hin, bei dem Dorfe Adjia. Er if dicſe 
Duelle bier fo nahe, daß, fagt Maundrell, es leicht fein mürk, 
durch einen blos 10 Schritt langen künſtlichen Canal feine Wafin 
in die des Aleppo⸗Fluſſes abzuleiten. Einen ſolchen, als niit 
dort gegrabnen anal gibt Rouffeau’& Karte an, der zur Zeit bed 
Emir Arghun (mol der mongolifche Statthalter Syriens Argın 
Aga, nah dem I. 1258) ©) audgeführt fein fol, ſeitdem abe 
wieder zugefült iſt. Die Chesneyiche Karte läßt dieſen Sadſher 
in Norden von Xintab , auf einer Berghöhe von 3000 Fuß at 
fpringen, und nahe an ber Oftfeite der Stabt Aintab gegen Ei» 
of vorübergehen; v. Moltke's Karte verlegt eben dahin meh 
Quellen des Nahr Sadſhur, ver in fehr ſüdlichem Laufe afl 
noch etwa 5 geogr. Meilen an ver Weſtſeite von Zell baſher ver 
überziebt, und dann noch 3 geogr. Meilen weiter ſüdlich nun Ye 
von Killis herabkommenden weſtlichen Zufluß, ven Kerafalat, 
aufnimmt, deſſen nun erfi ganz oſt licher Direction beide vereint 
unter dem Namen Sadſhur zum Guphrat folgen, weil ein Def 
Sadſhur an feinem Süoufer ihm dieſen Namen gibt. 
Aintab (Hamtab der Kreusfahrer, Antab gefprochen) tritt zur 
Zeit der Kreuzzüge in den Kämpfen mit ven türfifchen Stimmen 
und zumal mit Sultan Saladin, &) von dem es im Jahr 1183 
nebft mehrern andern Feſten zmifchen Haleb bis Beira erobert war, 
als eine fehr bedeutende Feſte im Norden von Haleb hervor, welche 
die Wege von da zum Euphrat wie nach Eilicien beherrſchte. Reqh 
ben orientalifchen Geographen 69) Hatte fie ein fehr feftes Schlaf 
es gehörten noch andre fefte Burgen in ber Umgebung dazu, une 
denen auch Doluc genannt wird, und viele Dorfichafte. 
Abulfeda nennt ed eine fchöne, große, Stabt?0) mit einem in FH 
gehauenen Schloffe; es fei reich an Waffer, Habe große Märke, 
werde von vielen Kaufleuten befucht, und Tiege 3 Stationen in Am 
von Haleb, und eben fo viel im Wer von Kalat ol Rum. 
Dolue,Doliche, Dolica oder Doltcum(ASovilxıa Theophan. 


ser) Abul, Prang Hist. dyn. p. 328. Deguignes, Belt.» 6. 
Th. IM. p. 132. **) Deguignes, Geſch. d. 9. Th. I. 448, 48; 
IV. 69, 309. *°) Index geogr. in Vita Saladini ed. A, Schul 
— v. Aintab. 70) Äbulfedae Tabul. Syr. b. Koehler 
p 











Euphratſyſtem; Aintab, Doliche, 1035 


nogr. 354; richtiger AoAlye’ Theodor. H.E.5,4),71) Tag auf dem 
zwifchen Germanicia nach dem Zeugma, von dem es nad) dem 
Antonin. 5. Wess. p. 184 nur 5 Stunben (12 Mid.) fern, 
or Älterer Zeit genannt wird, als Aintab noch nicht erwähnt 

Auch die Tabul. Peuting. feßte bier das Dolica an, 
ibt Ihm das Zeichen großer warmer Bänder, ?2) weldyes bie 
tät mit der Nähe des heutigen Aintab zeigt, wo Ched⸗ 
Karte dad Dafein Heißer Quellen beflätigt. Steph. Byz. 
die Stadt ald zu Kommagene gehörig, und führt daſelbſt 
Aoilxe) einn Zeus Dolichenus an, von dem auch In⸗ 
onen befannt find. 73) Der Ort lag nicht fehr fern von dem 
fübweftlihden Cyrrhus, jebt Koros, 7%) nach welder Cyr⸗ 
a genannt war, wo man eine Athene Cyrrhestica vers 
(f. ob. ©. 928 u. ff.); aber auch nicht fehr fern von ver 
lichen Hierapolis, wo bie Dea Syra verehrt wurbe. 
In Doliche aber ver Jupiter, von venen beiden Luclanus 
ımofata, p. 1070, fagt: beider Statuen feien von Gold, beide 
aber die ſyriſche Göttin (Here, Juno) auf Löwen, Jupiter 
: von Stieren getragen. Noch iſt uns nicht bekannt, daß vie 
refte dieſer Doliche in neuerer Zeit genauer unterfucht worden 


Daß neuere Aintab 75) (Antape nah Eheriffenin), ”) 
sol an jener Stelle Im Mittelalter zu größerm Anfehn gelangte, 
te Maundrell im Jahr 1699; er fagt, es fel auf einer 
em Höhe erbaut, fein Caſtell fiege an feiner Norpfeite auf 
runden Berge, glei dem von Aleppo, nur von geringerm 
nge, und fet mit einem tiefen Graben am Fuße des Berges 
zen. Im dieſem ſeien Gaͤllerien eingehauen, die rund um das 
I umlaufen, und mit Bortalen verfehen, vie verfchloffen werben 
n. Wo der Feld nicht feſt genug war, da hatte man ihn 
Auadern bekleidet (f. ob. S. 956). Die Häufer ver Stadt, 
aundrell auf zwei Drittbeile fo groß als Haleb fchäkte, find 
g, ohne zweites Stod. Die Bazaren find groß. Maundrell 
tte, daß man bei Alntab einen fchönen Stein, ven er für 





Hieroclis Synecdom. 398 und 521, 21 in Bekkeri Constant. 
’orphyrog. 1840. Vol. III. 22) Cellarius, Notit, orb. antig. 
I. p. 404. ’3) Itin. Antonin. Wess. p. 184 Not.; Luc. Hol- 
tenii Notae et castigat. in Steph. Byz. p. 102. ‚) H. Maun- 
Irell, Acc. I. c. p. 159. 76) Eben. ©. 158. 18) Cherif- 
jedin, ‚Hist, de Timur p. De la Croix ed. Delf. 1728. T. III. 
. 285. 








1036 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. $.42. 


Porphyr hielt, breche, roth mil gelben Flecken und Adern. Geime 
Anficht, den Ort für die Antiochia ad Taurum bei Plinius uns 
Ptolemäus zu Lalten, ver auch Pococke folgte, Hat jchon Mannert 
wiberlegt 77) (f. ob. ©. 896). Pococke fagt, Daß Aintab 9) 
“auf zwei Hügeln erbaut fet und ein Thal zmifchen fich habe, drei 
MU. engl. im Umfange; der Fluß Sapfhur, ver an der Oſtſeite 
vorüber flicße, werde durch A,quäducte rund um die Gügel und iz 
die obern Theile ver Stadt geleitet, welche die Angeflevelten daſelbſt 
bewohnen, die in dem Thale dagegen ihre Bazare und Kramläden 
haben, auf deren platten Dächern man von den Anhöhen hinab 
feige. Umher entfpringen fehr viele ſchöne Quellen; vie Zuft von 
Aintab iſt fehr geſund. Pococke beflätigt ven merfwürbigen 
Jelſenbau bed Caſtells -auf einem runden Hügel, der von einen 
tiefen in Fels gehauenen Graben umgeben wird, uud diefem Graka 
zur Seite laufe nach außen noch eiu anderer, aber durch Quader⸗ 
gewölbe beveckter, in Belfen gehauener Gang, von dem an aufmärt 
ber ganze Gaftelberg mit Quaderſteinen überkleidet fei. x fagt 
Türken und Armeniex wohnen bier; ſchon von Aleppo am nord⸗ 
wärts bis Aintab werde nur noch wenig Arabiſch gejproden, 
das Türkifche nehme faft ganz überband, felbft die armeniſchen 
Chriſten ſprechen hier ſchon allgemein türkiſch, nicht mehr arabiil, 
und Aintab weiter nordwärts höre dad Arabiiche ganz auf. Bir 
hätten alfo bier die Sprachgrenze des Türfifhen und Ara 
bifhen anzunehmen. Auch Pocycke lernte den von Maundrell 
ſogenannten rothen Porphyr zu Aintab in einzelnen Stücken 
kennen, ſagt aber, er ſei blaßroth mit weißen, hochrothen oder blaß⸗ 
gelben Flecken, er nennt ihn einen Marmor und bemerkt, er werde 
6 Stunden im Norden von Aintab gebrochen bei einem Orte Ser- 
pent. Sollte davon der Serpentinſtein feinen Namen erhalte 
haben, ven man gewöhnlich von Serpens, daher Schlangenſtein 
abzuleiten pflegt? 

Der Lauf des Nahr Sapf pur ift ung meiter abwärts vor 
Aintab und yon feinem Zufammenfluffe mit dem Kerafakat, bi 
dem Orte Tel Khalid, nicht genauer befannt, unterhalb deſſen Ber 
eine jedoch die große Hauptfiraße von Haleb nah Bir ihn 
überfegen muß. Dlivier, ver diefen Weg genommen zu haben 
ſcheint, kam am britten Tagmarjche von Galeb nach dem Dorf 





sur m, Bocode, Befchreibung b. Morgenl. x. LS S. 226. 
20) Mannert, Geogr. b. &. u. 8.2. VI. © a. 





Euphratſyſtem; Sadfhur=Uebergang. 1037 


Mizir, 7) das In ver Nähe jenes, auf Chesney's Karte mit 
Khal id bezeichneten Hügels (Tel) Tiegen muß; denn er fagt, daß 
er bei diefem Orte erſt einen Bach, dann einen Kleinen Fluß durch⸗ 
fegte, der aber zumeilen fo ſtark anjchwelle, daß Reiſende durch ihn 
mehrere Tage aufgehalten werden Eönnten. Er hörte diefe ven Kut⸗ 
ſhuk und Buyuf,d.i. ven Großen und Kleinen nänlid Sad⸗ 
fHur nennen, deſſen Wafler von da zur Bewäſſerung des Landes 
diene, wad auf Rouffeau’s Karte von Syrien wol die vielen 
dort angezeichneten Moulins , wahrſcheinlich Schöpfräver, beftätigen, 
daß er dann aber zum Guphrat fliege. Auf dem von dort fol 
genden ungleichen, gegen ven Euphrat fich ſenkenden Hügelboden 
fingen Olivenpflanzungen an ſich zu zeigen, die ver franzöflfche 
Naturforfcher, in ihrer Art, nur mit minder großen Bäumen, mit 
denen in ver Öftlihen Provence, vergleicht; dagegen noch näher dem 
Euphrat bei Groß⸗Mizir (wol Mifera bei Pocode), nur eine 
Meile in S.W. von Bir, ſtieß er fchon auf viel größere und 
träftigere Bäume der dortigen Olivenwäldchen, welche dieſes 
Dorf von allem Seiten umgaben. 

Dem vorzüglichern Gedeihen dieſes nur für ein limitirtes 
Elina beflimmten evleren Fruchtbaums entjpricht aucd vie Benen⸗ 
nung ded im Oft um Dir gegenüberliegennen Wadi Zaituni 
oder des Dliventhales, wie es Abulfeda vorzug&weie charac⸗ 
teriſirte (ſ. ob. ©. 949). 

Auch Buckingham (1827),8%) ver denfelben Weg wie Oli⸗ 
vier verfolgte, durchſetzte dm Dritten Tage feiner Abreife von Haleb 


nad Bir den Wadi Sajoor, wis er Ihn fhreibt, an einer Stelle, 


wo er (Ende Dial) eine Breite von 50 Fuß hatte, und bemerkte, 
daß auf den Höhen jenfeit ver Anblick des Hohen Taurus in N.W., 
den man bisher gehabt, verſchwinde, und daß nun das Türkiſche 


vorherrſchend werde, da hier die Anflevelung ver Turfomanen- 


Dörfer chen diefelbe Stellung und Wirkung einnehme, mie weiter 
ſüdwärts die Anfievelung der Beduinen in arabifchen Dorfichafe 


‘ten, ſo daß man ven Sadfhur für ven Orenzfluß ver Bedui—⸗ 


nen= und Turfomanen- Anfiedelung in Syrien anfehen 


kann. 
Nabe an dem Einfluß des Sadfhur unterhalb Oſherablus 





0) G. A, Olivier, Voyage dans l’empire Othoman etc. Paris 1804. 
4 T. I. p. 326. 20) J. 8. Buckingham, Tray. in r Mesopo- 
tamia. Lond. 1827. p. 12. etc. | 





y 


1) 


"1038 Weſt-Aſien. II. Abtheilung. I Abſchaitt. .22. 


zum Euphrat, an feinem Sübufer, bat Pococke's Karte der 
Namen Sarudſh 81) eingetragen (maß er irrig für dad alt 
Sura hält), der aber wol Sadſhur heißen mag, wie das Darf 
am Südufer des Zluffes heißt, von wo der Weg direct auf we 
Ruinen von Hierapolis führt. 


2) Jerabolos. ECuropos. 


Jerabolos, ſprich Dſherablus, Jerabees bei Parodı, 
wie wir oben geſehen (ſ. ob. S. 945, 973), Tiegt im Norden da 
Sadſhur⸗Verzweigung. Wirklich Hat die Chesne yſche Karıc hie 
nördlich vom genannten Dorfe (Jerabulus bei Chesney) anf 
die Ruinen deſſelben Namens eingezeichnet. Maunbdrell, 2) m 
von Süden ber diefen Sadſhur überjeßte (er fchreibt ihn Se⸗ 
jour), fagt, daß er von Ihm 3 Stunden brauchte, um Serabulsi 
zu erreichen. Er durchzog vom Strome dahinwärts eine fehle 
Sruchtebene, mit dem reichſten Kornjegen bedeckt, zwiſchen m 
Sadſhur und dem Euphrat gelegen. Hier iſt es eben, wo anf 
zwifchen ven Euphratarmen die größte feiner Auen, von eimigm 
Stunden Länge und bis zu einer Stunde Breite, ſich ausbehnt, wide 
gut bebaut und, wie Pocode bemerkte, vorzuglih mit Hanf be 
fäet war. Auch heut zu Tage liegen bier Dörfer zu beiden Grin 
des mit reihen Kornfluren bedeckten Euphratufers. Manndrell 
fah ven Strom nahe bei Jerabulus, als viefer (Mitte April) eneı 
4 Fuß gefallen war, und verglich Ihn mit der Breite der Thenſe 
bei London; vie Zlintenkugel, vie er über den Strom abfeusmk, 
erreichte dad andere Ufer nicht. Gin Türke fagte ihm zwar, zn 
wenig unterhalb jener Stelle folle man bei niederem Waſſer die 
Nüinen einer Steinbrüde 89) über den Euphrat fehen Elan, 
worin jedoch Maundrell, und mol mit Recht, der allezeit fertige 
Ausſage (vergl. oben S. 951) der Orientalen eben feinen Glauben 
beimefjen wollte. Auch wir müffen veöhalb daran zweifeln, vawıb | 
ih niemals eine fee Steinbrüde Über ven Cuphrat erifkt 
zu haben fcheint; alle unfere oben mitgetheilten Angaben der Ale 
beziehen fich wenigftens nur auf Schiffbrüden. Wir find dehe 
einftweilen geneigt, auch ſelbſt vie oben befprochenen (ſ. 06.6.1) 
Reſte einer fogenannten Steindrüde Lieutn. Eynch's uniaheh | 





.) DR-Borode, Beſchr. d. 3. Morgent 23.1.624. 22) B Ihe 
drell, Acc. Lc. p. 154. 2) eben. p. 265 





Euphratſhfiem ; Jerabolos. 1039 


des Dorfes Zekterij, die vielleicht auch nur auf einer ſolchen Aus⸗ 
ſage beruht, zu bezweifeln, bis wir nähere Auskunft über fie erhalten, 
: Mon Serabolos Ruinen 9) gibt Maundrell eine Fleine 
Skizze, nach meldher der Ort dicht auf dem Weflufer des Euphrat 
lag, und im Umfange von 2250 Schritten in einem Halbkreiſe 
von Ummwallungen umgeben war, darin ganz gut erhaltene Thore 
fich zeigten. An der Sehne dieſes Halbkreiſes fließt ver Euphrat 
in gerader Linie gegen Süd vorüber, und in ber nörklichften Ede 
dieſes Halbkreiſes, dicht über dem Fluß, erhebt fich eine Anhöhe, de⸗ 
ren fürlichfter Vorſprung, der Plan, mit dem Namen einer Acro⸗ 
polis bezeichnet wird. Diefer gegen die Wafferfeite zu fehr ſteile 
Berg war bebaut; an feiner einen Seite entvedte Maundrell 
noch Reſte großer, 2 618 3 Buß (15 Dard) im Diameter haltender 
Säulen, auch Eapitäle und Kornifchen von guter Arbeit. Am Fuße 
des Berges bemerkte er einen fehr großen Stein, auf dem vie Figur 
eines mit Gebiß gezäumten Löwen eingehauen war. Die Figur, 
welche, wie er meint, früher darauf gefeffen, war abgebroch en; ſehr 
wahricheinlih wol vie Dea Syra (Atargatis), wie fie auf ben 
Münzen von Hierapolis adgebilvet iſt und daſelbſt nach Lucians 
Bericht verehrt ward. 
R. Pocode 8) beſtätigt im Allgemeinen jene Angaben, nur 
2 meinte er, die Stadt babe eine länglih vieredige Gehalt ven Eu⸗ 
-  phrat entlang gehabt, 4 Meile ang, } Meile breit; auf ven hoben 
-  Wällen, welche fie nad der Landſeite zu auf allen Seiten umgeben, 
habe er noch die Reſte der alten Mauern wiebergefunden. An ih⸗ 
rer Nordſeite zog ein kleiner Bach vorüber; auch fieht man hier 
noch eine 170 Schritt lange Mauer, die auf einer Seite Säulen 
zeigt. An drei Seiten der Stabt waren Thore, die größten. zeigten 
fich noch gegen Welten und Süden; dort fland noch ein Poſtament 
von Quaderſteinen, hier nur noch das Pflaſter eines Thores. An 
der Flußſeite erhebt ſich vie Berghoͤhe doch 40 bis 50 Fuß, deren 
ſüdlicher Vorſprung gegen die Stadt an 44 Schritt Breite hat, auf 
vem das Eaftell (Arropolis) ſtand, veffen Mauern noch eine Dide 
von 8 Fuß haben. Der Aufgang zu ihm kam von der Weſtſeite, 
vom Weſtthore aud. Die Süpfeite der Stadt bat noch große Trüm⸗ 
mer von Straßen und Gebäuden, darunter auch die fehr zerflörten 
Mefte eines in Weften liegenden Baues, der der Tempel geweſen 








°»*) H. Maundrell I. c. p. 155 Pr Tab. ad pag. 7. sn. Po⸗ 
code, Beſchr. d. RT 








1040 WeftAfien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. 5.42. 


zu fein fiheint. Gegen den Süden zeigen ſich 4 niedere Vauer⸗ 
wände, an denen noch die Poflamente von 4 Säulen einen fc 
großen Cingang bezeichnen. Viele Säulen und Pieveftale liegen 
umber; alles iſt ſehr zertrümmert. Pococke Hielt dies für vie Reck 
von Gerrhae oder richtiger Serrhae bei Ptolemäus, das aber weit 
fünlicher lag (1. oben S. 1000). Sind es wirklich vie Ruinen von 
Curopos, deffen Lage nach Obigem Hier genau eintrifft (f. oben 
©. 994),.j0 würde hier alfo das fefte Standquartier des Bellfer 
zu fuchen fen, wozu ſich die Localität gewiß nicht wenig eigneke (j 
oben S. 995). Die jüngeren Verſchanzungen der dortigen Mau 
werke würden aus ven Zeiten Juſtinians fein, der auch Eurapal 
mit fo vielen andern euphratenfifchen Feſten reflauriren lleß (Pro 
cop. de aedif. Just. II. 235); vie ältern aber ſchon aus ver & 
faren Zeit, va Plintus dieſer Stadt als einer ſyriſchen erwähet 
Die älteften möchten aber wol ven Seleuciden⸗Zeit en angehöem, 
da auch Hier, wie noch an einigenianderen®5) Localitäten ihre marchon« 
fchen Anſiedler ſich ihre europäifche Seimath in verjüngter Geflalt wir 
zu bergegenwärtigen fuchten. Dr. Helfer, von der Euphraterpeeitien, 
Hat zu feiner Zeit die Heberzefte von Jerabolus beſucht; heat 
lih werben noch manche Iehrreiche Nachrichten aus dem 

diefed unermüneten Beobachters auch ver geograpkifchen Wiſſenſcheſt 
zu Gute fommen. 


I 3) Gecilia. 

Die Ruinen unmittelbar ſüdwärts der Einmündung bes Sie 
fhur, nahe dem Sarifat- Borgebirge, wo Ainsworih in einer Ich 
hen Bucht am Ufer eine griechtiche Infchrift, einen Waſſerfall übe 
eine Gircusgeftalt und die Ruinen einer antiken Stadt angibt, W 
wol nähere Unterfuchung verdienten, haben wir in Obigem für W 
Küge der alten Cecilia gehalten, von ver wir jedoch nichts nähen 
auß dem Altertfum erfahren. 





“en Berkel, Not. ad. Steph. Byz. fol. 390, a: v: Ruropss; 





BE 


Euphratſyſtem; Bambidſh, Hierapolis. 1041 





' 4) Bambidſh, vulgalr Mambidfſh; Sierapolis, das Heilige 

thum der Dea Syra; Munbedj b. Eorifl, Mamdegi b. Abul⸗ 

feda; Manbesja und Manbesjum in Vita Salad.; Menba, 
Manba im Index geogr. Alb. Schult,; Bambyx, Baupßvxn b. 
Strabo; Bamb yce und Magog (Mabog) b. Plinlus; Hiera⸗ 
polis CItoh nodıs bei Aellan; dv ‘Iepü nöAsı b. App. Parth. 
137) b. Strabo u. a.; Vetus Ninum (Hierapoli vetere Nine 
hei Amm. Marc. XIV. 8, 7); Sierspolis auf Münzen. 


Die Ruinen diefer Stadt haben 5. Maundrell im I. 1699 
und R. Bocode (1737) zuerft wieder entdeckt und beſchrieben; 
Buckingham Eonnte im I. 1827 ET) von ven Anwohnern des 
Cuphrat bei Bir und auf dem Wege dahin von Haleb durchaus 
Leine Nachricht Über die Lage dieſes Ortes erhalten, obwol doch 
Niebuhr (1766) 8) menigftens die ſüdlichere Lage abwärts feiner 
Route von Bir, über Tihamurli nach Haleb, von einem Dorfe 
Bombänfh fuhr, das er für das alte Bambyce hielt, und auch 
eine Route yon Ierabolos über Bombädſh, Acamy, Bezaga, Surbaß bis 

HGaleb in f. Tabul. 52 eintrug, obwol er weder den Ort ſelbſt, noch 
ſonſt etwas von demſelben in Erfahrung bringen konnte. Die Ver⸗ 
ſchiedenheit obiger Benennungen zeigt ſchon einigermaßen, daß er zu 
” feiner Zeit ein gefeierter Ort geweſen, dem jedoch kein Iebenbiger 

Innerer Verkehr einen durch Die Stimmen ver Völker und der Jahr⸗ 
Hunderte gleichmäßig Überpauernden Namen zu Thell wer 
‚ den Tief. Erſt durch Col. EhHesney iſt die Lage ber heutigen 
Nuinen genau in die Karte, 5 geegr. M. im Weſt von den Ufern 
des Euphrat und dem Geſtirnſchloß (Kalaat ol Nebſhm), 
eingetragen, dad nach Obſervation unter 36° 33° 17" RN. und 
38° 16' 15” DR. v. Gr. liegt. 

H. Maundrell fuchte zuerſt ®%) von Haleb aus die Ruinen 
von Bambidſh auf, und nahm viefelbe Route dahin, welche Nies 
Buhr in feine Tafel eintrug. Den erften Tag (17. April 1699) 
Bam er nah Surbaß; den zweiten in 32 Stunde gegeh N.O., 
ar Bab und veffen Aquäpuete, Dyn il Daab Mm: h. Diſtrict 
non Daab) genannt, zu dem man 30 Stufen binabfleigen mußte, 
Worüber, nad Bezay (Bezagha), und zum netten Dorfe Lediff; 





#1) 5. 8. Buckingham, Trav. in Mesopolt. 1. ep 80 ,Q, 
| Aiebar, Beleiefär. 5.1. 6.416. °°) H. Maundrell, Acc. 


Ritter Orbiunde X. . Uun 








1040 WeftAfien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt. 1.42, 


zu fein fcheint. Gegen ven Süden zeigen ſich 4 nievere Mauer 
wände, an denen noch bie Poflamente von 4 Säulen einen fer 
großen Eingang bezeichnen. Viele Säulen ımd Piedeſtale liegen 
umher; alles ift fehr zertrünmert. Pococke Hielt dies fir vie Rei 
von Gerrhae oder richtiger Serrhae bei Ptolemäus, das aber weit 
füplicher lag (f. oben S. 1000). Sind ed wirklich die Ruinen von 
Curopos, deſſen Lage nach Obigem Hier genau eintrifft (f. oben 
©. 994),.f0 würbe Hier alfo das feſte Standquartier des Belifer 
zu fuchen fein, wozu fidh die Localität gewiß nicht wenig eignete (f. 
oben S. 995). Die jüngeren Verſchanzungen der dortigen Nasa 
werke würben aus ven Zeiten Juſtinians fein, der auch Europas 
mit fo vielen andern euphratenflfchen Zeiten reflauriren ließ (Pro 
cop..de aedif. Just. II. 235); vie ältern aber ſchon aus ver & 
faren Zeit, va Plinius diefer Stadt ald einer ſyriſchen ermähet 
Die Älteften möchten aber wol ven Seleuciven=Z eiten angehöm, 
da auch Hier, wie noch an einigen anderen 36) Localitäten ihre mareren- 
fchen Anſiedler fich ihre europäiiche Helmath in verjüngter Geflalt wie 
zu vergegenwärtigen fuchten. Dr. Helfer, von der Euphraterperitien, 
bat zu feiner Zeit die Ueberrefte von Jerabolus beſucht; hefas 
lich werben noch manche Ichrreiche Nachrichten aus dem Nah 
dieſes unermüdeten Beobachters auch der geograpkifchen Wilfenfhei 
zu Gute kommen. 


— Ä 2 3) Ceecilia. 

Die Ruinen unmittelbar ſüdwärts der Einmündung des Si 
fhur, nahe dem Sarifat- Borgebirge, wo Ainsworth in einer Ich 
hen Bucht am Ufer eine griechifche Inſchrift, einen Waſſerfall übe 
eine Circusgeſtalt und die Ruinen einer antiken Stabt angibt, W 
wol nahere Unterfuchung verdienten, haben wir in Obigem für We 
Lage der alten Cecilia gehalten, von ver wir jedoch nichts nähen 
aus dem Alterthum erfahren. 





"en Berkel, Not. ad. Step. Byz. fol. 390, 2. v; Reropo- 


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Euphratſyſtem; Bambidſh, Hierapolis. 1041 


4) Bambidfh, vulgals Mambidſh; Slerapolis, das Heilig: 
tfum der Dea Syra; Munbedj 5. Eorifl, Mamsegi b. Abuls 

feda; Manbes ja und Manbesjum in Vita Salad.; Menba, 
Manba im Index geogr. Alb. Schult.; Bambyx, Baufvxn b. 
Strabo; Bambycre und Magog (Mabog) b. Plinlus; Hiera⸗ 
polis CIto nodıs bei Aelian; dv ‘Iepü nöAsı b. App. Parth, 
137) 5. ©trabo u. a.; Vetus Ninum (Hierapoli vetere Nine 
bei Amm, Marc. XIV. 8, 7); Sieropolis auf Münzen. 


Die Ruinen biefer Stadt haben H. Maundrell im 3. 1699 
und R. Pococke (1737) zuerſt wieder entdeckt und beſchrieben; 
Buckingham konnte im I. 1827 87) von ven Anwohnern des 
Cuphrat bei Bir und auf dem Wege dahin von Haleb durchaus 
Leine Nachricht Über die Lage dieſes Ortes erhalten, obwol doch 
Niebuhr (1766) 99) wenigſtens die ſüdlichere Lage abwärts feiner 
Route von Bir, über Tihamurli nach Haleb, von einer Dorf 
Bombänfh fuhr, das er für das alte Bambyce hielt, und au 
eine Route Yon Ierabolos über Bombänfh, Acamy, Bezaga, Surbaß His 
Haleb in f. Tabul. 52 eintrug, obwol er weder den Ort felbft, noch 
fonft etwas von vemfelben in Erfahrung bringen konnte. Die Ders 
ſchiedenheit obiger Benennungen zeigt ſchon einigermaßen, daß er zu 
feiner Zeit ein gefeierter Ort geweien, dem jedoch kein Ichenbiger 
Innerer Verkehr einen durch Die Stimmen ver Völker und der Jahr⸗ 
Hunderte gleichmäßig Überpauernden Namen zu Theil wer⸗ 
den ließ. Erſt pur Col. ri eöney iſt vie Lage ver heutigen 
Ruinen genau in wie Karte, 5 gecgr. M. tm Weſt von den Ufern 
des Euphrat und dem Geſtirnſchloß (Kalaat ol Nebſhm), 
eingetragen, das nach Obſervation unter 36% 33’ 17" N. dr. und 
38° 16’ 15" DR. v. Gr. liegt. 

H. Maundrell fuchte zuerſt 9%) von Haleb aus die Fuknen 
von Bambidſh auf, und nahm vieſelbe Route dahin, welche Nies 
Buhr in feine Tafel eintrug. Den erften Tag (17. April 1699) 
Lam er nah Surbaß; den zweiten in * Stunde gegen N.O., 
an Bab und deſſen Aquädnete, Dyn il Dank G— h. Diſtriet 
Son Daab) genannt, zu dem man 30 Stufen hinabſteigen mußte, 
Soorüber, nach Bezay (Bezagha), und zum netten Dorfe Lediff; 


#1) J. 8. Buckingham, Trav. in Mesopot. ang, 
Aiebar, Beleieär. x. I. ©. rei hs Er Maun drell, Ace. 





Ritter Grofunde X. . Uuun 





10 Weblin, LIE Abchetlung. L. Abſchaitt. |. 


von da aber Nachmittag, nody 3 Stunben weiter, zu den Rum 
von Acamy (Mfamt), eines einfligen Ortes won Bedeutung. Diek 
Tiegt auf einer Anhöge; er wat gtoß, vol Mauern alter Bauwahll 
aber von Wildniß umgeben. Der vritte Tagmarſch (19. Ad 
führte nach 4 Stunden Wegs gegen NO. nad Bambidſh. 

Diefer Ort zeigte nur vurch Mauern Die Reſte feiner ale 
Größe, die noch an drei Seiten, jede eine engl. Mil. Tang, in > 
fammenhang ftehen blieben; am ver vierten, ber Oftfeite, find mm 
Trümmer vdavon, und zumal die eines Thots, vas zum Cups 
füßste, übrig geblieben. Ä 

Außer dieſen bemerkte man noch ein anderes Mauerſtück m 
30 Schritt Länge, von ungemeiner Feſtigkeit, aus Quadern chem 
das fi mis feinen Ihürmen erhalten Hatte An ver Nordſein do 
werte Maundrell die Büſten einer weiblichen und dm 
männlichen Figur in Lebenägröße, in Stein gehauen, und üfe 
ihnen zwei Adler angebracht (ob taiferliche Infignien, etwa we 
‚ya Ergerum? f. ob. ©. 766). Nicht weit davon an ver Seite dus 
großen Mauer war ein Stein eingemauert, mit drei Kiguren a 
hbalberhabner Sculptur; zwei Sirenen, bie ihre zur Get 
arefhlungenen Fiſchſchwänze ald Sig einer nadten weil 
udn Figur darboten, bie zwifchen ihnen ihre Arme auf brix 

Sirenen flügte (offenbar eine Anfpielung-auf die Derketo, weit 

in. Hierapolis als fgrifche Göttin unter der Fiſchgeſtalt verchet war). 

Auf ver. Weftfeite fah Maunprell ein tiefes, Damals trodan 
Baffin. ‚von 100 Schritt im Durchmeſſer, von. einfligen grob 
Bauwerken umgeben, deren Mauern wid Säulenwerke 
ſtürzt einem Theil der Vertiefung zugeſchüttet Hatten. De fe 
merfte ex auch noch Waſſer darin, und eine Menge umteriräe 
Aquäpucte, bie nach dem Innern der Stadt gingen. Die den 
Wohnenden fagten, «8 feien ihrer ver Zahl nah 50. Maundrtell 
bemerkte, daß man bie Stabt rings umreiten Tünne, aber überci 
bergleichen Waſſerleit ungen antraf. Un einer derſelben Im 
Oſten der Stabt, vie nach einen fchönen burchfließennen Gtrumfait, 
ſchlug er fein Zelt auf, , Diefes Waſſer ergoß ſich in ein aehel 
Thal, das dadurch ungemein befruchtet wird, und das er für dan 
Weiveplag der Opferſtiere hielt, welche hier der ſyriſchen Gätie 
halten werben mochten (f. ob. S. 774). Schöne 
Nefte ‚von Moicheen, Baͤdern und andern Bauwerken aufehll 


jener Mauern ‚iclgten, daß Hier einſt eine ſtarke ſaraceniſche Bulk 


kerung geweſen, wo gegenwärtig nur wenige Anfleoler were, wo 


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Enphratſyſtem; Bambidſh, Hierapolis. 1048 


in der Rähe raubſüchtige Turkmanenhorden, vie dem Beiten vie 
baldige Weiterreiſe auf Nebenſtraßen rathſam machten. 

Pococke, der kein halbes Jahrhundert ſpäter (im Aug. 1737) 
Diefelbe Stätte des alten HKHierapolis befuchte, 99) kam unter dem 
@elcite eines arabifchen Sheikhs von Sumata dahin, deſſen Lager 
von 50 Zelten an einem Sirome aufgeſchlagen war, veilen Waffer 
auch nach den Ruinen floß, vie nach dem Mitt einer Stunde vom 
Rager aus erreicht wurben. Die Stadt, fagt er, lag am fünlichen 
Ende eines langen, viertelftunnen breiten Ihales, von einem Strome⸗ 
bewäfiert, ver aus den Waflerleitungen ver Stadt abfloß, und dem 
zur Meinerbaltung ein Canalbett mit wagrecht gelegten Stein⸗ 
platten bereitet war. Die Figur der Stabt hielt Pococke nicht 
für regulär (Cheaney's Karte gibt ein regelmäßiges Quadrat an). 
Ginige Stüde der noch vollſtändig flehennen Mauern waren 30 F. 
Hoch, und hatten B Fuß Die; fie waren nach inuen wie nach au⸗ 
Ben mit großen Duaberfleinen befleivet; ihren Umfang fchägte Po- 
code auf 2 engl. Mil. Auf ven Mauern, bemerkt er, war ringe⸗ 
umber ein Spaziergang, zu. dem eine Treppe mit Ruheplatz, der 
unterwödlbt war, binaufführte (mie die ſchͤne Promenabe auf ven 
quadratiſch laufennen Mauern des antifen Nömercaftelld von Chefter 
in Nord⸗Wales noch heute). An 5 Selten werben vie Maueru 
von Thürmen vertheidigt, deren jeder 50 Schritt fern von dem an« 
bern ſteht. Außerhalb ver Mauer zieht ein niedrer Graben umher; 
bie 4 Stabtihore zeigen eine Weite von 15 Fuß, und werden auf . 
jeder Seite von einem balbfreisförmigen Thurme vertheidigt. Die 
Waſſer follen aus ver Berne von 5 Gtunden von einem Hügel, 
der gegen Süpen liegt, zur Stabt geleitet fein. Sie felbftift auf eineg 
Anböhe erbaut, fo daß der Aquäpuct 20 Fuß tief unter der Ober⸗ 
läge der Erde fortgeführt werden mußte. Zu biefer Tiefe gehen 


- Innerhalb ver Stadt Zugänge hinab, pie meiſt 5 &. weit und 15. 


lang find, umd durch große 5 und 10 Buß lange Steine von oben 
überlegt, vie nach Pococke's Anficht das Hinabſteigen erleichtern 
foßten. Er meint, daß man auch eigne Werkzeuge gehabt, das ges 
ſchoͤpfte Waſſer durch Löcher nach oben zu ziehen. An einem biefer 
Löcher bemerkis er den Sculpturflein mit den beiden Sirenen, 
wahrjcheinlich nenfelben, den auch Maun drell befchrieb. Er neun 
Diefe Figuren mit Fiſchſchwaͤnzen aber geflügelte Menſchen (9) 


8. Bocode, Befchreibung des Morgenlandes. TH. I. S. ME — 
| | uuu2 











1014 Weit:Mfien, III Abtheilung. I. Möfheit. |.22. 


und hielt fie für Zephyre, die eine Venus über das Mer tri 
gen. Uns ift keine neuere Unterfuhung vdiefer Ruine befannt. Dei 
viefe reichliche Beräfferung der Gtadt bis in das Mittelalter, 
zur Zeit Sultan Salavdind, noch im beften Zuſtande war, erg 


fi aus deſſen Zeitfchriftftellen. Diefer Ort, Heißt es in Vm 
Saladini ed. Alb. Schult. Ind. geogr., iR eine fehr alte un wir 
läuftige Stadt, veffen Bewohner trinken aus Brunnen ſüßen Br | ' 


fers innerhalb ihrer Käufer und Vorſtädte, und aus Ganälkn, de 
ſich nach allen Richtungen bin durch das Land ergiehen. 

Pococke beflätigte das Dafein jenes großen, jegt troden lie 
genden Wafjerbedens an ber Weſtſeite ber Stadt Hlerapelli zu 
fagt, e6 ſei dreleckig, Liege dicht an ber Stadtmauer und habe a 
der einen Ede pie Ruine eines fehr zerflörten Gebäudes, pas abe 
mit veffen Innern in näherer Verbindung ſtand, und wel zu cam 
Heiligen Gebrauche bei Öffentlichen Feſten dienen mochte. Hi, 
meinte er, würde wol der Teich mit den heiligen Fiſchen 
weſen fein, von dem Plinius ſpreche. 

Plinius (XXXU. 8) fprit - allerbings von dem heilige 
Teiche der Venus gu Hierapolis, in denen die zahmen mit Geh 
geſchmuͤckten Fiſche auf den Ruf der Tempelmächter berbeifdwammen, 
thnen ſchmeichelten, ſich Eragen lichen und die Mäuler auffperten, 
Die fie mit der Hand begreifen ließen. Aelian (de nat. asim 
X. 2) feßt noch Hinzu, daß fle dort in großen Schaaren geht 
und gefüttert wurben, aber ftets in Frieden unter einander Ichts; 
thre Anführer fein vie Vorkofler ver Ihnen zugeworfenen Speiſt 
gewefen. Sie find vielleicht zu Drakeln benutzt worden. Reh 
heute iſt an gar manchen Stellen Syriens ver Gebrauch, ſolche 
heilige Biiche zu Halten. 

Etwa 200 Schritt außerhalb des oͤſtlichen Thotes bemerike 


Pococke eine Anhöhe, auf welcher feiner Anfſicht nach wahrſchei⸗ 


li der Tempel der Atargatis geſtanden, von ber Blin ins fagke, 
daß die Griechen fie Der keto genannt (Plin. V. 19: Bambycen 
qeae alio nomine Hierapolis vocatur; Syris vero Magog. li 
prodigiosa Atargatis, Graecis autem Derceto dicta, c® 
litur). Die Fronte dieſes Tempels Eonnte hienach eine Ausschuung 
von 200 8. Haben, auch Höhe genug, ur bie zum Opfer Beſtiun⸗ 
ten rudlinge hinabzuſtürzen, damit fie ſicher den Hals beiden. 
Eine Mauer lief von dieſer Tempelſtätte dem Thore zu, daß arh 
ein großer Vorplatz vor demſelben ſich ausbreiten konnte Un biefer 
Stelle hatte Has LUnregelmäßige in der Dauer aber das Unfehe, ch 


u a. voran. gg m 2 


5 
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Euphratſyſtem; Bambidfh, Hierapolie. 1045. 


wenn ein Theil des Bodens nach der Erbauung der Mauer noch 
mit eingeſchloſſen worben wärd, um ven großen Vorhof zu erweitern, 
zu welchem wahricheinlich der ganze Raum nospwärts des Tempels 
zehörte. Es wird auch eines Hofes norbwärts des Tempels ges 
acht, und eined Thurms vor dem Tempel, der auf einer 12 Fuß 
yoben Terraffe geſtanden. Hätte dieſer Thurm auf ber genannten 
Böhe geftanden, bemerkt Pocode, fo müfle ver Tempel wehhwärts 
yavon gelegen haben, wo fich aber gar feine Spuren eines ſolchen 
Baues entdecken ließen. Vielleicht daß er ba fland, wo gegenwärtig 
och bie Trümmer eines großen Gebäudes fich erheben, Has einſt 
vol In eine chriſtliche Kirche mit einem Thurme umgewandelt war, 
enn Hierapolis Hatte feine Epifcopen (f. S. Abercii epis 
:opi Hieropoleos memoriam ecclesia graeca celebrat 22. Oct. 
j. Menolog. graec.).) Auch gegen Weſten bemerkte man nody 
erwüſtete Bogen ; vielleicht von einem Kreuzgange. 

Zu dem Unterhalt de alten Tempels ver DeaSyra hat 
m nicht nur Syrien, fondern auch Cilicien, Kappadocien, 
lrabien und ſelbſt das Gebiet von Babylon einſt ihre Beiträge 
s liefern. 

Im Weften ver Stadt auf einer Anhöhe, wie auf einer an⸗ 
ren im N.O. derfelben, erkannte Pococke noch einige Grabſtätten, 
n denen er mehrere orientalifche Infchriften und auch Kreuze bee 
jerkte; im N.O. In einiger Entfernung aud einen Bau, ben er für 
ne fehr alte Kirche Hielt, die in eine Mofchee verwandelt, obwol 
ngemein verfallen, einft fehr feft gebaut war, und an jeber Gelte 
z füplichen Ecke ein Gemach Hatte, das fein Wegweiſer mit dem 
amen „Haus des Phila“ belegte. 

Es wäre wol wünfchenswerth, von einer fo merkwürbigen Le 
lität genauere neuere Unterfuchungen zu erhalten. 

Den großen Ruf der Stadt bezeichnet ſchon ihre Name Hie⸗ 
apoliß, den ihr jedoch erſt Seleucus Nicator beilegte; denn frü- 
x hieß fie mit dem einheimischen Namen Bambyke (Baupvxn), 
x wol richtiger Bambyg und daher iventifch mit dem ſyriſchen 
amen Magog oder Mambog geweſen, ver bei Plinius over 
men Abfchreibern nur irrig In Magog verwandelt wurde (Aelianı 
» nat. anim. XII. 2. xara zn» nalas Baußüuxnv, zalgizar 
! vi “Ieganodıc, Seleuxov drouaouvyTog Toüzo avsyv; und 
en fo Appian. Alex. de bellis Parthic. Toll. 157, p. 270). 








es1).J, Golius ad Alferganum 1. c. p. 261. 


— 








1046 Weſt⸗Aſien. IH. Abtheilung. I. Abfchnitt. 1.42. 


Strabo nennt diefe Stadt unter allen Autoren zuerſt Bam- 
vbyre und Hierapolis (sacra urbe), in welcher Sie ſyriſche 
Gottin Atargatis verehrt wurde, und er zeigt, Daß fie ein Em- 
porium war. Denn er fpricht vafelbfl von den Kameel⸗Kata⸗ 
wanen (saunAiras) der Handelsleute, die von da Über da 
Euphrat gingen zu den Grenzen Babylons (wo Skenal m 
Canale lag) bis nach Seleucia, den Weg durch Mefopetumin 
nehmenn, wo fle Waffervorräthe in Eifternen fanden und von im 
Zeltbewohnern, ven Steniten (ol Zxnvizar) nur mäßige Zolle up 
erlegt erblelten. Desbalb vermieden fie das Eupbratufer, ber 
felbe 3 Tagereiſen zur rechten Sand Tiegen laſſend, weil bie vertigen 
Hordenfürften (guAcpxor, d. I. die Emirm der Araber) zu I 
den Seiten des Stromes, jeder nach feiner Willkühr, Zollſtener w 
hoben, und Teineswegs ein mäßige. An verfelben Stelle (Strabo XVI 
748) aber fügte Strabo Hinzu, daß Bambyke auch Evefa bele 
mad aber ein Irrthum Strab0o89) (oder feiner Abfchreiber) war, 
der das wirkliche Edeſſa in Mefopstamien (nämlich Bhea, Urk) 
noch nicht gekannt zu haben fcheint, da er es in feiner Wefchreitum 
Meſopotamiens gar nicht nennt, over es mit biefer Stadt Syrient 
im Welten des Euphrat vermedhfelt Hatte. 

