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in 2010 with funding from
University of Toronto
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Die Erdkunde
von
Carl Kitten
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Drittes Bud. Weſt
Uebergang von Oft: nach Welt: Afien.
Berlin, 1837.
Gedrudt und verlegt
bei ©. Reimer.
ar Erdfunde
| im Verhäftniß zur Natur und zur Geſchichte
des Menfchen, -
oder
allgemeine
| ‚vergleichende Geographie,
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fi here Grundlage des Studiums und Unterrichts in
phyſicaliſchen und — Wiſſenſchaften
von
Carl Ritter,
Dr. und Prof. p. Ord. an der Univerſitaͤt und allgem. Kriegsſchule in
Berlin und Be der Königl, Academie der Wiffenfchaften zc.
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Siebenter Theil,
Drittes Bud. Wef:Afien
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Zweite ſtark vermehrte und umgearbeitete Ausgabe,
Berlin, 1857.
Gedbrudt und verlegt
bei ©, Reimer.
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Inhaltsverzeichniß und Blattweiſer.
Drittes Buch.
Weſt⸗Aſien. Band V.
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Erſte Abtheilung.
* Abſchnitt. Die Uebergaͤnge in den Naturformen
von Oſt- zu Weſt-Aſien.
Pi. Erftes Kapitel. Das Stromfyftem des Indus. ©. 5.
Einleitung, ©. 5—12.
Erläuterung 1. Oberer Induslauf. Zufäge zu frühern Nach⸗
richten, nach Al. Burnes Erfundigungen, ©. 12—2%6. -
Erläuterung 2. Mittler Lauf des Indus (Sind). ©. 26—31. -
Erläuterung 3. Das Pendſchab (Penjab im Neuperfifchen, das
' Fünf-Stromland) 3 im Sanskrit Pandjanada, beides bei Griechen
Pentapotamia. Sapta Heando een: regiones Indiae) im
Zend, ©. 31. ._ \
1. Namen der Fünf Fluͤſſe. ©. 31.
2. Der Sfetledfchlauf (Hesudrus) im Pendſchab die ——
©. 35.
3. ‚ Der Beas, Bedſcha, oder Vipaſa (Hyphasis), und das Sallin=
der Duab. ©, 46, - i
4. Der Lauf des Ravi, Sräoty, Airavati (Hyarotis, Hydraotes)z
der Lahore- Strom. Die Gapitalen Zahore, Umritfir. ©. 47.
5. Der Chinab ( Ghandrabagha im Sanskrit, d, i. Mondeögabe,
Acesines), Der Multan- Diftrict, ©. 60. ı
6, Der Behut, Bedufta (Vitafta im Sanskrit, d. i. pfeilgefchwind,
Hydaspes), oder Jilum (Oſcheilum). Der Kafıhmir » Strom,
das Kafdjmir = Gebirge und Thal, ©, 70,
IV Inhaltsverzeichniß.
J. Oberer Lauf, das Alpenland Kaſchmir; juͤngſter Fortſchritt
der Beobachtung. S. 70.
a. Nach V. Jaquemonts Berichten im J. 1831. ©, 71.
b, Nach Karl Freiherr v. Huͤgels Berichten im J. 1836.
©. 81 -93.
1) Das Gebirge zwiſchen Sſetledſch und dem obern Chinab.
2) Das Gebirge zwiſchen Chinab und Indus,
3) Der Zübet Panjahl, oder die innere Se bes Hi⸗
malaya = Syſtems. \
4) Das Kaſchmirthal. ©. 88.
1. Unterer Lauf des Silum (Hydaspes) im Pendſchabgebiete
S. 3—8,
Anmerkung. Die buddhiſtiſchen Dagops von Manikyala
und Belurz Ausgrabung, Antiquitäten, Muͤnzenreichthum.
Etymologie der Namen; Beftimmung und Erbauung dies
fer Denkmale (Topes, vom Sanskrit Wort Stupa), ©, 98.
Erläuterung 4 Das Pendſchab. Fortſetung. ©, 115.
I. Producte, Induftrie, Handel, ©, 115.
II. Das Maha Rajathum Runjit Singhs im Pendſchabz Verwal⸗
tung, ©. 121.
11. Die Seikhs im Pendfhab. S. 129,
IV, Religionsfeete der Seikhs, Entſtehung ihrer Gonföeration.
©. 133 — 140.
Anmerkung. „Kurzer hiftorifcher Abrig der Entftehungs
geihichte von Runjit Singhs Reiche, dem Maha Rajathu
des Pendfchab, und von deffen neueftem ftatiftifch-politifche
Zuftande, nad) officiellen Quellen, ©, 140—147.
|
4,2%. Erläuterung 5. Mittler Induslauf, Fortjesungs von Mi
tun=Kote bis Hybrabad oder von dem Pendfchab bis zum De
des Indus, Mittun-Kote, Subzul- Kote, Schikarpur, Bukkur
Khyrpur, Larkhanu, Sehwun; die Lufli- Berge. S. 147— 165
$. 3, Erläuterung 6. Unterer Lauf, Snöus- Delta, ©, 165— 189.
1. Die Indusarme und ihre Mündungen, S. 165.
2. Namen des Indus, ©. 170,
3. Bodenbefchaffenheit des Indus-Deltas, Clima, Probuete, Schiff;
fahrt. ©. 173.
4. Bevölkerung, Ortſchaften, Hirtenftämme, Angeſiedelte. C
talen: Hydrabad, Tatta. S. 178.
5. Der Staat von Sinde, die Herrſchaft der Talpuri⸗ Dyna
vom Beludfhen Stamme, Die drei Amirs von Einde; v
Hydrabad, nd und Mirpur. ©, 184— 189,
Inhaltsverzeichniß. v
Eeiauterung 7. Ruͤckblick auf das Indus-Syſtem und Vergleich
mit dem Ganges-Syſtem; deſſen Schiffahrteroͤffnung für Euro-
päerz politiſche Stellung des Stromgebietes. S. 189 — 196.
4. Zweites Kapitel. Das Gebirgsſyſtem des Hindu Khu
und der Kabulſtrom. Kaferiſtan; die Vorſtufe Peſchawer;
die hohe Kabulterraſſe. S. 196.
Ueberſicht. Der Hindu Khu, Indiſcher Kaukaſus. S. 196.
Erläuterung 1. Kaferiſtan, Naturbeſchaffenheit, Namen, Bewoh⸗
ner, die Kafern, die Siapoſchen; Euſofzyes.
1. Naturbeſchaffenheit. S. 202. *
Anmerkung 1. Names; Kaferiſtan, Koheſtan, Gurkhend.
S. 205.
Anmerkung 2. Name, Siapuſch, Siaputh; Timurs Als
penzug im Jahre 1398 (nidht 1408). ©, 206,
2. Bewohner. Aboriginer : die Kafern und Siapuſch. ©. 208.9
3. Eingewanderte; die Eufofzues, oder oͤſtlichen Afghanen ; Rohils
las, Patan. ©. 13.
Anmerkung. Süngfter Befuc in Iskardo, von Ghataph
Ali und Mr. Vigne (1835). ©, 215
Eriaͤuterung 2. Die Vorſtufe von Pefhamerz der Uebergang vom
warmen zum falten Glima (vom Germafir zum Serdfir). Sell
allabadz; die Gärten am Surkh-rud; die Denkmale; das 8
ſteigen zur Kabul-Terraſſe. ©. 219 - 233.
Erläuterung 3. Die Hoch-Terraſſe von Kabuliſtanz die Stadt
i Kabul (Kapovga bei Ptol.). ©. 33 — 244.
- Erläuterung 4 Der Hindu Kufd (d. i. Hindu Toͤdter), Kohe—
R fian am obern Kabulſtrom; die Gebirgspaffagen und der Paß
von Kabul über Bamiyan nad; Balkh. ©. 244.
1. Die Gebirgögaue des obern Koheftan, n, Sultan Baber. ©, 244
2. Die fieben Gebirgs = Päffe nach Sultan Baber. ©. 251.
3. Der Hindu-Kuſch, die Gebirgspaffage von Kabul über Bas
miyan nad) Khulum, nad) Al. Burns, S. u
a) Allgemeine Ueberſicht.
b) Al. Burnes Route über Hindu Kuſch (1832). ©. 261.
Anmerkung 1. Bamiyan (Alexandria ad Caucasum), feine
Höhlen und. Eoloffe. S. 271— 2386.
Anmerkung 2, Die Gruppen der Tope's (Stupa’s) oder
‚großen, antiten Mauerthuͤrme mit buddhiſtiſchen Reliquien
und Münzfchägen, von Peſchawer, Zellalabad, ‚Kabul und
0 Beghram, zu beiden Geiten der großen Koͤnigsſtraße bis
Bamiyan, ©, 286 — 303,
vi Inhaltsverzeichniß.
Erläuterung 5. Die Landſchaft Kabul im XVI. Zahrhundert, von
ihrem Groberer (im Jahre 1504 n. Chr. Geb.) und Beherrſcher,
dem Sultan Baber, beſchrieben. ©. 305— 313. |
Grläuterung 6. Politifcher Zuftand des heutigen Kabel, ©. 313
bis 320, =
6,5. Drittes Kapitel, Das Turkeſtaniſche Hochland, oder
Oft; Turfeftan, als Uebergangsform von Oftz zu —*9
Aſien. ©. 320. |
Ueberfidt, ©, 30—343. |
Erläuterung 1. Khotan, Khotian, Khoten oder Zuthian (HYuthian
oder Yütiän); Kusftana im Sanskr., Kiufatanna der Ehinefen.
Das alte Königreich und die heutige Provinz mit der Hauptſtadt
Ilitſi. ©. 343 — 389.
1. Ueberſicht.
9%, Khotan nah) dem Djihan numa der tuͤrkiſchen Geographie.
S. 349.
3. Khotan nach dem Si yu wen kian lu (im J. 1777). ©, 350,
4, Jlitſi (Kelchi bei Wathen), d. i. Khotan in der Gegenwart,
nad) den Jüngften Ausfagen dort einheimifcher — — auf
ihrer Durchfahrt in Bombay (1835). ©. 352.
5. Khotan oder Zuthian in älterer Zeit, im 3. 400 n, Ehr, Geb,,
zur-Beit von Fa Hians Befuch daſelbſt. ©. 354.
6. Khotan, Juthian, oder Yuͤtiaͤn, Kuftana (Erdbruft) im Sanskr.
Kiufatanna der Chineſen. Nach den älteften Sagen der ein=
heimischen Chroniken, die in den dhinefifchen Annalen der Thang⸗
Dynaftie (reg. von 618 —907 n. Chr. Geb.) aufbewahrt find,
7. Khotan ſeit J X. Jahrhundert in chineſiſcher Spanien
S 374— 380.
„Anmerkung. Der Zu: (Yu) Stein, d. i. Ju⸗ch der Chi⸗
nefen, Kaſch der Turk, Yeſcheb der Perſer, oder Jaspis
der Alten; fein Fundort in Khotan, fein Verbrauch und
Handel, ©, 380— 389.
Erläuterung 2. PYarkand ber Einheimiſchen ; Varkend, Jerken,
Yarkiang; Hiarchan bei B. Gods; Karkan bei M. Polo; Me⸗
olh kdiang der Chineſen, als Capitale, altes Koͤnigreich und ge⸗
genwaͤrtige Provinz. ©. 389— 409.
1. Karkan nad) M. Polo (1280). ©. 390. je An
2. Hiarchan nah B. Goës (1603). ©&.391. 7 0 -
3. Da nad) Mic Iſſet Ullahs Reifebericht im hehre 1812.
+ 392.
i Inhaltsverzeichniß. vn
4. Darkand nad) den Ausfagen der Mekkapilger in Bombay (1835).
©. 396.
5, Darkend nad) dem Dſchihannum⸗ (d. h. der Waliſchau) des
Tuͤrkiſchen Geographen Hadſchi Khalfa (geſchrieben um das
Jahr 1640 n. Chr. G.). ©. 399,
6» Meoͤlh khiang, d. i. Yerkiang oder Yarkiang (Sprich Yarkand),
nad) der Chineſiſchen Geographie des Si yuͤ wen kian lo. Ebit,
Peking 1778. S. 401.
7. Hiſtoriſche Verhaͤltniſſe Yarkands in der aͤlteſten Zeit; gegen
t wärtiger friedlicher Zuftand als chincfifhe Provinz. S. 405.
Erläuterung 3. Kaſchghar oder Haſchar (Kaſch, Chaje), Haſcha
ha eul oder Khe ſchi hooͤlh der Chineſen; Sulg (Choule) oder
Khiuſcha der aͤlteſten Zeit. ©. 409 — 430.
1. Kaſchghar nach M. Polo (1280). ©. 409.
2. Kaſchghar (Cashkar) nach arabiſchen Autoren. S. 410.
3 Kaſchghar nad) dem Oſchihan numa (d. h. Weltſchau) des tuͤr⸗
kiſchen Geographen Hadſchi Khalfa, um das J. 1640 n. Chr.
Geb. S. 411.
4. Kaſchghar nach Mir Iſſet Ullah. S. 412.
5. Kaſchghar nach den Berichten der turkeſtaniſchen Mekkapilger
in Bombay (1835). ©. 413.
6 Kaſchghar, oder Kaſchkar-Haſchar, oder Hafdahaeul, auch
Khe ſchi ho oͤlh, nach chinefischen Berichten des Si yu wen kian lo.
Ed. Peking 1778. ©. 416.
7. Kaſchghar, d. i. Sule (Choule oder Chou), nach den älteften
Berichten, feinen frühern Hiftorifchen Verhältniffen, nad) chine—
ſiſchen Quellen. ©. 419— 430.
Erläuterung 4 Die Städte und Ortfchaften zwiſchen dem Nord⸗
ufer de3 Zalimu und dem Südgehänge des Thian Schan - Sys
ſtems: Zurfen, Karafhar, Kurli, Bukur, Kutſche, Akfu, uſchi
und ihre Gebiete. ©. 430.
. 4) Zurfan. ©, 432.
9) Kharafhar, Halafchala der Chinefen und Oſchuidus (Yulduz)
‚Cialis, Cailac, Calacia, Kalacha. Durchreiſe von W. Rubru⸗
quis (1254), M. Polo (1280), von Schah Koks ach ade
(1419) und von 9. Goes (1604), ©, 436.
3) Kurli. ©. 444.
4) Bukur. ©. 444.
5) Kutfche (Khudſche oder Kueiſzoͤkue; einft Slolo, die Reſidenz der
Kouei-thſu. ©. 445.
6) Akſu. ©. 4. Re _
7) uſch, uſchi oder Nicht Turfan. S. 451:
vm Inhaltsverzeichniß.
Erläuterung 5. Allgemeine Verhaͤltniſſe Oſt-Turkeſtans nach
dem chineſiſchen Berichte des Si yu wen kian lo (1778). Ueber das
Schneegebirge, Clima, Boden, Producte an Pflanzen, Thieren; -
Bewohner in Sitten und Gebräuden. Zuſatz nad) dem neueften
Berichte der Mekla- Pilger zu Bombay (1835), ©. 452.
1. Der Siue Scan, d. i. das Schneegebirge (der Thian Scan),
©. 452. h
2. Glima. ©. 453.
3. Boden. ©. 454
4. Product. ©. 455.
5: Bewohner, Sitten und Gebräudje, nad) der chineſtſchen An ſicht
des Si yu wen kian lo. ©. 461.
6. Ueber den Handel in Oſt-Turkeſtan nebſt Zuſaͤtzen zu dem Vo⸗
rigen, nach dem juͤngſten Berichte der Mekkapilger in Bombay
(1785). S. 466.
7. Handelsverhaͤltniſſe und politiſcher Zuſtand nach den Ausſagen
turkeſtaniſcher Reiſenden in Bokhara, eingeſammelt von Al.
Burnes daſelbſt im Jahre 1833. ©. 470.
8. Hindoſtaniſche Route aus Yarkand gegen den Süden über Las
dakh. ©. 473.
9, Die Querfiraßen über den Belur Tagh aus Oſt⸗ Turkeſtan ge⸗
gen den Weſten nach Bokhara. ©. 475.
1) Die Nord-Querſtraße; die Syr⸗Straße; die Ferghana-Route.
S. 476.
a) Mir Iffet Ullahs Routier in 40 Tagemaͤrſchen von Kafdıs
ghar nach Kofand (1812). ©. 478.
b) Marſchroute eines ruſſiſchen Handelsmannes von Kokand
nad) Kaſchghar, in 30 Tagemaͤrſchen (1832. ©. 486.
2) Die Suͤd-Querſtraße über den Belur Tagh; die Oxus-Straße,
die Badakhſchan-Route; der Pamer-Paß. ©. 487.
a) Hiuan Thfangs Route (650 n. Chr. G.). ©. 493.
h) M. Polo’s Route (1280 n. Chr. ©.). ©. 500
c) Pater Ben Goẽës Route von Badakhſchan nah Yarkand
(1603). ©. 503.
Erläuterung 6. Rebellionen der Khodjas gegen die dhinefifchen
Ufurpationen in oft Eeftan, zumal in Yarkand, Kaſchghar
und Ufchi, feit Mitte des XVII. Zahrhunderts. Politifche Grenz?
verhältniffe gegen Badakhſchan und Kokand. ©, 506.
DViertes Kapitel. Welthiftorifcher Einfluß des chineſi⸗
ſchen Reiches auf Central: und Weft:Afien, bis zu dem
Uferlande des Aral und Caspifchen Meeres, von ältefter
zeit bis in die Gegenwart, in politifcher und commercieller
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Inhaltsverzeichniß. x
Hinſicht, wie auf Voͤlkerentwicklung und Voͤlkercultur über:
haupt. ©. 531 — 583.
meberfidt. ©. 531 —545.
‚ Erläuterung 1. Einfluß des chineſiſchen Reiches auf Weft- Aften
unter der Dynaftie der Han (163 vor bis 196 n. Chr. Geb.).
Tſchangkians Entdelung von Ferghana, Sogdiana, Bactrien und
der Handelsſtraße nad) Indien, um das J. 192 v. Chr, Geb.5
Phantſchao's Entdeckung des Caspiſchen Sees 66 vor Chr, Geb.
Kenntniß von Ta Tfin und Aſi, oder dem roͤmiſchen Reiche und
dem Parther-⸗Reiche. KHandelsverbindung zwifchen dem Often und
Weſten der alten Welt über Indien und auf directem Wege, zu
Zeiten Kaifer Marc. Antoninus, 166 n. Chr, G. ©. 545,
Erläuterung 2. Einfluß des chinefifhen Reiches auf Weft-Afien,
unter den Dynaftien der Wei, der Sui, der Thangz die drei Zu,
Naturabtheilungenz Peikiu's drei Bücher über die Fremden, deffen
erjte Landkarte von Eiyu, und die drei Handelsſtraßen gegen den
Weiten (im 3. 607 n. Chr. ©.). ©, 559. '
Erläuterung 3. Das Weftland zur Zeit der Thang-Dynaſtie
(619— 901 n. Ehr. Geb.) bis in die Periode der Araber-Erobes
zungen, und der Mohammedanifirung von Transoxiana, Balkh
und Kabuleftan. ©. 565. .
Hiftorifche Erläuterungen zu den weftlichen Königreihen. S. 570.
8.7. Fünftes Kapitel. Ethnographifche Verhältniffe Mittel:
Afiens nach dem Fortfchreiten feiner WVölfergruppen gegen
den Weften: die Hiongnu, die Uigur und Hoeihe, Hoeihou,
Thukiu, Usbeken. Die Yueti (Getae), Sai (Sacae), die
Ufun, die indosgermanifche Völfergruppe der blauäugigen
Blonden. Die Tofharen, die Tadjif, die Seren. ©, 583,
Grläuterung 1. Die Gruppe der Oſt-Turk.
1. Die Hiongnu, ein Turkftamm der älteften Zeit, ald Herrſcher
in Oſt-Turkeſtan. ©. 555.
2, Die Nigur, Dui, Hoeihe, Hoeihou, Kiufzu, Kufzu, Kaoſche,
Weioueulz; ihre Verbreitung, Schrift, Cultur. Die Usbeken,
Gus der Araber des XVI. Jahrh. ©. 587,
Erläuterung 2, Die indo-germanifche Völkergruppe Oft» Zurkes
ſtans. Die verdrängten Völker aus Gentral- Afien. Die Ufun,
oder die Gruppe der blauäugigen Blonden, ©, 604,
1) Die Uftun oder Ufun. ©, 612,
Anmerkung. Die Gefchihte der Ufun von Kaifer Wuti
und Tſchangkian, 122 vor Chr. ©. bis in das erfte Sahre
zehend nad) Chr, Geb, Aus dem chinefifchen Original
Inhaltsverzeichniß.
der Annalen der Han-Dynaſtie des Pat. Hyalinth uͤber⸗
fest von Dr. Schott. ©, 613—63. -
2) Die Schule (Chou, Choule), Sule oder die Kincha. ©. *
3) Die Houte, oder Khoute. ©. 623.
4) Die Zingling. ©. 624.
5) Die Kiankuen oder Hakas. ©. 625, .
6) Die Hanthfai (An Thfai) oder Alan (Alanna). S. 655. ,
Grläuterung 3. Die Gruppe der Urfaffen in Weſt-Turkeſtan
ober Transoxianaz die Ta Wan, Tahia (Daoi, Daken, Sakas,
Sera) und die. 9 Staaten der alten Herricher= Familie der
Tſchaowou von Khangkiu (Samarfand). ©. 628.
1. Ta Wan, die großen Wan (Phohan, Pahan, Fahanna, Ferghana
bei Ab. Remufat, Khokhan nad) Klaproth und Hyakinth, jest
Khokand) nad) Tchhangkian, 123 vor Chr, Geb, und Sſema⸗
tfiens Berichte, 100 3. vor Chr, Geb., wie nad) den Annalen
der Han (163 vor bis 169 nad) Ehr. G.). ©, 633,
2. Zfao (Si Tſao, d. i. Weft-Tfao), Sou toui chana ni
fpäter Osrufchnah). ©. 647.
3. Die neun kleinern Königreiche der berühmten Tſchaowu *
ſcherfamilie, der fruͤhern Urſaſſen, oder vielmehr nur aͤlteſten
Eingewanderten. S. 650.
4. Khangkiu, das Koͤnigreich von Khang (d. i. Samarkand);
Sogdiana der Alten im eigentlichen Sinne. S. 657,
5. Die Tahia (co, bei Herod. 1. 125 etc.), ©, 668.
Erläuterung 4. Die Gruppe der Yueti (Getae) nad) den Annas
len der Han und der Matuanlins, Die Se, Sai, Sacae (Zuxaı)
und Sakas der Perfer und Inder, Die Großen und die Kleinen
Yuetiz die Focleoutſcha, Mletſch'has, Beludſchen. Kipin (Cophene),
Kabuleſtan; Fanyan, Bamiyan. © 672.
1. Die Großen Yueti. S. 675.
2. Die Kleinen Yueti, die Foeleoutſcha, Mietſchha, Beludſchian,
Beludſchen. ©. 676.
3. Kipin (Gophene), Kabulefian. ©. 632,
4. Sieiju und Fanyanna (Bamiyan). S. 687,
1}
’
6. 8, Ethnographifche Verhaͤltniſſe. Fortſetzung. S. 689,
Erläuterung 5. Allgemeine Refultate. Ethnographiſcher Anhang.
Thu ho lo (Toharen); Yeta, Yta; Hadicha (Utſchha), Patahe⸗
ſchan, Badakhſchan; Tiaotſchi, die Tadjik, die Perſiſchredenden5
Tata, die Unterworfenen; Sarten, die Handelsleute. Die Bucha⸗
ren im engern Sinne. ©. 629— 728,
1. Allgemeines Ergebniß. &, 689, i —
Inhaltsverzeichniß. xı
2. Die Thuholo, die Tocharen, Tolkharen ( —— Tochari),
S. 694,
3. Die Yetha (Yta bei Zuyeou im VII. Yeyita bei Matuanlin im
x XI. Jahrh.). ©. 703,
4, Yadicha in der Alteften Zeit der Han=Annalen (Utſchha in *
Reichsgeographie) 3 Potchhouang auf der Buddhiſten Karte feit
dem VII. Sahrh.3 Pataheſchan der Neuern; Patakiſchan im
Si yu wen kian lu, d. i. Badakhſchan. ©. 707.
J 5. Die Tiaotſchi (Tiaodſchi), die Tadjik (Taoxo b. Dion. Per.),
die Tadſchiken, die Perfifchredenden — die Tache, Tachi, Tas
fian, oder Zazian, d. i. die Araber — die jegigen Tat oder
Zatas, d.i. die Unterworfenen; die Garten, d. i. die Handels⸗
leute; die Bucharer im engern Sinne, im Gegenfag der Turk
und Usbek. ©. 713,
1) Die Tiaotſchi nach Sfematfien (100 J. v. Ehr.). ©. 615.
a 2) Die Tiaotfchi nach den Annalen der Han (bid 20 J. n, Chr.)
P ©. 715.
3) Die Tiaotſchi, Tadſchik nad) Zuyeou (im VII. Sahrhundert).
©. 716.
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59. Sechstes Kapitel. Die Alpengaue des Obern Sihuns
und Gihon-Landes; Ferghana (Khokand) und Badakh:
fhan, am Weftabhange des Belur Tag; das. befanntere
Gebirgsland von Weft: Turfeftan., S. 728.
Erläuterung 1. Ferghana, das obere Stufenland des Sihun
(Sir, Sarartes) der frühern Zeitz das Khanat von Khokand
(Khokan) der Gegenwart. ©, 729.
1. Ferghana nad) Sultan Baber (1500). ©. 730.
2% Ferghana'nad) Ebn Haukal (im X. Sahrh,). ©. 743,
3. Ferghana nad) Edriſi (im XII. Jahrh.). ©. 746,
4, Abulfedas Nachrichten. ©. 749.
5. Ferghana oder Khokand (Khokhan) nach chineſiſchen Berichten
im XVIO. Jahrh. ©. 750,
6 Khokan (Khokand) nach Mir Iſſet Ulahs Beſuch im 3. 1813.
©.. 754.
7. Khokand (Kokan) nach Ph. Nazarov's Beobachtung im J. 1813
und 1814. ©. 756.
8. Khokand der Gegenwart, nach eingefammelten Erzählungen der
Einheimifchen: durch v. Meyendorff in Bokhara (1820); J.
B. Frazer in Khorafan (1821)5 Mahfum Khodja in Drena
burg (1829) und W. H. Wathen in Bombay (1834). ©. 772,
4) Regentenreihe nad) Mahfum Khodja von Khokand. ©. 772.
2) Nach v. Meyendorffs Nachrichten (180). ©. 774
Xu
$ 10.
1-
2.
3
4,
5.
Er!
1.
2.
3
4.
Inhaltsverzeichniß.
3) Nach J. B. Fraſers Nachrichten (1821). S. 776.
4) Nach den Ausſagen der Khokand-Pilger, zumal des Khodja
Behadur Khan, an W. H. Wathen in Bombay im I. 1834.
©. 778.
Anmerkung. Khokandſche Maaße nah A. v. N
in Orenburg.
Erläuterung 2. Badakhſchan (Patakhiſchan oder Patahe⸗
ſchan bei Chineſen), das obere Stufenland des Gihon (Drus) 5
das mohammedanifhe Khanat der Gegenwart mit feiner naͤchſten
Umgebung, dem AYlpengebirgsiande und deffen Kafir- und Tadjik-
Bewohnern. ©. 785
Nach Ebn Haufal und Edriſi im X. und XH. Sahıh, ©, 786.
Nach M. Polo (1280). ©. 788.
Nach Abulfeda (1345)5 Bakui (1403)5 Scheriffeddinz Sultan
Baber (1500). ©, 791.
Patakhiſchan oder Patahefchan nach neuern hinefifchen Berich⸗
ten (feit 1759). S. 792.
Badakhſchan nach neuern ruffifchen Berichten, bei v. Meyen-
dorf (1820) und Timkowski (1821). ©. 793.
Auterung 3. Fortſetzungz Badakhſchan und feine Umgebungen
nad) den neueften Berichten der Briten in Indien. Nah M, El:
phinftone (1809)5 nah 3. B. Frafer (1811), Moorcroft (1825)
und A. Burnes (1833). ©. 799.
M. Elphinftones Nachrichten über Badakhſchan (1809). ©, 800.
3. B. Frafers Erkundigungen (1821). ©. *
Nach Moorcroft (1825). ©. 804.
Nach Al. Burnes Beobachtungen und —— auf ſei⸗
ner Reiſe von Kabul nach Bokhara (1833). S. 808.
1) U. Burnes Excurſion von Khulum nad) Kunduz; feine Au⸗
dienz bei Murad Beg dem Uſurpator und Eroberer von Ba—
dakhſchan, nebſt Ruͤckweg nad) Balkh. ©, 808.
2) Kunduz und Murad Begs Herrſchaft. ©. 810.
3) Badakhſchans gegenwaͤrtiger Zuſtand in Abhängigkeit von Kunz
duz, nah Al. Burnes Berichten (1833). ©, 816,
4) Die umgebenden Gebirgsgaue Badakhſchans in. ihrem gegen»
wärtigen Zuftande nach A. Burnes Erfundigungen. ©. 818,
Anmerkung. Meber die Sage der Gebirgsftämme von Dur—
waz und Wakhan, durch Badakhſchan, Gilgit, Chitral bis
Sewad, Bijore, und ofiwärts bis Iskardo in Baltijtanz
über ihre Abſtammung von den Nachfolgern Zulcarneins,
oder Alexander des BR ©. 821.
-
*
Drittes Buch.
u
Beft-Afien
Band *
Nitter Erdkunde VII. R A
2
ENT Erz
Drittes Bud.
Be ft m Halo, Irre 0
Nachdem wir die muͤhſame, aber reichlich lohnende Wanderung
durch die kaum durchforfchten, nocdy ungemeflenen Räume des
Afiatifhen Orientes vollendet haben, gehen wir zu den mehr
beengten Gebieten des Occidentes von diefem Erdtheile über,
‚in denen uns fchon überall befanntere Geftalten entgegentreten,
mehr Europäifche Lüfte ummehen, und verftändlichere Sprachen
zu uns reden, die längft fihon in den Kreis der allgemeinen
MWelteivilifation mit aufgenommen find. Nichts defto weniger
werden wir aud) in diefem Afiatifchen Occidente, hinfichtlich der
Natur, wie der Gefchichte und Kunft, auf manche noch unents
zifferte Hieroglyphe ftoßen, auf manche Terra incognita, wenn
auch nicht von fo weitem Umfange wie im Often Afiens, auf
manches ethnographifche Problem, auf manches noch unberuͤck⸗
fihtigte Naturphänomen, und vielen in den Naturfyftemen noch
nicht einregiftrirten Naturproductionen werden wir begegnen, wie
vielen in den hiftorifchen Compendien noch nicht erklärten Denk;
malen der Völker und. ihrer vorübergehenden Herrfchaften. Mit
neuem Muthe beginnen wir die erneuerte Wanderung durch diefe
Border: Afiatifche Welt, weil fie ven Weg bahnt zur Eus
ropäifchen, weil fie ſchon jegt unendlich veichere Nefultate für das
; 42
e
4 Drittes Buch, Wert: MAfien,
Ganze der Erd- und Menfchengefchichte darbietet, ald vor zwei
Yahrzehenden, da wir zum erften Male auf engen Pfaden- ung
durch diefes Labyrinth hindurchzuwinden verfuchten. Der höchfte
Standpunct, von dem aus wir diefes neue Gebiet zu überfchauen
haben, ift uns aus früherem wol befannt (f. Einleitung Afien
Br. 1. ©. 15 84), nur müffen wir zuvor, ehe wir in feine
Mitte felbft eindringen, ‚die, Uebergaͤnge zu demfelben überwinden,
den Scheideffrom und das Scheidegebirge, nämlih In—
dussSnftem und Imaus-Syſtem, oder den Indus—
Strom mit feinem zugehörigen Qändergebiete, das uns aus In⸗
dien nach Afahaniftan und Perfien zum Hochlande Weft:
Afiens führt, und das Turfeftanifhe Alpengebirgss
land (ſ. Afien Bd. I. Einleit. ©. 47), oder den Weftabfall des
hohen Oft: Afiens, auf dem wir allmälih in die Ebenen der
Bucharei abfteigen und in die Niederungen des Caspi—
ſchen un Schwarzen Meeres übergehen.
Erfie Abtheilung
Erfter Abſchnitt
Die Uebergänge in den Naturformen von Oft
BE. zu Weſt-Aſien.
Es: Erfes Kapitel
Das Stromſyſtem des Indus,
| St 8
E Sinleitung
. Im Gegenſatze des Gangesſyſtemes haben wir ſchon fruͤher die
- Stellung und Charakteriſtik des Indus-Syſtems im
i Allgemeinen bezeichnet (ſ. Aſien Bd. I. Einleit. S. 59; Bd. IL.
S. 428; Bd. V. &.1100— 1102); hier läge es uns vor, im Ber
- fonderen, deffen Stufenlandfchaften, von feinen Quellen an bis
h zu feiner Mündung hinab zu verfolgen, wenn wie nicht auch das
von ſchon den mühfamften Theil, nämlid) fein oberes Stufenland,
innerhalb des Himalaya: Spftems, vollftändig durchwandert
Ben, fo weit namlich die Wege durch daffelbe von Europaͤiſchen
- Beobachtern gebahnt worden find. Wir erinnern daher hier nur
an die Entdefung der Indus-Quellen (1815) im Lande
des Echnees Una-Defa, durh Moorcroft (f. Aflen H. S. 504
bis 512), und an deflen zweijährigen Aufenthalt zu Leh, oder
Ladakh (1821 und 1822, ebend. ©. 554; wie an die Befchreis
bung des obern Snduslaufes von feinem Urſprunge im Ruͤcken
des Kailaſa auf den Himalaya-Hoͤhen, von Gertope, über Rudok,
bis zur Gapitale des Königreichs Ladakh (f. ebend. ©. 592 bis
628), die auf dem Plateaulande etwa in Montblanchöhe liegt.
Wir erinnern ferner daran, daß von da, abwärts, der In—
duslanf, unter dem Namen San Pu, d. i. der große
6 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. F. 1.
Strom innerhalb des Hochlandes, nur noch ſo weit von Au:
genzeugen gefeben ift, als der XBeg von Sch nad) Kaſchmir
an ihm voruͤberfuͤhrt, naͤmlich bis dieſer gegen S. W. gegen die
Station Draz oder Draus (ſ. ebend. ©. 621) abzweigt, ein
Ort, welcher aber ſchon fern von ihm, nicht wie fruͤherhin El⸗
phinſtone und Macartney irrthuͤmlich annahmen, am Indusufer
ſelbſt liegt, ſondern einige: Tagereiſen weſtlich von ihm, an dem
Ufer eines andern Indusarmes, des Kiſchen Ganga, der in
das Kaſchmirthal zum Zilum fließt; daher auch die Reiſeroute
von eh über Draus nah Kaſchmir führt (f. ebend. ©. 630,
vergl. ©. 1179). Die Berichtigungen, welche diefe Localität fo
wie die etwas veränderte Anficht von den Yndus- Quellen, durd)
A. Burnes Erkundigungen bei Augenzeugen in jenen Gegens
den neuerlich erhalten hat, werden wir weiter unten nachträglich
angeben. Sie ift jedoch nur eine Beftätigung von dem, was wir
nach andern Daten und Kombinationen fchon früher vor Burs
nes Ruͤckkehr nach Europa, in unferer Erläuterung zu dem ges
nannten Routier, als höchft wahrfcheinlich aufgeftellt hatten; f.
Alien Bd. II. S. 629— 631. Nur durch Mir IſſetUllaͤh's
Erfundigungen erfahren wir (fi ebend. &. 643), daß der große
Strom von Leh, oder der Tuͤbet-Strom, wie ihn diefer
einfichtsvolle Reiſende abwechfelnd nennt, nämlich der Indus,
den er vom Fluſſe bei Draus fihon unterfchieden hat, fich gegen '
Weft durch Klein Tübet, oder Balti, hindurch ergießt, und
zwar nachdem fich fein rechter oder nördlicher Zufluß der Shayuk
mit ihm vereinigt hat. Weiterhin firöme er durch das Fand der
Eufofzyes,.der Bhir und Turnul, fagt derfelbe Wanderer,
und vereine fich mit dem Strome von Kabul über dem Fort
Attock. Nähere Beweife über einen folhen Zndusdurds
bruch (denn auch Al. Burnes hat feine Zufäße dierzu nur
durch Hörenfagen erhalten) fehlen uns; nur das Factum ift
entfchieden, daß am Südfuß der. coloffalen Schneegebirgswand,
nordwärts von Attof, der Indus wirklich, kurz zuvor, che er
noch den Kabulftrom aufgenommen hat, in feiner ganzen Mädhs
tigkeit eben fo aus der
ler, öftlichfter Zuftrom des Sfetlevfh (Satadru im obern
Laufe), unterhalb der Himalayaſtaaten Biſſahir, Kotgerh, Seran
und Ranpur (f. ebend. ©. 742— 774), aloge
Bis diefer in Sirmore und bei Ludian
a, der bekannten Briten⸗
ſtation (ſ. ebend. S. 843 — 851, Br. I
V. Abth. 1. ©. 465), die
ſelben hervortritt, wie fein gewaltigfter, mitt
-
auf ganz analoge Weife,
Stromfyftem des Indus, Einleitung. 7
Mittelſtufe des Pendſchab Landes erreicht. Auch von dieſer zweis
ten Hauptwaflerader des Indus, von dem Satadru, ift von
feinem ganzen obern Laufe, innerhalb der Himalaya Ketten,
auf das vollftändigfte gehandelt (ebend. ©. 666— 735), desglei:
chen von dem Urfprunge aller, eben zwifchen diefen beiden
Hauptgabelthälern des Indus, aus em Kulu-Kaſch—
mir Himalaya fid entwickelnden Pendfchab: Fhüffe (f. ebend.
©. 1061 —1203), bis diefe aus den Außerften, füdlichen Vorketten
des Himalana: Spftems in das: hüglige Land des Pendſchab
oder der Fünf Flüffe eintreten.
Nur von diefen zweiten Stufenlande, der Mittel:
fiufe des Indusſyſtemes, dem Pendfchab, bleiben uns
hier, wie vom unteren Induslaufe zum Meere, die befonde:
wen Beobachtungen und Erfahrungen nachzumeifen, zufammenzu:
ftellen und zu unterfuchen übrige. Doch auch hier haben wir
ſchon einen nicht unwichtigen Theil der Arbeit gethan, indem wir
auf hiftorifhem Wege uns ſchon, im ganzen Yndusgebiete
durch die vergleichende Darftellung von Alerander des Großen
fo merfwürdigem Groberungszuge durch: diefen Theil der Indus—
landfchaften, in ältefter Zeit, wie durch) Sultan Mahmuds, Tis
murs und Baburs leberfälle im Pendfchab: Lande, während
des Mittelalters, fo vollftändig orientirt zu haben glauben, als es
unfere Quellen geftatten und der Zweck gegenwärtiger Arbeit vor;
laͤufig exheifchte (f. Aften Bd. IV. Abth. 1. ©. 444— 479 und
©. 529 — 581). Aber auch die neuefte Zeit. macht größere Ans
fprüche anf die genauere geographifche Befanntfchaft mit diefem
bisher wenig beashteten, oder doch. von Europaͤern wenig, durchs
forfchten Ländergebiete, in dem fih aus Staub und Verwirrung,
feit wenig, Sahızehenden, eine politifhe Welt Macht: im Oriente
ausgebildet hat, der Staat der Seifhs, unter Runjit
Singhs keitung, des modernen Porus (f. Alien Bd. IV.
2. Abth. ©. 457), den man als einheimischen Herrſcher und
energifchen Umgeftalter feines Staates und der ihn berührenden
Staatspolitif, als Maha Raja, d. h. König der Könige,
zu deſſen Würde er fich. felbft emporfchwang, wol einem Peter
dem Großen dur bie genaueften. Kenner I) lea hört.
"
1) H. T: —— of the Bengal Civil Service, Origin. ‚of the Sikb
Power in the Punjab. and. kp Life of Maba-Raja Ruajvet
Singh etc. Calcutta 1834. 8. p- 187.
8 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. F. 1.
Die Aufmerkſamkeit der Briten in Indien, der Ruſſen in
Europa, der Perfer und Tuͤrken in der Levante, wie die aller
umgebenden Herrfcherftaaten, in Bofhara, Tübet, China,
Afahaniftan und Sind, ift auf die fernere Entwicklung dieſes
glänzenden Meteors am hiftorifchpolitifchen Horizont im Pendſchab,
auf der Grenze von Oft: und Weſt-Aſien, im Centrum des Erd
theiles gerichtet, weil deffen Gedeihen, wie feine Zerträmmerung
nicht ohne großen Einfluß auf das ganze Aſiatiſche Staatenfoftem
bleiben dürfte. Die feit dem FriedenssTractat (zu Sur
diana 1805, f. Afien IV. 2. Abth. ©. 407), und fpäterhin, feit
dem Freundfchafts-Tractate mit den Briten Gu Ilm:
vitfir abaefchloffen, 25. April 1809), vervielfachten Berührungen
der Europder mit dem Hofe von Lahore, haben nicht nur die
neue politifche Geftaltung am Indus ſehr gefördert, fondern auch
unfere geographifche Kenntniß in diefem Gebiete ungemein berich-
tigt, vervollfiändigt und erweitert, im Vergleich mit den erften
Anföngen, die uns (ſchon 1805) durch General Malcolm ?)
über das Volk, und von M. Elphinftone (im Zuli 1809 auf
feinem Ruͤckwege aus Kabul) über das damals noch wenig be—
fannte Sand 3) auf authentische Weiſe mitgetheilt wurden. Bri-
tische Militairs (wie General Ochterlony 1812, Capt. Murray
zu Umbala % und Capt. Wade von Yudiana) fanden in Lahore
fiets gaftliche Aufnahme; der Staliener Ventura und der Frans
zofe Allard, Ingenieur-Officiere aus der Napoleonifchen Schule
(jeit 1822), ftiegen in der Armee der Seikhs zur Würde von Ge
neralen auf, und viele andere franzöfifche Officiere traten in Run—
jit Singhs Dienfte. Die Embaffaden der Briten von Lord
Amberft 1827, Al. Burnes 1831 5), der Congreß Lord Bens
tinfs Gu Rupur, am Sfetledfch 20. Oct. 1831) 6) mit Run—
jit Singh trugen nicht wenig zur Befefligung des gegenfeitigen
Vertrauens bei. Die wiffenfchaftlihen Reifenden, wie Moors
*) Gen. Malcolm Sketch of the Sikhs in Asiatic Researches, Cal-
eutta T. XI. p. 200 — 291. 2) Mountstuart Elphinstone Ac-
eount of the Kingdom of Caubul etc. Lond. 1815. 4. p. 75— 82.
‘) ‚Capt. W. Murray on the Manners, Rules and Customs of the
Sikhs, Appendix by H. T. Prinsep Origin of the Sikh Power I. e.
p. 191 — 215. *) Al. Burnes Narrative of a Voyage by tho
River Indus from the Sea to the Court of Lahore in Punjab,
> 1831; in deſſ. Travels into Bokhara..8. London 183 . I.
) H. T. Prinsep Origin of the Sikh Power I. c. p. iM ,
Stromfuften des Indus, Einleitung. 9
croft 1820 und 18237), Vict. Jacquemont 18319), Al.
Burnes 9) mit Dr. Gerard 1832, M. Honigberger!%)
— Freiherr K. v. Hügel 1835 11) und A., wurden mit ausgezeich⸗
neter Gunſt unterſtuͤtzt, und in ihren Unterſuchungen und Samm⸗
5 gefoͤrdert, wodurch die wichtigſten Nachrichten uͤber das
Pendſchab, Kaſchmir, Multan, Peſchawer und andere
en Runjit Singh unterworfene Koͤnigreiche nach Europa kamen.
| Zu den wichtigften der hierdurch gemachten Entdeckungen gehören
die aufgegrabenen Denkmale unzähliger Mauſoleen; fogenannter
‘ opes, d. i. Buddhiſtiſcher ner pl (f. Afien IV.2. ©. 1099),
von denen der erſte und einzige von M. Elphinftone, im Zahre
41809 bei Manityala!?), * ihn wegen der Vollendung
he Architecture veranlaßte zu behaupten, daß er ein griechifches
Bauwerk ſeyn muͤſſe, weil Einheimiſche unmoͤglich im Stande
— ſeyn möchten, ſolche Meiſterwerke zu Stande zu bringen,
‚Seitdem aber find Hunderte diefer Monumente entdeckt, und ohne
allen Zweifel find fie von einheimifchen Künfttern aufgeführt.
Seitdem find theils in ihnen vom General Bentura®), Dr.
- Gerard 19, 4. Court!) und Anderen, theils andermwärts, wie
von 3. Tod, Al. Burnes, General Allard, Ch. Mafs
ar GE DE
7) Asiat. Journ. Vol. XIX. p. 179. ®) Vict. Jacquemont Cor-
respondance etc. pendant son Voyage dans l’Inde. Paris 1833. 8.
Vol. U. p. 1 —175. ?) Al. Burnes Travels into Bokhara
beeing the Account of a Journey from India to Cabool, Tartary
etc. London 1834. With an entirely New Map constructed by J.
Arrowsmith. Vol. I. p. 2—80. 10) E. Jacquet Notice sur les
Decouvertes arch£ologiques faites par M. Honigberger dans PAf-
gbanistan in Journ. Asiatique III. Serie. Tom Il. Paris 1836,
Sept. p. 234 — 277. 21) Allgem. Pr. Staatszeitung 1836.
Nr. 320; Journal of the Royal Geograph. Soc. of London Vol, VI.
1836. p. Il, p. 343 Notice etc. *?) Elphinstone l, e. p. 79,
cf. Tabula, Tope of Maunikyaula; vergl, Al. Burnes Trar. I. c.
Vol. I. p. 65, 71, 109 und J. Prinsep Not, ib. Vol. II. p. 470.
43) General Ventura Letter on Excavations at Manikyala, in Asiat.
Journ. 1831. Vol. IV, New Ser. p. 158. Vol. IX, 1832, p. 364;
Jam. Prinsep on the Coins and Relics discovered by M. Le Che-
valier Ventura General, in the Tope of Manikyala, 20. März 1824,
in Journ. of the Asiat. Soc, of Bengal. Calcutta Vol. I. p. 308;
Vol. III. 1834. p. 314— 321; Contin. p. 436— 458.
34) J. G. Gerard, Surgeon, Memoir on the Topes and Antiquities
of Afghanistan, Jellallabad, 4. Dec. 1833. im Journ. Asiat. Soc, of
Bengal l. c. Vol. Ill. p. 321 — 329. 25) A, Court Further In-
formations on the Topes of Manikyala, Extr. of a Mem. etc. in
Journ. Asiat, Soc. of Bengal 1. c. Vol, III. p. 556 — 576
—— * GET IEEETTELWE FIT
10 Weſt-Aſien. IL Abſchnitt. $ 1.
fon!Y), M. Honigberger u. A. vielerlei Antiquitäten, vor
züglih aber reihe Münzfammlungen aufgefunden und auss
gegraben worden. Sie ſtammen aus einer Griechifchrbace
trifhen, Indo-griechiſchen, Indo⸗ſcythiſchen und
Saffanidifchen, wie fpätern Hindu Zeit, und geben gang
neue, unerwartete, zuerft in Ch. Laffens meifterhafter Fors
fhung!?), jedoch fhon angedeutete Auffchlüffe über die geographifchse
hiftorifche Bedeutung diefes Ländergebietes, das dadurch immer
mehr, feit Jahrtaufenden, feine Stellung auf dem Uebergange des
Drientes zum Decidente von Afien bewährt. Wir nennen nur
die wichtigften Commentationen 13) die fich bis jetzt mit den Ents
jifferungen und der Critik diefer Schaͤtze befchäftigten, und die in
den Sammlungen von Kalcutta, St. Petersburg, Wien,
Paris und London niedergelegt oder im Beſitz der Privaten
geblichen find, weil in ihnen, zugleich, nebft dem ſchon Angeführs
ten, auch wichtige Denkmale 19) für die Landesgeographie gegeben
find. Zu alle diefem kommt die erfte wirflihe Beſchiffung
des Indusſtromes, feit Alsrander Magnus Zeit, durch einen wifs
fenschaftlich gebildeten, Bericht erftattenden Europäer, durch Al.
Burnes?) (1831), welche von der Mündung firomauf bis Ya:
hore Statt fand, wodurch es möglich) wurde, eine neue, uns
gemein berichtigte hydrographiſche Karte 2!) des Indus—
1%) Chas. Masson Memoir on the Ancient Coins found at Beghram
in the Kohistan ef Kabul in Journ. Asiat. Soc. of Bengal I. c.
Vol. IIl. p. 153 — 175. 17) Chr. Lassen Commentatio Geo-
graphica atque historica de Pentapotamia Indica. Bonnae 1827. 4.
»*) Colebrooke, 3. Tod, A. W. v. Schlegel, v. Köhler, H.H. Wil-
son Observations on L. A. Burnes Collection, in deff. Trav, Vol. II.
p- 457 — 473; J. Prinsep Notes on the Ceins of M. Court, in
Journ. A. S. of Bengal, Vol. IH. p. 562—567. K. 9, Müller
in Goͤtting. Gelehrt. Anzeigen 1835. Nr. 177. ete. p. 1763 — 1783.
Kaoul Rochette Notice, in Journ. d. Savans 1834. und deſſ. Supp-
lement à la Notice sur quelques Medailles Greeques inedites de
Rois de la Bactriane et de l’Inde, in Journ. d. Savans 1835. Sept.
p- 913 —528, Oct. p. 579— 596; deſſ. Deuxieine Supplement &
la Notiee ib. 1836. Fevrier p. 56— 83, Mars p. 129 —146, Avril
p- 193 — 205, Mai p. 257 — 271. 1°) E. Jacquet Notice in
Journ. Asiat, T. II. 1836. 1. c. 20) Al. Burnes Narrative of
a Voyage by the River Indus ete. 1. c. 21) A Map of the In-
dus and Punjab Rivers with the Southern Portion of Rajpootana
by L. A. Burnes Lond. 1834, und J. Arrowsmith Central-Asia
comprising Boksara, Cabool, Persia, the River Indus etc, construc-
ted from autbentic documents but principally from the Original
Msc, Surveys of L. Alex, Burnes, Lond, Jun. 1834.
— —
’
1
Stromſyſtem des Indus, Einleitung. 11
faufes”?) zu geben, die wir früherhin völlig entbehrten, begleitet
von einem ungemein anfchaulichen Keifeberichte durch diefe Ges
biete, wie von einer eigenen gehaltreichen Abhandlung ??) über die
neugewonnenen geo- und hydrographiſchen Verhaͤltniſſe dieſes
— Stromſyſtems. Wenn auch ſchon fruͤher andere Reiſende dieſen
Strom hinabgeſchifft waren, wie z. B. der berühmte Pater Grus
ber (1665, f. Afien 1. ©. 453) auf feiner Rüdreife aus China
’ dur H'Laſſa, nad zahore, und von da mit einem Schiffe
auf dem Indusſtrome, in 40 Tagen bis Tatta 29) an defien Müns
dung, oder wenn auch andere Theile deflelben im untern Laufe
beſucht wurden, wie von Aler. Hamilton (1727) und wenigen
Andern in jüngern Zeiten, fo haben diefe uns über ihn doch keine
oder wenige pofitive Daten mitgetheilt ?), und mit Al. Burs
nes Obfervationen beginnt eine ganz neue Aera in der Geogras
pphie der Snduslandfchaften. Echon war ihm im untern Laufe
des Indus, in dem Königreihe Sind, fein Bruder Jam. Burz
nes 26),. als Arzt an den Hof von Sind, nach Hydrabad im
Jahre 1829 berufen, in der Beobachtung der dortigen Landes—
und Nölkerverhältniffe vorangegangen. Seitdem aber durch Lieut.
Eol. Dottinger, im J. 1832, zu Hydrabad, am 20. April,
in Auftrag des Britiſch-Indiſchen Gouvernements, nun auch mit
den fonft fo wenig zugänglichen Gebietern im mittlern und untern
Laufe des Indus, nämlich mit den Amirs, oder Königer von
Eind, ein Handelstractat?”) abgefchloffen ift, durch welchen
der bisher verfchloffene Indusſtrom der Europäer Schiffahrt bis
in das Herz des Pendſchab eröffnet ward, beginnt auch ein neues
commercielles Leben für diefes ganze Stromgebiet, welches
nun die directe Bahn zum Verkehr, über Kabul bis Bok—
32) A, Burnes Notice regarding the Map of the Indus in deſſ. Tra-
vels I. c. Vol. Il. p. 193 etc. 23) Al. Burnes Memoir of the
Indus and its Tributary Rivers in the Punjab l,c. Vol. III. p. 199
— 332; deff. Memoir etc. May 1833. in Journ. of tlıe Geogr. Soc,
. of London Vol. Ill. 8. 1834. 1. 113 — 156. 23) ‘T'hevenot Re-
lation de divers Voyages curieux Nouv. Edit. Paris 10696. fol,
T. I. Voy. à la Chine fol. 2. 25) f, J. Rennell Memoir 3. Ed,
p. 91 — 129; J. M. Kinneir Geographic. Memeir of Persian Em-
pire, London 1813. p- 226 —232; M. Elphinstone Acc. of Caubul
1. c. p. 90, 103 — 113, 497 — 505. 25) Jam. Burnes Narrative
ofa Visit to the Couit of Sinde Edinburgh. 1831. 8. cf. Bour- -
nouf erit. in Journ, d. Savans Noy. 1833. p- 641 — 653, und im
Journ. of the Geogr. Soc. of London Vol, I: 8. 1832. p. 222—231.
27) H. T. Prinsep Origin of the Sikh Power etc. 1. c. p.168—177.
12 Weſt-Aſien. J. Abfchnitt.. 0. 1.
bara, und ven Pahore über Kaſchmir nad) Ladakh, Tuͤbet und bis
in das hohe Turkeſtan im weftlichen chinefifchen Neiche Central⸗
Afiens, in naber Zukunft zu "werden verfpricht. Dies find zus
aleich die wichtigften Quellen der jüngften Zeit, aus denen ſich
der erfreuliche Fortfchritt unferer jegigen, gegen die frühern Un—⸗
terfuchungen über das Indusſyſtem aus den ſchon vielfach befanns
ten älteren Quellen ergiebt (f. Erdk. 1817 erfte Aufl. Bd. l. ©.727), |
deren vollftändigfte Aufzählung wir aus der gelehrteften Erdbe—⸗
ſchreibung Günther Wahls 3) von Oſtindien hier nicht zu
wiederhofen brauchen, da deffen Werk in diefer Hinficht fire feine
Zeit als claſſiſch anerkannt genug ift, und aller Fortfehritte uns
geachtet auch ftets bleiben wird,
Ehe wir nun zu der Durchwanderung des mittfern Stu—
fenlandes und von diefem zur Miederung des Indus—
deltas fortgehen, haben wir, nach Al. Burnes Erfundigungen,
einige Zufäge zu den frübern Unterſuchungen über den obern
Lauf des Indus innerhalb des Himalaya; Syftems vorauszus
fchiefen; wodurch zugleich auch die frahere — ie
Gegend einige Berichtigungen- erhalten bat, —
J
Erläuterung 1.
Oberer Induslauf. Zuſaͤtze zu fruͤhern Nachrichten, weg A.
Burnes Erfundigungen.
Don Augenzeugen, welche die Routen zwifchen Kaſchmir,
Ladakh und Yarfend wiederholt zuruͤckgelegt hatten, erfuhr
A. Burnes, wie auch nicht anders zu erwarten war, und was
fhon ſehr frühzeitig dem Pater Montferrat, der den Kaifer
Akbar, im 5%. 1581, auf feinem Zuge nach Kabul begleitete, bes
fannt war ?), die Beftätigung, daß der Strom) an dem
die Capitale Leh gelegen, wirklich aus der Nähe des Manaſaro—
ware Sees entfpringe, einen fehr langen Sndusarım ausmache, der -
aber, ungeachtet ex mehrere Flüfe aufnehme, doch nur ein Kleines
Waller habe, Dagegen folle der vom Norden a ed
2) ©, Fr. Günther Wahls Erdbefchreibung von Oftinbie, als Forts
feeung von Buͤſchings Erdbefchreibung. Hamburg 1805 "und 1807.
. II Th. von dem der ganze erſte Th. die Literatur begreift,
* "Wilford Essay in Asiat. Research. T. VIII. p. 332, Ayeen Ak-
bery T. II. p. 117, »°) Al.
J P ) Al. Burnes Tray. | © Vol. it. p. 220
t
Stromfyftens des Indus, oberer Lauf. 13
hayuf:Strom (f, die Reiferoute an ihm, Aſien I, S. 633
bis 637) ein fehr großes Waſſer feyn, das aus vielen Kleinen ent
fiehe „ welcher. die. Schneeſchmelze der Karaforum Kette und ihre
Waſſer herabwälze gegen Süden, und 3 Tagereifen aufwärts: von
ſchon eine Breite von 1000 Schritt (Yard) befige, aber. eben
16 auch durchgehbar fey. Die Landeseinivohner und auch
ann Reiſende, 3. B. Ezernichef, und die Kaufleute follen
dieſen Shayuk als den Hauptarm des großen Stro—
mes, oder als den In dus ſelbſt anſehen, deſſen Quellen dann
nicht am Fuße des Kailaſa gegen S.O., ſondern im N.O. von
Badafh auf dem Karaforum zu fuchen wären, wo ihnen gegenüber
die Quelle des Yarkend Stromes, nordwärts laufend, derfelben
Höhe entſpraͤnge. Diefe Behauptung fünnen wir für jegt nicht
naher prüfen; fie verändert aber eigentlich nichts in der bisher
an befannten Configuration des Hochlandes von Ladakh.
Kl Unterhalb der Stadt Lech vereinigen fih diefe beiden
auptquellarme des Indus zu dem einen großen
Strome, dem San Pu, in der Gegend von Beli, wo ein
Schloß und Kloſter (ſ. Aſien II. S. 632) am Suͤdufer ſteht, und
nad Al. Burnes Karte, am Nordufer, in der Spitze des Ver:
eins, der Ort Himap eingezeichnet iſt. Dieſer vereinte, große
In dus ſtroͤmt nun, von da, nord weſtwaͤrts von Leh, durch
Klein Tübet oder. Balti, und bleibt durch eine gegen Norden fich
kruͤmmende Schneekette, welche Kaſchmir im Norden von
zaltiſtan oder Klein Tuͤbet und Ladakh abſcheidet, deren Nordfuß
Ein. vom Kafhmirthale gefchieden. Leh liegt, nad)
oorcrofts Meſſung (f. Afien U. &.615), unter 34° 9 21" N. Br.
al. Burnes giebt 34° 10° 13” N.Br. an); Kaſchmir liegt
aber unter 34° 4/ 28” N. Br. (nach Trebeck's Journal, von
A. Burnes mitgetheilt); beide liegen alfo, in der Richtung von
D. gegen W., unter faft gleihem Parallel. In dieſer Rich—
tung geht A die Straße von dem einen Marktorte zum anz
dern, über Draus, das, in der Mitte zwifchen beiden, ‚nicht
am großen Strome, fondern füdwärts von ihn an einem Eleinen
Gebirgsſtrome liegt, der wirklih, nach Al. Burnes Beſtim—
Bun 3), wie wir ſchon früher vermutheten (ſ. Aſien II. ©. 630),
der obere Lauf des Kifhen Ganga ift, welcher fich bei Mos
zufferabad im Weſten des Kafcıhmirthales Cebend. I. ©. 1179),
2) Al. Burnes Tray. 1. c. Vol. II. p. 221.
14 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 1.
zum Indusarme aus Kafchmir, dem Behut (Hydaspes) vereint,
um 5 den heutigen Jilum zu bilden.
Der große Strom, San Pu, oder der Indus, befpült aber,
im nördlicher gewendeten Bogen, nach Al.Burnes Erkundigung,
in Baltiftan die Südgrenze der Territorien Iskardo, Gil:
git und Chitral. Dies hat man für ganz neue Daten gehals
ten; wir erinnern aber hier nur an das, was wir früherhin ſchon
tiber die Lage von Esferdu, oder Sheferdu nah Bernier
und J. Rennells Erzaͤhlung von Zuffer Khans Feldzuge (1638,
ſ. Aſien I. ©. 642, 644) angegeben haben. Iskardo, offenbar
identifch mit jenem Esferdu, erfuhr Al. Burnes3d), liege
am öftlichften von den dreien, Balti oder Klein Tuͤbet zunaͤchſt;
der Hauptort gleiches Namens fey eine große, irregulär am Ufer
des Indus erbaute Fefte, die nur 8 Tagereifen nordwärts entfernt
liegt. Der Häuptling diefes independenten Gebietes fen aber nur
Herr diefer einzigen Fefte, von der er behauptet, fie fey durch
Alerander M. erbaut. Don diefen Gebirgsgaue beginnt die
merkwürdige Neihe der Bergtribus, die, von da an, weflwärts,
über Badaffchan bis Wakhan, fich ruͤhmen Nachfolger der Soͤhne
Aleranders 3) zu feyn, und ihre Fürften Abkoͤmmlinge diefes Hels
den. Weftlih von Iskardo wird der Gebirgsgau Gilgit ge
nannt, an welchen, noch weiter weftwärts, gegen Badakſchan hin,
um die Quelle des Kameh und Orus, der dritte diefer Berg:
ftaaten Chitral grenzen fol. Diefe find es, welde den Raum
der Gebirgszüge zwifchen Kafhmir und Badakſchan einnehmen,
und nordoftwärts von Chitral ward Al. Burnes ein vierter,
Gunjut, genannt, der von dem Golde, das man in ihm findet,
feinen Namen haben foll (vergl. das goldführende Land der Dardi,
Daradrae, f. Afien I. ©. 653 — 660), Von Badakſchan am
Drus find diefe Landfchaften durch die große Gebirgsfette Belut
gefchieden, offenbar ein Nordzweig des Indiſchen Kaus
fafus.
Gilgit oder Gilgitty foll ein feftes Land feyn, nal
bängig von feinen nordiweftlichen Nachbarn, den Gebietern in
Kunduz; es foll feine eigene Sprache reden. Chitraf aber war,
als Al. BurnesH dort reifete (1832), dem Chef von Kunduz
untergeben, der zuweilen in das Bergland eingefallen war, und
»2) Al. Burnes Trav, l. c. Vol. u. p- 210. 33) ebend. p. 216.
3%) ebend. p. 209. |
Stromſyſtem des Indus, oberer Lauf, 15
‚einen jährlichen Tribut an Sclaven forderte, die er auf den Marft
nach Bokhara zum Verkauf ſchickte. Der Häuptling, nur Hein
von Geftalt, aber berühmt durch feinen langen Bart und ftolz
auf feine macedonifche Abftammung, titulirte eh Schah Kuts
tore, Der Dialect von Chitral ift verfchieden von dem feiner
Nachbargaue; einige Wörter deffelben hat Al. Burnes mitge:
theilt erhalten. Aus dem Gau Gilgit tritt, von Morden her,
ein rechter Zufluß zum Indus, der ihm nach Al. Burnes Karte,
die ihn allein dargeftellt hat, gegen S.D. zufließtz san derfelben
Stelle, wo nun, nach der Kartendarftellung, der Indus feinen
erſten Durchbruch durch die große Schneekette zu neh—
men ſcheint, welche ihm im Oſten Himalaya), im Weſten
Sindu Khu, Indiſcher Kaukaſus, genannt worden iſt (f.
Aſien I. Einl. ©. 43, II. ©. 407). Weftwärts vom Gilgit
tritt, ſchon vom Südgehänge diefer Schneefette abfließend, ein
zweiter rechter Zufluß zum Indus innerhalb jenes Alpengebirgss
landes, der Abu Sin (Abba Seen bei Elphinftone)°%);
von ihm erhielt fchon Elphinſtone Kunde. Er entfpringt im
Hin du Khu, fließt gegen Sud und fällt nach einem Laufe von
24 geogr. Meilen, oder 4 Tagereifen, zwifchen Hochgebirgen des
Sindu Khu indarchichend, bei Mullai in den Indus. Er
trägt hier ſchon Flooße, kann nicht durchwatet werden; irrig wird
er von den Afghanen für den Hauptſtrom des Indus angeſehen.
Genaueres hat auch Al. Burnes uͤber ihn ich erfahren. Die
Berge und Thäler umher find reih an Goldftaub (f. Afien I.
No. 660). Der dritte, rechte Zufluß des Indus, der dicht
| oberhalb der Fefte Attok ihm zufällt, ift endlich der berühmtere
Strom von Kabul, der vom Weft herfommt, aber hier am
Verein Lundi genannt wird, weil dies der nächfte Strom aus
dem Hindu Khu iff, der über Swaut fich in den untern Kabul:
ſtrom ergießt, der höher auf, ebenfalls vom Nord her, aus Ehitral
den Sameh-Strom aufnimmt, und nur weiter weftwärts, in
feinem obern Laufe, von feiner Duelle bei Ghizni an, den
Namen des Kabulftromes von der Landfchaft Kabul führt.
Von ihm wird weiter unten die Nede ſeyn. Hier nur, daß er
k
- »*), C. Ritter Entwurf zu einer Karte vom gangen Gebir gsſyſteme
des Himalaya nach den Quellenangaben ; nebft einer Specialtarte
des Hohen Himalaya. Abhandlung in der Königl. Akademie der
vollig. 4. Berlin 1832. ©. 6. #6) Kluhinstone Account etc.
l, c. p. 110; ebend. b. Macartney Mem. App. D. p. 655.
—
16 Weſt-Aſien. A. Abſchnitt. F. 1.
unterhalb Jellallabad den Kameh aufnimmt, oder den Rama,
der aber dieſen Namen ebenfalls nicht bei den Einwohnern fuͤhrt,
ſondern nur fo heißt, weil an feiner Einmündung zum Kabuls
firome das Derichen Kama liegt. Schon Elphinftone?”)
und Macartney haben ihn nach Erfundigungen in. ihre Karte
eingetragen, aber zu einigen Mißverftändniffen über fein
QDuell:Land Veranlaflung gegeben, die von Klaproth®) und
A. Burnes’). berichtigt, worden find, ohne daß. jedoch beide
etwas neues, wefentliches zu dent Berichte jener hätten hinzufüs
gen Eönnen, Obgleich diefer Stromlauf fehon zu der Weſtſeite
des Indus, nach Afghaniftan und zum Hindu Khu gehört, zu
denen wir erft fpäter, nach der Unterfuchung des Pendfchab, übers
gehen werden: ſo wird es, da er doch auch noch im obern Stus
fenlande, innerhalb der Schneeketten ſich entwickelt, zweckmaͤßig
ſeyn, gleich hier vorläufig jenen geographifchen Mißverftändniffen
zu begegnen. —VF
Den Namen dieſes Fluſſes zu erfahren, ſagt der Begleiter
Elpbinftones, Lieutnant Macartney, in feinem Memoire
über die Conftruction der den Account of Cabul begleitenden Karte,
welche bisher aller Kartenzeichnung dieſes Landergebietes zum
Grunde gelegt ward, war mir im Lande felbt unmöglich; im
mer nannte man ihn nur, nach dein Dorfe feines Vereins mit
dem Hauptfirome Zellallabade, den Strom von Kama. Gegen
den Norden heißt er Kaſhgar-Fluß, weil er durch diefes Land
fließt, der fernfte und größte Arm deffelben entfpringe im Gebirge
Pamer, nicht weit von Pufchtifhur, den Orusquellen nahe. Nach
72 geogr. Meilen (380 Miles Engl.) Lauf, fällt ex, eine Stunde
oberhalb Attof, mit dem Lundi vereint zum Indus.
Elphinftone, in feiner Aufzählung der Waſſer in Kabuliftan,
nennt ihn nun geradezu den Strom von Kaſhgar (Khaushe
khaur), welcher im Pufchtifhur Gletfcher, dem Gipfel im Belut
Tag, entfpringe, in dem auch die Quelle des Oxus liege. An fei
nem linken lifer, d. i. gegen Often, breite fich das Yand Kafhgar
aus, von dem er feinen Damen habe; er breche durch den Hindu
Khu, wo diefer füdwärts einen großen Vorfprung bilde, und werde |
auf feiner Oftfeite von einem Hochgebirgszuge begleitet, der aber
#7) Elphinstone Ace. I, c. p. 13; ebend. Macartney Mem. p. 655. |
25) Klaproth sur la Ville de Khotan in Mem. relat. a l’Asie. Paris
1826. T. II. p. 293. »°) Al. Burnes l. c. Vol. Il. p. 225.
Stromſyſtem des Indus, oberer Lauf, 17
‚feinen ewigen Schnee frage. Dann durchſtroͤme er das Berg:
—J land, das der Suͤdſeite des hohen Hindu Khu vorliege, und
rauſche mit größter Heftigkeit hinein in das Thal des Kabulſtro—
mes. So weit die fruͤhern Berichte. —
Schon Klaproth hatte gegen Elphinftones Benennung
des Stromes von Kaſhgar“ geeifert, weil diefer Name nur dem
bekannten Kaſhgar in Turkeſtan (f. Afien I. &. 324) angehöre,
und es fein doppeltes Kafhgar gebe, und kein Land diefes
Namens in dem Gebirgslande des Hindu Khu; wol eins im
Mordoften von Badakfıhan, aber feins im Süden deffelben. -
Diefes berichtigt nun Al. Burnes dahin, daß es allerdings ir
rig ſey, noch einen zweiten großen Landſtrich, wie Elphinſtone
gethan, im Hindu Khu als Enclave zwiſchen jenen Bergwaſſern
zum Indus, vom Kamehſtrome bis zum Lundi hin, und nords
wärts bis zum hohen Pufchtifhur, mit dem Namen Kafhgar zu
belegen; obwol Eiphinftone felbft ſchon gewarnt hatte diefe beiden
verſchiedenen Kafhgars nicht mit einander zu verwechfeln. Doc)
fügt Al. Burnes hinzu: allerdings beftehe aber, nahe bei Pe:
ſchawer, wirklich ein Eleiner Diftrict der Kaſhgar heiße,
und obwol er wenig Näheres angiebt, fo hat er doch in feiner
Karte den Namen Kafhgar in unausgefüllten Buchftaben füd-
waͤrts von Chitral, am Kamehftrome, beftehen laffen. Es mag
alfo wol Landesgebrauch dort im obern Thale feyn, ihn nad) ei:
nem folchen Diftricte zu nennen, wie im untern Laufe nach dem
Dorfe an feiner Mündung, und wir haben hier nur vor dem
fernern Misbrauche der Benennung Kafhgar-Strom, der zu man—
chen Verwechslungen Anlaß gegeben, zu warnen. Der Kleine
Gebirgsdiſtrict Kafhgar, deffen Name von Elphinftone auf
ein weit größeres Gebiet, von dem die dortigen Bewohner nichts
wiſſen, übertragen wurde, liegt, nacy Al. Burnes, in der Nähe
der Orte Dir (Deer) und Gunjum; alfo in dem Theile des
Stromthales von Kameh, bis zu welchen Alexander's M. befons
dere Erpedition, bei Leberfteigung des Indiſchen Kaufafus, wirk—
lich im Ihale diefes Kamehftromes (Ko as) vorgedrungen war®),
wie wir an einem andern Orte gezeigt haben. Die Bewohner
dieſes Bergdiftrictes Kafhgar find wegen Derfertigung einer Art
grober Leinwand (blanket), dort im Lande, befannt genug, Im
40) C. Ritter Ueber Alerander er * Feldzug am Indiſchen
Kaukaſus. Berlin 1832, 4, ©, 24.
Ritter Erdkunde VIL, B
18 Weft-Afien. I. Abfchnitt. $. 1.
torden des Hindu Khu, in Kunduz und an den Grenzen.
von Badakſchan, verfibert Al. Burnes*), habe er Niemand |
acfunden, der ein anderes Sand des Namens Kafhgar gekannt
hätte, als das Turfeftanifche, zu dem Yarkend gehört (unter 390
25 N. Br. nach Pat. Hallerftein). Nur von Chitral und Gilgit
fprerhen fie, die an der Stelle von Kafhgar auf Eiphinftones Map
of Gabul liegen; fie fannten nicht einmal das weit füdlichere. bei
Dir gelegene Gebiet (etwa unter 35° N.Br. n. Al. Burnes
Map of Central- Asia) diefes Namens, unftreitig wegen feiner zu
aroßen Entfernung und wegen feiner Kleinheit. Was die Quelle
des Kamehftromes betrifft, fo beftätiget Al. Burnes, das |
auch er gehört habe, fie liege der Orusquelle nahe; und der
Kameh fliefe, wie der Orus, von dee Pamere Ebene
herab, beim See Sirifol (Surifzkol oder Sirful, ſ.
Afien I. ©. 637, 649), der in der Mitte derfelben liegt, zu dem
uns auch die Orusquelle zurückführen wird; aber der Kameh
nicht von der DBergfette, welche diefe erhabene Region trage,
Diefor Weftarm des Indus entipringt alfo unter einen weit hör
bern Breitenparalfel als der Shayuck. Doch hat die Al. Burs
nesfche Karte diefen Sirifol nicht verzeichnet, und die Quelle des
Kamehftromes mit der Duelle des Shanyuffiromes unter
gleichen Parallel gefegt, namlich) unter 36° N. Br., diefe in
&.2., jene in S.W. von Varfend. Che nicht einmal wieder
Meifende, wie einſt M. Polo, jene Pamere Ebene überfteigen,
werden wir fchwerlich genauere Nachrichten über jene uns noch
wildfremde Kocalitäten im obern Stufenlande des Indus erhal
ten; denn alles genauer erfundete deflelben betrifft nur die weft
lichern Gebirgsdiftricte des Hindu Khu und des Kabulftromes, die
in Afgbaniftan liegen. Hinreichend mag es bier feyn, auf das
Genannte hingewiefen zu haben; zugleich aber wiederholen wir
hier die merkwürdige, eigene Erfahrung Al. Burnes, daß von
diefem Iheile des Hindu Khu und von Badakſchan an, ofts
mwärts, bis Baltiftan alle dortigen Fürften und Völker von den
Macedoniern abzuffammen behaupten, und daß felbft noch in
dem fernen Yarkend diefe Tradition bei den Soldtruppen vom
Tungani Tribus #2) vorherrfcht, die aus den weftlichen Pros
vinzen der Chinefifchen Tartarei zur Garnifon in der genannten |
J = — Tray. 1, c. Vol. II. p. 225 und 200. 22) ebend.
Stadt und ihren Umgedungen commandirt werden; doch wollen
fie nicht von Alerander ſelbſt, fondern von griechifchen Kriegern
abftammen. Da die Königsfamilie zu Badakſchan diefelbe Tra-
dition hinfichtlich ihrer Herkunft hegt, und Al. Burnes mehrere
Glieder von derſelben ſelbſt daruͤber fprechen hörte, fo werden wir
weiter unten gelegentlich darauf zuruͤckkommen. Es ift wol höchft
wahrfcheinlih, daß auf diefem Wege, wenn auch nicht Abs
koͤmmlinge der Macedonier, und vielleicht auch diefe, doch wenig:
ftens eine gewiffe Spur griehifcher Cultur aus der grier
chiſch⸗bactriſchen Herrfcherperiode am tiefften oſtwaͤrts in diefe
obern Indus landſchaften und felbft bis gegen Jöferdu
in Baltiftan vordrang.
Hat der große Indusſtrom, wie wir oben bemerften, die
erfte Schneefette des Himalayafpftemes durchbrochen, fo ift von
ihm nun erft noch, nachdem er das hohe Plateauland verlaffen
hat, die ganze Breite des Alpengebirgslandes ſelbſt zu durchfegen,
ein Kaum von wenigftens 30 bis 40 geogr. Meilen Breite von
NM. gegen ©., von jenem erften Durdhbruche an, bis er, bei
Calabaugh, die äußerfte, füdliche Vorfette der Salzberge
durchſetzt, und in die mehr wellige Plaine des Pendfchab eintritt,
wo fein mittleres Stufenland beginnt. Von dem erften
Zufluffe des genannten Abu Sin (Abba Seen) bei Mullai
(Mullau), nimmt der Indus feine Normaldirection mehr
gegen den Süden an, und hat drei Stufenthäler®#) mit
Engpaͤſſen, im vordern Alpenlande zu durchfchneiden, ehe er
in jene Pendfhabebene eintritt. Diefe Stromengen liegen
4) bei Torbela (Zorbaila), 2) bei Attock (330 54’ 46" N. Br.
n. Al. Burnes) und 3) bei Calabaugh (unter 33° Y’N.Br.)
in der Kette der Salzberge.
WVon Mullai bis Torbela*) firömt er 10 geogr. Meilen
(50 Miles) durch die niedern Berge des Hindu Khu, und kritt
bei legterm Orte in offneres Land, in einen weiten Seeboden, in
welchem er fich ausbreitet und unzählige Auen bildet,
Bon Torbela bis Attock zieht der Indus 8 geogr. Meil.
(40 Miles), und nimmt etwa eine Stunde oberhalb diefer letz—
tern Seftung den reißenden Kabulftrom zur Nechten, oder von
der Weftfeite her, auf. Dann dehnt er ſich aus, wird bald wie:
| ’ Stromſyſtem des Indus, öl Lauf. 19
3) M. Elphinstone Ace. I, c. p. 90,
*) a. 9. p. 111, 653.
92
20 Weft-Afien. I Abſchnitt. $. 1.
der zufammengefchnüärt, je nachdem die Alpenparallelen, vielmehr
hier, ihre niedern Xorketten, von S.O. gegen N.W., gegen die
Solimangebirge ziebend, ihn durchfegen. Wo der Kabulftirom
ſich einmündet ift beider Gewäfler auch in der trocknen Jahres—
zeit voll Wogen und Wellenfchlag, und macht ein Gebraufe wie
das Meer; zur Zeit der Schneefchmelze bildet fich aber hier ein
gewaltiger Wirbel, deſſen Getöfe noch viel weiter gehört wird, der
oft die Barfen hinabreißt, oder wider Felfen *) ſchmettert. Bei
dem Fort Attocd fand Elphinftone den Indus auf 780 Fuß
Breite zufammengeengt, tief und reißend. Dann weitet er fich,
wird aber 3 geogr, Meilen (15 Miles) unterhalb bei Nilab von.
neuem eingeengt, daß er nur einen Steinwurf breit ſeyn foll,
aber gewaltig reißend. So zieht er zwifchen öden, ſchlechtbebau⸗
ten Bergfetten und Schlünden fort, etwa auf einem 800 Fuß
über dem Meere erhaben liegenden Boden, bis zu den Felsengen
der etwa 1200 relativ höher 36) fich erhebenden Kette der
Salzberge von Calabaugh (Karrabag), wo er in 4 gros
fen Armen in die Ebene des Efa Khels (Eſau⸗-Khail, d. i—
des Sfauftammes) eintritt. 44
Bei Attock, meinte Elphinftone*), fey der Indus zu,
wild um feine Tiefe zu meſſen; oberhalb könne man ihn an mans
chen Stellen noch durchfegen, wie es Shah Schuja im 5.
1809 mit feinem Afghanen Heere that, unterhalb nicht mehr 4);
er tritt auch hier in mehrern Armen zwifchen Klippen ein, und
beide, Kabulftrom wie Indus, durchfegen in ihren verengten Betz
ten fihwarze, marmorgleiche, fenkrechte Felsmauern, an deren Eins
gang die Feſtung Attof erbaut ift. Diefe Felsmauern fchienen
Eiphinftone ftets feucht zu fenn und wie vom Sande des Stros
mes polirt. Wirbel in der Mitte des Stromes bilden die ger
fürchteten Felfen Zellallia und Kemallia; doch fest man
fehr fchnell in Boten hinüber, und die Eingebornen fchiffen öfter
ſelbſt mit aufgeblafenen Ochfenfchläuchen,, ftatt der Barken, den
Strom hinab, wie auf dem Euphrat und anderen afiatifchen
Strömen. |
Al. Burnes giebt uns neuerlich folgende Auskunft von
feinem Uebergange aus dem Lande der Seikhs bei Attod
**) M. Elphinstone 1. c.; Tieffenthaler bei Bernoulli p. 72.
*°) A. Burnes Trav. I. p. 52. *’) M. Elphinstene Ace. p. 72.
«*) ebend, und J. Rennell Mem. p. 98.
|
|
|
Stromfyftem des Indus, bei Attod, 21
nah Peſchawer. Vom Often kommend, auf der Lahore Route
über Rawil Pindi, konnte er ſchon in einer Ferne von 3 geogr.
Meilen (15 Miles) den Lauf des Indusftromes*) beim Aus;
‚tritt aus den niedern Bergen des Forts Attock deutlich an dem
Nebel erkennen, der wie ein Rauch über ihm ſchwebte, weit das
Induswaſſer Fühler war als die uber ihn ruhende Luftfchicht, die
dadurch condenfirter und fichtbar wurde (am 13. März). Nahe
dem. Marktorte Huzru, der noch nördlid) von Attock fiegt, wo
ihm im Lager der Seikhs glänzender Empfang vom Sirdar Hnri
Sing zu Theil ward, wurde Halt gemacht. Hier zeigte fih das
Volk ſchon ganz verändert gegen die mehr öftliche Pendſchabſeite;
das Pufchtu war hier ſchon als Sprache vorherrſchend; das
männlich fehöne Anfehn der Afghanen Population, mit dem freiern
Anftand und Benehmen, gegen die kriechende Servilität der- Ins
‚der, ift dem Europaer, der aus Bengalen bis hierher vordringt,
eine fehe erfreuliche, ganz neue Erfcheinung, die gegen Kabul hin
immer mehr zunimmt, wo nun freilich völlige Sndependenz. zum
Uebermaaß führt. Eine große Kiesebene mit gewälzten Rollbloͤk—
fen überzogen breitet: ſich hier weit aus; hier ift das Schlachtfeld
der Afahanen, wo fie im Jahre 1813 an der Oftfeite des Indus
erſchienen, aber nicht Stand halten konnten gegen die Seikhs.
he Anführer, Bizier Futteh Khan"), durch widrige Winde,
Etaub, Hige und den Anfall der Seifhs überwältige,. entfloh,
und. überließ damals dem fühnen Nunjit Sing das Schlachtfeld,
der feitdem Befiger der Fefte Attock blieb, die ihm durch Vers
rath übergeben ward. Bei dem Dorfe Khyra Khull, das
zwei Stunden oberhalb der Fefte liegt, ift der Zndus in 3 Arme
getheilt, davon zwei wildfirömende zuerjt durchfegt werden müf-
fen, um von diefer Seite zur Feftung ſelbſt am Hauptſtrome zu
gelangen... Auf Elephanten reitend von 200 Mann zu Pferde bes
gleitet, wirft nach Gebrauch der Chef diefer Escorte ein Silber:
ſtuͤck in den Strom und fordert zum Durchmarfeh auf, dem er
voranzicht; die andern folgen. Wir kamen glücklich durch zur
Inſel, am Hauptarın, fagt AL Burnes; aber an einer, obwol
feichteren Stelle, wurden. fieben Reiſende, die uns nacfolgten,
durch den heftigen Strom von den Pferden geriffen, und einer
ertranf. Niemand fuchte ihn zu retten, fein Erbarmen, Sie
4°) Al. Buwnes Tray. Vol. I. p. 74—80.. 50) H. T. Prinsep
Origin of the Sikb Power I. c. 1834, p. 96.
22 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 51, .
fönnen in einer andern Welt Könige werden! und wozu fann
ein Seith nuͤtze ſeyn, wenn er nicht einmal den Attock paffiren
fann, war die Antwort des Chefs der Escorte. Die Elephanten
druͤckten fich gewaltig gegen den andrängenden Strom und fegten
bruͤllend hindurch, denn Gefahr ift immer dabei; das Waller ift
fehr Ealt, blau, reißend. Nun erft führt der Weg zur Fefte Atz
tock, die dicht am Hauptftrom, den man hier ftets Attock (d.h.
der Verbotene, vergl. Aſien IV. 2. ©. 459 u. f.) nennt, auf
ſchwarzen Scieferfelfen dicht über dem Strom erbaut ifl. Die
Seikh Barnifon war eben in Aufruhr, weil der Sold ausgeblie—
ben war; fie hatte fich der Fährboote bemächtigt, und nur nach
zweitägiger Unterhandlung gelang e8 mit einem derfelben (17. März)
den Grenzftrom Indiens zu überfegen. Der azurblaue Strom
mälzt feine Waſſer heftig in einer Stunde mehr als zwei
Stunden (6 Engl. Miles) weit. Das Fahrboot durchfchneidet ihn
in 4 Minuten. Nur 200 Schritt oberhalb der Fefte ftürzt fich
fein Waffer mit weit größerer Wuth herab; bei einer zufammens
ſchnuͤrung bis auf 120 Schritt fchlägt er hier Tauttofend occani:
fche Wogen, die in einer Stunde vier Stunden Weges (10
Miles Engl.) durhfchiegen würden. Dies mag wol der von El;
phinftone bezeichnete Wirbel feyn. Hier kann fein Boot hin:
durchgehen; hier würde alfo die natürlide Grenze der
Schiffahrt aufdem Indus feyn, an welcher Attocks Lage
doppelt wichtig iftz an fich ift der Ort mit etwa 2000 Bewohnern
und fchlechten Feftungsmwerfen unbedeutend. Sobald der Kabuls
from vom Welt her, zum Indus getreten, wird diefer ein ruhig
dahin wallender Strom, 260 Schritt breit, und 35 Fuß tief, dicht
unter den Feftungsmauern. An der Spise des Vereins, oder
der Gabelung beider Flüffe, foll fih jeden Abend ein feuriges
Meteor zeigen, das wenigftens Al. Burnes im März felbft fahe,
wie es die ganze Macht durch, in zwei, drei bis vier hellen Lichs
tern Dicht neben einander aufflacert. Auch zur Regenzeit zeigt
es fih. Der Held Man Sing, ein Najput, der einft einen
Rachefrieg gegen die Mohammedaner über den Indus führte, fiel |
dort in einer Schlacht, und die Lichter, fagen die Anwohner des
Stromes, find Geifter der Gefallenen. Ob dies bloße Srlichter,
Gasfammen oder nur täufchender Wiederfchein im Waſſer, Eonnte |
Al. Burnesst) nicht ermitteln. Fifcher wafchen am Indus
) Al. Burnes Tray. Vol. I, p. 80.
Stromſyſtem des Indus, bei Attodk, 25
wie am Kabulftrome, nah ihrer Anfchwellung mit großem
Vortheile G oldf and; vermitteljt eines Siebes fcheiden fie die
groͤßern von den kleinern Körnern, und ziehen durch O ueckſilber
das Gold als Amalgam hervor. Da auch mehrere kleinere Fluͤſſe
der dortigen Thaͤler, deren Quellen nicht fern liegen, wie der
Swan und Hurru, noch mehr Goldgewinn als der Indus ger
ben, fo möchte wol dort, nach A. Burnes Meinung, der Sud:
abhang des Sebirgslandes überhaupt Golderze führen,
was auch fchon früher nicht unbefannt war (f. Afien II. ©. 660).
Auf der Weftfeite des Indus beginnt, obwol 1832 die
- Grenze von Runjit Singhs Neih noch eine Stunde weit über
das rechte Ufer hinüberreichte, von wo die Escorte umeehrte, eine
neue Völkerwelt, die Afghanifhe. Aus den Gebieten
der Seifhs tritt man in die der Afghanen, zweier Nölkerfchaften,
die gegenfeitig die bitterften Feinde find. Die Escorte der Seiths
verläßt ihre Schüglinge mit dem „Wagurujir-fasfuttih,”52)
d. i. ihe dreimaliges Feldgefchrei, die wachthabenden Afghanen
empfangen die Fremdlinge, die ihrer Protection empfohlen find,
mit dem mohammedanifchen Gruße: „Salam alaitum“
Friede ſey mit euch! \
Der Maha Raja der Seikhs hält, ſeitdem er durch die Fefte
Attock Beherrfcher des Stromüberganges geworden ift, und meh:
rere Streifjlige zur Unterwerfung des benachbarten Peſchawer
und anderer Provinzen Afghaniftans verfucht hat, hier eine Flotte
von 37 Booten zur Errichtung einer Schiffbrüdes), unmits
telbar unterhalb der Fefte, wo zu der Stromesbreite von 260
- Schritt (Yard), 24 folcher Boote nothwendig find. Doc kann
diefe Brücke nur vom November bis April übergeworfen mers
den, weil dann die Heftigkeit des Stromes hinreichend gemildert
it, um ein folches Joch zu fragen. Aber auch dann bleibt die
Befeſtigung der Boote noch immer fehr Schwierig. Holzrahmen
mit Steinen gefüllt bis zu 250 Maunds (d. i. 25000 Pfund)
Schwere, mit Seilen umwunden, um fie zufammenzuhalten, wers
den von jedem der Boote zu 4 bis 6 Stuͤck hinabgelaffen in den
Strom, der hier über 30 Faden (180 Fuß?) tief ſeyn fol. Von
andern Vorrichtungen werden diefe noch verftärkt, um jedem moͤg—
Be Unglücsfell bei Armecübergängen über die Schiffbrüde, der
— Al. Burnes Tray. Vol. I. p. 81. 5) ebend. Memoir of the
* "Indus etc. in Voy. Vol, III. p. 284. Bl, >
24 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 9 1.
jene Steinmaffen als Anker dienen, zu begegnen. In drei Tas
gen kann, im Nothfall, diefe Brücke gefchlagen fern, das Dops
pelte an Zeit ift gewöhnlich dazu nöthig. in Fleines Corps von
Seikhs von etwa 5000 Mann feßt jedoch leichter mit Fahrbooten
über, als wenn erft die Bruͤcke dazu gefchlagen werden muß. Afr
ghanen, die diefe Brücke in Pacht nehmen, zahlten 14,000 Rupies
daftır; der llebergang muß alfo doch ſchon im Yahre etwas ab⸗
werfen. Die Seikhs haben den Zerftörungen, die ihre Conftruction
in frübern Zeiten veranlaßte, durch Anlegung von Magazinen für
das dazu benöthigte Material vorgebeugt. Merkwuͤrdig ift es als
lerdings, daß diefelbe Methode des Bruͤckenbaues, wie fie oben
nah Al. Burnes an Ort und Stelle eingezogenen Erfundigun:
gen heut zu Tage Statt findet, im Wefentlichen noch ganz dies
felbe ift, wie Arrian die Conftruction (Expedit. Alexandri Lib. V.
ce. 7.) römischer Schiffbruͤcken beim Webergange Alexanders
über den Indus befchreibt, obgleich diefer Gefchichtfchreiber es
felöft bemerkt, daß ihm die Methode, welche damals die Macedos
nier befolgten, unbefannt blieb, da feine Vorgänger, weder Aris |
ſtobulos noch Ptolemäos, deren Gefchichtsbächer über Alerander
er vorzüglich zu Mathe 309, nichts genaueres darüber mitgetheilt
hatten. Alexanders Uebergang über den Indus mußte aber in
der Nähe des heutigen Attoc&5%, nahe am Kabulftrome, feyn.
Eben dahin hatte Tſchingiskhan fein erftes Mongholenheer geführt,
und fein Lager aufgefchlagen, ohne jedoch die Ueberfahrt über den
Strom felbft zu wagen (f. Afien IV. 2. ©. 558). An derfelben
Stelle baute der zweite Weltſtuͤrmer Mittel-Afiens, fein Nachfolz
ger Timur, 200 Jahr fpäter (im J. 1397, f. Afien IV. 2.8. 573)
feine Schiffbruͤcke, und ertheilte 55), ehe er noch den Boden
von Indoſtan betrat, an den Waflern des Indus den Gefandten
von Mekka, Medina und Kaſchmir Audienz. Dann aber feste
er über, und brachte Krieg und Verheerung zum Ganges, aus
denen die Stiftung des fogenannten Groß: Moghulifchen Reiches.
hervorging. Zur Befeftigung deflelben erbaute Kaifer Akbar
eben hier, am Eingange der Stufenländer von Kabul zu Bokhara
wie zu Perfien, diefe Grenzfefte Attod, welche mit Kecht der
#+) ©. m, Abhandl. über Alerander des Gr. Feldzug ꝛc. a. a. O.
©. 365 vergl. Mannert Geogr. d. Grich. und Römer Th, V.
©. 40. °5) Feriſhta b. X. Dow.Th. Il. p. 2; Cherifleddin
Hist. de Timar ed. Petis La Croix T. II. ete. IV, p,50; Ren
Mem. b. Bernoulli ©. 49, | Er
i Stromſyſtem des Indus, bei Attod, 25
Schlüffel von Indien” genannt wird. Enltan Babur
pußte, wie Alerander M., als Strateg die Localitäten befonders
zu benußen, Sn feinen lehrreichen Memoiren 56) giebt er auch
4 verfchiedene Paffagen von Hindoftan nad) Kabul an, die aber
alle, wie er fagt, ihre Schwierigkeiten bei dem Ueberſetzen des
Etromes darbieten. im Winter, bemerkt -er, fomme man oberz
halb des Kabuleinfluffes zum Sind (Indus), und auf den meiften
feiner eigenen Kricgseinfälle, von Kabul nady Indien, habe
* dieſen Weg genommen; aber das letzte Mal (er ſchreibt dies
vor dern Jahre 1507) feste er in Booten über die Nilab⸗
Paſſage, die einzige Stelle we dies möglih fey. Nilab ift
aber ein Ort, der auch heute noch 3 geogr. Meilen (15 Miles)
unterhalb des heutigen Attock liegt. Seit diefer Zeit, und feit
! Asulfazils Berichten im Ayeen Atbery über Indien, früher
ſcheint es aber nach Ersfines Bemerkung nicht, wird es Gebrauch,
N dem Indus, oder wie er häufiger von den Einheimiſchen mit Recht
genannt wird, Sind (f. Afien IV.2. &.451), auch den Namen
NMitab, d. i. Nilftrom oder großes Waffer, zu geben, ein
Name, der bis in die neueſte Zeit bei mohammedanifchen Schrift:
ſtellern ) fortdauert. Nilab muß indeg fehon zu Baburs Zeit
ein bedeutender Ort geweſen feyn, che von ihm noch die Fefte
Attock erbaut ward; denn von feinem letzten Croberungszuge
- (1519, f. Afien IV.2. ©.621) nad) Delhi, fagt derfelbe, er habe
diesmal den Indus mit feinen Pferden, Kameelen und ſammt
der Bagage in der Furth durchfchritten 5%); das Fußvolk und der
Troß mit dem Lager fey in Flooßen übergefegt; ob oberhalb, nahe
bei Attock, weil unterhalb feine Möglichkeit mehr ift, den Strom
zu durchfegen? Oder, follen diefe Flooße etwas unterhalb Attock,
bei Nilab übergefchifft fenn, weil nur da, nach Baburs Ausdruck,
Boote pafliren Eonnten? Dann hätte er fein Heer beim Leber:
gange theilen müffen. Die Einwohner von Nilab, fagt der
ſelbe Fürft, brachten ihm Geſchenke. Nilab war im Anfange
des XVI. Jahrhunderts eine bedeutende Stadt, ihre Lage etwas
unterhalb der heutigen Fefte Attock, ift auf Al. Burnes Karte
verzeichnet.
Als fpäterhin die fchwachen Negenten am Ganges den Schuß
#°) Babur Memoirs Translat. by Dr. J. Leyden and Will. Erskine.
Lond. 1826. 4. p. 140. 57) Abdul Kerym Voy. in Langles
Collect. p.14. Ferishta u.a, °°) Babur Mem. 1. c. p. 252 u. f.
26 Welt: Alien. I. Abfchnitt. 91.)
des Landes gegen die Indusſeite vernachläffigten, und wie Mah—
mud Schah fogar Tribut an Kandahar zahlten, da wurde es
dem neuen fühnen Eroberer Perfiens Schah Nadir 5% leicht,
auch diefes Schloffes zu Indien fich zu bemächtigen (1738), und
die Macht von Delhi bald darauf zu vernichten. Aus dem Vers
fall jener Zeit, fahe Elphinftone@) noch die Ruinen der Fefte,
die ein Parallelogramm einnehmen von bedeutendem Umfange,
Die Fürzern Seiten deflelben, gegen den Indus gerichtet, waren
an 400 Schritt lang, die andern doppelt fo lang; die Mauern
beftehen aus polirten "Duadern und machten einen guten Eins
druck, aber die Stadt lag in Ruinen. Durch die Seikhs fiheint
fie wieder mehr in Aufnahme gefommen zu feyn; aber als Al.
Burnes Attoc paflirte, fand er die Sarnifon der Fefte in Re—
bellion, weil ihre der Sold nicht ausgezahlt war, er durfte fich
ihr daher nicht nahen. Der RNeifende, der von der Weftfeite
hierher fommt, pflegt von den Bewohnern des Landes wegen feis
nes glücklichen Eintrittes in Indien begrüßt zu werden.
Erläuterung 2.
Mittler Lauf des Indus (Sind).
Bon dem Durchbruch durch die Kette der Salzberge
bei Calabaugh (unter 33° 7’ N.Br. n. Elphinftene) ®!) tritt
der Indus als klarer, tiefer, ruhiger Strom in das ebenere Land
ein, in welchem ihm bis zum Meere weiter Eeine Gebirgsketten
den Weg verrennen. Sogleich theilt er fih in 4 Arme, die in
großen Serpentinen nad ©. ftrömen, bald wieder zufammenflies
gen, fih in neue Canäle fpalten, wieder treffen und theilen, fo
dag die Waller des Indus, von nun an, felten in einem Stros
me vertheilt find. Bei MittendaKote oder Mittun Kote®)
unter 2355’ N. Br. (nicht, wie bei Elphinft. unter 28°20%) nach
Al. Burnes Obfervation, nimmt er von der Indiſchen oder
linken Eeite die Waffer der FünfStröme des Pendſchab
auf, deren vereintes Gemwäfler man in Indien eben deshalb wol
Punjund (d.h. 5 Ströme) nennen hört, ein Name, der
) S. J. Malcolm History of Persia. London 1815 4. T. U. p. 75.
*°) Elphinstone Acc. 1. c. p. 71. °ı) M. Elpliinstone Acc. of
Caubul I. c. p. 25, 108, 112; ebend. Macartney Mem, p. 653.
*°) Al, Burnes Mem. of the Indus in Trav. Vol. II p- 195, 278,
Stromſyſtem des Indus, mittler Laufe 27
aber den Indusanwohnern ſelbſt unbefannt it ®); nur irrthuͤm⸗
licher. Weife hat man mit dem Namen Punjund auch wol den
Chinabfluß ſelbſt zu belegen verfucht. Sie nennen dort den vers
einten zum Indus fich ergießenden Strom Chinab (Akesines).
Diefer Chinab verliert fein Waffer, wie feinen Namen, bei dem
Städtchen Mittun mit 1500 Bewohnern, deſſen Fefte (Korte)
zerftört if, ohne allen Tumult, ſelbſt ohne alles Geräufh in dem
Hauptfirome des Indus, der hier die coloffale Breite von 2000
Schritt (Yards) durch feine Verdoppelung gewonnen hat. Die
Ufer find aber niedrig zu beiden Seiten und das Bette weit.
Der Verein von Euphrat und Tigris verliert beide Namen und
wird abwärts Shat el Arab, der „Araber:-Strom“ ge
nannt; der Indus behauptet aber feinen Namen, und felbft
auf die ganze untere Landſchaft, die nun Sinde heißt, ift er
fogar übertragen. Daß die Waflermaffe, welche das vereinte Ges
wäller das Chinab führt, geringer fey als das des Indus, be
hauptet Elphinftone; Al. Burnes hat fein Urtheil darüber
aufgeſtellt. Bis dahin dehnt fih das berühmte Pendfhab,
das Land der Fünf Ströme aus; weiter abwärts von Mits
tun firömt die doppelte Wafferfülle des Indus, erſt
füdweftwärts an Schifarpur und Buffur dur die
Sandfchaft Sinde, und dann wieder füdoftwärts,an Sehwan
vorüber, nah Hyderabad (unter 25° 21’ N,Br. n. Al. Burn.
Map), wo die Stromfioheidungen den Intern Lauf des Sn:
dus und fein Deltaland bezeichnen.
Diefer Lauf ift neuerlich, von Mittun Kote abwärts,
durch Al. Burnes genauer erforfcht, aber von da aufwärts,
bis Attock, feit Elphinftones Beſuch (1809) nicht wieder von
Europäern gefehen, daher auch wenig aefannt. Bei Ududa
. Kote‘%), etwa 20 geogr. Meilen (100 Mil. Engl.) im Norden
von Mittun, wurde er von der Embaffade, die damals nach Ka—
bul ging, zuerjt erblickt, wo fein Suͤdlauf weit ausgebreitet zwi⸗
fchen flachen Ufern, ahnlich wie bei Mittun, frei von Gefahr und
ohne Befchwerde für die Schiffahrt fich zeigt. Von da bis Kar
hiren Ghat (31° 28° N.Br.) an 15 geogr, Meilen (75 Mit.
Engl.) nördlicher, wo fie ihn auf einer Fahre überfegte, war er
#3) Al. Burnes Narrative of a Voy. in Travels Vol. III. p. 90; deſſ.
Memoir ebend. p. 193, 286, 278. “+, Elphinstone Acc, I. 6,
p- 206.
28 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 5. 1.
bei einer Tiefe von 12 Fuß an 1010 Schritt (Yards) breit, obs
wol diefelbe durch mehrere Geitenzweige vermindert wurde, von
denen einer 150 Schritt breit war. Die Fährboote, von 30 bis
40 Tonnen gaft, trugen Pferde und Kameele, die Elephanten
fhwammen hindurch, oder gingen vielmehr die größte Breite, da
fie nur etwa 300 Fuß weit feinen Grund mehr fanden. In dies
for Jahreszeit (6ten Januar 1809) fteht das Wafler am niedrigs
fien. Das Bette war hier Sand, wenig Schlamm, das. Waller
dem des Ganges aͤhnlich. Die vielen flachen Auen, zwifchen
Bänfen von Trisbfand mit Schilf ummachfen, hatten fetten,
fhwarzen Boden, und waren zum Theil trefflicy bebaut von
Sandleuten, die jedoch hier wegen des Strommanderns, wie es
fcheint, nur temporäre Hätten bauen. Bei der jährlichen Uebers
ſchwemmung tritt er viele Meilen weit zu beiden Seiten über die
Ufer, und feine Stromrinne beißt überall tiefer in dies Land ein,
und verändert immerfort feinen Lauf.
Don dem Eintritt bei der Galzfette in diefes Stufenland,
weiches von der Hauptfladt Multan den Namen trägt, bis Kas
hiren tleberfahrt,. ift überalf fruchtbarer Boden, auf dem die Ges
wächfe herrlich. gedeihen, den die fehönften Dattelpalmenhaine
ſchmuͤcken &). Bei Kahiren hat der Indus mit feinen Auen ein
impofantes Anfehnz an feinem Oftufer liegt das flache Land
Multan, und deffen Trauerwuͤſte reicht dicht bis zum Strome
bin. Nur ein enger Uferfteich ift hier Fruchtland, aber auch
trifflich bebaut, voll Meiereien, Ackerkultur, Duagwirthfchaft. Die
Häufer find auf Plattformen gebaut, die auf 12 bis 15 Fuß ho:
hen Pfählen zum Schuß gegen die Ueberſchwemmungen ftehen
(wie am Siamftrome und im Wallis). Don Kahiren aus füd:
wärts fteeiht von M. nah ©. an 15 gecgr. Meilen weit, eine
fieie Wand, in der Entfernung von 7 engl. Meilen in DO. vom
jegigen Strombette, welche vor nicht langer Zeit das Ufer des
Indus gewefen feyn fol. Er wanderte alfo hier von DO. nach
W. Auf dem Weftufer des Indus 66) erblickt man das Auffteiz
gen des perſiſchen Hochlandes in den Gebirgsfetten von Soliman,
die in dreifachen Zügen hintereinander fich zu erheben fcheinen,
bis zum hohen Tukt Soliman, oder Salomons Thron.
Die Gebirgsketten fangen ſchon in der Entfernung einer Eleis
nen Meile vom Indusufer an, und ziehen ſich an diefem ent
®:) Elphinstone p. 29, 26. **) ebend, p. 31, 119,108, 114, 90.
Stremfyften des Indus, mittler Lauf. 29
lang, füdwärts bis zue Vereinigung mit dem Punjundflrom, uns
ter 29° N. Br., wo der Bergzug endet. Daher hier die Ebene
gegen W. fortfegt, und der Indus hier auch feinen Lauf nach
W. abbeugt, wo ihm weiterhin erft das Plateau von Kelat wies
der. neue Grenzen feßt. Diefes Ierrafienland heißt Damaun,
d. i. der Gebirgsfaum; es ift undurchbrochen und fchliegt den
Indus vom Welten ab. Wenig Hochpälle führen hindurch, nur
wenige ganz unbedeutende Waller, die, wie Gießbäche, nur zu Zei⸗
ten anfchwellen und tofend herabftürzen, fich aber bald wieder
verlaufen, fommen von daher, Das ganze Indusufer hat daher
von dort, wie das des ägyptifchen Nil’, Feine Zuſtroͤme, und
alle linken Zuftröme wenden fich zu diefer fteilen Bergfeite (con-
trepente) nah W. hin. Es ift, als würde der Indus von dieſem
Gebirgsfaume (wie der Ganges von der Himalayawand) angezos
gen, da ihm doch gegen Oſt ein ganz freies, weites Blachfeld zu
durchwandern vorliegt. In diefem Laufe werden dem Yndus früs
herhin von den Autoren zwar auch die Namen”) Sur, Shur,
Syr, Mehran beigelegt, aber dies find doch nur irrige (wie
die drei erften, von Derya Shar, d. h. Salzmeer) oder
von außen her (wie Mihran aus der Zendavefla, und Mehz:
ran al Sind bei Abulfeda) übertragene Benennungen, von des
nen weiter unten die Rede ſeyn wird. Es wohnen gegenwärtig
die Seikhs, Hindus und Beluches am Oftufer, Afgha—
nenfämme am Weftufer. Unterhalb Kahirin, von Sungur
an, wird das Indusufer im engern Sinne bis Schifarpur, Obers
Sind genannt; weiter abwärts aber, bis zum Indus-Delta
Unter:Sind, weil es dafelöft unter einheimifchen Fürften der
Sindis fteht, die früher an Kabul tributair waren, gegenmärtig
aber felöftftändig geworden find. Das weite Blachfeld um Shi:
farpur, weftwärts vom Indus, heißt Kutch Gundava, früs
her zu Kaifer Akbars Zeit Sweftan. Nur eine Zeit lang reichte
die Macht von Kabul auch auf die Oftfeite des Indusſtromes herz
über; aber bald ift ex wieder der Grenzftrom von Indoſtan
und Kabuliftan geworden, und die Seikhs wie die Sindis
greifen gegenwärtig durch ihre politische Macht eher auf die Welt:
- feite feines Ufers hinüber, Dera Ghazi Khan) iſt die größte
*7) Ayeen Akbery T. II. p. 121; J. Rennell Mem. p. 98, 178,
185 u.a, .s) Al Birhes "Memeir Vol, Ill. pP: — 2
Elphinstone p. 29.
30 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 1,
Stadt, welche nördlich von Mittun Kote am rechten Yndusufer
fiegt; denn am linken auf der Pendfchabfeite ift Feine einzige von
Bedeutung. Diefe Capitale ift von einem fehr fruchtbaren Bos
den umgeben, und wie das noch 7 geogr. Meilen (35 Mil. Engl.)
nördlicher gelegene Dera Ismael Khan, dur die fchönften
Gärten und Dattelhaine ausgezeichnet (f. Afien IV. 2. ©. 833).
Früher, zum Afghanenreiche gehörig, ward es viele Jahre hinz
durch Ziel der Ueberfälle und Plünderungen der Seikhs, die jene
Landfchaft, welche ihnen zu fern liegt, um ſtets Truppen dahin
zu detafchiren, zulegt dem Khan von Bhawulpur in Daudputra
(f. Afien IV. 2. ©. 993, 1030) für 6 Lat Rupien (60,000 Pfd.
Sterl.) verpachteten. Da der Diftrict aber nur 4 Lak rentirt, fo
mußten furchtbare Erpreffungen Statt finden, unter denen die
Landfchaft erliegt. Einen Theil derfelben hatte Runjit Sing, dem
fie zu fchwer zu behaupten war, an die Brahooes, die frühern
Befiger (Bewohner des mehr weftlichen Hochlandes), zuruͤckgege⸗
ben, unter der Bedingung ihm Kriegsdienfte zu leiften. Nur zu:
weilen werden die Productionen der Weftfeite des Ynduslandes
und des Terrafienlandes Damaun auf die Oftfeite in das Pends
fhab, zumal wie das Farbholz Munjut, auf den Markt von
Doch (Land der Orydrafen, f. Alien IV. 2. ©. 471) gebracht,
aber die belebtere Handelsftraße, welche quer durch das Pendfchab
zum Yndus führt, liegt höher auf, von Multan, hinüber zur
Fähre Kahiren. Von da geht der Karamanenmweg zu Lande
nah Dera Ismael Khan, und von hier landein über Des
rabend jund durch das PVeziribergland über Ghizni nah Ka—
bul, eine Noute®), die ganz neuerlich (1833) erft von M. Ho:
nigberger zurückgelegt ift, die früher unbefannt war, Der ns
dusftrom felbft dient im diefer Strede feines mittlern Laufes,
von Calabaugh bis Mittun Kote, noch zu feinem Transport;
es fehlt ihm bis jegßt noch die Benutzung feiner Stromentwicke⸗
lung, wie dies bisher auch leider Jahrhunderte hindurch bei der
europäifchen Donau in ihrem mittlern Laufe der Fall war. Die
Miethen der Boote, deren Zahl fehr gering, find zu unmäßig;
daher aller Transport wolfeiler auf Ochfen und Kameelen ge:
fchieht. Dies, nicht aber etwa Mangel der Schiffbarkeit auf dem
%°) Dr. M, Honigberger Journal of a Route from Dera GhaziKhan
through the Veziri Country to Kabul. in Journ. of the As. Soc.
of Bengal. Calcutta 1834. ed. Prinsep. Vol. III. p. 175—178
nebft Map,
Indus Syftem, Mittellauf, das Pendfhab, 31
Indus, ift die Urfache der Nichtbenugung diefer Stromlinie,
wozu noch fommt, daß, abwärts, von jeher, feit Alcrander, die
fchiffbaren Pendfchab » Flüffe zum Transport vorgezogen wurden,
da an diefen eine größere Eultur einheimiſch wurde, und die gro:
gen Marftorte und Reſidenzen Lahore und Multan liegen,
die dem Induslaufe fehlen. \
Erläuterung 3
Das Pendfhab (Penjab im Neuperfifhen, das Fünf.
Stromland); im Sanskrit Panchanada, beides bei
Griechen Pentapotamia’). Sapta Heando (Septenae re-
giones Indicae) im Zend (f. Afien IV.1. ©.452, 458 u.a.).
1. Namen der Fünf Flüffe
Aus dem KRulu-Kafhmir:- Himalaya (f. Afien I.
©. 1061 — 1203), feinen Alpenhöhen wie feinen Vorfetten, von
Sfetledfh bis zum Industhale bei Attock, entquellen in einem
Zuge von 100 geogr. Meilen, von D. gegen W. viele Gebirgss
ſtroͤme, die durch die Gebiete vieler, mehr oder weniger abhängi-
ger Berg-Rajas, diefes merkwürdigen, aber noch wenig erforfchten
Alpenlandes, insgefammt von N.D. gegen S.W. die Engpaͤſſe
der füdlichften Vorketten durchbrechen und in die mildere
Ebene des Pendſchab eintreten. Sie fammeln fich hier in
5 Hauptbetten, deren öftlichftes, dem Ganges zunächft, den
Sſetledſch (Sfatadru im Sansfr., d.h. Hundertquell, das
her Zadadrus bei Ptol., und heute noch im Lande feldft Shits
tudur genannt, was Al. Burnes’!) von den Hundert Cands
len ableiten will, die zur Srrigation von ihm ausgehen) oder
Sfutludfch (von Hesudrus) beherbergt (f. Afien II. ©. 666),
das weftlichfte, dem Indus zunächft, aber den Dſchilum (Ji⸗
um) oder Behut aus dem Kafchmirthale, in welchem die gries
hifche Benennung Hydaspes ebenfalls noch erkennbar ift, die
von feinem antifen Sansfritnamen Vitaſta, d. h. pfeilges
fhwind, hergenommen ward (f. Afien IV. 2. ©. 454), ein
Name, der aber als Bedufta 72) noch heute im Munde des
Volts lebt.
”°) Ehr. Lassen Comment. etc, de Pentapotamia Indica. Bonn. 4.
1827. ?*) Al. Burnes Narrative etc. Vol, III. p. 183.
”?) Al, Burnes Mem. p. 127. Hifi
32 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $. 1.
Aber beide Stroͤme ſind nicht einfach, ſondern doppelt;
denn jeder empfängt gegen das Innere des Pendſchab feinen
großen Zuftrom, mit eignem Namen, gleich berühmt, der ihm
den Rang an Größe fteeitig macht, und beide bilden mit jenen |
Gabelungen, die ſich gegen S.W. in das Pendfchab hinabs
fireefen. So fließt der Beas oder Bedſcha (Beyas), deſſen
Duelle wir ſchon früher in den Pariyatbergen bei Mundi und
N Afien I. ©. 1066) fennen lernten, in das rechte Ufer
es Sfetledfch unterhalb Ludiana bei Hurri ein. Sein antiker
—— Vipaſa, d. h. im Sanskrit der Entfeſſelte nach. der |
Legende (ſ. Afien II. ©, 666), ift im Namen, den die Macedonier
ihm gaben, Hyphasis, nicht zu verfennen, und A. Burnes 73) der
ihm näher kennen lernte, verfichert, daß Beas nur die Contracs
tion von Bypaſa oder Bipafa fin, die antike Sanskritbenen-
nung alfo auch heute fortbeftcehe. Der Name Hyphasis ift, bei
den Macedoniern, von dem Eleinern Zufluffe auch als Benennung
für den Verein mit dem größern Hauptfluffe beibehalten worden,
da diefer der Zadadrus, oder Hesudrus, erſt fpäter durch Pos
lemäus allgemeiner als Hauptficom befannt wurde. Heut zu
Tage aber, obwol unfere Landkarten und Geographen beider
Stromvereine den Namen Sfetledfch beilegen, wird er uns
terhalb der Gabelung bei Hurri doch mit einem ganz andern Nas
men genannt, und heißt im Lande felbft Garra, bis Bhawul⸗
pur, das an feinem fer erbaut ift, ehe er fich ſelbſt zu den Ubris
gen Pendſchabwaſſern ergießt, Bis wohin er fchiffbar if.
Der meftlichfte Strom von Kafıhmir, der Behut, oder
Silum, welcher ſchon mehrere Zuflüffe aus dieſem reizenden |
Bergthale erhalten hat, zu denen auch der oben genannte Kifchen
Ganga gehört, erhält eben fo aus dem Innern des Pendſchab⸗
landes einen Zuftrom, den Chinab (Acesines), der ihm an Größe |
gleich kommt, wenn nicht übertrifft, da er nächft dem Indus für |
den größten der Pendfhabflüffe gilt. Wir haben feine Duelle
fhon in einem fehr hohen, nördlichen Alpengau, am Para:
Saha:Paffe, gegen Ladakh, auf 16,500 Fuß Höhe, kennen ler⸗
nen (f. Afien II. ©. 1064), von wo er unter dem Namen Chan—
dara Baga (Mondesgabe, Mondfluß) die weiten Vor:
berge des Emodus der Alten, über Kifchtewar bis Jumbo
(ZJummo) durchzieht. Cs ift aus früherem befannt, wie der zu
”?®) Al. Burnes Memoir 1. c. III. p. 294.
u EG FF GE
Indus-Syſtem, Mittellauf, das Pendſchab. 33
ominoͤs für ein griechiſches Ohr klingende Name (Sandaro-phagos,
d. i. der Alexanderfreſſer) von dem magedonifchen Eroberer
in die günftigere Benennung Akesines (d. i. Heilfhaden,
- f. Afien I. ©. 1064, IV. 2. S. 456) umgewandelt wurde, der
entweder auch ſchon in einem verwandtklingenden Namen vor:
handen war, oder als folcher nun einen fo allgemeinen Eingang
fand, daß er noch heute in dem gleichklingenden Dſchin-ab
.@ hinab), vom gricchifchen Zuſatze entkleidet, unverfennbar ge:
blieben ift, ein Name, den indeg A. W. v. Shies el bisher für
| einen neuperfifchen zu halten geneigt war (f. Afien IV. 2, ©. 457).
- Auf dem Hydaspes (Behut) ſchiffte ſich Aleranders Flotte ein;
aber mit dem Einfluß zum Acefines (Chinab) behielt dieſer
- Strom, der auh an Waflersolumen feinen fchlammigen Neben:
firom weit übertrifft, den Namen Acefines bei, bis zur Vermaͤh—
lung mit dem Indus, und eben fo heißt der vereinte Strom bei—
der im untern Laufe an Multan vorüber, bis zum Garra, auch
hente noch Chinab, den Namen des obern Behut oder Jilum
verlierend, wie zu Aleranders Zeit (Arriani de Expedit. Alex. VI.
c. 1 und 3). Wegen feiner Größe wurde er von den Macedos
„niern fchon mit dem Nil Aegyptens verglichen. Man kann ihn
von der Hauptftadt an feinen Ufern, zum Unterfchiede der andern,
den Strom von Multan nennen. Der Zufammenfluß von
Behut und Chinab, der den Macedoniern fo große Furcht
einjagte (f. Afien IV. 1. ©. 467), liegt heut zu Tage unter 310
11’ 30” N.Br., wo bei der Fähre von Trimo, oder Trimoa,
zwar jede Gefahr ver Durchfchiffung verſchwunden iſt, aber doch
das alte von den Macedoniern ſchon mwahrgenommene Getöfe
zuruͤckblieb, das auch von Al. Burnes, der diefe Stelle hefuchte,
beobachtet ward, uns aber nicht näher erklärt wird,
Aber ehe derfelbe Multanftrom diefen Marftort des ſuͤd⸗
lichen, centralen Pendſchab erreicht, nimmt er zuvor noch, von
der Oftfeite, den linken Zuftrom, den Navi (Hydraotes), auf, der
aus den Vorfetten der Pariyatberge entfpringt, und den Bergs
fraat Chamba (f. Afien I. ©. 1077) durchzieht, dann aber in
dem ebenen Lande an der Eapitale des Pendfchab, Lahore, vors
überftrömt. Sein antiker Name Airavati, d. h. im Sanskrit
Beltelephant, macht es, wie wir fchon früher fahen, wahre
fheinlih, daß die Schreibart Hyarotis die richtigere ift, von der
Ravey und Ravi nur Contractionen find. Wirklich Horte ihn
Ritter Erdfunde VII,
34 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 61.
Al. Burnes79 an feinen Ufern, auch heute noch, zuweilen
Iraͤoty nennen. Cine ſolche Pivacität zeigen die Localbenens
nungen im Orient feit Yahrtaufenden. Wir haben ihn früher
als die Oftgrenze von Gandaritis, oder Porus Reich, Eennen lews
nen (f. Afien IV. 1. ©. 457). Auch fein Name verfchwindet
wie der des Behut, in dem des Chinab, mit dem er unterhalb
Tolumba, bei Fazilpur, oder Fazilfehah”), einem gerins
gen Dorfe, unter 30° 40° N. Br., zufammenfließt.
Aus diefer Ueberficht, in welcher wir die ſehr verwickelte Na⸗
mengebung nach den. verfchiedenen Zeiten, und in ihrer urfprüngs
lichen wie in der durch. Griechen umgewandelten Form, und in
ihrem modernen Zuftande nachzuweiſen verfuchten, weil die, Vers
wirrung der Autoren hierin fehr groß ift, ergiebt fich zugleich die
Sage und Anordnung der zwifchen diefen Strömen liegenden
5 mefopotamifchen Landfchaften, Duab’s, d. i. Zweis
firomländer der Indier, welche zufammengenommen den gros
fen Triangel des Pendfchab bilden, deilen GSrundlinie,
von etwa 100 geogr. Meilen Ausdehnung von S.D. gegen N.W.,
man als die Himalaya Kette anfehen kann, indeß die Spige
deffelben gegen S.W. nah Mittun Kote gerichtet ift, die ziems
lich glei) großen etwa 130 geogr, Meilen langen Schenkel def
felben aber durch Sfetledfh und Indus gebildet werden. Die. |
einzelnen Benennungen diefer Duab’s und der zwifchen ihnen vers
theilten politifchen Reiche, wie der auf ihnen angefiedelten Völker
fehaften, die wir in der Macedonier Zeit genauer verfolgt haben
(f. Afien IV.1. ©. 453— 471), find längft gefchwunden, und die
unzähligen Wechfel der Namen und Gegenftände durch die Zeis
ten. Sultan Mahmuds, der Ghuriden, Khiljy, Timuriden, Babus
riden u. |. w. (ebend. &.480— 639) bis in die neuere Zeit, find.
insgefammt zufammengefloffen in die eine große politis
ſche Maffe der Herrfihaft der Seifhs, die dem Zuftande
dieſes Landes feine moderne Geftalt gaben, obwol ihr eigents.
liches, urfprünglihes Mutterland nur ausfchlieglich das N
Duab zwifchen Ravi und Sſetledſch ausmacht, von wo.
ihre politifche Ausbreitung, feit einigen Zahrzehenden er, füds
wärts bis Multan, nordwärts bis Kafıhmir, und oftwärts %
von der Briten Grenze, wetwärts über den, Indus binaus
”*) Al. Burnes Mem. l. c. p. 306 ib. Vol. III, Narrat. p. 124,
”*) Al. Barnes Mem. Vol. Ill. p. 3003 deſſ. Narrat. ib, Mr, p. 124.
et FT u nn — ee un Dom u DU eng
Indus-Shſtem, unterer Sfetledfehlauf. 35
bis Peſchawer reicht. Aber als Volk ift ihr Hauptfig, auch
gegenwärtig noch, nur im Mutterlande, und nicht ſuͤdwaͤrts bie
Multan hin; im Welt des Jilum giebt e8 außer den Commans
dos der Truppen Feine anfaffigen Seikhs mehr, und ficher, be:
‚merkt Al. Burnes, macht ihre Anzahl noch fein Drittheil”6)
(500,000) der Sefammtpopulation des Pendfchab aus, die man
mit Seikhs, Hindus und Moslems auf 3 Millionen Seelen ſchaͤtzt,
deifen Areal man auf etwa 5000 Duadratmeilen anfchlagen kann,
davon die nördlichen # vom Alpenlande und deſſen Borbers
gen bedeckt feyn mögen, die übrigen zwei bis 3000 O.Meilen
Areal aber die eigentliche Ebene des Pendſchab bilden.
Gehen wir nun zu der fpeciellen Characterifitung der einzels
nen Ströme innerhalb der ebenen Pendfchab -Landfchaften über,
vorzüglich. nach den Iehrreichen Beobachtungen Al, Burnes,
um dann in Ueberfichten die zerftreuten Maffen wieder ethnogras
phiſch und politifch zufammenzufaffen, fo weit es hier der Zweck
erheifcht.
2. Der Sfetledfohlauf (Hesudrus) im Pendſchab;
: die Daudputra’s,
Um aus dem britifchen Grenzpoſten Ludiana (unter 30°
55’ 30” N.Br. und 75° 54° O. L. v. Gr. n. A. Burnes Obferpas
tion) am Sſetledſch diefen Grenzitrom an feinem Verein mit dem
Beas bei Hurri, 10 geogr. Meilen fern, zu überfegen, Braucht
man die Erlaubniß der Seikhs, die hier ihre Wachtpoften am
Ufer aufgeftellt haben. Aber auch Ludiana, am Suͤdufer des
Stromes, liegt direct gegenüber am Nordufer deffelben die erfte
Stadt der Seikhs ganz benachbart, Fulur’7), von wo der Meg
durch das Jallinder Duab nordweftwärts zum Navi auf der
Straße nah Umritfir führt. Die Breite! des Stromes war
hier, nach heftiger Anfchwellung durch Regenfchauer (26. Auguft,
im Anfang der Monfune), 700 Schritt (Yard); feine Tiefe 18
Zuß; die mittlere Tiefe aber in der Kegel nur 12 Fuß. Er if
minder. reißend als das Gebirgsmwafler des benachbarten Beas,
und fein Waſſer weit fälter als das der Pendfchabflüffe, da er
fo weit aus-Schneefetten hervortritt. Er wandert viel in feinem
Bette hin: und her. Das Land zwifchen ihm und dem Cantons
?s) At. Bornes Mem. Vol. III. p. 299; deſſ. Trav.-Vol. II. p. 285.
”7) Al. Burnes Travels Vol. II. p. 183,
&2
36 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 5 1.
nement der Briten iſt von vielen Nulla's durchſchnitten, davon
einer noch vor 50 Jahren ſein altes Strombette war. Nach dem
November ſchwindet der Strom fo ſehr, daß er dann meiſt durch—
gehbar wird, obwol die Furthen ſehr wechfeln, ‚wie feine Sands
bänfe. Diefelben Boote, wie auf den Beas, werden auch auf
dem Sſetledſch gebraucht, 17 derfelben find an der Fähre von
Ludiana poftirt., Das Südufer des Stromes, gegen die britifche
Seite zu, ift vollfommen flach, und diefe Ebene begleitet den
Strom aufwärts bis zu feinem Austritt aus den Bergketten.
Diefe Depreffion ſey aber hier keineswegs Alluvialboden, bemerkt
Al. Burnes, fondern lofer San.
Nimmt man aber den erfigenannten Weg am Südufer des
Sſetledſch gegen Hurri hin, fo verliert?) man allmaͤlig den
Fernblit auf die hohen Schneeketten des Himalaya, die
bier ſchon niht mehr jene zadigen Contoure zeigen, wie
weiter im Oſten. Sie zeigen nody den größten Contraft gegen die
grüne Plaine, die fih am Ufer des Stromes ausbreitet, Am
frühen Morgen, des 3. Zan. 1832, war fie gefroren. Laͤngs
dem Sfetledfch ziehen fich zahllofe Dörfer hin, aus Holzbalfen
und Backſteinen erbaut, mit terraffirten Dächern, reinlich, fowol
von Hindus wie von Mohammedanern bewohnt, und nur wenig
Seikhs haben fidy über das Oftufer des Stromes verbreitet, wo
fie hier unter britifchem Schuge ftehen. Die Moslemen, faft alle
erft von den Hindus uͤbergetreten, herrfchen hier vor. Im obern
Laufe des Sfetledfch, um Ludiana, find die Anwohner Agricultoz
ren, aber unterhalb des Stromvereins mit dem Beas werden fie
raͤuberiſch; fie nennen fih Dogur, Zulmairi, Salairi u. a. m.,
im Allgemeinen aber werden fie Raat genannt, die unter fich
fiets in Fehde liegen.
Das nächte. Ufer iſt mit herrlichen Wiefen bedeckt, aber alles
Holz fehlt; nur in der Nähe der Dörfer erblickt man einige Baum:
pflanzungen; zum Brennen dient Vichdünger, der ſtark hist, Weis
zenäder ziehen ſich oft Meilen weit zwifchen den Dörfern hin,
aber ihre Irrigation fehlt hier, obgleich der Flußfpiegel nur etwa -
25 Fuß tiefer als der anfloßende, flache Aderboden liegt. Das
Land jenfeit diefes nächften Uferfaumes, dürre wie die Luft, Heißt
Malwaz doch trägt der Boden Gerfte, Bajera (Hole. pie
"*) Al. Burnes Trav. Vol. I, p. 3 etc,
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Indus⸗Syſtem, unterer Sſetledſchlauf. 37
cat.), Mut (Phaseolus) und Gram (Cicer. arietin.), ‘die nach
dem Pendſchab ausgeführt werden.
Der Zuſammenfluß von Sfetledfeh und Beas bei
Hurri, nach Al. Burnes Obfervation 7) unter 31° 9° 50” N.Br.,
ift auf alfen fruͤhern Karten um 10 geogr. Meilen (50 M. Engl.)
zu weit nach Süden verzeichnet, wie er einft wol Statt fand,
aber durch Anhäufung feines Alluvialbodens, wol feitdem, zurück
getreten feyn mag. Doc auch plösliche Veränderungen gingen
an feinen Ufern vor fich; vor 50 Jahren foll der Strom durch
einen Bergfturz in feinem Laufe temporair ganz gehemmt worden
und erft nach einigen Wochen wieder zerftörend hervorgebrochen
ſeyn; ein ähnlicher Einfturz gefchahe vor nun 10 Yahren, doch
zerftörte diefer nur wenig und erfchreefte nur durch den ſchwarzen
Echlammftrom, den er erzeugte. In wiefern dies die Schwierigs
Feit der Beftimmung der Localität der Altäre Aleranders vermehrt,
iſt fchon früher angezeigt (ſ. Afien IV. 2. ©. 465), Jeder der
beiden Fluͤſſe hat für fich, vor dem Verein, eine Breite von 200
Schritt Yard); aber der Sfetledfch hat ein größeres Wafferquans
tum, beide vereint haben nur 275 Schritt, das Bette aber ans
derthalb englifche Miles Breite. Das hohe Ufer liegt an der
Mordfeite. Das klare Wafler, im Sanuar ohne Schneefchmelze,
füllt nur das Sommerbett mit 12 Fuß tiefem Waſſer, das 24
engl. Mile in einer Stunde zuruͤcklegt. Die Waſſer von beiden
hatten eine Temperatur von 57° Fahıh. (d. i. 11° 11 Neaum.),
oder 6° unter der Lufttemperatur. An der Ueberfahrt find auf
britifcher Seite 23 Boote und 400 Mann Neiterei poftirt, als
Grenzwacht um die Plünderzüge der fanatifchen Seikhs von ihr
ren Territorien abzuhalten. Die Fähre gleitet am fanften Zufams
menfluß beider Ströme leicht vorüber. Die britifche Karamane
wurde vom Wolfe durch Gefang im erften Pendſchabdorfe, Hurs
zisfaputtun, empfangen und weiter escorfirt,
Das weftliche Ufer des Beas ift an 40 Fuß hoch, und
eben fo hoch das öftliche Ufer des benachbarten Navi; der Lands
ſtrich zwifchen beiden liegt ebenfalls hoch, es iſt der höchftgelegene
Theil der Pendfchabebene; er heißt, wie gefagt, Manja 80), ift
trocknes Sand. Die Brunnen, die auf der linfen Seite des Sfet
ledſch ſchon bei 26 Fuß Tiefe Waller geben, muͤſſen hier bis 60 Fuß
79), Al. Burnes Notice regarding tle Map of Central- Asia Vol. II,
p- 148 etc. s°) Al, Burnes Trav. Vol, L. p. 8.
38 Weſt⸗Aſien. J. Abſchnitt. F. 1.
tief gehen. Der Boden iſt harter Thon, kieſig, mit holzigen, bors
nigen Geftripp und Rankengewaͤchſen überzogen, welche die Eins
wohner Jund und Khuril Gapernſtrauch, f. Afien IV. 2
©. 935) nennen, au mit Babul (Mimosa arabica), Der Ans
bau hängt vom Regen ab; denn nur wenig oder gar feine Irri—
gation findet hier Statt, da früher unter den Großs Moghulen
viele Canäle deshalb angelegt waren. Die Ruinen von einem
derfolben, bei Dutti, fieht man heute noch im rechten Winfel zum
Beas ziehen, obwol er feit anderthalb Zahrhunderten zugedaͤmmt
if. Diefes Duab von Manja, in deſſen Mitte Umritfir die
Capitale der Seifhs liegt, iſt berühmt durch feine treffliche Pfers
dezucht und durch die Tapferkeit feiner Bewohner; Heerden von
Wild, zumal Nilgaus (f. Afien I. S. 896, 1IV.2} ©. 512), durchs
ziehen diefen Boden. Unfern der Ueberfahrt, gegen Weft, auf dem
Lege gegen Lahore zu, ift Dutti die erfte Stadt mit 5000 Ew,,
welche nebft der anftoßenden Stadt Sultanpur, unter Kaifer
Akbar erbaut ward, und der Hauptort eines Difkrictes ift, zu dem
1360 Dörfer gehören. Hier find die beiten Pferdegeftüte, von
der Dunnizucht, jenfeit des Jilum eingeführt, wo derfelbe
trockne Boden wie in Manja; Gerfte und das Eriechende Gras,
Doob, ift das Hauptfutter der hiefigen Pferde.
In diefem Lande liegen viele fefte Nitterburgen mit Thuͤrmen
und Mauern umgeben, von deren Zinnen man- eine weite Auss
ficht iiber das veiche Yand bis Umritfir gegen N. und Labore
gegen W., die beiden Seikhscapitalen genießt. Es find die Reſi—
denzen der Sirdars, d— i. der friegerifhen Häuptlinge, die früs
her independent an der Spitze der ariftofratifhen Republik der
Seikhs fanden, die aber mit der Zeit unter das Joch des Mor
narchen Runjit Singh ſich beugen mußten. Das Schloß eis
nes folchen Hauptchefs, auf halbem Wege von Putti nach) Las
hore, beißt Pidana Hd; der Sirdar Zuvala Singh empfing,
nach der Yandesfitte, feinen Gaft mit einem Bogen und einem
Beutel mit Geld, die er ihm barreichte, Dies Schloß ift von eis
nem Dorfe umgeben. Nur eine Tagereife von da gegen Ben
liegt Labore fhon am benachbarten Strome.
Die Daudputra (d. h. Davids Söhne) das Sand
Bhawul-Khans. Der von der Fähre bei Hurri abwärts
siehende Lauf des Sfetledfch, ift uns in feinen Localverhälts
**) Al. Buraes Tray. Vol. I. p. 14. N
Indus-Syſtem, Daudputra am Garra, 39
niſſen gänzlich unbekannt geblieben, bis er die Capitale von Dauds
putra und das Land Bhawul Khans einft eines mächti-
‚gen Bafallen der Kabul Könige befpült. Kein Augenzeuge hat
diefe Wegftrecke befchrieben. Aber von der Lage Daudputras,
zwifchen dem großen Wüftenftriche Bifanirs, Jeſſulmers, Omer⸗
fotes und dem linfen Sſetledſch- und Indusufer, abwärts bis
Ahmedpur und Doch (im Sande der Oxydracae), war ſchon
früher die Rede (f. Afien EV. 1. ©.471, IV. 2. ©. 992,.1030);
auch die Route von Bikanir durch die Wüfte bis Bhamulpur
ift genauer befchrieben (ebend. IV.2. ©. 993 — 994). Hier wird
der Ort ſeyn das zu vervollftändigen was uns von dieſem kleinen
Staate befannt geworden.
Daud Khan aus Shifarpur, auf der Weftfeite des
Indus, einft mächtiger Wafall der Könige von Kabul, drang als
Eroberer auf die Dftfeite des Indus vor, und entriß den ges
ſchwaͤchten Rajputenftaaten von Bifanir, Zeffulmer und
DOmerfote, einen Theil ihrer weftlihen Provinzen mit der Wuͤ⸗
ftenvefte Derramul, und feste fih am Oftufer des Garra und
Indus feft, wo er fich auch, nad) dem Verfall der Afghanenmadıt,
als Somverain, zwifchen dem Gebiete der Seifhs im Morden und
dem der Amir von Einde im Süden behauptete, deren nächfte
Grenzſtadt Sub zul Kotes?) if. Auf diefen Eleinen Raum,
im Weſt vom Strome, im Oſt von Wuͤſten eingefchloffen, blieb
diefer Kleine Staat begrenzt, zwifchen zwei Eriegerifchen Nachbarn
im Norden und Süden, gegen die ihn aber eben Strom von
vorn und Wuͤſte im Mücken fchüsen.
Gegen ©. und D.3) grenzt es an die Rajputenflaaten Jeſ—
fulmer und Bikanir; gegen N. an den Garra (Sfetledfch); aber
bei der Stadt Bhamwulpur Üüberfchreitet es den Fluß bis zum Ehis
nab bei Zulalpur, und über diefen hinaus auch die Südfpige des
Duab zwifchen Ehinab und Indus. Dort bleibt, gegen Multan
hin, an der Nordgrenze, ein Wüftenftrid von ein paar Stunden
Breite unbebaut liegen, um jeden Anlaß zum Grenzftreite zu
meiden. Der Zufammenfluß großer Ströme, die Wafferfülle, die
dadurch eröffneten Communicationslinien für den Handel und die
militairifche Dofition, geben dem an fich fleinen und unbedeutens
den Gebiete des Bhawul Khans, davon der größere Theil obens
\ Burnes Narrative Vol, IIl. p. 83- ®») Al, Burnes Men.
Vol. 111. p. 290 — 294. *
40 Weitz Afien. I Abſchnitt. $. 1.
ein noch aus diirren Sanddünen beficht, eine gewiſſe politifche
Bedeutung, und die drei Hauptftädte Bhamwulpur, Abmed-
pur und Doch bezeichnen die Concentration feiner Hauptmacht.
Der Chinab nimmt den Garra ohne Tumult (unter 29°
20° M.Br., 2 Stunden im Norden von Doch) auf, ift aber ſchon
oberhalb des Vereins faft eben fo breit wie unterhalb 84). Das
weishe, niedere Ufer führt beftändige Wechfel herbei, und vor we—
nigen Jahren lag der Verein 2 Engl. Miles weiter oberhalb. Die
Breite jedes der beiden Ströme ift hier 500 Schritt (Yard) ; aber
der Chinab ift reißender; diefer hat von dem Boden, den er
durchläuft, röthliches Waller, daher ihn die Anwohner „Rothes
Waſſer“ nennen, der Garra hat eine bleiche Farbe. Mehrere
Miles weit unterhalb des Vereins bleiben die Farbungen beider
Waſſer noch gefondert; wie bei Inn und Donau bleibt die Scheis
dungslinie weithin fichtbar. Der vereinte Strom nimmt zivar
anfänglih, an feinem Vorhberfluß bei Doch, an Breite bis 800
Schritt zu, erweitert fih hie und da wol auch noch mehr, engt
fi) aber im ferneren Laufe bis zum Indusverein meift zu 600
Schritt (Yard) zufammen. An diefem Verein ift feine Tiefe
20 Fuß, weiter aufwärts nur 15 Fuß, und feine Strömung
fhneller als beim Indus, naͤmlich 34 Miles Engl. in 1 Stunde.
Der Garra, an deſſen Oftufer Bhawulpur erbaut ift, würde
zwar wol fchiffbar feyn, doch wird er gar nicht zum Schiffstrang:
port benußt, wahrfcheinlich weil er zu feinem andern Lande als
nah Sinde führt, dem aller Handel fehlt.
Ueber das Land zwifchen Doch und dem Indus war man
vordem im Irrthum; es wird nie überfchwenmt. Mehrere zuges
fhlämmte Canäle würden, wenn fie gereinigt wären, wol auch
heute noch das Chinabwafler zum Indus führen, Daher fam
wol J. Rennells fehlerhafte Kartenzeichnung, der den Chinab
ſelbſt ſchon viele Miles oberhalb des wahren Vereins in den
Indusſtrom hinüberführte, die zuerft Elphinſtones Kartenzeichnung,
zu feinem Werke von Kabul, berichtigt hat.
Im Chinab find einige Sandbänfe, die aber die Schiffahrt
der Flachboote Gohruks) auf ihm nicht hindern; feine Oftufer,
wie nech auf eine Eurze Strecke die des Indus felßft, gehören
von Mittun Kote aufwärts, 8 geogr. Meilen (40 Engl.
Miles) weit, bis Doch, zum Gebiete Bhamul Khans, eine
**) AL Bürnes Narrative Vol, III. p. 98. Memoir a 286.
Indus-Syſtem, Daudputra am Garra. 41
Strecke die zu Schiffe, wider den Steomlauf, in 5 Tagen zus
rücgelegt wird.
Die Ufer des Chinab find felten 3 Fuß über dem Waſſer⸗
fpiegel erhaben; daher. den Ueberſchwemmungen fehr ausgefeßt;
diefer Anfchwellung der Waſſer ſchreibt man dort die fühlens
den Lüftes) zu, weshalb fich die Einwohner fo nahe als mögs
lich am Strome anfiedeln, da tiefer oftwärts gegen die Müftenfeite
die Hiße, wie fie fagen, immer zunchme,. Weiter abwärts am
Indus leben nur nomadifche Hirtenftämme in Schilfhütten; aber
hier mit dem Gebiete von Daudputra im Morden von Subzul
Kote werden dieſe zu ordentlichen, doch immer noch aus Schilf
geflochtenen, aber netten Haͤuſern, obwol klein, 8 bis 10 Fuß über
dem Boden erhöht, auf Leitern zu erfteigen, um der Feuchtigkeit
und Ueberſchwemmung wie den Sumpfinfecten auszumweichen. Die
dichten Tamarisfengebüfche, welche in Sinde das Indusufer ſchwer
zugänglich machen, werden hier immer fparfamer die reichen Weis
den am Ufer entlang ziehen Schäfertribus mit ihren Heerden hers
bei, und mit der Umgebung von Doch beginnen dicht gedrängte
Reihen von Dorffchaften. Grüne zuderrohrartige Schil—
fe, Sebüfhe, Wahun genannt, der Birke ähnlich, bemerkte
Al. Burnes 85) hier; das hoch cultivirte Land ift von vielen
Canaͤlen zur Jrrigation durchzogen, die fehr reiche Ernten bewirs
fen. Das Dich iſt groß und zahlreich, die Wanderhütten der
Schäfer werden meift von permanenten Dorffchaften zwifchen
Baumpflanzungen, in deren Schatten fie fi) ausbreiten, vers
drängt. Der Ueberfhwenmung find diefe hier nur felten ausges
fest, da diefelbe fich feine Stunde weit über das Oftufer ausbreis
tet. Diele Dörfer, aber nur wenige Städte, beherbergen die Pos
pulation des Daudputra Landes. Bhamulpur war, zu
Elphinfiones Zeit (1809)37), die Reſidenz des Khan, in der
er bei feinem Durchmarfche eine fehr gaftliche Aufnahme und eine
fehr zahlreiche Bevölkerung fand; wenigftens war bei feiner Ans
funft viel Volks unter den Stadtmauern verfommelt, und fein
Audienzzug zum Khan führte ihn durch Straßen mit Häufern,
deren Dachterraffen alle dicht voll Zufchauer fanden. Es foll,
nah Al. Burnesss), 20,000 Einwohner haben und bedeutens
#5) Al. Burnes Narrat. Vol. III. p. 90. ®*) Al. Burnes Memoir
Vol. II. p. 287. *’) M, Elphinstone Account p. 17—19.
*®) Al. Burnes Mem. p. 289,
42 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 1.
den Handel treiben. Lieutn. Conolly 8%), der es Im J. 1831
durchzog, meinte, es fen feit Etphinftones Zeit fehr in Verfall ger
rathen, da der Khan, ein Todtfeind der Seikhs, die ihn in feiner
Mefidenz leicht mit Ueberfaͤllen bedrohten, fich feitvem lieber mehr
in das Innere der Wuͤſte zuruͤckbegab, in fein Jagdſchloß Ahr
medpur, oder in die Feftung Derrawul, ein Felsfchloß ges
gen Bifanir hin, wo er feinen Schatz in Verwahr hält. Die Ber
wohner von Bhawulpur contraftiren ſehr mit den Rajputen
der Bifanir Wüfte, aus welcher Elphinftone gegen W. vorfchrittz
fie find ftark gebaut, duntelfarbig, haben härtere Geſichtszuͤge, tra⸗
gen lange Haare, Bart und Kappen flatt des Turbans, reden
eine den Hinduftanis ganz unverftändliche Sprache, die Gebildes
tern haben perfifhe Manieren und Sprache angenommen. Sie
find gute MWaffenfchmiede; die, Hindus, die ſich unter ihrem
Schutze zahlreich niederfießen, find induftriös und Eühne Handels
leute ®), die mehr ihrer Gewerbe als ihrer Religion wegen von
den mohammedanifchen Daudputras geduldet werden. Ihre feis
nen Gewebe, Longis, find berühmt; von den Marwar, zumal
auf dem Markte von Palli (f. Afien IV.2. ©. 964, 972, 986)
erhalten fie, durch die Bikanir Karamanen, die europäifchen Waa—
ren, mit denen- fie wiederum Multan verfehen, und diefelben noch
weiter weftwärts, über Kahiren Ghat, in das Durani oder Afahas
nen Sand ſchicken. Sie felbft fegen ihre Handelsreifen ber Ras
bul, Bamian, öfter bis Balfh und Bokhara fort, feldft
bis Aſtrakhan dringen fie vor; fie verfaufchen in Bokhara ihre
Indiſchen Waaren gegen Nuffifche. Mehrere von ihnen, welche
Al. Burnes in Doch fennen lernte, priefen ihm die Milde des
Beherrfchers Doft Mohammed von Kabul und "des Königs der
Uzbeken in Bofhara, welche den Handel befchügen; ihre Gefpräche
brachten ihn damals zu dem Entfchluß felbft feine Entdedungss
reife nad) Borhara zu unternehmen; die geographifche Willens
fchaft ift ihnen alfo keinen geringen Dank ſchuldig.
Derramul, das Wüftenfchloß, ift von feinem Europäer ge—
fehen; A. Conolly ift der einzige der die Jagdrefidenz dea
jegigen Khans, Ahmedpur (6 geogr. Meilen, 30 Miles Engl.
im ©. von Bhamwulpur), befucht hat; er nennt fie eine große
J
L. Arth. Conolly Journey to the North of India etc, Lond. 1834.
8. Vol. II. p. 283 — 285. %°) Al, Burnes Memoir p. 293; deſſ.
Narrative p. 91,
Indus-Syſtem, Daudputra, Doc, 43
offene Stadt von fhönen Baumpflanzungen umgeben. In einem
Dark find die mit weißer Gppsftuccatur verzierten Wohngebäude
des Khans gelegen, der hier feine gewöhnliche Nefidenz hat, die
ihm zugleich das befte Zagdrevier in der Wuͤſte gewährt, die Lieb—
lingsbefchäftigung diefer Khane, deren Gaſtgeſchenke in Waffen,
Falken und Jagdhunden zu beftehen pflegen. Derrawul wird
in den Sind Hiftorien eine fehr ſtarke Fefte genannt, die denen
Iskanders (Aleranders) zur Seite geftellt wird. Im Jahre 1524
(931 d. Heg.) wurde fie von Mirza Schah Hufein: erobert; fie
fol nur aus Basfteinen erbaut feyn, und würde wol keinem eu:
ropäifchen Ueberfall Widerftand leiſten können.
Weiter ſuͤdwaͤrts, gegen Doch (im Lande der antiken
Oxydracae, Afien IV. 2. ©. 469, die zu den tapferften Völkern
des Alterthums gezählt wurden, bei denen zu Aleranders Zeit die
feinfte Weberei wie heute in Bluͤthe ftand), die füdlihfte Cas
pitale des Bhawul Khans, die nur zwei Eleine Stunden (4 M.
. Engl.) oftwärts vom Chinabufer erbaut ift, breitet ſich der unges
mein fruchtbare Boden. in vollfommenem DBlachfelde aus, das
durch Ueberfhwemmung reichen Ertrag giebt, wie das Nilthal.
Bei troefner Zahreszeit, wie im Mai, it der Staub unerträglich;
aber jeder Abend wird klar und heiter, und der Sonnenunters
gang hinter dem Zuge der Solimangebirge, die allmälig in
blauer Ferne von etwa 16 geogr. Meilen bervorfteigen, fo wie
man der Stadt fidy nähert, verfchönert ungemein die Yandfchaft.
Dei Bhawulpur erblickt man fie noch nicht, und auf dem Wege
von Doch gegen Multan verfchwinden fie auch wieder dem Auge;
fie fcheinen in paralleier Direction mit dem Indus zu
fireichen, ihre Höhe fiheint von hier aus nicht coloffal zu feyn,
auch ift fie durch Feine Pikformen ausgezeichnet.
Doch M ift wie Tatta auf einem Erdhügel erbaut, der wol
aus den Trümmern und dem Schutt älterer Städteanlagen ents
fand; der Chinab zeigt diefe Schuttmaffen, weil feine Fluthen
an einer Seite den Fuß des Hügels weafchwenmten. - Dem Ders
ein der nahen, fchiffbaren Ströme verdankt der Ort unftreitig feine
Entftehung und Bedeutung. Er beficeht aus drei gefonderten
Städten, deren jede mit einer Backſteinmauer umgeben ift, die
jufammen an 20,000 Einwohner zählen. Die Straßen find enge,
unbedeutend, mir Matten gegen den heißen Sonnenſtrahl gedeckt.
°!) Al. Burnes Nawative p. 91, 975 deſſ. Mem. p. 288.
44 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6. 1.
Das naͤchſte Land um die Stadt iſt hoch cultivirt; Tabad und
Indigo werden von vorzüglicher Güte gebaut. Mach der Les
berſchwemmungszeit erfcheint das Ganze nur wie ein grünes
Feld. Die vielen Gärten, in denen die Stadt eingehüllt liegt,
bringen viel Obft, wie: Feigen, Acpfel, Maulbeeren, Weintrau⸗
ben, Falfa, eine neue Art fauerlicher Beere, und herrliche Blus
men, wie Lilien, Roſen, Balfamftrauch, duftende Weiden, Bedi
mifhE genannt, eine Art Senfitiva (Shurmu, d.h. die Bes
fheidene), deren Blätter und Zweige beim Berühren plöglich
finfen wie gefnift, und viele andere Gemwächfe, die Al. Burs
nes in Indien für fremd hielt, Daß die Mango in diefem
Boden und Clima, nah Al. Burnes Verficherung, feine Volls
fommenbeit mehe erreichen kann, mag wol nicht vom Mangel an
guten Boden und Hise berühren, fondern, wie in der heißen
Deldiebene (f. Mango, Berbreitungsfphäre, Afien IV.1. ©. 891),
von den falten Winpdftrichen, die auch hier von der hohen
Solimanfette herab nicht fehlen werden. Auch werden hier ſchon
eigen und Korn vorzugsweile vor dem Reis gebaut, dee
bier nicht. mehr wie im eigentlichen Hindoftan die Hauptnahrung
der Volksmaſſe bildet, obwol man ihn auch hier noch in großen
Duantitäten haben kann.” Die Stadt Doch ift weit und breit
durch die Gräber zweier mohammedanifchen Sancti berühmt, die
aus Bagdad und Bofhara hierher kamen; wahrfchrialich frühzeis
tig als Schrer des Koran. Die Ghuriden Kaifer (f. Aften IV. 1
&.555 u. f.) verjagten die Hindu Rajas aus Doch, und befehrs
ten das Land; aus jener frühen Periode mögen diefe Grabflätten
ſeyn, deren Alter uͤber ein halbes Zahrtaufend hinaufreichen foll.
Ueber die Meriode vor diefer Zeit fehweigt außer der Sage von
Mohammed Kaſim (f. Aſien IV. 1. S. 58) die Landesgefchichte,
Die Nachkommen jener beiden Heiligen haben ihre weltliche und
geiftige Gewalt noch bis heute ausgeuͤbt; aber ſtatt des Volks
fih anzunchmen und feiner Armuth zu feuern, verpraffen ſie mit
Jagd, Hunden und Pferden die Opfergaben, die ihnen der Heili⸗
genfchrein ihrer Vorvaͤter einbringt. Bei einer der legten Webers
ſchwemmungen ward die Hälfte des einen Hauptgrabes nebft dis
nem Theile der Stadt mit fortgeſchwemmt; die Nückkehr des
Waſſers in fein wahres Bett ward vom Volke nur allein der
Kraft des Sanctus zugefchrieben. Auch die gebildetften unter
dem Volk find voll Aberglaußen. Als der gelehrte Mihmander,
der AL. Burnes auf feiner Reiſe durch dies Sand begleitete,
Indus-⸗Syſtem, die Daudputras, Davids Söhne. 45
der 5 Manuferipte bei fich führte, ein großer Literatus war, an
der Mordgrenze Daudputra’s gegen das Seikh Gebiet, von ihm
Abſchied nehmen mußte, verlangte er die Fremden follten ihm
nun auch das Geheimniß der Magie mittheilen. Auf die
Antwort, daß fie diefes felbft nicht befäßen,, fragte er: Aber wie
kommt e8, daß ihr einen günftigen Wind hattet feit ich zu euch
fam, und eine Stromfahrt von 20 Tagen in 5 Tagen vollendet,
da fonft in diefem Lande der Wind oft Monate lang fehlt. —
Dann verlangte er noch Medicin, um nicht fetter zu werden, als
er fchon war.
Die Daudputras find ein mohammedanifcher Tribus vom
rechten Indusufer, deſſen Diſtrict Shifarpur fie einft von Kaifer
Aurengzeb zugewiefen erhalten hatten; das übrige Land, fo weit
fie es heute, befigen, eroberten fie hinzu, indem fie e8 andern
- Sinds»Tribus entriffen. Seit 5 Generationen herrſchen fie in
Bhawulpur. Bon Daud, d. i. David, nennen fie fich deſſen
Nachkommen, Daudputra (wie Najazputra, Königs »fühne);
doch ſtammt ihr Oberhaupt, der Khan, von Abbas dem Oheim
Mohammeds ab. Ihre Häuptlinge heißen Pirjani, die Ges
meinen der Tribus aber Kihrani; ihre Gefammtzahl fell nicht
über 50,000 betragen. Sie find fehön gebildet, aber entftelft durch
lange, bufchige Haarzöpfe, die ihnen über die Schultern hängen.
So lange Kabuls Macht beftand, war Bhawulpur an die:
felbe tributbar; doch war der Regent, der fih Namwob titulirte,
faft independent. Die drei legten Negenten haben diefen Titel
in Khan umgeändert und fih nah Bhamul, einem Sanctus
in Multan, Bhawul:Khan genannt. Der junge Khan von
etiva 30 Yahren, der Al. Burnes bei feiner Ducchreife in Doch
Audienz gab (1831), rühmte es, daß fein Großvater von M. El:
phinſtone, bei deffen Durchreife durch fein Land, das ehrenvolffte
Zeugniß erhalten habe. Er regierte feit 5 Yahren ganz unums
ſchraͤnkt, förderte Agricultur, Handel, ift fehr beliebt, liebt die Jagd
und ift voll Haß gegen feinen mächtigen Nachbar Runjit Singh.
ein politifcher Einfluß ift aber fo befchräntt wie fein Territos '
rium; durch die Seikhs ift er ſehr geſchwaͤcht und nur durch eiz
nen Tractat unter der Garantie der Briten”) wird die Macht
der Seikhs von einem Ueberfall füdmwärts des Sſetledſch, oder-
Sarra, abgehalten. Seine Einkünfte betragen nicht über 10 Lat
»?) Al. Burnes Tray. Vol. II. p. 290.
rt
46 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 1.
Rupien (100,000 Pfd. Sterl.), ohne die von Dera Ghazi Khan,
die er aber nur gegen eine enorme Pachtfumme an die Seikhs
bezieht, die auf jenes Territorium Beſchlag legten (f. oben). Ein
Drittheil jener Summe hat ihm dagegen der König von Lahore
ſelbſt für den Landſtrich Daudputras zu zahlen, der am Nordufer
des Sſetledſch liegt und ihm von feinem früherhin noch noͤrdli⸗
chern Belisthum geblieben ift, den Runjit Singh ihm durch Krieg
41832 entriß. Dennoch hält: der Bhamul Khan einen Hofftaat,
hat 2000 Mann regulairer Truppen, einen Artillerietrain; er koͤnnte
ein Heer bis zu 20,000 Mann auf die Beine bringen. Don feis
nem Vater foll der jegige Khan einen nicht unbedeutenden Schaß
geerbt haben. Bei der feierlichen Audienz, die er Al. Burnes
gab, ging der Zug durch Spaliere von Soldaten in Uniformen,
und der fremde Gaft wurde mit 80 Schüffen. falutirt. So dringt
allmälich das Europäifche Element felbft in die Wüften am In⸗
dus ein. Zum Gaftgefchent gab er zwei fchöne Pferde mit Satz
tel und Zeug, einen Falken und fehr reiche in Bhawulpur ſelbſt
gewebte Shawls; als Freund, bemerkte er, überreiche er ihm eine
Sagdflinte. Die Aufnahme war. ungemein wohlwollend und
freundlich.
3. Der Beas, Bedfha, oder Vipaſa (Hyphasis), und
das Zallinder Duab. -
Der Beas ift der Fürzefte der 5 Pendfchabfläffe, der kaum
die Ebene erreicht, und, wie wir oben fahen, bei Hurri, fich fchon
in den Sfetledfch ergießt; wir haben daher nur wenig von ihm
zu berichten; Fein Europäer hat den Lauf diefes Fluffes fpeciell
verfolgt. Bei Jellallabad ®) wird er, auf der Straße nach
Umritſir überfegt. Am 21. Zuli war er hier. bis zur Breite eis
ner Engl. Mile angefchwollen, ungemein reißend, fo, daß er zwei
Stunden Weges 5 Miles Engl.) in einer Stunde Zeit zurück
legte. Zur Ueberfahrt brauchte man 2 Stunden Zeit, weil man
2 Stunden unterhalb des Abfahrtsortes erft wieder am gegenfeitis
gen Ufer zu landen im Stande war; die Boote find freilich eis
gentlich nur Flooße, die gewaltig ſchwanken, und obwol fehr uns
fiher doch zum Transport der Menfchen wie des Viehes, der
Dferde und felbft Elephanten dienen. -Das Ufer des Stromes ift
Eiefclig, aber veich mit Bäumen bewachfen. Yallinder ift eine
®®) Al. Bornes Narrat. Vol. III. p. 178 — 182.
J
Indus-Shſtem, Beas, RavisLauf, 47
große Stadt, einft von Afghanen bewohnt, mit einer Badfteins
mauer umgeben. Nach diefer Stadt wird das ‚ganze Mefopotas
mien zwifchen Beas und Sfetledfc, das Jallinder Duab ges
nannt, da doch die uͤbrigen Duabs aus Compofitionen der abges
kuͤrzten Flußnamen ihre Benennungen erhalten, wie das: zwifchen
Beas und Navi, Barri Duab heißt, das folgende zwifchen
Ravi und Chinab, Richna, und das zwifchen Chinab und Bes
hut das Chinut Duab.
Don der Stadt Zallinder zum Sfetledfich ift das Land
" trefflich bebaut und ftark bevölkert; alle Dorffchaften find mit Erds
waͤllen feftungsartig umgeben, viele mit Gräben. Die Häufer
find aus Holz gezimmert, haben platte mit Erde bedeckte Dächer,
Fulur, der Faͤhrort, ift zugleich Grenzpoften des Seifh Königs
reiches gegen das britifche Territorium.
*
4. Der Lauf des Ravi, JIraͤoty, Airavati (Hyarotis,
Hydraotes); der Lahore-Strom. Die Capitalen Las
hore, Umritſir.
Der Kavi*) foll der geringfte der großen Pendfhabftröme
ſeyn; doch ift er weit, länger als der Beas, und von Lahore an
bis zu feiner Einmündung in den Chinab, bei Fazilſchah,
fchiffbar, wo er. bei diefem Dörfchen in 3 Armen: zu feinem
größern Nachbar mündet, der zwar rafcher, aber doch geringer ift
als der Indus, gegen welchen aber der Navi, als ein. weit kleines
res Wafler, fehr zurücfteht. Keine der 3 Mündungen hat über
8 Fuß Tiefe, da doch der Chinab, felbft an feinen flachften Ufern,
noch 12 Fuß Tiefe beibehält. Won Lahore abwärts behält der
Ravi meift eine Breite von 150 Schritt, und gleicht oft mehr. eis
nem Canal als einem Fluffe. Seine Ufer find hoch und ſteil;
‚fein Lauf. fo vol Krümmungen, daß die Seegel auf. ihm felten
etwas. helfen, wodurd die Schiffahrt auf ihm große, Hemmungen
erleidet. _ Eine Tagereiſe führt oft nur durch fechsfache Krüms
mung faum zwei Stunden weit, und öfter rückt man. gar nicht
son der Stelle. Die directe Diftanz von Lahore zur Müns
dung bei Fazilſchah, berechnet A. Burnes nur auf 35 geog.
Meilen (171M. Engl.), mit den Krümmungen aber. auf 72 geog,
Meilen (380 M. Engl.). Seine Tiefe ift meift zwar 12 Fuß,
=
**) Al. Burnes Narrative Vol. III. p. 125—147;« beff. Memoir.
ebend. p. 305 — 309.
48 Weſt-Aſten. I. Abſchnitt. 5 1.
aber S Monate im Jahre ift er an den meiften Etelfen auch)
durchgehbar, und ein Schiff, das 4 bis 5 Fuß tief in Wafler
geht, könnte ihn nicht befchiffen; die einheimifchen flachen Boote
finfen nur 2 bis 3 Fuß tief ein. Es gehen diefe zwar das ganze
Jahr auf dem Fluffe, jedoch ohne Gütertransport zu betreiben;
es find nur Fährboote, etwa nur 52 zahlt man überhaupt, ab:
wärts von Lahore. Oberhalb diefer Stadt ift der Fluß zu vier
len Bewäflerungen und einem großen Canale benußt; unterhalb
fehlen alle Canäle; die Ufer find voll Schilf und Tamarisfenz
gefträuch, doch bis Futtipur ſtark bewohnt, aber von da die
zweite Hälfte der Strecke abwärts der Capitale, bis Tolumba,
gegen feine Mündung, ohne allen Anbau, obwol nicht ohne Spu⸗
ren früherer Anfiedelungen. Die Dorfichaften, welche hier vors
kommen, find meift nur temporäre Hirtenftätten des Jun oder
Kattia Tribus (Cathaei).
Der Ravi ift ein träger Strom, voll Sandbänfe und Triebe
fand; feine vielen Krümmungen zeigen fein geringes Gefälle, fein
Lauf legt etwas weniger als 3 Miles Engl. in einer Stunde zus
ruͤck. Seine Ufer, die bei Lahore oft do, abwärts oft 20 Fuß
hoch und feft find, kann er nicht überfchwenmen. Sein Wafler
ift roth von Farbe, wie das des hinab, es wechfelt die Farbe’
leicht nach den Negenfchauern, die einen großen Einfluß auf die
fen Strom ausüben, deffen Quellen feineswegs innerhalb der ewi⸗
gen Schneehöhen Tiegen, fondern nur in den PVorfetten von
Chamba, weshalb ihm die Waſſerfuͤlle feiner Nachbarftröme ver⸗
fagt blieb. An beiden Seiten des Navi wird viel Salpeter ers’
zeugt, dad Duab zwifchen ihm und Sfetledfch ift eben fo unz
fruchtbar und wenig ergiebig wie das an feiner Nordweſtſeite.
Doch zeigt die Umgebung von Umritfir, was die Eultur über
diefen Boden vermag. Mächft diefer Capitale der Seikhs ift Las
hore am Ravifluffe die einzige Stadt von Bedeutung; aber ſeit
kurzem erſt hat fic) das Strombette mehr von der Stadt abge
wendet, die nur noch an einem geringen Arme deſſelben fteht,
aber dennoch, wie fchon feit fehr alter Zeit, durch die Trefflichkeit
ihrer Poſition in — wie commercieller Hinſicht ausge⸗
zeichnet bleiben wird.
Am beften lernen wir dies Stromgebiet kennen, wenn wir
den treueſten und aufmerkſamſten Augenzeugen zu unſerm Fuͤhrer
nehmen, Al. Burnes, und mit ihm aus dem Chinab, bei Fas
zifhah, den Ravi an Tolumba Futtipur aufwärts, bis
Wi,
Indus-Syſtem, Ravi-Beſchiffung. 49
Lahore zu Schiffe begleiten, obwol er dieſe Fahrt, welche wes
gen der vielen Krümmungen 22 Tage dauerte, fehr langweilig
nennt.
Unmittelbar aus dem Chinab führt die eine der drei Ra:
vimündungen durch viele Windungen fromauf zur erften
Stadt, nad) Tolumba®), die, von fchönen Dattelhainen ums
geben, nur ein Stündchen fern vom Stromufer'angelegt ward;
die nächfte Umgebung ift fo herrlich bebaut und bewaldet, daß fie
den reizendften Anblick für das Auge giebt; abgeſchmackte Heiligen
Legenden behaupten, fie ftehe unter ganz befondern göttlichem Ein:
flug. In der Umgegend wohnen viele Kattia (ob Cathaei, f
Afien IV. 1. ©. 458, 451 — 463), oder Yun, d. bh. Wander:
Tribus, zerfireut, in beweglichen Hütten, in temporären Anfieds
lungen. Es find wahre Aethiopen (d.h. Sonnenver—
brannte); die Männer laffen ihr Haar in langen Flechten über
die Schultern fallen; die Weiber tragen Ohrringe von außerors
dentlicher Größe. Es ift ein großer, ſtarker Volksſchlag.
Durch einen Regenfchauer im Gebirgslande war der Ravi
- (am 1. Zuli) um 2 Fuß hoc) geftiogen, was nur bei einem ge
ringen Waſſervolumen gefchehen kann; zahlreichere Schaaren von
Waſſervoͤgeln 9) als vorher bedeeten ihn nun; zumal Kra—
niche, Störche, Pelifane, Enten u. a.; ein feltfam fchwar:
zes Ihier, Bolun genannt, dem Delphin ähnlih, an dem At,
Burnes aber eine lange Schnauge und vier Tagen bemerkt zu
haben glaubt, und das fi) auch fihon an der Mündung des
Navi gezeigt hatte, tummelte fich hier herum, foll nie an das Ufer
fommen, den Fifchen feinem Frag nachgehend. Das große Eros
codil (wol Cr. biporcatus), welches Al. Burnes doch im Jilum
häufig beobachtete (f. Afien IV. 1. S. 466), ift hier unbekannt, da;
gegen zeigte fich hier häufig die langnafige, auch dem Ganges: eis
gene Art, hiee Ghuryal genannt (wol Crocod., oder Rhampo-
stoma tenuirostre, wenn nicht gangeticus, welches aber unter dem
Namen Gavial bekannter if), Auch kommt hier eine große
Skhildfröte, Thundwa vor, von der aber viel fabelhaftes
erzählt wird; an den Ufern des Ravi flreifen noch gewaltige Ti-
ger umher. 5%
Während der erften Tagefahrten auf dem Ravi im Lande
95) Al, Burnes Narrat, Vol, III, p. 126, 96) Al. Burnes Narrat,
I. p. 133, 141.
Ritter Erdkunde VII. D
50 Weſt-Aſien. L Abſchnitt. 1.
der Seikhs, war in dem ärmlich bewohnten Boden fein Dorf zu
fehen und nur wenig Aderfeld; aus weiter Ferne mußten die
Nahrungsmittel zugeführt werden; zuweilen 400 oder 500 Eier
auf einmal, in denen aber meift ſchon die Küchlein lebten, Fleifch
durch die Schlächter, und ganze Laſten von Salpeter, wurden zus
geführt um die Getränfe zu Fühlen; denn die Hige wurde unges
mein druͤckend, weil die Monfuns im Anzuge waren. » Der erfte
Wirbelfturm, ein Tornado, fam von N.W., noch ohne
Regen, als Vorläufer der Negengüffe am 3. Juli. Nachmittags
4 Uhr ftand das Ihermom. auf 34° 67’ Neaum. (110° Fahıh.).
Großartig fliegen Wolken am fernen Horizont immer höher wie
Berge empor; der Staubwind ward glühend. Der Wirbel war
nach einer Stunde vorüber, und helle Blise waren in feinem
Gefolge. Diefes furchtbare Schaufpiel wiederholte fich jeden der
folgenden Abende, bis am fechsten Tage darauf der erfie Nez
senfchauer mit der größten Heftigfeit niederftürzte,
Die erfte merfwirdige Localität, 10 geogr, Meilen im NO,
der Auffahrt von Tolumba find die Nuinen der alten Stadt
Harapa?), die anderthalb Stunden vom Oftufer des Stromes
entfernt liegen, groß und weitläuftig, 3 Engl. Miles in Umfang
haben, aber meift aus Badkfteinen beftehen, ein Chaos in dem
fein Haus mehr aanz daſteht. Das moderne Harapa ift ganz
aus diefen Trümmern aufgebaut. Die alte Citadelle ift in ihren
Ruinen gegen die Stromfeite noch erkennbar. Nur die Sage
geht davon, daß fie zerftört fg, wie einft Sharfote (die Burg der
Mallier, f. Alien IV. 1. ©. 468). Dies ſey vor 1300 Jahren
aus Rache Gottes gegen die Frechheit des Hindu Statthalters ger
fchehen. Später befehrte fich der Ort zum Koran, und das Grab
eines Niefen, von 18 Fuß Länge, der für einen Sanctus gilt,
wird dort gezeigt, nebft dem ovalen, coloffalen, ſchwarzen Steine,
welcher als Neliquie für einen Ningftein ausgegeben wird. Dem
Al. Burnes wurde der Befuch diefer Stelle durch den Fund
einiger perfifchen und Hindu: Münzen belohnt.
An diefem Orte vorüber, weiter ftromauf, nehmen die Wan⸗
derhuͤtten der Kattias ab; dagegen nimmt die Landesbevoͤlkerung
der Seikhs ſchon ſichtbar zu. Die Neugier der Menſchen war
fo groß, ſolche nie geſehene Fremdlinge zu begaffen, daß dieſe un⸗
zblige Mal genoͤthigt waren ihre Kajuͤte zu verlaſſen, um dem —
7) Al. Burnes Narrative Vol. II. p. 137,
Indus-Syſtem, Ravi-Beſchiffung. 51
Volke genug zu thun, das ſich unter dem verſchiedenſten Vor:
wande zudrängte. Der eine machte fih wichtig dadurch, daß er
fidy als einen Syud einführte, der andere als einen Zemindar,
der dritte als einen Pir (Sanctus), der vierte ald einen Seifh;
ſelbſt Weiber drängten fich herbei, und alle meinten, die Flottille
der Fremden werde von zwei großen Tauben gegen Sonne und
Regen gefhüsgt. Die ziemlich dreiften Anforderungen waren fehr
mannichfaltiger Art; einer verlangte von Al. Burnes die Mit:
theilung des Geheimniſſes Zwiebelfchalen in Goldducaten zu vers
wandeln.
Diefer Thorheiten des gemeinen Volks ungeachtet, wuchs mit
jedem Tage der Annäherung an die antife Capitale einft glänzen:
der Königsherrfchaften, die Artigkeit und Höflichkeit des Empfan:
ges bei den Sandeseinwohnern, die mit Verachtung und gewiſſer
Selbftgefälligkeit auf die Barbarei der Sindis und Beludfches her
abblicken, aus deren Gebieten die Fremdlinge zu den ihrigen ge:
fommen waren. Die Beamten der Seikhs ſchickten von ‚der Hof:
ftadt täglich Eouriere an die fremden Gaͤſte, um ihnen die neue:
ften Zeitungen mitzutheilen und von ihnen Bülletins ihres Wohl:
feyns nach Hofe entgegen zu nehmen. Bei dem Dorfe Chicha:
wutni wurde ein Niefenelephant mit großem Tragſitz, der emal:
firt und mit Silber geziert, und von 6 eigenen Dienern (Orderlic)
des Maha Naja geleitet ward, entgegengefandt. Bei der Stadt
Futtipur fam ein Purinda (d. h. Vogel), ein Ichnellrudern:
des Kaſchmirboot, zum Empfang der Gafte entgegen; ähnlich
den venetianifchen Gondeln, an beiden Enden fo zugeſpitzt, daß
nur die mittlere Haͤlfte des Bootes das Waſſer beruͤhrte. In
Kaſchmir, das Runjit Singh gegenwärtig, ſeit 1819 %), beſitzt,
gebaut, wurde es nur von Kafıhmir Matrofen mit kleinen, grü:
nen Rudern fortbewegt, auf fehr eigenthümliche Art, ganz wie
auf allen Kaſchmir Seen (f. Aſien I. ©. 1151, 1152 — 1167 u.
a. O.). "Die Matrofen, fhöne, athletifch: geftaltete Männer des
Hochthales (f. Afien U. ©. 1184) trugen rothe Jacken; der Paz
villon, in der Mitte der flachbootigen Gondel, bot angenehmen
Schatten. Die Kuderfahrt ging mit ungemeiner Schnelligkeit,
brachte aber eine eigene, zittrige Bewegung hervor, daß mehrere
der Reiſenden dabei erfranften.
»*) H. T. Prinsep Origin of the Sikh Power and Life of MahaRaja
Runjeet Singh etc, Calcutta 1834. 8. p. 121— 135.
2
52 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. 9. 1.
ordwärts Futtipur nimmt erft die eigentliche Population
der Seifhs ihren Anfang, die gleich den alten Nömern nur
zwei Befchäftigungen fennen, den Aderbau und den Krieg;
über ihre Kriegsthaten reden fie gern, und zumal viel von ihren
Fehden mit den zelotifchen Eufofzyes im Gebirgslande, die häufig
mit ihren Religionskriegen (Ghazie) das Sand der Seiths übers
ziehen.
Zu Changa, noch 10 Stunden fern von der Nefidenz Far
hore, wurde der Britifche Gaft, am 15. Zuli, im Namen des
Maha Naja feierlich bewillfommt ). In der ſchwuͤlſtigen Rede
des Fakirs hieß es: Die Jahreszeit hat gewechfelt um euch glück,
fich hierher zu geleiten; ftatt der Regen fiheint nun die Sonne;
aber es ift die Sonne von England. Sehet euch hier an wie
daheim, in einem Garten in dem ihr die Roſen fend. So groß
ift die Freundfchaft zwifchen Seikhs und Briten, daß die Bewohr
ner von Iran und Rum (Perſer und Türken) in weiter Ferne
davon hören werden u. f. w. Zwei Tage fpäter wurden die hor
hen Minarers der Königsmofchee zu Lahore erblickt, aber das
Pager vor der alten Mongholen Kapitale aufgefchlagen, um am
folgenden Morgen den feierlichen Einzug zu halten. Als die Sonne
im Weften unterging, erhoben fich dem Anblicke des Reiſenden
zum erften Male die Maffengebirge der Himalayahöhen
die Kafchmir 100) umkreiſen, feierlih in ihrem Mantel von ewi-
gem, weißem Schnee gehüllt, ein erhabenes Naturfchaufpiel.
Lahore (ob Sangala der Macedonier? f. Afien IV.1. &.461)
die antike Reſidenz einft mächtiger Hinduifcher Rajas (f. Aften IV.
1. ©.537), wurde auch der Sitz der erften mohammedanifchen
Eroberer Indiens; während der Herrfchaft der Groß Moahule 2)
erlangte fie ihren höchften Glanz unter Humajun, Akbar und
Schah Jehangir. Damals ward fie die Capitale des Pendfchab
genannt und das Centrum der Subah Lahore, von der Abul
Fazl die vollftändigfte Befchreibung giebt; die Stadt, fagt er,
habe vordem in den indifch saftronomifchen Tafeln Leha wer ge
heißen ; fie liege unter 31° 50° N. Br.; nah Al. Burnes Ob—
fervation am Südthore der Stadt angeftellt, aber nur unter 31°
34° 52” N. Br. Ihre Lange giebt Abul Fazl auf 109° 22° an,
?°) Al. Burnes Narrat, III, p. 145. 00) ebend, p. 147. .
" *) J. Rennell Mem. 3. Kd, p. 82. Aysen Akbery ed. Lond. 1800.
8. Vol. UI. p. 107— 111.
Indus-Syſtem, Ravi, Lahore. 53
Der Spiegel des Ravi liegt nach Dr. Gerards?) mittlern
Barometerbeobacdhtungen etiva 900 Fuß Engl. über dem Spie—
gel des Meeres; alffo etwa 100 Fuß höher als die Ebene von
Delhi (Alien IV. 2. ©. 1106), Hier wurden in jener Zeit die
größten Eulturgärten angelegt, hier wuſch man Gold aus vielen
benachbarten Fläffen, und gewann aus der Umgebung verfchies
dene Metalle. Die Handwerker und Künftler von Lahore war
ren die berühmteften und der Handel führte Kaufleute aller Na—
tionen auf die dortigen Märkte. Durch Kaifer Akbars Einrich-
tungen wurden die £öftlichften Obftarten von Kaſchmir, Badak:
fan, Turan und Kabul hier feil geboten, Bon den Hochgebirz
gen brachte man Schnee und Eis hierher, zur Kühlung in der
Sommerhitze, und Schattenwälder zum Schutz der Neifenden
wurden von hier an den Heerftragen bis Deihi und Agra ans
gefegt, eben fo nah Kaſchmir. Diefe Wälder und Allen find
ziwar gegenwärtig von den Heerftraßen verfchwunden, doch find
die Kunftiwege jener Zeit noch heute trefflich, und durch Minas
reis, Brunnen und Karawanferais in jenen Hauptdirectionen 3)
ausgezeichnet.
Mit dem Berfall der Groß-Moghule verfank auch diefe Pracht:
fiadt, die mit Delhi rivalifirfe, die mit ihren Minarets, Mo:
ſcheen, Palaften, Parks, Maufoleen, Brunnen, von vielen Neir
fenden des XVIE und XVIH. Jahrhunderts befucht und befchrie:
ben wurde, in Ruinen, die kaum noch durch die wiederaufbluͤ—
hende Seikhsrefidenz erhalten werden können, aber auch in ihr
rem jeßigen Zuftande durch ihre großartigen Anlagen und ihre
natürlichen Reize der Umgebungen in Verwunderung verfegen.
Die Märkte ziehen Kaufleute, die Gräber der Heiligen, Pilger
dahin, ihre ſtrategiſch geficherte Lage macht fie militairifch wich:
fig, obſchon Umritſir eine ſtaͤrkere Feftung ift, und Lahore feiner
großen Population wegen Feiner Belagerung Widerftand zu leis
ften vermöchte, wol aber gegen irregulaire Ueberfaͤlle gefichert ges
nug if.
Lahore?) liegt gleichweit entfernt von Multan, Pefchar
wer, Kafıhmir, Delhi, in einem fruchtbaren Boden, an einem
ſchiffbaren Strom. Es hat ſelbſt an 80,000. Einwohner, und aus
feiner Umgebung wird eine Armee von 80,000 Mann ernährt.
2) Al, Burnes Mem. II. p. 208. ) Al. Burnes Trav. Vel. I,
p. 15. *) Al. Burnes Mem. HI, p. 308.
54 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. % 1.
Sie iſt von einer feſten Backſteinmauer umgeben, deren Graͤben
durch die Waſſer des Navi gefüllt werden koͤnnen, in welche 12
Thore einführen, denen eben fo viele halbkreisfoͤrmige Verſchan—
jungen nach außen vorgebant find.
Die alte Capitale 105) dehnte fi), nach den Ruinen zu
urtheilen, von O. nach W. 2 Stunden weit in einer mittlern
Breite von 14 Stunden aus. Die Vlofcheen und Maufoleen
diefer Quartiere dienen jeßt zu SKaramwanferais. Die moderne
Stadt nimmt davon nur die wefllichfte Ecke ein, und von Oft
her hat man anderthalb Stunden durch die Ruinen zuruͤckzule—
gen, ehe man diefen von den Seifhs bewohnten modernen Theil
erreicht. Die Straßen find auch bier wie in allen Hinduftädten
eng, unreinlich, der Bazar gering. Der Hauptmarft des Pend:
ſchab ift gegenwärtig in Umritſir.
Zu den berühmten Architecturen früherer Zeit, denn neuere
hat Cahore feine erhalten, gehört die große Mofchee von Kaifer
Aurenazeb erbaut, mit 4 hohen Minarets, aus rothen Sands
fteinguadern, deren Hauptgebäude aber gegenwärtig zum Pulvers
magazin dient. Mehrere andere Mofcheen verdienen ebenfalls Auf:
merkſamkeit. Der prachtvollfte Bau ift indeß das Schah Dura,
das Maufoleum Kaifer Jehangirs, das auf der andern Seite
des Navi ſteht; ein Quadratbau mit 70 Fuß hohen Minarets an
den vier Eden, aus wechfelnden Schichten von Marmor und ros
then Steinen aufgeführte. Die Grüfte und Sarkophagen felbft
find voll fchöner Ornamente, in Mofaik mit Snferiptionen. Zwei
Linien fchwarzer Schriftzüge auf weißen Marmortafeln enthalten
den Titel des Zehangie (Dfchehangir reg. 1605— 1627, f. Afien
IV. 1. ©. 635), d. h. Eroberer der Welt, und an hundert
verfchiedene Worte in perfifher und arabifcher Schrift, die alle
den Namen Allah bezeichnen, und über das ganze Grab vertheilt
find. Das Domgemwölbe, welches früherhin das Maufoleum deckte,
ward durch Bahadur Schah abgenommen, damit der Ihau und
der Regen vom Himmel herab das Grab feines Großvaters ber
nege. Der Navi hat fihon einen Theil des Gartens, der zu dies
fem Bauwerke gehört, wegaeriffen, und das Maufoleum ſelbſt
wird, meint Al, Burnes, einft deſſen Beute werden; gegenwärz
tig dient es als Kaferne ©) fir einige. Seikhs Negimenter. Zu
05) Al. Burnes Narrative Vol. II. p. 149—170; Tray. Volt.
p. 16— 29. °) Al. Burnes Tray. Vol. I. p. 39.
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Indus⸗-Syſtem, Kavi, Labore, 55
den beruͤhmteſten Anlagen gehoͤrt der Garten deſſelben kaiſerlichen
Herrſchers, Shalimar genannt (wie feine Parkanlage in Kaſch⸗
mir, f. Mien I. ©. 1168— 1169), der aus 3 großen, übereins
ander fich erhebenden Terraſſen befteht. Ein Canal aus weiter
Ferne herbeigeführt, durchzieht die fchönen Gärten, deren Obſt⸗
haine auch mitten im Winter mit Orangen beladen find; durch
die Wafferleitung werden 450 Fontainen emporgeworfen die Lüfte
zu fühlen. Das fogenannte Marmorlager ift noch da, aber der
arten hat in neuerer Zeit. durch die Seikhs fehr gelitten, und
Runjit Singh hat ſelbſt mehrere der Marmorbauten wegge—
bracht und anderweitig verbraucht, Er bewohnt felbft den alten
prachtvollen Groß⸗Moghul-Palaſt, Sumum Burj, zu dem eine
weite Marmorhalle führt, wo er mit feinem ganzen Hofftaat, der
reich in Juwelen glänzt, feine Audienzen giebt, vor dem ex feine
Elephanten, Schmucpferde, feine Cavalleriften, Artillerie u, ſ. w.
gern zur Schau ſtellt. Reizend find die vielen Gärten, welche
die Stadt umgeben, zwifchen denen fich ihre großartigen Ruinen
erheben. Der. Garten, welchen der General Ventura bewohnte,
hatte die reizendften Ausfühten; die Säfte wurden darin bei. ihrer
Ankunft mit Champagher bewirthet. Das Nuartier, das ihnen
zur Wohnung eingeraumt ward, lag im Öartenfchloß des Gene:
rals, das nach europäifcher Art eingerichtet, Uber einer Terraffe
erbaut war, auf welcher allein 90 Fontainen fprangen, um die
Luͤfte zu Eühlen.
Der wiederholte Aufenthalt Al. Burnes zu Lahore giebt
uns ein intereflantes Gemälde vom Hofleben des modernen Pos
rus. Wir heben nur einzelne characterifivende Züge daraus. herz
vor. Nach dem glänzenden, erften, öffentlichen Empfange feines
Gaftes, der ihm Gefchenfe vom König von England brachte, gab
ihm der Maha Naja eine Privataudienz. Bei diefer erfchienen
aud) einige 30 bis 40 Tänzerinnen in Knabentleidung, meift Kafchs
mirerinnen, oder Töchter der Berghoͤhen, die durch ihre Schön:
heit berühmt. find. Ihr Don Juans Coftüm, fagt Al. Burs
nes, war fliegende Seide, jede trug einen einen Bogen und
Köcher, in der Hand, gleich Dianen, mit fenrigen, fchwarzen Au:
gen, die wie Edelſteine funkelten. Er nannte fie eins feiner Put—
lams (d. i. Negimenter); fie meinten aber er könne feine Dies
eiplin unter ihnen erhalten. Zwei der Damen nannte er feine
Commandanten diefer Waffengattung, denen er Dörfer gegeben.
Darauf rief er 4 bis 5 Elephanten herbei, mit ihren Evolutionen
*
56 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 5. 1.
dieſe undisciplinirten Truppen wegzuſchaffen. Nach ſolchen Vor:
ſpielen ließ er ſich in politiſche Geſpraͤche ein, uͤber ſeine Freunde
unter den Briten, deren er ſich ruͤhmte, ſet Malcolm, Met—
calf, Ochterlony; uͤber des Koͤnigs von England Brief und
Geſchenke, worauf er mit ſeinem Lieblingsplane zum Vorſchein
kam, nun auch Sinde zu erobern, offenbar um die Meinung der
Briten daruͤber zu ſondiren. Bei der Abſchiedsaudienz zeigte er
feine Juwelen, die er feinen ungluͤcklichen Gegnern als Beute abs
nahm, darunter der Kohinur, d. h. Licht-Berg, einer der größs
ten Diamanten der Welt, halb fo groß wie ein Ey, von ganz
Harem Waffer, 34 Nupies an Gewicht, mehrere Millionen an
Werth, den er dem unglüdlihen Shah Schuja, Erfünig von
Kabul, der als Flüchtling bei ihm ein Aſyl fuchte, abgepreßt 107),
Auch ein großer Rubin, 14 Rupien von Gewicht, ein Topas, halb
fo groß wie eine BillardEugel, 11 Nupies an Gewicht u. a. m.
Bei einem zweiten Befuche wurde eine Cberjagd am Navi
aufwarts abgehalten, in deſſen Nähe der Maha Naja ein pracht—
volles Lager hatte auffchlagen laffen. Der Empfang gefchahe in
Zelten von rothem Scharlah und gelbem Tuche auf. Kafchmirs
teppichen und franzöfifchen geftieften Satins. Die Feldbetten
hatten gelbfeidene Vorhaͤnge; andere Prachtzelte beftanden fogar
aus rothen und weißen Kafhmir Shawls. Mit einem folchen
Gezelte machte Aunjit Singh im 5. 1827 dem König von Engs
land ein Geſchenk 8), durch eine eigene Embaffade an Lord Ams
herſt. Am 6. Febr. 1832 wurde das Bufunt oder Frühlings:
feſt am Hofe zu Lahore gefeiert, wobei die ganze Garnifon res
gulairer Truppen Spalier machte, Infanterie, Cavallerie, Artilfe
tie, die in einer 2 Engl. Miles langen Straße aufgeftellt waren,
zu deren Durchfchreitung der Maha Naja Über eine halbe Stunde
zeit gebrauchte, bis er zu dem Eöniglichen Zelte in gelber Seide,
denn gelb ift Gallauniform, gelangte. Der Thron, 1 Lak Rupies
(10,000 Pfr. Sterl.) an Werth, war mit Perlen und Schnüren
von Edelſteinen bedeckt. Hier hörte Runjit Singh 10 Minuten
lang der Ablefung der Granth (der Bibel der Seikhs) zu, die
dann in eine Menge der Eöftlichften Tücher und Decken gewickelt
dem Tage zu Ehren zulegt noch in gelben Sammt eingefchlagen
ward. Der Driefter erhielt fein Geſchenk, und häufte nun gel
107) 5, H. T. Prinsep Origin of tlıe Sikh Power I. e. * etc.
®) ebenb. p. 148. —
*
Indus-Shſtem, Lahore Die Kefidenz. 97
Gegengabe einen Berg von Blumen, Buͤſchen und Laub auf, zus
mal folhe, die alle gelbe Blüthen trugen. Dann brachten der
Adel und die Commandanten feiner Truppen, alle in gelber Tracht,
ihre Gefchenfe; dann die zwei Prinzen des geftürzten Königs von
Kabul; dann der Nabob von Multan mit feinen 5 Prinzen;
ihnen folgten die Refidenten der Höfe von Sind und Bhawulpur,
in deren Benehmen doc) der Haß ihrer Gebirter gegen die Seikhs
nicht ganz verdeeft war. Dann erft folgten die Tänzerinnen, die
reichlicy mit Gaben von den Geldhaufen, die vor dem Herrfcher
lagen, belohnt wurden. Es folgte das Gelag, wobei viel Wein
getrunken wurde. Gern erzählte der Maha Naja von feinen Tha—
ten, feinen Schlachten und Siegen.
Beim Abfchied blickte der Stolz des Monarchen befonders in
dem MWerthe hervor, den er auf die durch ihn eingerichteten Ka—
nonengießereien legte; es erfüllte ihn die Hoffnung, die. Indus—
fchiffahrt durch das Pendſchab neu zu beleben, wodurch er ſelbſt
noch mächtiger als die Briten zu werden hoffte. Er theilte reich—
lihe Empfehlungsbriefe für die abreifenden -Gäfte mit, erbat fich
aber dagegen Briefe und Nachrichten von den durchreiften Laͤn—
dern, über deren Sitten, Politit und feiner nicht zu vergeffen.
Mit Bewunderung feiner Energie, feiner Kraft, feiner Mäßigung,
die bei orientalifchen Fürften unerhört ift, verließ Al. Burnes 9
feinen Hof, um die gefahrvolle Wanderung dur) Kabul nach
Bokhara anzutreten.
Während feines Aufenthaltes in Lahore ward man daſelbſt,
am 22. Sanuar 1832, durch ein Erdbeben erfchredit, das 10
Secunden mit großer Heftigkeit anhielt, ohne merklihen Wechſel
des Barometerftandes, oder der atmosphärifchen Befchaffenheit.
Aber das Thermometer, das auf + 2° 22° Reaum. (37° Fahrh.)
geftanden, fiel, um 4 Uhr vor Sonnenaufgang, auf 4° unter den
Gefrierpunct; im Juli hatte es das Marimum von 31° 11° R.
(102° Fahr.) erreicht. Al. Burnes erfuhr, daß Erdbeben in
Sahore Häufig find, zumal im Winter, in Kaſchmir aber
noch weit häufiger, wie überhaupt je näher dem Gebirge, defto
häufiger. Die hohen Meinarets, die feit mehrern hundert Jahren
ſtehen blieben, beweiſen indeß wol, daß fie hier im Pendfchab
nicht fehr heftig waren. Der Stoß fehien von S.O. nah N.W.
zu ziehen, genau in dem Streichen des Hindu Khu. Merk
®) Al. Bumes Trav. Vol I. p. 3L—38,
58 Weſt-Aſien. J. Abfchnitt. $. 1.
würdig iſt die Nachricht die AL. Burnes in Bokhara erfuhr,
daß dafielbe Erdbeben im Ihale von Badakſchan, und dem gans
zen obern Laufe des Orus, den größern Theil der Dörfer. übers
flürzt, und mehrere taufend Menfchen unter ihren Ruinen begras
ben hatte; der Stoß war ganz gleichzeitig mit dem in Las
hore gewefen, in derfelben Mitternactsftunde,
Umritfir, oder Amritfar, die heilige Stadt der
Seikhs0). Diefe Capitale foll 100,000 Einwohner haben; fie
ift größer und fefter als Lahore, und nur eine Tagereife von dies
fer entfernt. Das zwifchenliegende Land, Manja, ift reich cultis
pirt. Der große Canal „Nuhr,“ von einem der Hinduftanifchen
Kaifer angelegt, bringt das Waffer 16 geogr. Meilen (80 Miles
Engl.) weit her, aus dem Navi, geht parallel mit der Haupts
firaße und zieht an Umritſir vorüber. Cr kann, bei geringer
Tiefe von 8 Fuß, nur von kleinen Booten befahren werden. Der
Eröwall, welcher Umritfir, im Umfange von nabe an 3 Stunden
(7 Miles Engl.), umläuft, ift von großer Dicke; die Citadelle,
Govindghur (d. h. Govindsburg), beſchuͤtzt und beherrfcht die
Stadt. Ein fchwaches, halbkreisformiges Backſtein-Fort fteht in
einem dichten Dattelhaine, 2 Miles Engl. von der Stadt, gegen
die Südfeite des Navi. Der Beas fließt 9 Stunden im Often
der Stadt vorüber. Hier it das große Emporium des Handels
zwifchen Indien und Kabul, die Kaufleute find meift Hindus;
vor ihren Häufern liegen große Blöde rothen Steinfalzes, für die
heiligen Stadtkühe, die daran fich durch Lecken ergögen. Ram⸗
bagh heißt die Lieblingsrefiden; Runjit Singhs, deſſen vors
herrſchend militairisches Intereſſe fich hier fogar in feinem Luft
garten zeigt, den er mit Baftionen umgeben hat. » Noch ift dies
fer Ort wenig von Europäern befucht, weil er ihnen durch feine
fanatifchen Bewohner, die zelotifchen Seikhs, zu gefahrvoll ift.
Al. Burnes, als Gaftfreund Runjit Singhs, wurde zum Na:
tionaltempel geführt, der in der Mitte eines Sees erbaut ift, ein
fhönes Gebäude mit polirtem Golde bedacht. Erſt ging die Pro:
ceffion rund umher, dann erft hinein, um den Granth Sapib
Heilige Bücher) ein Opfer zu bringen. Diefer Coder lag vor dem
Prieſter aufgefchlagen, der es immerfort mit dem feidenen, Eaifers
lihe Würde bezeichnenden Schweif des. Tuͤbetbuͤffels bewedelte,
11°) Al. Burnes Mem. III, p. 308; deſſ. Narrative Vol, II. p. 175-
bis 178.
Indus-Syſtem, Umritfir die heilige Stadt, 59
um jede Unreinheit davon abzuhalten. Der Gaft mit feinem Ge:
folge ließ fih nieder, und ein Seikh begann vor der Verſamm—
lung zu reden. Er rief Guru Govind Singh, den Begrüns
der der Seikhs wie eine Gottheit an, und alles faltete die Hände.
Alles, was die Seikhs auf Erden hätten, fey durch des Guru
Güte ihnen gegeben; die Briten kaͤmen zu ihnen um Freunds
fchaft zu halten, fie brächten ein Opfer von 250 Rupies. Dies
wurde auf den heiligen Granth gelcat, ein lauter Schrei der
DBerfammlung „Wa guruje fa futtih,” d. h. Mögen die
Guru fiegreih ſeyn,“ das gewöhnliche Krieasgefchrei der
Seikhs machte den Befchluß. Dann wurden die Gäfte mit Kafche
mir Shawls umhangen. Al. Burnes erfuchte nun den Neds
ner zu erklären, daß die Fortdauer der Freundfchaft mit den
Seikhs fein ernftefter Wunfch fey, worauf ein zweiter Schrei wie
der vorige erfcholl, mit dem Zufage „Khalfaji fa futtih,”
d. h. möge die Seifh- Religion gedeihen. Auch V. Jacques
monti!) fagt einige Worte über Umritfir, wo er fi) acht
Tage (1831) aufhielt. Er beftätigt die Lebensgefahr, mit welcher
ein Europäer nur unter ſtarker Cscorte und von den Gurus felbft
geführt, diefen goldnen Tempel, wie er ihn nennt, wegen der
Acalis (Akhalis) befuchen kann. Das heilige Buch nennt er
Grant, - N
Don da gingen die Briten zum großen Tempel Acali
banga, d.h. Haus der Unſterblichen, um da ein ähnli-
ches Opfer zu bringen; man ließ fie aber nicht eintreten, aus
Borforge, weil ihre Geleiter felbft den Acalis oder Nihungs,
d. i. einer befondern Secte von Fanatifern unter ihnen, nicht
trauen durften. Diefe Acalis tragen Turbane von blauem
Zeuge, zugefpißt, darauf aber runde Stüde Eiſen zum Angriff
und zur Vertheidigung, wie eine Wurficheibe. Sie erlauben fich
in ihren Wuthanfällen, die als heilige Begeifterung geduldet. wers
den, jede Zügellofigkeit und Verlegung, und es vergeht Feine
Woche, daß nicht einer der Seikhs durch fie fein Leben verliert.
Sie erkennen feinen Oberherrn; fie durchziehen wie Verrückte dag
Dendfchab 12), mit entblößtem Schwerte, morden die Großen wie
die Kleinen, die Armen und in Frieden Icbenden, verbrennen nad)
23) Vict. Jacquemont Correspondence pendant son Voyage dans l’Inde
(1828 — 32). Paris 1833. 8. Tom. Il, p. 173, 12) Al, Burnes
Tray. 1. p. 11. 5
60 Weſt-Aſien. 2 Abſchnitt. 6. 1.
Belieben die Doͤrfer, bedrohen ſelbſt das Leben Runjit Singhs,
ungeſtraft. Der Maha Raja, ſelbſt ein ſtrenger Befolger des
Seikhs-Cultus, zu deſſen Orthodoxie dieſe Fanatiker gehoͤren, ſucht
ſie jedoch zu deprimiren, wobei er freilich ſehr vorſichtig zu Werke
gehen muß. Mehrere der Angeſehenſten dieſer Secte hat er in
feine Bataillone aufgenommen, andere verbannt. Vieles in Um—⸗
ritſir bleibt uns noch unbekannt.
5. Der Chinab (Chandarabaga im Sanskrit, db. i.
Mondesgabe, Acesines), Der Multan-Diftrict.
Der Chinab!B) ift unter den Pendfchabftrömen der größte,
der aus weitefter Ferne von der Tübetgrenze herkommt, durch den
Gebirgsfiaat Jummoo (oder Jumbo, f. Afien H. ©. 1078)
in das ebene Pendſchab eintritt, und durch diefes im, directeften
Saufe, ohne die Krümmungen feines Nachbarſtromes des Navi,
über Multan, alle Pendſchab-Waſſer vereinigend zu dem Ins
dus eilt. In der Nähe des Sndusvereins, bei ganz flachen Ufer,
bat er 1200 Schritt (Yard) Breite, und die feheinbare Größe des
Indus; am Sfetledfchverein nur 600 Schritt Breite und 20 F.
Tiefe, oberhalb des Sfetledfchvereins nimmf er an Breite nicht
ab, aber an Tiefe, bis auf 12 Fuß, am Raviverein. An der
Fähre bei Multan dehnt er fih zwar bis auf 1000 Schritt Breite
aus, aber nur auf furze Zeitz denn im übrigen weitet er fich
höchftens bis 650 Schritt aus. Von da ift fein Lauf nur big
Fazilfhah am Rapiverein, und bis Trimo am Jilumverein,
von AL. Burnes!%) gefehen; weiter nordwaͤrts nicht, bis höher
auf, wo die Neiferoute von Lahore nach Attock ihn nahe dem
Drte Ramnagar!’) überfchreitet.
Bon Lahore dorthin liegt im Duab, zwifhen Navi und Chi—
nab, auf halben Wege die Station Kote, merkwürdig durch ei⸗
nen herrlichen Obftgarten, im Beſitz des Ortscommandanten,
in welchem auf Eleinem NRaume die Eöftlichften Bäume und Blu: , |
men vereint gedeihen. In der Mitte Februar fanden die mei—
ften in Bluͤthe: Pfirfich, Apricofen, Feigen, Granaten, Quitten,
Drangen, Limonen, Eitronen, Trauben, Mandeln, Aepfel, aber
auch Guava, Mango, Jambu und Datteln, und viele andere, die
Al. Burnes nicht näher Eannte und nur dem Namen nach
) Al. Burnes Notice Vel. IIE p. 193; deſſ. Memoir IH. p. 300.
‘*) Al. Burnes Narrative III. p. 121. 15) Def. Trar. L p, 42,
Indus-Syſtem, Chinab, oberer Lauf. 61
auffähre, wie Cooler, Sohaujna, Goolcheen, Umltass, Bell,
Buſſoora ꝛc. Allen von Cypreſſen und Ihränenweiden, Blur
menparterre von Marcifien, Stdburg (d. i. die hundertblättrige
Roſe) und andere Blumen, Yndifche und aus Kaſchmir hierher
verpflanzte, ſchmuͤckten den fchönften Obfthain, nad) dem fich das
fihöne Elima diefer Pendſchabebene beurtheilen läßt. Nahe am
Chinab erblickt man die Gebirge des BembersPaffes,
hinter dem das Ihal von Kafıhmir liegt, den Bernier überftieg
(f. Alien U. ©. 1139 u. f.), und der ſchneebedeckte Hima:
laya hebt fich Hier in feiner Pracht über der einförmigen Vor—
ebene hoch empor. Doch auch) hier, wie bei Hurri und vor Las
hore (f. ob. ©. 529, zeigt fih durchaus fein einzelner ifo:
lirter DiE in der ganzen fichtbaren Hochfette, der vor
ven andern Erhöhungen befonders ausgezeichnet wäre, und diefe,
wie wir fehon früher bemerkten, ganz veränderte Anficht
eines continuirlihen Maffengebirges am Weftende
des Himalaya, gegen das vielfach unterbrochene Zackengebirge
im Often des Sſetledſch, laffe wol, wie Al. Burnes meint,
ſchon vorläufig auf eine Trapp- oder Kalkfteinformation
auf diefem Hochjoch zurücfchließen, deffen zufammenhängende
höchfte Rüden etwa zu 16000 Fuß Höhe über dem Meere zu
fchägen feyen.
Ramnagar (Stadt Gottes) früher zur Zeit der Groß-Mos
ghule Ruſſul (d. h. Stadt des Propheten) genannt, liegt in
weiter Ebene, einer der Lieblingsorte Runjit Singhs feine Trup:
pen zu muftern, bevor er feine Leberfälle zum Indus beginnt.
Das Duab ift hier gut bebaut, die Brunnen haben im fandigen
Boden nur 25 Fuß Tiefe. Im Februar ift es hier ſtets kuͤhl,
ſelbſt froftig; der Himmel immer wolfenbededt, fendet haufig Re⸗
gen; Nordwind herrſcht vor. Doch wird hier noch Zuckerrohr
gebaut, defien Saft in diefem Monat ausgepreßt wird. An der
Ueberfahrtsftelle ift der Chinab 1%) 300 Schritt (Yard)
breit, und in Zweidrittheilen feines Bettes an 9 Fuß tief; feine
zu beiden Seiten ganz flachen Ufer werden leicht überfchwenmt,
was ſchon Alerander bei dem Ruͤckmarſche an diefer Stelle (nahe
Wuzirabad, f. Afien IL. &. 465) erfuhr, da er nach Arrians Be:
richt fein Lager eiligft vom Acefines wegzulegen genöthigt war,
um dem reißenden Strome zu entgehen. Reißend iſt er wirklich
'e) Al. Burnes Tray. l. e. Vol, I. p. 46.
62 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 1, -
zur Regenzeit; in der trocknen Zeit, im Februar, legte er nur -
1: Engl. Mite in einer Stunde zuräc, und war ſelbſt an einer
Stelle furtbbar. Seine Temperatur war nur 9° 33° Reaum.
(53° Fahrh.), alfo geringer als die der 3 andern fchon gleichzeitig
paflirten Waffer des Sſetledſch, Beas und Navi.
Unterhalb dieſes Ueberganges zwifchen Attock und Lahore
im nordoͤſtlichen Pendſchab iſt uns am Jilumverein mit dem Chir
nab, die Lage der Fahre bei Trimo (oder Trimoa, ſ. oben
&.33) aus obigem fchon befannt; fie liegt auf der großen Quer—
ftraße von Kabul durch das füdliche Pendſchab nah Multan,
Tolumba und Bhawulpur. Zu allen Yahreszeiten 47) kreuzen
fich bei ihr die Karamanen der Kaufleute von Dera Ismael Khan,
Mantere und der Sandwuͤſte im Often des Indus. Zwifchen
Trimo und Tolumba an der Südfpise des Chinab und Ravi⸗
Duab (dem Nichna), ift das Land, ftatt der Sandberge an der
Weſtſeite des Chinab, mit harten Thonflaͤchen überzogen, die
meift öde und fteril find. Durch ihe Bufchwerk von Tamaris—
fen, Khair, Kejra (vergl. Alien IV. 2. ©.1023), Lan u.a,
erinnern fie an die Einöden des Thurr (f. Afien IV. 2, ©. 945).
Nur dicht am Stromufer ftehen Grafungen. Die Brunnen ge
ben erſt bei 40 Fuß Tiefe Waſſer, dies ift ſtets faulig, ungefund,
aber nur felten falzig. In diefem Landſtriche find größtentheils
nur Kattias, oder Jun (d. h. Wanderer, Nomaden) einheiz
miſch; nur in der Negenzeit entfernen fie fich von den Flußufern.
Sie leben von der Milch ihrer zahlreichen Heerden, der Büffel
und Kameele. Sie treiben nur fehr wenig Ackerbau, bauen etz
was Taback. Es ift ein fehöner, ſchlanker Volksſchlag; die Ehen
vor dem zwanzigften Jahre find bei ihnen verboten, Kinder aus
früherer Ehe erzeugt halten fie für ſchwaͤchlich. Ihre Narben
und Wunden, mit denen fie überdeckt find, zeigen daß fie vom
Raͤuber- und Kriegerhandwerk leben. Ob fie die alten Gathäer
waren, und ob die Ruinen des Schutthügels von Scharfote
in ihrer Nähe eine Fefte der Malli war, ift ſchon früher befpros
chen (f. Afien IV. 1. ©, 468). Unterhalb Trimo folgt Fazils
ſchah am Raviverein, von dem fchon oben die Rede war, und
10 geogr. Meilen (53 Mil. Engl.) unterhalb deſſelben liegt die
Stadt Multan 16). Zur Steomauffahrt der Strede von der
117) Al. Burnes Narrative III, p. 129—13l. 1°) ebend. Memoir
IL. p. 300— 305.
\
Indus-Syſtem, Chinab, Multan. 63
Garraeinmuͤndung in den Chinab bis zur Navieinmindung in
denfelben, verbrauchte Al. Burnes ſechs Tage. Das Ehinab:
waſſer ift roth, doch nicht fo tief roth wie das des Navi; er fließt
hier fchneller als alle andern Pendfchabfläffe. Zum Stromaufs
ziehen der Boote waren täglich 30 bis 40 Bewohner der Ufer:
dörfer nothiwendig, eine ſchwere Arbeit bei der großen Hitze, ob⸗
wol der Wind auch günftig in die Seegel blies. Es waren meift-
mohammedanifche Juts (f. Wien IV. 2. ©. 553) unter dem
Druck der Seikhs ftchend, die ihre Gebete nicht laut zu reeitiren
wagten, aber wie Kinechte von den Seikhsbeamten requirirt wurz
den. Da zunächft am Chinabufer der Leinpfad durch viele Mes
lonenfelder führte, fo wurden diefe ungeachtet des Gefeifes der
Weiber mweidlich von ihnen geplündert. Doch erhielten die Sand:
befiger für die Melonen, die den Schiffziehern zur Nahrung diens
ten, Schadenerfaß. Die Land-Escorte, welche die fremden Gäfte
geleitete, machte in den Uferdörfern mit ihren Elephanten, Kamee—
len, Pferden, Parade, und ficherte das Nachtquartier, wo die Anz
fer geworfen wurden. Der Chinab am Raviverein, bei Fazil-
fhah, hat dreiviertel Miles Engl. Breite, an tiefen Stellen engt
» er fich jedoc) auf 500 Schritt ein. Seine Tiefe19) fand Al.
© Burnes über 12 Fuß. Die Salz-Boote, weiche derfelbe Rei⸗
fende bier, 10 an der Zahl, mit Steinfalz beladen antraf, kom—
men aus der Steinfalzkette vom obern Jilum herab; fie find über
80. Fuß lang und legen die Fahrt flromab, von Pind Dadun
Khan, wo fie aus den Salzbrüchen beladen werden, bis Mul⸗
tan, in 12 Tagen zuruͤck.
Zwifchen Fazilſchah und Multan beginnt auf dem weft
lichen Chinabufer die Wüfte mit den niedern Sandbergen,
welche ohne Eulturbarfeit fih hinuberzicht gegen den Indus. Sie
nimmt aber keineswegs bis gegen Doch die ganze Südfpige dies
ſes Duab ein, wie dies auf früheren Karten angegeben iſt; denn
von Doch bis in den Parallel von Multan liegen noch fehr viele
und große Dörfer, deren Fluren von Strom zu Strom, in einer
Diftanz von etwa 10 Stunden, reich und ungemein fruchtbar
find. Erft wo diefe Breite etwas unterhalb oder füdlich von Mul:
tan zunimmt, beginnt die fogenannte Multan Sandwürfte 20),
die aber. doch noch immer längs dem Strom einen Streifen Eu ls
turland übrig läßt, der bis gegen eine Stunde breit if. Die
12) Al. Burnes Narrative IU. p. 124. 2°) ebend. p. 12).
64 Werts Afien. 1 Abſchnitt. 9. 1,
Sandhügel fehen hier ganz denen der Seekuͤſte gleich, wenig bes
buſcht, nicht begruͤnt, nicht Über 20 Fuß hoch, obwol höher ſchei⸗
nend. Zwifchen diefer ſterilen Wüfte und dem überall bewällers
ten, reich bebauten Uferfelde herrfcht der größte Contraſt. Die
Dörfer liegen meift eine Stunde vom Fluß entfernt; ihre Aecker
werden dafelbft noch durch perfifche Schöpfräder bewällert. An
den Indusufern find Brunnen fehr häufig; aber am Chinab ſieht
man fie nur an den abzweigenden Canaͤlen. Wo falziger Boden
längs diefen Flußufern hinzieht, da zeigt ſich auch häufig ein
Bufch, Pilm (Salvadora persiea), der eine rothe und weiße Beere
trägt, die den Geſchmack von Waſſerkreſſe haben ſoll; Al. Burs
nes meint, ſchon Arrian fcheine diefen Bufch bezeichnet zu haben.
Die Dorfbewohner fegen hier auf Häuten oder Schilfbündeln
über die Pendfchabftröme; öfter ganze Familien mit Weib und
Kind vertrauen fih diefen Fahrzeugen an, und laſſen fich feloft
durch die Krofodile, die hier nicht felten find, keineswegs zuriick
ſchrecken. Die hiefigen Schiffe find nur Fährboote, die aus Ce
derholz gebaut find, das von dem obern Laufe herabgeſchwemmt
wird. Die Flachboote, Zohruf, welche aus dem Jilum nach
Multan herabfchiffen, find Kleiner als die in Daudputra gebräuchz
lichen Schiffe.
Gegen die Stadt Multan hin wird das Uferland des Chi:
nab hoch cultivirt; er befpült felbft die Mauern der Stadt, und
verbreitet zu Zeiten feine Waſſer durch den ganzen Diftrict von
Multan. Die Ebene zwifchen dem Strom und der Stadt gleicht
einer reichen, grünen Wiefe, die mit fehr fruchtreichen Dattek
yalmhainen bedeckt ift. Die Volksſage fchreibt diefe Föftliche Gabe
der Verpflanzung aus Arabien durch Mohammed Ben Kaſim zu
(f. Afien IV. 1. ©. 832).
Der Diftrict von Multan!?l) breitet fih über die Stadt
auch noch füdwärts bis Shujurabad aus; er war früher
an Kabul tributbar und im fehlechteften Zuftande; unter Runjit
Singh hat er fich fehr gehoben, die Bewohner find fogar wolhas
bend und reich geworden. Allerdings ift der Boden fehr feucht
bar, er giebt doppelte Ernten; Indigo und Zuckerertrag
find fehr reich, ein kleiner Uferftrich, den die Reiſenden paffirten,
gab 75,000 Rupien Pacht. Die Gefammtrevenien des Landes
find nur 10 Lat Rupien (100,000 Pfd. Sterl.), aber 1809 Eonnte
121) Al. Burnes Mem. III, p. 303; def. Narrative IH, p. 109—120,
Indus-Syſtem, Multan, die Capitale. 65
es das Doppelte zahlen. Der Tabad von Multan ift berühmt.
Die Dattelbäume ‚werden durch Abzapfen des Saftes nicht
gefhwächt, wie die Palmen in andern Theilen Indiens; fie ge:
ben bei der großen Hitze Multans reiche und treffliche Dattels
trauben, die denen Arabiens nur wenig nachfiehen; auh Mans
908 find hier die beften in Oberindien.
Das Elima von Multan ift fehr verfchieden von dem der
untern Indusgegenden; denn Regenfchauer befeuchten hier zu al
fen Zeiten das Land. In den trocknen Zwoifchenzeiten ift der
Staub faft unerträglich; er verdunfelte die Sonne. Mitte Juni,
in einem £ünftlicy abgefühlten Gebäude, war die Temperatur nicht
unter 30° 22° Reaum. (100° Fahrh.). Hitze und Staub
von Multan find nebft Bettlern und Heiligengräbern
das Sprichwort des Landes geworden. Der britifche Neifende
Al. Burnes hatte dafeldft neun Tage hintereinander Tornaz
dos, wie die oben befchriebenen (f. ob. ©. 50), die alle aus
Weſt, mit Blig und Donner begleitet, von dem Soliman:
gebirge her mit Staub: und Sandmaſſen ſich furchtbar ex:
boben.
Multan (Mallithan oder Mallitharun, wol die Ca—
pitale der Malli, f. Aſien IV.1. ©. 470) wird für eine der
älteften Städte des Landes gehalten; unter den Hindu Rajahs
eine berühmte Metropole, ward fie wegen ihrer Reichthuͤmer, Temz
pel, Götteridole, das goldene Haus?) genannt, das aber durch
Eultan Mahmud weidlich geplündert in Verfall gerieth (ſ. Afien
IV. 1. ©. 536 u. f.). Schon vor ihm war Multan durch den
Stamm der Anfari Araber heimgefucht, und Anfang des VII.
Sahrhunderts hatte der Zühne Mohamed Ben Kafim, hier,
die erften Mofcheen in Indien erbaut (f. Afien IV. 1. ©, 582).
Dennoch hat fih die Stadt von Zeit zu Zeit immer wieder ge:
hoben und ift auch gegenwärtig unter Runjit Singhs Obergewalt
nicht ohne Bedeutung. Früher an Kabul unterworfen, dann wie:
der feloftftändig geworden, war Multan viele Fahre hindurch das
Ziel der Plünderzüge der Seikhs, bis cs im J. 1818 zu einer
förmlichen Eroberung 23) der Stadt und Fefte Fam. Alle Schiffe
auf dem Ravi und Chinab wurden zu diefer Expedition requirirt;
22) Ebn Haukal Orient. Geogr. ed. Ouseley p. 148; Elphinstone
Acc. p. 21. 23) H, T. Prinsep Origin of the Sikh Power etc.
l. cp. 111.
Ritter Erdkunde VII. E
66 Weſt-Aſien. I Abfchnitt. $. 1.
die Lahore-Armee brach im Januar auf, erftürmte im Anmarſch
einige fefte Burgen und befegte hierauf die Stadt Multan. Die
Seftung wurde blocirt, befchoffen, erſtuͤrmt, geplündert; aber die
großen gewonnenen Schäße wollte der habfüchtige Sieger fih
nicht entgehen laffen. Nunjit Singh commandirte augenblicklich
feine ganze Armee zum Ruͤckmarſch nad Lahore, erklärte hier,
daß alle Beute Staatseigenthum fey, und an das Toſchuk—
kana (Juwelen-Büreau) ausgeliefert werden müffe. Und cs ges
ſchah wirflich, ohne Empörung der betrognen Truppen, weil fie
voll gegenfeitiger Eiferfucht, aber auch voll Furcht vor ihrem Herr⸗
fcher waren, ein einziges Seitenſtuͤck martialifcher Disciplin zu
Nadir Schahs Beraubung feines eigenen Heeres, das fchwer bes
laden mit indifcher Beute auf dem Ruͤckmarſch nach Perfien bei
Attock überfegte, wo er die Bagage der Mannfchaft jedes eins
zelnen Fahrbootes am Weftufer des Indus pfänden ließ.
Schon aus der Ferne ragen die Dome der Stadt Multan
aus den Gärten hervor, die fie umgeben. Die Feftung, unter
Schah Jehan 1640 erbaut und durch Aurengzeb verftärft,
ein irregulaires Sechsfeit von 400 Schritt (Yard) Länge, gegen
die Mordweftfeite der Stadt gelegen, erhebt fih auf einer Erds
höhe über ihr; die Backſteinmauer, an der Außenfeite 40 Fuß
hoch, mit einigen 30 Thuͤrmen vertheidigt, ift nach der innern
Seite defto niedriger, nur mannshoch, und die gedrängten Haus
fer der Feftung ragen hoch über fie hinaus. Gegenwärtig darf
fih Niemand mehr wie zuvor im Innern der Feftung anfiedeln.
Da ihr ein Waffergraben fehlt, fo hat fih Runjit Sing, obwol
vergeblich, e8 große Stummen Eoften laffen, ihr einen folchen zu
geben, was aber das Terrain nicht geftattet; auch ließ ex ihre
Mauern wieder aufbauen, die kurz zuvor bei der Erftürmung nies
dergeriffen waren. Die Ueberfchwemmungen des Chinab und
feiner Canäle, nebft den Negengüffen, verwandeln eigentlich weite
bin die Umgebungen von Multan in Suͤmpfe, die auch in der
heißen Jahreszeit fortbeftehen, und immer wieder durch die Ueber—⸗
fhwemmungsperiode neue Nahrung erhalten und vergrößert wers
den. Doc fcheint die Geſundheit der Bewohner hierdurch nicht
zu leiden.
Elphinftone fahe während feines kurzen Aufenthaltes in
Multan nur wenig von diefer Stadt, weil man fehr mistrauifch
gegen ihn war. Al. Burnes verweilte acht Tage dafelbft. In
einem Garten, der zu feinem Quartiere eingeräumt war, hatte
Indus: Syftem, Multan, die Capitale, 67
man ihn feierlich auf Elephanten, in vollem Ornat ihres Purpur⸗
famtes, reich mit Juwelen behängt, im Namen des Maha Naja
empfangen; ihm wurde ein Gefchent von 2500 Rupies gebracht
und 100 Schüffeln mit Confituͤren vorgefeßt. Auch die Stadt ift
von einer zerfiörten Mauer umgeben, die 3 Engl, Miles im Um:
fange hat, Sie hat an 60,000 Einwohner, davon ein Drittheil
Hindus, die übrigen Mohammedaner, Die Afghanen- haben
ſich mweggezogen, feitdem fie hier die Herrfchaft verloren. Von
Seikhs find nur 500 Mann hier, welche die Garnifon bilden.
Die Häufer der Stadt find fehr hoch, von Backſteinen erbaut,
viele haben 6 Stod; fie ftehen in fehr engen Gaffen. Die meis
fien Einwohner find Weber, Farber und Kaufleute. Die
prachtvollen Gewebe der Malli erregten fchon die Aufmerkfamkeit
der Macedonier (ſ. Afien IV. 1. ©. 470); es find heute noch
Baummollen- und Seidengewebe mit Gold und Purs
pur durchwirkt. Die Seidengewebe der Multaner, Kais ges
nannt, find von allen Farben, im Preife von 20 bis 120 Kupies,
doch werden fie an Feinheit von den Lungis, die in Bhamwuls
pur gewebt werden, übertroffen. Runjit Singh hat die hiefigen
Webereien dadurch ſehr gehoben, daß er an feinem Hofe nur
Multan-Gewebe zu verfchenfen pflegt. Außerdem haben fie fehr
ftarfen Abfag nah Indien, über Jeſulmer und Bifanir, auch
nach Khorafan über Kabul. Die Handelsleute in Multan rivas
lifiven in ihren Gefhäften mit Bhawulpur; doch iſt ihr Umſatz
ftärker; ihre Wechfelhändler, deren man (1832) 40 Comptoire
zählte, find insgefammt Eingeborne von Schifarpur, Die Heilis
gen» Gräber ziehen auch heute noch viele Pilger nach Multan;
eines derfelben, des Sanctus Bhawulhug, der Schugpatron
der Daud Khane, foll feit einem halben Zahrtaufend beftehen und
einem Zeitgenoffen des perfifchen Dichters Sadi angehören; es
wird für fehr heilig gehalten. Deſſen Enkel, Rukki Allum, wurde
durch Toghlut Schah (reg. feit 1325, f. Aſien IV. 1, ©. 550)
ein hoher Dom als Maufoleum erbaut. Auch ein Hindu Tempel
von hohem Alter wird hier genannt, den ſchon Thevenot ans
führt, den Al. Burnes Pyladpuri nennt, aber nicht näher ber
ſchreibt, denn er durfte ihm nicht betreten. Wenn diefer wirklich
nur, wie er von außen fich zeigte, ein niedriges Gebäude von
Holzpfeilern getragen ift, mit den Zdolen von Hanuman und dem
Ganeſa, als Wächter des Portals, fo dürfte er von keinem fehr
€2
68 Weſt-Aſien. I Abfihnit 5 1.
hohen Alter und nur von geringem antiquarifchem Intereſſe feyn,
obwol es gegenwärtig der einzige Hindutempel ſeyn foll, der in
ganz Muftan übrig geblieben. Der Islam, vordem triumphis
rend, denn Multan war vor Sahrhunderten wegen feiner Ortho:
dorie berühmt, erleidet gegenwärtig denfelben Druck, den er gegen
den Hinduismus ausgeht. Die Mohammedaner, deren doch
40,000 in Multan anfäffig find, müffen im Stillen ihre Andacht
halten. Die Seifhs unterftügen zwar ihren Handel und ihre Fa—
brifen, dulden aber nur ihren Eultus, den fie als deſſen Abtruͤn—
nige und Neformatoren haſſen. Multan iſt der äußerfte Süds
punct, bis zu welchem der Seikhs-Cultus bisher vordrang. At.
Burnes fand den erften Guru (fo heißen die Seikhs-Prieſter,
wie bei den Jainas u. a., Aſien IV. 1. ©. 742), den er fahe,
bier, in einem Sanctuarium, einem zeltartigen Obdache, an der
Erde fisen, mit einem großen Volumen vor fi) auf einer Art
Altar, Er öffnete das Buch mit denfelben Worten des Kriegs:
gefchreies, das wir oben in Umritſir angaben. Er berührte den
heiligen Codex mit der Stirn, und fogleich berührten alle Seikhs
der Verſammlung mit ihrer Stirn die Erde; dann las er den
erften Paragraph und erklärtesihn: „Ihr alle habt gefün:
digt, reinigt euch, fonft überwächft euch das Uebel.“
Große Wahrheit, große Einfaltz wie tief koͤnnte der Eindruck fol:
cher Lehre ſeyn, die dem Evangelium fo nahe zu ftehen fiheint,
wenn der Boden auf den dies Saamehforn fiele, nicht harter
Stein wäre. Das Buch war der Granth, die Bibel der Seikhs,
fo heilig, daß es nur mit dem tübetifchen Kuhfchweif, dem Tſchauri
(f. Alten I. ©. 627 u. a. O.), wie ein Eaiferliches Wefen, bes
rührt werden darf, Aber der Guru war nach der Geremonie,
ohne allen Pomp, fehr bereit daſſelbe Buch für ein paar Rupies
zu öffnen. Seine Wohnung hatte er fogar in einer Mofchee
anfgefchlagen.
Die äuferfie Grenze der. Seikhs-Herrſchaft dehnt fich gegen
Sid noch über Multan hinaus, zum Gebiet von Sinde und
des Bhawulpur Khans, dem die Südfpige des Duab gez
hört, bis Shujuabadl, Die äuferfie Grensftadt, die feine
volle 2 Stunden abwärts vom öftlichen Chinabufer, im Jnnern
des Duab gelegen ift, eine blühende Stadt mit einer 30 Fuß ho:
hen, guten Backſteinmauer umgeben, die ein längliches Viereck
223) Al. Burnes Narrative III. p. 108— 110.
Indus ⸗Syſtem, Multan, Shujuabad. 69
umſchließt, das von 8 eckigen Thuͤrmen vertheidigt wird. Das
Innere iſt, in rechtwinklichen Straßen, dicht voll Haͤuſer gedraͤngt.
Die Stadt ward erſt im Jahre 1808 durch den Nabob von Muls
tan neugebaut, und war ſchon 10 Jahr darauf, als fie den Seikhs
zufiel, ein fehr blühender Ort. Sie wurde zur Grenzfefte des
Lahore Raja erhoben. Das Land oberhalb und unterhalb der
Stadt wird von zwei breiten Canälen reichlich bewaͤſſert, ift überall
von Wafferleitungen durchfchnitten und gewährt durch feine un:
gemeine Fruchtbarkeit einen Höchft impofanten Anblick. Leider
entfpricht die fihlechte Flusfchiffahrt auf den niedrigen, flachbootiz
gen Zohrufs, die ohne Sergel find, deren Bord kaum einen
Fuß über der Waſſerflaͤche hervorragt, dem ſcheinbaren Wohl:
fiande des Landes an dem Südende des Chinab noch nicht, an
deſſen Mündungsland auch der politifche Wechſel der fich begeg—
nenden, immerhin feindfeligen Grenzftaaten, wie der Seikhs, der
Daudputras und der Amir von Sinde, Feine Ermunterung zu
einer aufblühenden Stromfchiffahrt abgeben Fan. Hier war es,
wo Al. Burnes das erfie Seikh-Lager an der Grenze die;
fes Königreiches betrat; feine Aufnahme als britifcher Geſchaͤfts⸗
träger war fehr ehrenvoll. Der Sirdar, Lenu Sing”), auf
einem Elephanten reitend, mit Gefolge, wartete feiner am Ufer
beim Anlanden des Flußſchiffes. Er war reich- gekleidet, mit Hals:
ſchmuck von Smaragden und Armbändern von Diamanten. In
einer Hand hielt er einen Bogen, in der andern den feidenen
Beutel mit den Briefen des Maha Naja, die er an der Grenze
mit Gratulation überreichte. Mach der Tandesfitte wurde der
Fremde mit dem Bogen befchenft, und der Sirdar nebft mehren
des Gefolges legten zu deſſen Füßen Beutel mit Geld, zu 1400
Kupies, und zogen fich darauf zuruͤck. Von diefer Süpdgrenze des
Seifhs Territoriums an der aͤußerſten Südfpige des Pendſchab
£chren wir zum legten der obern Pendſchabſtroͤme zurück,
25) Al, Burnes ebend, IM. p. 108.
0. WofteAfien, J. Abſchnitt. h. 1.
6. Der Behut, Bedufta (Vitafta im Sansfr., d. i. pfeils
gefhwind, Hydaspes), oder Jilum GSſcheilum).
Der Kaſchmir-Strom, das KafıhmirsGebirge
und Thal.
I. Oberer Lauf, das Alpenland Kaſchmirz jüngfter
Fortfchritt der Beobachtung.
Don dem merfwürdigen Duell Lande diefes Stromes, dem
berühmten Alpenlande Kaſchmir war fehon früherhin die
Rede (ſ. Afien I. ©. 1083—1203), und wir hatten uns bemüht,
eine nach allen damals befannt gewordenen orientalifchen wie ocs
cidentalifchen Quellen, möglichft vollftändige Monographie, wie
wir fie noch zur Zeit vermißten, und zwar eine durch alle Zeis
ten der Beobachtung hindurchgehende, vergleichende Geographie
und Ethnographie deſſelben, nebft fpecielleer Nachweifung alfer
Quellen zu verfuchen. Seitdem find jedoch wieder einige Forts
ſchritte zur Kenntniß diefer merkwürdigen Landfchaft aefchehen, die
eine reiche Ernte für die Zukunft verfprechen, und deren wir nach—
träglich hier erwähnen muͤſſen, obwol bis jegt nur noch unbefrie—
digende Mittheilungen darüber gefchehen find. Durch Runjit
Singh ift die Subah Kafhmir, im Yahre 1819, vollftän:
dig erobert und feitdem deſſen Herrfchaft einverleibt, wodurch
fie einigen europäifchen Reiſenden zugängig geworden ift, die dies
fer Despot fo großmüthig in feinen Schu nahm. Einiger No:
tisen des erften diefer Neifenden, Bict. Jacquemonts, des
Naturforfchers, haben wie ſchon früher gelegentlich erwähnt (ſ.
Ajien U. S. 1175, 1181); feitdem ift feine Privatcorrefpondenz 126)
erfchienen, die freilich nur. fehr weniges Wiffenfchaftliche, aber
doch einiges Lehrreiche über ein fo merkwürdiges Land enthält;
feine zu erwartende gründlichere Arbeit, über welche ihn der Tod
ereilte, ift leider noch nicht bis zum Abfchnitt der Befchreibung
diefes Alpenlandes uns zu Gefiht gekommen. Der zweite unges
mein unternehmende und thätige Neifende im Orient, den feine
vieljährige Wanderung glüdlicher Weife auch im Jahre 1835, auf
mehrere Monate nad) Kaſchmir führte, ift Karl Freiherr
von Hügel, ein deutfcher Maturforfcher und trefflicher Beobach⸗
ter, der die geographiſchen und naturhiſtoriſchen Wiſſenſchaften
—
#6) Wict. Jacquemont Correspondence etc. pendant son Voyage
dans Yinde (1828 - 32). Paris UI Vol. 1833,
Indus-Syſtem, der Behut, Fortſchritt. 71
wol auf eine minder anfpruchsvolle, aber defto zuverlaͤſſigere Weiſe
bereicherte, deflen ferneren gewiß lehrreichen Mittheilungen, von
deren uns fihon wenige gedrängte, aber inhaltreiche Blätter über
das Kafchmirthal ??), die uns fo eben zugefoimmen find, außer:
ordentlich erfreuen mußten, wir mit Sehnfucht entgegen fehen.
Duch H. T. Peinfep haben wir in feinem hiſtoriſchen
Werke über Runjit Singh auch einen kurzen Kriegsbericht 25)
‚über die Eroberung Kafıhmirs erhalten, und diefem ift ein neuer
Entwurf einer Karte von Kaſchmir nach den Erfundigungen
beigegeben, welche Capt. WB. Murray), der 15 Sabre hin:
durch britifcher Nefident an der Grenze der Seikhs war, zu fans
meln Gelegenheit hatte; bei der bisher fo mangelhaften topogra:
phifchen Kenntniß diefes Landergebietes ein ſehr dankenswerther
Beitrag. Hoffentlich werden die verheißenen Arbeiten Jacque—
monts, während feines fünfmonatlichen Aufenthaltes (1831) im
Kafhmirthale, noch mehr leiften, wenn fie zur öffentlichen Mit:
theilung Eommen; denn er hatte für feinen hohen Gönner, Run—
jit Singh, der ihn mit Geld und £öniglicher Autorität unter:
fügte, eine Karte von Kaſchmir in großem Maafftabe auss
gearbeitet, auf welcher alle feine Sreurfionen verzeichnet und viele
Socalitäten nach fehr zahfreichen Compaßbeftimmungen eingetragen
wurden; die Gebirgsdarftellung war zum leichtern Verftändniß für
den Herrfcher in Horizontalprojection gegeben, und die Namen
mit perfifcher Schrift bezeichnet. Die Mittheilung diefer Specials
Karte Kaſchmirs würde ein erwünfchtes Geſchenk für die Geo:
graphie fenn, wie die Kartenffizze 0), welche Baron von Hügel
von dem ganzen Kulu Kaſchmirſyſteme fohon gegeben hat,
einen intereffanten Beitrag zum Fortſchritte der Kartogras
pbie des Himalaya:Gebirges enthält.
a. Nach V. Jacquemonts Berichten im J. 1831.
Zu den wichtigften pofitiven Daten, die der franzöfifche Na:
turforſcher mittheilt, gehören diejenigen über Clima, Vegeta>
27) Baron Charles Hüget Notice of a Visit to the Hinmaleh Moun-
tains and the Valley of Kashmir in 1835 in Journal of the Geo-
graph, Society of London 1836. Vol. VI. P. U. p. 344— 349.
28) 1. T, Prinsep- Origin of the Sikh Power 1. e. p. 104 — 111,
121 — 123. 39) Valley of Kaslhımeer according to information
obtained by Captain W. Murray. 20) Kashmir and tlıe Nor-
thern Part of the Penjab.by Baron Charles Hügel 1836.
72 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt, $ 1.
tion und abfolute Meereshöhe des Kaſchmirthales;
viele feiner uͤbrigen, mitunter geiftvollen und witzigen Urtheile tra-
gen jedoch zu fehr den Stempel des perfönlichen, momentanen
Eindrucks und der individuellen Empfänglichfeit, als daß wir ih—
nen allgemeinern wilfenfchaftlichen Werth zugeftehen und fie ims
mer als Wahrheit anfprechen fünnten, wozu feine völlige Verachs
tung des Landes Kaſchmir gehört, das er im Gegenfaß fo vieler
früherhin gewiß oft übertriebenen Schilderungen nun das ärmz
lichfte Land der Welt 14) (Cachemyr surpasse toutes les
pauyretes imaginables), ohne alle Reize nennt. Vieles ift gewiß
theilweife wahr, mas er darüber fagt, wenn auch keineswegs neu
(vergleiche unfere Monographie a. a. O. und v. Huͤgels gemeffes
nes Urtheil), obwol neu in diefer totalen Verächtlihmachung, aber
eben dadurch auch wieder unwahr; überall leuchtet außer einer
Misftimmung des parifer Neifenden nicht Alles nach Erwartung
zu finden, eine gewiffe, freifcheinende, aber doch fehr gebundene,
feidenfchaftliche, ja leichtfertige, nad) origineller Auffaſſung ftres
bende Richtung hervor, zu welcher die eigene Unruhe des Reifen:
den während der politifchen Zerwürfniffe feiner Heimath nicht
wenig beiträgt, die noch dadurch vermehrt wird, daß ihm dort,
auf längere Zeit, die brieflichen Nachrichten feiner geliebten Faz
milie und Freunde ausbleiben, und er bei allem ſcheinbaren Her
roismus doch gegen die Befchwerden, welche fein Befuch im Hoch-
thale mit fich führte, zumal gegen die fehr heiße Sommerzeit, und
die mitunter nicht ganz gefahrlofen Aventüren nur zu empfindlich
sewefen zu ſeyn ſcheint. Wir falten alle wichtigeren Bemerkun⸗
sen deſſelben in Folgendem zufaminen, und glauben feinen wefent-
lichen von ihm erörterten Hauptpunct dabei zu übergehen. Die
berichtigenden Nachrichten des üftreichifchen Naturforfchers, von
Hügel, werden wir als die jüngern erſt nachfolgen laffen.
Aus etwa hundert Stück Pflanzen, die ein Kaufmann in
Sa amiz geſammelt und nach) Seheranpur gebracht hatte, von
denen J. die Hälfte auch ſchon im Himalaya im Oſten des Sfetz
ledſch wachfen fahe, und deren Höhengrenzen be ſtimmt hatte, ſagt
VB. Jaquemont, konnte er ſich über die mittlere, abſo—
lute Hoͤhe Kaſchmirs cine Dypethefe??) bilden, ehe er das
Alpenthal ſelbſt beſuchte, die auch, feiner- Meinung nach, ziemlich
genau mit der nachherigen Beobachtung zuſammentraf. Er ſchaͤtzte
#3) Y. Jacquemont Corresp. Vol. H. p. 84. 22) ebend. II. 1.57.
Indus-Syſtem, Kafchmirthaln, Jacquemont. 73
die Höhe des Alpenthales Kaſchmir zwifchen 5000 bis
6000 Fuß über dem Meere (ſ. Afien 1. S. 1145, 1148, wo un:
fere Vergleichung mit der Vorftufe des alpinen Kanawar, und
unfere Schägung zwifchen 6000 bis 7000 Fuß, angegeben war,
welches fih auch der Meffung des Barons Karl v. Hügel
nahe anfchlieft). Nach den vorläufigen barometrifchen Beobad)s
tungen, im Mai, am See, nahe der Hauptfladt Kafıhmirs, vers
glichen mit denen in Calcutta, Bombay und Scheranpur, fügt
D. Jacquemont hinzu, betrage die abfolute Meereshöhe etwa
= 5300 Fuß Par. üb. d. Meere. Der Südabhang des His
malaya 33) behalte, fagt Jacq., auf allen Höhen feinen Hindu—⸗
character; der Yahreszeitenwechfel, bis zu der ewigen Schneegrenze
hinauf, ift derfelbe wie in den anliegenden Planen Indiens. Mit
jedem Sommerfolftiz treten auch auf diefen Südgehängen die Nies
gen ein, die ohne Unterlaß auch bis zum Herbftäguinor anhalten
u. ſ. w.; daher eben der eigenthümliche Vegetationscharacter
jener Himalayahöhen, welcher dem der Europäifchen Alpen
und Pyrxenaͤen fremd iſt, die nicht unter jenen climatifcyen Eins
flüffen ftehen.
Aer Kaſchmir, am Nordabhange einer großen Schnees
fette, ift durch diefe hohe Barriere die Schneezone de
Direpenjal:Daffes, f. Aſien U. ©. 1141) vom Clima In⸗
doftans gefchieden, und hat ein eigenes Klima, das gar
fehr dem lombardifchen Klima gleicht. Die wilde Vege—
fation, wie die der Cultur, richten fi) nad) dem Gefeg der
Waͤrmeabnahme, von dem Aequator zum Pol, woraus jene fri-
here Annahme der abfoluten Höhe zwifchen 5000 bis 6000 Fuß
hervorging; die genauere damit übereinfimmende Barometerobfers
vation, nach V. Jacquemont, giebt 5350 Fuß Par,
Die itabienifche Dappel und die Platane find unter
den Baͤumen des Kafchmirthales die vorherrfchenden Formen;
die Dlatane zeigt fich hier in ihrer coloflalften Geſtalt (f. Aſien
1. ©. 1185). Die Roſen find zwar in voller Bluͤthe, aber fie
find Elein und wenig duftend (vergl. Aſien H. ©. 1183), Die
Weinrebe erreicht in den Gärten eine gigantifche Größe (am
Wohnhauſe, bemerkt J., fey ein Traubengeländer, deifen Reben
noch jung; eine derfelben mefie, unten, im Umfang fchon 2 Fuß,
und die Trauben, die er von ihnen, Anfang September, ge⸗
33) ebend. IT. pe 73. 23 cbend. II. p. 57, 138.
74 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. 1.
noß, waren fo fihön, ſagt er, wie einft die im Gelobten Lande).
Die Wälder beftichen aus Cederm verfchiedener Art, aus Tanı
nen, Fichten; ihrem Habitus und Ausfehen nach ganz denen
der europäischen Landſchaften gleich (vergl. Afien U. S. 1196),
und höher auf find es Birken, die von den europäifchen Arten
gar nicht verfchieden zu fepn fcheinen. Der Menuphar (Nym-
phaea lotus, f. Ajien 1. S. 1190) blüht auf den ftehenden Waſ—
fern, Butomus und Wafferklee (? "Trefle d’eau, wie in den Gräs
ben zu Arras) fteigen neben ihnen, mit Schilf und Zuncus-Arten
über dem Waller empor, Im Juni werden hier in meinem
Garten, fagt Jacquemont, die Kirfchen reifen, die Apricos
fen, Pfirſich, Mandeln folgen, dann die Birnen, Aepfel, Trauben
(über Oft, f. Alien IL ©. 1189). Auch gute Melonen fehlen
nicht. Die heißen Sommer find hier wie im Süden Franfreiche
diefelben, fo auch die Früchte. Das Weiter ift, jest im Mai), °
wie in Paris, nur ſchoͤner und weniger wechfelnd u. f. w. Kurz,
alles hat hier ein ungemein europäifches Anfehn 2). Nur
ſtehen die hiefigen Seen gegen die pittoresfen 'europäifchen Seen,
wie der Lago Maggiore in der Lombardei, oder gegen die Brienzer
und Ihuner Seen in den Schweizer Alpen, gar fehr zuräd; es
fehlt ihnen ſelbſt die mildere Lieblichkeit nordamerikanifcher Seen,
wie die des Lac George u. a., die ihre eigene Großartigfeit bes
fisen. Gegen alfe diefe fpielt der Kaſchmir-See eine traurige
Rolle (vergl. Afien IE ©. 1181).
Die landfchaftliche Phyfiognomie der Gebirge von Kaſch-⸗1
mir ift, wie die des Himalaya überhaupt, mehr grandios ald - ]
ſchoͤn 26); prachtvolle Contoure; aber nichts weiter (lignes magni-
fiques, voila tout; la nature n’a rien fait pour orner l’interieur;
e’est une grande bordüre qui n’encadre rien); e3 fehlen alle pitz
toresfe Einzelnheiten, welche die Europaifchen Alyen fo ungemein
anziehend machen und immer neu find. Diefes einfeitige Urtheil
wird durch den oͤſtreichiſchen Naturforfiher fpäter berichtigt.
Die fo gepriefene Snfel der Platanen ) (Tfhar
Tſchinar, f. Afien I. ©. 1183), auf der Mitte des Kaſchmir⸗
Secs, trägt nur noch zwei der Platanen, die Schah Jehan—
gir dort pflanzte, welche den einfachen, in bizarren Styl von ihm
erbauten Salon befchatten. Sie liegt vor dem Schahlimar
135) V. Jacquement Corresp. IL p. 74. ss) gehend. p. 82.
7) chend. 128.
Indus-Syſtem, Kafhmirthal n, Jacquemont. 75
G. Afien U. &. 1168, 1182 u. a. D.) mit feiner Avende fchöner
Dappelbäume. Nichate bagh, ein anderer Luftgarten (f. Afien
U. S. 1183), mit feinen Schattenwäldern, zeigt fich von ihr wie
ein fchwarzer Waldfleek in der Ferne, am Fuß brauner Gebirge.
Ihr gegenüber liegt Saifkan-bagh, jest nichts als ein Bald
‚gigantifcher Platanen, in deifen Mitte die Eleine Moschee, in der
ein Barthaar Mohammeds von den Pilgern aus Indien und
Perſien angebetet wird. Dahinter erhebt fih der SalomonsThron
mit feiner Mofchee (ſ. Afien I. ©.1168). So ift das Panorama,
das den See umgiebt, nur reisend für den Kafchmirer, für den
Europäer nicht, nah Jacquemonts veraͤchtlich raifonnirender
Manier. Am zweiten Tage feiner Ankunft in der Capitale Kaſch⸗
mirs, hatte V. Jacquemont die erfie Zufammenfunft mit dem
Sandesgouverneue im Shali:bagh 38), welches er das Petit
Trianon der früheren Mongholen Kaifer nennt; zwei Lieues fern
von feinem Gartenpavilfon gelegen, der ihn über dem Ufer des
‚Sees zur Wohnung eingeräumt war. Nacd) der Leberfchiffung
des Sees erwartete ihn dort ein fejtlicher Empfang, mit Muſik
und Tanz. Die prachtvollen Bäume, der grüne Raſen der nas
hen Ebenen und Hügel, das bläuliche Gebirge mit weißen Schnee:
hoͤhen zogen ihn hier, gefteht ex felbft, zwar an, aber die Muſik
und die Kafchmir-Tänzerinnen, dunfelbrauner und fehwärzer feldft
als die in Sahore mit ihren monotonen Taͤnzen, zeigten, fagt er,
‚wenig Reiz für ihn. Alle Fefte dafeldft waren, wie wir gern eins
räumen, von gleicher Art. Seine eigene Wohnung lag dicht am
See im Schatten fihöner Platanen von Lilas und Roſengebuͤſch
umgeben, das aber Mitte Mai noch nicht bluͤhte. Späterhin
wurde der Sommer fehr Heiß 39); täglich fandte ihm der Gous
verneur zur Erquickung Gefrornes; aber weder died noch das tägs
liche Seebad, am Abend nad) Sonnenuntergang, vermochten et
was gegen die ſchmaͤhliche Iageshige; denn auch im See war
es am Abend wie in heißem Waſſer. Diefe furchtbare Hige
fey übrigens Kaſchmir nicht eigen, fie trete hier nur Ausnahme;
weife ein, wenn der periodifche Regen ausbleibe (ſ. Afien IL.
&.1188), wie in diefem Jahre, 1831, wo die Flüffe%), die von
den Regenguͤſſen erſt vollufrig werden follten, ſchon feit dem Juli
troden lagen, wodurch natürlicy große Noth im Lande verbreitet
3®) ebend. 11. p, 52. »») ebend. IE, p. 87, 106. “0) ebend.
U. p. 127,
76 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 9 1.
ward. Etwas befriedigter ſcheint der franzoͤſiſche Naturforſcher,
wegen Entdeckung neuer Producte, von ſeinen Excurſionen in die
nordoͤſtlichen Hochgebirgel®!) an der Grenze von Ladak
(das er ftets Klein: Tübet nennt) nach Kafıhmir zurückgekehrt zu
feyn. Nach feinem Briefe, vom 26. Aug., fand er es dert uns
gemein kalt und ftürmifchz; er befand fich in einem Hochthale,
das 20 Lieues lang ift, und einem GebirgssChef angehörte, der
feine Burg verlaffen hatte, um mit feinen Reitern ihn zu fihügen,
falls er etwa durch Fleinstübetifche Naubhorden, die nicht felten
zum Plündern der Karamanen von der Mordfeite der Gebirgs⸗
kette herüberftreifen, angefallen werden follte. Zacquemont
nennt das Thal micht, aber den Chef wol, der ihn mit Thee tracz
tirte, während er ſich herablieg mit dem Führer des Reiſenden
zu fpeifen. Er hieß Roffoul Mallick; es war ihm um Fürs
fprache bei dem Beherrfcher des Landes, bei Runjit Singh, zu
thun, in deffen hoher Gunft zu ftehen fi) fihon längft das Ges
rücht über Jacquemont verbreitet hatte. Aber eben dieſes
würde ihm öfter, ohne befonders glückliche Wendung, zum wah—
zen DBerderben gereicht haben; denn, bemerkt Jacquemont
ganz wigig und wahr), bei afiatifchen Herrfchern nehme ihre
Macht der erecutiven Gewalt von dem Sitz ihrer Nefidenz, inf
andere Raͤume, nicht blos wie das Duadrat, fondern wie der
Eubus der Entfernungen ab. Der Gebirgs-Regulus, N ofs
ſoul Mallid, fagt Jacq., habe zwar eine flarfe Gavalcade
bei fih, aber er fey ein armer Teufel, der durch die harten Er—
preffungen des Vicefönige von Kaſchmir noch zum KHungertode
gebracht werden würde. Im größten Nothfall möge er zwar mit
feinen 200 Musfeten revoltiren; aber länger ald 6 Monat fönne
er fich doch nicht haften. |
Wieder aus dem Hochgebirge zuruͤckgekehrt (1. Sept.), machte
ihm diefe Ercurfion zue Grenze zwifhen Kaſchmir und
Klein:-Tübet, bis auf die Höhe der Wafferfiheide, zwi]
ſchen Hydaspes (zum Behut) und Indus (San Du in Bak
tiſtan) nicht wenig Freude; nur fey ed fehe ſchwer, meint er, hier
die primitiven Kalfgebilde von den fecundairen zu uns
tericheiden (vergl. Afien IL &. 1186). Auf der Wafferfcheidehöhe
campirte er, im Hochthale, wo er einen See entdeckte, der bisher
in Kaſchmir noch unbefennt war, und deſſen Seen alle an Tiefe J
243) V. Jacquemont U. p. 133. 22) chend, p. 22.
Indus-Syſtem, Kaſchmirthal n. Jacquemont. 77
übertraf. Mit neuen Pflanzen Eehrte er zuruͤck, und bereicherte
auch die Zoologie mit ganz neuen Ihierarten, zumal mit einem
völlig unbefannten Murmelthiere, mit einem Bären, ei
ner Art Gemfe u. f. w. Späterhin fchiete ihm Roſſoul
Mallick noch allerlei Thiere, wie gewaltige Bären und eine, wie
er meint, neue Art Panther nach, welche diefer durch feine
bärtigen Afghanen-Jaͤger für feinen Schüsling hatte erlegen lafz
fen. Der benachbarte König von Ladakh, Ahmed Schah,
aber, der Wind von diefen Fremdlinge befommen hatte, und
ihn, dem Gerüchte nach, für einen Epion der Briten hielt, von
denen er, feit Moorcrofts früheren Befuchen in Leh (ſ. Aſien
1. S. 554), wähnte, fie würden wol nach der Befisnahme Kafıhz
mirs trachten, ſchickte ihm Briefe #) und fchlaue Gefchäftsträger,
um ihn feiner Freundfchaft zu verfihern und zum vorans mit
ihm Allianzen gegen feine gehaßten Nachbarn, die Seiths, zu
fchliegen. Statt auf deſſen gefährliche Inſinuationen einzugehen,
als deren Veranlaffung Jacquemont dem frühern Neifenden
Moorcroft, wegen feiner Anmaßungen als britifcher Envoye
dort umhergewandert zu feyn, die bitterften Vorwürfe) macht,
wodurch diefer feine Regierung fehr compromittirt habe, rieth
Jacquemont dem Könige, fehr gut, als Zeichen der Freund:
haft, ihm fo viel feltene Ihiere feines Landes als möglich
zu ſchicken. As V. Jacquemont fpäter, am Nordufer des
Uller:Sees, der durch ſein Wild und Geflügel an der Mord:
weftfeite des Kaſchmirthales befannt genug ift (ſ. Afien I. ©. 1156
bis 1158), bei Bondehpore campirte, überrafchte ihn, in dortiz
r Wildniß, fo nahe der Tübetgrenze, eine fehr zahlreiche, ziem⸗
lich zweideutig coftümirte Embaſſade feines neuen, politifchen
Freundes, die ihm aber anfänglich wahren Schreden erregte, da
nichts leichter fchien, als daß er von diefer aufgehoben und als
eißel nach Ladakh geführt werden würde, deſſen Grenzgebiete ex
ganz nahe war. Der Anführer brachte jedoch von feinem Ges
bieter, Ahmed Schah, an 40 Zagdthiere, welche derfelbe für
den Maturforfcher aufzujagen geboten hatte; fie waren aber faft
alle fchon todt, und die meiften ganz unbrauchbar geworden; doch
befanden fi) auch 2 noch lebende junge Antelopen dabei, die
anz willfommen fchienen; ferner andere Gaben wie ein Königs:
Kleid, zum Gefchent, aus den feinften Daunen diefer Antelopens
#3) ebend, IT. p. 96, 139 —145. 24) ebend. pı 97.
art; 8 große Säde gebadnes Obſt, zumal Aprikofen, und 3
große Blöcke Bergeryſtall (ſ. Mien I. S. 628), der in Kaſch—
mir fehr zierlich zu Schaalen verarbeitet wird. Ob noch andere
boͤsliche Abfichten mit dieſer Sendung verbunden waren, aus de—
nen ſich Jacquemont nur durch ſeine diplomatiſche Schlauheit
herausgewunden haben will, laſſen wir auf ſich beruhen. An bit—
tern Ausfällen gegen feinen verdienten Vorgaͤnger Moorcroft!#),
läßt es der Reiſende von neuem nicht fehlen, verfichert aber dabei,
der König Ahmed Schah von Ladakh fey fehr von feinen
Unterthanen geliebt, von feinen Feinden gefürchtet, feit einigen
Sahren vom nominellen Tribut an China befreit; feine Armuth
und das Hochgebirge würden ihn wol gegen Runjit Singhs
Ueberfälfe hinreichend fchügen.
Wir Echren zur freilich nur fehr fragmentarifchen Characteriftz
rung der Bewohner des Kafchmirthales zurück, die, nach Jac—
guemonts Urtheil, in einem ſehr ſchlechten Lichte erfcheinen,
das wol in verftärkten Farben aufgetragen, leider jedoch daſſelb
ift, welches fchon früher aus dem Hergang ihrer Gefchichte ſich
entwickeln ließ (f. Aſien U. ©. 1178 u. a. O.).
Die Nace der Kafhmirer*) ift fehr fchön, ungeachtetfl
feit langem ftets eine Ausfuhr ihrer Schönheiten Statt findet,
Die Vornehmen fieht man freilih nicht, da fie das ganze Jahr
eingefperrt leben. Die gemeinen Weiber find meift fehr haßlich,
und viele fehen den Hexen gleich; die Eleinen Mädchen, die einis
germaßen huͤbſch zu werden verfprechen, werden alle ſchon vom
Sten Jahre an, von ihren Eltern in das Pendfchab und nad) J In⸗
dien verhandelt, jedes für 20 bis zu 300 Franken. Alle Diene
rinnen im Pendfchab find ſolche Sclavinnen, die freilich oft nicht
unmild behandelt werden, wenigftens eben fo wie die Weiber im
Harem von ihren Männern, die oft roh genug mit ihnen umge
ben. Uebrigens find die Kafchmirer das faulfte Volk geworden;
wer freilich auch noch adern, fiihen, rudern, oder fonft wie den
ganzen Tag arbeiten wollte, würde döch am Abend vor den Tau
fenden brutaler, flupider Seikhs, die überall mit dem Säbel in
der Fauft und Piftolen im Gürtel umherziehen, nicht ruhig fei
Abendeſſen genießen Eönnen, Diefe treiben das zahlreiche und f |
ingeniöfe, aber feig und faul gewordene Volk vor ſich herum, wi
Sp —— I. p. 1414 - 146. **) ebend. II. p. 57, 61
”
*
Indus-Syſtem, Kafchmirthaln, Jacquemont. 79
eine Heerde Schaafe. Die Kaſchmirer find alle Spitzbuben; wie
ein Kafchmirer lügen, ift ein befanntes Sprichwort; die ärgften
Sügner follen die Eicerones in Kaſchmir felbft feyn. Von einem
frühern, independenten Zuftande diefes Gebirgsvol£s ift Feine Spur
mehr vorhanden; nur die Landesannalen fprechen davon; einige
Nuinen erinnern daran. Ihre maffive Structur und der Styl
ihrer Ornamente zeigen aber ihren Hindu Character (f. Afien I.
&. 1181). Auch find noch einige Spuren von öffentlihen Baus
ten, aus jener frühern Zeit vor der Einführung des Islam da;
aber wenige. Alles was fpäter von den Delhi Kaifern herrührt,
ift anderer Art; diefe haben aus den Landesabgaben nur Paläfte
für fi) gebaut, nichts für das Land gethan, Feine einzige Brücke
angelegt. Von ihnen rühren nur Schlöffer, Kiosks, Mofcheen,
Maufoleen, Cascaden, Fontainen und Gartenanlagen her. Die
Sprache ift ein rauher Gebirgsdialect, voll Kehllaute; den Na:
- men der fchönen Lalla Ruckh, meint Jacquemont, fönne
|
Eein Pariſer richtig ausfprechen, wenn er ſich nicht fo ftellte als
wenn ihm eine Gräte in der Kehle ſteckte. Durch Afghanen und
Seikhs fey das ganze Land verheert und zerfiört.
Den Weg aus Kafhmir über Cadath 2) nah dem‘
Pendſchab zurück zu nehmen fey zu gefährlich, denn wenn man
in Kafchmirs Ihälern feloft auch nur etwa einer Escorte von 50
Mann bedürfe, fo würde dort ein Geleit von 500 nothwendig
ſeyn. Den Heimweg) nahm Zacquemont vom Jilum
über Mirpur, wo das Gebiet des Naja von Jummo,
Gulab Singh, beginnt, der ihm befreundet war. Hinein ging
er über Berali, das in einer pittoresfen Yandfchaft liegt, aber
von einem Raub-Chef, Neal Singh, unficher gemacht wurde,
Bon da führte ihn der Weg über Koteli, Kohutah im Bes
lars Thale, wo er raftete, um fih für den folgenden Tage:
marſch zur Ueberfteigung des Gebirgspaffes, der Col de Prunch
genannt ward, vorzubereiten. Diefer Paß feheidet die Vorberge
der Gebirgsmaffe vom Kaſchmirthale; ihn nahe Tiegt die Berg—
fefte Ouri. Diefen Col zu pafliven, fagt Sacquemont, fey
nur ein Spaß; obwol noch mit Schnee bedeckt (7. Mai), war er
doch nur,halb fo hoch als die tübetifhen Päfle, die er früher
überftiegen hatte, Den 8. Mai rüdie er indie Stadt Kaſch⸗
mir ein. 6
27) ebend. II. p. 57. *®) ebend, p. 22, 48, 51, 52.
80 Heft: Afien. J. Abſchnitt. F. 1.
Nah fünfmonatlihem Aufenthalte folgte Jac⸗
guemont der Einladung des Gebirge-Raja Gulab Singh,
ihn auf dem Näcdweget9) in feiner Nefidenz zu Jummo zu
befuchen, um von da die reihen Salzminen von Mundi (f.
Afien IL. ©. 1075) zu fehen, und dann nad limritfir zu
Runjit Singh zurücdzufehren, der ihn zu einer Revuͤe eingeladen
hatte, und mit dem Plane umging, ihn zum Gouverneur von
Kaſchmir zu erheben, wofür fih der Keifende indeß, mie er bez
merkt, fchön bedankte. Yacguemont war am Sten Sept. noc)
zu Baramule (f. Aften I. ©. 1147, 1159), als die falten
Nächte und die frifchen Morgen ſchon den Eintritt des Herbftes
verfündeten, der ihn an Frankreich erinnerte, obwol die Mittags⸗
fonne im Alpenthale doch noch weit wärmer frahlte, als in feis °
nem DVaterlande, Bon Kaſchmir am 1Y9ten Sept, mit feinen
naturhiftorifchen Sammlungen, zu denen auch die vollfiändigen
Fischarten der Kafıhmirgewäfler für Cuvier in Paris gehörten,
begann er feinen Marfch über das Gebirge des, wie er fügt, .
rechtfchaffenen Raja von Radjouri, deſſen Gebiet im
S. W. des Thales, zwifchen den Hauptthälern des Behut im
AB. und des Chinab IM SL. liegt. Sein Plan war, von
da direct gegen S.O., über das Gebirg den nädhften Weg nad
Summo zu ziehen, der freilich nur zu Fuß, oder höchftens für
Dferde, gangbar feyn follte. Er fand ihn aber bei näherer Kennt:
niß doch zu befchwerlich, und 309 es daher vor, die befanntere
Straße, mehr weftwärts, nah Bember (f. Alten I. ©. 1139)
zu nehmen, das ſchon am Fuß des Gebirgs und am Eingang
der Pendſchab-Ebene liegt. Aber zu Nadjouri und noch
höher auf, zu Tanna, hatte er ſchon wieder das ſchwuͤle
Clima der Hindu-Plaine getroffen. Rom Gipfel des Piz:
repenjal (f. Aſien U. ©. 1141) war er in einem Tage nach
Tanna hinabgeftiegen. Diefen fchnellen Wechfel der Lufttempe-
ratur Eonnten weder die Antelopen noch die Menfchen ertragen ;
beide Antelopen ftarben; zwei feiner Gefährten desgleichen, und
viele erkrankten am Fieber. Bon Bember hatte Jacquemont
drei forcirte Tagereifen, jeden Tag zu 14 bis 15 Stunden, durch
fein fehr hohes, aber fehr wildes, gefahrvolles Gebirgsland zurück
zulegen, deſſen Bergbemwohner noch nie von Runjit Singh befiegt
waren. Sie flürzen wie Klephten, oder Raub: Bergfchotten der
14°) V. Jacguemont II. ps 137, 149, 153, 156, 162.
Indus-Syſtem, Kaſchmir⸗Gebirge n. v. Huͤgel. 81
fruͤhern Zeit, aus ihren Kluͤften und Hochgebirgen hinab in die
Thaͤler, und bringen den Durchziehenden Verderben. Erſt auf
dem Oſtufer des Chinab fand Jacquemont wieder Sicherheit,
im Gebiete des Raja von Jummo, der ihn voll Freundſchaft
bei ſich aufnahm. Er erreichte dieſe Bergreſidenz am Aten Dctos
ber 1831,
b. Nach Karl Freiperr von Hügels Berichten im J. 183650),
Durch die genauere Beobachtung K. v. Hügels, und deffen
Kartenfkisze, erhalten wir einen höchft intereffanten Beitrag zur
Kenntniß der Gebirgsbildung des Kulu Kaſchmir His
malaya, vom Sfetledfch bis zum Kaſchmirthale und zum In—
dusdurchbruch Hin, über welche wir früherhin noch fehr wenig
unterrichtet geblieben waren (ſ. Aſien IL. ©. 1061). Es ergiebt
fih naͤmlich aus feiner Beobachtung, daß in diefer Strede, der
Meftfeite des Himalaya-Syſtems, gegen die der Oftfeite vom
Sferledfh, in der Phyfiognomie diefes großen Alpengebirges
auch fehr veränderte Contoure eintreten, fo, daß man dies
fen Abſchnitt zwifchen den beiden genannten, durchbrechen;
den Flußthalern ESſetledſch und Indus, f. Aſien I. ©. 586),
allerdings das Uebergangsglied von dem eigentlichen Hima—
laya (f. Aſien I. ©. 741— 1061) zu dem Hindu Khu nennen,
koͤnnte. Auf diefe Berfchiedenheit, welche vorzüglich in der
veränderten Natur der Mittel: und Bor-Ketten ber
fteht, die hier nicht mehr eine zufammenhängende, hohe
Schneemauer, mit zahllofen riefenhohen Schneepiks gekrönt,
darftellt, fondern vielfachere Unterbrehungen als im
Dften darbietet, wodurch auch in den Kettenzügen mannichfa-
chere Sliederungen hervortreten, haben wir fchon früher hingedeu:
tet (f. Afien I. ©. 1062). Baron v. Hügel, der am Süd:
weſtfuße diefer Borfetten das ganze Pendfchab, von S. O. ger
gen N.W., von Belaspur am Sfetledich über Yommu am
Chinab,, bis zum Baramule am Zilum, durchzog, beftätigt aber
diefe Unterbrechungen, und zeigt die Natur der Gliederuns
gen der Vorder: und Mittel-Ketten näher an, welche hier
#0) y. Hügel Notice of a Visit to the Himmaleh Mountains and the
Valley of Kashmir 1835. in Journ. of the Geogr. Soc. 1. c. Lon-
don 1836. Vol. VI. 2, p. 344—349; deſſ. Map of Kashmir on
the Northern Part of tlıe Panjab 1836,
Ritter Erdkunde VIL,
82 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6. 1.
keinesweges mehr in fo gleichartiger, faſt ſymmetriſcher Weiſe aufs
fieigen, wie im Often, wo die vorderften in der Regel nur niedrige,
die mittlern ſchon ſchneehohe Piks find, und die dahinter liegen—
den der Hauptfette noch gewaltiger und maffiger fich erheben.
Hier wechſeln die abfoluten Höhen der Vorder— und
Mittel:Kerten eben fo fehr, wie ihre Maflen unzufams
menhängend werden, plöglich abbrechen, nur hie und da noch
von einzelnen Piks gekrönt find, die ſich dann ganz ſpeciell ſigna—
fifiren, und durch mehr oder weniger breite Lücken durchfegen-
der Flußthäler weit auseinander gerückt werden, Nur die hin—
tere Hauptkette des Himalaya, das Grenzgebirge gegen.
Leh, oder Ladakh, von dem Paralafa nordweftwärts bis Kafıhs
mir, zum Cantal (f, Afien I. ©. 1062), fiheint feine Verändes
rung zu erleiden; doch verfchwindet in diefer neueften Darftellung
diefer legtere, gewiß längft fchon veraltete Namen ganz aus
dem Munde der Landesbewehner, und an feiner Stelle wird diefe
ganze innere, hintere Hochkette, das Grenzgebirge an
der Nordoftfeite von Kafhmir, gegen Ladakh, welches ganz
in derfelben Streichungslinie der Paralafar Kette gegen
N.W. liegt, mit dem Namen des Tübet Panjahl bezeichnet.
Sene einzelnen Gliederungen der Mittels und Vor—
fetten erhalten aber, nach ihren Hauptſtoͤcken, in die fie grup-
pirt fich zeigen, ihre neuen Namen. Zwar find fie felbft noch
nicht näher unterfucht, fondern nur erſt aus der Ferne der Pends -
fihabsbene, oder dem Fuß der Vorketten, oder von einzelnen Paß—
höhen erfpähet, Doch kommt unfere nun ſchon genauere Kennt:
niß der obern Pendſchabſtroͤme, nebſt ihren Localitäten (ſ. Afien
U. S. 10611082), fo wie die verbefferte hydrographifche Karz
tenzeichnung zu Huͤlfe, um fih in diefem mannichfacher gruppirs
ten und durchbrochenen Abfchnitte des Alpengebirgslandes, bis zum -
Kaſchmirthale hin, hinreichend zu orientiren. In das Kafchnir-
thal drang der Meifende felbft ein, und theilt uns am Schluß
feines Berichtes einen Furzen Ueberblick von deffen allerneueftem
Zuftande mit. Hier die Hauptdaten.
4) Das Gebirge zwischen. Sfetledfh und dem obern Chinab 1,
R Auf dem Nordufer des Sfetledfch, von Belaspur
an, nimmt der Himalayazug eine etwas gegen Nord veraͤn—
":ı)v. Hüge 1. c. VI. p. 344 — 345,
Indus-Syſtem, Kafhmir=Gebirge n. v. Hügel. 83
derte Hauptrichtung an, nämlich gegen N.W., die er auch beibe-
hält, bis zu dem Sndusdurchbruch, unter 35° N.Br., wo feine
Direction wieder mehr weftlich wird, gleihfam eine Curve
bildend, woraus, mit dem Anfange des Hindu Khu jene fcheins
bare Projection gegen das Afshanifche Kabuliftan hervortritt und
die verhältnißmaßig viel größere Ausweitung des Kaſchmirthales,
eine Configuration des dortigen Bodens, von welcher ſchon früher
die Nede war (ſ. Afien U. &. 1083 u. f.). Sobald der Neifende
vom Nordufer des Sfetledfh, an der genannten Stelle, weiter
geht, verfchwindet feinem Auge jene vom Ganges und Yamuna
her ihn ſtets begleitende, endlofe Reihe von Himalaya: Pits, die
fih alle bis zur Schneehöhe erheben. Von nun an zeigen fich
nur noch theilweife abgelöfte, einzelne Berge, welche die Schnee:
höhe erreichen, und die theilweife von niedern Ketten und tiefen
Spalten durchfegt werden, deren einige auch als fehr breite Thaͤ—
ler die Bergmaſſen weit auseinander fihieben. So treten big
zum obern Chinabthale zwifchen Kifchtewar bis Sommu
(f. Afien U. ©. 1078, 1081), drei verfchiedene, von einander zu
unterfcheidende Bergftöcfe auf, von denen zwei, Mori und
Baldewa in den Vorfetten, eine die Santch mit dem Se:
ricot, in der MittelzKette, liegen. Der hintern Hauptfette des
PDaralafazuges (ſ. Alien I. ©. 553, 577, 1062) wird hier
von der Pendfchabebene aus gar nicht erwähnt, weil derfelbe
wahrfcheinlichft von diefen Vorketten gedeckt wird.
1. Der Mori-Alpenftocd zeigt ſich zunächft im Norden
von Belaspur, unter den Vorketten als die größte Maffe derfel:
ben, die von ©.D. gegen N.W., an 7 geogr. Meilen (35 Miles
Engl.) weit fireicht bis Nurpur (f. Afien I. ©. 1076), und ge
gen die Oftfeite diefer Stadt ploͤtzlich abftürzt. Diefer Alpenſtock
ift in 3 Gebirgsgruppen getheilt, deren böce Gipfel, von S.Q.
gegen N.W., die Namen Mony Mäs, Kidar, Gaurazig,
Mondobri Katiba (Katiba, d. h. Berg) I von denen
der erfte auch der höchfte zu ſeyn feheint. Die übrigen find mehr
oder weniger zugerundete Gipfel, die zulegt in eine lange, grade
Linie, von gleicher Höhe auslaufen, die nur noch in ihren Berg:
ſchluchten Schnee herbergte. An ihrem Suͤdweſtfuß brei ſich,
gegen das Nordufer des obern Beas, an welchem Kangra, Na
daun, Iwola Muthi und andere Drte (f. Afien I. ©. 1073)
liegen, eine mit Wald⸗Jungle überwachfene, unbebaute, weite Ebene
aus, welche Zamber Kidar genannt wird,
84 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $. 1.
2. Die Santch-Berge bilden den naͤchſten Alpenſtock im
Norden von jenem Mori, weit hoͤher als dieſer; ſie gehoͤren den
Mittelketten anz fie ſcheiden die vordern Beas- und Ravi—
Quellen, die von ihrer Suͤdweſtſeite ablaufen, von den Chandara⸗
bagha⸗ oder Chinab- Quellen, die ihren Nordoſtgehaͤngen entquel⸗
fen. Das hinter diefer Santch-Kette liegende Hochthal
des Mond» Fluffes, von Tandi abwärts, gegen N.W., bis Tir
fafnath, hat Dr. Gerard durchwandert; Kifchtewar, das mol
am NMordweftende diefer Kette, am Durchbruch des Chinab zu
liegen fcheint, bezeichnet ihre nordnordweftlihe Streichungslinie
und ihren Nordabfall (f. Afien II. S. 1068) nad) einem Verlauf
von mehr als 4 geogr. Meilen (20 Miles). Ihre höchfte Spige
wird Sericot (wol SrisKote, der heilige Fels) genannt, eine
feltfam geftaltete Ppramide, die von Nurpur aus gefehen gegen-
MD. und N.6.D: liegt.
3. Der Baldewa oder Rumnuggur (wol Rama na:
gara, d. h. heilige Rama) tritt in Weften von jenen Sant,
innerhalb der Worfetten, gegen Jommu's Pendfchabebene, wies
derum als ein fehr hoher, obwol ganz ifolirteer Schneeberg.
hervor; fein Gipfel hat eine Plaine mit einer darauf ftehenden
regulairen Erhoͤhung. Da er der PDendfchabebene unter allen
Schneebergen zunächft fteht, fo feheint er von da auch der höchfte
Hiefe der Kette zu feyn, wie j. B. in dem Panorama von Vir
zierabad aus, mas er aber übrigens gar nicht iftz denn beim
Eintritt in die Berge verfehwindet feine Höhe unter den übrigen
ganz. Von Nurpur aus liegt Baldewas Hochgipfel gegen
PN MW. Zwifhen ihm und den Santch geht, direct, auf
Kifhtewar, die Eürzefte Neiferoute nach Kafıhmir; aber diefe
ift feldft für Pferde nicht gangbar, alfo nur für Fußgänger
tauglich,
2) Das Gebirge zwifchen Chinab und Indus 152),
Hier laffen fich noch fechs, mehr oder weniger gefonderte Als
penftöce unterfcheiden, die fih unmittelbar mit den Kaſchmir—
fetten verbinden.
4. Tricota, oder Tricota Devi (Heiliger Drei⸗Gottes⸗
berg), dicht am Nordufer des Chinab, im Norden fiber der Stadt
»#?) v. Hügel Notice in Journal of the Geogr. Soc. I. c. VI. *
p. 314 — 345.
Indus⸗Shſtem, Kaſchmir-Gebirge u, v. Huͤgel. 85
Jommu ſich unmittelbar erhebend. Er] ift der letzte der] ifo:
tirten Schneepifs, die unmittelbar uber der Dendfchabebene
'auffteigen; von der Weſtſeite gefehen, ein prachtvoll geffalteter
Berg, mit 3 Spigen, deren höchfte in der Mitte thront. Won
der vorliegenden Ebene ift er nur durch niedere Ketten gefchieden;
Tricota it auch der niedrigfte jener ifolirten Schneepifs, und
daher leicht begreiflich, daß zuweilen der Schnee, wenn auch nur
felten einmaf, ganz von ihm verfchwindet. Mordwärts diefes
Tricota folgt eine fehe große Depreſſion, eine breite Lüde
im Schneegebirge. Doch kann diefe eigentlich nicht vom
Pendſchab aus gefehen werden, weil die Hauptkette des tübetifihen
Himalaya dann den Hintergrund diefer Lücke mit ihren Maſſen
(die Paralafa) ausfüllt. Ein prachtvolles Ihal, das Nas Dun,
liegt am Weftfuße des Tricotaz es führt aus den Vorfetten von
Summo som Chinab, an einem feiner Gebirgszuflüffe, der vom
Norden herkommt, aufwärts, auf der Eürzeften Route, nach dem
Suͤdende Kaſchmirs, über den Kulnarwah Panjahl (dans
jahl oder Panſahl, d.h. Paß in der Kafıhmir Sprache).
Dies ift wol derfelde Weg, den V. Jacquemont wegen zu
großer Befchwerlichkeit nicht nehmen wollte; die von G. For—
fier (1783) von Jummo aus genommene Route feheint es jedoch)
auch ind zu feyn (ſ. Afien I... ©. 1080).
5. Der Ratan Panjahl erhebt fih in NEM. des Tri
cota Devi; er erreicht zwar die ewige Schneegrenze nicht, ſteigt
aber doch bis zu. 11,600 Fuß üb. d. M. anf. Er liegt in den
Borketten, über den Orten Radjouri und Tanna an feinem
Süpweitfuße; ihm gegen Welt entfließt der — *
der an Prunch Moonch auf Al. Burnes Map) voraber in
die PDendfchabebene zum Jilum zieht.
6. Der Pir Panjahl Pirepenjal, ſ. Aſien IE S. 1139)
geſondert von dem vorigen, gegen N. N. O., den Mittelketten anz
aehörig, bildet zwifchen 73 bis 75° 0.8. v. Gr. eine enorme Maſſe
son Schneegebirgen,, die in den feltfamiten Sinuofitäten fortzies
ben. Diefelben Schneegebirge treten nun aber immer weiter von
der Plaine des Pendſchab zuruͤck. Der Zilum findet in ihnen,
durch einen engen Spalt, feinen Ausweg aus dem dahinterliegen:
den Kaſchmirthale hindurch, und an feiner rechten Uferfeite liegen
die Baramule:Berge, deren Paflage von der Kabulfeite ſchon
aus früherem bekannt ift (f. oben &. 80). Durch die Kamfir
Berge fichen fie, fagt ©. Hügel, mit den Gebirgen von
6 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. & 1.
Attock am Indus in Verbindung. Hinter ihnen, d. h. an ber
Oſtſeite diefer Züge, weitet fich, zwifchen ihnen und der innerften
Hauptfette, gegen das hohe Tübet hin, das Thal von Kaſch⸗
mir ans,
3) Der Tübet Panjahl, oder die innere Hauptfette des Himalas
Syſtems.
Sie ſtreicht vom Paralaſa immer gegen N.W. in gleicher
Direction fort, an der Nordoſtſeite des Kafhmirthales, |
auf dem rechten Ufer des obern Behut (Jilum), oder Kaſch⸗
mirſtroms hin, und ſcheidet Mittel-Tuͤbet, oder Ladakh, und
Klein-Tuͤbet (Baltiſtan) im Oſt, von den Kaſchmirthaͤlern
im Weſt. Der Kiſchen Ganga iſt der letzte der Induszuſtroͤme
der ihrer Weſtſeite entquillt, denn dann wird auch fie von dem
obern Indusſtrome felbft durchbrochen. Die erfte, neue Benen—
nung der ParalafarHöhen, die v. Hügels Beobachtung aufführt,
zeigt fich in N.O. von Kifchtewar, wo die beiden höchften Puncte
der ganzen Tüber: Kette, Mer und Ser!3), genannt werden
(zwifchen 33° 30° und 33° 40! N. Br.); zwei Pyramiden, weiß
und ſchwarz von Anfehn, fcheinbar einander nahe gelegen, von
gleicher Höhe, die, von der Daßeulmination des Pir Panjahl aus
gefehen, in unbefchreiblicher Majeftät fich Uber der weit ausgebreis
teten Schneeregion erheben, und, nad) v. Hügels Urtheil, zwiz
fhen Sfetledfh und Indus als die erhabenften Gipfel erfcheinen.
Diefelden zwei Pyramiden erbliet man fehon fern aus der Ebene
des Dendfchab bei Bizierabad, den Spalt des Chinabthales
aufwärts, in der Direction N. 55 O. und N. 57 0., an 8 geogr,
Meil. in S. O. des füdöftlibften Endes des obern Kaſch—
mirthales. Auf der früherhin fehon gerühmten Map of the
Countries north of the Sutluj, in Brewster Edinb. Journ. of Sc,
1824 Vol. I, zu Al. Gerards Yournal, der einzigen, welche
über diefe Gebiete fo ungemein lehrreich (f. Afien H. ©. 554,
1073 u. a. O.)59 und mit v. Hügels Angaben zu vergleichen
ift, find diefe Gipfelhöhen zwar angedeutet, aber namenlos geblies
ben, und zur mächtigen Gebirgsfette des Pariyat an der Mords
grenze des Bergftaates Chamba (f. Afien I. ©. 1077) gezogen.
"#2) y. Hügel Notice I. c. p. 346. ° °*) Bergl. H. Berghaus
Geograph. Memoir zur Erklärung und Erläuterung der Special
Karte vom Himalaya (Nr, 10. von Berghaus Atlas von Aſien).
Gotha 1836. 4. ©. 5 Re. 5
Indus-Syſtem, Tuͤbet Panjahl, n. v. Huͤgel. 87
Weiter gegen N.W., nahe den obern Quellen des Jilum, doch
ſchon auf deren rechtem Ufer, alſo an der Nordoſtgrenze des obern
Kaſchmirthales, unter 34° M. Br., fetzt v. Huͤgels Karte, in O.
von Islamabad, den Namen Naubuck Panjahlss) oder
Tuͤbet Panjahl, d. i. der Naubuck-Paß, welcher von dies
fer Stadt über die Tuͤbet-Kette nach Ladakh führt (ſicher derſelbe,
der uns fihon unter andern Namen über Sonamerg, Valtal
und Metayin, nah Draus aus Mir Iſſet Ullads Reife
route befannt ift, f. Alien II. ©. 629). Es foll die hoͤchſte Paſſage
feyn, etwa 15 geogr. Meilen (74 Miles) entfernt gelegen von der
Stadt Kafıhmir. Auf Le Gentils Karte von Kafhmir (f.
Afien H. ©. 1135, welche weit cher als die Bernierfehe von 1690
es verdient hätte mit der von Murray 1834 zufammengeftellt zu
werden) 56) ift diefer Bergfnoten unter 34° N.Br. mit dem Nur
“men Darmoden, als Grenzberg gegen das Land Pader oder
Pareſtan bezeichnet. Weiter in N.W. folgt, faft im Nord der
Etadt Kafhmir, in derfelben Tuͤbet⸗-Kette, der Kandribal
PDanjahl, oder Kandribal-Paß, der nad Iskardu (Ei
kerdu, ſ. ob. ©. 14), alfo nah Baltiftan führt. Moch weiter in
NW. folgt, in derfeiben Tibet: Kette, der Banderpur Pan:
jahl, oder Banderpur-Paß, welcher über Kuihama eben-
falls nah Iskardu führt. Die Culminationshöhe diefes Paſſes
liegt 7 geogr. Meilen (34 Miles E.) fern von der Stadt Kafıh
mir; von ihr erblickt das erflaunte Auge gegen N.W. wieder eine
gigantifche Bergpyramide, die über alle andern Berge emporſteigt
und bei den Kaſchmirern Dia mol heißt, im Tübetifchen Nanga
Parvat genannt wird. Dies feheint die Yocalität des Cantal
der frübern Eatholifchen Miffionare auf Le Gentils Karte zu
feyn. An diefe Maffen ſchließen ſich weftwärts unmittelbar die
Nunnenwara-Berge an, welche der Kifchen Ganga durch:
firömt, und an diefe die ungehenern Ketten der früher ganz uns
befannten Goffeie genannt, welche der Indus durchbricht, die
nun diejenige Hochgebirssgegend des Tuͤbet Panjahl fpecielfer
bezeichnen, wo der Himalaya fih an den Hindu Khu an:
ſchließt.
Das eigenthuͤmliche, ſchon oben angefuͤhrte Streichen dieſer
verſchiednen, mehr auseinander tretenden und weſt waͤrts
55) y. Hügel I. c. p. 347. “0 * Ba ©. Almanach 1837. den
Freunden der Erdkunde vo. Taf. X
88 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 8. 1.
gekruͤmmten Gebirgszüge, bedingt jene faft reguläre, ovale Ge:
ftaltung des weiteften und größten (f. Afien IL. S. 1084) jes
ner Hochthäler, in welcher Bemerkung alle Beobachter uͤberein⸗
ſtimmen.
4) Das Kaſchmirthal.
Faſt von allen Seiten iſt dies ovale Thalgebiet mit Schnee—
gebirgen umgeben (dem Pir Panjahl, den Baramule—
Bergen, den Goſſeie, Nunnenwara und Tuͤbet Pan—
jahl), nur auf feinem S.W. Ende, auf ein Fünftheil feiner Auss
behnung, ift diefe Schneebegrenzung durch niedere Ketten unters
brochen. Der Beherrfcher der Gebirgepäffe Panjahle) ift alfo _
auch jedesmal der Gebieter diefes Alpenthales. Che die Groß
Moghule daffelbe eroberten, werden 7 Paßwege 7”) (Pans
jahl) dahin aufgeführt. Kaifer Akbar vertraute dieferan erbs
liche Bergfürften, oder Mallicks, denen er die Bergortfchaften
übergab, mit der Verpflichtung die ihnen zugewiefenen Paͤſſe zu
vertheidigen, und in Kriegsnöthen mit einer Anzahl Bergtruppen,
100 bis 500 Mann, zum Faiferlihen Heere zu ftoßen. Diefe
Mallicks find geblieben, aber bei ihrer gegenwärtigen Armuth
würden fie außer Stande feyn ſolche Hülfe wie damals zu leis
fen. Kaifer Akbar gab ihnen die Gerichtsbarkeit über Leben und
od; die Patanen (d. i. die afghanifchen Herrfcher) reducirten dies
auf das Necht, Nafen und Ohren abzufchneiden; heut zu Tage,
unter Runjit Singh dürfen fie nur noch Gelvftrafe auferlegen.
Die Lifte diefer Malliks vom Norden der Stadt anfangend,
und gegen den Often und Süden zum Weften fortfchreitend, if
folgende :
I. Dellamwer Mallick Geherefcht den: 1) Banderpur
PDanjapl, den nördlihften von allen über Kuihama nah
Iskardu.
I. Roſſul Mallid, Kandribal P., ebenfalls nach
Iskardu; dies iſt alſo das von V. Jacquemont beſuchte
Hochgebirgsthal.
III. Maredwaderan Mallick, derſelbe Panjahl, welcher
ſich aber auf der Eulminationshöhe, 10 geogr. Meilen von
der Stadt Kafıhmir, gabelt, beifer en oͤſtliche Spalte nach La⸗
dakh führt,
"#7) vw. Hügel Notice I. c. p. 47.
Indus⸗Syſtem, Kaſchmir-Paͤſſe n. v. Hügel. 89
IV. Naubud Nai Mallick, über 3) Naubuck Pan—
jahl, von Islamabad (ſ. Aſien I. S. 1150) aus zu er⸗
ſtteigen.
V. Shahabadka Mallick, beherrſcht den O Sagam,
und 5) Banhall Panjahl, die beide nach Kiſchtewar
und Jummo fuͤhren; der erſte 10 geogr. Meilen (50 Mil.
Engl.), der zweite 9% geogr, Meilen (46 Mil. Engl.) bis zur
höchften Culmination.
VI. Kulnarwah Mallid, den 6) Kulmarwah Panjahl bes
berrfchend, der nah Jummo führt, faft 11 geogr. Meilen
(54 Mil. €) bis zar Culminationshöhe.
VII. Schupianka Mallid, den T)-Pir Panjahl 12
geogr. Meit. (60 Mil. E.) bis zur Culmination beherrfchend.
Demnach find dies 7 Hauptpäffe aus jener Zeit, zu denen
aber noch 5 andere fommen, die von neuerm Datum find;
wie 4 Däfle gegen S.W., alle über die niedern Vorberge zum
Thale von Prunch (Poonch) führend, die wol in die alte
Bemburftrage einlenfen, und der 5te wohlbefannte Paß über Bas
zamule. Sie heißen von S.O. gegen N.W.:
8 Ningmaruf Tera Paß, nah Prund 5% geogr. Meil.
(26 Mil. Engl.) zur größten Pashöhe.
9) Toffemeidan Pas, nad) Prunch, Über die Toſſe-Plaine,
gleiche Diftanz wie der vorige.
10) Ferospur Paß, nad Prand, 53 geogr. Meilen.
41) Baramule Daß, über Canhorn nad Prund, 103
geogr. Meil. 52 Mil. E.).
12) Baramule Pas, Über Mozufferabad (Tſchickri der Als
ten) nad) Attock. Dies ift der einzige Paß, der. nicht über
Hochgebirge, fondern durch den Ihaleinfchnitt des Indus
binausführt.
Diefer Das foll erft vor 80 Sahren durch die Patanen (Afghas
nen, f. Aſien I. &.1177) gebahnt fenn, was einigen Zweifel das
gegen aufwirft, daß Akbar von diefer Seite in Kafchmir einge
deungen feyn foll (die Hiftoriker fagen, fo viel uns bekannt, nichts
davon, daß er auf feinem Marfıhe, 1586 u. f., von Delhi aus,
son jener Weftfeite eingedrungen ſey, wol aber ift ſchon in früs
bern Zeiten von Gefechten bei Baramule die Rede; f. Aſien I.
E. 1126, 1129— 1130). Auf jeden Fall, meint v. Hügel,
würden die Hemmungen von jener Seite fo groß gewefen feyn,
daß es Kaiſer Albar für unnöthig hielt, auch) in Baramule Mat:
90 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. F. 1.
licks oder Paßcommandanten einzuſetzen. Die beiden Paͤſſe,
von Baramule und die von Banhall und Naubuck, ſollen ſtets
offen zu paſſiren ſeyn.
Alle die hoͤchſten Berge, bemerkt v. Huͤgel, die er rund um
das Thal von Kaſchmir zu ſehen Gelegenheit hatte 168), haben
ihre fanftere Senfung gegen N. O., und alle fleigen von der
S. W. Seite aus tiefen Abgründen fehr fEeil empor, find
daher an diefer Steilfeite kaum mit Pflanzen befleidet. Auf ihr
ren Rüden und Gipfeln tragen fie aber Plainen und lange Züge,
die nur in ſtumpfen Winkeln abfallen und mit dem reichten Bos
den bedeckt find, der in der Michtung gegen Oſten und Norden
eine reiche Vegetation trägt, Auf dem Tübet Panjahl, d. i. der
Tuͤbet⸗Kette, ift nur der Unterfchied, daß hier auch auf der Kaſch—
mirfeite, d. i. alfo gegen ©.W., zuweilen Plainen von der höchs
fien Erhebung fich zeigen. Daß der Jilum, der Kafchmirs
firom, von Suͤdoſt das Langenthal gegen N.W. durchziehend,
nicht ſelbſt aus Schneebergen hervorgquillt (ſ. Quellen, Afien U.
©. 1148), wol aber in der Direction gegen N.AB., erſt einer Ges
gend 59) zufließt, in der fih Schneegebirge ber Schneegebirge (in
den Goffeie und dem Hindu Khu) dem Auge des Befchauers em—
porthürmen, mag im Kafıhmirthale ſelbſt feltfam erfcheinen, ift
aber doch wol nur einer blos täufchenden Anficht zuzufchreiben ;
denn der Strom wendet fih ja unterhalb des Uller Sees 9%
gen Weft. Diefer Pag, durch welchen er feinen Weg hinauss
findet durch das Alpenland, ift einer der fchönften der Melt, fagt
v. Hügel. Diefer Ihaleinfohnitt ift an 1000 bis 1500 Fuß tief,
aber Keine Spur von kuͤnſtlicher Entwäfferung ift in demfelben,
nach der Brahmanenlegende, zu fehen (f. Afien II. ©. 1091 u. f.).
An der Süpdfeite®) hat das Kafhmirthal fanft fich ers
bebende Berge; die legten Abhänge des Pir Penjahl find hier
mit der Iururidfeften Vegetation bekleidet. Das Auge hebt ſich
ſtufenweis über die fehönften Formen und Farben der vegetativen
Bekleidung bis zur Schneefette empor, dig mit ihren tanfend Piks
jene überragt. Es bilden ſich auf diefer Seite mehr oder wenis
ger weite Ihäler, in deren Mitte die Elarften Bergftröme fließen,
welche höher auf zahlfofe Wafferfälle bilden. Hier, bemerkt der
deutfche Beobachter, ſey eine reiche Ernte für den Zoologen und
158) v. Hügel Notice I. c. p. 336. 52) ebend. p. 347,
eo) etend, p. 348.
—
Indus-Syhſtem, Kafchmirthal n. v. Hügel, 91
Botaniker. Hier zeigen fich die dichteften Waldungen von offes
nen Ebenen unterbrochen. Der Wanderer findet in jenen feinen
Baum, den je die Art berührt hat, auf diefen die Blumenteps
piche ungefnicft vom Fuße des Wanderers. Hier in vollfommes
ner Einſamkeit find noch Schäge der Flora aufgehäuft, die fein
menfchliches Auge erblickte; die Stille wird nur unterbrochen durch
die Töne der Schwarzamfel oder der Bulbul (f. Afien IV. 2.
©. 636). Aber den Reiſenden überrafcht unter diefen Breiten,
auf folhen Höhen, die Kälte der Lüfte. Er fieht die Suͤdabfaͤlle
der Bergwände nackt und unbekleidetz erreicht er aber die Gipfel,
fo find die Nordgehänge mit Blumenebenen aufwärts bis zu der
Schneegrenze bedeckt, und abwärts ſenken ſich die reichfien Wäls
der in die Thaͤler.
In pittoresfer Hinficht ift v. Hügels Urtheil, dem
wir weit mehr als dem Jacquemontſchen beizupflichten alle Urſache
haben, das Alpenthal Kaſchmir Eeineswegs überfchägt
worden, wol aber in politifcher und financieller Hinficht 61).
Seine Ausdehnung, von S.O. 6.0. gegen N.W. b. W.,
betrage nicht viel über 16 geogr. Meilen (80 Miles) Länge; in
der Breite von 2 Stunden bis 6 geogr. Meilen (30 Miles), :venn
man nur die wirklichen Ihalebenen rechne. Denn vom ewigen
Schnee des Pir Penjahl nordwärts bis zur Schneelinie des
Tuͤbet Penjahl, fey allerdings eine Diftanz von 10 bis 12
geogr. Meilen 50—60 Miles Engl.) (vergl. Alien II. ©. 1138),
Der Uller oder Buller See ift von DO. nah) W. 6 geogr. M.
lang, gleicht alfo an Fängerausdehrung etwa dem deutfihen Bos
denſee. Beide genannte Ketten, mit einer zahllofen Menge
von Piks befegt, ziehen unter fich faft parallel in der angegebes
nen Normaldirection des Ihales. Die abfolute Höhe der Päffe
von Bember nah Kafhmir, und wieder von der Stadt
Kafhmir nad) Iskardo, fey etwa gleich hoc, zwifchen
12,000 bis 13,000 Fuß Engl. Die hoͤchſte Culmination des
Dir Penjahl it durch v. Hügel vermittelft des Siedepuncts
auf 15,000 Fuß E. uͤb. d. M. beftimmt, und die Sage der Stadt
Kaſchmir zu 5800 bis 5900 F.U6.d.M.; alfo gegen: 6000 Fuß,
wobei drei verfchiedene Thermometer, welche benugt wurden, dies
ſelben Refultate gewährten. Diefe Meflungen find von höchftem
Intereſſe für alle fernern naturhifterifchen Betrachtungen, die bei
°2) ebend. p. 348.
92 Weſt-Aſien. IL Abſchnitt. 9. 1.
näherer Kunde der Geognofle, der Flora und Fauna biefes Ges
bietes reichen Gewinn für vergleichende Geographie verheißen.
Aber traurig find die Mittheilungen über den gegenwärs
tigen Zuftand der Population von Kafıhmir (1836)
Bor 4 Jahren hatte das Land noch 800,000 Einwohner, gegens
wärtig nicht über 200,000. Sn den 36 Pergunnahs, oder
Diſtricten (anfänglic waren es 38; zur Mongholen Zeit 44, ſ.
Afien U. ©. 1135), zählte man 10 Städte und 2200 Dorffchafs
ten. Die Stadt Kafhmir hat gegenwärtig nur noch 40,000
Einwohner (1809, nach Elphinſtones Schäsung, zur Zeit der Afs
ohanenherrfchaft, 150,000 bis 200,000, f. Afien IL ©. 1178), |
Chupeyan hat nur 3000, YJslamabad und Pampur jedes
2000, Chirar hat noch 2000 Häufer, aber 150 Einwohner,
Hricht die fchlechte Adminiftration der Seife, fondern Hungerss
noth, welcher die Chotera folgte, drückte die Volkszahl auf ein
Viertheil der frühern Summe herab, durch Tod und Auss
wanderung. Der Froft, der die Reisblüthe im Lande zerflörs
hatte, war der erfte Anfang des DVerderbens. Diele der Dotfs
ſchaften im Sonde find gänzlicy verödet.
Sm Yahre 1835 gab Kafıhmir Feine Nenenuen!®), da
Munjit Singh dem Lande Erholung goͤnnte; aber im %. 1836
forderte er fihon wieder 23 Lakhs Rupien von feinem Gouvers
neu Mohan Sinah Tribat ein, eine Summe, welche das
Sand unmöglich aufbringen fann. Die Imigration der Kafıhmis
rer hat viele der Shawlmanufacturen durch das Pendſchab vers
breitet, und Kaſchmir wird wahrfcheinlicy nie wieder die Cinfünfte
geben, die es noch vor wenigen Jahren abwarf (f. über Shawk
weberei in Kafchmir, Alien IE ©. 1198—1203). Nurpur,
Ludiana und viele andere Orte bringen gegenwärtig diefe fchös
nen Gewebe wohlfeiler zu Markte als Kafıymir, wo jedes Nah—
rungsmittel theurer ift als im Pendfchab und Hindoftan, wozu
noch die enormen Zölle famen, welche das Gouvernement der Fas
brifation auferlegte,
Brahmanen find die einzigen Hindus in Kaſchmir, feine
der andern Gaften ift dort einheimifch gewerden; man rechnet
ihre Zahl auf 25,000 in 2000 Familien, zu der Secte der Viſchnu
und Siva Anbeter gehörig, in dreierlei Abtheilungen, die fich aber
gegenfeitig verheirathen. Sie find dunfelfarbiger als die anz
202) v. Hügel l. c. p. 349. ”*
Indus-Syſtem, unterer Jilum-Lauf. 93
dern Landeseinwohner, weil vor 800 Jahren eine Colonie von
Brahmanen aus Dekan nach Kaſchmir zog, nachdem die ur—
ſpruͤngliche Brahmanen-Racçe, durch die Mohammedaner, faſt
ausgerottet war (ſeit dem Jahre 1015 n. Chr. Seb., f. Aſien U.
©. 1111),
U. Unterer Lauf des Jelum (Hydaspes) im Pendſchab⸗
gebiete,
Bon Baramule bis Mozufferabad iſt uns das Ji—⸗
lumthal zwar duch ©. Forfters Wanderung bekannt (f.
Afien I. S. 1179— 1180); aber von da an. ift diefer Durchs
Bruch, füdwärts, bis heute, eine vollfommne Terra incognita für
uns, bis in die Gegend der modernen Stadt Jelum, wo Ales
xanders Uebergang über den Hydaspes durch die Erbauung feiner
beiden Colonieftädte Bucephala und Nicaea verewigt ward, von
deren Trümmern und Localitäten ſchon früher, wie von feinem
Flottenbau aus Deodara-Stammen in diefer Gegend des Hydas—
pes, bei feinem Austritte aus dem Berglande, die Nede war (f.
Afien H. ©. 452— 456). Zu Pind Dadun Shan, nur we
nig unterhalb Jelum und Selallpur, fand Al. Burnes®), aud)
heute noch, die größten Flußfchiffe, an 100 Fuß lang, auf dem
Selum, welche wie die Flachboote, Zohruf, auf beiden Seiten
zugerundet gebaut find, fein Seegel aufziehen, und doch bis 500
Maund oder Centner Salsftein aus der benachbarten Steinfalz:
fette zu fragen im Stande find.
Zwei Hauptpaffagen finden hier über den Hydaspes
Statt, die oberere zu JeluméH und die untere zu Selallz
pur. Sene obere liegt auf der großen Hauptftraße aus
Indien nah Kabul und ran, welche aucd heute noch, wie in
alter Zeit, die Königsftraße heißt, Diefe Stelle des Jelum
ift zu allen Zeiten, im Monfun ausgenommen, furthbar, weil
fih dafelöft der Selum: Strom in 5 bis 6 Arme theilt. An feis
nem Uferthal geht Fein) Weg durch das Bergland nad) Kafch-
mir aufwärts, wol weil es zu wild ſeyn mag; fondern 2 bis 3
geogr. Meilen an der Oftfeite deffelben, von Jelum aufwärts,
über Mirpur und Punch (Prunch). Aus feinem wilden Fels:
defile bricht der Hydaspes, bei Damgully, oberhalb Jelum, hervor,
®*) Al. Burnes Narrat. I. c. III. p. 128, °4) def, Trav. l. e. I.
P» 56. ebend, I. P» 62.
94 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 1,
Hier, am Eintritt zur Ebene, fteht ein ifolirter Fels, an 60 Fuß
Hoch, Raofa genannt; Stufen führen hinauf, oben wohnt ein
mostemifcher Heiliger. Doch befuchte Al. Burnes diefen Fels
nicht, obwol ex ihn aus der Ferne erblickte. Er nahm nämlic)
feinen Weg weftwärts vom Hydaspes, an einem Eleinen Zufluffe
deffelben aufwärts, der ſich bei Jelum in ihn mündet. An dies
fem Zufluffe liegt, nur einen Tagemarfch von Zelum, die Feftung
Rotas 166), höchft romantifch und Überrafchend zwifchen graulic)
fchwarzen Felfen, mit denen weftwärts zum Indus hin ein rauz
hes Klippenland beginnt, voll Erdfpalten und mit einem Chaos
von Felfen befest, die fenfrecht gefchichtet in Nadelfpigen enden,
und viel Kiefel in Sandftein eingelagert enthalten, eine der wils
deften Sandfchaften, die zugleich dem Kaubgefindel, das fie bes
wohnt, zum ficherften Afyie dient. Al. Burnes meint, es ſey
ein emporgehobenes Land. Gr fand in der Fefte eine
freundliche Aufnahme, die im Jahre 1531 von Afghanifchen Em:
pörern, welche den Kaifer Humayun entthronten (ſ. Afien IV. 2,
©. 623), erbaut worden war. Cie war einft fo gewaltig, daß
fie fpäter nicht zerftört werden konnte; Kaifer Akbar errichtete -
neben ihr ein Karamwanferai, Nur eine Tagereife weftwärts, von
hier, liegt das Dorf Manikyalab“), welches in neuerer Zeit
durch feinen Coloffelbau, jenes prachtvolle Maufoleum, das
Elphinftone für eine griechifche Architectur gehalten, das neuerz
lich durch General Ventura ausgegraben und als ein buddhis
ftifches Grabmal, ein Daghop, anerkannt ift, die Aufmerkfams
feit aller Antiquare auf fih gezogen hat. Al. Burnes wurde
durch deſſen grandiofen Anblick fchon aus weiter Ferne von fechs
Stunden (16 Mil. Engl), auf weiter, Plaine, die ihm ganz zur
Lage einer volfreichen, großen Stadt, wie Arrian Tarila, zwi⸗
ſchen Indus und Hydaspes gelegen, beſchreibt, fo uͤberraſcht, daß
er wirklich geneigt war diefe Stelle für die Lage des alten Taxila
zu halten (vergl. Afien IV. 2. ©. 451).
Bon der zweiten minder befuchten Furth bei Jelall—
pur), füdwärts, zieht fich ein reicher, ſehr fruchtbarer Uferbos
den mit fchönen grünen Wiefen, die Al. Burnes im Februar
mähen fah, bis Pind Dadun Khan; überall zeigen ſich hier
ſehr wohlhabende, malerifch sromantifch gelegene Dorffchaften,
186) Al. Burnes Trav. I, c. I. p. 62. 67) ebend. J. —
°®) ebend. I. p. 56. 5 ) ebe p. 65 — 67.
>
Indus-Syſtem, Jilum, Steinſalzkette. 95
Im groͤßten Contraſte ſteht aber mit dieſem trefflich bebauten
Ufer, weiter weſtwaͤrts, die nahe Uferkette, die ganz vegetations⸗
leer emporſtarrt und parallel am Strome hinabzieht, bis ſie ſich
bei Pind Dadun Khan ploͤtzlich gegen Weſt wendet.
Dies iſt die Salzkette 9), welche den Suͤdrand de
etwa 800 Fuß abfolut hohen Tafellandes bildet, das mit ihre
zu der Niederung der Pendſchabebene abfällt; deffen Gipfeihöhen
etwa 1200 Fuß über dem Spiegel des Jilum, relativ, empors
ſtarren, alfo an 2000 Fuß, abfolut, über dem Meeresfpiegel
fih erheben. Die Kette der Salzberge ift über 2 Stunden
breit; der Jelum durchbricht fie. Die Stadt Pind Dadun Khan
liegt faum 2 Stunden von ihr entfernt. Sandſtein iftihre
Formation; Kiefelblöde find darin an verfchiedenen Stellen
eingelagert; die Schichtung foll fenkrecht emporftarren. Die Abs
ftürze find daher ſehr ſteil, oft fenkrecht, nackt, vegetationsleer,
An mehrern Stellen brechen heiße Quellen hervor; Alaun,
Antimonium, Schwefel finden fich hier. Zumal aber ein
rother Thon füllt die Einfenfungen und Intervallen der ganz
zen Kette aus; er ift überall das Anzeichen von Xorfommen des
Steinfalzes, das auch an mehrern Stellen gewonnen wird,
Diefelbe Bergreihe ftreicht, von hier, direct gegen Nords
weft, quer durc das Duab des Indus, bis zu deſſen Ufer bei
Karabagh, wo Elphinftone fie beobachtete (f. 08. ©. 19);
fie fest ‚auf dem MWeftufer des Indus (auf Altern Karten Jud
genannt) auch noch weiter fort, bis zum Fuße der hohen Gebirge
Sabuliftons, bis gegen den Sufid Khu (Sufeed Koh, d. i.
den Weißenberg) Die Steinfalzfelfen bei Kara—
bagh 79, wo fie in meift rothen, cryſtalliniſchen, feltfamen Maſ—
fen bis 100 Fuß über dem Indusſpiegel emporfleigen, und an
ihrem Fuße incruftirende Salzquellen ausfchütten, bieten mit den
en ihnen emporgebauten Wohnungen der Stadt, und den in
Salsfteinfels gebahnten Straßen, ein um fo merfwürbdigeres Schaus
fpiel dar, da der füße Strom des ganz flaren Indus die Mitte
diefer Salzketten durchbricht. Große Steinbruͤche geben hier
gewaltige Blöcke von Steinfalz, die in Maffen aufgehauft von
bier zu Schiffe weiter verladen werden.
Bei Pind Dadun Khan, fand Al. Burnes, in einer
“°) Al. Burnes Tray. 1. c. I, p. 50—55. 0) Elphinstone Acc.
l. c. p. 36 — 37.
96 Weſt-Aſien. J. Abfchnitt. $. 1,
der dortigen Steinfalzaruben an hundert Arbeiter, die eben fo
erfiaunt waren die Europäergefellfchaft zu fehen, mie diefe die
Pracht der Grubenwände des crnftallinifchen Steinſalzes. Die
Armen, Greife, Weiber und Kinder, fchleppten die Salzftücde
aus den finftern Gruben hervor; fie wurden jeder mit einer Aus
pie befchenft, die fie fonft nur erft muͤhſam einmal verdienen,
wenn fie 2000 Pfund Salz hervorgeholt haben. Nur 2 Stuns
den entfernt von Pind Dadun Khan liegt, bei dem Dorfe
Keora, die Hauptgrube, Sie befindet fih nahe an der Außens
feite der Kette, in einem Ihale, das ein Salzwafferfluß durchſetzt.
Sie dringt in das rothe Thongeftein etwa 200 Fuß von der Bas
‘fig ein; der Stollen ift eng, 350 Schritt (Yard) lang und fenft
fih an 50 Schritt nad) dem Innern zu. Dann tritt man in
eine Höhle von irregulairen Dimenfionen, an 100 Fuß hoc, ganz
aus Salz gehauen. Die Schichten find ungemein regulär, ganz
fenfrecht ftehend, nur einige unter Winfeln von 20 bis 30 Grad,
wo fie das Anfehn von übereinander liegenden Backſteinen haben.