Seine Nachricht vom Karawanenverkehr der Sterapılid 
iſt wol aus der ältern vorparthifhen glänzenden Periede 
ber directen Handelöverbindungen Syrien 8 mit Seleucia, m 
zweiten blühenden Reſidenz der Seleuciven, genommen, von ter om 


umſtändlich die Rede war (f. 06. ©. 69 u. ff.). Gie gibt um 


lehrreichen Blick auf die Altern Zuflände Mefopotamtiens, che 
noch Parther und fpäter arabifche Ueberzügler wie kurdiſche won 
der Süd- und Norbfeite dort jeden Durchgang erfdywerten. El 
macht e8 zugleich begreiflich, wie fdhnell eine Hierapolis une 
den Seleuciven aufblühen konnte, die eine Mittelftation zwiſchen 
den beiden glänzenden Refidenzen Antiochta am Mittelmeere uab 
Seleucia am Tigrisdelta war. Sie war zum Theil das gewerden, 
was Alerander mit Thapſacus Im Sinne gehabt, was aber alt 
durch die Seleuciven hatte vealiftrt werben innen, weil Alexander 
feine Eroberung Arabtend nicht ausgeführt hatte (f. ob. ©. 37, 4, 
49, 51 u. a. O.), wodurch nun erſt der Andrang der Araberherden 
gegen dad Cuphratland feine Verſtaͤrkung erhalten mußte. 





u er G. Groskurd, Strabo's Erdbefchreibung. TH. II. ©. 31, 
st. | 


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Euphratſyſtem; Bambidſh, Hierapolijs. 1047 


Schon drei Jahrhunderte vor der chriſtlichen Zeitrechnung muß 
bie alte ſyriſche Stadt Bambyke durch ihren Cultus bedeutend ‚ger 
weſen ſein, daß ihr Seleucus Nicator den ehrwürdigen Namen 
des Hierapolis beilegen Eonnte. Daß durch den Schutz, den er 
auf diefe Weiſe dem dortigen Nationalheiligthume in feinem. großen 
Weltreiche som Taurus bis zum Inu angebeihen ließ, die große 
Meſſe ober das Emporium ergeugte, oder doch ungemein gehoben 
Gaben mußte, liegt wol ſehr nahe Wie wichtig die Stadt auch 
noch zur Zeit ver erſten Nömerbefignahme war, gebt auß der flol- 
zen Schenkung des Marc. Antonius an ven parthiſchen Großen 
Monejes bervor, ber ben bei ihm Schuß ſuchenden Ylädstling, 
wie einſt Rönig Ürtazerres den guoßen Themiſtokles, mit den Einr 
Fünften ver drei ſyriſchen Städte: Lariffa, Aeihufja und Hieras 
polis beſchentte (Plutarch. Anten. 37, u. Appian. de bell. Parth. 
Toll. 157. p. 270). Wie reich aber ver Zempelfgag ver for . 
chen Böttin daſelbſt geweien, fagt die Plünderung durch 
M. Craſſus, deſſen Geige und Habſucht Plutarch es mit Recht 
vorwarf (Pl. im Crass, 17), wie er, flatt ven Krieg fhr den zömi» 
ſchen Bunbeögenoffen, den König der Armenier, Artabezes, wis 
die Parther weiter zu führen, viele Tage nach einander in Tempel 
zu Hierapolis ſitzend, ſich vefien Gold⸗ und Silbergefäße und audre 
Reichthümer nah Wange und Gewicht zuzählen ließ (f. Appian. 
Alex. de bell. Parth. Toll. p. 223); vafür ihn dann freilich beim 
Hinaudgehen zum Tempel dad böfe Dmen traf, daß erft kin Sohn 
auf ber Schwelle ver Tempelpforte nieverfiel und dann der Vater 
über ven Sohn hinabſtürzte. 

Plutarch jagt bei viefer Gelegenheit, die ſyriſche Göttin, 
welche bie einen die Aphrodite, andere pie fprifche Here naun⸗ 
ten, fe „die Natur ſelbſt, ober die exſte Ur ſache ver Dinge, 
„nie Allem ven Urfprung und Saamen aus ver Beuchtigkeit verleihe, 
„oder ala die Gebärenmacherinn (omsiparens Dea Syra), die 
„Duelle aller für den Menſchen beftinunten @üter bei den Syrern 
verehrt worden (rerum natura parens; Apul.). 

So iſt denn auch nad den umfläublichern Nachrichten, Die 
Zucan von Samofata über ven Cultus verfelben (De dea Syra 
c. 1. etc.) mittheilt, Fein Zweifel, daß bier der Cultus der ſyri⸗ 
fen Sauptgdttin 9) flatt fand, welche unter den verſchieden⸗ 





8 C. Movers, unterfuäungen über die Gottheiten der Phönizier. 
onn 1841. 8. ©. 534—600. 


. 
‘ * 


1048 Weft. daßen. TIL Abthellung. I. Abſchaitt. {.22. 


ſten Namen, wie die aſſyriſche Here, die Benus von Aua⸗ 
thus, die Baaltis oder Berut, d. I. die Göttin von Libanın, 
verehrt ward. Diefelbe, welche bei Babyloniern Salambe em 
Mylitta(i..ob. ©. 858), auch Thalaffa hieß, die als Derceto, wi 
Lucian fie im Xempel zu Sierapolis fah, als Weib mit um | 
Fiſchſchwanz (de dea Syra $. 14) und eben fo auf den Mänyn 
zu Aſkakon, wo'fte auch als Adirdaga (i. e. magnificus piscs; 
Dagon ver Philiſter) 9*) verehrt ward, abgebildet wurde Ihe 
ward auch Semiramis (ſ. ob. ©. 855) ald Tochter, wie Dieter 
erzählt, zugefellt. 9%) Sie hieß aber in Abkalon auch Aterga- 
ti8; daher au ber Plinius In Hierapolis prodigiosa Atargats, 
ein Name, ver mit weggelafinem a und Verwandlung des g in k, 
derſelbe wie Derkotis ober Derceto, nur andern Dielecie 
Seoxex et Targat plane idem sonant, Th.Hyde) ®°) angehörk, 
und die außerordentliche Werbreitung und Bedeutung des Guits 
dieſer Botiheit Durch einen großen Theil Vorderaftens Hinreicen 
beurfundet. 

Unter Kaifer Dioeletian over vielleicht Eonftantinns R 
wurde Hierapolis vie Enpitale ver neuen Provinz Cuphrateſie 
(1. 06. S. 928 u.ff.) 9), deren Name nicht überbauerte, dagegen der 
Name Kommagene, im Arabifhen Kamach, 98) bis heut: der 
Name ver Provinz geblieben IR. . 

Zu Kaifer Sultans Zeit nennt Amm. Marcel. viefen Bri 
nebſt Samofata als die weiten und glänzeuden Hauptſtädte Er⸗ 
phrateſſena ((XIV. 8, 7: Hierapoli vetere Nino et Samoeata 
eivitatibus amplis illustris), und wiederholt Die Bezeichnung ihre 
Größe, wo er von dem Einzuge des Kaiſers auf feinem Kriegöjuge 
gegen Cteſiphon (jr ob. S. 156) durch ihr Thor und dem böfen Om 
deſſen Einflurges fpricht (XXII. 2,6: Hierapolim „ . . . ubi cum 
introiret civitatis capacissimae portas, sinistra porticus subito 
lapsa etc.), wodurch an 50 Soldaten erichlagen und viele verwen 
bet wurden. Die chriftliche Lehre hatte damals. allerdings ſchon In 
Antiochia und ganz Inwer Nähe des berühmten heidniſchen Tempels 
ber Dea Syra großen Volkszulauf erhalten, wie fich aus der E⸗ 








) 5. Seldeni de Dis Syris. Amstelod. .1680, Syat. IL. c. 8 
p. 198—204. ts) Diodor. Sic. bibl. hist. Lib. IT, 65. fol. in 
ed. Wessel ®®) Not. in Itinera mundi Abrah. Pesitsel. 
Ram. ah. vi 4. pag. 49. *%) Mannert, Geoge. ber Gr. zu 

m. Th. VI. I. S. 490. °®) Jac. Golius Alferganum 
Rlem. astron. p. 262. dm © un 


M 


⸗ 


Euphratſyſtem; Bambidſh, Hierapolis. 1049 


zählung von I. Malalas von St. Domitins Martyrthum 
zu Kyrrhus (Joan, Malalae. Chronographia. Lih. XII. Julian. ' 
Imp. p.328. ed. Dind.) ergibt, das nur einen Tagmarfch früher 
von Julian auf feinen Marfche von Antiochia nach Hierapolts 
befucht worden war. Dort zu Kyrrhus in Khyrrfteca hatte Do⸗ 
mitins als Einflevler in einer Felshoͤhle durch feine Heilung ver 
Kranken und Bertheilung feines Segens viel Bolt vwerfammelt, 
worüber der Faiferliche Apoftat fich ärgernd die Grauſamkeit beging, 
um den Einflevler, wie er ſich ausdrückte, ganz zu vereinfamen, ben 
Heiligen in feiner Höhle einmauern zu laſſen. 

Der Einfluß ver ſyriſchen Göttin mußte dem Fortſchritt bes 
Evangeliums in Syrien weichen; die von Seleucus und ven Mace⸗ 
boniern. aufgebrängten griechiichen, Namen der Städje wichen ohrve 
das fchon zu Ammians Zeit, wie biefer felbft e8 bemerkte (XIV. 
8,5), vor den einheimifchen zurüd, auch ver heidniſche Name 
der Hiera polis mußte ſchwinden, und es tauchte der alteine 
heimifch-fyrifche, von den Römern und Griechen nur verbrehte, 
Bambyke, als der bald herrſchendwerdende wiener hervor. Aber 
mit dieſer Veränderung ver religidfen Zuſtände verlor auch die Stadt 
ihren Glanz, ihre Einwohner, ihre Bedeutung. 

Died ergibt fi aus Procopius Kriegäberichten. Das Ma- 
gisterium orientis, oder ben Oberbefehl der Armee im Oriente, hatte 
Kalfer Juſtinian flatt eines frühern fpäterhin zweien Feld— 
herrn übertragen, davon der eine, Buzes, zur Bewachung ver 
Meichögrenze gegen die Saffaniven feine Hauptmacht zu Hierapo⸗ 
lis concentrirte (Procop. de bell. Pers. c. 6. p. 176). Aber die 
Stadt war fchon veröbet, und ald Khos roes mit feinen Perfer⸗ 
heere ven Euphrat aufwärte über Sura beranrüdte, hielt Buzes 
zu’ Sierapolis Kriegdrath, und erklärte, bei Mangel an Proviant 
und bei dem fchlechten Zuftanve der Mauern diefe Stadt gegen ein 
fo mächtiges Kriegäheer nicht vertheldigen zu Eönnen. Ex verlieh 
-alfg mit feinem auserwäßlten Truppencorps die Stabt Hierapolis, 
und ließ nur eine geringe Beſatzung in ihr zurück. Der von Con- 
ſtantinopel zu Hülfe geſandte Neffe des Kaiſers, Germanus, gab Sy⸗ 
rien preis, und beſchraͤnkte ſich darauf, die Stadt Antiochia gut 
zu vertheldigen. Doch ſuchte diefe durch den Erzbiſchef Mega von 
Beroea, einen gewandten Geſchaͤftsmann, der dem Perſerfeinde ent⸗ 
gegengeſchickt wurde, jenen mit einer Summe Goldes abzujinden. 

er Erzbiſchof traf Khosroes beim Lagern vor Hierapolis 
wilbzornig, aufgerelzt und entfcloffen, ganz Syrien und Cilicien zu 





1050 WeftsAfien. III. Abtheilung, I. Abſchnitt. 5.42, 


unterjochen. Die großen und ſtarken Mauern ber heiligen Gtekt, 
die er für gut mit Mannfchaft befegt hielt, machten momentan 
Eindruck auf ihn, und er lleß fh gegen Tributzahlung in Unte- 
Hasblungen ein, da bie Bewohner einfahen, daß ihre zu große 
YUmmauerung, die bio zu den Anhöhen reichte, für fle zu ſchwer zu 
vertheidigen fei, und 2000 Pfund Silber zum Cutſatz anbot. 
Dies gab auch dem Erzbifhof Muth, für ganz Syrien um Ede 
nung zu flehen, und enblich gelang «8, ven Khosroes zum Bes 
fprechen zu bringen, für 1000 Pfund Bold die MRömergreng zu 
verlafien. Aber vergebliche Friedenshoffnung. Nach der Ausjah 
lung des Tributs zu Hierapolis folgte Khoſroes fohuel den 
Erzbiſchof von Bergen nach und überholte Ihn noch vor den The 
zen von Antiochia in Zeit von 4 Tagmärſchen. Bon Beross, 
das halbwegt dahin lag, erpreßte ver Habfüchtige Die Doppelte Summ 
wie von Hierapolis, überrumpelte dazu noch die Stabt, plündert 
und verbrannte fie, und fegte nun feine Verwũſtung bis Anti⸗ 
dien fort. 

Eine merkwürdig abweichende Erzählung von viefer Begeber⸗ 
Belt, für welche wir nur ven byzantinifchen Geſchichtſchreiber Bre- 
cop ald Gewahrsmann befigen, gibt aus orientalifchen Our 
Firduſi, die wir ihrer Merkwürdigkeit wegen, und da fie bicher 
unbeachtet geblieben (nah A. D. Morbtmann’s handſchriftlicha 
Ueberſetzung nach dem Mſcr. der Hamburger Bibl. T. II. fol. 181 
recto) hier. beifügen. Bon Shurah (Sura) zog das PBerfaker 
weiter, biß fie vor einem anbern Schloffe anfamen, wo der Schaf 
des Kaifers war. Der Aufſeher dieſes Schapes war ein reichet 
Mann, da der Schmud ber Mömer ihm zu Gebote ſtand. * 
König (Khosroed) betrachtete das Bergſchloß (Manbedſh), weil 
ſein Heer noch nicht angekommen war; er befahl einen Regen von 
Pfeilen zu machen. Die Luft warb wie von einem Frühlingehagel 
erfüllt, welcher die Männer des Platzes dahin raffte. Darauf legte 
man Peuer an bie Stabt und Feſtung. Von ven Römern blieb 
kein Vornehmer übrig, und alle wurben zu Boden gefiredt. Den 
ganzen Schag des Kaiſers überließ Kesra (Khooroes) Dem Heert 
zur Plünderung. Gr brachte den jüngſten Tag über den Ort, uns 
alle ergriffen den Weg der Flucht. Heraus kamen Knaben, Dim 
nes und rauen zuſammen, begaben ſich zu dem erlauchten König, 
ſchreiend und Hülfe ſuchend. „Der Aufſeher jenes Schates, fag 
ten fie, iſt Dein; Du verpflanzeft ſchnell den Krieg in das Bat 
Reich. Mit reinen Herzen flehen wir Di um Gnade an, und 


Y k 





| Euphratſyſtem; Bambidfy, Hierapolis. 1051 


namen ald Deine Diener Deines Thrond und Deiner Krone.” — 
Jarauf befahl er, ven Uebrigen dad Lehen zu ſchenken. — So weit 
ird uſi. 

Bei jenem zweiten Ueberfalle des Khodroes (ſ. oben S. 995) 
s derfelben Gegend Syriens ſpielte Hierapolis ebenfalls keine 
laͤnzende Rolle als Keftungsflabt, denn Belifar gog diesmal das 
efeſtigte Lager zu Curopos als fein Hauptquartier vor, und ent« 
ot dahin die ganze Befagung von Gierapolis, nur wenig Mann⸗ 
haft in den Mauern diefer Stadt zurücklaſſend. Wirklich war 
er innere Raum, wie Procopiud anderwärts e8 deutlich aus⸗ 
pricht (de aedif. Justin. II. 9. p.237, ed. Dind.), ganz veröbet, 
ad viel zu groß, um vertheidigt werden zu köͤnnen. Don einem 
eidniſchen Tempel iſt damals ſchon nicht mehr vie Rebe; er mag 
Ingft zertrümmert und fein Gemäuer zu chriftlichen Kirchen ver⸗ 
sendet worden fein, veren Ruinen ſich Heute noch umber zeigen. 
Joch wollte des Kaiſers Bauluft den Ort erhalten; Suflinten riß 
en Ueberfluß der Mauern, fagt Procop, nieder, verengte die Um 
nauerung und gab dadurch dem Ort fehr fichere Verſchanzung. In 
er Mitte der Stadt brach eine lebendige Quelle hervor, vie einen 
Leich bildete, der in Kriegszeiten ſehr willlommen, aber Im Frieden 
iicht nothwendig war, da auch fonft von außen hinreichend Waffer 
erbeigeführt ward. Diefen Teich Hatte man durch Vernachläfiigung 
er Bäder und Wafchanflalten verichlämmen laflen; ex war zu ei 
vem Pfuhl geworben; der Kaifer Lich ihn wieder "reinigen und her⸗ 
tellen. Dies vielleicht möchte jenes jet meift trockene Baflin fein, 
a8 aber Damals wol von ven verengten Ringmauern eingeichlofien 
vard, denen es gegenwärtig noch dicht anliegen joll. 

In der Pertove der Türkenberrfchaft in Syrim umd ver Kreuz⸗ 
üge tritt nach langer Vergeſſenheit verfelbe alte aſſyriſche Name 
Bambyke, nur in feiner vulgair gewordenen Verſtümmelung, als 
Menba, Manba, Manbej, Manbenfh wieder fehr häufig 
n der Geſchichte Syriend Hervor. 

Die Altefte Erwähnung finden wir in dem Türzlich erſt durch 
Möller ebirten Liber climatum des Sheith Abu Iſhak, 9 
ver ed Manbedſh fchreibt und ald Stadt der Wüfte nennt, deren 
Saatfelder aber meift mit Korn bedeckt find. Die Zeit ver Abfaſ⸗ 





°°°) Liber climatum auctore Scheicho Abu Isshako el-faresi, vulgo 
Ei Isstachri, ed. Dr. Möller. Gotha 1839. 4. Die baudichriftliche 
neberſetzung dieſes merkwuͤrdigen Werkes verbanfen wir der gütigen 
Bereitwilligkeit des Herrn A. D. Mordtmann tn Hamburg. 


% 


1050 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung, I. Abſchnitt. $.22. 


unterjochen. Die großen und ſtarken Mauren ver Heiligen Stadt 
die er für gut mit Mannfchaft beſetzt Hielt, machten momentanen 
Eindruck auf ihn, und er ließ fich gegen Tributzahlung in Unier⸗ 
Handlungen ein, da bie Bewohner einfahen, daß ihre zu große 
YUmmauerung, die bis zu den Anhöhen reichte, für Fe zu ſchwer zu 
vertheibigen fel, und 2000 Pfund Silber zum Entjag anboten 
Dies gab auch dem Erzbifhof Muth, für ganz Syrien um She 
nung zu fliehen, und endlich gelang es, ven Khosroes zum Der 
fprechen zu bringen, für 1000 Pfund Gold die MRömergrenge ja 
verlaffen. Aber vergebliche Brienenshoffnung. Nach der Ausjah 
lung des Tributs zu Hierapolis folgte Khodr oes ſchnell vom 
Erzbiſchof von Beroea nah und überholte ihn noch vor den Ihe 
zen von Antiochia in Zeit von 4 Tagmärſchen. Don Beroen, 
das halbwege dahin lag, erpreßte der Habfüchtige die Doppelte Summ 
wie von ‚Hierapolid, überrumpelte. dazu noch die Stabt, plündert 
und verbrannte fie, und fehte nun feine Verwüflung bis Anti 
chien fort. 

Eine merkwürdig abweichende Erzählung von dlieſer Begebes- 
beit, für welche wir nur ven byzantiniſchen Befchichtfchreiber Bro: 
cop als Gewährsmann beflgen, gibt aus orientalifchen Quella 
Firduſi, die wir ihrer Merkwürdigkeit wegen, und da fie bieher 
unbeachtet geblieben (nah A. D. Morbtmann’s handſchriftlichet 
Ueberſetzung nad; dem Mier. der Hamburger Vibl. T. II. fol. 181 
reeto) hier beifügen. Bon Shurah (Sura) zog das Perſerheet 
weiter, biß fie vor einem andern Schloffe anfamen, wo ver Schaf 
des Kaifers war. Der Auficher dieſes Schapes war ein reiche 
Mann, da der Schmud der Nömer ihm zu Gebote fland. Der 
König (Khosroed) betrachtete das Bergſchloß (Manbedſh), weil 
fein Heer noch nicht angefommen war; er befahl einen Regen vom 
Pfeilen zu machen. Die Luft warb wie von einem Brühlingähagel 
erfüllt, welcher die Männer des Platzes dahin rafite. Darauf legu 
man euer an die Stadt und Feſtung. Bon ven Römern blieb 
ein Vornehmer übrig, und alle wurden zu Boden geſtreckt. Der 
ganzen Schatz des Kaiſers überlich Kesra (Khosroes) dem Heer 
zur Plünderung. Er brachte den jüngſten Tag über den Ort, uns 
alle ergriffen ven Weg ber Flucht. Heraus kamen Knaben, Män⸗ 
ner und Brauen zufammen, begaben ſich zu dem erlauchten König, 
fhreiend und Hülfe fuchend. „Der Aufſeher jenes GSchapes, füge 
ten fie, iſt Dein; Du verpflanzeft fehnell den Krieg In das römıfde 
Reich. Mit reinen Herzen flehen wir Di um Gnade an, und 








[3 
IGBGB 


| Euphratſyſtem; Bambidfh, Hierapolis. 1051 


kommen als Deine Diener Deines Thrond und Deiner Krone.” — 
Darauf befahl er, den Uebrigen das Leben zu fchenfen. — So weit 
Firduſi. 

Bei jenem zweiten Ueberfalle des Khosroes (ſ. oben S. 995) 
in derſelben Gegend Syriend ſpielte Hierapolis ebenfalls keine 
glaͤnzende Rolle als Feſtungsſtadt, denn Beliſar gog diesmal das 
befeſtigte Lager zu Curopos als fein Hauptquartier vor, und ent⸗ 
det dahin die ganze Beſatzung von Hierapolis, nur wenig Mann⸗ 
fHaft in den Mauern biefer Stadt zurücklaſſend. Wirklich war 
der innere Raum, wie Procopius anberwärts es deutlich aus⸗ 
pricht (de aedif. Justin. II. 9. p. 237, ed. Dind.), ganz verddet, 
und viel zu groß, um vertheidigt werden zu Finnen. Don einem 
heldniſchen Tempel IR damals ſchon nicht mehr die Rede; er mag 
längft zertrümmert und fein Gemäuer zu chriſtlichen Kirchen ver⸗ 
wendet werden fein, deren Ruinen fich Heute noch umher zeigen. 
Doc wollte des Kaiſers Bauluft den Ort erhalten; Juſtintan riß 
den Ueberfluß der Mauern, fagt Procop, nieber, verengte bie Um 
mauerung und gab dadurch dem Ort fehr fichere Verſchanzung. In 
der Mitte der Stadt brach eine lebendige Duelle hervor, vie einen 
Teich Hilvete, ver in Kriegszeiten ſehr willfommen, aber Im Frieden 
nicht nothwendig war, da auch ſonſt von außen hinreichend Waſſer 
herbeigeführt ward. Diefen Teich hatte man dur Vernachläffigung 
Der Bäder und Waſchanſtalten verfchlämmen lafien; ex war zu eis 
nem Pfuhl geworben; der Kaiſer ließ ihn wieder reinigen und her⸗ 
ſtellen. Dies vielleicht mochte jened jetzt meiſt trodene Baſſin feln, 
das aber damals wol von ben verengten Ringmauern eingeichloffen 
warb, denen es gegenwärtig noch bicht anliegen joll. 

In der Periode der Türkenherrfchaft In Syrien und ver Kreuz⸗ 
züge tritt nach langer Vergeſſenheit derſelbe alte aſſyriſche Name 
Bambyke, nur In feiner vulgair geworvenen Verſtümmelung, als 
Menba, Manba, Manbei, Manbedſh wieder ſehr häufig 
in ver Geſchichte Syriend hervor. 

Die Ältefte Erwähnung finden wir in dem Tärzlich erſt durch 
Möoller ebixten Liber climatum des Shefh Abu Ifhal, 9 
der es Manbedſh fehreibt und als Stabt der Wüſte nennt, deren 
Saatfelder aber meiſt mit Kom bedeckt find. Die Zeit der Abfafe 





ge) Liber climatum auctore Scheicho Abu Isshako el- faresi, vulgo 

ed. Dr. Möller. Gotha 1839. 4. Die baudiriftlihe 

— dieſes merkwuͤrdigen Werkes verdanken wir der gütigen 
Bereitwilligkeit des Herrn A. D. Mordtmann in Hamburg. 





\ 


1052 Weil An, III. Abtheilung. L Abſchnin. $,42. 


fung viefer Nachricht iſt nach Möller's Unterfuchungen um vab 
‚Sahr 920 (oder von 915 bis 921 n. Er. G.). Difenbar If dere 
aus die verftümmelte Benennung in Ouſeley's Ebn Haukal, oriental 
geogr. WO) zu berichtigen, wo (|. oben S. 930) ver Ort Menje 

_ genannt wird, deſſen Bewohner Gebrauch vom Regenwaſſer maden 
mußten; er liege 4 Tagreifen von Malatiah, 2 von Haleb, 2 von 
Samofat und nur eine vom Cuphrat; ihm im Norven Tiege die 
von Stein erbaute Brüde Saihah (Kantareh oder Kentarab, v.} 
die Brüde, f. oben S. 942), die Abu Iſhak au Saiha er 

die merkwürdigſte Bräde in ven Ländern des Islam nennt, obm 
jedoch, wie jener Text bei Ouſeley, anzugeben, über welchen Gtrem 
diefelbe gefchlagen jel. Denn möglich wäre es, daß fie auch eine Brad 
bei Manbedſh über ven Cuphrat bezeichnen follte, was wir jedeqh 
aus obigen Gründen (f. 0b. ©.941, 944 u.a.m.) bezweifeln müfen. 
Doc wird auch ſchon von dem Zeitgenofien des Abu Iſhak, nim 
lich von dem großen Gefchichtfchreiber EI Maſudi (950 n. Er. 
Geb.), die Jaſr Manbidji 4) oder die Brücke Manbedſh gr 
sannt, zu welcher der Euphrat von dem Caſtell Somaifat, das von 
Erde erbaut ſei, abwärts eile, und von Manbidji nad Balet 
(Balis) und weiter. 

Wirklich war zu Abu Iſhak's Zeiten der Ort Manbedſh 
fhon 280 Jahre in der Gewalt ver Araber geweſen, und wie ed 
fcheint, unter ihnen nicht wenig aufgeblüht. Nachdem Damas! 
im Jahr 635 n. Chr. Geb. in des Khalifen Omar Gewalt vurd 
lange Belagerung gefulen war, hatten auch Hama, Haleb, An⸗ 
tiochia und Mambegi, wie Abulfeda 2) vom Jahre 636 Ir 
richtet, daſſelbe Schickſal. I. Golius fagt, ?) daß es Obeidolle 
(er ſtirbt im J. 639) war, der feinen Feldherrn Jaſd vorqusſandee, 
welcher den Griechen und Römern Manbigz, denn fo ſchrieben «6 
nachher die Araber, in diefem Jahre entriß, nebſt pen benachbarten 
Feſten Raaban, Delouc (wol Dolihe) und Korus (Eyrrhub), 
und daß fpäterhin ver Khalif Harun al Raſhid (reg. von 786 
bis 808 n. Chr. Geh.) alle diefe Orte noch flärfer in den Marten 
befeftigte gegen den chriftlichen Grenzfeiad. Jacuti erzählt, eh 


»»a) W. Ouseley, Oriental geogr. p. 44, 47, 49, 50. 1) 
Masudi, Historic, encycl. or meadows of gold and mines 
gems, from the arab. Msc. of Al. Sprenger, Dr. med. Londea 

. 1841. Vol, I. pag. 246. 2) Abulfedae Annales M ich 
arab. J. J. Reiske, Lips. 1754. pag. 68 et 73. 2) L Geli 
ad Muhammedis Alfergani elem. astronom. p. 260. 


RS 


* 








Ehphrarfuftem; Bambidfh, Hierapolie. 1053 


derſelbe al Raſhid, ver eine Zeitlang Rakka am Cuphrat zu 
feiner Reflvenz ermwählte (im I. 804), *) Manbedſh zur Haupt 
fefte jener forifchen Grenzprovinz erhob und fie dem Ibn Ali ©. 
Abdolla, dem Abaſſiden, als Statthalter zur Wohnung übergab, 
der fie mit Prachtbauten gefhmüdt Habe. Der Stadt Manberf 
‚gegenüber ſei eine Brüde und Verſchanzung am Cuphrat, vie 
Brüde Manbedſh genannt, beigegeben, vie nicht unberühmt ges 
blieben und von fehr gut bewäfferten und fruchtbaren Fluren um⸗ 
geben werde. Died wäre demnach vie Ältefle Nachricht, vie wir von 
dieſer Anlage erhalten haben, woraus «8 wahrſcheinlich wirb, daß 
jene fpätere Berfchanzung des Geſtirnſchloſſes am Brüden- 
übergange von Manbedſh (f. ob. S. 998) nur eine Reflauration 
ber frühern Gründung des Khalifen Harun al Rafſhid's ge- 
weſen fein wird, ber fchon vor feiner Erhöhung auf den Thron, 
unter der Regierung feine Bruders DI Mahdie, mehrere fleg- 
reiche Feldzüge 5) In jenen Theilen Syriens gemacht hatte. 

Daher kannte nun auch fon Maſudi die Brüde von 
Manbedſh, und Eprifi (im 3. 1150 n. Chr. ©.) konnte, nach 
jener Hebung dur Ihn All, Menbedi 6) als eine bedeutende 
Stadt nennen, eine flarke Tagseife fern vom Euphrat, mit Mauern 
umgeben, welche die Römer erbauten. Doch iſt «6 merkwürdig, daß 
ex bier nur der Nömer, und nicht au) Harun al Raſhid's, des 
Nefkaurators, gedenkt. Er rühmt die guten Bazare der Stabt, ihren 
großen Handel, ihre Reichthümer, ihre vielen Waaren aller Art, wie 
man finde, und erwähnt ganz auf gleiche Weiſe ver fchen früher 
einmal genannten Brüde, die er aber Sindja nennt. Er gibt die 
. Entfernungen richtiger von Manbedj nah Malatia auf 5, nach 
Samoſat auf 3 Tage, nach Haleb aber nur auf einen, über den⸗ 
felben Ort nach Hemd (Emeſa) aber auf 5 Tagemärfge an. 

- Der gelehrte malatenſiſche Arzt Abul Pharaj, dort einhei⸗ 
miſch und. Zeitgenoffe ber Ueberfälle der Mongolen in Syrien un- 
ter Hulagu Khan (ſ. oben ©. 862), kennt ven Drt fehr wohl aus 
von Kriegögeichichten feiner Zeit, wo er keine unbedeutende Rolle 
fpielte. Aber ex verlegt gleich Im Anfange feiner Chronik oine fehr 
alte Begebenheit, nämlich den Sieg dea Pharao Necho im 9. 
611 vor Chr. Geb. auf feinem Zuge aus Aegypten gegen Aſſyrien 
zum Gupbrat über ven König Joſia von Juba, ben man nad 





*%) Abulfedae Ann. 1. c. pag. 167. 6) ebend. pag. 155 ete. 
e) Edrisi G£ogr. b. Jaubert, Vol. II. pag. 139. 





1054 Weſt⸗Aſien. 111. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.42. 


Herodot II. 159 am der Grenze Aegyytens zu Magdolon, ober nel 
2. 8. der Chronik 20—22 zu Megiddo auf der Ebene Einem 
in Paläftina ſich dachte, 7) noch viel weiter nordwärts zum En- 
phrat, nämlich hießer, in die Nähe von Menbaj (Greg. Ak 
bist. dyn. pag. 44). Obwol Necho's Zug gegen E Harhemis 
(Sircefium) an dem Cuphrat gerichtet war, und Abul Phami fag, 
es babe ihn Sofia Hier bei Menbaj von feinem Uchergang: 
über den Bupbrat abhalten wollen, fo muß doch vieſe Lem 
litãt des Schlachtfelves, auf vem König Joſia feinen Tod gefunden, 
auffallen, und liegt der Grund vielleicht nur in einem Schreibfchia 
Oder follte ſich von eimer folchen, andern Autoren unbekaunt geble 
benen Thatſache eine Tradition bis zu jener Zeit erhalten haha! 
An anveren Stellen bei Abul Pharaj wird Ber Ort Manbe 
(ebend. ©. 250, 277, 280, 347) etwad anberö gefchrießen. Zur Jar 
Der Atabelen und Sultan Galapins ſcheint dieſes Manbei 
oder Manbedſh nach jenem Beitgenofien eine ve Hauptfeſten 
Eyriend zwifchen Haleb und dem Cuphrat gemeien zu fein, wen 
He Harun erhoben hatte; denn viele der damaligen Eroberer jap 
tea harte Kämpfe an den Beſttz dieſer Stadt und ihres Schlofies, 
welches ausprüdlich (wahrſcheinlich ala Harunis Werk) noch nei 
derſelben genannt wird. Go belagert es Balak Bahram, a 
Ortokide, Herr von Haleb, In demſelben Jahre, in welchem vie Sum 
ten Tyrus einnahmen; er wurde aber aus ver Feſte von dam 
Pfeil getroffen und getöbtet, worauf ſich fein ganzes Heer 
Nah Sultan Salapins Tode waren es feine Söhne, die ſich da 
Beflen Telbafber, Apamea, Samifat, Raslain (Theedeſe⸗ 
polis), Saruj (Anthemuflae) bis Caſtellum Nojm (a. L Au 
Iat ol Nedſhm, dad Geſtirnſchloß) und vieler anderer bemid 
tigten, unter denen auch Man bej nicht fehlte (Hist. dyn. |. e), 
Hs auf Hulaklu, des Mongolen, Lieberfall. Diefex, nach dem deri⸗ 
fachen Uebergange über den Cuphrat (f. oben S. 2337), concnisik 
ſein großes Heer zu Manbedſh, und beflegte bier im ver grefen 
Schlacht die forifchen Heere (im I. 1259). Don da aus fanbte « 
nun mit den Truppen nach allen Richtungen feine Felbherren nad 
Maarra, Hama, Emefa, Damaskus, Marvin, Mirafa⸗ 
rekin und anberwärts ald Würgengel aus, welche mit ber in Sp 
rien zurüchleibennen Mongolen⸗Reiterei unter Cetbuga ganz & 





..) Rt mull , 
52 Refenmäller, Bible Alterthumoleade o 0.2.2 69, 


— 
* 
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ee). — [3 — — — — Pa 


Euphratſyſtem; Bambedfh, Manbedfb. 1055 


rien verwüfleten, ein Schickſal, vem auch Manbedſh nicht entge⸗ 
ben konnte (Abul Phar. Hist. dyn. p. 347). 8) 

Bor dieſen Kämpfen in Syrien um vie bortige Obergewalt, 
in denen die Muhamedaner ſeit Sultan Saladins Zeiten obflegten, 
wer im Sabre 1175 von Aegypten fam und mit flürmenver Hand 
die Stadt Manbedſh eroberte, war biefer Ort, au nach Harun 
al Raſhid's und feiner Nachfolger temporären Befig, noch nicht ganz 
der Gewalt des Briechen durch die Araberlämpfe miwunden. Mes 
kitene und Hierapolis wurven und blieben noch lange Zeiten 
hindurch mit Ihren griechiſchen Sarnifonen (f. 0b. ©. 859—861), 
wie Samofat (f. oben ©. 931) und andere, wenn auch nur tem⸗ 
porair, als ſtarke Grenzfeſten des chriftlichen griechifcyen R 
gegen die muhamedaniſchen Dynaftien im Beſitz der Beherrſcher von 
Byzanz. So fahren wir, daß ver Kalfer Rmanus Dioge⸗ 
nes:im Sabre 1069, wo der Ort noch einmal den alten Namen 
Stierapolis bei Zonaras erhält, ver feitnem ziemlich aus ber 
Erinnerung verſchwindet, ihn ven eingebrochmen Seldſchukiden durch 
einen gluͤcklichen Feldzug wiener entriß, 9) und das Schloß vom, 
nenem herftellen und befefligen ließ. Zwanzig Jahre ſpaͤter hatten 
es dieſelben Seldſchukiden wieder in ihre Gewalt bekommen (im J. 
3088); aber Tancred 10) von Antischten entriß es ihnen im Jahre 
1111, fammt ven Nachbarfeſten Haleb und Balls am Cuphrat, 
und jagte den Moslemen nicht wenig Schreden ein, bis zur Zeit 
König Balduins 1. von Jeruſalem wieder Atabeken ia Beige 
von Manbedſh kamen (im I. 1123), und es dann fpäter ganz 
in der Bewalt Sultan Saladins und feiner Söhne bis zur Mon- 
golmzeit blieb. 

Aus Abulfena’s Berichten fehen wir, daß ſich Manbedſh 
auch fpäterhin von ver Mongolen⸗Zerſtoͤrung wicht hat erholen 
können, denn er beflätigt zwar, was Ebn HKHaukal von der Bes 
wäflesung und Bruchtbarleit des Bodens umber jagt, und fügt aus 
eigner Anficht hinzu, daß ed an Aquäducten und Bärten ungemein 
reich, und befonders mit Maulbeerbaum- Pflanzungen für 
die Seidenzucht 14) befegt jei, wie dort betrieben werde, aber die 
weit umlaufenden Mauern wie vie Stadt jelbft ſeien Ihrem größ- 

e) yergl. N) 

RA Degul en ia, d. an nunen, ED II. ——— PP 

*8 ss16, 56. _ m * "Albufedae —8 Syriae ed. Koehler 

p. 








1056 We Afim, II. Abtheilung. L Abſchnitt. $.32, 


ten Theil nach verddet. Und dieſe Verddung wirb durch Ti 
murs Verheerung Syriens nur noch verflärft worden fein. 1?) 

Lebrreich ift ed aber, wad Abulfeda feiner Beſchreibung vie 
fer mertwürbigen Stadt noch hinzufügt, Die nach ihm in ver for. 
ſchen Provinz Kinneöryn, feiner Angabe nach unter 36° 35° Long. 
und 62° 50° Lat., lag: „Diefe ſyriſche Stadt, fagt ex, ward 
„von einem der Khosroe gegründet, als er Syrien er- 
„oberte; er nannte fie Manbe und erbaute dort einen 

"nBeuertempel, dem er den Ihn Dinar, aus dem Gr- 
„ſchlechte des Ardaſhir ihn Babec, zum Vorſtande gab. 
„Aus Manbe wurde in arabifher Ausſprache Wan- 
„bedj. Auch fagten einige, der Feuertempel ſelbſt habe 
„Manbe geheißen, und dadurch ſei der ältere Name dei 
„Ortes (wol Sierapolis) verbrängt worden.” 

Was Abulfeda von der Gründung der Stadt fagt, iſt wit 
wörtlich zu nehmen, fondern nur von einer Meftauration, we 
fo Häufig bei Orientalen, 23) da Bambyce fchon früher ſtand m 
den Römern erft von den Khodroern entriffen wurde. Daß daſelbſ 
en Ateſhgah, d. i. ein Pyräum, erbaut und einem SBriekr 
von Ardeſhir Babekans Geſchlechte übergeben warb, beflätiet 
auch nach TE. Hyde 2) Galcafbendi Tom. II. p. 29, und if wel 
nicht zu ‚bezweifeln, da die Saffaniven an vielen Orten ihrer Erebe⸗ 
rungen vergleichen gründeten (in Faffa, f. Erdk. VIII. S. 759, She 
pur ebend. ©. 829, bei Perfepolis ebend. S. 944, bei Aderbidſhan 
zb. IX. ©. 769, Takht i Soliman chend. ©. 1047 u. a, D.), um 
die Vorfahren Babeks, des Stifter des Saſſanidenrei⸗ 
ches, vor Begründung ihrer Dynaſtie wirklich die Aufſeher der 
Ateſhgas in Iran waren (ſ. Erdk. Th. X. S. 151). Daß mr 
Name Manbe nur durch Arabiſirung in Man begz überging, be 
ſtätigt Calcaſhendi (1. c. Hierapolis dicta est Mambe, qued 
deinde arabizatum fit Mambegz, inque ea olim fuit zugeier 
Persarum). 

Menba aber, bemerkt Golius, 15) ſei die Benennung eines 
Berjertempels, von Manba nicht verfchleven, und bei den häufiges 
Berwechjelungen des perfiichen P mit dem forifchen M (wie Mecte 


912) Cheriffeddin, Hist, de Timur b. de la Croix. T. II. ch. X. 


. 282 etc. 13) Beifpiele davon b. Assemani bibl. ot. T. I. 
ag. 28, not. 14) Th. Hyde in Itinera mundi aut. Abrak. 
eritsol. Oxon. 1691. 4. p- 42, not. sy Jac. Golü ad Al 


ferganum I. c. p. 260. 


1 4 
4 EL. 





Euphratſyſtem; Bambidſh, Mabog, Bambyfe. 1057 


einft Vecca hieß, Valbek bei Syrern Malbek) eigentlih Panbe, 
Venbe ver Perſer; daher, ſagt Alb. Schulteng, 15) die verweich⸗ 
lichteren Bambe und Bambyke ganz dieſelbe Benennung. Statt 
Bambyk oder Manbug ſei dad n häufig weggeworfen und ver⸗ 
boppelt in Mabbog, da aber bei Syrern die Verdoppelung 
fehlte, fei Gierapolis auh Mabog genannt, wie im Lexic. Isa 
Bar Ali. Des Plinius Magog fei alfo offenbar Schreibfehler 
und müffe Mabog heißen (Plin. V. 19: Bambycen, quae alio 
nomine Hierapolis vocatur, Syris vero Magog). Afo Bambe 
war der von Perſern gegebene Name des Ortes, und dieſes Wort 
überfegt Th. Hyde mit Bombyx (Bombycinum. quidris), per 
Naine der Baumwolle, wie noch heute Pambuc oder Bams 
bug bei. Türken, daher Pambuk Kaleſſi das Baumwollenſchloß, 
womit auch heute noch Die andere Hierapolis in Großphrygien Vor⸗ 
yeraUflend (Strabo XIII. 629, obwol aus ganz andern wi Grän- 
ven) bezeichnet wird 

Noch bleibt nach allen dieſen ſeltſamen Gombinationen die Urfache ber 
Benennung Bambyke ver Griechen (Baußvxn, i. e. Bombycina 
ırbs, Bombyciis copiis gaudens, n. Th. Hyde), 18) ũbereinſtimmend 
nit Bdußv:, BaußvE, zu erflären übrig (lanugo bombycina, s. 
anugo serica), wad fowol auf Baumwolle wie auf Seide 
yezogen werben kann. Wüßten wir, was die Orientalen unter vem 
Zeuge von Manbedſh (Menbegianus unde notum vestium 
genus, |. J. Golii ad Alferg. p. 262) verfländen (mwahrfcheinlich 
restis bombycina, wie bei Plin. H. N. XI. 26), fo erhielten wir 
arüber vielleicht Auffchluß. Denn daß ſpäterhin dort die Eul- 
ur des Maulbeerbaumd um der Seidenzucht willen einge⸗ 
ührt war, fagt Abulfeda mit Flaren Worten, und fehr wahr 
cheinlich wurde dieſe Eultur durch die Safjaniden erfl dahin ver⸗ 
Hanzt. Aus. früheren Unterfuchungen wiſſen wis (Erdk. Th. VIII. 
5.700 u. fi), daB erfi in der Saſſaniden-Periode die 
Zultur ves Seidenwurms in Iran und Vorderafien verbreitet 
vard, genauer aber vie Zeit anzugeben, möchte jchwierig fein. Daß. 
ie Monche die Eier des Wurme aus Serinda er umter keiſer 








20) Index geogr. in, vitam Saladini, ed. Aid. Schultens s. v. Man 
C. Ritter, über bie verfleinernde Duelle von 
ambuf Kaleffi ober Hlerapolis, im Monatsberihte der Selellie. f. 
nde zu Berlin. 1840. Jahrg. I. ©. 84-88. 
kin. mundi Abr. Peritsot I. c.; Joann. Seldeni de Di Syn 
Amstelod. 1680. Synt. II, o. 3. p. 192. = 


Nitter Erdkunde X. % x 





1058 WeflsAfien. HL Abteilung. I. Abfheit, [RL 


Yuftintan nach Europa brachten, iſt befannt (Era. IE VILLE MM, 
wäre fchon vor ihnen bie Gelbencultur vurch Gaffautven mi ia 
Boräum zu Manbe in Aufnahme gekommen, fo Hätten fe va 
freilich nicht fo weit herzuholen brauchen. Lange vor Prolmil 
Beit mar aber Hierapolis fhon die große Hanvelskatin 
der tyriſchen Kaufleute am Cuphrat nad; dem Lantein 
Seren gewelen; denn Marinus Tpyrins, vom ver me 
niſche Aſtronom folgt (Ptol. geogr. lib. I. c. 12), Jets m 
Sierapolis aus felne Stationen nad bem Rein 
Thurme (Takt i Soleiman, f. Erdk. Th. VII. S. 483, 485 1. ıl) 
über von Cuphrat zum Tigris, nach Aſſyrien, Medien, Ekbatau. 
zu ven Laspiichen Pforten nach Sekatonpolis (Erf. EU 
©. 463 n. f.), Bactrien und dann zu Den Komeden mb be 
sen genau berechnend angegeben. Alfo mag es va fen Sud 
wit feivenen Zeugen gegeben haben, von benen ja vielleicht ui 
Thon Ezechiel, R.27, auf den Märkten von Tyrus ſpricht Died 
ſchon Ariſtoteles (Hiet. anim. V. 19) das Thier Bombyı (WR 
za Beußöxıa) in Kleinaflen nennt (Bombyx frondium ve) 
weiches das feine Befpinnft macht, fo bat Doch Latreille Ip 
zeigt, daß dies nicht der Heutige Seldenwurm fein Eaun, bee 
mit der Anpflanzung des Maulbeerbaums fich verbreiten ms; 
und jene Benennung des Seide fpinnenden Inſectes Bombyz (WM ' 
Boußio, dad Summen und Schnurren des Schmetterlingh), v 
ren verſchiedene Arten von ven Alten genannt werben, mug 5B 
zufällig mit dem Namen ber Stadt Bambyce übereinfiimmn. 
Baummolle vagegen war ſchon in früheren Zeiten in Bw 
veraflen verbreitet. Herodot HI. 106 beſchreibt nach ſelner BE 
die wilden Bäume in Indien, ben äußerflen Enden ber Welt, ub 
hen vie koſtlichſten Gaben ver Erbe zugethellt find, vortrefflich ui | 
fie ſtatt der Frucht nur Wolle tragen, die an Büte und Sie 
heit die Schafwolle übertreffe, und daß fie daraus gewebte Abe 
tragen. Iheophraft (Hist. pl. IV. 7, 7 nennt ex fie dirdgen 
Zpiopöpa) beſchreibt fie eben fo unverkennbar 20) als ben Basw 
wollenhaum, ver in Indien und Arabien wachſe, und ah B 
großes Menge auf ver phoniciſchen Colonie der Infel Tyie 
CBabsrin, f. ob. ©. 39) im Besfergoffe Damals gar ut @ 





. Latreille, Coura d’ento 1831. 8. p.06-M. 


so 
—* EUER. beerieane ge ber ber Gem Ultens 2838 








ZEHNTE _ WUBrTT 


Euphratfiiftemy: Bambidfh, Bambhke. 1039 


wahrſcheinlich mochte fie aus öftlicheren Gegenden, vermuthlich unter 
ven Seleuciven, nach Syrlen verpflanzt werben; denn zu Alexan⸗ 
Ders Zelt war durch Nearchs Schiffahrt im Perſergolf exft die Aufe 
merkſamkeit des Botanikers Theophraſt, wie diefer fagt, auf je= 
nes merkwürdige Culturgewächd gertchtet, das in Vorberaflen von 


Feinem Autor früher ald einheimiſch genannt war. Strabo, ber 


«8 eben fo unverkennbar aus deſſelben Nearchs Berichten kennt, hat 
Doch noch Feinen eigenen Namen dafür (Str. XV. 693 in fin,), 
obwol ex die feinen Baumwollengewebe (ouvdörac, d. I. wahre 
Indiennesd) fehr wohl kennt, deren fich ſeit Alexanders Zeit die 
Macedonier bebienten. Obwol die Aeg ypter ſchon Iängft ihre 
koſtbaren Mumien in Baumwollen⸗Vandagen einwickelten, ſo iſt doch 
kein hiſtoriſches Datum (Herod. II. 86: totum corpus 2!) sectis 
ex sindone byssina fascũs inrolrunt) davon vorhanden, daß dort 
De Baumwolle im älteſter Zeit einheimiſch geweſen ſei. Denn 


Herodot, ver genaue Kenner Aegyptens, würde dies nicht über⸗ 


ſehen haben, pa er das Gewächs ausſchließlich in In dien, an ben 
äußerfien Enden der Welt, als einheimiſch nennt. Aber wie unter 
Seleuciden nach Syrien, fo wird unter Btolemäern viefes 
treffliche Gewächs, deſſen Gewebe durch den alten Handel mit In⸗ 
von längft dort ald Waare bekannt waren, erfi nach Aegypten 
yerpflanzt worden fen, denn dort gebaut wurbe es ſchon vor 
Blintius Zeit. Doch nur erf in Oberägpypten, wie er 
fagt, gegen die arabiſche Seite Hin, und bier Ik es, wo zum erſten 
male ihr son Romern gebrauchter, bis vahin unbelannter Name 
Gossypium ober Gossypion hervortritt (Plin. H. N. XIX. c.II.3: 
Superior pars Aegypti in Arabiam vergens gignit fraticem, 
quem aliqui gossipion vocant, plures 'xylon, et ideo lina 
inde faeta xylina). Zur Grflärung der Eigenthüũmlichkeit dieſer 
som Baume kommenden Wolle (Gossypium arboreum) and 
der Art, wie die Wolle aus dem Innern der nußartigen Frucht 
gewonnen werde, bedient fi Plinius der ſchon Alter befanditen 
Horte eine feinen, vom Geſpinnſte Bombyx hergenommenen Aus- 
pruds (ebenvaf.: Parrus est similemque barbatae nucis de- 


fert fructum, cujus ex interiore bombyce lanugo natur). Das 


ſchone characteriftiſche Wein diefer Gewebe machte fie Überhaupt 
im hohen Alterthum fehr gefucht, und alſo auch insbefondere bei 
pen as vytiſchen Prieſtern, wie Plinius ſast Ebend.: Vestes 


sı) Herodoti Musae, ed. Baeht. Lips. 18%0. 8. VoLI. p.675, not. 
&rr 2 








1069 Weſt⸗Nſien, III. Abthellung. "I. Abfchnitt. 5.42, 


inde sacerdotibus Aegypti gratissimi). Wir vermuthen aber, 
daß fie ‚auch den Prieftern der Dea Syra in Hierapolis ver 
züglich erwünfcht geweſen fein mögen, und deshalb Gewãch 
vielleicht fo frühzeitig dort, nebſt andern auf reiche Bemäfferayg 
(wie zu Malatia, |. oben ©. 855 und andern ähnlichen Orten, we ; 
der Name der Tochter Sewiram flatt der Mutter verehrt win) ge 
gründeten Gulturen, feinen Anbau erhalten Hatte. Die Gaupig 
ver Prieſterſchaften fcheinen dem Anbau Diefer Baumwolie 
(wahrſcheinlich Gossypium herbaceum) beſonders gewogen grurja 
zu fein, denn auch in Elis, bemerkt Paufanias, und zwar me 
ner Berwunderung nur allein in Elis und ſonſt ingen : 
Griechenland nidt (Eliac. libr. V. c. 5. 2: Sayudon dü 
rev ya Eidlaıziv Te Adooor, Brı dvranda uoror nr.) 
werde diefer Byſſus gebaut, was wie auß der nächſten Bergleiuyg 
mit demſelben Product bei den Hebraͤern hervorgeht, euiſchiacn x⸗ 
Baummolle war, die ja auch heute noch in Griechenland fpew 
diſch gebaut wird, damals alſo über ven Prieſterſt aat Elis p 
erft eingeführt war. Denn die Wolle in Elis war weißer, fe 
Pauſanias, nicht. gelb (Faydoͤc) wie vie bei den Ebraͤern (we ni 
‚dad Gossyp. herbac., ‚fonvern wol Bombax ceiba gebaut warn)? 
Aus alle diefem würde ſich nun für den Alteflen Namen ve 
Stadt Bambyke.ergeben, daß biefer von einer irgend einkeimifge 













‚Benennung den Namen .erhtelt, ver fpäterbin nur zufällig mit Jen / 
perfiſchen Pambe, per Selbe, und dem griechiſchen Geivengeiiuf, | ft 
‚sem Bombyx (animalculum, nerwruuuxig tela ipsa), zufemmm | 1 
‚Re, und. vielleicht eher von Manbe eine ‚Heilige, und: unkeiue | © 
gebliebene Bedeutung Haben mochte. Well aber daſelbſt die Baum | 
‚wolle in ältefler, Zeit.in ven ‚Plantagen der. forifchen Briefe ge | € 
baut fein mag, fo erhielt in der Bolgezeit die Baumwolle zur | va 
dem Emporium zu. Hierapolid ben in der Levante im M ei 
telalter perrſchend werdenden, Bewerb Namen: Bombyz, Ben | = 
bazx, 22) Bombare, Bombaffino, Bombazin, Bombay: * 
5... Bolo.(i. 06..©.269, 275), ver im ben Rreugzägen, m 1° 
Jac. de Yitriago Lib. I..c. 84, biefen, Nomen Bombage pi] © 


mit großer Beftimmtbelt yon einem dortigen Gulturgemädfe 3; 

Unterſchiede von Sericum gebraucht hat, der für Die Genbeiiud 

#28) Dav. Scott on the Sadstance called Fine Linnen in the 5 
ered Writings Jameson Edinb. Philos. J. 1837. p. 71. *’) I 

u ‚Cange Glamar, med, seri. s. v. Bambax. | 


) 





Euphratſhſtem; Bambidſh, Bambyke. 1061 


ſchon längerher bekannt geworden war. Der mehr botaniſche Name 
Goſſypium, deſſen Etymologie uns unbekannt iſt, kam nicht ſo in den 
Verkehr; und der bei Arrian auf dem erythraäͤiſchen Meere unter 
den griechifchen umd arabifchen nach Indien handelnden Kaufleuten, 
Othonium sericum (Arriani Peripl. Mar. Erythr. ed. Oxen. 
36. 6F0v10v 10 angıxov), ſcheint die Veranlaffung zur Benennung 
von Ot-hon, d. i. Muffellin (nah Dr. Vincent 2°) Hot⸗hon 
und Kot-hon), und dem modernen Cotton gegeben zu haben, 
was fonft bei den Alten nicht in Gebrauch Fam. Die Waare over. 
die Zeuge felbit erhielten alfo erfi von der Sanvelsftadt Bam- 
byce den Handeldnamen, aber nicht umgefehrt die Stadt 
von der Anpflanzung. Späterhin aber, als die Baummollen- 
eultur feine fo große Seltenheit mehr im Weften von Aflen war, 
wurde unter ven Saffaniden mit der Einführung des Feuercul- 
tus auch die Anflevlung der Maulbeerbäume (ovxanıyog) zus 
Seidenzucht dahin verpflanzt, wo nun das perfifche Pambe für 
Seide mit der alten foriichen Benennung Mambe und dem grä- 
cifirten oder romanifirten Bamb yce zufammen traf, und von neuem 
durch Wrabifirung in Manbedj und Manbedſch umgewandelt 
murde. 
Noch haben wir an die beiven Irrthümer zu erinnern, bie fi 
in den Benennungen der Stabt Hlerapolis bei Strabo (XVL 
748) und Ammian (XIV. 8, 7) vorfinden, von welchem erfteren 
fchon oben (©. 1046) die Rede war. Was den legtern Autor bes 
wog, biefe Stabt mit dem Namen bed alten Ninus zu belegen, 
welcher nur allein den Ruinen am Tigris, welche Moful gegen- 
ber liegen, von rechtswegen zufommen kann, ift und völlig unbe⸗ 
kannt. Zu bedauern iſt es übrigens, daß eine für die älteſte Ge⸗ 
ſchichte Syrtens fo merkwürdige Stadt, wie dieſe Hierapolis nad 
obigen Ergebniffen geweſen fein mag, und nur durch ſo ſpaͤrliche 
und fragmentarifche Travitionen befannt geworben ift, die mir je 
doch Hier, da biöher ein folder Verſuch noch nicht gemacht fchien, 
fo volftändig als es nur möglich war, in ihren Innern Zufammen- 
hange darzuftellen verfuchten, dem noch manche Vervolftändigung 
und Beritigung zu Ihell werden möge. | | 


%%) Dr. Vincent Comm, and navig. 4. 1807. Vol. II. p. 749. 


.. 
„a ti - « 


“ 
‘ 


1062 Weſt⸗Aſien. HL Abtheilung. L. Abſchnitt. 1.22. 


5) Ralaat on Nedſhm, vas Geſtirnſchloß, Bis zu den 
Kara Bambuch⸗Bergen, ver letzten Einſchnürung hei 
Euphratthales. 


Kalat Nes jm bei Alb. Schultens, oder Kalat Ragin 
bei Abulfeda, ſprich Kalaat on Nevfhm n.v. Hammet, ) 
das Geſtirnſchloß oder dad Sterncaſtell, hat Chesney ım 
Euphrat feiner Lage nach unter 36033 17 N. Br. und 38° 18'15' 
DR. v. Br. nad Obfervation genau beſtimmt, und ihm auf fr 
ner Karte am Dftufer gegenüber dad Zeichen einer Brücke us 
einer KRunftfirafe (Causeway) beigefügt, die wol feine ax. 
Stelle als die Anländung der ehemaligen Brüde von Rum | 
bedj (GisrMambegj b. Abulfeda) bezeichnen kann. Leider iR ver 
Zocalität, 26) mie es fcheint, noch nicht genauer unterſucht worden 
Es lag am Fuße des Caſtells, das von feiner zu den Gira 
(Mesim) reichennen Höhe ven Namen Haben foll, ein gleichnamige 
Ort, von welchem aus vie Brüde gefhlagen war. Abulfera 
nennt den Ort mieberholt, 27) ohne ihn jedoch genauer zu Beide 
ben. Er führt die Nordgrenze Syriend?8) von Balis am Us 
phrat über Kalat Nesim nach Bir, Romkalah, Samofat, Ge 
Manfur, Behesni, und von da weflwärtd nach Maraſch, Eh um 
Tarſus zum mitteländiichem Meere. Er fagt: vie größte Buie 
Syrlend gehe vom Euphrat am Giar Manbegj über Kris 
(Kurchos) bis über ven Berg al Lokkha nach Tarfus in Cilikien.?) 
Nach Kochlers Lieberfegung fol Abulfeva den Ibn Said (ver 

ſtirbt im Jahr 1274 n. Chr. Geb.) fagen Iaffen, daß zwiſchen des 
Euphrat, mo dad Kalat Nesim, und jener Brüde, nämlich dem Zeugms 
von Manbedj, 25 Mill. Entfernung flatt finde;?0) aber biefes feet 
ganz irrig zu fein, ba dad Caſtell dicht über dem Euphrat, we 
Abulfeda ſagt, in ven Wolken ſchwebt, und die Brüde ummitiefher 
an dem zu feinem Buße ſich anichließennen Orte auf Die Offee | 
des Cuphrat hinũberführte. Koehlers Angabe iſt ſicher ein Ir 
thum: denn auch ber Index geogr. in Vita Saladini s. v. Ne 
mum gibt biefelbe Stele des Ibn Said fo wieder, daß zuifien 
dem daßen und dem Zeugma Manbedij bis zur Stadt Aw . 
bedj, d. i. Hierapolid, eine Diftanz | von 25 Mill. ſei, und vami 





‚3- 


ur 3 Sonne, Matiige Türkei. Wiener Jahrbücher. Bb. XIV. 
Ainsworth, Research. 1. ce. p. 61. 
* — Tab. Syr. ed. Koehler, p. 4, 27, 33, 126, 137. 
20) ebend. ©. 4. 2°) ebend. ©. 33. 20) eben. ©. 37. 





En 5 


N 
‘ 


Euphratſ.; Kalaat on Nedſhm, das Geſtirnſchloß. 1063 


ſtimmt die Natur der Sache und auch bie Angabe des Ind. geegr., 
welche dieſe Diſtanz auf 4 Paraſangen feftelt, genau zuſammen. 
Eben daſelbſt wird gejagt, man nenne es auch Feſtung Man« 
bedi (Chesn d. I. Hösn Mambegj), ?1) aber weit edler fe 
der Name dad Geſtirnſchloß (Kalat Nesim), das zu denen 
gehörte, welche der Sultan Mahmud Zenghi erbaute (d. h. res 
Raurirte, nach Harun al Raſchid's erfter Anlage, ſ. ob. ©. 1053), 
der bier oft reſidirte, und von da fehr oft gegen die Kranken in 
Syrien Ueberfälle machte. Don feinem Bau wurden Wun- 
derdinge erzäßlt. Ueber dieſe Brüde, fügt des arabifche Autor 
- Hinzu, ſetzte man, um nad Haran (.Charrae) zu fommen, wo⸗ 
bin der erſte —— bis Tedaja (bei Alb. Schultens; Chesan 
Bataja b. Kochler, wol in ver Gegend von Thilaticomium, f. ob. 
S, 997) führte, wo man ben Saruj (d. i. der Fluß von Anthe- 
mufias, der wol iventifch mit dem von Batnae fein mag) über⸗ 
fegen mußte, den heutigen Sarudſh. Dr. Helfer, der Natur 
fosfcher von der Eupbraterpebition, fagt in einem Privatſchreiben 
von feiner Fahrt: Am 25ften März erreichte man von Ieraboles 
abwärts dad arabifche Zeltvorf nahe ver Mündung des Sad ſhur⸗ 
Fluſſes, unterhalb der Strudel des Gawurluk, wo ihn die 
Gehirgsrüden zu beiden Seiten an das Rheinthal erinnertn. Ben 
nun an folgten fruchtbare Ebenen an beiden ‚Uferfeiten, und wo fi 
weiße Kalkfelfen ven Ufern näherten, maren fie überall mit Trüms 
mern einer untergegangenen Gultur ver Vorzeit bedeckt. Die Felſen 
hatten bisweilen gallerienrtige Aushöhlungen, in nenen damals Azas 
ber hauſten. Die Ruinen einer großen Stabt gehörten vielleicht 
Geriliana an. Unweit davon falle ver Sapfhur in ven Eu⸗ 
phrat. Am 28m März erreichte man vie nach gut erhaltene, 
alte. faracenifche Feſtung Nidſhim Kalah, wahricheinlich auf ur⸗ 
altem Fundament errichtet, denn nach der mefopgtamifchen Seite 
* ſich die alte röͤmiſche Straße nah Carrhae (Garan). 
Die Araber glauben, daß von dem Caſtell ein unterirdiſcher 
Weg (alfe ein Tunnel) unter vom Euphrat hindurch nach Me⸗ 
fopotamien führe. Die Reiſenden fanden einige tiefe Bänge, doch 
Schienen viefelben nur zu Ausfällen vom Schloffe gebient zu haben. 
Don dem weißen Kreinefelfen dieſes Hohen Sterncaftells 
weitet ich hier das Cuphratbette; in defien Thalwinkeln lagert 
fi in Heinen Ebenen Alluvialbonen ab; das Land abwärts 


EEE 
st) Abulf. Tab. Syr. p. 37. 





1064 Weſteeiſten. M. Abthellung. 1. Mofgeit. [1 


wirs fanfter in feinenimriffen umd eiuförmiger. Da Sten⸗ 
ſchloſs war reiht eigentlich ale Warte gemacht, zur Beabaktm 
aller Begebenheiten in viefem Bebiete des Stromlaufs Aber md 
einmal änvert fich vie Phyfiognomie des Landes gänzki, 7 Eh. 
(18 Mi. engl:) unterhalb dieſes Caſtells, durch vie ſchwarzu 
Bambupfd (Kara Bambuch)⸗Verge, 37) weldye hier in das 
Höhe von 1200 Fuß den Strom noch einmal einfhnüurn m 
vurchſegen. Sie find die öftliche Forſetzung des tiefer im ferhte ' 
Lande gegen Weſt fich erhebennen Jibbel edh Dhayadh, wm | 
haben an ihrem Fuße gegen den Eupbrat auch Muinen, wik 
mit der Localität des alten Serrhae, am Südende der grije 
Euphrataue, zufammenfallen (j. ob. S. 1000). Die Stelle, wat 
nem Zeltlager eingenommen, wird auch Kara Bambud gm 
und erinnert dadurch noch an den Namen ver alten Bantslı 
Barum viefer bis hie her übertragen ward, iſt uns unbefamt p 
blieben. 

Die Kara Bumsud- Berge Gaben nur milb gerusie 
Räden und Gontoure; file beftehen ganz aus harter Kreire de 
Kalkftein in Lagern, mit weicher Kreide alternirend. Ben 
Euphrat fie durchſchneidet, werden ihre Mauerabſtürze interefes 
durch locale Einſenkungen im Defile, und durch Senfungen, % 
beiden Stromfeiten entgegengefeht find. Die untere weiße Kae 
der Oftfeite ift nach Ainsworth vol Echiniten, Zoophyten, Fiise 
DOftraciten und Eleiner Feuerſteine. In denfelben Klippen find Bi 

dungen jüngerer Örtlicher Anfpülungn. Im Güden ber Rarı 
Bambud- Berge beginnt das Eupbratthal nun fid zu 
weiten. 33) Die Ufer werben von den weiteſten Alluvialebea 
eingenonrmen, weldhe die Heerden ber umberftreifenden Araber ih 
ren. Niere Hügel fortgewälzter Trümmerfteine, und mädhtige er 
über hin gelagerte Kalkſteinblocke, die oft haushoch find, unterbe⸗ 
hen die einförmigen Flächen; fie erinnern an große Zerſtbrr 
perioden dieſer Oberflächen durch Waſſerfluthen. Sechs Gruna 
(15 MU. engl.) unterhalb des ECuphratpaſſes durch die Kara Ben 
buch» Berge, deren alternirenve harte und weichzerreibliche Gebicz 
lager biß zu 800 Fuß Höhe emporfteigen, zeigt fih auf der Wef- 
fette des Euphratufers ein hoher Berg gleicher Art, ven aber cm 
Schicht verhärtster Kreide überlagert; er heißt Sheik Hera 





u Ainsworth, Researches 1. c. p.6l. *) Ainsworth, Rescarch 
. & 2.8. et 


Enyhratſyſtem; Balis, Barbalifus. 1065 


(Arudi der Karte, In ver Nähe wo Arimera over Apammaris, 
f. ob. S. 1000), genannt von dem Grabe eined muhamievaniichen 
Sanctus, dad auf feiner Höhe liegt. Ihm gegenüber, auf der lin⸗ 
fen mefopotamifchen Selte, fleigen vie weißen Klippen auch noch ‚bis 
800 Fuß auf; dann aber ſenkt ſich die Fläche allmählich fufenmeis 
gegen Sib hinab, in bie große ‘Blaine, die an der Nordſeite ver 


nun fon beginnenden Oſtwendung des Euphrat, Balis (ſ. oben 


S. 10) gegenüber, liegt, auf welcher (bei Tell Marabut, we Sar- 
nuca b. Ptol. f. ob. S. 1001) ver zahlreiche Stamm bee Beni 
Berkahals Araber feine Lager hält. 


6) Balis (Barbaliſus), Baulus, die Fah⸗Quelle, der 
Daradar- Fluß. Das heutige Bales auf der Natur⸗ 
grenze an der Oftwendung des Eupbrat. 

‚Auf der weftlicden fyrifchen Seite, che der Eupkrat noch 
an den Hohen Klippen von Bali, die ihm feine Grenze 
gegen Süden ſetzen, und ihn endlich von mitteländifchen Meere 
ganz weg gegen Oft hinüber drängen zum Perfergolf, iſt ein Kleiner 
Zufluß zum Guphrat, der letzte aus Syrien, ver Abu Ghalghal 
(auf Rousseau’s Carte de la Syrie) genannt, der nur 7 Stunden 
fünwärts von Sheik Harudi durch einige fleile Klippen, die Balls 
überragen, eine Hemmung erleiven fol, und von Aindworth für 
ben antiten Aapdduxos, Daradar (Toü Aupdnzos norauov 
Xenoph. Anah. I. 4, 10, auch Dardes, f. ob: ©. 10) gehalten 
wird, an deſſen Norfeite der Einmündung dann die Eragiza bei 
Btolem., oder Eraciza der Tab. Peuting. (f. 06. &.1000) gefucht . 
werben mußte, in deffen fünlicher Nähe aber die alte Barbalifus 
lag, wie das heutige Balis noch Tiegt (f. ob. ©. 10 und 241). 
Shon Mannert bemerkt fehr richtig, *) daß die einzige Stelle 
bei Zenophbon von ver oben bei Gelegenheit dieſes Ortes vie 
Rede war, hinreichend zeige, daß dieſe Gegend nicht zu allen Selten, 
wie in den neuern, eine Wüſte geweſen. 

Wo die Klippen eine ſtarke Stunde im Norden des heutigen 
Caſtell Balis den ſyriſchen Uferrand des Euphrat erreichen, ſtei⸗ 
gen fie bis zu 143 Fuß ſenkrecht empor; hier macht ver Cuphrat 
die Hauptkrümmung gegen Oſten, und bildet einige In⸗ 
ſeln. Gier an der Station, melde bie Dampfſchiffahrt⸗ 





u Ban, Geographe ve. Griechen — mad Römer &. VI. l. 


—8 


- 
w 


1066 Wefl-Afen. HIT. Abtheilung. I. Abſchnitt. $,22, 


expedition nahm, wurde durch Obſervation die Lage beflimmi 
auf 36° y’ 2" NBr, und ‚38° y 10%” DR v. &r. 
Ainsworth ?5) bemerkt, dieſe jenfrechtse Kreideklippe non 
Balis- zeige von oben abwärts erſt ein Lager, 20 Fuß mäckig, 
von Trümmern von Beuerflein, Kiefel und Sanpflein ; darunter eins 
Schicht, 3 Buß mächtig, von tiefrother, mit dunkelrothes 
Adern durchzogener, Kreide, fheinbar in Säulen zerflüftet; barız 
ter ine Schicht, 2 Fuß 2 Zoll mächtig, von weißer Kreide, 
dann eine Schicht, 3 Fuß mädjtig, von braunem Mergel und Kreke; 
darunter eine nadte Kreidemauer von 55° Mächtigfeit, herm 
Fuß noch 60 Fuß tiefer hinab mit einer Bdoſchung ˖ von Schau⸗ 
kegeln zugededt ſei. So ſei hier die Natur des Bodens; im Nor⸗ 
den von Balis ſei daz ganze Land mit Kreideklippen auf ans 
Ioge Weiſe überlagert,. aber. von bier an zeige ſich Die Tendenz; 
zu einer neuen Formation bed Bodens, melde num Ye 
flache Gebiet des abwaͤrts liegenden Mefopotamiens characten⸗ 
ſire. Der Kalkſtein trete von bier an nad und nach une 
neuen hemijchen Verbindungen hervor. Diefelbe neue Ber 
mation, die bald eine unermeßliche Entwidlung gewinm, 
fei bier nur noch engumfchloffen. Obwol gleich anfangen 
Don ihr gewdhnlih zugehörigen Mergellagern begleitet, 
zeige fie bier doch noch Feine Spur von Süßwaffermufgeln, 
obwol bald iu ihr dieſelben übrigen Chargetere, wie in andern Lin 
vorm der Erde, auftreten. 

Die nun in Süden und Südoſten von Balis folgende 
großen Alluvial⸗Ebenen des untern Mefopotamiens, wei 
einen großen Theil des Euphratthales weit abwärts ſeines Laufek 
einnehmen, werben von ben Urabern mit dem chararteriflifchen Ro 
men Hawi 6) bezeichnet, das heiße Alluvialebene Die nähe 
fen Hügel abwärts von Balis, auf dem fühlichen ober arabiſche 
Ufer des Euphrat, find die Abu Bara. Abul Rarra hießen fe 

bei frühern englifchen 37) Reifenden, wo das Hgus eines Gheifft 
fand, und dabei bie Ruinen einer Stadt angegeben wurben, 
von denen im Sabre 1691 jedoch nur noch ein quabratifger 
h ur and orbinären adpeium erbaut, ſtehn geblichen, aber 





ns5) Ainsworth, Researches l. c. p. 64. 8°) Gbend. 6 es. 
37) Extract of Journals of two Voyages of the Euglish Mer- 
'chants of tie Factory of Aleppo to Tadmor or Palayraz . is 
Philosoph. Transact, Nov., Dec. 1685. Nr.218. p. 18% :_. 








v yonınıwee — 


Euphratſhftem; Balis, Barbaliſus. 1067 


gut erhalten war. Weſtwärts von ihm ſah man alte Felſenhoͤh⸗ 
Iungen, der Winteraufentbalt ber im Sommer am Cuphrat umher⸗ 
firdfenven Tribus. Sie heißen Abu Herarah auf der Chesoney⸗ 
ſchen Karte, find mit Gypobänken überlagert, und cin Berg ähn⸗ 
licher Structur auf ver nörblich gegenüber liegenden mefopotamifchen 
Seite ift derjenige, auf welddem die Ruinen des Kalat oder Ca⸗ 
tells Jaber (f. oben S. 241) liegen. Died ift der Anfang neuer, 
nun anhaltender Bildungen. Diefe Bergreibe ver Abu Bara, wie 
auch. Atnswortb bemerkt, durch manche Ruinen und Thürme aus 
frühern Zeiten ausgezeichnet, find Tafelberge, deren obere Flaͤchen 
mit Oypslagern, meift in Horizontalfchichten, überzogen find. 
Aber an ihrem Südoſtende Haben viefe auch ein ſtarkes Fallen, im 
Winkel won 80° gegen S.D., wahrfcheinlich Hier nur ein Iocaler 
Einſturz. Die Formationen auf dem Linken, oder meſopotami⸗ 
Ichen Ufer zeigen ähnliche Irregularitäten. Dad Kalat Jaber 
fleht anf einem foliven Gypsaboden, der nach unten mit Mergel- 
und Gypolagern wechſelt. Die Mergellager zeigen bier num 
ſchon einen großen Reichthum von vielen Süßwaſſermuſcheln, 
dig fie einſchlleßen (zumal Cycladeen). Der Gyps iſt ſchmutzig weiß, 
grobkornig mit Inolligen Menilithen (eine Opalvarietät), blätt⸗ 
rigem, Befellgen Gyps, vie Mergel find ſtrohgelb, und gehen durch 
verſchiedenfarbige gelblich-bräunliche Abſtufungen. 

Die Veränderungen, in welchen hier die neuen Bodenver⸗ 
haltniſſe welter abwärts auftreten, zeigen ſich noch deutlicher im 
Vergleich zu denen, weldge den obern Gupbratlauf von Taurus am 
abwärts bis Baltd und Kalat Jaber begleiten. 

Ainsworth fagt darüber folgendes zur Lanbesfenninig Kies 
her Sehörige: 

Im ganzen Eupbratlaufe von Samoſat bis Feludſche (f. 
oben S. 969) zeige ſich intervallenweife, in größeren ober klei⸗ 
nern Räume, ein Gebilde von Xransportmaffen, 3) 
als Kies, Kiefel und Steinblöde, deſſen Ablagerung, Gnt« 
widlung und allgemeine Vergefellichaftung mit andern Erſcheinun⸗ 
gen ſich entſchieden als ven Iehten Niederſchlag einer Wälzung- 
im Eupbratlande manifeſtire, vie jeboch keineswegs ber gegenmwärtis 
gen Wirkungsweiſe des Eupbratfgftems angehöre, ſondern auf eine 
frühere Fluth Hinwelie. 

Im obern Blußthale beftche dieſes Gebilde ver Trans 
portmaffen aus Kiefeln cxyſtalliniſcher Gebirgaarten, wie aus Gere 


20) Ainsworth, Res. I. c. p. 93. 





! 


1068 WelsAfen. II. Abthellung. I. Mbfceitt, 1.22. 


pentinen, Serventin und Aibit (eine feldſpathartige Suhkan;), 
ans Diallage, Diorit (Grünſteine), Jade, Bafalten uns cam 
großen Menge von Duarzen und Jaspis. Im mittlera % 
ſtricie des Cuphratthales beftehen diefe Transportmaſſen meiſt and 
Feuerſteinen; in ben unten Diſtricten und am Anfange ir 
Hawi oder Alluvialplainen find es mehr Keuerfleine mit Heinen 
Bypsfragmentem Die obern kamen wol von ben Taum- 
ketten, die in den mittlern und untern Regionen ans den I» 
Ingerungen berjelben, vie. fi Überall in ihrem Vorkommen nad 
weifen laffen. : Dabei treten noch folgende locale Berändsın- 
gen hervor. 

- Be Bir und Wort Will iam iſt dies Gonglomerat oder Wi 
Breccie dieſes Trümmergeſteins mit einer Formation vorher 
Thones begleitet, oder mit einem Boden aus zerfegtem Jatyik 
geftein, das ihm die rothe Barbe gibt; eine Schicht, bie hoͤchſent 
bis 30 Fuß mächtig wird, aber auf Klippen liegt, vie ſich jet 
an 200 Fuß über dem Heutigen Eupbratjpiegel erheben. Sie fin 
eine jüngere Ueberdeckung des alten Trümmergeſteins, wol bie Wir 
ung zweier verſchiedenen Wafferfluthen, aber unmöglich nes Pre 
duct einer ueherſchwemmung, etwa eb heutigen Crphratweſe⸗ 


ndes. 

gZwiſchen zen Baltis (Baitis if den Araber vie weile 
Königin von Saba, weldhe König Salomon 39) beſucht haben 
ſoll, von deren Thron man auch In Damaskus Antiquitäten ®) 
zeigte), dad wir oben nannten (f. ob. ©. 944), und Bir, we die⸗ 
fe8 Breccienlager reichlich entwidelt. wie ein Dach den Rdn 
mehrerer Kreiveflippen: überdeckte, ift über dieſes und ven reihen 
| Thon noch eine undre Schicht, von Kalkſtein Überlagert, die zwar 
+  Xrandportmafle von der benachbarten identiſchen Kalkfteinformatie 
AR, aber aus nicht gerundeten, ſondern noch edig geblichenen 
Böden beſteht. Diefe Kalkfteintrümmer find fehr groß; einige fe 
gar 4 Fuß did und 12 Fuß lang. Nur ganz befonvere Iocals Ir 
fachen konnten fie hieher verfegen; vielleicht, meinte Ains worth, 
fiche ihre Verbreitung mit einem ploͤtzlich veränderten Nlvean bei 
Eupbratfpiegeld im Zufammenhang.. Uns reicht ver ton, vai 

Factum zur Characteriſtik des Landes Gin. 





3 J. Golii ad Alfergan. p. “°) Ibn Al v im Ber 
geogr. b. Koebler, Tabul. Bir. Abalf. p. Ns; ie 
Alferganum L c. p. 87. 








IBM 


.. .Euphiatfyſtem; Balis, Barballſus. 4069 


Die Breccie zu Tell Baltis, Port William MS zum 
Sheik Ibrahim, zu des Sanctus Ziyaret und weiter abwärts 
iſt wiederum durch ein Kalkcement zufammengebaden; vie Schichten 
And meiſt horizontal, nirgends mit flärfern ald bis 10° gehenden 
Regungen ; ausgenommen bei einzelnen localen Einftärzen. 
Zwiſchen Bir und Balis, in der Nähe des Shell Harudi⸗ 
Berges, find ‚einige. niedre Hügel aus derſelben Vreccie auf dem 
Unken Euphratufer, welche mehrere eolofjale Transportbläde in eckt⸗ 
. gen VFormen dieſer Art tragen. Einer derſelben von 15 Fuß im 
Duadrat, und eben fo hoch im Cubus, ift in eine Kammer mit 
Eingang ausgehauen, gleich einem aegyptiſchen Monolith- Tempel. 
Micht weit davon, im Norden auf dem Kreideboden des rechten 
uUfers, wiederholen fich ſolche rieflge Maffen, vie gegen eine halbe 
Stunde in graber Linie fortziehen, was den Cindruck einer Akt 
Fanftlicher ‚Eonftrurtion (etwa nach Art einer Tenfelomauer am 
Harz) gibt. 
Eine gute Stunde: im Norden nun, an ben hoben Klippen ı von, 
Balis, wird die Breccie zu einem Fiefeligen Grus (sili- 
ceous Grit) mit ſchiefrigem Sandſtein ober alternirend mit 
EonglomeratsLagern, weldhe ſowol die höchſten Uferflippen am 
rechten Cuphrat überdeckt, ald auch vie ganze niedere Plaine, 
‚vom Euphrat bis Hin el Zeheb, in ver Nähe von Haleb, 
‚Übersicht. Bis hieher konnte Ainsmworth vie obern Xransporte 
maflen von dem Tauruszuge und feinm Anlagerungen herleiten; 
von Balls an aber, und in ber weiter abmwärtd ſüdlicheren Ver⸗ 
‚breitung treten vorherrſchende Subſtanzen auf, die nur ein Reſultat 
‚der -Berflörungen von Lagern der obern Kreideformationen 
fein. koͤnnen, zu denen fich auch bald aufgelagerte fchwarge Bafalt« 
blöde geſellen, die auf ganz andere Localverhältniffe hin⸗ 
weiſen. 
Balis- ober Beles liegt daher in jeder Hinſicht auf einer 
merkwuͤrdigen Naturgrenze, die zugleich eine hydrographiſche 
durch die Oſtwendung des Stromes genannt werben muß, wo⸗ 
Dusch von jeher bier auch eine Völker- und Staatengrenze 
omtfichen mußte. Eine Staatengrenze: denn bis in dieſe Ge⸗ 
gend um Thapfſacus ging das ſalomoniſche Reich, das aſſyriſche, 
daß palmprenifche, vie Gerrichaften von Damascus; hier war 8, 
wo auf dem Schlachtfelde von Saiffin (f. unten) im. 7. Jahr⸗ 
hundest ‚ver Kampf zwiſchen den Ommajaden und Aliden auf: dem 
Grenzgebiete zwiſchen Syrien und Irak entfchlenen ward. Balis, 


! 
— u 





1070 Wehen. TIL. Abcheilung. I. Abſchuit. ‘0, 


fagt Abulfeda, fel ber erfte ſyriſche Ort, den man tere, wen 
mn aus Irak und Arabien zum Cuphrat mad EI Ehen tum 
Eime Bällergrenze: denn bis hieher reicht von Süden un Din 
die Geſammtbevdlkerung des Landes Burg arabiſche Bi. 
terftämme noch heute; weiter nor dwärts bringen einzelne he 
Borden zwar auch noch vor, aber nur ſporadiſch, und nit mer 
ala Bebuinen oder Kinder ver Wüſte, ſondern als Ange, 
Fellahs, und ſchon untermifcht von T urfomancen- Gtänmen, 
Die ihnen den ausfchlieflichen Beſiz von Ober⸗Syrien von jch 
ſtreitig machten. n | 

Wir haben ſchon oben ven Parallel von Bir alt ie ie 
herſte nördliche arabiſch⸗türkiſche Sprachg renze angeghn 
(. oben ©. 1036). Zwei Stunden unterhalb Bir hat noth ie 
Zurlomanen-Gtamm der Howadſhe %4) Weg vom ven ke 
tigen Flußinſeln im Euphrat, uns Turtomamen find die Bir 
bauer an beiden Uferfeiten. Aber 14 Stunden unterhalb Bir, 
am zechten Cuphratufer, alfo unterhalb der GSarunfbmündzng, 
wo noch Turkomanenflämme bie Obergemalt Haben, füngt ber ara 
bifche Tribus der Subha an fh auszubreiten, und 14 Cm 
den weiter abwärts, alſo im Suͤden der Kara Bambuch, beritet Mh 
nun auch auf dem rechten Ufer ver Stamm ver Beni Gaib⸗ 
und Anazeh⸗Araber als ver vorherrſchende aus, wer DIE Kalt 
Siaber ver herrſchende bleibt. Ganz wie die Arabes Scenitse 5 
Plinius Zelt. 

Sir zu Balis, ſagt Colonel Chebney, wo einſt ber Ham 
des alten Beroea war, und ber Strom fly vom wittellänkiiges 
Meere abwendet gegen das indiſche Meer, ift er vorm dem erflse, 
in gleichem SBreiteparallel, in directer Difdanz noch 25 geogr. A 
(1254 Mil, engl.) in der Richtung über Haleb nach Sucdich we 
Jskenderun, was gleich weit ift, noch etwas weniger, Beine volle 4 
geogr. Meilen (1194 MU, engl.), entfernt. Aber an einer Etefk, 
4 kleine Stunden (9: Mi. engl.) im NW. von Port Willten, 
zu Urum (Caſtell Graum auf Col. Chebney's Tuphratkarte, wel 
ein Schreibfehler ſtatt Ur um, weöhalb auch oben ©. 944, Zeile 1 
von oben, Gaftel Graum in Gaftell Urum zu verbeſſern iR, we 
bush dann auch S. 940 pie Stelle fürUrma Giganti, Urems 
und Urhum wiebergefunnen zu fein ſcheiat), was ex dem miärk 





* R ts fram the Bel. Comm, of Steam Navig. L e. 
X. & Int. Choeasaay Very. %. St. An 








Eupbratfuftem; Balis, Baubalifus. - 1071 


lãndiſchen Meere ſchon um etwas näher, nur noch 19 geogr. M. 
(983 M. engl.) von ihm abfichenn. Sein Lauf iſt alfo von va in 
mittlerer Direction faft nord-fünwärtd, nur mit geringer 
öftlicher Abweichung, anzufehen. Nun verläßt der Strom bie 
Hemmungen feiner Hohen Ufer, und tritt in das mehr flache 
Blahfelb Mefopotamiens ein. 

Vom Bluffe Daravar Haben und die alten Autoren nicht 
mehr überliefert, als was fihon früher (ſ. ob. ©. 10) varüber aus 
Xenophon mitgelheilt if; and von Balis (Belefys) if oben vie 
Identität mit Barbarifus bei Piolem. (Barbaliffo der Tab, 
Peut. und Barbalifus nach Proc.) nachgewiefen worben (f. oben 
&. 1000), und daß es von Kalfer Iuftinian als ſyriſche Brenz« 
fefte aufgebaut wurde, daß es zu Albufeva’s Zeit ein Emporium 
wer Syrer am Euphrat war; aber dieſe Nachricht Hatte Abulfeda 
aus feinem. Borgänger, vem Ebn Haukal, entlchnt; denn Ab 
Iſhak, #2) zu Anfang des 10. Jahrhunderts, fagt ſchon, Balis 
fel eine kleine Stadt am Euphrat, die erfle Stadt Syriens, 
wenn man von Irak komme, welche ven Syrern ald Emporium 
am Euphrat diene. Weſſeling hat den früheren Irrthum wider⸗ 
Iegt, #) dieſes Barbarifus mit Arabiffus in Armenien zu verwech⸗ 
feln. Zu einer Zeit, da, wie fich aus der Notitia dignitatum er» 
gibt, die Grenzbeſatzungen des romiſchen Reiche in Euphratefla DIS 
nah Callinicum (Rakka) und Eirceftum*t) reichten, mußte auch 
vie Feſtung Barbartfus, wenn ſchon nicht groß, doch als Sta⸗ 
tion der Equites Dalmatae Illyricani unter dem Dux Syriae im 
Drient von Bedeutung fein; ihm Tagen bie bebeutenden Orte Thap⸗ 
facus im Often zur Seite, Sura und Rakka (damals Kallini- 
tum) ſchräg gegen N.O. auf der andern Seite des Euphrat, das 
Gaftel Jaber ward erft fpäter, doch zunächft am Cuphrat gegen- 
über, errichtet. Was bei Abu Iſhak und Abulfeda als ein 
Emporium überfeht wird, fagt Bolius, 4) ſei eigentlich ein 
Forda, d. i. Portus, alfo ein Schifferhafen der Syrer gewe⸗ 
fin, von wo aus fie ven Euphrat abwärts nach Aſſyrien fchiffe 
ten. Do bemerkt Jakuti, es fe der Cuphrat etwa von ber 
Stadt Balis gegen den Oſten zurückgewichen; zu feiner Zeit 





*°) Liber climatum auct. Abu Ishac al-faresi, volgo El Issthachri, 
ed. Moeller. Gotha 1888. 4. pag. 34. 62) Itin. Antonin. ed. 
Wessel. p. 181, 188 not.  **) Notit. dignit. b. Paxciroll, ed. 
Venet. 1608. p. 97 a. und p. 06a. “8) Jac. Golius ad Alfer- 
ganum 1. c. p. 258. 





1072 Wefl-Afien. M. Mtheikung. 1: Abſchnitt. $.22, 


zu Anfong des 13. Jahrhunderts (Jakuti ſtirbt im I. 1229 nut 
hr. Geb.), fiche der Cuphratſtrom Davon 4 Wil. mel ab. Bi 
von Syrern wurde ber Ort Balas genannt, wie fich aus da 
Stelle wer Patriarchae Jacobitarum ex chronico Gregorü Bar 
Hebraei ergibt, wo dad Klofler des Ananias %) genannt win, 
das zwiſchen Balas und Kallinitum gelegen war, we Beim, 
dea Paulus Kalinifus Soßn, zum Patriarchen geweiht wars (m 
3..889); auch ift KdHler’s Conjectur 7) möglich, daß unter im 
Nia Baltvua deb Hierocles in Synecd. p. 714 bei Weſſel Neid 
Eupbratcaftell zu verfichen wäre, denn von einer Valentu 
iſt Hier fonft nirgends die Rede und bie Lage von jener fon vl 
unbefonnt. | 

Abulfena bemerkt noch, daß Balis faſt in ver Mitte ar 


fhen Rakka und Haleb liege, da .ed von jenem 13, von um 


15 Barafangen entfernt fe. Noch vor Jakuti's Zeit wi in 
Feſtung Balis unter demſelben Namen, der als der ältehe eiche⸗ 
miſche wol die gräcfixte Benennung Barbalifus überbaumk, 
auch einmal in ver Periode ber. Kreuzzüge erwähnt, wo ver file 

Tancred ald Prinz von Antlochia im I. 1111, nachdem er ud 
Manbedj erobert Hatte, bis zu biefer Befle mit gewaffneter Sem 
vom. Bupbratlande Befig nahm, und von Balis 48) aus alle Ra 
barn in Schreden feßte. 

Vor dem Anfange des 18. Jahrhunderts war noch einmal we 
Aufmerkfamkeit auf Balis gerichtet, als verfchieune englifche Kauf 
leute auß ver Bactorei zu Aleppo wieberholte Reifen burch bie Kalk 
zur Entdeckung ber bis dahin unbefannt gebliebenen Pracktruise 
von Zabmor oder Palmyra machten, und gewöhnlich von d 
ihren Rüdweg nordwäris zum Cuphrat und über Balis jurid- 
nahmen, das fie Baulis fchrieben. Nur aus bem Bericht da 
einen Reifegefellfhaft, vom Jahr 1691,%9) erhalten wir einige 
intereffante Belehrung über dieſes Bali, vie aberleiver Erine Nude 
folge gehabt Hat. Der damalige Emir (er wird immer König 
genannt) der dortigen arabijchen Tribus, welcher in ber Nähe en 
Balis fein Hauptlager Hatte, Aſſyne genannt, ein ſehr verkis 
diges und auögezeichnetes Oberhaupt, hatte die Raubhorden ber Be 
buinen, welche zuvor jeben Zugang der palmpreniichen Oaſe fat 


% 





.?®*) Assemani bibl’ orient: T. IL p. 332. “T) Köhler in Abel. 

: Tab. Syr. p. 130, not.250. :':**) Degsigues, Geſch. dv. Human, 

- UB Sa8. - «0 Extrant o Journals 1: c. in Philesophical 
Tranaactions, Now., Dec, 108, . nA, . | 





| 
% 


. Eupbrarfoften; Bas, die Fay⸗OQuelle. 1073 


anmdglich ober doch höchft lebensgefährlich gemacht Hatten, zu ſtren⸗ 
zer Zucht gebracht, und fland in Freundſchaft mit dem Paſcha von 
Haleb und der britiſchen Bartorei. Unter feinem Schutze wurden 
Balmyras Palläfte und Tempel zum erftenmal gezeichnet und 
vefien Infcriptionen eingeinmmelt, Nach dort beendigtem Bew 
&äfte Tchrte man im October won Palmyra auf dem Wege 
jegen Nerven in 5 Tagmärfchen zum Cuphrat zurüf, und ges 
angte am Abend vieles 5. Tages an dem Caſtell Jiaber vorüber 
u ben obengenannten Grotten von Abu Bara, und lagerte nahe 
m Guphratufer. Bon da wurde ver Rüdweg weftwärts nad 
Aleppo genommen. Am 13. Dctober ritt man von Abu Bara 
mmer am Sübufer des Euphrat hin durch Tamariskengehölz, big 
nan nach 6 Stunden Wegs vie Ruinen von Balis (Baulus) 
ah, wo früber ein Sandſhak der Türfen gewefen war. Damals 
1691) war der, Ort ohne Einwohner, felbft ohne Käufer. Nur 
inen fehr hohen ahtedigen Thurm bemerkte man, zu dem 107 
Stufen hinaufführten; er war Eunftreicher gebaut, und an der Au⸗ 
jenfeite mit Blumengewinden und arabifchen Infcriptie« 
ven ornamentirt, die ringöumber Tiefen; ein ſehr fchöner Bau, 
vahrfcheinlich, meinte man, aus ver Zeit ver Mameludenberrichaft 
wol feit Sultan Saladins Zeit im 13. Jahrhundert). Nur we⸗ 
ige Stunden weflmärts von Balis fegten bie Reiſenden, noch am. 
Rachmittage deſſelben Tages, ihren Marſch fort, um die Duelle 
Kay zu erreichen, an weldyer ver Emir der Araber, Aſſyne, 
ein großes Lager hatte; man behielt auf nem Ritt dahin Immer 
ven Lauf des Euphrat im Geficht, und erreichte das Lager, das 
twa eine gute Stunde zu reiien vom Cuphrat entfernt Ing. Hie⸗ 
yurch Iernen wir die Zocalität jener Quelle Eennen, Die Rennell 
für den Daradar des Xenophon gehalten bat (f. ob. S. 10), einen 
Flußlauf, den Roufſeau's Carte de la Syrie mit dem Namen Ghal⸗ 
hal bezeichnet. ine fehr weite Plaine, unabfehbar mit Araber 
Zelten bedeckt, breitete fi hier aus. Die Zelte des Häuptling 
handen in der Mitte, an einem Wafferlaufe, der aus einer fehr 
reichen Duelle, Hay genannt, durch die Mitte des Zeltlagers ab⸗ 
Aoß, deſſen Bewohner ſich ſtolz die Söhne Isracld, Sohn Abra- 
hamd,snannten. Hier mußten bie Fremden einen Tag unter gaſt⸗ 
lichen Schmaufersien und Falkenjagd verweilen. Don ba Tonne 
in 2 Zagen bequemen Nitted von 7 und 8 Stunden, über Seray 
und Sherby, die Stadt Aleppo am Morgen des dritten erreicht wer⸗ 
ben. In neuerer Zeit blieben die Namen Fay wie Daradarx unbes 
Ritter Erdkunde X. Dyy 





1074 WeftsAfen. II. Abtheilung. L. Abquit. |. 


kannt. — Unftreitig war ed bier im der Nähe, wo yes Gtaikehe 
Beleſys Palak und Park vom Cyrus dem Jünger yrükt me 
den war. 