Keine der Sagen ift über 1 bis 14 Schuh mächtig, und jedwede
von der andern durch eine ein Achtel Zoll dicke Ihonfchicht, gleich
einem Mörtel gefchieden. Das Salz ijt meift dicht, roth, von
allen Schattirungen, nimmt aber wenn es geftoßen die weiße
Farbe an. Scechsfeitige Ernfialle finden fich darunter. Die Lufts
temperatur im Freien ftand auf 14° 22° Reaum. (64° Fahıh.),
die Temperatur der Grube übertraf diefe um 20°, ftieg alfo
bis auf 23° 11’ Reaum. (84° Fahıh.). Aber in der heißen Som:
merzeit follen die Gruben weit kaͤlter ſeyn; gewiß aber, bemerkt
Al. Burnes, ändern fie ihre Temperatur nur wenig, und es
iſt dieſer Wechſel nur ſcheinbar wegen des Gontraftes mit der
Außern Luft. Auch hier zeigte fich Feine Spur von Feuchtigkeit
in der Grube, wie dies auch in andern, z. B. denen des Salze _
burgerlandes bekannt if. Das Steinfalz ift hart und fplitte
rig; nie wird mit Pulver gefprengt. Zwei Monate in der naffen
Sahreszeit werden die Gruben gar nicht bearbeitet, weil dann
leicht Maſſen einftürzen. Die Salzarbeiter leben in den benachs
barten Gebirgsdörfern, und haben ein fehr ungefundes Ausfehen.
Erft für 20 Maund Salz erhalten fie 1 Rupie Lohn. So viel
fönnen etwa Mann, Frau und zwei Kinder in zwei Tagen ver:
dienen. Hier, nahe der Oberfläche, haut man das Steinfal; in
Dlöde von 4 Maunds; 2 davon machen eine Kameelladung.
Das Salz zerbröckelt fich Teicht. "Es wird durch ganz Indien ver
Indus-Spftem, Jilum, Steinſalzkette. 97
führt und ſehr hochgeſchaͤtzt, zu officinellem, medicinellem Ger
brauche. Rein iſt es aber keineswegs; wahrſcheinlich iſt ihm
Magneſia beigemiſcht; daher es nicht zum Einpoͤkeln verbraucht
werden fann. Die Gruben find wol unerfchöpflih zu nennen;
täglid werden 2500 Lahore Maund (1 M. = 100 Pfund
Engl.), alfo jährlich 800,000 Maund gewonnen. Vor einigen
Jahren verkaufte man das Salz; an der Grube, 1 Maund = 2
Rupies, und hatte dann noch den Zoll zu zahlen. Die Gruben
find Monopol des Seikh-Gouvernements. Nunjit Singh
hoffte die jährlichen Einkünfte derfelben noch auf 16 Lakh Rupien
zu fteigern, und den Zoll bis zu 23 Lakh Rupien Unkoften. Der
Ertrag ift alfo ungeheuer, an 1100 Procent, obwol das Salz nur
für A des Preifes von dem in Bengalen verkauft wird, wo 1
Maund (von 80 Pfund) an 5 Nupies Foftet. Diefes Pend:
hab Salz wird auf dem Zilum nah Multan und Bhas
wulpur ausgeführt, wo ihm dasjenige aus deu Sambur—
See (f. Afien IV.1. S. 907) begegnet. Auch wird es zum Yas
muna und nah Kafhmir verführt, aber nicht auf das Weſt—
ufer des Indus. Alle andern Salzausbeuten hat Runjit Singh
in feinen Staaten verboten, und diefe Gruben fehr theuer vers
pachtet, an einen Tyrannen, der die Arbeiter furchtbar drückt.
Die Gruben mögen fehon fehr frühzeitig bekannt feyn, da Indus
und Jilum fie offen legten. Auch die Kaifer, von Hindoftan. bes
nugten fie ſchon, aber Sultan Baber fpricht von ihnen. in feis
nen Memoiren nicht.
Die Stadt Pind Dadun Khan hat, nah A. Bur—
nes, 6000 Einwohner, ift eine Kreishauptftadt, und .befteht aus
einigen kleinern Orten; ihre Häufer find aus duftenden Cederholzs
balfen (Pinus Deodara) gezimmert, die ihnen aus den benachbarz
ten Himalayathälern zugeflößt werden. Die Ebene um die Stadt
ift ungemein fruchtbar, was um fo erfreulicher “ff, da der Boden
vom hinab Bis hierher fehr öde und wenig bebaut erfcheint, eine
faft wafferfofe Wuͤſte, nur für Schaafhirten bewohnbar, in der
man das Waſſer erſt bei einer Tiefe von 65 Fuß Unter der Obers
fläche findet. Im Monat Februar zeigte ſich die Breite beis
der Flüffe Chinas und Jilum gleich, obwol der letztere im
‚Übrigen Theile des Jahres ein Eleineres Wafler ift als der Chi-
nab. Die Bewohner diefer Stromufer exinnerten den Reiſenden
an Arrians Befchreibung, indem er von ihnen fagt; fie find
Ritter Erdkunde VII. G
8 RBEfte After. I. Abſchnitt. $ 1.
ſtark gebant, mit großen Gliedern und länger als die andern
Aſſaten. Ihre häufigen Augenkrankheiten ſchreibt man den vie⸗
len nitroſen Theilchen des Bodens der Flußufer zu.
Weiter abwärts iſt der Jih um, obwol er ſchon von Alexan⸗
vers Flotte beſchifft wurde, doch fuͤr die Europaͤiſche Beobachtung
unbekannt geblieben, und Nur an feiner Einmündung zum Chi⸗
maß, wo Andaspes und Acefines fich vereinen, auf einer Seitens
excurſion von Al. Burnes gefehen worden, an der Fahre zu‘
Trimoo, von ver A früher die Rede war (f. ob. ©. 33).
———— Die bubbbififchen Dagops von Manikyala
und Belurz Ausgrabung, Antiquitäten, Münzenreihs
them. Etymologie der Namen; Beftimmung und Ers
.bauung dieſer ——— (Zoped, vom Sanskrit Wort
Stupa).
Durch die Mitte des Duab, zwiſchen dem obern Jilum und ba
zieht die Kabulftraße von der Furth bei Jilum über die Fefte Ro⸗—
tas (f. ob, ©. 94) in das Klippenland, und führt in zmei Tagemaͤr⸗
ſchen ͤber Manikyala nach der Stadt Rawil Pindi171)3 von
dieſer aber wieder in 6 Stunden Weges durch ein Berg- Defile Marc.
gulla, genannt, und, aus biefem erft geht die Straße weiter bis nach
Attock. Rawil Pindi liegt etwa in der Mitte diefer Wegſtrecke,
am obern Laufe des Swan, eines Bergmwaffers zum Indus; es ift eine
angenehme Stadt, von welcher man die im Februar noch mit Schnee
bebeckten nördlichen Berge, fhon in einer Nähe von etwa 5 Stunden’
ſich erheben fieht. Aus diefen Bergen bradjte man dem’britifchen Rei—
fenden Schwefel, und nannte eine dort gelegene Stadt Poremwalla,
in der Al. Burnes nod eine Spur von ber einftigen Herrfchaft des
Porus zu finden meinte (ſ. Aſien 1IY. 1. ©.453). Yon dem Engpaffe:
des Margulla Defiles, der als Pflafterweg über niedere Berge
durch einen der. indiſchen Kaifer gebahnt ift, deſſen Ruhm auch eine pers;
ſiſche Felsinſchrift verherrlicht, erblidt man ſchon die Gebirgsketten jene;
feit des Indus. Den Ausgang des Defiles bildet wieder ein gehauener r
Felsweg, von etwa einer Stunde Länge, eine Brüde führt über ein,
Bergmwafler zu einem Karawanſerai, alles erfreuliche Werke aͤlterer Zeit,
zur Wohlfahrt des Landes und ber Reiſenden angelcgt, wovon man a
neuerer Zeit durch das ganze Pendſchab keine Spur rn '
2 Stunden vom Karamanferai gegen W. fließt der Osma ach
zum Indus, durch eine Ebene, am Ausgange eines Thals, dicht Fuß
benachbarter Berge, die vom trefflich bewaͤſſerten Wieſen umgeben find.
—— B
»*3) Al. Burses Trav. Vol, I. p. 68 — 71. 4
Indus-Syſtem, der Tope von Manikyala. 99
Einige der Zünftlich gezogenen Candle treiben Mühlen, und im Thale
aufwärts erhebt ſich zwifchen ſchoͤnen Gartenpflanzungen dag Fort
Khanpur, und über diefen fteigen fchneebededte Pits empor. Der
Ort Osman liegt in diefem Thale faft zwei Stunden aufwärts von
ber großen Königsftraße entfernt; aber ex ift merkwürdig durch
das ihm nahe Belur- Monument, weldes Al, Burnes hier ent:
deckt, beſucht und befchrieben hat, Südmweftwärts von diefer Kocalität
nur 2 Stunden fern, breitet ſich, zwifchen Felsälippen, gegen den Indus
hin ein Thal aus, Husn Abdall’?) genannt, in welchem einft ein
Prachtgarten der indiichen Kaifer lag, der gegenwärtig aber ganz vers
wuͤſtet iſt. Die Gebäude find zertrümmert, die Blumenparterre übers
wuchert, doch waren die Teiche noch mit Fifchen befebt, als At. Burnes
hier vorüberzog, und über hundert Fontainen fprudelten noch ihr Waffer
hervor, Ein Zhalfpalt, Drumtur genannt, öffnet fi hier gegen
Nord und läßt die Schneegipfel der hohen Pukhli-Kette durchblicken, ein
Weg foll hindurhführen nah Kafchmir hin.
An merkwürdigen Denkmalen der Vorzeit fehlt es in diefem Länders
gebiete, das bisher fo wenig durchforfcht ward, alfo keineswegs, wenn
es nur genauer auch zu beiden Seiten der Koͤnigsſtraße unterſucht waͤre;
aber die auffallendften bis jest erforichten, und kaum erft entdeckten,
find unftreitig die beiden fogenannten TZope’s von Manikyala und
von Belur, welde die erften beiden hohen Pylone am indi—
hen DOfteingange einer ganzen Reihe von analogen, coloffas
len Monlumenten bilden, die das Hochland von Kabuliftan bis Bas
myan und Bactrien hinauffteigen, und feit kurzem durch ihren räthfels
haften Inhalt die volle Aufmerkfamkeit der Antiquare in Indien wie in
Europa mit Recht auf ſich gezogen haben.
Der Zope (Stupa) von Manityala”’?) (Afien IV. 1. S. 451).
Zuerft Hat M. Elphinftone dieſes Denkmal entdeckt, als er, auf fei-
ner Rüdreife von Kabul nad) Bengalen begrifien, das Pendſchab von
Rawil Pinde nach der Zefte Rotas (1810) durchzog. In der Mitte
zwifchen beiden Ortfchaften, in derfelben Gegend, in welche Captain
MWilfords Hnpothefe die Lage des alten Taxila verfeht hatte, wurde
Halt gemacht, obwol damals die gewaltigen Regengüffe die Unterfuhung
der dortigen Landfchaft fehr erfchwerten. In einem Umkreiſe von etwa
16 Stunden Weges, fagt Elphinftone, erblicdte man dort die Rui—
nen mehrerer Städte der Guders, welche von ihren Feinden, den Sikhs,
zerfiört waren; auch die Trümmer noch älterer Ortſchaſten, die einft
daſſelbe Schickſal durch die Mufelmänner getroffen hatte. Noch wurden
einige Karamanferais bemerkt, denen man die Namen Rabauls beir
72) Al. Burnes Trav. l. ec. Vol. I. p. 73. ’s) M. Elipbinstone
Account of Caubul p. 78— 80, nebjt Tabula Tope of Maunikyaula,
G 2
100 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 51.
legte, und ein einzeln ſtehender Obelisk, ein Stein, 50 bis 60 Fuß
hoch zu Ravi, doch zu fern abſtehend, um ihn aufſuchen zu koͤnnen.
Aber folhe Trümmer wurden nicht aufgefunden, wilche die. Hypothefe
von der Lage einer Stadt, wie Tarila, in diefer Gegend hätten beftätis
gen können, Da ward endlich ein merkwuͤrdiges Gebäude aus der Ferne
erblickt, wol. das merkwuͤrdigſte aller auf der ganzen Reife, das anfaͤng⸗
lich ein aewölbter Dom zu feyn fhien, in größerer Nähe ſich aber als
ein folides Mauerwerk erwieß, das auf einem Hügel fich erhebt.
Bon dem obern Boden des Hügels bis zur Spise der Gupola maß es
70 Buß ſenkrechte Höhe, und der Umkreis 150 Schritt; aus fehr gros
gen, barten Quadern eines Materials ward es erbaut, deſſen Geftein in
der Nähe anfteht, und viel vegetabile Verſteinerungen zu enthalten pflegt,
fo wie aus Eleinern Baufteinen von Sandftein. Die ganze Außenfeite
fhien mit alatt behauenen Tafeln jener erften Gefteinsart bekleidet ges
wefen zu ſeyn, das ganze war jebod entweder nicht rundum vollendet
worden, oder wahrfcheinlicher durch Zerftörung theilweife wieder feiner _
Befleidung beraubt, fo daß dafeldfi nur der Mauerkern zu Zage fland,
wie dies auch an den meijten dee römifchen Grabmale an ber Via Appia
in dem antiken Nom der Fall ift. Der Plan des Baues zeigte fich fehe
einfach; breite, jest meift zerfrümmerte Stufen führten hinauf zur une
terften Bafis der rundumlaufenden Mauer, von 8 Fuß fenkrechter Höhe,
die nach oben mit einer vorfpringenden Corniſche endet, und mit 4 Fuß
hohen, 6 Fuß weit auseinander ftehenden, Pilafiern mit flachen Gapitäs
fern, ornamentirt ift, Leber der Cornifche tritt der Bau um 1 bis 2
Fuß zurüd, und in aleiher Höhe mit den zugehörigen Gliedern erhebt
fich, ald zweite Etage wiederholt eine ſolche ſenkrechte Mauer, doch
ohne Pilafterverzierungen, und erſt über diefer beginnt der mächtige Sphaͤ⸗
roidalbau glei) einer Cupola, aus Quaderfteinen, die bis 34 Fuß lang
und 12 Fuß breit find, aber nur die fürzern Enden nad) außen kehren,
jedod durch Feine Gemwölbeonftruction zufammen gehalten find, fondern
auf dem innern Mauerkern aufliegen, Der oberfte Theil. der fphäris
Then Cupola ift wieder flach, und trägt Spuren von Mauerwerk, bie
eine Art Plattform von 11 Fuß Länge und 5 Fuß Breite übrig Laffen,
davon aber ein Drittheil des Raums durdy eine Quermauer abgefchnits
ten iſt. Da keine Spur, wie man damals meinte, von indifher Ars
chitectur an diefem Werke wahrzunehmen war, fo wurde es von ben
meiften der britifchen Reifenden als ein Bau der Griedhen angefpro=
hen, da man nur ausgezeichneten Künftlern und Zeinen einheimifchen Are
Sitecten ſolche vollendete Arbeit zumuthen konnte. Die Anwohner des
naͤchſten Dorfes nannten den Bau Tope Manikyala. Niemand
wußte über beide Benennungen Auffchlug zu geben. Die von EI=
phinftone mitgetheitte Zeichnung mußte das hödjfte Intereffe für die-
ſes Denkmal erregen, aber Erin Europäer hat «8 ſeitdem näher unters
Indus-Syſtem, der Tope von Manikyala. 101
ſucht, bis General Ventura beffen Ausgrabung im Jahre 1830 un:
ternahm.
Dieſer Offtcier ber Seikhs⸗Armee campirte gluͤcklicher Weiſe im
Fruͤhling des genannnten Jahres, in der Naͤhe von Manikyala, eine
laͤngere Zeit, und konnte, unterftügt durch die Vortheile, die feine Stel—
lung ihm darbot, die Ausgrabung dieſes coloſſalen Gebäudes unterneh—
men, welche mit der Unterſuchung des Innern der Agaptifchen Pyrami⸗
den verglichen werden Tann, und ohne die Ednigliche Macht, die er als
Seikhs General genoß, nit zu Stande gefommen ſeyn würde. Das
Ergebniß feiner Unterfuhung 22) übertich er der Societät in Galcutta,
durch deren Secretair, J. Prinfep, wir die genauefte Berichterftats
tung 76) über diefelbe mitgetheilt erhalten.
Der erfte Verſuch dee Ausgrabung gefhahe am 27. Aprit-1830,
am Fuß der Gupola, an der Suͤdſeite, wo cber die loſen Trümmer bie
Arbeit nicht belohnten. Am folgenden Tage fing man auf der Höhe
der Gupola felbft an, um. nad) der Tiefe zu fortzugraden, Die Quas
dern der Cupola wurden abgedeckt, und ſchon bei einer Tiefe von 3 Fuß
fand man die erfien 6 Münzen, Am 1. Mai, 12 Zuß tiefer, ſtieß
man auf ein vierfeitiges, gut erhaltenes Mauerwerk, in defjen Mitte wie—
ber eine Münze gefunden ‚wurde; am 6. Mai, in 20 Buß Ziefe, 1
Silber: und 6 Kupfermüngen, Am 8. Mai, kamen die Handlanger
auf eine metallene (ob eiferne oder Tupferne 2) Buͤchſe, die aber durch
die Haden zertrümmert wurde, Darin befand ſich eine zweite, Eleinere
Büchfe von reinem Golde, mit ornamentiriem Dedet?*), in defjen Mitte
ein Opal, oder Tabaſcher (fr Afien IV. 2. ©. 366) 5 in der Buͤchſe lag
eine Goldmünze, auf der ein Königskopf mit Geepter und unlefers
licher griehtfher Infgrift. Außerdem fand fih darin noch ein
. Boldring mit einem Sapphir und Pehlviinſchrift, mehrere Saffas
nidifche Münzen von Silber, und andere mit Nagari, bi.
mit dem Sanskrit, Inſchriften. Bei noch größerer Tiefe von 45 Fuß
mwurbe, am 95. Mai, eine zweite Kupferbücdfe gefunden, mit
allerlei Kleinen Gegenftänden, wie Cylinder von reinem Golde, Eryftalle
Beet biste
174) General Ventura Letter on Excavalions at Manikyala in Calc.
Pap., daraus in Asiat. Journ. New Ser. 1831. Vol. IV. p. 158 bis
161, Vol. IX. 1832. p. 364; vergl. H. H. Wilson Essay on Ind.
Med. in Asiat. Res. Vol. XVII. p. 601 etc. Alu Burnes Trav. 1. c.
Vol. I. p. 68 — 67. 75) Jam, Prinsep on the Coins anı Reties
discovered by M. Le Chevalier Ventura, General, in the Vope of
Manikyala. Mars 20. 1834. in Journ. of tlıe Asiatie Soe. ol Ben-
gal. Caleutta 1834. 8. Nr. 31. ed Prinsep Vol. Ill. p. 324 — 320;
vergl. K. O. Müller Rec. in Götting. Gel, Anz. 1835. Nr. 177.
S. 1762 — 1783. 76) ebend. Vol. I. ſ. bie Abbildungen diefer
Etgenftände Tab. XXI Relics found in the Tope of Manikyala,
first discovery.
102 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt: 8. 1.
tropfen u. a. m.; bei 64 Fuß Tiefe, ein Kupferring und eine Kowrie⸗
mufdjel (Cypraea moneta), noch tiefer ein eiferner Ring, Saffanidens
müngen, bis endlich am legten Zage des Mai eine fehr große Stein⸗
tafel den Beſchluß in der Ziefe zu machen ſchien. Als man diefe aufs
bob, zeigte fich in einer Art gemauertem Steinbaffin eine bermetifch
verſchloſſene Kupferbüdfe, die mit einer braunen Flüffigkeit
gefüllt war. Im diefer lag eine Bronze Büchfe!??), wie neu ges
drechfelt, mit einem pyramidalen Knopf und einer wohl erhaltenen Nas
gari-Inſchrift im punctirten mit Bunzen eingefchlagenen Buchſta—
ben, melde im Kreife umlaufen, die mol bei fortgefegten Gtubien wers
den entziffert werden koͤnnen. Im dieſer Bücdyfe fand man 5 Kupfer-
münzen, mit den Königsnamen Kanerfos und Kadphyſes oder
Mokadphyſes in griehifher Schrift, mit Köpfen und Attri-
buten in indo-ſcythiſchen Styl, trefflich erhalten. Im Innern
des Bronze» Eylinders fand fi noch eine Goldbuͤchſe in Cylinder⸗
Form, 4 Zoll lang, ganz einfach wie eine Nadelbuͤchſe geftaltet, 14 Zoll
im Durchmeſſer, mit einer. braunen Flüffigkeit gefüllt und mit Eleinen
Fragmenten, die man für zerbrodyenen Amber hielt, nebft einer Eleinen
Golvmünze mit einem Königskopfe und der Umſchrift, die fih auf Kos
rano endet.
Der merkwürdigfte Fund ſchien babei ein Silberdiscus zu fen,
mit einer Nagari Infhrift in antiker Schreibart, die ſchwer zu
entziffern, in welcher man aber den Schlüffel des ganzen Myfteriums
zu vermuthen mandje Urſache zu haben glaubte. Am 8 Juni war
endlich die Eingrabung des Zundaments bis zum Erdgrunde vorgebruns
gen; do ging man noch 20 Fuß tiefer, ohne meitern Erfolg. Die
eintretende Regenzeit hinderte die weitere Erforfchung.
In der Mitte diefes mächtigen Rundbaues hatte man demnady eine
Art vieredigten Thurmes, oder Brunnens, nach der Tiefe ausgegraben,
bis zu der tiefften, Kleinen Kammer unter der gewaltigen Steinplatte,
In den obern Räumen hatte man mehrere Metallbüchfen mit den Golds
und Silbermuͤnzen Indoſcythiſcher Fürften gefunden, und darunter eine
große Silbermünge von rohem Gepräge Saffanidifher Herkunft, Der
bebeutendfte Fund ward erft in der unterften Gteinfammer, in der
Art Scepulcralcelle gewonnen, in welder alles vorzüglich erhalten
war, und eine große Menge Kupfermünzen derfelben Dynaftie, wie die
frühern, aber unfenntlier, umher zerfireut Tagen, einige 40 Stüd.
Bald nach diefer Ausgrabung befuhte Al. Burnes biefelbe Kuine ?®),
und fand zu feiner Ueberrafhung dafelbft noch andere 70 Kupfermüns
gen in den umberliegenden Schuttmaffen, und zwei ſehr werthuolle An⸗
— — —
ebend. Tab. XXII. Relics found in the Tope Munikgpl prin-
&pal deposit. ”®) AL. Rurnes Trav,. I, p. 66.
—
Indus» Syftem, der Tope von Manikyala. 103
ticaglien von fchönfter- Arbeit, nämlich einen grotesken Kopf mit langen
Ohren aus einem Rubin gefchnitten, und eine weibliche Figur, ſehr gras
eidg, in einem Mantel gehüllt, die eine Blume hält, in einen Garneol
meifterhaft gearbeitet, Leider gingen ihm beide Stuͤcke auf der Weiters
RER U EN TE Ten :ar So Ah
Nach U. Eourt??), der diefer Ausgrabung beimohnte und. no
weitere Unterſuchungen in derſelben Umgebung anftellte,..liegt ein Dorf
des Namens Manikyala in der Nähe diefes Denkmals auf den Ruis
nın einer antiken Stadt, die aber noch nicht näher ‚bekannt ift, , Die ges
nannte Gupola hatte nad) feiner Mefjung 80 Fuß Höhe und 310 bie
320 $uß in Umfang; fie ragt ſchon aus weiter Ferne in der. Gegend
hervor. Ihre Quaderſteine find durch Cement verbunden; die dußere
Bekleidung iſt Sandftein, die innern Bruchſteine find Sandftein, Granit,
vorzüglich aber Muſchelkalkſtein. Die nördliche Seite iſt fo fehr zers
fiört, daß man leicht zu dem Gebäude hinauffteigen kann, bis zum
Gipfel, was früher nicht gut moͤglich war, da Feine Treppe hinaufführte,
Die Architectur fcheint fonft nichts ausgezeichnetes zu haben, die Gapis
täler der Eleinen Pilafter waren einft mit Widderkoͤpfen ornamentirtz jegt
find fie. alle zerſtört. Aehnliche Ornamente fand U, Court an, einem
Wafierbaffin, das auf dem Wege zwifchen Bember und Gerai Saidabad
ficy befindet. Solche Cupolen, ganz diefer analog, bemerkt derfelbe
Forſcher, finden fih im Diftrict Rawel Pindi mehrere, aber auch
jenfeit des Indus, in Peſchawer, in den Khyberbergen Afgbas
niftans, zu Sellallabad, zu Lagman, zu Kabul und jelbft
noch bis Bamyan, die insgefammt, was ſehr merfwürdig, entlang
der großen, alten Königsftraße,von Hindoftan durch Ka—
buliftan nad) Perfia und Bactriana liegen. Die meiften an fchwer
zu burchfegenden Paffagen, oder an militairifch wichtigen Pofttionen, oder
laͤngs den Rüden gerwiffer Hügelreihen, die das niedrigere Land umher
bominiren,
Wie wenig Aufmerkfamkeit zuvor auf diefe Gegenftände ——
war, ergiebt ſich daraus, daß A. Court allein innerhalb der Ruinen
zunachſt um Manikyala, noch die Reſte von 15 andern Cupolen die⸗
‚fer Art entdeckte, von denen er viele geöffnet hat, und daß die Zahl der
auf der Weftfeite des Indus aufgefundenen Monumente dieſer Art,
‚bie früher gaͤnzlich unbefannt geblieben, gegenwärtig fchon über
100 beträgt, Wir bleiben für jegt nur bei diefen Topes, die an ber
Dftfeite des Indus liegen, im Pendſchab ftehen.
Die Eupolen der Manityala= Gruppe liegen meiſt auf dem
22) A, Conrt Further Informations on the Topes of Manikyala’ in
Jonrn. of tbe Asiat. Soc. of Hengek Calcutta 1834, 8, os Prinsep
Vol. Ill, p. 556 — 576. r
104 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 1.
Rüden ber Sanpdfteinketten, die bort aus bem Boden häuffg
Kervortreten, Die Nuinen einer antiten Stadt um dieſe Denkmale find,
nad) A. Courts Unterfuchungen, ungemein weit verbreitet !*0). Ue⸗
berall zeigen fich große Ummallungen, beim Graben maffive Mauern,
eine Menge Brunnen, die gegenwärtig alle verfchüttet find. Alle Höhen
tragen Spuren folder Topes, die mit ihren quabdratifchen Seiten jes
desmal nach den Weltgegenden orientirt find. Den ganzen Ums,
fang diefer Stabtruinen nahm ein Plateau ein, das von den Regengüfs
fen tief durchriffen und zerftört worden ift, nur Schutthoͤhen, Einoͤden
trägt, mit Dornbüfchen befegt ift, und Patwar heißt. Von hier bie
zu den Ruinen von Zammiak (16 Kros fern) ift das ganze Land mit
Zrümmern alter Bauwerke bebedtz dort hätten einft trefflihe Mauls
beers und andere Obſtbaͤume geftanden, und vieles andere, erzählt die
Volksſaze von diefer Gegend, Die genauern Localitäten gibt A. Court
fo an: Manikyala liege 40 Kuror O. S. O. von der Feftung Attodz
34 K. in NW. der Stadt Silim, Die Ruinen der Stadt Ramma
(ob Sita Ramas Stadt?) Tiegen in S.W. von Manikyala. Die von
Parvata (die den Pandavas zugefchrieben wird) 12 K. in N. von
Manityala, Die S.uinen von Dangeli 14 K. in D. von Manikyala.
Diefes Dangeli foll unter den Guders ( Gheder3), deren Chef hier
feine Refidenz hatte, fehr blähend gewefen feyn, Auch Makkhyala
bei Rotas, Benda und Tamial, bei Ramil Pindi, werden als ehes
malige Guderftädte genannt. Diefe Gegend muß alfo einft ungemein
bevölkert gervefen feyn, und es mag noch fchwierig bleiben mit Critik zu
fondern was zufammengehört, was getrennt war. Ganz deutlich wird
die Natur diefer Denkmale nur erft durch die Rartenaufnahme der
Gegend werden, welche U. Court zu Stande gebradht, aber noch nicht
veröffentlicht hat. Auf dieſer Karte hat er unter Nr. 2, in R.RD,,
einen Kanonenfhuß von Manikyala, einen Zope bezeichnet, der Müns
zen mit lateiniſchen Infriften, mit Griehifhen, Sanskriti—
Then und Griechiſch-ſcytiſchen Typen gab. Der deckende Stein
der Urt Sepulcralcehle, die ſich in demfelben vorfand, war gang
mit Inferiptionen einer noch andersartigen, ganz unbekannten
Schrift bedeckt. Die Cupola dieſes Zope war 60 bis 70 Fuß hoch,
aber durch Zerſtoͤrung ganz formlos geworden. Die Ausgrabung deſſel⸗
ben begann A. Court ebenfalls, von der Höhe nad) der Tiefe fortge⸗
hend. Sie war ſehr muͤhſam, wegen der enormen Steinbloͤcke des
Mauerwerks, die fortgeſchafft werden mußten. Bei 3 Zug Tiefe fand
er 4 Kupfermuͤnzen; bei 10 Fuß Tiefe kam er zu einer vierſeitigen Um⸗
mauerung, deren Seitenbekleidungen mit Inſcriptionen bedeckt was
zen. In der Mitte derſelben ſtand eine ⸗——* und um dieſe her
18°) A. Court I. c. II p: 561.
-
E
!
Indus-⸗-Shſtem, Manikhyala, Muͤnzſchaͤtze. 105
waren 7 Kupfermuͤnzen gelegt, die ſehr unleſerlich geworden. Die Urne
war in weißes Leinenzeug gehuͤllt, das aber vermodert ſogleich abfiel.
Darin fand ſich eine Silberurne, und der Raum, der fie umgab,
war mit einer Amber⸗Erde (?) gefüllt, noch feucht, aber ohne Ges-
ruch. Im diefem Silbergefaͤße fand eine weit kleinere Goldurne
und 7 Silbermüngzen mit lateinifher Schrift lagen in der
braunen Maffe umher, im Innern der Urne aber fanden fi) 2 Edel⸗
feine, 4 verwitterte zu Ohrringen durchbohrte Perlen, und 4 Goldmüns
zen mit Griechiſch-Scythiſchen und Griechiſch-Indiſchen
Typen und Legenden, mit denfelben Monogrammen (S, S drei⸗ ober
vierzadige Gabeln), wie fie auf faft allen dort in neuerer Zeit gefun⸗
denen Münzen diefer Claſſe fi zeigten. Diefe und andere Münzen,
berfelben Art, und denfelben Dynaftien angehörig, finden fi, nah U,
Courts erft feit dem Jahre 1829 vielfach angeftellten Sammlungen ®1)
in vorzüglicher Zahl in der Gegend um Manityalaz aber auch zw
Silum, zu Pind Dadun Khan (vergl, Afien IV. 2. ©, 454), zu
KilliDaulle, Rawil Pindi u. a. O., wo fie jährlich in früherer
Beit in großer Menge zu Kupfergefchirr verfchmolgen worden was
zen, feitdem erfi ihre Käufer findend, aufbewahrt wurden. Wie viele
Hunderttaufende mögen vorher ſchon eingefchmolzen feyn. Die Gold⸗
und Silbermünzen find aus gleichem Grunde nur fparfamer zu has
benz; denn auch von ihnen find hier überall viele Schäge vergraben,
Die hemifhe Unterfuhung °*) der braunen Flüffigkeit in den Mes
tallbuͤchſen zeigte, daß fie aus einer vegetabilen Maffe und aus Kiefelerde
befiehe, darunter ſich gelbe Glasfplitter fanden, was zur irrigen Vors
fiellung von zerftoßenen Amber geführt hatte, Vieleicht, daß es ges
weihte, magiſche Kräuter waren, mit denen man, wie mit edeln Steinen
oder Kiefelarten und Glas, den Raum der Bühfen füllte,
Die Münzen haben insbefondere den Scharffinn der Antiguare
befchäftigt, um auf die Erbauer diefer Monumente, und auf
ihre Chronologie, die biöher beide ganz im Dunkeln lagen, zuruͤck⸗
zuſchließen.
Die in den beiden Cupolen gefundenen perſiſchen Muͤnzen ſind auf
ben erſten Blick als Saſſanidiſche?) erkannt worden, obwol die
Legende in Pehlvi noch nicht entzifert iſt. Nach dem Kopfſchmuck
der beiden Fluͤgel, welche einen Halbmond und Stern einfaſſen, und uͤber
dem Koͤnigshaupt ſchweben, iſt der Koͤnig Sapor II. (Shahpuri, der
81) A, Court I, c. II, p. 562. ®?) J. Prinsep Note on the
Brown Liquid etc. in Journ. I ce. Vol. II. p.567. 22) J. Prin-
sep Continuation of Observations on the Coins and Relics disco-
vered by General Ventura in the Tope of Manikyala in Journ,
of A. S. of Bengal 1. c. Vol. III. p.436—4585 vergl. K. O.
Müler 0. a. D, Gött. G. Anz. S. 1766.
106 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. 6. 1.
vom J. 310 bis 380 n Chr. Geb. regiert) nicht gu verkennen, obwol
derfelbe geflügelte Kopfpug auch nod ben weit fpätern Perferkönigen
wie Chosru Yarviz (589 n Chr. Geb ) angehört, auf deffen Münzen
aber Arabiſche Sentenzen ſtehen, und auch auf gleichzeitigen Indiſchen
Münzen Nagari Schrift vorkommt. Die audy font fehr häufig gefuns
denen Scefjanidenmüngen dieſes Sapor I!., des fiebenten Regenten der
Dynaftie, des Befiegers von Kaifer Valerian, würden ſich aus deſſen
fehr langer Regierungszeit leicht erklären, da derfelbe von- feiner Geburt
an, 70 Sahre lang, auf dem Thron der Saffaniden herrſchte, und öfter
Arabifche und Tatariſche, d. i. fogenannte Scytiſch-Indiſche (f. Afien
II. ©. 1100, 1V.2. ©. 524 u. f.) Völker am Indus befiegte. Da
dieſes die a eh dort gefundenen currenten Münzen find, die
man fonft wol in Monumenten niederzulegen pflegt, fo Eönnte man mit
Sicherheit hieraus ſchließen, daß dieſe Topes auf feinen Fall vor ber
Periode der Saffaniden erbaut wurden, am wahrfcheinlichften aber
innerhalb der langen Regierungszeit Sapor Il., etwa um das Jahr
880, oder gegen Ende des IV. Jahrh. n. Chr. Geb., an der Oſtgrenze
feiner Herrfhaft, gegen Indien. Da auf feinen Münzen, die Hier vor⸗
fommen, der Perſiſche Feueraltar (das Bild der Sonne im 305
roaftercultus) , auf den Hindu Münzen mit dem Sapor- Kopfe durdy
Bilder des Krifchna erfegt, oder auf andern mit dem Buddha vers
taufcht wird: fo ift mol hoͤchſt wahrſcheinlich, daß in jener Periode der
Erbauung diefeer Denkmale, Saſſanidenherrſchaft auch über diefe
Sndifhe Grengproving, in der Buddha- und Brahmanens '
eultus nebeneinander beftanden, hinüberreichte, und die Lichtreligion der
Saſſaniden dafelbft nur die Staatöreligion, nicht die Volfereligion war,
wie es jpater der Sölamismus eben dafelbft wurde,
Die Römifchen von A. Court im Zope, Nr. 2., bei Mani:
Eyala gefundenen Münzen, führen zu einer andern Betrachtung. Der
Grund, warum man fie in das filberne Gefäß gelegt hatte, während
die goldenen und Zupfernen mit Indo-Scythiſchen Typen und Legenden
versehen find, Hegt, nah DO. Müllers !**) Dafürhalten, wol darin,
daß diefe Herrfcher, weniaftens in der Regel, nur Gold= und Kupfer-
Münzen fchlugen, indem alle bisher von ihnen bekannt gewordenen Muͤn—
zen niemals von Silber find. War alfo auh Sitbergeld zum Mas
gifhen Cultus, der in diefen Denkmalen hervortritt, nothwendig, fo
mußte man fremde Münzen dazu nehmen, wie Saffanidifche oder
Römiice, Die Römifhen von X. Court aufgefundenen Silber—
münzen (f. Tab. XXXIV. fig. 19— 25 ihre Abbildung) ®*) gehören, der
Zeit nad), alle dem Ende der Romiſchen Republik an. Eine iſt ein 43
128) Goͤtt. Sel. Anz. a, a. D. ©. 1769.° *22) J. Pri⸗ Note
en the Coins diecorered by Mt. Court Le. Voll p. 607.
Indus-Syſtem, Manikyala, Muͤnzſchaͤtze. 107
fonft unbekannter Denar bes Triumvir Antonius (M. Antonius III. vir.
K. P. C.), eine andere dem I. Caesar, eine dritte mit dem Revers
Caesar div. f., alfo mol dem Auguftus angehörigz feine ift aus der
fpätern Zeit Gonftantins, wie A. Court meinte. Diefe Römichen Müns
zen, die fid) vom Tiberfirom bis zum Indus verbreiteten, weifen wol
darauf hin, daß zur Zeit, da diefe Cupola errichtet ward, zwar Silber⸗
‚geld aus Auguftus Zeit, aber Eeins von den Nahfolgern diefes Kais
fers nach Indien gelangt war, ein merkwürdiger Gontraft, wenn man
die im erften Tumulus gefundene Saffaniden Münze der fpätern Zeit des
Ehosru Parviz im VI. Zahrh. zuzufchreiben gebächte,
Die in beiden Gupolen entdedten Sndo-Scythifhen Münse
zen, ber dritten Elaffe, zerfallen nad den bisher lesbar geweſenen
Legenden in zweierlei Art, nämlich in die Kadphyſes, oder rich—
tiger Mofadphyfes, und in die Kanerkos Münzen. Beide Ars
ten haben auf der Vorderfeite griechiſche Inſchrift, auf dem Res
vers vielleicht alte Pehlvi Charactere; von beiden find dergleichen in
jedem der beiden Topes gefunden worden, die man alfo für gleich zei—
tig errichtet annehmen kann. Auch fcheinen die fogenannten alten Pehlvi
Eharactere mit der rundumlaufenden punctirten Infhrift der Bronzes
buͤchſe, die man auch für Nagari angefproden hat, nahe verwandt
zu ſeyn.
Auf der erften Art, den Mokadphyſes Münzen, die feitdem
aud) in großer Zahl anderwärts, im obern Indusgebiete aufgefunden
wurden, finden ſich häufig die öfter wechjelnden Zitel, wie Baoıkeus
Buoılewr, Zwrng Meyas u. f. w., aber immer wiederholt fi, der Name
KAZSBICHE *°), oder wie Raoul Rochette °”) nach vollftändigern
Sammlungen des General Allard nachgewiefen hat, MOKAABICHC,
Das Bildniß in der Tracht eines Tataren Khans auf der Vorderfeite
dieſer Münzen, zeigt fich ftehend, oder auf einem niedern Divan figend,
angethan mit Stiefeln, Beinkleivern, einer Art Nock, mit hoher Müse
bedeckt, von der zwei Bänder herabhängen. Ein Zweig, oder etwas dem
aͤhnliches, ein Oreizack, eine Keule, ein Eleiner Altar, oder ein Rauch⸗
gefaͤß find beigefügte Attribute, denen jene Monogramme, in Form einer
brei= ober vierzadigen Gabel, oder eines Kreuzes mit halbmondförmi-
‚gen Griff (Crux ansata) nicht fehlen. Auf dem Revers ift ein junger
Gott vorgeftellt, mit einem Schurz um die Hüften, mit einer Art phrys
giſcher Müse, fi auf einen Indiſchen Budelodhfen (Zebu) Ieha
nend. Andere Eremplare diefer Münzen der Mokadphyſes-Reihe haben
andere, mehr oder weniger analoge Borftellungen diefer Art; fie find
26) Goͤtt. Gel. Anz. a. a. O. 37) Raoul Rochette in Suite du
denxieme Supplement a la Notice etc. in Journ. des Savans Mai
1836. p. 265.
dx)
nn
108 Weſt-Aſien. I Abfchnit 8. 1.
aber in Beidynung und Gepräge aus einer griechiſchen Säule
Die Bitdniffe der Tataren Khane, fagt O. Müller, find zwar gros
test, aber body voll Geift, Leben, Humor; der auf den Bucelftier ges
Ichnte Gott hat doch einen Anhauch hellenifcher Schönheit. Das ganze
Gepräge würde nicht zu begreifen feyn, ohne die Annahme nod) vor⸗
bandener griedifchen Künftler im Indo-Baktriſchen Reiche. Andere
geigen fchon einen mehr und mehr gefunkenen Styl; dieſe Mokadphyſes
Münzen ſtehen fehe räthfelhaft zwiſchen den Indo⸗Griechiſchen frühes
rer beſſerer Zeit, der Griechiſch-Baktriſchen Periode und der noch —
tern Saſſaniden Periode in der Mitte.
Die zweite Art der Kanerkos Mängen!?®) iſt in weit groͤ⸗
ßerer Zahl aus beiden Ausgrabungen der Topes von Manikyala erhals
ten. Sie haben diefelben Zitel, wie Baoılevg Buoıleor KANHPKOT,
oder auh PAO NANO PAO KANHPKI KOPANO, was wol nur)
denfekben Indifchen Titel Rao (d. i. das heutige Radja) König,
bezeichnet, fo daß Nadja der Radjas, jest Maha Radja, nus
durdy Bao. Auo. ind Griechiſche als überfegt, und noch ein Zitel in Kos
zano (ob Imperator, oder fonft?) zugefügt erfcheint. Die Inferiptionen
der Reverfe beziehen fi; auf bie abgebildeten, mythologiſchen Perfos
nen, deren bildliche Vorſtellungen weit größere Mannichfaltigkeiten dara
bieten, als die Vorberfeite,
Die Vordberfeite hat fiets einen Tataren Khan, wie bie
Mokadphyſes Münzen, in ganzer Figur, oder auf den Goldmünzen nur
feine Büfte. Statt des Dreizads des Mokadphyſes Hält Kanerkos nur
einen Spieß in der Linken, auf zweien der Goldmünzen aber auch, wie
Mokadphyſes, einen Zweig in der Rechten, oder eine Aehre. Unter den
Reverſen unterfceidet man verſchiedene Figuren; bald mit den
Namen Helios, Mithro, oder Nanaia, Okro, Athro u, a. mu
Die erfteren zeigen eine Sünglingsfigur in orientalifchem Gewande,
mit flatterndem Mantel, die rechte Hand wie winkend erhoben, ein Kreise
nimbus mit Strahlen um das Haupt, ein Sonnengott, dem die Legende
HAIOC, und, in ben minder guten Geprägen, auch MIOPO und
M1IIPO zur Seite fteht. So lange aljo am Hofe diefer Ufurpatoren
in Nordweſt India Griehifhe Sitte und Sprache herrfchten, hieß auch
der Perfifche Gott, deſſen Cultus fie ſich angeeignet hatten, Helios; als
aber die griechiiche Sprache zurüdgebrängt wurde und in Vergeſſenheit
Lam, blieb zur der Name Mithro (Mithras) officiell, obwok
doch noch griechiſche Schrift, und felbft diefee Styl in der Zeichnung, ſi ch
noch einige Zeit auf den Muͤnzen erhielt.
Die Münzen mit dem Revers MANATA zeigen ebenfalls eine Fi⸗
gur in faltigem Muffelingewand mit einem Nimbus um ben Kopf, und
ı89) Goͤtt. Gel. Anz. a. a. O. ©. 1775.
Indus-Syſtem, Manikyala, Muͤnzſchaͤtze. 109
einer lotosartigen Blume in der Rechten mit ber Beifchrift, welche die
Anaitis, dem Mithras als Gottheit nahe verwandt bezeichnet, She
ultus *?) war, nad) Berofus Bericht, unter Artarerres Mnemon durch
fein ganzes Parthiſches Reid) von Armenien bis nad Baktrien verbreis
tet; auf Griechiſch-Baktriſchen Münzen ift fie als Artemis dargeftellt,
Sn Makkabaͤer II. B. 1, 14 wird fie Ranaea genannt; auch in Ine
dien war fie aber unter dem Namen Nani, Nana verehrt, und ibens
th mit Parvati. Es fließen alfo auch hier die Eulte ineinander
Gergl. Vorhalle Europ, Völkergefh. @. 56 u. f.). —
Dieſelben Kanerkos Muͤnzen, mit dem Revers Okro, oder
Athro (wol wie Mao, als Deus Lunus in Baktrien, und Mithro,
als Deus Sol vorfommt) ?°) ftellen einen vierhändigen Züngling mit
Nimbus um den Kopf dar, und auf Indiſche Art mit Arm- und
Fußringen geziert, in den beiden Rechten Pfeil und Schlange, in der
Linken einen Speer haltend u, |. mw. Andere geben noch andere Vorz
ſtellungen.
Aus dieſen verſchiedenen Arten von Münzen, bie auch am
Gan ges und in Kabuls Monumenten ſich wiederholen, wo weiter
Unten von ihnen die Rebe ſeyn wird, ergiebt ſich offenbar ?*), daß einſt
eben fo wie in dem Baktriſchen Lande, am Oxus (f. Ajien IV. 1.
©. 484—486), jo auch im Pendſchab, am Indus, der Einfluß grie⸗
chiſcher Herrſchaft entwedir längere Zeit beftanden, oder in mehrern
Zweigen fich verbreitet hat, ald man bisher anzunehmen pflegte. Gries
chiſche Sprache und Kunft waren fo feftgewurzelt, daß Mokadphyſes
und Kanerkos, Fürften eines gang fremdartigen barbarifchen Stam—
mes, mit der Eroberung diefer Gegenden zugleih grichifhe Sprache
und Schrift für gewiffe Zwecke annehmen mußten, Daß fie zu
dem ſogenannten Indo-Scytiſchen oder Tatariſchen Stamme, nämlich den
Geten, oder Saken, von deren Herkunft früher die Rede war (ſ. b. Aſien
IV. 1. ©, 485 — 486, und den dortigen Gitaten), oder zu dem Tur⸗
kiſchen, der vom Sahre 136 vor Chr. Geh. an, hier herrfchend ward,
gehörten, iſt wol die wahrfcheinfichfte fchon von Wilfon und Prinz
ER nachgewiefene Annahme, da uns aus den Kafchmir Annalen und
Tuͤbetiſchen Hiftorie auch der Stamm der Turukſcha bekannt iſt,
und ſelbſt ein dem Kanerkos verwandter, vielleicht ſelbſt identiſcher
Name, Kaniſchka, als Herrſcher von Kaſchmir, als maͤchtiger Koͤnig
der Könige genannt iſt (ſ. Aſien II. S. 1100), der auch nach Csoma de
2) Goͤtt. Gel. Anz. a. a. O. ©, 17773 vergl, Raoul Rochette
J. c. Journ. d. Sayans Mai p. 268. »0) Kaoul Rochette ], c.
p- 267. »1) 9, Müller a. a. O. ©. 1780. »2)H.H. Wil-
son and.J. Prinsep Observations on L. A. Burnes Collection of
a and other Coins in deſſ. Trav. into Bokhara Vol. 1,
2
duslande Ufurpatoren waren, Am Indus dagegen, wo es, zu Ptoles
110 Weſt-Aſien. L Abſchnitt. G. 1.
Körös Forſchungen König von Kapila (bei Hurdwar) heißt, und
400 Jahr nach Buddhas Erfcheinen, cin großer Patron der Buddhiſten
war. Wären diefe Geten niht unmittelbar auf die griechifchen
Herrſcher in Baktrien gefolgt, fo würden fie bie griechiſche Sprache nicht
mehr vorgefunden haben, und haͤtten von der griechiſchen Kunſt keine ſo
friſche Ueberlieferung erhalten koͤnnen, wie fie doch unverkennbar auf ihs
ren Münzen mit den Indo-Scytiſchen Königsbildniffen ſich zeigt.
Aus den gegebenen Thatfachen, bemerkt der unparteiifche Archaͤo⸗
Loge 103), dem wir hier am liebften folgen, habe man die eigentliche
Blüthezeit diefes Indo-Skytifhen Reichs, von einem verläns
gerten Fortbeſtande befjelben zu unterfcheiden. Defjen Bluͤthe⸗
zeit treffe nothwendig in das erfte Jahrh. vor Chr. Geb. und etwas
weiter, in welchem die Könige Mokadphyſes und Kanerkos ges
herrſcht haben (Kanifchka in der Kaſchmir Chronik herrfcht 120 vor Ehr.
Geb.). As Erben griehifher Bildung und Kunft würden fie damals,
zugleih, ſchon als Gebieter der Vorhalle Indiens, auch den Handel‘
mit Indien in ihrer Gewalt gehabt haben; daher die Münzen ber
Zriumvirn Roms neben denen diefer Indo-Skythen fich vorfinden konn⸗
ten. Vicramaditya, deſſen Regierungszeit im Anfang einer Aera
um das Sahr 56 vor Chr. ©, ziemlich feft ſteht (ſ. Afien II. ©. 1090
u. 0.), bezwingt und vertreibt wol diefe Indo-Skythen, und foll das
durch Macht und Wohlfahrt des alten Indiens hergeftellt haben; aber,
doch wol nur aus dem Gangeslande, wo fie ebenfalls wie im In—
mäus Zeit, nody eine India Scytliica gab, und längs dem indifchen Kaus
kaſus (Hindu Khu), müffen fie ihre Herrſchaft noch Tange Zeit behaups
tet haben. Die Mokadphyfes und Kanerkos Münzen, melde
gegenwärtig in fo außerordentlicher Menge in Nordindien und Afghanie
ftan gefunden werden, rühren offenbar großentheils von den Nachfolgern
diefer dort einheimifchen Regenten her, die in mehrern Dynaftien
ſich ausgebreitet haben mögen, von denen unfere Hiftorien zur Zeit freis
lich noch nichts wiffen. Shre Gefchichte ift unbekannt; aber, nad) dem
Mufter der urfprünglihen, aus der hellenifch = bactrifchen Zeit, nur hi
verfchlechtertem Styl, find ihre Münzen gearbeitet und geprägt, ein
Styl, in welchem die Verwandtfhaft mit dem ſpaͤtroͤmiſchen und Saffas
nidifhen, unverfennbar ift, von denen der letztere wieder zwar in der
perfiichen Kunft wurzelte, aber doch auch wieder aus fpätern römifchen
Denkmalen Nahrung gezogen hatte, In diefe Periode fällt demnach
auch die Erbauung der Topes von Manityala, die felbft unter ſehr
ſpaͤten Abkoͤmmlingen diefer Dynaftien Statt finden Eonnte, bis zu Sas
por Il. Zeit (380 n, Chr. G.), oder wenn die Chosru Parviz Münze
222) 8. O. Müller Gött. Gel. Anz. a. a. D. ©. 1780— 1783.
Indus⸗Syſtem, Topes, Buddhiſtiſche Monumente. 111
ſich noch durch Entzifferung ber Pehlvi Legende ergeben ſollte, ſelbſt
noch in denjenigen Zeiten, in welchen mit dem erwachenden Mohammeda⸗
nismus eine ganz neue Aera für den Orient begann. |
* Aber mit den Münzen find die Erbauer der Topes und deren
Beftimmung, fo wie die Natur ihres Inhalts noch keineswegs ers
Blärt, fo wenig als der Name des Hauptmonumentes dadurch ermitteft
iſt. General Bentura?*) ließ ſich durch etymologifche Aehnlichkeiten
des Namens Maniktyala (Stadt des weißen Pferdes) dazu verleiten,
darin die Lage von Aleranders Bucephala zu conjeeturiren, was aber
© nice hier, fondern am Hydaspes gegründit ward (ſ. Aſien IV. 1. S. 453).
9. Wilfon überfegte das Wort dur Stadt der Rubine ’:)
(Manityazalaya, d. h. Stadt ber Rubine im Sanskrit, vergl.
Afien IV. 2. Se 362) , in der Vorausfegung, daß das Monument die
Lage einer großen Stadt bezeichne, was keineswegs der Kal ift, wenn
auch Stadtruinen umbherliegen, wie ſich aus den vielen ähnlichen Baus
merken berfelden Art ergiebt, die nicht in Städteruinen, fondern meiſt
auf einfamen Anhöhen und Bergrüden, längs der großen Heerſtraße nach
Baktrien feitbem entdedt find. Dennoch bleibt es darum nicht minder
wahrſcheinlich, daß in der Nähe diefes Manikyala wegen der vielen bes
nachbarten Ruinenaruppen dennoch einft eine bedeutende Stadt (vielleicht
Zarila, wie X. Court‘) dafür hält) geftanden haben möge, die nur
nicht den Namen dieſes Denkmals geheilt zu haben braucht. Nach A.
Court pilgern noch heute die Hindus nad) diefem Manikyala, um
den erfien Abfchnitt der Haare ihrer männlichen Kinder dafeldft als
Dpfer darzubringen, und nah 3. Prinfeps Erfundigungen ?7) wer⸗
den von vielen derfelben diefe Topes überhaupt, wo fie ſich finden, für
Grabmale alter Könige gehalten. Damit fiimmen aud) tie Hy⸗
pothefen von Eh. Maffon und Dr. Gerhard ’*) überein, welche.
fo viele Monumente diefer Art näher unterfucht haben, Aber diefer Ans
ſicht widerſpricht der Inhalt diefer Monumente, der nirgends Könige-
leihen, oder Ebnigliche Ornamente, Waffen und Kofibarkeiten diefer Art
wol aber überall diefelben analogen, minutidfen Geltfamfeiten
der Metallbüchfen mit ihren räthfelhaften Zalismanen, Symbolen und
Münzen u, f. w. barbot, von denen noch weiter unten, auf der Wefts
feite des Indus mehr die Rebe feyn wird. Dagegen leidet es nun fon
wol einen Zweifel mehr, daß es Buddhiftifche Monumente, Maus
foleen gefeierter Buddhas, die Dagops (ober Dagobas, d, h. Die
Journ. 1831. New Ser. Vol. IV. p.160. °*) A. Conrt Informations
l. e. I. p. 556. »?) J. Prinsep Note on the Coins 1. c. III,
p- 568. **) J. G. Gerhard Memoir on the Topes and Anti-
ities of Afghanistan (1834), in Journ. of the As. 5. of Bengal
l. Il p. 328.
a A
1 20) Chas. Masson Memoir on theancient Coins p.162. 25) Asiat,
PN
112 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $. 1.
ligthuͤmer find, unter welchen Reliquien oder Bilder Buddhas nieder⸗
gelegt werden) ??°) deren Bau gleich einer Waſſerblaſe, wie deren Ge⸗
brauch ung aus der Siamefifhen und Ceyloneſiſchen Hiftorie
(j. Afien III. ©. 1162, IV. 2, ©, 237, 239), fo wie auch aus den ale
ten Monumenten und Grottenwerken im Süden Dekans (f. Afien IV. 1,
©. 675, IV. 2. ©. 252) bekannt genug ift, wozu auch jene Art Bals
dahin (in Regenfhirmform) oder der myfteridfe Chattah zu ge⸗
hören fcheint, der fich oft über folchen Kegel= oder Dom-Bauen erhebt,
und wie wir vermuthen hoͤchſt wahrfcheinlich auch die Pendſchab Cu⸗
polen einft ſchmuͤckte, bie aber alle von ihrer Kuppelhöhe, fchon wegen
ihres Metallwerthes, mit der Zeit aber auch durdy die Zerftörungsmuth
ber Mohammedaner feit der Ghaznadidenzeit abſichtlich herabgeriſſen
feyn mögen. Hieraus würde ſich denn auch die Urfache ergeben, warum
alle Kuppelhoͤhen dieſer Denkmale, fo zertrümmert erfcheinen, ohne ane
dere Zerftörungen im Innern derfelben herbeigeführt zu haben. Die
Zleinern modellartigen Formen dberfelben Dagopsgeftals
ten 200), die als Metallbüchfen von Gold, Silber und Bronze im In⸗
nern, in Miniatüre, gefunden find, enthalten, wie fi) aud) aus 3, Jac⸗
quets und M. Honigbergers neueften Mittheilungen ?) zeigt wirklicdy
noch foldye myſterioſe Chattahs oder Sonnenfhirme und ornamentirten
Spisen, wie fie aud) den Dagops in Geylon und den Buddhatempeln
in Siam nicht fehlen, fo wenig wie in den Grottentempeln von Baug,
Garli:u. a. D. Mit Scharffinn hatte ſchon Ersfine in den Schrifs
ten der Bombay Societät dies Manikyala Denkmal für einen Dagop
aus alter Zeit erklärt. Durh B. H. Hodgfons jüngfte Berichters
ſtattung wird diefe Anſicht vollkommen beftätigt: denn diefer einſichts⸗
volle britifche Nefident giebt Zeichnung und Grundriß von einem Bau
wie Manikyala nebft Befchreibung in einem Briefe ?) (24. April 1834,
aus Kathmandu batirt), und bemerkt dabei, daß diefe Bauten, welche
dafelbft Buddha Dagoba, oder Chaitia heißen, fi in großer Anz
zahl in den NepaulthHälern vorfinden, und gleihen Inhalt wie zu
Manikyala zeigen.
Csoma de Körös, der berühmte tuͤbetiſche Reiſende, lernte eben⸗
falls die modernen tübetifhen Dagops*) fehr genau Eennen, und
giebt durch ihre heutige Beſtimmung Aufſchluß über ben Gebraud von
199) W. v. Humboldt über die Verbindungen zwiſchen Sndien und
Sara ©, 150 — 168. 200) Journ. of the As. Soc. of Bengal
Vol. II. Tabul. XXI. fig. 20a. ı) Journal Asiatique Sept,
1836. Planche XI. Nr. 12, 13. 2) B. H. Hodgson Notice on
Ancient Inscriptions etc. in Journ. of the Asiat. Soc. of Bengal.
Vol. III, p. 483 Tabul. XXXT. vergl, J. Prinsep Not. ib, Vol. II,
p- 329. 3), Csoma de Körös in J. Prinseps Notice lc, III.
p- 570,
Indus⸗Syſtem, Topes, Buddhiſtiſche Monumente, 113
jenen älteren im Pendſchabgebiete. Die Aſche verbrannter Gebeine ber
verfiorbenen Buddhadiener, fagt derſelbe, wird mit Thon und ans
dern Dingen gemengt, wie zuweilen auch mit pülverifi rten Edelſteinen;
dies wird in einen Teig gefnetet, den man in Formen von Bildern ge=
ftaltet, die man „Tſcha Tſcha“ nennt. Diefe Reliquien werden in
Hleinere pyramibale oder kegelartige Gebäude, Chaitya oder Chorten
genannt, beigefegt, ohne befondere Koftbarkeiten zuzufügen, und ohne bes
fondere Geremonie, Dies ift der Gebraud) bei dem. gemeinen Mann,
bei den Vornehmen, Prinzen u. a, kommen viele Geremonien zur Beis
fegung folder Reliquien hinzu, die befanntlid) in Geylon auch aus Haas
ren, Zähnen und kleinen Gebeinen beftchen. Solche gemifchte Maſſen
ſind es offenbar, welche auch mit Stuͤcken von Glas, Kieſel, Edelſteinen
und andern vermoderten vegetabiliſchen Gegenſtaͤnden jene braunen, zaͤ⸗
hen Feuchtigkeiten in den Metallbuͤchſen erzeugt haben. Daher auch der
Name Dagoba, oder richtiger Dagop (auf Ceylon nach Joinvilles
Etymologie, von Da, Knochen, Gebein, und geb, Bauch, oder Gefaͤß;
im Sanskrit, nach W. v. Humboldts Etymologie *), Dehagopa,
zuſammengezogen Dagop, d. h. „koͤrperverbergend“ ober „des
KörpersBewahrer). ’ Hierzu Eommt, daß fic der Name des be=
zeichneten Denkmals, nah Ch. Maffons Bemerkung °), den gemäß
ganz einfach, aus dem laͤngſt bekannten Gebraud der Buddhiften ergiebt,
fowol dem Buddha (Shakya Muni, Satya Mani.) als froms
men budbhiftifchen Prinzen und andern Heiligen, den Zitel Mani (oder
Muni), Maniya, d.h. „Herr oder König’ beizulegen,, woraus
mit der Ortöbezeichnung Kyala, die Bedeutung „Stätte des
Herrn’ hervorgehen mußte, die dann auh in Heiligen-Grab,
oder felbft Königs-Grab übergehen Eonnte. Den Namen einer Stadt
kann man alfo in diefer Benennung nit mehr ſuchen; fehr merkwürdig
ift es unftreitig, daß unter allen, bis jest an Hundert wieder aufgefuns
denen Dagops, diefer einzige, feinen Buvdhiftifhgen Namen,
Maniktyala, bis heute, durch alle Verfolgungen der biutigen Brah—
manenfriege gegen diefe in Indien ausgerottete Secte behauptet hat.
- Bon allem, worüber die Entdeckung der weftlihen, außerhalb des
Pendſchab liegenden Dagops, in Kabuliftan und am Hindu Khu ins
beſondere belehrt hat, wird nur erſt auf der Weftfeite des Indus bei
r
Peſchawer und Kabul die Rede feyn koͤnnen; doch bemerken wir hier
vorläufig zur Beftätigung jener budöhiftifchen Bauwerke, daß offenbar
richt immer von Pagoden und Thuͤrmen, fondern auch von ihnen die
9). d. Humboldt über die Verbindungen.a. a. O. ©. 163 5.24.
Ueber den Namen Dagob, 5) Cl. Masson Memoit of the
Ancient Coins etc. in Asiat, Soc. of Bengal Vol. III, 1834.
p- 162,
Ritter Erdkunde VI, ou
f
114 WeftsAfien, I. Abſchnitt. 5. 1.
Rede iſt, wenn in dem chineſiſchen Werke Foe Koue Ki?°®), von den
Buddha Miffionaren in den verfchiedenen norbindifchen KRönigreichen, wie
Suhoto (im heutigen Kabul), Kian tho ko (Kandahar), Tchu⸗
ha di lo und andern Landſchaften im Dften von Kabul und Ghazna,
große Buddha Tumuli, oder Buddhathürme, mit Orna⸗
menten von Gold und Silber genannt werden, die zu Ehren von
Reliquien oder Wunderthaten Buddhas in Menge aufgezählt werden,
und welche längs der Wanderſtraße jener Miffionare, in denjenigen Ges
bieten der Weftfeite des Indus, wo damals (im 3.630 bie 650 n. Chr.
Geb.) ”) das Buddhathum noch in hoͤchſter Blüthe und Verehrung
ftand, und wo Völker, wie Könige, ſich beeiferten, in Menge foldye heis
lige Stupas *) zu erbauen, um bie Seligkeit im Himmel zu ermwers
ben. Wir zweifeln nicht daran, daß dieſe jo häufig genannten Stu⸗
pas,eben diefe Monumente find, welche im dortigen Volksdialect
gegenwärtig Topes heißen, und daß hiermit die Periode ihrer Entfies
hung hiſt or iſch nachgemiefen ift. (Stupa heißt im Sanskr. fo viel
als Zumulus, kann aber auch einen Thurm als foldyen bedeutenz bafjelbe
was bei demfelben chinefifchen Autor Tha, ober Ta-pho, . i. Er⸗
böhung bedeutet. Daher im Chinefifchen Su theou phu, dv. 5,
koͤſtliche Erhöhung, Tumulus, Thurm, dem Sanskrit nachges
bildet, und die contrahirte, im Pendſchab noch gebräuchliche Form, im
Bolksdialect To⸗pe.) s
Es bleibt uns hier nur noch das zweite Domgebäude der Da⸗
gops auf der Dftfeite des Indus, im Pendfchab gelegen, zu erwähs
nen übrig, von welchem wir durh Al, Burnes, wie wir fchon oben
bei Osman bemerkten, zuerft Nachricht erhielten. Er hat eö unter dem
Namen des Tope von Belur?) abgebildet und kurz befchrieben. Es
liegt diefer Stupa (contrahirt Zope) auf dem Rüden einer Hügels
reihe nahe dem zerftörten Dorfe Belur, Ahnlih wie Manityala, nur
eine Eleine halbe Stunde fern von Osman. Wegen feiner hohen Lage ift
e8 in weiter Ferne zu fehen, obwol Eleiner ald Manikyala, dem es Hinz
ſichtlich der Gonftruction übrigens ganz gleicht. ODoch hebt, fi feine
Grundmauer unter der Pilafterreihe höher empor; im Ganzen mißt es
nur 50 Fuß fenkrechte Höhe, Es ift ebenfalls ſchon zerftört und früher
einmal aufgebrochen worden, Auch hier wurden ähnliche Münzen ges
funden. Niemand. kennt deffen Erbauer; es wird für das Grabmal eis
uw abi
20°) Fo&KoudKi ou Relation des Royaumes Bouddhiques. Oeuvre
Posthume p. A. Remusat et J. Klaprotlı. Paris 4. ch, IX. p. 64
ch. X. p. 66, ch. XI. p. 74. 7) 3. Klaproth Reife des chine⸗
ſiſchen BuddHapriefters Hitan Thfang durch Mittel: Afien und Ins
dien (630— 650 n. Chr. G.). Berlin 1834, 8. ®) Foẽ KoueKi
l. c. ch. XII. Not. 6. p. 91. cf ch, Ill. Not.3, p. 19, ®).AL,
Burnes Trav. l. c. Lp. 7
Indus-Syſtem, das Pendfchab, Producte. 115
nes alten Königs gehalten. Der gelehrte Begleiter Al, Burnes’, fein
Munfchi, meinte jedody, e8 werde von Buddhiſten erbaut feyn. Noch
follen ein paar andere Denkmale diefer Art, nur weit zerftörter, in der
nahen Umgebung feyn, Auf der Weftfeite des Indus, in Pefchawer und
Kabul nimmt ihre Zahl aber ungemein zu.
Erläuterung 4.
Das Pendfhab. Fortfegung.
I. Producte, Induſtrie, Handel.
. Das Pendfchab mit feinen weiten Ebenen, an den Weft:
und Nordfeiten von Gebirgsfäumen, im Süden von Niederungen
umgeben, gehört zu den reichbegabten Ländern; denn es hat
Ueberfluß an Korn, Wein, Del, Salz und vielen andern Pro:
ducten, die zur Ausfuhr dienen, vielen Gewerben Material geben,
und bei einer größern Population noch weit mehr Erwerbmittel
darbieten koͤnnten; es ift in allen feinen Breiten von großen
Strömen in Diagonalrichtungen durchfchnitten, welche überall
durch Canalifation und Irrigation, wie die Nefte derfelben hie
und da, zumal im Often,. aus den frühern Kaiferzeiten, noch heute
beweifen, den Ertrag ungemein zu erhöhen im Stande feyn wir:
den. Die politifchen Schickfale, in die das Land von jeher durch
feine Stellung verwicelt ward, haben es nur theilmeife, nie ganz,
herabdrüden können; fporadifch hat fich neben der Landescultur
‚auch eine nicht ganz unbedeutende Induſtrie entwickelt, ungeach:
tet der Handel im Lande niemals durch die großen und vielverz
zweigten Stromlinien, wie die des Indus und des Pendfchab,
unterftüßt ward. Die neneröffnete Zndusfchiffahrt kann vielleicht
dem Pendſchab eine neue Epoche der Blüthe herbeiführen,
Aus dem Mineralreich ift Steinfalz!!) ein Hauptproduct,
das als Regale aus der Saljfette (f. oben ©. 95) durch das
nze Land geht, aber auch in die britifchen und anderen Terris
* ausgeführt wird; ein zweites Steinfalzlager, obwol von ge:
tingerm Umfange, ift in Mundi im Betrieb (f. oben ©. 80),
in denfelben Berggehängen, wo unter Runjit Singhs Herr
[haft auch Steinfohlenmwerfe bearbeitet werden, und Eis
10) Al. Burnes Tray. I, c. IL, on the Commercial Relations of the
Punjab p. 401.
92
116 Weſt-Aſien. L Abſchnitt. & 1.
fenminen von Bedeutung aufgefunden find, welche zu den
Waffenſchmieden und den Gewehrfabrifen dienen, die in Lahore
ſchon berühmt find und die Truppen der Seikhs verfehen, ſeitdem
franzöfifhe Ingenieure dort Einfluß gewannen. Goldfand
wird am Austritt des Chinab, wie des Indus, aus den Vorbers
gen” der Himalayaketten gewafchen,;, Alaun und Schwefel
liefern die Salzketten, Salpeter der Boden der Ebenen. Die
Vegetation bedeckt in zunehmender Progrefjion den Boden des
Pendſchab, gegen das Bergland hin, das in feinen Wäldern, zu,
mal den herrlichen Enpreffenarten (Deodara, ſ. 0b. ©. 93) das
befie Zimmerholz zu Haufern und Flottenbau liefert, in andern
Arten, wie 5. B. dem Turi (milk bush, 06 eine Euphorbia ?),
die beften Holzkohlen, die zur Pulverfabrication im Lande befonz
ders geeignet find.
Korn hat das Land überflüffig zur Ernährung feiner gerin:
gen Population; fein Weitzen wird innerhalb des Pendfchab
eonfumirtz Reis ift im Ueberfluß am Fuß der Vorberge, wo reichs
lihe Bewällerung Statt findet; die geringern Cerealien und Huͤl—
fenfrüchte (f. Afien IV. 1. ©. 716 u. a.), wie Sram, Mung,
Mut, Bajri, die als Pferdefutter dienen, müflen dagegen aus
den trocknern Landfchaften umher in Menge eingeführt werden,
Das Zuderrohr, nur Klein von Schaft, aber ungemein faft
reich, und dem dickern Rohr Indiens weit vorgezogen, wird im
Menge gebaut und zu Zucker verarbeitet. Wein und fat alle
Dbftarten liefern Kafıhmir, Kifchtewar, Lahore in vorzuͤglicher
Güte. Die Sefamum- Pflanze, Sirfya, giebt das Del zum:
Brennen und zum Verſpeiſen. Indigo wird hinreichend im
Dften von Lahore und in Multan gebaut, und gegen den Weften
in die Länder der Mohammedaner eingeführt, wo dunkle Kleiderz:
farben allgemeiner werden, als im Pendſchab und Indien, w
dagegen weißes Gewand vorherrſcht. Der in Multan gebaute
Tabak wird in Güte nur vom Perfiichen uͤbertroffen. Der
Baummollenftrauch (Gossip. herbac.) wächft zwar nicht ſel⸗
ten im Pendſchab, aber diefe Pflanze kann weder den dortigen
Boden noch das Klima vertragen, flieht das Duab zwifchen
Sfetlevfh und Beas ganz; die Baumwolle muß daher erft aus‘
den benachbarten Landfchaften, zumal aus dem trodnern Malwa
‚und Rajafthan, in Duantitäten hier eingeführt werden; eben fo.
die Seide, da der Seidenwurm und fein SROBER im Pe
ſchab unbekannt if,
Indus-Syſtem, das Pendſchab, Producte, 117
Shierreich. An Wildreihthum fehlt es dem Pendſchab
nicht; aber wilde Beftien, wie Tiger u, a., find ſchon fparfam
geworden; an Heerden ift das Land reich. Die Pferdezucht
iſt in neuerer Zeit etwas mehr in Aufnahme gefommen; das
.Dunni Pferd, zwifhen Jilum und Indus, ift von “befter
Mace, obwol wenig Pflege auf diefelbe verwendet wird; es dient
der Neiterei der Seikhs. Die Maulthiere am Jilum find
ſehr ſtark, und koͤnnen große Laſten tragen; eben fo die Ka—
meele in den Südfpigen des Pendfchab. Die Rinderheer—
den find zahlreich, aber die Race Elein und fchlecht, die Schaf
heerden fehlen. Ueberall fönnten in diefen beiderlei Zweigen,
auf fetten Weiden der Hügel, und auf Kornfeldern der Plaine,
der Landwirthfchaft große Verbeflerungen Statt finden; aber die
Productionen geben der geringen Volkszahl des Landes fihon
Wohlftand und Leberfiuß.
Sndufrie 21), Zu den vollendetfien Manufacturen des
Landes gehören die Wollwaaren Kafıhmirs und die Sei—
dengewebe von Multan, welche zum Puge der Großen ges
hören, während Städter und Landleute fih in die Baummwolz
lenzeuge Heiden, die im Pendſchab felbft verfertigt werden.. Die
kuͤnſtlichſfen Baummwollenwebereien find in der Nordoſtecke des
DMendfchab, zu Rahun und Hofhyarpur, zwifchen Sfetledfch
und Beas; die Muffeline find dem Anſehn nach zwar geringer
als die englifchen Fabrikate, aber ftärfer nad dauerhafter und viel
wolfeiler; die feinften Gewebe diefer Art werden nach dem Süden
ausgeführt. Die Ehintfes von Multan waren vordem fehr im
Dendfchab und im Werften des Indus gefucht, aber diefer Be,
ift durch brititiſche Importen geſtoͤrt.
Die Wollfabrikation der Kaſchmir-Waaren iſt =
kannt (über Shala: Weberei in Kafıhmir, f. Wien IE ©. 1198
bis 1203) 12); wenn fie auch noch immer ein ausjchließliches Bes
fischum Kafıhmirifcher Künftler ift, fo wurden diefe doch, feit den
lessten Jahren, wie wir oben gefehen haben, weit durch das Pend-
ſchab zerftreut, Kein Fremder hat fie bis jest nachahmen koͤn—
nen; alle Europäifche Surrogate fommen jenen Originalges
weben weder an Feinheit, Weiche, Wärme, noch Schönheit der
224) Al. Burnes 1. e. II. p. 397 — 400. 12) Vergl. Moorcrofts
Papers in Asiat. el, New Ser. Vol. XII, 1335. Asiat. Intefl.
p- 159 — 160,
c
118 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 1.
Farben gleich. Auch die Shawls von Lahore und Delhi
nicht, obwol von Kafıhmirer Auswanderern gewebt, find fie doch
ſchon entartet, rohere Stoffe; denn das Kafchmirgebirgswaller
zum Färben und Wafchen hat die Ebene des Pendfchab nicht.
Das Einkommen der Shawl : Manufactue ward in Kafchmir
jährlich, obne die Ausgaben, zu 18 Lat Nupies (180,000 Pfd.
Sterl.) berechnet; aber viel Betrug hatte ſich eingefchlichen; denn
Shawls, die nur wenige hundert Nupies werth waren, fchlug
man zu Tauſend an, um defto größern Zoll davon zu ziehen.
Doc) könnte das Gouvernement R. ©., bei befferer Einrichtung
und ohne diefe Despotie, nach Al. Burnes Urtheil, den dops
polten Gewinn von diefem Gewerbszweige ziehen. In den leßs
ten Zeiten waren Beftellungen für die Höfe in Rußland und
Derfien, das Shamlpaar zu 30,000 Rubel (12,000Rupies) einges
laufen. Die Kaufleute beklagten fi) aber über die DVerfchlechtes |
rung der Waare, und daß fie nicht mehr direct aus Kafıhmir,
fondern durch Commiſſionaire und Zwifchenhändler zu beziehen
fey. Allerdings, bemerkt Al. Burnes, fen dies der Fall, weil
das Gouvernement der Seikhs diefe Waare zum Gegenftande des
Wuchers gemacht, und in Umritſir Mogazine von Shawls ans
gelegt Hat, deren Werth nicht unter eine halbe Million Pfund
Sterling (50 Lak Kup.) angefchlagen feıy. Der Hauptmartt
des Kaſchmirhandels gegen den Norden, ift Kilghet, in Las
dach, 20 Tagereifen von der Mordgrenze Kaſchmirs, wo der
Einkauf der Wolfe gegen den Umfag der Shawls Statt findet.
Gegen den Süden aber geht diefe Waare nur durch das Pends
ſchab; von jenen 180,000 Pfd. Sterl. an Werth, behält R. ©.
zwei Drittheile233), die er als Tribut vom Lande erpreft;
devon foll er Dreiviertheile wieder verhandeln und ein
Viertheil behalten, zu feinem Hofftaat und zu Bezahlung feis
ner Beamten wie zu Geſchenken. Außer diefen gehn vom Webers
reſt (etwa 7 Bis 8 Lakhs Nupien) für 3 Lakhs nah Bombay und
den Weite eu 3 2. nach Dude, Bengalen und dem übrigen Hindos
ffan, 14 8. allein nad) Galcutta, eben fo viel MATCH jede der |
Städte Kabul, Herat und Balkh.
Eben fo berühmt find die Seidenzeuge von —— |
auf dem Indiſchen Markte, die Kai’s, von ftarfer Tertur und
brillanten Farben (f. oben ©. 67). Die Seide muß eingeführt |
213) Asiat, Journ. N, Ser. XIL1. c.
Indus-Shſtem, das Pendichab, Handel, 119
werden, weil man fich im Pendſchab nicht mit der Zucht des
Seidenwurms befaßt. Nur in der Form von Shawls und
Schaͤrpen werden diefe Zeuge gewebt, die aber durch den ganzen
——
Orient ſo ſehr geſucht ſind; Satin, Atlas genannt, wird jedoch
hier ebenfalls gewebt, wie auch in Lahore und Umritſir. Die
Brocate (Lincob) des Pendfchab find geringer als bie von
Bengal und Guzerat; eben fo werden die Multanz Teppiche von
den Bellern in Perfien übertroffen, beide aber müffen weit hinter
den brillanten Kaſchmir⸗Teppichen zurücitehen, die jedoch zu Eofts
bar waren, um in den Handel zu kommen, und nur für den
Hofftaat der Negenten verfertigt werden.
Handel und Schiffahrt #) Solche Exporten koͤnnen
allerdings ſchon wichtigen Importen das Gegengewicht halten, zu
denen, außer den geringern Kornarten, auch Metallarbeiten,
Mollenwaaren und Europäifche Artikel gehören. Kupfer, Mefs
fing, Zinn, Blei fehlen dem Pendſchab, und an Eifenwaaren bes
darf es noch viel vom Auslande, vor allem aber der gewoͤhnlichen
Wollenwaaren, die in den Gegenden des obern Indus große
Nachfrage haben, wie denn die ganze ftehende Armee R. ©, in
Tuch gekleidet ift. Die feinern Erropäerwaaren, wie Juwelen,
Uhren, Porzellan, Spiegel, Glas u. f. w., finden, den Hof von
Sahore ausgenommen, hier noch keinen Eingang; eben fo wenig
wie die feinen Stahlarbeiten u. f. w. von Birmingham, Shef:
field u. a. O., für welche die Bewohner des Pendſchab nod) kein
Beduͤrfniß empfinden. Vordem war Delhi der Ausfuhrort
für die Produfte des Pendſchab; feit der Beruhigung Rajaputas
nas ift es aber Datli (f. Afien IV. 2. S. 963, 1015), neuerlich
Bombay geworden; der natürlichfte Handelscanal würde aber
unftreitig die Stromlinie des Indus feyn, wenn deſſen
Schiffahrt in Gang kaͤme. Daß auch ohne diefelbe, bei fo
vielen Hemmungen, heut zu Tage, der Handel auf den Bazaren
von Lahore, Bhawulpur, Multan, Schikarpur und
Tatta doch noch fo bedeutend ift, giebt die Ausficht auf große
Entwicklung dieſes Waarenzugs, wenn günftigere Umftände in
der Schiffahrt und Politik diefer Cändergebiete einträten, und der
Indus die große, continentale Commerzlinie zwiſchen dem bri⸗
tiſchen Indien im Gangeslande Bengalens und den Bewohnern
des Pendſchab bis Bombay würde, weil dadurch zugleich der Ver
„m. %
2 36) AL, Burnes Trav. 1. c. 11. p- 5 —42, |
120 Welt Afien. J. Abdfehnitt. 9. 1,
Fehr mit alfen continentalen Machbarftaaten auch außerhalb Ins
dien, aus Tübet, Kafıbmir, China, Bokhara, Kabul, Iran u. f.
w. bier feine nächfte Ausladung nach Perfien, Arabien und
der Levante gewinnen würde. Die einzige Ausladung an der
Südfpige des Pendſchab für Multan geht heut zu Tage nur
den höchft befchwerlichen Landweg ber Bhamulpur durch die
Wuͤſten nach Bikanir und Palli, und von da gleichfalls durch
Karawanen nad) Guzuratez denn durch Sind findet fein Waa—
rentransport zu Schiffe zur Indusmuͤndung Statt. Nur bis
Schifarpur geht noh von Multan ebenfalls die Landka—
ramwane, weil diefer Bazar dort durch feine Großhändler die
größten Handelsgefchäfte durch den Bergpaß der Solimanberge
(Bolan: Pag, jegt nah Kandahar, einft nach Arachosia und
Drangiana, f. Aften IV. 1. S. 474) nach Mittel: Afien betreibt.
Schifarpur.ift aber ald der Hafenort von Bukkur am Indus
(des Mufikanus Capitale a. a. D. ©. 472) zu betrachten. Wenn
auch die Andusfchiffahrt die Klippen von Attock niemals übers
fleigen, vielleicht felbft nur überhaupt bis Dera Ghazi Khan vors
theilhaft ſeyn folfte, fo würde dies ſchon für die genannten Bas
zare, im untern Pendfchab bis Bukkur, und weiter, nicht unwich—
tig fenn. Die Fähre won Kahirin würde dann freilich nicht
mehr die Bedeutung behalten, die fie gegenwärtig durch die Kreuz⸗
firaße hat. Doch findet wirklich jährlich zwifchen Attock, durch
Kornfchiffe, ein Transport, wenn auch, bei den vielen Stroms
ſchnellen, nur ein geringer, bis Bukkur Statt, der die Mögliche
keit einer Erweiterung zeigt; von Karabagh an abwärts würde
aber die Schiffahrt immer ftetig und vortheilhaft werden koͤnnen.
Chinab und Jilum führen oberhalb Multan zu feiner großen
Handelsſtadt; leider ifE der Navi, an dem Lahore liegt, zu
Elein, feicht, windend, um je die Ausficht zu einer befuchteren
Schifferſtraße zu geben, zumal da der Handel diefer Nefidenz ims
mer ziemlich limitirt bleibt, und das große Emporium des
Dendfhab Umritfir nahe daran liegt (nur 6 geogr, Meilen gez
gen N.O.), und leichter auf dem Sfetledfch erreicht werden
kann. Diefer Strom aber, bisher ganz unbenust, meint AL.
Burnes, werde bei näherer Unterfuchung, die bis jegt' fehlt,
fiherlih von Doch bis Hurri, am Verein mit dem Beas,
ſchiffbar, für den Wanrentransport im Großen, befunden‘ vers
den, und mit fleineren Flußbooten ſelbſt bis Ludiana,
der aͤußerſten Grenzcolonie des Britiſch⸗Indiſchen Reiches in Ber:
*
Indus-Syſtem, Runjit Singhs Reich. 121
bindung zu ſetzen ſeyn: ſo daß auch die Briten von hier aus
nicht geringen Antheil an der Flußſchiffahrt bis zum Meere neh—
men koͤnnten. Der Durchgang des Sſetledſch durch die Mitte
des Wuͤſtenſtriches, wuͤrde kein unuͤberwindliches Hinderniß eines
zu bildenden Verkehrs ſeyn, zumal da gluͤcklicher Weiſe ſchon ein
nicht unbedeutender Handelsmarkt auf der Grenze des Stroms
und der Wuͤſte liegt. Zu dieſem Aufbluͤhen des Commerzes und
der Stromſchiffahrt gehörten freilich, bemerkt Al. Burnes, Sis
herheit, Freiheit und Begünftigung liberaler Gouvernements,
die bis jest fehlten, mit denen aber R. ©. den Anfang gemacht
bat, und wozu, fcheinbar wenigftens, durch Vermittlung der Bris
ten, die Amirs von Sind die Hände geboten haben. Solche
Beguͤnſtigungen fönnen dann leicht die aeringern Schwierigkeis
ten 215) überwinden, zu denen allerdings z. B. die rohe Strucz
tur der Boote auf den Pendichabflüffen, meift nur Fährboote,
gehört, die wol einen Beweis abgeben, daß die Binnenfchiffahrt
auf den Zndusflüffen niemals blühend warz oder ihre Furth⸗
barfeit während der trocknen Sahreszeit, obwol alle in der nafs
fen Periode die fchönften Wafferftraßen für den Transport
von Waaren und Heeren bilden. Dem Mangel des Zimmerholzes
zum Schiffbau in den Pendfchabebenen würde leicht durch Holzs
flooße aus dem Berglande abzuhelfen feyn, wie den fchlechten
Pfaden in den Berggegenden durch Anlegung von Straßen.
U. Das Maha Rajathum Runjit Singhs im Pend—
fhab; Verwaltung.
Wenig Sander und Staaten der Erde find fo natürlich und
politifch begrenzt wie- die Seikhs⸗Herrſchaft gegenwärtig im Pend⸗
ſchab 26), wo die politifchen volfftändig den Naturgrenzen
entiprehen. Des Maha Raja R. S. Reich breitet fich hier
aus, vom Sfetledfch bis zum Indus, und von Rafhmir
bis Multan. Im Norden die Himalanahöhen, im Weften die
Solimanfetten und der Induslauf, im Often der Sfetledfeh und
die Wüften, die fich gegen die Dendfchabfpige im Süden von
Multan concentriren. Innerhalb diefes Naums, mit den zwi⸗
Ihenfließenven —— in der compacteſten beherrſcht der
as) Al. due Trav. 1. ec. IL p. 289. 16) Al. Burnes Trav.
Vol. II. The Punjab etc. p» 279 — 298; ebend, Mem. Yal ul.
pP: 295 — 30. —
122 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 6. 1.
Uſurpator und Eroberer des Ganzen, ſowol alle Gebirgsfeſten,
wie die ganze Alluvialebene und alle Flußufer mit wenig Aus;
nahmen.
Die gluͤckliche Combinirung aller phuficalifchen, ethnogras
phifchen und politifchen Elemente, mußte in diefer harmonifchen
Entfaltung von Raum-Verhaͤltniſſen, welche die politifchen ftügten,
einen fo gewaltigen Einfluß ausüben, daß die Seikhs, inner
halb zwei Jahrzehenden fchon, durh N. S. Herrfchaft, fih aus
einer Eriegerifchen, in fich zerriffenen Republif der noch im Ans
fange des XIX. Zahrhunderts Fein Oberhaupt vorftand, in
eine abfolute Monarchie, in einen mächtigen Groberungsftaat
umwandeln fonnten. Es gefchah dies durch den bindenden Ges
nius eines Einzigen, obwol die ftärffte Oppofition von Seiten eis
nes KReligionscultus entgegen trat, der noch mehr als eine
blos politifche Democratie, nämlich völlige Gleichheit der. Staates
glieder forderte und lehrte. Die vorgegangene Umwandlung ift
jedoch fo vollftändig, fagt Al. Burnes, daß das Band des Volks
an den Adel, wie des Adels an den Maha Naja, diefelben ganz
unbedingt aneinander knuͤpft. Im Yahre 1783 fagte, aus dem
damaligen Zuftande der Verwirrung, ©. Forfter, bei feiner
Durdreifung des Pendfchab (f. Afien II. ©. 1073), diefen Wechs
fel voraus, im Falle ein ehrgeiziger. Chef an die Spige der Seikhs
treten würde; diefer war eben geboren (R. ©., geb. 2. Nov.
1782) 217), als diefe weiſſagende Stelle niedergefchrieben ward.
Seine Herrfchaft, nachdem fie einmal zu wachfen begonnen hatte,
befeftigte fich frühzeitig dadurch, daß er alle Umſtaͤnde, die fich
ihm darboten, mit Energie des Characters zu benugen verftand.
Am O. und SD. traten ihm die Briten entgegen; im W.
fonnte er die Laͤnder jenfeit des Indus befiegen, aber nicht bes
haupten; gegen N. hinderte ihn das Schneegebirge die ihm vors
geftecften Naturgrenzen zu überfteigen. Er begnügte ſich daher
mit den niedern Gebirgsftaaten und mit Kafıhmirs Befisnahme,
In diefer gedrängten Lage fihuf ſich der politifchzgroße Geift feine
innern Quellen der Macht; er verband Despotismus ohne aus
heit mit Despotie ohne Grauſamkeit, und ein eigenthümliches
Derwaltungsfofiem, eben fo entfernt von orientalifhzeins
heimiſcher Art, wie von fremdarfigseuropäifcher dort unpafs
ſender Eivilifation. Das durch Schlaupeit, Lift und Gewalt Ers
*ır) H. T. Prinsep Orig ol ihe Sikh Power I c. p. 39.
Indus > Spftem, Kunjit Singhs Reich. 123
oberte ſuchte er zu erhalten durch disciplinirte Truppen unter Eus
ropäifchenm Commando; er verband damit eine allgemeinere Vers
theilung von Grundeigenthum unter den Chefs, eben hinreichend
die Nationalfitten zu erhalten, ohne der Sicherheit der Oberherrs
ſchaft durch Uebermacht zu fihaden. Aber nicht durch feinen Eins
fluß des Volks, fondern nur durch diefen auf die Fortbildung ſei—
nes Hofftaates, fuchte er zu herifchen, und hierin liegt die
Schwäche diefer Verwaltung, die nur an feine Perfon ges
Enüpft ift, ſchon mit deffen höherm Alter zurückfchreiten muß, und
wenig Dauer für die Zukunft verfpricht, alfo wie alle orientas
lifchen Gouvernements diefer Art, im Gegenfaß der Euros
päifchen, doc) nur als ein glänzendes Meteor wieder verfchwins
den wird. Er, der nur mit feiner eigenen Macht egoiftifch bes
ſchaͤftigt iſt, und von feiner höhern Herrfcheridee für fein Volk
befeelt wird, ift daher vielleicht einem Afiatifchen Porus, aber
noc) keineswegs. einem Europäifchen Peter dem Großen zur Seite
zu ftellen (f. ob. ©. 7).
Symptome diefer Abfhwähung zeigen ſich fihon in dem
Sammeln des Schases, in der Armee die immerfort wegen
Mangel der Soldauszahlungen, in, wenn auch nur particnläre
Empörungen ausbricht, in der unmäßigen Steigerung der Zölle
bei wachfendem Handel, in den ſchweren Abgaben für den Sands
mann, in der Beftechlichfeit der Oberbeamten u. a. ın. Durdy
feine Deconomie und geiftige Herrfcherkraft, meint Al. Burnes,
werde R. ©. jedoch die höchfte Gewalt wol bis zu feinem Tode
behaupten. Er werde dann in feiner Herrfchercarriere den ganzen
Eurfus von einem einen Häuptling bis zum Maha Raja durchs
gemacht haben, der ein mächtiges Reich gegründet, aufges
richtet, geformt, erhalten und zulegt wieder zerſtoͤrt
habe. Mit feiner wachfenden Obermacht hat das Anfehn des
Sirdars, d. i. der Dendfchab Chefs, abgenommen, und
die Macht der meiften, ältern Glieder der SeikhConföderation ift
neutralifirt oder ganz vernichtet. Mit Günftlingen und Chargen
bat fi) der Maha Naja umeingt, die er aus dem Staube zu
fid) erhoben; die alle aus niederm Stande, unwiſſend und zu
roh find, um einen Einfluß auf ihren Oberheren auszuüben, und
vorzüglich nur darauf ausgehen für fich Gelder zufammenzuraffen,
Das Volk der Seikhs verſteht ſich eigentlich auf nichts als
auf Ackerbau und Kricg, zieht diefen aber jenem vor, ift voll
Ehrgeiz und zelotiſchen Patriotismus in Bewahrung feiner In—
124 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 1.
ſtitutionen, ſeines Cultus; ein zahlreicher Tribus der durch gleiche
politiſche und religioͤſe Meinungen zu einer dadurch furchtbaren
Macht vereinigt ift. Das geiftliche Oberhaupt der Geikhs, der
Bedi, oder Sahib Sing, würde allerdings noch heute durch
Fanatismus der Slaubensgenoffen Einfluß genug haben, dem Dess
poten ernften Widerftand zu Teiften und ihn fogat durch einen
‚ religiöfen Kreuzzug zu ftürzen; aber R. ©. ift zu Flug um jenen
zum Widerfpruch kommen zu laffen, und hat ftets zwei hohe
Mriefter zu feinem nächften Umgang, die fein ganzes Vertrauen
befigen. Diefe Seiths find das aufbluͤhendſte Volk 218) in In⸗
dien, mit ihrer politiſchen Vergrößerung wuchs, obwol fie im Ver:
Hältnig zu den Mohammedanern nichts weniger als intolerant
find, auch die Zahl ihrer Convertiten; jährlich follen an 5000 Pros
felyten zu ihnen übertreten und dies foll in ihrer heiligen Schrift
(dem Granth) vorausgefagt feyn. Zur Zeit der Patanen ⸗Ueber⸗
fälle wurden die Hindus Mehammedaner, mit der Seikhs-Macht,
wurden beide zu Seikhs (im engern Sinne Khalſa oder Sing).
Auffallend ift e8, bemerkt Al. Burnes, daß diefes Volk, das '
vor 400 Jahren noch unbefannt war, und durd) fo mancherlei
Zufäse ſich erft vermehrt hat, doch fo entfihiedene National:
phyfiognomie zeigt, daß fie fich durch diefelbe fo characteriftifch,
individuell auszeichnen, wie dies nur der Fall bei Chinefen, Hins
dus oder andern fern kann. Ihrer fehr regulären Gefichtshildung
ſoll etwas in die Länge gezogenes allgemein fen. Daß ein ges
wiffer Nationaltypus bei Nationen vorhanden fen, meint der ges
nannte Beobachter, fey begreiflich, nicht aber wie derſelbe einer
Secte wie den Seikhs, die in fo furzer Zeit zu Hunderttaufenden
heranwuchs zu Theil werde. Doch geht es vorzüglich wol daraus
hervor, daß der bei weiten größere Iheil der eigentlichen Seikhs
ursprünglich vom Stamme der Jats waren, die zu ihrer neuen
Lehre aus dem Druck der Hindus und Moslems übergingen und
fi) nun national entwidelten. Umritfir ift ihre heilige Stadt,
wo noch immer die wichtigften Steatsangelegenheiten unter dem
Einfluß ihres hohen Eultus discutirt und feftgeftellt werden. Diefe
Anhänger Guru Govinds, ihres Neligionsftifters, find eifers
füchtig darauf, in ihren Gefchlechtern und Tribus, ein von allen
Andern gefondertes DVolElN, eine eigenthuͤmliche religiös: polis
tifche Corporation zu feyn, und die Rolle felbftfiändiger Chefs eis
*18) Al. Burnes Trav. Lp.45, *?°) Al. Burnes Mem, Ill, p. 296.
*
-
Indus-Syſtem, Runjit Singhs Reich,
ner freien Conföderation zu fpielen, deren Nechte fie ſtolz fordern.
Durch R. ©. find fie aber im Wefentlichen um diefe Cha—
racterifti£ gebracht, da er fich aus einem der Dligarchen zu ihren
Despoten erhoben hat. Allerdings ift hierdurch auch die eigent:
Tiche Kraft und Energie der Seithe-Conföderation gebrochen. She
Bund entfprang aus der Meligion, die fich frei machte von den
veralteten Dogmen der Hindus und der verfunfenen Mohamme—
daner (der Eufofzies), ihrer unmittelbaren Nachbarn im Oft und
Weſt. Shre Heldenzeit fiel mit diefer religiöfen Erhebung zufams
men, und gewann durch diefe ihre Grundlage. Ihre politis
fhe Größe entfprang aus ihrem Proteftantismus und ihrem
neuen Dogma, durch das fie jedoch auch noch heute ein von als
len andern abgefondertes eigenthümliches Wolf find, obwol die
Form ihrer politifchen Größe eine andere geworden iſt. Wenn
er auch diefe umgeftaltete, jo blieb R. ©. doch in firenger *
vanz gegen jene.
Ein ſo kriegeriſch geſinntes Volk erleichterte die Bildung eis
nee Armee, die unter R. ©. auf 75,000 Mann herangewach—
fen iſt; davon find 25,000 Mann reguläre Infanterie Europäifh _
erereirt, ganz den Britiſch-Indiſchen Iruppen gleich, Die tegus
läre Cavallerie und Artikerie beficht aus 5000 Mann mit 150
Kanonen. Die irregulären Truppen, lauter Neiterei, betragen an
50,000 Mann Ghorchuras, d. h. Reiter, genannt). Sie find
brav, gut beritten, ſchnell verfammelt und werden für ihre Dienfte
mit Anweifungen auf Ländereien bezahlt. Die Vernachläffigung
der Auszahlung des Soldes, welche aus dem Alter und zunehs
menden Geldgeijze R. ©. hervorging, haben die Truppen nicht
ihm, fondern der Einflüfterung der Engländer zugefchrieben, oh
fie denn öfter zu Empörungen reist.
Auf feine Armee ift des Maha Naja Anfehn geſtuͤtzt; das
in derfelben befolgte Syſtem der Europäifirung iſt bei den Seikh⸗
Sirdars, die jeder Neuerung abhold ſind, hoͤchſt unpopulair, und
ohne den Schutz ihres Oberherrn muͤßten die bei der Armee an—
geſtellten Europaͤiſchen Officiere ſogleich die Flucht ergreifen, weil
ihre Perſon hier keine Sicherheit haͤtte. Sehr bald wuͤrde ihr
Werk zertruͤmmert ſeyn. Die Truppen ſind aber gut einexercirt
und dies hat ihnen die Siege uͤber ihre Nachbarn verſchafft. Sie
ſi ind tapfer, gehorſam, aber der Disciplin immerfort widerſtrebend,
und ein eigentliches Band beſteht nicht zwiſchen Zruppen und
Gouvernement.
126 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $ 1.
Das Pendſchab hat alle Mittel, diefe feine eigene Armee zu
ernähren, und noch eine fremde dazu; ſchon in Alerander M.
Feldzuge ift nie von Mangel an Lebensmitteln die Rede. in
Heer, einheimifch oder fremd, wenn auch in den Ebenen des
Pendſchab gefchlagen, kann noch im Kafchmirthal eine fefte Po:
fition gegen jeden Angriff von Außen finden, mit allen Mitteln‘
der Subſiſtenz.
Die Seiths3-Häuptlinge, oder die Sirdars, zerfplit
tern in ihren gegenfeitigen Fehden ihre eigene Kraft; R. ©. Pos
fitiE war es, diefe gegeneinander aufzuhesen, und fo fich Uber
alle Rajas endlich zum Maha Naja zu erheben. Als Ber
mittler ihrer Streitigkeiten hat er immer von beiden Theilen
Nutzen gezogen, und, dadurch erftarft, ihre Macht zerknickt, fie
aber immer wieder durch geringere Schenkungen, Zugeftändniffe,
Vergabungen, nachdem er ihnen Alles genommen hatte, wieder
zu verfühnen gefucht. Keiner vertraut ihm, Alle fürchten ihn.
Nicht blos im Innern des Landes, auch noch Außen 2%),
nach allen Seiten hin, hat R. ©. feinen politifchen Einfluß aus:
gedehnt, wie feiner der orientalifchen Rajas vor ihm. eine
Politik beftand immer in der Spaltung der gegenfeitigen Intereſ—
fen feiner Nachbarn, fo daß man faft fagen möchte, er habe hier
den kurz vor ihm vom politifchen Schauplaß verdrängten Euros
päifchen Ufurpator zum Vorbilde gehabt. Gegen das Britifche
Gouvernement zeigte er fich als freundlichen Alliierten, und ftörte
nie das Vertrauen, welches durch gegenfeitige Iractate erzeugt
ward. Sin früherer Zeit war ihm die Macht der Briten ganz
unbekannt geblieben; vor den Sturz von Bhurtpur (f. Afien IV.
2. ©. 939) war der Hof der Seifhs der politifhe Sammelplag
aller Feinde der Briten in Indien geweſen, von da aber war der
flüchtige Holfar, im Jahre 1805, ausgefchloffen worden (f. Afien
IV. 2. ©. 407). Später gewann R. ©. die richtige Einficht in
die Europäifch » politifchen Verhältniffe der Briten in Indien, zus
mal feitdern die Franzöfifchen Officiere in feine Dienfte getreten
waren (feit 1822). Bon einer friedlichen Stellung gegen feinen
Britifchen Nachbar leuchteten ihm bald die großen Vortheile ein:
denn nun fonnte er von da feine Grenzgarnifonen zuruͤckziehen,
und zu andern Operationen gebrauchen. Don der Vernichtung
230) Al. Burnes Tray. I. c. II. p. 290,
Indus-Shftem, Kunjit Singhs Reich. 127
feines Bhamwulpur Nachbars haben ihn, nach obigem, nur die
Verträge mit den Briten abgehalten (f. ob. ©. 45).
Zwifchen dem Pendfchab und Sinde Gouvernement herrfcht
wenig Vertrauen, und nur die große Entfernung hinderte R. ©.
die Amirs mit Krieg zu überziehen; ein Ueberfall gegen das reiche
Schikarpur hatte ihm längft im Sinne gelegen. Schon war
es ihm gelungen Zwietracht unter die Chefs von Sinde zu brin—
gen, und, nach Al. Burnes?!) dort gemachter Erfahrung, wäre
es fein Zweifel, daß feine Armee, wenn in Multan verfammelt,
Schikarpur fehr leicht befiegen würde. Zur Weftgrenze feines
Neiches hat R. ©. ſehr Elüglich den Indus angenommen; zwar
haben feine Truppen haufig Einfälle bis Pefchawer gemacht, felbft
bis Kabul würden die Seifhs leicht vorgedrungen feyn; aber er
hielt fie im Zügel; denn obwol die Afghanenftämme ohne gemein:
fames Oberhaupt in Parteien getheilt waren, fo fehlte es ihnen
nicht an Macht, und ihr Haß und Fanatisınus, als Korandiener,
zumal der zelotifchen Cufofzies, gegen die ungläubigen Seikhs, ift
unverföhnbar. Von Pefchamwer, der DVorftufe zu Kabul, erhält
R. S. einen jährlihen Tribut an Reis und Pferden, auch hat
er den Sohn des dortigen Afghanen Chefs als Geiffel an feinem
Hofe in Lahore. Aber darum ift Pefchawer ihm doch nicht uns
terthan. Einer der ErKönige der Duranis lebt an feinem Hofe,
und er unterhält mit ihren Chefs freundfchaftliche Verbindungen.
Sn ihrem Granth ift eine Weiffagung gegen ihr Gluͤck auf der
Weſtſeite des Indus, indem an einer Stelle deſſelben ein blutiger
Verluſt für fie, in einer Schlacht bei Ghizni und Kabul, angeges
ben feyn ſoll. Nur das Territorium Dera Ghazi Khans im
Weſt von Multan, etwas tiefer abwärts am Yndus, macht eine
Ausnahme; unmittelbar an Lahore unterworfen halt R. ©. dort
eine Garnifon von 5 regulären nfanterie-Negimentern, und berz
pachtet die Abgaben des Landes fehr Elüglih an einen Mohamme⸗
daner, den Khan von Bhamulpur.
Die Bergftaaten im Norden tragen das Goch der Seikhs
am widerfpenftigften; einft wurden fie von Rajputen beherrfcht,
g die ſich zum Koran befehrten (feit Timur, f. Afien IV. 1. ©. 579),
aber die Titel Raja beibehielten, vor dem ſie noch heute den groͤß—
‚ten Reſpect zeigen (f. Aſien I. S. 1070—1082). Die meiſten
derfelben find nach und nach ‚ihrer Throne entfegt und mebdiatis
En
21) Al. Burnes Trav. II, p. 292.
125 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt, $, 1.
firt. Die von Nadjaouri und Bember, zweier Hauptftaaten,
fhmachteten (1831) zu Lahore in Ketten. Das Gebiet beider,
bis zur Grenze von Kafchmir, ift dreien Najput-Brüdern Überges
ben, die bei dem erſten Ausbruch von Unruhen im Hochgebirge
ihr Afyl leicht finden. Der ganze Gebirgszug des Kulu-Kaſch—
mir-Himalaya, zwifchen Sfetledfch bis zum Indus, ift zwar
auf diefe Weife von den Seikhs unterjocht und ihnen tributpflich
tig, auch mit dem Seikhs-Gouvernement vereinigt; dennoch has
ben ich dafeloft noch Feften erhalten, wie Rumla und Kote:
Kangra, das an drei Seiten vom Beas umfloffen ift (f. Afien
I. S. 1072), die nie von fremden Truppen betreten wurden, und
Landftriche, vie zwifchen Bember und Jummo (f. ob. ©. 80),
die noch ungebändigt zu ſeyn ſcheinen.
Bei vielen Fehlern des Maha Naja Gouvernements findet
A. Burnes daffelbe doch fehr Eraftig, und für einen Indiſchen
Staat gut confolidirt; das allgemeine Loos aller orientalischen
Staaten, nämlich das Mistrauen zu feinen eigenen Beamten,
theilt auch diefer. Keinem der franzöfifchen Offieiere der Armee
wird eine Kanone anvertraut; die verfchiedenen Ihore von Attock
und andern Feftungen werden verfchiedenen Commandanten fiber
geben, die von einander unabhängig zu Werke gehen. Mit Lift,
falfhen Verſprechungen, milderer Despotie, ohne blutige Grau:
ſamkeiten anderer Sndifcher Gemalthaber, zeichnet fich fein Negts
ment dadurch aus, daß er das Leben feiner Unterthanen ſchont,
wenn auch nicht ihre Perſonen. Die frühere Raſtloſigkeit R.S.
voll Ehrgeiz, ift auch in feinem höhern Alter noch in unermüdete
Tätigkeit gemildert vorhanden. Sein Sohn, 30 Jahr alt (im
J. 1832), ift ohne Kenntniffe, ohne Ihätigkeit, ſchwach an Vers
ftand, unfähig ihm auf dem Ihrone zu folgen, andere Vertraute
oder Günftlinge fehlen; der begabtere Enkel mag gegenwärtig
(1832) 15 Jahr alt ſeyn. Aber fein Adoptiv-Sohn Shere
Shingh, gegenwärtig einige 30 Jahre alt, wird als der fähigfte
Erbe des Reichs angefehen; er ift tapferer Krieger, zwar Vers
fhwender, aber beliebt, und den franzöfifchen Officieren in des
Maha Raja Dienften gewogen; eine Zeit lang war er Gouvers 4
neur von Kaſchmir (zu Al. Burnes Zeit), ein feſter Poften, der
ihm auch bei dem Tode des Vaters, obgleich er von unreiner Ger
burt ift, doch den Thron von Lahore gefichert haben würde. Nah
v. Hügels Bericht, 1836, fheint er dort von einem Andern,
von Mahan Singh, erfegt zu feyn. Ohne einen Eraftigen Nach:
}
Indus-Syſtem, die Seikhs. 129
folger iſt vorauszuſehen, daß R. S. Reich in ſeinen fruͤhern Zu—
ſtand der Anarchie und der zertheilten Republiken zuruͤckſinken,
oder von einer Nachbarſchaft unterjocht werden wird.
Von der Volksmenge in diefem Staate war fihon früher die
Rede (ſ. ob. ©. 35). Die Einkünfte 222) deſſelben betragen
23 Crore Rupies jährlih, davon bisher die Hauptfumme aus
Kaſchmir floß, nämlich 31 bis 36 Lak Rup., dagegen die Vers
waltung diefes gefonderten Königreichs auch auf 10 Lak Rup.
Koften berechnet wird. Die Verwüflung diefer Provinz (f. ob,
©. 92) muß von großem Einfluß auf die neueften Finanzverhälts
niffe des Reiches ſeyn. Al. Burnes behauptet, der Gouverneur
von Kaſchmir habe während feiner dreijährigen Verwaltung jaͤhr⸗
lich 31 Laks Tribut gezahlt, dabei aber noch uͤber 30 Lak Rup.
in baarem Gelde und an Gütern aus dem Lande gezogen (1832),
was ihm dann von N. ©. wieder confiscirt wurde. Seine Nach—
folger, Kafchmirfche Pandits follen nach ihm daffelbe erpreßt ha—
ben; das Land hatte alfo außerordentliche Mittel, die gegenwärtig
durch feine -Entvölferung um vieles gefchwunden feyn werden,
Es fand unter dem härteften Druck und erhielt die felavifch ges
ſinnteſten Diener zu "Gouverneuren. Die Forderungen R. ©,
in den übrigen Provinzen feines Meichs find milderer Art, fo daß
fih feine Multan-Eroberungen ſchon zu einem fehr blühenden
Zuftande erhoben haben; nur bleibt cs, nach der Art orientalifcher
Verwaltung, auch hier der Willkühr jedes Zollpächters überlaffen,
die Auflagen nad) feiner Willführ einzutreiben und zu erpreffen,
IM. Die Seikhs im Pendfchab.
Diefes Bolt ift von gefunden, fehr Eräftigem Schlage, ſchlank
von Geftalt, mit nervigen Gliedern, athletifh, von Eriegerifcher
- Art und wilder, fanatifcher Nichtung. Nur wenige derfelben koͤn—
nen Iefen und fehreiben; nur Hindu und Mufelmänner, Mut;
J ſuddirs (d. i. Schreiber, Geſchaͤftsfuͤhrer), die unter ihnen leben,
fernen fo viel Perſiſch um die Rechnungen und die Correſpondenz
der Seith: Chefs zu führen. Mehrere von ihnen verfichen wol
auch noch den gefchriebenen Pendfchab; Dialeıt (Gurmutha
genannt), aber gegen die Perfiiche und Arabifche Sprache haben
fie meift einen unüberwindlichen Abfcheu, weilsihnen von Jugend
222) Al. Burnes Tray. II, p. 288; Mem, I, p. 298,
" . Kittee Erdkunde VII, 3
130 Weſt-Aſien. L Abſchnitt. F. 1.
auf der Haß gegen alles was mohammedaniſch iſt eingepflanzt
wird. Die Geſchaͤfte werden bei ihnen muͤndlich verhandelt,
ihr Gedaͤchtniß iſt gut, die Ueberlieferung erhaͤlt ihre Gebraͤuche.
Capt. W. Murray?2), der an 15 Jahre hindurch in naͤch—
ſter Verbindung mit diefem Volke lebte, giebt folgende Character
viftit von ihnen. Falfchheit, Betrug, Meineid ift in allen ihren
Unterhandlungen; Geld, Furcht oder Gunſt bringt fie zu jedem
Meineid; fie find in ewige Grenzftreitigfeiten gegeneinander bins
fichtlich ihres Ackerbefiges und ihrer Güter verwicelt. Der Anz
geklagte appellivt dann zumeilen an das Gottesurtheil (Dibb);
der Sieger wird in fledend Del getaucht, oder eine glühende Pflug«
fhaar muß in der Hand 50 bis 100 Schritt weit getragen wer⸗
den. Zauberei und Verwünfhungen (Zadu und Mut)
üben einen großen Einfluß auf die Phantafie und die Handlunz
gen der Häuptlinge wie des gemeinen Volks aus. Uebelkeit, Bluts
freien u. a. wird dem böfen Blick (mal occhio) zugefchrieben. Ein
Bild von Wachs, farbige Strike, Eleine Knöchelchen oder dergl.
im Haufe des Befchuldigten zu finden, werden demfelben gewöhnlich
als Beweife feines Verbrechens verderblich. Gute und böfe Stunz
den oder Tage und Omina find im gemeinen Leben von größtem
Einfluß auf alle Unternehmungen. Ein Rebhuhn, das zur rede
ten Hand bein Eintritt in einen Ort auffliegt, Kraniche die von
der linken zur rechten Seite übergehen, Menfchen die einem mit
unbedecften Kopfe begegnen, ein fchreiender Efel bei der Ankunft,
das Miefen beim Weggehen, und taufend folcher Dinge find von
den entfchiedenften Folgen auf die Handlungen; eben fo die Träume,
das Loosziehen u. a.
Die Zuftizpflege ift in der Hand der Sirdars oder Chefs, |
die fih das meifte durch Geld bezahlen lajlen; der Preis wird
ganz willkuͤrlich feftgefegt, die Familie zur Zahlung gezwungen.
Dies wirft die Haupteinfünfte für Beamte und den Candesfürften
ab. Wer den Proceß verliert bezahlt Zurimana, d.h. Strafs
geld, wer ihn gewinnt aber Shufurana, d. h. Danfgeld.
Se größer die zu erwartende Summe, defto fchleuniger die Bes
treibung; die Harfte Sache wird- oft abfichtlich verwickelt, um diefe
Sporteln recht zu erhöhen. Wie dem gemeinen Volk, fo geht es
?**) Capt. W. Murray en the Manners, Rules and Customs of the
Sikhs App. in H. T. Prinseps Origin of the Sikh Power I. e.
p- 141 — 215.
Indus-Syſtem, die Seikhs. 131
auch den Sirdars. Die Beſtrafung, die ſelten bis zum Tode er⸗
kannt wird, meiſt in Geld-, Gefaͤngniß-Strafe, oder in Abfchneis
den von Nafe und Ohren beftcht, entehrt nicht, und es gefchieht
nicht felten, daß der Verbrecher aus dem Gefängniß geholt und
vom Sirdar, oder Maha Raja, mit einem Shawl als erneuertes
Gunftzeichen (vergl. Afien IV. 2. ©. 968) beehrt wird. Wenn
ein Diebftahl gefchieht, fo hat der Zemindar, in deflen Gebiet er
gefchicht, ihn zu erfegen; denn man fest voraus, daß er der Heh⸗
ler des Stehlers iſt.
Die Succeſſion des Landeigenthums iſt keinem uͤbereinſtim⸗
menden Geſetze unterworfen; die weibliche Linie iſt zwar ganz
davon ausgeſchloſſen, aber bei vielen findet Parcellirung unter
alle Familienglieder Statt; bei andern beſtehen die ausſchließli—
chen Anfprüche der Primogenitur. Daher beftändige Erbfchaftsz
procefie, Grenzftreitigkeiten, wegen Leitung von Canaͤlen und Irri—
gationen, ferner über Befisnahme von Inſeln und Anfchwerns
mungen, die fich in jedem Jahre mit der Kegenzeit und den ger:
flörungen der Damme und Canäle erneuern u. f. w.
Jeder Sirdar des Landes, ex fey groß oder Klein, fordert nach
Willkuͤr Taren von feinen Unterthanen ein, und legt dem Handel
beliebigen Zoll auf. Daher wurde es bei dem einheimifchen Kauf:
manne Gebrauch, feine Karawane mit feinen Waaren einem
Nanac Dutrah (d. hd. Nanacs Sohne) zu übergeben, der
fie für eine beffimmte Summe vom Ort bis zum Emporium
nach Umritfie zu überliefern fich anheifchig macht, und deshalb
alle Abgaben und Zölle derfelben auf feine Rechnung übernimmt,
Als Nachkommen von Nanac, dem erften Keligionsftifter der
Seikh⸗Secte, genießen diefe, wie die Nachkommen des Arabifchen
Propheten, einer gewilfen Heiligkeit, die ihnen Freiheit von Ab-
gaben gewährt, oder doch weniger Plackereien veranlaßt, In ihr
ren Händen ift daher im Pendfchab faſt aller Waarentransport.
Andere Laften, die ſchwer das Volk der Seikhs drüden, find
die Erpreffung des Siwai Juma, d. i. der Extras Taren uns
ter den verfchiedenften Namen, der oft empörende Zwang zu
Kar:Begar, d. h. Notharbeit, die ohne Bezahlung auferlegt
wird; die Erpreffung des Tributs bewaffneter Garnifonen der
Thuͤrme und Fefiungen von den Umherwohnenden, wenn. ihnen
felöft ihr Sold vorenthalten wird, das Recht der koͤniglichen Fi⸗
nanzpächter über Leben und Tod der ihnen zugewiefenen Provinz
zialen, u. a. m, 32
132 WeftzAfien. L. Abſchnitt. 5. 1,
Auch die Familienverhältniffe der Seifhs üben den verderb-
fichften Einfluß auf ihre Majorität aus, Die Hochzeiten werden
in fehr früher Jugend gefeiert; die Verlöbnifie. werden von den
Eltern aus Habfucht und Egoismus gefchloifen, aber auch häufig
wieder gelöft und der Bund wieder getrennt. Oefter iſt dafielbe
Mädchen 2, 3 bis 4 Männern verlobt, von denen die Eltern das
Geld und die Gefchenfe annehmen. Die Streitenden werden
dann, wenn fie zu einem Gerichte (Punchayet) gehören, zwar
zurecht gewiefen, gehören fie aber zu verfihiedenen, fo fuchen fie
fih auf ihre eigene Fauft, durch weggenommenes Vieh oder ans
dern Raub zu entfchädigen. Daher fehlt es nie an Unruhen und
Fehden diefer Art, Täglich kommen hierzu die Klagen der Mans
ner gegen die Untreue der Weiber, oder über deren Entweichung;
oder die gerichtlichen Klagen eines Vaters wider feine Tochter
u. dgl. Das Gefühl der Schaam und der Ehre fiheint hier
gänzlich zu fehlen, die Männer zerren ihre entflohenen Weiber
nicht felten mit Gewalt zuruͤck. Mitgefühl gegen Nothleidende
- kommt bei Almofenfpenden nicht zur Sprache, es ift Sache des
Eultus, die Fakirn, die zu den verfehiedenen Secten (Punt)-
gehören, zu ernähren. Jede der Secten hat ihren Tempel, ihre
Acker und Dörfer (Urdu und Pura), und diefen werden Opfers
gaben (Churhawa) an Korn und Geld dargebracht. An Wall
fahrtsorten werden Almofenkaften (Sudasbirt) angelegt, wo je
der Fremde auf eine Anzahl von Tagen unentgeltlich ernährt wird,
wie in den alten Kenodochien. Jeder der Tempel hat feine Dier
nerfchaft, die foͤrmlich foiche Opfer eintreibt. Die wohlthätigen,
öffentlichen Anftalten der Wohammedaner Zeit, welche noch
von dem Groß: Moghulifhen Gouvernement oft fo. großartig ges
pflegt wurden, find feit der Seikhs-Herrſchaft völlig in. Verfall ge—
rathen. Dagegen find viele von den verderblichen: Sitten der
Hindu von den fonft fo widerfpenftigen Seifhs dennoch beibehak
ten; dahin gehören die Sutti’s, Wittwenverbrennungen, die |
zwar nur felten einmal bei ihnen vorfommen, gegen welche aber
fein Verbot beftceht, und welche gewöhnlich mit Gewalt erzwun⸗
gen, oder doch durch voreilige Verfprechbungen, durch Sammer und |
Verzweiflung der Umſtaͤnde herbeigeführt werden. Iſt der Ent:
ſchluß einmal ausgefprochen, fo läßt man dem unglüdlichen Opfer
feine Zeit mehr zum befinnen. Der Pöbel umlagert die Perfon
und ihre Wohnung, und läßt ihr durch Gefchrei, Tumult, Ueber—
eilung u. f. mw. feine Ruhe, bis der graufame Befchluß zur Auss
Indus⸗Syſtem, Religion, Conföderation d, Seikhs. 133
führung gebracht if, und man ſich beeilt das Opfer in gig
zu führen.
W. Religions⸗Seete der Seiths, Entftehung ihrer
Conföderation.
NanaeSchah, oder Baba Nanac, iſt der Gründer
der Eecte, die ſeitdem (von dem Sanskritworte Sicſcha, d. h.
Schüler) Seifhs genannt worden ift, die fich gegenwärtig
felöft aber auh Khalfa 22?) oder Sings tituliren. Nanac?)
war im 5. 1469 n. Chr. Geb, zu Talwandi (jest Rajapur, am
Beas) in der Subah Yahore geboren, feine Nachkommen zeichnen
fih durch den Ehrentitel Nanac Putra, d.h. Nanacs
- Söhne, bis heute von den übrigen aus. Von Kindheit an zur
Desotion geneigt, pilgerte er als Mann, nach Art fo vieler Hins
dus umher. Begleitet von einigen Andern, darunter ein Mufiker,
Merdana, genannt wird, fam er auch zu Sultan Babar (um
das Jahr 1527), den er zu befehren fuchte, und nach Multan,
das wegen feiner vielen Pirs (d. h. Sanctus) berühmt war. Er—
griffen von ihrer Heiligkeit, wird fein Ausfpruch von feinem Bes
ſuche daſelbſt angeführt, in dem er fagte: „Ich bin in ein Land
voll Pirs gekommen, wie die heilige Ganga, wenn fie das Meer
beſucht.“ Er Eehrte in das Pendfchab zurück, wo er am Navi,
zu Kietipur Dehra, feinen Tod fand und begraben ward,
wo bis. heute fein Tempel und Wallfahrtsort. Der Plan diefes
merfwindigen Mannes war cs, in jener Zeit des größten Haſſes
zweier Religionsparteien, beide zu vercinigen, durch Friedens⸗
worte, durch ſanfte Ueberredung und Ueberzeugung von der Lehre
des einen Gottes, mit der er die wuͤthendſte Bigotterie und
tief eingewurzelten Aberglauben zu bekaͤmpfen hatte. Nicht auf
feine Söhne, fondern auf feine Schüler und Juͤnger, die unter
dem Namen Guru von den Seikhs verehrt werden, ging fein
Anſehn über. Lehana, fein erfter Nachfolger, ift unter dem
Namen Guru Angad bekannt; der zweite ift Amera Das,
deſſen Geſchaͤft es war das Waſſer des entlegenen Beas⸗Fluſſes
zu holen und damit taͤglich die Fuͤße ſeines Meiſters zu waſchen.
So sing die Würde des Meiſters auf die Schüler (Sikhs,
223) Al. Burnes Trav. 1. c. II. p. 279. 25) Genernl J. Malcolm
Sketch of the Sikbs.in Asiatic Bescarch. Cale. Tom. Xl, p. 200
bis 291.
'134 Weit Afien, J. Abſchnitt. $. 1.
Sieſcha) über, und fhon der Dritter der Gurus hatte einige
weltliche Macht. Nanac hatte fchon heilige Schriften hinter-
laffen, ein gleiches thaten die Gurus; in 92 Abfchnitte getheilt
find diefe in dem Odi Granth, d. is in dem heiligen, erften
Buche der Seikhs aufbewahrt.
Eine wörtliche Ueberfegung einer Stelle derfelben aus dem
Sodar?6), die Nanacs Lobpreifung Gottes enthält, hat ©en.
Malcolm aus dem Original mitgetheilt:
„Deine Pforten, wie wunderbar find fie, dein Schloß, wie
„wundervoll! in dem du thronft und Alles regierft!
„Zahllos und unendlidy find die. Töne, die dein Lob verküns
„den; wie viele Pers, die in Gefang und Klang dich verherrs
„lichen.
„Luft Pavan), Wafler und Feuer (Bafantur) preifen dich;
„Dherma Raja ruͤhmt dich an deiner Pforte. Chitras
„gupta, der weife Schreiber und Nichter des legten Gerichteg,
„preiſet dich.
„Did preifen Iswara, Brahına, Deviz fie preifen deine _
„Majeftät an deiner Pforte.
„Indra auf feinem Throne figend unter den Devatas preis
„set dich.
„Der Gerechte preifet dich tief in feinen Gedanken, der
„Sromme verkündet laut deinen Ruhm.
„Die Yatis und Sati preifen fröhlich deine Macht.
„Die Pandits, die Lefenden, die Nifchiswaras, die Erfahr:
„nen in den Vedas, rühmen dich.
„Die mächtigen Helden preifen deinen Namen, wie die Wer /
„sen der vier Naturreiche.
„Die Länder und Gegenden der Welt rühmen dich, der ganze
„Erdball (Brahmanda, d. i. das Weltei), den du feft gegründet,
„preiſet dich.
„Alle die dich Eennen ruͤhmen dich, alle die deiner Anbetung
„vol find.
„Wie zahllos find fie, die dich rühmen! mein Verftand ann
„Te nicht faffen, wie follte fie Nanac befchreiben können.
„Du bift, du bift der Herr ber Wahrheit, wahrhaftig und
„gerecht.
*?*) Aus dem Sodar rag asa mahilla pehla des Nanac I b, Mat-
colm I. c. T. XI, p. 279 ete,
Indus⸗Syſtem, Religion, Conföderation d. Seikhs. 135
„Du bift, du warft, du vergehft nicht, du, der Erhalter von
„allem Erhaltenen.
„Von allen Formen, Geftalten und Arten der Erfcheinun:
„gen (Maya, die Taͤuſchung) bift du der Autor; der Schöpfer,
„der Erhalter feines eigenen Werkes, die Entfaltung feiner eige
„nen Größe.
„as dir wohlgefällt vellbringft du, ein anderes Wefen er
„reicht dich.
„Du bift der König (Madiſchah) und der König der Kb:
„Nige (Dadfaheb der Shahs); Nanac ruht in deiner
„Gnade. —
Statt der beabfichtigten Vereinigung erhob ich immer mehr
und mehr Haß zwifchen der neuen Secte und den Mohamme—
danern; bis Har Govind, ein Eriegerifcher Guru, an der Spige
der Seikhs, diefen gegen die Mohammedanifchen Tyrannen, die
fie fo ſchwer drücten, feft einzmwurzein bemüht war. Er
trug zwei Schwerter in feinem Gürtel; eins, wie er fagtr,
um den Tod feines Vaters zu rächen, das andere um die Wun—⸗
derlügen Mohammeds zu vernichten. Durch ihn und feine Ein:
richtungen wurde die bis dahin friedlihe Secte von Enthuftaften
zu einer uneifchrefdaren Bande von zelotifchen Kriegen. Cr
farb im %. 1661. Seitdem entflanden innere Fehden, wegen
feiner Nachfolger als Häuptlinge: Sein erſter Nachfolger ift
Tegh Behadur, mit ihm treten die bisher nıre als Secte von
ten Mohammedancın tyrannıfirten Seiths, als ein tapfercs
Kriegs: Bolt auf, das im Kampfe gegen feine Tyrannen nad)
Ruhm, Ehre und Befiß ſtrebt; die Frommen legen das Schwert
nie wieder zur Seite, und ſchwoͤren den Anhängern des Koran
ersigen Krieg und Haß. Sn diefem Einne leitete fie auch T.
Behadurs Sohn, Guru Govind, der zehnte und legte der
Guru Succeffion, der Zeitgenofie Aurengzebs, mit dem der ®ranth
als heiliges Buch feinen Schluß erreiht, und der Tyrannei dev
Groß-Moghule den Anfang einer politifihben Herrſchaft
entgegenſtellt.
Bis dahin hatten die Seiths, meiſt Proſelyten aus den
Staͤmmen der Jats Tribus, zwar auch ſchon Waffen getrar
ger, wie dies bei Hinduftämmen höheren Caften, und ſelbſt bei
den priejterlichen Brahmanen geftattet if; aber doch nur zur Vers
theidisung. Guru Govind hob aber die Lehre Nanars, das
able Kaften vor Gott gleich ſeyen, befonders hervor, und
136 Weſt-Aſien. I Abfchnitt, F. 1.
zeigte, daß alfo auch die bisher friedliche, niedrigfte Caſte eben fo
gut Waffen tragen Fünne, wie die Brahmanen. Hierdurch fchuf
er fih aus der niedrigften Volksinaffe, die bisher, im Gegenfaß
der Kriegercafte, immer für unmwürdig gehalten und als Feiglinge,
weil fie waffenlos waren mishandelt wurden, eine Landwehr,
eine große Macht. So wurden alle Spuren des Caſtenweſens
aus den Seikhs verlöfchtz und völlige Gleichheit aller Seikhs durch
Tracht und Anderes feftgeftellt. Yeder Seikh mußte, nach der
Einweihung (Pakul), eine Waffe von Stahl am Leibe tragen,
ein blaues Kleid anthun, Bart und Haare wachfen laſſen, feinen
Taback rauchen und das Feldgefchrei „Ba gurnje fa futtih”
annchmen (f. ob. ©. 59), und die Pflugfchaar mit dem Schwerte
vertaufchen.
Guru Govind richtete in Umritſir (Ameitfar) den
Guru Mata, einen Staatsrath ein, und gab dem Vereine
die Form einer füderativen Republik. Sein Herz kochte
von Mache gegen die Moslems; er breitete den Einfluß der Fös
deration durch die benachbarten Alpenlandfchaften aus. Er fehrieb
in der Gefchichte feiner Kriege die Worte nieder, daß unter ihm _
die Bogen der Seikhs fiegreich wurden über die Säbel der Mos
hammedaner, und die Lehren des Granth über die feigen
Doctrinen der Bedas und Shaftras. Nach ihm gab es fein
gemeinfames Oberhaupt mehr, das als ſolches unter den Seifhs
anerfannt worden. wäre; ihre Sirdars waren einander gleich.
Die Ohnmacht, der DBerfall, die Auflöfung des Kaiferreiches der
Groß-Moghule zu Delhi und der Subahdare, die Schwächungen
der Pendfchabs Herrfchaften durch Schah Nadir und die Afghaz
nen;Einfälle, führten eine volle Anarchie im Lande herbei, in
welcher überall Nabobs, Rajas, Prinzen auf demfelben Schaus
plas hervortraten, Secten, Afforiationen, Hauptlinge mit einander
um die neuen Herrfchaften buhlten und Fämpften. Die anfangs
lich "beimlichgehaltenen Conföderationen der Seikhs brachen
nun öffentlih in Dharwis, d. h. in Raubbanden, her
vor; ihre Beute lockte Anhänger, die Jugend und Abenteurer ges
fellten fich zu ihnen. Die Häuptlinge hielten ihre Raublager nun
oͤffentlich; Ruhm und Stolz ſuchten fie im Widerftand gegen die
bisherigen Oberheren. Die feigen Statthalter zu Lahore begnügs
ten fi) damit, nur die Gefahr abzuwehren, ohne fie in ihrer
Wurzel zu befämpfen. So wurde Umritfir mit feiner Umge—
bung das Aſyl, die Fefte der Seikhs und bald der Mittelpunck
— —
—
—
Indus⸗ Syſtem, Confoͤderation der Seikhs. 137
ihrer Macht. Einige voruͤbergehende Verfoigungen durch Afghas
nen-Heere, die fie in ein paar Schlachten tuͤchtig aufs Haupt
fihlugen, viele Seikhs binrichteten,, viele zur Abfcheerung ihres
Haarwuchfes zwangen, dienten, weil die Afghanen fich ftets wies
der Uber den Indus zurücdzogen, nur dazu, die Erbitterung der
Seikhs, die jene Gefallenen nun als Martyrer verehrten, gegen
die Moslemen zu erhöhen, und ihre noch unangetaftete Fefte Ums
ritfir zu verftärfen. Nach der zweiter jener Niederlagen, im
%. 1747, warfen fie bei Umritſir neue Erdverfhanzungen auf,
Nam Runi, die fpäterhin vergrößert den Namen Namgurh
erhalten haben. So lange in diefer Zeit der Verwirrung auch
die Macht der Mahratten fo großen Antheil an den Fehden im
Pendſchab nahm, Eonnten die Seikhs nicht aufkommen; als diefe
aber durch die Schladht von Paniput (1761, f. Afien IV. 2,
S. 398) gänzlich nach Dekan zurücgedrängt waren, erhielten die
Seikhs im Pendfihab mehr Spielraum. Nur einmal erlitten fie
noch im folgenden Jahre, durch die Afghanen, bei Umritfir
eine blutige Niederlage (Ghulusghara genannt, im J. 1762),
‚ dem eine Entweichung und Zerftörung ihres Tempels (Hurmuns
dur) in diefer Fefte folgte; aber unmittelbar darauf, nach dem
Ruͤckzuge ihrer Feinde nah Kabul, rücten fie in das Pendſchab
mit zelotiſcher Macht ein. Sie überfielen den Afghanifchen Statt
halter in Sirhind, und zerftörten diefen Ort von Grund aus,
weil dort einft Guru Govinds Weib und Sohn getödtet waren;
es blieb, bis heute, für jeden Seikh verdienftlih, drei Steine
von irgend einer Mauer Sirhinds abzureißen und in den Sfets
ledſch zu werfen. Sie überfieien ‚gleih darauf auch Lahore,
das ihrer zelotifchen Wuth nicht widerftehen konnte (1764), nah—
men das ganze Pendfchab in Befis, das fie num nicht wieder
fahren ließen, in deſſen Territorien oftmärts noch bis über den
Sfetledfch hinaus, ihre Sirdare, die von ihren Heerfahrten
(Mifals genannt) 227), ihren Verwandten, Parteigängern oder
Soldtruppen begleiiet waren, nun fich theilten. Damals waren
es zwölf folder Mifuls, deren jede ihren eigenen Namen
führte, und eine Macht von 70,000 Reitern zuſammen gebracht
hatten.
Dies find die fogenannten XII conföderirten, friegeris
2%”) H. T. Prinsep Origin of the Sikh Power in the Punjab ete.
Caloutta 1834. 8. p. 29 — 44.
138 Weſt⸗Aſien. I. Abſchnitt. 9. 1.
ſchen Republiken (Miſuls) der Seikds (ihre einzelnen
Benennungen und Vertheilung der Territorien ſiehe bei J. Prin—
ſep) mit einem oder mehrern Sirdars an der Spitze von
jedem, davon die meiſten durch Gluͤcksumſtaͤnde beguͤnſtigt ſich
aus tapfern Jat-Bauern (ſ. Aſien IV. 1. ©. 574 u. a. O.),
Zimmerleuten, Schaͤfern, Fahnentraͤgern, Keulenſchwingern, oder
von anderm niedern Herkommen, ſich zu Raͤuberhauptleuten
emporgeſchwungen hatten, und nun als Heerführer zu dau—
erndem Laͤnderbeſitz mit ihren Reiſigen famen, den zu be:
wahren und zu erweitern, fen es nach außen gegen ihre Feinde,
oder auch nach innen, gegen ihre eigenen Glaubensgenoffen, fie
ſtets gerüftet und fehdebegierig erfcheinen.
Die meiften diefer Miſuls hatten nur 2000 bi8 5000 Rei⸗
ter aufzubringen; nur wenige über 7000, einer jedech bis 10,000
und zwei bis 12,000. As der legte derfelben, der zwölfte,
wird der Sufur Chukea Miful aufgeführt, der zu den ges
xingften gehörte, nur mit 2500 Reitern, deflen tapferer Haupts
ling Churut Sing, aus dem Geſchlecht eines Jat Zemindaren
(Sukur Chut), der Großvater des heutigen Maha Raja Kunz
jit Singh war.
Das lockte Band des Zufammenhalts diefer XIE Confödes
rirten war, außer ihrem religiöfen Cultus, die jährlich zweis
malige Verfammlung ihrer Chefs (Sirdare), während der By⸗
fafi und Dewali Fefte (im April und October) zu Ums
ritfir. Zu diefer Generalverfammlung, Surhut Khalfa ges
nannt, gehörte das Bad im. heiligen Wafferbaffin, worauf der
befondere Staatsrath, Guru-Mata (Gurmutta) genannt,
zufaminentrat, in dem die Hauptpuncte berathen wurden. DBers
einten mehrere der Mifuls fich zu einem gÄemeinſamen Raub—
zuge (Rakha), fo ward die vereinte Sriegsmadyt, Dul des
Khalſi Zi genannt. In allem übrigen agirte jeder Miful uns
abhängig von dem andern, oder in Uebereinſtimmung mit dem:
felben, ganz nach Belieben. Das erfte Gefchäft war nach der
Expedition die Vertheilung der eroberten Ländereien, je nach dem
Antheil, den ein jeder an der Eroberung (dem Skamil) genom⸗
men. Seder Führer (Surfunda) des geringften Neiterteupps
forderte feinen Antheil, da kein Sold gezahlt ward. Des Chefs
(Sirdar) Antheil wird zuerft abgetrennt, der Reſt in Theile
(Dutti’s) für jeden der Surkunda zerlegt, und dieſe parcellis
ren wieder jeden Putti unter die einzeinen Reiter, nach dee Zahl ı
Indus⸗Syſtem, Confoͤderation der Seikhs. 139
der mitgebrachten Pferde. Sobald die Gefahr von Außen nicht
mehr zuſammenhielt, mußten im Innern jedes Miſul bald Febs
den aus fo rohem Derfahren entfiehen, zu deren Durchfechtung
jeder Surfunda feine Neifigen (Chara) aufrief. Da es jedem
frei ftand, eine beliebige Partei zu ergreifen, fo fand fich der Ges
brauch der Parteihäupter ein, jedem Reiter eine Rupie für den
Sattel zu zahlen, den er ihm zubrachte. |
Ehresifache war es bei den Seifhs feinen der Verbrecher ih—
res Miful wegen Naub oder Mord an einen andern oder fonft
an einen Nachbar auszuliefern; fo entftand der Gebrauch der
©Selbftvertheidigung (Gaha) jedes Gemeinen, wie der
Eirdere. Jeder Eigenthämer im Dorfe umzog fein Gut mit
Well ind Graben, baute feinen Ihurm, und in allen Städten
ward jedes Haus eine eigene Burg. Selbſt die gemeinfamen Fer
fungen wurden im Innern wieder durch Wall und Graben ges
fchieden, um gegen Verrath des Nachbars gefichert zu feyn. Bei
Berunglimpfuug und Unrecht, fuchte jeder durch verbuͤndete Freunde
mit Gewalt ſich fein Recht zu ſchaffen; zuweilen auch beim Sur:
kunda zu Elagen, oder wenn defien Entfcheidung misfiel, an den
Eirdar zu appelliren.
‚Die verfchiedenen Arten des Grundbefißes gaben verfchiedene
Namen: das Putidari iſt ein einfacher Landesantheil, der
Mutidar, fein Befiger, leiftet dem Sirdar Beiftand und wird
dafür auch von diefem befhügt. Der Mifuldar iff ein Grunds
befiser, dem es frei ſteht auch ohne weiteres zu einem andern
Miful überzugehen. Der Tabadar ift nur ein Dienftmann,
dem der Sirdar feinen Grundbefis wieder nehmen Fannz die
Jagirdars find DVerleihungen an Verwandte, Krieger u. ſ. w.
gewöhnlicher Art, wie Lehne. Andere Vergabungen find die an
Tempel, Gurus, teligiöfe Stiftungen u. f. w.
In ſolche ſchwankende Verhältniffe waren die Landfchaften
von Sirhind (ſ. Afien IV.1. ©.571) und Lahore im Pendfchab
verfeßt, als das Moghul-Neich in Delhi unterging, die Briten
bis Ludiana (ſ. Aſien IV. 2. ©. 405, 407) zum Sſetledſch vors
fohritten, und die Seikhs Sirdare alfo, an der Oftfeite dieſes
Stromes, unter ihre Botmäßigkeit ftellten, die im Weften aufs
blühende Macht der Afghanen nur zu fihnell wieder in Verfall
gerieth, das innere Pendfchab zwifchen Sfetledfh und Indus
aber eben dadurch der Tummelplatz unternehmender, ehrgeisiger,
babfüchtiger, herrſchſuͤchtiger Sirdare wurde, unter denem der ta:
140 Weſt⸗Aſien. 1. Abſchnitt. 6. 1.
fentvolffte von allen R. &. nad) und nach die Oberhand gewann,
und die anarchifchen XII Krieger-Mepublifen in einen monarchifch
despotifchen Staat, in ein Maha Rajathum verwandelte, wo:
durch die Pendichabgebiete ihrer gegenwärtigen en allmas
lid) entgegen gingen.
Anmertung. Kurzer hiftorifher Abrif ber Entftehung®e
geſchichte von Runjit Singhs Reihe, dem Mana Rajas
tbum des Pendfhab, und von deffen neueftem flatis
fifhepolitifhem Zuftande, nad) officiellen Quellen,
Runjit Singh (Ranadjitfimha, d. h. Siegerstöwe, .
n. €. Sarquet), 2. Nov, 1782 geboren ???), war der Enkel Chu⸗
rut-Shings und Sohn Maha-Singhs, zweier Sirdare jenes
Miſul, der ſich zulegt erſt bei der Befisnahme des Pendfchab ausge: _
bildet und durch die Kühnheit und Schlauheit feiner Chefs fo ausgezeich⸗
net hatte, daß viele der Seikhs ihm freiwillig zuficlen, zumal um
Theil an den Plünderungen Maha Singhs zu nehmen, durch melde ex
fi, wie bei der Zerſtoͤrung ber reichen Handelsftadt Summo, einen bes
beutenden Schag gefammelt hatte, Durch Krieg und Verfchmwägerungen
griffen fhon Maha Singh gewaltfam und ſchlau in das Gebiet und bie
Rechte feiner Nachbar Mifuls ein. Drei derjelben waren von ihm ſchon
theilweiſe abhängig geworden, als er faum 27 Zahr alt ftarb, und feis
nem zwölfjährigen Sohne, Runjit Singh, den bie Poden eindugig
gemacht hatten (daher Rana, Einauge genannt), Gewalt und Ans
ſehn Hinterließ, wie fie damals Fein anderer der Mifuls befaß (1792).
Bon der läftigen Vormundſchaft feiner Mutter befreite ſich der junge
Sirdar bald, indem er fie durch Vergiftung aus dem Wege räumte,
um vom 17ten Jahre an felbft die Zügel der Herrfchaft zu führen, Für
feine Erziehung war nichts gefchehen, ex hatte weder Iefen noch fehreiben
gelernt und fröhnte allen Leidenſchaften; verſtieß den vertrauten Vizier
des Haufes, entlieg den Diwan und führte mit Raftlofigkeit, Talent und
Entſchloſſenheit felbft das Regiment.
Noch waren die Seikhs Sirdare zu ſchwach, um ben großen Afahas
nen Heere, Shah Zumans, wenn biefer im Pendſchab einfiel (mie
in den 3 Jahren nacheinander 1795 bis 1798), in offener Schlacht zu
widerſtehen; fie retirirten in die Bergthäler, auch R. ©., die beiden
erfien Sabre; aber im dritten benuste cr feine Retirade zu einem
Einfall über den Sſetledſch, und trieb von den dortigen Städten ſtarke
Gontrikutionen ein. Als Schah Zumans Truppen auf die Weftfeite des.
Indus hatten zuruͤckkehren müffen, und R. ©. mit den andern Sirdaren
»27) H. T. Prinsep Origin ete, I. e. Political Life of Maba Raja
Runiez Singh p. 46 — 188. K
Indus-Syſtem, Runjit Singhs Monarchie. 14
in das Pendſchab zurüdzog, faßte er das kuͤhne Project die Stadt La»
bore, bie unter drei Schwache Sirdare vertheilt gewefen war, als fein
Theil zu behaupten. Durdy einen zufälligen Dienft, den er Schah Zus
man zu leiften nicht unterlich, begehrte er von ihm die Verleihung
von Lahore, und erhielt fie. Bei der eiligen Ruͤckkehr über den an⸗
- gefchwellenen Silum hatte der Schah 12 Kanonen im Stich laſſen
müffen, deren Auslieferung er von R. ©. erbat; 8Stuͤck ſchickte ihm
R. ©. wirklich, und forderte dafür die Bekleidung mit der Statthalters
würde von Labore. Die andern 4 Stüd follten nacjfolgen, was aber
nie gefchahe, denn fie wurden 1823 in das Arſenal von Lahore geftellt,
Diefe Verleihung machte ihm bei feinem Einmarfc die mohammedanis
fen Bewohner Lahores gehorfam, die feigen, entneroten bisherigen drei
Rahore Sirdars fchredte des Zünglings Energie zurüd, und die andern '
eiferfüchtigen Seikhs Sirdare, die ihn um die berühmte Gapitale beneia
beten, wurden in einzelnen Fehden und durch Lift zuruͤckgewieſen.
Als Gebieter von Lahore (feit 1800, gelang es feiner Politik nun
fon eher als zuvor, durch Lift und Gewalt, den einen ober den ans
bern der Seikhs Sirdare und Surfunda’s, die bisher gänzlich unabhaͤn⸗
gig von einander gelebt hatten, fi tributpflichtig zu madın. Da
alle uneinig untereinander waren, und darum unfähig zu Widerftand, fo
unterließ er es nie, wenn einer der Sirdare ftarb, fogleich die hinterlafs
fene Familie zu überrumpeln, und ging bierbei ganz fuftematifch zu
Werke. Als nun auch im 3. 1804 4 verſchiedene Kronprätendenten zus
gleih um den benachbarten Afghanenthron buhlten, beſchloß R. ©,
diefe Gelegenheit zu benugen, au) im Weſt des Indus auf Eroberung
auszugehen; es gelang ihm feitdem, wenigftens einzelne Sndusufers
Diftriete des Kabul: Reiches abzulöfen und fi tributbar zu machen,
Im Sahre 1805 führte Holkars und der Briten Unnäherung (f. Afien
IV.2. ©. 401) den Freundſchaftstractat mit lesteren herbei, wos
durch feitdem der Sfetledfh als Oftgrenze der Seikhsherrſchaft
galt und fpäterhin im erneuerten Eractat 1809 zu Umritfir?®),
auch zwifchen dem Lahore Staat und dem britifchen Gouvernement fefts
geftellt ward, obwol R. ©. bis dahin immerfort auch feinen Einfluß
* auf das Land zwiſchen Sſetledſch und Yamuna geltend zu machen,
wiewol vergeblich, verfudht hatte, Seine Eroberungsfudyt wurde diesmal
durch die richtigere Einficht, die er nad) und nad von der Superiorität
britiſcher Truppen geivonnen hatte, gezügelt; er begab ſich alles milis
tairifch = politifchen Einfluffes auf die Stämme der Seikhs, welche auch
noch die Dftfeite des Sſetledſch (es find zwei Miful, die ihre Unabhänz
gigkeit vor R. S. Kabalen unter britifyem Schuge gefichert zu fehen
ungemein erfreut waren) bewohnen, und ift feitvem, was chen fo außers
”*) H. T, Prinsep Origin 1. e. p. 69,
142 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. F. 1.
ordentlich bei orientaliſchen Tyrannen zu ſeyn pflegt, ununterbrochen in
den friedlichſten und freundſchaftlichſten Verhaͤltniſſen mit den Briten bis
heute geblieben, mit immer wachſendem Vertrauen, ohne Falſchheit und
Eiferfucht. £
Auch dem britiſchen Goudernement Eonnte die Blüthe eines gefichers
ten Staates an der Nordweftgrenze des britifch -indifchen Reiches nur
erwünfcht feyn, weil diefes für daffelbe die ficherfte Grenzmauer gegen
jeden erobernden Ueberfall von Iran und Zuran feyn mußte. R. ©.
fahe aber feinen eigenen Vortheil fehr bald ein, da er nun bie zahlreis
chen Garnifonen aus den Feften und Stationen feiner Oftgrenzen herauss
giehen und zu andern militairifhen Operationen verwenden konnte, wo⸗
durch fein politifches Webergewicht über feine Mit» Sirdare und Nach⸗
barn von Jahr zu Sahr wachen mußte.
Schon 1809 im Befig der früherhin gemeinfamen Gapitale Umrits
fir gekommen, befeftigte er das dortige Hort Govind-gurh von
neuem und häufte darin feinen Schatz an; fein politifches Uebergewicht,
unter den verfchiedenen nod etwa beftehenden geringern Seikhs-Staaten
oder Mifuls, geht daraus hervor, daß der Gurus- Mata, als oberfter
Staatsrath, dafelbit zum legten Male gehalten wurde, ala dem Fluͤcht⸗
linge Holkar die Aufnahme in der Seifhs- Republik verfagt ward, 1805,
wobei noch jeder Miful feine Stimme abgab, fpäterhin aber nicht 22°)
wieder zu Stande kam. Als der Raja von Kangra ihn freundlich zu .
Hülfe rief gegen die Gorkha Belagerer, verfprah R. ©. Beiftand, kam
auch mit feinem Huͤlfscorps, nahm aber diefe berühmte bis dahin für
uneinnehmbar gehaltene Fefte in demfelben Sahre, 1809, für ſich ſelbſt
in Beſchlag. Er fing nun an fih, nad Art der britifchen Seapoys,
regulaire Bataillone unter frinen Truppen zu bilden, durch Purbis
(d. h. Eingeborne aus den Gangeöpropinzen) wie Seikhs, und nahm
britijche Deferteurs zu Ererciermeiftern an, die er durch höheren Gold
und Avancement lockte; eben fo ein Artillerie-Gorps, In wenigen Zahe
ren war ber größere Theil der XII Seikh Mifuls durch Betrug, Gewalt
oder Politik unter feine Fahnen gebracht *°). Die fortgehenden Afghas
nenhändel um den Thron von Kabul, braten die von ihren Nebenbubs
lern feit 1810 entthronten Shah Schuja und den unglüdtichen ges
blendeten Shah Zemaun als Flüchtlinge nad) Labore, wo fie bei
R. ©. mit ihren geretteten Schaͤtzen Afyl fuchten, der diefe Gelegenheit
nicht vorüber lieg allen Vortheil von dem Unglüd feiner Schüglinge zu
ziehen und fie ihrer Iegten Sumelen zu berauben., Darauf kam auch bie
Feſtung Attod (1813) dur Verrath ihres Commandanten *") in feine
Gewalt, und bei den Fehden der neuen Kabul Könige mit ihren Kaſch⸗
229) H. T Prinsep Origin 1. & pP» 182. er ebend. P · 85.
21) ebend, p. 96.
Indus⸗Shſtem, Runjit Singhs Monarchie. 145
mie Gouderneuren ward ihm ber Gedanke von ſelbſt in bie Hand ges
geben, ſich biefes reihen, benachbarten Königreihes bei der. nächften
günfligen Gelegenheit wo möglich zu bemaͤchtigen. Fürs erfte, um fi)
dazu die Wege zu bahnen, überzog er die Berg Rajas von Bember
und Radjaouri mit Krieg und machte fie fich tributair, Im J. 1814
wagte er den erften Kriegszug *?) gegen Kaſchmir, der jedoch mes
gen Widerfpenftigkeit einiger Berg: Malliks, die ihm den Uebergang der
Gebirgspäffe verrannten und dadurch feiner Armee ftarfe Niederlagen
zu Wege brachten, ungluͤcklich ausfiel, was ihn nicht hinderte unter güns
fligeen, politifchen Gombinationen denfelben Verſuch fpäter zu wieder⸗
holen. Vorerſt aber verftärkte er nod) feine Macht durd) Bildung neuer
Regimenter zum Gebirgskrieg dur Gorkha Ueberläufer, die in
diefem gewanbter waren, und bie er im feinen Sold nahmz er bereis
cherte feinen Fiscus durch wiederholte Ueberfälle gegen Multan und
Bhamulpur, die er, im 3. 1815, zu Contributionen zwang, und bamit
endete, daß er 1818 die Feſtung Multan erfiürmen lic und fi das
ganze Gebiet deffelben unterwarf. Nun mar er gerüftet genug um die
Eroberung von Kafhmir*?) durchzuführen, die ikm auch im
Sabre 1819 in einem eingigen Feldzuge gelang. Der Sieg in Multan
und die Verwirrung in Kabul. hatte defjen damaligen Beherrſcher Mos
hammed Uzim Khan genöthigt, den größten Theil feiner Garnifonen aus
Kaſchmir zurückzuziehen. Kaum hatte R, ©., der durch Krankheit in
Labore zurückgehalten wurde, dies erfahren, fo trug er dem Sieger von
Multan, feinem General, Mifur Dewan Chund, das Kommando
eines Heeres auf, das im April gegen Kaſchmir aufbrach. Eine zweite
Armee wurde zu gleicher Zeit gebildet, um diefer erften in allen Operas
tionen Nahdrud zu geben, und R. ©. felbft ftellte fi) an die Spige
einer dritten‘, die jener nachruͤckte. Am 23. Juni attakirte die erfte
Armee die Paffagen, weldye ihr den Pir Penjahl Uebergang eröffnete,
die zweite feste auf einem andern Paffe (Surdi Thana genannt? ob
derfelbe wie in Afien II. S. 1144) über, und R. ©. felbft befegte die
Bember Paſſage. Die erfte Armee flieg nun in das Kafchmirthal hinab,
welche bei Sarai Uli vorüber zur Strafe nah Supyn (? bisher uns
bekannt, aber auf Capt. M. Mur ray Map angegeben) führt. Die
5000 Mann jchlecht disciplinirter Truppen, welche hier dee Gouverneur
Subur Khan von Käfchmir entgegenftellte, wurden in dem erften Ges
fechte total von der Seikhs-Armee gefchlagen, und biefe zog ohne weiten
ren Widerftand ald Sieger in das gefeicrte Alpenthal ein. Dreitägige
Zefte und drei Nächte Slluminationen in Lahore und Umritfir verfündes
ten dem ganzen Pendſchab den großen Sieg feines Gebieters, dem nun
ſchon durch Multans und Kaſchmirs Unterwerfung, wie durch Attock und
»2) ebend. p. 104—103. >) chend, p. 121— 135,
144 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 6. 1,
umritſirs Beſitz, als ſouderainen Maha Raja in ganz Pendſchab keine
unuͤberwindliche Gewalt mehr entgegen trat.
Aber die ſouveraine Gewalt zu behaupten, die auf dieſe Weife ge⸗
wonnen war, fchien feine geringere Aufgabe des überall gefürchteten
Ufurpators zu feyn Das Gluͤck führte ihm im Jahre 1822 ?**) aus
der Napoltonſchen Schule die beiden DOfficiire Ventura und Allard
zu, durdy deren Zalente es ihm gelang fich eine ftchende Armee auf Eus
ropaͤiſchen Fuß mit einer bedeutenden Artillerie, Feftungen und allem
Zubehör zu Schaffen, welche auf einem fo ſchwankenden, politifchen Bo—
ben, wie derjenige der Geikhs- Gonföberationen immerhin feyn mußte,
durch Militairgewalt nach innen und außen Sicherheit gab. Alle fols
genden Unternehmungen find nur Vervollftändigungen und Confolidiruns
gen der früheren, innerhalb jener ſchon Elüglich abgeſteckten Schranken
gewefen, und genauere Verbindungen mit den Briten. Nur einmal trat
ein Schwanfen gegen dieſe ein, als der allerdings gefährliche Birmanen»
krieg (1824 bis 1826, ſ. Gefhichte, f. Aſien III. ©. 335 — 340) die fers
nere Herrfchaft der Briten in Bengalen zweifelhaft zu machen ſchien,
ein Umftand der R. ©, Iebhafteftes Intereffe *°) erregte. Das Jahr
1826 war das einzige, in welchem der unruhige R. ©, keine befondere
militairiiche Erpedition unternahm. Vielleicht, daß er eben feine Kräfte
zu einem größeren Projecte fammelte. Vorher und nachher dehnte er
durch mehrere Streifzüge feine Macht, jenfeit des Indus, auch bis Pe⸗
ſchawer aus, das ihm feit 1829 tributpflihtig ward, und bei der gro—
fen Schwaͤchung der Kabul Regenten aud in feinem friedlichen Befige
verharrte. Die Veranlafjung zu dieſer Bejignahme hatten bie fanatifchen
Eufofzyes ?°), zelotifche Mohammedaner der dortigen Berg-Gantone
gegeben, die durch einen ihrer zelotifchen Reformatoren (Seyud Ah⸗
med, der die grüne Fahne Mohammeds von neuem in ihren Bergen
aufpflanzte) aufgehest, mehrmals Ghazie, d. i. Religionskriege (mie
die Ghaznaviden, f. Afien IV. 1. ©. 532), mit unglaublicher Wuth ge=
gen die Seikhs, durch Ueberfälle gegen fie, begannen, worauf der Krieg
durch R. S. Armeen zu ihnen auf die Weftfeite des Indus hinüber ges
fpielt werden mußte, der in oft wiederholten Kehden von beiden Seiten
viel Blut fließen machte. Das legte politifche Project des MahaRaja,
auch feine füdlichen Nachbarn, die Amirs von Sinde, mit Krieg zu uͤber⸗
giehen, kam bisher nicht zur Ausführung, weil er dabei Eeine Unters
ftüsung des britifchen Snterefjes erwarten durfte, Wirklich traten diefe
auch feiner Eroberungsbegier im Sahre 1832 durd) einen Handelstractat
mit den Amirs von &inde?') entgegen, ben fie, ohne fein Vormiflen,
mit dieſen feinen Feinden durch Lieutnant Colonel Pottinger in Hy⸗
232) ebend. p' 128 etc. »5) ebend. p. 142. 2°) ebend. p. 138,
146, 149, 37) gbend. p. 172 — 17,
\
Indus-Syſtem, Runjit Singhs Monarchie. 145
drabad abſchloſſen, um fid bie freie Schiffahrt und den Handel auf
bem Sndus nad dem Pendſchab zu fichern. Die eintreterde Körpers
ſchwaͤche und das herannahende Alter des Greifes haben den Maha Raja
von andern friegerifchen Unternehmungen zurüdgehalten, ihn aber in der
innern Thaͤtigkeit für Verwaltung nicht gehindert.
Zur vollftändigern Würdigung diefer merfwürdigen, geographifchs
politifchen Erſcheinung des Pendfchabreiches, befchließen wir deffen Dar—
ftellung mit der Characteriftif, welche uns der jünafte Beobachter aus
ben ficherften Quellen ?°) über deſſen neueften Zuftand mittheilt.
RN. ©. kann weder Iefen noch ſchreiben, aber er durdfchaut alle
Acten die ihm in Perſiſcher, in Pundfhabi und Hindi Sprache vorges
tragen werben mit großer Scharfſicht, fo, daß feine Entfcheidung immer
ſchnell und ficher if. Sein ausgezeichnetes Gedaͤchtniß, das Nichts ver—
gift, feine vertrauten Secretaire, die ſtets ihn umgeben, ſichern ihm eine
große Gewandtheit in jeder Gefhäftsführung. Mit egoiftifcher Schlau:
heit und Energie fest er alles durch, was er will, und. ift dabei ſehr
freimüthig, lebendig, ungebunden, angenehm in Gonverfation. Per ſoͤnlich
tapfer und maͤchtig als Regent, iſt ihm doch Verſtellung und Betrug
lieber als Gewalt, um ſeine Zwecke zu erreichen, zu denen es ihm nie
an Mitteln und Wegen fehlt. Nichts ſteht ihm dabei im Wege, weder
Gefuͤhl, Mitleid, Dankbarkeit oder dergleichen; die Verſchwendung ſeiner
Jaugend iſt in feinem Alter in Geiz übergegangen, Sein aus ſchweifen⸗
des Leben hat ihn abgemagert und entnervt, ſein fruͤh ergrauter Bart
hat ihn vor der Zeit alt gemacht, aber das eine Auge hat den feurigen
Blick des raſtloſen Herrſchers bewahrt. Paraden, Revuͤen, militairiſche
Evolutionen find feine Lieblingsunterhaltung, denen er ‚den größern Theil
feiner Zeit nachhaͤngt; Pferde find feine Paffion, er pust fie durch Zeps
pie, Sumwelen, Gattelzeug u. f. w. heraus, verfchwendet an ihnen feine
Garefjen und hat fie wo möglich immer vor Augen, Ohne Erziehung
und edlern Umgang, ift er nicht von Gtaatsmännern, fondern von den
räuberifchen Seikhs umgeben, die aus den verftoßenen Gaften und armen,
rohen Jat-Bauern durch die Noth gedrängt zu Emporfömmlingen wurs
den. Schon als er geboren ward, war feine Spur von höherer Bils
dung mehr in ganz Labore zu finden. Er hat fich erſt feinen Hof- ges
fhaffen, der ſich feine Cultur aneignen wird. Seine ganze Laufbahn iſt
nit ohne Ungerechtigkeiten, aber bis auf wenige Fälle faft ohne alle
biutigen Erecutionen, und mit weit weniger Grauſamkeiten und Verbres
hen befleckt, als die der meiften andern Gründer orientalifcher Despotien.
Dabei iſt R. ©. feinem Glauben nady ein fehr ferupuldfer Seikh,
wenigftens läßt er fich täglich mehrere Stunden lang aus dem Granth
s2) H. T. Prinsep Origin 1. e. Chapt. XI. p. 178—190.
Ritter Erdkunde VII. K
146 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. F. 1,
durch feine Gurus vorleſen, iſt aber dabei voll Aberglauben, Einbilbun⸗
gen uͤber ſein Schickſal, und ſtets von vorſorgenden Aſtrologen umgeben.
Seine Regierung ift ohne Princip, es fehlt ihr alles Syſtematiſche,
er ift eigentlich nur ein immer mweiter greifender Ufurpatorz; aber
fein Adminiftrator beffen, was er ſchon befist. Alles wird von ihm
verpacdhtet, mit voller Willtür der Pächter über die Unterthanen nad)
Belieben zu falten und zu walten wie fie wollen. Er glaubt in feis
" ner Militairmacht dad Gegenmittel zu befigen jene zu zügeln oder zu
betrafen. Seine Beamten und die alten Seifhbs - Familien werden von
ihm mehr gequält und geplagt, als z. B. Kaufleute, die er fehr beſchuͤtzt
und ihnen nur mäßige Zaren auflegtz; ſich felbft hat er das Monopol
mit Salz und Shawls vorbehalten.
Er bat dem Pendfchab keine eigenthümlihe Verwaltung gegeben,
feine Gonftitution, kein Gefeg proclamirt, Eeine Gerichtshöfe eingerichtet,
Der Guru Mata, deffen frühere $unctionen gaͤnzlich aufhörten, befteht
noch, aber in ganz umgewanbelter Korm, daR. ©. der Alleindespot
aller Seikhs geworden ift, und feine ftehende Armee als erecutive Ges
walt an der Hand hat, fein Schag aber gefüllt ift. Der ganze gegens
wärtige Beftand ift durdjaus nur an feine Perfon geknüpft, nicht eine
mal an den Reſpect oder die Liebe zu feiner Nachkommenſchaft.
Zu R. ©. Zerritorialbefige gehört gegenwärtig das ganze
Pendſchab zwiſchen Sſetledſch bis zum Indus, dazu Kaſchmir und das
ganze Alpenland des Kulu⸗Kaſchmir Himalaya; ſelbſt noch jenſeit hin—⸗
aus, bis gegen die Grenze von Ladakh, wo in neueſter Zeit das Gebiet
don Iskardo (ſ. ob. ©, 14) weſtwaͤrts Ladakh durch die Seikhs bes
droht ſeyn ſoll. Die in den Gebirgsgauen noch gebliebenen Rajas ſind
insgeſammt mediatiſirt und müffen ſtarken Tribut zahlen und Huͤlfstrup⸗
pen ſtellen, wenn ſie nach Lahore gefordert werden. Außerdem hat R.
S. noch an 45 Taluks (Herrſchaften) gang ober nur theilweiſe Ans
teil, gemeinſchaftlich mit andern auf der britifchen Geite des Sſetledſch.
Sm Weften des Indus befigt er die Diftricte Khyrabad, Akona,
Peſchawer, tributpflihtig, und Dera Ghazi Khan, das an ben
Bhamwulpur Khan verpadjtet ift, fo wie Dera Ismael Khan, wel
ches dem Hafig Ahmed Khan von Munkera zugemiefen ift. Von einigen
Beludfihen Chefs, von Tonk und Sagur im Süden, zieht er
ebenfall3, obwol nur geringen Zribut,
Seine Einkünfte ſchaͤtzte Capt. W. Murray, an Grundfteuer
und Tribut, in allen Befigungen, jährlid auf 1,240,000 Pfd. Sterl.
(12,403,900 Rupie); den Zoll im Pendſchab auf — 190,000 Pf. St.
(1,900,600 R.); das Stempelgeld (Mohurana ) von jedem Siegel =
50,000 Pf. St. (577,000R.)., In Summa alfo = 1,480,000 Pf. St.
(14,881,000 R.); außerdem aber noch an Domainen (Jagirs) — 1,090,000
Hf. St. (10,923,000 R,). Alfo in Summa = 2,580,000 Pfb. St.,
Indus-Syſtem, Mittler Lauf. 147
ober an 15 Millionen Thaler (25,809,500 Rup.). Diefelbe Summe
brachte etwa die Subah Lahore zur Zeit der Groß- Mogtule ein; da
aber bei R. ©. Revenüen die Einkünfte von Kaſchmir mitgerechnet find,
fo wird jene Schägung fehr wahrfcheinlich, wenigftens auf feine Weiſe
übertrieben feyn, da das Land unter den Seikhs unmöglich fo viel wie
in feiner blühendften Periode unter den Groß-Moghuln einbringen kann.
Der Schatz, der in Gopindgurh an Metall, Juwelen, Stoffen, Pfer-
ben, Elephantengefchirr u, |. w. aufgehäuft ift, wird von W. Mur:
ray auf 10 Grored Rup., d. i. auf 10 Millionen Pfd. St, geſchaͤtzt;
andere geben ihn weit höber an,
Die Militairmacht endlih, nad) Gapt. W. Murray, ber fie
vermöge feiner officiellen Stellung wol genau zu beurtheilen im Stande
war, ift folgende: ,
Gavallerie, durch General Allard disciplinirte Truppen 12,811 Mann
Snfanterie, ; desgleichen 14,94 —
Sn Summa alfo 27,752 Mann
Sn Kafchmir -Garnifon 3000 Mann $
Andere Infanterie 23,950 — ron en. 26,950 Mann
dazu die Contingente der Sirdars an Cavallerie
und Infanterie, ee 0 re... + 27,312 Mann
Zotalder Truppen „ . . . +... 82,014 Mann.
Hierzu 376 Stüd Kanonen grobes Beſchit, 370 Stuͤck kleines Ge—
ſchuͤtz auf Kameelen und leichten Lavetten; eine Artillerie, die, wie die
ganze bedeutende Macht, allein als das Werk der unermuͤdeten Regie—
zungsperiode des Maha Raja anzufehen ift,
ER
Erläuterung 5.
Mittler Induslauf, Fortſetzung; von Mittun: Kote bis Hydrs
abad oder von dem Pendfchab dis zum Delta des Indus,
Mittun-Kote, Subzul: Kote, Schifarpur, Bukkur, Khyr:
- pur, Larkhanu, Sehwun; die Luffi= Berge.
Unter 28° 35’ N. Br. find, bei MittunsKote, alle
Dendfchab- Ströme mit dem Indus zu einem Hauptfitome vers
einigt, der von da an gegen S.W. bis Bukkur feinen direc—
ten Sauf nimmt, unterhalb diefes Ortes fi) in zwei Hauptarme
fpaltet (der weftliche Arm 39) wird Nara genannt, und das Land
das er durchfchneidet Chandkoh), die fi) im Bogen gegen S.O.
—
23°) Al, Burnes Mem. Ill. p. 267, 269,
82
148 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 52.
über Sehwun wenden, um von da an, wo die Lukhi⸗Berge
die Indusarme zurückdrängen, wieder vereinigt nah Sud
zu ftrömen, fo daß fie dann nahe oberhalb Hydrabad, ihre ers
neuerte große Spaltung zum Niederlande des In—
duss Delta beginnen. Doch überall Iöfen fich, fen e8 von
dem einen oder den mehrern Hauptarmen zugleich, auch noch
mehrere geringere Seitenarme von 8 bis 10 Fuß Wafferticfe ab,
auf denen man firomauf Tieber fchifft als auf dem Hauptſtrome,
um nicht deſſen ganze Gemalt gegen fich zu haben. Bei Mits
tun 2?) hat der Indus die gewaltige Breite von 2000 Schritt
(Yard); abwärts bis gegen Bukkur engt er fih aber öfter bis
zur Hälfte derfelben ein; feine Tiefe wird aber darum nicht pros
portional geringer, behält felbft bei niedrigftem Wafler immer bis
24 Fuß Tiefe (4 Fathom), und diefe nimmt wechfelnd bis zu
96 Fuß (16 Fathom) zu. eine Strömung wird dadurch nicht
ſehr vermehrt, denn fein Gerpentinenlauf beweifet fein ungemein
fanftes Gefälle.
Die veränderte Natur des Stromlaufes ergiebt fich
am fichtbarften aus dem veränderten Bau der Schiffe
auf ihm: denn die bisherigen, durch das ganze Pendſchab zum
Transport gebräuchlichen, fo geräumigen Zohrufs, können hoͤch—
ſtens noch abwärts bis Bukkur gebraucht werden; dagegen ſchon
von Mittun:Kote an, aufwärts, die im_untern Induslaufe allge:
mein werdenden, plumpen Dundis nicht weiter gebraucht wers
den fünnen. Bei feiner Stromauffahrt vertaufchte Al. Bur—
nes, ſchon zu Bukkur, feine Dundis, die von der Mündung
an, aufwärts, zur Echiffahrt dienen, und in ihrem Bau den
hinefifchen Junken *) am ahnlichften find, mit Zohrufs, die
zum Transport der Bagage und zumal der Pferde, die er mit
ſich führte, fehr geräumig waren, mit denen er die 34 geogr. Mei:
len (170 Mil. Engl.) lange Strede, von Bukkur bis Mittun-
Kote, in 9 Tagen zurüclegte. Die Zohruks %) find lang und
ſehr breit, vorn und hinten zugerundet, von Taliholz gebaut, mit
Eifentlammern ftatt der Nägel nett zufammengefügt. Unter den
95 diefer Schiffe, die er dort fahe, waren die größten nur big
80 Fuß lang, aber 20 Fuß breit, die mit ihren ganz flachen
Boden weit fchnellee das Waffer überhingleiten als die tiefer
2+0) Al. Burnes Mem. 1. e. III. p. 275 — 280. 21) ebend. p. 244.
*°) Alı Burnes Narrative 1. e. Vol. II. p. 81. 3
Indus-Syſtem, MittunsKote, SubzulsKote, 149
gehenden, langgeſtreckten Dundis. Aus der Befchreibung Ars
rians über den Bau der Transportfchiffe Aleranders,
der gerundeten, für deſſen Kavallerie, ergiebt fich, daß es diefe
Zohruks waren, die beim Xusfchiffen aus dem Hydaspes in den
Aceſines nichts litten, indeß die andern langen Schiffe zerfchmets
terten, weil fie damals, wie auch heute noch, zum Widerftande
gegen die Rapiden im obern Laufe der Pendfihabfläffe nicht ges
eignet waren (ſ. Alien IV. 1. ©. 456).
Das Land ifk hier fehr reich, zumal an der Dftfeite des
Sluffes, weil es durch unzählige Canaͤle bis tief landeinwaͤrts be;
wällert wird, vom Daudputra⸗Lande bis Subzul:Kote, dem
nördlichen Grenzgebiete der Sindherrfchaft, in welche der Indus
hier eintritt. Auf der Weftfeite des Fluffes, weiter abwärts,
noch 19 Stunden oberhalb Buffur, zweigt ebenfalls ein gros
Ber, fhiffbarer Canal, Sinde genannt, noch ein Bau aus
den Kaiferzeiten, füdweftwärts, der die Waſſer am großen Em:
porium Schifarpur vorüberführt, nah Nuſchera und bis
Larkhann ab, wo ein zweiter, großer Canal derfelben Art mit
ihm zufammenftößt. Die Landescultur würde dort weit mehr
durch diefe Bewäfferungsanftalien gehoben feyn, wenn nicht ges
genwärtig nomadifche und räuberifche SchäfersTribus- der
Beludfhen (Burdgah, Ken und Muzarfa genannt) Ber
fis von diefem Territorium genommen hätten. Das linte, oder
Dftufer, unter dem Bhawul Khan, iſt in befferm Flor. Weiter
abwärts von Subzul-Kote, im Diftricte Ufara, find auf demfels
ben Oftufer noch Aboriginer Tribus anfäflig, die fich ſelbſt
Duhrs und Muhrs nennen, die aber unter dein allgemeinern
Namen der Sinde bekannt find.
Unterhalb MittunsKote if Subzul:Kote, mit etwa
5000 Einwohnern, 24 geoge. Meilen im Often des Indusufers,
die einzige Etadt von Bedeutung; fie iſt mit einem Erdwall um:
geben. Dicht am fer kann wegen der Ueberſchwemmungen des
Stroms Fein Städtebau Statt finden, Waſſerleitungen finden aber
feicht zu ihnen durch Canäle Statt; fo auch hier. Das Uferland
ift zumächft ein Weideboden für zahlreiche Büffelheerden, die
hier in fo großer Menge aufgezogen werden, daß ihr Werth nur
ein Viertheil des Preifes ift, den fie weiter abwärts gelten. Der
befte Büffel wird hier mit nicht mehr als mit 10 Rupies ber
zahle. Waffervöget giebt es hier gleichfalls in großer Menge;
auch Rebhuͤhner, Eber und anderes Wild.
150 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 9 2.
Die Weftufer des Indus find in diefer Strede, ab:
wärts bis Schifarpur, weniger befannt, weil fie von den Naubs
horden der Burdis?#) unficher gemacht werden, bis zum Lande
der Brahooe in W., und Ruth Gundava n SW. Es
find Ausgewanderte, Beludſchen-Staͤmme von Sind, aus
Kej und Mefran, ein feihböner Menfchenfchlag, der aber mehr
dem der Afahanen gleicht. Sie laffen die Haare lang herabhaͤn—
gen, haben ein wildes Anfehn, das ihre Tracht noch vermehrt,
die aus mollenen Zeugen befteht, die fie nur ganz lofe um den
obern Iheil ihres Körpers fchlagen. Shren Namen follen fie,
gleich den Beludfchen, nur von einem aus ihrem Tribus anges
nommen haben. Shre Sprache ift ein verderbtes Perfifch ; ihre
ganzer Uluß, der gegenwärtig zum Heere der Amirs gehört, obwol
fie immerfort Näuber geblieben, wird auf 10,000 angefchlagen.
Staͤdte haben fie nicht; Duri wird als ihr Hauptort genannt.
Außer diefen Burdis flreifen dort noch andere, gleichrohe Tribus,
nur minder zahlreich, umher, welche nur ihren Namen nad) bes
kannt und von jenen fonft nur in wenigem verfchieden find. Al.
Burnes lernte vier verfchiedene Tribus derfelben fennen. Naͤm—
lich 1) die Juttuis in Burdgah (offenbar wol jene Dſchuts,
ats, f. Afien IV. 1. ©. 552). 2) Die Muzaris, welde
früderbin als Plünderer der Kabulheere fehr gefürchtet waren, ges
genmwärtig aber fehr gefhwächt find, deren Einfluß jedoch bis
Dera Ghazi Khan reiht; Nozan heißt ihr Hauptort. 3) Die
Bugtis, und 4) die Kulpburs, welche in den Öandaris
Bergen haufen, die im Daralkl von Mittun:Kote beginnen,
und in dem Abftande von 20 geogr. Meilen vom Indusſtrome
mit feinem Weſtufer parallel zieben. Dieſe Bergkette begrenzt
das Gebiet Kutch Gundava, fie trägt eigentlid nur von ih—
rem böchften Pie, vem Gandari*), jenen Namen.
Nur einheimifche Sinder und diefe aus dem Hochlande hers
überftreifenden Beludſchen ſcheinen gegenwärtig die einzigen Ans
wohner diefer Indusufer zu ſeyn. Gene Sinder, das gemeine
Volk, ſchmutzig in dunfelfarbige Zeuge gekleidet, und anfäffig am
Strome, find Fifhe:Effer. Fifche find ihre Hauptnahrung,
daher man fie auch wol mit Recht als die alten Aboriginer' an:
fehen kann; die beberrfchende Volksclaſſe dagegen, gegenwärtig
”*2) Al. Burnes Mem. II. p. 279. **) Al. Burnes Narrat. Ill.
p: 83.
Induss Syitem, Schikarpur. 151
überall Beludfihen, behaupten, das Fifcheffen made dumm. Die
Beludfchen find umherftreifende Tribus, die auf Raub
und Plünderung ausgehen, aber von der Khyrpurs Chefs (Amir
von Sind), die jedoch felbft vom Beludfchen Stamm find, fehr
unterdräckt werden.
Schifarpur®) iſt die erfie große Stadt von Bedentung,
‚im Eüden diefer Streifhorden und Kutch Gundavas, auf
der Weftfeite des Indus. Sie liegt 64 geogr. Meilen (32 Mit.
Engl.) fern vom Indusufer bei Bukkur; es iſt die größte Stadt
in ganz Sind, von fehr fruchtbarem Boden umgeben. Nur ein
Europäer, Lieutn. Arth. Conolly, hat fie, fo viel uns befannt,
in neuerer Zeit, im Jahre 1830, befucht. Seit der Afghanenzeit
hat ihre Wohlftand unter den Amirs von Sinde fehr abgenom-
men. Die Einfünfte der Stadt haben fih, fagte man M. Bur—
nes, um ein halbes Lakh Rupien jährlich verringert. Doch fol
der Handel noch immer bedeutend ſeyn; er wird meift nur von
Hindus betrieben, welche die Gefchäftsführer aller Vornehmen im
Sande find. Die Stadt kam erft nach 1821 in die Gewalt der
Amirs, die dort einen Gouverneur mit dem Titel Nabob ein:
festen, der einen bedeutenden Poſten einnimmt, weil er dort die
häufigen Ueberfälle der Afohanen gegen Sind abzuwehren hat.
Der Zuftand des Landes Fann bei diefem Verhältniffe nicht bluͤ—
bend feyn. Diele Angaben von Al. Burnes werden von Arth.
Eonolly%) beftätigt,. der über Herat und Kandahar zum
Gebirgspaß Bolan herab, auf den gefahrvollſten Wegen und
Wildniſſen, durch das aufgeregte Land der Afghanen und die
Grenzdiſtricte des Khans von Kelat bis Schikarpur vordrang.
Aus einer baumloſen, klippigen Wuͤſte kommend, erſchien ihm
dieſe Stadt unter hohen Palmenwaͤldern und zwiſchen Gaͤrten
ſehr lieblich gelegen. Sie iſt groß, von einem Erdwall mit 8 Tho—
ren umgeben, der aber ſehr verfallen iſt. Im Innern der Stadt
iſt aber in jedem Hauſe ein Kaufladen, der Bazar, durch die
ganze Stadtmitte, breitet ſich nach allen Seiten aus, iſt wol be—
ſetzt, aber niedrig und mit einem Dach von Palmblaͤttern gegen
den Sonnenſtrahl geſchuͤtzt. Die Hitze iſt ſo groß, daß das hie
fige Sprichwort fagt: „im. Sommer fiedet hier der Son-
#5) Al. Burnes. Mem.. III. p. 277. *%) Arthur Conolly Jonrner
to the North of India overland etc. tlıouglı Afghanistan. Lond.
1834. 8. Vol. II. p. 241 — 245.
152 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 9. 2.
nenftrahl die Eier, und brennt die Weißen ſchwarz.“
Der Ort zeigt, fo verfallen er auch fcheint, doch fehr viel Hans
delöleben, und unter den Lumpen, fagt man, fen fehr großer
Reichthum verborgen. Die Hindu Wechsler und Händler nennt
man fette Biutigel, die fih andern anfaugen;z ihre Handelsver:
bindungen find außerordentlich weit ausgebreitet, von Bombay
bis Bokhara. Das Schifarpur if ein Hindudialect, der
von Dauder in W. bis Bhamulpur in D. gefprochen wird.
Die hieſigen Kaufleute find aber auch fehr gewandt in allen Nachz
barfprachen, im Perfifhen, Puſchtu, Beludſchi, Hins
duftani und dem Sinddialecte. Gin PViertheil der Bewoh—
ner von Schifarpur find Mohammedaner; als die größte Merk—
würdigfeit bei ihnen wurde dem Neifenden, Arth. Conolly,
die Bibliothek des Fakir Meah Hadji Ullah genannt;
er follte 700 Volumina in Manuferipten befigen, davon 699 Theos
logie enthalten, eins aber Hifterien. Auch) find 5—600 Afghar
nen⸗Familien in diefer Stadt angefiedelt, in der zugehörigen Pro—
vinz 4000, die aber ſehr eiferfüchtig auf die jeßige Herrſchaft der
Eindes feyn follen. Nah Arth. Conolly treibt der Gindgous
verneur von Schifarpur, welcher nach ihm Hakim titulirt wird
(mol bei den Afahanen), jährli 3 Lakh Rupien (30,000 Pfd.
Sterl.) Abgaben von der Stadt ein, und außerdem noch) 50,000
— an Waarenzoll; den Afghanen gab fruͤher die Stadt das
Doppelte dieſes En—— Als A. Burnes nah Kabul?)
vordrang, waren dort die Schifarpur Kaufleute feine Haupt:
flüge, die ihre Comptoire von Calcutta über Kabul und
Mefched ausgebreitet hatten, bis nah Aſtrakhan hin. Sie
leihen den Gouvernements Geld, und erhalten dafuͤr Protection
in ihrem Handel. 8 große Wedhfelhänfer und an 300 Schikar⸗
pur Kaufleute fand Al. Burnes in Kabul angefiedelt. Ihre
Weiber laffen fie in Sind zuruͤck. Burnes Anweifung von
5000 Rupies auf den Schag von Ludiana, oder Delhi, nahmen
fie alle gern an, und gaben dafür Wechfel auf Bokhara,
Afratban und Niſchnei Nowgorod in Rußland. Cie
bewahrten fireng das Geheimniß und Incognito, unter dem der
Reiſende ging; der Brite war feloft bier verwundert über ihre
Handelsverbindungen. Cie zeichnen ſich durch. eine eigene Geftalt
und hehe Naſen aus, gehen aber fehr ſchmutzig gekleidet einher,
ji
— — —
**7) Al. Burnes Trav. Vei: I, p. 166.
Indus SpHftem, Mittler Lauf, Sindes, 153
Bei dem ungeregelten und barbarifch wilden Zuftande diefeg
Indusgebietes an der Nordgrenze der Sindherrfchaft, gegen. Bha—
mwulpur und das Pendſchab hin, fiel dem Neifenden Al. Bur—
nes*), der von Eüden gegen Norden ſtromauf fehiffend hier
durchkam, von der einen Eeite die auferordentlihe Neugier des
gemeinen Volks der Uferanwohner des Indus ganz befonders auf,
von der andern Eeite die übertriebene Höflichkeit unter den höhern
Etänden diefer Barbaren.
Die große Neugier, welche ven britifchen Schiffern in
ihren Cajuͤten faft nie Ruhe lieg, entfchuldigte das gemeine Volt,
weil fie fagten, den Erfönig von Kabul hätten fie zwar ſchon ges
fehen, aber noch niemals ein weißes Geſicht. DBismillah
(im Namen Gottes) war ftets ihr Xusruf der Verwunderung,
und num fitulirten fie die Fremdlinge wie Prinzen und Könige.
Am neugierigften zeigten fich die Weiber; fie trugen große Ohrs
ringe mit Türfifen, die hier in der Nähe von Khorafan, dem
Fundort der Turkife, nur von geringem Werthe find. Schon der
Pater Manrique, der bier vor einem Jahrhundert hindurch
fchiffte, hatte Urfache ſich über die vielen Courtifanen zu beklagen,
die dem Neifenden befchwerlich fallen, fo wolgekleidet fie auch er:
feheinen, fo fchön fie auch find, und fo uͤppig ihe Geſang; es find
die zudringlichften Bettler; fie titulirten fi) Syudanies (aud
Bebis), d. h. weibliche Nechlommen Mohammeds, Faft alle
Landesbewohner find hier Bettler zu nennen.
Die Bornehmen des Sind-Landes hatten dagegen den bri—
tischen Schiffern die größten Höflichfeiten bei ihrer Durchreife ers
zeigt; auf der Landesgrenze gegen Daudputra gaben fie ihnen
noch) ein Abfchiedsfeft, und viele Höflichkeitsbriefe Tiefen ein, fo
daß Al. Burnes nur ganze Tage mit ceremonieller Correfpons
denz zu thun hatte. Alle diefe Briefe ftrogten von Wünfchen
far eine gluͤckliche Fahrt, Gefundheit, Gluͤck u. ſ. w. Sie war
ren aber alle nur von Secretairen geſchrieben, da die Großen
ohne alle Bildung find; feloft ihr Name war unter feinem ders
felden angebracht, fondern nur ein Handfiegelz; daher der Brief—
fieller oft ſchwer zu errathen war. Die übermäßige Höflichfeit
der Sindbegfeiter aing fogar fo weit, die Briten von der Bezah—
lung ihrer Bootsleute abhalten zu wollen, ungeachtet diefe
braven Leute bei ihrer Arbeit auf 70 geogr. Meilen Weges von
**) AL Burnes Narrat. II. p. 82 — 87,
154 Weſt-Aſien. I Abfchnitt. 6. 2.
der Indusmuͤndung an aufwaͤrts bis hierher genug zu thun ge—
habt hatten. Es waren Beludſchen und Jokias, deren jeder fuͤr
den Monat 8 Rupies Lohn erhielt; ein ſehr treues, willfaͤhriges,
dienſtwilliges Volk, das neben ſeiner Arbeit, wo es Noth that,
ſtets für Wildpret durch die Uferjagd forgte.
Bukhur oder Buffur?®) unter 27° 4! M. Br., zwifchen
feinen Ruinenhaufen am Jndus, vielleicht die alte Capitale des
Mufifanus zu Aleranders Zeit (f. Alien IV.1. S. 473), liegt auf
einer Indusinſel von Dattelhainen befchattet. Das Schloß ers
hebt Sich auf einer ſchwarzen Feuerfteinklippe, und zu beiden Ufer—
feiten die nahen Städte Suffur auf dem Weftufer, und
Mori auf dem Oftufer, beide auf gleichartigen, fchwarzen Felss
Elippen von oͤdem Anfehn erbaut. Beide verdanfen. unftreitig ihre
Entftehung erft der Errichtung von Bukkur, das fie befchüst
und dominirt. Daß aber nicht fern von hier auch noch die Rui—
nen von Alore, einer alten Capitale, liegen, ift ſchon früher bes
merkt (f. Wien IV. 1. ©. 473). Die Inſel, auf welcher Buk—
fur, diefe Feſte des Amir von Khyrpur, fich erhebt, ift 800
Schritt lang, 300 breit, oval; die Stadt hat ein mehr europäis
fhes Anſehn, ift mit niedrigen Ihürmen flanfirt, die Mauern
find aus Backſteinen aufgeführt. Einen fchönen Anblic£ bietet
diefe Feftungsgruppe vom Indusufer, das mit den prachtvollften
Bäumen bedeckt ift, welche, zumal die fchlanfen Dattelpalmen,
die Wälle und Mofcheen der Stadt überfihatten. Mehrere ans
dere Inſeln liegen nahe bei jener größern; auf einer derfelben fteht
das Grab des Khaju Khizr ſehr malerifch unter einem Doms
gebäu. Die Stadt, im Innern dicht gedrängt voll Häufer, ift
keineswegs fehr feft und nur durch ihre Pofition wichtig, zus _
mal da die Schiffahrt unter dem Fort durch Untiefen gefahrvoll
ift, und nur durch gefchiefte Schiffer ausgeführt werden kann.
Rori, auf feiner 40 Fuß hohen Klippe, hat 8000 Einwohner;
feine hohen Gebäude hängen fo unmittelbar über dem Indusſtrom,
dag viele ihrer Bewohner aus ihren Fenftern fein Waller fchöpfen
fönnen. Cin Dattelwald zieht von da zwei Eleine Stunden
weit, füdmärts, und bildet fehr viele Gärten. Sukkur ift halb
fo groß, aber die zerfiörten Mofcheen, Minarets und Schutthaus
fen zeigen, daß beide Drtfchaften einft größer waren. Bukkur
24°) Al. Bornes Narrat, Vol, Ill. p. 72—74; ebend. Mem. III.
p- 267, 271 — 274.
Indus-Syſtem, Bukkur, Khyrpur. 155
wird gegenwärtig nur von 15 Kanonen und 100 Mann Garni—
fon vertheidigt. Die meiften Bewohner von Buffur find Hins
dus; doch ift es auch für Mohammedaner ein Wallfahrtsort, weil
ein Haar aus Mohammeds Bart dort als Neliquie in einer gols
denen Kapfel aufbewahrt wird. 5
Unterhalb Bukkur fpaltet fih der Indus in zwei Arme, der
ren jeder 400 Schritt (Yard) breit ift; feine Waffer brechen fich
da toſend an Felfen, fo daß bei hohem Waſſer die Schiffahrt
nicht ohne Gefahr ift. Don hier etwas oberhalb gehen die bei:
den Ganäle gegen ©.W. ab, wovon der nördlichere nach
Schikarpur, der füdlichere nad Larkhanu führt. Diefes ift
die. Capitale des Pergunnahb Chandkoh; fie hat 10,000 Ein:
wohner; es ift der bedeutendfte Grenzort der Amirs von Sinde
gegen N.W. Aus feinem Keinen Fort, mit 20 Kanonen, fehreckt
es die rebellifchen Gebirgstribus, die- vom Bolan:Paß vom
KHochlande in Welt gegen Oft herabfieigen, zurück, und fihert
das niedere Eind. Sein Commandant hat auch den Titel Nas
bob und ift im Range der erfte nach den Amirs von Sind.
Der Bolan:Paß bei Larkhanu ift wol der Weg, durch wels
chen Alerander fein Landheer durch Kelat (Arachosia und Dran-
‘ giana) heimfehren hieß (f. Alien IV. 1. ©. 474).
Eben fo wie die Weftfeite ift auch die Oftfeite des Indus
durch Canäle bewäflert; einer derfelben, Mirwah genannt, an
40 Fuß breit, führt von der Stadt, an 18 geogr. Meilen (90
Miles Engl.) füomwärts, und verliert fih im Sande. An einem
anderen, etwa nur 3 geogr. Meilen unterhalb Bukkur abzmweigend,
und eben fo weit landein vom Oſtufer gehend, iſt die moderne
Stadt und Fefte Khyrpur erbaut, die Nefidenz des Amir von
Khyrpur Mir Ruſtan Khan), der das nördlichfte der
Zerritorien der drei Amire von Sinde in Beſitz nahm.
Khyrpur®®) iſt zwar ſtark bevölkert, von 15,000 Einw.,
aber ein elender Ort, nur ein Haufen von Erdhütten; defto uͤber—
rafchender war der orientalifche Pomp des Mir Ruſtan Khan,
mit welchem diefer Beludfchen s Chef hier feinen britifchen Gaft
bei deſſen Durchreife Audienz gab.
In dem Dorfe Alipur warfen die Schiffe Anker; beim
Ausfteigen ward Al. Burnes mit feinem Gefolge, das aus
150 Leuten beftand, auf einige Iage vom Landes: Chef glänzend
»°) Al. Burnes Narrat. III. p. 66 — 72.
156 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 5. 2.
gaftir. An Equipagen, Zelten, Teppichen, Palankinen, Tänzer
rinnen, Speife und Trank bis zum Beraufchen, fehlte es nicht,
und 400 Mann Truppen ftanden zur Escorte bereit. Der Visier
des Khan empfing den Gaft, und geleitete ihn, im Palankin, bis
Khyrpur, zur Refidenz. Die Audienz wurde unter einem feider
nen Zelte gegeben, der Khan mit feiner zahlreichen Familie faß
auf Goldſtoffen; darunfer zählte man 40 Männer, die von des
Khans Vater in directer Linie Nachkömmlinge waren. Es ward
hier bei Hofe mehr Pracht zur Schau getragen, als ſelbſt in
Hydrabad; aber eben fo viel Unordnung, Unruhe, Gefchrei, wie
dort, war damit verbunden. Der Empfang war ungemein freund .
lic), und die Geſchenke von Uhren, Piftolen, Kaleidofcopen u. dgl.
wurden gern angenommen. Die Federhüte der britifchen Offie .
ciere erregten aber das größte Erftaunen. Dafür erfolgten reiche
liche Gegengefchenke, und Nahrung vollauf für 150 Menfihen,
täglich 8 bis 10 Schaafe u. ſ. w. Die Speifen wurden den Gas
fien auf Silberfervicen dargeboten. Al. Burnes erhielt außer
dem noch zwei Dolche, zwei fehr fihöne Schwerter reich mit Gold
verziert, das Stuͤck etwa zu 80 Pfd. Sterl. an Werth, und eir
nen Beutel mit 1000 Rupies. Echon beim erften 21) Betres
ten des Khyrpurgebietes war man, bis zum letzten Tage des Auss
tritts aus demfelben, mit Ceremonien und Gefchenfen ungemein
freigebig gewefen.. Wenn Elphinftone, zwanzig Yahre früher,
von den Sinde-CChefs noch bemerfte, daß fie die roheften Barbas
ren ohne deren fonft gewöhnlichen Tugenden feyen, fo bemerft
Al. Burnes dagegen, daß die Aufnahme, wenigftens bei dies
fem Khan, von größter Artigkeit zeugte. Aber nur die Chefs
find reich und wohlhabend, das Volk Iebt elend und verworfen.
Es find zelotifche Mohammedaner, und doch ficht Feine einzige
gute Mofchee im ganzen Lande. Ihre Wohnungen find ohne
alle Heinlichkeit und Bequemlichkeit. Die Beludfchen find aller
dings eine Barbaren-Nace, aber fie find tapfere Krieger, von
Kindheit auf mit den Waffen umgehend; Kinder vom fünften,
Jahre ſchießen fchon mit Feuerwaffen. Die Beludſchen ma
chen aber nur einen Eleinen, wiewol vorherrfchenden Antheil der
Einde: Population aus. Sie werden als Leberzügler von den
friedtiebendern Sinde verwuͤnſcht; fie ſelbſt haflen ihre eigenen
Fürften, die ihre Iprannen find. Die Regierung der Amirs von
»#1) Al. Burnes Narrat. III. p. 60,
Indus-Syſtem, Mittler Lauf, Lukhi-Berge. 157
Sinde ift höchft unpopulair. Ueberall fam man den britifchen
‚Durchreifenden mit Freuden entgegen, weil man fie als die Vor—
läufer ihrer Erlöfung und Befreiung von deren hartem Joche anz
fahe. Die Amirs wiffen dies wol; fie fuchen ihre Derfon durch
eine Menge von Sclaven zu fichern, mit denen fie fich umgeben.
Diefe werden Khaskelis genannt, fie find ihre, Vertrauten. Es
find erbliche Sclaven, die fih unter einander verheirathen und
großen Einfluß auf ihre Herren ausüben.
Der Vezier von Khyrpur 52) legte es darauf an, ein Freunds
fchaftsbüundniß mit den Briten abzufchließen, er führte die Vor:
theile an, die dem Bhamul Khan, dem Rawul von Jeſſulmer
und dem Naja von Bikanir durch folche Verbindungen zu Theil
geworden. Auch hatten ihre Aftrologen in ihren Büchern die
Uebermacht der Briten in Indien vorbergefagt; deshalb wollten
auch fie mit ihnen im Bunde ftehn. Gr bat den „Baum der
Freundſchaft mit Waffer zu nähren,” damit der Tractat
zu Stande Fame; die Sterne und der Himmel felbft, fagte er,
begünftigten das Gluͤck der Briten.
Abwärts von Bukkur fließt der Indus im Zickzacklauf bis
gegen die Lukhi-Berge, und bewäflert das Uferland reichlich,
das er in zahllofe Inſeln und Auen zertheilt, die mit dem fehöns
ſten Weidelande bedeckt find. Gleich bei feinem erſten Anfchwel-
len tritt er an beiden Ufern über. Sein Waſſer dringt öfter bis
Dmerfote vor (f. Afien IV.2. ©. 1031, 1034), und diefes fins
det feinen eigenen Ablauf durch, einen befondern Canal, der
durch die Wüfte von Omerkote geht, und durch das legte große
Erdbeben, vom Jahre 1819, fogar feinen regelmäßigen Arm 53)
zum Run (ebend. IV. 2. ©. 1045) und zur Kori, oder Oft:
‚mündung des Indus wieder gewonnen haben foll.
Der Weſtarm des Indus, welcher fich 5 geogr, Meilen
unterhalb Buffur, wie wir fchon oben bemerften, gegen Werft
auf längere Zeit abzweigt, und die Steilfeite der dortigen Be:
ludſchiſtan Berge, Hala genannt, befpült, heißt Mara.
Die füdöftlichen Vorberge diefer Hala, die ihn wieder zum Oft:
arme bei Sehwun zurücddrängen, find die Lukhi-Berge.
Doc wird der größere Theil feiner Waſſer in diefem Laufe, durch
den Diſtrict ChandEoh, durch Kanäle und Bewäflerungen cons
») en Narrat. III. p. 74. °?) Al, Burnes Mem. II.
p- 267.
158 Weſt-Aſien. L Abſchnitt. $. 2.
fumirt. Diefer Sandftrih nach einer Beludfchen: Tribus des
Namens genannt, giebt den Amirs von Hydrabad den reichften
Ertrag durch feinen Anbau. Südwärts Larkhanu bildet der
ara einen kleinen See, Munchur, der fehr fifchreich ift.
Weiter abwärts verwandelt fih der Name des Nara, ehe er. in
den Indus zurüctritt, in den Namen Arrul. Diefer Arrul
ift nur noch 100 Schritt (Yard) breit, und nur zue Zeit der Ue—
berfchwemmung ſchiffbar. Auch Hier ſchickt er noch viele Seiten:
canäle aus. Der Munchur⸗See ift in der trocknen Yahreszeit
von Weisenfeldern umgeben, fein feuchter Boden, der zum gro:
fen Theil auszutroefnen pflegt, giebt die reichlichften Ernten. Das
Dftufer des Indus iſt weniger begünftigt als jene Weſtſeite;
doch ebenfalls gut bebaut. Die meiften Dörfer und Städte lie
gen indeß nicht an den Flußufern, fondern an den Canälen, die
Dörfer alle einige Miles fern vom Yndusufer, auf Eleinen An:
hoͤhen, um den Gefahren der Ueberſchwemmung zu entgehen.
Nur felten fließt hier der Hauptftrom ungetheilt in einem Arme,
Bei einer Breite von dreiviertel Engl. Miles behält er doch überall
15 Fuß Tiefe, auch wo er am feichteften wird. Nirgends ift hier
eine Furth; aber an 200 Boote zählte Al. Burnes, die zu
Ueberfahrten dienen. Sein Gefälle ift hier fehr fanft, er ift faft
träge, und legt oberhalb des Delta feine 24 Miles Engl. mehr
in einer Stunde Zeit zurück. Das Waffer des Indus wird
allem Brunnenwaffer in Sind vorgezogen; aus dem Strom ges
fchöpft ift es zwar trübe, Hart fich aber bald durch Stillftehen
von feinem Schlamme, der fich niederfchlägt. Ueberall fegt man
auf Fährbooten über, das Volf auch auf bloßen Schilfbändeln,
mit denen fie fammt ihren Büffelbeerden ſich beim Ueberfegen
wol mehre Stunden abwärts treiben laſſen, ehe fie anlanden, lie;
ber als daß fie längs dem Ufer hinziehen. Bis Buffur wird auf:
wärts der Pulla-Fiſch gefangen, und bis dahin fleigen noch
fih tummelnde Delphine (Purpoises) vom Meere her auf.
Der Pulla, eine Art Karpfen, nad) Al. Burnes, von der
Größe einer Makrele, von Gefhmad wie der Salm, ift der des
licatefte Fifch des Indus, abwärts bis in das Delta; er wird
aber nur in den 4 Monaten gefunden, die dem Anfchwellen des
Etromes vorhergehen, vom Januar und April. Daß er bis
Bukkur ftromauf fteige, fchreibt das abergläubige Volk der Anz
ziehung des dortigen Sanctus Khaju Khizr und deſſen bewall:
A a 0—
Indus-Syſtem, Sehwun. 159
fahrtetem Grabe 25%) zu. Nach feinem Fange wird noch die ge:
nannte Jahreszeit Pulla genannt.
Das Oftufer des Indus, von Bukkur bie Sehwun,
ift am flärkften in ganz Sinde bevölkert, die zahlreichen Ortfchaf;
ten find jedoch weder reich noch groß, fie haben höchftens bis
500 Käufer, und gehören dem Amir von Khyrpur. Die Indus—
ufer zunächft mit Tamarisfengefträuch 5) uͤberwuchert, find
ohne alle Schönheit; diefes Bufchwerf verdrängt vorherrfchend den
Graswuchs, daher es oft durch Waldbrand vernichtet wird, um
dem Mangel an Grafungen zu feuern. Auch ein anderer Bufch,
Spar genannt, defien Saft fehr officinell in Krankheiten ift,
waͤchſt hier in Menge; er ift botanifch noch unbekannt. Jedes
MWeigenfeld muß mit einem niedern Walle gegen den Ans
drang der Wafler umgeben feyn; eben fo die Reisfelder. Der
Taback, welcher bei Rori gebant wird, foll von der vorzüglichften
- Güte feyn. Von Bäumen konnte Al. Burnes durch ganz
Eind nur fehr wenige bemerken; die Babul (Mimosa arabica)
ſteht hier wol, erreicht aber Feine befondere Größe. Die Nims
bäume (Melia azadarachta) und Sirs, fo häufig in Indien, find
hier ungemein felten. Die Baniane (Fieus indica) fehlt hier
ganzlih. Dattelpalmen zeigen fich in ihren fchönen Pflans
zungen noch bis Bukkur. Das uͤbrige Bufchwerk befteht nur aus
dem Geftripp der Wüftenpflanzen, wie im benachbarten Thurr,
aus’Khair (Capparis), Kejra (Mimosa?), Bair (?), Afra
eine Milchpflanze u. a. m. (vergl. Alien IV. 2. ©. 1023),
Sehwuns?s), unter 26° 27° N.Br., ift die nächfte Stadt
am Indus von Bedeutung, 32 geogr. Meilen (160, Miles Engl.)
abwärts von Bukkur gelegen, eine Wegſtrecke die ſtromauf in 9
Tagefahrten zurückgelegt wird. Die Stadt hat 10,000 Einwoh—
ner, fie liegt am weftlichen untern oder Arrulz Arme des Indus,
auf einer Anhöhe, aber am ande eines Sumpfes, den der
Strom, welcher hier fein Bette erft um das Jahr 1828 verän:
derte, zuruͤckließ. An ihrer Mordfeite wird fie von einem merk:
würdigen Caftell beherrfcht, das Sewiftan heißt. Es ift ſehr
alt und herbergt viele Ruinen und Gräber. Mofcheen zeigen feine
frühere Größe; auch ift hier immer noch ein ftarkbefuchter Walls
2
250) Al, Burnes Narrat. III, p. 40. 55) Al. Burnes Mem. III.
p- 274. °*) Al. Barnes Mem, III. p. 264; deſſ. Narrat. III.
P . 53 — 60.
160 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $. 2.
fahrtsort. Zur Zeit der Groß⸗Moghule hatten dieſe hier einen
Commandanten; gegenwaͤrtig iſt die Feſte ohne Bedeutung; Al.
Burnes hielt ſie bei ſeiner Durchreiſe fuͤr eine von Alexander
M. durch Minen geſprengte Brahmanenſtadt (ſ. Aſien IV, 1.
S. 474). Das ſehr ſeltſam geſtaltete und uͤber dem Indusſtrom
haͤngende Caſtell, haͤlt derſelbe Beobachter wenigſtens fuͤr eins der
aͤlteſten Bauwerke am Indus, gleichzeitig mit den Macedoniern.
Sein Eröhügel von 60 Fuß Höhe ift, von feiner Bafis an, mit
einer Baditeinmauer umzogen. Die Feftung ift wol 1200 Fuß
lang, 750 Fuß im Diameter, im Innern größtentheils nur ein
Ruinenhaufe mit Badfteinen und Terra Cottas bederft. Das
gewöldte Ihor ift gegen die Stadtfeite gekehrt. in Durchrig
zeigt, daß der ganze Erdhügel ein Fünftlicher ift, und in gewiſſer
Ferne hat er ganz das Anfehn der Trümmerhügel von Babylon,
wie 3. Rich diefe fo vortrefflich dargeftellt hat. Den Bewoh—
nern Si die Geſchichte diefes Gaftells völlig unbefannt, fie nennen
es das Werk der Fee Budur al Jamal, der hier alle Wun—
der am Indus zugefchrieben werden. Cine militairifch fo flarfe
Poſition ift auch fpäter keineswegs vernachläffigt worden. Zu
Kaifer Humayuns zeit fonnte er fie wenigftens auf feiner
Flucht von Omerkote (f. Afien IV. 2. ©. 1032) nicht fo ſchnell
erobern; fein Sohn Kaifer Afbar hat fie 7 Mohate lang belas
gert, und darauf ift fie, wahrfcheinlich durch ihn erſt, ganz zerz
ftört worden. Die Schuttmaflen herbergen fehe viele Münzen,
doch waren unter den 30 Stüf, die Al. Burnes dort fand,
feine Griechifchen, fondern nur Mohammedanifche der Delhi Kaiz
fer. Das Grab eines Khorafan Sanctus, Sal Schah Baz,
der hier vor 600 Jahren feinen Tod fand, ift heute noch Gegen:
ftand vieler Pilgerfahrten, die zu vielen Iaufenden, zumal von
Kabul aus, hierher gemacht werden. Sein Grab ſteht in der
Mitte der Stadt unter einem hohen Domgebäu; feine Mirakel
folfen unzählbar ſeyn; er beherrfcht audy den Indus, und deshalb
müffen alle Schiffe an feinem Heiligthume Opfer bringen. Kofte
bare Weihgefchenfe find ihm dargebracht; die Amirs von Sind
gaben filberne Ihärflügel zu feinem Grabe. Auch Hindus,- wie
Moslemen, wandern zu diefem Heiligen und nennen ihn furz
weg Sal; einem Icbendigen Tiger, der neben feinem Grabe im
Kefig gehegt wird, bringen fie auch ihre Gebete dar.
Nur 3 Stunden unterhalb Sehmun, auf derfelben Fluß
feite liegt das Dorf Amri, da wo früher eine fehr große Stadt
7
Indus=ShHhftem, Sehwun. 161
geftanden haben foll, eine Lieblingsrefidenz von Königen, die aber
durch den zerftörenden Indus weggefpült ward. Noch erhebt fich
am Dorfe ein do Fuß hoher Schuttberg, den die Sage aus dem
Dung der Marftälle des Königs entftiehen läßt, daher der mos
derne Name. Auch hier ſtehen Grabmale umher.
Die Hige war zu Sehwun in den erften Maitagen, waͤh⸗
rend A. Burnes Aufenthalt dafeldft, ungemein ſchwuͤl und druͤk—
end, bis zu 35° 56° Reaum. (112° Fahrh.) fteigend, und ſelbſt
Nachts nicht unter 30° R. (100° %.) fich abfühlend; dabei wehs
ten heiße Weſtwinde vom öden Gebirge der Lukki-Berge ber,
welche fih an das dahinterliegende Hochland von ran anfchlies
fen, und bier den Zugang der Suͤdwinde vom Meere ausfchlies
fen. Diefe LufkirBerge?7”) fleigen nicht über 2000 Fuß res
lativ über den Indusſpiegel auf, aber fie ftreichen füdwärts bie
zum Hafen Curachi am Meere hin, und fteigen von der Ofts
feite als wilde und fteile Baftionen empor. Ihre Gipfel find
platt, nur rundlich, nie Eugfich, nackt, voll Felseinriffe zum Indus.
An ihrem Fuße, dicht unter Sehwun, wo das Dorf Lukki mit
dem fie gemeinſchaftlichen Namen tragen, fprudelt eine heiße
Duelle neben einer Ealten, ein Wallffahrtsort; und eben fo
eine dergleichen an ihrem Südende bei Curachi. Zmifchen bei:
den, vermuthet Al. Burnes, würden ſich noch mehrere aufs
finden-laffen. Halbwegs füdwärts im Zuge diefer Berge, gegen
Hydrabad hin, im Welt des Ortes Majindu am Indus, 3
geogr. Meiten fern, erhebt fich ein Berg mit der antifen Run—⸗
nasFefte, die erft feit kurzem von den Amirs reſtaurirt ift, weil
| fie durch die reichen Waflerquellen in ihrem Innern ausgezeichz
net ift, während fie felbft nur von quellenlofen, öden Bergzügen
umgeben wird. |
Der Boden um die Stadt Sehwun ift reich, und verfieht
ihren Bazar mit’ den beſten Producten. Zumal im Norden der
Stadt liegt eine ſchoͤne, grüne, trefflich bebaute Ebene, die fich
bis zur Bafis der Berge hinzieht. Die Kornernten find hier
Iururiös, vom Norden herab bis hierher reicht der Anbau des
Gram (Cicer arietin.). Gurken wachſen bier reichlich, die
Melonen find hier geſchmacklos; Maulbeer- und Acpfels
bäume tragen hier reichliche Früchte. Weisen, Gerfte,
#87) Al. Burnes Mem. Ill. p. 265.
Ritter Erdkunde VIE. L
162 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 2, '
Zuder, Tabak, Indigo, Baumwolle werden hier in der
trocknen Yahreszeit, Neis in der naflen gebaut, wozu man zwi⸗
ſchen Schwun bis Hydrabad an hundert Bewäfferungscanäle zählt.
Das Ufer am Indus ift auch hier zunächt mit —
gebuͤſch bedeckt.
Bei Sehwun iſt dad Bette des Indus8) durch glip⸗
pen ſehr enge eingeſchnuͤrt, und dieſe ſind es auch, welche von
der Weſtſeite der Lukki-Berge den Indusſtrom aus feinem S. W.⸗
Laufe gegen S. O. heruͤber drängen. Doch werden feine Ufer, wer
gen ihrer niedrigen Lage, zumal die Oftufer, weit uͤberſchwemmt.
Die Weftufer find jedoch fefter, obwol felten über 8 Fuß hoch.
Seine Ausbreitung bis 1000 Schritt (Yard) vermindert feine Tiefe
bis auf 18 Fuß; während der Flußfchwelle fteigt aber fein Waſſer
bis 12 Fuß höher. Aber" unmittelbar unterhalb Sehmwun,
am Fuße der LuffisBerge, hat der Strom an deren Einens
gung nur die Hälfte diefer Breite, an 500 Schritt (Yard), bei
einer doppelten Tiefe von 40 Fuß und ungemein reißendem Laufe.
Er drängt ſich mit Gewalt gegen die Steilfeite diefer Felskette,
wodurch bier zwei wichtige Paſſagen gebildet werden, die
beide gangbar find, und nur eine Stunde abwärts der Stadt
beginnen.
Erftlich, der Duerpaß, der im MWeften des Dorfes
Sufki cd. h. Paß, daher Dorf und Berge genannt find) über
die Einfenfung der Kette, Buggotora genannt, in das Innere
des hohen Iran nach Kelat führt, und leicht vertheidigt werden
fann,. aber gegenwärtig noch nicht für en Geſchuͤtz fahrbar ges
macht ift.
Zweitens, der Uferpaß, der sroifchen der Luffi- Kette
und dem Indus, für Karren fahrbar im Thale, obwol zwiſchen
Heinen Felfen, am Oftfuß der Kette, im Flußthale hinführt, ein
farfes, eine Stunde langes, enges Defile, das ebenfalls, gleich ei:
nem Luzienfteig, zu fehr feiter Pofition dient. An diefen Paſſa—
sen von der Stromenge an, bildet das Weftufer, durch feine 50
Fuß hohen, fteil auffteigenden Klippen, die an 400 Schritt (Yard)
längs dem Fluffe fortziehen, und nur durch Klettern zu Fuß zu
erfteigen find, eine natürliche Feſtung, an deren Felswand ber
Indus fo reißend vorüber jagt, daß cs ſchwer feyn würde hier
®#®°) Al, Burnes Mem. III. p. 259.
Indus-Syſtem, Indus Delta. 163
über ihn eine Brücke zu fchlagen. Etwas oberhalb diefer Strecke
würde eine günftigere Stelle hierzu fid) varbieten. Aber die Stadt
Sehwun hat nur etwa 30 bis 40 Flachboote zu ihren Dienften,
Außerhalb jenes Defiles, abwärts, bis Hydrabad, find zu beis
den Uferfeiten des Indus gute Wege, auch längs des ganzen
Fußes der Lukki-Kette hin bis Curachi. Aber auch der Indus
ift die 21 geogr. Meilen (105 Miles Engl.) abwärts, bis Hydr⸗
abad, leicht zu befchifien, wozu etwa 150 Boote hier zwifchen beis
den Orten bereit ſtehen. Stromauf legte Al. Burnes af in
8 Tagen diefen Weg zuruͤck; nur durch Schiffsziehen ift dies zu
bewerfitelligen, weil hier wenig Fahrwind zu ſeyn pflegt. Der
Strom ift grandios, öfter durch Sandbänfe in Arme getheilt, bes
megt er fih auch bier nur 24 Mil. Engl. in einer Stunde Zeit;
und hazfig wird feine Schiffahrt wie bei den Amerikanifchen,
Gangesflüffen, Eibirifchen und andern, gefährlich, durch verſun—
fene Baumftämme, obwol ſich dergleichen nur felten an feinen
Ufern zeigen. Die Ortfchaften, welche in diefer Strecfe am Stroms
ufer liegen, wie Sen, Majindu, Beyan, Hala, find nur
gering mit nicht über 2000, Muttari etwas bedeutender, zu:
naͤchſt an der Stromfpeltung, vor Hydrabad liegend, mit, 4000
Einwohnern. Hier, beginnt das Indus-Delta. Der Indus,
der hie und da einen etwas veißendern Strom gewinnt, und zus
mal mit großer Gewalt gegen das Weftufer hindrängt, wo auch
die Ader des Fahrwailers dicht voruͤber zieht, reißt nicht felten bes
deutende Uferftrecken ein. Die Städte Majindu und Amri
ſind beide auf dem rechten Ufer weggeſchwemmt; Majindu
wol 8 bis 101mal innerhalb der letzten 12 Jahre °9), weil die Ein:
I nn Lam 0
wohner ſich immer nur auf ein paar hundert Schritt zuruͤckzie⸗
ben, und dann wieder von neuem auf der alten Stelle anbauen.
Even fo ift es mit Hala auf der Dftfeite gegangen. Am Ofts
ufer des Stromes fann man in einem Uferabftande von anderts
halb geogr, Meilen noch nicht reifen, weil zu viele Unterbrechuns
gen durd) feine Seitenarme Statt finden.
Die Sinder ©), welche der britifche Reiſende auf diefer
Stromſtrecke und zu feinen beiden Uferfeiten von Sehwun bis
Bukkur kennen zu lernen Gelegenheit hatte, da fie ihn und
®*) Al, Burnes Memoir III. p. 262. *°) Al. Burnes Narrative
Iik pr 64.
2
164 Weſt-⸗Aſten. L Abſchnitt. $. 2%.
fein Gefolge fehr haufig auf den Schiffbarfen beſuchten, fchienen
ihm faft noch Wilde zu feyn. Sie waren ganz unwiſſend. Nur
ihre veligiöfe Führer und ihre Syuds (d. h. Nachfommen des
Propheren, womit viele ſich brüften) zeigten etwas mehr Kennts
niß, aber völlige Jndependenz. Auf die Frage, welchem Amir
feyd ihr unterthan? war ihre Antwort: Wir erfennen feinen
Herm, als nur Allah, der giebt uns Dörfer und alles was wir
wünfchen. Obwol der Prophet, meint Al. Burnes, feine fo
zahlreiche Nachkommenſchaft haben Eonnte, fo fiel es ihm doch
auf, unter den Syuds eine fehr auffallende Familienähnlichkeit
wahrzunehmen. Die Bettler, und fait alles Volt, ift ungemein
arm, fie drängten fich gar dreift und frech herbei, fie beißen in
Grasbüfchel, oder Laub, und fauen Sand, um Mitleid zu errer
gen und Almofen zu erzwingen. Die Angefehenern wollten es
den Neifenden durchaus nicht glauben, daß fie auf diefem Wege
durch Stromfchiffahrt Labore zu erreichen gedächten; denn diefe
Waſſerreiſe habe feit Noahs Zeit Niemand gemacht. Neugier
war allen eigen. Sie riethben dem Briten fi) doch den Bart
wachfen zu laſſen; fie bedauerten Al. Burnes verächtlich, daß er
fih feine Zähne mit Bürften von Schweinsborften zu reinigen
waͤhnte. Die englifchen Pferdefättel, von Schweinsleder gemacht,
hielten fie im hohen Grade für unanftändig. Die Sinder lebten
größtentheils von Milch und Fifchen. Oft hielt es fehr ſchwer
Leute zum Schiffsziehen zu erhalten, ſelbſt die Viziere fonnten
feine herbeifihaften. Sobald die Schiffe ſich nur von Ferne zeigs
ten entflohben ſchon die Arbeitsleute, weil der Despotismus im
Sande alles von ihnen mit Gewalt zu erpreilen pflegt. Sobald
aber die Reiſenden Geld zeigten, und Zahlung verfprachen, gab
es Arbeiter genug. Die 16 Matrofen, welche ihre Barfe Ieites
ten, waren treffliche Schwimmer, dem beraufchenden „Bhang“ ı
(Hanftranf, oder Hanfrauchen) ungemein ergeben, der fo zerz
ftörend wie Opium wirft. Es waren abergläubifche Mohammez ı
daner, die hier ein Krokodil im Indus zu fehen für ein fehr bös
fes Omen halten würden. Diefe Thiere follen hier in der Tiefe
verborgen bleiben. Als die Matrofen die Kuppeln der heiligen
Mofcheen in Sehwun erblickten, fehlugen fie unter dem Felfen
der Luffi-Berge im reißenden — ſogleieh die Trommel, und
fangen ein melodiſches Schifferlied, das durch das Angedens -
ten an Kaiſer Akbar, der auch bei diefem Volke fortlebt, intereffant
Indus-Syſtem, Unterer Kauf. 165
M. Al, Burnes”) hat das Original mitgetheilt; deſſen In—
halt ift etwa folgender: |
Kämpf’ o kaͤmpfe! Ruͤhr' die Glieder!
Heb? die Schulter, tm Gottes willen,
Etämme den Fuß! Mit des Sanctus Beiftand,
Das Boot muß fegeln, 's ift ein nettes Boot,
Der Steurer ift Held, Das Waffer iſt tief;
Der Maft ift Hoch. Gluͤcklich kommt es duch),
Schlag die Trommelt Dom Schah Akbar,
Der Hafen ift da. Durch Gottes Gnade!
1 Pa 9
Erläuterung ©
Unterer Lauf, Snduss Delta
3. Die Indusarme und ihre Mündungen.
Nur wenige Stunden oberhalb der Stadt Hydrabad fpaltee
fi) der Indus in zwei Arme, davon der eine furthbar if, der
andere nur 400 Schritt Mard) breit, fo daß hier am leichteften
ein Uebergang über den Strom für Armeen bewerfftelligt werden
Eönnte. Der Weſtarm ift der große Indusffrom, der über
Jurruck, wo fich ein zweiter öftlicher Seitenarm, der Pinyari
oder Sir abzweigt, zum untern Tatta:Delta zieht. Der
Oſtarm heißt hier Fulaili®2); er zieht an der Oftfeite der
Stadt Hydrabad vorüber; nur zur Zeit der Leberfchwenmung,
iſt er noch ein bedeutender Fluß, der große Landſtrecken abwärts:
reichlich bewäffert und befruchtet, deſſen Waſſer aber gegenwärtig,
ehe er Kutch erreicht, ganz confumirt werden. Die frühere Kar—
tenzeichnung mit den vielen hier angegebenen Flußarmen fand
Al. Burnes ganz falfch; man hatte Eünfiliche Waffergräben,
die nur zur Heberfchwenmunaszeit gefüllt find, ale Arme gezeich-
net, da doch der Indus eigentlich nur in einem Hauptarme,
9 Monat hindurh, von Hydrabad bis Tatta fließt, denn
auch diefer Fulaili ift nur temporair bedeutend, und fonft von
untergeordneter Art.
Diefer Fulaili) Arm heißt weiter abwärts Gummi, und
zu ihm ergoß einft der Arın, welcher bei Bukkur durch die Wüfte
»**) Al. Burnes Narrat. III. p. 53. *?) Al. Burnes Mem. IH,
2. 260 etc, “») ebend. p. 238.
166 Weit Aften. 1, Abſchnitt. 9. 3,
ablenfte, feine Waller füdmwärts, wenigſtens während der Ueber—
fhwenmmungszeit, fo daß beide vereinigt die Wüfte von Omers
kote durchfesten, befruchteten und bei Luckput zum Run traten
(ſ. Afien IV. 2. ©. 1044, 1053), ſich dann aber durch die weite
Kori- Mündung in das Meer eraoffen. Die mehrfachen Veraͤn—
derungen, welche diefer Lauf durch Erdbeben und abfichtliche Ab⸗
dammangen, durch die Sindes, im %. 1762, um ihre Wivalen
von Kutch zu verderben, und alles Induswaſſer auf ihre Seite
gegen Weft abzuleiten, erlitten, wodurch er-als öftlichfter Stroms
arın fait als vernichtet anzufeben ift, haben wir in obigem anges
führt 25%. Aber unterhalb Luckput eröffnet fi) der Ausgang
diefer Mündung von neuem zum Meere, als eine fo große und
weite falzige Seebucht, daß man dieſe, Kori genannt, als die
grandiofefte aller Indusmändungen anzufehen geneigt ſeyn möchte,
wenn der füge Wafferftrom aus dem Binnenlande, deflen
Lauf nicht mehr regelmäßig das Meerwaſſer erreichen fann, ihr
nur entfpräche. Diefer mag auch einst in früheren Zeiten bedeus
tend genug gewefen ſeyn. Gegenwärtig ift diefe Kori-Muͤn—
dung noch ein fo breiter Meeresarın, daß man feine beiderfeitis
gen Ufer nicht zugleich überfchauen fann, wenn man auf ihm
einfeegelt. Auch ift er fehr tief, bis Cotafir 3 Stunden land
ein, 20 Fuß tief, und gleich tief noch weiter bie Bufta, das
nur noch 3 Stunden vom Seehafen Luckput liegt, der zu Kutch
gehört, ven deſſen Verhältnifen fchon am genannten Orte die
Rede war. Doch liegen fo große Sandbinfe, Adhiari genannt,
vor Cotafir, daß bei Ebbezeit ihr nur knietiefes Waſſer die Eins
fahrt für größere Echiffe ſehr erfchwert. Diefer Kori ift übri
gens die Grenzlinie, welche Kutch von Sinde fiheidet, wenn
ſchon das Waſſer abgeleitet if. Al. Burnes, der im Januar
1831, in diefer Kori-Mündung ®) einlief, bemerft, daß hier
die Ufer beider Fandfchaften ungemein Fontraftiren. Sind eine
vollfommene Niederung, faft dem Niveau des Meeres gleich),
Kutch dagegen in wilden Dulcanfegeln emporftarrend, die aus
weiter Ferne hervorragen, indeß die Sind-Depreffion faum in ih—
rer Monotonie vom Echiffer zu erfpähen ift, nur Kruͤppelgebuͤſch
fie det, in welches die Domaine des Miceres weit eindringt. Am
»“*) Vergl. Al. Burnes Mem. of the Eastern Branch of the Indus
and the Kun of Cutch in Y'rav. Vel. ill, p. 309 — 319.
*°) Al. Burnes Narative Il. p. 6.
Indus-Syſtem, Unterer Lauf. 167
Eingang bes KorisGolfes liegen heilige Pilgerorte für den
Hindu, wie Cotafir und Naramfir, und diefen gegenuber
ao Kanoje, darunter das Grab eines mohammedanifchen
Sanctus, den alle Vorüberfchiffende Opfer bringen: Korn, Del,
Weihrauch und Geld, um nicht Schifföruch zu leiden. Die Kutch—
Schiffer, welche hier zu Haufe find, gehören zu den fühnften Sees
fahrern.
Mit dem Pinyarl oder Sir: Aem ®), dem zweitöftlichften
des Indus, der nur einige Meilen untsehalb Hyarabad fich
von dem großen Weſtarme des Indus, bei Jurruck, halbwegs
nad) Tatta, wie der Fulaili, gegen den Suͤdoſten abzweigt, und
mehr parallel mit diefem uͤber Moghrebi und Gunda, zur
Meeresmändung, welche Sir heißt, hinabzieht, het es eine ähnz
liche Bewandtniß, wie mit dem Fulaiit. Auch. er ift in feinem
Laufe abfichtlich- zerftört, und unterhalb Moghrebi, etwa 10 gesgr,
Meilen (59 Miles Engl.) vom Meere, landein, ift ein Damm
quer durchgeführt, um fein ſuͤßes Waſſer auf die Sind⸗-Seite abs
zuleiten, und dem Kutchanwohnsen im Often zu entziehen. Doch
iſt dies nicht ganz vollftändig geichehen, und er bahnt fich durd)
tleine Creels noch eine Pajlage hindurch bis auf acht Stunden
vom Meerssgeftade. Nur oberhalb Moghrebi wird er Pinyari
genannt, unterhalb diefes Ortes Gungra, an der Mündung
aber Sir oder Sier. Diefe ift nur für Boste von 35 Tonnen
Sadung bis zum Orte Gunda fahrbar, wo die Waaren auf Fleir
nere Flachboote umgeladen werden müllen, um bis Moghrebi und
weiter zu gehen, obwol bei trockner Jahreszeit dex Transport fehr
erfchwert ft. Denn bei der Stadt Moghrebi ift der Flußarm nur
noch 40 Fuß breit. Die Sir-Muͤndung ift 2 Engl. Miles breit,
wird aber landein, gegen Gunda, ſehr enge und nicht Uber 24
bis 36 Fuß tief. Unterhalb Gunda. läßt eine Sandbanf nur 6
"Fuß Fahrwaffertiefe. Dennoch wird auf diefem Arme ein nicht
unbedeutender Handel mit. dem benachbarten Kutch und Kattys
war getrieben, weil Reis, der Stapel von Einde, hier in großen
Ueberfluß ausgeführt wird. Beide Flüfe, Kori und Sir, ſtehn
auf feine Weife 67) mit ihren Waflern im Innern des Deltabos
dens in irgend einer Verbindung.
Beide ihrer Mafferfülle ganz oder doch theilweiſe beraubte,
oͤſtliche Indusarme, der Kori wie der Sir, deren einer
7
°*) Al. Burnes Mem. III. p. 237. *7) ebend. p. 239.
1685 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. % 3.
mit feinen urfprünglihen Waſſern das Meer erreicht, find daher
faft nur als vertrocdnete Oftarme des Ynduss Deltas (etwa
wie der Pelufifche des Nik Deltas) anzufehen, und diefes ſchwin—
det daher felbft, einem großen Iheile feiner Ausdehnung nad,
aus dem großen Delta (von Hydrabad aus, zwifchen In—
dus und Kori) in ein EFleines Delta (von Tatta abwärts)
zufammen, welches faum ein Viertheil von jenem ausmacht,
Das kleinere Delta iff ganz auf die größern, aber einander
benachbarteren, zwei wefllihben Hauptarme des Indus bez
fchräntt, welche Buggaur und Sata heißen, jener gegen Werft,
diefer gegen Suͤd ziehend. Wie Hydrabad 24 geogr. Meilen
fern vom Meere an der innen Spige des großen, fo liegt
Tatta nur 15 geogr, Meilen (60 Engl. Mil.) fern vom Meere
an der innern Spike des Fleinen Indus-Deltas, deilen
Küftenftreefe von N.W. gegen S. O. zieht, die nur eine Breite
von 14 geogr. Meilen länge dem Deltageftade einnimmt (zwiſchen
Buggaur und Satamündung). Dagegen ift die Geftades
linie des großen Deltas weit größer, an 25 geogr, Meilen,
zwifchen der Buggau, Mündung, unter 24° 40° P,Br,
und der Kori-Mündung, unter 23° 30° N. Br. Auf diefer
Kuͤſtenſtrecke zählt man gegenwärtig, mit den beiden vertrockneten
Dftarmen, 11 Mündangen des Indus, in größern oder Eleinern
Armen, die freilich an Zahl der hundert Mündungen (Sunders
bund) des Ganges nicht gleich Eoimmen, wenn fie auch in Walfers
ausgießung keineswegs gegen diefelben zuruͤckſtehen.
Die große Bifurcation ”) dis großen Indusſtromes
an der Spige des Eleinen Deltas, liegt nur 2 Stunden uns
terhalb Tatta, und zwifchen diefer breitet fi) das Deltaland
im engern Sinne aus. Der rechte Arın, der Bugganur,
weicht fait im rechten Winkel von der Normaltirection ab, und
sieht gegen Weft; der Sata, der linke, ſetzt in gleicher Di,
zection gesen Süden fort und ift der größere. Beide zerfpals.
ten fic) wieder in 9 untergeordnete (Ptolemäus gab 7 Indus⸗
mündungen an), deren Hpdrographie zuerft Al. Burnes dur
eigene Erforfchung derfelben, auf das genauefte, entwirrt hat.
Auf allen fruͤhern Kartenzeichnyngen waren fie irrig eingetragen,
und in den Namen haben unzählige Verwechslungen 9) Statt
®®®) Al. Burnes Mem. III. p- 228 — 237. 9) E. Bournouf Res
bon J. Burnes Narrative of a Visit to the Court of Sinde, Edinb.
4551. 8, in Joun, d. Savans Nor. 1833. 647, 661 u. a.D.
Indus-Syſtem, Unterer Lauf, 169
- gefunden, die aus der Vermifchung der Sprachen und Zeiten wie
aus der Unkenntniß des Locales hervorgehen mußten.
Der Weftarm, Buggaur (d. h. Zerfiörer, wegen feis
ner Heftigkeit), fließt als ein einziger Arm, bei Mirpur, Pirs
Putta, Bohaur und Daraji vorbei, bis er fich ein paar
Stunden vom Meere erfi in 2 Arme, Pitti und Pieteani,
beide fohiffbar, fpaltet, die an 5 geogr. Meilen auseinander
fiehend in den Ocean fallen. Diefe galten bisher als die zwei
großen Sndusmündungen und wurden audy bis in die neuefte
Zeit von den einheimifchen Schiffen befahren. Auch find fie
heute noch zugängig; doch ift feit 1829 eine große Neränderung
mit ihnen vorgegangen, denn feitdem haben fi) die Waller ſehr
zurücfgezogen. Dbwol der Buggaur noch bis Daraji 12 Fuß
Tiefe behält, fo wird er doch oberhalb diefer Stadt ganz feicht;z
in der trocknen Jahreszeit nur noch Enietief, und fein Bett, das
fonft eine halbe Mile Engl. breit war, hat nur noch 100 Schritt
Hard) Breite. Diefer Wechfel hat den Handel von Daraji, .
feitvem, nad) dem Sata:Ufer verlegt. Das Buggaur:Ufer ift
ober fo reich geblieben als es vorher war, obwol die Schiffahrt
abnahm, und nur für Plattboote im Gang blieb. Doch ift zu
erwarten, daß er feine frühere Bedeutung wieder gewinnen wird,
und während der Waſſerſchwelle ift er immer ein bedeutender
Strom. Leber feine Verzweigungen hat man Al. Burnes de
taillirte Befchreibungen nachzuſehen. Der Sata, oder größere
Sindarm, hat unter der Bifurcation noch 1000 Schritt (Yard)
Breite, und wälzt bei weiten die größere Waffermaffe zum Meere,
Snnerhalb eines Yaufes von 14 Stunden Weges zerfpaltet er
ſich wieder in 7 untergeordnete Mündungen. Seine Strömung
ift gegenwärtig fo heftig, daß er Sandbänfe und Barren aufs
wirft, und nur eine einzige dieſer Muͤndungen eigentlich fchiffbar
genannt werden kann für große Schiffe von 50 Tonnen. Das
ausgeworfene Waſſer füßt das Meer auf ein paar Stunden weit,
Gora ift die größte Mündung, aber durch tobende Strömung
und Sandbaͤnke zu gefahrvoll, daher nur geringern Booten zus.
ganglih. Die geringere Hujamri-Mündung, mit dem Hafens
‚orte Vikkur, 5 geogr. Meilen vom Meere landein, läßt ge:
genwärtig allein Schiffe von 50 Tonnen zu; auf der Barre
bei der Ginfahrt zu diefem Hafenort hatte Alex. Burnes
Schiff noch 15 Fuß Fahrwaſſer. Die dritte füdlichfte der
ſchiffbaren Mündungen des Sata: Armes heißt Mull, welche
170 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. $. 3.
nur für Boote von 25 Tonnen fahrbar ift, und zu dem Hafen
Schah Bunder führt, welcher mit Vikkur abmwechfelnd die
Vortheile des Indus-Handels und der Schiffahrt theilt. Beide
fcheinen auch nicht zu allen Jahreszeiten zugänglich zu ſeyn; fie
alterniren. Wenn man fich zu einer Zeit dem Schah Bunder
faum nähern darf, fo ift dagegen in der andern der Vikkur—
Hafen gänzlich von Schiffen verlaffen. Lipta heißt der Lan⸗
dungsort am Mull.
Die andern Muͤndungen find ganz unzugaͤnglich. Die Wed;
fel 27% des Indus-Deltas und feiner Werzweigungen find
zum Sprihwort geworden; daher fo viele Befchwerde und Ges
fahr bei deffen Befchiffung, wie zu Alerander M. Zeit. Die
Waſſer werden mit folcher Gewalt von einem Ufer zum andern
geworfen, daß der Boden an unzähligen Uferſtrecken über dem
Fluß zufammenftärzt, mit oft furchtbarem Getöfe. Hie und da,
wo die Ihonfchichten weniger nachgeben, und fefter Boden widers
ſteht, wuͤhlen fich die Gegenfluthen tiefe Löcher und Wirbel aus,
in denen die Schiffe fich dann umherdrehen. Dabei ift die Strös
mung oft furchtbar, zumal bei ftarfen Stürmen, ein Wogenfählag
wie im Ocean. Der erfahrne Schiffer muß allen diefen unguͤn—
ſtigen Localverhältniffen auszumweichen fuchen. Die Arme mit den
wenigften Suͤßwaſſermaſſen baben von der Seefeite die beften
Einfahrten für große Seefchiffe, weil fie freier von den Sands
banken find, welche das Flußwaſſer herabwälzt. Der Buggaur
bet daher, obwol er fonft feicht ift, doc) unterhalb Daraji bis
zum Meexe tiefe Einfahrt, durch welche der Seehafen an feiner
Morvfeite, zu Curachi, am meiften zum Großhandel begünfttgt
war. Zwifchen Hydrabad und Tatta iſt der ganze Ynduslauf
mit vielen Sandbänfen, die beftändig. treiben und wechfeln, bes
fest, die fich daher auch in viele Auen, aber doch nicht bis zu
Etromfpaltungen ausbreiten; es ift fehr ſchwierig für die Scifs
fer bier zwifchen den Uferböfchungen die richtige Sahefrape zu.
finden.
2. Namen des Indus.
Schon früher iſt vom Sindhus (ſ. Aſien IV. 1. S. 451)
wie oben von verſchiedenen Namen des Indus und ſeiner Zu—
fluͤſſe im mittlern Laufe die Rede geweſen (ſ. ob. S. 29, 31 u.f.);
2’°) Ah Burnes Mem. III. p. 231.
Indus-Syſtem, Unterer Kauf, Namen. 171
auch im untern Laufe kehren die verfchiedenften Benennun—
gen und ihre häufigen Nerwechfelungen zumal im Deltaboden
wieder, indeg der Name Indus dort gänzlich unbefannt
wird.
Oberhalb Sehwun wird der Indus oder Sind im Allges
meinen Sira (d. h. Nord) und unterhalb deffelben Ortes Far
.@. bh. Sud) genannt, nad) zwei Beludfhe Worten 7), wels
che die Focalität der Weltgegenden von jenem Mittelpuncte aus
bezeichnen, und daraus erklärt fich auch die Uebereinſtimmung des
Namens der Sira » Tribus dortiger Anwohner mit dem Strome.
Dagegen ift der Name Mehran (Mihran oder Meyraun,
f. ob. &. 29), oberhalb, gar nicht einheimifch, fondern nur,
nach dem Bundehefch 2), für einen Fluß in Sinde im Ges
brauch, und bei Ebn Haukal und Abul Fazl und andern
mohammedanifiben Autoren für den Yndus oder Sind in Gang
gefommen. Auf Dr. 5. Burnes Ruͤckkehr von Hydrabad, hörte
diefer auch den großen, breiteften Hauptarm bei Tatta fo nennen,
den fein Bruder Sata, er felbft Sitah fehreibt. Die Bedeus
tung diefes Namens giebt uns Al. Burnes nicht, obgleich er
den des Buggaur dur „Zerfiörer“ erklärte, vielleicht daß
jener mythologiſch erklärt werden muß. Den Außerfien vertrock—
neten Oftarm, der an der Mündung Kori heißt, hörte Dr. J.
Burnes im Innern Pharraun (vergl. Alten IV.2, S. 950)
nennen, und Pottinger aub Guni’”), was fo viel als der
Befruchtende heißen foll. Derfelbe ift es, der auch Luni (d. h.
Salzfluß, f. Afien IV. 2. ©. 946, 949) in feinem,untern,
falzigen Ausfluß, gegen das Nun, im Gegenfag feiner füßen
Waller, mehr landeinwärte, bezeichnet wird. Wirklich findet fich
der Name Luni auch auf frühern Karten dieſem Kori⸗Arm beis
gelegt. Hieraus erhält Prolemäus Benennung des oͤſtlich⸗
ften feiner fieben Zndusarıne AwvsPuoe, Septimum Ostium Indi
fuvii, Ptol. VII. c. 1. fol. 168 ed. Bert.) ihre vollſtaͤndige Erflds
zung, wie das benachbarte, fruͤherhin unveritändliche Rim (Eigı-
vo» b. Arrian Peripl. Mar. Erythr. 1. p.23 ed. Hudson), Run,
oder Araniya auch ſchon ſeine vollſtaͤndigſte Rechtfertigung im
Obigen (Afien IV..2. ©. 946) gefunden hat. Lonibare, der
”*2) Al. Burnes Narrat. III. p. 62. Mem. HI, p. 268. 7?) Zenda-
vesta b. Anquetil du Perron V. Il p. 3923 Oriental Geogr. ed.
W Ouseley p. 155. Ay. Akb. T. 1. p 121. 73) W. Ilamiktons
Deser. of Hind. I. p. 579.
172 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $ 3.
Salzfluß, hat feinen Namen von Lona, Salz, was In eink
gen Wulgairdialesten vom Sansfritwort Lavana ?”%) abgefeitet
ift, mit der Localbezeichnung bare, die auch in andern Namen
vorkommt. Aber auch der Name Kori fiheint von nichts ans
derm feine Ableitung zu haben, und blos dialectifch verfchieden
von Khari (d.h. falzig) zır fenn, welches, nach) Tods Annas
Ien von Radjafthan Ih. I. S. 304, ebenfalld der Name eines
Arıns des Salzfluſſes uni und mit ihm identifch ift.
Derfelbe Lauf des Kori iſt aber auf frühern Karten auch
Santra, oder Mitra, oder Nalla Sanfra genannt. Dies
fer Name Sanfra kommt als Grenzfluß bei Beftimmung ber
Sändertheilung (1739) zwifhen Nadir Schah und Mohams
med H. Kaifer von Delhi vor; J. Burnes fand diefen Nas,
men bet feiner Durchreiſe im Sande nicht bekannt, Sankra
beißt aber fo viel ald enge, klein; womit, wie E. Bournouf
bemerkt, ſehr paflend der Nebenarm eines großen Fluffes bez
zeichnet werden fonnte, der wegen feiner Größe felbft Deryah
0.5. Meer), im Gegenfag des Deryah-Shor (d.h. Salz:
Meer) genannt wurde, oder Deryah-Shiun, oder Meta
Mita) Deryah (d. bh. Süßwaffers Meer), oder, wie J.
Tod ihn nennen hörte, MitaMuran (od. Mihran, Mah—
ran) was ebenfalls Sußwaffer-Strom oder Sußes Meer
wegen feiner Größe bedeutet (f. Aſien IV. 2. ©. 951). Wirklich,
fagt Al. Burnes”), gehört ihn diefer Name mit Recht, denn
mit Erftaunen fahe er durch Stürme auf dem Tatta-Arme wahre
Seewogen erregen. Andere Namen übergehen wir, da diefe fchon
Binreichen auf das Eigenthümliche derfelben und ihren localen
oft nur temporairen Werth für eine gewiſſe Zeit oder eine
gewiſſe Sprache, oder auf ihre Anwendung nur im figurlichen
Sinn, hinzuweifen. Durch den Mangel jeder gefunden Critik hat
fih die oberflächliche Geographie der fpätern Zeit nebft der Lands
kartenfabrik mit einer babylonischen- Verwirrung von Namen um:
geben, und wieder andere ganz willfürlich verworfen oder vernachz
läffigt, fo daß man ſich gluͤcklich ſchaͤtzen muß‘, wenn es möglich
ift, wenn auch nur hie und da Cinzelnes, wie hier auf feine
hiſtoriſche Wahrheit und Grundlage zurüdzuführen.
»'*) E. Bournouf }. e. Journ. d. Savans 1833° p, 68I.
"®) Al, Burnes Narrat, Il, pı 35
Indus⸗Syſtem, Unterer Lauf, Deltaboden. 173
3 Bodenbefhaffenheit des Indus-Deltas, Elima,
Producte, Schiffahrt.
Wie das Nils Delta nach Herodot, fo ift auch das ne
du8-Delta?) ein Gefhent des Stromes. Die Profile
der Flußufer zeigen nur Schichten von Erde, Thon, Sand, in
parallelen wechfelnden‘ Lagern, in verfchiedenen Perioden von der
Sandfeite her abgelagert, fo daß ein Iheil des Meeres vom Lande
erobert ward, worauf auch das feichte, vorliegende Küftenmeer, die
thonigen Vorlagen an den Miündungen und die Färbung der
Küftenwaffer hindeuten. Die periodifchen Anfchwellungen des. Ins
dus geftalten das Land, von der Deltafpige bei Tatta an, in ihs
ren zahllofen Verzweigungen beftändig um, da ihre Ueberſchwem—
mungen allgemein find. Die wenigen Stellen, welche ihr Waſ—
fer nicht erreichen follte, haben Fünftliche Gräben 4 Fuß breit‘
3 Fuß tief erhalten, welche die Felder bewäffern. Das Anfchmwelz
len beginnt Ende April, es ift im wachfen bis Fuli, verſchwin—
det gänzlich im September; ein Nordmwind pflegt die Abs
nahme zu befchleunigen. Diefe Anfchwellung beginnt fchon mit
der Schneefhmelze des Himalaya (vergl. im Ganges, Afien FV. 2,
©. 1234), vor der Regenzeit, die aber faft gar nicht bis hiers
her vordringt. Zn Tatta?”), wo Ende des XV. Jahrhunderts
Capt. Al. Hamilton lange Zeit wohnte, fallen das ganze
Jahr hindurdy nur fehr wenige Negenfchauer, ja vor feiner Ans
funft war drei Jahre hindurch fein Tropfen gefallen; Peſt folgte
der Trockniß. Zur trocknen Sahreszeit, bei tiefem Wafferftande,
wird das Land durch perfifche Schöpfräder bemwäffert, die der
Büffel oder das Kameel in Bewegung fest. Ein gutes Achts
theil des Deltas Areals, ſchaͤtzt A. Burnes, möge immerhin
von den Flußbetten und ihren Verzweigungen eingenommen feyn.
Ein anderer großer Iheil des Deltabodens, 4 Stunden landein
vom Meere, ift fo dicht mit. Bufchwerk überwuchert, daß es uns
möglich ift diefe Streden anzubauen; dicht an der Meerestüfte
dagegen breiten fic) große Grafungen für die Büffelheerden
aus. Dort ift aber das Herbeifchaffen von füßem Waffer zum
Trunk für Menfchen und Vich wieder ungemein mühfam; dies
fer Mangel fegt der Population des Indus-Deltas die größten
”*) Al. Burnes Mem. III. p. 249 — 255. ’7) Al. Hamilton Ac-
count of the East Indias. Edinb. 1727. 8. Vol, I, p.1225 Ren-
nell Mem, p. 182,
174 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. % 3.
Schwierigkeiten entgegen, weshalb auch fchon Alerander dort
vor dem Durchzuge feines Heeres Brunnen graben ließ (ſ. Aſien
IV. 1. S. 478). Regen fällt, was ſchon Strabo weiß (XV. e. 17),
hier fo fparfam wie im Nil-Delta, und die Ernten hängen daher
ausfchließlich nur von der Ueberſchwemmung ab, und find ficher
wie diefe. Dennoch fehle der Regen nicht durchaus, wenn er auch
fihon nach Hamiltons Bemerfung zuweilen mehrere Jahre ganz
ausbleibt. Al. Burnes felbft erlebte am 10. April zu Mirpur
am BuggaurzArme ein fehe heftiges Regenfchauer?”®),
feloft Hagel bei 24° N. (86° Fahrh.). Thau befeuchtet den
Boden, ijt aber der Gefundheit fehr nachtheilig. Das Elimg
ift ſchwuͤl, druͤckend; im März flieg das Thermometer bis zu
25° 78° I. (90° Fabrb.); der reiche Altuvialboden loͤſt fi in
unerträglichen Staub auf. Die Ueberſchwemmungen bringen, obs
wol der Boden einen Theil des Jahres fehr feucht bleibt, und
deshalb nur den andern Theil deſſelben bewohnt werden fann,
feine Krankheiten; Sumpfr Fieber find hier unbekannt, dage—
gen ift die Plage der Inſecten, die fich) aus dem Schlammboden
erzeugen, und der Musfitos, ſehr beſchwerlich. Für die menſch—
liche Conftitution ift die Luft zehrend; alle Einwohner, bemerkte
Al. Burnes, ſchienen ihm vor der Zeit zu altern.
Das Hauptproduct des Landes it Reis, von verfchiedenen
Arten, aber auch Bajeri (Panic. spicat.) und viele andere In—
difche Kornarten werden hier gebaut. Die Aecker mit Weisen,
Gerfte und Mung (Phaseol.) werden durd Flußcanäle fihon
einige Monate vor der Heberfchweinmungszeit bewällert und ges
erntet. Der Boden ift ſehr reih an Salpeter, der aber nicht
ausgeführt reird. Aus Goor- Planzungen (eine Art Zu ders
rohr), die weit verbreitet find, wird ein roher Zucker bereitet.
Die Grafungen längs den Ufern find zwar reichlich, aber nicht
befonders gut; das wuchernde Buſchwerk, meift Tamarisfen,
bie 20 Fuß hoch, würde, meint Al. Burnes, hinreichend Holz
Fohlen geben, wenn man den Indus mit Dampfbooten befahren
wollte; aber an Echiffsbauholz fehlt es fo ganz, daß man dies
aus Malabar erft einführen muß. Abwärts Tatta ift hoͤchſtens
nur z des fo ungemein fruchtbaren Delta; Areals wirklich zur
Agricultue benugt; der größere Theil verlaffen, Bufchwildniß.
Nur in der Nähe der Städte, wie bei Hydrabad und Tatta
230) Al, Burnes Narrat. III, p. 34.
— — —
Indus-Syſtem, Delta, Fauna. 175
merden Trauben, eigen, Pormgranaten, Aepfel gezogen; Yndigo,
Taback nur hie und da.
Eine eigenthuͤmliche Fauna fehlt diefem Landſtrich, wenn
man nicht die vielen Schlangen, Otternarten dahin rechnen will.
Schafe und Rinder giebt es in Menge. Buͤffelzucht ift ein Haupt:
gefchäft dortiger nomadifcher Hirten ftämme, welche hauptfächz
lich diefes Land, aber nur fehr dünn besölfern. Die Büffelkühe
geben viel Milch und Ghi (Butter). Der Hund ift der treue
Begleiter der Heerden, von fehr wilder Art, der fie auch beim
Durchſchwimmen der Flüffe geleitet, und jeden Fremdling mus
thig zuruͤckweiſet. Eid) von Hunden die Hande nach dem Mit:
tagseffen lecken ”®) zu laffen, was die englifchen Keifenden öfter
thaten, feste die Einwohner in das größte Erſtaunen, und fie
fragten, ob fie etwa auch Katzen und Maͤuſe äßen, da fie Ferkel
verzehrten. Dferde und Kamcele find beide zahlreich und
von vorzüglicher Raçe; doch die Pferde Fein. Den größern Theil
des Landes nehmen die Sagdreviere (Schifargahs) ein,
deren Gehege bis dicht zum Indus gehen, und jeden Ackerbau -
hemmen; ihr Inneres voll Diefihte und Unterholz, das nie ges
Föpft wird, beherbergt das Wild. Aus diefem Uferwald fönnte
eine feindliche Flotte ohne Schaden der Angreifenden ungemein
beläftigt werden.
Die Flußfifhereien zumal um die Strommündungen
- find bedeutend, fie find einträglich und befchäftigen fehr viele Fis
ſcherboote; Fifhe machen die Hauptnahrung der Sindes aus,
Einige find fehr groß, wie der Kujjuri, der wegen feiner Fins
nen gefangen wird, die mit den Finnen kleiner Haififche, die in
großer Menge die Sndusmündungen umfchiwärmen, einen Hans
delsartifel nach China ausmachen. Der. Singali, mit großem
Kopf und ftarffnochig, der unter dem Schiffe ein fehr lautes Ges
töfe (wie im Saigun? f. Afien II. S. 1043) von fich giebt, fin:
det fich hier in Menge. Die allgemeinfte und beliebtefte Nah—
rung giebt der Pulla, die delicatefte Karpfenart, der aber nur
in den 4Monaten, welche der Sndusfchwelle vorangehen, zu fans
gen ift. | }
‚Der Handel wird innerhalb des Deltas auf jener zweis,
ten Art von Schiffen, Dundis genannt, betrieben, die freilich
von anderm Baue als die Zohruks (ſ. ob. ©. 148) find, aber
) Al. Burnes Narrat, III, p. 35.
176 MWeft-Ajien. J. Abfchnitt. 5. 3.
im Gegenfaß der Seeſchiffe noch immer Flachboote genannt wer⸗
den müffen. Ihrer Größe und Plumpheit ungeachtet, tragen fie
doch nur 50 Tonnen Laft (100 Kurwars) ; fie gehen, wenn belas
den, 4 Fuß tief im Waſſer, haben 2 Mafte; das Vorderfegel ift
ein lateinifches, das hintere vierſeitig. Mit gutem Winde fönnen
fie in einer Stunde 3 Engl, Miles gegen den Strom zuruͤckle⸗
gen. Vom Meere fam Al. Burnes, mit ihnen, am fünften
Tage nad) Hydrabad. Die größten find 80 Fuß lang, bis 18%.
breit, fehr geräumig, fehwimmenden Häufern gleich, zunächft dem
Bau der Chineſiſchen Junken zu vergleichen (ſ. Afien IH. S. 794
u. f.). Auch werden fie eben fo von den Matrofen, ſammt ihr
ren Familien und dem ganzen Hausrath, mit Viehhof, Geflügel
u. f. mw. bewohnt, Ohne Wind werden fie firomauf an Strike
fen gezogen, die am Maftbaume befeftigt find. In einer Stunde
legen fie dann freilich nur an 13 Engl. Mile zurüd, mit güns
ſtigem Wind in den Segeln gehen fie doppelt fo fchnell. Auch
für Dampfboote, meint Al. Burnes, würde der Indus
fahrbar ſeyn, aber nie für Kielboote, die bei Verſuchen ftets ges
firandet find, da fchon die. Flachboote häufig aufſtoßen, was- ihr
nen übrigens nicht nachtheilig if. Die Seeſchiffe in den Här
fen der Indusmuͤndungen, die dritte Art, welche Dingis hei—
fen, und zum Gebiete der Amirs von Sinde gehören, find ans
ders gebaut, vorn fehr ſcharf zugehend und im Hintertheil hochz
gehoben; fie fchiffen niemals firomauf, fregeln gut, führen aber
feine Kanonen, gehören vorzüglich nur dem Hafenorte Curachi
an, der mit ihnen feinen Verkehr treibt, nach Bombay, der Mar
Tabarküfte und bis Mascate. In Summa zählt Al. Burnes
feine 100 diefer Dingis in allen Indusmuͤndungen, und feine
50, die zwifchen Hydrabad und Tatta im Gange wären; es ift
als wenn hinfichtlich des Verkehrs hier bis jegt gar keine Stroms
linie vorhanden wäre. Stromaufwaͤrts wird durchaus gar feine;
Waare verſchifft.
Curachi, unter 24° 56’ N.Br. und 67° 1 O.L. v. Gr.
nad Capt. Marfield Beobachtung 280), ift der Haupthafenort von
Einde, doch liegt er ſchon außerhalb der Indusmuͤndungen ihnen
an der nördlihen Seite (f. Afien VI. 1. ©. 479), nur 5 Stuns
den vom Pitti entfernt. Er hat zugleich gute Landftraßen direct
ba * Barnes Notice regarding the Map of the Indus Vol, III.
p- 193. |
en
Indus-Shſtem, Delta= Küfte, 177
nach Tafta (12 geogr. Meilen), was günftig für den Waaren:
transport if, weil dadurch das lmfaden, von den Dingis auf
die Dundis, vermieden wird. So wird die größte Maffe der Ers
—* porten dieſes Hafenortes, das Malwa Opium Aſien IV. 2.
©. 789), welches über Tatta kommt, niemals auf Booten ab:
wärts gefchifft, fondern immer durd) Landkarawanen nach Curachi
gebracht. Daher ſtehen die meiften Indusmuͤndungen ſchiffsleer.
Den aus Nivalität gegen Kutch verftopften Oftmündungen des
} Indus, Kori und Gunda, muß natürlich faft jeder Verkehr
durch Slußerporten fehlen; deshalb ift aber an dem dritten Nach:
bdararme dem Sata, im Sindegebiet, doch Fein neuer Hafen, fein
Emporium aufgeblüht.
7 Die Außenfeite 8!) der Delta-Küfte, die ohne einen einzigen
Baum, nur eine bebuſchte Wüfte, als das armfeligfte Land der
Welt erſcheint, iſt das Grad aller Schiffe, weiche der Sturm ge:
gen fie wirft. Mit der zweiten Fluth ift jedes Schiff in der Re—
gel ſchon durch fie begraben. Mit der größten Anftrengung der
Wannſchaft ift es, bei einer Ladung daſelbſt, faum zu retten, wie
FA. Burnes dies an feinem eigenen Boote erlebte. Alles Ges
ſtrandete wird aber vom Ufervolfe geraubt.
Die Sunden außerhalb gegen das Meer find regulair,
4 Nil, Engl. vom Ufer überall 12 bis 15 Fuß tief. Ihre Stel:
lung ift den oceanifchen Stuͤrmen fehr ausgeſetzt, und fehr felten
| wagt es noch ein Schiff, nach Monat März, fich diefem Geftade
ou nahen; denn dann fangen ſchon die Vorläufer des S. W.⸗
|
J
WMonſun an, der die Seewogen herantreibt, daß fie ſich über 18
bis 24 Fuß hoc) fehon brechen, ehe fie noch die Niederung der
Küfte, die fie weit überfehauen, erreichen. Die’ Hafenftelle ift
4 daher ſehr ſchwer zu treffen, fie wird nur zu leicht verfehlt. Die
1 Gefahr ift dann unvermeidlich, weil jeder andere Schuß fehlt.
Die Fluthen fteigen bei Vollmond in den Indusmuͤndungen bis
zu 9 Fuß Höhe; aber mit ungleicher Gefchwindigkeit fluthen und
ebben fie, zumal gewaltig in der Nähe der Sandbaͤnke. Oft
wird durch) fie das Schiff aufs Trockne gefest, wie dies Alerans
ders Flotte erfuhr (f. Afien IV. 1. S. 478). Und dennoch reicht
die Ebbe und Fluth nicht tief landein, welches den Chinefifchen,
Asa, Ganges: Strömen und den Amerikanifchen zu fo großen
2) Al. Burnes Mom. III, p. 240 — 212.
Ritter Erdkunde VII, M
*
178 Weſt-Aſien. 1 Abfchnitt. $. 3,
Rortheiten fir die Stromauffahrt in das Innere ihrer Gebiete
gereicht. Micht einmal bis zur Epige des Deltas, bis Tatta
drinat fie vor, fondern bleibt noch 5 geogr. Meilen unterhalb
Tatta 28?) zuruͤck; fie dringt alfo nur 15 geogr, Meilen (75 Mil,
Engl.) in die Deltaniederung ein. Am gefahrvolliten ift das Dels
tageftade an der Gorabanf, vor dem größten Mündungsarıne
des Sata. Das Schiff muß fich bier fo weit von der Küfte ents
fernt halten, daß es diefelde gar nicht erblickt, um 72 Fuß Tiefe
zu behalten; denn näher liegen die fo gefürchteten Sandſchollen
der Bora, deren Eeichten fo ſchroff wechfeln, daß man behaups
tet, fcbon bei 60 Fuß Tiefe müßte das dort feegelnde Schiff auf
ihnen zerichelfen. Nur von Fifcherbooten, die hier ihre Nege
reichlich füllen, fann diefes Geftade beſchifft werden.
r
4. Bevdlferung, Drtfhaften, Hirtenffämme, Ans
gefiedelte. Capitalen: Hydrabad, Tatta.
Traurig iſt der Zuftand der Bewohner des Indus-Deltas,
wenn man dieſes mit andern Niederungen der Mündungsländer
vergleicht, die durch ihre höhere Eultur auch den sdelern Naturanz
lagen, mit denen fie ausgeftattet wurden, entfprachen. Hier fehr
len die Denfimale einer folchen bedeutendern hiftorifchern Ent—
wiclung der Vergangenheit wie der Gegenwart; auch aus dem
Zuftande Pattala’s, zu Alerander M. Zeit (Iuzarıjvn bei
Ptol, VI. 1. fol. 172; der Unterwelt im Weften der Brahmas :
nenwelt, f. Aſien IV. 1. ©. 475), ift wenig auf feine einftige,
höhere Kivilifation zurüczufchließen, wenn auch nicht die erften
Anfänge dazu vermißt werden. Wenn 5 des Deltas von Waffers
betten eingenommen wird, von dem Ueberreſte des Bodens $ Theile‘
wüfte liegen, und nur + höchftens zum Anbau dient, und der
größere Iheil der Bewohner nur in wechfelnden Huͤtten und
Weilern (Rap), die bald hierhin, bald dahin gerückt werden, woh—
nen: fo ift fchon wenig Bevölkerung, Jnduftrie, Handel, Eultur
zu erwarten. Wenn auch Hydrabads?) die Hauptrefidenz an
20,000, Tatta, an der Deltafpige 15,000 und Curachi der
Hauptdafenort am Meere eben fo viel Bewohner aufzählen, fo
haben die andern Städte des Deltas, wie Daraji, Lahory,
Schahbunder jedes feine 2000, und unterhalb Tatta liegen
**?) Al Burnes Mem. III. p. 211.
®®) ebend. IL, p. 227, 2
250— 253, 255 — 260. 4 — 9—
Indus-Syſtem, Delta, Bewohner. 179
Eeine 10 Orte mehr, deren jeder nur etwa 100 Einwohner aufs
weifen fonnte. Jurruck der einzige bedeutendere Ort oberhalb
Satta, wo der Indus den Nebenarm nach Moghrebi abfendet,
bat nur 1500 Einwohner. Die Sefammtpopulation dee:
Andus:-Deltas fann man, nad Al. Burnes, Tatta aus—
aefchloffen, nur etwa auf 30,000 anfihlagen, von denen 4 in Orts
fchaften feftgefiedelt ift, indeß die andern umbherftreifen und groͤß—
tentheils als Hirten wandern. Auf 1 Engl. Quadratmile kom—
men daher hier nur 74 Einwohner.
Die Huͤtten, welche man überall durch das Delta zerftreut
antrifft, aus denen die wandernden Ortfchaften (Raj) beftehen,
find aus Schilf und Matten gemacht, von Gras (Tatty), oder
Binfen umgeben, um die falten Winde und feuchten Nebel ab—
zuhalten, die im Niederlande vorherrfchen und von den Einwoh—
nern für nachtheilig gehalten werden. Es find diefelben Hütten,
dieſem Delta eigenthbümlich, die auch fihon Nearch befchreibt,
Bei den häufigen Wechfeln find diefe leicht transportirt,
Diefe Wanderftämine, hier nicht mehr Sindes, fondern
Aut, wie fie feit Sultan Mahmuds Zeiten (ſ. Afien IV. 1.
©. 553) unter diefem Namen an der Weftfeite des Indus ber
fannt find, und wahrfcheinlich Nachkommen jener verfchiedenartis
gen Indo⸗-Skythiſchen Eindringlinge ältefter Zeit (ſ. Aſien
-W.1. ©. 485), gelten gegenwärtig für die dortigen Aboriginer,
denen nach und nach alle andern erft nachgefolgt find. Sie find
im höchften Grade unwiſſende, aberglänbifche Nachbeter der mo—
hammedanifchen Lehre, voll Bigotterie. Mit der firengiten Erfüls
lung der Ceremonien, verbinden fie die fchlechteften Sitten; und
wenden fich, Arme wie Neiche, in den beftimmten Stunden im
Gebete nah Mekka. Die Syuds, d. i. die, welche den Titel
der Nachkommen des Propheten voll Hochmuth annehmen, find
ihre Gebieter. DVerfchiedene der Indusarme find aber auch von
einem andern Stamıne, den Muana, bewohnt, die fih Emi—
granten aus dem Pendfchab nennen, von fdiffen und fifchen
leben. Noch andere, von gleichem Urfprung, die Seit Lobana,
flehten Matten von Schilf, erlegen Wild, von dem fie fich nähs
ten, find gering geachtet. Auch Jukeas, oder Jukrias, ein
Gebirgsvolk von den Curachiz Höhen, ift hier eingezogen, und ihre
Häuptlinge haben Ländereien erhalten. Ihre Zahl ift aber nur
gering; fie fünnen etwa 2000 Mann Truppen ftellen, und wer—
+ M2
180 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 5 3.
den deshalb vom Sinde: Gouvernement begünftigt. Sie follen
Nachkommen der Najputen vom Suma Tribus fenn, welche einft
in Sinde herrſchten. Sie nennen fi) Verwandte der Ihareja
und Kutch-Rajputen (ſ. Aſien IV. 2. ©. 1056), haben auch
noch die Hindu- Namen ihrer Tribus beibehalten, find aber all
mälig Diener des Koran geworden. Beludfchen find nur wer
nige hier eingewandert. Die anfäfligen Städtebewohner im Lande
find insgefammt Hindus und Kaufleute, die den Handel for
wol nach Außen ald durch das innere Land von Sind betreiben.
Hpdrabad 2°) ift die Capitale von ganz Sind; fie hat
noch feine 20,000 Eiuwohner, die alle in Erdhütten leben, und
feloft der Palaft der Amir ift ein elendes Gebäu. Die Umge:
bung ift ſchoͤn und manichfaltig, von beiden Hauptarmen des
Indus ganz infelartig umfloffen, weil fie beide, wenige Stunden
abwärts, durch einen Eugen Duercanal, bei Triccul, wenige
ſtens zur Fluthzeit mit einander communiciren. Die Ufer find mit
hohen Bäumen bewachfen. Der Blick auf Anhöhen im Hinter:
grunde, entfchädigt für die umgebende, große Einfürmigfeit des
Sandes, das in der Negel mit Staubmaffen in den Lüften erfüllt
ift, die fich über den Ortfchaften in der trodnen Jahreszeit Teicht
zu erheben pflegen. Stadt und Fort erheben ſich auf einer
Felshoͤhe; das Fort ift mit einem Graben von 10 Fuß Breite
und 8 Fuß Tiefe umgeben, über den eine Holzbruͤcke führt. Die
Mauern des Forts 25 Fuß hoch, aus Backfteinen aufgeführt, find
in Berfall. Es würde leicht zu erobern ſeyn. In feiner Mitte
fteht ein maffiver Thurm, ganz ifolirt, eine weitfchauende Warte,
darin der Schatz von Sinde niedergelegt ift. in Theil der - |
Inſel, auf welcher die Stadt liegt, ift wegen ihres felfigen Bo:
dens öde und nur fehe wenig bebaut. Der Indus mit einer
Sandbant in der Mitte feines Stromes ift hier 830 Schritt (Yard)
breit; der Fulaili ift weit geringer. Die Yagdliebhaberei der Re—
genten hat hier überall an den Flußufern, in den Tamaris—
fen und früppligen Mimofengehölz (Babul, Mimos. arabica)
ihre Wildgehege beibehalten. Daher ein großer Theil der Umge—
bung der Capitale Wildniß geblieben ift. Das vorzuͤglichſte Jagd⸗
thier wird Hotapuchu genannt, es foll eine Art Eber ſeyn; ift
®®*) Al. Burnes Narrat, HI. p. 40—51; ſ. Capt. Greiner View
of Hydrabad; vergl. Dr. J. Burnes Narrative of a Visit to the
Court of Sinde. Edinb, 1831. 8. p. 43 — 135.
Indus-Syſtem, Delta, Capitalen, 181
| aber nicht näher befannt. Falfenjagd auf das Mild if das Haupt:
vergnügen. Die Grafungen zwiſchen jenen MWaldbäfchen find an
den Flußufern von einzeln meidenden Kameelen eingenommen.
Der rohe Hofftaat der Amirs von Sinde, die hier refidiren, bie⸗—
tet durchaus Feine Eigenthümlichkeiten dar, für das Auge, noch
weniger als der Hof zu Khyrpur, wo mehr Luxus war. AL
Burnes hatte hier zwei verfchiedene Audienzen und wurde mit
/ außerordentlicher Artigkeit empfangen, weil fein Bruder, der Arzt,
Eur; zuvor den Amir von einer bösartigen Krankheit befreit hatte.
& zeigte wenigftens große Erfenntlichkeit und bewirthete feine
Säfte reichlich. Im Audienzzimmer ging es ſehr unerdentlich her,
die vielen fhmugigen Soldaten drangen zugleich mit den höchften
SHerrfchaften ein, und der Laͤrm war unerträglich, erfchien aber
den Einheimiſchen nichts weniger als unanfländig. Die Gegens
gefchente des Amirs fielen ſehr filjig aus; fie beſtanden vorzuͤg⸗
lih nur in einem Beutel von 1500 Nupies Geld. Der Amir
rühmte fich Krieger zu feyn, und. 300,000 Beludfches zu befehliz
gen. Er verſprach den Gäften "fie auf feiner eigenen Barfe durch
feine eigenen Leute weiter ziehen, und durch feine Kameele und
Elephanten bis an die Grenze feines Neiches geleiten zu laſſen.
In den Zelten, die ihnen während ihres Aufenthaltes in der Eas
pitale aufgefhlagen wurden, wurde ihnen alles. reichlich gefpens
det, und die forgfältigfte Aufmerkfamfeit zu Iheil, vom Vizier bis
zum Hof» Barbier und Hof» Wofferkühler. Die Staatöbarke der
Amirs, mit der man fie weiter fchiffte, war ein Dundi, 60 Fuß
lang, mit 3 Maften, voll rot und weißgefreifter Sergei, mit 2
Kajüten und einem Pavillon, mit feivenen Vorhängen und vie
len Flaggen, unter denen die britifchen Reiſenden auch die bris
tifche Flagge aufjogen, das erfte Mat daß diefe auf dem Ins
dusfkrome wehte. Ein günfliger Wind führte von den Ihoren
Hydrabads dies Schiffchen fihnell allen andern eilends voran, ein
gutes Omen; die übrige Flotte folgte langfamer nad.
Die zweite Capitale, Tatta®) (wol das alte Pattala,
und das Minagara des Peripl. Mar. Erythr. ſ. Aſien IV. 1.
©. 475 — 476), liegt eine gute Stunde vom ndus entfernt, der
bier träge und ſchlammig ift, aber eine Breite von 2000 Fuß hat,
und eine von Ufer zu Ufer gleichmäßige Tiefe von 15 Fuß. Früs
her unter den fohügenden Delhi Kaifeın war Tatta eine Zeit
»5) Al. Burnes Narrat. II. p. 580 — 35.
182 Welt: Afien. I Abfchnitt. 9. 3.
lang als Emporium berühmt, aber feit dem eifernen Scepter der
Sindes eine Ruine. Abul Fazil fagt, zu Kaifer Akbars Zeit
habe Tatta 40,000 Barken 286) zu feiner Schiffahrt gehabt;
fie war das größte Emporium, als der Groß Moghul Jehan Gir
fiegreich in das Delta einzog. Capt. Hamilton (Ende des XVII.
Sahrhunderts) 8) will dafelbft noch 42 alte Königsgräaber
aus Porphyr erbaut gefehen haben, neöft den Königsgärten,
als einzigen Reſten altindifcher Herrlichkeit. Die Stadt war zu
feiner Zeit noch in hohem Anſehn; er ſelbſt machte dafelöft große
Handelsgefchäfte, denn er führte Güter in Karamanen zu 1500
Saftthieren, mit vielen Menfcben und einer Escorte von 200 Weis
teen dahin. Zu feiner Zeit verfichert er, fenen 80,000 Arbeiter
in Seide und Wolle von Tatta ausgewandert. Zu Elphinſto—
nesss) Zeit hatte die Stadt nur noch 45,000 Einwohner; diefe
hat fie auch gegenwärtig nah Al. Burnes nicht mehr; die
Hälfte der Häufer ift verfallen oder ſteht Teer. Die Afghanens
Ueberfälle haben vollends noch die letzten großen Kaufleute aus
der Stadt verfcheucht. Won den einft fo berühmten Longi-Wes
bern (ſ. ob. ©. 67) zählte man, als Al. Burnes ſich dafeldft
während 8 Tagen aufbielt, nur noch 125 Familien; von Ban—
janen oder Indifchen Handelsleaten Feine 40; etwa 20 Wechs⸗
ler machten alle Gefchäfte. Noch zu Nadir Schahs Zeit foll
Tatta fehe volfreich gewefen fen.
Keine 2 volle Stunden, im S. W. der heutigen Stadt, liegt
eine zweite Muinenftadt, Kullan-Kote genannt, welche aud)
Brahbmanabad, die Brahmanınfladt, hieß, und früher ftets
die Landesrefidenz war, bis die Ufurpatoren der Talpori: Dynaftie
diefe nach Hydrabad verlegten. Jene Nuinenftadt hat den mo:
dernen Namen Nagara Tatta erhalten. Sie ift in einem
niedern Ihale ohne Verfhanzungen aufgeführt; in mehrern ihrer
Brunnen fand Al. Burnes 20 Fuß tief gehende Lager von
Backſteinmauern, und auf den Anhöhen, im Weften der Stadt,
Grabftätten, die er aber für nicht älter als ein paar hundert
Jahre hielt. Eine große Mofchee aus Backſteinen erbaut, aus
Schah Jehans Zeit, fteht noch als Hauptgebäude. Im übrigen
fcheinen die Trümmer wenig Bemerfenswerthes darzubieten. Das
28°) Aycen Akbery ed. Fr. Gladwin. London 1800. 8. Vol. II p. 116,
my A: Hanilton Account of the East Indias ete. Edinb. 1727. 8.
Vel.1. p. 125. *®) M. Elphinstone Acc, of Cabul p. 499, 501.
Indus-Syſtem, Delta, Tatte, 183
heutige Tatta fteht an der großen Landſtraße, die aus In—
dien nad) Hinglaj°®) in Mefran führt, einem berühmten Walls
fahrtsorte, der unter den nackten, öden Bergen Hala (Irus
bei Nearch, f. Afien IV. 1. &. 479) gelegen ift, und ohne alle
Tempel‘, nur wegen feiner füßen Quelte fo. berühmt ift. Aber
diefe Duelle hat au Ramchunder, ein Halbgott der Hindus,
befucht. Dies ift nebft den Figuren von Sonne und Mond, zum
Beweiſe auf den dortigen Felfen eingehauen. Hinglaj liegt
40 geogr. Meilen (200 Miles Engl.) fern von Tatta, auf dem
Wege über Curabi, Sumiani, durch die Provinz Lus, das
Sand der Numris, ein Theil der Route Alexanders. Kine
Milgerfahrt dahin: reinigt von Sünden. Die Kofosnuß, in die
Wafferquelle geworfen, enthulft den Yebenslauf des. Pilgers; perlt
das Waffer empor, fo war und bleibt das Leben rein; wirft es
feine Blafen empor und fehweigt, ſo müffen noch. mehr Opfer ger
bracht werden, Die Tribus. der Cofeins, Bettelmoͤnche, an die
fidy oft reiche, fromme Kaufleute anſchließen, pilaern dahin, und
öfter noch. weiter bis zu einer Inſel Satadiv, die nicht. fern
vom Bender Abaffi liegen foll.. Dies find die einzigen. Hindus
Pilgerreifen, die uns in jenem. Auslande bekannt werden „ wahrz
fcheinlid mit den Wanderungen der Banjanen (f. Afien IV.2.
E. 660) in Beziehung: fiehend. Die Fortdaner diefer Wallfahr:
ten erklärt fich aus. den Sporteln, die dem. Oberpriefter. zu Tatta
dadurch zufallen. Zu Hunderten ziehen von da. die Katawanen
aus, jede mit ihrem Agwa, oder geiftlihen Führer an der
Spitze. Der Oberpriefter zu Tatta fegnet fie ein, giebt. ihnen. eine
Wuͤnſchelruthe als Talisman mit,. dafür jeder. Pilger 35, Rupie
zahlt; diefer Wunderftab: muß aber zuruͤckgeliefert werden, der
Agwa wird. reichlich belohnt. Jeder von Hinglaj zuruͤckkehrende
Pilger erhält zu. Tatta einen Roſenkranz aus weißen, bohnen—
artigen Körnern, die auf den benachbarten Felshöhen. eingeſam—
melt werden; wol eine Art. Detrefact, denn fie werden als die
verfteinerten Samen. ausgegeben, die bei Grfchaffung der Welt
ausgeftreut wurden. Der Handel mit ihnen if Monopol des
Priefters zu Tatta.
>) Al. Burnes Narrat. III. p. 32 — 34.
184 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. 9 3.
5, Der Staat von Sinde, die Herrfchaft der Tal:
puri:Dpnaftie vom Beludfhben Stamm. Die drei
Amirs von Sinde: von Hydrabad, Khyrpur und
Mirpur.
Der Sieg der Beludfehen:Stämme über die Kalara—
Herrfchaft am unten Indus, erhebt die tapfere Talpuri—
Dynaftie der vier Brüder, oder Herren (wol von Amir
im Arabifchen) 29), auf den Thron von Sinde, feit den 8Oziger
Jahren; anfänglich als Vafallen von Kabul (f. Alien IV.2.
©. 1033) %). Mit dem Sturz von Kabul aber wird diefe Sind:
Herrfchaft unabhängiger, ſouverain und von größerer politiz
ſcher Bedeutung °?) als zuvor. Die Talpuris erweitern ihre
Macht von den Seikhs bis zum Meere, und oftwärts bis zu den
Grenzen von Kutch, Parkur, Omerkote (Afien IV. 2, S. 1058);
fie zahlen feinen Tribut mehr an Kabul, und legen benachbarten
Voͤlkern Tribut auf. As A. Burnes (1832) ihr Reich durchz
309, ftand es in der Blüthe feiner Macht; er iſt der einzige, dem
wir, nächft feinem Bruder und wenigen Notizen Pottingers®),
genauere Nachrichten als Augenzeugen über die Herrſchaft der
Amirs von Sinde verdanken. Hier die Hauptmomente feiner
Mittheilungen. 2
Das Reich Sind, zwifchen 69° bis 71 O.L. 0. Gr. und
23 bis 29° N. Br. ausgebreitet, umfaßt ein Areal von etwa
10,000 geogr. Duadratmeilen (100,000 Enal. D.:Miles), und wird
in einer Diagonale von faft 100 Fängenmeilen vom Indus, aus
der Pendfhabfpige bis zum aͤußerſten Südpunct am Kori durch⸗
zogen, eine Linie, welche die befruchtende und belebende Ader des
ganzen Gebietes bezeichnet. Der größere Theil der Oftfeite deſſel—
ben ift unbefannt, liegt wuͤſte.
Diefer große Landftrich ift unter die drei Zweige der Be:
ludſch-Tribus der Talpuri, die unter fich wieder indepenz
290) 9, Hammer Rec. in Wien. Sahrb. 1835. B. 72. ©. 62.
®1) Ihre Gedichte ſ. Jam. Burnes Narrative of a Visit 1 c. p.17
bis 28; vergl, Pelitics of Sind in Asiat. Journ. 1826. Vol. XXI.
p: 367 — 370; New Ser. 1831. Vol. IV. p. 307 —316. Journ,
of the Geogr. Soc. of London I. p. 222 — 231. °2) On Sinde
b. Al. Burnes Mem. III. p. 212— 227. »*) Pottinger Notice
de l’etat actuel de I’Indus et de la Route d’Alexandre le Grand
avec Remarques p, Al. Burnes in Nouv. Annales des Voyages.,
Paris Juili. 1836. p. 65 — 92.
Indus-Syſtem, Staat von Sinde. 185
dent find, getheilt. Sie kommen darin uͤberein, fih die Amirs,
d. i. die Fürften von Sind (von Emir, Plur. Umara)
zu tituliven. Dies find die drei Amirs von Sind.
Die Hauptfaimilie nahm ihre Nefidenz zu Hydrabad,
wo anfänglih 4 Brüder, die „Char Yar,“ di. die vier
Freunde, gemeinfcbaftlih, in brüderlicher Einttacht herrſchten.
Zwei derfelben ftarben 1801 und 1811, die zwei uͤberlebenden re
gierten noch gemeinfchaftlich im %. 1830, als J. Burnes an
ihrem Hofe lebte. Im Jahre 1832 war auch der dritte von dies
fen (Kurm Ali) geftorben, welche man ebenfalld die Amirs
von Hydrabad genannt hatte, und nur Mir Murad Ali
Khan war, nad) innerlich entffanderen blutigen Fehden, der
einzige Regent von Hydrabad übrig geblieben, bei welchem als
Amir A. Burnes feine Audienz erhielt,
Die zweite Familie des Talpuri nahm zu Khyrpur
ihre Nefidenz, wo Mir Ruſtum Khan, Sohn Mir Soh:
rab’s, als Amir, der Herrſcher des nördlichen Sind und Buk—
Eurs, den britifchen Neifenden fo zuvorfommend empfing. Arth.
ConollyM), der deſſen Reſidenz paflirte, erzählt, daß der Vater:
feinem älteften Sohne, Mir Ruftum, die Landesherrfchaft als
lerdings vererbt habe, feinen Schag aber auf den jüngern Bru—
der, Mir Murad, und jenem die Verpflichtung auferlegt, auch
on 40 feiner männlichen Defcendenten noch Apanagen zu vers
theilen. Diefe fonderbare Legirung habe natuͤrlich zu großen Strei⸗
tigkeiten unter den Bruͤdern gefuͤhrt.
Die dritte Familie der Talpuri von geringerer Be—
deutung, von Mir Thara Khan abſtammend, hat ſich unter
halb Tatta im Delta feitgefegt, wo Ali Murad zu Mirpur
feine Nefidenz aufgefchlagen hat.
Die relative Bedeutung diefer drei Amirs von Sind er
giebt fich aus ihren Einkünften, die abnehmend 15, 10 und
5 Lakh Rupien betragen, in Summa 30 L. Rup. (300,000 Pf.
Sterl.). Ihr gefammelter Schag foll fih auf 20 Millionen Pf.
Sterling belaufen, davon 13 in Geld, das übrige in Juwelen ans
gehäuft ift, der größte Theil zu Hydrabad, im Beſitz Murad Alis
und der Weiber feines verſtorbenen Bruders Kurm Alt,
Nach den Seiths find die Amirs die bedeutendfte einheimi:
°%) Arth. Conolly Journey 1. c. Vol, I, p 254 etc,
156 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 6. 3.
ſche Macht in Indien. In W. haben ſie dem Chef von Lus
die Hafenſtadt Curachi entriſſen, und das Territorium von Su—
miani erobert, um den Landhandel nach Kandahar ganz in ihre
Gewalt zu befommen. Bukkur und das fruchtbare Schikar—
pur entriffen fie den Afghanen, deren Barakjge Tribus (jetzt
Herren von Kandahar und Kabul), jährlich, wiewol ohnmächtige
Attacken gegen diefe Befigungen zu machen pflegen, um fie wies
der zu gewinnen. As Al Burnes Schifarpur paflirte, lagers
ten 6000 Mann Afghanen zu Sewi, in Kutch Gundava; fie
fonnten aber die Sindes zu Feiner entſcheidenden Schlacht brinz
gen. Gegen Daudputra und Omerfote haben fie ebenfalls
ihren Nachbarn Grenzgebiete entriſſen. Nur an der Kutch-Seite
ift ihr Fortfchritt durdy das britifche Gouvernement aufgehalten
(f. Afien IV. 2. ©. 1061).
Die Macht der Amirs von Sinde ift bedeutend, weil fie
nur wenig Ausgaben zw befireiten haben. Außer den Garnifos
nen in den Feftungen gegen die Wüften, halten fie Eeine ftehens
den Soldtruppenz denn jeder Ueberfall ward bisher noch durch
frifchgefammelte Truppen fiegreich zurücgewiefen. Die Sinds
Truppen find ſehr tapfere Krieger. Den erften Ueberfällen der
Afghanen. pflegen fie in ihre Wuͤſten auszuweichen; dann aber
fie in Gefechten überfallend zu befiegen. Ohne eine Disciplin,
und wahrfcheinfich Europäifch organiſirten Truppen unterliegend,
fpielen fie doch unter ihres Gleichen, wie gegen Afghanen, eine
überlegene Rolle. Sie find fol; darauf Fußfoldaten zu feyn,
im Gegenfagß der Hindu, 5. B. der Najputenreiterei; auch ziehen
fie das Schwert der Flinte im Kampfe vor. Yhre Artilferie ift
an Zahl bedeutender als an Wirfung; Pferde find von Kleiner
Race, ſelten; daher ihre Cavallerie unbedeutend. Jeder Erwach—
fene, der Handelsmann ausgenommen, ift Soldat. Ihre Garnis
fonen, meint Al. Burnes, würden jedoch ihre Feftungen nur
fihlecht vertheidigen, und ſich bald, wenn fie von britifchen Trups
pen attafirt würden, in die Wuͤſten retiriren. Cine Empörung
im Sande wide fehr leicht feyn, da die Talpuris felbft fehr vers
haßt find, ihre Verwaltung ganz unpopulaie if, und ihre Perfon
nirgends Mitleid erregen würde.
In dem genaueften Verbande fiehen die Talpuris mit ih:
rem weftlihen Nachbar, dem Mehrab Khan der Brahooes,
der Chef von Kelaut und Gundava ift, und durch Heirath
mit den Amirs verwandt, auch von Geſchlecht ihnen nahe fteht,
Indus-Syſtem, Staat von Sinde. 187
da Brahooes und Beludfhen fih als Brüder, einem
Stamme entfproffen, betrachten. Mit den Rajput-Rajas,
an ihren Oftgrenzen, wechfeln die Amirs Gefchenfe; gegen ihren
nördlichen Nachbar den Maha Naja der Seikhs befteht nur Miss
trauen, und wenn bieher der Friede zwifchen beiden Theilen er:
halten ward, fo war dies nur den Interventionen des britiſchen
Gouvernements zu verdanken.
Die Macht der Amirs im Innern ihrer Gebiete, iſt keines—
wegs gering, wenn ſchon ihr Strom, der Indus, weniger Vor—⸗
theile darbietet, als andere große Yandfiröme, da ihm für große
Seefchiffe eindringende Fluth und Mündungen (gleich dem Gans
ges) fehlen, feine Oftfeite nur durch Wüften von dem übrigen
Indien gefibieden ward, Agrieultur, Gewerbe und Handel an
und auf ihm welfen. Zur Zeit von Xrrians Peripfus im Mare
Erythraeum, im I. Jahrh. n. Chr. Geb., war der Handel dort
blühend, und eben fo fpäterhin zu Kaifer Aurengzebs Zeit. Der
fruchtbarfte Uferboden, der jest nur zu gutem Weideland für Hirs
ten dient, koͤnnte die trefflichften Aeder tragen, wenn ein energiz
fches Gouvernement Sicherheit des Cigenthums gegen die beftän:
digen Plünderungen der Gebirgstribus im Weſt (der Buedis
und Muzaris, Belludfchen u. a.) gewährte, wenn e3 felöft den
erorbitanten Zoll, den es von den Waaren fordert, aufgabe, wels
cher jeden Tranfit zu Land und zu Waller unmöglich) macht, und
wenn es den In dus, als eine freie Ader, für europäifche Schiff
fahrt und Commerz öffnete, wodurd bald die Bazare von Schi—
farpur in denfelben Waaren und Preifen mit denen von Bonts
bay wetteifern würden. Der einzige Handel mit Opium, den
die Sinde: Chefs noch begünftigen, wird dennoch von ihnen fo
bedrückt, daß jede Kameelladung ihnen 250 Rupien Zoll zahlen
muß, wodurch ihnen freilich ein jährliches Cinfommen von 7 Lakh
Rupien zu Theil wird, was der ganzen Tandtare des Hydrabad
Amir gleich kommt. Die Kabulberrfiher hinderten vor Zeiten we—
nigftens den Tranſito nicht, und es befand felbft in Tatta, noch
im vorigen Jahrhundert, Factoreihandel der Briten. Inter dem
jegigen Gouvernement ift feine Hoffnung zu einer Verbefferung
vorhanden; es geht nur darauf aus, die Herrſcher reich zu machen
und die Unterthbanen arm.
Außer einigen Belludfihen:Chefs, denen die Amirs als
ihren Parteigängern und Stammesgenoflen, bedeutende Ländereien
verliehen, und den Religioſen, die fih mit ihren Familien zu
188 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 3.
Hofe halten, auch einigen Hindu Kaufleuten, fehlt aller Wohl
ftand im Lande. Gegen diefe letztern wüthet gegenwärtig der Fa:
natismus der Mohammedaner nicht mehr fo wie vordem. Man
läßt Schroffs und Danjanen ungehindert ihr Gewerbe treis
ben, indeß ihre Glaubensgenoffen, die Hindu Demwans, in
Sind überall die Gefchäftsführer der Großen geworden find, und
das ganze Finanzwefen des Staates in den Händen haben. Aber
alle andern Einwohner, die Dörfler wie die Städter, leben in
Elend, Schmug und Dürftigkeit.
Wenn Hydrabad 20,000 Einwohner hat, Schifarpur
allein unter allen noch mehr, fo find dagegen alle andern Städte
geringerer Art; 3 derfelben, wie Tatta, Curachi, Khyrpur
haben 15,000; 5, wie Mirpur, Hala, Sehwun, Larkhana,
Rori nur 19,000; 5 oder 6 andere, wie Multari, Subzul
u. f. w. 5000, u. f. f., fo daß man die ftädtifche Bevölferung
etwa auf 200,000 fehägen ann. Das Volk im Delta beträgt,
wie oben gefagt, nicht über 30,000 Seelen; zu beiden Uferfeiten
des Indus ftreifen nur wenige Hirtenfiämme. Die Dörfer, fo weit
die Ueberſchwemmung und die Agricultur reicht, find ſtark bevöls
fert. Die ganze Volkfsmenge fihägt AL. Burnes etwa
auf eine Million, davon die Hindus % ausmachen, die grös
Bere Zahl der Mohammedaner aber erſt Convertiten von ihnen
geworden find,
Dom Character der Sindes hat derfelbe Beobachter, bei
feiner Durchreife durch das Sand, Feine vortheilhafte Meinung ges
wonnen. Sie find im hohen Grade leidenfchaftlich, ſtolz, betrüs
gerifch, ohne alle Kechtlichkeit, die fonft wol cher mit völliger
Ignoranz und Rohheit gepaart erfcheint. Doch gefteht er, daß -
fie in feinen Dienften ſich als treue Diener zeigten, und daß er
durch fie feine Veruntreuung erlitt. Sie nahmen das Land mit
dem Schwerte; fie befaßen Feine freien Inſtitutionen, und erhiels
ten fie auch nicht von ihren Fürften, die fie als Iyrannen bes
herrſchen, durch Furcht alles erzwingen; das Gefühl der Ehre
fennen fie nicht. Die dreifahe Herrfchaft im Lande hat Pars
teiungen herbeigeführt, die vielleicht mit der Zeit nachtheilig auf
fie ſelbſt zuruͤckwirken werden.
Die Hydrabad-Familie ift durch mehrere britifche Miſ—
fionen am beften befannt worden. Sie befist den füdlichen Theil,
Unter Sind, feit 1786; aber nach dem Ausfterben der ältern
Amirs, die ohne blutige, innere Fehden einträshtig regierten, find
Indus-Syſtem, Ruͤckblick, Vergleichung. 189
durch die juͤngern Söhne, die alle gleiche Anſpruͤche auf die Suc—
ceffion machen, vier politifche Parteien entftanden, von denen
eine, an deren Spige einer der jüngften Prinzen, Mir Muſſir
Khan, fand, und das größte Anfehn befaß, fih auf die Seite
der Briten neigte. Er förderte Al. Burnes Paſſage nach Las
hore, die ohne ihn fchwerlich zu Stande gefommen wäre, und
durch Gefchente fuchte er fich die Höfe von Herat und der Kas
bul⸗Chefs geneigt zu machen.
Der KhyrpursChef, Mir Ruftum Khan, folgte ſei—
nem Dater, der durch einen Sturz vom Balfon (1830) feinen
Tod gefunden. Er hat eine zahlreiche Nachkommenfchaft, und.
macht den größten Staat. Sein Gebiet reicht von der Bhawul—⸗
pur⸗Grenze (unter 23 30° N.Br.), abwärts bis Schwun, wefts
wärts über Schifarpur nah Kutch Gundava, bis zu den Berg—
zügen. Zwifchen ihm, dem Gebieter von Ober-Sind, und denen
von Ilnter- Sind, ift viel Streit, zumal wegen des Durchgangsz
zolls auf Opium. Er if den Briten gleichfalls fehr zugethan.
Sein Schatz fol 3 Millionen Pfd. Sterling betragen. Cr hat
beflere Verbindungen mit feinen Nachbarn angefnüpft, als die
Herrfcher von Hydrabad; er fleht in einigem Verkehr mit den
Seikhs von Lahore und dem Bhamulpur Khan der Daudputra.
Die Mirpur-Familie ift die geringfte in dem politiſchen
Zuftand des Ganzen. hr Eleines Territorium und deffen Nähe
bei Hydrabad macht dies Oberhaupt von deffen Amirs abhängig.
Doc) liegt fein Gebiet direct auf der Ynvafionslinie von Kutch
nad) Hydrabad; in militairifcher Hinsicht würde von hier aus die
verwundbarfte Seite des Sind: Staates ſeyn.
Erläuterung 7. e
Küdblik auf das Indus: Spftem und DVergleihung mit dem
Ganges-Syſtem; deſſen Schiffahrteröffnung für Europäer;
politiihe Stellung des Stromgebietes.
Wir fchliegen unfere Betrachtung des Indus-Syſtemes
mit Al. Burnes®) Iehrreichem Ruͤckblick auf daffelbe, in Vers
gleich mit unferm früher unterfuchten GSanges-Syfteme, wie
?»°) Al. Burnes Mem. III. p. 214, 246. ?®) Al. Burnes Mem.
Ill. pı 203— 212,
190 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. $. 3.
dies uns aus G. A. Prinfeps 7) neneftem Werke befannt ge
worden (f. Aſien IV. 2. ©. 1100—1248).
Ganges: und Indus-Quellen, aus demfelben Ger
birgsſyſtem, durchfegen, mit ungleicher Lange, entgegengefeßter
Direction, und xharacteriftifch ganz verfchiedener Ramification,
alfo mit verfchiedenartiger Stromentwiclung, diefels
ben Breitenparallele. Der Ganges erhält feine Waffer aus dem
Himalaya- und Vindhyan-Spfteme, der Indus nur allein aus
den Himalaya s Syfteme, Beides find fubtropifche Ströme, der
ren Mündungen fih nur fo eben in der Tropennähe entladen;
beide fchwellen jährlich in einer beftimmten und in der gleichzeitis
gen Periode mit ihren Waffern an. Die Menge des Waller:
erguffes von beiden beftimmt ihre relative Größe, die aber
modificire wird, durch ihr verfehiedenes Gefälle zum Ocean,
Sicligully, oberhalb Rajamahal (Afien IV.2.&.1164),
am Ganges, und Tatta am Indus, find die an beiden Stroͤ—
men zu vergleichenden PDuncte, welhe nach dem Empfang aller
Waſſermaſſen der tributairen Zuflüffe, unmittelbar oberhalb, vor
der Bifurcation derfelben zu ihren Deltagebieten, liegen. Wä-
ren die beiden öftlichern Arme des Indus, Fulaili und Pin:
yari (Zir), nicht zu unbedeutend, obwol fie zur Negenzeit ges
füllt genug find, fo würde noch paflender Hydrabad der DVergleis
chungspunct mit Rajamahal an den Deltafpisen feyn, wie Kairo
am Nil.
J. PDrinfeps Bericht zeigt, daß der Ganges, im April,
bei Sicligully, entladet = 21,500 Cubikfuß Waffer in jeder
Secunde; daß die mittlere Strombreite dort 5000 Fuß, die Tiefe
aber, bei niedrigftem Waſſerſtande, nur 3 Fuß (5 Fuß Fahrwaffer
nach unferer Angabe, f. Afien IV. 2. ©. 1230, und weniger) be:
trage, woraus fich die geringe Waſſermaſſe ſchaͤtzen läßt. Die
Meflungen zu Benares (im April) geben ähnliche Reſultate;
die Gangesbreite it dort nur 1400 Fuß, die Tiefe aber
über 345 die Entladung in jeder Secunde gleidy 19,000 oder
20,000 Eubiffuß (f. Afien IV. 2. ©. 1158).
Der Indus (Mitte April), bei Tatta, hat in Breite 670
Yard (1 Yard zu 3Fuß = 2010 Fuß), feine Gefchwindigfeit legt
in einer Stunde 24 Engl. Miles zuruͤck. Seine Steilufer geben
297) G. a Prinsep Account of Steam Vessels and of Proceedings etc.
Calcutta 1830. 4. chapt. VI. p. 81— 101.
Indusſyſtem in Vergleich mit d. Gangesfyftem. 191
ihm in feiner ganzen Breite, mit wenigen Schritt Unterfchied,
von Ufer zu lifer, eine regelmäßige Tiefe, die dreimal größer
ift, wenigftens, als die des Ganges, nämlich 15 Fuß. Seine Ents
fadung beträgt hiernach 110,500 Cubikfuß in 1 Secunde (nad)
Buats Formel nur 93,465 Fuß, und für die Seichtigkeit beider
Uferfeiten etwas weniges abgerechnet, fann man = 80,000 Cubik⸗
fuß als Indus-Erguß für jede Secunde, im April: Monat,
feftftellen. Leider, bemearft A. Burnes, daß er feine Beobach—
tungen bier während der Regenzeit nicht wiederholen Eonnte,
um danach feine Berechnungen zu vervollffändigen. Doch zu
Sehwun, wo der Indus 500 Yard breit und 36 Fuß tief, ſehr
fchnell an der Baſis einer Felsklippe, die in den Strom hinein:
fpringt, voruͤber zieht, zeigt die Waffermarke feines Anfteigens am
Fels, dag er zur Ueberſchwemmungszeit die Höhe von 12 Fuß nicht
überfteigt. Dann würde er hier 48 Fuß Tiefe in der Negenzeit
erreichen. Wie weit aber feine Breite dann gewachfen ift, läßt
fih nad) den unbeftimmten Angaben der Einwohner nur unge
fähr ermitteln. Der In dus ergießt alfo die ungeheure Maffe
von 80,000 Eubiffuß in jeder Secunde; alfo viermal fo viel
Waſſer in der Secunde als der Ganges zur trocknen Yahreszeit,
bei Benares oder Sicligully (der Rhein bei Bafel nur
die Hälfte, 13,400 Eubiffuß; f. Afien I. S. 368), und faft eben
fo viel wie der große Miffifippi. Mit dem ungeheuer ver:
mehrten Erguife diefer Ströme, in dem Marimum ihrer Anfchwels
lung, zur Negenzeit (wo der Ganges bei Sicligully 500,000,
der Miffifippi 550,000 Eubiffuß in jeder Serunde wälst, f.
Afien IV. 2. ©. 1234) findet Feine directe Vergleihung mit
dem In dus, nach gemachten Meffungen, Statt; doch bietet die
an ihm gemachte Beobachtung folgende Betrachtungen dar.
Schon die größere Länge des Induslaufes vom Manafaros
wara an, wo zwei Hauptquellen, der obere Indus und Sſa⸗
tadru, entfpringen, laffen ein abfolut größeres Waſſerquantum als
im Ganges erwarten. Der Yndus durchfegt ein vergleichungsz
weife dürres, oͤdes, dünn bevölfertes Stromgebietz der Ganges
breitet fi) in Lauf und Geäder weit mehr aus, und fegnet fein
Uferland mit den reichten Ernten. Der Indus, ſelbſt in feiner
Ueberfchwenmungszeit, bleibt ftets auf fein fleileres Bett, inner:
halb engerer Ufer eingefchloffen; felten ift er über 3 Engl. Mile
breit. Er hat darin mehr die enggefchloffene Ni- Natur (.
Erdk. Afrika 2te Ausg. 1822 ©. 875). Der Ganges dagegen
192 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 3.
breitet fich in manchen Gegenden feines Laufes wie ein See oder
Süfwaffermeer aus, den Chineſiſchen Strömen vergleichs
bar (f. Aſien III. ©. 492, 658, 712 u. a. ©.), fo daß von dem
einen Ufer das andere noch nicht fichtbar if. Die Ausdänftung
und Confumtion feiner Waffer im Boden, wie in der Atmosphäre,
muß alfo unendlich größer als beim Indus ſeyn. Die Sandlän:
der am Indus faugen auch deſſen Ueberſchwemmungswaſſer fehe
ſchnell ein, um defto eher zieht ſich derfelbe in feine engeren, fe—
ften Ufer wieder zurück. i
Der Ganges erhält, nebft feinen Zuftrömen, nur den ats
mosphärifchen Niederfchlag von dem Sudgehänge des Himas
laya⸗Syſtems, der In dus aber nicht nur von diefem, fondern
auch von defien Nordgehänge und aus den Schneeablagerungen
der hohen Plateaumaſſe. Seine Waffer wachfen lange Zeit vor
der Negenzeit an, durch die Eis: und Schneefchmelzen, ungeach-
tet der aufßerordentlichen Länge ihres Laufes. Sein Gefälle feheint,
wie bei allen großen Strömen, nur fehr fanft zu fenn; feine mitt
lere Schnelligkeit auf eine Stunde beträgt nicht über 24 Engl.
Miles, dagegen alle Pendfhabflüffe, welhe Al. Burnes
bis Lahore befchiffte, ftets 4 Engl. Mile fchnellern Lauf in derſel—
ben Stunde zurtclegten, wobei zu bemerken, daß diefelben ‚auch
alle den Bergen mehr genähert waren. Die Stadt Lahore ſteht
an 200 geogr. Meilen (1000 Engl. Miles) vom Meere, dem ger
kruͤmmten Stromlaufe nach zu rehnen, entfernt. Umritfir, -
30 Miles Engl. im Oft von Lahore zeigte, nach Dr. Gerards
Barometerbeobachtungen, im Mittel von 18 Obfervationen, eine
Höhe von 28,861.3, nach correfpondirenden Calcuttabeobachtungen
eine Höhe von 29,711.5. Alfo eine Differenz; von ‚850.2. Der
Obſervationspunct in Calcutta liegt 25 Fuß üb. d. Meere, Die
Stadt Umritfir liegt etwa eben fo hoch über der Plaine von
Lahore, beide in der Pendſchabebene, die demnach eine
mittlere Höhe von elwa 900 Fuß Engl. üb. d. M. (= 8444
Fuß Par.) liegt. (Zwifchen der abfoluten Höhe des Indus-Duab,
von Sceheranpur 1000 bis Delhi 800 Fuß üb. d. M.; f.
Afien IV. 2. ©.1107). Hieraus, fhließt A. Burnes, auf das
Verhältniß der abwärts gehenden Pertheilung des Gefälles.
Sm Vergleich mit Kennells und 5. Prinfeps Erfahrun:
gen am Ganges, kann man für den Indus, abwärts von Mitz
tun:KRote, an der jüdlichen Pendfhabfpise, alfo für deilen un—
tern Lauf, nicht mehr Gefälle annehmen, als 6 oder 5 Zoll auf
nr
Zu 9 ee nn A:
En —
— di)
—
’
Indusſyſtem in Vergleich mit d. Gangesfyftem, 193
1 Engl. Mile. Auch kann Mittun:Kote, nah Schägung,
höchftens nur 29° Fuß, oder 225 Fuß Engl. (200 Fuß Par, in
runder Summe) über dem Meeresfpiegel liegen; denn hier iſt,
firomaufmwärts, vom Delta aus die Schnelligkeit des Indusſtroms
noch um nichts gewachfen, obgleich man fich doch fehon den Ber:
gen um vieles genähert hat. Mittun-Kote liegt auf halbem
Wege nach Lahore, 100 geogr. Meilen (500 Miles Engl.) fern vom
Dcean, nahe an 200 Fuß Dar. üb. d. M.
Die übrigbleibenden 675 Fuß Engl. (633 F. Par.) Sens-
fung, fallen alfo auf die Dendfchabfläffe, deren größere Schnel:
ligfeit fih daraus erklärt, deren Gefälle auf 1 Engl. Mile alfo
an 12 Zoll beträgt. Hierin findet A. Burnes die Beweife für
die weit größere Waffermaffe des Indus, als die des
Ganges, da des Indus Schnelligkeit, bei niedrigftem Waſſer—
ftande, 22 Mile auf die Stunde beträgt, bei mittler Tiefe von
15 Fuß, und auf größerer Senfung als der- Ganges, fich doch
nie fo ſehr wie dieſer entladet, obzeich feine Stromlinie noch
überdies gradlinichter if. Es fehlen dem Indusbette gänzz
lich jene im Gangesberte ermittelten Ketten von Flußtie:
fen (Series of Pools), die von unzähligen Untiefen und quer
durchfegenden Fluß-Barren von einander gefchieden find (I. Aſien
IV. 2. ©. 1230). Wäre die Sparfamfeit der Waffer im Indus
denen des Ganges gleich, fo würde diefelbe Erfheinung fih
in ihm wiederholen, was aber nicht der Fall iſt. Obgleich das
Bette des Ganges, das des Indus, an grandiofer Entwicklung
und Ausweitung um vieles zu überbieten Scheint, fo hat doch der
Ganges mehr nur die Natur eines Gebirgsftromes (hilly torrent)
beibehalten, der in der einen Jahreszeit überfchwernmend über:
fließt, in der andern aber in unbedeutender Waſſerarmuth zurück
bleibt, wogegen der In dus das ganze Jahr hindurch, unaus—
geſetzt, in gleich großer Waſſerfuͤle ſich zum Ocean hinabwaͤlzt.
Gegen dieſe gleichmaͤßigere Entwicklung des Indus—
ſtromlaufes (welche an die des Rheinlaufes erinnert) bietet der
Gangeslauf mehr Contraſte, und theilweiſe Beguͤnſtigungen dar,
die von dem reichern Regenniederſchlage uͤber ſeinem
Stromgebiete, und von dem tiefern Eindringen der Meeres—
fluth Statt finden, welche beide Verhaͤltniſſe in dem mehr weft:
licher geftellten Indusgebiete, ſchon außerhalb der Monfunherr:
fhaft, von geringerer Bedeutung find,
Nitter Erdkunde VII. N
194 Weſt-Aſien. J. Abfchnitt. 6. 3.
Die Einwirkung der Meeresfluth dringt im Indus
nicht einmal, wie wir ſchon oben bemerkten, bis Tatta vor; ob
wegen der groͤßern Suͤßwaſſerſaͤulen, welche dem Anwogen der
Meereswaſſer durch die Fluthenwelle beſſern Widerſtand leiſten,
und ihre entgegenrollende Wirkung vernichten, oder weil die gro—
fen Muͤndungen ſelbſt unguͤnſtig oder ungleich gegen das tiefere
Eindringen der Fluth geftelft find? Gewiß ift es, daß die Fluth
im Indus mit unglaublicher Raſchheit ihren Verlauf hat, und
diefe je näher zur Mündung zunimmt. Im Ganges fcheint die
größte mittlere Fluth von 12 Fuß Höhe zu ſeyn (vergl. Afien
IV. 2. ©. 1211 u. f.), die im In dus, bei Vollmond, beobach-
tete Al. Burnes bis zu 9 Fuß, es fehlte ihm aber die Gelegens
heit die mittlere Fluthenhöhe zu ermitteln. Die Fluthen an der
malabarifchen Küfte übertreffen die der bengalifchen Bay, da fie
zu Bombay die Schiffsdoden zerftörten. Al. Burnes ift jedoch
geneigt, die Fluthen an der Mündung des Indus, mit denen an
der Gangesmündung für gleich groß zu halten. Treffen S.W.:
Monfune mit diefen Fluthen an der Sind: Küfte zufammen, fo
brechen fich die Wogen ſchon weit ab von der Uferkuͤſte, che diefe
Niederung noch erblickt werden fann, bis zur Tiefe von 18 bis
24 Zuß, mwodurd) dann jenes Geftade unnahbar oder verderb-
lich wird. r
Höchft wichtig find diefe Nefultate für den Verſuch einer
wieder zu eröffnenden Indusſchiffahrt ?°°), mag diefe auch für Eu:
ropäifchen Commerz noch entfernter liegen, als die fanguinifche
Hoffnung fie herbeimünfchte. Selbſt für Dampffchiffahre
haben fich die Ausfichten auf dem Indus als möglich eriwiefen,
feitdem man oberhalb Attod, nur 16 Stunden fern von diefer
Feſte in den Bergen von Cohat”), reichhaltige Steinfohlen:
bager, ganz kürzlich (1831) erſt entdeckt hat, alfo am Nord—
ende aller möglichen Schiffbarfeit des Indus, wie in der Nähe
feinee Mündung in Kutch (f. Wien IV. 2. ©. 1042) am Sübd:
ende. Merkwürdig bleibt 5 gewiß, daß der untere Indus,
feloft in der troddnen Jahreszeit nie feichter wird, als big
auf 15 Fuß Tiefe, und dabei die Breite einer 4 Engl. Mile beiz
. behält, daß der Chinab 12 Fuß Tiefe beibehält und der Ravi
die Hälfte, als Minimum der Sundirungen, Die ausgedehntefte
?»*) Al. Burnes Mem. III. p. 199— 203. °°) Al. Burnes Voy.