V) Kalat Jiaber ([prih Eaftell Dſhaber, oder Dſhabn 
n. v. Sammer); früher Kalat Dauſer (Dauxrat 6.3.% 
Uns); Siabar oder Giabar 5b. Abulf.; Dgiabar b. 9%: 
suign., Galo genbar b. Witt. Tyrius. — Das Egli 
feld Saffain (Gfefin oder Siffin). 


Der erſte Dit, etwa 10 St. abwärts Balis, von vn it 
einige Daten erhalten, If das Kalat Jiaber, Caftell Pike 
ber, das nach Ehesney’s Obſervation unter 35° 57’ RI. | 
3’ 32 7" D. 2. v. Gr. liegt. 

As das Dampfihiff. vie Gegend des Kalat on NReofke we 
laffen hatte, fagt Dr. Helfer, gerieth e8 am 31. Mär; uf da 

Sandbank, und mußte lange auf berfelben verweilen. Gi a 
19. April gelangte man nah Balls, das 16 Stunden Nırt m 
Aleppo entfernt liegt, mo man einen Monat bis zum 17. Rd 
ſich aufbielt, um mancherlei Unterflügung und Vorräthe von Am 
abzumarten: denn von hier an begann die Fahrt durch vie Viß 
wo man fi nur auf vie eignen Borräthe verlaffen fonnk. 3 
Bales oder Balis, das Maſudi Balos nennt, nah Ara Ih 
2 Tagreiſen von Halcb, nämlich im Pferderitt, denn bie Kara 
braucht dazu 4 bis 44 Tag Zeit, 5) fand man nur ned day 
bauliche Ueberreſte der Vorzeit, unter -vem Chesney and ein Fb 
naret nambaft macht, von dem wir ſchon oben gefproden. E 
tft zu erwarten, daß mir durch die Specialberichte der Thrilnder 
an der Guphraterpebition über dieſe Gegenden bald noch gensm® 
Mittheilungen erhalten werben, da es wenigſtens nicht an Zip 
feßlt Hat, in dieſer fo wenig befuchten, für ältere Anflevlung fe 
intereffanten Gegend Excurſtonen in der Nachbarfchaft zu med, 
um bie dortigen Vorkommniſſe felbft einer genauern Prüfung F 
unterwerfen. Nur fürdhten wir, daß die Anazeh auch damals Mi} 
Gegend nur zu unſicher machten. 

Die Waſſerfahrt ging nun, von Hier ſchneller, zunächk ver 
üppige Ebenen. Die zahliofen großen und Heinen Auen ds 
Hlußinfeln, die von Balit abwärts bis Kalat Jiaber nicht ab 


AEMA AS n[_.L 2 nn a m 


> 
ms 
— 








ITKOPIB ZSÖLIAIE RT N 





»89), Report \. c. App. 2. WW. 





G. WE We — 


Enphratſhſtem; Kalat Jiaber; Lbwen. 1079 


Hören, mit Tamariskenbäumen, Espen, Brombeerſträuchen, Abe 
paragus und Smilar überwuchert, waren bei dem hohen Frühlings⸗ 
waſſer zum großen Theil überſchwemmt. Des beutiche Naturfore 
fcher bemerkte hier eine große Zahl von wilden Schweinen, Scha⸗ 
Talen und Wölfen an ven Uferfeiten, auch follen dieſe von 
Balis an abwärts zumellen von Löwen durchſtreift werden, die 
wol bier ſchon überall zu den Seltenheiten gehören mögen. Denn 
wenn ſchon früher zu Simſons *1) Zeit ver Edwe in Paläflina ums 
Arabien, auch noch zu Ammians Zeiten in Mefopotamien 


. zu Carrhae, fehr häufig (Erdk. TH. VI. 715) und allgemein war, 


und auch noch Heute im untern Deltalanbe bed Euphrat, um 
Bafiora nach Olivier, nicht ganz felten if: fo hat man doch In 
neuern Zeiten niemald mehr in der Breite von Babyicnien am 
Euphrat auch nur eine Spur von Löwen gefchen, wenn ſchon 
Marco Polo vie Leoni di Babilonia, 32) obwol irrig nannte. 
Aus Syrien und Paläftina aber if der Löwe gänzlich verdrängt, 
und auch in dem Sefuchteren Arabien felbft feheint keine Spur 
mehr von Löowen vorhanden zu fein, 3?) obwol er daſelbſt einft 
recht einheimifch genannt werden mußte, wie ſich dies fchon aus 
dem Sprachdocument (f. Zdwenland, Erdk. Th. VI. &, 703—723) 
und ber Bebuinenromanze des Helden Antars ergibt, zu deſſen Goch⸗ 
zeittafel taufend Löwen als Siegeözeichen gebracht wurden. Des 
2dwe am untern Euphrat, den dort Rich und Keppel gefchen, 5%) 
den auch Olivier (Lion d’Arabie nennt er Ihn) in der Menagerie- 
zu Bagdad zu beobachten Gelegenheit gehabt, Behauptet letzterer, ſel 
eine andre, mähnenlofere Gattung, eine der zwei Arten, vie ſchon 
Arifoteles und Plinius unterfchieven (VIIL.18: Leonum duo ge- 
nera: compactile et breve crispioribus jubis. Hos pavidiores 
esse, quam longos simplicique villo: eos contemtores vulnerum), 
Diefer, der arabifche, ſei ſurchtſam und gar nicht der König 
der Ihiere, eine Würbe Die nur der Gattung mit ber großen 
Mähne, die in Afrika einheimiſch, zukomme. Dies fcheint ſich 
wol am obern Euphrat zu beflätigen, wohin er vielleicht erſt durch 
Kalfer Declus, um Circeſium, verpflanzt wurde (f. Erdk. Ip. VI. 
©. 715) wo es auch vielleicht wirklich Hi8 an die Cuphratwendung 
von Balls Löwen geben mag; denn Ainsworth fah 


sı) Olivier, Voy. d. Pemp. Ottom. 4. T. Il. p. 428. ee) bei 
Ramusio Vol. II. fel. 37.b. °°) Quatrehöre in Raschid-Ed- 
din. hist. d. Mong. Paris 1836. fol, p. 157. 64) Rich, Kur- 
distan II. p. 167; Keppel, Narrat. I. p. 108. 


Dyy 2 








1076 WeRsAfien. EL Abecheitung. L. Abſcheiu. 1.2. 


Adwen-Fußtapfen am Khabur, und E. Lynch bei Baliı.®) 
Diefe müſſen jedoch ſich fo furchtſam verbergen, daß fie ſelbſt von 
feinem einzigen, wenigſtens der europäiſchen, Reiſenden geſehen wer 
pen, und mögen vielleicht nur ſolche ſein, die ſich aus dem uuiı 
Euphratdelta oder den und noch unbekannter gebliebenen mr 
arabifchen Wüften bis Hierher als Streiflinge verlaufen haben 
Das Euphratwaffer Hatte in dem Laufe von Balis WW 
gegen Kalat Jiaber eine ſchmutzig braune Farbe von vems | 
Ken Schlammaufldfung ver reichlichen Frühlingswaſſer. Ob Fahr 
wirffich ein fo bedeutender Ort fein mag, wie Chesney anfängt 
durch Erkundigung einzog, von 1000 Wohnhäufern, wo man dleih 
Gier und Reis fell Habe, erfahren wir nicht näher; umher fl ed 
fehr viele Bitumenquellen 56) geben, von denen wir jeboch uf 
feine ſpeciellen Nachrichten erhalten, weil fle nicht bearbeitet werke, 
obwol fie fehr reichlich fließen follen. Bom Euphrat aus geſche 
ſcheint gegenwärtig den Borüberfähifienden bei Siaber kein Bee | 
Haus daſelbſt fihtbar zu werden. | 
Dad Kalat Jiaber (il Djabar b. Rousseau) kommt nm 
alteſten Zeit nur unter dem Namen Daufer vor; ein An 
noch älterer Name iſt uns unbelannt. Über ihm gegemüber geye 
Sid, an ver arabifchen Uferfeite, muß dad Alatis des Ptolen p 
legen haben; vielleicht an ver Stelle des heutigen Abu Barı 
(Abu Horaiteh auf Rousseau’s Carte de la Syrie f. 06. 6. 1067) 
jedoch iſt uns von beiden Orten, aus alter wie neuer Zeit, ud— 
näher bekannt. Rouſſeau ſetzt nur auf diefe Güdfelte des Girmi, 
Jia ber gegenüber, von Balls bis Seffin abwärts ven Am 
II Zawr für das Uferland, und fagt: dies fei eine fee rk 
Waldung, weldje Beine Uferfelten von Balis bis Sherbat, m 
©trede von 80 Lieues, bedecke, und aut Beiden, Eichen, nie 
dem Wacholder (Genierres, wol Thuja) und Tamaritla 
beftehe. Damit flimmen au fhon Rauwolfs und Dr. Helfen 
Angaben überein, wenn ſchon hier nur von @chädlz und nit a 
gentlich von Waldung die Rebe fein kann. Es wäre mdglih, wi. 
bier fchon eine jemer vielem Jeſten, auf ver fo ausgezeichneten KUN : 
des —— Kalat Jiaber, zu Juſtinlant Zelten erbaut wer ' 
wäre, die Procopius nicht einmal alle am Cuphrat enflang = 
haft gemacht bat (Procop. de aedif. II. 9. 20. pag. 235), % 


aa 2a a A An a 02 A „mi ee Be Me ER ER A Aa A mm 








*58) Ainsworth, in Assyria efc. p. 37. se) Repertl c. 
Ay. p. 58, 67, ern | — 





— 


Fupbratf.; Kalat Jiaber, Schlachtfeld Saffain. 1077 


von Procop genannte Fefle Savoapww (ebend. II. 61. p. 228) 
kann es aber nicht fein, obwol fle ganz gleich lautet, Da fie als 
in den Umgebungen von Eircefium, alfo viel weiter abwärts 
am Strome, genannt wirb, wo fle vielmehr mit der Stadt „Satvape 
b. Steph. Byz. und Aulapa b. Ptolm. V. 19. fol. 144 zufammens 
fällt. Auch ſtimmen hiemit die Erzählungen der Ortentalen. überein, 
weldye ven Namen Danufer erſt im 7. Jahrhundert entfichen laffen. 
Die Volksſage aber läßt daſelbſt die Ruine auf ihrem Fels, die 
noch zu den gewaltigen gehört, wie fo häufig als ein Riefen- 
werk durch Is kander 57) aufführen. 

Zum erflenmale fcheint Edriſi pas Felsſchloß Daufer zu 
nennen; aber ex nennt ed auch nur ein einziges mal 98) als Sta⸗ 
tion auf dem Wege von Haleb oder Alep über Naghura, bemn 
über Khoſhab, Balech (Balis) nah Daufer und Rakka. 
Weder Abu Iſhak noch Mafnvi erwähnt dieſes Caſtell, obwol 
fle ven Lauf nes Euphrats hier abwärts beſchreiben, un Ma⸗ 
ſudi gibt noch beſonders abwärts Balls, wol etwas unterhalb des 
Geholzes, aber noch oberhalb Rakka, wodurch die Localitaͤt ſehr be⸗ 
Rimmt wird, das berühmte Schlachtfeld von Saffaiu, Sſe⸗ 
fin 6. Abu Ifhat, 9) Siffhen 6. Maſudi, 9) au. Zwiſchen 
ben Moslemen von Irak und venen von Syrien, fagen fe, fel es 
gelegen, das man bier vorbeifchiffe. Hier ware, mo nach be 
Rhaliiem Omars Ermorvung, fein Nachfolger Ali aus Irak von 
Rufe, feiner Reflvenz, ber ven Cuphrat aufmärtd gegen die 
Brenzen von Syrien zog, weil defien Statthalter Moawiah 
(oder Moavijah) von Damaskus her wider ihn, ven rechtmäßigen 
Khalifen, als Empörer auftrat, und gegen ibn das ſyriſche Heer zum 
Kampfe aufbot. Hier firittien (im I. 657 nach Chr. Geb.) 70,000 
Mann von der einen, und 80,000 Manıt von ber andern Gelte, 110 
Tage hindurch, nicht in einer, ſondern in vielen S@lachten;t) 
man zählte an 90 Gefechte, in venen, wie Abulfeda fagt, vom 
ben Syrern 45,000, von Alle Seite 25,000 Strteiter fielen, untee 
denen die erfien Sterne ißlamitifcher Heroen glänzten, bis der tapfer, 
großfinnige Ali, betrübt über den Tod fo vieler Moslemen, von 
jeinem feigen Gegner, dem er vergeblich angeboten, durch den Zwei⸗ 


. 6) Bdrisi b. Jaubert. II. p. 136. se) Reports I. c. A 35 

8°) Abu Jshak Jstakhi Liber climat. ed. Moeller. Gotha 1839. 

8 42. **) El Masudi, meadows of gold etc. transl. fr. AL 

prenger. Vol, I. p. 246. *t) Abulfedae, Annal. Mostem. b. 
Reiske l. c. p. @. 


1078 Weflsälfien. HL. Abtheilung I. Abſchun. 1. 


kampf das Blut fo vieler Gläubigen zu fparen, einen Bayidt o 
nahm, ver baln fein Verderben, feine Ermorbung, zur Selge Ik 
und Moawiah, @) vom Befchlechte der Ommajaden, ui 
von Stämme der Koreifhiten, auf den Thron ver Atalime 
b. — DR 

” Seinem Barteigänger Noman 63) übergab nun der Ali 
Moawiah dad Kommando in Syrien zum Kampfe gegen Ye gb 
chiſchen Kaiſer, ber ihnen auch Cuphratefia gänzlich eutrik a 
Diener Nomand, Daufar genannt, berichtet Abulfeda "fe ! 
damals dad Caſtell erbaut, dad von ihm ven Ramm Lalei 
Dauſer erhielt, Das aber fpäter von einem arabiſchen Ging, 
Sabakeddin Jaber (Sabikoddin Sjabar Kosjerita; im Ida | 
geogr. wird er Sjafar Ibn Malich genannt, Sabek ei 
Sglaber bei Deguignes, ©) der irrig von ihm fügt, def a uf 
Dufuria,geheißen), beſetzt warb, der, bis er blind geworben ııı ra 
ſehr hohes Alter erreicht hatte, in veſſen Beflg blieb 

Da aber Jaber, zumal jedoch feine beiden Söhne bad Rast. 
hand werk trieben und bie ganze Gegend in Schreien fein, f 
wurden ie vom Sultan Malekſhah der Seldjuken, als viefer Si 
von Haleb genommen hatte, aus ihrem Schloffe verjagt, im Ye | 
1087. Dennoch bileb ber Name Kalat Iahber dem uueip 
lichen Feleſchloß (I. ob. S. 241), vefien ſtarke Sunenbenälfeug is 
12. Jahrhundert ſchon Benjamin v. Tudela erwähnte Grm 
blieb es im Befig der verſchiednen Seldjukldiſchen Dynafin I 
Sorien, mußte aber mehrere Belagerungen aushalten, in den 
ſtets als eine unelunehmbare Beldburg 6) erfcheint. 

Abulfeda fagt, daß fie zu feiner Zeit in Ruinen anf dus 
ganz unzugänglicen Felſen am Norbufer des Euphrat 
Dalis und Rakta liege, und kein Haus darin übrig fe. Dasle 
geogr. in Vita Saladin. fagt aber, e8 liege eine Mille vom 
phrat entfernt gegen Nero, und ihm gegenüber auf ver Eihk 
breite ji die Landſchaft Saffain aus (Siffin 5. Mafadi, Eyef 
fain b. Abulfeda.) | | 


vs) Albbon Gef. des Berf. Neberſ. von Schreiter. Th. XIV. & 
. ©. ; Rehm, Handbuch der Geſch. des Mittelalter. At 
1821. Th. L ©. 396 n.:ff. *°) Abalf. Annal MeLL« 
p- 68. “*) Index geogr. in Vita Saladini 5. Alk, 
ne Siabarum. . N 8* Deguignes ‚ Bei. d. Summen b. 
. . ° X \ . . 
guan 1.4. DU, S. a. 0 Abulph. 285; 








Euphratſyſtem; Kalat Jiaber; Gebirgsarten. 1079 


Durch den ploͤtlichen Tod des Großvaters von Otman, 
6 Gründers ver Dömanen Dynaſtie in Vorderafien, If das 
Eupbratufer bei Jiaber berühmt geworden. 7) Suleiman 
Shah, fo hieß Oomans Großvater, hatte mit 50,000 feiner türki- 
ſchen Krieger einen fiebenjährigen flegreichen Krieg in Armenien und 
Syrien am Euphrat geführt, und als er mit Beute Gelaben, nebft 
feinem Stamme, ven Rüdzug in. feine Heimath Khorafan antrat, 
Rürzte. fein Pferd bei dem Uebergange über den Euphrat zum 
Siaber vonder Steilflippe des dortigen Ufers hinab in den Strem, in 
dem Suleiman Shach im I. 1231 ertranf.®®) Nun zerfireuie 
ſich die durch. feine Zucht bisher zuſammengehaltene Rot teder Kriegen 
sach allen Seiten In Syrien, Rum und Asia minor, we 
ihre Nachlommen noch heute als Turkomanen Haufen. Seine 
Srabflätte bei Jiaber, Turk mejarl, ». h. Türbengrah, ge⸗ 
nannt, iſt bis heute dort bekannt. 

Die letzte Spur von einem Bau: des Kalat Jiaber finden 
wir in der Gefchichte der Türken aus Kaptſhak oder der Baha⸗ 
risfhen Mameluken ald Herrſcher über Aegypten und Syrien, 
beren Sultan Muhamed unter feinen vislen großartigen Bauten 
uch im Sabre 1341 den Befehl gab, dieſes Schloß am Cuphrat 
wieder aufzubauen. 9) 

. Die Hügelreiben im Süden von Jiaber %) ziehen fi 
am rechten Euphratufer von S. W. gegen NR.DO. In einer Länge von 
einer Stunde und 300 %. hoch fort, und find mit Mergel und 
Gyps überlagert. Diefer Iehtere wird gegen das nörbliche Ende zu 
20 bis 25 Fuß mächtig, und ruht auf 150 Buß Hohen freinigen 
Mergeln, die von rother Lachöfarbe find. Der Gyps wird immer 
mächtiger bis zu 40 Buß, dann zu 80 Fuß, und nimmt bie ges 
wöhnliche runde Kuprengeftalt an, aber voll feltfamer krauſer Ver⸗ 
Hefungen und flebartiger DVerwitterungen. Auf dem linfen Eu⸗ 
phratufer, an der Seite des Caſtell Jiabder, zieht fidh dieſelbe 
Kormarlon etwad weiter vom Cuphratufer zurüd, die Hügel find 
kaum noch 100 %. hoch; ihre Klippen, wo fie der Euphrat befpült, 
ungemein auögewafchen und ausgeböhlt, fo daß fle mit ihren Höß- 
lungen, Schluchten und Gallerien vie ſeltſamſten Geſtalten bilden, 
pie von Gebüſchen maleriſch von oben herab beſchattet und gezieri 
And. Meift find di Lager fcheinbar Horizontal gefhichtet, doch 





7) J. Golius ad Alferg. p. 259. “.)y Hammer, Sei. d. cöm. 
Ride. B. J. ©. 41: or) Degnignes, Sec. d. 9. 5. Dähnert. 
ih. IV. ©. 223. 70) Ainsworth, Res. I. c. p. 66. 





1080 Weſt⸗Aſien. TU. Abcheilung. I. Abſchnitt. 1.22. 


fenten fio.fich, wiewol ſeht alimägllg, doch fo, daß fr in dam 
Strecke von zwei Fleinen Stunden etwa von 100 Fuß Hl iu 
gun Nlveau des Flußſplegels herabgeſunken find. 

Bei Jtaber, einem ver 14 berühmteſten Kalaats ober GEF 
fer ver Mufelmänner, nach Jakuti, 7%) und dem fülkibfen ver 
Drei Sauptſchloſſer, welche die Furthen Des Cuphrat vertheiigen 
zu Jakuti's Zeit (um das Jahr 1220 n. Chr. G.), namlich Kal 
se Rum, Kalaat or Nedſchm und Kalaat Dſchaber, war dm 
Ueberfahrt, In früherer Zeit ſeht befucht, zur Zeit. Ab ulfches, 
wo Balis nad eine ſtatke Besdlterunng 72) Hatte. Gier Fuah 
durch den Strom ſinvet erſt etwa 10 Stunden weiter untehelb 
fi EI Hamam flatt, In deſſen Nähe gegen Süden vie Ruin 
einer großen Stadt, efwa 3 Standen lanbeinwärts, nah de 
Aubfage ver Eingebomen, bie Eol. Chesney 73) bare ub 
fragte, llegen follen, vie mit der wahrſcheinlichſten Localnit von 
Thapſacus der Alten auf eine und dieſelbe Localität zufammm 
zutseffen ſcheinen. 

Das Innere dieſer Uferlandſchaft ift von niederen Hügeln m 
welligem Grunde, von Breccien, von criftallinifchen Helfen uns 1» 
ben Sanpfteinen eingenommen, auf denen vorzüglich Die Tamcick 
und die Pappel zu wuchern fcheinen. Die im Süden berwerge 
den drei Hügel Aff Dien (Thye⸗tein auf Col. Ehesney's Kai) 
befteben aus verfelben Breccie. Der Eupbrat wendet ſich von bie 
fen norbmwärts in wiederholten Serpentinen zwei bis drei Gtume 
weit gegen bie Seite Mefopotamiens bin, und bier iſt es, wo mn 
die Ruinen der alten Sura bemerkte, denen Beute eine weis 
Flußinſel vorliegt. - ” 


8) Sura bei Ptiolem.; Ura und Sura beiPlinius; Gar 
Tab. Peut.; Beled Surieh bei Balbi; 1 Zorpam nolens 
bei Brocop; Surorum oppidum; Schura bei Firkuji; 
Soarie bei Rouffeau; Suriyeh bei Chesney. 
Am Südufer des Euphrat liegen hier, nach Cheoney's Be 
obachtung, und er iſt der erfle unter ven Neuen, ver fie bemal 
hat, die Ruinen. elner Stadt, in denen man noch Reſte ven 
Gebäuden wahrnehmen kann, die von eine großen Menge vd 


*’1) v. Hammer, Geſch. d. Dsman. Reiche. Th. IL. S. 455, 6 
22) Abulfedae Tab. Syriae ed. Koehler. * 280. ”) Cd 
Chesney Map u. Ainsworth Res. 1. c. p. 67. 








Euphratſhſtemz Gira, Kılllen Gorigeh. 1081 


Kunft ausgearbeiteter Höhlen and: Grotten umgeben Ind, Sutlyeh 
(Sourie 5. Reusseau Carte de la Syrie) bet den Einwohnern 
genannt. Die vorliegende bewaldete Infel, an weldger: bie 
Dampfichiffe ſtationirten, Legt, nach Ehesney's Obfervation, une 
ter 35° 54° 34 NBr. und 38° 46’ 404” DE. v. Greenw. Da 
Ptolemaens nah obiger Angabe (f. ob. ©. 1003) eine Sura 
zwiſchen Malie, over Alatis, Caſtell Jiaber gegenüber, oberhalb 
Thapfſacus und Ricephorium (Rakka) angiebt, un viefe 
Sauxra an das Cuphratufer anfegt (Ptolem. V. 15. fol. 140), We 
Orttebeſtimmungen aber ganz mit ben Diſtanzen von-Cheöncy's 
Euphratkarte übereinfitumen, fo ift kein Zweifel, daß bier diefilße 
Sura (Zoüpa) zu fingen iſt, die nur während einer Reihe voo= 
ntger Jahrhunderte, von ver Zelt des Alexandriniſchen Aſtronomen 
bis auf bie der Abfaſſung ver Tabul. Peuting. (Segm. X. F.), auf 
ver Route von Malmyra nach Nicephorlum (over Kallinikum, Rakka) 
vorkommt, aber nur vom wenigen Autoren überhaupt genannt 
wird. Strabo nennt fie nit, uno auch Teiner ber arabifchen 
Hiſtoriker oder Geographen, weder Maſudi, Abu Monk, Ebn Hau⸗ 
Tal, noch Evriſi, obwol dieſer wie beiden weiter abwärts am Eu⸗ 
pbrat gelegenen: Sura Sure und Soura 7*) In Mefopotamta (f. 
oben S. 267) wohl Eennt; noch auch Abulfeda und Andere. Pto⸗ 
Icmäns führt noch eine andere Sara an (Ptel. VI. 1. fol, 146 
in Assyria Long. 63°, Lat. 36°40), die wahrſcheinlich eine derje⸗ 
nigen. des Evrifl fein wird. Roch eine Sura, Sura Castrum 
(wol Zouea ua) Jeüpor, in Vita Symeonis Stylitae, Cap. 26, 
mit Svugunu nahe Europas in Hierocl. Synecd. ed. Wess, p. 718: 
Not.), 75) iſt viel weiter oberhalb Balls, auf ver forifchen Seite, 
und mit dieſer Gura des Prolemäus, zwifchen Kalat Jlaber und 
Nitephorium, eben fo wenig zu werwechfeln, wie mit jenen beiben 
babylonifchen Sura's. Diefe Sura, derm Ruinen Suriych, wie 
wis oben bemerkten, durch Cheſsney wieder entbedt, obwol nicht 
näher unterſucht find, ſcheint von Plinins bei. feiner erſten An⸗ 
führung unter Ura verſtanden werden zu müflen, das er abwärts 
Syrien am Cuphrat gelegen angibt, we er Curopus und Thap⸗ 
facus (Amphipolis f. ob. S. 982) nennt: denn er Täft nun die 
Arabes Scenitae ganz richtig ihren Anfang nehmen, jene Zelt⸗ 
Tribus der Araber, vie feit jener Zeit bis heute dort ihre Gigs 


19 Kdrisi b. Jaubert T. Il. p. 142,. 34. 1) Assomanni Bibl. 
Orient. T. I. p. 279, 416. | 





1082 WeitsAfien: UI. Abtheilung. L Abſchau.n 


behauptet haben, wie wir aus ben meueflen Berichten über Ye U 
vr Deni Said und Aneczeh fahen (ſ. oben ©.1070) Zum 
fährt: Blinius fort: Der Cuphrat fließe am Orte Uta vorn | 
we. er gegen ven Ofen fit wendend die Balmpsrmifchen Einen 
keiten Syrient verlafie, die (ſüdwärts) bis Petra um» Arabia Feia 
zeichen (Plin. V. 21.1. c.) Hierauf beſchreibt Pliniae vie kp 
von Palmyra, una fährt dann In ber Verfolgung des Ge 
laufes weiter fort, mit Sura beginnend, was offenbar disfelie w 
sige Urea if, von der er fagt, nicht weit davon entfernt ig | 
BhHiliscum, eine Stadt der Pariber am Gupbret, won weiie 
noch 10 Tagefahrten zu Schiffe nach Seleucia und eben fo wid 
na Bahyionien fein (a Sura autem proxime est Philiscm, 
oppidum Parehorum ad Kuphratem etc. ebend.) Schen Manucıt) 
fagte, daß Pheiliacum kein: anderer Ort ald Nilephorium fin 
Honne, das fpätechin erſt dieſen und andere Namen erhielt, fee 
aber unter jenem erflern, defien Urjprung uns auch völig zube 
tannt if, bei keinem andern Autor vorkommt. Nur fo wiel ii ge 
wiß, daß es ein älterer, bei Perſern gebräuchlicher Rame viel 
Ortes fein muß, da wir ſchon unter dem Berferfönige Artarınd 
den Namen eines feiner Geſandten, an bie Griechen des Bhilis- 
«08, bei Zenephon (Hist. Gr. VII. 1. 27) verfinnen. 

In der Notit.. digu. imp. or. 77) fommt biefe ſeyriſcht 
Sreuzfeftung des Roͤmerreiches, in. welcher Die XVI. Legion Kies | 
Winterfation hatte, unter dem Namen Flavia Firma Sura 
ver, bis wohin damals noch ‚die Provinz Augusteuphrategsis. zıiz 
ven Dux Syriae reichte. Durch Khoſ roes, des Kobads Sete, 
erſten Feldzug gegen Antiochia (im I. 540 m. Gr. f. 06.6. 1001) 
werden wir am beften über vie Lage orientirt; denn von Jemobis, 
deſſen Rage durch Chesney zu Zelibi (f. unten) genauer be 
Rimmt und von Gurich in gerader Linie 26 Wegſtunden entſern 
AR, ſagt Procop, kam der Gaffaniten» König, das änferfe 
Mömercaftel Kirkefium zur rechten Hand am Norbufer des En 
phrat zur Seite liegen laſſend, in brei Tagemärſchen unflreitig mit 
feiner Meiterei gegen Wellen nah Sura, ’7) das am Gupfrei 
liege. Hier ſchlug er fein Lager auf. Bei dem erſten Angıif 
die Stadt fiel ihr Commandant Arſaces, cin Armenier, ver di 


a. A 





ẽ 


229 Mannert, Geogr. d. Gr. m. R. Th. VI. I. ©. 527. °') 
“  dignit. ed. Pancir, fol. 86. ’°) Procop. de beil. Pers. 
e. 5. ed. Dind. I. p. 172. | 


5 





' 
I 


Euphratſhſtem; Sura; Sergiopolis. 1083 


Mauern mit feinen Kriegern ungemein tapfer vertheldigte, durch 
einen Pfeilſchuß der Perfer, die ebenfalls große Niederlage erlitten, 
Am Abend kehrten dieſe In Ihre Zelte zurüd, um am folgendem 
Morgen'ibrn Anfall zu erneuern. Die römiſche Beſatzung hatte 
indeß nad) dem Verluſte Ihres Anführer den Muth verloren; bir 
Epifcopus: von Sura warb mit Geſchenken in das Lager gefanbt, 
und bot für die Stadt, damals vie 'erfte roͤmiſche an ber: Grenze 
ded Reich, ein Löſegeld, dad Khosroes, ſich verfiellend, anfänglich 
verfhmähte, dann aber doch Zufage gab, die Thore ver nun forg- 
lofern Stadt bei der Rückbegleitung des Biſchofts aber doch noch 
fig überrumpelte. Bon feinem nachrückenden Geere würden busch 
Niederreißen, Sengen und Brennen, durch Mord und Sclaverei, 
Stadt wie Bewohner gänzlich durch den wildes Zorn des Barbaren 
vertilgt worden fein, wenn nicht die Habſucht, oder, wie anders 
fagen, feine heftige Leidenſchaft gegen eine ber ſchönen gefangenen 
Suremerinnen, Cuphemia genannt, auf deren Bürbitte, ihn zw 
einer gewiſſen Nachgiebigkelt gebracht Hätte Der Nachbarſtadt 
Sergiopolis und ihrem geiftlichen Oberhirten, dem bamaligen 
Cpiſcopus Candidus, fandte er nämlich einen Boten mit vem 
Antrdge, ihm vie 12000 gefangenen Surener gegen ein Loͤſegeld von 
200 Pfund Bold abtreten zu wollen. Der chriſtlich gefinnte Seel⸗ 
forger, obwol ohne die Geldmittel zur augenblidlihen Zahlung, 
ging doch den Antrag zur Befreiung fo vieler Unglüdlichen, ſelbſt 
auf eigne Gefahr, ein: denn Khodroed gab ed zu, daß vie Summe 
nur einftweilen In Die Schulbtafeln eingezeichnet wurde: der Epi⸗ 
ſcopus mußte aber Durch einen Schwur ſich anheifchig machen, in 
Zeit eines Jahres dieſe Summe, oder dad Doppelte, zu zahlen und 
dann ver Verftoßung von feinen Epifeopalfige gewärtig zu fein. 
Die meiften der Befreiten, bemerkt jedoch Procopius, überlebten 
Das Blend nicht Tange, das fie fo hart getroffen Hatte. Khosroes 
rüdte nun weiter mit feinem Perſerheere gegen Hierapolis (ſiehe 
ob. S. 1049) und Antiochia vor. 

Schon vor dieſer Zeit, unter dem Vater des Khoeroes (Ru 
ſhirvan), nämlich unter Kobad (ober Kavades, reg. 491— 532 
n. Chr. ©.), 79) war ſchon einmal von berjelden Sura (Procop. 
b. P. 1.18 1. e. p. 91 - 97, wo flitö:dv noAss Fovpwr) vie 
Rede, als ganz unerwartet ein ſtarkes Streifcorps der Saſſani⸗ 





10) C. g. Richter, Hi, k, „Berl über die Mrfaciden u. Saffaniden ⸗Dy⸗ 
naſtie. seid; 180% & 





% 


1084 WefbOlfien, III Abtbeilung. I Abſchein |. 


ven von 15,000 Reitern und Fußvoll, unter des kühnen Yzarı- 
thes Befehl, vom Alamundar als Wegweiſer biente, anf ya; 
ungewöhnlicher Stelle den Cuphrat durchſegend, ylögii in Am 
magene esfchlen und ſchen weit in Syrien vorgedtungen wer. Tank 
Brocop’s Erzählung viefer Begebenheit wird bie gesgraphide 
Lage dieſer Sura noch in Beziehung auf ihre Nachbarorte a 
eine neue Weile beftätigt. Der Schrecken des fo weit in Weſt we 
weingenven Barbarenfeinbes hatte ſelbſt den unverbereiteien Bel 
"far, vamals Beichlöhaber im Orient, überrafcht; aber bald mu | 
fin Entichluß zur Kriegboperaiton gefaßt. Gr brach mit fine » 
geringen Heere in Syrien auf und flug zu Chalcis (Im Ein 
von Haleb) fein Lager auf, weil er in Erfahrung gebradit, daß wi 
Caſſaniden⸗ Heer hen Did Gabbula (dv zuge Taßfim ii 
Proe. 1. c.) vorgenrungen ſei. Bir keunen wie Lage dieſes Dvd ' 
nicht näher, ©) doch muß er auf dem Wege von Ghalcis meh 
Sura, alfe im Dften von Chalcis, liegen, auf dem Wege gegm 
Barbalifus (Balls), und, wie Procop fagt, nur 5 Gtua 
(110 Stadien bei Procop) fern von Chalcis, was mit Der Lage ii 
bentigen Djebul und den bertigen Ruihen einer alten Gicht 
am Shaufer eined Salzſees, II Sabkh (auf Mouffeau's Carte 
de la Syrie), vie nur etwa 6 geogr. Meilen im Weſt vom Guyfen 
und von dem heutigen Balls entfernt Ilegen, zuſanmenfällt, cia 
Name, in dem auch der alte Laut fich bis heute erhalten zu haben 
feheint. Die Unterfuchung dieſer Ruinen würde vielleicht befkätigen 
Finnen, 05 dies wirklich dieſelbe biäher unbekannt geblichene Lay 
ver Stadt Gabbula wäre, da He ſpäterhin auch durch Kaiſer 
Inſtinians Bauten, nebſt den benadgbarten Barbaliſus, Ree- 
cdſarea, Pentacomium, Europus und anderen, zu das 
Reichtfeſtung erhoben ward (Procop. de aedif. 11.9. p. 235). De 
Saſſanidenfeind, fagt Procop, marſchirte von da nun wie 
sifenbar rückwärts, wol aus Furcht vor den dreiſt aurüdımaen 
Römern, nämlich fo, daß ihm ver Cuphrat zur linken Hand bis 
(Proc. 1. e.: auzol ve yoüe Eögedınv norapor dv desarıpa 
&yovses x. 1. 4). Er zog alfe am Süpufer Hin, und Beltfar 
zudte ihm fo dicht auf dem Fuße nach, daß er ſtets am Abend die⸗ 
felße Station befegte, welche der Feind am Morgen verlaſſen hatte 
Angreifen wollte ihn Belifar nicht, fondera den Tlüchtling zur 
ermüben. Schon waren bie Saffaniven fo ſehr gedrängt, daß fe 





IO, Manmert, Braar. V. Dr. a. . W. . . 


. 


| 
| 


Euphratfyſtem; Sura, bei Kallinikum. 1085 


num ſchon, oſtwäͤrts an Gura vorübergezogen, ſich gendihigt fa, 


hen, ihren Weg durch die Wüſte zu nehmen und das Romer⸗ 
gebiet ganz zu verlaſſen; denn ihre frühere Abſicht, vie Straße 
am Eupbrat zu ziehen, hatten fie ſchon aufgegeben. Sie lagerten 
amı fünlichen Ufer des Stroms, Kallinitum gegenüber. Dis 
Römer Hatten Ihe Nachtquartier nur einen Xagmarfch fern in 
Sura gehabt und fahen nun fchen, wis der Feind aufbrach und 
zur Retirade feine Anordnungen machte; und dad war ber Zioed 
geweien, ven Belifar obme Aufopferung feiner geringen Streit 
kräfte zu erreichen gefucht Hatte. Diefer Anbli aber entflammis 


- den Uebermuth der Verfolgenden, in der Hoffnung, ven Feind vbdl⸗ 


Kg zu Grunde zu richten. Aber ed war der Tag vor dem Oſter⸗ 
fefte, den Chriſten ver heiligſte Faſttag, fagt Procop, fo vaf 
an ihm Alle ohne Speife und Trank, viele von. dem eiligen 
Fußmarſch fehr erihöpft waren, und felbft ein Theil ver zurüdgeblien 
benen Mannfchaft das Hauptcorps noch nicht hatte erreichen Funen, 
Bergeblich ſuchte ver befonnenere Feldherr feine Truppen von bem 
Angriff gegen den Beind abzuhalten; die Verwegenen überbäuften 
ihn mit Borwürfen ver Beigbeit; er mußte der Gewalt weichen, 
Klug waudte er feine Rede wo möglich zum glünfligen Ausſchlag 
und ihren Feuereifer preiſend, ven er nicht länger hemmen weils, 
gab er ven ſchon Voranſtürzenden das Zeichen zur allgemein 
Schlacht. Was er erwartet batte, geſchah. Der Kampf warb un» 
gemein blutig für beide Theile und war doch nicht fo entſcheidend, 
wie eine Flucht des Feindes am ſich fehon geweien fein wärke. 
Dean der ermübete und gefchwächte Römer Eonnte doch den nun 
mit VBerzweiflung noch kämpfenden Perſer nicht beflegen. Dex 
Schlachtkampf dauerte bid zum Abend, wo dad Dunkel beide Par⸗ 
teten trennte. Am folgenden Tage zogen fich die Römer in die 
nabe Stadt Kallinitum, wohin ihre Laftfchiffe fe trugen. Dis 
Saſſaniden begruben erſt ihre Todien und kehrten Bann auch in ihr 
Land zurück. Die große Näbe, in welcher alfo Sura im Weſten 
von Kallinitum (Phlliscum bei Plinfus, jet Rakka) log, If 
dadurch Har. Firduſi, der ven fpäteren Feldzug Khoſroes von 
Sura gegen Hierapolis auch erzählt Hat, nennt diefen Ost Shu⸗ 
zab (in den 3 Mifer. der Berliner Bibl. Fol. Nr. 147, 172 Bibl. 
Diez Nr. I. und in dem Mſer. ver Hamb. Stabibibliethef). Die 
Ueberſchrift feines Geſanges nennt derſelbe Dichter aber Shurah 
(in Nr. 147). &) 


*2) Handfhriftl. Mitth. von Morbtmann. 


— 





(086 WeftsBifien. IE. Abtheilung. I. Abſchnin. {.42. 


Die leichte Eroberung Su ra's durch Khosroes zeigte wei, we 
vernachlaͤſſigt ihre Feſtungswerke fein mußten, daß ein vorgriäe 
bener Balken over Stein, wie Procop erzählt, es ven treulofen po 
fiichen Begleitern des Cpiſcopus möglich machte, das ganze Ihe 
am Einlaß zu ſperren (1. c. IE pag. 173). Die Mau, de fü 
ſchlecht geweſen waren, daß Khosroes Feine Halbe Stunde de 
brauchte, um fie zu übermältigen, ließ nun Kaiſer Juſtinian ſpatet 
Bin wieder aufführen, und umgab, wie Kallinitum, fo and I 
ganze Stadt Sura mit einer neuen, ungemein feflen Außenma 

(Proeop. de aedif. II. 9. p. 234), fo daß fie fypäter dem Perie 
‚feinde beſſer winerftchen konnte. 

Aber nah Procop verläßt uns jede Nachricht über die Shi 
fale viefer Stabt; nur auf der Tab. Peuting. iſt ir Name Gurt 
noch eingetragen, nämlich auf der Straße, die von Paluyre 
über dieſen Ort nach der damaligen Hauptſtadt bes Mömerreidel, 
Kallinitum (Nikephorlum), führte, eine Strede von einig 2 
geogr. Meilen (104 Mill. p.) bis ©ure, über vie Orte Karat, 
Druba, Cholle, Rifapha, von denen uns jedoch nur dis hei 
den legteren Orte auch von Ptolemäus genamnt werven (Prel 
V. 15. fol. 139: Xo6%An und "Pnodga, 72° 15° Long, 31° 6 
Lat.; XoAin 71° 45’ Long., 34° 30' Lat.). Aus deren Lage gt 
jevoch hervor, daß die ‚angegebene Route von Süden her geym 
Nord zum Euphrat fortfchreitet, va Balmyra nad Piokmizt 
unter 71° 30’ Long., 34° 0° Lat. (nach Rennell's Berichtigung u 
tee 34° 24° N. Br. und 38° 20/ DL. v. Gr.) æ) alſo faft 14 &. 
fübwärts von Rifapha oder Sura zu liegen kommt, mas bie 
ziemliche Uebereinſtimmung mit der neueren Landkarte gibe. Abe 
von. Sure nordwärts nach Kallinitum find leider Zahlen und Orte 
namen in der Handſchrift der Tabul. Peut. gelöjcht, vie nur an We 
Stelle fühwärts ver muthmaßlichen Lage von Kallinikum veuih 
genug die Worte einfchreibt: arce, d. t. „Arae (bie Grenzaltän) 
Fines Romanorum,” und noch füblidyer „Finis Exereites 
Syriaticae et Comertium Barbarorum, dem dam de 
Desertum folgt, woraus fich ein Anbaltpunc für das frühe 
Alter der urfprünglicden Daten der Tab. Peut. ergibt. Denn nf 
fpäterbin, unter Kaiſer Diocletian, die Beflgungen ver Ras 
weiter gegen den Südoſten bis nach Gircefium und zus Pin 


J. Reunell, Comparative geogr. of Western Asis, Tom. L 
pag. 106. | 





BM 
Ri Ä 
. 


Euphratſyſtem; Sergiopolis, Atſapha. 1087 


dung des Ehaboras nusgebehnt. wurden, bat ſchon Mannert 
bei dieſer Gelegenheit erinnert, und Katfer Julian überfchritt, wie 
wir oben fahen (f. ob. S. 139), erft bei Girceftum die Romer⸗ 
grenze I. Rennell in feinen genauen Forſchungen über vie lo⸗ 
ealen Diftangen dieſer Gegenden finbet, daß die Diſtanz ver Tab. 
Pent. von Riſapha nah Sura 21 Mill., und von da bis Kal. 
Iinitum 10 Mill., ober zufammen 31 Mill., alſo an 12 His 13 
Stunden Wege, der wahren Entfernung jene Orte ganz ange 
meſſen ſei. ©) 


9) Sergiopolisé, Riſapha, ar Roſzafat, eine Station 
‚ ber großen Palmyra⸗Route, nahe dem Kreuzwege 

mit der großen Wüftenroute von Baffora über Taibe 
nad Aleppo. Usber die Maaße in der Wüſte. 


Die Nachbarſtadt Sergiopolis, welche Procop bei Gele 
genbeit der Eroberung von Sura erwähnte, lag nach ihm drei 
ſtarke geogr. Meilen (126 Stadien) im Süden von Sura, im 
fogenannten Barbaren⸗Felde (Proc. de bell. Pers. II. 5. pag. 
475: div 70 Papßapıny xalovudtrw neölp). Es war eine rð⸗ 
mifche Anflevlung, vie nach dent chrifllicden Sanctus Sergius 
Martyr genannt ward, der hier in befonderd großer Verehrung ſtand; 
daher auch die Stadt ſelbſt mad; diefem Heiligen genannt ward, des 
bier Kirche und Kloſter erhielt. Sergius Hatte mit: feinem. Brus 
der Bacchus %) zur Zeit ver Kalfer Diocletianus und Ma⸗ 
zimianus und des Eyprianus Epijcopus, alfo im Anfang ber 
Saffaniven » Herzfchaft gegen Ende des 3. Jahrhunderts, das Mar⸗ 
tyrium 85) erlitten; fein Gultus z0g zu Martyropolis (f. oben 
©. 95), wo ihm Kaiſer Mauritius eine Kirche baute, zu Nifi« 
bis &) und Hier von allen Seiten viele Unbeter herbei. Auch 
wie Perſer bezeugten feinem Heiligthum ihre Verehrung und weiße 
sen Ihn Opfer, ſelbſt Khosroes foll in dem erſten Jahre feiner 
Thronbeſteigung, als er mit Byzanz noch in gutem Vernehmen 
fand, nad Evagrius und Theophylactes, dem Kirchenſchatze 
dieſed Heiligen koſtbare Geſchenke geweiht haben, veshalb er auch 
noch ald Plünderer von Sura feinem Zorn gegen das Sanctua⸗ 
rium wenigftend den Bügel nicht ganz fchießen ließ. Als jedoch 





°s) J. Rennell l. e. T. IL p. 30. %*) Evagrius, Hist. ecclos. 
ib. IV. cap. 28; VI. c. 21. °®) Greg. Abulph. Hist. dyn. 
8. se) Theophylacti Simocattae histor. libr. V. 1. 


p- 80, 
p. 208 018, p- 239 — 231. 





% 


1088 Wefl-Mfen. TIL Abcheilung. I. Abſchaitt. .42. 


Khosroes im dritten Feldzuge gegen bie Römer wicerum en 
rechten Cuphratufer aufwärts und zum zweiten male ver Giakt 
Sergiopolis nahe kam, ging ihm Ihr Epifcopus Gaupinns m 
gegen (Proc. de bell. Pers. IL 20. p.239), ven Zom des Bar 
baren gu brechen. Denn noch hatte er ihm keine Abzahlung ges 
flet, auch erinnerte er daran, daß er gleich anfangs das Lifegeh 
verweigert, weil er gar nicht im Veſitze von Bold fei; nur dit Er 
barmung um feine Blaubensgenofien hatte Ihn zur Zuſage Seingen 
Eönnen. . Seht mußte der edle Mann dafür büßen; er wurde feige 
halten und Erecution nach der Sergiusſtadt geſchickt, den Tempel 
feiner Schaͤtze zu berauben. Doch gelang dies nicht, denn die bee 
Anſaſſigen vertheidigten ihr Heiligthum tapfer gegen bie Tempe. 
räuber und trieben fie mit Hülfe der benachbarten Saracenen fihk 
zurück. Mangel an Wafier für ein Belagerungsheer hielt von & 
nem ernſteren Angriff zurück, auch wollte Khos roes ſich mit Ro 
bendingen nicht zu Iange aufhalten, da fein Project war, Die nie 
zen Schäge des Tempels zu Serufalem zu plündern, bas ihn vom 
gen Weiten trieb. Candidus wurde ald Befaugener meirgefhl, 
und weil ex feinen Cidſchwur gebrochen, feines Epiſcopates weriuilg 
Auch für Sergiopolis forgte fpäterhin ver. Kaifer Iafir 
nian, das damals nur noch nievrige Verſchanzungen, nämlich kei 
Erdwalle zur Vertheldigung gehabt Hatte, die nach Landedart, we 
Procop bemerkt (Proc. de aedif. Just. II. 9. p.235), wol hass 
hen mochten, ven lieberfällen von Sararenen zu wolberfichen, be 
man freilich keine Städteerſtürmer nennen KBnnte, aber Teinetwegl 
orbentlichen Belagerungen. Der Ruhm des Chriſtentempels, vom fi 
siele koſtbare Schenkungen zu Theil wurden, beweg nun Yen Rab 
fer, den Ort wit fehlen Schutzmauern zu umgeben; ex leitete ihn 
Waſſer zu, legte Waſſerbecken von fehr großem Umfange void : 
au. Gr baute dort Häufer, Wohnungen für die Garnifon, kg 
Berticuß an, und machte den Ort fo fidher, daß fpäter die Gaffenb 
ven: Ihm nicht mehr anhaben Tonnten, wozu auch vie Grrictum 
anderer feſter Caſtelle am Cuphrat das ihrige beitrug. 
Aus des S. Ephraem Syrnus, der unter Kaiſer Gonflen 
tinus M. zu Niſibis geboren warb, bie Taufe empfing und mu 
- einer fehr würbevollen Wirkſamkeit als Doctor orbis et Propheu 
Syrorum 87) unter Kalfer Valens Regierung farb, Yinterleffene 


en Vita S. Ephraem Syrus b. Assemani bibl. orient. T.L cap-&. 
Pag. #. 











aan wÜl 


"1 


u Euphratfüftem ; Sergiopolis, Riſapha. 108 


Schriften in ſyriſcher Sprache, hat Aſſemanus nachgewieſen, daß 


die Sergiopolis ver griechiſchen Chriſten von ben ſyri— 


ſchen Epriften Rofapha oder Rafiphta genannt wurde, wie 


dies urkundlich eine. ſyriſche Symnenfanmlung, beweifet, bie dom 
„Josephus episcopus sacri monasterii Rasiphtae” 


dem Kirchenſchatze des Set. Sergius als Opfer. uͤbergeben wurde. 
Es beſtand alſo daſelbſt auch ein Kloſter, wie dexgleichen fo viele 


unter den Syrern aufblüßten. Mehr wird und aus jener, Zeit 


nicht überliefert von der Gefchichte des Ories, aber dies iſt hinrel⸗ 
chend, um feiner räumlichen Identität mit dem, aͤltern Riſapha 
des Ptolemäus, wie des glücklicher Weife auch nad, von Arabern, 
bei Edriſi und Abulfeda, erwähnten el Reffafg,, Rufafe oder | 
ar Roſzafat gewiß zu jein. 

Edriſi, im Clima IV. 5, zaͤhlt zu "Syrien auch er Refe 
fafa ®) und ſagt, daß es auf ber großen Hanpelöftraße von Rakka 
Kallinikum) nach Hoͤms (Emeſa) liege, ala erſte Station gegen 
S. W., naͤmlich 24 Mil. fern, Es fei der, Drt, an welchem. die 
DOmmajaden-Khalifen mehrere Schlöffer bauen ließen, 8) 


‚deren Umgebungen ſtark bewohnt und vol Dörfer felen, mo blü— 


ende Märkte gehalten würden. Dies wirb in Abulfeda' 8 Ge⸗ 


ſchichte eines der letzten Ommajaden beſtaͤtigt, denn er erzaͤhlt, daß 


Haſhem, der 10te der Ommajaden⸗Khalifen, der Sohn Abdelma⸗ 
lets und Bruder Jazids, ver 19 Jahr und 9 Monat regierte, zu 
Rufafa in einer geringen Hütte wohnte,! als ihm der Ring und 
Srepter zum Khalifat überbracht ward, ) und aud) zu Ruſafa im 


.$. 742 n. Chr. ©, feinen Tod fand, vafelb auch begraben ward, 


Noch gab es damals Leine deſignirte Khalifen⸗Reſidenz (ſ. oben 
©. 196); Hafhem hatte dieſen Ort, ver, wie Abulfeba fagt, zu⸗ 
wor den Chriſten gehört und durch ein Kloſter (ev meint bes Sct. 
Sergius) ſehr berühmt geweſen, das aber feit dem Ginbruch des 
Jslamismus zerſtoͤrt war, aus feiner Erniebrigung wieber gehoben. 
Don. ihm rühren alfo jene Schlöffer her, deshalb der Ort auch 

Rufafa Hafhemiah genannt ward (eine andere Hafhemiah wurde 


ı fpäter ‚bet Rufa. erbaut, ſ. ob. ©. 184). Der treffliche Boden, und 


feine geſunden Lüfte machten ihn zu einem fehr Lieblichen Aufente 


halt. du ver Veſchrelbung Syriens fuhe Abuife #ba mg Jatar'e 


— — F u 33 


82) EMrisi b. Jaubert u. Pag. 100. | 9— cbendaſ. IF. p. Br. 
70) ‚Abulfedae Anaal. mel: ed. Reiske pat⸗ 130, 28} ‚Greg: 


 Abalph. Hist. dyn, p. 192, 334 : 
- Alter Erdkunde X 77 








1095 WeftAfien. IE. Abtheilung. I. Abſchnitt. 5.42, 


AMofhtaret an, vaß es viele Orte gebe, die nian Reſapha (sem 
al Rofzafat) nenne, daher vlefer insbeſondere Roſzafat Heffam 
nach ſeinem Erbauer genannt werde; er Tiege in al Bariat, m 
Örle Rakka gegenüber. Diefem fügt der Fürft Abulfeda ha 
u, vaß er den Ort ſelbſt geſehen, ver aber Feine volle Tagreife vom 
Buyhrat entfernt liege. Al Bariat wird alfo wol ver Bar- 
baricus campus bed Procopiuz fein, den er nur auf ſein 
Weiſe graciſirt hat, und vielleicht auch die läng® des dortigen &r 
phrat Tiegerive Kunvfchaft "AF7xwPBaplrız (V. 18. fol. 142), tu’ 
her Ptolemdus die Lage von Reſaphat angibt. Dem Barbaren 
campus bei’Procop entfpricht, wie fon D’Amville bemerkte, *) 
vab Comerkium barbarorum ber Tabula Peut. und bie Ars 
fines Romanorum, die Örenzaltäre gegen vas Geld der Barke- 
rengrenze, auf derfelben, 

Diefer Ort Riſapha, Rufafa oder ar Rofiafad in 
im, welcher von den engliſchen Palmyta⸗Reiſenden, Ende det 11. 
Jahrhundetts, auf dem Rückwege von Tadmor zum Euphiet, we 
ter dem Namen Arfoffa) beſucht worden iſt, wodurch die eilt, 
unſtreitig ſehr merkwürdige palmyreniſche Hauptſtraße mm 
Euphrat aus, von Orfa, Ricephorium, Sura und Sergi⸗ 

-poliß, führwärts nach jener Tabmor Salomons ober ber Pal. 
myta der Zenobia, auf eine intereffante Meife erläutert wir 


10) Die alte palmyreniſche Staase sum Suprab 
| gebiete 7 


Denn EIN von Rifapha über Arfoffa uegt Ani 
teife weiter gegen Palmyra Bin, 10 Stunden Wegs over 5 ge. 
Meilen, die Station Alcome derſelben Palmyra-Meifenden, wei 
auf Carmichael's Ronte vom 3.1751 Ain al Kum?) u 
and eine der Stationen auch auf ber großen Ronte burg die 
Wuünſt e von Aleppo nach Baſſora if. Diefe Station wu a 
Duelle, wovon fir Ain al Kum genannt witd, ift alfo eine Krem- 
Ration ver Balmyra-Route ımb ber Daffora-Routr, MR 
Weg in ihrer Nähe gegen Sit Tigt die Hauptftation Zeite,) ' 
— — — 


m 44 a Mi EB a MB BB 3 U CA rn u Dr ur. —— u 





1) Dianvile, —E—— eto, L €. pag. 38. Br Rutra dl 
Journals 1. ec. Second Journ. 1691 in Philosoph. transact. 1006, 
ar. 218. p. 150, 151. 9°) The common route of the chrävan B® 
Alep po to Bassora, qver the germt desert of Arabia au degaribei 
a Jonraal kept by Mix Gasmichael in iho_y. 1751; f. in Edr. | 
Ives, Voyage from England: %o India. in: tie 9 KIA abe. Load. 
1783. 4. book II., wo bie Driginaltarte, . '% wi, Halfız, 





\ 


uphratſyſtem; die Palmyra⸗Route zum Euphrat. 4091 


Ache zur Orientirung aller großen Karawanenzüge durch biefe 
oße Wüfte an der Südſeite des Euphrats ven Hauptpunct 
vet. Die meiften Reiſenden, bis biefes Weges an der Süpſeite 
3 Euphrat voruberzogen, haben ihn paffirt ober find in feiner 
Ihe vorübergegangen, wodurch er feine Berühmtheit erlangt Hat, 
id feine Lage, obwol alle aftronemijchen Obſervationen über Ihe 
jlen, mit großer Zuverläjfigkelt aus bloßen Wegdiſtanzen bes 
hnet werden konnte). Diefer Eritifchen Arbeit Hat ſich befannt- 
h 3. Rennell auf eine fo meifterhafte Welfe unterzogen, daß 
durch dieſer Theil 96) der fo Schwer zugänglicden. großen ara⸗ 
ſchen Wüſte am Euphrat entlang feine den aſtrono⸗ 
Ifchen Obfervationen möglichſt genäberte Beſtimmt⸗ 
it der verſchiedenſten Localitäten zu verdanken hat. 

Hin el Kum liegt. nach Mennell?”) 20 geoge. Meilen (100 
engl.) in SD. von Haleb oder Aleppo; 8 geogr. Meilen 
0 Mi. engl.) im Süd vom Euphrat, unter 35° 411’ N.Br. unb 
o 54° 30”. öſtl. &. v. Gr., 8 Minuten in Weit von Maffa. 
Kmlich wenn Rakka (Nicephorium), dad von dem berühmten 
abifchen Afteonomen Al Battani auf 36? N.Br. beſtimmt war, 
ch Rennells Berechnung unter 36° 1' N.Br. und 39° 3° 30 
ILL. 2. Gr. liegt. Nach diefer Diftanz if Yin el Kum Ibentifch 
t XoAAn bei Ptolem. und mit Cholle der Tab. Peut. Taĩbe 
gt°®) faft direct füdlich vou Ain el Kum und feine drei volle 
tunden davon entfernt, und Ihm nur wenig in ſüdweſtlicher Rich⸗ 
ng liegt Sukney (Sach ney bei Carmichael; Sukana bei 
exeira), 5 Stunden Wegs entfernt, fo daß von Yin el Kum 
z Sukney, der zweiten Station von Palmyra, 74 bis 8 Stun⸗ 
n Entfernung find. Sufney fält alfo nad der Angabe ver 
ab. Peut., die auf ver Palmyra⸗Route XXI. M. pass. d. i. 84 
kunden Diftanz von Eholle nach Oruba angibt, das von Ptole⸗ 
ius nicht mehr genannt wird, an deſſen Stelle hei ihm aber vielleicht 


—ſ 





Relation of a voy. to Palmyra 1691 in Phij. tranaact. 1695. 
No. 217 p. 108; Pietro Della Valle, Viaggi. Venet.‘' 1068. 12. 
Parte III. p. 614. Olivier, Voy. l.e. T. 111.9.:497. 

3) J. Rennell, On the rate of travelling as perfonned, by camels 
and its application as a scale ta tlıe Purposca af geography in 
Philos. transact, 1791. ®*) J. Rennell, Comparative geogt. 
of Western Asia T. I. p. 34 — 42 und deſſen Atlas Tafel oon- 

struet. Map. IX. u. Tab, X]. Syria and northern Palestine... 

#7) ebend. pag. Ar. °°) ebent. p. 96. el: 

333 2 








+“ 


1092 BWefbdffien,: IH. Abtheilung. I. Abſchaiu. 42 


"Ooita, obwol etwas weſilich geruckt, ſteht (Ptol. V. 15, fol. 139) 
wit diefem Oruba zufammen. 
Showärts von Sufney (Oruba) folgt nun auf der Balmım- 
Noute in 7 Stunden Berne, etwad gegen SW., die Stafim Yu 
rita (Dareeia), die der Harae der Tabul. Peuting. in gleihea 
Diſtanz (XXII. M. pas.), wie vie vorige Entfernung, emtimiht ' 
und ſelbſt Im Laut des Namens nicht undeutlich den Anflang ke 
Ioentität gibt. Don diefem Darifa folgt nun, immer in giehhe 
Direction gegen Süpen, wenig gegen Werften geneigt, nach 5} & 
Wege (XVIIII. M. p. der Tab. Peut. freilidy etwas mer) ie 
Lage der berühmten Palmyra, oder Tadmor Salomons. . Din 
Webereinftimmung der Namen und Diftanzen, nach 3. Renzelll 
vielfältigen DVergleichungen, Berechnungen und unfichtigfien Er 
rectionen, ſchließt fih nun auf das ũbereinftimmendfte an die ꝙ 
nannten Diftenzangaben von Sergiopolis (Refapha), an Eın 
gegen N.W. und an Rakka gegen NO. am Euphrat an. Im 
hierdurch iſt, wie Rennell bemerkt, unftreitig eine ver älteken, 
ten Euphrat bei Rakka (Nicephorium) quer durchſetzenden Rein, 
eine der Hauptpaffagen 0) nes höchſten Alterthams p 
fhen Palmyra, Nicephorium und Eveffa, von Süden uh 
Norden wit von Babylonin gegen N.W. über Xhapfarusmd 
Syrien wieder ermittelt worden. Denn eben bier, in der Krın- 
jung: biefer beiden großen Hauptrouten burdy dies Gupkren: 
fiſche Wuſtenland yah Syrien, Mefopotamien un day 
Llouia, mo eben Taibe und Ain al Rum noch heute gelege 
Mind; wo früher Reſapha und Sergiopolis nur näher dem 6» 
phrat gerückt, lagen, ebendaſelbſt, nur dem Stronrthale noch beach 
barter, müſſen wol die Ruinen vet alten Thapfacus, un Di 
Ueberganges gefticht werden, dem ſpäterhin nad) deſſen Unterzey 
die meſopotamiſchen Uferſtaͤdte ihr Aufblühen verdankt zu hele 
ſcheinen. Eine ſolche wichtige Localitaät entſpricht ganz ver Se 
flellung, welche durch bie wenigen uns übriggeblichenen Nadrides 
aus dem höchſten Alterthume, von viefem Orte erwedt werben ([.d 
GS. 11,37, 51.00) 

HBiernach ſind es von Palmyra norbwärts bie Rattı 
oder Süra 4 bis 5 Tagemärfche, welche zum Gupbrat füe 
‚und in 20 Stunden Wegs (544 geosr. Meilen) zurädgelet J 










492493. - un - 82 2 u u 





ars) —— sur l'Eupbrate et le Ti Yo . 
TEN Te ir 3.07 )ıBe, 
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Euphratſyſtem ; Die Palmyra⸗Route zum Euphrat. 1093 


werden pflegen, bis Ain al Kum und etwas mehr Bis Aff Dien 
am Cuphrat, wenn man, wie jene Palmyra⸗Reiſende, den Rüdweg 
mit nordweſtlicher Wendung gegen Balis nimmt. 

Die merkwürdigſten Vorkommniffe auf dieſer Palmyra⸗Noute, 


durch weldge die Ipentität von Arfoffa (Reſapha) mit ver al 
ten Sergiopolid zu Procops Zeiten dur Monumente eine neue 
Beftätigung erhält, find nach ven wißbegierigen Palmyra⸗NReiſenden 


aus der englifchen Bactorei Haleb, den damaligen erften Ent- 
dedern ver Prachtruinen von Balmyra, folgenve: 
Palmyra oder Tapmor, bei Ptolemäus unter 35° 6° Lat., 
tft nah Rennells Beredynung, 2) denn Obfervationen fehlen bis 
auf eine unfichere Breitenbeftimmung mit, wie ver Obfervator felbft 


gefteht, mangelhaften Inftrumenten, von 340 N. Br., durch Bruce 2) 


unter 34° 24' R.Br. und 38° 20° öfll. &, v. Gr. gelegm. Nach 
Berghaus Bereihnung, ?) ver vorzüglich Bruce folgt, 33% 58’ 
M.Br. und 33° 35° 69 fl. & v. Bar. Bon da führte ber Weg 
in 53 Stunde etwas D. g. R. nad) Darika; von da in 7 Stun⸗ 
den gegen NO. na. Soukney, In 2° Stunde gegen N. O. nah 
Taiba, und in 5 Stunden nad Ain al Kum. Bon da aber in 


10 Stunden nah Reſapha, alfo in Summa 30 Stunden Wegs 


bis Sergiopolis (Arfoffa oder Reſapha). 


Rückreiſe der Kaufleute der engliſchen Faktorei von 
PBalmyra nach Haleb im Jahre 1691. *) 
Erſter Tagemarſch. Den 8. Okt. Unter dem Vorwande 
als wollte man ſüdwärts über Damaskus ziehen, nahmen bie 
Reifenden, um jedem beabfichtigten Ueberfalle von Wegelagerern zu 
entgeben, ihren Weg gegen Norven zum Euphrat, ven man in 
vier Tagemärfchen erreichen konnte. Dit wenig öftlicher Wendung 
ging es gegen Nord; man Tief eine halbe. Stunde zur linken Hand 
eine weit fortziehbende Bergreihe ‚liegen, die fich oft weiter ausbog. 
Sie ſollie reihe Adern von Steinen haben, zumal aber enthält fie 
ven Marmor, aus vefien Brüdhen Palmyra einft erbaut ward. 
An ihrem Fuße liegt die Duelle Abulfarras, nahe Balmyra, 
welche die Reiſenden mit Waflervorräthen verfah. Dieſes find bie 

— 
1) J, Rennell, Comp. geogr. of W. Asia I. p, 105. 2) 3. Bruce, 
Reife; Gutd. d. Onellen d. Nils, aberf. v. Boltmann u. Blumenbach. 
Leipzig. 1790. Th. I. S. 55. *) Berghaus, Geogr. Memoire zur 


- Erflärung uud Grläuterung der Karte von Syrien. Gotha. 1835. 
4 5.28.  *) Philos. Transact, I. c. 1695. Nr. 218. p. 147. 





1094 Weſt⸗Aſien. III. Abtheilung. I. Abſchnin. 121 


Untass Berge (Toul Autor; vie erfien Reiſenden im Jahn 169 
hörten, Anture fei der Name des Gaflelld,°) das auf den Bay 
bei Tadmor ſtehe), welche auf ver Straße, die von N. W. von Hk 
nach Balmyra führt, Überfept werden muß. Cs iR vu ang 
hohe Bergkette, weiche Hier durchſtreicht, und auf dem fünf 
Tagemarſche von Haleb, fünmwärts gegen Palmıyra, ein pas ig 
Zeit zum Ueberſteigen koſten Tann. Sie ſcheidet die Flippige ik 
Die fih von ta norbweftwärts über Höms, Hama un Hıld 
518 zum Euphrat bei Balis fortzieht, von dem flachen lu 
feln im Dften nah Arabien und Babplonien hinein, an mm 
weſtlichem Gingange Palmyra liegt. ALS Pie Reifenden nad Fıl 
myra zogen, hatten fie am 3. Oktober ©) ven Meliub ie 
Bergkette erreicht, und durch den unebenen Voden der Wirk vl 


Schluchten, Waflerriffe und trockene Wapis, die von viefen daſ 


gegen N. hinabzogen, ſehr befchiwerlichen Weg gehabt Ad 


4 Stunden folgen Weged vom letzten Nachtquartier fing zu 


Auffteigen zu den Höhen an, von benen man eimen fchönm Su 


über das Land gewann und zumal biß zu einem Berge gegen Ed, 


hinter welchen Palmyra liegen ſollte. Diefe Berge wun p 
beiden Seiten mit vielen großen Terpentinbänumen Imdia, 
die nach‘ fo langer, kahler Cindde einen ungemein lieblichen ie 
drud machten. Die Bäume waren DIE und fchattig um trage 
reichliche nußähnliche Früchte (Zapfen), aus denen Del bereitet wi 
die auch von den Arabern wie vie Piſtacien gegeffen wur, ıb 
wol ihr Kern weit Sliger il. Ein ſehr befchwerlicher, langweilige 
Gerabweg führt von diefer erſten Bergreihe zu einer engen, jaha 
Schlucht, ohne Waſſer, bei welcher an der Al⸗Wiſhal genannin 


2 u — — — wi 3 


Stelle die Zelte aufgefchlagen wurden. In ver Nacht ergej h 
hier ein fo plögliches und gewaltiges Negenfchauer, daß in id 


einer halben Stunde eine Waſſerfluth umherſchwamm, in ver, Ib 
merkt der Reiſende, ein ganzes Heer feinen Durft Hätte ſtillen Be 


nen. Don allen Höhen flürzten Cataracten herab. Aber mb 


genden Morgen hatte ſich ſchon alles Wafler wieder verlaufen, dd 
man die nächftfolgenne Reihe ver Berge zu überfleigen hatte. Ze 
den Höhen erblidie man nun ſchon in der Ferne die Ruinen bi 
Caſtells, das nur eine Halbe Stunde von Palmyra auf einrm Bar 
gipfel Liegt. Der Weg führte ſüdwärts Durch eine Schlucht, zu 





*) Philos. Transact. I. c. 1685. Nr. 218. p. 132. )q. 4. C. 
&, 142, x 


N Euphratfoften; van Palmyra ner SGouturp. - 1095 


M nach einer halben Gtunde über die hier Antar (Toul Autor) gen 
Kı nannten Berge. Ein gewaltiger Kelsfpalt, wie durch Menfchen« 
u band gehauen, aber viel zu coloffal, um ein Kunfkweg zu fein, 
wi der allerdings ven Gingang zum Ihals Palmyra's bildete, 
a wurde. baschjegt, und nun zeigte ſich auf einem ber Berggipfel ein 
iv Gebäude „Haus des Sheikh“ genannt, das jeboch nicht näher 
unierſucht wurde. Nach 4 Stunden Wegd über bie Klippen biefer 
r Vorberge, die von andern durch ſehr enge Schluchten geſchleden 
; lud, in denen die Marmorbrüche liegen, die zum Aufbay der Pa- 
läfte dienen, erreichte man das Gaftel und dieſe Prachtruinen ſelbli, 
die nun auf dem Nordwege nad) 3 Tagen wieber verlafien wurden· 
Im O ſſten dieſer Antar⸗Berge breitete fh nun eine une 
abfehbare Ebene aus, ganz dürr, ohne Gruͤn, an sin paat 
Stellen audgenommen, wo Gurken ober Kuͤrblsgewachſe auf bem 
Boden hinrankten. Diefer Rüdweg „ging ganz eben auf dieſer 
. Bläcge eine Halbe Tagereife gegen Nord hin bis zu einer elenden 
‚ Kaphar, d. 1. einer Zolhütte, wo früßer ein Poften zur Erpreſ - 
"fung von Weggeld geftanden. Bon dieſem mar noch Immer ber 
Mücblick auf das Caſtell von Palmyra vergöunt, das aber 
nun ſchon wieber aus den Augen verſchwand. Das erfie Nacht⸗ 
quartier wurde nach 55 Stunde Marſch genommen bei dem Dorfe 
Darecca over Darica (Harae Tab. Peut.), weil Hier eine Quelle 
des trefflichften Waſſers ift, das einzige gute, das auf der ganzen 
Strede bis zum Cuphrat angetroffen wird. ) Ein Dorf in Rui« 
nen, das ber Duelle ben Namen gibt, dicht dabei, Hat nur wenige 
Bewohner, weil biefe fortwährend ven Ausplünberungen ber Berg« 
Araber auögefegt waren, obwol dieſe wenigen dem bamaligen Cmir 
AfyneAbaffe, ihrem Könige, Im Lager an der Duelle Gay, am 
Daradar, jährlig 300 Dollar Tribut zahlen mußten. Wäre e& wahr, 
was man ben Reifenden Hier fagte, der Ort folle feinen Namen 
von einem Giege der Türken über die Mamelufen haben, fo bürfte 
freilich die Uebereinfimmung des Namen mit dem ber alten Zeit nur 
zufällig erfcheinen. 
Zweiter Tagemarſch. 9. Oct. nad Soufney. Diefer 
Weg führte über dürte Ebenen zwiſchen Hügelreihen Hin, bie in 
halben Stunden von einander abftehen, nad) 7 Stunden Marfches zu 
dem Dorfe Soufney (Sokhne, Sachney, Sukana), das von 
der heißen Quelle feinen Namen hat, die ganz ber Natur der 





)a.09. S. 147. 





1096 Wirt Afien. II. Abtyeilung. I. Abſchnitt. 2, 


heißen Quellen zu Palmyra entipredien. Von dem dortigen Ball, 

das die Palmyra⸗Reiſenden wild und frech fanden, 8) werden ve 
Löcher dieſer Quellen ſehr Päuflg zum Baden benugt, ebelah Is 
ohne ale bequeme Anftalten geblieben, und Weiber wie Riem, 
obwol nach einander, in denſelben Waſſerbecken ſich Kermmtrir 
Gin habgieriger Unter⸗Baſha des Emir Affyne, der damals (1691) 
Bier feine Reſidenz Hatte, bewirthete die Säfte im feiner dena 
Hütte mit Pillaw, verlangte aber dafür von Jedem eine Ihm 


| Zoll, that jedoch mit vielen. Entihuldigungen darauf Verjicht, Ar 


er erfuhr, daß feine Bäfte feinem Emir nahe Befreundete jem 
Diefer elende Ort mußte demfelben doch einen Tribut von 150 
Dollar zahlen, der wahrfigeinlich nur Durch Plünderung von m |; 
Bewohnern felbſt zufammengebracht werden konnte. Woher ver Kam 
Druba der Tab. Peut., vielleiht 'OpiLa bei Prolem., iſt und ar 
befannt. ” u 

Dritter Tagemarſch. 10. Det. nad Alcome, Ar 
al Kum, 7 bis 8 Stunden Weges. Ein fehr angenehm Wez 
führte etwas mehr nordoſtwärts ald bisher etwa in 24 Ein 
nah Tiebe 9 (ſprich Teibe), das feine Benennung ver Sit 
ſeines Waffers verdanken fol, das die englifchen Reifenden ai 
kelneßwegs rühmten, fondern eben fo miner aliſch gefdmäsget 
und wenig genießbar fanden, mie das in den Quellen zu Sontary 
und Tadmor. Die Einwohner waren aber wohlhabender, fie hu⸗ 
gen eine Moſchee mit einem Minaret, doch ſchien diefe mr m 
Ueberreft einer chriftlichen Kirche zu fein, den man erſt in cm 


Moſchee verwandelt hatte. Dieſe hatte Spuren von größerer Ku 


und Schönheit, als die meiften tärkifchen Bauten zeigen, und % 
vielen Ruinen umher gaben Beweis, daß der Ort eind md 
bedeutender gewefen fein müffe, als er Inder Gegenwart ſich zeigt, 
wo er nur 1009 Dollar Tribut an den Emir Affhne zahlte. Ch 
Beweis, für die einftige größere Bedeutung dieſes Ortes iſt de 
Stein mit der griechiſchen Infertption in 4 Zellen, wii 
pafelbft zu Teive, d. 1. Teibe, von Will. Halifar gefunden uı 


davon eine. Copie mitgetheilt· wurde darin von einem _gewife 


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Agathangelus Kbilenus die Rebe fein ſoll, der auf eigene Krfın 
bem Zeus torians, zu Chren dep Kalferd Habrinn, ein Keilgfien - 


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... “ BEE 2, .n . ® Ir. . ır7 .. “nr ”. 


*) a. a. O. ©. 148, u ·0) wi. Halifax, Relat, of a wyage freu 
Aleppo to Palmyra in Philos. Transact. 1685. Nr. 217. p. 10; 
ebend. in Phil. Transact. Nr. 218. Extr. etc. p. 150 


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Euphratſyſtem; Teibe, Tyba, Zaibae. 1097 


mie, mit demfelben Datum’ des Jahres (123 n. Ehr. Geb.), in 
weldjem ver Kalſer im Oriente feine Neifen machte, und vielleicht, 
über Teibe gehend, damals auch in Palmyra war, das nach ihm 
Hadrianopolis genannt wurde (Steph. Byz). Die Nömer 
Fannten den Ort früher wol nicht näher, ver bei ihnen zuerſt von 
Cicero mährenn feines Procanfulats in Cilicien genannt warb 
(in Epist: ad div. XV. 1. an den Senat im I. 51 v. Chr. G.), 
ale er die erfte Nachricht vom Ueberfalle der Parther über den 
Euphrat erfuhr, die, wie ihm ſeine Kundſchafter geſchrieben, un⸗ 
ter Pacorus, des Orodes Sohn, mit einem großen Schwarm Rei⸗ 
terei ihr Lager zu Tyba aufgeſchlagen hatten (1. c. castra posuisse 
Tybae). Ste waren alſo wol unterhalb Sura, zu Nicephorium 
(Philiscvm b. Plin. V. 21), über den Euphrat gezogen, und von 
da war es mol, daß der berühmte Proconſul fogleih von dem, 
wie er fagt, den Röniern fehr befreundeten arabifchen Emir 
Jamblichus (eodem die al Jamblicho, phylarcbo Arahum l. c.) 
über diefen Einfall, ver nun Syrien u und Gitieien‘ in ‚Gefahr brachte, 
eine Boiſchaft erhielt. 

Uns ift fein anderes Vorkommen vieſeb Orinamens in den 
Schriften der Alten bekannt. In den ſpätern Jahrhunderten aber, 
im 17. und 18., if Taiba eine wiederholt von Tereira, Della 
Valle, bi8 auf Dlivier beſuchte Miti:Iftation auf der dama= 
ligen Hauptroute der ‘großen ſyriſchen Karawane von 
Haleb nad) Bagdad, wo die Wüftenftreden von Haleb bi8 
Anah über Taiba ober doch dicht daran vorüber durchzogen zu 
werben pflegte, di8 man bei Anah zum Euphrat -Tam und Dies 
fen überfeßte, um dann weiter Durch Mefopotamien zu ‚ziehen, wenn 
die Raramane nicht alıf dem Südufer des Guphrat.blieb, und dann 
weiter über Meſſid Ai bis Baſſora ging. Auf’diefen Wegen tft 
Pietro della Valle hingezogen über Taibe, AmJähre 1616, und 
auch wieder über Taibe zurückgekehrt im: hr 1625. 

Auf dem Hinwege fam Della Velle:von Haleb direct, 10) 
ven Euphrat und die Fay- Quelle weit zur Linken Iaffend, ven 
vierten Marfchtag nach Taibe. In Melluba, 7 Mill. von 
Haleb, war die Zolftätte und zugleich :der Verfammlungsort ver 
belavdenen Karawane gemefen, wo bie Abgaben an den damaligen 





Im) Pietro della Valle Retfebefchreibung, ueberſ. Aueg. v. Wiederhold. 


Genf. fol. 1674. Th. I. S. 1825 vergl. deſſen Viaggi ed. Venot. 
1663. 12. Parte lil. p. 617. - 





_ 


1098 Weis Aßen. TI. Abtheilung. I. Abſhuin... 


König dieſes Wüftenftrichs, an den Emir Feiad, gezahlt weh 
mußten, wofür aber die ganze Karawanenroute bis Anch je fe 
vor Mäubereien war, da biefer Emir feine Horden trefflich in Jude | 
zu halten wußte. Bon dem Dorfe Achla, oder Ace, Agle uih 
Beauchamp, Hhagla bei Rouſſean, Höcdle bei Riekuhr, ach 
Melluha, an einem Salzfelde, das bald eine Lagune bilbe, bei, 
wie zu Tereira’s Zeit, troden liegt, begann erft ver Aufterh 
der verfammelten Karawanen ganz fo, wie dieß auch no a m 
neuern Zeit der Ball zu fein ſcheint Mennell nennt vie de 
fammlungsert Hagle U) (nahe dem Salzfee II Sabkh bei Died 
f. 0b. ©. 1084) und berechnet, vaß er 11 Stunden Wege von bh | 
entfernt an ber Grenze des bebauten forifchen Landes Meg Ba 
da begann am erſten Marfchtage ver Eintritt in bie Bil 
am zweiten fam man zu warmen Quellen, Hamas is 
Araber, d. i. Bad, genannt; am dritten zog man an vicls | 
Brunnen mit guten Waſſern vorüber (ob Centum Putei in Tab. | 
Pout., oder die novrda b. Ptol. V. 15, fol. 139, in Norwweſt m | 
Balmyra?). An viefen Brunnen, fagt Della Valle, ſah « 
Ueberbleibfel einer alten, fehr großen Stadt, deren Grundveſten me 
noch erfennen möge. Marmorsfäulen und Steingebäude, 
fehr mächtige, vide Mauern von großem Umfange zeigten we 
Bedeutung dieſes Ortes, damals gänzlich verlafien , den bie Arche 
Siria oder Seria nannten (vielleicht Seriane des Itiner. Anton. 
ed. Wess. p. 195) und erzäflten, er fei einft von Chriſten be 
wohnt worven, und ver große Bau in der Mitte ihre Kirche ge 
weien. Näheres wiffen wir hierüber nicht; in Bea ucha mp's Reile 
route, befien verloren gegangene® Journal 12) wir fehr beflngen 
müflen, weldye von Halch nad Bagdad (im Sahr 1783) au 
befien Karte von Perfien 13) eingetragen ift und viefelbe Directiea 
von Achla gegen Taibe nimmt, flieht bei Agle, daß es in Aw 
nen liege, und auf der nächften Staiton If beigefchrieben: „Säloi 
und Kirche ver Tempelherrn“ was fi wol nur auf biefelben 
Trünmerrefte von Seriä beziehen mag, deren Benennung aber im 
übrigen fehlt. Worauf fly dieſes hiſtoriſche Datum gründet, if 
uns unbefannt geblieben; Fünftige Reiſende werben dieß genauer je 


24 u — N — an 





21) J. Rennell, Comparat. geogr. of Western Asia T. 1. 
12) v. Zach, Monatl. Gorrefpondenz, Band I. S. 62. 3») "harte 
eines Theils von Berfien nach den neueflen aſtronom. Üpiamazgıı 
des Bürger Beaakamy's, Conſuls der Franz. Reg. zu Raccate in 
Arabien, in Mon. Su. RAN, SUR, 


— 








Euphratſyſtem; Teibe; Wüftenreifen. 1099 


ermitteln Haben. Beauchamp bat von da an in Zickzackrichtungen 
noch 3 Stationen eingezeichnet, aber namenlos gelafien, bis er 
in norddſtlicher Nähe von Taibe die Station Kom erreichte, welche 
unflreitig das obengenannte Ain al Kum if. In feinem Briefe 
an ben Aftronomen Lalande bemerkt Beauchamp, daß vie vie⸗ 
Ien Umwege der Karawane wegen der Brunnen gemacht feien, um 
nur Wafler zu finden. Bine bewundernswürdige Sache, fügt ex 
binzu, fei es, zu fehen, wie die Araber in einer fo unabfehbaren 
Wüfte, wie diefe, ohne Gompaß, ohne irgend einen Erfennungdpunct 
Strecken von 300 bis 400 Lieues, ohne fich zu verieren, zurück⸗ 
legen koöͤnnen. Die Würfe, fagt dieſer gelehrte Aſtronom, gleicht 
fo ziemlich dem Meere, und doch finven die Araber ganz beſtimmt 
die Eifternen, deren Deffnungen dem Erdboden ganz gleich find, 
und fie treffen von Aleppo ohne Ummege in Baffora ein. No 
wunderbarer ift es mit ven einzelnen Kameelboten, vie ganz allein 
auf fihnellteabendem Kameel mit ihrem Munpvorrath abgeben und 
in Zeit von 10 Tagen von Aleppo nad) Bagdad kommen koͤnnen, 
obne ſich in einer Wüfte zu verirren, die fo groß wie das mittel- 
Tändifche Meer If, vie oft noch Umwege machen müflen, um feind» 
lichen Horden audzumeichen, die fie in ber Berne bemerken. Diefelbe 
Bewunderung ſpricht Della Valle über vie erfahren Steuer» 
leute der Karawanen !*) aus, welche die Richtungen durch die 
einförmigften Flächen nach ven fehr weit auseinanverliegenden, meift 
feltenen Wafferftellen und Brunnen, vie öfter noch von Feindlich⸗ 
gefinnten zugebedit werden, doch zu finden wiſſen, wenn auch Feine 
LEandmarke fle zu leiten im Stanve ift, indem fie fich fchon nach 
dem unmerflich anfleigennen Boden, nach der Färbung ver Erbe, 
nad) vorfommenven Kräutern, ja nad) dem Geruch und mit Hülfe 
der Sterne zurecht zu finden wiſſen, daher In dieſen Wüſten auch 
eben fo die Nachtreifen wie die Reifen am Tage allgemein, ja 
vorherrſchend find. 

Eine Beihülfe folder Wüſtenreiſen für ven durchziehen⸗ 
ven Führer ver Karamane, der dadurch natürlich zu den bedeutend⸗ 
fin Männern des Landes gehört, iſt allerdings das ihn ſtets bes 
gleitenne Schiff der Wüfte, das Kameel, das unter allen 
Thieren die am wenigften varlabeln Schritte zu machen 
fcheint, und dadurch ein jo wortrefflicher Wegmaaß ver Difkanzen 
abzugeben im Stande ift, nad Tagemärfchen, wie nach Stun- 


106) P. della Valle Reifebefch. a. a. D. ©. 184. 





| 1100 Weft-Afien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. $.22. 


den⸗Zeit, daß die genaueſte Berechnung darnach, verbunden mi 
der von Rennell fo meiſterhaften Vorſicht in ver Anwending, 
ſelbſt nur wenig von den Beſtimmungen ver Ortslagen durch afır« 
nomifche Inftrumente abzumeichen pflegt. Gin in ver That über 
rafchendes Nefultat, das fi} aber eben aus den Beobachtungen ver⸗ 
ſchieventlich geführter Journale auf dem großen Karawanen⸗ 
wege zwifchen Haleb über Taibe, oder Ain al Kum, nad 
Meſhed Alt (f. 06. ©. 57, 186) und Baffora (f. ob. 6.175) 
ergibt. Der englifhe Reiſende Carmichael (im Jahr 1751) gab 
den erften auf diefer großen Strecke durchgeführten Verfuch, den 
Gang beladener Rameele auf directer gerader Linie, jum 
Behuf der Intervalldiſtanz zwiſchen zwei aftronomif bein 
ten Puncten genau zu beobachten. Seine Meiferoute war im 
Stich ſchon Im Jahre 1783 In Jves Voy. veröffentlicht, aber dei 
Journal nicht publicrt, dad Rennel erft durch feinen Freund, im 
Dr. Batri Nuffell in Aleppo mitgetbeilt ‚erhielt. 15) Gem 
Meffung, nah Kameelfhritten, zwiſchen Aleppo un 
Baffora, betrug 720 engl. Miles (1704 veutfche Meilen, 44 mgl 
Mil. zu 1 deutfche Meile gerechnet); und dieſe Diſtanz ceinci« 
dirte mit ber, welche die aftronomifche Beſtimmung von Alpe 
und Baffora varbietet, fehr genau. Garmichael notirte vie Ri 
tungen ded Compaſſes und berechnete vie Diftanzen jedes Tagmarjchel 
oder Heinen Gurfes, indem er die Kameelichritte des Thieres zähle, 
auf dem er ritt, und dann bie Diftanz.einer Anzahl von Schritte 
auf dem Boden durch feine Meßſchnur genau beſtimmte. So far 
er die Mittel, das Detail ver Diftanzen mit großer Genarig—- 
keit zu beurtbeilen. I. Rennell trug aber dieſes Detail zuijden 
die aftronomifch beſtimmten PBuncte Aleppo und Baſſota au 
der Karte16) nach der diagonal durchziehenden Route des Iourmald 
ein und verglich dieſe mit andern Routen berfelben ; ober hoch wer 
wandten oder theilmellen Wegſtrecke. Zu ver Eleinern Bey 
ftrede von Aleppo nach Bagdad: dienten bie zwei Journale von 
Irwin und Holford, zu der Meffung der großen Wegftred: 
von Aleppo 518 Baſſora die. drei Sournale von Garmidael 
(1751), Gunter an und Colonel Capper (1778). Be 


N. 


18) J. Rennell, Mem. on the rate of trarell. etc, 1. c. iz Philos. 
Transact: * p. 17; deſſen Comparative geogr. of Western 
Asia. Tom. I. p. 2. te) J. Rennell, Sketch of the route 
across tlıe deserts between Aleppo and Bussorah. 1791. 





a 


— — 


Euphratſ. ; Wuͤftendiſtanzen nach Kameelſchritten. 1101 


erfte legte dieſelbe Diſtanz der Zeit nach, In 322 Stunden, die 
‚beiden andern in 310 und in 299 Stunden. zurück; welche Vers 
ſchiedenheiten aber nur durch Iocale Abweichungen von ber 
direrten Route bewirkt wurden. Meſhed Ali; das von Nies 
buhr aftronomifch- beftimmt warb, und zur Conftruction dieſer 
Nouten von großem Werihe war, liegt etwa In Zweidrittheil 
der Diftanz und faſt in geradefter Linie zwiſchen Aleppo und 
Baffora; eine Art’ Landmarke der Küreolmen‘ durk- die ara⸗ 
bifche und ebatbäifdie wife, um nad) ihr richtig hindurch zu 
ſteuern . 
J Diefe Straße eur die ealbäifge Wüfte ober das füh- 
doſtliche Drittheil von Meſhed Alt nah Baffora If auß 
verſchledenen Gründen grö-fern Wechſeln und Aushiegungen ver 
Routen unterworfen; bagegen bläben Im der bei weiten größeren 
nordweſtlichen fang dee zwei Dritigeile durch die 
arabifh-Fyrifche Wüſte, von Meſhed Ali bis Aleppo, 
Die: Differenzen viel geringer und bie Diſtanzen fich In der Regel 
in der Meffung nad) Kameelftunven ganz gleich. Sidurch konnie 
nun: dad ſichere Mach ermittelt werben, das für alle coniinen« 
tafen Diſtanzen, in dieſtni Parallelſtrich mit dem Südufer des 
Euphratlanfes und’ zur gtogravhifchen Orientirung aller 
GEingelheiten ber beſonderen Ortölagen "auf dieſem Boden verhelfen 
ann’; zu einer DOrientirung, die über Erwarten‘ weit genauer 
if, als man m elnem Büßensoven von vorn bertin erwarten 
mt. 

Jeder Schritt, und dieß find die gewonnenen, ganz allgemein 
guͤltigen Nefultate, 18) des Laſtkameels diefer arabifen 
Wüftenftrede beträgt 54 Fuß engl. und in jeder Stunde auf 
gleichem Boden, nach 20 zu 20 Stunden im Mittel:gezäplt, macht 
daſſelbe 2000 Schritte, wobei diefe Zahl freilich mehr oder weniger 
abhängig if von der Natur der Wüſte, von ben Futterpflanzen, 
die da6 Kamel im Vorübergehen bricht, und andern Eleineren Ne- 
henumftänden. So legt dad Kameel aber in jeder Stunde Zeit 
nah mitther runder Summe 24 Mil engl. Wegbiftang zurück 
ein bequemes Maaß der Berechnung. Die Länge des Tage 
marſches mit dem Kameel hängt von der Beladung berfelben 
ab; vie Hier in Rechnung gebrachten Zahlen gelten nur ald vie 





37) J.Rennell, Mem. L c. p. 5. **) ebend. p.12; vergl. deſſelben 
Comparat, geogr. of Western Asia T. 1. p. %. 