I. p. 328.
Indusſyſtem in Vergleich mit d. Gangesſyſtem. 195
Binnenfhiffahrt wird fich daher immer nur auf Flachboote, die
nicht mehr als bis 4 Fuß tief gehen, befchränfen müffen; aber
diefe koͤnnen doch 75 Tonnen Laſt Engl. verladen (wie die gro⸗
Ben Rheinſchiffe). Dampfboote, nach Landesart gebaut, koͤnnen
auf dem Strome wahrſcheinlich noch eher gangbar werden, als
auf dem Ganges; tiefgehende Schiffe mit Kielen aber, wie fruͤher
geſagt, nie.
Die Reiſezeit von der Mündung bis Lahore betrug, bei
günftigftem S.2B.: Wind, nur 2 Monat (60 Tage); die hohen
Waſſer der periodifchen Ueberſchwemmung hatten noch nicht bes
gonnen Mitte Juli Ankunft in Labore). Multan wurde von
der Mündung an ſchon nach 40 Tagen erreicht; für den Ravi
allein waren wegen feiner Krümmungen 20 Tage Stromauffahrt
nothivendig, obwol die Boote von Sonnenaufgang bis Sonnen:
untergang fegelten. Durch Schiffsziehen fann das Schiff in eis
ner Stunde 13 Engl. Mile zurücklegen. Der tägliche Fortfchritt
beteng öfter 20 Engl. Miles Weg. Mit leichtem Winde wurden
2, mit ſtarkem Winde 3 Engl, Miles, gegen den Strom, in eis *
ner Stunde zuruͤckgelegt. Mit Dampfſchiffen würde dieſer Lang—
ſamkeit trefflich zu begegnen ſeyn; man wuͤrde Multan ſicher in
10, ſtatt in 40 Tagen, von der Muͤndung aus erreichen, und
ſchon von da aus würde der Markt in die Umgebungen zu “ers
öffnen feyn. Stromhemmungen, Rapiden, Cataracten treten nirs
gends in den Weg. Die fihnelle Ihalfahrt eines Bootes,
von Lahore zur Mündung, würde in 15 Tagen zurückgelegt
ſeyn; nah Multan in 6 Tagen, von da nady Buffur in 4,
nah Hydrabad in 3, zum Seehafen in 25 fie ift im neues
ver Zeit niemals verfucht, weil durchaus fein Handelsverkehr
zwifchen dem Pendfhab und Sind befteht.
Bei diefer phyficalifchen Begünftigung einer Binnenfchiffahrt
des Indus, freten die größten politiſchen Dinderniffe
dagegen auf, ihn als Handelslinie in Schwung zu bringen. Die
Fürften find, feine Geftade entlang, ignorante Barbaren, die den
Zoll der Waaren übertreiben, oder den Handelsmann plündern.
Daher wird der Landhandel durch Umwege vorgezogen. Zwifchen
Lahore und dem Meere zählt man höchftens auf dem ganzen
Indusſyſtem an 700 Boote, die hinreichend find, die Fähren und
den Transport zu bedienen; welch ein Unterfchied gegen die
300,000 Bootsleute des reichbevölkerten Gangesſyſtems (f. Aſien
R—
196 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 4.
IV. 2. S. 1228). Alle diefe Hindernäffe würden für die politifche
Macht der Briten nicht unbefiegbar fenn, wenn es diefer einmal
darauf ankaͤme, den Indus als die große, natürlihe Werft:
grenze dis Britifch Zndifchen Neiches zu fichern; denn Briten
fönnten die Schiffahrt des Indus dominiren. Die Vortheile,
welche diefer Strom der Strategie darbietet, find fehr bedeutend,
da cr auf feinem Rücken von Aitock bis zum Ocean eine Flotte
fo gut tragen koͤnnte, wie die Wolga Peter des Großen Flotte >
von Kafan abwärts trag, und vor allem würde die ifolirte Fr
finngsgruppe von Bukkur eine militairifch fehr wichtige Pofir
tion ſeyn.
Zweites Kapitel,
Das Gebirgsfuitem des Hindu-Khu und der Kabuls
ſtrom. SKaferiftan; Die Borftufe Peſchawer; die
hohe Kabulterraffe,
6 4
Veberfidt.
Der Hindu-Khu, Indiſcher Kaukaſus.
Hindu:Khu, d. h. im Perſiſchen und dem Landesdialect
Indiſches Hochgebirge, Indiſcher Kaufafus der Mas
cedonier (Gravafafas im Sansfr., d. bh. glänzendes Felss
gebirg, daher Graucasus bei Plin. H. N. VI. 17, f. Afien IV.
1. ©. 449), ift die weftlihe Fortfeßung des großen Himaz
layazuges auf dem rechten Sndusufer (ſ. Alien Bd. I. S. 40, II.
©. 407, 412), durch Afahaniftan bis Balkh und Khorafan, von
deren Verhältnig zum Indusdurchbruche, und den Ihälern des
Abu Sin, des Lundi und Kameh-Stromes, die aus feis
nem Südgehänge hervortreten, ſchon früher die Nede war (f.
oben ©. 15). Mehr als was oben von den zugehörigen Lands
fchaften mitgetheilt ward, ift vom Innern diefes Hindu: Khu,
fo wenig wie von feinem Nordgehänge kaum bekannt, denn
fein Beobachter ift bis jegt in diefe Terra incognita vorgedrunz
gen. Nur in der Ferne ift fen Suͤdgehaͤnge, vom Thale
des Kabulftromes aus, durch die Borüberreifenden genauer als
vordem beobachtet, und die hohen Gebirgspäffe feiner weft:
>
Gebirgsfyften des Hindu Khu. 197
uchſten Glieder, die durch Alexanders Feldzug 30) entdeckt
wurden, find erft ganz neuerlich (1832) durch den trefflihen Ber
obachter Al. Burnes, von Kabul aus, über Bamiyan bis
Khulum und Balkh von neuem uͤberſtiegen, und zum erſten Male
gemeſſen worden. Vom Kabulſtrom (Kophen b. Strabo
XV. 26, Arrian de Exped. Al. IV. 22) geht unſere ganze heutige
Kenntniß jener Gegenden aus, wie von ihm auch Alexanders
Siegeszug gegen die Berguölfer im Indiſchen Kaukaſus feinen
Anfeng nimmt. Seine Thalſtufe bildet recht eigentlich den
Uebergang aus dem tiefen Induslande nad) dem hoben Sran.
Er durchzieht am Suͤdfuße des fihncereichen HindusKhu, im
Paralleliemus mit defien Streihungslinie, von AB. gegen O., ein
großes Langenthal, das gegen ©. von geringern, doch Eeinesweas
unbedeutenden Höhen begrenzt ift. Er entipringt im Weften auf
der Hochterraffe von Kabul, theild von den füdfichen und weſtli—
chen Vorbergen des Hindu: hu (dem Daropamifus), theils vom
nördlich gelegenen Schneegebirge des Hindu-Khu felbft; denn
mehrere, tleinere Ströme fließen unterhalb der Stadt Kabul in
feinem Bette 9 zufammen. Das Flüßchen, welches durch diefe
Hefidenz zieht, ift zwar der Eleinfte Arm deſſelben, giebt aber ges
genwärtig dem Ganzen den Namen. Schon in der erften Tages
reife, weftwärts der Stadt, am Strome aufwärts ziehend, kam
Al. Burnes an deflen Duelle, die Sirhufbma?) (d. h.
Haupt der Duelle) heißt, und aus zwei quellenz und fifch
reichen Teichen, ein Wallfahrtsort, dein Alt geheiligt, hervor—
fritt. Nicht fern von da erhebt fich das erfte Hochgebirge mit
dem Unna: Paß, der von 3 kleinen Forts vertyeidigt iſt, und
nah Al. Burnes Meffung die bedeutende Höhe von — 10,322
Fuß Par. (11,000 F. Engl.) über der Meeresfläche liegt. Es ift
der Anfang der hohen Kohi Baba Berge, wie der ſuͤdweſt—
wärts gebogene Gebirgszug des großen Hindu Schu dafelbft, zwis
fhen Kabul und Bamiyan, genannt wird. Schneegipfel
hoben fich zu beiden Seiten (18. Mai) über den Quellen em:
por. Diefe bedeutende Höhe giebt dem Kabul und alfen feinen
Zuflüffen reißende Strömung; bei Kellallabad brechen fie in
zahllofen Wirbeln, Strudeln und Catarasten ?) durch die füdlis
30°) C. Ritter Ueber Alerander des Großen Felbzug am Indifchen
Kaukaſus. Berlin 1832. 4. ©. 5 u. f. %) M. Klphinstones
Acc. j. 113 und Macartney ebend. p. 655. 2) Al, Burnes Trav.
1. p. 174, s) M. Eiyhinst. p. 100; Renaell Mem. p. 153.
198 Weit: Ajien, I. Abfıhnitt. 6. 4.
chen Fortfegungen der Projection des Hindu-Khu. Die
Stromſchnelle ift hier zwar gefährlich, wird aber doch zumeilen
von Floofen (Jallehs) und kleinen Machen der Mekfapilger hin—
abwärts, mit unglaublicher Schnelligkeit befahren. Da an der:
felben Stelle auch vom Süden her, die vorliegenden Höhen,
Khnber-Berge genannt, der Projection des Hindu-Khu vom
Morden her, deren Hochgipfel der Hohe Coond nach Elphin—
ftones Entdeckungen und Macartneys Schäsungen bis an
20,000 F. Engl. emporfteigen foll, ganz dicht entgegentreten, fo
wird eben hierdurch der Engpaß gebildet, welchen der Kabul:
firom bei Jellallabad zu durchbrechen hat, um aus feiner
Dbern Stufe, von Kabuliftan, in feine Untere Stufe,
von Peſchawer, einzutreten, welche dem Induslande viel nd;
her verwandt iſt. Eben unmittelbar unter Sellallabad, in jener
Etromenge ift cs, wo auch der fogenannte Kameh (aus Kaush—
fhaur fommend, f. 06. ©. 16, den Ptolemaͤus Koas nennt) bei
dem Dorfe Kameh, oder Kama, vom Pamer:Gebirge
herab zum Kadulftrom einftürzt. Unterhalb im tiefen und dem
ebenern Ihalboden von Peſchawer verliert diefer fihon viel
von feiner Heftigkeit, theilt fich in mehrere Arme, und eilt nahe
Atto zum Indus (f. 06. ©. 22). Gene Entdefung Elphin:
ftones vom hohen Coond (f. Elphinstone Map of the Kingdom
of Cabul. 1815; Kooner Pie auf Al. Burnes Map 1834), ift eis
gentlidy nur eine MWiederentdefung der neueften Zeit zu nennen,
da fchon Ptolemaͤus diefe Gegend genauer fannte als man
bisher vermuthete; denn eben hier ift das füdlichfte Vorgebirge ſei—
nes Raufafos im eigentlihften inne (lölws), welches felbft
die verunftaltete neunte Tafel zu ‚feiner Aſia fehr richtig .von
Nord gegen Sid, bis an den Kophen gezeichnet darftellt, ihm
gegenüber am Südufer fangen die Parveti-Gebirge gegen
Welten ziehend an. Dies ift der eigentliche fefte Punct, auf
welchem die fo oft befprochene Benennung diefes Kaufafus bei
den Alten 30%) beruht, und es bleibt noch einer nähern Sprach
forfchung und Erkundigung bei dem, feit Aleranders Zeiten, bis
heute, freigebliebenen, zahlreichen, merkwürdigen Alpenvolfe diefer
Gegend, den Siapufch (Siaput) bei Timur, jest und bei allen
orientalifchen Autoren, gewöhnlich Kafern genannt, uͤbrig, um
zu beftimmen, ob jener Name, den damals die Mafedonier dort
#9*) Ueber Alerander des Gr. Feldzug a. a. O. ©, 23,
Gebirgsſyſtem des Hindu Khu, Usberfiht, 199
in Gang brachten, nicht wirklich nach 2000 Jahren, noch heute,
‚eben fo einheimifch ift, wie Himalaya (Imaos), oder der
früherhin gleich verrufene und länaft durch die Mohammedaner
Zeiten verdrängt gewefene Name des Orus, welcher ſich neuer
lich ebenfalls bei ihren nächften nördlichen Nachbarn des hohen
Gebirgslandes in Badakfchan, als ganz einheimifh (Kokſcha)
bewährt hat. Von diefem Puncte aus reicht das Hochgebirge
weftwärts bis Bamiyan, wo. die Päffe zu den Baftrianen
hinüber führen (Alexandria sub ipso Caueaso bei Plin.), welchem
von den Macedoniern der Name des Kaufafus im engern
Sinne nur beigelegt ward, fo. wie deflen niedrigerm Weſtende der
Name des Paropamifus. Diefe hat Alerander M. wirk
lih überftiegen, fo wie er am Oftfuße des hohen Coond, durch
das Cooner-Thal, am Kameh-Strome (Koas), tiefer in
die Gebirgshöhen des erhabenen Kaufafus (ldiwg bei Ptolem.)
eingedrungen, ſich rühmen Eonnte, die Völker diefes Kaufas
fus (die jegigen Kafern) befiegt zu haben, in derfeiben Art wie
die Skythen, oder wie Zul. Cäfar, nach ihm, die Germanen am
Rheinſtrom. Oftwärts diefer Erſtuͤrmung der Feften Eaufafifcher
Voralpen (Andaca, Arigaeum u. A., deren Lage 5) wir näher nach:
zumeifen verfucht haben) erhält der Oftzug des Gebirges gegen den
Indus hin und weiter, bei Ptolemäus erfb die Namen Emos
dus, Emaon, Imaus.
Diefelbe Gebirgsgegend um den hohen Coond und den Kas
mehftrom, heut zu Tage von Kafern (Nicht-Mohammedanern)
bewohnt, ift es, welche im engern Sinne den Namen des Hinz
du⸗Khu trägt, der damit verwandt fcheinende und. öfter. vers
wechfelte, oder identifch: gebrauchte Name Hindu⸗Kuſch, fommt
nurden weftlichern Paghöhen zwifchen Bamiyan und Balkh
zu, die nah Ebn Batutas Etymologie, der fie Mitte XIV.
Sahrhunderts überftieg, von dem Verderben ihre Benennung
haben folien, welche ihre Kälte fo häufig dem Transporte Indi—
ſcher Sclaven bringe, die von der Suͤdſeite auf die Nordſeite des
Gebirges nach Balkh geführt, da ihren Tod finden. Daher, nad)
ihn, diefe Paßhoͤhen (es find die 6 von Al. Burnes gemefs
fenen Pälle die von 10,322 bis zu 12,200 Fuß Par. Höhe ems
porfleigen)), die Hind⸗Kuſch, d. i. die Hindu:Toödter?),
5) ebend, ©. 30 u. f. °) Al. Burnes Trav. li p.240. ?) Ibn
ir: ae translat. from the Arab. by Sam. Lee. Lond. 1829
. V ·
200 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 5 4
genannt werden. Diefe von uns fehon früherhin gemachte Uns
terfcheidung 308) beider Namen erhält durc die Bemerkung des
jüngften Augenzeugen, Al. Burnes, faſt Gewißheit, der ſagt:
auf der Weftfeite des Indus verliere die große Gebirgsfette Hinz
doftans ihren Namen Himalaya, den fie von den Grenzen Chis
nas an behauptet. Sie ändere auch ihre Direction von N.W.
nah W. in dem Zuge des Kohi Baba zwifhen Kabul und
Bamiyan, fie fteigere fih zum höchften Pie im Hindu⸗-Kuſch
und werde dann comparativ unbedeutend. Der höchfte Pik firire
zwar diefen Namen HinduzKufc auf feine Umgebung, aber als
allgemeiner Name fer er im Bolfe unbefannt, und nur die
Paſſage, welche über die Schulter (d. i. das Weftgehänge) diefes
Gebirges hinwegführe, die Straße nach Balkh hin, werde der
Hindu-Kuſch-PaßN genannt, derfelbe von welchem Ebn
Batuta feine Etymologie mitgetheilt hat, die aber Al. Burnes
unbefannt blich. \
An der Weftfeite diefes macedonifchen Kaufafus (Hinduz
Khu im eigentlichen Sinne), der gegen N.D., wie Ptolemaͤus
ganz richtig bemerkt, zu noch höhern Gipfeln auffteigt, verzeichnet
diefer Geograph nun das Land der Paropamifaden (oder
Paropaniſaden, f. Afien IV. 1. ©. 449; jegt der Hazareh, bis
gegen Herat hin), zwnächft mit den Stämmen der Parietae und
Cabolitae mit Cabura (Kabul). An die Oftfeite jenes Kaufe:
fus aber (oftwärts des hohen. Coond) feßt er Goryaea, Suastene
und das Sand der Gandari!W), Diefes ganze Gebiet, auf der
Nordfeite des Kabulfiroms, von der hohen Pyramide des
Coond überragt, an deſſem Oflfuße der Kamehftrom (Koas bei
Dtolem.) aus den tiefen Schlünden des Cooner Alpenlandes her:
vorbricht, ift das Kriegstheater von Aleranders Heeress
abtheilung, keineswegs mie ein neuerer Erflärer aus Etymologien'
zu finden glaubt auf dem Suͤdufer des Kabulſtroms 1). Es ift
hent zu Tage mit feinen ewigen Schneehöhen wol auch, wenige
ftens theilmeife, unter dem Namen Koheftan, d. i. das Bergs
land, Alpenland, begriffen, und feine fruchtbaren Voralpen,
unter den des Kohdanum; von feinen Bewohnern, den Ka—
fern, wo diefe noch wirklich Ungläubige, d. i. Nicht-Mohamme⸗
2022) Ueber Alexanders Feldzug ©. 24. ?) Al. Burnes Trav. II.
p. 238. 10) Ueber Alexanders F. ıc. ©. 36. 12) Gelehrte
Anzeigen von den Mitgl. der Bayerifchen Akademie ber Wiſſenſch.
herausge eben 1836. in der Rec. von Al, Burnes. N.
Gebirgsſyſtem des Hindu Khu, Ueberficht. 201
daner, geblichen find, ohne Hindus zu ſeyn, Kaferiftan ges
nannt, ein Name?) von fehr unbeffimmter Ausdehnung,
der hie und da füdwärts bis zum Nordufer des Kabulftroms
reicht, nordwärts aber auch durch das ganze Gebirgsland von
Chitral bis Badakſchan, Anderab und Balih ausgedehnt wird.
Seine wechfelnde, Hiftorifche Bedeutung ergiebt fi) aus dem fols
genden.
Zur Zeit der Mongholenherrfchaft 1?) zerfiel diefes Gebiet in
drei Diftricte (Sirfars); 1) in Pukheli (Mlewzelıwug bei
Arrian, Ievzoraitıs bei Strabo, Jlorrais beißPtolem.) 1%); zus
nähft am Indus, D in Sewad (Samwati bei Sultan Bas
ber!5), zu deffen Zeit e8 als Yagdrevier der Rhinoceroten
berühmt war; Swaut bei Elphinftone, Suastene und Goryaea
bei Arrian) und 3) Bijore (Bajour bei Sultan Baber,
| Banjour bei Elphinft., wo Arigaeum bei Arrian) am heutigen
/ Panjcora, einem rechten Seitenfluffe zum Qundye. Was fich
auf diefem Boden in Beziehung auf Alsranders fühnen Feldzug
gegen die dortigen Völker 16) feiner Zeit, die Kafern, die als
Aboriginer wol bis heute ihre Alpenfige behauptet zu haben fcheis
nen, etwa fagen- ließ, ift in der genannten Abhandlung im befonz
dern nachzufehen. Künftigen Reifenden bleiben die genauern Uns
terfuchungen jener Gegenden vorbehalten, die noch ein reiches Feld
der Entdeefungen darbieten; auch der jüngfte der frefflichen, obs
wol mitunter flüchtigen Beobachter Al. Burnes begnügte fich
im Süden diefer Terra incognita durc) die Stadt Peſchawer,
auf dem Suͤdufer des Kabulftromes, an Kaferiftan vorüber zu
ziehen. Die Nordfeite war freilich zu unficher. Es bleiben uns
alfo nur die frühern Erkundigungen Elphinftones und deflen
eigene Beobachtungen in Defchawer, die aber der fcharffichtige
Al. Burnes felbft, zwei Jahrzehende fpäter (1832), ihm dort
folgend, elaffifch 17) nennt, Hier zu wiederholen übrig, und nur
erft weiter weſtwaͤrts, tiber Jellallabad nach Kabul hin, treten die
reichhaltigen Beobachtungen der jüngern Zeit auf, In dieſer öfls
lichen Hälfte hat Al. Burnes Map auch die Kartenzeichnung
12) M. Elphinstone Acc, p. 618. 9 Ayeen Akbery ed. F. Glad-
win, London 3800. 8. I. p. 155. 14) Ueber Aleranders F. 2c.
©. 2. 25) Sultan Baber Mem. I. c. p. 252. 16) Ueber
Aleranders F. S. 29 u. f.z vergl. Droyfen Gefch. Aleranders des
—5 Berl. 1833. 8. S. 363 u. f. 17) Al. Burnes Trav.
p. 90.
202 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 4
von Elphinftones Map beibehalten, und erft im Weften biefelbe
dadurch berichtigt, daß er die Stadt Kabul um 15 Minuten
weiter nordwärts eingetragen 319) hat, wodurch die Erfcheinung
ihre Erklärung erhält, daß dort die Hoch kette der Schneeges
birge unmittelbar über den Köpfen der Kabulbewohner empors
zufteigen fcheint, und von diefer Capitale Kabuls an, weit fruͤ—
her überftiegen wird, ald es zuvor zu erwarten war, da biefelbe
um einen halben Breitengrad zu weit nordiwärts in Elphinftones
Karte eingezeichnet war. Die Ueberfteigung jener Höhen zeigte,
daf Bamiyan wirklich ſchon im Norden der Waflerfcheide zwi⸗
ſchen Indus und Orus liege. Elphinſtones lehrreiche Karte
ließ noch vielerlei Zweifel und Unficyerheiten für fünftige Berich—
tigung übrig; die große füdlihe Projection der ganzen Hochkette
am hohen Coond nennt Elphinftone felöft, mit Necht, immer
nur noch eine „„Seeming eurve,”19) weil es von Süden aus ger
fehen fo ausfahe, als ob hier eine folche fich bilde. Von diefem
Gefichtspunct aus find auch die folgenden Bemerkungen und eins
gefammelten Nachrichten zu beachten.
Erläuterung 1.
Kaferiftan, Naturbeichaffenheit, Namen, Bewohner, die Kafern,
Siapoſchen; Eufofzyes.
1. Naturbefchaffenheit.
Bon der Weftfeite des Indus bei Karabagh (f. ob. 8.19),
nordwärts auf dem Wege Über Cohat nah Peſchawer, ers
blickt man beim Eintritt in die Ebene, nordwärts diefer Stadt,
deutlich 4 verfchiedene Bergketten %). Nur die vor
derfie, niedrige hatte (Ende Februar) feinen Schnee; die 2te
fehneeige Gipfel; an der 3ten hingen Schneefelder bis zur Mitte
herab, und die Ate, dahinter fich erhebende Hochkette des Indi—
ſchen Kaufafus, terug ewigen Schnee. Sie flieg mit der Mas
jeftät der Niefenberge der Erde in die klaren Lüfte; nicht allmäz
lig und ftufenweis, fondern gewaltig, fteil, Eühn, vom Fuß zum
Gipfel ein Felsgebirg, zumal Zellallabad gegenüber. Selbſt Mitte
Juni, als das Ihermom. in der Ebene auf 36° Reaum. (113°
#1®) Al. Bornes Trav. II. p. 239. 1?) M. Elphinstone Account
p 97. 20) ebend, p. 94 etc.
Hindu Khu, Kaferiftan, " 203
Fahrh.) fand, hatten ihre Schneelaften fih nicht fichtbar ver:
mindert. |
Die drei vordern, niedern Bergfetten, davon die Öftlichfte bei
Torbela (oder Torbaila, f. oben ©. 19) am Indus ihr Ende
erreicht, bilden vier größere Hauptthäler, die von O. nad)
W. gerechnet, auf dem Weftufer des Indus gelegen, unter den
Namen Boonere, Swaut, Punjcora, Bijore (Banjour) befannt
find. Sie follen ganz die Natur Kafhmirs theilen; nur find
fie bald enger bald weiter, mehr oder minder gut bewäflert und
fruchtbar. Unter den Schneebergen ftehen Eichen, Nadelholzwäls
der, große Farrnfräuter, und die Felfen find mit Moosteppichen
überzogen. Auf den Vorbergen gedeihen die beften Obftforten,
Wallnüffe, wilde, traubentragende Neben, wilde Oliven, Maul
beeren, eine Europäifche Flora; in den Thälern Weisen und
Gerſte überall; nur in den heißeften Tiefthälern, von Swaut, die
fi) in Peſchawers Ebene einmünden: Reis, Mais, Zuckerrohr,
Tabak, Baumwolle. Nur Ochfen pflügen hier das Sand, und
find die Laftthiere. Das Terraſſen-Clima macht dies Berggehänge
zum Lande der größten Contraſte; in den Tiefthälern fällt der
Schnee kaum 3 bis 4 Tage, die meiften bewohnten Mittelalpen
tragen ihn 4 bis 6 Monat; über die Bergfirften zieht die ewige
Schneegrenze hin. In den wärmften Tiefthälern haben fi) Af—
ghanen angefiedelt, in die drei genannten mittelhohen Gebirge;
thäler find die Eufofzyes als Herren eingedrungen 1), die uns
zugänglichern Hochthäler zwifchen der Niefenkette bewohnt ein
ganz anderes, von ihnen völlig verfchiedenes Alpenvolk, die Ka:
fern des Indiſchen Kaufafus ?). Nur durch furchtbare Ab—
flürze, durch enge Felsfchlünde, führen befchwerliche Paͤſſe zu ihs
nen; wenn Winde flürmen und Regen fallen, dann praffeln von
den Felswänden vie Gebirgstrümmer herab und machen die
Pfade doppelt gefährlich Cwie z. DB. auf dem Simplon in Het
vetien).
Die Aelpler bewohnen hinter diefen Schutzmauern reiche
und lieblihe Thalwinkel, welche dort ein weites gefegnetes Alpenz
land (alpine country) füllen, über welcdyes wir durch den Be—
richt ?) des Mullah Nujeeb (1810) die erfien beftimmtern Nach—
richten erhalten.
21) ebend, p. 120. 22) ebend. p. 97. 22) ebend. App. C.
p- 618.
204 Weſt-⸗-Aſien. I. Abfchnitt. 9. 4,
Durch das Seitenthal Punjcora reifet man von Pefcha:
wer aus auf engen Zickzackpfaden, die nur von dem Fußgaͤnger
beftiegen werden fünnen, viele reißende Bergftröme auf Holzbruͤk⸗
Een, ſchwingenden Geilbrüden, von Baumzweigen geflochten, uͤber⸗
feßend, in die Hochthäler hinauf. Ueberall find die Gipfel mit
Schneelaften3??) gedeckt. In den geſchuͤtzten engen Thälern wach—
fen in größter Menge die Weinreben wild und cultivirt, und
geben einen Ueberfluß der Eöftlichften Trauben, die wie der daraus
gepreßte Wein und Effig ein wichtiger Handelsartikel des Landes
find. Auch eine Art Aprifofen und viele europäifche Obftforten,
Aepfel, Mandeln, Wallnäffe, wachfen hier in Menge wild 3),
Zahreiche Hegrden von Ziegen, Schafen, Rindvieh, beweiden das
Sand und die Kafern treiben Alpenwirthfchaft: denn durch fie
wird das tiefere Kabul mit Käfe und Butter verforgt. Caums
daiſch wird als der Hauptort des ſtark bevölferten Landes ges
nannt; alle Dörfer find hier an den Abhangen der Berge erbaut,
terraffenweis, fo daß die Dächer der untern die Straßen der
obern bilden. Das Alpenvolf, wahrfcheinlich die Urbewohner, wer
nigftens die älteften, die wir kennen, find die einheimifchen Sias
pofchen oder die Kafern, d. h. Ungläubige, wie fie von ihren
mohammedanifchen füdlichen Nachbaren genannt werden, gegen
die fie einen unverföhnlichen Haß hegen ). Sie wohnen auch)
in der Gebirgsgruppe, welche die. fogenannte Projection des
Hindu:Kufh im W. bildet.
Das Alpengebirgsland von Kaferiftan auf der Oftfeite des
Indus, ift der fchmale Sandftrich zwifchen diefem Strom, dem
Kiſhen⸗Ganga und Jelum Gydaspes), welcher Pukkely (Pukhley
bei Elphinſtone) genannt wird”), Wir wiſſen faſt nichts von
ihm, als was Abul Fazil fagt, daß viel Schnee da fällt, nicht
nur auf den Bergen, fondern auch in den Ebenen; daß der Wins
ter fehr ftreng, die Sommerbige gemäßigt ift; daß auch hier Apris
Zofen, Pfirſiche und Wallnüffe wild wachen, Viehheerden und
zahlreiches Mildprett die Wälder und Berge füllt, und daß ein
Volk mit eigenthimlicher Sprache hier wohnt, welches weder mit
den Kafıhmirern in Often, noch mit feinen Nachbarn in ©. und
IS. verwandt if. Ehedem war es an Kaſchmir unterworfen.
'#?4) Ayeen Akbery. T. II. p. 169 und M. Elphinstone Cabul p. 97. -
*®) ebend, p. 294 und Appendix C. p. 626. 2°) Elphinstone
Cabnl p. 619 und p. 97, und Azeen Akbery. T. I. p. 180.
=?) Aycen Akbery IT. p. 169.
Hindu Khu, Kaferiftan, Name, 205
In neuern Zeiten haben wir Eeine genauern Nachrichten erhal:
ten, doch feheint es, diefer Gebirgswinfel ſey feitdem das Afyl
verfchiedener Voͤlkerſtaͤmme geworden, welche won Afghanen im
W., den Seikhs und Ghuders in S., gegen die obern Flußger
biete zufammengedrängt wurden. Cs werden dort die ganz von
einander gefonderten Stämme der Hazaurehs, Goojers, Jadoons
und Bumbas (Bholbas?) genannt.
Anmerkung. Name; Kaferiftan, Koheftan, Gurkhend.
- Kaferiftan (Land der Ungläubigen) Echrt hier in demfelden Sinne
wie in Nord= und Oſt-Afrika (ditio Cafrorum, i. e. qui Mohammedis
religioni non sunt addieti) ?°) wieder. Die Ungläubigen mit euer und
Schwert zu vertilgen (Gazie), gab, wie Timur ?°) fagte, zugleich Ans
ſpruch auf den Himmel und reiche Beute auf Erben. Ueber die Länder
der verachteten ungläubigen Nachbarn Nachrichten mitzutheilen, hielten die
mohammebanifchen Geographen °9) des Mittelalters, auf denen ein fo großer
Theil unferer Kenntniß des Orients beruht, nicht für der Mühe werth.
Daher unfere völlige Unwiffenheit eines fo merkwürdigen Gebirgsvolkes,
in der Nachbarſchaft des fo viel beſprochenen Kaſchmir, wo der Islam
leichter Eingang fand.
Kaferiſtan wird dieſes Land, ſeit Timurs beruͤhmtem Feldzuge
gegen Oelhi, genannt, auf welchem das Gebirgsvolk ſich zum erſtenmale
gegen den Vertilgungskrieg zu ruͤſten hatte, der ſeitdem immerfort bis
heute uͤber ſeinem Haupte ſchwebte. Hier tritt daſſelbe Verhaͤltniß der
Glaubenskriege der Mohammedaner ein wie in Afrika, am Oſtabhange
von Habeſch, gegen die chriſtlichen Habeſſinier. Der Bekehrungseifer der
mohammedaniſchen Araber, Mongholen, Perſer, Afghanen durch Feuer
und Schwert, entzündet hier alljaͤhrliche Feldzuͤge gegen das Alpenvolk;
und die Alpenkantone, welche nach und nad) zum Islam übergehen, wers
den im Gegenfag von Kaferiftan das mohammebanifche Gebirgsiand oder
Koheftan genannt, ein ſehr allgemeiner Name, der übrigens durch gang
Khorafan bis zum Kaspifchen See hin reiht *!). Diefes liegt dem Gig
der Afghanenmacht näher, macht den weftlichen Theil des Alpengebirges
(von 71° D.2L. v. Gr. an) aus, und wird aud) das obere Kabul, im
Norden des Stromes und der Stadt gleiches Namens gelegen, genannt,
Die Religionskriege werden gegenwärtig meiftens von dem
Eriegerifchen Afghanenftanıme der Eufofzyes gegen bie Kafern ober
28) Edrisi Africa c. Hartmann ce. IV. p. 37. 29) Xerifleddin
- Hist. b. La Croix. T. II. ch.1. Anf. 3°) Ebn Haukal Orient,
Geogr. b. W. Ouseley. p. 147 und 156. »ı) Elphinstone Cab,
PD: 619, 244, 68 uU, 0, > /
206 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 4.
Siapofchen geführt ?*?), weldye dabei zugleich, wie auf ben Sclavens
fang, gegen fie ausziehn, und mit den fchönen Gefangenen, darunter
vorzüglich die Weiber gerühmt werden, die Märkte von Kabul verfehen.
Da wo fie durch ihre Uebermacht Befis von dem Gebirgslande nehmen
Eonnten, da haben fie deffen ältere, einheimifche Bewohner zu ihren
SKnechten *?) oder vielmehr zu ihren Sclaven gemacht, die ihnen das
Feld bauen und die Heerden Hüthen müffen. Zwiſchen diefen leben fie,
als die harten Herren, wie die Spartaner unter Heloten.
Vor 50 Jahren vereinten fi alle benachbarten mohammebanifchen
Zürften zum Vertilgungstriege gegen Kaferiftan. Sie drangen zwar
tief in das Herz der freien Alpenrepublik ein, verwüfteten die Thäler,
wurden aber bald wieder zum Ruͤckmarſch gezwungen, wie die Dobe-
nahs auf den habeffinifchen Geitenterraffen. Doc fo erzeugte ſich fort
und fort ein immer fteigender Haß zwildyen den Grenzvoͤlkern.
Die gegen das Gangısland oder Hind anftogenden Bergoölfer und
auch andere erhielten von den mohammedanifchen Zeloten ebenfalls oft
den Namen der Ungläubigen, der bei den verfchiedenen Schreibarten nur
zu oft als felbitjtändiger Volkename angenommen wird (Kafer, Ca⸗
ver, Gaur, Giaour, Guebr, Gur)®*) Daher die Benennuns
gen z.B. der Stadt Gur oder Gaur (Lucknoti ‚ das man für Gangia
regia des Ptol. hält); des Landes Gurkhend (ungläubiges Hind), den
fogenannten 5 Gaurs in N, von Bengalen;z des Fürften Gaur-khan
oder Gurchan (Fürft der Ungläubigen); des Volkes der Gurchali
in Nepal, der Baur, Guebr in Perfien u, ſ. w. Alle diefe Benens
nungen bezeichnen nur ein relatives Verhältniß im Gegenfag der Moss
lems.
Anmerkung 2, Name, Siapufd, Siaputh; Timurs Als
f penzug im Sahre 1408.
Zwar ift der Name Kafer der’allgemeinfte in diefem Gebirgslande,
doc; hießen die Aelpler nad ihrer Kleidungsverfchiedenheit auch meiße
(Spin Kafirs in der Puſchtu Sprade) oder ſchwarze (Tor Kafirs)
Kafern, und dieje legtern, welche am woeiteften in W. wohnen, wur—
den ſchon zu Timurs Zeit Siapuſch (Siapouches bei Scheriffedbin)
oder Siaputh genannt, wie nody heute, durch ihr Gebiet auf Zis
murs Alpenzuge (1408) **5). Damald waren die Siapuſch ein ges
fuͤrchtetes Bergvold, dem die Mohammedaner von Badakſchan jaͤhrli—
chen Tribut zahlten. Ihr Gebirgsfig wird Kueter (fpäter Kuttore,
#3?) Elphinstone Cabul. p. 627. 33) ebend. p. 334.
**) Chardin Voy. en Perse T. II. p. 179. Schloͤzer nord. Gef.
©. 3965 Golebroofe über Sanskrit von Vater in f. Spracpros
ben ©. 174 u. a.m, 35) Xeriffeddin b. LaCroix. T. ill. ch. 3.
und Kennell Mem. p, 165.
Hindi Khu, Kaferiftan, Siapufh. 207
ſ. Al. Burnes Map, und gegenwärtig heißt noch ein Stamm der Ka⸗
fern Kuttaur oder Kataur) *°) genannt, als eine ftarke Feſte im
Lande Eaouc (jest Kawuk, Kauf); ihre Fürft Dda, oder Odachouͤ.
Andere Bergfeften, deren fie viele unzugängliche hatten, hießen Towkul,
Sorkut u. ſ. w.; darunter auch Alerander des Großen Felfenburg,
Aornus, die freilich weiter im Oſten gefucht werden muß3?”). Uns
geachtet Timur in der beiten Sahreszeit (die Sonne ftand in den Zwil⸗
lingen) die Expedition gegen fie von Badakhſchan aus unternahm: fo hatte
er doc) die größten Befchwerden bei Befteigung der Hochpaͤſſe über. die
Schneefelder hin, die am Zage mit Eis überfroren. Viele Pferde von
der Reiterei Eamen dabei um. Beim Herabweg mußte das ganze Heer
abfigen , felbft der Kaifer fich bequemen, mit einem Alpenftode zu Fuß
zu gehen, weil faft alle feine Pferde verunglücten, Dennoch griff er
die Ungläubigen in ihren Bergen an, auf die fie fi) aus ihrer Burg
Kueter zurücdgezogen hatten. Nach einem Kampf von 3 Tagen und 3
Nächten, heißt es, ergaben fich die Siapuſch, die ſich wie Verzweifelte
gewehrt hatten, mit dem Verfprechen, die Befchneidung anzunehmen,
Als aber bei dem Ruͤckwege ein Regiment des Kaifers von ihnen übers
fallen, und bis auf den legten Mann umgebracht ward, ſchwor Timur
ihnen Rache, griff fie von neuem in ihren Alpen an, und ließ fie insges
fammt niederhauen, Männer, Greife und Kinder, Diefer Sieg machte
ihn ftolz, weil diefes Volk, wie er fagte, felbft von Alerander dem Gro=
gen nicht befiegt worden fey. Auch an andern Stellen des Alpenlandes
machten Timurs Truppen ähnliche Erpeditionen, die zu ihrem großen
Nachtheil ausfielen. Was fie von Ausrottung der Ungläubigen in diefen
Hochgebirgen fprechen, darf nicht wörtlich genommen werden ?*), da fie
heute noch wie vor 400 Sahren ein freies Volk geblieben find, Auch
war dies in einen Gebirgslande nicht möglich, wo ein Alpenpaß in W.
-von Kuttore über den Hindu-Kuſch nach Underab (Snderab auf
A. Burnes Map), durch das Gebiet der Siaputh ſich fo oft kruͤmmt
‚ und wendet, daß man auf defjen Güdfeite in einem Tage 26 mal über
denfelben Fluß fegen muß, und an der Nordfeite bis zum Ende des
Paſſes 22mal über den entgegengefesten ?°) (wie etwa an der Reuß und
dem Zeffino über den Gotthardt).
Nach Zimur haben die Mongolen unter Kaifer Akbar einen eben
nicht glüdlichern Feldzug gegen fie bis zur Bergfeſte Gushal (Kushal,
Kuhthal), die Perfer unter Nadir Schah (1739) einen ähnlichen une
ternommen; das Alpenvolk ift aber immer ununterjocht geblieben.
*®) Elphinstone Cabul App. C. p. 619. 27) Ueber Aleranders F.
a. a. A. ©, 35. »®) Malcolm History of Persia. London 4.
T. I. p 471. 3°) Xerifieddin a. a. ©, L. IV. ch. 23. p. 164.
208 WefteAfien. J. Abſchnitt. 5. 4.
2. Bewohner Aboriginer: die Kafern und
Siapuſch.
Es hatte ſich eine Sage ſchon zu Kaiſer Akbars Zeit und
vielleicht früher im Orient verbreitet 3%), daß in den Gebirgen
von Kaferiftan ein Theil des macedonischen Heeres von Aleranz
‚der dem Großen, bier, bei deflen Durchmärfchen, fisen geblieben,
und feitdem die Oberherrſchaft in dem Lande behauptet habe.
Dies war die nächite Veranlaflung der Britifchen Gefandtfchaft
in Kabul (1809), dort genaue Erfundigungen über das Alpenvol£
durch den erfahrenen Mullah Nujeeb*) einzichen zu laffen.
Der weſentliche Inhalt feines Berichts in Uebereinftimmung mit
den übrigen Nachrichten ift folgender.
Das Alpenvol£ ift von Europaͤiſchem Schlage, alfo von Raus
kaſiſcher Race wie die Kaſchmirer; der fihönen Geftalt und Ges
fihtsbildung wegen find fie berühmt, zumal die Frauen find Schön:
heiten. Timurs Annalift#) fagt, die Siapuſch wären groß wie
die Niefen. Heut zu Tage haben fie feinen gemeinfamen Na:
men, fondern jeder Stamm und jedes der vielen kleinen Ihäs
fer behauptet feine Selbftftändigkeit, wie es ausdrücklich heißt,
nach der geographifchen Lage und nicht nach der genealogifchen
Abftemmung feiner Bewohner.
Aber fie haben die von allen ihren Nachbarn im Orient abe
weichenden Sitten, Wein aus filbernen Schaalen zu trinken,
und an Tifchen auf Stühlen, aud) auf der Erde mit ausgeftreck-
ten Beinen zu figen, unter einander gemein ®). Eben fo ftimz
men fie in Religion und Sprache überein. Sie fprechen eine
dem Sanskrit fehr nahe verwandte Sprache **), obwol in vers
fihiedenen Dialecten. Sie zählen alle nad) zwanzig, oder 20mal
20, d. i. 400. Dies ift ihr Taufend; für das Taufend des Dez
cimalſyſtems haben fie nur das Puſchtuwort (d. i. aus der Afz
ghanenfprache).
Alle verfchiebenen Stämme ftimmen. darin überein, daß fie
nur an Einen Gott glauben, der aber verfchiedene Namen hatz
in Caumdaifch hieß er Imra, bei den Tſokui Dagun. Außer dies
ſem verehrte jedes Thal feine eigenen Idole; viele davon find ihre
Ahnen; es find Familiengötter oder Heroen, die ſich durch Wohl⸗
340) Rennell Mem. ed. 1794. p. 162. #1) Eiphinstone Cabul
App. C. p. 618. 42) Xerifieddin b, La Croix. T. III. ch. 3.
*®) Elphinstone Cabul App. C. p. 617, 626. **) ebend, p. 616.
Hindu Khu, Kaferiftan, Siapuſch. 209
thaten, zumal durch Gaftfreiheit gegen ihre Stammgenoffen, durch
Fefte in ihrem Dorfe u. dgl. das Necht erwarben, fih Grabmale
an der Landftraße, oder öffentliche Statuen zu errichten, die gött
lich verehrt werden, und die Lnfterblichkeit unter den Stammge—
nofien verleihen. Sie halten dafür, daß diefe großen Männer
der Vorzeit für fie bei dem Imra bitten. Solche Bildfäulen find
von Holz oder Stein, ftehen auf Bergen und Felfen, oder in
Haͤuſern, die Imr-Umma genannt werden, Ya der öffentlichen
Halle eines Dorfes fahe der Berichterftatter eine Neiterftatue mit
Speer und Stab, die den Vater eines der Angefehenften im
Dorfe vorftellte; er hatte fie fich felbit errichtet, und die Opfer,
die ihm gebracht wurden, durch Freigebigfeit, Gefchenfe und Feſte
bei ſeinen Lebzeiten erworben. Jeder Gau oder Canton, oder
hier jedes Thal, hat ſeine eigenen Idole. Im Thale von Cum:
daifch waren 13 Hauptgötter, darunter Bugifch, der Gott des
Waſſers, Mauni, der gute Gott, der das böfe Princip Yufch
aus der Welt verftieß, Paradik die 7 Brüder, von einem goldes
nen Baume geboren, mit goldenen Leibern u. a. m. Im Thale
der Tſukui 8) follte der Hindugöge Seddafcheo mit. dem Trie
dens feyn; in andern auch der Shi Mahadeo der Hindu, der
auf gleiche Weife wie von diefen begrüßt werden foll. Ihre Opfer
find völlig von den Hindu verfchieden. Sie befprengen die Idole
mit Blut von der Kuh, verbrennen einen Theil des Opferfleifches
und effen den andern. Andere Ceremonien beziehen fich auf die
reinigende Kraft des Feuers. Sie haben erblihe Priefter und
Inſpirirte, die im Nauche des Opferfeuers wahrfagen. Sie lies
ben Fefte, Schmäufe und Opfer, wobei die Knaben oft Fackeln
tragen und fie vor den Idolen verbrennen. Auch bei dem Be;
graͤbniß wird getanzt, gefungen, geſchmauſet; die Leiche im fchönzs
fin Schmud unter fchattige Bäume beigefegt. Mach der Ges
burt eines Kindes wird die Mutter für unrein gehalten und lebt
24 Iage in einem Haufe außerhalb des Dorfes, das zu dem
Zweck erbaut ift. Die Nückkehr, nachdem die Mutter ein Bad
genommen, gefchieht mit Tanz und Muſik. Dann wird das Kind
an die Bruft der Mutter gehalten, und nun nennen die Umftes
henden die Namen ihrer Vorfahren. Nach demjenigen, Hei wels
dem das Kind zu faugen anfängt, wird es genannt,
7 U, a. O. P- 621.
Kitter Erdkunde VII. D
210 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 5. 4,
Sie leben in Polygamie und erfanfen die Braut mit Vieh;
darin und in Eclaven befteht ihr Hauptreichthum. Nie machen
fie Mohammedaner, die fie immer tödten, zu Sclaven; fie fans
gen untereinander aus ihren eigenen Stämmen die Kinder weg
oder die ärmern, denen die Gegenhülfe fehlt. Sie tragen lange
Bärte, Heiden fih in fchwarze Ziegenfelle, gewöhnlich in 4 (daher
Sin: Pofcbi, d. i. Schwarzgefleidete oder Tor Caufers genannt);
die Wohlhabendern in weiße Baummwollenzeuge. Ihr Putz ift von
Eilber oder Zinn. Ihre Nahrung ift Milch, Käfe, Butter und
Obſt aller Art. Wein trinfen Männer und Frauen in Leber:
fluß, ohne darum in Zänfereien zu verfallen. Sie haben rothen,
weißen und dunfeln Wein. Sie find fehr friedlich und fröhlich
in ihren Dörfern, und im höchften Grade gaftfrei; dem Frem—
den gehen fie vor das Dorf entgegen; er muß überall einfprechen.
Sie find weniger der Jagd ergeben ald die Afghanen; ‚aber das
gegen leidenfchaftliche Tänzer, bei fchneller, wilder Muſik auf Trom⸗
mel und Pfeife.
Den Mohammedanern find fie todtfeindz bei ihren Opfern
beten fie um deren Vertilgung 336), Jeder Siapofche geht fo
lange barhaupt, bis er einen Moslem erlegt hat, und nur dann
erft kann der Juͤngling in alle Nechte des Mannes treten. So
viel der Mann erfchlug, fo viel Federn trägt er auf dem Turban
bei den Feften. Immer find fie zum Feldzug bereit; oft machen
fie, da fie flinE und gewandt auf ihrem Gebirgslande find, weite
Ueberfälle. Sie tragen ein fharfes Meffer auf der linken Seite,
einen Dolch auf der rechten. Don den Afghanen haben fie das
Feuergewehr Eennen gelernt. Sonſt brauchen fie zuweilen vergifz
tete Pfeile; ihre Bogen find 44 Fuß lang und fo ftark, daß fie
ihnen auf der Flucht zu Springftangen dienen, mit denen fie ger
waltige Saͤtze machen koͤnnen. Nach dem Siege fingen fie Kriegs:
lieder. Ein folhes fing an: „Cherahi, cherahi, Mahrach“ und
der Chorus war „Ufchroo vo Uſchroo.“
Diefes Volk iff nun freilich wol feine macedonifche Kolonie,
aber unleugbar bildet e8 mit, der Sansfritfprache und jenem
nichtindifchen Character ein höchft merkwuͤrdiges Mittelglied zwi—
ſchen Indern, Vorder: Afiaten, Kaufafiern, Griechen. Was uns
Al. Burnes neuerlich über fie mittheilt, ift nur gering zu nenz
nen; doch nicht ganz zu überfehen. Er fagt es felbft, daß er über
345) Eiphinstone Cabul App. C. p. 620, 625.
Hindu Khu, Kaferiftan, Siapuſch. 211
ihr Sand und ihre Neligion den Eiphinftonifchen Berichten Nichts
zuzufegen #7) wiffe, obwol er jenen Mullah Nujeeb über feine
Erkundigungen zu fprechen Gelegenheit genommen habe. Diefe
Siapoſch-Kafirs, oder fehwarzgekleideten Ungläubigen, wohnten
in ©.D. von Badakſchan auf den dortigen Gebirgen bis Pefchas
wer, und feyen von allen Nachbarn verfolgt, um fie als Sclaven
einzufangen. Bei dem legten Ueberfalle, den- der Khan von Kunz
duz vor einigen Jahren in ihr Bergland gewagt, habe derfelbe
indeß die Hälfte feiner Armee eingebüßt,
In Kabul fahe Al. Burnes im Haufe feines Wirthes einen
jungen Kafir:Sclaven*), der zwar erft 10 Jahr alt, aber
ſchon feit ein paar Fahren eingefangen war; die ihn abgefrags
ten Wörter, welche mit den Indiſchen Dialecten übereinftimmz
ten, können daher wol nicht als Sprachproben feiner Kafirfprache
gelten. Seine Gefichtsbildung und Färbung war ganz Europäifch,
ganz verfchieden vom Afiatifchen Typus; feine Augen blau. Der
einzige Verkehr der Mohammedaner mit diefem Volke findet nach
dem Gebirgsgau Lughman Statt, der zwifchen Kabul und Pe:
ſchawer auf der Nordfeite des Kabulſtroms fich ausbreitet, deſſen
Bewohner Nimfhu:Mufelman, d.h. Halb: Mohamme:
daner genannt werden. hr Land ift feft, gebirgig, hat gedies
gen Gold, das fie zu Ornamenten und Gefäßen verarbeiten; dag
Volk liebt den Wein. Dies, meint Al, Burnes, habe ſchon Sul
tan Baber und Abul Fazl die Veranlaffung gegeben, fie für
Abköommlinge der Griechen zu halten, eine Sage, die fie ſelbſt
gar nicht haben; ein Irrthum, der daraus hervorging, daß man
fie mit ihren nördlichen Gebirgsnachbarn am Oxus verwechfelte,
bei denen diefe Sage wirklich einheimifch ift (f. ob. ©. 14, 18),
She hehes Gebirgsland, meint Al, Burnes, erkläre ſchon hins
reichend ihre Verfchiedenheit von den Nachbaren; fie fchienen ihm
ein fehr barbarifches Volk zu fenn; fie follen Bären und Affen
effen, mit Bogen und Pfeil fechten und ihre Feinde fcalpiren,
Al. Burnes halt fie nur für urfprüngliche Bewohner des ebenern
Landes, die beim Eindringen der Mohammedaner erft in ihre Ges
Birgsafple eindrangen, Dies fagen die Afghanen, und ihr Name
Kafer beftätige diefe Erzählung. Dies würde freilich den Kafirn
das höhere Intereſſe einer Aboriginerpopulation abftreifen. Doch
*7) Al. Burnes Trav. II, p, 210— 214,
**) ebend. I, p. 166.
2
2i2 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. $. 4. |
fehen wie die Begruͤndung eines folchen Urtheils noch nicht ein;
fo lange Mullah Nujeebs Ansfagen nicht als Lügen conftatirt
find, kann man nicht mit A. Burnes fagen, daß ihre Religion
and Lebensweise nichts merfwärdiges darbiete, und nur, wie er
fich ausdrückt, der Noheit ihrer Civilifationsftufe entfpreche, Die
Heligionsverfchiedenheit diefes Bergtribus von dem Hinduis—
mus fen natirlich, da diefer aus den Ebenen bei ihnen feinen
Eingang gefunden. Eben diefes aber, daß er weder bei ihnen wie
doch in Kafıhmir, Nepaul und andern Bergvölfern eindrang, fo
wenig wie der Islamismus, dem doc) ihre weftlichen und
nördlichen Nachbarn, die Turkoölfer, fich ergaben, läßt fie uns als
ein. befonders intereflantes Volk erfcheinen, und eine Entdeefungss
reife dahin wünfchen ehe ihre Eigenthümlichkeiten durch fortger
feste Kämpfe von außen her gänzlich verwifcht feyn werden. Zu
diefen würde es auch gehören, was Al. Burnes noch von ihnen
erzählen hörte, daß bei ihnen die Weiber alle Arbeit außer dem
Haufe thun, den Pflug führten und fich feloft mit dem Ochfen
an das Joch ſchirrten. !
Zu Sultan Babers Zeit (1519) wurden die Bewohner
des Bijore (Bajour) Thales noch, fammt ihren Sultanen,
zu den Kafern gezählt, und deshalb gegen fie der Krieg ger
führt, den der Sultan in feinen Memoiren ähnlich befchreibt 249),
wie derjenige Aleranders von den griechifchen Hiftorifern befchrie:
ben wird. Er nennt fie flupides Heidenvolf, das durch den
Knall der Feuerwaffen gemaltig in Schrecken gefest worden fey.
Ihre Feften wurden unterminirt, mit Leitern erftürmt, alle Maͤn—
ner mußten als Gegner des Yslam über die Klinge fpringen, die
Weiber und Kinder wurden zu Sclaven gemacht, ihre Sultane
ohne weiteres geföpft, An dem Obſt und Wein diefes Berg—
landes Bajour, der in Lederfchläuchen aufbewahrt wurde, thaten
die Sieger fich gütlich, und der Sultan bemerkt ausdrüdlich, daß
der Wein nur allein aus demjenigen Theile Kaferiftans, der Bas
jour zunächft liege, gewonnen fey. Nach Eroberung der genanns
ten Fefte hielt er mit feinen Leuten die Nacht hindurch dafeldft
Trinfgelag, und einen der folgenden Tage hielt er auf den bes
nachbarten Bergen Zagd nach dem Bizon (Bergochs) und dem
”*°) Memoirs o4 Zelireddin Muhamed Baber Emperor of Hindustan
written in Ihagatai Turki, transl, by I. Leyden and W, Erskine,
London 1826, 4. p. 248 — 249.
Hindu Khu, Eingewanderte, Euſofzyes. - 213
Gewizen (?), der bier ganz ſchwarz ift bis auf den Schwanz,
der nur anders gefärbt fey. Von diefem großen Wild ift gegens
mwärtig dort nichts bekannt. An andern Stellen 50), wo der Sul:
tan von dem von ihm eroberten Iheile Kaferiftans am Kameh—
firome im Norden des hohen Koond fpricht (am Runur und
in Cheghanzferai), bemerkt er, daß ihr Wein fehr ſtark, ſchwer
und gelb, und fo allgemein im Gebrauch fen, daß jeder Kafer
eine Khig, d. i. eine lederne Weinflafhe, um den Hals hängen
habe, um den Wein wie Waſſer zu trinken. Aber auch weft:
waͤrts des Kamehfiromes in den Berggauen Nijromw und
Penjhir am obern Kabulfirome werden von Sultan Babur
noch Kriegezüge der Kafernd!) angeführt, von denen erſt weiter
unten bei der Kabul: Terrafje die Rede feyn fann.
3. Eingewanderte; die Euſofzyes, oder öftlihen
Afghanen; Rohilla's, Patan.
Die Euſofzyes bewohnen die Voralpen und Vorberge ge—
gen den Kabulſtrom; aber ein Theil derſelben breitete ſich auch
in D. des Indus aus 82). Abul Fazit nennt fie Youſef-zy,
und fagt, daß fie von Kabul her einwanderten, ſich in Bijore‘?)
niederließen; feitdem mögen fie weiter vorgerücdt feyn. “Damals
(1600) zogen ſich die Urbewohner fihon tiefer in ihr wildes Ges
birgsland zurück. Nach ihren Gefchichtsbüchern 5%) war die Salz:
wüfte, gegen Herat in Derfien, ihre frühere Heimat, aus der fie
im XIV. Sahrhundert vertrieben wurden, und fich weiter in Often
Bahn brachen, theils die Terraſſe von Kabul befegten, in- das Als
yenland SKaferiftan theilweife eindrangen, oder felbft weiter oft:
wärts über den Indus zogen. Schon Eultan Baber ®) ger
rieth im 5.1519 mit den in Kaferiftan eingedrungenen Yufefzzys
in Fehde. Von Drumtore am Indus, bei Torbela (im N.
von Attock), oftwärts zum Ganges ja bis Rohilcund am Süds
faum des Alpengebirgs, haben fie fich feit Jahrhunderten angefiez
delt, und unter dem Namen der Rohilla mehrere independente,
für das Tiefland von Hind gefährliche Kriegerkfolonien gegruͤndet
(f. Afien IV. 2. ©. 1142).
&0) Mem. ebend. p. 144. 51) ebend. p. 145. 2) Kiphinstone
Cabul p. 120 und 329. 52) Ayecn Akbery. T. Il. p. 157.
5%) Elpbinstone Cabul p. 231, 330. 65) Babur Mem, l. c.
p- 249.
214 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 5. 4
Sie find einer der mächtigften, weitverbreiteten Hauptftämme
der öftlichen Afghanen; ihnen in Sprache und Sitte verwandte,
doch weniger zahlreiche Stämme find die neben ihnen in den klei—
nern Alpenthälern von Bajour, Swaut u. f. m. wohnenden Turs
folaunis oder Turfauni, die Momund, Khyberis, Otmankhail u.
a. m. Ihre Heimath in W. des Indus nennen fie Rohils
tend, das Bergland (Roh, d. i. Berg im afghanifchen; Ro—
hilla f. v. a. Bergvolk) *66). Sie haben feinen Aderbau,
feine Induſtrie, feinen Handel; fondern leben als Krieger, Wo
ihre Anzahl ſich mehrt, da wandert ein Theil aus, und das ges
fegnete Indien pflegt diefen jedesmal anzuziehen; nach IB. wanzs
dern fie nicht aus. Daher ift der fruchtbare Boden in der Tiefe
gegen das Alpengebirgsland von Sind und Hind, füdmwärts bis
Defan, und das Grenzgebirge ſelbſt mit ihren Ueberzüglern ge:
füllt, die im Oft des Indus unter dem allgemeinen Namen der
Datanen bekannt find. Diefes find immer Afghanen-Eolonien 57),
bald mit Hindus gemifcht, oder unter eignen Nabobs, wie. die
von Furrufabad, Bopaul, Cournoule, Cudduppa u. f. wm. Die
größte von allen ift die der Nohilla, mit der Hauptftadt Rampur
in S. O. von Hurdwar am Ganges. Wie jene Eufofzyes, die
tapfern Streiter gegen die Kafern, fo waren einft diefe Rohillas
die gefährlichften Nachbarn der Briten in Bengalen geworden,
Sie fprachen alle Pufchtu, d. i. die Afghanenfprache, die
Sändereien, welche die Euſofzyes in Befis nehmen, werden unter
fie durch das Loos (Waiſch) vertheilt. Das Volk zerfpaltet fich
immerfort in viele Kleinere Republiken, die gegenfeitig in den fürchs
terlichften Parteitämpfen ftehen. Eiphinftone lernte einige 30 folz
cher Freiftaaten kennen 5%). - Innerhalb derfelben bilden fih in
ihren meift reichbevölferten Gebieten wieder viele Eleinere Corpo—
rationen, Brüderfchaften (Sodalitia), Gunders genannt, zwi—
fohen ganzen Stämmen wie zwifchen Einzelnen, die ein engeres
Band fnüpfen als das Blut zwifchen Brüdern.
Diefes turbulente Volk hat von jeher Indien in Aufruhr ges
bracht, wie die Normannen aus dem Norden das nordiweftliche
Europa als Abenteurer viele Jahrhunderte hindurch heimfuchten,
fo diefe das nordiweftliche Zndien. Die mongholifchen Heere wur:
den durch fie immer wieder vollzählig gemacht; die mildern Hindu
856) Historic. Account of the Rohillah Afghans 1788. in G. Forster
Voy. II, 57) Elphiustone Cabul. p.350. 55) ebend. p.341.
Hindu Khu, Iskardo in Baltiſtan. 215
mußten oft ihrem Ungeſtuͤm fich ergeben. Mehr als dreihundert
Jahre lang faß eine Dynaftie aus ihrem Stamme fihon auf dem
Throne von Delhi, vor Timur (vor 1400), und aus den Truͤm—
mern des Groß-Moghulifchen Reiches bildete fich in der Provinz,
welche im Sanskrit Kuttäir heißt, die Republik der Nohillas, de:
ren Volk ald das tapferfte in Hindoftan befannt ift. Diefelben
Euſofzyes haben wir oben als die furchtbarften Feinde der heu-
tigen Seikhs, gegen die fie jährlich Neligionsfriege (Ghazie) führ
zen, kennen lernen (f. 05. ©. 52).
So machen diefe Afghanenſtaͤmme, im ununterbrochenen Ein:
dringen vom hohen Plateau in W. nah DO. in das Indiſche
Flachland, grade das Gegenfpiel der feftgersurzelten Hindu aus,
denen der Uebertritt über den obern Indus nach W. hin bei At
tock Benares (d.h. verboten), in ihren Neligionsgefegen verboten
war. Die Afghanen machten jenen Erdſtrich zu einem Lande des
Durchzugs (throughfare) oder der Paflage.
Anmerkung. Juͤngſter Befud in ISkardo, von Charaph
Ali und Mr, Bigne (1835).
Diefen ethnographifchen Notizen wird es zweckmaͤßig ſeyn, hier,
ehe wir noch weiter gegen Weiten fortfchreiten, in einem. Eleinen Nadı=
trage, ber uns fo eben aus einem Gnglifchen Berichte zu Theil
wird ®°°), die neueſte Nachricht von Beſuchen in Is kardo (ſ. oben
S. 14) beizufuͤgen, wohin bisher europaͤiſche Beobachtung noch nicht
vorgedrungen war. Sie wird als Ergaͤnzung zu obiger Beruͤhrung
und den fruͤhern Daten über dieſes Gebirgsland dienen, bei deſſen Bes
ſchreibung uns diefe Nachricht zur Zeit noch nicht zugefommen war, und,
daher leicht an gehöriger Stelle einzufchalten feyn,
Gapt. Wade in Ludiana ſchickte feinen Gefchäftsführer C harays
Ali an den Bürften Ahmed Schah von Iskardo, der einen Be-
richt gab, den wir hier einfady ohne Critik wiebergeben, weil erft die
Zukunft die richtige Würdigung feiner Angaben, die, fo getreu fie auch
feyn mögen, doc immer die Farbe des einfeitig beurtheilgnden tragen,
darbieten wird,
Jskardos Bergland zertheilt fich in viele Thäler von verſchiede—
ner Ausdehnung, am Zufammenftoß der Bergketten des Belut Tag
und Mustag, melde die hohen Ränder Tübets von den Ebenen und
Zhälern Zurkeftans fcheiden. Das größte viele Thäler nimmt der
s») Journ. of the Asiat. Soc. Nov. 1835. f. überf. in Berghaus
Annalen Oct. 1836. S. 84 ıc, eb, Mı. Vigne Leiter dat, Iskardoh
10. Sept. 1835, ebd. ©, 87.
216 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 5 4
Strom von Xttod, d. i. der Indus, ein. Die Einwohner nennen felbft
ihe Land Bäldiftan (Baltiftan). Die Sage geht hier, Alerander
fey auf einem Feldzuge nad Khata (Khatai?) hierher gefommenz weil
aber die Gebirgspäffe (Koteli Mus Tag) durch Schnee gefchloffen ge=
wefen, fo babe er hier fo lange geraftet, bis eine Straße durchgebrochen
worden fey. Dann habe er die Kranken, Alten und Genefenden feines
Heeres mit dem entbehrlidhen Gepaͤcke in eine Fefte, die er errichtet zu=
rücgelaffen, daraus Iskandaria, d. i. das heutige Iskar do, ent-
ftanden fey. Dies fcheint uns eine blofe etymologifhe Grille des Be⸗
zichterftatters oder Anderer zu feyn, da der Ortsname früherer Zeit
auch Esferdu und Sheferdu war; oder es ift eine Uebertragung
der Sage, die von Alexandria ad Caucasum, in der Gegend des heuti=
gen Bamiyan, ald Thatſache ihre pofitive Wahrheit hatte, und nur in
jüngfter Zeit nach jenem fernen Often am Indusſtrome verpflanzt
worden.
Die Größe des Gebietes von Iskardo betraͤgt 11 Tages
märfche in die Länge und 9 in die Breite. Gegen DOften grenzt e8 an
Ladakh, das 11 Zagereifen fern iſt; gegen W. an Gilgit (f. ob,
©. 14), das 9 Tagereifen fern iftz gegen N. an Yarkend (das alte
Khotan) 12 Tagereiſen; gegen ©, an Kaſchmir, das 9 Tagereifen fern
ift (f. ob. ©. 87, 88).
Die Einwohnerzahl wird auf 3 Lakhs Familien (alfo 30,000)' ges
ſchaͤtzt, was aber zu viel zu feyn fcheint. Das Volk ift in verfchiedene
Theile getheilt, welche ſich insgeſammt Baͤldi (alfo ganz richtig wie
fie ſchon Ptolemäus in feiner Tafel als Bairaı eintrug, ſ. Afien B. II.
©, 654) nennen. Darunter ein Tribus die Kirah genannt, vier
Gebote zu befolgen haben jollen, Keine weiblichen Kinder zu tödten
(vergl. Afien IV. 2. ©. 770 u.a. D.), kein falfches Zeugnig abzulegen,
im Gefecht nicht den Rüden zukehren und Niemand zu verläumden,
Die Eingebornen follen wie andere TZübetifche Tribus fehr
phlegmatifch ſeyn ‚(weil Gerfte, Hirſe und Frücdte ihre Hauptnahrung
ſey, fagt der Berichterftatter)., Es ift, jagt Charaph Ali, ein ſtaͤm—⸗
miger, wohlgebauter Menſchenſchlag, mit rothem Gefiht, angenehmen
Zügen, aber wenigem Haar am Leibe und kaum mit Bart; fie find ohne
Unternehmungsgeift, verrätherifch, Hinterliftig. — Aus diefer Schilderung
wird es hoͤchſt wahrfcheinlic, daß diefe Bewohner Iskardos von demſel⸗
ben Schlage der Völker von Lech, Tübet, Butan u. f. w. find, aber
verſchieden von dem ihrer füdlihen Nachbarn, der Kajchmirpopulation,
und verfchieden von dem Volksfchlag der Kafern im Weiten. IJskardo
wäre demnach die am weftlichften vorgedrungene Anfiedlung jener
tatarifch-tübetifchen Race, welche, wenn die Daradi dort ihre Vorfah—
ren waren, dafelbft als Aboriginer, oder wenn fie als Bhoteas (f.
Afien I. ©, 653— 655 u, f.) erfi einwanderten als Golonifation, je
Hindu Khu, Iskardo, Grenzvolk. 217
doch immer als ein merkwuͤrdiges Grenzvolk innerhalb des Ge-
birgsſyſtems für genauere Erforfhung die hoͤchſte Aufmerkfamteit vers
dienen.
Gerfte, Weisen, Fleiſch, find gewöhnliche Nahrungsmittel, der. Reis
nicht allgemein. - Wer es kann frühftüdt Thee, und bewirthet. feine
Gäfte mit Thee wie in Ladakh. Der Gebrauch diefes Lurusartikeld uns
geachtet des hohen Preifes ift allgemeiner geworden als es früherhin der
Fall war, Die Kleidung ift wie in Ladakh, die Landleute tragen Dja—
mahs, eine Art Rod aus Ziegenhaaren gewebt. Baummolle wird nicht
gebaut und wenig gefragen; fie wird nur aus Yarkend und Kafchmir eins
geführt. Die Häufer von Stein und Holz erbaut, haben 2 bis 3 Stod
Höhe und platte vorfpringende Dächer, wie am füdlichen Himalaya.
Die Bewohner find Shiüten, Nachfolger des Smam Dijafar (über
frühe mohammedanifhe Bekehrungen, f. Afien IL ©. 424). Aber gegen
Gilgit Hin wohnt ein Stamm, davon einige Gögendiener, welde Bäume
anbeten (ob Buddhadiener, unter dem Bo oder Buddhabaume ?), andere
efien kein Kuhfleiſch (alfo mit indifcher Eitte), wollen aber Mohammes
daner ſeyn.
Die Landeöfprache ift Tuͤbetiſch, aber Bücher haben fie in biefer
Sprade nicht; auch ſteht das Volk nicht unter dem Einfluß der Lamas;
denn Erziehung und Unterricht erhält es in Perfiiher Sprade(?), durch
Häuptlinge und Priefter. Geldmünze curſirt nit; ald Zaufchmittel
find bei ihnen Eleine Stüde rohen Goldes im Gebrauch, das bei ih—
nen in Bergwerken und Flußbetten gewonnen wird (mie bei den Daradi
in der älteften herodotifchen Zeit, f. Aſien II. ©. 657 — 660).
Die Regierung ift im Befig des Alleinherrſchers, Ahmed Shah
(alfo war Jacquemonts Freund wol nidjt König von Ladakh, fondern
von Sekardo, ſ. ob. ©, 77), der von Sofeph dem Propheten der Is:
raeliten, fagt Charaph Ali, abftammen will. Er ift mild, wohlwollend,
fein Titel ift „Ergb mayum,“ d.h. Herr der Berge. Das
Volk nennt ihn Gelpo, ». i. Königs; feine Vafallen und geringern
Häuptlinge heißen Dju. Seine Refideng ift Sstardo. Seit 14 Ge-
nerationen (etwa an 500 Jahre) ift diefelbe Dynaftie im Befig der Herr⸗
ſchaft. Er ift Eeinem andern tribut= oder dienjtpflichtig, fteht auch mit
keinem andern Herrfcher in Verbindung. Nur die Seikhs haben es ver=
ſucht gegen Iskardo hin ihre Eroberungen auszudehnenz daher ift dort
einige Unruhe verbreitet (f. ob. ©. 146). Ein ftehendes Heer ift hier
nicht; die Vafallen fiellen die Truppen; in Noth ruft der Gelpo das
Bolt auf, giebt ipm Waffen und Munition, Die Abgaben werden in
Natura gegeben 5 jeder Landbefiger Liefert 1 Kharwar Weisen, deöglei-
chen Gerfte, Senf und Hirje, Einige Zemindare zahlen ihre Pacht mit
einem Kharwar Shi, jeder fiatt jener drei. Ein Kharwar wiegt
40 ©irs,
—
— —
—
18 Weſt⸗Aſien. I. Abſchnitt. 6. 4.
Bor anderthalb Jahren verbreitete ſich aus Jskardo das Gerücht,
die Ruſſen hätten Kaptſchak genommen und ſeyen nach Ihli dem Empo—
rium (Aſien B. I. ©. 398— 414) gekommen, wo fie an dem großen
See eine Fefte und Stadt erbaut hätten. Um den Frieden zu erhalten,
hätten ihmen die Chinefen eine große Geldfumme gezahlt. Der Fürft
von Ladakh hatte dem Kaifer von China eine andere Nachricht mitges
theilt, daß die Engländer eine Straße nad; Kanghri, in der Nähe von
Söpitti gelegen, bauten, worauf der Kaifer einen Gommifjarius zur
Beobachtung nach Arzeng geſchickt haben foll, mit dem Befehl, daß die
Garnifon von Rudok, 12% Tagemärfche fern von Ladakh (Rudel, f.
Afien II. ©. 603), verftärkt würbe.
Diefem Vorgänger Charaph Ali ift ein Mr. Vigne im 3. 1835
nad; Iskardo gefolgt. Aus feinem Briefe vom 10. Sept. 1835 ergiebt
fi, daß er von Kaſchmir auf einem Flußichiffe nach Bundapur oder
Bundurpur (f. 0b. ©. 87) am großen See (d. i. der Vuller-See) ging,
und von da aus den Berg Shumladier befuchte. Von da kam er in 3
Zagemärfehen nach Gureff, in ein ſehr ſchoͤnes Gebirgsthal, von ho=
ben, Zahlen Bergen umfchloffen. Senfeit Gureff zu einem Engpaffe,
den ein paar Mann gegen eine ganze Armee vertheidigen koͤnnten, wo
aud) ein Gefecht der Seikhs gegen die Tübeter zwei Tage lang anhielt,
Dann kam Mr. Bigne durch oͤdes Land, wo er von Ahmed Schahs
Sohne gaſtlich empfangen war. Die Umgegend ift durch Räuber ges
fahrvoll. Is kar do ift nach Vignes Bericht ein wildes Bergland, das
Thal zum Theil unbebaut, vom Attok, d. i. Indus, hin der hier
ein bedeutender Strom ift. Die Thalbreite beträgt nur 4 Mile Engl.,
bie Länge des Gebietes 15 Engl. Miles. Hohe Gebirge umgeben es,
Ahmed Schah ift ein wohlmollender Mann, Die Meinung der Abftam=
mung von Alerander M. ift hier allgemein verbreitet. Vigne wollte
eine heiße Quelle beſuchen, die auf der Route nad Yarkend liegt; aber
bis Yarkend vordringen wollen, heiße, fagte man, in den Tod gehen,
Seitdem Mooreroft in Ladakh geweſen, habe man das Bild eines Eng»
Kinders an die Mauer von Yarkend gemalt, fo daß jeder andere an dies
fem feltfamen Signatement fogleidy zu erkennen ſey.
Das Thal des Indus fol das Anfehn eines Seebettes haben, in
deffen Mitte der Feld mit der Burg Jskardo liegt. Steinfalz giebt
83 dort in Menge, auf defien Befis der Gelpo ſtolz iſt. Nach einem
Brief vom 30. Sept. ift Mr. Vigne gluͤcklich nach Kaſchmir zurüds
gekehrt, und hat Zübetifche Inſchriften, die er mit zuruͤckgebracht, an
Csoma de Körös zur Entzifferung geſchickt; er hat viele Anſichten des
Landes gezeichnet, die er nach Bombay mit ſich führt. Genauern Bes
sichten über diefen intereffanten Gebirgsgau, in einer fo lehrreichen eth=
nographifchen Stellung für dag Voͤlkerſyſtem Gentrals Afiens fehen wie
mit Begier entgegen,
Hindu Khu, Verftufe Pefchawer. 219
Erläuterung 2%.
Die VBorftufe von Pefchawer; der Uebergang vom warmen
zum Falten Clima (vom Germafir zum Serdſir). Jellallabad;
die Gärten am Surkh-rud; die Denfmale; das Auffteigen -
zur Kabul: Zerraffe.
Im Süden von Kaferiftan wiederholt fich im gleicher Breite
und Fänge, wie in jenem Alpenvorlande, die Terraffenform gegen
das Tiefland des Indus; nur in minder abfoluter Erhebung, als
eine füdliche Vorftufe, welche das vermittelnde Glied der
Alpennatur mit der des ſchwuͤlen und heißen Hindus
ftan bildet. Es ift die reihe Thalftufe von Pefhamwer36),
welche der Kabulfttom unterhalb der Sellallabad Strudel, fid) in
viele Arme voll Auen zerfpaltend, eine Strecke von 7 Tagereifen
weit bis zum Indusvereine durchzieht. Sie iſt gewiflermaßen
zuerft willenfchaftlicy entdeckt und befchrieben durh Elphinz
ftone auf feiner Gefandtfchaftsreife nach Kabul, Im Norden
fleigt das Schneegebirge des Hindu:-Khu empor, im Sud
oder S. W. der Suffaid oder Sufued Kho (d. h. der
weiße Berg); dazwifchen die Ihalebene mit niedrigen Hügeln
von drei Hauptarmen des Stromes und vielen Canaͤlen bewäffert,
an den Ufern hin Tamarisfenweld. Der Ihalboden ift volf
fchwellender Wiefengründe, reicher Ackerfelder, Gärten, Obfthaine,
Maulbeerplantagen; dazwifchen (im 5. 1809) unzählige Dörfer,
und Pefchawer, die Stadt, fammt Caftell, von 100,000 Ein»
wohnern belebt, in der Mitte (1832, zu A. Burnes Zeit mit
ſchwerlich mehr als 50,000) 69). Hier ift die ſchoͤnſte Landfchaft
von ganz Afghaniftan. Von ihr erhebt fih in Weft die Terz
raffe von Kabul weit höher empor (6200 Fuß Par., oder
6600 F. Engl., nah Al. Burnes Meffung)%), und ift daher
weit älter. Peſchawer ward daher die Lieblingsrefidenz der
Monarchen von Afghaniftan im Winter, und Kabul im Soms
mer. Der wellige, fruchtbare Eulturboden zunaͤchſt um die Stadt
nahm 1809 einen Kreis von 6 bis 7 geogr. Meilen ein, auf
dem man 300,000 Bewohner von den verfchiedenften Völkern
rechnen fonnte. Die ‚größere Zahl find vom Hinduflamm, hier
zum Unterſchiede von denen im Oſten des Indus, den Hindus,
»so) M. Kpbinstone Acc, p. 54,71, 95, 98, 100, 114, 120, 356, 640.
°t) Al. Burges Trav. II. p. 319, *) ebend. U. p. 240.
20 Weſt-Aſien. I: Abſchnitt. 54
Hindkis genannt, mit eigenthümfichem Dialect. Aber auch
Perſer, Mongholen, Hazarehs, Khybers und theilweife faft alle
Afghanenfämme aus den Ebenen wie den Bergen, find in dies
fem Eulturboden zufammengefloffen.
Zwar niedriger ald Kabul ift die abfolute Erhebung der
Peſchawer-Stufe über dem Meeresfpiegel doch bedeutend
genug, um einen großen climatifchen Lnterfchied mit dem Ganz
geslande (800 Fuß bei Delhi) oder der Stufe von Lahore
(900 F. üb. d. M.) darzubieten 363), Peſchawer hat fehon
Eontrafte von Früpling und Herbft, die in Hindoftan fehlen.
Man kann feine abfolute Höhe zwifchen 2000 bis 3000 Fuß anz
nehmen. Im März fand Elphinftone den Boden frifch bes
rafet, nur ein Iheil der Bäume trieb junges Laub; nach 14 Tas
gen fanden alle in fchattigem Grün, wie dies fih in Indien nie
zeigt. Es blüheten in den Obftgärten die Pfirfih, Grana—
ten, Aepfel, Birnen, Pflaumen, die im tiefen Indien
fehlen; dagegen werden hier die Orangen fihon fparfam und
der Dattelpalmen fehr wenige, dem Clima wie zu Nom entfpre:
chend, das doch mehr als 15 Grad nördlicher liegt. Die Lands
ſchaft Defchawer hat) wilde Trauben, wilde Piftacien, wilde
Dliven (?), wilde Kaftanien, Maulbeerbaume, PDlatanen, Cedern,
Tamarisken und Eichen (Quere. belote?). Die große Menge von
Hofen und andern Blumen festen ſchon Kaifer Baber in Ent:
zücen, als er zum erſten Male aus feinem EZältern Clima in die
liebliche Ebene von Peſchawer eintrat (im 5%. 1505 im Yanuar).
„Noch niemals, fagt 65) er, hatte ich zuvor das Germfil (Gerz
mafir, d. i. das warme Elima) des Indiſchen Landes ger
fehen; als ich nach 6 Tagemärfchen von Kabul durch den Paß
von Adinahpur, bei dem heutigen Gudamud %) etwas
oberhalb Jeblallabad, hineintrat, erblickte ich eine andere
Welt! Gras, Bäume, Vögel, Wild, Voͤlkerſtaͤmme, alles war neu
und ich ſtaunte; in Wahrheit alles erfchien mir wunderbar.
Sn Peſchawer ftaunte er die Größe der Bäume an. Als Al.
Burnes aus Indien im März in diefe Ebene eintrat, wurde er
von ihren grünen Wiefen, Saaten und Kleefeldern, von dem
®**) M. Elphinstone Ace. p. 55, 145; ' Aycen Akb. II. p. 156 etc.
°*) M. Elphinstone I. c. p. 46, 132, 134, 3005 Ayeen Akb, I. c.
°°) Sultan Baber Mem. p. 157 — 166; vergl. p. 141.
°*) Bergl, G. Forster Vey. Vol, I. p. 68; Al. Burnes Tray. I.
p- 125
Hindu Khu, Borftufe Peſchawer. 221
Duft der Blumen, des Thymus und der Veilchen lieblich em:
pfangen. Diefe legtere Blume (Violet) wird dort wegen ihres
herrlichen Duftes die Nofe des Propheten (Gul i pueghums
bur) genannt.
Peſchawer hat große Sommerhige, die zumweilen bis zum
höchften Grade wie in Hindoftan anfteigt (im J. 1809 blieb das
Thermometer im fühl gehaltenen Zelt zwifchen 35 bis 36° Reaum.,
112 bis 113° Fahıh. ſtehen); doch ift fie nie fo anhaltend wie
dort. Alle Häufer haben fühle Sommerfäle im Kellergefchoß, mit
gemalten Wänden und Springbrunnen (Zirzemines und Tehs
Chanehs), eine Einrichtung, die, freilich von geringerer Art, felbft
in den Hütten der Aermeren nicht fehlt. Ende März (1832),
bei Al. Burnes Befuche, fand am Mittag 67) das Iherm. auf
1220 Neaum. (60° Fahrh.); Mitte April flieg es bis 242° N,
(85° Fahrh.). Die Maulbeeren reiften fihon, der Winter war
fehr firenge gewefen, Hagel, groß wie Musfetenkugeln, war ge:
fallen, der Schnee war am 19ten April von allen benachbarten
Berghöhen gefhwunden, fo daß von ihm bei einer mweitern Reife
nach Kabul feine Befchwerde mehr in den Bergpäffen zu erwars
ten war.
Diefe Contrafte von Winterfälte, Sommerhige, Frühling und
Herbft geben dem Elima von Pefchawer große Mannichfaltigkeit,
doch wird die Winterfälte im Thale felbft nie heftig, und der
Nachtfroft entweicht fchon bei Sonnenaufgang. Das allgemeine
Trockenclima diefes Landftrichs zeigt fih darin, daß nur felten
einmal Regen fällt, der Schnee bleibt auf die Höhen befchränft.
Doc) reift es auch noch in den Märztagen, mit dem Beginn der
Blüthezeit; der Negenmonfun aber, der noch über das Pendfchab
fish verbreitet, erreicht kaum noch diefe Vorftufe 8), und erfcheint
über ihr gegen Anfang Auguft faum noc) in einigen Regen⸗
fchauern.
Diefe merfwürdige Lage der Vorterraffe, macht fie zu einer
wahrhaft vermittelnden Stufe zwifchen dem ‚rauhen Hochs
Alien in Norden und dem ſchwuͤlen Süden. Sie ift ein Repraͤ⸗
fentant des lieblichften, füdenropäifchen Climas, in der Mitte des
Orients; und auf ihr findet fih europäifher Menſchen—⸗
fhlag, fammt der großen Maffe europäifcher Fruchtar—
ten einheimifch, Der Energie des Climas entfpricht die feiner
#7) Al. Burnes Tray. L p.110. °*) M. Elphinstone Acc. p.130.
222 Wert: Alien, 1. Abſchnitt. 6. 4,
Bewohner; ohne die Kälte des Nordens, ohne die Schwüle des
Südens, ift hier ein faft ununterbrochen heiterer Himmel. Das
Terrafienland von allen Seiten, das Terraffenclima, die größte
Mannichfaltigkeit der umherwohnenden Völker, haben hier Con—
trafte erzeugt, die nicht ohne Einfluß auf die Bewohner geblieben
find (f. unten Plateau von Afghaniftan und ran).
Aber die Nähe des Industhals, die große Naturgrenze und
BVölkerfcheide des Orients, zwifchen den Hochländern in W. und
dem Flachlande Indiens in O. hat hier noch mannichfaltigere
Kombinationen und Einwirkungen der Natur bedingt, die erſt
weiter unten ganz überfehen werden fönnen. Hier, zwifchen Balz
tiftan, Afghaniftan und Gran, erfcheint die Terraffe von Pe
fhamwer, als die Vorftufe vom Ganges und Indus zum weft:
lihen HochAfien, als der Eingang zum perfifchen Hochlande,
als die Schwelle der Ihore von Turan und Fran gegen Indo⸗
ftan, wie Kabul und Kandahar 369) feit den älteften Zeiten im
Drient genannt werden. Diefe find in der Ihat für alle Völfer,
für alle Eroberer, für allen Handel und Wandel, die Pforten der
Karawanen und Heere, oder der Cingang zum Lande der
Daffage gemwefen, durch welches allein die Vermittlung des Aflaz
tifchen Oftens mit dem Aftatifchen Weſten wirklich Statt gefunz
den hat.
Diefe Refultate früherer Betrachtungen erhalten dur Al.
Burnes jüngere Beobachtung im wefentlichen nur wenige Zu:
füge, aber überall Beftätigung 70). Mit den gewaltigen inneren
DVerwirrungen, welche das große Afghanen: Reich durch die Cha—
racterlofigfeit feiner eigenen Negenten und die politifchen Par
teiungen getroffen hat, ift au die Provinz Peſchawer feit
dem Jahre 1818 vom Kabul:Reiche abgefallen, und hat ſich feits
dem unter einem AfghanenZweige des Haufes der Barufzye als
felöftftändige Herrfchaft behauptet. Ihr Chef, Sirdar Sultan
Mohammed Khan, theilt die Einkünfte (9 Lakh Rupien) ders
felben mit 2 Brüdern, und hat, um fich ficher zu ftellen, viele
Ländereien an Individuen feines Anhanges vertheilt. Seine
Macht ift nur auf die Ebene von Peſchawer befchräntt und auf
die Berge von Cohat, welche deſſen füdliche Grenze gegen Khuts
6°) Ayeen Akbery T. II. p. 165; Th. Maurice Indian Antiq.
= — 294. 7) Al. Burnes Tray. I. p.319— 328, I. p.85
v
Hindu Khu, Vorſtufe Peſchawer. 223
tak und die Salzkette von Karabagh bilden. Schon die Dorfs
ſchaften in den benachbarten Khyberbergen gegen S.W. zah:
len Eeine Abgaben an ihn, und die dort haufenden Afghanens
Stämme machen den Durchgang durch ihre Paͤſſe gefahrvoll.
Sein Gebiet, Freistund, an 7 geogr. Meilen im Durchmeſſer, ift
aber fehr ftark bevölkert, durch Natur und Kunft ungemein ber
wällert, gedrängt voll Dorffchaften, eines der fruchtbarften und
reichften im Orient, nur mit 2 Städten, der Capitale, feiner Nez
ſidenz und Haſchtnagar, wo der zweite Bruder wohnt; der
dritte hat in Cohat feinen Sis aufgefchlagen, Seine ‘ganze
Macht beftcht nur etwa in 3000 Mann, davon zwei Drittheile
Kavallerie; für Sold treten auch die wilden Khybers in feine
Dienfte, Daß er gegenwärtig einen geringen Tribut an Runjit
Singh zahlt (etwa 50 Pferde jährlich), ift ſchon oben mitgetheilt.
Des Sultan Mohamed Khans älterer Bruder war (1832) der
Chef von Kabul, ihm an Macht weit Überlegen und befeindet;
dagegen Peſchawer an Kandahar als Allürten ein Gegengewicht
hatte, und ein Verbündeter der Briten war, der ihre Keifenden
mit größter Güte empfing.
Diefes Gebiet von Peſchawer, meint Al. Burnes, eines
der fruchtbarften der Erde, fei ein immergrüäner Garten,
der ſich mit dem Spaten bearbeiten und überall bemäflern laffe.
Daher gebe er regelmäßig drei auf einander folgende Erns
ten; rechne man aber die Gerfte, welche zweimal vorher zu
Mferdefutter gefchnitten werde, ehe man fie in Achren fchießen
lafle, hinzu, fo feien es deren fünf. Weisen: und Gerftenernte
fallen im April; der große Neis (Bara) und das Zucerrohr find
von der vortrefflichiten Art, Maulbeerbäume wachfen in großer
Menge; die Seidenzucht wird erft feit neuerer Zeit betrieben. Die
Seidenraupen, welche Al. Burnes dafeloft fahe, waren von
Balkh her über Kabul eingeführt.
Der füdlich anftoßende Bergdiftrict Sohat bringt feinem
Beherrfcher nur 2 Lakh Rupien ein, ift aber durch feine Mines
ralien merkwürdig. Die Fortfegung der Salzberge von Karas
bagh liefert Steinfalz in Ueberfluß, zu + des Preifes, der ihm
in Runjit Singhs Staaten auf der Oftfeite des Indus auferlegt
if. Aus denfelben Bergzügen werden hier auch Gold, Kupfer,
Eifen, Antimonium und zweierlei Arten von Schwefel gewonnen.
Auh Naphtabrunnen werfen hier ein Bitumen aus, das in
den umliegenden DOrtfchaften als Del verbrannt wird, Noch find
224 Weſt-Aſien. IL Abfchnitt. 5 4
diefe nicht näher unterfucht. Aber das Hauptproduct, welches
ganz ‚neuerlich hier die größte Aufmerkſamkeit erregte, find die
Steinfohlenlager 71), welche erft bei Al. Burnes Berei-
fung diefer Gegend entdeeft wurden. Dem Volk war ihre Ges
brauc) unbekannt, ihre Verbrennen fegte es in nicht geringes Erz
ffauner. Die Kohlen zeigen fi) an dem Ausgehenden eines der
dortigen Berge in großer Menge mit Schwefel; es fcheint graue,
bituminöfe Schieferfohle zu fein, die aber fehr gut brennt. In
einem holzarmen Lande, nur 16 Stunden (40 Engl. Miles) fern
vom Indus bei Attock, bis wohin Dampffchiffahrt möglich wäre,
ift dieſe Entdeckung von nicht geringer Bedeutung,
Steigen wir nun mit Al. Burnes 72) von Defchawer
über $ellallabad zur Höhern Terraffe von Kabul hin
auf. Es giebt Fünf verfchiedene Wege, die man dahin nehmen
kann; der Eürzefte wiirde direct gegen Weſt durch die Felsfchluchs
ten der Khyberberge und am Mordfuße des hohen Sufaid
Kho vorübergehen, welche beide der Kabulftrom in nördlichen
Krümmungen umfluthen muß, um von Sellallabad in das Tief:
thal von Pefchawer eintreten zu koͤnnen. Der Khyber⸗Paß
(Kheiber), den ſchon Sultan Babur mit Vorficht durchzog,
an 8 Stunden befchwerlichen Weges, nur in ein paar Tagemaͤr—
fchen zurückzulegen, ift fo feft, daß felbt Schah Nadir deflen
Gebietern eine ſtarke Summe auszahlte, fih den Durchmarfch
feiner Truppen zu fichern. Gern hätte Al. Burnes die wilden
Khybers in ihrer Wildniß gefehen, auch Iud einer ihrer Chefs ihn
zu diefer Wanderung ein, ihm feinen Schuß zufichernd, aber
Niemand traut diefen gefeglofen Horden, die als Näuber gefürchs
tet find. Der KhybersChef war groß von Geftalt, ftarkfnochig,
mit gierigen Blicken, von Branntwein beraufcht, wie alle feine
Genoſſen; er felbft nannte fein Gebiet „Yaghiſtan,“ d. h.
Land der Rebellen, hier unſtreitig ein Ehrentitel. Aus Dr.
Gerards und M. Honigbergers ſpaͤteren Nachforſchungen
ergab ſich, daß innerhalb der Felsſchluchten dieſes Khyber—
Paſſes 7), die einſt, zur Buddhiſten Zeit, wohl friedlicher als
heutzutage zur Moslemen Zeit zu durchwandern ſein mochten, ei⸗
ner der prachtvollften Dagop’s ſtehe, ſo groß und wol noch
..?’%) Al. Burnes Trav. II. p. 328, 72) ebend. I. p. 113—124.
?®) Dr. J. G. Gerard Surgeon Memoir on the Topes and Anti-
quities of Afghanistan Jellallabad, 4. Dec. 1833, in Journ, of *
As, Soc. Calcutta, ed. Prinsep. Vol, III. p. 327.
Hindu Khu, Hinaufweg nach Jellallabad. 225
größer als der in Manikyala. Bei den Unterhandlungen mit der
Horde, um denfelden auszugraben, verlangten ihre Chefs einen
Antheil an dem darin zu findenden Schage, und das ganze Un—
ternehmen unterblicb, Nähere Nachrichten find darüber noch
nicht bekannt.
Der Thalweg durch die fhöne Pefchawer Ebene am Kas
bulſtrome wurde daher diesmal vorgezogen, und bei Muchni
auf einem ſehr gebrechlichen Flooße uͤbergeſetzt, das von aufgebla—
ſenen Schlaͤuchen getragen ward. Der ſchießende Strom, 250
Schritt (Yard) breit, riß das Flooß eine Viertelſtunde thalab; die
Pferde ſchwammen hindurch. Hier ift der Strom noch vereinigt,
der fich unterhalb in die 3 Hauptarme theilt, an deren füdlichz
ſtem Peſchawer erbaut ward. Nur felten wird diefer Kabulſtrom
einmal abwärts befchifft; zum Waarentransport dient er nie, wol
aber gefchieht es zuweilen, daß ſich Mecca-Pilger von bier einem
geringen Nachen anvertrauen, und abwärts durch den Indus bis
zu feiner Mündung fohiffen.
Auf den Vorbergen um Muchni, am Nordufer, muß man
den Pag der Momund durchziehen, einer rohen Horde, den
Khybers vergleichbar, doch weniger freulos, die fich mit einem
Durchgangszoll abfinden läßt. Dann wird der windende Kabul:
firom zum zweitenmal überfegt, wo er, nur 120 Schritt (Yard)
breit, zwifchen 2000 Fuß hohen Felsklippen hindurch vaufcht, vol
Wirbel und gefahrvoller Stellen if. Auc an feinen Südufer
über Dufa und Huzarnow, find wieder befshwerliche Bergs
pälfe, von deren Höhen reisende Blicke in das vomantifche Thal
ſich eröffnen, in welchem aufwärts, den fihlängelnden, infelreichen
Strom entlang, in äußerfter Ihalferne der Spisthurm von Jel—
fallabad fich auszeichnet. Ueber diefem aber feige gegen Suͤ—
den der Sufaid Kho (Sufued Kho, d. bi der weiße
Berg) empor, fihon nah Sultan Babers PVerficherung 7%)
fo genannt, weil der Schnee auf feinem Gipfel nie wegfchmilzt,
und höchft merkwürdig als das nördlichfte Vorgebirge, mit
welchem das lange Solimangebirge (Salomonsberge)
an dem höchften Nordende plöglich abftürzt. Im Norden des
Kabulſtroms aber erhebt fi) der majeftätifche, hohe Kooner
(Eoond heißt bei Elphinftone der höchfte nördliche Gipfel,
7%) Sultan Baber Mem. p.142.
Ritter Erdkunde VIT, P
226 Weſt-Aſien. I Abfchnitt. $. 4
deſſen Suͤdabhang Kooner genannt if), der nach der Afghanen
Sage die Arche Noah tragen fol. Da ihn ewiger Schnee
deeft, fo ift er wol fehr hoch (bis 15,000 Fuß, wenn die ewige
Schneegrenze, nah A. Burnes Beobachtung, hier im
Hindu Khu etwas über 13,000 8. Engl. auffteigt, oder = 12,195
Fuß Par.)*). A. Burnes fagt: diefer Kooner heiße auch
Nurgil; dies febeint aber wol ein Irrthum zu fein, denn
Sultan Bader unterfiheidet am untern Kamehftrom die
Tumans oder die Gauen, Kuner und Nurgil, und fagt, je
ner liege im Often, diefer im Weften ’% feines Ausfluffes zum
Kabulſtrom, wie beide Ortfchaften, nach denen die Gipfel wol
genannt find, auch ganz richtig auf Al. Burnes Map angeges
ben find. Den Kamehftrom laßt er durch Kaferiftan aus
drei Armen, dem Cheghansferai, offenbar dem Weltarm,
dem Baran und dem Baluf zufammenfließen, die dann verz
einigt an Kameh vorüberziehen. Diefe Localität wird von Suls
tan Baber mit befonderer Aufmerkfamfeit befchrieben, weil nur
4 Farfang über dem Orte, der dafeldft Kuner genannt ift, ein
gelehrter Mosleme, Emir Syed Ali von Hamadan, feinen Tod
fand, dem feine Schüler dafelbft ein Manfoleum erbauten, das
der fromme Sultan felbft im Jahre 1514 befucht hatte; er fand.
dafeloft fihöne Anpflanzungen von Orangen und Eitronen
in Menge- Das Thal bei Kuner aufwärts heißt Dereh Nur
(Licht-Thal); es wird vom Fort Kuner am Eingange beherrfcht.
An der Tiefe liegen Neisfelder, es ift nur auf einer Kunftftraße
zu pafliren. Cs hat noch die Früchte des warmen Climas (Ger-
mafir), felöft einige Dattelbäume ftchen noch da, und Chob
Amluk (von den Turks Karayemufch? ob etwa Bananen?),
deren Frucht hier noch reichlich, aber fonft nicht weiter, vor:
fommt. Die Neben diefes Dereh-Nur ranfen bis in den Wir
pfel der Bäume, ihr Wein ift aber dem Ruhme deſſelben nicht
gleich. Etwas oberhalb am Anfange dieſes Thales, bemerkt zu⸗
letzt noch der Sultan, gebe es einige Affen in den Bergen, de—
ren er ſo viele tiefer abwaͤrts nach Hindoſtan geſehen, aber wei—
ter aufwaͤrts gegen Weſten keine. Hier alſo waͤre nach ihm
die Affengrenze Hindoſtans zu ſetzen. Heutzutage wird das
Kuner Thal von dem eigenthuͤmlichen Volke der Deggauns
»275) Al.Bornes Trav. II, p,241. 7°) Sultan Baber Mem. I, e,
p. 143. 144.
Hindu Khu, Hinaufweg nach, Sellallabad. 227
bewohnt 7), die dadurch befonders merkwürdig find, daß fie einft
über den größten Theil des nordöftlihen Afahaniftans verbreitet
waren, gegenwärtig aber nur auf das Kunerthal und einige Thaͤ—
ler von Laghman eingefchränft find, und dafeldft ihre eigenthuͤm—
liche Sprache, das Laghmani, erhalten, welche dem größern
Theile nach aus Sanskrit befteht, aber mit Perfifch gemifcht ift,
und dabei auch viele noch unbekannte Wörter enthält. Sie gehören
alfo noch zu den Stämmen der Hindus, auf der Weftfeite des
Indus, deren genaueres Studium für die Gefchichte der älteften
Brahmanenpopulation in Indien hoͤchſt Iehrreich fern würde,
Wir halten fie für Nefte der antiken Paropamifaden 7), Ihr
Oberhaupt, Syud genannt, ift Eug, genießt Anfehn, zahlt Triz
but an Kabul und ftellt 150 Reiter im Kriege.
Sn der Lage eines benachbarten, ifolirten, fehwerzugänglichen
Felökegels, Näogi genannt, der auf feinem Nüden Kornfelder
trägt und Wafferquellen hat, um eine Garnifon zu herbergen,
‚und an 8 Stunden gegen S.W. von Bijore entfernt iſt, wollte
Al. Burnes das berühmte Aornos, die Vogelsburg, Aleranz
ders wiederfinden, was aber nicht gut möglich ift 79), da diefe
nicht weit von Embolima am Einfluß des Kabulſtromes zum ns
dus lag. R
Die Vörberge um Muchni am Nordufer des Stromes wa:
ren Sandftein®0), auf den Paßhoͤhen zeigten fib Quarz:
gänge; die Klippen in der Tiefe des Kabulbettes, beim Leber:
gang, waren Sranitmaffen;z die Berge von Dufa am Suͤd—
ufer Glimmerfchiefergebirge, mit fenkrecht emporgerichtes
ten Schichten; überall mit trefflicher Weide für Schafe und
Pferde bedeckt, mit duftenden Kräutern bewachfen, mit haufigem
ginfterartigem ‚Strauchwerf (Broom, d. i. Genista) und andern
Gewächfen, die zum Mattenflechten und zum Dachdecken dienen.
Ehe man von diefen Höhen von Huzarnow in Sells
allabads Tiefthal eintritt, muß eine Steinmwüfte durchfegt
werden, die Deſcht oder Buttecote heißt, berüchtigt durch den
peftilenzialifchen Wind, Simum genannt, der hier zwifchen
Schneegebirgen zu beiden Seiten, im Sud wie im Nord, in der
heißen Sommerzeit vorherrfcht, und den Wanderer erftarren, ge⸗
27) M. Elphinstone Acc. p. 98, 318. "8) Ueber Alezanders Feldes
zug ©. 9, ’») chend. ©, 35. s0) Al. Burnes Trav. I.
P2
228 Welt Aften, I Abſchnitt. 9. 4
fühllog machen, ja haufig fogar tödten fol. Auch Pferde
und andere Thiere werden von feinem Pfeil getroffen. Das
Fleiſch erweicht und fault fehnell, die Haare find leicht zu ent—
wurzeln. Diefer Peftilenzwind ift im höhern Sande gänzlich uns
befannt, nur glücklicher Weife auf diefe Strecke von Buttecote
beichränft, die man daher im Sommer ganz vermeidet, oder nur
nach Sonnenuntergang in der Nachtzeit zu durchfegen wagt.
Unter einer Karawane von 40 Mann, wird oft nur einer tödt-
lich getroffen; wenn man ihm fehnell Waſſer eingießt, eine Pie
ſtole vor den Ohren losfihießt, oder durch Feuerbrand reizt, foll
er curirt werden. Manches mag bierbei wol Lebertreibung ſeyn.
A. Burnes erlebte hier, an derfelben Stelle, wo von zwei ent
gegengefegten Niefenbergen die heranzichenden Luftzuͤge ſich über
dem heißen Ihale begegneten, furchtbaren Staubfturm. Nahe
gegenüber auf dem Nordufer des Kabulftromes, wo ſich der Kaz
meh in ihn einftürst, zeigte man in den IImgebungen des Dorfes
Bufful viele in Felſen gehauene weitläuftige Höhlengrups
pen, mit von einander gefchiedenen Cingangen in der Größe wie
Thorwege, die wahrfcheinlih zu chen fo, vielen Troglodytene
Dorffhaften führten, die man den Kafern als ihre ficherften
Wohnungen in allen Zeiten zufchreibt, Zu Al. Burnes Zeit,
waren fie noch nicht näher unterfucht; fie ftehen 3°) wol ficher
mit den grandiofen Denfmalen der Dagop's in näherer Bezie—
hung, die ganz Fürzlich erft auf der Südfeite des Kabulftroms in
den Umgebungen’ von Jellallabad und dem Sufaid Kho ent:
deckt find. Aber auch an der Nordfeite des Kabulſtromes,
weiter aufwärts an ihm, nördlid von $ellallabad in dem
Gebirgsgau Yaghman, follen, wie man Al. Burnes fagte, merk—
würdige Denfmale vorhanden ſeyn, unter denen man vorzüglich
das Grabmal Metur Lam’s’?) (Noahs Vater, Lamech) aus
der Kafer Zeit nannte, der von den Korandienern für einen der
drei größten Propheten oder Heiligen ausgegeben wird, und bier
am Fuße des Berges mit der Arche ruhen fol. So lächerlich
diefe Uebertragung mofaifcher Genealogien auf den indifchen Orient
auch Elingen mag, welche wol Budohiftifchen angehört, fo zwei:
feln wir doch nicht daran, daß dort ein merfwärdiges Denkmal
zu entdefen feyn wird, da wir aus Maffons Nachforfchungen
* Dr.J. G. Gerard Memoir en the Topes I. c. b. Prinsep Jonrn.
DI. p. 325. *?) Al. Burnes Tray. I, p. 122,
Hindu Khu, Jellaltadads Denkmale. 229
willen 8), daß er daſelbſt ſchon cine große Heerſtraße entdeckt
hat, die von Jellallabad aus, am Nordufer des Kabulſtromes
und ſeiner noͤrdlichen Seitenarme hingeht, uͤber Lughman oder
Laghman (Lamghan bei ©. Baber), Taghow, Nijrow
und Khwojeh Khedri zum Zuſammenfluß der Punjſchir
und Ghorkund-⸗Arme, wo er die Trümmer einer ſehr großen
antifen Stadt auffand (cd Nicaea? wenn dies nicht das heutige
Kabut war, f. über Aleranders Feldzug a. a. O. ©. 26), und
jene Plaine um fie her, welche heut zu Tage Beghram heißt,
die mit fo vielen Tauſenden (jährlich ctrwa 30,000 die dort ge:
funden werden) von antifen Münzen überfireut if. Sultan
Babers) nennt ebenfalls fhon jenes Grab des Sanctus Cam;
es liege im Diftrict oder Tuman Aliſcheng, wie noch ein Ges
birgsftrom aus dem Hindu Kho heißt, der zum Kabulftrom fällt,
Der Sultan fagt, Lam heiße auch in den Hiſtorien Lamek,
und Lamekan, und daher werde, weil die dortigen Cimwohner
das Kaf in den Laut Ghain verwandelten, der ganze Gebirgegau
wol feinen Namen Lamghan (d. i. jest Laghman) erhalten
haben.
Sellallabad umgeben ganz nahe, wie Al. Burnes er:
fuhr, fieben hohe thurmartige Bauwerke, Topes oder
Dagopas (f. ob. ©. 113), die fehr alt ſeyn folfen und in der
zen Umgebung man eine fehr große Menge von Kupfermünzen
findet. Nah M. Honigbergers dort gemachten fpätern Auss
grabungen S5) ftieg aber ihre Anzahl daſelbſt zwifchen dem Ka—
bul Deria und dem Surfh-rud bis auf 30, von denen weis
ter unten bei den analogen Enbuliftanfhen Dentmalen die Rede
ſeyn wird.
Die heutige Stadt Jellallabad ift an ſich elend, ein Bazar
mit nur etwa 50 Butiken; eine Population von etwa 2000 Be:
wohnern, deren Zahl fih aber im Winter verschnfacht, weil im
Sommer Alles auf den fühlern Höhen umberfchweift. Es iſt der
Eis eines Chefs. Der Kabulſtrom zieht nur zehn Minuten vor
der Stadt vorüber, ift 150 Schritt (Yard) breit, aber nicht furthe
83) Chas. Masson Memoirs on the Account of Coins found at Be-
shram in the Kohistan of Kabul in Journ. of As. Soc. ed. Prin-
sep Yol. lll. p. 153 etc. s4) Sultan Baber Mem. p. 143.
25) W, Jacquet Notice sur les Decouyertes archeol. faites par M.
Honigberger etc. in Journ. Asiat. 111 Ser. T. Il, Sept. 1836.
p+ 270.
230 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. $. 4,
bar. Die Schneefetten im Morden und Eden der Stadt
geben ihrer Lage etwas fehr eigenthümliches. Die füdliche, naͤm—
lih das Nordende der Solimangebirge, oder der Sur
faid Kho, wird hier häufiger Najgul (wol Raj⸗-ghur, d.h.
Königsberg; im Pufchtu heißt ee Spin-ghurs6), welches
weißer Berg bedeutet) genannt; weiter oftwärts nimmt die Höhe
des Bergruͤckens ab, und verliert fchon, che er das Dorf Dufa
erreicht, das Schneefeld, das aber auf dem Sufaid Kho nie
fchwindet, daher Al. Burnes feine Höhe auf 15,000 Fuß fchägt.
Der hohe Nurgil (d. h. Lichtberog) liegt, wie fihon oben ers
wähnt ward, 12 Stunden in N. von Sellallabad, und erft wei⸗
ter in Nordweſt defielben fangen die hohen Piks des Hindu:
Kuſch fih zu zeigen an,
Ein von Süden aus dem Nordweftgehänge des Sufaid Kho
herabfommender, wilder Gebirgebach, der Surkh-rud (d. h.
rothes Waffer), ergießt fih durch das Thal Bala:-Bagh?”),
das unmittelbar unter den Schnecbergen liegt und noch heute
mit den fchönften Gärten geſchmuͤckt ift, welche die berühmten
Pomgranaten ohne Kerne liefern, die nach Indien ausger
führt werden, in denen die umbefchnittenen Weinreben die
höchften Bäume, wie 80 Fuß hohe Eichenarten (Lilyoaks?) em⸗
porranfen, aber freilich dann auch nur mittelmäßige Trauben
tragen. Niemand denkt jegt mehr daran, daß diefe Anlage von
dem Sultan Baber herrührt, der einft fo viele Verdienfte um
die Cultur feines Reiches fich erwarb. Hier war es, nur wenig
weftwärts und etwas höher auf, im nächften fteilen Gebirgspaß,
den er Badam ches meh (d. bh. Mandel:Nuelle) nennt,
und welcher zur Fefte Adinahbpur am Surfhrrud führte,
wo er zum erftien Male von Kabul hierher vordringend, von der
Schönheit und Neuheit diefes wärmern Tieflandes, Gers
mafir (warmes Klima), im Gegenfag des Serdfir (Ealtes
Clima, nämlich der hohen Kabulterraffe) überrafcht wurde, mo
er, wie wir oben bemerften, alles fo ganz anders fand. Nan—
genhar®), d. h. die 9 Ströme, wird diefe warme Thalfen:
tung genannt, weil fih 9 Schneebäche aus den Hochthälern des
Sufaid Kho hier in fie hinabgiegen und fie reichlich bewäffern,
»**) f. M. Elphinstone Map ei san und deſſ. Account p. IOO.
»7) Al. Burnes Tray. I, p. ®*) Sultan Baker Mem.
p- 41-143,
Hindu Khu, Hinaufweg nah Kabul. 231
die von dem größten derfelben dem Surkh-rud gefammelt, ober:
halb Zellallabad in den Kabulftrom abgeleitet werden. Hier,
fagt er, dem Caſtell Adinahpur im Süden, gegenüber auf einer
Anhöhe legte er, im Jahre 1508, den großen Park (Charbagh)
an, welcher den Namen Baghe Vafa (d.h. Garten der
Treue) erhielt. Man überfchaut aus ihm den Flußlauf, der
zwiſchen dem Caſtell und dem Palafte hinzieht. Als er, 1524,
Lahore erobert hatte, verpflanzte er in diefen Baghe Vafa- die
Banane und das Zuckerrohr (f. Wien IV. 1. ©. 884), die
dort beide fehr gut gediehen. Bei der hohen Lage ift der Winter
dafelbft doc) noch fehr gemäßigt. Um das MWafferbaflin wurden
überall Orangendäume und Pommgranaten gepflanzt, und grüne
Klcewiefen angelegt, fo daß das Auge an dem Saftgrün und den
Goldorangen, wenn fie reiften, die größte Erquieung. fand. Im
Suͤden diefes Gariens fteigt der Sufaid Kho, der Schneeberg ems
por, der nie feinen reinen Schmuck verliert. Zwiſchen ihm: und
dem Gartem ift immer noch Raum genug für eim großes Lager.
An dem Berggehänge find viele, fehöne, luftige Lagen, und. die
Waſſer fo frifch,. daß fie im Eommer nicht erft abgefühlt: zu: wer:
den brauchen. Der Surfhsrud kommt felbft vom: Schneeberg
herab. Das Fort Adinahpur liegt auf einer ifolirten Berghöhe,
die fi” an 40 bis 50 Geez (über 100 Fuß fenfrecht) über dem
Strom erhebt, und ift fehr fell. — So weit des Sultans: eigener
Bericht, der ausdrücklich bemerft, daß vor ihm die vielen Kos
tuls, oder Päffe, welche durch diefe Gegend führen, beftandig.
durch die Raubüberfälle der Afghanen : Tribus unficher- gemacht
worden fenen, bis er, entlang diefes bis dahin unbewohnt geblies
benen Bergweges 39), an der Straße hin die Karatın anſie⸗
delte, wodurch fie erft eine fichere Reiſeroute ward..
Heut zu Tage fieht man den Ort Gundamuf am Surkh⸗
rud, der in derfelben Rocalität ber dem genannten Caſtell liegt,
als die Grenze®) des heißen und Falten Landes an. Auf
jener Seite, fagt man, ſchneie es, wenn es auf diefer regne, und
aud Al. Burnes bemerkte, daß hier (auf einer abfeluten Höhe
von etwa 6000 Fuß über dem Mieeresfpiegel, denn Kabul, die
Stadt, liegt 6200 F. Par. hoch) 21) ſchon die ganze Natur eine
andere Phyfiognomie annehme. In Zellallabad war (Ende
3%) Sultan Baber Mem. p. 140. »°) Al, Burnés Trav. I. p. 124.
»!) Al. Burnes Trav, Il. p. 240.
232 Welt Mien, J. Abſchnitt. 5 4,
April) der Weisen fehon gefchnitten; nur 10 Stunden weiter,
über Gundamuf, fand er erft in Saat 3 Zoll hoch, auf den
Wieſen zeigten fich hier die weißen Gänfeblümchen (daizys); Na;
delholzwald deckte hier die Höhen bis nahe 1000 Fuß, nahe
zur Schneegrenze. Der Neifende muß hier fein leichtes In—
difches Gewand mit warmer Wollkleidung -wechfeln. Bei Guns
damuk ift der Nimla in öder Bergumgebung ein gut cultivirter
Obſtgarten, mit den fchönften Blumenparterren, in dem die Lilien
und Narciffen in voller Blüthe prangten (29. April), wo alle
Obſtbaͤume durch Pfropfreifer veredelt waren. Er ift durch das
Schlachtfeld, in dem er liegt, berühmt, weil hier Shah Shuja
al Muluf, König von Afghaniftan, der Freund der Briten, an
deffen Hofe zu Kabul M. Elphinſtones Gefandtfchaft kurz
vorher fo feierlich empfangen war, noch in demfelben Jahre,
1809, durch innere Parteiungen feine Krone verlor, an feinen
Bruder Mahmud Schah, der ihm den Thron entriß und von
deſſen Vizier Futtch Khan noch auf demfelben Schlachtfelde, vom
faiferlichen Elephanten herab, ale Schah von Afghaniftan
proclamirt wurde. Dies ift der Anfang >92) des feitdem erfolgten
Berfalls des großen Afghanen Reiche; der ganze Juwelenſchatz,
den der Schah mit in den Krieg genommen, ward eine Beute
der Sieger und ex felbft rettete fich nur duch eine Flucht in die
benachbarten Khyberberge. Ueber dem Schlachtfelde ſteigt man
auf Reſten alter Runftfiraßen, die einft von den Groß: Mos
ghulifchen Kronprinzen, die gewöhnlich anfänglich Gouverneure
von Kabul waren, zum Hochlande gebahnt wurden (Sultan
Baber befchreibt hier dreierlei Wege, die man von Kabul in
das Germafir nad) Zellallabad nehmen koͤnne) 82), an Troglo—
dytenhöhlen vorbei, über Jugduluk, auf oͤdem, dürrem,
rothem Boden, und hat die obern Zuflüffe des Surkh-rud, die
aus den Schneefeldern herabrinnen, auf Brüden mehrfach zu
überfegen, bis die Hochs Terraffe von Kabuliftan erreicht
ift, auf welcher nun der Weg gleihmäßiger zur Hauptftadt führt.
Hier ift es, wo ſich im Lande wie beim Volke, alle Formen des
heißen Indiſchen Tieflandes völlig verlieren. As. Al, Bur:
nes hier Ende April campirte, begegneten ihm die erfien Wan—
der-Tribus des Plateaulandes, Ghiljis, ein Afghanens
#»?2) Al. Burnes Sketoh of Events in Afghanistan since the Year
3809 in Trav. II. p. 299, 9?) Sultan Baber Mem, p. 142.
Hindu Khu, Hochterraffe von Kabul, 233
ſtamm, mit ihren Iaufenden von Schaafen, die fie in Heerden,
nach der Echneefihmelze, vor fich her dem Hindu Kufch zutries
ben, wo ‚fie den Sommer über auf der Weide zubringen. Die
Männer trieben die Schafe voran, die Jugend folgte mit den
Laͤmmern nach, alte Widder oder Ziegenböce waren die Leiter.
Der Jubel der Kinderfchaar vermehrte das romantifche diefer Pas
fioralfeenen. Das Hausgeräth folgte auf Laftthieren nach, dun—
kelſchwarze und braune Zelte wurden aufgefchlagen; Weiber, wohls
gekleidete in Nägelfchuhen luden die Kameele auf und ab. Das
active Wanderleben des Hochlandes von Iran hatte feinen Anz
fang genommen, das paffive, feftgeficdelte, contemplative Stilk
leben Hindoftans war nun völlig dem Auge entrüdt,
Erläuterung 3.
Die Hoch-Terraſſe von Kabuliftanz die Stadt Kabul
(Kaßovge b. Ptol.)®).
Zwiſchen dem mächtigen Hindu Khu im Norden, vom
hohen Coond in Oft an, über ven Hindu Kuſch bis zum
Koh i baba, ſuͤdweſtwaͤrts hinaus, und dem fihneehohen Su:
faid Kho im Süden, breitet fih das obere Stufenland
des Kabulftromes mit feinen Duellfirömen aus, deffen füds
lichfter von der Hochebene Ghiznis (Ghazna, Sig der
Ghaznaviden, f. Afien IV. 1. ©. 532) erſt nordwärts nach
Kabul fließt, dann mit dem Sirchuſchma Waffer (f. oben
©. 197) dem Kabulftrom vereint oftwäarts zieht, und die
vom Norden herabfommenden Ghorkund, Punjſchir und an:
dern Hindu Khu-Zuſtroͤme aufnimmt, um fich durd) die Klippen
Sellallabads für immer der Tiefe des Ynduslandes zuzuwenden.
Auf diefen hydrographiſch wohlumgrenzten Sandftrich, faft
ringsumher von Hochgebirgen umkränzt, in feinem Innern aber
nur mit-mancherlei Bergzügen von unbedeutenderer, relativer
Höhe”), ift die Hoh:Terraffe von Kabuliftan beſchraͤnkt,
welche gegen Sud in die Hochebene von Ghizni (Ghazna), ges
gen SW. in die Hochebene von Kandahar übergeht, die
alle drei gefonderte Theile Afghaniftans bilden, aber insge:
ſammt zu einer und derfelden hohen Plateaumaffe gehös
94) Ueber Alexanders Feldzug ©. 14, 26. 9°) M. Elphinstone
Acc. p. 104 — 106.
234 Weſt-Aſien. J. Abfchnitt. 5. 4.
ren, mit deren Hochebenen hier das erhabene Oſt-Iran feinen
Anfang nimmt, Die Hochebene von Kabul fiheint unter
diefen Länderftufen die niedrigfte zu fenn. Kabul, die Stadt, iſt
6200 Fuß Par. Ib. d. M. (6600 F. Engl.) nah Al. Burnes
gelegen ; zugleich ift fie die lieblichfte und gefegnetefte. Das Pla:
teau von Ghizni ift das höchfte und fältefte; das von Kans
dahar hat wegen feinee Nähe an den weltlichen Sandwuͤſten
bei kuͤhlem Himmel zugleid die Plage der Gluthwinde. Kabul
und Kandahar waren zur Zeit der Mongholenherrfchaft die
Mittelpuncte zweier Subahs°%), die von ihnen den Namen
trugen, fie waren wie vor 800 Jahren Ghazna die Nefidenz der
Ghaznaviden, fo in neuerer Zeit die Nefivenzen der Afghanen
Schahs geworden, bis fie in jünafter Zeit wieder zu Sigen zer
fpalteter Häuptlinge der Afghanen-Stämme wurden. Kabul war
durch Sultan Baber der glänzendfte Ausgangspunct des Groß»
Moghulifchen Neiches geworden (f. Afien IV. 1. ©. 621). Durch)
M. Elphinftones Beobachtungen an Ort und Stelle (1809)
erhielten wir nach G. Forfters?”) erfter Durchreife (im Jahre
1783) die wichtigften, authentifhen Nachrichten über diefe Locas
fität, welche neuerlich durch Al. Burnes (1832) fehr lehrreich
ergänzt. iſt; wir laſſen ſie nach einander folgen, da fie unter ganz
verfchiedenen Zeitverhältniffen gemacht find, finden es aber nicht
weniger lebrreih auch auf Sultan Babers interellante Ber
fehreibung von Kabul zurüczubliden, die er als Sultan von
Kabul, oder Padiſchah wie er fich felbft titulirte, wahrfcheins
lich im Jahre 1308, in feinen Memoiren niederlegte®), weil in
ihnen viele Puncte Licht geben, felbft noch über ihren gegenwärtis
gen Zuftand.
Kabul liegt dem Koheftan, d. i. dem Südabhange des Hinz
dusKhu von jenen drei genannten Hochebenen zunächft, und ift
dahinwärts Bergland; aber gegen Südweft und Sud, wo die
Terraſſe allmälig auffteigt, exrfcheint das Land) nur offen mit
freiem Horizont. Flachhöhen (wavy plain) von öden Felsftrichen,
Klippen, Sand und Kiesflächen durchkreuzt und durchzogen. Das
zwiſchen nicht gerade unfruchtbarer Boden, aber, wo feine Quels
Ien, trodne Steppen und Grafungen, und was fogleich den Cha—
#°°) Ayeen Akbery T. II. p. 157, 161—171. °”) G. Forster
Voyage du Bengale à St. Petersbourg ed. L. Langles. Paris 1802
8. Vol. II. p.64 ctc. 26) Sultan Baber Mem. p. 136 — 157. 7,
»») M. Elphinstone p. 121.
Hindu Khu, Hochterraffe von Kabul. 235
racter des Hochlandes verfündet, Mangel an Hochwald,
felöft an Unterholz; nur geringes Bufchwerf und dorniges Ge:
ftripp zu Kameelfutter. Nur wo Wafferlauf, wo einzelne, frucht-
bare, geſchuͤtzte Ihäler, da muchert der Mandelbaum, ein
Charactergewächs von Afghaniftans Plateau, aus den Felsfpalten
hewor. Die Flüffe, weiche vom ©. her dem Kabulftrome zueis
len, find verhältnigmäßig an Wafferfülle unbedeutend gegen die
Nordzuflüffe aus dem Hindu Khu; ſelbſt der größte unter ihnen,
der von Ghizni, das 13 geogr. Meilen im Süden von der Stadt
Kabul entfernt 4%) Tiegt.
Kabul hat eine höchft eigenthümliche Lage, die von der
Configuration des Terrains und von der Weltftellung abhängig
ift, und im ganzen Orient die größte Aufmerkfamfeit auf fich zieht.
Sm N. und. ift es geſchuͤtzt vom indischen Kaufafus und dem
Paropamifus, die dem weiten Ihale reichlihe Waffer zufenden,
auf einer Mittelftufe zwifchen dem hohen Afghaniftan und
dem tiefen Indoſtan; doch ift es wol um das Doppelte höher ges
legen, als die Vorftufe von Pefchawer. Wie Kabul der Kreuz:
weg (trivium, ſchon Strabo braucht hier recht bezeichnend das
Wort, zolodog) der große Durchgangsort zwifchen Perfien und
Indien, ran und Turan, oder dem N. und ©., und dem
Drient und Dccident, der wichtigfte Mittelpunct des Verkehrs für
ganz Mittel-Afien ift, fo ift auch hier ein Wechfel der Atmosphäre,
ein Verein des Himmels und feiner mancherlei Gaben auf dem
Eleinften Naume, beifammen; ein Terraffenelima im größten
Style. In Kabul herrfcht ſchon das Trockenclima von Perfien
vor, aber bis dahin wandern auch vom Oſten her die äußerften
Vorläufer ) der Monſoonwolken, welche hier nur erquicfende,
feine zerfiörende Negengüffe bringen, und im übrigen ran uns
befannt find. Die Kälte Hoch-Aſiens ſchuͤttelt die Schneeflocken,
welche man im D. des Yndus nicht kennt, über alles Hochland
aus im W. von Kabul bis zum Hellefpont. In die tiefern Flu—
ren des lieblichen Kabulthales finkt jedoch Fein Schnee hinab,
aber regelmäßig um kraͤnzt er zur Winterszeit in der Nachbars
fchaft alle Höhen 2). In den Bergen fällt er im September,
in den Hochthälern im November; nach Sultan Baber nicht
400) Col. J. Malcolm History of Persia. London 1815, 4. T. I.
p. 314. !) Elphinstone Cabul p. 130, 132 u. 139. ?) Ayeen
Akbery T. II. p. 171,
236 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 5. 4
weiter oftwärts als um Badam Cheſchmeh, nach Abul Fazit noch
bis zu den Khyberbergen. In Kabul fallen mit dem Kei—
men der Blüthen die befruchtenden Mairegen, die im öftlichen
Afien fehlen; bier it Frühling mit jungem Laub und Blu:
menteppichen, wie in Europa, deſſen Reize in Indien ımbefannt
find. Hier ift feine fchwäle Sommerluft wie am Ganges; reine
Alpenluft, europäifhe Winter mit Schnee und Eis und frifches
Bergwaffer. Die Kälte (unter 34° N.Br.) ift anhaltender, als
3. B. in England, der Sonnenftrahl eindringender in der reinen
Atmosphäre; der Wechſel der Jahreszeiten beftimmt, plößlic),
fehr heftig.
Die Terraffenbildung bringt überall im kürzeften Raume
und in fürzefter Zeit die größten Contrafte einander nahe. Ohne -
die romantifche Erdoberfläche von Kaſchmir, ift hier deſſen Alpens
natur in der Mitte Afiens oder vielmehr an einem feiner wirt
famften Indifferenzpuncte, wo alle Gegenfäge ſich ausgleichen,
zumal die der Puftregionen. Das Land ift eine Bermittes
Iungsftufe (throughfare) für die Erdregion des Orients, und
in der Gefchichte feiner Bewohner der Schauplag eines merkwuͤr⸗
digen, dauernden Wirbels und MWechfelzuges der Völker. Kabul
ift der erfte, öftliche, europaifche Obftgarten im aflatifchen Orient, i
Ale Beobachter im Lande?) beftätigen es, daß hier ein
merfwürdiger Wendepunet für die Afiatifche Yandesnatur, daß bier
eine natürliche Scheidewand zwifchen Oft: und Welt: Afien fey.
Reiter im D. beginnt das von dem übrigen Gontinent abges
fhloffene, in fich felbft gefehrte, charakteriftifch von aller übrigen
Melt verfhiedene Land und Menfchengefchlecht. Weiter nach W.
zu, liegt bis zum SHellefpont und zum Mittelmeere, der Occident
von Alien, der dem Europäifchen Continente zugewendet iftz auf
den diefer als auf das Europäifche Afien, aleichfam in Allem dem,
was er durch ihn überfommen, angemwiefen ift. Amerika ift in
der That durch den atlantifchen Ocean, der Weltftellung nach,
faum weiter von Europa abgefpalten worden, als es Vorder Afien
der innern entzweienden Natur nad) von Hinter: Afien ift, wo
eben um die vermittelnde Stufe von Kabul, nad D. hin, das
hohe, unwirthbare Turan und das alles in feinem Bereiche Ban:
nende und geftaltende Indien beginnt. Es wirkt hier im Gros:
*0°) Ayeen Akbery. T. Il. a. a. D.;5 Zieffenthalee Hindoft. p. 43.
G. Forster Voy. T. U. p. 65 u. v. a.
Hindu Khu, Hochterrafie von Kabul, 237
Ben, jenes eine abftogende, dieses eine anziehende Kraft im hiſto—
rifchen Sinne auf die Menfchengefchlechter aus, von der fein anz
derer Erdtheil eine ähnliche, in demfelben grandiofen Style aufs
zumweifen hätte. Die Iuftigen Grenzböhen von Kabul find die
indifferenten Zuglinien für die Völker, die nicht feifeln, auf de:
nen die dee des Vaterlandes und der Heimat feine Gewalt über
den Menfchen ausübte, faft fein Monument eine locale Dauer
von Bürgerz, Staats: und Cultur-Verhaͤltniſſen verkündete,
Nicht fern von hier. beginnt der allgemeine Zug des inte:
reffes der Menfchen und Toͤlker nach dem Weften, dem Occident,
der in Indien nie zur Spade kam, ein Wechſel der Dinge, eine
Unruhe, ein Suchen nach einem unbefannten Gleichgewichte, nach
einer Ausgleihung des Mangels und des Ueberfluffes u. f. w.,
durch welches auch alle Productionen der Natur (fo 5. B. Wind:
ſyſteme) wie die der Menfchen in die weite Welt fich verbreitet
haben, da im Gegenfage in jenen öftlihen Landen nicht nur den
Menfchen das Wandern durch Natur, Sinn und Gefes verbo:
ten, fondern auch die Verbreitung der eigenthuͤmlichſten Natur:
productionen unter andere Zonen und auf andere Erdflächen
durch die Naturgefege ſelbſt unterſagt war (ſ. Verbreitung der
Gewaͤchſe).
Von Kabul an beginnt ein neues Gebiet von Aſien, das
dem von Perſien, Angtolien, Arkadien, Hispanien und dem El
Maghreb verwandter iſt, und wahrhaft naͤher ſteht als den In⸗
dus- und Ganges; Ländern, wenn ſchon die Landkarte für ſolche
Characteriftit der Erdoberfläche feine Sprache hat. In diefer Hinz
fiht koͤnnte man wol mit Recht, wie oben fagen, hier beginne
das Europäifche Afien als das Gebiet einer neuen Erdregion und
Aſien beftche eigentlich aus zwei Erdtheilen, der Phyſik und der
Gefchichte nad).
Die Stadt Kabul. Sie liegt, nah Al. Burnes Ob:
- ferwation %), unter 34° 24° 5" N. Br., 71° 33° D.2. v. Gr. (71°
45° b. Elphinſt.), ‚auf einer Hochebene 6200 Fuß Par. (6600 F.
Engl.) üb. d. M., nach dem Therinometer beim Siedepunct, wo
jeder Grad zum Werth von 6009 Fuß Engl. gerechnet iſt ). Ih—
ten Namen Kupoiga bei Ptolem. erhielt fie, weil fie im Perfiz
fhen Kaarbur oder Kaabur®), fpäter Kabul genannt ward,
*) Al. Burnes Notice in Trav. II. p. 147. 5) ebend. p. 240.
*) Günther Wahl Oftindien, Hamburg 1807, & Th. IL. € art uf.
238 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. 9. 4,
nach dem Zendnamen Kereverreante, der urfprünglich fo viel -
als „Niederlage der Waaren,“ d. i. Emporium bedeu—
ten fol. Es fcheint diefer Name Kabul mit Sabul, Sa—
buleftan, Sableftan zufammenzuhängen, was fo viel als Kas
rawanenftraße, oder fand der Paffage heißen foll; eine
Benennung, die noch jeßt für das Land zwifchen Kabul und
Herat gilt. Wirklich fagte man Al. Burnes, in Kabul, dem
diefe Etymologie, welche Günther Wahl mittheilte, unbekannt ges
blieben war, die Stadt habe vor alten Zeiten Sabul oder Za—
bul geheißen. Auf jener hohen Ebene hat der Kabulfluß, der
die Stadt durchzieht, auf eine Engl. Mile 50 Fuß Gefälle, fie
fteigt auch wirklich gegen Weft fo bedeutend an, daß fie ſchon
nad) einem Tagemarſch gegen Welt, an der Hauptquelle des Kar
bulftroms, die Sirchushma heißt, bei der Station Julraiz
(d. h. fließend Waffer) zur abfoluten Höhe von 8076 Fuß
Dar. (8600 F. Engl.) fich erhoben hat. Won der Oftfeite herkoms
mend wird die Stadt fihon 10 Stunden fern von den Höhen
des Paſſes Lutabund erblickt; vor ihre liegt das Dorf Butkhak,
von dem die Sage geht, hier habe Sultan Mahmud das Soms
nath Idol (But wird jedes Idol genannt, f. Afien IV. 1.
©. 551) vergraben. Die Stadt) macht von hier einen impos
fanten Eindrud. Sie ift ungemein belebt, rührig, geräufchvoll,
obmwol fie nur 60,000 Einwohner zahlt (1832). Ein großer Bas
zar (Chouchut) an 600 Fuß lang und 30 breit, fehr elegant,
in vier Abtheilungen gebracht, durchzieht die Mitte der Stadt.
Sein bemaltes Dach, feine Cifternen und Fontainen find durch.
die politifchen Unruhen der neuern Zeit leider unvollendet geblies f
ben. Al. Burnes wunderte fidy über die große Menge der
Stoffe, der Seidenwaaren, der Tücher in den dortigen Läden,
Jeder ift Abends durc Lampen erleuchtet. Die große Menge der
Obſtbuden, zumal mit getrockneten Früchten, fest in Erftaunen.
Schon im Mai werden Trauben, Birnen, Aepfel, Quitten, felbft
Melonen feil geboten; Federvieh in Menge; eigene Bazare für
die Handwerksleute, wie für Schufter, für Papier, für Bücher
u.f. w. Weder Wagen noch Enuipagen machen die Straßen
gedrängt; aber überall ftehen die Erzähler und unterhalten das
Dolf, das in feiner diefen, warmen Kleidung, häufig in Schaafs
pelzen, als müßte es dadurch erdrückt werden, einhergeht. Aber
#97) Al. Burnes Tray. I. p. 133 — 164.
Hindu Khu, Hochterrafje von Kabul, 239
die rothwangige Yugend fpringt munter umher. Die Häufer
find alle aus an der Sonne gedörrten Backſteinen zwei Storf
hoch. erbaut; der Kabulftrom durchfchneidet den dichtgedrängteften
Theil der Stadt, der bei naſſer Zeit ungemein fothig ift. Die
Stadt ift in S. und W. durch hohe Felsberge eigefchloffen, an
deren Oftende die Eitadelle Bala Hiffar liegt, welche die Stadt
beherrfcht. Sie ficht auf einem DBergrüden wol 150 Fuß erhas
ben über dem Wicfengrunde der Umgegend, Ein zweites, tiefer
liegendes Caftell, das auch Bala Hijfar heißt, wird vom Gouvers
neur, feiner Garde und von 5000 andern Leuten bewohnt, auch)
ift hier der Königspalaft, an dem verfihiedene der Timuriden Prins
zen, bis auf Aurengzeb, als, Gouverneure von Kabul bauten; meift
Gewölbe für ihre Schäge und die Staatögefangenen der jüngern
Zweige ihres Konigshaufes, die hier Icbenslang eingeferfert zu
werden pflegten. Die heutigen Verftoßenen der Afghanen Dynas
ftie ziehen in Armuth im Lande umher, oder leben im Exil von
Almofen (f. ob. ©. 142). Die große Citadelle ift ganz zerftört,
in Schutt verfallen, unbrauchbar geworden. In der Mitte des
X. Sahrhunderts mag fie noch bedeutend gewefen ſeyn; Ebn
Haukal fagt, zu feiner Zeit fey das Caftell im Befis der Mos
hammedaner gewefen, aber die Stadt Kabul noch in den Hänz
den der Unglaͤubigen >) geblieben. Schade daß er diefe Kar
fir nach ihrer Religion nicht näher beſtimmt; follten e8 die heus
tigen Kafer, oder Buddhiften geweſen fenn ?
Das Clima war, Anfangs Mai, fchönfter Frühling,
als Al. Burnes dort reifete; in Yahore hatten beim Durchs
marfch die Baume, im Februar, geblühtz in Peſchawer
fianden fie, im März, in voller Blüthe; eben fo Ende April
in Kabul. Die herrlichfien Obftgärten, meift in übereinander
auffteigenden Terraffen angelegt, beftätigen recht das ungemein
gedeihliche Clima. Wenn ſchon alle benachbarten Höhen 5 Mos
nate lang mit Schnee bedeckt find, fo bleibt die zwifchenliegende
gefhüste Ebene doch größtentheils davon verſchont; Mittags
fcheint die Sonne fehr heiß, die Abende find ftets fühl, nur im
Monat Auguft fchlafen die Einwohner im Freien auf ihren Bal-
ons. Die eigentliche Negenzeit fehlt hier fehon, und die Res
genfchauer find, wie im mittlern Europa, durdy den größern Theil
des Jahres abwechfelnd vertheilt. Während des Maimonats (1832)
®) Oriental Geogr. ed, W. Ouseley. Lond. 1800. 4. p. 226.
240 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 5 4
ſtieg das Thermometer, nach Al. Burnes Beobachtung, am
heißeſten Mittag nicht Über 14° 22° Reaum. (64° Fahrh.) bei
fietem Nordmwind, der vom Schneegebirge herab immer Kühs
lung bringt, und hier, nad) der Sudbiegung aller Bäume zu urz
teilen, vorherrfchend feyn muß. Die Obftarten Kabuliftans,
die weit und breit dur Indien ausgeführt werden, find bes
ruͤhmt; Datteln fehlen hier freilich fchon ganz (f. oben ©. 226),
aber Wein giebt es hier fo viel, fagt Al. Burnes, daß man
drei Monat hindurch das Vieh mit Trauben füttert (2), von des
nen man 10 verfchiedene Sorten zählt. Kabul ſelbſt ift befons
ders berühmt wegen feiner Föftlihen Maulbeerren; Ghizni durch
feine Pflaumen, die dur ganz Indien unter dem Namen
Bokhara- Pflaumen verkauft werden. Peſchawer durch feine
Birnen; Kandahar durh feine Feigen u. few. Das
Steinobſt in Kabul ift ausgezeichnet delicat; alle Obftarten dies
nen hier mehr als irgendwo, gleich Brot, zur täglihen Nah—
rung des Volks. Die Aprikofen, 14 verfchiedene Sorten, wers
den mit und ohne Kern, auf verfihiedene Weife gebaden, ges
dörrt, in Kuchen u. f. w. zur Speifung aufbewahrt. Die Trauz
ben werden reif und unreif gebrochen, getrocknet, in Mörfern zerz
ftampft, zu Traubenpulver, zu fauerlichen Speifen, zur Würze
von Fleifch verbraucht, oder geröftet zu Brühen, oder zu Traus
benfyrop, zu Nofinen, zu Kuchen gebaden u. dgl. Der Kabul
wein ift dem Madera ähnlich, und würde, bei befferer Pflege, *
noch fehr veredelt werden koͤnnen. Eben fo ift es mit den ans
dern Obftarten. Al. Burnes bemerkte hier vorzüglich die ver
fihiedenften Arten der Pfirfih, Aprifofen, Birnen,
Aepfel, Quitten, Pflaumen, Kirfhen, Maulbee—
ven, Wallnüffe, Trauben, Pomgranaten. Der foges
nannte Königsgarten, im Norden der Stadt, von Timur
Schah angelegt, mit einem Octogon als Sommerpalais in dee
Mitte, und Obftwäldern auf allen Seiten, ift jeden Abend der
Sammelplag des fröhlichen Volks von Kabul, von ungemeiner
Cieblichkeit. Cin Marmorthron, in Fronte, zeigt die ehemaligen
Sitze der Afghanen Könige zur Zeit ihres Glanzes und Glüdes. _
Andere Spagiergänge unter dem Schatten herrlicher Maulbeerz
bäume führen vom Bazar zum Ufer des Kabulfluffes, das mit
Pappeln und Weiden dicht bewachfen ift. Faft alle Wege gehen
an Aquädusten und fließenden Waſſern hin, über welche viele
Brüden führen, und find von Gärten umgeben, Vor der Stadt
Hindu Khu, Hochterrafje von Kabul, 241
fiegt auch das Maufoleum Timur Schahs, der Kabul zu feiner
Reſidenz erhob. Diefes Grabmal, ein Octogon, ift noch unvollens
det; das feines Vaters ift zu Kandahar, der Heimath der
Duranis. Por, einer andern Seite der Stadt an einer fehr
lieblichen Stelle liegt das Grabmal des Sultan Baber, das |
er fich felbft auserwählt hatte, und neben ihm find die Gräber
feinee Frauen und Kinder. Nur zwei einfache, weiße Marmors
fteine bezeichnen die Stelle, mit der Inſchrift: „An der Himmels:
pforte erfragte Nuzvan das Datum des Sterbetages, die Ant:
wort war: im Himmel fey die ewige Wohnung Baber Padi⸗
ſchahs.“ Der kleine Blumengarten dieſes Todtenackers, von eis
ner Marmormauer eingefaßt, und von einem klaren Bache be—
waͤſſert, iſt fuͤr die Bewohner von Kabul an den Feſttagen ein
Verſammlungsplatz; eine kleine Moſchee vor dem Grabe, ward
zum Gebet armer Moslemen, von dem Kaiſer Schah Jehan (ſ.
Aſien IV.1. &.635), im J. 1640, nach feinen Siegen in Balkh
und Badakſchan, ſo wie ein Sommerſchloß von Schah Zemaun
daſelbſt erbaut. Die Ausſicht von da iſt ungemein ſchoͤn, uͤber
eine Ebene von 8 Stunden in Umfang mit Feldern, Wieſen und
Gaͤrten bedeckt, von drei ſich windenden Fluͤſſen durchſchnitten,
“an denen unzählige Dörfer erbaut find, über welche ſich die. bei—
den, Forts erheben, welche der Kabulftrom umfpült. Weber den
b ‚grünen Wieſengruͤnden fteigen gegen Nord die halbfchneebedeckten
‚ Berge von Pughman empor, vor ihnen erblickt man, von Kabul
„aus, ‚das prachtvolle Grün der Landſchaft von Iſtalif, am
Ghorbend, mo die fchönften Gärten Kabuliftans am Fuß der
Schneeberge hinziehen. Gegen Weſt erhebt ſich in den felfigen,
ſchwarzen Bergzügen das wildere Zagdrevier, Die vielen Schag:
‚ren dee Vögel, wie Taubenarten, Droffeln, Amfeln,
Nachtigallen, die Bulbul i huzar Daftan (d. h. Nach:
tigal von taufend Weifen, weil fie jeden andern Vogelfang
nahahmt), die in Badakſchan einheimifch ift, aber hier in Menge
ſich zeigt, verfchönern und beleben die Landfchaft. AL. Burnes
fagt, er fimme mit Necht in Sultan Babers Ausſpruch: „Ka:
bulfey im Frühling durch fein Grün und feine Blu—
/ men ein Himmel,” Der Anficht des Sultans ift auch Abul
Fazl, der Vizier feines Enfels Akbar in der Befchreibung der
Subah Kabul gefolgt.
202) Ayecn Akbery ed. Fr. Gladwin Lond. 1800. II, p, 161 etc,
Ritter Erdkunde VII. Q
242 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. $. 4.
Kabul wird von den einheimifchen Tadjits (f. unten)*19)
und den dort herrfchend gewordenen Afghbanen bewohnt; aber
auch Nachkommen der Perfer, Turk, Hindus, Armenier
und andere Abkoͤmmlinge finden fich dafelöft in buntem Gemifch
vor. Tadjiks werden alle Bewohner Afghaniftans genannt, der
ren Mutterfprache das Perfifche lt) if, Die Sprache des
Afghanen-Volks ift das Puſchtu, die vornehmere Claſſe
der Afghanen fpricht aber auch Perfifch, wiewol nicht die fanfte,
elegante, gebildete Sprache von Gran, fondern einen rohern Dias
lect, in welchem zumal auch viele der dort früher einheimifchen
Drtsbenennungen feltfam verdreht werden G. B. wie Lamghan in
Laghman, Pemghan in, Peghman u. a.); viele der obern Claſſen
folfen fein Pufchtu fpreden. Das Volk ift lebhaft, leidenfchafts
lich, vührig, immer in Zank und Streit, feiner Verftellung fähig,
neidisch, arbeitfcheu, Tebensluftig, guter Dinge. An Gemwandtheit |
find ihnen ihre weftlichen Nachbarn wol überlegen. Characteris
ſtiſch ift was uns gelegentlich erzählt wird, Außer den Hinduz
Kaufleuten (f. ob. ©. 152) und der Armenier:Colonien,
welche hier von Schah Nadir angefiedelt wurde, fanden ſich auch
noch angefiedelte Perſer und Turk dafelöft vor, welche —52*
durch Nadir dahin kamen und ſpaͤter die Leibwache der Kabı
koͤnige bildeten. Als ſolche waren fie eine kleine Prätoris a H
im Staate geworden, und behielten bis heute eine gewiſſe u |
riorität über die Afghanen bei. Bei einer der Seffeisen, im;der .
Stadt, welher A. Burnes beiwohnte, trat auch einet von ide
nen ald Spaßmacher und Improviſator auf, der bei feinem AB
chen Wis, der überhaupt in Perfien mehr als in Afg niſt
Hauſe ſeyn ſoll, zur Aufgabe die Nachahmung der ational⸗ |
charactere erhielt. Er wählte das Thema, wie Verſtorb
etwa 20 Nationen, von dem Propheten am Thore des
fes empfangen werden. Der Uzbecke wurde beſpoͤttelt wegen.
ner wunderlichen Gebräuche und feiner befondern Art der Thee—
bereitung; der betrügerifche und gewinnfüchtige Kafchmirer mußte
das perfifche Sprichwort hören: Kein ehrlicher Mann unter den
Sunniten in Balth, fein ehrlicher Mann unter den &hiiten in
Kaſchmir.“ Als Herater ftellte er einen ſchlauen Zollbeamten an
dem Cingange des Paradiefes vor u. f. w., und als zulegt auch
*19) Ueber Alerander M. Feldzug ©. 17. 11) M. Elphinstone
Ace, p. 99,
Hindu Khu, Hochterraffe von Kabul, 243
ein Afghane anklopfte, fo ward feine barbarifhe Sprache
gar nicht verftanden, fie wurde als eine Sprache der Hölle ers
Hört, und für die, welche fie fprächen, fey gar fein Pläs im
Himmel. Dabei wußte er zur großen Unterhaltung feiner Zuhös
rer geradebrechte afghanifche Phrafen mit Wis und vielem Humor
vorzutragen.
Bon den Afghanen, als Volk, kann erft weiter unten die
Rede ſeyn; denn ihre zahlreichern und unvermifchten Stämme
find feineswegs auf Kabul und Kabuliftan befchränft, fondern
durch den ganzen Dftrand des Hochlandes von Iran mannichfal:
tig zerftreut.
Sultan Baber ift ein beredter Lobredner feiner Nefidenzs
ſtadt, von der ihn nur feine unerfättliche Eroberungsbegier
ſcheiden konnte, als er feine neue Nefidenz in Delhi auffchlug.
Zu feiner Zeit hatte die Stadt zwei Stunden Umfang; ihre Gärz
ten waren durch Bewäflerungen hervorgerufen. Sm Süden ders
ſelben lag ein Sce Schah Kabul (jest Kheirabad), über eine
Stunde in Umfang, und aus ihm waren drei Ausflüffe zur Stadt
geleitet. Die Citadelle auf der Höhe überfchaute den See und
die fchönften, grünen Matten (Auleng), eine fo herrliche Lage,
r
*
1
“>
Pr don ihr der Spruch gilt:
Kein in dem Schloß von Kabul und laß ungehindert
A — ihn die Runde machen;
Som en es ift zugleich: ein Berg und ein See, eine Stadt
* und eine Wieſenflur!
— von Kandahar iſt dem von Kabul zur Seite
auf dieſem kehren die Karawanen ein, von Ferghana,
an, Samarkand, Balkh, Bothara, Hislar und Badakh—
auf jenem mehr die von Khoraſan. Kabul liegt aber
Hindoſtan und Khorafan in guͤnſtiger Stellung
a en Banvel aller Art. Wollten die Kaufleute auch bis Kha⸗
tai und Rum (d. i. China und Rumilien, oder zum aͤu—
Berften Oſten und Weſten) gehen, ſagt Baber, fie würden feinen
größern Gewinn ziehen als hier, jährlich werden 7, 8 bis 10,000
Dferde en Markt nach Kabul gebracht, und jährlich aus
Hindoftan allein 15 bis 20,000 Stuͤck Zeuge. Außer diefen aber
auch fehr viele Sclaven, gemeiner und raffinirter Zucker, Zuders
12) Sultan Baber Mem. p. 136— 138. |
N 2
244 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 6. 4.
kand, Gewuͤrze und Apothekerwaaren. Mit 300 bis 400 Procent
Gewinn ſind hier die Kaufleute oͤfter nicht einmal zufriedengeſtellt.
Alle Produkte von Khorafan, Rum (Türkei), Irak (Perſien)
und Chin (ganz China) find in Kabul zu haben. Es iſt das
große Emporium für Hindoftan. 3
Erläuterung 4.
Der Hindu Kuſch (d. i der Hindu Tödter), Koheftan am obern
Kabulſtrom; die Gebirgspaffagen und der Pag von Kabul
über Bamiyan nach Balkh.
Berfchieden von Hindu Khu ift, wie wir oben (S. 199) fahen,
der Hindu Kufch, nur defien weftlicher Theil. Gluͤcklicher
Weiſe find uns fchon feit Aleranders Zeit uber Bamiyans Buddhas
Coloſſe, und diefe jo höchft merkwürdige Localität Centrals
Aſiens, die vor einem Jahrzehend nur noch in Dunkel und Far
bel gehüllt, doch, ſchon nicht wenig unfere Aufmerkſamkeit 43) auf”!
ſich zog und zu nicht unwichtigen Betrachtungen führte (f. Erdk.
afte Aufl. I. 1817 ©. 694, 799, U. S. 559; Vorhalle 1820 ©.20,
103, 329), in allerjüngfter Zeit, genauere Berichte früx
herer Autoren (Ibn Batutas im J. 1340, vergl. Aſien
IV.1.©.583, und Sultan Babers im J. 1508, f. 06. ©.234),
wie neuefter Beobachter (Al. Burnes u.a.) zu Theil ges
worden, fo daß wir fehon Über dortige Natur, Denkmale und
Völkergefchichte mit größerer Zuverficht als zuvor zw, urtheilen
im Stande find, wenn immerhin Vieles noch zu erforſchen uͤbrig
bleibt. a
ep
1. Die set Re des obern Koheſtan,
Sultan Baber. ”
Da uns jedoch die neuern Reiſenden nur als Bin:
über den Gebirgs-Paß von Kabul über Bamiyan nah
Balkh unterrichten, fo koͤnnen wir von einigen Gauen an dem
Nordufer des Kabulftromes oder vielmehr feines nördlichen
Hauptquellarmes des BaranzFluffes, weftwärts vom Kameh—
firome bis zur Duelle des Kabul am Koh i Baba (f. oben
©. 238), nur weniges aus Altern Angaben vorausfchicken, da des
britischen Forfhers Ch. Maffon gewiß höchft Iehrreiche Unter
#13) Ueber Alexander M, Feldzug 1832 4, ©, 16.
Hindu Khu, KobeftanzThäler n. Baber Sultan. 245
ſuchungen über dieſe Gegend am Baran, bis auf jene oben
bezeichnete Notiz, noch nicht veröffentlicht wurden, und Elphin⸗
fiones Angaben !*) darüber nur fehr unvollftändig ſeyn Eonnten.
Es find die unter dem engeren Begriff von Koheftan in der
obern Kabulftufe (vergl. oben ©. 229) zufammengehörigen Dis
ſtricte (Toman’s), die noch heute unter denfelben oder doch nur
wenig veränderten damen auf die Karte eingetragen find, wie
fie Sultan Baber, vor mehr ald 300 Jahren, beſchrieben hat.
Er nennt fie: Lamghan (jest bei Afghanen Zugbman oder
Laghman), Mendraur (est Mundrury, Alinghar (jegt
Alinghur), Aliſcheng, Alah-ſar (jest Tugow), Bedrom,
Nijrow, Penwibir cjest Punjſchir), Ghurbend Getzt
Gurbund); und in derſelben Reihe folgen: fie einander von
Dft nach Weſt, als fo viele aefonderte Bergthäter, melche meift
. ein Bergſtrom vom Schneegebirge herab zum: Kabul durchfegt.
Nur unter Lamghan, das an das Dereh Mur (di i. das
Licht⸗Thal, f. 06. ©. 226) fih unmittelbar im Weſt des. hos
hen. Coond anlehnt, find drei zunachit folgender Tumans mitbes
griffen. Vom Mendraur wird nur der Name angeführt, von
Alinghar gefagt, daß. der sleichnamige Bergſtrom das Thal
’ rchfließe, um mit dem Aliſcheng⸗Fluſſe vereint zum: Baran
zu fließen (dev. im den Kabulftrom fällt); beide kommen aus dem
| ztande ( Koheſtan) herab, das. hier Gewar heiße... Der Dis
firiee (Toman) Aliſcheng liege ſchon großentheils- in rauhen
Schneegebirgen,, von denen der gleichnamige Bergſtrom aus dem:
Berglände (Koheftan) herabfomme, das Meil (est Kilai Afheri),
heißes Hier ift es, wo, nach. obigem, das Grabmal Lamechs lies
gen ſoll. Von einem, nahe: dabei weftwärts folgenden Alpenthale,
das die neuern Karten. von Elphinftone und Al Burnes.
Uzbin nennen, ift bei Sultan Baber feine Rede, aber. wol vom
dem folgenden, mit. jenem parallelen Ihale, Tugor, wie es jetzt
heißt, daß er aber Alah-fai!‘) nennt, und wegen der großen:
Wärme feiner unterm’ Ebene, in welchem guter Wein, aber
befonders noch vortrefflihe Pommgranaten gedeihen, zum
warmen Clima rechnet. Seine obere Ihalftufe fcheint wol der
Diftrict Bedrom zu feyn, wo, nach Baber, Fein Obſt mehe
wächft und wo alle Bergbewohner Kafern find. Auf A. Bur⸗
24) M. Elphinstone Acc. p. 98. 16) Sultan Baber Mem. p. 143
bis 144. 16) ebend, p. 150.
246 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6. 4.
nes Karte ift an das Nordende dieſes Thales der hohe Tugow—
Pik gezeichnet. Sultan Baber fuͤhrt einen Bergpaß Korah an,
der in dieſem Diſtricte aus dem warmen Clima (Germaſir) in
das kalte (Serdſil) fuͤhre, deshalb der Vogelſtrich, hier, im
Frühjahr‘, aus dem einen Thale in das andere durchſetze. Die
Anwohner diefes Paflageortes, der Paſchghan heißt, und der
fhon von Nijrow abhängig fey, find Wogelfänger, die von
der großen Zahl dortiger Strichvögel ihren Unterhalt haben. So
nad Baber.
Don dem nun weftwärts folgenden Nijrom #7) fagt der
Eultan, e8 liege im NO. der Stadt Kabul und fen ein von der
übrigen Welt ganz abgefondertes Gebirgsthal, welches nordwärts
zum Koheftan (Berglande) hinaufiteige, deſſen Bewohner insges
fammt Kafern feyen, und welches daher Kaferiftan heiße
Obſt und Trauben giebt es da in großer Menge; aus legteren
bereiten ſie fehr viel Wein durch Kochen. In den Bergen find
Wälder von Nadelholz (Pinus) und eine Art Zilguzeh, die
große Zapfen mit efbaren Kernen wie Piftazien trage (der Zapfen
bat die Größe zweier Mannsfaͤuſte; Ersfine!®) hält ihn mit
MWahrfcheinlichkeit fir die Frucht von Pinus Deodara, die auch
im Himalaya innerhalb des rebenreichen Kanawar einheimifch iſt,
f. Afien II. &.832). Diefe efbaren Zapfen wurden, zu Sultan
Babers Zeit, auf dem Bazar von Kabul verhandelt, Auch
Eichen und Maftirbäume find hier. Die Pinus, Foͤh—
ren (Kiefer?) und Eihbäume, bemerkt der Sultan, wachen
abwärts von Nijromw, aber oberhalb finde man fie nicht
mehr, da fie zu den Baumarten Hindoftans gehören. Wie Hinz
fichtlih der Affengrenze weiter abwärts, fo ift der Sultan
als aufmerkffamer Naturfreund der erfte, der hier die botanifche
Grenze der Eiche beobachtet haben will (vergl. Afien IV. 1.
©. 233, 813); das Factum, und weldye Eichenart hier gemeint
fey, bleibt Eünftigen Beobachtern zu näherer Beftimmung übers
laffen. Bon den Föhren (Fir) bemerft der Sultan, daß die
dortigen Gebirgler ihre Späne ftatt der Lampen brennen. Diefe'
bei europäifchen Völkern fo bekannte Anwendung des Kienholzes
war ihm überrafchend: denn er fagt, dies giebt ein Licht gleich
einer Kerze, eine feltfame Erfcheinung. In denfelben Bergen von
Nijrow führt er einen fliegenden Fuchs an, größer als ein
*17) Sultan Baber Mem. p. 144— 145, . .!3) ebenb p. 137.
Hindu Khu, Koheftan nach Baber Sultan, 247
Eichhorn (wahrſcheinlich aus der Gattung Nde8 fliegenden
Eichhorns, die weiter im Often an Mannichfaltigkeit der Ars
ten fo fehe zunehmen, f. Aſien Bd. IH. S. 1024, 1034); dann
eine Mofchusratte und den Voget Lokheh, der auch Bukeli—
mue heiße (d. i. Kamälconvogel) weil er ein Kleid von fo
vielerlei verfchiedenen Farben trage. Es ift wohl ſehr wahrfchein,
ich, daß Fünftighin Naturforſcher hier manche wichtige Entdek—
fung zu machen haben. Die Bergbewohner (die Kafir), beinerft
der Suftan, mäften im Winter ihr Geflügel zur Speife, und
find ſtarke Weintrinfarz fie beten nie, fuͤrchten weder Gott
noch die Menfchen, und find rohe Heiden. Mit der Beftimmung
ihree Neligionsanficht dürfen wie dies Urtheil wor nicht genau
nehmen; ſchwerlich wird bei ihnen Feuercultus, Zoroafterlehre oder
Mefte vom Buddhacultus der Vorzeit ganz gefehlt haben, wie fich
aus dem folgenden nachweiſen mag.
Weſtlich daran flößt der Gau (T man Penjhir (jest
Punjſchir), der wegen feiner Nachbarfchaft an Kaferiftan
recht den Raubzuͤgen der Kafern ausgefegt iftz weshalb feine
Bewohner auch diefen einen jährlichen Tribut entrichten müffen,
In demfelben Jahre, als der Sultan, von Kabul aus, in Hindus
fian einfiek, bemerkt derfelbe, fenen diefe Kafern, unftreitig die
Borfahren der heutigen Kafern, auch nach Penjhir hinabgefties
gen, und hätten fih, erft nachdem fie viel Volks im Lande ers
ſchlagen hatten, wieder mit großer Beute in ihr. Gebirgsland zus
rücgezogen.
» Südweftwärts an diefes Penjhir ftößt nun der Gau (Tos
man) Ghurbend!%) (jest Gurbund), über den des Sultans
Bericht umftändlichee wird, und deffen Namen er auch etymolos
giſch erklaͤrt. Einen Steilweg nennen dort die Einwohner ein
Bend (ein Bergpaß), und weil man durch einen ſolchen den
Ghur uͤberſetzen muß, fo hat der Diſtrict den Namen Ghur—
bend erhalten. Bon den Thaͤlern auf dem Gipfel dieſer Paß—⸗
höhen hatten die Hazaras Befig genommen; es ift das erfte
Mal, daß diefes Volk, welches fpäterhin weiter weſtwaͤrts fo
häufig erwähnt wird, hier genannt wird. Der Diftrict enthielt
zu Sultan Babers Zeit nur einige Dorffchaften, und entrichtete
ihm, wie er felbft fagt, nur wenig Abgaben. Auf den Berghöhen
des Ghurbend fol es Gruben geben zum Gewinn von Sil-
1») ebend. p. 146— 148,
248 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt, 6. 4,
ber und Lapis lazuli. An den Bergabhängen liegen die Di:
ftricte Mitch, Kachah und Perwan, tiefer ab ein Dugend Dörfer,
alle reich an Obft und Wein, davon der ftärffte von Khwajeh
Khan Said kommt. Alle diefe Dörfer am Gebirgsfuß zahlen
zwar einige Abgaben, find aber im Steuercatafter nicht unter den
regulairen Einkünften verzeichnet. Dagegen liegen tiefer am
Fuße des Gebirgsfaumes, zwifchen ihm und dem Baran (fo
heißt alfo der vereinte Ghurbend und Penjhir- Strom,
dem von Suͤdweſt erft der Strom von Kabul fich beimifcht),
zwei Ebenen vor, davon die eine Gircehe Tazian (Li
Araber:Lager), die andere Deſcht e Sheith (Sheithss
Ebene) heißt. In der warmen Yahreszeit find ihre herrlichen
MWiefenteppiche, mit dem Chekin-taleh-Graſe bewachfen,
durch die Hirtenftämme der Aimak und Turf mit ihren Heers
den aufgefucht. Die Alpenblumen am Vorfuß jener Alpen find
reisend; zumal an Tulipanen ift die dortige Flora fehr mans
nichfaltig. Sch ließ ihre Arten, fagt der Sultan, einft fams
meln und zählen, es waren deren 32 bis 33 verfchiedene; einer
derfelben gab ich wegen ihres Nofengeruches den Namen Lalehs
gulsbui (d. h. rofeduftende Tulpe); fie befindet fih nur
ausfchließlich auf der Sheifhs-Matte, und ift- auch auf
diefer nur auf einen Keinen Raum befchränft. Es wäre bota—
nifch intereffant diefe Gattung, die Ersfine mit Tulpe überfet,
näher zu fennen, wie überhaupt die vielen botanifchen Angaben
des Sultan Babers foftematifch durch botanifhe Sammlungen
in jener Alpenflora näher zu beſtimmen, die bis jeßt noch völs
fig unbekannt blieb. Näher am Bergfuß, unter Perwan, fand
ih, fagt Baber, die Lalehrfed-berg (d. h. Hundertblätt
rige Tulpe), die ſich nur an diefer einzigen Stelle in der Tiefe
des Ghurbend-Paſſes vorfindet. Beide genannte Ebenen werden
durch einen Eleinen Höhenrücken gefchieden, auf dem ein Sands
ftrich von dem Gipfel bis zum Fuß deflelben hinabreicht, Khwa—
jeh-reg-rewan (d. h. bewegliher Sand) genannt; fie fas
gen, im Sommer folle aus diefem Sande das Getoͤn r Trom—⸗
meln und Nagareths (2) hervorgehen (uͤber droͤhnen de Sands
fhurren in China und Arabia peträa, f. Afien Bd. I. ©.204),
Sehr hoch ift der Berg, der in Weften an dieſen Gebirgsgau
flößt (der Koh i Baba), auf dem der Schnee des folgen—
den Jahres immer wieder auf den des vorherge:
henden fallt, fehr felten ſchmilzt der alte weg, ehe der neue
Hindu Khu, Koheftan nach Baber Sultan. 249
hinzufommt. Er liegt nur fünf Stunden @ Farfang = 12 Mit,
Engl.) im Weft von Kabul, und aus feinen Vorräthen werden
die Eisfeller diefer Reſidenz gefüllt. Diefer Berg und der von
Bamiyan find fehr hoch (nah Al. Burnes Meflung 16,890 F.
Par., 18,000 F. Engl.), und von bier entfpringen nach allen
Weltgegenden die 4 Ströme, von denen das Sprichwort geht,
„daß ein Menfh an einem Tage aus allen vieren trinken
Tonne.” Es fen, fagt der Sultan, der Kabulftrom gegen Oft;
der Hindmend gegen Werft; der Doghabeh (et Surkh—
ab, oder Gori auf Al. Burnes Map) bei Bamiyan gegen
ND. nad) Khunduz zum Oxus; und der Strom von Balkh
(Dehas auf Al. Burnes Map) gegen N.W. zu diefer genannz
ten Stadt. Die Richtigkeit diefer Angaben iſt neuerlich dur
Al, Burnes vollfoimmen beftätigt.
Auf, der Oftfeite diefer Hochgebirge des Hindu Kufch Hreitet
ſich am Südufer des Ghurbend noch eine Jiebliche Landfchaft
aus, in deren Mitte Iſtalif und Iſterg hach (jetzt Sirghach)
liegen, bei deren Reizen der für Naturgenuß fo empfängliche Suls
tan Baber noch befonders gern verweilt. . Diefe Orte habe,
bemerkt er, fein Oheim Ulugh Beg Mirza (der berühmte
Aftwonom #9) und Geograph, Sultan von Samarkand, er flirbt
im 5.1450) mit Khorafan und Samarkand verglichen, und auch
fo genannt; das in Welt daranftogende Bergland heiße Pems
ghan (jest bei Afghanen Peghman, f. auf Al. Burnes Map),
Der hohe Pemghan trage ewigen Schnee; feine. Vorthäler koͤn⸗
nen zwar hinfichtlich des Dbftes und der Trauben nicht mit den
* . vorhergenannten Gauen verglichen werden, ihr Clima ift aber
noch lieblicher.
Ab mit der Umgegend von Iſtalif fünnen, nad) des Suls
tans Bemerkung, nur wenige Puncte der Erde wetteifern, Ein
großer Strom fließt durch fchöne, grüne Gärten, die ihm zu beis
den Seiten liegen; feine ganz Klaren Wafler find immer falt und
frifh. Den Bagh:e:kilan (d. h. der große Garten) des
Ulugh Sam brachte Sultan Baber an fih, eine. herrliche
Platanenpflanzung umgiebt deffen Außenfeite, den hindurchfließens
den Bach, der ſtark genug war um Mühlen zu treiben, ließ er
#20) f, Zydje Sulthany f. Tabula Geographiea Ulug Beigi Principis
Tatariei ed. Graevius in Huds. Geogr. Min, Oxon. 1712. T, lil.
p. 120 — 151.
250 Werte Aien, I Abſchnitt. $. 4,
kunſtvoller hindurchleiten, wodurch der Garten noch um vieles
verfchönert ward. Unterhalb jener beiden Ortfchaften, nur 14Coß
fern, in der Ebene am Fuß der Berge, liegt die Duelle was
jeh-ſeh-yaran (d. h. Duelle der drei Freunde); umher
ftehen dreierlei Baumarten und höher auf ein herrlicher Platas
nenwald, der den fihönften Schatten giebt. Zu beiden Seiten
ftehen auch noch viele Eichen (Belut); fie find die einzigen ihs
rer Art, denn weiter aufwärts in Kabul fichen Feine Eichen
mehr (f. ob. Eichengrenze ©.246). Vor diefer Quelle find weite
Strecken der Ebene mit dem blüthenreichen Arghwan-Baume
(d.h. mit Anemonenblüthez er iſt uns fonft unbekannt), der rothe
und gelbe Bluͤthen trägt, bewachfen, der nur hier und fonft
an feinem andern Orte, nach) Babers Verfichruna, wachfen foll,
Jene dreierlei Bäume, ift die Sage, ſeyen dem Lande durch 3
Saneti zu Theil geworden (alfo erft dahin gepflanzte, ausländis
fhe?), daher auch der Name der Duelle Seyaran (d. h. die
drei Freunde) Auch diefe Duelle, fagt der Sultan, habe ex
einfaffen laffen, und umher viele Anlagen gemacht; zur Zeit der
Arghwan » Blüthe, verfichert derfelbe, gebe es Eeine fihönere Ges
gend in der ganzen Welt als diefe. Diefelbe Ebene, zwifchen
Kabul und dem Baranfluffe, ſcheint erft duch Timurs
Bewäfferungsanftalten ihre Fruchtbarkeit und Reize erhalten zu
haben. Wenigftens ruͤhmt deſſen Gefchichtfchreiber, Keriffeds
din ), daß diefer Eroberer vor feinem Feldzuge nach Delhi, als
er hier gelagert und von dem Gedanken durchglüht war, feinen
Unterthanen Wohlthaten zu erzeigen, hier einen Canal, Mas
highir genannt, 5 Lieues weit von Pendghir nah Kabul .
durch die fchönen Gelände habe graben laſſen, wodurch diefe erſt
befruchtet worden feyen. Disfelben habe er an feine: tapfern
Hauptleute und Soldaten zur Belohnung ihrer Verdienfte ausges
theilt, und feitdem fey dort das paradiefifche Gartenland
erft entftanden. a
Die neuern Berichte Elphinftones über diefelben Alpens
thäler redueiren fich nur auf wenige Angaben ??). Alinghur,
fagt er, jegt von Ghiljies bewohnt, bringt Getreide hervor und
zertheilt fich in viele Bergthäler. Das AlifhengsThal ift ens
1) Xeriffeddin Histoire de Timur Bec ed. p. P. de la Croix Delft,
1723. 8. T. II, Liv, IV. ch. 5. p. 29. 22) M. Elphinstone
Acc. p. 9.
Hindu Khu, die fieben Gebirge: Päffe. 251
ger und wird vorzüglich von befehrten Kafern bewohnt. Auch
das Uzbin-Thal ift von Ghiljies eingenommen, das größte
von allen. Das von Tu gow bewohnen, im untern Theile, in:
dependente Stämme der SoufissAfghanen, im obern aber
Tadjifs, d. i. die Perfifch reden. Die beiden letzteren Thaͤler
liegen am höchften.
2. Die fieben Sebirgs:Päffe nah Sultan Baber,
Zu diefen Berichten Uber das obere Alpenland (Koheftan)
des Hindu Kufch haben wir nur noch die genaueren Angaben
der Gebirgspäffe beizufügen, die der Sultan, der fie fo oft
mit feinen Heeren von Kabul nad Badakſchan, Kunduz
und Balkh hin überftiegen hatte, zum erften Male genauer bes
ſchreibt. Die Gefchichtfchreiber Aleranders 3) laffen hier völlig
rathlos; Ebn Batuta) paflirt zwar (1340) das Gebirge, giebt
aber nur deffen Namen an; Eon Haukal lange vor ihm (A.
950) hatte die Stationen”), angeführt, die hindurch ziehen ohne
ihre Verhältniß zum Gebirge anzudeuten, und Abul Fazl nah
ihm (im 5.1602) hat im Spiegel des Akbar 26), oder deſſen In⸗
fitutionen (f. Afien IV. 1.©. 625), zwar ebenfalls diefelben Päffe
aufgezählt, aber da ihm die Focalität aus der Anfchauung- unbe
Tannt blieb, offenbar manches dabei in Berwirrung gebracht.
Noch feine Karte hatte fie bisher genau verzeichnet; die J. Mas
eartnenfche zu Elphinftones Cabul hat zwar mehrere der Routen
eingetragen, aber fie nicht näher beftimmt; die Waddingtons
The zu Baber Dem. aus Driginalrouten conftenirt, hat fie nicht
mit aufgeführt, J. Grimms Karte von Hoch⸗Aſien hat fie jes
nen fih anfchliegend nac) dem Text von Babers Mem. hypothe⸗
tifch eingetragen und durch Zahlen bezeichnet. Al. Burnes Map
iſt die erfte, obwol in zu Eleinem Maaßſtabe, welche die Haupts
birectionen verfolgen läßt.
Sieben Päffe find es, die Sultan Baber?) von Of
gegen Werft aufzählt; drei derfelben führen, wie er fagt, vom
Thale des -Baran-Fluffes, oder dem großen, nördlichen
Duellaeme des Kabulfluffes, welches hier den einzigen ges
23) Ueber Alerander M. Feldzug ©, 13 u, fe 22) Ibn Batuta
Travels ed. S. Lee. London 1829. 4. p. 97—9, 2) Tle
Oriental Geography of Ebn Haukal ed. W. Ouseley. London 4,
1800. p. 225, 228. 26) Aycen Akbery ed, Fr. Giadwin. Lond.
1800, 8. Vel. U. p. 162. 27) Sultan Baber Mem. p. 139-140.
252 Weſt-Aſien. 1. Abſchnitt. 5% 4
meinfamen Eingang zu allen dreien bildet, und daher
ftrategifch aber auch für den Yagdfreund #3) (ſ. unten bei
Wild) fehr wichtig it, durch das PenjhirsThal, nord—
wärts, über die Hauptkette:
1. Der Khewak-Paß (Hawak bei Abul Fazh, es if
der oberfte, d. i. hier der Öftlichfte.
2. Der Tul-Paß folgt darauf in Weſt (der Ort Tul iſt
auf der Map of Cabul im obern Thale des Penjhir eingetragen);
es iſt die beſte Paſſage, aber auch die laͤngſte; daher der Name
Tul@. h. im Perſiſchen die Lange
3. Der Bazarak⸗-Paß (Bazaruk bei Abul Fa; die⸗
fer iſt der directeſte (auf der Map of Cabul iſt er von dem
Drte Seifabad Über die Kette nach Charmaghzar geführt).
Da er, nah Sultan Baber, aud über das Dorf Barendi
führt, wird er ebenfalls dee Barendi-Paf genannt.
4. Der Perwan-⸗Paß. Von ihm wird von Sultan Bas
ber nichts fpecielles angegeben, Aus einer andern Stelle aber ers
giebt fich, daß die Stadt, von welcher der Paß den Namen traͤgt,
um Norden der Stadt Kabul liegt: denn im Frühjahr, wenn
der Wind in der Stadt Kabul anhaltend aus dem Norden
weht, fagt Sultan Baber, werde diefe liebliche Luft deshalb Bas
de:Perwan?) (vd i. Nordluft) genannt. Zur Erflärung
fügt die Note hinzu, diefe Route führe ebenfalls nach Charmagh⸗
zar, und paflire zwifchen Seifabad und dem Anfange des Thales
Saglehauleng. S. Baber ſchaltet hier folgende Anmerkung eins
Zwifchen Perwan und der Paßhöhe fenen fieben kleinere
Däffe, die Heft Befheh @. i. die fieben Jungen) ge
nannt. Komme man von der Anderab Seite, d. i. vom Norden
her, fo vereinten fi) 2 Routen unter dem Hauptpaffe, und führz
ten auf der Straße der fieben Zungen hinab nach Perwan
(Durmwan auf der * of Cabul). Dieſe Paſſage ſey aber ſehr
beſchwerlich.
Drei Paͤſſe, bemerkt Baber, führen auch aus Ghur⸗—
bend (d. h. Anſteigen durch Ghur) uͤber die Hochkette; ſie er
fen nach U. Burnes ] Map mehr von Oſt gegen Weſt als gegen
Mord gehen.
5. Jenem legten Uebergange zunächft befindet ſich der Yanz
gi⸗yuli, di, die neue Route, die über Walian nad Khin—
423) Sultan Baber Mem. p- 153. 20) ebend, p. 137.
Hindu Khu, die fieben Gebirge Paffe. 253
fan am Mordgehänge hinabfteigt. (Auf der Map of Cabul ift fie
über den Berdort Doſchakh, direct nach Khinjan, eingetragen.)
6. Der Kipchak-Paß folgt diefem und führt an den
Verein der Flüfe Surfhab (der von Bamiyan kommmt) und
Anderab. Dies ift eine gute Paſſage (die Nota fegt die Ver:
einigung beider Flüffe nach der Map of Cabul in Kila Beiza an).
Diefer Pag iſt durch Sultan Babers erften Uebergang des
Gebirges merkwuͤrdig, als er Kabuliftan eroberte, Von Kunduz
aus zog fein Heer0), weil in den Oftpäffen von Penjhir fich ihm
der Feind, vom Barax-⸗Fluſſe her entgegenſtellte, über die Weſt⸗
päffe in Ghurbend ein, wodurch jener tournirt ward. Dagegen
defertirten mehrere Corps ‘von feinem Feinde, wie das der Has
zaras und andere, und zogen über die Penjhir-Paͤſſe nordwärts
zu feinem Heere, wodurch er nicht wenig geftärft ward. Cr ſelbſt
ruͤckte durch den Paß von Kipchak über das Hochgebirge, und
auf dieſem folgte auch ſeine Familie nach, In der Nacht erſtie—
gen wir, erzaͤhlt der Sultan, die Paßhoͤhe, Hu pian (oder Upian);
bis dahin hatte ich noch nie den Stern Soheil geſehen (d. i.
der helle Suͤdſter Canopus, im Sternbild des Schiffes Argo).
Als ich aber die Paßhoͤhe erreicht hatte, zeigte fih Soheil in
vollem Glanze am Suͤdgewoͤlbe des Hunmels. Ich faote: das
kann Soheil nicht feyn. Man antwortete mie: es ift Soheil!
und Baki Cheghaniani rief mir zum guten Omen den Vers ent
gegen:
„D Soheil, wie fern funkelft du und wo fleigft du empor?
„Dein Glanz bringt dem Gluͤck, auf den er fallt!”
Als wir den Fuß des Thales erreichten, hatte fich die Sonne eis
nen Speer hoc) gehoben; in Senjed rafteten wir. Schon am
folgenden Tage ward in die Ebene vorgerücdt und die Belages
rung von Kabul befchloffen, deſſen Kommandant fich aber ohne
Schwertftreich ergab (im October 1504).
7) Der fiebente Uebergang if der Schibertus
Paß 3) (Schirtu bei Abul Fazl, Schibr auf Map of Cau-
bul), Im Sommer, wenn die Waller aufthauen, fann man
diefe Paflage nur über Bamiyan und Sitan (Syohan auf
Map of Caubul) zurücklegen; der Winterweg führt aber Über Ab—
dereh, eine kuͤrzere Route. Diefer Paß (Chiberto) war es,
30) Sultan Baber Mem. p. 132 — 135. 21) ebend, p. 139,
254 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 5 4
über den fih der Eroberer und Zerftörer Delhi’s, Timur 7),
auf feiner Rückkehr aus Indien (ſ. Afien IV. 1. &.579), als er
erfranft war, in der Sänfte nad) Samarfand zuruͤcktragen ließ.
Außer diefem legteren find alle genannten Paͤſſe zur Winterszeit
auf 5 Monate durch die Schneemaffen verfchloffen. Im Frühe
ling, bei Schneefihmelze und vollen Strömen, find fie eben fo
ſchwierig zu überfteigen ale im Winter, Selbſt über die Berge
höhen find die Wege fo befchwerlich, daß man fie nur während
der Herbitzeit, etwa 3 bis 4 Monat hindurch, gangbar nennen
fann. Hierzu kommt nod ihre Unficherheit durch die Kafirz
Raͤuber, welche die Neifenden aus ihren Engfchluchten und Berg:
winfeln häufig überfallen und ausplündern.
3. Der HindusKufdb, die Gebirgspaffage von Ka—
bul über Bamiyan nah Khulum, nah Al.
Burnes.
a) Allgemeine Ueberficht.
Auf der Weftfeite des Indus rückt die Kette der hohen Schnee .
gebirge des Hindu Khu dem Auge des Wanderers näher, al
die des Himalayazuges auf deſſen Oftfeite, und nur eine —
reiſe von der Stadt Kabul ſind die Waſſerſcheidehoͤhen des In⸗
dus: und Oxus-Gebietes einander fo ganz nahe getreten, als man
früher nicht geahndet hatte, daß dies zwifchen den großen Suͤde—
und Nord-Stroͤmen der Fall ſeyn würde, da weiter oſtwaͤrts
auch keine Annaͤherung an dieſe hydrographiſche Erſcheinung ſtatt⸗
findet. Al. Burnes Autopſie 3) ſtellte zuerſt als Thatſache
feſt, daß der Strom von Bamiyan ſchon zum Oxusge—
biet gehoͤrt, daß von da an ſchon die Nordſenkung des Bo—
dens beginnt, daß zwar nordwärts auch noch Berge Auftres
ten, aber feine Himalaya: Pike mehr, und daß der Rücken der
Hochkette, wie man bisher wol annehmen mochte, nicht im Nors
den, fondern ſchon im Süden von Bamiyan, zwifchen diefem
Drte und der Stadt Kabul liege, namlich der Koh i Baba,
der einzige, welhen ewiger Schnee det. Sowol gegen
Herat bin verliere fih dann die Kette in einem Labyrinthe nies
derer Berge (nämlich gegen Weften der Paropamifus), wie
gegen Norden hin, bis Balkh zu, nur noch ein minder hoher,
*?2) Xeriffeddin Hist. de Timur etc. I. c. III. p. 168.
®*) Al. Burnes Tray. II, p. 238 — 248,
”.
Hindu Khu, Hindu Kufh Paffag 255
obwol immer breiter Klippenzug voruͤberſtreiche, der Steingürtel
Arabifcher Autoren genannt.
Diefe breite, gewaltige Bergmaffe von Kabul (34° 24° 5”
M.Br.) bis Balkh (36° 48° 0" N. Br.), ein directer Abftand
von 36, und mit den Krümmungen von 52 geogr, Meilen (260
Miles Engl), wurde in 13 Tagemärfchen auf 6 fucceffiven
Gebirgspäffen mähfam überftiegen, 6i8 zum Thale des
Drus bei Khulum, 8 geogr. Meilen im DOften der antifen
Stadt Balkh. Die drei erften Pälle liegen zwifchen Kabul
und Bamiyanz zwei von ihnen waren Ende Mai fo tief mit
Schnee bedeckt, daß man nur am Morgen reifen fonnte, bei
Froſt, fo lange der Schnee die Pferde trug. Die drei übrigen
Däfle liegen im Norden von Bamiyan, waren minder hoch und
frei von Schnee. Nur auf diefe Pafage ift die Benennung des
Hindu Kuſch, d. h. Hindu:Todter, wie wir oben bemerk-
ten, zu befchränfen; eine Bezeichnung, die nah Ebn Batutas
Conjectur in der phyficalifchen Schwierigkeit der Leberfteigung
für den Hindu allerdings leicht ihre Erklaͤrung findet, aber doch
Wahrſcheinlich ſich an eine viel ältere Sage von Wegelage—
ern der Borzeit, etwa dem graufamen Zohaf, als dem dortigen
Grenzwaͤchter und Todfchläger, anfchliegt, worauf das Schaf
Nameh Firdufis, wie die Puranas, mannichfach anfpielen 3%.
WVon der Stadt Kabul, 6200 Fuß Par. (6600 $. Engl.)
+ 06. d. M., ward die Sirchuſchma-Quelle bei 8076 F. P. (8600
nr FE) erreicht, wo der erfte Schnee noch im Thale liegend (18,
n;
Mai) ſich zeigte. Von da die erfte Paßhöhe des Unna,
‚40,322 5. PD. (11,000 F. E.), die zweite der Paß Hajiguf,
"44,835 F. P. (12,400 F. E.), die dritte der noch höhere Pag
Kalu, 12,148 F. P. (13,000 F. &.), von dem man nad)
miyan bhinabfteigt, erreicht; beide legtere ſchneebedeckt. Keiner
der drei folgenden, nördlich von Bamiyan gelegenen Päffe, übers
trifft 8445 F. P. (9000 F. E.); feiner von dieſen trug. noch
Schnee. Von dem legten diefer niedrigeren Palle, dem Kara
Kotul (d.h. der ſchwarze Paß), der 8445 Fuß Par, hoch,
hat man noch immer 19 geogr. Meilen (95 Miles Engl.) weiter
nordwaͤrts zurüczulegen, ehe man ganz aus dem Berglande in
die Depreffion der. vorliegenden Ebene am Oxus, bei Khulum,
s«) Capt. F,Wilford on Mount Caucasus, in Asiat, Research Lond,
8. T. VI. p. 402.
256 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. 5. 4.
eintritt. Der Ort Heibuf, auf halbem Wege zwifchen dem '
Kara Kotul und SKhulum, liegt nach Al. Burnes noch immer
4000 Fuß über dem Meere 35), Das Gefälle des Khulum-Flufs
fes beträgt auf jede Mile Engl. 60 Fuß Engl., fo daß diefe vors
liegende Ebene von Balkh noch immer an 1876 F. Par. |
oder 2000 F. Engl. über dem Meere erhaben liegt. Sie ift alfo, |
obwol relativ gegen die amphitheatralifch umkreiſenden Hochge—
birge betrachtet, ein Tiefland, abfolut aber noch immer ‚eine
mäßig hohe Plateauebene, die demnach in ähnlihem Ni—
veau mit der niedern SPDlateauftufe der Songarei um die Saiſan—
und Balkaſch-Seen, die ihre tiefjten Einſenkungen (f. Alien Bd. I.
Einleit. ©. 50) fein mögen, gelegen erfcheint, fo daß von Balkh
aus der Orus noch immer ein bedeutendes Gefälle zum Aral⸗See
beibehält. Auch ftehen, wie Al. Burnes ausdrücklich bemerkt,
die nördlichften Nandgebirge diefer breiten HinduKuſch—
Kette, die wir in der Öefammtbetrackhtung der Geftals
tung Aſiens durchaus nur als die weftliche Fortfesung des Hie
malaya-Spftems in derfelben fortftreichenden Normal: Dis
rection anfehen können (ſ. Aſien J. Einleit. ©.46, II. ©&.407), '
über der anliegenden Ebene von Balkh noch fühn und’.
fteil über 2346 F. Par. (2500 F. Engl.) 36), alfo abfolut über" |
4222 5. Par. (oder gegen 5000 F. Engl.) empor, nadt, von Ans |
fehn ſchwarz, wie polirt, fehr imponirend, obwol ohne grandiofen
Character, und erſt gegen das füdliche Orusufer verflachen auch
ſie ſich ganz in die allgemeine Depreſſion.
Zu bedauern iſt es, daß Al. Burnes nicht auch die Tiſe
der Thaͤler, z. B. die Lage von Bamiyan, gemeſſen hat, wie
er die Culminationen ins Auge faßte, denn dann würden wir ein
vollftändiges Profil diefer fo höchft merkwürdigen centralen
Hindu Kufh:Paffage zwifchen dem Zndifhen und Buchaz
rifchen Tieflande erhalten haben, wodurch jedoch auch fo fchon
ein wefentlicher Theil. der Configuration Mittelaſiens ermittelt
ward, und auch unfere früher ausgefprochene Anficht von diefem
aus mehreren zufammengefchaarten Hochketten gebildeten Gebirge
Enoten vollkommen beftätigt, den wir deshalb ein wahres Als
pengebirgsland nannten (f. Alien I. Einleit. ©. 44), und
das Vermittelungsglied beider entgegenftehenden Maſſener—
hebungen. Die Breite diefes Hindu Kuſch-Alpenlandes, welche
35) AL Burnes Trav. I. p. 203. 36) ebend. IL. p. 240.
Hindu Khu; Hindu Kuſch-Paſſage. 257
nach obiger aftronomifcher Beftimmung zwifchen Kabul und
Balkh 2° 24° beträgt, übertrifft noch die Breite des Eu—
ropaifchshelvetifhen Alpenlandes bedeutend, da diefe
nur 1° 40° beträgt, wenn man den Südpunct bei Como (45°
50’ N.Br.) und den Nordpunft bei Bregenz am Bodenfee
(47° 30’ N.Br.) anfest.
Nur einen der Hochgipfel, den Koh-i-Baba, den eins
zigen in Pifgeftalt, da alle andere gerundete Fors
men zeigen, welcher über der Weftfeite des Hajiguf- Paffes ſich
noch über 5000 Fuß relativ erhebt, hat Al. Burnes durch
Schaͤtzung zu 16,890 F. Par. (18,000 F. Engl.) in dem höchften
feiner 3 Piks beftimmt, und die ewige Schneegrenze 2) zu
einer ungefähren abfoluten Höhe von 12,198 F. Par. (13,000 F.
Engl.) üb. d. M, unterhalb welder daher alle dortigen G es
birgspäffe liegen, die Ende Juni insgefammt ſchneefrei
werden. Die drei Pils des Koh i Baba ragen daher noch
mehrere Taufend Fuß mit ihren weißen Gipfeln über diefelbe hinz
aus. Auf der Oftfeite diefer Paͤſſe fcheinen fich wol mehrere hohe
Piks zu erheben, wie dem Koh i Baba gegenüber der Hajiguk
Pik, der Maipuz-Pik und andere, welche die Karte verzeichz
net, ohne daß weiteres von ihnen gefagt wäre; aber der höchfte
von allen liegt noch weiter gegen N.D., der Pik des Hindu
Kuſch 38) genannt, der 1° fern von der angegebenen Koute der
6 Dale im Oſten liegen blieb. Er ift ſchon von der Stadt
Kabul aus fichtbar, ganz in milchweißen Schnee gehüllt. Auch
von der Mordfeite her, von Runduz, hat ihn Al. Burnes in
‚einer Ferne von 30 geogr. Meilen (150 Miles Engl.) wieder ers
kannt. Seine Höhe ift umbefannt, wenn cs nicht eben der von
Macartney fchon zu Elphinftone's Zeit durch Winfelmeffung auf
19,225 Fuß Par. (20,493 Fuß Engl.) 2 beftimmte Schnee:
coloß if. Durch Erzählung erfuhr A. Burnes, der ihn nicht
näher unterfuchen fonnte, daß auf ihm das Athmen fehr fehwer
fein folle. Auf feinen Schneefeldern finde man haufig Taufende
von erfiarrten Vögeln, die in der dünnen Luft nicht weiter koͤnn—
ten. Defter habe man ihn zu uͤberſteigen verfucht, aber immer
feien Menfchen und Laſtthiere erftarrt. Aud) fei volltommenes
Etillfhweigen auf ihm nothwendig, um nicht Lawinen in Gang
#7) Al. Burnes II. p. 241. 25) (hend, U, p. 248. **) M,El-
phinstone Caubul p. 637,
Ritter Erdkunde VII. 7 R
258 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. 9. 4
zu bringen. Bon einem Schneewurm, der Seidenraupe ähnlich,
erzählte man, der auf ihm leben, aber fogleich fterben foll, fobald
man ihn vom Schneefelde aufhebt (auch auf dem Montblanc
machte fchon H. de Sauffure diefelbe Beobachtung vom Vorfons
men dahin durch Luftzüge verfchlagener Schmetterlinge).
Diefen ganzen Theil des Hindu Kufch fand der britifche Reis
fende gänzlih ohne Waldung, an vielen Stellen ohne Gras
fung. In den Engpäffen geht der Weg oft an der Bafis von
mauergleichen Felswänden und Abftürzen hin, die 1876 bis 2814
Fuß Par. (2000 bis 3000 Fuß Engl.) auffteigen, ein großartiger
Anblick. Vor 7 Jahren ftürzte bei Sarbagh ein Erdbeben ges-
waltige Felswände in das Tiefthal, welche den Strom vier Tage
lang dämmten und die Straße fperrten. Die Wafferflürze fcheis
nen feit Aeonen ih hier ihre Bahnen ausgearbeitet zu haben,
als hätten fie ihre Spalten von der Höhe zur Tiefe eingefägt; fo
ſcheint es mwenigftens, nach der gegenfeitigen Correfpons
denz der Steinfchichten zu urtheilen, die an beiden Uferfeiten
wie Wände aus Steinmajfen gehauen, oder wie aus horizontas
len Backſteinlagern lbereinander aufgebaut erfcheinen.
So wechfelnd find aber diefe Durchriffe und fo im Zickzack
oder windend, daß faft jede Viertelftunde ein für ſich wie durch
Baftionen gefchloffenes Baflin erfcheint, und der Blick auf und
abwärts beftändig durch diefe ftufenartige Succeffion von Thal:
£effeln gehemmt if. Zumal zeigt ſich dies höchft characteriftifch
in dem Theile des Thale, der Dura i Zundan (Thal der
Kerker) heißt, und offendar davon feinen Namen erhielt. An
vielen Stellen fteigen aus den Engfchluchten die Felswände fo
hoch empor, daß der Sonnenftrahl felbft am Mittag von ihnen
ausgefchloffen bleibt, und dies hinderte leider Al. Burnes, von
Bamiyan*) an nordwärts, wo bei diefen Tiefen die größern
Erhebungen fehlen, bis zur Ebene Turkeſtans feine Obfervationen
über die Erhebung des Polarfterns zur Beſtimmung der Breite
fortzufegen.
Die höchften Berge zwifchen Kabul und Hajiguf fchies
nen Al. Burnes Gneuß und Granit *) zu fein, die gegen
die Gipfelhöhen zu fehr eifenhaltig werden. Auf dieſe folgte
blauer Schiefer und Quarz, und viele Blöcke grünen Granits’ 2)
fahe man herabgeftürzt in die Thaltiefe. Weiter hin folgte in
44°) Al. Burnes II. p. 243. “1, ebend. II. p. 245.
Hindu Khuz Hindu Kuſch-Paſſage. 259
Kalkfteinconglomerat, voll eingebadner Kiefel, daraus 8 bie 10
roftrothe, eifenhaltige Quellen fprudelten. Cine ftarfe Quelle dies
fer Art geleitete bis zum Hajiguk-Paſſe. Darauf folgten gewals
tige Klippen von rothem und purpurfarbigem Thon (Clay), dann
Kettenzüge von verhärtetem Ihon (indurated Clay) mit harten
Gefteinsmaflen bis Bamivan. Zn diefem find die coloffalen
Idole diefer Station und die vielen Höhlen ausgehauen, was
in dem weichern Geftein leichter auszuführen war, Um Bami-
yan ift Reichthum an verfchiedenen Minern ); zu Fuladut
it Gold, Lapis lazuli; dicht bei Bamiyan follen in einer
Engſchlucht 10 bis 12 Bleiminen bearbeitet werden. Auch
Kupfererze, Zinn, Antimonium, Schwefel£upfer
Millota, Murderfung), Schwefel, Asbeft (Sung i pumbu,
d. i. Baummollenftein) werden hier gefunden. Nordwaͤrts
Bamiyan finden ſich diefelben Minern im dortigen Gebirgslande
vor, bis man den erften der dort folgenden niedern Bergpäffe,
den Afrobat:Paß, 8445 Fuß Par. (9000 Fuß Engl.), wieder
nad Sygh an hinabfteigt; denn dafeldft zeigen fich wieder Gras
nit£lippen, die ſchwarz, majeftätifch, Bafaltfäulen gleich, fich
erheben. Die beiden folgenden Paͤſſe: Dundan Schikan,
7506 $. Par. (8000 F. Engl.), und der legte: Kara Kotul,
8445 F. Par. (9000 F. Engl.), von ganz verfchiedenem Anfehn,
befiehen aus hellbraunem Kalkſtein, der ſehr hart ift und ſcharf—
Eantige Sprünge zeigt. Von feiner glatten, fehlüpfrigen Ober:
fläche hat der erftere feinen Namen, Dundan Schikan (vd. h.
Zahnbrecher), erhalten. In diefer Formation des Kalkfteing
hingen die fteilften Abftürze über dem Stromthale hinab. Che
indeß wieder die Ebene erreicht ward, lagerten fich dem Kalkftein
breite Sandfteinfetten vor, und in einer derfelben, bei dem
Drte Heibuf, bemerkte man (wahrſcheinlich doch wol noch im
Kaltfteingebiet) in ganz regulairen Linien fortziehende Lager von
Feuerfteinfiefel, vie hier als Flintenfteine benugt in den
Handel kommen. Sn diefen Iesteren Partien zeigten fich auch
wieder Schwefellager, mahrfcheinlih mit Gypslagern
verbunden.
Auf der ganzen Strede diefer Hindu Kuſch-Paſſage, bemerkt
Al. Burnes, wachfen weder Cedern noch Fichten irgend einer
+2) ebend. II. p. 246.
Fr R2,
260 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 6. 4,
Art; ein kruͤpplicher Nadelholzſtrauch (Furze, wie im
Himalaya, f. Alien I. ©. 681, 695, 710 u. a. D.), der gleich
dem Europäifchen Krummholz eine ungemein zähe Natur hat,
ranft fih an den Klippen hinauf; feine Dornen ftchen auf ihm
wie die Stacheln des Igels; die Bergleute nennen ihn Kullah
i Huzara, d. i. die Huzara:Müse. ehr viele aromas
tifch duftende Kräuter würden dem Botanifer eine interefs
fante Alpenflora darbiefen, denn auch die nacteften Fels—
Elüfte find mit ihrem. Teppich bekleidet und geben das herrlichfte
Futter für Schaafheerden, die auf diefen Alpentriften weiden,
Eins ihrer nährendften Kräuter ift hier die zarte Pflanze der Assa
foetida #3) (Ferula assa foetida Lion.), welche bei den Perfern
Unguzeh, und darnach im Sanskrit und den Indiſchen Spras
chen Hinga oder Hingu*) genannt wird. Sowol ihre Bläts
ter, wie ihr zu Gummi getrockneter Milchfaft, der unter dem
Namen „Teufelsdre” in den Europäifchen Apotheken befannt
iſt, wird fehr ſtark nach Indien auf die Märkte verführt (f.Afien
1. ©. 910), wo diefe Pflanze fremd ift, aber bei Brahmanen »
als officinell in ftarfem Gebrauch ift. Diefe Gegend auf dem
Hindu Kufch, und zumal Khorafan, Belludfchiftan %)
nebft Lariſt an, fcheinen die befchränfte Heimath der wil—
den Verbreitung diefer Pflarize zu fenn, die von bier aus als
Waare durch die ganze Welt geht. Bei 7000 Fuß abfoluter Höhe
ftand diefe Pflanze gegen Ende Mai in voller Blüthe, und wuchs
8 bis 10 Fuß hoch, ein annuelles Gewächs, deffen weiße Milch
fich gelb färbt und verdickt feit wird, dann in Haarſaͤcke einger
fammelt und ausgeführt jene flinfende Gummiart giebt, welche
wie ihre Blätter von Al. Burnes Neifegefährten an Ort und
Stelle begierig verzehrt wurden. Dies ift unftreitig die fchon von
Ariftobulus und Arrian bei Alerander M. Leberfteigung des
Indiſchen Kaufafus genannte Pflanze Silphium, von welcher
diefe Autoren diefelbe Erzählung geben, daß fie ein fo beliebtes
Schaaffutter und identifch mit dem Silphium der Cyrenais in
Libyen fey (f. Arriani de Exped. Alex. III. c. 28, 12.; Arriani
Rist. Indic. c. 43. 13... S j
In den Thalengen diefer Paflage herrfcht eine größere
u *
**) Al. Burnes Tr. II, p. 244; T. I. p. 193. +) W. Ainslie
Materia Indica Vol. I p. 20, 585. *5) Pottinger Travels in
Beloochistan p. 109; Christie ib. App. p« 415.
=
Hindu Khu; füdlihe Paffe von Bamihan. 261
Wärme vor, wie fih aus den Cerealien und Obftarten er
giebt, die hier fehr gut gedeiden. Wenn das Thermometer hier
bei Sonnenaufgang auch unter dem Gefrierpunct ftand, fo war
dennoch oft die Hige.des Sonnenftrahls am Mittag, zumal
aber bei Schneerefler,, unerträglich. Dagegen zeitigt eben dies
wol fchnell die dem Boden fo nahen Ackerfrächte. Selbſt auf
9384 F. Par. (10,000 F. Engl.) Höhe traf AL. Burnes #9) die
Bergbewohner gleich nach dem Schmelzen beim Pflügen der Aek—
fer, und die Ausfaat im Mai wird fchon im October geerntet;
es wurde hier Gerfte ehne Grannen gebaut. In den Ihälern
309 er zuweilen durch fiundenlange Obftgärten mit dem fchönften
Baumwuchs; Aprifofen gedeihen noch auf den größten Höhen
zu ausgezeichneter Vollfommenheit (vergl. Aften U. S. 704, 711,
713, 731, 733 u.a.D.). Erſt auf dem Hinabwege gegen Khus
lum jedoch traten am Ufer des Stromes auch Kirſchen, Bir
nen, Aepfel, Quitten, Dfirfih, Maulbeeren, Pom—
granaten, Feigen auf, wo das Ihal faum 200 Schritt
Breite hatte, und mit ihnen famen erſt reichere Grafungen und
viele befannte Wiefenfräuter zum Vorfchein.
b) au. Burnes Route über den Hindu Kuſch.
(Vom 18. bis 30, Mai 1832) *),
4) Ueber die drei füdlichen Däffe von Kabul bis Bamiyan.
Am 18. Mai. Bei der Abreife von Kabul blieb längs
dem Aufwege im Thale des Kabulfiroms bis zu. feiner Quelle
Sirchuſchma der Weg nad) Kandahar links, d. i. gegen
Weſt, liegen, fo wie der nah Ghizni gegen Süd. Bis zum
erften Haltert Yukraiz Cd. h. fließend Wafler im Perfifchen)
geht der Weg an Haren, fihattigen Baͤchen in einer reizend cul⸗
tivirten Ebene hin. Das trefflich bewaͤſſerte Ihal iſt feine halbe
Stunde breit und hat noch viele Meisfelder. Zu beiden Seiten
im ©. und W. heben ſich Schneegipfel einpor, Das Ihermomes
ter zeigte 12° 44° Reaum. (60° Fahrenh.). In der Eirchufchmas
Duelle, die mit ihren Wafferteichen ein dem Ali geheiligter Walk
fahrtsort ift, werden zahme Filche geheat.
Ron da aufwärts wird das fid) windende Thal immer en:
ger, bis man den Unna:Paß crreicht, eine cbene Kühe auf
++) Trav. II. p. 241. #7) ebend. I, p. 171—207,
262 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 5. 4
dem Ruͤcken des Gebirges, 10,322 Fuß Par. (11,000 F. Engl.)
uͤb. d. M., deren Zugang durch 3 kleine Forts beſchuͤtzt iſt. Noch
war er mit Schnee bedeckt. Jenſeit deſſelben, an einer gefchüßs
ten Stelle, ift ein Dorf erbaut, bei welchem fehon die Bergwafs
fer in entgegengefegter Direction, alfo nach der Mordfeite, ihr
Gefälle hatten. Hier, gleih auf der erften Paßhöhe, ift alfo
die große Wafferfcheide zwifchen Indus und Orus. Hier
war man fihon in das Falte Bergland der Huzaras ges
treten, in deſſen Ihälern man erft pflügte und zu fäen begann,
als in Kabul ſchon die Saat in Aehren fchoß, in Peſchawer
aber die Ernte ſchon in die Scheuern gebracht war. Weiterhin
führt der Gebirgsweg an der Bafis des Koh i Baba vorüber,
deifen dreigipfliges Schneehaupt ſich weit über Montblanc
höhe, bis zu 16,890 Fuß Par. (18,000 F. Engl.), emporthürmt.
Am 21. Mai Abends wurde der Fuß der zweiten Paß—
Luͤcke des Hajiguk erreicht, halb erfchöpft von Befchwerde und
faft erblindet dur den Schneefhimmer. Pier Stunden Weges
(10 Miles Engl.) hatte man im Bette des Bergſtroms zurückles
gen müffen, das fnietief mit gefchmolzenem Schnee gefüllt war,
und wol 2omal im Zickzack hatte durchfegt werden müffen. es
berall war der Weg mit tiefem Schnee bedecft, der Mittags fo
weich ward, daß die Saumroſſe tief einfanfen, oft ffürzten, oder
Meiter und Bagage abmwarfen. Das Schmelzwafler des Schnees
breitete fih in Sumpfmoore aus; dabei war die Hiße des res
flectirten Sonnenftrahls empfindlih, drücend, die Nafenhaut
fchälte fich los, das Auge war geblendet. Am Abend ward das
Heine Fort am Fuße des Palles erreicht, wo eine Huza ra⸗Fa⸗
milie #$) den Neifenden Herberge gab.
Ein elendes Haus mit plattem Dache, halb in der Erde ftes
hend, mit 3 Löchern im Dache ftatt der. Fenfter, von einem Hu—
zara-Weibe bewohnt, nahm die Wanderer als vermeintliche Pers
fer, und nur deshalb, gaftlich auf. Die Wirthin verficherte, der
Schnee fchließe fie 6 Monat im Jahre im ihre Hütte ein; es
regne hier nie, die Ausfaatzeit ihrer Gerfte fey im Juni, die
Ernte im September. Geld und Geldeswerth Fannte fie nicht.
Die Bewirthung erhielt man durch Taufch gegen. Tuch, Tabad,
Pfeffer und Zuder. Die Huzaras oder Hazaras (Hazas
reh), die AL. Burnes hier traf, find fehr verfchieden von den
**®) Al Burnes Tray. I. p. 178,
Hindu Khuz ſuͤdliche Paäffe von Bamiyan. 263
Afghanen; ihre Phyſiognomie mit vierecfigen Gefichtern und klei⸗
nen Augen entfpricht ihrer Iatarifchen Abkunft und der Chinefen:
bildung; einer ihrer Tribus nennt fich felbft Tatar Hazara.
Schon Abul Fazk?) fagte, mit Beftimmtheit, daß diefe Tribus
der Hazara, an 100,000: Familien: ftarf,. weiche zu feiner Zeit
alle bergigen Weideländer,. von Balkh bis Kabul, Ghazna und
Kandahar befest hielten, ein Reſt der Dfchagataiieere feyen,
welhe Mangu Khan zum Beiftand feines Bruders Hotafu
Khan, da. derfeibe ſich Perfien unterwarf, unter dem Commando
Nikodar Oghlans hierher. gefchieft: habe... Der dritte Theil’ von
ihnen feyen. Reiterfchaaren,. die Pferdezucht trieben, auch Schaafe
und: Ziegen: weideten,. of& unter fich- in blutige Fehden- zerfielen.
So weit. Abuf Fazl.. — Die Weiber gehen ohne Schleier, find’
huͤbſch, nicht eben: keuſch, daher- bei den Sunniten, die fie als
Keger haſſen, die böfe. Nachrede, daß fie fich den Gäften- anböten
(nach, dem Gebrauch. von Hami, f. Mien-I. ©. 360). Allen-Nachs
barn befeindet,. würden. die Huzara. längft: ausgerottet. fenn,. wenn
nicht: ihr. Elippiger: Boden von: hier: an, füdweftwärts,. durch den
Paropamifus- fie gegen: die- Ueberfälle von. außen. fchüste.. In
diefen. Höhen des Hindu Kuſch fehlt,. bemerkt. Al. Burnes, die
Kropfbildung- ganz,, die. doch: in den Vorbergen des Himalaya⸗Sy⸗
ſtems bis zu. Höhen. von. 4000: Fuß ſo haͤufig ſich zeige;.
Das. Heine: Fort am. Paßeingange. war im Beſitz eines Ger
birgshäuptlings,. Yezdan Bukhsh, der- an- der: Spiße von
12,000: Familien dortiger. Bergvölfer. felbftftändig genug: war, um
fih. nur wenig. um die. Oberhoheit. von Kabul‘ zu befümmern..
Zum Gluͤck für die Briten, die am Ihore. als. Nicht -Moslemen
zoll zahlen: mußten,, war. der. Häuptling mit. feinen Truppen: ins
Feld. gezogen; fonft würde: ihnen vielleicht: der Durchmarſch theuer
zu ftehen. gefommen,,, vielleicht: gar. verwehrt. worden feyn.. Kürze
lih hatte in: der. Nachbarfchaft. ein fanatiſcher Mullah verfucht
eine neue Secte „die. Ali. Illahi“ zu. fliften,. deren Dogma.
den Ali über. den- Propheten. Mohammed erhob;. man- gab diefer
Secte, Weibergemeinfchaft. und Bachanalien: im. Dunfel, Chis
ragh Kuſche(d. h. Lampenloͤſcher) genannt, Schuld... Die
zelotiſchen Moslemen waren ſo eben zu einem Kreuzzuge gegen
dieſe ausgezogen, wodurch die Straße gluͤcklicher Weiſe von ihrer
gewoͤhnlichen Gefahr, fuͤr die Paſſanten, befreit war.
*°) Ayeen Akbery ed. Gladwin. Lond. 1800. II. p. 163.
264 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt, $. 4.
Am 22. May wurde der zweite Hauptpaß, Hajiguf,
11,635 Fuß Par. (12,400 F. Engl.) üb. d. M. erftiegen. Noch
trug am frühen Morgen der gefrorne Schnee die Saumroffe;
und da die Culmination des Paſſes nur etwa 1000 Fuß, relativ,
über dem Fort fih erhob, fo war fie auch vor Erweichung des
Schnees durch den Sonnenftrahl erreicht. Es war fehr Falt, nur
Pelze ſchuͤtzten; das Thermometer fiel doch nur 4 Grad unter
den Gefrierpunct. Der Mangel an einem Wegweiſer durch diefe
Schneewildniffe machte die Wanderung gefahrvoll. Noch war
der 3te, wieder um 1000 Fuß höhere Paß, Kalu, 12,198 Fuß
Dar. (13,000 F. Engl.) zu erfteigen. Die Schneehemmungen
zwangen eine feiner Schultern im Ummege zu umgehen, um in
ein Seitenthal zu fommen, deflen Bergwaſſer abwärts nad) Bas
miyan, alfo fhon zum Flußſyſteme des Orus oder Gi—
hon führte.
An 3000 Fuß fleigt man von den Höhen der Schneepäfle
durch furchtbare Klippenwände und Abftürze hinab in das Thal
son Baminan, das reich an grandiofen Naturfcenen und merfs
würdigen Denfmalen der Vorzeit ift, über die man kaum
noch Hypotheſen #0) wagen durfte, die nun aber doch ſchon von
einem Augenzeugen erblickt, wenn auch feineswegs noch genau
unterfucht find.
A. Burnesh ift der einzige Europäifche Berichterftatter
diefer Focalität als Augenzeuge, von der alle orientalifchen Geos
graphien fprechen, und viele Hiftorien, Sagen u. f. w. mittheilen,
die aber nun durch aufgefundene Denfmale innerhalb
dieſes Gebirgspaffes und feiner nahen Umgebungen zu neuen Fors
Thungen führen mögen, von denen einige Nefultate, fo weit fie
hierher zu ihren Localbeziehungen gehören, wir vorläufig in Beis
folgender Anmerkung niederlegen, da die vollftändigere antiquaris
ſche Unterfuchung ſelbſt, nebft den Beweiſen für diefe, wie es
fcheint nicht unwichtigen Ergebniffe, umftändlicher entwickelt ans
derwärts, im Zufammenhange in einer befondern Abhandlung Uber
‚ diefen Gegenftand mitzutheilen fenn werden.
Die tiefe Felsfchlucht zwifchen dem Hochgebirge zeigte ein ins
tereſſantes geographifches Profil. Das Nebenthal, welches auf
dem Umwege durchzogen ward, bewies durch unzählige Ruinen—
*#°) Ueber Alexander des Gr, Feldzug a. a. D. ©. 15— 16,
*‘) Ah Burnes Trav, I, p. 182— 189. II, p. 245.
Hindu Khu, Bamiyan=Thal, 265
haufen, daß es in alten Zeiten befeftigt gewefen war. Einige die:
fer Trümmer, fagten die Leute, feyen Trümmer von Pofthäufern
aus der Mongholifchen Kaiferzeit, die, wie wir oben fahen (f.
Afien IV.1. &.630—631), an „der großen Königsftraße”
durch Kaifer Akbar erbaut wurden; aber die weit größere Zahl
wurde den alten Perferfönigen zugefchrieben, und zumal
in die Zeiten Zohafs, die Firdufi im Shah Nameh ber
fingt, zurückverlegt, für welche die Gegend von Bamiyan im
Öftlichen Khorafan die elaffifche Gegend ift. Ein Eaftell zus
mal, am Nordende des Ihales, das den Engpaß am Ausgange
beherrfcht, fagt Al. Burnes, ift mit großer Arbeit auf dem
Gipfel eines Felsabfturzes erbaut und £unftreich mit Waffer vers
fehen. Darüber viel Sagen und Fabeln unter dem Volk; leider
Maren die Umftände nicht günftig alle diefe Baumerfe näher zu
unterfuchen, fo daß wir nicht einmal eine Eurze Characteriftik ihs
rer Conftructionen erhalten.
Nur von dem Hauptthale Bamiyan, das von Weft
nah Oft, am Süpdfuße des Akrobat-Paſſes vorüberzieht, ehe
es nordwärts, in noch unbejuchten Schluchten, fich nad)
Gori und Khunduz wendet, in welhem die zahllofe
Menge von Grotten und Ercavationen, Sumud ge
nannt, drei volle Stunden (8 Miles Engl.) entlang, zu beiz
den Seiten, in den Thalwaͤnden Bamiyans fich zeigt, die einft
der zahlreichen Population eines Troglodyten-Volkes oder
Zaufenden von Eremiten und buddhiftifchen Religiofen zu Wohns
ftätten dienen mochten, ift bei Al. Burnes im Allgemeinen die
Rede. Nur von den beiden bis zu 120 Fuß hohen in den Berg
gehauenen Eoloffen mit menfchliher Geftalt, den fogenannten
But:Bamiyan 32), die am Karamwanenwege, zwifchen und über
‚vielen Grottenwerfen feltfam emporftarren, giebt derfelbe eine naͤ—
here Befchreibung und Abbildung, zu deren Erklärung wir weiter
unten zurückkehren werden, da wir hier, fürs erfte, noch den
nördlichen Fortfehritt über die Hindu:KhusPaffage vers
folgen.
53) J. Baillif Fraser Narrative of a Voyage into Khorasan, Lond,
1825. 4. App. B. p» 121.
66 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $ 4,
2) Ueber die drei nördlichen Pälfe von Bamiyan bis Khulum.
Nach eintägigem Aufenthalt 3) in dem ungaftlihen Bas
miyan, von deffen gegenwärtigen Bewohnern und Zuffande uns
nichts Näheres. mitgetheilt wird, weil es wol nur, gleich allen ans
dern, dortigen Flecken ein elendes Meft räuberifcher Bergtribus
feyn mag, waren 6 geogr. Meilen (30 Miles Engl.) zur nächften
Station, nach Syghan, zurkckzulegen. Auf halbem Wege das
hin, wurde der Pag Afrobat, 8445 F. Dar. (9090 F. Engl.)
überftiegen, welcher die moderne Grenze von Kabul bildet,
da Baminans Commandant noch von dieſem Staat eingefeßt wird.
Jenfeit diefes Paffes beginnt, mit dem Einfluß einer ans
dern, nordifchen Herrſchaft, mit anderm Volk und
©itten, mit einer bald. ſich verändernden Landesnatur,
auch ein anderes Ländergebiet, das man früher das Tas
tarifche nannte, das richtiger mit dem einheimifchen. Namen,
nad) feinem Aboriginer»Stamme, das Gebiet von Turkeftan
genannt werden kann. Doch durchziehen wir hier noch zuvor den
ganzen Gebirgsweg, der ung in die nördliche Ebene einführt,
ehe wir zur Säüdfeite zur Kabulterraffe zuruͤckkehren.
Al. Burnes fagt, er ſey hier, auf dem. Akcobat-Paffe, wo
ein Eleines Bergfort erbaut ift, überrafcht gewefen, weil er nun.
erft, vor fich, nach der frühern Kartenzeichnung, die großen
Schneegebirge des Hindu Khu erwartet habe, die aber in
Natura fehlten, weil fie hinter ihm > fagen, und von ihm
fchon überftiegen. waren; deshalb er chen den Koh i Baba als
die Fortſetzung der Hauptfette anzufehen fich. veranlagt fah. Aller
dings rar diefe irrthuͤmliche Anficht früherhin allgemein, und es
ift dies eine wefentliche Berichtigung unferer Kartenzeichnung,.
Obwol indeß die coloffalen Gebirgspälfe Uberftiegen waren, und
nur niedrigere jedoch. immer noch. von 8000. bie 9000. Fuß abfo:
Iuter Höhe vortagen, fo fann man deshalb nicht eben. fagen, daß
nun auch fchon die Gebirgsbildung aufhore;. denn. Über folche
Paͤſſe müffen doc, immer noch bedeutende Gipfelfpigen wenig:
ſtens ein paar taufend Fuß höher emporragen, die dem Aublicke
Al. Burnes offenbar nur wegen. der engen Steilſchluchten, die
ihm felbft die Meffung der Sterne und der Sonnenculmination
verdeckten, verborgen blieben; wie dies fo häufig dem Wanderer
in den gleichfalls zwifchen tiefen Mauerwänden eingefchittenen
**3) Al. Burnes Tray. I. p, 189 —21l. °*) ebend. p. 189.
Hindu Khu; nördliche Pafje von Bamiyan. 267
Thaͤlern Tyrols, Salzburgs und anderer Theile der öftlichen Alpen
begegnet. Es ftreicht alfo der Alpengürtel des Hindu Khu ficher
noch immer in bedeutender Höhe und Breite aud) noch an der
Nordfeite Bamiyans vorüber, nur führen bequemere, fchnee:
freiere Päffe über ihn hin, und Baminans Lage bleibt ims
mer innerhalb des Alpengebirgslandes, der Haupt:
fchlüffel feines leberganges, wenn es auch nicht wie die. früs
her irrige Vorftellung war, am Suͤdfuße der höchften Ketten liegt.
Vor uns, fagt Al. Burnes, hatten wir vom Afrobat
noch einen breiten Gürtel von Bergen zu paffiren; aber diefe
waren meift frei von Schnee, und weit niedriger als die, welche
wir ſchon überftiegen hatten. Mit Empfehlungsbriefen von Kas
bul an den Commandanten von Bamihan hatten uns 20 Rei—
ter deflelben als Escorte begleitet; fie ritten fchöne Turfmanens
pferde, und waren von ihren großen, grauen Yagdhunden begleis
tet. Hier auf der Höhe von Akrobat verließen fie uns, und
wir mußten dem befreundeten Kabul Lebewol fagen.
Es folgen die Gebiete einiger Berghäuptlinge, die nur wenig
Sicherheit gewähren. Syghan, die erfte Station, gehört zum
Territorium des Uzbefen Mohammed Ali Beg, der abwech—
felnd bald Unterthan von Kabul, bald von Kunduz ſich nennt,
je nachdem feiner Macht es zufagt; der aber feines von beiden
if. Dem Khan von Kabul zahlt er höchftens einige Pferde, dem
von Kunduz einige Menfchen, die er durch feine Streifcorps erft
auf Raubzuͤgen wegfangen läßt und als Sclaven behandelt. Meift
find 8 Huzara’s, Shiten, die den Sunnitifchen Uzbeken, ihr
‚ren Ersfeinden, verhaßt find, und die fie mit Gewalt glauben bes
Echren zu müffen. Diefer fchändlihe Menſchen raub iſt hier
die größte Gefahr für den Neifenden. Der Kafıla Baſchi hatte
die Briten glücklicher Weife als arme Armenier eingeführt, fo ka⸗
men fie ungeplündert mit Abtragung eines geringen Zolles durch,
In Syahan hatte man ſchon ein anderes Sand betreten,
und war unter einem Volke von andern Sitten. Die Mofcheen
mit Filzteppichen belegt, ein Zeichen mehr zelotifcher Fröms
melei; auch waren fie befier gebaut als in Kabuliftan. Man ber
lehrte die Reifenden in der Herberge, daß es unerlanbt fen, beim
Lager die Füße gegen die Seite nad) Mekka zu auszuftrecen ;
das ſey zu verächtlich. Der volle Schnurbart bezeichnete hier eis
nen Ungläubigen oder einen Shiten; um nicht, als folcher, fich
den Beſchimpfungen des Volkes auszufegen, mußte der mittlere
268 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6. 4.
Haarbuͤſchel des Schnurrbarts abraſirt werden. Das bigotte Volk
von Syghan erregte dennoch Bangigkeit. Nur innerhalb der
Stadtmauern ſahe man einige huͤbſche Anlagen von Gaͤrten; au—
ßerhalb derſelben iſt das Thal eine Einoͤde ohne Vegetation. Nur
die geognoſtiſche Unterſuchung der nackten Felſen bot ein Intereſſe
dar; aber auch das wurde ſehr bald gedaͤmpft. Als Al. Bur—
nes einen der Steine genauer betrachtete, rief ihm der mistraui—
ſche Kafila Baſchi zu: Nun! haft Du’s endlich gefunden? Was
denn? „Das Gold.“ Sogleich warf ich den Stein fort, ſagt
der Reiſende, und ward vorſichtiger, um mich nicht in neue Ges
fahren zu ftürzen. „ h
Don Syahan aus wurde der Paß Dundan Shifan
(d. h. der Zahnbrecher), 7506 Fuß Par. üb. dv. M. (8000
F. Engl), wo noch die Assa foetida; Pflanze wächft, überftiegen.
Der Hinabweg führte durch ein fihönes, aber enges, nicht über
300 Fuß breites Ihal, mit Obftgärten voll Aprikofen, das mehrere
englifche Miles weit fich bis jenfeit des Dorfes Kamurd hinzieht,
das an einem linfen Seitenarme des Gori-Fluſſes liegt, der, an
Kunduz vorüber, zum Oxus oder Gihon fällt. Zu beiden
Seiten diefes Engfchlundes fleigen die Felfen bis zu 3000 Fuß
empor, und unmittelbar, fo fleil, daß es unmöglich war Nachts
Obſervationen Über die Sternhöhen anzuftellen.
Kamurd %5) iſt die Nefidenz eines zweiten Gebirgs-Häupt:
lings, eines Tadjik (d. h. eines Perfifchzredenden), Ruhmut
Ullah Khan, der dem Wein fehr ergeben. Obwol an den
Khan von Kunduz tributpflichtig, forderte ex doch auch feinen
Zol. Die Neifenden gelodten ihm, ſtatt deifen, Wein von Khuls
lum zu fenden. Ohne große Macht treibt doch auch er Menfchens
raub; aber auf andere Art wie fein Nachbar in Syghan. Er
überfiel eines feiner eigenen Dörfer plöglich), machte alle Einwoh—
ner. deflelben zu Gefangenen, und ſchickte fie, als Sclaven,
feinem Gebieter dem Mohamed Murad Khan von Kun—
duz, der ihm, zur Belohnung für folche Devotion, noch drei neue
Dörfer abtrat. Der Sohn diefes Tadjik ward die Sauvegatde
der Karawane.
Am 26. May wurde der letzte der Palje des indifchen
Kaufafus, der Kara Kuttul (richtiger Kotul, d. h. der
fhwarze Pas), 8445 F. Par: (9000 F. Engl.) überftiegen,
#*#) Al. Burnes Tray. I, p. 195.
&
Hindu Khu; nördliche Päfje von Bamihan. 269
von welchem doch noch immer eine Strecke von 19 geogr. Meil.
(95 Mites Engl.) innerhalb des Berggürtels zu ducchzies
hen ift. Bei dem Dorfe Duab, mo fich zwei Bergfiröme vers
einen, ftieg man in das obere Ihal des Fluffes hinab, der weft
wärts vom Ghori: Fluß, und demfelben parallel, ebenfalls
nordwärts, an Heibuf und Khulum vorüber, zum Orus
fällt. Das furchtbare Felsprecipice, dem man entlang folgte, war
fo tief, daß durch die Felswände zur Seite, des Nachts, alle
Sterne bis zum Zenith verborgen blieben. Diefe Gegend ift durch
Raͤuber gefahrvoll; eine Bande von einigen 30 Neitern, Tataris
ſche Huzaras, zeigte fih auf der Höhe, nahe dem Paſſe. Der
Ruf Allaman! Allaman! (d.h. Näuber) ertönte durch die
Karawane. Nur die ftarfe Escorte rettete uns, fagt Al. Burz
nes; fonft würden wir, wie fo viele andere, als gefangene Sla—
ven zu Hirten gemacht worden feyn. So fielen für diesmal nur
2 Kameele und deren Führer in ihre Hände. Dem Flußthale
des Khulum folgte nun. die Straße immer gegen den Norden,
zwifchen Bergen hindurch, ftets bergab, über Khurrum, Sar:
bagh bis Heibu£°%);, öfter durch furchtbare Defileen, über
welchen die Felfen 2000 bis 3000 Fuß herabhingen. Auf ihren
Binnen horfieten edle Schwarz: Adler, und in Kreifen ſchweb⸗—
ten Geier und Falken durch die Lüfte. Der Engpaß bei Heiz
buf, Dura i Zundan (d. h. Thal der Kerfer), fol von
feiner ſchauervollen Befchränfung den Namen haben, weil ihn
an mehrern Stellen nie ein Sonnenſtrahl treffen fann. Hier
wächft eine Pflanze, die für Pferde und Maufthiere ein Sift
feyn fol. Sie heißt Zuhr buta Cd. b. Giftpflanze); ihre
filienartige Blüthe ift 4 Zoll lang. Dr. Wallich foll fie. für
eine Species von Arum anerkannt haben. Heerden von Wild,
verfchiedener Art, fahe man auf den benachbarten Felshöhen.
Der Boden der Thalgründe war aufgewühlt von gewaltigen, wils
den Ebern; die aromatifchen Alpenweiden waren von zahlreiz
chen Heerden bedeckt; im Thale zeigten fich viele Obftpflanzuns
gen, und die Bevoͤlkerung nahm mit der Annäherung
gegen die Ebenen von Turfeftan bedeutend zu. Schon zeigten
fih dem Europäifchen Auge befanntere Gewächfe, Weißdorn
(Hawthorn), Heckenroſen (Sweet briars), Ranken (Hemlock)
u.a. m. Die Karawane legte von Sonnenaufgang bis 2 oder
8°) ebend. I. p. 202. *
770 Weft-Afien. 1. Abſchnitt. $. 4.
3 Uhr Nachmittags, täglich nur an 4 geogr. Meilen (20 Miles
Engl.) zurüc; das Fruͤhſtuͤck, nur trocken Brod und Käfe, wurde
auf dem Sattel verzehrt, und das Lager unter freiem Himmel
genommen, wobei man mit Ereuzweis untergefchlagenen Beinen,
am Feuer fisend, den Schlaf erwartete, Die Begrüßungen wurs
den nach perfifcher Höflichkeitsfitte fehr mannichfaltig; Jedermann
ward nun fihon Khan oder Aga titulirt, jeder Mullah oder
Driefter als Akhund (d. i. Lehrer) oder Akhundzada em
pfangen, fobald er der Sohn eines Mullah war, jeder Schreiber
oder fonftiger Gefchäftsführer als Mirza begrüßt u. f. w.
Heibuf*7) ift die Nefidenz eines dritten Gebirgs-Haͤupt⸗
lings, eines Uzbeten: Chefs, Baba Beg, der ein gefürchtes
ter Tyrann ift, und wegen feiner Graufamfeit aus Khulum vers
trieben ward. Man zog, glüdlicher Weife, ungeftört an feinem
Caſtell vorüber, das von Badfteinen erbaut von einer Höhe herab
den Weg beherrfcht, und einem darunterliegenden Dorfe gebietet.
Eine fternenhelle Nacht erlaubte, bier, im Morden des Hindus
Kufch, wieder die erfte Obfervation der Polhöhe zur Beſtimmung
der Lage des Ortes,
Bei Heibuf erweitet fih nun, zum erften Male, das
Thal zwifchen den Berghöhen; die Landfchaft wird gaftlicher,
liebliches Gartengelände mit vegetabilifchem Lurus erquickt das
Auge. Den günftigen Clima-Wechſel verkündet die Erfcheinung
des Feigenbaums, der nicht höher auf im Gebirge wächft
und auch in Kabuliftan fehlt.
Heibuf liegt doch immer noch 3753 F. Par. üb. d. M.
(4000 $. Engl). Der Boden ift fruchtbar, der Pflanzenwuchs
üppig; die tropifchen Plagen glaubte man im Rücken zu haben;
bier £ehrten fie fchlimmer als in Yndien wieder. Schlangen und
Scorpionen fchreeften öfter am Wege auf und verwundeten. Die
Häufer in Heibuk haben nicht mehr die Terraffendächer von Kas
bul; fondern, wie von da an durch den ganzen Weften von Afien,
niedrige Dome oder Kuppeln, mit einer Dachoͤffnung als Rauch—
fang, fo daß jedes Dorf auf feinen nackten’ Intermauern einer
Gruppe vieler und großer Bienenftöcke aus der Ferne gleich fieht.
Das Vol von dem vorigen fo verfchieden, wie defien Wohnun:
gen, trägt Kegelmügen, ftatt der Turbane, und hohe, braune
Stiefeln. Die Weiber Heiden fih in die bunteften Farben; viele
*#7) Al. Burnes Trav. I. p. 203.
%
Hindu Khu; Bamiyans Denkmale. 271
gehen ſchon unverfchleiert, und fo zeigt ſich ſchon manches fchöne
Geſicht. Noch immer behaupten die Frauen vom TurkStamme
den alten Ruhm ihrer Schönheit, und ftehen darin der männlis
chen Bildung voran.
Am 30. May führte der Teste Tagemarſch, durch den In⸗
difchen Kaufafus, aus den Bergen hinaus in die Ebene von
Khulum, oder Taf Kurghan, wo fich ein fchöner Blick
eröffnete, der das nordiwärts fich fenkende Land bis zum berühms
ten Orus- Strome oder Gihon überfchaut. Noch Keine Stunde
oberhalb der Stadt Khulum verläßt man die legten Berge, die
noch einmal plöglich fleil und impofant, bis zu 2814 Fuß Par.
(3000 $. Engl.) abfolut, oder 1000 Fuß relativ über dem allges
meinen Niveau der Orus-Ebene aufitsigen. Ein enges Des
file, das leicht zu vertheidigen ift, führt hindurch, und Khus
lum, die Grenzftadt des mächtigen Chefs Murad Beg von
Kunduz ift erreicht, der alles Land am Nordgehänge des Hindus
Khu unter fein Goch beugte. Khulum mit 10,000 Einwoh:
nern, mit Balkh in gleichen Parallel, liegt nun fehon dem Oxus
ganz nahe, zu deflen Stromgebiete wir fpäter fortfchreiten, für
jegt aber noch einmal in die Mitte und auf die Süpdfeite des
Hindu Kuſch, zur Hochterraffe von Kabuliftan zurückkehren.
—— 1. Bamiyan (Alexandria ad Caucasum), feine
Höhlen und Eoloffe,
Bamiyans Gefhichte, diefes Hauptichloffes der Hindu Kufch-Pafs
fage, blieb bisher dunkel und in Fabel gehüllt, aus welcher nur einzelne
Lichtpuncte hervorftrahlten, weil die Specialberichte über die Begeben-
beiten dieſer Cocalität fehlten, fo bedeutend fie auch war, da ſchon
Strabo mit Recht fie ald auf dem großen Kreuzwege Mittels
afiens liegend (en? zv 2x Buxrıgwv zolodov Strabo XV, c. II. $,8.)
haracteriftifch bezeichnet alfo auf dem Wendepuncte ber
Spraden, Eulturen, Religionsfyfteme, wie auf der großen
Heereöfiraße der Eroberer und Golonifationen, bie daher auch
bis in die neueften Zeiten bei den Eingebornen in Fran, Sndien und
Balkh den Namen der großen Königsftraße beibehielt. Wir wer⸗
den nad) vieljährigen **) Bemühungen es endlich verfuchen, in dem Fol⸗
genden einen Eurzen Entwurf zur Ausfüllung jener Luͤcke und zu der
daraus hervorgehenden Erklärung der Denimale Bamiyans mit
zutheilen,
®*) Die Vorhalle Europäifcher Voͤlkergeſch. 1820. ©, 329 u. a. O.
272 Welt: Alien. J. Abſchnitt. §. 4,
Sm Paßthale Bamiyand wurde Alexandria ad Caucasum oder
sub ipso Caucaso durch Werander M.*°°) gegründet. Auf dem Uebers
gange zwiſchen Baktrien und Indien gelegen, wo Ormuzb und Brabs
ma herrfchten, ward nad) dem Verfall der makedonifchbaktrifchen Mo—
narchie (136 vor Chr. Geb.) unter dem Schuge eingewanderter Getis
ſcher oder Sakifcher, fogenannter Indo-Skythiſcher Fürften
(f. Afien I. ©. 94, 350—352, 431—437 und oben S. 101 u. f.), ber
Sndifhe Kaufafus mit dem Paropamifus und Kopheng,
d. i. gang Kabuliftan, duch Buddhismus *0), von der dhriftlichen
Aera an, und felbft früher fhon, vor der Macedonier Zeit, bis in das
VII. und IX. Sahrh., zu feinee hoͤchſten Blüthe erhoben. In dies
fer bisher gaͤnzlich unbekannt gebliebenen Periode vorherrfcenden
Samander Eultus auf der Weftfeite des Indus, im Gegens
fage des Brahmacultus auf deffen Oftfeite und in den Gans
gesländern, füllt fi) das Hochland des heutigen Afghaniftan, über Kas
bul bis Bamiyan und zum Hindu Khu hinauf, mit jenen colofjalen
Bauwerken (f. oben ©. 98— 122), welche feitdem die Verwunderung
der Entdecker felbft erregt haben. In diefer Periode ift es, wo am
Ende des IV. und in der Mitte deö VII. Sahrhunderts dur Pilgerz
faprten Bubddhiftifher Priefter (Fa Hian im Jahre 399,
Hitan Thfang 630-650 nad) Chr. Geb.) aus China in das Land
ihrer Patriarchen oder Kirchenväter, über den Indiſchen Kaukaſus
oder die Paffagen des Hindu Khu und des Hindu Kuſch, der Sndifche
Name Bamiyan zum erfien Male in den Chinefifhen Annalen, in
der Chinefifchen Umfchreibung Fan yan na bei Hitan Ehfang, der
hindurch reifet, wie in den Annalen der Thang-Oynaſtie (die von 618
bis 907 nach Chr. Geb. herrſcht) °'), hervortritt. x
Nur aus dem Zend, ald Bamié °?), d. h. die Reihe, im
459) C. Ritter über Alerander M, Feldzug 1832. 4. ©. 14 u. f.
°o) FoeKoueKi ou Relation desRoyaumes Bouddhistiques. Voya-
ges dans la Tartarie, dans l’Afglanistan et dans l’Inde executes &
la fin du IV Siecle. Par Chy-Fa-Hian. Trad. du Chinois et
commente par Abel Bemusat, ouyrage postkume, revu complete,
augmente etc. p. MM. Klaproth et Landresse. 4. Paris 1837;
vergl. C. F. Neumann, Prof. Pilgerfahrten Budbbiftifher Priefter
von China nad) Indien, aus dem Chinef. überf. mit Anmerkungen.
Leipzig 1833. 8. J. Klaproth Reife (im 3. 650—650.n. Ehr.
Geb.) des Chinefifhen Buddhapriefters Hitan Thſang durch Mite
tel-Afien und Indien. Berlin 1834, 8. *1) Ab. Kemusat Re-
marques sur l’Extension de ’Empire Chinois du cot& de POcci-
dent, in Memoires sur plus. Questions relat. a la Geogr. de l’Asie
ecntrale, Paris 1825. 4. p. 91; derſ. in Notice sur quelgues
Pcuples du Tibet ete. de ’Ouyrage de Ma touan lin etc, in Nouy.
Melanges Asiat. Paris 1829. 8. T.I. p.214. *?) f, Vocabulaire
Zend-Pehlri in Zend-Avesta p. Angquetil du Perron II. p. 433,
Hindu Khu, Bamiyans Denkmale. 273
Pehlvi; Bami tfhaguin vofefch nad) Anquetil, d, h. Para⸗
dies, oder aus den Yuranas der Sanskritwerke, wenn man hier dem
fleißig fammelnden Wilford trauen darf, wonah Para Vami die
reine, glänzende Ba mi, d. i. Gapitale, war; oder als Paro Va⸗
mi °°), d.h. die Bergftadt, was die Makedonier leicht in Paropa-
misos verändern mochten, hätte diejer Name nod früher befannt wer:
den können, ein Name, der aber dur die Makedonier nun auf das
Stadtgebiet und auf die Bewohner des Gebirgslandes, von bem jenes
die Gapitale geweſen, die nun ihre Alexandria uͤberbot, uͤbertragen, der
Weſtwelt bekannt ward. Mit der Ausbreitung des Koran durch ganz
Iran mußte ſpaͤterhin, wie der Lichtdienſt Zoroaſters mit feinen
Seueraltären, jo der Buddhacultus mit feinen Klöftern, Reliquien
und Troglodytenleben, vor dem blutigen Schwerte des Islam von dies
fem Hochlande zurüdweihen. Zahlreiche Populationen beider
Friedensreligionen, bie unter dem milden Scepter Saffanidifcher
Herrſcher, wie Nuſchirvans und anderer, neben toleranten Getifh- Bud⸗
dhiſtiſchen Dynaftien (wie die Kanerkog= und Mokadphyſes⸗ Muͤnzen und
andere beweiſen, die in ſo großer Menge bei Ausgrabungen der gleich⸗
zeitigen Monumente gefunden ſind) in Wohlſtand waren, ‚bewohnten da⸗
mals noch das Hochland Afghaniſtans. Sie lebten dort noch
Jahrhunderte hindurch unter dem nachwirken den Einfluſſe baktriſch⸗
griechiſcher Civiliſation, wie die griechiſche Kunſt und die griechiſchen Le⸗
genden auf ſo vielen Tauſenden dort einheimiſcher Münzen beweifen ;
aber fie verfhwinden feit dem Eindringen der Mohammedaner ganz,
ober werden doch nad) andern Seiten hin zeriprengt, Gleich den Gues
bern nad Indien: (Parfeneinmanderung, f. Afien IV.1. S.615—619),
fo die Buddhiften in die Hochgebirge von Kaferiftan, Baltis
fan, Ladakh (ſ. ob. ©, 112,216), oder nad; Klein und Groß Tübet,
Araberheere, unter den ‚Khalifen, und muhammedanifc gewordeng
Turkſtaͤmme dringen als blutiriefende Sieger und Eroberer durch
ihre Ghazie oder Glaubensfriege in die friedlihen Sitze der
Feueranbeter und Buddhaverehrer (fchon feit dem Ende des VI. Jahr⸗
hunderts, ſ. Aſien IV. 1. ©. 531) ein, und verändern durch neue Anz
fiedelungen ihrer Horden, durch neue Sitten und Lehren, großenz
theild den Character der Vorzeit, fo daß nur wenige Reſte in ge+
ringen Gruppen der Aboriginer, als Kafern in dem Gebirgsland,
oder als Tadjik in den Gulturlandfchaften, fiets im. Kampfe gegen
fie, oder im harten Drud unter ihnen, in einzelnen, gejchügteren
Gauen zurücbleiben.
» tu38
r °:) On ‘Mount Caucasns by C. Fr, Wilford, in Asiat. Res, Lond.
8. T. VI. p. 462 — 4725 vergl. Marles Hist.»Geno,-de UInde.
Paris 1828. 8. T. I. p. 39. un? % .
Ritter Erdkunde VII, S
274 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. F. 4.
Mit dieſer dritten Periode, nach der Perſiſchen und Makedonl⸗
ſchen, naͤmlich der beginnenden Herrſchaft des Islam, fangen, ſtatt der
bisherigen Griechiſchen und Chineſiſchen Schriftſteller uͤber dieſes Weſt⸗
ende des Indiſchen Kaukaſus, die Arabiſchen und Perſiſchen Geos
graphen und Hiſtoriker an, uns in abgeriſſenen Notizen ihrer
Weltbeſchreibungen, oder der Chroniken ihrer Dynaſtien, einzelne Licht⸗
ſtrahlen auf das Schickſal von Bamiyan und feiner Umgebungen zu wer⸗
fen, wie Ebn Haukal (950 nady Chr. Geb.), Abulfeda, Mitte des
XIV., und Abul Fazl, Ende des XVI. Jahrhunderts; auch Mirs
khond in feinen Hiftorien der Dynaſtien. Sie reichen nur fo eben Hin,
um zu zeigen, daß B amiyan nod immer eine bedeutende Stabt war,
halb fo groß, fagt Ebn Haukal °*), wie Balkh, und daß fie
feft genug war, um eine Belagerung gegen die mweltftürmenben Mon—
gholen einige Zeit Tang auszuhalten. Aber auch fie, wie fo viele ihrer
weit größern Schweftern, warb endlih erftürmt und der Erde gleich
gemacht. Die Stadt Bamiyan, erzählen die Mongholifchen Annas
Ion ®®), vertheidigte fich hartnädig gegen Dſchingiskhans Ueberfall (im
Jahr 1221), bis es endlich erlag, und, im Zorn des Eroberers zerftört,
felöft das Kind im Mutterleibe nicht geſchont ward, das Vieh felbft uns
ter der Wuth des Schwertes fallen mußte. Bamiyan, die Stadt,
ward zur Wuͤſtenei, und feitdem Murbalig,- d. i. bie traurige
Stadt, genannt. So die Monghelifchen Annalen,
Daffelbe Schickſal traf damals audy die blühenden Nachbarftähte
Balkth, Herat, Kabul, Kandahar, Baznaz; zwei Zahrhunderte
früher hatte durch Sebekthegin, den Turk-Sclavben, den furchtbas
ren Feldherrn und Begründer des Ghaznaviden Haufes (f. Aſien IV. 1.
©. 532 — 534), daffelbe Schickſal fchon die Wohnungen der Göts
ter, wie unter Oſchingiskhan die dee Menfdyen, getroffen. "Se:
betthegin war in feinen Gfaubensfriegen, wie Mirkhond °*) fagt,
der unerbittliche Zerfiörer aller Sdpolanbeter, aller Idole und
Goͤtzent empel auf der Weftfeite des Indus gewefen, und nur
das Vorbild feines Sohnes, Sultan Mahmuds , der biefelbe Zerſtö—
zung auch auf die Oftfeite des Indus übertrug, Doch auch vor ihm
giebt Ferifchta zu verſtehen (f. Aſien IV.1. S. 531), daß ſchon Ende
des VII. und Anfang des VIII. Jahrhunderts theilweiſe Verheerun⸗
gen Arabiſcher Anfuͤhrer, entflammter Anhaͤnger des Propheten, denſel⸗
ben Boden trafen.
264) Oriental. Geogr. 1. c. p. 225. s#) Deguignes Geſchichte ber
Hunnen, Zürfen, Donaholen ze, Ueberf. v. Dähnert, Greifswald
1769, 4. Th. I. ©. 602 — 604, III. ©. 68. ®®) Historia Sa-
manidarum ed. Wilken, p. 204-205 Not. 55. ad p. 115; deſſ.
Histor. Gasneyidaram p. 142.
—
Hindu Khu, Bamiyan’s Denkmale. 275
Iſt es zu verwundern, wenn nach folhen Voͤlkerſtuͤrmen, SKriegess
fluthen und Religionswechfeln die Denktmale der Vorzeit in Ruis
nen zerfielen und ſchwanden, felbft die Erinnerung an fie in der Denk:
weiſe der Ueberlebenden gänzlich erlöfchte, und eine einft reich be—
voͤlkerte Landfchaft durch Hordenleben dem größeren Theile nach, mit
Ausnahme weniger feftbefiedelter Bauen, zu einer großen Eind de ward,
Und dennod ragen auch heute nod) in diefer Hunderte von co=
toffalen Thürmen hervor, die größtentheils in Schutthügel verwan=
delt ganze Hügelreihen bilden, deren altes Mauerwerk nur darum ſtehen
blieb, weil es unbewohnbar, unbenutzbar fuͤr die neuen Ueberzuͤgler war,
und die Arbeit der Zerftörung keinen Gewinn für die Zerſtoͤrer verhieß.
Noch Heute fiehen die ftummen Eolofje von B amiyan am Heermege
zwiſchen den Grottenbergen, aber als redende Zeugen einer Vergangen=
heit, in welcher fie ſelbſt als religiöfes Denkmal der Einführung einer
gefeierten Lehre galten, deren Anhänger das Troglodytenvolk war, das
in frommen budöhiftifchen Kloftervereinen einft diefe Thaͤler belebte,
Die Lage Bamiyans, innerhalb des engen, drei Stunden
langen Thales, im Norden und Süden, durch dreifache Gebirgspäffe
. Natürlich und ficher verfchangt, geht aus der obigen Erzaͤhlung hervor.
Nur einen, einzigen Zag Eonnte Al. Burnes hier verweilen, viel zu
furz, um vollftändige Einfiht zu gewinnen; aber hinreichend, um, wenn
auch nur flüchtigen, Bericht über die Goloffe, But Bamiyan °7)
genannt, und die Grottenwerke, Sumuch, zu geben, welche beide Thal:
ſeiten „wie Honigvaben“ (honeycombed, nah A. Burnes Aus—
drud) durchloͤchern. Die Ausgrabungen von Sdolen und Snfcriften*“®),
weiche Eh. Maffon hier, im darauffolgenden Sahre, 1833, zu Stande
brachte, find uns noch nicht näher befchrieben, und M, Honigberger,
der wol ähnliches hier, im 3. 1834, unternommen haben würde, wurde
bei feiner Durchreiſe beraubt und gefangen °°) gejest, fo daß er nur
froh feyn mußte, durch die fehnelle Weiterreife nad) Balkh, der ihm dro=
benden Gefahr entgangen zu feyn. Die Sumud, d. i. die Grotten
und Höhlen, welche beide Bergmände des ganzen Thales durchziehen,
find auch heute noch die Wohn ftätten des größten Theils der Popü=
lation von Bamiyan, eines Troglodytenvolfs, das, nad der Menge dies
fer Grotten zu urtheilen, einft weit zahlreicher gemwefen feyn muß als in
der Gegenwart, |
*7) J. Baillif Fraser Narrative of a Voyage into Khorasan, Lond,
1825. 4. App. B. p. 121. °s) M. Honigberger Journal of a
Route from Deragazi Khan through tbe Viziri Country to Kabul,
20. Mars 1834. in Journ. of the Asiat. Soc. of Bengal, ed. Prin-
sep. Vol. III. p. 177. 6%) Gerard Not. in Journ. of the Asiat.
Soc. of Bengal. Calc. ed. Prinsep. Vol, III. p, 246; Jacquet No-
tice in Journ. Asiat., Paris Sept. 1836. p. 249, . '
62
276 Weſt-Aſien. I. Abſchuitt. $. 4.
Ein abgelöfter Theil ber Bergwand, ber iſolirt in ber Mitte des
Thaler fid) erhebt, ift nad) allen Richtungen hin, ganz von Höhlen
durchbohrt; fie werden für das Werk eines Königs Julal ausgegeben,
ber in diefer Stadt Ghulghula, oder Ghalghala, geherrſcht haben
fol. Auch Wilford ?70), in früherer Zeit durch ganz andere Aus—⸗
fagen belehrt, giebt denfelben Namen an, und hörte die Grotten mit
dem Namen Samach'h, bei den Gingebornen, bei den Perfern mit
Samaj belegen. Sie werden nach ihm, ihrer Größe wegen, für Tem⸗
pel gehalten, find aber ‚ohne Säulen, jedod mit Niſchen und Sculpturs
wer verfehen, die Malereien fi nd vom Rauch gefhwärzt, die Sculptus
ren durch die Mufelmänner verſtuͤmmelt. Aehnliche Grotten follen auch
in unzugänglichen Felsſchluchten zu Mohi, an dem Wege von Bamipar
nah Balkh, liegen.
Wenn Abulfeda’& Rachricht vom Silberderak Salat,
bir 71), bei Bamiyan, fi ch auf dieſen durchloͤcherten Berg, Ghalghala,
beziehen ſollte: fo wuͤrde er einſt von Bergleuten nad) Schaͤtzen durch⸗
graben ſeyn, wenn es zu a Lobabs Zeit, den der Arabifche Fürft als
feinen Gewaͤhrsmann citirt, hier nicht vielmehr nur Schasgräber
waren, die in den veroͤdeten Grottentempeln, Gatacomben und Grotten⸗
Eidftern der alten Budbhiften- Zeit, den dortigen, in der Roth omag
ten und vergrabenen Schaͤtzen und Koſtbarkeiten nachgingen.
Von Erſcheinungen, die etwa auf eigentlichen Bergbau in Biefen
Gruben deuten Eönnten, ift bei Al. Burnes keine Rebe. Diefe Berge
beftehen, nad ihm, aus verhärtetem Thon und Rollfteinen oder Kiefel;
daher ihre Höhlungen Leicht zu graben waren (wie aber fie feft zu mas
chen ?2). Ihre weite Ausdehnung verdient jedoch alle: Aufmerkfamkeit,
Sie wurden zwar auf beiden Zhalfeiten ausgearbeitet, aber die groͤ⸗
here Zahl liegt an der Nordfeite des Bergſtroms. Zufammengenoms
men, fagt Al. Burnes, begreifen fie den Raum einer fehr großen, weit
ausgedehnten Stadt. An berfelben Nordwand erheben ſich, zwiſchen dies
fer Zroglodytenftadt, auch die beiden Riefengeftalten, die Buts. Häus
fig, fagt Al. Burnesg, miethet man hier TZagelöhner, um in dies
fen Höhlen nah Schätzen zu graben; und man wird aud für
feine Mühe belohnt, durdy Ringe, Münzen und allerlei andere Gegens
ftände, die aber von ihm leider ungenannt bleiben, jedoch meift jünger
ald aus Mohammeds Zeit feyn und Kufifche Infchriften tragen follen.
Näheres wird nicht gefagtz; Maffons dort ausgegrabene Antiquitäten
und, Idole find noch nicht öffentlich bekannt gemadht.
Die unbeftimmte Erzählung des Briten giebt unferer Erklärung
*?°) C. Fr. Wilford 1. e. in Asiat. Res. T. VI. p. 463 — 473.
”*) Abulfedae Tabular. Geogr. XXIII ed. Reiske E Büfhing Hiſtor.
Magazin. Hamburg 1777. 4. 39. V. ©. 348.
P2
Hindu Khu, Bamiyan's Grottenwerke. 277
der Stelle Abulfedas als Ra ubbau einige Wahrfcheinlichkeit, wenn
- man biefelbe etwas genauer ins Auge faßt, und dabei bedenkt, daß zu
ſeiner Zeit, vor einem halben Jahrtauſend, darin wol noch er zu holen
war, als gegenwärtig.
Diefe Höhlenwehnungen find, nah At. Burnes, der jedoch wol
nur fehr wenige im Sunern gejehen haben kann, meiftentheil$ nur viers
eckige Bergkammern, ohne Architecture und Ornamente; doch enden einige
auch in Domgeftalt, und zeigen unter der Stelle, wo die Kuppel beginnt,
ein ornamentirtes Fries. Die wenigften von ihnen mögen bisher genauer
unterfucht feyn, wie dies auch aus einigen der nach Wilford im Obi⸗
‚gen gemachten Zufäge hervorgeht; deito fabelhafter find die Mährchen
die von ihnen erzählt werden. In einer derfeiben, fagte man dem Bri—
ten Al. Burnes, folle eine Mutter ihr Kind verloren und erft nach vie—
lem Suchen, 12 Sabre fpäter, wieder gefunden haben; fo labyrinthiſch
werben fie gefhildert. Unter einer der größern von denen, welche die
Idole auf allen Seiten umgeben, fagt Al. Burnes, koͤnne wol ein
"halbes Regiment fein Lager aufſchlagen. Jene Iabyrinthifche Höhle er⸗
innert an die berühmte Höhle des Mani, oder Manes, des Stifters
der Manichäer ??), der fich in einer dergleichen, nad feiner erften
Verfolgung, feinen Feinden, wie den Augen feiner Schüler entzog, und
dann, ploͤtzlich, nach dem Verlaufe eines Sahres, aus derfelben (mie fein
Nachahmer Mohammed mit dem Koran), fo mit feinen fombolifchen Zas
feln hervortrat, um die Welt mit feiner Weisheit zw erleuchten, Als
Reformator der Zoroafterlehre und des Chriftenthums, die eben damals
beide unter den Saffaniden in Sran (zur Zeit Schahpur J. 27703
n. Chr. G.), duch Neftorianer und Magier:Gecten, eine mer
würdige, neue Verbreitung gewannen, ſich für einen Gottgeweihten aus⸗
gebend, ward er beiden verhaßt, ja zum zweiten Male verfolgt und. als
- Märtyrer, bekanntlich, in Perfien graufam hingerichtet. Ber feiner ers
ſten Flucht nach Nordoft, zur Rettung, nennt Mirthond 72) außs
druͤcklich Kafhmir, Tur keſtan und Khatai, keineswegs aber, wie
die occidentalifchen Kirchenhiftorifer und ihre fpätern Gommentatoren fas
gen, Indien und China, wohin er geflohen fen, und ſich in die my⸗
fteriöfe Höhle zuruͤckzog. Wo hätte er diefe näher finden Eönnen, als
an der Nordgrenze der damaligen Saffanidenherrihaft im benachbarten
Bamiyan; und da in ſeinen pantheiſtiſchen Lehren auch eines Scythia⸗
nus und Buddas erwaͤhnt wird, die auf dieſes von Buddhadienern und
Indo⸗Skythen bewohnte und beherrſchte Grottenthal hinweiſen, fo zweifeln
22) A. Neanders allgemeine Geſchichte der chriſtlichen Religion und
Kirche 1.3. 2. Abth. Hamburg 1825. ©.817—859. ?*) Mirkb-
ond Histoire des Sassanides ed. $S. De Sacy in Menı. sur diver-
ses Antiquetös de la Perse, Paris 1793. 4. p. 294 — 295.
278 Wert Afien, I. Abfchnitt. 9. 4
wir nicht, daß in einer der Höhlen Bamiyans bie Grotte bes Mae
nes zu fuchen fen. Aus ihr aber trat er, am Ende des III. Jahrh. n.
Chr., mit feiner Lehre hervor, „daß Mani, Buddhas, Zoroaſter,
Chriſtus und Mithras (der hoͤhere die Sonne beſeelende Geiſt), nur
dieſelben ſeyen, nur verſchiedene Sonnenincarnationen, oder Formen
der einen Grundreligion.“ Wo hätte zu dieſem Gedanken ber Keim
cher feine Entwidlung finden Eönnen, als hier, um Bamiyan, auf, dem
antifen Grenzgebiete der Theoſophie, der metaphyſiſchen und religiöfen,
feinften Speculationen, zwifhen Indien, Baktrien, Iran und Tübet,
Was bisher von dieſer Localen Erflärungsmeife fern hielt, war
die Meinung, daß Manes, in jener Zeit, erft im fernen China hätte
feine Buddhiſtiſche Theofophie aus den Dogmen des Foe ſchoͤpfen füns
nen; aber aus Fa Hians Pilgerfahrt, Ende des IV. Jahrh., wifs
fen wir nun, durch pofitive Daten, was wir früherhin nur ahnden konn⸗
ten, daß damals fchon, ſeit mehrern Sahrhunderten, ganz Afghanijtan
und der Hindu Khu, fammt dem Thale von Bamiyan, mit Buddhatem⸗
peln, Buddhaklöftern und Buddhiſtiſchen zahlreichen Gemeinden gefüllt
war, bei denen die in China fchon wieder verbunfelte Kirche des Foe
(Buddha), durch pilgernde Priefter, die reine Lehre und die Zerte ihrer
heiligen Schriften in der Urſprache des Sanskrit in jener Periode auf:
fuchten. Dies ergiebt fich mit noch größerer Sicherheit auch aus ihren
dort zurüdgelaffenen Baumerfen.
Nun wird es fchon nit mehr zu auffallend feyn, in einer noch
weit fruͤhern Makedoniſchen Zeit, im Thale der Troglodyten Bas
miyans, auch die Prometheus Höhle, von der Gurtius und Ar=
rian beim Durchzuge Alexander M. über den Indiſchen Kaukaſus fpres
chen, wieder finden zu wollen. Eben hier war es, wo mit größter
Wahrfcheinlichkeit die Makedonier Colonie, Alexandria sub ipso
Caucaso zu fuchen, wie wir anderwärts ?*) nachgewiefen haben; wo
diefer Feldherr, nad) Strabo (XV. c. 2. $.10, 725), übermwinterte; von
wo er dann, in 15 Tagemärfchen, nach der baktrifchen Stadt Darapfa
(Adrapsa) 309. Eben hier war es, wo 7000 mafebonifche Veteranen
fi anfiedeiten, vor feinem Uebergange über den indifchen Kaufafus zum
Drus, und zu welcher Alerander, wie Arrian verfichert (de Exped.
II. 28, 1V. 22), nad) Jahr und Tag wieder zurüdfchrte, um neue Ans
ordnungen in derfelben als einem Hauptſtuͤtzpuncte feines fernern Felde
zuges nad) Indien zu treffen,
Auch damals hätten, wie dies aus der Chronologie der Chinefifchen
Berichterftatter fi) nun ſchon mit Beftimmtheit ergiebt, Buddhalehrer
ſich bis dahin ausbreiten Eönnen, da ihr Gultus fchon 300 Jahre Yang
in Kabuliftan, vor der Makedonier Zeit, weit und breit Wurzel gefaßt
*?#) Ueber Xlerander M. Feldzug ©. 14.
Hindu Khu, Bamiyan’s Grottenmwerfe. 279
hatte. War dies aber auch nicht der Fall, und damals das Bamihan⸗
thal von dieſer Doctrin auch noch unbeſucht geblieben, fo beftanden das
ſelbſt doch ſchon Höhlen, welche, wie Strabe bemerkt (XV. c. 1.
8. 8. 686), die Aufmerkfamkeit fo ſehr erregten, daß bie Griechen vom
Pontus, bis dahin, ihre Mythe vom gefeffelten Prometheus und dem
befreienden Herakles, mit der Keule, gern verlegten. Das erzählten
Megafihenes und andere, die den Maketonierzug mitgemacht ; aber
Eratofthenes und feine Nachfolger, wie auh Strabo, bezweifelten
ſchon diefe localiſirte Mythe; das Factum der bei den Paropamiſaden
heilig gehaltenen ‚Höhle bezweifelten fie aber nicht, in welche die Maker
donier nur. ihren Yrometheus irrig verfegen wollten, So ift dem
Strabo das Bergvolk der Sibas, oder Gib us, welches dort wohnte,
Zeineswegs goeifelhaft, fondern nur die Kabel, daß fie Nachkommen der
Herakicsgefährten wären, weil fie als Wahrzeichen feines Geſchlechtes
die Sitte bewahrt haben follten, Keulen zu tragın, und Felle umzuhäne
gen, wie er that. In diefer Sitte zeichnet fih aber bekanntlich auch
heute noch jenes wilde Gebirgsvolk, die Kafir des Hindu Khu, aus,
welches ſogar ‚bis heute bei allen orientalen Autoren den dort wol, ſeit
Makedoniicher Zeit, einheimifhen Namın der Siapufh, oder Sias
put (Z/Aus bei Strabo, (ss bei Diod. Sie. XVII. 96), beibehalten
hat, und durch feine ſchwarzen und weißen, baarigen Ziegenfelle, in bie
es fich Eleidet, vor allen feinen Nachbarn auszeichnet; weshalb es auch
jenen Namen ver Spin und Tor Kafirs, d. i. der weißen und
Ihwargen Ungläubigen, in der Puſchtu Sprache erhalten haben
(f. ob, S. 210) mag. Obwol fie heut zu Zage aus den Umgebungen Bas
miyans verdrängt find, und nur viel weiter im Dften des Gebirges noch
hauſen, ſo geht doch aus Timurs Ruͤckmarſche 75), aus Indien nach
Samarkand, hervor, daß fie damals im Scheibar Tag, d. i. dem
heutigen im Namen abgefürzten Schibertu, dem firbenten der bei
Eultan Baber (f.. 0b. ©. 253) nach Bamiyan führenden Bergpaͤſſe,
noch immer als tapfere Keulenſchwinger herrſchten, wie zu der Make⸗
donier Zeit, 1400 Jahre zuvor.
Was es jedoch im beſondern mit der ſogenannten Prometheuss
Höhle, bei Curtius und Arrian, für eine Bewandtnig haben mochte,
- bleibt uns unbekannt. Die leifeften Anklaͤnge mit einer der vielen Ins
difchen Legenden, Mythen, Fabeln, mochten für die Phantafie der Gries
chen hinreichend feyn, wie den Herakles und den Dioryfos, ober⸗
halb Nifa (daher aus Parovami und Paropamisos, aud) leicht cin Pa-
ropanisos, d, is nach dv. Bohlens Erklärung ’°), Paro upa Nifa
* Cheriſſeddin Hist. de Pe b, Petit de la Croix T. III. ch. 3.
.17— 21; ebend. ch. 32. p. 168. 70) 9, Bohlen das alte
Indien Sp. L6. 5,412, 143."
280 Weoſt⸗dAſien. I. Abſchnitt. 8.4,
im Sanskrit, das Gebirg oberhalb Niſa, aus etymologiſch“ Grille ges
bildet werben Eonnte), ſo auch den Prometheus in eine jener Grotten
am Gebirgswege zu verfegen, unter deffen Gebirgswand des Indifchen
Kaufafus unmittelbar, nad Gurtius Ausdrucd (Lib. VII. 14), die
neue Alcrandriaftadt gegründet ward (Condendae in radieibus montis
urbi sedes electa est etc.). h
Der Name diefer Alexandria lebte, als Jskandereh, ober
Sakandereh, auh noch durh Ebn Haufals Periode (950 nad
Chr. G.), bis in die Zeiten Abulfedas, in der Mitte des XIV. Zahrs
hunderts, in dem Munde des Volkes fort, als Bamiyan ſchon lange als
„Zrauer-Stadt’ durch Mongholen zerfiört da lag. Es bleibt
unficher, an welche Stelle des ruinenreidhen, drei Stunden langen, noch
nicht näher unterfuchten Thales, diefe Alerandria, fo wie die ans
tie Paro Bami, zu verlegen ſey. Ob fie mit den heutigen Hoͤh⸗
lenwohnungen des modernen Bamiyan zufammenfalle, oder mit andern
in jener Mongholenzeit zerftdrten Trümmern der Gapitale, an denen
diefes Thal, nad) Al. Burnes Verfiherung, fo reich ift. Eben fo
unbekannt bleibt c$ uns zur Zeit noch, was es mit der Burg 30:
haks für eine Bewandtnig habe, die derfelbe Reiſende am füdlichen Eins
gange des Thales von Bamiyan, auf dem Gipfel eines Felsabfturges,
kunſtreich mit Wafferleitungeh erbaut, aber nur in ihren Ruinen liegen
fahe (f. ob, ©. 265). Wir wiffen nur, daß der gewaltige Held Zohak,
der tapfer, aber thöricht und unrein war, und wegen feiner Stärke
Purafi, d. bh. Zehntaufend, hieß, nach dem berühmten Helden-
buche von Sran (Shah Nameh) des Firdufi, vom reinen, froms
men Feridun #77), der Dynaftie der Pifchdadier, geftürzt ward, und
daß deffen Name in der Felsburg von Bamiyan dis Heute fort:
lebt. Zur Zeit Kaifer Akbars, fagt uns deſſen Minifter, Abul Fazl
(im 3. 1600) 7°), beftand noch ein Zoman, d. h. ein Diftrict, im dorz
tigen Gebirge, den er, in feiner Indifhen Erdbefchreibung, Zohak
Bamiyan nennt, und darin die Burg des Zohak, ein Denkmal,
wie er fi ausdrüdt, von hohem Alterthume, das in gutem
Stande fin, indeß die Feſte von Bamiyan felbft in Ruinen Liege.
Alle genauern Daten zur Unterfuhung dieſes Gegenftandes fehlen ung,
und nur. von einem Augenzeugen, der jenes merkwürdige Thal durch
längern Aufenthalt in feinen Denfmalen ftudirte, würden wir wichtige
Aufſchluͤſſe über diefelben erhalten koͤnnen.
Dennod enthält ſchon der weitere Bericht defjelben Abul Fazl,
von den Coloſſen Bamiyensd, und feinen 12,000 Höhlen, die er
77) 3. Görres, das Heldenbuch von Iran aus dem Schah Nameh
des Firduſſi. Berl. 1820. 8. B. l. V. ©.16— 24. 78) Ayeen
Akbery el. F. Gladwin. Lond. 1800. 8. Vol. 1. p. 168.
Hindu Khu, Bamihan's Coloſſe. 281
jener erften Angabe hinzufügt, durd Al. Burnes Beſchreibung ders
felben, ald Augenzeuge, und vorzüglich durch die Berichte Chineſiſcher
Buddhapilger aus den früheften Jahrhunderten, eine nähere Erklärung,
Dies führt ung aus der Makedonifchen und der Perfifchen Zeit zu der
Buddhiſtiſchen Zeit diefer feltfamen Trümmerwelt von Bamiyan.
Shon M, Elphinftone ?°), der britifhe Gefandte in Kabul,
obwol er nicht felbft bis Baminyan vordringen Eonnte, fagte, nach den
von ihm eingefammelten Erkundigungen, die dortigen Höhlen und Idole
machten es wahrfcheinlicy, daß jene Gegend einft von Anhängern
Buddhas bewohnt war, die dann hier, vielleicht frühzeitig, zum Is⸗
lam be£ehrt wurden, Die Höhlen find voll von Spuren der Idololatrie,
und zahllos find die vielen E-tinen Statücn, welche fehr oft im benadj=
barten Lande der Eimaks (eHedem das Land der Paropamifaden) ausges
graben werden. An directen Beweifen für diefe Annahme fehlte es
aber noch, und damals wurde leider keine einzige Zeichnung oder Be⸗
ſchreibung dieſer keinen Statuͤen oͤffentlich mitgetheilt.
Dem berühmten Orientaliſten Thom. Hyde, Profeſſor in Oxford,
um das Jahr 1700, gebührt das Berbienft, der erjte geweſen zu feyn,
der aus orienfalifchen Quellen der Perfer und Araber ®9), zuerft in den
Namen Surkh-But, d.h. das rothe Idol, und Chingh-But,
d. h. das graue Idol, die Bezeichnung diefer beiden Goloffe
(But, Budd heißt bei Arabern und Perfern überhaupt fo viel als
SdoL, Gigenbild) in Bamiyan auffend, und aus diefen Monumen—⸗
ten-auf eine antike Glanzftadt, eine BalEBami, an diefer Stelle zu—
ruͤckſchloß. Aus dem vollſtaͤndigen Manuſcript des Ebn Haukal, das
bis jetzt noch nicht edirt iſt, fuͤhrt er deſſen Nachricht an, die wir in
Will. Dufeleys davon gegebenen Auszuge vermiſſen. Dieſe Coloſſe,
ſagte jener wißbegierige Wandersmann aus Moſul, Ebn Haukal,
ſeyen thurmhoch aus dem Berge gehauen, im Innern mit Hoͤhlungen
durchzogen, ſo daß man von der Fußſohle hinauf bis zum Haupt und
den Gliedern ihr Inneres durchwandern koͤnne. Ihre Hoͤhe betrage
50 Cubitus (Ellen), und die Pilger wallfahrten zu ihnen hin (wol
Buddhadiener). Die Muſelmaͤnner dagegen meinten, es möchten wol,
aus Noahs Zeiten (deffen Arche fie auch auf den Hindu Khu im Oft,
wie auf den Ararat in Weft verlegen), die Gögen Yaguth und Yaͤuk
feyn, indeß andere vorgaben, es feyen Manat und Lat. Nicht fern
von jenen beiden ftehe ein drittes etwas Eleineres Zdol, in Geftalt eines
alten Frau, Nesr genannt,
Diefe Auslegungen gingen wol, nach der Zerftörung jenes Thales,
durch Feuer und Schwerdt der Moslemen und Mogholen hervor, als
19) M. Eiphinstone Ace. p. 150, 318. *0) Thom Hyde Historia
Religionis veterum kin ete Oxonü 1700. 4. » 133.
282 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 4,
die ſtarke Bevölkerung der früheren Zeit aus jenen Hochgebirgsthaͤlern
gewichen,, die Burg Zohaks erſtuͤrmt, die Stadt Bamiyan zerftört, das
troglodytifhe Moͤnchsleben gewaltfam verdrängt, die coloſſalen Idole
und die Grottenwerfe fo zerftört worden waren, wie fie ſich heute noch
eigen.
3 Ende des XVI. Sahrhunderts giebt uns Abul Kazl***) die legte
merkwürdige Nachricht von dieſen Reften mit folgenden Worten: In ber
Mitte der Berge von Bamiyan finden fid) 12,000 in Felſen ausgears
beitete Höhlen und Grotten, mit Ornamenten und Gypsſtuccatur. Sie
werden für die Winterquartiere der alten Landesbewohner gehalten, und
Summij genannt. Hier ftehen die gewaltigen Idolez ein Mann 80,
ein Weib 50, ein Kind 15 Ellen hoch. Sn einer dieſer Summij ber
findet fich eine Leiche, die wohl einbalfamirt ift, von der aber die ältee
fien Eingebornen keine Auskunft geben Eönnen, die fie jedoch als: ein
Mirakel in Ehren halten,
Auf feiner Reife in Khorafan *?), fagte man Eürzlich (1821) B.
Srafer, der Nachrichten "über diefe Gegend einfammelte, die Eoloffe
in But-Bamiyan feyen 3 Speere hoch (45 Fuß); man befchrieb fie ihm
fo, daß derfelbe fie für gleichartige Coloſſe hielt, wie die welche er in
Eeylon, Malabar und Nepal gefehen. F
Von dieſen ungemein zerſtuͤmmelten Denkmaͤlern giebt uns nun Al.
Burnes*?) die erfte Abbildung und Beſchreibung. Die gigantifchen
Spole ftehen wirklich, auch heute noch, an der fteilen Bergmand empor,
eine männliche, und, wie er meint, eine weibliche Figur, die fie Sils
fal und Schahmama (Königsmurter ?) nannten. Doch giebt dies der
flüchtige Reifende nur nad) den Ausfagen feiner moslemifchen Gicerones,
Richtiger möchten wol die Benennungen feyn, die Fr. Wilford **)
ſchon früher mittheilte, und aus dem Munde indifcher Pandits oder Reis
fenden erfuhr. Hiernach werben fie von Buddhiſten ſelbſt Scha hama
und defien Schüler Salfala genannt; die Hindus nennen fie Bhim
und fein Weib, und reihen fie alio der Sage der Panduiden, ber Vers
folgten durdy die Brahmadiener (Bhims-Söhne find die Panduiden, vergl,
Afien IV.2. ©. 827 u. a. 9.) an. Die perfifhen Mufelmänner nennen
fie Key- umurfh (Kaismuras) und fein Weib, d. i. das erſte Mens
ſchenpaar, defien Grabftätte fie auch dorthin verlegen.
Nach deren Ausfage blicken beide mit ihren Gefichtern nad) Dften,
To daß fie am Morgen lächeln, Abends düfter ausſehen; doch ſoll ige
Angeſicht gegenwärtig durchaus nicht mehr kenntlich ſeyn. Die Mufels
) Ayeen Akbery Vol, Il. p. 168. #2) B. Fraser Narrative of
a Voy. into Khorasan p. 121. 22) Al. Burnes Trav. p. 185
bis 188 nebft Tabu. ®*) Fr. Wilford on Mount Caucasus in
Asiat. Res, T. VI. p. 464,
Hindu Khu, Bamiyan's Coloſſe. 283
maͤnner pflegten, lange Zeiten hindurch, nie voruͤber zu ziehen, ohne ein
paar Schuͤſſe darauf zu thun, und noch von Kaiſer Aurengzeb, dem
Zerſtoͤrer aller Heidendenkmale, wird erzaͤhlt, daß er, gegen Ende des
XVII. Jahrhunderts, bei einem Feldzuge auf dieſer Paſſage, durch Kar
nonenſchuͤſſe die Schenkel der Coloſſe habe zerſchmettern laſſen, aus des
nen jedoch zum Schreden des Volks Blut gefloffen ſey, daher ſie noch
immer als Zauberfiguren gelten.
Al, Burnes ſagt, daß beide Coloſſe als Hohrelice in
der Sronte der Bergwand gegen die Thalfeite ausgearbeitet‘ find; der
größte- 120 Fuß hoch, an 70 Zuß breit, in einer Niſche ftebend, die
eben fo tief in den Berg hineintritt. Er beftätigt deffen große Zer⸗
ſtuͤmmelung, daß die untern Glieder durch Kanonenſchuͤſſe eingeriffen
find, und auch das Gefiht über dem Munde unkenntlich geworden.
Dagegen find die noch erkennbaren Lippen febr breit, die Ohren ſehr
lang herabhängend, ‚wie bei allen Budbhafiguren. Eine Ziara fcheint
das Haupt gefchmüct zu haben. Der Körper ift nicht nadend, fondern
mit einer Art Mantel überkleidet, der alle Theile bedeckt, aber aus eis
nım aufgelegten Gypsftucco befteht. Noch bemerkt man viele eingetrie—
bene Holzpflöce, die unftreitig dazu dienen mochten, diefem Stucco Halt
zu geben. Die Figur ift nur roh gezeichnet, ohne alle Eleganz, beide
Hände, die aus dem Gewande hervortraten, find abgebrochen. Die Bes
fiimmung der Figur näher nachzumeifen bleibt alſo ſehr fchwierig.
Das andere Idol, welches von den Einwohnern des Thales, bald
der Bruder, bald das Weib von jenem genannt wird, nach der Buddhi⸗—⸗
ften Ausfage aber als der Schüler von jenem gilt, ift zwar etwas
beffer erhalten, aber gleichfalls fo zerftört, daß Al. Burnes daraus
nichts genaueres zu ermitteln wußte. Die Ungabe als Weib ift wol bloße
Zabel, weil eö nur halb fo groß ift wie jenes; wie denn aud) das Kind,
als drittes Idol, wol nur Zufag zu jener if. Al, Burnes wenigs
ftens wurde nichts von diefem Eleinern Idole anfihtig. Er bemerkt nur,
daß biefes zweite Idol etwas beffer erhalten ſey als jenes erfte, aber
eben fo drappirt, und daß es etwa 200 Schritt von jenem entfernt, in
denfelben Berg eingehauen fey.
Die vielen, quadratifchen Löcher zur Seite beider Eoloffe führen in
der Bergmand zu Höhlen und Gängen, durch welche fich im Innern des
Berges ein Weg bis zur größten Höhe der Figuren emporwindet. Die
untern dieſer Höhlen dienen gegenwärtig als Raftorte und Lagerftätten
für durchziehende Karawanen; die obern follen der Gemeinde zu Korns
fammern dienen. Al. Burnes fagt uns nicht, daß er felbft das
Innere derfelben näher unterfuchte. Die großen Berg:Nifchen, in denen
beide Coloſſe geſchuͤtzt ſtehen, waren einft mit Stucco überzogen und
mit Malereien menfchliher Figuren ornamentirt, die noch fü ichtbar, obs
wol überall verwifcht, find; außer unmittelbar über den Köpfen ſelbſt.
254 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $. 4.
Hier ſind die Farben noch ſo friſch, wie in den aͤgyptiſchen Katacomben.
Man bemerkt hier einen weiblichen Kopf mit einem Haarknoten und
Haarflechten, die halb über die Bruſt herabfallen; der Kopf ift von eis
nem Heiligenfchein umgeben und diefer wieder mit eihem großen, ber wie
es fcheint mit der Nifhe um das. colofjale Haupt zufammenfiel, An
einer andern Stelle Eonnte Al, Burnes noch 3 weibliche Figuren, die
einander folgten, aber zu einer Gruppe gehörten, erkennen, Die Auss
führung erfchien nur mittelmäßig und nicht beffer, als etwa die chineſi⸗
ſche Malerei nad) europaͤiſchen Vorlagen. Wie der Berihterftatter auf
diefen Vergleich kommt, wiffen wir nicht; eine Erinnerung an chinefifche
Manier mag ihn vielleicht dazu verleitet haben. Sollte hier wirklich Ors
namentirung im chinefifchen Styl ſeyn? Leicht möglich, da die Berichte
von der Wanderftraße Buddhiſtiſcher Miffionen im Foe koue fi eben
diese Direction auf China nachweiſen, und felbft von der Erridhs
tung folder Eoloffe in dem Berglande des Hindu Khu an vers
ſchiedenen Stellen reden, welde ald Denkmale der Einführung
des Buddha-Geſetzes dafelbft mit folder Beſtimmtheit angeführt
werden, daß fogar die Chronologie auf ſolche Denkmale gegründet
iſt. Wir zweifeln daher nit mehr daran, auch in den ſtehenden
Buts (ſitzende Idole fielen Buddha felbft vor, diefe Standbildber
aber die wandernden Verbreiter feiner Lehre) zu Bamiyan
folhe Denkmale der Einführung des Buddha-Cultus in die—
fem Gebirgsthale zu befigen, obwol uns bis jest darüber noch fein fpes
cielles Datum in den chineſiſchen Berichten, wie für andere benachbarte,
vorgekommen iſt. Vielleicht, daß im Hitan Thfang, deffen Edirung
durh I. Klaproths, ſeines Wiederentdeders, Tod leider verfpätet
worden ift, fi darüber mehr localer Aufſchluß findet, da derfelbe, wie
gefagt, feinen Wanderftab ſelbſt durch Fan yan na feste (ſ. ob. S. 272).
Das Beiſpiel aus Fa Hian, das uns zunaͤchſt der Analogie nach eben
zu diefem Scluffe auf Bamiyan zurüdführt, ijt folgendes, mit
welhem wir unfere Bemerkungen über Bamiyans Denkmale für hier
befchliegen.
Bon Yarkend (damals Khotan, einem blühenden budopiftifchen
Königreiche, fchreitet Fa Hian **°) füdwärts vor, duch Kleine Züs
bet oder Baltiftan, am obern Kamehſtrome (ſ. ob. ©, 14, den
er Sintheou, d. i. Sind, nennt), um auf einer uns jest unbekann⸗
ten, in Feld gehauenen Kunftftraße, über Brüden und Felsitaffeln aller
Art, hinabzufteigen zum Thale von Sellallabad (damals Utfhang
im Chineſiſchen; Udyana, d. h. der Garten, im Sanskrit Henannt),
wo er die damals beftehende Gapitale, Meng kie li, die Reſiden
don Utfhang, mit ihren Buddhatempeln und Klöftern beſuchen will,
*=°) FoeKoueKi ch. VI. p. 30.
—.
Hindu Khu, Bamiyan's Coloffe. 285
Hier nun, auf balbem Wege dahin, noch mitten innerhalb der Hoch—
thäler der dortigen Hindu Khu- Gebirge, vielleicht in der Gegend des
heutigen Chitral oder Kuttore, Eommt er in den Gebirgsftaat holy,
der uns fonft unbekannt ift, wo er fehr viele buddhiſtiſche Ordensbruͤder
vorfand, und felbft ein 48 Fuß hohes, cofofjales Standbild dis Miles
Phouſa, ein Name, der in der dhinefifchen Ueberſetzung die Umfchreis
bung des fanstritiihen Boddhifattwa (d. h. Sohn vollendeter
Güte) iſt, womit der zweite Schüler Buddhas bezeichnet wird.
Diefer Buddha = Coloß, verficyerten ihn die Eingebornen jenes Lan—
des (innerhalb des heutigen noch unerforfchten Kaferiftan) auf feine forgs
faltigften Erkundigungen, bezeichne „die erfte Einführung des
BudbharGefeges-im Lande,” alsdie Shamen, d. i. nad
chine ſiſcher Umfhreibung die Samander Cbuddhiftifhe Froms
‚ me, im Gegenfaß des Volks; wie Sramana im Sanskr. die Con=
templativen ober die Asceten bezeichnet) aus Pe Hianthu,
d, i. Nord- Hindoften, fommend, den Strom überfhritten,
und mit fich die heiligen Bücher und die Sammlung der
Lehrvorſchriften im diefes Königreih gebracht hätten,
Es ward aber diefes Standbild, nad) ihrer Angabe, 300 Jahr nady
dem Nirvana des Buddha, oder Schakya muni (d. h. nad
feinem Dahinſcheidenz fein Tod wird uns nad) einer Rechnung
in das Jahr 950 vor Chr. Geb,, nad) der andern 1020 vor Chr, Geb,
feftgeftellt) errichtet, zur Zeit Phingwangs Regierung von der
Tcheou⸗Oynaſtie (er regiert vom 3. 770 bis 720 vor Chr. G.). Dieſe
Zeit, das VIII. Jahrhundert vor Chrifto, ift alfo der Anfang, da bie
große Doctrin fich hieher, außerhalb Nord-Hindoftan, durch die Ge—
biegsthäleer Mittelafiend und das centrale Hochland zu verbreiten be;
gann. Bon da erji ſchritt die Lehre weiter gegen den Oſten bis Zübet
und China fort, als Foe= Lehre (Buddha - Doctrin),
Um diefelbe Zeit, oder ‚wenn aud) einige Zeit fpäter, denn Bamiyan
iſt nur wenige Tagereifen fern von Sellallabad. und von ‚Kabul, das
ſehr wahrſcheinlich zu gleicher Zeit zum Buddhacultus bekehrt ward,
konnte alſo dieſelbe Doctrin aus Nord-Hindoſtan über Bami⸗
yan nach Baktrien vordringen, wie uͤber Tholy nach Tuͤbet. Es
iſt ſelbſt wahrſcheinlich, daß dies ſchon in ſehr früher Zeit, vor der Mas
kedonier Periode gefhahe,: da deren Berichterftatter fchon des Unter-
ſchiedes der Bramahnen und Samanaͤer-Secten am Indus erwähnen,
Die Erridtung der Coloſſe kann faft nur mit dem fie umgebenden
Grottenmefen in naͤchſter Verbindung gedacht werden. Grottens
leben findet von dem erften Urtypus der Bubdhagrotten in Mas
gadha an (f. Afien IV. 1. ©, 511) in allen buddhiſtiſchen Anfiedes
lungen für die zahlreichen Religiöfen und Kloftergeiftlichen ftatt (in Co⸗
Hindina, ſ. Afien III. S. 1003 bis Dekan, f. Afien IV. 2. ©. 551—
286 Weſt-Aſien. L Abfchnitt, 5. 4.
554 in Driffa, ©. 825 — 830 in Malwa und IV. 1. ©, 676— 686 In
Elora, wie nad) IV. 2. ©. 191, 236, 255 auf Geylon und a. a. D.).
Die beſtimmtere Zeit ihrer Errichtung bleibt uns bis jeht unbes
kannt, aber feine Erklärung wol wahrfceinlicher, als daß fie zu glei—
em Zwede wie Mile Phoufa’s Standbild ausgearbeitet
wurden, ein Dentmal ber Einführung der großen Doctrim,
die über ein Sahrtaufend daſelbſt in voller Blüthe geherrfcht haben mag,
bis auf die Zerftörung durch Araber, Wenn leider auch fein chronolo=
gifches Datum an diefe Colofje geknüpft ift, fo wäre es doch nicht ganz
unmoͤglich, daß Schahama’s und feines Schülers Salfala Namen,
nad der Tradition des buddhiftifchen Volkes, die Wilford aufbewahrt
bat, in diefen Coloſſen fortlebten,
a
Anmerkung 2. Die Gruppen ber Tope's (Stupa’s) oder
großen, antiken Mauerthürme mit buddhiftifhen Res
liquien und Münzfhäsgen, von Peſchawer, Sellalls
abad, Kabul und Beghram, zu beiden Seiten der gro—⸗
. Ben Königeftrage bis Bamiyan,
Von jenen grandiofen Hauptmonumenten auf dem Oftufer ded Indus,
welche wir die erften Hohen Pylone einer ganzen Reihe von Hun=
derten gleichartiger, colofjaler Bauwerke nannten (ſ. oben S. 99), gehen
wir nun auf der Weftfeite des Indus zu der befonderen An
gabe und Nachweiſung biefer legteren über, welche zu beiden
Eeiten der Königsftrage, bis zum Gebirgsfuß des Hindu Khu Hinz
auf, erbaut, erfi feit ein paar Sahren entdeckt, und mit ihren Schägen,
im Innern, wie in ihren Umgebungen, mannichfach ausgebeutet, jedoch
noch Eeineswegs wiſſenſchaftlich unterfucht worden find,
Nach Elphinftone’s Zeit, der noch von feinem Denkmale biefer
Reihe erfuhr, hatten Moorcroft und fein Begleiter Trebed **°)
(1824), und nod im Frühjahr 1832 Al. Burnes ihre Aufmerkſam—
Zeit nur ganz flüchtig auf einzelne derfelben am Wege gerichtet; alle
früheren Neifenden hatten fie überfehen, wie man ein paar Jahrhunderte
hindurch die hohen Schneecoloffe der. Himalayaketten gedankenlos hatte
überfehen EZönnen, ohne ihre Größe und Zahl auch nur zu ahnden.
Seitdem erfi haben vorzüglich und zuerft Chaf. Maffon °?), dann
#°°) Excerpt from Mr. Trebecks Journal in Mser., in Journ. of
the Asiat. Soc. of Bengal. Nov. 1834. ed. Prinsep. Vol, IH,
p· 974— 575. 87) Clıas. Masson Memoir on the Ancient
Coins found: at Beghram in the Kohistan of Kabul, in Journ,
ib. II. p. 153 — 175; deſſ. Letter to Dr. J. G. Gerard on the
— of Topes, dated Tattung, 22. Mars 1834, ib. II.
P- 3% N
Hindu Khu, die Stupa’s der Königeftrafe. 287
Dr. Gerard **), Al. Burnes Begleiter, der aber länger in Kabuleſtan
vermweilte, und der unternehmende ungarifche Reifende M. Honigbers
ger **), das Verdienft, nah Ventura's erfolgreihem Beifpiele im
Pendſchab, fie ebenfalls befonders aufgefuht und zum Gegenftande ihrer
Ausgrabungen gemadıt zu haben, obwol dabei fehr zu bedauern ift,
daß diefe nicht mit der wünfchenswerthen Vorforge und Kenntniß (vielleicht
Mafions Unterfuhungen ausgenommen, die wir in ihren Einzelnheiten
noch nicht Eennen) gemadt find; z. B. ohne genauere Aufnahmen und
Meffungen, ohne Grundriffe, und eigentli nur auf Raubbau, nad) Ans
tiquitäten, betrieben wurden, wie die von Abulfeda genannten Arbeiten
im Bangahie (f. ob. S. 276). Daher find denn auh Namen, Erz
bauer, Beftimmung und Inhalt dis Gefundenen, den Ents
deckern felbft noch fehr raͤthſelhaft geblieben, und es bedurfte befonderer
Unterfuhungen, um darüber einigen Aufſchluß zu erhalten, die wir hier
jedoch nur nad) den Raumverhältniffen andeuten Eönnen, und deshalb
auf unfere befondere, diefem Gegenftande vollitändiger gewidmete, ans
derwärts zu veröffentlihende antiquariihe Abhandlung zurüdweifen
müffen.
Sn vier verfhiedenen Gruppen find diefe Topes, oder
Stupas, die fünfte noch ungerechnet, welche fi, nad) Al. Courts
Verſicherung *°), auch in Bamiyan vorfinden fo, weil wir über fie fein
fpecielles Datum befisen, auf der Weftfeite des Indus bisher. wicder
entdeckt, fo dag man ihre Zahl fchon gegen 100, größerer und kleinerer
Art, annehmen kann, deren Erwaͤhnung geſchieht; weit mehr mögen noch
den Augen der Beobachter verborgen geblieben feyn. Sie haben insges
fammt denfelben Normaltypus der Gonftruction, der um fo mehr, bei -
allen ſich wiederholend, bemerkenswerth ift, da er, die angegebenen um
Manikyala ausgenommen, ſich weiter im Oſten und Süden Hindoftans
eben bisher nicht gezeigt hat. Wie fie, nur in den Größen fi unters
ſcheidend, der Außern Form nad), als einer und derfelben Glaffe
angehörend, ſogleich auf den crfien Blick erfheinen, eben fo in ihrem
Innern, das dem Inhalte nad), dem darin Vorgefundenen gemäß,
durchaus bei allen analog fich zeigt. Diefe ihre Uebereinftimmung uns
tee fi, deutet, ihrer weiten Zerftreuung, durch fehr entfernte Lands
ſchaften, ungeachtet, darauf, daß fie nicht nach Willlühr einzelner Indi⸗
viduen, etwa den Königen und Herrfchern der verjchiedenen Dynaftien,
wie man nad) dem Wechfel des Müngfundes annahm, fondern nach bes
®®) J. G. Gerard Surgeon Memoir on the Topes and Antiquities
of Afghanistan dat. Jellallabad 4, Dec. 1833. ib. I. p. 321—329.
E. Jacquet Notice sur les Decouvertes arch&ologiques faites par
M. Honigberger dans Afghanistan, in Journal Asiatigue. Paris
1836. III. Ser. T. II. p. 234— 276. »°) A. Court Further In-
formation on the Topes of Manikyala etc. I. c. Vol, III. p. 557.
288 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 5 4,
fimmten Priefterfagungen, durch welche der Typus in einer
gewiffen Periode von Jahrhunderten gegeben war, aufgebaut wurs
den, fo daß nur die geringern oder größern Dimenfionen des Baues die
Hauptunterichiede zeigen.
Die vier Gruppen der wieder aufgefundenen Topes find. fols
gende; "
Erfie Gruppe in Pefhamwer in den Khyber- Bergen
(f. ob. S. 224. Sie find. nod nicht genauer bekannt; doch ergab ſich
aus Dr. Gerard *’!) und Honigbergers Nachforſchungen, daß ins
nerhalb der dortigen Gebirgsthäler, welche von AL. Burnes wegen
ihrer Raubhorden abfichtlich vermieden wurden, einer ber prachtvollften
Zopes ftehe, fo groß und wol größer als der Zope von Manikyala. Bei
den Unterhandlungen beider genannten Männer mit der Horde, um, dens
felben auszugraben, verlangten die Afghanenhäuptlinge einen Antheil an
dem darin zu findenden Schatze, wodurch ſich das ganze Unterfuchungs-
geichäft zerſchlug. Der Prachtbau fieht wahrfcheinlic nicht ifolirt, an
diefer directeften Route der alten Königsftraße, deren Defilien aber hier
leicht durc) eine geringe Macht gefperrt werden Eönnen, Einft, zur Zeit
der Erbauung diefes Buddhathurmes, denn aud) er foll mit dem von
Manikyala ganz übereinftiimmen, mußte wol mehr Frieden und Sicher—⸗
heit in diefen Bergſchluchten einheimiſch feyn, als während der Reihe der
legten Sahrhunderte, wo fie gaͤnzlich verödet liegen,
Bweite Gruppe um Sellallabad. Am Rorboftfuße des
Schneebergs Sufaid Kho, in der romantischen Thalgegend bei Sellallabad
am Surkhrud, berichtete ſchon Al, Burnes, erheben ſich fieben thurm⸗
artige hohe Bauwerke (f. ob. ©. 229), Zopes genannt, die fehr alt
feyn follen, in deren Umgebung eine große Menge von Münzen einges
fammelt wurden. Nah M. Honigbergers??) dort gemachten ſpaͤ⸗
tern Ausgrabungen ftieg aber ihre Anzahl dafelbft bis auf einige 30,
deren genauerer Beichreibung, in E. Jacquets Berichten, wir. noch
entgegen fehen. Sie entfprechen nad Form und Inhalt mehr oder wer
niger dem allgemeinen Typus der, Topes, und nicht unintereffant iſt es,
daß ihnen gegenüber, an dem Nordufer des Kabulſtromes, jene oben
fon erwähnten Höhlengruppen mit den Eingangsthoren liegen, in denen
gegenwärtig die TroglodytenDorfichaften ſich befinden (f, ob, ©. 228),
die übrigens nody von Niemand näher unterſucht find.
Sn diefer Gruppe. entdeden wir nun die Lage einer antiken, buddhi⸗
ſtiſchen Königsftadt ?*), welche im III. Jahrh. n. Chr, G., bei den die
*°1) J. G. Gerard Mem. on the Topes J. c. in Journ. III. p. 327.
°?) E. Jacquet Notice in Journal Asiatique, Paris 1836. p. 276.
).E joe Koue Ki ou relation des Royaumes bouddligues ch, VII.
P- 2 — 66.
Hindu Khu, Stupa’s in Jellallabad und Kabul. 239
nefifhen Budöhiften Pilgern Meng kie li heißt, und die Gapitale ift,
vom Koͤnigreich Utchangz beides die Benennung in der chinefifchen
umſchreibung, deren einheimifcher indiſcher Name bis jegt von der Stadt
unbekannt blieb, aber von dem Königreiche, durch Abel Remufat
und Klaproth, im Sanskritnamen Udyana (db. h. der Garten)
wieder nachgewieſen ift, der in den erjten Jahrhunderten der riftlichen
Aera, auf der Weftfeite des Indus ein blühendes buddhiftifches König-
reich bezeichnet, welches in frühzeitige, religiöfe Freundfchaftsverhäftniffe
> mit den tuͤbetiſchen Königreihen ?*) trat. Von Udyana aus erhielten
die Könige Tuͤbets, wie Sfanang Sfetfen, der Mongholenfürft, lehrt,
ihre Sanskrit-Texte des Buddhagefeges und die Mufter ih-
rer Tempelbauten. Nach diefer Gapitale von Utchang flieg der
Pilger von Fa Hian, um das Jahr 400, aus jenem Gebirgsftaate
Tholy, wo die Mile Phoufa Statue errichtet war, nach 15 Tagemaͤr⸗
fchen hinab, am Kamehftrome (f. ob. ©. 284), zur genannten Gapitale
Mengkieli?°), und wurde in derfelben von feinen buddhiftifchen Glau—⸗
bensgenofjen auf das gaftlichfte empfangen. Er beſchreibt nun die zahl⸗
reichen Bauwerke, Tempel, Kloftergemeinden in der Stabt und ihrer
Umgebung, wobei fehr viele Sutupo’s, oder Thürme, zu Ehren
Buddhas, feiner Thaten, Reliquien, Lehren u. ſ. w. erwähnt wer-
den. Die gleichzeitigen chineſiſchen Annalen fagen, daB im Königreiche
utchang 1400 Kialan (d. h. Zempeiklöfter) erbaut waren, in
denen 18,000 buddhiſtiſche DOrdensgeiftliche oder Religiofe (Samander)
lebten, welche das Gefes der Buddhalehre ftudirten.
Wir zweifeln niit daran, daß wir in jener Gruppe der Sell:
allabad Thürme, die Tope?s (Stupa’s), die Monumente jener
Gapitale, die bis in das VIII. Jahrhundert blühend war, und erft feit
den Einfällen der mohammebanifhen Völker durdy Gewalt in Truͤm⸗
mern zerfällt und veroͤdet, weil die ausmweichenden buddhiſtiſchen Bewoh⸗
ner ihe Alyl in dem Gebirgsiande von Kaferiftan, Baltiftan und Tuͤbet
ſuchten, wiedergefunden haben. Der durch M. Honigberger und
Dr. Gerard °*) ausgebeutete Inhalt diefer Denkmale, beftätigt ent
ſchieden, daß es buddhiftifhe Dagops (Körperverbergende,
f. ob. ©. 113) waren,
Dritte Gruppe der Zopes um Kabul, Die fpecielle Un=
terfuchung diefer Bauwerke in der Nähe der neuern Hauptſtadt Afgha⸗
niftans gefchahe durdy Ch. Maffon, Gerard und M. Honigber-
gerz fie führt darauf, daß auch hier einft eine buddhiſtiſche Eivilifation
94) Sfanang Sfetfen Gedichte der Oft-Mongholen, überf, v. 3.3.
Schmidt ©. 39, 277, 354, 438 — 444, 3545 vergl. Hiuan Thfang
©.6. °5) FoeKoueKil. c. ch. VIII. p. 45 —64. = Dr.
J. G. Gerard Memoir 1. c. Vol. IH. p. 325 — 328,
Kitter Erdkunde VII. ’ T
290 Weft Alten. I. Abfchnitt, 9, 4
und Population eriftirte, von den wir bisher Feine Vorftellung hatten,
und welche in die frühefte Periode der Saffanidenherrfchaft, ja ſuͤdwaͤrts
ſich Uber Kandahar und bis Kelat zu den Belludſchen verbreitend,
fidjer bis in die weit frühere der Baktriſchen, Makedoniſchen und felbft
alten Perferzeit zuruͤckgeht. Diefe Thatſachen gehen aus den hiftorifchen
Berichten des buddhiſtiſchen Priefters Fa Hian *°7) hervor, der das
weite Gebiet diefer Königreihe, um das Sahr 400 n. Chr., durchwan⸗
dert, wie aus denen des Diuan Thfang ?*), der in den Sahren 630
vis 650 n. Chr. nicht minder mer&würdige und höchft Iehrreiche Pilger-
fahrten durdy das den Foe-Dienern (d. i. Buddhadienern) gelobte Land
Hianthu, d. i. Hindoſtan, zurüdlegt.
Diefe Bauwerke der. dritten Gruppe ftehen nahe um Kabul, am
Rande der Bergketten, welche die Terraſſe Kabuleftans tragen, und die
Niederung der Stadt in ihrer Mitte wie ein trocengelegtes Seebeden
umziehen. Wollte man jie als Gonftructionen der erften Anfiedler an-
fehen, To hat es den Anfchein, als hätten fie fich die Vorhöhen am Fuß
der Hochgebirge zu ihren erften Wohnfisen gewählt. Die antike, uns
bis jest unbekannt gebliebene Stadt Kabul (ob Kabura, b. Ptolem.),
neben der modernen, deren Lage nah Dr. Gerards Verficherung
noch in ihren Schutthügeln fi fihtbar verfolgen läßt, nahm ebenfalls
diefe Direction längs. den Vorhügeln ein. Nur diefe Vorausfegung,
meint Dr. Gerard, daß bie Pofition der. dortigen Tope's durch folche
Raturverhältniffe bedingt war, oder, fügen wir hinzu, viel wahrfchein-
licher durd) befondere religiöfe Motive, die und gegenwärtig unbes
kannt find, macht ihre Vertheilung im Auge des Beobachter weniger
feltfam und phantaftifch, als dies ohne das der Fall feyn würde, Denn '
einer modernen, bequemen Lage ift die ihrige meift durchaus nicht anges
mefjen. Sie liegen bald unter den Klippen der Berge, bald in abges
ſonderten Felsfhluchten an Färylichen Bergftrömen, die nur die Wurzeln
weniger Bäume bewäfjern Eönnen, wo jeder fonftige Anbau unmöglich
war, Bauten in folcher Menge und Größe als Grabftätten der Kö:
nige, wofür fie das Volk ausgiebt, zu halten, ohne alle Spur von Woh⸗
nungen der Lebenden neben ihnen, auch nur der Möglichkeit ihnen zur
Seite duch Urbarmadjung des Bodens fich zu ernähren, ift etwas fo
ganz fremdartiges, daß fehon deshalb ihr Aufbau ganz befondern Um—
ftänden und Veranlaffungen angehören muß. Bier ift es nun, wo Dr.
Gerard im November 1833 *?) zwifchen den Trümmern vieler Bad
ſtein-Mauerwerke, die wahrfcheinlich nicht den Topes felbft, fondern viel=
E K
*»7) Sn Foe Koue Ki I. c, von Ah. Remusat. 25) Hiuan Thfangs
Reife a. a. D. von 3. Klaproth, vergl. Neumann Pilgerfahrten
a. a. O. ©, 35. 9°) Dr. Gerard Letter in Asiat. Journ. ed.
Prinsep 1834, Vol, IIL p. 363.
Hindu Khu, Stupa’s in Kabul, 29
leicht dem Zempelbau einer alten benachbarten Stadt angehörten, in
S. O. von Kabul, feine ganze Stunde fern, bei dem Dorfe BeniHiſ⸗
far, in einer wohlerhaltenen Steinfammer, die mit Lapis Lazuli Steinen
und Vergoldung ornamentirt war, ein fchön in Stein, in Haut: Relief
gearbeitetes Buddha-Bild auffand, in der bekannten, ruhigen
Haltung, mit untergefchlagenen Beinen figend, wie im Nirvana vers
fünfen, welches die Meinung 3. Prinfeps 500) veranlafte, daß hier
wol ein Bubdhatempel gefianden haben möge, der bei dem Einfalle der
Mufelmänner zerftort worden fy.
M. Honigbergers Ausgrabungen um Kabul find nur theihweife
bekannt, und Eh. Maffons Berichte bis auf wenige Daten noch gar
nicht; doch reichen fie hin zu zeigen, daß die hier fogenannten Bourdj,
d. h. Thürme, im Weſentlichen von feiner andern Gonftruction find,
als jene Zope’s, obwol fie auch zumeilen ſchlechtweg nur Minar, Mis
naret, Säule, Pfeiler, oder auch Top genannt werden. Shre Zahl
ſcheint hier fehr groß zu feyn, da Ch. Maffon an 100 unterfucht ha=
ben mag, deren Beſchreibungen er mit Meffungen und Auftiffen fchon
im 3. 1834!) zu publiciren gedachte,
Drei verſchiedene Ausgrabungen find es vorzüglich, die uns durch
M. Honigberger, in der Nähe von Kabul, umftändlicher befchries
ben werden: 1) der Bourdj von Tcheferibala, 2) der von
Kemri und 3) die Sch- Top, d. i. die drei Topes. Der erfte?)
hat von einem Dorfe ven Namen, bei dem er auf einem Zünftlihen Huͤ⸗
gel am Fuße der Berge liegt. Er ift von eleganter Figur, 50 Fuß
hoch, und von gleichem Diameter, die Gupola ift fehr zerftörtz feine
Baſis umgiebt ein aͤhnlicher mit Pilaſtern ornamentirter Vorſprung, und
der ganze Bau ſteht uͤber kellerartigen Subſtructionen, deren Gaͤnge
ſchon fruͤhern Ausbeutern Schaͤtze dargeboten haben ſollen. Honigberger
ließ ihn, von oben nach unten, 12 Tage lang, durch feine Arbeiter ab-
räumen, ohne Gewinn; bis er erft in deffen Mitte etwa eine Eleine Steins
kammer 8 Fuß ins Gevierte vorfand. Zwei Tage lang hatten 14 Ars
beiter zu thun, diefe von Schutt und großen Steinblöden zu befreien 3
. dann verlieh man in bdiefer Richtung die Unterſuchung, und drang an der
Bafis des Zope durdy einen Seitenftollen in defjen Mitte vor, Hier
traf man, nur noch 3 Fuß von diefer entfernt, auf eine Eleine, runde,
aus lauter ganz Eleinen Steinchen gemauerte Zelle, die in ihrer Mitte
eine viereckige Deffnung nur von einem Fuße ins Gevierte frei ließ, welche
500) J, Prinsep Continuat. of Observations on the Coins ete, I, c,
Vol. Ill, p. 455 und Abb. Pl: XXVI. fig. 1. ) Ch. Masson
Letter 1. c. Vol. Ill. p. 331. ?) K. Jacquet Notice sur les
Decouvertes faites par M. Honigberger dans l’Afghanistan ia Journ.
Asiat, Paris 1836. 8. III. Ser, Sept. p» 254 — 264. Planche Nr.4,
2
292 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 9. 4.
von allen Seiten mit 6 ſchwarzen, ſehr regelmäßig geſchnittenen Stein=
tafein bekleidet war. In biefer fanden fidy die minutidfen Kofts
barteiten, melde die Mühe der Arbeit belohnen follten. Eine Kleine
Zopffteinurne (f. Planche VI.), gelb und grau geftreift, wie diefer _
Stein in den Umgebungen von Kandaher gebrochen wird; die Urne 4
Zoll hoch, 34 Zoll im Durdymefjer, mit gleichartigem Dedel, der mit
fehr verwiſchten Buchftäben befchrieben ift, die man baftrifche genannt
hat, In der Urne, die durch eine horizontale Scheidewand in 2 Abthei-
lungen gefchieden ift, befand fich in der untern ein Gemifch, wie von
Aſche und Staub, nebft einem Granaten, einem Tuͤrkis in Herzgeftalt,
mehrere dünne Goldblaͤttchen, Heine Goldornamente, wie 4 Goldfügelchen,
die fo zufammengefegt find, daß fie nach allen Seiten gewürfelt eine Pyz
ramide bilden u, a. m. Dabei befand fich ein Eeiner Papyrusftreif,
ober vielmehr nad) Dr. Gerard von Birkenrinde (Bujpatra,f,
Aſien I. S. 565), mehrmals gefaltet, mit einer ſchwarzen Schrift bes
fchrieben, die man baktriſche Schriftzeichen genannt hat, die aber
noch nicht entziffert find (ſ. Pl, XI fig, 1). Wol die Altefte Handfchrift,
aus den einft baktrifchen Gebieten, die bis jest bekannt geworden. Aus
Serdem befand ſich im untern heile noch eine Eleine, angeroftete Gil-
berbüchfe, mit einer zweiten, Eleineen Goldbuͤch ſe, 8 Linien hoch
(Pl. XI. fig. 2 und 3), in welcher nad) der Eröffnung fich zwei calci=
nirte Rnöchelcyen, zwei Perlen, zwei Eeine Goldornamente in Form ei=
nes Gylinders und einer Glode, nebft einem Rubin in Linfengeftalt, 8
Gran an Gewicht, vorfanden. Die aufgeftellten Meinungen über diefe
Dinge, ob fie Ohrgehänge oder fonftiger Schmud gemwefen feyn möchten,
laſſen wir dahingeftellt, ’
Der zweite Bourdji Kemri (f. Pl. II1.)5°°) ſteht vom vo⸗
rigen nur eine Stunde in N.D. entfernt, auf einer kuͤnſtlichen Anhöhe
mit Untermauerungen, beren Zugänge jedoch verfallen find, bis auf ein
paar noch fichere Stellen, durch welche M. Honigberger zu einigen
gewölbten (?) Kammern in das Innere vordrang, welche jedoch nichts
bemerfenswerthes darboten, Genauer wurde dieſer Unterbau nicht unz
terfucht, auf dem der Thurm ſich 40 Fuß hoch und 50 Fuß im Durd-
meffer erhebt, Gein Name fheint ihm vom Kemri-Thale gegeben zu
feyn, an deffen Fuße er ſteht. Die Anſicht giebt ein Bild von feiner
nördlichen Facade. Seine Eupola ift fehr zerftört, zerfpalten, mit Ve—
getation uͤberwuchertz viele Steinblöde liegen in Trümmern umher, doch
war feine Spur von einem Eünftlihen Einbruch durch Menfchenhand an
feiner Bafis zu bemerken; es fehien daher fein Inhalt noch unberührt
geblieben zu feyn. Seine Verzierungen des Pilafterfranzges am umber=
laufenden Podium, zeigten ſich mit kleinen, ſchwarzen Steinchen, wie
#03) E. Jacquet Notice 1. e. IT. p. 264 — 270.