1104 Weisen, IH. Ahtheilung. I. Abſchnitt. {22 


und feine Grenze bis Thapſatus reichte, aber Fein Beweis ſthien 
für eine ſolche Ausfage. vorhanden zu fein, deren im Orient fo um 
zählige im Munde der Völker find. Vielleicht iſt es dieſelbe Loca⸗ 
lität, welche Nouffeau auf feiner Karte von Syrien, im SL. von 
Zeibe (Ttaibé b. Rouſſ.), die Ruinen der alten Stadt Il⸗Men⸗ 
deme nennen..börte, hinter welchen er am Karamanenwege zur lin⸗ 
Een, d. i. gegen die Supbratieite, II Die har mit 3 Brunnen bit 


‘ 


tern Waſſers, und zur rechten Seite gegenüber II Khedher ut 


einem Brunnen bittenn Waſſers eingezeichnet Hat. Ehe man je 
doch dieſe, wie. es nach Rouſſeau's Zeichnung fcheint, ſehr aus⸗ 
gedehnte Ruineuſtadt exreicht, hat derſelbe einen von S. W. gezea 
MD. quer ven Karawoneuweg durchſetßenden, mol meh 
Meilen langen Aquäduct eingegeichnet, der jedoch zum Theil ve 
fallen fein ſoll, und im Sühen an einem Bergzuge II Doduaihhet 
oſtwaͤrts vvyn Sufney, zwiſchen zwei. Caſtellen feinen Ur 
ſprung nimmt, wie denn an ſeinem nördlichen. Ende ebenfalls zwi 
Caſtelle angegehen ſind, Keſur el akhawain, von denen Roai- 
ſeau dafür Hält, daß dieſe von gewiſſen Reiſenden, mie er ſagt, jr 
eine alte Stadt, Il Hhair rıit Namen, gehalten feien. Wüllih 
him ella Valle auf feines Rüchreiſe pon Bagdad über Anl 
und, Mleypo: am 11., Zagmarfıhe von Anah (am 21. Juli is 
Japırz 1625).22). feier an einem großen tzodnen Grabtn 
(gran fossa secca) vorũber Defomain, der fich aber zuweilen mi 
Waſſer füllen ſolle, darauf Habe er das ruinirte Caſtell Hheit 
getroſien, Dad er zwar. auch ſchon einmal auf dem Hinwege (wo f 
es El Hir nannte). nach Babylonien paflirt, aber nicht. gefehen hattı 
weil .gr in der Nacht durchgezogen war. Er nennt es ein g roßel 
Gebäude, gaug aus weißen Stein von ſchönen großen 
Marmorquadern aufgefühn, ein längliches Viereck bilden, 
wit Vorwällen oder Curtinen voll kleiner runder Thürmchen; is 
ber Miite dieſes Bques befanden ſich viele Häuſerreſte von bemik 


ben weißen Steine, aber. in ſolcher Zertrummerung, daß man aid 


genaues untericheivden konnte. Nur, ver halbe Tagmarſch führte won 
da; gegen M.W. nad: ven bewohnten Gegenden von Taibe, me 
dieamal für den. Landesherru, den damaligen Cmix Mudleg, ca 
Zoll bezahlt werden mußte. Nach dieſem Verichte wird es „weht 


ſcheinlicher, daß pie Im Weſten des Aauaduetee he Kouffe f 





Bu Pietro Della Yale, Viaggi. Venet. 16868. 13, Parte Il 
Pag. 614. ‚2 J 


.d*— 








Euphratſyſtem; Taibe, Ruinen. 1105 


eingezeichnete, Taibe genähertere NRuinengruppe, die aber bei 
ihm namenlod geblieben ift, vie von Della Balle gemeinte SI 
Hhair (oder El Her) fein mag, die nach der Zeichnung au einer 
Anhöhe zu Liegen fcheint, vie Taibe's angebautere Thalebene zunächft 
gegen SD. begrenzt. An dieſelbe Stelle hat Beauchamp, ver 
die mehr dftlidere Route über Ain al Aum nahm, und alfe 
x aibe nicht felbft ſah, fo wenig wie EI Hhair, Hoch das Zeichen 
einer Burg eingetragen, mit ver Erklärung: „Schlofi eines al» 
ten Khalifen,“ deſſen @rbauer wir jedoch nicht näher Tennen, 
Denn dad Schloß des Khalifen Haſchem zu Refapha kann damit 
nicht etwa gemeint fein (f. oben S. 1089). 

Auch der franzdfifhe Naturforicher Olivier Bat zu Anfang 
des 19. Jahrhunderts, von Anah und Nehabe kommend, viefen Weg 
des Aquäducts nad Taibe (er fchreibt Taib oder Taibeh) paſ⸗ 
firtt. Drei Tagmärfche fern von Rebabe am Eupbrat wurde am 
25. Juni 23) in der Wüfte bei furdhtbarer Hitze das Lager geſchla⸗ 
gen; am folgenden Tage, ven 26. Juni, doch 95 Stunden zurüde 
gelegt bis Taibe. Auf vom Wege dahin blieben 2 Pferde vor Er⸗ 
mattung todt liegen. 

Dlivier bemerkte bier drei ſehr alte und ſolid gebaute 
Aquäducte, aber ohne Waſſer, davon der erſte, den man eine 
halbe Lieue weit mit dem Auge in ſeiner Ausdehnung verfolgen 
konnte, nur wenige Fuß über ven Boden erhöhet war. Zu beiden 
Seilm lagen zwei große feit-Iangen Jahren gänzlich verlaffene Flek⸗ 
ten; wahrſcheinlich wol die obengenannten Caſtelle im Norden und 
Süden. — 

Taibe, meint Olivier, habe wel. nur vergleichunghweiſ⸗ 
den Namen der „guten“ erhalten gegen bie andern Umgebungen, 
wol wegen des dürftigen Wafferflandes, ven man daſelbſt finbet, 
mit trinkbarem Waſſer. Aber dicht daneben fand er eine Mi⸗ 
neralquelle, flinfenb wie faule Eier, zum Erbrechen; beide Waſſer 
lagen unterhalb ver Stadt, vie am Abhange eines Hügels uns 
flreitig einft ein ‚bedeutender ‚ Ort- war. - Stabtmauer und Cltadelle, 
meint des franzofiſche Reiſende, fen noch immer hinreichend feft 
gegen gewöhnliche Araberüberfälle. Von ven alten Befeſtigungs⸗ 
werten bemerkte Olivier noch. ein wohlerhaltenes Staptthor 
. and jenen auch von Della Valle bemerkten fchmalen hohen Thurm, 
den er aber für einen Bau der Mufelmänner anjah. Neben dem 





. 28) Olivier, Voy. 1. e. T. II. p. 466. 0 
Nitter Erdkunde X. Aaaa 
9 





1106 WeftsAfien. IH. Abtheilung. I. Abfhnit. 3. | 


Thor bemerkte Dlivier eine cufifche Inſchrift, vie eds 
ner eniziffern konnte. Diele, wie alle Grenzſtädte der Bi, 


fagt besfebe Reiſende, ſei feit langen Zeiten verlaffen und gi 


Dan darf alfo Heut zu Tage dort ben Markt nicht mehr io 
hen wie zu Della Valle's Zeit, und DaB wird benz and mi 
Die Urfache fein, warum in ber neuern Zeit bie KRaramanın mm 
noch felten den Ort Taibe berühren, und mehr oflmörte, u we 
nige Stunden äbweichend, über Ain al Kum ia 3 
nehmen. 

Olivier bemerkte jenoch in den Ruinen von Taibe ned wi 
elende Araberbäufer, und nahe einer Duelle einige bebaut: Gehe 
mit guten Ernten von ®erfte, Weizen, Mais, Seſan, Bess 


wolle und Gemüſe. Den Sheikhs der Nachbarfchaft muiuie 


armen Fellahs drei Viertheile ihres Ertrages abgeben, vom kim 


Viertheile konnten fie ihr Lehen friften, wenn fie nicht auch h 


dieſes Ueberreſtes durch. die fehr häufigen Plünverungszüge ver u 
herſtreifenden Beruinenhorben beraubt wurden. Die Wüſtenſtick 
im Nordweſten von Taibe, welde nah Beauchamp mi he 


figen Wermuthpflangen und Sodageſt räuch bededt fen il, | 


weiches Iettere, zu Aſche verbrannt, den vortigen Arabern, mi | 


Rouffeau, zumal denen von Sufney, einen guten Hanpriseiid 
für den Marti von Haleb, Damask, Homd und Hama abgibt, jet 
Dlivier, obmel noch immer unbebaut, doch culturfähiger d 
gegen DR; doch blieb der ganze nächte Tagmarfch von Laibe 
104 Stunde Wegs zwifchen zwei Hügelreihen gegen Halb We 
ziehenb, ohne Waller, und auch ber zweite, 6 Stunden wi, 
durch die Ebene und dann über ein Kreivefteinplateau mit wein 
Beuerfteinktefeln überfireut, führte nuran ein paar falzigen Wal 
ferfellen vorüber, »ie in diefem ganzen Wäüſtenboden il 


ſchwefelhaltigen Quellen .und beißen Waſſerquellu 


keineswegs felten zu fein (wie oben bei Sukney S. 1095) jram, 


wogegen die seinen ſüßen Wafferquellen zu dem oft vorge | 
lich erfehnten gehören. Noch am dritten Warfchtag (105 S 


weit) blieben dis von Taib aus gegen N. W. zur linkes Gele ii 
Mariched continuirlihen Höhenzüge, nach Olivier, wie ſe 


au Beauchamp auf feiner Karte bis gegen Haleb bin gegeidet | 


bat, die ununterbrochne natürliche Begrenzung des wäh 
das rechte Cuphratufer begleitenden Blachfeldes. Olivier, der mi 
feine Vorgänger auf ver Route nach Haleb, an jensm obengenanua 


4 
” 





Euphratſyſt.; Wuͤftenweg von Tacbe gegen RW. 1107 


Salzſee, II Sabkh, nahe Achla und Diebul vorüber kam, ſcheint 
auch dieſelben Quellen und Baureſte bemerkt zu haben, die wir 
ſchon oben näher bezeichneten; da er aber ihre Namen und gegen⸗ 
feltigen Diftanzen nicht nennt, fe iſt es unficher, fie mit jenen zu 
identifieiren.. Zur Vollſtändigkeit ver dortigen Landetkunde fehen 
wir jeboch feine Angaben hier bei, ehe mir wieder nach Taibe any 
von va na Ain al Kum zurüdfehren. | 
Am vierten Tagmarſch von Taibe gegen N.W. (nad 
ihm in 27 Stunden Wegs Entfernung) richtete ſich der Weg mehr 
gegen den Hügelzug, 2*) ver fi) gegen Norden vorzog; man 
paffirte einen Boden, auf dem im Winter, d. 1. zur Megemzeit, Waſ⸗ 
fer flagnirt, das Anfang Juli, wo man bier durchzog, eine trockne 
Salztrufte zurüdgelaffen: hatte. Nah 84 Stunde Wegmarfces 
ſchlug man die Zelte auf einer. Anhöhe auf, ven welcher eine heiße 
Mineralquelle ſchwefelhaltig ſehr reichlich abfloß; fie war 
für die Pferde purgirend. Dort fah Dltwier die Reſte eines gro⸗ 
Ben Gebäudes (ob das Schloß Der Tempelherrn 6. Beauchamp? 
wahrſcheinlich iventifh wit Maſchoug bei Rouffeau, wo zwei 
alte Bauwerke wie Kloͤſter ſtehen follen; over. vie bei Nonfifenu 
weftlicher angegebene reiche Mineralquelle Ain Moalligue, die 
auch noch auf einem Seitenarm des Karawanenweges zum Salz⸗ 
fre Il Sabkh und nach Aleppo führt. Neben dieſem großen 
Gebäude bemerkte er noch Muſelmänniſche Gräber, ſonſt aber kane 
Spur von einer Stadt. Umher zeigte ſich Gier auf dem weißen 
Kreideboden ſehr viel ſchwarzes Bafaltgeftein, das ihm, 
aber wohl irrig, dem Boden fremd wm» erſt von der nor 
dſtlichen Cuphratſeite heruͤbergebracht zu fein ſchien. Es iſt daB 
erſte Vorkommniß dieſer ſehr merkwürdigen charaeteriſtiſchen 
Geſteindart in dieſem Wüſtenſtriche, wenn man vom Oſten 
Jommt, und bie Beobachtung Ol iviers if hier local in demſelben 
von Nord, fen von Mardin aufangend, 25) gegen S. W. 
Kortziebenden Bafaltfkriche, der wahrfcheinlich bis Hauran und 
zum Of-Iordanlande fortiegt, ganz übereinſtimmend mit Nins- 
worth, der die erſte Meberfireuung ber GEyps⸗ und Mergel⸗ 
lager mit Bafaltbldden 2%) auf vr Säpfelte eb -Euphratt, 
obwok deſſen Bette viel genähester, zunächft in wer Gegend von 





‚ ?*) Olivier, Voy. 1. c. II. p ‚488. ) Buckingham, Travels in 
u. He — ond. 17. 2.16, 7° #) Ainsworth, 
es A etc: L c. p. 97. 


' D 


Aaaa 3° 





1108 We Aften. IN. Abtheilung. I. Abſchnin. \.2. 


Gura und El Haman und ver wahrfcheinlichen Lage ws alın 
Thapſacus beobachtet Hat (f. ob. ©. 1069). 

. : Am 5. Tagmarſche gelangte Dlivier mit feinen Karamancı, 
zwifchen niederm Hügelboden hindurchziehend, ver ihm zu fie 
Seitm:vulcanifch.zu fein fchien, nach 7 Stunden WRarike ja 
ven Ruinen einer. alten, jegt namenlofen Stadt nahe den Ed 
jee II Sabkh, von denen. fon oben die Rede war, von wi 
chen Olivier jenoch. bemerkt, daß er unter denſelben vice verd 
Kunft behanene Quadern von Vulcangeſtein (mol Trachtt ne 
Bafalte) wahrgenommen babe. 


Da die folgende. Route: ven da nach Aleppo uns zum Id 


nad obigem ſchon bekannt ifl, oder an einem anvern Urte bi € 
- sim Gegenfland genauer: Uinterfuchung fein wird, fo kehren wir fr 


jeßt nach Taibe, Ain al Zum. mad. Reſapha, die nehm 


rechten Euphratgebiete oder in ‚ver Gefammetbetraditung zu win 
arabiſcher Uferfeite gehören, zurück. 


An al Kum (Min il Kom bei Carmichael, Ain il | 


Koom bei Rennell; Kom bei Beauchamp, wahrſcheinlich II 


Kamm als Mineralquelle auf Rousseau’s Carte de la Sım, 


aber viel zu. weit gegen OR, und deher auch auf Berghaus ef 
meifterhaft beacheiteter Karte. von Syrien irrig eingetragen) Im 
nur 5 Stunden Wegs noͤrdlich, mit geringer ‚Öftlicher Richtung wu 


Keibe, auf dem Wege nach. Arfoff (Reſapha), wodurch vie dp 


durch. Reunell 27) genau beflimmt: werben konnte. 
"Rah dem ſarit ten Tagmarſche von Palmyra aus fa 
Taibe kommend, erreichten die engliſchen Paluryra⸗Reiſenden im 3 


1691, den 10. October, die Duelle, vie fie A Ico me ) nennen, u | 


der fie nichts weiter ſagen, als daß fie ihnen fo ungenicÿbar we 


wie dad. Wafler zu Sukney, und daß fie Erin Haus dort vorm | 


non. Ob in neuerer. Zeit bier Anflevlungen flattgefunnen haben, 
erfahren wir nicht: denn Carmichael führt ven Namen nur al 
Karamanenftation an; Beauhamp hat nahe dabei, öflih ve 
Som; zwei Rocalitäten dur „warme Bäder“ bezeichnet. 
Bon Ain al Kom fchritten vie Palmyra⸗Reiſenden am 11. Da 


16651 über eine meiſt nadte Wüſte, hie und“ pa mit Heiden (mi ı 
Holjartige Salzpflauzen) bewachſen, in noͤrdlicher Richtung bis dr- - 


ſoff 9) ſoff =) Eeſapha) vor, das nad) ihnen nur noch 4 Stunden ws 


— 77 — + 
1. Regnell, Opmpar vgeo Let. 37. 28) Kirch 
l c, I Phil. — Sa P —ER— 
ebend. a. 151. 


— —— 


Di 


Euphratſyſtem; Reſapha, Arſoff, Ruinen, 4109 


Euphrat entfernt liegt, und durch ihre dort entdeckten Diönumente 
Beſtaͤtigung erhielt, daß es die Sergiopolis des Procop geweſen 
ſei. Die Araber nannten den Ort Arſoffa Emir, welcher der 
Ueberreſt eines Monaſteriums zu ſein ſchien, von einer Stadt oder 
einem Dorfe fanden fie keine Spur, wol aber eine zuſammen⸗ 
bängende Reihe von Mauerreften, in einem Oblongum von 
D. nach W. aufgebaut, von großer: Ausdehnung und Geräumigkeit 
(wahrfcheinlih Juſtin ians Ummauerung) mit einer ‚ungemein 
großen Area in der Mitte. Aus Gyps erbaut machen dieſe Bau⸗ 
ten, aus der Ferne geſehen, einen glänzenden Eindruck, denn aus 
Marienglas (Rock Isingglass) aufgeführt, erſcheinen fie weiß wie 
von Alabaſter, doch minder hart und weniger ausdauernd. In den 
benachbarten Steinbrüchen zeigten fich eben ſo in Sonnenſchein 
glänzende Spiegelflächen. Die Structur und Sculptur war. dage⸗ 
gen ſehr mittelmäßig, und ſtatt des Moͤrtels hatte man blos Lehm 
gebraucht, Alles Tag In Ruinen umber, und fihlen doch keines⸗ 
wegs einem fehr hohen - Altes: anzugehoͤren. In einem Gebäude 
tonnte man noch eine Anzahl Zellen unterfcheiten, von einer 
Etage, und darunter gewölbte größere Räume, die nicht zum Woh⸗ 
nen dienen konnten, ſondern fcheinbar zu einem Schul- over Ar⸗ 
beitshauſe. In der Mitte einer großen Area. flanden noch mehrere 
Baumerke; einige fhienen als Eifternen benugt worden zu fein, 
fie waren aber jetzt troden, anpre zu Bädern. . Das merkwür⸗ 
digfte, beſſer gebaut als die übrigen, mochte die. Behaufung bed 
Abtes over Epifcopus eines Klofters gemweien fein, und da⸗ 
bei fand noch der Ueberreft einer Kirche. Zu 
ieſe Beobachtung iſt entſcheidend, denn fonft könnte n man jene 
Bauwerke auch für Reſte aus der Zeit des Khalifen Hafhem 
(Harlam bei Golius ad Alferg. p. 254) halten, der hier gern ver- 
weilte und von dem der Ort feinen jüngern Namen erhielt. 
Bon diefer Kirche in einem nidht übeln Style. konnte man noch bie, 
brei Schiffe oder Abthellungen ertennen, davon bie mittlere non 
18 runden Marmorfäulen getragen wurbe, deren Gapitäle aber 
nicht aus Marmor waren. Sie waren aus Thon oder: jonft einer 
Maſſe gefertigt, In Farbe aber ven Säulen ganz gleih, und auf 
jedem verfelben war eine griehifche Inſchrift, nicht eingehauen, 
fondern aufgedrückt durch Stempel, die ven erhabenen Band» 
flaben zur Seite Vertiefungen eingenrüdt Hatten. Pie Schrift 
war von der rechten Hand auf orientale Weiſe nach ver linken 
hinüber gefchrieben, und enthielt bie Namen eines Sergius Epis 





— — — — — 





1110 WeſtAſien. III. Abtheiluug. L Abſchnitt. 3.42. 


ſeopus und eines Maronius 0) Epifcopus, von denen de 
exfte ſich wol auf den Patron des Ortes bezieht, der bier verchei 
wurde, der zweite auf den Erbauer, der ihm dieſen Bau weihn 
Ein Maronius Epifcopus von Ymida iſt in ver Mine nes 
5.Jahrh, und das berihmte Klofter eined St. Maro?!) am Dr 
tes, zu Apamea in Shrien gehörig, befannt, das von 800 Klo 
brüdern bewohnt ward, und auch nady Procop von KRaifer In» 
ſtinian feine Ummauerung erhielt (Procop,. de aedif. V. 9). 
Ein andrer Maxo 7) if als Kloſterbruder unter den ale 
hiten im 13. Jahrhundert fehr berühmt, der auch In einem Klefer 
des ©. Sergius, aber In ver Gegend von Mardin, wirkſam wer; 
ob einem von biefen ower fonft einem unbefannten Epifcopus vie 
Namens dieſer, wie der Berichterfintter meint, nicht fehr alte Bas 
zu Arfoff äuzufchreiben fein wird, mäflen wir genauern Unter 
fuchungen an. Ort und Stelle überlaſſen. Ganz von Menſchen ver 


laſſen fcheint das heutige Riſapha nicht zu fein: denn Ronſſean 


hat auf feiner Carte de la Syrie zu IL. Riſſafa gefchrieben, dej 
die arabifchen Uferanwohner des Cuphrat an dieſem Dre cm 
Farberei beſäßen; andre Nachrichten beſigen wir darüber au 
neuer Zeit nicht. 

Noch an demſelben 4. Tagemarſche, am 11. Det., Tamın 
Ye Palmyrareiſenden, von dieſen Ruinen von Arfoff norbwärts 
über zwei Hügel weiter ziehend, gegen Abenb an bie Stelle, we fe 
zunächft das Eupbratufer erreichten, vie von ihnen Aff Dien ®) 
gemanxt wird, von welcher. weftwärts Baulus (Balis) nad 12 
bis 13 Stunden entfernt Ing, das fie auch. in den nächſten beine 
Jagen, im Süden am Caſtell Jiaber vorüberziehend, erreichten. 
Vochſt erquicklich nad fo langer Wüßenreile war ihnen zu Ui 
Dien ver Anblick des herrlichen Eupbratfiromes, deſſen Waſſer 
damals ganz klar dahin floh, weil die Anfchwellung ver jchmay- 
gen Schurewafler and. dem Taurus ſchon vorüber, vie Regenzeit 
«ber noch nicht eingetreten war. Man war 14 Stunden auf vn 
Marſche durch Die. Wüfe ohne Wafler gewefen; nun labten ſich 
Menſchen und Laflthiere an den Wellen des Stromes. Gr war 
dies nicht Breit, denn die Musketenkugel flog weit auf feine aner 





3%. Will, Halifax, Relation in Philos, Transact, 2005, Nr. 37, 
:: pp. 109; eben». Extracts, Nr. 218. Assemani Bibl. 
‚or. T. I. p. 256; 497, 503, 507, 22) eb. I. m 250. 

288 Extracts in Philos. Transad. L c. 1003. Nr. BI p 


eo 





Euphratſyſtem; Ruinenmenge um Thapſakus. 1111 


Uferſeite hinũüber; es war die Periode der größten Seichtigkeit. Der 
Uferweg am Euphrat aufwärts ſchien nun Im Gegenſatz ber 
Wüſtenlandſchaft eine paradiefifche Landſchaft zu fein; ſolchen 
Einprud machten die grünen Kräuter, das Laub der Tamaristen 
und einiger Maulbeerbäume, wie ver Fernblick über den Strom 
nach der mefopotamiichen Seite und auf die kühn ſich erhebenden 
Bormen des Eaftelld Jlaber, das an die Burg Aleppo, wenn ſchon 
‚nur im Kleinen, erinnerte. 

Nach beftimmter Angabe über Ruinen einer Stadt Thap⸗ 
ſakus flieht man fi in allen viefen Berichten vergeblih um; 
nicht einmal Sagen, ja nicht die geringfien Erinnerungen tre⸗ 
tem Über dergleichen weder bei den einheimifchen Syrern und Ara- 
bern, noch bei den europälfchen Reiſenden jener Periode hervor, und 
man möchte daher, abgefehen von Chebney's Erkunpigungen, fafl 
daran zweifeln, jemald wieder Spuren davon auffinden zu Eönnen. 

Indeß ift es nicht unbeachtet zu laffen, daß diefe ganze Ge⸗ 
gen» am Sünufer ded Eupbrat, von Balis bis Rakka und füb- 
wärts bis Taibe, wie zu beiven Geiten dieſes Ortes, voll von 
Trümmerreſten alte Schlöffer, Aquäducte, Heilbäder, 
Baureſte, Städteruinen liegt, von denen uns biöher nur 
die wenigſten durch flüchtig Hindurchreifende befannt werben konn⸗ 
ten. Denn keinen ver Beobachter war es biäher vergönnt, dort ge= 
nauere Borfchungen über diefe und ihre benachbarten Monumente 
anzuflellen, von denen Rouffeau durch feinen zmölfjährigen Auf- 
enthalt in Syrien die größte, in der That hoͤchſt werkwürdige Reihe 
von Daten, aber .in viefer Region freilich nur nad) Ausſagen An⸗ 
derer und wicht ald Augenzeuge, in feine Karte eingetragen bat. Bon 
einem Thapſakus ift bei ihm feine Spur, obwol er unterhalb 
Sura (Sourid), dem linken Uferorte II Oman (Al Hamman 
bei Eheöney) gegenüber, alfo auf ver rechten oder arabiſchen Ufer 
feite des Stromed, direct im Norven von II Riſapha, den Ort 
Geffin mit einem großen Kreife bezeichnet, von dem es hienach un⸗ 
beſtimmt bleibt, ob es ein wirklicher Ort, oder etwa noch vorhandne 
Auinen find, welche viefe Xocalität bezeichnen, von denen dunn das 
berühmte Schladyifeld Seffin der Mufelmänner, von welchem oben 
die Rede war, ven Namen erhalten haben würde. Nach Golii Net. 
in Alferg. p. 254 war ed wirflid ein Uferort am Euphrat, nad) 
dem das Schlachtfeld genanut ward.‘ Es würde eben dies ungefähr 
die Gegend fein, von welcher man, nur 3 Stunden weiter landein, 
und zwar von Al Hamman, nad Ausfage der Eingebormen, wie 





1112 WeftsAfien. II. Abtheilung. I. Abſchnin. 1,22. 


Chesney's Karte angibt, die Ruinen einer fehr großen bin 


zu fuchen Hätte, welche Chesney für die von Thapfakns ieh, 
und welche nach obigem, ven Diflanzen unb ber Beitimmung de 
Gtolemäus nach, auch mit biefer Zocalität zufammenfallen wäre 


Gewiß ift e8 nicht wenig für dieſe Gypotheſe günflig, vap mi 


dieſer Localität Hei der genannten Stelle AI Samman ned IH 
heute die einzige Fähre vorhanden, die zwiſchen Balis m 
Rakka, nur etwas unterhalb Suriyeh, die Ueberfahrt von 
ver palmyreniſchen Seite mit Rakka zur meſopotamiſchen Seite be 


werfftelligen Tann: alles Hindeutungen auf eine feit alter Jet | 
eben bier frühzeitig höher gefteigerte Ianpfchaftliche Eulter, | 


die ein Emporium wie Thapſakuüs im weiteren Umkreiſe m 
fireitig feit ven falomonifchen, den afſyriſchen und ſeleuchiſhe 
Zeiten, 618 in vie palmyrenifche Blütheperiode Hinein, hätte fer 
rufen müflen, um defien centrale Stellung nad feinem uns uni 
kannt gebliebenen Verfalle ſich eben ber dichte Kranz junge ai 
blühenver Stäpte und Reflvenzen, wie Balmyra, Sergiepelis, 
Sura, PhHillscum, Nicephorinm, Kallinifum, Ralfı, 
NRofapba=-Hafhem und andere, wieder ausbilden Eonnte. 

Die nähere Ufergegend der Südſeite nes Eupkrat, 
von Balis abwärts bis Rakka, begünfligte unftreitig ein jede 
Aufblühen von Thapſakus wie feiner Enfelftäpte, weil fie, we 
Ehesney?*) verfichert, keineswegs unwirthbar, fondern noch bet 


ein ſehr ſchöͤnes Weideland tft, obwol ohne alle Derfichafen 


aber vol von Heerden der anmohnenden Beduinen. Auch Aint: 
worth gibt an,‘ daß die ſüdliche Uferfeite des Kuphrat, 


von ber Gegend des Gaftell Jiaber bis Al Hamman, *) ausw 


ligem, nieverem Hügelboden befleke, mit Breccienlagern we 
cryſtallinen Gebirgsarten überbedt und groben Sandfteinen, «de 
kein Wüftenfand, wo niederes Sefträuh von Tamarisken, Pay 
peln nnd anderem Buſchwerk gedeihe. Die Hügel von Ai 
Dien (mol Thye tein auf Chesney's Karte, über welde ve 

Palmyra-Reifenven zur füplichfien Wendung des Cuphrat famen), 
fagt er, beſtehen nicht, wie früber die Höhen, aus bürren Ara 
oder Gyps, fondern aus derfelben Breccienart, vie offenbar fer 
einen fruchtbareren Boden an ver Oberfläche bedingt. Bei Sure, 
bemerkt er ferner, ziehe ſich eine nievere Hügelreihe längs ver Ufer 
feite hin, an veren Fuße man noch den Ueberreſt eines alten Damm: 


ng 


?%) Chesney, Mscr. **) Ainsworth, Research. 1. c. p. 67. 
s 





— — — — — 


Euphratſyſtem; das Zeugma von Thapſakus. 1113 


weges (Causewäy) oder einer, Kunſtſtraße wahrnehme. Wir 
vermuthen ‚ daß dies der noͤrdliche Ausgang der geraden Linie iſt, 
welche Rouffeau von Süd gegen Nord, an Riſapha vorbei, die 
zeet gegen Sourie ziehenn, eingetragen unb ihm die Benennung 
„Schaeib il Rissafa, ravin” beigefährieben hat. Die Benen- 
nung des Ortes ſelbſt fcheint mit dieſer Kunftfiraße in irgend ei⸗ 
ner Beziehung zu flehen: denn ver Name Rezeph, wie es ſchon 
unter den ſyriſchen Städten, veren ſich Aſſyrien bemächtigt Hatte 


(im 2. Buch d. Könige 19, 12 und Jeſaias 37, 12), genannt wird, 


heißt feiner Bedeutung nach 36) fo viel ald „Steinpflafter” oder 
Pflaſterweg (Aıddarewmzor; b. Kebr: et quia lapidibus 
stratae erant viae, peculiari nomine, quod aliis etiam oppi- 
dis, vicis palatiisque — 3. B. f. ob. ©. 201 in Bagdad — fuit 
inditum, Rusafa fuit appellata. So gab e8 auch eine Rusäfa 
Basrae, einge Rusäfa GCordubae und andere nach Golius in 
Alf. p. 254). Bagbdad Hatte im Anfang jeiner Entflehung als 
Neubau venfelben Namen er Roſapha oder Ruſſafa erhalten (f. 
ob. ©. 201). 

Diefe Hügelreihe befleht wieder aus Mergellagern, ans Kreides 
eonglomerat und Gyps. Eine Ebene (Hami, f. oben ©. 1066), 
eine Stunde in Ausdehnung, von dem Tribus der Weldah⸗Ara⸗ 
ber bepflügt, ſcheidet dieſe letztere Hügelreihe von einer anderen 
gleicher Art, die gegen Norboft flreicht und ſchon im Oft ver Lieber 
fahrt von Al Hamman den Euphrat etwas gegen Norden zu⸗ 
rückſchiebt. Bei Al Hamman, welches nach obigem offenbär vie 
Stelle des Zeugma von Thapfafus, ver Vada Euphratis juxta 
Thapsacum (f. 06. ©. 11, 12, 25, 37, 51, 111; vergl. 133, 136, 
236— 238, 967— 984, 1003) fein mußte, gibt Cheſsney an dem 
Süpdufer der Ueberfahrt Ruinen an, die jedoch nicht näher cha= 
sacterifirt werben; an dem fonft flachen Norpufer?”) des Eupbrat 
aber, der Fähre auf der nächſten Anhöhe dicht vorliegend, ein Ca⸗ 
fell in Ruinen, el Haraklah bei Chesney (ober Uragla bei 
Ainsworth, Hereglé bei Rouffeau, etwas zu weit abwärts 
eingetragen; eine Heraclea, an der Stelle, an weldyer bei Ptol. V. 
18. fol. 142 eine Baumae, zunächſt Nicephorium, genannt wird), 
von dem wir auch nichts näbere® erfahren. Keine Stunde unter 
halb dieſes Caſtells el Haraklah und der Bähre Al Hamman 





3%) Roſenmüller, Bibl Blertgumsfunde Th. 1. 2. s. 2600, Note 103 
und 104, ©. 312 37) Ainsworth, Res. I. c. p. 68. 





. 
* 


1114 WeftsAfien. III. Abtheilung. I. Abſchnitt. . . 


erhebt fich in der Mitte des Euphratſtroms eine Kleine Felsinſel, 
etwa 500 Schritt vom Ufer abſtehend, von verfelben Gebirgiet 
wie jene Hügelreihen, welche Had jar Rafas (Sadjar Rafint 
bei Chesôsney) oder Daſh I Surieh genannt wird, und arch bei 
Höchftem Waflerftande doch noch über den Cuphratſpiegel bervoragt 
Süͤdwärts von da fleigt eine 200 Fuß hohe Klippe von Basd 
und Gyps gegen Oſt empor, die eine Stunde vom Guphrat ſüd⸗ 
wärts eine Curve gegen Südoſt und Sid bildet, ver an iu 
port vielfach gewundenen Roroufer des Euphrat die Stadt Rakk⸗ 
vorfiegt. Ihr gegenüber, am Südufer des Stroms, bat Korſ⸗ 
ſeau's Karte den Ort „Raggat il Wacet“ eingefihrichen, (d 
iſt Rakka Wafet ver Araber) eben da, wo Beaunhamp's Kark 
u die Worte eingezeichnet hat, „Ruinen von Alep,” welde ky 
. tere Angabe, worauf dieſe Benennung nämlich beruben mag, se 
unverflännlich geblieben If. Wir vermuthen jedoch, daß es Ark 
zweier Schldifer °%) fein werben, melde von dem Khallfen He 
ham, dem Erbauer von Reſapha, auf dem Wege von Raflı m 
dieſer ſüdlichen Uferfeite des Euphrat nach feiner Reſidenz Re 
ſa pha erbaut wurden, weshalb der Uferort Rakka Wafer, dk 
das mittlere Rakka (mie oben die Mittelſtadt Walt im 
Deltalanve), eben feinen Namen, als zmifchen beiden gelegen, erhal 
ten haben wird. Ob dieſen Stellen vielleicht auch noch ältere Bau 
werke angehören, willen mir nicht. 

Thapfalus, dad zu Zenophons Zeit noch eine große, Hi 
hende und reiche Stadt war, und wie wir oben fühen (S. 11), te 
nen Namm Thiphſach unter König Salomo von dem „Ueber⸗ 
gange” über ven Fluß erhalten hatte, fland unftreitig mit wm 
| von Salomo erbauten Tadmor (Palmyra) in genauem Verkehr, 
| denn noch eine dritte Stadt, jene Rezeph, war es ja, welche 

zwiſchen beiden, wie wir zuvor bemerften, ebenfalld dem Hebtin | 
wol befannt war. Durch fie iſt die große Handeldftraße zum 
Euphrat⸗ Uchergange aus Arabien und Syrien nad Mefopotamies 
nachgewiejen, welche feit ältefter Zeit durch alle Jahrhunderte bis zu 
Edrifi's Zeit über Rakka ging, und auch heute noch in verfelben 
Richtung, wenn auch bei den veränderten Zeiten nur wenig beſuch 
wird. Plinius nennt die Stadt Ampbipolis, ein mace doni⸗ 
fer Name, ven flo wol zur Zeit ver Seleuciden erhalten he 
ben wird. Der Name Thiphſach, Thaphſach migperdelt ſich 


2)J. Golius ad Alferg. I. c. p. 258. 





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— —— — — ur 
L “ I "2. 2 Shane, — 





Euphratſyſtem; die verſchwundne Thapſakus. 1115 


such mehrmals, wie näher gegen Paläſtina bin (im 2. B. ver Kö⸗ 
ige 15, 6), worauf ſchon Büſching in feinem Dleifterwerfe 39) 
rufmerkſam gemadt hat. Strabo, Plinius, Ptolemäus nen- 
nen noch Thapſakus, obwol fie wenig davon zu fagen wiflen. 
Bon Ammian Marcellin im Atem und von Procopius im 
ten Jahrhundert wird es fchon gar nicht mehr erwähnt, obwol. 
yeive Männer doch In jenen Gegenden fehr einheimijch geworben 
waren. Der compilivende Stephbanus von Byzanz fcheint ber 
iegte zu fein, Der den Ort Thapſakus nad einem uns unbefannt 
zebliebenen Quellendtat aus Theopompus lib. Ill. Philippicorum 
a feinem Stäpteverzeichniß ald eine ſyriſche Stadt am Euphrat 
inzeichnete, doch ohne zu bemerken, daß er diefelbe Stadt noch ein⸗ 
nal unter ihrem zweiten Namen Amphipolis, ven und Plis 
alus V. 24 mitteilt, eintrug; er ſetzt hinzu: gegründet ſei fie (mas 
wol nur fo viel als reſtaurirt bezeichnen Fann) von Seleusuß, 
vermuthlich Nicator; bei ven Syrern habe fie ven Namen Turs 
meda (Tovgueda) geführt, ein Name, ven Berkelius wegen ber 
Unwiſſenheit des Byzantiners in orientalifchen Sprachen füs ver⸗ 
tümmelt und für das Thur-abpin (Tur-aamdim n. Barf.) bei 
Eprifi (ed. Jaubert. T. Il. p. 151) Hält, was aber wegen feines 
age in Diar Mebia, d. b. im nördlichfien Meſopotamien, gang 
unftatthaft ſcheint, keinen Ort, fondern eine Lanpdfchaft. bezeichnet, 
die im Gebirgslande bei Marvin und Nifibis ihre eigenem Patriar⸗ 
hen *) Hatte, von der wir aber auch nichts weiter ‘ale dieſen Ras 
men erfahren, der zur Erklaͤrung von Thapſakus fein Licht gibt. 
Auch Greg. Abulph. nennt nur den Ort Ihur abdin (Hist. dyo. 
p. 112) als Marvin benachbart. 


$. 43. 
Bünftes Kapitel 
Der Steomlauf des Belik (Bilecha) im obern Mes 
fopotamien zum Euphrat, und fein Mändungsland 
mit der Stadt Rakka (Nicephorium, Callinikum). 


Rakka's Aufblühen feit ven Zelten der Saleuciden, der Nö« 
mer, Byzantiner und der Khalifen, zumal de& Ahbaffiven Harun 





wg ” A afeins, Erdbeſchreibung Th. XI. B. Afien, 3, Aufl. 1792. 
%®) Assemani Bibl. or. Il. p. 220, 236, 384, 336. 


1116 Weſt-Aſien. III. Abtheilung. I. Abfchnitt, 43. 


al Raſhid, ver am Ende des 8. Jahrhunderts Hier feine Ref 
nahm, um ber von ihm eingerichteten fyrifchen Grenzmar 
(at Xfhogur, mit den Grenzfeften al Amafem genamt) 4) . 
gen ven byzantiniſchen Feind nahe zu fein, verfanf vie Erinnerum 
an die falomonifche und macevonifhe Thapfafus ver frühen 
‚Zeit volftändig, weil in dem Reiche des Islam ein neues glänzge | 
deres Meteor jenem fo nahe emporflieg. 
0 Rakka, deſſen wir ſchon oben als des ſtark befefligten Neu: 
baus durch Kalfer Ju ſtin ian, als des HGauptfammelplage 
der Karawanen und des großen Emporiums im 12 Jh | 
hundert zu Edrift’s und Benjamin von Tudela's Zeit, | 
als des Sites des herühmten ſabiſchen Aftronomen AI Batkısi 
\ (Albategnius) genachten (f. oben S. 236— 239, 242), hat in zw 
| ver Zeit jehr wenig aufmerkſame Beobachter gefunden, weil nur ſch 
ten ein Europäer dieſes Weges kommt und dann nur flucdhtig fir 
durch eilt. Um fo mehr Haben wir hier deſſen Bedentung ald ver 
bindendes Mittelglien unter ven Eupbratftationen in feinem ganzes 
Zufammenhange der wichtigften Raumverhältniffe hervorzuheben 
Die Lage des Ortes felbft blieb unſicher, wenn ſchon U 
Batheni #27 port im I. 912 nach Ehr. Geb. feine aſtronomiſchen 
Beflimmungen machte, und vie Breite in ven Zafeln auf 36°, 
oder 36° 1’ nörhl. Br. nach Ihn Zathir, 36% 3" nah Ihe Te | 
nis angab, denn die Längenangabe warb in deſſen Handſchriften 
unter ber corrumpirten Benennung Aracta flatt Arraca, wat 
eingetragen. Ptolemäus Lage von Nicephorium em 6 
1003 angegeben. I. Rennell's Berechnungen nach KHorijontak 
diſtanzen ver Routiers geben vie Lage von Rakka auf 36V! RU. 
und 39° 3° 30” OR. v. Gr. an, vie Connaissance des temps au 
| 38° 50°. Rennell's Berechnung ©) war gegründet auf vie Past 
von Hauran, richtiger Haran (f. ob. S.243), nad feinen I 
flanzrecinungen unter 36° 40' N.Br. und 39° 2' 45" O.L. v. 
Don Saran aber gibt Eprifi die Entfernung auf nahe 9 gesge 
Meilen (443 engl. Mil. oder 42 arabifhe M.) an, nämlkh von | 
Haran nad Nadjera (Bapjera) 12, nad) Bapjeran 2i, | 
nad) Naffa 9. Die Entfernung von Ras al Ain tft Hei Edriſi 





! 
| 





*1) Abulfedae Annal. Mosl. ed. Reiske p- 159. 42) J. Golis 
al Alferg. p.252; J. Rennell, Comparat. geogr. I. p. 34, 
) J. Rennell 1. c. p. 37; vergl. Edrisi b. Jaabert II. p. 158. 








or wa — — nd 


Euphratſyſtem; der Belit- Fluß, Bilecha. 1117 


unvollſtändig, dei Ebn Haukal aber auf 4 Ragrelfen beftimmt, 
zu 76 Mil. engl., nach Rennell's Karten »-Eonflructtion 68 Mil. 
engl., wa® an 13 bis 14 geogr. Meilm beträgt. Die Entfernung 
von Aleppo nach Rakka gibt Abulfeda zu nicht vollen 19 
geogr. Meilen (933 Dil. engl.) an. 

Nah Chesney's Obfervation, die im Pallaſt Harun al Ras 
ſhids an der Oſtecke der Stadt gemacht ward, iſt die Lage dieſes 
Ortes unter 35° 55' 35" N.Br. und 390 3' 58,5" DO.2. von Gr., 
begegen die öfllichere Mündung des benachbart einfließennen EI 

Belik⸗Fluſſes zu Aran (Amram) unter 35° 53 22” N. Br. 
und 39° 7 40,5 O8. v. Or. 


1. Erläuterung. 


Der Belil: Flug, Bilecha bei Sfidor, Baliſſus bei Appian, 
Baleech bei Golius; Balyſche bei Beauchamp; Belikh und 
Belitz bei Cheöney. Des Iſidorus parthifche Stationen 

77 an diefem Fluſſe abwärts bis zum Euphrat. 


Das alte Nicephorium (Niænpoorov), ſagt Iſidorus 
Charac.,) warn von Alexander M. am Euphrates erbaut 
(nach Appian de hell. Syr. 125 erſt von Seleucus Nicator). 
Durch Iſidorus erhalten wir das erſte genauere Datum über 
den linken Zufluß Bilecha (BAnxe), der ſich dſtlich dieſer Stadt, 
nur wenig unterhalb derſelben, zum Euphrat ergießt. Denn er 
gibt ſein Itinerarium in Schoenus (oxoiva; ein Schoenus iſt 
gleich einer Parafange, over 30 Stadien, d. i. = J geogr. Mei⸗ 
Ien) nad parthifchen Stationen (ZraJol, Mansiones), von 
Apamin am Zeugma (f. 06.6. 965) durh Mefopotamien, über 
Anthemufta und von da entlang am rechten oder weftlichen Ufer 
des Bileha Hin, bie Nicepborium zum @uphrat. Als Grunde 
lage aller Tpäteren, genaueren meſopotamiſchen Ortöbeflimmungen 
ift dies Itinerarium bier mit feinen Stationen anzuführen, weil 
wir dadurch allein über ven Fluß, wie über das Hiftorifch fo merk⸗ 
würdige Schlachtfeld von Carrhae orientirt werben können. 


— — — 1 a I...» 


**) Isidor. Charac. ed. E. Miller, Paris. s. 1839 in Supplem. aux 
deznieres €dit. des pet. g&ogr. p. 248. 








1118 Weſt-Aſien. III Abteilung. I. Abſchnitt. (43. 


Iſivorus Charac. parthifhe Stationen“) von Ayamia 
am Zeugma durch das obere Mefopotamien bis 
Nirephorium. 


4; Bon Apamia am Enphrat na Daea ra (Aatapa zur) 
24 geogr. Meilen (3 Schoenuß). 

2. Ueber das Vallum Spasini (zapa& Zxaoiror, vergl 
ob. ©. 85) und die Hellenenſtadt Anthemuflas (vn0 d'B- 
Arvwy Avdeuovolag noAıs) 3% geogr. Meilen (5 Schoenut). - 
Diefer Damm, Verfhanzung oder gezogene Graben md | 
Spafinns (over Bafinus) ift und unbekannt. Die Localitätfgen 
mit der oben angeführten Stele von Oruros, ale Grenze id 
Nömerreihs im Oſten des Euphrat zu Pompejus M. Ja, 
zufammenzufallen; denn Plinius gibt die Entfernung vom Zeugn 
zu 250 Mill. pass., d. t. 6 geogr. Meilen an; vie beiden Dike 
zen des Iſidorus aber betragen 6 geogr. Meilen (f. ob. ©. %i; 
Plin. VI. 30: Durant, ut füuerant, Hebata, et ductu Pompej 
Magni terminus Romani Imperii Oruros, a Zeugmate ducests 
quinquaginta millibus passuum). Anthemuf ias tft in Garzy, 
das heutige Sarudſh (f. ob. S. 945); auf dem Wege dahin, da 
Zieutn. Lynch im. Jahre 1830 zurädlegte (der auf Shesacgy's 
Euphratkarte ſpeciell im großen Maaßſtabe von zuoues n 
iR) findet ſich keine dieſen Begenfland aufflärende Spur das 
Kunfl-Dammes oder Grenzgrabens. Nur an ber Stelle, m 
Da eara hinfallen würde, iſt ein Wafferlauf, Mankali genanst, 
von N.O. gegen S. W. etwa einige Stunden weit gezogen, an en 
ein Khan Tensh liegt, und welter oſtwärts, jenſeit eines zen 
Nord nah Süd weit hinſtreichenden Hügelzuges mit cum 
Hügel Tell Begger, der wahriceinlich künſtlich aufgeworfen fein 
wird, bei dem ſich Ruinen vorfinden, {fl dicht vor Sarudſh wine 
ein kleines Waſſer, von Nord nach Sid laufend, in bie Karte de 
gezeichnet. 