Sind Au, Siupas im Kuba.) 29:
eine Art Mofaik belcat, und eben fo ift ber ganze obere Mauerverband
Ihadjbrettartig mit ſchwarzen und weißen Quadern abwechfelnd ge:
ſchmackvoll beſetzt.
Dieſer Tope wurde nicht von oben, ſondern ſogleich von der Seite,
an der Baſis, durch einen horizontalen Stollen aufgebrochen, der, ſchon
nach 2 Tagen Arbeit, der Mitte der Thurmkerns nahe kam. Hier fand
ſich eine runde Kammer, bie mit einem ſehr harten Gement, das man
Kaum abfchlagen Eonnte, überzogen war. Diefe Kammer, von 7 Fuß
Durchmefier, ſchien, der Form nad), nur das Eleinere Abbild der Thurm—⸗
geftakt in deffen Innern, als Hoͤhlung, darzuftchenz fie war überall mit
dicht und feft eementirten, Eleinen Steinen bekleidet, Im Centrum des
Tops ſelbſt zeigte fich jedoch ein noch Eleinerer Raum, ein quadratia
ſcher, von einem Fuß ins Gevierte, mit 6 Steinplatten regelmäßig ums
Heidet. In diefee Eleinen Steinkammer fand ſich eine Bronze-Vaſe,
rund, nicht hoch, 8 Zoll im Durchmeffer, ſehr verroftet, deren Bo—
den faft ganz zerfreffen war. Das Gefäß war mit einer feinen Lein—
wand umhuͤllt gewefen, die bei der Berührung in Gtaub zerfiel, ähnlich
wie bei General Benturas und Al, Courts Ausgrabungen in den
Manikyala Zopes, wo dergleichen. Spuren ebenfalls fchon bemerkt worz
‚den waren. Sm Bronzegefäs lag ein feines Gemenge von Erde, Baums
zinden und harzigen Theilen: dazwifchen allerlei minutiöfe Pretio=
fen zerftreutz; ein Zürfis in Herzform, eine violette Gemme in Halb-
Ereisgeftalt, ein Goldornament in Form eines Gloͤckchens. Tiefer log im
Grunde der Vaſe, eine Eofibare, faft in ihrer Art einzige, goldene
Mokadphoſes⸗Muͤnze, von ſchoͤnſter Zeichnung und Gepräge (f.
Pl. XII. fig. 1), mit griechiſcher Legende, ald Baoulsus, auf dem Re—
vers mit der nadten Geftalt Shiva’s, als indifcher Herkules, und einge
Legende in baktriſcher Schrift. Diefe ift zwar unleſerlich, aber auf eis
nem zweiten Exemplare dieſer Münze, welhe M. Honigberger
in Balk erhandelte, mit der ſelben Legende entzifferbar. Es ift dies
eine derjenigen Muͤnzen biefes Tatariſchen, oder vielmehr Geten Khans,
welche zum ficherften Beweife dient, daß griechiſche Kunft damals unter
jenen Nachfelgern des makedoniſchen Baktriana’s noch nicht erftorben
feyn konnte,
Sn diefem Bronzegefäß befand fich, außer diefen Segenftänden, noch
eine eylindrifhe Silberbüdfe (f. PL.X. fig.1) mit einem zugeruns
deten Deckel und Bleinem Auffage, in deren Form man die Wiederholung
der großen Zopesgeftalt, nuc en Miniature, nit verkennen kann, was
"gleich beim erfien Blicke auffallen muß. Uber befonders intereffant
Scheint es uns den Auffag auf diefem Dedel zu beachten, weil auf
allen Tope's die Spige der Kupola zerftört iſtz hier im Miniaturbilde
aber die Plattform mit den vier pyramidal geordneten Ku:
gein, die boͤchſt wahrſcheinlich ein das Kuppeldach des Tope ſchmuͤck⸗
294 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. $. 4.
-ten, noch gut erhalten ſich zeigt. Es ift dies offenbar nur eine ber
vielerlei Arten der Ornamentirung der Topes Kuppeln, in Eoftbaren
Metallen, welche bei der Zerftörung der Mufelmänner zuerft herabge⸗
riffen wurden. Das Innere diefer Silberbüchfe, die ſtark zerfreffen, aber
doch noch deutlich zeigte, daß fie mit dem Hammer getrieben war, füllte
eine fonderbare Maffe, welhe man bis jest für ein Holzpetrefact,
das fich feitdem erft in der Buͤchſe bilden Eonnte, gehalten hat, und da—
ber das Innere diefer Maffe unberührt gelaffen hat.
Die dritte Unterfuchung wurde mit den Sehrtop °°*), d. h. ben
drei Zopes, vorgenommen, die vom Nahebeifammenliegen ven
Namen haben. Anderthalb Stunden vom vorherigen Denkmal zieht am
Gebirgsabhange eine Reihe von Anhöhen hin, auf denen wol ein Dugend
einer Zopes in ihren Ruinen liegen, Drei von biefen, welche in glei—
chen Diftanzen von einander, und faft in gleihen Höhen auf dem Berg⸗
rücen erbaut find, geben ihnen den Namen, Der etwas höher gelegene
erfte ift ganz zertrümmertz; der zweite, 1200 Schritt fern (f. Pl. I.
und II.), auf Subfiructionen ftehend, zu denen mweitläuftige verfallene
Bugänge führen, wurde näher unterfudht. Seine Höhe ift nur 30 Fuß,
eben fo viel fein Durchmeffer, feine Thachbrettartige Ornamentirung des
Mauerverbandes, fo wie der ald Podium umlaufende Pilafterkrang, ent⸗
fpricht den früher befchriebenen Thürmen diefer Art ganz. Sm Snnern
fand man, wie im vorigen, eine runde Steinkammer und jenen quadras
tifchen mit 6 Steinplatten umfegten Raum, nur mit der Eigenheit, daß
an der einen Seite diefer Eleinen Zelle eine Eleine Deffnung gelaffen war,
die in einen engen Ganal in den Mauerkern leitete, welcher ohne Aus—⸗
gang fich dort endete und deffen Zweck gänzlic unbekannt blieb. In
diefer Eleinen Zelle ward kein anderer Gegenftand von befonderem Ins
tereffe gefunden, als eine Eleine Lampe von Serpentinftein, von ganz arz
tiger Arbeit, ornamentirt mit Rofetten und Löwentöpfen, und einer‘ phans
taftifhen Thierfigur, durch deren Kopf das Loch zur Aufnahme des -
Dochtes angebracht ifl. Man darf wol vermuthen, daß biefe Lampen
zur Erleuchtung der inneren dunkeln Gemächer dienten, da Lampens
erleuhtung und Slluminationen der Grotten und Tempel, noch
heute, nebft Blumen, die Hauptopfer und Feftfeier im buddhiſti⸗
Then Cultus find (ſ. Afien IV. 2, ©. 240, 241 u. a. D.). Diefer ges
ringe Ertrag der ſehr mühevollen Ausgrabung hielt von ber Unterfus
ung des dritten Zope zurüd, der nur 1000 Schritt von diefem ents
fernt liegt, von derſelben Form ift, und noch weit zerftörter erfchien,
Der Fuß diefer Hügel ift hier, wie öfter in der Nähe der Topes, mit
Mauerſtrecken umgeben, welche man wol für die zerfiörten Wohnuns
gen der Religiofen halten möchte, die einft neben diejen Denkmalen haus
#04) E. Jacguet Notice r « Il. p. 271 — 225.
Hindu Khu, Stupa’s auf der Ebene Beghram. 295
feten, wenn fie nicht nody zu anderm Schmud der Zopes felbit achörs
ten, die wie jener merkwürdige, bisher einzige, nur im Hochlande Malz
was in Gentral:Indien, in dem Gebiete von Bhopal (f. Afien IV. 2.
©. 451) bei Bhilfa, ganz kuͤrzlich erft aufgefundene Zope, oder Da=
goba, zu Sanchee *), mit feinen reichen Sculpturumgebungen wol vers
muthen läßt. Die verſuchten Ausgrabungen noch einiger der geringern
unter dem Dugend der Topes, welche in berfelben Umgebung in der
Nähe von Kabul ftehen, waren Honigbergers Bemühungen nody
weniger ergiebig an Merkwürdigkeiten, als die genanntenz aber es zeigte
ſich fpäterhin, daß fie bei forgfältigerer Nachforſchung immer noch reich-
lic) genug ihre Schäge darboten. Denn der erfahrnere Ch. Maffon
fand z. B. in einem der von jenem Siebenbürgifchen Reifenden fchon
wieder verlafienen Zope, bei Gouldereh, bei einer zweiten Nachgra—
bung, noch viele fehr Eoftbare Antiquitäten auf, darunter allein 8 ſchoͤne
Goldmebdaillen, wobei 7 MoEadphyfes- Münzen, und eine von ei—
nem andern, neuen Königsgepräge war. Von ber Kleinheit ihres Um—
fanges war aljo der Schluß auf die Unbedeutengeit ihres Inhaltes ein
irriger, der M. Honigberger bier veranlaßt hatte ſich von diefer
fernern Unterfuchung abzuwenden.
Die vierte Gruppe der Topes im Norden von Kabul
am $uße des Hindu Khu. Diefe, von Ch. Maffon aufgefuns
dene °), ift es wahrfcheinlich, welche einft noch die merfwürdigften Auf⸗
ſchluͤſſe darbieten wird, da fie mit dem größten Schage des Münzen
reihthums umgeben und von Städteruinen begleitet ift, die zu den größe
ten ihrer Art zu gehören fcheinen. Die vielen hier gefundenen Mokad⸗
phyſes und Kanerkos Münzen führten Ch, Maffon auf den Geban-
Een, hier die Refidenzftadt diefer Indo-Skythiſchen Herrſcher zu
vermuthen, zu deren ungemein weitverbreiteten Trümmern auf ber Ebene,
welche Beghram von den Anwohnern genannt wird, jener Stra⸗
- enzug von Sıllallabad am Nordufer des Kabulſtromes heraufzieht,
von welchem fchon oben (f. ©. 228) die Rede war, ber überall voll
Denkmale ftchen fol. Sa, diefe Gegend von Beghram, am Zufams
menfluß der Ghurbend und Punjſchir Gebirgsftröme, 4 bis 5 geogr.
Meilen im Norden der Stadt Kabul, könnten vielleicht, nicht ſehr fern
von Bamiyan, felbft eine gleichfalls pafjende Tocalität für die Gründung
jener Alexandria sub Caucaso abgegeben haben, da fie ebenfalls die
von da abzweigenden Nordpaffagen über den Hindu Khu beherrſcht,
5) Description of an Ancient and remarkable Monument near Bhilsa
im Journ. of the Asiat. Soc. of Bengal. l. c. 1834. Vol. Ill p.490
— 494. Pl. XXXI. fig. 1. u, f. *) Chas. Masson Memoir on
the Ancient Coins found at Beghram in the Koliestan 04 Cabul etc.
in Journ. of the Asiat. Soc. of Bepgal. Vol, ill, p. 160.
296 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 9. 4
wenn fie, unfers Dafürhaltens, nicht etwas zu weit oftwärts gelegen er⸗
ſchiene. Es wäre die einzige uns bekannte Localität, die im übrigen
noch mit jener von Bamiyan, um diefe Ehre, jene große makedoniſche
Anftedlung zu feyn, der phyficalifchen Stellung nach, fireiten koͤnnte;
völlige Aufflärung hierüber haben wir wol nur von der Auffindung von
Monumenten, Sculpturen, Snferiptionen u. f. w. abzuwarten. Der
lieblihen, grasveihen Ebene von Beghram, aus deren Ruinen fich
Chaf. Maffon felbft fo fehr mit antiten Münzen aller Art berei-
cherte, daß er in einem, dem erften Zahre dafelbft, fchon 1865 berfel-
ben von Kupfer und 18 von Gold und Silber gewann, aber verfichert,
daß man die jährliche Summe der Ausbeute wol auf 30,000 anfchla=
gen koͤnne, liegt zunächft im Süden die heutige Stadt Tſcharikar
(Charekur auf Al. Burnes Map, Tchehrkar bei Honigberger
und Sacquet), am Zufammenfluß beider genannten Gebirgsftröme,
oberhalb des Kabulfluffes. Außer dieſen Münzen find es vielerlei an—
dere Anticaglien, wie Ringe, Ornamente und Anderes, was jährlich mit
jenen von den dort umbherziehenden Schäfertribus, auf vielen Schutt-
bügeln aufgefammelt und an Unterhaͤndler wohlfeil verkauft wird, die
diefe Metallfachen den Kupferfchmieden von Tcharikar, oder der Münze
zu Kabul, zum Einſchmelzen überliefern, ein Gefhäft, das wol feit
Sahrhunderten hier als einträgliches fich jaͤhrlich wiederholt haben mag.
Den Refultaten der hier gemachten Sammlungen und Forfchungen, wel—
che Ch. Maffon zu publiciren verheißen hat, ift es, denen wir mit
ber gefpannteften Erwartung entgegen ſehen; hier haben wir nur noch
hinzuzufügen, daß auf berfelben Ebene eine bedeutendere Anzahl von
Topes, analoger Art, wie die früher befchriebenen, unterfucdht ward,
welche an 108, 144, 164 Fuß Umfang hatten u. ſ. w., und zumal eis
ner, dee Zope von Tfhehrkar genannt, der nah Honigber->
ger *°?) von ganz befonderer Größe und Schönheit ſeyn foll,
So weit die räumliche Nachweiſung diefer merkwürdigen Denkmale,
deren Name, Eonftruction, Beftimmung, Inhalt, Er—
bauungszeit und Erbauer ein zu großes und mweitverbreitetes Feld
von Unterfuhhungen erfordert, und zwar auf einem noch ganz neuen,
unerforjchten, ja bisher eigentlich ganz unbekannten Gebiete, als daß es
moͤglich wäre, an diefem Orte die vollftändige Auflöfung diefer raͤthſel⸗
haften Bauwerke zu geben Wir müffen. deshalb auf unfere darüber
ericheinende, antiquarifche, fuͤr ſich beftehende Abhandlung verweifen, und
Thliegen hier unfere geographifche Darfiellung diefer Denkmale nur
mit ein paar im allgemeinen erklärenden Fingerzeigen über dieſelbe.
Alle diefe Denkmale gehören einer Zeit bluͤhender buddhiſti—
ſcher Königreiche an, die vom VI. Sahrhundert vor bis zum VIIL
»°7) E. Jacquet Notiee L c. I. p. 275.
Hindu Khu, Stupa’s, Zeit ihrer Erbauung. 297
Sahrhundert nach Chrifti Geburt, auf der Weftfeite bes Indus, von
‚Kelat, im Lande der Belludfchen nordwärts über ganz Afghaniftan, oſt⸗
wärts von Herat, ſich bis zum Indus, bei Attof, und zu beiden Seiten
des Kabulftromes verbreitet hatten, ja feltft durch den indifchen Kauka—
fus, oder Hindu Khu hindurch, bis gegen Baktrien, mehr aber noch
nordboftwärts, durch die Gebirgsländer des Himalayafyftems, durch
das heutige Kaferiftan, Baltiftan, Klein Tübet bis Yarkend oder Kho—
tan, nach dem fernen Often hinüber reichte. Schon die Makedonier hats
ten zu ihrer Zeit dort Brahmanen und Samander, d.i. Brah—
madiener und Buddhadiener, vorgefundenz alfo ſchon vor ihnen
beginnt dafelbft ihre gemeinfame Verbreitung, die anderwärts durch fo
gewaltige Kämpfe und blutige Fehden fo vielfach geftört ward (f. Afien
IM. ©. 1164 und IV.2. ©. 241— 245). Nach den chineſiſch-buddhiſti—
fhen Priefterwallfahrten, im Foe Koue Ki des Fa Dian (400 3.
n. Ehr.), und des Hiuan Thſang (650 J. n. Ehr.), fangen ihre
Gemginden ſchon 100 Sahr nach Buddhas Tode, oder nach beffen Nir—
vana (oder Diana, d. i. Ewigkeitsgedanfen, f. Afien IV.2. ©. 671)
dort an, ſich feftzufegen und ihre Thuͤrme (Stupa’s) zu bauen, d. i.
foft ein Sahrtaufend vor Ehrifto. Bleiben wir aber aud) nur
bei den beftinmteften chronologifchen Datın wie bei der Errichtung der
Mile Phoufa Statue und anderen ftehen, fo reiht ihre Exiſtenz
am Kabulftrome, entſchieden, nad) den inefischen Berichterftattern, über
ein halbes Sahrtaufend vor Chr. G. hinauf. Die chineſiſchen buddhi—
ſtiſchen Pilger finden das gelobte Land ihrer Patriarchen und Kirchen⸗
väter, Pe Hian thou, d. i. Nordhindoſtan, auf der Wetfeite
des Indus, fon im IV. Jahrh. n. Chr. in der angegebenen Ausdeh-
nung, weldjes fie nach allen Ridytungen feldft durchwandern, und darüs
ber genauefte Berichte geben, ganz erfüllt mit den Gemeinden ihrer
Kirche, voll Tempel, Klöfter, Dagops, oder Thürme zu Ehren der Res
liquien Bubdhas und feiner Schüler und Nachfolger, oder ihrer Patriars
chen erbaut. Diefe Monumente werden mit der Veranlaffung und den
Legenden ihres Aufbaues befchrieben, und in diefen kamen die beſtimm⸗
teften Auftlärungen über faft alle Gegenftände des Inhaltes vor, den fie
enthalten, ſowol hinfihtlih der Reliquien, als ber minutidfen
Koftbarkeiten (der Eirchliche Ausdrud ift „die fieben Koftbars
keiten,“ weldye ſymboliſch und metaphyfiich die moraliſchen Qualitäs
ten der Asceten repräfentiren), die diefen, als fo viele Weihen, wie fie
J ſich aus den Geſetzen der Buddhalehre ergeben, beigefuͤgt wurden.
Während alle anderen Denkmale unter den Streichen der mos
hammedanifchen Zerftörer im VIII. und IX. Jahrh. n. Chr, Geb. fallen,
blieben die colofjalen Mauerwände dieſer compacten Thürme mit dem
dickſten wilden Mauerwerk, als unnüge, unbewohnbare, wie ungerftörbare
Steinmauern ftchen, weil aud) das Herunterreißen ihrer Gold- und Sil-
—
298 Wet Alien, L Abfehnitt. 6. 4
ber = Ornamente von den Kupolen deren Plattformen zerflörte, und ihre
von oben nad) der Tiefe binabgehenden innern, thurmartigen Kern:
bauten und Steinfammern mit den Mauerblöcden und Schuttmaffen felbft
fo zufüllte, daß von oben nach der Tiefe zu, fie je wieder aufzurdumen,
viel zu mühfam war. Die zweimonatliche Arbeit der zahlreichen Tage:
arbeiter des General Ventura im Zope von Manikyala giebt den hintei-
chenden Beweis hierzu, Der Inhalt ihrer Münzfchäge, welche in ben
verfchiedenen, auf jener genannten Strede wirklich ausgegrabenen Denk
malen gefunden find, und zwifchen die Römermünzen aus der republifa=,
nifchen Zeit vor Chrifto, bis auf die Sapor I. und vielleicht Khosru
Parviz Münzen, nachher, fallen, zeigen, daß ihre Erbauung etwa ziwis
fchen 200 vor bis 600 nad Ehr. Statt gehabt haben müffe,
Die chineſiſch-buddhiſtiſchen Pilger nennen fie ftets mit denfels
ben Namen: Tha und Southeou phu, oder Sutupo, was, wie
wir oben zeigten (f. ©. 114), ſprachlich identiſch ift, mit dem ſanskriti—
ſchen Stupa und dem neuern Zope, im dortigen Hindi und Hindi,
oder Volisdialecte, auf der Oſt- und Weftfeite des Indusftroms. Sie
find nad ihrem Inhalte wirklihe Dagops, d. h förperyerbers
gende Denkmale, weil fio auch Afche, Knochen, Gebeine, und, nad) den
von Fa Hian mitgetheilten, häufigen Legenden, auch Theile des Schädels
von Buddha, oder ein Som einen Zahn (vergl. Afien IV. 2. ©, 201)
u. f. mw. enthielten,
Nach allen diefem Fond es noch immer zweifelhaft erfcheinen, ob
nicht die Sdentität jener Tha’s, oder Sutupo’s, aus den Ber
richten des IV. Jahrhunderts mit den heutigen Zope’s, oder Stu—
pa’s, wenn auch etymologifch ſich beftätigend, doch blos Hypothetifch
angenommen werde, da ja bie Ghinefen, wie Abel Remufat,.
Klaproth und Morrifon übereinftiimmend zeigen, unter ihren
Tha's, heut zu Tage, nur etagenreihe Pagodenthürme (wie
ihre berühmten Porzellanthürme) verfichen, aber keineswegs ſolche, maf-
five, compacte Steinthürme, die mit Kupolen gefchloffen find, ohne im
Snnern ſolche Etegenzimmer oder Gemaͤcher und Tempel zu haben.
Auch uns würde diefe Sdentität fehr zweifelhaft geblieben feyn, hätte
ung nicht General Bentura’s Ausgrabung und innere Ausmefjung des
Manikyala Zope, nachdem wir ung daraus die innere Conftruction nach
den Fundorten entwidelt, den Beweis ſelbſt dafür in die Hände ges
geben. Wir hatten uns in obiger erfter Anzeige der Fundorte (f.
ob. ©. 101) anfänglich) nur an die an Antiquitäten reichhaltigern
gehalten, und deren blos fieben der Reihe nad) aufgezählt; bei einer
wiederholten Revifion des Driginalberichtes.von Ventura, der öfter in
Auszügen entftellt wieder gegeben ward, hatten wir aber zwei Fund—
orte (bei 35 Fuß und 54 Fuß Ziefe) übergangen, in deren jedem,
freilich jedesmal nur eine Kupfermünge gefunden ward,
Hindu Khu, Stupa’s, innere Conftruction. 299
Es fanden ſich alfo wirktid, wenn wir diefe, wie billig, mitzählen,
9 Fundorte, mwelde nun in ziemlich gleichen Intervallen von
einander abftehend, auf den Gedanken führen mußten, daß fie jedesmal
auf dem Boden einer Etage liegend, dafelbft durch Schuttmaffen
zugedeckt waren, die man erſt von oben wegräumend unter denfelben aufs
finden Eonnte. So zeigte fich bald, nady geometrifhem Aufriß dies
fer Verhältniffe, daß der vierte Fund der erfien Steinfammer .
von 12 Fuß ins Quadrat, über der halben Höhe des Thurms bei
45 Fuß Höhe von der Bafi3 an lag, und den Boden der fechsten
Etage bezeichnete, daß aber der neunte Fund in der größten Tiefe,
unter 64 Fuß, unter der großen Steintafel, wo die Bronze-Buͤchſe mit
der Gold-Buͤchſe und den Kanerkos und Mokadphyſes Münzen gefuns
den ward, die unterfte Sepulcralzelle in die Bafis des Podiums,
d. i. des Thurmbaues felbft, fiel, oder den Boden der erften diefer
innern Etagen innerhalb des Thurmkernes bezeichnete, Die neun Eta=
gen freilih im Innern des Mauerkernes noch geheimmißvoll verborgen,
von denen weder Ventura, noch ſeine Erklaͤrer, wie J. Prinſep u.
A., eine Ahnung gehabt, wären auf dieſe Weiſe, den ganzen Thurm
von der Bafis bis zur Plattform der Kupola ausfüllend entdeckt, und
zwar in, auffteigender Höhe, bei: 74, 64, 54, 45, 36, 28, 20, 12 und 3
Fuß, nad) der Ausgrabung von der Höhe zur Ziefe, gerechnet. Hieraus
ergiebt fih nun, daß die beiden unterfien Etagen jede 10 Fuß Höhe
hatte, die beiden folgenden, nämlich die dritte und vierte, jede 9,
die fünfte, fechste und fiebente jede 8 und bie achte wieder 9,
die neunte oder oberfie aber nur 3 Zuß unter der Stelle lag, wo man
abzuräumen begonnen hatte. „ Diefe beiden oberften waren zu fehe
zerſtuͤmmelt und zerrüttet, um ein gleic) ficheres Refultat als die tiefer
gelegenen für antiquarifche Forſchung darzubieten.
Dieſe gluͤcklich an den Tag geförderte, innere Gonftruction zeigt
zwar bie Identität der Etagen in den Zopes mit den dhinefifchen
Tha's nad, aber es bleibt doch noch ein weſentlich differenter
Hauptpunct zur Erklaͤrung übrig, naͤmlich wie ein Steinbau mit
einer mächtigen Kupola denfelben Namen erhalten konnte, der einem
ſchlank auffteigenden, etagenreichen Spigthurm beigelegt ward,
Hier giebt ung nun die Gombination zweier glüdlich aufgefundes
ner Momente die volllommenfte Belehrung zu unferer obigen Behaups
tung der Spdentität beider; das eine bietet uns Fa Hian in feiner
Pilgerreife, das andere die wieberentdedite Gapitale des centralen Geys
Ion in ihren Ruinen dar, deren Bau wir, fchon früher, aus den Sin⸗
ghaleſiſchen Annalen des Mahavanfi erklärt haben (f, Afien IV.
2. ©, 37— 241 und ©, 352 — 253).
Naͤmlich, am Ganges, oberhalb Kanyakubja, jest Kanodge, wurde
dem Buddhapilger Ka Hian, um dad Jahr 400, der alle heiligen
300 WeftzAfien, I. Abfchnitt. $. 4
Stationen des Religionsftifters feiner Kirche mit frommen Eifer aufz'
fuchte, auch die Stelle gezeigt *%*), wo Buddha einft für feine Schüler
gepredigt habe: über den Unbeftand der Dinge, die Hinfällig-
Leit des Lebens, über den Schmerz und über den Vergleich
des menfhlihen Leibes mit der Wafferblafe, der, wie fie,
aus den vier Elementen beftehend ſchnell vergehe. Diefer Text der
Predigt ward ein Lieblingsthema eines die irdifche Hülle betreffenden as⸗
eetifhen Philofophems, das nicht bloße Legende war, deſſen gewichtvolle
Bedeutung auf finnige Weife in den Kirchenſtyl der budbpiftifchen
Architectur ſchon feit Jahrhunderten übergegangen war. Wir haben ſchon
früher in des frommen ceylonenfischen Helden und Königs Dutu Ga—
meny (150 Zahr vor Chr, Geb.) colaffalem Baue des Dagoba, der
Rumanwelle genannt ward, die Anwendung diefer priefterlis
hen Form der Wafferblafe, auf Befehl dieſes Königes, als Ku⸗
pola den Reliquienbau nad) oben fchlichen fehen, den er mit 9 Eta⸗
gen zu Ehren Buddhas, im grandiofeften Styl errichtete (Afien IV. 2,
©. 39). Aber aud) in den Ruinen von Anurajapura, bie ſchon
Ptolemaeus im Il. Saec. n. Ehr. ©. genau Eennt (Anurogrammum, f»
Afien IV. 2. ©, 252), haben wir die 7 nody heute beftehenden cos
Loffalen Dagobas, mit identiſcher Korm, wie die Topes am
Indus, befchrieben, deren einer ſich nad) Chapmans Verficherung ſo⸗
gar bis zur Höhe von 160 Ellen erheben fol,
Das Räthfel dee Stupa’s oder Tope’s im Kabuliftan alfo
ift hierdurch völlig gelöftz es find Acht buddhiſtiſche Bauwerke, Da=
gops im antik priefterlihen Arditecturftyl, wie fie das
ganze übrige Hindoftan (ein einziges ſtehen gebliebenes Denkmal in
Malwa, in den Wildniffen von Bhopal, f. Afien IV.2. ©.751, aus
genommen, das aber ganz Fürzlidy 59°) erft bekannt geworden) gar
nicht, oder doch nur noch fehr fparfam, ganz Hinterafien aber in Menge
aufzumweifen hat, wie Ceylon fie aber im colofjalften Maaßſtabe und
in größter Anzahl und urfprünglicher Form beherbergt, welche auf dies
fer Inſel auch noch mit den fchirmartigen Tyurmänopfornamenten ges
ziert find, die durch die Wuth der Mohammebaner längft von den To—
pes am Kabulftrom herabgeriffen wurden. Wie in die innern Kammern
der Eeyloncfifhen, nach den Annalen des Mahavanfi, Reliquien und
Koftbarfeiten mancherlei Art eingelegt wurden, weldje von außen
verjchloffen blieben, zu denen aber noch, wie ausbrüdlich im Mahavan ſi
geſagt wird, ein verborgener, unterirdiſcher Gang fuͤr die
s0%) FoeKoueKi ch. XVII. p. 167 Not. 8- p. 169.
®°®) Description of an ancient and remarkable Monument near
Bhilsa in Journ. of the As. Soc. of Bengal ed. Prinsep. Vol. IL.
v- #99 — 494. Plate XXXL fig, 1.
Hindu Khu, Stupa’s, Architecturentwidlung. 301
Priefter übrig blieb: fo zeigt fich auch die Gonfteuction bes Zope non
M anikyala, innerhalb. deffen Sewölbeform, der Wafferblafe, der
Thurm mit den 9 Etagen noch dem Auge des Befchauers verborgen
blieb. Diefe bezeichnen aber die Nidanas, oder die geiftigen Le—
bensftufen, die verfchiedenen Eriftenzen, durd) welche, nach
der buddhiftifchen Kirchenlehre, als fo viele Stufen der frommen
Erhebung, die Seele hindurchgehen muf, um in das Nirvana, in
die Ewigkeitsgedanfen, einzugehen. Hier, in der Gonftruftion
der Zopes, ift alfo der vergängliche irdifche Leib (die Waffer-
blafe) mit der fih durch verfchiedene Exiſtenzen ſteigern—
den Seele (dem Etagenthurm) innerhalb der Lebenszeit, gleich-
fam die Metaphyfit und Moral diefer buddhiftifchen Dogmatik, noch
vereinigt, in einer und derfelben Form ſymboliſcher Architec—
tur, Aber mit dem Fortfchritt der Sahrhunderte, zumal oftmärts,-
durch die buddhiftifchen Völkergebiete der Tübeter und Chinefen, traten
diefe Elemente bald auseinander, denn im Weften wurden feit dem Ein—
fall der Araber Eeine mehr aufgebaut, Die metaphyſiſche Spe—
eulation fällt; die Wafjerblafe wird hohl, zum Tempel. Der Etas
genthurm wächft auf dem Kuppeldach der Nepalefifchen und Tuͤbetiſchen
Tempel (Ehaitya, d. h. Tempel und heiliger Feigenbaum, ſ. Afien
1V.2. ©.672, f. die Abbildung eines foldyen bei Hodafon) 1°) als hos
hes Tempelornament, in 7, 9 oder 13 Etagen, luftig empor, weil «8
dreierlei Reihen jener zu durchlebenden Nidanas oder Eriftenzen giebt,
deren heilige Zahlen aber nie. fi) ändern. Endlich, noch weiter im
Dften, fällt aud) die Gewölbform der Wafferblafe, als Tempel, in den
fpätern Jahrhunderten gang weg, die Herdunfelte Speculation verſchwin—
det auch in ihrem Symbol aus der Architectur, und bei dem practifchen
Ghinefen bleibt nur die Symbolik der Moral im Etagenthurm, der in
feiner Seldftftändigkeit gleich) den etagenreichen Pagoben und Porzellans
thürmen, als Tha, ficy erhebt, zurüd. Co mußte der Sutupo oder
Tha der Ghinefen, der erft mit dem Buddhacultus aus Indien nach
China, als dem Foe Cd. i. Buddha) geweiht, übertragen ward, zu Fa
Hians Zeit ganz identifch mit den Stupa’s oder Zope’s am Indus
feyn. Selbft das höchfte Ornament des hinefifhen Pagodenthurms oder
des Chaitya-Tempels, nämlic der Thurmknopf, muß in der hoͤch⸗
ften Spise immer nody den geweihten Sonnenfhirm enthalten, jes
nen religiöfen Chattah (f. oben ©. 119), der nichts anderes ift, als
10) Sketch of Buddhism derived from the Bauddha Seriptures of
Nipal by Brian Houghton Hodgson Letter dat. Nipal-11. Aug.
1827. in Transactions of the Royal Asiatic Society of Great-Bri-
tain and Ireland. Londor 1829. 4. Vol. II. P. 1. p. 248. nebſt
Plate III. the Chaitya of Deya Patana.
302 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 5 4
das Symbol des faͤcher- und ſchirmartig ausgebreiteten Feigenbau⸗—
mes (Banjane oder Chaitya) unter dem Buddha einſt in Nirvana vers
ſank (f. Afien IV. 2. ©. 671— 673), unter dem jede feiner einzelnen
Statüen fisend, in innerliher Befchauung, abgebildet feyn muß, wenn
fie Eirchliche Weihe haben foll, unter dem, oder deſſen Architectursrnas
ment, daher auch jede Reliquie Buddhas, innerhalb des Etagenthurs
mes, aud) nad) defjen Hingange beigefegt feyn mußte. Die einftigen
Eoftbaren Metallornamente, welche durd die Mohammedanır von ben
Zopes abgeriffen wurden, gehen, fo wie ihre Shirmformen und
mannichfachen Symbole, aus ben Drnamenten der minutidfen Pre=s
tiofen hervor, die im Innern der Steinfammern mit den Afche= und
Knochenreliquien ſich, en Miniature, nachweiſen laſſen. Wie nun diefe
äußere Ornamentirung in den modernen hinterindiichen Zempelpug, mit
Schnitzwerk, Vergoldung, Schirmdach u. f. w, in China, Siam u. a. O.
überging (ſ. Aften II. ©. 1114, 1174 u. a.), ift zwar bekannt, obwol
nur die gefchmacklofe Uebertreibung derfelben, nicht aber die tiefere Bez
deutung die ihrer antiten Entwidlung zum Grunde lag, und jede ihrer
Formen und Entiwicdelungen bedingt hat. Sie ift nur eine Multiplicis
zung des bis zu 7, 9 und 13 Schirmdäcjern gefteigerten Sonnenfdirms,
der als Symbol der Weihe des Banjanenbaums (f. Afiens IV. 2,
©. 656 — 687), mit Bewegung und Leben, wie durch Gloden, Gebet:
flaggen, Voͤgel, Thierfiguren allee Art geſchmuͤckt ift, und in feiner Erz
fcheinung überall mit oder ohne den Tempel oder den Eörperverbergenden
Dagop, mit der höhern, religiöfen Weihe auch fiets die Majeftät der
töniglichen Herrfchhaft vereinigt. Denn wie Buddha ber koͤnigliche
Prinz von Kapila (f. Afien IV. 1. ©. 510) nur unter der Banjane
würdig als Religionsftiftee und im Abbilde erfcheinen kann: fo Enüpft
jedes fromme, budohiftifche Königsgefhlecht feine Genealogie, wie das
Mufelmännifche das feine an den Propheten, fo diefes an das Königss
haus Magadha zu dem Kapila gehörig (f. Afien IV.1. ©.510) an,
und fo wird der Sonnenfhirm, wie auf dem Tempeldach, immer nur
weiß mit Gold ornamentirt, auch im Leben jeneriorthoboren kö—
niglihen Herrfcher, als Sonnenfhirm, Baldadjin, bei Audienzen,
nur mit denfelben Farben in jeder Pompa, das Symbol der Maje⸗
ftät, eine Prärogative der Könige und der wenigen Großen, der
nen fie von ihnen verliehen wird. Als folche reicht fie, mit den früheften
Buddhamiffionen (d. h. über ein halbes Sahrtaufend v. Chr. G.), den älteften
Zeiten, aus Indien und Ceylon oftwärts bis China und Japan hinüber,
und von Siam durch das weite buddhiftifche Mittel-Afien, Nord-Indien
und Baktrien ſchon zu der Perferkönige Zeit, die auf den Sculpturen
von Perfepolis majeftätifceh, von ben vielen Zaufenden nur allein unter
dem Sonnenſchirm einherfchreiten, fort, bis an den Pontus, wo auf den
antiten Bajengemälden der weihende Schirm in den Vorftellungen
Hindu Khu, Kabuleftan nach Sultan Baber, 303
Eöniglicher Mofterien ſich zeigt, und diefe ausschließlich Faiferlihe Präz=
rogative fi) noch am Hofe der byzantinifchen Kaifer, bis auf Joh.
Kantakuzenus Zeiten (im 3.1355 n. Chr. ©., f. Cantacuz Lih. III.
c. 27. IV. 14) fortpflanzt, ſelbſt wahrfcheinlich, wie dad Reliquienweſen,
einft durch Neftorianer, aus InnerzAfien heraus, in den Architecturſtyl
und Gultus der weftlichen Tatholifchen Kirche übergeht, und nun zum
bedeutungstos fcheinenden Ornamente des Baldachins über dem Reli-
quienaltar und dem chriftlichen Lehrftuhle in der Kirche überhaupt wird.
Erläuterung 5.
Die Landichaft Kabul im XVI. Jahrhundert, von ihrem Gr
oberer (im Fahre 1504 n. Chr. ©.) und Beherrſcher, dem
Sultan Baber, befchrieben.
Das verjüngte Intereſſe, welches das bis dahin fcheinbar
für die Welt: und Menfchen: Gefchichte brache gelegene Ka⸗
buleftan, durcd obige Denkmale und ihre Gefchichte gewonnen
hat, fordert auch die geographifche Wiſſenſchaft dazu auf, diefem
Gebiete der Erdrinde für die Zukunft, weil es zur Grundlage und
Folie einer ganz eigenthümlichen, Eeineswegs unmichtigen, reliz
giöfen Eulturperiode gedient hat, mehr Aufmerffamfeit und
Forfhung zuzumenden, als bisher gefchehen war. Wir halten es
deshalb auch für nothiwendig, uns deſſen frühere Zuftände zu vers
gegenwärtigen, um die gegenwärtigen ſowol, als die noch früher
vergangenen, daraus immer mehr in ihrem wahren Verhältnig
zum Erdganzen begreifen zu lernen. Deshalb laffen wir, auf jes
nen merkwürdigen Blick in die buddhiftifche Zeit, deren noch Als
tere einheimifche Zuftände uns gänzlich im Dunfel liegen, und,
da felbft der Zuſtand in der erfien Hälfte der Mohammedaners
Periode uns ſehr verfchleiert bleibt, ungeachtet, wie wir oben
in Sultan Mahmuds Gefchichte gefehen haben (ſeit d. J. 1000
n. Chr, f. Afien IV. 1. ©. 529 —553), uns von Ghazna aus
ein firahlendes Licht uͤber Indien jenfeit des Zndus bis zum Gans
ges aufgeht, hier, das Wefentliche der einzigen Specials
befchreibung von Kabuleftan, die wir von einem dort eins
heimiſchen Fürften befigen, aus dem Anfange des XVI.
Sahrhunderts folgen, weil der damalige Zuftand doch dem der
Shaznavidenzeit noch um vieles näher ftand, und den großen
Ummwandelungen vorhergeht, welche Land und Volk dafelbft, nach
derfelben Zeit, durch die jünger eingetretene Herrfchaft der
304 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 4
Afghanen und des Afghanen Königreiches, getroffen hat, mit wel:
cher wiederum von neuem fo vieles verwifcht if. Wir meinen
die merkwürdigen Nachrichten, die Sultan Baber, als Eroberer
und langjähriger Herrfcher über Kabul, in feinen Memoiren mit
großer Vorliebe zu der von ihm beberrfchten Fandfchaft niederges
fchrieben hat, bevor er über den Indus zu neuen Eroberungen bis
Delhi fortfchritt; diefelben aus denen wir ſchon im obigen fo
manche intereffante Erläuterung den einzelnen Focalitäten hinzufügen
fonnten. Hier der wefentlihe Inhalt feiner Mittheilungen 54),
Das Land Kabul liegt im vierten Clima, in der Mitte der
bewohnten Erde. Ihm im Often liegen Pefchawer und das
Sand Hind; gegen Weften das Gebirgsiand, darin Karnud (2)
und Chur (d. i. Gouriftan); diefen Gebirgsftrich haben die Tri
bus der Hazara und Nufderi(?) inne. Gegen den Norden
Liegen Kundez (jegt Kunduz) und Anderab (jest Inderab),
welche durch den Hindu Kufch abgefchieden find. Gegen Süden
liegen Iermul, Naghz (oder Naghr), Banu und Afghanis
ſtan. — Sultan Baber befchränft alfo, damals, den letztern
Namen noch auf feine Bedentung, im eigentlihen engern
Sinne; nämlich nicht auf das von ihnen erſt fpäter durch ero—
bernde Herrfchaft befegte Neich, fondern auf die von den Afghaz
nenftämmen wirklich bewohnten Gebirgspdiftricte des Su:
faid Kho und der Solimanfetten, im Süden des Kabul:
firomes und der Route zwifchen den Städten Kabul, Pefchawer,
Attok, denn die Ebenen, zwifchen jenen Städten wie die Städte
ſelbſt in den wirthharen Ihalgebieten des Kabulftromes, waren
damals von Perfifchredenden Tadjifs bewohnt, wie fie es noch
heute theilweife geblieben find.
Kabul, ſagt Sultan Baber, ift ein enger aber langs
gedehnter Landftrih, auf allen Seiten von Gebirgen umgeben.
Nachdem er nun fpeciell die Lage der Stadt Kabul geruͤhmt
hat, was wir ſchon früher von ihm an gehöriger Stelle mitheil
ten, befchreibt er deſſen Clima!2), Seine falten und war:
men Gaue, fagt er, liegen nahe beifammen. Von der Stadt
Kabul kann man in einem Tage dahin gehen, wo nie Schnee
fallt, und in der Zeit von zwei aftronomifchen Stunden dagegen
#4") Memoirs of Zehireddin Muhamed Baber Emperor of Hindostan
etc, ed. W. Erskine. London 1826. 4. p. 136 — 151. .
1?) Baber Mem. I, c. p. 138.
Hindu Khu, Kabuleftan nach Sultan Baber, 305
kann man ewigen Schnee finden, nur zumeilen bei etwa fehr
heißen Sommern ausgenommen. In den von Kabul abhängigen
Landfchaften ift großer Reichthum an Obſt, heißer wie Falter Cli⸗
mate, ganz nahe beifammen. Die Obftarten der Falten
(fühlern) Gebiete von Kabul find: Trauben, Pomgranaten,
Aprikofen, Pfüfih, Birnen, Aepfel, Quitten, Jujuben, Dams
fans (7), Wallnüffe, Mandeln, die alle in größter Menge und
Fülle gedeihen. Der Sultan fagt ausdruͤcklich, er ſelbſt habe den
fauern Kirfhbaum (Alubala) hierher verpflanzen laffen;
er gedieh Erefflih und gab gute Früchte. Als Obftarten des
warmen Climas führt er auf: die Orange, Citrone, Am:
luk (D, Zuckerrohr; diefe werden aus den öftlihen Thaͤlern
Kabul (von Lamghanat) eingeführt. Ich felbft, fagt er, ließ das
Zuderrohr auch nach Kabul bringen und dafeldft anpflanzen.
Ob es gedichen fey, fagt er nicht. Hier ift auch wo man nach
ihm den Jelghuzek (wol den eßbaren Pinuszapfen der Deodara,
f. ob. ©. 246) von Nijrow eingeführt.
Sie haben im Lande ferner viel Bienenftöcke, doch wird der
Honig nur aus dem Berglande eingebracht. Der Rawaſch
von Kabul ift von frefflichen Eigenfchaften, füß und fcharf zu:
gleih. Sehr merkwürdig; diefe Stelle in den Memoiren des
Sultans war früher zweifelhaft, weil Niemanden, bis dahin, das
Dorfommen des Ahabarber, denn das bezeichnet” diefer Na:
me), obwol bis Nepal doch noch nicht fo weit im Weften wie
bis in den Hindu Khu befannt war (ſ. Alien B. J. S. 179- 186,
über Verbreitung des Ahabarbers). Aber Al. Burnes hat neuers
lich dies intereffante Factum vollfommen beftätigt. Der Rhu—
wafh, Rawaſch, richtiger Rewaſch, nah v. Hammer,
waͤchſt nach dem leßtgenannten britifchen Neifenden wild, unter
den Schneebergen von Pughman 19), d. i. der erfte Hochges
birgszug im Morden der Stadt Kabul. Auf dem Bazar der
Stadt ift er berühmt; die Einwohner halten ihn für fehr gefund,
fie benugen ihn roh und gekocht als Gemuͤſe. Die Stiele,
welche man dort zu Marfte bringt, find fußlang, die Blätter bra—
chen eben (im May) hervor; fie find roth, der Stiel weiß. Yung
ift fein Geſchmack füß wie Milch; wenn älter wird er fchärfer,
23) Hammer dv. Purgftall in Rec, in Wiener Jahrb. d. Literatur
1834. Bd. 728.7 ꝛc. 14) Al. Burnes Tray, into Bokhara;
Vol. I. p. 154.
Ritter Erdkunde VII; u
306 Weſt-Aſien. 1. Abfchnitt, 6. 4.
Man ſetzt Steine um die wilde Pflanze, damit er im Schatten
bleibe und ihn der Sonnenftrahl nicht treffe. Die Wurzel diefes
Nhabarbers wird aber hier nicht als Medicin gebraucht. Ders
felbe fommt auch auf der Mordfeite des Hindu Khu in den Kurs
ſchibergen 515) gegen Bokhara vor, als wildes Gewaͤchs. Die fpes
eielle Art diefes Genus ift jedoch aus diefen Angaben noch nicht
näher zu beftimmen. Quitten md damascener Pflau—
men, Badrengs (eine Burfenart) und die Trauben, zumal
die fogenannten Waffertrauben, find fehr deliciös. Der Wein
ift ftarf und beraufchend; derjenige am Berge Khwajeh Khan:
Saaid ift feiner Stärke wegen berühmt.
An Getreide ift Kabul nicht reich; ſchon das vierte bis
fünfte Korn gilt als Ertrag für eine gute Ernte. Auch die Mes
Ionen find nicht befonders; am beften noch diejenigen, welche man
aus Fhorafanifhen Saamen zicht.
Hinfichtlich der Lieblichkeit des Klimas ift fein anderer |
Hrt der Welt mit dem von Kabul zu vergleichen ; doch Fann man
die Fühlen Nächte nicht im Freien zubringen, ohne fih mit einem
Sammsfelle zuzudecken. Obmwol der Schnee im Winter ziemlich
tief fällt, fo ift die Kälte doch nie fehr empfindlich. Zu Samars
Fand und Tauris, die ihres lieblichen Climas wegen gleich bes
ruͤhmt find, ift doch die Kälte weit größer, fagt Sultan Baber,
der das Klima von Samarfand aus eigener Erfahrung mol ken—
nen mußte.
Die vier Aulengs, d. i. Wiefengründe bei Kabul, find
trefflihe Weidepläge für die Heerden, aber voll Musfitos. Jede
liegt einen Farfang (anderthalb Stunden) fern von der Stadt
- Kabul; genauer genommen find es ihrer 6 Aulengs, aber es ift
Gebrauch nur die vier zu nennen.
Das Yand Kabul ift von Natur fehr feft, und für den
Fremden ſchwer zu erobern; der Hindu Khu bildet vom Morden
ber. die Verfchanzungsmauer mit den 7 ſchon oben genannten Ger
birgspäffen (I. ob. ©. 251). Der Weg aus Khorafan führt das
gegen über Kandahar auf gerader Straße ohne Gebirge nach
Kabul. Don da zählt der Sultan aber oftwärts nach Indien
4 Paſſagen auf, deren Beffimmung uns ziemlich ſchwierig iff.
Die erfte Paffage über Lamghanat (d. i. Lamghan, oberhalb
Jellallabad) und die Khyberberge (f. ob. ©. 190) ift ung aus
*)#) Al, Burnes Trav. Vol. Il, p. 169.
Hindu Khu, Kabuleftan nach Sultan Baber, 307
obigem befannt; die andern über den Bangash-Paß, über
Naghz und über Termul kennen wir nicht 16) mehr; fie find,
fagt der Sultan, aber alle durch ihre Berge befchwerlid. Er
fommt weiter hin nod) einmal auf ihre fpecielle Befchreibung 17)
jurück, die aber, weil noch fein Europäer fie wieder betreten hat,
jiemlich unverftändlich durch die Menge angeführter fremder Na:
men bleibt, deren Sage uns unbekannt ift.
Don den Einwohnern, fagt der Sultan, es find ihrer
pielerlei Tribus. Die Thaler und Ebenen find bewohnt von:
1) Zurf, 2) Aimaf, 3) Arabern; die Städte und Dörfer
meift von 4) Tadjifs. Aber viele andere Dörfer und Gauen
pesohnen auch; die Paſchais, Parachis (darin vielleicht noch
der Name der antifen Paropamifaden?), Tadjif, Berefig
ind Afghanen. — Nur diefe letzteren find uns in neuerer
Zeit allein näher befannt geworden. Don den Tadjit war früs
per die Nede, Im Gebirgsiande gegen Weft wohnen: die Ha:
‚aras und Nukderies; unter diefen find auch einige Tri—
sus, welche die mongholifche Sprache reden, fagt der
Sultan. Das Gebirgsland gegen Nordoft iſt Kaferiftan (Land
der Unglaͤubigen), und Kattor (oder Katar, Kueter bei Sche:
iffeddin; jeßt Kuttore, ob. S. 206) und Gebref(l?), Das Ge
irgsland gegen Süden ift Afghaniftan. Zn Kabul werden _
11 bis 12 Sprachen gefprochen, naͤmlich: Arabifh, Pers:
isch, Turki, Mongholifch, Hindi, Afghani, Pastai
wol Pufchtu, welches jegt für identifch mit Afghanifch gilt); aber
zuch die weniger befannten Sprachen: Parachi, Geberi (ob
Buebern? Parfend), Bereki und Lamghani. Der Sultan
virft bier die Frage auf, ob auch wol in andern Yandern fo viele
Sprachen geredet würden? Nun geht er zu der Specialbefchreiz
ung untergeordneter Provinzen oder Diftricte über, To—
nans 13) genannt, deren in Kabuliftan 14 aufgezählt werden,
vozu damals auch Ghazna 19) gerechnet wird. Sie entfprechen
en indifchen Pergunnahs und dem, was in Kafhahar Urs
hin heißt; auch in Bokhara und Samarfand, jagt der Sultan,
en die Benennung Toman gebraͤuchlich; wahrfcheinlicy hat er
ie erſt am Kabulftrome eingeführt. Obwol noch mehrere Dis
teicte, bemerkt derfelbe, wie Bajour, Sewad, Perſchawer (iegt
"*) Baber Memoirs 1. c. p. 140. 17) ebend. p. 142,
“s) ebend. p. 141. >) ebend, p. 148, 2
| u2
308 Wer Afien, I Abſchnitt. 9% 4
Peſchawer) und Haſchnagar (jest Haſchtnagar, f. ob. S. 223)
urfprünglich zu Kabul gehörten, als die von ihm nun angeführs
ten, fo fernen doch mehrere derfelben zu feiner Zeit verödet, an—
dere von Afghanen beſetzt worden, fo daß fie nicht
als eigentliche Provinzen gelten fünnten. — Hieraus
fehen mir deutlih, daß damals die Afghanen erft anfingen fich
zu Herren des Landes zu machen, und wir vermuthen, daß chen
Sultan Babers Einfall in Indien, und die Stiftung des dortir
gen groß-moghufifchen Neihs, wodurch den ſchon damals einz
dringenden Afghanen das Feld auf der Weftfeite des Indus am
obern Kabulftrome geräumt ward, die Haupturfache ihres fpäs
terhin gewaltfamen Nachruͤckens in jene Landfchaften und ihrer
dortigen allgemeinen Verbreitung geworden ift, über welche die
Gefhichte vor der Entftehung der Afghanen-Dynaſtie fchweigt.
Wir heben nur einiges aus der Specialbefchreibung der Tomans
hervor, da wir die andern belehrenden Daten ſchon oben gehöris
gen Drts zur Erläuterung beigefügt haben.
Kuner und Nurgil 20) (f. 06. ©. 226) find zwar auch
Tomans, aber, obwol gleich groß wie andere, zahlen ihre Bewoh—
ner doch weniger Abgaben an die Regierung, weil fie mitten in
Kaferiftan liegen, das feine nächfte Grenze bildet, und fie daher
fehr beunruhigt werden. Hier und in der ganzen Nachbarfchafi
ift ein befonderer Umftand beim Begraͤbniß der Frauen zu be
merken. Die Leiche derfelben wird auf eine Bahre gelegt unt
diefe an den vier Ecken von Männern getragen. Hat das Weil |
tugendhaft gelebt, fo erfchüttert fie die Iräger fo fehr, dag Dil
Leiche abfällt; wo nicht fo liegt fie ruhig. Dies ift die fefte Uel,
berzeugung aller dortigen Bergbewohner; auch der Sultan Hail,
der Ali Bajouri, des dortigen Gebirgslandes, ein gerechter Manni;
glaubte daran; feine eigene Frau erfchütterte die Träger,
Ron dem Berglande im Süden des Kabulfitoms und voll)
Sellallabad, innerhalb der Khyberberge, wo er den Toman Banfı
gash?!), gegen Cohat hin, nennt, fagt der Sultan, haufen Afl;
ghanen-Räuber (er nennt fie Khugiani, Khirilhi, Buri unf)
inder), welche allen durchziehenden Tribut abfordern; er ha
noch feine Zeit dazu finden Fünnen ihrem Näuberhandwerk ei
Ende zu machen, und dafelbft die Ruhe herzuftellen. Nur vo
einem Ueberfalle gegen die räuberifchen Afghanen, in die Mi
#30) Baber Mem, I. c. p. 144. =») ebend. p. 150.
Hindu Khu, Kabuleftan nach Sultan Baber. 309
der Solimanketten, tt an einer Stelle die Node 2), gegen Sud
und SW. über Kohat, wovon erft weiter unten gefprochen wer—
den kann. Ihre mächtigften Stämme (Aughan, Afghan)
feyen die Mehmend Afghan, und eben fo wie fie im Suͤ—
den foren im Weften die Hazaras die Inhaber der Wuͤſte—⸗
neien, in derfelben Art wie in Khorafan und Samarfand dies
mit den Turks und Aimak-Horden der Fall fer. Die mächtigs
ften der Hazaras find die Sultan Mafaudi Hazaras. Die
Einkünfte von Kabut von den feftgefiedelten Landfchaften,
fammt dem Tribut aus den Wüfteneien, betrage S Lak Shah:
rokhi's (eine Rupie zu 25 Shahrokhi's gerechnet giebt 33,333 Pf.
Sterl. n. Ayeen Akberys Berechnung). Die Verwaltungsart je;
ner Zeit lernt man aus der Erzählung kennen, wo der Sul—
tan) fagt, daß er nach feiner Befisnahme von Kabul das dors
tige Land nur an diejenigen Begs vertheilt habe, die in der less
teen Zeit in feine Dienfte getreten waren. Ghazni (d. i. Ghazna)
gab ich an Jehangir Mirzaz die Tomans von Nangenhar, Mans
deraur (f. 06. ©. 245), Dereh Nur und Dereh Kuner, Nurgil
und Cheghanferai (f. ob. ©. 213) an Nafir Mirza. Die Begs
und jüngern Offieiere, die mir in meine Gefahren und Erpeditio:
nen gefolgt waren, belohnte ich; dem einen gab ich ein Dorf, dem
andern ein Landgut, aber feinem das Gouvernement einer
Provinz. Nicht blos diesmal, fondern jedesmal bei meinen Ero—
berungen war dies das Princip meines Verfahrens. Immer,
zuerft, forgte ich für die Begs und Soldaten, welde Fremde
und Gäfte waren, vorzüglich aber für die Baberiden und die
von Andejan (d. i. feine urfprünglichen Genoffen und Stamms
verwandten aus Ferghana, feines ererbten Königreiches). Trotz
dem war es flets mein Unglück, daß ich dieſe letzteren eben zu
fehr begünftigte; ein offenes Geſtaͤndniß. Kabul mußte ich mit
dem Schwerdte behaupten; deshalb mußte ic) meinen fiehenden
Teuppen den Ils und Ulus, die mie von Hiller, Samarfand,
Kunduz auf die Suͤdſeite des Schneegebirgs gefolgt waren, ſchon
durch Eontributionen von Getreide in Kabul ficher ftellen, weil
da eine Geldabgabe zu erheben war. Die Hazaras- follten
den Tribut an Pferden und Schaafen liefern. Da diefe es
verfagten, überfiel ich fie ploͤtzlich im Weſten von Kabul und
flug *) fie, als Raͤuber, nach Herzensluft, im Gebiete von
23 ebend. y- 157 — 163. 27) ebend, pP» 156, 34) ebend, p- 178.
310 Weſt-Aſien. I. Abfehnitt. 5. 4.
Chat. Aber von der Oftfeite, vom Behut jenfeit des Indus
her (f. ob. ©. 70), kamen fie freiwillig mir entgegen und boten
mir ihre Dienfte an. Ich führte in Kabul eine neue Schrift
ein, die ich erfunden hatte, und den Namen der Baberi Hand—
erhielt. — Diefe Schrift ift fo wenig in Gebrauch gefommen wie.
die neue, welche die Willkür des römifchen Kaifer Claudius fefts |
zuftellen beliebte.
Mit befonderer Vorliebe verweilt nun, außer den Gefhheiches|
nen Tomans, der Sultan nod) bei der Befchreibung der Weide;
länder und Berglandfhaften ), die im Often, Weften
und Süden von Kabul umberliegen, und die er mit ihren Les
bensweifen und Jagdproducten ſchildert.
Die öftlihen Weideländer, fagt er, find wie die im
Weſten von Kabul, ein durchbrochenes Bergland, wodurch) es
fih von dem zufammenhängenden Hochgebirge in der Mordrichs
tung gegen Anderab, Khoft (? wol ein Ort in Kaferiftan) und
dem Badakffıhanat unterfcheidet, welches überall mit dem
Archeh, d. i. der Berg: Pinus (ob Deodar ?) bewachfen ift.
Senes ift dagegen gut bewäflert von Quellen, voll fanfter Höhen
und Thäler, überall mit gleichartigen Gewächfen bedeckt, von ſehr
guter Art, nämlich dem Grafe, Kah:butfeh, in reichlicher
Menge, das ein treffliches Pferdefutter ift, Ym Lande Andejan
(d. i. in Ferghanah) nennen fie daffelbe Gras, Butfehzrauti;
die Urfache diefer Benennung Fonnte ich nicht erfahren. Aber
in Kabul nannte man es fo, weil es in Buteh, d. i. in Bim
deln wächft, Die Yailaks, oder Sommerwohnungen (der Som
mer Alpen), von Hiller, Khutlan, Samarkand, Ferghana und
Moghuleftan, alfo insgefammt nordwärts des Hindu Khu, fi nt
von derfelben Art wie die auf der Kabulfeite. Obmol die Som.
merhütten der beiden leßteren fich nicht ganz mit den andern ver:
gleichen laffen, fo find doch ihre Weidepläge von derfelben Art,
Aber ganz verfchiedener Art find Nijrow und die Berg
landfchaften von Lamghanat, Bajour, Sewad; das find di
fidlichen Voralpen der Hindu Khu Kette. Diefe find voll Wal
der von Pinus, Föhren, Eichen, Dliven und Maſtixbaͤumen; abe
das Gras ift lange nicht von der Güte des oben genannten
Es ift zwar in Menge vorhanden und hoch genug, aber es tau
nichts, weder zum Futter der Pferde noch der Schaafe. Obı
*?*) Baber Mem. l. c. p. 152 — 154.
Hindu Khu, Kabuleftan nach Sultan Baber. 311
diefe Berge nicht einmal fo hoch find wie jene, fondern fogar ges
ringer als jene (der Plateaulandfchaft) erfcheinen: fo find fie doch
alle fehr harte Berge, wenn auch mit fanften Abhängen und
ebenen Gipfeln, doch fo felfig und Elippig, daß fie für Pferde
unzugänglich bleiben. Dagegen befindet fich dafelbft vieles Wil d,
wie in Hindoftan. Die Papageien, Sharok ), Pfanen,
Kokeh(d), Affen, das Nilgau, die Koth:pai(?) und
viele andere Arten, eine noch weit größere Mannichfaltigkeit von.
Vögeln und Thieren, als ich fie in Hindoftan kennen lernte.
Die weftlihen Berglandfchaften bilden die Thäler
von Zindan, Suf, Gurzewan und Gharjeftan. Ihre Berge find
alle von derfelben Art. Ihre Weideländer liegen in den Grüns
den; auf den Anhöhen wächft feine Hand voll Gras, und
durdaus nicht die Fülle der Archeh Pinus, wie auf dem Hochs
gebirge. Das Gras in den Gründen ift ein treffliches Futter für
Pferde und Schaafe. Ueber diefe Höhen fann man überall hins
weg gut reiten; auf ihnen find Ebenen und bebautes Yand (der
Sultan faßte den Gegenſatz der Plateaulandfchaft und der
Gebirgslandichaft, als trefflicher Beobachter, fehr richtig auf).
Hier ift ebenfalls das Wild fehr haufig; die Waſſer ziehen meift
in tiefen Schluchten, mit fenkrechten Wänden, fo daß man nicht
hinabfteigen kann. Seltſamer Boden, ruft der Sultan aus; ins
deß in den andern Berglandfchaften die feſten Pofitionen, die
fteilen und rauhen Stellen auf den Episen der Berge liegen, fo
befinden ſich hier die Feften alle gegen die Tiefen oder in den
Gründen. Ganz von derfelben Art find die Bergländer von
Ghur (Gouriftan), Karbu (oder Karnud, d.i. um Ghazna)
und Hazara (d. i. das alte Land der Paropamifaden). Shre
MWeideländer liegen in den Gründen und Thälern. Sie haben
wenig Bäume, felbft die Archeh Pinus wächft dafeldft gar nicht
mehr. Das Gras ift nährend für Pferdeheerden und Jagdwild.
Die füdlihen Berglandfhaften haben gar Feine
Aehnlichkeit mit jenen; fie find ungemein einförmig, ſehr niedz
rig, haben wenig Grafung, ſchlechtes Waller, feinen Baum;
fie. find ein haͤßliches, unnüges Sand. Aber die Berge (er meint
die Solimanfetten, den Sufaid Kho ur. a.) find, wie das Sptichs
wort fagt: „würdig der Männer,” nämlich für die Räuber:
horden, die fie bewohnen, und „ein enger Naum ift groß
für den Kurzfichtigen.” Diefe Afghanenftämme, ihre Bez
wohner, fcheinen ihm ziemlich verhaßt; er wiederholt es zum
312 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 5. 4,
Schluß noch einmal! Wielleicht giebt e8 in der ganzen Welt feine
fo häßlichen Berglandfchaften wie diefe. — Wirklih kann man,
auch nach den neueften Bereifungen diefer Gegenden, durch Pot⸗
tinger, Honigberger, A. Conolly nicht anders als dem
Sultan in diefem Urtheile völlig beiftimmen; und doch war aud)
hier einft eine Zeit der Eultur und des Wohlftandes, in der äls
tern Periode der buddhiftifchen Koͤnigreiche 52%), wie aus Fa Hians
Heifeberichten durch diefelben im IV. Jahrh. entfchieden hervors
geht, und worüber weiter unten die Rede fenn wird; denn jene
Sandfchaften tragen auch heute noch die großartigen Denfmale
jener Periode.
Mit den Angaben der Productionen, nach des Sultans
Memoiren, fchliegen wie deſſen intereffante Befchreibung feines
gelichten Kabuleftans,
Sn Kabul?) ift ed zwar kalt, und im Winter fällt hier
viel Schnee, aber dafür giebt e8 auch Brennholz in der Nähe.
Mur eine Tagereife fern wächft es in Ueberfluß: Maftirbaume,
Eichen, bittre Mandelbäume, Kerfend ?). Das Maftirholz brennt
am beiten, felbft wenn es noch grün ift. Auch die Eiche brennt
gut, und es ift gar hübfch ihrem Feuer zuzufehen. Der bittre
Mandelbaum ift das gemeinfte Gcwächs, er hält nicht lange
an, Der Kerfend ift nur ein gemeiner Dornbufh, der dürr
oder grün gleich gut brennt. Aber fihon den Bewohnern von
Ghazna fehlt das Brennholz.
An Wild giebt es in Kabul, im Herbft und Frühling, ein
Rothwild, Arkar ghalcheh (2), das feinen Stricy hält, und
dann von feinen Winters zu den Sommerftationen übergeht, und
umgekehrt. Dies ift die Zagdzeit, wo man auf den Anftand
geht. Das Rothwild (Ahueſurkh) und der wilde Efel
(Goreh-khar) halten fib am Surfhrud auf (am rothen
Fluß, der aus dem Schneegebirge des Sufaid Kho herabſtuͤrzt,
f. 06. ©. 230). Das Weißmwild (der Arkali) das in Ferghana
auch in Ghazna fich findet, ift in Kabul unbekannt. Im Fruͤ h⸗
ling giebt es viele $agdreviere in Kabul; aber der größte
Strich des Wildes, der Vögel wie der Vierfüger ift entlang’
an den Ufern des Baran (f. ob. ©.251). Denn diefen Berg—
firom faffen Hochgebirge an feiner Ofts und Weftfeite eim
°2#) Foe Koue Ki ch, IX. p- 64. ch. XV. p. 98. ) Baber
Mem. h c, p- 152 154,
Hindu Khu, Kabuleftan, politischer Zuftand, 313
und zwifchen beiden, vom Weidelande des Kabulſtromes an, führt
den Baran aufwärts, der große Paß zum Hindu Kuſch. Nur
diefer, Fein anderer, führt in der nächften Umgebung auf die Höhe.
Daher ift hier der Hauptdurdhftrich des Wildes. Herrſcht
MWiderwind, oder liegen Wolfen auf der Paßhöhe, fo fünnen die
Voͤgel nicht hinauf; fie verbreiten fich in großen Schaaren im
Baran- Thale, und werden dafelbft in fehr großer Menge gefans
gen. Gegen das Ende des Winters werden die Ufer des Bas
ranflufjes von einer großen Menge von Waffervögeln befucht,
die wohl genährt find: Kraniche, Karkareh (eine Art Rohr—
dommel), und Hohmwild fommen dann in unzähligen Schaas
ren in mächtigen Zügen bier an. Die Kraniche fängt man in
Schlingen, auch andere ihrer Gefährten. Eine eigene Cafte der
Vogelfänger aus Multan, an 200 bis 300 Familien, find
hierher verpflanzt worden, um diefes Gewerbe zu treiben, in dem
aber auch die Bewohner des Baranthales felbft ein ausgezeichnes
tes Geſchick haben. Zu derfelben Zeit machen auch die Fifche
im Baranftrome ihre Wanderungen, und werden dann in
Menge in Nesen und Reuſen gefangen. Die verfchiedenen Mes
thoden des Fifchfangs werden vom Sultan genauer?8) befchrieben.
So weit diefe Berichterftattung, die obwol fie ſchon einige
hundert Jahr zurückgeht, doch viel Treffliches, Unbekanntes und
ganzlih Unbeachtetes enthält, und vorzüglich dem Fünftigen
Neifenden und Beobachter, in jenen Gebieten, Iehrreiche Fingers
zeige giebt, welche, mit den frühern Hinweifungen auf die Monus
mente, und die von A. Burnes wieder eröffneten Gebirgspaflagen
und begonnenen Meffungen hier ein ganz neues großes Gebiet
für die Bereicherungen der Wiffenfchaften überhaupt und der
Erdkunde insbefondere entfchleiern Finnen, und auch ficher in
kurzem aufdeefen werden. |
Erläuterung 6.
Politiiher Zuftand des heutigen Kabul.
Es möchte am geeigneteften feyn den gegenwärtigen zerriffes
nen Zuftand der Afghanenherrfchaft, wie er nach dem Anfang
der Verwirrungen des Königreichs, 1809 (f. oben S. 232), und
feit der Befignahme der gegenwärtigen Herrfchaften (feit 1818,
2) Baber Memoirs I. c. p. 155.
314 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 6. 4.
ſ. ob. ©. 222), die wir ſchon oben angedeutet haben, ſich zeigt,
bier kurz vorüber zu führen, wie er nach den jüngften Berichten
der Augenzeugen, Al. Burnes 1832 und U. Conolly, ih
temporair darftellt, da uns bei völligem Mangel befferer Quellen
jedes eigene Urtheil darber abgehen muß.
Vom geftürzten Königshaufe der Dynaftie der Durani
auf dem Afghanenthron ift fein Zweig in Kabuleftan herrfchend
geblieben; fondern nur die weftlichfte Provinz, Herat, noch im
Befig eines feiner Defeendenten, Ramran, Mahmud Schahs
Sohne, der zwar nach einer Neftauration des verlornen Königs
reichs firebt, aber bis jeßt zu ſchwach blieb um einen Sieg über
"Kabul zu erreichen.
Dagegen hat die Familie des verrätherifchen Viziers Futteh
Khan (f. ob. ©. 232), vom Stamm der Barukzye Afghas
nen (ſ. 06.©. 222), fidy in dem ganzen öftlichen Theile des ches
maligen afghanifhen Königreichs feftgefegt und nach verfchiedes
nen Zweigen in deilen Herrfchaft getheilt, die aber keineswegs ges
. genwärtig befreundet blieben, jedoch ihre Hauptrefidenzen in Kas
bul, Ghazna und Peſchawer genommen haben. Ein ans
derer Zweig der Barufzye Afghanen hat fich zu Dynaſten von
Kandahar aufgeworfen. Diefe Dreitheilung zerfällt: wies
der in mehrere untergeordnete Parteiungen, deren Politik vielfach
in einender greift, und durch fortdauernde Nivalität, Bedrohung,
Abwehrung, oder directe Fehde, nach innen und außen, einen
hoͤchſt nachtheiligen Einfluß auf den, vor Eurzen noch unter. der
Monarchie aufblühenden Zuftand des Landes ausübt, der wol,
nad) Runjit Singhs Tode, und den Bedrohungen der mweftlichen
Nachbarn des perfifchen Hofs einer baldigen Veränderung ents
gegen Sieht.
As der Durani König Schah Shuja 29) aus dem Felde
gefchlagen war (1809), und fein Bruder Shah Mahmud,
mit des Vizier Futreh Khans Beiftande als Ufurpator den Thron
beftiegen hatte, unterwarf ſich ganz Afghaniftan feinem Scepter;
Kaſchmir ausgenommen. Doc entftanden bald Factionen gegen
ihn, und fein eigener Sohn Prinz Kamran intrigirte am meiz
ſten gegen die Allgewalt des Viziers. Futteh Khan, um das res
belliſche Kaſchmir zu Bändigen, rief die Seikhs zu Huͤlfe, und ges
flattete ihnen duch das Pendjab eine Paflage nach Kaſchmir,
#2°) Als Burnes Trav. II, p- 301.
nn
Hindu Khu, Kabuleftan, politifiher Zuftand. 315
wofür von den Cinfünften deſſelben 9 Lat Kupien an Runjit
Singh zu zahlen verfprochen wurden. Zehntaufend Afghanen
drangen aber durch den Bember: Paß frübzeitiger ein und unters
jochten das Thal ſchon ehe die Seifhs nachfolgten; Futteh Khans
Bruder, Azim Khan, ward Gouverneur von Kafıhmir. Dies führte
den Bruch mit Runjit Singh) herbei, der nun die Feftung
Attok durch Verrath (1813, |. 0b. ©.142) an fich 309. Sogleich
brach Futteh Khan mit feinem Heere aus Kafchmir zum Indus
auf, ward aber, nahe bei Attof, von den dafelbft lagernden Seikhs
völlig in die Flucht gefchlagen. Seitdem hörte für immer die
- Macht der Afghanen auf der Oſtſeite des Indus auf. Zugleich
trat auch im Weften des Neichs Perſien als Feind auf, und
forderte Tribut von Herat ein. In dem daraus fich entwickeln:
den Kriege. erlitt Futteh Khan zwar viel Unglück, fonnte aber
doc) noch die Weflgrenze des Neiches behaupten. Er war der
Alleinherrfceber, denn Schah Mahmud lebte nur dem Sinnentaus
mel; von deflen gegen ihn erboßten Sohne, dem Prinzen Kam—
ran, ward aber der Vizier überliftet, in Herat eingefangen, ger
blendet und mit Willen des Vaters, im Jahre 1818, graufam
hingerichtet. Unmittelbar darauf brachen die Parteien am Hofe
aus; Schah Mahmud entfloh ihnen kaum nad Herat, verlor feis
nen Ihron, behielt nur den Titel als König von Herat, ward
aber abhängig von Derfien, und ftarb im Jahre 1829. Der Bru—
der des geſtuͤrzten Vizirs Azim Khan, der Gouverneur von
Kafhmir, rief den entthronten und feiner Schäge beraubten, im
Pendſchab fluͤchtigen Shah Shuja (. ob. ©. 142), aus feis
nem Eril auf den Thron nach Pefchawer zurüd; ehe er aber auf
diefem fich feftitellen Eonnte, beleidigte der Unbefonnene einen
Freund feines Wohlthäters aus dem Barufzye- Stamme, der fich
nun dadurch rächte, daß er einen cehrgeizigen, jüngern Bruder
Shujas, den Eyub (Hiob) 31) zum Schah erhob, der jedoch nur
ein Scheintönig blieb. Schah Shuja ward zum zweiten Male
Flüchtling, durch die Länder der Sinde und der Seikhs. Eyub
begnügte fih mit dem Titel, und überließ Azim Khan Anfehn
und Gewalt. Diefe Verwirrungen benußte Runjit Singh fich
in Beſitz des ſchutzloſen Kafıhmir zu werfen (1819, ſ. ob. S. 143).
Die Bruderkriege und Bürgerkriege in Afghaniftan führten deſſen
»°) H. T. Prinsep Origin of the Siklı Power I. c. Calcutta 1834. 8.
p- 9 etc. *) Al, Burnes I, c. Il, p. 308.
316 Weſt-Aſien. I Abfchnitt. $. 4,
vollftändige, innere Schwächung herbei. Dem ſchlauen Maha
Naja der Seikhs gelang es nun bald eine Provinz nad) der
andern des Kabul-Reiches an fich zu reißen. Multan hatte ex
fhon erftärmt, Kafchmir befegt; nun konnte er auch die Wefts
ufer des Indus abreißen, fo weit es ihm galt, wo er die Duras
nis gewaltig aufs Haupt fehlug, und feine Tribute, feit 1833, bis
Peſchawer eintrieb (ſ. ob. S. 146). Diefe Siege überlebte Azim
Khan der Ierte ufurpirende Machthaber der alten Afghanenherrs
fchaft nicht lange; fein Tod ward das Signal zu innern Fehden
feiner eigenen Barufzye- Familie, deren Glieder um feinen hinters
laffenen Mammon in blutige Kämpfe geriethen. Der Schein:
fönig vom Durani-Stamm, Eyub, entfloh in das allgemeine
Exil des Pendjab nad) Lahore. Die Amirs von Sinde fchüttelz
ten auch noch den legten Schein ihrer Unterwürfigkeit ab (f. ob.
©. 184). Balkh ward vom König von Bokhara abgeriffen; die
reichften Provinzen im Often blieben dauernder Befis der Seikhs,
und in Herat allein erhielt ſich noch der legte Sproffe der Dus
rani»- Dynaftie, Kamran, von geringer Bedeutung. So war
ihre Macht dahin, nach 76 jährigem Beftande; feit Ahmed Schah
im Jahre 1747 in Kandahar gekrönt ward. Das Reich zerfiel
in einzelne Herrfchaften.
Der Chef von Kabul, Doft Mohamed Khan 332), defs
fen Brüder in Ghazna >?) und Pefchawer herrfchen (ſ. ob. ©.222),
der ältefte unter ihnen, aber nur dem in Ghazna befreundet, dem
andern Feind, hat das glänzendfte Theil erwählt, ift unabhängis
ger Herrſcher, feit 1826, und verfteht die Kunfl zu regieren. Doft
Mohammed, ein Barufzpe, ift ein Bruder des Vizier Fut—
teh Khan, und dem britifchen Gouvernement zugethan; er war
die Stüge der neuern Neifenden. Seine Macht breitet ſich nords
wärts aus, bis Bamiyanz gegen W. bis zum Lande der Hazaz
reh; gegen O. bis Pefchawer, in ©. bis Ghazna, deffen Chef
fein Truppencorps dem von Kabul einverleibt hat. Seine Eins
fünfte werden auf 18 Lak Nupien angegeben; er hält nah Al.
Burnes 9000 Mann Neiterei, 2000 Mann Infanterie, wozu die
Hülfsteuppen ftoßen. Seine Macht ift nicht gering; A. Conolly
giebt ihm die doppelte Anzahl von Neitern und 12 Kanonen, und
fagt, daß er, obwol ein Barufzye, doch auh Durani und
#32) Al. Burnes Trav. II. p. 329 —335. 22) Artlı. Conolly Jonrn.
1. e. Vol. Hl. p. 47.
Hindu Khu, Kabuleftan, politifcher Zuftand, 317
Ghilgies in feinen Sold nehme, wodurch er mehr Verfühns
lichkeit mit diefen Stämmen, wol aus Politik zeigt, als feine
Nachbarn. Bei der feſten Pofition des Landes, den geficher:
ten Zugängen und Päflen, dem einträglichen Boden und Hans
delöverfehr, den er ungemein zu begünftigen fucht, ift feine Herrs
ſchaft im blühenden Zuftande. Die Zollabgaben bringen ihm, obs
wol er nur 1 von 40, oder 23 Proc. einfordert, doch 2 Lak Kup.
jährlich ein. Er gilt als ftrenger Sunnite, doch duldet er aus
Politik die Shiten; die Zuden und Armenier haben aber aus
Kabul auswandern müffen. Früher ſelbſt Weinfäufer, hat er
aus Bigotterie, um den Nuf eines Sanctus zu erlangen, den
Rauſchtrank verboten, giebt Vifionen vor. Seine perfifche Er:
ziehung giebt ihm vor andern viele Vorzüge; auch begünftigt er
die perfiiche Anftedlung, und das Perjerquartier in Kabul foll,
unter ihm, ſchon zu 12,000 Familien angewachfen fenn. Mit
feinen Brüdern lebt er in Streit, von feinen Unterthanen wird
er refpectirt, von den Fremden als Eluger und toleranter Regent
gepriefen, mit Herats Beherrfcher lebte er in bitter Feindfchaft.
Don Peſchawers Zuftande unter feines Bruders Gewalt,
war ſchon oben die Rede (f. ob. ©. 223); da es den Ueberfällen
der Seikhs bisher fo oft unterworfen war, fo mußten die Unter:
thanen einer Herrfchaft wol müde feyn, die ſtark genug war fie
zu unterdrücken, aber nicht hinreichend fie gegen den Feind von
außen zu ſchuͤtzen. Ghazna hat fic) bisher unter dem dritten
Bruder an Kabul angefchloffen.
Der Chef von Kandahar, Cohun Dil Khan), und
feine zwei Brüder, Nahim Dil und Maher Dil, von geringem
Herkommen, ftehen in fchlechtem Rufe, und follen wenig Sorge
für die Zukunft tragen. Nah Al. Burnes haben fie 8 Lat
Rupien Einkünfte, und an 9000 Mann Reiterei, 6 Stuͤck Kano:
nen; ihre Truppenzahl könnte weit größer feyn, da Kandahar in
der Mitte der zahlreichen Durani-Stämme liegt, wie den heimath⸗
lichen Sitzen der Barukzye ſo benachbart. Der Chef iſt aber
nicht beliebt, nicht populair genug. Sie haben keinen Durani
im Sold, nur vom Stamme der Ghilgies; der alte Adel der
Durani iſt ihnen, als Emporkoͤmmlingen unter den Barukzye aus
gemeinem Stamme, verhaßt; auch umgeben ſie ſich deshalb nur
mit den Haufen der Gemeinen, die ihre Geſinnung theilen. Ihre
*) Al. Burnes Trav. II. p. 337; A. Conolly II, p. 44.
318 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 5. 4,
Soͤldlinge, durch die fie fich allein zu behaupten fuchen] können,
fallen dem Volke zur größten Laft, da fie diefelden nad) Belieben
fouragieren laffen, ohne ihnen Sold zu zahlen. Durch ihre rohe
Tyrannei haben fie allen Handel zerftört, und alles feufzt nach
Erlöfung von ihrem Druck. Sie ftehen mit Herat in beftändiger
Feindſchaft, haben fich aber vergeblich angeſtrengt Meifter diefer
Provinz zu werden. Durch den Paß von Bolan (f. ob. ©.151,
155, 168) bedrohen fie jährlih die Amir in Sinde; mit den Bar
rukzye-Chefs in Peſchawer haben fie fih befreundet.
Der Chef, oder König von Herat, aus dem föniglichen
Suddozye Gefchlecht des Durani-Stammes it Kamran, Schah
Mahmuds Sohn; deshalb wird feine Perfon unverleglich gehalten;
aber er iſt alt, verachtet, Erin Afghanen-Chef ſteht ihm zur Seite,
Er war tapfer, nicht ohne Talent, ift aber geizig, graufam, durch
Ausfchweifungen entnerot; Iebt nur im Naufch und im Harem,
bricht jeden Eid, zerflört den Handel und beraubt nach Willkür
‘jeden Privatınann. Seine zehn Söhne find ohne Macht, ohne.
Güter. Dennoch behauptet A. Conolly, wünfche das Volk, um
dem politifch fo unfichern Zuftande der Gegenwart entriffen zu
fenn, endlich aus diefem Gefchlecht wieder einen König zu haben,
weil nur durch einen folchen alle Szntereffen der Suddozye, wie
aller Durani, deren Zahl und Macht fehr groß ift, ausgeglichen
und befriedigt werden Eönnten, ohne welche an feine dauernde
Ruhe zu denken fey. Kamrans Politik ift es, fich jedes Jahr zu
rüften, als wolle er Kandahar in Befis nehmen, was aber nur
gefchieht um Kriegsfteuern einzutreiben; denn feine eigene Schwäche
ift ihm nur zu bekannt, und der Verluft von Herat würde, wenn
er es einmal verließe, nur zu wahrfcheinlich fenn. Nur im Wins
ter würde ein folcher Einfall in Kandahar möglich feyn, weil
dann nur Herat felbft vor Truppenattacken gejichert ift, die jede
andere Zahreszeit leicht durch das Hazareh Land, von Kabul aus,
‚Statt finden fönnen. So bleibt aber alljährlih alles im Allarm
und der Parteihaß erhält immer von neuem Nahrung. In Her
rat wird Kamran mehr tolerirt als daß er herrſcht; den Perfern
würde es nicht fehr ſchwer feyn diefen Nominalkönig aus Herat
‚zu verjagen, und dann von den zerfpaltenen, rebellifchen Provinz
‚zen des einftigen Durani Königreiches Befig zu nehmen. Schon
«öfter find Perfertruppen in Herat einmarfchirtz nur durch Geld:
fummen faufte ſich die Stadt los. Seit 1832 ward fie vom
Ihronfolger Perfiens bedroht, der es verlangte, daß die dortige
Hindu Khu, Kabuleftan, politischer Zuſtand. 319
Münze den Stempel und Namen des Perferfönigs führe. An
der dauernden Herrfchaft lag ihnen weniger, weil die dortige Gars
nifonirung ihren Finanzen zu fchwer fallen würde. Dennoch ift
Herat fruchtbar und unter einem guten Gouvernement einträg:
lich genug, um eine bedeutende Macht zu erhalten. Kamran
ſelbſt hält 4000 bis 5000 Mann, mit denen er ohne Alfiirte, ohne
Freunde, wenn ſchon mit den Anfprüchen feines Haufes, fihwer:
lih im Stande ſeyn wird den Thron feiner Vorfahren wieder
herzuftellen. Wenigftens halt dies Al. Burnes 535) nicht für
wahrfcheinlih. Alle Inſtitutionen der Afghanen begünftigen, feis
ner Anficht nach, eine mehr republifanifche Verfaffung, und die
Herrschaft der Barufzye-Familien ift dem Lande Kabul wenigftens
vortheilhafter und willkommener, weil dafelbft auch deren Zahl
weit größer ift als die derer vom Durani-Stamme, Man fchägt
fie auf 60,000 Familien; das Fönigliche Gefchlecht der Suddozye
aus dem Durani:-Stamme mußte doch auch aus den Abtheilun:
gen der Barufzye feine Hauptfraft geroinnen. Aber diefem
ward nur mit Undank gelohnt, Kamrans Ermordung des Viziers
Futteh Khan vom Barufzye-Stamme Fann nie verföhnt werden, |
und bei einer Neftauration der Monarchie würde vielmehr ein
Barufzye eher die allgemeine Stimmung vereinen, als ein Sproß
der Suddozye. Die vereinigten Barufzye würden leicht 30,000
Mann Cavallerie aufftellen fönnen, wogegen die Macht der Per:
fer noch von einem friegerifchen Ueberfall in Afghaniftan zurück
bleiben müßte, da felbft ein Nadir Schah dafelbft nur fiegreich
ward, weil viele Afghanen Chefs auf feine Seite traten, denen
er Antheil an der Beute zugeftand. Der politifche Zuftand Kas
buls ift bei den fortwährenden Wechfeln afiatifcher Angelegenhei-
ten für das angrenzende Indien von befonderer Wichtigkeit; wie
Herat an Perſien, fo ift Peſchawer an die Seikhs Unterthan.
Der Kabul:Chef zwifchen beiden wird, wenn Verwirrungen
im Pendjab eintreten, leicht das Supremat über Peſchawer und
Kaſchmir gewinnen, und, als Freund der Briten, deren Handels:
verhältniffen größern Vortheil bringen können, als Perfien, deffen
politiſche Gewinnung den Briten auf diplomatiſchem Wege ger
waltige Summen gefoftet hat, ohne bisher etwas einzutragen.
Daher die Bemühungen der nordifchen Macht, aus weiter Ferne
ber über Bofhara und Orenburg, durch Handel und Politif, a
**®) Al. Burnes Trav, IL p. 341.
320 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. % 5.
Kabul, am Thore zu Indien, eine befreundete Macht, einen
Alliirten für den nordiſchen Waarenzug zu gewinnen.
Dritted Kapitel
Das Turkeftanifche Hochland, oder Oſt-Turkeſtan, als
Uebergangsform von Oft: zu Wet Afien.
BB;
Veberfidt.
Auf die frühern Unterfuchungen über die Stellung des Wefts
abfalles des centralen Hochs Afiens (Erdk. Afien I. Einl. ©, 47)
und die Zufammenfchaarung feiner beiden füdlichen Syſteme der
Gebirgsketten, des Himalaya und Kuenlün zum weftlihen Hindu
Khu, als weftliher Tha Ihfung ling (großes Zwiebelgebirg
der Chinefen), oder Tartafh Dabahn der Einheimifchen (f.
Afien IL. ©. 410—411), fönnen wir uns hier im Allgemeinen
beziehen. Es ift daraus befannt, daß diefe im Querjoch des
Bolor, oder Belur Tagh, als turfeftanifches Alpen:
gebirgsland vereint, das Weſt- von Oft: Turfeftan feheidet,
nordwäris mit dem mächtigen Himmelsgebirge, oder dem Sy:
fteme des Ihian Schan (f, Afien I. ©. 320— 392), das cens
trale Hochland, in weiten mannichfachen Gebirgsgliederungen
umgeben. Wir begnügen uns, weil wir im Obigen die nördlis
chen und füdlichen Verhältniffe fchon, fo weit die pofitiven geos
graphifchen Daten hinreichen, d. i. nach der tübetifchen wie alz
taifhen Seite vollftändig vorgeführt haben, hier nur damit, die
mittlern, ebenern, hochgelegenen Sandfchaften, zwifchen jenen
beiden, mittlern Gebirgsfyftemen, als einzig einigermaßen
näher befannt gewordene Uebergangsftufe zwifchen dem chis
nefifchen Ländergebiete des Oſtens und dem aralifchzcaspifchen,
im Welten des Erdtheils, fpeciell ins Auge zu faffen. Es ift
nämlich der gewaltige Cänderraum, einft die Ebene Tanguts, oder
im uneigentlichen Sinne die weftliche Gobi genannt, die aber
in neuern Zeiten in ihren weftlichern Theilen richtiger das chines
fifche Turkeſtan heißt, und im Often exrft mit dem Lop⸗See
beginnt, weicher an der Weftgrenze der mongholifchen Sands
wuͤſte Gobi gelegen ift. Deren Eingänge find uns auf der Nords
Turkeftanifches Hochland, Uebergangsform, 321
ftraße (Pelu nach Turfan) über Hami (f, Afien I. ©, 363
bis 365) und auf der Südftraße (Nanlu nad Khotan) über
Shastfiheou, die Sandftadt (f. Afien I. S. 205 — 210), mit
ihren Dafen und Noutiers, beide noch oftwärts vom Lop⸗See, im
N.O. und S. O. deffelben, liegend, fchon vollftändig befannt, Es
war diefes ganze Ländergebiet, feit der Unterwerfung unter die
Chinefen, in der Mitte des XVII. Jahrhunderts, von Kaifer
Khienlong (f. Aſien I. ©.463), das Land der neuen Grenze
genannt. Cs breitet fich weſtwaͤrts, am Südgehänge des
Thian Shan: Spftems, dieſes hinefifche Turkeſtan,
über Turfan und den Muztag bis Kafchghar hin aus (f, Afien I.
©. 324—356); und eben fo am Nordgehänge des Kuen—
lun:Syftems, der im Weften zum Ihfungling wird, über
weite Wüfteneien, bis nah Khotan, Yarkend, dem benach—
barten Pamer und zum hohen Pufchtifhur, mit den Balti-Glets
ſchern, welche wir ſchon als die erhabenfte Wafferfcheidegrenze aus
dem füdlich anliegenden tübetifchen Ladath, im Karaforumpaffe,
bis zum nördlich anliegenden turfeftanifchen Gebiete Yarkends,
überftiegen haben (f. Afien I. ©. 635 — 640). Jener große
Ihfungling wendet fih, mit dem Puſchtikhur, dem der Kameh—
firom zum Indus, gegen Süden, und der Orus, gegen Wer
ften, entftrömt (f. ob. ©.16), nordwärts, als Querjoch Bo:
lor, oder Belur Tagh (f. Afien I. Einl. S. 47, 1. ©. 411),
An Kaſchghar zieht er im Weften vorüber, bis zum Muztagh,
deſſen Gletfcherpaß uns ebenfalls fihon befannt ift (f. Afien IL.
©. 325), weil der umEfreifende Gebirgszug diefes Hochs
gelegenen Iurfeftan, das man deshalb im Gegenfaß des
weftlich gelegenen NMiederlandes der Bucharei, auch wol die
Kleine oder die Hohe Bucharei zu nennen pflegte, hier, in
das oftwärts flreichende Gebirgsfnftem des Thian Schan, oder
Himmelsgebirges, zurückkehrt, das wir fchon früher genauer unz
terfucht haben.
Es beginnt diefer weite Landftrich Central: Afiens, die mit
telfte Hoch: Ebene jener drei Hohen MittelsEbenen oder
Einfenfungen des Erdtheils (ſ. Afien I. ©.316, U. ©.409— 412),
welche Al, v. Humboldt 539), im Norden, die dfungaris
fhe Ebene mit dem Bhalkaſch-See (Alien I. ©, 393, 771
526) XL, v, Humboldt, Ucber die Bergketten und Vulkane von Inner⸗
Afien, f. in Poggd. Annal, Bd, 94. 1830. ©. 6.
Ritter Erdkunde VII. X
322 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. $. 5.
u. a. O), im Süden, die tübetifche mit dem Götterfee, oder
dem Tengri (f. Aſien I. ©. 414, II. ©. 173, 210), fo characte-
riftifch bezeichnet hat, mit dem Lop-See, weichem von Welten
her der gleichnamige, oder auch Tarim genannte, große Fluß, in
der Richtung der BreitensParallele und des Normalzuges der gro:
fen Gebirgsſyſteme zueilt. Es dehnt fi diefer Raum zwifchen
dem Kuenlün und Ihian Schan-Syſtem, von 37° bis 42° N. Br.,
von Sud nah Nord (f. Alien I. ©. 324), alfo an 70 bis 80,
weiter oftwärts fogar bis über 100 geogr. Meilen Breite aus,
Bon Oſt nah Weſt aber, gerechnet von Hami (93°) bie
Kaſchghar (71° 35° O.L. v. Paris, nad Pat. Hallerftein), ift
es mehr als dreimal fo lang; oder wenn wir auch nur vom
Lop-⸗See an beginnen wollen, deffen Oftufer etwa mit Turs
fan (87° D.8. v. Par, n. Gaubil) in gleichem Meridian liegt,
fo macht die Länge diefes Landftrihs doch immer noch an
150 geogr. Meilen aus, fo daß man feine Oberfläche immer zu
12,000 geogr. Duadratmeilen, von der Größe ganz Deutfchlands,
fhägen mag.
Diefer Raum fcheint, fo weit unfere Kenntniffe reichen, feiz
nen Oberflächen nach freilich nur fehr einfoͤrmige Verhältniffe dar:
zubieten, ohne alle innere Mannichfaltigkeit der Oberflächen, ohne
verticale Gliederung, ohne Berglandfchaften, nur von einem eins
zigen Stromfyfteme, dem Binnenwaffer des Tarim
durchzogen zu ſeyn, dem fic) alle andern nur als tributaire Flüffe
zugefellen, die in dem Lop-See ihr gemeinfames Ende finden.
Der größere Theil des außerhalb der Bewäfferungsfähigkeit lie
genden Raumes diefer hochgelegenen, aber fanft verflächten Ein:
ſenkung, mit öftlicher Neigung zum Spiegel des Lop- Sees,
fcheint nur mit vorherrfchenden Kiefel- und Sandwuͤſten bedeckt
zu ſeyn. Diefe erreichen um den genannten See felbft, den höch:
ſten Grad der Einöde und Wüftenei, ein Raum der feit Marco
Polo's Zeit unter dem Namen der Wüfte Lop auf den Karten
eingetragen (Afien I. ©.207) worden ift. Der verengte Iſthmus
der Wüfte, welcher die öftliche Gobi-Wüfte von der weſtli—
Sen, oder. der Lop-Wuͤſte fcheidet, und zwifchen Shatfcheou und
Hami, nordwärts, auf 1000 Li, d. i. 75 geogr. Meilen, auf fürs
zeſter Strecke durchfegt wird (f. Afien I. ©. 364, 378), breitet
fih, weftwärts diefer Karamanenftraße, welche die Südftraße
nach Khotan und Yarkend, mit der Nordftraße nah Zurfan
und Akfu verbindet, wiederum weit mehr von Süd nach Mord
Zurkeftanifches Hochland, Han Hai. 323
aus, und füllt hier den größern, öftlichen Theil jener Hochebene
mit feinen Trauerfcenen. Hier ift es, wo im Nordoften des
Lop⸗Sees, bei Turfan, das Han Hai, oder Trockne Meer
(f. Afien I. ©. 378), fo gefürchtet ift, weil daſelbſt Stürme das
Vieh und die Menfchen, unter Flugfand begraben; eben fo im
Südoften vom Lop-See bis Shatfcheou, wo die 30 Tagereifen
Weges nur durch ebene Sandwüften und öde Klippen der Lop:
Wüfte führen, die M. Polo durchzog (Afien I. S. 207). Eben
hier ift es, wo die alte hydrographifche Hypotheſe der Chinefen in
Mittel-Afien (wie einft jene in Mittel-Afrika, vor Mungo Parks
Entdeckungen, ald man noch den Senegal mit dem Nigerfirom,
oder diefen mit dem Nilftrom zufammenzog), den Cops Fluß, als
den obern Lauf des Hoang-ho, durch diefe Wuͤſtenſtrecke hindurch
mit diefem chinefifhen Hauptftrome in Verbindung fegte, wie die
hinefifch »japanifche Karte zu den buddhiftifchen Walfahrten, feit
dein VII. Yahrhundert, die Zeichnung ganz deutlich (f. Aſien II.
©. 494— 496) geliefert hat. Unter diefen Flächen voll nackter
- Klippen, voll gewälzter Kiefelblöcke, voll furchtbarer Sandmaſſen,
welche ebenfalls die große Sandwuͤſte Hanhai heißt, und nach
dem chinefifchen Autor ein alter Meeresgrund feyn foll, läßt
jene Hppothefe den Lop⸗See (unter 41° N.Br.) feinen Auslauf
zum Sungfu Hai (Taufend- Stern: Meer, unter 35° N,Br.),
d. h. dem wirklichen Seequellengebiet des Hoang-ho, oder gel:
ben Stromes, nehmen, von welchem früher umftändlich die Rede
war (f. Afien II. ©. 493 — 499). Die fupponitte unterirdifche
Verbindung beider Gewäfler wird auf jener genannten Karte wirk
lich gezeichnet, das überhinftreichende Bergland aber Tfifchy:
Scan, d. h. die Berge von Felsblöden, genannt, wor
durch die zertrümmerte Natur jener im Hanhai trocken geleg-
ten Sand: und Wüften : Strecken angedeutet wird.
Den feltfamen Irrthum, welchen Deguignes in der Benen-
nung diefes Hanhai beging, indem er bemerkte, daß es auch
Scha fchin 37) heiße, ein Fehler, welcher von neuern Geographen
wiederholt zu werden pflegt, welche nun, nach Deguignes 3), auch
die Scha mo der Ehinefen und Gobi der Mongholen mit der
felben Benennung belegten, hat Klaproth3%) ſchon, nach der
1
* Deguignes Gef, der Hunnen Th. I. ©, 36. 38) ebend. I.
. 165. »°) J. Klaproth -Note geographinne sur le Desert de
Ca in Nouv. Journ. Asiat, Paris 1828, T. II. p. 457 — 462.
x
324 Weſt-⸗Aſien. J. Abfchnitt. 6. 5.
chineſiſchen Originalſtelle der Geographie der Ming (Sect. LXXXIX.
fol. 21 rect.) berichtigt, die allerdings eine Stelle der Annalen
der Sungs Dynaftie citirt, welche fage, daß dort „die Sande
tiefe” (d. h. Scha ſchin im Chinefifchen) drei Fuß bes
trage, das Land ganz öde fen, aber daß in fünfen der Thäler,
mitten im Sande, das Kraut Tengfian wachſe, welches man
zum Futter der Laftthiere fammle, Won einem eigenen Namen
Scha ſchin ift alfo nicht die Rede, Roch ein anderer Name, der
auf der genannten cinefifhrjapanifchen Karte aus dem VII. Jahr⸗
hundert auf der Süpdfeite des Lops Sees und feines Tariın Zur
flufies eingetragen ift, gegen das Königreich Kothan (Youthians
foue) hin, heißt Lieou Scha 5%), was nichts anderes als
„Flugſand wuͤſte“ (Sables mouvans) bedentet, die fich nords
oftwärts gegen die Gobi Hinzieht. Abel Remufats Meinung,
dag Hanhai erft ein jüngerer Name der Gobi und der Sands
meere fen, in älteren Zeiten dagegen einen See der Tatarei, und
im VII Zahrhundert einen Landſtrich der Hocishe bezeichnet habe,
wurde fchon anderwärts nachgewiefen (f. Afien I. ©. 502).
Wir haben früher gefehen, daß der Lop⸗See, welcher in
den älteften chinefifchen Annalen der Salzfee heißt, den Chines
fen ſchon ein Jahrhundert vor der chriftlichen Zeitrechnung durch
das Fürftentbum Schen ſchen (f. Afien I. ©. 363), gleidyzeitig
mit Khotan, politifch Befannt ward, weil unter der Hans Dys
naftie (163 vor bis 196 nad) Chr. G.), welche ihre Herrfchaft ges
gen Werften zu erweitern ftrebte, den dortigen Prinzen gegen ihre
Feinde die Hiongnu und Kirfis Khaifak, chinefifche Huͤlfstruppen
und Generäle zugefchieft, auch zwifhen Sca tfcheou und dem
Lop⸗See Forts angelegt; wurden, und durch diefe Garnifonen
und Anftrengungen allee Art der Andrang der Barbaren vom
Weſten abgewehrt. Die Herrfchaft Schen fchen breitete fich
im Süden des Lop⸗Sees aus. Auch wird deſſelben noch
unter der Tfins Dynaftie im Jahre 280 n. Chr. G. erwähnt, wo
die Prinzen von Schen ſchen ) in gutem Vernehmen mit den
chinefifchen Kaifern ftehen, weil es den Schlüffel der Süpdftraße
nach dem weftlichern Khotan bildet. Es war aber nur von Eleis
nerem Umfange; auf den ältern chinefifchen Karten ift die Suͤd⸗
s40) J. Klaproth Eelaireissemens sur une Carte Chinoise et Japo-
naise etc, in Mem. rel. à l’Asie T. II. p. 414. *ı) Ab. Remu-
sat Remarques sur l’Extension de l’Empire Chineis etc, in Mem.
Geogr. I. ec, Paris 1825. 4, p. 109.
Zurkeftanifches Hochland, Schenfchen. 325
* nach dem weſtlichern Khotang hindurch gezelchnet, wie noch
m VI. und Anfang des VII. Jahrhunderts, zur Zeit der Sui—
Dynaſtie (bis 619 n. Chr. G.). Später aber wird es kaum mehr
genannt, und foll feit Jahrhunderten 2) unter Flugfandmaflen
begraben feyn. Diefer Anficht ift ein neuerer chinefifher Autor#),
der in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts verfichert, dies
fer öde Theil Mittel Aftens feheine ein alter Meeresgrund
gewefen zu ſeyn, der im Norden begrenzt fey von Pidjan (im
Norden des Tarim, die Provinz, in welcher Turfan liegt), im
Weſt von Kafhghar und im Süden von der Mordgrenze Tür
bets, in welchen Landfchaften erſt wieder die culturfähigen Ober:
flächen beginnen. Diefe Trauerlandfchaft ſey eine undurchgehbare
Wildniß, unterbrochen von Berfumpfungen, von nadten Felsklips
pen und Felsſtrecken, Bergen, Seen, Fluͤſſen, furchtbaven Abſtuͤr⸗
zen und Spalten, Quellmaflern, die uͤberſchwemmen, und wieder
von weiten Ebenen voll Kiefeiblüden von Wogen gewälzt. Die
Ftüffe, welche hindurchziehen, verändern hier oft ihre Bahr, wie
die Flugfandhügel ihre Oberflächen, vie ſich zu den Seiten tiber
die Eulturlandfchaften verbreiten und die kicblichften Gegenden
verderben. Da, wo vor alten Zeiten blühende Städte und glück
lihe Völker gemwefen, breiten ſich, fagt der chinefifhe Autor, ges
genwärtig Wüfteneien aus, welche nur das wilde Kameet
noch durdjagt.
So wichtig es auch wäre von diefer feltfamen Landfchaft
Gentrats Afiens, welche an fo manche Erfcheinungen- des gleichz
nadten, centralen Oſt⸗Iran mit dem Zareh-See erinnert, wie
an analoge Formen der mehr tropifch aelegenen, großen Deprefs
fion der glutheißen Sahara im afrifani.yen Sudan, fo muͤſſen
wir uns doch bei dem völligen Mangel aller ceuropäifchen Beob⸗
achtung, und alfer fperiellen Daten über diefen meiten Raum,
den in den legten Jahrhunderten nicht einmal mehr die einheis
mifchen Mikitaiez oder Handelsſtraßen durchfegen, fondern ihn
abfichtlich umgehen (f. Afien J. ©. 363, 463), mit obigen Färglis
chen Andeutungen begnügen. Kein Karamanenweg ift uns im
neuerer Zeit befannt, der direct von Echa tfcheou der Sandftadt
(neben welher Kuaſtſcheou, und fpäter etwas nordöftlih am
Bulunghir, Nganfi, f. Afien J. ©. 205, d. h. beruhigter Wes
32) J. Klaproth Tabl, bist. de l’Asie p. 205. *s) J. Klaproth
ebenb, p. 182.
36 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $ 5.
ften) weftwärts, durch diefe gewaltige Wüftenei, nach Khotan
führte, wie dies chedem zur Zeit der Han-Dynaſtie der Fall ges
wefen fenn foll, obwol auch damals ftets von der Suͤdſtraße, dem
Nanlu, durh Schensfhen nach Khotan (Yutian) die Rede ift,
ohne daß uns diefe Noute (auch nicht in der neueften Notiz5*)
daruͤber, aus Kienlongs Neichsgeographie) näher, nach den Sta:
tionen, bezeichnet würde. Auch auf Klaproths Carte de l’Asie
centrale ift feine Noute angegeben, welche von da etwa weſtwaͤrts
am Gaſch Nor (Chas fü der Chinefen, f. Grimms Karte von
Mittel:Afien) vorkber durch die von Klaproth genannte Makhai
Gobi, und durd die große Wuͤſte nach Khotan geleitete. Die
neueften Berichte, welche zwar den Top als einen Salzſee *)
beftätigen, und von der Oftroute des Handels zwifchen Yarfend
und China reden, ſchweigen jedoch über die Stationen, die auf
diefer Route liegen, und die erfte Spur der Communication auf
diefer Seite mit Khotan und Varfend, wird uns nur über
Tübet befannt. Nämlich durh die neue Straße, welche
von deſſen Capitale, H'laſſa, oder Lha-ſa (richtiger gefchrieben,
nad) Dr. Schotts mir gütigft mitgetheilten tübetifchen Studien,
von Lha, d.i. göttliches Wefen, auch König, Herr, und fa, d. i.
Erde, Grund, Boden), am Weftufer des Tengri-Sees, durch Kai:
fer Kienlong, zur „neuen Weftgrenze nad Yarkend“ ein
gerichtet ward (f. Aſien J. S. 263, II. ©.210). Sie follte offen—
bar durch einen großen, füdweftlichen Umweg jene furchtbare
Wüftenei vermeiden, obwol fie doc auch noch zwifchen dem
Tengri nordwärts, durch einen Theil derfelben führt. Naͤmlich
durch das Land der nomadifchen Hor, oder Sofbo, bis
zur Stadt Keriva (Kiria, oder Keldia, auf Klaproth Carte
de l’Asie centrale, unter gleichem Parallel mit Khotan, oſtwaͤrts
diefer Stadt), welche am gleichnamigen Fluffe liegt. Diefer
firöomt an ihr von ©. gegen N. vorüber und verliert fich im
Sande der Gobi, die hier ihre Weftende, unter dem Na:
men Gobi und Dla, d. h. Wüfte und Berge, zu erreichen
fheint. Diefe Straße muß an der Nordgrenze Chinas die wilde
Querfette des Oneouta, oder Kuenlun, überfteigen. Diefer
24) C. 5. Neumann Handelöftrafen von China nad) dem Weften
in we Aſiatiſche Studien Th. 1. Leipz. 1833. 8. ©. 196.
*°) W.H. Wathen Persian Sceret. to the Bombay Gov. in Memoir
on Chinese Tartary and Khoten in Journ. of the Asiat. Soc, of
Bengal ed. J. Prinsep Calcutta 1835. 8, Vol. IV. p. 656, 658.
Turkeftanifches Hochland, Tarim-Syſtem. 327
Daß td ift es, welcher Keriye la im Tübetifchen (la, d. h.
Paß), im Turk der an der Nordfeite einheimifchen Bewohner,
Keriyadavan (Davan, d. h. im Turk Paß) heißt, und
diefen Namen führt, weil er aus Tuͤbet nordwärts zu.diefer er:
ften, vorliegenden Stadt Keriya, oder Keria, führt.
Dies if, von der Südfeite des chinefifchen Turkeſtan, der
erfte, fefte Punct (370 N. Br., 80° 30° 0.8, v. Par. nad) Klaps
roth Carte centr.) von welchem wir in unfern Unterfuchungen
nach mehr pofitiven Daten, gegen den Weften über Khotan,
Yarkend bis Kaſchghar fortfchreiten fünnen, wie wir dies
am Nordfaume derfelben Hoch: Cbene ſchon früher auf der
Mittel: und Nordftraße, von Hami und Turfan aus,
weftwärts, über Karaſchar, KRutfche, Akſu, Ufchi bis Kaſch—
ghar, vorläufig in Beziehung auf den Südabfall des Thian—⸗
Schan-Syſtemes, gethan haben. Bei der einzelnen Berichter:
ftattung über dieſe Dertlichkviten ift es auch, daß wir hie und da
die hydrographifchen Verhältniffe der Landfihaften erwähnt
finden; denn von dem Verlauf und Zufammenhange des gro—
Ben turfeftanifhen Stromfyftems, des Steppenflufs
fes, der im Lop-Nor ſeine Endſchaft erreicht, ift uns Fein ſpe⸗
cieller Bericht eines Augenzeugen bekannt, der deffen Ufer ents
lang gereift wäre, wodurch erft das Factum diefes Zuſammenhan⸗
ges, der jedoch allgemein vorausgefegt wird, außer Zweifel ges
bracht würde. Als feine wahre Duelle wird in jenen ältern. chis
nefifchen Autoren der Lungtſchi, d. i. der Drachen-See (f.
Afien I. ©. 494), genannt; es ift der jeßige Karakul (unter
37° N.Br., nahe der hohen Pamir-Ebene), im mittlern Zuge des
Belur-Tagh, aus welchem direct gegen Oft der Yaman yar
als Bergftrom hervortritt. Diefes Hochland des Drachenfees,
jest Karaful, oder ſchwarzer See, wird durch die übereinftims
menden Ausfagen zweier berühmten Reifenden, Hiuan Thſangs
im VI. und Marco Polos im XIN. Jahrhundert, wichtig, die
beide behaupten, dies fey der höhfte Punct von JZambuzs
dwipa, oder dem Norden Hindoftans, in Inner-Aſien. Cs ift
Marco Polos berühmte Pamir-Ebene, die von Hiuan
<hfang Pa mi lo #7) genannt wird. Er durchwandert ihr
45) Weitsang thou chy in P. Hyacinthe Descript. du Tubet ed;
Klaproth Paris 1829. 8. 125 und Not. 1. 124.
27) Hiuan Thſang Reife bei Klaproth ©, 8
328 Weſt-⸗Aſien. J. Abſchnitt. % 5.
Hochthal, das von W. nach O. 1000 Li (300 Li zu 15 geogr.
Meilen gerechnet) fich ausdehnt, von ©. nah N. aber nur 100
Si, und welches zwifchen zwei parallelen Ketten von Schneeges
birgen liegt, Diefer Yaman yar nimmt von der Nordſeite, wenig
unterhalb, d. i. im S.O. von Kaſchghar, feinen nördlichen
Hauptarm auf, der im äußerften Nordweſten auf feinen Quell
höhen zwifchen den Asferas Bergen, dem Kipchaf Tagh und Te:
ref Tagh, der Koffu (nie der Orus an feiner Quelle) genannt
wird, dann aber vom Vorübereilen, füdofhvärts, an der großen
Capitale, den Namen des Kafhghar-Stromes erhält, der
fid) mit jenem Yaman yar vereinigt. Diefem vereinten Kaſch—
gharDaria flieht nun au, von S.W., der YarfendDaria
zu, welche, da alle drei genannte Duellarme, etwa unter gleis
dem Meridian (70° O.L. v. Par.) entfpringend, auch unter dem—
felben Meridian 78° 30° O.L. v. Par., alfo nach einem obern
Laufe von 81 Längengraden, oder 130 geogr. Laͤngenmeilen jes
der, zufammenfließen. An derfelben Stelle des Zufammenfluffes
treten aber auch, von der Nordfeite, aus den Schneegebirgen
des Ihian Schan, noch der Akſu Daria hinzu, und von der
Südfeite, von Kuenlun, der Khotan Daria, die beide von
ihren anliegenden Städten benannt find. An dem Zufammens
fluß diefer 5 Bergwaſſer wird ein Sumpfland und eine große
Inſel auf den Karten gezeichnet, die aber namenlos bleibt,
und von der wir nichts erfahren; nur an ihrer Nordfeite wird
in ihre Nähe der einzige Name einer Station, des von W. nach
O., am Mordufer des Stromfyftems durchgehenden Karawanens
wegs, Kharatal, verzeichnet. Der nun vereinte Strom
feheint hier erft feinen Namen Tarim oder Tarim goͤl (Ta
limu, Sito bei Hiuan Ihfang) zu erhalten; auch wird er Er;
gouo göl genannt. Von dem Yarfend oder dem Khotan-Stros
ine, in welchen der edle Stein Ju, Yu, oder Kaſch, Kefch,
auch Ky Shy gefunden wird, hat man auf ihn auch die Ber
nennung Ky Shy Shoui und Yutbian (d.i. Khotan) oder
Ju⸗-Fluß übertragen. Nach einem’ Laufe von 105 geogr. Meil.
(von 78° 30° bis 86° O.L. v. P.) ergießt er fih in den falzigen
LopsSee, der in den ältern chinefifhen Annalen auch Phus
tſchhang, oder Phustfhang Hai, das Meer Phustfchang,
heißt, ein Name, den er auch auf der chinefifchsjapanifchen Karte
der buddhiſtiſchen Pilger trägt. Sein ganzer Lauf, wenn man
ten von Weft nach Of etwa 30 Stunden Ianggedebnten Lop⸗
Turkeftanifhes Hochlend, Tarim-Syſtem. 329
See hinzurechnet, beträgt, in feiner Normaldirection, zwifchen
dem 40 — 41° N. Br. dem Donauftreme Europa's analog,
gegen das Innere feines hohen Steppenbeckens, in dem er, wie
der Jordan im todten Meere, und der Hindmend im Zah:
reh verfchwindet, — dem diresten Abftande der Quelle von der
Mündung nach, etwas mehr (250 geogr. Meilen), als derfelbe
directe Abftand bei der Donau (220 geogr. Meilen); aber feine
Krümmungen fommen der Stromentwidlung des Donauſyſtems
(380 geogr. M.) nicht gleich; fo wenig wie die Wafferfülle, die
Bewäflerung und Befruchtungsfähigkeit feines Stromgebietes mit.
dem des Donaugebietes zu vergleichen ſeyn wird.
Noch ift zu bemerken, daß zum untern Laufe des Tarim vom
Süden her fein einziger Zufluß weiter befannt ift, weil hier
die gewaltige Sandwüfte feinem Südufer vorliegt, in welcher nicht
einmal Steppenwafler, oder Seen, vorzufommen fcheinen. Das
gegen fallen hm von der Nordfeite, vom Thian Schan : Sys
fteme herab, nocd zwei nicht unbedeutende Flüffe zu. Erftlich
der Ufiat, oder Chayar Daria, der von dem fchneereichen
Muz Tagh herab, füdwärts an Kutfche vorüber fließt, und die
Stadt Chayar, von der er den Mamen trägt, auf feinem füds
lichen rechten Ufer, nahe an der Einmündung zum Tarim, liegen
läßt. Und zweitens, der, wie es ſcheint noch größere Barun
Yulduz, oder große Kaidu-Fluß, welcher dem Südgehänge
des mächtigen Bogdo Oola (f. Afien I. ©. 337) im Lande Yul⸗
duz, reich an klaren Waſſern >) und trefflihem Weideland (f.
Alien 1. ©. 340— 341) entfpringt, und anfänglic eine Strecke
von 60 geogr. Meiten von W. nach D. (zwifchen 81° bis 85°
O.L. v. P.), etwa in 20 geogr. Meilen nördlichen Abftande vom
Tarimftrom, durch einen mittelhohen Bergzug, den Bairak, oder
Uſchiyak Tagh, von ihm gefondert, in einem mit jenem paralz
lel laufenden Thale, bis Kharafchar durchftrömt, wo fich dies
fes in einen dem Lop Nor faft gleichgroßen, und die Normal—
direction des Längenthales beibehaltendem See, den
Bosteng oder Bostu Nor ausweiter, der im Often von
Sanddünen, wie jener, umgeben if. Suͤdwaͤrts zieht ein höher
res Bergufer, der Kurungle Tagh, an ihm vorüber; aber diefes
durchbricht ein auslaufender Arm diefes Sees, gegen Sid zies
54%) Nach d. Siyu wen kian In in Deser. da Bays des Dzoüngar in
Timkowski Voy. ed. Paris T. I. p. 441.
330 Welt: Ajien. J. Abſchnitt. $. 5.
hend, bei der Stadt Kurungle hin, und fließt in gekruͤmmtem
Bogen an Kulir voruͤber, unter dem fortgeſetzten Namen des
Kaidugol, zum Tarim, etwa 15 bis 20 geogr. Meilen ober:
halb deflen Ausweitung zum Lop-See. An diefem Vereine
fcheinen fchon jene Verfumpfungen zu beginnen, die diefen Cop:
See umgeben, und als Moräfte, gegen S.Q. zum Gaſch Nor,
und gegen die Neihe der wahrfcheinlich falzigen Flachfeen fort:
fegen, aus denen der Steppenfluß Bulunghir (Polonfir, f,
Afien I. ©. 187, 193) oftwärts gegen Scha tfcheou, Kua tfcheou
und Nygan fi fortichleicht.
Die einzige chinefifhe Nachricht, welche wir in neuern Zeiz
ten von diefer Gegend am Lop- See finden, ift die merkwürdige
Stelle aus der Befchreibung Oft-Turfeftans, weldhe Pater Hyaz
cinth, aus dem Siyu wen fian lu überfegt, wo gefagt wird,
dag im DOften und Südoften des Lop Nor, jenes unbe
wohnte Land auch mit zahllofen Duellwaffern durchzo—
gen 549) fey, was im älterer Zeit wol eben auf jene Hypothefe
der Kontinuität zwifchen LopzSce und den Hoang-ho⸗Quellen ges
führt haben mag. Der Autor fagt: dort fieht man auf den Wes
gen, welche hindurch führen (fie müffen in neuerer Zeit alfo doch)
durchgangen werden), entweder kahle Steppen und Sumpfland,
oder fenkrecht aufftarrende Berge und Klippen mit ewigen Schnee
bedeckt, Wildniffe und Flüffe. Es ift Feine Stelle, wo nicht eine
Quelle hervorträte; theils in Geftalt eines hochgelegenen Sees,
theils als herabftürzender Waflerfall, bald aus der Erde hervorz
fieigend in zahllofen Wafferblafen anfgeworfen. Es hat meift
eine gelbliche Farbe. Alle Fluͤſſe die von der Süpdfeite der Schnee;
fette des Thian Schan, längs der Neuen Linie herab gegen
S. O. fließen, vereinen fich endlich im Lop⸗See. An diefem lies
gen nur zwei Ortfchaften, jede von 500 Käufern. Die Einwoh—
ner treiben weder Ackerbau noch Viehzucht, fondern nur Fiſch—
fang. Dabei machen fie Pelze aus Schwanendaunen, weben
Seinwand aus wildem Hanf, und bringen ihre Fiſche nach der
Stadt Rurle (ob identifch mit Kurungle? fonft ift uns deren
Lage unbekannt) zum Verkauf. Dort wollen fie aber weder Brot
noch Fleiſch wie andere Menfchen eflen, weil ihr Magen dies
zurüctößt. Diefe Leute fprechen zwar die Turk-Spracde,
s4°) Timkowski Voy. ed. Paris I. p- 396. Deser. du Turkestan
Oriental.
Turkeſtaniſches Hochland, Lop⸗,See. 331
ſind aber keine Mohammedaner. — So weit der Bericht; es
waͤre moͤglich in dieſem Fiſchervolke am Lop⸗See noch ei-
nen Reſt einer Aboriginer-Population des centralen Hoch
landes vorzufinden, die alle jene Nevolutionen des afiatifchen
Mittelalters, feit der Mongholenzeit, in ihren ſchwerzugaͤnglichen
Aſylen und ihrer älteften Heimath überdauert hätte.
Anfang des IX. Zahrhunderts wird ein Turkftamm der Scha>
tho genannt, der vom Lop-See fam und an die Grenze Chinas
einwanderte (f. Afien B.I ©. 212). Hiuan.Thfang :®) der
Buddhapilger (um das Jahr 650 n. Chr. Geh.) nennt einen Ort
Na fo po, durch welchen er wandert, um von Khotan aus in
feine Heimath nach China zuruͤckzukehren; von diefem fagt er, es
liege derfelbe in Leulan am Südufer des Lop⸗Sees. Beide
Namen find uns jedoch nicht näher befannt. Zweihundert und
funfzig Jahre früher wanderte Fa Hian (im 3. 399 n. Chr.
Geb.)51), von der Mordweftprovin; Chinas, von Schenfi aus, »
durch die Sandwüfte (Schaho, d.i. Sanpdfluß, oder Schas
mo, Sandmeer) in das Königreih Schen fhen, welches
in dem Sande Leulan liegen foll, welches defien ältefter Name gez
wefen. Das Land diefes Königreichs, fagt Fa Hian, ift bergig,
ungleich, der Boden mager, unfruchtbar, die Sitten der Einwoh—
ner find grob wie ihre Kleider, aber denen der Han: Dpnaftie,
d. i. von Nord:China (Hanjin) gleih, nur mit dem Unterfchiede,
daß ihre Zeuge von Filzftoff find. Der König ehrt das Buds
dhagefes; in feiner Herrfchaft leben wol 4000 Geiftlihe, die
alle dem Gefegesftudium obliegen. Volk, wie Priefter (Scha:
men, d.i. Samanäer), leben nach dem Geſetze Hindoftans (von
Thiantu, d. h. nad) der Neligionslehre, die damals erft feit
wenigen Sahrhunderten aus Indien gegen Often eingeführt war).
Bon hier an fehen fich alle weftlihen Königreiche mehr oder
weniger gleich, nur hat jedes feine eigene barbarifhe Sprache
Guyu, worunter gewöhnlich das Mongholifche verftanden wird,
was aber nur erft für fpätere Zeiten gelten kann; denn damals,
400 Jahr n. Chr. Geb., gab es dort noch feine Mongholen im
Süden der Gobi. Es fann vom Lop-See gegen Khotan hin
demnach nur das Tangut oder Tübetifche, das Turf, und
so) Hiuan Shfang b. Klaproth S. 8. Ab. Remusat Hist. de Kho-
tan l. c. p. 6 ) Foe Koue Ki ou Relation etc. p. Ab. Re-
musat 4. p. 6215.
332 Wert: Alten, I, Abſchnitt. $ 5,
etwa die Eprache Getifcher Dialecte unter diefem Ausdruck
verftanden werden). Dagegen ftudirten die Neligiofen des Lan—
des alle nur die Bücher in der Sprace Indiens (d. i. im
Sanstrit). In Schen fihen raftete Fa Hian über einen Mo:
nat, hatte alfo Zeit genug diefe für uns und die Gefchichte de3
Landes wichtige Beobachtung zu machen. Hierauf feste er feine
Reiſe weftwärts fort, und Fam nach 15 Tagereiſen in das Königs
reih Oui (Ouholi zum Tribus der Hoeihe, d. i. zu den
Uiguren gehörig, im heutigen Turfan, f. Alten I. ©. 343).
Sn den Annalen der Han 55%) befindet fich ein langes
Kapitel über das Koͤnigreich Schenfchen, oder Schanſchan,
aus welchem hervorgeht, daß fein alter Name Leulan, erft von
den chinefifchen Kaifern, welche fich deſſen Fürften zu Vaſallen
machten, in Schanſchan verändert ward, Die Nefidenz des
Sandes hieß Yüuniz der Fürft Eonnte nur 3000 Mann Truppen
ftelfen, und hatte an 14,000 Familien zu Unterthbanen, Nomas
den, die von Zucht der Pferde, Kameele, Efel lebten, ihr Getreide
aus den Nachbarländern erhielten, aber die Kunft Waffen zu
fhmieden verftanden. In dem Sahrhundert vor der chriftlichen
Seitrechnung, als Kaifer Wuti berrfehte (140 — 87 vor Chr, ©.),
waren die Bewohner von Schan ſchan in großer Bedrängniß,
weil fie zwifchen den beiden einander bekaͤmpfenden Mächten, der
Hiongnu und der Chinefen, mitten inne lagen, Anfänglicy was
ren fie die Spione der Hiongnu und die Wegelagerer gegen die
chineſiſchen Heere; fpäter aber, bei der obfiegenden Macht der
Ehinefen, warden fie zu Vaſallen diefes Reichs gemacht; die Fürs
ften der Schan ſchan mußten ihre Prinzen als Geifeln an den
chineſiſchen Hof fenden, und erhielten von da die Einſetzung und
Beſtaͤtigung ihrer Beherrfcher, die dann ganz unter Einfluß der
chineſiſchen Generalcommandanten famen, welche fpäter in die
Weſtlaͤnder geſchickt wurden. Die Fürften von Schan fchan ges
ftanden es den chinefifchen Kaifern öfter ganz frei, daß ihr Eleis
ner, ſchwacher Staat zwifchen zwei fo mächtigen nicht anders bes
ſtehen Eönne, als daß er ſowol den Hiongnu wie den Chinefen
Geißeln und Tribut fielle, wenn diefe letztern fich nicht etwa
552) Die Annalen der Han, nah Dr. Schotts Ueberfegung
aus dem Ruffifchen, nach Befhreibung der Oſchungarei und des
Öftlichen Zurkeftan in ihrem Altern und heutigen Zuftande, aus dem
ale überf, duch Pater Hyacinth, St, Peteröburg 1829,
eile 8,
Turkeſtaniſches Hochland, Sagen. 333
ganz feines Gebietes bemächtigten. Dies gefchahe denn endlich
durch chinefifhe Colonifationen und Garnifonen, wel
che an den fruchtbarften Stelien von Schan ſchan ſich anfiedels
ten, als die große Straße durch die Weftländer, der Nanlu
und Pelu, die Süd» und die Nord: Straße, fürmlich organis
firt ward.
Diefen Nachrichten fügen wir als Fingerzeige zu fernern
Nachforſchungen in den geographifch » hiftorifchen Werfen der dis
nefifchen und tübetifchen Literatur über dieſe Localität, auch die
feltfamen Sagen von den Zerftörungen durch Sandregen und
andere Umſtaͤnde bei, die in den einheimischen Annalen von Kho⸗
tan 53) angeführt werden. Einige do Stunden (300 fi, d. i.
222 geogr. M.) im Often der Stadt Khotan liegen einige taus
fend Morgen Landes, ſchon in der Mitte der großen Wüfte
(Gobi), die von hier bis zum Lop-See ununterbrochen fortfeßt,
wo fein Straudy und fein Gräschen mehr wächt, die Erde roth
und dunfelfhwarz ift. Hier foll, nad den Annalen der Ihang
(veg. 618 — 907 n. Chr.), ein mächtiges Heer ein großes Bluts
bad erlitten haben, davon der Boden roth gefärbt blieb. Im
Dften diefes Blutfeldes liegt, einige Stunden fern, die Stadt
Pima (ihre Lage ift fonft unbekannt), in welcher ein Buddhas
bild von Sandelholz (vergl. Afien IV. 1. ©. 821—22) 20 Fuß
hoch gefchnigt fich befindet, das Wunder thut. Alle Kranke hans
gen Goldblättchen an denjenigen Theil diefer Statüe auf, an
welchem fie leiden, und werden jedesmal dadurd) geheilt. Diefes
Buddhabild war, nach der einheimifchen Sage, einft, von einem
Könige (On tho yan na) des Neiches Kiao hang mi (d.i. am
Südufer des Ganges Magadha im Weften benachbart) 5%) in
Indien, zu Ehren des Neligionsftifters errichtet worden, welcher
während feines Erdenlebens das Land mit Wohlthaten überhauft
hatte. Nach dem Hintritte Buddhas ward diefe Statüe aber
vernachläffigt, und nach dem Morden gebracht, in die Stadt Hos
lao lo fia (2), deilen verderbte Bewohner fie aber nicht würdigten.
Ein Buddhadiener (ein Rahan), der nad einiger Zeit dahin
kommend diefe Statüe anbetete, wurde von diefen Barbaren bis
an den Mund in Sand begraben und ohne Nahrung gelaffen.
Da ein einziger Frommer diefem heimlich) Speife und Trank
53) Ab. Remusat Histoire de la Ville de Khotan. Paris 1820. 8.
p- 60—67. 50) ſ. Hilan Thſang Reife b. 3. Klaproth ©, 7.
334 Weſt-Aſien. I Abfehnitt. 9 5.
brachte, verkündete ihm der Rahan: In fieben Tagen werde ein
Regen von Sand und Erde niederfallen, um Stadt und Land
zu bedecken, und Niemand werde dem Untergange entfliehen ;
nur du rette dich. Sogleich verfchwand der Nahan; der Fromme
aber warnte feine Verwandten; diefe fpotteten feiner. Jedoch
ſchon am zweiten Tage entwurzelte der Sturm alle Gewächfe,
die herabgießenden Regenwaſſer überfhwenmten nun Stadt und
Sand mit Schlamm, und wühlten den Boden auf, und am fie:
benten Tage bedeefte ein Sandregen die Stadt, welche feit:
dem auch begraben blieb. Der Fromme hatte fich in eine Berg:
höhle gerettet, in welcher auch das Buddhabild ihm von felbit
folgte; als Einſiedler fegte er deflen Verehrung fort; es ward
aber, als feine Zeit erfüllt war, in den Palaft der Drachen (Tem:
pel) nach) Pima verfeßt. Den Sandberg, welcher die verſchwun—
dene Stadt Ho lao lo kia deckte, haben die Herrfcher verfchiedener
Sandfchaften nad) Schägen auszugraben wol verfucht, was ihnen
aber nie gelang, weil ftets furchtbare Orfane mit Rauch und
diefen Nebeln ſich erhoben, welche Verwirrung herbei führten.
Der Fluß bei der Stadt Pima fließt gegen Oft, und tritt
in die Sandwüfte ein. Zwanzig Stunden (200 Li, deren 300
oder 280 nach altem Maaße auf 1° gehen) fern, liegt die Stadt,
oder vielmehr die Ruinen der Stadt Nijang 555), die in der
Mitte eines großen Moraftes ftehen, und 3 bis 4 Li in Umfang
haben. Das Land um den Moraft ift heiß und feucht, ſchlam—
mig, voll Schilfgewächs, und man ift ftets in Gefahr dafelbft zu
verfinken. Nur mit Mühe entgeht man der Verwirrung, wenn
man feinen Weg mitten durch die Stadt nimmt, was auc) alfe
Reiſende thun. Sie liegt nach diefer Seite auf der Grenze
des Gebietes von Khotan, und ift die Zollftätte des Lanz
des. Weiter gegen den Often fangen die beweglihen Sand:
berge an, in denen fein Fußpfad haftet, wo fich fo viele Mens
fhen und Vieh verlieren, die bei den heißen Winden und den
Einöden nicht felten umfommen. Man hört dort ftets heftiges
Pfeifen, Lärm und Getöfe, ohne zu willen woher es kommt, was
ungemein ängftigt; denn es ift der Aufenthalt böfer Damone (06
hier Sandfchurrengetös? wie oben ©. 248). Noch 40 Stunden
(400 Li) weiter fommt man zum alten Königreihe Tu ho lo
558) Ab. Remusat Histoire de la Ville de Khotan. Paris 1820, 8.
p- 35, 64.
Turfeftanifches Hochland, Voͤlker-Urſitze. 335
(d. i. das alte Tochariftan) 56), das aber feit langer Zeit in Wuͤſte
liegt; alle Städte find zertruͤmmert mit Gräfern wild überwach-
fen. Bon da 60 Stunden (600 Fi) gegen Oft erreicht man das
alte Königreihb She ma tho na im Sande Niei mo; aud
da ftehen die Ortfchaften vermüftet, das Land entvölfert. Und
noch 50 geogr. Meilen (1000 Li) weiter gegen N.D. liegt das
- alte Königreih Na fo po, oder das Land Leulan an der Süd:
feite des Lop- See. — So weit der chinefifche Berichterftatter
zur Zeit der Thang im 3. 632 n. Chr. Geb,, der ſchon felbft ber
merkt, wie ſchwer es ihm gewefen fen, genau die Wahrheit in
diefem Sande zu erforfchen, wo fo viele Widerfprüche, Gewaltha-
ber und Schwierigkeiten fi) dem Beobachter entgegen ftellen;
doch fen er bemüht gewefen nur dasjenige aufzuzeichnen, was er
ſelbſt gefehen oder gehört hätte; von nun an werde aber unter
dem glorreichen, alleinigen Scepter Sr. faiferlihen Thang
Majeftät, ein ganz anderer Segen über jenes Sand aufgehen. —
Ab. Remufat macht zu den angegebenen Daten die Bemer:
fung 57), daß alle jene Namen, welhe von Khotan an, oft:
wärts, bis zum Lop-⸗-See in diefem Berichte vorkommen, ihm
foldhe zu ſeyn fcheinen, welche (wie Khotan ſelbſt, d.i. Ku:
ffana im Sansfr., f. unten) ihre Ableitung aus dem Sans:
frit finden, und in diefem chinefifchen Berichte nur als dem die
nefifchen Ohre und ihrer Schrift verwandtere Laute wieder
gegeben werden Eonnten. Die Legende jener Buddhaſtatuͤe, und
andere verwandte, machen es mit diefer etymologifchen Erklaͤ⸗
rungshypothefe allerdings möglich, daß hier, von Magadha in
Indien aus, mahrfcheinlih über Kaſchmir und Khotan, in
fehr frühen Zeiten, eine Spur mit der Buddhadoctrin wandernz
der Sansfritredender Miffionen, civilifirterer Landesbe⸗
wohner zu verfolgen wäre. Doch ift nicht zu überfehen, daß eben
hier die Urfige der Uſun, des antifen Volkes im I. Jahrh.
vor Chr. G. mit indogermaniſchen Sprachſtamm, nämz
lich der blonden Raçe mit blauen Augen, vor ihren verwuͤſten⸗
den furchtbaren Kämpfen mit den Hionznu, und vor ihrer Vers
drängung gegen Weften, zum Zli (f. Afien IL. ©. 431 — 437),
und nad) Sogdiana lagen, und daß hierher die Grenzſitze
y
5°) Ueber Tochariſtan (Zu ho lo) aus dhinefifchen Quellen in Neu⸗
mann Aſiat. Studien. Leipz. 1833. 8. ©. 152— 184,
®°) Hist, de Khotan I. c. p, 66 Not. I.
‚336 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. F. 5.
der dreierlei ganz verſchiedenen Voͤlkerragen Oſt-Aſiens, am
inneraſiatiſchen Gebirgslande des Kuenlun, fallen, welcher als
Maha Meru, oder Goͤtterberg, und als Paradiesland des
Oſtens gilt, wovon ſchon an einem andern Orte fruͤher die Rede
war (Aſien I. ©. 192 — 193),
Mir führen zum Schluß unferer überfichtlihen Betrachtung
der centralen, baflinartiggefchloffenen Hochebenen diefes Oft» Turz
feftan in Mittels Aften, die Ichrreichen Worte Al. von Hums
Boldts über die Niveauverhältniffe diefes Länderraumes
an, welche zuerft der bis dahin ziemlich allgemein gewefenen Ans
nahme einer fehr hohen Plateaubildung defjelben, aus allges
meinen phyſikaliſchen Gründen widerfprachen, und deſſen abfolute
Erhebung auf die dabei vorfommenden Wechfel, und die wahre
Höhe, wenn auch ohne directe Meflungen, die bisher noch fehle
ten, feftzuftellen verfüchten. Nach jener frühern allgemeinern Les
bertreibung der Plateauhöhen find die Compendienfchreiber neuers
lid), durch diefes Forfchers gewichtigen Ausſpruch, daß im Often
des Bolor zwifchen Altai und Himalaya fein centrales Plateau
der Tatarcy, groß wie Neu:Holland 358), eriftire, verfchiedentlich
zu dem’ entgegengefegten Extrem übergegangen, indem man jede
Plateaubildung für Meittel-Afien deshalb gänzlich aufgab, Wir
zweifeln aber daran, daß man dadurch der Wahrheit näher komme,
wenn man jede Plateaubildung überhaupt deswegen leugnen will,
wenn und weil fie fich nicht zu fehr abfolut bedeutenden
Höhen erhebt. Wenige hundert Fuß in einer Niederung reichen
fhon vollflommen zu einer Plateaubildung hin, die nicht
in der großen abfoluten Höhe, fondern in der Gefammterhe:
bung eines großen Segmentes der Erdrinde, in der
Kontinuität derfelben zu abfolut größern Erhebungen, im Ges
genfaß ihrer Umgebungen, ihren wefentlichen Character zeigt.
Die verfchiedenen abfoluten Höhen derfelben geben nur die
bypfometrifhen Modificationen der Plateaubildung ab,
die in verfchiedene Claffen der Höhe nad) einzutheilen find,
wie die Terrainbildung ihrer Oberflächen wieder eine andere
Neihe ihrer Movdificationen, nach Ebene, Hügelland, Berg:
land, Plateaugebirge u. f. w. darbietet (ſ. Aſien I. Einl. S. 32).
Wir bleiben deshalb bei unferer frühern auf das Gefammtvers
*®®) A. de Humboldt Fragmens de Geologie et de Climatologie
Asiatiques, Paris 1831, 8. T. Il. p. 327.
Turkeſt. Hochland, hypſometriſche Berhältniffe. 337
hältniß des Planeten ſich Bezichende Annahme ftehen, alle, Lands
Schaft, die fich nicht bis zu 500 Fuß Uber das Meerniveau ers
hebt, noch als zu dem großen Niederland überhaupt, oder
zum Tieflande der Erde gehörig zu betrachten, und alle ifo:
lirten Erhebungen, die höher anfteigen, zu den Gebirgsbils
dungen zu rechnen; alle continuirlichen Erhebungen aber
zu den Hochländern, den Tafelländern, oder Plateau:
bildungen mit den mannichfachften hypſometriſchen und Ter⸗
raindifferenzen ihrer Oberflaͤchen.
In dieſem allgemeinſten Sinne aufgefaßt, der eben nicht
blos aus der Geſammtbetrachtung des Erdballs, ſondern auch
aus der Configuration jedes Erdindividiums, oder befondern
Erdganzen (fogenannten Erdtheiles), ſich rechtfertigen läßt, können
wir nur zu einer allgemein verftändlichen, geographifchen Nomen⸗
clatur diefer Verhältniffe gelangen, und in diefem Sinne erfennt
auch jener Naturforfcher felbft die niedern Plateaus von
Schwaben, Lothringen, der Eifel u. a., vollkommen als
ſolche an, obwol er mit Necht gegen den herfömmlichen Mis—
brauch und die falfche Suppofition diefer Bildung, z. B. in
Afien, im coloffalften Höhenmaaßftabe freitet, und deren generas
liſirende Anwendung mit Necht befampft. Die Continunität,
fagt er, und die antife Civilifation diefes Plateaus, bei den Geo:
graphen und Hiftorikern (in Baillys Gefch. d. Aftronomie, der es
fuiten Paters, Kannegießer’s hiftorifcher Gebirgsgürtel u. a. m.)
des legten Jahrhunderts, müflen in Zweifel gezogen werden.
Allerdings, und wir ſelbſt müffen durch die trefflichen hyps
fometrifchen Aufnahmen des Profils der öftlichen Gobi,
durch Dr. Fuß und v. Bunge, vom Jahre 1830, die uns bei
der geographifchen Interfuchung von Afien I. und I. im Jahre
1832 und 33, noch nicht befannt feyn Eonnten °9), belehrt, unfere
früberhin zu hohe Anficht von der öftlichen Gobi herabftimmen,
was wir bei diefer Gelegenheit hiermit kuͤrzlich berichtigen. Wir
hatten freilich fchon im Allgemeinen darauf hingewiefen, daß nur
der füdöftlichfte Triangel des hohen Trapezes von Oft-Afien
(f. Alien I. Einl. ©. 50), jene coloffale Anfchwellungen der Ges
fammtmaffen von 8000 und 10,000 Fuß Par. mittler Meeres:
höhe erreiche, dagegen im nordweftlihen Triangel diefes
39) Erſte Mittheilung derfelben durch Al, v. Humboldt in Berghaus
Annalen 1833. IX. Suni ©, 364.
Ritter Erdkunde VIL. —
338° WefteAfien, I. Abſchnitt. 5 5.
Mittels Aliens, die Tafelländer zu Senfungen werden, und
den Normalcharacter von mafjigen Erhebungen erfter Claſſe nad)
und nach verlieren, je weiter gegen Nordweſt (f. Aften I. Eint,
©. 40, 50); wie dies die Lage von Kiachta (2336 F. P. üb.
d. Meere, f. Mien IL. S. 185) und die Seefpiegel des Baikal
(1655 F. P. üb. d. M.), des Saifan (1200 $. P.) und die
fortfchreitenden Einfenfungen des Aral und Caspifchen
Sees beweifen.
Wir hatten aber den Verficherungen der fo erfahrnen es
fuiten Patres Gerbillon und Verbieft (fie gaben 12,000 und
15,000 Fuß abfolute Höhe, für die hohe Gobi am Hamar Tabaz
han, d. i..an ihrem Suͤdoſtſaume, an) doch noch zu viel Vers
trauen gefchenftz obwol wir uns aus mehrern Gründen fchon zu
der niedrigern Annahme von 8000 Fuß mittler Erhebung hers
abftimmten (f. Afien J. ©. 100— 101). Aber auch diefe müffen
wir auf der höchften Paffage des Khingan Tabahan, zus
nächft der großen Mauer (Alien J. ©. 123), auf 5100 Fuß her—
abftimmen; Hochgebirge neben ihr mögen indeß allerdings weit
höher auffteigen, und diefe find von Dr. Bunge nicht gemeffen.
Bon da an gegen Nordweft bis zur Urga (f. Aſien II. S. 224)
und bis Kiachta, ift feine einzige Station des Karawanenwe—
ges durch die fogenannte hohe Gobi höher gelegen, vielmehr alle
weit niedriger, alfo unter der Höhe der fchlefifchen Schnee;
foppe. Die gemefjenen Puncte find bei der Station „Weiße
Stadt” (f. Alien I. ©. 124), d. i. „Ifagan Balgaffu,“
nur 4200 Fuß üb. d. Meere; dann folgt nordwärts eine fehr
große und weite Einſenkung mit Salzfeen und Schilfarten, die
fandeeihe Schamo der Chinefen, die für den Reſt eines alten
Meeres gehalten wird, deſſen Becken hier an den tiefften Stellen
bis zu 2400 Fuß einfinkt, in der großen Ausdehnung vieler Tager
reifen, zwifchen 43° bis 46° N.Br., von Durma (f. Afien U,
©. 355 — 358) bi Erghi, fo weit das Land der Sunnits
Mongholen ſich zwifchen den Ifakhar, im Süden, und den
Khalkas, im Norden, ausbreitet. Nordwärts Erghi, mit dem
Rüden der Mandalberge mit den Achaten und Karneolen (f.
Afien I. ©. 351), fängt der Nordrand der Gobi wieder,
im Khalkaslande, an, fi) zu heben, ‚gegen den Gebirgsrand an
dem Kerlon, den Tolo- und Orghongewäflern, die, beide letztere,
fhon nordwärts zur Selenga fließen. Hier erhebt fich der Paß
des Mandal zu 3480, und der des Dſchirgalan Tau, am
Turkeſt. Hochland, hypſometriſche Verhaͤltniſſe. 339
Porphyrberge Darkhan, zu 4620 F. P. uͤb. d. Meere. Dann
ſinkt die Höhe wieder zur Urga, und von da über die Stufen
von Kiachta 2400, bis, wie gefagt, zur Stufe des Baikal—
Sees hinab, der jedoch noch immer 1655 F. P. erhaben, alfo in
gleicher Höhe liegt, wie die große Plateauebene Sud: Deutfch:
lands, auf welcher München erbaut ift. Zu diefer wahren Pros
filgeffaltung wird alfo die Plateaubildung der Gobi
in diefer Richtung reducirt und modificirt; aber darum keineswegs
aufgehoben; denn die Tafelhöhe des Baikal-Sees und die
Plateauftufen Kiachtas, wie der ceigentlihen Schamo,
zwifchen dem Nord» und Suͤd-Rande, obwol fie ala Einfenkuns
gen erfcheinen, die relativ nicht unbedeutend find, bleiben doch
immer noch, gegen die Niederungen des füdlidhen Chi:
nas und des nördlichen Sibiriens, über 2400 Fuß fehr
bedeutende Gefammterhebungen in dem ganzen an
400 Meilen breiten Segmente der Erdrinde, wenn fie
auch nicht zu den Plateaus der erften Claffe, hypſometriſch be:
frachtet, gehören.
Wir haben an diefem Profil der öftlichen Gobi ein Iehrreis
ches Vorbild, wie wir uns auf analoge Weife, nur wol hie
und da mit andern Modificationen, auch die Oberflächen der
weftlihen Gobi, oder der Plateaubildung des chine—
fifhen Turfeftan zu denken haben, die allerdings relativ,
d. h. zu ihren unmittelbaren Bergumfränzungen gerade umge:
fehrt, nicht als Plateau, fondern als Baffin erfcheint,
obwol ihr darum nach der Configuration des ganzen Erdtheils,
die Continuität ihrer gemeinfamen, abfoluten Erhebung, wenn
auch einer noch geringern als diejenige der eigentlihen Schamo,
feineswegs gänzlich zu fehlen fcheint. Eine einzige Duerdurd:
reife, von Lhafa, oder auch von Ladakh, in Tübet, über Khotan
und Akfu, nach dem Saiſan-See, mit hypfometrifcher Profilis
rung, wie eine folche noch nie gemacht ift, würde uns hierüber
vollftändig belehren.
Bis zu jener Zeit, wo auch diefe zu Stande gefommen feyn
wird, wie wir fie nun fihon im Often quer dur die Gobi,
und im Weften quer durch ran (von B. Frafer) befigen, möge
an diefer Stelle des obgenannten Forſchers Mittheilung Über die
Oberflähe Oſt-Turkeſtans ein lehrreicher Fingerzeig feyn.
In der Sprache der wiffenfchaftlichen Geologie, fagt derfelbe,
340 Welt Aften, J. Abſchnitt. $ 5.
kann man nach einer gewiſſen Höhenfkala verſchiedene Elafs
fen von Plateaus®%) annehmen, wie ihre gemeſſenen Höhen
eigen: Plateau von Schwaben 900%. P.; von Bayern
und der mittlern Schweiz mit den Seeſpiegeln zwifchen Als
pen und Jura 1560— 1620 F.; von Spanien 2100 F.; von
Myfore (Maifur) in Defan 2280— 2520; von Perfien im
Durdfihnitt von Ispahan und Teheran 39005 und die Amer
eifanifchen von Merico 7008, Bogota 8220, Carar
marca 8940, Antifana 12,000, Titicaca 12,600; wozu wie
noch Hinzufügen koͤnnen: die von Una Defa, Manafaros
wara und andern tübetifchen ateaulandfchaften von 12,000.
bis 14,000 F. (f. Aſien I. ©. 698 u. a.); die von Kabul (ſ.
ob. ©. 235) zu 6200; von Kelat im Beludfchenlande zu 8000 F.
(Afien I. Einl. ©. 51); von Balfh 2000 F. (f. ob. ©. 256).
Nach unfers verehrten Freundes Dr. E. Nüppel Barometers
‘ heobachtungen, deren Mittheilung wir ihm fpeciell danken, die
afrifanifhen Plateaubildungen der abyffinifchen Vor—
terraffe von Arum zu 6652 F.; die des TzanasSees, wo
Anite am Ufer gemeflen ward 5732, und die Erhebung von
Gondar zur Seite deffelben 6957 F. Die durch Lichtenftein
fchon früher befannt gewordenen am Südende des Erötheils aber
in der Karroo 3000, und der Karree, oder dem Hochplateau
des Oranjeriviers 6000 F. üb. d. Meere (f, Erdk. Afrika I.
S. 96, 109).
Weiter bemerkt Al. v. Humboldt, im vulgairen Sprachge—
brauche werde das Wort Plateau, oder Tafelland, nur fuͤr Bo—
denanſchwellungen gebraucht, die merklich auf die Rauhigkeit des
Climas Einfluß haben; alſo auf Hoͤhen von mehr als 1800 bis
2400 Fuß (300— 400 Toiſ.). Als Strahlenberg fagte, daß die
fibirifchen Ebenen jenfeit des Ural, verglichen mit den Ebenen
Europas, zu achten feyen gleich einer Tafel gegen einen Fußbos
den, fo dachte er ficher nicht daran, daß die chinefifche Dfungarei
(im nordweftlichften Winkel des abftufenden Triangels der Pas
teauerhebung Central-Afiens), kaum fo hoch liege, als der Bodens
fee zwifchen Conftanz und Bregenz oder München. Die Ebenen
im Norden des Saifan und um den Tarbagatai, den Ili bis
zum Balkhaſch, ſtehen aber im Zufammenhange mit denen des
(ſ. Afien U. ©. 17, 1. ©. 634, 768, 398 ꝛc.) Tſchui, der gegen
®e0) Fragmens de Geol. etc. Asiat. I. c. II. p. 327,
Zurkeftanifches Hochland, Wärmeverhältniffe. 341
Weſt zum Sir Darja fihleicht. Das Baffin zwifhen Mus;
tag und Kuenlun ift in Weft durch das Querjoch des Bo—
for gefchloffen; in diefem beweifet die Vergleihung der Breiten
und der Gufturen, die geringe Höhe der Plateaus in wer
ten Erſtreckungen. In Khaſchghar, Khotan, Akſu, Kutſche
(im Parallel von Sardinien) cultivirt man die Baummolle,
In den Ebenen von Khotan, in einer Breite nicht ſuͤdlicher als
Sicilien, genießt man ein fehr mildes Elima und zieht eine ſehr
große Menge Seiden wuͤrmer. Weiter im Norden in Yars
fend, Hami, Karafhar, Kutfche if die Eultur der
Traube und Granate feit dem früheften Alterthum berühmt,
— As Modificirung der Wärıneverhäftniffe, durch welche folche
Eulturen in Hochebenen,, mit radürender Wärme, bei dem ſtets
fonnendelten, faft nie von Wolfen und Duͤnſten getrübten
Himmel auf diefen Horizontalflächen, in Sandboden begünftige
zu werden pflegen, auch bei falten Wintern, wie fie hier keines—
wegs fehlen, ift die bei Hami (f. Alien L ©. 358-- 359) mits
getheilte, vergleichende Beobachtung gegen das. Tiefland Rankings
nicht zu überfehen. Schon Kaifer Kanghi, den die Verpflanzung
der edeln Melonen und Traubenforten von Hami nad Peking
fo. ſehr befchaftigte, hatte ſich naher nach dem Clima jenes Hochs
fandes erfundigend, die Antworten erhalten, daß der dort hochges
fegene Boden dur) den Sonnenftraht zwar zu großer Hiße er—
waͤrmt werde, aber doch keines wegs wie das Tiefland in China
laue Wafler beherberge, fondern zugleich im heißen Sommer
fehr kaltes Waffes zur Abfühlung darbiete, woraus man
auf feine fehr mittlere Ouellentemperatur der dortigen Erdrinde
zuruͤckſchließen kann. Alfo wol auch auf kalte Winter, die im
Sandboden der Einfenfung der Hami-Oaſe, welche fern von
allem Hochgebirge oder Schneegebirge doch wol nur ihrer abſolut
nicht unbedeutend höhern Lage noch zuzuſchreiben feyn möchte,
Die Abdahungl), welche das Terrain in dieſem gefchloffenen
Baflin des chineſiſchen Iurkeftan zeigt, fahrt A. v. Humboldt
fort, ſteht im DVerhältniß der Contrepente gegen die des offenen
Baffins der Provinz Ili, oder des Ihian Schan an der Mords
feite, welche gegen Weſt gerichtet ift, dahingegen die Einfenfung
des Tarim⸗Syſtems gegen den Offen. Und felbft im Offen von
Tangut feheint das hohe Plateau der Steinwüfte der Gobi noch
°1) Fragmens de Geol. etc. Asia“ T. Ik p. 330.
342 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 9 5.
.
eine $urche (Sillon), ja eine bedeutende Depreffion darzubieten,
da der Tarim, der jest im Lop fein Ende erreicht, nach den alten
Traditionen, einft mit dem Hoang-ho zufammenfloß. Dies würde
die erft jüngere Bildung eines dortigen Wafferfcheidezuges
durch fortfchreitende Schuttanhäufungen (Atterrissemens) darthun,
was fi) an verwandte Erfcheinungen der comparativen Hydros
graphie anderer Erdtheile anfchließt. Der centrale Theil
Afiens alfo zwiſchen den Parallelen 30 — 50° N.Br., und von
den Meridianen des Pufchtithur und Bolor, bis zum Baifal-Sce
und der Nordbeugnng des Hoang-ho ift ein Terrain mit fehr
variabeln Niveauverhältniffen; zum Theil mit Seeflächen und
weiten Landſtrecken bededft, deren Erhebungen nur Plateaus
bildungen niederer Art fenn mögen, gleich denen von
Bayern, Spanien oder Maiffue (Mpfore) im Dekan. Ans
fhwellungen des Bodens, der eriten Claffe, vergleichbar
den Hochebenen von Duito und Titicaca (8940 bis 12,600 Fuß
abfol. Höhe), finden ſich dafelbft nur oftwärts zwifchen der
Bifurcation der Kette des Hindu Khu, deilen Zweige
Himalaya und Kuenlun heißen, alfo in dem Sande Ladakh,
Tübet, Katfcha, im Gebirgsinoten um den Kufu Nor und
in der Gobi im N.W. des Inſchan. —
Alle diefe Iheile find e8, die wir in den außerhalb liegenden _
füdlichen und öftlichen hohen Plateaugebieten fchon früher in uns
ferer Erdkunde abgehandelt haben, fo wie uns auch die niedrig:
fien jener Senkungen in jenen Nordftufen, nordiwärts des Thian
Schan-Syſtems, und um den Altai ſchon befannt find. Es
bleibt uns in folgendem daher nur noch die in das Einzelne eins
gehende Betrachtung der mittlern Stufen diefes Oft: Turfeftang,
zumal in dem obern Stufenlande des Tarim-Spftems,
oder feines obern Laufes der fogenannten hohen Bucharei, übrig;
und in diefem grandiofen Zufammenhange gedacht, ſtimmen wir
volllommen in des großen Forichers der Naturs und Voͤlkerge—
fhichten Schlußurtheile 562) mit ein, wo er fagt: Es bietet daher
diefes Alien, in feine Baffins, durd) Gebirgsfetten von verfchier
denen Directionen und Altern mannichfach getheilt, der Entwickes
lung des organifchen Lebens und den Anfiedlungen der Men:
fchengefellfchaft, den Jaͤgervoͤlkern gegen die fibirifche Seite, den
Hirtenvölkeen, wie den Khirgifen, Kalmuͤcken, Turkeftanen, Mons |
852) Fragmens de Geol. etc. Asiat. T. I, p- 332.
Dit-Turkeftan, Khotan, Ueberſicht. 343
gholen, den Adkerbauern wie den Tadjiks, Turk und chinefifchen
Eolonifationen, dem Flöfterlich Iebenden Prieftervolke der Tuͤbeter,
den handeltreibenden-ftädtifchen Anfiedelungen, der characteriftifch
vorherrfchenden Einfürmigfeit eines Centrafgebietes der
tigiden Erdrinde, die von der maritimen Seite abges
wandt, gleihfam in fich gekehrt ift, ungeachtet, doch noch
eine große Mannichfaltigkeit von niedrig liegenden Ebenen, Stu:
fenlandfchaften, hohen Einſenkungen, Tafelflächen, Plateauebenen
dar, die eben dadurch fo verfchiedenartig in den Luft: Ocean auf
tauchend, den Climaten die mannichfachften Modificationen zu
wege bringen, von denen dann wiederum Flora, Fauna und
Menfhenwelt abhängig werden mußten. Wir gehen nun zu den
einzelnen Gauen, oder vielmehr Dafen, oder Königreichen dies
ſes Gebietes über.
Erläuterung 1
Khotan, Khotian, Khoten oder Suthian (Yuthian oder Yuͤ—
tian); Ku-ſtana im Sanskr., Kiufatanna der Ehinefen.
Das alte Königreich und die heutige Provinz mit
der Hauptftadt Stitfi.
ſ icht.
Khotan oder Khoten der Araber, Khotian oder Ju—
thian jest Zlitfi der Ehinefen, ift vom Often her, an der
Süpdfeite des Lops und Tarim-Fluſſes, der erfte Ort von Ber
deutung, der zwar gegenwärtig am unbefannteften und unbefuchz
teften ift, aber in den früheften Jahrhunderten der berühmtefte
Drt des ganzen hohen Turkeftans war, welcher durch feine Cul⸗
turs Vermittlung zwifhen Indien, Tübet und China,
unftreitig als der merfwürdigfte Ort ganz Central-Afiens: erfcheint.
Dem griechifchen und römifchen Alterthum ift er wol gänzlicy
unbefannt geblieben; auch bei Ptolemäus, der in diefen Gegen:
den nicht ganz unbefannt war, ift er uns bisher wenigftens uns
tenntlic) geblieben, und unter den abendländifchen Autoren fcheint
—Naſſir Ed din in feinen aftronomifchen Tafeln (im J. 1345)
der erfte zu feyn, der ihn aſtronomiſch, freilih nur ungefähr nach
Kechnung beftimmt (Chotan Longit. 107°, Lat. 42°, Clima 5)%),
*3) Joh. Graevii Binae Tabulae Geogr. Nassir Eddini p. 113; Ulug
Beigi p. 145 ed. Geogr. Gr. Min, Huds, Vol, Ill, Oxon. 1711.
344 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. 5.
worin ihm Ulug Begs Tafeln (1450) folgen. In Abulfedas
Tafeln (1345) gleichzeitig, wird die Lage nach) Abulfaradje ganz
gleich, aber nach Albiruni um 13 Grad nördlicher angegeben, und
hinzugefügt, dag e3 an der Grenze Turfeftans (unftreitig
offs und füdwärts gegen China und Tüber) liege. Khotan fey,
fagt Abulfeda, eine Stadt der Turf, fehr ftark bevölkert, in fruchts
barer, trefflich bewällerter Landfchaft. Was Ebn Said von diefer
Metropole erzählt habe, meint Abulfeda, fey über allen Glaus
ben; fie fey bei den Handelsleuten von großem Ruhm, die Bes
wohner vderfelben ſtammten aus Kataja (alſo chineſiſche Anfieds
ler?) und Gefäßen Eilbergruben.
Aber feit langen Zeiten, vor der Ausbreitung der Mohams
medaner in Mittel-Afien, hatte fhon Khotan®) als Empor
rinm des Handels zwifchen China, Perfien und Indien Bedeus
fung gehabt, wie durch die Verbreitung indischer Religionslehren,
die uͤber Kafıhmir zu ihm und von da nach China fortfchritten
(. Alien B. 1. ©. 208— 209). Von den Dichtern des Orients
war es wegen feines duftenden Mofchus, des Eoftbaren Steins
Kaſch (Jaspis) oder Zu, und wegen der Schönheit feiner Bes
wohner befungen. Khotan war die Gapitale eines Staates, der
fehr frühzeitig einen höhern Grad der Givilifation annahm, der
den Buddhacultus ſchuͤtzte, Tempel und Klöfter in bedeutender
Anzahl erbaute, aus denen die heiligen Sanskrit Schriften und
die Buddha s Doctrin weiter in den Drient bis China verbreitet
ward. Schen im Jahre 140 vor Chr. Geb., zur Zeit der Hanz
Dpynaftie, trat Khotan durch Gefandtfchaften und Gefchenfe, Tris
but genannt, in freundfchaftliche Verhältnilfe mit China, ohne
deshalb, wegen feiner großen Entfernung davon abhängig zu wers
den. Daher die Gefhichte von Khotan, welche in den dis
nefischen Reichsgeographien und Hiftorien aufbewahrt ift, und
zum Iheil aus den Chronifen und Legenden, die in Khotan eins
beimifch waren entnommen ward, bis in die Mitte des zwei—
ten Jahrhunderts vor Chr. Geb. hinauffteigt, und da beginnt,
wo die Gefchichte Karthagos gleichzeitig durch die Zerfiörung der
Römer aufhört. Bis auf die Zeit der Mongholenüberfälle bes
hauptete der Staat feine Selbftftändigkeitz fiel dann auch fpäter
5%4) Chorasmise et Mawaralnahrae Deser. Abulfedae Ismaelis ex
Tabulis Prineipis Hamae ib. Geogr. Gr. M. Il. p. 53, 79.
®°) Histoire de la Ville de Khofen tiree des Annales de la Chine
et tracnite du Chirois ete, p. Ab. Reınusat. Paris 1820. 8, Praef,
Oſt-Turkeſtan, Khotan, Ueberfiht. 345
(im J. 1399) in die Gewalt Timurs 66), und theilte, nachdem
fein alter Ruhm gefchiwunden war, das gemeinfame Schiekfal
des centralen Hoch⸗ Aſiens unter der Gewalt mongholiſcher, ſpaͤ—
terhin chinefifcher Herrfchaft (deren Gefchichte f. Afien I. ©. 442
bis 472). Uns find nur zwei europäifche Augenzeugen befannt,
die in diefer neuern Periode Khotan befucht haben: Marco
Polo mwahrfcheinlich gegen 1280 n. Chr. Geb. und B. Go&äg
(1604); doc) find beide in ihren Berichten darüber fehr kurz ges
faßt. Im Oft von Kaſchghar, fagt der Venetianer®”), komme
man nah der Provinz Khotan (Cotam bei Namufio), die
fih 8 Iagereifen weit ausdehnt und dem Groß:Khan der Mons
gholen unterthan if. Die Einwohner find Mohbammedaner,
Darin liegen viele Städte und fefte Ortfchaften; aber die Haupts
ftadt ift Khotan, wo alle Bedürfniffe des menfchlichen Lebens
in größtem 1eberfluffe zu haben find. Auch bringt das Land
Baumvolle, Flachs, Hanf, Korn, Wein und andere Producte,
Die Cinwohner bauen das Land, haben Weinberge und ſehr
viele Gärten, treiben Handel, haben Manufacturen, find aber
fehlechte Soldaten. Die nächfte, anſtoßende Landſchaft it Peym
(oder Penn), wahrfcheinlich gegen Welt, jest unter diefem Nas
men unbefannt; doc) werden wir weiter unten ihre Lage durch
den Zu: Stein, zwifchen Khotan und Yarkend zu beſtimmen Ges
legenheit finden.
Der fühne portugiefifche Zefutten Pater Benedict Goes,
den wir ſchon früher als den Entdecker Chinas auf dem Lande
‚ wege durch Gentral-Afien Eennen lernten (ſ. Aſien J. S. 218 u. f.),
erzählt uns, daß er ſich veranlaßt fahe, während eines laͤngern
Aufenthaltes in Yarkend (Hiarchan), von wo er nach Kataja
oder Nord-China vordringen wollte, eine Seitenercurfion nach
Khotan (Duotan) 8) zu machen, von der er jedoch nach Mars
kend zurückkehrte. Er reifete als Kaufmann, und um fein auf
der Karawanenfahrt ausgelegtes Geld einzucafjiren, mußte ex
felbft zu dem Könige von Khotan, einem Verwandten des Königs
von Yarkend, nach deffen Nefidenz, die 10 Tagereifen zuruͤck—
legen, welche diefelbe oftwärts von Varkend entfernt liegt. Auf
°°) Deguignes Gefchichte der Hunnen und Türken ze, Ueberſ. von
Daͤhnert Greifswald 1771. 4. IV. p. 64. I. 600. °?) The Tra-
vels of M. Polo ed. W. Marsden. London 1818. 4. Lib. I. c. 32.
p- 152 etc. °®) Nicol. Trigautius de Christiana Expeditione
apud Sinas etc. Aug. Vindelie. 1615. 4, Lib. V. c. 10, p. 554.
346 Wet Alien. J. Abſchnitt. $. 5.
dem Wege hin und wieder zuruͤck ging ihm ein voller Monat
Zeit verloren, während deilen ſchon die Saracenen in Yarfend
feinen Tod böslicher Weife ausfprengten. Gr ſey von einem der
Prieſter in Khotan, die man Caciſces nenne (?), ermordet wor—⸗
den, weil er den Propheten einen Betrüger genannt habe, Dies
gefhahe um Hand an feine Hinterlaffenfchaft zu legen, die in
Harkend geblieben war, Doch Eehrte er damals wohlbehalten
nach dem Ort feiner Abreife, naͤmlich nach Yarkend, zurüd, ers
theilt aber gar feine nähere Nachricht uber den Zuftand von Kho—
tan, brachte jedoch, wie er fagt, die fehönften Zaspisfteine (Zu,
ein orientalifcher Jaspis, der in China den höchiten Werth hatte,
ſ. Afien I. ©. 138), ald Handelsartifel, mit, die ihm auch
feine Reiſekoſten fernerhin völlig erfesten (f. Aſien I. ©. 221).
Die damaligen faracenischen Bewohner diefer Gegenden waren
wirklich fanatifch genug, daß fie den Pater öfter, ald Mahommedsz
verächter, mit dem Dolche zu ermorden droheten. Seinen weis
tern Weg nad) China nahm er mit einer Karamane, die von
Yarkend nordwärts uber Affu, Turfan, Hami nach Sotfcheon
ging; von einer Noute, die von Khotan oftwärts direct durch
die Sandwüfte geführt hätte, ift damals weder bei M. Polo
noch bei B. Go&g die Nede.
Seit diefes portugiefifchen Paters Beſuch in Khotan ift uns
feine neuere Berichterftattung von europäifchen Augenzeugen ber
fannt geworden, und wir müflen uns daher mit den Ausfagen
orientalifcher Neifenden begnügen, von denen jedoc) auch leider
einer der einfichtsvollften unter den Neuern, nämlich Moorerofts
Vorläufer, Mir Iſſet Ullah 5%) ( . Aſien II. ©. 550, 629 u. f.),
zwar wol Yarkend beſucht, aber Khotan nicht berührt hat.
Gluͤcklicher Weife find uns aus der Mitte des XVII. ZYahıs
hunderts die aftronomifchen Ortsbeftimmungen der Jeſuiten Pas
tres Felix d'Arocha, Espinha und v. Hallerftein, durch
Pater Mailla 79) aufbewahrt worden, welche diefe auf Befehl
Kaifer Khienlongs, auf wiederholten Reifen zur SKartenaufs
nahme der Länder der neuen Grenze gemadt haben. Nach
vollftändiger Croberung des Königreichs der Delöth (f. Afien I.
86°) Mir Isset Ullah in Magaz. Asiatig. ed. Klaproth, Paris 8. T. II.
p- 1—52. Hertha 1826. VI. p. 341 — 348. 7°) Mailla Hi-
stoire Generale de la Chine T. XI. p. 575;, vergl. Positions des
principaux lieux du Royaume des Kleuths in Memoires Concer-
nant l’Hist. etc, de Ia Chine. 4. T. I, 1776. p. 393.
Oſt-Turkeſtan, Khotan, Ueberficht. 347
S. 453 — 463), war es möglich, durch das ganze beruhigte, num
dem chinefifchen Scepter unterworfene Ländergebiet, des feitden
Ehinefifch genannten Oft-Turfeftans (auch die Kleine Bu;
charei genannt), die Lage einiger 40 Ortfchaften nach aftronomis
fihen Längen und Breiten durch- Obfervationen (im J. 1760) zu
beftimmen, die früher nur nach andern bei Arabern und chinefis
ſchen Aftrologen (wie die obigen Angaben von Khotan) ſchlecht
berechnet waren (ſ. Aſien I. ©. 324). Hierdurch erhielten wir
die Daten zu einer berichtigten Karte Central-Afiens und auch
die genaue Lage von Khotan, die viel weiter ſuͤdwaͤrts und
weftwärts zu liegen fommt, als die obigen fehr vagen Anga: -
ben vermuthben liegen. Zwar hatte die alte Chinefifche, durd) die
frühern Jeſuiten Patres, unter Kaifer Khanghi, in Peking,
1722, edirte Karte, welcher die D’Anville’fhen und feitden
viele europäifche Zerrbilder afiatifcher Landkarten gefolgt waren,
ſchon ſich der Wahrheit um etwas genähert, indem auf ihr Kho—
tan unter 37° 10/R.Br. und 81° 18” 0.L. v. Paris angefegt war,
Der Pater Hallerftein beftimmte jedoch die Lage von Khos
tan, oder Ilitſi (Ilitſchi) 7), wie die heutige Capitale heißt,
auf 37° N.Br. und 35° 52° Weftl. Länge von Peking, d. i. —
78° 15°.30” D.°. von Paris; wodurch die Stadt, um 10 Mis
nuten weiter füdwärts, und um 3° 4’ 30” weiter weftwärts, alg
die D’Anville’fche Karte, verrückt werden mußte. Ungeachtet diefe
Lage in die große Karte des chinefiichen Reichs eingetragen ward,
die auch im 5.1760 in Peking, in 104 Blatt, auf Befehl Khiens
longs, unter Direction der Jeſuiten Patres, welche dem Buͤreau
der Kalender-Deputation (d. i. dem Minifterium der himmlifchen
Angelegenheiten des Reiches der Mitte) vorftanden, publicirt wurde,
aber freilich in Europa über ein halbes Jahrhundert hindurc)
völlig ignorirt, und felbft von Maͤnnern wie Morrifon in feinem
View of China ganzlih unbeachtet war, fo blieben die alten,
fragenhaften Verzerrungen doch faft auf allen mittelafiatifchen Kars
ten zurüd, bis fie duch J. Klaproth”?) und 3. Grimms”)
71) J. Klaproth Mem. sur l’Hist. de la Ville de Khotan in Memoirs
\ relatifs a l’Asie. Paris 8. T. Il. p. 281 etc. ”?) J. Klaproth
Carte de l’Asie eentrale dressee d’apres les Cartes leyées par
Ordre de l’Einpereur Kbienlong par les Missionaires de Peking
et d’apres un grand nombre de notions extraites et tsaduites de
livres Chinois. Paris 1833. 4. Sect. 123) 3.2, Grimm Karte
von Hoch⸗Aſien zu C. Ritters Erdk. bearbeitet. Berl, 1832, 4. Sect.
348 Weit: Aien, I. Abſchnitt. $. 5.
Derdienfte, daraus endlich erft vor ein paar Jahren verdrängt
wurden, und das wahre Maturbild der Mitte diefes Erdtheils
daraus allmälicdy hervortreten Fonnte. Diefelbe Angabe der Lage
von Khotan, wie der Übrigen Ortfchaften diefes Laͤnderſtrichs, ift
auch in dem Ortsverzeichniffe der neueften Ausgabe der chinefifchen
Heichsgeographie vom Jahre 1818 (f. Afien I. ©. 1059), nah
der uns von Profeffor Neumann mitgetheilten Ueberſetzung aus
dem chinefifchen Original, wie zu erwarten war, beibehalten.
Dreierlei Notizen der neuern Zeit befisen wir von
Khotan, die wir hier in ihrer Aufeinanderfolge, in Ermange—
fung des Beſſeren, nach den Originalberichten aufführen, um
dann die höchft merkwürdigen ältefien Daten über diefen Ort,
nach den ältern chineflfchen Quellen 57%) folgen zu laſſen. Diefe
neuern find die Artikel über Khotan, 1) aus der Türkifchen,
in Conftantinopel gedrucdten, Geographie des Djihansnus
ma”), nah Jauberts und Klaproths Ueberſetzung, die jes
doch nur um Weniges die Motizen bei Abulfeda erweitert; dann
2) die Nachricht darüber, aus dem Si yu wen fian lu®%),
d. i. der hinefifchen Geographie der Weftländer, mwels
che in Peking im J. 1777 herausfam, und von Klaproth, wie
neuerlich auch durch Water Hyacinth aus dem Chinefifchen mits
getheilt if, ein Artikel, der, fonderbar genug, in Pater Hyacinths
Ueberfegung des Abfchnittes von Oft-Turfeftan aus demfelben chir
nefifhen Werke, in Timkowskis Mittheilung deffelben, gänzlich
übergangen 77) war, Die dritte, jüngfte Berichterftattung aus
der Gegenwart, ift ung durch den perfifchen Secretair des Bom—
bay-Gouvernements, durch W. H. Wathen >) zugefommen, der
während eince Reihe von Sahren, von den haufig durch Bom⸗
bay kommenden Mekka-Pilgern, aus dem chinefifchen Tur—
keſtan, die von diefer Station nach) dem rothen Meere überfchiffen,
874) Nach Ab. Remusat Hist. de Khotan 1820. und dem Foe koueki,
1836. ?s) Djihannuma in Klapr. Mem. relat. a l’Asie T. 1.
p- 284 — 289, 76) Si you wen kian lou in Klaproth Mem. relat.
a lAsie T. IH. p. 289— 292; Nah Pat. Hyacinth Befchreibung
der Dfchungarei und des oͤſtlichen Zurkeftan in ihrem Altern und
heutigen Zuftande aus dem Chinefiihen. St. Petersburg 1829,
2ter Theil. 7?) Timkowski Voy. ed. Paris T. Il. p. 384 — 439.
”®) W. H. Wathen Esq. Persian Secretary to the Bombay - Gorer-
nement Memoir on Chinese Tartary and Khoten dated Dec. 1835
in Journal of the Asiat, Soc. of Bengal ed. Prinsep 1835. Vol. IV.
pP» 655 — 664. \
DfteTurkeften, Khotan nach tuͤrkiſchen Berichten, 349
die neueften Nachrichten über ihre Heimath einzufammeln Gele:
genheit hatte, welche er, zumal die hier fpeciell mitzutheilenden,
vorzüglich einem Keifenden aus Eelchi (d. i. Zlitfi, oder
Ilitſchih, der heutigen Eapitale der Provinz Khotan, wie einem
Sandesfürften von Akſu, und einem Pirzadeh ebendaher, die
beide gut unterrichtet waren, verdanfte,
2. Shotan, nah dem Djihbannuma der türfifchen
Geographie 79).
Khotan, das hier flets Khoten genannt wird, liegt am
Ende von Turkeſtan, jenfeit Juzkend (?) und ift flußreich. Abuls
feda berichtet noch, es fey eine der berühmteiten Städte, aber heut
zu Tage find es nur feine Ruinen, die es berühmt machen. Zwei
Fluͤſſe bewäflern dies Land, der eine Kara-taſch (Karaztach,
d. h. ſchwarzer Stein, es ift der Halahache auf Gaubils
Tafel), der andere Jurung-taſch (Gouroungztach, d. h. weis
Ber Stein; Youlong-gacha bei Gaubil, richtiger Kafch) 80). Aus
diefen Flüffen zieht man den Yaſcheb (d.i. den Zu oder Jade,
orientalifcher Jaspis von verfchiedenen Farben), der zu theuern
Preiſen verkauft wird. Der Haupthandel des Landes befteht in
Seinwand, Seide, Korn, das reichlich gebaut wird, Jede Woche
ift Markt, wo am Freitag wol 20,000 Menfchen zufammen kom—
men. — So weit der türfifche Geograph. Auch die chinefifche
Karte giebt diefe beiden Flüffe an, die nur wenige Stunden weit
auseinander, etwa 15 geogr. Meilen weiter füdwärts entfpringen,
in parallelem Lauf von Sud nad) Nord fließen, und 15 geogr.
Meilen nordwärts der Stadt vereint beide bis zum TarimsFluffe
ziehen. Zwifchen deren beiden Armen liegt die Hauptftadt der
Khotan-Provinz Zlitfi. Der Karatafch oder Kara Daria
nach der chinefischen Karte, aus dem Kharanggui Taf ents
fpeingend (RaranguiTag im Türfifchen, d.h. Finfterberg oder
Mebelgebirge, zum Bolor, oder Belur Tag gehörig) SU), ift der
weftlihe Arm, an deflen weſtlichem oder linkein Ufer auch die
Stadt Karakhaſch (Khafch heißt im Uigurifchen, fo viel wie
Ju im Chinefifchen, d. h. Jade, oder orientaler Jaspis) liegt,
7°) Mem. relat. à l’Asie T. II. p. 288— 289. # —58 Xe-
riffeddin Bist. de Timur Trad. La Croix T II.
*1) Ab, Remusat Hist. de Khotan in Recherches 3 Bi, de
Ja. p. 151.
350 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. $. 5.
nah Hallerftein, unter 370 10° N.Br., 77° 53' 30" O. L. v.
Paris; der Jurung taſch, oder Jurung Daria, aus dem
Efchimetis Taf entfpringend, iſt der öftliche Arm, auf deffen Ofts
ufer auch die Stadt Jurungkhaſch liegt, unter 36° 5YN.Br.,
78° 30° 30” D.2. v. Par. Nach Keriffevdin entfpringen beide
Flüffe derfelden Gebirgskette des Karangui Taf (Carangoutas
bei La Croix), welches der gemeinfame Name der ganzen großen
Hauptkette ift. Nachdem ſich beide Arme, nordiwärts der Capis
tale, vereinigt haben, erhalten fie den gemeinfchaftlichen Namen
Khotan Daria, der Khotan-Fluf, der einen Lauf von etwa
60 geogr. Meilen zurücklegen muß, ehe er den Tarim erreicht,
3. Khotan nad dem Siyu wenkianlu im Jahr 1777
Nah Klaproths und Pater Hyacinths Ueberfegung aus
dem Ehinefifchen in das Auffifche, aus diefem duch Dr. Schott
ins Deutfche; Klaproth und Hyacinth ſtimmen beide faſt voll
fommen überein).
Kothian, vom ältern Juthian fo genannt, heißt 82) es
hier, ift eine große Stadt, an der Grenze der Mufelmän:
ner. Don da find 20 Tagereifen füdwarts bis nah Wefts
Tibet (Zzang, Tubet ulterior, d. i. Ladakh, f. Afien Bd. ILL.
©. 175,176,210, vergl. Bd. I. ©. 633—640). Gegen Nord,
d. i. Nordweſt, find 374 geogr. Meile (700 Li) bis Yarkend,
Gegen Werft ift alles mit fehr hohen und unüberfteiglichen Berg:
fetten bedeckt, die bis zu den Völkern reichen, welche außerhalb
der Grenzen des Reichs (des Chinefifchen) wohnen. (Es ift die
Kette Karakorum, die fi zum hohen Pufchti Eyur hinzieht.) Ges
gen Oft findet man nur Sandwüften und Moraftfteppen, bis zu
dem D.uelllande des Hoang-ho. Diefe Provinz wird von 2 Ober:
beamten (mit 232 Chinefiiben Soldaten, nach Pat. Hyacinth’s
Zufage) regiert, und ift vom General-Commandanten von Yarz
fend (Jarkiang) abhängig, der (in diefer Khotian- Provinz
allein) 6 Städte zu feinem Commando zählt: 1) Khotian,
2) Jurungkhaſch, 3) Karakhafch, deren Sage uns aus
obigen bekannt ift. Hierzu kommen noch drei öftlicher gelegene
5°?) Mem. relat. à P’Asie T. II. p. 289— 291; nach Opissanie
Dshungharia i wostotschnawo Turkistana etc. d. i. Pater Hya⸗
cinths Befchreibung der Dſchungarei und des dftlichen Zurkeftan,
St, Petersb. 1829. 2. Abth.
Oſt⸗Turkeſtan, Khotan nach hinefifchen Berichten. 351
Städte, die auf der Route nach dem öftlichen Tübet (Wei, wo
Lhaſa gelegen, f. ob.S. 210) liegen, nämlich; 4) Tfira (There
oder Tfirla auf Klaproth’s Carte centr.), 5) Karia (Keria,
Keldja oder Kerivyela), und 6) Takhobui (oder nach Pat.
Hyacinth's Schreibart und Dr. Schott's Ueberſetzuug Ta ho pu,
was an Dahop oder Dagop erinnert; es iſt Tak auf Klapr.
Carte centr.) im aͤußerſten Suͤdoſten. Jede dieſer Staͤdte hat
ihren Akimbek, die dem Range nach zur 3ten bis 5ten Claſſe
gehören, und den Negierungsrath von Khotan bilden.
Der Boden der Provinz ift im Allgemeinen fchlecht, doch
hat er viele Ebenen, und wo diefe bewällert find, auch viele fruchts
bare Felder. Diefe nehmen einen Naum wol von 1000 Fi (75
geogr. Meilen) ein, der ſtark bevölkert ift, welcher Melonen und
viele andere Früchte in Menge erzeugt. Man fammelt hier den
foftbaren Stein Zu in vorzüglicher Menge, und bringt ihn zu
Marfte nady Yarfend. Am meiften cultiviren fie (nach Klap:
roth’s Ueberſetzung) die Seidenzucht; am gefhägteften ift die
Eeide, die von den Bergen (?) fommt; daraus werden die
fhönften Stoffe gearbeitet, welche einen fehr ftarfen Glanz haben
und fehr gefucht find. Diefe Stelle zeigt durch Dr. Schott’s
Uebertragung aus dem Kuffifchen des Pater Hyacinth, nad) def
fen Ehinefischer Ueberfegung, einen etwas veränderten Sinn, in:
dem es dafelbft heißt: Man gewinnt hier viel fogenannte Bergs
Seide von wilden Seidenwürmern. Die in Khotan
verfertigten Taffte, rohfeidenen Gewebe u. f. w., find von
vorzüglicher Güte und fehr preiswürdig. Die Prüfung des Oris
ginals, ob hier von wilden Seidenwürmern im Gegenfaß
von einer Zuchtraupe die Rede fen, muͤſſen wir Andern übers
laſſen.
Das Volk hat milde, einfache Sitten, iſt aufrichtig, iſt we—
der der Traͤgheit noch der Schmeichelei und Falſchheit ergeben.
Die Maͤnner bebauen das Feld, die Frauen betreiben die haͤus—
lichen Arbeiten und den Handel. In alten Zeiten hieß das Land
Juthian; die heutigen Bukharen nennen die Chineſen Khetan.
Da unter der Han-Dpnaftie (140 vor bis 58 nad) Chr. G.) alle
diefe Länder in Welt dem Chinefifhen Scepter unterworfen wa-
ven, fo fcheint es, daß die dort feitdem angefiedelten Chinefen
auch dafelbft geblieben find (f. Afien I ©. 195), und daß die
nachherigen Mufelmänner von Khotian ihre Abkoͤmmlinge find.
Deshalb nennen die Eingebornen die Stadt Khetan, daraus
352 Welt Ajien. I Abſchnitt. 9 5.
Khotian durd Namensverderbung hervorging. (Dies ift blos
eine falfche Conjectur des Ehinefifhen Autors, der Khetan mit
Khatai für Nord» China nimmt, da dies eher die Khitan (l.
Alien I. ©. 253, vom X. bis XI. Jahrh.) feyn mochten, von
denen die Benennung Khetan abzuleiten wäre, dagegen Khotan,
oder Kothian, mit Juthian und der antifen Sanstritbenens
nung des Sandes Kuftana in Verbindung fteht, wovon weiter
unten die Rede ſeyn wird.)
Hierzu fügt Klaproth 8) die Bemerkung, daß diefe Chir
nefifche Nachricht von befonderem Werthe dadurch fen, daß fie
genau mit der Geographie des Mohammedaners dem Djihanz
numa übereinftimme, fo wie mit Pater Hallerftein’s Kartens
befiimmungen, Gebirgen und Fläffen. Khotan fiheine nad)
den älteften Ehinefifhen Nachrichten vielmehr eine Hindu:Gos
lonie zu feyn, woher auch fihon Ab. Remuſat die frühefte
Chinefifche Benennung Kin fa ta na vom Sanskritifhen Kur
ffana (d. h. Bruft der Erde, mammelle de la terre) ableite,
Erft feit den Mandfchusgeiten ift der alte Name Juthian durd)
den modernen Khotiam verdrängt. Diefer ift, wie Ab. Rex
mufat fihon richtig bemerkte, Auch feineswegs vom Mongholis
fhen Khoda, d.h. Mauerftadt, abzuleiten, weil ſchon vor Tfehins
gisfhans Zeiten der Name Khotan im Gange war, lange Zeit
ehe die Mongholen füdweftwärts die Gobi überfchritten hatten,
und nod) als eine ungenannte Horde zwifchen dem KerlonsFluffe
und dem Baikal haufeten. Die Buddhalehre blühte fihen vor
Chriſti Geburt in Khotan, und erhielt fich bis zur Zeit, da die
mohammedaniſch gewordenen Turk dort alle Städte der hohen
Bucharei oder des obern Stufenlandes und Stromgebietes des
Tarim eroberten. Der nächftfolgende Bericht wird uns aber über
diefen Punct von neuem noch eines Andern belehren,
4. Slitfi (Eelchi bei Wathen) 89, d. i. Khotan in der
Gegenwart, nad den jüngften Ausfagen dort eins
heimiſcher Mekkapilger auf ihrer Durchfahrt in
Bombay (1835).
Nach ihnen find die gegenwärtigen Städte in diefem Lande
zwar Karakhaſch, Zlitfi, Kiria di. Keriyela) u. f. w.,
#*3) Mem, relat. a P’Asie T. II. p. 294— 295, s*) Journal of
the Asiat. Soc. of Bengal. I. c. IV. p. 657—658. |
Dft-Turkeftan, Khotan nach hinefifchen Berichten, 353
mit jenen oben genannten übereinffimmend, der Name Khotan
exiſtirt aber fchon längft nicht mehr für eine Stadt, fondern nur
für die ganze Provinz, deren Capitale nach ihnen Karas
khaſch (font Ilitſi?) if, welche 10 bis 12 Tagereifen von Yars
end entfernt liegt. Zwei Chineſiſche Ambans (im Mandfchu,
Tajin im Ehinefifchen, d. i. Großer des Neichs, oder Oberoffiz
cier, mit dem Range eines General; Lieutenants, f. Afien Bd. L
©. 413) fichen diefer Provinz vor, deren einer in Ilitſi, der
“andere in Kiria refidirt. Ihnen find Asbeliſche Hakims, die
einheimiſchen Fuͤrſten, untergeordnet. Die regulaire Beſatzung
der Provinz betraͤgt 2000 Mann Truppen, die Zahl der tributfaͤ—
higen Unterthanen betraͤgt 700,000 Mann (alſo etwa 2 His 24
Million Einwohner), meift. vom Usbefen: Stamme. Aber
auch viele Delöth von diefem am weiteften zerfprengten Stam—
me des Mongholengefchlechts (1. Alten I. &.445—453, 463—468)
find in bedeutender Anzahl in den verichiedenen Diftricten diefer
Provinz angefiedelt. In Zlitfi, das 12 Tagereifen von Yars
fend entfernt liegt, find viele Buddha-Priefter und Tem;
pel, und diefe überhaupt durch das ganze Yand verbreitet, Die
Mufelmänner find zwar zahlreicher als die buddhiſtiſchen Gösenz
diener (nach Ausfage der Mekkapilger), aber die Chinefen haben
das Verbot ergehen lafien, dag feiner ihrer Unterthanen fi) zum
Islam befehren darf.
Wir erhalten hier alfo die merfwürdige, ung bisher uns
befannt gebliebene Nachricht, daß noch Heute der Buddhis—
mus dort einheimifch fey; daß er unter dem Schuß der Chinez
fen, als Foe-Cultus, wieder von neuem aufblühen mußte, ift
begreiflich; ſehr wahrfcheinlich aber, daß er niemals gänzlich
durh die Mohammedaner ausgerottet worden war, in einem
Sande, wo er einft fo tiefe Wurzel gefaßt hatte wie hier, Bon
den vielen Iempeln und antiken Bauten mögen wol noch viele
aus den früheren Jahrhunderten, in denen Khotan durch
feinen Tempelreichthum und feine Klofterbauten wie zu Fa Hians
Zeit berühmt war, herrühren, und ein £ünftiger Reifender nach
Khotan möchte dort wol einer reichen Ernte antiquarifcher Beob⸗
achtungen entgegengehen.
Fuͤnf Tagereiſen zu Pferde von Ilitſi (direct gegen
Of) entfernt erreicht man die Stadt Kiria, wo eine Gold:
mine im Sandbette des benachbarten Fluffes. Diefer als Ye:
Ritter Erdkunde VII. 3 \
354 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6. 5.
chilgol im Suͤden entſpringend, und durch einen gleichnamigen,
kleinen See ziehend, iſt weiter nordwaͤrts, an der Oſtſeite der
Stadt, unter dem Namen Keria oder Keldiagol auf der
Karte einaetragen, wo er fih ein paar Meilen nordivärts von
ihr in der Sandwuͤſte verliert (Carte centr.). Zweis bis dreis
hundert Arbeiter find zu Kiria mit der fehr ertragreichen Gold:
wäfche befcbäftigt, die ald Monopol von der Ehinefifchen Regie—
rung betrieben wird. Die Einkünfte der Provinz Khotan fol
len, nach den Mefkapilgern, größer fenn als die von Yarkend.
Ein michtiger Karawanenverkehr beftebt zwifchen den dortigen
Städten, von denen Moſchus, Seidenzeuge, Satin, Papier, Golds
ſtaub, Trauben, Rofinen u. a. nach Yarkend zu Marfte gebracht,
dagegen von dort Yeder, Stiefeln, Kupfergefchirr und andere
Waare zurickgeholt wird. So weit der Bericht der Meffapilger.
5. Khotan oder Juthian in älterer Zeit, im Jahr
400 nach Chr. Geb. zur Zeit von Fa Hians Befud
dafelbf.
Schr merkwürdig ift des buddhiftifchen Pilgers Fa Hian
Bericht 585), am Ende des IV. Yahrhunderts, weil damals noch
die Blütheperiode von Khotan war. Diefes Zuthians Mus
thian) Königreich, fagt er, ift glücklich und blühend. Das Volt
lebt dafelbft in großem Ueberfluß. Alle Einwohner ohne Aus;
nahme ehren das Buddhagefeß, und daraus geht ihr Glück hers
vor. Unter ihnen zählt man 10,000 Xeligiöfe, darunter fehr viele
die Gefegbücher ftudiren. Alle nehmen ihre Speifen in gemeins
fehaftlichen Conventen zu fih. Die Einwohner des Pandes bes
fimmen ihre Wohnungen nach den Sternen (wol nach aftrolos
gifchen Deutungen, nicht nach Ortsbeftimmungen). Vor der
Thuͤre jedes Haufes wird ein Kleiner Ihurm, d. i. ein Altar, er
baut (ein Stupa oder Tha, f. ob. ©. 298); fie dienten meift
zu Opfern von Blumen und Wohlgerüchen. Sie bauen Klöfter
(Sengfang) ins Gevierte, zur gaftlihen Aufnahme fremder
Religiofen, wo für alle Bedürfnijie derfelben geforgt ift (Kenodo:
chien). Der König von Juthian nahm Fa Hian und deflen
Gefährten feldft in ein Sengkialan (ein Buddhatempel, Sanga,
mit dem ein Klofter verbunden ift) auf, welches Kiumati (von
°**) Foekoueki, ed. Ab. Remusat I. c. eh. IN. p.18— 22; vergl,
deff, Hist, de la Ville de Khotan p. 11 — 15, w 7
Oſt-Türkeſtan, Khotan zu Fa Hians Zeit. 355
Gomati, die heilige Kuh) hieß. Es ift ein Tempel der
großen Translation (d. h. wo nicht nur die Moral, fondern
auch die Metaphyſik der Buddhalehre ftudirt wird) mit 3000
Keligiofen. Diefe effen gemeinschaftlich, wozu fie ein Signal ver:
fammelt, das durch einen Scylag gegeben wird. Beim Eintritt
in das Nefectorium haben fie ernfte, würdige Haltung. Jeder
fest fih nach Nang und Ordnung in Stillfhweigen an feine
Stelle. Kein Getöfe mit Schüffeln oder Gefchier. Diefe Mäns
ner vom reinften Lebenswandel geftatten es ſich feineswegs, gegens
feitig, fich bei Namen zu nennen, während fie effen; nur durch
Fingerzeichen bedeuten fie fih einander,
Fa Hian verweilte hier längere Zeit, um der großen Pros
ceffion der Bilder beizuwohnen, deren Befchreibung er giebt; das
Hauptbild, welches dabei umbhergetragen ward, war eins vom
Buddha Schafyamuni. Jedes Sengfialan feiert fein eigez
nes großes Proceffionsfeft, und folcher Kloftertempel giebt
es in ganz Khotan 14 große und unzählbare Eleinere. Won dem
Fefte, vem Fa Hian felbft beimohnte, erhalten wir folgende Be;
ſchreibung 86). Am erften Tage des vierten Monats wird die ganze
Stadt gekehrt und alle Straßen werden befprengt, alle Wege und
Plaͤtze geſchmuͤckt. Vor dem Stadtthore breitet man große Teps
piche aus und fchlägt Zelte auf. Die Vorbereitung ift feftlich.
Der König, die Königin, die Frauen der Angefehenen erhalten
dort ihre Pläge. Die Mönche des Kiumati:Klofters find die
gelehrteften in ihren Gefesbüchern; der König ehrt fie am mei:
ftien; fie halten die Proceffion der Bilder zuerfl. Drei oder
vier Fi von der Stadt werden diefe auf einen Wagen mit 4 Rär
dern geftellt; er ift 18 Fuß hoch, wie ein fahrbarer Pavillon, mit
den „Sieben Koftbarfeiten” geſchmuͤckt (f. ob. ©. 300),
mit Zeltdach, DVorhängen und feidenen Deden. Das Bild (des
Buddha) wird in die Mitte geftellt, zwei Phufa (di. Schü:
ler, Berbreiter der Doctrin, f. ob. ©. 285) ihm zur Seite, ums
her, und im Gefolge find die Götterbilder, insgefammt in Gold
oder Silber mit £oftbaren Codelfteinen geziert. Iſt diefes Bild
noch hundert Schritt von dem Stadtthore, fo nimmt der König
feine Tiara ab, wirft andere Kleider um, nähert fi) demfelben
barfuß, und hält in der Hand Blumen und Parfüms. Er fommt
fo mit Gefolge aus der Stadt, wirft fid) anbetend davor nieder
**) Foe Kouo Ki p. 17. 32
356. Welt Men. I. Abſchnitt. 8.5.
und zündet die Wohlgerüche an. So wie das Bild in die Stadt
eintritt, fihätten die Frauen und Mädchen, die Über dem Thore
ihre Sitze haben (über den Bau folcher Thore ſ. Alten I. ©. 217),
von alfen Seiten eine Menge von Blumen auf den Proceffionss
wagen, fo daß er ganz mit Blumen bedeeft in die Stadt eins
führt, Iſt diefe Ceremonie vorüber, fo kehrt der König mit ſei⸗
nem Hofe und eben fo alles Volk in feine Behauſung zuruͤck.
Noch Feine Stunde im Weften (7 bis 8 Li) der Stadt ift
eins jener großen Kialan, welches „der Neue Königstem:
\ pel’ heißt. Drei Könige hatten 80 Zahre daran gebaut; ex ift
wol 150 Fuß hoch, und fehr viele Sculpturen und Goldplatten
find daran zu fehen. Alles Koftbarfte ift an dem Bau bdiefes
Su tu po (alfo ein Stupa, f. ob. ©. 114) verwendet. Dann
hat man dem Buddha (For) eine Capelle prachtvoll erbaut, des
ren Balken, Pfeiler, Flügelthüren, Gitterfenfter, kurz alfes mit
Goldblech belegt iftz auch find gefonderte Eellen für die Religio—
fen erbaut, die ber alle Befihreibung fehön find. Die Prinzen
der ſechs Königreiche, die im Oſten des Gebirges (der Kette
des Ihfungling) wohnen, ſchicken dorthin ihre Eoftbarften Opfers
gaben, und bringen reiche Almofen, daron nur ein Fleiner Theil
verwendet wird (alfo wurde ein Tempelfchag angehauft). Zu jer
nen 6 Königreichen mögen wol die von Fa Hian ſchon durch
wanderten öftlichern, buddhiſtiſchen Herrfchaften gehören, wie
Schenfhen, Ouhou (Uigur), Kaotfchang (Turfan) u. a.
die wir nicht fennen.
So weit der Bericht über Khotan, aus dem man den zes
lotifchen Eifer abnehmen kann, mit welchem der Buddhacultus
in jenen früheren Jahrhunderten im centralen Hochs Afien fchon
betrieben und weiter gegen Oſten verbreitet ward. Aus FaHians
folgender Erzählung ergiebt fih, daß Khotan damals Feineswegs
durch die Ketten des Thfoungling (Zwiebelgebirge, blaues Ges
birge), im Suͤdweſt, wozu dort auch die Verzweigungen des Hindu
Khu und Kaſchmir Himalaya (f. ob. ©. 320) zu rechnen find,
weglos, alfo gänzlich von Hindoftan abgefchnitten war, und ifo:
lirt da fand. Keineswegs, damals waren ſchon Wege dur
diefes Gebirgsſyſtem bis Kabuliftan (f. ob. ©. 289), zumal in die
Gegend des heutigen Jellallabad gebahnt, ein Weg den FaHian
durch das Schneegebirge und die buddhiftifchen Bergftaaten Tſeu—
ho, Kietfha und Tholy (ſ. ob. ©. 285) zuräclegte. Tfeuho,
bisher unbekannt, foll nach der neueften chinefifchen Reichsgeogra⸗
DftsTurkeftan, Khotan, zu Fa Hiang Zeit. 357
phie Sect. 419387), an 5° im W. von Khotan und N.IE. von
Harkend liegen, am Karafu, das wäre auf der Straße zum
Karakul⸗See über die Pamir- Hochebene (f. 06. ©. 327), der:
felbe Weg, den wir, nad) Obigem, nach den fpatern Neifenden,
Hiuan Ihfang und Marco Polo, ebenfalls noch gebahnt finden.
Aus dem Folgenden wird fich ergeben, daß damals, ebenfalls,
längft fchon „der Verkehr zwifchen Khotan und Kafhmir Bes
fand hatte, von wo wahrfcheinlich die erfte Buddha⸗ Wiſſion in
Khotan eingewandert war.
Gegen den Norden von Khotan waren aber, nach Fa
Hians®) Erfahrung, die Wege zu dem Lande der Uiguren
(im Weft vom heutigen Turfan), damals, viel weniger gebahnt.
Diefe Oui, oder Duhon, hatten zwar auch ſchon Buddhacultus
angenommen, und es waren viele Neligiofe auch bei ihnen, aber
das Wolf war noch zu roh umd wenig im Cultus wie in der _
Juſtiz bewandert, auch ungaftfih. Die Gefährten Fa Hians
kehrten daher aus demfelben wieder oftwärts zurück, nah Ka o—
tſchang (d. i. Turfan, f. Afien J. ©. 345), Don da aus,
heißt es nun, ging die Karawane der Budthiften» Pilger, unter
Fa Hians Anführung, gegen Sadmweft®d), durch ein Land
der Wuͤſte ohne Bewohner, wo das Durchſetzen der Fhüffe (es
it der Mittellauf des Tarim, mit feinen Armen) große
North machte. Unter den größten Befchiwerden dur diefe Land»
firee£e, die auch auf unfern heutigen Karten noch gänzlich wuͤſte
liegen bleibt (f. Carte de l’Asie centr.), erreichte man endlich nach
einem Monat und 5 Tagemärfchen Zeit glücklich das Königreich
Juthian (Khoten). Es iſt dies die einzige Machricht, die
uns über eine Durchfegung diefer Gegend in NMordoften von
Khotan bekannt geworden. Merkwuͤrdig fiheint uns der Name
des Landesfürften, bei welhen Fa Hian, wahrfcheinlich in
Schen ſchen, im Lager zwei Monat verweilte, ehe er von da die—
fen gefährlichen Weg durch die Wüfte zu machen wagte, um nad)
Khotan zu kommen; derfeldbe hie Kungfun (fein Turfname,
fondern das Germanifhe König); er mußte dem Beherrfcher
von &hotan, der auch fein Herrſcher vom turkeftanifchen Stamme
(wahrfcheinlich von Getifch-germaniſchen) war, wol be
»»7) Tai thsing y thoung tehi Scet. 419. ſ. Klaprotlı Nota p- 25
in Foe Kone Ki. s5>) FoeKoue Ki ch. II. pr 7 Nut, 10 and 12
p- 15. °») ToeKoneki l. c. p. &
358 Welt Alien. J. Abſchnitt. 9. 5.
freundet fern, da er Fa Hian an feiner Unternehmung nicht hins
derlich war, wie dies die Ouhou gewesen.
6. Khotan, Juthian, oder Yütiän, Kuftana (Erds
bruft) im Sansfr., Kiu fa tan na5®%) im Chineſi—
fhen. Nach den älteften Sagen der einheimifchen
Chroniken, die in den chineſiſchen Annalen der
Thang:-Dynaftie (reg. v. 618 -907 n. Chr. ©.) aufbes
wahrt find,
Die Gefchichte von Khotan geht entfchieden bis in die
Mitte des II. Yahrhunderts vor Chr. Geb. zurück; denn unter
der Dynaftie der Han (reg. 140 vor Chr. — 58 n. Chr. ©.)
wurden die erften chinefifchen Beamten in der Regierungszeit Kat
fer Wutis (reg. von 140 bis 87 Jahr v. Chr. Geb.; 53 Jahre)
nah Khotan gefchieft, welche feitdem von dort Nachrichten mit
in die chinefifche Heimath brachten.
- In diefer erften Nachricht erfcheint Khotan noch als ein
geringer Staat, der erft mit der Zeit an Bedeutung und Eultur
wächft; aber doch in jener Periode ſchon die Anfänge feiner hös
hern Ausbildung befaß. Diefes Khotan (Juthian oder Yu—
thian nach Ab, Remuſats und Klaproths Schreibart; Yuͤtiaͤn
nad Pater Hyacinth und Dr. Schott) R) lag, nach diefer älteften
Nachricht, von der Weftgrenze Chinas, an der Nordbeugung des
590) Nach dem Pian itian (einer großen chinefifchen Collection, darin
alle Facten chronologifcdy geordnet find, und nad) den Dynaftien)
Liv. LV. in Ab. Renausat Hist. de la Ville de Khotan; vergl,
Klaproth Mem relat. à l’Asie II. p."292 Not. v1) Aus
den Annalen der Dynaftie der ältern Han, bi8 20 Jahr
n. Chr. Geb. Die Völker und Reihe der Giyü; nad
Dr. Schotts mir gefälligft mitgetheilter Ueberfesung aus dem ruſ—
fifhen Original des Pater Hyacinth, welches diefer aus dem Chines
fifhen ſehr getreu überfegt, unter ruffifhem Titel: Opissanie
Dshungharia i wosstotschnawo Turkistana ete. im J.
1829 herausgab, d.h, Befhreibung der Dihungarei und
des öftlihen Zurfeftan in ihrem ältern und heutigen
Buftande, Si. Petersburg 2. Th. 1. Abth. Diefer Artikel in den
Annalen der Han, ergiebt ſich daraus, ward auch theilmeife in der
von Ab. Remufat benugten Collection des Pian i tian aufgenome
men, und dient daher, wie die ganze intereffante Arbeit, als Critik
für jene früheren Mittheilungen ; dagegen find fehr viele andere Ar—
tifel über Siyü, oder die Weftländer, weit vollftändiger darin ent=
halten, und £önnen hier zum erften male benugt werden, wie dies
auch ſchon oben bei Schen fen geſchehen ift.
Oſt⸗Turkeſtan, Khotan, aͤlteſte Geſchichte. 359
Hoang-ho, von Tſchang-⸗nan, deſſen Lage nicht mit Genauig—
keit zu ermitteln iſt (ſ. Aſien J. S. 246), 9670 Li entfernt gegen
Weſt. Man zaͤhlte daſelbſt 3300 Familien, oder Haͤuſer, 19,300
Seelen, 2400 Krieger, und mehrere Oberbeamte u. f. w. In
diefem Lande fand man den Stein Zu in Menge. Diefer wird
nun durch alle folgenden Yahrhunderte hindurch als das cha—
racteriftifche Product von Khotan aufgeführt, bis in die
neuefte Zeit. Noch wird in diefer eriten Nachricht nichts von
dem Religionscultus der Bewohner von Khotan gefagt. Es be:
ginnt aber in diefer Periode, nachdem die Yuetfchi und Ufiun,
durch die Hiongnu, aus ihren Urfigen gegen Weften verdrängt
und auch die Hiongnu von den Chinefen gegen den Norden zus
rücfgeworfen waren, jenes fpftematifche Civiliſations—
ſyſtem mit der Einrichtung von Nordmarfen, Mauerführun:
gen, Städteanlagen, Colonifationen und Embaſſaden, welches
nad) und nach durch den ganzen Weſten (f. Aſien I. ©. 201, 242
u.a. 9.) fortrückte, und allmälich auch Khotan und feine Nach:
barftaaten in den chinefifchen Staatenbund einzufchlingen fuchte.
Im erften Jahrhundert nad der chriftlichen Zeitrechnung,
als die zweiten Han unter Kaiſer Mingti (reg. 585—73 nad)
Ehr. ©.), in Folge der Kriege mit den Hiongnu, ihre Herrs
fchaft gegen Weften verbreiten fonnten, zeigte fih auch der Koͤ—
nig Kuangte von Khotan der chinefifchen Oberherrlichkeit erges
ben. Es hatte damals ſchon 32,000 Familien, 83,000 Yndivi:
duen und über 30,000 bewaffnete Männer. Zu derfelben Zeit,
als der chineſiſche Generaliffimus der Weftländer (Siyu),
welcher Pantfchao hieß, die Hiongnu zu Paaren trieb, erhob
ſich aud die Macht der Könige von Shen fhen und von
Khotan, welche offenbar früher durch die Hiongnu fehr bedrängt
waren. Der König Kuangte in Khotan befreite fi nicht
nur von diefem Druck, fondern unterwarf ſich fogar 13 andere
Herrfchaften, weftwärts, bis nah Kaſchghar (Sule), oftwärts
aber das Reich Sokhiu%), welches zwifchen Khotan und Schenz
fehen gelegen zu haben fcheint, von dem uns aber nichts Näheres
befannt if. Die Hiongnu fhiekten einen Feldheren aus, diefes
ihnen befreundete Neich zu vertheidigen. Pantſchao aber Fam
diefen zuvor, und erreichte Khotan, wodurd das Reich So:
Ehiu durch die Khotanpartei zerftört ward. Dieſer Sieg ſchnitt
— —
22) Hist. de Khotan I. c. p. d—11.
360 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. 9. 5.
den Hiongnu feitdem jeden Zufammenhang mit der Suͤdſeite
der Sandwüfte ab, gab,den Chineſen dagegen die Herrfchaft
des Südweges (Nanlu) nach den Meftländern (Siyu), wo—
durch Schen ſchen und Khotan ftrategifch die Schlüffel
für China zu diefem Nanlu oder dem Wege nach Indien
wurden. .
Der König Kuangte, fagen die chinefifchen Annalen das.
maliger Zeit, war roh und gehorchte den Dämonen, die ihm ing
Ohr raunten, daß ihr Geift über feine Abficht, fih mit dem Ehi-
nefen zu verbinden, zuͤrne. Er wollte diefen Geiftern weiße Pferde
opfern; er war alfo noch nicht vom buddhiftifchen Glauben. Aber
feine Furcht vor der Chinefenmacht fieatez er nahm den General
Pantſchao auf; diefer legte zur Belohnung Garnifonen in feine
Städte, und beruhigte fo diefes Land, das num feine Tributges
fchente und Embaffaden nach China entrichtete, die aber wol waͤh—
zend der innern WVerwirrungen, welche die chinefifchen Herrfchaf:
ten felbft öfter trafen, und wegen der großen Entfernungen nicht
fo ganz regelmäßig Statt gefunden haben mögen, als die Chines
fen anzugeben fcheinen. Vom Jahre 202 werden unter diefen
Tributgefchenfen auch gezaͤhmte Elephanten genannt, die
von Khotan nach China an den Hof fommen, und wahrfchein:
lich wol erft aus Zndien in Khotan eingeführt fenn konnten.
Unter der Thfin: Dynaftie gegen ihr Ende (419 n. Chr. ©.)
haben wir in obigem, nach Fa Hians Bericht, diefes Khotan
und feinen Herrfcherftaat ſchon in voller Bluͤthe kennen lernen.
Don diefer erften Periode des hiftorifchen Befanntwerdens, durch
die älteften Annalen und durch Fa Hians Befuch dafelbft, zu
deſſen Zeit auch der Buddhacultus fihon in vollem Flore
war, vergeht vom Jahre 500 an ein volles Jahrhundert in der
Gedichte Khotans, in welcher vielerlei abgeriffene Nach:
richten mit den verfchiedenen Tributzahlungen und Embaffaden
in den chinefifchen Neichsannalen einregifirirt werden. Aber erft
unter der mehr beruhigten Herrfchaft der Thang-Dynafie,
von 618 bis in das X. Jahrhundert (f. Alien I. ©. 196), und
der von ihr fofter begründeten 4 großen Tſchin, oder Miliz:
tairgouvernements, bis Khotan und Kaſchghar, erhals
ten wir etwas vollffändigere Nahrihten5®) über Kho—
tan, wie über die Umſtaͤnde und Sagen bei feiner erftien An:
#93) Hist. de Klıotan I. c. p. 33 ete.
Dft-Turkeftan, Khotan, ältefte Gefchichte. 361
lage und Buddhabekehrung, aus den im Lande felbft ein-
heimifchen Chroniken genommen.
Ehe wir zu diefen einzig merfwürdigen Civilifationsans
fängen des centralen Hoch: Afiens übergehen, wollen wir
aus den fich öfter wiederholenden Deten des V., VI. bis Anfang
des VII. Sahıhunderts%), nur das Merkwuͤrdigſte nach den chro—
nologifchen Daten hervorheben.
An den Nachrichten der Wei: Dpnaftie (445 — 513) wird
die erfie Legende von der Einführung des Buddhacul—
tus 9), wol aus einer frühern Zeit mitgetheilt, deren Chronolos
gie jedoch vermißt wird. Sie ift der Prieftererzählung des Tem⸗
pels entnommen, welcher zum Andenken diefer Begebenheit im
Süden der Stadt unter dem Namen Thſanma erbaut ward,
und wo man fpäter die Fußtapfe des Pitchisfo, d. i. des
Foe, oder Buddha, verehrte. Der Hauptinhalt diefer Priefters
legende ift merfwürdig genug, da ein Kaufmann (alfo aus
der Fremde, wol aus Kafchmir, f. weiter unten) es ift, der einen
berühmten Rahan (oder Arhan, ein buddhiftifcher Bettel-)
mönd), Pi lu tſchen genannt, nah Khotan bringt, welcher
im Süden der Stadt unter einem Mandelbaum (Feigens
baum? d. i. der heilige Buddhabaum, f. Afien IV.2.©. 673)
verweilte. Der erzürnte König eilt zu ihm hin, wird aber fogleich
von dem Mifjionair freimüthig angeredet, der fagt: Zulai, d. i.
Buddha, hat mir geboten dich zu fuchen, und dir zu gebieten
einen Tempel zu erbauen zu Ehren des Buddha. Wenn du es
thuft, wirft du Seligfeit genießen. Als der König verlangt den
Buddha felbft zu erblieken, zieht Pilu tichen an einer Glode, und
in den Lüften zeigte fich ein Zeichen, vor dem ſich der König fos
gleich profternirte, anbetete und nun unter dem Mandelbaum den
erften Tempel dem Buddha erbaute.
Im Jahre 509. Khotan hat viele Fläffe, die fih in Sen
Sand verlieren; feine Luft ift gemäßigt, beguͤnſtigt den Ackerban
und die Rebencultur; Obſt und Gartengewächfe find denen von
China ähnlich, Die Einwohner find geſchickt in der Verfertigung
von Kupfergefäßen; fie tragen Petfchafte aus den Stein
Yu gemadt. Zum Schreiben brauchen fte einen Holzpinfel;
erhält einer einen Brief, fo legt er ihn erſt auf den Kopf bevor
er ihn erbricht. In ihrer Hauptſtadt, die Straßen, Pläge, Brun:
®*) ebend, p. 15— 32. 26) ebend. p. 23.
362 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. $. >.
nen hat, ift der Königspalaft mit rothen Bildern gefchmückt.
Der König trägt eine goldene Tiara, an welcher, nach hinten,
zwei feidene Flügel herabhbängen 5%), 2 Fuß lang und
jeder 5 Zoll breit, als Zeichen föniglicher Majeftät, ganz fo, wie
wir den Kopfihmud, eine Tatarenmüge, auf den Mofadphnfess
Münzen 9) abgebildet finden (f. ob. S. 107), fo daß man hier,
in Khotan, wol eine getifchzgerinanifche Dynaftie wie am Indus
vermuthen dürfte, worauf auch der erfte Königsname des Landes,
Kuangte, und einer der folgenden Kiunte®), die in chinefis
feher Umftellung an Künig erinnern, führt, wie Kungfun, f.
ob. ©. 357, dem auch der Ufun Kuenmi verwandt, f. Afien I.
©. 432. Entfchieden waren die Fürften von Khotan weder
Hiongnuifcher (f. Afien I. S. 431), noch überhaupt turfifcher Abs
ftammung, weil unter der fpätern Thang-Dynaſtie an einer
Stelle”) gefagt wird, daß der König Womi von Khotan (im
VI. Zahrhundert) zwar eine Zeit lang den Turfherrfchern jener
Landfchaften unterwürfig geworden war, fich aber bald durch Ans
fchluß an die Thang-Kaiſer wieder von diefem Joche durch eine
Embaflade befreite. Die Khotan:Dynaftie ſoll nach der Berfiches
rung der TIhang-Annalen, bis zu ihrer Zeit, von jeher in ununs
terbrochener 600) Reihe ihren Thron behauptet haben. Die
merkwürdige Stelle, die wir früher hinfichtlic der damaligen
Scheidung des Menfchenfchlages nach Racer, in Often und
Weiten, von Turfan aus, zur Unterfcheidung des weftlichen kau—
Eafifchgebildeten Völkerfchlages (f. Wien I. ©. 350 — 351, vergl.
193, 433 20.) der Turk und Ufun, mit Ausnahme der Bewohner
von Khotan anführten, ift in deren Beziehung wol nicht zu ftreng
zu nehmen, da der chinefische Autor nur fagt, daß fie nicht zu
verfchiedenartig feyen, um nicht noch der chinefifchen Bildung ver:
glichen zu werden. Die Yuetfchi (Getae) hatten ſich aber vielfach
mit den Ufun von Anfang an vermifcht, und bei den Bewohnern
von Khotan war auch der Einfluß chinefifcher Civilifation ſchon fort:
gefchrittener, um fie dem chinefifchen Ausfehen vergleichbarer zu mar
chen. Die paar Worte aber, welche „diefe Ausnahme” im
chineſiſchen Original bezeichnen (daß nämlich, unter den Weftoölfern,
nur die Bewohner von Zuthian nicht ganz jene langen Pferdes
5>6) Hist. de Khotan I. c. p. 16, 22. %7) Journ. of the Asiat,
Soc. of Bengal ed. Prinsep 1834. 8. Vol. IH. f. Plat. XXVl.
Nr. 4. Coins of Kadphises. »®) Hist. de Khotan p. 15.
9») ebend. p. 35. 260) ebend. p- 33.
Oſt-Turkeſtan, Khotan, ältefte Gefhichte. 363
gefichter mit tiefliegenden Augen und der vorftehenden Habichts:
nafe mit der Bildung der Turf und Uſun theilten, und dem platz
ten Geficht der Chinefen vergleichbarer feyen), bleiben nach Ab.
Remuͤſats Bemerkung I) noch etwas problematifch.
Don den Frauen des Landes wird gefagt, daß fie keineswegs
nach der orientalifchen, auch bei den Chinefen gebräuchlichen
Eitte, aus dem gefelligen Umgange verwiefen blieben, fondern an
den Männergefellfchaften Theil nahmen, felbft in Gegenwart der
Fremden, was den chinefifchen Embaſſadeurs natürlich fehr aufs
fallen mußte. Sie trugen Haarflechten, Unterhofen, Pelzkleider,
furze, mit einem Gürtel gebunder; fie ritten auf Pferden und
Kameelen wie die Männer. Das Volk ift dort, fagen die Ihangs
Annalen, voll Höflichkeit; beim Begegnen begrüßt man fich ins
dem man ein Knie zur Erde beugt. Dem Cultus des Buddha
find fie ungemein ergeben. Unter den Tributgefchenfen, welche
fie in den Jahren 509, 513, 518, 541 einfchieften, waren ausges
fuchte Pferde, Glasgefäße und ein Steinbild des Buddha
aus dem foftbaren Yu, das jedoch in einem fremden Lande
(ob Indien? Kafıhmir? oder Kophene?) fculpirt war.
Es werden ferner im Lande Khotan 5 große Städte?)
und einige zehende kleinerer Städte angeführt; unter den Pros
ducten au Maulbeerbäume, die früher ungenannt was
ren und ficher erft eingeführte find; auch Hanf, gute Pferde, Kas
meele und Maulthiere. Der König, der von einer mit Bogen,
Pfeil und Lanzen bewaffneten Leibwache von hundert Schwert:
trägern umgeben erfcheint, und begleitet wird von raufchender
Mufit, von Trommeln, Hörnern, Goldbecken, fey noch weit devos
ter in feiner Buddhaverehrung als feine ılnterthanen. Unter den
Tempelbauten in der Nähe der Capitale wird auch auf einem
Steine der Abdruc der nadten Fußtapfe Buddhas (Pis
tſchifo's) gezeigt. Bei diefer Erzählung ift es merkwürdig,
daß in dem fpätern Bericht der nördlichen Tſcheou-Dynaſtie von
diefem Umftande bemerkt wird, man fehe auf einem Steine den
Ort wo Pitfchi fo fi) die Beine kreuzweis untergefchlagen
feßte, und wo die Fußtapfe noch vorhanden fey. Diefes Wort
„fou“s) d. h. „fih mit kreuzweiſen Beinen ſetzen,“
der bekannten ſpaͤtern Art in der Abbildung der Buddhabilder,
*) Hist. de Khotan p. 29 Not. 1. 2) ebeud, p. 19.
») edend, p. 29 Not.
364 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 5.
ift aber in den Altern Annalen der Wei durch „ſian“ bezeich—
net, welches nach der Mote des chinefifchen Herausgebers „barz
fuß“ beißt, woraus es ung wol fehr wahrfcheinlich wird, daß
die erft fpäterbin nothwendig gewordene kreuzweis untergefchlas
gene, mit den Sohlen aufwärts gerichtete Stellung der Buds
dhabilder, wie fie fich in den fpätern Bildungen wiederholt, nicht
die urfprüngliche war, fondern eine erft durch fpätere aus
De bungen entflandene Manier des Sitzens, die dann
[8 Kirchenftnl in Gang fam, während die ältere Art, ganz ger
—J barfuß mit herabhaͤngenden Beinen zu ſitzen, auch in
den aͤhteſten Grottenſculpturen, z. B. in Kennery auf
Salfette ſich bei Buddhabildern zeigt.
Bei den Verfolgungen mancher Fürften des Hochlandes durch
die Chinefen flüchten diefe nicht filten gegen den MWeften und
nehmen ein Afyl % in Khotan, das deshalb aud) zuweilen durch
fie verheert wird, Wir fommen nun zu den Berichten aus den
Zeiten der Thang:Dpnaftie (618—907 n. Chr. Geb.), welche
zugleich über die ältere Zeit von Khotan aus den dort einheir
mifhen Landes-Chroniken Dachrichten mittheilen, die, wie
fih daraus zu ergeben fiheint, in Sansfritfchrift verfaßt
waren, fo daß Khotan fich daraus, wie aus feiner durch den
Buddha: Eultus überhaupt empfangenen Eultur, als eine Cul⸗
tursColonie von Nordhindoſtan bewahrt. Khotan (Zus
thbian) heißt Kiu fa tan na) (im Chinefifchen, nach dem
Sanskrit Ku:ftana, fo viel als Erdbruft, mamınelle de la
terre, nach Ab. Nemufat und Chezy). Auch wird es Huanna,
Sutun bei den Hiongnu, Hutan beiandern Barbaren, Khius
tan bei den Hindas, nach den Noten Ehinefifcher Commentato—
ren genannt, Dom fpätern monsholifchen „Khoda,“ d. h.
Fefte, fünnte diefer Name, wie oben bemerkt, nicht hergeleitet
werden, wol aber allenfalls aud) direct vom Sanskritifchen Kotta
oder Kote (Feftung, wie in den befannten Kote Kangra,
Dellam kote in Indien u. a.). Hier die feltfame einheimifche
Mythe 6) der Entftehung und erfien Bevölkerung des Landes,
dem auch diefe etymologifche Benennung ihren Urfprung
verdankt. Vor alten Zeiten war Khotan eine Wüfte und uns
bewohnt, in welcher der Gott Pitſchamen fich niederlieg,
0%) Hist. de Khotan I. c. P. 18, 22 u. a, >) ebend, p. 32, 35.
©) ebend. p. 37 —4i.
Oſt⸗Turkeſtan, Khotan, aͤlteſte Geſchichte. 365
von welchem die Könige von Khotan ihr Geſchlecht herleiten
(wir vermuthen einen Heros, da der Königstitel?) von diefem
bergenommen fcbeint, Bitfchipilian, wie auch der neue Sans
desgott nach der Bekehrung die Norfesfnlben des antiken, nams
lich Pitſchi-Foe, d. i. der „Pitſchi-Buddha“ oder Gott
Buddha, erhalten hatte). Im Suͤden (dem Königreih Tans
tfhha hi lo?) gefchahe es, das einem Könige Wupyeon (d.
h. der Trauerlofe) fein Prinz von einem Fürften geblendet ward;
diefen Fürften ließ er dafür zur Strafe mit feiner ganzen Fami—
lie nordwärts der Schneegebirge, in die Wuͤſte, in die Vers
bannung führen. An der Grenze des Abendlandes, in den Ihär
lern angeſiedelt, wählten fich die Erilirten ein Oberhaupt. Zu
gleicher Zeit gefchahe es, dag auch ein Kaifersfohn aus dem Mors
genlande eben dahin verbannt ward, aber oftwärts von jenen fich
niederlich und Herrfcher ward. Beide Anfiedelungen blicben aus
Ber gegenfeitiger Berührung, bis fie fich auf der Jagd trafen, wo
es zum Streit fam, der an einem beftimmten Tage zum Gefecht
führte, in welchen der Fürft des Abendlandes verlor, in die Flucht
gejagt, gefangen und erlegt ward. Der Fürft des Morgenlandes
fammelte die Flüchtlinge zu feinen Schaaren, führte fie in die
Mitte des Landes, eine Stadt zu gründen, mit der es bei der
Hathlofigkeit jedoch mißlich ausfah. Die Maurer des Landes weit
umher wurden zufammengerufen, als Einer mit dem großen waſ—
fergefüllten Flafcbenfürbis auf dem Mücken berbeifam und rief, er
fey der Maurermeifter; er fehlittete das Waſſer aus, in großem
Kreife, und der mächtige Unbekannte Fam der Verfammlung bald
aus dem Geficht. Aber man bediente fidy der hinterbleibenden
Wafferfpur, um Mauern aufzuführen, eben da, wo nachher des
Königs Palaft erbaut ſtand. DerKönig ließ noch andere Bauten
und Städte aufführen, regierte fein Volk im Frieden und Wohl
ftand; im hohen Alter aber berief er feine Hofleute und fprach
Meinem Ziele nahe, ohne Erben, fürchte ich den Untergang mei—
nes Neiches; bringt dem Pitſchamen eure Gebete, daß er mir eis-
nen Nachfolger fende. Und fie thaten es; die Stirn des Gottes
öffnete fih, und es trat ein Kind aus ihr hervor, das man dem
Könige darbrachte, zur größten Freude des Volle. Da es aber
nicht faugen wollte, und man deshalb um feine Fortdauer beforgt
war, wollte man es mit Gebet dem Bilde des Gottes zurücges
?) ebend, pP» 30.
366 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. $. 5.
ben.: Da erhob fih vor demfelben alsbald die Erde in Geftalt
einer Bruft, an der das Götterfind fog, und nun bald groß
ward, zum vollfommnen Prinzen ; Elug, tapfer und in allem dem
Gott gemäß, dem der Prinz fogleich einen Tempel erbaute, um
darin feinem Ahnheren zu opfern. Von ihm fiammt das Ges
ſchlecht der KhotansKönige ohne Unterbrechung ab, daher fo viele
koſtbare Gaben in’ diefem Tempel als Opfer niedergelegt find, die
feiner derfelben unterlaffen hat. Die Erdbruft, welche dem
Ahnherrn des Königsgefchlechts die Nahrung gab, ward zum Na⸗
men des Ortes feiner Geburtsftätte. Achnliche Sagen von Göt:
terföhnen und Dynaftienftiftern ſ. in Tübet, Afien II. ©. 192
u0a0D.
Auf diefe, wie man fieht etymologifirende, Legende,
die aber einen biftorifchen Hintergrund der anfänglich wirklichen
Zuftände des Landes enthalten mag, folgt die zweite, über ®)
die erfte Einführung des Buddhismus, welche mit der
früher fehon mitgetheilten im Wefentlichen uͤbereinſtimmt, doc)
mit einigen Abanderungen. Ausdrüclich wird gefagt, daß zur
vor diefe Religion im Sande noch unbefannt war, daß
ferner jener Rahan (oder Arahan, d.h. im Sanskrit ein Ehr-
würdigen), wobei der Kaufmann unerwähnt bleibt, aus Kaſch—
mir fam, wo, wie wir aus frühern Unterfuchungen und den
Berichten des Nadja Taringini willen, fchon feit dem Yahr 392
vor Chr. Geburt der Buddhacultus blühte (f. Afien II. ©.1101-
1102). Diefes merkwürdige Datum giebt uns aus diefem antis
fen Culturlande Nord: Hindoftans den Auffhluß, wie Sanskrit⸗
Literatur und Eultur ihren Eingang durch das hohe Mittelafien
nah Khotan fand, wie wir früher gefehen, daß von der Kabuls
terraffe aus, von Utfhhang oder Udyana aus, diefelbe Ein-
mwanderung in die Tübetifchen Landfchaften gefchahe (f.06.©.273,
285, 297). Der Rahan fchlug feine Wohnung im Walde auf,
und auf die Anfrage des Königs, wer er fey, antwortete er, daß
er Schüler des Tathagata (gleichbedeutend mit Yulai oder
Buddha, nämlich der Wunderbare) ſey. Im übrigen endet die
Erzählung, die wie die erfte diefelbe nur vollftändigere Priefterles
gende zu fenn fcheint, wie jene, damit, daß der König gläubig
wird und einen Kialan oder Kloftertempel erbaut,
Zu Khotan, fagen die Thang-Annalen, hätten in der frü:
*e®) Hist, de Khotan p. 41.
x
Oſt⸗Turkeſtan, Khotan, ältefte Gefchichte. 367
hern Periode der Han 5 Provinzen N gehört, welche außer
Khotan die Namen 1) Junglu, 2) Kanmi, 3) Kiule,
4) Phifhan führten. Sie werden in den Han:Annalen,
bei Pat. Hyacinth, gefondert vor und nach Khotan aufgeführt,
ohne daß außer ihrer Einwohnerzahl und Lage etwas Genaueres
über ihre Natur angegeben wäre. Yunglu liegt gegen Kleinz
Tüber, das jegige Yadakh, hin; Dhifchan gegen Weiten nach
dem heutigen Balti hin, denn es führte der Weg nach Kophene
und Kandahar hindurch; Kiule hieit Ab. Nemufat für iden:
tiſch mit Sule oder Kaſchghar im N. W., was aber irrig ift, da
in den Han: Annalen, nach Dr. Schott’s Lleberfegung, Kiule
und Sule (Kafıbahar) zwei verfchiedene Artifel und Sand:
fchaften bilden. Kanmi (au Kiumi, Kiufhenmi)!) das
gegen liegt 300 Fi, etwa 20 geogr. Meilen, im Often von Kho—
tan, im Often des Fluffes SKiantali, ein Eleines Gebiet mit dem
Hauptort Thateli, oder die alte Stadt der Mingmi genannt,
nur von 40 Stunden Umfang, in welchem, nach dem 54ften
Buche des Pian itian, worin es befchrieben wird, dafelbft
ebenfalls, wie in Khotan, die Sanskritſprache in Gebrauch
gewefen fenn fol. Alfo eine zweite Cultur-Colonie diefer
Art, von der uns aber die genaueren Nachrichten bis jetzt noch
fehlen. Es liegt diefes Kanmi alfo in der Reihe nach jenen
verwüfteten Sandfchaften zu, zmwifchen Khotan, über Pima und
Nijang, oftwärts von denen oben die Rede war (f. ob. ©.335).
In den Han-Annalen, bei Pat. Hyacinth, findet es ſich
nicht unter diefem Namen erwähnt, falls es nicht das dafelbft
genannte Umi if. Vom Lande Khotan fagen die Thangs
Annalen, der größere Theil fey mit Sand und Steinfeldern
bedeckt, aber die befchränfkteren fruchtbaren Streden, alfo die Oa—
fen, find gut bewäffert, bebaut, bringen alle Arten Früchte hers
vor. Die Luft ift mild, aber faft immer fanderfüllt, die der
Wind verweht. In dem Fluffe, der Ju heißt, wird Nachts bei
Mondfchein durch Untertauchen der Ju-Stein gefiſcht; es giebt
weißen und blauen. In den Wüften gegen Weft giebt es
eine Ratte, die im Sande lebt, nur von der Größe des Igels,
mit goldfarbigem Fell, in Heerden lebend (ob Mus, Wanderratte,
M. Deeumanus, Dipus oder Meriones- Arten ? fchön ifabellartige
Springmäufe, wie fie Eversmann in fo großer Menge und von
#0») ebend, p. 33 Not. 1. 0) ebend,
5
368 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. F. 5.
den verſchiedenſten Arten in der benachbarten Bucharei beobach⸗
tete) 611),
Die Einwohner P) von Khotan, heißt es ferner, find
in der Buddhalehre und der Kuftiz gut unterrichtet; ihr
Character it fanft, froͤhlich; fie betragen ſich fehr anftandig, find
ſchmeichelnd, ceremoniös, tanzen und fingen gern. Die Mufik if
ſehr gefchägt. Sie fpinnen und weben Zeuge und feine Filze,
auch Wollenzeuge; die wenigften Eleiden fich blos in Volle und
Filz, die allgemeinfte Tracht beftcht in weißen Wollenz und Sei—⸗
denzeugen. Sie graviren Petfchafte in Ju-Stein. Cie find
‚ finnreih, lieben die Studien, die Wiffenfchaften und Künfte,
„Ihre Geſetze, ihre Literatur und ihre Schriftzüge
„find denen der Hindus nachgeahmt (db. i. der Bud—
„dhacultus, die Sansfritfprache, die Nagarifchrift),
„nur mit wenigen Abanderungen. Dadurd ift ihre
„Barbarei gemildert, ihre Sitten und Sprade har
„ben dadurd eine Bildung erlangt, welche von der
„jenigen ihrer Nachbarn abweicht.“ Das Volk lebt in
Ueberfluß; viele Familien find reich und fricdfertig. Sie verehs
ren den Buddha und find feinem Gefege fo ergeben, daß fie Über
100 Kialan, TIempelkiöfter, erbaut haben, in denen an 5000
Steligiofe leben, welche fi dem Studium der heiligen Schriften
widmen. hr König leitet feinen Urfprung vom Pitfhamen
her, ift aber dem Buddha ſehr ergeben, dabei doch fehr £riegerifih,
In der Nähe der Nefidenzftadt fehlte cs nicht an Tempeln
und Klöftern, wie uns aus Fa Hians Bericht ſchon befannt
ift; von mehreren werden in diefer fpätern Zeit der Ihang die
einheimifchen Legenden 3) mitgeteilt, deren einige auch darum
ſchon befondere Aufmerkfamfeit verdienen, weil in ihnen ftets Anz
länge an Sansfritbenennungen find. So liegt im S.W. der
Eapitale der Berg Kiuſtſchilingkia (vom Sansfr. Gau, der
Ochs und Schringa,das Horn), die zwei Ochfenhörner
genannt, von den zwei fteilen Felsfpisen, zwifchen denen
in einem Felsthale das gleichnamige Klofter erbaut ift, darin
ein. Buddhabild, das ftets helles Licht verbreitet (wahrſcheinlich
durch Lampen-Illumination), oder blos fymbolifch zu nehmen,
sı1) E, Eversmann Reife von Orenburg nad Buchara, herausgeges
ben von Dr. 9, Lichtenftein. Berl, 1823. 4. f. ©. 120.
12) Hist, de Klıotan p. 33, 39 — 56. 13) ebend. p. 44 — 67;
Oſt⸗-Turkeſtan, Khotan, ältefte Gefchichte, 369
weil Buddha einft hier eine geträngte Ueberficht feiner Lehre ge;
geben haben foll, weshalb das Klofter erbaut ward, deſſen Melis
giofe ganz dem Studium der practifchen Doctrin ergeben find,
die hier gepredigt ward. Auf demfelben Bergabhange liegt noch
ein anderer großer Steinbau, in dem ein Nahan über hundert
Jahr lang den Buddha verehrend in Nirvana verfanf, worauf
die Felfen über dem Gebäu zufammenftürzten und feinen Eingang
verftopften.
Eine Stunde fern, im S. W. der Stadt, liegt das Klofter
(Kialan), Tikiaphan po na, darin ein Standbild des Buddha
von Kiatchu fich befindet. Diefes kommt wurfprünglich aus
Khioutchi. Ein Vezier des Königs von Khotan, der in das
Eril gefchieft ward, hielt fi) lange Zeit in Khioutchi auf, wo er
diefer Statue dauernd feine Gebete darbrachte, und fie auch noch
im Gebet anrief, als er auch fchon wieder in fein Vaterland zu:
rückberufen war, weshalb das Buddhabild aus eigenem Antriebe
fih in diefes Mannes Behaufung einftellte, der ihm zu Ehren
ein Kialan erbaute. So die Sage, — Der dinefifche Autor
des Han ſchan khao, oder des Tractats über „die Falten Berge,”
fagt 4): jenes Kiatchu werde gegenwärtig Thocha genannt,
was wir eben fo wenig fennen; woraus aber doch fo viel erhellt,
daß es wol in den benachbarten Schneegebirgen lag. Hierbei muß
man nothwendig an das von Khotan gegen Weft 25 Tagereifen
ferne buddhiſtiſche Königreich Kietchha !°) in der Mitte des
Thſungling denfen, im heutigen Klein-Tüber gelegen, welches
Fa Hian durchfchritt, um von da, nach gleichem Marfch, das
Königreih Tholy (ob Darada?) im heutigen Baltiftan, oder
Kaferiftan, zu erreichen, wo das Mile Phufa-Standbild, oder das
Bild des Boddhifatwa war (f. ob. ©. 285, 289). Hatte der
Bezier diefes Land zu feinem Afyl erwählt, fo begreift man leicht,
warum die von ihm eingeführte Statue den Namen des „Bud:
dha von Kiathu” trug; denn fehr wahrfcheinlih möchten
doch wol beide Namen identifch nur einen und denfelben bes
nachbarten Gebirgsgau bezeichnen, wodurch noch, außer Kaſchmir,
auch die Straße nach Kophene, für Khotans Eivilifation, Re
eröffnet.
2*) Hist. de Khotan p. 45 Not. 1, »5) FoeKoneKi, ch. V,
p- 26 und Not. P- 29.
Ritter Erdkunde VII, Ya
370 Weſt-Aſten. I. Abſchnitt. $. 5.
Auch eine fisende Buddhaftatne 16), 7 Tchhi (d. i.
Fuß?) hoch, wird genannt, die in der Stadt Phu fia i, 300 &
(15 geogr. Meilen) im Weſt der Mefidenz, wegen ihrer febönen
Geftalt, voll Majeftät, bewundert ward, eine glänzende Tiara
trug, und von welcher die allgemeine Sage ging, daß fie erft
aus Kaſchmir (Ka bi mi lo), durch einen König von Khor
tan, der Kaſchmir uͤberfiel, dahin entführt fen, aber nicht weiter
als bis an diefen Ort zu bringen war, deshalb man dort den
Kialan Uber fie erbaute, Die fpecielle Legende übergehen wir, da
uns dieg ſchon, nebft unfern frühern Unterſuchungen über Kafıhs
mir, hinreicht, den fortdauernd einwirfenden Einfluß diefes Staas
tes, im Suͤden der Schneegebirge, auch auf die Mordfeite deifels
ben, nicht aus dem Auge zu verlieren.
Da in Kafıbmir, wie wir aus Hiuan Ihfange Pilgerreiſe 17)
wiſſen, ſchon feit ältefter Zeit (im VI. Jahrh. vor Chr, Geh.)
vier große Dagoba-Thuͤrme einſt durch Afofa erbaut waren, und
man dergleichen, wie in Udyana auch in Kietchha 18), nach Fa
Hian Uber Buddha -Reliquien errichtet hatte, fo wurden diefe
Reliquien (Cheli genannt), als große Koftbarfeiten, auch
frühzeitig nach Khotan gebracht, und ihnen auch dort folche
„Eörperverbergende Mauerthürme” erbaut, wie am In—
dus, die von einftigen Neifenden dort wieder aufzufuchen fenn wer:
den, Ein folcher Bau wird mit einer Wunderquelle und einem
Kialan, So ma jo 19), nur eine halbe Stunde im Weft der Re—
fidenz in Verbindung gebracht, und tiber deren Legenden weitläufs
tig Bericht argeben.”
Daß Kbotan ebenfalls feine patriotifchen, fühnen Scaevola’s
und Curtius aufzuweifen hatte, zeigt die Legende vom großen
Strom 20) (dem Khotans Fluß), der bisher, auf der Weſtſeite der-
Stadt, gegen den Morden fließend, die dortigen Laͤndereien reich»
lich befruchtet hatte, aber zum Staunen der Anwohner einft plög-
lich zu fließen aufhörte. Die Nahans fchrieben dies Ungluͤck
dem Einfluß des großen Drachen zu, der dem Fluffe vorftehe,
und dem man Opfer bringen müfle, Indem flieg ein Weib aus
den Waffern empor, und fagte dem König des Landes, ihr Ger
mahl fen ihr zu früh entriffen, nur ein zweiter Gemahl fönne fie
) Hist. de Khotan p. 46—49. 17) Hivan Thſang Reife ıc. von
SI. Klaproth. Berl. 1834. 8. ©, 6. '*; FoeKoueKi p. 26
1°?) Hist. de Kbotan p. 80 — 52. 20) ebend. p. 57 — 60.
Dft-Turfeftan, Khotan, ältefte Sagen. 371
(fie war der Drachengeift) verföhnen; dann werde der Strom
wieder fließen. Sogleich fand fi) ein edler Märtyrer, mit Nas
men Mieou, ein Großwürdenträger, der für das Wohl des Bas
terlandes, auf einem weißen Pferde ſich in den Strom flürzte,
Mit der Peitfche theilt er die Fluthen und verfchwindet; der
Schimmel entfeigt glücklich wieder der Tiefe und bringt eine
Trommel von Sandelhol; als ein Zeugniß mit zum entgegen:
gefesten Ufer, daß Mieou, unter die Götter verfegt und der
Schusgeift von Khotan geworden fey. Die Trommel ward am
Ihore der Stadt gegen die Suͤdoſtſeite aufgehängt, wo fie feldft
ertönte, wenn der Feind ſich nahete. Der Strom erhielt feine
Waflerfülle wieder und brachte dem Lande Segen wie zuvor;
immer beim erften Monde uͤberſchwemmt und befruchtet ex feitz
dem in weite Fernen die Felder. Die Drachentrommel war zur
Zeit der Thang nicht mehr an der Stadtpforte aufgehängt; aber
noch benannte man als Zeichen derfelben, damals den nahen See
mit dem Namen der Trommel, aber das Kialan, welches dabei
erbaut gewefen, lag in Berödung.
Eine andere Wunderlegende, welche, wie jene, für dortige
Landesphyſik characteriftifch genannt werden muß, daher auch)
beide ficher einheimifchen Landes- oder Tempel: Chroniken entz
nommen find, ift die von der Nattenhülfe und dem Katz
tentempel?!), welche wie viele andere beweifen, daß neben dem
Buddhacultus doch noch fo mancher alte heidnifche Aberglaube
mit in die Zeit der neuen Doctrin hinübergenommen war, Zwölf
bis 14 Stunden (150 bis 160 Li) fern, im Weſt der Königsrefis
denz, auf der Mitte des Weges zur großen Wuͤſte, erzählte die
Chronik, ift ein Tumulus, das Nattengrab genannt. In dies
fer Wüfte haben die Ratten die Größe der gel, find goldz und
filberfarbig, bewundernswerth (f. ob. ©. 367). Aus ihren Grus
benloͤchern gehen fie in Heerden hervor, mit einem Anführer an
der Spige, dem fie in Allem folgen. Als ehedem die Hiongnu
zu vielen Hunderttaufenden diefe Länder überfielen, fchlugen fie
einft auch an den Grenzen Khotans an diefem Hügel ihr Lager
auf. Der König von Kiufatanna (Khotan) hatte zwar mehr
rere Zehntaufende von Kriegern verfammelt; doch bangte ihm vor
der Uebermacht. Cr Fannte zwar die Schönheit der Matten aber
nicht ihre übernatürliche Kraft; er brachte Opfer, brannte Weih-
®ı) Hist. de Khotan p. 49 Has?
*
372 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 9 5
rauch und flehte auch die Ratten um ihren Beiſtand an. In
derſelben Nacht verhieß ihm eine große Ratte den Sieg. Und
wirklich, als er am folgenden Morgen die Schlacht gegen die
Hiongnu begann, war dieſen Reiterſchaaren alles Lederzeug des
Geſchirrs, der Waffen, die Kuͤraſſe, die Schilder von den Ratten
zernagt. Ohne Schutz und Schirm wurden die Hiongnu geſchla—
gen, ihr Feldherr erlegt. Seitdem ward hier den Ratten ein
Tempel erbaut, und ihnen vom Koͤnig wie vom gemeinen Mann
ſtets Opfer gebracht. Dieſe Rattenſage ſteht nicht allein in der
Geſchichte; die ganz aͤhnliche, wo dieſe Thiere dem aͤgyptiſchen
Prieſterkoͤnige Sethos, an der peluſiſchen Wuͤſtengrenze gegen
Sannacheribs Ueberfall, unter aͤhnlichen Umſtaͤnden, ganz gleichen
Dienſt leiſten, iſt aus Herodot U. 141 bekannt. Andere Zerftö-
rungen durch ſolche Rattenheere ſind auch ſonſt in Aſien nicht
unerhoͤrt; wir führen nur die Nachricht an, welche ſchon Klap—
voth 2), bei feiner Anwefenheit in Irkutzk erfuhr, als dem
dortigen Gouvernement officiell mitgetheilt wurde, wie ein großes
Heer Ratten dur das Meer ſchwimmend nad Ochotzk gekom—
men, und dafeldft nicht nur Alles in den Magazinen aufgefreffen,
fondern die Magazine felbft zerftört Habe, wobei man freilich auch
noch an andere Beihälfe denken mag, wie bei jenen Siegen.
Zu den intereffanteften Sagen gehört die von der Einfüh-
rung der Seidenzucht aus China in diefes Königreich, durch
eine chinefifche Prinzeffin, die fih nad) Khotan verheirathet. Sie
wird zweimal 23) in den Thang- Annalen, nad den Khotanz
Annalen, angeführt; aber wie ſchon S. de Sacy dabei bemerkte,
leider ohne. chronofogifches Datum. Diefes Factum der Ausführ
rung aus China, denn durch Seidencultur bleibt Khotan fpaterz
hin, bis heute, immer ausgezeichnet, ift, wie Klaproths Nach—
forfchungen 2% ergeben haben, in den chinefifchen Annalen niht
aufgezeichnet, die fonft in folchen hiftorifchen Daten doch von
mufterhafter Genauigkeit find. Es wird hiernach wahrfcheinlich,
daß diefe Begebenheit in die Periode der momentanen Unterbres.
hung jener Annalen fällt, nämlich in die Zeit der Theilung des
Chinefen-Reichs, die nach der Vernichtung der Dynaftie der
fin (419 n. Chr. ©.) erfolgte. Die Prinzeffin war vermuth-
2 22) Mem. relat. a l’Asie 1826. T. IT. p. 299. 23) Hist. de
Khotan p. 34, 53; Silv, de Sacy im Journal des Savans 1820.
Sept. p. 529. ?*) Mem. relat. à Asie T. Il. p. 296. f
J
Oſt-Turkeſtan, Khotan, aͤlteſte Seidenzucht. 373
lich aus der Familie der noͤrdlichen Wei, welche nur das
noͤrdliche China beherrſchten, dagegen der Suͤden Chinas der
Sung-Dynaſtie verblieb. Schwerlich, bemerkte Klaproth,
koͤnnen Griechen und Roͤmer zur Zeit Auguſts und Trajans ſchon
die Seide (Sericum , 07@, welches der aͤcht chineſiſche Mame,
sir, für Seide, seta iſt) als ein Product ausKhotan, durd
Seren erhalten haben, bevor nicht die Seide und der
Maulbeerbanm aus China nad Khotan (alfo im V. Jahrh.)
vorpflanzt ward. Damals, fcheint es, fprach man in diefem klei—
nen Königreiche eine Sprache, die gleichen Stammes mit dem
Sanskrit war, in welcher „Kſchauma“ die Seide bezeichnete
E, Kaufen? f. Afien Bd. WW. 1. ©.437— 438). Der Name
„Sir,“ in China einheimifch, würde aus diefem Neiche
nicht nach Weften als Serieum vorgedrungen feyn, wenn der
Stoff aus einem Lande, wie Khotan, wo man eine Hindufprache
redete, zuerft den Abendländern übertragen worden wäre. —
Wir haben bei frühern Unterfuchungen fchon gefehen, daß außer
dem nördlichern Landwege durch Turkeſtan, auf dem Pelu,
dem Mordivege durch das Fand der Yuctfchi (Getae) und Afi
(Parther), vermittelt der Seren (der Händler mis Sericum, d. i.
der chinefifchen Seidenhändler, f. Erdk. II. Bd. erſte Aufl. 1818.
©. 626 — 643) durch Mittel:Afien, wovon weiter unten vollftän-
digere Nachweifungen erfolgen, auch noch weiter im Süden,
direct aus Indien, auf andern Wegen, jene Raufeyas,
oder indifche Seidengewebe, in weit älterer Periode, ſchon zu
Aleranders Zeit, nicht nur direct von Indien aus, nach Medien,
Babylon, Arabien, Aegypten, Tyrus u. ſ. w. gelangen fonnten
ci. Aſien IV.1. ©. 438), fondern auch ſelbſt die chinefifchen Sei⸗
denftoffe, ſehr frühzeitig, auf hinefifhen Zunfen, fiher bis
in die ceylonenfifchen, malabarifchen und perſiſchen Hafen einge—
fuͤhrt wurden (f. Alien IV. 2. ©. 29—30, 38, 42, 126, IV. 1.
S. 592, II. ©. 798).
Die Khotan:Sage, welche hier analoger Art ift, wie die
fruͤher angeführte aus dem VII. Jahrhundert, die ſich auf Tuͤbet
bezieht (ſ. Afien III. S. 232), und welche auch durch die monz
gholifchztübetifchen Annalen 3). fih für das Jahr 639 n. Chr,
ans Sfanang Sſetſen Gefhichte der Mongholen n. J. 5
aus dem Bodhimoͤr. ©, 340 u, fi
374 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 5. x
Geb. (bei Schmidt, und 634 bei Klaproth) 26) beftätigt bat, ift
folgende. Zın Suͤdoſten der Reſidenz Khotan, feine Stunde
fern liegt das Klofter Louche?”), einft von einer Königin des
Landes erbaut. Vor Zeiten fannten die Khotaner den Maul:
beerbaum und die Seidenzucht nicht; aber man hörte von
denen im Oftreiche fprechen , und bat ſich deren durch die Ge⸗
ſandtſchaft aus. Der Beherrſcher des Aufgangs verweigerte dies
aber, und gebot den Zollwaͤchtern auf das ſtrengſte die Ausfuhr
zu wehren. Als aber ein Prinz von Kiu ſa tan na eine chineſi—
ſche Prinzeſſin zur Gemahlin erhielt, ſo ließ er dem Herrſcher des
Oſtreiches, durch ſeinen Geſandten bemerklich machen, daß ihnen
daheim die Seide, die Coccons und die Maulbeerbaͤume
zur Bekleidung der Prinzeſſin fehlten. Dieſe nahm deshalb ins—
geheim Eier und Samen in ihrer Muͤtze mit, welche der Un—
terſuchung der Zollbeamten entgingen. So kamen dieſe bis nach
Khotan, wo die Baume und die Seidenzucht ſeitdem gedie—
ben, und die erfte Anlage durch Erbauung des Kialan von
Fouche geehrt ward. Man zeigte, zur Zeit der Ihang, dort
noch mehrere alte Stämme von Maulbeerbäumen, welde
die erfien gewefen feyn follten, die man dort gezogen hatte, fo daß
die Begebenheit etwa in das Ate oder ste Zahrhundert fallen
möchte, \
7. Khotan, feitdem X. Jahrhundert in hinefifcher
Abhängigkeit.
Obwol fih China, in jenen frühern Yahrhunderten, fchon
der Tributpflichtigfeit Khotans oft rühmte, fo wollte deſſen Ab:
hängigfeit vom himmliſchen Reiche doch nur wenig bedeuten;
denn der Verkehr blieb doch immer nur fehr unterbrochen, die
Tributgefchenfe liefen nur in Intervallen ein, und die Abhängig:
feit war gewiß noch weit geringer als die chinefifchen Autoren zu
verftehen geben. Auch giebt hiervon die Selbftftändigkeit des Neis
ches von Khotan, und die Bewahrung der Eigenthümlichkeiten
feines Volkes den Beweis. Mit der Zeit aber ward Khotan,
durch das Garnifonwefen chinefifcher Truppentheile, und durch
die ſtehende Beamtenwelt immer enger an die chinefifche Monar—
hie gefnüpft, und in allen Verhältniffen mit ihr nivellivt, auch
220) Descr. du Tubet in Nony. Journ. Asiat. Paris 1829. T. iv.
p- WS. 27) Hist, de Klıetan, p. 53. R
DftsTurkeftan, Khotan, feit dem X. Jahrhundert, 375
fhon vor der Zeit der großen Mongholen Eroberung, mit welcher
Khotan, das früher fehr gefondert feine Eigenthuͤmlichkeiten darz
bot, in die allgemeinern DVerhältniffe des chinefifchen Turkeſtan
überging, von dem es fich heut zu Tage nur wenig unterfcheis
den mag.
Aus diefer Abhängigfeitsperiode haben wir noch einige Tocale
Thatfachen hervorzuheben.
Die innern Unruhen, welche China öfter in Verwirrung feß-
ten, hinderten es, wie die Annalen der zweiten TfinsDynaftie 28)
fagen, fi) um die 4 Theile der Barbaren: Welt, außerhalb des
himmliſchen Reiches, viel zu befümmern; fie erhielten daher aud)
von deren Beherrfchern nur wenig Nachrichten. Khotan zus
mal liege ohne das zu fern, an 10,000 Li von der chinefifchen
Capitale (eigentlid nur 6000, d. i. 450 geogr. Meil., f. Afien 1.
S. 203), nahe dem Sande der Pholomen (Brahmanen),
zwiſchen Tübet und Kafchghar dem Ihfungling benachbart. Dens
noch ſchickte es in jener Zeit einmal ein Tributgefcbenf an ro:
them Salz, gediegen Gold, dem Stein Zu, Tüchern und Li,
d. i. Ochſenſchweife (wol des feidenhaarigen Yack, die be:
fannten Chowri) nach China; und dem chinefifchen Kaifer war
fo viel deſſen Befreundung gelegen, daß er ihm das Diplom
als eis von ihm anerfannten Königs, durd) eine eigene Ems
bafjade zugufertigen befchloß, im Jahre 940. Diefen Gefandts
fchaftsbericht des Tſchhang-khuang-ye, des General-In—
fpecteurs der EFaiferlichen Armee, kennen wir ſchon nach feiner
Durchwanderung der Grenzwüfte zwifchen China bis Shas
tfcheou (f. Aſien L S. 212 - 214). Von da weftwärts feßt er
feinen Weg füdlich von der Nordſtraße, auf einem Wege direct
bis Khotan fort, in welchem uns Weniges was die Toralität
betrifft verftändlich ift 29), und auch mit den früher angegebenen
Daten in den Namen nicht zufammenftimmt. Nur fo viel ift
gewiß, daß er eben hier jene Wuͤſtenei durchzieht, von der er
ſelbſt nicht viel zu fagen weiß, als daß fie in jenen Gegenden,
wo ehedem die Hiongnu von den chinefifchen Heeren ger
fchlagen wurden Houliu, (ehedem Ouliu) heiße. Es fehle ihr
on Wafler; fie fon immer Ealt, voll Schnee, und wenn diefer
fchmelze, dann fehle es ihr auch nicht an Schneewaſſer. Weiter
weſtwaͤrts im Lande Tſchunghun (72) liege die Stadt Tathun,
2%) Hist. de Khotan I. c. p. 73. 20) ebend. p 75— 79.
376 Weſt-⸗Aſien. J. Abſchnitt. $. 5,
deren Bewohner ſich vor dem Geſandten des Kaiſers proſternir⸗
ten. An der Weſtgrenze dieſes Landes fange die Wuͤſte Kian
(d. h. falziges Waſſer) an: doch fehle es an (ſuͤßem) Waf:
fer; nur beim Graben in die Tiefe finde man feuchten Sand,
den man, um den Durft zu löfchen, auf die Bruft lege. Der
Fluß Hian, den man weiter weſtwaͤrts traf, war mit Eis be
legt, über das man hinwegfegen mußte. Von da an fam man
nach dem erften Orte: Kantſcheou (nicht das Chinefifche an
der Mauer), den die Bewohner von Khotan erbaut hatten. Zwei
Tage fern von ihm nach Anfiu-tfcheou und dann nach Kho—
tan. Auf diefer ganzen Strecke, bemerkt der chinefifche General, »
bis Khotan hin, habe er von Zeit zu Zeit Horden und Lager
von Tübetern getroffen (eben da, wo vor Jahrhunderten fruͤ—
ber, füdwärts Khotan in Tübet das Neich der Weiber, der aflatiz
fhen Amazonen, angegeben wurde, f. Afien II. ©. 210— 211);
denn die Bewohner von Khotan fenen in beftändigen Kriegen
mit den Tübetern begriffen; deshalb auch der König von Khotan
begierig. war mit ihnen einen Sreundfchaftstractat zu
ſchließen.
Tſchhang-khuang-ye gab über dieſes Koͤnigreich Khos
tan zu jener Zeit (940) folgende Auskunft 620).
Der König Ki hiang tian von Khotan, trägt Klei-
dung und Müse wie die Ehinefen; die Gebäude feines Pala—
ftes jind gegen den Oſten gekehrt; man nennt diefen den Kin:
thfe tian, daſelbſt ift ein Pavillon, welcher „die Sieben
Phönire” heißt. In Khotan macht man Wein aus Trauben;
eine Art von violetter, eine andere Art von blauer Farbe; auf
welche Weife blieb unbekannt, der Geſchmack ift aber fehr ange:
nehm. Ihre Speife ift Neis mit Honig, auch Hirfe in fetter
Milch gekocht; alfo Neis und Hirfenbrei. An einer andern Stelle
wird jedoch gefagt: die Hauptnahrung der Einwohner von Kho⸗
tan ſey Hammelfleiſch ). In ihren Gärten ziehen fie
fhöne Blumengewädhfe. Sie haben ein wohlriechendes Kraut,
Yunhoei), das man nad) China bringt, unter die Farben
mifcht, womit man die Zimmer anftreicht, wodurch diefe fehr anz
genehm duften; die Pflanze ift weiß wie weißer Ju⸗Stein. Sie
tragen Kleider von Leinwand und Seide, Sie verehren Geifter,
0) Hist. de Khotan p. 80—81. ?T) ebend, p. 111.
2. ebend, pP» 110.
Dft-Turkeftan, Khotan feit dem X. Jahrhundert, 377
zumal aber den Buddha. Zn des Königs Palafte find ſtets
an 50 Neligiofe, in violette Gewande gefleidet, die ihn umgeben.
Sein Negierungsjahr (im Jahre 940 n. Chr. G.) war das neun
und zwanzigfte Jahr Ihungfings genannt.
Die Provinzen im Südoften feines Reiches heißen Yen:
tſcheou, Lutfcheon und Meitfcheou. An 1300 Li (an 60
geogr. Meilen) gegen Süden liegt der Diftriet des Ju⸗-Stei—
nes, nach welchem unter der Dynaftie der Han die Erpedition
des General Tchang-khian-ye (im 3. 122 vor Chr. Geb.)3)
gegangen feyn ſoll. Zu dem Ueberfegen der Flüffe in den engen
Bergpaſſagen dienen im Lande eiferne Kettenbruͤcken 9.
In den dortigen Bergen ift der meifte Zu. Ein Fluß, der dort
aus dem KouenzGebirge tritt, theilt fich in drei Theile; der
öftlichfte, 30 Li im Often der Stadt, heißt Fluß des weißen
Su (Surung tafıh, f. 0b. ©. 350), der weftlichere, 20 Li im
W. der Stadt, heißt Fluß-des grünen, und der weftlichfte,
27 Li im W. der Stadt, des ſchwarzen Zu (Kara tafch,
ebend.). Denn in allen dreien giebt es Zu, aber von verfchiede:
nen Farben. Der aus dem Jurung kaſch gewonnene weiße Zu
"heißt Pe-Ju 3°), der aus dem Kara Eafch erhaltene fommt un:
ter dem Namen Ou⸗-Ju in den Handel. Jeden Herbft, wenn
der Fluß trocken wird, geht der König dahin, den Zu zu holen,
und nach ihm gehen die andern Yandesbewohner eben dahin,
Dies nennt man gleich einer herbftlichen Ernte die Ju⸗Fiſche—
rei), Sehen die Einwohner des Landes den Schein des Mons
des am einer gewiſſen Stelle des Fluffes fich ftets gleichartig fpies
geln, fo tauchen fie an derfelden unter, und finden dann allemal
den Stein Ju von befonderer Schönheit ?7).
Nachdem der General Tſchhang-khuang-ye feine politifche
Miſſion vollbracht und den Tractat mit Khotan zu Stande ges
bracht hatte, Eehrte er nach China zurüd. Cine Folge des guten
- Bernehmens war wol, im darauf folgenden Jahre 942 38), die
reich ausgeftattete Embaffade aus Khotan, welche 1000 Pfund
Ju-⸗Stein als Tribut dem Kaifer von China überbrachte, ein
»°) Ab. Remusat Remarques sur l’Fxtension de l’Empire Chinois
du Cote de l’Oceident in Mem. sur plus, questions etc. Paris
1824. 4. p. 114— 118; vergl, FoeKoueKi, ch. VII. p.35 und
Not. p. 37— 39. 34) Hist. de Khotan p. 111. 35) Hist. de
Khotan in Recherch. p. 151. »°) Hist. de Khotan p. 84.
27) ebend, p. 107, ®®) ebend. p. 81 — 82.
378 Weit Ajien. I. Abſchnitt. $. 5.
Detfchaft von demfelben Foftbaren Steine, und Amulete,
welche Kiangmathhu heißen CL. i. die den Todesgott bes
fiegen; Maradjitra, d. h. Befieger des Todesgottes,
ift einer der Namen Buddha’). Im Jahre 965 wurden 500
Stuͤck Zus Kiefel ald Tribut nah China gefchieft, und ein Jahr
ein ungeheurer Zu: Kiefel von 237 Pfund Schwere dafelbft ges
fifht und dem Kaifer von China angeboten. Inter dem Tribut
wird auch, aus der Fabrik Khotansg, ein merkwuͤrdiges Stüd
angeführt, ein Schreibzeug® aus blauem Eifen, weldes
bei ihnen gegoffen ſey; wol eine blau damascirte Stahls
arbeit.
In der Periode des XI. und Anfang des XII. Jahrhunderts,
fieht man, aus den Tributen, welche aus Khotan nah China ges
fchieft werden, daß es feit dem Eindringen der arabifchen Sieger,
in jenen Gegenden von Sogdiana und Turfeftan, in Handels:
verbindungen mit dem Weiten getreten ift, und einen Reich—
thum fremder Waarenzufuhr durch den Karamanenhandel
von diefer abendländifhen Seite erhielt, der ihm früher
fremd war. Es find nun nicht mehr wie früher die einheimifchen
Landesproducte, fondern die Koftbarfeiten der Khalifenreiche,
welche dur) Khotan nach China gefandt werden. Im Jahre
971 ift es der erſte gezähmte Elephant *), welcher fogar tans
zen gelernt hat, den der Khotan König in einem Kriege mit
Kaſchghar erbeutet, und ihn durd) einen Hoeihu, d. i. einen Turks
wärter, nach China ſchickt. Im Zahre 1025 ift es, unter andern
Koftbarfeiten, auch der Dromedar, das erfte einbudlige
Kameel*), welches unftreitig durch Araber dort hingefommen,
die Aufmerffamfeit im bactrianifchen und turfeftanifchen Lande,
wo man bisher nur das zweibucklige fannte, fo fehr erregte,
dag der König von Khotan es als Seltenheit mit dem Tribut
nach China fandte. Außerdem find es Perlen, Korallen, Elfen:
bein, Eiderdaunen, Bernftein, wohlriechende Hölzer, Weihrauch,
Kampfer, Quedfilber, Gewürznelfen, weftlihe Stoffe und viele '
andere Dinge, welche der König von Khotan nah China als
Tribut fchieft, in einer Zeit, wo ex wirflih, im Gedränge der
heranruͤckenden Mohammedaner im Welten und der Tübeter vom
Eüdoften, fich defto enger an die politifche Stüge von China anz
*°°) Hist. de Khotan p. #0) ebend. p. 86.
#1) ebend. p. 91,
Dit: Turkeftan, Khotan, in Verfall. 379
fchließen mochte, die aber doch keinen Beftand hatte, da nun die
Mongholenfluth hereindrang und Alles in ihren Ocean verfchlang.
In diefer legtern Periode ſchweigen die chinefifchen Annalen Über
Khotan gänzlich, und die darauf folgenden Mings Annalen fas
gen nur daß in diefer Zeit fich das ganze Sand mit Naubhorden
gefüllt habe; und was unter der neuen Ming: Bpnaftie #2), feit
dem Jahre 1406, wo die erfte Embaſſade mit Tribut von neuem
aus Khotan nach China ging, Über dieſes Land berichtet wird,
enthält nichts Lehrreiches, oder Neues, über daffelbe. Es heißt
nur die Weitländer hätten fich, da cs fich zeigte, daß fie fich nicht
felöft regieren Eonnten, aus Furcht und Mefpect, in den Jahren
1403 — 1424, wiederum dem chinefifchen Scepter unterworfen,
und Khotan habe fi nad Ruͤckkehr der alten Ordnung bald
wieder zu feinem frühern Wohljtande erhoben, und fey zu einem
friedlichen Durchgangsorte alles Handels der Waaren fremder
Kaufleute geworden. Aber diefer kann nicht mehr bedeutend ger
nannt werden, feitdem in der weftlichern Hälfte jener Landfchaft
nun das bedeutendere und bequemer gelegene Emporium Yars
kend aufblühte, welches Zuthians Verſinken in Unbedeutendheit
fördern möchte. Khotans Tribut beftcht feitdem nur außer in
Ju⸗Stein, noch in Pferden, die fehr gerühmt werden, wer
gen ihrer Schönheit; ‘von andern einheimifchen Producten die
fir China von Werth feyn könnten wird gefchwiegen. Das Sand
ward von Mongholen verheert und nomadifche Meiterhorden was
ren darin eingezogen. Merkwuͤrdig ift es, daß im Jahre 1420
der Tribut von Khotan, mit dem feines weitlihen Nachbarftaates
Patahechang, d. i. Badakhſchan, beide in Pferden beftes
bend, zum erſten male zugleich genannt iſt, und daß beide
gemeinfchaftlich ihren Tribut an China in diefem Jahre ent:
richteten. Auf einer Zeichnung, welche bei der Anführung der
Gewinnung des Zu Steines der Geographie der Ming Dpnaftie
beigegeben ift, wird ein Einwohner von Khotan (Yuthian) abge:
bildet #3), mit kahlem Kopfe, mit Bart um das Kinn und chiner
fifcher Phyfiognomie, mit haarigem Korper, barfuß und einem
großen Mantel bedeckt, aus dem nur die Schulter des rechten
Armes hervorfieht, der mit einem Armband geziert ifl. Die Ge:
nauigfeit folcher Zeichnungen bei dinefifchen, wie bei den ältern
europäifchen Geographien, ſcheint meiftentheils nur wenig Vers
*?) ebend. p. 100 etc. 43) ebend. p. 10%
380 Welt: Aften, I. Abfehnitt, 9. 5.
trauen zu verdienen, da diefelben Bilder wol zu verfchiedenen
Belegen zu dienen pflegten.
Anmerkung. Der Ju: (Yu) Stein, d. i. Ju-chi der Ehinefen,
Kafh der Turk, Yeſcheb ber Perfer, oder Zaspis der
Alten; fein Fundort in Khotan, fein Verbraud und
Handel.
Das merkwürdigfte mineralogifhe Produkt Khotans ift unftreitig
der Zu (Mu), der berühmte Stein der Chinefen, der mit dem Kaſch
der Turk, und dem Jaspis der Alten (von dem heutigen Jaspis völs
lig verſchieden), nur dreierlei Kormen eines und deffelben
einheimifchen Wortes, diefelbe mineralogifhe Subſtanz be—
zeichnet, welche feit Schrtaufenden eine der Eoftbarften Waaren im Hans
del des Drients bildete, bis heute noch ungemein gefucht und theuer ift,
in den Urfprung alles Handelöverkehrs der Culturvölker Mittel» Afiens
bis in die früheften Hiftorifchen Zeiten hinaufreicht, und feinen Haupts
fundort nur allein in dem Quellgebirge des Kıhotanfluffes
bat, dem Karangui Tak (d. h. Nebelgebirge, finfterer
Berg), der im Zufammenftoß des dftlihen Kuenlun und weftlichen
Belur, füdweftwärts der Stadt Khotan auch der große Thſung—
ling heißt. An die Kette des Karakorum = Paffes reiht er fi an und
bietet hier die Eingänge und Uebergänge, durch Weſt-Tuͤbet
(Ladakh) und Baltiftan zu Kaſchmir im füblichen anftoßenden
Himalaya-Syſteme dar, Wir haben fchon früher die Spur einer
Kunftiiraße der Edelfteinhändter von Khotan nad) Indien,
zu den Zeiten der Monghotenkaifer, um ihre Prachtbauten in Delhi zu
ſchmuͤcken, verfolgt, welche Moorcroft wieder entdeckt hat, die über
Suritia (fher Surifgol, Saragol auf Klaproths und auf
Grimms Karten), im Oſten des Puſchtikhur, und über den Karas
korum-Paß nad) Ladakh, von da über Rudok, duch Una Defa
das Land der Shawl-Wolle, und dann über den Himalaya nad) Hindoftan
hinabführte zum Lolldong= Paffe, die Badſchah, d. i. Kaiferftraße
genannt, auf welde wir hier zurüdweifen (f. Afien II. ©. 560 — 562).
Dem Ju-Steine hat Khotan feine Berühmtheit im Oriente
noch mehr zu verdanken als der Sanskeit= Literatur und feinem zelotis.
ſchen Eifer im Buddhathum: denn diefer Iegtere Ruhm war vorüberges
hend, Die Fundgrube des Zu erhielt ſich aber, durd) alle Jahrhun—
derte, bis heute, und wenn fie früher ven einheimifchen Königen
die Mittel gab, durch deſſen Bergabungen, wichtige, politifche Relationen
mit dem Auslande zu erhalten: fo ift fie heut zu Tage, als Eaiferliches
Monopol, noch ein Hauptgrund geblieben, den Scepter des himmlis
Then Reiches fegnend über die Barbaren in Khotan walten zu laffen,
und ihnen die Gnaden zw verleihen, die von dort ausgehen.
ft: Turkeftan, Khotan, Ju-Verbreitung. 381
Der ungemein Iehrreichen und gelehrten Abhandlung unfers hoch—
verehrten Freundes, des nun ſchon entfchlafenen Ab. Remufat, der
wir hier Yorzüglidy folgen, und welche uns am viele andere von ihm
ſchon vorbereitete, wichtige Arbeiten ähnlicher Art, bie er aber nicht
mehr vollenden ſollte, ſchmerzhaft erinnert, koͤnnen wir nur weniges
Wichtige hinzufuͤgen, einen Bericht, den neueſten, intereſſanteſten aus
dem Siyu wen Eian lo, 1778, über den Fundort ausgenommen, der
ihm damals noch unbekannt geblieben war. Naͤchſt Timkowskis4)
erſter Mittheilung verdanken wir denjelben, in einer vollftändigen Ueber—
fesung, dem Pater Hyacinth aus dem Chineſiſchen ins Ruſſiſche, und
aus dem Ruffifchen dem Dr. Schott *°),
"Bir wollen fogleich mit diefem vollftändigften, Iehrreichen Berichte,
nad) defjen eigenen Worten, doc) fo, dab wir des Paters irrige Vertau—
fhung des Wortes Jaspis mit dem Namen Ju weglaffen, und diefem
feinen urfprünglichen chineſiſchen Namen reitituiren, beginnen, und dann
die Eritifhen Bemerkungen des fprachgelehrten Ab, Remufat und an-
derer Sachverſtaͤndigen folgen lafjen.
Der Zu, fagt das Si yu wen kian lo, wird in dem Zluffe von Kho-
tan gefunden, Die großen Steine diefer Art haben die Größe einer
Schuͤſſel, die Eleinern die einer Fauft oder einer Kaſtanie; mancher der—
felben wiegt 300 bis 400 Pfund. Sie find von verfchiedener Farbe; die
fchneeweißen, dunfelgrünen, wachsgelben, zinnooerrothen und tintens
ſchwarzen, fhäst man am meiften. Schneeweiße Zu mit rothen Puͤnkt—
chen, und dunfelgrüne mit Goldftreifen, find eine Seltenheit. Das Bette
des Fluffes ift mit Steinen von verfchiedener Größe bededit, unter denen
auch die Zu zerfireut liegen. Man erlangt fie auf folgende Weife:
Etwas fern vom Flußufer ſteht ein Mandarin, und in der Nähe deſſel—
ben ein Offizier von der Garnifon als Aufſeher. Zwanzig big dreißig
erfahrne fürkifche Taucher gehen in den Fluß, und ftellen fich der Quere
des Fluffes nad), Einer zur Seite des Andern, auf den Grund, fo daß
fie mit ihren nadten Füßen die Steine berühren. So oft ein ZusKiefer
fi findet, erkennt ihn der Taucher ſchon, indem er darauf tritt, Er
buͤckt ſich, alsdann hebt er ihn auf und bringt ihn an das Ufer. Ein
Soldat ſchlaͤgt an ein Eupfernes Beden und der Offizier macht auf ein
Stüd Papier einen rothen Punkt. Wenn die Taucher aus dem Fluſſe
heraus ſind, ſo muß die Zahl der Steine, welche ſie geliefert, der Zahl
jener rothen Puncte gleich ſeyn.
Außer dieſem Fundorte wird nun auch in dieſem Berichte des Si—
°**) Timkowski Voyage ed. Klaproth. Paris 8. T. I. p. 404 — 405.
*°) Opissanie Dshungharia i wosstotchnawo Turkistana ete, v. Pat,
Dpacinth nad) Dr. Schott's Ueberf. Abth. 2. über Yerkiang, nad
dem Si yu wen Eian lo (d. h. Befchreibung des von mir Gefehenen
und Gehörten an den Weftgrenzen des Reihe). Edit. Peking 1778.
%
*
a 2
382 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $ 5.
yu wen kian lo noch eines zweiten erwähnt, der 230 Li (etwa 164 geog.
Meilen) fern von Yarkend; es ift der Berg Mirdfchai, weldyer ganz
aus Zu von verfchiedenen Farben befteht. Einige ſtecken in einer Rinde,
andere haben Stückchen Quarz inmwendig (alfo ein drufenförmiges Vors
kommen). Wer reinen Su, ohne alle Beimifhung zu erhalten wünfcht,
und dazu Stuͤcke die bis zu 10,000 Pfund wiegen, der muß auf den
hoͤchſten Gipfel des Berges gehen, bis wohin felbft die Eingebornen nur
mit Mühe gelangen koͤnnen. Es giebt hier Ochſen, die gut klettern.
Der Turk befteigt einen ſolchen Ochfen , verfieht fi mit Werkzeugen,
und haut wenn er oben angekommen ift die Steine ab, weldye dann von
-felbft hinunterrollen. Diefer Zu heißt Berg-Ju. Derfelbe wird,
nad) einer Anmerkung des Pater Hyacinth, auch noch auf folgende Art
gewonnen. An einem dazu ausgewählten Orte jest man einen Haufen
Brennholz nieder, und zündet diefen an, Iſt das Holz verbrannt, fo
haut man das heiß gewordene Zu ſtuͤckweiſe ab. Ohne diefe Vorkehrung
it das Abhauen fehr Schwierig. Zu diefem Gefchäfte wohnen ftets Lifes
ranten mit Brennholgvorräthen am Fuße des Berges. Die Stelle diefes
Berges Mirdfchai wird nicht näher bezeichnet; indeß ſtimmt die Lage
der heutigen Stadt Mizar oder Mifar (f. Afien II. ©. 638), unter
370 N. Br. und 75° D.L. v. Par. (auf Klaproth Carte centr, de l’Asie),
im Südoften von Yarkend, der Diftanz nad) fo genau mit jener Angabe,
dag wol die nahe Gebirgskette, welde die weſtliche Fortfegung des Ka⸗
rangoui Tak von Khotan gegen Yarkend hin bildet, eben diefer Berg
Mirdſchai feyn möchte. Hierzu kommt eine Unterftügung diefer Ver⸗
muthung in der ganz dicht daran, gegen Süd, auf der Route nach
Ladakh liegenden Station, Tereklak Payin, auf derfelben Karte,
die offenbar der Eingang zu der beherrfchenden Paffage über Kulan zum
Neuen Bergpaffe ift (f. Afien II. ©. 638). Im diefer möchte man
den fonft unbekannten Namen ber Provinz Peyn (Pesyn, Poim
oder Poin)*+*) des Marco Polo wieder erkennen, die er zwifchen
Yarkend (Karkan) und Khotan, zu feiner Zeit, ald den Fundort der
Ghalcedone und Jaspis (Diaspro, d. i. der Kaſch) bezeichnet, die alle
nur von dort nad) China gebracht wurden. Diefe Vermuthung wird
aber durch Mir J'ſſet Ulahs Reifeberiht zur Gewißheit erhoben, der
eben bier, obwol ihm diefe Erinnerung an das alte Peyn unbekannt
bleibt, dafelbft die Lage des Ju-⸗Bruches beftimmt angiebt. Seine Worte
find in der früher ſchon eitirten Ladakh-Route nad) Yarkend folgende:
Rad) unferer Abreife von der legten Station (vor Yarkend), erreichten
wir das rechte Ufer des Fluffes von Yarkend, den wir zu Kulan uli
64) M. Polo Ed. Marsden L.I. c.33. p.154, cf. Ab. Remusat
Hist. de Khot. p.119; vergl. Il Millione Ed. Baldelli Boni Fi-
renze 1827. 4, Vol. I. Lib. 1. c.41. p. 34 Not.
Oſt-Turkeſtan, Khotan, Kurs Verbreitung. 383
hatten lin ks liegen laffen. Ein wenig über biefen Ort hinaus, {ft im
Flußbette „die Hefhenftein- Mine,” *7) welche die Einwohner
aber nicht bearbeiten können. Steht das Waſſer fehr niedrig, ſo ſchickt
die chinefifche Regierung Taucher, um den Grund des Fluſſes zu unters
fuchen, und alle Steine, die darin gefunden werden, find ihr Eigentum
u. ſ. w. Kulan ift aber die ganz nahe Station, die kaum eine Meile
ſuͤdlich vom obgenannten Payin entfernt liegen Tannz das Peyn
Marco Polo’s ift alfo hierdurch wieder aufgefunden, und fein Schreibe
fehler.
Der Zu von Yarkend und Khotan, weldher in den Flüffen Sus
rungkaſch (hier, ift nicht „„tafch‘ fondern „kaſch“ gefchriebenz
taſch im Turki ift Stein, aber kaſch fpeciell der Zu=- Stein) und
Karakafch gefunden wird, kommt in unbeftimmten Quantitäten an
den Hof, und wird von Station zu Station bis Peking auf Kameelen
transportirt. Privat- Transporte find fireng verboten; aber ſowol die
Eingebornen als die Kaufleute verfahren dabei, fagt das Si yu wens
kian lo, mit folder Schlauheit, daß man diefem Unfuge trog aller Wach⸗
famkeit nicht zue Genüge fteuern Tann.
Diefelbe Nachricht von dem doppelten Fundorte des Zu hatte auch
fon Pater B. Goës *®) ganz richtig gegeben, nur in feinen Namen
zu fehr entftellt (er nennt den Stein mit dem chinefifhen Namen Zusce,
d. i. offenbar Sushi, Ju-Stein; den Berg mit dem Ju-Bruche nennt
er Eofanguicafcio, d. i. offenbar Karangoui Kaſch, oder
Tat. Er liege 20 Tagereifen fern von der Refidenz Yarkend (Hiar—
dan), in wilder Einfamkeit, man koͤnne dort Platten von 2 Ellen
Breite abfpalten, während der Zu in dem Fluſſe nur wie Perlen gefifcht
werden müffe, ’
Diefer Ju-Stein oder Kaſch iſt e8, der bei den aftatifchen Voͤl⸗
£ern unter den Steinen im Köchften Werthe fteht, und für China als
kaiſerliche Prärogative erfcheint. Wir führten fchon früher an, daß die
Fülle und Pracht diefer Schmudfteine in der Eaiferlihen Vila zu Jehol
die britifchen Befucher überrafchte, und daß auf jedem der Eaiferlichen
Seſſel aller zahllofen Zimmer dortiger Paläfte jedesmal ein Scepter
lag, aus diefem Steine gefchnitten, in Form einer Blume, die ald Syms
bol vom Gluͤck und. Wohlſtand der regierenden Dynaftie gilt (f. Aſien L.
©.138). Die höhere, magiſche Bedeutung, welche diefem Steine -beis
gelegt wird, geht ſchon in frühere Zeiten zurüdz denn die Schaale *°)
*7) Mir Issst Ullah Voyage dans l’Asie eentrale 1812. in Klaproth
Magasin Asiatique. Paris 1826. 8. T. II. p. 28 *°) Nicol.
Trigautins de Christiana Expeditione apud Sinas 1. c. p. 552.
*°) Sfanang Sfetfen Gefch. der Oſt-Mongholen aus dem Monghol.
= 3. Schmidt 4, St, Petersburg 1829. S. 83 f. Not, 36
nz
ee
384 Weft-Aften, I. Abfchnitt. 6. 5.
mit dem Töftlichen Tranke Daraffun, welche dem Tſchingiskhan vom er-
habenen Chormusda Zegri zur Beftätigung feiner göttlichen Abſtam—
mung dargereicht wird, ift von bdiefem Zu (Chas bei Schmidt), eben
fo wie fein Herrfcer » Siegel, Chas Boo genannt. In den weit äls
tern finghalefifhen Annalen (Mahavamfi, nad) berichtigter Schreibart)
bildet fogar Zu den himmliſchen Thron des Buddha, Es heißt da⸗
ſelbſt *5°); As Budha Gautama zum Buddha ward, erhob er ſich auf
einem Throne von durchſichtigem Stein, der aus der Erde in den Hims
mel ftieg, dem Ju, an den Quellen der Himalayahöhen, der die Kraft
des Talisman hat und Buddha zum Thronfig dient. Upham der Les
berfeger aus dem Ginghalefifchen erklärt ausdruͤcklich, daß es der Zu
aus Khotan fey, der hier bezeichnet werde, obwol wir fonft feine Spur
finden, daß er jemals durchſichtig wie Bergerpftall oder andere Edels
fteine vorfommez wol aber wird einer durchſichtigen Quarzart aud) der
Ehrenname Su beigelegt (Choui-Ju, d. h. wafferheller Su,
wegen feiner wafjerhellen Klarheit) °),
Daß Schon im II. Sahrhundert vor Chr. G. diefer Su, unter der
HanzDynaftie als das Eoftbarfte Product von Khotan angeführt wird,
ift aus Obigem bekannt. Seitdem geht fein Ruhm durch alle Sahrhuns
derte dur. In welcher Menge er ausgeführt ward, und fid) dabei
immer noch in den höchften Preifen erhielt, geht beifpielsweis aus den
Annalen vom Sahre 780 hervor. Damals warb der Hofmarſchall des
Zaiferlichen Palaftes aus China nad Khotan gefickt, um dieſen mit
diefem Schmudfteine zu verfehen. Es brachte verfelbe auf feiner Karas
wane von Kameelen, in diefem Jahre allein, mit zurüd, von Zu *2):
eine Zafel, 5 Agraffen, ein Wagenornament, 300 Stud Zafeln zu Gürz
telfhmud, 40 Aaraffen für den Kopfihmud, 30 Vaſen von Su, 10
Armbänder, 3 magifche Eylinder (Pilons) und 100 Pfund an rohen
Stüden. Doch wurde Alles dies eine Beute räuberifcher Hoeihei (Zurk) -
der Sandwuͤſte. Späterhin werben noch viele andere Schmuckſachen,
felbft ganze Schränke *2) von Zu (wahrfcheinlid, fournirt), Schreibzeuge,
und andere daraus gefertigte Dinge genannt: ß
Sn neuern Zeiten, feitdem der anftehende Bruch im Berge Mirde
fchai bekannt wird, mag es auch größere Mafjen dieſes Eoftbaren Stei—
nes geben; früher waren fie ſtets nur auf mäßige Größen. befchräntt,
Jedes Zahr, den fünften und festen Mond, fagt ein dhinefifcher Bes
richt °*), zur Zeit der Ming, uͤberſchwemme der Strom, wälze vielen
Su mitz verliere er dann fein großes Waffer, fo fange die Su- Ernte
5°) Mahayansi Edit. Upham. 1833. 8. Vol. I. ch. I. p. 4.
A Hist. de Khotan in Recherches J. c. p. 168.
=) Hist. de Khotan P» 73: 5) ebend. p» 82.
53) ebend, p. 112.
Dft-Turkeftan, Khotan, Ju-Stein, Kaſch. 385
an. Auf des Kaifers von China Verlangen nach großen Stücen, ſchreibt
der Koͤnig von Khotan, es ſey ſchwer dergleichen zu finden; ſelten ſeyen
fie 1 Schi und 1 Thſun (1 Tchhi = 0'305 und 1 Thſun —-
L Schi ), d. i. efwas über einen Fuß lang. Das größte damals nach
—* Suchen gefundene Stuͤck hatte 2 Thhi (= 0610), alſo etwa
2 Fuß Länge; feine Farbe glich der des Specks. Es werden vorzüg-
lich fünf Farben und Eigenfchaften angegeben, nad) denen die Stüde im
Werthe fanden: weiß, wie Sped in 9 Gradationen; gelb, wie ge⸗
kochte Kaſtanien; ſchwarz wie Firniß; roth, wie ein Hahnenkamm;
gruͤn, die gemeinſte Art. In dem kaiſerlichen Palaſte zu Peking ward
ein Maaßſtab (Etalon)°*) für alle Nuͤancen des Zu angelegt,
die anfommenden Stüde abzufhägen, wie bafelbft ein Maapftab zur
Prüfung der Reinheit des Goldgebaltes eingerichtet ward, Alle Arten
des Zu > Steines, welche noch heut zu Tage gefunden werden, ftchen
zuerſt dem Kaijer zur Auswahl,
Außer Khotan wird zwar, in einer gewiſſen Periode, angegeben (im
Hung fing tian) 5°), daß der befte Su aus Lanthian in Schenfi und aus
‚einigen andern Gegenden gegen Jinan, in Süd- China, in den Waffern
(wol als Kiefel?) gefunden werde; daſſelbe ſagt auch die dhinefifche Nas
turgefchichte des Penthfao °?); aber diefe Fundorte hörten auf; es
ward Eein Zu mehr von dort gebradht, und aller Ju zu den Schmud:
vaſen, zu den Geremonien, zu dem Geſchirrſchmuck der kaiſerlichen Equi—
pagen, zu den DOrnamenten des Palaftes und der Garderobe des Eaifer-
lichen Hofes, ward nur allein fernerhin noch von Khotan geliefert. Was
in neuefter Zeit von Dr. Clarke Abel ®) über das Vorkommen des
Su in der Provinz Yünnan gefagt wird, die er eine der Nordprovinzen
nennt, fcheint wol nur ein Irthum zu feyn. Der Su wird, feiner Härte
ungeachtet, zu ben mannichfaltigften Gegenftänden aud) gegenwärtig noch
verarbeitet. Alle Bogenfpigen beftehen aus Suftein, eben fo felbft Ket—
ten, Scepter, Taſſen, Vaſen. Eine eigene Claffe von Steinfdhneis
dern (Jutſiang genannt) arbeitet ununterbroden im Eaiferlichen Pa—
lafte, und oft find 10 Arbeiter mit einem und demfelben Stüde beſchaͤf—
tigt. Er foll mit Korundpulver, das angefeuchtet wird, und mit Dia—
mantfpath gefchnitten werden, die fie aus Ganton erhalten follen. Den=
noch fcheinen fie dabei noch eigene, den Europäern unbekannte Metho—
den zu befisen. Die Arbeit ift ungemein koſtbar; in Peking jelbft, bes
merkt Dr. Clarke Abel, ſey der Preis eines Griffs, in Form einer
Eidere, von weißem Su, an 120 Dollars, oder nach Silberwerth in
85) Hist. de Khotan p. 115. 3°) ebend. p. 137. 67) ebend.
p- HI. 58) Clarke Abel Nasrative of a Journey into the
Interior of China. Lond. 1818. 4. p. 132, 212.
Kitter Erdkunde VII. Bb
S
386 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 6. 5.
China 30 Guineen. Bei dieſem hohen Preiſe ſey dieſe Waare, ihrer
Nutzloſigkeit ungeachtet, doch ganz ungemein geſucht.
Leider iſt der Ju-Stein ſelbſt noch in den europaͤiſchen Mineralien⸗
ſammlungen ſehr ſelten und nicht mineralogiſch unterſucht; deshalb ſeine
genauere Beſtimmung, welche ihn wahrſcheinlich zu einer eigenthuͤmlichen
Art erheben wird, ſehr wuͤnſchenswerth. Ab. Remufats Unterfus
chungen #°?) verdanken wir die genauere Unterfcheidung dieſes merkwuͤr⸗
digen Productes von vielen andern, damit, nad) Namen und Inhalt,
ftet3 verwecjfelten Gefteinsarten. Daß Marco Polo dieſen Stein une »
ter dem Namen Diaspro in Peym kannte ift oben gejagt, wie baf
Hater B. Goüs aus Khotan felbft ſich mit diefem Su (den er eben=
falls Jaspis oder Marmor nennt) einen nicht unvortheilhaften Handel
trieb. Hättner, van Braam, Deguignes, Grofier und Andere nannten
ihm nach den Anfichten der Miffionare in Peking Agathe oder Jaspis,
B. Go&s war von Kabul aus gereift, wo er in der Karamane einer
Schwefter des Königs von Kaſchghar, deren Verwandter auch der König
von Khotan war, 600 Goldftüde, ohne Binfen, vorftredte, da ihr auf
der Rückreife ihrer Pilgerfahrt von Mekka das Gold ausgegangen war.
Diefe Dame verfprah ihm, in ihrer Heimath, die Summe wieder zu
zahlen, was fie auch redlich thatz der Pater z0g es vor, die Auszahlung
zu Khotan in Su=r Steinen einzucaffiren, weil dies die bequemfte
Handelswaare °°) nad) China ausmadıte.
Bei mehrern tatarifchen Völkern heißt diefer Zu wirklich Kafdı
(Chass), woraus, unftreitig ſchon in frügefter Zeit, der Name Jasp
oder Saspis hervorging. Aber der Name Zu ift für diefen Stein
als eigenthümliche Benennung fehr antit. Schon im Li-ki, im Kapitel
Pheng-i, und felbft im Seking des Gonfuge (Khung-fu- dfü) kommt
er vor, wo fein Schriftzeidhen °') + die Schnur dreier Eoftbarer
Steine bezeichnet, zu welchem erft fpäter, zur Rechten, ein Punct zuges
fügt wird. Unter der Dynaftie der Han erhielt er den myfteriöfen Nas
men Hiouan-tchin (kiefe Wahrheit). Im Japaniſchen heißt er Tas
ma, Artama, Giok; im Mongholifhen Kaſch oder Kaſch-tſchila⸗—⸗
gun (nad) Ab, Remuſat; Ehaff oder Chaſſ-Tſchilohn bei 3. 3.
Schmidt °?); vergl. Aften II. ©, 288); bei den orientalen Turk Gas,
Kaſch, Khaſch, und daher hei den Perfern Yeſchm, PYeſcheb
(Saspis). Den dhinefifhen Namen Zu haben aud die Zübeter in
659) Ab. Remusat Recherches sur la Substance minerale appellee
par les Chinois Pierre de Ju et sur le Jaspe des Anciens in Hist.
de Khotan. Paris 1820. p. 119— 239. °°) Nicol. Trigautius
de Christiana Expedit. apud Sinas. 4. Ang. Vindelic. 1615. p. 548.
°!) Ab. Kemusat Rech. p. 124. °?) Sfanang Sfetfen Gef, d.
OR: Mongholen a. a. O. S. 83 Not. 36 ©. 382.
Oſt⸗Turkeſtan, Khotan, Ju-Stein, Kaſch. 387
G⸗Ju beibehalten (doch ſoll er auch Chel heißen), wie die Mongholen
in Ugju, und die Mandſchu Gou. Setzen die Chineſen aber noch die
Bedeutung Stein hinzu, fo beißt ev Ju-chi, d. i. Juſchiz eben ſolche
Zufäge find bei den Mandſchu die Namen Gou-wekhe, bei den Mon—
holen Kaſch- oder Chafj-Tfhilohn, was in der Ausfprade
Kaſch-Oſchilun oder Oſcholon Elingt, woraus denn der Name in
Kafholong (Cacholong) übergegangen, womit bie Kalmüden fehr
allgemein ihre Agathe mit Opalfarben und andere Steine bezeich-
nen (f. Aſien I. ©, 884, 11. ©. 349, 351 u. a. D.). Durch die Berg-
leute in Nertſchinsk und Barnaoul ift der Name Kafholong zur Be-
zeichnung jener Tönen Kiefel des Hochlandes, in allgemeinen Gebrauch
gekommen, und bezeichnet, obwol es urfprünglich derfelbe Name ift (der
auch in die Echriften der Naturforfher wie Wallerius, Cron—
ſtadt, Pallas.u. a. überging), doch von dem eigentlichen Kaſch oder
Su gang verfchiedenartige Geſteine.
Die Tefuiten Miffionäre 2), welche den Stein felbft Eennen lern⸗
ten, und ihn am beften befchreiben, haben jedoch irrig den Su vom
Vu⸗-che unterfchieden, was nur cine andere Schreibart if. Die Chines
fen, welche alle phyfifchen mit den moralifchen Eigenichaften ſyſtematiſch
zu paralleliſiren pflegen, geben, nach dem Hiu-chin, dem Su den Vor—
rang vor allen andern Steinen nad) feinen 5 phyſicaliſchen und 5
ſymboliſch-moraliſchen Eigenfdaften °*): 1) fein Glanz
ift mild, human; feine Feftigkeit ift die der Moderation und Gerech—
tigteit; 2) fein Klang gleicht dem der verbreitetften Wiffenfchaft; 3)
feine Unbiegfamteit, Unveraͤnderlichkeit, bezeichnet den Muth;
4) fein Gefüge, oder Korn, ift das Symbol der Reinheit. Der ganz
weiße, Elingende, dem Schweineihmalz gleich fehende, wird der wahre
Su genannt, von welchem die übrigen nur als die Varietäten angefehen
werben. Auch giebt es kuͤnſtliche Nachahmungen diefes Steins bei den
Hinefenz; deren Maffe zu Gläfern, Vaſen u. f. mw. verarbeitet ſchwer
zu unterfcheiden ift von dem ächten, und weit in den Handel bis nad
Syrien, Arabien, Aegypten ging °®).
Die frühere Verwechslung der fibirifchen Kaſcholongs, Agathe, Zass
pis u. f. w., welche von den Mongholen, Buräten, Zataren in Daurien
in Menge in ganzen Säden in den Handel nad; Nertſchinsk, Irkutzk u,
f. w. kommen mit dem Su, ift durdy Klaproth, den Sohn und Vater,
berichtigt, da jener denfelben auf dem Markte von Kiachta (1805), als
ganz verfhieden vom Jaspis Eennen lernte. Der Zu in Kiachta ift von
enormen Preifenz der Elinfte Zlaccon wird bafelbft mit 00 Rubeln
) Memoires Concerrant l’Histoire des Chinois, T. VI. p. 258 etc.
°*%) Ab. Remusat Recherches in Hist. de Klıotan p. 133,
6°) ebend, p. 159,
502
388 Welt: Afien, I. Abſchnitt. 9. 5.
Silbergeld, oder 900 bis 1000 Franken bezahlt; dagegen biefelben Flac⸗
cons von Kaſcholong, in welpen die Chinefen dort ihren Schnupftabad
zu haben pflegen, nur 2 bie 3 Rubel, zu jener Zeit, Eofteten. Ein his
nefifcher Siegelring aus Su, den Klaproth der Sohn, feinem Vater, dem
berühmten Chemiker zur Analyſe übergab, ward als Nephrit, Ja—
de °5°), anerkannt (Meſchm im Zatarifhen, Chaff im Mongholifchen,
Jaſchma im Ruffiichen). Denfelben Stein haben die Briten in ben
Kaiferpaläften als jene Scepter wiedergefunden, und Jade de Chine ges
nannt, wovon «8 jededy au eine nachgeahmte Porzellanmaffe bei den
Ghinefen giebt, die fchon Prosper Alpin und Makrifi als Handelswaare
in Aegypten kennen. (Diefer fehe harte Nephrit ift völlig verfchieden
von "dem öfter damit verwechfelten fogenannten dhinefifchen, weichen,
ſchneidbaren Spedftein, aus welchem die gefertigten Bilder bekannt find,
die ihm den Namen Agalmatolith verfchafft haben.)
Nah Hauy und Cor diers mineralogifchen Beftimmungen, und
nah Ab. Remufats Folgerungen °”), wäre dieſer hinefifhe Su,
als Jade de Chine, identifch mit der Jade Oriental, oder dem Nephrit
(Lapis nephriticus) der frühern Syſteme, mit dem er wol fehr nahe
verwandt, aber doch fuͤglich nicht identifch feyn mag. Gordier bes
merkt, daß der hinefifhe Su (den er Jade chinois nennt) nur in
Rolltiefeln, von Nierengeftalt, nad) Europa komme, von wachs⸗
weißer bis zur olivengrünen und lauchgruͤnen Farbe; halbdurchſcheinend
wie Wachs, ölglänzend, fettig fey, und die größte Zähigkeit unter allen
Steinen habe; denn er widerftehe jedem Hammerfchlage. Der Bruch ift
matt, Diefe hinefifhe Jade gleiche volliommen der indiſchen
Sade, deshalb fie Jade Oriental von Hauy genannt ward, aud) den
europäifchen analogen Arten vergleihbar fey. Aber gegen diefe Spentität
des hinefifhen Zu und ber Jade Orientale, die aus Indien,
Perſien, Sibirien und felbft aus Aegypten nad) Europa eingeführt wird,
ift manderlei Einwurf °®) vorhanden, und die hinefifche Jade
(die Samefon Prehnit*?) nennt) von der orientalen Jade
(Nephrit) ficher verfchieden, wie aus dem Urtheil eines Beobachters
in Galcutta hervorzugehen fheint, der, nad) Dr, Abel, auch noch einer
dritten davon verfchiedenen Art, nämlich des birmanifchen Jade
(Zu fhe lu tfe bei den Chinefen, Kyouptfing oder Modyoothwa ber Burs
mefen) erwähnt, worüber wir die Unterfuchungen den Autopten übers
laffen müffen.
Frühere Hypothefen haben die Gefäße aus diefem SusSteine
für die Vasa murrbina der Alten gehalten; Ab, Remufat hat fih
°°°) Ab. Remusat Recherehes 1. c. p. 176. *7) ebend. p. 185.
°*) Calcatta Gov. Gaz. und danach in Asiat. Journal XXI. p. 196
bis 148. *°) Jameson Mineralog. 2. Edit. Vol. I. p. 105.
Dt: Turkeftan, Yarkand, Lage. 389
aber bemüht darzuthun, daß der Jaspis der Alten ’°) (z. 3. der
grüne mebieinifche Stein deö Galenus de Simpl. Medie..facult. ). VI.
e.19. ed. Charter T. XIII. p. 258; zAwgos ieonıs, fein Magenftein)
nicht der Zaspis der Neuern, fondern der Ju der Chinefen war, den
fie aus dem Orient erhielten, oder doc der Yefchm, d. i. die orientas
liſche Jade. Von diefer offieinelten Eigenſchaft auf die Nieren
zu wirken, erhielt er den Namen Lapis nephriticus, und bei den Aras
bern, 3.3. bei Zeifafchi, gilt der Jaspis der Altın noch für ein Ymus
let gegen die Magenübel. Denfelben Glauben haben die Chinefen
von ihrem Su, wie er noch heute vom fähfifhen Serpentin gilt,
von dem die Magenfteine allgemein befannt find. Der officinille,
moderne Rame Lapis neplhriticus, meint Ab. Remufat,. habe im Abends
lande als Rephrit, Jade, Steatit, Serpentin, Nierenftein,
Magenftein, wol erfi den antiken Namen Jaspis verdrängt, der
dann auf andere Mineralien übertragen ward, welche die Alten nie da⸗
mit belegten. Die älteffe Erwähnung des Zu oder Jaspis der Als
ten findet er im Bruftfhilde Yarons (wo Safchpeh offenbar Jas—
pis, 2. B. Mof. 28. 20, genannt ift) ?'), und vom Saspis ſagt fchon
Plinius: Antiquitatis gloriam retinens.
Ju, Jaſchpeh, Saspis, Yeſchm, Kafdh, find alfo nur vers
ſchiedene Formen eines und deffelben Wortes, in verfchiedenen Zei—
ten und unter verfchiedenen Völkern, welche diefelbe mineralogijdhe
Subftanz bezeichnen, die von jeher im hoͤchſten Preife, in höchften Ehren
ftand, nur in Khotan hauptſaͤchlich ihr Muttergeftein findet, und
daher diefen Ort in der früheften hiftoriichen Zeit zu einer bedeutenden
Eultur, zu bedeutendem Verkehr mit andern Voͤlkern erhoben hat.
Erläuterung 2.
Yarfand der Einheimifchen; Yarkend, Serken, Yarkiang (. h.
im Turk weites Land); Hiarchan bei B. Goes; Karkan
bei M. Polo; Ye olh Ehiang der Chinefen, als Gapitale,
altes Koͤnigreich und gegenwärtige Chinefiiche Provinz.
Ueber Yarkand, nah v. Hallerftein aftronom. Beobach—
tung unter 38° 19° N.Br. und 73° 57° 30” DL. v. Par. gelez
gen, find wir zwar nicht fo genau in den frühern Jahrhunderten
feiner Hiftorien bewandert, wie in denen von Khetan, doch geht
auch die Kenntniß diefer Ortſchaft bis in die Periode vor unferer
70) Recherches I. c. p. 211 — 229. 71) Recherch. 1. ec. p. 233;
vergl. Rofenmüller Handbuch der biblifchen Alterthumskunde. IH. IV.
1830, ©, 43.
390 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 9 5.
Zeitrechnung zurück, und in der Gegenwart iſt diefer Ort bekann—
ter geworden ale Khotan, da er von verfchiedenen Reiſenden bes
fucht ward, und eine Gapitale der modernen Herrfchaft der Chis
nefen dafelbft geworden if. Da wir auch hier nur einzelne Au—
geazeugen und andere Berichte aus verfchiedenen Zeiten befigen, _
ohne zufammenhängende Pocalforfihungen, fo laffen wir erft dies
felben Neifenden der verfchiedenften Völker und Zeiten reden, und
laffen ihnen dann die allgemeinern Befchreibungen folgen. M.
Polo und B. Goss kehren auf ihren Wanderungen nach Kho—
tan auch in Yarkend ein, Mir Iſſet Ullah ift der neuefte
Augenzeuge; die türkifchen, arabifchen und chinefifchen Geogra—
pbien und Gefchichten müffen die bleibenden Lücken füllen. Zus
gleich bemerken wir hier, daß auf der Srimmfchen Karte
von Hoch-Aſien, zur Erdfunde, Berlin 1832, alle Zeichnung
der Hydrographie diefer Gegenden Turkeftans mit doppel—
ten Linien, aus dem chinefifben Original-Atlas der
Neichsgeographie, Taything hoei tien, Peking. Edit.
vom Fahre 1815, forgfältig in die Karte einzutragen verfucht ift;
daher die Abweichung der Zeichnung von Klaproths Carte cen-
trale de P’Asie, die nach frühern Editionen fich richtete, beide
Zeichnungen laffen freilich noch vieles zu wuͤnſchen übrig (vergl.
fen J. S. 1045). Sie werden ſchon in etwas durch Burnes
Map vervollftändigt und berichtigt.
1. Karkan nad Marco Polo (1280).
M. Polo fpricht nur wenig von der Provinz Karfan 67)
(die in feinen. verfchiedenen Editionen auch Carcham, Carchan,
Carthan und Garcam heißt), zu der er von der Grenze Samar:
kands fortfchreitet. Sie ift, fagt er, dem großen Khan unterger
ben, und hat meift Mohammedaner zu Bewohnern, doch aud)
neftorianifiche Chriften. Es ift dort Vorrath an allen Beduͤrf—
niffen, zumal fehe viel Baumwolle; die Bewohner find unge
mem Eunftreich. Aber ein Hebel, die gefhwollenen Glieder
und die Kropfbitdung, find fehr allgemein verbreitet, was
man dem Trinkwaſſer zufchreibt. Ohne anderer Merkwürdigkeiten
zu erwähnen, geht der edle Venetianer von da zur Befchreibung
von Khotan über. Sein Befuc) fällt- dafelbft (um das Jahr
°??) M. Polo Travels, Ed. Marsden L. I. ch. 31. p. 150; ed. Bal-
delli Boni Vol.1. L.I. c. 39. p. 33.
Oft Turkeftan ‚ Darkand, Hiarchan. 391
1280 n. Chr. ©.) freilich in die Periode, welche unmittelbar den
größten Zerfiörungen nach Tſchingiskhans Zeit folgte.
2. Hiarchan nad) DB. Goës (1603).
Der portugiefifhe Zefuiten Pater B. Goss kam, im No: .
vernber 1603, nach einer ungemein befchwerlichen Neife von Ra:
bul über Badakhſchan, und die hohe Gebirgspaffage des
Puſchtikhur (f. ob. ©. 16, wo er die Berge Sacrithma und Cie:
cialith nennt), durch einen Iheil der füdlichen Kafhghar- Provinz
(Cascär), zu der damaligen Metropolis des ganzen Königreiches,
die ee Hiarchan 2) fehreidt, das Karkan des Venetianers, das
Yarkand, Yerkend, oder Jerken der neuern Zeit. Dies
Hiarhan, fagt er, ſey zu feiner Zeit die berähmtefte Reſidenz
des Königreihs Kafchghar, das größte Emporium durch das Zu:
ſammenſtroͤmen der Handelsleute und die größte Manzichfaltig:
keit der Waaren. Die Handelsfarawane, welde, damals,
aus den indifchen Staaten der Groß: Moghulifchen Kaifer, vor
Kabul abging, und außer den Waaren Yndiens auch die Mekka—
pilger in ihre turkeftanifche Heimath führte (wobei eine Prinzeffin
Agebane, d. i. Hadfihi Hane, die Schweſter des Königs von
Kafhahar, Maffamer Can, wol Mohammed Khan,
war, durch deren Schug- der Pater eine günfligere Aufnahme
dafefbft erhielt), war nur auf Yarkand gerichtet. Hier ging fie
auseinander; denn neue Karawanen fammelten fich dort, um
weiter bis Khatai (China) vorzudiingen. Aber die Stelle des
Karawanenführers ward nur vom Konige von Yarkend für
große Geldfummen verkauft; dafür ward demfelden vollfommen
Fönigliche Gewalt über die Karawane verliehen. - Ehe fi eine
folche von neuem organifirte, ging gewöhnlich ein Jahr darüber
hin; und auch dies gefihahe Eeineswegs regelmäßig jedes Jahr,
fondern nur dann, wenn man mußte, dab fie in Khatai, d. i. in
China, eingelaffen wurde. Auch blieb der Weg ſtets gefahrvoll
(ſ. Aſien J. ©.219— 222 u. f.). Der fihlaue Pater machte dem
Könige mit einer Uhr, einem Tubus und andern annehmlichen
Dingen Gefchenfe, ſich deſſen Gunft zu erwerben, verbarz ihm
aber feinen Hauptplan, bis China vorzudringen, und fagte vors
?2) Nicol. Trigautius de Christtana Expeditione apud Sinas silscepta
ab Soc. Jesu ete, 4, Aug. Vindelie. 1615. p. 548; Cap. Al.
p- 6581 - 556.