3. Von Anthemuſias ober Anthemufia nad) Coraea, 
ein Caſtell in Batana gelegen, 2% geograph. Meilen (3 Sqheen) 
(Kogula 7 &v Bazdvn 6. Isid.). _ Diefelbe Route des Liextuen 
Lynch drang in biefe Gegend vor, melde von Steph. By; auf 
Baıdvn genannt wurde; biefelbe Localitaͤt, durch welche Mae 
Julian von Hierapolis über Batnae (f. ob. ©. 137, 906) uf | 








) ed K. Miller L. c. p, 847-248, Not. p- 36.288, , = 


ru. m- ir — — 


Tr EU 





Euphratfuftem; Batnae, Batanı. 1119 


Carrhae zog. Der Name Coraea verſchwindet ganz und nur ber 
Name Batnae bleibt fpäterhin übrig, bis auch dieſer Ortänaue 
durch ven fpäteren Landesnamen Sarug, Saraj, Seroudge, *%) 
Sarudfh verdrängt ward. Diefe Wegftredde wendet ich von DR 
mehr gegen Süd als zuvor und führt durch nie heutige, ſehr frucht⸗ 
bare, von mehreren Bächen trefflich bewäflerte, von vielen Heerden, 
Zeltlagern und Dorfichaften belebte ebene Landſchaft, welche 
wol mit Recht einft ven Namen Anthemufia, d. 5. „pie blü= 
hende“ führte 97) Wir werben ſpäter, bei Meiopotamien, auf 
fie zurückkommen, führen aber vorläufig Hier ſchon an, daß in ber 
Gegen», wohin nad) 23 geogr. Meilen Wegs vie damalige Station, 
das Gaftell Eoraca, fallen wärve, unter vielen andern Trümmer- 
zeften, ald Zeichen früherer Eultur diefer Landſchaft, von Lieutnant 
Lynch, zwifchen ein paar Gtromläufen, welche die dortigen Araber 
Mas elAin, 2.5. Haupt der Quelle, (nicht mit dem: Öftlichern 
Mas al Ain bei Edriſi, |. oben ©. 742, zu verwechſeln) nannten, 
auch ein quadratiſcher Thurm, auf einer DBerghöbe zwiſchen 
zwei Dörfern, in NO. und S.O., mit Ziyarets. und Tells 
(f. oben ©. 944 und 876, 956, 997) fich befand, an deſſen Süd⸗ 
Abhange aber die Ruinen Arslan Tagh, d.H. Zöwenberg, bie 
von zwei Löwenfculpturen in Baſalt, die ſich daſelbſt be⸗ 
finden, ihren Namen führen. 

4. Bon Batana nah Mannurrhoa Aviretb (Mar- 
vovodga «Atdıen9) 34 geogr. Meilen (5 Schoen.). Beigefügt if, 
Daß dieſe Station zur rechten Hand, d. i. auf die Weftfiraße; 
führe, denn die Oftfiraße würde von da direct durch den heutigen 
„Bab von Kulleyuk“ nah Heran (Carrhae) zum oberen 
Duelflufie des Belek, dem Belecha der Alten, geführt Haben, 
ver dafelbft Heutzutage nach Lieutn. Lynch ven Namen Iulsab 
führt. Die Wehftraße, oder vielmehr die weftlichere gegen Südoſt 
gehende, führt zum mittleren Laufe des Belek. Diefe Weg 
firede gebt nun direct gegen Süpdoft auf Rakka; in dem fonft 
unbekannten, frembartigen Namen fcheint doch der Grundbeſtandthe 
des landſchaftlichen Namens Orrhoa (taber Orrhoene, fpäter 
Oorhoene) und des Volkernamens Rhoali, den Plinius gibt (f. ob. 
©. 961), durchzublicken. Doch können wir darum nicht allein, 
wie Mannert gethan, > der den Namen in feine Betandeheile 





“.) Otter, Voy. I. ch. 11. p. 110 Not. ) Mannert, Gros. v. 
Gr. u. Kt. th. V. 2. 6. PAR *) ebend. ©._279. 





1120 Wefts-Afien. III. Abtheilung. J. Abſchnitt. 8.43, 
Mannu — orra Aviret zerlegte und darin ven Ramen Ort 


unter des Mannus SHerrichaft (06. S. 118) und in dem a 
wort eine Verſtümmelung von Kallirchoe zu finden meinte, ve 


Statton für identifch mit der weit nörblicher Tiegenven Cdeſſa, 
Orrhoe, Kallirchoe, Halten, fondern nur für eine fünlichere Ir 
felben Herrſchaft allerdings angehörige Feſte. Der Ort Man 


orrhoa Avireth wird eine „Beftung und Quelle” (or : 


owua xal xon?n) genannt, aus ver vie Gingebornen ihr Ariak 
waffer nehmen. Da alle partbifchen Stationen in ver Regel im 


Verfchanzungen hatten, fo mögen biejenigen, bei dem dieſes md 1 
indbefonvere beigefügt wirb, vielleicht ſtärkere Feſtungen ganie | 
fein. Die Angabe einer Quelle iſt hier vielleicht nicht unberatad, | 
da bei Ammian Marc. hier in der Nähe audh von ver Om | 


des Sauptfluffes, den er Belias nennt, die Rede iſt (f. une). 

5. Nah dem Gaftell Eommifimbela ( Koppusaufne) 
find von da 3 geogr. Meilen (4 Schoen.). An demjelben fliegt ie 
Bilecha (noruuös Beinya, ver Belek) vorüber. Das bir pe 
nannte Caſtell Commiſimbela, das fonft unbekannt, bleibt au 
dem rechten Ufer des nun direct gegen Sübfüdoft Iaufenven Finke 
Nahr Belek oder Belit. . 

6. Nah Alagma (Adayua), eine Feftung (Oydoaua) u 
Königsftation (oraduög Paoılıxög) 24 geogr. M. (3-Shen) 
Hier war mol, nach Art ver alten Perfer, auf ihren Station da 
Pallaft oder Gebäude zur Aufnahme ver part hiſchen Ki⸗ 
nige bei ihren Helfen, #) eine Herberge, gleich einem w 
teren Khan. 

7. Bon da na) Ichn ae (’Iyval nölıs "Eiimig), eine grit⸗ 
ch iſche Stadt, von Macevoniern erbaut, die am Bilecha⸗Flaj 
liegt, 23 geogr. Meilen (3 Scoen.). Es ift »iefelbe, vie Dis 
Caſſius bei Eraffus erftem Ueberfalle in Meſepotamien (f. oba 
©. 991) eine Feſtung (Teixos, Dio Cass. XL.’232. Rain.) mem, 
wo es zu einem Gefechte kam, in welchem ber parthiſche Gans 
Talymenus Ilakes verwundet warb. Auch bei dem zweites 
unglüdlicden Kriegszuge des Craſſus nennt BIntascg (M. Cr 
c. 25) denfelben Ort, wohin, als einem benachbarten, dem Pitt 


Eraffus, ald er von den Perſern ſchon total” beflegt wer / 5 


zweien Griechen, bie in Carrhae anſäſſig waren, sin’ Vorſchtez pw 


Flucht gemacht wurde, dem er aber ben freioiigen an vr | 


uns 
**) Not. p. 262 b. E. Miller 1. c. N ae 





Le u ee u a BE A AS 





— 


Euphratfyſtem; Craſſus Niederlage am Baliſſus. 1121 


Ayppian (Parthic. 146) ſagt, daß dieſes Ichnae zu Eraffus 
Zeit. ein aus ver früheren Periode des Bompejus noch den Rd 
mern hefreundeter Ort gewefen fel, wo ber Sohn des Eraffus alfo 
noch fein ‚Leben wol hätte retten. können. Echon der Name von 
Ichnag, dem der macevonifchen gleichnamigen Stadt eniſprechend, 
wie. Steph. Byz. (f. 06.) fagt, zeigt. ihre Gründung zur Beit der 
Macevonier, wie vie ihrer weit größern Nachbarſtadt. 
8, Bon Ichnae führte Die legte Station in 3$ geogr. Melle 
(5 Schoen.) nach Nicephorium, das alſo in Summa an 234 
geogs. Meilen (31 Schoen.) von Apamia am Tuphrat auf diefem 
Wege entfernt war, von welchen ver Lauf des Bilecha⸗Fluſſes 
von Commiſimbela an bis zum Euphrat 8% geogr. M. (11 Sion.) 
einnahm. | 
Mit Sicherheit kennen wir alſo den Lauſ dieſes Fluſſ es, ſo 
weit nordwaͤrts reichend, den Appianus (Parthie. 143) und 
Plutarch im Leben des Crafſus auch Baliffus nennt (M. Crass. 
23). Dieſem Namen entſpricht auch der neuere, namlich Balyſche, 
den Beauchamp in ſeine Karte von Perſien eingetragen hat 
und deſſen ndrdlichſter Quellarm durch Lieutn. Lynch beſtimmt 
iſt. Hierdurch ſind wir im Stande, dad Schlachtfelo des unglüd- ° 
lichen Craſſus mit feinen 7 Legionen, an 4000 Mann Reiterei 
und eben ſo viel leichtes Fußvolk, topograp iſch eiwas genauer zu 
localifiren. Bis zum Baliffus hatte ver Feldderr vom Zeugma 
des Euphrat an fich durch den verräiherifchen Nathgeber, einen 
arabiſchen Sheikh, der fi feit Pompejus Belt ven Freund ber 
Roͤmer nannte, mit feinen Regionen in das ‚offene Blachfeld ganz 
irre. und gleichfom in den Tod führen laffen, wo ihn bie parthifche 
Meiterel von. allen Selten umſchwärmen und einfließen konnte 
Dean anſtant am Euphrtat entlang gehend, um durch den eiranl 
von, einer Seite gedeckt zu bleiben gegen. ben Feind und zugleich auf 
ihm Proviant nachgeſchifft zu erhalten, ließ fig Craſſus vor 
fpiegeln, der durch feine bloße Ankunft ſchon geſe reckte Feind fliehe 
vor ihm; er ließ ſich überreden, keine Zeit in der Verfolgung zu 
verlieren und ihm direct durch die Wüſte und wegeloſeſte Land⸗ 
ſchaft (offeubax gegen Südoſt bis in bie Nähe zwiſchen Mannuos 
rhoa Avireth uud Eommiflmbela) in Parforcemärfchen nachzüeilen 
So traf er, mit feinem abgematteten Heere am Weſtufer vleſt 
Baliffus. (Balyſche) nord warts von Ihnae ein, wo ba 
Parther heer amı Oflufe ex uuter A Yiftigen Eurenas Dberbefehl, 
RER... ‚die Römer durch feine | dere Ute Bug in a Falle ‚geiedt 
Ritter Erbfunde X. 





12 Weſi⸗dAſien. HE Abtheilung. I. Abſchain (.M. 


hatte, feiner wartete. Der Fluß Ba liffus, ver, wie Apypien ig, 
weder groß noch waſſerreich war, erquidhte jedoch dat von M 


Staub und Eilmarſch ermattete Heer; aber der Abermüthige Erf | 


Tieß diefem, nad) dem Wunfche ver meiften, nicht einmei che 
Nacht zur Erholung und zur VorBereitung, fondern führte fh, m 
dem Ungeftüm feines Fühnen und tapfer Sohnes Publind geiie 


ben, fogleih zum Kampfe, dem nun Unglück auf Ungfkl fie. 
(Appian. Parth. 1. c.), und zunächſt die Vernichtung des jeme | 


Publius Eraffus felbft mit feinem abgefonderten Ger m 
einigen Tauſend Mann, das die Barther, von der GHauptarme db 
gelodt, umzingelten. Die Parther überfepfitteten mit ihren Bılı 
von furcdhibaren Pfelch vie übrigen Mömer fort un» fat, m 
lockten, immer ſcheinbar flichenn, aber kämpfend zugleich, da w 
befonnenen Feldherrn iminer tiefer im fein Verderben. Nur er 
Abend machte dem Blutbade ein Ende, das zumeifl die ungen 
tapfern Römer traf, denen ader mit der eintretenden Radt, wen 
Kampf ganz aufhörte, weil vie Barther ſich zurädzogen, ih 
übrig blieb, als bei der Sicherheit ihres gänzlichen Umtergengei nf 
einem zeiten Gchlachitage dieſer Art, der vorauszufehen wer, p 
in die Stadt und Feſte Carrhae zu werfen. Diefer uf fi 
ſich nach dem erften Befechtanfange, das ja Ichnae benchbei 
gewefen (f. oben), alfo norvwärts entlang ver grefen Fiem u 
Baliffus (Balyie, Bilecha, Bell) aufmärts ziehenn, ver we 
Tarrhae fünmwärts nach Ichnae flieft, offenbar um vieles geil 
haben. Denn noch an demſelben Abenbe ded Schlachttagets cellh 


aus dem Lager, in den Eraffus ſich feiner vıracpfen Berpeällung 


überließ, ein Schwarm von 300 tomiſchen Reitern unter eb de 
Iofen Ignatius Anführung, und erreichte ſchon um Mitternefil 


bie Mauern ber Stadt Garrhae (ME. Crass. 6. Pet... M, 
um von da Weiter nach Zeugma zurückzuflicehen. Grafiue gm 


folgte am naͤchſten Morgen, vas Lager mit ver 4000 ungiudäh 
Zurüdgelaffenen, meift Verwundeten, und aller Gabe den Berka 
preißgebenn, Iangfam nady, und wurde von dem Commenbenit 


der tömifchen Stadt, ver Ihm hülfreich entgegen fa, 1. ui u 


lich na Garrhor geretlei. Da der Römer ſich aber aa (ie 
in der Gewalt treulofer Freunde innerhalb ver. 


und außerhalb von. einer Belagerung ver Bartber bedroht fh 

fo ſuchte et, bon Neuem treuloſen Rath‘ und falfchen Wegweies ' 
folgend, ſich mit 500 Weiten weſtwaäͤrts nach Gore bung 
u (Glagen, fiel aber, wahtfprinli gegen Norden fich wenden, ah 


a 9 Aa Fer HR HE ER Aa  B Te TE Fr HE IT m AM Mn en Ho A — 


ugs 


a u aADo ei , 9 


Euphratſ.; Eraſſus Niederlage am Baliſſus. 1123 


Strabo zu Sinnaca (Strabo XVI. 747), wuderholt durch 

falſche Vorſplogeluugen ber Parther geblendet, mit feiner ganzen 
3 tapfeen Begleitung auf ſeinem Schilde, unter ihren Pfellen, Lanzen 
; amd Schwettern, ein Seitenſtück des Verraths, wie Macnaghten 
’ neuerlich unter ben Afghanen. 

Die Localltät iſt hierdurch ins: Klare gefegt: venn das erſte 
Sefecht am Baliffus, wo Publius Craſſus ſiel, konnte nur 
wmiſchen der vierten und fünften der parthiſchen Stationen, naͤmlich 

2 zwiſchen Man nu orrhoa Avireth und Commiſimbela flat 
“Anden, wo man zuerfl den: Vilecha⸗Fluß in feiner weft lich ſten 
Beugung treffen Tonnte. Diefe Stelle liegt aber nur 45 geogr. 
Meilen oder 9 Stunden fern von dem fünlichenen  Ichnae, was 
allerdings eine größere Nähe genannt werden konnte, als die Ent⸗ 
fernung von 6 geograph. Meilen, ober 12 Stunden, welche nad 
unferer Meſſung der Chesney'ſchen Kartenaufnahme Garrhae 
im Norden von. berfelben Localltät des erſten Schlachtfeldes ent⸗ 
fernt war. Ven da wurden die Römer durch den nord wärt« 
ſich ſcheinbar zurückzlehenden Feind aber den ganzen Schlachtiag 
über gelockt, ſo daß von dem Roͤmerlager am Abend wol die preis 
hundert Reiter um Mitternacht ſchon an ber Stadtmauer von 
Tarrhae, wie Plutarch fagt, der dort poſtirten römifeg- 
ſprechenden Stadtwache dad große Unglück ves Tages: ver 
Pünbe Tonnten. In meldger Gegend aber ‚Die zweite den Römern 
Hier fo nadhthellige Schlacht worflel, Die Galerlus Marimianuıs 
(Im 9.296 n. Chr. ©), der Mukaiſer Diecletiand, gegen den 
Saſſanidenkonig zwiſchen Callinieum und Carrhae verlor, läßt ſich 
nicht nähte beſtimmen (Eutrop: Brev. hist. Rom. IX. 15: Gale- 
rius Maximianus primo: adrersus Narseum proelium habuit intee 
Calfinieum Carrasque congtessüs, cum inconsulee magis, quam 
ignave dimieasset); a 
In die Gegend des erfien Sqhlachtfeldes eva faut die von 
Ptolemaͤus genannte Stadt Acraba (Ptolem. V. 18 fol. 143) 
"Angapßu * 10° Long. 35° 50' Lat.), von der uns ſonſt nidt6 
betanut iR; da ſtine Lage von Carrh ao (ebend. Kiadyaı, 73°20' 
Lotg. 260 10 Lat.) hiermit in geringer nordoſtlicher Stellung üͤber⸗ 
einſtimmt. Aus Julians Veldzügen wiſſen wir⸗ ſchon, daß damals 
d oben ©. 138) das gioße Römerheer von Carrhae, ſtatt ſich 





u 





se), Fietärch im'M. Craseus u Appin. Bel, Partı.261 
pag. | 
Bbob 2 












! 


1124 WeplsAfien. HI. Abtheilung. I. Abſchnin. 3, 


zum Tigrig zu begeben, wie es, die. parthiſchen Lilien nacdakmeh, 
dem KSeinde vorgefpiegelt hatte, fich -plöglich gegen Süd fehwenin, 
und nun einen fo fiheren Weg fand, daß der Kaifer ſchon am fel 
genden Morgen. dad vamald gut verfchanzte Lager von Davası 
erreichte, von wo ber Beltiad- Fluß (Balifſus, Bilecha, Belf), ne 
Ammian fagt, feinen Urfprung nahm. und abmärts zum Guye 
ſich ergoß (Amm. Marc. XXIII. 3, 7: Davanam veait cam 
praesidiaria, unde ortus Belias flurius funditur in Euphrate) 
Man bat biöher diefen Ausdruck wörtiicd, verſtauden und Dasanı, - 
das fonft wenig vorfommt, ald etwa in. ver Notit. diga.,:!) m 
daſelbſt eine Station illyriſcher Reiterei angegeben wird (an de 
Para: b. Proc. de aedif. II. I8, hei Manneri,®) das äitai de 
mit verwechfelt merden, if ein anderes. Gaflefl, das viel mean ie | 
Morden zwiſchen Data und Ymiva lag), für pie wirflid: aa 
doch nahe liegende Quelle des Belsas gehalten, wie Kar 
wert dies gethan, ven Fluß von Carth ar aber für einen anııra 
Sluß.. Aber auch vie orientalen. Ausoren flimsmen mit m e 
Land gegebenen, freilich immer nur noch hypothetiſchen Ban da 
Fhuffes bei Hasan überein, daß dieſer derſelbe ſei, welhe fe 
warte miſchen Racca. alba und Racca ‚nigra. vorüber, nehent, jun 
Caphrat falle. Die wahre Duelle des Belias müßte demuch wi 
weiter. nordivarts geſucht werden. Golius nennt digen d 
Daleech, *) und ſagt: er entſpringe aus den OQuellen u 
Gaxrtan G. i. Coarhae, ſ. ob. S. 243), m» ergieße ſich au ve 
Bluffe Biylak. merring ( wol einem oftlichen Zufluſſe, der vickeit 
vos Davana kam) im den Euphrat⸗Einen Giulaß {Fulesi 
bei LEy nch), der om „benachbarten Dixie: ( Dubbho ſagt Hebeij 
ſeinen Namen. haben (ol, ‚nennt auch, Jaknti, un mer Dh 
daß die. Einwohner: von. Haran .biefen Fluß, der Feine 2. Min 
fern von ihnen gelegen fei (4 Mill), nicht zur. Bewägerung is 
Belber. und. zum: Arunke gebrauchten, Ya fie Dad ihr Waſſe wi 
einem ‚Berge ı hevbelleiteten, ‚Der 43 geogr. Meilen £2 -Berianem) 
ra von Ahr. gegen SD. liege. Jenen Binlag Ik Malie 
für venfelben Fiuß, den Steph Byg. Fluß Sharchac (Aakem 
ap. einer. andern, Stelle icrig Kugas sl. Beyenar) aut, AR | 
Bist, daß avon Ihm die Gtabt den; Namen führe, Dam: Unhg IM 
— — Ti. Din. 0 Teile Fun . BEE Ge 7 


s) ed, Pancir. I. c. in Dux Osrh, fol. 9 58) Manuel, GR 
BE ARTEN 5 EEE... 1 EEE 
fergan. cp. 20 et 2. | «Ei 


ss N x x . 
- 35. 


PU a 2 aan u 2. mo... 








Enphratſhſtem; Philiscum, Nicephorium. 1123 


dem Bruder Abrahams herleiteten. Wir halten jenen benachbarten 
Ort, von welchem der Glulab feinen Namen erhalten haben fell, 
für die in der Notit. dign. fol. 97. in Osrh. angegebene eriie 
Station der Equites Dalınatae Illyricani Gallabae, welche nebſt 
ver zu Gallinicum und Danabae (Davana) die Grenz⸗ 
I Sarnifonen damaliger. Zeit am Belias⸗Fluſſe bildeten. Wenig⸗ 
x ſtens iſt uns fonft Fein Grund dirfer Benennung eines währfcheinlich 
s öſtlichern Flußarmes des Belek befannt. Zur näheren Beſtimmung 
s vieles Flußlaufes, ver blöher-außer Acht geblichen, dient noch ‚ae 
u Ste bei of. Stylites, *):wo von Cavades, dem Paten 
3 CEhodroes des Saflaniven, gefagt wird, daß er.auf feinem. Marke 
u’ yon Tela (das nördliche Nicepherium): nah Edeſſa fein. Lager 
> „ad flurium Galabum“* aufgefchlagen, der auch Medorum fluvimg 
» heiße, worauf fie dann Gvefla belagert härten, und. nach Daran 
' gezogen felm. Nach Colonel Eheöney entſpringt ver Fluß, vom 
er Belikh und Belig (: i. Bilecha) ſchreibt, ebmfalls: nahe 
Harran, bei einer Quelle Al Dakabia. (nach einem. Manuſcript 
ves Abulfeda auch Debenta, die Goldene, genannt; bei Otter 
Duhebanie, der den Fluß auch Rouha nennt von Orrhoa); 5°), 
nach ihm let es gegen: Sup, im Oſt von Rakka nur wenige 
Miles unterhalb. ver verlafienen Palapruinen ) de Keliphen vberua 
a u Rafhiden in den Cuphrat. = ur Be 
nich 





a - on m: ww 


Fe 2. Eriäuterung 
Die Griechenſtadt Philiscum, Nicephortum, Callinicum, Leon⸗ 
topolis; die Landfchaft Mygdonia, mit ihrer einheimiſch⸗ 
—3 und fremden griechiſchen Coloniſation; das obere 
Meſopotamien ald Grenzland der Römer und Partber. 


Nikepharion wiro bie Stadt nur einmal nebfl Karrhae bei 
Strabo (XVI. 747) genannt, unb dabei der Nienerlage des Craſſus 
erwähnt, ohne weitered hinzuzufügen. Plinius nennt Nice» 
phorium nebft Anchemufig ald Stäpte in des Präfectur Meſo⸗ 
potamiens gelegen (H. N. V. 21); In vemfelben. Kapitel aber, 
nachdem er von Palmyra gefprochen, nennt er es noch einmal 
mit einem parthiſchen Namen, ganz nahe abwärts Sura, nänılid) 
PHiliscum (f. ob. ©. 1082), als eine Stadt ver Parther, von 


‚_&*) Assemani Bibl, Or. T. 1. pag. 277. °*) Col. Oliesney Mic. 
vergl. Otter, Voy. I. p. 104, 106, 110. : . 








41126 WehrAfien. III. Abtheilung. L. Abſchuiut. .43. 


welcher die Schiffahrt nach Babylon, wie nach Seleucia, 10 Ing 
auf dem Cuphrat abwärts daure. Pitimiws Tommt noch cin wit 
tes Mal, nachdem. er 'wieber Anthemus genannt bat, auf Kict⸗ 
phorium (H. N. VI. 30) zurüd, die Stadt am Euphrat, weihe, 
wie ex bier bemerkt, Alerander M. wegen ver guten Gelegenheit 
des Gegend habe anlegen lafien (vergl. ob. ©. 14). 
Deu Namen Eallinicum für biefelbe Stabt kennt Pin 
noch wit, der Name zo Nıunpopor, die Siegbringenn, 
war die allgemeine Benennung geblieben, bie im vierten Sahcher 
dest bei Juliand Zuge auf einmal TO Kalilrıxor, b. i N 
Schonſilegende, an derſelben Stelle von Amm. Mare. (XI 
3, 7) genannt wird, wodurch der frühere Name bei den fpdims 
Autoren 'ganz verdrängt wird (f. ob. ©. 138). Schon Manneit 
zeigte, daß beides nur verwandte, aber veränderte Benennungen der⸗ 
Felben Localität feien.50) Nach dem Chronicon Alex. Olymp. 
434. Ann. 1. fol Seleucußs (II.) Calliniceus, Bater des Ir 
Aochus M. (Polyb. V. 40, 5 uud 89; ex flirkt 227 v. Ce 6) 
der. Grüner ober vielmehr Verſchoͤnerer dieſer Stapt Nicephoriuu 
gewefen, und viefe deshalb nach Ihm benannt fein. Auch Gr 
Abulph. ſcheint dieſer Anficht gewefen zu fein: denn ex fagt, dej 
zut Zeit des Ptolam. Cuergetes die Staat Kerkefium und Cal 
Iinieum (er ſchreibt Hist. dyn. p.65: Kalonicus quae enden 
Al Rakka) gegrünvet worden ſei. Aber die ſehr unrüßuide 
Regierung dieſes Seleutiden, der: fogar: in die Gefangenſcheft ver 
Parther ıgerieth, bietet allerhings wenig Grund zu einer felhen do 
hauptung ‚bar, auch wird dieſe Stabt erft in fo fpäter Zeit mit den 
Namen Sallinicum belegt, daB man dem Balefius in fear 
Note zu Amm. Marcel, eher folgen muß, der aus bes Libanius 
Epist. ad Aristaenetem anführt: 9) Gallinicum fe cm 
Station in Mefopotamia am Euphrat, die darum fo heiße, weil 
der Sophiſt Eallinicns daſelbſt erſchlagen worben fol. Dahe 
denn auch die erft fo fpäte Benennung: denn Galliuicns Ex 
torius lebte unter Kaiſer Ballienus (zeg. 201 — 268 a. &k 
Ge.) nah Suidas, und iſt ald Autor einer Geſchichte Mieranben 
in 10 Büchern befannt; ber Name der Stadt Gallinicum, # 
Ehen des Sophiſten genannt, lonnte alſo zu Anmmians Zi 


se) Mannert, Geogr. ber &. und Rom. Th. V. 2. 6. 286. 
No. Ammian. arcell. ed. Erfurdt. Tom. I. "2808. p ® 
ot. 7. 





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Euphratiuftem; Callinicum, Lesutopolis. 1127 


noch Fein Jahrhundert in Gebrauch fein. Defter wurde er. verſtüm⸗ 
melt in Ballanicos, Galonicus,58) Eolonica,Sa) Klunicojo u.a,, 
wie das aus Nicephorium verſtümmelte Anikos ©) für Rakka 
auch noch bei Edriſi vorkommt. Bald Hat fich der Name Gallinis 
cum überlebt; denn ſchon dm 5. Jahrhundert trat ain anderer, Leone. 
topol.is, an feine Stelle. Im Ehronicon von Edeifa‘!) ſteht, 
daß Kalfer Leo (I. Thrax.) im Jahr 466 n.. Chr. Geb. die Stadt 
Gallinicum in Dschoene erbaut, nach feinem Namen Leonto⸗ 
polis genannt, und ihr einen Epiſcopus eingefegt habe, was aber 
nady der Vergleichung mit dem Chron. Dionys. aur fo viel heißen 
Tann, daß diefelbe Stadt, welche laͤngſt beſtand, von ihm nur re⸗ 
ſtaurirt, etwa mit Mauern umgeben und nicht erft ein neues Cyi- 
feopat in ihr errichtet warb, fondern nur ein neuer Epifcopus ein» 
geſetzt, dem neue Privilegien extheilt wurben. Auch ward ihr ein 
eigner Dux gegeben, 2) um ven Veberfällen der Araber zu wider⸗ 
ſtehen. Daß fe zur Zeit des Kalfer Ju lian, ſchon im 4. Jahr⸗ 
Hundert, eine ſtarke Feſte und durch bedeutenden Handel und 
Verkehr ausgezeichnet war, Hatte ſchn Ammian geſagt 
(Amm. Marc. XXIII. 3, 7.... Callinicum munimentyın ro- 
bustum et commercandi opimitate ‚gratissimum); fie wurbe bei 
Sultans Durchmarſch durch Feſtfeier, Schiffahrt ver Flotte any 
Huldigungen der Araberflänme vor Ihren Thoren am Guphratufer, 
die dem Sieger eine Krone barbrachten,, verherrlicht. Daß fie ſpä⸗ 
ter in den Friebendintervallen zwifchen ven Roͤmer⸗ und Saſſaniden⸗ 
Kriegen zu einem Emporium in Osrhoene, deren Gapitaliä fie 
war, außerjeben wurde, zeigt Lex 4. Cod. Justin. de commer- 
ciis et mercatoribus. In Hieroclis Synecd. ed. Wessel. ;p. 714 
wird dieſer Ort in der Eparchie Osrhoene nech „Leontopolis, 
quae et Callinice“ genannt; alfo waren beide Namen doch 
noch im Gebrauch. Die Namen Eonftantia, Conſtantine, 
Antoninupolis und Tela, welche bei Steph. Byz., Amm., 
Marc., Procop genannt und auch auf biefe Nicephorkum ange 
wendet wurden, gehören nicht diefer Stadt am Kuphrat, fantera 
einem andern, viel nörpitchern Atem) an das auf 





26) Alb. Schultens in Vita Saladini im Index geogr. s. v. Rakka. 
5°) Assemani Bibl. or. T. Il. p. 77. *°) Kırisi b- "Jaubert 1. 
P. 136. °!) Assemani, 1. c. p. 258, 405. 03) chend. 


I. ©. 276. o2) Mannert, Geogr. d. or u. Roͤm. Th. V. 2. 
©. 288, 803. 


— nn SI GE —*& 





1128 Weſt⸗Aſien. IH. Abtheilung. J. Abſchan.. 


dem Wege von Carrhae nach Niſfibis lag, umd eine wei je 
Siadt war, weldye mit diefer Biter verwechſelt werden fenztı. 

Aus dem Berichte des Eutrop. (Hist. Rom. IX. 15) wa 

wir nach obigen, daß zwiſchen Gallinicam und Garıhar ze 
Galer. Marimianne; der Mitrigent Kaifer Dierletiand, eine Ekiahı 
gegen den Saſſaniven⸗Koͤnig Narſes verlor, daß er aber vifa da 
uf durch einem zweiten ſehr glänzenden Sieg über dericha 
wieder gut machte fim Jahr 297 nm. Ehr. Geb), worauf, wie En 
Nufus (Breviar c. 26) berichtet, Die Sajfaniven im Fına 
gezwungen wurden, „Defopotamien und Die 5 trandtigritu 
niſchen Provinzen“ (bie: Moroene und Zabvicene, d. i Ruh I 
und Zab⸗VFluß, f. ek. ©. 816) an die Kaifer von By dd 
treten, was nun auf eine gute Zeit hinaus dieſem obern Kir 
potamien unter dem Schuße der Kaifer fehr zum Vortheil gemike 
(f. 06. &. 136). Im dieſer Zeit konnte deun auch Gallinicen, 
wie jo v:cle andre Stübte, dur den Handel aufblühen, wie Jr: 
lian fie fand, und zur bebeutenden Station und ehe der Rien 
werben, wie fie von Anim. Barcellin nur ein halbes Jahrhen 
fpäter und auch von andern geſchildert wird (Libanius ad Mast 
Thom. oraduds dorı nepi Eögodıny Kallfvızaz Orepa; 
Theod. hist. relig, c. 26: Kallırixoy gpergrer uinemw 
u. a. m.). ®) 

Zur Zeit Kaiſer Inſinians eing Khos roes kei feimm m 
Ren Kriegszuge gegen Sura an ven römifchen Grenzfeſtungen Cir⸗ 
cejium und Callinicum vorüber, weil fie feinen PBlinzberungk 
zug gegen Antiochia nur verzögert haben würden (Procop. beil 
Pers. il. 5); aber bei dem Rückmarſche vom Dritten Belzug, 
nachdem er fchon mit Belifar in Sriedensumterhamdtnngen 
getreten war ff. ob. ©. 996), uns Geißeln beuhalb im Eveſfa m 
halten hatre, brach der Saſſanide Doch fein gegebnes Bern m 
sing auf Gallinicum Ios, dab ihm im Bertrauen auf wie gyle 
genen Unterhandlungen auch gar keinen Wiverftäand leiſtete (Pree. 
bei. Pers. II, 21). 

Dan Hatte freilich umoorfichtiger Weife vie Masern zum Theil 
eingerifien, weil man feinen Feind erwartete und mene aufjuhre 
wollte. Die Reichen der Stans entflohen bei der Anmäberung da 
Verſer noch glücuich mit ihren Eigen. Die z 
Armen und viel Bofts, fagt Procoy, war in Biete 







pw 





**) Itiner. Antonin. ed. Wessel, p. 191. Not, 


„1. i = 


k 





, 


Euphratſyſtem; Callinicum, Roͤmergrenzfeſte. 19 


fammengelaufen; fie wurden von Khodroed zu Sclaven gemacht, 
fie mußten ven Ueberreſt der Stadt vollends zerſtören, und: nachdem 
er alled rein ausgeplündert hatte, zog ex in ſeine Reſtdenz an: den 
Tigris zurück. © 

Nachher ließ Kaiſer Juſtinian die. derfallenen Mauern —8 
Ortes wieder aufbauen, fo. daß ſie wie. Ihre Nachbarſtädte Kar⸗ 
rhae, Batnae und andere, mit denen ein gleiches geſchah, wach 
wieder zu tüchtigen Römerfehen wurden Erocop. de ed, 
1. 7): 


Als ſolche erfcheint fie unter Kaiſer Rausitins, ı mit kam 
Namen Callinicum, noch ganz kurz vor dem Anfange des Iten 
Jahrhunderts bei Theophyl. Simocatta (Histor. IE c. 17, 
p- 151. ed. J. Bekker), in. dem Kriege ‚gegen den graufanen Hor⸗ 
muzd (Sormisdas IV:). 65) Von Caeſarea in Kappadocien zog 
Mauritius gegen dus Frühjahr, nachdem er fchon. früher. ven Feind 
in Armenien glücklich beſiegt hatte, auch um obern Meſopota⸗ 
mien ein, in die Romerſtadt Circeſium, mell er von da den 
arabiſchen Wäfenmeg am Euphrat entlung ſchnell vorrücken und 
den Perſer in ſeiner Heimaih überraſchen wollte. .:Dies wurde aber 
durch feinen eignen Wegweiſer, den Alamundar, den Cmir ver 
dortigen treulofen Nomaden vereitelt, wer dem Saſſaniden Könige 
einen Wink über den anrüdenven Beind gab... Hormuzd concen⸗ 
tririe nun die ganze Kraft ſeines Heeres, deſſen Kommando er vum 
tapfern Adormaanes übergab, auf einen Ueberfall gegen Balls, 
nicum im Rüden des Beinded, wodurch Mauritius ylöglicy 


⸗ 


zum Rückzuge genöthigt ward. Er mußte auf dem ſchon begon⸗ 


nenen Marſche umkehren, ſeine eigne den Proviant nachfahrende 
Flotte auf dem Enphrat verbrennen: ‚(weil fie micht ſtromaufwaͤrts 
ſchiffen konnte), damit fie nur nicht dem Feinde in die Hände fiel; 
and froh fein, vie Romerfeſte Calli nicum mit feinen beften 
Truppen zeitig genug zu erreichen, wodurch dieſe wenigflen& ge⸗ 
fichert und das Uebergewicht der Roͤmermacht noch am Cuphrat 
erhalten ward. 

"Nur wenige Zahrzehnde ſpäter nimmt die Hereſchaft ber 
GSriechen In Mefopetamien ein Ende: venn fihon 622 fallen 
die Araber 6%) in PBaläfiina ein, 637 beſetzen arabiſche Ddlker 





08)’ Michter, Air krit. werna über die Arſalden⸗ und Sa 
Dynakie. ©. 231. **) Chranicon Diopysii Patriarchae * 
cohitarum b. Assemani bibl, or. T. I. c. XVI. p. 102 104; 
vergl. Abulfed, Annal. ed. Reiske, p. 66: - | re 





1130. Weite Aien. IH. Abtheilung. L Abſchei 8. 


Epefia, 941 erobern fie Dara und bleiben feitvem im Beige wi 
Vander, indem nun eine neue MNeligien zn eine neue dumm 
derade Bevölkerung unter dem Schutze des Khalifete 
die herrſchende wird. Arabifge Stämme wardern in is 
Gupbestiausfähaften und Mefopotamiens ein, wie chriſtliche Berl 
kerung wird ungemein verfolgt .unb verblnnt, muhamcderiſt 
Gtäpte werben aufgebaut, chriſtliche Kirchen in DRofcheen verwarkdi, 
uns alle Berbältnifie des Landes verändern ih. Khalif Abdal⸗ 
malet, fagt Dionysius Patriarcha, fchrieb im Jaht 6% 
n.6.@. in gan, Syrien wie in Mefopotamien einen allgemian | 
Genius für vie Chriſt en aus, dem gemäß fid jeder in hei 
Haus. feines Vaterß begeben mußte, wo fein Name, fein: Bis 
berge, Die Dlivenbäume, kurz alle Güter, bie Zahl ver Sohnen In 
wafgezeiihnet und von ihnen Tribut gefordert warb, weit, füg 
ver Patriarch Hinzu, das Unglück der Hrifligen Berill« 
zung im Laude begann. Denn vorber zahlte man bem fur 
besheren, nach ihm, bie Abgaben vom Rande, aber nicht von a | 
Berfonen. Dies war der erſte Taadil (p. 4. Zoll, was pie 
Charadſh heißt), den die Araber den Ehriften in Rıfare | 
tamien auflegten. 

Da nun Die alte macedoniſche Nicepborium and kl 
ihren roͤmiſchen Nanen Eallinicum wie Leontopolis wert, 
und zu einer zein arabifchen Rakka umgewandelt erſcheint, ſe 
it es bier an der Gtelle, zu dem was wir ſchon oben über grir- 
chiſche Bevdlkerung, griechiſchfreie Städte und gricdi- 
ſches Leben zus Seleuciden- Zeit gefagt haben (f. oben Exik 
66-71), noch dad Wenige hinzuzufügen, was viefes merkwürdige 
Berhältuiß, von dem uns leider nur viel zu wenig ſpecielle Rai 
sichten übrig geblichen find, für die obern meſopotamiſchen 
Städte betrifft, an deren Spige wol Nicepborium, als die ww 
Alezander M. ſelbſt ausgegangene Gründung , geflanden hal 

Nicepborium hatte urſprünglich al Eolonie Aleran- 
vers wel Wacedonier und Griechen zu Bewohnern, deren An 
fledlungen fich aber zu den Geleuriven-Zeiten durch ganz Weir 
yotamien und Syrien ungemein vermehrt haben müffen, wie wE 
aus den Städteverzeichnifien fo vieler griechiſchen Geleni«- 
Städte erfahren, die ſchon Seleucus Ricator (f. Appian. de 
beil. Syr. 124) und dann bie andern Seleuciven, feinem Belfyiek 
folgenn , andy ylklen Ka oh Covhrat gegründet Haben (Ach 


8 





Euphratfyſtem; Landichaft: Mygdonia. uai 


Steph. Byz. a. a. O.). Daher dad Land dieſer griechiſchen Co⸗ 
loniſation im obern Meſopotamien, wo fie ber ältern ein⸗ 
heimiſch⸗ſyriſchen wol das Gegengewicht gehalten gu haben 
ſcheint, die niemals zahlreich war (Strabo XVI. 747), nicht um 
pafiend mit dem Namen ver macedonifhen Landſchaft Myg⸗ 
donia belegt warb, da fie. verfelben ihrer Naturverhaltniſſe nach 
verliehen wurde (Plin. H. N. VI. 16: Mygdoniam appellaverunt 
a similitudine). Syriſche und griegifche Sprache wurden da⸗ 
ber die wort einheimifchen Landebſprachen des Bells in Myg⸗ 
donia. — 

Diefe lehjtere Benennung dehnt Plinius noch anf ein weitereß 
Feld auch bis zu dem Orte der Großthaten Alexanders zu Arbela 
aus; Strabo aber (XVI. 747) gibt dieſer Mygdonia, verſchie⸗ 
ven von der in Macedonien und dem vordern Asia minor, eine 
beſtimmtere Umgrenzung, welche mit dem obern Mefopotamien 
dem Raume zwiſchen Nicepborium bis Niſibis, was Poly⸗ 
bins nur noch unter dem Namen Antiochia in Mygdonia 
tennt (Polyb. hist. lib. V. c, 51), und ben beiden Zeugma’s zu⸗ 
fammenfält. Diefe Gegend mit dem, wie «6 fcheint, bei ven aſia⸗ 
tiſch⸗griechiſchen Coloniſten fehr beliebten heimathlichen 
Namen (wie vie deutſchen Coloniſten in Nordamerika bis Auſtralien 
auch ihre heimathlichen Namen ſelten aufzugeben pflegen), ſagt 
Strabo, liege entlang dem (Taurus⸗) Gebirge, und ſei ziemlich 
fruchtbar. Die von den Macedoniern ſelbſt ſo genannten 
Mygdanier (Strabo XVI. 747) bewohnten daſelbſt ven Theil 
zunächft dem Cuphrat und ber beiden Zeugmas, von dem⸗ 
jenigen Commagene's bis zu dem alten bei Thapſacus. Sie be» 
faßen die Stadt Niſibis, ſagt Strabe, welche auch Antiochia 
der Mygdonier Heiße und am Fuße des Mafius liege; des⸗ 
gleichen Tigranocerta (f. ob. ©. 76), auch die Gebiete von Gars 
shae und Nicepborium; auch Chordiraza und Sinnaka, 
we Graffus durch Surena’6 und der Parther Gewalt und. Verrath 
feinen Untergang fand (ſ. ob. S. 1125). 

Das weiter im Oſten liegende Land Gordyene, zu dem 
Strabo in feiner Beſchreibung weiter fortichreitet, Das erſt durch 
Pompejus M. (Dio Cass. 37. 7) zur xbmifchen Provinz ges 
macht wurde, fo wie bie fünlichere Hälfte Mefopotamiens, wo 
Strabo die Wohnungen ver Zeltavaber (Arabes Scenitae ebb. 
XVI. 748 ) angibt, rechnet er nicht mehr zu jenem Lande Myg⸗ 
donia. Hier konnte daher auch mol ſchwerlich vis griechiſche Sprache 





« 


1132 Weſt-diſien. TIL. Abtheilung. I. Abſchnin. {.83. 


und Sitte neben der vinbeimifchen gedeihen, obwol viefe Romabden, 
"wie Strabo ausdrücklich bemerkt (Strabo XV, 748), innerhalb 
ver beiden Ströme, alſo die mefopotaniichen, Doch noch meit mehr 
von ven Nömern abhängig waren, als die. jüdlichern, deron Häupi⸗ 
Inge ſich mehr ven Patthern anſchloſſen, oder als diejenigen, Die 
yon beiden unabhängiger entlang dem rechten um des Euyhear 
Rramt umberzogen. Ku 
Dieſelbe Bereihnung der Myasonen. wi·derholt Strabs 
(XI. 527:und XVI. 736): an zwei. Stellen, wo er den: Wafius, 
der im Norden fich über ihrem Lande emporıhürmte, und Die Zeng- 
ma’d am Euphrat, im W. und S., als die Auedehaung ihrer 
| Grenze bezeichnet. - Ä 
:: Innerhalb vieſer Begrenzungen, w wo gegenwärtig foR nur Raub 
und Biüftemei gevacht wien, erhob ſich damals eine Anzahl beder⸗ 
tewner Städte, welde wer Gig ausgezeichneter Eultur (wir ja 
Edeſſa, Niſibis, Eallinicum) und eines Welthandels (we 
zu Batna in’ Sarug, Gallinicum: u. a) wurden, in derea 
einheinuſche und fremde, nämlich ſyriſche und grlechifchr Syrad: 
und Lireraturin Hochſchulen und Bipliocheten (zu Niſib, 
Eusiia, ſ. 06 S. 563, 364) flch ‚frühzeitig zu ungewöhnfihe 
Höße. erhoben. Es waren biefe, im welchen eine gewiſſe frem 
ſelbſtſtändige Verfaſſung mit eigenthümlicyen‘ Eintichtungen ua» 
griechiichem Leben mie In Seleucia (f. oben ©. 70, 123), fo zu 
Trajans Zeit noch unter. eignen Dynaſten in Edeſſa, Anıhemas 
(f. 06. ©. 114, 117 u. ff.) flatt fand; mo ſich daher andy neben 
dem politischen ein höheres religidfes Leben theils in eigen 
thämlichen alten Cultus ‚erhielt; wie dem der Atargariö und ber 
Sabiemus, feit Abraham bis auf Benjamin :von Tudela's Zeit 
(i. :06. .©. 248); oder der. fremde, wie verjenige: ver Juden, im 
Lande des Erild am Khaburas ſich verbreitete (#.- ob. ©. 248); 
oder die Xehre des neuen Evangeliums zuerſt Wurzel faßte un- 
ter. den ‘Heiden, wie zu. Eneffa:(i. 06. 6.118), und daſelbſt fen 
während die eifrigften orıhopgren Anhänger‘ gewann, indeß eben aus 
besjelben Mitte auch die reformatorijihe Serte der Neſtoria⸗ 
wer. ihren gewaltigſten Auffhwung, und In der hohen Schule 
zu Edeffa ihre wiffenfchaftliche erſte Ausbilvung (ſF. u ©: 106) 
erhielt, die fi von da über den ganzen Orient ‚verbreitete. = +2: 
Dergleichen. im Ganzen. zuſammenhängende 
Art konnten, von einer foldyen Golontfation au n 7 
Enſtg und Zurückwirkung auf die Ausbilvung: —— 














Euphratſ.; mygdaniſche Staͤdta; ihre Cultur. di 33 


uns: ihrer Bewohner bleiben, pie wir haſſer zu beurtheilen im Stande 
fein würde , wenn und bie Befchichte ihre Annalen aus: ihrer Frie⸗ 
Dindzeit unter den Seleuciden aufbewahrt hätte, ‚von denen faum 
einige Rezen übrig. blieben, fo wie van der ‚fpäteren Halfte ihrer 
Eriſtenz fi faſt nur ganz zufaͤllige Berichte über ihre Role als 
Seſtungen, welche fle in dem, Gonilict ver Parther und Sıj- 
ſaniden mit. von Rämern und Bezantinern jpielen, erhalten 
Guben, ums. einige Auszüge. aus ihren mei in Syrifcher Sprade 
in ihren Kloͤſtern gefrhriebenen geiflichen Chroniken über. vie 
Kämpfe ihrer Kirche, zwifhen Epijcopen und Barriar- 
den, zwiſchen Orthodoxen, Zafobiten und Neftorlanern 
(wie im Chronicon Edessenum eined Unbekannten, 67). im 
Compendium Chroniei Dienysiani, ®) in de Grego- 
zius Bar Hebraeus sive AbulpharagiusPrimas Orien- 
tis Schriften, deſſen Ghronicon: u. a. m.), bi6 auch dieſe in der 
alles. erſaͤufenden Fluch der roberupden Mubamedaner uniergingen. 
Schon nie noch im 10. Jahrhundert von Abu Ifhaf, „Henannt 
El Iſthakri, gegebene Notiz von Roha, *) d. i. Cpeſſa, daß fie 
eine, Stadt, meiſt von Ghriften bewohnt fei, welche dajelhft über 
300, Klößer, vicke. Berhäufer und. eine [ehr große Kirche hätten, he⸗ 
flätigt die große Vedeutung deſer meſopotamſchen Huſchaſin in 
früheren Atiten. — 

Unfreing ‚haben. bieſe Vertalimiſie an zurũckgewirkt, wie auf 
jede ber audern Städte am Cuphrat, ſo ‚such auf Nssvhorium 
es, Callinikum, aber nie Geſchicte weiß dapon nichts zu. 
zählen; fie: berichtet nur, was die ‚Era: in, rralkhung: der War 
ther betroffen ist: . 