392 et: Afien. »I. Abſchnitt. 9, 5
lAufig nur, daß er bis zum Königreiche Cialis Yulduz, oder
Kharaſchar, f. ob. S. 329) reifen wolle, wozu er fich erſt die
Erlaubniß ausbitten mußte. Von dem Prinzen der zuruͤckgekehr—
ten Mekfapilgerin nachdrücklich unterftüst, gelang ihm fein Plan;
doch verftrichen 6 Monate che fich eine neue Neifegelegenheit bils
den wollte. In diefer Zwifchenzeit wurde der Ausflug nach Kho—
tan gemacht, auch fielen allerlei Händel vor.
Endlich) ward der Herzog der neuen Karawane, als Agiafi
(wol Hadſchi? Fuͤrſt) ernannt; diefer bewirthete den Pater
bei einem Gaftmahle und drang in ihn, der Karawane doc) bis
Khatai zu folgen: eben das hatte der Pater gewollt. Es war
auch des Königs Wunfch, und der Pater verfprach es, wenn ihm
ein freies Reiſepatent für die ganze Tour ausgeliefert würde. Als
er fo feine Sache in Sicherheit wußte, kaufte ſich B. Go&s,
für fi) und den Transport feiner Waaren und Leute, 10 Pferde,
und erwartete den Aufbruch der Karawane, mit der er, Mitte
November79 des Jahres 1604, Uber Akſu, Kutſche, Yulduz,
Turfan und Hami (Kamil, |. Alten L ©. 362) nad China, wor
hin wir ihn fihon früher nach Sotfcheou bis zu feinem früh:
zeitigen Tode geleitet haben (j. Alien L ©. 223), als Entdecker
fortfchritt.
3. Darfand, nah Mir J'ſſet Ullahs Reifeberiht”5)
im $ahre 1512. h
Aus diefes aufmerffamen Mohammedaners Neifebericht
von Ladakh nah Yarkand, it uns aus Obigem (Afien U.
©. 558, 635640) ſchon auf das genauefte, vom Gletfcher -Paffe
Karaforum an, nordwärts zum Yarkend-Fluß, über die doppelten
MWachtpoften und Grenzzoll-Linien die ebenere, bebaute und wols
bevölferte Landfchaft diefer Provinz, bis vor die Mauern diefer
Capitale, felbft bekannt genug, fo daß wir ihm nur noch in feiner
übrigen Befchreibung deffen was er in der Stadt felbft gefehen
und erfahren bat zu folgen brauchen.
Sie ift mit einem Erdwalle gefchüßt, durch welchen 5 Thore
in die Stadt führen. Gegen Weft das Altun Thor; gegen ©.
*’*) Nicol, Trigautius de Christiana Expeditione I. c. p. 556.
’®) Mir P’zzet Ullah Voyage dans l’Asie centrale 1812. in J. Klap-
volh Magasin Asiatique. Paris 1826. 8. p. 23— 34; bief. überf.
in Hertha VI. B. 1826. p. 341 — 345,
Dft-Turkeftan, Yarkand in neuerer Zeit, 393
das Chanfah mit der Eitadelle und das Mifrar: Thor. Gegen
Of das Kiakalbul- und gegen Nord das Yerekbagh-Thor. Die
Häufer find wie die Umwallung von Erde erbaut. Der Fluß
von Yarkand ift durch mehrere Canäle zur Bewaͤſſerung vers
theilt (es find vorzüglich zwei größere Arme von Weft und Sud,
nebft mehrern Eleinern, die fich hier vereinigen). Einige ders
felben gehen durch die Stadt, und aus diefen durch enge Röhren
in Cifternen, wo das Wafler im Winter aufbewahrt wird, weil
dann das Flußmwaffer fehr abnimmt und alle Candle ſich mit Eife
belegen.
In der Stadt Yarkand, und ihrem Gebiet, rechnet man
40,000 Perſonen, welche die Kopffteuer (Alban) an den Groß:
Kadhi zu entrichten haben; fie wird aber nur von denen die
über 20 Jahr (nad) andern über 12 Jahr) alt find entrichtet,
Studirende, Mullahs, Neifende und Bettler find frei.von diefer
Abgabe, die 5 Puli (Kupfermünzen) bis zu 15 Tangſieh (1 Tanya
— 50 Puli) je nach dem Vermögen betragen fann. Die Eins
wohner von Parkend find fehr arbeitfam, meift Eleine Krämer
oder Kaufleute, nur eine geringe Zahl lebt in Knechtfchaft. Sehr
haufig fieht man bei ihnen Kröpfe (die fhon M. Polo be:
merkte); man fchreibt fie dem Waſſer zu, das fie aus Kürbiss
flafhen zu trinken pflegen. Die Frauen bedecken hier ihr Ge
fiht nach fonftigem orientalifchen Gebrauche, mit Schleiern nams
lich, gar nicht; weder Vornehme nod) Geringe. Die aus der
Fremde eingeführten Waaren auf den Markt von Yars
end zahlen Zoll; vom Verkehr im Innern des Landes wird
Feine Abgabe gezahlt. Die chinefifchen Karamanen bringen ihre
Waaren vom Grenzjollamt (Aurtang, f. Aſien I. ©. 638), und
legen fie auf dem Packhofe in Yarkand nieder, wo fie am fol
genden Tage durch die chinefifchen Zollbeamten revidirt und die
Dale vifirt werden. Was zum Gefchenk geſchickt und nicht in
großen Quantitäten eingeführt wird, berechnet man eben nicht.
Man ordnet daher ſchlau feine Waaren fo, daß die Zahl der
Stuͤcke nicht 30 bis 40 von einer Sorte beträgt, um die Abs
gabe zu umgehen. Wer z. B. 100 Shawls mitbringt, vertheilt
fie zuvor an feine Mitreifenden, und laßt fie auf den Namen
von 3 oder 4 verfchiedenen Kanfleuten der Karawane einregiftri-
ren, wo er dann wohlfeiler wegfommt.
260) Carte centrale de l'Asie.
u
394 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 5.
Die Streitigkeiten unter Kaufleuten werden durch eine Dans
tfhanet der Yayan, das ift durch eine gefhworne Juͤry von
Schiedsrichtern gefchlichtet, in welcher der Hakim Beg einen Yayan
oder Akſakal (cd. b. Aelteſter) für jede Claffe der Kaufleute
ernennt, Jeder fremde Kaufınann, mag er auch im Lande an
fäffig fenn, und ſelbſt Frau und Kinder haben, ift doch unter dem
allgemeinen Namen eines Mufafir, d. h. Neifender, bes
griffen, und zahlt dann Feine Kopfiteuer. Ein bedeutender Markt
ift bier der Pferdemarkt, welcher jeden Freitag gehalten wird;
alle Kirghifen Pferde find Elein und zu Wallachen gemacht, weil
fie dann gelebriger und lenkſamer find, und weil die Chinefen
feine Hengfte nehmen. Diefe Thiere find fehr behende, und wers _
den von 20 bis 100 Tanga verfauft, die theuerften Eoften ein
Hainu (?2). Außer andern Dingen verfauft man hier auch die
Bergut (eine Art Naubvogel von doppelter Größe des Falken),
die zur Falkenjagd auf Wildpret abgerichtet find, den Stein Yer
deh, der aus dem SKopfe einer Kuh oder eines Pferdes kommt,
und als Medien Wunder thut u. a. m.
Man baut im Sande Waigen, Gerfte, Neis, Mung (Boh:
nen) und Juari (Holcus), welhe Mir Iſſet Ullah wenigftens
init feinen in Indien gebräuchlichen Namen belegte, Die Pferde
werden bier nicht mit Hen, fondern mit Stroh gefüttert, und mit
Bindeln grünen und trocknen Ruͤſchkeh (2), wovon fie fehr fett
werden follen.
As Geld, Gemerkt derfelße Neifende, fey hier die Kupferz
münze Pul im Gebraud, davon 50 Stu — 1 Tanga; Tanga
fey aber blos eine imaginaire Münze. Die im Umlauf vorhan-
denen Silberftangen hätten 160 Rupien Werth), —= 224 Tanga.
Vom Münzfuß ift nicht weiter die Rede; wäre die Schägung
richtig, meint der Herausgeber der Reife, fo wäre in Yarfend das
Berhältniß des Kupfers um 12 Procent höher als zu Calcutta;
wenigftens mag dies ungefähr der Fall feyn. Das gebräuchliche
Gewicht ift das Maund = 8 Öherbilz 1 Gherbil ift = 8 Tſcha—
ref, 1 Tſcharek = 200 Ser; 1 Ser = 7 Mitzkal; 1 Migfal =
24 Nokhoud oder Gran (Erbfen). Der Preis des Waigens war
für 43 Tſcharek ein Tanga.
Unter dem Chinefiihen Gouvernement beftehen hier überall
doppelte Behörden, einheimifche und Chinefifch eingefegte. Das
Dberhaupt der Mohammedaner ift der Mohammed Hakim
Beg; der Chinefen find zwei Oberbeamte (wol der
Oſt Turkeſtan, Yarkand, Verwaltung. 395
Dſchangghiuͤm, Militairftatthalter, und der Amban ihm zur
Seite; vergl. Afien I. ©.4129). Diefe erheben die Abgaben, vers
urtheilen zu den Strafen, haben das Militaircommando und em—
pfangen die fremden Gefandtfchaften; dem Hafim Beg bleibt
nur die Entfcheidung der geringern Angelegenheiten, doch hat er
feinen reaulair eingerichteten Juſtizhof, fondern er erwählt einen
Alm Achwand, um die Function des Groß-Kadhi (Kadhi al
Euszet) zu übernehmen, und hat den Mufti und einen Kadhi zu
Gehälfen. Muß ein Eid gefchworen werden, fo fihieft der Alem
Achwand die Beklagten dem Kadhi zu. Der Hakim Beg wech
felt niemals, es fey denn, daß er einen groben Fehler beginge;
die drei andern Beamten werden aber alle 3 Jahre gewechfelt.
Auf die Mohammedaner werden von den Chinefen zweierlei Würz
den übertragen, die des Bang (wie z. B. in der Urga, f. Aſien
1. ©. 226 u. a. O., vergl. 1. ©. 291) und des Baidfü. Der
Vang trägt die Pfauenfeder mit 3 Blumen auf der Müse und
das Ornament des Edelfteininopfs, davon es 7 Claffen giebt, die
2 erften mit dem Rubin, die zweite mit der Koralle, welche der
Hakim Beg trägt, die dritte mit Yapis lazuli, die vierte und fünfte
mit blauem und grünem Glas, die fechfte mit dem weißen Stein
und die fiebente von Silber, welche fünf legtern für die Unter—
beamten, die Mirs, nach ihren refpectiven Nangordnungen gels
ten. m jeder der Städte ftehen einige funfzig öffentliche Beamte
unter dem Hakim Beg. Die Mirs erhalten vom Chinefifchen
Gouvernement Ländereien oder Gehalte, oder Lieferungen an Le—
bensmitteln, je nach ihrem Range, Die Truppen des Kaifers
von China, der hier Khan heißt, befiehen aus Fußvol mit Muss
Feten und Bogenſchuͤtzen. Mir Izzet Ullah giebt auch Eini«
ges über die politifhen Begebenheiten im Lande aus der Negies
rungszeit Khien longs, worüber wir aber durch Chinefiihe Be:
richte genauer unterrichtet find (f. Afien Bd. l. S. 463), Seine
Reiferoute von Yarfand nah Kaſchghar iſt lehrreich; fie
enthält folgende Daten 677), die wir in andern Nachrichten ver
geblich fuchen; fie ift auf Grimm's Karte von Hoch-Aſien eins
getragen. Die Diftanzen find nach Yol gegeben, deren Maaß
nicht genau zu ermitteln, davon aber 66 bis 90 Yol eine gewoͤhn⸗
lihe Station auszumachen pflegen. 41) Zueft vom Aurteng,
*?7) Mir V’zzet Ullah Vey. dans !’Asie Centrale in Magas, Asiat.
Le. TI. p. 3435.
396 Welt Afien, I. Abſchnitt. $. 5.
d. i. dem Zollpoften Karakuldſchaſch bis nach Kobribath. Es geht
an mehreren Kifchlaf, d. i. an Dörfern vorüber, deren jedoc)
keins bis zum Zollhauſe. Eigentlich beißen Kiſchlak nur die
Winterwohnungen der Einwohner, weil diefe den Sommer über
in Zelten zubringen; dann wurde der Name auf die Dörfer
übertragen. Am Zolljaus wurden die Päfle der Keifenden, die
nach Kafchahar geben wollen, unterfucht und vifirt. 2) Vom
Zollhaus find 40 Yol bis Tfchimlen, guter Weg dahin, wo
die Pälle zum zweiten male vifirt werden. 3) Von da 50 Yol
zum Aurteng Teffalch, ebenfalls ein Zollpoften; bis dahin trifft
man mehrere Dörfer, 4) Von da (die Diftanz ift ausgelaffen)
nah Yenghi hiffar (Ingachar), wo der Weg durch einen
Tograk: Wald (d. h. Brennholz?) geht. Es ift eine Chi—
nefifche Stadt (die neu erbaut, daher Neue Fefte genannt) uns
ter einem mohammedanifchen Hakim Beg fichend, der ein Vers
wandter des Hakim von Kaſchghar ift Cor heißt Mahmud Beg),
und unter zwei Chinefifhen Beamten. Bon hier, wie es feheint
am 5ten Tagemarfche, nach Paitſchaͤnd find 90 Yol, ein Zoll
haus; von diefem 6flens nody 90 Yol Weges nach Kafıhahar.
4. Yarkand, nad) den Ausfagen der Meffapilger in
Bombay (1835) ”®).
Diefe vervollffändigen und beftätigen die obigen Angaben.
Yarkand ift hiernach unter den 9 großen Städten und
Stadtgebieten des Chinefifchen Turkeftans die erfte, ihrer Ausdehr
nung und Volksmenge wegen, obivol jedes diefer 9 Stadtgebiete
politifch independent von dem andern, jedes feinen eigenen Gous
verneur und feine Ehinefifchen Refidenten hat. Es gehören viele
Eeinere Städte und Dörfer zum Stadtgebiete Yarfands, das
durch viele Bergwaſſer reichlich bewäffert wird und ungemein
fruchtbar ift, fehr ſtark bevölkert, dicht gedrängt voll Dörfer, Weis
lee und Anpflanzungen, wo Weisen, Gerfte (wie in Ladakh, f.
Afien I. ©. 618), Reis, Sram, Juari Bajera (f. Aſien IV. 1.
©. 716, doch wol von denen in Dekan verfchiedene Arten), Del
pflanzen verfcyiedener Art gebaut werden. Auch Melonen,
Trauben, Aepfel und andere Früchte gemäßigter Climate find
°’°) M. H. Wathen Secr. ete. Memoir on Chinese Tartary and
Kboten in Journ. of the Asiat. Soc. of Bengal ed. Prinsep., 8.
Vol. IV. 1835. p. 654 — 655.
Oſt-Turkeſtan, Yarkand im J. 1835. 397
hier in Fülle, und die Maulbeerpflanzungen fehr häufig,
weil fehr viele Seide gezogen wird. Den Hauptwohlftand
giebt aber der Heerdenreihthum den Einwohnern von Yar:
Fand; jeder Landeigenthümer befist hier Heerden der Ziege mit
der Schawlwolle, welche fie Akhchahs nennen (ob die Kaſch—
mirziege? wol diefelbe, die Al. Burnes 79) in Bofhara bei den
MWanderfirgifen fehr verbreitet fand, die auf Anfrage von außen
erft feit einigen Jahren nach dem Weſten und Süden ausgeführt
worden find, vergl. Afien I. ©. 600, 619 u.f.), und Schaafe
mit dem breiten Fettfhwan;, hier Dumba genannt.
Die Stadt Yarfand, fagten die wohl unterrichteten Turz
feftanifchen Pilger, fey blühend und volfreich; nach der Chinefi-
ſchen Volkszählung habe fie 30,000 Familien zu Einwohnern, jede
zu 5 bis 10 Perfonen, was nach einer mittleren Annahme 150,000
bis 200,000 Bewohner geben würde. Zwei Citadellen gehören
zur Stadt, die eine, fehr groß mit Erdwällen umgeben, ſey unbes
wohnt; die andere, weit fleiner mit 4 Ihoren, fey bewohnt und
fol fehr feft fenn, aus Stein und Mörtelwand aufgeführt, mit
Graben umgeben. An diefer Stadtmauer mag alfo feitdem das
feltfame Signalement des Engländers Moorcroft zur Vogel
fcheuche für alle Nachfolger abgemalt ſeyn (f. 06. &. 218, vergl.
Afien Bd. II. ©. 556 — 557). Die Vorftädte von Yarkand find
ungemein weitläuftig. Die Häufer find meift nur ein Stoc hoch,
aus Erde gebaut, was auch hinreichend ſeyn foll, da nur ſehr
wenig Regen in diefen Sandfchaften falle. Man findet hier
viele Mofcheen und Eollegien, zwei große Bazare, einer
im Fort, der andere in den Vorftädten, und mehrere £leine in
den verfchiedenen Duartieren vertheilt. In den Fleifcherbuden
wird Pferdefleifch verkauft, was allgemeine Nahrung ift, und
bei den Eingebornen Feineswegs als ungefeglich angefehen wird;
es fteht in gleichem Preife mit dem KHammelfleifh. Dagegen
trinken die Städter fein beraufchendes Pferdemilchgetränt (Kus
mifch), fondern überlaffen dies den Kalmüden und andern nos
madifchen Horden.
Nur 200 Chinefifhe Kaufleute etwa find in Yarkand
anfäßig, aber viele derfelben verweilen dafelbft eine Zeit lang und
kehren dann in ihre Heimath zurück. Viele Familien aus Kaſch⸗
mir haben fih in Yarkand (offenbar feit den dortigen gewalti⸗
’®») Al, Burnes Trav. Vol. II. p- 175.
398 Weſt⸗Aſien. J. Abſchnitt. 6 5.
gen Verheerungen durch Afghanen und Seikhs, f. oben ©. 78,
92 u. a. D.) angefiedelt, dagegen hur wenige eigentliche Hindus,
auch einige Schiabs (d. i. Aliverebrer), aber feine Yuden und
feine Nogai-Tartaren. Außer diefen Handelsleuten giebt es auch)
eine Anzahl Ehinefifcher Handwerker bier, und fehr viele hier eins
heimiſche Kleinhandier oder Krämer, Tungani (ob bdiefelben, die
in Ili Tupgani heißen? und dort zugleich die Gaftwirthe und
Höfer find, f. Alten L ©. 410).
Diefe Tungani find, nach Ausfage der Meffapilger, Mus
felmänner ; von ihnen giebt es übrigens nach derfelben Ausfage
in dem Chinefifchen Turfeftan Feine Soldaten, weil die Chine—
fen fürchten, fie möchten im Fall eines Aufftandes mit ihren
Glaubensgenoſſen, den Usbeken, gemeinfchaftlihe Sache machen.
Al. Burnes, von dem wir ſchon früher diefe Tungani-Tri
bus anführten, fagt dagegen (f. oben ©. 14, 18), daß fie aus
den weftlichften Gebieten des Chineſiſchen Turkeſtan noch als
Sarnifonen nach Yarkand commandirt würden. Da mögen denn
alfo wol im Gebirgslande, weftwärts von Varkand, ihre Ort:
fihaften liegen, in denen fie nach der Ausfage der Mefkapilger
einheimifch feyn follen, namlib Salar und Seiram, die uns
fonft unbefannt find. Merkwürdig ift es gewiß, daß die Mekka—
pilger mit A. Burnes hinfichtlich ihrer Alerander: Sage übers
einftimmen. Bis Salar und Seiram behaupten nämlich diefe
Zungani: Tribus, fey Alerander M. vorgedrungen; dort habe er
eine Colonie zurücgelaffen, von denen fie abftammen (wie in
Söfardo, f. ob. ©. 216, 218) wollen. Vielleicht nur,einer ety—
mologifchen Griffe zu Liebe, da ihre Name im Turkz Dialert fo
viel als die Zurücgelaffenen bedeuten fol.
Die mohammedanifche Secte in Yarkand ift übrigens nicht
fehr freng in ihrem Ritus, und weit toleranter als ihre weftlis
chen Nachbaren, ihre Glaubensgenoffen in Khofand, oder in ans
dern Theilen des independenten Turkeſtans. Das Chinefifche Gou—
vernement hält in Yarfand eine Garnifon von 7000 Soldaten,
theils Chinefen, aber auch Mandfhu und Mongholen;z ein Theil
derfelben garnifonirt im Fort, die andern haben ihre Cantonne-
ments außerhalb der Stadt, nad) Art der britifchen Cantonnements
in Indien (wie 5. B. Afien IV. 2. ©. 434). Ale ftehen unter
dem Commando eines Amban (vergl. Afien I. ©. 413), weldyer
Chinefifcher Reſident und Militaircommandant ift. Der einheiz
mifhe Hakim Beg von Yarland (Abdul Rahman im J.
Dft-Turkeftan, Yarkand im XVIL Jahrhundert. 399
1835) har den Titel Beg Yang, ift ein Usbefe und der Pan:
desregent, der aber in jeder Hinficht unter der ſchaͤrfſten Controlle
des Chineſiſchen Amban ſteht, dem der unumſchraͤnkte Befehl
über die Chineſiſchen Truppen zukommt. So weit der Bericht
der Sinheimifchen. Wir gehen nun von den Augenzeugen zu den
Türkifchen und Chinsfifchen Geographien über.
5. DYarfand nah dem Dfhbihannuma (d. h. der Welt
ſchau) des Türkfifhen Geographen Hadſchi Khalfe,
gefhrieben um das %. 1640 n. Chr. G.) 0),
Gluͤcklicher Weiſe Eonnte, fagt 3. Klaproth, der Artikel
Dſchihannumas über Yarkand nicht wie andere des Turkifchen
Geographen durch Excerpte aus den Guropäifchen Geographien
verschlechtert werden; die aftronomifche Yage, in welcher er den
Arabifchen Geographen folgt, ift zwar ganz irrig, aber uns durch
die v. Hallerftein’fche Beobachtung erſetzt. Folgendes find
Hadſchi Khalfa’s Angaben: Die Stadt, einft eine Königs
refidenz von Bedeutung, verfiel nach und nach in Ruinen und
ward der Aufenthalt wilder Ihiere (wahrfcheinlich nach der. mons
gholifchen Periode), Dann. baute Nizza Abubekr (wol Tis
murs Enkel, Sohn Miran Schahs?) die Stadt von neuem als
feinen Wohnfig auf, weil Luft und Waſſer dafeloft ihm zufagten.
Er ließ fchöne Bauten aufführen und Wafferleitungen dahin fuͤh—
ven, umgab den Ort mit einer 30 Ellen hohen Mauer, in der
Umgebung wurden 1200 Gärten angepflanzt, fo daß es an Baum:
pflanzungen, Blumengärten und Bewäfferungen durch das ganze
Kaſchghar-Land feinen Ort gab, der mit Yarfand zu vergleichen
war. Die Berwäfferung gab dem Boden Ueberfluß. Der: vorü:
berfließende Strom fchwillt in der Mitte des Sommers an (uns
freitig weil er im Süden aus den Gletfcherwaffern der
Karaforumkfette und im Weften aus den Schneehöhen des
DBolor, beide zum Tha Ihfung ling gehörig, hervortritt); im Früh:
jahr ift fein Waffer gering. Aus feinem Bette gewinnt man den
Su (bei Mizar, f. oben S. 352). Die Luft von Yarfand ift
nicht rein, aber Waffer und Luft find doch in ganz Kaſchghar
gefund, aber I und die Einwohner find von ruͤſtigem Schlage.
0 J. v. Hammer Bein des Dsmanifchen Reichs, Pefth 1827.
Th. * p- xxx, VI. p.
-400 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 6. 5.
Der vielen Obſtarten ungeachtet giebt es doch nur wenig Krank—
heiten; vom Obſt zieht man nur wenig Vortheil. |
Die Bewohner Yarkands beftchen aus 4 Claffen: 1) Unter:
thanen (ob Tadjiks? ſ. ob. ©, 242); 2) Doutchin, auch Sipahi
0. i. Soldtruppen); 3) die Nomaden Tribus (Aimad); 4 die
Beamten des Gouvernements und die Gefepleute. Von Yarz
fand, 3 Tagereifen weit für Karawanen, ift der ganze Boden
bis Lakhuf-keh (? unbekannt, wol Lokho-karianggar, 180
gi [> 14 geogr. Meilen] fern in S. O. von Yarkand nad) eir
nem Stinerar) SI) mit Flußarmen, Gärten, Baumpflanzungen
bedeckt; jenfeit derfelben find noch 10 Tagereifen bis Khotan;
außer den Stationen dafelbft aber fein bewohnter Ort und das
Sand dahin öde. Yengi Hifzar, d. h. die neue Feftung
(nach der freilich irrigen Angabe der Grade in gleicher Breite,
aber 14 Grad weftlicher ald Yarkand), eine neue Anlage an
der Stelle der frühern Station Inggachar (Ingazar), wo
fie auch auf Grimm’s Karte am gleichnamigen Fluß, nach) dem
Atlas des Tay thing hoei tien, Ed. Peking 1818, angegeben ift.
Nah v. Hallerftein’s Ortsbeſtimmung liegt Inggachar
(Inkeſal, Sngazar) unter 38° 47° N.Br. und 71° 1 O8
von Paris. Mach der Ausfage der Mekkapilger 8?) ift dies mos
derne Yengi Hiffar auf dem Wege von Yarkand nad) Kaſch—
ghar berühmt wegen feiner Tanzerinnen und Mufifer, welche der
nen von Indien gleichfommen, aber Moslemen find. Sandju
(oder Sanadjou, nach v. Hallerftein’s Beſtimmung 36° 25°
N.Br. und 76° 20° 30” O.L. v. Paris, alfo gegen Südoft von
Harkand gelegen, füdwärts der Route nach Khotan) liegt 6 Ta—
gereifen in Süd von Yengi Hifzar, 12 Tagereifen in Weft
von Tuͤbet (foll wol heißen in Nord? von Ladakh), und eben fo
weit in Oft Crichtiger Suͤdoſt) von Kaſchghar. Von diefem
Sandju liegt Kaſchmir gerade 15 Tagereifen gegen den Suͤ—⸗
den (allerdings, wenn die Route Über Ladakh geht, welches auch
die einzige fonn mag, wo aber dann die Zahl der Tagemärfche
größer feyn muß, f. Aften Bd. IL ©. 629-640). Sandju ift,
wie fich hieraus ergiebt, als Mittelftation zwifchen Kho—
tan, Yarkand, Leh und Kafchmir ein merkwuͤrdiger Punct,
**!) Klaproth Mem. de l’Asie II. p. 292. 22) W. H. Wathen
Karen l. c. in Journ. etc. Ed. Prinsep. Calentta 1835. 8. Vol. IV.
p- 656.
Oſt-Turkeſtan, Ye ölh khiang der Chinefen. 401
ungeachtet ung feine fpecielle Nachricht weiter darüber bekannt
ift. Es flimmt damit die Carte centr. de P’Asie fehr gut, nach
welcher e3 am nördlichftien Vorgebirge der Karakforum +» Kette und
feiner Gletfcherpaflage liegt, wo diefes Vorgebirge den Namen
Sanadju Taf führt, und die Grenze zwifchen Yarkand:
und Khotan-Provinz bezeichnet.
6. Ye oͤlh khiang, di. Yerkiang oder Yarkiang (fprich
Yarkand), nach der Chinefifchen Geographie de$
Siyü wen Eianlo 8) Ed. Pefing 1778.
Her, das heißt Land im Türfifhen, und Ehiang, das
Weite, alfo die weite Landfchaft, wird von den Hoei, d.
i. den Turkſtaͤmmen ſelbſt, Yerkim genannt. Es war die Reſi—
denz des Hoki dſchin (? wol eines Khedja) und feiner Vorfahren.
Ihr prächtiger mit Ziegeln aus grünen Lieuli (Hach Bafilius
Wörterbuch: lateres et tegulae lucentes quibus utuntur in tem-
plis et palatiis, alfo bunt glafirte Ziegelfteine) gedeckter
Dalaft ift jest ein Magazin. Ein geräaumiges Sommerhaus im
dazu gehörigen Garten ift jego die Prafectur, wo die Chinefifchen
Behörden wohnen. Die Stadtmauern jind feit, von einem tiez
fen Graben umzogen, und haben gegen 10 Li im Umkreis (etwas
über 14 Stunden, da hier die Li etwa zu 180 auf 1° gehen),
Als Turkeſtan dem Chinefifchen Hofe fich unterworfen hatte
(im 5. 1756, f. Afien I. ©. 463), refidixte hier ein Ober-Stattz
halter, der fpäter nach Kafıhahar und endlich nach Ufchi verfegt
wurde. Hieher beorderte man zwei Statthalter (wol Amban),
zwei Erpeditoren, 3 Regiftratoren, 10 wachthabende Trabanten.
Es wurden 8’ Wachtpoftien und 13 Stationen errichtet, mit 300
Mandſchu⸗Soldaten unter einem DObrift-Lieutenant. Die Garnis
fon der Stadt bildeten 655 Chinefifche Soldaten unter einem
Dhriften.
Die jährlihe Kopfſteuer der 32,000 Steuersflidrtigen in
Yarkand (man fagte jedoch, daß nur z der Einwohner in den
Kevifionstabellen eingetragen fen) betragt: 30 Unzen Gold, 35,378
Unzen Silber, 30,540 Saͤcke Korn, 800 Kin (Pfund) klares Del
2) Rad) Timkowski Voyage ed. Paris. Tom, I. p. 402-406: vergl.
Opissanie Dsliungharia i wosstotschnawo Turkistana ete., Di:
Befchr. der Dfchungarei und des Öftl. Turkeſtan, aus dem Ehinef,
von Pat. Hyacinth nad) Dr. Schott's Ueberſ. 2te Abth.
Ritter Erdkunde VII. Cc
402 Wert: Afien. J. Abſchnitt. 9. 5.
und 1649 Unzen Tribut-Silber (2) — melches Alles zum Unter:
halt der Garniſon verwendet wird. Ferner müflen die Einwoh—
ner liefern: 57,569 Stud Leinwand, 15,000 Kin (Pfund) Baum:
wolle, 1432 Saͤcke von grober Yeinwand, 1297 Stück hanfene
Ziehfeile und 3000 Kin (Pfund) Kupfer — welches Alles nach
Ili gefcbieft wird.
Das Land von Yarkand ift cben und ausgedehnt; es
arenzt in Oft an Ufchi, in Weft an Badakbfchan, in Sudan
Khotan, in Nord an Kafchahar und in Suͤdweſt an auslän-
difche Gebiere (mol Kaferiftan?). Unter der Gerichtsbarkeit des
dortigen Statthalters befinden fich folgende Tuͤrkiſche Städte;
1) Darfand, 2) Charghalit, 3) Toghusfan, 4) Sands
fbu (Sandju), 5) Kipan, 6) Tagh oder Taf, diefes liegt
nach Pat. v. Hallerftein’s Obfervation im Süden von Keriya,
nnter 36° 13° N. Br., 80° 17° DO.8. von Paris; 7) Kukyar,
8) Ilallik, 9 Choſchalik, 10) Barkſchuͤk und 11) Sakolo,
Diefes Safolo liegt 10 Tagereifen zu Pferde von Yarkand
im Weften und an der Grenze von Badakhſchanz dies
ift ein bisher unbeachtet gebliebenes, aber fehr wichtiges Datum
des Sinumwenfianlo für unfere Drientirung in diefem Ges
biraslande des Bolor und Turfeftans: denn mit diefer Lage ftimmt
nad) der Carte centr. de l’Asie die Lage von Sere koul (füdl,
von 38° N. Br. und weſtl. von 72° O.L. v. Paris) volllommen
überein. Sereful liegt aber, nad) den Ortstafeln 8% der
hinefischen Reichegeographie der Definger Ausgabe 1818, unter
37° 48° N. Br. und 420 24° W.L. von Peking, d. i. = 719 38°
D.L. von Paris. Diefelbe Ortsbeftiimmung befindet fich aber
bei Pater v. Hallerftein’s Karte mit dem Namen Seles
toueulh 8) in den Mem. und bei Mailla. Diefer entftellte
Name ift alfo identifch mit jenem, und alfo auch das Sar—
eil auf der Route nah Badakhſchan, welchen Weg Pater
B. Goes von Kartchou Gatchoute, bei Mailla Chatſchu
im Taything, nach v. Hallerſtein unter 37° 11° N,Br. und 71°
30° O.L. von Paris, Ciarciunor bei B. Goes) nah Kaſch—
ahar und Yarfand von da heraufftieg über das Hochgebirge.
Schon Grimm’s Karte hatte diefe Lagen beflimmt - eingetragen.
*"*) Mser. Mittheilung von Prof, Neumann aus dem Tay fhing
boei tien, Peking 1818, 25) Mailla Hist. Gen. de la Chine
T.Xl. p. 575; vergl. Memoires Conc. V’Hist, de la Chine in Ta-
hle des Positions ete. T. I. p. 393. |
Oſt⸗Turkeſtan, Ye oͤlh khiang. 403
Es ſcheint wol daſſelbe Surkol zu ſeyn, durch welches Moor⸗
eroft einft, im Fall des Mißlingens feines Reiſeplans von La—
dafh nach Yarkand, gegen Weſt nach Ferghana hinabzufteigen
und fi) den Verfolgungen der Chinefen zu entziehen gedachte (f.
Afien II. ©. 558), welches am hohen Pufchtifhur voruͤberfuͤhrt.
Das Sarägot auf der Karakorum-Kette nad) Ladakh, welches
dem Namen nach leicht damit zu verwechfeln wäre und ein ana⸗
loger Paſſageort zu ſeyn feheint, liegt jedoch im Süden von
Yarfand (f. Afien I. S. 635 u. 636) und wol zu weit von jenem
entfernt, um mit ihm identificirt werden zu £önnen, obwol die El⸗
phinftonefche Karte dieſe Anficht nach den darin nieder:
gelegten Routiers ſehr beguͤnſtigt. Dielleicht daß diefes mit
dem Surifia Moorcrofts an der Cvelfteinftraße nach Indien
identifch ift, wie wir oben vermutheten (f. 06. ©, 380). Es giebt
noch mehrere Surikkol's. —
Die chinefifche Geographie des Siyu wen kian Io fährt
weiter fort zu berichten, daß alle diefe 11 Städte ihre Afim oder
Hakim Begs von der ten bis 5ten Claſſe haben, und einen von
der öften Elaffe. Alle übrigen gehören zur Tten Claſſe. Der jegige
Akim Beg, dritter Elaffe, fen Beila-Awdei (1778). Sn der
Stadt Yarkand zähle man gegen 80,000 Familien (wol mit
der nächften Stadtumgebung, alfo 400,000 Mäuler nach chines
fifhem Ausdruck, d. i. Einwohner, nach) obiger Schägung der
Mekkapilger); von den Übrigen Städten habe jede nicht über
1000 Familien. Die Garnifon wohnt in einem Quartiere der
Stadt; alles Uebrige ift von Turk bewohnt und nirgend fieht
man einen leeren Raum.
Die Chinefifhen Kaufleute aus den Provinzen
Schanſi, Schenfi, Dſchekiang und Kiangfi kommen hies
her, ohne die Befchwerden der Reiſe und die fehr große Entfers
nung zu fcheuen. Gin gleiches thun viele ausländifche Kaufleute
aus Ferghana, Tuipate (Tübe), Kaſchmir u. a. m. Der
Bafar von Yarkand hat eine Ausdehnung von 10 Li (über eine
Stunde), und ift an Verfammlungstagen mit Waaren und Mens
ſchen ganz uͤberdeckt. Die Waaren häufen ſich wie Wolken und
die Menfchen wie Bienenfchwärme. Hier findet man feltene Koſtbar⸗
keiten und Schäge, auch eine Menge Vieh und Früchte aller Art,
®*) Map of the Kingdom of Caubul by L. 3. Macartney. Lond.
Ce 2
404 Welt: Aften, I. Abſchnitt. $. 5.
Die Eingebornen find friedfertigz fie ehren die Ehinefen
und beweifen ihren Vorgefegten Ergebenheit. Sonſt aber find fie
feiger Natur. Sie lieben Schaufpiele und Schmaufereien; ihre
Weiber fingen und tanzen fehön und verfichen mancherlei Gauk—
lerkuͤnſte. Ihre Purzelbaͤume, das Gehen auf einem ausgefpanns
ten Kupferdrath u. a. m. find wirklich fehenswerth. Der Maͤch—
tige drückt hier den Machtlofen, und die Beg's geizen nad) Reichs
thum. Wenn ein gemeiner Hoeidfd (oder Hoeihe, d. i. vom
Turkſtamme der fpätern Zeit, ſ. Mien 1. ©. 441 u.a.D.) etwas
zufammengefpart hat, fo bemühen fie ſich alsbald ihn auszuſau—
gen, daher man, obgleich die Stadt fo fehr bevölfert iſt, doch nur
wenige wohlhabende Familien findet. Die Einwohner find im
Allgemeinen ſehr den Lüften ergeben und felbft der Sodemiterei.
Sie haben die Sitten der, Bewohner von Fukian und der beiden
Kuang. —
So weit die Angaben der chinefifchen Geographie des Siyu
wen kian lo über den neueren Zuſtand des Landes nach der Ins
terwerfung unter chinefifschem Scepter durch Kaifer Khien long;
leider befigen wir noch keine Ueberfegung diefer Artikel aus der
neueften chinefiichen Neichsgeographie, welche 1818 in Peking ers
ſchien, und fo viel uns befannt bis jest nur allein durch Prof.
Neumann nach Europa gefommen ift, daher ihre Befannts
machung fehr zu wuͤnſchen fen möchte. Meuer als ihr Inhalt
ift jedoch der Zuftand nach der dortigen Rebellion 1826und 1827,
worüber wir ſchon früher, Bericht abftatteten (ſiehe Aſien Bd. I.
&. 465 — 472).
Die Zufäge zu Obigem, welche B. Frafer 87) auf feiner
Reiſe in Khoraſan (1822) fammelte, find unbedeutender Art, be:
ftätigen jedoch jene Angaben im Wefentlichen vollfommen, und
theilen Einiges über den friedlichen Zuftand des Landes unter der
ebinehifchen Oberhoheit aus denr Munde eines mohammedanifihen
Handelsmannes, Haffan Mervi aus Yarfand, mit, der als
Kaufmann fehe zufrieden war mit der Sicherheit im Lande ge:
gen die früheren Raubzeiten unter dem Negiment einheimifcher
Sandesfürften, wo Horden der Delöth, Kalmuͤcken, SKirghifen,
Dfungaren, Bucharen u. a. diefe Gegenden zu einem beftändigen |
Tummelplatz der Fehden machten,
*®7) J. B. Fraser Narrative of a Voyage into Khorasan. Lond. 4.
1826. App. B. P, IV, p. 10 — 114.
DftsTurkeftan, Yarkands Hiftorie, 405
ı Darfand, erfuhr B. Frafer, fen gegenwärtig weit größer
als Kaſchghar; die Bauart der Hiufer aus Steinen und Erde
mit Balkonen ſey wie dort. Der Bafar ziehe von O. nad W.
und beſtehe aus einer Reihe von Sisen, die auf einer Plattform
ftehen, hinter welcher die fchönften Laden hinziehen, die vorzüglich
von chinefifchen Kaufleuten befest find. Mehr als 10 große Cols
legien der Mohammedaner follen hier mit Ländereien und Ein—
fünften gut dotirt, und viele Karamanferais zur Aufnahıne der
Heifenden gut eingerichtet feyn. Außer den Handwerkern, Kauf
leuten, und zumal den vielen Mullahs, welche dort wohnen,
werden bieher fehr viele Sclaven aus Kaferiffan und Ba—
dakhſchan zu Marfte gebracht, um als Arbeiter und Knechte
zu dienen, an denen es in Yarkand ſelbſt fehlen fol.
7. Hiftorifhe Verhältniffe Yarkands in der älteften
Zeit; gegenwärtiger friedlicher Zuftand als
chineſiſche Provinz.
Die Annalen der Han laſſen uns einen Blick in den
ältefien heidnifchen, und das Pianitian in den älte:
fien buddhiſtiſchen Zuftand dieſes Ländergebietes vor der
mohammedanifchen Zeit werfen, durch welche die älteften Zuftände
der Länder der Skythen und Seren zur Römerzeit einige Er⸗
läuterung erhalten.
Die Annalen der Han 9, ein Jahrhundert vor Chriſti
Geburt, nennen unter den Ländern der Weftgrenze des Reichs
diefes Yarkand mit dem Namen So dfiü oder So⸗-kiuͤ,
was bei Deguignes Chao⸗che oder Schao tfche gefchrieben
wird, wo derfelbe vom Jahr 74 vor Chr. bis zum Jahr 86 nad)
Chr. Geb., alfo während anderthalb Jahrhunderten, die Regen:
tenreihe der dortigen Könige aufführt, bis diefes Königreich durch
den chincfifchen General Pan tſchao (Phanstichao bei Ab. Re⸗
mufat) 89) unter chineſiſche Botmaͤßigkeit gebracht ward. Das
mals, fagen die Annalen, wohnte der Landesfuͤrſt in der gleich:
88) Opissanie Dshungaria i wosstotschnawe Turkistana etc. db, Pat.
Hyarinth. St. Petersb. 1829. Th. 1. n. Dr. Schott Ueberf. ; vergl.
Deguignes Geſch. a. a. D. Th. 1. Einleit. p. 364, wo die Regen
tentafel der Schao⸗tſche. 5») Ab.Kemusat Remarques sur lEx-
tension de ’Empire Chinois du coté de ’Occident, in Mem. sur
plus. Questions rel. & la Geogr de l’äsie centrale, Paris1823. 4.
p. 122 — 126,
406 Welt: Afien, I Abſchnitt. 6. 5.
namigen Stadt, in welcher 2339 Familien und 16,373 Mäuler
(d. i. Seelen) lebten, mit 3049 Mann Kriegsleuten. Im Suͤ—
den von da find 740 Li bis Serlyk, zum Eifernen Berge
(Tie fhan), welcher grünen Yeſcheb (Yaspis, d. i. Zu) hers
vorbringt. Zur Zeit des Kaifers Siuanti (reg. 73—49 vor
Chr. Geb.) ſchenkte der Fürft des Landes dem jüngften Prinzen
der Fürftin der Usfun (der Blonden, von Indo-Germaniſchem
Schlage, f. Wien I S. 432 u. f.) feine befondere Zuneigung,
welher Wan nian (etwa Warner?) hieß. Als der Fürft fins
derlos ftarb, war Wannian am Hofe in China. Dur ihn
hofften die Großen von So dfiu fi) das Wohlwollen des Kais
fers und die Befreundung der U-ſun, ihrer im Morden damals
gefürchteten Nachbarn, zu erwerben, deshalb fie ihm den Thron
Äntrugen. Der chinefifhe Kaifer mar damit einverftanden und
ließ den Wan nlan durch einen Gefandten nach So dfiü geleiten.
Diefer Prinz erwies fich aber als Wütherich ; er erregte den Uns
willen der Magnaten. Chutudfchen, der jüngere Bruder des vos
rigen Königs, tödtete ihn fammt dem chinefifchen Gefandten, bes
flieg den Ihron und fiel im Bunde mit andern Staaten von
China ab, Eben damals gab General Fung-fung-ſchi einem
Sefandten aus Tawan (Khofand, Ferghana) das Geleite. Die:
fer General fammelte bei der Gelegenheit die Truppen verfchiede:
ner Reiche, befämpfte und tödtete den Chutudfchen, und fegte an
deſſen Stelle einen feiner Verwandten, den Fürften von Kaſch—
ghar, ein. Dies trug fi ch zu im Jahre der Regierung Juan⸗
khang (unter Siuanti, d. i. 65 Jahr vor Chr. Geb.).
Mit dem Ende der Dynaſtie der Han, im erſten Jahrh.
nach Chriſto, hören auch auf eine längere Zeit die zufammenhäns
genden Pelationen mit jenen Weftgegenden wieder auf; alfo in
jener Periode des zweiten Jahrh. nach Chr. Geb., in welcher
Ptolemäus in Alerandrien feine Nachrichten über die Karas
manenwege aus Eogdiana am fteinernen Thurm hinauf,
über den Kafifchen Berg (Kafchgharpaflage), zum Berglande der
Seren einfammelte (Ptol. VI, 13, f0l.161). Offenbar hat fchon
in jener Periode jenes Sodſiuͤ (Yarkand) mit Kuftana (Khos
tan) in Verbindung und unter demfelben Einfluß fremder Cultur
geftanden, der fih bier aus Indien und China, vom Süden,
Oſten und Weften her, begegnete. Jedoch in den drei erſten
Jahrhunderten nach Chr. Geburt geben die chineſiſchen Annalen
Beine belehrende Nachricht hieruͤber. Aber im VI. Jahrh. nach
Oſt-Turkeſtan, Yarkands Hiftorie, 407
Chr. Geb. lehren fie uns 6%), daß die Einwohner von Yanki,
d. i. Yerkinang oder Yarkand, ähnliche Schriftzüge
gebrauchten wie die Polomen (d. i. die Brahmanen), und
daß dafeldft zweierlei religiofe Seeten Beftand hatten; die ei:
nen beteten den Geift des Himmels an, die andern folgten
dem Cultus des Buddha (Foe). Spätere Angaben aus dem
VI. Jahrhundert fagen, daß die Schrift in Yarfand die der
Hindus fey, und daß damit nur geringe Veränderungen vor:
genommen wurden. Landeschronifen finden ſich aber bei ihnen.
nicht, wie in Khotan; nur in den Klöftern werde Unterricht in
dem Buddhagefes gegeben, Ihre heiligen Bücher der Moral
und Geſetzgebung gleihen ganz denen der Hindus
(d. i. die Sanskritfchriften der Buddhiſten), und wer fie erlernen
will, fchreibt fie ab, um fie dem Gedaͤchtniß einzupraͤgen. — So
weit die merfwärdige Nachricht im Pian i tian K, 51. p. 7.
nah Ab, Remuſat, woraus wir fehen, daß Khotan in feiner
Civiliſation Feineswegs ifolirt ſtand, zumal da diefelbe Nachricht
uns fagt, daß auch Kaſchghar im V. Jahrhundert zum Bud:
dhiemus übergegangen war, Alle diefe Civitifationsanfänge gins
gen in der Periode der Arabereinfälle in Turfeftan feit dem
VI. Jahrh., und der Mongholen:llcverfälle im XI. Jahrh. ihr
rem Verfalle, einer Bernichtung und großer Verwilderung entge
gen, die in früheren Zeiten hier nicht herrfchend war, und welche
auc) in der darauf folgenden Periode der einheimifchen Turkifchen
Herrſcher, der Kalmuͤcken wie der Diungarifchen und DelöthXeiche
nur zu ſehr unterflüßt ward (ſ. Afien Volker: und Herrfcherz
Wechſel ıc. I. ©. 442 — 472),
Erft feit Kaifer Khien long, als Vernichter der Delöth
und der Macht ihrer Hordenhäuptlinge (1756), das Land der
neuen Grenze als hinefifhes Staatseigenthum ans
fahe, und bis zu den Quellen des Oxus als ein Yand der Colos
nien, des Städteanbaues, der Induſtrie, der Agricultur, der Ver:
brecher-Anfiedelungen und neuer Militai-Gouvernements organis
firte, £ehrte ein innerer Friede, wenn aud) nicht eben ein bes
neidensmwerthed Glück in diefe Gebiete zurück, der dort feit einem
Sahrtaufend unerhört war, und dem wenigſtens ftärfere Populas
tion, größerer Wohlitand und allgemeinerer Anbau nothwendig
#30) Ab. Remusat Recherches sur les Langues Tartares, Paris. 4.
ebap. Vl. Turk Oriental. p. 291 ete.
408 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6 5.
folgen mußten, wenn auch jeder europäifche Fremdling ſeitdem
aus jenen genau bewachten Grenzprovinzen des großen Himmli-
ſchen Neiches ausgefchloffen blich.
Ale mohbammedanifhen Staaten diefer Turkeſta—
nifchen Laͤnder, deren Zahl fo groß zu feyn pflegte, alö ges
fonderte größere Städte (meift ein Dusend) durch das Stroms
gebiet des Talimu- oder Tarim-Syſtems zerfireut liegen, unter
chinefifher Oberhoheit, behielten ihre religiöfen und civilen
Verhaͤltniſſe bei, und felbft ihre einheimifchen Oberhäupter aus ih:
ren eignen Fürftlichen Gefchlechtern, die Hakim Begs, die nur
unter die Aufficht chinefifcher Oberbeamten geftellt zu milderer
Verwaltung und zur Erhaltung des Friedens durch chinefifche
Militairmacht genöthigt wurden. Hiebei befanden fich die unters
jochten Völker fehr wohl, das mildere Regiment, der dauernde
Frieden nach außen und die Ruhe im Innern, ohne jene früher
hin jährlich veruͤbten Graufamfeiten und Tyranneien, wurden
nur ein paar mal durch Nebellionen unterbrochen, die von
den geftürsten, einft ſouverainen Fürftenhäufern, den Khodjas
G. B. Khodja Djihangir, f. Alien Bd. I. ©. 471) ausgins
gen, aber ſtets wieder, nicht ohne großes Blutvergießen, gedämpft
wurden. Der einfichtsvolle Handelsnann Haffan Mervi aus
HYarkand, der felbft bis Peking gereift war und B. Frafer ©)
in Khorafan von feiner Heimath erzählte, rühmte wenigftens uns
gemein den friedlichen Sinn feines Gouvernements, vorzüglich,
weil daflelbe feine Autorität, wie er fih ausdrücte, mehr durch
die Feder, als durch das. Schwert zu behaupten fuche. Die
zahlreiche Armee der Chinefen, welche durd) das ganze Land
garnifonire, werde nie gebraucht. Mirgends fey gegenwärtig Raͤu—
berei wie ehedem, überall Ordnung, Sicherheit, die Polizei fey
trefflich, die Schuldigen würden fogleich zur Stelfe beftraft. „Ein
Kind mit Gold in der Hand Fönne durch das ganze Land gen
Oſten bis nach China ficher reifen ohne alle Gefahr.” Die blu:
tigen Creigniffe und Empörungen, welche diefem erzwungenen
Friedenszuftande, befonders in Yarkand wie in Uſchi, Akſu, Kaſch—
ghar und andern einzelnen Orten Oft-Turfeftans vorhergingen,
werden zur geographifchpolitifchen Drientirung in dieſem Gebiete
am zweckmäßigften im folgenden Abfcıhnitte nach den Ginzelnheis
ten der Städte mitzutheilen fenn. |
e*‘) JB. Fıaser Narrat. of a Voy. into Khiorasan, Lond. 4.1826. p. 115.
Oſt-Turkeſtan, Kaſchghar nah M, Polo. 409
Erläuterung 3.
Kaſchghar oder Haſchar (Kaſch, Chaje), Haſcha ba eul oder
sche fchi ho Ih der Chineſen; Su le (Choule) oder
Khiu ſcha der Alteften Zeit.
1. Kaſchghar nad WM. Polo (1280).
Obwol auch fhon Ptolemaͤus im I. Jahrhundert die
Kafifhen Berge und die Handelsfirafen über diefelben hinz
weg zu den Seren (Casü, Ptol. VI. c. 12—16, d. i, die Berge
von Kafchghar) kennt, Ebn Haukal im X. Yahıhundert, das
bedeutendfte Sand Chaje ) an den Grenzen von Turfeftan mit
25 Städten und der Capitale (Chaje it Kaſchghar) bes
fohreibt, und auch dem Edrifi®) diefe Gegenden keineswegs
ganz unbekannt blieben, da fie eben an den Oftgrenzen der
Ausbreitung des Koran, in jenen Zeiten des XU. Jahrhunderts,
lagen, und die Miffionen des Islam dahin zu den Turkftämmen
des Oftens (ſ. Afien I. ©. 1127) fortfihritten, gleichzeitig wie zu.
den Negerftiämmen am Nigerfirome, fo bleiben doc) jene Lands
ſchaften felbft noch in dunfeln Schleier verhüllt, von dem es auch
die Neftorianer in ihren Berichten, die fi), wie in Samarfand
fo auch hier, frühzeitig, mit ihren Gemeinden feftgefegt zu haben
fheinen (f. Afien I. ©. 290, in der Sage vom Priefter Johan—
nes, daf. ©. 233 — 299), nicht befreien. Erft durch M. Polo,
der (gegen 1280 n. Chr. ©.) von Badakhſchan und Wakhan
am Orus und Bolor- Fluß, über die hohe Pamir-Ebene und
den Belur (Belore, f. ob. S. 320, 327) herauffteigt nad) Kaſch—
ghar (das Hinan Ihfang Kiefcha nennt), erhalten wir den
erften, Iehrreichen Bericht eines Augenzeugen, der zwar fehr Eurz
ift, aber doch hinreicht, uns eine Vorftellung von der Wichtigkeit
des Ortes, felbft nach den Zerftörungen der Mongholen, feit Tſchin—
gisfhans Zeit, zu geben.
Nach fehr mühfamen Gebirgswegen, fagt M. Polo %), vom
MWeften her, erreicht man endlih Kaſchear (Casciar in Ed.
Baldelli Boni), welches vordem ein felofiftändiges Königreich ges
»2) Ebn Haukal Orient. Geogr. ed. W, Ouseley p. 265.
»3) Geographia Nubiensis etc. ed. Paris 1619, 4. CL II. c. 8.
p- 138 u. a. D. v4, Hiuan Thfang Reife durch Mittels Ajien
und Indien, Klaproth a. a. O. ©. 8, °:) M. Polo Trav. cd.
Marsdenr L. 1. ch. 29. p. 145 — 147; ed. II Millione di Baldelli
Boni Firenze 1827. 4. T.1. Lib. 1. 37. p. 32.
410 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. 9. 5.
weſen, das aber gegenwärtig dem Khakhan der Mongholen
(Kublai) unterworfen ſey. Seine Bewohner find mohammes
danifcher Religion. Die Provinz ift fehr mweitläuftig, und ent:
hält viele Städte und Burgen, von denen Kafıhcar (Kafd:
ghar) nur die größte und bedeutendfte if,
Dies Volk hat dort eine ihm eigenthimliche Sprache (ob
ein Iurk-Dialect? das Dſchagatai Turfi?), Sie Ichen vom Hans
del und Manufacturen, zumal von Baummollenarbeiten; auch
haben fie fchöne Gärten, Obftpflanzungen, Weinberge, Sie ge:
winnen dort Ueberfluß an Baumwolle, aber auh an Flache
und Hanf. Die Handelsleute von Kafchcar reifen durch die
ganze Welt; fie find aber in Wahrheit ein habfüchtiges, filziges
Volk, das fchlecht ißt und mit noch fehlechterin Trunf vorlieb nimmt.
Außer den Mohammedanern finden fich unter den dortigen
Einwohnern auch einige neftorianifche Ehriften, denen man
nad ihren eigenen Gefegen zu leben erlaubt, und die ihre Kirs
chen haben, Die Provinz breitet fih 5 Qagereifen weit aus.
Bon hier fchreitet M. Polo in feiner Sandesbefchreibung nad)
Karkan (Yarkand) fort,
2. Kaſchghar (Cashcar) nach arabiſchen Autoren,
Die Stadt Kaſchgar ſetzen Naſſir Eddins Tafeln un—
ter 440 N. Br. 106° 30 Longit.; Abulfedas Tafeln nach Abuls
faradfch unter 44° Latit, 96% 30° Longit., was freilich weit von
der Wahrheit abweicht; denn nad Pater v. Dallerfteins
Dfervationen liegt es unter 38° 19° N.Br, und 71° 15° 30
O.L. v. Paris (nach der Carte centr, de l’Asie bei Klaproth uns
ter 71° 37° O.L., was auch nach der chinefifchen Reichsgeographie
Ed. 1818 das richtigere iſt.
Die arabifchen Autoren rühmen alle, nah M. Polos
Zeit, diefes Kafhghar), als die Metropole von Turke—
ftan, die fehr groß, ftark bevölkert fey, und auch in allen Zwei⸗
gen der Willenfchaften Gelehrte hervorgebracht habe, die, ihr zum
Ruhme, ſich nad ihe nannten; wie z. B. Sheikh Säadzeddin
von Kafchghar gebürtig; Abulfeda (1345) fagt, es habe dieſe
Stadt auch den Namen Ardufend gehabt. Während einer
Periode, kurz vor Tſchingiskhans Eroberungen in diefen Lands
s”*) Abulfedae Descriptio Chowarezmiae ed, Hudson Geogr. Min.
Vol. Ill. p. 79.
Oſt-Turkeſtan, Kaſchghar nach Hadſchi Khalfa. 411
ſchaften, hatte ſich ein vom Oſten her eindringender Hordenfuͤrſt,
Kur Khan, der Khitanen, der einen Streifzug bis zum kas—
piſchen Meere gemacht, dieſes Landes bemaͤchtigt, und feine Reſi—
denz, feit dem Yahre 1127, in Kaſchghar aufgefchlagen, wels
ches er Hu ſe u ulh tu), d. i. Huſa⸗Ordu, den Hofvon
Huſe nannte. Hierdurch wurden die dort vom Weſten her ein⸗
dringenden Muſelmaͤnner waͤhrend einer Periode von 80 Jahren
durch Kämpfe gegen dieſe vorübergehende Herrſchaft in ihren Forts
fchritten nach Oſten aufgehalten, und erft im Jahre 1208 ward
diefes Khitanens Reich durch den Sultan von Kharezm geſtuͤrzt,
dem aber bald darauf die Mongholenzerftörung folgte,
Daraus ergiebt fich wol die Urfache der Kargheit der arabifchen
Berichterftattung uͤber dieſes Gebiet in jener Periode. Bon den
Khitanen, fagt die Gefchichte, daß fich die übriggebliebenen
Nefte ihrer Horden in die dortigen Gebirge zurückgezogen hätten,
wo fie vielleicht noch heute unbefannter Weiſe haufen mögen. .
3. Kaſchghar nah dem Dſchihan numa (d.h. Welts
fhau)® des türfifhen Geographen Hadſchi
Khalfa, um das 5. 1640 n, Chr, ©,
Pater Ben. Go&s hat auf feiner Wanderung diefes Kaſch—
ghar nicht berührt, wol aber giest Hadſchi Khalfa eine Bes
fhreibung davon, in der er wol den arabifchen Autoren folgt. Er
nennt mit diefem Namen das Hauptreich in Turfeftan, welches
15 Tagereifen in Nordoft von Andudjan (Andejan) liege,
und ſich fehr weit in die Länge und Breite ausdehne. Gegen
Mord grenze es an die Länder der Moghol, von deren Gebirge
mehrere Flüfe herab das Land bewäflern. Gegen ©. (foll wol
richtiger heißen gegen If) ift das Land Chach und ein Theil von
Kikiftan . i. Sand-Land). Im W. zieht fih im-Halbs
kreis das Gebirge umher, von welchem die Flüfe gegen Oft
herabftrömen. Das ganze Land liegt am Fuß biefes Gebirges,
und zieht ſich oftwärts bis in die Länder der Kalmak (Kals
muͤcken).
Das Koͤnigreich wird gegen Oſt, und theilweiſe auch gegen
Suͤd, durch weite, ſandige Ebenen begrenzt, die voll Wälder find (?
9?) Deguignes Gefchichte der Hunnen u. ſ. w. von Dähnert Th. II.
p- 576,592. °*) Klaprotlı in Mcm. relat, a P’Asie T. II. 1826.
Pr 235 erg 236.
412 Weſt-⸗Aſien. L Abjchnitt, $. 5.
davon ift in keinem andern Berichte die Mede, f. unten bei Pro:
ducte). Man gebraucht wol drei Monat, um von Kafıhahar,
durch Chach, bis in das Land Turfan zu ziehen. In vorigen
Zeiten gab es in diefen Plainen bewohnte Orte; jest find nur
nod die Namen von zweien derfelben übrig; nämlich von Tfub
und Kenk (uns gegenwärtig unbefannt). Die andern find uns
ter dem Sande begraben, der fie bedeckte und gänzlich zerſtoͤrte.
In diefen Gegenden werden jest die wilden Kameele gejagt
(wir vermuthen, dag Hadichi Khalfa mit dem Lande in der Nähe
von — die weit oͤſtlichern Sandwuͤſten verwechſelt hat;
ſ. ob. S. 323, 325, 333). Die Reſidenzſtadt des Königs, Kaſch—
RN. liegt am Fuße der weftlichen Bergkette, aus der einige
Flüffe hervortreten, welche die Felder und Aecker bewälfern und
befruchten. Einer diefer Flüffe, der Temen, floß, einft, mitten
durch die Stadt, die aber zerflört ward. Durch Mirza Abus
bekr ward fie aber, wie Yarkand, wieder neu aufgebaut, doch fo,
dag fie gegenwärtig nur an einer Ilferfeite ſteht; daher der Fluß
an ihr voruͤberzieht. — Hierauf wiederholt der Autor nur, was
fhon von Abulfeda angeführt war.
4. Kaſchghar, nah Mir Iſſet Ullap.
Kaſchghar, nah Mir Iſſet Ullahs Beſuch M, im
Jahre 1813, hat nur wenig Aufklärung erhalten. Er flieg da:
felöft bei einem Taſchkenter Kaufmann ab, dem er Briefe zu
bringen hatte. Der damalige Hakim der Stadt hieß Yunas:
Beg, er war abwefend, auf der Reife nach China, um dem Kai—
fer den Tribut zu bringen, welcher monatlicy in 6000 Tanga
(f. ob. b. Yarkand) beſteht. Er fand hier einen Mullah, mit
Namen Nase aus Kafchahar, welcher ſchon zweimal den Bang
diefer Provinz (fein Name war Sefander Beg) mit nach Peking
begleitet und alle Poftfiationen dahin aufgezeichnet hatte, von
denen Mir Yffet eine Abfchrift nahm, die aber wegen der ſehr
verderbten Schreibart der Namen feinen befondern Ertrag für die
Drientirung darbietet.
Die Yandesbewohner, fagt der Neifende, fprechen den Namen
ihres Landes durchgehende Kaf er aus (Pater Georgi ’%)
©3?) Voyage dans l’Asie eentrale in Klaproth Marasin Asiat. T. II.
pP: 25— 38. 700, Alphabetum Tibetanum Romie 1702, 4.
n. 344 eic,
Dft-Turkeftan, Kaſchghar, neuefte Berichte, 413
feitet don Mamen von Ras, Casü Montes bei Ptolem., oder
Kaſch, und ven Kar i. q. ghar, i.e. „Wohnung” ab).
Die Stadt ift durch einen Erdwall gefihügt, hat 4 Thore; jeden
Freitag ift Markttag. Der Pferdemarkt, der hier fehr ans
fehnlich ift, liegt vor der Stadt; zumal Kirghifen und Kaſſak
(d. i. Kirghis-Kaſak, Alten J. ©. 1111 ꝛc.) bringen ſehr viele
Pferde hierher zum Verkauf; meift Wallachen, felten Hengfte,
gewöhnlich zu dem Preife von 20 Tanga bis zu 1 Ya’inu,
Die Chinefen ziehen die Maulthiere vor, und follen, wie man
dem Meifenden fagte, eigene Baftarde von Pferden und Rindern
ziehen, von denen er aber keins zu fehen Gefam. Dee hinefische
Gouverneur und die meiften Chinefen wohnten in der Vorftadt
Kalbagh. Hier find mehr chinefiihe Truppen flationirt als in
Yarkand; nämlicy 5—6000 Mann, da Yarkand deren nur 1 —
2000 hat. Nur 11 Stunden Weges im Weſt der Stadt, zu
Sonah Karaul ift der Grenzzoll und das Mauthaus,
zur WVifitation der Waaren und Paͤſſe (der Aurteng); aber die
Route nach Kofand geht noch 17 Tagereifen weiter, am Kafıhz
ghar-Strome, d. i dem Koffu, aufwärts, bis zum Hochges
birgspaffe (Davan) nach Tere£, im Lande Derwas (daher
Darwafa Davan Terek genannt, d. h. Thor, oder Paß
der Berge Terek) H, bis zu deſſen Duelle und Waffers
fcheide, an deren Gegenfeite der Syr, oder Sihun, d.i. der
Strom von Andidjan, hinabflieft. Dies ift die uns bekannte
noͤrdlichſte Duerftraße über den Belur Tag (j. unten).
5. Kaſchghar, nach den Berichten der turfeftanifchen
Mekkapilgerd) in Bombay, im J. 1835,
Seit der Rebellion von Khodja Djihangir (im Jahre
1826 — 27, f. Afien I. ©. 468— 472) hat diefe Capitale des alten
Königreichs durch Freunde wie Feinde fehr viel erdulden müffen,
und ift fehr in Verfall gerathen. Von Yarkend erreicht man die
Etadt in 5 Tagereifen; die Karawane gewöhnlich erft in 6 Tas
gen; der eilige Neifende in 4 Tagen. Viele Städte, Dörfer und
fefte Burgen find von der Hauptftadt abhängig, die allein 16,000
Einwohner haben foll, deren zugehörige Population aber viel bes
*) Voyage dans l’Asie centrale I ec. T. II. p. 38, 41.
2) W. H. Wathen Mem. on Chinese T'artary 1, e. Journ. Caleutta
1835. 8. ed. J. Prinsep Vol. IV. p. 605.
414 Weſt⸗Aſien. I Abſchnitt. F. 5.
deutender iſt. Der gegenwärtige Usbeken-Chef von Kaſchghar
heißt Tahi'ruldi'n Beg; er hat nicht mehr den Titel eines
Bang, wie dies früher der Fall gewefen zu feyn fcheint; aber
doch ift feine Verwaltung völlig unabhängig von der des Wang
in Yarkand; fein Rang aber geringer. Dagegen hat diefe Grenzs
ffation weit mehr Garnifon zu beherbergen, fiets 8000 Mann
regulaire chinefifche Truppen, um gegen den Khan von Kofand
eine drohende Stellung zu behaupten. Der Handel von Kaſch—
ghar fcheint, gegenwärtig, gegen den von Yarkand weit zurück
zuftehen; von dem Verkehr beider Orte gegen das ferne Gertope
ift fchon früher die Nede gewefen (f. Afien IL. S. 600 — 604).
Durch die feindliche Stellung gegen Kofand mag der Verkehr
dahin ziemlich unterbrochen feyn. Dagegen ift der Verkehr gegen
Nordoſt, über Akſu mit Ili, wol belebter als früherhin, weil
dies auch die Handelsftraße der Ruſſen, von Semipalar
tinsk über Ili nach diefem Theile Turkeſtans geworden ift, das
fie Rafhfarien nennen, wie ſich aus ihren neueften darüber
durh A. v. Kloftermann an A. v. Humboldt mitgetheilten
Stinerarien ergiebt 703),
Die Zufäge, welche wir zu obigen Angaben in J. B. Fra:
fers Erfundigungen %) in’ Khorafan (im %. 1822) gefammelt
finden, find nicht fehr bedeutend; doch kommen fie ebenfalls aus
dem Munde im Lande fehr erfahrner Männer; fie ftimmen meift
mit obigen Angaben überein. Danad) foll das Land von Kafdhz
ghar, im Often der Bergfette, im Ganzen weit lieblicher, beffer
bewäffert, mannichfaltiger, grüner, beffer bewaldet und fehr vers
fchieden feyn von dem nadten, felfigen und Fiefigen Boden der
Weſtſeite gegen Balkh, oder von der Sand: und Salzſteppe
gegen Bokhara. Die Stadt ward der Größe nach) von Einiz
gen mit Umeitfie der Seikh-Capitale (f. ob. ©. 58) verglichen ;
nah Andern foll fie 34 Engl. Miles in Umfang und 10,000
Häufer haben, fehr ftarf bevölkert feyn, zumal durch Fremde,
Der Marftplag wird dort Charfu genannt, zu dem 4 Bafare
zufammenftoßen. Der chinefifche Gouverneur foll in dem gefon:
derten Caftell refidiren, mit 5— 6000 Mann Truppen. Unter
feinem Oberfommando follen (vor der Mebellion) die 12 Städte
?e®) Itineraire VIII, et IX. p. 289—292 in Al. de Humboldt Frag-
mens de Geologie et de Climatologie Asiatiques. Paris 1831. 8.
T. I. ) J. B. Fraser Narrative l. c. London 1826. 4.
P · 109 - 111.
/
DftzTurkeftan, Kaſchghar, neuefte Berichte. 415
geftanden haben: 1) Affu, D Ili, 3) Turfan, 4) Khotan,
5) Karakaſch, 6) Zlitfi (? Eli), MKerya, dar:
fand, 9) Souma, 10) Kargarlif, 11) Vengi Den
12) Kaſchghar.
Der Weg von Kaſchghar nah Yarfand he auf
36 geogr. Meilen (180 Miles Engl.) angegeben; aber bemerft,
daß es auf einem noch weit kuͤrzern Wege, ſelbſt in einer eins
zigen Nacht (?) erreicht werden koͤnne, daß diefen Weg aber nur
allein die Officiere des chinefifchen Gouvernements nehmen diürfs
ten. Wie dies möglich wäre, fcheint nach der aftronomifchen Lage
faum glaublich, Aber das chinefifche Gouvernement, fagte man,
halte Allee, was die Grenzwege des Neiches: betreffe, fo lange als
möglich verborgen. ine dortige Gegend, weldye durch einen bes
fondern Graswuchs, eines wie Mofchus duftenden Grafes, ganz
Eiirzlich erft, die Aufmerffamfeit erregt hatte, ward auf allen Seis
ten von chinefifchen Wachen umftellt. Ein Schäfer, der auf ei-
nem hohen Berge, wohin er feine Heerde trieb, einen weit fich
windenden Strom und eine fefte Burg in einer fchönbevölferten
Ebene entdeckt hatte, wurde nach Yarfand gefchieft und hinges
richtet, wie alle, denen er von diefem Geheimniß gefprochen hatte.
Darauf wurden dort Poften ausgeftellt, um einem ähnlichen Vers
rathe (wahrfcheinlich mochte es eine insgeheim erbaute neue Grenze
fefte ſeyn ) zuvorzufommen, und die Poften alle 3 Jahr gewech⸗
felt. Eben fo erzählte man, daß es von Kaſchghar zwar fürz
zere Wege nach China gebe, die Hakims aber, welche man
nach China ſchickte, mußten ftets auf den Lmwegen gehen, wozu
6 Monat Zeit nöthig find. Die mohammedanifchen Officiere,
welche wiederum als Oberfpione über die chinefifchen Einnehs
mer angeftellt find, werden alle 6 Jahre einmal nad) Peking eins
berufen, dann aber ftets durd) eigens dazu beftellte Escorten, auch
Nachts, durch die Wüften geführt, worauf 6 Monat Zeit hinge:
hen follen. Sollten diefe Ausfagen von dem Mistrauen der chi⸗
nefifchen Verwaltung auch nur halb gegründet ſeyn, fo ift es Fein
Wunder, wenn die Grenzverhältniffe auf den chinefifchen Kar:
ten, wie z. B. zwifchen der hohen und niedern Bucharei, auf
der Oft» und Weſtſeite des Belur fo verworren find, wie wir fie,
nach den Driginalen der Neichsgeographie vom Jahre
1818, in Grimme Karte von Hoch-Afien eingetragen fehen,
ſo daß ſelbſt Klaproths Carte centrale de PAsie darauf Vers
zicht that, dafeldft den Often mit dem Weften in Verbindung zu
216 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. F. 5.
ſetzen, was Al. Burnes’®) Verdienſt, In feiner Karte dies
theilweife wenigftens mit Glück gewagt zu haben, um fo mehr
erhöht.
6. Kaſchghar, oder Kaſchkar-Haſchar, oder Haſche—
haeul, auch Kheſſchi ho oͤlh, nad chineſiſchen
Berichten des Si yu wen fian lo).
Edit. Peking 1778.
Kheſchi (Kaſch) heißt, in der Landesſprache, „jeder
Ort;“ hooͤlh (far) aber „Wohnungen aus Ziegelfteis
nen.” Dies Land ift nämlich reich an Gebäuden jeglicher Art
aus Ziegelfteinen, daher fein Name; auch fagt man, diefe Phrafe
bedeute fchlechthin Meichthum und Fülle. — So beginnt der dir
nefifche Berichterftatter feine Befchreibung von Kafıhghar, das
er ein großes Gebiet der Hoei (Mohammedaner) nennt.
Die WairFanı(d. h. die auswärtigen Barbaren, wor
unter er die Ruſſen, die Kaſſak von Sli, die Burut, die Eins
wohner von Ferghana, Bolor, Kofhand, Badakhſchan, Hindoftan,
Kabul und Bokhara zahle), geben allen Hoei⸗dſoͤ (d. i. Bewoh⸗
nern von Ofts Turkeftan) den Namen Kaſchghar (Kaſchka—
tier). Im Nordweften ziehe ein Theil des SiueSchan (d.i.
des Schneegebirges);z jenfeit deilelben ift Alles Wai-Fan.
Kaſchghar ift die bedeutendfte Stadt an der turfeftanifchen
Grenzlinie, von Akſu 1000 fi Cd. i. 75 geogr. Meilen, welche
von ruffifchen Neifenden in 15 Tagen zurücgelegt werden, nach
%. v. Kloftiermann Stinerar.) entfernt, und von Semipala—
tinsk der Ruſſen 35 Tagereifen. Sie hat mehrere hohe Staatsz
beamte zur Verwaltung; fie haben jährlich 36,000 Liang (Umz
zen) rohes Silber (gleich 3,600,000 Pul) als Abgabe einzuz
liefern, und 14,000 Säde (oder Stein) Korn. (Mad) der Note
bei Timkowski it 1 Pul = 5 dinef. Tſchokhi, oder Deniersz
41 Tſchokhi heißt im Türkischen Yarmaf. Es hätte daher
auch der Ausdruck Yarmak beibehalten werden können, da 1000
Yarmaf = 1 Unze Silber, d. i. 2 Silber-Rubel ausmachen.)
705) Central- Asia comprising Bokhara, Cabool, Persia, The river
Indus ete. eonstructed from numercus authentic documents but
principally from the Original Msc. Surveys of Lieutn. Alex. Bur-
nes by J. Arrowsmith. Lond, 1834. °) Timkowski Voy. T. I.
p- 406 — 408; Opissanie Dshungaria i wosstotschnawo Turkestana
ete. Pat, Hyacinth nah) Dr. Schottö Ucberf.
Oſt-⸗Turkeſtan, Kaſchghar, neuefte Berichte, 417
Alles dies dient zur Unterhaltung der dafigen Garniſon, die
aus 10,000 Mann befteht (im 5. 1778) unter dem Befehl eines
Kriegsgouverneurs (Dfiangghiun, f. Afien I. -S. 312). Zuweilen
fammelt man an Abgaben noch 10,000 Stüd Leinwand ein,
die nach Ili gefchieft werden.
‚Als Handelöfteuer wird der zehnte Theil von der Waare
genommen, und das in Natura Cingefammelte wird nach dem
Werthe verfauft; dies Geld kommt der Verwaltung zu. Diefe
befiehlt über 9 Städte, die in einem fetten, marfigen Boden lie
gen, der an Korn und Obft reiche Ernten giebt, auch Granat:
Apfel, Quitten, Aepfel, Melonen, Gurken, Weintrauben. Fa:
brifate find Seidenzeuge, Atlas, Damaft, und Arbeiten in Gold
und Silber. Alle, diefe Producte werden als Tribut an den Hof
in Peking eingeliefert. Die Städte find folgende,
1) Kaſchghar befteht aus der Türfenftadt GKaſchghar
Hoeitfching) und der Chinefenftadt (Kaſchghar Dſchin—
tfching); diefe Iegtere liegt im Nordoſt der erfteren, beide -bez
rühren fih. Die Stadt liegt neben der Feftung; man zählt hier
16,000 Steuerfähige. Die Einwohner find wohlhabend,, kunſt—
fertig, verftehen fehr gut das Schleifen des Yu, die Goldarbei:
‚ten; ihre Farben find von großer Schönheit. Viele Kaufleute
find hier und blühender Handel; von allen Seiten firmen die
Sremden hierher zufammen. Das Zollamt ift hier in gleicher
Art wie in Akfu eingerichtet. Die Kafchgharen find üppig und
verfchwenderifch; viele Luftdirnen find dort, welche vortrefflich finz
gen, tanzen, die man auch wol in den Wohnungen ganz achtbaz
rer Leute ernährt, wie die Chinefen ihre Sängerinnen unterhalten,
Alle ehren und fürchten das Gefeg und deſſen Vertreter (es war
vor der Nebellion), die chinefifchen Beamten. Sie haben fieben
Grade unter den Nangordnungen ihrer Großen; an deren Spitze
fieht der Akhi mu pekhi GGakim Beg).
2) Onggahar”) HYng aſaolh; f. ob. ©. 400, wo es
zu Yarkand gerechnet ift, und als YengiHiffar feitden neu
zur Feftung gemacht ift) liegt 200 Li (15 geogr. Meilen) in Sud
Ceichtiger Suͤdoſt) von Kaſchghar. Darüber geht die allgemeine
Straße der Ausländer (Wai-Fan), die in das mohammedas
?) Die folgenden Städteangaben hat das Ercerpt in Timkowski Voy.
e c ie", welches überhaupt fehr unvollftändig genannt wer⸗
en muß,
Kitter Erdkunde VIT. dd
48 Welt Afien, I Abſchnitt. 9 5
nifche Gebiet wollen (die große Karamanenftraße von Kafchmir,
Indien und Tübet über Ladakh und Yarfand nach Kaſchghar,
f. oben); daher es nothwendig ward, dahin eine Militairdiz
vifion zu verlegen, um diefe Ausländer in’ Reſpect zu halten.
Das Land bringt Reis, Hanf, Bohnen, Melonen und
Dbft in großem Ueberfluß.
3) Phi ſzoͤ pa wan (?) liegt nur 30 Li öftlich von Kafchz
oharz das Land bringt Vitriol, Melonen, Baumobfi.
4) Taſchbalig (Thafchipe li Ehi) liegt von Karafıhar
15 geogr. Meilen (200 Li) nordweftlih (nach Klaproth, Burnes
und Grimms Karten, richtiger, gegen Südweitz auf Grimme
Karte ift der Name ald Tajamelif, nad der Schreibart. bei
Mailla 70) eingetragen, und nach Pat. v. Hallerfteins Ob—
fervation, unter 39° 6 N.Br., 71° 9° 0” O.L. v. Paris; die
richtigere Schreibart ift Taſch Balif, d. i. Stadt Taſch).
Diefes Tafch liegt am Yamanyar-Fluffe, der aus dem
Karaful (Dradenfee, f. 06. ©. 327) von der Höhe der
Pamirz Ebene herabfommt. Diefe intereffante Localität bes
herrfcht alfo jene berühmte Paffage, die feit den Jahrhun—
derten des Mittelalters, ihrer pofitiven Lage nach, bis in vie
neuefte Zeit ein Geheimniß geblieben war; weshalb M. Polo,
der edele Venetianer, auch hier öfter der Fabelei befchuldigt ward.
Das Si yu wen fian lo fagt hierbei? Als der Empörer Hos
khi difchi (d. i. der damalige Khodja oder Landesfürft von
Kaſchghar, im Jahre 1759, f. Aſien I. ©. 463; vergleiche weiter
unten) Rebellion ftiftete, erwarb jich der nachmalige Hakim Beg
von Kafıhahar das Werdienft ihm zu feuern, und erhielt dafür
das Fand Tafchbalig zum Gefchenf, Es bringt nur Obft und
Getreide (es ift wildes Bergland, Weideland).
5) Aratuſchi (Olathuſchi, Entorche wol irrig in
Mem.?) fatt Artuche; nah Pat. v. Hallerftein Obfervat.
399 36° N.Br., 71° 54° O.L. v. Par, ; diefer Ort ift in Mail:
la's Tafel ausgelaffen; er fehlt auch in der chinefifchen Reichs:
geographie Ed. 1818). Es ift eine Station auf der Noute nach
Akſu, SO Li in N.O. von Kaſchghar. Die Felder find fehr frucht-
708) Mailla Hist. Gen. de Ia Chine T. XI. p. 575 Tabl.
?) Meıinoires concernant V’Aist. des Chinois, Paris 1776. T. I.
p- 393 in Positions ete.; vergl, Mailla 1. e. T. XI. p. 575.
Oſt⸗Turkeſtan, Kaſchghar, Städte, 419
bar, die Baͤume uͤppig wuchernd (das erſte chineſiſche Dorf im
Suͤden des Rowatt-Paſſes, ſ. Aſien I. ©. 327).
6) Befhiferem (Pieſchikhilimu), die erſte Sta:
tion von Kafchghar auf derfelden Route, nur 10 Li öftlich der
Stadt, hat Elima und Sitten mit ihr gemeinfam.
D PYuͤſu nu oͤlh thu ſchi (72 fehlt auf den Karten? Tiegt
-30 Li in N.W. der Stadt, dem Schneegebirge ſchon nahe, hat
alfo ein Ealtes Clima.
8) Aragan (Ooͤlhku, oder Arku) liegt 190 Li nordöft:
lich, im Norden der Akfuftrage. Es lehnt fih an das Schnees
gebirge an (Hier, die Nordfette, am Weftende des Ihianz
Schan:Syftems, deffen weftliches Glied der Muffur Tag
ift; deſſen noch weftlichere Fortfegung zur Nordgrenze Kaſchghars,
auf Klaprothg Carte de l’Asie centrale, Gakchal Taf heißt,
der ſich weftwärts bis zum Terek Taf, an die oberfte Quelle
des Kafchgharftromes [des Kokſuſ) hinzieht, und hier, fih füdz
wärts wendet, und nun als Beloro Tag zum Kuenlun fort
freicht). Daher hat es, bei Aragau, viele Schneehühner
und andere Thiere, aus dem Falten Clima. Die Mohammedaner
/ bedienen ſich aber nur der Schneehühner, die fie für die Küche
mäften. Wenn man von bier direct über dad Schneegebirge
reifet Calfo nicht die Akfu: Straße, und ihren Gletſcher-Paß
auf dem Muſſur wählt, der viel weiter im Often liegt, |. Afien
1. ©. 330, 403), fo fann man Ili in vier Tagen (? faum
glaublihh?) erreichen. Im Frühling, Herbft und Winter ift es
aber unmöglich dies Gebirge zu paffiren; im Sommer würde es
zwar angehen, doch wählt Niemand diefe Gebirgsroute, hin
oder her,
9) Wopar (Mo paölh?) liegt 180 Ai in N.W., und
\ grenzt an das Sand der Burut (d. i. das Gebirgsland an der
Süpdweftfeite des ZffekulsSees, oder Temurtu Nor der Kals
Imüden, f. Afien I. ©. 394); von Wopar ift nichts Näheres
bekannt.
17. Kaſchghar, d. i. Sule (Choule oder Chou), nad) den
aͤlteſten Berichten, ſeinen fruͤhern hiſtoriſchen Ver—
haͤltniſſen, nach chineſiſchen Quellen.
Kaſchghar wird, nach der aͤlteſten chineſiſchen Berichter⸗
ſtattung, in den Annalen der Han-Dynaſtie, unmittelbar
Dvd 2
420 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 55.
vor und nach Chriſti Geburt, zum erſten Male genannt; aber
mit dem Namen Sule 79 belegt, der bis in das erſte Jahrtau—
ſend nach Chr. G., bis in die Endzeiten der Thang-Dyna—
ſt ie U) im IX. Jahrhundert, bei Chineſen noch immer gebraͤuch—
lich blieb. Der Fuͤrſt von Sule reſidirte in der gleichnamigen
Stadt, in welcher 1510 Familien, 18,647 Mäuler.(d. i. der
chineſiſche ſtatiſtiſche Ausdruck für Seelen bei Europäern), 2000
Krieger gezahlt werden. Im Süden 'rechnete man 560 Li (280 -
oder 300 auf 1 Breitengrad; alfo 30 geogr. Meilen) bis Yars
fand. Sule war vor Chrifti Geburt fchon wegen feiner Wan:
renmärfte berühmt; es zog damals ſchon die große Heerftraße
hindurch, weftwärts nad) Tamwan (Ferghana), Kangkiuͤ
(Sogdiana) und nach Groß-Yuetſchi (Land der Getae, auch
wol Maſſageten in Sogdiana, ſ. Aſien I. S. 194 und I. ©. 274).
In jenen aͤlteſten Zeiten lagen im Süden von Sule bis, zu
dem Kuenlün noch viele unbewohnte Gegenden; gegen We:
ſten in den Bergen lag Siufiun; in N.W., an 80 geogr.
Meilen (1030 Li) weit, Tawan (Ferghana); im Norden
grenzte es an Ufun (das Sand der Blonden, vom indo » germa⸗
niſchen Stamme, f. Mien 1. ©. 194, 431). An einer andern
Stelle der Annalen wird gejagt, daß damals das Land zwifchen
Kaſchghar und Varfand, wo jest Ingazar (Vengi Hiffar)
liegt, In ai genannt ward, welches füdwärts an das Fand der
Sie grenzte. Es gab da nur wenig Korn, die meifte Nahrung
mufte man aus den beiden fruchtbaren Nachbarländern ziehen.
Die Bewohner von Sie und Inai hatten aber übereinftim-
mende Sitten. Inai war nur eine fehr geringe Herrfchaft; man
zählte nur 125 Familien, 670 Mäuler, 350 Krieger, doch hatte
es feinen eigenen Fürften. |
Diefes Königreih Sule (Chou le) auch Khiufha (darin
Kafıhahar zu erkennen) genannt bei Chinefen, wahrfcheinlich die
ältefte Benennung der Manerftadt Kafchghar oder Khafi:
gar, grenzte in jenen antiken Zeiten nicht nur gegen Norden and
die indogermanifchen Ufun, fondern es wurde ebenfalls feld
von einem Volke bewohnt, das gleihe blaue Augen u
#10) Opissanie Dshungharia ete. bei Pat, Hyacinth n. Dr. Schot
Neberf. Abth. I. Annalen der Han, Bergl. Deguignes Geſch. de‘
Hunnen ꝛc. Th. I. 23, 32 u.a. 9. »2) P. Gaubil Histoir:
des Thang in Mem. conec. VHist. des Chinois. Paris 154. 4
p- 388 u, a, D.
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Oſt⸗Turkeſtan, Kaſchghar, Sule ältefter Zeit, 421
blonde Haare 12) hatte, wie jene. (Sole blondhaarige
an Bart und Haupthaar, fand noch P. Ben. Goes 13)
in den wildeften Gebirgsthälern auf dem Weſtabhange des Bes
lur Tag, bei feiner Ucberfteigung deifelben, im J. 1603, und
bemerkt dabei, daß fie nur dafelöft, in Calcia? f, unten, einige
Dorffchaften bewohnten, und daß er fie nur mit den Belgiern
hätte vergleichen fönnen.) Diefes Volk baute Getreide, Reis und
eine befondere Art rothes Zuckerrohr, das dem mittlern
Afien eigen ſeyn follte; desgleihen Baumwolle und Seide, und
produeirte Eifen, Kupfer, Auripigment. Jene 1510 Familien, in
Sule waren in der früheften Zeit der Llebermacht der Hiongnu
tributbar, und wurden von deren Verbündeten, den Khoueitfu
(d. i. vom heutigen Kutche) unterjocht, bis die Erpedition des
Chinefen Generals Pantſchao?H, der bei Turfan fein Lager
hatte, in die Weftländer, fie fchüsgte und dem chinefifchen Scepter
zuwandte (im 5. 76 n. Chr. ©.).
Gegen das Jahr 120 n. Chr. Geb. Famen, ftatt der Feinde
im Often die aus dem Weften; es waren die dorthin verdräng-
sen Yuetchi (auch Hetha!d), die Getae, Geten), welde in
Sogdiana mächtig geworden, ihre Herrfchaft über viele der dortis
gen Völker ausbreiteten, auch den König von Sule abfegten
und fein Land eine Zeit lang beherrfihten. In diefer Zeit ward
die Buddha-Doctrin in Kaſchghar eingeführt, was. uns
nun aus unfern frühern Unterſuchungen über indosffythifche Koͤ⸗
nigreiche und den Buddhacnltus leicht begreiftich ift (f. ob. S. 104
u. f. 284 u. f.). Aber die Könige von Sule erhoben fich wieder
zu größerer Macht, fo daß fie felbft große Eroberungen machten,
und zur Zeit der San Koue (d. i. der drei Königreiche
in China, die von 221 bis 277 n. Chr. ©. dauern), 12 verfchier
dene Staaten, welche meift weſtwaͤrts zu den heutigen Land:
ſchaften Bofharas gehörten, ihren Tribut zahlten. Es waren:
41) Tſching tſchung; D Sotſchhe; 3) Koſchi; H Khiuſcha; 5) Siye;
6) Inai; I Manli; 8) Jjo; 9) Zuling; 10) Siuntuz 11) Hieou⸗
12) Klaproth Tableaux historiques de l’Asie. Paris 1826. p. 166 bie
167; vergl. Abel Remusat Recherches sur les Langues Tartares
etc, Paris 1820. 4. p. 291 — 292, 13) Nicol. Trigautius Belga
de Christiana Expeditione apud Sinas I. c. Ed. 1615. 4. p. 54%
»*) Ab. Remusat Remarques sur !’Empire Chinois du Cote de !’Oc-
adent. 1. c. p. 121. 15) Ab. Remusat Notices sur quelgnes
Peuplades de la Boukharie de l’Ouvrage de Matouanlin in Nourv.
Melanges Asiat, Paris 1829. 8. T.I. p. 240— 248.
422 Weſt-Aſien, I Abſchnitt. 5.7
ſiun; 12) Kin. In der Mitte des V. Jahrhunderts ſchickte der
König von Sule Gaſchghar) eine Embaffade an den Kaifer
Wen tſchhing ti (reg. von 452—466 n. Chr. G) der Dy⸗
naftie der Wei (Ab. Remuſat nennt ihn Kao tfung); er ließ
ihm ein Gewand des Shafyamuni (d. i. Buddha) übers
reichen. Aus Mistrauen in deffen Aechtheit ließ es der Kaifer in
die Flammen werfen; aber fiche darin brannte es bis zum
Abend, ohne zu verbrennen. Unftreitig ein aus Asbeft —
Paummollenftein, Sung ipumbu, f. oben S. 259 —
gefertigtes feuerfeftes Gewebe. [Daß diefe bei Brahma—
nen 726) in In dien im Gebrauche waren, fagte einft Hierokles:
xoavraı dE Zodntı Aıvn, cn Ex nerowv Km. — Aber der
Geogr. Anonym, unter Conftantinus von Gothofredus edirt, ſchreibt
diefe Kunſt der PVerfertigung den Seren 17) zu: „‚inlibata est
vestis eorum, quae neque insordidari potest, et si hoc contigit
ver ignis gladium (i. e. famma) loturam expetunt.” Der Name,
den die Nömer diefem Material, das nah Plinius XIX. 1. fo
Eoftbar wie Perlen war, von der Libyfchen Stadt Asbyſta 18) ges
ben, wo es wie in Garpftus auf Euboea auch gewebt werden
mochte, war im mittelsafiatifchen Hochlande freilich nicht bes
kannt.) Diefes merkwürdige Gewand ward entweder damals
fhon im Lande feldft gefertigt, oder es mußte durch den Handel
aus den budphiftifchen Gebieten Bokharas, Baktriens oder Kophes
nes, unftreitig, hierher auf der Serenftraße ſchon durch den
Handel eingeführt feyn. Aus Marco Polo willen wir, daß-
noch-zu feiner Zeit in den Bergen des IhiansSchan, in der
Nähe von Turfan oder Kharafhar (die Berglandfchaft
Dſchuldus, wahrfcheinlich fein Chinhintalas) eine Asbeft:
grube bearbeitet wurde, aus welcher folhe feuerfefte, ſchnee—
weiße Eewänder gewebt wurden, die er deshalb, witziger Weiſe,
Salamander (Salamandra)19) nennt. Er giebt umftändlich
die Fabrication derfelden an, die ihm ein erfahrner Turfomanne
mitgetheilt harte. Vielleicht, daß diefe Weberei durch indifche
Buddhiſten in frühern Jahrhunderten bier eingeführt war, da
noch zu feiner Zeit ihr Idolencultus dort herrfchte. Es klaͤrt diefe
718) Stephanus Byzant. s. v. Bouzuaves Ed. Berkel. p. 242.
17) Bochart Geogr. Sacra. Ed. 1692. I. 28. 18) Stephan. By-
zant. s. v. Aoßvore ed. Berkel. p. 176. 12) M. Polo Trav.
ed. Marsden L. I. c. 38, p. 175— 178. Il Millione Ed. Baldelli
Boni I. e, 46, p 39,
DfteTurkeftan, Kaſchghar, Asbeſtgewand. 423
merfwärdige Stelle der chinefifchen Annalen zugleich die vielen
fireitigen Anfichten der Kommentatoren, über diefe Art der Klei-
dung, wie man meinte, bei den Gymnoſophiſten (den nacktgehen:
den Weltweifen, f. Alien IV. 2. ©. 657) Indiens vollfommen
auf: denn es war nicht Tracht, fondern nur ein felten vorkom—
mendes heiliges, vielleicht priefterliches Gewand, nur für gewiffe
Religioſen oder heilig gehaltene Asceten im Gebrauch. Die Kö:
nige von Sule (auch blos Su oder Chou genannt) trugen,
nach Befchreibung der Ehinefen, auf dem Kopfe eine Tiara, mit
einem goldnen Löwen (daran vielleicht ihre Münzgepräge er:
Eennbar, wie die geflügelte Tiara ver Khotan Könige) der
jedes Jahr umgewechfelt wurde; fie waren nur von 200 Mann
Seibgarden umgeben. Sie hatten 12 große Städte, die ih:
nen unterworfen waren, und einige Zehende £feinerer
Städte. An mehrern Stellen war ihr Land wuͤſte, voll Sand
und Steine. Die königlihe Familie hieß, nach den Chinefenbe:
richten, Phoei, oder Fy; der Titel des Könige war Amo:
tfchi, feine Nefivenz hieß Kafchi (Kafıhbahar). Es wird eine
Derheirathung des Königs der Sule mit der Prinzeffin Tochter
eines Khans der Thufhiu (Turk) angezeigt. Diefe Thu:
khiu unterjochten aber bald nachher das Reich Sule. In dies
fer Periode muß wol die Bemerkung des Pian itian, K. 56.
©. 7 gelten, welche Ab. Remuſat?0) anführt, daß die Chine:
fen bemerften, die Schrift der Sule gleiche der Indiz
Then (Sanskrit Nagari, wie bei denen von Khotan, f. oben
©. 368); fie fey nur wenig davon verändert worden, Die Lanz
desbewohner feyen dem Cultus des Buddha ungemein erge
ben, hätten feht viele Klöfter (Kialan), trieben eifrig theologifche
Studien, befäßen heilige Bücher, verfiänden aber doch nicht im—
mer den Sinn derfelben, und recitirten oft nur im Gedächtniß
die Wörter, welche fie aus denfelben auswendig gelernt hätten.
Diefelbe Eultur, durch die Buddha; Dockrin, verbreitete fich
aber auch nordoftwärts, bis in die Thäler des Himmelsgebirges
um Turfan (Ling: Shan und die Buddhabilder dafelbft, f.
Afien I. ©. 353), und über ſie hinaus, bis zur Pentapolis Bifch-
balik (f. Aſien I. ©. 382); wovon ſchon anderwärts die Rede
war, was Ab. Kemufat für Koueitſeu oder Kieouffeu?!l)
*0) Recherches sur les Langues Tartares I, c. 21) Rech. s.l.
— Tartares l. c. p. 292— 293.
424 Wert: Afien, I Abſchnitt. 5 5.
der Chinefen hält. Es beftand alfo eine Zeit, in welcher der
Buddhismus durch das ganze Dft-Turfeftan verbreitet
war, und mit ihm die elementaren Anfänge Indiſcher Civi—
lifationsverhältniffe, welche erft fpäter durch das Vordrin:
gen des Islamismus verdrängt worden find, worüber uns freilich
die nähern hiftorifchen Daten fehlen. Schr zu bedauern ift es
unftreitig, daß uns aus diefer Periode Peikiu's vollftändige
geographifchsftatiftifche Befchreibung der Weftländer (vom Jahr
607 n. Chr. Geb. an) nicht erhalten worden ift, von der nur
die Vorrede in der Biographie diefes Obergouverneurs vorhanden
blieb, die um fo mehr jenen Verluft in der chinefifchen ältern Liter
ratur bedauern macht. Schon P. Gaubil 73) und neuerlich
Neumann ?% haben auf den Inhalt diefer Borrede, in welcher
von den Handelsftraßen der Chinefen durch diefe Weftländer die
Rede ift, aufmerkffam gemacht. 2
Unter den Dpnaftien der Soui und der Thang im VII.
Jahrh. fehiekte der König der Sule (Kaſchghar) noch einmal
durch Gefandtfchaften Tribut an China. Gegen das Jahr 677°
nach Chr. Geb., alfo zur Zeit Srangfon Gambo’s, reg. bis
698, f. Afien II. ©. 230,- zu derfelben Zeit, da Lhaſa erbaut
ward, f. Afien II. S. 238, ward aber bei der mächtigen Aus—
breitung des Neiches der Tufan auch diefes Königreich Sule
(Gaſchghar), wie fo viele der benachbarten, den feitdem gewals
tig werdenden Tuͤbetiſchen ?) Herrſchern (f, Aften IL
©. 177) unterthan, die es aud) bis in das IX. Jahrhundert vers
walteten, wo es dann wieder an die chinefifche Dynaſtie der
Thang tributpflichtig ward. Denn im X. Jahrhundert haben
wir fchon anderswo den Verfall der Tübetifchen Herrfchaft in je
nen Gebieten Oft:Turkeftans angezeigt. Diefer Zuftand wird von
den Tübptifchen Annalen als die große Verwilderung mit
den traurigften Farben gefchildert, weil die falfche Religion
und die Irrlehre der f[hwarzen Gegend (aus der Terra
nigra, f. Afien J. S. 1127, vergl, III. ©. 241), d. i. die mo:
hbammedanifhe Lehre der fhwarz gefleideten 9
723) P, Gaubil Hist. des Thang 1. c. T. XVI. p. 385395.
**) Neumann, die Handelöftraßen von China nach dem Weſten, nady
einem chinejiichen Werke aus dem VI. Sahrh., in deſſen Afiatifche
Studien. Leipz. 1837. 8. p. 187—204. *°) Klaproth Tableaux
historiques de Y’Asie l. c. p. 166. 2°) P. Gaubil Histoire des
Plang in Mem. cone, FHist. d. Chinois, Paxis 1814. 4, T. XVI.
Oſt⸗Turkeſtan, Kaſchghar, Araberhandel, 425
Abbaffiden (im Gegenfaß der weiß gekleideten Ommiahden), aus
dem Weften eindrang. Es find die Neligionskriege der Khas
lifen und Arabiſchen Dynaftien nah dem Sturze der
Saffaniden (Mezdedjerds Familie fuchte im J. 638 ihr Afyl bei
den Chinefen 27), f. Aſien I. S. 204), welche in Kämpfe mit den
Tübetern traten, deren Herrfchaft ſich damals über das weft
lichfte Tuͤbet hinaus verbreitete, felbft über Kafchahar. Die Tuͤ⸗
beter hatten um das J. 715 nad) Chr. Geb, felbft Einfälle bis
Ferghana (Pahanna) gemacht, wo fie mit den Arabern in
Conflict um die Oberherrfchaft Weſt-Turkeſtans zufammentrafen.
Ihre nördlichen Nachbarn, die Turkſtaͤmme in Oft: Turfeftan, die
Horden der Thukiu, Hoeihu, Hakas, Kirkis u. a. (f. Hafas oder
ft: Kirghifen, Afien I. ©. 14122 — 1129) waren durch Arabifche
Miffionen, durch Handelsverkehr und die Politik der Mosiemen
aufgeregt, zu zelotifchen Vorkäampfern des Koran geworden. Bon
der Mordfeite des Thian Schan-Syſtemes herab ergoffen fie fich
feitdem gegen Süd und Weft wie verheerende Ströme über die
bis dahin dem Buddhismus ergeben gewefenen Staaten, die
nun ihrem Verfall nicht mehr entgehen konnten, und völlig in
Trauerlandfchaften verfanken, als nach diefer Periode noch die
nachrückenden Mongholenhorden die Berwüftungen vollendeten.
Aus den Annalen der Thang: Dynaftie erfahren wir,
daß die Chinefen, eben fo wie die Tübeter, feit dem Anfange
des VI. Jahrh. als Beſchuͤtzer Oft: Turkeftans in die Kriegs:
bändel mit den Arabiſchen Khalifen im weftlichen Turs
£eftan verwickelt wurden, was nicht direct hätte gefchehen koͤnnen,
wenn fie nicht im Befiß oder Bunde von Kaſchghar und Yars
Eand gewefen wären. Im Jahr 713 ward 2) Tuhoen, König
von Kang (in Transoxiana), von dem Feldherrn Kotba, des
Khalifen Walid, der aud) Samarkand (Kiping) eroberte, und
einen Turkprinzen, der zu Hülfe gezogen war, befiegte, gefchlagen;;
Tuhoen rief die Chinefen zu Hülfe. Der König von Tübet war
im Jahr 715 in das Land Ferghana (Pahanna) eingefals
len, deſſen Fürft eine chinefifche Prinzeffin zur Gemahlin hatte
p: 384; Ab. Remusat Remarques sur l’Extens. etc, in Mem, sur
plus. Questions etc. l. c. p. 88.
27) Ab, Remusat Remarques sur l’Extension Occid. in Mem. sur
plus. Quest. 1. c. p. 101. 25) P, Gaubil Histoire des Thang
in Memoires concern. l’Histoire des Chinois ete., Paris 1814. 4.
T. XVL p. 7, 9; vergl, p. 393—396.
426. WefteAften, J. Abſchnitt. 5,
und deshalb den Chinefen alliirt gewefen, daher deffen geflüchteter
König nach Turfan (damals zu Ganſy gehörig) zog, um dort
die Chinefen zu Hülfe zu rufen. Diefe brachten auch Huͤlfe,
fihieften ihre Truppen einige taufend Fi weit gegen den Weften
vor, waren fiegreich, unterwarfen fich Uber hundert Städte und
das Neich der Tache (darunter werden bei den Thang die Kha—
lifen verftanden; hier natürlich nur eine ihrer eroberten Pros
vinzen in Transoriana), nebft noch 8 anderen Staaten, Nach—
dem der chinefische General in diefem Weftlande eine Denk:
fäute mit Snfchrift der vollbradhten Siege hatte er:
richten laffen, Eehrte er nad dem Often zurüd. Es war nur ein
abgenörhigter, ein, Repreſſalienkrieg, fagen die Annalen, um die
befreundeten Staaten gegen die Leberfälle der Khalifen zu ſchuͤtzen;
an Eroberungen dachte man nicht. Aber fchon zwei Jahre darz
auf 29), im J. 717, entftehen neue Kämpfe in Kafchghar, da
deffen Bewohner, mit den Chinefen unzufrieden, die Truppen der .
Tuͤbeter wie der Khalifen um Beiftand anrufen, worauf jedod)
die Chinefen die Ruhe bald wieder hergeftellt haben wollen. Doch
zog fich die chinefifche Politit feitdem immer mehr, da fie mit
fi) ſelbſt hinreichend im Innern befchäftigt war und ihre Ohn⸗
macht im fernen Weften wol fühlen mußte, gegen den Oſten
zurück,
Weder die byzantinifchen Kaifer noch die Khalifen
£onnten an diefen Nordoftgrenzen ihrer Herrfchaften dem Kampfe
einer fo großen, gegen den Weften vordringenden Weltmacht,
wie der hinefifchen, gleichgültig zufehen. Die Kaifer von
Conftantinopel Ta Tfin, d. i. die großen Tfin, bei den Chir
nefen genannt, oder Fuslin) ſchickten damals GSefandtfchaften
an den chinefifchen Hof, welche aber- den Nordweg 30) im J.
719n.Chr.&. wählen mußten, und über Tuholo (das alte Turz
feftan) gingen, weil auf dem Suͤdwege ihre Feinde, die Mo:
hammedaner, ihnen den Weg verfperrt haben würden. Mit die:
fen Gefandten follen Miffionare, wol chriftlihe (2), zu den Chi:
nefen vorgedrungen ſeyn; als Geſchenk wurde ein Löwe mit an
den Hof von China gebracht. —
Denſelben Weg freundſchaftlicher Annaͤherung verſuchten auch
die Khalifen zur Zeit, da ſie mit Tuͤbetern in ſehr heftigen
Kriegeskaͤmpfen lagen, und daher die Befreundung der Chineſen,
722) P. Gaubil Hist. des Thang l. e. XVI. p.12. 5) ebend. p. 13.
Oſt⸗Turkeſtan, Kaſchghar, Religion. 427
im Ruͤcken derfelßen, ihnen von Werth feyn mußte. So foll,
nach den Ihang-Annalen, im Jahr 798 auch der Tache Gas
lun (®. i. der Khalif Harun al Raſchid) 3) eine Gefandts
fchaft an den Kaifer nach China gefchiekt haben. Die Noute
derfelben wird uns nicht mitgetheilt, nahm fie aber den Landweg
und die große Karawanenftraße, fo wird fie kaum eine andere
Route als die durch Kafhghar haben nehmen können.
In diefer Periode fcheinen verfchiedene Verfuche gemacht wor:
den zu feyn, die Bewohner Oſt-Turkeſtans, melche bisher
uns unbefanntem, einheimifchem Aberglauben oder der Buddha:
doctrin ergeben waren, vorzüglich zum Koran oder auch zu anz
dern Eulten, zum Feuerdienft oder der Neftorianer: Lehre zu bez
ehren 3). Die Nachrichten, welche die Chinefen darüber geben,
find aber viel zu unvollftändig, um hinreichenden Auffchluß darlız
ber zu geben; dazu vermifchen fie öfter die Benennungen, welche
fie für die hriftliche Lehre (der Ta Tfin), Kr Merferre:
ligion Muhufu) und den Buddhacultus (Foe) gebraus
chen, und nennen auch noch einen Eultus des Geiftes
(Hien), den fie auch wieder als Feuer erklären. Diefe verfchier
denen Eulte waren alle vom Weften her, über Kaſchghar,
Harkand und Khotan, mit zahlreichen Fremdlingen durch das
ganze Hochland in jenen Zeiten bis nach China vorgedrungen,
deffen Verwaltung zuweilen durch diefes Zuftrömen der Fremden
in Schrecken gerieth, deſſen altgläubige Anhänger der Con:
fucius: Religion der Bäter, wenn fie zuweilen Oberhand
und Gehör befamen, fih dann von diefen Neuerungen zu
befreien fuchten. Es gab dann fein anderes Mittel, ald aus China
nach dem Siyu oder den Weftländern zurüdzufchieken, was ih⸗
nen von dort aus zugefommen war (f. Afien IV. ©.222). Die
Devotion der Bewohner Oft: Turfeftans gegen den Buddha
war noch fehr groß während der Regierungszeit der Thang-Dy⸗—
naftie, vom Jahr 618 bis zum Jahr 924, fo daß fehr viele
Thürme (Tha’s) in diefer Zeit zu Ehren Buddhas erbaut
wurden, fagen die Annalen 3). In derfelben Zeit war im
hinefifhen Reiche die Zahl der buddhiftifchen Tempelklöfter,
welche von den Kaifern autorifirt worden, zu 4660, und die der
Preivatfiftungen fogar bis zu 40,000 herangewachfen. Diefe
31) P, Gaubil 1. c. p. 144. * 32) ebend. p. 225.
32) hend, p. 149,
408 Weſt-Aſien. I Abſchnitt, $. 5.
Zählung gefchahe unter dem Kaifer Suen tfong 73% (reg. von
846 — 859), einem Feinde diefer neuen ‚Lehre, vielleicht auc) ‚aus
Speculation auf Säcularifationen; daher er den Befehl gab, in
feinem ganzen Neiche die Tempel des Fo zu zerftören, die Reli—
giofen derfelben, deren Zahl auf 260,500 angegeben ward, aus
den Klöftern zu vertreiben, ihre Ländereien zu den tributbaren zu
zählen, und ihre Sclaven, deren man 150,000 zählte, zu Unterz
thanen des Neichs zu machen. Aber auch die Priefter der Ta
T fin wie der Muhufu follten in ihre Heimath gegen den AB ex
ften zurückgefchickt werden, und nur von der aus Indien gefomz
menen Fo-Religion, fagte das Faiferlihe Dekret, follten in
den beiden damaligen chinefifchen Nefidenzftädten (Siganfu und
Loyang), unter der Aufficht der Mandarinen, einige Tempel
und Klöfter bleiben. Das Wortzeichen, welches in der chines
fifcben Schrift die Priefter fowol der Ta Tfin wie der Mur
hufu bezeichnet, ift leider daffelbe wie bei den Buddhapries
ſtern, fo daß es ſchwer ift, fie gehörig zu unterfcheiden, Diejes
nigen, die auch blos fihlechtweg Muhu (ob Magier? Magovad
oder Mobed, f. Aſien IV. 1. ©. 618) heißen, von denen wird
gefagt, daß fie einen Geift (Hien) verehrten, nämlich, im
Morden des Orus, in Transoriana, aber auch in Perfien und in
Henki, Sule oder Kafıhahar. An denfelben Orten werde aber
auch- der Foe und der Geift des Himmels verehrt (was
Hien heißt in der Religion dee Muhu, kann auch wie Yao
gelefen werden). Diefer Eultus, fagen die Ihang- Annalen, ſey
aus Perſien in die andern Königreiche übergegangen, deflen Ans
hanger auch Sonne, Mond und Sterne verehrten (Mithrasz
eultus?) und gewiffe Reinigungen hätten, zumal dadurch), daß
fie mit Mofchus Ohren und Naſe einrieben. Der Geift Hien
fey das Feuer. Diefer Cultus mochte mit den flüchtigen Saf
faniden »Reften auf das Hochland verbreitet ſeyn. Die Religion
der Ta Tſin wird in denfelben Annalen zwar auch Foe⸗Cul⸗
tus genannt, da mit diefem Namen aber nicht ausfchließlich die
Indiſche Gottheit, fondern überhaupt auch der Fremden Gott
bezeichnet wird, fo haben die Zefuiten-Miffionare, welche uns jene
Nachrichten zugängig machten, unter der Religion der Ta
Tſin immer die chriftliche verfianden, welche dann damals
- #84) P, Gaubil I, c, p. 225 etc.
Oſt⸗ Turkeſtan, Kaſchghar, Paffageland. 429
zuerſt durch OftsTurfeftan nah China eingewandert waͤre
(ſ. Afien I. ©. 285).
Das Ländergebiet Kaſchghars und Turkeftans
mußte immer das Paffageland diefer mehr geiftigen Ver:
bindungen abgeben. Darauf führt auch der induftrielle
Verkehr in jenen Zeiten, über den die Angaben freilich gleich
unbeftimmt und ungenau bleiben, weil die. häufigen innern Vers
wirrungen 35) der chinefifchen-Provinzen Centralafiens, zumal ges
gen das IX. und X. Jahrh. nad) Chr. Geb. unter den Thang—
Herrfchern, Feine fo pofitiven und zufammenhängenden Daten über
die Weftländer darbieten fonnten, wie in den frühern und
wieder in den fpatern Yahrhunderten. |
Doch macht der Ueberfeger der Thang-Annalen, der in
der chinefifchen Literatur fo gelehrte Pater Gaubil, die Bemers
fung, daß die Fuͤrſten von Kaſchghar (Sule), fo wie ans
dere in Transoriana bis zum Kaspifchen Meere, und wie die
Tache (Araber), Poffe (Derfer) und TaTfin (Byzantiner?),
ſehr viele Münzen 36) von Gold und Silber in Gebrauch)
hatten (über, jenen frühen Muͤnzenreichthum f. bei dem Tope von
Manikyala ob. ©. 101, 106, 109, 296 u. a.), welche in jenen
Zeiten häufig von den Kaufleuten nach China gebracht wur:
den, und daß die Bewohner jener Weftländer in Künften und
Wiflenfchaften fehr erfahren waren; zumal die weftlihen Nach:
barn der Kafchgharen in Transoriana waren treffliche Hanz
delsleute, Arbeiter in Kupfer, Gold, Silber und Glas.
Vielleicht koͤnnten daher einft noch in Chinas Münzfammlungen
wichtige Entdeefungen für die Numismatit Baktriens und der
Getenlaͤnder por den Einfällen der Mohammedaner gemacht wer:
den. Wo auch die fremden Eroberer in jene Länder, als
Hordenfürften etwa (von Turkſtaͤmmen, früher von Geten)
eingedrungen, ihre nomadifche Lebens art in wandernden
Zeltlagern fortfegten, da blühten doch in den Städten
Handel und Gewerbe noch fort, wie in frühern Zeiten. Mit
dem Verfall der Tübeter Macht im Weften, mit der Bekeh⸗
rung der Turkſtaͤmme in Turfeftan und mit der Leber:
macht dortiger mohammebdanifcher Herifchaften 37) hören, wie in
Khotan und Yarfand, fo nun auch die genauen Berichte über
»#) ebend. p. 297 u. a. O. 2°) ebend. p. 383.
27) ebend, p. 395. }
430 Weſt-⸗Aſien. J. Abſchnitt. $ 5.
Kaſchghar auf. Die hiſtoriſchen Zuſtaͤnde Kaſchghars
feit den Zeiten Kaifer Kang'his und Khienlongs im XVIII. Yahr:
hundert hängen mit denen von Khotan, Yarkand, Kutfche und
den andern -bedeutendften Städten diefes Oft: Turkeftan durch die
Empörungen und die Bandigung der einheimifchen Khodjaz Ger
fehlechter fo genau zuſammen, daß wir erft weiter unten auf dieſe
zurückkommen werden.
Grläuterung 4.
Die Stäbte und Drtichaften zwifchen dem Norbufer des Ta:
limu und dem Südgehänge des Thian Schan: Syftems:
Zurfan, Kharafhar, Kurli, Bukur, Kutſche, Akſu, uſchi
und ihre Gebiete.
—
u ſicht.
Nach dieſen umſtaͤndlichen Monographien der f — ———
und weſtlichen, hiſtoriſch für die ältere Zeit, durch ihre
Stellung zur Culturverbreitung in Mittelafien fo merk
würdigen und doch bisher kaum in Geographien beachteten Herr:
fhaften und Ortfchaften von Khotan, Yarkand und Kaſch—
ghar, bleibt uns nur noch die Aufzählung der Neihe der Sta:
tionen auf der Nordfeite des Talimu-Stromes uͤbrig,
von Turfan, Karaſchar, Kutſche, Akfu bis Ufchi, deren
Lage am Südgehänge des Thian Schan-Syſtems uns ſchon
in ihrem Naturverhältniß zu diefem und zu feinen Uebergängen
aus frühern Unterfuchungen befannt ift. Auch ihre wichtigften
Beziehungen zur ältern Wölfergefchichte find uns dort ſchon im
Allgemeinen befannt geworden, fo daß wir hier nur der Reihe
nach, von Oſten nad Werften, die geographifchen Einzelnheiten
derfelben meift aus der neuern Zeit, weniges aus der ältern aufs
zuführen haben. Die Monographie der Hami-Dafe ift fchon
früher vollftändig mitgetheilt worden (f. Aſien I. ©, 357 bis
378). Von Turfan (im Mongholifchen fo viel als Nefidenz,
oder Turpan im Turd) in der Provinz Pidfchan, mit dem
Qulfan Hotfcheou (ebend. ©. 341), war fihon auf der Grenze
der mongholifchen und Eaufafifhen Gefichtsbildung in ältefter Zeit
und als zweiter Heimath der Uiguren, 7 Tagereifen in
Welt von Hami, von dem es 78 bis 90 geogr, Meilen entfernt
ift, früher die Nede Cebend. ©. 350—356). Auch davon, daß es
Oſt-Turkeſtan, Nordftädte, 431
einft Feuerftadt, und als Siß der Uiguren Kaotſchang feit
dem VII. Jahrhundert hieß, als Centrum der 6 Städte in der
Uigurengeſchichte die wichtigfte Rolle fpielte (ebend. ©. 342—349),
bis in die Periode der Mongholenzeit.
Karaſchar, im Süden des Bogdo Dola oder Gottesber:
ges, 63 geogr. Meilen im Weft von Turfan gelegen (ebd. 337),
defien Hochkette an, den dortigen Seen vorüberzieht und noch
unüberftiegen. blieb, liegt am Ausgange des alpenreichen
Dfhuldus, wird vom Kaidu reich bewaͤſſert, ift von Turfes
ftanen und Torgut-Kalmuͤcken bewohnt, aber feit der Zerfpren:
gung der Dfungaren verödet (ebend. ©. 341).
Kutſche, im Süden des Pe Schan (weißer Berg)
oder Ho Schan (Feuerberg) gelegen, der noch im VI. Jahr⸗
hundert rauchend war, und jest noch Salmiakreichthum, Salpe:
ter und Schwefel darbietet (ebend. ©. 333—335), ift mit feinen
1000 Familien noch immer ein Hauptmarft der Salze, und
war einft das Koueithfu-Königreich der Hiongnu.
Akfſu liegt am füdlichen Eingange der großen Paflage des
Hauptgletſcher-Paſſes über den Mu; Tag (Muffur
Dabahn, f. ebend, ©. 329—333), ein bedeutendes Emporium,
mit 6000 Käufern, 3090 Mann Garnifon, ein Hauptzoll—
amt auf der großen Karawanenftrage nach Zli, der Sitz eines
Amban.
Uſchi oder Uſch— en (Uſch, d. h. auch Reſidenz),
40 Tagereiſen im Weſten des großen, alten Emporiums Turxr—
fan, liegt am Suͤdfuß des Muz Tag, auf dem Wege nach
Kaſchghar, hat feinen Grenzcommandanten feit 1775 erhalten,
feit welcher Periode die Stadt auch mit dem Namen Yungz
ming belegt ward (ebend. ©. 323).
. Wir fügen diefen die wenigen fpeciellen und neueren Da:
ten hinzu, die uns über jene Ortfchaften bekannt geworden find,
um dann mit der Leberficht der allgemeinften, fie insgefammt ber
treffenden, natürlichen und hiftorifchen Daten unfere Unterfuchuns
gen über Oft: Turkeftan zu fchliegen.
Da die Tafel der Ortsbeffimmungen der chinefi:
ſchen Reichsgeographie, neueſte Ausgabe (Edit. Peking 1818
des Tay thing hoei tien) 733), von den früher gegebenen, f.
Afien 1 S. 324, etwas abweicht und in einigen Daran berich⸗
J
738) Sach Neumann's gütiger Mittheilung im Mſer.
432 Weſt-Aſien, I. Abſchnitt. $. 5,
tigt erfcheint: fo fuͤgen wir diefelbe von 13 Hauptftädten zur
Benugung einer beſſern Kartographie hier bei.
1.9ami 2. . 42° 59 N. Br., 91° 30° O.L. von Paris.
2. Zurfan-. „ . 43004 —ı 8717 ——
3. Kharaſchar 07 — U 0 — —
4. Rurle „. . 474 — 84e 56° — —
5. Bufur „2. 40 44 — 3160 55° — —
6. Kutſche.. 40 37 — 80° 30° — —
7,©Sailimu .. 41,4 — 79 22° — —
Re 3 re 412 09 — 76° 47 — —
9.Ufdi. . .. Mob — 750 35° —
10. Temurtu Nor 450° — 74° 42° _—
11. Kaſchghar. . a5 — 7 37 — —
42. Sereful . . 374’ — 71° 38 — —
413. SarasS „= 430%50° — 708 02° — —
1) Turpan, Turfan (Turphan) 3%), Tulufan oder
Thu ölh fan der Chinefen. Diefe Stadt ift von M. Polo
nicht befucht worden; Pater B. Goes hat fich, wie er fagt, an
diefem Marftorte zwar einen Monat lang aufgehalten, aber nichts
daruͤber angemerkt, ald daß es befeftigt fen. Auch die Notizen
der Meffapilger in Bombay (1835) über diefen Ort find ganz ges
haltfos. Es bleiben uns alfo nur die Nachrichten aus dem Sir
yu wen kian lo zu referiren uͤbrig.
Turpan iſt der eigentliche Name, der von den Mongholen
Turfan ausgefprochen wird. So heißt die Hauptftadt einer
Herrfchaft, welche ebenfalls Turfan oder Pidſchan genannt
wird, weil diefe letztere Stadt die ehemalige Capitale des Liz
guren-Reiches war. Zu Turfan gehören 6 Difteicte: Turz
fan, Pidſchan (Bidjin), Lufuzin (Limtfin), Sefengmu
(Seghim), Tokfun und Karakhodjo (Halahodfchu), welche
von den Turkflämmen der Hoei bewohnt werden.
Pidſchan (auh Phidfchin) liegt 57 geogr. Meilen (770
Li) im Weft von Hami, und wird durch feine Situation wich—
tig, weil die große Heerftraße durch diefen Pag in die Südlän:
der hindurchgehen muß. In den Zahren 1723—1736 festen die
739) Si yu wen kian lo Ed. Peking 1778. Ueberf. aus dem Chineſ.
vonDr. Schott; desgl. Timkowski Voy. ed, Paris. L p. 395—396.
Webers, von Pat, Hyacinth und Klaproth.
Aft-Turkeftan, Turfan, 433
Oeloͤth diefem Gebiete fehr zu. Sein Fürft, der Khodja
Yming Yminghodfhu), an der Spise feiner Truppen, un:
terwarf fich dem Kaifer, und zog mit feinen Leuten nach Nganfi
und Scha tfheou (f. ob. ©. 325, 321), um den Verheeruns
gen der Dfungaren (f. Afien I. ©. 447) zu entgehen. Nach der
Eroberung von Zli, unter Kaifer Khienlong, ergaben fich auch
die Männer von Turfan (1756, f. Afien I. ©. 460). Dann
beftimmte man die Grenzen von Hoei (der Turf); der Khodja
Yming war dem Heere der Sieger gefolgt, wofür er die Wuͤrde
eines Kiüns Bang (Pafallen:König) erhielt. Die Lage von
Pidſchan forderte dazu auf, hier eine Feftung zu erbauen,
um die Länder in Zaum zu halten. Sie erhielt 5 Li in Um—
freis und einen General: Jnfpector (Don fzö ta tfchin), eine
oberfte Magiftratsperfon (Szökuan), 3 Secretaire
Dithiefhi), einen Ober-Zolleinnehmer (Kuan ling thung⸗
dſchi), einen Polizei-Inſpector (Limu, d. h. praefectorum
oculus), einen Major (Tſching ſcheu tu 56), 5 Ziänzung und
Pa zung, Hauptleute und Lieutenants, mit 350 Soldaten in 6
Kafernen oder Lagerpiägen. Es wurde aber diefes Pidſchan
dem Hakim Beg von Turfan übergeben. Sehr verrufen ift
das Land der Wüfte im Often und Suͤdoſten von Pidfhan.
Dort, fagt man, fey der Tummelplag gewaltiger Stürme; man
nennt diefe Gegenden San fiän fang (drei Wohnungen),
Scchi ſan kiän fang (13 Wohnungen) und Puhantai. ,
Jeder der Winde, der fich dort erhebt, Fonımt aus Nordweſt
alſo vom hohen Bogdo Dola?). Erſt giebt es ein Getöfe, wie
, * & einem Erdbeben; plöglic) hört dies auf und der Wind kommt
an. Er reißt die Dächer von den Haufern und wirbelt große
Steine in der Luft herum, daß fie den Himmelsraum füllen,
Magen, und wenn fie mit taufend Pfund beladen wären, wers
denn fortgefchleudert, und alle darin enthaltenen Dinge nach allen
Richtungen zerftreut. - Einzeln gehende Menfchen und Thiere wirft
der Sturm 10 bis 100 Fi weit (?) und oft ift feine Spur mehr
son denfelben zu finden. Im Frühling und Sommer weht er
ſehr haufig, im Herbft und Winter aber außerft felten (alfo wol,
wenn bei großer Hitze die verdiinnte Glutatmofphäre über der
heißen Sandwuͤſte durch die Falten, ſchweren Luftmaffen, die ſich
vom hohen Bogdo Dola herabftürzen müflen, in das Gleichges
wicht gefegt wird). So oft man bei Anbruch det Morgenröthe,
Ritter Erdkunde VII, ee
434 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. 6. 5.
fagt der chinefifche Berichterftatter, die nördlichen und füdlichen
Berge ganz heil und ohne Staub (Nebel) fieht, giebt es an dies
ſem Tage gewiß feinen Wind, Wenn aber ein fchwärzlicher Mes
bel fich weit verbreitet, fo daß man beide Berge nicht fehen
ann, fo giebt es an diefem Tage ohne Zweifel einen folchen Or—
fan, und man darf dann fich nicht auf die Reife wagen. Auf
der das Siyu wen fian lo begleitenden Landkarte ift diefe Stelle
durch das Zeichen „Fung,“ d. i. Wind, angedeutet, Man
tönnte diefe Erzählungen fir Uebertreibungen halten, denen jes
doch ein beftimmtes Naturphanomen (wie z. B. der Giftwind in
der Steinwüfte bei Sellallabad, f. ob. ©. 227) zum Grunde lies
gen muß. Denn an derfelben Stelle hatte fchon der Minoritens
Moͤnch W. Rubruquis (im J. 1254 nach Chr. Geb.) 7) ein
halbes Yahrtaufend früher ganz diefelbe Nachricht mitgetheilt. Cr
reifet aus Dſchuldus ailac) ab, und fam nad) 3 Tageteis
fen an den großen See (Kharaſchar-See), der zwar etwas
falziges, aber doch noch trinfbares Wafler hatte. Jenſeit deſſel—
ben Sees, gegen Süden und Often, fahe man Berge, und zwis
fehen denfelben lag ein anderer See (der Lop- Seo). Ein
Fluß fließt bier Cder Khaidu oder Dfehulduss; Fluß, aus dem
Bostu Nor in den Lop Mor fließend, f. oben ©. 329) aus
dem einen See in den andern. Von daher nun wehten, ſagt
Rubruquis, fo anhaltende Stürme (alfo von N.W.),
daß die Reiſenden Gefahr liefen, von ihnen in den
See gefchleudert zu werden. Beim Austritt aus diefem
Thale, gegen den Norden hin, ift Schneegebirge, wild und‘
ſchwer zu paffiren. Die Neife Rubruquis ging, ſcheint es
nicht uͤber Hami, fondern nordwärts über Barkul (auf dem
directen Wege nach Karaforum, f. Afien J. ©, 379), fo daß die
Reifenden bier, e8 war December, von der Kälte fehr viel zu
leiden hatten. — So weit der genaue Neifebericht, der in fehars
fen Beftimmungen zugleich die Localität unwiderleglich bezeichnet,
von der hier die Rede ift, wodurch auch die Lage des von ihm
befchriebenen Kailac oder Cealac, von Organum und dem
Juguren-Lande, im heutigen Dfehuldus, im Weften von BR
raſchar, bezeichnet ift (f. unten).
239) Guillaume de Rubrugquis Voyage remarquable Envoye en Am-
bassade par le Roi Louis IX, en Tartarie et à la Chine ete, b,
P. Bergeren. Leide 1729. 4. T. I. eh, 29, P. 6l.
Oſt⸗Turkeſtan, Turfan. . 435
- Zurfan mit den 6 Städten bildet eine erbliche Herrſchaft
des Khodja, d. i. des Fürften von Turfan, der Kung
(d. i. König) Sulaman (Soliman) heißt, und ein Sohn je:
nes Khodja Iming if. In allen übrigen Städten der Turfer
ftanifchen Linie werden die Beamten von der chinefifchen Nez,
gierung eingefegt, welche nach Ablauf der gefeglich vorgefchriebe:
nen Jahre gewechfelt werden muͤſſen. Nur Turfan allein macht
hiervon eine Ausnahme (wahrfcheinlich als Belohnung der Treue
des Yming Khodja). Alle Hoei diefes Landes, heißt es weiter,
find Alapatu (d. i. Sclaven) des Soliman. Es giebt feine
erblihe Nachfolge. Ein jedes Gebiet der HoeisGrenzen erwählt
feine Fürften und fest fie ab nach Gelegenheit (fo war es vor
alten Zeiten, f. unten). Der Familienzahl nach ift Turfan
der volfreichfte Diftriet, doch beläuft fie fih nur auf 3000
Calfo höchftens 20,000 Mäuler). Sehr viele find fo arm, daß fie
ſich felbft nicht ernähren koͤnnen. N
Der Sommer ift fehr heiß, der Himmel flammt, ein glühens
der Wind weht über das Land und wirbelt Staub in die Höhe,
Im Südoften liegt die Reihe der Sandberge (Scha Schan),
darauf weder Baum noch Strauch, Wenn die Sonne auf ihn
brennt, fann man feinen Anblick nicht lange ertragen, deshalb er
auch der feurige Berg, Hojan Schan, heißt. Im Winter ift we
nig Kälte umd wenig Schnee vorhanden.
Die Landesproducte find Korn, Hirfe, Sefam, viele Arten
Melonen, Waflermelonen, Weintrauben von weit vortrefflis
cherem Geſchmack, als die in den andern Weftländern (vergl. Afien
Br. 1. ©. 359). Der Boden ift fett und fruchtbar, er giebt
Baumwolle und Hälfenfrüchte (Bohnen, Erbfen) in Menge,
Im Norden, nicht fern von der Stadt, wehen an einer gemilfen
Stelle fo heftige Wirbelwinde, daß fie Eſel und Schaafe, die
über diefelbe hinlaufen wollen, mit fortreißen, fo daß Feine Spur
von ihnen zuruͤckbleibt. Im Süden von Turfan ift überall Fahle
Steppe (Kobi), wo wilde Kameele und wilde Pferde in
zahlreichen Heerden (zu 110) umbherziehen. Gegen S.W., an 45
geogr. Meilen weit (500 Li), liegt der Cop Nor. Khara—
Ehodjo (Halahodfhu), im Süden von Turfan, ift der Ort,
wo Pantfchan, der Feldherr der Han, fein Lager aufſchlug (ſ.
oben ©. 359).
Ee2
436 Weft-Afien, I Abſchnitt, F. 5.
2) Kharafhar, Halafhala der Chinefen, und
Dfhuldus (Yulduz); Cialis, Cailac, Calacia, Ras
kacha. Durhreife von W. Rubruguis (1254), M.Polo
(1280), von Schah Rofs Embaffade (1419) und von
Dat. B. Goäs (1604). 3
Kharaſchar liegt an 65 geogr. Meilen (870 Li) im Weft
von Turfan; es ift der Siß eines Generalsnfpectors. Die Fes
ſtung ift von den Chinefen ‚erbaut, fie hat nur 3 Li Umfang,
ein weftliches, öftliches und füdliches Ihor. Die Behörden find
der Tajin, Oberbeamter ald Generallieutenant, zwei oberfte Ma—
giftratsperfonen und zwei Seeretaire. Die Garnifon beficht aus
800 Mann. Hier wohnen Hoei (d. i. Turk) und Torgut (d,
i. Kalmuͤckenſtaͤmme) durch einander. Das Land ift fehr ausges
dehnt. Die Bergebene Dfhuldus (Yulduz), von 1000 Li
75 geogr. Meilen) Umfang, hat fettes Gras und füße Quellen,
und viel Wild; der lange Lauf des Khaidu (Khaitu ho) bes
wäffert fie gut. In vorigen Zeiten waren diefe Gegenden auch
gut bevölkert; Kornfelder und Obſtbaͤume bedeckten fie, man
nannte fie das Land des Wohlftandes und des Leberfluffes. Als
aber die Dfungaren dort einfielen und ihre Heerden dafelbft weis
deten, hielten die Hoei diefe Plage nicht aus, und wanderten aus _
ihrer Heimath aus. Seit der zurückgefehrten Ordnung, durch die
Befiegung- von Ili, ward ein General: nfpector hieher verlegt;
die beiden Ufer des Khaidu und die Weidepläge wurden von
neuem bevölkert von Horden, die dicht gedrängt in Filzs Zelten
mwohnen. Seit einigen Jahren haben fie auch den Acker allmas
lich bauen gelernt. Sie find arm und träger Natur, räuberifch
gefinnt. Kaufleute und andere mohammedanifche Stämme har
ben viel von ihnen auszuftehen. Das weibliche Gefchlecht ift ganz
unverſchaͤmt; an jedem Orte giebt es ſich preis. Aber die Kuͤnſt—
ferinnen im Sticken find vor Allen in den Yändern der Hoei auss
gezeichnet. Sehr arme Männer, Frauen und Kinder verfaufen
fih haufig ale Sclaven, und zwar in jedem Gebiete der Hoei.
Dann ftehlen fie Pferde oder Kleidungsftücfe und flüchten, ohne
daß man weiß, wohin fie gefommen find. Cie gehen auch dem
Handelsgewinn nad, bis Badakhſchan und Hindoftan. Aus
Pferdemilch bereiten fie das beraufchende Getränt Kiko (wol
Kumiſch), aus Kuhmilch ein anderes, Aladſchen genannt. Sie
ebren gleich den Oeloͤth die Lamas.
Was die Sige des merfwärdigen Cultur-Volkes der Uigu
Oſt⸗Turkeſtan, Kharafhar, Yulduz 437
ren oder Raotfche (d. h. hohe Raͤderkarren, weil unftrais
tig die Näder ihrer beweglichen Filzzelte höhere waren, als bei an—
bern der Turkſtaͤmme) "*), daher auch ihre Herrfchbaft das Koͤ—
nigreih Kaotfhang hieß, vor der Zeit der Dſchingis—
Ehaniden in diefen Gegenden bis Kharafchar und Dſchuldus
betrifft, fo verweifen wir auf das früher daruͤber Geſagte (f. Alten
Br. 1. ©. 343 u. f.). Hier erinnern wir daran, dag uns nach
biefer Periode die Reifen durch diefes Land zu vier verſchiede—
nen Zeiten befannt geworden find, durch welche wir erfahren,
daß bier wenigftens noch immer wenn auch nur geringe, doch ei:
nige Spuren von Eivilifation zuruͤckgeblieben waren, welche diefe
Landfchaft vor andern auszeichnete. 1) W. Nubruguis im
3.1254, M. Polo im J. 1250, 3) Shah Roks Em:
bafjade 1419 und 4) Pat. B. Goäs 1604.
W. Rubruquis fam von der Nordfeite des Kaspifchen
Meeres, von der Wolga und dem Bafıhkiren sLande (Pascatir)
über Taras (Talas) und am Suͤdufer des Temurtus (oder Iſſe—
ful:) Sees vorüber, zu der großen Stadt Cailac oder Ceas
face?) (Cialis bi B.G9E5*), identifh mit Groß: Dfchul:
dus, Dluc Yulduz bei Keriffeddin) #). Diefes Cealac,
fagt der Minorit, ift ein großer Marktort, von vielen Saufs
leuten befucht. Er vermeiite fich dafeloft 14 Tage, weil die Reis
fegefellfchaft den Seeretair des Batu Khan erwarten mußte, wels
her ihre Karawane zum Hofe Mangu Khans, nach Karaforum,
begleiten follte. Die Lage diefes Emporiums ift durch obige Stelle
genau localiſirt (f. oben ©. 434). Das wichtigfte, was hier der
Möncd feinem Könige berichtete, war die Nachricht von den Ydolz
anbetern, die er dort vorfand. Am Hofe Mangu hans hörte
der Minorit diefes Land Organum nennen; er meinte freilich
in feiner einfältigen etymologifchen Grilfe, weil fie gute Muſiker
feyn follten. Man legte ihnen den Namen am Hofe Mangu
Khans unftreitig aber darum Bei, weil man dort fehr gut wußte,
daß ihre urfprüngliche Heimath das Land am Orkhon oder
Orghon, der zur Selenga fällt (f. Afien I. ©. 528, 344, wo
”*t) Klaproth Tableaux historiques de l’Asie . c. p, 125.
-*#?) W. Rubruqnis Voyage 1. c. b. P. Bergeron T. I. p, 52—58.
*2) B. Goös I. c. b. Nic. Trigautius. 1615. p- 557. *4) Xenit-
feddin Hist. de Timur ed. Pet. de a Croix, Ed. Bell. 1%3.
T, UI. p. 45, vengl. 54 Not.
438 Weft-Afien. J. Abſchnitt. $. 5.
zumal’ ©.342—349 von den Uiguren bis auf Ifehingisfhan ums
ftändlich die Rede ift), gewefen war. Die Uiguren hatten ihre
eigene Sprache und Schrift (die altturfifche, wigurifche, f.
SKlaproth Uber Liguren). Das Land war aber damals von einem
Mongholenftamme (Gontomanen, ob Comanen ?) befegt.
Dafelbft lebten die Juguren (Gguren, lliguren) in den Bers
gen von Organım im Dften, als Idolanbeter (Buddhadies
ner); in ihren Städten wohnten überall neftorianifche Chris
ſten und Saracenen Mohammedaner) unter einander, Die
Meftorianer brauchten diefe Lliguren » Schrift in ihren Kirchen.
Hier in diefer Stadt, ſagt der MinoritenMönch, fahe er die ers
fien Spdolanbeter. Er fand dort dreierlei Secten. In einer
ihrer Verfammlungen bemerkte er, daß fie Kreuze von Dinte auf
der Hand hatten, aber das Chriftusbild nicht fanntenz auch ſahe
er bei ihnen eine Art Altar, darauf fie Wachsferzen anzuͤndeten,
wo eine Figur mit Flügeln ftand, die der Mönch mit dem Erz
engel St. Michael vergleicht. Andere Figuren hielten die Finger
der Hand wie zur Benediction (nämlich die Buddhaftatuen,
deren Namen der Mönch noch nicht Eennen gelernt zu haben
fcheint). An andern Verfammlungsorten fand er, daß ihre Tens
yel von Oft nach Weft in die Länge gebaut waren, mit einer Art
Chor gegen die Nordſeite, in welches fie einen Kaften ftellten,
gleich einer Tafel, an deſſen Seite gegen Mittag ein Idol geftellt
wird. Ein folches fahe der Minorit in der Nefidenz Karaforum,
fo groß, wie er in Europa nur „den heiligen Chriſtoph“ abgebil-
det gefehen. Aber er ſahe auch noch größere. Auf die Tafel
ftelfen fie, fagt ex, wie auf einen Altar Lichter und Opfer. Auch
haben fie Glocken und ziemlich große, wie in Europa die Chris
fien; deshalb, meint der Mönch, hätten die Chriften der orientas
liſchen Kirche den Gebrauch der Glocken verweigert, um nicht
diefen Idolanbetern zu gleichen. Er befuchte die Eonvente der
Spolanbeter (ed waren ihre Kialan oder Kloftertempel), in des
nen fie zu 100 bis 200 als Cölibataire beifammen lebten, mit ges
fhornem Haupthaar und Bart einhergingen, in gelbe Gewänder
gekleidet. In dem Tempel, auf Bänfen gereihet, lafen fie in ih—
ren heiligen Büchern; fie trugen Schnüre mit Kugeln (Rofens
tränze) zu 100 bis 200 Stuͤck, bei denen fie fiets die Worte
U mam hacta vi (er meint die befannte buddhiftifche Gebetformel
Om mani bat fe hum) herfagen, was foviel heißen foll als: „Herr
du weißt es!“ Ihr Kloftertempel ift mit einer Mauer umgeben.
| Oſt-Turkeſtan, Kharafchar, Cealac. 439
Oefter, bemerkt der Minorit, glaubte er fich in ihrer Mitte ploͤtz⸗
lich in eins der Kloͤſter ſeiner Heimath in Flandern verſetzt.
Die Schrift dieſer Juguren (d. i. Uiguren) haben
auch die Mongholen angenommen, ſo wie ihr Alphabet. Sie
fangen von oben zu” ſchreiben an, und fahren in einer Linie nach
unten fort, und leſen diefe auch eben fo ab; fo füllen fie auch,
von der Linken zur Rechten fortgehend, ihr Papier. Der Brief
Mangu Khans an den König Louis IX. iſt in diefer Juguren—
(Uiguren) Schrift gefchrieben, aber in mongholifiher Sprache abges
faßt. Sn ihren Tempela haben fie eine Menge Ydole, die fie
aber als die Bilder der Verftorbenen ausgeben, und behaupten,
daß fie diefelben nicht anbeten, fondern nur an einen Gott
glaubten. Dagegen hängen ihre Iempel voll Zeddel mit Zauber
formeln in wigurifchee Schrift beſchrieben. Diefes Juguren⸗Volk
ift von mittler Leibesgröße wie die Franzofen geftaltet; bei ihnen
ift der wahre Urfprung der türfifchen und komaniſchen Sprache
zu fuchen #9),
WVon dieſem Cealac (Cailac)h reifete W. Rubruquis
am St. Andreastage, den 30. Nov. ab, und kam nach 3 Stun:
den zu einer Burg, oder einem Dorfe der Neftorianer*), wo
er mit feinen Gefährten in die Kirche eintrat, und laut fein
Salve Regina mit Herzensluft fang, weil. fie feit fo langer Zeit
dies nicht gefonnt hatten. Ueber die Neftorianer wird weniger
als über jene Buddhadierrer geſagt; wie kennen fie in ihrer Vers
breitung durch diefe Gegenden fchon aus frübern Unterfuchungen
(f. Afien I. S. 2833 — 299). Nach. drei Tagemärfchen von die
ſem Neftorianer Orte, der nicht namentlich aufgeführt wird, Fam
der Minorit an den See von Karaſchar, unterhalb Dfehul-
dus, von deſſen Localität fchon oben die Rede war (f. ob. ©.329).
IM. Polo folgte ein paar Jahrzehende fpäter (um das %
1280) diefem Norgänger in diefelben Gegenden; doch geht aus
feinem Berichte keineswegs hervor, daß er diefelbe Localitaͤt ſelbſt
befucht hätte. Dazu iſt feine Erzählung von derfelben zu unge?
nau und zu wenig ausführlich, auch bleibt er zu wenig in’ ver
wahren Direction der Reiferoute, von der er fonft nicht abzuwei⸗
den pflegt, ohne Noth (f. 5.3. Alien II. S.513—522). Wir
vermuthen daß M. Polo fein Kapitel Uber Ehinchintslas ünd
die Provinz Egrigaia mit der Stadt Kalacha oder Calacia
"*&) W. Rubruquis I. c. p. 58. *°) ebend. p. 60—6l.
440 Weit: Aften, I, Abfchnitt. $. 5.
Cidentifch mit Cailac?) nur aus andern chinefifchen Berichten ges
nommen hat, die hier felbft nicht im Klaren feyn mochten, oder
binfichtlich der Lage irrig verftanden wurden. Sein ChinChins
talas7#) ift wol eher das in Südoften an Kharafchar grens
zende Schenfchen am Lop-See, da Talas fo viel als Ebene
oder Meer (Dalai) im Mongholifchen bedeutet. Es gränzt, nach
ihm, an Hami; er nenne dafelbft, wie W. Rubruquis, die
dreierlei dort wohnenden Secten; die Neftorianer, Mohammes
daner und Ydolanbeter. Hier wird von ihm die Asbeſtfabri—
eation angegeben, von der oben die Rede war (f. ob. ©. 422),
Er dehnte diefes Gebiet wol weiter gegen Nordweſt, in das Land
der Uiguren aus, das er an einer andern Stelle Egrigaia
nennt (Land der Ighuren, Enguren), obwol er dies zu Tan
gut rechnet, was eigentlich mehr im S. O. der Wüfte liegt. In
diefes fegt er die Stadt Kalacha (Calacia, Cailac, Cea—
lac, Cialis) 3), wo die beften Kamelotte gemacht werden. Wo
M. Polo von den Briefen des Khan in mongholifcher Sprache)
fpricht, die aber, wie Rubruquis angab, in Ligurens Schrift vers
faßt waren, nennt er diefe Namen fo wenig, wie bei der Pros
vinz Ungut, wo von der Auswahl der fchönen Frauen für den
Khan die Rede ift; ein Name der in andern Handfchriften (als
Origiach, Drigiathe, Ingrac) unter andern Formen vorfommend,
es wahrfcheinlich macht, daß hier von demfelben Lande der Uigu—
ren die Rede ift, deffen Bewohner, Männer wie Frauen, in je
der Hinficht größere Auszeichnung genoffen als die andern benachs
barten Wölkerfchaften. (die Anfänge ihrer Civilifation, zu Fa
Hians Zeit, ald Oui oder Onhou, f. od. ©. 357).
Zur Zeit von Timurs des Welteroberers Feldzügen, wird
der Landſchaft Oluk Yulduz (d. i. Groß: Dfchuldus)),
als einer fehr reizenden Weidelandfchaft erwahnt, in welcher nach
den fiegreihen Schlachten und DBerfolgungen des Fürften der
Geten, an den Saifanfee und an der Weftfeite des Altai, den.
verfchiedenen feiner Truppenabtheilungen, die unter 5 Felde
herren weiter durch das Gebirgsland auf verfchiedenen Marfchrous
ten —— ziehen ſollten, zum gemeinſchaftlichen Sammpgpplage
”*?) M. Polo ed. Marsden Liv. I. ch.38. p.175—178.
*®) ebend. Liv. I. ch. 52. p.235— 236. . *°) ebend. Ed. 'Mars-
den p.16, Not.24; p- 281 Not. 627. 50) Xeriffeddin Histoire
de Timur ed, Pat. De la Croix. Delf, 1723. T. Il. p. 45 und
54 Not. /
Oſt-Turkeſtan, Kharaſchar, Oluk Yulduz. 441
beſtimmt ward. Dort ſollte ein großes Siegesfeſt gefeiert werden,
von dem Timur dann wieder, gegen den Weſten, in feine Res
ſidenz Samarfand zurüceilte, die, nach) Angabe des Biographen,
480 Wegeftunden (cs find wirklich 250 geogr. Meilen) entfernt
liegt, wozu eine Karawane 2 Monat Zeit verbrauchte. Damals
wurde, auf den 5 verfchiedenen Wegerouten, welche den
5 Truppenabtheilumgen dur eigene Marfchcommiffarien
vorgefchrieben waren, die ganze Geten - Population durd) das
ganze Bergland des Thian Schan:Spyftems, zwifchen dem
Saiſan-See und Kharafıhar, methodisch ausgerottet und vers
nichtet, denn nirgends follte Dardon gegeben werden. Alles mußte
über die Klinge fpringen; der Befehl wurde ausgeführt. Die
Gegenwehr war blutig und furchtbar. Das ganze Land ward
verwüftet und ausgeplündert, und wo noc) einzelne Hordenhaufen
der Vernichtung entgangen waren, da eilte Timur felbft, der
fein Lager fchon im Tieblihen Oluk Yulduz genommen hatte, noch
einmal hin, um auch diefe noch niederzuhauen. So verfchiwindet
gar manche Bölkerfchaft aus Inner⸗Aſien, theilmeife oder ganz, und
ſchwierig ift es überall die Faden der Völkerhiftorien hier zu ent—
wirren. Oluk Yulduz, oder Groß: Dfhuldus,. war von
Timur nac) völliger Vernichtung der Geten (ed war das Jahr
der Heg. 791, alfo 1388 n. Chr. ©.) zur gemeinfamen Erholung
feiner Reiterfchaaren und zur Fefiverfammlung der Sieger auserz
fehen; daffelbe, was auch Cialis von Fremden, zumal in Reiſe—
routen der Moscoviten, genannt ward. Yulduz (Df chul dus),
ſagt der perſiſche Geſchichtſchreiber 5), heiße der Morgenſtern.
Das Land, welches mit dieſem Namen (es wird auch ein Ketz
ſchik Yulduz, oder KleinsYulduz, in deſſen Nähe genannt)
belegt wurde, war von den Dichtern befungen wegen feiner Liebz
lichfeit, feiner fchönen Quellen, feiner herrlichen Weiden, feiner
friſchen fühlen Lüfte. Die, Futterkräuter waren fo gewürzhaft
und ftärfend, verfichert derfelbe, daß die magerften Pferde in Eure
zer Zeit fich dort wieder erholten, ftarf und fett wurden. Diefes
fchöne Alpenthal ward damals überall mit Zeltlagern und Som—
merpavilfons der Großen bedeckt, und vor diefen der Boden mit
Teppichen voll Brocat und Goldftidereien gefhmüdt. Man ers
richtete das Faiferliche Zelt, und der Weltftürmer beſtieg feinen
goldenen Ihron von Edelfteinen ftrahlend. Er ließ allen Emiren
) Xeriffeddin Hist. L c, II. p. 56 Not. und p.54 Not. a.
449 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 3.
und Feldmarfchällen feines Meiches die Ehre zufommen den Fair
ferlichen Teppich zu kuͤſſen. Mit der Krone auf dem Haupte |
und dem Scepter in der Hand, theilte er hier die Ehrenfleider
und Eodelfteinanrtel an die Prinzen, Emirn, Sheriffs, an alle
Großen des Neiches und an die obern Dfficiere feines Heeres aus,
um ihre Dienfte auf die verfchiedenfte Art zu belohnen. In gols
denen Schaalen ſchickte er den Föftlichften Wein durch die fchöns
ften Dirnen des Landes feinen Begünftigten zu; das ganze Heer
war hocherfreue über die Anerkennung feines Gebieters. Die
Herrlichkeit dauerte aber nur eine kurze Neihe von Tagen, worauf
Timur feinen Ruͤckmarſch nah Samarfand eiligft nahm, wo in
der Reſidenz neue Feftivitäten begannen.
Schah Rokhs Embaffade 2) im %. 1419 (f. Aften I.
S. 216), paffirte nur ein halbes Jahrhundert fpäter durch diefe
Sandfchaft, welche in ihrem Berichte Ylduz genannt wird, und
damals an das Gebiet des Shir Behram ſtieß, von wo man weis
ter nach Oft bis Turfan (Turfan) vorfchritt, wo auch ein großer
Tempel des Schafyamani (Schaf mouni) genannt wird. Don
HYulduz wird nichts befonderes gemeldet; nur daß auf dem Wege
von da nach Turfan die Karawane durch Naubüberfälle geplüns
dert und in Schrecken gefeßt ward, und daß, obmwol mitten im
Sommer, zur Zeit des Sonnenfolftizes, man dafelbft fehr _
von der Witterung litt, und erftaunt war, zwei Zoll dickes Eis
zu finden.
Der Jeſuiten Pater B..Go&s, der von Kutſche (Cucia)
in 25 Iagemärfchen zur Stadt Cialis (0b Yulduz, oder das
heutige Kharafchar, welches exft mehrere Tagereifen öftlich des
weidenreichen Alpenlandes erbaut ward, ift nicht zu beftimmen)
gelangte, um dann durch Pidjan (Pucian) und Turfan
nach China vorzudringen, mußte zwar drei®?) ganze Monat
hier verweilen, und erlangte eine hinreichende Kenntniß diefer
Landſchaft; aber er hat uns von ihre nur wenig überliefert und
ſich weitläuftiger über feine theologischen Disputationen eingelafs
fen, und über feine eigenen“ Aventüren.
In Cialis regierte damals ein illegitimer Sohn des Könige
von Kaſchghar, ein zelotifcher Mohammedaner, der den Pater fos
752) Embassade de Schah Rokh fils de Tamerlan etc, in Thevenot
Relat. d. div. Voy. T. Il:-Paris 1646. fol. Nouv. El P.IV fol. 2,
®*) Nicol, Trigautins de Christianı Expedit. 1. e. p. 557 — 559.
\
Oſt-Turkeſtan, Kharafchar, Cialis. 43
gleich als Andersglaͤubigen, der es wagte fein Reich zu betreten,
mit Schmach und Verfolgung bedrohte; aber durch die mitges
brachten Eöniglichen Empfehlungsfchreiben und Patente bald ‘bes
fänftigt, demfelben fogar gütig feinen Schuß, angedeihen ließ.
Der Dynaſt liebte die theologischen Disputationen mit den Docs
toren des Koranrüber fein Gefes, die fo eifrig ausfielen, daß er
einft, da fie fih bis fpät in die Nacht verlängert hatten, noch
den Pater herbeiholen ließ, um vor ihnen Rede zu ftehen. Ein
‚ zugefandtes Keitpferd und ein Diener entboten den Erſchreckten
fogleih im Palafte zu erfcheinen. Da er nichts anders dachte
als daß er zum Tode geführt werden follte, nahm fein Gefährte,
ein Armenier, unter Ihränen von ihm Abfchied, und diefer ers
hielt für folchen Fall auch den Auftrag, der Gefellfchaft Zefu von
defien Ende Bericht zu geben, auch feine Hinterlaffenfchaft zu
fihern. Aber der Pater war nur berufen worden, um über den
Koran mit deffen Doctoren eine Disputation zu halten. In dies
fer Stunde, fagt er nun, war ihm die Gabe der Rede fo geges
ben, daß der Negulus felbft ganz durch feine Säge überredet
ihm beiftimmte, und mit den Worten fchloß, die Chriften feyen
die wahren Mifermanen (Mufelmanen) oder Gläubigen;
er erkenne dies, feine Vorfahren hätten denfelben Glauben ges
habt. . Darauf wurde die Disputation mit einem glänzenden Ges
lage befchloffen, fo daß der Pater die Nacht über im Palafte
bleiben mußte, und erft fpät am folgenden Tage in feine Woh—
nung entlaffen ward, wo der Armenier längft an der Wiederkehr
verzweifelte, |
In Cialis war wieder ein großer Wechfel der Karawane;
bie aus Kataja (China) zurückehrende Karawane, welche dem
Pater die freudige Botfchaft von der Nähe Pefings und feiner
dortigen Ordensbrüder brachte (f. Afien I. ©. 219), mußte erſt
abgewartet werden, ehe fich eine neue organifiren Fonnte. Der
Aufenthalt von drei Monaten Zeit, welcher dadurch veranlagt
ward, war fehr-Eoftbar, und der Abmarfch wurde es noch mehr,
da der Pater ſich die Erlaubnig dazu erft durch neue Gefchenfe
erfaufen mußte. Der Negulus von Cialis blieb ihm indeß ges
wogen und drang ihm nun feine Creditive auf; er fragte ihn ob
er in denſelben einfchreiben laſſen folle, daß er ein Ehrift fen.
Ya, antwortete der Pater: den Namen Zfai, den er bisher
gehabt, wolle er auch ferner behalten. Dies hörte ein alter Prie:
fer der Saracenen; voll Beifall riß er feine Müge vom Kopf,
444 Weſt⸗Aſien. J. Abſchnitt. 6. 5.
warf ſie zur Erde und rief: fo rechnet dieſer, o König, im dei⸗
nem Angefichte auf den Beiftand feines Jeſu. Anders: machen
es die Unſern, die mit dem Lande auch den Glauben verändern
(qui una cum“regione religionem permutant). Undıınun bezeigte
diefer Mullah auch von feiner Seite dem Fremdling die größte
Ehre. Sp werde im Lande der Finfternig, auch die Wahrhaftig-
keit des Glaubens in Ehren gehalten. —: Ion Cialis wurde
nun in 20 Tagen die Provinz Pidjan und die Stadt Tur—
fan erreicht. Neuere Berichte von Augenzeugen Uber diefe Ger
genden fehlen uns leider. Mach einem von Mir Zffet Ullah
mitgetheilten Routier, fol der Khaidu bei Kharafchar Fchiffs
bars*) feyn.
3) Kurliss) wird auf den Karten Surungli genannt;
denn es fann wol fein anderer Ort als diefer ſeyn, deilen Lage
init der aftronomifchen Ortsbildung im der Tafel der chinefifchen
Heichsgeographie Ed. 1818 (ſ. ob. ©. 432), in Sudweft, nicht
fehr fern von Kharaſchar, übereinftimmt. Daß er am Kaidugol
liegt, haben wir fchon oben (f. ©. 330) gefeben. Die geringe
Nachricht des Si yu wen fian lo über diefen Ort, den alle andern
Berichterjtatter gänzlich mit Stillfhweigen vorübergehen, befteht
in Folgendem: In S.W. von Kharafchar, 150 Li fern, liegt
Kurli, das von 700 Familien bewohnt wird. Sie find ein laͤſ—
figes und träges, doch ftreitfüchtiges Wolf, und Eennen feine ans
ftändige Sitte. Das Land wird vom Kaitu ho, d. i. dem Fluß
Kaidu, umfloffen. Es hat viele Fifche, Krebfe, auch: wilde
Gaͤnſe, Enten, Reiher und andere Waffervögel. Es bringt Reis,
Getreide, Zikizao (?), woraus man Speifeftäbchen macht, hervor;
auch viele Weintrauben, Melonen und Baumfrücte.
4) Bukur (Bugur, Yougur auf Klaproths Carte centr.
de l’Asie) wird auch nur im Si yu wen fian lo erwähnt, deſſen
Lage aber nad) obiger Angabe aftronomifch beftimmt ift. Es foll
590 Li (an 44 geogr. Meilen) weftlicher liegen, als Kurli. Früs
ber hatte es 2000 Familien, gegenwärtig (1778) nur noch) 500.
Es fcheint fih aber feit dem letzten Jahrhundert wieder um Ries.
les gehoben zu haben. Die Bewohner -follen betruͤgeriſch, ſtreit—
75%) Magasin Asiatique I» c. T. I. p. 36. 5°) Si yu wen kian To
nad Dr. Schott Ueberj. aus dem Chinefiſchen.
Dt: Turkeftan, Bukur, Kutfche, 445
ı
ſuͤchtig und die roheften unter allen Hoei (Turd) fenn. Ihr Land
liefert Kupfer, Del, Felle von Schafen, Butter und
Wild, darınter Luchspelze. Im Süden deffelben ift Alles
Kobi (d. h. Steppenwüfte). Drei bis vier Tagereifen zu Pferde
füdlich kommt eine fchöne, fruchtbare Bergfläche mit vielem Wilde,
Diefe muß wol am Nordufer des TarimzFluffes liegen; doch
wird feiner hier nicht erwähnt. Es wird nur gefagt, noch weiter
im Eüden liege ein mit Waſſer bedecktes Land, das an den
Sternenfee grenze (2).
Senes Kharafchar, von dein oben im Lande der einftigen
Uiguren die Rede war, ift, nach einer Stelle der chinefifchen
Heichsgeographie, vom Jahre 1790, die Klaproth 56) citirt hat,
eine alte Capitale der Uiguren gewefen, welhe Yankhi hieß.
Sn diefem Stadtgebiete führt diefe Geographie, am Ende des
XVIH. Jahrhunderts, noch 10 Begs oder Prinzen auf, welche
die dortigen mohammedanifchen Yugor beherrfehten. Hieraus
fchließt der genannte DOrientalift, wie aus mehrern andern Stels
len, daß nicht alle Lligurenzweige ausgeftorben find, fondern deren
noch heute dort eriftiren. Nach derfelben Neichsgeographie liegt
jenes Yougur (identifch mit Bukur?) 686 Li (45 geogr. Meil.)
in S. W. von Kharafchar, auf der Grenze von Kutfche, auch daß
es in der antiken Zeit der Hans Dpnaftie Lunthai oder Lun—
theou hieß; zur Zeit der Ihang aber Lun thaihian, und
zum Gouvernement PDesthing, d. i. Biſchbalig (Urumtſi, ſ.
Alien I. ©. 380 u. f.) gehörte.
5) Kutfhe (Khudfhe oder Kueiſzoͤkue; einft
Shen die Nefidenz der Koueisthfu (I. Aſien Od 1 —
©. 335) 7).
Diefe Stadt liegt 22 geogr. Meilen (300 Li) in Weften von
Bukur, und hat 9 Li Umfang. Die 4 Pforten der Feftung che
nen fih an Bergpäffe an. Die chinefifchen Truppen und Mo—
hammedaner wohnen in einer Stadt beifammen. Die Hoei in
der Stadt und dem Gebiet belaufen fi) auf. 1000 Familien,
Diefe liefern jährlih 2000 Saͤcke Korn, 1080 Kin (Pfund)
Kupfer, das von hier nad) Ufchi in die Münze gefchieft wird.
»*) J. Klaproth Obseryations eritiques sur les ‚Recherches etc. in
Mem, relatifs a l’Asie T. II. 1826. p. 346. °7) Timkowski Voy.
T.1, p. 398 — 400; Si vu wen kian Io —9— Dr. Schott Ueberſ. aus
dem Ghinefifchen.
446 Weſt-Aſien. J. Abfchnitt. 9. 5.
Ferner 200 Kin Salpeter und 300 Kin Schwefel, die beide
nach Ili gehen, zur SPulverbereitung.
Das Gebiet von Kutſche ift groß, die Stadt gilt für
ven Schlüffel zu Turfeftan der Neuen Linie, von der Seite
Chinas her. Nach einigen zehn Li füdlich folgen kahle Step:
pen, und 3 Tagereifen zu Pferde, weiter fommt man zu herrs
lichen aber unbewohnten Bergthälern, die voll Wild und reißende
Thiere find.
Die Producte des Landes find Thaliänpu (?, bei Tims
kowski ift es in Rhabarber überfegt? f. Afien I. ©. 179— 186),
dann Kupfer, Salpeter, Schwefel, Ammoniak-Salz
(Naofcha, f. Afien I. S. 336). Von der Gewinnung diefer Pros
ducte, aus den phlegräifchen Feldern bei diefer Stadt, ift ſchon
am angeführten Orte die Rede geweſen.
Nur einmal oder zweimal des Jahres faͤllt ein feiner
Regen in dieſem Lande, und auch zuweilen im ganzen Jahre
gar nicht. Felder und Gaͤrten muͤſſen deshalb bewaͤſſert werden.
Brunnen und Quellen giebt es nicht; aber im Weſten der Stadt
fließt der große Wei fan ho (Ergol ſteht bei Timkowski, der es
aber nach der Karte nicht ſeyn kann, ſondern der Chayar Da—
ria oder Ukiat). Die Bewohner find in der Kunft Canäle zu
graben und das Waffer zur Bewäflerung zu verbreiten, erfahren.
Darum ihre Gärten und Felder fehr einträglich find. Alle Baum⸗
früchte reifen.
Die folgenden Nachrichten find in der Lleberfegung bei Timz
kowski ausgelaffen: 20 Li nördlich von der Stadt Kutfche, d. i.
eine gute Stunde fern, find die Eleinen Buddhahöhlen
und 60 Li weftlih die großen. Oben und unten, vorn und
hinten, find an 400 bis 500 Stellen Höhlen in den Bergen.
Das Innere ift angefüllt mit Bildern des Buddha, die bunt bes
malt und mit Goldſchaum beftrichen find. In der größeften
Höhle befindet fich ein weiß befleidetes Bild aus Erde, Auf die
Wand ift ein Abfchnitt aus dem Buche von der Seelenwande—
rung in chinefifcher Schrift eingegraben. Es fol diefe Inſchrift
aus den Zeiten der Thang herrühren (vergleiche die Gruppe des
Ling Schan mit den hunderttaufend Lohan bei Turfan, f. Afien
1. ©.353). Zehn Li, in S.W. von da, liegen die Ruinen einer
Feftung, mehr als 5 Li in die Länge; noch find ftarfe und
hohe Baftionen davon übrig. Die Eingebornen fagen, es ſey dies
ein Waffengrt unter der Han: Dpnaftie gewefen. Jedoch läßt
Oſt⸗Turkeſtan, Kutſche, Shayar. 447
ſich dies nicht ausmitteln. Zu dieſen aͤltern Daten fuͤgt die
Nachricht der Mekfas Pilger in Bombay nur hinzu ®), daß Ku⸗
tfche von Yarfand 40 Tagereifen entfernt fey, und daß man von
der ruffifchen Grenze bis dahin 3 Monat Zeit gebrauche. Die
Bevölkerung beftehe größtentheils aus Kalmüden, die Weichen
wohnen in der Stadt, die Armen in Zelten auf dem Lande,
Diele find Hirten zahlreicher Heerden.
Shayar (Chayar) liegt von da 160 Li (12 geogr. Meil,)
gegen S.W., aber nicht mehr an der Hauptfiraße. Es ift ein
Eleines HoeisGebiet, das dem Tatſchin von Kutfche angehört.
Es ſtehen dafelbft Feine chinefifchen Truppen. Sie haben blos
Begs vom 3ten, 4ten, 5ten und 6ten Nange, und zwar Einen
von jedem Range, Alle übrigen Begs find vom Tten. Im Sir
den fließt der Wei kan ho (d. i. alfo der Shayar: Fluß)
Der Hoei find 700 Familien. Die jährlichen Abgaben betragen
‚ungefähr 1000 Shi (?). An Panie und Schwefel bringt das
Land, verglichen mit Kutfche, nur 4 weniger ein. Es ift niedrig,
feucht und heiß, und taugt daher zum Anbau von Reis, Melos
nen und Baumobſt. Alle diefe Erzeugniffe find vortrefflich, die
Birnen aber find am allerbeften. Es giebt hier fehr viele Tiger
(j. Afien IV.2. ©.690), Füchfe und Luchſe. Nahe der Stadt
ift der See Weihu (auf der chinefifchen Karte Zinghu; Bas
ba Koul auf Klaproth Carte centr.). Im Sommer fommen
giftige Mücken, wie Nebel oder Staubwolfen. Die Hoei machen
fih Umhänge aus Zeug, und nach Sonnenuntergang begeben fich
Männer und Frauen in diefe Umhänge, um dem Mückenfchwarm
zu entrinnen. Zu diefer Mückenzeit ift die Plage für die Heers
den ſehr groß; vom ganzen Körper fließt das Blur herab, das
Vieh brüllt unaufhoͤrlich. Erſt nach der zweiten Nachtwache bes
ruhigt es fich.
Das Volk von Shayar ift nach der chinefifchen Berichte
erftattung, äußerft roh, dumm und ftreitfüchtig. Die Frauen find
alle von guter Farbe und im Allgemeinen hübfch; Feine findet fich
darunter, die befonders haßlich wäre (der alte Ruhm der Schöns
heit der Uigur hat fich alfo auch hier erhalten). Im Süden
grenzt Shayar an den HopusMor (Hop: Nor), mas fo
viel ale Sternen:&ee bedeutet (alfo wie ob. ©.323 Ging;
”s°) W. H. Wathen Memoir 1. e. in Journ, of the Asiat, Soc. of
Bengal., Calc. ed, Prinsep. 1835. p, 656.
248 Welt Afien. I. Abſchnitt. $ 9.
fusHai). Diefer HopusMor, fagt das Si yu wen kian lo, fen
ein Aggregat vieler Kleiner, zerftreut liegender Seen, die fich mit
ihrem rothgelben Waller wie Sterne ausnehmen, und dem ewis
gen Schnee, defien Schmelzen ficy gegen den Süden vertheilen,
ihr Daſeyn verdanken. (Hier wird die Hypotheſe von dem Hoang-ho
wiederholt, und zur Unterftügung vderfelben angegeben, daß eben
fo der Yang dſzoͤ Kiang aus den ähnlichen Waſſern des ſuͤdweſt⸗
lichen Tübet und Hindoftans entftche.) Dem Hopu⸗Nor ſtroͤmt
der Weifanho zu; nad einer Stelle im Si yu wen Eian lo, ift
der Sing fu Hai oder Sternenfee ganz identifch mit dem Hop
oder Hopu Nor; welcher aber hiernacdy jene ganze ſehr große
Sandfchaft bezeichnen wird, von Khotan bis Hinter: Tübet, ein
großer Bogen von zehntaufend Li, in welchem Alles, wie der Aus
tor fagt, Hopu Nor fey.
Südweftlih von Kutfche kommt man zu Pferde in 8 Tas
sen nah Hotan (d. i. Khotan), und fidöftlicher, ebenfalls
zu Pferde, in 28 Tagen nad Si Zang, d. i. Weft:Tübet
cf. Afien II. ©. 176).
Am Chayar-Daria, oder Ukiat-Fluffe, aufwärts,
ein wilder Gletſcherſtrom, der von Mordweft her, aus dem
Schneegebirge des Muffur Dola, oder dem Hochgebirge» des
Muffart, gegen Suͤdoſt an Kutfche voruberzieht, zum Tas
rim⸗Syſteme, liegen weidenreiche Bergthäler, wie die in Dfehuls
dus am obern Khaidugol. Die Karte zeigt uns hier die Nas
men vielerlei Ortfchaften, die uns aber fonft unbekannt bleiben.
Mur von zweien, durch welche der Nordmweg von Kutſche
nach Akſu führt (denn auch ein Südmweg, dem Mordufer des
Tarim genäherter, geht eben dahin), giebt das Si yu wen kian lo
furze Notiz; von Sailumu und Paitfching.
Sailumu oder Sailim ift uns feiner aſtronomiſchen
Lage nach in Obigem bekannt (f. ob. ©. 432); es ift das Sais
rim der Routiers. Es liegt am Fuße des Schneegebirged und
der Paflage des Muffur Dabahn (f. Alien B. J. S. 331).
Darum ift es hier ſehr kalt; ſchon im achten und neunten Mos
nat fallen die Baumblätter fämmtlic) ab. Nur Getreide und
Bohnen fann man bauen; Melonen und Weintrauben gedeihen
nicht mehr; auch giebt es fehr wenig Obſtbaͤume. Das Land
bringt Kupfer, Salpeter, gefchliffene Steine u. a. m. Die Eins
wohner find gutartig und nicht fo roh wie die andern Hoei. Sie
Oſt⸗Turkeſtan, Paitſching, Akſu. Gag
lieben füßen Wein und Gefang, was fie mit denen von Kutfche
gemein haben. _
Paitſching (Bai auf der Cart. centr.) etwa 7 geogr. M,
(80 Li) im Weften liegend von Sairim, ift nur ein kleines Ger
biet, mit 400—500 Familien. Cs ift Ealt, hat fehr wenig Reis, -
Melonen, Baumfrüchte,
Keiner von diefen Orten wird in Pater B. Goäs Keife
aufgeführt, obwol er hier 5 Stationen mit Mamen nennt, die
wir alle nicht kennen; nämlich von Oft nach Weft in folgender
Reihe: Kutſche (Lucia), dann Ugan, Saregabedal, Del;
lai, Eafciani, Ditograch Gazo, Akſu. Nur von Eucia
allein, wo der Pater einen Monat verweilen mußte, um die fehr
ermatteten Laftthiere der Karawane wieder heranszufüttern, fagt
er mit zwei Worten, daß es eine Eleine Stadt fey, von fehr in:
toleranten Moslemen bewohnt.
6) Akſu wird von Hadſchi Khalfa in der türfifchen Geo:
graphie 759) eine Eönigliche Stadt genannt, die einft die Reſidenz
der Koͤnige von Kaſchghar und Yarkand geweſen, und 7 Tage—
reiſen in N. (d. i. N.O.) von Yangihiſſar liege, was wol eine
andere Feſte ſeyn muß, als die erſt juͤnger erbaute. Akſu's
Lage im Suͤdweſt des Gletſcher-Paſſes und an einem reißenden
Bergſtrome iſt uns aus obigem bekannt (ſ. Aſien J. S. 328,
vergl. ob. ©. 431). Um von Yarkand nach Akſu zu kommen,
brauchte Pat. B. Goes (im Jahre 1604) mit feiner Kara—
wane 60), über die Orte Jolci, wo die Päffe revidirt wurden, nad)
Hancialir alceghet, Haga beleth, Egriar, Mefeteleg,
Talec, Horma, —— Aconſerſec, Ciacor — ung
insgeſammt unbekannt — 25 Tagemaͤrſche, durch viele Klip—
pen und waſſerloſe Elke, durch diefe Kara Kitai, die
ſchwarze Wüfte der Kataier genannt, weil diefe dort lange
Zeit verweilt haben follten, ging es auf fehr befchwerlichen We—
gen. Damals gehörte Akſu zum Königreiche Kaſchghar, der
König hatte feinen zwölfjährigen Enkel zum Gouverneur von
Akſu eingefegt. Von diefem wurde der Pater feierlich empfan—
gen, der allerlei Spielereien als Gefchenke brachte, und dafür
mit Confitären und Süßigkeiten aller Art belohnt wurde, Dem
?®°) Klaproth Mem, relat, a l’Asie T. II. p. 288. 6°) Nic, Tri-
gautius de Christiana — l. ©. p. 556.
Kitter Erdkunde VII. Ff
450 Weft:Afien,. I Abſchnitt. $ 5.
Eigenwillen des Prinzen mußte er fih fügen, der von ihm ver
fangte, daß er nach der Sitte feiner Heimath tanzen folle. Auch
dor Mutter des Prinzen und feinen Lehrern mußte er Befuche
abftatten und Gefchenfe darbieten. Dom Orte felbft wird uns
nichts berichtet.
Akſu, fagt das Siyu wen Eian lo 761), gehöre zu Uſchi, das
15 geogr. Meilen (200 Li) weiter im Weſten liegt. Die Stadt
fen ünbefeftigt und habe 6000 Haͤuſer. Das chinefifche Siyus
wen fian lo, nach / De. Schotts Ueberfegung, giebt 20,000 Famis
lien als die Population von Akfu an. Das Zollamt ift hier von
Wichtigkeit, da Handelsleute fowol von China als Rußland und
Indien bier hindurchziehen. Aus dem öftlichen und weftlichen
Turkeſtan begegnen fich hier die Neifenden wie aus Rußland und
Kafıhmir, Tafchkender und Kirghifen. Gegen Norden fpaltet ſich
hier die Paflage über Guldſcha (Zli) ab, gegen Süden nach Yars
fand und Ladakh. Die Kafıhmirer Kaufleute zahlen bier von
ihrer Waare von Jo Stüden eins.
Das Sand ift ausgedehnt und fruchtbar; es bringt Getreide,
Waitzen, Gerfte, Linfen, Bohnen, Hirfe, Baumwolle; auch wilde
Mfirfiche, Aprikofen, Birnen, Granatäpfel, Weintrauben, Mauls
beerbäume, Melonen und alle Arten Gemüfe. Die Einwohner
find wohlhabend, fie unterhalten zahlreiche Heerden von Rindvieh,
Schafen, Kameelen und Pferden, Sie haben fehr geſchickte Baum—
wollenweber (Bumafeja heißt eine Act ihrer Gewebe) und Bes
arbeiter edler Steinarten; fie verfertigen fchöne Gefäße und 2er
derwaaren, zumal aus Hirfchleder ausgenähte Zaͤume und Sättel,
die durch alle Städte Turkeftans verfendet werden. An Gefchiek
lichkeit übertreffen fie alle andern Hoei. Sie find gutmäthig, aber
wie alle Mohammedaner (Hoei) zu Streit und Aufruhr geneigt.
Durch die Stadt führt die große Landftraße; daher Fein Mangel
an Waaren und Kaufleuten. An den Marfttagen ftrömt fehr
viel Volks herbei. Hier refidirt ein von chinefifcher Seite ernannz
ter Amban, cvon Obrift Rang, der die Pälle der Kommenden und
Gehenden vifirt, und über gute Ordnung wacht, Er wohnt in
einer befondern Vorſtadt, die Gulkakh heißt und 3000 Mann
Truppen garnifonirt. {
Nach der Ausfage der Mekkapilger in Bombay (1835) 62) |
”s‘) Rach Timkowski Voy. T.1. p.401— 403. °?) W.H. Wathen
Mem. in Journ. ofthe As. Soc. of Bengal. ed. Prinsep Vol. IV. p. 656.
Oſt-Turkeſtan, Uſchi Turfan. 451
liegt Alſu, 20 Tagereiſen für Karawanen fern von Yengi Hiſſar.
Die Stadt ſoll gegenwaͤrtig ein ſehr bluͤhendes Emporium ſeyn,
für den Waarenumſatz zwiſchen China, Rußland und der Tata⸗
rei. Es ift jetzt nach ihnen die Nefidenz eines Hafim, welcher
Ahmed heißt, ein Sohn Uzaks. Er ift ein Usbeke, geringer in
Hang als der Bang in Yarkand, und auh noch den Amban
untergeordnet. Nach ihnen garnifoniren in Akſu nur 2000 Mann
chinefifcher Truppen. Die Silbermünze, Tankeh genannt, die
im Lande curfirt, wird in der Münze zu Akfu geprägt.
N) uſch, Ufhi oder Ufhi Turfan®), Es liegt
1000 Li (75 geogr. M.) im Welt von Kutfhe, Die Moham:
medaner nennen es auch Turfan (Uſchi Turfan im Gegen:
fag von Koneh Turfan, d. i. das üftlihe, gegen Hami geler
gene); in ihrer Sprache bezeichnet diefes Wort ſo viel ald Ver:
fammlung oder Vereinigung. Das Gebiet ift füdlich gänz von
Bergen eingefchloffen, und ein großer Fluß (Iaho) windet fih
im Norden um daffelbe. Unter den Dfungaren war das Land
im blühenden Zuftande, man zählte hier gegen 10,000 Familien,
Hier ift ein Münzhof, die Kupfermünze Pul hält etwa eine
Drachme und zwei Theile Silber (). Auch Kharapulen find
hier in Umlauf (Pul, ein arabifches Wort, bezeichnet Kupfer:
münze. Die Sharapulen, d. i. fhwarzes Geld, heißt
bei Turkeftanen die hinefifche aus Meffing gefchlagene Münze,
bei denen über 5, Zufag ift. Die turfeftanifchen Dul haben eine
"andere Form als die chinefifchen, und werden aus Kupfer ges
ſchlagen. Auch in Rußland gab cs vordem Münzen. die Put
hießen).
Das Gebiet von Uſchi iſt weit ausgebreitet, es erſtreckt ſich
nordwaͤrts bis zu den Schneebergen, befteht größtentheils aus treffz
lichen Bergthälern und weidenreichen Gegenden, wo Berg» Kir:
ohifen (Burut, f. Afien I. ©. 328, 332) nomadifiren. Gegen
den Süden fließen fanfte Ströme durch fruchtbare Ebenen. Die
Waifan, d. i. die fremden Kaufleute, haben Abgaben, den zehnz
ten Theil von jeder Waare, zu entrichten. Im Jahre 1775, d. i.
im vierzigſten Regierungsjahre Kaiſer Khienlongs, erhielt Akſu
°°) Timkowski Voy. T.T. p. 400. Si yu wen kian lo, Ueberſ. aus d.
Chineſ. von Dr. Schott.
12
452 Weſt-Afien. I Abfchnitt, 9. 5
den Namen Yung ningtfhing; dazu gehören die Gebiete
Uſchi, Akſu, Pai und Sailimm.
Erläuterung 5. s
Allgemeinere Berhältniffe Oſt-Turkeſtans nach dem chinefifchen
Berichte des Si yu wen kian lo (1775). Ueber dad Schnees
gebirge, Clima, Boden, Producte an Pflanzen, Thieren;
Bewohner in Sitten und Gebräudhen. Zuſatz nach dem
neueften Berichte der Mekka: Pilger zu Bombay (1835).
Wir laſſen nach diefer vergleichenden Zufammenftellung der
hiftorifch »geographifchen Daten über die einzelnen Ortfchaften und
Städte, die allgemeinern Nachrichten über das ganze Gebiet von
Dft-Turfeftan folgen, wie uns diefe durch den Verfaſſer des
Siyumwenfianlo überliefert find, der jene Gegenden als Aus
genzeuge befchrieb, mit den Zufägen die wir durch die dort eins
heimifchen Mekka: Pilger in Bombay erhalten haben, um dann
mit der Angabe der Weſt-Paͤſſe und einer hiftorifchen Anmers
fung über die legtern politifchen Zuftände unfere Unterfuchung
über diefe Localität zu befchliegen. Wir folgen ganz den Anga—
ben des chineſiſchen Autors, zuerft über das Schneegebirge, der
uns feine Ueberſicht deffelben im Zufammenhange giebt, die freis
lih, nach dem, was wir früherhin darüber fchon im Einzelnen
mitgetheilt hatten (f. Afienl. ©. 320—392), uns nicht mit neuen _
Thatfachen bereichert, aber doch uͤberſichtlich wiederholt was dort
zerfireut vorkam.
1. Der Siue Schan, d. 1. das Schneegebirge 9
(der Thian Schan).
Der Siue Schan fängt bei Kiayuͤkuͤan (ſ. Aſien I. S. 210)
an, und zieht in Schlangenkrümmungen nad) Weften. Bald
fteigt ex auf, bald nieder; bald ift er abgeriffen, bald zufammenz
hängend; bald theilt er fich in zwei oder drei Aefte, bald vereini- '
gen fich diefe wieder zu Einem Stamme. est erhebt er fich in
die Wolfen, jegt find feine Gipfel fo weit ausgedehnt und aus:
geflächt, daß fie an 1000 Si im Umireife haben. Im Süden
”*4) Nach Dr. Schott Ueberf. aus dem Chineſiſchen. Diefer Artikel
ift bei Timkowski ausgelaffen, — N
DftsTurkeftan, Gebirgsgruppen, 453
diefes Gebirges liegen Hami, Phidſchen, Kharafchar, Kutfche,
Akſu, Ubi, Yarkend, Khotan, Kafıhahar und noch andere Hei:
nere Diftricte, die von feiner Bedeutung find. Nördlich aber
liegen Pali khiuaͤn (Barkul), Urumtfi, Ili, Tarbaghatai und ans
dere Eleine Diftricte, die ebenfalls nicht in Betracht fommen. Al:
les, was längs dem Gebirge im Süden liegt heißt Nanlu
(Suͤd⸗Straße), und die Einwohner find Hoei (Mohammeda:
ner). Alles im Norden gelegene heißt Pelu Nordftraße) und
ift das alte Land der Dſchuͤn ho oͤlh Cd. i. der Dfungaren,
Dſchungor). Bei Yarkand wendet fich ein Iheil des Gebirges
gegen S. W. und zieht nach Hindoftan. Dann biegt es fich wie:
der weſtlich und läuft in gerader Richtung dem abendländifchen
Meere zu. -Diefer weitere Lauf kann hier nicht unterfucht wer—
den, fagt der chinefifche Autor. Die höchften und berühmteften
Gipfel diefes Gebirges find:
1) Der Du khithapan in Urumtſi (Aſien J. S.380) mit
3 Gipfeln. Er ſteht ifolirt und ift außerordentlich hoch. Sein
Eis und Schnee haben Kriſtallglanz. Er reicht, in den Himmel,
Eonne und Mond verdedend.
2) Der Mu li thu ſzoͤ in Kharafchar, deffen Umfang 1000
Li überfieigt (wol der Bogdo Dola). Die Waſſer find klar, das
Gras fett und tüchtig zu Viehweiden.
3) Der Mu fu lutha pan zwifchen Ili und Ufchi Cder
Muffurdabahn, Afien I. ©. 331). Diefer Berg befteht
ganz aus Gletfchern mit einem Silberglanze. Ueber ihn geht
eine Verbindungsftraße zwifchen dem Sud: und Nord: Yande,
| 4) Der Milithaitha pan (der Mirdfhai Dabahn,
wo die Ju-Bruͤche, f. ob. ©.382) in Yarkand. In dem Berge
ift Alles Edelftein (ev meint den Zu).
5) Der Ping Shan, d. h. Eisberg (offenbar. — —
korum⸗Paß mit feinen Gletſchern nach Ladakh, ſ. Aſien 1. ©.635);
er iſt ſehr gefährlich zu paſſiren, doch geht über ihn die Handels:
ftraße von Yarkand nach Hindoftan. Sein ewiger Schnee giebt.
dem Süden reihe Bemäfferung.
2. Elima ©).
Nachdem der Verfaffer des Si yu wen fian lo von den ver:
ſchiedenen Afpecten der Himmelskörper in Turkeſtan gefprochen,
**) Timkowski Voy. T. 1. p. 409— 412.
454 WeftsAfien, J. Abſchnitt. $ 5,
und unter andern mit dem fonderbaren Gase fchließt! Das Land
liege hoch, fo daß die obern Sterne hier eben fo ſtark leuchten
wie die niedern, koͤmmt er auf das Clima und ſagt: Hier wehen
im Frühling und Sommer häufige Winde, aber nicht fehr ſtark,
fo daß fie weder Sand aufwehen noch Bäume ausreißen. Die
Eichen, Weiden, Pfirſich, Aprikofen, Pflaumen, Birnen und
Apfelbäume verlieren (dadurch ?) ihr Yaub. So wie der Wind
zu wehen anfängt werden alle Fruchtbäume mit Blüthen bedeckt,
die Früchte gedeihen. Auch die Übrigen Bäume belauben fich
und befchatten das Land. Nach den vielen Winden fallen Nebel
zur Erde, welche fie wie der anhaltendfte Iegen anfeuchten. Die
Regenguͤſſe ſelbſt find hier fchädlich, jedoch fehr felten. Fallen fie
zur Blüthezeit, wenn auch nur wenig, fo welfen die Bäume;
fallen ſtarke Regen, fo iſt es, als verbrennten fie (oder als wären
fie mit Del bedeckt) und feine einzige größere Frucht bleibt übrig.
3. Boden
Das Erdreich ift fett und warm, es giebt reiche Ernten. |
Nach der Saatzeit leitet man Waffer in die Furchen (Graben).
zur Bewäfferung. Wenn es im Winter Regen giebt und die
Srühlingsregen ebenfalls die Erde anfeuchten, fo fäet man früher,
Zugleich mit dem Korn fäen die Turkeftanen auch Melonen. Sie
find von rother, weißer, gelber oder grüner Farbe; bald rund,
bald länglih und auch von verfchiedener Guͤte. Im Sommer
und Herbſt hält man es für die erſte Höflichkeit, die Gäfte mit
Melonen zu bewirthen. Man kann alle Kornarten bauen, vors
züglich aber gedeihen Weisen, dann Reis und Baumwolle; Gerfte
und Hirfe brauchen fie nur um ein -beraufchendes Getränke darz
aus zu bereiten (Branntwein oder Bier?) und zum Diehfutter
ftatt der Bohnen, Erbſen, Linſen; Gemuͤſearten koͤnnen zwar rei⸗
fen, da die Turkeſtaner ſie aber nicht an eilen, fo fäet man wer
nig davon.
Sobald im Frühling das Eis auflhant, leiten fie die Waffer
auf die Felder, nach geringer Anfeuchtung des Bodens bearbei
ten und befäen fie ihn. Iſt die Saat einige Zoll hoch gediehen
fo wird zum zweiten Mal der Boden bewällert, um die Exde zi
tränfen. Das wilde Unkraut wird nicht ausgegätet, weil mat
glaubt, daß es den Halın fühle. Welch eine ungegründete uni
lächerliche Meinung, ruft hier der chinefifche Berichterftatter aus
da feine Landsleute bekanntlich ihre Felder ungemein eifrig gater
DftsTurkeftan, Produkte, 455
Am gefährlichften find die Frühlingsfröfte, Iſt es Ealt, fo verlie⸗
ren fich die Schneewafler nur fpät, wenn aber die zur Saat guͤn—⸗
ftige Zeit verftrichen ift, fo muß man von der Saatzeit bis zur
Ernte das Waffer aus den Bergquellen herbeileiten, damit das
Korn Wurzel faſſen koͤnne. Der Regen ift nur nachtheilig; ift
er ſchwach, fo giebt es nur wenig Kornmehtz ift er aber ſtark,
fo uͤberſchwemmt er die Felder mit Salzwaffer (Koudjir,
Soda?).
4. Produkte.
(Ein Proͤbchen chineſiſcher naturgeſchichtlicher Beſchreibung
fremder Produkte nach dem Si yn wen kian lo, das bei Timkowski
nur unvollftändig mitgetheilt if. Die vollftändigere Ucberfegung
ift bier gegeben nah Dr. Schatt, aus dem dinefifchen Origir
nal 766), Vieles bleibt uns hier unbeftimmbar, weil die Produkte
ſelbſt bisher unbekannt blieben. Non den mineralifchen Produften
werden außer den ſchon oben angeführten Metallen, Salzen,
Asbeſt, Zu m. a. keine befondern genannt.)
Dflanzen.
Schadfao (SandsZiziphus; Jujuben, im Ruffis
fhen durch Finifi, d. i. Datteln überfeßt. Sie gleichen
den chineſiſchen Zujuben (f. Afien I. ©. 359, II. S. 927), find
von heligelbee Farbe; die Frucht hat ein weiches, fandartiges
Fleiſch, ift füß von Geſchmack; dient zur Fermentation beraus
ſchender Getränfe.
Huthung (im Ehinef., d.h. fremder Thung, Thung ift
Bignonia tomentosa) oder Togurafbaum genannt (die Tatdren
von Kafan nennen den Rhamnus paliurus Karategheref; Te;
gheref und Toguraf ift nach Klaproth wol derfelbe Name;
der Baum war bisher unbekannt). Diefe Bäume bededen die
ſandigen Steppen, fo daß fie an manchen Stellen ganze Wäld:
chen bilden, wol eine gute Stunde (10 Li) lang; aber der Baum
iſt krumm und nicht dauerhaft, daher fein Holz auch nicht vers
arbeitet werden kann (ob identifch mit dem Saxaul? Aften I.
©. 657, 902). Die Turfeftaner nennen den Baum nur „Brenn:
holz,” weit fie ihn nur zur Ofenheizung gebrauchen. Bei ſtarker
Sommerhige ſchwitzt feine Wurzel einen Saft aus, der fich gleich
Kirſchharz verhärter und Toguraks— Thränen heißt (Ambre
S
766) Timkowski Voy. T. I. p. 411— 417,
456 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6. 5.
jaune); aus der Rinde des Stammes tritt ein weißer Saft wie
Mehl, man nennt ihn Togurak-Seife (Soude de 'Togourak).
Siueliänhoa (Schnee-Nymphaͤa). Sie wächft fehr hau:
fig mitten im Schnee des Siue Schan, eben da, wo die Siueki
(di. die Schneehühner) in Schaaren fliegen; fie find fehr
fett, wohlſchmeckend und von heißer Natur.
Phuiya ſzoͤ (Dias) Eine Art wilder Knoblauch, die
Sandzwiebel genannt, eyoroß, wird von den Hoei gegeflen.
Der Geſchmack it fäuerlichfüß, die Blätter gleichen denen der
Zwiebel, find aber inwendig nicht hohl.
Schadfhu (Sand: Bambus); es gleicht Ding Schilf⸗
rohr, iſt aber ohne Knoten und Abſaͤtze. Frucht und Mark wer—
den wie das Rohr zu vielen Arbeiten verbraucht.
Dfifizao. Eine gerade, ſehr ſtarke und ſehr glaͤnzende
Pflanze; ſie laͤßt ſich biegen, ober nicht zerbrechen. Man kann
daraus Speiſeſtaͤbchen (Meſſer, Gabel und Loͤffel) verfertigen.
Auch werden noch ein paar fremde Producte aus dem Pflan—
zenreich genannt, die durch den Handel aus dem Auslande hier:
ber zum Verkauf gebracht werden; nämlic) Piſtazienkerne und
eine Abuse,
Die Piftazienferne (nad) Klaproths Ueberſetzung, denn
fie werden eigentlih im Chineſiſchen Fihtenferne genannt)
fommen aus Waifan. Die Schaale gleicht der der Cedern. Der
Kern ift blaͤulichgruͤn, füß, hat aber nicht den Gefchmad der Ce:
dernuͤſſe (2).
Die Wurzel der Pflanze Pa la phing gleicht ganz dem
Sanzi (72), ift aber dunkelblau oder fohwarz Sie fommt aus
Hindoftan (0b etwa Räwaſch? Rhabarber, f. ob. ©. 305). Die
Hoei holen fie häufig von dort, und verkaufen fie in ihrem Sande
zu hohen Preifen als Medizin, die außerliche und innerliche Ue—
bel, welche fonft unheilbar find, heilt. Aber ohne genauere
Prüfung darf man fie nicht anwenden, fagt der chinefifche Autor,
Don den Melonen Turkeftans war ſchon bei Hami ‚die Rede (ſ.
Alien I. &, 359),
Ihiere,
Diazaotungtfhung Dies fabelhafte Wefen iſt im
Eommer Pflanze, im Winter Inſect. Es fommt auf dem Siue⸗
Schan zur Welt; 68 brechen im Sommer die Blätter wie aus
einer Art Lauch hervor, Die Wurzel gleicht faulem Hohe, Jim
Winter, wenn bie Blätter vertrocknen, fängt die Wurzel an fi)
Oſt⸗Turkeſtan, Produkte, Sauna, 457
zu regen, und verwandelt fich in Inſecten. Mit Arzneien ver:
mifcht ift dieſes Product ungemein hitzig.
Die wilden Pferde, Kameele und Efel leben in den
Gebirgen und in der Wüftenfieppe, in Heerden umberzichend.
—Die wilden Stiere find von großer Stärke und Grau:
famkeitz wenn der Jaͤger fie nicht auf den erften em erlegt,
ſo iſt er verloren.
Auch Lingyang im Chineſ. (Argali im Turk und Tatar.
n. Klaproth) giebt es, eine Art wilder Schaafe mit großen Köpfen
und langen gewundenen Hörnern (Ummonshörner? ob Muſi—
mon? f. Aſien L ©. 9). Ihr Fleiſch ift fchlecht, aber ihr
Fell halt warm, und mwi:d zu Delzkleidvern häufig verbraucht.
Noch wird ein anderes wildes Schaaf (?) genannt, das man
in Rohrgebüfchen findet, deilen Farbe blau und weiß feyn fol.
Die Wolle ift lang und fchlicht. Es hat die Größe des Efels und
ein menfchenähnliches Gefiht. Der Bart am Kinn ift 6 bis 7
Zoll lang und gleicht dem Menſchenbarte. Die Hoei halten dies
Thier für einen Genius und wagen es nicht zutödten (ob eine
Gazelle, Saiga, oder Dferen? Sſarii 767) bei den Mongho—
len, unter deren Geftalt mit einem Horne, auf den Bergfetten
gegen Enedfek, d. i. Indien, fhon dem Dfehingisfhan fein Tegri,
d. i. der Geift feines Urahns erfcheint, um ihn vom Kriegszuge
‚gegen Indien zuruͤckzuweiſen? ſ. Aſien UI. S. 98).
Der Zailang (S chakal n. Klaproths Ueberſetzung, vergl,
Aſien J. ©.331), im Gebirgslande einen Fuß hoch, 3 Fuß lang,
gleicht der Seftalt nad) dem Wolfe, und kommt zu Hunderten in
‚Heerden vor, die ſelbſt dem Yäger die Beute des erlegten Wildes
wieder entreißen.
Kofentiao (Tiao iſt nach dem Wörterbuche Dfgö wei, ein
großer Kaubvogel von fihwarzer Farbe, aus deſſen Slügelfedern
man Pfeilſchaͤfte machen fann), ein fihwarzer Adler von 2 bis 3
Fuß Höhe; er befigt in feinen Schwungfedern fehr große Kraft,
Er lebt im Hochgebirge, Weiter weftli von Badakhſchan er⸗
zahlt man, gebe es einen furchtbar großen, fchwarzen Tiao, der -
die Wolken durchfliegt, nur auf Berggipfeln ruht, und groß fey
‚wie ein Kameel. Wenn er über einem Wohnorte wegfliege, fo
fliehen alle Menfchen in ihre Häufer. Oft pade er Ochfen und
Pferde und ſchwinge fih mit ihnen empor. Seine Länge be:
757) Sſanang Sfetfen Mongol. Geſch. b. Schmidt 1. c. p. 8%
458 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 5. 5
trage 8-9, auch wol 10 Fuß (mol das Maͤhrchen vom Vor
gel Rok?).
Fen kheu, ein Eleiner Vogel, der Wachtel gleich, mit ro:
then Schnabel und Strallen, findet fich auf dem Eisberge (Ping:
Shan). Elfhundert bilden eine Heerde. Seine Eier läßt er auf
dem Eife liegen, wo fie bei Kälte plagen und die Zungen auss
fliegen laffen (vergl. Aſien I. ©. 331).
. Dayenniao (der Fettvogel) foll in Ili und Urumtſi
einheimifch feyn. Er ift an Größe einem jungen Huhn gleich,
ganz fihwarz von Farbe. Iſt er fett, fo kommt sr in die Wohns
orte und Häufer, und giebt Elagende Laute von fich. Lockt man
ihn, fo fliegt er auf Arm und Schulter. Man greift und drückt
ihn, worauf er ein Fett oder Del aus feinem After giebt; dann
läßt man ihn wieder fliegen. Dies ift derfelbe Vogel, fagt der
Autor des Si yu wen kian lo ironifch, von dem es in einem alten
Eprichiworte heißt: „Den Pa yeuniao drückt man mit einem
Steine „und nimmt ihm das Del; dann Fann er weiter fliegen.”
Den Beſchluß diefer feltfamen Produkte macht der chinefifche
Autor mit dem Ihiere Patſchatſchung (das achtbeinige
Inſect), welches man Aberall in den Cändern der Neuen
Grenze finde. Seine Befchreibung ift folgende. Es gleicht eis
ner Erdfpinne, Ift rund und ſchwarzgelb. Seine 8 Beine find
dinn und Eurz, fein Mund braun und hat vier Spalten, Die
großen find wie Mühnereier, die Heinen wie Hu thao (eine Art
Beeren). Sn erfeuchteten Räumen läuft es wie Motten in das
Sicht; feine Geburtsftätte ift die feuchte Erde, an Waffergräben
und in alten Erdmauern. Wenn ein fiarfer Wind fich erhebt,
fo fchlüpfen diefe Ihiere aus ihren Höhlen, und werden vom.
Winde weiter und in die Wohnungen geweht. Ihr Lauf ift fo
rafch, wie ihr Flug. So oft fie auf dem Körper des Menfchen
hin und’her laufen darf man fi durchaus nicht rühren, Dann
gehen fie von fel6ft weiter und thun Einem Nichts zu Leide. Bei
der geringfien Bewegung aber beißen fie gleich und der Biß if
giftig. Die Schmerzen dringen bis ins Herz und Knochenmark,
und wird nicht gleich geholfen, fo geht der ganze Körper in Faͤul⸗
niß über, und es erfolgt der Tod, Wenn man das Thier gleich
nach dem Biffe wegnimmt und toͤdtet, fo ift der Schaden nicht
groß; es fpeit einen weißen Faden in die Oeffnung der Wunde,
Einige fagen, wenn man den Saft der Pflanze Ziän (auch
Erde:Blut genannt) einnimmt, und zugleich etwas davon an
Oſt⸗Tur keſtan, Produkte, die Tarakane. 459
die Wunde ſtreicht, ſo kann die Geneſung erfolgen. Iſt aber
das Gift ſchon inwendig, ſo werden von hundert Perſonen nicht
zwei gerettet. Die Hoei ſagen, man koͤnne nur dann am Leben
bleiben, wenn man den Prieſter baͤte aus dem heiligen Buche
(Koran) vorzuleſen. Aber ich ſelbſt, ſagt der Verfaſſer des Si⸗
yu wen kian lo, habe immer gehört, daß alle auf ſolche Art vers
giftete Hoei, die den Prieſter um dieſen Dienft anfprachen, noch
eher mit ihrem Leben zu Ende waren, als vie Lefung aus dem
Koran zu Ende war.
In diefem Inſect glauben wir mit ziemlicher Sicherheit (die
Uebertreibungen von ihrer Giftigkeit abgerechnet) die gemeine
Schabe over die Tarafane (Blatta orientalis Linn.) 768) wie⸗
der zu erkennen, welche mit dem Handelsverkehr aus Inners
Afien wol höchft wahrfcheintich erft ihre Wanderung nah
Sibirien, Rußland und gegen Weft nah Europa fort
gefegt hat. Laxman, der fie fihon fehr frühzeitig am Bacal⸗
See beobachtete (17605 er nennt fie daher BI. daurica) ©), fagt,
daß fie vor 7 Jahren zuerft in Irkutsk, vor 10 Jahren zuerft
an der Selenga in Daurien beobachtet fen, aber mit unglaublis
her Schnelligkeit und reichlichfter Propagation ſich weiter ver-
pflanze., Gmelin hatte allerdings fihon früher die Taraka⸗
nen oder Schaben (im %. 1733) auf der Keife von Peters:
burg, Öftwärts des Fluſſes Tosna, zu Tſchudowa in großer Menge
vorgefunden. Er meint indeß, daß diefe Art’) (es war ficher
Bl. Lapponiea, nad) Linné und Guvier, alfo eine von orientalis
verfchiedene) von den Finnen zu den Ruſſen übergegangen
fey, fich alfo gegen den Oſten verbreite, worüber er beftimmte
Beobachtungen gemacht haben will. Daher er auch Tarafane
für ein finnifhes Wort hielt, das mit der Sache erft nad)
Rußland eingebracht worden fen, Dies mag mol diefelbe feyn
die Pontoppidan in Norwegen befchrieb, und die auch in Dänes
mark befannt ift, wohin fie durch Schiffe und Waaren Fam,
Verſchieden aber von dieſer find wieder andere Arten Bl. ameri-
cana, gerwanica,,'gigantea u. a., welche vorzüglich durch Schiffe
”0®) Cuvicr Regne animal. Paris ed. 1829. T;V. yp.174; Wiegs
mann und Ruthe Handbuch der Boolog, 1832, ©. 38,
°?) Larman Sibirifche Briefe herausgegeben v. Schlözer, Göttingen
a - — 48 — 54. 0) Gmelin GSibirifche Reife 1751. 8,
4650 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 6. 5
verbreitet wurden, und fo nah St. Helena’), Teneriffa),
in die Japaniſchen und Indifchen Meere”), nah Zsle
de France und Bourbon, nach den Moluffen famen,
und fih auf AntboinaY 5 DB. durch La Billardieres Schiff,
ungeheuer vermehrten. Ob fie noch weiter nach Norden kamen,
oder ob dort nur Blatta orientalis zu fuchen fen, willen wir nicht
genau. Nach Sangsdorf foll die Tarafane aus Kamtfchatka,
durch ruffiihe Schiffe in Waarenballen, im Jahre 1805 75), erſt
nad) Nordweſt-Amerika, nach Kodiak und Unalafchfa eingebracht
worden feyn, wo fie früher nicht vorhanden war, wo aber auch
alle wieder vor Kälte umfamen. Derſelbe Naturforfcher meinte
noch, diefelbe Art fey es, welche ſich aus dem europäifchen Nußs
land erſt nach Sibirien und bis Kamtfchatka verbreitet habe (mie
die gemeinen Wanzen vor dem Jahre 1740 noch in Kamtfchatka
fehlten, aber, nad) Steller ), erft von Jakuzk nad) Ochotzk u. f.
w.. gebracht wurden). x.
Nicht zu alien Zeiten war diefe Blatta eine folhe Hauss
plage wie gegenwärtig in Oft: Sibirien 7), feloft in den Alpen»
thälern des Altai am Korgon, wie in Irkutzk oder in Daurien,
wo fie fogar furchtbar werden fann. Laxmann ) fagt, in
Daurien feyen es Säfte, die aus waͤrmern Ländern kamen; zuerft
babe man fie in Nertſchinsk wahrgenommen, und vor 10 Zah:
ren (etwa 1760) foll fie ein Woiwode nach Udinsk gebracht has
ben, von wo die Plage nach Selenginst und Kiachta Fam; von
da aber, wie er ſich ausdruͤckt, durch eine Excellenz nach Irkutzk.
Nah ihm if Shine ihre urfprüngliche Heimath. Wir follten
faft cher glauben Turfeffan, da der chinefifhe Autor dieſes
Thier in Turkeſtan wie ein ihm ganz fremdes Wunderthier zu
befchreisen fcheint, von dem ihm in China nichts befannt war.
Auch haben wir dort feine Spur davon in andern Befchreibun:
gen vorgefunden. Dagegen fcheinen fie eben in Oft: Turfeftan
in ihrer bösartigftien Form und als ärgfte Plage überall einhei-
mifch zu feyn. Auch J. G. Georgi ”’) fand fie in daurifchen
171) Williamson East-India Vademecum 1810. Vol. I. p. 96.
72) Bory St. Vincent Voyage à [Isle de Bourbon. T.I. p. 77, 228.
7?) Thunberg Voyage ed, Langles Vol. II. p. 394. ”*) Le Bil-
lardiere Voy. I. p. 378. 75) Langsdorf Reife II. p. 67.
76) Gteller Kamtſchatka 1774. S. 198. “2 Gebter Snfecten
Dfl-Sibiriens in v. Ledebour Reife in d. Altai Tb. U. ©. 16 App.
3.1. ©, 243. 8) Laxmann a. a. O. ©, 54
>) 3. Georgi Sibirifche Reife 1772. Th. 1. 4. ©, 189,
Dft-Turkeftan, Einwohner, Tracht. 461
Wohnungen in erfchreckender Menge, und dort galt es als eine
ausgemachte Sache, daß fie erſt aus den füdöftlichen Ger
genden, aus China und nicht, wie man im Innern Sibirien
meinte, durch den deutfchen Krieg dorthin gekommen fey. Die
nationalen Uebelnamen diefer Plagethiere „Ruſſen“ oder „Preu⸗
fen” Pruſſaki oder Pruskie Tarafani®) in Sibirien ger
nannt, beruhen alfo wol auf falfchen Vorausfegungen d). Sind
fie aber in Turfeftan einheimifch, fo wird es begreiflich, wie
fie, von da, nach Daurien den Baikal- und Altai-Laͤndern fort:
fhreiten fonnten, und zugleich, feit der Handelsernenerung mit
China, feit 1768, zumal über Uftfamenogorst am Srtyfch und Uber
Tomsk durch Taſchkenter Waaren, wie der Naturforfcher
©. Dallas) in Erfahrung brachte, ganz Weſt-Sibirien
als Hausplage überfielen. Die genauere Erforſchung der viel:
leicht noch verfchiedenen Species diefer Inſecten müffen wir an:
dern Unterſuchungen überlaffen; hier lag es ung daran nur den
Räumen nad auf den bisher zwar mehrfach befprochnen, aber
nirgends, felbft den auch ſchon bekannten Hauptthatfachen nach,
verglichenen Fortfchritt diefer feltfamen Wanderung und Berbreis
tung hinzuweiſen.
5. Bewohner, Sitten und Gebraͤuche, nach der dis
nefifhen Anfiht®) des Siyuwenfianlo,
Die Kleidung der Zurfeftanen befteht in einem Oberges
wande mit großen Kragen und engen Xermeln, darunter fie Fürs
zere oder längere Schlafröce tragen. Die Männer tragen im
Winter Iederne Müsen, im Sommer feidenez die Weiber im
Sommer wie im Winter dergleichen mit Pelz verbrämt und mit
Federpuß. Die Stiefeln find von rothem Leder mit Holzabſaͤtzen;
die Weiber tragen Pantoffeln; im Sommer gehen fie barfuß.
Die Ahuns, d. i. die Priefter, tragen mit weißer Leinwand
überzogene Turbane. Kine Melonenart, welche diefe Form der
- Kopfbedeefung hat, nennt man turfeftanifcher Hut. Sie ſchnei—
den ihr Kopfhaar ab, laſſen aber den Bart wachfen, nur den
Schnurbart befchneiden fie, um bequemer eſſen und trinken zu
koͤnnen.
s0) Pallas Ruſſ. Reifen Th. III. ©, 263. s7) Blätter für Lite
rarifche Unterhaltung b, Brodhaus, Leipz. 1835. Nr. 87. ©. 360,
über Blatta orientalis. 82) Yallas Ruſſ. Reife Ih. II. ©, 543,
654, 659, 668. ss) Timkowski l. ec. Il. p. 417 — 428.
462 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $. 5.
Ihre Haͤuſer beſtehen aus geſtampfter Erde, mit Holzdach und
Schilfbedeckung, darüber ein Lehmlager. Sie haben mehrere Stocks
werke und Oefen zur Heizung. In den Mauerwaͤnden laͤßt man
Vertiefungen zu Wandſchraͤnken. In den Zimmerdecken laͤßt man
eine bis zwei Stellen offen, fuͤr das einfallende Sonnenlicht, ſie
werden mit Deckeln verſchloſſen. Zur Seite laͤßt man nur ſehr
kleine Mauerfenſter, wie Dachfenſter, aus Furcht vor Diebſtahl,
der hier ſehr haͤufig iſt. Die flachen Dächer dienen zum Trock—
nen von Korn und Früchten, zum umhergehen; die Mauern find
ſehr dick, die Dächer weniger. Um die Häufer find Gärten mit
Zeichen angelegt, Blumenbeete, Obftpflanzungen. Für die Som:
merfühle werden Boftans gebaut, d. i. Gartenlauben, oder Paz '
villons mit Blumen umpflanzt und Canalen umzogen (Boftan,
im PDerfifchen, heißt Garten). Manche Häufer haben 3—4 Stocks
werke; einige find rund wie die Yurten der Mongholen, andere
vierecfig. Können fie neben dem Haufe noch ein Pläschen finz
den, fo wird daſelbſt eine Kapelle erbaut, um ihre Gebete (Nas
maz) zu verrichten. |
Unter den Speifen ift ihnen das Schweinefleifh durch ihre
Geſetz (den Koran) verboten. Sie effen nur Fleifch folcher Thiere,
die ordentlich gefchlachtet worden find und alles Blut verloren
haben. Bei Schmanfereien wird viel Vieh gefchlachtetz wie Ka—
meele, Pferde, Ochfen, als Hauptfpeife, aud) Hammelfleifh. Dazu
fommen die Melonen als Nahrung, allerlei Backwerke, in mans
cherlei Farben, Konfitüren, Kandiszuder. Diefe Speifen werden
auf zinnernen, kupfernen oder hölzernen Schuͤſſeln aufgetragen.
Weder Gabeln Hoch chineſiſche Speifeftäbchen hatten fie bisher
angenommen, und griffen mit Fingern, feloft in die Maisgrüge.
Sie find dem beraufchenden Trunfe fehr ergeben; fchlafen uͤber
dem Eſſen und Trinken ein, beraufchen fich von neuem und neh—
men einen guten Theil der Speifen vom Schmaufe mit nach
Haufe, was für den Wirth eine Ehre ift.
—Im Sommer fammeln fie die Maulbeeren, um daraus
einen Wein zu bereiten; fchon die Cinfammlung gefchieht unter
Zehen, Singen und Tanzen; durd) den Zufag von reifen Pfir-
fihen wird der etwas fäuerlihe Wein geklärt, doch behält er etz
was fäuerliches, Im Herbft wird aber der Traubenwein
eingefammelt, der fehr Föftlich iftz die Kübel werden mit den
"Trauben gefüllt, zugedeckt, fie gehen in Gehrung über; auch be
reitet man den Branntwein daraus, den fie Arak nennen. Auch
*
Oſt⸗ Turkeſtan, Einwohner, Heirathen. 463
aus Gerſte und Hirſe bereiten fie einen ſolchen. Aus der ger
mahlenen Hirfe bereiten fie fich ein beraufrhendes, fauerliches Ges
träne (Bier? Braga der Rufen), das fie Baffsun nennen.
Sie trinken es gern und fagen, es ftärke den Unterleib wider
Krankheiten. Sie lieben fehr die Muſik; ihre Inſtrumente fi find
große und Keine Trommeln, Schalmeien, Flöten mit 8 Löchern,
Harfen mit mehr als 70 Saiten, Guitarren mit 7 Saiten, dar
von 4 Drathfaiten, 2 Darmfaiten und eine aus Seide ift. Sie
haben große - und Eleine Geigen; das Steigen und Fallen der
Töne ſtimmt mit dem Irommelfchlage. Tanz und Berfification
werden auch durch Trommelfchlag geregelt, aus der Verwirrung
von alle dem tritt doch eine gewille Harmonie der Töne (für ein
chineſiſches Ohr) hervor.
Die Turkeftanen find eifrige Mohammedaner.” m fünf
ten oder fechsten Jahre wird an jedem Knaben durch den Achun
das fehmerzliche Sefchäft der Befchneidung vorgenommen. Sie
haben weder Familienamen noch Gefchlechtsregifter, Zwiſchen
Vater und Sohn herrfiht das Band der Liebe; aber um die
übrigen kuͤmmern fie fich wenig. - Die Maschen werden mit den
Knaben erzogen. Jede Ehe iftserlaubt, außer mit Mutter und
Tochter; eben fo die Ehefcheidung. DVerftößt die Frau den Mann,
fo darf fie feinen Strohhalm aus dem Haufe mitnehmen; wird
fie vom Manne verftoßen, fo nimmt fie mit was fie will. Selbſt
die Kinder werden getheilt, der Vater nimmt die Söhne zu ſich,
die Frau die Töchter. Die gefchiedene Frau kann nach Jahren
zu dem Manne zurückkehren. Bei den Hochzeiten werden
Contracte gefchloffen. Die Eltern des Braͤutigams ſchicken Ge:
ſchenke an Ochſen, Schafen, Leinwand; fie laden alle Verwandte
und einige Achun ein, in das Haus der Braut den Ehecontract
abzufchließgen. Am Vermählungstage führt der Vater, oder Bru⸗
der, die Braut verfchleiert in das Haus des Brautigams, Don
da an läßt fie das vorher in 10 oder mehrere Zöpfe geflochtene
Haar frei herumhängen. Einige Monat nach der Hochzeit wird
diefes fliegende Haar, das öfter bis zur Erde über den Rüden
herabhängt, fauber gefämmt, durchflochten mit rothen Bändern.
An den Enden werden fie durch vothe Faden und Büfchel ger
ziert. Reiche Frauen durchflechten diefen Haarzopf mit Perlen,
Edelſteinen, rothen Korallen. Ein ſolcher Kopfſchmuck heißt dann
Tſchatſchbak. >,
Die Begrüßung beim Zufammenkommen ift fein Verbeugen
464 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 5.
bis zum Gürtel, fein Niederfnien, wie bei Chinefen, dies gefchicht
nur feit der Interwerfung Oft: Turkeftans unter China, vor chis
nefifchen Beamten. Wer einem eltern oder Vorgeſetzten begeg-
net, legt die Arme über die Bruft und beugt den Kopf nieder;
dies ift bei Frauen wie bei Männern ihr Gruß, Salam, Nur
während des Gebetes (Mamas) Enien fie. Begegnen aber Aeltere
den Süngern, fo berühren fie fich, bei Frauen wie Männern, nur
mit ihren Schultern, als Zeichen der Höflichkeit. j
Das tägliche mohammmedanifche Gebet befchreißt der Chinefe
‘fo: In den großen Turkftädten des Weſtens ift ein höher anfger
worfener Erdwall, wo täglich getrommelt und geblafen wird.
Nach diefer Muſik verbeugen fi) die Mullahs und Achuns ger
gen Weft (nach der Kaaba) und verlefen ihre Gebete. Dies ift
ihr Namaz, das fich täglich Smal wiederholt, bei Auf- und
Untergang der Sonne, und zu den 3 andern Tageszeiten. Diefe
Muſik auf dem Walle (mol ftatt des Minarets) wiederholt fich
bei allen feftlichen Begehenheiten.
Die Fefte richten fih nad ihrem Kalender. Sie fangen
das Jahr nicht wie die Chinefen mit Conjunction von Sonne
und Mond (Iching fon) an. Ihr Anfang des Monats ber
ginnt mit dem Eintritt des Neumondes; 30 Tage gehören zu eir
nem Monat. Vollzaͤhlige und unvollzaͤhlige, welche die Chinefen
Große und Kleine, nämlich von 30 und 29 Tagen, nennen, fen:
nen fie nicht. Auch haben fie Feinen Schaltmonat. Zwölf Mo—
nat machen ein Jahr, das ftets 364 Tage hat. Diefe Eintheiz
lung wird nach ihren Märkten, oder Bazartagen, beſtimmt;
weil alle 7 Tage Markttag ift, und 52 IDEE Markttage 364
Tage oder ein volles Jahr bilden.
Schon einen Monat vor Neujahe fangen die Turkeftanen
zu faften an. Dom 10ten Jahre an darf dann Niemand nad)
Sonnenuntergang etwas ejfen und trinfen; viele wagen es dann
nicht einmal ihren eigeaen Speichel zu verſchlucken, und diefe
gelten für befonders fromm. Nach Sonnenuntergang, wenn die
Sterne aufgehen, darf Jedermann wieder eflen und trinken; nur
Wein, Branntwein und Umgang mit Weibern bleibt Verbot in
der Faftenzeit. Alle beten Tag und Nacht, nachdem fie ſich vors
her den ganzen Leib gewafchen. Die Mullahs und Achuns har
ben firengere Faften.
Ihr Neujahr nennen fie Jidzi; ein großer Aufzug ver
fündet feine Feier, wobei der Statthalter gegenwärtig ift. Die
Oſt⸗ Turkeſtan, Einwohner, Begräbniffe, 465
Ealender (eine freiere Art Derwifche) gehen vorauf, tanzen
und fingen; ihnen folgen die Beamten, die Achlun in weißen,
runden Hüten, dann: die bewaffnete Garde des Gouverneurs
(Akim Bey). Alles zieht in die Mofchee, und nach dem Gottes
dienft in das Gebäude des Akim Beg, ihm zum neuen Jahr
Gluͤck zu wuͤnſchen. Männer und Frauen fingen und tanzen
dann zur Endfeier der Faftenzeit, oder der fogenannten Ait.
‚Bor der Unterwerfung Oft: Turfeftans unter China, war
ehedem, nac) dem beendigten Mofcheenbefuch, eine Berfammlung
des Volks im Gebrauch, in welcher eine Nede über die gerechte
oder fehlerhafte Verwaltung des Akim Beg gehalten ward, der
ein Gericht folgte. Ward er fir tugendhaft anerkannt, fo blieb
er im Amte, ward er vom Gegentheile überführt, fo ward er von
der Verſammlung abgefest, oder getödtet. Daher, fagte man,
habe fich der Akim Beg feit uralten Zeiten mit einer zahlreichen
Leibwache umgeben, ein Gebraud), der auch heute noch fortbefteht.
Indeß ward der Akim Beg doch wol niemals getödtet, aber die
ausgefprochenen Vorwürfe des Volks dienten ihm fihon, fagt der
chineſiſche Autor, als eine ſcharfe Lection (dies erinnert an früs
here Gebräuche in Conftantinopel).
An demfelben Tage begrüßen fih, wie in China am New
jahrstage alle Chinefen, fo auch alle Turkeftanen, und 40 Tage
nad dem Ait wird wieder ein Zubelfeft der Stadt ges
feiert, das Kurban Ait genannt. 30 Tage fpäter, alſo 70
Tage nach dem Neujahr, befuchen die Turfeftanen die Grab:
ffätten ihrer verftorbenen Verwandten, wobei ein Gottesdienft
gefeiert wird. Bei Begräbniffen wird die Leiche in das weiße
Leichentuch gewickelt, welches die Farbe der dortigen Trauer if,
Alles Hab und Gut des Verftorbenen wird unter die Armen vers
theilt, um dem Todten feine Seligfeit zu fihern, von dem Werthe
diefer Gaben hängt das Maag feines himmlifchen Gluͤckes ab,
Die Leiche wird in die Erde begraben; die Trauerzeit der nächs
ften Verwandten dauert 40 Tage. Ihre Gräber haben die Sargs
form; die Reichen überwölben fie, bauen Monumente von Bad
feinen und Ziegeln darüber. Sie errichten fie vorzüglich an der
Landftrage, damit die Vorübergehenden für die Abgefchiedenen Ges
bete bringen.
Zur großen Feier des Todtenfeftes gehört nach 30 Tagen wies
der Gottesdienft und Gräberbefuch; aber damit nicht zufrieden,
Ritter Erdkunde VL, Gg
=
466 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 9 5
bringen ſich die Leidtragenden auch Blutwunden bei. Viele ſchnei—
den ſich am Halſe Wunden zwiſchen dem Adamsapfel und der
Haut, und legen daſelbſt Buͤſchel von Zwirn (ob Fontanellen?)
hinein, zum Angedenken an die Todten. Die Maͤnner ſchneiden
ſich auch Loͤcher in die Ohren, die Weiber ſchneiden ſich Haar—
buͤſchel ab. Oefter fließt den Leidtragenden das Blut uͤber den
ganzen Leib herab, ſie nennen dies dem Verſtorbenen dargebrachte
Blutopfer Oſchur. Zehn Tage nach der Todtenfeier erſcheinen
Maͤnner und Frauen, Alt und Jung, in neuen Kleidern, mit
Muͤtzen, welche Papierblumen putzen; ſie verſammeln ſich auf
den hoͤchſten Bergen vor der Stadt; da tanzen ſie, halten Pfer—
derennen, Bogenſchießen, unter Trommeln, Pfeifen und Beglei—
tung vieler muficalifcher Inſtrumente, trinken Wein, beranfchen
fih bis in die Machtzeit. Dies ift ihre Nuruß-Feſt.
Handel, Viehzucht, Zagd find die Hauptbefchäftiguns
gen der Turkeftanen. Sie find zwar Feineswegs gute Schügen,
aber fie werfen fehr gut mit Stöcden nad) Hafen. Sie ziehen:
gern Falken zur Jagd auf; die Aermern halten deren einen bis
zwei; die Neichen 20 bis 30 Stuͤck; fie werden abgerichtet zur
Jagd auf. Wölfe (? Schakale), Füchfe, wilde Ziegen, Antilopen,
und find von ungemeiner Schnelligkeit (0b die Bergut? oben
©. 394).
Beim Handel, bemerkt der chinefifche Autor, meffen und
wiegen die Turfeftanen das Korn nicht. Ihr Eleinftes Maaß’ _
ift ein Hutkopf voll Kornz das größte wird nach Tagar gemef-
fen; ein großer Sad voll heißt Patman.
1 Tagar ift ein Sad aus grober Leinwand, der etwa 4
Pud, oder 160 ruffifhe Pfund enthält. 1 Patman hält 3 Tas
gar (in Kafan heißt derfelbe noh Batman nah Timkowskis
Bemerkung). Die Waage der Turfeftanen hat 2 Schaalen; fie
heißt Tſcherke; die Waare darauf wird nach dem Gegengewichte
gewogen. }
6. Ueber den Handel in Oft: Turfeftan nebft Zufäßen.
zu dem Vorigen, nah dem jüngften Berichte der
Mekfapilger in Bombay (1735) 7%), Pr
Nur abgeriffene, einzelne Angaben find es, die wir hiernach
zu den Obigen, hie und da, hinzufügen koͤnnen. Zum Clima,
785) W, H. Wathen Memoir 1. c. Journ. of the As. Soc. of Bengal.
Calcutta 1835. Vol. IV. p. 657 — 664.
Oſt⸗ Turkeftan, Einwohner, Usbefen, 467
daß es im Sommer fehr heiß, im Winter oft fehr falt wird, daß
in’ den Gebirgen fehr viel Schnee fällt, im Lande der Städte we:
niger. Der ungemein geringe atmosphärifche Niederfchlag wird
beftätigt, und gefagt, im ganzen Jahre regne es dafelbft nur etwa
zwei oder drei Mal, eine Stunde lang, ein feiner Negen, dann
aber werde es fehr kalt.
Die Sagen von der vulfanifchen Natur des Bodens
bei Akfu und Turfan, werden im Allgemeinen, doch nur auf uns
beftimmte Art beftätigt; bei dem letztern Orte foll man aus dem
Berge zuweilen Feuerflammen hervorbrechen fehen. Anhal—
tende Erdbeben waren hier in den Sahren 1831 oder 1832
berefchend, in Badatfhan und dem Belur- Gebirge ward Vie:
les durch ein Erdbeben zerfiört (wahrſcheinlich daffelbe, wel—
ches A. Burnes 1832 in Lahore erlebte, f. 0b. ©. 57, das
auch zu gleicher Zeit in Kofand mwüthete 55); fo daß die Sphäre
diefer heftigen Erfihätterung fehr weit zu beiden Seiten der Hochs
gebirgsferten auszudehnen feyn würde). Den Fluß bei Yarkand,
den diefe Mekfapilger Zuruffchan nannten (eben fo den Tas
rim, zu dem der Fluß von Akfu fich ergießt), fol 3 Monat im
Jahre mit Eis bebrückt ſeyn; während diefer Winterszeit gehen
die Karamwanen der Pferde und Kameele über den gefrornen
Strom hinweg.
Die Eingebornen des Landes nennen die Meffapilger
Usbefen, von zweierlei Abtheilungen: At Tak und Kara
Taf, die immer gegeneinander in politifcher Fehde und Haß flex
ben, was als die. eigentliche Grundurfache der legten traurigen,
innern Entzweiungen und ihrer Unterjohung durch die Chinefen
angefehen wird. Die allgemeine Sprache ift das Dſchagatai
Turfi (die Sprache, in der Sultan Baber feine Memoiren
ſchrieb); der reinfte Dialect der Turk Sprachen, weil er am we:
nigften mit arabifchen und perfifchen Wörtern gemengt ift. Er
wird auch von den Kalmücden verfianden.
Die chineſiſchen Truppen in Oft: Turkeftan, ſchaͤtzten
die Mekfapilger, der Zahl nach, auf 20— 30,000 Mann. Das
HinefifheGouvernement fey fehr wenig populair, weil in
ihrem Falee es nur liege das Land zu behenſſchen aber degche
ss) W. H. Wathen Memoir on the Usbek State of Kokan in ı Journ.
of the Asiat. Soc. of Bengal. Calc. 1834. Vol. IH. ed. Prinsep.
b- 337.
Gg2
468 Welt: Afien, L Abſchnitt. §. Se
aus fein Beftreben da fen, in irgend einer Hinflcht die Intereſſen
der einheimifchen Population zu befriedigen, oder mit dem chinefls
fchen Intereſſe auszugleichen, zu vereinigen. Der Haß gegen die
Chinefen foll durch die vielen Verfhanzungen und Befeftigungen
ummauerter Städte fehr vergrößert worden fenn, welche fie in der
festen Zeit durch Zwangsarbeiten der Cinheimifchen aufs
führen ließen. Das Verhältnig der mufelmännifchen Prinzen und
Khodjas zu den Chinefen fchilderten die Mefkapilger eben fo, wie
das der Nabobs und Radjas in Hindoftan zu dem britifchen
Gouvernement. Das dinefifhe Gouvernement befümmere ſich
ebenfalls glei wenig um die innere Verwaltung, Jurisdiction
u. f. w., und freibe nur allein Einkünfte des Landes zufammen,
In PYarkand fen es fehr wohl bekannt, daß Indien von Feringis
cd. i. Franken, Europäern) beherrfcht werde, und große Yaloufie
finde bei Chinefen, aus Furcht und Angft vor ihnen, gegen fie Statt.
Doch meinten fie, es könne wol ein reifender Europäer, wenn er
wie ein Turfeftane gekleidet mit langem Barte, fie auf ihrer Ruͤck⸗—
kehr von Mekka begleiten wolle, in das chinefifhe Turkeſtan eins
dringen koͤnnen. Der leichtefte Eingang würde über Kofand und
Kaſchghar mit den dortigen großen Kafila’s Statt finden,
Nur müffe er Turki fprechen, weil das Parfi von den mwenigften
verftanden werde. Schon in Kofand fpreche die ganze unabhäns
gige Bevölkerung nur Turki. Selbft bis Peking von Kafıhahar
vorzudringen, fey möglich, fobald man nur einen Pag vom Gous
verneur in Kafchghar erhalte, der für Zahlung von 10 Tankeh
(Tanga, f. ob. ©. 394) von den chinefifchen Beamten, unter
dem Vorwande eines Handels auch nicht fchwer zu befommen
fen. Einen Europäer, der vor einigen Jahren, in feiner fremden
Kleidung, nach Yarfand gefommen fey, habe man auf die Tortur
gebracht, ihm aber Gnade verfprochen, wenn er die Wahrheit fas
gen werde, Er bekannte fih als Europäer und ward fofort außer
Landes transportirt. Ein Eleines Wortverzeichnig aus dem Turki⸗
Dialect, wie er in Yarfand gefprochen wird, hat Wathen 7%)
mitgetheilt.
Die Abgaben an die Chinefen werden Albaum genannt,
Die Kopffteuer betrage auf jeden Kopf jedweden Monat 1 Rupi
und rs der Sandesproducte. Syuds, Mullahs, Pirzadehs, Fakirs
und Eoldaten find mach dem Geſetz Tſchingiskhans von dieſem
=u6) 2: ds O. p. 663 — 664.
Oſt⸗ Turkeſtan, Handelsverkehr. 469
Albaum befreit (vergl. ob. ©. 393). Vordem mußten von den
durchgehenden Waaren durch das Land auch 2* Procent des
Werthes (eins von do Stuͤck) gezahlt werden. Seit 12 Zahren
(etwa feit 18242) ward diefer Tranſitozoll auf Eaiferlihen Befehl
gänzlich aufgehoben.
Die meiften Nachrichten der Meffapilger betrafen den Hans
del und Verkehr in Turkeftan mit den Nachbarländern, zumal
von Yarfand und den Nachbarftaaten, meil diefer gegenmwär:
tig am bedeutendfien it, zumal mit 1) Kaſchmir, 2) Bas
dakhſchan, 3) dem ruffifchen Gebiet, 4) China und
5) Zübet,
1) Ton Safhmir bringen die Kaufleute nad) Yarkand
Shawls, Kincabs, Chicun, weiße Zeuge, Leder; fie holen dage—
gen Ambu, d. i. reines Silber, Wolle der Shawlziege, die
Tibbet heißt, u. a. Artikel,
2) Bon Feizabad, der Capitale Badakhſchans, bringen
fie nah Yarkand vorzüglich. Sclaven und Edelfteinez fie
holen dagegen Sitber und Thee. Nur einmal im Jahre
fommt die Kaflla von daher; fie braucht meift 40 Zagereifen,
koͤnnte den Weg dahin in forcirten Märfchen jedoch auch in 20
Tagen zurüclegen. — Von Andejan (ſprich Andedfhan)
im Khanat Kokand bringen fie nach Kaſchghar allerlei Zeuge
und andere Bequemlichkeiten des Lebens, nehmen dagegen zurüc:
reines Silber, Dorzellan, Thee, in Buͤchſen und Ziegel:
thee für die aͤrmere Claſſe. Auf Pferden, Maulthieren, Kamee⸗
len werden dieſe Waaren transportirt.
3) Die ruſſiſchen Kaufleute kommen uͤber Ili, Akſu,
Kutſche; ſie bringen breite Tuͤcher, Brocate, Silber, Goldducaten,
Kupfer, Stahl, Pelzwerk; zuruͤck nehmen ſie Thee, Rhabarber,
Sal Ammoniak.
M Nach Peking gehen die Karawanen von Yarkand nur
auf einer Route, weil andere kuͤrzere verboten ſind; jenen Weg
kann die Karawane in 3 Monat zuruͤcklegen, aber gewoͤhnlich
werden 5— 6 Monat dazu verbraucht. Auf der genannten Route
-foll eine böfe Paffage feyn, die fo enge ift, daß an 20 Schügen
einer ganzen Armee den Weg verrennen koͤnnten. Es ift an die
fem Paß ein Usbefens Commando poftirt. An jeder Station ift
Überhaupt eine Chinefifhe Ortung, d.i. Poft, die aus 7 bis
8 Chinefen und 8 Usbeken befteht. Die Neifenden nach China
brauchen gegenwärtig Feine Päfle zu haben, und koͤnnen, wert
470 WeftsAfen, I. Abſchnitt. 5 5.
fie einmal in China fi I dafelöft fo lange verweilen ale fie wol⸗
len; es iſt deshalb keine beſondere kaiſerliche Erlaubniß noͤthig.
Der Verkehr zwiſchen China und Harkand iſt ſehr bedeutend.
Sehr viele Seide und große Viehheerden gehen nach
China, dagegen kommt von da Thee, Porzellan und ſehr
vielerlei Fabrikwaare.
5) Nach Tuͤbet, nämlich Ladakh, das nur dem Namen
nach unter chinefifcher Oberhoheit fteht (I. ob. ©. 218), find 30
bis 40 Tagereifen, in Eilmärfchen 17—18 Tagereifen. Dahin⸗
wärts find zwei Stationen, chinefishe Ortung (Aurtang,
ihre nähere Befchreibung auf diefer Route, ſ. Aſien II. S. 638
bis 640) mit 5 Chinefen und 20 Usbeken-Poſten auf jedem, zur
Inſpicirung der Paffanten. Die nächften 20 Tagereifen. gehen
durch Bergland und Ebenen, ohne Bewohner. Auf dem. legten
Poſten werden die vom Amban ausgeftellten, befiegelten und vis
firten Paͤſſe zurückbehalten, und erſt bei dem Ruͤckwege zuruͤckge⸗
geben. Doch follen diefe Ortungs leicht zu umgehen ſeyn. Won
Ladakh nah Kaſchmir find 25 Kafila Tage, in Eilmärfchen
nur 15 Tagemärfche; e8 geht über viele Flüffe und Wald; überall
iſt Fourage fuͤr die Laſtthiere.
Im Innern OftsTurfeftans geben die Mekkapilger nur
die Route nach Akſu an, wohin 20 Tagemärfche führen, über
47 Ortungs, an denen meift 7 Chinefen und 13 Usbeken poſtirt
ſind, oder auch wol noch mehr. Der Weg dahin fuͤhrt durch
viel Waldung (f. ob. ©. 396). In den letzten Jahren hat
das Land fehr durch die Rebellionen gelitten, die. freilich ges
dämpft wurden, und durch die Verheerungen. der Cholera
‚Morbus 737),
7. Handelsverhältniffe und politifcher Zuftand nad)
den Ausfagen turfeftanifcher Keifenden in Bos |
Ehara, eingefammelt von Al. Burnes daſelbſt i m
Jahre 1833.
Da wir wol noch eine lange Zeit auf freie europaͤiſche Be⸗
obachtung im Lande Oſt-Turkeſtans werden Verzicht thun muͤſ—
ſen, ſo bleibt uns nur die ſorgfaͤltigſte Sammlung und Pruͤfung
der Ausſagen einheimiſcher Berichterſtattung uͤbrig, zu welcher
wir hier auch folgenden Beitrag fuͤgen, den Al. Burnes von
aD, p. 669.
# Oſt-⸗Turkeſtan, Yarkands Zuftand, 471
wohlunterrichteten Handelsleuten, zumal aus Yarkand erhielt,
die er in einer Theekarawane nach Bokhara begleitete, ſo wie von
vielen dortigen Reiſenden, die ſich viel im chineſiſchen Turkeſtan
umgeſehen. Ein Bericht klaͤrt immer den andern auf, berich—
tigt oder beſtaͤtigt und erweitert ihn, wie dies auch hier
bei Folgendem 88) leicht einzuſehen ſeyn wird,
Yarkand if das große Eimporium an den Weſtgren⸗
zen des chinefifhen Reichs, 5 Monat Karawanenweg weftwärts
von Peking; es ift der größte Marktort für die chinefifchen
Waaren, die von da nah Bokhara und Tübet (Ladakh
und Indien) weiter verführt werden. Kein Chinefe übers
fehreitet die Grenze “des chinefifhen Turkeſtan; aller Verſchleuß
nach außen gefchieht durch Mohammedaner, die deshalb die bes
fiimmten Jahrmaͤrkte von Yarkand bezichen. Wie an den Sees
füften Chinas, eben folhe Wachfamkeit wird an den. hiefigen
Landgrenzen Turkeflans gegen die Fremden geübt. Yars
Eand felbft gilt dem chinefifchen Gouvernement, das fehr miss
trauifch gegen die Treue feiner eigenen turfeftanifchen Unterthas
nen ift, nur als ein Vorpoften feinen Neiches gegen den Wer
ſten. Doch ift die Verwaltung der Städte in den Händen der
Mohammedaner gelafien. Die chineſiſchen Truppen (5000 in
HYarkand, 7000 nach obigem ©. 395) üben nur die Militairges
walt aus. In Yarkand ift eine eigene Art der Necrutirung-dorz
tiger Truppen durch den Tribus der Tungani (f. ob. ©. 398,
offenbar die Tugean in Ili, f. Aſien I. ©. 409). Von diefen
werden Necruten im 14ten oder 15ten Jahre angenommen und
eben fo viele Jahre im Dienft behalten, dann wieder abgedankt.
Diefe Tunganis find Mohammedaner der benachbarten: Provins
zen, nennen ſich Abkoͤmmlinge von Aleranders Heer, Eleiden ſich
aber auf chinefifche Weife. Sie dürfen fich nie verheirathen, oder
müflen doc) ihre Familie, wenn fie dergleichen haben, bis auf
15 Tagemaͤrſche von der Landesgrenze relegiren, weil'man ſie ale
Truppen zum Dienft in die Fremde anfieht.
Der Hakim Beg von Yarkand fteht unter Kaſchghar (7) und
dieſes wieder unter dem Dſiangghiuͤn (Sunjum bei Burnes)
von Ili, dem großen Emporium (Gouldja) das 40 Tagereiſen
im Rorden von Yarkand entfernt liegt. Diefes Ili foll gegens
ss) AL Burnes Travels into Bokbara. Lund. 1832, Vol, II, ch. VI,
‚p- 227 — 2506. ‘
#72 Weſt⸗-Aſien. 1 Abſchnitt. 6. 5 *
waͤrtig 75,000 Einwohner haben (ſ. Aſien I. &.408— 414), Yar⸗
kand 50,000. Zu den ſpeciellen Localverhaͤltniſſen von Yarkand
wird nur Beſtaͤtigendes zu dem was ſchon fruͤher angefuͤhrt iſt,
hinzugefuͤgt, und Einiges uͤber deſſen Bewohner und Handel,
Der Mohammedaner ſollen 12,000 Familien in Yarfand
feyn (vergl. ob. ©. 397), die einen Turf-Dialect fprechen, den
man auch in Bofhara volllommen verſteht. Das Landvolf wird
von den Städtebewohnern Moguls genannt, daher die Landes—
benennung Moguliftan, die auch für jenen Theil Centrals
Afiens im Gebrauch war, herfommen fol. Um Yarkand find,
wie um Zli, auch Kalmuͤcken angefiedelt, deren Häuptlinge den
Gebrauch haben fich Hirfchgeweihe auf ihre Pelzmuͤtzen zu fegen,
deren Größe und Schönheit die Vornehmheit bezeichnet. Diefe
Kalmücken werden von den Chinefen zu ihren Grenzgarnis
fonen verwendet. Die Weiber der Mohammedaner in Yarkand
find freier als irgendwo, verfchleiern fich nicht, haben den Ehrens
plag im Zimmer, freien Umgang mit Männern, tragen reichornas
mentirte Stiefeln mit hohen Abfägen. Ihr Kopfſchmuck ift eine
hohe Tiara von Zeug; ihre Geſichtszuͤge follen fehr ſchoͤn ſeyn.
Die Bokhara Kaufleute, welche den Markt von Yarkand bezies
hen, pflegen dort fich (wie in Hami, f. Afien I. ©. 360) nur in
temporaire Chen einzulaffen, die für wolfeile Preife einzurichten
find; nach ihrer Heimkehr befingen fie noch lange Zeit die Schöns
heit ihrer Geliebten von Yarkand. Auch chriſtliche Kaufs
leute in chinefischer Tracht, wol Armenier (?), follen den Markt
von Yarkand befuchen. Der Verkehr mit Tuͤbet und Bokhara
wird fireng controllirt; die Eingebornen dürfen nicht über Yars
fand und die benachbarten Städte hinausgehen. Beim Eintritt
in chinefifches Gebiet werden den fremden Kaufleuten Perſonen
zur polizeilichen Aufficht gegeben, die mit deren Heimath befannt
find, und für die ihnen Anvertrauten refponfabel gemacht wers
den. Diefer Sürveillance zu entgehen foll unmöglich feyn. Ein
dort Cingeborner, der verdächtig fihien, ward drei Monate lang
verhaftet, endlich aber entlaffen, vorher jedoch eine förmliche Bes
fchreibung von ihm aufgenommen und zurüickbehalten, Mehrere
Kopien des von ihm gemalten Abbildes fogar (wie bei
Moorcroft, f. oben S. 218) wurden an verfchiedene Grenzpoften
verfender mit der Inſtruction: „wenn diefer Mann fid
auf der Grenze fehen läßt, ift fein Kopf dem Kai—
fer, fein Eigenthbum iſt das Eure.” Matürlich- hieß er
Oſt⸗Turkeſtan, HindoftanisKoute nach Ladakh. 473
fih nie wieder an ber Grenze fehen; er ging in Dienfte zu Ak
Burnes, den er auf feiner Reife begleitete,
Die Chinefen in Yarkand befümmern fih nur wenig um
die Angelegenheiten des Landes, und Uberlaffen diefe, wie den
Handel, von dem fie jedoch 1 von 30 Talfo ein’ erhöhter Zoll,
ftatt der obigen Angaben von 40) erheben, den Einheimifchen,
Ihre commerciellen Einrichtungen find im übrigen billig und ges’
je 4 auf das Wort, das der Chinefe giebt, fegt man Vertrauen.
Memals variirt der Thee in feiner Qualität.
HE Der Verkehr mit dem Often von Yarfand ift Acht chinefifch.
Die Communication mit China wird Batfchin genannt. Die
Zeit der Neife wird, wie gefagt, auf 5 Monat angefchlagen. Der
Einzelne Eönnte fie jedoch in 35 Tagen, ja mit Parforcetouren
fogar, ald Courier, in 20 bis 15 Tagen zurücklegen. Ortungs,
oder Relais von Pferden (Poften), liegen in Stationen von 8
bis 10 Engl. Miles Diftanz; ein Bote darf mit dem andern dies
fee Poften nie fprechen. An jeder Station find Scheiterhaufen
errichtet, die angezündet. werden, fobald eine Invaſion der Mos
hammedaner Statt findet. Durch diefe Telegraphie (vergl.
Aften I. ©. 218 und Busbeq. de Reb. "Tureie. cap. VI.) kann
diefe Nachricht von Yarkand in 6 Tagen Peking erreichen. Auf
folches Zeichen feste fich, bei der legten Nebellion, eine chinefifche
Armee von 70,000 Mann, die aus den verfchiedenften Provinzen
snfammenftoßen mußte, in Marfch.
8 Hindofanifche Route aus Yarkand gegen den
Süden über Ladakh.
Ueber die Route zwifchen Ladakh und Yarkand 79),
alfo gegen Süden nah Hindoftan, die wir zwar ſchon aus
Mir Zffet Ullahs Neifetagebuch kennen (f. Afien II. ©. 633
bis 640) erhalten wir durch) Al. Burnes folgende beftätigende
Nachricht. Ein Kaufmann, der im März von Ladakh aus reis
fete, erreichte zwar Yarkand erft in 60 Tagen; aber viele Uns
glücköfälle, zumal Stürme, die ihn im KaraforumsGebirge trafen,
hemmten feinen Lauf. Die Zahl der wirflihen Reifetage
beträgt nur 28, Er gebrauchte allein 7 ganzer Tage zur Uebers
fleigung von Karaferum, das als eine relativ niedere Bergs
fette befchrieben wird, die aber doch abfolut fehe Hoch liegen
"®2°) Al. Burnes I. c. Il. p. 234 — 236,
474 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 5
muß, da fie das Athmen fo fehr erfchwert, Erbrechen, Uebelkeit,
Verluſt des Appetites bewirkt, wogegen der Thee als ein Specifis
cum gerähmt wird. Der Nordfturm und das Schneetreiben war
fo gewaltig, daß die Neifenden täglich nur ein paar 100 Schritt
vorwärts dringen fonnfen. Durch den Sturm wurden Menfchen
und Laftthiere ermattet, 9 Pferde blieben todt liegen. Die ganze
Karawane hätte faft ein gleiches Schickſal treffen muͤſſen; denn
fhon hatten alle Laftthiere felbt das Stroh ihrer Sättel aufz
gezehrt, ch” fie das von Menfchen wieder bewohnte Landiitts
reichen fonnten, was erft am -18ten Sagemarfche nach dein Abs
gange von Ladakh Hätte gefchehen Eönnen. Da fanden fie glück
licher Weife einige Hütten von Wafhanis bewohnt (d. i. Ein⸗
wohner des weftlich gelegenen Gebirgsgaues Wofhan). Diefe
verfahen fie wieder mit Lebensmitteln und Pferdefutter. . "
Am ı1Tten Tage erreichten fie den Yengi Daban, d. i.
den Yengi-Engpaß, der zwifchen Bergen 2 fehr ftarfe Stun
den anhält, und ganz über Eis geht, darin man Stufen eins
‚hauen mußte. Auf dem Ruͤckwege nach Ladakh, Mitte Juni,
alfo im Sommer, war das Eis ganz verfchwunden, und der
Karaforum felbft vom Schnee befreit, was um fo feltfas
mer erfcheint, da vderfelbe doch weit höher liegen muß als der
Hindu Khu mit feinen ewigen Schneehöhen. Karaforum ift
jedoch die Waſſerſcheide zwiſchen Indien und Turkeſtan; denn
alle Waſſer im Sud deffelben ziehen durch den Shayuk zum
Indus; die im Norden deflelben, aber zum Fluß von Yar—
fand. An deſſen oberm Laufe führt der Weg durch fo. viele
Engthäler hindurch, daß man den Gebirgsftrom felbft hier 360 mal
ſoll im Zickzack überfegen müflen. Die legte Paflage, wo der
Weg nun aufhört noch befhwerlih zu feyn, wird Kilaftan ge
nannt. Den größern Theil diefer Strecke, ohne alle feſte Woh—
nungen, durchficeifen nur die Wander-Kirghifen im Soms
mer mit ihren Keerden. Dann fann man diefe Route in 20
Tagen pafliren. Die Straße ift jedoch immer fo befchwerlich,
daß in der Regel viele Pferde darauf umkommen, und es ift gar
nicht ungewöhnlich; daß die Eigenthümer derfelben, irgendwo, die
dort wegen eines Unfalls zurücgelaffenen Ballen ihrer Waare,
erft im folgenden Jahre wieder anfnehmen und weiter transpors
tiren können. Räuber find dort nicht; das wilde Pferd ift
der einfame Bewohner diefer Wildniſſe.
Oſt⸗Turkeſtan, Belur Tagh, Querſtraßen. 475
9. Die Querſtraßen über den Belur Tagh aus Oſt⸗
Turkeſtan gegen den Weften nach Bokhara. 1) Die
Syr⸗Straße nah Kokand; 2 die Gihon:Straße
nach Badakhſchan; 3) die directe GihonsStraße
über Kartchuk nah Badakhſchan.
Ueber die Routen aus Oft-Turkeftan nah WeftsTurs
feftan, oder aus der fogenannten Eleinen in die große Bucharei,
aus dem Hochlande in die Niederung des Syr und Gihon, oder
Drus, aus dem chinefifchen Gebiet in das von ihnen indepens
dente Turfeftan von Kokand, Badakhfchan und Bokhara, find
wir noch immer fehr unvollftändig unterrichtet. Es find zwei
befanntere Hauptftraßen, nämlich eine nördliche und eine
füdliche, jene geht von Kafıhghar aus nach Kokand (ers
ghana), diefe geht von Yarkand aus nah Badakhſchan
“ (diefe letztere zerfällt jedocdy wieder in zwei verfchiedene Routen,
‘wie fich jedoch erft weiter unten fpeciellee nachweifen läßt). Jene
beide vereinigen fich erft in Bokhara. Sie folgen den Haupts
thälern der beiden großen Weftftröme; man kann fie daher au)
die Syr-Straße nad) Kokand und die Orus-Straße nad
Badakhſchan nennen, jenes die Nord-Querſtraße, diefes
die Sud-Querfiraße aus Oft:Turkeftan nach Bokhara. Beide
find durch die legten politifchen Begebenheiten, ihrer Orientirung
nach, etwas näher befannt geworden, obwol fie fchon feit den
älteften Zeiten gangbar gewefen und öfter befchrieben wurden,
ohne deshalb auf unfern Karten nachgewiefen werden zu koͤnnen.
Als die großen Communicationsftraßen zwifchen Oſt—
und WeftzAfien, als die Hauptzuglinien des Handels.
und der Eultur vom chinefifchen, mongholifchen, turfeftanifchen
Ssnners Alien, nach dem Weften Transoriana’s, feit Jahrtauſen⸗
den, in die bofharifchen und caspifchen Niederungen, fowol zur
Levante hin wie zum türkifchen Vorder :Afien und zum Wolgas
lande des Faukafifchen und pontifchen Oft-Curopa, verdienen fie
befonders beachtet zn werden, Wichtige Erläuterungen über die
Natur der hier zu überfegenden Bergketten des Bolor und der
Sebirgspaffagen, find in Al. v. Humboldts allgemeinen Ber
trachtungen 7%) nachzufehen, auf. die wir fpäter zuruͤckkehren wer⸗
0) U. v. Humboldt, über die Bergketten und Vulkane von Inner⸗
Aſien, f, in Poggendorf Annalen Bd. 94. 1830: S. 16—18, in
"Fort. 319 — 322, mit Noten von Klaproth in Nouv. Annales des
Voyages V. IV. p. 302 etc.
76 Weſt-⸗Aſien. I, Abſchnitt. 5. 8
den, da mir es vorziehen, hier zuerft die detaillirten einzelnen
Berichte der Routiers mitzutheilen, und dann über die Reſul⸗
tate, die fih nach jenen Fingazeigen daraus ergeben mögen,
überzugehen.
1) Die MordsQnerfiraßes die SyrsStraße @); bie
Ferghana-Route.
Dieſe geht von Yarkand über Kaſchghar am Kaſch⸗
ghar⸗Strome (dem oͤſtlichlaufenden Kokſu) aufwaͤrts, Über
den Terek⸗Paß (400 20° M. Br.), zum bekannten großen Syr
und in deſſen Thale abwaͤrts nach Kokand in Ferghana.
Dieſe iſt die bequemere Straße zwiſchen Yarkand und dem weſt⸗
lichen Turkeſtan, das ganze Jahr gangbar, drei Sommer;
monate ausgenommen, weil dann die Schneeſchmelze den Weg
unter Waſſer ſetzt. An zwei Stellen wird das Athmen
ſehr ſchwer (was auf ſehr große, abſolute Höhe hindeus
tet, wie am Karakorum). Dieſe Route kann von Karamas
nen in 45 Tagen, von Yarkand nach Bokhara, zurückgelegt und
wenigftens einem großen Theile nach mit Näderfarren befahren
werden. Aber feit der Isgten Reihe der Jahre ift die Route,
wegen der Kriegshändel zwifchen China und dem Khan von Kos
fand, weniger beſucht worden als in früheren Zeiten; ja einige
Sahre hindurch, feitdem die rebellifchen Khodja’s von Yarkand
und Kafchghar in Kofand ihre Afyl fuchten, war fie ganz von
den Usbeken gefchloffen gehalten worden. Nach Berichten der
Mekfas Pilger in Bombay, die Uber Kofand gingen (1834) %),
ſcheint fie aber wieder geöffnet zu fenn. Nach ihnen haben die
Kofander wieder freien Eintritt und Verkehr nach Kafchghar und
den andern mohammedanifchen Provinzen des chinefifhen Reichs
erhalten, jedody nicht mit den eigentlichen chinefifchen Provinzen.
Auch mohammedanifche Bettelmoͤnche, Derwifche, Fakire werden
in Kafıhghar eingelaffen. Um weiter oftwärts vorzudringen, muͤſe
fen fie in Kaſchghar erft die Specialerlaubniß des YunisWang
(wol der Dfiangghiun Bang), oder des jegigen Gouverneurs von,
Kaſchghar nachfuchen. Die Hauptwaaren, welche gegenwärtig die-
Karawanen von dorther bringen, find: Seidenzeuge, Satin, Pors
"°4) Al. Burnes Tray. II. p.236, 438. °»») w. H. Wathen Me-
meoir of the Usbek State of Kokan in Journ. ef Asiat. Soc, of
Bengal. Caloutta 1834. ed. Prinsep Vol. Ill. p. 375 — 376.
Oſt⸗Turkeſtan, die Ferghana⸗Route. 477
zellan, und Thee in Büchfen und Ziegelthee, deſſen Cons
fumtion ganz allgemein durch Mittels Afien geht. Laftthiere find
meift Pferde; 40—50 Stuͤck Ziegelthee in großer Backſtein⸗
form machen eine Pferdeladung aus. Usbeken bringen diefe
Waaren von Kafchghar nach Kofand, von wo fie auf Kameelen
nach Bofhara weiter gehen. Die Rückzahlung gefchieht in Shawls,
europäifhen Waaren, roher Seidel?) und zumal in Pferden.
Die Seideneinfuhr, durch welche Kokand berühmt ift, ift merks
würdig; von der Stadt Andejan®) in Kokand, am Syr, im
alten Ferghana, welche an jener Handelsroute liegt, nennen die
Chinefen alle von Weft mit ihnen in Verkehr tretenden Handels:
leute Andejanis. Die Hauptausfuhr gegen Weft ift der
Thee, das Hauptproduct Chinas. Dies beftätigte Al. Burnes
Erfahrung auf dem Bazar zu Bokhara , wo im Jahre 1832,
bei feinem dortigen Aufenthalte, allein 950 Pferdeladungen (etwa
200,000 Pfund) von Yarkand eingeführt wurden. Der meifte
hiervon wird in Welt s Turkeftan felbft verbraucht, nur wenig von
diefem geht von Bokhara user den Hindusshu nach Hindoftan,
Die Eingebornen von Badakhſchan betreiben diefen Thee—
bandel; fie preifen die Leichtigkeit und Sicherheit des Handels
mit den Ehinefen und deren Billigkeit.. Ihr Zoll beträgt 1 von
30. Die Iheetransporte aus China gefchehen in großen
Säden, die in rohe Häute eingenäht find, weil die TIheebüchfen
fonft einen fo weiten Weg nicht ertragen Fönnten. Eine Pfers
deladung zu 250 Pfund wird in Yarfand mit 60 Tillas bes
zahlt, in Bokhara aber ſchon bis zu 100 Tillas verfauft. Dies
ift insgefammt grüner Thee. Die befte diefer Theeforten,
die man in Turfeftan auf diefem Wege erhalten fann, Eommt
von einem Orte Tukht in China, der an einem Fluffe liegen
foll (2, f. Afien U. ©. 236, wo von Theediftricten die Rede ift);
fie geht in Eleinen Zinnbüchfen über Bokhara nach Aftrafan. Sie
wird Banfa genannt, wahrfcheinlich vom Zinn, in das fie eins
geſchlagen ift (f. Afien IV. 1. ©. 438), und wird das Pfund zu
4 Nupien verkauft; nach Al. Burnes Urtheil ift diefe Sorte:
von ganz vorzüglihem Geſchmack, der alles übertrifft, was er in
diefer Art in England Eennen lernte — weil diefee Banka⸗Thee
nicht über See geht, fondera immer auf dem Landwege bleibt.
*) Al. Burnes Trav. II. p. 236.
= ebend, pP» 434.
478 Weſt-Aſien. I Abfchnitt, 9 5
a) Mir Zffet Ulahs Routier in 40 Tagemaͤrſchen von Kaſchohar
nach Kokand (1812).
Das einzige genauere Tagebuch eines Meifenden neuerer Seit;
auf diefer Haupt:-Querftraße Central:Afiens, haben wir
von Mir Zffet Ullah 7%) erhalten (1812), deſſen Iehrreis
her Inhalt uns über folgende Orte aus Kaſchghar bis ww
fand führt.
Die erften 16 Tagemärfche gehen von der Stadt Kaf *
ghar, laͤngs dem Strome von Kaſchghar, der Kokſu ge
nannt wird, immer gegen N.N.W., aufwärts, bis zu deſſen
Duelle im Gebirgslande Beloro, zum Teref-Paffe in Ders
wa; (Darwafa Damwan Teref; von Dawan im OfbTur
fifhen fo viel als Paſſage, nicht Berg; gleichbedeutend mit
Col; Dabahn im Mongol., Dabagan im Mandfhu)%),
Dann werden 3 Tage zur Lieberfteigung der Bershöhen bis zu
den Gebirgsftrome des Syr verbraucht, nach dem Orte Ir—
tſchilak; und von diefem geht es wieder in 10 Stationen (55
Stunden Wegs), über rauhes Bergland und befchwerliche Paͤſſe,
bis zur Grenze von Ferghana, oder Kofand, wo die erfte
Stadt Oſch erreicht wird, ein großer Marktort. Don dieſem
aus, wo das große Hauptthal des Syr Daria, der aber viel
weiter im Often entfpringt, erreicht ift, find in directer Rich—
tung gegen Weft wiederum 12 Tagemärfche nothwendig,
welche zur Nefidenzftadt des Khan von Kofand in Ferghana
führen, alfo in Summa etwa 40 Tagemärfche.
1. Zagemarfch. Von Kafıhahar 5 Stunden gegen un.
nah Kitſchik Andedfhan, ein Poften am Kafıhahar-Strom,
der nicht weiter bewohnt ift.
2. Sagem. 6 St. VAN. nah Konah Karaul. Der
Packhof (Ortung oder Aurteng) liegt 3 St. WANN. Die
Stadt hat wenig Käufer. Hier werden die Paͤſſe derer unter
fucht, welche die Erlaubniß erhalten haben, aus dem Lande zu
reifen. Diefen Pag zu erhalten Eofter Mühe; nur dann erhält
man ihn, wenn man dem Hakim Beg von Kafıhghar durch Vers
mittlung des Faufmännifchen Rathes Bürgfchaft leiftet. Diefer
beicheinigt, daß der Neifende ein Kaufmann ift, eine —
725) Mir Isset Ullah Voyaged ans l’Asie centrale in Klaproth Mag.
Asiat. Paris 1826. 8. T. II. p. 33 — 45. ®°) Klaprotlı Not; in
Nouv. Annales des Voy. T.1V. p. 302.
Oſt⸗Turkeſtan, Ferghana-Koute, 479
hinterläßt, und daß man für ihn fich verantwortlich mache, Darz
auf erhäft der Reiſende das chinefifch befchriebene Papier, das er
an der Grenze vifiren läßt. Weiter hin find feine Häufer
mehr erbaut.
3. Tagem. 4 St. im W. nah Kentſchaghlak, ein
verlaffener Poften am Fuß des Gebirges, deffen Ketten fich nach
allen Seiten ausbreiten,
4. Tagem. 8 St. im W., nad Kifyluliz die erfte Hälfte
des Weges ift gebirgig, die zweite eben; es war fehr Ealt, das
Waſſer gefror zu Eis, auf beiden Seiten des Weges fanden Kirs
ghifenzelte.
5. Tagem 3 ©. W.N., nah dem Bleibergwert
Schorbulaf Kurghaſchim. Hier wird auf Blei von den
Kirghifen gebaut, daher der Name (Bulaf, d.h, Duelle, Kurs
shbafhim, d. h. Blei).
6. Tagem. 4 ©t. well, n. Schorbulaf Malatfhap,
7. Tagem. 7 ©. W. N. n. Okſchaluz welliger Weg,
Waſſer und Viehfutter in Ueberfluß.
8. Tagem. 2 ©. W.N. nach Dawan maſarz uneb—
ner Weg, auf den Berghoͤhen fieht man Kirghiſenzelte.
9. Tagem. 5 St. W.ıN. nah Schorbulak Deffa
Kantſchak; wo Feuerung, Kutter und Waller in Ueberfiuß.
10, Tagem. 4 St. in W. nah Yeſſa Kantſchak;
man watet hier durch den Fluß, der nach Kaſchghar fließt.
11. Tagem. 4 St. in W. nah Ser Kamuͤſch; Si—
mir Dſchatun iſt der Haltplag. Etwa 4 Kos rechts ab vom
Wege, liegt Koh Kaf, eine Furth dur den Kaſchghar—
Fluß, oder Kokſu. Nakara tfehalam, nicht Nokareh
Shaldi, wie auf Grimms Karte fteht, liegt am Flußufer; auf
der Anhöhe fieht man die Spur eines Gebäudes, Die „Pau—
fen Afrafiabs“ follen hier geftanden haben -(des großen, antis
fen Heldenkönigs der Turkgefehlechter, den Ferduſi befingt, der als
Herrſcher in Turan auch der Sieger in Iran wird, und den man
als neunten König der erften Perfer-Dynaftie der Pifchdadier
‚aufzählt) 7).
12. Tagem. 9 St. weftl. Yanghin, wo Kirghifenzelte;
der Weg geht über grüne Ebenen.
ur
er) Herbelot Bibliotheque 'Orientale Article edel Maestricht.
1776. p. 60.
ee
480 Weſt-⸗Aſien. J. Abſchnitt. $ 5.
13. Tagem. 7 St. nordweſtl. nah Tukaibafcht (nicht
Nufai Baſchi, wie auf Grimms Karte); hier ſammelt man Holz,
das nach Dawan Teſa getragen wird (zum Teſa⸗Paß); wir
fanden Hier ſehr viel Schnee, ſagt Mir Iſſet Ullah.
14. Tagem. 5 &t. W. N. zu einem’ Haltplaße; es fehneite
fo ftarf, daß wir den Weg verloren. Da ich nicht weiter kom⸗
men fonnte, fuchte ih Schuß an einer Bergwand. Alles Waſſer
war zu Eis gefroren,
15. Tagem. 4. St. zum Dina Davan Ekiſek oder
zum Ekiſek-Paſſe (Akiſik bei A. v. Humboldt) 9%), Zwils
lings-Paß. Die erfie Hälfte des Weges geht nach W., die
zweite nach Süd. Bon 2 benachbarten Bergen, die einander
ganz ähnlich find, wie Zwillinge (d. h. Ekiſek), hat der
Daß feinen Namen, Die Ebene zwifchen beiden Bergen ift
völlig unfruchtbar,
16. Tagem. 8 St. WAN. führt der Weg über die Zwils
lingsberge zur Station; man muß 14 Stunden dahin aufs
fleigen. |
17. Tagem. 4 St. in W. zur Quelle des Kokſu, oder
Kafhghars Stromes (f. ob. ©. 375). Der Weg dahın ift
uneben, bergig; man fteigt auch über den zweiten Zwillingsberg
fo lange auf, wie über den erften. Wir fihritten über das Eis
des gefrornen Kokſu hinweg. An deifen rechter Seite, alfo ges
gegen Norden, erhebt ſich noch ein höherer Berg als die, Zwils
linge.
18. Tagem. 3 St. weſtl. 1 füdl. zum Darwaſa Da:
wan Terek, d.i. zum Thor oder Paß des Terek nach Dar—
waz (Derwauz)®). Iſt man den Berg der KokfusQuelle
hinabgeftiegen, fo folgt der Weg einem engen von Bergen einges
fchloffenen Hochthale, deilen Gebirgsſtrom mit andern vereis
nigt den Syr (Sir oder Sihun) bildet, der bei Andejan
(Andedfchan) vorüber als Syr Daria befannt ift, und zum
AralsSee fih ausgießt. Dies ift nämlich ein Eleiner, linfer
Zufluß zum Hauptftrome des Syr Daria, deſſen eigentliche
Duelle wol noch 35 geogr. Meilen weiter oftwärts, im Ge
Birgslande Burut, in S.W. des Temurtu oder Iſſekul-Sees
”»8) XL. v. Humboldt über Inner⸗Aſien in Poggendorf Annalen B. 94.
&.319 Not. und 320 Not. 99): Mir Isset Ullah Voy. l. e.
Magas. Asiat. II. p. 41. N
Oſt-⸗Turkeſtan, Ferghana⸗ u 481
zu fuchen if. Diefem Eleinen, linfen Zufiuß, der an der Start
Oſch gegen N. W. vorüberzieht, und fich unterhalb Andejan in
den großen Syr Daria ergießt, Iegt Mir Iſſet fchon den
Namen des Syr felbft bei. Auf Klaproth Carte centr. heißt ex
Andejan; Fluß Der Rand der Berge des Terek liegt 3 St.
nördl. well.
.19, Tagem. 10 St noͤrdl. Aweſtl. komm man nach Ir⸗
tſchilak, ein Ort im Thale, wo Feuerung und Artſchah—
baͤume (ſicher jene Pinus-⸗Art, Archeh, die Sultan Baber
von Andejan her kannte, und ſie auch am Hindu Khu wieder
fand, ſ. ob. ©. 310, ob auch die Jilguzeh? ſ. ob. ©. 246) in
‚Menge ftehen. — Dies fcheint wieder der Anfang der Pis
nuswaldung am Weftgehänge dis Belur Tagh zu feyn,
wovon wir wenigftens Feine Waldſpur im Often deffelben inners
halb des Hochlandes bei den Angaben der Einheimifchen vorge—
funden haben. —" Zum Erklimmen des Berges brauchte man 2
Stunden; zum Hinabfteigen nach Irtſchilak 8 Stunden, Bon
diefer Berghöhe führt auch ein Weg in 2 bis 3 Tagen nad
Sirkul (verfchieden von der füdlichern, gleichnamigen Station,
deren ſchon oben erwähnt'ward, f. ob. S. 402 und Afien B. III.
S. 635; Eul oder gul, d.h. Duelle oder Fluß). Diefe Koute
ift aber in der heißen Sahreszeit durch die —— un⸗
wegſam, wegen der zu großen Bergwaſſer. Dann muß man ei⸗
nen Umweg machen, um den berdigen Terek-⸗Paß zu vermei
den. Als Mir Iſſet Ullah hier paſſirte, hatte eben die kalte
Jahres zeit begonnen (leider nennt er den Monat nicht). Der
Schnee lag auf diefem Theile des Weges Mannshoch, und an
‚manden Stellen doppelt fo hoch. Die Kaſchgharen räumen ihn
weg, zur rechten und linken Seite, damit die Karawane in der
Mitte hindurchziehen kant. Cine gewille Anzahl Kirghifen
ift mit diefer Arbeit beauftragt und campirt daher das ganze
Jahr hier.
Von Irtſchilak bis zur Grenze von Ferghana, rechnet
man 10 Stationen (bis Oſch), die groͤßtentheils in der Rich—
tung TEAM. liegen. Zur Durchſchreitung dieſer Strecke find 55
Stunden Weges nothwendig. Die ganze Strecke geht, die 2 big
‘3 Testen SHaltorte ausgenommen, immer durch Bergland und
rauhe beſchwerliche Paͤſſe. In der Falten Jahreszeit iſt dieſe
Reiſe ſehr beſchwerlich. Zwar iſt wol noch Feuer und Viehfuͤtter
Nitter Erdkunde VII. Hh
482 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 5,
zu haben, doch fielen viele der Laftpferde unter ihrer Laft. As |
Obdach mußte man froh ſeyn Kirghifenzelte zu finden, die gar |
oft fehlten.
Dich (im S. O. von Andejan) ift die erfte Stadt, welche in
Ferghana betreten wird; fie ift wol mit Waſſer verforgt, ftarf bes
völfert. Sie fteht unter einem Hakim (d. i. Gouverneur), der
Emirvon Kofand genannt. Der Weg zu ihr ift eben und gut.
Bis dahin fieht man nichts als, Kirghifenzelte, Feine feften Woh—
nungen. Zwiſchen Kaſchghar bis zu den Bleigruben Kurs
ghaſchim ſtehen die dort haufenden ZeltsKirghifen unter
dem Stadtgebiete von Kaſchghar; fie bringen dahin Brennholz
und Kohlen zu Marfte, haben freien Durchzug und brauche Feis
nen Paß, da fie chinefifche Unterthanen find.
Don KRurghafchim aber, über den ganzen Belur Tagh bis
nah Oſch, find die ZeltsKirghifen dem Emir von Kofand unters
würfig; fie haben große Viehheerden, zumal auch Pferdeheerden.
Vordem beraubten fie die eeſuaben; durch Alem Khan wurden
ſie gebaͤndigt.
Die Stadt Oſch ift Serähmt unter dem Namen Takt i
Soleiman 800) (d.h. Thron des Salomon), ein Berg
nahe der Stadt, wo ein Grabmahl Afef Barchias eines Bes
zier Soliman’s fteht, das man noch dafeldft ſieht; es hat fehr
große Dimenfionen. Diefer Thron Salomons fieht auf eis
nem Eleinen Hügel in W. der Stadt Ofch, und daruͤber ein
Bau mit einer Kuppel. Im Frühling wallfahrten aus allen bes
nachbarten Ländern Pilger dahin, und bringen zugleich vielerlei
Maaren zum Verkauf und Austaufch mit. In der warmen Jah—
— — ——
— — — —
reszeit iſt zu Oſch jeden Dienftag Markttag; man wird dort
ſehr von kleinen Muͤcken geplagt, gegen welche ſich die Einwohner
mitten in ihren Wohnungen durch hohe Abſchlaͤge, auf denen ſie
ihr Nachtlager nehmen, zu ſichern ſuchen. Bon Oſch aus wer:
den ſchon nach den verſchiedenſten Richtungen der Landſtraßen zu
den Staͤdten Ferghana's Raͤderkarren gebraucht.
Die Lage von Oſch oder Oſchi identiſch mit Takt i So—
leiman, iſt duch P. v. Hallerſteins Obſervationen glücklis
cher Weiſe aſtronomiſch beſtimmt, und hierdurch auch dieſer Quers
paß. Oſch (Ga⸗oche bei Mailla) !) liegt 40° 19! N. Br., 72°
12° O.L. v. Par.; es ift eine flarf bevoͤlkerte Stadt.
#°°) Mir Isset Ullah Voy. ls. c. Magas. Asiat, II. p. 43, 1) Posi-
Oſt⸗Turkeſtan, Ferghana⸗Route. 483
Dieſe ſehr merkwuͤrdige, obwol leider ſehr unbefriedigende
Nachricht uͤber dieſes Denkmal wird durch den ruſſiſchen Rei—
ſenden Nazarow 2), der im Jahre 1814 bis nach Marghi—
lan und Andejan vorgedrungen war, vollkommen beſtaͤtigt.
Der Syr Daria bei Andejan, ſagt er, tritt aus dem Kaſch—
ghar Dawan (dem Kaſchghar-Paſſe) hervor. An dem
Zollamte zu Oſch zahlen die China-Karawanen auf ihrem Herz
und Hinwege ihre Abgabe. Rechts am Wege, fagt der Interpret
Nazarom, fahen wir im engen Thale des Kaſchghar Da:
man zwei alte Gebäude, unter denen fich eine große Höhle
befindet. Unfer Führer fagte ung, dies fen der Takt i Solei:
man, d. i. „der Salomons Thron,” das Gebäu fey aber
nicht bewohnt (diefes Denkmal, als Chalfatun, d. h. die 40
Säulen, oder ald Steinerner Thurm des Ptolemäus, f. unten,
und Erdk. erſte Aufl, Ih.1. ©. 513). Für jegt verfolgen wir
vorläufig noch die begonnene Reiſeroute bis Kokand.
Bon Ofch zählt der Bericht wieder die.einzelnen Tagemärfche
auf, deren bis Irtſchilak 19, bis Ofch 29 gezählt wurden.
Bon da find 12 Tagereifen bis Kofand >); nämlich:
1) Von Oſch 2 Tagereifen W.N.W. zur Stadt Nams
ghan Nimbaghan b. Mir Zffet, Namkan b. Mailla; nach
Pat. v. Hallerftein unter 41033’ N.Br., 689 22° O.L. v. Par);
berühmt durch ihre frefflichen Früchte,
2) Nah Andejan (Andedfhan, Andzian nad) Man:
dfchufchreibart, daher Antchyen bei Mailla; 419 28° N.Br,,
698 27° DR. v. Par. nah P. v. Hallerftein). Diefe ehemalige
Eapitale von Ferahana fand Mir Iſſet verlaffen. Sie liegt
1 Zagemarfh in W. von Namghan, und 3 Tagen. in WANN,
von Oſch. Hier, bemerkt Mir Iſ ſet, ſey die Reſidenz von Sul⸗
tan Babers Vater geweſen, wovon weiter unten umſtaͤndlicher die
Rede ſeyn wird.
3) Nach Ardaneh 1 Tagem. 8 Stunden in W. N. ein
bedeutender Ort von einem Tribus aus Badathfhan bs
wohnt; alfo eine Anfiedlung aus diefem füdlihen Nachbarlande.
“tions etc, b. Mailla Hist. Gen. de la Chine XI. p. 575; in Mem,
eoncern, l’hist. des Chinois T. 1. p. 393. 6
2) Phil. Nazarow. Voyage à Khokand; 1814. in Klaproth Magasin
Asiatique. Paris 1825; T. I. p.58. *) MirlssetUllah Voy. l.c,
Magas. Asiat. II. p, 44 — #5.
562
2 Welt Men KAsfhnitt” 65,
Berühmt durch feine Gärten Der Weg führt zwifchen Bergen
hin, ift aber gut, weil diefe doch nicht zu dicht fichen. Hier no⸗—
madifiren viele Turkſtaͤmme mit ihren Pferdeheerden, da es treff⸗
liche Weiden giebt.
4) Nach Mangteppeh 1 Tagem. 3 Stunden, ein |
tender Ort, in einem Lande voll Heerden, deren Befiger, die
Turk und Kiptſchak, hier im Frühling und Sommer, das
MWeiderecht haben. Diefe beiden Stämme, an 12,000 Far
milien, find von martialifcher Geftalt, ſehr wohl gebaut, auffals
fend von den Kirghifen abftechend, die elend ausfehen, fchlechte
Nahrung, Wohnung, Kleidung haben, und nur wenig Soldaten
ftellen. Jene beiden Stämme find dagegen fehr wohlhabend.
5) Nah Yulkhaneh, 8 Stunden, 1 Tagemarfch gegen
Weſten. Von diefer Station ift nordwärts nur ein Tagemarfch
His Andejan, und eine kleine Strede davon in derfelben Richtung
der Ort Kei. Auf dem Wege dahin trifft man Kirgpifen. und
Kalmüden, die Mohammedaner find. |
6) Nach Kuperdeg, weſtl. Inördl., guter Weg Dabing, man
paflirt die Brücke eines Fluſſes und kommt an mehrern Haͤuſern
voruͤber.
N Nach Marghinan (Margalang der Chineſen, weil
es Marghilan geſprochen wird, daher Argalang bei den
Mandſchu; und 410 24 N,Br., 680 57° O.L. v. Par. nach) Pat.
v. Hallerſtein Obſervation). Sie liegt 6 Stunden fern, in WIN,
iſt eine der bedeutendften Städte in Ferghana. Hier, fagt Mir
Sffet, fey das Grab des berühmten Sefander Dulfarnein
(Alexander Magnus?), Man lebe da fehr angenehm; die Eins
wohner feyen von guter Art. Der Gouverneur ſey vom Khan
von Kokand eingefegt. Die Einwohner weben viele Shawls, die
aber nicht die Güte derjenigen voh Kafıhmir haben. Die Stadt
mauern, ein Erdwall, find in fihlechtem Zuſtande; ein ‚großes
Minaret von Ziegelfteinen erhebt Sich in dieſer Stadt,
Bei diefen Bemerkungen Mir Zffets ift zu erinnern, daß
PH Nazarows09 aud bis hierher vordrang, als der Khan
von Kokand ihn zur Iheilnahme an einer großen Yagdpartie
hierherfchiekte. Kokand liegt nach ihm 250 Werft (36 geogr. M.)
nocd fern von hier, was aber wol nach den Umwegen zu nehmen
feyn möchte, die er zu machen: gezwungen war. Der Khan hatte
»°*) Phil. Nazarow Voy. I. e. I, p. 51, 57.
Oſt⸗Turkeſtan, Ferghana⸗Route. | 455
bier feine Heerden und Weiden, und ging einen Monat lang. der
“Sagd auf Panther, Tiger und Vögel nah. Die fpecielle Be:
ſchreibung diefer bedeutenden Stadt und Fefte verfparen wir auf
die Befchreibung Ferghanas. Hier ift fie nur als Paffageort
anzuführen, von dem Nazarow verfichert, daß die jegige Stadt
nur enge Straßen habe mit Erdhäufern ohne Fenfter; aber in
derjelben fehe man „eine große Menge alter Monus
mente und Portifus, deren mehrere in einem guten
ardhitectonifbhen Styl.” Gn,der Mitte der Stadt erhebe
ſich ein offener Tempel, in dem man eine Fahne von rother Seide
aufgepflanzt, weiche, der Sage nad), dem Padiſchah Jskan⸗
der (Alexander Magnus) gehört haben fol. Die Sage ift, daß
derfelbe hier auf feiner Ruͤckkehr aus Indien geftorben und begras
ben fey. Wenn der Ort einen neuen Gouverneur erhält, werde
dieſe Fahne von den Prieſtern durch den ganzen Ort getragen,
mit Gefang und Begrüßung des Gouvernementsgebäudes, Der
neue Beamte behänge die Fahne mit Golds und Silberftoffen und
andern Pretioſen für die Priefter, und theile dabei Geld, Brot
‚und Aepfel aus. Die Veranlaffung diefer Sagen, wie die Ers
bauer jener alten Monumente, find uns unbekannt; fie möchten
aber bei näherer Unterfuchung, in Verbindung mit den Architectus
ren zu Takt i Soleiman, für die Geſchichte diefer großen
Handelsftraße, welche die der alten Seren war, fehr lehr—⸗
reich feyn. Der Bazar in Marghinan befteht aus mehrern Reis
hen von Laden, in denen die ſtark befuchten Märkte gehalten wers
den; auf Maaß und Gewicht hat die Polizei hier ein wach—
fames Auge. Sn der Stadt find mehrere Fabriken für Golds
und Silberfioffe nach perfifcher Art, auch in Sammet und
" Seide; diefe Gewebe werden nach Kaſchghar wie nach Bokhara
verhandelt, ;
8) Von Marghinan führen zwei verfchiedene Wege nach
Kokand; der eine durch fehr volkreiche Gegenden, der andere
durch ee MWüftenei. Es fiheinen 2 Tagemärfche bis dahin zu
ſeyn; wenigfiens werden zu guterletzt non 2 Stationen dahin ges
nannt: 1) Akbig, 5 Stunden nach W. N., wo theilweiſe ſehr
viele Haͤuſer an der Landſtraße ſtehen, theitweife auch Wuͤſte ift,
und 2) Kara Katai, 4 St. W.4N., eine Stadt von Kara Ka⸗
taiern (ob Ehinefen?) bewohnt, die aber Mohammedaner gewor⸗
den find. Von da geht cs nach Kokand.
486 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. §. I.
b) Marfchroute eines ruffifchen Handelsmannes von Kofand nad)
Kaſchghar, in 30 Tagemärfchen (1832). Nah U. v. Hums
boldt Manuferipts Mittheilung, f. defien Itin. d’Asie nouvelle
Serie Msc,
Da es noch zu fehr am genauen geographifchen Daten über
diefe Gegenden fehlt, fo ift es nothwendig für Fünftige Forfchung
und Bereifung jede gute Duelle, die fich uns darbietet hier zu
beachten, falls fie auch nicht reichlich fließen follte. Es ift nicht
zu fagen, zu welchen wichtigen Auffchlüffen, für die Zukunft, zus
weilen ein einziges, an fich unbedeutendes Datum, ein einzis
ger Ortsname führen kann. Daher fchalten wir hier auch das
ruffifche Routier ein, das ung von Kofand aufwärts in 29 bis
50 Tagemärfchen (alfo in 10 weniger als das vorige, jeder
zu 14 Stunden Zeit gerechnet) bis Kaſchghar führt, welches wir
der gütigen Privatmittheilung Al. v. Humboldts verdanfen.
Nur gewiſſe Hauptnamen find, in Vergleich mit Mie Iſſets
Koutier, darin wieder zu erfennen; doc) geht aus diefen hervor,
daß es diefelbe Route if. Die 10 Stationen, welche zwifchen
Irtſchilak bis Ofch, bei Mir Iſſet, namenlos gelajlen find,
werden in diefem ruffifchen Routier namentlich aufgeführt.
Don Kofand werden nur 6 Nachtlager bis Ofch genommen;
von da find 8 Tagemaͤrſche nöthig bis zum Dawan Terek
(der hier Terjaf diwan gefchrieben wird), Zur Lieberfteigung
feiner Hochpäffe werden drei Tagemärfche verwendet, und dann
12 Tagemärfche auf die Route von feinem Suͤdfuße bis Kaſch—
ghar gebraucht. Wir behalten, die uns ſchon befannten beffern
Sthreibarten der Orte ausgenommen, die wahrfcheinlich fehr feh—
lerhafte Schreibart des ruſſiſchen Originals bei, da uns noch die
Mittel zur Berichtigung diefer Namen fehlen. Folgendes find die
Stationen: |
1. Tagem., von Kofand nach Afsir oder Paleffan; 2. Tagen.
nach) Karantfchifum; 3. Tagem. zur Stadt Marghinan (Margls
jant im ruff. Mfer.); 4. Tagen. nach Minteun; 5. Tagem. nach
Ariwan; 6. Tagem. zur Stadt Ofch, bis wohin überall Felder
und Anfiedlungen. Oſch ift das Zollamt, die Grenzftadt gegen
die chinefifche Grenze, mit einer Garnifon zum Schuß vor dem
Ucherfälfen der Chinefen, oder der ſchwarzen Kirghifen. Die
3 folgenden Stationen heißen: 7. Tagem. nah Madi, ein
Dorf; 8. Iugem. nach Langar am gleichnamigen Fluſſe, der
zwiſchen Bergen hinfliegt und durchfegt wird; 9. Tagem. nad
|
|
Oſt⸗ Turkeſtan, Ferghana=Route nach Ruſſen. 487
Tſchuntſchur Sfu (Ouellen in Gruben), eine Gegend von
ſchwarzen Kirghifen bewohnt, die an Kofand unterworfen find;
10. Tagem. nach Gurſchu (oder Murfchu) eben fo; 11. Tagem.
nah Kakmaktam, d. i. Feuerjteinfoppe, mit einem Bach
und Quellen, wo Obftbäume und Wälder; 12. Tagem. nach Alas
taf, am gleichnamigen Fluß mit einer Brücde; 13. Tagem. zum
Kaftort Alatar (mol in der Nähe von Irtſchilak, in Mir
Iſſets Noutier, gelegen). Von bier werden 3 Tagemärfche
zue Ueberfteigung des Dawan Terek (Terjat Diwan)
verwendet; 2 Tage um ihn zu erflimmen, und einer um ihn
lange den Bächen an feiner Südfeite hinabzufteigen. Zwifchen
den Bergen und Thälern, mit fteinigen Fluͤſſen, nomadifiren Kirs
ghifen, die auch hier immer noch an Kofand unterworfen find.
Von hier an folgen die 12 legten Iagemärfche bis Kafıhahar:
17. Zagem. nah Pugai Baſchi über Wiefen und Bäche zwis
fhen Bergen wo Wälder beginnen; 18, Tagem. nach Ighin (wol
Yanghin?); 19 Iagem. nah Na taratfchalan (Nagra kakin
im ruſſ. Mſe. die Paufenfchläger genannt); 20, Tagem. nad)
Sharafamyfcd, d. i. gelbes Schilfz 21. Tagem. nach Jaſſi—
fitfhu; 22. Tagem. nad) Akfalyr; 23. Tagem. nah Kufchzjus
futfchi, d.h. Vogelnachtlager; 24. Tagem. nah Kurs
gafhim, d. i. Bleigruben (SKurgafchfan im ruff. Mie.);
25. Sagem. nach Kyſyl, d. h. Rothes Gchäude (Kyfiluli
im ruf). Po 26. Tagem. zum erſten chinefifhen Pos
fien; 27. Zagem. zum zweiten und am 28ften zur Stadt
Kaſchghar. Die letzten 12 Tagemaͤrſche nomadiſiren Kirghiſen,
die zu Kaſchghar gehoͤren.
2) Die Suͤd-⸗Querſtraße über den Belur Tagh; die
Drus:Straße, die Badakhſchan-Route; der Pas
mer⸗Paß.
Dieſe Route geht von Yarkand und Kaſchghar, nicht wie
jene nah Nordweſt, fondern direct gegen Weſt, etwa unter
3919 M.Br. über den Belur Tagh, und zwar über das Hochs
land Pamer, hinab zu den Oxus-Thaͤlern, daher man fie
auh die Pamer-Route 85) genannt hat. Sie wendet ſich
erſt auf der Weftfeite des Gebirges plöglih zum Süden hinab,
nad Badakhſchan, und von da über Shulum nach Balfh
#05) Al. Burnes Tray. Il. p. 236, 438.
4
488 Weſt-Aſien. L Abſchnitt. % 5
und Bokhara. Sie macht fehr große Ummege, und iſt weit
ſchwerer zugänglich als jene. Diefer Weg, den die Yarkand⸗Ka—
rawane nach Bokhara wol nimmt, ift fehr unficher und durch
die überhängenden Felfen und Abftürze ſelbſt fehr gefähriich. Das
heftige Erdbeben im Jahre 1832 (f. ob. ©. 467) im Yanuar,
riß auf \diefer Route viele Felfen los, zerftörte viele Dörfer und
tödtete viele Menfchen. Das Athmen wird auf der. hohen Pas
mer-Ebene ungemein befchwerlich; zuweilen werden die Rei—
fenden auch noch von den dort haufenden Wander-Kirghiſen uͤber⸗
fallen und beraubt. Alles macht diefe Querpaſſage in jeder Hinz
ficht natürlich wie politifh zu einer fehr gefährlichen. Man foll
65 Tagemaͤrſche zu ihr gebrauchen. Die Laftpferde, welche auf
diefer Badakſchan-Route im Gebrauch find, werden an dem
Marktorte Khulum mit Kameelen umgetaufcht, die von da in
dem ebeneren Boden nad Bokhara gehen. Zwei Pferdelaften
‚machen eine Kameclladung aus.
Den Eingang von der Offfeite her, aus dem ebenern Gebiete
von Yarkand und Kafıhahar, am Yamanyars&trom, zum
Karaful (nicht unter 37%, wie oben ©. 327 irrig fteht, fondern
39 N. Br.), oder Lungtſchi, d. i. dem Drachenfee, über
Taſchbalik (Taja melik bei Mailla, 399 6 N.Br., 710 9 OR,
v. Dar., f. 06. ©. 327 und 402) haben wir fchon früher fennen
fernen, fo wie daß eben 'hier Hiuan Ihfang und M. Polo
die Daffanten im VIL und XII. Jahrhundert waren. Die Hochs
ebene Damer war feit jenen Zeiten den Europäern ihrer Lage
nach ziemlich unbekannt geblieben. Al. Burnes Erfundigungen
am Drus beftätigten, daß fie zwifchen Badakhſchan und Yarkand
liege, und daß diefe Bergwildniß nur von wandernden Kirghifen
bewohnt werde. Die Mitte diefer Pamer ſey der See Su—
rikul soo) (Sarifol, local verfchieden vom obengenannten Sirs
kul des Terek-Paſſes auf der Sir-Route, und ficher eben fo
verfchieden von dem früher genannten weit füdweftlihen Sers
ful oder Sarikol im Norden des Pufchtithur an den Quellen
des Oxus, 80 geogr. Meilen, im Weft des Karakorum s Paffes,
f. Afien I. S. 635; woraus ſich auch ergiebt, daß im See Sa:
rikol, oder doc) ihm benachbart, wenn fchon die Anfänge von
Sarartes und Oxus, f. 06. ©, 16, doc) keines weg s, wie
—
»°°) Al. Burnes 'Prav. I. p. 207 — 209.
ft Turkeftan, Badalhſchan-Route, Pamer. 489
Al. Burnes meinte, zugleich and, die Quellen des Indus ents
fpringen, wenn man auch den Schayuf als deffen Hauptquelle
anfehen will, f. 00. S. 13. Denn diefe legtere liegt, wie gefagt,
immer noch. an 80 geogr. Meilen weiter im Often oder Südoften
deffelben, dagegen koͤnnte man etwa die Quelle des Badakh—
fhan-Stromes, das iſt der Koffcha, und die des Kameh—
ffromes, oder Keinen Sinde (f. ob. ©. 16, 284, 289), oder
Sintheou, aus einer und derfelben Gegend des Pufchtikhur,
mit dem Yarkandftrome, herleiten (etwa unter 37° N. Br.). Der
Name Suriful, Sirkul, der fich bier auch dem Querjoche des
Bolor an fo vielen Stellen wiederholt, hat zu mancherlei Vers
wirrungen Anlaß gegeben. Darin ift wol der einheimifche Name
des großen Syr oder Sir Daria felbft zu fuchen, denn da Eul,
Eol, gol ſo viel als Duelle heißt, mag Syr, Sir, Ser, Sur,
wol die allgemeine Bezeichnung des Bergftromes feyn, wie anders
wäarts Nin, Don, Elve, Dora, Ganga, Sind, Wadi
n..0. ın.
Diefe Hochebene Pamer dehnt fich nach jeder Seite des
Sees Suriful (Sarifol) auf 6 Tagereifen weit aus; man
foll von da, wie es Al. Burnes erzählt ward, alle anderen
Berge wie unter feinen Fuͤßen liegen fehen, fo hochgelegen ift fie,
Ihre ebene Fläche wird von feichten Waſſerbaͤchen durchzogen,
und ift mit fehr kurzem Grafe bewachfen, das aber eine fehr ‚gute
Weide giebt. Sie ift fehr kalt, denn. der Schnee verfchwindet
hier auch im Sommer nicht aus den Vertiefungen. Die Tracht
der Kirghifen, die dort von Fleifch und Milch leben, find Schaf:
pelze; jeder Anbau fehlt.. Korn haben fie nicht, Brot baden fie
nie, wenn fie Mehl erhalten mengen fie es zur Speife mit ihren
Suppen. Sie leben in ihren runden Filzjurten (Khirgah), wie
die Turkmanen, und nomadifiren. i
Man erzählte, bei ihnen lebe ein feltfames Thier, „Raß“
genannt bei den Kirghifen und Kafchgharen ; diefes ſoll nur als
lein auf den Höhen von Pamer Ichen. Es fey größer als eine
Kuh, Kleiner als das Pferd, weiß mit herabhängendem Bart am
Kinn, und mit mächtigen Hörnern, fo groß, daß diefe fein
Menſch aufheben könne. Liegen fie auf dem Boden, fo werfen
Kleine Fuͤchſe in ihre Höhlungen ihre Zungen. Das Fleifd) des
Maß ift iöftlichz daher jagen ihnen die Kirghifen ungemein nach.
Das Thier liebt die Kälte, es if unbekannt, ob es eine Art Ziege,
oder ein Bifon, oder Elen if. Nur zwei Pferde konnen die Laft
290 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 5 5.
eines ſolchen Raß transportiren (es find bie Montoni Salva-
tichi des M. Polo) 807),
Es ift fehr zu bedauern, daß wir in neuerer Zeit hier nicht
ebenfalls genauere Routiers mitgetheilt erhalten haben, denn alles
bisher gefagte darüber iſt ungenuͤgend, und giebt uns fein klares
Bild von der dortigen, ficher höchft merfmuirdigen Fandesnatur,
Daß hier die Quellen des Orus, nah Ausfage Syed Mos
bammed Haffans®), liegen, zwifchen unbewohnten, unzu—
gänglichen mit ewigen Schnee bedeckten Höhen, geht ſchon aus
dem vorherigen hervor. J. Macartmey und Elphinftone
baben in ihrer Karte?) das einzige Routier zwifchen Yarkand
und Kafchghar über den Pamer-Paß, das in feinem Detail
‚der Ortfchaften befannt geworden, über den Surif Kol und
Kara Kol zur Duelle des Orus am Nordgehänge des has
ben Puſchtikhur und von da, abwärts, durh Shehgnan,
Derwaz und Badakhſchan am Koffcha, bis Feizabad!")
(Stadt Badathfhan), Talikan und Kunduz, und Bos
khara offenbar zu weit nordiwärts eingetragen; aber den Bericht
über diefes Routier felbft nicht mitgetheilt. Sie haben nur im
Allgemeinen ihre Anficht über die dortige Pamer-Kette und
die Badakhfchan: Kette in allgemeiner Rede gegeben, die aber
nicht ohne Irthum ſeyn Fann, wie fih fchon aus ihrer Annahme
eines doppelten Kafchghar GKhauſchkaur, wovon oben die Rede
war, ſ. ob. S. 17) ergiebt.
Die Pamer-Kette, unter welcher hier der Belur Tag
gemeint ift, fagt 3. Macartney!!), ſey zwar niedriger als der
Hindu Khu (?, noch nicht unterfucht!), aber das Land, durch)
das fie ziehe, ſey höher (d. h. abfolut; oder mit andern Wors
ten, fie ift ein dem Plateau aufgefestes Platenugebirge; fie
fönnte dann wol relativ niedrig erfcheinen und doch abfolut fehr
Hoc) feyn). Reiſet man vom Hindu Khu nordwärts, fo ift das
Anfteigen fehr bedeutend; denn alle Bergwaſſer ftrömen daſelbſt
füdmwärts gegen den indt Khu, und dann erft wieder nad)
se7) ]] Millione di M. Polo Ed. Baldelli Boni L.I. e. 36. p.31
T.1. Firenze 1827. 4. ®) Macdonald Kinneir Geograpical Me-
moir of Persia. ‚Lond. 1813. 4. p. 179. ®?) A Map of the
Kingdom ef Caubul etc. by Lieutn. J. Macartney gu Klphinstone
Cabul. se) J. Macartney Extract from a Memeir, Construction
wiof the Map b. M. Elphinston Cabul App. D. p. 630.
"%) J. Macartney Memeir, Face uf the country b. M. Elphinstone
Cabul I, o. p. .
Oſt⸗Turkeſtan, Badakhſchan-Route, Pamer. 491
W. und W. N. W. zum Oxus, in deſſen weſtlicher Normaldirection.
Im Norden von Kunduz um Huzrutiman ſcheine das Hochs
land am Orus aufzuhören, da möge die niedrigere Stelle zwi⸗
fihen der Kette des Hindu Khu und der Pamers Kette feyn.
Weil aber die Flüffe, aus der Pamers Kette, einen Lauf nad)
Süd haben, von 2 bis 39, die vom Hindu Khu nur von 1
bis 149, beide aber gleich veißend find; fo fpricht diefes für die
weit größere (abfolute) Höhe der PamersKette als die der Hindu
Khu⸗Kette. Es fehlt diefer PamersKette jedoch in ihrem ganz
zen, großen Zufammenhange ein gemeinfamer Name (es ward
dafür Im aus bei den Alten, Belur oder Belut Tag in den
fpätern Zeiten angefest). Da fie aber, nach den von ihm bei der
Karte benusten Neiferouten, fagt 3. Macartney, überall, ald
hohe Kette, eine Tagereife breit, habe überftiegen werden müflen,
und diefe den größten Theil des Jahres hindurch den Schnee bes
wahre, von ihrer Wafferfcheide aber die Flüffe fowol gegen
Nord wie gegen Sud abfließen: fo fönne er nicht daran zweis
feln, daß es eine und diefelbe Kette fey, die von Akſu
und Kaſchghar, im großen Bogen Uber Khojend voruͤber
(d. i. durch Ferghana füdmwärts und dann füdoftwärts),
bis Leh oder Ladakh ziehe, wo ihm die fernere Spur ihres
weitern Zuges (es ift der Karaforum) verfhwand. Die Straßen,
welche diefe PamerzKette überfegen , follen dies faft in gleichen
Breiten: Parallelen thun (dies letztere ift ganz irrig).
Das Hochgebirge an der Orusquelle wird, nah Macarts
neys Erfundigungen, die mit Syed Mohammed Haffans
fehon früher von M. Kinneir!2) eingezogenen Nachrichten übers
einftimmen, der Puſchtikhur genannt. Die Kette, welche von
ihm direct gegen Süd (offenbar ftreicht fie aber gegen W.S. W.,
wie auf X. Burnes Map) im rechten Winfel zum Hindu Khu
ftreichen foll, und das Thal des Kameh » Stromes im Often oder
Suͤdoſten mit Chitral (f. ob. ©. 14) vom Thale des Orus, naͤm⸗
lih des Kokſcha, oder Badakfıhan Stromes im N. und N.W.
fcheidet, hat 3. Macartney die Badathfhan-Kette®)
genannt. Sie liegt im Suͤdweſt von Yarkand (unter 373 oder
38° N.Br.). Die hohe PamersEbene liegt aber viel weiter
12) Kinneir Geographical Memoir of Persia. London 1813. 4,
p- 179. 18) J. Macartney Memoir bei Elphinstone l. c.
2. P 639. h
492° Meft-Aften. L Abſchnitt. 8 5.
nördlich, in Nordweft von Yarkand, namlich der Surikkol,
Dracbenfee, oder Karaful, unter 39° M.Br. Elphins
ſtone's Map trennt ‚aber den nordöfllichen Siriful von dem
füdweflichen Karakul dur) zwei zwifchenliegende Stationen.
Auf Klaproths Carte centr. dagegen ift der Karaful gegen S.O.
gezeichnet, und ein anderer der Pamirz&See oder Riangkul,
nach. chinefifchen Angaben, gegen N.W. U. Burnes Map hat das
gegen den größern See in N.O., der zuerft von Taſchbalik
am Yamanyar erreicht wird, Karaful genannt; einen andern
aber in S.W., den Dfarif£ul bei Baimur, als einen See
gezeichnet, durch welchen der Bolor:Fluß, d. i. der nördliche
Duellarm des Orus hindurchſtroͤmt, aus dem obern Bergthale
Durmwaz in das untere Bergthal Wafhan oder Wokhan
(Vocan bei M. Polo). Der Puſchtikhur foll ferner, nach J.
Macartney, fo hoch ſeyn, daß er das ganze Yahr mit Schnee
bedeckt ıft. Dort foll er fogar 40, Speere hoch liegen, und unter
dieſer Schneedecke der Oxus hervorquellen, nämlich der nörds
liche Quellarm. Sn diefem Gebirg follen viel Silberminen,
Sapis lazuli, Eifen, Antimonium zu finden feyn, die
Kubinminen aber weiter abwärts gegen den Orus und Bar
dafhfchan liegen. Auf dem linken Ufer diefes Orus laßt
Macartney die Karawanenftraße ziehen, die jeven Tag
über 2 bis 3 Bergftröme fegen muß, die von der genannten Kette
berabfließen, £nietief find, und an 30 bis 40 Schritte breit,
Mehr als diefe unbeftimmten Angaben werden uns, da leider
Moorcroft nicht genöthigt war, auf diefem Wege durchzubres
chen (f. ob. ©. 403), aus den frühern Daten der britifchen Neis
fenden nicht geboten. Es bleibt uns daher nur die Zuflucht zu
den Altern Berichten übrig, welche von Ueberſteigung diefer Ges
birgsmaffen, auf dieſer Sud: Querffraße, in freilich ebenfalls
fehr unbeftimmter Art reden, nämlich der buddhiftifche Pilger
Hitan Ihfang im VIL Jahrhundert, M. Polo im XUl.
und Pater B. Goes im Anfange des XVII. Noch find diefe
dreierlei Berichte mit denen der Gegenwart nicht verglichen
worden. Der berühmte von M. Polo, dur Pamer, ift von
allen Commentatoren, von jeher, mit Hypotheſen verfehen; den
von B. Goes hatte man bisher gaͤnzlich ignorirt. A. v. Dums
boldt hat auch hier das Verdienſt in feinem Verſuche über Ins
ner: Alien, von einem Allgemeinen Standpunfte aus, die Auf
merkſamkeit der Beobachter von neuem auf diefen fo charasterifti
Oſt⸗Turkeſtan, Pamer-Route nad Hiuan Thſang. 493
ſchen Gebirgsknoten °1%) hingeleitet zu haben. Hiuͤan Thſangs
BR ward feitdem von Klaproth 15) entdeckt, aber durch
Herrn 3. Jacquet in Paris, auf Al. v. Humboldts Erfus
chen, aus dem Chinefifchen des Tathungfiyuki überfegt, und
diefes Manufeript durch legteren mir gütigft tmitgetheilt, wo⸗
durch alfo auch die folgende bisher unbekannte Darftellung,
diefem gelehrten parifer Orientaliften verdankt wird.
a) Hiuͤan Ihfangs Route, aus Schangmi über Wamilo (Phos
milo bei Jacquet, d. i. Pamir) und den Drachen-See (Lungs
tſchi, jest Karakul) nach Khaſcha (nad) Jacquet, der es nicht
mit Klaproth als Kiefcha leſen will) oder Kaſchghar (im Zahre
650 n. Chr. Geb.).
Der Pilger Hiuͤan Thſang (f. ob. S. 284) geht, auf feiz
ner Ruͤckreiſe aus Indien, durch das Land der Afghanen und
durch Backrien, über Schangmi, gegen Nordoſt durch das hohe
Gebirge, und durch das Thal von Pamilo nah Kaſchghar;
die darüber von Klaproth auszugsmweife gegebene erfte
Nachricht, haben wir fehon oben (f. ©. 327— 328) angeführt,
Schangmi ift auch von ihm unerörtert geblieben, einen cor—⸗
refpondirenden Namen haben wir daflr nicht auffinden Fönnen.
Auch J. Zacquet, deffen Ueberſetzung aus einer chinelifchs
buddhiftifchen Collection, nad) dem Ta thung ſi yn fi, einem
‚feltenen Werke, gemacht ift, das aber bis jest im Original noch
nicht nach Europa gefommen war, und weder in Paris noch in
Neumanns chineſiſchem Schage in München fich vorfindet, und
welche wir 16) nun folgen laffen, hat nur das Sanskritwort,
‚Schambi, i. e. Felix Regio, beigefügt, von dem jenes die chi
neſiſche Umſchreibung ſeyn koͤnnte. Sie erinnert an das obige
Utſchang, ſ. ob. S. 289, doch iſt uns kein indiſches Land
Schambi bekannt. Jacquet meint, es ſey vielleicht die nor—
diſche Gegend Schambala im Sanskr. darunter zu verſtehen,
von der man aber nur fabelhafte Befchreibungen bei buddhiſti⸗
fchen Autoren finde; ein Land in dem auch eine Capitale, Aches
ju fie to, anf wird, die uns eben fo unbekannt bleibt,
"10, Poggendorff's Annalen Bd. 94. 1830. a as D, und fin Nouv.
Annales IV. ebend. 15) Reife des chinefifchen Buddhapriefterd
Dilan Thfang ıc. Berlin 1834. 8. S. 7 u.f. 20) Jacquet Lettre
Mscr. addressee a Mons, Al. de Humboldt 1836,
494 Weſt⸗Aſien. I. Abſchnitt. & 5.
Der Lage nach müßte das heutige Badathfhan, oder Was
han, die Stelle jenes Landes etwa einnehmen.
Diefes Schangmi, heißt es nun, bei dem angezeigten chie
nefischen Autor, nad) Jaquets leberfegung, fen eine Gegend
von 2500 bis 2600 Li (300 Li auf 1°), alfo 125 bis 130 geogr.
Meilen Umfang. Sie fen von Bergen und Thälern durchfeßt,
die Berge find dort fehr hoch; die Kornernten fehr ergiebig. Ges
müfe und Weisen wachfen in großem Ueberfluß; man findet das
feloft viele Weinberge, Diefe Gegend bringt Yehoang (eine
medicinifche, noch unbekannte Subſtanz) hervor; diefes fammelt
man indem man die Selfen zerfpaltet (?). Die Geifter diefer
Berge von Schangmi find fehr übelbringend, fie verurfachen
häufiges Ungluͤck. Um diefe Gegend zu pafliren muß man den
Geiſtern zuvor erft Opfer bringen. Der Reifende, der ſich ihre
Gunſt nicht erwirbt, wird von Wirbelwinden, von Sturm und
Hagel verfolgt. Die Luft ift hier fehe Fall. Der Zuftand der
Einwohner ift jaͤmmerlich; ihre natürlichen Cigenfchaften find
gut, ja lobenswerth; aber fie haben feine anftändige Lebensweiſe
und ihr DVerftand ift befchränkt, die Hülfsquellen ihres Geiftes
find ſchwach. Die Schriftzüge, deren fie fich bedienen, find
diefelben wie in Tuholo (Oft: Turfeftan, f. 06. ©. 426; alfo
wol Uigur, nicht Nagari Schrift); aber die Sprachen find
dagegen verfchieden. Sie tragen meift Kleidung von Filz. Ihr
König ift von der Race der Che, oder Schafa (d. i. Saken,
Zero). Sie find große Verehrer des Buddhagefeges; feit der
Zeit der Befehrung find fie diefer Doctrin treu geblieben. Es
giebt bei ihnen auch Klöfter (Kialan), darin aber nur eine
geringe Zahl Religiofen. — So weit das chinefifche Original Über
Schangmi, in welhen nun Hiuͤan Thſang, über Pamir,
alſo fortfaͤhrt:
Pamilo (oder Phomilo bei Jacquet) liegt 700 Li
(35 geogr. M.) im Nordoften der Grenzen von Schang mi.