‚Die Barsher- treten aber: ern mie ver Schwächung. ber, feleue 
eieifijen Gerrſcher, 200. Jahne ppx.der qhriſtlichen Zeigrechung , al8 
ſelbſtãndig wrrvende Volker hervor Denn alo des Prolgmäue.Ciij,) 
@vergetes von NAegypten ſiegreiche Heere bid Vabylonien vor⸗ 
drangen (im J. 221: vor Chr. Seh), ſagt der Geſchichiſchreiber ber 
Adriſchen Kriege, filen die bis dahin der Seleyriven-Dynaftie erges 
benen Paxther vor ihr ab, weil fie die innern Verwirrun« 
gen und. Familianzwiſte der Seleuciden⸗Gerrſchaft vor 
Mugen Biugen hate Aappianı de bell. Syr. 130). Das politiihe In⸗ 


* —* h or. T. I. °®) ebend. TM. 
— — 100420 26) Abu Ishak, eiber 
nah; iör! "Gotha 1889, 4, pag. 42; vergl. Th: 
: Bayen. —— et Edessenn. ‚Petrep. 12344... 2 








6 Wei-Miens IN. Abcheilung. I. Abſchain. (83. 


‚bie. MWart het⸗ ſchon im. thellwmelfen Beſitze Mygdonient 
und feiner Ghädte,: und ihre Streifcorps waren his an den Br- 
ſicha⸗Slus (Brlit) yorgerungen. Aber eigentlichen Beſttz hatz 
Sies namadiſche Volk Doch noch nicht davon genommen, denn Ber: 
„ihepigungäanfaltensißser. Grenze, weder am Deugma neh im 
‚inne ‚Lande, traf Craſſſus gar nicht an, und Eanmie | ftri⸗ 
lich, weil ea untrwartet geſchah, einen.großen Teil. eſopo⸗ 
tamiens, nämlich die mygdoniſche Lanpfchaft, durchſtrei⸗ 
fen und ausplündern (Dio Cass. XL. 12.; Rain, 232). Eq 
ba Ihre e. fiel ein Scharmügel mit dem. ſchwachen Poſten der da⸗ 
dam varthiſchen Reiterel vor (ſ. ob. S. 1121). Mit ter Schatl⸗ 
Agleit růct⸗ ‚Anmals Craffus mit ſeinen Truppen in die Caſtcke 
und Stadtt zumal in bie griechiſchen Des mefopotemi- 
ſchen Randek. (Tüg, Fuimridac adlıcra 5. Dio Gaflins), m 
unten. Dita auch; in Nicephorium ein. Dean ven Mache: 
Niarn un: anhern, Heljenen, deren fo. viele. nie Mkitfireiser in da 
Sen Alzandend geweſen, jegt. die Golonen Myapesisi, 
agt Mio:Caſſins, war ver Drud der Parther⸗Obergewalt a | 
Marsa, Br; gern gingen fie aber, weil fie große Hefe | 
nung auf Die Roͤmer ſetten, bie ihnen ale Bhpilnellenen 
‚Ieleunt.imaren, zu dieſen über. unb nahmen fie als Freunde bei fh | 
auf. Mur, die. Bewohner von Senpbotium (Tod Zurodemee | 
‚olnirogas 5. Dio-Capp. XL. 13) waren verrächeriſch. Mn er | 
‚Moie ‚Band. nee Iyann Apoilon ius (Appian, de beil, Part. | 
136), der an (hundert; der roͤmiſchen Solbaten In »ie Guam vi, al⸗ 
welltg ex, Üdh ihnen engchen, dann aber. innerhalb der. Mauera üb 
fee perl und fie niederhauen ließ, worauf. dann Eraffus die unt 
ærebarte und Ike. Eirmohnfr alg Eclaven verkaufte. Die Lage 
Dieiedı Eafrild,, ‚dab ‚ach ‚non ‚Pluarch (Crass. 1) ann Ch 
pp. mach Aryian. ‚Parth,, I. Zuvodöton, Sei Appiam. Lę aber 
Bmonetia,gemaunt wird, fl: nicht. genau befannt, afer weohr 
ſcheinlich in, der Naähe von Nicephoriun zu ‚fudhem,. we, 2 Apr. 
BSlorus (Hist, Rom, 11. 11). .2en Graffus fein-Zager auffchlagn 
amd ſpdniſch durch varthiſche Geſandte fragen läßt: „ob. Wr 
Arartateı mit. Pemnejus. und: Sylla auch wol eingebeat, A. 
Auch hei: dam zweiten unglüdlichen ‚elngnge dee Sala 
won, dem oben ‚al abe. .iar,, haben wir geiegen, naß Jamel;ä dies 
sine; den) Aziocen heffemungte ‚Gtapt a a 
123 Ingns; des gefchlagenen Röuıerfeftheunn. auf, eher 
— ‚hen, malen, ‚Parsber ‚a ne 














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Euphrarf.; erfie Parthereinfaͤlle in Mygdonien. 1137 


Thore dffuete, um Abe innerhalb feiner Mauern eis Afyl zu Be⸗ 
zeiten und ‚feine Rettung berbeisufüßen. Die Wachtpoſten ber: 
Stadtmauer verſtanden fogar die lateiniſche Rede des Slücht⸗ 
lings, ver ihnen in ver Nacht die erfle Kunde von Braflus ver⸗ 
lorner Schlaht uf. Ä 

Bei dieſem Feldzuge war ed, daß nach der Geſchichtſchreiber 
Angabe (Appian. de bell. Parth. 153) dem Craſſus von Su⸗ 
rena, dem Feldherrn des parthiſchen Königs Drodes, die bitter⸗ 
fies Dormürfe gemacht wurden über den Treuebruch, deſſen ſich 
die Männer gegen fie, ihre Nachbarn, ſchuldig gemacht hätten, wo⸗ 
für ſie nun häüßen ſollten. Denn nur Spott konnte es von den 
tiktteraten. Parihern fein, den geängfligten Feldherrn au das Ufer 
des Euphrat gelsiten zu, mellen, damit er dort den neuen Trası 
tat untenrſchöeibe (App: I. ce: Surena dixit jam inde pacses 
esse Orodi regi em Homamo :;popula; füedus: hate oportane 
seribi quam vegesint ad Auvium:. Saletis enim, inquit, vos Bar 
meni. abe 'adınedamı ‚esse  pattorum memores —). Ventidtus 
radchte zwar dieſe Niederlage des Graſſus (f. ob. ©. 922), IE as 
aber doch dabei bewenden, bie Pariher nach Meſopotamien und: 
Medidn zurückgedraängt zu haben (App: L c. 156), um des M. 
Antonius Ned wicht zu erregen. Unter. Kaiſer Auguſt und 
Tiberbus war der Cuphrat die Nömergrenze geblieben (Tar: 
ch. Aünal: IV. 3); tie aber 4 Regionen befegt hielten. Die Ware 
tther Wehen: ſich fogat vie Wiedereinſezung ihres zu Tiber geflüch 
teten Veinzen Artaban auf ihren Thron gefallen, und brachten, 
als vie romiſchen Legionen dieſen bei dem Zeugma über dan Exe- 
vꝓhrat begleiteten, dom ploͤgzlich zu weißſchäumigen Wegen, 
ohne allen Regen, angefhwollenen Strome, in befler 
brillanter Kräufelung fie Königsdiademe als gutes: 
Dmen zw fehen vorgaben, dem Cuphrat nach Ihrer Sitte «im, 
Bferdeopfer (Tacit. Annal. VI. 37). Au unter Gleupiug, 
(f. ob. ©. 991, 993) hlelten innere Bamilienzwifle die Pazther 
von ven Mömergrengen zusüd, und zur Belt Trajans ſehen win 
and ſcinem Durchzuge durch das alte Mygdonien ſ. oben Ga 
447, 118), daß auch damals die Barther Erin grofies Acherge⸗ 
wicht in obern Meſopotamten autäbten, wo ber. Aaiſto vie le 
kleinere Häuptlinge noch immer im ſelbſtändigeren Be» 
fige der mygdoniſchen Städte vorfand,, welche demnach noch 
lange Zelt hindurch Gelegenheit gefunden haben müſſen, nach pige» 
nem Gutdunken ihre Angelegenheiten zu verwalten, wie ſich dies 

Ritter Erdkunde X. Cecc 


AM 





1140 WebAfen. BIT. Abtheilung. 5. Abſchnitt. 43. 


mygbonifche Landſchaft, durch welche nach und nach bie fo eigen⸗ 
thümliche ſy riſch⸗ ⸗griechiſche Coloniſation, eine gemiſchte, 
verdrängt ober unterſocht werden oder ausſterben mijn 
Dieſe wilde Horde der heldniſchen Araber war durch ken 
Saffantvenkönig Cavades (Vater Khosroes in das Land ge- 
zogen (Cavades ... . Arabes cuactos in Sarugum immisit, 1. 
Jos. Stylit. Chronic. ), unftreitig um. bie ihm fo tapfer widerſtee⸗ 
benden verhaften Städtebewohner Mygdonias zu züdtigm 
und zu ſchwächen. Denn diefe Araber waren es, welche Diefe 
ganze Landſchaft von Batna bis an ven Cuphrat verheerten, au⸗⸗ 
plũnderten, ſengten und brennten. Zum erſten male bemerkt bei 
diefer Gelegenheit wer in den ſyriſchen Geſchichten dieſer Ränder fe 
singeweihte Aſſemani, daß Inf, St hlites den Namen Gasıy 
(vielleicht wie. das nahe Haran nach Abrahams Bruder, fo Sa ⸗ 
zug nach Sorug, dem Ururenkel Sema und Urgrofvater Ra 
hors, Tharas und Abrahams, nach 1.9. Mof. 11, 22-9, 3 
naunt) für dieſe Landſchaft gebrauche, ver bis dahin ganz unfefaunt 
geweien. Von nun an gber, wo bald der Name Batna verfhwin 
bet, blieb diejer der. vorhemfchenne, obmol er anfänglich no mül 
jmem gepaart bei ben Zeitſchriftſtellern jener Jahrhunderte in den 
Ausbrüden „Batna Sarugi,” ober „Batna in Saruge,” 
oder „Batga quae in Sarugo” gebraucht ward, niemals aber 
etwa Sarug et. Batna, als zwei belondere Stäbte bezeichnend, 
wie dies fpäter irrig bei Erfläreen in Gebrauch gekommen. Batns 
war eine Stadt und Caſtrum zu jener Art mit Mauern, Ge: 
zug aber war niemals eine Gtabt, ſonpern eine ganze Land- 
fhaft, yon. weicher auch die Dibceſe, ‚der en St. Sacotih 
yorfiand, And ibr Epiſcopus ven Namen Saru gensis erhk 
Diefer Jacobus iſt der exſte, welcher von Sreg oriui FA 
Hebraeus, 73). in feinem Chronicon ad, ann. 535 u. Gr. c 
mit dieſem Titel belegt ward, der noch jene 
Didcefe mit Ruhm überlebte. Denn feine gelehrten Krbeiten, h 
albungsreichen Sermonen und Tractaten, werben fiber Du 
aßen ger: bunt; allein 70 Amanuenfes fol er ‚sehabt. haben, 
mit Abſchri feiner fo geſuchten Sermonen beſchäfligt waren, De 
sen man ber. Zahl nach 760 angab, außer vielen | iu 
Epifteln, Hymnen, Cantifen und andern Werfen, die von ihke ie 
rüßrten, Bon Ionen fol er and, den Serme de Maria ed 


v2 ,' 
— —. 


u) GregorliB Bar Hebr Chron. 5. Assemanl, Eike. Degen. 








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Euphratſy ſtem; Neephorium, Rakka. 1139 


3. Erläuterung. 


Kafka, die Muhamedaner-Stadt, von ihrer Gründung bis 
auf die Gegenwart. 


Zu dem, was fehon im Obigen über ven jüngeren Zufland 
diefer Stadt am Euphrat, zu Edrifi's und Benjamin's Zeiten, als 
großes Emporium gefagt if, Haben wir noch folgende Nach- 
zichten auß den orientaltfchen Autoren hinzuzufügen. Nah Greg. 
Abulph. (Hist. dyn. p. 112) if es in demfelben Jahre, in wel⸗ 
Gem Omar die Saffaniven aus ihrer Reſidenz Mapain (im I. 
633 n. Chr. Geb., f. oben S. 173) verjagte, daß aud die Staͤdte 
Rakka Co. . Callinikum) am Euphrat, wie Amida, Nifibin, 
Zur Abdin (f. oben ©. 1115), Mardin, Saruj und Rohe 
(Coeffa), alfo alle mygdoniſchen, In die Gewalt ver Araber 
Tommen. Iyas, Sohn Gunmis, wird als der Eroberer genannt; 
Habib, Sohn Mufalma’s, ald derjenige, dem ſich Kerkeſitum In eb⸗ 
nem Vertrage übergeben, worauf dann der Gau von Baflra und 
Mabain eingenommen wurde. Jyas iſt offenbar der In demſelben 
Jahre auch beim jakobitiſchen Dionys. Patriarcha (in Chron. Dio- 
nys. Assem. II. p. 103, ad aon. 637 p.X. n.) Afuß, bel Theo⸗ 
phanes Jasdus (dv. 1. Jasd) genannte Araber, welcher mit ſei⸗ 
nen Talern (Tajos nennt fie Dionyf.; einer ver maͤchtigſten 
Arlbus aus Nefd, In ven Bergen bei Medina, von dem das 
mals die Araber Überhaupt benannt wurben) 71) Edeſſa befehte. 

Dies feinen naͤchſt ven Älteften ſcenitiſchen, aber noch 
heidniſchen Arabern, die ſchen Strabo im fünlicheren Mes 
fopotamien kennt, wel die er ſten muhamebanifhen Aras 
berfämme zu fin, die ſich aus dem centralen hohen Arabien 
Ger heutigen Wahabiten) im obern Mefopotamien- oder in 
ven eigentlichen myg doniſchen Landſchaften am früßzeitig« 
fen nievergelaffen Haben. Denn eine fon um 100 Jahr frühere 
(im Jahre 503 n. Ehr. Geb.), von dem Joſ. Stylites verzeich⸗ 
nete, 7) Einwanderung von Uraberhorden na Batna, 
in der einft fo reich cultivirten Landſchaft Sarug (Sarudſh, 
nur eine Tagreife im S. W. von Eveffa, f. oben ©. 1119), brachte 
auch, jedoch nur noch nihtemupamedanifche, Araber In dieſt 


?!) Chr. Rommel, Abulfedae Arabiae deser. Götting. 1820. 4. 
”) "Assemani, BibL or. T. 1. c.XXVIl. 8. Jacobus 
: Erin, Barug. p. 283. 
Eee 2 . 


re A" 


an 1 


Here Mefopotamien, fo daß Mafar (bei Edriſi lets Mob: | 


- Rebia, ber bei der Erbſchaft ſeines Vaters Pferde erhielt, heiht 





11AR Wefl:Afien. II. Abtheilung. J. Abfchnitt. $.23, 


men, werben genannt: Moful, Beh Garme, Heza, Marg, Cau⸗ 
fapur, Refa, Coche (f. oben S. 166) und Salache. 

Welcher von dieſen Einwanderungen nun auf vie Grim 
bung der muhamedaniſchen arabifhen Rakka auf den 
Trümmern Nicephoriums zukommen mag, bie Edriſi ne di 
Anikos kennt, wiffen wir nicht; aber die Sage, welcher fie ihre 
Gniftehung, und daß ganze obere Mefopotamien feine muhe- 
medanifche Geftaltung verdankt, IR nach unſers hochverchein 
Gonners Duellenberichten, denen wir aus Dem unerſchopflichen 
Reichthum feiner bewunderungswerthen orientalifchen Manuſcripien⸗ 
fammlung ſchon fo vieles lehrreiche für eine fortſchreitende Gregre 
phie des Orients verdanken, folgenve, die den damaligen Cultutze⸗ 
Fänden der nomabifchen ingewanverten auch nicht unangemefn 
zu fein fcheint. 

In drei Landſchaften (Diar) theilten die Araber we 
Infel (Dfpefire) zwifhen Euphrat und Tigris m 
drei Stammovätern: den beiden Söhnen NRefars, *) we 
Rebia und Mafar (oder Modhar) hießen, und nach Ber, vom 
Sohne Wails. Ber Tieß fih Im nörblichften Teile Meſo⸗ 
potamten8 nieder, dem Gebirgslande, dad nad Ihm ven Ram 
DiarsBefr, „dad Land Bekr's,“ erhielt (Diarbefr, web | 
alte Amida). Die beiden Brüder tHeilten fi in das füdli⸗ 







bar) 9) am Euphrat zu Rakka, aber Nebia weiter abwärts 
und oflwärts am Tigris, zu Moful, Ihre GHauptfige nahmen. 


daher Rebiat ol Fars, d. i. „Nebia der Pferde;“ Mafer 
(over. Mod har bei CEdriſi), welcher die Efel nahm, Maſar ol 
himar, d. i. „Maſar der Eſel“ (ver Name Maſar fommi 
ſchon als mediſcher Name, MaLaons, wie v. Sammer bemerkt 
vpr bei Polyaen. VII. 3. $.4). Unter diefen Gintheilungen, näm 
Ich Diar Bekr, Diar Rebia und Diar Mafar oder Die 
Modhar, die aljo uriprünglih von Nomadenftämmen karte 
men, wurde erſt unter Sultan Selim (1515 n. Chr. Geb) Died 
mefopotamifche Land durch, Bickli Mohamed Paſchet 
Eroberung zu einer Provinz des aroßen türfif-oömasi- 
arm Reihe, 


2 ir 
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Kenetmmntten [ 


- Ps x a 








Euphratfoftem; Ralka's Entſtehung. 1143 


Makka war, nah Roha (Edeſſa) die zweite Kauptſtadt 
des Diar Rebia, nach jenes Nieverlaffung genannt. Der Name 
Rakka, fagt dad Lexic. geogr. 5. Schultens, 89) bezeichne ei⸗ 
gentlich ein Land, von dem das Waffer abfliept, alfo wel 
ein „bewäfferter Landſtrich“ (terra unde aqua deflüxit 1.c.); 
vermuthlih vom Belicha, der, auß vielen Quellen zuſammengelei⸗ 
tet, von Haran nach Rakka abfließt (ad Raccam defluens ex agro 
Charrensi l. c.) und fh zum Cuphrat ergießt. Bon biefem 
Haran (Carrhae) liege Rakka 3 Tagereiſen entfernt. Diefe Be⸗ 
nennung beſtätigt Golius, der bemerkt, 2) daß Rakka (Ar- 
raca) überhaupt im allgemeinen einen bewäſſerten Landſtrich 
bezeichne, mit dem vorgeſetzten Artikel Ar Rakka aber die 
Stadt, welche die Capitale von Diar Modzar (was bei Jau⸗ 
best Modhar, bei v. Hammer Maſar) ſei, wie Niſibin vom 
Diar Rebia und Miafarekein (wie früher Amida) zur Blä⸗ 
thezelt des Khalifen Almamun die Hauptſtadt von Diarbefr. 

Schon unter Hafbem, dem Ommajaden, ber von 724 bis 
743 als Khalif regierte und feine Mefidenz an der Südſeite des 
Euphrat zu Rufafa hatte (f. oben S. 1089), ſcheint die Stadt 
Rakka zu einiger Blüthe gekommen zu fein, vie gewöhnlich erſt 
dem Khalifate Harun al Raſhids zugefchrieben wird. Er jchenkte 
der Eultur des Landes, zumal der Bewäfferung ber Uferland⸗ 
ſchaften, viel Aufmerkſamkeit, und e8 wäre wol möglih, daß eben 
duch ihn das danach benannte Stadtgebiet von Rakka erſt 
feine Benennung erhalten hätte. Der Jakobiten - Patriarch Die- 
nyſtus fagt Im Chronicon beim Jahr 731: daß Hafhem 82) 
(Sisciam) den Zaitun⸗Fluß abgeleitet und befohlen habe, meh 
rere Städte und Dorffchaften an Ihm. zu erbauen. - Der Fluß 
ift fonft nicht bekannt, wol aber ver Ort Zaltha (f. ob. S. 140), 
weiter abwärts am Euphrat, In deſſen Näbe dieſe DBewäflerung 
flattfinden mochte. In der Nachbarfchaft leitete Haſhem noch de 
nen zweiten Klug, Beth⸗Cales genannt, auf gleiche Welle 
zur Verbefierung des Landes, und an biefem erbaute fein Bruder 
Caſtelle und Dorfichaften. Derſelbe Khalif, fagt pas Chronicon, 
Heß im Jahr 741 gegenüber von Callinikum eine Brüde 
‚über den Euphrat ſchlagen, unftreitig um die Verbindung 
zivifchen den an dem Südufer des Cuphrat eben daſelbſt (ſ. oben 


20 In Vita Saladini s. v.  *°) J. Golius ad Alferg. p. 252. 
22) Chronic. Dionys. b. Assemani Bibl. or. II. p. 106. 





Aa Wefldlien: TU, Astheilung, I. Abſchuin. 5.13. 


.&.1114) von ihm erbauten Schlöffern, vie auch auf ven Bis 
‚na Rufaphe führten, eine bequeme Gommunicatien berusl 
‚ken. Es kang wol wegen der Breite des Stroms keine audte aid 
‚eine Schiffbräde geweſen fein. Ueberhaupt muß er bauicfig 
geweſen ſein; denn an bem Ban einer Zigrisbrüde bei der Eimkt 
Amida, fagt daffelbe Chronicon vom Jahr 743, wurde er nut 
‚feinen zu frächen Tod verhinsert. | 
f Früher alß au Haſhems Zeit finden wir aber ben Mamırn Relle 
„für Disfe Stelle Callinicums, wie fie Dionys. 1. e. noch neunt, mt 
vor; wahrſcheinlich ward die dortige Laudſchaft durch feine Baer 
leitungen vom Belt auch erſt in eine ſolche Rakka verwandelt. 
Auf dieſe Verhältniſſe der Stadt bezieht ſich unfreitig die 
Stelle bet Edriſi, ver fie zur Hauptſtadt von Diar Modhar 
macht, welche wir ſchon früher anführten (f. ob. ©. 238); daher 
ee auch den Weg von Rakka über Roſafa Keil Reſſafa) neh 
Höms (Emeſa) genauer beſchreibt 82) (f. ob. ©. 1089). 
Dem Khalifen Harun al Raſhid (reg. 786 bis 808 n. 
Chr. Geb.) ®) ward die Stadt Bagdad als Meflvenz zumibe, 
dedhalb er bald in Rakka, bald in Rai (Erdk. Th VII. ©. 5% 
und ob. S. 201) fein Hoflager aufſchlug. Er machte Rakka, 
fagt Greg, Abulph., 8) zum Staatsgefängniß der von ihm 
verfolgten Barmakiven (f. ob. S. 197); dann erbaute er ſich de⸗ 
ſelbſt aber auch einen Pallaf, ven er eben fo wie den von feinen 
Großvater Almanfur in Bagdad erbauten benannte (f, ob. S. 186). 
Auf feiner Reife von Rai ging Sarun al Raſhid, fagt Abel» 
feda, an den Thosen von Bagdad, ohne In dieſe Neflvenz daze 
treten, vorüber, um nur nach Rakka zu fommen, und von Rakka 
‚relfete er zum Ichten male Im November des Jahr 807 nach Chr 
Geb. ab in den Orient, um nie wiever dahin zurückzukehren, weil 
fein Tod unmittelbar daranf erfolgte. ED) Die Ueberreſte des Bal- 
laſtes von Harun zu Rakka, fagt ver türfifde Geogtaph im 
Dfhihannuma, 87) felm noch zu. feiner Zeit (Gadſhi Chalfa, der 
Berfaffer, ſtirbt im Jahre 1659 nach Ehr. Geb.) zu fehen; en 


renwolff ſah fle und Cheoney hat fie in ſeiner Gupfrasfarie da 


°*) Edrisi b. Jaubert. I, ‚P 137, fl Abulfed. Amank Ma 
ed. Reiske. p, 159— A ul Pharag. Hist, dynast, 
p. 151; vergl, b. Abulfeda Lc. °*) Abulfed. Annal, 


Mon J ©. m 168, 437) v. Hammer, eemauiſche Geſchicur. I, Il, 
N 


"m Er zn — 





Euphratſpflem; Rakka, Harun's Aefidenz. 1145 


getragen. Or gen Harum an dieſem Orte verweilte, fo zuwider 
war dieſe Reſidenz ſeinem Nachfolger, dem Khalifen Almamun 
(vg. 814 bis 833), weil ihm von ven Aſtrologen verkündet war, 
Daß es in Arraca flerben wũrda wie cd auch geichah.%) Dean ale 
er vom Feldzuge aus Aegypten gegen das Römergebiet in. Syrien 
zurückkehrte und fein Zeit bei der gefunveften Quelle Bodo adun 
aufgeſchlagen Hatte, daſelbſt aber erkrankte, fragte er nach vem Nas 
men des Ortes, den man Arraca (v. i. bie Bewäfferung, wie 
fo viele) naunte, worauf er (nach Mirchonde Erzahlung) ſogleich 
ſich auf fein Ende vorbereitete, uch ſtarb und in Tarſus begra⸗ 
ben ward. Unter dieſem Khalifen Almamun, ‚der wegen. feiner 
aftronomifchen Keuntniffe gefeiert murde, und in ber Nähe von 
Rakka, nämlich gegen Nordoſt von da, am Khaburas in der 
Ebene von Sinjar (f. ob. ©. 1007) den erſten Meriviangrap 
der Erbe von einer Gefelljchaft gelehrier Aſtronomen und Mathe⸗ 
matifer wirklich vermeſſen ließ, 89) machte der berühmte Aftronom 
Muhamed ben Ketiri, genannt Al Ferganus' (ver im Jahre 
833 ftarb), feine Beobachtungen zu Rakka, und ſchrieb feine Ele- 
mente der Aftronomie, wie ber Gelehrte 3. Golius mit fü 
reichhaltigen Noten auägeflattet Hat. 

Im 10. Jahrhundert war Rakka noch fehr bluͤhend; ; fie wer 
Damals nad; Abu IfhaEW) die größte Stadt in Diar Mohr 
har. Schon.werden von ihm bie beiden Geſchwiſterſtärte Rakka 
und Rafila neben einander genannt, ale verbundene, in dee 
son jeder aber eine Hauptmofchee fich befinde, die beide auf ber 
Dfifeite (d. L bier das Linke Ufer) des Cuphrat Ligen. Sie 
lagen auf einer Ebene, vie fehr fruchtbar, und waren reich an Bes 
wäflerung und Obftbäumen. | 

Daffelbe IR es, was nur von Edriſi wiederholt wird, der ven 
Abu Iſhak oder Em Haukal wol vor Augen gehabt zu haben 
ſcheint. Do hebt er vorzüglich dieſe Stadt zu feiner Zeit als 
großen Handelsplatg hervor, zu welchem von Bagdad aus 
Die größten Karamanen und Waarenzüge gegen Syrien, Aegyp⸗ 
ten uud dab Land Der Römer gehen (f. ob. ©. 236). Daffelbe 
beflätigt Greg. Abulpharag, 2) der file den Mittelort zwi⸗ 


9°) Abulfedae Annal. Most. ed. Reiske. p.188; und J. Golius in 
Alterg. p. 252. °°) Golins ad. Alferg, Klementa astron. p. 18 
und 68-— 74. °°) Liber olinatumı 9d. Moeller I, c. p. 42. 
9°) Hist. dynast. I. e. p. 203, 





Fi 
[2 


1146 WeftsAfien. IH: Abtheilung. I. Abſchain. 8.43, 
fügen Bagdad und Haleh nennt, der ungemein Häufig beat 
werde 


Nah Jakuti ſoll Rafika (oder Raphika) nur die Verſett 
von Rakka fein; Ibn Sayd nannte aber Rakka auch el 
Beidao, d. t. „bie weiße Rakka,“ wol im Eegenfag ver mc 
unterhalb gelegenen Raphika, weldhe auch die ſchwarze Raflı 

hieß. %) Bon beiden war bie dritte, Rakka Wafit, %. Li ke 
Mittelftapt, verfchlenen, weldde auf vom Güpufer des Enphret 
lag, in welcher zwei Palläfte Seſhams, auf dem Werud 
feiner Reſidenz Rufafa, erbaut waren. Rafica, fagt Bolins,®) 
fol von Almanfur (alfo früher?) erbaut worben fein, nad ie 
| Form Bagdads, kaum eine Drittel Millie von Rakka fen, ie 
! daß beide nur eine Stadt zu fein fchlenen, obwol eine jede deqh 
durch ihre eigne Mauer umfchlofien war. Zu Jakuti's Jet (a 
| ſtirbt Im Jahre 1229 n. Chr. Geh.) war Rakka zerfört; abe d 
erhielt fich ihe Name in ver andern Rafika, der man nun anf 
den Ramen Rakka beizulegen begann. Die Ram en 
weißen und ſchwarzen Stadt find wahrſcheinlich nad im 
politifch-religtöfen Parteiungen 9) der Araber und Berfer is 
Mefopotamien entflanven, welche als Abzeichen weiße und ſchwarzt 
Kleider trugen, davon die erfien auch bei den Syrern im Chra. 
Dionys. mit dem Namen avar, i. e. purum, album, belegt wer 
den, die Perfer aber mit dem Beiworte: uchama, i. e. nigrem; 
daher auch die Perfer bei Theophan. ad ann. 741 bie Maure- 
phori genannt wurben, weil fle ſchwarze Kleider trugen, wie 
die Arabers Partei weiße Kleider, darin fie oft zu Gefechten 
girgen. Schwarz war bie Farbe ver Abaffinen, fagt Abal⸗ 
feda, 9) welche Rafeka erbauten, wie grün damals bie Fark 
der Aliden war. Die Specialgeſchichte der Erbauung ber drel 
—Raktka's, bei welcher diefe verſchiednen Factionen nicht ohne im 
finß geweſen zu fein fcheinen, iR uns unbefannt geblieben. 

' Zu den fehr wenigen Augenzeugen, bie und im ben lecker 
I Jahrhunderten von Rakka Bericht geben, gehört zumal ins Jaher 
1574 der Nürnberger Dr. med. Raumwolff, ver nach einem Re 
nat fehr langſamer Schiffahrt, vol Gemmungen aller Art, «m 





93) Index geogr. in Vita Salad. b. A.Schultens. °.)J. Gohs 


ad Alferg. p. 258. - **) Chronic. Diönys, 5. Assemaai hibl 
er. T. II. p. 108, 108. °%) Abulfedae Annal, Mesl. od 
Reiske. p. 174. ‘ 








Euphratſyſtem; Rakka zu: Raumolfs Zeit. 1147 


9. September In der Stadt Rakka, 9) welche damals fehon dem 
türkiſchen Kaiſer gehörte, landete. Sie liegt, fagt er, an den 
Grenzen ver Wüflen Arabise, am großen Euphrat zwiſchen zwei 
Höhen, daß fie nicht eher, bis man dicht davor, zu ſehen if. Dabei 
iſt das Schloß eines Sandſhak, das ſammt ber Stadt 1200 Spa⸗ 
his zur Beſatzung vom türkiſchen Kaiſer erhalten Hatte. 

Die Stadt fand er ſchlecht erbaut und mit Mauern übel ver⸗ 
wahrt, die erſt nach dem Verfall ver frühern aufgeführt fein konnten. 
Neben ihnen ſah man noch die Ruinen ver alten Mauern 
in zufammengeftürzten Bögen und Stockwerken, darunter aber andy 
noch eine vorhandne fehr alte hohe Behauſung, .vie noch 
ſtark war und fo gewaltige Auſehn Hatte, daß fie ihrer Ruinen 
ungeachtet fich als ein altes Königefchloß barftellte. 

Zwiſchen dieſer verfallenen und ber neuern Stabt ſah 
Raumwolff noch ein andres altes Schloß, weldges ziemlich 
ſtark und mit türkiſcher Beſatzung gut verwahrt ſich zeigte, zum 
Arug und Schub, an der Grenze von Arabien und Perfien. Dies 
mögen wol die Reſte der Balläfte von Harun al Raſhid 
und von Almanfurs noch frühern Anlagen fein, welche durch 
der Mongholen Durchzüge unter Hulaku Khan (im Jahr 1260) 
nach Ausfage der Binwohner, wie Raumolff daſelbſt vernahm, 
ihre Verheerung erlitten haben. Doch iſt uns hierüber, wie über 
die ſpäter erfolgte wahrfcheinliche zweite Zerfidrung durch Timur 
Bein genaues Datum durch bie Geſchichtſchreiber überliefert. Oeſter, 
fagt Rauwolff, Habe er von der Höhe dieſer Trümmer, wo ex 
in Ruhe gefeflen, dem Rennen, Lanzenwerfen und Gtechen ber tür⸗ 
Tifchen Reiter zugeſehen, die biezu Leinen andern Wablplag in ber 
Umgebung bed Ortes fänden, als auf ver Trümmerebene der ehema⸗ 
ligen Stadt. Gegen die Bladereien ver Zoller, wie ver Reiſende 
bier die Douaniers nennt, ward er durch vie firengere Zucht des da⸗ 
maligen Paſchas, der zu Karahemit (d. i. Amida) reſidirte, geſchützt. 
Ein arabiſcher König (d. i. ein Emir) mit feinen 3— 4000 
Kameslen, mit Bich, Roß und Mann, Familie, Hab und Gut, zog 
damals, als Nomade fein Standquartier gegen einen andern Weide⸗ 
play wechſelnd, an der Stadt vorüber, deren Thore man bei vieler 
—— zuſchloß, ſich ihrer nichts Gutes verſehend, obwol ſie 
jegt in Freundſchaftsbunde mit dem türkiſchen Kaiſer ſtanden, mit 





* Bauwelfen, Bei Beigeitung der NReyß x. a. a. O. Th I 
ap. ©. 


D 


1148 WeflAfien. II: Abtheilung. :I. Abſchuitt. $.43. 


deſſen Leuten fie jedoch ſehr oft in Streit gerieten. Bon guten 
Yaudbau, : Ohftgärten : over ſonſtiger Cultur thut Rauwolff de 
mals Heine Erwähnung. Er fegte von da (am 27. Gept) fem 
Flußſchiffahrt weiter abwärts fort. oo Ä | 
Seitdem fehlt ans jede neuere Nachricht von Rakka dark 
Augenzeugen; biß auf Gheaney, ver auf feiner Karte Dis hall- 
Euehörteäben Stabtmauern an. Norden des Zuphrat und im We⸗ 
fen der Bellfeinmändung verzeichnet, in welchen sr den Ballafl 
Garumtſal Rafhins am ihrer. nordweſtlichen Ede alt vie Sick 
feiner aſtronomiſchen Beobachtung einträgt. 
: Im der Mitte der Stadt gibt er «einen Xhurm, an ber fü 
weſtlichen Außemfeite ein Gaſtell an, gegen Müheft. aber ebendafrib 
‚einen Khan. Be Ä 
In ver Nordmauer der Stadt gibt er das Timurthor en 
und daneben einen Tempel, wol eine Moſchee; außerhalb ve 
Stadtmauer gegen Of einen Wallfahrtsort ver Bilger (da 
Biyaret), und im Süden veſſelben einen Hohen quadratiſchen 
Xhurmban.. Dar Winkel ver Laudzunge zwiſchen dem dw 
phrat und dem Belik, welche ſich feine Halbe Stunde von be 
Stadt gegen S.D. vorſtreckt, äft nach Ainsworth heutzutage mit 
einem beventenderen, dichteren Uferwalde, Aran 9) genemi 
(Amran bei Chetney), bewachſen, der ganz aus Tamarisken, 
Bappeln und weifen Maulbeerbäumen beftcht, und ſich fe 
weit ausdehnt, ald das Auge reicht. Doc ſcheint er nach Ehe 
we y’3 Karte im Ofen vom Belik⸗Fluſſe begrenzt zu ſein, am 
deſſen Mündung aber ver Cuphtat fehr flarke Windungen wach, 
zwifägen befias Urmen einige ſehr große Auen ſich ausbreiten, am 
serhalb derſelben jedoch das Fleinere Tifergehälz wieder quf welter 
Strecken anzuhalten feheint. Die Anhdhen Iegen unterhalb Rakka 
vom Cuphratufer entfernter als zuvor. 

Die zunaͤchſt ſolgende merkwürdige Uferlaundſchaft des 
Eunphrat iſt diejenige, in deren Gegend fich bei Kürkeſtum ver 
Khabur (Araxes ſ. ob, S. 13; Abora f. ob. S. 120; Abor⸗ 
ras ſ. ob. ©, 247, aus Sinjar, Niſibis, Haran, Ebdeſſa, 
Reſſaina kommend) in den Gauptſtrom ergisft. Da feine Quel⸗ 
len aber ſehr nahe dem Tigrieſtrome enifpringen, mb: an fol 
Stromgebiete bie widtigften Loralitäten ‚zur Keantif er Innern 
Sandfchaften des obesn Mefopotamiens liegen, ſo werden wir 
eiſt dieſet Tünnergriier um won atece Sant Det Feuer 


21, Alasworth, Res. in Barıt.\.c. 9. MR. 


An. =. 


Euphratfoflem; Khaboras, Uferlandſchaft. 1149 


ten Tigrisftromes ſelbſt verfolgen mäffen, che wir zum mitte 
lern und untern Mefopotamien, mit ben beiden gegeneinander 
ſtark convesgivenden und einander ungemein fih näh ern den 
meſopotamifchen Strömen vom Tigris zum Euphrat!unh 
ihren inſulariſch eingefchloffeneen Ufergebleten, oder den meſopota⸗ 
miſchen, in ver näͤchſten zweiten Abtheilung unſrer Uaurſe huungen 
zurückehren. 
— — 
1 J 4 
Nothwendige Verbeflerungen und einige Drusite. « 


Eeite 9 Zeile 8 von unten ließ Ströme Ratt Stöme. 
&. 10 3. 12 v. o. ließ 8 Ratt D Ta; ſche. J 


em 3.9 v. u. ließ Graciza fast. raciha. 
©. 12 3. 2 v. n. ließ nahe ſtait an m. f. v. 
©7 3.5 v. u. find die Worte: „bie WRofhiihen-Berge fonnen Pr 49 
u berichtigen nad. em, mas ©. 816 diefe ‚Stelle gefagt iR. 
©. d 3.160. if —— gu leſen Simyra, und RL 12 
Pa zagtigen nad dem, 833 barüber beigebracht 


v. o. Tieß Land Doron Matt Doron. 

2. 0..leß „Richt von Viefem untern egih,. fendern. 
FR mehr mörblihen, von welchem &..116 3, Mi vor zn ve 

6 ER“ Matt wie dort Mae man dieſem Elegla u. f w. 

S. 1160 3. 18 v. o. find bie Worte Thapfacus, Iengme und“ zu Äste 
den, wach der Berichtigung: weldhe ©. 986 angegeben if. 

S. 01 3. In o. lie —8* ſtatt Bhropheien. 

©. 351 3. 16 v. o. fait des Fragezeichens im Klammern iſt bie is. 
tunft darüber ©. 558 nachzufehen. 
©. 389 3. 16 v. o. ließ Ararai flatt. Mrarab. 

Em. 3. Bi u. Üeh „enördlih von Gentziich u. ſ. m)“ Rott ö 

6 u. ſ. 
©. 400 3. 6 ». u. wie ©. 407 u. a. a. D, gdR fa Sachenla ut 





Pr “a. Fr anlı Ang —— eh eh 2 * 
er er er fen: e ap A er 
gem de hal om Ani 4 Ha 


der Bolanller aus Jena, welcher einen —8 —— —* 


ai 
&. 552 3.5 vn. find Sie "Motte ,„benacbart'Atzerum“ zu Aecihen, 
da biefes Thortan, wie das S. 776, mit mit dem nörblidien Thor⸗ 
, seen ober Tortum, S. 754 ober 825, zu verwechſeln IR. u 
Eu uv» Wi tt „Arares” richtiger obern Murad. 
3 v. 0. flatt IN 9. 
I 9. v. o. fiehe für ers bie ie Deriättgung biefer Beuennyı ing 
m he Ber Wort. Tefieh fo viel ale Klofter bebi nn 
u, Graum“ WG Urum, nah dem was ©. 1 
Be ift; wonach bie Ekel ©. 940 3.15u. em 
vo X Berne fändigen fein wird. 
Gens. Mn 3 u o. iſt = ge Ballis“ zu vergleichen, was ſpoter S. 
een einmolegfhe geant at if 
6. Prey ů vo. — ua K felden Worte bei Potyb. X 18 Weil 
dies Bragment erſt aus dem Strabu dem Polyb. vindictrt worden iſt. 








7 
—E 


Nachtrag zu den Hoͤhenmeſſungen. 
Zu ©. 900. 
Zur —— der armen iſchen Höhenangaben fdım 


Bier die Wefultate von Eh. Terier’6 Barometermefiungen, wei a 
deien legt erſchienenem Cahier ver Description de l’Arm£nie, 
la Perse et la Mesopotamie, T. IV. Pianche 176, fin 
Moutier von Trapezunt bis Diapim im Metres eingetragen fl, | 
wozu aber noch der Text fehlt. Diefe Angaben kounten in obigen kim | 
Dad noch nicht beuupt werben; Re folgen Hier im Pariſer ui md. 
L Rontier von Trapezuut aber Baidurt und den Koyp-Dazgh 
(ven auch Kinneir, Hamilton, Ainsworth überfliegen, f. ober €. 76, 
145, 825) nah Erzerum. 
1. Trapezunt, Hans des franzöflfhen Eonfuis, 270 Fuß Bar. il. 
dem Meere. | 
3. Dievislif, 1146 8. 
3. Khan Kara Kapau, 5558 $. 
Gehirgtsag: Station, A. 7162 5. 
— — B. 8105 F. 
4. Ralabad Bogazi, 7646 8. 
5. Gtation C, über dem Dorf Korom, 8040 F. 
Station D, auf dem Korom Dagh, 8655 8. 
6. Biefernif, im obers Tihorufthale, 5018 5. 
7. Jenl Kupru, ebenv., 5114 $. 
8. ne am he, m %. 
®. n E, am Rorbabhange des KopeDagih, abwärts eıner kai 
fen Duelle, 6148 %.. * s» ” 
10. Gebirgeſtation F, weiter fübwärts, 8319 J.; mamenlcos bei Terier. 
6 * der Kop Dagh, die Waſſerſcheide zwifchen Thherck m 
Frat. Man hatte ihn früher 9000 bis 10,000 5. hoch geſchatt 
11. Kocha Bangur, am Zufinf Armin zum rat, 6728 8 
22. Dorfebene im R. des Cuphrat bei der Station G, wehli vn 
Dorfe Karas, 5908 %. 


18. Stadt Ergerum, 0086 $. \ 


MH Rontier von Erzerum über Heffan Kale, Karagsren, 
Karo nad Ani. 
1. Grzerum, 0046 8. 
3. Im Norden von Zervin Kalk (oder Sewin) das Darf Kara⸗ 
goran (Rara Dran oder Kara ‚f ob. ©. 407, m &$ 
sche des Sohle), t 5026 $. 
3. gspaß im Goghanin, Statien H, 7783 8. 
4 afhlepafien, im obern Thale der Ducllen bes Kart Blakt, 


g. 
5. Kars, die Stadt, 5902 %. 
6. Ani, Ruinenfladt, 4640 %- 
UL Rontier von Ani über Khagisman am Hrarrs nad Tr: 

praf Kalé und Diadim. 

1. Aut, Ruinenfladt, 4640 8, 

2. Khagisman, am Arares, 4713 8. 

8. Keres, 5654 8. , 

4. Station I, auf dem Gebirgswege nach Toprak Kale, liegt OOR2 J. 

$. Station K, ebend., 8942 $. 

6 Toprak Kale, 5045 3%. 

7, Kara Kiliife, am Murabfhal, auf dem Wege nad Diebin, 53% 
Buß Ab. d..M. ' 











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