Nachdem man Gebirge und Thäler, enge Paflagen und Preciz
picen überftiegen hatte, traten wir in das Thalvon Pamilo
Calfo fein Berggipfel, fondern der Col eines hohen Paflagelandes)
ein. Diefes Thal hat über 1000 Li, d. i. 50 geogr. Meil. Aus⸗
dehnung, von O. nach W., und. über 100 Li, d. i. 5 geogr Meil.,
von N. nah ©.; in den engften Paflagen hat es aber 10 fi,
d. i. feine Stunde Breite. Es zieht fich zwifchen zwei Ger
birgsfetten hin, die mit Schnee bedeckt find. Sehr alte Mebel
4
Dft-Turfeftan, Pamer-Route nach Hiuan Thſang. 495
herrſchen hier fortwaͤhrend; der Schnee hoͤrt nicht auf, waͤhrend
der ganzen Dauer des Frühlings zu fallen, und auch des Soms
mers. Die Winde ftürmen hier Tag und Macht, der Boden ift
mit Salztheilen gefehwängert. Der Pflanzenwuchs ift fo fchlecht,
daß man nur immer erft in großen Entfernungen von einander
einmal wieder ein Kraut oder einen Baum zu fehen befommt.
So wie man in diefe Wildniß eingetreten ift, hören alle menfchs
lichen Wohnungen auf. Gegen die Mitte jenes Ihales von
Damilo liegt ein See im großen Thſungling (Tas
Thfungling, f. 06. ©. 320); dafelbft ift die Gegend der
größten Höhe der Inſel von Tfhhinpu (Jambu—
dwipa, der Norden Hindoftans, das feiner Wurzel nad)
alfo bis hieher an SnnersAfien gefnüpft wird). Dies ift der
Lungtſchi, d.i. der See der Drachen, über 300 Li (15 geog.
Meilen) von Weft nach Oft lang, und über 50 Li (5 Stunden)
von Suͤd nah Mord breit, Sein Waffer ift klar und glänzend,
wie ein Spiegel, die Oberfläche dunkelgrün, die Tiefe noch nicht
ermeffen! es ift füß und angenehm für den Geſchmack. Der
See wird bewohnt von Alligatoren (im Chinefifchen. fteht :
eine Art Drachen, mit 4 Pfoten und einem fchlangenähnlichen
Körper; ein Name, der aber auch ein Fabelthier, die Na:
gas der indifchen Mythologie, wie die in Kaſchmir, f. Afien U.
©. 1098, in Nepal II. ©. 69 und Geylon IV. 2. ©. 144 bes
zeichnen Fann). Auch Fifhe, Schildfröten und Tho (eine
6 Fuß lange mit harter Schildhaut bepanzerte Fifchart) leben
hier. Die Vögel, welche das Ufer diefes Drachenfees befuchen,
find Youan yangs (ein Vogel, deilen Kopf fchön roth, deflen
‚Gefieder gelb, defien Schwanz fchwarz, der. Kopf mit einem ho—
hen Federbufch geziert iſt; wohl eine Art Reiher? fängt man von
‚einem Pärchen das Cine, fo wird das zurückbleibende Andere
bald melancholiſch und. ftirbt, fagt die chinefifche Erklärung. Alfo
eine Art Inseparable?), Aber auch Schwäne, wilde Gänfe und
‚zahme Schwäne find hier. Alle diefe Vögel brüten hier ihre fehr
‚großen Eier aus, die fie in Nefter von Rohr legen, oder auf Sees
Algen, oder auf Sandinfeln.
Aus dem See ergießt fih ein großer Fluß gegen Weften
in den Fatfu. Nah J. Jacquet Vakchou; ob der Fluß
von Wacchan? der auf Al. Burnes Karte Bolor genannt
wird, umd wirklich zum Orus (Kokicha dem Strom von Bas
dakhſchan), gegen Suͤdweſt, fält. Auch Klaproth ſtimmt
496 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 9. 5.
in Hiuͤan Thſangs Berichts) damit überein; er ſagt: von
hier aus wendet ſich ein Strom nach Weft und fließt dem Far
tfu (Oxus) zu, verbindet fi) mit ihm und geht dann weiter
nah Weften; auch nehmen alle Gewäfler, vechts (d. i. unferer
Anfiht nach füdlich) von diefem Thale diefelbe Richtung.
Die Karte bei Al. Burnes entfpricht ganz diefer Anficht, wenn
man fich, wie dies nothiwendig ift, denkt, daß der chinefifche Aus
tor mit dem Angeficht gegen China, d. i. gegen Aufgang gerichs
tet ift, wo ihm dann alle weftlichen Zuftröme zum Oxus zur
rechten Hand liegen. Nur geben weder Al. Burnes, noch
Klaproths Karten, einen weftlichen Ausfluß aus dem genanns
ten See an, fondern nur einen großen öftlich firömenden, den
Yamanyar (f. oben ©. 327). So gut aber, wie auf dem
Sanct Gotthardt in der europäifchen Schweiz, die Reußquelle ges
gen Nord und die Teffinquelle gegen Sid, aus denfelben Seen
des Hochthales im Gotthardtspajfe entfpringen, eben fo läßt es
fi) wol denken, daß auch hier, bei genauerer Erforfchung, die
PWafferfcheideftelle liegen werde, die gegen Weft zum Oxus, gegen
Oft zum Talimu ihre Waſſer nad entgegengefegten Richtungen
fendet, mie dies vom chinefischen Neifenden angegeben wird, ob⸗
wol unfere Karten den weftlichen Emiffar noch nirgends bezeichz
nen. Dielleicht, daß der Riangkoul, ein gefonderter See den
Klaproths Carte centr. etwas weiter im Nordweſt vom Karaz
koul verzeichnet, und Pamir nennt, den weftlichen Ausfluß dies
fes Hochthales der Wafferfcheide in Belur Tagh, auf der Hoch—
ebene Pamir, bezeichnet. —
Der Bericht Hiuͤan Thſangs, nah Jacquets Ueber:
ſetzung, fuͤgt hinzu: dieſer große Fluß gegen Weſt, der ſich aus
dem See ergießt, an der Oſtgrenze der Gegend Za mo ſi tie ti
(eine buddhiſtiſche Benennung, die uns ſonſt unbekannt, nach
Jacquets Erklärung Dharmaſttih, d.h. Erhaltung des Ge⸗
ſetzes, naͤmlich der Buddhadoctrin), ſetzt ſeinen Lauf gegen We⸗
ſten fort, zum Fa tſu (Oxus), und alle Waſſer zur Rechten
des Sees fließen gegen Weſt. Aber ans der Oſtſeite des Dra⸗
chenfees ergießt fih auch ein großes Waffer (offenbar der
Yamanyar) zum Sito-Fluß (nah Jacquet, der Sita⸗
ganga, von Pulana, der dur Bhadraivavarcha fließt
bis zum Oft Deere, d. i. dem Lop- Mor, nach fansteitifhen
217) Reife des Hinefi ſchen Vadeheyniſere ..D, 58
*
Oſt⸗Turkeſtan, Pamer-Koute nach Hiuan Thſang. 497
Puranas — es iſt der Kaſchgharſtrom, ſ. oben ©. 328) an
ber Weſtgrenze der Sandfhaft Khafha &. i. Kaſchghar,
‚ nach Jaequets Lefung, und nicht Kiefcha, oder Kiufcha, f. 06.
©. 420, nad) Nemufat und Klaproth’s Schreibung). Diefer
Sito-Strom fest feinen Lauf gegen den Often fort, und eben
fo alle Waffer zur Linken (d. i. die Fluͤſſe im Norden des Dras
chenfees, ziehen alle oftwärts durch Kaſchghar zum Spfteme
des großen Talimu.
Hiuͤan Ihfang fest, am Schluffe feiner Erzählung, zu alle
biefem noch hinzu: Im Süden des Hochthales Pa mi lo, jens
feit der Gebirge, liegt die Gegend Po Iu lo (nad) Klaproth iden:
tiſch mit Bolor, d. i. Belur:Gebirg, f. ob. ©. 3215 Jac⸗
quet findet aber diefe chinefische Lmfchreibung des Wortes niche
ganz richtig, obwol diefelbe Gegend bezeichnet werde; er glaubt
im Namen Polu lo eher die Umſchreibung des griechifchen
@oovoo: zu finden). In diefer Polulo Landfchaft findet
man viel Silber und Gold; dies letztere fey glänzend wie Feuer
(wol mit Kupfer legirt ?). Ueber 500 Li, d. i. 25° geogr. Meilen,
im Südoften des Hocthales Pa milo, nachdem Hilan
Thſang unbewohnte Gegenden und Gebirge überftiegen und
Defileen durchzogen hatte, wo er nur Schnee und Eis vorgefunz
den, alfo in fehr großen Höhen, trat er ein in Kiepantho,
Die Sansfritfchreibart würde, nah Jacquet, Kabandha
ſeyn. Klaproth hält dies fir das Land von Tafıh Balif,
defien Lage in, Beziehung auf Kafıhahar, von uns, ſchon im obi:
gen nachgewiefen ift (f. ob. ©. 418); es liegt auf dem Wege
von Weft her, als ein Trivium wie Baminan (f. 06.©.271),
fowol nach Kaſchghar wie nach Khotan; deshalb es eben als
militairifchzpolitifh wichtiges Grenzgebiet, als ber
herrſchender Schlüffel diefer Badakhſchan-Route,
dem treugebliebenen Khodja von Khafchar von den Chinefen
jüngft verliehen ward. — Wirklich erfahren wir aus einem Artiz
fel der hinefifhenKeichsgeographies!3) vom Jahre 1790,
in welchem Nachrichten aus den Zeiten der Han-Dynaſtie
von diefem Königreiche Kiepantho, oder Khopantho, ges
‚geben werden, daß es, in der Mitte des Thfungling gelegen,
tingsum von diefem umgeben fey, und daß deshalb die Chinefen,
* Tai thsing y thoung tschi Peking Ed. 1790. in Klaproth Maga-
sin Asiat, Paris 1825. T. 1, p. 9.
Ritter Erdkunde VII, Ji
298° Weſt⸗Aſien. I Abſchnitt. & 5.
die diefen Gebirgsgau erobert hatten, in den Jahren 713 und
741, in demfelben einen Beamten mit dem Titel „Wächter
des Ihfungling,” als Grenzcommandanten einfeßten, mit
dem Auftrage ihre Außerfte Grenze von Nganſi von der Seite
zu ſchuͤtzen.
Wir fügen nun noch Weniges diefem Chinefenberichte
über die PamirsPaffage hinzu, der jedoch keineswegs die Al-
tefte Motiz darüber iſt. Der Ältere buddhiftifche Pilger Fa Hian
im IV, Jahrh. erwähnt ihrer freilich nicht, daß fie aber ſchon
früher gangbar war, ergiebt fih aus Song yun tfe und
Hoei fengs Pilgerbericht (von 3. 518 n. Chr. G.)3), in
welchem diefelbe Localität Pamirs vom Drachenſee
nicht zu verfennen ift, obwol ihr Name nicht genannt wird, und
diefe beiden vereinten Pilger, weniger befonnen wie der trefflich
beobachtende Hiuͤan Ihfang, nach gewöhnlicher Pilgerart, gern
ins Fabelhafte alles übertreiben und wenig pofitive Daten mit:
theilen. Profeſſor Neumann felbft, dem wir diefe Ueberfegung
aus dem Chinefifchen verdanken, hatte die Localität, ale Pamir,
nicht erfannt, und die Angabe der Stadt Pomeng, die in
diefem Berichte vorkommt, deren Lage völlig unbefannt ift, fünnte ,
fogar über den Bericht felbft ſtutzig machen. Hier die Worte
nah Neumanns Ueberſetzung aus der von ihm in Canton ers
fauften Collection der buddhiftifchen Pilgerfahrten; nach welcher
der Pilger Song yun tſe das Hochthal Pamir von Of
nah Weft, alfo auf entgegengengefeste Weife überfleigt, wie
fein Nachfolger Hiuͤan Ihfang.
Song yun tſe fängt, von Khotan ausgehend, Über dag
unbekannte Ifchu £upo (ob etwa Tfeuho der neuern Zeit,
das in diefer Localität fich findet? f. ob. ©. 356) feinen Beriht
der Gebirgspaffage, mit den Namen Han panto, oder
Kopanto?), d. i. Kiepantho (Taſch Balif), an, mit wels -
chem Hiuͤan Ihfang aufhörte. Von bier ging Song yun tfes -
Reife, mit feinen Gefährten, noch 6 Monat weiter nach Weften.
Sie überftiegen zuerft den großen Thfungling (d. i. die oͤſt⸗
lih gegen das Binnenland vorgelagerte, erfte Hauptfette), und
gingen dann 3 Tage weftwärts, wo fie nach der Stadt Pos
212) & F. Neumann Pilgerfahrten buboSififäet „Pilger von China
Bei Indien. Leipz. 1833. 8. ©. 41, 49. 3°) ſ. Neumann a.
. ©, 49 Not. 23.
| Oſt⸗Turkeſtan, Pamer⸗Route nach Song yuntfe. 499
meng Famen (dies fünnte mol der äftefte einheimifche Name
von dem turkifchen Taſch Balik der fpätern Zeit fenn, der auch
PDameng heißen mochte, und dann an die Etymologie von
Pamir, dem weftlicher gelegenen Hochthale, anzufchließen wäre).
Bon Po meng, fagen die Pilger, konnte man innerhalb dreier
Tage nicht über den Berg fommen (d. i. den weftlicher geleges
nen Hochpaß). An diefem Orte fey es fehr Faltz des Sommers
wie des Winters gebe es fehr viel Schnee. In den Berge fey
ein See, den ein giftiger (?) Dracbe bewohne. Eines Males
fchlugen reifende Kaufleute Chier war alfo ſchon vor dem
V. Sahrhundert eine Handelsftraße nah Badakhſchan und
Andien im Gange), an dieſem See, ihre Zelte auf. Dies ver:
droß den Drachen, und er tödtete fie, durch Zauberſpruͤche (D.
Als der damalige Herrfcher von Hanpanto (Kiepantho,
d. i. Taſch Balig) dies hörte, fendete er ‚feinen Sohn nach dem '
Reiche Utſchang (Calfo nach Yellallabad, dem damals buddhi-
ftifch blühenden Mengkieli, f. ob. ©. 289, 297, 366), um die
Zauberfünfte der Brahmanen (? 06 Polomen im Original
fteht, oder Chamen?) zu erlernen. In vier Jahren hatte diefer
die Kunft volllommen erlernt, und Eebrte nun zu dem Herrfchers
fönige, feinem Vater, zurüf. Man wendete dann gegen den
Drachen im See (dem Lungtfchi) die Befchwörungsformein an,
worauf er ſich in einen Menſchen verwandelte (wie in Khotan,
- f. ob. ©. 370) und reuevoll vor den König kam. Der König
verbannte ihn, 20 Li (d. i. 2 Stunden) weit von dem See, in
dem er gewohnt hatte, in das Gebirge Ihfungling. Won der
Zeit bis zu dem jest regierenden Könige (im 3. 518 n. Chr. ©.)
find 13 Generationen verfloffen (jede zu 22 Gahren angenommen,
gäbe dies 286 Jahre; jene Begebenheit hatte fich alfo um das
Jahr 232 n. Chr. Geb. zugetragen, alfo in der Zeit des I. Jahr⸗
hunderts, bald nach Ptolemäus Tode in Alerandria, nach dem
gleichzeitig auch die Handelsftraße am, Steinernen
Thurm, weiter über den Nordpaß im Gange war, i
Ron hier aus, fährt der Pilgerbericht Song yun tſe's weiter
fort, nah Weften zu, fey der Weg auf 1000 Li (d. i. 50 geogr.
Meilen, naͤmlich 300 alter Fi auf 1°) fehr fteil und abſchuͤſſig,
gefahrvoll, mit Abgründen auf allen Seiten. Noch gefahrvoller
machen ihn aber die Käuberbanden, die ſich in den Paͤſſen,
Schluchten und Höhlen aufhalten und barbariſch haufen. Unter
; 32
500 Weite Alien, J. Abſchnitt. 9. 5
ſolchen Gefahren ging man vier Tage fang, Schritt vor Schritt,
über die höchften Spitzen des Ihfungling, und zwar in der Mitte
des Sommers. Das Königreihb Han ypanto, d. i. Kie pan—
tho, liege fehr hoch, oder wörtlich auf dem Gipfel diefer Berge,
Bon deren Weftfeite fließen. alle Waller zur weftlihen See
(Caspifches Meer). Die Landeseinwohner fagen: Diefer Thfung-
ling liege in der Mitte zwifchen Himmel und Erde.
Sie bewäffern dort das Feld (nämlich an dem Weftabhange
deffelben) und befaen 68 dann (fie warten alfo die Regenzeit
nicht erft ab). Als fie hörten, daß man dagegen im Mittels
reiche (wol Oft: Turkeftan, woher die Pilger eben famen) auf
Regen warte, bis man ausfäe, fagten fie: Kann der Himmel
auch Allen es gleich machen? Deftlih von der Stadt (von wels
her? ob noch von Pomeng die Nede feyn mag?) muß man
über einen großen Strom fegen, der nordöftlich fließend (es wäre
der Yaman yar) ſich in den Sand verliert. Auf dem höchften
Gipfel des Ihfungling wächft weder Baum noch Strauch. Wähs
rend des achten Monats war es fchon fehr kalt; der Nordwind
trieb die wilden Gänfe vor fich her; und das Schnegeftöber ers
fireefte fih wol auf einen Sandftrich von 1000 fi.
In dem zweiten Drittheile des neunten Monats famen die
Reiſenden nach dem Königreiche Po ho 21) (es fol, nah Neus
mann, Bokhara feyn, obwol die nun folgende Landesbefchreis
bung eher auf das gebirgige Bamiyan, als auf Bokharas ebene
Sandesnatur paßt).
Dies wäre der einzige Bericht, den wir über das Hinabs
fteigen gegen Weften, aus dem- hohen in das niedere Turs
Eeftan erhalten haben, da alle andern von Weit gegen Oſt hinauf:
fteigen; wie auch M. Polo und B. Goes, zu deren Berich—
ten wir nun übergehen.
b) M. Polo’s Route aus Badakhſchan und Wochen, über das
Hochthal Pamer und den Beloro nach Kafchghar 22) (um das
Jahr 1280 n. Chr. Geb.).
Diefer Weg führt, nah M. Polo’s eigenem Ausdrucke,
durch das Sand Belor, das iſt durch den Belur Tagh oder
»»!) f. Reumann a. a, D, ©, 50 Not. 27 ° *2) M. Polo Trav.
ed. Marsden Liv. I, ch. 28. p.141— 145; ed. il Millione n. Bal- _
delli Boni 1. e.36. p. 31 — 32; nad) der beutfchen feltenen Quart⸗
Ausgabe b. Fr. Greußner zu Nürnberg im 3. 1477 gedrudt.
v
*
Oft-Turkeftan, Pamer⸗Route nah M. Polo, 501
das Duerjoh Boler (in M.W. von Baltl, oder Weft- Tibet,
ſ. Alien I. ©. 645), das im Uigburifchen, nach Klaproth, den
Namen Bonlytagh, d. h. Wolfengebirge, führt, wegen
des, wie Al. v. Humboldt bemerkt 3), in diefer Breite aller
dings fonderbaren ununterbrohenen Negens, der drei
Monate im Sahre anhält, Diefes Factum führt Bakui?9
an, indem er hinzufügt, in diefen drei Negenmonaten, wo es auch)
fihneie, fey der Himmel dann fo bedeckt, daß man die Sonnen:
ſcheibe nicht fehen könne. Don demfelben Gebirgslande, das auf
der japanifchen Karte der buddhiſtiſchen Pilger aus dem VII. Saec,
(ij. 00. ©. 323) Polulo heißt (daher hier das Neih Bo lu lo—
Kuec eingezeichnet ift), fellen die Bergkryftalle, die dert von groͤß—
ter Schönheit vorfommen, den Namen Belur im Perſiſchen
und Iurkifchen erhalten haben. Im —— wuͤrde Beluth
Tagh ein Eiſengebirge bezeichnen. Im Weſt dieſes Quer⸗
joches Belur, bemerkt Al. v. Hu AR liegt die Station
Pamir unter 393° N. Br. (nach Klaproths Karte, wenn der,
Riangkul als der. See an diefer Station angenommen wird, und
nicht der Karakul, der, nach obigem, unter 391 N. Br. liegt, wo
©. 327, diefe Zahl nur duch einen Druckfehler in 37° entftellt -
und alfo zu verbeflern ift). Diefes Pam ir wurde von den Biss
herigen Geographen, feitdem es M. Polo als hohe Ebene ges
nannt hatte, bald zu einer Gebirgsfette gemacht, bald zu einer
eigenen Provinz, da es doch, wie fi) aus Hiuan Ihfangs anges
führtem Berichte ergiebt, ein fehr bochgelegenes Alpenthal
mit Seeboden feyn muß. Dem Phyſiker, fagt Al. v. Hums
Boldt, bleibt diefe Gegend merkwürdig, weil hier M. Polo die
erfie Beobachtung anftellte, welche er feloft fo oft auf grös
Bern Höhen der amerifanifchen Cordilleren wiederholte, wie ſchwie⸗
rig es ſey dafelbft das Feuer anzufhüren und die Flam—
me zufammenzubalten.
Des edeln, Venetianers Bericht ift nun Folgender:
"Bon Baudascia (bei Bald. Boni und im Cad. Puce., d. i.
offenbar Badakhſchan, das in andern Handichriften Bala—
Shan, oder Balaftia heiße) geht man zwölf Tagereifen (10
In deutfch. Ausg. 1477), gegen Nordoft aufwärts, an einem Fluſſe,
*3) A, v· Humboldt über Inner ⸗Aſien in Posgendorffs Annalen
1830. Bd. 94. ©, 17 und in Nouvell. Annales. Paris T. IV,
p-.239 Not. 24) Bakoui in Extraits des Mser, de la Bibliotk,
du Roi T. U. p. 472
502 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $ 5.
wo viele Caſtelle und Wohnungen find, die der Bruder des Koͤ—
nigs von Baudascia damals Seherrfchte. Die Bewohner find
Mohammedaner. Nach drei Tagen erreicht man (erft in 42
Tagen nach Bald. Boni) die Provinz Vokan, die felbft nur
Hein ift, da fie fih nur 3 Tagereifen weit ausdehnt (es iſt das
heutige Wakhan, Vahan, Wakhsh, Wekhshab, vers
fihiedener Autoren). Die Einwohner find Mohammedaner, ſtolz,
haben eine eigene Sprache, find an Badakhſchan unterthan; fie
find eivilifirt in ihren Manieren und fehr tapfer im Kriege. Sie
verftehen die Kunft auf verfchiedene Arten Zagd auf das Wild
zu machen.
Non da, drei ITagemärfche weiter, in derfelben Nichtung,
fteigt man von Berg über Berg, zu einer Höhe, die man für
die höhfte der Erde hält (si dice la piu alta Montagna del
Mondo), Hier bemerft man zwifchen zwei Bergzügen einen gros
Ben See, aus dem ein ſchoͤner Strom fließt (nach welcher
Weltgegend wird nicht gefagt). Er zieht weit fort, durch eine
lange Ebene voll herrlichen Weidelandes, deſſen Futter trefflich
genug ift um das magerfie Vich in 10 Tagen fett zu machen.
In diefer Ebene giebt es Wild in großer Menge, zumal Schafs
boͤcke von befonderer Größe, deren Hörner 3, 4 und felbft 6 Pals
men Sänge haben (die Montoni salvatichi, f. 06.&.489). Daraus
verfertigen die Hirten ihre Schaufeln, Löffel und Gefchirr, um
ihre Lebensmittel hinein zu thun. Mit denfelben machen fie auch
Gehege, oder Hürden, um ihre Heerden vor den Wölfen zu ſchuͤtzen,
die unter diefen, wie unter jenen wilden Böden, öfter große Nies:
derlagen antichten. Da man die Hörner und Gerippe in großer
Menge dafel6ft vorfindet, fo-hauft man fie auch an den Wegen
auf, als Merfzeihen für die Neifenden zur WWinterszeit, wenn
Schnee das Land det. Zwölf Tage zieht man entlang dies
fes Hochthal, welches Pamer (Pianura di Pamer) genannt wird;
und die ganze Strecke findet man feine Wohnung; alle Lebenss
mittel muß man mit ſich führen. Keinen Vogel fieht man dort
fliegen, wegen der großen Höhe und Kälte; ja felbft das Feuer
giebt feineswegs diefelbe Wärme,wie anderwärts,
und dient weniger zum Kochen der Lebensmittel (eine
befannte Erfahrung, 3. B. auf den Hospiz des Sanct Bernhard,
wo man fich deshalb des Papinianifchen Topfes zum SER bes
dienen muß).
Hat man diefe 12 Tagereiſen zurädgelegt (nämlich im Hoch⸗
Oſt-⸗Turkeſtan, Pamer-Route nah M. Polo, 503
thale Pamer), fo hat man noch 40 Tage in derſelben Richtung
fortzugehen, Uber viele Berge und Ihöler, in beftändiger Aufein—
anderfolge, über Flüffe und durch Wild niſſe zu fegen, ohne Woh—
nungen der Menfchen, oder auch nur Grafungen zu fehen. Alfe
Mahrung muß man mit fich führen. Dieſes Fand heißt nun
Beloro (vergl. Afien I. ©. 645). Doc) lebt mitten unter den
höchften diefer Berge ein wilder Volfsftamm, bösartig,
Gögendiener, der von dem Wild lebt das er auf der Jagd erlegt,
in deſſen Felle er fich Eleidet, — Eo weit M. Polo’s Bericht,
der damit fchließt, daß man endlich nach allen diefem Kaſchghar
erreiche,
Die wilde Natur diefes hohen, mächtigen Gebirgsftods nd
hert ſich ſchon den Maſſen des Pufihtifhur und des Karaforum,
welche ähnliche fchaudervolle Gebirgspaſſagen darbieten (f. Afien
11. ©. 635). Diefe Badakhſchan-Route ſcheint an Uns
wirthbarfeit und Rauheit bei weitem die Nordpaflage der Fer—
shanasRoute zu übertreffen. Wir gehen zum jüngften Ber
richte, den wir durch den SZefuitens Pater hinfichtlich einer dritten
noch füdlichern Route erhalten haben, über.
>
e) Pater Ben. Goes Route von Badakhſchan (Badascia) über
Kartchu (Ciarciunar) nach Sirkul (Serekul, Sareil) und Tchet—
chet / lag⸗Dawan (Ciecialith) durch das ſuͤdliche Gebiet Kaſch—
> ghars, in das Königreich Yarkand (im J. 1603 n. Chr. G.).
Wir verfuchen es zum erften Male, diefe bisher gänzlich uns
verftändlich und unerläutert gebliebene, merkwuͤrdige Route des
Sefuitens Paters in die Karte eizutragen. Wir haben ſchon früs
ber ihre Differenz von der eigentliben PamirsRoute ans
gedeutet; bier ift der Ort ihre Lage naher zu bezeichnen, die wes
nigftens 30 geogr. Meilen weiter füdwärts, als jene, liegt,
und nicht fowol, wie jene, aus Kafchghar, fondern von Yarfand
aus, die directefte Noute na) Badakhſchan bilde. Man
muß fie alfo eigentlich die dritte große Duer:Ötraße über
das Duerjod des Belur Tagh nennen, obwol diefes Nas
mens nicht mehr erwähnt wird.
Wenn die Pamir:Paffage, nach obigem, etwa unter
390 31‘ N. Br., der Oſteingang zu ihr aber, bei Taſchbalik,
unter 39° 6° N. Br. (nach oben ©. 418) bejtimmt ift; fo liegt
dagegen diefe Querſtraße, etwa unter 37° N.Br., weil Kar:
tſchu (Kartchou, oder Hatchoute, unter 379 11‘, f. oben
504 Weſt-Aſien. U, Abſchnitt. $ 5.
S. 402), und Sirkul (Serefoul, oder Selekoueulh, bier
Sarcil, unter 379 48%, f. ebend. und ©. 432), ebenfalls ihre
Dfteingänge bilden. Sie führt aber nicht erft auf nordweftlichem
Umwege am Bolor-Fluſſe (dem Nordarm des Oxus) hinab,
durh Durwaz und Wakhan, nah Badakhſchan am Sid:
arm des Oxus, oder dem eigentlichen Kokſcha; fondern direct zu
ihm, freilich wie es fcheint Uber ein wildeftes Gebirge, das eben
deshalb Moorcroft im Fal der Noth zu feinee Durchflucht zu
nehmen projectirt hatte (f. ob. ©. 403). Es ift wol eben in
neueften Zeiten, diefe Pallage, die Moute der politifchen
Flüchtlinge geworden, die unter den rebellivenden Khodjas von
den Chinefen gegen Weſt verdrängt, ihre Zuflucht in Badakhſchan
fuchten (f. Afien I. ©. 471), worüber weiter unten noch Naͤhe—
res mitzutheilen ift. Hier haben wir allein den Zefuiten Pater
zu unferm Führer zu nehmen, mit dem wir, von Weft nach
Dft, das hohe Turfeftan bis Hiarchan (f. ob. ©. 391) hinauf⸗
ſteigen, ohne Kaſchghar zu beruͤhren.
Ben. Go68 reiſet, von Kabul aus, nordwaͤrts durch das
Gebirge des Hindu Khu, und erreicht von da nad) etwa zwei
Monat Zeit, im Norden, die Station Talhans2), offenbar das
heutige Talighan im Oft von Kunduz (j. ob. ©. 271) auf
dem großen Karawanenwege nad Badakhſchan, zum obern .
Kokfha: Thale. Don hier bie Badakhſchan war große Noth
durch Naubüberfälle, vor welchen ſelbſt die Escorte des Königs -
von Bokhara, welche die Karawane begleitete, feinen hinreichens
den Schuß gewährte, - Unter fieten Raubüberfällen, wobei feine
fihere Berichterftattung möglich war, fam man während 8- Tages
märfchen, auf ſehr fehlehten Wegen, endlich nach Tengi Bas
dafcia, worunter unftreitig an der Oftgrenze von Badakh—
fhan, der Gebirgspaß verfianden werden muß, der zur fleis
Ien Gebirgshöhe hinaufführt. ITengi, fagt nämlidy der Pater,
werde ein fehr befchwerlicher Weg, ein enger Gebirgspaß ge
nannt, der hur für Einzelne unter dem ſehr hohen und fteilen
Ufer eines Fluffes durchgehbar fey.
Ehe man den Gebirgspaß durch das enge Defile des
Gebirgsſtromes hinaufftieg, hielt die Karamane 10 Tage Nafttag; ,
die Bewohner der Stadt Che ame wird nicht genannt) übers
ua) Nicol. Trigaufius de Christana Rxpedit —* Sinas El. dig;
Vines 1615. Lib. V. ci 10. p. 349 - 651.
Oſt⸗Turkeſtan, KarthousKoute n, B. Goes, 505
fielen mit einer Kriegerfchaar die Karamane und plünderten fie
aus. Der Dater verlor dabei drei feiner Laftpferde, die er jedoch
nachher durch Heine Geſchenke zurückfaufte.
Dann brad) die Karawane auf durch den Engpaß (Zengi),
und erreichte in einer Tagereife (follte hiee wol nicht eine
Zahl von mehrern Tagereifen in dem Ereerpte des Pater Trigaut
ausgelaffen feyn?) Ciarciunar, was wir, wegen des nachfols
genden, als Kartfcehu, das am obern Strome von Yarkand,
an deſſen Außerftem Weſtarme liegt, erfennen müffen, wenn es
fhon unglaublich fcheint, daß man es aus dem Engpaſſe ſchon
nad) dem erften Tagemarſche erreicht haben follte. Hier wurde
man 5 Tage im freien Felde durch Plagregen aufgehalten, und
von Dieben überfallen. Von da brauchte man 10 Iagemärfche
nah Serpanil (? ob Seref), eine wüfte Gegend, ohne Mens
fhen. Ohne Führer hatte man den hohen Berg Sacrith ma(
fonft unbekannt) zu erfteigen, deſſen Höhe nur die ftärfften Pferde
zu erflimmen im Stande waren; die andern mußten auf einem
bequemern, aber viel weitern Umwege geführt werden. Zwei
Saumpferde des Paters wurden durch Hinken unbrauchbar; man
lieg fie alfo zurück; aber die Ihiere hinkten von ſelbſt der Karas
wane nach, um nicht in der Einöde zurückzubleiben.
F Nach 20 Tagereiſen erreichte man die Provinz Sareil (of⸗
fenbar Sere£ul, oder Sirful, Selefueulh), wo fehr viele
Drtfchaften beifammen lagen. Hier wurden zur Erholung der
Laftpferde zwei Raſttage gemacht.
In 2 folgenden Tagemärfchen kam man zum Fuße des Bers
ges Eiecialith, er war noch mit vielem Schnee bededt als
man ihn überftieg; viele wurden von tödtlicher Kälte ergriffen.
Auch der Pater war in großer Lebensgefahr; dena 6 ganzer Tage
mußte er in diefem Schnee zubringen. — Es ift dies offenbar
der Tchetchetlagh-Dawan auf Klaproth Carte centr. im
Morden von Sirkul ganz nahe gelegen, unter 38° N,Br., ein
Bergpaß, den die Route nach — wie nach 66
uͤberſteigen muß.
Dieſes ſuͤdlichſte Ende der Provinz —— wurde bei dem.
Orte Tanghelar erreicht, wo aber den Begleiter des Paters,
den Armenier, das Unglück traf, vom Pferde ins Waffer zu ftürs
zen, ſo daß er lange wie entfeelt da lag, aber. doch endlich wieder
zum Leben zurückkehrte,
Tor diefer Station waren noch 15 Tagemärfche bis zur
506 Weſt-Aſien. IL Abfchnitt. & 5.
Start Jaconich(?) zuräcdzulegen, wohin die Wege fo abfcheus
lich für die Laftthiere waren, daß dem Pater allein 6 von den
feinigen ftörzten. Darauf eilte derfelbe allein in 5 Tagen, auf
beffern Wegen, der langfam nachziehenden, ſchwer beladenen Kas
vamane, bis Hiarfan (Yarkand) zuvor, und erreichte dieje
Capitale glüclih im November des Jahres 1603, wo un
deffen Aufenthalt ſchon aus früherem befannt ift. f
Einige Erläuterungen über die Natur und politifche Wichs
tigkeit dieſer dreierlei Paffagen über das Querjoch diefes
Beloro, ergiebt fih, nebft Aufklärung Uber noch einige Localis
täten derfelben, und ihrer Machbarfchaft, aus der folgenden Dars
legung der hiftorifchspolitifchen Begebenheiten, zumal:
der Mebellionsfriege an diefen Weftgrenzen Turfeftang,
in dem legten balben Yahrhundert, welche in Verbindung und.
Folge, ſchon mit den früher mitgetheilten.Dfungaren Handeln an
der Nordgrenze Turkeftans fiehen (in den Jahren 1756 und 1826),
auf deren frühere Auseinanderfegung wir deshalb auch hier zus
ruͤckweiſen (ſ. Aſien I. ©. 453 — 463, 468— 472),
Erläuterung 6.
Nebellionen der Khodjas gegen die chinefiichen Ufurpationen
in Oft Zurfeftan, zumal in Yarkand, Kaſchghar und Uſchi,
feit Mitte des XVII. Sahrhunderts. Politiſche —
haͤltniſſe gegen Badakhſchan und Kokand.
Die ältere Unterwerfung der verſchiedenen Staaten Oft:
Turkeſtans unter chinefifche Oberhoheit nahm natürlich, feit
der Mongholenherrfchaft auf dem chinefifchen Ihren, eine andere
Seftalt an, als zuvor, und mit der Mongholen ; Vertreibung aus
China mußte die Verbindung der neuen, halb tur£ifch gebliebes
nen halb mongholifch gewordenen Populationen, aller Ruͤh—
mung der Ming s Annalen ungeachtet, in den Jahrhunderten der
Ming: Dynaftie, feit dem, XV. Zahrhundert, die feine Gewalt
im Weften, außerhalb ver Grenzen des eigentlichen China,
auszuuben im Stande war, nur ſehr loder bleiben (f. oben
©. 379). Als aber die Eriegerifhe Mandfhu:Dynaftie den
chineſiſchen Ihron beftieg, und ihre eigene Heimat) auf dem Plas
teaulande, im DOften, fie in vielfahe Berührung mit ihren
Nachbarn den Mongholenftämmen im Weften fegte, ward
Oſt⸗Turkeſtan, Rebellionen der Khodjas. 507
von neuem der Anfang zur Unterjochung der Weſtlaͤnder
(Siyu) gemacht, der mit der Unterwerfung der Khalkas und
anderer Mongholenzweige im Morden und Weften begann (f.
Aſien I. ©. 394), und mit derjenigen der Delöth, Dfungar und
Turgut endete (f. Afien I. ©. 463— 468). In diefe Verwirruns.
gen aber wurden, eben fo, die dort einheimifchen turfifchen Voͤl—
fergefchlechter, deren Häuptlinge feit Timurs Zeiten vielfach mit
den Dfcbingiskhaniden ſich vermifcht hatten, verwicelt, fo daß
nur eine fortfchreirende Unterwerfung aller diefer vielfach rebels
lirender mongholifcher und turfifcher Dynaſtien, den wiederfehr
renden Frieden dauernd zu fichern im Stande war. Diefen öfs +
ter wiederholten Nebellionskriegen verdanken wir nun, feit einem
Sahrhundert, die genauere Kenntniß der innern Wölfers und
Sandesverhältnife, wie im Pe⸗-lu, d. i. den Landfchaften im
Morden des Ihians Schans Snftems, nämlich von Barful, Ili,
Sarbaghatai u. a. (f. Afien I. ©. 463), fo auh im Nanslu,
oder im Süden des Thian-Schan-Syſtems, das ift alfo in dies
fen eigentlichen Oft: Turkeftan, welches feitdem daher auch das
chineſiſche Turfeftan genannt werden fann, und welches
mit dem Peslu zufammengenommen das Sand der neuen
Grenze, oder Siyu, das Weftland, bildet.
Die Hauptmomente diefer Nebellionsfriege im Nanzlu (denn
im Peslu find fie ſchon früher nachgewiefen), durch welche noch
manche fpecielle Landes: und Völkerverhältniffe ihr gehöriges Licht
erhalten, find im Wefentlichen folgende. , Ihre Berichterjtattung
geht zum Theil von officiellen Documenten aus, da die Kaifer,
wie Kanghi 826) (1696) und Khienlong”) (1757), felbft en
“ #-
®
026) Yus Kaifer Kanghis Memoiren über Giyu 1696, in
Amiot Introduction a la Connaissance des Penples qui ont eté
ou qui sont actuellement tributaires a la Cliine in Memoires con-
cern. lhist. etc. des Chinois p. les Missionaires de Peking Paris
1789. 4. T XIV. p. 1— 238. 2?) Mailla Histoire generale de
la Chine. Paris 1780. 4. T.XI. p.538— 588. Hist. de Khien-
long (reg. 1736— 1796); Amiot Monument de la Conguete des
Eleutlis in Memoires conc. hist. etc. des Chinois, Paris 1776. 4,
T.1. p.329— 399. Relations des Troubles de la Dzoungarie et
de la Petite Boukharie trad. du Chinois, p. Klaprotli in Magasin
Asiatig. Paris 1826. 8. T. II. p. 187 — 208. Memoires sur le Tbi-
bet et sur le Royaume des Fleutbes nouvellement subjugue par
P’Empereur de la Chine avee une Relation de cette Conquete in
Letires edifiantes et curieuses eto. Nouy. Edit, Paris 1781. 8.
T. XXV. p. 1— 56.
—
2
508 Weſt-Aſien. 1. Abſchnitt. 9% %
rarifchen Antheil an der Redaction der Kriegsberichte Aber ihre
Siege nahmen, in welche fie den größten Ruhm Ihrer Herrfchaft
festen (Afien I. ©. 467). Bon der jingften Rebellion (1826 bis
1827) war ſchon früher die Nede (f. Aſien I. ©. 4685— 472),
Kaifer Kanghi fagt uns, daß die Bewohner von Siyu vordem
Soueuldfan (Tu eulh, d. i. Turku, und Fan, d. i.
Fremdling) hießen, daß fein Vorfahr aber im Zahre 1647
diefen Damen in Tou lou fan umgeändert habe, weil dies dem
Laute ihrer eigenen Ausfprache näher fomme. Diefe Namens
änderung fev bei der Ankunft der Embaflade des Sultan
Ablunmuhan in Peking gefchehen, welche dem damals erſt feit
wenigen Sahren auf den chinefifchen Ihron geftiegenen Kaifer
(Chuntchi, feit 1642) ungemein fehmeichelte. Diefer Sultan
war nämlich ein Dfehingisfhanide, aus dem Haufe Dfchagatat,
und feine Ergebung war die erfte Interwerfungsacte 7, feit
200 Jahren, eines Machfolgers Dfchingisfhans,
Der Kaifer nahm den Tribut an, beftimmte wegen großer
Entfernung die Zahlung deffelben nur auf alle 5 Jahre, und die
Tributkarawane follte nur aus 100 Perfonen beftehen; der Tris
but war nur auf 2 Handpferde und 10 Zugpferde feftgefegt. Die
Einfäufe der mit der Karawane gefommenen Handelsteute follten
nicht von ihnen felbft in Peking gemacht werden, fondern aus
befonderer Gnade unter dem Schutze des Fremden-Tribu—
nals, damit ſie nicht betrogen werden koͤnnten.
Der Kaiſer ließ Nachforſchungen uͤber die alte Hiſtorie die⸗
ſer Tou lou fan, oder Turku, anſtellen, und es fand ſich, daß der
Anfang ihrer Herrſchaft, in Turfan, in die Zeit der Thang-Dy—
naftie (in das Jahr 746 falle). Die frühern Bemühungen, ſeit
dem Anfange des XV. Jahrhunderts, fie für China zu gemins
nen, waren vergeblich geweſen. Mit dem weit fernern Weften,
mit den civilifirteen Beherrfchern von Sa ma eulh han, deai.
Samarfand, war man zur Zeit Timurs und feiner Nachfol⸗
ger (Schah Roks Embaſſade, im J. 1414; ſ. Aſien I. ©. 214 u. f.)
allerdings ſchon fruͤher in China wieder in Verbindung getreten.
Die Memoiren Kaiſer Kanghi's führen an??), daß König Ti:
murvon Samarfand im %. 1388 und 1395 nach China Tribut
(d. h. Geſchenke und Embafjade) geſchickt habe: Kameele und
⸗220) Amiot Introduction in Mem. conc. I. Chinois T. XIV, p. 15.
22) ebend. T. XIV. p. 33.
Oſt⸗Turkeſtan, Rebellionen der Khodjas. 209°
Pferde; eben fo im Jahre 1407 und 1425 Haly G. i. Khalil,
Sohn Miran Schahs, drittem Sohne Tamerlan’s). Auch vom
Sahre 1478 habe Ahema (d. i. Ahmed, der Enkel Khalile)
2 Löwen gefchieft, und im Jahre 1482 ſeyen wiederum Embaflas
den von Samarfand in China angefommen. Seitdem aber
fcheint der Verkehr mit dem Siyu, bis auf das genannte Jahr
1647, ausgeblieben zu feyn, weshalb diefe Unterwerfung um fo
erwuͤnſchter war.
Jedoch fcheint fie von keinem fruchtbaren Erfolge geweſen
zu feyn, da nun das Delöth-Neich des Galdan (1696) und
das DfungarensNeich des Amurfana in Turfan, bis zum
Sahre 1756 die chinefifchen Herrfcher in beftändige Kriege gegen
den Weſten verftrickte (f. Aſien I. ©. 460).
Mit der Flucht des Amurfana nach Tobolst und feinem
Tode (1756), wie mit Ausrottung der Dfungarenmacht und
‚der Unterwerfung von Ili, waren aber die mohammedanifchen
Dopnaften der Hoeihei, oder Turkſtaͤmme im Süden des
Shian-Schan: Syftens noch Eeineswegs unterworfen. Nun erft
mußten auh Yarkand, Kaſchghar, Uſchi und die andern
davon abhängigen feit Galdan Tferens Zeit von den Dfangaren
unterworfenen Herrfchaften in Belis genommen werden (Ajien I.
S. 463).
Amurfana’s Partei hatte, noch ihre Anhänger, die ſich neue
‚ Gewalt zu verfchaffen fuchten. Der angefehenfte der Prinzen
Oſt-Turkeſtans, oder der fogenannten Kleinen Bucharei Mies
gion Hoamen, oder auch Hoeipu, d. h. Horde der Mos
hammedaner genannt), war Mahmud Khodja (Hotfhan
bei Mailla) gewefen, der ganz abhängig. von dem Dfungaren Khan
(Davatfi), ihm Tribut zahlen mußte. Von feinen Unterthas
nen fehr geliebt, hatte er deflen Beifall fo ganz zu gewinnen ges
wußt, daß diefer ihm die Adminiftration aller Städte des Landes
anvertraut hatte, die von den Gebirgen des Thfungling und
dem Thian Schan umgeben waren (alfo ganz Oſt-Turkeſtans).
‚Seitdem war Mahmud Khodja ald Gouverneur der (Kleis
nen) Bucharei angefehen und hatte feine Kefidenz in Yarkand
aufgeſchlagen. Die Zuneigung der Städter gab ihm Macht, und
ſchon geneigt fi zum Meifter des Landes zu machen, ward fein
3°) Lettres edif. 1. ce. XXIV. p. 22; Relation des Troubles in Mag.
Asiat. II, p. 19.
510 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 9 5.
Verrath jedoch vom Dfungaren Khan durchfchantz er ward nach
Se entboten, und auf mehrere Jahre nah Abakaſek gefangen
gefesst. Dann durfte er zwar wicder frei umbergehen; war aber
ftets unter polizeilicher Obhut bis zum Cinmarfch der Chinefen ger
blieben. Er wurde, nach der Erzählung Maillas, in der Megier
rungsgefchichte Kaifer Khienlongs 31), von diefem alsbald, durch
den General Panti, im Freiheit gefest, erhielt feine Staaten
in Turkeſtan zurück, mit dem DVerfprechen kaiſerlichen Schußes,
Khienlong gab ihm auch feine Großen zurück, heißt’ es, und übers
fchüttete ihn mit Wohlthaten. — Aber er wurde undanfbar,
Das Joch der Chinefen ward ihm bald eben fo unerträglich, wie
das och der Oeloͤth. Sobald die chinefifche Armee nur ein ges
ringes Ungluͤck hatte, zeigte er fich treulos. Er fcheint jedoch bald
feinen Tod gefunden zu haben; denn es mwird feiner nicht weiter
gedacht; wol aber fogleich feiner Söhne im Yahre 1758,
ö Ihn überlebten feine beiden Söhne: Bulatun, oder Djas
gan Khodja genannt, und Khan Khodja, oder Khodjid—
jan, welde bei dem Volke nur unter dem Namen des alten
und des jungen Khodja, oder wie Mailla fagt, als gros
Ger und Eleiner Hotfchan, befannt waren. Der Dfungaren
Khan hatte den Bucharen Oft: Turkeftans nun Gefege gegeben,
ihnen Tribute auferlegt, fie feinen 21 Nganki untergeben, die er
mit erblichen Ländereien begabte, Die Großen des Landes hatte
er mit der Verhaftung Mahmud Khodjas ebenfalls aufgreifen
laffen, und unter die Delöth Chefs als Sclaven vertheilt, fo daß
die Nation der Bucharen in ihrem nationalen Zufammenhange
gar feinen Beftand mehr hatte.
As Ili von dem chinefiihen Heere erobert, und Amurfana
zum König der Delöth erhoben war (f. Alien I. S. 459), ſchickte
der fiegreiche chinefifche General Panti auch diefe beiden Prins
zen in ihre Heimath zurüd. Der ältere Bruder, den Mailla
Khodja (Hodfchan) von Yarfand nennt, mwünfchte zwar dort
alle Städte zu vereinen, und ſich mit ihnen dem Kaifer von
China zu unterwerfen. Aber der jüngere, der Khodja (Hods
fhan) von Kafhghar, nah Mailla, der gleich fo vielen
andern Häuptlingen, ald Geißel nach Peking gefchlept zu werden
fürchtete, wollte zu den Waffen greifen und alle Verbindung mit
China abſchneiden. Geſchwaͤcht und halb verhungert, war feine
#31) Mailla Hist, Gen. de la Chine T. XI. p. 563.
Oſt⸗-Turkeſtan, Rebellionen der Khodjas. 511
Anſicht, koͤnnten jedesmal nur die chineſiſchen Heere, bis zu ihren
Städten im Siyu vordringen. Sein Empörungsplan ging dur; '
die Gouverneurs der Städte und die einheimifchen Fürften, die
Hakim Begs, geboten durch das ganze Land in Staͤdten und
Dörfern, Pferde und Waffen bereit zu halten und den Befehlen
beider Khodjas gewärtig zu fenn. Faſt alle Bucharen, heißt es
nun, an 100,000 Familien erhoben fich in Maffe.
Doch hatte die Ruͤckkehr beider Khodjas die Pläne einiger
andern Großen durchkreust, die in Feindfchaft mit der Familie
diefer Khodjas lebten. Es war der Hakim Beg von Kutfche,
Ddoui genannt, und fein Sohn Prinz; Othmanz bdesgleichen
der Hafim Beg von Bai (oder Paitiching, ſ. oben ©. 449),
Kadamet genannt, und fein Sohn Prinz Abdurrahman u. a. m.
Auch Chadi berdi von Akſu und fein jüngerer Bruder Ak—
bef, von den Unternehmungen der Khodjas überrafiht, flohen
über das Schneegebirge nach Ili und begaben fi in den Schutz
der Ehinefen.
Die Gebrüder Khodjas wurden dadurch zu offener Empds
rung geführt; fie warfen nun die Maske fcheinbarer Ergeben⸗
heit ab, viele Städte traten auf ihre Partei, und der Junge
Khodja, voll Lift und Thätigkeit, ward der Leiter der Ganzen.
Da die Stadt Kutfche als der Schlüffel zur neuen Linie
(f. 06. ©. 446), oder dem ganzen bevoͤlkerten Theile Oftz
Turfeftans, die Eleine Bucharei genannt, angefehen wurde,
fo ernannte er den Abdul Kerim, einen der treueften feiner Offis
eiere, zum Hakim Beg dafeldft, und verftärkte die Garnifon dies
fer Fefte durch Kerntruppen,
As Tſchao hoei, Commandant von Ili (1. Alien I. 460),
zuerft von diefen Unruhen Laͤrm fcblagen hörte, fhickte er ein -
Obfervationscorps unter General ymintu, aus 100 Mandfchu
und 100 Bocharen beftehend, welche Odoui und Kadamet
Anführten, mit 2000 Delöth, gegen Kutfche. Dies Corps übers
flieg das Gebirge Moltus (ſonſt Muſſur dabahn, f. Aſien I.
©. 331), direct, gegen diefe Stadt, als beabfichtige es nur zu
fouragiren; e8 war aber mit recognosciren beauftragt. Vor den
- Stadtmauern fand man ermordete Bucharen, Verwandte des
Ddoui; dennoch wagte ſich Jmintu in die Stadt, ward aber
erkundet und ermordet.
Der Eaiferliche Befehl von Peking kam auf diefe Nachricht
an den Generals Sznfpector in Barkul (f. Afien J. ©. 379)
512 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $. 5.
Harfha-Khan®??), mit 10,000 Mann Chineſen und Mans
dſchu, durch Turfan zu marfchiren und Kutfche zu züchtigen.
Die befeftigte Stadt widerftand einen Monat lang der Blofade,
Die beiden Khodjas von Yarfand famen mit 10,000 Mann auss
erwählten Truppen, worunter 8000 Musfetire von den Dzanba—⸗
las (2) waren, zu Hülfe Sie durchzogen auf Eürzeftem Wege
die Wuͤſte von Akſu, und lieferten den Chinefen im Süden von
Kutfche eine Schlacht, die einen ganzen Tag währte. Der Sieg
blieb auf Seite der Chineſen; 6000 der Hülfsvölfer blieben todt
auf dem Schlachtfelde, die Uebrigen mit ihren Khodjas warfen
fih in die Stadt.
Kutfche, fagt der hinefifche Armeebericht, ift an den Fuß
der Gebirgsfette geftügtz die Stadtmauern und Wälle find aus
Faſchinen und Sand fihußfeft gegen Kanonen aufgeführt, Die
Chinefen’ fingen eine Li von der Stadt ihre Minen anz aber
ſchon weit in denfelben vorgedrungen, wurden fie von der Stadt:
garnifon entdeckt und unter Waſſer gefegt, wobei 10 Dfficiere
und 600 Soldaten erfoffen. Hierdurch wurde die Belagerung
verzögert, und Odoui rieth fihon zum Abmarfch, weil fich dann
der Shan Khodja mit feinen Truppen nah Yarfand zurücds
ziehen müffe. Dahinmwärts koͤnne er auf nur zwei möglichen
Wegen ihrer Verfolgung nicht entgehen. Nähme er nämlich den
Ruͤckzug direct durch die Wüfte (Khefchel Gobi), fo fey fein Uns
tergang gewiß; wähle er aber die große Karawanenftraße, weft:
wärts über Akſu, ſo müffe er im Weften von Kutfche die Ges
birge im Tribus der Weigan (wol Bai) durchfegen, wo die
Fluß-Furth (am Ukiat, f. ob. ©. 448) allein für Menfchen und
Vieh einen Uebergang gewähre. Stelle man nun hier, in die
Engpäfle der Weigan, nur 1000 Mann, fo würde wenig von der »
Khodjapartei ihnen entfchlüpfen koͤnnen.
Der chinefifche General feste aber ungeirrt die Belagerung
fort. Beide Khodjas entfloben im Dunkel der naͤchſten Nacht
aus dem Weftthore der Stadt Kutfche, von ihren Bucharen be:
gleitet, durch die weſtlichen Gebirgspaͤſſe. Noch war es im chine—
fifchen Lager nicht bekannt geworden, als die Khodjas fehon vor
den Ihoren von Akſu anlangten. Aber diefe Stadt, fo wie die
folgende, Ufchi, verfchloß den Nebellen ihre Ihore, und fie was
‚ 22) Mailla Nist. Generale des Chinois T. XI. p. 554.
Oſt⸗Turkeſtan, Kebellionen der Khodjas, ‚313
von genöthigt ohne alle Verftärkung, ganz erfchöpft an Kräften,
nach Yarkand heim zu gehen.
Nun öffnete die Stadt Kutfche ihre Thore den Chinefen ;
an taufend bucharifche Soldaten wurden fogleich von diefen beim
Einmarſch in die Stadt niedergehauen. Odouis Sohn, Ot h⸗
man, deilen ganze Verwandtichaft in der Stadt ermordet war,
ward zum Hakim Beg von Kutfche eingefegt.
As dem Kaifer Khienlong der Armeebericht zukam, worz
aus er erkannte, daß der General-Fnfpector Yarkha Khan die
Schuldigen hatte entweichen, die Unterwürfigen in der Stadt aber
maſſacriren laflen, erzürnte er und verurtheilte ihn zum Tode,
Zu gleicher Zeit aber befahl er dem Tfchaohoei, als General:
| Inſpector, und deſſen Adjutant Foute mit frifchen Truppen in
die Bucharei (das bevölferte Oft» Turfeftan) von Ili aus einzu—
| rücen. Dies gefchahe mit folcher Schnelligkeit, daß die Armee
ſehr bald fchon (das Fußvolk traf erſt fpäter ein) vor den Thoren
von Akſu fand; Foute ward mit 2000 Mann der beften Trup—
pen der Solon und Mandſchu als Avantcorps nach Yarkand abz
geſchickt. Hier trat der erften anlangenden Hälfte des Corps fos
| gleich der Khan Khodja, aus der Stadt, mit 10,000 Mann in
Schlachtordnung entgegen, und drängte die Chinefen, die weit
geringer an Zahl waren, dicht an den Fuß des Berges; als
Fouté mit der andern Hälfte des Corps nachkam, bedrohte ihn
ahnliches Schiekfal. Der Vorftand des Nevolutionsraths follte
ihm mit taufend Mann, durd Lift, Sand und Staub erregend, -
als rückte ihm eine weit größere Gewalt entgesen, von feinem
Wege ablenken; aber Foute gelang es dennoch, fich mit dem.
übrigen Chinefenz Corps zu vereinen, und den Feind zu fchlagen,
der ſich in die Stadt Yarkand zurücdzog. Die hinefifche Armee
309 ſich ebenfalls wieder zurück und nahm ihre Quartier in
Affu ein.
Der Kaifer von der fihlechten Wendung der Dinge benach—
richtigt war genöthigt ein neues Heer Mandfhu, Solonen,
Tſakhar, Mongholen und Chinefen aufbrechen zu laffen,
das auch in Eilmärfchen zeitig genug in Akſu eintraf, In dies
fer Stadt ward Khoda birdi als Commandant eingefeßt, das
‚große Heer unter dem General: Znfpector mit dem Adjutanten
Fouté, und dem Präfidenten, marfchirte gegen Yarkand,
deſſen man fich auch in kurzem bemächtigte, Der Khan Khodja,
Ritter Erdkunde VII. ge
welcher der fo verftärften Chinefen Armee nicht mehr Widerftand
feiften Eonnte, floh, von feinen Verwandten umd einigen taufend
Gefährten umgeben, aus Yarfand nad Jlitfi, oder Kho—
tan cf. 06. ©. 352). Die Yarfandbewohner trugen den Chine
fen Erfrifchungen frohlodend (jagt der chinefiihe Bericht) entges
gen. Die Stadt ergab fih und Tfchaohoei®?) zog triumphis
gend ein. Seine Worte, in dem Armeebericht an den Kaifer,
lauten. fo: Sch trat zu dem einen Stadtthore ein, und 309 zum
andern wieder hinaus; das Wolf hatte fich in allen Straßen, die
ich durchzog, in langen Reihen auf die Knie geworfen, und blieb
in diefer Stellung während meines ganzen Durchzugs. Ich fprach
von Zeit zu Zeit ihnen einige ermuthigende Worte zu, und fuchte
ihnen das große Glück begreiflich zu machen, das ihnen zu Theil
werden würde, wenn fie fortan dem Scepter Ewro Majeftät ger
treu ſeyn würden. — Es ward ihnen übrigens verfprochen in
Sitte und Religion feine Aenderung bei ihnen vorzunehmen.
Aber Tſchao hoei zog weiter gegen Zlitfi (Khotan),
wo Khan Khodja ihm in Schlachtordnung entgegentratz; in Yarz
fand war Odui als Hakim Beg zurücgeblieben. Bei den
Scharmügeln,- die vor Zlitfi bald in Gang kamen, ward ein
Prinz der Bucharen Abdul Kerim, der durch Ruhm als Kries
ger berühmt war, durch den Pfeilfchuß eines Solonen getödtet,
und dies jagte feiner Partei fo großen Schreden ein, daß fie for
gleich die Flucht ergriffen und den Chinefen das Schlachtfeld
überliegen, worauf auch Khotan in ihre Hände fiel. Diefer pas
niſche Schrecken erklärt fich, wie wir aus Al. Burnes erft aus
dem Munde der Yarkanter jüngft eingefammelten Nachrichten er:
fahren, wol daraus, daß die Glieder der Familie der Khodjas 3)
ihre Autorität durch religiöfen Einfluß, als Mohammedas
ner, befaßen, und der Wahn beim Volke Statt fand, als könn:
ten fie dem Feinde jedweden Schabernad anthun und jeder Ges
fahr ſich ausfegen, da fie für unverwundbar und ſchußfeſt
galten, ein Aberglaube, der feines innern Widerfpruches mit der
Erfahrung ungeachtet auch heute noch hier fortbefteht, und daher
die Meinung, jeden muͤſſe Unglüd treffen, der einen Khodja bes
leidige,
24) Relation des Troubles in Magas. Asiat. N. p. 201; Mailla
Hist. Gen. I. c. T. XI. p. 565. Lettres edif. XXIV. p. 24; Mem.
conc. Vhist. d. Chin. I. p. 380. 22) Al Burnes Trav. 1. e.
It. p. 227. \
Oſt-Turkeſtan, Rebellionen der Khodjas. 515
Hierauf eilte Tſchaohoei, nachdem er in beiden Städten
feine Einrichtungen getroffen, auch nah Kaſchghar, wo ‚fich
die Hauptftadt fogleih auf Diferetion ergab; fie wurde von dem
Sieger gleich milde behandelt; denn die Partei des Khodja ents
floh. Mit größter Ruhe, Mäßigung und Ordnung war diefe
Befignahme gefchehen und mit wenigen Mitteln 35), durch die
große Klugheit und den Character des Feldherrn Tſchaohoei fehr
viel erreicht. Er war faft ein ganzes Zahr ohne Nachhuͤlfe 98:
blieben, ohne Pferde, ohne Geld, ohne Proviant, nur mit 300 bis
400 Mann fich ſelbſt überlaffen, in unbefanntem Feindesgebiete
auf allen Seiten umringt, wo ihm überall Fallſtricke gelegt wa—
ten. Er hatte ſich zu erhalten ja zu vertheidigen gewußt, bis zur
Ankunft der erbetenen Hülfe, mit der er nun erft nach) einiger
Kaft und Frholung der Truppen in den Städten die Verfolgung
der rebellifchen Häuptlinge bis nad) Badathf ge 36) fortzu:
fegen im Stande war.
Sehr Iehrreich über den Zuftand des Landes Kaſchghar if
der Napport, den der General: Infpector Tſchao hoei aus
dem Yager an den Kaifer nad) Pefing fihrieb, von welchem Ab:
ſchriften an die Großbeamten des Neiches vertheilt wurden, da
er für mufterhaft galt, und fo als ein officielles Acten—
ſt uͤck ) aud in die Hände der Jeſuiten Miffionare Fam, von
denen Mailla und Ampyot ihn mitgetheilt haben.
Er ift datirt im Lager vor Kafchghar, vom 13. Sept,
1759 (dem 22ften des Tten Monats des 24ften Negierungsjahres
Kaifer Khienlongs).
Außer den beiden Hauptfiädten Yarkand-und Kaſch—
ghar, fagt der Napport, Famen in dem Lande der Mohams
medaner (Hoeipu, d. i. die fleine Bucharei) noch 17 andere -
große und Eleine Städte, und 16,000 Dörfer und Weiler in die
Gewalt der chinefifchen Faiferlihen Truppen.
In dem Gebiete von Kafchghar brachte die Zählung
der durch die chinefifchen Beainten revidirten Negifter zwifchen
50 bis 60,000 Familien, ohne die, welche den rebellifchen Khod⸗
jas auf der Flucht gefolgt waren, und ohne 12,500 zum Exil
Lettres Edif. T. XXIV. p. 35. _?*) ebend. T. XXIV. p. 37,
27) Mailla Hist. Gen. de la Chine T. XI. p. 565 — 572; —
eonc. l’Hist. d. Chin. T. 1. p.3835—396; Lettres Edit, l, €
XXIV. p» 25—34.
8t2
516 Welt Afien. I. Abfchnitt. $ 5.
Berurtheilte, die nah Ili gefchieft wurden, um dort den
Acer zu bauen. Dies war die Strafe, welche die zuruͤckgebliebe⸗
nen Nebellen traf. — Diefe Summe von 60,000 Familien iſt
wahrfcheinlih nach den folgenden einzelnen Aufführungen von
dem ganzen eroberten Lande zu verftehen, da weiter un—
ten von Kaſchghar allein nur 16,000 Familien zu 100,000
Mäuler veranfchlagt, nach demfelben Documente aufgeführt- werz
den. In derfelben Proportion würden die 60,000 Familien zu
375,000 Mäulern, oder Seelen, zu berechnen feyn, ats Popu⸗
lation des Ganzen.
Tſchaohoei verfichert, in allen diefen und den folgenden
Angaben feines Rapports an den Kaifer, die größte Genauigkeit
und Gewifjenhaftigfeit angewendet zu haben, deren er fähig fey.
Die ftatiffifhen Notizen, die er feinem Gebieter vorlegt,
find Folgende, N
Die Stadt Kafhahar habe etwas über 10 Li Umfang
(vergl. ob. ©. 416), enthalte aber, da.fie fehr entvölfert und vers
arme fey, gegenwärtig nicht mehr als 2500 Familien. Oftwärts
davon, bis Ufchi und Affu, liegen die 3 Städte, Poifons
pathotchil (Poi ſou pahotıhel), PBoiinfe (beide uns unbes
Fannt), Eutorche (Aratufchi, f. ob. S. 418), und zwei große
Dorfichaften: Perferguen und Arvouat (beide uns under
fannt), zufammen von 6000 Familien bewohnt, 2
Sm Weft von Kaſchghar wohnten die Purut Ertchi—
pen (bei Mailla; Antchiien bei Amiot; es iſt wol Andidjan
gemeint, in Kokan; ſ. ob. S. 483). Zwiſchen beiden liegen die
Staͤdte Paha ertouche (wol ein weſtlicheres Aratuchi, das uns
unbekannt), Opil (7) und Tajamelik (das uns bekannte Taſch—
balig, ſ. ob. S. 418); fo wie die Dörfer Sairam und Tokou—
ſak zuſammen mit 2200 Familien.
Sm Süden von Kaſchghar liegen auf dem Wege nach
Harkand: 2 Städte, Inkatſarhan . i. Inggachar, f. ob.
©. 417) und Kalik (? uns unbekannt); mit 2 Sleden: Tofoz
bun und Kavalfar, weldhe 4 Orte zufammen 4100 Sonzlien
(bei Mailla, 4400 bei Amiot) enthalten.
Im Norden von Kaſchghar wohnen die eigentlichen
Purut (Burut, f. ob. ©. 451); che man zu ihnen über die
Grenze gelangt, paffirt man die Stadt Arfoui (wol Aragan,
ſ. 0b. ©. 419) und das Dorf Horhan mit 800 Familien. Die
Summe allge diefer Familien, an 16,000, ſchlaͤgt Tſchaohoei
Dft:Turkeftan, Statiftifche Berichte, 517
auf 100,000 Mänler an. Diefe werden, fährt er weiter fort,
von 15 Dberbeamten regiert, nämlich: von einem Hafim, dem
Inſpector aller fädtifchen Angelegenheiten, uhd dem Hichehan
feinem Gehälfen. Zu diefen fommen 1 Hadji, als Richter;
1 Marab, als Einnehmer und Inſpector der Aecker und Waſ—
fer; 1 Nekeb, als Auffeher der Arbeiter; 1 Patachab, als
Polizeiinſpector; 1 Motachep, der Auffeher von Echulen und
Sempeln; 1 Mutufoli, als Sntendant des Commerzes und der
Ober: Polizei; 1 Toufonan, als Ober-Poftmeifter und Reife
commiflarius; 1 Putchifer, als Zollinfpector; 1 Kerentfcha:
rab, als Inſpector der fremden Waaren; 1 Arabab, als Zoll:
einnehmer in den Dörfern; 1 Chehoun, als Erecutor unter den
Zoufoan (ob die Tugean, oder Tungani, f. 0b. ©. 471); 1
Pakmaitar, als Inſpector der Gärten und Weinberge, und
1 Minbek, der mit 1009 Mann Garnifon der Kriegsgouverz-
neue ift. Der neue Hakim Beg ward vom Kaifer felbft ber ,
ſtimmt; die übrigen Chargen wurden vom Generals nfpector er:
nannt, ihnen die Grade und Mandarinate ertheikt, und der Tri:
but dickirt, den fie an den Hof zu Peking zu entrichten hatten.
- Ueber die Abgaben giebt Tſchaohoei feinem Gebieter
nähern Auffchtug zu Fünftigen Einrichtungen, und um feine vors
läufig genommenen Maaßregeln zu rechtfertigen. Unter der frür
hern Herrfchaft des Galdan und deſſen Nachfofgers, des Ife Bang
Arabdan (f. Afien I. ©. 452), hätten die Landesfuͤrſten ein jährz
liches Einfommen von 26,000 Tenke (d.i. Tanga, f. 0. S. 394)
gehabt. 1 Tenke fey = 1 Tael Silber Chinef. (1 TaelEhinef.
it = 1 Unze Silber in China; damaliger Zeit an Werth 7 Livres
10 Sols nah Amiot; = 2 Silber; Rubel nach Timkowski, ſ. ob.
©. 416). i
Unter dem Galdan Tfereng (f. Afien I. ©. 458) waren die
Abgaben bis auf 67,000 Tenfe (Tanga) gefteigert worden; außer
40,800 Pathma an Korn (1 Pathma = 45 Teou, oder chine—
fifches Maaß); 1463 Icharat Baumwolle (1 Tcharaf = 10
Pfund Ehinef.), und 365 Tcharak Saffran. Außer diefem hats
ten noch zwei befondere Tribus, die Kofak (d. i. Kirgis Kafak)
und Tchokobaches, jährlich) 26,000 Tenfe Tribut zu zahlen,
worüber diefe unter einander einig geworden waren, in der Abs
tragung jährlich zu alterniren. -
° Die Gilde der Kaufleute zahlte, außerdem noch, einen
Tribut von 20,000 Tenke, 4 Stück Teppiche, eben fo viel Stüd
518 Weſt-Aſien. I Abfchnitt, % 5.
Sammet, 26 Stuͤcke andere Stoffe und 26 Stuͤcke Filz, woraus
Lamas und Moscoviter ihre Kopfbedeckung machen.
Die Delöth, weldye in Kafchghar angefiedelt waren, zahiten
außer den gewöhnlichen Abgaben, gleich den andern, auch noch
10 Unzen Gold für jede zehnte Familie,
Die Eigenthimer der Gärten und der Weinberge was
ren, zu 7 und 7, in Regiſter verzeichnet, die jedesmal, zufammen,
1000 Pfund trodne Weintrauben von der gelben und blauen
Sorte einzuliefern hatten. Unabhängig von dem vorhergenann:
ten, hatte die Kaufmannfchaft jährlich noch 500 Pfund rothes
Kupfer einzuliefern; diejenigen aber, welche mit den Mosco:
vitern Handel trieben, oder nah Hindoftan (Ouentuftan),
mußten ein Zehntheil ihres Gewinns abzahlen, wenn fie heims
fehrten; die nach andern, fremden Ländern aber nur ein
Swanzigtheil, So war der alte Brauch und die Tributeins
treibung, welche auch von Tſchaohoei, im Namen des Kaifers
beftätigt ward. Aber, nur felten, bemerkt der General: Jnfpector
in feinem Rapport an den Kaifer, wurden diefe beftimmten Ans
gaben auch genau entrichtet. Die fo verringerte Zahl der Be:
wohner des ungemein verarmten Kaſchghar empfahl derſelbe dem
Kaifer aus Mitleid zu Fünftiger Gnade, da das Unglück der Zeit
diefelben nur fihon zu beflagenswerth gemacht habe.
Unter dem legten Khodja fihon hatte fich der Tribut an
Geld bis auf 20,000 Tenke vermindert; in Korn auf 2564 Pas
tham u. f. w., und der Verfall des Landes war fichtbar,
Bei dem fchlechten Ackerboden war auch an fein fchnelles Aufs
fommen zu denfen. Denn der Aderboden, bemerkt Tfchao:
hoei, fen feineswegs fruchtbar; in guten Jahren könne man
nur auf das Tte und Ste Korn rechnen, in den gewöhnlichen
Jahren auf das Ate und 5te, in den fchlechten höchftens auf
das 2te und 3te. Die Ländereien der verjagten und beftraften
Kebellen hatte Tſchaohoei den Pächtern zur Cultur überlaffen,
unter der Verpflichtung der Hälfte des Ertrages an dem Kaifer
abzuliefern,
Die 7 Gärten 33) des Khan Khodja von Kafchahar liefers
ten jährlich 1000 Pfund trockne Trauben, oder Kofinen,
ohne Kerne, vom Hieblichften Geſchmacke; Tſchaohoei hatte
feine Befehle gegeben, auch dies Jahr die ganze Ernte zu dörren,
***) Mai!la Hist. Gen. de la Chine T. XI. p. 570.
Oſt-⸗Turkeſtan, Statiſtiſche Berichte, 519
‚and für das naͤchſte Frühjahr zu Hofe nach Peking, zu fchaffen.
Nur im Schatten, bemerft er, fünne man dieſes Dörren der
-Rofinen vornehmen, deshalb es viele Zeit Eofte, che fie zur Volls
kommenheit kaͤmen. Außer diefen 7 hatte der Khodja noch 15
andere Weinberge, in verfchiedenen Lagen befeflen, die er ges
waltfam dem einen und dem andern feiner Untertanen entriffen
hatte, deren Frauen und Kinder noch lebten.
Hinfichtlich der Landesmünze hielt. der General⸗Inſpector
Tfhaohoei cs für nothiwendig Veränderungen zu machen, um.
dem fehr gejunfenen Verkehr wieder aufzuhelfen; fein Borfchlag
an den Kaifer fagte: den allgemeinften Curs im Lande von Kafıhs
ghar, Yarkand, Khotan und den andern Städten umher, hätten
die Münzen aus Kupfer vom Gewicht 2 chinef. Caſch, oder
von 75 einer chinefifchen Unze. Diefe hätten auf der einen Seite,
unter dem Galdan Tfereng, das Bild des Prinzen zum Gepräge
erhalten, auf der andern Seite einen mohammedanifchen Spruch).
50 diefer Geldſtuͤcke ſey = 1 Tenfe (Tanga in Varkand, oben
S. 394, Tanfeh in Akfu, ob. ©. 451) (= 1 Tasl Chinef.).
|
Da hier das Kupfer felten fey, fo brauche man, da die alte cur:
firende Münze zum Verkehr nicht ausreiche, nur etiva 10,000
Tenfe in 500,000 Stuͤck in Eleinfter Münze auszuprägen, weil
dies für das Beduͤrfniß des einheimifchen Bazar in jeder der
Städte hinreichen werde, um den Umſatz nicht ftocken zu laſſen.
Hierzu fönnten einige der in Kafchghar vorgefundenen, font un:
brauchbaren Kanonen, die 7000 Pfund. wogen, die gerade
500,000 Stü folder Münzen geben würden, benugt werden,
und ein zmecfmäßiges Gepräge würde die neue Münze durch die
4 Charactere erhalten: Khienzlong: ToungzPao, d.h.
Khienlongs Kupfer-Münze, mit der Legende auf dem
Revers: Kaſchghar, in mohammedaniſcher fo wie in
Mandfhu:Schrift ausgeprägt.
Zur Erhaltung der Untermuirfigkeit der neuen Eroberung! ver:
theilte Tſchaohoei überall hin durdy diefelbe Garnifonen, von
450 Mandfhu und 900 Mann chinefifchen Truppen, die von
Yongking und Kountfchu aus ihre Marfchrouten und Coms
mandos erhielten; in die Poften von geringerer Bedeutung, wie
nad Opil, Zajamelif, Tſchik, Aratufche, Paifupath (ob Pair
thing? f. oben ©. 449), aber nur 100 Mann chinefifcher
Soldaten, die von Yen ſiangſche aus commandirt wurden.
Die Mohammedaner wurden verpflichtet diefe Truppen zu vers
50 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 9. 5
—
proviantiren, wofuͤr ſie in den couranten Preiſen —9* werden
ſollten.
Hierauf ſchließt der Rapport des chineſiſchen Generals mit
der Bemerkung, daß dieſe Einrichtungen fuͤr jetzt getroffen waͤren;
ſollten aber andere nothwendig werden, ſo werde er daruͤber an
den Kaiſer berichten und die Befehle abwarten; in 3 Tagen ſey
er bereit, nun auch aus ſeinem Lager von Kaſchghar nach
Yarkand aufzubrechen, um daſelbſt diefelben Einrichtungen
zu treffen, und dann die Rebellen aufzuſuchen und ſie zu ſchla⸗
gen. — Ende des Rapports.
Die chineſiſche Armee brach wirklich am 18. Sept. 1759 ge⸗
gen Yarkand auf, wo dieſelben Anordnungen in Gang ‚tamen,
Tribut und Gericht eingefept wurden.
Beide Khodjas, von Yarkand wie von Kafchghar, die fi
ihrer feſten Pläge beraubt und ohne hinreichende Macht fahen,
zogen fich indeß gegen den Welten, mit ihrer Partei, in die Wild:
niffe des Belur Tag zurück, wohin ihnen der Adjutant Fouté
zur Verfolgung ſchon frühzeitig nachgefchieft ward. Dieſer er:
reichte fie zuerft bei Athour®P), unftreitig was wir im obigen
als Khartchu auf dem füdfichen Gebirgspaß nach Badakhfchan
nachgewiefen haben (f. ob. S. 503), obwol Feiner der bisherigen
Kommentatoren diefe Yocatität nachzumeifen wußte.
Da wir in dem folgenden Armeeberichte des General
Zoute, über feine Campagne im Belur Tag, die einzige.
neuere Duelle über die dortigen Gebirgsubergänge nad
Badakhſchan erhalten haben, welche bisher von den Geogras
phen ganz außer Acht gelaffen war, diefe aber unfere obigen Anz
gaben tiber diefelben noch mit einigen Details bereichert, fo thei—
len wir den Bericht hier nach allen topographifchen Einzelnhei-
ten, die darin erwähnt find, vollftändig mit, fo unbedeutend diefe
auch an fich feyn mögen.
An Parforcemärfchen, zu 100 Li jeden Tag, hatte General
Fouté den Flüchtlingen im Gebirge nachgefegt, aber es war
ihm doch nicht gelungen in dem erſten Gefecht, das fich hier mit
dem Feinde entzündete, diefen zu vernichten; er entfloh. Am
2, September (1759) meldeten die Spione, daß man, um den
—
—
Gebirgspaß gegen Reisen, eine große Menge von
-
»39) Mailla Hist. &en. de la Chine T. XI. p. 972; Lettres Edif.
T. XXIV. p. 38 etc.
ft: Turfeftan, Statiſtiſche Berichte. 921
Mohammedanern bemerkte, die hin und her zoͤgen, woraus man
ſchließen muͤſſe, der Feind habe ſein Lager im Gebirge ſelbſt,
auf faſt unzugänglichen Höhen aufgeſchlagen. Sogleich ward bes
fchloffen ihn in feiner Retraite aufzufuchenz ein Purut (d. i.
ein Berg-Khirgife) der feit langem. hier im Lande fich niederges
laffen und deſſen Gelegenheit genau fannte, gab dem General
ſelbſt folgende Ausfage: Dein Feind hat fhon den Berg übers
fliegen und ift nicht mehr fern von Badakhfchan (vgl. ob. S. 504).
Aber vorher, ehe er dort anlangen fann, hat er noch einen fehr
hohen Berg zu pafliren. Diefer liegt zwifchen zwei Seen; der
welcher dieffeit liegt, heißt Pou loung kol (wol Bolors
See), der welcher auf der andern Seite des Berges kegt, heißt
Sfilkol (Iſchilkul). Obwol es Fußpfade an beiden Seen
hin giebt, ſo ſind dieſe doch ſo enge, daß ein Heer nur einzeln,
Mann für Mann, hindurch defiliren kann, hoͤchſtens etwa 2 Rei—⸗
ter neben einander in Front durchdringen koͤnnen. Hat man den
Pou loung kol⸗See paſſirt, fo muß man den Berg erklettern, der
ſehr ſteil iſt. Auf deſſen Hoͤhe angekommen, entdeckt das Auge
das Badakhſchan-Land (es iſt alſo jener Tengi Badaſcia—
ſ. ob. ©. 504, der Grenzpaß). Dann ſiehſt du vielleicht des
Feindes Heer; denn fehr weit kann es davon nicht entfernt feyn.
— &o weit der Bericht des Purut.
Man wird auf Grimms Kartenzeichnung von Hoch: Afien
diefe beiden Seen, die auf allen andern Karten fehlen, nach)
Angabe der chinefifchen Driginalfarten (f. ob. ©. 347) ein:
getragen fehen; offenbar aber find fie, nebft dem Flußlaufe des
Bolor auf dem chinefifchen Original, und danach auch bei Grimm,
viel zu weit gegen den Norden hin ausgedehnt, wie fich dies aus
diefem Purntberichte unmittelbar ergiebt, und vergleichungsmeife
auch aus Al, Burnes Karte vom BolorsFluffe beftätigt. Uns
fcheinen die beiden genannten Seen ein paar Hochalpenſeen
nahe der Duelle des BolorsFluffes felbft ſeyn zu muͤſſen,
unmittelbar an der directen Gebirgspaflage nach Badakhſchan.
Statt des Namens Pou loung kol fteht bei Grimm, nach. den
hinefifchen Originalfarten, Tus kul; wol eine Verwechslung mit
dem Iſilkul oder Iskul, der dem Dfarif£ul, bei Al. Burs
nes, zu entfprechen fcheint. Die beiten hier in Rede ftehenden
"Seen glauben wir auf Burnes Karte dicht an die Duelle feis
nes Bolor-Fluſſes, eintragen zu muͤſſen; weil hier die dis
recte Gebirgspaflfage von Khartfchu liegt, die wir durch Ben.
522 Weit Afien. 1 Abſchnitt. 5 5
Goss fennen, und der Name Pouloung, offenbar, im Chines
fifchen die Umfchreibung von Bolor it. Wahrfcheinlich ift aus
General Foutes Armeebericht jene Kartenzeichnung erft
in den cbinefifchen Atlas aufgenommen worden. Sn demfels
ben Jaͤhre, 1759, war es aud), daß, bei Gelegenheit diefer Siege, .
der Pater Felix d'Arocha, Präfident des mathematifchen Tris
bunals vom Kaifer höchft eiligft in jene neueroberte Pros
vinzen gefebieft ward, um jene aftronomifchen Ortsbejtims
mungen bebufs einer neuen Neichsfarte zu machen, die wir oben
fhon angeführt haben (f. oben ©. 432). Denn fein Brief,
mit den erfien diefer Beſtimmungen ift von Kafhghars)
datirt, vom 26. November 1759; und fein 2ter, vom 8. Des
cember defielben Zahres, aus Yarkfand. Hätte er in jenen
Gegenden, da er biö Polveulh*), d.i. Bolor, das nach ihm
unter 370 N. Br. und 700 24O.L. v. Par. beſtimmt und darnach
auch in Grimms Karten richtig, von Al. Burnes aber um eis
nen vollen Längengrad zu weit oſt waͤrts eingetragen wurde,
vordrang, auch die Yage der Seen, des Schlachtfeldes am Pous
lung fol angegeben, fo wie die Badakhichanroute angedeutet, fo
wäre ficher feitdem auch in dem Gebirgslande felbft die Kartens
zeichnung beffer berichtigt, als es gegenwärtig der Fall ift, wenn
nicht andere politifhe Maaßregeln, etwa Zaloufie gegen
die Srenznachbarn, jene abfichtliche Entftellung veranlaßten
(f. ob. ©. 415). —
Die Gefahr fehredte den Chinefen General Foute nicht
von einem gewagten Ueberfalle zurück. Mit Sonnenuntergang
lieg er fein Truppencorps in größter Stille aufbrechen; in eini-
gen Stunden war das Seeufer paſſirt und die Mitte des Berges
erreicht. Hier gab er dem ganzen Haufen Befehl, mit Flinten
und Eleinen Feldftücen, die man (auf Maulthieren) bei ſich führte,
eine volle Ladung abzufeuern, um einen panifhen Schreden in
der Nacht zu verbreiten. Die Lift gelang; alsbald hörte man
ſchon aus der Ferne das Gefchrei von Weibern und Kindern, die
erfchrecft um Gnade und Erbarmung riefen. Dies verrieth die _
Stellung des Feindes, auf den nun mit Sturmfchritt vorgedrängt
84°) Lettres Edifiantes etc, Nouv, Edit. Paris 8. T. XXIV, p. 27,
vergl. p. 483. *1) Positions astron. in Mem. conc, etc. |],
p- 593; Mailla Hist. Gen. XI. p. 575. *°) Mailla Hist. Gen.
de la Chine T. XI. p. 573; Mem. conc, l’Hist. des Chin. 1.
p- 363; Lettres Edif. XAiV. p. 39,
Oft: Turkeftan, Grenzpaß gegen Badakhſchan. 523
ward; mit wiederholtem Abfenern. Wirklich war man fehon faft
in das Lager felbft eingefallen, und das Handgemenge begann, /
die Scharmügel dauerten bis zum Aubruch der Dämmerung;
blutig waren fie nicht, denn das Dunkel der Nacht ließ zwifchen _
Baum und Gebüfd) manchen Schuß zur Seite gehen. Die
Khodjas und ihre Oberofficiere entfamen durch die Flucht nach
Badafhfhan; außer den Gefallenen famen Viele der uͤbrigen
in die Gewalt der Chinefen. Man zählte, ald es Tag geworden,
12,000 der Gefangenen, Männer, Weiber, Kinder; man erbeutete
10,000 Waffen, Flinten, Säbel, Bogen, Köcher, Feldſtuͤcke, über
10,000 Rinder, Schafe, Efel und einige Pferde. — Dies der Ars
meebericht des General Foute, datirt vom 23, Novemb. 1759
(4ter- Tag des 10ten Monats des 24ften Negierungsjahres Khiens
longs).
Der entflohenen Khodjas habhaft zu werden (nach einer
Sage ſollte der eine derſelben im Gefechte geblieben ſeyn), die
fih in das Gebiet ihres Glaubensgenoffen des mohammedanifchen
Sultan von Badathfhan unftreitig nur um ihren Durch:
gang nah Hindoftan zu nehmen, geflüchtet hatten, ergingen
fogleich an denfelben Aufforderungen, fie auszuliefern. Die Briefe
des General Foute enthielten deshalb Verfprechungen und Dros
hungen zugleih. Der Sultan Schah von Badakhichan ants
wortete, daß er zu wenig über den Streit der Chinefen mit den
bisherigen Landesfürften vertraut fey, um hier den Schiedsrichter
zu fpielen; Übrigens verböte ihm feine Religion mohammedanifche
Slaubensgenoffen ohne gerechte Grunde in die Hände der Unglaͤu⸗
bigen zu überliefern. Er werde nicht übereilt handeln, fich eber
treu zeigen, fich genau unterrichten, und wenn er die Khodjas
ſchuldig finde, ſie ſelbſt en, nach Landesrecht und dem Ge⸗
ſetz des Koran.
KOM |
Der Ehinefe war wenig mit diefer Antwort befriedigt; aber
das Schickſal beginftigte ihn. Der eine der Khodjas ftarb bald
darauf an den empfangenen Wunden; der andere hatte den Sul—
‚tan in einem feiner Verwandten fchwer beleidigt, indem ex diefen
wenige Monate zuvor graufam hatte ermorden laffen. Zugleich
erfuhr der Sultan andere Ungerechtigkeiten, welche die Khodjas
begangen hatten, da man ihnen Schuld gab, von mehrern Terris
torien feiner Alliirten Tribut eingetrieben und die Bewohner eis
nes der Dörfer, das fich widerfegte, maflacrirt zu haben. Dies
koftete ihm nun jest feinen Kopf, den der Bultan von Badakh—
524° WefteMien, J. Abſchnitt. $ 5.
ſchan dem General Foute, mit Betheuerungen feines Reſpectes
gegen den Kaifer, zufandte, da er den Khodja als fihuldigen Vers
brecher beftraft habe. Zugleich erbot er fih, eine Gefandtfchaft
an den Kaifer nach Peking zu beordern, wenn ihm dies geftattet
werde, um feine Devotion mündlich durch feine Stellvertreter vers
fünden zu laffen. £
Diefer glückliche Ausgang des gefahrvollen Krieges erregte
beim Kaifer in Peking eine übermäßige Freude, als Triumph
über feine Feinde, den er fogleich mit allen üblichen Geremos
nien 8%), zu Ehren feiner Altvordern zu feiern befchloß, voll Stolz
den Ruhm firgender Mandſchu über das ganze chinefifche Reich
verkünden zu laffen. Er felbft feste ihr Elogium auf, und ließ
es in alle öffentlichen Zeitungen einrucen. Bon dem Badakh—
fhan Sultan wurden die Kefte der Khodja Leichen eingefordert,
um an ihnen, nach wahrer Barbarenart, in Peking die Vers
fümmelungen vorzunehmen, die man als Opfer für die Ahnen
der Mandfchu:Dpnaftie anfah (f. Aien I. ©. 92— 9). Der
Schädel des überfandten Khodja ward im eifernen Käfig der
Schauluft des Volks in Peking dargeboten, der Friede proclas
mirt, Tſchaohoei, der perfönlich Bericht abftattete, vom Kaifer
zum Range eines Kung), d. i. Prinz der 5ten Elaffe
(Comte fagen die Miffionaire), mit allen Würden der Negulos
erhoben; andere Ehren wurden an die Generale Foute und
zwei andere Oberbefehlähaber (die unter andern auch darin bes
ſtand, in ven Hof des Kaiferpalaftes zu Pferde einreiten zu duͤr⸗
fen) übertragen. Anderen andere, und durch eine Proclamation
ward verfprochen, daß Fein Einziger, der an dem glorreichen Feld-
zuge Iheil genommen, unbelohnt bleiben folle. Foute wurde
erbliher Heou, alle treu gebliebenen Bucharenhäuptlinge wur⸗
den mit Würden und Pfauenfedern belohnt. Der Khan von
Badakhſchan und feine Generale, der Bi der Burut und
19 Chefs ihrer Horden (Aiman), die gleich anfangs gegen Khan
Khodja aufgetreten waren, erhielten Candeigenthum. Diefe
öffentlihe Rechtfertigung vor den Augen der ganzen Nation,
die Kaifer Khienlong fi felbft, wegen der wider den Rath
feines ganzen Minifteriums unternommenen, blutigen Kriege, die
42) Lettves Edif. 1. c. XXIV. p. 45 — 56.
«) — — des Troubles etc. im Magasin Asiat. l. c. T. H.
p» 202.
|
Oſt-Turkeſtan, Revolte in Midi. 525
wenigſtens einer Million Menfchen #5) (in Summa, Freund und
Feind) das Leben gefoftet, fchuldig zu feyn glaubte, und daher fo
triumphirend zu Werfe ging, gefchahe im Jahre 1760.
Seit diefer Zeit wurden alle Städte Turkeftans der chineſi⸗
ſchen Verwaltung einverleibt; doch hat es von Zeit zu Zeit, bis
zu der, ſchon fruͤher angezeigten großen Rebellion, im J. 1826
und 27 (f. Afien I. ©. 468— 472), dafelbft, nicht an Verſuchen
gefehlt, fih den Chinefenjoch wieder zu entziehen, obwol die ges
naueften Nachrichten uns. darüber fehlen. Doc geben uns die
jüngften Berichte zu verftchen, daß die weftliden Grenz:
reiche, wie Ladafh und Badakhſchan (f. Alten L ©.471),
und neuerlich vorzüglich das nördlichere Gebiet von Serghana,
alfo ringsum das ganze burgartig umkreiſende Grenzgebirge des
Belur Tagh,auf mannichfaltige Weife mit in diefe turfeftanis
ſchen Handel verwickelt worden find, weil die geographifche Stel:
lung dies faum anders möglich) macht.
Die Revolte der Stadt Uſchi im %. 1765, alfo bald
nach jener Pacification, ift uns in ihren Details hiftorifch übers
liefert #), und. obwol für: fich ifolirt ftehend, und auch vollſtaͤn⸗
dig wieder unterdrückt, verdient fie doch, zur Kenntniß der dortis
gen Bevölkerung wie des gegenwärtigen Zuftandes jener Lands
fchaften, von denen wir fo wenig fpecielle Nachrichten: erhalten,
bier in ihren Hauptrefultaten, die wir wörtlich nad dem Drigis
nal anführen, nicht übergangen zu werden.
Abdallah, Hakim Beg von Ufchi (f. ob.S. 451) war aus
Hami gebürtig, fo wie alle feine Diener. Die Unterthanen des
Prinken Iſaak (wol in Hami) waren wirkliche Sclaven, indeß
die Bauern in den andern Diſtricten und Ländern der Kleinen
Bucharei bürgerliche Rechte genoffen, und ihre Klagen vor Ges
richt bringen konnten. Abdallah wäre gern dem despotifchen Beis
fpiele jenes Prinzen auch gegen feine Unterthanen gefolgt. Er
wollte die Strafe der Knute bei ihnen gegen Schuldige wie ges
gen Unfchuldige, nach Willführ, einführen; fo daß feine Tyrannei
‚bald zum Sprichwort ward. Desgleichen wußte er ſich unter jeds
wedem Vorwande Geſchenke zu erpreſſen, und feine Diener wur:
den bald frecher als ihr Gebieter, Den Bu hagey von uf chi
##) Potocki Voyage dans les Steps d’Astlırakan ed. Klap ih. Paris
- 1829. 8. Vol. I. p.59 ete. Nota. 4%) Revolte des Habitans de
la Ville d’Ouchi en 1765. Trad. du Chinois par J, ne in
Magasin Asiat. Paris 1826. 8, T. Ik p. 203— 208.
526 Weft-Afien, I. Abſchnitt. 9. 5.
ward dies in die Länge unerträglich; der chinefifche General Sus
tfching, Kommandant der Stadt Lfchi, war dumm und lieder
lich; fein Sohn, noch fchlimmer, fing mit Gewalt die jungen
Mädchen weg. Die Bucharen fannen lange auf Rache; ein ges
ringer Umſtand brachte die Glut zur Flamme und zum Ausbruch.
Ein Bucyare, der Befehl erhalten Effecten zu transportiren, und
den Hakim Beg deshalb nach dem Drte feiner Beftimmung fragte,
erhielt von ihm Peitfchenhiebe ftatt der Antwort. Der Buchare
eilte diefe Beleidigung dem oberften Vorftande des Kriegsrathes
anzuzeigen, der erboßt, daß der Menfch ihm befchwerlich falle,
ftatt ficd bei den Unterbehörden zu melden, noch 30 Hiebe dazu
aufzählen läßt. Die Erbitterung verfammelte bald 300 Der:
ſchworne, die Nache fchnaubend in der Nacht Abdallah mit feis
nem ganzen Gefolge ermorden, dann eben fo den Commandans
ten Su tfehhing, mit feinen Domeftifen, Soldaten, und nun das
Blutbad über die ganze Garnifon und die chinefifchen Kaufleute
bringen. >
Der nächfte Stadteommandant von Akſu, General Biantas
fha, eilte auf die erfte Nachricht diefer Nevolte mit einigen 100
Bucharen Truppen nach der Stadt Ufchi, in der aber die 400
Inſurgenten die Ihore feft verfchließen.
Nun nimmt die ganze Stadt Antheil an der Onfurrektiony,
fie wählt fich in der Perfon des Arabdallah einen neuen Has
tim Beg, und zieht zum Gefecht vor die Stadtthore. Biantakha
ward in die Flucht gejagt; eben fo das Heer des General Obao,
der von Kutſche mit bucharifchen Soldaten zu Hülfe kam.
Auf diefe böfe Zeitung eilte der General Nachitoung von
Kaſchghar nach Ili, wo größere Macht garnifonirte. Mins
houi, General en Chef und General Youngfuei mit 10,000
Mandfhu und Chinefen Truppen, überftiegen den Gletfherpaß
von Muffur dabahan, um ſich vor Ufchi zu vereinen. Aus der
Belagerung vor Uſchi fandten fie ihren Bericht über die Beges
benheit nad) Peking. Biantafha ward zum Tode verurtheilt,
eben fo Nachitoung wegen ihrer Verfäumniffe. Uſchi fcharf bes
lagert wehrte ſich in Verzweiflung.
Indeß war Odoui, nah DObigem (f. ob. ©. 514), noch
Hakim Beg in Yarkand. Seine Gemahlin Zeim war zufällig
mit ihrem Sohne Othman (Hakim-von Kutfche) nad Kutſche
gereifet, als eben die Rebellion ausbrach; und da fie die Nach⸗
giebigkeit ihres Gemahls fuͤrchtete, kehrte ſie mit Erlaubniß der
Oſt⸗Turkeſtan, Revolte in Uhl. 527
Behörde fogleih nach Yarfand zurück, um bemfelben zur Seite
zu ſtehen, der Nebellion feinen Vorfchub zu leiſten. Die kuͤhne
Frau durcheilte in 5 Tagen eine Strecke von 3000 Li (zu 200 _
auf 1° wären 225, zu 300 auf 19 — 150 geogr. Meilen) bis
Harkand, wo ſchon Alles zur Empörung bereit war. Odoui
war rathlos, die Afhouns fchwanfend, Lift und Muth der Yeim
flug die Unruhen nieder. Auch in Akfu glühte das Feuer der
Empörung ſchon im PVerborgenen; deffen Haktim Beg, Setis
bardi, war auf dem Ruͤckwege von Peking, eben in Sutfcheou
angefommen, wo er die erfte Nachricht der Unruhen erhielt. Eos
gleich feste er fih zu Pferde, legte 6000 Li in 7 Tagen zurück
(200 Li auf 1° wären 450, 300 auf 1° 300 geogr. Meilen; alfo
auf 7 Tage vertheilt, täglich Uber 60, oder 40 geogr. Meilen,
was felbft mit Kameelrennern faft unmöglich fcheint) bis Akſu,
wo er den Ausbruch der Empörung niederfchlug. Nun führte
Othman, der Hakim Beg von Kutfche und Adjutant des dyiner
fifhen Obergenerals, ein Heer gegen Ufchi. Diefe vereinten
Umftände fchiwächten den begonnenen Ausbruch durch Hemmung
der weitern Fortpflanzung, fo daß ohne Nahrung von außen bald
Laͤhmung erfolgen mußte,
Die Bucharen find ungemein mistrauifch, fagt der Chinefenz
bericht; fie koͤnnen leicht getäufcht werden. Wenn fie in friedli-
chen Zeiten fehen, daß ſich Autoritäten verfammeln, fo denfen
fie gleich 8 folle ihnen ein Uebel bereitet werden, aber es fehlt
ihnen zugleich an Befonnenheit durch verftändigen Plan diefem
zu begegnen.
Uſchi ift an den Abhang eines Berges gegen Sud ange⸗
lehnt; gegen Nord zieht nur eine halbe Li fern ein großer Fluß
(ZaHo) vorüber; von der Seite deckt ein dichter Wald den Anz:
blick der Stadt, und hindert e8, mit Kanonen eine Brefhe in
die Stadtmauern zu fehießen. Die Belagerung 309 fih daher
vom Aten bis zum Tten Mond in die Länge. In einer Nacht
ſchlugen die Einwohner thörichter Weife den Wald nieder, und
entblößten dadurch Wall und Graben. Diefen Umftand benutzte
die chinefifche Armee, rückte näher heran und fihnitt alle Auss
gänge ab. Im Innern erhoben fidy Parteiungen und Streit;
Arabdallah, der Hakim Beg, ermordete fich felbft und bald ward
nun Ufchi mit Sturm erobert.
Des Kaifers Befehl war: alle Einwohner der Stadt zu
tödten, ven Sitz des Generals an einen andern Ort zu verlegen,
528 WeftzAfien. J. Abſchnitt. -5 5.
und das Land von Ufchi durch andere Bucharens Tribus zu cos ‘
lonifiren. —
Solche Kevolten haben fich in neuern Zeiten wiederholt; die
zulegt befannt gewordenen des Khodja Djihangir (1826, ſ.
Afien I. ©. 471), den Moorcroft im Jahre 1822 847) fchon,
am Hofe Omar Khans von Ferghana kennen lernte, fo
wie Anderer, vorher und nachher (von Ai Khodja, Kun Khodja
u.a. ım.), über welche wir aber nicht genauer unterrichtet. find.
Diefer Ai Khodja war ebenfalls ein Nachkomme der alten Sans .
desfürften; wenigitens derjenigen, die als folche in den Augen der
mohammedanifchen Einwohner, dafür gelten,
Das Anfehn diefer Khodjas unter den dortigen moham—
medanifchen Völkern hat freilich eine eigene Bewandtfchaftz es
geht nur in die mohammedanifchen Zeiten zurück und ift eine
religiöfe Würde. Khodja, oder Khodjo #), heißt eigentlich
nur Herr, Meifter,, Doctor des Koran, und ift ein bei den weft
lichen. Mohammedanern fehr befannter und an fich fehr venerirs
ter Titel, mit dem aber urfprünglic) gar feine Souveminität vers
bunden ift. Hier aber, in diefem Oft: Turkeftan, führten die inz
dependenten Landesfürften diefen Titel, als fogenannte Nachkom—⸗
men des Propheten, oder richtiger der Asfhab, d.i. der Schüs
ler des Propheten, welche im Lande zuerft deſſen Gefes ange:
nommen und weiter verbreitet haben follen; weshalb mit dieſem
Titel eine Art Heiligkeit verbunden ward, die ihnen erft eine
politifche Macht gegeben zu haben: ſcheint. Daher der Wahn,
daß fie unverleglich, fehußfeft feyen (f. ob. ©. 514), daher die
allgemeine Verehrung und Anhänglichkeit der Landesvoͤlker an ihre
- Befchlechter, worin die Duelle ihrer immer möglichen, neuen Ne:
bellionen gegen die Mandſchu und Chinefen liegt, die diefen Nez
fpect durchaus gegen fie nicht theilen. Das Volk der Moslemen
aber fieht dort allgemein das Verderben, welches den Fürften
von Badakhſchan kraf, deften Land Fürzlich eine Beute des
räuberifchen Muhamed Murad Beg von Kunduz geworden.
ift, ald eine gerechte Strafe *) des Himmels für die Treuloz
figfeit an, die er wiederholt gegen feine Glaubensbrüder, die
Khodjas und Nachkommen des Propheten, begangen habe. ,
»47) J. Fr. Davis Notices on Western Tartary in Transact. of the
Roy. Asiat. Soc. of Gr. Brit. Lond. 1829. Vol.1I. P.1. p. 199 Not.
**) Klaproth Not. in Timkowski Voy. ed. Paris T. I. p. 385.
*°) Wathen Mem, l. c. Journ. of the As. Soc. of Bengal Vol. Il, p. 660.
‚Oft: Turkeftan, Kevolten, Urfahen, 529
Wie dies Verhältniß auffam und unter den Mongholen Khas
nen war, ift uns unbekannt geblieben; unter der Herrfchaft der
Kalmuͤcken Oeloͤth) ſahen wir, daß das Anſehn des Khodja in
‚Markand wenigſtens, als Statthalter, herrſchend blieb, und
ſpaͤter erſt durch das Zwiſchentreten der Chineſen und durch die
Empoͤrungen gefährdet war. Aber nicht blos dieſer äußere Eins
flug führte die Verwirrungen und Schwächungen der einheimis
fhen Khodjas herbei, durch welche bei der Nebellion von 1826 '
(f. Afien 1. ©.471) in einem einzigen Sahre, von fieben Khod:
jas, 4 in den Schlachten getödtet, 2 als Gefangene nach) Peking
geſchickt wurden, und nur der fiebente, SarymfatXhodja®"),
nad) der großen Bufharei glücklich entfchlüpft feyn foll.
f Unter ihnen felbft wüthete feit langer Zeit, außer der Tyrans
"nen ihrer Befieger, der Delöth, und außer der verheerenden furchts
baren Pockenpeſt, welche die Großen der Ilnterworfenen wie
die der Herrfcher traf, und Hunderttaufende damals von ihnen
wegraffte, noch die Seuche der innern Entzweiung, welche
‚jene Spaltungen ihrer Unternehmungen zu allen Zeiten herbeis
rief, fo daß in ihren Empörungen gegen die Ufurpatoren der Des
loͤth, Dfungar, Mandfchu und Chinefen, niemals Einigkeit herrs
fchend war. Wir haben ſchon oben (f. ©. 467) den politifchen
Haß der Ak Tak und Kara Taf nad) dem eigenen Urtheife
der Eingebornen angeführt, deſſen nähere Urſache uns unbekannt
‚bleibt. Don diefem hörte auch Mir Zffet Ullah. Der Fürft
son Yarkand war Khodja der Kara Taghlik (d. i. der
Schwarzen Bergbewohnen)®), des Stammes der mit den
Kalmak (Delöih) verbunden war; der feindlich gefinnte Stamm
der AE Taghlit (vd. i. Weiße Bergbemwohner) war an
Ili unterworfen, ihre Großen waren in Ili unter der harten
Eontrolfe und Zuchtruthe ihrer Tyrannen fisen geblieben. Da
deren Prinzenhaus durch die Peft fat ganz verödet und ihre
Herefchaft völlig geſchwaͤcht war, erhoben fih die Ak Taghlie
(Zfevang Arabdan, als DfungarenzHerrfcher, f. Aften 1.
1©. 453), und griffen die Kara Taghlif an und unterjochten
deren Sand; erfchlugen einen chinefifchen Gejandten und zogen fo
nun auch fpaterhin das Ungewitter von China über ganz Siyu
herbei, daß nun auch), durch des Kleinen oder Jungen Khodjas
ai * Timkowski Voy. I. c. 51) Mir Isset Ullah in Magas. Asiat.
T. II. ».30; vergl, Fraser Narrat. of a Voy. 1. c. App p. 113,
81
Ritter Erdkunte VII.
530 Weft-Afien, J. Abſchnitt. 9 5
KHodzidjan) rebellifche Gefinnung, welche feinen Altern Brus
der den Großen Khodja (Boulatun) überftimmte (f. oben
©. 510), die Khodjas der Kara Taghlif s Partei, fammt, ihrem |
Anhange, aus dem Lande gejagt wurden, und felbft bei dem
Sultan Schah von Badakhſchan Fein fiheres Afyl mehr
fanden. Zu Mir Jffet Ullahs Zeit (1812) regierte in Bas
dakhſchan Mir Mohammed Schah, der Sohn des Sultan
Schah. Die Söhne und Enfel des damals hingerichteten Khodjas
festen noch im Schuße von Bofharaz was auch von J. Fras
fer beftätigt ward. Aber diefe konnten nicht ruhig im Auslande
fisen bleiben. Die Meffa: Pilger nannten den vom Badakh—
ſchan Sultan zulegt an die Chinefen ausgelieferten Khodja,
Ai Khodja, und erzählten deſſen Sohn und Enkel feyen nach
Andejan entflohen, wo, nach des Waters Tode, der Sohn Djis
hangir Khodja 852), ein Juͤngling, den Schuß des Uzbeken
Khans von Kofand genoß. Von da aus machte er feinen
fiegreichen Einfall bis Yarkfand und Khotan, der aber kein
Jahr Dauer hatte (1827, ſ. Aien I. S. 471-4729. Seine eis
gene Tyrannei zog ihm den Haß der befiegten Städte zu, und
einem chinefifchen KHeere von 60,000 Mann fonnte er nicht wi⸗
derſtehen. Sein Schiefal, das in Europa unbekannt blieb, und
die Folgen, haben erft die Mekka: Pilger und Al. Bur—
nes) befannt gemacht. Djihangir Khodja zog ſich in die
Gebirge zurück, und feine Hülfstruppen, die Kirghiſen u
Andejanis aus Kofand, retirirten, wie zu erwarten war, uͤber
den Belur Sag in ihre Heimath, und fchleppten, nachdem
Dft: Turfeftan weidlich ausgeplündert, unermeßliche Beute hei
Es dauerte nicht lange fo ward Djihangir von feinem Neben:
buhler, Iſchak, dem Khodja von Kafchghar, durch Verrath an
den chineſiſchen General in Akfu ausgeliefert, der ihn nach Pe:
fing fchaffte, wo er hingerichtet ward; der Verräther ward dafüı
zum Bang, oder Prinzen von Kaſchghar erhoben, aber fein
Herrlichkeit dauerte nicht lange, denn bald darauf nach Pekin
berufen, ift feine Perfon, wahrfcheinlich durch Vergiftung, dort
den Augen feiner Landsleute verfhwunden, und die Lockſpeiſe
nes Bang war nur eine vorübergehende Taͤuſchung (f.
©. 414), Er gehörte, fagten die Mekfa- Pilger, zur Secte
—
*52) Wathen Mem. L. c. p- 660. >?) Wathen Mem. p. 661
Al. Burnes Trav. II. p. 228. f !
Welthiſtor. Einfl, der Chinefen auf Central-Aſien. 531
Kadaris, den Kara Taf anhängend, da fein Gegner zur Secte
der Nagſchban di gehörte, die auf der Seite der AE Tat fies
hen, die einander gegenfeitig bis auf den Tod haffen.
Auch diefer Verſuch einer Neftauration der Usbeken⸗ ⸗Herr⸗
ſchaft in Oft-Turfeftan iſt alſo misgluͤckt, der Khan von Kokand,
als Theilnehmer, hat ſich jedoch des Feldzugs wegen, den ſeine
Truppen gegen die Unglaͤubigen mitgemacht, den Titel Ghazie,
des Glaubenshelden (ſ. ob. S. 205) angemaßt.
Bei dem Ausbruche dieſes Krieges ſollen wiederum einige
Glieder der Khodja Familie nach Badakhſchan geflohen ſeyn (72),
wo der Sultan fie ebenfalls hinrichten ließ. Für diefen Freund:
fchaftedienft, hörte A. Burnes, habe ihm der Kaifer von China,
während der legten Reihe von Zahren, wo fein Fand vom Mir,
oder Murad Beg, von Kunduz erobert war, jährlich ein Ges
ſchenk zugefandt. Die Khodjas find daher, geftügt von dem bis
gotten Khan von Kofand, der in Feindfchaft mit Badakhfchan
ſteht, noch immer gefährliche Nachbarn für das chinefifche Neich,
und die Route nach Kokand war deshalb eine Zeit lang gefchlofs
fen, der Handelsverfehr dahin ganz gehemmt (ſ. 06, S. 476).
Biertes Kapitel,
Welhiſtoriſcher Einfluß des chineſiſchen Reiches auf
Central⸗ und Weſt-Aſien, bis zu dem Uferlande des
Aral und Caspiſchen Meeres, von aͤlteſter Zeit bis in
ie Gegenwart, in politiſcher und commercieller Hin—
ſicht, wie auf Voͤlkerentwicklung und Voͤlkercultur
uͤberhaupt.
6. 6,
Werb eir-f bh
Der welthiftorifihe Einfluß des hinefifhen Rei—
es reicht in moderner Zeit von feiner Wafferfeite weit über
en indifhen und großen Oſt⸗Ocean hinaus, durch feinen Vers
hr, bis nach Weſt-Europas Eontinent und die britifchen Ynfeln,
ie nah Nord-Amerika, zumal in die Vereinigten Staaten hinz
ber; aber von feiner Landſeite dringt derfelbe ſchon feit Jahr:
L212
532 Weſt⸗Aſien. L. Abſchnitt. §. 6.
tauſenden in alle Staaten- und Voͤlkerverhaͤltniſſe Gentrals
Afiens unmittelbar ein. Hier berührt er alle hinterindifchen
Voͤlker, und auch heute die Briten in Indien, die Afghanen und
Perfer, die Bukharen in Welt: Turkeftan, das ruffifhe Reich in
Sibirien auf directe Weife, viele andere afiatifche Berpalmifie 1
auf mehr indirecte Art.
Diefer directe Einfluß reicht von Peking bis Bofhara |
(von 135 bis gegen 80° O.L. v. F., an 53 Längengrade) gegen
600 bis 700 geogr. Meilen weit, weftwärts, bis in das Stu—
fenland des Orus und Jaxartes (Gihon und Sihon), zu den Fans
dern am Aral-See, ja faft bis zum öftlichen Fuße des uralis
fhen Meridiangebirges, bis zur Außerften Grenze Oſt⸗Eu⸗
ropas (ſ. Ruͤckwanderung der Turgut-Oeloͤth aus den Weidelaͤn⸗
dern der Wolga, 1771, Aſien I. ©. 463), Denn wenn die poli⸗
tifche Macht des Chinefenftaates, gegenwärtig, auch unmittelbar
nur bis zu dem Waſſerſcheideruͤcken zwifchen den Oft: und
Welt: Strömen in Belur Tag geht, fo wirkt defien Einfluß
doch überall auf jene Grenzftaaten von Badathfhan, Bo—
Ehara, Kofand u.a. ein, und zumal auf unzählige jener
Wanderhorden, die von Oft gegen Welt immerfort jene Laͤn⸗
dergebiete durchſtreifen, beleben, leicht hin und her ziehen, in ih⸗
ren Sisen und Unterwerfungen unter den einen oder den andern, |
Scepter wechfeln, und danach ihren Heerdenreichthum temporair
friedlich weiden, oder, oft momentan und ploͤtzlich, ja oft gleich⸗
zeitig und fortwaͤhrend, als Raubhorden die Nachbarlaͤnder ver⸗
heeren und deren feſtgeſiedelte Einwohner in fortwaͤhrende Sorge
umd Bedrängniß verfegen. Diefe allgemeine Erfcheinung geht aus
unfern zuvor mitgetheilten Thatſachen, für die Gegenwart und. d
neuere Zeit, nothwendig hervor, und dennoch ift fie noch. keines:
wegs in allen ihren Theilen weder von Geographen, noch von
Ethnographen und Hiftorifern in dem ganzen Umfange ihres Eins”
fluſſes auf Weltgeſchichte ſo gewuͤrdigt wie ſie es verdient. Es
waͤre aber ganz irrig dieſen Einfluß blos etwa nur fuͤr eine zu⸗
faͤllige, moderne, ephemere Erſcheinung der gegenwaͤrtigen politi—
ſchen Staatenverhältnifle ft: Aliens und der chinefifchen Herr
fchaft anzufehen, und fie deshalb in der Gefammtbetrachtung d
Nölfer-, Culturen: und Staaten: Verhältniffe Afiens, wie es herz”
koͤmmlich Bisher gefchehen ift, als etwas blos zufälliges, ganz aus, !
Ger Acht liegen zu laffen. Nur die frühere gänzliche europäifhe”
Ignoranz in der chinefifchen Literatur und Gefcbichte Eonnte diefe
Welthiſtor. Einfl. der Chinefen auf Central-Aſien. 533
bisherige Lücke in dem Gefchichtszufammenhange der Welt: und
- Bölkers Hiftorie entfhuldigen. Wir find aber gegenwärtig ſchon
‚hinreichend, wenn auch nur elementarifch, in den Quellen der
chineſiſchen Annalen der frühern Jahrhunderte bewandert, um zu
wiſſen, daß fchon feit zwei vollen Zahrtanfenden derfelbe
chineſiſche Einfluß auf die Weftländer Afiens, Chinas auf
.Transoriana, und den clafliihen Boden der. Weltgefchichte
eingewirkt hat, wie nur der Gultureinfluß Indiens und Perfiens
zu Aleranders Zeit auf äguptifche und macedonifche Gefchichte,
‚oder der Römer auf die germanifche zuruͤckwirken mußte, wie der
‚arabifche Orient in dem Mittelalter auf den chriftlichen Occident
‚feinen Einfluß behauptete, und wie überhaupt jede in ſich abge:
ſchloſſene Eulturwelt, die auf lange Jahrhunderte mit einer an:
„dern Civiliſation in directen Verkehr tritt, auf diefe mächtig. ums
+ geftaltend. wirken muß.
N Auf unferee Wanderung durch ganz Oft: Afien hat es zu
unſern Hauptaufgaben gehört, diefem lebendigen Einfluffe
‚der Natur- und Bölferverhältniffe des Oftens auf den
Werften nachzufpüren, und ihn überall in feinen geheimften We:
gen im Befondern und Allgemeinften den Räumen und Localitä-
‚ten gemaß nachzumweifen. Auf der Grenze Oft: Afiens gegen
MWeftzAfien angelangt, glauben wir, ſchon bei Indien, auf
der Südfeite des Himalaya und Hindu Khu⸗Syſtems, ein fehr
reichhaltiges Feld diefer übergreifenden Einwirkungen
auf die perfiich-arabifchzeuropäifche Weſtwelt nachgewiefen zu
haben. Hier an der Nordfeite der indifchen Schneeketten ftehen
‚wir, am Belur Tag, dem Imaus der Alten, auf einem, für
Det: Alen und Mittel:Europa, feinen türkifchen, flavifchen und
germanifchen Völferfchaften nach, feit den alten Griechen bis zu
den Byzantiners und den neuern türkischen und ruſſiſchen Zeiten,
nicht minder bedeutungsvollen Hebergange von Turan nad)
ran, auf dem gleichgültig oder geblendet, twie bisher ganz ge:
dankenlos in den Räumen fortzufchreiten, am wenigften die Aufs
‚gabe einer willenfchaftlichen und allgemeinen vergleichenden Erd:
Eunde feyn kann, die nicht die Mechanik des Nebeneinanderfteheng
‚der Theile, fondern das Ineinandergreifen der tellurifchen Formen
und ihrer Kräfte wie die Functionen ihrer Gliederungen und Or:
gane durch alle Zeiten und Räume zu erforschen ſich zur Lebens:
aufgabe geftellt Hat. Daher wir auch hier, obwol uns noch Vie⸗
les verborgen blieb, was erſt die fpätere Zukunft aus der frühe:
534 Weſt-Aſien. I Abfchnitt, $ 6.
ften Vergangenheit an das Licht ziehen wird, noch etwas verweiz
fen, um auf das hier zu Beachtende, was uns bis jeßt ſchon klar
vor Augen liegt, nachzumeifen, che wir aus unbekannten zu bes
fannteren Fernen fortfchreiten.
Seit zwei vollen Zahrtaufenden hat China, d.i. der Often
Afiens, in feinem politifch : größten Verbande, in drei vers
fhiedenen Perioden, im Zahrhundert vor und nach Chr.
Geb,, im VII. und VII, Sahrhundert unferer Zeitrechnung, und
wenn man die unbegrenzte, zerftörende doch auch neugeftaltende Fluth
der Mongholenzeit auch gänzlich übergehen will, wiederum in der
Gegenwart, nämlid dem XVIL, XVIIL und dem nun begin:
nenden XIX, Sahrhundert, von der Continentalfeite den-
größten politifchen und Eultureinfluß auf die Völker und Staaten
Mittels und Weft:Afiens ausgeübt, der fich ſchon aus ihrer
ungemein reichhaltigen geographifch »hiftorifchen und oft überras-
fchend detaillirteften Kenntniß diefer Landfchaften von felbft erz
giebt, wie aus ihren Geſchichten und Staatenverhältniffen, aus
dem Gange des Handels, und aus den verfchiedenen Syſtemen
und Mitteln der verfuchten Beherrſchung oder Civilifirung ; durch
diefe wird nach vielen Seiten hin fehr frühzeitig über die Zeitges
noffen und Nachbarn ein oft überrafchendes Licht verbreitet ,. das
für vergleichende Geo; und Ethnographie insbefondere une
fhäßbar genannt werden muß. Cs find wenig Völker der Erde
die fo frühzeitig und zahlreidy auf Entdeckungen der Länder und
Völker ausgegangen find, wie die Chinefen zu Sande, gleich
den Phöniciern zu Waffer, und fo genau, wie fie, Buch
und Nechnung über ihre Entdeckungen geführt, und diefe der
Nachwelt überliefert hätten. Welch ein Gewinn für afrifanifche
Menfchengefchichte, wenn wir ein gleiches von Aegypten oder Kars
thago ausfagen Eönnten, deſſen Geſchichte in derfelben Zeit unters
geht, in welcher durch chineſiſche Annalen die pofitive Völterges
ſchichte Central: Afiens hervorfteigt (ſ. ob. S. 344).
Es find vorzugsweifes die Zeiten der Han: Dynaftie (on
163 vor bis 196 nach Chr. Geb.); die der Thang:Dynafti
(von 618 bis 907 n. Chr, ©.), und, abgefehen von der Mongh
lenzeit (von 1280 bis 1341 n. Chr. ©.), die der Mandfhus
Dynaftie, von der Mitte des XV. Zahıhunderts bis auf die
Gegenwart, welche zu den einflußreichften gezählt werden muͤſſen.
Sn jenen beide früheften Epochen ‘ging diefer Einfluß noch
weiter ale im der Gegenwart; nämlich felbft bis zum Cas piſchen
Welthiftor. Einfl. der Chinefen auf Eentral-Afien. 535 Ä
Merre, als noch Feine fo fcharf geregelten politifchen Staaten:
verhältniff der hinefischen Politif, wie heut zu Tage, entgegen:
traten, und die Eulturftufe der Chinefen noch verhaͤltnißmaͤßig
überftrahlender über die der Barbaren des unmittelbaren Weftens
(die fenthifchen, maflagetifchen, getifchen, dafifchen und Aurfifchen
Völker) war, als in der Periode des mohammedanifch gewordes
nen Mittelalters und der heutigen Gegenwart. Für die Gefchichte
der afiatifchen, dem chinefifchen Reiche benachbarten Landfchaften,
ſagt der trefflichfte Kenner chinefifcher Literatur und Forfcher auf
dieſem Gebiete 85%), ift, feit dem II. Zahıhundert vor Chr. Geb.,
kein Staat, fein Fuͤrſtenthum von einiger Ausdehnung, es ift
Feine Emigration oder irgend eine bedeutende Invaſion, feine Be:
gebenheit von einiger Bedeutung gefchehen, die fie nicht bemerkt,
nicht aufgezeichnet hätten. Mit ihrer Hülfe läßt fich die Se:
fchichte des Orients von Mittel:Afien, die uns fonft völlig verloren
gegangen wäre, in ihrem wefentlichen Zufammenhange wieder re;
eonfiruiren, und wir glauben diefes in ethnographifcher und
geographifcher Beziehung durch das ganze num zurückgelegte
Gebiet unferer vergleichenden Erdfunde, wenn auch mühfam ger
nug für den Arbeiter und befchwerlich für den Lefer, nicht ohne
mannichfachen Erfolg für die Gefchichte der Erde und ihre Ber
wohner an ſehr vielen Stellen durchgeführt zu haben.
Alles, vor dem II. Zahrhundert vor Chr. ©., ift aber in die:
fer Beziehung weit dunfler, und obwol auch da noch viele
‚wichtige Ihatfachen zu fammeln und fehr wichtige geographifche
Traditionen 55) aus der chinefifchen Literatue zu erörtern ſeyn
würden, welche die dortige Critik aber felbft in ihren Anfängen
mehr vernachläffigt Hat, fo bleiben vdiefe doch erſt kuͤnftigen For⸗
ſchungen zur Ermittelung vorbehalten. |
Die fo Häufig wechfelnden Grenzen des hinefifchen
Reiches, die duch den Wandel der einander folgenden Dynaz
ftien, die fih bald nur auf Erhaltung ihres eigentlihen
252) Ab. Remusat Remargues sur l’Extension de l’Empire Chinois
du cot@ de POccident in Mem. sur plusieurs questions a la Geo-
graphie de l’Asie centrale. Paris 1825, 4. p. 129. °5) Bergl.
Ab. Remusat Mem. sur la Vie et les Opinions de Lao Tseu Philo-
sophe Chin. du VI. Sieele av. Jes. Christ. Paris 1823. 4. H. Kurz
Mem. sur Fetat politique et relig. etc. de la Chine 2300 ans ayant
notre &re selon le Chouking in Nouy. Journ. As: 1830. T. V. p. 401
—436. T.VI. p.401—451; Brosset Relation du pays Ta ouan du
Sseki de Ssematsien in Nouv. Journ. As. 1828. T. Il. p. 418-450.
536 Weſt-Aſien. 1. Abſchnitt. % 6,
China befchränfen, bald wieder als mächtige Eroberer weit
gegen den Siyu, oder den Weften, durch die ganze Tartarei bis
zum Imaus ausbreiteten, fegen dem Einfluß diefer Unterfuchun:
gen, für die Vergleichung der mit den Zeiten gewöhnlich auch
wechfelnden Namengebungen der Völker und Länder, eis
genthümliche Schwierigkeiten entgegen. Diefe müffen den Unters
fuchungen nothwendig eine größere Breite geben als fonft win:
ſchenswerth fern möchte, die jedoch wegen der nothmendigen
ethbnos und geographifben Synonymif, antifer,
mittelaltriger und neuerer Zeiten, in chinefifchen und
andern afiatifchen Sprachen der Einheimifchen und Fremden, von
den Griechen und Römern an durch die Araber, Perſer, hindurch,
bis zu den Indern, Turk, Tübetern, Chineſen, Mongholen, un:
umgehbar bleibt. Die Chinefen felbft haben diefe Verglei—
bung und Synonymie fhon in ihren Annalen durchgeführt,
bis in die Zeiten der Hay, d. i. bis in das zweite Jahrhundert
vor Ehrifto, weiter zurück aber nicht, wodurc die vergleichende
Geographie feit jener Periode auch für uns möglich und das
durch fo fruchtbar geworden, daß fie ein völlig neues hiftorifches
Licht auf den früheften Verkehr der Völker und Reiche des DOriens
tes und Dccidentes der Erde geworfen, von dem noch vor einem
halben Zahrhundert kaum eine Ahndung bei den Hiftorifern vor⸗
handen war, wenn ſchon Einzelne, wie Deguignes, durch barofe
Uebertreibungen faft die Möglichkeit der Erfenntniß diefer That⸗
ſachen noch erfchwerten. Zu diefer befchwerlichen Synonymie
fommt eine zweite Schwierigkeit für die fruchtbare Anwendung
derfelben zu erfreulichen, hiftorifchen Ergebniffen, welche in der
orientalifchen Methode liegt, die Gefchichte zu fihreiben, da die
politifchen und wiffenfchaftlihen Anfichten und Ideen der Chines
fen, in diefer Hinficht, fo verfchieden von denen der weftlichen,
claſſiſch gebildeten und europäifchen Culturvölfer find, daß es oft
fehr ſchwer ift die Ueberlieferungen nicht blos der chinefifchen Ans
tiquitäten, fondern auch die Daten ihrer Annalen, aus ihrer his
ftorifchen Zeit an die Begebenheiten, die uns aus andern Quellen
befannt find, oder an die gleichzeitigen des Alterthums, des Mit
telalters oder felbft ‘der Gegenwart geographifch und zeitgemäß
anzureihen. In manchen Perioden müffen wir daher auf den
Gewinn, der daraus hervorgehen koͤnnte, noch ganz Verzicht thun,
weil uns noch die pofitive Grundlage, die Bafis fehlt, von
der wir ausgehen müßten um das Verftändniß zu gewinnen; in
Welthiſtor. Einfl. der Chinefen auf Central⸗Aſien. 537
andern Fällen find aber durch glückliche Umftände oder durch kies
feres Eindringen die Schwierigkeiten fchon gehoben, wie wir denn
in Obigem, durch die Monumentenfunde der Stupas und
die Pilgerfahrten der Buddhiſten, für die Zeiten des
vr. bis VII. Sahrhunderts höchft wichtige pofitive Daten zur
vergleichenden Geographie des afiatifchen Mittelalters gewonnen
haben (f. 06. ©. 98 — 115, 271— 303); wie durh Ab. Remu—
fats Berichtigung 856) der durch Deguignes in der Orienti—
rung begangenen Irrthuͤmer ein glänzendes Licht, über die noch
frühere Periode der Han: Dpynaftie, für das legte Zahıhun:
dert der römifchen Republik und die beiden erften Jahrhunderte
der römifchen Kaiferzeiten, hewvorgegangen ift, Bedenkt man, wie
zu den. Zeiten der römifchen Cäfaren der Ahein und die Do:
nau Sahrhunderte hindurch) den Limes Imperii Romani repräs
fentirten, über welchen hinaus, als von ficherer Bafis, alle ans
dern geographifchen Entdeckungen des damals auch ganz
umdüfterten germanifchen MittelsEuropas ausgingen, daß eben fo
der Tha Thfungling (die Blauen Berge oder Belur,
f. 06. ©. 320 u. ſ) als ein folcher Limes Imperü Sioici gegen
den Werften betrachtet werden kann, bis zu welchem das himm⸗
lifhe Königreich der Mitte 57) feine weitfchattenden Flüs
gel ausbreitet, fo ftehen wir hier an der merfwürdigen
Grenze des beftändigen Uebergreifens antiker, geos und
ethnographifcher und hiftorifcher Verhältniffe, für Mittel: und
Weſt-Aſien, wie dort für Mittelz, Oft: und Nord Europa, des
ren Bedeutung für die Entwicklung der ganzen Folgezeit Fein
Einfichtiger verfennen. wird.
In jenen beiden ältern Hauptepochen des Einfluffes des fo
mächtigen Reiches der Tſin, der Alteften Benennung der Roͤ⸗
mer und Bpzantiner für China, wegen des Glanzes der Tfinz
Dpynaftie (reg. von 265 bis 420.n. Chr. G., von der noch äls
tern TfinsDynaftie Shi Hoangtis, f. unten), der aud)
bis zu dem vömifchen Kaiferreiche hinüberficahlt, daß durd fie
der Names) Tfin, Tchina, Sinae, Fivar, früher Oivas,
Oziva, Tlwirta, China bei allen Völkern der Erde in Gang
856) Ab. Remusat Remarques sur l’Extens. etc. 1. c, p. 113 etc.
57) Nach d. Thangchou Lib. CXXI. p. 3 und CCXXI. p. 2 bei Ab.
Remusat Remarq. I. c. p. 63. °*) Klaproth sur les Ditlerens
Noms de la Cline in Memoires relat. a l’Asie. Paris 1828. 8
T. UL p. 257— 270; Nouy. Journ. Asiat, T.XI p. 188.
535° Weft-Afien. J. Abſchnitt. 6. 6.
kommt,“ ward jener Einfluß ungemein durch die Statthalter:
fhaften und Wafallenfhaften verbreitet und erweitert,
welche die chinefifche Politit in dem Siyu, oder den Weftläns
dern, auf ihre eigenthiimliche Art einzuführen und feftzuftellen be:
mübt war. Hierzu fam das Zufammentreffen der AWelteroberer
in jenen Gegenden Transorianas und Qurfeftans, wo gleichfam
die Wogen heranfluthender Heeresmaffen fernfter Croberungss
züge, wie der Cyriſchen Monarchie, Aleranders, der Saffaniden,
Khalifen und Anderen, fich ftets eben fo brechen mußten, wie der
Einfluß der Völkerzüge, Colonifationen der Politik und Religionsz
fofteme, die von Indien, oder Byzanz, oder von Mekka aus, dort -
Eingang fuchten, oder von den Ländern der Mongholen, Tata
und Turk her, Transoxiana mit den verfchieden redendften Hor—⸗
den zu neuer Vernichtung oder Anfiedlung uͤberſchwemmten, oder
durch Gewalt und Lift, wie Hiongnuifche, Tübetifche, Uiguriſche,
Chinefifhe Heereszüge und fchlaue Politik, in dauernde Fefleln
zu fchlagen verfuchten, was endlich allein nur chinefifcher Politik
und Confequenz gelingen Eonnte, |
Ein chinefifcher Oberbeamter, der in der Mitte Oft-Turs
keſtans feine Reſidenz nahm, hatte in jenen früheften Jahrhun—
derten im Namen feines Kaifers alle jene Fänder zu verwalten,
die von dem umfreifenden Gebirge Kaſchghars (f. ob. ©. 321)
umgrenzt werden; er hatte aber auch die Verpflichtung, alle jene
politifch zu beauffichtigen und näher fennen zu lernen, die fich
von da bis zum Wefts Meere, d. i. zum Caspifhen See
hin erſtrecken. Diefe klug durchgeführte Diplomatie hatte zum
Erfolg, dag in gemiffen Perioden fehr viele, ja oft die meis
ften und zumeilen alle Fürften, jener vielfach in fich zerfpaltenen
Dpnaftien und Landfchaften, den Druck näherer Tyrannen und
Gemwalthaber fürchtend, gern dem Protectorat des fernften _
Machthabers fic) hingaben, ſelbſt temporair unterwarfen, fo lange
es ihnen wirflih Schuß oder Gewinn gewährte, für Gegenger
fchenfe gegen foaenannte Tribute, oder auch für Ehrentitel und
Embaffaden, welche nicht felten der Eitelkeit Fleiner Herrſchaften,
von dem großen Weltmonarchen ausgehend, fchmeicheln mußten,
der unter dem Namen des himmlifchen Kafhans der Tfin Jahr⸗
taufende durch ganz Central-Aſien denfelden Ruhm genoß, wel: -
cher den Namen des Groß-Moguls einige Jahrhunderte hindurch
im Süden Afiens begleitete. Selbft in den Epochen, in deren
die Chinefen auf ihre natürlichen engern Landesgrenzen ſich ein:
P2
Welthiſtor. Einfl, der Chinefen auf Central⸗-Aſien. 539
zufchränfen genöthigt waren, ging doch ftets, durch öfter wieder:
holte, einzelne Expeditionen, oder durch den Handel, wie zus
mal durch den Seidenhandel, der Karamanen aus ihrem
Reiche in die fernften Regionen herauslockte, oder immerfort hab—
füchtige Embaffaden und begierige Fremdlinge zu ihnen hinein
führte, die Erinnerung an die Macht, die Größe und den Meichz
thum des Reiches der Tfin durch alle Welt im Süden, Norden
und Weften, und übte fort und fort ihren Einfluß aus, der um
fo bedeutender war je weniger er jur Sprache Fam, wie dies viele
Jahrhunderte hindurch ganz auf gleiche Weife mit dem indifchen
Einfluß auf den Dccident der Erde, feit den Macedonierzeiten, der
Fall war.
Die Noth zwang endlich, fagt Ab, Nemufat, am Schluß
feiner lehrreichen obengenannten Abhandlung, die Chinefen, wie
einft den venetianifchen Staat, der in hundert Staatenberühruns
gen ftand, dem feine diplomatifchen Embaffaden zum nothwendi:
> gen Lebenselemente geworden waren, ftets über die politifchen Vers
hältniffe aller benachbarten Fürften unterrichtet zu fen, welche die
Länder im Weften ihrer großen Mauer bewohnten; weil hier nirz
gends noch politifche Staatenfufteme fich feftgeftellt hatten, wie
diefe die neuere Zeit und die Gegenwart herbeigeführt hat, das
gegen dort viele Jahrhunderte hindurch noch Alles im Flug
und im Werden blieb. Bei den chinefifchen Autoren find daher
diefelben geographifchen und ftatiftifhen Daten über elle jene
Weftländer Central: Afiens zu fuchen, die wir bei den Vene—
tianern des Mittelalters für Mittels Europa wiedergefunden das
ben, und wenn diefe legtern feldft bis Kambalu (Pefing), bis zu
den Moscovitern und Engroneland im amerikanifhen Norden
Auffchlüffe geben, fo kann es nicht länger Wunder nehmen, wen
die politifch fo frühzeitig ausgebildeten Chinefen, auf diefelbe
Weife, wenn auch nach anderer Methode, felbft Hronologis
ſche, genauefte Daten von den Tadji oder Pof-fe in Perfien
(3. 3. von Kou ſa'ho, d. i. Khosroes, Iſſe tſe, di.
HsHdedjerd, oder Jtatchi, d.i. Ardfhir, oder Shahin Schahe,
Großfönigen der Saffaniden gegen den Sturz ihrer Herrſchuft,
ſ. 06, ©. 425) 860) geben, oder vom An Thun der Tha—
Tfin®) (M. Antoninus, Kaifer in Kom, um das 5%. 166 n.
Chr. ©.) mittheilen. Oder von den Ta Tfin im VII Zahrhun:
*s) Ab, Remusat Remarg. I. o. p. 101. °°) ebend. p. 123;
*
540 Weſt⸗Aſien. 1 Abſchnitt. 6. 6.
dert (byzantiniſche Kaiſer, ſ. Aſien J. S. 210, die ſie dann Fou⸗
lin nennen) berichten, oder wie fo häufig in den Annalen der
hang gefchieht, Nachrichten von den Tasche) (d. i. den
arabifhen Khalifen, feyen es Schwarzröde, d. h. Abaſſi⸗
den, oder Weißröcde, Ommiahden, f. ob. S. 425) in Transoriana
mittheilen, oder felbft von den vielerlei Staaten Hianthous,
wie von Utchang, Kipin, Kanthomwei (d.i. Hindoftans,
f. ob. ©. 297, 259 u. a. D,) reden. Sa in den dabei vorfoms
menden Namen felbft fommen, wie in den In diſchen, ünzaͤh—
fige Sansfritbenennungen, nur in Umfchreibungen, vor,
welche den innern Character und die Documentirung ihrer
Acchtheit in fich tragen, und über jene lächerliche und europäifch
hochmüthige Aftergelehrfamkeit früherer Zeit erheben, in welcher
man dergleichen Kenntnig im fogenannten barbarifchen Auslande
für bloße inhaltleere Fictionen eitler Autoren erklärte, wos
von felbft Schlözer in Beziehung auf den Often des Ptolemäus
noch nicht ganz frei war. Was würde derfelbe große Hiftorifer,
dem wir fo großes Ficht auch über den Morden und Often vers
danften, fagen, wenn felbft rein griebifche Benennungen
in den binefifhen Schriftzügen ihm aufgedeckt würden,
die nur aus diefem langen Verkehr des Drientes und Dceidentes
ihre Auflöfung erhalten. So ift es mit der Benennung des by:
zantinifchen Neiches, das, nach dem Taithfingitoungtdi,
feit dem VII. Sahrhundert, den Namen Folin (oder irrig Fous
lin) erhalten hatte. Eine Gefandtfchaft Fam von daher, im Jahre
Tchingkouang des Kaifer Thaitfung, d. i. im J. 638 n. Chr.
Geb., nah China, und durch diefe erfuhr man dafelöft, daß
jenes Neih damals Folin %) hieß. Der fcharfinnige Orien⸗
talift &. Jacquet hat, in einer fehr intereflanten Abhandlung,
anf das überzeugendfte bewiefen, daß dies die getreuefte Ueber—
fesung vom griechifchen z0hıv war, womit fchon in jener frühe:
ften Zeit die Reſidenzſtadt Conftantinopolis bezeichnet
ward, welche die Griechen verkürzt Bolin nannten, daher auch
die Drientalen, wie Araber, und nicht erft die Türken, daraus
Stanbolin (eis ray nakıw) machen Eonnten, wie dies ſchon
se1) P. Gaubil Hist. de la Grande Dynastie des Thang in Mem.
cone, P’Hist. d. Chin. T. XVI. p.9; Ab. Remug Rem. Lc. p. 88.
2) E.Jacquet Origine du Mot Folin des Chinois in Nouy. Journ,
Asiat. 1832. T.IX. p.456—464; und Silv. de Sacy in Chresto-
mathie Arabe Fragment de Masoudi,
Welthiftor. Einfl, der Chinefen auf Central· Aſien. 541
Maſſudi im X. Saec. erklaͤrt, woraus dann der Name Stams
bul durch den ganzen Orient ſich verbreitet hat. Der Irrthum,
den Namen der Capitale auf den des ganzen Reiches zu übers
tragen, werden europaifche Geographen billig verzeihen muͤſſen,
die faſt Fein einziges Volk und Land Ofts und Sud Afiens
mit demfelben dort einheimifchen Namen, fondern nur mit antis
quirten laͤngſt verfchollenen (wie Perfer, Inder, Chineſen u. a.)
nennen, oder mit voͤllig fingirten, die niemals in demſelben Sinne
exiſtirt haben.
Der Einfluß, den ſeit der Mitte des vorigen Jahrhunderts
Chinas Eroberung auf ſo zahlreiche Tribus der Voͤlker durch die
ganze Mitte des turkeſtaniſchen Aſiens ausgeuͤbt, iſt uns durch
die Unterſuchungen des letzten Kapitels deutlich genug geworden.
Die bedeutende Anzahl alter Städte, zwifchen Hami und Turfan
bis Khotan, Yarkand und Kaſchghar, mit ihren weitläuftigen
Stadtgebieten, behielten zwar ihre Autonomie, die einheimifchen
Dherhäupter vom Hakim Beg abwärts bis zum Ming Bet
(dem geringften Hauptling Über Taufend, ein Chiliarch), und ihre
Würden, aber nicht ihre Macht; denn überall wurden ihnen zur
Seite hinefifche Inſpectoren, Statthalter und Garnifonen, wenn
auch nur von geringer militairifcher Zahl, eingefegt. Wenn anz
faͤnglich ſchon 100 Mann Mandſchu und Chinefen ſelbſt fuͤr bes
deutende Poften an der Kirghifengrenze, nach des General Tſchao—⸗
hoeis Urtheil, für hinreichend gehalten wurden, weil nachtückende
chinefifche Heere jeden Ungehorfam rächen Eonnten, fo mußten
diefe Garnifonen doch, in manchen der rebellifchen Cantons, wies
derholt vermehrt werden, und ernftere Maaßregeln kamen hinzu,
wie militairifche Colonifationen, Verbrecher: Colonien, Feftungss
und Städte-Bau, Pofteneinrichtungen, Telegraphie, blutige Krieger
züge, um zu erhalten, was mit Mühe gewonnen war, Die Haupt:
politik der Chinefen beftand aber vorzüglich darin, die einheimis
fchen Tribus und ihre Häuptlinge, unter fich, in Uneinigfeit und
Fehde zu erhalten, wie 5. B. die Parteiungen der Ak: und Karas
Khodjas, um bei deren zunehmender Ohnmacht ihres eigenen Su⸗
premates defto gewiſſer zu feyn.
Zwei große Haupt-Militairfiraßen von Oſt gegen
Weſt, auf der Nord: und der Südfeite des ThianSchans
Zuges, Über Barkol nah Ili (der Pelu, oder Nordweg), und
über Turfan nach Kafıhghar und Yarfand (Nanlu, der Süds
weg), durch eine Kette geficherter Feften und Garnifonen, mit
542 Meft- Alten. I. Abſchnitt. g. 6.
immer wachſenden und nach allen Seiten ſich ausbreitenden Vers
zweigungen über viele neue DOrtfchaften, welche den Mandfchus
friegern als taugliche Stüßpuncte ihrer militairifhen Macht ers
fchienen, find, nach vielen Jahrhunderten Anbahnung, zulegt zu
einer gewiſſen, vegulairen Einrichtung gefommen, welche das
ganze, weite Land mit feinen turbulenten Horden in ziemlicher
Sicherheit umftrickt halt. Denn, wenn auch, wie die Erfahrung
gelehrt hat, einzelne Maſchen deffelben zerriffen, fo wirft doch das
Ganze in feinem Zufammenhange fo fort, daß die Dämpfung der
Tumulte, bei der immer abnehmenden Energie der Unterdrückten,
wol noch lange hin die Oberhand behaupten wird. Die Menge
kleiner Forts zwifchen den großen, ferner die vielen geringen
auf allen Routen vertheilten Wachtpiquets, die zahlreich angelegs
ten dreifachen Linien der Zollhäufer, Paßvifitationen, die Pofts
ftationen und Eſtafetten der Beamten für den Kaiferhof, die
Wirthshäufer für die Beamten des Gouvernements, die von
Strecke zu Strecke zur Befchleunigung aller Eaiferlichen Commus
nicationen angelegt wurden, während die der Privaten auf: ges
willen angewiefenen Routen nur Hemmungen und Befchränkuns
gen erleiden (f. ob. ©. 415, 473 u. a. O.), find insgefammt eben
fo viele Mittel, damit ſich die Herrfcher zur gegenfeitigen Unter
ſtuͤtzung mit der größten Schnelligkeit die Hände reichen, um die
aͤußerſten Weftgrenzen des Reiches immer fefter an den Thron im
Oſten zu binden. Die Miffion, welche der Kaifer Khienlong
dem Präfidenten des mathematifchen Tribunals, dem Pater Fe:
lie d'Arocha, zur afteonomifchen Ortsbeſtimmung der Neuen
Reichsgrenze (ſ. ob. ©. 522) mit leidenfchaftlicher Befchleu:
nigung auftrug, zeigte den Plan der höchften Feftftellung aller
jener neuen Eroberungen, und fehr merfiwürdig ift es, daß der
Pater noch überall über die firirte Grenze hinaus, in die denz
noch unabhängig gebliebenen Gebirgsgaue des Belur Tag, zur -
Drientirung dafelbft vordringen mußte, wodurch wir auch die
Drtsbeffimmungen von einem Dutzend nichtchinefis
ſcher Städte erhalten haben, die jenfeit in den Grenzländern
liegen, welche man wol gern zu den Vafallenftaaten, oder den
tributairen am Hofe zu Peking gezählt hätte, um wie in antiken
Zeiten immer weiter hinüber zu greifen in die cultivieteren und
fruchtbarern Landfchaften der Turkeftanen oder der heutigen gros
Ben Bukharei. Diefe Orte mit ihren oft fehe entitellten Namen
im Chinefifchen wollen wir, zum Beften der Kartenorientieung
Welthiftor. Einfl, der Chinefen auf Central⸗Aſien. 543
und zur Benutzung für die folgenden Unterfuchungen, als Anhang
zu den obigen Tafeln beifügen (f. 06. S. 346, 432):
Felix d'Arochas aftronomifche Ortsbeffimmungen
am Weftgehänge des Belur Tagh, oder im turfeftas
nifhen Alpengebirgsiande, außerhalb der hinefis
Shen Reichsgrenze 8%) im Jahre 1759,
NBr DR v. Paris
1) Andidjan (Antechnen) 410 28° ı 690 27°
2) Iſitalchan (? Talikhan) 410 48° 680 56°
3) Marghilan (Marholan) 4160 24 680 52°
4) Namghan (Namtan) 410 388 680 22°
5) Khokand (Haohan) 410 23° 68° 6’
6) Uratupa (Altoubei) 41° 33° 66° 52°
7) Tafchfen d-(Tachefan) 430 3° 66° 29
8) Badakhſchan 36° 23° 70° 1°
9) Siknan (Chefonan) 36° 47° 690 16°
10) Oroſchan, d. i. Urufchen
(Saolochan ?) 36° 49 68° 36°
11) Wakhan (Duahan) 38° 0° 689 53’
12) Bolor (Poloeulh) 37° 0° 700 29°
Diefe wie alle vorhergehende Ortsbeftimmung turfeftanifcher
Städte gefchahe zum Behuf des dafelbft einzuführenden faifer:
lichen Staatsfalenders6#, gleichfam das Siegel des vollen-
deten Ctaatseinfluffes auf die Unterwerfung der Landfchaften.
So fehr iſt diefer Kalender bei den Chinefen und ihren Nach:
barn refpectirt, daß es hinreichend ift denfelben anzunehmen, wor
durch man fich als Unterthan und tributbar erklärt. Das Zus
ruͤckweiſen deſſelben ift Rebellion. Doc ift man dabei nicht fo
‚confequent, ihn deshalb jeden befondern tributairen Chefs zuzus
ficken; der Gehorfam manifeftirt fih fchon aud auf andere
MWeife. Die Abdficht ift dabei Sleichförmigkeit und Ordnung in
die Operationen der ganzen Staatsmafchine, und Uebereinſtim—
mung mit dem was in Peking gefchieht, zu bringen; gleiche Ees
remonien, gleiche Feftfeiern zu haben, unter gleichartiger Zus
fimmung der Himmelserfheinungen an allen Orten,
zu den Xcten der Adminiftration und des Gouvernements, deren
*
5) Positions des Principaux licux etc. in Menı, conc, les Chinois
T.1. p.393. Mailla Hist, Gen. Xl. p. 575. ®*) Mem. cone.
les Chinois T.1. p. 392. j
544 Weſt⸗Aſien. L Abſchnitt. 5 6.
Regulativ im alten patriarchaliſchen Staatshaushalte des himm⸗
lichen Reiches, unter dem hoͤchſten Schutze des Tian (Geiſtes,
oder des Yao) diefe aftronomifhe Grundlage bildet. Das
her wird jedes Yahe im mathbematifhzaftronomifhen
Tribunal die Stunde des Auf- und Unterganges der Sonne,
die Länge der Nächte und Tage, der Anfang: der 24 Abtheiluns
gen des Jahres für die Capitalen der 18 chinefifchen Provinzen
und der 3 Mandfchu Provinzen berechnet, fo wie für die Haupts
orte der Länder der Mongholen und der Turf, wo Garnifonen
ftehen, und hiernach jede meteorifche Erfcheinung, zumal Sonnen:
und Mondfinfterniffe u. ſ. w. beftimmt, weil diefen zu begegnen,
oder die glücklichen planetarifchen Conjuncturen zu benugen, fo
gut wie Krieg und Frieden, Geburtstage, Todtenfefte der vers
ftorbenen Eaiferlichen Ahnen, Anfangstage der Dynaftien u. f. w.
als zu den Staatsangelegenheiten gehörig betrachtet werden. Dies
fes aftronomifche Band des Zufammenhalts mußte allen Nach⸗
barftaaten, als ein gleihfam vom Himmel ausgehendes imponiz
ven; es hat durch alle einen gewillen Einfluß‘ gewonnen, und
Afteologie ift dadurch überall hin, wie einft mit Babyloniern und
Chaldäern vom Euphrat aus, fo auch von China aus, weftwärts
mit allen turfeftanifchen Voͤlkerſchaften vorwärts gerückt, von wo
diefe Art Aftraldienft vielleicht urfprüngli) ausgegangen feyn
mochte.
Bon diefem Einfluffe Chinas auf den Weften Afiens, der
fih außer den unmittelbar politifchen Verhältniffen auch inss
befondere höchft wichtig in allen jenen commerciellen offens
bart, von denen oben vielfältig die Rede war, nämlich in dem
gegenwärtigen weit mehr geregelten Völferzuftande
der legten Jahrhunderte, den wir vorzüglich bisher nur wähs
rend der Mandſchu-Dynaſtie (feit 1623 n. Chr. -G.) ver
folgt haben, gehen wir zu dem der früheften Zeiten über. Denn
wir übergehen die der Ming: Dynaftie 365) (reg. von 1341 bis
1628 n. Chr. ©.), da fich diefe faft nur auf ihr altes Territorium
innerhalb der chinefifhen Mauer zuruͤckzog, ſo wie die der Yuenz
Dynaftie, oder die mongholifche Kaiferzeit der Dſchin—
gisthaniden (1280—1341 n. Chr. G.), welche zwar viel ges
waltiger auf den Weften der Erde aber andersartiger, mehr
zerſtoͤrend und verfchiebend, als aufbauend und_organifirend einz
\
”**) Ab. Remusat Remarques 1, c. p. 70.
\
Transoriana von Chineſen entdeckt 5.3. der Han, 545
wirken mußte, worüber nur andere Betrachtungen in Verbindung
mit den europäifchen hiftorifchen Begebenheiten lichtgebend ſeyn
Fönnen. Daher gehen wir hier nur zu den beiden befannter
gewordenen älteften Perioden des Einfluffes China’
auf den Weften Afiens über, der geftaltend genannt wers
den muß, und durch welchen uns die damaligen, älteften Zus _
fände der Länder, Völker und Staaten Central:
Afiens hervordaͤmmern; dieſelben, welche eigentlich die Grund:
lage der alten Geographie Mittel: Afiens abgeben, aus
denen uns erſt Einiges der claffifchen Zeit der Griechen,
Römer, Byzantiner, wie der mohammedaniſchen
Araberzeit des afiatifhen Mittelalters Elar wird,
Hieraus erhalten wiederum fo manche Verhaͤltniſſe der Gegens
wart ihr Licht und ihre Aufklärung, die bisher ohne jene Grund:
Tagen im Weften Afiens, zumal auch für deffen Literatur, Culture
und Antiquitäten ganz unverftändlich bleiben mußten.
/
Erläuterung 1.
Einfluß de3 chineſiſchen Reiches auf Weſt-Aſien unter ber
Dynaſtie der Han (163 vor, bis .196 nad Chr. Geburt).
Tſchangkians Entdefung von Ferghana, Sogdiana, Bacs
trien.und ber Handelöftrage nad Indien, um das 3. 122
. vor Chr. G.; Phantſchao's Entdekung des Caspiſchen Sees
66 vor Chr. G. Kenntnig von Ta Tſin und Afi, oder dem
roͤmiſchen Reiche und dem Parther-Reiche. Handelöverbins
dung zwifchen dem Oſten und Weften der alten Welt über
Indien und auf directem Wege, zu Zeiten Kaifer Marc,
Antoninus, 166 nach Chr. Geb.
Gluͤcklicher als mit dem Untergange des an Kenntniß
Inner-Afrikas fo reihem Karthago, durch den barbaris
fchen Haß der Römer, von welcher uns leider auch faft gar
‚nichts von Bedeutung gerettet ward, beginnt, ganz gleichzeis
tig, die genauere Kenntniß Inner-Aſiens, durch das
Aufblühben der EhinefensDynaftie der Han (von 163
vor bis 196 nach Chr. Geb.), die bis gegen das dritte Jahr—
hundert nach Ehrifto, alfo bis gegen die Zeit der Verlegung der
römifchen Kaiferrefidenz von Kom nach Byzanz, der Nachwelt,
Ritter Erdkunde VII, Mm
5346 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 6,
in ihren Annalen, chronologifch genau geregelte und gut ges
ordnete Nachrichten binterlaffen hat, die von unfchägbarem
Werthe für Geographie und Gefchichte des Orients genannt
werden müffen. Aber kaum iſt erſt der Zugang zu den Origi—
nalquelfen diefer chinefifchen Annalen und der Weg durch wenige
Sinologen gebahnt, aus deren Arbeiten wir hier hinfichtlich dee
fo eben berührten, wie hinfichtlich der folgenden Periode, nur das
Hierhergehörige anzudeuten haben,
Unter der Han-Dynaftie verbreiteten fih zum erften
Male die : Waffen der Chineſen bis zum Occident. In dieſe Zeit
fegen die meiften ihrer Hiftoriker und Geographen ihre Entderfung
der Abendländer (Khai-Sisyu)s®), alfo nur anderts
halb Jahrhunderte fpäter, als der macedonifche Alerander
für das Abendland das Morgenland, Indien und Bacz
trien, entdeckt hatte. Gänzlich unbekannt Eonnte ihnen der
Weſten nicht geblieben feyn, da auch ihre Altern Schriften, wie
die philofophifchen eines weit gegen den Weſten gewanderten
Weltweiſen Laotſeus7) und Hoainan tfeu, und ihre fabels
reichen Cosmographien „von den Meeren und den Bers
gen”) und Andere davon reden; aber fo wenig. wie vor den
Macedoniern ein Ktefias oder Herodot u. A. von Indien
(Afien IV 1. ©. 444 — 449) cin gewichtiges UrtHeil im befons
dern haben: fonnten, eben fo wenig die chinefifchen Autoren der
fröhern Zeit über Siyu im Weften des DBeloro.
Seit der 55 Yahre lang dauernden Negierungszeit des Kaie
fs Hiawouti (reg. von 142 bis 87 vor Chr. Geb.) fangen
die regelmäßigen Berichte aus dem Occidente an, die
in China einlaufen, und wie in allen phyficalifchen Erſchei—
— 2*
nungen nur erſt, nicht blos momentane Wahrnehmungen, ſon⸗
dern periodifch wiederkehrende durch wiederholte Beobach⸗
tungen, zu Naturgeſetzen fuͤhren, ſo auch kann hier erſt, im hiſto—
riſchen Sinne, nur von Völfers und Laͤnderverhaͤltnifſen,
die nun nach und nach aus dem Dunfel und der ———
der Vergangenheit hervortauchen, die Rede feun,
*°°) Ab. Remusat Remarques sur l’Extension de l’Empire Chinois |
du cot@ de !’Oceident ‘in Memoires I. c. Paris 1825. 4. p. 113
bis 126. 6?) Ab. Remusat Memoire sur la Vie de Lao Tsen |
Pbilosophe Chinois du VI Siècle ayant Jes. Christ, Paris 1823.
4. p. 12. °s) Ab, Remusat Remarques I. c r 129.
Sransoriana durch Tſchangkian entdeckt I2v. C. G. 547
Man zählte, zu Kaiſer Hiawoutis Zeit, 36 Staaten
fremder Völker, die alle im Werften des großen Chinefenfeindes,
der Hiongznu, der hier diefelbe Nolle Jahrhunderte lang wie
der germanifche Römerfeind am Rhein und Iſter fpielte, liegen
follten, und im Süden der Ufun, oder richtiger Ufiun (ſ.
Aſien I. ©.194, 352, 431— 437), deren frühere Sige im Often,
nahe dem eigentlichen China, vor ihrer Völkerwanderung 9) gegen
den Welten, uns aus Obigem bekannt ift.
Hier ift der Ort, unter diefem Kaifer feines chinefifchen Ges
nerals, Tfhangkian’O), deffen wir ſchon früher einmal gedachz
ten (f. Afien J. ©. 201, 195), genauer zu erwähnen, als deg
Entdeders Sogdianas, des Laspifchen Meeres und
In diens, nicht ald Eroberer, fondern als politifcher Miſſionar,
um das Jahr 122 vor Chr. Geb., auf welchen fchon Deguignes 71)
aufmerkſam gemacht hatte, obwol feine geographifchen irrigen Aus—
legungen erſt neuerlich durch Ab. Nemufat berichtigt worden
find. Da diefe geographifchen Irrthuͤmer von Deguignes, aus
defien hiſtoriſchen Schriften, in fo viele andere feiner Nachfolger
übergegangen find, fo lohnt es wol hier der Hauptfehler”2)
zu gedenken, aus denen alle andern nothwendig, wegen falfcher
Drientirung, hervorgehen mußten. Er erkannte in den Tahia
noch nicht die Dahae der Claſſiker. Die Afi las er fehlerhaft
Sanfie, er hält das Land der Khang oder Kang für Kaptfchaf,
da 25 doch Sogdiana (Samarkand) if. Deshalb wurden viele
andere Dertlichfeiten geographifch verrüdt und andere nicht aners
kannt. 3.B.in Meimorg erkannte er nicht die Mi, in Sou:
tuihana noch nicht Osruſchna, in Nachipo noch nicht
Nakhſab, in Tiaohi noch nicht die Tadjif, in dem Sai
noch nicht die Saken, Sacae, in Kipin noch) nicht Kophene u,
69) Bergl, Pat. Gaubil Hist. Chinoise de la Grande Dynastie des
Thang in Mem. conc. V’Hist. d. Chin. Paris 1814. T. XVI. p. 391
bis 395. 70) Pianitian Lib. XLIII. p.2 etc. in Abel Remusat
Remarques I. c. p.114 u, f.5 vergl. deſſ. FoeKoneKi I. c. Not.
.p-14 und ch. VII. p. 35 Not. p. 37 —39. 71) De Guignces Re-
Lexions generales sur les Liaisons et le Commerce des Romains
avec les Tartares et les Chinois in Memoires de Literature des
- Registres de FAcadem. Roy. des Inscriptions. Paris 1773. 8.
T.LVIN, p. 176; deſſ. Gefchichte der Hunnen zc. Ueberſ. v. Daͤh⸗
nert Einl. ©. 33 und Th. I. ©. 160 — 169, wo er aber irrig Tſhang⸗
kiao genannt ift. 72) Ab, Remusat Nouy, Mel. Asiat, T. I,
P. 188 — 189 etc,
Mm 2
348 WofteMien J. Abſchnitt, 6. 6.
ſ. mw. an. Seit Ab. Remufars Berichtigung dieſer Puncte
folgten auch Klaproth im feinen verfchiedenen Schriften, und
St. Martin in feiner Hist. du Bas Empire u. a, D., diefem
Vorgange, wie wir bier,
Die von den Hiongsnn gegen den Werften verbrängten und
graufam bis nach Sogdiana verfolgten Yuetfchi Yuethe,
Yueti, Getae), hoffte der Kaiſer Hiawouti, im Rücken feines
Grenzfeindes, zur Allianz wider diefen zu bewegen, und deshalb
ward der General Tſchangkian zu ihnen mit mehrern Officer
ven ausgefandt, fie in ihrem damaligen Wohnorte feldft aufzus
fuchen. Diefer General ward nun, um fie zu erreichen, viel weis
ter gegen den Ilntergang der Sonne verfchlagen, als er wol ſelbſt
anfänglich beabfichtigt oder gedacht hatte.
Die Yueti hatten, von den Hiongnu verfolgt (feit 165 vor
Chr. Geb.), in nordweftlicher Verzweigung, die Ta Yueti
oder großen Beten genannt (im Gegenfas der Eleinen
Yueti, die ihr Afyl gegen S.W. in Tübet fuchen), den Thian
Schan überftiegen, fanden aber in den Sitzen am li ſchon die,
Ufiun, ihre Leidensgefährten und frühere Nachbarn, an der Chir
nefengrenze als Feftgefiedelte vor... Diefen mußten fie daher auss
weichen, gegen S.W., nach dem heutigen Transoriana zu. Anz
fangs hatten fie fich des weidenreichen Landes 373) der Szu, oder
Sai (Sara, Safen, ſ. Aſien I. ©. 432), von denen Hiuan
Thſang noch zurückgebliebene Spuren in den Gebirgsthälern am
hohen Pamer im VII. Sahrhunderte (f. 06. ©. 494) vorfand,
bemächtigt, fo daß diefe über den Sihun (Syr oder Yarartes)
füdwärts ausweichen mußten, wo fie den baftrifhen Thron
der mafedonifhen Dynaftie ſtuͤrzten (f. ob. S. 109 u. f.).
Die Ufiun am Ili und Iſſekul, im vormaligen Sande der
Sai (Zazuı), aber von neuem gedrängt, durch die noch immer
gegen Weften mächtig fi ausbreitenden Hiongnu, fließen nun
auch die Yueti (Getae) Über den Jaxartes, fo daß dort Geten
den Safen folgten. Diefen hatte im Weſten, nach den chiner
fifhen Autoren, das Neich der Asfi (Parther) Widerfiand
geleiftetz nun mußten fie gegen den Süden vordringen. Die
Yueti, ihrerfeits, wurden wieder von den Uſiun gedrängt,
welche, begierig das vordem von den Sai befeflene Ländergebiet
einzunehmen, jene mit Krieg überzogen, fo daß die Yueti (Getae) |
#73) Klaprotlı Tableaux historiques de l’Asie. Paris1826. 4. Peuples
de Race blonde. p. 163 — 166.
Transoxiana durch Tſchangkian entdeckt I22v. C. G 549
aus ihrer anfänglichen Anfı iedlung in Taman, oder Schaf
Gerghana), nach Tahia (Land der Sai, oder Saken, Fazer,
"Dacae) fortfchreiten mußten, zur Nordſeite der Orusufer, oder in
das fogenannte Transoriana der Alten. Die Yueti) wie die
©ai (Getae und Sacae, oder Dacae), mußten nun bei fernern
Wedraͤngniſſen immer weiter nach dem Suͤden vordringen, alſo
endlich Hiantu (Nord-⸗-Hindoſtan, f. ob. ©. 285, oder die
nördlichfte Anfiedlung des Tribus der Chintu, wie im Pianitian,
ſteht Lib. XLIII. p. 2) erreichen. Hier nun auf der Suͤdſeite
der Schneefetten finden wir fie als die Eroberer durch
‚ganz Kabul (Kipin, Kophene, Utſchang) und Kandahar (Kians
ho wei) bis Belludſchiſtan (Foe leou tſcha), ja bis Sinde
Hee, Jut, ſ. ob. S. 179), als indo-ſkythiſche Dyna—
ien und Eindringlinge, durch die folgenden Jahrhunderte, übers
all auf der Weftfeite des Indus wieder (f. ob. ©. 296),
orüber die oben angeführten Muͤnzen und Monumente die wich
Fe neuen Belege geben.
In jener Zeit der Voͤlkerverdraͤngung Inner Aftend mußte
te cinefifche General Tſchangkian, der von den Weftthoren
e großen Mauer ausging (f. Alien I. ©. 202), zuerft Länder
durchziehen, die von den Hiongnu beherricht wurden. Diefe
bald von dem Zwecke der Sendung unterrichtet, fehnitten ihm den
eg ab, und zehn Jahre lang ward Tſchangkian mit feinen
jefährten von ihnen gefangen gehalten. Hier hatte er fich ver⸗
irathet, e8 waren ihn aucd Kinder geboren: er fonnte fich, uns
r den Hiongnu faft nationalifirt, von ihren weiten Steeifereien
und eroberten Herrfchaften Kenntriffe einfammeln, die früher uns
bekannt geblieben waren. Der Zweck feiner Sendung entging
ihm nicht, und endlich gelang ihm fogar mit feinen Gefährten
die Flucht; nach mehr als zehn Tagereifen erreichte er die Grenz
zen von Tawan (Ferahana). Die Bewohner diefes Landes
kannten den Reichthum und. die Macht Chinas von Hörens
fagen; aber fie hatten keine directe Verbindungen mit ihnen
abt. Sie unterftügten den Flüchtling, der bei ihnen erfuhr,
daß die Yueti die Eroberer von Tahia (dem Lande der Saken,
Transoxiana) geworden waren, in feiner Weiterreiſe, und er ger \
Tangte”%) durh Khangkiu (Sogdiana) zu den Yueti und Tas
hia am Suͤdufer des Oxus (alfo im alten Bactra, Im heus
hd | Ab. Remusat Remarg. I. c. p. 116; FocKoueKi p. 37.
550 Weſt⸗Aſien. J. Abſchnitt. 5 6.
tigen Balkh). Die Yuete in ihrer neuen Anſiedlung zeigten
durchaus kein Intereſſe in die Vorſchlaͤge des chineſiſchen Generals
von Seiten ſeines Kaiſers einzugehen. Sie wollten ein ſo reiches,
fruchtbares Land (Baktrien) nicht wieder verlaſſen, um in die
Wuͤſten der nachmaligen Tatarei, jetzt noch der Hiongnu, zus
ruͤckzukehren, und dieſe, ihre Bedraͤnger, denen ſie kaum erſt glück
lich entgangen waren, von neuem mit Krieg zu überziehen. - Der
chineſiſche General, fehe unzufrieden mit dem Ausgange feiner
Embaffade, wählte, zum Ruͤckwege, um den Hiongnu auszureis
chen, eine andere füdlichere Route durd Tuͤbet (vielleicht die
füdlichfte Badakhfchan-Route, über Kartchou, f. oben ©. 503,
nach) Yarkand, Khotan, Keriya, f. ob. ©. 326—327 u. f. W.).
Aber auch dahin weit nah Süden drangen damals noch (näms
lich bis zu Pantſchaos Zeit, f. ob. ©. 359) die Streifereien de
gefürchteten Hiongnu vor, und zum zweiten Male von ihnen
gefangen, entfchlüpfte er nur, durch die Verwirrung, welche d
Tod des regierenden Tſchen-yu (f. Afien I. ©. 432, d. i. ber
Kaifer der Hiongnu) veranlafte, begünftigt, und £ehrte nach eine
Abwefenheit von 13 Jahren feltfamer Fata nah China zuruͤck.
Don 100 Perſonen feines anfänglichen Geleites kamen nur zwe
glücklich mit ihm zurück,
Die von ihm mit eigenen Augen gefehenen Länder waren
nah Tſchangkians Berichte: jenes Tawan, oder Schaf
(Ferghana und Tafhfend), Ta Yueti, d. i. das Land
der großen Getae (Transoriana), Tahia (Bactria d
Dahae oder Sai) und Khangfiu (Sogdiana, d. i. das Lan
zwifchen Samarfand und dem heutigen Bofhara), deren damali
Grenzen genaner zu beftimmen freilich wol feine Schwierigkeiten
haben mag.‘ Aber zugleich hatte er noch genauere Nachrichte
von fünf bis fechs andern benachbarten, großen Staa
ten eingefammelt, von denen er in feinem Reifeberichte an d
Kaifer manche Mittheilung machte. Er war es zugleich, der zu
erft feine Landsleute die Hindus Eennen Lehrte, unter dem Na
men der Chinton, oder des Landes Thiantouz er unterrich
tete fie, daß man von Setfehuen aus, ſchon mit Bactrian
und India Handel getrieben hatte, ohne bisher dieſe Lande
und Völker, weher die koͤſtlichen Waaren kamen, zu Eennen.
theilte eine Handelsroufe dahin mit, welche die dahin füh
renden Gebirge auf weit fürzern Paͤſſen durchfegte, als au
derjenigen, welche ex felbft dahin zuerſt (namlich die Nordrout
>
Transoriana duch Tſchangkian entdedt 122 v. C. G. 551
tte er wol uͤber Ferghana genommen) eingeſchlagen. Dieſer
Bericht veranlaßte den Kaiſer, mehrere Verſuche machen zu lafs
fen, quer durch Tuͤbet nach Indien vorzudringen; aber die böfen
Wege und die damalige Barbarei der Einwohner (es war ein
halbes Jahrtauſend vor ihrer Bekehrung zum Buddhismus) lege
. ten umhberfteigliche Hinderniffe in den Weg. Mehrere der chines
ſiſchen Gefandten wurden auf diefer Route erfchlagen.
‚ Die fpecielle Nachricht über diefe Altefte Berichterftattung
Sfhangkians in den Annalen der Hans”) enthält das
merkwürdige Factum, daß fhon damals ein bedeutender
- Handel hinefifher Waaren durch das Land der Tahia,
d.i. der Dahae, Daken bei Herod. und Arrian, oder Safen bei
den fpätern Ptotem., der Sakas bei Hindus, d. i. der Sai (di.
Transoriana), nah Indien hin und zuruͤck Beftand hatte,
daß diefer alfo nicht erft fpäter, im U. Jahrh. nach Chr. Geb.,
“ wie man nach Ptolemäus Angabe von der Serenftraße am Stei—
nernen Thurm etwa vermuthen möchte, in Gang fam (f. ob.
S. 483, 485). Obwol uns nicht Alles ganz deutlich ift in dies
fem Berichte, fegen wir ihn doc) des Ichrreichen Theils feines In—
haltes wegen, für jenen Verkehr im höchften Alterthume, hier her.
Bei den Tahia, fagt Tſchangkian, bemerkte id Bam⸗
busrohre von Khiungl?) und Zeuge von Tſchu (Chu?),
Auf meine Frage, woher? fagten die Tahia, daß ihre Kaufleute
bis ih das Sand Chintou @. i. Sind oder Hindu) handel
ten (d. i. ein Theil von De Hiantou, oder Nord: Hindoftan,
"nämlich wol auf der Wefkfeite des Indus oder Sind gelegen).
Chintou liege im Suͤdoſten von Tahia, einige taufend Li fern.
Die Sitten und Trachten der Einwohner diefes Landes feyen des
nen der Tahia ähnlich. Aber ihr Land fey niedrig, heiß,
"feucht (alfo das tiefe, ſchwuͤle, regenreiche Yndusthat). Dort
reiten fie auf Elephanten, wenn es in den Krieg geht. Ihr
Land grenzt an das große Meer (der Ocean am Yndus-Delta).
Das Land der Tahia mag nach meiner Schäsung noc) an 1200
gi in S.W. von China liegen (ob von der chinefifchen Weft
grenze?). Da Ehintou einige taufend Li im Südoft der Tahia
liegt, und man dafelbft Waaren von Tſchu (Chu) findet, fo kann
dies Land nicht fern von dem lestgenannten liegen. Deshalb
wollte ich durch das Land der Khiang (d. i. Tüber) ven Ruͤck⸗
#75) Theian han chou Lib, LXT. p. 1, 5 nach Ab, Remusat im Foe-
BoneKi l. c. p.38.
552° MWefteMien. I. Abſchnitt. $ 6.
meg nehmen. Aber ich gerieth etwas zu mweit noͤrdlich und ward
ein Gefangner der Hiongnu, Doch muß es leicht fenn, dürch das
Land der Tſchu (Chu) heraus zu fommen; denn von Raͤubern
hat man da nichts zu beforgen,
As Kaifer Hiawouti erfuhr, daß die Tawan, Tahia,
Afı (Anſi bei Deguignes, auch, obwol nach falfcher Yesart,
Ganſi, auch Afiani) und andere Völker, dort große Reiche
bildeten, in denen man viele Koftbarfeiten vorfinde, daß diefelben
viel Aehnlichkeit mit dem Neiche der Mitte hätten, aber wenig
friegerifch fryen, und die chineſiſchen Waaren fehr hoc)
fhägten, da er ferner wußte, daß die nordifchen Großen Yueti,
die Shangfiu (di. die Sogdianen), und andere mädtige
und Friegerifche WVölfer, durch Reichthuͤmer angelodt würden; da
er ferner bedachte, daß, wenn man diefen die Gerechtigkeit eins
prägen fönnte, dem chinefifchen Neiche eine Ausdehnung der Laͤn⸗
der von 10,000 Li (d. i. 500 geogr. Meil.) offen ftche, und daß.
dann die guten Sitten und die Tugenden (d. i. die chinefifche:
Civilifation) bis zu den 4 Meeren, d. h. nach allen Weltgegens
den fich ausdehnen würden; ſo ging der Kaifer in des Genes
ral Tſchangkian Projecte ein. Von Tſchu (Chu? unbekannt;
follte es etwa Weſt-Tuͤbet oder Yadafh feyn?) aus wurden auf
feinen Befehl mehrere Gefandte ausgefchieft. Sie gingen nah
vier verfchiedenen IBeltgegenden, und legten an 1000 und 2000 8:
(75 bis 150 geogr. Meil.) zuruͤck. Aber im Norden fanden fie,
die Routen gefchloffen durch die Ti und die Tſo (2); eben fo im
Süden durch die Soui und die Kouenming, die ohne Fürs.
fien nur als Naubhorden lebten und mehrere der Gefandten ers
ſchlugen. Es Eonnte alfo nach diefen Richtungen hin feine Vers
bindung in Gang gebracht werden. Dagegen erfuhr man, daß
taufend Si im Weften fih das Königreich befinde das Thian
(Hiantou) heiße, wo man ſich der Elephanten zum reiten bes
diente, Dort nehmen die Waaren die von Tſchu (Chu) Famen
ihren Durchzug. Einigen der Abgefandten gelang es dahin zu
fommen. Indem man es nun fo auf diefe Weiſe verfuchte mit
denen von Tahia (den Daken, Saxaı) in Verbindung zw tre—
ten, fingen die Ehinefen zugleih an auch das Land Thian
fennen zu ‚lernen. Echon viele Verſuche hatte man zuvor ges
macht, um Verbindungen mit den Barbaren im Suͤdweſten anzus
fnüpfen; aber ohne die Berichterftattungen des General Tfchangs
tion, daß cs möglich fey, auf dieſem Wege zu den Tahie zu
—
Transoxiana durch Tſchangkian entdeckt 122v. C. G. 553
gelangen, wuͤrde man dergleichen Verſuche fernerhin auſgegeben
haben.
Später führte Tſchangkian ein Kriegsheer gegen die
Hlongnu, weil feine Länderfenntniß unter diefen feindlichen
Nachbarn fehr vortheilhaft fir die chinefifchen Unternehmungen
war. Er gelangte im jahre 123 vor Chr. Geb. zu einem fehe
Hohen Poften im Reiche; aber zwei Jahre darauf, 121, ward ex
dennoch von den Hiongnu befiegt und deshalb zur Etrafe degras
Dirt, Doc) erhielt er durch die befondere Gnade des Kaifers Pars
don. Er Eonnte noch lange Zeit nügliche Nachrichten über die
politifchen Verhältniffe der Fürften der Hiongnu, der Ufiun, der
Yueti (Geten) und über die Unterjochung der Saken (Sai)
durch die Yueti, fo wie über vicle andere Staatsbegebenheiten
der Nölfer von Siyu oder dem Weften einziehen. —
Es beginnt in diefer Zeit die Periode der immer fortfchreis
tenden Schwächung der Macht der Hiongnu an den Weſtgren—
gen Chinas, welche nun fortan weniger durch ihre Attafen beun—
rxuhigt wurden, und die Weftvölfer werden zugleich freier von
den Ueberfällen und dem Druck diefer Barbaren (f. Aſien J.
-&. 202). Chinefifche Politit dagegen wird es, von nun an, ich
in die Streitigkeiten der Prinzen diefer Weftvölfer zu miſchen;
eine Politik, die. durch ihre Einrichtung der 4 Kiun (Terris
forien, feit.59 vor Chr. ©.) und die Einferung der zwei Ges
neraicommandanten in denfelben, die bald, weit durch den.
in ſich gefehwächten und vielfach zerfpaltenen Siyu ihren Einfluß
verbreitend, feit den ältern Zeiten der Schenfchen (f. ob. ©. 332) '
bis in die neueften der Khodjas (f. ob. ©. 506 u. f.) immer dies
felbe geblieben ift (divide et impera). Um das Jahr 5 vor Chr,
Geb., unter Aiti und Phingti, fagen die HansAnnalen 876), war
das Weftland in 55 Eleine Staaten getheilt, deren Fürften
Dafallen von China hießen. Die Zahl der dort functionis
renden chinefifchen Beamten war 376, nämlich als Städtecoms
mandanten, Chefs von Tribus, Adminiftratoren von Landfchaften
und überhaupt als eingefeste Magiftratsperfonen, welde
mit Gürteln verfehen waren und ihre Eaiferlichen Inſiegel hatten.
Aber unter diefen, heißt es ausdrücklich, waren jedoch nicht bes
griffen, die Könige der Groß-Yueti (Getae), Khangkiu
(Sogdiana), Azfi (Aſi, Aſiani, oder oͤſtliche Parthifhe), Dui
*’*) Ab. Remusat Remarques l. e. p. 120.
554 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. 86.
und Andere, die auch dafuͤr galten, obwol ſie weit entfernt wa⸗
ren um ſolche wirklich zu ſeyn. Man lernte in dieſer Zeit nun
ſchon die verſchiedenen Weſtſtraßen durch Siyu, als Nord⸗ und
Suͤd-Straßen kennen (ſ. ob. S. 322), und fand bequemere mitt⸗
lere Straßen zwiſchen jenen aus. Wuchs von Zeit zu Zeit eins
mal wieder, die noch immer nicht gänzlich vertilgte Macht der
Hiongnu, wie z. B. um das Jahr 75 nach Chr. Geb., wo fi)
diefe im Uiguren-Lande feftgefest hatten (f. ob. S. 437); fo 509
man die eingeſetzten Commandanten aus jenen Gebieten unter
dem Vorwande: „die Ruhe von China nicht dein Wohl der Bars
baren aufzuopfern“ Ceine chinefifche officielle Flostel, wenn die
Truppen gefchlagen waren), wieder an fich, und wartete das fels
ten lange anhaltende politifche Unwetter ab, um dann wieder in
die alten Poften einzuruͤcken.
So geſchahe es auch diesmal 877), fchon 3 Jahre fpäter,
nachdem die Hiongnu aus Koueitfen (d. i. Biſchbalik,
oder der wigurifchen Pentapolis, f. Afien I. S. 382) vertrieben
waren, daß fogleich wieder 50 Staaten in das Verhältniß jener
Vaſallen zurückgekehrt, d. hd. wieder tributair geworden waren,
Man nahm in diefer Zeit unter andern auch die Unterwerfung
der Tadjik (Perfifch redende), die hier zuerft genannt werden,
und der Afi an, und aller Volker, die bis zum großen Weſtmeere
(d. i. den Caspifhen See) wohnten, obwol diefe Entfernung bis
auf 40,000 Li angegeben wird, was freilich fehr übertrieben (300
alte Li zu 1 Breitengrad gerechnet), 1900 geogr. Meilen betragen
würde, in directer Diftanz, von der wahren Länge vielfach ges
kruͤmmter Routen und Umwege jedody nur wenig abweichen
möchte.
In diefe Periode fällt (9 Jahr nach Kaiſer Mingtis Tode,
Jahr vor Chr. Geb.; alſo um das Jahr 66 vor Chr.) die
Entvdedung des Caspiſchen Meeres durch die Chines
fen. Der General: Commandant Phantſchao (oder Panz
tſchao) war es, der den General Kanying in diefer Zeit auss
fandte, das Meer des Decidentes ©) (Caspiſches Meer,
Neumann verſteht darunter das Mitteländifche Meer) 7%) zu”
bereifen; defien Expedition brachte natürlich eine Menge von
’
3
s’7) Ab. Remusat Remarg. I. c. p. 122. *2) Nach Pianitian
Lib. LVI, p.2 b. Ab. Remusat Remarg. 1. c. p. 122. 20) E. F.
Neumann Aſiatiſche Studien, Leipz. 1837. 8. Th. J. S. 194.
-
Caspiſches Meer durch Phantſchao entd, 66 v. C. G. 555
Kenntniſſen und Dingen mit in die Heimath, die unter den vo⸗
rigen Dynaſtien unbekannt geblieben waren. Von Voͤlkern, Sit⸗
ten, Producten, Traditionen, Koſtbarkeiten vieler Landſchaften und
Koͤnigreichen wurden, nach chineſiſcher Weiſe (die unſerm neus
europaͤiſchen, gemengten und zerhackten, innerlich wenig zufam:
menhängenden geographifchen Compendienftyl, der auch Alles Zus
fällige mit dem Wefentlichen und Seltfamen zufammenrafft, nicht
unähnlich fieht, als wäre fie Mufterbild gewefen), eine Menge
von unverbundenen Daten mitgetheilt. Unter den entfernteften
der Königreiche werden die von Mengki (?) und Teoule(?)
genannt, deren Fürften Wafallen werden wollten, und deshald
Faiferliche Inſiegel erhielten.
Phantſchaos Abfiht war geiwefen, fein Abgeordneter follte
sordringen bis in das MNeich der Ta Ifin (Imperium Romanum,
d. i. wörtlich überfegt „groß wie Ifin oder China,” d. i. das
Große Reich, welchem diefer Ehreriname gegeben ward, weil
es im Decident der Erde als dasjenige galt, was das Himmlifche
Reich der Tfin, d. i. der Ehinefen, gegen den Aufgang war, das
oberfte in jeder Art). Aber, als General Kanying, heißt es, am
Ufer des Weftmeeres angelangt war, ftellten ihm die Tadjie (Per⸗
fifch 'redende), bei denen er war, vor, daß die Schiffahrt die er
unternehmen wollte zu gefahrvoll fey. Sie fagten: bei gutem
Winde brauche man 2 Monat Zeit um über das Meer zu fihifs
fen; aber zum Ruͤckwege brauche man, wenn der Wind hicht
günftig fey, 2 Jahre Zeit, fo daß die Schiffer, die nach dem Ta '
fin gingen, den Gebrauch) hätten, fich mit Borräthen auf 3 Jahre
zu verfehen. Das waren die Schwierigkeiten die man ihm machte,
oder die er vorgab, um fich wegen feiner Nückkehr zu entfchuldiz
gen; weshalb, diesmal alfo, auch das Ta Tfin oder Imperium
Romanum nicht mit in die Reihe der tributairen Provinzen eins
regiftriet werden fonnte, —
Dieſe erfte Nachricht von der Heberfchiffung des Cas—
pifhen Meeres ift ganz gleichzeitig derjenigen, welche wir
aus Sext. Pompejus Erfundigungen dafelbft durch Plinius (Hist.
N. VI, 19) erfahren, der die Anzahl der nothivendigen Tage zur
Sandreife von Kolchis nach Baktrien wol angiebt, aber nicht die
der Serüberfahrt. So fehr diefe auch, bei den Tadjik, für den
EChinefengeneral, tibertrieben ward, fo muß man doch nicht vers
geilen, dag nicht fowol die räumliche Breite fie ſchwierig machte,
fondern die Unſicherheit der Winde und Stürme, die öfter
556 Weſt⸗Aſien, J. Abfchnitt. $. 6,
auch heut zu Tage Feine fichere Berechnung der Ueberfahrtäzeit
zuläßt; und wie unficher man dabei war, zeigt die Vorſicht ber
Berproviantirung auf Jahre.
Seit diefer Zeit zählten die chinefifchen Annalen nun, außer
den genannten ofts turfeftanifchen Königrerhen, auch noch mefts
turfeftanifche bis zum Caspifchen Meere zu ihren trißutairen Bas
falfenftaaten, weil fie mit ihnen in politifche Relationen getreten
waren, nämlich die von Transoriana, Samarfand, Bokhara oder
der Afi, d. i. öftliche parthifche Provinzen, von Perſien, näms
lich das Land der Tadjif und felbft Indien, nämlich Kabul,
Kandahar u. a., wohin der Handel ging, und von woher vies
ferlei Seltfamkeiten ald Waaren aus Ta Tfin famen, die,
wie der chinefifche Autor fagt, damals mit den Bewohnern Yns
diens in Verkehr fanden; was auch durch die in den Topes von
Manikyala gefundenen Nömermünzen beftätigt ift (f. ob. ©. 106),
welche fih nun fihon von Zul. Caͤſar an bis auf die Zeiten '
Theodofius des Großen 395 und Marcianus 457 p.X.n.
in denen von Yellallabad fürzlich (1834) 8%) nach Maffons Auss
grabungen vorgefunden haben.
Das wahre Motiv jener Erpedition zum Caspifchen See
feheint, bei den damaligen Chinefen, das Intereſſe gemwefen zu
ſeyn, eine directesl) Handelsverbindung zwifchen den beis
den Ifin im Often und Meften, d. i. zwifchen dem chineſi—
fhen und dem römifchen Kaiferreiche zu Stande zu bringen,
damit der Transport der wünfchenswerthen Waaren nicht erft
durch Indien zu gehen brauchte. Dies feheint aus einer merks
würdigen Stelle eines chinefifchen Autors, aus einem etwas fpäs
tern Jahrhunderte hervorzugehen, die folgendes ausfagt:
Die Könige von Ta Tfin (d. i. der Römer, fpäter der Fo»
In, d. i. Byzantiner), eines großen Reiches voll Städte und
Königreihe mit fehr großer Capitale, prächtigen Paläften, koſtba⸗
ren Kleidern, weißbedeckten Wagen u. ſ. w., hatten den Wunſch
geaͤußert, mit Chineſen in Verbindung zu treten; aber die Aſi
WMarther, auch wol mit ihnen an der Oſtgrenze vermifchte S
welche ihre Stoffe denen von Ta Tſin verhandelten, hatten ftets
#%0) Letter from M.Masson to Capt. Wade 15. Jul. 1824. in Journ,
‚of Asiat. Soc. of Bengal ed. Prinsep Vol, IV. p. 234.
*') Ab. Remusat Remarques I. c. p. I23; Deguignes Reflexions sur
le Commerce des Romains avec les Chinois l. c. Hem. T.LVIN
Paus 1773. p. 176,
d
-
1
M. Antoninus Embafjade n, China 166.8. G. 557
die Routen geheim gehalten, und die directe Communication zwi⸗
ſchen beiden Reichen gehindert. Dieſe Verbindung ward wirklich
einmal angeknuͤpft, als einer der Herrſcher von Ta Tſin unter
dem chineſiſchen Kaiſer Houanti, in deſſen neuntem Jahre
Yanhl, d. i. im Jahre 166 n. Chr. Geb., Geſandte nach China
ſchickte, naͤmlich An⸗thun. Alſo Kaiſer Marc. Antoninus
(reg. 161 - 180 n. Chr. G.); das Jahr 166 iſt das merkwuͤrdige,
in welchem er Cteſiphon am Tigris eingeaͤſchert und den Parthers
Krieg glücklich beendigt hatte, worauf eine Embaffade gegen
den DOften, zur Eröffnung eines directen Handels mit dem his
nefifchen Reiche auch hierzu die günftigfte Periode feiner Negies
rung war. Doch famen diefe Gefandten, nach der Erzählung des
hinefifchen Autors, nicht auf dem Landwege (dem Pelu, der
- Mordroute), fondern auf dem Waflerwege über Jinan (d. i.
Tonking) nach China; es war in dein was fle mitbrachten jedoch
feine Koftbarfeit von Bedeutung.
Später, im IH. Yahıhundert (zur Zeit dee San Koue,
d. i. der drei Königreiche, reg. 221— 277 n. Chr. G.) wird ans
derwärts in den chinefifchen Annalen gefagt: die Einwohner von
Ra fin hatten feit langen Zeiten den Wunfch Embaffaden in
das Reich der Mitte zu ſchicken; aber die Afi (Parther) hatten
fi) dem entgegengeftellt, aus Furcht den Gewinn des Zwis
fhbenhandels zu verlieren. Die von Ta fin verfertigten
“Stoffe, die beffer gefärbt find und von fchönern Farben als Alles
"was im Often des Meeres (des Easpifchen) gemacht ward. Das
gegen fanden fie es fehr vortheilhaft, die Seide aus dem Koͤ—
nigreiche der Mitte (d. i. China) zu faufen, um daraus die
Zeuge nach ihrer Art zu meben. Diefes war der Grund ihres
Verkehrs, der fie mit den Asfi (Parthern) und den Übrigen bes
nachbarten Völkern verband.
Hiermit erhalten wir alfo durch gleichzeitige Chineſen den
Aufſchluß uͤber den aͤlteſten beruͤhmten Handel der Seren, mit
der rohen Seide, gegen gefärbte Stoffe (wol Purpur),
zwifchen dem Außerften Often und Weften der Erde, durch die
Vermittlung der A⸗ſi, Aftanen oder Parther, zwifhen dem Chi⸗
nefens und Römer; Keiche,
Diefes Motiv der Geheimhaltung erinnert, wie Ab. Remus
fat bemerkt, an die Intriguen von Catulf, König der Ephthaliten,
am Hofe Khosrors, deren Erfolg, nach Menander war, daß die
Sogdianen bie Turkſtaͤmme einluden, ſich direct an die
—
558 Wet Afien, I Abſchnitt. % 6.
Roͤmer zu wenden, um Auswege für den Seidenhandel
zu eröffnen; die Ka Khane der Turf am großen Altai haufeten
dafelbft unter feidenen Gezelten (f. Afien I. S 479).
Nach dem Untergange der Parther fingen nun die Perſer,
d. 1. die Saffaniden, an, auf gleiche Weife jede direrte Nö
merverbindung mit China zu unterbrechen; der Umweg durch In⸗
dien war zu lang und befchwerlich um zufammenhängenden Vers
kehr zu bewirken. Doch ward der Handel nicht ganz unterbros _
chen. Im Yahre 284832) erfchienen wiederum zwei römifche Ges
fandte in China (alfo nach Aurel. Probus Tode, 5. 3. von Dior
eletian, nicht wie Klaproth in Tabl. hist. p. 191 irrig fagt, unter
dem 100 Sahr fpätern Kaifer Theodofius), und der Verkehr ward,
wie wir aus Cosmas Indicopl. erfahren, bis in das VI. Jahrh.
fortgefeßt. Das genauere Studium chinefifcher Annalen würde
hierüber noch wichtige Auffchlüffe zu geben im Stande feyn, und
wir müffen es auch,hier bedauern, daß Ab. Nemufats ceritifche
und inhaltreiche Forfchungen 83) über diefen Handelsverkehr aus
den chineſiſchen Originalquellen nicht veröffentlicht worden find,
In diefer Periode der zweiten Römer: Embaffade herrſchte
die Dynaftie der fpätern Tfin (reg. von 265— 420 n. Chr.
Geb.), zu unterfcheiden von dem weit ältern Dynaften: Stamm
Thſin, Shi Hoanghtis, im II. Jahrh. vor Chr. (f. Afien
I. ©. 199). Obwol beide Namen durch ganz verfchiedene Chaz
ractere gefchrieben werden, fo hat ihre Ausfprache doch faft
gleiche Laute, und daher trug mwahrfcheinlih, wie Ab. Remus
fat fhon bemerkt 8), diefe legtere allerdings fehr glänzende Dy—
naftie, obwol fie nicht fehr lange herrſchte, und fich ſelbſt theilz
weife fpäterhin auf das eigentliche China befchränfen mußte, bei
den Ausländern dazu bei, den feit früherer Zeit fchon ruhmvollen
Namen der Tfin, d. i. Chinas (das Sinim im Propheten
Jeſaias 49 v. 12)85), bei allen Fremden zu perpetuiren. In der |
erften Zeit diefer TfinzDonaftie (welche Itemufat, zum Unter
ſchied von der ältern, ohne h fchreibt), um die Jahre 277, 285.
blieb noch der directe Verkehr zwifchen China und dem Siyu frei '
und offen, bis nach Samarfand hin, deflen Beherrfcher chine⸗
8832) Deguignes Reflexions 1. c., p. 177. 83) Ab. Remusat Re-
marques l. c. p. 123. 84) Ab. Remusat Remarg. l..c p. 109;
vergl. Klaproth sur les Noms dela Chine in Mem. relat. alfäsie.
T. 1. p. 257. s2) Gefenius Commentar über Jeſaias 1821.
Th. II. P 131.
Tranboxiana zus Zeit der Thang. 559
ſiſche Titel annahmen, bis erſt fpäterhin die wieder um fich greis
fende Ausbreitung der Hiongnu von neuem eine Barriere zwifchen
China und Sogdiana aufirarf, die in diefer Zeit jede Nachricht
von dort her unterbrechen mußte.
4
Erläuterung 2%
Einfluß des chinefiichen Reiches auf Weſt-Aſien, unter ‚den
Dynaftien der Wei, der Sui, der Thangz die drei Su,
hsabtheitungen; Peikiu's drei Bücher über die Fremden,
deſſen erfie Landkarte von Siyu, und die drei Handelöftragen
gegen den Weften (im Jahre 607 nad) Chr. Geb.).
1487
Mit den Dynaſtien der Wei (398 —534 n. Chr. ©), der
Soui (von 581 — 619) und zumal der Thang (von 619 — 907)
eröffnet fich der Weften von neuem für China, und führt das
durch auch uns von dort aus eine Maſſe von Kenntnig, wie Uber
das nun ſchon durch Claffiker befanntere Seythia extra Imaum,
oder Serica, d. i. Oft-Turfeftan, fo auch über Scythia intra
' Imaum, d. i. Weft-Turfeftan, oder Transoxiana zu, melche
noch mancher critifcher Arbeit aus den Originalquellen bedürfen
wird, um in allen ihren Theilen geographifch vollftändig zur Evi⸗
denz zu gelangen. Die Fürften der Weis Dynaftie %) ſtamm⸗
ten aus dem Norden Afiens, aus den Baikalländern Sibiriens;
‚fie hatten Verbindungen beibehalten mit den Tribus die jenfeit
des Baikal wohnten, bis zum Obi und Eismeere. Daher war
den Chinefen zu feiner Zeit der Norden Afiens bekannter als
damals. Miele fibirifche Stämme wurden fehr forgfältig befchriez
ben, auch mit den füdweftlich angrenzenden Völkern fand Verbins
dung auf dem Nordwege (Pelu) Statt; zumal mit Schaf.
(TafhEend im Norden Ferghanas) oder Kouei:fhan;z mit
(den Soute oder Alanen; mit den Tadjik oder Perſern;
mit den Afi (Parther?) angefiedelt in dem heutigen Bos
khara; mit den Ufiun, mit den Bewohnern von Balkh,
Kandahar m. a. Völkern in Siyu. Chinsfifche Offieiere, die
damals, vom Tai Wouti, in die Weftgegenden ausgefandt waren,
brachten die Nachricht bon den drei Zu 37), oder den drei Re—
gionen (Naturadtheilungen) mit, die fie in den Ländern gegen
*6) Ab. Remusat Remarg. 1. c, p. 106. 27) ebend, p. 108.
—
560° MWeftsAfien. L Abfhnitt, $ 6.
Nordweſt wahrgenommen hatten. Die erſte Region, oder m,
fiege zwifchen den beweglichen Sandmaflen (Scha mo) der Gobi
und den Blauen Bergen, bier unftreitig der Ihian Schan. Die
zweite Negion, oder Ju, enthalte das Land Biſch Balif,
und breite fi füdwärts (d. i. ſuͤdweſtwaͤrts) aus, bis zu den
Moueichi, d. i. zu den Yueti (Getae) in —— Die
dritte Region, oder Ju, liege zwiſchen den beiden Mee—
ren, Ab. Remuſat erklaͤrt dieſe fuͤr das Caspiſche und Schwarze;
oder vielmehr den einſt früher gegen N.O. reichenden Palus Maeo-
tis; oder vielleicht den Nord» Ocean. Diefe Region, fagten fie,
fey im Norden nur von großen Moräften bedeckt, weldje die
chinefifchen Geographen in das nördliche, fogenannte Kaptichat
verfegen. Diefelbe Gegend ift es, wohin andere chineſiſche Autos
ren die ältefte Heimath der Yanthfai (d. i. die Alanen, wie
fie 120 Jahr vor Chr. bei Chinefen heißen) verfegen, und von
diefer Gegend, dem Lande der Danthfai, fagen, es liege 80
his 100 Stunden in N.W. von Khangfiu (d. i. Sogdiana),
nahe „den großen Moräften ohne Ufer,#83) worunter
unftreitig die Mordfeite des Aral und Caspifchen Sees verftanden
wird, und wo in frühen Zeiten, nach Chinefenberichten, bis nach)
Sibirien, in die Irtyſchſteppen hinein, fih bittre Seen und
Moräfte, Akſchi Dengis, ausbreiteten, von denen erſt wel⸗
ter unten nähere‘ Eroͤrterung gegeben werden kann.
Die Dvnaftie der Soui°) dauerte nur zu Furze Zeit,
um Wichtiges für die Weſtentdeckung zu leiften. Sie eröffnete
einen großen Handelsmarft an ihren nächften Weftgrenzen,
zu Kantſcheou (f. Alien I. ©. 223), wo fehr viele Handelss
leute aus dem Siyu ſich verfammelten, zu deren Zügelung eis
gene Polizeiauffeher ernannt werden mußten. Diefe fammelten
alle erfundbaren Nachrichten über die Fremden aus dem Siyu
ein, und entwarfen eine Landkarte (wol die erfte diefer Ges
gend die wir kennen lernen; etwa gleichzeitig mit den Entwürfen
von Agathodaemon’s Karten zum Ptolemäus), auf welcher die
44 Fürftenthümer der Weftländer, nach ihren dreifachen Zu, oder
Naturabtheilungen, verzeichnet waren. Es begann diefe
Karte mit dem Berge Sikhing, der da liegt, wo der ——
use) Klaproth Tableaux historiques de l’Asie p. 175, Mem. sur —
ques Antiquitẽs de la Sibirie in Journ. Asiat. T. I. p. 7; in deffe
Mem. relat. a !’Asie T.I. p. 277, 464; Asia pelyglolta p. 232,
#°) Klaproti Tableaux historig. p. 204 — 205.
®
Siyu, Landkarte des Peikiu, im 9. 607 n.Chr. G. 561
in China eintritt (f. Aſien III. S. 492 u. f.). Sie reichte gegen
Weſt bis zum Caspifchen See. In ihrer Mitte fahe man
das Hochgebirge von Nord-Tübet, den Kuenlun (collective) der
Chinefen (f. 06. ©. 321), und die drei Hauptrouten, welche gez
gen Werften führten. Die Anfiht der Memoiren und diefer
fie begleitenden Landkarte erwedte dem Kaifer Yangti der
Soui eine folche Begier, Gebieter und Schiedsrichter diefer vie—
len Weftreiche zu ſeyn, daß er feine Großen mit der Unterwers
fung derfelben beauftragte, was denfelben auch gelungen feyn fol, _
obwol diefelbe von Feiner langen Dauer gewefen feyn kann, da
die Soui fehr bald von der Thang-Dynaftie verdrängt ward,
Die Thang führten nun bald in den Weftländern wirklich aus,
was von ihren Vorgängern meift nur projectirt war; fie traten
in mehrere Yahrhunderte lang dauernden politifchen Verkehr
mit den Weftvölfern, deſſen Einfluß für die folgenden Jahr—⸗
hunderte noch von einer ganz andern Bedeutung geworden feyn
‚würde, wenn nicht, eben hier, die Bildung der Khalifens
periode aus Arabien, der buddhiftifchen Periode der
Politik der Kaifer von China, fo Eriegerifch, Eräftig alles
‚serftörend, oder verfchlingend, oder verjagend entgegen
‚getreten wäre,
Die Geſchichte diefer erften Landkarte Centrals
Aſiens bis zum Weft-Meere, d. i. dem Caspifhen See,
die leider uns noch nicht wieder im Abbilde vorgefommen, und viel
‚leicht gar nicht mehr vorhanden, da das zugehörige Schriftiverf
‚ebenfalls untergegangen ift, verdient hier noch, che wir zu den
Zeiten der Thang ſelbſt übergehen, einige Erläuterung.
Schon Pater Gaubil hatte aus diefem merkwürdigen Do:
cumente des Peikiu (er fihreibt diefen Mandarin Peyku) feine
- Nachrichten fiber die drei Weſt-Routen ®) gezogen, von des
h nen ſeitdem, fo oft bei andern europäifchen Autoren die Rede iſt.
Neumann?!) hat neuerlich die vollftändigfte Ueberſetzung deffen,
Was von diefem Documente noch vorhanden ift, aus dem chines
ſiſchen Originale mitgetheilt (ſ. ob. S. 424).
Peikiu, ein angeſehener chineſiſcher Beamter und beruͤhm⸗
*0) Pat. Gaubil Hist. des Thang I. c. in Mem. T. XVI. p. 383—386.
91) E. F. Neumann Handelsftragen von China nad) dem Weften, nad)
einem inefifchen Werte aus dem VI. Sahrhundert n. Chr. G., in
deſſ. Aſiatiſche Studien. Leipz. 1837. Th. J. ©. 187 — 201.
Ritter Erdkunde VIL Ten
562 Weſt-Aſien. I Abfchnitt. $. 6.
ter Feldherr, wie feine Vorgänger Tfchangkian, Phantfchao,
Kanying u. %., erhielt von Yangfien, dem Gründer der
Soui s Dynaftie (der als Kaifer den Titel WensHoangti führt),
im 5.590 n. Chr &., das Commando, gegen die Widerftrebenden
im Weften, im Siyu. Unter dem nächften Kaifer Yangti,
dem Sieger in Corea und auf den Liquejos-Inſeln, dem Stifter
son Akademien und Bibliothefen, und dem Wiederherfteller
des Handelsverfehrs nach dem Siyu, ward er in das große
Emporium, an der Weflgrenze Chinas, nah Kantfcheou (f.
Afien I. ©. 223) als Statthalter gefchiekt, zur Inſpection der
Fremden, im 5. 607 n. Chr. G. Von diefen nun for—
derte diefer, wie er felbft berichtet, ftets-Ausfunft über
ihre Heimath. So entftand eine Sammlung von Nach—
richten über die Länder der Fremden, in drei Buͤ—
chern, nebft einer Landkarte, welche er feinem Kaifer übers
reichte. Leider ging diefes Werk verloren ; nur die Vorrede deflels
ben hat fih in der Biographie des Generals Peikiu,
in einer chinefifchen Collection #%) erhalten, aus welcher
folgende Daten Über die Weftländer entnommen find. Biel
der Notizen uͤber die MWeftvölker, welche fih in Matuanlin’
Bibliothek bis zum J. 1224 (er ftirbt erft im 5. 1325), als Er
cerpte 3) vorfinden, und welche Ab. Remufat daraus mitgetheilt
hat, mögen urfprünglich auch mit in diefer num verloren gegams
genen Schrift niedergelegt feyn. { P
Er wußte, bemerkt Peikiu, bis wohin die Länders und Voͤl—
ers Kenntniß feiner Vorgänger hinausreichte, die aber in der letz⸗
ten Zeit fehr verdunfelt war. Deshalb fammelte er von neuem
die Nachrichten über 44 Königreiche der Fremden, und gab
zu jedem eine Specialfarte (diefer Atlas würde alfo erſ
die Tafeln des Agathodamon, nach Ptolemäus, über die Oftfeik
der Erde ergänzen). Sie breiteten fic) aus vom Berge Si:
Ehing (im heutigen Kanfu, im Diftrict Siangtfcheon, |. Aften I
©. 225) nach) dem Weft-Meer, und vom Nord» Meer nad
s>?) Sn Peikiu’s Vita im Suischu, Buch LXVII. 81,6 und dem Tang-
schu, Bud C. 81. 5, vergl, Tangkian des Ssemakuang B. CLX
31.33 und CLXXXI. BI, 9 in Afiat. Stud. a. a. O. ©, 10,
3) Afiatifhe Studien a, a. D. ©. 15295 Ab. Remusat Notice sul
quelques Peuplades ete. de la Bouklarie de Y’Ouvrage de Ma-
touanlin trad. du Chinois in Nouv. Melanges Asiatig. Paris 1824
Tl: P- 200 — 257. \ ß |
; —
Sihyu, die drei Weſtſtraßen Des Handels iin J. 607. 563
dem Süden zu, an 20,000 Li weit. „Diefe Sinder, fagt Pei⸗
Ein, werden überall von Handelsleuten durdzogen,
durch welche man auch ohne ſelbſt dahin zu reifen,
alle Shwäkhen jener Reiche kennen lernen kann.
- Dadurd wird auch die Eroberung derfelben leicht.“
Hierauf führt Peikiu feine drei Wefl-Straßen des
Handels an, welche alle drei, wie er fagt, färamtlicy bewohnt
*
J. Die Nordſtraße ® gehe über Igu(eine Stadt im
Norden von Schatfcheou) nah Pului (LopsSee), in das Land
des Stammes Tiele (d. i. ein Liigurenzweig, der zwifchen dem
- Rulas und Baifals See wohnte), und von da gehe es nad) der
Reſidenz des Ka Khan der Tufiuei (Turf, ob an dem Fuß
des Altai? f. Afien L ©. 479), wo man über einen nordfließens
den Strom (ob Irtyſch?) fegt, und fo nad) Folin (f. 06. &,426,
das byzantinifche Reich) und zum Welt: Meere (Ensyifser Se
\ öder Mittelländifches Meer) komme.
U. Die Mittlere Straße gehe über Rantfbang. (d. i.
Uigurenland, ſ. ob. ©. 431), nah Yenki (d. i. Karaſchar und
Kutſche, ſ. ob. S. 436); von da nach Liule (Soule, d. i. Kaſch⸗
ghar). Dann uͤberſchreitet man auf ihr den Thſungling (Ber
loro, hier unſtreitig der Darwaz Dawan Terek, ſ. ob. ©. 480);
dann gelangt man nach Fahan (d. i. Ferghana), Sutui⸗
chana (Sutruſchna, jetzt Osruſchna), nach Khang (Samars
kand, ſ. ob. ©. 425), und zu den Königreihen Thſao und
Ho. Weiter hin zu den Reichen Groß und Klein Ngan
Gokhara nach A. Kemufat und Klaproth)®). Dann zum Königs
reih Mu (oder Muhu, auch Meou, Magier; f. ob. ©. 428,
wahrſcheinlich Merv oder Meru), zu den Poſſe (Perſien) und
zum Weft:-Meere (Caspifher See).
II. Die Südftraße geht, nah Peikiu's Berichte ©),
durch Schenfchen (im Süden des Lop-Sees, ſ. ob, ©. 332),
nach Yutien (Khotan); dann durh Tſchukiu, Potfhang,
Duanto (fonft unbekannt); fo kommt man nah Humi, Tus
holo (Tokhari, d. i. Tohareftan, Turfeftan), zu den
Seta (Yuete, d.i. Getae) nah Fanyan (Bamiyan), In dies
—— —
4) Neumann Aſiat. Studien a. a. * Th. I. ©. 194. 26) Ma- _
gasin Asiatig. Paris T. 1. p. 122 v*) Neumann Aſiat. Stud,
Q a O. ©. 196.
} Nn2
(564 Wefts fin. L. Abſchnitt. 5. 6,
ſem Wege, ver etwas dunkel bleibt, aber wol nur auf die füdliche
MPaſſage über Pamer (ſ. ob. S. 493), oder Kartchu (f; ob. ©. 503)
ſich beziehen kann, müflen wol die drei fleinen Gebirgsftaas
ten) Chikhini, Houmi und Kiumi liegen, welche in den
Thang-Annalen als mit den Chinefen befreundete aufgeführt wers
den, die im 5. 646 Tribut nach Hofe fehiekten, deren König von
Chikhini mit den Chinefen 100 Jahr fpäter gegen die Purut in
den Kampf ging, wo er umfam, im %. 747, wofür fein Sohn
und Nachfolger zur Belohnung zum General der Linken erhoben
ward. Im mittlesn Namen Houmi ift jenes auf dem Wege
zu den QTuholo genannte Humi ganz identifchz es kann nur im
Gebirgsübergange des Belur Tagh felbft gefucht werden, und das
mit fiimmt auch Ab. Remufats Erklärung überein. Diefer
fagt, daß diefe 3 im Gebirge von Tokhareftan, im Süden des
Oxus liegen, und im Norden des Heho, d. i. Abifiah, oder.
des Schwarzen Fluffes? in Often von Balkh und Termed. |
Don Fanyan, weldhes wol Bamiyan feyn mag, da ce
ebenfalls Hei Fa Hian flets Fanyanna heißt (f. 06. ©, 272),
kommt man, nach Peikius Bericht, der nun bier bald, fein Ziel
erreicht hat, nach Ihfao (wol das weftlihe Ihfao, ob Afgha⸗
niſtan?), dann in das Land des nördlichen Hindoſtan und zu |
dem weftlihen Meere (hier, wol nicht der Caspiſche See,
fondern das In diſch-Arabiſche Meer)
So weit die Vorrede zu Peikin’s drei Büchern über |
die Länder der Fremden, deren Inhalt leider, wie gefagt, im
Driginale verloren ging.
Peikiu fügt noch hinzu, daß die drei genannten Weftrous
ten auch unter ſich Verbindungsftraßen hatten, fo daß man auf
ihnen auch in allen Richtungen, nad) N., ©. und W. gelangen
koͤnne; Igu, Kaotfchang und Schenfchen feyen aber als die drei
Pforten an den Eingängen zum Siyu zu betrachten, ‚und |
alle drei concentrirten fih in Schatfcheou (damals Tunhoang).
Seine Bemühungen in Erforfhung diefer Verhältniffe wurden
vom Kaifer Yangti belohnt mit 500 Stüf Seidenzeug
Seitdem brachte es Peikiu durd Unterhandlungen, große Ber
ftechungen und vielerlei Bergifung jener Länder wirklich dahin,
daß viele der dortigen Staaten, wie 3. B. der König der Uiguren
und 27 andere Neguli der Barbaren, den Soui an ihren Hof
#?7) Ab. Remusat Remargues sur P’Extension etc. I. c. p. 91.
Siyu zur Zeit der Thang-Dynaſtie. 565
tributbringende Embaffaden ſchickten; womit der Kaifer ſich nicht
“wenig fehmeichelte. Aber weder das byzantiniſche Reich
ıFolin, oder Ta Tfin) noch Indien (Thian, Diantou,
oder De Hiantou) wurde von Peifiu jemals ſelbſt bes
ſucht, obwol Deguignes einft ihn irrig dahin reifen ließ. Er
erlebte noch die Befteigung des chinefifchen Throns durch die Thang⸗
Dynaſtie; fein Tod fällt erft gegen die Mitte des VII. Jahrhun⸗
derts, Don In dien fonnte man in China ſchon feit 200 Zah
ren, durh Fa Hians Pilgerfahrt (um das Jahr 400 n. Chr,
&eb;) unterrichtet feyn, wie durch Andere, und unter den Thang
deckte Hiuan Thfang (um das Jahr 650 n. Chr. Geb.) von
neuem, dieſes, wie für Macedonier fo auch für Chinefen, neue
" Land der Wunder und der Neichthümer auf (ſ. ob. ©. 272).
Erläuterung 3.
Das Weſtland zur Zeit der Thang-Dynaſtie (619 — 901 n.
Chr. Geb.) bis in die Periode der Araber-Eroberungen, und
der Nohammedanifirung von Transoriana, Balkh und Kas
x buleftan.
3
4 Der ThangsDynaftie, während der Periode ihres ruhie
“ gen Neichsbefiges gelang es endlich an ihren 4 Grenzprovins
"zen, gleichfam ihren großen Grenz: Marfen, gegen das
"Ausland, eigene Generalgouperneure (wie die Markgrafen
"des Karolinger Neiches, und der Ottonen, gegen die Slaven im
Oſten und Mufelmänner im Weſten) einzufegen, welche den Aufs
trag erhielten, die Wache auszuuͤben über die Koͤnigreiche
der Fremden (Fan). Inter ihnen fanden Generaltieutnants
und viele Officiere, davon die einen vom Miniſterium des Ritus
abhingen, die andern vom Kriegsminiſterium. Unter dieſen letz⸗
— waren ſolche, welche die Erforſchungen zu machen hatten,
über die Geographie der Länder ®) und die Sitten der
Völker, die ihre Productionen zu verzeichnen, ihre Trachten, ja
ſelbſt ihre Mortraits und Abbilder zu fammeln hatten. Bei dem
"Glanze diefer Dynaftie und der weiten Verbreitung ihrer Macht,
fammelte fi) auf diefe Weife, im Thangchou (oder in dem
großen Werke über Geographie diefer Dynaftie, im Allgemeinen,
»*) Ab. Remusat Remarg. I, «, p- 79 - 80. _
r
En
/
566 /WeftzAfien. L Abſchnitt. 8 6.
aus 450 Büchern beftehend, wozu 5 Bücher Worreden und Eins
leitung achören), und in manchen andern Literatur» Werfen —
dieſer Zeit, ein Schatz von geographifchen Thatſachen, der ſchon
von ders grundgelehrten Deguignes und Gaubil, dem gewiſſen—
hafteſteen der Jeſuiten-Patres, theilweiſe 90) bekannt worden war,
welcher aber Ab. Remuſat, den ſpaͤtern Forſcher in demſelben,
in Verwunderung ſetzte, und der bis heute noch keineswegs ganz
gehoben iſt. Hier nur die weſentlichſten Ergebniſſe aus des ges.
nannten Sinologen Unterfuchungen, in Beziehung auf unfere”
befondern Zwecke, die vergleichende Geographie Mits
tel: Afiens im Mittelalter. Gene 4 Grenzmarfen wur—
den, nach allen Seiten hin, über die anfänglichen Grenzen weit.
hinaus; ungemein erweitert. Am meiften fand dies aber mit der
Grenzmark am mittlen Hoang-ho (fie hieß Coungyeonz
und begriff das heutige Schenfi, und einen Iheil von Setfchuen,
fe Afien I. ©. 201) Statt, deren Sitz des General: Gouverneurs!
bald nah Kaotfchang (Turfan) verlegt ward, von wo aus
defien Commando durch alle Königreiche bis Perfien hinuͤber⸗
reichte. Nämlich bis zum J. 787, wo durch eine allgemeine E
pörung (?) zwar viele der tributair gewordenen Fürftenthimer wies
der abfielen, doch auch viele, wenn auch nur fcheinbar freiwillig,
meift ihrer eignen Handelsvortheile willen, fich wieder durch Triz’
butdarreichungen und Embaffaden an fie anfchloffen. Im VII. und
VII. Jahrh. war der hinefifhe Beiftand den Völkern des
Siyu, im Kampfe mit eindringenden Araberheeren von reellem
Werthe; daher die genaueſte Kunde der Chineſen uͤber den damal
gen Zuſtand der Laͤnder und Voͤlker, zwiſchen Kaſchghar bis zum
Caspiſchen Meere, deren Koͤnige ſie nach ihrer bekannten
Manier ihre Vaſallen nennen, ohne daß dieſe es
darum zu ſeyn brauchen. Die Fürften jener Reiche, ges
fhmeichelt durch Protectionen, Titulaturen, Embaffaden des erh
benften Kaiferhaufes und durd) Gefchenfe, wie durch reelle Schuß
und Handels: DVortheile in der Nähe und Ferne, ließen fid) die
fogenannte fie kaum berührende Oberhoheit, ihre Titulaturen bei
Fremdredenden, ihre Provinzial: Eintheilung fogar in chinefifche
Fou, Tſcheou, Hian, ui. Diftricte ertan sweiten
#2) Reumanns Angabe einiger berjelben in Aſiat. Stud. a. a. D,
b. 1. ©, 901. 90°) Gaubil Hist. des Tang k. c. in Mem.
T. XVlaNota IV, p- 383 — 395.
Siyu zur Zeit der Thang-Dynaſtie. 567
und dritter Claffe, wol gefallen, und duß jede diefer Abtheis
lungen in den Faiferlichen Regiſtern in China unter befondern
chineſiſchen Namen eingetragen wurde, die bald nur Lautüberz
tragungen oder Laut: und Sach-Umſchreibungen der
einheimifchen Benennungen waren. Glüclicher Weife haben die
Chineſen mit großer hiſtoriſcher Genauigkeit, wie in Chronologie,
ſo auch in Sprache ſtets zu ihren neuen Benennungen, die ſo
oft mit den Dynaſtien wechſeln, auch die alten, dort einheimi—
ſchen beigefchrieben, wodurd allein eine Vergleichung derfelben
‚mit alter und neuer Zeit, wenn auch oft nicht ohne Schwierigs
keit, doch moͤglich geworden iſt. Solche Vaſallenlaͤnder, de—
ren Fuͤrſten bei den Chineſen als kaiſerliche Gouverneurs der Pros
vinzen angefehen werden, haben den Titel Pa⸗mi Y; daher wurs
den alle Staaten der damals befiegten Fürften in Turfeftan zu folchen
Pami; ihre Beherrfcher erhielten die Titel Tou toufou (d. h.
Gouverneur; es ift die Würde eines Königs) Die gerins
gern, welche die Chinefen nicht als fouveraine Könige anerkennen
wollten, nannten fie Tou tou tfeu ffe Cd. i. erbliche Vices
Eönige); deren Tribut Fam nicht in die kaiſerliche Kaffe, fondern
nur in die der chinefifchen Generalgouverneure.
- Sn der Hälfte des VI. Zahrhunderts, alfo zu derfelsen Zeit,
‚als die Araber ihre Ueberfaͤlle aus Perfien in Transoriana
Be und die Turkflämme in Oft-Turfeftan vom chineſiſchen
Kaifer Taitfoung unterworfen waren, zählte man daſelbſt 51
Diftricte jener erften und 190 jener zweiten Glafle, welche
in 4 Tſchin oder Militairgouvernements vertheilt wur⸗
den, unter den Namen 1) Koueitfu (d. i. Kutſche), Picha
ld. i. Khotan), 3) Yanki mit Yarkigang (Kharaſchar und
Yarkand), 9 Sule (oder Choule, d. i. Kafchghar). Senfeit
dieſer 4 Tſchin, in NW. und W., rechnete man außerdem
no, ale Dami, oder Schugländer: 16 Königreiche, vom
erften Hang (Tou tou fu), und 72 Tſcheou, oder vom zweiten
Range. Unter beiden zählte man 110 Hian, oder Städte, und
in Allem 126 Militaitlager mit hineſiſchen Garniſonen verſehen,
welche Kiun genannt wurden.
Mur dieſe weſtlichen 16 Koͤnigreiche find eg, die uns hier
genauer aufzuzählen obliegt; ihre trockne Lifte mit vielen uns un
2) Ab. Remusat Remarg. I. c. p. 83,
#02) Ab. Remusat Remarg. L c. p. 80 - 87.
—
568 Weſt-⸗Aſien, J. Abſchnitt. 9. 6.
verſtaͤndlichen Namen wird in der Neichegeographie der Thang
auf folgende Weife aufgeführt 90%);
1) Königreich der Youechi bei den Chinefen, oder‘
Yueti (Getae der clafjifhen Autoren); Tofhareftan nad
Ab. Remufatz mit der Reſidenz Ahouan; dazu 26 Diftricte
zweiter Claſſe (Tcheou) gehörig, mit eben fo vielen Hauptorten,
die wie bei allen folgenden nach den neuen chinefifchen wie nach
den einheimifchen Namen angeführt find, die aber öfter beide ung,
hinfichtlich der Orientirung, unbekannt beiben. Dennoch führen wir
jene 16 Königreiche für fünftige Forſchung vollftändig auf, wie fie
aus den Driginalquellen durch A. Remufat eruirt find. Eben fo
unmöglich würde es feyn, wie hier, aus den fteten Wechfeln der,
politifchen Grenzen und Herrfchaften der frühern chinefifchen, fo
aus der fpätern mohammedanifchen Zeit, alle Wechſel der politis
ſchen und Territorialverhältniffe auf das fpeciellfte nachweifen zu
wollen. Doch treten immer einzelne Lichtpuncte für das Ganze
und für die Folgezeit zu weiterer Ergründung, aus diefen Rela⸗
tionen hervor, daher ſie nicht zu uͤberſehen ſind.
2) Koͤnigr. Tahan, d. i. der Yetha, die Getae, mit
der Reſidenz Holo, mit 15 Diſtricten (es mögen wol damals
zwei Getenherrfchaften nebeneinander gleichzeitig beftanden haben,
da deren Neiche fich ſtets in mehrere Zweige vertheilt haben, wie
dies durch den neuaufgefundenen Münzfchag rollſtaͤndig erläus
tert wird).
3) Königr. der Tiaotchi, d. i. Tadjif, der alten Eins
wohner, die perfifch reden; Ko tha lo tchi genannt, mit der Re—
ſidenz Fou phao ffethian und 9 Tcheon. Es ift die Sands
fchaft des öftlichen Khorafan. !
4) Könige. Hoſou, mit dem hinefischen Titel Thianma,
und der Nefidenzftadt Souman, mit 2 Diftricten.
5) Könige. Kabul, mit der Reſidenz Kou tou chi hao ha
und 2 Diftricte,
6) Das Könige. Kipin (fonft Kophene, hier zu Kan⸗
dahar gezogen, erhielt den Titel Sieouſian, und die Reſi idenz⸗
Kohe, mit 6 Diſtricten.
7) Koͤnigr. Tchhiſtching, bei den Chineſen Sie foung, mit
der Reſidenz Lolan und 4 Tcheou. Dies iſt Bamiyan.
8) Koͤnigr. Chihanna, Topan genannt, mit 1 Tcheom,
Transoxiana, die XVIKoͤnigreiche z. Z. der Thang. 569
9) Koͤnigr. Houdikian, Kicha genannt, mit Kaſmichi,
als Nefidenz und 2 Tcheon.
10) Könige. Tamou, genannt Koume, mit 1 Diftr,
11) Koͤnigr. Dula ko, genannt Linfang, mit der Kefis
denz Mofo.
12) Könige. Tolefian (Talekan), gen Kouenhiou, und
Reſidenz Tipao na.
13) Könige. Kiumi, genannt Ichipa, mit der Reſi idenz
Tchhuſe.
44) Landſchaft Hou mi to, genannt Niao fei, mit der Re⸗
ſidenz Moulou (d. i. Khodjend), mit 1 Difteict.
415) Landfchaft Kieou youei te fian, genannt Wang:
thing, d. i. Königsrefidenz in der Stadt Pouffe.
Bu 16) Landfchaft Perfien im gleichnamigen Königreiche, mit -
der Stadt Tſiling.
vs Diefer trodne Catalog einer willführlichen Benennung
und Eintheilung zur Einregiftrirung würde außer dem allges
m ineinken Ergebniß des Bekanntgewordenſeyns, für unfere Zwecke,
faſt ganz mwerthlos bleiben, wenn ihn nicht folgende hiftorifche
Erlaͤuterun gen begleiteten, die mehr uͤber den Hergang der
Dinge in diefen einzelnen Abtheilungen Aufſchluß geben, obwol
ſich diefe Eeineswegs überall genau in jene nominelle Abtheiluns
gen unterbringen laffen. Doc, dient hierzu insbefondere, zur
Orientirung in den Weftländern Transorianas, als eine fehr wichz
tige Beihülfe, zur Vergleichung, die von uns fihon öfter anges
führte Landkarte?) Mittels und Oft-Afiens, „Siyu
Thian tchuſtchithou,“ d. i. „Karte der Oftländer und
der Fünf Indien,“ ſ. Erde. Aſien B. J. ©. 192 u. a. O.,
deren Materialien aus dem VII. Jahrhundert ſtammen, und
welche zur Erklärung der Chronologie der Wanderungen buddhi⸗
fifchen Patriarchen dem 46ſten Volumen der japanifhen Ens
eyelopädie Lib. LXVI. p. 31 beigegeben ift. Auf ihr find viele
der ſonſt unfenntlichen Königreiche, nach ihrer Lage zwifchen Bers
4
*) Klaproth Eelaircissemens sur une Carte Chinoise et Japonaise
de l’Asie et de !’Inde in Mem. relatifs a l’Asie T.Il. p.411;
Ab. Remusat sur la Succession des 33 premiers Patriarches de la
Religion de Bouddha in Journ. des Savans 1821. p. 6—15; f.
Foe Koue Ki Cart& de PInde d’apres les Chinois, avec Pltineraire
— —— thsang, wiederholt nach dem japaniſchen Originale ges
geben
Fo 1 | rn
570 Wels Aften, I. Abſchnitt. $.6.
gen, Flüffen, Seen und andern Reichen, nach dem damaligen
Stande der Erdfenntniß mit ziemlicher Sicherheit eingetragen und
ungemein Iehrreich fhon von Ab. Remuſat und Klaproth
erläutert. .
Hiftorifhe Erläuterungen zu den weſtlichen
Königreichen.
I. Thſao ® hießen, in N. und N.W. von Samarkand,
die dort ausgebreiteten Landfchaften. Der öftlihe Theil ders
felßen it Sutuihana, eigentlib Sutrufchnah, wovon
Osruſchnah eine bloße Verftümmelung; liegt in Süd von
ZTafchfend, in DO. von Samarfand, in ©. von Ferghana. m
Jahre 618 — 626 ſchickte der König von Oft» Thfao eine Ems
baffade nach China; feine Nefidenz hieß Setihen. Im J. 742
fehiekte er Tribut; 11 Jahre fpäter vereinigte er fich mit dem Kor
nig der Afi (wo jest Bofharen), und beide fuchten nun die Er
laubniß nad) gegen die Schwarzröde, d. i. die Abaſſiden der
Araber, zu Felde zu ziehen. Damals hatte der König von Thfao
noch in feinem Qempelceremoniel goldne Vaſen 9, die feine
Vorfahren von den Kaifern der Dynaftie Han vor alten Zeiten
einmal erhalten hatten.
I. Das Land Schafh (Chaje, jest Taſchkend, wo
heute Kirgis Kaifafen haufen) zahlte im J. 618— 649 Tribut;
658 erhielt deffen Reſidenz Khankie den Ehrentitel Königreih
von Tawan, ein antifer Name, der fchon zur Zeit der Hans’
Dpnaftie hier einheimifch war. Der Sandesfürft ward als Khan
eingefchrieben ; im J. 713 aber wegen feiner Verdienfte zum Kös
nige erhoben, und im 5. 740 erhielt er den Chrentitel Chun⸗
iswang, d. i. König, derdem Recht gehorcht. Defien
Nachfolger fchrieb im J. 714 an den Kaifer in China, daß feit
der Unterwerfung der Turk unter chinefifhen Scepter, die Ruhe
allein nur noch durch die Araber geftört werde; gegen ihre Raub⸗
uͤberfaͤlle bat er um Huͤlfe, die er aber nicht erhielt. Deſſen Sohn
aber ward im J. 742 mit Titeln abgeſpeiſet, und König Hoaw
hoa, d. i. „der innern Bekehrung,“ genannt, und fein
Diplom auf Stahl eingegraben. Einige Zeit darauf fehickte der
Generals Gouverneur einen General in diefe Landfchaften, der
»04) Ab. Remusat Remarg. 1. ©. p. 88. *) P. Gauhil Hist. des
Thang I. c. Mem. T. XVL p. 393.
Transoriana, die X VL Königreiche z. Z. der Thang. 571
Kaoſiantchi hieß, um die Fehden dortiger Fuͤrſten beizulegen.
Der Koͤnig von Schaſch, oder Taſchkend, unterwarf ſich gleich
den andern, und ſchickte darauf Geſandte an den chineſi ifchen Ges
neral- Gouverneur, die aber diefer enthaupten ließ. Solche Graus
ſamkeit brachte alle Könige im Abendlande zur Empoͤtung. Der
Sohn des Koͤnigs von Schaſch rief nun die Araber als Huͤlfs—
truppen an, eroberte mit ihrem Beiſtande Taras (Talas, im,
Weſt des Bhalfafch, f. 06. ©. 321), ſchlug die hinefifche Arınee
des Generals aus dem Felde und blieb ſeitdem Vaſall der
Araber. Doc fagt das Thangchou, Lib. CCXXI. p. 7, er habe
im %. 762 noch Tribut und Embafjade nach China gefchict.
II. Das Königreich der Youechi Moueichi oder richs
tiger Yueti), d. i. das heutige Ihofhareftan. Won 618 bis 649
ſchickte es mehrmals Tribut; im Yahre 650 brachten die Ges
fandten von da nach China einen Kameelvogeld) GKaſoar)
als Gabe. Von 656 — 660 ward Ahouan zur Nefidenzftadt -
erhoben und erhielt den Namen Youeichifou, ihre wurden
24 Icheou mit den übrigen Städten zugetheilt, und der König
Affena zum Touton erhoben, deſſen Nachfolger fpäter, im J.
755, als 5hou, oder Könige der Youedi, di. der Getag,
- anerfannt wurden. Als diefe von tübetifchen Eroberern mit Kriegs:
überfällen bedroht wurden, erhielten fie Beiftand von einem dhines
fifhen General, der die Tübeter zuruͤckſchlug. Großer Gewinn
mag dabei nicht gemwefen feyn; denn im 760 revoltirten 9 weils
lihe Königreiche gegen die Chinefen, worunter auch dieſes Tokha—
reftan war, obmwol fie wieder unter die Obhut des General: Coms
mandos famen, und fowol von Geten als von den Kilan, ges
willen Bergtribus im öftlichen Iofhareftan, wo mehrere indepens
dente Volker figen blieben, wie etwa noch heute die Schwarzen
oder Berg: Kirghifen u. U. (f. ob. ©. 481, 486 u. a. O.), Ge
fandtfchaften wie Tribute zu wiederholten Malen ren in China
einliefen.
IV. Bon den drei daran grenzenden Gebirgsftaaten Chi—
fhini, Houmi, Kiumi war fchon oben die Nede, deren Lage
auf der Süpdfeite des Orus wenig befannt ift. Die wol eben fo
independent blieben, obwol auch fie nebft den Sfe mou, im
üben von Schaf, und den Zuphan, die Samarkand bes
) Ab. Remusat Remarg. I. e. p. M.
»
572 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 5 6.
nachbart wohnten, In den Jahren 646 und 647 zu den tributai⸗
ren gerechnet wurden. |
V. Auch von Fanyanna, d i. Bamiyan, war früs
her die Rede (f. ob. ©. 272), deffen Fürften felt dem J. 627
Tribut an China zu zahlen anfingen (alfo kurz vor Hinan Thſangs
Befuche). Im Jahre 658 ward die Stadt Lolan, uns fonft
unbefannt, zur Capitale diefes Königreichs erhoben, Foucht zur
zweiten Diftrictsftadt mit dem Titel Si wan tcheou. Der Lans
desfürft ward Commandant und General aller Trups
pen in den 5 Diftricten des Innern (wahrfcheinlich der
- Heinen Gebirgsftaaten des Hindu Khu, deren Paffage er zwifchen
NM. und ©. natürlich dominirte) erhoben, Seitdem brachte Bas
miyan regelmäßig feinen Tribut dar,
VI Das Königreih Ho, im Norden von Samarfand,
lag am Südufer des Syr (Yarartes), hatte eigene Fürften, die
im 5%. 641, 650 und 655 Gefandte fchickten, morauf das Land
den Titel Koueichouang erhielt, von den 5 Fürftenthümern,
in welche zu den Zeiten der Han Sogdiana getheilt war. Der
Landesfürft Tſchao woupota ward zur Würde eines Landrichters
oder Friedensrichters erhoben, wofür der Gefandte Potichi dem
Kaifer in China den Dank überbrachte. Der Landesfürft von
Ho, fagen die Ihangs Annalen, hatte Säle in denen die Abs
bilder’) der alten Kaifer von China, wol der Han, aber auch
die der Turk und Inder (Poloman, d. i. Brahmanen); auch
nah Dat. Gaubils Erklärung, perfifcher und griechiſcher
Könige (wol römifcher Cäfaren?) waren, denen er und feine
Prinzen, zu gewiffen Zeiten, Opfer unter gewiffen Ceremonien zu
bringen pflegte.
» VIE Der König von Kharesmien (am untern Orus),
defien Capitale Gordifch, deffen Staaten von den Chineſen als
Nachbarn von Derfien gefchildert werden in S.W., und der
Khafars (Chazaren ?) gegen N.W., ſchickte zweimal Tribut in den
Sahren 751 und 762; doch nicht als Vaſall, denn weder er noch
fein Land erhielten chinefifche Titel.
VI. Königeeih Cha fepi, d. i. Kefch, das berühmte,
der Timuridenzeit im Süden von Samarfand, ward im J. 660
unter dem Namen Sfe, oder Che, zum Sfcheon erhoben,
und der Fürft erhielt den Titel eines Ihfeu ffe, d. i. Crimi⸗
#07) P. Gaubil Hist. d. Thang I, c. Nem. T. XVI. p. 393.
Sransoriana, die KVIKönigreiche 3.3. der Thang. 573
nalrichters im Lande. Er war vom Gefchlecht der Großen
Yuetid), alfo ein Gete. Noch in den Yahren 742 — 755
wurde diefem Staate der Ehrentitel Cai weifoue zugetheilt.
Auf diefe Weife wurden die Eleinern KHerrfchaften abgefundenz
eine bedeutendere Stelle nimmt Samarfand ein. |
IX, Der König von Samarfand (Samaeculhhan
der fpätern Chineſen) 9), früher von weftlichen Turks gedrängt,
im Zahre 631, wünfchte Vafall des Ihang Kaifers Taitfoung zu
werden, um deſſen Schuß zu genießen, was diefer aber für jegt
zuruͤckwies, weil es ihn in ferne Kriege verwickelt haben würde.
Jedoch ward In den Jahren 650 — 655 der dort herrfchende Res
gent, Fouhou man (Bahman nah Ab. Remufat) 2), mit
dem antiken dort ſchon früher einheimifchen Titel eines Königs
von Khangkiu beehrt. Samarkand heißt daher auch Khang.
Diefelbe Ehre widerfuhr dem Sohne des Könige (Tou fo pati,
im 5. 696) und defien Enkel Nieniefe. Nach diefem aber
kroͤnten die Eingebornen einen gewilfen Thou hoen zum Sans
desherrn.
Sn den Yahren 731 — 741 fchieten die Einwohner von
Khang (d. i. Samarkand) indeß aus eigenem Intereſſe Tribut
nad China; denn ihe König Ou le kia war in einen ungluͤck—
lihen Krieg mit den Arabern verwickelt; wahrfcheinlic) derfelbe,
welcher von armeniichen Hiftorifern vom Jahre 741 angeführt
wird, in welchen der arabifche Feldhere Abdallah das Vol£ der
Dijen (Chinefen) an den Ufern des Oxus bekriegte. Erxft fpäs
‚tee Eonnten die Chinefen wieder deffen Söhnen Touho und
Michhoue, denen fie die Titel als Könige von Thfao und
Mi verliehen, zu Hülfe fommen (Thfao haben wir oben als
Dsrufchnah Eennen lernen; Mi ein fleines Territorium liegt im
S. O. Samarfands). Der genannte Erbprinz Touho ward als
König Kinhoa titulirt (d.h. „refpectvolle Bekehrung“).
Seine Mutter, die Königin, Khatun (Khotun, der türkifche
Titel) genannt, ward mit dem chinefifchen Ehrentitel Kiun:
foujin (d. h. Dame der Nefidenz), was dem frühern
‚entfprach, beehrt.
X. Das Königreih Mi, oder Meimorg, im Süden
®) P. Gaubil Hist. d. Thang I. c. °) Kanghi Mem, in Men,
Cone. P’Hist. des Chin. Paris 1789. 4. T. XIV, p. 27.
'°) Ab. Remusat Remarg. I. c. p. 9. F
4
574 Weſt-⸗Aſien. 1 Abſchnitt. 6. 6.
von Samarfand, anfänglich ein ſelbſtſtaͤndiges Fürftenthum mit '
der Capitele Pofite, ward in den Jahren 650— 655 von den
Arabern erobert. Doch muͤſſen fich diefe wieder zurückgezogen
haben, da dies Gebiet im J. 658 unter dem Namen Südlis
ches Mei, oder Meimorg, als ein Diftrict zweiten Nanges
eingerichtet ward, und deffen Landesfürft Chao won fhaithoue
mit dem Titel Ihfeuffe (Criminalrichter) beehrt ward, Erft im
%. 742 ward er zum König erhoben, und die Königin Mutter,
die Khatun, zur Kiun fon jin.
# AI. Der Fürft ver Alan von Khodjend Ah ward im
3.656 — 660 unter die Vafallen des Neichs aufgenommen und
zum Thfeuffe erhoben. Sein Staat Alan genannt, erhielt
damit den neuen Namen Afitcheon, d.h. Diftrick der Afi,
Unter diefem Namen werden alle Völker, oft ohne Linterfcheidung
ihrer Sndividualitäten, die im Welten zwifchen beiden Strömen
Syr und Gihon (Zarartes und Orus, alfo dem Mawar al nas
har der Araber entfprechend) wohnen, genannt. Der damalige
Fürft, Prinz Tſchao wou cha, fagen die Chinefen, war von |
dem berühmten Gefchlechte der Tfehao wou, deren verfchiedene
Zweige damals alle Throne von Transoriana befaßen; wol ältefter |
Herkunft, Die Stadt Khodjend (in dem berühmten Ferghana
gelegen) ward zu einem Tcheou erhoben und Moulou genannt;
ihr Landesfürft Piſi (Tſchao wou pifi) ward zum Thfeuffe ges
macht. Im Jahre 726 fchiekte der Fürft Afilanpoti von
Khodjend feinen jüngern Bruder, Tafou tan fali, als Ges
fandten nach China, und 8 Yahre fpäter (733) noch einmal Tris
but, in perfifchen Pferden und feltenen Koftbarfeiten. Seine Ges
mahlin, die Khatun, d. h. Königin, was die Chinefen gewöhnlich
für einen Namen anfehen, ſchickte fhöne Teppiche und geſtickte
Stoffe mit, wofür der Fürft einen Kuͤraß und Gürtel, die Fürs
fin reiche Kleider erhielt. f
XU. Das Königreih Bofhara 12) erfcheint noch ger
fondert von jenen Gebieten, wie insbefondere aber räumlich ges
fchieden, ift fchwer zu ermitteln. Obwol die Chinefen damals,
beinerft Ab. Remuſat, auch in Verbindung mit den Afi von
Bofhara flanden, und von ihnen Embafjaden erhielten, fo
rechnen fie diefe doch nicht unter die tributairen Völker,
oder Vaſallen Chinas, eine Auszeichnung, die jene Unterwerz
?4t) Ab. Remusat Remarg. I. ©. p. 9. 12) ebend, ps 96.
Transoriana, Die KVI Königreiche 3. 3 der Zhang. 975
fung der vorhergenannten Herrfchaften wenigftens nicht blos imas
ginair madıt.
Das Gebiet von Bokhara ift, nach ihnen, im Welten bes
x ‚grenzt vom Oxus, ihre Capitale heißt Alanmi, deren Bewoh:
ner nennen fich aber felbft Tokie, das heiße in ihrer Sprache
Be Tapfern.” Im J. 618 626 zahlten fie Tribut; im 5.
627 nahm Kaifer Taitfoung, der Ihang, ihre Embaffade mit
‚großer Güte auf, und fagte ihnen, die Unterwerfung der
weftliben Turk werde auch Fünftig die Verbinduns
gen und Reifen der Kaufleute zu ihnen fehr erleichs
tern. Don einer Unterwerfung diefer Afi, oder der Bewohner
von Bokhara (dem Namen nad) leicht zu verwechfeln mit Alanen,
son indosgermanifcher Race, auch Anfi genannt) ift feine Rede.
Ei XUL Das Königreich Ferghana, diefes fpäterhin fo
# berühmte Reich am obern Syr Daria (f. ob. ©. 476 u.f.) hatte
bis zum Jahre 627 n. Chr. G., bis zur Zeit der Thang-Dpnaftie,
ſeine eigenen Fürften gehabt; in diefem Jahre ward Fürft Khipi,
vom Mono tou, dem Könige der Weſt-Turk, erfchlagen. Afes
naſchuni bemeifterte fih der Stadt." Nach feinem Tode feßte
ſein Sohn Kho po tdi, den Neffen des Khipi, Aliaotfan,
in der Stadt Houmin auf den Thron, fich felbft echielt er auf
E dem Thron der Eapitale Hofe. Im Jahre 656. fchiekte jener Khos
po tchi eine Embaſſade an den Kaiſer Kao tfoung, die gnaͤdig auf:
genommen ward; und 2 Jahr darauf ward Hofe zum Gouvers
— nement Hieouſiun erhoben. Dies war der Name, den die
Chineſen in alter Zeit (vor Chr. Geb.) der großen Nation der
Ouſiun (Uſiun, Uſun, f. ob. ©. 420 u. a.D.) gegeben hats
= ten, welche ganz verfchieden ven den andern dortigen Voͤlkerſtaͤm⸗
men auch in Ferghana eingedrungen war und fid viel
"weiter ausgebreitet hatte.
7 Aliaotfan erhielt den Titel Ihfeuffe (Triminalrichter).
Seit dieſer Zeit zahlte Ferghana regelmaͤßig ſeinen Tribut, und
erhielt einen regulären Verkehr mit China. Es erhielt, im Jahre
— fuͤr ſeinen tapfern Widerſtand gegen den Turkfuͤrſten Thou—⸗
"Ho ſian, den Titel Kinhoa wie Samarkand. Im J. 744 ward
dem Könige: eine kaiſerliche Prinzeffin zur Gemahlin überfandt,
und feinem Keiche der Titel Ningyouan, d. h. „Ferner
Friede” Im J. 754 ward der junge Prinz Sieiiu mit eis
ner Embaffade nach Hofe geſchickt, mit der Bitte eine Zeit lang
dafelbft verweilen zu dürfen, um die chinefifhe Sitte und Eti—
576 Weſt⸗Aſien. I. Abſchnitt. $ 6.
quette zu erlernen, was ihm auch verftattet ward. Er ward zum ı
General der Linken erhoben, und blieb einer der treueften Diener
der TIhang s Dynaftie. |
XIV, Das Land Kipin9B) fcheint in feiner Ausdehnung
mancherlei Wechfel erlitten zu haben. Zur Zeit der Han ward
diefer Name, der zunaͤchſt an Kabul oder Kophene erinnert,
dem öftlichen Theile von Khorafan beigelegt, und dem eigentlichen
Bactriana. Aber unter den Sui und Thang rückte der Name
weiter füdwärts nach Kandahar. Der König von Kipin refidirte
im Jahre 619 in Sieoufian und fihiefte Pferde als Tribut.
656 ward es zum Gouvernement mit dem Namen der Reſidenz
erhöht. Im J. 705 erhielt der König das. Iruppencommando
und Befehl über 11 Tcheou. Im J. 719 ſchickte er eine Ems
baſſade und erhielt den Titel Tere von Kotalotdhi. 742 bie
755 ſchickte derfelbe Tribut an Pferden. Bei diefer Gelegenheit
hielt Kaifer Taitfoung eine Rede an feine Hofleute, in der
er die Unterwerfung der vier Claffen, d. h. im N, DO, &
und W., der Barbaren » Völker dem ung) en Frieden zufchreibt,
der in feinem Reiche herrſchte. Im J. 748 wurde des Königs
Sohn als Erbprinz von Kipin und Utchang einregifteirt (f. ob.
©. 289). Derfelbe ſchickte bis zum Jahre 758 Tribut. |
XV. Groß und Klein Poliu, di. Pourut M. So
nennen die chineſiſchen Geographen der Thang-Dynaſtie ein Laͤn⸗
dergebiet zwiſchen Kaſchghar und Kaſchmir gelegen (alſo das heu⸗
tige Gebirgsland in S.W. von Yarkand, gegen den Puſchtikhur
und Karaforum, fammt Klein »Tübet, nämlih Baltiftgn und
Ladakh); diefelben Gebirgslandfihaften, welhe außerhalb.
der Heerftraße von China nach Transoriana und Perfien oder
Kabuleftan lagen, die aber wichtig wurden, als die Tübeter im
VI. Sahıhundert anfingen ein großes Reich in Central: Afien
zu errichten (ſ. Afien U. S. 274). Denn diefe Landfchaften las
gen als Paffageland zwifchen Tübet und Transoriana. Bei
Matouanlin heißt es, nach Ab. Remuſats Ueberſetzung: Po⸗—
Liu liege gerade im Weften der Tübeter; Groß-Poliu grenze
an Klein-Poliu, fein Wefttheil grenze an Nod und
Ab. Remusat Remarq. l. c. P. 97. _**) ebend. p. 98-101; |
vergl. Article Pourouts in Ab. Remusat Notice sur quelques Peu-
plades du Tibet et des Pays voisins tiree de Matouanlin in Nouv.
Dee Paris 1822. T. XV, p. 296 und in —— Melanges Asiat.
® p» 194,
Transoriana, die XVI Königreiche, 577
an das Land Utchang (wozu Kaſchmir in jener Zeit gerechnet
ſeyn konnte, da beide Sander, wie in neuerer Afghanenzeit, mehrs
mals gleiche Herrfcher gehabt haben).
Der König von Klein: Pourut refidirte in der Stadt
Nieito am Soi⸗Fluß gelegen, in Weft davon erhebt fich ein
—* Gebirgsruͤcken und jenſeit deſſelben liegt die große Stadt
abul. (Hiernach kann faſt nur Baltiſtan, Gilgit oder Chitral,
f. 06. S. 14 u. f. und ©. 215 u. f., damit gemeint feyn.)
Der König von Groß-Pourut wohnte weiter im Often
(das wäre alfo etwa im heutigen Ladakh?); dennoch hatte er
Weniger Verbindung mit China; wol wegen der vielen dort fich
durchkreuzenden Gebirgsfetten, welche ſich den directen Wegen
entgegenftellen. Diefes Groß: Pourut ward von Tuͤbet unterjocht,
doch hatte deſſen König (Sou fou che litchilini), von 696— 713,
zu drei verfchiedenen Malen Tribut nach China geſchickt; auch
deſſen Nachfolger (Son lin tho i tchi) fchiekte Tribut und ward
als König einregiftrirt.
Der König Mou fin mang von KleinsPourut kam im
J. 713 an den Hof in China, wo ihn Kaifer Hiouantfoung
gnadig aufnahm und defien Sohn bei ſich behielt. In des Was
— ward ein Lager unter dem Titel Soui youanfiun
d.h. Troftlager für ferne Regionen) errichtet. Dies hinderte jes
) die Ueberfälle der Tübeter Eeineswegs, welche, wie fie felbft
fagten, nicht der Befigergreifung willen gefchahen, fondern, weil
Land aufdem Wege lag, den fie zu den 4 Tfchin oder
ilitair⸗ Gouvernements zu nehmen hatten, um diefe zu attafis
en (namlich aus WeftsTüber, über Ladakh, durch den Karako—
um Pag nach Yarkand, Kafchghar und Khotan). Nach einiz
jee Zeit wurden die Tuͤbeter auch Herren der 9 Städte, welche
HeinPourut ausmachen, deffen König Mon fin mang fogleich
m Hülfe bat. Wirklich ſchickte auch der Generals Lieutnant der
hineſen in Kaſchghar Hülfstruppen, und beide vereinigt fchlugen
e Tübeter vollkommen und entriffen ihnen die 9 eroberten Städte
dieder. Dafür wurde eine Dank-Embaſſade nad) China gefchickt,
Der Nachfolger auf dem Thron von Klein: Pourut hieß Nanni,
nd deilen Succeffor, fein ältefter Bruder, Malai hi.‘ Diefes
Sohn, Souchili, ward König, und verheirathete fich mit einer
überif ben Prinzeſſin. Seitdem entftand eine Allianz zwir
hen Klein⸗Pourut und Tübet, Zugleich fielen noch 20 andere
Ritter Erdkunde VII. Do
578 Weſt⸗Aſien. J. Abſchnitt. 65. 6.
Koͤnigreiche des Nordweſtens ab, und zahlten feine Tribute mehr‘
an die General; Gouverneurs der Weftprovinzen, Dreimal wu
den Verſuche gemacht die See wieder zu unterwerfen,
aber vergeblich.
Doch gelang es im Jahre an dem chinefifchen Genero
Kavfiantchi, durd Lift, in Groß-Pourut einzudringenz
er fehnitt die Brücke auf dem Soi-Flufie ab (ob Schayuf? od
obere Indus, der in Ladakh noch heute Tſchu, oder Singke—
Tſchu, der Indus-Strom heißt, ſ. Afien II. ©. 607, was im Chis
neſiſchen wol dur) Spot umfchrieben werden fonnte). Bei M
tuanlin wird die Brüde Phoni genannt, Hierdurch wurde da
tuͤbetiſche Heer von dem feiner Verbündeten getrennt, fo ge—
lang es jenes vollftandig in die Flucht zu ſchlagen und dieje 5
unterwerfen. Großen Ruhm verbreitete diefer Sieg in jenen Ge
genden. Alle Staaten der barbarifchen Nationen, welche vor
Arabern und Romanen (Foulin, d. i. Byzantinern, f. ob. ©. 540)
abhingen, follen, nach den wol zu ruhmredigen Ausfagen chineft
fiher Autoren, damals vom panifchen Schrecken ergriffen (es fol
len ihrer 72 gewefen feyn), die Gnade und die Freundfchaft Chi
na's erfleht haben. Dies will aber in der Sprache der Poliki
jener Zeit nichts Anderes fagen, als daß-diefer Sieg über die u
beter die Chineſen-Dynaſtie auf den Gipfel ihrer Macht erhof
Matuanlin fagt, daß eine Befasung von 10,000 Manın chim
fifcher Truppen in diefe neue Eroberung verlegt ward, Hier
durch öffneten fih nun die Dandelswege zu d
Derfern und dem Byzantiner-Reiche, was bisher du
die Menge der Eleinern in beftandige Parteiungen zerriffenen Stat
ten jener Routen nicht möglich gewefen war.
Der König und die Königin von Pourut wurden als G
fangene in die chinefische Capitale gebracht; aber der Kaifer 1
gnadigte den König Sou hili, erhob ihn fogar im Kaiferp
lafte zum General der Nechten mit dem violetten Talar und dei
Goldguͤrtel; aber er durfte das Hoflager nicht wieder verlafe
Sein Land wurde von chinefifchen Truppen befegt, unter d
Titel eines Lagers von Koueifiu (d. h. „der Wiederfeh
zur Pietät”). — Hierbei ift zu bemerken, daß es in fpätt
Zeit weit nördlihere Pourut oder Burut giebt, die öfkl
chen und die weftlichen Burut, worunter die Berg⸗Kirghife
verſtanden werden (ſ. ob. ©. 451 u. a. ©.) und die groß
Horde der ——— der Hakas, wie von Ili bis zum JM
Transoxiana, Die XVI Königreiche, 579
fulsSee (f. Alien I. S. 1120 - 1121), deren Herkommen in Obis
gem nicht angegeben werden konnte. Aber in der hinefifchen
Neihsgeographie Edit. 1790 915) wird, im Kapitel von den
Burut, ausdrüclich gefagt, daß fie früher unter den Thang in.
feine und große Pulu oder Poliu, d. i. Pourut, ges
theilt waren, und daß fie ihre Wohnfige im Süden von Oft
Turkeſtan gehabt, in den Südgebirgen, d. i. dem Kuenlun;
fpäter aber erſt hätten fie fi in der Nordfette (d. i. im Thian:
Schan⸗Syſteme) feftgefeßt, und zwar feit der Dynaſtie der Thang.
Es ift fehr leicht möglich, daß eben in diefem Siege vom Jahre
* die Urfache ihrer Nordwanderung gelegen haben mag.
XVI. Unter Sieju und Kothalo tchi verfiehen die Chis
* zur Zeit der Thang den Theil von Oſt-Perſien, welcher
Eiftan, oder Sejiftan, entfpricht, darin fie Gazna als Capitale
nennen. Dreierlei gemifchte Raçen bewohnten diefes Land: die -
Surf, die Eingebornen von Kandahar und die Tofharier
(von diefen weiter unten).
Die Einwohner von Kandahar (Kian tho lo) bettheidigten
—* am tapferſten gegen die Araber, Anfang 710 ſchickten fie
en Tribut an China, wurden aber bald. darauf ‚von Mufels
nnern unterjocht (f. 06. ©. 273). Im Jahre 726 erhielt der
Randesfürft (er wird Kielifa chi Khiou eu! genannt, wobei
ſchon die Anmaßung der Würde des Khalifen mit in das Spiel
gekommen zu ſeyn fcheint) vom chinefifchen Kaifer den Königs:
titel; 742 zahlte Kothalothi noch einmal Tribut, und daſelbſt
durde ein Gouvernement der Tadjik (Tiao ti) eingerichtet,
Die Forfhungen in den inefifchen Quellen geben Berichte
son Begebenheiten 1%), welche zwar aus den Schriften der weſt—⸗
afiatifchen Autoren genauer befannt find, jedoch immerhin die
Kunde der Zeitgenoffen, unter den Chinefen, und die Art ihrer
Kenntniß von Transoriana bezeugen. Perfien war, nach ih—
nen, zur Zeit der Soui»Dynaftie (581 — 619 n. Chr, Geb.) den
Ueberfaͤllen der Turk ſehr ausgeſetzt; der Tuͤrkfuͤrſt Khakan—⸗
Dhou Ghoukho tan) tödtete den Saffaniden König Khoss
roes (Kouſſa ho; es if KhosruParviz bei Mirkhond 17),
——
215) The thsing y thoung tschi Edit. 1790. Notic. Geogr. et kistoriin
trad. p. Klaprothı im Magasin — Paris 1825. T. 1. p- 112.
_ 46) Ab. Remusat Remarg. 1. c. p. 101. 1?) Mirkliond Hist. des
_ Reis de Perse de la Dynastie oe Sassanides Trad. du Persan p.
Sylv. De Sacy in deffen Mem, sur la Perse, Paris 1793. 4. p. 407,
Oo 2
580 WeftsAfien, I. Abſchnitt. 6 6.
der von den Emirn und Prätorianern feines Reiches abgeſetzt
war). Deſſen Sohn Schirouieh folgte ihm, regierte aber une
ter. der Protection der Turk (nach den Chinefenz feiner Emire,
nach Mirkhond). Mach deflen Tode verftießen fie die Tochter
Khosroes vom Throne und tödteten fie. (Es ift wol Arzemi—
dokht bei Mirkhond) 8); der Sohn Schirouiehs, mit Nas
men Tankiei, floh zu den Römern (Bnzantinern). Aber deſſen
Söhne riefen ihn zurüc, und er wurde zum Ardefchir (Ita—
chi, d.i. zum Großfönig, Khakan, oder Schahinfchah) gemacht,
Tach. deſſen Tode folgte ihm der Sohn feines älteften Bruders
Is dedjerd (Iſſetſe der Chinefen; es ift Dezdedjerd, ber
bei Mirkhond ein Sohn Schahriars genannt wird) 19). Diefer
ſchickte im Yahre 638, im Gedränge der einrüdenden Araber
Heere, noch eine Embaſſade nach China, unter Mon ffepan, um
Tribut zu bringen; aber bald ward er entthront, und auf der
Flucht nach Tokhareſtan ward Yezdedjerd; von den Araber
eingeholt und erfchlagen. Sein Sohn Phironz entkam glück
lich nach Tokhareftan, deffen er ſich bemächtigte, Derfelbe beriche
tete im Jahre 661 nach China, daß ihn die Araber (Tache) ats
tafirten. In Tfiling, feiner Capitale, ward ein Gouvernemene |
erfter Claſſe errichtet, er felbft zum Könige (Touton) erhoben,
was freilich nur bloßer Titel blieb. Denn überall, von den fies
gend nachrückenden Arabern verfolgt, floh Phirouz ganz zu dem |
Ehinefen, wo er zum General des Eaiferlichen Haufes gemacht ward.
Nach feinem Tode folgte ihm fein Sohn Ninieiffe in allen
Rechten; auch war es Project ihn im %. 679 durch eine chinefiz'
fche Armee wieder in feine Staaten einzufegen. Der lange Weg
machte jedoch, daß an den Grenzen des Generals Gouvernements
von Siyu, auf der Route nach Talas (d. i. Taras, im Nor—
den von Ferghana) das chinefifche Heer fchon wieder auf die Ruͤck—
kehr bedacht fenn mußte. Prinz Ninieiffe feste jedoch feinen
Marſch fort und ward in Tofhareftan auch gaftlich aufgenommen.
In den verfchiedenen Jahrzehenden waren aber alle Theile feiner
einftigen Herrichaften fo auseinandergefprengt und nach allen Sei⸗
ton zerftreut, daß an feine Reſtauration mehr zu denfen war,
As er felöft im Jahre 707 nach China zurückgekehrt und zum
General der Linken erhoben war, fand er dafelbft feinen Tod. —
So endet, nad chinefifhen Berichten jener Zeit, das geftürzte
t
225) Mirkhond I, e. p. 413, 19) gbend, p. 416.
Transoxiana, die XVI Königreiche, 581
und verdrängte Königsgefchlecht der Saffaniden, welches dem har
kifat in Bagdad und Schiraz Platz machte, welches zu feiner Zeit
wieder durch die Mache eines chinefifch mongholifchen Prinzen
Hulagu Khan 20) geftürzt ward (dein Bruder Mangu Khans,
deſſen Eroberung von Pagtha, d. i. Bagdad am Euphrat, im
Ssahre 1258 n. Chr. ©. bekannt if).
Noch weſtlichere Provinzen des Saſſanidenreiches in
Perſien, behaupteten etwas laͤnger ihre Unabhaͤngigkeit gegen die
Araber, und ſuchten deshalb, durch Anſchluß an die oͤſtliche chine⸗
ſiſche Macht eine Stuͤtze zu finden, bis ſie endlich alle in die
Fluthen des Mohammedaner⸗Oceans untertauchten. Von der
Flucht eines Theils derſelben im Suͤden des Gebirgszuges, als
Guebern nach Indien, iſt anderwaͤrts die Rede geweſen (f. Aſien
IV. 1: ©. 615- 619). Die wefttichfie jener Provinzen, zu wel⸗
her chinefifchee Einfluß vordrang, fiheint Tabareffan gewefen
zu ſeyn. Don den Jahren 713755, In der Zeit der größten
Noth durch die Araberuͤberfaͤlle, ift in den chinefifchen Annalen
von 10 Embaſſaden der Derfer zu ihnen die. Rede.
Der perſiſche Statthalter von Tabareftan, das, als
von drei Seiten, von hohen Gebirgen umgeben gefchildert. wird,
dem im Norden das Eleine Meer, der Caspifche See, vorliegt,
mit der Capitale Sari (weftlid von Aftrabad), war bejahrt und
hatte die Würde eines großen Generals im Drient (viels
leicht der Statthalter von Khorafan, was flets die große Oft:
Provinz, das Schild ven Iran hieß). Er wollte den Arabern -
fih nicht unterwerfen. Im Sahre 746 hieß ev Hou lou han,
fehiekte eine Embaſſade nah China, und ward mit dem Titel
Koueifie Wang (treuergebener: König) ausgezeichnet.
Er fendete 8 Jahr fpäter feinen eigenen Sohn Hoeilo, der Ges
neral des Kaiferhaufes ward, violetten Ialar und den Gürtel mit
den goldnen Fifchen als Ehrenzeichen erhielt. Cr blieb am Hofe
in China; aber fein Fürftenthum in der Heimath ward von den
Arabern zerfiort. So werden die Embaſſaden der verfchiedenen
—
Perſerprovinzen, aus jener Zeit, von den Jahren 647 bis 742 n.
Chr. ©, in den Thangs Annalen aufgezeichnet, und in den Jahr
zen 742 bis 755 ſchicken noch folgende 8 kleine Königreiche ihre
2°) ueber Houlagous Eroberungszug ſ. Souhoungkianlou Liv. XVII.
p-5 in Ab. Remusat Mem, zur la Ville de Karakorum p. 37 etc.;
deff. Relation de l’Expedit. de Houlagou in Journ, Asiat, 1823.
p- 291; in Nouv. Melanges Asiat, T. L. p. 184 etc.
582 Weſt-⸗Aſien. I Abſchnitt. F. 6,
Embaſſaden, die von Khiulanna, Chemo, Weiyouan,
Soufilifawolan, Soulifitan, und den Städten Kian,
ou che he und Khiumei genannt werben, f
Der Staat von Khiumei, der auch Changmi genannt:
wird, hatte Acheju ffeto zur Capitale, die im Norden der
Schneegebirge und des Fluffes Pournt liegt Calfo im Norden des
obern Indus oder Stromes von Baltiftan und identifch mit
Schambi, f. ob. S. 493). Deffen Bewohner hatten fich ftets an
die Einwohner von Klein sPourut und alfo an China-angefchlofs
fen. Nouchehe, d. h. die Neue Stadt (es it Nou Shes
her) in der Landesfprache, nämlich im Perfifchen, fagen die Chis
nefen, lag im N.O. von Schafch 100% fern. Diefe neue Stadt
ward ſeitdem von den Karlouf(l?) unterjocht.
&o weit reichen, in jener Zeit, die Chinefenberichte, zu des
nen wir noch hinzunehmen müffen, was fchon früher aus ders
felben Quelle über Ka himilo, d. i. über Kafıhmir (f, Afien
U. S. 1111 — 1114), aus derfelben Periode der Ihang-Dpnaftie,
mitgetheilt wurde, woraus fich ergiebt, welche bedeutende
Holle das chineſiſche Reich in jener Zeit für Mittels
und Weft-Afien fpielte, die wol mit dem Einfluffe verglis
chen werden kann, den dag Roͤmer-Reich, Eurz ‚vorher, jenfeit
des Limes Imperii Romani, über Ahein und Donau hinaus,
auf Mittels und OftsEuropa ausgeuͤbt hatte, Mit Einwils
ligung dortiger Fürften wurden die Grenzen der Thfin, das
‚mals, bis in das Stromgebiet des Orus offenbar erweitert, wie
ein Ager Decumatus, wie eine Dacia Trajana in Mittels Germas
nien und Ungarn entftanden, und zur Zeit der Marfomannens
Triege, unter beiden Antoninen, der Nömereinfluß in der Ger-
mania Magna bis zu Duaden in Mähren, Gothinen in Obers
fohlefien und andern Völkern in Dacien und jenfeit des Iſter big
zum Pontus hin bekannt iſt.
Das Keich der Thfin hat alfo wirklich zu gemiffen Zeiten
feinen Antheil an Bactriana und Transoriang gehabt, daher auch
fein Name bis dahin ausgedehnt erfcheint, Daher, daß Ab
Iſchak Ibrahim nah Ebn Haufals Angabe, die Grenzen
des Landes Sin”) an die Grenzen von Mawaralnahar un
an die Außerften Wohnfise der Mufelmänner ftoßen laßt; daher
daß der arabifche Dichter, Abu Djumanah Bahely, fagen konnte
??t) Ab, Remusnt Remaryues |. e. p, 106. N
Central Afien, alte ethnographifche Verhältniffe. 583
daß der General Kotaibah, Sohn Moslems, vom Tribus Bas
"help, im Lande Sin begraben ward, da es aus Abul Joktans
eines Autors des erften Jahrhunderts der Hegira) Zeugniß bes
annt ift, daß diefer Feldherr in Ferghana geftorben war, im
‚turkeftanifchen Gebirgslande, das allerdings damals zum chinefis
ſchen Reiche gezaͤhlt werden konnte, als Vaſallenſtaat.
Fuͤnftes Kapitel
Ethnographiſche Verhaͤltniſſe Mittel-Aſiens nach dem
Fortſchreiten feiner Bölkergrüppen gegen den Weſten:
Die Hiongnu, die Uigur und Hoeihe, Hoeihou, Thu—
fin, Usbefen. Die Yueti (Getae), Sai (Sacae), die
Ufun, die indo=germanifche Voͤlkergruppe der blau—
© Augigen Blonden, Die Tofharen, die Tadjik,
Dir die Seren,
iR 6.77%
Ehe wir das dftlihe Turfeftan ganz verlaffen, um zu
dem weftlichen Turfeftan nad) deiien Gebirgsgauen überzus
gehen, wird es nothwendig ſeyn, nachdem wir alle feine Dertlich
iten, fo vollftändig als es für jest möglich fcheint, erforfcht has
F und im Einzelnen auch das Schickſal ſeiner Bewohner, wie
den Einfluß feiner Beherrſcher bis auf die Gegenwart nachzumeis
fen uns bemühten, doch zuvor noch gewiffe Hauptmomente ſeiner
ethnographiſchen Verhaͤltniſſe, welche in die ganze Voͤl—⸗
Fer, Staatens und Cultur-Geſchichte Mittel- und Weſt-⸗Afiens
nicht weniger als jene politifchen Verhaͤltniſſe eingegriffen haben,
etwas genauer und im Zufammenhange ins Auge zu fallen, als
es bei der anfänglichen Orientirung in den Einzelnheiten möglich
war, die wir nun als befannt vorausfegen fünnen.
or Es iſt das Auftreten und die Verbreitung der Hiongnu
in den älteften Zeiten durch einen großen Theil Mittel: Afieng,
und ihr Zurücktreten; es ift das Vorkommen der alten Thu⸗
kiu, der Uiguren und der Turk-Voͤlker, und ihr gegen⸗
ſeitiges Verhaͤltniß in alter wie in neuer Zeitz desgleichen dass
jenige der, gegen den Welten, durch das ganze Mittel-Afien fort:
gefchobenen,, antiken Völker der Yueti und Ufiun, namlich
der Dlauäugigen, blonden Ragçe dis fogenannten indos
584 Wefts Alten, I Abſchnitt. 9 7;
germanifchen Stammes, im Gegenfaß jenes Turfifchen,
oder eines Tuͤbetiſchen, Mongholiſchen, Chinefifchen, von dem fo
häufig die Rede war. Hierzu gefellen fich ferner noch die Fragen,
wie, außer unzählig davon abgezweigten Horden und Gliederuns
gen, noch auf demfelben Boden die fo oft genannten Tadjik,
Bucharen, Usbefen, Kirghifen\n. A. mehrz fich zu jenen
verhalten; wie die Städter zu den Nomaden, wie die ges
genfeitigen Begrenzungen in ihren turfifchen, wigurifchen, indos
germanischen Sprachen, wie in ihren Schriftfpftemen und
Siteraturen; wie das Sanskrit, Syro-Uiguriſch, Mongholifch,
Chineſiſch, Aradifch, Perfifh und Anderes auf fie vom Weften
her, wie vom Süden und Dften her, übertragen wurde; wie
ſich hie Buddhacultus mit Foecultus, mit der antiken
chinefifhen Weligion des Khung Fu dfü, mit dem Brah—
maismus oder dem Zoroaftercultug, und dem einheimifchen
alten Aberglauben berührten, und wie die Lehre des Koran
zu allen als verfchmelzendes und weit eingreifendes Element hins
zufam. >
Obwol Hier gar manche Fragen noch unerörtert und viele
noch in einem gewiſſen Halbdunkel bleiben. müffen, fo koͤnnen
doch auch manche, die vor einem Vierteljahrhundert noch unaufe
lösbar genannt werden mußten, hier in einem hellen Lichte here
vortreten, zu denen fortgefeste Sprachforfchungen und Literaturs
fludien noch weit mehr Aufklärungen mit der- Zeit hinzufügen
werden, als es uns hier deren Nefultate fchon mitzutheilen ges
genmwärtig vergönnt if. Doch werden wir auf einem an Laby—
rinthen fo reichhaltigen Felde vorzuglih bemüht feyn, nur die
den hiftorifchen Driginalquellen entnommenen Ergebniffe dee
Forſcher gedrängt zufammen zu ftellen, ohne uns ſelbſt in die
etymologiſchen Crörterungen derfelben einzulajien, die hier eine
Fülle lebendiger Sprachkenntniffe vorausfegen, die wir nicht bes
figen, und die uns in ein ganz anderes Gebiet als das geographifche
ethnographifche, nämlich in das antiquarifch «mythologifcye noth⸗
wendig hinuͤberziehen und im directen Fortſchritte hemmen wuͤrden,
welches wir andern, dazu geeignetern Forſchern, die es auch ſchon
mit großer Beharrlichkeit und uͤberraſchender Originalitaͤt 2) an⸗
gebaut haben, zu glaͤnzendern Reſultaten uͤberlaſſen. |
#22) Dr. K. Halling Geſchichte ber Säytken. Erſter Band Aſien.
E> — g Geſchich Epth fer Ba fi
\
SentraleAfien, Ethnographie, Hiongnu. 585
Erläuterung 1.
Die Gruppe ber Oſt-Turk.
1. Die Hiongnu, ein Turkſtamm der älteften Zeit,
als Herrſcher in Oft-Turkeftan.
Nach dem, was fehon früher von den Hiongnu ihrem Aufs
blühen, ihrer Macht, ihrem Verfall an den Grenzen Chinas, und
Ihrem Fortleben in nördlichen und weftlihen Verzweigungen ge:
fagt worden ift (f. Aſien J. ©. 241 — 245), haben wir nur wies
der daran zu erinnern, daß ihre große Macht, Ende des erften
Sahrhunderts nach Chr. G., durch die Chinefen vernichtet war,
daß feitdem ihre weites Pand die Beute innerer Unruhen und der
Ueberfälle ihrer, Nachbarn blieb; daß ſelbſt ald Vaſallen der Chis
nefen das fortdauernde Anfehn ihrer Ifchenyu, mit dem Jahre
216 n. Chr. G. am In⸗Schan und Hoangsho, vernichtet war.
Daher treten feitdem nur noch gegen N.W. zerfprengte, Eleinere,
‚ independente Staaten derfelben, von Zeit zu Zeit, noch einmal
in denfelben Gebieten auf, wo fie anfänglich die von ihnen gegen
Weſt verdrängten Völker der Ufun und Yueti noch weiter vers
folgten, wie am Ili und Ihfungling, oder ſich Bid zum Sihai,
dem Ieftmeere, hier wol nur der Balkhaſch-See (f. Aſien I.
S. 432, 434), verbreiteten.
Die Kaifer (Tſchen yu) der Hiongnu ®) führten den Titels
Zangrikutu, d. i. Sohn des Himmels, wie die hinefis
ſchen Kaifer ſich ebenfalls titulirten bis heute, und mie derfelbe
auf die Menaholen Herrfcher uͤberging. Unſtreitig hatten fie, wie
die Thukiu, oder Oft:Turks, dem Tangri (Thian der Chinefen,
Coelum, wie Deus) ihre Opfer gebracht, die jedes Jahr im Sten
Monat, den 10ten und 20ften Tag, Statt fanden. 500 Li im
Weſt des Lagers ihrer Khane verehrten fie auch) einen Po Tangri,
d. i. einen Gott der Erde, nach dem Wen Hian thoung Ehao
8.341 ©.7. Die Wellzweige der Thukfiu, welche die Byzan⸗
tiner im VI. Sahıhundert am Altai Eennen lernten, unter dem
Namen Turcae, verehrten, nad) deren Berichten, zwar Feuer,
Luft, Waffer, fangen auch der Erde Lobgefänge; aber doch betes
ten fie eigentlich nur Gott den Schöpfer aller Dinge an, und
brachten ihre Pferde, Ochfen und Schafe zu Opfern. Bis zu
”®) Ab, Remusat Rech. I. c. p. 297.
5868 MWeftAfien, I. Abfchnitt: $. 7.
den Hiongnu drang Feine Spur ausländifcher Meligionsfyfteme
durch Miffionen vor.
Der legte der von den Hiongnu unter dem Namen der
nördlichen Liang . sifteten Staaten an der MWeftgrenze
Mord⸗Chinas, ward im Zuhre 460 n. Chr. G. zerftört, und Reſte
diefer legten verjagten Türkenhorden fanden unter ihrem Anfühs
rer Affena noch in den Ihälern des Kin Schan (Goldberge),
oder des Altai, ihre Afyl, wo fie unter dem Namen der Thu—
Ehiu Cd. h. Helm von der Bergform des Kin Schan, f. Aſien
1. ©. 438), feit dem V. Yahrhundert mit ihren zahlreichen, vers
wandten Völkern der Oſt-Turk (Thukhiu) im Gegenfaß der
Weſt-⸗-Turk (Turkue, wol identifch mit Tofharen, f. unten),
uns fhon aus frühern Unterfuchungen befannt find (Alien I.
S. 351). Diefer Namensunterfchied ift in der That fo wenig wie
derjenige der Hiongnu, die auch zum alten Turkſtamme gehören,
nach der angegebenen Etymologie, fein wahrer Grund, diefe beis
den Zweige deſſelben Voͤlkerſtammes im Often und Weften,
dem Menfchenfchlage und den Sprachen nad), trennen zu wollen;
denn das öftliche Thukhiun ift nur Pautumfchreibung des weftlis
chen Turk (Terk heißt auch. im perfifchen Eifenhelm,. wie im
Turki, und von Turk ift Atraf der Plural) 9.
In ethnographifcher Hinficht aber wird wegen der großen .
von ihnen eingenommenen Länderftreefen, eine folche geographifche
Unterfcheidung nothiwendig, um einer noch größern Verwirrung
in der Benennung ihrer Horden und Corporationen, als ihe nos
madifches Hins und Herziehen an fich fchon bewirkt, wo möglich
auszumweichen.
As ältefte Stammpväter der Turkgeſchlechter 5),
deren Name alfo erft nach diefer Legende, feit Mitte des V. Jahr⸗
hunderts beginnt, find die Hiongnu merkwürdig; feine Sage
von den Turk geht bei ihnen ſelbſt oder bei Chinefen auf eine ältere
Herrfchaft als auf die der Hiongnu zurüd. Das Land, das einft
die Hiongnu einnahmen, ift daffelbe, aus welchem alle Turfz
nationen, die uns bekannt geworden find, ihren Llefprung genomz-
men haben. Bekannt werden die Turk im W, als Eroberer aber
92%) Klaproth Mem. sur: P’Identit: des Thou khiou et des Hiong
nous avec les Tures in Journ, Asiat. VII. p. 257 — 268; derſ.
sur l’Origine des Huns in Mem. relatiis a l’Asie. Paris 1826.
T. II. p.380—389. 25) Ab, Remüsat Recherches L cs p-324
bis 329, und Asia Polyglotta p.210— 212,
Central Afien, Ethnographie, Uigur. 587
erft, die Tochari der Alten etiva ausgenommen, feit dem V. Jahrh.,
nachdem die Hiongnu aus ihren öftlichen Sitzen an der Nordgrenze
Chinas verdrängt find. Alle Wörter der Hiongnu, welche uns durch
die Gefchichifchreiber aufbewahrt wurden, find Turks Wörter,
Wenn das Hiongnu⸗Reich in feinem weiteften Umfange einft auch
viele Tribus der Tungufifchen G. B. die Schenfchen hält Klaproth
für vom Tungufenffamm), Mongholifchen 2), Sibirifchen, Zndos
germaniſchen und Finnifchen Völferfchaften umfaßt haben mag,
fo ift es doch gewiß, daß der Hauptfern des Reichs und die darin
vorherrfchende Nation der Turk⸗Stamm war. Die äußers
ſten Grenzen des Hiongnu-Reiches bezeichnen daher aud)
bie Grenzen der primitiven Ausdehnung der Turfges
geſchlechter urältefter Zeit. Gegen Oſt faßen ihnen die Völker
der Tunghu, d. b.öftliche Barbaren, ein vager Ausdruck,
der wahrſcheinlich Völker Tungufifyen und Mongholifhen Schlas
98 zufammenfaßt. In ©.D. die Chinefen in Schenfi und
Schanfi. In Süd, 200 Jahr vor Chr. G., die Yueichi, oder
Mueti, die fie nach dem Werften verjagten. In S. W. die
Sai (Sacae), die urfprünglich im Nord und Nordoſt des Caspis
ſchen Sees wohnten, aber durch die Yueti gegen Sud verdrängt
wurden, alfo die Vorgänger der Geten. Im Welt faßen ihnen
die Ufun, die fie vertrieben hatten, die Blonden Blauäugigen,
welche alfo damals den weftlihen Limes der Turfrace
bildeten, wie die Tingling und andere, mit den Kirghis ges
“ mifchten, fibirifhen Wölkerfchaften im Norden,
2. Die Uigur, Dui, Hoeihe, Hoeihou, Kiufzu,
Kuſzu, Kaotſche, Weioueul; ihre Verbreitung,
Schrift, Eultur. Die Usbeken, Gus der Araber
des XVI. Zahrhunderts,
Obwol ſchon oben (f, ©. 430, 434, 439) und in den frühern
Unterfuchungen (Afien I. ©. 342— 349) bei der erften und
zweiten Heimath diefes Volkes im Selenghalande (am Orkhon),
- and im Norden wie im Süden des Thian Schan (Bifchbalif,
Turfan und Kharafchar), fo wie in ihrer weftlichen Colonie, der
Shieisle am Bhalkaſch-See (f. Mien I. ©, 440— 441) auch
fon von ihren wechfelnden Schickſalen, durch ihre" eigene Kivilis
ſirung, wie durch die Lebermacht ihrer Nachbarn, zu denen ans
faͤnglich die Chinefen, dann ihre Stammverwandten die nomadis
fhen Hafas (die fi als ihre Beſieger feit 648 — 759 auch Ka—
588 Weſt⸗Aſien. I Abfchnitt, 6. 7.
Khane der Hoeihe nannten, ſ. Aften I. ©.1116 u. f.) und end»
fich die Mongholen gehörten, die Rede war, fo wird es doch hier,
um ihres durch alle Jahrhunderte bis auf die neuefte Zeit forte
gefessten Einfluffes (auch heute noch dauert ihr Name Hoei in
ihrem Urfige, |. 06. ©. 436, fort) nothivendig, an ihre ethnogras
phifhen DVerhaltniffe, in ihrem inneren Zufammenhange, gegen
die Wechfel ihrer Nachbarfchaften zu erinnern, zumal da’ früs
herhin fo viele blos hypothetiſche Anfichten über ihre Abſt a m⸗
mung, Sprache, Schrift und Eultur verbreitet waren,
Die Bedeutung und Schrift der Higuren zur Zeit der
Stiftung des MongholenNeiches unter den Dſchingiskhaniden ers
zeugte verfchiedene Sagen über ihre Cultür und Abftammung, die
nur erft in neuefter Zeit durch Sprachforfehung und Veröffentlichung
authentifcher Documente berichtigt werden konnten, Langles 2%
der Bearbeiter der Mandfhu Sprachen (Alfabet Mandchou Ed. 3.
p-51) hatte ihre Givilifation bis auf 300 Jahr vor Chr. ©. zus
ruͤckfuͤhren wollen; derfelbe Teitete von ihnen (Rapport sur les
trav. de la Classe d’Hist, Paris 1811. 4.) eine große Anzahl von
Colonien ab, welche daſſelbe Volk der Uigur feit jenen 300 Jah⸗
zen durch Afien ausgefendet haben ſollte, wovon aber keiner der
inefifchen Autoren das geringfte Datum giebt. Visdelou,
Mater Gaubil und Deguignes, in ihren befanuten hiftoris
fhen Werken, hielten den Namen der Igur, oder Higur?”),
für ganz identifch mit dem der Hoeihe, und fchrieben irriger
Weiſe eine Menge von Eroberungszügen, Ihatfachen und. Auss
breitungen den Uiguren zu, die nur den Hoeihe oder Oſt-Turk im
Allgemeinen zugefchrieben werden können. Der neuere Heraus
geber von Sfanang Sfetfens mongholifcher Gefhichte hatte die
Uigur nicht als ein Volk von türkifcher Nace, fondern von tans
gutifcher 25) ableiten wollen, wogegen Klaproth, Ab. Res
mufat und Hamader?) mit den Beweisgründen bis dahin
e2@) Ab, Remusat Recherches sur les Langues Tartares T. J. p-283.
27) Ab. Remusat ebend. I. p. 324. 25) 5. 5. Schmidt Einwürfe
gegen die Hypothefen Klaproths über Sprade und Schrift der Ui⸗
guren, in Zundgruben des Orients Th. VI. 3. Heft ©, 321 — 332;
deſſ. Forfdyungen im Gebiete der ältern religiöfen, polit. und literar.
Bildungsgefhichte der Völker Mittel-AUfiens, zumal der Monghoken
und Zübeter. St. Petersburg 1824. 8. 2%) Ab. Remusat Rech,
sur les Langues Tart. l. c. p. 250 —296; Klaproth Beleuchtung
und Widerlegung des Hrn. 3.3. Schmidt. Paris 18245 eff. Mem,
sur Uldentite I. c. und Mem. sur l’Origine des Huns 1. c.; bel.
Central⸗ Afien, Ethnographie, Uigur. 689
unbekannter Originalien hervortraten, welche gegenwaͤrtig die Turk⸗
Abſtammung außer allen Zweifel ſetzen, wie dies auch Steins
inferiptionen, aus der Dfchingisthaniden Zeit in monghos
liſcher Sprache mit Higur-Schrift 30), di. in einem dem
Syriſchen nachgebildeten Alphabete, in Stein gegraben, und in
alten Ruinen am Fluß Kondooi, im Territorium von Nertfchingt,
neuerlich erft wieder aufgefunden, beweifen,
Schon Rubruguis (im J. 1254) hatte, vielleicht zu alls
gemein, gefagt: unter den Ju guren fey die Quelle und der
Urfprung der Turks und Comaner-Sprache (f. 06. ©.438).
In noch ältere Zeiten geht das Zeugniß 3!) des Bar Hebraͤu's
zuruͤck, der felbft im Mongholen sKeiche lebte (im J. 1226, ein
Jahr vor Dſchingiskhans Tode geboren), und im Chronicon Sy-
ziacum, an zwei Stellen, ©. 437 die Grenzen der Mongholen,
gegen Weft, an die Iguri Turcae bezeichnet, und ©. 440 fagt,
daß eben diefe Mongholen die Turcas Iguros befiegten und von
ihnen Tribut erhielten. Hierzu fügt derfelbe ©. 439, daß diefe
Sauren (oder Liguren) auf Dſchingiskhans Befehl
den Mongholen, die noh ohne Schreibfunft waren, die
Schrift lehrten, und dag Mongholen feitdem Ligns
ren-Schrift im Brauche hatten, wie die Aegypter die griechie
ſche und die Perſer die arabifche Schrift. Da das uigurifche
und mongholifche Alphabet einerlei Urſprung und Form
haben, diefes Iestere aber aus mehr Buchftaben befteht, ais jes
nes (es hat nur 14 Lettern), fo mußte wol das einfadhere
Uiguriſche auch das ältere fern, und das Mongholifche erſt
das jüngere daraus gebildete. Die Schrift der Uiguren felbft
wird aus dem ſyriſchen Alphabet?) der Neftorianer abs
geleitet, es hat nicht die geringfte Aehnlichkeit mit dem Devanas
|
‚gari, oder dem gleichzeitig durch das Hochland mit den Buddhiften
verbreiteten indifchen Schriftfuftem, eben fo wenig mit denen des
Observations eritiques sur les Recherches relatives & l’histoire polit,
et relig. de l’interieur de l’Asie, in Mem. relat. à l’Asie 1826,
T.Il. p.303—410; def. Turk-Uigur in Tabl, histor. de PAsie
p-121— 130; def. "Asia Polyglotta, Paris 1823. 4. p. 212 — 216.
H.. A. Hamacker Rec. in Bibliotheca critica nova ed. Bake, Geel,
Hamaker etc. Lugd. Batavor. 1825, Vol. I. p. 131— 224.
5 Asiatic. Journ, New Series. London 1833. 8. Vol. XI. p.197.
) Hamaker I. c. Bibl. crit. p. 190. »2) Klaproth Observat.
erit. L c. T.M. p.316— 321, 328331. Tabl, * I.c. P. 126;
Ab. Remusat Recherches L, c. p. 254,
590 Weſt-Aſien. J. Abfchnitt. & 7.
Pehlvi und den Keilformen ded Zend. Jene Analogie mit dern
fprifchen oder fabäifchen ift Beweis dafür, daß unter. dern
zahlreichen, chriftlichen Secten auch einige, ſchon in fehr früher
Zeit, durch das centrale Afien verbreitet waren, wenn e8 auch
ſchwer hält deren Einführung jenes Alphabetes beftimmter nachs
zumweifen (f. Neftorianer, Aſien J. S. 285 u. f.). In diefer Schrift
ift die Steininfeription®?) von Nertſchinsk, die neuers
lich nach Petersburg gebracht feyn füll, auf einem grauen Gras
nitftein, der 5 Fuß hoch und über 1 Fuß breit ift, eingegras
ben, in 4 fenfrechten Reihen, die von der Linken zur Rechten ges
Iefen, nach Schmidt, folgenden Anfang einer Befhwörungs:
formel an die Eliyas (d. i. geflügelte Dämonen) enthalten!
„Dſchingiskhan nad) feiner Rückkehr. von der Unterwerfung der
„Sartagol, nach Vertilgung des alten Haffes zwifchen allen Tris
„bus der Mongholen, an alle 335 Eliyas” ..... Sartagol
ift Khara Khatay, davon Kafıhahar die Capitale, welche der Nay⸗
man Khan Gufchluf Khan befegt hatte, der 1219— 1220 befiegt
ward. Alfo ein Talisman gegen die Ruͤckkehr des Hafles der
Eliyas, denen hier wol Gelübde oder Opfer gebracht feyn mögen,
Da die Uiguren, nach dem oben von Dſchingiskhan ans
geführten Befehle, nach Befiegung durch die Mongholen, mit ihs
ren Charasteren, ald „Schreiber3#)“ bei deflen Hofe und den
Großen, wie überhaupt feitdem lange Zeit auch bei Turk und
Perfern als deren Schreibfundige in Dienften ftanden, ja
auch gewiſſe turfifche Dialecte mit Uigur-Characteren gefchrieben
wurden, fo hat man oft und lange Zeit die Turk: Sprache übers
haupt Higur-Sprache 3) im Mittelalter genannt. In der
Krim (Gazaria) wurde der Tractat der genuefifhen Bes
amten mit den tartarifchen, das heißt aaa pe Prinzen, ber
ihre Befisungen am Schwarzen Meere, im 5. 1380 n. Ehr. G
wie fich die Docymente, nad Silv. de Sacy’s Unterfuchungen,
in den Archiven von Genua vorfinden, in diefer Schrift und
Sprache abgefaßt, welche von den Genuefen „Lingua Uga-
resca” genannt ward; ein Diplom von Timur Kutluk vom
J. 1397 ift noch in Higurenfchrift abgefaßt Cüber frühere
Verwechslung der Tatar mit Turk, f. Afien J. S. 281 — 283).
932) Asiat, Journ. 1833. Vol. XI. p. 197. 84) Ab. Remusat Re-
cherches 1. c, p. 255. 35) Klaproth Observat. crit. l.c. p. 3685 7
gr Rech. 1.0.5 v. Hammer in Fundgruben des Orients,
ol. IV. f
*
Central⸗Aſien, Ethnographie, Uggur. 591
"Außer einigen Uiguren, Wörtern in Abul Ghaſis hiſtoriſchem
Werke und den uigurifchen Namen der zwölf Thiere im foges
nannten Turks Tartarifchen Cyclus, den wir als eine Erfindung
der alten Turk, ſchon früher bei den Hakas, angeführt haben (ſ.
Afien I. ©. 1124— 1125), war früherhin nur Weniges von dies
fer Sprache befannt, als Klaproth im J. 4806 zu Uft:Kames
nogorsk feine 84 Wörter von einem Bewohner Turfans, deflen
Mutterfprache die Uiguriſche war, einfammelte, welche bis heute
die noch Iebende Sprache aller Städtebewohner siwifchen
Kaſchghar und Hami if.
Diefes aus der lebendigen Rede, nicht aus der Schrift aufs
gezeichnete Fleine Vocabular, wurde durch ein zweites,
für den Faiferlichen Ueberfegungshof in Peking, von einem einges
bornen Dolmetfch verfertigtes, großes Vocabular 3%), im
Higurifchen und Chinefifchen, 914 Wörter enthaltend, und
durch Pater Amiot der Parifer Manuferipten: Sammlung in
Uigur-Schrift einverleibt, ungemein vervollftändigt, Es bes
weifet unmwiderftößlich die. radicale Sdentität des Uiguri—
ſchen in Oft-Afien mit dem Türkifchen in Eonftantinopel (z.
B. Tangri, Himmel; Yuldus, Stern; Gurgorti, Dons
ner; Khar, Schnee u. a. m.)27). Diefem find 15 Briefe 38)
oder Supplifen von Fürften aus Hami, Turfan, Khotcho, Ili⸗
bali u. a., in Uigur, mit chinefifcher Ueberfegung vom Pat. Amiot
beigefügt, welche die Grundlage zum erneuerten Studium der
Grammatik und des Baues diefer Sprache abgegeben haben, die
nicht ſowol, wie man nach Rubruquis Ausdruck glauben koͤnnte,
die Duelle, d. h. alfo den Stamm der Turks Dialecte bildet, fonz
dern nur als der gelehrtefte der orientalen Altern Turks Dias
lecte anzufehen ift, und nicht fowol als der ältefte derfelben, fons
dern nur als der durch Schrift zuerft feftgeftellte Turks
Dialect.
Im ganzen Bau der Uigur-Sprache findet ſich, nach
Ab. Remuſat, feine Spur von einem ſehr hohen Alterthume,
wer von einer primitiven Einfachheit der Grammatik, wie in
26) Klaproth Asia Polyglotta l. e. p. 214 Not. ſ. deffen Spradatlas
0 &.XXVI—XL. *?) Vergl, damit Wathen Vocabular von Yars
tand, in f. Memoir on Chinese Tartary and Kothan in Journ. of
the Asiat. Soc. of Bengal ed. Prinsep. Vol. IV. p. 663— 664.
*) Mem. concernant hist. d. Chinois T. XIV. p. 27 ; vergl,
Ab. Remusat Rech. I. c. p. 257 —280.
59 Weſt-⸗Aſien. J. Abſchnitt. 8 7.
der chinefifhen Sprache, noch von der conſtruetlven Innern
Fuͤlle, die ſich gewächsartig nach allen Seiten immer frifch und
lebendig treibend durch fo viele andere Sprachzweige verbreitet,
wie im Sanskrit; beide nach den Extremen hin zugleich den
Beweis ihres höchften Alterthums in fich tragend, während
fo viele Zwifchenftufen durch gewöhnlichere Sprachelaffen, gleich
dem Uigur, ausgefüllt werden, die feinen diefer Charactere der
Urfprünglichkeit in fi tragen, fondern zu den abgeleiteten ums
gemodelten, mit Fremden vermifchten, nicht aus fich felbft entz
falteten Sprachen gehören, die weder die höchfte Einfalt bewährt,
noch zur höchften philofophifchen Entwicklung in ihrem Sprad)s
baue fortgefchritten find. Es liegen im Uigur nur die allgemeis
nen Sprachelemente oftaftatifher Abftammung eines einft nomas
difchen Volkszweiges der Turk, der fih in Städten feftfiedelte,
zum Grunde, der fremde Formen in fi aufnahm, von feinen
Nachbarn einige Kenntniffe erhielt, und ſelbſt es bis zum Schreis
ben einiger Bücher brachte. So z.B. die verloren gegangenen
vigurifhen Annalen, aus denen wol die Wiziere Alas
eddin und Raſchid-eddin, bie perfifchen Gefchichtfchreiber der
MongholensDynaftie viele Nachrichten fchöpften; doch brachte es
diefer Sprachzweig darum zu feiner eigenthümlichen Culturents
wicklung, obwol er eben durch jenen gewonnenen Vorfprung bald
feine illiteraten Nachbarvölfer uͤberragen mußte. Die Chinefen,
welche in frühern Jahrhunderten Feineswegs blind oder gleichgüls
tig gegen fremde, höhere Civilifation, wie 3. B. gegen die der
Hindus, Perfer und der Ta Tin im Weften blieben, fahen doch.
in den Lliguren nie ein altes Eulturvolf, fanden bei ihnen
feine aneigenungsiwverthe Gelehrſamkeit, feinen religiöfen, politi—
ſchen, literarifchen Einfluß, nur etwas weniger Barbarei, als bei
den übrigen nördlichen Voͤlkerſtaͤmmen Afiens. Diefe Anſicht ge;
wannen fie von ihnen, weil diefe in Städten lebten, den Chines _
fen fich unterwarfen, ihre Snftitutionen annahmen, den Khunge
Fu dſu ehrten, deflen Werke felbft fiudirten, und zu dem Ges
brauch der Schriftcharaetere noch andere Lettern fügten, die ihe
nen das Ausland mittheilte. Hiermit ſtimmt auch ihre Gefchichte,
die aus den dunfeln Anfängen der Turfgefchlechter fpät, aber
doch frühzeitiger als viele der andern hervortritt, weshalb der
Name der Uigur, Igur, Eigur, Hoeihe, fpäter Hoeihou
bei Chinefen, auch frühzeitig von ihnen auf viele andere Turk⸗
ſtaͤmme übertragen ward (f. Aſien J. S. 342 — 349).
Central Afien, Ethnographie, Uigur. 593
Sn den früheften Zahrhunderten der Hiongnumacht werden
die Wiguren gar noch nicht genannt; unter dem fpäter wieder
verfchwindenden Namen KRoufzu, oder Kiufzu (bei Deguignes
irrig Hefe, bei Ab. Remuſat irrig Tchheſſe) ®Y), der Gouz aus:
zuſprechen ift, findet fie Ab. Remuſat zum erften Male %),
im 5%. 99 vor Chr. G., als Vafallen der Hiongnu, in den Anz
nalen der Han aufgeführt, aber nicht als Städtebewohner, fon:
dern auf der Nord» und Südfeite des Ihian Schan in zwei Eleine
Horden vertheilt: die vordere Horde, aus 700 Familien beftes
hend, mit 6050 Mäulern, davon 1865 Krieger, und die hintere
aus 595 Familien, 4774 Mäulern und 1890 Kriegern beftehend.
Aber nach) etwas fpätern Daten, die wir ſchon früher angeführt
G Aſien I. ©.343), faßen ihre Verwandten und Vorfahren auch
an der Selengha und am Orkhon; von denen, in den Annas
Ien der Ihang- Dpnaftie, eine Wunderfage *) ihrer Auswan—⸗
berungsgefchichte nach ihrer zweiten Heimath (ob. ©. 430,
437), von Hami bis Turfan, dem Lande Uigur, mitgetheilt iſt,
wohin. beiderlei Horden fich zogen. Dies ift der Schauplaß ihrer
fernern befannter werdenden hiftorifchen Begebenheiten. Seit dem
Sahre 239 n. Chr. Geb., von da an, follen die Idukhu, oder
Idi Kut, d. i. das unter fich verwandte Geſchlecht ihrer Herrs
fherfamilie, 970 Jahr, bis auf die Unterwerfung unter Dſchin⸗
giskhans Scepter (im J. 1209) den Thron von Kaotſchang, d. i.
von Uigur, behauptet haben, aber verſchiedene Koͤnigreiche ſollen
von ihnen ausgegangen ſeyn, ſo wie verſchiedene Hordenhaͤupt—
finge die Herrſcher des Throns von Uigur wurden. Daß fie
nad der vorlbergegangenen Periode der Hiongnu: Macht mehrs
mals der Obergewalt anderer turfifcher Herrfcher, wie in der ers
fen Zeit dem Khan der Thukiu (Oft: Turk), dann aber feit den
VI. Jahrhundert auch ganz Fremden, wie der Chinefenmacht,
der Thang: Dynaftie und den Kitanen fich hingeben mußten, ift
fhon früher gefagt, bis fie an die Mongholen fih anfchloffen
(Alien I. ©. 345 — 346). Wir bleiben hier nur bei ihren ins
nern Angelegenheiten ſtehen.
22») Klaproth Observyat. crit. L c. T. I. p.3495 Tabl. hist, de
VAsie p.121; deſſ. Asia Polyglotta. Paris 1823. 4. p. 213.
#0) Ab. Remusat Recherches 1. c. p. 283. 2) Klaprotlı Observ.
ai. T.ll, p. 332. !
Ritter Erdkunde All ® Pp
594 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $ 7. |
As der Guddhiftifche Pilger Fa Hian, im Jahre 399 m.
Shr., vom Lop⸗See (f. 06. S. 331) noch wetwärts des Könige
reiche Schenfchen, 15 Tagereifen weit vorrückte, bis zum Könige
reich DOui92), d. i. die fürzefte Form für Uighur, fo fand er
dafeldft fehon 4000 Neligiofe, welche ftreng nach dem Buddhaz
geſetz lebten; er wurde zwei Monat und einige Tage im Lager
ihres Königs Koungfun zurücgehalten, feste aber dann feine
Wanderſtab weiter fort, weil feine chinefifchen Patente, die er. bei
fih führte, von dem König der Qui refpectirt wurden. Alf
fhon damals war der Buddhacultus bis dahin vorgedrungen,
was auch andere chinefifche Nachrichten fpäterer Zeit beftätigem,
die fagen, daß ihre fiegreichen Waffen (eigentlich die der Koueis
tfeu, d. i. Bifchbalig ihrer nördlichen Stammesverwandten, ſ.
Afien J. ©, 383), im IV. Jahrhundert bis Yarkand 8) vorge
derungen waren, wo fie den Foe-Cultus hatten Eennen lernen,
Die Völker von Yarkand, fagt das Wen hian thoung kha
8.336. ©.14, waren durch die Yueti (Yuete, Getae) im
Sahre 478 n. Chr. Geb. befiegt worden. Sie erbaten fich von
dem Kia der Kiufzu, d. i. dem König der Uigur, der fehr
mächtig geworden, deilen Sohn zum Statthalter. Dies vergroͤ⸗
ßerte noch feine Macht, er ahmte die Einrichtungen der Chineſen
nach, und führte deren Beamten, Sitten, Gebräuche ein. Das
mals ift zum erfien Male von den Schriften der Higures
die Rede, Es heißt: „der Kia, d. i, der König, hatte in fei
nem Rathöfaale das Gefpräch des Königs Lou mit Khung fu dfi
(Confucius) abmalen laffen; er hatte von Staatöwegen Chros
nifenfchreiber zum Aufzeichnen der Begebenheiten angeftellt
Seine Unterthanen fehrieben mit hinefifhen Characteren,
aber fie brauchten auch eine barbarifche Schrift,” alfo wo
ſchon damals jene weftlihe Schriftart? Oder erhielten fie vdiefe
mweftliche, mit dem fprifchen Alphabet, erſt fpäter, und hartem
fehon eine frühere, felbftgebildete? Diefes Iegtere ift es,
was Klaproth®) für am wahrfcheinlichften hält, und diefe für
identifch mit derjenigen der Hoeihe (d.i. Hakas, oder Kits
ghis, f. Aſien I. ©. 1130 — 1131), und vieler andern oftturkiz
fen Stämme hält, melde, nach ihm, die Grundlage der
°»*2) FoeKoueKil. c. ch. I. p.7. *2) Ab. Remusat Recherches
sur I. Lang. Tartares |. c. p.292, 284. *:) Klaproth Tabl,
hist. de l’Asie p. 130. 77 4
Central⸗Aſien, Erhnographie, Uigur. 595
Inſchriften mit noch unbekannten Characteren ſeyn mag,
welche man durch das ſuͤdliche Sibirien, bei den Hakas und ans
dern am Senifei, Irtyſch und Obi auf Felfen und andern Denk;
malen vorgefunden hat (f. Alien I. S. 326 u. a. O.). Die Ui:
guren hatten aber damals fchon die Bücher Shiking von
aochi, Lunju das Buc) des Eindlichen Gehorfams, und „ei:
nige Chroniken,“ wol einheimifche Landesgefchichte, wie die
on Khotan (?, f. ob. ©. 364). „Die Söhne ihrer Großen gins
n in die Schule und lernten den Inhalt der Schriften; auch
ieben fie Poeſie.“ — Diefer Geſchmack an der chinefifchen Lites
tue wuchs noch im Lande der Ligur, fo daß fie in den Jahren
515 — 528, ſich durch ihre Embaffaden von China, die 5 King,
verschiedene hiftorifche Werke und den chinefifchen Gelehrten Lieous
fie ausbaten, um bei ihnen die Elemente der chinefifchen Sprache
zu lehren, was ihnen auch vom Kaifer zugeftanden wurde,
„ Sn dem VI. Zahrhundert breitete fich die Macht der oͤſtli—
bern Herrfchaft der Hoeihe, oder der Kaotfche, fpäter Kaos
tſchang (Cd. i. ein vom Norden her nachgerückter nomadifcher
Zurkftamm, der diefen Namen von feinen Hohen Näderfarren ers
hielt, |. ob. ©. 437, identifc mit den Kankli, nad) v. Hams
mer), der fich der Herrfchaft der Hoeihe bemächtigte, auch weis
ter weftwärts, auf die Sudfeite des Ihian Schan, in das ei—
gentliche ‚Uigur aus, wo nun die Hoeihe, gewöhnlich Hoei—
i genannt, in der Mitte der Zahre Yuanho, d. i. zur Zeit
ee Ihang-Dynaftie, nämlich) von 806 —820 nad) Chr, Geb,
den Chinefen Hoeihou *%) genannt werden, oder bei den
noholen Wei ou eul oder Oui gou el gefchrieben, was eben
identisch ift mit Migur, worunter man alfo eigentlich nur erft
dieſe ſpaͤtern Uiguren, nach der Vermifchung der urfprünglichen
Kiuſzu, die aber Fa Hian auch fchon Oui nennt, mit den Hoeihe,
m verfichen hat. _
Obwol alle drei, die Oui, die Hoeihe und die Kaotfche,
welche von Kitanen aus ihren Sitzen *6), aus den füdlichen Bais
ändern, verdrängt waren, und deshalb weftwärts und ſuͤd—
varts neue Wohnfise auffuchen mußten, von gleicher Rage
d von unter fich, wie mit den Hiongnu verwandten turkifchen
) Klaproth Observat. crit. . c. T. IL p. 349, s
#*) Klaproth Asia Polyglotta. Paris 1823. 4. p. 212.
.PBp2
he =
596 Weſt-⸗Aſien. I. Abſchnitt. & 7.
Sprachftamme waren, fo find ihre Wohnfige, ihre Gefchichten,
ihre Eulturzuftände doch von einander zu unterfiheiden, was bei‘
Vernachläffigung diefer Umftande ‘zu mancherlei Verwirrungen
ihrer Gefchichten, zumal auch wegen ihrer noch weitern weftlichen
Verbreitung Veranlaffung gegeben hat, die deshalb noch. —*
nicht ganz entwirrt genannt werden koͤnnen. !
Diefe Unterfuchungen dem Fortfchritt für den Weften aufe
bewahrend, fo ift hier noch zu bemerken, daß durch die Ueber—
macht der Hoeihe Feine große Beränberung in der Uiguren—
fprache vorgegangen zu ſeyn feheint, aber auch die Eultur des Lanz
des chen dadurch nicht befonders gefördert wurde, denn die Chi—
nefen, welche von folchen Fortfchritten fehe genaue Erfundigungen
einzuziehen pflegten, ſchweigen #) davon gänzlich. ge
Bon dem Zuftande, in welchem der chinefifche Gefandte
Bam Den te), im Jahre 981, die damalige Sandescapitale
der Uiguren fand, ift ſchon früher die Nede geweſen (f. Aſien I.
©&. 347), woraus fic) deutlich ergiebt, daß eben hier die chineſi—
ſche Civilifation im X. Jahrhundert dem Einfluß von Weften
ber eingedrungener, dreifacher religiöfer Miffionen bes
geanetez dem Buddhacultus mit indifcher, dem Zoroaſtercultus
mit perfifcher Literatur, und dem des Manes (Moni), der hier
feinen Tempel hatte (darunter auch die NeftorianerzLehre, nach
Dbigem, ©. 427,458, verflanden werden kann); mit deſſen Prie—
fiern dann wol die Clemente des fprifchen Alphabetes bier hera@
bracht ſeyn Eonnten, fo daß die Neftorianer ſchon früher durd
ganz Mittel-Afien als die Seribae der Fürften (f. Afien I. ©. 285)
befannt, in diefer Kunft auch die Lehrer der Uiguren gemwefen
ſeyn, und ihr ſyriſches Alphabet der Turkſprache ber
liguren angepaßt haben mögen, da das Devanagari nur
die fansfritifhe Schrift der Buddhadoctrin blieb, und die chine—
fifhben Charactere, nur für chinefifche Literatur gerianehe
feine Anwendung auf die Ligurenfprache erleiden Eonnten.
die Verbreitung der alten Perſer, d. i. in der Saflanidenzeit,
den Lehren Zoroafters und der Anbetung von Himmel,
Sonne, Mond, Waller und Feuer, wie das Thangdou KR. 2214
©. 2 u, 10 ſich ausdrüdt; wie der Secten des Manes und
=) Ab. — Recherches sur les Lang. etc. 1. c. p. 284. 4
*?) Ab. Remusat Rech, L, c. p: 285; Klaproth Tableau Ren: de
V’Asie.p, 124,
j
N 4
Sentral= Afien, Ethnographie, Uigur. 59
der Neſtorianer in gewiſſen Zeiten in dieſer Richtung nicht
gering war, ſagen viele Stellen chineſiſcher Annalen ; und die:
ſelben Miffionen der Buddhadoctrin, die wir oben bei Khotan
und Yarkand mit der indischen Schrift fennen lernten, drangen
auch, wie wir oben bemerften, bis zum Suͤdgehaͤnge des Ihians
Schan auf den Handelsrouten aus dem Süden und Weften,
bis zu den Uiguren vor, wo der Miffionar W. Rubruquis fie
vorfand (f. 06. S. 438). Außer dem, was fhon früher aus Bam
Mente’s Bericht vom Jahre 981 über die religiöfen Zuftände
der Uiguren-Capitale angeführt ift, fügen wir zur Characteriftik
jener Zeit auch noch folgendes aus demfelden nach Visde;
Tou’3 30) Ueberfegung bei. Die Capitale, oder vielmehr die
Reſidenz Kiaotſchin hatte 1840 Schritt in Umfang und war
mit einer Mauer umzogen. Im Audienzfaale war ein König ab:
‚gebildet, wie er Khung Fu dfu tiber die Staatöverwaltung um
Kath befragt. Die Hofämter waren wie die Mandarinate in
China; man zählte 18 Städte im Königreiche und 46 Garnifos
nen. Hochzeitgebräuche und Todtencultus war wie bei Ehinefen,
Ähre Sitten glichen denen der Tatche (Tatar), Die Männer
gingen in Barbaren: Tracht, die Weiber wie Chinefinnen; beide
engen ihre Haare in Zopfilechten auf dem Mücken herabhängend.
In Haltung, Größe, Ausfehn glichen fie den Koreern (f. Aſien
I. ©. 894); fie haben tiefliegende Augen und große
Nafen Calfo keine mongholifhe Gefihtsbildung). In
ihrer Kleidung lieben ſie Stickerei und Goldputz. Ihr Land liegt
bo, iſt ſteinig, ſandig, trägt alle Arten Korn, außen Saraceniz
ſches (7). Es iſt trefflich zur Seidenzucht geeignet, und hat
Biel Obſt aller Art, zumal Trauben, aus denen fie Wein bereiten,
Ein Bufchwerk trägt eine Frucht, ähnlich dem Cocon des Geis
denwurms, daraus man fehr feine weiße Fäden fpinnt, genannt
Thie Aie. Die Einwohner bringen die daraus gefertigten Zeuge
in den Handel (06 die Bergfeide? f.ob.©.351, vergl. ©. 372
68373). Auch eine Art Watte haben fie, oder fo heiß machende
Baumwolle, daß ſchon eine chinefifche Unze hinreicht damit ein
ganzes Kleid zu füttern, thut man mehr hinein, fo ift die Wärme
gar nicht auszuhalten (ob etwa die feinen Dunen der Shawl⸗
er b. Remusat Recherches 1. e. p. 287— 289, wo mehrere derfel-
ben ——— 50) Bibliotheque Orientale p- Herbelot Supp-
löment p. G. Visdelou et A. Galand fol, 1780. p. 137 —138.
698 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 9. 7.
wolle?). Daher haben die Chinefen dies Ho tian mien, d.i
„Feuer-Seide,“ genannt. Auch Steinfalz ift bei ihnen, ro
thes und weißes, und ein Kraut Yamla, darauf ein fehr füßel
Honig wächft (06 eine Manna-Art?). Sie brauchen ihre et
gene Schrift, aber auch Chinefifche; auch die arabiſch
Sprache wird dafelbft gefprochen, ‚Sie glauben nur an eing
Himmels: Gott (Tangri oder Thian),
Nicht blos die Politik, auch der Handel war es,
frühzeitig und zu verfchiedenen Epochen die Chinefen zu den Ui
guren geführt hatte, und von ihnen noch viel weiter uͤber de
Weſten hinaus betrieben ward. Daß dies schon fehr
leuten führte, fagt ung z. B. der buddhiftifche Pilger Hiuc
Thfang, der in der Mitte des VII. Jahrhunderts, ber Kutſch
weftwärts vom Temurtu:See GSſſekul, f. Aſien I. S. 39
bis 398), 25 geogr, Meilen (500 Li) weiter felbft zur ehedem b
rühmten Stadt Suye, am Tſchui-Fluß, und zu dem Gau dr
Zaufend Duellen Ming Bulad) kam, wo er mehrere br
nachbarte Städte befchreibt, unter denen er auch eine Cole
nie 91) hinefifcher dort anfäffiger Kaufleute nem
von denen er bis Talas (Taras), und von da nah Tf
fhi, oder Schafch, das heutige Tafcıhfend, reifet. Eben‘
führen chinefifche Geographen, nach Remuſat's Zeugnig ”?), 8
den Gebirgen in N.D. von Ferghana eine folhe Colonmi
von 300 chinefifhen Familien an, welche die Thoufin d
hin transportirt hatten, und welche, obwol fie fich zum. Theil v
die Turk Eleideten, in deren Mitte fie dafelbft lebten, doch im ihre
Sprache und in ihren Gefegen die Spuren ihres Urfprungs be
behielten. Diefe Colonie wird nicht mit Namen genannt, da d
Geographen aber fagen, fie liege nur 10 Li in Süden von d
Stadt Suye (deren Lage auf unfern Karten nicht eingefrage
it), fo ift es wol ſehr wahrfcheinlich, daß fie eben’ diefelbe zuve
genannte fen, die ſchon Hiuan Ihfang gleich im erften Jah
feiner Reife, etwa um 631, beſucht hatte, doch behauptet A, Ri
mufat, daß viele ähnliche Daten fich bei den er Hi
rikern vorfinden.
et, Hiuan Thſang Reife durch Mittel-Afien u. ſ. w. a. ao, ©:
#2) * Remusat Recherches l. c. p. 286.
Central Afien, Ethnographie, Uigur. 599
Nach dem X. Zahrhundert ift unter Kaiſer Jin tfoungs
Negierung, vom 3. 1022— 1062, von mehrern Embaffaden die
Rede, welche die Higur nach China ſchickten, worauf fie zum’
Gegengefchenfe eines der Bücher des Fo, nämlich das Fo king—
Etfang53) erhielten; in welcher Sprache wird nicht gefagt. Die
Notiz ſteht im Pianitian 8.51. ©. 27,
Nach der Verdrängung der Oberherrfchaft der Hoeihe, oder
Kaotfche, durch die Khitan, hatten die Uigur Kaotſchang wier
der ihre eigenen Könige erhalten, die zur Zeit der Khitan, oder
Liao, deren Vaſallen geworden, und als diefe der Mongholenge:
malt weichen mußten, war der Lliguren König fehr beeifert fich
dem Dfchingisthan, im Jahre 1209 zu unterwerfen 5%, eine Pos
fiti, durch welche er feinem Wolke, das nun feit langer Verftüms
melung feines Namens (Dui, Ouike, Goeihe, Hoeihe, Hoeihou,
Mei oueul) wieder richtig Migur genannt ward, wie fchon oben
gefagt, den ehrenvollen Einfluß ficherte, die Schreiber des mon:
‚oholifchen Kaiferhaufes zu werden, als welcher fich nun ihr Ruhm,
mit ihrer Kunft, durch alle Provinzen des weiten Mongholenz
Reiches verbreitete. Im Sahre 1237 wurden auch alle übrigen
nomadifchen Uiguren, oder vielmehr Hoeihou, unter denen der
Zelam durch die Verbindung mit den Arabern gar manche Fort:
ſchritte gemacht hatte, ebenfalls von den Mongholen unterjocht.
Zumal die Nachfolger Dſchingiskhans hatten bald ſo viele der
uiguriſchen Scriptores in ihre Cancelleien und ſonſtige
ienfte genommen, die auch als Nechnungsführer und Ge;
ſchaͤftsleute ihnen bald unentbehrlich wurden, und wie Abul—
ghafi 55) bemerkt, zu den höchften Stellen der Cinnehmer,
Sinanciers und Gouverneure der Provinzen, durch die
ganze Mongholei, Transoriana bis Perfien erhoben wurden, daß
der eigenthümliche Volksname diefer Zerfireuten bald, verfchwand,
woraus wir uns M. Polo’s Stillfchweigen daruͤber erklären
koͤnnen (f. 06. ©. 440). Unſtreitig ift auf diefe Weife auch die
große Berehrung der Kalligraphie, mit ihren Stammes:
genojjen, den fpäter auswandernden Usbeken, nad Bokhara ger
5) Ab. Remusat Recherches sur les Lang. Tartares 1. e, p. 292.
‚#*) Klaproth Tabl. histor. de PAsie I. c. p. 124. 55) Abulghasi
Bayadur Khan Histoire Genealogique des Tatars etc. 8, Leyde
1726. p. 97.
600 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. & 7.
fommen, wo He Vorliebe zu diefer Kunft auf dem Throne von
Bokhara 95), bis in die neuefte Zeit fo vorherrfchend blieb, und
für die Anlegung der Bibliotheken für die fchönften Danufaipte
des Orients fo wichtig wurde,
Unter der Ming: Dynaftie hatten die Bewohner des als
ten Uiguren-⸗Landes von Hami, Turfan, Bifchbalig, Karafchar ur
f. w., durch die fucceffiven Einwanderungen der Thu kiu, Hoeihe,
Kao tfche, der Ehinefen, Khitanen, Monaholenzweige und anderer
Weſtvoͤlker, fich gemiffermaßen verjüungt, oder fo vermifcht,
dag man nicht mehr die unverwifchte Characterifti£ früherer Liz
guren bei ihnen fuchen durfte. Ihre urfprüngliche Zahl hatte uns
ftreitig 56) fo fehr abgenommen, daß der größte Theil ihrer Ges
fchlehter wol durch die hinzugetretenen jüngern Turf-Tribuß
feit langem erfegt war, und daß nur blos noch der Name, der
an ihre Schriftzüge geknüpft war, bei den folgenden ge—
mifchten Völferfchaften die frühern Generationen überlebte,
was allein gefchehen Eonnte, weil auch die juͤngern gemifchten Tri⸗
bus insgefammt daflelbe Oft: Turfi als ihre Mutterfprache erhals
ten hatten. Nicht die Uiguren von Gefchlecht, ſondern di
Städtebewohnenden und der Schrift fundigen Oſt—
QTurfs, traten feitdem in einen Gegenfas mit den noma di—
ſchen Tribus in Oft: Turfeftan, der noch heute fortbefteht.
Durch den Einfluß der Araber und der weftlichen zum Kos
ran feit dem Jahre 1000 vollftändig Ubertretenden Turkftämme
und der Hafas im Morden (f. Afien I. ©. 1132) waren fie ſelbſt
zu Mohbammedanern geworden; ſchon W. Rubruquis,
der noch Neftorianer und Buddhadiener bei ihnen fahe, lernte
doch auch fihon die Saracenen im * 1254 bei ihnen kenn
Pater Ben. Goes ſpricht aber, im J. 1604, gar nicht mehr
von Buddhiſten in Cialis, ſondern nur * zelotiſchen Miſerma⸗
nen (ſ. ob. ©. 443). Die Geographie der Ming (Ithoung thi
K. 24)57) fagt, daß fie auch die Mufelmänner in ihrer Kleis
dung nachgeahmt, aber ftets die Sprache der Wei ou eul, d. Ü
der Higuren, d. i. Oſt-Turk, beibehalten hatten.
955) Jos. Senkowski Histoire de la Domination des Uzbeks Trad,
du Persan de Moubammed Yonssouf el Mounschi fils de Klıodja
Bega. St. Petersbourg 1824. 4. p. 95 Not. u. D. ;
er Ab. Romusat Recherches L, c, p. 295, era Ab, Remusat Ben
0 p- 292,
ö— — — — ——
Central-⸗Aſien, Ethnographie, Uigur. 601
So treten denn in neuern Zeiten die Stämme der Oft:
Turk, nocd immer in demfelben Sande der Uiguren, aber auch
des ganzen weiten Ländergebietes von Oft: Turfeftan, mit den bes
- wahrten Dialecten und Schriften des einheimifchen Oft:
Turfi, aber feineswegs mehr mit dem Namen der Liguren in
der politifchen Gefchichte auf, der. feit Jahrhunderten, durch die
MWechfel der Dfongaren und Delöth, der Galdan und Khodjages
fchlechter in den etwa zwölf ftädtifchen Königreichen (f. oben
©. 343, 432), längft verwifcht ift, und feit der Mongholenzeit
fhon, noch mehr aber feit der Mandfchurenzeit jede locale Bes
deutung verloren hat.
Dagegen tritt ein anderer Name aus demfelben Gebiete herz
he vor, der aber nicht dafeldft einheimifch wird, fondern gegem den
-
w
ie
’
Weften durch Weft-Turfeftans Gebirgstandfchaften
bis zu den Aral: und Kaspifhen Ebenen fich ausbreitet, durch
das Volk der) Usbeken >). Diefer Stamm_ derfelben Ofts
Turk, welcher feit dem Anfange des XVI. Jahrhunderts als
glücklicher Eroberer von ganz Mawaralnahar daſelbſt, bis heute
die Throne von Bokhara, Ferghana, Samarkand, Chiwa u. a.
behauptete, hatte vorher feine Sige im Süden des Ihian Schan,
in Hami, Turfan, Khotan, Kafchghar, von mo feine Heere gegen
Meften fiegreich über den Belur Tahg hinwegfchritten. Unter feiz
nen Fahnen fanmelten fi) viele Turktribus, und auch die Reſte
der Higuren-Stämme, mit Naimanen und andern Qurkres
denden Gefchlechtern. Die Entftehung ihres Namens, der im
Weſten fo gefürchtet ward, liegt wie die erfte Veranlaffung ihrer
Emigration im Dunfeln. Aber der Ehrentitel der Bek, oder
Begs, d. i. Herren, Fürften, Gebieter, der ihnen beigelegt ward,
iſt an fih Kar. Beg oder Bey ift in gemeiner Qurffprache in
Akſu und Kafhahar®) fo viel ald Prinz, ein Titel der
auch heute von Mandfchu:Kaifern verliehen wird, den ſchon Kais
fer Conftantinus Porphyrog. im X. Jahrhundert bei den Khazas
ren Prinzen, ney anführt, de Administr. Imper.' ed. Meurs. c.42
p- 129. Dee urfprüngliche im Lande der Oui, Uiguren, eins
heimifhe Name, mit dem fie fih nach chinefifcher Schreibung
Koufzu oder Kiufzu felbft nannten (f. ob. ©. 593), wurde
/
#%) Jos. Senkowski Histoire 1. c. 5°) Ab, Remusat Rech. I. e.
U» 302 etc. \
602 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 74°
ftetö von den arabifchen Autoren G’us oder Guz W) (weil hier
das G das weiche K in der chinefifchen Aussprache ift) gefchries
ben. Daher denn durch die mohammedanifchen Autoren die Erz
oberungen ihrer einft unter den Timuriden fo berühmten Provins
gen Mawaralnahars (Transorianas) in den Hiftorien unter dem
Namen der Usbeken, oder Uzbeken Eroberung, aufgeführt
wird, ebenfalls ein Ehrenname, der feitdem (nach andern Ableis
tungen von Usbek Khan aus Dſchingiskhans Gefchlecht, f. uns
ten) bei ihnen felbft in Gebrauch Fam. Ihre Tebensweife, als
Etädter, wie als Nomaden in Bokhara, oder Ackerbauer in Chis
wa, entfpricht auch heute vollfommen ihren oftzturfifchen Sitten;
fie find zelotifhe Moslemen, ihre hoͤchſte Kunft und Wiſ—
fenfchaft if Kalligraphie und ascetifches Leben. Gain
dem weftlichften Theile ihrer Eroberung im Khanate Chiwa, wo -
fie diefelbe oftszturfifhe Sprache reden, nennen ſich fogar
einzelne der Webefen Stämme noc heute, fowol Uigur als
Naiman, woraus es wie aus allem obigem evident feheint,
daß auch unter ihnen die wahren Reſte früherer wigurifher
Tribus zu verftehen find. Zu der Gefchichte der Usbefen,
weldye ſchon den Islam aus Oft-Turfeftan wieder mit nach Wefts
Zurkeftan zuruͤckbrachten, werden wir erft in Bokhara zurüds
fehren.
Hier noch zum Schluß nur Weniges über die die Bekeh—
rungsperiode der Oſt-Turk zum Koran und deflen Gefes, wo:
mit die größte neuere und vollftändigfte Ummandlung derfelben
fi) zugetragen hat, fo daß fih in Wahrheit behaupten läßt, daß
gegenwärtig fein Land in Afien mehr übrig fen, in welchem die
Turkſtaͤmme nicht überall zu Mufelmännern geworden wären. Die
erften aller zum Islam befehrten Turk, mußten die nächften
Nachbarn der Perfer im Orusalpenlande gegen Baftrien in Ma:
waralnahar feyn (f. ob. ©.373 u.a.D.). Seit dem X. Jahrh.
hatten diefe Turk, welche als Eriegsgefangene Knete
und Sclaven, von den Samaniden fo unpolitifch unter Aras
bern und Perfern eingeführt wurden, fehr fchnell die neue Reli—
gion ergriffen, die ihnen als tapfern Leibwachen bald den Zugang
zu den Ihronen bahnte. Die Erhebung mehrerer diefer Sclaven
zu den Hälften Chrenftellen (wie 5. B. Sebekthegin, Stifter der
6) Klaproth Asia Polyglotta I. c. p- 217 — 219.
Central-Aſien, Ethnographie, Uigur. 603
Gaznaviden, Aſien IV. 1. ©. 532) trug unſtreitig dazu bei, auch
andere nach dem Weften zu locfen, oder doch das Geſetz des Is⸗
lam unter den Turkſtaͤmmen weiter zu verbreiten.
Die Hoeihe oder Hoeihu, gemeinhin Hoeihoei genannt,
die legte der Turk-Nationen, welche eine wahre Macht im innern
KHochlande Afiens gegründet, hatte wie ihre nördlichen Nachbarn
und Stammesverwandte die Hakas (j. Mienl. ©. 1126—1128),
bei ihrem noch fehr einfältigen refigiöfen Zuftande, mit einer all
gemeinen Verehrung gegen einen Himmelsgott (Tangri, wie die
Hiongnu), die Lehren des Koran um fo leichter angenommen, da
die Dogmen des Buddhathums, oder des Zoroaftercultus, jenen
- den Zugang zu ihnen noch nicht fehr erfchwert hatten. Durch fie
‚wurde daher der Jslamism durch die weitläuftigen Räume der
Benin Tatarei allgemeiner verbreitet, und deshalb nahmen
- damals die Chinefen den Ausdruf&) Hoeihoei an, um damit
8 Mohammedaner ſeitdem zu bezeichnen. In dieſer Per
riode, ſeit dem X. Jahrhundert, auf kurze Zeit, fo lange die
Oft: Turf den Islam erft durch ihre weftlichen Turk: Nachbarn
überfamen, aber noch nicht vollflommen zur Kenntniß des Koran
übergegangen waren, gefchahe cs, daß das Uigur Alphabet
ihrer Städter, auch von den fchon zum Islam befehrten Oft-Turf,
als Schrift, gebraucht, und felbt nah Mamwaralnahar
verpflanzt ward, wo es nach Arabfchah (ed. Manger T. II.
p. 914) zu Timurs Zeit in Gebraudy war, und wo es feitdem
—
fuͤr die Turkſprache (Oſchagatai Turki) im Gebrauch blieb,
wie bei Abul Ghaſis Hiſtorien, Sultan Babers Memoiren u. a.
Jene Ausbreitung in fruͤher Zeit bewog unſtreitig auch Dſchingis—
khan dieſelbe Schrift anzunehmen. Als aber, nur um Weniges
ſpaͤter, die zahlreichen Turkſtaͤmme, die mit mongholiſchen Erobe
rern in Mawaralnahar, Perfien und Syrien vorgedrungen war
ren, dem Weften Afiens, feinen Völkern und Culturen befreundes
ter wurden, ward es natürlich, daß die Gemeinfchaft der Reli—
gion, des Koran und der theologifchen Sprache, der einzigen,
welche feitdem in der Literatur der Mohammedaner hervortrat,
auch mit der dadurch entftehenden Umwandlung des Weſt-Turk
.
2
2
in die türfifchen Dialecte (durch Bereicherung mit arabifchen, perz
ſiſchen und andern Wörtern, Formen, Gedanken) auch die öft:
—
i) Ab. Remusat Recherches l. c. p. 208.
‚604 Weſt-Aſien. I: Abfchnitt. $. 7
liche Higuren: Schrift zurüickdrängte, und die arabi—
ſche Schrift felbft, für die Oft-Turf bis Turfan und Hami
hin, die Oberhand erhielt, fo daß jene faft gänzlich darüber bei
den Weftvölfern in DVergeffenheit gerathen Eonnte, aus der fie
erft durch gelchrte Unterfuchungen wieder hervorgehoben werden
mußte,
I
Erläuterung 2.
Die indo=germanifche Voͤlkergruppe Oſt-Turkeſtans. Die ver:
drängten Völker aus Central: Afien. Die Ufun, ober die
Gruppe der blauäugigen Blonden.
Wir haben diefer merfwärdigen Bölfergruppe ſchon früs
‚her gedacht nach ihren Hauptgliedern: den Ufun, oder Qufiun
(Hieoufun), auch der Yueitchi, oder Yueti, und Szu, oder
Sai, nad) ihrer älteften Heimath an der Grenze Nord: Chinas,
ihrer Vertreibung durch die Hiongnu, ihrer Anfiedlung in Zli,
(d. i. der modernen Dzungarei) und Transoriana (dem mo
dernen Mawaralnahar), nach ihren innern Fehden unter fich,
nach ihrer Geftaltung und Sprache, wie nach ihrer Stürzung des
baktriſchen Neiches (136 J. vor Chr. Geb.) und ihrer theilweifen
Derzweigung gegen Nord und Nordweſt gegen Europa hin. ( UUm⸗
fiändliche Erwähnung derfelben, f. Afien I. S. 193 - 194, 350 —
352, 431—437). Wir haben fie zulegt wieder als Saten
Cie), Geten (Getae) und Indo-Skythen in ihren Ver—
zweigungen von Baftrien aus, durch Indo⸗Skythen das ganze
Indus-Syſtem entlang in Monumenten und Völferreften (Jet,
Sat, Zut) bis auf den heutigen Tag und in ihren temporairen
Ueberfällen felsft auf die Oftfeite des Indus himüber, als Erobe⸗
rer einiger der Gangesländer Eennen lerrien (f. ob. ©.105—115,
286— 303, 150, 420—421; IV. 1. &©.552, 574), aus denen fie
Vicramadityas auf die Weftfeite des Indus zuruͤckwies. Wir has
ben aus allen jenen Stelien und Nachweiſungen es für höchft
wahrfcheinlich halten müffen, die in fo vieler Hinficht, topiſch,
chronologiſch, fprachlich auf einander fich beziehenden Völferglieder
im Weften für identifch oder doch verwandter Entwiclung mit
den analogen im Oſten zu nehmen. Doch ift das Feld die
fer Unterſuchungen über fo weite Räume und zahlreiche Voͤl⸗
kerſtaͤmme noch keineswegs erſchoͤpft; es kann nur durch Immer
tieferes Eindringen in ihre Specialverhaͤltniſſe mehr und mehr |
Central⸗Aſien, indo=germanifche Voͤlkergruppe. 605
aus dem bisherigen Dunkel, ja aus der bisherigen völligen Uns
beachtetheit hervortreten, wozu die nächte Neihe der folgenden
Erläuterungen über Ethnographie Central: Afiens im Mittelalter
das ihrige beitragen mögen, entweder diefen vieldezweifelten Ges
genftand über allen Zweifel zu erheben, oder ihm durch neues
Licht neue Bahnen der Erforfchung zu bereiten. Es ergiebt fich
ferner als Gefammtrefultat aus allem Obigen, daß es, im IE
Sahrhundert vor Chr. Geb., eine Zeit gab, wo in Oft-Turkeftan,
von China bis zum Belur Tagh wahrfcheinlich noch gar Feine
Turkſtaͤmme faßen, fondern wo erſt die Turfflämme der Hiongnu
durch Vertreibung der Ufiun und Yueti, die glei) vom Anz
fang an unter fich vermifcht wareh, von denen jene indorger:
- manifchen Stammes, diefe nach Klaproths blos hypothetifcher
Anficht, Tableaux histor. de l’Asie p. 132 Not., tübetifchen Stam:
mes gewefen feyn follen, wol vom Norden her in diefe Gegen:
den einzogen, denen dann fpäter erſt die Hoeihe als Herr:
ſcher nachrückten, His-fic) auch deren nachrückende Stammesge:
noſſen mit ihnen durch ganz Oft-Turkeftan verbreiteten. Damals
machten diefe indo-germanifchen Stämme im Norden mit
den tübetifhen im Süden, die Mopulationen diefes Landes
aus, deren Verdrängung gegen Welten uns aus dem Obigen
bekannt ift, indeg die chineſiſchen Annalen von ihrer Gefchichte
in ihrer urfprünglichen Heimath voͤlliges Stillſchweigen behaupten.
Dei dieſer Verdrängung ſcheinen die Yueti (Getae) mehr den
Südweg, die Ufiun mehr den Nordweg gezogen zu feyn; denn
jene faßen (im 5. 165 vor Chr. ©.) ſchon in Zli, als diefe vor
ihnen füdwarts, alfo wol durch Kafıhahar, über den Jaxartes
oder Sihun ausweichen mußten. Und ein Zweig der Yucti,
die Kleinen genannt, wic gegen Suͤdweſten aus und verdrängte
die Khiang, d.i. Tübeter, aus ihren Sitzen. Diefer Zweig
blieb dort ſitzen und kam nie wieder in Verbindung mit dem
nördlichen Zweige der Ta Yueti. Weil die Kleinen Yueti,
nad) den Ausfagen chinefifcher Autoren, die tübetifhe Sprache
redeten, die fie aber eben fo gut bei den Khiang angenommen
haben können, ſtellt Klaproth die Hypotheſe auf, daß die Großen
Yueti ebenfalls von tübeter Nace geweſen feyn. in anderer
Grund ift dafür nicht vorhanden. Im Welten aber fanden diefe
- Großen Yueti (Getae) fihon die Sai oder Szu (Safen) im,
Dften-des Caspifchen Meeres fisend vor, welche nun von ihnen
‚gegen den Süden verdrängt wurden, Daß diefe Szu, oder
— —
BEE
6066 Welt Afien, I. Abſchnitt. 7. N
Sai, aud) den Indern als Safas feit alter Zeit befannt |
waren, und fchon im Maha Bharata zu den Weftvölfern der
Barbaren: Safas, Paradas, Yavanas (f. Allen IV.1.
©. 441) gezählt werden, die durch Vicramadityas Siege ber fie,
von der Oftfeite des Indus aus Indien zurückgeworfen werden
(Aera Vicramaditya 56 5%. vor Chr. Geb.), ift durch Colebroofe
und Laffen 962) nachgewiefen. Daß aber derfelbe Name der
Safen (Suxar), bei Perfern, alle fenthifchen Völker
zufammengenommen bezeichnete, daß fie zu den „vier“
damals größten Völkerfchaften im Anfange der Eprifchen Perfers
monarchie gehörten: Safen, Inder, Aethiopen und Aſſy—
tier, deren Kriegstruppen in Xerxes Heer unter Hnftaspes Coms
mando als Baktrier und Saken vereinigt flanden, anders
wärts mit Kaspiren zufammengeftellt werden, und alfo einen
mächtigen Antheil der Population Inner: Afiens ausmachen, ift
aus Herodot (III. 93, VII 9, 64) befannt genug.
Diefelben hier vielfach in Transoriana zufammengedrängten
Voͤlker waren es, die nach dem Sturze des baktriſchen Throng,
den feit Alerander deſſen Nachfolger die Macedonier behauptet-
hatten, nun auch ihre Macht nicht blos gegen den Süden nad.
Indien wandten, fondern auch wieder gegen den Oſten zus.
rücfwirkten, und gegen den Norden und Weiten fich weis
ter verzweigten, wo uns jedoch der Faden ihrer Gefchichte wieder
verfchwindet, und uns nur zu Hypotheſen über ihr weiteres Forts
fohreiten verleiten Fann. Oben haben wir gefehen (f. 421), daß.
die Yueti im J. 129 n. Chr. G. wieder fih zu Herrfchern in
Kaſchghar aufwarfen, ja daß fie im J. 478 n. Chr. ©. ſogar
noch einmal die Eroberer von Yarfand wurden (f. ob, S. 594).
Aus Obigem ergab fich, daß auch vor ihnen ſchon in Kaſch⸗—
ghar ein blondhaariges, blanäugiges, alfo wahrfcheinfich indes
germanifches Volk wohnte (ſ. ob. ©. 420), welches aber ſpaͤter
den Turkſtaͤmmen gewichen feyn muß; daß ihm ferner unmittels
bar im Nord die indorgermanifchen Ufiun wohnten und im
Welt in den Bergen die Siufiun, d. i. das weftliche Uſiun
lag; daßıfie alfo ganz von indorgermanifchen Völkern umgeben |
waren, deshalb auch noch fpäter deren vereinzelte Stammgenoffen,
von Ben. Goes, dort im Gebirgslande wieder aufgefunden
werden fonnten,
4
[4
4
Chr. Lassen Pentapotamia Indica p. 36, 56.
Central⸗ Aſien, indo=germanifche Voͤlkergruppe. 607
Wir lernten einzelne diefer Wölkergruppen als Stifter mäch-
tiger Königreiche in Sogdiana fennen (f. ob. ©. 568, 571), von,
wo zumal die Yueti (Getae) den Buddha-Eultus, den fie felbft
erft aus Pe Hian thou, oder dem Norden Hindoftans zugeführt
erhalten hatten, nah Kaſchghar (f. ob. S. 421) verbreiteten.
Mir fahen zahlreiche königliche Dynaftien der Indo⸗Skythen,
unter deren Namen bei Griechen und Nömern man wol gar
manche gegenwärtig nicht mehr zu entwirrende Volks- und Ges
fehlechtsvermifchungen der Geten und Safen, und vielleicht
auc einiger nördlichern Ufiun zu verftehen hat, ihre Throne
viele Zahrhunderte lang durch alle Länder zwifchen Perfien und
dem Indusſtrome vom Tſchui, Talas (f. ob. S. 570), durch ganz
Sogdiana, Bactrien, bis zum Sndus s Delta verbreiten, wo ihr
Name, ihre Religion, ihre Cultur, die aus dem Weften und
dem Norden hereinftürmende Araber: und Mongholen?Fluth faſt
nur in ihren Müngreften überlebt hat, während die einheimifchen ı
Kämpfe der gegen fie in Tofhareftan auftretenden tofhas
riſchen, d. i. dort anfällig gewordenen weſt-tuͤrkiſchen
Stämme, die fih ganz dem Islam in die Arme warfen,
den fie auch mit Feuer und Schwert verbreiteten, fie wol
gaͤnzlich aufrieben und vernichteten, woraus Timurs Vertils
gungsfriege gegen die Geten im Norden bis zum Saiſan⸗
See und Oluk Yulduz (ſ. oben ©. 440), wie die im Str
‚den des Himalaya: Gebirge, gegen die Getenvölfer im Indus⸗
Pendjab, ſich hinreichend erklären (ſ. Aſien IV. 4. ©. 574), falls
wir, wie es uns wahrfcheinlich iſt, dieſe für die letzten erkenn—
baren Reſte jener nicht mohammedanifch gewordenen fehr
zerfireuten getifchen Voͤlkerſtaͤmme Central: Afiens anfehen dürz
fen. Da uns die einheimifche Gefchichte diefer Voͤlkergruppe ganze
lich fehlt, ihre geographifche Stellung fie aber in fo viele Naums
und Zeit-VBerhältniffe eingreifen machte, wovon die unauss
bleiblihen Wirkungen in ferne Räume und Zeiten vielfach wahrs
genommen werden, fo fünnen wir es nicht umgehen, hier, wenige
ſtens in ihrer zweiten gewonnenen Heimath, auf der
Scheidung von Oft: und Weft:Turkeftan, oder im Often, Norden
und Weſten des Belur Tagh, die Eurze Ueberſicht der gan:
zen Gruppe, von der wir bisher nur die eminenteften Glieder
genannt hatten, wie fie aus chinefifchen Quellen befannt gewor:
den ift, einzufchalten, andern die_etymologifchen ‚Erklärungen und
Nachweiſungen überlaffend, ob diefe baktrifchen, fogdiani:
608 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 9. 7.
fhen Sitze, zwifchen Sarartes und Orus überhaupt, vielleicht
in weit früherer urältefter Zeit 9%), mit fo vielen, ja allen ans
dern Völkern Afiens,-einft fhon das von den vier großen Haupt⸗
firömen umfloffene Land Edens und ihre abfolut primitive
Urheimath gemwefen. j
Aus der Angabe der Grenzen der weftlichen Verbreitung der
Hiongnu, zwifchen den Sai (Safen), den Yueti (Geten) und
Ufunin S.W., W. ud N. (f. ob. ©. 586), und vielen anz
dern Stellen, die Ab. Nemufat aus den Driginalfchriften der’
Chinefen gezogen hatte, ergab fih ihm, daß dieſe Völker, wie er
es ausdrückte, zu dem gothifhen Völkerffamme gehörten;
feine Beweife, die er dafür im zweiten Iheile feiner Recherchen
über die- tartarifchen Sprachen mitzutheilen 69 —— ſind 9—
an das Tageslicht gekommen.
Schon Pat. Gaubil, naͤchſt * hatten von dee,
weftlichen Verdrängung und Ausbreitung diefer Völker, nad) den
Annalen der Ihang, die erften, wichtigen Mittheilungen gemacht
Sie beftehen in Folgendem 65), |
Sn Tu ho lo, di. Tofhareftan, in der Nähe der Oruss
Duelle im Oſten von Balk war die Sitte der Polyandrie; eine
Frau hatte oft zwei bis drei Brüder zu Männern (wie bei tübes
tifhen Völkern). Diefe dort wohnenden Völker, in Tu ho 10
(06 Tokharen, oder fchon weftlihe Turf?), waren die Eriegez
rifhen Völker der Weftländer. Von Balf zur Quelle des Oxus
und bis zum Sir, alfo im heutigen Turfeftan, dem Weſtabfall des
Imaus oder Belur Tagh, gab es überall Heine Herrfchaften di
den damaligen Fürften diefes Landes unterthban waren. Paz
thien (Badakhſchan) wird hier als die größte Stadt genannt.
Aber faft alle andern Völker zwifchen den Flüffen Zarartes und
Orus, und diefen entlang, im Süden, waren bis gegen deſſen
Mündung den Prinzen von einer Familie unterworfen, welche
die Titel Tſchaowu (Chaowou bei Ab, Nemufat) und den
Namen Duen (Wen, Wan bei Ab. Remuſat) führten. Auch
diefe Fürften hatten 200 Jahr vor der chriftlichen Zeitrechnung,
vom Koko⸗Nor durch Oft: Turkeftan geſeſſen. Ob ihr Geſchlecht
203) Dr. K. Halling Geſchichte der Skythen und Deutſchen. Berlin
1835. B. J. S. 414 wa °*) Ab. Remusat Recherches sur les
Lang. Tart, p. 327. ss) P. Gaubil Hist. de la Grande Dyna-
stie de Thang in Mem. cone. l’Hist, des Chin. l. c. T. XVI.
pP: 391 5%.
- *
Central⸗Aſien, indo=germanifche Voͤlkergruppe. 609
verwandt war mit den nachfolgen Yueti, mit denen fie, wie chi
nefifche Autoren fagen ©), fpäterhin in Sogdiana vermifcht forte
lebten, wird uns aus der Kargheit der Daten, die wir uͤber ſie
beſi itzen, nicht klar, doch iſt es wahrſcheinlich. Jedenfalls aber blie—
ben fie in ihren Herrſchaften noch lange Zeit in Sogdiana, polis
tifch getrennt von den Yueti-Herrſchaften (f. unten).
Diefe Ta Yueti, Großen Yueti (Ta Yucchi), waren ger
gen Welt am Sihon in Transoriana eingewandert, hatten Ver—
träge mit den Afi geſchloſſen (damals bofharifche Landesherren,
in deren Zuftande auch die Darther, unter dem Namen Afi
Chineſen Einfluß gewannen). Sie unterjochten das ganze
and vom Sihon, Schaſch und Taras (ſ. ob. S. 5710) und das
Be Sand Yenſtſay, oder Yanthfai, d. i. das Land der
Alanen®”) nach ältefter Benennung am Aral und Caspifchen,
e bis zum großen Strome (Wolga, nach Gaubils Meinung).
er ihre unerbittlihen Feinde die Hiongnu verfolgten- fie im
füeken unaufhörlich, und auch von den Ufun, weiche die Läns
am Ili und manche Gebiete Weft-Turfeftans bewohnten, hate
fen fie fehr viel zu leiden. Ihnen wurden mehrere befegte Lands
5 wieder. entriſſen, wie Pa han na (Ferghana), Chei
(wol Chaje, d. i. Kaſchghar, od. ©. 409) und andere, fie ver—
inigten daher, doch wol nur eine kurze Zeit lang, mit einis
gen weſtlichen Fuͤrſten in Turkeſtan und zahlten ihnen Tribut.
it den Zeiten der Han, alfo furz vor und nach Chr, Geb.,
traten ſie aber, ohne fich tributbar zu machen, in Freundfchaft
tie ‚den Chinefen, und eben fo zur Zeit der Ihang (f.’ob. S. 550).
| Während diefer Yueti Eroberungen in Sogdiana wird doc),
ben ihren dort geftifteten Reichen, des großen Anfehens der
chao wu Geschlechter erwähnt, als deren, Familiens Obers
aupt der König von Khangkiu (Samarkand, fein Land zwis
en Bokhara und Khodjend gelegen) anerkannt war; wo, nach
der Ausfage des chinefiihen Aftronomen Hingyonelu, am
ofe deflelben zu Khang, die Hauptniederlage der claffis
fhen Bücher Yuffe, oder der Gefegbücher der Polos
= (d. 1. Brahmanen, hier der Indier), der Fordiener, in
*«6) Thaitlsing ythoung tschi Ed. 1790. ſ. b. Klaprotb Notices Geogr.
Mi — in Magasin Asiat. T.1. p. £9 Not. 67) Klaproth Tabl, Hist,
tter Erdkunde YIT. 24
13
610 Welt Afien. I Abſchnitt. G 7.
das fanskritifche Buddhagefen, als befonders merkwürdig erfcheint,
Diefe alte Nachricht wird durch die Annalen der Thang zu ihrer
Zeit beftätigt, welche fagen, daß im Lande Khang (Samarkfand)
der Fo verehrt ward, daß zugleich auch dort der Himmelsgot
Geift des Himmels (Hien, Ihian), angebetet werde, und daß e&
da Feuerdiener (Magier) gebe. Dies weifet wol auf ein befon
ders reges religiöfes Intereſſe in diefem alten Culturftaate hin, wo
man demnach auch eine befondere Schreibfchule der Manuferipfe
der Buddhadortrin nach jenem obigen Ausdrucde Hing youe loug
annehmen dürfte,
Diefelbe Erzählung jener alten Familie der Wan, Wen
(Ouen b. Saubil) wird, nad) Ab. Remuſats?68) Forfchungen
zum erften Male in den Annalen der Weis Dynaftie (reg.
398— 543 n. Chr. G.) aufgeführt, wonach fie in den Thälern
des Ihian Schan, im Norden von Hami, ihre Heimat hatte
und von da von den Hiongnu gegen Weft verdrängt, fich alles
Sandes im Dft und Nord des Sihai oder Caspifhen Mee:
res bemächtigt hatte, Nach den Thangs Annalen follen (
Hist. d. Wei Deser. d. p. oceid. und Hist, d. Thang im chineſi
ſchen Orig. 8.211 Ende, Pian itian 8.47 ©. 4), die Thukin
dieſes Geſchlecht verdraͤngt haben, wobei aber offenbar nur di
Nachfolger der Hiongnu, nämlich Thukiu, unter den Bekannte
jingern Namen, an die Stelle des fchon unbekannter geworde
nen ihrer Vorfahren, gefeßt wurden. Diefe Tradition ift es, di
in allen fpätern Werfen wiederholt wird. Das Oberhaupt die
alten Familie, heißt e8, in derfelben chinefifchen Urkunde, wu St
alle feine Verwandte zu Herrfchern zu machen, weil es die Her
zen der Völker zu aewinnen wußte. Die von demfelben geftifte
ten Dpnaftien behielten den Namen Tſchao wu (Chao won
bei, zum Andenken ihres Urſprungs. Diefer Name erhielt fü
bis in das VI. Zahrhundert, namlich bis in die Zeit der Auf
breitung des Islams. Durch Vermählung mit Töchtern der Thr
fin; Prinzen wurden diefe Tſchao wu s Fürften aber zuvor fcho
Dafallen von diefen, deren Uebermacht von Oft gegen Weſt vı
fchritt, mie ihre eigene vorgefchritten gewefen war. Weiter unte
werden wir nur einer einzigen Stelle zu gedenken haben, w
Yueti und Tſchao wu, aber freilich erfi im VL. Jahrh. n. Chr
**®) Ab. Remusat Rech, sur I. L: Tart. I, > Sie
Sentral-Afien, die Ufun, die Blonden, 611
in genealogifcher oder politifcher Verbindung in Khangkiu aufges
führt werden.
Wie dieſe Ueberfiht nur fragmentarifch feyn kann, eben fo
ft alles nur Bruchftück, was wir von jeder vereinzelten Gruppe
su fagen haben, obgleich wir vollftändig erfchöpfen was ung
dariiber an authentifchen Quellen zu Gebote fteht, und doch ift
auch diefes Wenige für das Ganze der Völkergefchichte ein umz
gemein Eoftbares Vermächtniß zu nennen, das nur erft feit einem
Bierteljahrhundert eröffnet ward, Wir gehen num zu den fpeciells
fien Daten der einzelnen Glieder diefer Völkergruppen Jiber,
Die Ufun, oder die Gruppe der blauäugigen Blons -
den, d.i. der Sechs fogenannten indorgermanis
ſchen Völker Central: Afiens in ihren Sigen am
‚Mord: und Weft:Rande Oſt-Turkeſtans.
Wir bleiben hier nur bei ihrer geographifchen Stellung ftes
hen, und gehen nicht zu ihrer hiftorifchen Verzweigung gegen den
Welten Über, weil diefer Faden, den wir fchon einmal früher ver
folgt haben (f. Vorhalle ©. 153, bei Budinen u. a. Q.), grund:
licher erft im kaukaſiſchen Weſten Afiens wieder aufzunehmen feyn
wird. Hier genügt es, zur Kenntniß der Landſchaften Turfeftans,
in ethnographifcher Hinficht, daran zu erinnern, dag die Ufun,
von denen ſchon hinreichend die Rede war, nicht die einzige, fonz
in nur die befanntefte Völkerfchaft diefer Voͤlkergruppe mit
am entfchiedenften Racencharacter war, der fo wie ihr muths
naßlicher Sprachcharacter es bewirkt hat, daß die früher ges
annten Sinologen, nad) Angaben chinefifcher Quellen, eine ganze
Anzahl von 6 Völkerfchaften unter diefem generellen Character zus
ammengeftellt haben, um fie von andern, fie damals umgeben:
ven Völkerfchlägen, zu unterfcheiden. ;
Diefe 6 Völker) find: 1) die Ufun; 2) die Choufe,
Schule, oder Sule; 3) die Houte, oder Khoute; 4) die
Zingling; 5) die Hafas, und 6) die Yanthfai, oder
Man. Wir wiederholen nicht was wir fchen früher hinfichtlich
er gemeinfamen phyfifchen und fprachlihen Verwandtſchaft uns
ee ih, und mit den Sanskritredenden Völkern Hindoftans im
Süden, wie mit ihren europäifchen, flawifchen und germanifchen
#2) Penples de Race, blonde in Klaproth Tableaux histor, de l’Asie,
Paris 1826, 4. p-. 161
Qq2
612 Weſt-Aſien. I, Abſchnitt. & 7.
muthmaßlichen Brüdern im Kaukaſus (Offeten), und weſtwaͤrts
der Wolga geſagt haben (zumal Aſien I. ©. 434— 437). 4
4) Die Ufiun, oder Ufun, erinnern wir hier nur, —
ren, nach Klaproths Berichten, der ſeine chineſiſchen Quellen,
aus denen er gefchöpft, wie leider fo oft, geheimnißvoll verſchwie—
gen hatte, auch fchon in ihrem zweiten, weftlichen Sitze, wie—
der zu Vaſallen der Hiongnu geworden, als fie duch Tſchang—
fians Erpedition (ſ. ob. ©, 547) zu Verbündeten der Chi—
nefen wurden. Damals foll ihr alter König Kuenmo, anfaͤng—
lich, vom chinefifchen General, der ihm Faiferliche Geſchenke brachte,
diefelben Eeremonien verlangt haben, die er ſelbſt als Vaſall den
Hiongnu geleiftet, wozu aber Tchangkian fich nicht verftehen wollte,
Zugleich ſollen Parteiungen unter den Ufun gewefen feyn, melde
den Kuenmo abhielten nicht mit dem chinefifchen General zu una
. terhandeln, obwol diefer ihm eine faiferliche Prinzeſſin zur Ges
mahlin anbot. Sie begriffen aber die Wichtigkeit diefer Propo⸗
ſition nicht, weil fie die Macht des Chineſen-Reichs nicht kann⸗—
ten, und weil der alte Kuenmo lieber den Druck der Hiongnu
erleiden wollte, als in fo ferne Sitze feiner Vorfahren zuruͤckzu—
wandern (daflelbe was die Yueti fagten, f. ob. ©, 550). Er
wollte fehon durch Gegengefchenfe die ganze Verhandlung ablehe
nen, als eben die Drohungen der Hiongnu, die davon Wind ber
fommen hatten, die Veranlaffung zur Schließung eines Bünde
niffes wurden, in welchem auch die Verheirathung mit einer hie
nefifchen Prinzeſſin beftimmt ward. Diefe fand aber erft einige
Zeit fpäter Statt, weil der Tſchenyu der Hiongnu, dem Kuenme
zuvor, — eine von feinen Prinzeſſinnen zur Gemahlin auf⸗
drang (im J. 107 vor Chr. Geb.). Von der bedauernswerthen
Lage und dem Klageliede der chineſiſchen Prinzeſſin war ſchot
fruͤher die Rede (Aſien I. ©. 433). Obwol nun dieſe Ufun
noch immerfort unter dem Einfluß der Hiongnu blieben, ſo bez
fand doc feitdem auch ihre Verbindung mit den Chinefen *
Der genannte Kuenmo ſtarb ſchon im J. 105 vor Chr, G
zweiter Nachfolger auch Kuenmo genannt, ftarb im J. 605 er
hieß Ing Euei mi und hatte den Titel Fei wang (chineſiſch,
. Wang, d. i. König). Deffen Sohn U dzieuthu zog fich, als
“ durch die Trennung in die Großen und Kleinen Kuenmi
ihre Macht bedeutend gefchwächt war, und er die letztern bes
herrſchte, mit ihnen aus ihrem Hauptlager Tſchy kuſtſching
*
EentralzAfien, Uſun Geſchichte. 613
zuxuͤck, in die Gebirge des Nordens, worauf ihr Druck durch
"die Sianpi und ihre zweite Emigration erfolgte (im IV.
paprhundert), der ihre weite Zerftreuung gegen den Weften,
and im 3.619 die Unterwerfung ihrer im Transoriana zuruͤck—
‚gebliebenen Hefte an die Thukiu (Turf) erfolgte, mit denen
fie fih vermifcht Hasen follen, und ſeitdem verfchwinden.
Unmertung. Die Geſchichte ber Ufun von Kaifer Wuti
und Tſchangkian, 122 vor Chr. Geb. bis in das erfte
Saprzehend nad) Ehr. Geb. Aus dem dhinefifhen Dris
. ginal der Unnalen der Hans Dynafie bes Pat. Hyakinth
—
überſetzt von Dr. Schott.
Da wir ganz kurzlich durch Pater Hyakinth zum erken male
bie je Mittheilung der Annalen der ältern Han (reg. 163 vor bis
196 nad) Ehr. G.) ſelbſt aus dem feltnen chineſiſchen Driginal erhalten
haben, in welchen der vollſtaͤndigſte Bericht über diefes merkwuͤr⸗
dige Mittelglied indo-germaniſcher, central-aſiatiſcher
—— — uͤber das Bolt der Ufun (nad) feine
weder von Ab; —— ad Klaproth aueenthägg mitgetejft
Ward, die beide nur fpätere hinefifhe Ercerpte (wie aus Ma⸗
Maantins Wen hian thoung Ehao oder deſſen großen Encyelopäs
die vom 3. 1321 n. Chr. ©.) ??°), oder aus den Thang-Annalen,
per andern, gekannt zu haben feinen, fo laſſen wir diefes, für die -
Beihihtsanfänge der blauäugigen Blonden, einzig zu
Mennende Fragment hier vollftändig folgen, nad) Dr. Schott’3 Uebers
g nur aus der ruffifchen Ucbertragung, da das Werk der chine⸗
ſiſchen Annalen der Han freilich) uns noch im Driginel fehlt, jedoch in
Mater Hyakinths Befis war. Die Ueberfegung, die von einem 'trefflis
m Sinologen herrührt, der auch in dem ARuffifchen ?*) den Sinn des
Hinefijhen Driginals wieder zu finden weiß, iſt doppelt dankenswerth.
Leider acht dies Fragment nur von Tchhangkians Reiſebericht bis
zum Sahre 20 nach Chr, G. des aͤltern — der Han,
moiren) des SsSématsien (bluͤht um das Jahr 100 v. Chr. G.)
gab aus dem Ghinef. Brosset jeune in Nouv. Journal Asiat, T. Ir
1828. p. 418—450. 71) Opissanie Dshungharia i wosstotschnawo
Turkistana, d. i, Beſchreibung der Dihungarei und des oͤſtl. Tur⸗
keſtan in ihrem ältern und heutigen Zuftande. Aus dem Chineſ.
7 überf, durch den Moͤnch Hyakinth. St. Petersb. 1829. Erfier Th.
Aus den Annalen des Altern Kaiferhaufes dee Han, Zweite Abtheis
lung: die Ujun,
Be Gin Sragment über die Ufun aus dem Sseki (Hiftorifche Mes
614 Weſt-Aſien. I Abfchnitt. 9. 7.
und betrifft weniger das Volk felbft, als nur beffen politifche Wer
bindungen mit China; aber auch diefe find bei dem völligen Mange
aller andern hiftorifchen Daten merkwürdig genug für die anfchaulichet
Kenntniß der damaligen Völkerverhältniffe Central-Aſiens. Wir laffı
das Fragment vollftändig folgen, obwol Mandjes davon ſchon cu
frühern Angaben bekannt ift, durch diefes Gitat aus der gleichzeitie
gen Driginalquelle aber (wobei des großen gleichzeitigen —
ſchen Hiſtorikers Sſematſiens Fragment von uns mit zur Verg
chung gezogen tft) entweder feine Beſtaͤtigung, auch wol —
und ſehr vieles bedeutende Erweiterung erhaͤlt. Doch darf man nie v
geſſen, daß man von einem Volke der Fremden hier nur einfeitige
chineſiſche Anfichten erhält, die um fo intereffanter find, weil es den Chi
nefen, ungeachtet aller Barbarei und politifchen Verwirrung, bie fie be
den Ufun vorfanden, doch fo fehr angelegen war, mit diefem Volke in
Verkehr zu bleiben und felbft deshalb bedeutende Opfer zu bringen, w
doch nicht fuͤglich Hütte aefchehen können, wenn die Verbindung mit d
Ufun ihnen nicht auch die Ausſicht auf pofitive Bortheile gemährt hätfe
wodurch die Wagſchale für die Bedeutung diefes Volks, in jener Zeit,
in unferer Anficht fteigen muß; obwol die Chinefen deſſen Eigenthuͤmlich⸗
Zeit und fonftiges VBerdienft, wie bei feinem der Barbaren lobend ober
preifend anerfennen. Wir fügen nur hie und da in Klammern unfere
eigenen erflärenden Worte hinzu. —
Die Uſun (Usſun nad P. Hyalinty). Der große Kunm
(König, oder Kuenmi u. a. analoge Namen, f. ob. ©. 357, )
wohnt in der Stadt Tſchiku (Tſchy-ku-tſching, f. Aſien Br T
©.434), die 445 geogr. Meilen (8%O Li) von Tſchangngan lag; när
lid) 30 geogr. Meilen (610 Li) im Norden von A£fu (alfo am U fer
des Zemurtu, oder Ifjeful See, im heutigen Ili und Guldfha), Man
zählte bei ihnen 120,000 Kibitken (d. i. Kamilien), 630,000 Maͤuler un
188,800 Krieger. Gegen Dften find 86 geogr, Meilen (1721 &i) bi
zum ©ig des chinefifchen General-Infpectors (f. 06. ©. 538, damals it
Ulei im Lande Kiufu, d. i. Uigur) und gegen Weft 250 geogr, Meile
(5000 Li) bis zu dem Orte Fanmi, in Khangkiu (dies letztere ifl
Sogdiana, Samarkand). Das Land ift eben und grasreih, das Clime
rauh und regneriſch. Die Berge find mit Nadelholz und dem Baur
Man bewahren (nach Klaproty, Zannın und Laͤrchen, Larix), Di
Bewohner, Nomaden, die den Landbau nicht verfichen, glicken nad) Si
ten und Gewohnheiten den Hiongnu. In diefem Lande giebt e8 wild
Pferde; die Reichen befigen Heerden wol von 4000 bis 5000 Stüd,
das Volk der Uſun ift roh, habgierig, treulos und der Raͤuberei fehr
‚ergeben. Vormals waren fie von den Hiongnu abhängig; in der Folge
aber erftarkten fie, und wollten ſich beren Dberherrfchaft entzichen. ”
Srenzen. Im Dfteen an bie Hiongnu, im Nordweſten au
Central= Afien, Ufun Gefchichte. 615
Khangekiu (Samarkand und Ferahana, Zafchtend); im Weften an
Tawan (Mittel-Sogriana); im Süden an verfchiedene andere Reiche.
— Mrfprüngli gehörten diefe Gegenden dem Volke
der Se (Sai, Ferm). Die großen Yueti (Yuedfchi fchreibt Hya=
tinth; es find die Getae, wol identifc; mit Massa Getae) fchlugen den
Bürften der Se (Saken) der über „den hängenden Paß“ zur
Flucht genöthigt ward (ob Sihon oder Oxus-Paſſage? ſ. ob,
©. 476 oder 487). Darauf ließen die großen Yueti ſich in deffen
Randfchaften nieder.
7 Rahjmals flug der Kunmo ber Ufun aud diefe großen
Yueti aus dem Felde, und fie wandten ſich nad Weften, wo fie
des Landes Tahia (in Zransoriana) ſich bemächtigtenz der Kunmo
nahm dagegen ihr Land in Beſitz. — Noch gegenwärtig (zur Zeit
ber Han=Dynaftie, im I. Saec, n. Chr. ©.) wohnen unter den
Uſun zerſtreute Stämme der Se (Saken) und der Yueti
(Getae). — Daher ünfireitig die große Region der Saken (oͤ⸗
Zircı), die Ptolemäus, noch in demfelben Lande, im I. Jahrhundert
Chr. Geb., zwiihen Scythen und Sogdianen, von dem untern
Jaxartes bis zu den Comediſchen Bergen und dem Imaus
zum Das am Steinernen Thurm bis hinauf nad) Serica, dort als
einhbeimifch, freilich ſchon mit den Eindringlingen vermifcht, bes
* konnte, Ptol. VI. c. 13. Auch noch viel weiter im Süden was
m folhe einzelne Stämme der Se (Zuxus) in den Gebirgen
en geblicben, daher Ptolemaͤus fie bis zu den Imaus-Bergen wol
angeben kann. Denn das Elcine Volk der Siüfiun mit feinem eigenen
Sürften, das wir auch ſchon früher erwähnten (j. ob. ©. 420) war in
dung und Sitten zwar den Ufun, wie auch der Name, fehr vers
‚wandt, aber wie die Han=-Annalen ausbrüdlich fagen, als nomabi=
firendes Volk in feinen Hürden wohnend, ganz gleihen Stammes
‚mit dem alten einheimifchen Volke der Se oder Sfe (Sacae) 972),
und diefelbe Bewandtniß hatte es mit ihrem benachbarten Eleinen Ges
birgsvolke den Kiuantu, die im Thale Yantun füdwärts Kafdıs
ghar wohnten, in den Gebirgen bes Zfungling, Daß der Buddha—
Pilger Hiuan Thfang einen König von diefem antiken Geſchlechte
ber Se, Che oder Schafa, fogar noch im VII. Jahrhundert auf dem
Pamirgebirge fand, ift oben (©. 494) gefagt.
Nah Tchhang kians Beridt (122 a.X.n. f. ob. ©. 549) nos
madiſirten die Uſun urfprünglich mit den Yueti zufammen, in
ber Gegend von Zünhoang. Obgleich nun der Fürft der Ufun, nad
ihrer Auswanderung, mächtiger geworben war, fo wäre es doch möglich
*7) Opissanie Dslungharia etc. b, Scott Th. I. Mier.
8
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— nr 4
DEN. , \
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616. Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $ 7.
geweſen ihn vielleicht durch Freigebigkeit dahin zu vermögen 972), daß
er in feine frühern öftlihen Wohnfige zuruͤckkehrte, und durch
thung mit einer chinefiihen Prinzeffin, ein Verwandter und Bundesge
nofje gegen die Hiongnu würde, Daher ſchickte Kaifer Wuti, als er
den Thron beſtiegen, dorthin den Tſchhang kian mit koſtbaren Ge⸗
ſchenken. Dieſen empfing der Kunmo als König. Der General darü⸗
ber betroffen fagte: „Der Sohn des Himmels hat dir Gefchenfe übers
macht; willft du ihm nicht Huldigen, fo gieb die Geſchenke zurüd.” Dee
Kunmo ftand auf und vollzog die Huldigung, Der Kunmo hatte 10
Söhne. Der mittlere Sohn Dalu (Talo bei Sjematfien) war ein
tapferer und geſchickter Feldherr. Er hatte an 10,000 Reiter bei ſich,
mit denen er abgefondert wohnte, Sein älterer Bruder war zum Throne
folger beſtimmt. Deffen Sohn hieß Sendfeu (Yntfi b. ae
Der gewählte Thronerbe ftarb früh, und lag bei feinem Tode dem Ku
mo an, den Gendfeu zum Thronerben zu beftimmen. Der Kunmo tha
ihm feinen Willen, worauf Dalu entrüftet fi) mit feinen Verwandt:
gegen diefe Nachfolge erhob. Deshalb wurden dem Dalu 10,000 Reite
übergeben und ein befonderer Diftriet zum Anbau; für ſich behiert der
Kunmo eine gleiche Anzahl Reiter, #
&o war nun das Reid in 3 Theile getheilt, jedoch unter
Oberherrlichkeit des Kunmo. Diefem eröffnete nun Tchhang Eian, daß
der Kaiſer, wofern er ſeine verlaſſenen Wohnſitze im Suͤdoſten wieder
beziehen wolle, eine chineſiſche Prinzeſſin zu geben willens ſey, und
ihm gemeinſchaftlich gegen die Hiongnu zu agiren beabſichtige. Alleit
der Herrſcher von Uſun hatte wegen der Entfernung Chinas noch k
nen Beariff von der Größe biefes Reiches. Außerdem wohnte er d
Hiongnu's nahe, und befand fi) ſchon lange in Abhängigkeit von ihn
und endlich wollten faft alle feine Großen von einer neuen Umfied
nichts wiffen. Der Kunmo war ein beiahrter Mann, und hatte
gen der Theilung des Reiches nicht volle Macht in Händen. Er
pfing nady Sfematfiens Bericht den Abgefandten des himmliſchen Rei
mit denfeiben Geremonien, mit deren cr bisher die Gefandten der
Tſchenyu der Hiongnu empfangen hatte; was Tſchangkian mit
willen erfüllte. Auch erhielt-diefee vom Kuenmo nicht bas Pat
feiner Submiffion. Diefer ließ den Tſchangkian nur durch eine”
fandtfchaft don 10 Perfonen zurüdgeleiten, und ſchickte dem Kaifer aus‘
Erkenntlichkeit eine gleiche Anzahl Pferde. Der Gefandte des Kunmo
fah die Macht und Herrlichkeit des chinefiichen Staates, und kehrte dann
in feine Heimath zurück. Bon jegt an bewieſen bie Ufun den Chineſen
Pr} Veral. Sseki des Sse ma teien b. Drosset Nour. Journ, Asiat.
p- 328.
«
2* 4 7
ii
Central: Afien, Uſun Geſchichte. 617
Ehrfurcht. Tſchangkian flarb im folgenden Sahre, nachdem er aus
fun zurüdgekchrt war 72).
As die Hiongnu von der zwiſchen China und den Ufun beftchenden
Kreundfchaft erfuhren, wurden fie aufgebracht und machten Einfälle in
deren Land. Um diefelbe Zeit reiften chinefifche Gefandte durch die ſuͤd—
liche Gegend, von Ufun nad) Tawan und Groß-Yueti (Sogbiana),
Der Kunmo von Ufun, in Angft gerathend, ſchickte Botfchafter mit Pfers
ben (ſtets ein erwünfchtes Geſchenk, f. Afien I. ©. 246) nad) China,
und erklärte feinen Wunſch, durch Vermählung mit einer chinefi iſchen
VArinzeſſin, des Kaiſers Verwandter zu werden,
Der Kaiſer berieth ſich mit den erſten Wuͤrdentraͤgern, und erklaͤrte
ſich dann, ihrem Gutachten beitretend, ganz willig, eine Prinzeſſin zu
ſenden, wenn der Kunmo zuvor angemeſſene Geſchenke übermachte,
Virklich ſchickte derfelbe 1000 Stück Pferde und in Folge deffen kam
die Tochter eines Fuͤrſten in der Eigenfhaft einer
DPrinzeffin‘ nad Ufun (im 3 107 vor Chr. Geb.). Der djines
ſiſche Hof gab ihr Wagen, Kleidungsftüce, Koftbarkeiten, Hofbeamte und
einige Hundert Eunuchen als Ausfteuer mit. Die Kunmo von.Ufun
machte fie zu jeinee zweiten Gemahlin (der rechten Seite fagt Sſe—
‚ma tſien) ?°)3 der Khan der Hiongnu gab dem Kunmo feine eigene Toch—
ter, die derfelbe zu feinee erften Gemahlin (der Linker Seite nad)
Sſe ma tfien) erhob, Die hinefifche Prinzgeffin ließ ſich im Lande
fun einen Palaft_bauen. Alle drei Monat Fam fie einmal mit dem
Kunmo zufammen „ bei.welcher Gelegenheit fie ihm einen Schmaus gab
amd feine Magnaten befchenkte, Der Kunmo war alt und verftand die
chineſiſche Spradye nicht. Die Prinzeffin machte aus langer Weile fol
gendes Lied: (vergl. daſſelbe Gedicht aus Matuanlins Bibliothek früher
mitgetheilt, Aſien J. ©, 433; bier, nad) den Annalen der: Han.)
w Meine Verwandten haben mid; hinausgefchict
* Ins ferne Land.
0 Haben mich hingegeben in ein fremdes Reich,
LE - Dem Fürften von Uſun.
Er bewohnt eine demlihe Hütte
Mit Filz gebedt;
Seine Speife ift Fleiſch,
Und Mildy fein Getränk,
Wenn ich meiner Heimath gebente, , |
Mr So moͤchte ich eine wilde Gans ſeyn, j
& Daß ic) zurüdfliegen könnte ins Vaterland. —
Als dies dem Kaifer zu Ohren kam ward er von Mitleid ergrifs
fen; ee ſchickte ihr jährlich einen Botſchafter, mit Zelttühern und
"*) Ssematsien b. l rosset I, © II p. 432. 78) ebend. p- 436.
4 * „7 -
“m,
\ = .
—
Se
615 Weſt⸗Aſien. I. Abſchnitt. % 7. —
Seidenſtoffen. — Nachdem ber Kunmo fein hohes Alter erreicht
hatte, wollte er bie Prinzeffin feinem Enkel Sendſeu geben. Die
Prinzeffin wollte ihm nicht willfahren, und berichtete darüber an den
Eaiferlihen Hof. Der Kaifer im Antwortfchreiben rieth ihre ben Sitten
jenes Landes fi anzubequemen, damit der Zwei Chinas, bie viongnu
mit dem Beiſtand der Uſun zu vernichten, erreicht wuͤrde.
So heirathete denn Sen dſeu die Fuͤrſtin, und beftieg nach dem
Tode bes alten Kunmo den Thron. Sie gebar ihm eine Tochter”
Schaofu. Nah dem Tode dieſer Fuͤrſtin gab der chineſiſche Hof dem”
Sendfeu eine andere Prinzeffin, Dfie yü, zur Frau, Bon feiner”
biongnuifhen Gemahlin hatte Sen dfeu einen Sonn der Nimi hieß.
As Sen dfeu dem Tode nahe war, übertrug er dem Unkuimi (dem
Sohne des Dalu feines jüngern Oheims von väterlicher Seite) mit fol⸗
genden Worten die Herrfchaft: „Wenn Nimi erwachſen if, fo
gieb ihm den Thron zurüd.”
Rachdem Unkuimi Khan geworben mar, nannte er fih Keie
wang, heirathete die chinefifhe Dfieyü, und erzeugte mit ihe drei
Söhne und zwei Töchter. Der ältefte Sohn ward Yuankuimi ge⸗
nannt, der zweite Wannian (nachmals Fuͤrſt von Yarkand, f. ob
S. 406), der dritte Daluz biefer wurde Oberfeldherr. Die ältere
Tochter Dili wurde dem Dſiangping, Fuͤrſten von Kutſche, bie jüngere
Sofuan aber einem Bafallen zur Gemahlin gegeben.
Unter der Regierung des Kaifers Dfhaoti (reg. 86 — 74 vor
Chr. Geb.) berichtete die Fuͤrſtin dem kaiſerlichen Hofe, es hätten bi
Hiongnu ein Corps Keiterei in das Land der Kufzu (Higur, ſ. 4
S. 593) auf die Jagd geſchickt, und beide Voͤlker vereinigt, ſeyen in
uſun eingefallenz fie bat um Hülfstruppen. Während dieſe ausgeruͤſtet
wurden ftarb der Kaifer, Als Siuanti (reg. 73— 49 vor Chr.) de
fen Thron beftiegen, kam neue Meldung von den Einfällen der Sic
in ufun, daß fie einen Zheil deffen Landes in Befis genommen, d
Bewohner ald Gefangene fortgejhleppt und einen Gefandten mit 4
Aufforderung geſchickt hatten, die chineſiſche Prinzeſſin auszuliefern, dem
Bund mit China zu bredenz der Kunmo felbft wolle mit 10,000 Reis
tern den Hiongnu begegnen, wofern nur der Kaifer ein Schotheer
ſchi ckte. D Q
Sn Folge deffen ftellte der chinefifhe Hof 150,000 Reiter ins Feld,
und 5 Generale machten ſich gleichzeitig in verſchiedenen Richtungen auf
den Marſch (wie Timurs Expedition, ob. S. 440). Den General
Tſchangchoi ſchickte der Kaiſer dem uſunſchen Heere zu Huͤlfe. Dee
Kunmi brach ſelbſt an der Spitze von 50,000 Reitern auf, und mars
fehirte in das Gebiet der weſtlichen Kuli Fürften, und machte an 40,000.
Gefangene, darunter die DBerwandten des Khans und fehr viele vornehme
Officiere fi befanden, Por gahm er mehr als 700,000 Stil
a:
B#- * I 9 Bi }
u “ 4 ⸗ Fi * — 4 7 ff
Central Afien, Uſun Gefchichte. 619
Pferde, Kameele, Hornvich, Schafe und Efel. Dies geſchahe im dritten
ber Sahre Penſchi (d. i. das te Jahr Siuantis, nämlich im 3. 71 vor
Chr. Geb.). Der dinefifche Hof fchiete den Tſchangchoi mit vers
ſchiedenen Geſchenken an diejenigen Großen der Ufun, weldye ſich aus—
gezeichnet hatten,
Sm S. 64 vor Chr. Geb. (das 10te Sahr Siuantis) meldete der
Kunmo von Ufun dem Kaiferhofe, durch Tſchangchoi, daf er den
Yuankuimi, ven Enkel des Haufes Han von weiblicher Linie,
-zum Thronfolger ernennen wolle, und mit einer dhinefifchen Prinzeffin
zu vermählen wuͤnſche, um durd) diefe doppelte Verſchwaͤgerung, dag
Band, das ihn noch an die Hiongnu Enüpfe, gänzlich zu zerreißen. Er
begleitete diefes Geſuch mit einem Gefhente von 1000 Pferden und
Maulthieren. Der Kaifer ließ die Großmwürdenträger deshalb ſich bes
zathen. Siao wang dſchi fiimmte dafür, daß man den Kunmo mit
feinem Geſuche abweife, da Uſun zu fern liege und für deſſen Treue
keine Bürgschaft fey. Der Kaifer aber wollte, wegen der bisherigen we⸗
fentlihen Dienfte, die ihm die Ufun geleiftet, nicht mit ihnen brechen,
und ließ ihm vorläufig die gnädige Annahme feiner Verlobungsgeſchenke
Melden. Darauf fhicte der Kunmo (nun ſtets Kunmi genannt) eine
Embafjade von beiläufig 300 Perfonen, um die jüngere Pringeffin in
China abzuholen. Der Kaifer gab der jüngern Schwefter der Fürftin
von Ufun, die er für den Thronfolger beftimmte, einen Hofftaat von
100 Perfonen, und ließ fie in der Sprache der Ufun (alſo im Deuts
fchen?) unterrichten, Vier chinefifche Gefandte follten die junge Fürftin
nach Ufun geleitenz allein fie waren kaum über die Grenze gekommen,
als fie den Zod des Königs Unkuimi von Ufun erfuhren.
Die Großen don Ufun erwählten nun, in Folge früherer Abrede,
den Sohn des Sendfeu, Namens Rimi zum Kunmi, und nannten ihn
Kuang Wang. Zhang khoi trug darauf an, man möge die junge
Hrinzeffin einftweilen in Zün hoang (an der Grenze) laſſenz ihm felbft
aber erlauben fogleicy nad) Ufun zu eilen, die dortigen Magnaten wegen
Ucbergehung des Yuan kue mi zu beftrafen. Dann wolle er zurüds
kehren und die junge Fürften nad) Ufun geleiten. Die Angelegenheit
kam im Staatsrath zur Spradye, Siao wang dſchi blieb bei feiner
‘ früheren Meinung: Die Ufun, war feine Rede, halten es mit zwei
Parteien; daher fen es ſchwer mit ihnen eine Mebereinkunft zu treffen.
‚Die frühern Prinzeffinnen lebten über JO Jahre in Ufun, und doch ward
keine aufrichtige eheliche Liebe offenbar; die Grenzen haben noch nicht
beruhigt werden können. Nun ſey es als ein Gluͤck für den chineſiſchen
Hof anzufehen, daß er, ohne den Ausländern fein Wort zu bredyen, die
Prinzeffin, da Yuan iu mi nicht zum Throne gelangt fey, wieder zus
rückne men könne, Dieſem Rathe tolgte der Kaiſer und ließ die junge
Pringeſſin zurüdchren.
3
620 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. $ 7,
Kuang Wang, der durch Wahl ber Großen auf ben Thron ers
hobene Fürft der Ufun, verheirathete ſich mit der Fürftin Dfieyü,
die ihm einen Sohn Dfhimi gebarz doch Iebte er in Zwietracht mit
feiner Gemahlin. Seine Tyrannei zog ihm den Haß feines Volkes zus
Der Kaifer ließ einen Prinzen, der bei Hofe gedient hatte, durd) die Ges
nerale Weichoi und Shingtfhang zuruͤckbegleiten. Die Fürften
fagte ihnen: Kuang Wang drüde feine Unterthanen, es fey leicht ihm
aus dem Wege zu räumen, In Folge deffen verabredeten fie ein Gafte
mahl, bei welchem ein Chinefe den Kunmi mit einem Säbel verwuns
dete. Die Wunde war nur leicht, es gelang diefem daher nody zu Pferde
die Flucht zu gewinnen. Gein Sohn Sitenfeu fammelte die Trups
pen und belagerte die Partei der beiden Chinefen Generale, mit der
Hürftin, in der Stadt Tſchiku. Diefe Belagerung dauerte einige Moz
nate, und wurde erſt aufgehoben, als die Zruppen des dhinefifchen Ges
neralinipectors Oſchingki, die derfelbe aus verfchiedenen Ländern zu
Huͤlfe fandte, anlangten. Der chineſiſche Hof fehicte einen Erpreffen
mit Urzneien zur Heilung des verwundeten Kuang Wang; außers
bem erhielt »derfelbe 20 Unzen Goldes und einige Seidenftoffe als Ges
Schenke. Die Generale Weihoi und Shingwang wurden gefeffelt, in eis |
nem Kaͤfich, nad) der Refideng gebracht und dort enthauptet, Der Dis
rector der Kriegscanzellei Oſchangpung wurde abgefandt, wegen des
Attentats der Fürftin gegen den Kunmi eine Unterfucdjung anzuftellen.
Die Zürftin geftand nicht, Dſchangpung ſchalt fie dafür aus, und flug
ihr auf den Kopf. Die Fürftin beklagte ſich deshalb bei dem Kaifer,
und jo wurde auch Dſchangpung nad) feiner Ruͤckkehr zum Tode verur⸗
theilt. Einem Arzte, Kitu genannt, der mit jenem Expreſſen angekom⸗
men war, und den Fuͤrſten behandelte, gab letzterer ein Gefolge von 10
Reitern. Als Kitu in die Hauptſtadt Chinas zuruͤckkehrte, machte man
ihm deshalb den Prozeß, weil er, obgleich wiſſend, daß Kuang Wang den
Tod verdiente, die Gelegenheit ihn zu toͤdten nicht benutzt hatte. Er
ward eingekerkert. Indeſſen hatte ſich, als der Kuang Wang verwundet
worden war, Kiutu (ſpaͤterhin auch Udſiutu genannt), der Sohn
des vorigen Negenten Unfuimi, von deffen hiongnuiſcher Ges
mahblin, mit den übrigen Großen des Landes, aus Schreden in die
nördlichen Berge geflüchtet. Er verbreitete nun das Gerücht, es ſey
ein DiongnusHeer im Anmarſch; worauf das Volk fih um ihn verfams
melte. Nun überfiel er dem Kvang Wang unvermuthet, tödtete ihn und
ſchwang ſich felbft auf den Thron. Nun wurde der chineſiſche General
Sinwufian gegen ihn mit 15,000 Mann nad) Tuͤnhoang zu Felde
geſchickt. Leute wurden ausgefandt, einen Canal zu graben, don Pais
lung tui nach Meften, damit man dorthin Getreide fchaffen koͤnne und
Magazine anlegen, fuͤr den bevorſtehenden Krieg.
Sum Gefolge der Fuͤrſtin Dfie yu gejörte Fung La, cine ſche
*
Fi
Gentral: -Aſien, Uſun Geſchichte. 621
heitte und in Geſchaͤften erfahrne —— bisweilen ward ſie von
J— Gebieterin in die Stadt geſchickt, um die vom Hofe uͤbermachten
Geſchenke zu vertheilen. Allerwaͤrts bewies man ihr Vertrauen und
Edrfurcht. Sie wurde die Gemahlin eines ſubalternen Heerfuͤhrers in
Ufun, Da dieſer Heerführer mit Udfiutu befreundet war, fo lich der
Generalinfpector Oſchingki dem Udfiutu durd) die genannte Dame
ſagen, daß die chineſiſchen Truppen bereits gegen ihn im Anmarſche
ſeyen, und daß er ſeinem Untergange nicht entgehen koͤnne, wofern er
ſich nicht unterwuͤrfe. Ud ſiutu von Schrecken ergriffen erklaͤrte ſeine
Bereitwilligkeit einen niedern Nang anzunehmen. Der Kaiſer Siuanti
lieg die Dame Fungliao an den Hof entbieten, und befragte fie perföns
lich über das was fie gethan. Darauf ließ er fie durch Groß-Würdens
Hräger zurüdgeleitenz fie, reifete in einer mit Damaft überzogenen Kas
eſche und einem Roßſchweife in der Hand.
Yuan Eui mi (der Enkel der Han) wurde nun doch noh Gros
Ber Kunmi, und Udfiutu, Kleiner Runmi, und beide empfins
gen chineſiſche kaiſerliche Inſiegel. Der General Sin wu fian, wels
er die Grenze noch nicht überfchritten hatte, trat den Ruͤckmarſch anz
Krieg war erfpart.
Späterhin ſchickte der Kaifer den General Df changchoi mit einer
Garnifon nad) Tſchiku (der Gapitale in Ufun). Diefer vertheilte das
TE und beftimmte die Grenzen.
A Der Große Kunmi erhielt 60,000, der Kleine Kunmi 40,000
gamitien (Kibitken, oder fahrbare Gezelte?). Das Volk aber war im
Allgemeinen dem Kleinen Kunmi mehr zugethan. Yuan Euimi und der
h Prinz Dſchimi ſtarben beide an einer und derſelben Krankheit. Die
ürftin fchrieb, daß fie ſich als bejahrte Matrone wieder ‚in ihre Hei⸗
5 ſehne und zuruͤckzukehren wuͤnſche, auf daß ihre Gebeine in Chinas
den ruhten. Der Kaiſer davon gerührt, erlaubte ihr mit dreien ihs
zer Enkel nad) der Refideng zu reifen. Dies gefhahe im 28ſten Jahre
Siuantis, d. i. im J ˖ 51 vor Chr. Geb. Die Fuͤrſtin hatte damals ihr
oOſtes Lebensjahr erreicht. Der Kaiſer ſchenkte ihr ein Landgut, ein
gif, männlihe und weibliche Dienerfchaft, und alle Bequemlichkeit
des Lebens, Nach 3 Zahren ftarb fie, und drei Enkel hüteten ihre
Grabftätte,
Siumi, der Sohn des Yuan Euimi, wurde fein Nacjfolger als
Großer Kunmi, Die Dame Zungliao erbat fi vom Hofe die Er
laubniß nad) Ufun abgehen zu dürfen (fie hätte alfo wol ihre Gebieteris
zu ihrem Grabe als Gefährtin begleitet), um ben jungen Prinze
Er feinem Throne zu befeftigen. Man gab ihr 100 chinefifhe Soldı=
n ald GEscorte mit, Der Generalinfpector Chanfiuan trug Te
fe darauf an, daß man den Groß-Würdenträgern von Ufun goldie
Spiegel an Purpurfähnüren geben möchte, um bie Würde es
2
622 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. 8. 7.
Großen Kunmt zu erhöhen. Der Hof bewilligte bie, Als aber der⸗
ſelbe Oberbeamte darauf antrug, man möchte den Siumi, als einen
ſchwachen und kleinmuͤthigen Menſchen des Thrones erledigen, und dafuͤr
deſſen Oheim, den Oberfeldherrn Le zum Kunmi ernennen; fo wur De
biefer Antrag abgelehnt.
As Choeidfung das Amt eines Generalinfpector3 erhalten gatte,
rief er die chinefifchen Ueberläufer zurüd, und beruhigte fi. Nach
Siumi’s Tode wurde defien Sohn Zülimi Kleiner Kunmi, und
nad Udfiutus Tode Fam deſſen Sohn Fuli an feine Stelle, der aber
durch feinen jüngern Bruder Shier ermordet ward. Der dhinefifche
Hof lieg den Anſchi, einen Sohn Fuli's, zum Kleinen (2) Kunmi ers
nennen, Shier floh nah Kangfiu (Samarkand). Der chinefifche Hof
fchickte eine Eleine Garnifon nad) Kumo, um bei Gelegenheit. über den.
Fluͤchtling herzufallen. Drei durch Anſchi abgefendete Magnaten,
darunter Kumoni, ftellten ſich als Flüchtlinge, gelangten zu Shier, :
und tödteten ihn. Der Generalinfpector Lianpao verehrte dem Kus
moni und deſſen Helfershelfern ein goldines Idol von 20 Unzen Ges
wicht, und 300 Stüd Seidenzeug. Nachmals wurde auch Anſchi
von feinen Unterthanen getoͤdtet. Deſſen jüngerer Bruder Modf chen⸗
Eiän wurde von den Chineſen zum Nachfolger erhoben,
Um dieſe Zeit regierte Zülimi, als Großer Kuenmi, ieh
Feftigkeit, und die untergebenen Fürften fürdjteten ihn. Er ließ dffente
ich bekannt machen, daß Niemand fich unterftehen folle in feinem Ges
biete zu nomadiſiren. Sein Land genoß eines tiefen Friedens, wie unter
der Herrichaft des Unkuimi. Der Kleine Kunmi Modſchenkiaͤn
fürdhtete von ihm abhängig zu werden, und ließ demzufolge den Zuͤlim
durch einen Magnaten, der ihm verftelltee Weife feine Dienfte anbieten
mußte, erſtechen. Der chinefifche Hof wollte den Modfchenkiän torüct
mit gewaffneter Hand abftrafen, jedoch es unterblieb, Der dhinefifhe
Generalinfpector ernannte einen Enkel des Erftochenen, ben Itſchimi,
zum Groß-Kuenmi. Auch der Kleine Kuenmi Modſchenkiaͤn wurde von
einem Vafallen de3 Großen Kuenmi getödtet, und Antimi wurde Kleis
\ner Kuenmi im Sahre 11 vor Chr, Geb, (nämlid im 2ten Jahr
Yuanyan, d. i. im 22ſten Regierungsjahre des Tſchingti). J
Pichuandſchi, der jüngere Bruder des Modſchenkiaͤn, d
in der Ermordung des Großen Kuenmi Antheil gehabt hatte, nahm gen
° en 80,000 Eingeborne, die ihm ergeben waren, mit fi, und wanderte
Nrömärts nad) Kangkiu aus, wo er ein Hülfsheer zur Unterwerfung
biver Kuenmi erbitten wollte. Beide erfchrafen und festen ihre ganze
Hffnung auf den chineſiſchen Generalinfpector (der in diefer ganzen .
Priode den Zitel eines Protectors hatte).
\ Unter Kaifer Ngaiti (im 3. 1 vor Chr. Gb.) reifte der Große
Kıenmi, Stfhimi, zugleih mit dem Khan ber Hiongnu, an ben
Central: Aften, die Sule, die Houte, 623
hinefifchen Hof, wo man ihn cehrenvoll empfing Vier Sahr fpäter (im
. 3 nad) Chr. Geb.) tödtete jener Pichuandſchi, um fich bei dem
inefifchen Hofe in Gunft zu fesen, den Magnaten Uſchilian, welcher
auf Modſchenkiaͤns Befehl den Zülimi ermordet hatte, Der chinefiiche
Hof ertheilte ihm zum Lohn den Rang eines Fürften. Beide Kunmis
waren ſchwach, Pihuandfi unterdrücdte. fies deshalb ward er von
dem Generalinfpectoe Sunfian durch plöglichen Weberfall getödtet.
Seitdem das Reid Ufun in zwei Khanate getheilt war, fagt ber
Annalift, hatte der chinefifcye Hof viele Sorgen und kein Sahr ging volls
kommen ruhig vorüber, Hiermit (im Sahre 9 n. Chr. Geb., d. i. im
dritten Regierungsjahre Phingtis, dem der Ufurpator Wangmang folgte)
endet das Gefchichtsfragment aus den Annalen der Hanz was aud
18 kein befonderer Verluft erfcheint, da man aus dem bisherigen Hers
gang der Dinge ſchon fo ziemlich die Characteriftit jener Geſchichtspe⸗
— erhält, die freilich vom Volke nur ſehr wenig erzählt, das geringſte
Er aber in Beziehung auf die hinefijche Da anzugeben nicht uns
läßt.
h; 2) Die Schule (Chon, Choule), Sule, oder die Khins
ba, mit blauen Augen und blonden Haaren, haben wir fchon
‚oben, als die zweite Gruppe in dem fpäter genannten Gebiete
von Kaſ chghar (ſ. ob. ©. 420) vollftändig fennen lernen.
3) Die Houte, oder Khoute. Schon Ab. Remufat 7%
tte fie für ein Volk gothifhen Stammes gehalten, und
laproth ſprach ſich desgleichen für diefe Hypotheſe aus, die
freilich nur Wahrfcheinlichkeit, Feine Gewißheit geben kann (f. fi ien
# ©.194,434). Diefes Land 77) lag, nach den chinefifchen Das
n, in Nordoft von Sogdiana, und in Weft des Gebirges
hfungling, wie des Landes Uſun (alfo, ganz in der Gegend
des heutigen Taſchkend, Otrar, Turkeſtan, auf der Nordoſtſeite des
r Daria, wo Gothenſtaͤmme allerdings ſitzen konnten, wenn
fie ſpaͤter zum Nordufer des Caspiſchen Sees und zur Wolga _
vorruͤckten an deren Weftufer die Völkerwanderung fie vorfindet).
Man zählte übrigens diefer Khoute nur 2000 Krieger. Sie
waren Nomaden, hatten treffliche Pferde, viele Zobelmarder,
Im J. 177 vor Chr. Geb. drang der Statthalter der Hiongnu
der Weftfeite, bis zu diefen Khoute vor, und unterjochte fie.
In der erften Hälfte des II. Jahrhunderts hatten die Chinefen
J
A
— — —
d *9) Ab. Remusat Rechereh. sur les Lang, Tartares I. ce. p. 327 etc.
2 Tableaux historig. de l’Asie p. 167.
⸗
624 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 87.
einigen Verkehr mit diefen Khoute. Nähmen wir fie hier wirks
lich als eine Spur gothifchen Schlages in Anfpruch, wie die Uſun
als germanifche u. f. w., fo ift doch darum noch nicht geſagt,
daß die europaͤiſchen Gothen, oder Germanen, von dieſem Zweig—⸗
lein herkommen muͤſſen, weil es uns gaͤnzlich unbekannt, daß fie
die Wurzel des Ganzen find.. Aber auch in diefem Falle würs
den darum die enropäifchen Gothen und Germanen doc) nicht
mit diefen afiatifchen Khoute, oder Ufiun, in größere ueberrinſtim—⸗
mung zu ſetzen ſeyn, da, wie der aus einer Wurzel hervorwach⸗
fende Baum, in Stamm, Xeften, Zweigen, Blättern, Blüthen,
Früchten, immer eine andere Form und Srfdheinung darbietet,
fo noch weit mehr die wandernden und fortfchreitenden Voͤlker⸗
ſtaͤmme, in ihren Gliederungen fi ummundeln 97%), worüber wie
anderwärts (f. Vorhalle ©. 307 — 316), hinfichtlich des Leibes
und der Seele der Völfergefchlechter, fehon das hier zu beachtende
angedeutet zu haben glauben. k
4) Die Tingling, das vierte Volk, mit blauen Augen und
rothen Haaren. Ihre Tribus fcheinen ſehr weit verbreitet geweſen
zu ſeyn; denn 100 Jahr vor Chr. Geb. werden fie von den die
nefifchen Hiftorikern angeführt, als berührten fie das Weſtende des
Baikal: Sees, und füßen im Norden des Landes der Ufun, bis
zum Thale des Obi, und noch weiter im Kranze umher, bie i in
den Nordoften und Norden von Khang Kiu ( Sogdiana), She
Hrame bezeichnete, fagt der Chinefe, in der Sprache der Uſun
fo viel als: „die refpectabeln Alten,” wie Khodja im’
ZTürkifchen — etwa Aeltling? analog wie, Juͤngling; „ting“
ſcheint freilich fremd, nicht ſo „ding“ 79), — Die Tribus am
hundert vor Chr. G. unterjocht. Als im J. 65 vor Chr. 7
die Chinefen die. Hiongnu nöthigten fi) aus den Ländern Ofts
Zurfeftans: Kaſchghar, Khotan, Yarkand, zuruͤckzuziehen, ei
welche — die Samojedenſtaͤmme und nach ihnen die Hakas
einnahmen, ſ. Aſien I. ©. 1113), die Horden der Hiongnu, und
waren ihnen drei Jahre hindurch gefaͤhrliche Krieger; denn ſie
ſchleppten ihnen viele Gefangene und Beute hinweg, ſelbſt im
Angefiht von 10,000 Reitern, die ihnen die Hiongnu entgegen
#75) Vergl. Dr. W. Schott Verſuch über die tatarifhen Sprachen,
Berlin 1836. 4. Einl. ©. 4 ıc. ’°) 3, Grimm, — Mys
thologie. Goͤtting. 1835 ©, 248.
Senttale Afien, die Yanthfai, Alan, | 625
ſchickten. Um das Jahr 48 vor Chr. Geb. wurden die meftlichs
flen der Tingling, von dem Tſchenyu der Weſt-Hiongnu unters
jocht; als aber, ein Jahrhundert fpäter, die Hiongnu des Mors
dens vernichtet wurden (gegen 85 J. n. Chr, G.), erhoben fich
die Tingling von neuem zu Incurſionen in deren Ländergebiet,
In der Testen Hälfte des II. Jahrhunderts n. Chr, Geb. wurde
Dbern Irtyſch und Ob faßen, von den Sianpi befiegt. Bald
befreiten fie ſich aber wieder von deren Zoch, und traten feloft
wieder als mächtige Nation auf, welche die Nachbarn im Zaume
hielt. In der fpätern Zeit,,um das Jahr 507 n. Ehr. G., wird
von einer Horde der Jo ui joui gefprochen, welche die Tings
ling aus ihrem Weidelande verjagte, die nun gegen Weften weis
ter zogen. Ihr Name wird wol noch öfter in den fpätern chiner
ſiſchen Annalen genannt, aber ohne daß fie noch ferner eine pos
Kitifche Rolle fpielten, und es ift wahrfcheinlich, daß fie mit den
Horden der ihnen verwandteren Gefchlechter der Hafas zufams
menſchmolzen.
5) Die Kiankuen oder Hakas. Don dieſer Gruppe
der blauaͤugigen blonden Hakas mit den gelbrothen Geſichtern,
die, anfänglich mit den Tingling gemifcht, fpäter mit den Hoeihe
ver hwiftert zu Kilifis (Kirkis) wurden, und als ſolche tuͤr—
tifche Sprache ftatt germanifcher annehmend, fich weit über den
Welten Afiens bis zu den indorgermanifchen Stämmen verbrei-
teten, wo ihre Gefchlechter noch heute unter den Abtheilungen der
preierlei Kirghifens Horden befannt genug find, war ſchon früher
umftändlic) (f. Aften J. S. 1110— 1133) als Urſaſſen am Obern
Jeniſei die Rede.
6 Die Yanthſai (An Thſai b. Ab. Remuſat) oder
Alan (Alanna)7, welche die weſtlichſte Gruppe der blau—
den, führen wir hier nur vorläufig mit auf, da fie feit dem Jahre
120 vor Chr. Geb. von den Chinefen in Nordweft von Sogdiana
in ihren Eigen bis zu den Eumpfgegenden des Nord Aral und
Easpiichen Sees, Nord meer bei Sfematfien 80), alſo bis gegen
‚ 12 Tabl. Histor, de PAsie p. 175— 132; Klaprotli Memoire dans
le guel on prouve l'identit@ des Ossctes peuplade du Caucase
avec les Alains du Moyen Age. Paris 1822. 20) Sse ma tsien
b. Brosset 1. c. Nouv. Journ, Asiat, T. II. p. 424.
Ritter Erdkunde VII. Nr
ein Theil des Tribus der Tingling, die im füdlichen Sibirien am
Augigen, blonden Völker diefes indo-germanifchen Schlages bils‘
626 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. 9 7.
die Wolgaländer hin genannt warden. Da fie bis zum II. Jahr
hundert n. Chr. ©. auch da noch den Herrfchern Sogdianas um |
terworfen, aber dann frei geworden vom och ihrer Gebieter exf
feit dem I. Jahrh. als Alanen in ihren weftlihen Berührunge
mit dem Roͤmer-Reiche und am öftlihen Kaufafus für uns be
deutend werden, und ihre Gefchichte einem ganz andern Kriegs
theater angehört, fo werden wir auch fpäter erft, auf ihrem ei
gentlichen Boden, zu ihren ethnographifchen Verhaͤltniſſen zuruͤck
£ehren. Hier genügt eg, aus den Annalen der Han?)
Sriginal felbft, wie nach Matuanlins Encnclopädie, die mit jene
völlig uͤbereinſſimmt, nur folgendes anzuführen, was auf die a
tere Zeit ihrer Siße in Sogdiana Bezug hat.
Die Yanthfai®) find aus den Zeiten der Han (163 vo
bis 196 nach Chr. G.) in Khangkiu, d. i. in Sogdiana, be
fannt, von wo fie gegen IBeft bis zu den Ta Tfin (zum Ni
mer⸗Reiche) fih ausbreiten. Sie haben wenigftens 100,000 gut
Bogenfhügen (wie die Skythen); ihre Sitten gleichen denen vol
Khangfiu, d. i. den Sogdianen, von denen fie abhängig find
Das Clima iſt gemäßigt; ihre Land ftößt an die großen Seen
oder an die Suͤmpfe, die weder Ufer noch beftimmte Grenz
haben, das nördliche Meer genannt (f. 06. ©. 560, 574). Mai
fieht bei ihnen fehr hohe Fichten, Wahsbäume(?) un
Pethſao (was Ab. Kemufat und Klaproth nicht anders, &
durch weißes Kraut zu erklären willen). Sie find Nomaden um
dehnen fich mit ihren Heerden bis zu dem Nordmeere (2) au
Zur Zeit der Han veränderten fie ihren Namen in Alan n
(identiſch mit Asii, dem Scythenſtamme bei Strabo ©, 511
Asiani nad) Ab. Remuſat). Sie bewohnen auch Städte,
zahlreihe Kaufleute famen von diefem DVolfe nach Lian
(d. 1. in der öftlihen Tartarei), wo fie vortheilhaften Handel trie
ben, zugleich aber auch als Räuber gefürchtet wurden. Zu dei
Zeiten der zweiten Wei Dynaftie werden diefe Yan thfai
Theſu, oder auh Wennacha genannt. In den Zahren 45
bis 465 ſchickte ihre König Houeul, deſſen Familie erſt ſeit
Generationen den Thron behauptete, Tribut nach China. In
J. 564 werden die legten ihrer Tribute erwähnt. Won den weſt
»#1) Opissanie Dshungharia ete. des Pater rang b. Dr. Schot
Ueberf, 22) Ab. Remusat Notices sur les Peuples de la Bou-
kharie etc. de Matouanlin etc. in Nouy. Mel. Asiat. Paris 1829
T,l, 7.239 — 240. —
EentraleAften, die Yan thſai, Maffagsten. 627
lichen Alanen erhalten wir erft durch Ammian Marcellin ums
dlichere Nachrichten. Von diefem Altern Wolfe in feinen oͤſt—
hen Eigen fügen wir zu diefen chinefifchen Daten Klap:
voths Anficht hinzu, der fie mit den Maffageten) der früs
hern Zeit identificirt.
Der Name Maffageten (Maooayiraı Herod. I. 204 und
205 am Arares wohnen®), worunter im hohen Alterthbume die
Alanen mitbegriffen waren, ward, wie es fcheint, dem größten
Theile der indo-germanifchen Iace, welche aber fehr frühzeitig mit
Geten (Yueti) vermifcht war, gegeben, die am Nords und Oft-Ufer
des Caspifchen Meeres und Aral: Sees weithin gegen Often
wohnten; denn Ptolemäus (Lib. VI. 13) fegt feine Maffageten
ein halbes Jahrtauſend fpäter noch in gewiſſe Ihäler' des Belur
Imaus), an den Steinernen Thurm, neben die Safen. Diefe
fiatifchen Skythen auf der Oftfeite des Aralfees lebten von ih:
n Heerden, doch bauten fie auch den Acer, und hatten ‚-wie
ie chinefifchen Autoren ausdrücklich fagen, auch ihre Städte,
As Alexander M. in Bactriana und Sogdiana einfiel, fand er
dort fhon eine. Menge fehr reicher und bevölferter Städte zwi:
hen ihren Gebieten. Die Nomaden lagerten am untern Orus
und Jarartes, Sie theilten ſich in zwei große Zweige, Der
Befizweig, die Dani (Adoı b. Herod. 1. 125; Ada dr And
78 Tuvaidog 6. Arrian)s+), bewohnte die Gaspifchen Ebenen;
der Oftzweig, die Maffageten und Dafen, zogen an den
ern des Jaxartes umher. Ans ift es wahrfcheinlich, daß
efer Name der Maflageten der dem Ta Yueti (großen Ger
ten) zu entfprechen fcheint, fchon in fich einen Fingerzeig dar—
Biete, daß fie nur ein älteres Glied der, im I. Jahrh. vor
t., gegen Transoxiana einrückenden Yueti (Getae) waren;
weder von Ufun noch von Yueti und von den Ta Wan und
ahia (Daoi, Dacae) abfolut unterfchieden, fondern zu jener weit
verbreiteten großen VWölfermaffe, der Sfythifchen, gehörig,
die aus fehr vielen Völkerfchaften beftehen mochte,
Diefe alten car find offenbar die Tahia der chinefifchen
Autoren. Vor alten Zeiten hieß der Jaxartes (Syr Darig)
ud) Tanais. Als Alerander Maracanda (Samarkand) vers
I fen hatte, ging er an den Tanais. Diefer hieß, wie Arrian
—
8*
) Tabl. bistor. 1. e. p. 181— 182. 84) Arriani Nicomed. Ex-
pedition. Alexandıi wi. li. 11,4; 28,13; V.12, 3.
..Re2,
N...
‚ fen heiße bis heute Don, oder Dan, Waſſer, Fluß; daher D
028 Weſt-Aſien. I Abſchnitt, & 7,
nach Ariftohulos anführt, auch Orxantes, Oxuartes (Arriani Fr
pedit. Alex. L. III. 30, 13. VII. 16, 6). Deffen Quellen liegen
wie die des Oxus, nach ihn, im Mons Caucasus (d. i. Hindt
Khu, Imaus) und deſſen Erguß im Hyrkaniſchen Meere (Caspi
fhen See). Er unterfcheidet ihn von dem andern befannteren,
weftlihen Tanais auf der Grenze Europas. Man hatte die
früher für einen Zerthum gehalten, den Tanais, Sihun (Sur
Daria) und Zarartes für identifch zu nehmen. Aber die Voͤl⸗
ker, welche am Ufer beider Tanaisſtroͤme faßen, ſprachen, bemerkt
Klaproth, diefelbe Sprache, waren identifch. Die Sprache der
Alanen-am europäifchen Tanais, gleich der der Maffagetens
Alanna, am turfeftanifchen Tanais, habe ſich erhalten im
Idiom der Dffeten im Pontifchen Kaufafusz Gebirge; bei 22
nubius, Danastris (Dniefter), ons (Dnepr), Tanais im Don
wie im Sarartes des Aral⸗See's. Zur Entfheidung kommen wi
hierüber vielleicht erft durch Sjoͤgrens neuefte Forſchungen unte
den Dffeten (Ossi, Iron),
Erläuterung 3.
Die Gruppe der Urfaffen in Wefl:Zurkeftan oder ———
Die Ta Wan, Tahia (Daoi, Daken, Sakas, Iazuı) und
die 9 Staaten der alten Herrſcher- Familie der Zihaomwot
von Khangkiu (Samarfand).
Die vielfach wiederholten und fich immer gleich bleibenden
auch) in den Chronologien übereinftimmenden Angaben der chine-
fifchen Autoren, feit den Annalen der Han und den Zeiten
des groͤhten der antiken chineſiſchen Hiſtoriker Sfe ma tfi ien
(100 5. vor Chr. Geb.), bis auf des größten fpätern Hiſtoriker
Matuanlin Zeit (vom IT. Zahıh. vor bis zum XI. Jahrh
nach Chr. G.), über die Auswanderung der Yuetiss), weft:
mwärts nad Iransoriana (f. Alien I. ©. 194, 432, vergl. oh
©.420 u. f.), leiden wol feinen Zweifel mehr, daß feit der Mitte
des II. Saec. a. X. n, eine große Veränderung durch die Bil
Terwanderung in die Länder zwifchen Jaxartes und Orus
925) Sseki des Ssematsien b, Brosset ad. du Chinois in Nour.
Journ, Asiat. 1828.'T, UI. p.419— 421.
Central: Afien, Transoriana, Urfaffen, 629
drang, welche die feit Alerander M. und feiner Gaftrifchen
tachfolger Zeit dort früher beſtehenden Wölferverhältniffe völlig
igeftältete, obwol fie nur vielleicht eine Wiederholuna ſchon fruͤ⸗
erer Einwanderungen von derfelben Gegend her gewefen ſeyn
moͤchte. Eine Hauptfolge derſelben war, daß die Gruppe der—
jenigen Völker, an deren Spitze die Yueti (Getae) ſtanden,
die hellenifchsbaktrifche Herrſchaft an fih riß, die von
afen (Strabo ©. 511) furz zuvor geftürzt war, und daß die
Yueti, Getae, die herrfhenden des Landes wurden, in dem
fie durch ihre Uebermacht die dortigen Candfchaften (Tas
ia’s, d.’i. der früheren Daai, Dahae, Sacarım Regio bei Ptos
lemäus) in 5 große Reiche vertheilten, und eine Reihe von
Sahrhunderten hindurch nun Transoriana wirklich beherrfchs _
ten. Eben diefe waren es, um deren Freundfchaft die Chis
neſen fich, feit den Zeiten der Han, durch ihre Embaffaden Jahr—
* hindurch muͤhſam bewarben, um den Karawanenhandel
ser koſtbaren Producte und der Waaren jener Laͤnder in ihre
Staaten zu leiten, ohne fie (wie dies doch mit den ſchon ger
a Urfaflen, 5. B. den Ta Wan, Tahia, Aſi, Khangs
und Andern gefchahe, die von den antiken 9 Tſchaowou—
Dynaftien &) beherrfcht wurden) zu ihren tributairen Kö:
migreichen zählen zu fönnen, wie denn fehr häufig, bei den Bes
fhreibungen derfelben, ausdrücklich hinzugefügt wird, daß diefe
Yueti keineswegs dem himmlifchen Reiche unterworfen feyen,
und keinen Tribut zahlen. Auch hatten jene erobernden Voͤl—⸗
fer, wie der antife Gefchichtfchreiber Sfe ma tfien beftimmt
feinem Berichte über Tchhangkians Expedition zu den Yueti ;
hinzufügt, förmlich die Unterwerfungsacte vermweis
gert®?), Diefer Umftand ift es, nach welchem der Hiſtoriker
Sfe ma tfien in jener Zeit, in feinen Gefchichten ſich der bes
fimmten Hauptabtheilung jener Siyu, oder Weftläns
bet, im innete (interior, das ift, wie er felbit fagt, folche, die
Tribut bezahlen) und in äußere (exterior, Pays exterieurs nach)
Broffets Ueberfegung) bedient, vi inige die nicht tribus
Er "Ab. Remusat Remarg. sur l’Extens. 1. c, p. 95; befl- Notice
sur les Peupl. de la Boukharie etc. p. Matouanlin in Nouy. Mel.
Asiat. T. I. p.227; Klaproth Notic. Geogr. et histor. du Thai-
thsing y thoung tschi Edit. Peking 1790. in Magasin Asiat. Paris
1825. T.I. p. 104— 106 Nota. 27) Sseki des Sse ma tsien 1.c.
N. Journ. As, II. p. #21, 432.
630 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt, $. 7,
tair waren. Da nun diefes eine am Belur Tag (Imaus) recht
officielle, conventionelle, politifch bedeutfame Bezeichz
nung war»; fo fünnte man ſich daraus wol die fo eigenthuͤm—
liche Benennung jener KHauptabtheilungen der Länder dieff eit
und jenfeit des maus, bei Ptolemäus, dem Zeitgenoffen
jener Han:Periode erklären , wo die Scytlia intra et extra
Imaum (7 &vrog Iuaov und 7 2xtog etc. Ptol. Lib. VI. e.14,15)
gewiß nicht eine blos rein — Bedeun bezeichnen
fonnte.
Der Zuftand Transorianas In jener Zeit zeigt alfo offenbar
zweierlei VBölkerfchaften, die Sieger und die Befiegz
ten, Unterworfenen; während unter jenen die Yueti (Getae)
hervorragen, find unter diefen die Ta Wan und Tahia (Daai,
Dahae) deren nomadifirende antife Tribus wol eben die Sy
Sai (Sakas, Sera, die wir oben fihon nannten, f. ob. ©. 604),
die ausgezeichneteften im Often und die An oder Ngan (A)
im Weften. Sie bilden gleichfam den Kern der alten und
neuen Sandesbewohner, die fich aber aus diefen beiden Haupt—
genppen in viele gefonderte Stämme und Herrschaften zerſpalten,
deren genaueſte genealogiſche, chroönologiſche, geograz
phifche, politifche Entwirrung begreiflicher Weiſe ihre große
Schwierigkeit haben muß. Denn gegenfeitige Mifhungen und
Accommodationen werden außerdem, daß auch noch von den Als
tern Urfaffen fich gewiſſe Theile frei und unabhängig von den
Yueti erhielten (wie die Ta Wan, die erft durd Gewalt dem
Kaifer Wouti der Han im J. 98 vor Chr. G. tributair wurden),
zwifchen den Urfaffen und den aus dem Often gefommenen
Cindringlingen bier fo wenig wie in andern der Art erobers
ten Meichen gefehlt haben, zumal wenn, wie es »faft fcheinen
möchte, die Urfaffen (wie Ta Wan, Tahia, Ifao u. A., die
auch nur relativ gegen die jüngern Einwanderer als folche gel
ten, da auch bei ihnen Spuren älterer Einwanderung ihrer Hertz
fcherfamilien der Ifchaowu vorkommen) in Nace und Sprade
von den Yueti Feineswegs abfolut verfehiedenartig gedacht wer—
den müßten. Begreiflich wäre es noch obendrein, wenn die Chir
nefen ſelbſt, ihrer minutiöfeften Erfundigung der ihnen diplomazs
tifch wichtigen Verhältniffe diefer Völkerfchaften ungeachtet, in den
verfchiedenen Zeiten der Jahrhunderte doc manche
Verwechslungen oder Verwirrungen binfichtlic ihrer Verwandt⸗
ichaften und Abftammungen bei Völkern und Reichen veranlaßt
Central⸗Aſien, Transoriana, ältefte Voͤlkerſchaften. 631
hätten, deren Sprachen und innere Angelegenheiten ihnen fo uns
bekannt blicben, und die immer an taufend Meilen von ihnen
entfernt, doch immer nur von einzelnen politifchen oder handels
treibenden Miffionen von Zeit zu Zeit befucht werden fonnten,
deren Berichterftattungen uns in ihren eigenen Memoiren oder
fpäteın Sammlungen überliefert find. Unter diefen Umſtaͤnden
muß man den Scharffinn und die Aufmerkfamfeit der Chinefen
noch in der That bewundern, zumal wenn wir fie mit andern ihs
zer Zeitgenoffen jener Periode (den macedonifch sgriechifchen Quel—
fen) oder den Zeitfchriftftelleen der europäifchen Völkerwanderung
vergleichen, wie vieles Specielle fie mit größter Gewiffenhaftigkeit
eingefammelt und überliefert haben. Einen gewiffen gemeinfas
men Anhaltpunct finden wir dennoch in der genauern Anz
gabe der Chinefen, über die dortigen Gebiete darin, welche Völker
feftgefiedelte find, mit Ackerbau und Gewerben in gemauers
ten Städten wohnen, und welche nicht — ferner, welche in Sit:
ten und Gebräuchen unter einander gleich oder ähnlich, und
welche ferner in ihren Sprachen verfchieden oder fich gegenfeis
fig verftändigen koͤnnen.
Es geht hieraus doch außer der Möglichkeit der innern Critik
Ihrer eigenen Daten auch eine Vorftellung des Gefammtzuftandes
jener merkwürdigen Zeit hervor, wenn wir auch nicht im Stande
ſeyn werden, jedwedes Einzelne auf das genauefte critifch zu bes
feuchten; jene Vorftellung reicht indeß vollfommen bin wichtige
Aufſchluͤſſe über die Gefittung und hiftorifchen Zuftände jener
Landſchaften vor dem Ueberfalle der Araber zu erhalten, Auf:
ſchluͤſe, die uns aus- allen andern Quellen völlig fehlen, wenn
wir nicht die chinefifchen zu Hülfe nehmen, die hier aber nur in
ihrer geographifchen und ethnographifhen Form?)
»2) Aus den Annalen der Han in Opissanie Dshungharia i wos-
stotschnawo Turkistana etc. nad) P. Hyakinth 1. c. und Dr. Schott
Meberf. Eh. I. Aus dem Sseki des Ssematsien (d. i. deffen hiſto⸗
riſchen Memoiren vom 3. 100 vor Chr. Geb. nad) Brosset 1. c.
N. Journ. Asiat. T. II, p.418— 450; Aus dem Wen hiang thoung
kbao, oder der Bibliothek des Matuanlin vom 3. 1325, in Ab. Re-
musat Notice sur quelques Peuplades etc. de la Boukharie in Nouv.
h Melanges Asiat. Paris 1829. T. I. p. 200257. Aus dem Thai
thsing ythonng tschi, Ed. Peking 1790. d. i. der neuen chineſiſchen
Reichsgeographie aus dem Chinef. überfegt von Klaproth, in Notic.
Geographiques et historiqgues sur Khokand, Andudjan, Margbhilan,
Namanghan, Taaschkand, Badaklıshan etc. in Magas. Asiatiq. Poris
1825. T. 1. p. 8 — 122.
632° WeftzAflen, I. Abſchnitt. % 7,
an das Licht treten. Die genauefte Auseinanderhaltung
der Urſaſſen und Cindringlinge in den folgenden Befchreibungen
würde zwar nach den vorhandenen Daten unmöglich feyn, auch
haben ſich unſere Vorgaͤnger wol gehuͤtet eine ſolche Scheidung
zu verſuchen; doch glauben wir dadurch, daß wir die beiden
Hauptſtaͤmme derſelben nach Anleitung der chineſiſchen Auto—
ren (naͤmlich Dahae und Getae) geſondert voranftellen,
und die andern Völkerfcehaften mit Hinweifung auf ihre Analos
gien und Differenzen (Verwandtfchaftsverhältniffe, oder nur Mies
fhungen, Eulturaustaufche, wenn man will) folgen’ laſſen, die
Ueberficht, -des fo Verfihiedenartigen zu erleichtern und lehrreicher
für die Gefammtrefultate zu machen, bis uns neue hiftorifche Ur—
quellen in der chinefifchen Literatur, die ſicher noch, reichliche Aus⸗
beute geben koͤnnen, zugänglich geworden find.
As Tſchangkian nach feiner zehmjährigen Gefangenfchaft
den Hiongnu entflohen war, kam er nach einigen zehn Tagereiſen
nach T Ta Wan, d. i. Groß-Wan (Ferghana, oder das heutige
Khokhan, Khokand), wo er wol empfangen wurde und mit Fuͤh⸗
rern und Transportpferden verſehen, die ihn nach Khangkiu (Sas
markand) geleiteten, von wo er dem Könige der Ta Yueti (dee
großen Getae) übergeben ward, demfelben, deſſen Vater (Tchangs
fun) von dem Tſchenyu der Hiongnu (Laochang) erfchlagen - war,
aus deſſen Schädel jene einen Trinfpofal gefertigt hatten. Diefe t
Yueti?®) waren gegen Ta Dan ‚gezogen Calfo wol über die
Kaſchghar⸗Route hinabgeftiegen, zum Syr Daria, f. ob. ©, 483),
hatten die Tahia die einheimifchen Verwandten der Ta Wan’
(welche Iegtern aber in ihren Bergfigen im Nordoſten geblieben
feyn muͤſſen, während jene auf die Südfeite des Orusufers vers
drängt wurden) in einer Schlacht befiegt und ich unterworfen.
Zugleich hatten fie ihr Königslager auf dem Nordufer des Queiz
Fluffes (es ift der Zendname Vehrud, d. i. Fluß Veh, der‘
Zendavefa, f. Bundekefh 8. VIL, Oxus der Griechen) aufs
gefihlagen, und ſich daſelbſt feftgefegt, wo fie nun vom chinefifchen
General getroffen wurden, wie er felbft fagt, „in dem fetten,
fruchtbaren Sande, das früherden Tahia gehörte,
wo Friede herrfchte und wo feine Näuber waren.“
Daß fie hier Gwifchen Sihon, der durch TaWan und Duei,
d. i. Orus, der im Morden der Tahia flog), alfo in Mamwars
9°®) Sse ma kion I. c, b, Brosset N. Journ, Asiat. TI. p. 420, 424,
‚auf die Südfeite des Drus) vor,” unftreitig durch das Gebiet.
Central Afien, die Ta Wan (Ferghana), 633
alnahar, oder Transoriana, durch nichts zu bewegen waren in
„Ihre alten Sige an der Chinefenz Grenze ———— iſt noch
begreiflicher, als dies auch, wie wir oben ſahen, bei den Uſun
der Fall war. Mit Verweigerung ſelbſt eines ſchriftlichen Unter—
werfungspatentes, ſagt der antike Hiſtoriker, mußte der General
mismuͤthig uͤber ſeine vereitelte Sendung den Ruͤckweg antreten.
Er drang „durch die Yueti (Getae) zu den Tahia (Dani,
von Baktrien, oder Tofhareftan, um dann „aber den Berg
Pingman durch Tuͤbet“ zurückzukehren (ob Karaforums
Daß, f. ob. ©. 550 u. f., wo auch fein ferneres Schiefal ers
waͤhnt ift).
So ſpricht Tſchangkian nun als Augenzeuge von Ta⸗
Wan wie von Tahia, zwiſchen denen beiden, im N.O.
und S. W., die Yueti wohnten,
1. Ta Wan, die großen Wan (Phohan, Pahan, Fas
- Hanna, Ferahana nach Ab. Nemufat, Khokhan nad)
- Klaproth und Hyakinth, jest Khokand) nah Tchhang⸗
L Ba, 123 vor Chr. Geb., und Sfe ma tfiens Berichte,
100 5. vor Chr. Geb., wie nach den Annalen der Dan
x (163 vor bis 169 nach Chr. Geb.).
Ta Wan) liegt im S.W. der Hiongnu und direct im
W. der Han, 500 geogr. Meilen (10,000 Li) fern; die Einwoh—
ner find ſeßhafte Ackerbauer; Weisen, Reis und Wein
=
aus Potao (Trauben), find ihre Erzeugniffe. Sie haben
treffliche Pferde, die Blut ſchwitzen und von einem himmli—
chen Henafte herſtammen. Sie leben in gemauerten Staͤd—
ten und Wohnhaͤuſern; fie zählen zu ihren Verbündeten 70,000
große und Kleine Orffchaften. Es find 100,000 Menfchen; ihre
Krieger find Bogenſchuͤtzen, Pikentraͤger und Schügen zu Pferde,
Die Annalen der Han?!) geben noch genauer folgende
Zahlen: Die Nefidenz des Fürften von Ta Wan ift Kueis
fhan, 627 geogr. Meilen (12550 Li) fern von der chinefifchen
Grenzftadt Tſchangngan (d. i. Sian, in Schenfi). Der Famis
lien find 60,000, ver Seelen 300,000, der Krieger 60,000, Es
tefidiven hier 2 chinefifche Bevollmächtigte, ein Fuwang und ein
—* Sse ma tsien ]. c. p.422._ *1) Opissanie Dshungharia etc. n.
Schott I. c. Abth. 1.
634 Wet Afien, J. Abſchnitt. $ 7.
Fu ko wang. Sm Often find 215 geogr. Meilen (4310 %i) bis“
zur Reſidenz des General-Inſpectors; im Norden 150 geogr. M.
(1510 Li) bis zur Stadt Pitian in Khangkiu; im S.W. 34°
geogr. M. (690 Li) bis zu den großen Yueti. .
Sſe ma tfien giebt die Grenzen fo an: Im Morden liegt
Khangkin Cwas durchgängig für Samarkand gilt; dann aber
müßte fih Ta Wan mwenigftens viel weiter nach Süden verbreitet
haben als das heutige Ferghana, oder jenes nach Morden, daß
ihm Samarfand hätte im Norden liegen können). Im Weften
Ta Yueti; im SW. Tahia; im N.D. Ufun; im O. Hanfo und °
Huthi (Khotan). Die Ufun wohnen 100 geogr. M. (2000 Li)
im N.D. von Ta Wan, —
Der Boden, das Clima, die Producte von TaWan,
fagen die Hans Annalen, feyen hier, wie in Tahia (Daoi) und
Anfi Gokhara); das Hauptproduct aber find die koͤſtlich ſten
Pferde. 9
Von Uſun aus hatte der General Tſchangkian auch
Botſchafter ausgeſandt zu den Ta Wan”), Khang kiu, Tas
Hueti, Tahia, Anſi, Chinto (Hindu), Yuchi, Hanſo und in alle
Nachbarlande. Durch ihn, den Entdecker der Neuen Weſt⸗
welt (Siyu), war auch der Weg in dieſelbe eroͤffnet worden,
weshalb er den ehrenvollen Titel Po vang heou (d. h. Prince”
tres penetrant nach Broſſet) erhalten hatte. Dieſer Name ers
warb fich den größten Nefpect bei allen Völkern im Welten, und ”
felöft bei den. nicht tributairen Völkern (Pays exterieurs) galt er
vollkommen wie ein Ereditbrief. Nach feinem Tode (im J.
420 vor Chr. ©.) fehrten diefe Botfchafter aus den verſchiedene
Laͤndern an den Hof von China zuruͤck.
Als die Uſun, wie oben geſagt, durch den Druck der Hiongnu
geaͤngſtigt, fuͤr ein Brautgeſchenk an Pferden um die erſte chine⸗
ſiſche Prinzeſſin warben, wurde die Sache im Staatsrath uͤberlegt,
und ehe der Entſchluß gefaßt war, ob man die Brautwerbung
annehmen folle oder nicht, fagt Sfe ma tfien, habe der Kaiſer
Wouti den Veing berathend (wie ein Sibylliniſches Buch) auf⸗
geſchlagen, und zur Antwort erhalten:
ar göttlihen Pferde müllen vom Nordweſten fommen. ı
„Die der Ufun heißen himmliſche Pferde, aber die der
„Ta Wan, die Blut fehwisen, find weit robufterer Art.
*
222) Sse ma tsien I, c. p. #32.
Central Afien, die Ta Wan (Ferghana), 635
Nennt künftig die Pferde von Uſun „Vollkommenheit
„des Deccidents;” aber die der Ta Wan „Himmelss
“ upferde”
Hiermit follte unftreitig, feitdem, den Wferden der Ta Wan,
oder den £furkeftanifchen Pferden, der größte Vorzug einges
räumt feyn.
Ar Nun wurde die Nordwef-Noute eröffnet nach den ferns
fen verfchiedenften Herrfchaften, bis zu den Anfi, Yanthſai
(Alanen), Chinto (Hindu); vor allem aber war Kaifer Wouti
begierig, auf die Pferde von Ta Wan. Emiſſ aire und Bot—
ſchafter auf Botſchafter wurden auf jene Routen ausgeſandt, ſo
daß einer den andern zu unterſtuͤtzen beauftragt war, durch den
Handel die Producte jener fernen Laͤnder zu gewinnen. Die gros
fen Karawanen famen in Gang aus einigen 100, die Kleinen
nur aus etwa 100 Mann beftehend. So lange Tſchang kian ges
lebt hatte gab es gute Proviantvorräthe und Sicherheit auf jenen
Mouten. Yährlich zogen wenigftens 5 bis 6, höchftens etwa bis
10 folcher Karamanen gegen den Welten aus. Die weiteften
Reiſen dauerten 9 Jahre, die nähern nur einige Jahre. Ders
gleichen Karawanen gingen in einem Jahre 10 bis Tahia®):
denn es. war Alles vorbereitet worden diefe Communication zwi—
chen den Han in China und den Tahia in Gang zu bringen.
Sa es ſchien ſchon, als würden die chineſiſchen Waaren in dem
Sihyu exterior, d. i. bei den nicht tributairen Weftvölfern zu ge:
mein, und blieben nicht mehr fo preisiwürdig wie zuvor. Es ent:
fanden aber bald allgemeine Klagen der Handelsleute, die diefen
Verkehr betrieben, über die Falfchheit jener Barbaren, die ihnen
die Lebensmittel nur fehr theuer verabfolgen fließen, um fie zu
nöthigen ihre Waaren für geringe Preife zu verfchleudern, oder
über die vielen MWegelagerer, Räuber und Mörder, welche, die
Karawanen, zumal durch Hiongnu: Streiflinge, in die größte Ges
fahr brachten.
Deshalb wurde nun im Jahre 107 vor Chr. Geb. die erſte
Kriegsexpedition gegen dieſe Wegelagerer vollfuͤhrt.
In dieſer Zeit drang die erſte Karawane der Chineſen
ſogar in den aͤußerſten Weſten, bis zu den Anſiꝰs) (Aſi, Bor
Ehara) vor. Der König der Anfi kam derfelben mit 20,000
Pferden bis an die Oftgrenze feines Reiches entgegen, die eis
#3) Se ma tsien I. c. b. Brosset I. p 433. »*) ebend. p. 437.
’
636 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 9 7. |
nige 1000 i (an 100 geogr. Meilen) von feiner Hefidenzftadt
entfernt lag. Auf dem Wege zu ihm traf man über 10 ges
mauerte Städte, und eine fo ftarfe Mopulation, daß von
einer Stadt zur andern faſt feine Unterbrechung
war. Alſo auch bie Anfi (Bokhara), gleih den TaWan
und Tahia, gehörten zu den anfäffigen, cultivirten nicht.
nomadifirenden Völkern, die in gemauerten Städten wohnten,
Auf der’ Ruͤckkehr wurde dieſe chineſiſche Kaͤrawane von dem Ge⸗
ſandten der Anfi begleitet, um die Größe des himmlichen Reichs
der Han kennen zu lernen, Diefe nahmen Eier von ihren gros
Ben Vögeln (Straußen) als Gefchenfe mit, und gefchiekte
Songleurs von Likan. Beide wurden von den Chinefen bewun—⸗
dert und jene mit großen Vaſen verglichen.
Diefem Beifpiele folgten felbft mehrere Keinere Fürften, die
ebenfalls ihre Gefendten- fchiekten, wie die von Kouantfien und
Tay im Weit der Ta Wan, die Kouchi, Kanfo, Suhiai und Ans
dere im Diten deflelben Landes, um dur Gefchenfe dem großen
Kaifer im Gefolge der Karawane ihre Huldigungen darzubringen,
der, wie Sfe ma tfien berichtet, darüber eine fehr große Freude &
empfand,
Sn feiner Nefidenz in China gefchahe nun Alles, um die
Fremden durch den Glanz, den Reichthum und den Luxus anzus
ziehen und die Botfchafter zum Anftaunen der Größe des himms 7
tifchen Neiches zu bringen; man gab Feftivitäten, vertheilte Wein
und Fleifch unter das Volk, führte die Fremden zur Befchauung
in den Schag und in die Magazine, gab dem Volfe öffentliche
Spiele und Unterhaltungen aller Art. Seitdem liefen ununters
brochen die ‚Karawanen aus dem Nordweft ein, felbft aus Ta
Wan und andern Weltländern, die anfaͤnglich dem Nitus des
Mittel:Neiches fich nicht hatten fügen wollen. So triumphirte, J
ſagt Sſematſien, das himmliſche Reich über die anfängliche
Verachtung der Fremden.
Aber noch immer war die Obermacht der Hiongnu, deren
Einfluß von den Uſun bis zu den Anſi reichte, fuͤr die Kara—
wanenfuͤhrung ſehr nachtheilig; denn denen, die mit Patenten
vom Tſchenyu verſehen waren, führten dieſe Lebensmittel entges
gen, und fein Staat hätte es gewagt folche Handelsfarawanen
za hindern oder zu plündern. Den Karawanen der Han dagegen
wurden nur erjt, wenn fie die Bazare betraten und ihre Stoffe
um Austaufch boten, Lebensmittel und. Fourage verabreicht, sei
—
Sentrals Alien, Ta Wan (Fergbana). 637
‚zu den höchften Preiſen; fo vielmehr waren dort noch die Hiongnn
als die Han gefürchtet.
H Mit diefen Karawanen wurde, was bisher unbeachtet ge:
blieben war, die Cultur der Weinrebe und die Wein—
bereitung aus den Drusländern nad China vers
pflanzt, mit ihr aber zugleich kamen die trefflihen Nacens
Mferde von TaWan und das Kraut Mofo (eine Art, Klee),
ihr Lieblingsfutter, ebenfalls als Anbau nach China. St emas
tfiens Datum darüber ift Folgendes:
Die Länder zur Nechten und Linfen von Wan (oder
Ta Wan), d. i. im Süden und Norden deſſelben (f. ob. S. 496),
machen Trauben-Wein, nmaͤmlich Wein von Potaos05)
(na Broſſet; Phouthao nach Klaproth; dies ift Fein ori:
ginal hinefisches Wort, fondern ein aus dem Siyu eingeführs
tes, das von Japaneſen ebenfalls als Fremdling „Boudo” aus
— geſprochen wird; vielleicht von Borovs eine unvollkommene Um—
ſchreibung des Namens der Traube im Abendlande. General
Tſchangkian lernte dies Gewaͤchs im Jahre 126 a. X. n. zuerſt
in Ta Wan kennen). Die Wohlhabenden machen davon große
Vorraͤthe bis zu 10,000 Maaß; der Wein wird mehrere Sahr:
zehen de aufbewahrt, ohne zu verderben. Dieſe Ta Wan,
ſagt Sfematfien, lieben ihren Wein 1 fehr, wie ihre
Pferde das Kraut Mofo (bei Broffetz Moufou bei Ab.
Remuſat; Mufiü nach Dr. Schott; eine Art Klee nach der
- Uebereinftimmung der Commentatoren. Dies erinnert an die
_ Herba Medica der dem höchften Gotte beiden Perfern gemeihten
ſo berühmten nifäifchen Pferde Herod. VII. 40; Brissonii de
. Regio Persarum Principatu Argentor. 8. 1710. p. 363, 668), Die
- Han Kaufleute fainmelten die Saamen diefer 89 und
brachten fie mit nach China, Damals (vor dem J. 120 vor Chr.
Geb., fast Sfema tfien) fäcte der Himmels:Sohn, Kaifer
Wouti, zum erfien male die Mofo und Potao in China,
wozu er das paffende Erdreich auswählte. Da nun wirklich die
Race der Himmels-Pferde von Ta Wan in größerer Anzahl nach
China eingebracht wurde, fo waren Mofo und Potao, bie
man flets bei den Stationen, den ifolirten Staatsge—
9%&) Ssematsien b. Brossct1, e. II. p. 439: vergl. bie chineſ. Na⸗
turgeſchichte Pen thsao Kang mouKio. XXX. fol. 9 etc, in Noov.
Journ, Asiat, T. 1. p. 99,
%
.
638 Welt Afien. I. Abſchnitt. 9. 7.
bäuden und befeftigten Thürmen derfelben anzufäen
pflegte, von großem Nugen. — Dies wäre demnach die merke
wuͤrdige Periode, in welcher die Cultur des Weinſtocks und
des Kleebaues zugleich aus Central:Afien in China einwans
derten, wo es zuvor, nach der chinefifchen Naturgefchichte, dem
Penthſao, nur in Lungfi (d. i. Welt Schenfi, oder dem heutigen.
Kanſu) Trauben gegeben haben fol. Die Cultur der Rebe
auf diefer Wanderlinie, in Khotan, Kaſchghar, Tur—
fan und Hami, und von da nach Peking, ift uns aus früheren
bekannt (f. ob. ©. 345, 376, 435, 518 u. A.). Der Weinbau)
ift bis heute noch höchft ausgezeichnet in Weft-Turfeftan, der
urfprünglichen Heimath des Eöftlichften Iraubenfaftee., Moors
croft verfichert, dort gebe cs Wein in vielen Varietäten von
größter Güte; eine Sorte von rothen Trauben, dort gefeltert, ſey
dem beften Porto oder rothen Ermitage gleich; eine andere Sorte’
fen dem beften Burgunder gleich; die Shir Taf und andere Traus
ben geben den Defertwein, welcher nur dem Alicante, Malaga,
Lacrymae-Chriſti und Tokayer zu vergleichen fey.
Diefelben Karawanen, durch welche diefe und andere Pros
ducte aus dem Weften nach China famen, brachten aber noch
£eine von der Nace der Himmelspferde von TaWan
mit. Der Kaifer, der fie fehr huldreich empfing, befragte fie des
halb; ihre Antwort war: Die Pferde der Landes⸗-Raçe
der Ta Wan werden verborgen gehalten, zu Eulchi—
thing; man will fie den Kaufleuten nicht mitgeben.
Dem Kaifer, der ein großer Liebhaber diefer Pferde war, gefiel
diefer Befcheid fehr wohl; denn er befchloß nun durch eine eigene:
Embaſſade fich zu diefem Schage zu verhelfen.
Sm Zahre 104 vor Chr. Geb. fandte er”) feine Borfchafter
Tchangffe und Tcheling mit 1000 Goldſtuͤcken und dem
Bilde eines Pferdes aus Gold an den König von Ta Wan
(der hier immer nur Wan genannt ift), und begehrte von ihm
Pferde der Race von Eulchi (diefer Name kommt weder in
den Han: Annalen noch bei Matuanlin vor, fondern nur bei Sſe—
matfien; da die andern Quellen fie nur ftets die Himmelsz
pferde nennen. Merkwuͤrdig ift es, daß Mooreroft in neuefter
99°) Noorcroft Letters Jun. 1825. in Asiat. Journ. 1836. Vol. XXL
p- 713. 27) Ssematsien b, Brosset I, c. Il, p. 440.
Central: Alien, Ta Wan, Ferghana). 639
Zeit dieſen Pferden in Turkeſtan 8) ebenfalls den Vorrang vor
allen andern gab, uͤber deren Aufſuchung aber ſeinen Tod fand
¶. Nov. 1825).
Die Ta Wan fanden vieles an den chineſiſchen Anforde—⸗
zungen und ihren Waaren auszuſetzen; es fey viel zu weit zu
ihnen hin durch die Wüftenftriche bis zum Lop⸗See, wo Futter
und Wajfer für die Pferde fehlte, wo nur hie und da an eins
zelnen Orten Lebensmittel für Menfchen zu haben wären, wo
man von Räubern überfallen werde, wo von Hunderten die den
Weg dahin zurüclegten, kaum die Hälfte glüdlich durchfäme.
Eine zahlreiche Armee, dachten fie, koͤnne von China nicht bis zu
ihnen durchfommen, und die Pferde von Euldi dagegen,
welcher Schas fen dies; ihr Cigenthum, nur ihr Befis! Sie
ſchlugen daher der Faiferlichen Embaſſade es rund ab, fie auszus
Breieen. Diefe machte ihnen heftige Vorwürfe, forderte ihre 1000
Goldſtuͤcke und ihre goldenes Pferd zurück, und eilte davon; die
Ra Wan aber legten ihnen Hinterhalt fie zu tödten.
Droer erzuͤrnte Kaifer Wouti lieh fogleich ein Aufgebot von
6000 Mann Heiterei und einigen Taufenden anderer Krieger zur
Zuͤchtigung gegen die Ta Wan aufbrechen. Aber ein gewaltiger
Zug von Heufchreefen, der in demjelben Jahre aus dem Often
Fam, und in Tunhoang (am Eingang des Weftthörs Jumen, f.
Aſien 1. ©. 203) verheerend einfiel, und Hungersnoth brachte,
vereitelte die Unternehmung. . Den Kaifer erbitterte dies um fo
mehr, daß man ein fo Kleines Volk wie die Ta Wan nicht zum
Gehorſam bringen könne, zumal da die Tahia nun auch in dier
fen ſchnoͤden Ton der Verachtung mit einftimmen und die Hims
Beöpferde. von Sa Wan gänzlich ausbleiben würden. Indeß
ward im 5. 102 vor Chr. ©.) ein weit größerer Kriegszug
bereitet.
Es wurden 60,000 Krieger, 100,000 Pferde, 30,000 Efel
‚und Maulthiere zum Transport, und viele taufend Ochfen zufams
mengebracht. Das Heer, 30,000 Mann ftarf, rückte wirklich in
Ta Wan ein; die erſte Schladht an der Grenze verloren die
Ta Wan, die nun in ihre Stadt flohen. Yotching, oder die
Capitale Yo, der Ta Wan, hatte feine Brunnen; die Hydraulifer
9®) Moorcroft Leiter 15. Apr. 1824. in Asiat. Journ. XIX, p. 179;
def. Lettor 17. Aug. 1825. ib. XXI. p. 170 u, 0, D.
”°) Ssematsien b. Brosset I, o. II. p. 444 — 450.
‚die uns auch nicht bei, fo werden wir fchon der Hanz Armee ge⸗
640 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 9 7.
der Chineſen riethen daher der Stadt ihre Waſſerleitungen abzu⸗
fehneiden, und den Fluß gegen die Stadtmauern zu richten, um
diefe durch fein verändertes Bette zu zerftören. Dennoch wurde‘
auch die Stadt belagert, und fihon nach 4 Tagen waren die
Vorſtaͤdte erobert und zerftörtz die Großen der TaWan zogen‘
fih in das Innere der Stadt, um in ihrer Angft zu Rathe zu
gehen.
Der Kaifer der Han befriegt ung, fagten fie, weil König
Boumou (Mufu in den Han: Annalen nad) Dr. Schott) die
Nacen: Pferde verborgen hält und feine Gefandten erfchlagen
hat. Laßt uns Voumon toͤdten und die Pferde ausliefern, fo
werden fich die Chinefen zuruͤckziehen. Bleiben ſie, ſo haben auch
wir noch Zeit zum Sterben. — Dieſer Rath ward befolgt, Vou—
mou der Kopf abgeſchlagen (alſo nicht der Wittwe des Koͤnigs, wie
irrig bei Ab. Remuſat 1000) nach Matuanlin uͤberſetzt ift) und dem
General in das Lager der Han getragen, mit dem Vortrage: Hebe
die Belagerung auf, wie liefern die die Nasen: Pferde aus; du
wählft unter ihnen was dir beliebt; wir liefern dir Lebensmittel.
Hörft du nicht auf ung, fo tödten wir unfere Pferde bis auf die
legte Spur und Khangfin (Samarfand) fteht -uns bei. Stehen”
nug- Schaden anthun. Fafle nun deinen Entfchluß. — 4
Das Volk von Khangkiu hatte jeden Augenblick den Webers
fall der Han: Armee gefürchtet, angreifen wollte es nicht. Die
drei &inefifcben Feldherren, welche das Kriegscommando
führten, hatten Wind erhalten, daß Leute der Tfin (roͤmiſche
oder griechifche, Architecten), die Fürzlich in die Stadt eingeführte
waren, die Kunft verftänden Brunnen zu graben, und daß die
Stadt große Magazine von Lebensmitteln beſttze. Ihr Krieges
rath nahm daher die Propoſition an. Die Ta Wan lieferten die
Racçen-Pferde aus, zur Auswahl nach Gutduͤnken, fie lieferten
Lebensmittel in Ueberfluß.
Einige Dugende (eigentlich Zehner; denn uͤberall iſt im
Sinne des Decimalſyſtems die Beſtimmung gegeben) der rn
ften wurden auserwählt, und 3000 Stuten wie Hengfte von der
geringern Qualität. Dann erhoben fie einen Großen der Ta Wan,
Meitiai (Meithſai bei Matuanlin n. Ab. Remuſat, Mozai beit
|
J
J
ee
2000) Ah, Remusat Natice sur I. P, de Boukharie in Nour. Mel.
Asiat, I. p. 202.
SentralAfien, Ta Wan (Fergbana), 644
Schott), ein Trefflicher des Landes, der von jeher gegen die Han
wolgefinnt gemwefen war, auf den exrledigten Thron, und der Bluts
id wurde ihm abgenommen. Die Feindfeligfeiten hörten auf;
hne daß Ehinefen in die Stadt felbft eingedrungen
wären, zog die Armee, nachdem fie die Klee» Ernte und Wein,
leſe erſt mitgemacht hatte 2), ſich wieder zuruͤck. Viele andere
eine vorher rebellifchen Herrfchaften Echrten nach diefer Beſie—
gung der Ta Wan nun wieder zum Gehorfam zu den Han zus
rück. Zehntaufend ruhmbedeckte Krieger zogen triumphirend durch
das <hor son Jumen in ihre Heimath zurück, und Officiere wie
Soldaten wurden reichlich belohnt. Vier ganze Zahre hatte der
Kriegszug gedauert.
Abber fchon im folgenden Zahre (97 vor Chr. G.) war Meis
tiai als Schmeichler der Chinefen, dem man das Unglück von
a Wan zufchrieb, feinen Landsleuten verhaßt worden. Sie ers
mordeten ihn, um den Bruder des hingerichteten Voumou, den
in; Tihenfong (Tſchanfung b. Schott), auf den Thron
von Ta Wan zu feßen, der feinen Sohn 2) als Geifel den Han
übe jandte, und fi) anheiſchig machte, dem chinefifchen Hofe all
10 Sarawanen 16 Ta Wan, um deffen Eofibare Producte
und die der umliegenden, zumal der noch weftlihern Länder
zu erfpähen, einzufammeln, und deren Gelegenheit, Cima,
Volker u. ſ. w. genauer kennen zu lernen.
Seit dieſer Zeit datiren alſo auch die Berichte, die wir hier
Br noch mitzutheilen haben, und welche wir, gleich den voriz
gen, mit um fo größerer Zuverficht geben, da fie das Reſultat
forgfältigfter Vergleichungen find, die wir, aus fo ganz von eins
ander verfhiedenen Driginalquellen, anzuftellen glücs
licher Weife im Stande waren.
Die Uebereinfimmung von Boden, Klima, Producten in
Ta Wan, Tahia und Anfi ift im obigen fihon nach den
Hans Annalen angegeben. Zwar fegen diefelben an einer Stelle
hinzu, auch in Sitten; aber dies wird in einer folgenden doch
näher motivirt, und ganz daffelbe wiederholt was auch der fehr
genaue Sfematfien hierüber angiebt; Ungeachtet der Ders
1) Bei Matuanlin 1. e, II. D,202. 9 Y-- den Annalen der Dan
in Opissanie Dsbungaria etc, b, Schott Th. 1, Mer:
Ritter Erdkunde VII. Sf
—⸗—
642 Weſt⸗Aſien. I. Abſchnitt. 7.
ſchiedenheit der Sprachen ) (Dr. Schott uͤberſetzt mol durd
Mundartentrichtiger, wenn wir uns unter jenen eBälfern. od
wol Sprachverwandte zu denfen haben) in den Ländern zwifchen er
Ta Wan und Anfi, bemerkt er, fen doch in Sitten f
viel Achnlichkeit, und fie verftehen fich gegenfeitig. 2
diefe Wölker haben tiefliegende Augen, fehr ftarfen Bart ur
Schnurbart, find trefflihe Handelsleute, verftehen fich auf di
geringften Preife der Waaren. Sie zeigen den größten Reſpe
vor den Frauen (alfo wie in Shotan, f. ob. ©. 363, ganz gege
die fonft gewöhnliche orientalifche Sitte); der Mann thut feine
Frau Alles zu Willen. Aber in diefem Lande giebt es fe
Seide (fehr merkwürdig, da eben Fershana fpäterhin zum 6
rühmteften Sande der Seidenzucht wird) und Feinen Firniß
fie verftehen das Metallgiegen der Münzen (?) nicht (nach Broſſet
Ueberſetzung). Cinige Gefchäftsfeute der Han Negenten, die fi
zu ihnen geflüchtet hatten, und einheimifch bei ihnen geworde
waren, lehrten fie das Schmelzen ihrer Metalle, f
tigten ihnen ihre Waffen, und da die gelben und weißen Me
talle der Han dafelbit ci befannt waren, fo fertigen. ji
daraus auch Gefäße. — Hier weichen die Hans Annalen, nac
Dr. Schotts Ueberſetzung, aus dem Nuffifchen bei Pat. Hye
finth bedeutend ab, indem fie ſagen: Sie willen Seide un
Lack zu bereiten, aber das Schmelzen der Metalle war ihne
‚unbekannt. Nachdem fie durch chinefifche Gefandte und Lieber
fäufer des Chinefenz Heeres mit der letztern Kunft befannt ge
macht worden, bezogen fie Gold und Silber aus China u
machten aus diefen Metallen Geräthichaften, aber feine Geld
ſt uͤcke. (Statt dieſer letztern Phrafe, die bei Broffet ſchon fl
her überfegt feheint, fteht an dieſer Stelle das für die Metall
unverftändliche „‚ınais on ne s’en servit pas pour * —— 4
Bross. 1. c. p. 439), *
Ueber die Nace „der Himmelspferde von Sala
fagen die Annalen der Han, fie fenen fehr fhönz die Ta W
ſelbſt behaupten diefe „blutſchwitzen den Pferde“ ftamı
von „himmlifchen Roffen” her. Auf einem fehr hohen Be
des Landes, fert eine Gloſſe zum chinefifchen Zert' der Annale
hinzu, gebe es Pferde, die man nicht einfangen Fönne, $
3) Ssematsien b, Brosset l. e. II, p. 439; vergl, ‚Matuanlin b, Ab
Remusat Not. in Mel. Asiat, I. p. 202. u
Central⸗ Aſien, Ta Wan Ferghana). 643
bringe Stuten von allerlei Farben zum Fuße des Berges (ob dies
der Eulchi?), und dieſe werfen dann blutſchwitzende Füllen. Das
er nenne man fie „Himmels-Roſſe,“ dann wiederholen fie
nur das früher fhon Gefagte. Diefelbe Erklärung von dem ho:
ben Berge, auf dejien Gipfel ein Pferd wohne, dag man nicht
bändigen koͤnne (follte es etwa das Eühne, flüchtige, wilde
Dferd, Kiang, feyn, das Mooreroft in den Gebirgshöhen in
Rudeln zu 12 Stücd, nordwärts von Ladakh, Eennen lernte? Afien
I. ©. 562, 619), hat-Matuanlin zur Erfiärung der Abftammung
er blutfchwigenden Pferde in feiner hiftorifchen Bibliothek wies
lt N.
Aber auch an einem andern orte wird, ſowol in Matuan—
n8 Encyclopaͤdie, wie in den Sammlungen feines Vorgängers
une aus der Zeit der Ihang-Dynaftie, in dem Artikel
„zofhareftan (Touholo)5),” den Ab. Nemufat und Neu:
mann vollftändig Rpsient haben, von den blutſchwitzenden
Dferden gefprochen. Zn diefem Lande (am obern Orus) ift
in Berg Doli (06 Polu? DBolor: Gebirge, f. 06. ©. 497),
auf deſſen rechter Seite (d. i. gegen Sud) ift eine Höhle, darin
ein göttliches Wunderpferd. Dahin bringen die Candeseinwohner
pre Stuten an den Fuß des Berges auf die Weide; aus der
Bermifhung werden die, Pferde geboren, Eu genanfit, welche
Blut fhwigen. Dies fcheint demnach), jenen Nebenumftand abs
erechnet, da vielleicht" eine Art heidniſcher Verehrung damit ver-
unden geweſen, für eine Vermifchung mit den noch ungebändigs
wilden Befchälern der, Kiang zu fprechen, in dem felöft der
e Ku, oder Kü, noch) einen Anklang haben mag.
Bmerkenswerch iſt es gewiß, daß fortwährend %) und noch
Bis in die neuefte Zeit in derſelben Localität von diefen Pferden
in den chinefifchen Annalen nämlich felöft unter den Mantfchus
Kaifern die Rede ift. In der kaiſerlichen Neichsgeographie, Edit,
Peking 17907), fteht in der Befcpreibung von Khokhan (Khao:
fand, d. i. Bee Unter den Gefchenten von Khokhan
—
—* Wen hian thoung khao- Liv. CCOXXXVII. p- 13 b. Ab. Remusat
7 Non. Mel. Asiat. Ts: p.200. °) Ab. Remusat I. c. I. p. 245;
C. 5. Neumann, Ueber ‚Perjien, Thabariftan und Tochareſtan nad)
ine ifchen Quellen, in Afiat. Studien. Leipzig 1837. ©. 180,
ec Matuanlin b, Ab. Remusat 1 e. Nouv. Mel. Asiat, J. p. 203.
in Thai PR E tschi Ed. 1790. in Magas. Asiat, I. p. 87.
L Sf2
4
644 Werts Afien, I Abſchnitt. $. 7.
an den SKaifer SKhienlong waren „Pferde welche Blut
ſchwitzen,“ fie werden hier „Argamak“ genannt, es find
ſchoͤne Tigerpferde von größter Schnelle; mit ihnen kamen große
Adler und weiße Falken zur Jagd. —
Der Name Ta Wan (Groß: Ban), der von der Zeit el
erften Entdeckung vor Chr. Geb. bis in das V. Jahrhundert na
Ehr. Geb. herrfchend blieb, ward, im VII. Jahrh., unter den D
naftien der Soui und Ihang, in Phohan (au Pholo) und
Pahan umgeändert, daraus das Königreich Fahanna wird,
in welchem der einheimifche mohammedanifch gewordene Name
des fo berühmten Ferghana, zur Glanzjeit der Timuriden,
nicht zu verkennen ift. Diefe Synonymie 8) giebt die hinefifche
Heichsgeograpie Ed. 1790, und deckt dadurch den Irrthum Mas
tuanlins in feiner hifforifchen Bibliothef auf, der nach dem
Sande Ta Wan, in einem darauf folgenden Kapitel das Könige
reich Fahanna), alfo daffelbe Land, zweimal als verfchieden
befchreibt, indem er von diefem legtern nur die fpätern Machriche
ten der Weis, Tſin- und Thang-Dynaſtien mittheilk
Diefe find dadurch merkwürdig, daß mir daraus einige character
riftifche Schilderungen der Sitten der Ta Wan, fo wie die erfl
Spur eines Wechfels (im J. 627 n. Chr. ©.) ihrer Herrfchaft,
nämlich die Bedrängung der antifen Ta Ban iz
Herodots und Xrrians, Dahae, die fpätern dort angefiedelten Ia-
zo, Sacae bei Ptolem.) durch die fpäter vorherrfchend werd
den Turkſtaͤmme in Weft-Turfeftan, mit denen dafel
die Araber in Kampf freten, Eennen lernen. Bis auf diefe
blieben die dort einheimifchen Ta Wan, auch als Bewohner Fa
hannas, den Chinefen ergeben, wie fi) aus Folgenden ergiebt?
Diefes Fahanna, fagt Matouanlins hiftorifche Bibliothek
hatte zur Zeit der Wei-Dynaſtie 5 große Städte und an 100
Kleinere. Die Gefchichte der Han gab dem Lande Ta Wan %
große und Eleine Städte, von denen Koueifchan als die größke
genannt wird, deren Beſtimmung uns nicht näher nachweist
ift, ftatt welcher aber, feit 398— 588, Sifian im Norden von
Tſchintſchou zur Capitale erhoben ward. Der vollftändigere Mam
jener alten Reſidenz Koueiwangſchan, d. h. „Berg des
edeln Königs,” ift wahrfcheinlich eine Sauhitäfepreibung ‚einei
) Thai thsing y thoung tschi I. c. p. Sl. oe) Matuanlin b. Ab. Re
musat 1, c. Nouy. Mel. Asiat, T. I. p. 203 — 205.
Bi
Central⸗Afien, Ta Wan (Fergbane), 645
antiken perfifchen oder fanskritifchen, vielleicht Zendnamens. Daß
zu Eon Haufals Zeit AEhfi, und unter Sultan Baber Andeds
jan die Kefidenzen von Ferghana waren, wird ſich weiter unten
ergeben. Jenem Fahanna liegt 50 geogr. M. gegen Off (1000 $i)
Eule (Kaſchghar); und 100 geogr. M. gegen N.D. das Lager
des Khans der Turk (Hoeihe); 25 geogr. M. in N.W. liegt Chi,
Shaſch (d. i. Tafchfent), 75 geogr. M. (1500 Li) gegen Sud
Sou toui cha na (Osruſchanah), woraus die Loralität des heutigen
Khofand wol nicht mehr zweifelhaft ſeyn kann.
Die Landesbewohner erreichen ein fehr hohes Alter, Ihr Koͤ⸗
nig iſt von der Familie der Tſchaowou (f. 06. ©. 610); er
‚bat ven Titel Alithfi. Seine Capitale hat 4 Li ins Gevierte
und mehrere taufend Soldaten. Seine Gemahlin trägt einen
Kopfſchmuck von Gold mit Blumen geziert. Der König fist auf
‚einem Bette von Gold in Geftalt eines Widders (eine Art Sopha,
wie der Thron der Perfer und Türk, ob ein gofdenes Vließ?).
Das Land giebt Zinnober, Gold, Eifen. Während der
eis und Sfin- Dynaftien (2655 —534 n. Chr. ©.) fand bei ih:
zen Königen eine ununterbrochene Succeffion derfelben Herrfchaft
Statt. Unter den Soui, in den J. 605— 616, ſchickten fie Iris
but; im Anfang der Ihang, im J. 64? ward ihr König Khipi
son einem Fürften der weftlihben Thoufhiu!%), d. i. der
Turk (er wird Affena Ehuni, wol Khan, genannt, der feis
nen Eis in Sikian auffchlägt), getödtet, und deſſen Sohn
Opotchi ſchlug feine Refidenz in der Stadt Khofe (Hofe) auf,
die im 5. 658 zum Hauptort der Provinz Hieoufiun (Sius
fiun, f. ob. S. 420 und 575) erhoben ward. Es ift intereffant
dieſen Chinefenbericht durch Abulfedas moslemifche Annalen bez
ſtaͤtigt zu fehen, der zu dem Sahre 642 die Bemerkung macht,
daß damals der legte der Saſſaniden Könige Jezdedjerd, aus
Khorafan gänzlich vertrieben, feine Zuflucht in Ferghana 4)
geſucht habe, unter dem Schuß der Turk, von wo er, oder viels
mehr fein Sohn Phiruz, demnach, wie Mirkhond fagt, fih nach
Tokhareſtan (f. ob. ©. 580), d. h. unter chinefifchen Schuß begeben
mochte. Seitdem zahlte jener, offenbar aus feiner alten Nefidenz
nun verdrängte König der Ta Wan, der fich in das mehr gefchügte
I
; 1°) Matuanlin a, a, ©. b. Remusat und Thai thsing y thoung tschi
1. c. p. 86. 12) Abulfedae Annales Moslemici ed. Reiske. Lips.
1754. 4. p. 74.
646. Welt Afien. I. Abſchnitt. $. 7.
Gebirgsland Siufiun vor den Turk zurückziehen mußte, wo
er den Chinefens Titel Toutou, d, i. chinefifcher Gouverneur,
oder Friedensrichter erhielt, jährlich feinen Tribut an China; denn
nur von da fonnte er Schuß erwarten. So wird nun unter den
Thang diefer Heine Staat, ftatt jenes größern, immer noch als
daffelbe Meich aufgeführt, wenn feine gefchmwächten Neguli gleich
andere Titel und Würden erhalten, die eben ihre Abfchwächung
und Abhängigkeit beurfunden, bis zu dem Jahre 754, wo die
Annalen ganz von ihnen — unſtreitig weil ſimen die
Mohammedaner mit der Obergewalt oder dem Beiſtande einzel⸗
ner Turkkrieger ſich ſeiner ganz bemeiſtern. In dieſem einen
Beiſpiele, das uns klar in ſeiner Metamorphoſe vor Augen
liegt, ſehen wir nun auf eine belehrende Weiſe das Schickſal vie⸗
ler andern dortigen Reiche und ihrer Gliederungen, Abſpaltungen,
Verdraͤngungen, Umwandlungen, Namenwechſel, Dynaſtienwech⸗
ſel, Ortswechſel, wie wir fie nicht überall gleich beſtimmt nachzu⸗
weiſen im Stande find; eine auf dieſem Felde unſerer Unterſu—
chungen doch ja zu beachtende wie an vielen andern Stellen aͤhn—
lich gelegentlich eingeftreute Bemerkung, um unfer vielleicht Mans
chem in einzelnen Theilen zu fühn und zu neu, nicht genau be⸗
gruͤndet ſcheinendes Verfahren in der Anordnung der ethnos
‚grapbifchen Verhältniffe auf feinen richtigen Stands
punct zu fiellen, in wie weit es gültig ſeyn kann, und zugleich
die Hauptpuncte, fo weit cs hier möglich, zu rechtfertigen.
Wir fiigen deshalb auch noch fegleich die wenigen Daten der
Ihang: Annalen überdiefes veränderte Fahanna mit der neuen
Königsrefidenz Khofe bei (vielleicht Ofch, das gegen den Paß
in das innere Gebirgsland gelegen if, f. 0b. ©. 482, 486), des
ren fpecielle Lage wir nicht näher nachweifen können,
Der König von Hieoufiun (Siufiun) ward im J. 739
n. Chr. G. wegen feiner den Chinefen geleifteten‘Dienfte Koͤ—
nig der refpectvollen Bekehrung“ genannt;, fein Reich
erhielt im J. 744 den Titel Ningyuan (d.h. „ferner Fries,
den’); dem König Teon ward fogar die Qualität eines Prin⸗
zen vom Gebluͤt des Kaiſerhauſes beigelegt, und eine Palaſt⸗
dame, zum Rang einer chinefifchen Prinzeffin erhöht, ihm zur
Gemahlin uͤberſandt. Im Jahre 754 fchickte der König des Lan: |
des, den die chinefifchen Annalen Tchoungtfi Cd. h. gerecht
und treu) nennen, feinen Sohn Sieifou an den Kaiferhof,
mit der Bitte um Erlaubniß bei Hofe zu bleiben, um fih in
Central⸗Aſien, Tſao (Dsrufchnab), 647
inefifcher Sitte und Willenfchaft zu infteuiren. Diefe Gunft
ard ihın gewährt, und der Titel General der erften Claffe verz
en; die Treue diefes Prinzen im Dienfte der Ihang wird fehr
im. er ſcheint fein Keich nicht wieder erhalten zu haben,
8 wahrfcheinlich durch die allgemeine Fluth der mohammedanis
schen Araber und Turk verfchlungen ward. Wenigftens ſchwei—
| gen von demfelben die Ihang-Annalen. Daffelbe Schieffal wird
dieſe legten Sprößlinge der alten Ta Wan; Fürften von Fahanna
offen haben, wie dasjenige, welches die- legten Sproſſen der
Eafaniven bei Chinefen in Vergeffenheit brachte (f. ob. ©. 645).
Bon dem mohanımedanifch gewordenen Ferghana unter den Turf,
Zimuriden, Sultan Babur und ſeinem heutigen Zuſtande als
Khokand unter den Usbeken kann erſt weiter unten die Rede feyn,
— Tſao (auch Si Tſao, d. i. Weſt-Tſao), Sou toui⸗
cha na (Sutruſchnah, ſpaͤter Osruſchnah). Auch
Si Tſao genannt, wahrſcheinlich um es von Khangkiu oder
Samarkand zu unterſcheiden, mit dem es auch zu Zeiten zu⸗
> fammengehörig genannt wird (f. ob. ©. 570).
Wie Ferghana nur einen Iheil des wahrfcheinlich. einft grös
Bern. TaWan(Wan, oder in alter Zeit Wen, mit dem Zur
ſatz Zn". d. i. groß genannt), und Hieoufiun wiederum nur
eine Provinz von jenem ausmacht, fo ift es auch mit dem Kös
nigreih Tfao (oder Thſao) 22). Dies wird in den älteften Zeis
ten der Han noch keineswegs als ein für ſich beftehendes. aufgez
führt, fondern ausdrücklich bemerkt, daß es exrft feit der Soui—
Dynaſtie, der e8 Tribut zahlt, alfo Ende des VI. Zahrhunderts
als folches befannt wird, obgleich es auf dem Wege des General
Sſchangkian lag, ale er von Ta Wan zu den Yueti ging, es heißt
der Gebirgsgau zwiſchen Khodjend und Samarkand, nach der aͤl⸗
tern richtigern Bezeichnung der Araber Sutruſchnah, welches
die chineſiſche Umſchreibung ganz genau in Soufouidana
wiedergiebt, woraus durch Iräffe Verftümmelung erft das neuere
Ssruſchnah geworden iſt. Da aber dieſes Tſao doch auch
ſchon in der Beſchreibung von Khangkiu (Samarkand), als
eins der.9 Koͤnigreiche der berühmten Familie der Tſcha o wou
12) Matouanlin b. Ab, Remusat Notice etc. in Nouv. Mel, Asiat.
2 1. BR 235— 237; Thai thsing y thoung tschi 1. c, Mag. As,
648 Weſt-Aſien. IL Abſchnitt. 9 7,
mit aufgeführt wird: fo folgt daraus, daß es allerdings zu dem
antiken Befisungen der Urfaffen, in der vor-yuetiſchen
Cinwanderung aehört, worauf auch das Eigenthuͤmlich
führt, das aus der folgenden Befchreibung, die und Matuan⸗
lin erhalten hat, hervorgeht.
Tſao iſt eine alte Stadt, abhaͤngig von Khangkiu; ſie hat |
feinen befondern Fuͤrſten; fondern der König von Khangkiu ſetzte
dort feinen Sohn Niaokian zum Regenten ein, der 1000 Mann
Truppen unter feinem Commando hat. Die Lage, Feine volle
8 geogr. Meifen (100 Li) fern gegen N.O. von Khang (Samats
fond), ift hierdurch genau genug beſtimmt.
Der dftlihe Theil des Landes Tfao heißt auch Tous
ſoucha na (Soutonuidhana, Kieipoutfiouna und
Soutou bi na), alles nur verfchiedene Verfuche der Chinefen,
den ihnen zu barbarifch Elingenden, einheimifchen Namen Os—
ruſchnah bei Abulfeda, NaffirEddin und Ulug Beig®),
oder vielmehr richtiger Sutrufchnah, wovon jenes nur eine
Verſtuͤmmelung 9) ift (Setruſhtch bei Ebn Haufal Orient.‘
Geogr. p- 261), in ihrer Sprache und Schrift wieder zu geben,
Diefer öftliche Theil liegt im Norden des Berges Pofi, wo man
Verſchanzungen und Graben eines Chinefen s Heeres zeigt, das in
den Zeiten der Han bis hierher einen graufamen Tſchenyu der
Hiongnu verfolgte, der fih nach Khang (Samarkand) geflüchtet
hatte. Bon hier gegen Sud find 25 geogr. Meilen (500 Li) bie
Tokhareſtan (dies würde die heutige Landſchaft Hiſſar in M.W.
von Badakhſchan genau bezeichnen), das alfo fich an das Mords
ufer des obern Orus ausbreitet (f. unten). Daß eben dort ein
Stamın der Metha (verfchieden von den Yueti) nur noch) 50
geogr. Meil. weiter (1500 Li von Ogruſchnah) als den Tocharen⸗
ſtaͤmmen benachbart fih ausbreitet, wird aus dem Folgenden herz
vorgehen. Hier bemerken wir dies nur, weil in jenee Ferne von
25 geogr. Meilen füdwärts gegen Tokhareftan gefagt wird: Da
fehe man die Stadt Yetcha (nicht Metha), die einen Commans
danten habe. Dafelbft opfere man jährlich zweimal einer Höhle
gegenüber, aus welcher Rauch hervorgehe; der erfte den dieſer
Rauch oder Dunft treffe fey des Todes. Ob eine Mofette? ob
dies eben das Opfer war? -
13) Hudsen Geogr. Min. T. Il. a, p- 6%, b. p. 113, 143,
*) Zergt. Klaproth Mag. Asiat. L c. I. p. 120,
I
Sentral-Ajten, Tſao Osruſchnah). 649
Sm Lande Thfao iſt ein Gott, Tefl (wie Zeus, Deus) ges
nannt, den alle Einwohner der benachbarten Königreiche anbeten,
bis zu dem Weſtmeere hin. Er wird als eine Statue von Gold
von Dholofouo (06 Balk?) abgebildet, die 15 Fuß hoc) ift, fehe
wohlgeftalt von oben bis unten. Jeden Mond opfert man ders
felben 5 Kameele, 10 Dferde, 100 Hammel. Mehrere taufend
Menfchen leben vorn: Fleifch diefer Opfer, ohne fie ganz aufzuzchs
sen. Dies blutige Opfer von weder indifcher noch perfifcher Art,
iſt wol dort einheimifcher alter Gößendienft, nach alter Maflages
ten und Skythen Art, von dem wir hier die erſte Erwähnung
finden,
In den Jahren 615 — 626 ſchickte Ifao im Verein mit
Khang (Samarfand) einen Geſandten nach China, der feine Ans
rede bei Hofe folgendermaßen begann! Man zählt mich zu den
‚Zapfern meines Volks; als man die himmlifchen Ihaten des Kats
ſers der Ifin (Chinas) erfuhr, wollte man, daß ich unter feinen
Fahnen dienen follte. — Diefe Worte, heißt es, age dem "
Kaiſer fehr.
Mun wird noch von einem weftlichen und von einem
mittlern Tfao folgendes ausgefagt. Das wefliche Tfao
ift feit den Zeiten der Soni bekannt, es grenzt gegen Süden an
Sſe kipo lan (wol Sſe, Se, der Heft der Sat, Safen, we
das Eiferne Thor; f. unien); feine Kapitale iſt Seti hen. Gew
gen MD. in der Stadt Youeijuti (unbekannt? Ab. Remuſat
vermuthet, daß in dieſem Abfıhnitt des Wen hian thoung khao,
dem diefe- Daten enttommen find, manche verderbte Namen vors
kommen) ift cin Tempel des Gottes Tefi, dem die Einwohner
Opfer bringen. Es ift dafeldft eine Vaſe aus Gold und Mur
ſcheln, — ihnen einft ein Kaifer der Hans Dynaftie verehrt
haben fol. Im Jahre 742 ſchickte der König Ko lo pou lo von
Tſao einen Seibnr von Sandesproducten an den Kaiferhof, und
‚erhielt dafür den Titel Honite (d. h. Tugend im Herzen). Er
zeigte an, daß feine Vorfahren ftets dem himmlifhen Kaifer zum
gethan geweſen, und daß auch er wuͤnſche mit ihnen in gutem
- Einverftändniß zu leben, und den Sohn des Himmels in allen
- feinen Unternehmungen zu unterftügen. Im Jahre 752. riefen
die Könige des üftlihen Tfao und der Aſi den Kaifer Hiouans
| foung um Hülfe gegen die Tachi mit ſchwarzer Tracht
(d. i. die Abaffiden der Araber), was jedoch in Gnaden abges
- Schlagen wurde. Seitdem fehweigt die Gefchichte von ihnen. —
: 650 Weſt-Afien. I Abfchnitt. 6. 7.
Das mittlere Tſao, eine beſondere Abtheilung, llegt im
Oſten des Weſtlichen und im Norden von Khang (Samarkand);
feine Saptale ift Kiatitchin, und feine Bewohner ſind groß von
Körperbau und fehr £riegerifch gefinnt.
3. Die neun Eleinern Königreiche der berühmten
Tſchaowu Herrfcherfamilie, der frühern Urfaffen
oder vielmehr nur älteften Cingewanderten,
Khangkiu (Sogdiana) oder Khang (die Stadt Samars,
fand), von welchem weiter unten insbefondere die Rede ift, wird
als das Haupt gefchildert, von welchem 9 Eleinere Königreiche abe
hängig waren, die aber insgefammt von Prinzen aus der Fas
milie der Tſchao won (Chao wou) beherrfcht wurden, Als
folche werden aufgezählt, außer 1) Tſao: 2) Ho; 3) Mi;
4) Sfe (Szu b. Klapr.); 5) An (Ngan b. Klapr.); 6) Kleine
An (Ngan); T) Nafepho Machepho b. Klapr.); 8) Qunao
(Ounako b. Klapr.); 9) Mou.
Don diefer Föniglihen Familie fagen die hinefifchen |
Annaliften 1%), daß diefe Tſchaowu in früherer Zeit au Wen
hießen (f. ob. ©. 608, 610; alfo wie die TaWan, die großen
Wan, die auh Wen geheißen haben follen), daß fie aber den
erftern Namen erhielten, weil fie die Stadt Tſchao wou bes
wohnt ‚hätten, welche in der Gebirgsfette Kilian-Schan’ lag,
dem hohen Schneegebirge (ſ. Alien I ©. 187), am großen, öftlis
chen Ihore der WVölfereingänge. Ferner, daß auch fie, von den
Hiongnu einft verdrängt, gegen Weſt zogen und fih Sog dia⸗
na's bemächtigten, wo ihre Stämme mit denen der nahrüdens
den Yueti vermifcht wurden. - Zu Ehren ihrer Heimath hätten:
fie ih Tſchaowu (was die alten Perferautoren, nach Ab. Nez
mufat 17) ad Schaweh Schah wiedergeben follen; Shave
ift allerdings, nach dem Bundehefch e. IX. b. Kleuker III. p. 72,
der öftlichfte Kefchvar) genannt, was die Chinefen durch „ruhms
voller Held“ erklären (wie das perfiiche Pehlvan). Gene 9
Heihe der Tſchaowu, die ihre berühmte Königsfamilie bes
15) Annalen der Han, in Opissanie Dshungharia etc. v. Pat. Hya—⸗
Einth l. c. n. Dr. Schott Th. I. Mfer.; ” Matouanlin b, Ab. Be
imusat in Nouv. Mel. Asiat. T.I. p. 227 etc.; Tbaithsing y thoung
tschi, Ed. 1790, 1, c. in Magas. Asiat. T. L p- 10# ete.
t*) Klaproth I. c. Magas. Asiat. T. I. p.106 ccf, Not... > !
7) Ab Remusat Nour. Mel. Asiat, L “ 227.
Central⸗Aſien, die 9 Tſchaowu Herrſchaften. 651
| — hatten Khangkiu zu ihrem Mittelpunct, von welchem
le 9 abhängig waren. Diefelbe Erzählung wird auch noch in
den Annalen der Thang wiederholt, und gefagt: „Diefe Bes
mwohner von Khangkiu hatten große Augen und vors
| fpringende Nafen (d. i. Kaopi). —
Hiernach fcheinen diefe Tfchaowon, welche von den Yueti
als Urſaſſen vorgefunden und auch als ſolche von den chinefifchen
Autoren unterfchieven werden, doch nur ältere Cingewans
derte, und wenn auch nicht eben Völker, doch weitverbreitete,
ruhmvolle Herrfchergefchlechter gewefen zu ſeyn, die zu den Zeiten
Cyrus und Herodots wenige hundert Jahre früher wol als maſ⸗
agetifche Fürften (großzgetifchen Stammes) gedacht werden
Fönnten, welche an der Spise der Völfermaffe fogenannter
af iatifcher (unftreitig ihnen gleichfalls verwandter und feit Als
teſter Zeit weit gegen den Caspiſchen See reichender) Skythen
ſtanden. Diefe werden, als Turanier, manche feindliche Be
uͤhrungen mit den Jraniern erlebt haben, ehe noch ihre muth—
maßlichen, obwol doch wieder von ihnen politifch und chronolos
iſch verſchiedenen Stammesverwandten, die Yueti Getae, wie
etwa die Oft» Gothen gegen die Weft-Gothen) ihnen, nad) der
Mitt des I. Jahrh. vor Chr. G., in diefelben fogdianifchen Sige
nachruͤckten, die von ihnen früher eingenommen waren. Nehmen
wir dieſe, wie es uns ſcheint einfache, und den, freilich oͤfter
iemlich unausreichenden Daten ſowol der Chineſen, wie der weft,
ichern Ueberlieferungen nicht ungemaͤße Erklaͤrungsweiſe dies
ſer Voͤlkerverhaͤltniſſe, Als die unſerer jetzigen Einſicht nach wahr:
ſcheinlichſte an: fo ordnet fi) dadurch wenigſtens die bit
jetzt blos nad) den Original-⸗Quellen wiedergegebene, ſehr ver
wirrte, compilatorifhe Darftellung zu einem in ihre
Hauptmaffen zufammenhängenden Ganzen. Es füg
fi zu einem Syſteme der innerafiatifchen Völferwanderung, it
dem man freilich immer noch mehr Schatten als Lichtfeiten au
"finden wird, was aber noch weniger als bei der enge
der europäifchen Völkerwanderung in Verwunderung fesen Ffank.
Vor allem ift. hier, vorläufig, der merkwürdige Punct noch feft zu
halten, daß in Weſt-Turkeſtan, in dieſer antiken Periode noch
2 feine turfifhe Dopulation vorhanden war, oder wenn
auch fchen ein Thuholo oder Tochareftan am Suͤdweſt—
abhange des Bolor exiſtirte, doch diefes noch fein Turfeftan
war, nur mit feinen eigenthümlichen Stammesgliedern auf viel
1
652 Weſt⸗Aſien. 1. Abſchnitt. 6. 7.
engere Gebirgsgaue eingeſchraͤnkt bleibt, und eigentliche Turk⸗
Population erſt ſeit dem VI. Jahrhundert, auf dieſem
Boden Transoxianas zu einer allgemein verbreiteten vor
berrichenden werden kann. En
Der Sitz des Hauptes der Tſchaowu Familie war, nach
Uebereinftimmung der chinefifchen Annalen der ältern Zeiten die
Stadt Alouty!Y), am Ufer des Sapao⸗Fluſſesz di
Khang (Samarfand), als die Eapitale von Khangkiu;
wovon weiter unten die Rede feyn wird. Dort waren auch zwei
Dicefönige, beide von Föniglichem Gebluͤte der Tſchaowu; der eine
zur Rechten, der andere zur Linken. Don diefem Khangkiu—
waren insgefammt jene 9 Königreiche abhängig, deren genauere
Drientirungen an den angegcbenen Stellen nachzufehen find.
Da fie alle nur in geringen Entfernungen von Khang, aber, nach
verfihiedenen Weltgegenden zumal aber gen Süden hin zerfireut
liegen, fo find fie im damaligen Zuftande nur als Theile des cenzs
‚tralen Sogdianas zu betrachten. Ab. Remufat hat ihre Nas
men mit folgenden befannteren Diftrieten zu identificiren)
verfucht. Mi ift Meimarg, Thſao ift Osruſchnah, An ift Aſi,
desgleichen die Eleinen Anz Naſepho ift Nakhfcheb. Die
Sſe, die wir ſchon oben nachgewiefen haben, die Qunao und
Mou (er meint Meru) läßt er unbeftimmt. Alle diefe Herrs
ſchaften waren fich ihres gemeinfamen Urfprungs, ihrer fürftlichen
Genealogie, bis in fpäte Zeit bewußt geblieben. Hier nur Eine
zelnes von diefen aus Matuanlins bhiftorifcher Bibliothek, da
in den gleichzeitigen Han: Annalen noch eine Lnterfcheidung des
Reiches Khaͤngkiu von diefen untergeordneten Staaten gemacht
wird. Doc finden wir bei Sfematfien (100 J. v. Chr. ©.)
einen Ausdrucd, der es wahrfcheinlicy macht, daß diefe 9 Könige
reiche gleihfam aus Grenzmarfen entftanden ſeyn mögen. ,
Diefer Hiftoriker fagt %) nämlih: Khangkiu (Samarfand)
grenzt an Ta Wan; Eleine Königreiche im Süden ſchuͤtzen
die Khangkiu vor den Ta Yueti, im Dften vor den Hiongnu. —
Außer den Tfao folgen nun als Tſchaowou-Dynaſtien: J
1) Ho2) (Khor b. Edriſi, vergl. ob. ©. 527 Mrs VI).
nur 150 Li (7 geogr. M.) in Welt von Sſa⸗ Dsrufhnah); aber
12) Magas. Asiat. I, p. 104 — 107. ap) Matonanlin b. Ab. Re
musat Nouv. Mel. Asiat, I. p. 227.- 20) Sseki de Ssematsien
b. Brosset in N. Journ. Asiat. T. II, p. 423. ?z2) Matonanlin
l. e. I. p. 237. - |
Central⸗ Aſien, die 9 Tſchaowu Herrfchaften. 653
deſſen Capitale im Süden des Namy⸗Hluſſes (den Klaproth
den Zerufſchan oder Sogd hält) gelegen Im Welten
von ihr bis zum Lande der Aſi find nur 300 % (15 geogr. M.),
e König hat 1000 Mann Truppen; die Sitten der Cinwohr
ner find diefelben wie in Khangkiu; der König ift ein Verwandter
der Khang. Auf di: nördlichen Wand eines Sommerhaufes
feines Palaſtes fieht man die Portraits der Kaifer von China
abgebildet, auf der weftlihen Wand die der Fulin (byzantis
nifches Reich, ob. ©. 540); auf der öftlichen die der Fürften
der Ihukin und Hindu. Ho zahlte unter den Soui, in den
Sahren 605— 616 (aus welcher Zeit Matuanlin wol.jene Notiz
mittheilt) Tribut, und fchiekte auch im J. 641 eine Embaffade
nad) China. 650— 655 erboten fie fich zu Proviantleiftungen für
ein chinefifches Heer, das im Welten operiven würde (wol gegen
die Araber), und dafürerhielt der König den Titel als Richter.
3) Mi2), das Land der Mimo (Meimarg, f. 0b. ©. 573
Nr. X), im Welten des Fluffes Namy gelegen, hatte feinen Rs
nig, fondern nur einen Prinzen der Tſchaowu, Pitſchue titulirt,
zum Vorſtande. Es find 200 Li gegen S.W, bis zu den Sfe.
"4 Sfe (oder Szü, Sai, ein Keft der Safas, Safen 2); ı
wo jest Subz oder Cheri Subz, d.i. die Grüne Stadt, früs
her Kefch zur Zeit der Timuriden, das Eiferne Thor) liegt 10 Li
im Süden des Fluffes Toumu (d. i. der Fluß von Kardi).
Der König ift von der Familie der Tſchaowou, dem Khangkiu
verwandt, hat Uber 1000 Soldaten. Die Sitten gleichen denen _
von Khangkiu, das 230 Li (feine 12 geogr, Meilen) in Nordwe—
ften entfernt liegt (wodurch die Ydentität mit dem heutigen Subz
vollfommen beftimmt ift). Sie zahlten Tribut unter der Soui⸗
aftie, wurden dann, mächtiger; zu ihrer Capitale, deren antis
fer Name Suhiai, fpäter Thhou ang kian kiſſe titulirt,
‚gehörten 1000 Li Gebiet, fie hatte 20,000 Familien zu Bewoh—
nern. Hier iſt das „Eiferne Thor“ (ein Paß, der in der Ges
ſchichte der Timuriden ſo beruͤhmt wird), mit unerſteiglichen Ge⸗
birgen zur Rechten und zur Linken. Die Felſen haben Eifens
farbe, der Paß dient als Grenze zweier Königreiche (wels
her? wird nicht gefagt), und wird mit metallenen Thos
ven gefchloffen. Zn der Stadt find Tempel, den Geiftern
23) ebend. p. rn er ebend, p. 238; Taithsing y thoung tschi
h ar J V · 107, 1 .
654 Weſt-⸗Aſien. I Abſchnitt. . 7.
gewidmet, denen man 100 Schafe auf einmal opfert (alſo Spur
jenes blutigen Opfercultus, wie bei den Tſao, ein Beweis, d
fie weder Buddha- noch Ormuzdiener geworden);
Sm Jahre 642 kam aus Sfe nod) Tribut nad) China; 6
bis 660 ward es als Gouvernement Khiucha genannt, und der
König erhielt den Titel als Richter. Im J. 727 brachte man
von daher eine Tänzerin, die als Tribut gezahlt ward. Diefe
Verbindungen blieben bis zum Jahre 755, wo der Titel des Lane
des in Saiweifoue, d. i. Kone oder „Königreich der zus
nehmenden Majeftät” (f. ob. ©. 573 Nr. VIIL), umgewan⸗
delt wurde.
5) und 6) Die An (bei Matuanlin Ngan; TaNgan,
di. Groß⸗Ngan, im Taithfing ze) und die Kleinen,
oder Deftlliben An (Siao Ngan, d. i. Eleine, Tung
Ngan, d. i. Deftlihe); auch Pouho (Bukhara) und
Anfi bei Sſematſien. Die Afim Ab. Remuſat (vers
fhieden von den weftlihern Afi oder Afes, welches
die Parther find), |
Das Wort Pouho Bukharqh hat zweierlei Schreib⸗
art im Chineſiſchen, aber nur einen Laut; dieſe Stadt wird zur
Zeit der erſten Wei Nieoumi genannt; früher hieß fie Alan⸗
my (vielleicht von ihren frühern, nur temporairen Beherrfchern,
den An Thfai, oder Alan, genannt, fs 09. ©. 560). Der Name
wie die Benennung der Lage diefes Gebiets im Weft von Khang:
fin, nur 100 Li im Weſt der öfllichen oder Kleinen An, oder
Ngan, und auf dem Mordufer des Duei, oder Ouhou Behr
rud, di. Oxus, ſ. ob. ©. 632), der daflelbe im Weften begrenzt,
macht es unzweifelhaft, daß hier das heutige Bochara im alten
Sogdiana zu verfichen if. Es ift das antike Land der Könige
von Ki, es ift ein Eleinerer Staat als Khangfin (Samarkand);
dennoch zählt man bei ihnen 40 große Städte und 1000 Dörfer
(f. oben, wo von der dicht gedrängten Population im Lande die
fer Anfi die Nede war ©. 636). Die tapferften Soldaten heißen
Tche fiei (oder Tofiei), was in der Sprache des Königreiches
der Mitte (fo wird TaN gan aud) als Mittel-Ngan genannt)
Krieger heiße. Die merkwuͤrdigſte Nachricht von diefem Anfi,
dem antifen Zuftande des heutigen Bukharas, fhon 100 5.
*
2*) Matouanlin I. c. b. Ab, Remusat, in Nouv. Mel. Asiat. I. p.231
bis 233; Taithsing etc. Mag, As. 1. p-106 —108,
| Sentral-Afien, die 9 Tſchaowu Herrfchaften. 655
‚dor Chr. Geb., alfo nur Kurze Zeit nachdem das bactriſche
Reich durch die Safen und Geten geſtuͤrzt war, und die Als
tere Eivilifation der griechifch » bactrifchen Periode hier noch
fortdanernden Einfluß zeigen mußte, der Ort, ſelbſt noch, wie es
Scheint, feine einheimifchen Fürjten hatte (ganz wie die Turk
Khodjas in neuerer Zeit, unter chinefifcher Herrfchaft in Turfeftan
fortbeftehen, oder die indischen. Nabobs unter den Brien in In—
dien, f. ob. ©. 486), giebt uns der chinefifche ältefte Hiftoriker
Sfematfien®). Die Anfi, fagt er, einige 1000 Li im W.
der Ta Yueti (Getae), find eim feftgefiedeltes Volt (nicht
wie die Yueti nomadifirend) und Ackerbauer. Ihre Aecker
geben Reis und Traubenwein (Wein von Potao); ihre
gemauerten Städte find wie die der Ta Wan (Ferghana’s), Die
Zahl ihrer Verbündeten, große und Eleine, beträgt an 100. Dis
Land ift fehr groß und kann nach allen Seiten 1000 Li (50 geog
‚Meilen, alfo die damalige Ausdehnung der Eultur-Dafe Bochas
ras, d. i. jenes Theils von Sogdiana) betragen. Es ift gelegen
bis zum Ouei (Beh, Orus). Dort find Marktorte, die Kauf—
leute bedienen fich der Raͤderkarren und der Flußbarfen, um ei:
nige 1000 Li weit in fremde Länder zu kommen. Cie haben
Geldmuͤnzen von Silber mit dem Bilde des Königs
Calfo bactrifches und indo⸗ſcythiſches Gepraͤge ſ. ob. ©.101—111),
Mit ſeinem Tode wechſelt der Stempel fuͤr den neuen Koͤnig;
ſchiefe Striche, oder Schriftzuͤge, aͤhnlich in einander
verſchlungenen Gewaͤchſen (wodurch die griechiſchen und
bactriſchen Legenden der Münzen für einen Chineſen hoͤchſt has
racteriftifch bezeichnet find, im Gegenſatz feiner Schriftcharactere)
dienen als Daten, Im Weften der Anfi wohnen die Tiao⸗
tchi (Tadjik, d. i. Perſiſchredende)y; im Norden die Yanz
thſai und Liban (Alan). Mit dieſer auch unſere übrigen
ſchon angeführten Orientirungen beftätigenden Angabe, befchließt
Sfematfien feinen höchft Iehrreichen Bericht, der uns den ans
ſchaulichſten Blick in jenes Jahrhundert vor Ehrifto nach Sogdiana
gewährt.
Diefen fügen wir aus den fpätern Jahrhunderten die fol:
"gende Angabe hinzu:
25) Sscki de Ssematsien b, Brosset, in Nouv. Journ. Asiatique 1828.
T.1l. p. 424. Die hiervon abgeleitete Notiz bei Matuanlin, f. b.
Ab, Remusat Nonv. Mel. Asiat. 1. p. 217—219, °
656 WeftsAfien, I Abſchnitt. 9 7.
Sm Jahre 618—626 ſchickten fle Tribut, 627—649 auch
Koßbarkeiten ihres Landes, mit Gefandten, die vom chinefifchen
Kaifer fehr gnädig empfangen wurden, Sie fagten, daß die Uns
terwerfung der Weft: Turf an China den Karamwanenweg
practicabel wache, und für alle Bewohner von Siyu (Sifan,
Barbaren im Werften) fehe erfreulich fey, Ihr König Kolings
kia gab Nacenpferde als Tribut, und verjicherte, daß feine
Dynaſtie feit 22 Generationen die Herrſchaft im Lande führe (zu
30 Zahen angenommen, würde dies in die Periode zur Zeit vor
Chr. Geb, zurückführen). i
In demſelben Jahre fchiekten auch die Könige ber öftlis
cher An, oder der Kleinen An (Siao, oder Tung Nyan),
ihun Tribut, und fagten aus, daß ihre Familie, Ting (f. oben
Tngling ©. 624) genannt, feit 10 Generationen den Scepter
ihre, Ihr Reich heiße auch Hochi (was Ab. Remufat für das
antike Kefch hält). Es liege im Norden des Namy (was nach
obigem der Zerafichan, oder Sogdfluß; alfo allerdings vom füds
lihern Kefh, in Sfe am Toumu, verfchieden); noch 200 Fi von
demſelben entfernt, alfo ein Gebirgsgau. Die Capitale ift Hos
han (Gahan, oder Yolin, auch Hodi), fie fteht aber nur an
der Spige 20 anderer großer und 10 Heiner Ortfchaften. Im
J. 656 — 660 ward die Stadt der Alan (wol Alanmy) zum
Hauptort der Provinz Afi erhoben, und der König von der
Tſchaowou Familie, erhielt den Titel des Richters.
Yokin war als Capitale der Provinz Moulan eingerichtet und.
deren König Tſchao wupifi (alſo von derfelben Herrſcherfamilie)
gleichfalls zum Richter erhoben. Im Jahre 726 ſchickte derfelbe
Tribut an Pferden und Panthern; 734 zwei wilde Efel (Onager)
aus Perfien, und ein Yingkieou (eine Art Teppich), beftickt
- mit einer Landkarte von Folin (des römischen Reiches);
zugleich auch Yokin (? Steinhonig, eine Art Parfüm). Die
Khatun, d. i. Königin diefes Keiches der Kleinen An (Aſi),
uͤberſchickte zwei große geftidte Teppiche; dagegen erbat man
fih einen chineſiſchen Mantel mit Gürtel und Schloß, Kuͤraß,
Lanze und Frauenkleider für die Khatun.
N,8) und 9) Von den drei legten diefer Tſchaowu Reiche:
Nefepho, Dunao und Mou?) wird nur wenig berichtet.
2.) — L c. 1, p. 233—234; Taithsing I. e. Mag. Asiat.
P·
Central Afien, Khangkiu, Samarkand. 657
Ma fepho, oder Nachepho, ift Nakhſcheb, oder Naifef
der Araber, deren Stadt Karchi genannt wird; befonderes wird
en nicht mitgetheilt.
Ounao bei Matuanlin, wird in dem Zaithfing, auch
J Ngan (Groß Ngan), 400 Li in S. W. gelegen von Klein
Ngan (Siao Ngan), genannt, auf dem linken Ufer des Ouei,
der Uhu (Veh, Oxus), was mit der Lage der Stadt Amol, oder
Amu, zufammentrifft. Matuanlin fagt, es liege im alten
ande der Afiz der König vom Tſchaowu⸗-Geſchlechte der Khangs
Au Herrfeher habe den Titel Fochi (was Ab. Nemufat durch
Mangeur de Buddha überfegt), woraus man, bei dem vorherr⸗
chenden blutigen, heidnifchen Opfercultus vieler von Tſchaowu
jeherrfehten Völferfchaften, faft auf eine feindliche Gefinnung
jegen die Buddhadoctrin fchließen follte. Auch fie fchiekten Tris
int aus Landesproducten beftehend zur Zeit der Soui-Dynaſtie
ach China.
> Mom ift die füdlichfte und entferntefte der 9 Tſchaowu—⸗
deriſchaften, die im Weſten des Ouei-Fluſſes (Vehrud,
i. Oxus) dem Ounao benachbart liegt; denn es iſt nur 200
‚gegen Weft davon gelegen und 500 fi im S.W. von Afi
Buchara), zu dem cs früher gehörte, Auch wird dem Könige
er Name der Capitale der Afi, namlih Alanmy, als Titel beiz
legt. Es iſt unftreitig Merv, die feit dem hohen Alterthum
ühmte Stadt, die häufig auch Meru genannt wird, und wefts
Arts Balk, mit diefer Capitale in analogen Verhaͤltniſſen zu
erſien ſteht. Die Eapitale, deren Name nicht näher angegeben
, hatte 3 Li ins Gevierte und 2000 Mann Truppen. Man
ickte auch felbft noch aus diefen entfernteften Gegenden zur Zeit
et Soui-Dpnaftie Tribut, d. h. Geſchenke an China durch die
ndelsfarawanen , deren Anführer dann als die Gefandten ans
etid, das Königreih von Khang (d. i. Sa⸗
ge Sogdiana der Alten im eigentihen
Sinne,
& Khangtiu hat einen allgemeinern”) Sinn, der nicht nur
auf das Sogdiana der Alten bezieht, fondern auch noch weiz
2 De. Asiat. I. p. 120, 103 —105,
Ritter Erdkunde VII,
22)
._
658 Werts Afien. LJ. Abſchnitt. & 7.
ter gegen Nordweſt, auf die Steppe im Morden der Bucharei
angewendet wird, weil dafelbft die Nomaden (Yanthfai, oder
Alanen) noch lange Zeit in Abhängigkeit unter Khangkiu ſtanden,
fi ob, ©. 626, oder weil fie beide gemeinſamen, ‚oder doc). vers
wandten Urſprungs feyn mochten. Daraus erklärt, fich der ;
weilen fiheinbare Widerfprud) der chineſiſchen Angaben, da
Khang (Samarkand) doch wirklihd in S.W. von Ta Wan
(Ferghana) liegt, wenn in den Annalen von Khangfiu gefpros
chen wird, als 100 geogr. Meilen (2000 Li) im Nordweften des
letztern gelegen (das wäre an der Mordoftfeite des Aralfees, we
dann von dem abhängigen Sige der Yanthfai die Rede ift, die
auch in den Hanz Annalen, alfo in der älteften Zeit, mit in
dem Abfchnitt von Khangkiu wirklich abgehandelt werden. Bei
Sfematfien ?3) fteht fogar, Khangkin fen ein Romadenvolk im
Norden von Ta Wan, was denn Feineswegs auf das füdliche
Samarfand bezogen werden fann, auch wird von diefem gefagt,
es gleiche fehr den Yueti. !
Diefe Khangkiu find befannt, feit den Zeiten der Hans
Dynaftie?d), deren Annalen genau mit Matuanlins 30) hiſto⸗
rischen Memoiren, und den Angaben der chinefifchen Reichsgee
graphie 31), Ed. 1790, übereinftimmen. ß
Daß in Khang das Haupt der Tfhaomuz Familie war,
der dortige König alfo die Oberhoheit jener 9 Tſchaowu Star
ten, und wahrfcheinlich auch die über Ta Wan und Tahia befaß,
ift früher bemerkt worden. Khang-ift die Stadt S Er
fand, aber zur Zeit der SouisDpnaftie, Ende des VI. 17
hunderts, ward auch das ganze zugehörige Königreich, —
nur Khang genannt; und damals ſoll dieſelbe Dynaſtie 600
Jahre hindurch in ununterbrochner Succeſſion auf dem Thron
von hans (Samarkand) geherrſcht haben.
In der Geſchichte der Han wird von einem Winter—
lager dieſes Königs in Lo youeini (?, Lo yue ny bei Klaproth)
und der Stadt Pithian, 7 Tagereifen zu Pferde fern von je
nem, gefprochen, deren Sage uns unbekannt ift, auch gefagt, daf
der König in der Stadt Sou bhiai (d, i. in Sfe, f. ob. ©. 653)
22) Ssematsien b. Brosset 1. e. Nouy. Jonrn. Asiat. T. I. b- 423.
?°) Opissanie Dshungharia ete. des Pat, Hyakinth, überf, v. Dr
Scott Mer, :0) Matonanlin I. c. b, Ab. Remnsat, Not. in
Nonv. Mel. Asiat. T.t. p 225 —231. 21) Magas. Asiat, T. 1.
p- 103 — 105.
Central⸗Aſien, Khangfiu, Samarkand. 659
gewohnt habe. Jenes Pithian war den Chinefen nicht tributair;
das Sommerlager des Königs war viel weiter im Offen, und
biefer Theil des Landes öfter den Hiongnu unterworfen. — Diefe
Nachrichten laffen vermuthen, daß eben hier noch von den nos
madifchen Verwandten der in vor-yuetiſcher Zeit eingewans
derten Herrfcher der Tſchaowu die Rede fey, die aber zu Gebies
tern der feftgefiedelten, civiliſirtern Städter und Agricultoren
Sogdianas geworden. Diefelben find es, welche wir zum Unter—
ſchiede der fpäter eingewanderten Yueti (des Getenftammes) die
Urſaſſen genannt haben, die aber auch von einem nur früher ges
wanderten Stamme (von dem die Yanthfai auch nomadifch blie-
ben), nämlich dem Haufe der Tſchaowu, zu den Dahae und
Saken gehörig, beherrfcht wurden.
Dieſer Umftand erklärt es, wie die Hans Annalen fagen koͤn⸗
nen, daß zur Zeit der Regierung Kaifer Siuanti’s (73—49
dor Chr. G.) der Tfchenyu der Hiongnu, Tchytfchi, der einen
hineſiſchen Gefandten erfchlagen hatte, und deshalb von den Chi:
hefen verfolgt wurde, fih nach Khangkiu flüchtete, wo er aber
don einem nachrücenden chineſiſchen Heere gefangen und ent:
ptet ward; worauf der König von Khangfiu in der Zeit
jer Kegierungsjahre Kaifer Tſchingti's (32—8 vor Chr, ©.)
ine Embaſſade nach China fchickte,
Die große Entfernung diefes Khangkiu machte aber die
Bewohner; der chinefifche General Kouochun fehilderte das Volk
ser Khangfiu als ftol; und falfch, das nur unter der Masfe von
Sreundfchaft ſich dem chinefifchen Throne, feiner eigenen Hans
selövortheile willen, nahe. Deshalb, und weil die Reifen der hir
fhen Karawanen zu ihnen zu beſchwerlich und unficher wa-
en, knuͤpfte man Eeine fo engen Relationen mit diefen Bewoh—⸗
gern im Norden Transorianas an, ald mit denen gegen den
Düden, die zu dem Nömer Reiche, zu den Perfern und dem
chen Hindoftan die Wege bahnten. Dies giebt wenigftens Mas
wanlin als die Entfchuldigung an, warum die Chinefen über den
teren Zuſtand von Khangkiu fo wenig unterrichtet feyen.
Ki Mur aus dem II, und IV. Zahrh., zur Zeit der Tſin-Dy—
taftie, wird weniges von Khangkiu gemeldet: der König refi-
ire in Subiai, das Fand fen fruchtbar, warın und bringe
effliche Pferde, Wein von Potao und den Thounglicous
Bf
660 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6. 7.
baum hervor (?, ſchwerlich nach Ab. Remuſat die Bignonia to-
mentosa, die diefen Namen in China hat; Klaproth meint es
fen von einer Art Weide die Rede, Karatal, der jetzigen Kirghie
fen, die dort fehr — ſeyn moͤge, von ruſſiſchen Botanikern
Salix arenaria genannt). Sn den Jahren 265— ſchickte der
König Napi von Khangkin, Tribut an Pferden. Als fie in den’
Jahren 435 — 439 Tribut fchiekten, nannte man ihr Land Tchechi
(wol Keſch, von einer ungeordneten Provinz).
Die wichtigſten der folgenden Nachrichten, bei Matuan—
lin, find wol aus den Han-Annalen, aber auch aus den weit‘
fpätern der Thangs- Annalen gezogen, weil darin ſchon von
der Befehrung zum Foe⸗Cultus gefprochen wird, und eine’
Bergleichung der Sitten mit den Turk gegeben ift, ja fogar, wie‘
es uns fiheint, eine Anfpielung auf die Feier von Huffains Todtens
fefte aus der Periode der Mohammedaner vorfommt., "
Zu Ende der SouisDynaftie ward dad Königreich nur
ſchlechtweg Khang genannt; man erhielt im J. 605 — 616 von
da Tribut; der König war von der Familie Wen, ein geborner
Yueti, deiten Vorfahren, vom Kiliangebirge im Often vertrieben,
feit den Zeiten der Han im Siyu die Herefchaft fortgeführt hate’
ten. — Ob diefer ein Ufurpator auf dem Throne der Tſchaowu
war, und fih nur an diefen glänzenden Herrſcherſtamm genealor
giſch anfchließen wollte, oder wirklich mit ihm verwandt war,
bleibt uns undentlih. Merkwirdig ift e8 aber, daß wir Feines
einzigen andern Datums erwahnt finden, daß ein Fürft
vom Yuetl-Stamme (Getae), mit der antiken Herrfcherfanmilie der
Tſchaowu in Verbindung gebracht wäre, obwol fie in gang
Sogdiana die Oberhoheit an fich geriffen, und ihr Eins
fluß zum dominirenden eines Eroberungsftaates von Barba—
zen gegen die ältere Gefittung der einheimischen, anfäfligen ——
culturvoͤlker und Staͤdteerbauer geworden war.
Matouanlins Wen hian thoung khao ſagt nun: In
Khangkhin, das nicht an China tributair war, zaͤhlte man
20,000 Familien; ihre Sitten waren denen der Ta Yueti (gro:
Ben Yueti) ähnlich.
Die Capitale von Khangkin war die Stadt Alouti am
Fluß Sapao??) (ob dies identifch it mit Khang oder Sa
22) Matouanlin I. ce. b, Ah. Remusat, Nouv. Mel, Asiat. T. L,
p. 228.
Central-⸗Aſien, Khangkiu, Samarkand. 661
markand am obern Zerafſchan (Sogd-⸗Fluß) ). Der König trug
Haarflechten und eine Tiara mit Edelſteinen, Goldblumen, ges
ſtickte Stoffe und Zeuge von weißer Wolle. Die Königin trug
ihre Haare in Knoten gebunden mit weißem Quche bedeckt. Die
Männer feheeren fih das Haupthaar ab und tragen geftickte Manz
tel. Das Königreich ift wol mächtig zu nennen, ihm find viele
Reiche im Weften unterthan; die Einwohner haben alle tief?
liegende Augen und vorftiehende Nafen (Kaopi) auch
ſehr ſtarke Bärte. Sie find trefflihe Kaufleute; viele
Barbaren fommen zu ihnen um Dferde zu erhandeln. Bei ih—
‚nen giebt e5 große und Kleine Trommeln, Guitarren, Lauten mit *
5 Saiten und Flöten verſchiedener Art. Die Hochzeitgebraͤuche
und Todtenbeſtattungen ſind ganz wie bei den Turk; auch betet
man den Foe an und ſchreibt Buͤcher in barbariſcher
Sprache.
Das Landesclima iſt mild, gemaͤßigt, gut geeignet für Acer
bau, trefflih zu Gartencultur, Baumzucht, Blamengärtnerei, Ges
muͤſebau. Khangfiu it reich an Heerden von Pferden, Kas
‚meelen, Maulthieren , Ochfen mit Budeln; auch an Gold, Ams
moniakſalz (Naocha), an füßen Pinien (?), an Afana (eia Pars
‚füm), an Phipha? und Früchten. Es giebt hier Hirfchhäute,
Teppiche, geftickte Wollenzeuge, fehr viel Teaubenmwein, davon die
Wohlhabenden bis taufend Chi in Vorrath haben, ohne daß er
in der Zeit mehrerer Jahre verderbe.
An einer Hifforie der Barbaren des Weftens (Si:
fanki genannt) von Weitfi (die Zeit diefes Autors iſt unbe—
kannt, doch muß er aus fpäterer Zeit, etwa des VII. Jahrhun⸗
derts, ſeyn, weil er ſchon vom arabifchen Einfluffe Spuren zeigt)
eitirt Matuanlin3) Folgendes, Die Einwohner des Königs
reiches Khang find gefchiefte Kaufleute; ſchon vom fünften
Sahre an müllen ihre Knaben lefen fernen; fpätechin werden fie
auf den Handel ausgefchickt. Sie lieben die Muſik; ihr Jahr bes
innt mit dem exften Tage des bten Mondes. An diefem Neus
hrstage kleiden ſich Fürft und Volk neu, fcheeren fih Bart und
daupthaar, ziehen in einen Wald, der im Often der Stadt liegt,
d ſchießen von Pferden herab mit Bogen und Pfeil. Gegen
Ende diefes Exercitiums „wird eine Goldmünze wor eis
nen Papierbogen angebracht, und wer dies Ziel
J —
) Matonanlin I. c. I. 229; vergl, 244.
⸗*
662 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 7.
trifft erhält auf einen Tag den Titel König.” — Of
fenbar nach chinefifchen Zeitchronifen hier alfo der Urf prung,
des Scheibenfchießens und des Schützenfeſtes mit
dem Schuͤtzenkoͤnig, das wir fo allgemein und characteriſtiſch
bei germanifchen Völkern Mittel-Europa’s verbreitet finden. Diefe |
Barbaren, fährt der chinefifche Autor weiter fort, beten den götts
lichen Geift (wol Ihian? oder Hien, f. ob. ©. 428, Coelum) an,
und find dabei fehr eifrig in der Verehrung. Sie fagen: Der]
Sohn Gottes fey im Tten Monat geftorben, feine Gebeine feyen
verloren. Jeden Monat tragen die Perfonen, die diefem Cultus
ergeben find (alſo wol andere, als jene die den Ihian anbeten),
und insbefondere in dem genannten Monat, alle andern Einwoh—
ner überhaupt, auh ſchwarze wollene Trauerfleider.f
Sie gehen barfuß, fchlagen fih die Etirn mit großem Geheul
unter Strömen von Thränen. 305 Perfonen, Männer wie Wei⸗
ber, werfen Gras und Kräuter (fireuen wol Blumen), durchlaus
fen die Fluren um die Gebeine des Gottesfohns zu fuchen. Diefe
Geremonie endet nach 7 Tagen. — In diefem Trauerfefte-fcheintfl
ung der chinefifche Autor anzudeuten, daß er einige freilich wol |
fehr unfichere Kunde von dem Todtenfefte Houffains, d |
Sohnes All’ erhalten hatte, welches dadurch ſehr begreiflich iſt, |
daß die Secte der Aliden durch Derfien, Khorafan und Tran
oriana die größten Anhänger fand, wie denn heute noch die Pers
fer und Usbeken Shiiten find, von der Secte Alis, und wie die
Abaffiden, die Gegner der Ommajahden, fo auch heute die Pers
fer das Todtenfeft des als Märtyrer erfihlagenen Houfs
fain3H, noh*im WWefentlichen auf diefelbe Weife im Haß gegen
die Sunniten feiern. Der Sohn Gottes, deſſen Gebeine verlor
gegangen, bezeichnet wol den Tod Ale, Mohammeds erften Schuͤ—
ler, deijen Grab, nach Abulfedas Angabe, fehr lange verborgen
blieb. Sein Andenken, zumal aber das feines Sohnes, Houfi
fain, des fogenannten großen Märtyrers, wird durch Klagege
ſchrei und Ihränengäffe während 10 Tagen des Moharram (3a
nuar) gefeiert. W. Ouſeley hat demfelben in Teheran fel
beigewohnt, und umftändfich Bericht gegeben, wobei ihm das a
’ arabifche und perfifche ritterliche Geremoniel auffiel, das ihn
A
34) Houssain Arc. n Herbelot Bibl. Orient. Maestricht. 7776. F
p- 329 ibid. Artic. Ali p.87 etc. 25) Will. Ouseley Travels ir
Various Conntres of the East, more particularly Peisia, Londor
1823. 4. Vol. Ill. p. 62— 171. — 5
2
Central Ajien, Khangfiu, Samarkand. 663
‚gemein an das germanifche frühefte Mittelalter erinnerte. Die
‚wilden Tänze’ der nadten und verwundeten Krieger, die Ents
‚hauptungsgefchihte Houffains und andere dabei vorkommende
Sefifeiern, haben einen wildfenthifchen Character.
Daß dieſem Berichte von dem Trauerfefte wol, wie in aͤhn⸗
lihen Mittheilungen damaliger Zeit, bei Chinefen, mancher Irr⸗
thum beigemifcht war, folche Nachrichten manche Entftellung be,
gleitete, kann bei der völligen Unverftändlichkeit der Sitten der
Weſtvoͤlker (Siyu) für die der Oftwölker nicht auffallen. So bes
‚zieht ſich unzweifelhaft die gleich auf jene Angabe folgende Notiz _
bei demfelben Autor, wol nicht auf den mohammedanifchen Cul⸗
tus, fondern auf den Parfencultus, wo ex fagt: Außerhalb
der Nefidenz (Khangkiu, ob vielleicht eine Perfer-Colonie, die dort
angefiedelt war? auch anderwärts ſolche Sitte ſelbſt bei tübetis
fchen Völkern, f. Afien Il. ©. 94) find 200 Familien, die ſich
ganz insbefondere der Sorge für die Todtenceremonien ans
nehmen. Sie bauen offene Gebäude, in denen fie Hunde füts
tern; flirbt ein Mann, fo holen fie feinen Leichnam, legen ihn in
eins der Gebäude und lafien ihn von Hunden verzehren; zulegt
‚aber fammeln fie die Gebeine und begraben fie. — Schwerlich
wird man in diefer Erzählung die Schilderung eines Todtenaders
r Ormugdiener verfennen, wie ev noch heute in Bombai bes
Fannt ift (f. Afien IV. 2. ©. 1091). Daß die Religion Zorogs
ſters oder der Magier (Muhufu) hier frühe Eingang gefunden,
ft fhon ‚oben (f. ©. 427 — 428 u. a. a. O.) gejagt. Sollte man
Zweifel gegen die Authenticität diefer Chinefenberichte über ihre
fo frühzeitige Kenntniß. von der Mohammedangrstehre hegen, und
5 B. fügen, wenn die Schwarzröde der Tache auch wirklich die
Abaſſiden der Araber bezeichnet haben mögen, wovon oben
©, 424, 576 die Rede war, fo fey es doch kaum glaublich, daß
ſchon vom Jahre 753 bei den Thſao die Rede auch von einem
Angriffe gegen die Abaffiden geweien feyn könne, da diefe erſt
5 Jahre vorher, feit 749 den Thron von Bagdad beftiegen hatz
‚ fo diene Folgendes zum. Gegenbeweife,
Allerdings beftieg Abu Abdallah als erfter Khalif der Abaſſi⸗
* den Thron zu Bagdad erſt im Jahre 749; aber eine Haupts
fthge des neuen Abaffiden war Abu Moslem, feit langem der
Statthalter in Khorafan?) und Al Gebal, deilen Gebirge:
250) Abulfedae Annal. Moslem. ed J. Reiske, Lips. 1754. 4. p. 138, 143.
664 Weſt-Aſien. 1. Abſchnitt. 9 7,
land (welches Abulfeda noch mit dem Namen Parthien aus
alter Neminifcenz belegt, obwol feit Zahrhunderten keine alten.
Parther mehr eriftirten), wie die nordangrenzende Ebene, die
Chinefen mit Afi, und damit auch die Außerften ihnen befannz
ten Weftwölfer bezeichnen, nämlich die Bewohner des heutigen! |
Bocharas, und die Perfer wie die Parther.
Die Abaſſiden-Heere Fimpften daher, gleich Anfangs ih—
zer Ihronbefteigung, "auch am Oxus, und mußten hier die Hertel
fihaften der Thſao (Samarkand), Osruſchnah, Ferghana aller⸗
dings gleich in den erſten Jahren mit ihnen jaͤhrlich wiederholten
Ueberfaͤllen bedrohen. Abu Moslem, der kriegeriſche Mann, der
eine Macht von 60,000 Mann Truppen, nach Abulfeda, befehligte
und eine ſehr lange Zeit in Khoraſan herrſchte, wird wahrfcheins
lich verfucht haben auch die erften Jahre der neuen Abaſſidenherr⸗
fchaft gegen die Ungläubigen in Sogdiana durch Siege zu ver—
herrlichen, und viele Jahre vor 37) der Thronbeiteigung der Abafe
fiden war für ihre Partei ſchon in Khorafan, an der Grenze
Transorianas, geworben und gefteitten.
Kenn nun Houfains, des Ali Sohnes, Märtnrtod fihon in
die 61ſte Hegira, d. i. in das Jahr 680 n. Chr. Geb., fällt: fol
liegt nichts Unwahrfcheinliches darin, daß zu Khangkiu Samar⸗
kand) ſein Todtenfeſt ſo fruͤhzeitig gefeiert worden ſey, als die
Waffen der Abaſſiden ſich dahin verbreiteten; denn wol ſchon vorher
mochte diefe Secte dorthin ihre Miſſionen gefchiekt haben. — Wenn
man ferner es den Chinefen auch vielleicht zugeben wird, daß fich
nicht damit prahlen wollten, noch im Jahre 740, 741 (nicht 7141
wir oben S. 570 ſteht) und 742, dem Lande Schaſch (jest Taſch—
fend) Ehrentitel verlichen zu haben, weil fie fogleich feldft es ge
fiehen, wie fi) der König der Schaſch gegen fie empoͤrte, und
den Arabern als Bafallen hingab: fo wird der Eritifer, de
gegen hincfische Annalen noch Mistrauen hegt, es dagegen vick
leicht für die mohammedanifchen Autoren ganz widerfprechent
halten, und für eine bloße Prahlerei der Chinefen ausgeben, went
fie jagen, daß das noch weit entferntere Cand Kipin (Kophene)
ihnen noch) in den Jahren 742— 755 Tribut an Pferden geſchickt
habe (f. 06. ©. 576). Dennoch finden wir in den moslemifchen
A Manſur Feine Befignchmung dieſes Gebietes; indieſem Jahr
27) Abulledae Annales ib. I. c. p. 136, 145.
EentralsAfien, Khangkiu, Samarkand. 665
erſt hören wir von dem erften Feldzug 33) des Statthalter Homaid
won Khorafan nah Kabul (jenes Kipin), der aber noch) lange keine
Eroberung ift, und die Befisnahme diefes Landftrichd beginnt erft
faft 200 Jahr fpäter, unter Sebefthegin, eine dauernde zu wers
‚den (f. ob. ©.274). In diefer ganzen Zeit fünnen daher immer
noc Relationen dortiger Fürften mit dem Chineſen-Reiche Statt
‚gefunden haben, wie dies auch die fortlaufenden Berichte der Chis
nefenzÄnnalen zeigen, die durchaus nicht im Widerfpruch mit den
Araberberichten ftehen. Ihre Verbindungen fanden unftreitig nicht
durch die von Mohammedanern befegten Wege des zugänglichern
Transoxianas Statt, fondern wie wir aus vielen andern Daten
im obigen nachgewiefen haben, auf den Gebirgswegen durch den
Hindu Khu, Badakhſchan, Baltiftan und WeftsTübet.
‘ Um das vorherrfchende Vorurtheil, als feyen die Annalen der
Meftvölfer, von vorn herein, hier immer gültigere Autoritäten,
3. B. arabifche und perſiſche Autoren, als die der Oftvölfer wie
‚der Chinefen, fo bemerken wir hinfichtlich diefes Transorianas und
des Sebirgslandes von Oft: nach Wefts Turkeftan nur: daß cben
Chineſen bier fchon feit mehr als einem halben Jahrtauſend (feit
Sſchangkians Zeit 126 a. X. n.) einheimifch, bei allen dortigen
Voͤlkern genannt werden müflen, ehe die Araber nur als Krivger
und zelotifche Bekehrer dort zum erften Male auftraten, die noch
viel weniger als Chinefen fich um die Sitten der Fremden und -
bie einheimifchen Antiquitäten kuͤmmerten, da fie nur auf die Bes
kehrung zum Koran mit Feuer und Schwert, fpäter erſt durch
"Handel und feiedtiche Miffionen, wie auf Befchreibungen jener
Länder (Eon Haufal im J. 950) ausgingen, Wie genau aber
ſelbſt im Einzelnen die Chinefen unter den fogenannten Weſtbar—
baren beobachteten, darüber Haben wir in Obigem fchon viele Beis
ſpiele angeführt; hier noch eins, das uns die Urfache wol auf:
‚deckt, warum fie die Abaffiden und ihre Secte der Tache (Aras
ber), in jener Zeit fo characteriftiih als Schwarz Rode zu
bezeichnen veranlagt wurden, weil eben zu derfelben Zeit eine an—
dere Secte dicht an ihrer Grenze fich die weiße Farbe :9) zu
——
2) Abulfedae Annal. ib. p. 151. 220) Auf der buddhiſtiſchen Karte
der Weſtlaͤnder feit dem VII. Sahrh. aus der japan. Encyclop, find
die Tache mit weißer und ſchwarzer Kleidung fogar zu
beiden Seiten als Uferbiwohner des Drus eingetragen. ſ. Uaıte
% er Pays vecid, et des cinq Thian tehu, fr Aſien Erdk. Bd. J.
+ 192,
‘#
666 Weſt-Aſien. L Abſchnitt. 6. 7.
ihrer religioͤſen Fahne und Auszeichnung von jenen erwaͤhlt hatte,
Open hatten wir ©. 425 diefe Bezeichnungsart mit A. Remuſat
und Klaproth vielleicht irrig für einen bloßen Gegenfag gegen die
Dmmajahden gehalten, ehe uns die hierher gehörige Stelle bei Abul⸗
feda, wie wir dafür halten, den richtigen Fingerzeig gab. Die’
arabifchen Autoren felbft geben uns hierüber den Auffchluß.)
Fuͤrſt Abulfeda erzaͤhlt 9) von dem Jahre 779 n. Chr. G.
in feinen Annalen, in welchem er von den Truppen fpricht, die
der Khalif AL Mahdi aus Khorafan gegen das Roͤmer—
Reich zu Felde fchiekte (gegen Kaiferin Greene in Byzanz), mit
dem man alfo auch am Oxus keineswegs unbekannt bleiben
fonnte, daß in derfelben Zeit der verruchte Betrüger Al
Motanna, „der Verfchleierte” oder der Khorafaner ger fi
nannt, fein Ende gefunden habe, der durch allerlei Blendwerk das
Volk betrog, und ausgab, wie in Adam und Noah und andern f
Propheten, fo auch Gott in ihm ſich zeige. Er hatte ſich im
Norden des Orus, zu Sena, im Gebiete von Keſch(ſ
ob. ©.572 Nr. VII. und ©&.653, alfo in einer der Tfchaowuz
Herrfchaften), eine Burg erbaut, und zahlreiche Anhänger in des
ren Bertheidigung gegen die Ueberfälle gläubiger Moslemen ges
funden, bis fie endlich doch mit dem Stifter und feinen Gefährs
ten erobert ein Raub der Flammen ward. Seine Anhänger aber
bildeten die aus Sndien entlehnte Lehre, fügt Nebm *),
nah Elmafin und Abulfaradfch, von der Verförper
rung der Gottheit (die Buddhamwerdung oder der Awatar)
weiter aus, und nahmen, als außeres Unterfheidungsz
zeichen, von den Anhängern der Abaſſiden, fuͤr ihre Fahnen
und Gewaͤnder die weiße Farbe an. Dies wird hinreichend
die damaligen chineſiſchen Annalifter auch in ſolchen Puncten,
uͤber die uns die arabiſchen Autoren keinen erlaͤuternden Aufſchluß
hinterlaſſen haben, gegen den Vorwurf eigener alberner Erfindun⸗
gen ſichern, wenn es ſchon zugegeben werden muß, daß fie nicht
felten ohne fehr tief in den innern Zufammenhang der Dinge
einzudringen, fich gewöhnlid nur an deren äußere Unterfcheis
dungszeichen halten, aber diefe in ihren Chroniken und Beri
erjtattungen doch mit einer in jenen Zeiten des Mittelalters ſelte⸗
nen Gewiſſenhaftigkeit und Genauigkeit, ohne welche ihre ganze
— — 8
410) Ahnliedae Annal.1. c. p. 155. * Dr. Sr: Rehm Handbuch ber
Geſchichte des Mittelalters B. II 2. Abth. Kaſſel 1833. ©. 14.
Central Afien, Khangkiu, Samarfand, 667
Führung der Keichsannalen auch nur ein Unding gewefen und
ein Chaos geworden feyn würde, zu verfahren pflegen.
Wie in jener Zeit der religiöfen Erifis in Turfeftan,
bei den Jahrhunderte lang fortdauernden Neligionskriegen das
feloft, zur Feftftellung des neuen dem Oſten Afiens fo fremden
Dogmas „Gott ift Gott und Mohammed fein Prophet” überall
erwirrungen der Ydeen, neue Meinungen, Secten durcheinans
gehen und. ineinander einwirken mußten, davon giebt nur-wes
nige Jahre zuvor, vom 5. 758 n. Chr. G. Abulfeda in derfelben
Statthalterfchaft Khorafan, welche damals die Grenzmarf der
gläubigen Korandiener gegen die ungläubigen Bewohner
Turkeſtans in Transoriana und Hindoffan am Indus genannt
werden Fann, ein merkwuͤrdiges Zeugnif, in der Shwärmer:
fecte der Rawendier) (von Rawend, was Nhabarbers
‚händler heißen fann, einem Khorafanen), welche durch die
indifche Lehre der Seelenwanderung, aus einem
Menfchenleite in-den andern Calfo wie der Buddhismus), die
Lehre des Koran zu verfälfchen bemüht war, und cebenfalld wie
"manche andere große Tumulte erregte,
Wenn chinefifche Autoren in jhren Relationen folche Beges
benheiten misverftehen, öfter fogar feltfam verdreht haben mögen,
fo fann dies doc) gewiß nicht in Verwunderung feßen und ihrer
"ganzen übrigen Berichterftattung zum Vorwurfe gereichen.
Daß zu gleicher Zeit neben dem einheimifchen, gemifferz
maßen altfegthifchen, blutigen Opfereultus, und dem eingeführten
der Perfer: und Araber-Lchre, und andern Neligionsformen, auch
noch die Buddhalehre dort Statt fand, ift ſchon früher ans
geführt worden. Der djinefifche Autor feheint noch einmal in eis
ner andern Stelle 8) daffelbe, obwol etwas verändert, zu wieder⸗
holen, wo er fagt: im Königreiche Khangkiu find 30 große Städte
und 200 Dörfer; fie verehren den Feouthou (doch wol nur
"derfelbe, den er oben Fo, d. i. Buddha, nannte, obwol der fols
‚gende Zufag noch eine befondere Modification diefer Secte vors
auszufegen ſcheint); fie bringen den boͤſen Geiftern Opfer und
‚treiben magische Künfte. Beim elften Mond wird die Trommel
geſchlagen, um Kälte zu bekommen, und das Geraͤuſch des Waſ—
Fe das fie bei der Gelegenheit ausgießen, dient —9* als Muſik
42) Abulfedae Annal. I. ©. p. 146; vergl. Rehm aa Do p- 10.
- #3) Matouanlin b. Ab. Remusat I. c. I, p. 230.
668 Hefte Afien, 1: Abfıhnitt. $. 7.
(riefe letzte Ueberſetzung, die faſt ſinnlos genannt werden muß,
bemerkt fchon Ab. Remufat , der Ueberfeger, laſſe auf einen ver
derbten Tert zurückichließen).
Wir enden das Kapitel Aber Khangfiu mit den letzte
Embaſſadenberichten “) von daher, die Matuanlin mittheilt.
Sm Jahre 627 und 631 kam Tribut von da nach China; man
nennt einen Löwen und andere Ihiere, auch einen Pfirfichbaum
von Gold und Silber. (Solche Fleine Kunftbäumchen, aus Edel
‚Steinen und edeln Metallen mit Vögeln u. dgl. geziert, wie ſie
noch heute Lieblingsgaben in Oft» Aften zu fenn pflegen, als Iris
but zu überfchiefen, vielleicht als Symbol der Vafallenfchaft wie
bei den alten Perfern Erde, Waſſer und ein Baum gefordert
ward, haben wir ſchon früher bei andern budppiftifchen Völkern
angeführt).
In den Yahren 650—655 wurde der Anger von Khangfi
zum chinefifchen Gouverneur erhoben; im 3. 713 zahlte derfeldef
Tribut in Cifenarbeiten, zumal in Küraffen und Schloͤſ⸗
fern, in Eryftallbüchfen, Agathvafen und Straußend
eiern. Der föniglihe Prinz war in Krieg gegen, die Tach
(Araber) verwickelt, und da er diefelben nicht hatte befiegen koͤn—
nen, fo erbat er fich chinefifche Huͤlfstruppen, die aber der Kaifer
wegen zu großer Entfernung verfagte. Später ward derfelbe (e
hieß Ihoufo) zum Könige der Ihfao (Osruſchnah) erhoben,
und Metchoue erhielt den Titel als König der Mi (Meimarg).
Sie waren alfo wol aus ihren angeffammten Königreichen dur)
die Araber gegen Nordſten in. gefchügtere Gebirgsprovinzen zu
rücfgeworfen worden, aus denen aber diefe Art der alten ”-
fchaft ſehr bald gänzlich verſchwand.
5. Die Tahia ®) (Adot bei Herod. I. 125, Zdcı Arr. Exped,
Al. III. 28, das Wort —— mit den weſtlichen Jaxoı nad)
Strabo 304, Sau und Nazaı bei Ptol. VI. 10 und 135 die
Dahae bei Plinius VI. 19). “a
Die Tahia find befannt feit den Zeiten der Hanz daß fi
von den Ta Yueti (Getae) aus ihren frühern Sitzen, aus fruc
baren Ländergebieten Transorianas im Nordoften, verdrängt w
++) Matuanlin b. Ab. Reinusat l. c.-p. 230. *°) Wen hiantloung
khao Liv. CCCXXXVIIE. p.1 $, Ab. Remusat Notic. in Nonv, Mel,
Asiat. TV. I. p. 219220, ;
- Eentral⸗ Aſien, Tahia, Dahae. 669
den, haben wir im obigen ans Sſematſlens Berichten mit Ber
fimmtheit #) erfahren (f. 06. ©. 632). Tſchangkian fand fie
m Jahre 122 v. Chr. Geb. ſchon auf die Südfeite des Quei,
der Weis Fluffes (Vehrud, der Orus), verdrängt, in leb⸗
haftem Handelsverfehr mit Indien ſtehend (f. 06. ©.551). Sir
haben Städte und Wohnhäufer; ihre Gewohnheiten gleichen,
ach den chinefifchen Berichten, fehr denen der Ta Wan, die wir
oben als ihre Stammpverwandte kennen lernten, von denen fie
damals, an 100 geogr. Meilen (2000 Fi) entfernt, gegen Suͤd⸗—
Deft, wohnten. Anfänglich war bei ihnen, fagt der Annalift,
ein großes Oberhaupt oder Fein Fuͤrſt von Bedeutung; jede
Stadt, jeder Flecken hatte fein befonderes Dberhaupt. Ihre Heere
waren damals ſchwach, fie fürchteten den Krieg; aber fie trieben
fehr ſtarken Handel. Auch wurden fie bei dem Einmarfch
der Ta Yueti, oder Großen Geten, von diefen befiegt. Sie nah—
men die Sefandten der Han ſehr wohlwollend auf (wol weil fie
ihnen eine Stüße gegen ihre Verdranger zu finden hofften).
Die Tahia koͤnnen ein Heer von 10,000 Mann bilden; fie has
ben Marktpläge zum Taufhhandel, wo man alle Ars
en Waaren vorfindet. Sſematſien giebt ihre Zahl auf
ne Million Menfchen an, und nennt ihre Capitale Lanchis
hing. Er begriff alfo wol mehrere der ihnen verwandten
Stämme unter diefem Namen, der allerdings wol allgemeiner zu
faflen war, als bei Matuanlin. (Die Lage Tahias feheint iden-
fifch mit der des heutigen Balk zu fern.)
Im ©D. der Tahia liegt das Königreich Yintu (d. i
Thintu bei Sfematfien, oder Hiantu, Hindoftan, ſ. Alien B. II.
Mit dem Namen: diefeer Tahia fehen wir, wol mit höchfter
Bahrfcheinlichkeit, von den Chinefen, daſſelbe Volk benannt, das
früher in den Kriegsgefchichten Aleranders unter dem Namen der
Dani (ziı Auaı*) oi ind 13 Tavaidog) no am Tanais,
B. 1. hier der öftlihe Jaxartes (Sihon, Sir Daria), ans
#6) Saematsien b. Brosset N. Journ. Asiat, II. p. 421.
—*
) Arriani Exped. Alex, Il. e. 28, 13 und 16.
70 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt, 9 7.
1. c.125) zu den perfifchen Völkern, oder zu denen die unter perfis
fcher Herrschaft fanden; und wirklich war Beſſus, den Alexander Mi
verfolgte, auf feiner Flucht, nach Arrian, von Truppen der Bak—
trianen und Daae begleitet. Alerander befiegte, nad) Juſtinus
XI. c. 6, die Dahae, die mit den Chorasmiern zugleich genannt
werden. Strabo (Lib. XI. 511, Jaaı) kennt die Daae noch
als ein ſehr zahlreiches Romadenvolk, auf der Oftfeite des
Caspifchen Meeres, welches er mit Maffageten und Safen,
als die großen ſkythiſchen Völker Inner Afiens im Norden Bak
trianas zufammenftellt (Strabo XI. 508, 5115 /auı); obwol er
nicht viel von ihnen zu fagen weiß, unftreitig weil, wie frühere
hin die Maflageten, fo fpäter die Saken, als fiegreiche Völker
mehr von ficy reden machten ald die Dahae. An der erften]
Stelle fagt Strabo, daß die Daai auch Parni heißen, an der
zweiten, daß ein Theil von ihnen Aparner, ein anderer Kansf
thier, ein dritter Piffurer heiße, und daß die Aparner die
nächften gegen Hyrkanien (am Südoftwinfel des Caspifchen Sees,
wo Daheftan nach ihnen) wohnenden feyen. Von dem Yarartes, ii
wo fie zu Aleranders Zeit nach Arrian Exped. 1. c. noch ihre
Heimath hatten, muͤſſen fie alfo allgemach gegen S. undf
S. W. verdrängt worden feyn, und wenn fie früher auch weiter
oftwärts in Baktrien gewefen; fo fcheint ihr Name doch dafelöft
auf dem llebergange zu Indien durch den Namen der
Safen (wie alle Sfythen von den Derfern genannt wurden?‘
Persae illos Sacas in universtn Appellavere, Plin. H. N. VI, 191
zurückgedrängt worden zu feyn. Denn dieſer Name Eaın, wie beif!
Derfern, fo aud bei Indern (Sakas) ausfchließlich für
alle, aus dem ſtythiſchen Afien in Indien einwanderndeft
Dölker, in Gebrauch, Der Name der Tahia, oder Dahae,
ward aber wenigftens weit nach dem Weften, bis Europa zum
Iſter, verfchlagen, wo die befannten Dafen nad Strabo’s Meist
nung, in alter Zeit auch Daoi hießen, und gleichſprachig
mit Geten waren (Strabo VII. 304). Daß Strabo diefe jedoch
nicht von den ffythifchen Daern herleiten will, weil ihm diefe zug
fern im Often wohnten, fann uns hier für jest gleichgültig feynzih
doch erinnern wir hier nur gelegentlicy an die merkwürdige Ex
fcheinung, daß dort im Weften des Easpifshen Meeres, am Iſt
Dafen (Dahae), Geten und fEythifche Völker neben ein—
ander in fpäterer Zeit auftreten, wie in früherer Daai, Yueti
(Getae) und Maffagetifche im Often deffelben, am Jaxartes
Central Ajien, Tahia, Dahae. 671
und Orus. Plinius in H.N. VI, 19 zählt die Dahae auf der
Dftfeite des Caspifchen Sers noch, nebft Safen und Maſſa—
geten, zu den berühmteften Völkern, die den Parthern Widers
ſtand leifteten, und XXXVI. ce. 33 führt er den Callais (Viridi
pallens, Türkis) ald den Edelftein an, der im Lande der
Saken und Dahae gefunden werde. Am Nordrande Khoras
fans, im wahren damaligen Eiglande der Tahia, befuhte J.
Frazer) neuerlich feloft die Tuͤrkisminen von Nifchapur, welche
nebft denen zu Khodjend am Sir (Jaxartes) die einzigen befanns
ten Türkfisminen find, wo der wahre Kalait vorfommt. Ptos
emaeus VI. 10, feßte die Dahae noch, mit Strabo’s Worten,
zu Maffageten und Parni; Amm. Marcellin fennt nur nod) eis
nen zerfprengten Zweig derfelben am Pontus Eurinus (in Kaps
padocien; Dahae acerrimi omnium bellatores XXI. 8. 21, vergl.
Luc. Holst. Ann. p. 89); und Stephanus von Byzanz (s. v.
Acar) nennt fie blos noch als Skythenvolk im Allgemeinen.
Wenn diefe Dahae nun vollends als felbftftändiges Volt auf ı
fiatifher Seite gänzlich verfehwinden, und nur ihr veräns
derter Name noch im Lande der Dafen (Dacia) am Iſtros fort:
lebt: fo ift. dies wol eben dem Umſtande zuzufchreiben, daß fie,
wo einft ihre Hauptfraft war (Extremi hominum, indomiti Dahae,
Scil. ad Araxen, Virgil. Aen. VII. v. 728), im baftrifchen Yande,
am Jaxartes und Orus, als Befiegte der Yueti (Getae), fih in
die ſtammverwandte Maffe der Sieger verlieren. Diefe aber find
es, die nun wahrfcheinlih nach einem der fihon frühe fortges
hobenen Stämme, der bei Chinefen Szu, Se oder Sai heißt,
unter dem-allgemeinen Namen der Sacae (Iaxuı bei Griechen
und Perſern, Safas der Hindu, worunter bei, ihnen wie bei
Perſern, was fchon Herodot weiß, VIL 63, alle feythifchen Voͤl⸗
re begriffen find) auch einen allgemeinen Ruhm in den
fiatifchen Angelegenheiten, und zumal als Vernichter des hel:
kenifchzbaktrifchen Reiches, wie Strabo ausdrüdlich die
Safen nennt (Lib. XI. 511), davon tragen, Keiner der alten
Caſſiker weiß außer dem Namen, der Sise und der Tapferkeit
des alten Volks der Dahae, etwas genaueres von ihnen zu ſagen;
ei
48) J, Frazer in Transact, of the Geolog. Soc. Sec. Ser. Vol. I.
— _ P.Il. p. 412; deff. Narrative in Kliorasan 1825. 4. p. 407 — 420;
vergl. W. Ouseley Trav. Vol.]. p.210. E. Stirling in As. Journ.
"N. Ser. 1831. Vol. V. p.87; Gotth. v. Fiſcher Nachrichten vom
Tuͤrkis in Gilb, Annal. 1819. Bd. LXII. ©. 335 |
.. hi
672 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 7. |
den Chineſen⸗Berichten verdanken wir daher die einzigen ſpeciellen
Nachrichten über fie. Ihre Tahia find aber unſtreitig keines
wegs das ganze Volk derfelben, fondern nur eine der politischen
Abteilungen derfelben, die als eine mehr dem Handel ergebene
Colonifation auf der Süpdfeite des Orus ihre Aufmerkfamkeit vorz
züglich in Anſpruch nahm, während deren Stammesverwandten,
‚in den früher genannten Voͤlkergruppen zu fuchen ſeyn werden,
oder in noch andern nomadiſch gebliebenen Horden uͤberhaupt,
die fi mannichfach unter einander gemengt haben mögen.
Erläuterung 4.
Die Gruppe der Yueti (Getae); nach den Annalen der Han
und nach Matuanlin. Die Se, Sai, Sacae (Zazaı) und
Safas der Perfer und Inder. Die Großen und die "a
nen Yueti; die Foeleouticha, Mletſch'has, Beludfchen.
pin (Cophene), Kabuleftan; Fanyan, Bamiyan.
Zu dem obfiegenden Voͤlkerſtamme (der Yueti) der genann⸗
ten Gruppe der zulegt Eingewanderten, welcher fo viele
andere Voͤlkerzweige in ſich verfchlungen zu haben fcheint, und
feleft wieder unter fremdartigen Namen (Safas, f. Afien IV.1.
S. 485 u. a. D.) in feinen füdlichen Eroberungen auftritt, gehen
wir zulegt, in diefer Aufzählung, nad den Chinefens Annalen,’
über, weil cs fo vielleicht möglich wird, nach) Ueberſchauung aller J
frühern Angaben, in diefen hoͤchſt verwickelten und gewiß auch J
nie ganz zu entwirrenden ethnographifchen Verhältniffen Centrals
Aliens, doch weniaftens einiges Licht nach verfchiedenen Nichtum:
gen hin zu gewinnen, und einigen wenn auch nur mehr oder we—
niger wahrfcheinlihen Zufammenhang fo wichtiger, welt—
biftorifcher Begebenheiten, der uns in der That fruͤherhin auch
gaͤnzlich gefehlt hat. |
Die chineſiſchen Annalen der alten Hans Dynaftie 9
fiimmen hier über diefen Voͤlkerzweig (von Mitte der II. Jahrh.
vor bis 20 J. n. Chr. ©.) glädlicher voeife volllommen in alle 1
Hauptpuncten uͤberein, mit dem Sſeki des antiken Hiſtoriten
2)Opissanie Dshungharia i wosstotschnawo Turkistana dv, Pat, Hya⸗
kinth I. c. on. Dr. Schott Erfier Theil fer.
‚Sentral-Aften, Ta Yuetis 673
Sfematfien®) (100 J. v. Chr. G.), wie mit der hiftori-
ben Bibliothek Matuanlins (aus dem XII. Jahrh. ).
us "diefer letern erhalten wir hier, nach Ab. Nemufat, unter
wei Artikeln die Berichte über diefelben: nämlich unter den
Abfchnitten der Großen und Kleinen Youeichi (Yueti)y),
Die zwar, dem Namen nad) verwandten Yetha (Da). eines
ben daſelbſt vorkommenden dritten Artikels bleiben ihrer Abe
ammung nach, für uns noch unficher, zwifchen den Völkern
etiſchen und turkiſchen Schlages. übrig; wir lafen die Notiz über
aulest, folgen.
Die Ta Yueiti oder Ta Yuete (nah Ab. Nemufats
nfänglicher. Leſung Ta Youeich i). Diefe Großen Yueti
ſeit den Zeiten der Han befannt. Von ihrem Eroherungs⸗
e gegen Weſt in das Land der Ta Wan (Ferghanad, und
on ihrer Beſiegung der Tahia (Dahae) war früher die Rede
06. ©. 420, 421, 548, 568), Ihre Sprache und Abſtammung,
wir fchon fruͤher bemerkten, iſt uns durch Fein poſitives hiftos
ches Zeugniß. bekannt; fie werden von den Chinefen nur als
in von den Ufun verfchiedenes Volk angegeben. Daß fie früher
Aſien I. ©. 193— 194, 352, 432 u. a. D.) als Völker tübetis
hen Schlages von uns aufgeführt wurden, iſt wie gefagt, nicht
f Ber. der —— — — die ihre Hefprüngliohe Derwandtfchaft
14 x fon ir ©. 605 die Rede war. Auch * uͤber die Sprache
ine weitere Notiz bekannt.
| Auch davon, daß die Ta Yueti anfänglich die Stämme der
su, Se, Sai aus dem nördlichen Sogdiana, bei ih—
m Cinzuge in Ta Wan, ſoͤdwaͤrts zum Oxus verdrangten,
t früher die Nede gewefen (Aſien I. ©. 432), und diefes wich—
ge Factum ift neuerlich durch die Annalen der Han), aus ihz
#6) Ssematsien ‚Relation du Pays de Ta onan v. Brosset Nouv,
vr Journ. Asiat. T. Il. p. 420 — 425. ) Wen hian thoung khao
Liv. CCCXXXVM. "Bl Ab. Remusat Notice etc. de. Matouanlin in
UN. Mel. Asiat. T.I. p.220— 225. *2) Klaproth Tabl. hist. de
* Asie p. 132 Not. 163; nach dem Wen hian thung kao Band 98,
th. 337, des Eremplars der Parifer Bibl. Nr. 57 des alten Gas
talogs, der die eigentliche Quelle der erfien Klaprothfchen Unter-
—* fuchhungen über die Ufun und Yueti war, melde von ihm in feinen
Tabl. histor, aber verfchtwiegen wurde. ° °?) Vergl. Foe koue ki
eh. VII. Not. 3. p.39, aus dem Tbsian han chou Liv. LXL, p1—5,
Ritter Erdkunde VIE | Un
x
Verwandtſchaft in der That eigen war, wird wol auch ſchon da
674 Weſt⸗-Aſien. J. Abfehnitt. 8. 7.
ver Originalquelle, vollkommen beftätigt (T. 06. ©. r
Daraus wird es begreiflich, wie Safen, deren Name in &
Sai, oder Se, durch Chinefen wiedergegeben ward, die Ve
nichter des helfenifch s bactrifchen Reiches (Strabo 511), werden
da fie von den Yueti dazır gedrängt find. Ahr Name, der “
fireitig früher fhon als Allgemeiner Skythenname
Perfern und Hindus (als Sakas, Iuxar) in Gebra
war, und auch, von Hero dot, als eine der vier großen Wölfer
ſchaften der Erde im Allgemeinen git (Saten, Inder
Affprier, Aethiopen VI. 9), kommt aber zur Macedonidt
Zeit nur ale Bezeichnung der Truppen im Dienfte der Perfer
heere vor (nämlich als ſtythiſche Bogenfhüsen zu Pferd
nicht af freies Volk oder Königreich, f. Arrian Exped. Alex. Il
8,5 und 11, 5; VII. 10,11, fo auch bei Herod. II. 93, VI. 64)
Daß er erſt foätethii, im Abendlande, zu einem ruhmvollen
als Beſieger baktriſcher Hellenen, bei Griechen und Roͤmern, weil
den Fonnte, naͤmlich feit dem zweiten Jahrh. vor der chriftl. Aerec
begreift man leicht. Hieraus. aber ift e8 wol eben fo erklärbar, wi
der Name der Saken auf ihre nachruͤckenden Verdränger, die we
sahlreichern Yeti (Getae), welche in den Augen aller ſuͤdlicher
Voͤlker, wie der Perſer und Inder, zu denen fie mit jenen, if
ven Vorgängern, vorfchritten, übergehen mußte; wie auch, daß |
in Kriegführung, Sitte, Sprache und Cultur als den ſtythiſchen fehl
nahe verwandte Voͤlkerſchaften erfchienen feyn werden, und diefe m
jenen als nur zu einem und demfelben Stamme, dem der Sal
kas gehörig, betrachtet wurden, was bei dem fchroffen Gegenfa
zwifchen Indern und feythifchen Völkern auch fehr begreiflich n
Daß jenen beiden aber, unter fich, überhaupt aller Eriegerifcheh
Fehde ungeachtet, Fein abfoluter Gegenfaß, vielmehr eine gewiſ
durch wahrfcheinlich, daß die chinefifchen Annalen fowol bemerken
wie von Anfang an, ſchon in ihrer Heimath, ander Gren
Chinas, die Yuete mit den blauäugigen, blonden Ufun gemifcht®
Icbten, wie auch daß nach der Wanderung und Verdrängung 9
gen Weft, was die Han: Annalen. ausdrücklich fagen, immer no
Tribus der Se (Saten) und Yueti (Getae) unter den ufu |
fisen geblieben (f. ob. ©.615). Diefelbe Erfcheinung des Durch
einanderwohnens diefer verfchiedenen Tribus I * bei ihren
#*) Tableaux histor. de läsie Pr 132 Er 8
Central: Afien, Ta Yueti, 75
ſteten Fortfchreiten im andere Territorien, bei Ihren Wanderungen
und Eroberungen, bei ihrer fteten Zerfpaltung in vielfache Herr⸗
ſchaften immer wiederholen, und zumal bei der Duldung der Bes
‚fiegten (Hörigen) durch die Sieger, welche nicht auf Ausrottung
der Völker, wie die Mongholen, ausgingen. Diefes im Deccident
bekanntere Verhältnig ift zumal in dem ArfacidensMeiche, oder bei
den Partherns), die nach Juſtinus auch nur ein Zweig des
großen Skythenſtammes, oder ein Theil diefer Wölkermaffe waren
(nam Seytlico sermone Parthi exsules dicuntur, Justin. 40. 1),
Br getanere Forſchung nachgewiefen worden.
41. Die Großen Yueti.
Die ſpeciellen Nachrichten über jene Yueti find nun fol⸗
gende, zur Zeit der Han: Dpnaftie: Im Weften wohnen ihnen
die Aft, im Süden die Tahia; ihre Capitale ift Lanchi (derfelbe
Name, wie oben bei-den Tahia), im Welten der Ta Wan, 2000
bis 3000 Li (100 bis 150 geogr, Meilen), im Norden des Wei:
Fluffes (Orus) gelegen. Dom Norden her (von wo?) find 49
Zagemärfche bis Khangkiu.
Man zählt hunderttaufend Familien der Yueti. Land, Clima, -
Pandesproducte, Sitten der Einwohner, Münzen, Waaren, die
man von daher erhält, Alles ift wie bei den Afi (f. ob. ©. 654).
Anfänglich waren die Yueti Nomaden mit ihren Heerden umhers
ziehend, und ihre Sagerorte wechfelten nach Art des Hiongnu, obs
wol‘ fie dieſe verachteten. Man zählte bei ihnen hunderttaufend
Bogenſchuͤtzen.
Sie theilten, nach ihrer Beſitznahme, das Land der Tahia
in 5 Herrſchaften; uͤber 100 Jahre ſpaͤter (etwa im I. Jahrh. n.
Chr. Geb.) *6), hatte einer der 5 Gebieter dieſer Herrſchaften,
Prinz Kouerchouang Truppen ausgehoben, mit denen ex die
4 andern unterjochte und fich zum Könige erhob; deshalb Koͤ—
nig Koneihouang genannt. Derfelbe (oder deffen Nachfols
ger) unterwarf fih auch die Yetha und Kipin (nah Ab. Re—
muſat ein anderer Zweig der Geten und Kophene), bemaͤchtigte
ſich ihrer Beſitzungen, wobei auch Kaofu (Kabul) und Hantha
Eandahar?) genannt wird, Andere vorklommende Namen find
—*
) St, Martin Discours sur l’Origine et l’Histoire des Arsacides in
Journ. Asiat, 1822. T. l. p.69—77, 26) Foekoueki 1. c.
Not,9 p.83,
Uu2
676 Weſt⸗Aſien. L Abſchnitt. F. 7.
noch ungewiſſer. So ward er auch Here von Yintu (Chintw
Hiantu, NordsHindoftan). Die Könige der Yueti behiel⸗
ten die Herrfchaft in diefen Gegenden bis in das IL. Sahıh.
Anfang des V. Jahrh. ift noch von ihren 1eberfällen in Indien
die Rede. Seit jener früheften Zeit waren die Yueti eine reiche”
und mächtige Nation; fie blieben dies auch, nämlich ſchon in ih⸗
ren nördlichen Sigen bis zu den Zeiten der zweiten Dans Dynar
ftie; als aber die Jouan jouan im Norden an fie heran rück
ten, wurden fie von denfelben öfter durch Weberfälle heimgefucht,
Sie zogen daher gegen S.W., und fiedelten fich in der Stadt‘
Polo (Balkh) an, die 100 geogr, Meilen (2100 Li) von Fer
ticha (2) entfernt ift. Späterhin fammelte ihr tapferer Koͤnig Ki-
tolo eine Armee, überftieg gegen Süden das Hochgebirge)
Gindu Khu) und fiel vom Norden her in Indien ein. Alles
Sand im Norden von Kan tho lo (Kandahar), aus 5 Neichen |
beftehend, unterwarf fih ihm. — Dies wäre alfo, nach hinzfiz
fchen wiederholt beftätigenden Angaben, die Eroberung der Nord:
weftfeite des Indus durch die fogenannten In do/Skythen.
Die Landeseinwohner, fagt der hinefifche Bericht bei Mas
tuanlin weiter, fahren dort auf Karren mit 4 Rädern von 4,
6 bis 8 Ochfen gezogen, je nachdem jene groß find. Zur ‚Zeit der.
Weis Dpynaftie Cim IV. und V. Jahrh. nach Chr. Geb.) kamen
Kaufleute von den Yueti, und rühmten fich der Kunft Steine
zu fiymeljen und daraus Glas in allen Farben zu bereiten.
Sie verfertigten dies von der fchönften Art, und erhielten die Erz
laubniß in der chinefifchen Capitale eine Fabrik der Art anzules
. gen; feitdem ward der Gebrauch des Glafes allgemein, und hörte
auf eine Koftbarkeit aus der Fremde zu feyn. Denn vor Zeiten
gehörte das Glas zu den Koftbarkeiten aus dem Lande der
Yueti. Auch war bei ihnen von einer Art merkwärdiger Hamz
mel die Nede, deren Schwanz bis 10 Pfund wiegen foll, und
welcher vorzüglich zu Opfern (bei Perfern) diente,
2. Die Kleinen Yueti, die Foeleoutfha, Mletfch’ bar
Beludfhian, Beludfchen.
Die Kleinen Yueti (verfchieden von dem zwifchen Shina
und Tuͤbet figen gebliebenen Suͤdzweige) wohnten urfprünglich,
ebenfalls an der Grenze von Schenft, im nordweftlichen China,
Ihre Kleidung glich fehr derjenigen der Khiang (Tübeter). Aber
fie folgten ihren Heerden, mit denen fie in die Ferne zogen. Sie
*
Lentral⸗ Aſien, Kleine Yueti, Foeleoutſcha. 677
wurden, gleich den Vandalen in Europa, am weiteſten gegen
Weſt und Suͤdweſt verſchlagen. Ihre Capitale liegt im Suͤdweſt
von Pholo GBalkh); fie Heißt Foe leouſtſcha (ſ. ob. S. 549),
worin wir ſchon oben den Namen Beludſchen, der gewoͤhn—
lic) für weit jünger gehalten ward, nach Ab. Remuſat erfennen
mußten, Ihr König war Sohn von Kitolo, dem diefer jenes
Gebiet zum Schuß uͤbergab, als er durch den Ueberfall der nors
difchen Horden der Jouan jouan vom SianpisStamme gende
thigt ward gegen den Weſten auszuweichen. Daher erhielt ſeit—
dem diefer Abzweig des Volkes den Namen der Kleinen Yueti,
Sie fihlagen Münzen von Gold und Silber. 10 im
Dften ihrer Stadt fteht ein Thurn (Sutupo), dem Buddha
(For) heilig. Er hat 300 Schritt in Umfang und SO Klafter
Höhe. Seit der Zeit der Erbauung big zum achten Jahre Wu—
ting (d. i. im 5. 550 n. Chr. Geb.) find 842 Jahr verfloffen —
er ward hiernach alfo fihon 292 Jahr vor Chr. Geb, erbaut (f.
oben ©. 297)., Dies nennt man den Plan oder das Bild
Buddhas. — Diefe Erbauung des genannten Sutupo geht
nad) diefer Chinefen Angabe in zwei Sahihunderte vor den Eins
- fall der indosfeythifchen Völkerfchaften in jene Gegenden zurück,
in jene Zeiten kurz nad) Alexander M. Rückkehr aus Indien nach
Babylon, wo alfo fihon hiernach, weit früher Buddhacrultus auf
der Weftfeite des Indus verbreitet gewefen wäre. —
Man wird fehr geneigt ſeyn diefes frühefte Auftreten
des Namens der Beludfchen, die man frit Pottingers
Reiſen und Forfhungen 57), in ihren heutigen Sigen, erſt feit dem
- XV. Jahrhundert Eennt, oder nach unfern eigenen frühern Hin—
weifungen $) nah Ebn Haufal im V. Jahrh. der Hegira, alfo
im XI. Jahrh. n. Chr. ©. dafelbft, um das Jahr 1000 n. Chr.
G., und dann wieder zu Timurs Zeit, um 1400, glaubte als
bloße Raͤuber der Wüften 5%) hervortauchen zu fehen, für eine Far
belei der Chinefen zu halten. Mit Pottinger, der ihre Kenntnig
wieder in die heutige Ethnographie einführte, nahm man feitdem
an, daß als die erften Seidſchuken in Khorafan einbrachen, mit
den Kämpfen Toghrulbeks gegen die Ghaznaviden, zum erften
s7) Pottinger historical Memoirs of the Countries explored during
a tour through Beloochistan and a Part of Persia etc. in deſſ.
Travels in -Beloochistan,, Lond. 1816. 4. p. 250, 268, 275.
5°) Erdkunde 1818. erfie Aufl. TH. 1. ©, 67. 62) Ebn Haukal
in Oriental, Gevgr. ed. W. Oouseley jr
678 Weſt⸗-Aſien. 1 Abſchnitt. $ 7.
male der Name der Belndfchen in demfelben Lande genannt
merde, in welchem fie noch heute ihre Sitze haben (füdwärts Kans
dahar nach Kelat), _Pottinger hielt fie für einen Reſt turfomas -
nifcher mit den Seldfchufen verwandter Stämme, die nad) uns
glücklichen Kämpfen fich in diefe ihre heutigen Afnle, in das Falte
Hochland des füdöftlichen Yran zuruͤckzogen, wo fie noch heute in
Geſetzen, Gebräuchen, Religion ihm ganz turfomanifch erfchienen,
nur nicht der Sprache nach, da fie perfifche Dialerte angenommen.
Aus dem was wir oben S. 150, 179, 184, 187, 549 und andern
frühern Stellen angeführt, ift e8 wol gewiß, daß ein großer Theil
der heutigen Population auf der Wefkfeite des Indus, fids
waͤrts Kabuleftans, ans den Völferreften vielfacher indos
ſkythiſcher Cindringlinge aus jenen frühern Yahrhunderten
indosfythifcher Neiche herftammt, Jener Thurmbau im Könige «|
reich Foeleoutfcha würde aber noch in eine weit Ältere Zeit
zurückgehen, in welcher noch von feinen indo⸗ſkythiſchen
Völkern (die erſt feit dem Sturz des helfenifchen Baftriana dort
eindringen, 136 yor Chr, G.) im Suͤden des indifchen Kaufafus
die Rede war, Ab, Remuſat felbft trante frinen Augen faum,
als er im Foe koue fi ®), d. i, in Fa Hians Pilgerreife,
vom Sabre 400 n, Chr, G,, aanz entfchieden durch diefen Augens
zeugen das Borhandenfenn der fehr buddhiftifch ges
finnten Beludfchen (Foe leoutcha) beftätigt fand. Fa
Hian befuchte feloft von Kandahar (Kianthomwei der Chis
nefen, d, i, Gandhara bei Hindas) aus, 4 Tagereifen gegen
Suͤd wandernd, das Koͤnigreich Foeleou tcha, durch welches
nad) dortiger Legende, vor alten Zeiten Buddha (Foe, daher,
die chineſiſche Umſchreibung des Sansfritlautes) mit feinen Schuͤ⸗
lern gewandert war, und zelotiſche Verehrer gefunden hatte, die
durch Thurmbauten (Reliquien, Denfmale, Stupas, Sutupos,
Topes) feinen Namen verherrlichten, Ein großer Stupa von 40
Klafter Höhe (wol derfelbe, der anderwärts das Maaß ©!) von 80
erhält, und nach Beitärigung obiger Angabe bei Matuanlin, ſchon
292 Jahr vor Chr. G., alfo über 150 Jahr vor dem Sturze des
helleniſchen Baktrianas erbaut ward), wird dafelbft, von ihm,
nebft vielen andern Merfwürdigkeiten befchrieben. In demfelben
Kapitel wird gefagt, er. in dieſem Königreiche der Pudd has
Er te — —
9 Foe kone ki, ch. XII. Royanme Forleou cha p. 76 Not.1 5 78%
ebend. p. 84 Not. 4.
Central⸗Aſien, Foeleoutſcha, Beludfhen. 679
Topf ſich befand, welcher als eine fo heilige Reliquie diefes
Stifters der Buddhadoctrin galt, daß ein König der Yueti,
der ein ſtrenger Anhänger Buddhas geworden war, deshalb,
nit einem großen Heere in das Land der Foeleoutcha (d.h.
er Buddhaverehrer) einfiel, um diefen Topf des Buddha zu raus
ben. Da er aber diefe Reliquie, aller Anftrengung ungeachtet,
icht von der Stelle zu bringen vermochte: fo erkannte er daran,
ap das Schiekfal diefes Topfes noch nicht erfüllt ſey. Er ließ
uͤr denſelben einen großen Sutupo (Tope, alſo einen Reliquien⸗
hurm nach Art der dort ſchon fruͤher vorhandenen Architectu—
ten), und daneben ein Sengkialan (f. ob. ©. 354) fuͤr 700
Dieligiofe erbauen, gab diefen Schuß und reiche Dotationen, und
fehrte wieder mit feinem Heere zurück. — Gewiß ift es nicht uns
gerkwuͤrdig, daß diefer Topf (bekanntlich der Neistopf®2), in
welchem die enthaltfamen Samanäer ein geringes Maaß
don Reis zu ihrer Nahrung als Almoſen einzufammeln haben,
mac) der Vorfchrift der Buddhadoetrin) noch heute in den Sus
tupos von Kabuleftan als Eleine Urne ausgegraben ward, und
daß diefe lerne aus dem Topfftein verfertigt ift — damals
mwahrfcheintich fenn mußte — der im antiken Lande der Foe—
eoutcha, bei Kandahar, als eine Serpentinfteinart eins
heimiſches Muftergeftein ift (f. ob, ©. 292).
| Diefe Legende (obwol nur Legende, doch fihon aus dem IV.
Jahrhundert) beftätigt alfo dennoch das Höhere Alter der Foe—
feou tcha, nach obigen chinefifchen Daten, vor der Indo—
Skythen Zeiten, in demfelben Lande, wo weit fpäter
erfi der Name der Beludfchen befannt wird. So widerſpre—
hend dies nun auch gegen alle modernen Anfichten über diefes
Wolf klingen mag, fo feheint es doch damit, wie mit fo vielen
andern der oben berührten Angaben, vom chinefifchen Stand:
puncte aus, feine vollfommene Nichtigkeit zu haben; denn wie
wäre die bloße Erfinnung einer Zabel bei Chinefen denkbar, die
von der Weftwelt fo wenig wußten, und welche doch zu der Auf,
Eärung ihrer dunfelften Gefchichten die hellſten Lichiftrahlen vers
breiten hilft. Sind die Safas in Menus Geſetz und im
Mahabharata®), ſchon als jene indo-ſkythiſchen Voͤl—
kergeſchlechter, vor der Aera Sakabda (f. Aſien IV: 1.
2) Foekoueki I. c. p.82 Not. 8. *3) Chr. Lassen Pentapota-
mia Ind. p. 36, 60.
680 Weſt⸗Aſien. I. Abſchnitt. 5. J..—
©. 485 — 486) anerkannt, und muͤſſen wir mit dem trefflichſt
critiſchen Forſcher auf dieſem Gebiete, mit Laſſen, in den die
Safas begleitenden Paradas der Sanskritwerke die Part
erkennen, in den Davanas (Jonier) aber die Hellenen in d
baftrifchen Herrfchaftz fo liegt e8 uns ganz nahe, was ſche
v. Bohlen) zuerſt wagte, in dem Sanserit-Namen jener weil
lihen fo fehr von DBrahmadienern verachteten Mletſch'has
(mit Turuchka u. A., Aſien I. S. 115 I. ©. 654— 655; II
&.1098— 1100; vergl. IV.1. ©. 454, 467, 484), diefes Volk zul
erkennen, deſſen Sanskritfchreibung im Perfifchen in —5
ſchen (im Buche Basato'l Ard, nad Th. Hyde, welches u
übrigens unbefannt geblieben ift) ganz fprachgemäß uͤbertragen
ward. Diefe Ausfprache mußte fchon den chinefifchen, frommen,
buddhiſtiſchen Pilger, der in ihrem Lande fo zelotifche Buddha
diener, am Ende des IV. Yahrhunderts, vorfand, zu der natuͤr—
lichen Umfchreibung diefes Namens im Chinefifchen, als Foe—
leoutcha veranlajfen. Den uralten Sanskritnamen der Mle—
tſch'ha, alfo, finden wir Ende des IV. Jahrhunderts bei Chinks
fen als Foeleoutdha; im VI. Jahrh. bei dem buddhiſtiſchen
Pilger Hiuan Ihfang ſchon die neuere Schreibart Palous
ch a 68), und bei Perfern, nach einem Kriegszuge, den ihrer And
gabe nah Nuſchirwan gegen das Yahr 600 n. Chr. Geb,
nach Indien gemacht haben foll (er regiert von 532— 579), al
Beludfhian) aufgeführt, von deren Stamme, damals, ein
Ufurpator, Beludſchi (Belügj) genannt, die Herrfchaft in
Indien, von Kanoge an bis Sind zum Meere, inne gehabt. Die
fer Ufurpator, vom Beludfchen-Stamme, der von Nuſchit
wan befiegt ward, foll das erfte Schachfpiel vom Ganges an
den Perferfönig gefchieft haben. Wir ſehen daraus, daß auch
ſchon fo frühzeitig diefes Eriegerifche Volt durch Incurſionen feine
indischen Nachbaren bis auf den Thron von Kanodge am Gan—
ges hin, in Verwirrung gefegt hatte, wie dies früher zu Vier
madityas Zeiten Indo-Skythen oder Sakas gethan, und nad
Obigen, auch heute dies noch der Fall ift, da die Talpurkı
Dynaſtie der drei Amir auf dem Thron von Sind, gegenwaͤr
tig noch, dem Beludſchen-Stamme angehört (f. ob. ©.184)
“*) Das alte Indien a. a. ©. Th. I. p. 5, 95 °5) Foekoueki
Not. ku p. 78: es) Th. Hyde’ Historia Shahiludii in de Ludis
Obmäillum Lib. I. Oxonii 1094. 8. p.46 — 47.
Eentral⸗ Aſien, Beludſchen, Mletſchhas. 681
Die weſthlichen Barbaren konnten alſo durch viele Jahrhun—⸗
derte hin die wahre, bis heute drohende Plage der Inder genannt
werden.
Sollte nun uͤber das fruͤhzeitige buddhiſtiſche Leben dieſer
Beludſchen noch irgend ein leiſer Zweifel vorwalten, fo erins
nern wir, hinfichtlich jener Alteften Herleitung’ des buddhiſtiſchen
Mamens Foeleoutcha, an das bisher überfehene ‚merkwürdige
Eitat bei Ebn Haukal, welches. in der alten Schreibart „Bo⸗
loujes“ oder Bolouche fogar noch eine Beftätigung jener etys
mologifchen Ableitung darbietet, noch mehr aber in der Bes
deutung, melde zwar auf „Männer der Wüfte” allge
mein angewendet ift, die aber, wie Dufeley fagt, auch eben fo
gut, dem urfprünglichen Sinne gemäß, fih auf einſame Eremiten
(buddhiſtiſche Einfiedler, Asceten) beziehen kann”). Hierdurch
wird W. Dufeleys Hypotheſe der arabifchen Abftammung dies
fes Volkes aus Hejaz, nach den angeführten Stellen, überflüffig,
und deffen Eorrectur im Text; welcher fagte: „they do not infest
the roads” was Qufeley willkürlich in den Gegenfaß umwandelte
„they do infest the roads” fogar fehr zweifelhaft; denn wenn
dort Kouch und Bolouch als nebeneinander wohnend genannt
find, fo koͤnnen die Kouch auch Karawanenplünderer fenn, ohne
daß es darum die Bolouch find oder von jeher waren. Won den
Schimpfnamen der Barbaren und fupiden Völker wird man diefe
Bolouch (Feou leou tcha) freilich nicht reinigen koͤnnen, da fie dies
fen bei Brahmadienern wie bei Perfern und arabifchen Autoren
ſich gefallen laffen mußten. Die Worte im Tert Ebn Haufals
und der Mote find: „die Boloujes find in der Wüfte Kefes,
und Kefes in der Parfifprache ift Kouch, fie nennen diefe beis
den Voͤlker Kouh und Boloud. Die Bolouch find ein
Rolf des Sehra Nifchin (d. h. who dwell in the desert, wo—
durch auch ein solitary man, a hermit bezeichnet wird); fie beläs
ftigen die Wege nicht, fie haben vor feinem Menfchen Reſpect.“
Die folgenden Citate im Appendir beftätigen nun die fpäterhin
allgemein befannten Naubüberfälle der Bolouch, die in der von
Th. Hyde, de Shahiludio, citirten Stelle zwar Belludfchi ges
fchrieben werden, obwol von ihrem Könige, den Ih. Hyde mit dem
7) Ebn Haukal n Orient. Geography ed. Will. Ouseley, Lond.
4
1800. 4. p. 140— 141 und Not., desgl. ebend. Appendix Nr. II.
pP 283 — 292.
u82 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. % 7.
von Belhara (f. Aſien IV. 1. ©. 550) identificirt, und welcher
von da aus erft Kanodje erobert haben foll, ausdrücklich gefagt h
wird, daß er das Idol des Budd verehre (ejusque eultus
est Idoli Budd) 6), Daffelbe beftätigt Edrifi ®) im Artifel Bels
hara (Nehrwala, d. i, Narwar in Guzurate, Aften IV. 1. ©.552),
mo deffen König ebenfalls ein Buddhaverehrer genannt ift. Ob. !
gegenwärtig bei Beludfchen noch Spuren ihres alten Dez
cultus zu finden feyn werden, 9— erſt weitere Erforſchung im
Lande ſelbſt lehren.
3. Kipin (Cophene), Kabuleſtan.
Von dieſen Foe leoutcha und Kantho wei, oder Bes
ludſchiſtan und Kandahar, befisen wir bei Chinefen außer |
dem oben ſchon Angeführten (f. ob. ©. 568, 576) feine nähere
" Machrichtenz wol aber noch von Fanyan (Bamiyan) und
Kipin (Cophene, oder Kabuleftan), welshes zwiſchen Kandas -
har und Balkh gelegen iſt; alfo die erfte Eroberung der Yueti, |
m Süden des Hindu Khu war, Sowol in den Annalen der |
Han felbft, wie in Matuanlins hiftorifcher Bibliothek, befindet fi ich
darüber ein Artikel, welcher Iegtere von Ab. Remuſat mitges
theilt ward. Obwol fchon früher von Kabuleftan die Rede war,
fo fügen avir doch hier zur Ergänzung der Ethnographie und Geos -
grapbie Central: Afiens, zwifchen der Macedonier und Araber
Zeit, aus chinefifchen Duellen, auch diefe Notiz über diefe
beiden Zwifchenreiche bei, wodurch das ganze ethnographifche Ges -
mälde jener Periode vollftändig wird. Zuerft die Altefte Nachricht
aus den Hans Annalen 70), und an den betreffenden Stellen die -
Abweichungen bei Matuanlin *L).
Der Fürftvon Kipin (Eophene) hat feine Reſidenz in
Sünfin (Siunfian b. Ab, Remuſat, fpäter Sieoufian, f. #
“ob. ©. 576) 12,200 Li (610 geogr. Meilen) fern von Tſchang⸗
ngan, oder der Nordweftgrenze Schenfis. Er it von dem 54
ſiſchen Generalgouverneur in Turfan (ſ. ob. ©, br — 9 —
) Th. Hyde Historia Shahiludii I, c. p. 45. *») Edrisi Geo-
graphie ed. A. Jaubert. Paris 1836. 4. T. I. p. 179. |
10) rg Dsbungharia ete. von Pat. Hyakinth, St. Petersburg
1829. 2. Abth. von Dr. Schott. 21) Wen hian Tlioung —
Liv. CECKXXVIE p- 19 etc. in Ab. Remusat Ks Alcl, Asiat.
TR p- 205.
Central⸗Aſien, Kiyin, Cophene, Kabuleftan, 683
19, und gilt wegen der Menge feiner Untiripaßen und Krieger
t einen mächtigen Potentaten,
Pe Gegen ND, find 6840 Li (340 geogr, Meilen) bis zur Heft is
en; des Generalgouverneurs, und gegen Oft 2250 Li (112 geog.
Meilen) bis nach Yadfcha (Badakhfchan), Gegen N.O. find 9
agereifen bis zum Königreich) Nandu (Nanteou bei A. Remufat,
m Wet von Badakhſchan). Gegen MW. grenzt Kipin an
ie Großen Yueti und gegen S.W. an Ugheſchanli (das öfts
che Perfien), Als die Hiongnu die Yueti verjagt hatten, uns
erwarfen diefe fih im Weſten das Reich Tahia; der König
er Se (Sai, Safen) nahm Kipin in Süden ein. Die
De:Tribus wohnen zerftreut und find flets von Andern abs
yangig (ftatt deflen fagt Matuanlin: um hie und da verfchies
sene Königreiche zu gründen); wirklich find auch. von Sule (Kaſch⸗
Ihar), in N.W. an, alle Gebiete der Hieouſiun (Ufun?)
ind der Siuntu (Sind) von allen Tribus der Sai (alfo
Dafas, wie auch die Sansfritfehriften im weiteften Sinne ans
jegeben) bewohnt,
Kipin ift ein Land, das Ebenen hat, und ein temperirtes
Tlima. Zu den Sandesproducten gehören: Honig, verfchiedene
flanzenarten, feltene Bäume, 3. B. Sandelhols (?), Erbfenbaume
bei Matuanlin), Mufu (Herba medica, f. ob. ©. 637) und ans
dere Pflanzen; an Bäumen der Ihanhoai, fin, Bambus, eine
Art Firnisbaum,
Man ſaͤet verfchiedene Arten Getreide, baut Weinreben und
Obſt. Gärten und Felder werden gedüngtz die bemäflerten Mies
derungen bringen Reis hervor, Selbft im Winter ift man frifche
Gemuͤſe (über diefe Produkte vergl. ob. ©. 304 — 305),
Die Einwohner find fleißig, gefchieft in mancherlei Schnitz⸗
arbeit, in der Baufunft, dem Weben und Sticken, in der Anfers
tigung der Seidenftoffe. Sie lieben ausgefuchte Speifen.
Auf ihren Bazars findet man Gefäße von Gold und Silber,
fupferne und zinnerne Geräthfchaften. Sie fertigen Geld;
und Silber-Münzen, die auf einer Seite das Bild
eines Reiters haben, auf derandern einen menfchs
liben Kopf. — Diefe numismatifche Characteriftit des Chines
fenberichtes entfpricht fehr auffallınd den juͤngſt erft in Kabuleftan,
zumal um Beghram und Manifyala (f, 06, ©, 295,105), fo zahlreich
gefundenen Reitermuͤnzen mit gefenfter Lanze, auf der einen
und dem Königsfopfe eines Azes, Azilifes, Mokadphiſes, Ka:
684 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 7
nerkos u. a. auf der andern Seite, welche von Maſſon, J.
Prinſep, Raoul Rochette u. U als zu dersindosffythi
ſchen Reihe 72) diefer Muͤnzſchaͤtze gehörig anerkannt wurden,
Aber auch die baftrifche Reihe derfelben zeigt in der Eukratides
Münze, welche zuerft von &. Bayer) öffentlich mitgetheilt
ward, daſſelbe characteriſtiſche Gepraͤge, dem eine ſehr große Zahl
anderer nachgefolgt iſt, während viele der dort gefundenen Muͤn—
zen anderer Reihen durch ganz andere Gepräge characterifirt find«
Bei jenen find die Legenden in Pehlvi und verderdten griechiſchen
Buchflaben, fo daß man den baftrifchz helfenifchen Einfluß der
Eultur, auf diefe indosfenthifchen, ſakiſchen oder getifchen Fürftene
gefchlechter bei ihrem Vordringen auf die Südfeite des Hindu Khu
nicht verfennen kann; wenn fie auch, wie Ch. Maffon nach
feinen Münzergebniffen am angeführten Orte wahrfcheinlich zuf
machen gefucht hat, nicht lange Zeit auf dem eigentlichen bak⸗
triſchen Throne (wol durch Parther verdraͤngt), naͤmlich im Horse
den des Hindu Khu, fisen blieben, fondern ihre Hauptmaſſe
frühzeitig über deffen Süpdfeite zu dem Weftufer des ande forts
ſchritt. —
Andere Ergeugniffe von Kipin, fagen die Annalen der Han,
wobei man eben nicht dort einheimifche Produkte, fondern nur
Waaren zu verftehen hat, welche den Chinefen durch den Handel
mit Kophene bekannt wurden, find Budelohfen (der indische
Zebu, der auch häufig auf den Münzen abgebildet ift); Büffel,
Etephanten, ftarfe Hunde (diefe werden bei Matuanlin groß wie
Eſel genannt und roth von Farbe, alfo wol ein mehrdeutiger
Name von Beftien, und nur eine Namenverwechslung; in Fazfl
niyan werden rothe Panther genannt); große Affen (die Afz
fengrenze giebt Sultan Baber an, f. 0b. ©. 246); Pfauen.
Auch Perlen kommen von daher; koſtbare Steine, Korallen,
Ambra (Succin nach Ab. Nemufat bei Matuanlin), Marmor
(Bergeryſtall b. Matuanlin) und Glas. Das Zuchtvich ift dafz
jelde, wie in den vorgenannten Laͤndern. N ;
72) Gh. Masson Memoir 1. c. in Journal of Asiat. Soe. of Beng:
Vol. III. p. 159 etc.; J. Prinsep Further Notes ebend, Vol. IV,
p- 339; Raoul Rochette Supplement a la Notice etc. Journ, des
Sav. 1835. p. 582— 597 und Deux. Suppl. ib. 1836. p. 196 ete.
73) S. Bayer Histor. Kegni Graecoi. Bactr. I. c. Tab. ad p. 2005
vergl. ‘Raoul Rochette Journ. d. Sev. 1836. Not. p. 6%; J. Prin-
sep Notes on Bartrian Coins etc. in L. Burres Tray. into Bokhara
Vol I, p. 463 — 473.
» [4
Sentrals Afien, Kipin, Cophene, Kabuleftan, 685
Anter Raifer Wuti der Han (142—87 vor Chr. Geb.) be:
der erfte Verkehr zwifchen China und Kipin. Da diefee
fo weit von China entferntsliegt, und chinefische Heere nicht
dahin gelangen können: fo erlaubte fich deflen Herrfcher to:
“ (Gn theou lao, bei Matuanlin), zu wiederholten Malen,
hinefifche Gefandte (d. h. wol Handelsagenten) zu berauben und
ju tödten. Deſſen Sohn ſchickte jedoch Gefchenfe durd) eine Ems
baflade nach China, die von Wentfhung, dem Commandenr
der Grenze auch zurück geleitet ward. Der Fürft hatte die Abs
fiht diefen umzubringen ; aber verrathen, fam ihm Wentfchung,
der fi mit einem Prinzen Inmofu (Yin mo fu b. Matuans
) verbunden hatte, zuvor, tödtete ihn und feste diefen In—
* auf den Thron von Kipin, und gab F Inſiegel (und
* nach Matuanlin).
Spaͤterhin wollte General Df chaote Eſchaote b. Matuan⸗
it in) dem Inmofu feine Herefchaft wieder entreißen; er ward aber
n Ketten gelegt und mehr als 70 Derfonen feiner Gefandtfchaft
semoxdet. Das Entfchuldigungsichreiben des Inmofu an den his
efifchen Hof, ward vom Kaifer Yuanti (Hiaoyuanti) nicht
peantwortet, wegen der großen Entfernung; doch der. Gefandte .
über den Hängenden Pas (Hiantu, durch den Hindu Khu,
f. unten) zurücgefandt, und alle Verbindung mit Kipin *
b ochen.
Wie ein wiederholter Verſuch den Verkehr mit China von
neuem zu beleben (unter Kaiſer Tſchingti, im Jahre 32 vor Chr.
Geb., nad) Angabe der Hans Annalen), aus denfelben und/
andern. politifchen Gründen, durch die Nede des General Tukim,
im kaiſerlichen Staatsrath entgegnet ward, haben wir ſchon frei:
her, nach Matuanlins Angabe, bei Balti, oder Klein Tübet, ir
damaligen Paflagelande von China nad) Pe Hiantu oder Nord
Hindoſtan, nachgewieſen (f. Afien I. ©. 647—650). Da
fiimmen auch dem Weſen nad) die Berichte der Hanz Annalen
überein; nur feßen diefe noch hinzu: allerdings fenen ah
‚Handelsvortheile geweſen, welche die Bewohner von Kipin zu fol:
hen Embaſſaden vermochten; dies habe ſich auch ferner gezeigt.
Ben ungeachtet die politifche Verbindung des Kaiferhaufes tmit
ihnen damals abgebrochen worden, hätten die Kipin dennoch alle
J Jahre einmal, um des Handels willen, eine Karawane nach
Bin gefchickt. —
Hier enden die Nachrichten diefer Annalen; aber Matuan—
686 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 9. 7.
fins hiftorifche Bibliothek” giebt auch noch aus der Pi
riode der Thang-Dynaſtie folgende Daten bis zum Yahre 758 ıl!
Chr. G.; alfo bis in die Zeit der Araberperiode in Kabuleftail|
Fa Hian, der buddhiftifche Pilger, hat Kipin nicht felbft b
fucht; da er fi) nur weiter oftwärts uber Utfchang nad) Kiau
thowei begab; aber fein Gefährte Seng han nahın die Ron)
weiter weftwärts, nach Kipin 7°) (Eophene), worüber aber vo||
ihm leider nichts mitgetheilt wird,
Das Königreih Kipin, berichtet diefe chinefifche Duelle, i
in der That ein fehr reiches Land, voll Handel, wobei viel Gi!
winn ift. Erſt zur Zeit der zweiten Dynaftie der Wei (im Vı
Jahrh. n. Chr. Geb.) trat man wieder in Verkehr mit ihnen)‘
Ihre Eapitale galt für eine fehr fchöne Stadt. Zur Zeit de ı
Sui ward ihr Land auch Tfao genannt, das im Suͤdweſten de)
Tpfungling gelegen fey. Es verficherten die Hiftorifer der Sul
daß diefes Ifao gleichbedeutend mit Kipin fen, und daß delle
König von der Familie der Tſchaowu und ein Verbündete)
fey der Könige von Khangkkiu (Samarkand, f. ob. S. 657)
daher wol, daß.hier der Name Ifao, der urfprünglich Osrufchn
angehört, f. 0b. ©. 647, wiederholt werden Fann). Er hatt;
10,000 Krieger, firenge Gefege, hielt Ordnung im Lande; Diel!
ſtahl und Mord wurden mit dem Tode beftraft. Viel Aberglaul;
herrfcht daſelbſt. Zn den Bergen des Ihfungling giebt es Anbiı
ter des Himmelsgottes (Thian?); ihre Ceremonien find ſeh
gefucht. Sie errichten Gebäude von Gold und Silber, denn iin
Sand ift an Silber reich. Vor dem Tempel ift der Wirbel eind
Fifches (vertebre de poisson n. Ab. Remufat) durch deffen Def|
nung ein Pferd mit fammt dem Reiter aus und eingehen Fanı
Der König trägt eine Müse in Form eines Ochfenfopfes, un j
fist auf einem Thron, der die Form eines Pferdes hat und vo)"
Gold if. Die Erde iff reich an Korn, Neis, Gemüfe; auch will‘
Sinnober, Tſingtai (2), Mekkabalſam (alfo wol durch den Handı h
dahin gebracht, wie anderes), Tfingmu (Aucuba japonica?) un]!
andere wohlriechende Pflanzen; auch Steinhonig (2, ſchwarze
Salz, Affafoetida (f. ob. S. 260), Myrrhe, Pefu tjeu (2) fir a
det fich dafelbft.
?*) Wen hian thoung khao I, c. b. Ab. Renmsat in Nour. Me
} Asiat, T, I. p. 210— 213. 16) Foekoue ki chap. IV. p. 22
Eentral-Ajien, Fanyanna, Bamiyan, - 685
ihm Fanyan (Baminan) 700 %i (35 geogr. Meilen) gegen
Norden liege, Khiei (ob Kietfcha im Foe koue fi? was, Baltis
ſtan zu ſeyn ſcheint; f. daf. Chap. V. p.26 Nota 7 p. 29). aber,
30 geogr. Meilen in Oſt. In der Zeit der Thang⸗ Dhnaſtie kam
von da Tribut in den Jahren 605 — 616. Im J. 619 beſtand
derfelbe aus koſtbaren Gürteln, Goldketten, Bergerpftall, Glas:
Schalen, welche-die Frucht der Jujube nachahmten. Im J. 627
bis 649 brachten fie Racenpferde, wofür fie reiche Belohnung ers
hielten; und da die Sefandtfchaft Ifchu lupa’s, Königs von
Hiantu (Indien?), aus China zu gleicher Zeit heimkehrte,
wurde diefe beauftragt denen von Kipin das Geleite zu geben.
Sm Fahre 642 hatten die Gefandten von Kipin die Genealo;
gie ihres Königshaufes fo angegeben, daß feit Hing niei Cob
der erfte ihrer Tſchaowu Fürften?) bis auf den König. Ko hieis
tchi, 12 Generationen abgelaufen (eine zu 20 Yahren gerechnet
würde auf die Gründung diefer Dynaftie vom Jahre 402; oder
zu 30 Jahren gerechnet auf das Jahr 282 oder zu 33 auf die
Mitte des H. Jahrh. n. Chr. G. zurückführen).
Ueber die folgenden Verbindungen Kipins mit China war
ſchon oben die Rede (f. 06. S. 576); doch werden hier unter den
Tributgaben, vom J. 719, noch befonders genannt: aftrono-
mifche Bücher, Tractate über Magie und gute Arzs
neimittel. Mit dem JZahre 758 hört jede Verbindung mi t
Kipin und China auf, wobei Utchangs (Udyana, ſ. ob. ©. 28/ 9
‚erwähnt wird.
4. Sieiju und Fanyan, Fanyanna (Bamiyan!:
Als Anhang führen wir hier das uns nod) unbekannte EPieis
ja, und das uns fchon befannte Bamiyan auf, von dem wir
aber in den Annalen der Han noch Feine Erwähnung find \en,
fondern erſt in fpäterer Zeit, wo es erft zu einem Eleinen abı es
fonderten, aber unftreitig indo-ffythifchen Königreiche geworden wocht,
wie feine Nachbarſchaft Utchang, Kipin, Kianthomei u. Ül,
‚wo, wie wir aus Hiuan Thſangs Bericht (650 nad) Chr, *
und aus den buddhiſtiſchen Monumenten nun zur Genuͤge wiſſeen,
—— daſelbſt, in jener Periode, in voller Herrſchaft w
In dem Artikel über dieſe beiden kleinern Gebiete 0) wird, Br
Matuanlin, Folgendes berichtet.
20) Wenhiangthoung khao des Matouanlin.b, A, Remusat Notice. etc.
in N. Mel. Asiat, K: J. —8 218 — 215.
688 Weſt⸗Aſien. J. Abſchnitt. 7,
Das Land der Sieiju liegt in S.W. von Tuholo (Tofha:
reftan); man nannte es anfänglich Tfao fin tfchha (alfo wol
demfelben. Herrichergefchlechte von Ifao, oder Dsrusfchnah vers
wandte). Zur Zeit der Ihang-Dynaftie 656 — 660, ward es Kos
thalotfchi genannt (wie ob. ©. 568, ein Name der wol aud) eine
weitere Bedeutung hatte). Seit 684 erhielt es feinen gegenwärs
tigen Namen. Im Mordoft von Sieiju liegt Fanyan, im
Oſt Kipin, von beiden ift cs 400 Li (20 geogr. Meilen) entfernt]
Gegen Sud wohnen Inder, gegen Welt Derfer, gegen Mord liegt
Huſchikian 2). ‚Der König wohnt in der Stadt Hufina (Gaz⸗
na? nach Ab. Remuſat). Man findet dort die Kräuter Yo kin
in Menge, auh Kiul?). Das Land wird. bewäffert und geduͤngt.
Es leben dort dreierlei Menfchenarten gemifcht: Turk (alſo frühs]
zeitig dort eingewandert), Einwohner aus Kipin (Geten?) und]
aus Tofhareftan. Die von Kipin nehmen junge Mannfchaft die⸗
fes Landes in Sold zur DVertheidigung gegen die Tachi (Araber).
Seit 710 ſchickten fie Tribut, und vereinigten fich mit Kipin.
Im Jahre 720 ward ihr König unter die Vaſallen des chinefifchen
Neiches eingetragen. Bis zum Yahre 755 lief Tribut ein. — —
Fanyan, oder Wangyan, auch Fanyanna (f. obJ
©. 272), liegt am Abhang der Gebirge Sfepimuyun(?)., Es
grenzt gegen N.W. an Hufchikian, gegen S.D. an Kipin, gegend
S. W. an Kothalotfchi. Auch an Tokhareftan. In der Falten
Sahreszeit lebten die Einwohner in Höhlen. Die Capitale heißt
Lalan, und außerdem find noch 4 bis 5 große Städte. - Die
Safe fließen nordwärts, und fallen zum Uhiu (Veh, mi.
9 8). Sm Sahre 627 ſchickte es Gefandte nach Hofe; 658
wird Lolan zum Generalgouvernement von Sieifung erhoben, die
Siadt Fufhi zum Hauptort des Arrondilfements Siwan; der
König Phu zum Gouvernene von Sieifung und Commandant
der 5 Dee von Kouanndi. Seitdem erfolgten die Tri
bate regelmäßig.‘ Die Stadt Chi hanna heißt auch Tſche han nah
Ton Fouyeti tritt man gegen Süd in die fehneebededten
Gebirge (ſ. ob. ©. 254 u. f. ). Sn 400 bis 500 Fi Ferne (20
bis 25 geogr. Meilen) erreiht man Fanyan. Im Offen des Sans
des fließe der Uhiu. Dort find viele rothe Pan —* 755
ia das Land Tribut, |
CentralsAften, Ethnographiſche Berhälsiffe,
F & &
Ethnographiſche Verhältniffe. Fortfegung,
Erläuterung 5.
Allgemeine Nefultate. Ethnographiiher Anhang. Thu ho lo
Ccocharen); Yeta, Hta; Hadſcha (Utſchha), Patahefchan,
Badakhſchan; Tiaotſchi, die Tadjik, die Perſiſchredenden;
Tata, die Unterworfenen; Garten, die Handelöleute. Die
Bucharen im engern Sinne,
8. Allgemeines Ergebniß.
|
i Indem wir in Obigem diefe ganze Summe der uns zugäns
jig gewordenen hinefifchen, ethnographiſchen Daten,
us ihrer labyrinthifchen Verwirrung und Zerftreutheit topogras
hiſch, ethnographifh und chronologifch ordnend zur Weberficht zu
ringen, und den Gefammtzuftand Central: Afiens, in fo weit es
nöglich war, diefen Verhältnijfen nach, darzulegen, dabei durch
dinweifung auf die orientalifchen Quellen, mit größter Genauigs
eit fpätern Forfchern die Wege zu diefem faft ganz unbeachtet
eblicbenen Felde zu bahnen verfuchten, haben wir es nicht unters
afien, zu gleicher Zeit, auch unſere befondere Anficht über den
anern -Zufammenhang und die Entwicklung diefer Völkerverhälts
iſſe gelegentlich beizufügen. Doc) ift dies nur unmaßgeblich und
7 der Art gefchehen, daß dadurch Feineswegs der innere Inhalt
er Ueberlieferung felbft getrübt oder verändert wäre, und überall
nd die uns als Beftätigung erfcheinenden Daten, aus den beften
zuellen der tübetifhen, indischen, kaſchmiriſchen, buddhiſtiſchen,
ohammedaniſchen und andern Autoren, zur Vergleichung in Ers
Inerung gebracht worden, Wir haben uns dabei durchaus nur
uf die Oftfeite des Aral und Caspifchen Sees befchränft, ohne
durch hier irgend wie ein Urtheil über den hiftorifchen oder eths
lographifchen Zufammenhang mit den oft für verwandt oder ſelbſt
hentifch gehaltenen, nicht felten gleihnamigen Weſtvoͤlkern wie
unnen mit Hiongnu, wie Maſſageten, Skythen in Aſien, oder
aken mit Skythen, Skoloten in Europa, Ungarn mit Uiguren,
fun mit Germanen, HYuete und Tahia mit den aͤltern Thyſſa—
seten und den juͤngern pontiſchen Geten, Daciern, Totharen mit
uͤrk u. ſ. w.) ſeſtſtellen zu wollen. Damit jede vielleicht glüd;
| Milter Erkunde VII. Rx
690 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. $. 8.
lichere Forfchung von neuem beginnen fünne, find alle Schwächen,
Anconfequenzen, Unbeftimmtheiten, Widerfprüche, an denen e
feineswegs ganz fehlt, mit aufgedeckt, und unfere eigene etwaige
Folgerung dberall genau von dem hiftorifh gegebenen
Stoffe getrennt gehalten. Diefer hindernden Cinzelnheiten uns
geachtet, und obwol gar nicht felten eine größere Schärfe oder
Bollftändigfeit der Beweisführung, am die aber bei Mangel at
Quellen und Sprachfenntniß aus fo antiforientalen Erfcheinun
gen nicht zu denken feyn wird, wünfchensmwerth wäre, halten
doch dafür, daß die große, biftorifchsethbnographif
Luͤcke, welche von der Macedonier Zeit an, bis zur Arask
ber Zeit, wie ein’ dunfles Gewoͤlk feit der Periode Cyrus und
Aleranders, nur mit dem Getümmel afiatifch : ffuthifcher, maflas
getifcher Horden erfüllt, diefe oftsaralifche Terra incognita, am
damals noch in Fabel gehülften, obern Orus und Tanais- Yarar
tes, zudeckte, hierdurch manchen hellen und in der That üben
rafchenden Tichtftrahl gewonnen habe. Ohne durch untergeordn
Einzelnheiten den beſchraͤnkten Blick vom Gefammtfhauplas dies
fer grandiofen Völkerbewegungen in der Mitte des afiatifchen Erd4
theiles abwendig machen zu laflen, gewinnen wir hier wenn und
nicht Alles trügt, eine merkwürdige Ausficht in den fortfchreiten
den Entwicklungsgang uns bisher faft unbefannt gebliebener Vol
fergefchichten, wie er uns nicht leicht anderwärts inmitten vera
wirrter Mölfergedränge, und dies iſt hier fo wenig wie
bei einer europäischen Wölferwanderung zu überfehen, und
verfchiedenartiäften Eulturvermittelungen zu Iheil wird. Da bie
wo nur der Norden noc) frei und unbefest bleibt, drei fh J
feſtgeſtellte Civilifationen dieſen Schauplatz der noch bewegik
nifche oder die von Folin (ſ. ob. ©. 640) im Weſten, un
die fortfluthenden Wölferwogen überall am Uferrande dieſe
drei politifchen Kontinente zerfiörend und aufbauend anfchlagen
und endlih nach dem Süden und dem Weften hin ü
then; fo geben daraus Erfcheinungen aus dem Driente here
die für indifche, parthifche,, perfifche, kaukaſiſche, armenifche, 0
römifche, byzantiniſche und oftseuropäifche Gefchichte, dur
recte Cinwirfungen und Ruͤckwirkungen ihrer Eulturen, Religis
nen, Literaturen, Handel, Verkehr u. f. w., alles Widerſtrebens u
ſelbſt fcheinbaren Widerſpruchs der aus der aberrdländifchen Anſich
Central-Aſien, Ethnographiſche Verhältniffe. 691
jervorgegangenen Berichterftattung ungeachtet, wol nicht wieder
ms dem Gange der Menfchengefchichte auszulöfchen ſeyn werden,
Im Gegentheil werden fie, wie dies der Gang der orientalifchen
>uellenftudien der letzten drei Jahrzehende fchon hinreichend bes
veifet, aus dem frühern Halbdunkel immer heller und in beftimms
eren Umriſſen und richtigern VBerhältniffen hervortreten,
eren öfter noch ſchwierige Umgrenzungen wie uns hier feiness
vegs verhehlen wollen, ohne deshalb den erften Verfuch aufgeben
u können, uns die Wege durch das Völferlabyrinth zu bahnen.
Das doc) ſchon etwas gelichtete Halbduntel, in dem fich diefe
Berhältniffe gegenwärtig darftellen, ift nun, wie wir fummarifch
us Obigem nur kurz angeben, der Art, daß wir den Äälteften
uftand der afiatifchen Skythen (Maffageten der dlteren
jeit), welche den Perſern und Indern fchon als Sakas bes
annt waren, mit, der Macedonier Zeit und dem helleniſchen Bacz
ana, nach der Süpdfeite hin ald vorübergegangen betrachten
uͤſſen, während derſelbe Zuftand vielleicht, gegen die Nord: und
Beftfeite, worüber jedody uns faft alle Daten fehlen, in derfelben
t immer noch fortdauern konnte. Die veränderte Geftalt
zrer ethnographiſchen Verhältniffe tritt uns in der Zeit der Eins
yanderung der Ufun, dem erften uns bekannt werdenden und
m wahrfcheinlichiten als Zweig zum indorgermanifchen Stamme
ehörigen Wolke, in dem nördlichen Raume entgegen; in den
bdlichern aber, in den theils bewahrten, theild durch Anfiede:
1g und erfte Anflüge der Cultur, veränderten Zuftänden ihrer
errſchaften, zwiſchen Jaxartes und Oxus, welche durch die Eins
anderung der Yueti (die uns mehr als Verwandte der dort
“über fchon vorhandenen Maffageten, als der Tuͤbeter entgegens
eten) uns erft hiftorifch fichtbar werden. Für diefe nähere
der ſey es fernere Verwandtſchaft mit Maffageren, fcheint, aus
re den übrigen Verhältniffen, auch ihre Name der Großen
Jueti, der mit den Maffa-Geten ganz identifch zu feyn
int, und welcher nun bis auf die Zeiten Timurs, ja bis auf
> Gegenwart am Indus fortdauert, nicht wenig zu fprechen.
ebrigens tritt die Gefchichte der Yueti, in allen Erſcheinungen
gen PDerfien und Indien, nur wie eine Fortfegung der Ges
hichte der Maſſageten auf, die ſelbſt noch bie Ptolem. 77) in den
tigen Ländern der YuetizHerifchaft am Afcatancass Ges
) Ptolem. Vf. 13.
692 Welt: Afien, I Abſchnitt. $ 8.
birge fortdauern. Wie das Verhältniß der germanischen Völker
zur Römerzeit, bei Tacitus, zu den Germanen nach der Römers
zeit und der Völkerwanderung, als identifch und doch verfchieden,
eben fo, um es kurz zu bezeichnen, fcheint uns dasjenige der Mafs
fageten und der fpätern Yueti, als Getifch» Safifche und dem
füdtichen Fortfchritte nach der indosfknthifchen Völker zu feyn, für
welche die hellenifch » baktrifche Periode die Scheidung bildete, -
Diefe Yueti (Getae), theils ihre Vorgänger (Sai und Tas
hia, Safen und Daae) befiegend, theils ihre gefeierten Herrſchaf⸗
ten duldend, theits ihre Woͤlkerſchaften füdwärts über den Oxus ver⸗
drängend, wie die Tahia, führen den Sturz des heffenifchen, bacs
trifchen Reiches herbei, dem eine nachruͤckende Eroberung über
den indifchen Kaufafus nach Indien folgt, wo die indosffysk
thiſchen (ſakiſche und getifche) Neiche, vielfach verzweigt,
ſelbſt bis zur Mündung des Indus und oſtwaͤrts zum mittlern
Ganges vordringen, aber auf die Weſtſeite des Indus zus
rücgeworfen (Aera Sakabda), fich dort, in vielen Dynaftien, Fleisch
nern und größern Reichen, die faft alle ſich durch Annahme des
Buddhismus von Brahmanen im Oſten und Perfern im Wefte
auszeichnen, bis zur Araber Periode, oder bis zur Einführung der
Lehre Mohammeds erhalten, vor der die Lehre des friedlichen
Buddha, nordoftwärts durch das Gebirgsland und durch die Sigch
der Altern Heimath ausweicht, und fo durch den Often ſich verbrei
tet. Die Specialgefhhichten diefer Begebenheiten find eg
deren Entwirrung man durch die aufgefundenen Rn AA
ſchen Schäge mit einiger Zuverficht entgegen fehen darf.
Sefchichte der buddpiftifchen Architeeturen und Miffione i |
wie die alten Annalen Kafıhmirs und der Handelsverkehr,
enthalten, des übrigen Stillfehiweigens von gleichzeitigen Stimme
ungeachtet, die unverwerfbaren factifchen Beweiſe die
fe8 damaligen Zuftandes der Dinge, von denen wir eine großk
Anzahl an fehr vielen Ortfehaften und faft auf allen Wegen w
Paflagen, in den merfwürdigften Details nachgewiefen haben
Fa wir nehmen als neuen Hauptbeweis für die innere Haltung
der von uns vorgelegten, bisher unbeachtet gebliebenen öftlichen
Duellen auch außer des ethnographifchen Fortfihrittes die Tee
titorialfenntniß in Anfpruch, die uns daraus in allen
Hauptlineamenten hervorgegangen ift, und fragen, ob irgend ein
frühere geographifche Darftellung "blos aus mohammedanifch
Autoren und den Glaffifern der Vorzeit im Stande gewefen var, d
Central⸗Aſien, Fortſchritt der Erkenntniß. 693
‚uns in dieſem wichtigen Gebiete Central-Aſſens mit ſoicher Si⸗
cherheit zu orientiren, wie es uns, allein durch den Beiftand chi⸗
neſi iſcher Annalen, ihrer Geograͤphen und Hiſtoriker, ſeit Sſe—
matſien und den Annaten der Han, in den Jahrhunderten
unmittelbar vor und nad) Chr. G. feit Tfehangfiang, Phans
tſcha os u. Deifius Entveungen, wie Fa Hians u. Hiuan
Thſangs Reifewerfen, und zumal feit den Zeiten der Thangs
Dynaſtie und dem Ben hiangthoung fao Matuanlins,
gegenwärtig gelungen iſt. Hierdurch ift ein größter Theil der
Landkarte CensralsAfiens, die felbft noch, nach einem
Piolemäus, Ebn Haukal, Edrifi und Abulfeda, über
all ehne alle genaueren Lineamente und größtentheils in Nebel
gehalt blieb (weil die legtern nur ihre eigenen Verhältniffe der
Eroberer und Zeloten darlegten, ohne fih auf das Fremde und
Algemeinere einzulaffen ) zu einer nach fehr vielen Seiten hin
heſtimmtern topiſchen Geſtaltung gefommen als zuvor, ja felbft
iele der Puncie zu einer ziemlichen Klarheit ihrer Anordnung, _
fo daß nur noch europäifche Beobachtung hinzutreten müßte, um
pen mechanifchen und fcholaftifchen Zufchnitt der Geographie Mits
el⸗Aſiens zu dem Gegenftande einer wahrhaften wiffenfchaftlichen
Betrachtung erheben zu fünnen. Von dem Verhältniß, in wel
em Sultan Babers ungleicy belehrendere Arbeiten, freilich aus
ängerer Zeit, zu jenen genannten fliehen, wird. weiter unten bie
Rede ſeyn.
Doch bleiben uns audy hier noch gar manche dankle Stellen
nd Lücken zu fernerer Orientirung üßrig, zu denen wir. in eth—
ographiſcher Hinficht z.B. das Hervortreten der Tuholo (To;
baren) und der Tiaotihi (Tadjik), innerhalb jener Ges
iete am Weſtabhange Oft: Turkeſtans rechnen muͤſſen, nebſt den
Angaben von einigen andern Populationen, wie der Yetha,
Doffe, Ughefchanti u. a., über welche wir. hier, als für
ich, in einem. Anhange, zuletzt nur mit. wenigen Nachweifungen
Berichte der Chineſen folgen laſſen. Wir fügen fie als die
inzigen Ueberlieferungen diefer Art, und weil wie fie für fers
tere Beachtung nicht fir ganz unwichtig halten, bei, obwol fie
> an den äußerfien Weftenden chinefifcher Entdeefungen, von
her ihnen nur temporaire Erkundigungen zukommen fonnten,
ae manchen Irrthum mit aufnehmen mögen; deshalb wir auch
ier keineswegs im Stande find, jede der gegebenen Mittheiluns
en durch ältere oder neuere Daten zu beftätigen, oder vollftändig
694 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. 6. 8.
zu erflären. Doc hoffen wir, werde auch hier unfere Mid
durch manches merkwürdige Ergebniß hinreichend belohnt werden
1
2. Die Thuholo, die Tocharen, Tokharen
( Toyeooı, Tochari). 1,
Am obern Orus tritt neben jenen genannten Wölferfchafte
in den erften Jahrhunderten nach Chr G., bei chinefifchen An
ren, das Volk der Thuholo in derfelßen Gegend hervör, in wel
cher bei den claffifchen Autoren die Einwohner Tocbari genann
zu werden pflegen; in demfelben Sande, welches von den fpäte
Sahrhunderten an, bis heute, unter dem Namen Tofharefta
(Tochareftan), verfchieden von Turfeftan (Al Torf bei Abu
feda), obwol in foäterer Zeit haufig damit vermechfelt oder ide
tificirt, Sefannt wird. Erſt nad) langen Kämpfen gegen die ME
hammedaner, eben da, wo im Gebirgslande noch heute die Un
glänbigen Kafereftang haufen, find einzelne Theile deffelben 5
einem Hauptſitze der num zelotifch gewordenen Verfechter des Kt
ran, nämlich zahlreicher Turks und Usbekengeſchlechter geworden |
feitdem wird: Tofhareftan bei den occidentalen Völkern ganz
wöhnlich als identifh mit Turfeftan bezeichnet.
Es mag daher fehwer ſeyn, fich von der herfümmlichen laͤng
verjährten Annahme zu trennen, den Namen diefes Völfergebi
tes in der gewöhnlichen Bedeutung nur für einen blos ufurpt
ten gelten zu laffen, und von einer Völferfchaft zu trennen, di
Turfifchen , die hier nur feit der fpätern Zeit erft für heimathlis
gehalten werden kann, und nad) den früheften — 59
keineswegs ihren Urſitz gehabt, alſo erſt, wie auch am nd
chern Jaxartes, fpäter eingewandert ſeyn wird. In den aͤlteſte
Chineſenberichten, die bis zu mehrern Jahrhunderten vor unſe
Zeitrechnung in die Anfänge der Hiongnu, Uſun und Yueti Hi |
aufreichen, ift von diefen Thuholo (Tofharen) noch 9
feine Nede. Da nun, nach jenen Berichten zu urtheilen, t
Thukiu und Turf mit erwiefen turkifcher Sprache”), nur
von dem Hiongnu-Stamme ausgehen, und der legtere ai
entfchieden zum erften male (mag feine Etymologie, vom %
fiu, d. i. vom Helm, auch noch fehr ziweifelhaft bleiben, f. 2
1. S. 438, 478, vergl. ob. ©. 586), feit dem V. Jahrhundert
?%) Asia Polyglotta p. 212. Klaprotlt Mem. relat. 4 1’Asie ri
p: 365 — 388.
SentralsAjien, Thuholo, Tokharen. 695
Süpdweft: :Altai auftritt, und feitdem erft hiftorifch wird, fo
wäre von bdiefer Seite her fein Datum vorhanden, das obere
Drusthal ſchon fo feühzeitig mit Turkſtaͤmmen zu bevölfern, und
Die etwa dort vorfommenden Völker als Stämimesverivandte der
Altern Thukiu (vom HiongnusStamme) anzufehen. Man muß
demnach fagen, da wir von Feiner Weftwanderung der Oft: Turf
(Thukiu) vor dem V. Zahrhundert aus ihren öftlichften Sitzen
(f. 06. ©.593 u. a. D.) etwas millen, fo gab es auch in Trans;
oriana und am obern Orus, die nur von andern Völferftämmen,
wie von Ufun, Sai (Saken), Tahia (Daae) und Yueti
(Geten) befegt wurden, im transorianifchen Ländergebiete noch
keine Weſt-Turk. Diefe könnten demnach daſelbſt, als ſolche,
erſt (wie die Thieile, Thukiu und Turk u. A., f. Aſien J. ©. 343,
441, 478) ſeit dem V. Jahrh. in die Weſtgehaͤnge des Bes
Toro zu dem obern Quell-Lande des Jaxartes und Orus, vom
Morden herab, vom Altai, oder vom Often her, aus Oft: Turfes
fan, mit der Verbreitung der weftlichen HiongnuzZweige oder der
Thukiu-Voͤlker vorgedrungen ſeyn.
Gegen dieſe Anſicht wuͤrde jedoch der identiſch ſcheinende
Name der Tochari wie der Turcae bei Plinius, welcher
letztere ſogar ſchon bei Herodot vorkommen ſollte, ſtreiten. Plin.
UH. N. XX. führt hinter dem Caspiſchen Meere und den Skythen,
an der Grenze der Inder und der Emodusgebirge mit andern uns
unbekannteren Völkern, den Attacori (Ottorocorrae, f. Afien Einl.
Br. 1. ©. 10) und Phruri, auch die Tochari an, die bei an—
dern Autoren (Dionys, Perieg. v. 750, 752 und Eustath. Comm.) /
‚wiederum mit dern Safen und Seren in Verbindung gebracht
werden. Ihre Sige entfprechen, wie der Name, fo fehr den chi—
nefifhen Thuholo, daß wir fie wol mit ihnen für. identifch
halten koͤnnen. Diefe Tochari des Plinius faßen alſo fehon
im erften Jahrh. nach Chr. Geb. in jenen obern Drusthälerh ;
‚fie waren alfo den Römern früher befannt als den Chinefen, nnd
wären fie vom Turkſtamme gemwefen, fo hätte es alfo demnach)
auch ſchon weit früher weftzturtifche Stämme in Trans
oriana gegeben. Für dies letztere fehlt jedoch jeder genauere Nach:
weis; vielmehr. werden fie bei Dionys. Perieg., Eustatlivs und
Priscian (Periegesis Prisc. v. 727: et Tochaft Pliruricitie et plu-
rima millia Serum etc.) mit den Seren vergefellfchaftet, wie mit
Saufen am Sarartes.
Freilich führe Plin. VI. 7 neben den Tuſſageten (Thyssa-
\
696 Weſt-Afien. I. Abfchnitt. 6. 8.
getae, d. I, wahrſcheinlich wandernde Beten) auch fhon Turcae
als Wolf, mit vielen andern Mamen, aber nicht in Transoriana,
fondern am europäischen Tanais und gegen die RiphäensGebirge,
alfo auf der MWeftfeite des Aral und Easpifchen Sees, demnach
in ganz andern Eisen an. Die Manuferipte haben hier aber
„Iyrcae,” und obwol Pomp. Mela I. c. 19. 132 dem Plinius
in der Schreibart „Tureae“ folgt: fo ſieht man doch, daß beide
nur die Scythica des Herodot (IV.c.22 ed. Wessel. I. fol. 290)
wo diefer daffelbe Volt am Tanais Traxus nannte, abgefchrieben
baben, das hier einzig und allein nur von Herodot aufgeführt
wird. Diefes Volk demnach, fchon für eine weftlichite Verzwei⸗
gung von Türken, faſt ein Zahrtaufend vor den wirklichen ZEo-
xoı, den Abkümmlingen der Hiongnu, oder vor den Thufin ans
Altai anzunehmen (ſ. Afien I. ©. 478), würde eine zu gewagte
Hypotheſe feyn, die von Klaproth ſchon hinreichend widerlegt wer
den ift 79.
Daffelbe Iftliche Volt dee Tochari wird auch von Strabe
gu denjenigen fenthifchen Völkern gerechnet, welche den Helles
nen die baktrifche Herrfchaft entriffen; er nennt diefe im
Allgemeinen Saken, wie wir fihon oben gefchen haben; aber
fagt zugleich, daß jedes der beſondern Völker derjelben auch wies
der feinen eigenen Namen habe, und zählt als die ausgezeiche
neteren unter jenen Umftürzern Baltriens: die Afianen und
Pafianen, die Tocharen (Toyaooı) und Safaraulen auf
(Strabo 511) 80); welche Iegtern fihon Bayer als ein Saken
Volk (Sacarauli videntur ex Sacarum populo fuisse) 81) nachge⸗
wieſen hatte. Diefer Anficht nach hatten die Tocharen alfo.
zum Stamme der Saken gehört, und wollte man dennoch dem
Ausfpruche des Menander folgen (j. Afien I. ©.478: zwv Täo-
xy, tüv Sarmv zuksudrwv TO nakaı), fo müßten die Tocha⸗
ren doch fihon die Älteften Brüder der altaifchen Turk gewefen
feyn, obwol ihre Stammesverwandtfchaft uns fonft unbekannt
pleibt. Die Saken müßten dann auch ſchon von urältefter
Turkabſtammung, und Tokhareſtan demnach als ein Urfig freis
lich urältefter Turkgefchlechter anzufehen fen, aus einer Zeit, in
welche aber unfere Gefchichte nicht mehr hinaufreicht. 4
— J
- "®) 3. Potocki Histoire primitive des Pewples de la Russie in bei.
Vay. ed. Paris 1329. 8. Introduction p.5, 22, 32, 125 — 130.
»°) Strabo ed. Tzschucke T.IV. Lib. XI. e.8. $.2. p. 474 et Not.
3 Th S. Bayer Historia Regni Graecor. Bactr. p. 97.
Central⸗Aſien, Thuholo, Tokharen, 697
Dieſe Tochari find es, die Trogus Pompej. bei Justinus
XLU. 2, Shogari, ald mächtige Krieger gegen den Parther Kds
nig Artabanus nennt, der im Kampfe mit ihnen (im Sabre 197
a.X.n.) feinen Tod findet, aber durch feinen Sohn Mithrida:
tes I. Magn., an ihnen gerächt wird. Ptolemaͤus VI. e. 12,
460 fennt noch über 300 Jahr fpäter unter den Scythen, Mitte
des I. Jahrh. n. Ehr. Geb., die Sige der Tocharen (Toza-
094) neben denen der Satac CIoraoı, ’Iarıo, die man für die
Mueti anfpreshen möchte) am Nordufer des Jaxartes und
an den Gebirgen des Oxus. Es bleibt noch zweifelhaft, ob diefe
urfprünglich da faßen, oder erft fpäter dahin verfchlagen
wurden, was wir jedoch für wahrfcheinlicher halten; da bei allen
andern Autoren diefe Tochari im Süden des Drus gefucht wers
den muͤſſen, und nicht am Jaxartes; da ja Ptol. felbft, VI. c.11,
fine Tozapss ulyu EIvos, alfo das Datei an einer zweiten
Stelle (die am Sarartes heißen im Cod. Tayuoos) wirklih an
den Drug, im Süden der Zariaspen, ft. Ammian Marcellin
(XXI. e. 6.57) nennt vom Sahre 363 n. Chr. G. die Tochari
als das ausgezeichnetefte der Völker, das den Baktrianen Ges
borfam leiftete, und damit fiimmen die wenigen fpätern Nachrich—
ten der Alten, die ihrer etwa noch erwähnen, uͤberein.
Die Tochari (Tofharen) der älteften Zeit, mag man fie
hun ald urfprüngliche Brüder (durch Vermittlung fakifcher Ger
Schlechter) der öftlichen Turf am Thianfchan und am Altai anfehen
wollen (wofür man auch etwa ihre freilich etwas entfernte Nas
‚mensverwandifchaft anführen Eönnte), oder nicht, fisen vorzugss
weife ſchon in diefer früheften Zeit im Often Baftriens, am
obern Oxus. Eie find alfo höchft wahrfcheinlich gefchieden von
den Turk Völkern, welche aus OftsTurfefton auf dem Norts
wege über den Balkhaſch⸗See (Thieile) und Altai (Turkoi)
kommend, die Herren auf der Nordfeite des Zarartes (Sihon)
geworden find, und fowol von daher, wie von Oft her (von
Kafchahar), fich erft weiter ſuͤd- und ſuͤdweſtwaͤrts, vielleicht im
Einzelnen auch ſchon früher, zumal aber erft ganz allgemein in
den erſten drei Zahrhunderten der arabifchen Zeiten in Sog»
diana verbreiteten. Daher finden wir auch in den älteften arabis
ſchen und perfifchen 82) Autoren, wie wir weiter unten fehen wers
#2) Oriental Geogr. b. Ebn Haukal (scil.) ed. W. Ouseley p. 4,9,
212, 232, 239, 265, 267, 271,298; Edrisi Geogr. Trad. de l’Arabe
698 Weit: Alten. J. Abſchnitt. $. 8.
den, noch längere Zelt hindurch Turkeftan im Morden des
Jaxartes (Sihon) auseinander gehalten durch Mawarale
nahar (Transoriana) von Tofhareftan, welches in Oſten von
Balf, am obern Oxus liegt, und bier recht eigentlich das heutige
Badakhſchan und Talithan bis Wachan an der Suͤdſeite
des Pamer, alfo den merkwürdigen uns fo unbefannten
Gebirgswinfel einnimmt, der vom Hindu Khu, Chitral und Kaſch—
mir im Süden und Südoft, von Baltiftan und Weſt-Tuͤbet, wie
von dem Puſchtikhur gegen Yarkand und Kaſchghar ummauert
erfcheint.
In diefe merkwürdige Pocalität, von deren Bewohnern der
Gegenwart weiter unten, bei Badakhſchan, noch die Rede ſeyn
wird, baben wir uns alfo zu verfegen, wenn wir uns die Älteren
chineſiſchen Berichte über Thuholo vergegenwärtigen wollen, die
wir aber noch feineswegs in den älteften weder bei Sfematfien
noch in den Annalen der Han finden, wo von ihnen feine Nede
iſt. Erfi in don Sammlungen des Tuyeou, aus dem VIII.
Jahrh. n. Chr. Geb., welcher der Vorarbeiter der hiftorifchen
Encyclopäadie war, treten fie namentlich am vollftändigften hervorz
aus diefen hat aber erſt fpäterhin Matuanlin feine Nachrichs
ten, im XH. Jahrh., gefchöpft, und fpätere Daten beigefügt. Je—
nen Artikel über Tochareſtan aus Tuyeous Werke, verdans
fen wir Neumanns Ueberſetzung ®); den aus Matuanlins
MWerfe Ab. Remuſats. Wir laffen den jüngern auf den ale
tern nachfolgen, um jenen zu vervollftändigen. Andere chineſiſche
Nachrichten uͤber Tochareſtan und die Tocharen ſind uns unbe—
kannt, die allgemeinern Notizen ausgenommen, von denen ſchon
oben nach fruͤhern Compilationen die Rede war (ſ. ob. ©. 608),
+ Die Einwohner von Thuholo (Thuhelo) oder Tochas
riften, zur Zeit der Dynaftie Wei (386 — 554 n. Chr. Geb.),
auh Thuhulo genannt, hatten unter der Dynaftie Sui (581
bis 618) Verkehr mit China. Ihre Capitale 3) a |
p. Am. Jaubert Paris 1836. 4. T. I. p. 490, 497 — 498, 499; Mir:
chondi Histor. Gasnevidarum ed. F. Wilken, Berol, 1832. p.1
etc.; Abulfeda Chow, Deser. ed. Hudson Geogr. Min. T. Il
p- 22a. u.a. 0. 4
93) Perſien, Thabareſtan und Tochareſtan nach chineſiſchen Quellen
in Neumann aſiatiſche Studien. Leipz. 1837. ©. 152—189.
®*) Wen hiang thoung khao des Matuanlin in Ab. Kemusat Nous.
vr Asiat. 'T. 1. p. 245 — 248: s5) Neumann, Aſiat. Stud,
. 179 j
‘
Central-Aſien, Thuholo, Tofharen. 699
(25 geogr. Meil.) in Wet des Thfungling (hier das umEreis
ſende Hochgebirge mit dem Puſchtikhur, ſ. ob. ©. 321), am Süds
ufer des Uhiu (Wei, Vehrud oder Oxus; dies ware demnach
genau die heutige Gegend von Badafhfhan) Die Tocha—
ren wohnen hier vermifcht mit den Yta (Mita bei Ab. Remu⸗
fat). Diefe Eapitale hat 2 Li in Umfang. Die mwaffenfähige
F Mannfchaft beträgt 100,000 Mann; aber alle Einwohner find
kriegeriſch. Sie haben die Religion des Buddha (Foe) ange
nommen. Die Brüder nehmen zuſammen eine Frau, die Kins
der gehören dem älteften Bruder. Hierzu fügt die Angabe Ma:
tuanlins 86) noch insbefondere die Notiz, dies gefchehe, weil es
bei ihnen weit mehr Männer ald Weiber gebe, Habe die Fran
fünf Männer, fo frage fie eine Muͤtze mit fünf Hörnern, oder
zehn. Fehlt einem Mann der Bruder, fo vereinigt er fich mit
andern Männern, denn allein würde er unverehlicht bleiben bis
an das Ende feiner Tage (diefe Sitte der Polyandrie ift bei tüs
betiſchen Völkern, wie wir früher gefehen, allgemein befannt). In
der Höhle eines Berges in diefem Lande Tochareftans ift ein gött;
liches, wundervolles Pferd (f. ob. ©. 643); jedes Jahr bringen
die Hirten die Stuten hinzu; fo gewinnen fie die beruhmte Racçe,
die man Ku nennt.
cTochareſtan liegt 1700 Li (85 geogr. Meil.) im Eüden fern
vom Königreiche Tſao (Osruſchnah, f. ob. ©. 647). Seine
Mordgrenze, füst Matuanlin diefem noch hinzu, fen dasjenige
Rand, das man zur Zeit der Han Ta Wan (f. ob. ©. 633) ges
nannt habe. Baahe und Schrift fey bei den Einwohnern wie in
Khotan. —
"Die Nachricht aus der Zeit der Dynaſtie Wei (386— 554
n. Chr. ©.), welche uns nicht Neues fagt, oder nur unverftänds
lihe Namen angiebt 37), übergehen wir; man fehe fie, nach dem
Weifhu B. 102, B1.13 bei Neumann a. a. O. ©.180 nad.
Was aus der Zeit der Thang:Dynaftie gefagt wird, enthält
außer der dreierlei Schreibart des Namens, die wir gleich Au—
fangs mit A. Remuſat angaben, nur Wiederholung und Beftätis
gung von der Lage im Weften des Ihfungling und im Süden
des Oxus, und fügt hinzu, cs habe vor alten Zeiten Land
°.) Matuanlin a.a.D.p. 215. s’) f. Neumann, Afiat. Stud,
nah dem Weiſchu B. 18, Bl. 13 a. a. O. ©.1805 bei Matonan-
* €. p. 247, aa dem Won lang houng khao L. CCCXXXVII.
» 23
709 Weits Alien. J. Abſchnitt. $. 8.
der Tabia (Dahae, f. od. &. 629) geheißen; der Höhlenberg,
der die bintfchwigende Mace der Ku-Pferde gebe, werde Poli
genannt, der Titel des Königs ſey De, oder Shehu Wute
(tapferer und trefflicher Schah oder König n. Neumann).
Sm VII Jahrhundert werden die chinefifchen Berichte etwas
unverftandlich über Tochareftan, weil fie e8 mit dem Königreich
Pouechi (d. i. der Yueti) in Verbindung bringen, von dem fihon
früher (f. 0b. ©. 571) die Rede war, ein Verhältnig, das uns
nicht Kar ift. Der um. das Jahr 650 dort genannte König
Aſſena heißt König von Tochareſtan; feine Nachfolger aber werz
den zu Königen der Ya (Yeyita b. Ab. Remuſat) erhoben,
die Nefidenz jedoch Yueichifu genannt.
Die oben ©. 571 genannte Stadt Achouan wird in ber
Altern Nachricht, bei Tuyeou 8), Owan genannt, die Anzahl
der Diftricte ebenfalls zu 24 angegeben, auch von der Ueberſen⸗
dung des Sameelvogels (Kaſoar) gefprochen.
Don jenem Könige Affena (Offene 6. Neumannz es iſt
wie wir früher geſehen haben, Aſien J. S. 438, ein urſpruͤngli⸗
cher Turks Name) heißt es weiter, daß er feinen Sohn zu Hofe
fandte, der Achate und Tengſchu (ein Edelftein?) 3 Zoll ftarf, als
Tribut überbrachte. Im Jahre 705 ſchickte Notunili feinen’
füngern Bruder mit Tribut zu Hofe, der dafelbft unter der Leibs
garde des Kaifers blieb. — Von derfelben Zeit, nach Affena
Coielleicht eine Eroberung, durch noch nicht zum Islam uͤberge⸗
gangene Turkftämme?), fagt Matuanlins Bericht 8, fey ſeit
661 Tocharefien in Diftricte vertheilt worden, wodurch der
König Youan genöthigt worden fey, eine Landkarte der
Weſt⸗Laͤnder einzureichen mit einer Befchreibung. Dabei habe
er jedoch auf eine Einrichtung von 16 Abtheilungen gedrungen,
namlich der Staaten, die zwifchen Khotan im Oft, und Perfien
im Weſt eingefchlofien fenen, um in ihnen 600 Diftriete mit 126°
Hanptftationen von Truppenlagern anzulegen. Zugleich fhlug er
in Tochareſtan eine Inſcription anzufertigen vor, um das Andens
fen der Tugenden des Monarchen zu vereiwigen, wozu diefer auch
feinen Beifall ertheilte. — Man kann ſich nur denfen, daß dies
ein Borfcehlag zur beffern DBertheidigung gegen den eindringenden
Araber Feind gewefen®). Es war die Periode der Streitigkeis
s*) Yfiat, Studien b. Neumann a, a. D. S. 182. 22) Matonan-
lin b. Ab. Remusat I. e. Il, p. 246. 20) Vergl. b. Neumann
Aſiat. Stub, a. a. O. ©, 184 nad dem Tſuen Zang wen z. I. 652.
Central-Aſien, Thuholo, Tokharen, 701
ten, als die Ommajaden im Jahr 662 unter Moawijah zuerſt
den Thron der Khalifen beſtiegen.
Dom J. 713-755 ſtimmen die verfchiedenen Berichterftats
tungen der-Altern und fpätern Zeit wiederum mehr zufammen,
indem fi fie von wiederholten Tributen (alſo wol während des vers
fiehenen Schuges) fprechen, welche die Embaſſaden nach China
gebracht; wie Pferde, Efel (Onager 6. A. Remufat, Maufefel 6.
Neumann), Eoftbare Specereien, 200 Pfund Kan to po lo (?), vos
then Amber, Cryſtall u. a. m. Hierauf erfolgte die ſchon oben
angeführte Einregifteirung des Königs von Thu hu lo (Tochares
Manz er wird Kutulutuntatu genannt), als Reichsvaſall
und König der Beten (Da, Yeyita). Als hierauf die bes
nachbarten Barbaren der Kieffi (ob die Kiethha, das nördlich
von Iholy bei Fa Hian liegen foll, f. 06. ©. 289) die Tübeter
zum Kriege gegen Tocharen aufreizten, erbat fih König Tſchyli⸗
mang kia lo chinefifche Hülfstruppen. Wie wenig dadurd) gewon:
nen ward, ift fehon oben ©. 571 angegeben. —
Seitdem hören die Chinefenberichte über Tochareftan auf.
Sehen wir nun, mas uns die unmittelbar darauf folgenden
mohbammedanifchen Autoren über diefen merfwürdigen
Bebirgswinfel, der feit der Maredonier Zeiten bis heute une
ſo räthfelhaft geblieben ift, fagen, fo ift es im Wefentlichen Fols
‚gende.
Ebn Haufal (950 n. Chr, G.) nennt Tokhareftan I)
die Provinz im Often von Balf, in welcher Taikan (Talefan),
Anderab, Badakhſchan und Penjhir liegen. Dies Land
breitet fich alfo ebenfalls am obern Orus aus, ift völlig von Turs
keſtan P) verfchieden, das nach ihm im Norden von Khorafan
und Mamwaralnahar oder Transoriana, jenfeit Samarfand, nords
waͤrts von Ferghana, alfo im Norden und DOften des Sir (Ja—
xartes) gelagert erfcheint. Denn diefer Fluß kommt nordwärts
aus Kaſchghars Gebirgen, und der Wekſchab, d. i. der nörds
lichte Arm des Orus, vom Pamer herab, aus Turfeftam,
Es wird damals Chaje (d. i. Taſchkent) als die ftärffte
Grenzfefte Turfeftans genannt. Die Turfftämme, heißt es
ferner, liegen noch in Chin (auf chinefifchem Gebiete); diefe
Völker haben mit den Kirgiz und Kaimak diefelbe Sprache und
»%) Oriental Geogr. ed. W. Ouseley p. 4, 213, 223, 224.
»?) ebend. p. 9, 180, 232, 239, 265, 276, 298.
702 Weſt-Aſien. 1. Abfchnitt. $. 8. }
Art; fie find ungemein weit gegen Woeft verbreitet, in einzelnen
Stämmen fogar bis zwifchen die Bulgar und Ruß; im Often
reichen fie bis China und zum Meere. Gegen ihre häufigen Ues
berfälle fteht ein Hauptpoften der Mohammedaner zu Awaſch
(wol Uſchi) um denfelben frühzeitig zu begegnen. Von!den Tofhas
ren wird weiter nichts befonderes mitgetheilt, doch erfcheinen fie
immer noch von jenen gefondert.
In Mirkhonds Geſchichte der Gaznaviden wird der Sohn
des befannten Turk-⸗Schaven (f. Afien IV. 1. ©. 532), der |
Sultan Mahmud, auch ſchon als der Beherrfcher von Tos,
hareftan®) dargeftellt, deſſen Heer aus Turk, Chaldſchi (Khils
jies?), Indern, Afghanen, Arabern, Gaziden befteht, mit denen er
bei Balk im 5%. 1006 einen großen Sieg über feinen nordifchen
Feind, über einen der erften mächtig gewordenen in der Gefchichte
gefeierten ITurkfürften, uͤber Jlek Khan davon trägt, der mit
feiner großen Macht aus Turfeftan und Transoriana herabs
kommend den Gihon » Fluß erft überfchritt. Hier wird alfo das
füdlihe Tochareſtan an derfelben Stelle des Autors vom
nördlihern Turfeftan noch genau unterfchieden, und beider Bes
berrfcher und Bewohner treten fogar in Feindfchaft auf. |
Shen fo bei Edrifi (im J. 1154), der die Stadt Kabul Ü
nennt, als fey fie in der Nähe von Tokhareſtan %) erbaut,
dagegen, nach ihn, das Land Al Tork, oder Turfeftan, erſt
im Norden des Sihon, an den Außerftien Enden von-Fers
ghana, Chas und Turan beginnt, und von fo zahlreichen Völkern
belebt wird, daß es unmoͤglich fey, fi) von ihrer Menge nur eis
nen Begriff zu machen. Alle, noch Nomaden, beftehen fie ihm
(wie einft die Sfythen) aus den verfihiedenften Rasen; er nennt
fie Tibeter, Bagharghar (d. i. Taghazghaz oder Uigur nach Klaps
roth) 5), Khirkhir, Kimafi, Khizildjis, Turkechs, Arkechs, Khif—
tfchats, Khilks, Bulgharen. Sie find alle iriegerifch, von vers
fhiedenen Glauben, refpertiren die Mufelmänner, Diejenigen der
Turk, welche den Islam angenommen hatten (die erſte Bekeh⸗
rung Salurs, mit 2000 Familien fällt in das J. 969 nah
v. Hammer a. a. D.), fagt er, machten ihren noch ungläubig ges
%3) Mirkhondi Historia Gasnevidarum ed. F. Wilken, Berol. 1832.
4. 9.164; 3. v. Hammer Gefgichte des osmanifchen Reichs, Peft
1827. Th. J. ©.8. **) Edrisi Geographie de PAlabe trad. p.
Aın. Jaubert, Paris 1836. 4. T.l: p. 182, 191, 497— 499 etc.
95) Tabl. histor. I. c. 229.
Central-Aſien, die Yetha, Ma. 703
bliebenen Bruͤdern den Krica und führten die Gefangenen als
Sclaven hinweg. Ihre beſtaͤndigen Ueberfaͤlle erneuerten diefe
Fehde alljährlich, und in gleichem Kampfe wie die Muſelmaͤuner
mit ihnen im Weften, fanden mit ihnen auch die Chinefen im
Dften.— Seitdem kommt der Name Turfmanen als zum Is—
lam übergetretener Turf (nach Nefchris von Hammer citirter
altturfifcher Etymologie zufammengezogen von Turf und man,
d. i. Glauben), im Gegenfag der ungläubig bleibenden Turk vor.
Diefe Unterfcheidung des Landes der Turf und der Tofhas
‚ren dauert auch bei den folgenden Autoren bis Abulfeda u. X.
fort; aber leider wird ftets von Turfeftan, mit dem befanntlic)
die Mohbammedaner noch Yahrhunderte in Kriege verwickelt blie:
ben, fehr Vieles gefagt ®), von Tofhareftan aber faft nichts,
fo daß uns auch die Natur der Bevölkerung und das nationale
Eigenthümliche der Tokharen fehr im Dunfel bleibt, bis in die
neuefte Zeit, wo nach der Araberherrfchaft, die Usbefen s Populas
tion und Herrſchaft, den Unterſchied beider faft gänzlich verwifcht
zu haben fiheint. Von ihrem neuern Zuftande, in welchem zwi—⸗
ſchen Tokhareſtan und Weft-Turkeftan faum noch ein Unterfchied
gemacht zu werden pflegt, wird erjt weiter unten bei Badakh—
ſchan die Rede feyn.
3. Die Yetha Ya bei Tuyeon im VIIL, Yeyita bei Mas
tuanlin im XU. Jahrhundert).
Wenn wir hinſichtlich der Tocharen s Abftammung völlig im
unfichern find, fo findet dies noch mehr hinfichtlicy diefer Yetha
Staͤtt, deren fihon in den Annalen der Sui (5851—618 n. Chr,
‚Seb.) als eines befonderen Volkes “erwähnt 7) wird, von dem
Matuanlin®) noch umftändlicdyer Bericht giebt. Beide Autos
ren ſprechen in der Art von ihnen, daß fie für ein eingewander—
tes Volk Tokhareſtans gelten muͤſſen, das obwol dem Namen und
der Herkunft nach, ſich der Gruppe der Yueti anzuſchließen ſcheint,
doch deren Sitten und ihren ferneren Schickſalen fremd bleibt,
nd ſich mehr den tuͤbetiſchen verwandten Verhaͤltniſſen der To—
charen anſchließt. Sollte man dieſe den Ta Yueti urſpruͤnglich
benachbarten Yerha etwa, ftatt jener, für mehr tübetifchen Schlas
—
*6) J. v. Hammer Geſchichte des osmaniſchen Reiches. Peſt 1827.
Th. 1. p.2—20 etc. »7) 3. Zuycou, f. aſiatiſche Studien v.
Reumann a. a. D. ©. 179 Rot. nad) dem Suiſchu. "., Bei
Matuanlin Nouy, Mel. Asiat. i. p.240 — 245. .
70% Wels Afien. 1. Abſchnitt. & 8.
ges halten wollen: fo fcheint und dafür manches zu fprechen,
obwol auch dies nur bloße Vermuthuug fenn möchte, Wir bes
gnügen uns bier nur mit der Relation der genannten Annalen,
Im Suifchu heißt es, daß Yta die Capitale im Süden des
Uhiu (Wei, Oxus) 200 Li (10 geogr, Meilen) gelegen fey, was
demnach ebenfalls in die Gegend des heutigen Badakhfihan fällt.
Sie fenen ein Zweig der Ta Yue (Große Yueti, oder im
noch allgemeinern Sinne, etwa der Maffageten) und ſehr Frieges
riſch; eine Macht von 5000 bis 6000 Mann. Vordem herrſchten
in diefem Sande viele Unordnungen, weshalb cs den Turk (06
Thukiu? die Zeit wird nicht näher beftimmt) Teicht zur Beute ges
worden fey. Die Sandescapitale habe 10 Fi Umfang, viele Tems |!
pel des Buddha, die mit Gold verziert find, Hier wird nun die |
Erzählung von der Sitte der Polyandrie wiederholt wie bei den.
Tocharen. —
Matuanlins Bericht, der ebenfalls fchon zweifelhaft war
über ihre Abftammung, ift folgender: Die Yetha (Geten nad)
Ab. Remufat) find von der Nace der Großen Yueichi (d. I.’
Yucti, Maflageten fagt Ab. Nemufat); andere behaupten aber
fie ftammten vom Tribus der Kaotſche (Calfo der Turk, f. ob.
&.595) ab. Sie fommen urfprünglid aus den Lande im Mors
den der großen Mauer; fie verließen das Goldgebirge (Altal?),
zogen gegen Süden und Welten bis Khotan, und nahmen ihre |
Wohnungen mehr als 200 Li im Süden des Duhiu (Oxus) Fluſ⸗
feg, an 10,000 Li fern von Tſchang an (Singanfu in Schenfi). —
Hiernach fcheint es, daß diefe Yetha ihren Wanderweg gleich |
vom Anfang an mehr im Süden nahmen, und die Ta Yueti
mehr im Norden, weil diefe auf die Ufun am Ili fließen, aber
nachher füdweftwärts verdrangt zum Mordfirom, Yarartes
(Sihon) famen, um die Sai oder Safen aus Transoxiana zu
verdrängen (f. ob. ©. 605). Ihr König nahın feine Reſidenz
in der Stadt Patiyan (d. h. koͤnigliche Wohnung nad
Ab. Remuſat; follte es etwa die Veranlafjung zur Reſidenz von
Badakhſchan gegeben haben, die zur Zeit der Ming erft, bei
Chineſen, ihren officiellen Namen, Datahefhan, in diefer
Seftalt, nad) der Neichsgeographie Edit. 1790, erhalten haben’
fol 2399. Diefe Stadt hatte 10 % in Quadrat; man fahe
darin viele Tempel und Ihürme, alle mit Gold verziert. Die
?°) Thai thsing y thoung tschi I, c. Magas. Asiat, T. I. p. 90.
ECentral⸗Aſien, die Yetha, Ma. 705
itten der Einwohner gleichen denen der Turf. (Hier wird die:
ſelbe Erzählung von der Polyandrie wiederholt.) Ihre Kleider
binden fie mit Bändern feft und ſcheeren ſich den Kopf kahl.
Ihre Sprache ift feineswegs diefelbe, wie die der Jouanjouan,
der Kaotfche und der andern Barbaren (alfo verfchieden vom Turk).
Ihre Zahl mag fid) auf hunderttaufend belaufen. Städte haben
fie nicht; fie folgen nur den Flüffen, um Weidepläge zu fuchen,
und machen fih Filzhütter. YZm Sommer fuchen fie Eühlere
Gegenden auf, im Winter die milderen. Cie haben mehrere
Weiber, die auf Diftanzen von 100, 200 und 300 Li von einans
der entfernt wohnen (alfo Dolygamie, was jener angegebenen Pos
lyandrie zu widerſprechen ſcheint).
— Auch ihr Koͤnig wechſelt mit ſeinem Wohnorte, und bezieht
jeden Monat einen neuen; aber in der kalten Jahreszeit und im
dritten Monde wechſelt er nicht. Die Erbfolge gehoͤrt nicht dem
Sohne des Koͤnigs, ſondern der zur Regierung faͤhige unter den
Söhnen, oder jüngern Brüdern des Verftorbenen, übernimmt bie
Regierung.
Offene Karren giebt es im Lande nicht, ſondern nur geſchloſ—
fene; man bedient fich fehr Häufig der Pferde und Kameele. Die
Strafen find bei ihnen fehr fireng; jeder Dieb, fo gering auch
fein Verbrechen fen, wird in zwei Stüde zerfchnitten; Schulden
üffen zehnfach bezahlt werden. Iſt der DVerftorbene reich, fo
haͤuft man Steine über feine Leiche; ift er arm, fo wird er in
ine Grube gefenkt; mit ihr wird allerlei Hausrath vergraben.
Dies Volk ift graufam, mächtig, Eriegerifch; die Region des
Weſtens, Khangkiu (Sogdiana) wie Khotan, Sule (Kaſchghar)
und Aſi, gehörte nebft wol 30 andern Kleinen Herrſchaften zu feiz
nen Iintergebenen; es verband fich durch Verfchiwägerung mit den
Jouanjouan (den nordifchen Sianpi), — Diefe Schilderung der
außerordentlichen Macht diefer Yetha in frühern Zeiten, fann
ich wol nur auf eine viel allgemeinere, freilich ungenauere
Benennung der Ta Yue!®) beziehen, wie diefer Name auch
von dem Hiftoriker Tuyeou zur Bezeichnung des Gefihlechtes der
gr gebraucht wird, etiva in derfelben Art wie jener befannte
= ;
300) Neumann, Afiat, Studien a, a, D, ©, 172 Not, 1.
" Rüter Erdkunde VII. 99
706 MWeftsAfien. 8. Abſchnitt. $. 8.
Matuanlin die chronologifchen, die vom Jahre 460 bis zum Ju
616 fortgeführt werden, wo fie aufhören, |
Sm Jahre 460 fchickten die Yetha Tribut; 527 einen Löwen Y
aber Unruhen hemmten die Verbindung. Seit 516 hatte der Kais
fer Mingti mehrere der Samander!oh), wie Ding tfhonsf
tfeu, Thung ſung, Yun, aud den Fali und Andere (alſo
wie früher Fa Hian, Anfang des V., und wie fpäter Hiuan
Thfang im VII. Jahrhundert) in die Weftländer ausgefandt,
um dort Machrichten über die Bücher und Doctrin des Foe
(Buddha) zu fammeln. Auch war ein Samanäaer'Tfonifeng
mit ihnen gegangen, welcher nach den Yahren 520 bis 527 zus
rückfehrte; alle Details feiner Route und die Entfernungen ans]
zugeben, die er durchzog, würde, fagt Matuanlin, ſchwer ſeyn —F
(vergl. hiermit Sing yun tfe und Hoei fengs Pilgerfaheten, die im
Jahre 518 nach jenen Gegenden ausgehen, und zu den Yeta |
Tofhareftan fommen, wo diefen ungefähr 40 Königreiche in je
Zeit Iribut zahlen) 2).
Im Sahre 559 fehieften fie Tribut, aber bald darauf ſchlu
gen die Turk ihre Tribus und zerſtreuten dieſe, wodurch die Iris
hutfendung unterbrochen ward. Im 5. 605— 616 brachten fie
wieder Sandesproducte; ihr Sand lag 1500 Li (75 geogr. Meil.)
fern von Ifao (Osrufchnah), und fie brauchten 6500 * um bis]
Koua tcheou zu kommen. —
An einer folgenden Stelle ſprich Matuanlin, unter dem
Namen Dita, noch von einem andern GetensTribus, der 200 Li
im Süden des Orus wohnte, ebenfalls ein Zweig jener Ta Yueti
war, und 50,000 bis 60,000 Mann tüpferer Krieger zählte. Uns]
ruhen, die bei ihnen Statt fanden, follen den Turf großen Eins]
fluß und Uebergewicht über diefe Voͤlkerſtaͤmme gegeben haben.
Ihre Sitten gleichen denen der Tocharen. In allem übrigen find
fie den oben genannten Vetha ‚gleich. Ein chinefifcher Autor ftell
die Behauptung auf: der Name Vetha fen urfprünglich vie
Benennung der EZöniglihen Familie des Landes Hoa gewefen/k
deſſen Einwohner fihon 144 Jahr vor Chr. Geb. befannt gewe—
fen, und alle benachbarten Königreiche, wie Perfien, Hoeipan,
Cophene, Koueitfeu, Sule, Kume, Khotan u, f. w, unterjod
101) Bei Matuanlin in Nonv. Mel. Asiat. I. p. 242. ») Pilger
fahrten RT Priefter von China nad) Indien, v. Neumann,
Leipz. 1833, 8. 1. Abth. S. 41, 51 ıc, f
® -
Central⸗ Aſien, Yadſcha, Badakhſchan. 707
hätten. Spaͤter erſt ſey dieſer Name durch Verderbung der Volks,
name geworden, und davon ſey wieder der Name Yita abgelei—
tet. Andere Autoren, die von Matuanlin citirt werden, haben
dere Vermuthungen aufgeftellt; ſie meinen die Yita ſeyen von
en Uigur ausgegangen, oder von den Kaotſche, wodurch ſie auch
u Turkſtaͤmmen gemacht wuͤrden. Aber Weitſi, der beſſer un—
ichtet ſey, habe, nach dem Buche Sifanki, ſelbſt Leute
n ihnen über ihren Namen befragt, und von ihnen zur Ant:
ort erhalten: Yithian hießen fie. Er erinnert an die Kriege,
elhe die Chinefen in Sogdiana zur Zeit der Han geführt, und
neint diefe Yithian feyen die Trümmer, die von ihnen in die
lucht gejagt, fih wieder gefammelt hatten. Die Yithian,
ügt derfelbe hinzu, Eönnten alfo wol fogdianifchen Urfpruns
es feyn (getifchen und maflagetifchen); jedoch bei Traditionen,
ie auf fo ferne Völker Bezug haben, deren Sprachen uns fremd
ind, und nad) fo langem Verlauf von Zahrhunderten werde man
ie wahre Etymologie nicht herausfinden; deshalb man fich nur
amit zu begnügen habe, die Angaben der Vorgänger zufammenz
uftellen, — Mit dieſem fehr verftändigen Ausfpruche des Weiz
fi, haben wir uns denn auch hier zu begnügen, und in Ähnlis
en Fällen gleichfalls feinem Vorgange gemäß zu verfahren.
Yadſcha in der alteften Zeit der Han-Annalen
CGutſchha in der Reichsgeographie); Pothhonang
auf der Buddhiften Karte feit dem VII. Jahrhun—
dert; Pataheſchan der Nenern; Patafifhan im
Siyuwenkianlu, d. i. Badakhſchan.
Schon in den Annalen der Han finden wir in dem Ges
sirge zwifchen Yarkend in dein obern Oruslande, und bis Kipin,
fo durch ganz Tocha reſtan, eine Anzahl von Gebirgss
jauen 3). unter fehr verfchiedenen Namen als gefonderte Herr:
haften aufgeführt, wie Phiſchan, Yadſcha, Sie, Puli,
jnai, Ulei, Nantu u. a., die wir feineswegs alle nachzumeis
en im Stande find. Sie werden deshalb genannt, weil durd)
ie, von Khotan aus, tiber Phifchan die Sudftraße ſuͤdweſt—
varts führe, nad) Kipin und Ugefchanli (d. i. Perfien, f. unten).
) Opissahĩe Dshungharia i wosstotschnawo Turkistana ed. P. Hya-
kinth. St. Petersb. 1829. Th. I. n. Dr. Schott Ucberf, der Anna
Ien der Han Me,
* 2 y >
708 Weſt⸗Aſien. 1 Abſchnitt. 6. 8
Einige derfelden haben m Obigem (5. B. S. 571 Nr. W., wie
Inal und Sie, f. ob. ©. 420 u. a. ©.) ſchon ihre Nachweiſung
erhalten. Da mit den meiften gar keine erheblichen Thatſachen
verknüpft find, fondern nur ihre Diftanzen, Namen und Verhaͤlt⸗
niffe zu China angegeben werden, fo heben wir nur den einen’
Artikel daraus hervor, welcher von dem neuern Gentralpuncte je⸗
nes Iochareftand, von Badakhſchan die ältefte uns bekannte
Meldung thut; ein Name, von deffen möglichem Urſprunge zus
vor nur eine etnmologifche Hypotheſe gegeben ward, der in neues
rer Zeit bei Chinefen Patahefchan gefchrieben wird, der in
frünefter Zeit aber Yadſcha in den Annalen der Han heißt.
Als ein Mittelpunct der Stationen der fo weit gegen Welt fühe
renden Suͤdſtraße nach Kabuleftan, Indien und Perfien, wos
durch Badakhſchans Lage noch heut zu Tage an dem Weſtein⸗
gang des Hochlandes des Beloro (f. ob. ©. 501, 503, 520 u. f.)
fo ſehr characteriſirt wird, verdient diefer Ort hier auch in aͤlteſter
Periode unfere ganze Aufmerkfamfeit.
Yadſcha, oder Badakhſchan, liegt 1340 2i.(65 geogr.
Meilen) nach jenen Annalen, alfo etwa ſchon ein Jahrhundert
vor unferer Zeitrechnung, in SW. von Phifhan; der Fürft
wohnt in der gleichnamigen Stadt. Der Familien find 490, der’
Mäuler 2733, der Krieger 740 Mann. Damals ift diefe Herr⸗
ſchaft alfo noch fehe gering. Im Norden grenzt diefes Yas
dſcha mit Dſyche, oder Kyche (d. I. Kukjar, ein Dr, dem
noch heute nur 15 geogr. Meilen im Suͤden von HYarkand liegt;
ſ. Klaproth Cart. centr. de l’Asie, und feine türfifche Bedeutung,
Koͤkyar, d. i. blaues Land, beibehalten hat) und Serlik (d.i.
Sereful, Sirkul, Sarecil bei B. Gods Route, f. ob. S. 505),
zweien Gebirgegauen des Beloros Gebirges oder Ihfungling; wore
aus fich ergiebt, daß jene antife Badakhſchan-Route über
Sereful und Kartfchu oder Kartfchuf nad) Tokhareftan, uns auch
in neuern Zeiten wieder ald gangbar befannt geworden ift. Von
Kyche wird gefagt: daß es daſelbſt Yuftein gebez von Serlik
- aber, daß feine Bewohner mit Inai und Aratſchuk (mol Kartſchu)
und Sie, einerlei Stammes feyen, der mit den Tangut die
meifte Achnlichkeit habe. Die Weftgrenze Yadfha’s, an
Nantu, ift uns aber heut zu Tage, dem Namen nad), der bi
natürlich weit mehren Wechfeln als auf der Oftfeite unterworfen
gewefen feyn muß, gänzlich unbekannt. |
Das Sand Yadſcha, heißt es in den Hans Annalen meis
Eentral-Afien, Badakhſchan, HiantusPaf, 709
‚ter, llege zwiſchen Bergen ; dad Getreide werde zroifchen Stehin
gebaut; es giebt hier weißes Gras (oder Kraut?). Ihre Häufer
bauen fie aus Stein. Die gemeinen Leute trinken aus der hohlen
Hand. Bon bier bezieht man gute Pferde; es giebt auch Eſel
in Yadfcha, aber Fein Hornvich. Im Welten diefes Gebietes
‚befindet fih „der Hängende Daß, Hiantu, ed ift dies
ein fieiler Berg, an dem feine Lüde zum Durchgang
(kein Col) fich befindet, und welcher an Striden übers
fliegen wird.“
So weit die Annalen der San; in feinem andern Werke
finden wie weitern Auffhluß über jenen, für das Mittelalter To—
chareſtans, wegen der großen Suͤdſtraße nicht unmerkwürdigen
Gebirgsgan, der Hinfichtlich feinee Lage und feiner Bewohner
‚eine fa eigenthuͤmliche Mole fpielt.
Mur in der Eaiferlichen Neichsgeographie 10%) vom J. 1790,
‚erhalten wir, in dem Abfchnitt von dem moderhen Badakh—
ſchan, auch einen intereffanten Beitrag über deſſen alte: Geo—
‚graphie, der ſich ebenfalls auf diefelbe Duelle ftügt, ganz mit dene
‚felben Worten und in derfeiben Folge, aus deren Original wir
Obiges Fhöpften, doch mit dem Lnterfchiede, dag Yadfcha das
ſelbſt Utſchha genannt ift, worin freilicy der eigentliche Name
Kwahrfcheinlich durch bloße Lesart) noch weit unfenntlicher. gemors
den ift. -
I Diefes Land, heißt es dafelbft, nachdem obige Worte der Han—
Annalen vorangefchickt find, liege rechts vom Ihfungling,
d.h. im Süd, oder S. W. deſſelben, oder des Belor (vergl. ob.
©. 496), und hänge an deffen fleilen Gebirgszwei—
‚gen. Die Kette der Altſchukha (oder Altun Tſchuhha,
wol Sicher obiges Kartſchuk⸗-Gebirge, an welchem der Gebirgss
paß hindurch fuͤhrt, ſ. ob. S. 505) ſey ein ſehr hoher Zweig des
Thſungling mit hohen Piks, der an der Landesgrenze (der
‚heutigen, von Badakhſchan, und dem chinefifchen Territorium)
‚ende. Der Yeſchi Derak (Iſſi derik der. hinefifchen Kars
‚ten; f. auf Grimms Karte von Hoch: Afien) entfpringe an der
Süpfeite des Ihfungling, fließe dann gegen Nord, durchfege
Dadaihſchan und Belor, trete in den Gau Yefchi Derak ein,
der ihm feinen Namen gebe, und theile fich dann in 2 Arme,
204) Thai thsing 5, thoung tschi, Ed, 1790, b, Klaproth, Magas. Asiat.
- Paris 1825, T. 1, p. 93.
710 Weſt-Aſien. 1. Abſchnitt. 6. 8.
deren einer ficb in den Tuskul (Salzfee) ergieße, der andere
gegen S. W. fliße, dann gegen Mord und in den Defchilful
(gelber See) falle. Dies fen in den alten Berichten der Yffis
ful, auf der Grenze von Yarkiang. Hier ließ Kaifer Khiensf
long, am Ufer des Pefchilfuls Sees, nach Befiegung der rebellis]
fhen Mohammedaner eine Inſchrift errichten, zur Verherrlichung
ſeiner Siege (ſ. ob. S. 521). —
Nach dieſer ſehr lehrreichen Stelle, die uns in dieſer Terra |
incognita trefflich orientirt, fährt die Meichsgeographie alfo fort! |
Der Fluß Tfinar ift an der Suͤdgrenze von Badafhal
ſchan (er ift ung jegt unbekannt, wol nur ein Feiner Zufluß);f
an feinem Ufer erhielt der Sultan Schah die Aufforderung fichl
des flüchtigen Khodja zu bemaͤchtigen (f. 0b. ©. 523). |
Nun folgt wiederum eine antiguarifche Notiz, die aus dem
Annalen der Han!®) citirt wird, welche uns genauefte Ausıf
funft über jenen „Dängenden Paß“ oder Hiantıf giebt]
weil hier nun diefer Localität, welche den Kaifer Khienlong inf
feiner Neichsgeographie, wegen feiner Siege bis Badakhſchan vom
höchften Intereſſe war (f. ob. ©. 542), die genaueften Maaßık
beigefügt find, aus denen fich die Lage diefes Paſſes durch vderf
Hindu Khu nun mit größter Zuverlaͤſſigkeit nachweifen läßt
Es ift nämlich der directeffe Hauptpaß, welcher aus Ball
dakhſchan, durch die Mitte des heutigen Kaferiftan nadf
Kabuleftan binabführt, und entweder derfelbe, der ſchon für dig
älteften buddhiftifchen Miffionen von Khotan, über die noch undeh
— Orte Kietſcha und TIholy gangbar war, den FaHianẽ
im J. 400 n. Chr. G., die Suͤdſtraße Peikius (ſ. ob. ©. 663)
na Hdpana hinabflieg, (f. 0b. ©. 284, 289); oder den Timuj
im Jahre 1379 von Badakhſchan aus, Über Kutore zu d
Bändigung der Siapufch zu gehen beabfichtigte (f. ob. S. 2074
Oder es ift endlich der von Pat. Ben. Goes, im 5. 1603 vol
Kabul aus nah Talhan (jest Talighan) und Badakhſchag
durch das Hochgebirge des Hindu Khu begangene, deffen Static
nen aber durch die Namensentftellung 7) uns völlig unentzifferb |
geblieben find (f. ob. ©. 503— 506). Alle drei koͤnnen von 2
05) Magas. Asiat. I. ©. T. I. p. 94. °) Sm Foe koueki, &
Paris 1336. 4. in ber begleitenden Carte de l’Inde d’apres les Chi
nois, ift auch Fa Hians Reiferoute auf dieſer Straße eingezeich
”) Nicol, re de Christ. Exped. apud Sinas et I. c. Auf
Vind. 1615. Lib. V. e. X, 9.949 — 531.
SentralsAfien, Badakhſchan, Hiantu-Paß. 711
Nordſeite des Gebirgsfußes am Eingange nicht weit auseinander
‚fallen, obwol fie gegen Suͤden weiter radienartig fich verbreiten.
F Die Angabe im Thai thfing y thoung tfchi iſt num über die Lage
des Paffes Hiantu folgender Die Annalen der Han fagen,
der König von Utfhha (d. i. Badakhſchan) refidire in Ser
Stadt gleiches Namens; fie ſey 9950 Pi (= 4972 geogr. Meil.)>
E fern von Tſchangngan (der damaligen Capitale von China, wo
jest Singanfu). Ton Utſchha gegen N.D. bis zum Sitz
‚des Gouverneurs von Siyu (d. i. Kuatfcheon) rechnete man
4892 Li (244 geogr. M.). Gegen N. grenzt Utſchha an Tſu hos
phu li(?), gegen W. an Nanteon (f.ob.Nantu ©. 707,708)
und Naͤntchhing, in der buddhiſtiſch-chineſiſchen Karte, aus
dem VI. Jahrhundert, wo das Land Badatkhſchan am Sudufer
des Drus Potchhouang 8) heißt, das oberfie Quell-Land diefes
Stromes aber Keoumitho (f. ob. ©. 564, 569, 571). Die
Haͤuſer von Nanteou find aus Stein übereinander aufgebaut,
deſſen Einwohner gebraugen die hohle Hand zum Trinfen
“(nach Ctesias Persic. Fragn. XXXIX. ed. Lion p. 130, war es
bei Perſern ſchimpflich aus Ihongefäßen zu: trinfen)..
Im Weſten dieſes Icsteren Landes Nanteou liegt nun
die Paſſage Hiantu, 5888 Li (— 294 geogr; Meil.) vom. Fort
Mangfuan (f.Afien I. ©.204, etwas in Oft von Shatfcheou),
N und 5200 Li (= 260 geogr. Mei.) vom Shatfcheou, dem. Gene:
rals⸗Sitze (alfo- liegt hiernach. das. Fort Yangfuan nod; 34
geogr. Meilen (683 Li) öftlich. entfernt von Shatfcheou). — Dies
fer Pas Hiantır führt nun über einen ſehr hohen, fteilen Berg,
deſſen Felfen ſehr ſchwer zu überflettern find. Man kann die
Spalten und Abgründe nur mit Hülfe von Seilen paffiren, die
von einem Felsrande zum andern gehen. —
In der Zeit der Goeiherrfchaft, d. i. im II. Jahrh. n. Chr.
Geb., hieß das Land Utfihhe, Khiuanyumo (d i. Badakh⸗
ſchan); fein König reſidirte in der Stadt Utſchha, die in S.W.
von Sykiupan lag, und 12,970 Li (= 648 geogr. Meil.) fern
von Thai der Capitale der Goei. Zu gleicher Zeit lag das Kr
nigreich Akeoukhiang im S.W. von Sokiu (d. i. Yarfend),
und 13,000 Li (— 650 geogr. Meil.) fern von Ihai. Alſo diefe
beiden Orte nur ein Unterfchied von 30 Li (14 geogr. Meil.) aus:
) J. Klayroth Eclaircissemens sur une Carte Chiroise et Japonaise
de PAsie et de Pinde in Mem. ıel. a VAsie. T. U. p: 416.
12 Weſt-Aſien. 1. Abfehnitt, F. 8.
einander. Nur 400 Li (= 20 geogr. Meil.) von da, im De
(alfo 214 geogr. Mei. im Weſt von Badafhfchan), liegt dee
Berg Hiantu, Über welchen die Paſſage führte. Der Weg
war faft ganz aus Baumſtaͤmmen gebruͤckt, an furchtbaren Ab⸗
ſtẽrzen hin, welche der Reiſende oft an Stricken uͤberſetzen mußte.
Daher Hiantu, der haͤngende Paß (won den Haͤngebruͤcken).
Dieſer Paß lag alſo noch im Weſten von Badakh—
ſchan, von Nanteou und vom Akeoukhiang, deren beider
Sagen ob gegen Talighan bin nach Weſt, oder gegen In—
derab hin nah Suͤdweſt (f. ob, ©. 304), uns nicht genauer
bekannt find. Dorthin muß alfo dirfe HiantusPaffage in
die angegebene Entfernung durch den Hindu Khu, wenn nicht
durch die Kutore-Paſſage, doch nothwendig noch weftlicher in eis
nen der von Sultan Baber genannten öfttichften Paͤſſe (ſ. obs
©. 252) einlenfen, za dem obern Kabuleftan (Kophene), Diefe
genauefte Beſtimmung des HiantusPaffes und der Lage von
Padſcha, wird auch durch die Folge der Erzählung im Taithfing
vollkommen beftätigt, in der diefes unmittelbar darauf, gegen Oft,
die Befchreibung von Kophanto, d. i. wie wir oben gefehen den
Gebirgsgau Kiephanto (Kabandha) folgen läßt (f. ob. ©. 47).
Noch bemerken wir bier zum Schluß diefes Artikels, daß
wol zuweilen die beiden verwandten Laute des Paſſes Hiantu
amd des Landes Hiantu mit einander verwechſelt ſeyn mögen. |
Die richtigere Schreibung des Landes ift in der älteften Schreibe
art Chintu 10), dann aber auch haufig!) Ihiantu, Per
Hiantu. Auch wird es Intu und Khiantu gefchrieben, und
Si Intu fuͤr die Weſtſeite des Indus; ſeit der indoz feythis
ſchen Eroberung aber auch Yueti. — Jene Verwechslung ift ohne
Die Originalſchreibart vor Augen zu haben ſchwer zu berichtigen,
Boch kann ſie gluͤcklicher Weiſe keinen großen Irrthum herbeifuͤh⸗
ven, da der Hiantu-⸗Paß immer auch der Paß nah Nord⸗
Hinduftan heißen kann. Diefe Orientirung der Chineſen
in fo beſtimmten Verhaͤltniſſen von Khotan bis zum Hindu
Khu und Kophene, muß für ung, die wir früherhin über dieſe
Localitaͤten voͤllig im Dunkel waren, fuͤr die aͤlteſte wie fuͤr die
neueſte Geographie Mittel⸗Aſiens vor hoͤchſter Wichtigkeit ſeyn. 7
'‚»®) Ssematsien b. Prosset Journ. Asiat, T. II. 1828, p. 426.
1°) Blem. relat. a l’Asie T. U. p. 420.
h
Central⸗Aſien, die Tiaotfchi, Tadiik. 713
3. Die Tiaotſchi (Tiaodfhi), die Tadjik (Taoxol bei
Dionys. Perieg.; Dahae), die Tadſchiken, die Perfifchz
redenden — die Tache, Tachi, Tafian, oder Tas
zian, d. i. die Araber — die jegigen Tat oder Tas
tas, d. i. die Unterworfenen; die Garten, d. i. die
Kandelslente; die Bucharen im engern Sinne,
im Gegenfag der Turf und Usbek.
Die Berichte über diefes Volk in Transoriana und Oſt-Tur⸗
keſtan, deffen wir in Obigem ſchon öfter als Perſiſchredende
(f. 06. ©. 242, 554, 568, 579) zu erwähnen hatten, und welches
noch bis heute, mit demfelben Namen der Tadjik, zerftreut,
durch viele Voͤlkerſtaͤmme Turkeftans vom Orus bis in das Ins
nerfte China oftwärts, und weftwärts bis Kafan fih aus—
breitet, waren in den mohammedanifchen Autoren ſehr unficher
und fparfam mitgetheilt, die claffiichen Autoren ſchweigen faſt
gänzlich von ihnen. Ihre Sprache ſelbſt war vor wenigen Jahr⸗
zehenden noch ganz unbekannt, fo daß cs faft unthunlich war,
‚über fie zu einem nur wahrfcheinlichen Zufammenhang ihres ins
nern und aͤußern Voͤlkerlebens zu gelangen. Die Sprachforſchun—
gen und die chineſiſchen Annalen haben uns nun, gluͤcklicher
Weiſe, von den fruͤhern Irrthuͤmern uͤber ſie befreit.
Die Han-Annalen und Sſematſien fuͤhren uns, durch
ihre ferupulös genaue Relation (die freilich nicht ohne
Irrthuͤmer, nicht ohne Langeweile bleiben konnte) als treffliche
Megweifer, auch hier auf ihren Urfprung, vor unferer chrifts
lichen Aera, zuruͤck. Phantſchao ift es, der fie fchon um das
Sahr 75 vor Chr. Geb., im Weften der ackerbauenden Anft (f. ob.
©. 554— 557, 574 u. a. D.) durch Kanying entdeckt. So ents
ſteht das Project der Chinefen, das Weft:Meer, an deſſen Dfts
ufer die Handel treibenden Tiaotfchi fich angefiedelt hatten, zu
überfchiffen, um mit dem Reiche Ta fin dem Nomifchen; das
‚mals noch Republid) in Handelsverkehr zu treten,
Dies Veberfhiffungsproject erhält durch die unmitfels
bar darauf folgende Nachricht des römischen Eroberers am Suͤd⸗
fuße des Kaufafus, des S. Pompejus, als Augenzeugen, auf
‚der Weftfeite, nicht geringe Beftätigung (Plin. H.N. VI. 19), wie
wie oben fihon angeführt haben. Sollte unfere Vermuthung
fehr fern von der Wahrheit liegen, wenn wir dafür halten, daß
Alesrander M. Pan durch Heraclides, aus den Hyrkani⸗
—
714 Weſt-⸗Aſien. 1 Abſchnitt. 6. 8.
ſchen Wäldern, mit Huͤlfe ihn begleitender Schiffsbaumelfter, die
erfte Flotte zur Befchiffung dieſes Meeres (Arriani Nicom,.
Exped. Alex. Lib. VII. c. 16. 1) aufzubauen, obwol dies nicht
zur Ausführung gekommen, doch die Handelscolonie der Tiaotfchi |
zu einer folchen Ueberfchiffung angeregt habe. Diefe Schiffs
fahre wird in verfchiedenen Schriften der früheften chinefiz
fchen Annalen zu ‚oft wiederholt, als daß man Strabo’d Angabe,
daß diefes Meer, von dem er übrigend nur wenig zu fagen er |
(Strabo XI. fol. 509; f. b. Tzſchukke Ed. T. IV. Xl. «7. $.2
p- 46 2), ‚ganz unf st fbar und öde daliege (ünkovg Te oVou
za: aoyös), mehr Glauben ſchenken follte als jenen; verfchmeigt
er doch fogar die Sendung des Heraklides, und führt nur
aus Arifkobulos die Nachricht an, daß Hyrkanien fehr wals]
dig und reich an Eichen fey, aber keine Pechfichten, Rothtan⸗
nen, oder Föhren, erzeuge, was mol eben nur durch die Schiffes |
zimmerfeute des Heraklides fo beftimmt bekannt geworden feyn]
fonnte. Strabo widerfpricht ſich aber auch gleich darauf (ib. |
$.3. p. 464 1. c.), wo er, nach Patroklos, dem General des]
Seleucus, welchem auch, Eratofthenes und Ariftobulos in diefer
Anficht folgten, angtebt, wie fchiffbar der große Oxus und
geeignet zum Transport der Waaren fey, deren viele
in größter Menge aus Indien auf ihm zum Caspifhen]
Meere hinabgingen, und nach Albanien zum Kyros (Aras
res: Fluß) transportirt (reemoicsur, de i. hier offenbar uͤber⸗
gefchifft) wurden, um zum Euxinifchen Pontos (nad) Ri |
zu gelangen.
Diefe farge und nur oberflächliche Kenntnig, welche die Or }
cidentalen von den Bewohnern der Aralifchen und der OrussSeitel
des Kaspifchen oder Hprkanifchen Meeres in jener früheften Perf
tiode hatten, macht es nothwendig, daß wie hier die Nachrichten
über die Tiaotfchi, nad Sfematfien, den Dan:Annasl
len und Matuanlin mittheilen, wenn auch mancher Irrthum,
bei fo fernften Negionen (und wie viele diefer Art müllen wie
bei Herodot, Pelybius, Strabe, Plinius u. A. gern dulden) mit |
unterläuft, in einem Gebiete, deilen wahrer und grümdlichere
Geo: und Ethnographie, noch die nächte Zeit erwartungsvoll ents
gegenficht. Doc) bemerken wir zuvor, daß wir nur ein einziz
ges Mal von den claffiihen Autoren der Taſci ( Tuoxoi
Dionys. Perieg. v. 1069, Eustath, Commt, ib. p. 183 ed. Huds.
Vol. VI.) als eines alten Perſer-Volkes erwähnt finden, das im
Sentrals Afien, Tiaotfchi n. d. aͤlteſten Chineſen. 715
Norden der Paſargaden, alſo in Nord-Perſien aufgeführt
wird, und von uns, in Ermangelung anderer Daten, dem Na—
men nach, fuͤr Bee mit den Tiaotfohi, oder Tadfchif,
wol gelten koͤnnte. J. v. Hammer!!!) hielt dieſe für die Da—
diken Herodots, von denen ſchon fruͤher die Rede war (Aſien
u. ©. 654).
1) Die Tiaotfhi nah Sfematfien (100 Jahr vor
v Chr. Geb.) 2).
Einige 1000 Li (etıva 100 geogr. Meil.) im Weſt der Anfi,
"gegen das Weſt-Meer (Si Hat, Caspifches Meer), liegt ihr
"Sand, das heiß und feucht iftz dort Haut man den Reis (mie
"im heutigen Khiwaz Uber Neiscultur, vergl. Aften IV.1. &.800).
Dort findet man Vogeleier, großen Gefäßen an Umfang gleich
(Straußeneier, ſ. 06. ©. 636). Die Bevölkerung ift fehr flarf,
"An verfchiedenen Etellen wird fie von kleinen Chefs beherrfcht,
die den Anfi, deren Angrenzungen fie ausmachen, trißutair find.
Es giebt dort geſchickte Jongleurs. Die Alten willen durch Tras
dition, daß bei den Tiaotfchi, der Zochoni und Sie Bang mu ſey;
aber Niemand hat ihn gefehen (eine gänzlich a ae Stelle
von einer unbefannten Sage).
2) Die Tiaotſchi, nah den Annalen der Han
(bis 20 nach Chr. Geb.) B).
Sie werden hier Tiaodfcht Hefchrieben, und als die wefflis
chen Nachbarn von Ugheſchanli (ein älterer Name für Poſſe,
"». i. Derfien; hier eine Nordprovinz deilelben) genannt; ihr Fuͤrſt
fuͤr einen mächtigen Brertieger gehalten, der viele Krieger hat, und
von China unabhängig ift. Im Offen grenzt es an Kipin. Ihre
Haubptſtadt liegt 100 Tagereiſen fern, in der Nähe des weſtli—
N ben Meeres. Wegen des milden Climas und’ feuchten Bos
dens wird in Ughefchanli (das hier als von denfelben Pew
- fifchredenden bewohnt und mit Tiaotfcht gewiffermaßen identificiet
erfcheint) Reis gebaut. Man findet hier Straußeneier. Das
Sand ift ſehr ſtark bevölfert, in Eleine Vaſallen-Reiche abgetheilt, |
Bun? von den Fürften der Arfi abhängig (f. ob. ©. 654), Die
Er
9
nn, Wiener Jahrbuͤcher der Literatur 1831. B. 53. ©. 25.
4 12) Ssematsıen Relation ete. b. Brosset in Nouv, Journ. Asiat.
T. 1, p. 425. 13) Opissanie Dshungharia i wosstetschnawo Tur-
kistana b. Hyakintlı I. c. T. L. 1. Abth. Dr. Scott Mscı,
716 WeitsAften. J. Abfihnit, & 8,
Eingebornen find geſchickte Wahrfager (oben dle Jongleurs).
lid von Tiaodfchi, in einer Entfernung von hundert Tagereiſen
zu Waſſer liegt der Ort, wo die Sonne niedergeht (O
cident).
Das Land Ugheſchanli iſt eine heiße Ebene (alſo wol das |
Sand weftwärts Herat, über Merv, Mefched, Kharesm). Plans
zen, Bäume, Getreide, Früchte, Kräuter, Vieh, Speifen, Gel
tränfe, Gebäude, Bazare, Geld, Waffen und LurussArtikel, Alles
ift wie in Kipin. Außerdem’ findet man hier Löwen und Rhino⸗
ceroffe. Die Einwohner haben einen Abſcheu vor dem Biutverz
giegen (d. h. find friedfertig). Ihre Geldftücke zeigen auf der f
einen Seite einen Menfchenkopf, auf der andern einen Neiterf
(ſ. 06. S. 683; die arfacidifchen Münzen haben meift den Feuers ]
altar auf der Nückfeite; daher fie von diefen gut zu unterfcheiden
find). Ihre Waffen fhmücen fie mit Gold und Silber. Day
diefes Land fehr weit von China liegt, fo find nur felten chines
fifche Sefandtfchaften dahin gefommen. Hier endet die Suͤd—
Straße (Nanlu), auf der man von Yuͤmen und Yangkuan |
aus, durch Schenfchen, und ſuͤdwaͤrts bis Lghefchanli reifet. Von
hier muß man erft nordwärts und dann ofhwärts ficd) wenden um ]
vach Anfi zu fommen. —
3) Die Tiaotfdi, Tadſchik, nah Tuyeou!l)
(im VII. Sabrhundert).
Zur Zeit der Weis Dynaftie (erg. 386— 558 n. Chr. ©.)
fängt dieſes Geſchichtswerk gleich damit an zu fügen: Poſſe
(Perſien) fey das alte Reich Tiaotſchi; der Name Poffe
ſty erft aus neuerer Zeitz der Familienname des Königs fey Po,
fein eigener Name Sſe; feine Refidenz in Suli (Sufter), fein
Eis ein goldner Ihron u. f. w. Daß dies die auf chineſiſche
Weiſe verftimmelte Nennung der Parfen GPo-huͤ, für Parsfi)
fey, und in den folgenden Notizen auch manche Anfpielung auf
Die von Claſſikern mitgetheilten Mythen über die alten Perſer ſich
— ergiebt ſich aus der weitern Ausfuͤhrung von Noten und
Text 15), die wir hier übergehen, um bei dem einen Steige des
erwähnten Volkes, den Tadjik, ſtehn zu bleiben. |
Aus den Annalen, vom Yahre 557 —581, wird gefagt: das
1) Neumann, Afiatifche ZUM Th. 1. S. 155 — 177: Perſien.
126) ebend. ©, 166 Not.
Central⸗Afien, Tiaotſchi, Tadjik. 717
des Königreichs Pofie fen ein Stamm der Ta Yus;
aber zuvor fen es das Königreich der Tadſchik gewefen. Ge
nauere Detaild von den Tadſchik fehlen, dagegen wird bei den
Chinefen ſehr umftändlich von dem Perfern Bericht gegeben, dee
anderwärts nachzufehen iff.
Matuanlin 6) wiederholt größtentheils' in feiner Biblios
{het nur die obigen Angaben über die Tiaodfchi, zumal auch
bie von ihrer Ueberfchiffung des Meeres, vom Lande und feinen
Producten; ex wiederholt diefelde unverftändliche, fchon oben ans
geführte Tradition, und fchließt damit, daß man bei den Tiaos
iſchi eingefchifft, gegen Weſt, nad) 100 Tagen dahin fomme, wo
die Sonne untergehe. Nur die Capitale des Landes befchreibt er
ihrer eigenthümlichen Lage nach genauer: fie liege auf einem
‚Berge, habe 40 Li in Umfang, dicht am Caspifchen Meere; deſſen
Waſſer umgeben fie von der Eds, Mords und Oft Seitez
ſchneide alfo auf drei Seiten den Zugang zu ihr ab; nur von
Nordweſt her führe der Landweg zu ihr. — Die Loralität diefer
Kapitale ift uns noch unbefannt. —
So unvollſtaͤndig diefe Chinefenberichte auch genannt werden
müffen, fo wichtig find fie doch dadurch, daß fie uns entfchiedes
nes Zeugniß darlıber geben, daß die Tiaotfchi, oder Tadjik,
alle Perfer find. Dies fcheint ihre ältefte Benennung gemefen zu
ſeyn, die ſich bis heute bei den außerhalb Perjien zerftreuten, vers
fifch sredenden Voͤlkerſchaften erhalten hat.
Wie bisher vieles Seltfame dee Chinefen den Decidentalen,
bei ihren weftlichen Borurtheilen ganz unbegreiflich, darum will
kuͤrlich und abfurd, als bloße Fabel, oder mindeftens doch als ſehr
zweifelhaft erfcheinen fonnte, fo auch z. B. die Benennung
Tache für Araber (j. ob. ©.425, 540, 567, 579, 580 u. a. O.)
und diefe der Tiaotfchi als wirklich bezeichnend für Perſer;
und dennoch ift dafielbe Wort Tadjik (Tadfchid), über anderts
halbtauſend Jahr fpäter, noch heute, die ächte Benennung, welche
fh nit, wie man früher meinte, tatarifche Bewohner Oſt⸗
Aſiens, fondern alle dafelbft von Kafan bis Indien und China
weitverbreitete Perfifch redende Bewohner, zwifchen den
Völkern tuͤrkiſchen Schlages, ſelbſt beilegen.
J Schon Meninski in Thes ling. or. erklaͤrte den Namen
———
20) Matuanlin in Nouv. Mel, Asiat. T. I. p. 215— 217; vergl. b.
Rrumann Rot, p. 157.
718 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. K. 8,
Tadjik durch: Persia olim nomen regionis omnis quae non intra
finem Arabiae vel magnze Tatariae continebatur, und Th. Hyde
erinnerte daran, daß Tagjıki!?) (von Taj. corona) der a
Name Perſiens geweſen ſey. In der Cosmologie der Parfen,
im Bundehefch 13) wird der dritte Vorfahr Zohats Tadj ges
nannt, was für eine ältere Perfer : Dynajtie gefrönter Herrſcher
gilt, von welcher vielleicht fid) diefe Benennung zunächft herleiten F
laffen möchte. Cs iſt derfelbe ame, den die Gefchichtfchreiber
der Mongholen gebrauchen, wo fie vom Feldzuge Tſchingis—
khans vom Jahre 1219 nad) Transoriana reden, wo es heißt:
Der Weltftürmer fen aufgebrochen gegen das Land der Tad—
jiE 19) daffelbe zu bekriegen; denn fo nannten damals die Mon—
gholen und die noch nicht zum Koran Kbergetretenen Turk ihre
weftliben Feinde, die Mohammedaner, Das Land zwis
fhen Sihon und Oxus (Mawar al nahar) fey von vielen anges
fiedelten Perfern und Arabern in damals ſehr blühenden
nen von vielen nomadifchen Turk-Horden bdurchftreift worden.
Dieſes Gebiet iſt es alfo, was damals den gemeinſamen Namen
des Landes der Tadjik oder Tadjikans erhielt.
Hierzu giebt der gelehrte Herausgeber der Monaholengefbichteg]
nach orientalifchen Autoren, die erklärende Note, durch welche er
denfelben Namen ver Tadjik fowol auf Araber, wie auf Pers
fer zu übertragen feheint, und nur in Gegenfag zu den Turk
ſtellt, ohne auf das Sprachverhältnig der Tadji dabei Ruͤckſicht
zu nehmen. Er bemerkt: die Araber feyen von den alten Pers F
fern Tazi genannt worden, von den Syrern Tadjic(?), von dem
Armeniern Dadjik. Don jenen Perſern fcheinen die Turkvöls
fer, als deren öftlihe Nachbarn diefelbe Benennung angenom⸗
men zu haben, welche fie anfanglich den Arabern gaben; womit
dann ganz Mawar al nahar, nach der Beflegung durch den Kos
ran, den Namen: Land der Tadjif, oder Tazik, das heiße:
alfo „eigentlich Land der Araber” erhalten habe, Die’
Mongholen hätten nun denfelben Namen, in Gegenfag der noch
ı17) Th. Hyde Historia Religionis veter. Persarum ed. Oxon. 1700
4. c. 35. p. 413; vergl. Moh. Mirkhond Historia prior. Reg. Pers.
ed. B. de Jenisch, Vienn. 1782. 4. Not. p. 55. 18) Bundehesch _
Nr. XXXII. p. 116 Not. m. in Zendaveſta b. Kteuker, Riga 17772
4. Th. 1. 1°) Histoire des Mongols (p. d’Ohsson). Paris 16208
8. T.l, Liv.I. ch. VI. Not, p. 157158.
Central-Aſien, Tadjik (Perfer), Tache (Araber). 719
ubigen Turf, auf ihrer Seite, den Mohbammedanern im
n überhaupt gegeben, die aus verfchiedenen Stämmen ge
mengt waren. Der Benennung der Chinefen, denen die Mons
‚gholen in fo vielen Ihrer Benennungen gefolgt find, wird hierbei
r nicht erwähnt. Derfelben Anficht der Jdentität der Aras
ber und Perſer, unter den Namen der Tazi, oder Taji, ift der
gelehrte Herausgeber der Memoiren Sultan Babers 20); der es
bemerkt, es möchten die Lleberrefte der alten Population feit dem
Tazi⸗-Gouvernement, d. i. der Araber Zeit, in Mawar al nahar,
wol von den Turk dieſen Namen erhalten haben. Daß dieſe
aber zweierlei verſchiedene Formen der Benennungen,
naͤmlich: Tache (Tachi) für Araber, und Tiaotſchi für Per;
fer durch die ganze Keihe ihrer Annalen, feit ältefter Zeit aufs
führen, möchte doch wol für eine urfprüngliche Verſchie—
denheit diefer, felbft einem fo ausgezeichneten orientalifchen Lin—
guiften identifch feheinenden Laute (Ta zi, Tadji, Dapvjit)
fprechen. Diefe Verſchiedenheit finden wir auch fehon in der
BendsAvefta begründet, wo im Bundehefh und Jeſchts
Sades 2!) die Araber fiets Tafians, oder Tazian heißen,
von Iaz und Taze, den Kindern Fervaks (des perfiihen Noah).
Diefe Taze, oder Tazian, find es, nach deren Verdrängung Feris
duns Reich aufblüht. Jene Araber find es unftreitig ferner, welche
daher von den Chinefen Tache heißen; während ihre Tiaotfchi
(Tadjid) die Perfifchredenden felbft bezeichnen.
Die frühere Verwechslung aller Bucharen mit türfifchen
Völkern hatte Pallas 22) und andere Sammler von Bocabulas
wien verleitet, diejenigen Bewohner des ‚transorianifchen Landes,
welche noch heute allgemein Tadjik heißen, für Turfomanen,
oder turfifcher Abftammung zu halten; 3. Briggs23) in feiner
eberſetzung von Ferifhtas Gefchichten der Mohamedaner im Drient,
erklärt die Tajik für eine Race tatarifcher Handelsleute und
diefer Irrthum war früher ziemlich allgemein. Klaproth traf
im Jahre 1805, in Kafan, die erften Bucharen, und diefe
#0) Memoirs of Baber etc. Transl. by Dr. J. Leyden and Will, Ers-
kine. Lond. 1836. 4. Deser. of Marghinan ete. p. 3.
RSend⸗-Aveſta Th. II. a. a. O. im Bundeheih Nr. XV, p. 87,
NE. XXII. p. 99, Nr, XAXIV. p. 121; im Sefchts Sades Th. II.
Nr. LIX. p. 171. 2?) Klaproth Asia Polyglotta, Paris 1823. 4,
p: 239 etc. 23) K. Ferislıta History of the Mahomedan Power
in India ed. b, J. Briggs. Lond, 1829. 8. Vol, IV, p. 602.
7. Weſt-⸗Aſien. L Abſchnitt. 6. 8,
ſprachen Perfifch, und verficherten, daß dies Ihre Mutterfprache
fen; alle andern Bucharen in Tobolst, Tara, Tomsk und dem
übrigen- Sibirien anfäffig, erkannten Perfifh als ihre wahre
Sprade, die fih aber während eines längern Zufammenleben
mit Turkoölfern auch aus deren Mundarten mit Wörtern bereis
chert hätte. Sie reden auch gewöhnlich mehr Türkifch, haben
aber für Vieles altperfifche Ausdruͤcke in ihrer Rede beibehalten,
Sn Chiwa und Buchara, fagten fie aber, fprächen ihre Landsleute
rein Farſi. Selbſt bis Kiachta 129), an der chinefifchen Grenze,
traf Klaproth budarifche Handelsleute mit ihrer perf
ſchen Rede, die aus Hami und Turfan gebürtig jährlich mit Kas
rawanen durch Tübet und Tangut ziehen, den Nhabarber aufs
faufen, und diefen Zweig des Rhabarbers Handels, ald Mes
nopol, ſeit langem (f. Alten I. ©. 183) betreiben. Sie bewohnen
deshalb ſelbſt die chineſiſchen Provinzen Kanſu und Schenfi, un
handeln längs der chinefifchen Mauer hin, bis zur Meerestüfte,
Schon der Neifende Jefremow, 1786, ©. 194, hatte ein fo
ches bucharifches Vocabular von 625 Wörtern gegeben, au
denen hervorging, daß diefe Sprache dafeldft heute noch Per
fifch fen. Unter den in Pekings Ueberfegungsbüreau der fremd
den Sprachen ausgearbeiteten Bocabularien (aus der Zeit der
MingsDynaftie), die durch Pat. Amiot in die reiche Parifer
Bibliothek gekommen, befindet ſich auch eins, in der Sprache
der Schuifchui, d. i. der Bewohner der Großen und Kleis
nen Bucharei, nebft 17 mit der chinefifchen lieberfegung ve
fehenen Schreiben ihrer Fürften aus Turfan, Hami, Samarkand
u. a. D., weldye die perfifhe Sprache?) derfelben, d. i. dei
Tadji, oder Tiaotſchi der alten Chinefen, beurfunden. Auch
diefem haben Ab. Remufat®), St. Martin und Klap
roth die wichtigſten Aufklärungen über diefe Voͤlkerverhaͤltniſſe
Mittel:Afiend erhalten, durch welche auch wir für die chineſiſchen
Berichte eine weit höhere Zuverläffigkeit, und mehr innern Zu
fammenhang als zuvor, für die ihnen im Ganzen fo ferne Reg uE
nen in frühefter Zeit, gewonnen zu haben glauben.
Wir fügen gelegentlich hierzu die Hypotheſe 27), welche ©: I
*
224) — Polyglotta 1. e. p. 242, wo ihr Woͤrterverzeichniß.
—* Dieſes perſiſche Vocabular ſ. in Asia Polyglotta p. 245 — 254,
2°) Ab. Remusat Hist. de Khotan Pref. p. IV; Becherches sur les
Lang. Tartares T. 1. p. 247 Not, 3 N 1. St. Martin Nota
in Joura.. Asiatique, Paris 1823. T. II. p. 161, vergl, in Potocki
Central⸗ Aſien, Tadjik, Stammverwandtſchaft. 721
Martin aus feinen armenifchen Studien und der Arſaciden⸗
ie hieruͤber zuerſt in drei Hauptpuncten feſtgeſtellt zu haben
glaubte, ohne daß er im Stande gewefen wäre fpeciell jedes be;
fondere nachzuweifen, da ihn ein feühzeitiger Tod feinen Arbeiten
entriß..
‘ 4) Daß der Name Tadjif, den gegenwärtig die Turk und
Tataren denen geben, die Perfifch fprechen, in Perſien, Afghaniz
, Zokhareftan, Transoriana, der Name der alten Dahae fey,
einft vom Danubius bis Bactrien und noch in andere Ge:
sage ausgebreitet waren (f. ob. ©. 604, 630 u. %.).
2) Daß die Parther und Arfaciden zu diefem Zweige der
fogenannten afiatifchen ſtythiſchen Nationen gehörten, daß die
Namen Dahae, Dahi, Tadjik oder Dadjik, ihre Nationalbenen:
nung waren, und daß fie diefelden den Perfern, die fie zu Unter
hanen erhielten, mittheilten. Daß der erfte Arfaces felbft wol
aus dem Gefchlecht der Dane abftamme, war auch fchon früher
r. Mannerts 3) Meinung.
3) Daß diefe Benennung, feildem. die Saflaniden und Per:
we, die ſich vom Joche der Parther befreiten, nichts anders in
Derfia mehr bezeichnete, oder bedeutete, als was anderwärts mit
Barbaren belegt ward; daß bei den fEnthifchen und hochafiatis
hen Völkern, die an diefen politifchen Wechſeln keinen Antheil
ahmen, dagegen diefer Name mit gegen den Werften verbreitet
ward, als diefe fic im Occident zu verfchiedenen Zeiten niederlies
zen. Sie gaben diefen Namen auch wiederum den befiegten Pers
en, weil es bei ihnen der Gebrauch war die Perfifch redenden
yamit zu bezeichnen. Die Chinefen lernten diefen Namen für
Derfien, Perfer auch (nämlich Tiaotfchi, wie Zahia, Ta Wan
Ad ſchon vor Chr, Geb. fennen und behielten ihn für Parfen
— die aber ſpaͤte Poßu, oder Poſſe, genannt wurden. —
So weit St. Martin. |
Es ift ferner Har, wie die indo>germanifchen Völker Hochs
Afiens, ihren Sprachſyſtemen nach, folcher Vermittlung der alten
Dahae (Saken) gemäß ſich vermittelt der dem Germanifchen und
Blawifchen fo nahe verwandten Perſiſchen, auch der indifchen
Banskrit: Sprache anfchließen, zwifchen welchen, wie denn durch
> Hist. des Peuples primitives de la Russie in deſſ. Voy. Paris 1829,
p. 347; vergl, Elistoire du Bas Impire Nouy. Kid.
=) Geogr. der Griechen und Römer Th. IV. 1795 ©. 473,
Ritter Erdkunde VII, 33
722 Weſt-OAſien. 1. Abſchnitt. $ 8.
W. Bopps und E. Burnoufs Unterſuchungen über das Zend,
immer mehr und mehr die urſpruͤngliche Einheit jener Populatio⸗
nen wie ihrer Sprachen hervorzugeben feheint, indem nun ſchon
das von indifchen wie iraniſchen Urbevölferungen de
„Airya (Avıor) gemeinfam” bewohnte Stammland „Ary
Barta“ 229) ziemlich feftftehen mag. S
Nur aus folchem Hergange der Dinge würde die außerorden ?
lich weite Verbreitung eines perſiſchen Sprachſtammes als Volks⸗
ſprache durch Mittel-Aſien in den fruͤhern Jahrhunderten begre fr
lich, in Gegenden, wo uns felöft fonft gar nichts, weder von He —
ſchaft der Perſer Monarchen, noch von Einwanderung perfifche
Colonien bekannt iſt. 4
Zur Zeit, da die Perſer Herren des alten Baktriens waren
bemerkt der Herausgeber 30) von Babers Memoiren, fey gewiß je
bewohnt gewefen. Bis auf Tſchingiskhan, mit dem die Vermiug
ftung begann, war Derfifch die allgemeine Sprade de
Städter am Amu und Sir Orus und Yarartes), bis Taſchkent
hinauf, während das Turk erſt in den nördlichern Marftorten ‚be
gann. Das Perfifche feste oftwärts über die Alftaghl
berge, d. i. im F von Khodjend und Samarkand zu —
Volkes perſiſch, obwol ſeit Jahrhunderten feine Perſer-Erobe
rung dahin reichte. Noch zu Sultan Babers Zeit (1500 nat
Chr. ©.) mochte die perfifhe Sprache die allgemeine de
Eulturlandfchaften von Balkh, Badakhſchan, des größern Thei e
Keſch, Bokhara, Uratippa belegt werden, und eben fo bis Fi
ohana und Taſchkend hin, während die Zurkffprache nur durch Di
eingewanderten Nomadenhorden in Gang kam. Nur mit dei
Gebiete von Kaferiftan und der Giaput im Süden der Quelle
ı32°) E. Burnouf Commentaire sur le Yacna etc. Paris 1833,
p- 461 Not. »0) W, Erskine in Baber Memoirs I. “ nun
duction p. XLIV.
Central Afien, Tadjik, weite Verbreitung. 723
des Oxus, füdwärts des Puſchthikur und in dem innerſten Wins
cl Tofhareftang, fcheint mit einem andern Volksſchlage eine ans
sere Sprache begonnen zu haben, die auch durch den geringen
Fortfchritt der arabifchen Eroberung nicht verdrängt ward, die aber
ins bis heute im Hindu Khu völlig unbekannt geblieben ift. Sehr
vichtig würde in diefer Hinficht die Kenntniß der Sprachen der
d ardi,'der Kaferiftanberwohner, der Siaput, der Wakhan, der
Bewohner von Badakhfchans noch unbekannten Gebirgsthälern
eyn u. a. m. Merkwürdig ift es, daß bei den perfifchen Autos
en, nad) Th. Hyde, bei den 7 perfifhen Dialecten 3)
nm diefen nördlichen Gebieten davon die Nede ift, daß fie gänzs
ch ohne Literatur und überhaupt unbekannt “geblieben feyen.
Bährend die andern, wie das Pehlwi und Pars, faft allein von
ich reden machten, habe das Deri, als die Sprache von Balkh,
Bamivan, Merv und Badakhſchan den Ruhm der größten
t
st von Dravul, von Herat, von Segeftan und der von Sogd
oder Sogdiana) als die nördlichern, zu den fogenannten
ier zuruͤckgebliebenen gerechnet werden. Wie wuͤrde hier ſo
von perſiſchen Sprachen die Rede ſeyn koͤnnen, ohne eine
rühefte dort einheimifche allgemeinere Tadjik (Dahae) Population.
die dauernde,, nie verföhnbare Feindfehaft zwifchen Jran und
uran hatte wol eben darin ihren Grund, weil deffen Beherr⸗
her in früheften Zeiten die im Norden des Orus der perfifchen
yerefchaft-einft angehörigen Voͤlkerſchaften und Länder unterwors
1, von den füdlichern abgeriffen und fo die Untheilbarfeit des
jeiches verlegt hatten.
Außer der perfifchen Einwohnerfchaft, die auch heute noch fo
ei außerhalb Perfien in den Städten Hami, Zurfan, Ufchi,
t u, Khotan, Harkand, Kaſchghar und Sogdianas, wie im weft
hen Alpengebirgsiand des Belur Tagh, nach Obigem, fo allges
ein if, und überall zu den Tadjit (Tiaotfchi) gehört, erfahr
m wie durch N. v. Muraview3?), daß diefelben felbft noch
ne ſehr ſtarke Population von Chiwa am untern Amu (Drus),
Ben daſelbſt ausmachen, wo uns die wahren Tiaotfchi
*1) Th. Hyde Historia Religionis veter. Persarum I, e, eap. 35.
p- 419. 32) Nicol. v. Muraview Reife durch Turkomanien
"nad; Chiwa (1819 — 1820); aus dem Ruſſ. v. PH, Strahl, Berl.
1824, 8 8. Th. 1. ©. 23, 83, 85.
33; 2
jeinheit ſelbſt ſchon im Koran davon getragen, während der Dias
724 Wels Aien, I. Abſchnitt. $. 8.
von den alten Chinefen als die Handelöleute am Meeredufer und
in Städten wohnend, einft befchrieben wurden. Er fihägt ihre
Zahl im Jahre 1820, wo er Chiwa befuchte, auf mehr als
100,000; fie treiben vorzüglich in den Städten den Handel; a
dem Pande aber den Ackerbau, wo fie, nach ihm, als die Urber
wohner diefer Landfchaft feit den Älteften Zeiten durch großen
Fleiß. die Bewäfferung des Bodens durch Canalbau betrieben has
ben. Dort werden diefe Tadjif au Tatas und Sarty ge
nannt; daher denn in neuern Zeiten die Namen der Tadjik,
Sat, Sarten, Bucharen, Turfeftaner und viele andere,
oft ohne Unterfihied mit einander verwechfelt werden. f
Die Benennung der Tat, oder That, Tatas, welche dk
einheimifchen Turk gebrauchen, um die Perfer damit zu bezeid
nen, weshalb auch eine fehr häufige allgemeinfte Eintheilung dei
Bewohner jener Landfchaften, zumal Perfiens, in Turf um
Tat in Gebrauch ift G. B. die Turf als Bewohner von Ader
bijan, die Tat?) als von Sran), fiheint, obwol häufig dami
verwechfelt, doch keineswegs mit Tadjik identifch zu feyn, fonder
es bezeichnet „Tat“ nur ein „befiegtes und überwunde
nes Volk.“ Es ift der ſtolze Name, den die Nachfommen de
Seldjufiden, ald Sieger den Beſiegten gaben; den fich die alter
Einwohner der Bucharei von den modernen Eroberern, den LE
befen, gefallen laſſen muͤſſen; den aber auch die herrfchende
Sunniten den unterdrückten Aliden geben. Daher giebt es di
verfchiedenen Tatz wie in Shirvan und Dagheftan
Sunniten fo genannt werden; dagegen felbft noch bis in d
Crim am Schwarzen Meere Tat fih vorfinden, die obwol TA
dort türkifch fprechen, dennoch nur als Unterworfene fo genau
werden. 2
Der Name der Sarty, oder Sarten, Sarter,
baren, welche Städtebewohner find, oder auf den Handel m
Karawanen im Lande umberzichen, beigelegt, und daher na
v. Murawiew auch in Chiwa gleichbedeutend mit dem der Tal
J
’53) Comte J. Potocki Voyage dans les Steps d’Astrakhan etc.
Paris Vol.I, p. 104 Not. v. Klaproth; ebend, p. 195 und p.
Not. 1. vergl, Asia Polyglotta 1, e. p. 244.
Central-Aſien, Tadjit, Sarten, Tat. 725
ame bei der Population Kharesmiens im Gebrauch, im
zegenſatz der dort eingezogenen Turk, und der ſpaͤter ſeit 1506
dort eingewanderten Usbeken *). Er bezeichnet aber nicht das
Be Bolf, wie Tat, nicht das Volk perfifcher Abſtam—⸗
jung oder Rede wie Tadjik, fondern das Gefhäft des Sarten,
i. des Kaufmanns; daher wir ſelbſt früher, mit dem antiken
ee der alten Seres, d. i. chinefifcher Seiderhändler, die Benen-
nung irrig identificirt hatten (f. Erdk. 2. Aufl. Ih. IL. ©. 626 2«.).
Der Name Sarten, für diefes antike, fchon feit der erften Chis
nefen Zeiten, obwol nicht unter diefer fyeciellen Benennung ers
wähnte, merkwürdige Handelsvolf Transorianag (f. ob.
550, 552, 557, 575, 578, 626 u. a. D.), das alfo fiher ſchon zu
ener antifen Population der Urſaſſen gehörte, hatte diefen Namen
doch auch ſchon in fehr frühen Zeiten, da die Miongholen den Na:
men Sartohl?), das Sartenland, der Kleinen wie der Gros
Ben Bucharei gaben, welche erſt fpäter das Erbtheil des Sohnes
Tſchingiskhans Tfehaghatais ward. Sart bezeichnet außerhalb
Merfiens diefelbe gemwerbetzeibende Claſſe Perfifchredender, welche
im Derfifhen ſelbſt auch Sogdager, oder Sudagr, d. h.
zii „Handelsleute” (wie Banig-jana im Indiſchen, f.
fien IV.1. ©.443), genannt werden, was, des verwandten Lau:
tes wegen, von 3. Potocki, für eine Ableitung vom alten Sog:
diana irrig angeſehen wurde. Demnach find die Sarten?)
wirklich die Abkoͤmmlinge der antiken Urſaſſen des alten Sogbia⸗
nas; denn Sultan Baber ſagte, z. B. noch in der Beſchreibung
eines angeſtammten Koͤnigreiches „alle Einwohner von
arghinan (d. i. ein Theil Ferghanas) ſeyen Sarten,“
und ſelbſt die Bewohner des Asferah⸗-Gebirges in Suͤdoſt
von Ferghana ſeyen Bergvoͤlker oder Sarten.
Hiermit ſtimmt auch völlig überein, was ung ganz neuerlich
4. Burnes M, dem wir fchon die Beftäfigung von Elphinftos
‚mes Angabe der Tadjiks in Kabul verdanken (f. ob. ©. 242),
‚über die von ihm bereifeten Gegenden von Balkh und Bochara
fagt: die dortigen Aboriginer des Landes find die Tadjiks (oder
Zats), die, wie er bemerkt, zuweilen aud) Sartes genannt würs
— —
es Deguignes Gef. der Hunnen zc. Ueberf, v. Dähnert a. a. 2
h. III. p. 489, 559. 3°) "Timkowski Voy. ed. Paris Vol.1.
p- 387; Asia Polyglotta p. 243. 36) Sultan Baber Memoirs
ir ed. w. Erskine l. e. p. H Not. und p. II. »°) Al. Buroes
Tray. into Bokhara, Lond, 1834. Vol, II, p. 268 etc.
726 Welt Afien. I Abfchnitt. F. 8.
den. Dies fen dort aber irrig, weil dies als ein Schimpfna 1e
angefehen werde, den fie nur von den Nomaden-Tribus (verächte
lich, die Handelsleute!), ihren Unterjochern vom Norden her, zu
erdulden hätten. Doc) bemerkt er felbft, daß diefe Tadjif dem
Handel ungemein ergeben find, daß ihre Sprache perfifch fen
welches lange Zeit vor der Turfüberwältigung die Landesfprache
gewefen, So allgemein war diefe frühere perfifche Population
(die der alten Perfer und Dahae), daß die Araber felbft, bei ih:
rer Eroberung, den Gebrauch der perfifchen Sprache anbefohle
Diefelben Beobachtungen über die Tadjif, Sarten oder Han
delsleute, und über die fogenannten Bucharen im eigentlicher
Sinne — die demnacd in beiden Buchareien, fowol don den ur
fprünglichen Uigur, und von den eingewanderten, nomadifchen
ungläubigen Turf, wie von den zum Islam befehrten Turfoma
nen, durch alle Jahrhunderte und bei allen Autoren, wol unter
fhieden werden follten, aber oft ſchwer, zumal bei den Hiftorifern
zu fondern fenn werden — hätte auch Timfowsti in Oft-Tu
feftan 138) in der Mongholei und China, bei genauerer Sprad)
unterfcherdung machen fünnen, ba dies induftriöfe Gefchlecht de
Tadjik fich feloft bis Peking cf. Alten I. ©. 128) KHangtfcheouft
und Canton (f. Afien IH. ©. 697, 837) ausbreitet.
Die bisherige Verwiclung und merkwürdige Ausbreitung die
fes ethnographiſchen Verhältniffes wird cs in fich felt
rechtfertigen, daß wir eben bier, bei dem älteften Hervortrete
der Tadjik, als Tiaotfchi, in den chineſiſchen Annalen, de
fen bisher nur zerftreute Hauptpuncte, concentrirt nach den wich
tigften Nadien, im Zufemmenhange zufammen zu fteffen verſuch
ten, um jedem folgenden Misverftändnig dadurch vorzubenger
und mancheneue Wegbahnung dadurch für die nachfolgende
Unterfuchungen zu gewinnen. Bucharen, im engern Sinn
dürfen, nach alle dem, nicht mehr wie früher für Türfen gelten
fie find die eigentlichen anfäffigen Einwohner der Kleinen um
Großen Bucharei, oder großer Gebiete Oft: und Weſt⸗ Turkeſtans
fie find perſiſchen Geſchlechtes, gehören als ſolche zum indo⸗gei
manifchen Voͤlkerſtamme. Sie nennen fich ſelbſt Tadjiks, fin
die Tiaorfchi der Ehinefen, in deren Hiftorien man ihre Iden
tität mit den antiken Dabhae- Populationen Se nid;
>
"3*) Timkowski Voyage ed. Paris in Turkestan Oriental, —
p. 387 — 388.
Central-Aſien, Tadjik, die Unterworfenen. 727
derfennen fann, an welche fich in aͤlteſter Zeit maflagerifche, ſpaͤ—
‚ter blonde Blauäugige, indos germanifche und jüngere getifche
‚Stämme anfchließen, und mwahrfcheinlich nicht felten mit ihnen
mifchen, bis mit der Mohammedaner Periode, die Araber und
Turk⸗Nationen wie die Usbek, im ihrer Mitte, in religiöfer, polis
vun und nationeller Hinficht, als Sieger und Einwanderer auf:
t
etend, fie zuruͤckdraͤngen in ihr gegenwärtiges untergeordnetes
rhaͤltniß. Noch zu Sultan Babers Zeit, wie wir weiter unten
‚bei Ferghana fehen werden fpielen fie eine andere Rolle.
J Hoͤren wir nun die Beſchreibung der Tadjiks in Bochara
von einem der ausgezeichnetefteht Beobachter neuefter Zeit?). Die
Usbeten, fagt er, machen die herrfchende, die Tadjiks, die
unterworfene Volksclaſſe des Landes aus, welche fih für
eſſen Aboriginer haͤlt, die auch ſehr wahrfcheinlich die Nachkom—
jen der alten Sogdianen find. Ihr Koͤrperbau iſt meiſt unters
t, ihre Geſichtszuͤge find europaͤiſch, fie haben einen ſchoͤnen
int. Sie find viel weniger gebräunt als die heutigen Pers
fer, und Haben fehwarze Haare. Ihre Unterwuͤrfigkeit giebt ihnen,
ie allen durch Tyrannei unferdrücten Afiaten, ein Eriechendes
Weſen, und das Geficht des Tadjik erfcheint ſtets vollfommen rus
dig und fanft. Daher hält man fie, obwol der Tadjik in der
hat falfch, betrügerifch, habgierig iſt, doch leicht für gutmüthig,
lich, dienftfertig. Aber der Geldgeiz erftickt in ihnen jedes ans
re Gefühl, und die Tadjiks find die unerbittlichften Gebieter ihr
Sclaven. Dabei find- fie feloft fehr: fleißig, thaͤtig, gefchieft in
ei Gefchäftsfährung. Sie find die Kaufleute, Handwerker,
ultivatoren der Bucharei; niemals Nomaden. Die meiften. küns
en leſen und fihreiben, und find, die übrige Geiftlichkeit ausges
nommen, der civilifirtefte Theil der bucharifchen Bevölkerung. Die
Tadjik, fagte ein dort Unterrichteter, bewohnen das Land ſeit Is⸗
kanders (Aleranders) Zeiten, ohne je ein eigenes Oberhaupt fich
erwaͤhlt zu haben; ſie wiſſen nicht zu herrſchen, nur zu gehorchen.
ſie ergreift der Tadjik die Waffen zur Vertheidigung; er hat nie
für feine Heimath gefochten. Dagegen find die Uzbeken ftets ges
tüftete Krieger, Unter dem Druck von 1,500,000 Uzbeken in der
Bucharei, fhägte man, nach) v. Meyendorf, die Zahl der Tads
Jits auf 650,000, während der Turfomannen nur etwa 200,000,
h 39) G. de Meyendorff Voyage d’Orenbourg a Boukhara ed. p. Am.
Jaubert Puris 1826. 8. p. 189, 193, 197.
728 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $. 9.
und der Araber 50,000, ber heutigen Perfer nur 40,000 gerech
net werden.
— —
Sechstes Kapitel.
Die Alpengaue des Obern Sipuns und Gihon-Lans
des; Ferghana (Khokand) und Badakhſchan, am Weſt⸗
abhange des Belur Tag; das bekanntere Gebirgsland
von Weſt⸗Turkeſtan.
6. 0. —
Zum Beſchluß unſerer Betrachtung des Ueberganges von Oſt⸗
Aſien zu Weft,Afien, bleiben uns für jetzt noch die ſpeciellen
Nachrichten uͤber die beiden obern Stromthaͤler des Sir (Ja—
xartes) und Gihon (Oxus) hier anzuführen uͤbrig, welche ing
nerhalb des Alpengebirgslandes am Weftgehänge des Belur Sys
ſtemes, als die wahren Eingänge zu Welt: Turfeftan der neuern
Zeit, unter den Namen Ferghana und Badakhſchan am
befannteften geworden find. Sie bilden die ausgezeichneteren
Theile des obern Stufenlandes beider Stromſyſteme, deren ganzes
Ländergebiet erft weiter unten mit Mawar al nahar und dem Ges
fiade des Aral und Easpifchen Sees im großen Naturzufammens
hange genauer zu durchforfchen fern wird. Hier genügt es, fürs
erfie, nur die vorhandenen Ihatfachen der Beobachtung, die bis
jegt in diefen Gebieten faft nur von orientalif ben Quellen
ausgehen, da europäifche Unterfuchung von Augenzeugen daſelbſt
kaum noch eingedrungen iſt, nach ihrer chronologiſchen Unterſchei⸗
dung aufeinander folgen zu laſſen, da die genauere Critik derfele
‚ben in der That, bei völligem Mangel aftronomifcher Ortsbeftims
mung, wie der topographifchen und phuficalifchen Obfervation,
noch unmöglich ſcheint. Denn obwol es bei Ebn Haufal,
Edrifi, Abulfeda, Sultan Baber und neuern arabifch
und perfifchen Autoren, wie in den chineſiſchen Neichsgeographien
und mancberlei andern Reiſewerken keineswegs an zahlreich)
Nachrichten über diefe Alpenlandfchaften fehlt, fo tragen diefe
doch durch die Befchränktheit der Beobachter immer nur das Ge:
präge ihrer Zeit, in welcher die mitgetheilten Nachrichten einge
fammelt wurden, ohne dieje auf die Vergangenheit zu beziehen,
Alpengaus Ferghana und Badakhſchan. 729
oder mit ſolchen pofitiven conftanten Angaben zu verfehen, daß
fich die fpäteen Nachrichten über dieſelben Localitäten verificirend
an jene frühern Berichte unmittelbar anfchlieen ließen. Diefer
Uebelftand, welcher die vergleichende Geographie des größten Theis
les von Eentrals Afien trifft, macht größtentheils, auch nody weits
hin in WeftsTurkeftan die Unterfuchung ſehr mißlich, welche ich
weder an beftimmte Naturverhältniffe, die hier fo fehr wechfeln,
noch an dauernde Voͤlkerdenkmale, Architecturen u. ſ. w., die hier
nbefannt find, noch an fefte aftronomifch beftimmte 9 an⸗
ließen kann. Er iſt es ferner, welcher ung für jetzt noch hins
dert an diefer Stelle ſchon eine Linterfuchung, die eigentlich hiers
her gehörte, zum Schluß zu bringen, nämlich) die über das Ses
tica der Alten und über die Seren, melde fo viele Kräfte
der ausgezeichneteften Gelehrten, wie Delisle, Cellariug,
Bochart, Th. ©. Bayer, G. D. Hoffmann, D’Ans
ville, Mannert, Murray u. A., ſchon in Anregung ges
bracht hat, ohne zu einem irgendwie fichern Nefultate zu fuͤh—
zen, an welches fich dann die Geſchichte der Seide und des
Seidenhandels fliegen würde, der für das gefammte Hans
delswefen und den Eulturgang der Voͤlkerſchaften Mittels und
Wet Afi ens von fo großer Bedeutung if. Wir müffen diefe
daher einer fpätern Stelle aufbewahren, indem wir fogleich zu
dem genannten Lande felbft übergehen, zu Ferghana, das zur Vers
mittlung diefes Handels feit der früheften Zeit eine fo ——
dere Stellung einnimmt,
in Erläuterung 1.
Serghana, das obere Stufenland des Sihun (Sir, Jaxartes),
ber frühern Zeitz das Khanat von Khokand (Khofan)
der Gegenwart.
Diie erften umftändlichern Nachrichten über Ferghana aus
dem X. Jahrhundert, zur Zeit des Araberbefiges, finden wir bei
Ebn Haufal!#), aus dem XII. bei Edrifi ); aus dem XIV.
bei Abulfeda*); aber die erfte Iehrreiche Beſchreibung diefes
—
240) Orient. Geogr. ed. W. Ouseley. Lond. 1800. 4p . 270.
*‘) Edrisi Trad. p. A. Jaubert, Paris 1836. 4. T.1. a 487 etc.
2) Abulfedae Chorasmiae et Mawar alnalırae Deser. ed. Geogr.
Vet. Min. Oxon. T. III. p. 37, 65.
730 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. 9. 9.
Pandes, durch welche die höchft dürftigen, ordnungsfofen F
jener Autoren erſt ein Verſtaͤndniß und eine locale Anwendu
gewinnen, giebt uns zuerſt Sultan Baber, der dieſe ſeine ge
liebte Heimath und fein angeſtammtes Königreich, obwol er dara
vertrieben ward, und größere Herrfchaften wie Kabuleftan u
Indien eroberte, doch nicht vergeffen konnte, In feinen Memo
ren giebt er uns die zunächft felgende Befchreibung, die ung am
beften in diefem Thalgebiete des obern Sir-Laufes (Sir Daria)
oder Jaxartes der Alten orientirt, das Fein neuerer Augenzeuge
und Berichterftatter feitdem, im Ganzen, auf gleiche Weife 3
überfchauen Gelegenheit gehabt hat. Die neuen uns über Fers
ghana zu Theil gewordenen Nachrichten find die von Chinefen
aus dem XVII. Jahrhundert, und der Bericht des Augenzeugen
Mir Iſſet Ullah vom Zahre 1812, den wir ſchon aus feinen lehr⸗
reichen Xeiferouten in Oft-Iurkeftan Eennen (f. 06. S. 478). Dies
fem folgte unmittelbar des ruffifchen Gefandten Nafaroff "0
enthalt in Khofan (1813), und fpäter gaben v. Meyendor
(1820), Frafer (1825), W. H. Wathen (1834) Nachrichten
darüber von Augenzeugen; Al. Burnes hat wenig Bemerfunge
darüber mitgetheilt. J
1. Ferghana nach Sultan Baber (1500).
Sm Sahre 1494, am 6ten Suni (899 d. Heg.), beginnt
Eultan Baber®), ward ich in meinem zwölften Jahre König
von Ferghana. Dies Land liegt im fünften Clima, an der
äußerften Grenze der bewohnten Erde. Ihm im Oft liegt Kaſch—
ohar, im Weſt Samarkand, im Süden das Bergland an den
Grenzen gegen Badakhfhan.
Sm Norden von Ferghana ift gegenwärtig (er fchreißt
dies in Kabuliftan, nachdem er durch die Ueberfälle der Usbeken
vom Norden ber, ſchon feit einigen Zahrzehenden aus feiner Hek
math vom Sir zum Indus verdrängt war) Alles verwüftet und
wenig Voͤlkerleben, obwol in den frühern Zeiten dort die Staͤdte
— “4
1#3) Memoirs of Zehireddin Muhamed Baber Emperor of Hindo-
stan written by himself etc. transl. by Dr. Leyden and W. Erskine
Ed. Lond. 1826. 4. p. 1— 65 vergl. Babur Nahmeh ober Bud
des Raths, Zürkifh verfaßt von Sr. Maj. bes Kaifers Babe
des Siegreichen, der friedlich in der Erde ruhe, Aus dem Turi
von 3. v. Klaproih in Archiv für aftatifche Literat. p. 101— 110;
Witsen Noord eu Ovst Tartasye Amst. 1705. T. I. p. 485 — 487.
Ferghana nach Sultan Baber 1500). 731
Almalig (Hain der Apfelbäume), Almatu (reich an Aepfiln)
und Yangi lagen, welches letztere in den Gefchichtsbüchern
Dtrar heißt. — Der Sultan bezeichnet hiermit das nördliche
ırkeffan *), das im Norden des Eir, oder Sihun, fih vom
Balfhafch bis zum Aral⸗See ausbreitete, zur Zeit der Araberherrs
Br blühend geworden war, ſich mit Städten gefüllt hatte, und
Dtrar am untern Sir Daria, zwifchen Tafchfend und dem
Aral»Sce gelegen, zu Timurs Zeit, der dafelbft ftarb (im Jahre
4405, wobei gelegentlich der Sertbum, oben S. 206 Zeile 3 von
unten, zu berichtigen, daß Timurs Alpenzug dafelbft nicht in das
Jahr 1408 fallen fann, fondern das Yahr 800 der Heg., alfo dus
Jahr 1397 iſt), noch eine bedeutende Stadt geweſen war.
Dieſes Ferghana, ſagt Sultan Baber, iſt klein, aber
reich an Obſt und auf allen Seiten von Gebirgen umgeben; ge
en den Weften hin ausgenommen, wohin der Sihun feinen
uf nimmt. Nur von da her, über Samarfand und Khodjend,
Tann daher, wo feine Gebirge das Land umfchirmen, der Feind
eindringen. Der Sihun (Jaxartes), gewöhnlih Fluß von
Khodjend genannt, das an feinem Ufer erbaut ift, kommt von
Nordoſt (f.06. S. 480), durchzieht ganz Ferghana gegen Weft,
firömt dann im Norden von Khodjend und im Süden von Fir
nakat (Benafat) vorüber, der Stadt, die früher Shahrokia
hieß. Nachdem der Sihun nun’ diefe beiden Territorien, nebft
aſchkent (Schaf, f. ob. ©. 598, wonach der Irrthum,
oben ©. 409, zu berichtigen ift) durchzogen hat, tritt er in Turs
keſtan ein, und wendet ſich hier gegen Nord (N.W.), wo er kei⸗
nen andern Fluß in feinem Laufe trifft (der nördliche Tſchui und
Talas erreicht ihn nicht), fondern vom Sande verfchlungen in der
Sandwuͤſte abwärts (gegen den AralsSee) verfchwindet (gegenz
waͤrtig wenigftens keineswegs).
Dieſes Ferghana hat 7 Diftricte, davon zwei (nur) im
Süden, zwei (nur) im Norden des Sihun liegen; fie werden in
Folgender Aufeinanderfolge vom Sultan befchrieben: 1) Anz
dejan, Uſch, 3) Marshinan, 4) Asferah, 5) Khod:
jen d, 6) Athfi, D Kafan. Wollte man aber ihrer naturlis
Shen Aufeinanderfolge, dem Stufenlande gemäß gehen, fo wuͤr⸗
J —
48) ebend. Erskine Remarks on the Tartar Tribes and on the Geo-
Sgraphy of Uzbek Turkistan Introduct. Partl. p. XLII. Xerifled-
> din Hist, de Timur ed. Petit Je la Croix ed. Delit 1724. T.IV.
p- 229%
4
732 Weſt⸗Aſien. 1. Abſchnitt. $. 9.
den Oſch, oder Uſch, Andejan, Marghinan (von bera
kage ſchon oben ©. 482— 484 die Nede war) vorangehen müffe
und da von einem Khofand erft fpäter die Rede ift, nun. erſt
Akhſi und Khodjend folgen, diefen zu beiden Seiten im Suͤ—
den und Morden aber Asferah und Kaſan. In jener Rei
giebt der Sultan folgende Nachricht.
4) Der AndejansDiftrict fiegt im Süden des Sigun,
in. der Mitte des Landes Ferghana mit deſſen Hauptftadt. Er
iſt reich an Korn, Obft, Trauben, die er in trefjlicher Güte und
Menge erzeugt. Zur Zeit der Melonenzeife verfauft man die
Trauben nicht mehr an dem Stod; d. h. es ift den Neifenden
das freie Traubeneffen von der Rebe erlaubt (wie dies
ehedem am Rhein in der Zeit der Weinlefe war), Beſſere Nafıhs
patis (eine Melonens Art), als die von Andejan, giebt es nicht.
Die Feftung diefer Capitale wird in ganz Mawar al nahar nur
von den Feftungsbauten in Samarfand und Kefch an Größe übers
troffen. Sie hat 3 Thore. Die Citadelle liegt im Süden der
Stadt. „Es ziehen 9 fließende Bergwaffer, die Mühlen treiben,
in die Stadt; Eeins derfelben fließt wieder hinaus. Um die Fe—
ftung liegen die Vorftädte, die nur durch eine umberlaufende, ges
yflafterte Straße von jener geſchieden find. N
Ferghana if voll Wildpret und Vögel, die Fafanen
(Kirghawel) find hier fo. fett, daß, nach) dem Sprichwort, ſich
vier Menſchen an einem fatt effen fünnen. Alle Einwohner des
Landes find Turf, und aud) alle Bewohner der Stadt verfichen
die Turks Sprache (alfo war hier die Sprache der Tadjit wol
fon von dem Turki feit wenigen hundert Sahren überwältigt).
Ihre Volksſprache ift diefelbe wie die gute Schriftfprache (ob
Dſchagatai Turki, oder Arabifh 2); die Schriften des Mir Alk
Spir, obwol er in Heri blühete, find in diefer Sprache gefchries
ben (diefer Autor ift ung unbekannt, Heri, ift Herat, die perfifche
Stadt). Die Einwohner von Andejan- find berühmt wegen ihe
rer Schönheit; doch ift die Luft ungefund und im KHerbft er
ſich die Fieber (Ihirmah) pin. er
2) Der Oſch—⸗ ach) Diſtrict (ſ. 4 ©. 482 ‚486) lieſt
in O.S. O. etwa 3 geogr. Meilen (4 Farſang) Weges von Anz
dejan entfernt. Die Luft ift trefflich, das fließende Waſſer reiche
lich, der Frühling ift Hier ungemein lieblich; in den heiligen Tra—
ditionen (Hadith, f. Herbel. Bibl. or.) werden ſchon die Vorzüge
von Uſch geprieſen. Sm S.O. der Feſtung ift cin Berg von
%
Ferghana nad) Sultan Baber (1500). 733 |
fhöner Geftalt, der Berg Bara (Bara Koh; Balla Koh der
Karte) genannt, auf deſſen Gipfel Sultan Mahmud Khan ein
kleines Sommerhaus erbaute; unter demfelben auf einer Terraffe, '
fagt ©. Baber, erbaute er ſelbſt, im Jahre 1496 bis 97, einen
großen Palaft und, eine Säulenreihe. Diefes fey die lieblichſte
Lage, überrafchend überblicfe man unter feinen Füßen von da die
Hanze Stadt. Der Andejan-Fluß (der unterhalb diefer Stadt
als linker Zufluß zum Sihun fällt) durchzieht die Worftädte von
Uſch, und fließt dann abwärts bei Andejan vorüber, Zu feinen
beiden Seiten liegen reichbewäflerte Gärten, in denen zur Frübs
lingszeit die fchönften Veilchen, die herrlichften Nofen und Zulis
panen (vergl. ob. ©. 248) von größter Schönheit blühen. Zwi—
ſchen dem Bara Koh und der Stadt, an feinem Abhange liegt
die Mofchee Jouza, und unter ihr find Wiefen von großer
Schönheit ausgebreitet, mit Klee bedeckt (ob Mofo? oben ©. 637);
reizend und geſchuͤtzt, wo man ſich gern lagert. Hier wurde kurz
vor Babers Regierungsantritt, ein ſchoͤner roth und weiß gebaͤn—
derter Stein (Band⸗Jaspis?) entdeckt, daraus man ſehr ſchoͤne
Handgriffe fertigte. In ganz Ferghana, ruft der Sultan zuletzt
noch aus, giebt es keinen Ort, der ſchoͤner und geſunder laͤge als
Uſch. (Die Befchreibungen wahrſcheinlich deſſelben Berges und
ſeiner Bauwerke, f. oben a. a. O.; 06 hier auch ältere Denfmale
der Serenftraße, der Steinerne Thurm bei Ptol. IV. c. 13, das
Heiligthum der Sonne und des Mondes bei Etefias Indie. 9, das
Heiligthum Nuk bei Abulfeda 31, die 40 Säulen oder Chalfatun
Wilfords in Asiat. Res. Lond. 8, T. VIN. p. 323 zu fuchen ? find,
Tann faft nur durch Fünftige Augenzeugen ermittelt werden.)
3) Der Marghinan-Diftrict (f. 06. ©. 484) liegt im
W. von Andejan, 54 geogr. Meil. (7 Farfang) fern; eine ſchoͤne
Sandfchaft, die durch ihre Aprikofen und Pomgranaten berühmt
iſt. Eine diefer Arten, Dana filan (d.h. Groß-Kern) genannt,
duftet herrlich, hat eine füße Säure und ift föftlicher noch ‚als
Die von Semnan (eine Stadt bei Damghan in Khorafan).
Man verficht es die Kerne der Aprifofen (Zerdalu) auszunehmen,
fie durch Mandelferne zu erfegen und fo ein Eöftliches Badobft
zu bereiten, das Seikkhani heißt. Das Ahuewerak (Weiß
hier, es foll der Argali? fen, f. ob. S. 312) wird auf den
benachbarten Bergen gejagt. Alle Einwohner von Mars
ghinan, fagt Sultan Baber, find Sarten (alfo Tadjiks?
die ſich Urſaſſen nennen, Perfifchredende vielleicht Nachkom—
—
734 Weft-Afien. I. Abſchnitt. $. 9
men einheimifcher Sogdianen ? die damals noch weder durch Arc s
ber noch Turk, oder Usbeken verdrängt waren; auch fiheinen ie
zu Babers Zeit noch nicht fo feig gemwefen zu feyn, wie man heul
zu Tage die Sarten fihildert). Diefes Volk giebt gute Boxer, ſie
find unruhige Zänfer, in ganz Mawar al nahar durch ihre un
geftümen Schlägereien und ihre Händel berüchtigt; die beften
Fauſtkaͤmpfer in Samarkand und Bokhara find ftets von Mar
ghinan. N
4) Der Asferah-Diffriet im S. W. des vorigen, uͤber
7 geogr. Meilen (9 Farfangs) fern, am Gebirgsfuß der füdtichen
Kette des At Tag, die. das Asferah:Gebirge heißt. Von
diefer Kette, dem Asferah oder Asfera Tag, hat neuerlich Al. v
Humboldt gezeigt 15), daß fie die weftlichite Fortfegung dei
Mustag oder Thianſchan-Syſtems fey, welche die Quellen
des Sihun von denen des Oxus ſcheidet; deshalb ward fie von
Ersfine das Scheidegebirge genannt, Sie wendet fih im
Meridian von Khodjend nsh S.W., und heißt in diefer Nichs
tung bis gegen Samarkand As Tag, oder, wie fich weiter uns!
ten bei Edrifi zeigen wird, Al Botom (d. i. Weißes oder
Schneegebirg). Irrig ſagt Weddington %), cs ſey dieſe Kette
identiſch mit Pamer; er bemerkt, daß eine einzige Paſſage
von Bokhara und Samarkand hindurch, gebahnte Route ſey,
naͤmlich der Paß von Khodjend, zwiſchen dem Defilé dieſer Ke te
und dem Sir⸗Fluß; Alles uͤbrige des Zuges ſey unwegſam.
Der Asfera⸗-Diſtrict hat Reichthum an allen Arten der
Shftforten und zumal die Mandelbäume find in den Gärten
ungemein zahlreich. Die Einwohner find insgefammt Gebirgler
und Sarten (Tadjit?). In dem Bergzuge der Asferah > Kette
ift eine Felswand, der Stein-Spiegel (Sangainch) genannt,
10 Ellen lang und Mannshoch, an andern Stellen nur halb fo
hoch, in der fich Alles wie in einem Glafe abfpiegelt (ob eine
Rutſchflaͤche? oder eine ernftallinifche Felsfläche?). Die 4 Abtheise
lungen diefes Diftrictes, Asferah, Werufh, Sufh und Hu⸗
ſchiar, liegen insgeſammt am Fuße deſſelben Gebirgszuges.
ſes Bergland diente dem Sultan DER zur Zeit, da der 4—
145) A. v. Humboldt über die SBergtetten unb Vulkane von Inner⸗
Alien in Pöggendorf. Annalen 1830. Bd. 94. ©. 319, 320, sr j
f. Erskine Kemarks etc. in Baber Mem, p. XXVIII.
*°) Ch. Weddington Memoir regarding the Construction of the Map
of Ferghana in Baber Mem. 1. c. p. LXVHL
Ferghana nah Sultan Baber (1500). 735
fen Eroberer Scheibani Khan die Sultane Mahmud Khan
ind Ulchi Khan befiegte, und Tafıhfend und Schahrofia eroberte
Gi J. 1504) 2), zum Zufluchtsort; er hielt ſich in den beiden
letztgenannten Abtheilungen, obwol mit größter Noth kaͤmpfend,
noch ein ganzes Jahr auf, ehe er feine Flucht nach Kabul ers
geiff, um vor der Uebermacht zu weichen und fich ein neues Kös
migreich mit der Fauft ritterlich zu erkaͤmpfen.
5) Der Khodjend»Diftrict. Es ift der weftlichfte, an
—— im N.O. von Samarkand. Khodjend iſt eine ſehr alte
Stadt, durch ihr vortreffliches Obſt beruͤhmt: denn das Sprich:
wort ſagt: „Aepfel von Samarfand, Pompranaten
von Khodzend;“ dennoch meint der Sultan, die Pomgranas
ten feyen zu feiner Zeit in Marghinan noch velicater gemefen,
Die Feſtung Khodjend ift auf einer Anhöhe erbaut, an welcher
gegen Norden in der Weite eines Bogenfchuffes der Sihun
voruͤberſtroͤmt. Jenſeit deſſelben erhebt ſich, an deſſen Nordufer,
der Myoghil-Berg, der voll Schlangen iſt, in dem es aber
ITurfiss Minen giebt (f. 06. ©. 671). Hier ift gutes Jagd—
and; das Weiß-Thier (Argali?), die Gebirgsziege, der
Hirſch (Gawazen), der Wüftenvogel (Murgh:vdefcht, wol ein
Geier), der Hafe-und anderes Wild finden fih in Menge. Die
uft iſt ungünftig; zumal find Augenentzündungen hier
ſehr häufig, an denen fogar die Sperlinge leiden follen. Diefe
fe Luft fchreiben fie dem Gebirge im Norden Ferghanas zu.
Fine Abtheilung im Oft von Khodjend heißt Kandbadam, nur
in Eleines aber fehr nettes Gebiet, von feinen vortrefflihen Mans
Ben (Badam die Mandel, Kand die Stadt im Turfi) ges
t, die bis Ormuz und Indien ausgeführt werden. - Zwifchen
em Mandellande und der Stadt Khodjend liegt die -
ppenwüfte Hazdervifch, aus der ftets ein fcharfer Wind
egen Marghinan, alfo gegen Oft, weht, dem ſchon Dervifche auf
ihrer Wanderung erlegen feyn follen; daher die Steppe diefen
Namen erhalten haben foll. Die beiden Diftricte auf der Nords
feite des Sihun find:
de 6) Der Diftrict AEhfi, oder Akhſikat; von der Stadt
genannt, welche nad) Andejan die bedeutendfte in Ferghana ift.
—
) Ferishta Hist. of tlie Rise of tbe Mahomedan Power in India
etc. Ed. Briggs. Lond. 1829, 8. Vol, U, p. 24.
736 Weſt⸗Aſien. 1 Abſchnitt. 6. 9%
Sie liegt über 7 geogr. Meilen (9 Farſang) in Weſt, oder abs
waͤrts Andejan; Sultan Babers Pater, Omer She
Mirza, hatte fie zu feiner Nefidenzftadt erhoben, weil fie d
ftärffte Fort in Ferghana befist, das auf einer fteilen Felshoͤ
liegt; unter ihren Mauern ranfcht der Sihun voruͤber. Die
lonen ſind hier ſehr vorzuͤglich, eine Art, Mir Taimuri
nannt, wird an Trefflichkeit von keiner andern in der 4
Welt uͤbertroffen. Die Melonen von Bokhara ſind zwar auch
berühmt; aber die von Akhſikat fand der Sultan ſtets vorzuͤgli⸗
her, Auch hier ift viel Wild und gute Falfenjagd. Zmwifchen
dem Sihun und der Stadt, die etwas vom Fort entfernt liegt,
ift eine Wildniß, in der man viele Weiß Thiere (Argali) jagt,
und gegen Andejan zu, alfo das SihunsThal aufwärts, giebt es
fehr viel Hirfche (Gawazen), Murgdefcht, Hafen und am
deres Wild, das da fehr fett ift. ; »
N Der Diftrict Kafan, im Norden von Akhſi, ift der
nördlichfte von ganz Ferghana, und nur von Eleinem Umfange,
Wie der AndejansFluß von Uſch zum Sihun von der linken
Seite einfällt, fo der Akhfir Fluß auf deffen rechter Seite von
Kafan herab. Auch hier iſt die Luft ſehr heilfam, die Gärten
find fehr zahlreich und liegen fo gefchügt im füdlich fich fenkens
den Flußthal, daß man diefem den Namen Postinzpifch
burra, d. h. „Mantel der fünf Lammerfälle,” gegeben
hat. Die Einwohner von Kaſan und Ufch find in dauernde
Eiferfucht und in Zwift, weil beide fih des größern Vorzugs dei
Schönheit in Land und Luft ruͤhmen. *
In den Berglandſchaften, rund um diefe 7 großen Die
ftricte Ferghanas, find die herrlichftien Sommerftationer
Hailaks, ausgebreitet Mai im Turki der Sommer, im Gegen:
fag von Kifch der Winter; daher KifchlaE oder die Dörfer ge:
nannt, im Gegenfag jener Yailad). In diefen Gebirgen findel
man den Tabulghul?) Wald, der in feinem andern Sandk
bekannt if. Der Tabulghu hat eine rothe Rinde, man mad)
aus ihm Spasierftöcke, Peitfchenftiele, Bogen, Vogelkäfige u. ©
m. Es ift ein Eöftlihes Holz, das weit verführt wird. In der
Büchern fteht, es wachfe auf diefen Bergen auch der Yabrujs
ussfannuen (Mandragore nach Ersfine? Atropa mandragora
Lion., n. Ainslies Mater. Med. T I. p. 207); aber zu Sulta
Babers Zeit war er dafelbft gänzlich unbekannt. Wol aber
wachſe dafelbft das Gras Betekend, das fie dort Aikoti nems
| Ferghana nah Sultan Baber (1500), 737
nen (e3 ift Butfeh sauti, f. ob. S. 310 in Kabuleftan). Außer
dem Türkis finden ſich auch Eiſenminen in diefen. Berg
revieren. Die Einkünfte von Ferghana reichen hin, ohne
das Land fehr zu druͤcken, 3000 bis 4000 Mann Truppen in dem;
felben zu erhalten.
Dies Land Ferghana iſt nun der merkwürdige Schauplatz
der jugendlichen Heldenthaten Sultan Babers!#) (Baber,
. h. der Tiger), der feit feinem zwölften Jahre den Thron feis
nes Vaters beftiegen (geboren 1483) Hatte, aber in.der größten
Berwirrung des Erbreiches durch innere und äußere Fehden und
Weberfälle kaum zu deſſen Beherrichung gelangen Fonnte, und
der gelichten Heimath, ungeachtet er fich in ihr den höchften
Ruhm des Kriegshelden errang, doch bei der Uebermacht des
hereindringenden Usbeken Eroberers, Sheibani Khan, fihon
in feinen 25ften Tebensjahre (1504), den Rüden Eehren mußte,
um, wie er felöft fügte: „bis dahin vom Schidfal hin
und hbergefioßen, wie ein Kiefel, der von der Meer
zeswelle von Ort zu Drt gewälzt wird,“ ein neues Erb:
reich jenfeit des Orus und des Hindu Khu in Kabuleſtan zu
ſuchen, das eben damals im Zuftande völliger Anarchie war.
W. Ersfine bemerkt, daß diefer Monarch 2 Zahre nad) Eos
lumbus Entdefung Amerikas feinen Erbthron als Knabe beftieg,
15 Züngling mit dem Anfang des XVI. Zahrhunderts, kurz nad)
asco de Gamas Entdeckung von Oflindien, die Eroberung son
Kabul machte, und als Dann zur Zeit der Reformation in Eus
ropa, in Indien, das Neich der Groß: Moghule oder der Babes
iden in Delhi gründete. Babers Vater, Omer Sheikh Mirza,
us dem Haufe der Timuriden und Ifchingiskhaniden, hatte dem
Schwiegervater, Yunis Khan der Mongholen, die Herrfchaft
on Tafıhfend abtreten müffen, und es war ihm nur Fers
zhana geblieben; fein Bruder, Ahmed Mirza, war König
von Samarfand. Da nın Omer Sheif (reg. 1486—1494)
urch einen tödtlichen Sturz vom Taubenbaufe in Akhſi, feinem
wölfjährigen Sohne, den er fehon zum Gouverneur in Andejan
emacht, die Herrfihaft hinterließ, fo brachen beide benachbarte
wandte gegen den Unmündigen los, um fich in fein Erbland
theilen, woraus bei der züftigen Gegenmwehr und Ihatkraft des
*
1) Baber Mem. b. W. Erskine I. ec, p. 6—123; befj. Remarks
l. c. p. LI—LXI; vergl. Ferisbta Bist. 1. c. Vol. IL p 1— 25.
Nitter Erdkunde VII. Aaa
a — — —
738 Welt: Allen, 1. Abſchnitt. % 9.
Juͤnglings, Parteiungen der "wehfeindften und feltfamften Ar
entftanden, welche bald den nordifchen Feind aus Turkeftan um
Kipſchak, die Usbeken zum Sihun herbeilockten. Von Tefte }
Feſte rückte Baber als Belagerter und als Belagerer vor, ſchwa \
fich zweimal fogar auf den Thron von Samarfand, wurde aber che
fo bald wieder durch die Lsbefen, die Samarfand eroberten, ge
ftürzt, gehoben, wieder verlaffen, und mußte froh ſeyn bei feiner
Verwandten in Taſchkend ein Afyl zu finden, oder bei einzelme
Getreuen, die ihm als Kommandanten den Schuß ihrer Feltur
gen verliehen, oder im Hochgebirge fein Leben felbft Jahre (an
friften zu fönnen, bei anhänglichen Bergſtaͤmmen, mit denen
öfter die größte Armuth und Duͤrftigkeit theilen mußte. Als
endlich Taſchkend und das Sihun⸗Land in die dauernde Gewa
Sheibani Khans und feiner Usbeken Fam (1502), Samarfan
und Ferghana, von ihnen erfüllt, nicht mehr zu retten war, uf
Sultan Baber in beftändiger Lebenegefahr ſchwebte, wandte
fich, nachdem er noch ein Jahr lang vergeblich auf befferes Hi
in dem Hochgebirge von Asfera gehofft und malen Pläne
fhmiedet hatte, gegen den Süden nah Kabul (im J. 1504,
06. ©. 304), wo dem zur Herrichaft Gebornen ein neuer Gluͤc
ſtern (ſ. ob. S. 253) aufging.
Aug feines Vaters Gefchichte und aus feinen eigenen Abe:
teuern, deren Erzählungen zu den romantifchen Hiftorien |
Drientes gehören, heben wir nur noch einige das Ferghana : Lat
und deilen Bewohner betreffende zerftreute, aber characteriftifi
Bemerkungen des Sultans hervor. Taſchkend, auh Schaf
genannt, war Ferghanas nördliche Grenzmark gegen die Lieb
fälle der nomadifchen Ueberzügler, die direct über die nördli
Gebirgswand Ferghanas, über die Ming bulaf;Berge, W
Kafan herab, wie es feheint, nicht eindringen fonnten. f
das Sprichwort „der Bogen von Schaſch“ 140) fo bedeute,
war, als Schugland Ferghanas, Nach defien Verluft war au
die Selbftftändigfeit diefes Sultanates dahin. Karawanen
—2
Khitasc) (d. i. Khatai, von Turfan und Kaſchghar hera
durchzogen damals das Land Omer Sheik Mirza's; eine der
ben ward einft im Gebirgslande Andejans von fo tiefen Sch
überfallen, dag alle Menfchen dabei bis auf 2 umfamen;
Sultan ergreift die Gelegenheit dabei die Gerechtigkeit feines
14%) Baber Mem. b, W. Erskine'l. c. p. 7. 5°) ebend. pH
Ferghana nach Sultan Baber (1500), 739
n8 zu ruͤhmen, der alle Waaren derfelben ihren Eigenthuͤmern
in Khorafan und Samarfand ausliefern lief; wahrfcheinlich eine
damals feltnere Begebenbeit. . Im Norden von Andejän war eine
Stromverengung des Sihun,- Tika Safaratfu (Ziegens
prung) genannt, weil der Fluß am Fuß der vorſpringenden
Bergwand ſich ſo ſehr verengte, daß man ſagte eine Ziege koͤnne
ji über fpringen; in diefem Defile des Gebirgslandes fiel ein
Befecht fuͤr Omer Sheit Mirza unglüdlih aus, und er wurde
gefangen. Eine zweite Schlacht gewann er gegen die Usbeken,
e ſich nach einem leberfalle von Samarfand, nordwärts, über
Sihun und Aras (ein Zufluß zu jenem, der damals den
intifen Namen des Arares noch aus der Macedonier Zeit getra-
jen ‚zu haben feheint, der aber gegenwärtig unbekannt ift) zurück
zogen; er zog über die Eis decke des Aras (Arares?), befiegte
ie Plünderer und gab alle gemachte Beute großmüthig an die
igenthumer zuruͤck. Sein Beſitz von Taſchkend, Schahrokia (Ber
aket) nordwaͤrts bis Seiram 51), war nur vorübergehend.
In den erften Jahren der Noth, als der junge Sultan fein
Frbreich zu behaupten bemüht war, hatte er auch mit vielen
eindlichen Bergſtaͤmmen Kämpfe zu beftehen. Unter diefen nennt
‚gleich Anfangs, in dem wilden Gebirgslande Andejans, den
tibus der Jagrag °?), aus 5000 Familien beftehend, die zwi—
hen Ferghana und Kaſchghar haufeten (wo jegt die Berg: Kirs
hifen, ſ. 0b. ©. 482). Sie verweigerten den Tribut, obwol fie
ich an Heerden waren; flatt des gemeinen Ochfen zogen fie in
Ber Menge die Kitas, d. i. Bergochfen (2). Sie wurden zu
Yaaren getrieben, 20,000 Schafe und 1500 Pferde von ihnen
deutet, und fie ſelbſt unter die Truppen des Sultans gefteckt.
äterhin ftanden fie mit vielen andern Bergtribus, wie die
shparis, Turuffchars u. X. und den Aimaks (Wander:
reden) auf Babers Seite, und durch ihren Beiftand gelang es
Mm (z.B. im 5.1499) fic wieder in Marghinan und. Andejan
ſtzuſetzen. Die Bergdörfer diefer und anderer Bewohner‘ der
ghana⸗ Umgebungen waren, ſagt der Sultan, damals, wegen
N ‚beftändigen Ueberfälle der Mongholen und Usbefen aus Yair
ks in feſte Burgen verwandelt worden.
Die letzte Zuflucht ſuchte Sultan Baber, da ihm ſein
luͤck völlig den Ruͤcken wandte, wie oben geſagt, in dem ſuͤdli⸗
&
=) ebend, p- 34. 52) chend. p. 35, 66. 4 :
aa
7410 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. 9. 9, |
chen Gebirgslande der Asferas (f. ob. ©. 734) Kette, oda
den AE Tag, der fich weftwärts mit feinen fehwerzugänglichen
Wildniſſen zwifchen Khodjend und Samarkand vorfchiebt. Die
Berglandfchaft wird Uratippa (urſpruͤnglich Osruſchnah od
Sutrufchnab, f. ob. ©. 647, oder Aufterufch nach Baber
genannt 133), welche den Raum zwifchen Ferghana und Samar
fand füllt, und den Sihuns Fluß bei Khodjend zu feiner noͤrdli
chen Wendung zwingt. Aus dieſem Berglande ergießen ſich nord
wärts zum Sihun zwei linke Zuftröme, der Khodjend, de
bei der gleichnamigen Stadt einmündet, und der Akfus Fluß
parallel mit ihm, der etwas weiter abwärts ebenfalls gegen Nord
weft fließend dort einmündet, Aber auch füdweftwärts ergießel
fih, von da, mehrere Bergwafler nad) Samarfand, in das di
gentlihe Sogdiana, wie z. B. der Dizak (Jizzikh), an de
gleichnamigen Stadt vorüber, etwas oberhalb Samarfand, fie
in den Zaraffchans Fluß (f. 06. ©. 653) einmündet. Dizak "
einer der Berggaue jenes Uratippa (Osruſchnah der arab
ſchen Geographen, wo Behkat oder Beifend liegt) Dehfa
genannt, am Nordgehänge gelegen, nahm den Flüchtling gaftlic
auf, als ihn eine Hungersnoth aus Samarkand verdrängt hatt
Nahe demſelben lag ein zweiter Berggau benachbart, Mafithr
Die Bewohner beider Gase, obwol Sarten (alfo Tadjits? all
Urfaffen? vor der Turk-Invaſion), fagt der Sultan, find dei
noch im Beſitz großer Heerden von Schafen und Pferden, gleiı
den Turf. (Gegenwärtig, wie wir ober fahen, haben fie das Hi
tenleben den eingewanderten Tribus überlaffen, f. 06. ©.725
Zu Dehkat mögen 40,000 Schafe gehören. Ich wohnte, fagt d
Sultan, dafelbft im Haufe eines der Aeltefien des Dorfes. 9
den benachbarten Gebirge wanderte ich überall barfuß umhe
und härtere fo meine Füße ab. Im Frühling überftieg ich
Abburden(?) zum Berglande Maſikha, wo eine Quelle W
einer Grabftätte ift, welche die Grenze macht, zwifchen dem Hat
lande Maſikha aufwärts, und abwärts gegen Yelghar. Es
in diefem Berglande allgemeiner Gebrauch Ber
und andere Snfchriften in die Felswände einhauf
zu laffen5Y. Ich that daſſelbe, und feste bei diefer Que
eine folche Inſchrift. — Es ift merkwürdig den Sultan, d
1853) Baber Mem. b. W. Erskine'l. c. ».9, 98— 100,
. v
84) ebend, p. 101 ete. ”
Ferghana nah Sultan Baber (1500). - 741
Tchingiskhaniden und Timuriden, den ritterlichen Helden, von Haus
amd Hof verjagt, im Eril den größten Troſt in der Poeſie finden
zu fehen. Er ergab fich diefer Kunft mit Leidenſchaft, z. B. ein
Rubai von ihm iſt:
Niemand erinnert ſich des Bedrängten;
„Kein Bertriebener kann glücklich ſeyn,
„dern iſt meinem Herzen die Freude in diefer Verbannung,
Den, wie herrlich immer, Verbannung läßt feine Freude ges
deihen. —
oder die erſte Ghazele eines größeren Gedichtes:
Keinen freuen Freund fand ich weiter auf Erden als meine
Seele;
„und das eigene Herz ausgenommen fehlt mir ſeder Ver—
— traute. —
gen die Stimmung ſeiner Seele auf dieſer Flucht an der
Düdgrenze Ferghanas. Nur mit Wemuth nahm er von
a Abſchied, von feinem DVaterlande, um durch das benachbarte
Bergland Karatigin nah) Hiffar und Sheghanian, am
Drus bei Termed 55), fih, mit des dortigen Amir Mohamed
hans Beiftande, gegen Kabul zu rüften. —
So weit des Sultans eigene Berichte. Wir fügen diefen
ie Erläuterungen W. Ersfine’s 56) über Ferghana bei.
Dafielbe Ferghana bildet Heut zu Tage, ein mächtiges
Rönigreich, das unter dem Namen Khofand (Khofan, f. ob.
>. 485) befannt ift, und nach dem ältern Namen der Stadt
Thuakend genannt ſcheint, die heute zwifchen Akhſi und Khods
md am Sihun gelegen, aber erſt in neuefter Zeit zur Reſidenz
hoben ward. Der Sir, oder Sihun, fehneidet auch heut zu
Rage diefes Neich in eine füdliche und nördliche Hälfte, Seine
nee oder füdliche Uferfeite, wird vom Schneegebirge der Ass
era begrenzt, die an ihrem Nordgehänge von der Quelle abs
yärts, in die Alpengaue Wadil, Warukh, Huſchiar, Suth
egen Ferghana abfallen; gegen Süden fich in das unbekannte,
ilde Alpenland Karatagin verzweigen. Der Fluß Akfu fcheis
et von diefem Sukh das weftlicher gelegene Uratippa ab.
Die rechte oder nördliche Uferfeite des Sihun begleitet die
Bergfette des Ala Tag (oder Ming Bulad, welche Ferghana
) Baber Mem. 1. c. p. 123; Ferishta Hist. L c. H. p. 24 etc.
#6) W, Erekine Remarks etc, in Baber Mem. lc, p. XXXIX-XLII.
\
kend bei Baber)5%), durch Ferghana nach Akhſi gehen, über
742 Werts Aften. I Abſchnitt. %. 9.
von Tafchfend im Norden fcheidet, und über Kaſan, Akh '
und nordwärts Khodjend voriberzieht, bis zum Oftufer des SL
hun. Auch. diefer hohe, nadte Ala Tag fcheint ftets fchneeb
deckt zu bleiben, und ſich oſtwaͤrts bi8 am die Mordfette von
Kafchghar, nmördlih vom Teref-Paß und an die Buruts
Berge gegen das Hauptjoch des Thian Schan (Ulu Tag, Muss
tag, f. Afien I. ©. 325 u. f.) anzufchließen, von denen der oͤſt
lichfte Quellſtrom des Sir Daria herabfommt (f. ob. S. 480)
Die Landfchaften, nordwärts des Sihun, welche zu Sultan Bas
bers Zeit Kafan und Afhfi genannt wurden, heißen gegenwärtig
Namengan. Der ewigen Schneehöhen ungeachtet, die Ers—
fine ihnen beilegt, kann der größere Theil diefer Berge doch nich
ausgezeichnet hoch feyn, da die Kirghifen wenigftens zu allen Jah—
reszeiten fie häufig im Norden und Often nach Taſchkend unk
Kafchghar paffiren, und mit ihren Heerden bis in die Mähe der
chinefifchen Grenze Kaſchghars (vergl: ob. ©, 481) beweiden,
MWenigftens ſcheint dies das Ergebniß ruffifcher Berichte über die
Wanderungen der Horde der großen Kirghifen zu feyn. Ein us
befifcher Neifender, der von Kafchahar nach Aftrafhan zog, ver
fiherte, die breiten, jedoch niedern Berge von Almalio
(was oben fihon Sultan Baber nannte, aber nicht näher befan
ift) überftiegen zu haben. ©. v. Meyendorffs Nachricht von
diefem Ala Tag) im Morden Ferghanas, ſcheint hier -der
richtigen Auffchluß zu geben, daß allerdings Iheile des Gebirge
bedeutend hoch liegen müflen, wenn auch andere dagegen wei
eingefenfter erfcheinen. Den Namen: Ala Tag (Monts pomme
les) haben die Berge nämlich davon, weil mehrere ihrer Höher
mit ewigem Schnee bedeckt bleiben, indeß andere Theile ihre ex
dige Farbe beibehalten, wovon fie ein weiß und dunfelgefleckter
Anfehn erhalten.
Die niedern Züge des nördlichen Ala Tag lagern fich zw
fohen Akhſi und Taſchkend; nur innerhalb 3 Stunden nor
waͤrts von Akhſi fangen fie fchon an aufzufteigenz; das warm
Ihal von Kafan muß wol von ihnen fihon umragt werden
Heere, die von dem oben Thale des Sihun aus Uzkend (Ur
ſteigen auf directeftem Wege nach Taſchkend diefe Bergkette, um
E
3?) G, de Meyendorff Voy. a Boukhara I, c. Paris 1826. 8. p. 9
*) Baber Mein. I. c. p. 17.
Ferghana nach Ebn Haufal im X. Sahıh. 743
öfter nahm Sultan Baber, auf feinen Retiraden aus Taſchtend,
dieſe Gebirgs-Route nach dem obern Ferghana, ſtatt des großen,
ſuͤdlichen Umwege, durch das tiefe, freilich bequemere Sihun⸗Thal.
Auf jener Gebirgsſtraße lagen das Julgeh Ahengeran, d. i.
Amani, die fo oft genannt werden, ohne daß: wir ihre Lage ges
nauer kennen lernen. Es liege jenes That der Eiſenſchmiede,
das wir edenfalls nicht naher Eennen, nah W. Ersfine, wahrs
feheinlic auf der Karawanenroute 5°) über den Ala Tag,
die direct von Taſchkend oftwärts uͤber Uzkend in die ſchon
oben befchriebene Ferghanaroute nach Kaſchghar, öftlich oberhalb
Oſch (Uſch) einfaͤllt; obwol zuweilen die Karawanen auch wol
einen RER nordwärts des Ala Tag. nehmen: mögen..
J
2. Ferghana nad Ebn Haukal (im X. Jahrhundert),
Unbedeutender ift es, was wir aus fruͤherer Zeit ber diefelbe
Sandfchaft erfahren, die bald in engere. Grenzen. eingefchlofien,
bald wie bei. Ebn Haufal auch: weiter gegen. Südweft. nach Os
ruſchnah und Samarkand hin ausgedehnt wird.
Ebn Haukal nennt Ferghbana®), eine weite fruchtbare
Provinz, vol Städte und Dörfer, deren Tapitale Akhſiket, im
Thale gelegen fen, mit Stadtburg (Kohendiz), Vorftädten und eis
nem Schloß. Des. Gouverneurs Reſidenz und. das: Gefängnig
fen in dem Kohendiz, die Mofchee liege in der Stadt, ein Oras
torium am Ufer des Safch. (Chaje), d. i. der Sihun. Die Stadt
habe 3 Farfang. Ausdehnung, das Schloß fey mit. Mauern ums
geben, die innere Stadt habe 5 Thore, das. Kohendiz, fließendes
Waſſer. Vor allen Ihoren. gebe es reichliche. Gärten und Wäls
der, und fließend Waſſer zur Bewälferung.
Die übrigen Orte in Ferghana find, ber Ebn Haufal,
ſchwierig genau zu. localiſiren. Keba, nennt er ben lieblichften
das Kohendiz fen aber in Verfall; die. Bazare, der Palaft des
Gouverneurs und das Gefängniß. feyen im. Schloß, das, von
Waflern umgeben, Gärten, Obfiwälder und fließende Waſſer
habe; wo aber diefes Keba liege, wird nicht beftimmt.
8») W. Eıskine Remarks b. Baber Mem. p. XXXII.
#0) Oriental Geogr. ed, W. Ouseley I. c. p. 250, 270.
„das Thal der Eiſenſchiede,“ und die Orte Kundez und _
Ort im Lande, mit Vorftädten, Kohendiz, Schloß und Mofchee; _
— —
74 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 9.
Auch nicht wo Awefch 1), das wir aber für Oſch, oder
Uſchi Ch. ob. ©. 482) halten. Cs fey fo groß wie Keba, mik
Vorftädten und Kohendiz, darin der Gouverneur und das Ger
fängniß fen, mit Schloß und Mauern, die an den Berg ftoßen,
anf welchem die Wachtpoſten aufgeflellt find, welche die Bes
wegungen der Turk und ihre Ueberfaͤlle zu beobachten haben,
Aweſch (Oſch?) habe drei Thore: das Derwazeh Kouh,
oder Berg-Ihor, das Derwazeh Ab, oder Waffer:Thoy,
und das Derwazeh Moghfedeh, oder das Thor der Mas
gierz — woraus ſich ergiebt, daß das ſuͤdlich anliegende
Bergland Derwaz (Durwaz, ſ. z. B. ob. ©. 480, 492), fo
viel als das Thor, den Durchgang, die Paflage bezeichnen!
mag. Es ift auch heute noch, nach v. Meyendorffs®) Ev
fundigungen (1820), von Nicht: Mohammedanern, oder Kafir
pölkeen bewohnt, welche von den Mobammedanern fehr gefürchtet
find, wie die Siapufch Kafir im Hindu Khu (f. 06. ©. 208), und
daher hier die Benennung diefer Ihore gegen die Bergfeinde,
Amwerfend®) (das wir für obiges Urfend bei Babe,
oder für das heutige Uzkend halten) liegt nur eine Tagereiſe
Merpile, namlih N.N.O.) von jenem Aweſch entfernt, in der
wärmften Sage von Ferghana, aber dem Feinde (Turkfeinde, we⸗—
gen feiner öftlichften Lage, am obern Sihun) zunächftz es ift ze
oder dreimal fo groß wie Aweſch, hat fein Kohendiz, Worftädte,
Wälder, Gärten und fließende Waffer; fein Ort in Ferghana iſt
ausgedehnter, es foll nad Ebn Haufal mehr als eine Farfang
lang und cben fo breit, ſtark beoöliert feyn, von Bewohnern die!
gute Wirthfchaft und Viehzucht treiben. Won Kerin (eine Tage
reife von Beikend gegen Uratippa oder Dsrufchnah), dem er.
ffen Orte in Mawar al nahar (d. i. an der Weſtgrenze
Kerghanas), bis nah) Amwerfend (lirfend) am andern
Grenzende Fergbanas (nämlich im Of, am obern Sihun))
it, nach demfelben, eine Ausdehnung von 23 sn Du
d. i. Tagereifen (ein unbefimmtes Maag, bei Ebn Haus
tal, wie Menzil, das bei Edriſi, nad) W. Qufeley%), zu
24 bis 30 Engl. Miles, oder 8 bis 12 Stunden Weges beträgf)
Hiermit iſt die ganze Länge Fershanas von Oſt nad.
* *
264) Oriental Geogr. ed. V. Ouseley I. e. p. 271, 273. 62) G.de
Meyendort Yoy. a Boaklıara ed. MAan. Jaubert, Paris 1826. 8. p. I
) Oriental Geogr, ed. W. Ouseley Lo. p. 273, 271. °“) ebe
Praet, y. NAIE
—
Terghana nah Ebn Haufal im X. Jahrh. 745
Weſt bezeichnet. Untere den Orten merken wir noch Khua—
d, welches Ebn Daufal, zwifhen Khodjend und Khess
keit anſetzt; nämlich eine Merhileh, oder Station, nach Kend;
son da wiederum eine, nah Khuafend, und von da eine
oße Station nach Khesfeit. Die Direction fcheint von Khod—
d, am Sihun, abwärts, alfo gegen Nordweft zu gehen;
dann aber würde das alte Khuakend, in welchen wol der heus
ige Name Khofan, oder Khofand, nicht zu verfennen ift,
keineswegs identifch mit der heutigen Reſidenz Khokan ſeyn
fönnen, die von Khodjend aufwärts am Sihun, auf hals
n Wege von da nad) Athſi gelegen ift. Allerdings fagen auch
euere Erfundigungen, daß Schah Rokh Beg der Gründer des
unabhängigen Khanates von Khofand, zuerft ®) in einem viel
weftlicher gelegenen Khokand gewohnt, dort aber feinen Schwiegers
bater erfihlagen habe; worauf erft fein zweiter Nachfolger, Abs
dul Kerim Bes, das neue Khofan, 20 Werft im Oſten des
vorigen erbaut, und die Verpflanzung feiner Nefidenz dahin, nebſt
der Leberfiedelung der Bewohner aus dem alten Khokand (mol
huafend), dahin, bewirkt habe.
Die 6 Diftricte von Ferghana, welche Ebn Haukal
ihren Namen und Etädten nach aufzählt ©) (Beftay Zeirin,
Arch, Touan, Memaroujan, Hed Ali, Aureft) find
uns ihrer Lage nach. unbekannt; doch beftimmt ex felbft die Lage
von Beftay Zeirin dadurch, daß er fügt, von Khodjend aus
betrete man diefes zuerft, und unter den 5 darin aufgeführten
Städten Merghentan, Rendwames, Debel, Asbefan,
Andufan) glauben wir in der erfien und legteren die Namen
Marghilan und Andejan (f. ob. ©.483,484) wieder zu ers
ennen. Auch die drei Städte Aureſt, Selikend, Selab,
find uns unbekannt, von denen Ebn Haufal fagt, daß fie früher
zu Turkeſtan gehört, feit Furzem aber in die Gewalt der Mus
felmänner gefommen feyen. Das Gebiet von Beftay Zeirin,
fagt er, gebe Ervöhl- Quellen; die Landfchaft habe an den Grenze
bergen Ferghanas, die Aila7) heißen, Golds und Silber: »
Minen; in den Bergen von Ashehreh (wol Asfera im
Eid) ſeyen Naphtha-Quellen, Kupfergruben, man
#5) ſ. Notigen über einige Länder des mittlern Aſiens; Drenburg
1. Rov. 1839. aus ruffifchen Berihten Mſc. duch Mittheilung
Hr. A. v. Humboldts erhalten. 6%) Oriental Geogr. I, c.
V · 271 — 272. ar ebend, p» 268,
u
EEE En Do
nr
—
746 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. 6. 9.
finde da Blei, Eiſen und Türkis, Alles dies ſey Im Grenzs
lande Ferghanas. Eifen werde aud) in Ferghana bearbe
tet 1689), In den Bergen brenne man eine Art Kohlen (Stein
£ohlen), die man durch Waſſer daͤmpfe, und die Afche dann (als
Lauge), wie eine Seife, zur Wäfche der Kleider gebrauche. Au
Abulfeda‘) giebt diefelbe Nachricht, wahrſcheinlich nah E
Haufal, fügt aber hinzu, daß drei Laftwagen von diefem ſchwar—
zen, verbrennlichen Stein, für eine Drachme verfauft würden.
Auch gebe es in den Bergen einen Stein, fagt Ebn Haus
Eat, der feinen Theilen nach roth, grün und weiß fen (der Bands
Jaspis, von dem oben Sultan Baber ſpricht, ſ. ob: ©. 733
von Turfeftan nah Awerfend (Uxfend) hin giebt es M
nen, aus denen man Ammoniaf-Salz gewinnt. 2
Ob Ebn Haukal ſchon, bei der Aufzählung der allgemei
nen Producte Mawar al nahars, wobei er allerdings auch rohe
Seide”) und Wolle in Menge daſelbſt vorhanden nennt, di
auch Ferghana zufchreibt, laͤßt fich nicht weiter ermitteln, und es
bleibt uns das Factum der Einführung der Seidenzucht in d
fem Lande unbefannt. Das Obſt, fagt er aber eben dafelbft,
in Sogd, Asterfcheineh, Ferghana und Schafh (Taſchkend) in
folcher Menge, dag man das Vieh damit füttre. Sn Ferghan
und Schaf, und in den Bergen zwifhen Ferghan
und Turkeſtan 7), gebe es alle Arten Obſt, Kräuter und Bl
men und verfchiedene Arten der Violen, die jedermann vollko
men nad) Belieben zu pflücen erlaubt fey.
—
"3. Ferghana nad —— (im XII. Jahrhundert) iſt
ein großes Gebiet 72), welches zu feinen abhängigen Provinzen
das Untere und das Obere Bosta rechnet. Das Untere
Bofta begreife die erſte Landfchaft, wenn man von Khodjend
fomme (alfo das untere Ferahana am Sihun); dann folgen Ans
fath, Jaſoukh, Aderfend, Ruſtan und das Obere
Bosta. Außerdem gehören noch dazu Mara’han (ob Mar—
ghilan?), Aidkian (Andidjan?), Zenderad, Sebireme
Aſikan (AEHfid und Heli Ged Ali?). ni
182) Orient. Geogr. I. c. p. 264. ©3) Abulfedae Chorasmi
Deser. ed. Geogr. Gr. Min. Oxon. Vol.IIE. p.38. ?°) Oni
Geogr. I. c. p. 233. ?!) ebend. p. 238. 12) Edrisi ed. A.
Jaubert, Paris 1836. 4. T. l. p. 457 — 490.
Ferghana nad) Edriſi im XII. Jahrh. 747
Auch Thaͤler, Ebenen und Weidebezirke, wo man feinen
Berg fieht, nehmen das Sand ein, das aber im Süden und Welt
an das Gebirge Botom (Botm, es ift wol das Asferas
Gebirge) anftoße, welches ſehr hoch, fteil, voll Feften fen, blüs
hende Dörfer, Heerden von Ochfen, Pferden, Schafen habe,
Gold s und Silbergruben befige, wo man Pitriol, Ammoniats
Salz, aus Dunfthöhien gewinne, die am Tage Rauch, Nachts
Flammen auswerfen. Ueber ſolche Naofcha, oder Nufchader
Nroductionen (f. Afien I. S. 336 am Pefchan), find wir neuer
ih, durch Al. v. Humboldts linterfuchungen über die vulcas
nischen Erfcheinungen in Inner Afien 3) näher unterrichtet. Auch
d in den nördlichen Iheilen diefes Botom (von Chebel nad)
Semendah), fo viel Eifenwaaren ”%), daß man von da aug
Khorafan und feine Umgebungen damit verforgt, und. fie feloft
8 Fars und Irak verbrauht, Doch aehört dies ſchon, wie
Sultan Baber bemerkte, zu den füdlichen Grenzbergen Ferghanas.
| Sn deffen eigentlihem Ihalgebiete führt Edrifi, als erfte
Stadt, Kena an (ob Keba? bei Ebn Haufal), deren Territos
um fich eine Tagereife weit bis zum Achas-Fluß (A. Jaubert
meint es fey der Eihunz wir halten ihn für deſſen füdlichen Zus
flug den Akſu, der etwas unterhalb Khodiend einmunden)’>). Dier
ſes Kena ift eine der angefchenften Städte Ferghanas (damals;
feitdem fcheint Khodjend dejlen Stelle erfest zu haben); von hos
hen Mauern umgeben, fehr weitläuftig, voll Handel, Waaren und
Heifende. Die große Vorftadt ift voll Bazare mit Mauern ums
zogen, in beſter Erhaltung. Diele Bäche bewäflern dort die Gärs
ten und Obftpflanzungen der Lufthäufer. Diefe Stadt ward von
Nuſchirwan gegründet (wie einft hier am Jaxartes ein Cyres
ſchata und ein Alerandria von Cyrus und Alerander), war von
ihm auch colenifirt; er nannte fie Ezher Khane (d.i. Alle
Häufer). Dies Kena liegt an 12 geogr. Meilen fern von Khoda
jend, das am Suͤdufer des Sihun erbaut ward. Zwei Tagereifen
von Kena (wol gegen Oft) liegt Jafoukh abgelegen, fern von
den Routen der Handelsleute, wozu 60 Ortſchaften gehörig find,
”2) Al. v. Humboldt über die Bergketten und Wulcane von Inners
Afien in Voggendorf Annalen 1830. B. 94. ©. 332 — 3445 vergl.
Nouv. Annaies des Voy. T. IV. Notes p. 306 — 310.
70) Edrisi I. c. p. 486, 487. 75) f, Ch. Waddington Map of the
Countries of Ferghana and Bokhara chiefly constructed from ori -
ginal Route and other Documents, Lund, 1826,
*
748 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6. 9.
im Lande, das Queckſilber erzeugt. Eine Tagereiſe von da
liegt Ruſtan, eine angenehme Stadt, von der 2 Tagereifen bis
Kena (ein anderes, am obern Laufe des Sihun) find, und vo
diefer eine flarfe Tagereife, von 7 geogr. Meilen, nad) uſch
(Oſch, Aweſch).
Uſch iſt eine huͤbſche Stadt am Ufer des gleichnamig
Fluſſes (es iſt der Andejan-Fluß, ein linker Zufluß zum Sihun
erbaut; ſie hat eine ſehr große Vorſtadt, iſt mit ſtarken Mauern
umgeben, hat ein Caſtell und große Bazare. Sie hat etwa d
Größe von Kena, und drei fehr fefte, eiferne Ihore. Die Stadt
iſt der Berghöhe angelehnt die den tübetifchen Turks gan
nahe if. Auf deren Gipfel ift ein Wachtpoſten zur Erfpäs
bung der QTurfbewegungen, um die Stadt vor ihren Ueberfällen
zu fihern. Don hier nach Aderkent (identifch mit Awers
fend, Urkend, Uzfend) der legten Stadt Ferghanas gegen
die Turk im Of, ift ei Tagereife.
Aderkent ift eine große, bevölferte Stadt mit ftarfer Gars
nifon; die Bewohner find ungemein wachfam, tapfer, energifchz
viele Dörfer umher find davon abhängig, aber feine Stadt. Dens
ſelben Ruhm der Tapferkeit giebt Edrifi den Bewohnern der
Stadt Atas, die zwei Tagereifen fern von Aderkent (wir
muthen gegen S.D. auf der großen Route nach Kafchghar, f. ob.
S. 486) am Cingange des Hochpaffes liege, auf einem ſehr fteis
len Berggipfel. Die Bewohner von Atas find ftets zum Kampfe
gerüftet und immer wachſam.
Im Norden nennt Edrifi, ſchon cbenfalls, wie der fpätere
Sultan Baber, die Stadt Kafan, mit Fefte in einem fehr
fruchtbaren Territorium, eine Stadt, zu welcher fehr viele Dorf⸗
fchaften gehören. Die Entfernung von Carber (oder Concar?
follte e3 das oben fihon genannte Kena oder Keba bei Ebn Ha
fol, Cowacand bei Abulfeda, an der Weftgrenze Ferghanas
ſeyn?) am Sihun (Djihun) aufwärts, bis Aderkent (Urkend)
betrage, fagt Edrifi, 24 Tagereiſen; er rechnet für diefe ganze
Länge alfo nur eine Tagereife mehr als Ebn Haufal. Von
der Stadt Atas, die wir übrigens nicht weiter fennen, wahrz
fcheinlih nur ein Grenzfort, fagt Edrifi, brauche man 7 Tages
reifen gegen Sudoft, um nach Tübet (der Turk Tübeter)
zu gelangen, worunter hier, im weitern Sinne, nur Kaſchghar
zu verfichen fenn (ſ. ob. ©. 478) kann, da Tübeter, feit dem VIII.
Jahrhundert (ſ. ob. S. 425) nicht ſelten mit der heranwachſenden
Ferghana nad) Abulfeda im XIV. Jahrh. 749
Macht des tübeter Königreiches ihre Herrfchaft ſelbſt bis nad
Ferghana auszubreiten wiederholentlich verſucht hatten. Von den
Bewohnern dieſes benachbarten Landes Kaſchghar, die er Turk—
Tübeter!’6) nennt, ſagt Edriſi: fie ſtehen in Verbindungen
mit Ferghana, mit Al Botom und den Unterthanen des Khakan.
Sie machen in jenen Gegenden viele Reifen, bringen Eifen, Sil—
ber, farbige Steine (wol Zu), Leopardenfelle und Mofhus aus
Tuͤbet. Sie bringen ferner, von da, viele Stoffe, deren Gewebe
dicht, rauh, dauerhaft find. Jede diefer Roben Eoftet bedeutende
Geldfummen; denn es ift Seide, von rother Farbe. Auch ge—
mwinnen fie große Summen für Sclaven und Mofchus, die
für Ferahana und Indien beftimmt find. Es giebt keine ſchoͤ—
nern Creaturen als die TurksSclaven, von frifchefter Hautfarbe,
ſchlanker Geſtalt, fchönften und angenehmſten Gefichtszügen. Die
Turk berauben ſich einander gegenfeitig, und verkaufen ihre Ges
taubten den Handelsleuten; manches Mädchen Eoftet fo, als Scla:
pin, ihre 300 Dinare. — Dies wird der Handel der Sarten ſeyn,
von deren Gefchäft oben die Nede war.
4. Abulfedas Nachrichten von Ferghana, im XIV.
Jahrhundert, enthalten außer den Ortsbeftimmungen 77) in feinen
Tafeln, fein neues Datum. Nach ihm liegt Khodjend, Chojans
dah, unter 90° 35° Long. n. Alfaradj, 90° n, Albiruni, und
41925’ oder 40° 50’ N.Br. am Sihun; Akhſi (Achſicath)
91° 20° Song. 422 25’ Yatit. nach Alfardj, oder 92° Long., 42%
Lat. nach Andern. Kafan 909 35’ Longit., 429,55’ Yatit. nach)
AUfaradj. Ferghana felbft unter 90° Long. und 42° 20° Lat.
Sein Cowacand 90° 50° Long., 42° Lat. ift wol Keba bei
Ebn Haufal, Kena bei Edrifi. Nah Naffir Eddin?S) liegt
Khodjend 1000 35’ Long. 419 15’ Lat.; Akhſi 101° 20° Long.
42° 25° Lat.; Urkend 102° 50° Long. 44° Lat; Uſch (Aufh)
102° 20° Long. 43° 20° Lat., und damit ſtimmen vollkommen auch
Ulug Beigs M Ortsbeftimmungen überein. Neuere Ortöbes
flimmungen, von Andidjan, Marghilan, Namghan,
Khokand, Taſchkend vom Pat. v. Hallerflein, die der Wahız
476) Edrisi 1. c. p. 492. 27) Ex Tabulis Abulfedae ed. Geogr.
Gr. Min. ed, Huds. T. III. p. 37, 49,65, 71, 78) Tabula Geo-
graphica Nassir Ettusaei ib. T. ul, p- 113, 79) Tabul. Geogr.
Ulug Beigi ib. T. III. p. 145.
750 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $. 9,
heit ficher weit näher fommen und jene frühern Daten verdrän
gen, haben wir ſchon oben (S. 543) angegeben. 4
J
5. Ferghana oder Khokand (Khokhan) nach chineſi
ſchen Berichten im XVIII. Jahrhundert.
In der chineſiſchen Reichsgeographie Edit. 1790 180
und in dem Si yuͤ wen kian lo, aus der Mitte des XVII
Sahrhunderts bei Timkowski 84), werden folgende Befchreibunge
von dieſem Lande gegeben. Khofan if ein Land der Moha
medaner das 880 Fi (200 Li auf 1° = 66 geogr. Meilen) fer
von Kafchahar liegt.
| Sm Often find deffen Bewohner gemifcht mit Burut If
06. ©.451, 516); im Weften grenzt es an Tafıhfent, im Sü
den ift die Kette Ihfungling (? in fofern der Belur Tag al
deffen weftliche Fortfegung bei Chinefen angefehen wird); im Nor
den ift der Fluß Naryn (oder Narim, nördlichfter Zuflug de
Sihun, oder Sir Daria, f. Afien 1. S. 327). Die chineſiſch
Geographie, welche unter den Aufpicien Kaiſer Khienlongs herau
gegeben ward, rechnet alfo das Nordgebirge des Ala Tag (ode
Mingbulaf, der ein Theil deſſelben), welches früher nur a
Grenzgebirge gegen die nördlichen Turk aufgeführt ward, fch
mit zu Shofan.
Die Capitale des Landes ift Khokan, ihr im Oft liegen
Marghilan und Andzian (f.”ob. ©.483, 484), im Norder
aber Namgan. Wie jene Hauptftadt, fo find auch alle ander
Städte diefes Landes, die im weiten Thale in N. W. des Thſung
ling liegen, mit Mauern umgeben. Jede hat ihren Bek (Fürften)
alle gehorchen dem Bek von Khokan. Diefer nannte fich im
Sahre 1759 Erdeni, zu derfelben Zeit, als der chinefifche Ge
neral Tſchaohoei (f. ob. ©. 510, 515 — 531) den Khodjidjar
verfolgte, und einige feiner Officiere ausfandte die Tribus der Du:
rut (Berg: Kirghifen) in Echug zu nehmen. — . 5
Erdeni nahm diefe Officiere (wir vermuthen, daß der Pa
ter Felix d'Arocha mit ihnen damals feine aftronomifchen BB
fiimmungen in Ferghana bis Khofan zu machen Gelegenheit hat
f. ob. ©. 522, 543) gehorfam auf, verfahe fie mit Lebensmitteln,
#
180) Thai thsing ythoung tschi, Notic. Geogr. et hist. in Klaproth
Mag. Asiat. Paris 1825. 8. T. 1. p. 81 — 87. *!) "Turkestan
Oriental in Timkowski Voy. ed. Paris T.I. ch. X. p. 408 — — 403,
Ferghana, Khofand, nach Chinefen im XVII. 3. 751
mit Schafen und Wein, und fandte einen Wornehmen der Stadt
zur Huldigung an den Kaifer, ihn um feine Protection zu ers
ſuchen. Die übrigen Beks des Landes folgten dem Beifpiele des
Bek von Khokan. Solche Gefandfchaft wiederholten fie im Jahre
4760. Aber 1763 machten fie einen Licberfall im Lande Burut
(im Norden von Kaſchghar), wurden jedoch vom chinefifchen Coms
Mandanten zuruͤckgewieſen. Erdeni Bek farb im Sahre 1770;
ihm folgte fein Neffe Narubotu auf dem Thron von Khofan,
der feinen Gefandten nach Peking ſchickte (wol mit einer Hans
delskarawane durch Turfan),
Die chineſiſche Kenntniß von Khokan, deren Duelle wol keine
andere als eben der Bericht der Erpedition der Officiere mit Feliy
dArocha an Kaifer Khienlong feyn mag, fieht den nördliches
ven Arm des Sihun, der im Norden des Sir Daria und
des Andejanz Armes, welcher Iegtere vom Terek-Paß entfpringt
(f. 06. ©. 480), als den Hauptarm des Sihun an, und nennt
den ganzen Hauptfirom Ferghanas nad) ihm auch den Naryn
(Marin, Naruͤm). Allerdings. ift es auch der längfte Quelk
arm, der, wie gejagt, (ſ. ob. ©. 480, 1.327) nahe dem Iſſekul
aus dem Lande der Burut nach Weſt vordringt, und direct
in Ferghana, zunaͤchſt Uskend, eintreten muß, worüber uns aber
die genauern Daten fehlen (diefe Zeichnung, f. auf Grimms Karte
von Hochs Alien; fie fehlt auf Waddingtons Map of Ferghana;
U. Burnes Map of Central-Asia nennt diefen den Nord: Arm -
des Eir oder Marin).
Die chinefifche Neichsgeographie fagt ferner: die gegenwärtis
gen Einwohner Khofans feyen von derfelben Race wie die Bu:
rut; fie fprächen Perfifch, feyen Mohammedaner und
KHeerden machten ihren Reichthum aus. — Allerdings find auch
hier viel Turkſtaͤmme mit den Usbeken eingedrungen, perfifch aber
fprechen nur die einheimifchen Tadjik (Sarten), welche der
Chinefenbericht alfo, mit jenen verwechjelt, und Burut überhaupt
ftatt Turk und Usbeken feßt. Der Naryn entquillt, nach ihr,
der Nordweftfeite des Thſungling (Mustag, oder Thian Schan
an feinem Weftende, der, mit dem Belur Tag vereinigt, gewoͤhn⸗
lich den Namen Ihfungling bei Chinefen erhält). Er zieht 1000
% (75 geogr. Meilen) an den Gebieten von Andejan und Khofan
vorüber; feine Ufer find ftark bewohnt und bebaut. Er theilt
ih) in mehrere Arme und ergießt fih in den Dari Ganga
(. i. Aral; See, die erſte uns befannte beftimmtere Nennung
152 Weſt-Aſien. 1. Abſchnitt. 9.
diefes Sees bei Chinefen), der 1000 Li breit ift und das beden
tendfte Meer an dem Eiyu der Chinefen; es hat feine beftim
Grenze (wie die alte Sage bei den Yanthfai, f. ob. ©. 626)
alle Flüffe vom Weftabfall des Ihfungling fließen hinein. Da
Weftmeer, zur Zeit der Han, dem Kanying (f. ob. ©. 554
nahe Fam, fagt die Neichsgeographie, war dieferr Dari Gange
Von Marghinan (das im Zahre 1759 mit im die chinefifd
Grenze enclavirt fenn foll) von Namgan (wo Burut vermifd
mit den Namgans wohnen follen), von Andejan (deilen BE
Tokto Mohamed, im Jahre 1760 felbft nach Peking gekomme
war, dort feinen Tribut zu zahlen), werden in der Reichsgeogte
phie nur nad) Zahl und Namen aufgeführt, die feine Belehrun
geben. :
Im Siyuͤ wen kian lou 18?) werden als Häufer od
Bewohner der Städte aufgeführt: in Khokan 30,000 Familie
als Kefivenzftadt; in Marghinan 20,000, in Namgan (Na
man) 10,000, in Andejan nur 1000 Familien oder Haufe
Don diefem leßteren wird bemerkt, daß es zu einem fehr und)
deutenden Städtchen herabgefunfen fey, doch werde das gan
Khanat mit feinen 20 Städten bei Chinefen nad) diefem An
dejan genannt, obwol die Nefidenz in Khofan fed; dies fi
überhaupt der bedeutendfte Khan an der Weftgrenze des Reich
Die Producte jenes Landes ſeyen: Hirſe, Erbſen, Früchte allı
Artz die Pfirfich gelten für ganz vorzuͤglich; Pferde, Rinder feye
zahlreich, auf das Wild werde viel Zagd gemacht. Die Einwo
ner laflen ihre Haare nicht wachfen (fie ſcheeren fich das Haup
und effen Eein Schweinefleifh. Sie tragen kurze Kaftane (A
med), viereckige Müsen, find auf den Handel verfeffen (die Sa
ten), und trogen dem Gewinnft zu Liebe jeder Gefahr und dei
rauheften Clima auch im Winter. Oefter bleiben fie daher Ja
lang von ihrer Heimath entfernt. Die Städter diefes Weft-Tı
feftans nennen fih Andejans, wie fi die in Oſt⸗Turkeſta
gern Kaſchgharen nennen. |
Zu diefen chinefifchen Notizen fügte ein kabulſcher Kau
mann, der jene Gegenden bereifet hatte und fich in Petersbun
darüber an Timkowsti®) mittheilte, noch Folgendes: Khoka
und Badakhſchan, die beiden Hauptftädte der weftlichen Gren
1832) Turkestan Oriental in Timkowski Voy. Ch.X. ed. Paris
p- 408. *:) Timkowski Voy. T.L p. 431 — 433. -
Ferghana, Khokand, nach Chineſen im XVIII. J. 753
laͤnder Turkeſtans an China, liegen am Weſtabhange des Belur
Tag. Die Capitale Khokan liegt ſuͤdlich der ſibiriſchen Linie,
500 Werft von der ruſſiſchen Feſtung Petropawlowsk entfernt,
son der man 40 Tagereiien Weges, auf Kameelen, fir die Ka:
amanen zu rechnen pflegt. Der bedeutenden Städte find dafelbft
etwa 20, folgende: €
1) Khokan, M Taſchkend, 3) Turfeftan (die freilich
igerhalb des alten Ferghana liegen, aber dem Khan von Kho:
fan unterworfen find). 4) Khodjend, in einer fehr fchönen
Segend am Sir (Sihun) gelegen, deffen Ufer mit Wäldern be:
deckt find, auf Fehr fruchtdarem Boden. Der fanftfließende Strom
ft hier für große Fahızeuge bis zum Aral-See (2) ſchiffbar.
Die andern Städte, unter denen uns mehrere unbekannte,
ind: 5) Numingan (Iamgan), 6) Marghalan, 7) Ands
idjan (Andejan), 8) Takhti Soleiman (d. i. Uſch, f. ob.
2.483), 9) 3shora, 10) Tſcharku, 11) Falkar, 12) Mats
bla, 13) Bendi Dadan, 14) Befdharif, 15) Garis
epa, 16) Arabtepa, 17) Tora Kurkan, 18) Kafen,
9) Sspisfan, 20) Aramwan.
Andere, welche auch die Standlager. der Hirten, die zuweilen
nit Lehmwaͤnden zur Sicherung umgeben find, zu den Städten
echnen, fagen, es gebe deren einige 80; diefe legtern, in Erdmäls
en umzogenen Pager, heißen im Lande Kalah (d. h. Feftung).
jene 20 Städte haben größtertheils 400—500 Häufer; die Ein;
sohner treiben Ackerbau, Gartenbau, Viehzucht. Das Land ift
ngemein fruchtbar und giebt hundertfältigen Gewinn; daher ift
8 bei ihnen der Gebrauch, das Korn, Gemüfe und Obft an den
keifenden nicht zu verkaufen, jondern zu verfchenfen. Von wohl:
benden Reiſenden erhalten fie zuweilen auch einige Arfchinen
on Baummollenzeuge, Baͤſi genannt (f. Aſien I. ©. 410), als
Segengefchent. Der Handel wird in Khofan durch den gänzlis
hen Mangel an Geld erfchwert; dort ift nur Taufıhhandel, daher
ie Städte faft ununterbrochene Jahrmaͤrkte zu haben feheinen.
Der Khan Alim, der im erften Zahızcehend des gegenmwärs
gen Jahrhunderts in Khokan herrfchte, Fam auf den Gedanten
ine eigene Münze im Lande einzuführen, und verwendete dazu
lles Kupfer, und auch (wie Tſchaohoei in Kafchahar, f. ob. 519)
ie aus Schah Nadirs Zuge, nah Bokhara, dort zuruͤckgebliebenen
anonen; doc) bezweifelie der Kabul Kaufmann, daß die Gr
| Ritter Erdkunde VII. Bbob
754° Weſt⸗Aſien. L. Abſchnitt. 9. U
Fall eines feindlichen Angriffes auf fein Khanat, Eönnen fich a
“aber jeßt (1812 oder 1813) von deſſen Sohne Amir Rh
fammtfumme des Geldes im Lande eine Million Rubel betrag
werde, Die Bevölkerung des Landes betrage etwa eine Milli
Einwohner. Die Macht des Khans von Khofan habe nur Ei
flug auf die Kirghifen und Bucharen (d. i. Tadjik) feines Ta
des; er Eönne nicht über 20,000 Mann Truppen (wol Usbeken
aufftellen, die im Felde nur fo lange bleiben könnten, als fie Pi
viant mit fich führen; das fen hoͤchſtens auf 8 bis 10 Tage, ©
50,000 — 60,000 Mann zur andesvertheidigung erheben. Ur
den Fenftern der Mefidenz des Khan liegen zwar 5 bis 6 Kar
nen, als Reſte aus Schah Nadirs Feldzuge, aber ohne 9
und ohne Pulver.
6. Khokan Ehokand) nad Mir Iffet ullahs Beft
im Jahre 1813, 4
Hören wie nun den Bericht Mir Zffet Ullahs, der
Jahre 1812 auf der großen Ferghana Straße von Kafchg)
aus, über Ufch und Marghinan bie nach Khokan, wie wir fd
friiher gefehen (f. ob. S. 478— 485), fortfehritt, und folgen!
als Augenzeuge berichtet. j
Khokan (Chokand) 1) if eine große Stadt ob
Mauern, die feit dem Jahre 1770 von Narbuta Bys (
rubotuBeg, Narbuta Khan bei v. Meyendorff) beherrfcht we
(Dmar Khan nah v. Mevyendorff) beherrfcht ward. %
Sabre früher war noch fein älterer Bruder Alem Khan auf
Throne, Er war Tyrann, und wurde, als er gegen Tafchfend
Felde zog, von feinem ganzen Deere verlaffen, das feinen jtne
Bruder zum Khan erhob; er felbft kam auf dem Ruͤckwege
Dieſer Emir (Amir Shan), denn fo titulirt ihn der Emi
Moorerofts, hält ein Heer von 10,000 Reitern; er beza
durch Landftrefen und Wohnungen in Dörfern. Sie
nicht über 2 Monat im Felde ftehen, weil es ihnen an Pro
fehlt. Außerdem kann er noch 30,000 Mann, die aber nur
einen Monat im Felde dienen fünnen, aufftellenz diefen zahl
feinen Sold; fie tragen Lanzen und Feuergewehr. Ih |
übrigens fünf verfchiedene Völker unterwuͤrfig; die Kirahifen, |
ten, Kiptfchaf, Mang (Nogai) und ——
154) Mir Isset Ullah Voy. in Magasin Asiat, T. 1. p. 4J
8
Ferghana, Khokand, nach Mir Iſſet Ullah (1813). 755
eghan (Namghan), 3) Kaſan, 4) Tſchus, eine Tagereife von
dimbeghan fern; 5) Andejan, 6) Marghinan, 7) Kan—
am, 8) Aſchferek und 9) Khodjend. Außerdem 10)
hokan, wo vor jedem Haufe eine Wafferrinne vorüberfließt.
le diefe Städte, außer Tſchus und Nimbeahan, liegen auf dem
ten Ufer. Diefes TIhalgebiet ift reich an Weideland und Früch-
1. Im Norden des Gebirges von Andejan (dies liegt
f dem Nordufer des Sihun, nach Waddingtons Karte) breitet
y ein wüftes Sand aus (d.i. nördlich des Ala Tag); nordwärts
da wanndern die Staͤmme der Kaſſak und Kara Kalpak um—
7, welche von Rußland abhängig find (es iſt das Land der Gro⸗
und Mittleren Kirghifen Horde). Diefe Würten reichen oft
jets bis zu den chinefishen Grenzen, weftwärts bis zu dem
teere Kolfum (er meint das Caspifche Meer). Die Häuptlinge
Kaſſak (Kirghis Kafak, die mit ihren Horden hier unaufhör-
h gegen Südoft vordringen, wie es einft die Turkſtaͤmme von
felben Weltgegend her thaten), nennen fich nicht Khan, fon:
en (vergl. Tere, bei den Kipin, ob, ©. 576) zureh,. was
berhaupt oder Richter heißt.
Iſſet Ullah beſtaͤtigt die Ausſage des Kabul Kaufmanns, daß
mir Khan Geld in ſeinem eigenen Namen (alſo unabhängig
m Souverain in Bokhara) präge: 1 Tanga zu 16 Pul;
Pul zu 2 Maſcha; 1 Gold Tila von Bukhara gelte 150
Inga in Khofan. Tanga fey die Landesmünze, von Kupfer,
überfilbert ift (vergl. 06. ©. 517, 519, 416 u. a. O.). Des
ebet in der Mofchee (Khotbah) wird in Feines Fürften befons
1 Namen gebetet. Das Einverftändnig zwifchen Khokan und
ofhara iſt nur fcheinbar; denn es herrfcht zwifchen beiden Re—
aften die größte Erbitterung, auch hat Khokan fchon Trup—
1 gegen Bokhara ausgefandt, Es iſt gegenwärtig von Bokhara
5; unabhängig. Die Sprache von Khofan ift Türfifch; die
nwohner der Stadt find aber Tadjif, oder Nerfifchredende
ob. ©. 713), der erfte Staatsminifter Amir Khans, genannt
irza Yuſuf, verfichert Mir Iſſet Ullah, habe ihn mit Wohl:
aten überhäuft und ihm zur Anfiedlung im Lande eingeladen
366 2
> Seine bedeutendften Städte find: 1) Oſch (Uſchi), I Nimz _
— —
756 WeftsAfien. L Abſchnitt. 8900
7. Khokand (Kokan) nach Ph. Nazarov's Beoba
tung, im J. 1813 und 1814.
Phil. Nazarov iſt der einzige uns bekannt geword
neuere, europaͤiſche Beobachter in dieſem merkwuͤrdigen Land
deſſen Nachrichten uͤber den heutigen Zuſtand Khokands dah
hier ausfuͤhrlicher mitgetheilt zu werden verdienen. Wir verdai
fen die öffentliche Bekanntmachung derfelben, wie fo: vieles A
dere, dem um die Wiſſenſchaft hochverdienten, patriotifch geſin
ten Grafen Romanzow; die Ueberſetzung des ruſſiſchen Or
nalwerkes J. Klaproth 13). Die Veranlaſſung einer fo ſel
nen Gefandtfchaft an den Hof von Khokand war folgend
(So nämlich ift, vorläufig gefagt, nach der Legende der daſel
geprägten und von Meyendorff mitgetheilten Münzen, w
die richtigfte Schreibart diefes ſehr verfchieden gefchriebenen I
mens, obwol 3. J. Senko ws ki80), der treffliche Sprachfem
und Bearbeiter der Nöhelengefihiebien ‚die gewöhnlichere Schrei
art, wie auch A. Jaubert, nämlich Khokan beibehielt; Bi
felbe Name, deifen ältere Schreibart, Khuakend, wir ſchon
Ebn Haufal, f. 06. ©. 743, nachgewiefen haben.) — r|
Sn Zahre 1812 hatte der Fürft von Khofand zwei Geſar
nach Petersburg geſchickt, die aber auf dem Ruͤckwege, in Pet
pavlowsk, an der Grenze der Kirghiſenſteppe umkamen: den“
nen riß eine Krankheit hinweg, der andere wurde von einem B
bannten erfchlagen. Hierauf befchloß der Kaifer nach dieſem
angenehmen Vorfall durch einen Botfchafter an den Khan v
Khofand das Gefolge der beiden Verunglücten zurück zu geleit
und über das Schickſal diefer Gefandten felbft zu berichten; N
zarov, als Dolmetfcher beim Gouvernement, wurde mit
Miffion beauftragt. Zum Schuß erhielt er, für die Karaw
die mit Khofand zugleich in Handelsverbindung treten —
Detaſchement Koſaken, 100 Kameele mit Waaren, 200,000 Ru
an Werth, und ſeine Inſtruction. |
Die Keife ging durch die Kirghifen: Steppe 87) nad) Te
fend, und von da nah Khokand. Nur von — It
125) Phil. Nazarov Voyage à Khokand in Magas. Asiat. Paris 18!
8. T.I. p. 1-80. s*) J. J. Senkowski Description des Mo
naies Boukhares trad. p. A. Janbert. Paris 1826. 8. Supplem
p. Index. ı7) Nazarov Voy. I. c. Mag. Aslat. 1
pP: 9— 32 ”
Ferghona, Khofand, nach Nazarov 1813). 57
vr chnitt der Neife, die uns jene Route am Sihun aufwärts vers
jenwärtigt, kann hier die Rede ſeyn.
Daſchken demacht gegenwärtig (ſeit 1805) einem Iheil des
hanats von Khofand aus, wie es zu Omer Scheith
Mirzas Zeit, dem Vater Sultan Babers, auch fihon zu Fers
ghana gehört hatte. Nazarov fihreibt Tafchkend einen dauerns
en ‚Sommer zu, und ruͤhmt es wegen feiner herrlichen Früchte;
Weinberge und Obfthaine deren die Umgebung; die Gras
aten, Orangen, Pfirſich, Feigenbaͤume beugen fi) unter der Laft
ihrer Früchte. Ueberall find Quellen, Bäche, Candle zur Bes
palerung vertheilt, mit pyramidal emporſtrebenden Pappeln bes
langt. Die Stadt, welche Nazarov auf dem Ruͤckwege )
noch näher kennen lernte, ift ſtark bevölkert; man ſchaͤtzte ihre
Sinwohnerzahl auf 20,000. Der größere Theil liegt in einem
Rhale am Tſchirtſchik, und ift über einen Umfang von 4
Stunden (15 Werft) vertheil, Sie ift von einer hohen Mauer
geben, aus ungebrannten Backfteinen, mit 42 Thoren. Im
Innern liegen längs der Mauer die Gärten und Weinberge, die
jenfalls von Mauern umzogen find, die aber fo dicht zufammens
koßen, daß die Zwifchenwege mehr engen Gaſſen als Straßen
gleichen. Auch die Vorftädte find voll Gärten und das Waſſer
5 Tſchirtſchik ift dur) das ganze Stadtgebiet in ‚Candle vers
heilt; überall ficht man zahlreiche Springbrunnen. Jedes Hans
hat feinen Canal und ein kleines Waſſerbaſſin im Hoframme,
wo die Weiber bfeichen, waſchen u. f. w. In der Stadt find
viele Moſcheen, die aber Feine Daͤcher haben; außerdem ſahe
Nazarov eine große Menge anderer Gebäude mit Kuppeln, die
et Tempel nennt, und meint, fie ſeyen aus alten Zeiten aus
Frömmigkeit erbaut. Cine Biertelftunde von der Stadt abgefons
—*88 das Fort mit 10,000 Mann (?) Garniſon; gegen Khos
and ift es durch 2 hohe Mauern gefchüst, gegen Taſchkend durch
me Mauer mit tiefem Graben, der 50 Klafter lang. Nur ein
nger Fußpfad führt zum Fort, in deſſen Mitte fich wieder
in Caftell erhebt, mit hohen Mauern umgeben, and durch 3 Graz
en, jeder 7 Klafter tief, geſchuͤtzt; in dem Caftell ift der Sig des
Gouverneurs von Tafchfend, der unabhängig vom Khan in Khos
über Leben und Tod entfcheidet. Der alte Palaſt der Taſch⸗
id Khane liegt zerſtoͤrt in Truͤmmern. Beſtaͤndig, Bere Bra
9») chend. T. I. p. 26 76. | *
— —
758 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6. 9.
za rov, werde Taſchkend von Karawanen durchzogen; es
ſagt er, voll Leben; uͤberall ſahe man vor den Hausthuͤren w
in Gärten das Volk mit Tanz und Muſik ſich beluftigen, es
kraͤftig, hoͤflich, aber ſinnlich, ausſchweifend und unthaͤtig. M
glaubte immer nur Feſte feiern zu ſehen; man bemerkt nur n
nig Handwerker; das Volk lebt vom Ertrag feiner Gärten, zal
feine Abgaben, thut Kriegsdienfte nur nach Belieben. Die P
Ingamie ift allgemein, ſchwere Strafen fiehen auf. das Erfpäh
der Frauen; felbft ein Mann darf nicht in die Zimmer feiner
genen Verwandtinnen treten. Nur auf dem Bazar ficht m
Frauen, aber ftets verfchleiert,, in weite, reiche Kleider gehüllt,
Khalats gewickelt, mit Turbanen und vor dem Antlis ein
von Pferdehaar, Der Gouverneur von Tafıhkend nahm die ‘
fifchen Gäfte zwar höflich auf, aber zuvor mußten fie ihre Abe
ben zahlen; dann wurde durch ſchlaue Lift die Karawane in
Stadt zurückgehalten, und der fo gefchwächte Botfchafter du
feine Wanderung nur, getrennt von feinem Koſaken-Detaſcheme
begleitet von einer Escorte und den zuruͤckgebrachten Khoka e
nach der Reſidenzſtadt fortſetzen. Dieſe letztern wurden vom Gt
verneur genoͤthigt ihm die Ehrenkleider abzutreten, welche fie ve
ruffifchen Kaifer erhalten hatten, Ein Wegweifer wurde
bewilligt; glücklicher Weife war einem der Gefellfchaft die Ro
ſchon früher bekannt. Bei der Ruͤckreiſe fcheint der Gouvernt)
fih gegen den ruſſiſchen Botfchafter etwas biegfamer gezeigt
haben, Die Semipalatinst; Karn mit welcher derſelbe v
Taſchkend in ſeine Heimath im J. 1814 zuruͤckkehrte, beſtand a
1500 Kameelen.
Der Tſchirtſchik 180) (rechter Zufluß des Sihun, 4
herkommend, dem nicht fern noch ein zweiter Fluß zur Se
fließt, der Tangar, der bei der Feſte Piſchket voruͤberzieht),
deſſen Nordufer Taſchkend erbaut ward, iſt ſehr reiße u.
waͤlzt die Kiefel mit fort; Pferde durchfesen ihn nur mit M 1
Das Getöfe feines wilden Waffers, verfichert Nazarov, fe |
aus der Ferne von 15 Werft(?) gehört zu haben. Seit Zien
- Panther und Tiger follen dies Getöfe fürchten und. den Stu
-
meiden (?), Er fommt aus der Seite des Kyndyr Tau MM
ein weftliher Zweig des Ala Tag ?); diefer Berg reicht mit fei in
— bis in die Wolken; man erblickt ihn von Tafchfen? u
m) Nazaror Voy. I, e. Mag. Asiat. T. l. p. 33 J———
Ferghana, Khokand, nach Razarov (1813). 759
ine Mebelmafie. Sein Gipfel it mit ewigem Schnee)
eckt, an ſeinem Fuß ift Quellenreihthum, Waldung und Obſt—
Sehr ſchoͤn, ja malerifch ift der Anblick jener Schnees
ag! Nazaron, die Berge, und traten bei Dari (wol ein Thor,
jeichnend, wie Darwas, Derbend u. a., f. ob. ©. 480) in eis
engen Felspaß ein; ein Weg in einer Weite von 100 Klafter,
it 30 Klafter hohen Felsmaſſen zu beiden Seiten, die den Wan—
rer zu erbrücken drohen. Bon Strede zu Strede wohnen in
iefen Bergengen öftlihe Perfer, Goltfchi genannt (nad
Meyendorff Ghaltſchi, die nur Perfifch reden, doch verfchies
von Tadjif in Sefichtsbildung), Gebirgler, die vorzüglich. Obft:
umzucht treiben, weder Pferde noch Kameele haben, aber fehr
und arm find, und mit Grobheit den Fremden begegneten.
ve Weiber aber, ganz gegen die Sitte ihrer tafchkentifchen Nach—
nen, gingen unverjchleiert, und nirgends zeigte bei ihnen fich
uch. — Durch) den Ruͤckweg, welchen —— von
nen a diefelbe Gebirgsftrede, 7 er in einem ſehr befchwers
chen Bergpaſſe überfesen mußte, noch genauer fennen; aber leis
er iſt feine Befchreibung nicht deutlich genug, um die Richtung
iefer Route gegen die des Hinwegs zu beftimmen; doch muß fie.
pol bei derfelben Ueberfahrt über. den Sir bei Khodjend, etwas.
ſtlicher, mehr durch das innere Hochgebirge des Kyndyrz
au ‚gegangen feyn. Seine Befchreibung ift folgende, Yon der⸗
ben Ueberfahrt über den Sir (Sihun) bei Khodjend, wie
af dem Hinwege, zog man auch auf dem Ruͤckwege nach Taſch—
end; aber man- fuchte die Käauberfchluchten des Kyndyr Tau zu
er meiden (durch welche wahrfcheinlich der Hinweg geführt hatte).
Das erſte Nachkquartier war das Städtchen Chaidam, Der
olgende Tagemarſch führte durch die Gebirgsgegend bis Mullaz
nie, eine Burg, blos zum Schug für Neifende erbaut gegen die,
Buth der Orkane und Schneefhauer, die hier furchtbar ſeyn ſol⸗
en. Die Einwohner von Mullamie übernehmen den Waaren:
transport der Neifenden, um fie durch den Kyndyr Tau, unter
hrem Schuße, gegen die Raubuͤberfaͤlle bis zur Fefte Piſchket
u geleiten. Vor Mullamir erblidte Nazarov fehr viele alte
Bauwerke. Von da ward die Bagage auf Saumpferde gepackt,
u) Nazaror Voy. I, c. p. 69—72.
über der- reichen Vegetation. Wir umgingen diesmal,
u
Veen
| 760 Weſt-Aſien. 1. Abſchnitt. 9.9.
den und von hier bis Tafchfend liegt Dorf an Dorf.
die Meifenden uͤberſtiegen den Gebirgspaß meiſt zu Fuße, ih
Pferd oder Kameel am Zügel führend. Die furchtbarſte Stell,
des Gebirgspaffes, auf der Höhe flieg eine halde Werft, nur in
der Breite von Z Arfcbin, empor, zur Seite mit den tiefften Ab
flürzen, in deren Grunde man nur die Wipfel der Tannen &%
fpähte, indeg auf der andern Seite die fleile Felswand empoB
ſtieg. Das furchtbarfte Gewitter vermehrte die Angft der Reifen)
den, die Moslemen beſchworen den Propheten, die Koſaken ſchlu—
gen ihr Kreuz. Der Hinabweg war durch die Schlüpfrigfeit de
Bodens noch gefahrvoller geworden. Aber am Nordfuße det
Paſſes breitete fich eine entzuͤckende Landſchaft aus, über lieblich
Miefengründe voll Blumen, durchzogen von ranfchenden Gebirge
ſtroͤmen, die fich weiter hin in ausgedehnten Obſthainen verlieren,
fo der Tſchirtſchik und Tangar, welcher Iegtere am Fori
Piſchket voruͤberſtuͤrzt, indeß jener weiterhin an Taſchken
voruͤber zum Sihun zieht. Piſchket iſt ein kleines Fort mit 208
Mann Garniſon, mit thonigem, aber ſehr fruchtbarem Boden‘
die Saat der Weigenfelder hatte, Ende März, ſchon ein Biertel
der ganzen Höhe erreicht. Die Einwohner haben zahlreiche Heck
Pur 15 Werft, alfo feine 5 Stunden weiter, wurde für dies:
mal auf dem Hinwege an Khodjend vorübergezogen, das erfli
auf dem Ruͤckmarſche ſelbſt Gefucht ward. Nahe am Wege (au
dem Nordufer des Eihun) fahe men Aderfelder und am Berg
die Gruben, in welchen die Einwohner nah Türfifen gra
ben (ſ. 06. ©. 671, der-Ralait). Nicht fern von denfelben 1
merkte Nazarov bei nl Quellen fteinerne Denkmale, di
er für Grabmale von hohem Alter hielt, obwol er fie nicht‘ nähe
Gefchreibt. Hier wurden die — getraͤnkt. Auch auf dem
Ruͤckwege wurde jedoch auch nur der Bazar 191) beſucht, um
bensmittel einzukaufen; Nazaroo hast Khodjend für fe
groß wie Khokand. Gegen den Sir Daria (Sihun) ift die
Stadt durch Mauern gefchüst, gegen die bucharifche Seite h
find diefe Mauern an mehrern Stellen eingefallen. Canäle du
ziehen die ganze Start, die fehr bevölkert ſcheint, und dieſelb
Fabrikate wie Khokand liefern ſoll.
Auf Sandbeden ging es dann zum Sir Daria (Sihu
sur Linken, alſo immer ain Nordufer des Stromes hin, war
Nazarov Voy. Le. H. p. 63.
Ferghana, Khofand, nach Nazarov (1813). 761
Ehdhung mit Steingedäuden, Fafernenartig erbaut, mit Kalk,
nur Thonmauern ohne allen Kalk, oder Mörtel, im dortigen
Sande, gegenwärtig im Gebrauche find: fo hielt Nazarov au
dies für das Bauwerk eines alten Volkes.
Bei trefflihen Ouellen in der Nähe der Stadt Rampyf ch⸗
kurgan wurde Halt gemacht, am folgenden Tage der Sir Da—
ria (Sihun) auf einer Faͤhre uͤberſetzt, bei welcher 20 Mann bei
der Paſſage angeſtellt waren. Der Strom iſt hier ungemein reis
gend, und 900 Fuß (150 Klafter) breit. Große Kähne, die bis
zu 70 Kameelen halten fönnten, werden zum überfchiffen ges
braucht, obwol fie bei der Seichtigkeit des Stromes, wenn fie fo
ſchwer belaftet wären, doch nicht anlanden Eönnten. Daher läßt
man die Pferde durchſchwimmen. |
Won diefer Ueberfahrt zieht der Uferweg 20 Werſt (keine 3
geogr. Meil.) weit, durch nadte Sandberge bis zum Dorfe Kas
tapoli, wo ein Nachtquartier. Die Einwohner bauen Getreide,
Gemuͤſe, Baumwolle und ziehen Seidenwärmer auf; der
Hätten im Dorfe, von Erde aufgeführt, ohne Fußboden und ohne
Senkteröffnungen zählt man Taufend.
Der folgende Tagemarfch führte durch viele Dörfer, über
thonigen und ſalzigen Boden, der aber fehr ergiebig ift, und
wohlhabende Einwohner nährt, bis am Abend 5 Uhr die Nefis
denzftadt Khokand erreicht war.
Die Aufnahme des rufjifchen Botfchafters, feine Audienz bei
Hofe, feine fernere Behandlungsweife, und die dabei befolgte Pos
litik, beweifen das Mistrauen wie die Nohheit des kaum erſt aufs
gekommenen und fich noch unficher fühlenden Usbefen Staates,
der zwifchen drei mächtigern Herrfchaften, dem chinefifchen und
raffifchen Grenznachbar und Bokhara feindlich geftellt und einges
klemmt, fih von diefem Iegtern independent zu mathen und zu
erhalten beſtrebt iſt, durch den Verkehr mit jenen» aber feine
Bedürfniffe und feinen Wohlftand gewinnen muß. Früher grenzte
der Staat von Khofand”), bemerit Nazarov, im Nor—
den an das Sand der Schwarzen Kirghifen (Kara Kaſſak)
jenfeit des Ala Tag, wie dies die chinefifche Neichsgeographie
ebenfalls ausfagte. Im W. an die nomadifirenden Turfomanen,
die an Bokhara tributbar find. Gegen Dt grenzt er an Kaſch—
ghar; gegen Sud an bie Öftlihen Gebirgsperfer, fagt
»2) Nazarov Voy. 1. c. I. p. 37.
No
762 Weſt-UAſien. J. Abſchnitt. $. 9.
Nazarov, welche Goltſchi (Ghaltſchas bei v. Meyendorf)
oder Karatigin heißen. — In Sultan Babers Memoiren heißt
Karatigin (Cair Tekin bei Keriffeddin) 193) jenes, uns bis heute
fehr unbefannt gebliebene, wilde Gebirgsland, im Süden ber
AsferasKette, bis zum hohen Pamer:Paffe hin, an
dem Weftabhange des Belur Tag, bis zu den Gebirgsgauen von
Wachan, an deilen Südweftabhange (f. ob. ©. 502). Diefer
merkwürdige Ausdruc der oͤſtlichen Perfer (weil fie Pers
fifch fprechen, fagt v. Menendorff®d, der fie aber von den
Tadjik wieder, ihrer Gefichtebildung und, Farbe nach, unterfcheis
det), identificirt mit den Bewohnern Karatigins,. welchen letz⸗
teren Naza rov nur im Lande felbft erfahren zu haben ſcheint,
denn allen andern Autoren ift diefe Angabe unbekannt, wird duch
Sultan Babers’Ausfagen von den Perfifh redenden Sar—
ten, oder Tadjif, in den füdlihen an Ferahana ftoßenden
Gebirgsvölfern, der Asfera-Alpen, unterftügt (f.ob. ©.713). Er
beftätigt auf eine bisher unbekannte Weife das eigenthuͤm—
liche noch wenig erforfchte Verhältniß der altperfifchen und der
turfifchen Population, in jenen Gebirgslandfchaften zwifchen Drug
und Sarartes Quell-Land, oder der noch bis "Heute.dort neben
und feltfam durcheinander beftehenden Mifchungen der ältern
Urfaffen und Cindringlinge, mit der jüngern Einwanderung. der
Bölkertribus (f. ob. S. 690). Seit der Independenz Khota de
von Bokhara gehören aber Taſchkend «feit 1805) und Turs
£eftan (feit-1815), bemerkt Nazarov, zu feinen Eroberungen,
die meiften Nachbarn deffelben, gegen Oft und Suͤdoſt, feyen aber
feit ven Eroberungen, welche die Chineſen dafeldft feit 1789 9
1791 gemacht haben, ——
In der Reſidenz Khokand erhielt die ruſſiſche Gefandt
fchaft, nachdem fie mit ihrer Kofafenescorte am Palaft des Khat
vorüber paradirt hatte, ihre Quartier in einem Garten®) ange
wiefen, wo nun die Kofafen zwei Yurten bewohnten, und der;
Borfchafter mit dem Kofakenofficier unter feinem eigenen Zelte
campirte. Die Pferde wurden im Garten frei gelaflen, nachdem
man ihnen die Beine zufammengebunden hatte. Die Khokand
Wache, die man der Embaffade gab, beftand aus 15 Mann umd
—— — Fa: |
53) W, Erskine Remarks I. c, b, Baber Mem. p. XXXIV. a
93) G. de Meyendorfl Voy. a Boukhara ed. Am. Jaubert. —
1820. 8. m. 132. ®:) Nazaov.Voy. Ik p. 41. {
Ferghana, Khokand, nach Nazarov (1813). 763
einem Officier; die Pferde blieben einen ganzen Tag ohne Futs
tee, die Embaſſade erhielt das Verbot den Garten nicht zu vers
dafien. Der Bezier des Khan machte einen Befuch, um die
Urſache der Embaflade auszufundfchaften. Die Antwort war:
„um Handelsverbindungen mit Khofand zu fhliegen, dem Khan
ber das Schiekfal feiner Botfchafter Auskunft zu geben, weshalb
zur Uebergabe. des Eaiferlichen Briefes und der Gefchenke eine Aus
dienz ‚erbeten ward.’
Hierauf wurde den Laft Pferden und Kameelen Futter ge
zeicht, weiße Hirfe und Heu, den Botfchaftern aber als tägliche
Mahrung, Hammel, Weifbrot, Neis, Ihee und Melonen zus
gefandt.
Erſt nach 11 Tagen Arreſt kam die Erlaubniß dem Khan
von Khokan den kaiſerlichen Brief uͤberreichen zu duͤrfen. Ge—
nannt wird der Khan Amir Bali miani (d. h. nach Nazas
rov, „Shusgfürft des Mittelreiches,”%) ein bloßer Ti
tel, in dem man den Einfluß chinefifcher Titelfucht fchwerlich vers
fennen fann, wie er fchon vor zweitaufend Jahren uns aus den
chineſiſchen Annalen in Transoriana bekannt ift. Den wahren
Regenten⸗Namen theilt Nazarov nicht mit. — Ein Spalier von
Reitern, mit Sanzen, gezogenen Säbeln und Luntenflinten führte
vom Garten bis zum Palaftz die Kaleobater, d. i. die Leibgarde,
ritt auf prächtigen turkeftanifchen Tigerpferden (Argamaf,
alſo noch) immer jene blutfehwisenden Pferde, f.. ob.
©. 644, wie vor 2000 Sahren); fie waren reich gefleidet, mit vos
then urbanen gefchmückt, indeß die andern Soldaten weiße tru—
gen. Der Botfchafter mit feinen Begleitern ritt, die Kofaten
marfchirten zu Fuß, die Faiferlichen Gefchenfe wurden getragen.
Aber der gefchlofiene Marfch der Kofaken, ihre Erercitium, ihre
Schenkungen in Reihe und Glied, ungehindert durch die Une
benheiten der Straße und der durchziehenden Waflerbäche, feste
das Volk in Erftaunen. Er nannte fie „die Unfterblichen” und
da jeder 4 Piftolen, eine Lanze, Säbel und Flinte trug, meinten
fie, ihr Corps fen „eine bewegliche Feftung,” die fich gegen
mehr ald 100 Mann zu vertheidigen im Stande ſey. Der kho—
Fandifchen Neiterei folgte die Infanterie im Spalier; da ihre
Lsaber für die lange Strecke nicht ausreichte, mußte die
Mannfchaft, am der man voruͤbergezogen, ftets duch die Hinters
»*) Nazarov Voy. ll. p. 42.
—
s
764 WefteAfien. 1 Abſchnitt. 6.9
firaßen den nähern Weg herbeilaufen, um die vorn entſtehenden
Luͤcken zu füllen. ‚u
In dem Angefichte des Palaſtes mußte der Votſchafter J
den Seinigen von den Pferden abſteigen, der Marſch ging
der Spitze der Koſaken-Escorte bis zur großen Mauer, die den
Palaſt umlaͤuft; an deſſen Pforte mußte die Anmeldung *
wartet werden. Der Volkszulauf war ſehr groß, alle Straßen
und Dächer waren mit Menfchen bedeckt; die Antwort verzögert
ſich mehr als eine halbe Stunde. Bald trat man nun in dei
————— den Khan, einem jungen Manne von 25: Jahren,
ein Shawls, mit Franzen und Eicheln von Gold garnirt
* eingehuͤllt war, dem 2 Viziere und andere Hofleute zu
Seite ſtanden, uͤberreichte Nazarov den Brief feines Kaiſers; der
Khan reichte die Hand zum Haͤndedruck. Dann führten die 2
Viziere den Bötfchafter wieder fo ruͤckwaͤrts, daß er dem! Negen
ten feinen Rüden nicht zufehren Eonnte, Erſt als er fo bis: zum
Thuͤre des Saales gelangt war, rief ihm der Prinz zu, ob @
fonft noch mündliche Aufträge habe. Als er dies verneint hatte
und nur von der Uebergade feiner Briefe vom Kaifer, vom Mi
nifter und dem Grenzcommandanten (General von Glafenap))
ſprach, wurde er in den Hof zuruͤckgefuͤhrt, 3 Klafter fern vo
dem Fenfter, an dem fich der Prinz zuerft hatte fehen laſſen, u
auf reihen Teppich erhielt neben ihm der Kofafenofficier feine
Mag. Hinter ihnen hatten Gefandte von China ihren Pia
auch andere von Khiva, Bokhara, Sarfaous(?), und d
Gebirgsperfer, unter Schugdächern. — Die Gefandten vo
Ehina waren vermuthlih nur Mandarine des Generalgoun
neurs 197) von Zli, die flets zu den benachbarten, fogenannten
butairen Herrfchaften ausgefchickt werden, zu fpioniren, mit ihn
Verbindungen einzuleiten, und ihrer Behörde Relationen abzis
ftatten. Hierauf trugen 8 Hofbeamte dem Khan die Kifte
den Eaiferlichen Gefchenken hin, zu welcher Nazarov felbft
Schlüffel überreichte, Der erſte Visier, Mirza Mallia, trug daB
Faiferliche Schreiben auf feinem Kopfe herbei, zeigte dies den
gliedera des Staatsraths, die es refpeetvoll betrachteten, und
es dann in den Palaſt zuruͤck. Daranf erfolgte ein glänzen
Diner für alle Sefandte, befiehend in rofenrothem Reis
Pferdefleiſch, wovon aber nichts genoſſen wurde. Nach
197) Nazarov Voy. 1. c. II p,45 Now. — (He
obener: Tafel ging bderfelbe Zug in das Garten s Quartier
zurück. |
Bald daranf ließ fih der Khan noch 2 Flinten und 2 Pir
ſtolen zur Anficht ausbitten, behielt fie aber, weil fie ihm gefielen,
und fchiekte dafuͤr 1500 Silberſtuͤcke (Rupien), die jedoch zuruͤck⸗
gewieſen wurden. Darauf kam die Erlaubniß den Bazar-zu bes
ſuchen; dann wurde der Kofalens Officer zu Hofe geladen mit
zwei Khalaat, oder Ehrenkleidern, und Guͤrteln beehrt, und einem
dritten für den Ilnterofficier, zugleich ihm aber die Ordre ertheilt,
in 3 Tagen mit feinem Commando nad) Rußland zurückzufehren.
Der Botfchafter Nazarov follte bleiben, bis zum nächften Fruͤh⸗
jahr, um die Handelsverbindungen einzuleiten, und dann mit der
naͤchſten Karawane zuruͤckkehren, die man zur fibirifchen Linie
ſchicken wolle, um die wahre Urfache des Todes beider khokani—
ſcher Gefhäftsträger zu ermitteln. Nazarov behielt 4 Kofafen
und einen Unterofficier bei fih; nach dem Abfchiede von der zu
ruͤckkehrenden Kofafen »Escorte, wurde er in das Haus des Stadt
commandanten abgeführt, auf drei Höfe von hohen Mauern ums
geben, und Alles hinter ihm zugefchloffen, fo daß er fih in einem
wahren Gefängniß befand, aus dem cs ihm nur geftattet ward
den Bazar zu befuchen, um feine Einkäufe zu machen. Im Hofe
errichteten feine Kofaken ihre Jurte, in der fie Nacht und Tag
auf Wache ftanden; denn in dieſem Zuftande fehworen ſich alle
‚gegenfeitigen Beiftand auf Leben und Tod.
Mach 12 Tagen, als das Kofaten: Commando über die Lanz
desgrenze hinaus war, wurde Nazarov zum Stadteommandans
ten berufen, der ihm die Alternative ftellte: Willft du die Bluts
ſchuld für den erfchlagenen Gefandten zahlen, oder Mufelmann
werden, oder an jenem Galgen bangen?
Da der Ruffe in Feiner Hinficht nachgab, wurde er in feinen
Arreſt zurückgeführt; darauf erhielt der Kommandant vom Hofe
den Befehl ihn zu allen Feftivitäten einzuladen. Dies gefchahe
auch; er wohnte vielen Tanzen, Mufitfeften und glänzenden Ges
lagen bei, wo er mehrere der Vornehmen durch Gefchenfe für
fih gewann. Da alle Verlofungen ſich befchneiden zu laffen
vergeblich waren, und der Kommandant fürchtete, fein Arreftant
mögte am Ende noch entfliehen, faßte er den Man ihn zu den
Gebirgs- Perfern zu ſchicken, die der chinefifchen Grenze am
nächften find, weil ihm da die Flucht unmöglich ſeyn wiirde,
So weniaftens Iegte fi) Nazarov fein feltfames Schick—⸗
Ferghana, Khokand, nah Nazarov (1813). 765:
en —
766 Weſt-Aſien. I Abfchnitt. 9. 9
fal aus, das vielleicht noc) andere Beweggründe gehabt haben
fonnte. J1
Der Khan ließ ihn nämlich zu einer Jagdpartie bei
Marghinan!®) (250 Werft fern von Khokand, wahrfcheinlic)
zählt er die Immege mit) einladen, wo derfelde die Viehweiden
für feine großen Heerden hat, und einen ganzen Monat auf der‘
Pantherz, Tigers und Wögeljagd zuzubringen pflegt. Doc) hörte
Nazarov, dies fey nur ein Vorwand, ihn aus der Reſidenz zu
entfernen, und wirklich war nachher auch von feinen Jagd die
Rede. Es feheint vielmehr aus dem ganzen folgenden, feltfamen
Benehmen die Abficht der Ehofanischen Politik hervorzugehen, den
ruſſiſchen Envoye in Angſt zu fegen, und. ihn zugleich das ganze
Sand des Khanats felbft fehen zu laffen, damit er von der Größe
und Macht vdefjelben erfüllt, den Grenznachbarn, den Rufen, Ra
fpect vor demfelben einflößen möge. Zugleich mag wol der mil
deren Gefinnung des kaum erft auf den Thron erhobenen und
noch nicht ganz geficherten Khans, damals, noch durch die Roh—
heit feiner Beamten entgegengearbeitet — zu ſeyn (ſ. unten
Regentenreihe). hl
Die Geographie hat von diefer Politik, wenn auch. feinen
großen, doch einigen Vortheil gehabt, weil dadurch mehrere bishe
“gänzlich unbefucht gebliebene Landesſtrecken, wenigſtens von einem
europäifchen DBerichterftatter einmal erblict wurden. Da Na
zarov indeß auch nach der Reſidenz Khokand wieder zuruͤck
fehrte, und bei diefem zweiten Aufenthalte daſelbſt mehr Freiheit
in der Beobachtung erhielt, fo wollen wir gleich hier feine 7
merfungen darüber beifügen. |
Sm März, 1814, hatte Nazarov fein Quartiee®) in —
kand beim Gouverneur, dem alle Veziere gehorchen mußten,
erhalten; der Khan hatte ihm aufgetragen dem ruflifchen Bob
fchafter, der auf feine Demiflion, auf Antwort und Paͤſſe dran
Gefchenfe zu machen. Der Gouverneur hatte davon —52
da es doch nicht paſſend ſey, den Moͤrder ſeiner Geſandten zu
beſchenken. Er gebot darauf ſich reiſefertig zu halten, um in
3 Tagen nach Taſchkend zu gehen, wo er die ruͤckkehrende Kara⸗
wane abwarten ſollte, um die Antwort des Khans mitzunehmen.
Die darauf folgende Verzögerung diefes Befehls benutzte ro
rov zur Befichtigugg der Stadt. y '
198) Nazarov Voy, 1. c. II, p. 51 — 58% ®?) ebend, p. Pe |
Ferghana, Khokand, nad) Nazarov (1813), 767
Er fand fie fehr groß, ftark bevölkert, man zählte darin an
400 Mofcheen; des Königs Palaft hat darin die einzige Befeffir
gung. Rund umher liegen von allen Seiten Dörfer, Gärten,
Wieſen, Felder. Der Boden ift falzhaltig, aber quellenreich. Die
Straßen fi find enge, ungepflaftert, die Häufer von Erde; drei Ba—
‚von Stein erbaut, liegen in der Mitte der Stadt, und
2 mal in der Woche ift Markttag. In mehrern Gegenden der
Stadt fieht man alte Denfmale (d); in der Nähe des Palaſtes
find ungeheure Pferdeftälfe von Backſteinen erbaut; die Befagung
fol 20,000 Mann betragen. Maulbeerbäume und Baums
wollenbäumec?) find hier und im ganzen Lande Khofand fehr
allgemein.
Das Elima ?%) ift fehr warm, je meiter nach: Oft, defto
heißer 2); die Vögel müffen fühlere Gegenden -auffuchen. Im
Detober Monat, in welchem Nazarov in Khofand eintrat,
war noch feine Spur von Winter, das Wetter fehr mild, die
Bäume vollbelaubt, die Wiefen grün, die Tage waren heiß, die
Nächte friſch. Vom Mai an wurde die Hige hier faſt unerträg.
lic), das Thermometer ftieg bis 409%. Im März entwickelt fich
die Vegetation am üppigften; dann find alle Wiefengründe mit
Blumen überdeckt. Drei Monat fpäter ift Alles verfengt, von
Winden aufgewühlt, mit Sand bedeckt. Kaum zeigt fi) dann
noch das Grün an den Quellen des Gebirgslandes. Daher im
Ganzen nur Viehzucht betrieben werden Fann. Der Thonboden
erhist fi) bis zur brennenden Hitze; man ift genöthigt über die
Stiefeln nody Kalofchen zu ziehen, und über die Kleider wattirte
Ueberkleider, um es in der Sonnenhige nur zu ertragen.
Daher giebt es hier auch nicht viel Vögel; die Rebhuͤh—
ner, Gaglig genannt, find die gemeinften (Falk II. ©. 390
nannte fie Tetrao kakelik, fannte fie aber nur aus Befchreibuns
gen; das gemeine Nebhuhn der Türken heißt Keklik); die Phas
fanen verbergen ſich in der großen Sommerhige in die Felss
klippen oder Schilfwälder. Auf den Bazaren fahe Nazaron
in Khofand, wie in andern Städten diefes Landes, eine unend:
lihe Menge von Eocons, daher die. Seidenproduction
ungemein ſtark ift, wobei fie ein ganz eigenthümliches Verfahren )
haben, das an die fabelhaften Erzählungen des Plinius von der
befolgten Methode der Seidenzucht erinnert (f. unten Geide).
200) Nazarov Voy. 1. e. I. p.38, 40, 66. !) ebend, p. 62,
— —
1
768 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 9.
Die Khokaner weben Baumwollenzeuge, und tau⸗
ſchen gegen dieſe die ruſſiſchen und andere Waaren in der B
kharei ein, wie Stahl, Eiſen, Fiſchotterfelle, Sandelholz, Vitrioh,
Cochenille, Tuͤcher u. ſ. w. Sie gleichen den Bewohnern von
Taſchkend, ſind jedoch wegen ihrer in der letzten Zeit errungene
Siege weit ſtolzer, uͤbermuͤthig, frech; dabei voll Sinnenluft
Keichlichkeit, Lurus. Ihr Handel verbreitet fich über Kafıhapı
nach China, zu den Gebirge; Perfern, und über Bokhara bie
nach Shiva. |
Sn ihrem gerichtlichen Verfahren find fie ungemein ſtreng
gegen jede Verfälfhung von Maaß und Gewicht. Die we |
werden alle mündlich verhandelt; Priefter find die Nichter. Aud
die höchften Beamten werden gleich fchimpflich Beftraft, wie du
gemeinfte Verbrecher. Dem Dieb werden die Hände abgehauen
dann ſteckt man die Stummel in fiedendes Del um das Blut zu
ftillen, und läßt den Unglüclichen laufen. Einer, an dem Nas
rov diefe Erecution vollführen fah, hatte 30 Hammel geftohlen
Der Mörder wird den Verwandten zur Blutrache übergeben; fi
mögen ihn hinrichten, oder für ein Löfegeld freigeben, oder al
Sclaven verkaufen. Der Chebruch wird an dem Weibe dadurd
beftraft, daß die Sünderin auf dem Bazar bis an den Kopf ü
die Erde eingegraben wird, worauf der Henker den erften Steh
auf ihren Kopf wirft, das Volk folgt nach bis er ganz zerfchmet;
tert und mit Steinen bedeckt if. Dann wird die Leiche von dei
Derwandten geholt und zur Erde beſtattet. — 9
As Nazarov aus Khokand weggeſchafft werden ſollte, wi
den dazu 2 Karren mit einem Officier und zwei Reitern com,
mandirt, die ihn an die Oftgrenze des Landes, in das Fort Yar
mazar 202) zu den öftlihen Perfern (Ghaltſchas U
v. Meyendorff) bringen follten. Sie fuhren am Gebirge de—
Kaſchkar Divan (wol Kaſchghar Davan, die weſtlich
Berlängerung der Gebirgsfetten der Kafchghargrenze, f. 06. ©.47,
fo nennt auch v. Meyendorff die Asferaz Kette) vorlber, das fie
von China bis Samarfand in die Bucharei hineinzieht. Ci
durch viele Dorfichaften, dann durch eine weite 40 Werft lang
Steppe; der Officier fagte nach Yarmazar Fort; wenn aber Na
zarov es vorziche, auch zur, Stadt Marghinan, deren Su N}
202) Nazarov Voy. 1. c. II. p. 51; vergl. G. de Meyendorff Yopi f
Boukhara I. c. Paris 1826. 8. P. 97.
an erblicken fonnte. _ Dies letztere zog derfelbe vor; die Reiſe
f B alfo gegen Südoft, durch die Sandfteppe, und durch viele
£ bevölferte Dörfer, die fehe wohlhabende Einwohner zu haben
ir en, die friedlich ihre Acer und Weinberge bauten, Seiden;
h Be und mit Weberei befchäftigt waren. Nach 2 Tagen
e Marghinan erreicht, von wo der Stadtcommandant
u; zum Empfang entgegen ſchickte. Die Neugier des Volks
Meienlinge zu fehen war fo groß, daß die Officiere nur mit
ihieben auf die Köpfe der Neugierigen ſich Platz machen
nnten; dennoch war kaum durchzufommem Vergeblich wurde
dazarov in das Haus des Gouyerneurs einquartirt; der Poͤbel
5 die Ihüren ein, fo da er faft erſticken mußte. Ein chinefis
se Botfchafter, der eben dafeldft fich aufhielt, rieth Nazarov fich
) feine ihn begleitenden Kofaten felbft mit Gewalt Pag zu
haften. Dies gelang auch; bald war das Haus leer, aber in
gem war es auch wieder gefüllt, und fo war acht Tage lang
— Ruhe zu denken, bis endlich die Neugier etwas geſtillt
Nun wurden die Ruſſen in ein Haus einquartirt, dag
üherhin ein chinefifcher Botfchafter bewohnt hatte. Sie wurden
er fortwährend bewacht. Nur die Erlaubniß erhielt Nazas
9, den Dhat Khan, d. i. den Vicefönig Mulla Chai
beſuchen, dem die Yurisdiction über alles Grenzland gegen die
ſtPerſer (alfo das wilde Gebirgsland Karatigin, in S.O., wo
e Sarten wohnen, f. ob. ©. 762) anvertraut war, Er war
gehalten darüber, dag Nazarov aus eignem Antriebe in feine
stadt, nach Marghinan, gefommen war; doch behandelte er feiz
m Saft gut, er wurde durch Gefchenfe gewonnen, Hier blieb
tazaron drei volle Monate; erſt die 3 letzten Tage erhielt ex
deß die Erlaubniß frei umherzugehen. Nun wurde er aber vom
höbel mit Steinregen überfchüttet, Kafer (Ungläubiger) gefchimpfe
few. Der Vicekönig felbft bedauerte ihn, meinte aber, er koͤnne
m nicht helfen, ihn nicht ſchuͤtzen. Er gab ihm den Rath, wie
die einheimifche Tracht (das Khalaat) anzuziehen und daruns
zu hauen. Durch die Fürbitte des Vicekoͤnigs beim Khan,
hielt: Nazarov die Erlaubniß nach Khofand zurückzukehren.
- Die Stadt Marghinan?) hat 30 Werft (über 4 geogr,
eilen, offenbar mit ihrem naͤchſten Stadtgebiete, Gärten u, ſ. w.)
) Nazarov Voy. I. ce, T. Il, p. 56.
Mütter Erbunbe VIE, cc
Ferghana, Khokand, nah Nazarov (1813), 769,
Ix — —
770 Weſt⸗Aſien. I. Abſchnitt. 5 9
in Umfang; fie ift nicht befeftigt, aber wol gegen die Grenze der
öftlichen Gebirge: Perfer (Sarten?) durch die Felle Yarmazar
geſchuͤtzt, die nur 5 Werft fern liegt, und 20,000 Mann (?) zur
Bertheidigung haben foll. Nur 12 Werft von diefem Yarmazar
fiegt die perfifche Feftung Alai (? beide find uns fonft völlig uns
befannt; fie liegen wahrfcheinlich von der Ferghanaroute, die weis
ter gegen Oft führt nach Ufchi, mehr ſuͤdwaͤrts, gegen Kara
tigin). Diefe_öftlichen Gebirgs-Perſer, verfichert Nazarov, Famen
auf den Bazar von Marghinan zum Einkauf von Baumwolle in
Strängen, die fie. in Körben durch Träger Uber Yarmazar
nach Alai transportiren laflen. Kaſchghar dagegen verfehe den
Markt von Marghinan mit Thee, Porzellan, Silber in Barren,
mit Farbe, Damaft und andern E£oftbaren chinefifchen Zeugen,
die Frauen in Marghinan erfchienen dem Ruſſen von befonderer
Schönheit, auch fanden fie Gefallen an den Kofafen.
Der begleitende khokaniſche DOfficier erhielt den Auftrag feis |
nen Arreftanten noch 50 Werft weiter oſtwaͤrts gegen die chinefis |
ſche Grenze zu führen, fo fam Nazarov nah Oſch (ſ. ob.
©. 483) und Andejan 209, von deſſen Lage fihon früher die
Rede war. In den Umgebungen diefer Stadt fand er Ueberfluß
von Obſthainen. Die Einwohner treiben Aderbau und die Zucht
der Seidenwärmer, auch weben fie viel Baummollenzeuge, |
Sie treiben Handel mit den fchwarzen Kirghifen (Burut) ihren
jenfeitigen Gebirgsnachbarn, die ihnen ihr Vieh zuführen. Das |
Caftell des Gouverneurs der Stadt ift mit Mauern umgogen, und
hat 4 Thore. Cine Garnifon von 10,000 Mann (? alle diefe
Truppenangaben find wol nur hochmüthige Webertreibungen der
Khofaner, die Nazarov ohne Critik zu üben, nach der Erzählung
wieder zu geben fcheint). Jeder Soldat habe feine Wohnung und
fen verheirathet; aber das Pferd nimmt: das befte Zimmer in der
Wohnung ein, die Frau das ſchlechtere. Ein Theil des Zolle,
den der Bazar einbringt, dient zum Unterhalt der Garnifon, Die
Häufer find von Erde aufgeführt, die Gaffen enge, fi) windend.
Nach zwei Raſttagen wurde Nazarov, über Namens
shan’) Namghan, Naiman, f. Lage, f. 06. ©. 543, 483),
bis wohin Dorf an Dorf gereiht ift, nah Khofand zuruͤckge⸗
führt. Die Stadt Namghan hat nur ein kleines Fort mit eis |
ner Garnifon von 200 Mann. Der folgende Tagemarfih führte
2°*) Nazarov Voy.l. e. T. II. p. 59. #*) ebend, p. 60,
Ferghana, Khofand, nach Nazarov (1813), 771
am Ufer des Syr Dario (Sihun) zu einer Anfiedlung von
Karafalpafen, von Nomaden, die hier Teppiche und Wollens
gewebe arbeiten, und von da zur Nefidenz zuruͤck (im März).
Von den dort gemachten Beobachtungen und den Verhandlungen
| über die Ruͤckkehr war ſchon vorher die Rede. — Es wurden
Wegweiſer verweigert und doch die Route uͤber Uratippa nach
IRhodjend feſtgeſetzt, ein großer Umweg, um nad) Taſchkend
zu kommen. Die Lage des erſteren dieſer Orte in Osruſchnah,
ſiehe oben S. 543. Sicher ſollte Nazarov auch noch diefe Er—
Joberung, die legte des Khans von Khokand, die durch Lift und
Betrug zu Stande gefommen war, fennen lernen; denn zuvor
hatte Uratippa (oder Uratupa) feine eigenen Fürften gehabt, war
aber gegenwärtig eine Provinz von Khofand geworden. Der Weg
dahin, 1* Tagereifen weit, führte am Syr Dariaslfer hin, dur)
viele Dorffchaften. Yon 15 zu 15 Werft bemerkte Nazarov
ſehr alte, unbewohnte Gebäude, von außerordentlichem Umfange,
deren Beſtimmung ihm unbekannt blieb.
Die Stadt Uratippa 6) liegt nahe am Kafdıghar Dawan
(fo nennt Nazarov hier deffen weftliche Gebirgsverlängerung,
die fonft fo genannte Kette Asfera der nenern Zeit, oder Al
Botom bei Edrifi. Die Landfchaft wird reichlich von Berg:
ſtroͤmen bewällert, die Stadt ift fehr groß, mit hohen Mauern
umgeben, die durch tiefe Gräben geſchuͤtzt find; fie haben Schieß—
fcharten für Fenerwaffen. Die Stadt ift fehr ſtark bevölkert, hat
enge Straßen. Fabriken für Shawls aus Ziegendunen (f. Aſien
1. ©. 602). Der Handel wird hier mit Turfomanen, Perfern
(Garten) und andern bucharifchen Unterthanen * —
Bon hier nah Khokand find wieder 13 Tagereiſen welt
durch die Ebene; an den Grenzen der Bucharei erblickt man die
Städte Yam, Zimin, Yama, Kurgan (alle 3 find fonft
unbekannt, doc) wird Zimin identisch mit der Feſte Jamie
ſeyn, die v. Meyendorff in Uratipa nennt), und erreicht dann
(den Syr Daria nahe Khodjend, an der Fähre, über welche end—
lich, wie ſchon früher gefagt, der Rückweg durch die Gebirgss
paſſage des Kyndyr Zau nad Taſchkend in die Heimath
‚angetreten ward.
—
©) Nazarov Voy. I. c. T. II. p. 63.
&ce2
772 Weſt-Aſien. I. Abfehnitt. 8. 9,
8. Khofand der Geaenwart, nah eingefammelten |
Srzählungen der Einheimifhen: durch v. Meyen-
dorffin —— (1820); J. B. Frazer in Khora⸗ |
fan (1821), Mabfum Khodja in DOrenburg (182077 |
und W H. Wathen in Bombay (1834),
Die eingefammelten Erzählungen von Einhelmifchen, durch |
wißbegierige Europäer, müflen fo lange den Mangel der eigenen
Beobachtungen erfegen, bis es einem gebildeten Europäer einmal "|
gelingen wird, jene merfwärdigen Sandfchaften, die feit fo vielen.
Sahrhunderten unbefucht geblieben, für die Wiffenfchaft ganz von- |
neuem zu entdeefen. Nicht alle jene einzelnen Ausfagen haben
wir indeß hier, wo es uns nur um Fortfchritt der vollftändiagften
Erfenntniß zu thun ift, wiederzugeben, denn Vieles darin ift nur.
Wiederholung deflelben, was ung aus jenen directen Quellen fchon
.eben fo gründlich bekannt ift, fondern nur dasjenige was darin
neu und berichtigend genannt werden kann. Hierzu gehört, bei |
dem fonftigen Mangel aller bisher befannt gewordenen Nachricht
über die erft ganz junge Entftehungsgefdhichte des Khanat von
Khofand, die Negentenreihe, wie wir fie ruſſiſchen Erkun—
digungen in Orenburg, durch die Privatmittheilung AL. v. Hums
boldts, während feines dortigen Aufenthaltes (1829) verdanken,
4
1) Regentenreihe nach Mahſum Khodja von
Khokand.
Der Khokaner Mahſum Khodja, welcher 1829 Oren—
burg beſuchte, ſagte aus, daß das Khanat von Khokand erſt ſeit
der Mitte des XVII. Jahrhunderts ſeine Entſtehung einem Usbe—
ken⸗Haͤuptling verdanke. Es war Schah Rokhbeg (Schah
Ruch beg), ein vornehmer Mann, aber keineswegs von fuͤrſtlicher
Abſtammung (doch hörte W. H. Wathen den Shurugh beg eis
nen Abkoͤmmling Tſchingiskhans nennen) 207), der mit vielen ſei—
ner Landsleute aus, der Wolga; Gegend nah Ferghana 509,
morunter man damals das zunachft anliegende ſuͤdliche Ufer
des Syr Daria begriff. Die Hauptorte jedes Landes, wie Khods
jend, Marghinan, Kandbadan (Mandelftadt), Andejan,
Uſch, Isfara, Namegan, Tfhufhl?) hatten damals noch
207) W.H. Wathen Memoir on the Usbek State of Kokan in Journ.
of tbe Astat. Soe. of Bengal. Caleutta 1834. 8. Vol. Ill. p. 373.
Ferghana, Khokand, nach den Einheimiſchen. 773
"jeder ihren unabhängigen Fuͤrſten Khodja) Ein ſolcher war in
dem Flecken Churram Sarai auch Ediger Khodja, mit deſſen
Tochter ſich Schah Rokh beg verheirathete, und ſich dann mit
FE den ihn begleitenden Usbeken in dem Orte Kukan (20 Werft in
Meft des heutigen Khofand, wahrfcheinfih dem Khuakend
bei Ebn Haukal, f. ob. ©. 745) niederlieg. Er erfchlug feinen
- Schwiegervater und machte fi) an deſſen Stelle zum Landes⸗
herrn. Die Uneinigkeit und Schwäche feiner Nachbarn machten
I es ihm und feinen Nachfolgern Feicht ihre Herrfihaft bald zu ver:
‚ größern. So entjtand durch diefen Ufurpator das neue Khanat
von Khofand. Ihm folgten fein ältefter Sohn 2) Nachim
Beg und diefem deilen ältefter Bruder, 3) Abdul Kerim Beg.
I Diefer erbaute erft das heutige Khofand, und verlegte das
| Hin feine Nefidenz; ſeitdem zerfiel der ältere Flecken diefes Na:
mens in Trümmer. Der Ate Negent ward Rachim Begs zweiter
Sohn 4 Irdana Beg (Erdeni nad) den Ehinefen, f. ob.
S. 750), nad) zwanzigjähriger Megierung folgte ihm 5) Suleis
man Bi (Soliman Berg) und dieſem 6) Shah Ruth Beg li.
der aber nur 3 Monat den Ihron befaß. 7) Narbuttafhan,
Enkel Abdul Kerims, regierte nun 31 Jahre lang, mit großem
Anfehn (von ihm fagte Mir Iſſet Ullah, daß er feis 1770. herrfchte,
wonach er alfo bis 1800, höchfteng bis 1801 regiert haben müßte);
er unterwarf alle noch unabhängig gebliebenen Städte Ferghanas
feinem Scepter, das einzige Khod jend ausgenommen. 8) Alim
" Khan, fein ältefier Sohn, den J. B. Frafer einen Tyrannen
nennt, regierte 12 Jahr (alſo hiernach bis 1812; da aber Mir
Iſſet Ullah im J. 1812 feine Reiſe begann, und alfo wahrfcheins
lid) 1813 in Khofand war, wo er fihon defien jüngern Bruder
Amir Khan, wie er fagt, im zweiten Jahre auf dem Throne
fand, fo Eönnen es feine volle 12 Jahre gewefen ſeyn). Er ift
der Eroberer von Khodjend, Ura Tipa (Uratupa) und Taſch—
kent, welche bis 1803 unabhängige Fuͤrſtenthuͤmer geweſen, und
nun zum Khanat von Khokand gebracht wurden. Er ſchlug in
Khokand die erſte Landesmuͤnze als Souverain, von Kupfer
und uͤberſilbert (die Tanga nach Mir Iſſet Ullah, ſ. ob. ©. 755).
9 Shumer Khan (unftreitig jener Amir Khan bei Mir
r Iſſet Ullah, 1813; Amir Balimiani bei Nazarov, 1814;
*
| Et ) J. B. Fraser Ara. * a Jouraey inte Khorasan, Lond. 1826.
4. App. B. P. IV. p. I
774 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 9
Dmar Khan bei v. Menendorff, 1821), nach der ruſſiſchen
Angabe, ein Sohn des vorigen, nach Mir Iſſet Ullah aber, der
ihn perfönlich Eennen lernte, deffen jüngerer Bruder, der, nah
Fraſer, feinen ältern Bruder ermordet haben foll und Liebling des
Dolkes ward. Nach v. Menendorff, der ihn Nachfolger Ner⸗
butta Khans nennt 200), ein uͤbrigens ſehr geſchaͤtzter Fuͤrſt, der
mit dem Khan von Khiva, der fein Verwandter war, ſich bes
freundete, und durch die Bermählung mit einer Tochter des Khan
von Badakhſchan, auch von diefer Seite, feine Macht zw
vergrößern fuchte. Von ihm hörte J. B. Frafer in Khorafan,
daß fein Negiment dem in Bokhara ſehr ähnlich fey, doch hatten
die Ulemahs unter ihm feinen folchen Einfluß erhalten, wie in
Bokhara. Die Gelehrfamfeit wurde Überhaupt in Khofand wer
niger geachtet, fo wie der Bigotterie ein folcher Einfluß daſelbſt
auf die Staatsverwaltung eingeräumt. Dagegen herrfchte mehr
Drdnung, Gerechtigkeit, Milde im Lande, die khokaniſchen Usbeken
fandten Feine folche Naubparteien wie anderwärts aus; fie trieben.
weder Sclavenfang noch Sclavenhandel, und der Kaufmann reis
fete mit Sicherheit durch\ ganz Khofand. Das Verfahren gegen
Nazarovn war allerdings feltfam; doch fcheint die Schuld der
rohen Behandlung mehr auf der Seite des Stadtcommandanten
und Gouverneurs, als des milder gefinnten Khans gewefen zu
feyn. Er farb im Jahre 1822 (nach der ruffifchen Erfundigung
durh Mahfum Khodja in Orenburg 1829, wie nad) den Ausfas
gen des Khodja Behadur Khan 10) aus Khofand, in Bombay 1834).
Ihm folgte fein Sohn 10) MohammedAliKhan (1822) als
Khan von Khofand, der bis 1834 noch Regent war. — Wir
laſſen nun die einzelnen Notizen folgen. —
2) Nach v. Meyendorffs Nachrichten (1820) u) fol
die Reſidenz Khokand nicht unmittelbar am Syr Daria, ſondern
2 bis 3 Stunden davon entfernt liegen; aber durch ſehr viele Ca—
näle mit demfelben in Verbindung gefest fenn. Die Größe der
Stadt foll der von Bokhara gleich kommen, und die Stadt 6000
Häufer zahlen, 4 Karawanferais haben, die ftets mit Kaufleuten
gefüllt find. Der ganze Handel von Taſchkent und Kafıhahar,
*°°) G. de Meyendorff Voy. & Boukhara }. c. p. 117. 0) W.H,
Wathen Memoir I. c. Vol. Ill. p. 369. tı) G. de Meyenderfi
Voy. a Boukhara ed. Am. Jaubert. Paris 1826. 8. p. 117 — 120.
Zerghana, Khokand, nach den Einheimiſchen. 775
d. h. aus dem ruſſiſchen und chineſiſchen Reiche nach Bokhara,
gehe durch Khokand. Die Feindſchaft zwiſchen beiden letztern
Staaten dauerte fort, da Bokhara den Grenzſtaat von Uras
tipa wieder mit Gewalt fid unterworfen hatte. Zu J. B. Fras
fers Zeit (1824) foll der Khan von Bokhara 12) mit einem Heere
‚von 80,000 Dann gegen Khokand zu Felde gezogen.(?), aber mes
gen des gut vertheidigten Gebirgspafies (der eben durch Uratipa
nach Khodjend führt) genöthigt worden feyn, unverrichteter Sache
wieder umzukehren. Ein Friede ward aber zmifchen beiden Fein—
den nicht gefchloffen. Die Naturgrenze zwifchen beiden (die
Aöferas Kette) ift fo ftark, daß Einfälle auf beiden Seiten mit zu
großen Gefahren verfnupft find, als daß fie öfter wiederholt wer:
den follten,
Die, Stadt Oſch, am Fuß des Takt i Soleiman (f. ob,
S. 482) foll unbedeutend feyn, nur durch die Pilger bereichert
‚werden, die dort viel Geld hinbringen, um den blutigen Stein
zu fehen, an dein Salomo ein Kameel erwürgt haben fol, weil
deſſen Berührung die Krankheit der Glieder heile. Davon redeten
alle Neifenden, die v. Meyen dorff befragte; alle nannten ein
Heines Gebäude, das dort fiche, aber feiner wußte etwas von als
ten Bauwerken, die Nazarov dort gejehen haben will, Don
Dfch bis Kaſchghar find feine Städte mehr, das Land ift ges
birgig; Mir Iſſet Ulahs Nachrichten über jenen Bergpaß beftätigen
fih. Die von ihm fegenannten Berg-Kirghifen hörte v. Menens
dorff Schwarze Kirghifen nennen, die mit ihren Heerdem
auch den ganzen Ala Tag (d. i. das Gebirge im Norden Kho:
kands) durchflreifen. Die Augen diefes Volks follen noch näher
beifammen ftehen, und einen fchiefern Blick haben, als die ans
dern Kirghifen, und fie felbft den Kalmuͤcken weit ähnlicher auss
fehen. ‘Sie find tapfer, ihre Pferde ungemein flüchtig. Die his
nefifchen Kaufleute durchziehen in Kleinen Karawanen ihre, Ges
biete, um mit ihnen Handel zu treiben; fie haben nie von ihnen
etwas zu fürchten. Im Winter herbergen fie. in den Bergthäs
lern, im Sommer ziehen fie in die offenen Ebenen um etwas
Gerfte und Hirfe zu ſaͤen. Wegen eines Plünderungsverfuches,,
den fie gegen Taſchkent gemacht haben, follen fie durch 5000
‚ Khofaner hart gezüichtigt worden feyn. Ein Tatare, der, von ihr
/
nen gefangen, längere Zeit ais Knecht im Ala Tag umberziehen
12) J. B. Fraser Narrative, Lend. 1525. 4. 1. c. p. 104.
776 Weſt-Aſien. 1. Abfchnitt. 6. 9.
mußte, ſagte aus, daß deſſen Berge mit dauerndem Schnee bes
deckt fenen, die Abhange aber Birken und Tannenwaͤlder trügen,
Der Weftabhbang des Dawan Terefgebirges von Kaſch—
ghar aus, den er überftiegen hatte, fey beim Hinabfteigen ges
gen Oſch weit länger, als das Auffteigen an der Kaſchghar—
Seite; kein Schnee liege auf der Paſſage, aber es mwuchfen
auch weder Eichen noch Tannen dafeldft. Ein anderer Reifender,
der des Meges gefommen, fagte dagegen, im Teref Dawan
fen ewig Winter; man habe bei deſſen Heberfteigung die Wahl
dreier Paffagen, die aber alle drei, megen des zu vielen
Schnees, nicht durch die Thäler führen. Diefe drei Routen
gehen 1) über Belamli und Tallig, im Nord des Gebirge;
oder 2) über Teret Daman in deilen Mitte; oder 3) m
Chart an deſſen Süpdfeite hin.
3) Nach 3. B. Frafers Nachrichten (1821) 219) mers
den die Grenzen und Landeseintheilungen wie bei frühern Bes
richterftattern beſtimmt; aber zu den 13 Diftrieten außer den
ſchon früher bekannten auch die Namen Sekht, Wudpdi, 8x
purran, Ghurrum Seran, Tfhuft und Kurrameh
aufgeführt, die nach den darin liegenden Städten genannt feyn
follen. Die 3 zulegt genannten Städte liegen auf der —
des Sir⸗Ufers.
Die Stadt Khokand ſoll, nach ſeinen Erkundigungen, an
50,000 Einwohner haben, aber vom Sir⸗Fluß bewäflert feyn, der
alfo wahrfcheintich feine Arme bis in ihre Mähe verbreitet, die’,
man zu Gandlen gemacht haben mag. Khodjend, 15 geogr.
Meilen davon, nennt er die alte Capitale (?) mit Mauern und
Graben, die einft 30,000 Häufer (?) gehabt, gegenwärtig aber gang
im Verfall fen; aber ihre Bewohner zeichnen fid durch Gaflfreis
heit und Höflichkeit aus, und fprechen fo gut Perfifh wie Türs
kiſch. Die Luft fey dafeleft herrlich, das Obſt von großer Delis
catejle.
Das Chima von Khofand fey von dem in Bokhara fehr
verfehieden; der Winter fehr ſtreng aber mit wenig Schnee; man
müffe drei Monat im Zahre einheigen; der Frühling bringe leichte
Degen, heftige Weftwinde mit —— der Sommer ſey ſehr
212) J. B. Fraser Narrative of a Journal J —— Londoũ
1825, 4. App. B. P, IV. p:102— 117.
Ferghana, Khofand, nach, den Einheimifhen. 777
heiß, regenlos, alles berſte auf; erft Ende Herbſt kehre die Feuch⸗
tigkeit wieder. Die Erntezeiten find wie in Bofhara.
Weiden, Pappeln, Enpreffen und alle Arten von
Obſtbaͤumen find hier wie in Europa; die Sycomore (Chi
nar?) felten, auf Bergen wachfen hohe Pinien, Pappeln,
Mandeln, Wallnüffe, Piftacien. Baummolle wird
auf allen Feldern gebaut, Manlbeerplantagen gehen durch
. das ganze Land, Seiden zucht ein Hauptgefchäft, giebt ein
Hauptproduct die Seide,
Die Kleidung ift größtentheils Perfifch, lange Gewaͤnder, feis
dene Tücher und Turbane find Kopfbedefung. Die Frauen -tras
gen hrs und Naſen-Ringe wie in Indien, gehen in Schleier
(Burbas) gehüllt, vom Kopf bis zu Fuß, und leben fehr eingezos
gen. Die Hauptmahlzeit ift des Abends; Pillau allgemeine Nah⸗
rung und Thee Lieblingsgetränf. Die Dörfer, meiſt zu 100 bie
-4000 Häufern, find in 2 Straßen ins Kreuz gebaut, in deſſen
Mitte die Mofchee fteht. In den meiften Dörfern giebt es Mehs
man Khaneh für Gäfte, wo auch die Armen im Winter mit
Pillau gefpeifet werden; man fommt da zufammen, um Thee zu
trinken, zu fingen, fih Hiftorien zu erzählen oder Schwänfe zu
machen, auch zum vorlefen, wobei die jüngern Leute tanzen und
in die Hände Elappen. Der Winter ift zumal die Zeit des Yus
bels und der Feſte, wo man gepugt und ausgelaffen von Dorf
zu Dorf umherzieht; die Übrige Zeit ift zur Arbeit beſtimmt.
Jedes Dorf hat hier, wie in Bokhara, feinen vom Volke ers
wählten Schulzen, und einen von der Negierung ernannten Bes
amten, der die Abgaben eintreibt, die aber mäßig feyn follen.
Die Zahl der Tadjiks mag fehr verfchieden fich gegen die der
Usbefen verhalten; in manchen Gegenden haben diefe letzteren
bei weitem die Oberhand erhalten. Sie werden als ein flarfer,
oft wohlbeleibter, ſchoͤn gebildeter Menfchenfchlag gefchildert, fehr
gut gelaunt, luſtig, dabei ruhig und gaſtlich; Reiten, Jagen, Falz
fenjagd und Beraufchung im Kuͤmuͤz gehört zu ihren leidenfchafts
lihen Genüffen. Sie follen ein tüchtiges Volk feyn und in vies
ter Hinfiht den Europdern im Art und Weife weit näher vers
wondt erfcheinen als Perſer und andere Aſiaten.
778 Weſt⸗ Aften. J. Abſchnitt. 5. 9,
4) Nach den Ausfagen der Khofands Pilger, zumal
des Khodſa Behadur Khan, an W. H. Wactheni in
Bombay im Jahre 1834,
Wie aus dem chineſiſchen Turkeſtan neuere Nachrichten der
Meffas Pilger über ihre Heimath nah Bombay famen d. 06.
S. 348), fo auch jüngft aus Khofand, Die politifchen
Misverffändniffe der Khofaner mit ihren nördlichen. Nach—
barn, den Kirghifen (Kaifak) und Nuffen, länge der fisirifchen
Grenzlinie, wodurch das ruffifche Gouvernement fih eine Zeit‘
lang veranlaßt fahe, den Durchgang durch fein dortiges Territos
xium nach Aftcafan zu ſchließen, und der Sectenhaß der pers
ſiſchen, Bigotten Shiiten gegen die gleich bigotten Sunniten im
Eüden und Weften Turkeftans, diefe ließen den Khofanern, die
fih auf die Dilgerfahrt nach Mekka begesen wollten, nur noch
als Thor zu Arabien "die Afghanenftraße über Balf, Kar
bul, Kandahar, Kelat offen, wodurh Bombay natürlich
der paſſendſte Ueberfahrtsort nach Mekka, der Sammelplag in
neuefter Zeit fo weler Pilger aus Centrals Afien wurde, daß W.
H. Wathen deren, in den zwei letzten Jahren vor 1834, allein
aus Khokand, Samarkand, Bokhara, wenigſtens 300 kennen
lernte. Unter ihnen auch einen Mann von hohem Range
Khodja Behadur Khan, Khuſch Begi, d. h. erſter Vizier
in Khokand, mit einem Gefolge von 20 Perſonen. Nach deren
Ausſagen find außer vielen Beſtaͤtigungen des Vorigen, auch fol
gende Angaben über den gegenwärtigen Zuſtand ihrer Heimath
mitgetheilt.
Unter den Suͤdgrenzen Khokands wurde auch Badakh—
fhan, Dermwaz und Kariategin genannt; feine jegige Eins
theilung fey in 8 große Gouvernements, deren jedes feinen
Namen von der zugehörigen befeftigten Stadt trage, “Darunter
nannten fie zuerfi-wiederum: 1) Urtatippa, 2) Khodjend,
3) Ufh und Marghbinan, 4) Namenghan, 5) Andejan,
6) Taſchkend, 7) Turfeftan, SS Khofand, das fie Kos
fan ausfpradhen. Tafchfend hatte bis dahin, wie zu Na
rovs Zeit, feinen befondern ziemlich unabhängigen erblihen Chef,
#44): W..E: w athen Esq. Persian Secretary to the Bombay Gov.
Memoir on the Usbek State of Kokan in Central-Asia, in Journ.
of the Asiat. Soc. of Bengal. Caleutta 1834. ed. J. Prinsep,
Vol. III. p. 369— 378,
Ferghana, Khokand, nach den Einhetmifhen. 779
den Yunis Khodja gehabt, deſſen Söhnen, aber Eürzlich erſt,
dieſe Würde entriffen ward. Alle Gouverneurs derfelben feßt
gegenwärtig der Khan nach Willkür ein, alle find zugleich Mili—
taircommandanten, mit dem Nange von Ming Baſchis (d. i.
Commandeur über 1000 Reiter). Der Khan hält fein ſtehendes
Heer von Keiterei, die nur geringen Sold haben, aber Korn und
Fourage in ihren Standquartieren zugewiefen erhalten; im Noth—
fall kann er auf diefe Weife 50,000 Mann Gavallerie auf die
"Beine bringen, wodurch er gegen feine füdlichen Nachbarn, felbit
Perſien, mächtig ift, deſſen Rüftung von feinen nomadifchen Iris
bus abhängig bleibt.
Das Elima zeigt große Extreme, im Winter große Kälte
und viel Schnee (was der obigen Angabe von Frafer wider
fpricht, wenn nicht damit die Berggegenden etwa gemeint find),
im Sommer druͤckende Hitze.
. Die Hauptſtadt Khokand fen groß und volkreich, ohne
Mauern, habe mehr Einwohner als Bokhara, an 100,000; 500
Mofcheen und 100 Collegien (Schulen; wol alles nur runde
Summen, und Uebertreibung). Die fhönften Baumgärten an
zwei Eleinern Flüffen, Affai und Karafai (Weiß und Schwarz
Waller), die in den Sihun fallen, umgeben fie. Inter den Bes
wohnern der Stadt wurde auch eine Yudencolonie genannt, 20
Hindus, viele-Kafhmirer, Feine Armenier, aber Nogai Tataren,
Hufen, die da Gewerbe treiben, z. B. ein Uhrmacher unter den
legteren u. a. m.
Die Hauptbevölkerung des ‘ganzen Landes beftehe aus Us—
befen, die felöft den Acker bauen, außer den Kaiffat und
Karghiz (Kirgis-Kaiſak), welche die nördlichen und öftlichen
Grenzländer gegen das ruffifche und chinefifche Reich bewohnen.
In einigen Gegenden Khokands machen die Tadjiks, welche
Perſiſch reden und nad Ausfage der Khofaner auch von
perfifcher Abftammung ®5) find, eine ſtarke Population aug,
fie find aber die Sclaven ber Usbeken ihrer Herren, deren Yäns
dereien fie bebauen.
Die Ulemas (d. i. die Literaten) In Khofand find in den
- perfifchen Autoren wol bewandert; das Perfifche wird dort mit
demfelben Accent gefprochen, wie bei den Afghanen; der Dialect
ift fehr vom heutigen Perfifch verſchieden, und foll, nah H. Was
16) WV. H, Wathen Mem. 1, c. Vol. UI. p. 371.
750 Weſt⸗Aſten. I Abſchnitt. 6. 9.
thens Bemerkung, fehr dern des XVI. Jahrhunderts gleichen. Das
in Khofand gefprschene Turki, ſehr verfchieden von der türkis
fhen Sprache in Gonftantinopel (dem Osmanli Turki, das durch
feine Bereicherung mit Perfifch und Arabiſch den Eentralafiaten
ganz unverfiändlich geworden), ift das Dſchaghatai Turki,
das feine feinere Ausbildung unter den Dfehaghatai Khanen, den
Nachfolgern Tſchingiskhans erhielt (f. 06. S. 603) und noch heute
vom Ural bis zum Drus und vom Caspifchen See bis Yarkand
gefprochen, aber aus den Städten haufig durch das Perfifche vers
drängt ift. Die Khofaner verficherten, daß bei ihnen viele Werke
der Turk Dfchagatai Literatur gelefen und bewundert würden
(welche? die Zahl der bekannten Werke diefer Art ift nicht fehr
groß). Die Khokaner rühmen fich rechtgläubige Sunniten, Befol⸗
ger der Obſervanz Abu Hanifahe, d. h. orthodore Korandiener, zu
ſeyn. Sie verabfdyeuen die Shiiten (Perfer) und find fo bigott
wie in Bokhara (was früherhin nicht fo hervorgetreten zu ſeyn
fcheint). Ein Mohteſib geht in der Stadt umher und ertheilt
jedem die Baftonade, den er beim Tabakrauchen antrifftz Wein
und Tänzerinnen find feharf verpöntz dennoch wird im MVerbors
genen fehr viel geraucht und getrunfen, zumal in Kumis be
rauſcht; Dferdefleifh wird auf allen Bazaren verfauft und ges
hört zu den Lieblingsfpeifen (wie in Yarkfand, f. ob. ©. 397).
Leber die politifihen Verhaͤltniſſe diefes Khanats zu dem
Auslande wurde folgende Auskunft gegeben.
Mit dem Souverain von Bokhara und Samarkand, dem
Behadur Shan, Sohn Murad Begs, war Friede und Freunds
fchaft hergeftellt; eben fo beftand gutes Bernehmen mit dem, mäd):
tigen UsbefensChef, Murad Ali Beg, dem Ufurpator von
Kunduz, der fih zum Oberheren von Kunduz, Taf Kurz
ghan, Badakhſchan empor gefhmwungen, und Zürzlich auch
Balkh den Söhnen Kilidfh Ali Khans entriffen hatte (f. ob.
©. 271, 528, 531).
Im Süden des Khanats von Khofand breitet ſich
das weite, noch wenig gefannte Gebirgsland Karategin 210) aus,
das bis im die legtere Zeit von feinen eigenen Landesfuͤrſten
Schah titulirt) beherefcht ward; die fich) nach) der Landesfage
insgeſammt für die Nachfolger Aleranders (von Iskardo bis Wa—
than, und von da durch Badakhfchan bis Kaferiftan, f. ob. ©. 14,
216) W, H. Wathen Mem. I. c, Vol, UL p. 373.
Ferghana, Khokand, nad den Einheimifchen. 78%
18,208, 211, 216) ansgaben. Die Succefflonsfehden der Söhne
des legten diefer Schahs unter fih machten dies Land zu einer
leichten Beute des Königs von Derwaz, eines Tadjik
Prinzen, nah Ausfage der Khofaner, welcher gegenwärtig
noch die Herrfchaft führe. Die fogenannten in die Flucht ges
fohlagenen Nachkommen Aleranders follen gegenwärtig verarmt
umherwandern und von dem Almofen der benachbarten Prinzen
ihren Unterhalt haben. Mehrere verfelben hatten in Botharo⸗
andere in Khokand ein Aſyl gefunden.
Gegen ſchineſiſch Turkeſtan beſtand vor einiger Zeit
Feindſchaft von Seiten Khokands (ſ. ob. S. 476, 528 u. f.); aber
nach wiederholten Fehden ward ein Friede abgeſchloſſen, der allem
Anſcheine nach dauerhaft ſeyn werde. Die Irrungen waren durch
die Rebellionen der Khodjas gegen das chineſiſche Supremat hers
beigeführt, und durch die Bedruͤckung der Anhänger Mohammeds
durch die Ehinefen, weshalb der Khan von Khokand felbft durch
einen Raubeinfall in chinefifch Turkeſtan Antheil an jenen Feh—
den gegen die Ungläubigen nahm, mit Beute aus Yarfand und
Kaſchghar beladen In fein Khanat zuräckkehrte, und fich, wie
fhon oben gefagt ward (ſ. S. 531, Ghazie), den Titel eines Glaus
benshelden beilegte. Nach Beilegung diefer Irrungen ward ein
Gefandter von Baufin (d. i. Peking”), nad Aus
fprache der Usbeken) nach Khokand gefchickt, den Frieden zu uns
terhandeln, der auch unter der Bedingung zu Stande fam, daß
die Mohammedaner jener Gebiete in allen Religionsangelegenheis
ten unter dem Schuge einer Deputation des Khans von Khofan
ftehen follten. Dafür follte ihm ein Antheil am Durchgangszoll
der Waaren abgetreten werden, wogegen er fih verpflichtete, die
räuberifchen Grenz »Kirghifen im Zaum zu halten, und fünftig
bei etwa wiederholten Nebellionen in chinefifch Turfeftan den Chis
nefen beisuftehen. Durch Embafladen und gegenfeitige Gefchente
zwifchen beiden Mächten ift diefee Tractat fanctionirt worden,
Auf chinefifcher Seite Toll der legte Gouverneur von Kaſchghar,
der Yunis Wang, ein Mohammedaner ſeyn (die noch neuere
Nachricht der Pilger aus Yarkand vom Yahre 1835 nennt den
Gouverneur einen Usbeken Chef, der aber nicht mehr den chinefis
ſchen Titel eines Vang führe, f. ob. ©. 414).
Das politifche Verhältniß zu Rußland!E) mache den Ber
27) W. H. Watlen Mem. l. c. III. p. 375. 18) ebend, p. 374.
782 Weſt⸗Aſten. I. Abſchnitt. 6. 9,
ſchluß dieſer Ausſagen der Khokaner. Als Grenze gegen das
tuffifhe Reich fen, gegen die Gouvernements Orenburg
and Tomst hin, der Kuk Su anzufehen (d. h. blauer Fluß
bei den Usbeken; wahrfcheinlich der Irtyſch, ihrer Anficht nad),
obgleich die ruffifchen Gebiete noch weit füdmärts felbft über den
Iſchim, und bis zum obern Laufe des Tſchui, ſich in die
Steppe der Kirgis Kafafen ausbreiten. Wegen der Hors
den der Iegteren, welche bald vor, bald rückwärts fehritten, habe
ſtets Lnficherheit der Grenzen Statt gefunden, bis vor 6 oder 7
Jahren (alfo 1827 oder 18287), deshalb ruffiihe Geſandte aus
Drendurg mit Gefchenfen vom Auf Khan (d. h. Weißer König,
der Titel des Zar) in Khofan eingetroffen. Sie brachten fehr
große Siegel, Glocden, Kanonen, Piftolen, Feuerwaffen als Gas
ben dar. Mach einigen Negociationen fey der Kuk Su als
Grenzfluß zwifchen beiden Staaten beftiimmt worden; die ruflis
ſchen Koſaken follten im Norden deffelben‘bleiben, die Völker von
Khokand auf deſſen Süpfeite. Wachtpoſten feyen deshalb längs
der Grenze errichtet worden. Aber feit drei Jahren follen die
Ruſſen diefe Grenze dennoch überfchritten und auf der Süpfeite
Forts errichtet haben, worauf der Khofand Khan eine Embaflade
mit einem Elephanten und einigen chinefifhen Sclaven zum Ges
fchent an den Auf Khan nach Sanct Petersburg geſchickt habe,
woruͤber aber noch feine Antwort zuruͤck erfolgt fey. —
Ueber den Handel zwifchen Khofand und hinefifh
Turkeſtan ift, nach diefen Ausfagen, fhon oben (S. 469) die
Rede gemwefen. Die Noute von da über Tübet und Kaſch—
mir, fagten die Mekka Pilger, fen verboten (wahrfcheinlich durch
Chinefend. Die Shawls und andere indifche Handelsartifel kom—
men daher auf Ummegen Uber Kabul, Balkh und Bokhara nach
Khofand.
Durch die Taſchkenter RKaramanen?!?) ſteht Khokand
mit den Ruſſen in Verkehr; in Taſchkent vereinigen ſich die
Kaufleute mit ihren Waarentransporten, aus Khokand und Bo—
khara, zu einer Karawane, die ſich in Turkeſtan theilt, und
theils gegen N.D. nah Omsk am Jrtyfch ?) in Sibirien zieht,
theus gegen NW. nah Orenburg am Ural. Sie führt di:
21°) W. H. Wathen Mem. 1. c. Vol.1Il: p.377. 20) Ueber einen
Weg von Khokand nad) Semipalatinsk am Irtyſch nad Ausfage
eines Koſaken, f. v. Ledebour Reife im Altai Th. I, p. 424 — 425.
Ferghana, Khokand, nad) den Einheimiſchen. 783
neſiſche Waaren mit fich, nebft roher Seide, Kamlots, baummob
len Garn, und bringt dagegen ruſſiſche Waaren, zumal Pelze,
Feuerwaffen, Schlofferwaaren, Schneidewaaren, Leder und allerlei
ruſſiſche Manufaeturarbeiten mit zurück, Die Münzen in Khor
kands Handel find gegenwärtig? Gold Tillag, zu 8 Rupien an
Werth, und Eleine Silbermünze, Tunkha (Tengha,
Tanga, f. ob. ©. 394, 468, 519 u. a. O.), etwa von Z Nupie
an Werth. Die Kuffen waren die einzigen Feringis (Franken,
d. i. Europäer), welche die Ehofanifchen Mekfas Pilger Eannten,
Der Name der Engländer und des englifhen Gouver—
nements war ihnen noch gänzlich unbefannt geblies
ben, ein Beweis der merfwärdigen Abgefchiedenheit
des centralen Khofand von der ganzen übrigen Welt.
Vor den Seikhs, den Feinden der Moslemen, hatten fie Abfcheu,
Sie fiaunten faft Alles an, was fie in Bombay Neues zu fes
hen befamen; fie meinten, hier fey vieles wie in Yarkand (ſ. ob.
&.397). Das Dampffchiff hielten fie für ein magifches Wes
fen; ein Kriegsfchiff, das vor Anfer lag, ſahen fie nicht für
ein Schiff, ſondern für eine im Waſſer erbaute feſtſtehende Holz⸗
feſtung an. Das größte Fahrzeug, das fie in ihrer Heimath ges
fehen, war die Fähre auf dem Oxus; das Wort für Schiff fehlte
ihnen. Die Kanonenfchüffe, die Gasbeleuchtung und vieles ans
dere war ihnen Magie. Sie luden ihre neuen Bekannten, die
Engländer, in ihre Heimath nad) Khofand ein, wo fie ihnen ſchon
behülflich feyn würden, in das Gebiet des Khafhan nah Kas
thai (andere Worte für den Kaifer von China hatten fie nicht,
vergl. ob. ©. 468) vorzudringen. Ihre Kleidung war ein flies
fend Gewand, mit Unterfleid und weiten Pantalons, durch Ie
derne Gürtel um den Leib gehalten, die Kopfbedeckung eine Eleine,
zunde Hermelinmüse, die Fußbekleidung Stiefeln von Chagrin;
ihre Waffen waren chinefifche Schwerter, Musfeten mit ruſſiſchen
Schloͤſſern und Dolche. Sie erzählten, daß es feit 3 bis 4 Zah:
ven in Khofand furchtbare Erdbeben gegeben habe (mie in
Turfan, in Badakhfchan und Lahore, f. ob. ©. 467, 57); auch
hatte die Cholera Morbus bis hierher ihre Schreden verbreitet.
Die Usbeken, fo ſchließft W. H. Wathen feinen Bericht, find
ein tüchtiges Volk, den Europäern in Sinn und Art viel näher
verwandt, ald die Perfer und andere Afiaten.
784 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 9. %
Anmerkung Khokandſche Maafenad &. v. Kloſtermann
in Orenburg.
Als Zuſatz fügen wir hier, nach A. v. Kloſter manns, in Oren⸗
burg, Mittheilungen an U. v. Humboldt, die genaueften Angaben über
die khokanſchen Münzen und Maafe bei, als neue Daten, bie
man anderwärts vergeblich fuchen möchte, welche aber für den ruffifchen
Handel und für neuere Reiſende in jene — von einigem Werth
ſeyn moͤchten.
J. Münzen: 1) Gold: Tilla reines Gold 1 Solotnik an Ge⸗
wicht, ku 100 Holl. Ducaten = 75 Zilla, 2) Silber: Tanga, von
Eilber 3 Solotn, 1 Zilla = 22% Zanga, 3) Kupfer: Karapul,
3 Sol, 1 Zanga’= 24 Karapul; an Gewicht unbejtändig, weil biefe
Münze fehr oft umgeprägt wird, fo daß 1 Zanga an 30, 35 bis 40,
felöft 50 Karapul Halten Tann, Alle diefe werden in Khokand gemünzt.
Die beiden erfteren Gold= und Silbers Münzen rund, bie lestere, die
Kupfermünge zumeilen auch vieredig, auf der einen Seite mit des Khans
Mamen, auf bem Revers mit der Jahreszahl bed Gepraͤges. —
1. Das khokanſche Gewicht heißt: 1) San Mfkal, obere
1 Solotnik khokaniſch = 1 Solotn, Ruff. 2) Birr Payffa = 4%
Sl. Ruf. 3) Dihigarma — 20 Payffa oder 1 Pfund khokaniſch
= 914 Sol, Ruf. 4) Nümtfhad — 400 Payſſa = 20 Pfund
tot. — 19 Pfd. 1 Sol. Ruſſ. 5) Tihifhat = 800 Payfa = 1.
Pud khokan. — 38 Pfd. 2 Sol. Aufl. —
11. Khokaniſch Getränf-Maaf: Wein, Branntwein, Böfa
(eine Art Bier, das nicht Öffentlich verkauft wird, aber privatim in gros
en Lehmkruͤgen verfchankt wird, in 1) Raßmy, hält = 4 Eimer, ko⸗
fiet 4 Tanga Silbez 2) Kufa = 2 Eimer koſtet 2: Zang, Silb. Ruſſi⸗
ſche gläferne Stöfe(?) und Halb= Stöfe find als Maag üblicher, Fuͤr
1 Stof Branntwein zahlt man 4 bis 5 Rubel Ruf. —
IV. Ellenmaaf: Zu Zeugen von Baummolle, wie bei
Dab und Bäf, braucht man die hölzerne Krons- Elle, Kare genannt
= 2% Yrfdin. Bu Seidenzeugen bie eiferne Krons- Elle, Temyr
Kare genannt, — 21 Arſchin. — Die Wege find ungemeffen. Die
Entfernung der Stationen auf großen Diftanzen, wie von Taſchkend
und Morgland (Marghilan?) zählt man nad Tagefahrten, zu 2,
3 auch 4 Stationen; eine Zagefahrt geht bis zu 60 ruffifche Werft (et⸗
was über 8 geogr, Meilen). In den Städten des chineſiſchen Zurkeftans
von Kaſchghar an circulirt [on chinefiſche Minze, —
7
Der Alpengau Badakhfchan am obern Gihon. 785
5. 10,
Erläuterung 2%
Badakhſchan (Patakhiſchan oder Pataheſchan bei Chineſen),
das obere Stufenland des Gihon (Oxus); das moham⸗
medaniſche Khanat der Gegenwart mit ſeiner naͤchſten Um⸗
gebung, dem Alpengebirgslande und deſſen Kafir- und
Tadjik-Bewohnern.
Ueber den Alpengau von Badakhſchan, im obern
Stufenlande des Gihon (Oxus), ſind wir in aͤlterer wie in
“ieuerer Zeit immer weniger unterrichtet geblieben, als uͤber das
‚alpine Ihalgediet des obern Sihun, weil durch diefes, die große
Sarawanenfiraße Iransorianas fihon zu Ptolemäus Zeiten zu
den Seren, an dem Quellſtrome des Jaxartes vorüber, nach Se—
rica (Dtolem, VI. 12)2°1) hinaufftieg und eben fo hier, eine
Hauptftraße durch alle Jahrhunderte des Mittelalters für Oft:
und Weft:Afien geöffnet blieb (f. 06. ©. 476— 486), indeR die
füdlihe Badathfhanroute durch die Orusthäler und Berg:
höhen, fey es über Pamer, oder Kartfhu, und den Sa—
erithma (f. ob. ©.487—506) an fich weit befchwerlicher durch
die Höhen ein gefchloffener Winkel erfcheint, durch wildere
und minder ceultivirte Alpenthäler führt, und durch die Politik
der Nachbarherrfcher, wie durch die heidnifch gebliebenen Gebirge:
völfer der Kafirn und anderer minder befannt gewordenen Voͤl—
kerſtaͤmme, ftets die größten Hemmungen erlitten hat. Indeß
felbft die Wegelagerer der nördlichen Sihun; Straße, die Turf,
doch allmälich zu der Lehre des Koran und dadurc zu einer gez
regelteren Civilifation uͤbergingen, das nördliche Turkeſtan dadurch
gangbarer wurde, blieb Tokhareftan, f. ob. ©. 694 u. f., oder
der. füdliche Theil Weſt-Turkeſtans, im obern Oruslande
einem großen Theile nach von den Nachbarftämmen der ungezuͤ—
gelten Kafern bewohnt, zwifchen welchen nur weniger einheimis
ſche, civiliſirtere, mohammedanifche Herrfchaften, unter denen Bar
dakhſchan als die einzige bedeutendere erfcheint, emporkfommen
fonnten, die ſtets in Fehde mit ihren Umgebungen fich erhalten
221) K. Mannert Geogr. der Griechen und Römer Th. IV. 1795.
©. 460, 478, 513, Ukert Geogr. der Griechen u. Römer, &. i.
©2238 — 230,
Ritter Erdkunde VIE, Ddd
756 Weſt⸗Aſien. 1. Abſchnitt. $. 10.
mußte, weil fie diefelben nie durch den Koran zu unterjochen im
Stande war. Kein Sultan Baber führt ung, im Mittelalter,
belehrend in diefe Landfchaften ein, um die Vorgänger durch feine
Angaben, etwa wie in Ferghana, verftehen zu lernen, und die
nachfolgende Usbeken⸗Geſchichte von Bokhara hebt zwar gegen das
Ende die wachfende Bedeutung von Badakhſchan durd) feinen
heldenmüthigen und getreien Vaſallen Bokharas, durh Mos
hamed bi Atale£???) hervor, ohne jedoch Uber das Land ſelbſt
Auffchluß zu geben. Seit Marco Polo und den Pater Ben
Goes hat fein Europäer wieder als Augenzeuge diefes Land be,
fehrieben, von dem nur aflatifche Kriegsberichte aus der Ferm
reden, oder Naubhorden, oder Handelslente, welche von da die
Sclaven, die Nubine und den Lafurftein auf die Bazare der Mus
felmänner bringen, oder gegen diefe Waaren andere eintaufchen,
1. Nah Ebn Haufal und Edrifi im N. und XIL
Sahrhundert.
Ebn Haufal (950) zählt Badakhſchan 2?) unter den |
Gebieten von Balkh auf; er weiß, daß hier der Gihon ent
fpringt, der die Wafler vieler andern Bergftröme aufnimmt; daß
die Umgebungen diefer Stadt gut bebaut find, das Gebiet fehr
volfreich voll Gärten an den Flußufern, die Berge voll trefflicher
KHeerden, und in ihnen Rubin (Laal) und Lapis Lazuli (Laja—
werd) Gruben. Von Badakhfchan erhält man vielen Mofchus;
von da bis Balfh find 13 Iagereifenz bis Taikan oder Tali:
fan 7, dann 2 nach Valein, 2 nach Khulm und 2 nah Balkh.
Diefes Badakhſ han liegt an der Suͤdoſtgrenze von Mawar al
nahar. — Dies ift Alles was von ihm darüber berichtet wird. —
Edrifi (1150) rechnet Badakhſchan 2% ebenfalls zu
Balkh, deſſen Route nad) Tofhareftan durch diefe Stadt führt,
die an ſich nicht groß ift, aber ein fruchtbares und weites Gebiet
hat, mit vielen davon abhängigen DOrtfchaften, deren er 12.auf:
zahlt: 1) Hulm (d. i. Khulm), 2 Semendjan, 3) Tha”
lan, Sefelfend, 5) Waramwalin (Balein), 6) Ezheru:
22?) Jos. Senkowski Abreg@ de l’Histoire de la Demination des |
Uzbeks d’apres le Tezkin Mouquim Kbani de Mouhamed Youssouf °
el Mounschi etc.. St. Petersbourg 1824. 4. p. 50 etc.
23) Oriental Geograplı. ed. W. Ouseley I, c. p. 223, 238, 235, 228, f
230, 232, 276. ®*) Edrisi Geogr. ed. Am. Jaubert, Paris 1856. |
4. pP» 473, 478.
-
Badakhſchan nach Ebn Haukal und Edriſi. 787
zewan, 7) Talefan (Talighan b. X. Burnes), 8) Seki—
met, 9) Warwafer, 10) Houfeb, 11) Anderab (änderad),
12) Andrufa,
Von Balkh nah Warmwalin (wol Valein bei Ebn Haus
kal) eine angenehme Stadt, mit Handel, find 2 Tagereifen; von
da nad Talefan (das heutige Talighan) eben fo viel.
Diefes?) Talekan, verfchieden von einem zweiten gleiche
namigen,. das aber im Weft von Balkh an der Hyrkanifchen
Kette gelegen iſt 26), fagt Edrifi, fei nur ein DViertheil fo groß
wie Balkh. Es habe Erdwälle zu Stadtmanern, und Steinhaͤu—
fer mit Kalk aufgeführt; es liege am Ufer eines großen Fluffes
(Akfurrai nach U. Burnes, ein Südarın des Orus), in einem
Thale, wo viele Weinberge; es habe Bazare, viel Handel und Ge:
werde. Hulfı (das heutige Khulum, f. ob. ©. 255, 271) wird
wie Warmwalin befchrieben. Anderab (das heutige Snderab
in Kaferiftan, f. ob. ©. 207, 253, 310) fey, 4 Tagereiſen von
Badakhſchan, am Fuße eines Berges erbaut, wo man die Sils
bervorräthe aufbewahre, die man aus Hariana und Bends
jehir erhalte (Bergorte im Hindu Khu mit Silbergruben?
obiges Bangahir bei Bamiyan, f. ob. ©. 276, oder Penjhir—
Paß ob. ©.252, oder eine Localität, die beides vereint), Anz
derab liegt am Verein der beiden Bergflüffe Anderab und Kia—
fan; es ift von fihönen Gärten, Obfipflanzungen und Weinbers
gen umgeben, Drei Tagereifen fübiwärts von Anderab liegt Has
riana, ein Kleiner Ort, am Fuß eines Berges, am Ufer eines
Fluſſes der feine Quelle bei jenem Bendjehir hat; diefer dient
dem Orte zur Bewällerung; er durchfegt ihn, bis Carwan, zwei
Tagereifen weiter füdwärts, dem erſten Marktorte, wo er in das
Gebiet von Indien kommt, und zum Nahrwara (wol von
Bare und Nahr, d.i. Waſſer, einer der vielen Indus-Namen,
f. 06. ©. 172) fließt. Er ift alfo wol ſchon ein füdlich abfallen- _
—* Strom des Hindu Khu zum Kabulſtrom, und das Gebiet
on Badakhſchan reicht alfo, in diefer Direstion, in diefen dar
mals fchon gebahnten und benutzten Iheil des Hindu Khu hinein,
8 muß eine fehr öde, wilde Gegend der Hochalpen feyn (wol
en jener Daß durch das Penjher- Thal), da Edrifi fagt, die
ewohner von Hariana befigen weder Baum- noch Obfigarten,
25) Edrisi I. c. p. 475. 20) ebend. p. 468,
Ddd 2
788 Welt Aften. I Abſchnitt. $. 10.
fie bauen nur wenig Gemuͤſe, ihr Geſchaͤft iſt der Bergbau);
man kann nichts Vollkommneres ſehen als das Metall aus den
Gruben von Bendjehir. Dieſes letztere, eine Tagereiſe fern
von Hariani, ſey eine kleine Stadt, deren Bewohner beruͤchtigt
durch ihre Wildheit und Roheit, aber wie die von Hariana ger
ſchickt, und fleißig in der Gewinnung und Ausbeutung ihrer Grus
ben und Schmelzen. Auch Bamiyan (immer Namiyan bei
Edrift genannt) wird dann auch als die hoͤchſte Bergftadt ger
nannnt, von der fchon früher die Rede war (f. ob. ©. 271), die
aber wie eigentlih auch jene Silbergruben ſchon innerhalb der
Ketten des Hindu Khu gelegen find, alfo außerhalb Badakhſchan,
das im engeren Sinne erft an deſſen Mordabhange mit Anderab
beginnt,
Bon diefem Badathfhan, im engern Sinne, fagt
Edrifi, daß die Stadt durch ftarfe Erdmauern vertheidigt werde,
dag fie am weftlichen Ufer des Khariab (wol Kokſcha d) erbaut
fen, an einem der bedeutendften Zuflüffe des Gihon. Sie habe)
Bazare, Karamanferais, Bäder und viel Handel. In den Bers
gen werden edle Steine, Rubine, feurigrothe und von granats'
farbe (Balais), viel Lafurftein und andere, die anderwärts
nicht fchöner gefunden würden, gewonnen; die Berghöhen nähren
reichliche Heerden von Pferden und Maulthieren. Nach Badakh—
ſchan bringe man viel Mofchus von Wakhan in Tübet,
2. Nah M. Polo (1280).
Daß diefer edle Venetianer in Badakhſchan wol bewandert
war, willen wir aus feiner Befteigung des hohen Pamer, aus
dem Oxusthale aufwärts (f. ob. ©, 500-503),
Sein Baudascia, oder Balafhan, nach den verfchies|
denen Ausgaben feiner Reiſen, ift eine vom großen Mongholen
Kaifer abhängige Provinz, die von Mohammedanern bewohnt
wird. Schen vor ihm hatte ein Sohn Hulaku Khans, Nugo—
dar23), mit einem Kriegshaufen von 10,000 Mann, einen Heez]
reszug durch diefes Balafılan nad Kefimur (Kaſchmir) gemacht,
um in Indien einzufallen, wobei er großen Verluſt an Menſchen
227) Edrisi I. c. p. 476—478; vergl. Oriental Geogr. p. 231, 233.
2») M.Poio ed. Marsden Lib.1. e. 14. p. 86. u
Badakhſchan nah Marco Polo, 789
und Vieh erlitten. M. Polo ſelbſt fcheint auf mundervolfe 29)
Weiſe diefes Land befucht, und nach feiner eigenen Ausfage ſich
daſelbſt laͤngere Zeit verweilt zu haben, daher er auch hier mehr
in die einzelne Angaben über dieſe Berglandfchaft eingeht. Sie
macht ein weites Königreich aus, das fich 12 Tagereifen in die
Ränge ausdehnt, und von Erbfürften in regulairer Succeffion ber
berrfcht wird, welche insgefammt von Alerander dem Großen
(Zulcarnein), durch des Darius König der Perfer Tochter, abzus
ffammen behaupten; weshalb ſich auch alle den Titel des Zulcars
nein beilegen (f. ed. ©. 208, 210, 216, 218, 398). — Diefelbe
Erzählung hat ſich bis heute in jenen Gegenden erhalten; interefs
fant wäre es zu wiffen, wie weit fie noch von M. Polo an rück
wärts zu verfolgen feyn möchte. In diefem Badathfhan
(fets Balafhan, oder Balariam bei Ramuſ. genannt) giebt
es Eovelfteine, zumal den BalaffsRubin (balasci, balassi bei
Memuf.) von fchönfter Qualität und größtem Werth in den Berz
gen; doch werden fie nur in einer Grube zu Sitinan (ob Se
Einch bei Wekſh, nah Ebn Haukal, wol das heutige Cheghanian,
oder Shugnaun)?) gegraben. Man fucht fie wie das Gold oder
Silber; nur von da find fie zu erhalten, bei Todesſtrafe auf Feine
andere Weife, und auch da nur mit Erlaubniß des Königs. Da
man fie nicht kaufen kann und ohne Erlaubniß nicht aus dem
Sande führen darf, damit fie in hohem Mreife bleiben, fo pflegt
der König fish ihre Vergabung an Fremde allein vorzubehalten.
Könnte Jedermann danad) graben und fie ausführen, fo würden
fie bald ſehr im Preife fallen, da fie fid dort in Menge vorfins
den. Als Geſchenke verfendet fie der König auch an andere Kös
nige und Prinzen; mit einigen diefer koſtbaren Edelfteine zahlt ı
er den Tribut am feinen Oberherrn (d. i. der Mongholen Kaifer);
einige vertaufcht er gegen Gold, und diefe dürfen dann ausges
führt werden. Auch Lapis Tazuli in Adern (Azzurro bei Ras
mufio) finden fi) hier, dayon man Ultramarin bereitet, das
fhönfte dee Welt, Auh an Silber, Kupfer und Bleis
geuben if das Land fehr reich. Es ift kalt, es nahrt aber ſehr
vortreffliche, ungemein flüchtige Pferde, deren Hufe fo hart find,
dag man fie wicht erft zu befchlagen braucht. Sie galloppiren
2») M. Polo ebend. Lib. I. ch. 2, Sect. IV. p. 26 Not. 45 p. 27 'und
Lib. I. c.25. p.129— 134; derſ. bei Ramusio Ed. Venetia 1983.
fol, T. u. c. 25. ꝑ. 10. 20) Oriental Geogr. 1, ©. p. 239.
790 Weſt-Aſien. 1. Abſchnitt. 6. 10,
die fteilften Berge hinab, wo fein anderes Vieh zu laufen wagen
würde. Auch noch vor kurzem foll es Folen von der Race des |
Bucephalus des Alerander (Zulcarnein) gegeben haben, die ein
Mahl an der Stirne gehabt. Nur der Oheim des Königs war |
im Befiß diefer feltenen Race; da er feinem Neffen feine davon
abtreten wollte, ward er hingerichtet, worauf feine Wittwe aus
Rache die ganze Racçe vernichten ließ (ſeltſames Mährchen, erin⸗
nernd an die Erzählung von den blutfchwisenden Pferden der
Ta Wan, f. 06. S. 638 — 641), In den Bergen Badakhſchans
giebt es fehr fohöne Falken (Falconi sacri bei Namufio, Falco
sacer Linn.), auch Janeri (? F. lanerius), trefflihe Habichte
(Astori b. Ramufio) und Sperber -(Sparvieri), Die Einwoh⸗
ner verftehen fich auf die Jagd, auf Wild und Geflügel (wie
ihre Gebirgsnachbarn, f. ob. ©. 312), Guter Weisen und
eine fehr gute Art Gerfte ohne Grannen (orzo senza scorza,
wie Linnes hordeum nudum ) wird dort gebaut, aber fein Del
von Dlivenbäumen gewonnen; dagegen aber von Nüffen (wol
Wallnüffen) und Sefam (Sesamum orientale), deffen Saame, etz
was heller als Flachsſaat, fehr gutes Del giebt, Das Bergland
Badakhſchan bietet fehr- viel enge Bergpaffagen. und ſtarke
Mofitionen dar, welche das Eindringen des Feindes gar fehr er—⸗
fhweren. Die Bewohner feloft find gute Gäger, treffliche Bogen⸗
fhügen; fie Egiden fih in die Felle wilder Thiere; andere Zeuge
zu Belleidungen find bei ihnen felten, Ihre Berge geben eine
ungemein reichliche Alpeniweide für die Schafe (montoni selvatichi,
f. 06. ©. 490, 502); man fieht diefe in Menge in Heerden von
400, 500 bis 600 Stuͤck wild umherziehen, und fo viele ihrer
auch davon erlegt werden, in. der Zahl merft man feine Abnahme.
Ihre Gebirge find fo hoch, daß man vom frühen Morgen an den
ganzen Tag bis zur Macht braucht, um fie zu erſteigen; dazwi—
fhen breiten fich große Ebenen mit Grafungen und, Wald bedeck
aus; große Ströme mit den reinften Waffern durchfirömen nach
allen Seiten ihre Felsklüfte, und herbergen herrliche Forellen und
die delicateften Fifche. Auf ihren Berghöhen find die gefundefte
Lüftez wer in den Ihälern und Städten an Fiebern oder Ents
zündungen erkrankt, und ſich auf die Berghöhen begieht, gefunde
dafeldft in drei: bis vier Tagen, M. Polo, der ein ganzes Jahr
gekraͤnkelt hatte, erfuhr dies an fich- eis, durch eigene Erfahrung
und gefundete in dortiger Bergluft. Die Frauen der vornehmer
Claſſe haben in ihrer Tracht feltfame. Gebräuche; fie tragen eit
*
Badakhſchan nach Abulfeda und Sultan Baber. 791
Unterkleid zu dem ſie 60, 80 bis 100 Ellen feines Muſſelinzeug
(bambasina ) verbrauchen, um es in unzählige Falten zu legen,
‚um dadurch ihre Hüften zu erhöhen, da man die höchften Hüften
Pofchen) für die fchönften hält. —
So weit des Venetianers umftändlicher Bericht, deſſen In—
halt von vielen nachfolgenden Befchreibern Badalhfchans nur
wiederholt wird.
3. Nach Abulfeda (1345); Bakui (1403); Scheriffed:
" din; Sultan Baber (1500).
Abulfeda 221) wiederholt nur bei Badzahbfhan was
Ebn Haufal gejagt, und fügt hinzu, Zobeidah habe dafelbft eine
fehe ſtarke Gewundernswerthe Fefte erbaut, als äußerfte Grenz:
wacht gegen die ungläubigen Turk; aus diefem Sande gewinne
man den Lazurfiein und Ol Bellaur (Beryll nach Reiske, oder
Hyazinth; Rubin nad andern).
Bakuis) (1403) wiederholt nur die Erzählung, von den
Falken und den guten Kletterpferden in Badakhſchan; Sche—
riffeddin 3) gedenkt, bei der Einnahme des berühmten Fels—
ſchloſſes Kelat in Beludfchiitan, durch Timur (im Jahre 1382),
eines. Corps von Felskletterern aus Badakhſchan, wel
de in diefer Kunſt alle andern Voͤlker übertreffen follen und
Wunder leiſteten; wobei man an die tollfühnen Felskletterer bei
Erfteigung der. fenkrechten mit Schnee und Eis behangenen Steil:
wände der fogdianifchen Felsburg (Petra Sogdiana) zu
Aleranders Zeit erinnert wird, welche nach Arrian (De Exp. Ale-
xandr. IV. 18 und 19) für. das legte Aſyl feiner Feinde gehalten
und von. dreihundert Kletterern mit Steigeifen erftürum ward,
Eine nicht minder ſchwer zu exrobernde Felsburg in diefem Yande
wird von Kfchingisthan, der Badakhichan im Jahre 1219 eros
berte, über 6 Monat lang belagert, doch zuletzt erſtuͤrmt; fie lag
im Gebirgsgau Taletan, und wird Nuſſret Kuh’), d. i.
Wietoriar Berg genannt,
as) Abulfedae Geogr. Tab. XXVII, ed. Reiske in Buͤſching Hiftor.
Magazin Th. V. 1771. p. 352. 22) Bakui in Notic. et Extr.
Paris 4. T, II. p. 511, 513. * ®®) Cheriffeddin Hist. de 'Timur
‚Bec Trad. p. Petis "de la Croix. Delft, 1723. &. T.1. Liv. I.
ch, 37. p. 345. 4) Hist. des — Paris 1824. 8. T. I.
p- 208.
792 Weſt-Aſien. I Abfchnitt, $. 10,
Sultan Baber giebt leider gar Feine fpecielle Nachricht über
Badakhſchan, nur unterläßt er es nicht von deflen Königen die
feltfame Mähre anzuführen, daß fie ihre Ahnen auf den Ser
fander FilfEus25) (d. i. Alerander, Sohn des Philippos) zus |
ruckführten, worüber W. Ersfine bemerkt, daß man darunter
vielleicht am füglichften eine Nachfommenfchaft von einem Zweige
des nachfolgenden bellenifch s baktrifchen Königshaufes zu dens
fen babe.
4 Patakhiſchan oder Pataheſchan nah neuern
hinefifhen Berichten (feit 1759).
Wenig Aufklärung ift durch Chinefen über ein Land zu ers
warten, in das fie feldft nie eindrangen, das nur ihre Politik zu
erfpähen begann, als ihre Rebellen in Badakhſchan ein Afyl fuch-
ten (f. ob. ©. 520 u. f.).
Das Siyuwenfian Io fagt davon, es fey ein mohams
medanifches Neich, in das man meftwärts von Yarkand in 30
Tagereifen gelange. Das Erdteich ſey fett und fruchtbar; die.
Wohnungen beftehen aus feftgeftampfter Erde, die Einwohner les
ben vorzüglich vom Aderbau und lieben die Jagd; doch giebt es
auch Hirten bei ihnen. Ihre Tracht ift wie in Terghana, ihre
Fürften nennen fih Han (Khan); fie find fehr ausfchweifend.
Das Land bringt * Bohnen, Baumwolle, Gurken, Obſt, edle
Steine und Gold. Die Geſchichte der fluͤchtigen Khodjas vom
Jahre 1759, auf welche das Si yu wen kian lo eingeht, iſt ung
aus obigem befannt; nur ein Factum ift uns darin noch neu,
wobei freilich die genauern Angaben fehlen. Obwol die rebellis
fhen Khodjas felbft in Badakhſchan ihre Ende fanden, fo gelang
es nach diefem chineſiſchen Berichte doch dem Prinzen eines der
Khodſchas, Dulatün genannt, mit 1000 feiner Anhänger. aus
Badakhſchan zu Timur Schah nad) Kabul zu entfliehen, der fie
hülfreih aufnahm. Es entftanden zweijährige Fehden zwifchen
Kabul und Badakhſchan, wobei des legtern Bewohner eine große
Niederlage erlitten, und das Land von den Afghanen faft ganz
verheert ward, Die Badakhfihaner wurden in fehr großer Anz
zahl als Gefangene weggeführt; die unglücklichen Ueberrefte fams
melten fich feitdem zwar wieder, aber das Land ward ſehr ent
3°) Sultan En Mem. ed. W. Erskine l. 0. p.13 cbend. Remarks
l. ce. p XXX
Badakhſchan nach Ehinefen und Ruſſen. 793
völfert. Von folchen Kehren ift auch bei den nachfolgenden ruſſt⸗
Ihen und britifchen Berichten die Rede.
Die chineſiſche Reichsgeographie, Edit, Peking
1790 36), behandelt Badakhfchan nad) den Verhandlungen Kaifer
Khienlongs mit deffen Sultan nad) der Khodja Rebellion wie
ein tributaires Königreich, das erſt unter der Ming » Dynaftie
unter dieſem neuern Namen (f. 06. &.708) befannt ward. Dex
Beitgenoffe Kaifer Khienlongs aber, der Sultan Schah des Lanz
des, heißt es, wurde genöthigt die Nebellen auszuliefern, und fich
mit 100,000 Familien an die Chinefen zu unterwerfen; fein Land
wurde mit in die Grenze des chinefifchen Meichs eingefchloffen,
ivie ‚das ihm benachbarte Bolor mit feinen 30,000 Familien,
Im Sahre 1760 brachte eine Gefandtfchaft aus Badakhſchan
dem Kaifer von China 8 Meitpferde, 1761 beftand der Tribus
aus Schwertern und Streitärten, 1763 aus den Gebeinen des
Diebellen Boronitu, fammt denen feiner Frauen und Sinder.
‚Ueber die frühern Zeiten Badakhſchans, wo es noch Utſcha
bei den Altern Chinefen hieß, ift hinreichend die Rede gewefen.
Neuere Chinefens Berichte darüber find uns nicht bekannt.
5. Badakhſchan, nah neuern ruffifhen Berichten,
bei v. Meyendorff (1820) und Timkowski (1821),
v. Meyendorffs Erfundigungen in Bokhara über Bas
dakhſchan find nur Färglich ausgefallen; fle berühren mehr die
Nachbarn, als das Land felbft, über defien Bewohner wir unges
mein im Dunkeln bleiben. Die Capitale des Khanats von
Badakhfihan, das gleich mit der erſten Befisnahme der Usbefen _
von den Ländern zwifchen Sihun und Gihon, feit 1500, eine
Provinz Scheibani Khans, des Gründers des Usbekenhauſes
zu Bokhara geworden, feitdem faft ftets mit Balkh gemeinfchafts
lich einem befondern Statthalter oder Khan untergeben war,
wird, außer Badakhſchan, auch Feizabad®) (Fyzabad,
wol nur ein Ehrentitel derfelben Nefidenzftadt) genannt. Diefes
liegt am Ufer des Badakhſchan-Fluſſes (Koffu), der eis
nen füdlichen Hauptarm des Orus ausmacht. Obwol ein bedeus
tendes Khanat liefert diefes doch gegenwärtig außer Sclaven fein
36) Thai thsing ythoung tschi in Magasin Asiat. Paris 1825. T. I.
p- 90. 37) Fezkiri Mouquim Khani etc, Hist, des Uzbeks
J. Senkowski l. c. p. 20 etc. ss) G de Meyendorff Voy: à
Boukbara Paris 1826, 8. ed. Am, Jaubert p. 131 - 134.
794 MWeft-Afien, I. Abſchnitt. F. 10.
anderes Product in den Handel, ald nur Lapis lazuli. Dies
Alpenland liegt außerhalb der gegenwärtig frequentirten Handels:
touten, Daraus, daß von da, gegenwärtig, die Verbindung mit
Kaſchmir nur über Kaſchghar, auf der Nordroute, oder
über Pefchbaver, auf der. Suͤdroute, Statt zu finden pflegt,
fchliegt v. Meyendorff, daß die directeffe Route dahin
(fie würde durch Gilgit und Iskerdu gehen, f. ob. ©. 14, und
das wildefte Kafir-Gebirgsland des vereinten Hindu Khu, Himas
laya und Belur Tag durchfegen müffen) auch impracticabel fey.
Ringum ift das mohammedanifche, beherrfchte Badakh⸗—
fhan durch feine noch nicht zum Islam befehrten Gebirgsnachs
barn, in eine fortwährend E£riegerifche Stellung gebracht; daher
wol vorzüglich die Unwegfamkeit feiner Umgebungen, Die Sias
pufc, die ihm im Sud und Suͤdoſt das Hochgebirge bewohnen
(f. ob. ©. 205— 213, nach Elphinftone, Burnes und andern
Erfundigungen von der Südfeite), hörte v. Meyendorff in
Bofhara, alfo von der Mordfeite, wo man fie aber nur, wie in
Kabul, nach den Friegsgefangenen Sclaven, die von daher auf,
die Märkte fommen, kennen mag, auh Siknan nennen (f. ob. |
Sifinan, oder Sefinah b. Abulfeda und Ebn Haufal, wol
Syghan, ob. ©. 259), deren Land man von Khulum nach Pes |
fchaver (Kaferiftan) durchfegen mäffe Von Khulum geht der
Weg nah Kunduz und von da zu ihrer Hauptftadt Tſchetrar
(offenbar Chitral, f. 06. S. 193; er ift aber fo befchwerlich daß
er nur fehr felten einmal bewandert werden kann. Mit diefem
Bergvolk, noch Halbnomaden, Halbwilde, in ſchwarze Hammel
felfe gekleidet, ift der Khan von Badakhſchan fehr haufig in Krieg,
die Gefangenen werden von den Badakhſchan Kaufleuten als
Eclaven auf die Bazare’von Bokhara gebracht. Weiter im Oſt
von Badakhichan wird das Land, nach denfelben Ausfagen, ims
mer gebirgiger und die Kafirn werden noch wilder (dies wäre |
alfo gegen das unbefannte Gilgit, und das wenig bekannte Is—⸗
kardu und Baltiftan zu; f. 06. ©. 14, 215 — 218, |. Aſien IL
S. 640— 660). Die gefürchtetften diefer Kafirs bewohnen aber '
Calei-khum 39), eine Stadt, die auh Derwazeh heißt (ob
Durwaz, f. ob. ©. 480, 492, 504, jener Name fomme nur
hier vor und ift fonft unbefannt) und am gleichnamigen Fluffe
liegt. Von da gegen Weft bis Hiffar, an einem andern nörd-
339) G. de Meyendorff Voy. I. c. p‘ 133.
.
Badakhſchan nach den Kuffen, 795
fihen Zufluß des Orus, ift das Sand, alfo um die Nordgrenze
Badakhſchans, fo gebirgig, daß man dort die Pferde nur am Züs
get führen, aber nicht reiten kann. Schr enge’ Pfade, Felsabs
ftürze, in wildeſte Tiefen des tobendrolfenden Hiffar und Ders
waz⸗Fluſſes, machen den Durchmarſch durch diefes Sand faft
unmöglich. Nur das Gold, welches der Iegtere Strom waͤlzt,
in demſelben, nach Art altherodotiſcher und anderer Erzaͤhlungen
(ergl. z. B. Aſien IV. 1. ©. 245, I. ©. 660 u. a. O.) in Fel⸗
len oder Schläuchen gewonnen, verlockt von Zeit zu Zeit bucharis
fhe Handelsleute dahin, ihr Leben auf das Spiel zu fegen, um
diefen Schag zu gewinnen. In Nord und N.W. von Badakh—
fan, nämlich von Hiſſar nordwärts, bemerkt v. Meyenpdorff
zuleßt noch, wohne jenes fehr arıne, aber noch independente Volk,
die Ghaltſchas (Oſt-Perſer bei den Ruſſen genannt, f. ob.
©. 759), die feine andere Sprache als die Perfifche fennen, des
ren Züge von denen der eigentlichen Tadſchiks noch verfchieden
find, deren Farbe viel dunfelbrauner als bei den Bucharen ſeyn
fol. Sie find jedoch fhon Mohammedaner, und zwar Sunnis
ten, freiben etwas Ackerbau, haben einiges Vieh an Rindern und
Pferden, bewohnen aber nur ärmliche Hütten in einigen Berg:
thälern. Zu ihnen werden auch die Tribus im Norden des
Eihun gerechnet, deren beide Hauptorte Matfcha und Ignaou ges
nannt werden; von da fiheinen fie häufiger zum Taufchhandel
nad) Shofand zu kommen, als die aus den ſuͤdlichern Sitzen von
Hiſſar nach Badakhſchan.
TimkowskiM hat gleichzeitig mit jenen Berichten aus
Bokhara, uͤber daſſelbe Gebirgsiand Badakhſchan und feine
Voͤlkerſchaften, nebſt umgebenden Gebirgslande, folgende Nachrich—
ten von einem ungenannten Augenzeugen mitgetheilt, die aus ges
nauerer Kenntniß deffelden und zwar von einer. neuen, nämlich
der fhofanifchen Seite, ausgegangen zu ſeyn fcheinen, aber freilich
“ was die Kafern betrifft, wie faft alle bisherigen, nur eine blos
einfeitige Anficht der Mohammedaner, von noch nicht zu ihrem
Eultus Übergegangenen Voͤlkerſtaͤmmen, genannt werden müffen.
Don Khofand bis Badakhſchan find 100 geogr. Meil,
(700 Werft) Weges, welche die Karawanen in 20 Tagereifen zuruͤck⸗
zulegen pflegen (die directe Diftanz etwa zwifchen dem 4iften big
*0) Timkowski Voyage & Peking & travers la Mongolie. Paris 1827
8. Vs 3 0 433 — 434,
76 Weſt⸗Aſten. L Abſchnitt. $. 10.
3rften Breitengraden, wiirde nur 60 geogr. Meit. betragen). Es
geht durch Gebirgsiand, das. jedoch wegen der zu nehmenden Ums
wege nicht gar ſchwer zu paffiren iſt; zumal find es drei Berge
paffagen, die jedoch auch mit Laftthieren ungehindert durchzogen
werden können. Auf der ganzen Strede übertreffen Luft, Erde,
Waſſer, Wälder, Grafungen an Güte alle Befchreibung, Das
Gras ift fo üppig und ftarf, daß man es nicht wagt, die Pferde
länger als 40 Tage auf der Weide zu laffen, weil fie fonft übers
nährt werden wuͤrden.
Hierbei, bemerkt die Note, dag die Route von Khofand
über Siknan (Cheghanian, alfo durch die Mitte von Karas
teghin bis dahin, und von da über Hiffar) die Weftftraße fen;
die Oftftraße gegen S. O., über das Hochgebirge zum Karakul⸗
See, wo der Yamanyar oftwärts abfliege (f. ob. S. 488, 496),
und von da über Schneegebirge nah Wakhan, Bolor (f, ob.
S. 500, 521, 522) bis Badathfhan, fey noch weit ſchwieri⸗
ger, und im Winter und Frühling ganz impracticabel.
In diefem gefegneten Alpenlande, fährt jener Augenzeuge fort, '
wohne aber ein armes, unwiffendes Volk, die Shignan (vers
fihieden von obigem Siknan, nämlih Cheghanian), deren
Armuth und anfpruchslofe Milde felbft das wildefte Gemüth bes
fänftigen würde, nur nicht das der ZTurftataren. Diefe, ihre
raußfüchtigen Nachbarn im Morden und Süden, fommen aus
Khofand und Badakhſchan, überfallen fie in ihren friedlis
chen Dörfern, fchleppen deren Bewohner fort, machen fie zu ih—
ren eigenen Sclaven oder verfaufen fie auf den Bazaren der Bus
charei (wie fihon im Hindu Khu, f. ob. ©. 267,268). he Ges
birgsfürft iſt ſo ſchwach wie feine Unterthanen, fie haben von ihm
wie von den Fremden zu leiden; denn fie find die Münze, mit
denen er die von den durchreifenden Kaufleuten erhandelten
Waaren bezahlt, Gluͤcklich find noch diejenigen diefer Geraub—
ten und Sclaven, die irgend eine groͤßere Stadt: erreichen und
dort Dienfte erhalten, die ihnen mildere Behandlung gewährt.
Das Alpenland Badakhſchan hat dagegen feinen eigenen
Khan, der ftolz auf feinen Titel fi Mohammed Schah nen
nen läßt. Gr kann noch feine 10,000 Mann Krieger auf die
Beine bringen; vor fünfzig Jahren eroberte, Ahmed Khan,
der Afghanen König, mit 15,000 Mann Heiterei das ganze Bas
dafhfchan Sand in wenigen Tagen, und nahm aus bigotter Eifer:
fucht den Khan felb gefangen, weil derfelbe nach dem dortigen
Badakhſchan nach den Ruſſen. 797
Aberglauben das feidene Gewand Mohammeds beſitzen
ſollte, dem der Koͤnig von Kabul als einem großen Reliquien⸗
ſchatze nachſtrebte. Dieſer begnuͤgte ſich wirklich damit, den ſei⸗
denen Kaftan nach Kabul zu bringen, wo er den Zeloten gezeigt
ward; der beſiegte Alpengau, der freilich auch wol nicht haͤtte be—
hauptet werden koͤnnen, ward ſeinem eigenen Schickſale uͤberlaſſen.
Der Weg von Badakhſchan bis Kandahar ſoll von 143 geog.
Meilen (1000 Werſt) betragen.
In Badakhſchan ſoll gegenwaͤrtig der einzige Umſatz,
ſelbſt des Beherrſchers wie der Unterthanen, nur auf den Men—
ſchenhandel beſchraͤnkt ſeyn. Auch hiernach ſind dem Khan
ſeine Unterthanen die gangbarſte Muͤnze; er verhandelt ſie; ja
die Unterthanen verhandeln ſich gegenſeitig durch Liſt und Ge-⸗
walt, und dieſer Sclavenhandel der Geraubten hat ſich ungluͤck—
licher Weiſe fuͤr das Land, das dadurch ungemein entvoͤlkert wird,
nicht nur auf die weſtlichen Märkte Bocharas, ſondern auch
weit über die öftlihen Märkte des chinefifhen Turkeftans vers
breitet. Diefes Verderben foll unter den Badakhfchanern, durch
ihre natürliche Stumpffinnigkeit und Nohheit, feit der Eroberung
Oſt⸗Turkeſtans und der Verfolgung der Khodjas durch die Chines
fen, fehr zugenommen haben, deren Schlauheit jenen nur zum
Derderben gereichte. Der Verrath, welchen die Khane von Bar
dakhſchan beiden Khodjaverfolgungen, wie ihnen Schuld gegeben
ward, für chinefifche Belohnungen, an ihren Glaubensgenoffen,
den mohammedanifchen Flüchtlingen des chinefifhen Turkeſtans
geubt hatten (f. ob. ©. 523, 524, 528), ward ihnen von ihren
Nachbarfürften zum Fluch ausgelegt. Denn unter folchem Vor—
waude berauben und plündern diefe feitdem fortwährend jeden
Badakhſchaner, machen fie zu Sclaven, und haben das ganze Land . ı
fehr herunter gebracht; Mohammed Murad Beg von Kunduz,
der Gewalthaber, hat endlich das Land felbft zur Beute gemacht.
Die Stadt Badakhſchan (Feizabad) ſoll 4000 Häufer has
ben, in einer hoben, aber angenehmen Gegend liegen. Den fets
ten, fruchtbaren Boden willen die Bewohner gut zu benußen, fie
treiben Aderbau, Gartenbau, Viehzucht, und find fehr thätig.
Die Gebirge des Landes haben von der Natur große Schäge
erhalten: Gold, Edelfteine, Rubine, Amethnfte, Turkis, Lapis
lazuli, davon jährlich über 300 Pud gewonnen werden; auch
Taejeloves (2), ein durchfichtiger Kiefel, der auch in Oft: Sibirien
gefunden werden foll, polirt und facettirt wie Diamant bearbeitet
!
#
798 Weſt-Aſien. L Abſchnitt. $. 10.
wird. Die Bergaruben follen um die Stadt hoch gelegen fern;
fie bleiben aber für das Land größtentheils unbenugt liegen, da
alle Kenntniß des Bergbaues fehlt.
Der große Arm des Amu (der fchiffbare Hauptarm des Orus)
liegt feine 6 geogr. Meilen fern von diefer Stadt; ihr im Suͤden
aber breitet fich das Land der Siapuſch aus, die noch jeden
Fremden der ihr Land betritt tödten (d. h. wol jeden Moslemen,
aus fehr begreiflihen Gründen, f. 0b. ©. 205 u. f.). Ihre Hor:
denlager liegen zwifchen den Bergen und Ufern der. Flüffe in
weiten Entfernungen auseinander; man rechnet ihre Zahl auf
40,000 Familien. Sie haben feine Pferde, aber fehr viel Nin:
der. Ihre Waffen find Bogen und Pfeil; Pulver und Feuers
waffen find ihnen noch unbekannt. Ihre Armuth, Wildheit,
Grauſamkeit hindert alle Nachbarn mit ihnen in Verbindung zu
treten. Die Badakhfchanen überfallen fie oft, fangen fie weg und
verkaufen fie. Sie find wild, roh, leben ohne Gefes und Neliz
gion: ihre Weiber und Kinder find aber von außerordentlicher
Schönheit, berühmt deshalb im ganzen Drient; eben diefes
reist die Nachbarn noch eye zum Menſchenraub (vergl. ob.
©. 208 u. f.). :
Auf dreierlei Wegronten muß, von der Nordfeite her, das
Sand diefer Kafir, oder Siapufch, durchjest werden ; naͤm⸗
lich: 1) nach Kabul; 2) nach Kaſchmir und 3) nach Peſchaver;
daher man diefem Volke nicht ausweichen fann. Mit folgenden
Angaben über diefe Nouten ?*1) fchließt der ruffifche Berichtgeber :
4) Die Badakhſchanroute nah Kabul braucht 25
Tage, zu einer Entfernung von 114 geogr, Meilen (800 Werft),
wobei es ftets über Hochgebirge geht, vie große Schwierigkeiten
entgegen ftellen.
2) Die Badakhſchanroute nad Kaſchmir, ift für
Karawanen noch nicht im gewöhnlichen Gebrauche, Aber bez
fannt ift, daß Schah Soliman, als er von Mirvais vertrieben
ward, diefen Weg mit feinen Leuten in 11 Iagen zurückgelegt
haben foll, eine Strecke von 86 geogr. Meilen (600 Werft). Ob:
gleich derſelbe durch Gebirge führt (ob über Gilgit?), fo ift er
doc) nicht fehr befchwerlih; denn der Boden, der hier zu paſſi—
ren, ift weich, fett, reich an Waldung, Grafung und fließenden -
Waſſern.
2°) Timkowski Voy. 1. c. I. p. 438— 439. EI TRENEN
Badakhſchan nach den Briten. - 799
8) Die Badakhfchanroute nach Peſchawer braucht
‚20 Tage für 100 geogr. Meilen (700 Werft) Wegdiftanz. Der
eg führt durch das Gebirg, bietet aber manche Bequemlichkeis
ten und Vortheile. Denn nach den erften Meilen geht der Weg
durch viele offene Ihäler, die reich an Wäldern, Grafungen,
Duelfen find. Die Annehmlichkeiten des Weges kürzen feine Länge
ab. — Diefe Nachricht fcheint ſchwer glaublich zu ſeyn, da die
ganze Hindu Khu: Ketten beide genannte Sandfchaften in Nord
und Sud fcheidet.
Nach Lahore in Indien geht man, von Badakhſchan, bald
über jene. Kaſchmir-, bald über diefe Peſchawer-Route; die zweite
foll die bequemere feyn, und auf großen Karren von Ochfen bes
fpannt zurückgelegt werden koͤnnen. — Soviel im Allgemeinen,
die fpecielleren Daten über diefe von Europäern noch nie befuchs
ten Paſſagen vermijfen wir zur Zeit noch.
Erläuterung 3.
Fortſetzung; Badakhichan und feine Umgebungen nach den
neueften Berichten der Briten in Indien. Nah M. Elphin-
fione (1809); nach 3.3. Frafer (1811), Mooreroft (1825)
und A. Burnes (1835).
Es bleiben uns nur noch die Berichte der Briten aus den
letzten Jahrzehenden über Badathfhan anzuführen übrig, die
obwol fo nahe diefem merkwürdigen Alpenftaate eingefammelt,
doch höchft unvollfommen genannt werden muͤſſen, da es bisher
noch feinem derfelben gelangz bis unter die Kafirn in die Mitte
- diefes mohammedanifchen Alpenlandes felbft einzudringen. Da
gegenwärtig die Wege nach Kafıhmir und Iskardu, wie nad) Ba:
miyan und Bokhara, ſchon den Europäern mehrfach geöffnet wurs
den, fo wird es ihnen eher möglich werden auch bis Badakhſchan
vorzudringen, obgleich die Gefahren einer ſolchen Unternehmung
bei dem innerlich verwirrten, traurigen Zuftande diefes chedem
gefeierten Landes, jüngfthin, noch mehr zus als abgenommen zu
haben fcheinen, Der fühne Moorcroft allein, unter den ge
nannten Neifenden, war fchon über Balkh, Khulm und Kun:
duz, oftwärts bis Talikan ) (ſ. ob. ©. 786), alfo bis an die
#2) Moorcrofts Letter 6. Jun, 1825 in Asiat, Journ, London 1826
8. Vol. XXL, p-6ll.
800 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. & 10, j
nächte Weftgrenze Badakhſchans worgedrungen, von wo
er aber nach Bokhara zurückkehren mußte; fpäterhin, von da mit
einem Kriegsheere des Khans von Bofhara, bis in die Nähe vom
Samarkand vorgedrungen, war es feine Abfiht Badakhfchan, als
ler Gefahren ungeachtet, die ihn in Bucharien bedrohten, felbft zu
bereifen. Die Häuptlinge der Yufofzies (f. ob. ©. 213— 215)
bie ihm befreundet waren, boten ihm dazu jeden Beiftand, die
Afghanen Prinzen von Pefchawer, Mirdel Khan und Mohammed
Khan (f. ob. ©. 222), fehieften ihm Geleit und Escorten; der
bucharifche Prinz Mir Kamar eddin fandte ihın fogar einen
Mullah zu, ihn durch ganz Badakhfchan zu begleiten, da Mir
Iſſet Ullah fein bisheriger treuer Gefährte durch Krankheit genös
thigt worden war ihn zu verlaffen und nach Indien zurückzufche
ven. Dieſem Geleite fügte Mir Kamar eddin auch Empfehlungss
briefe bei. an alle Gebirgschefs und Häuptlinge der Yufofzies,
welche feinem Befchügten die ficherfte Aufnahme verbürgen foll:
ten. Aber ehe diefer Reifeplan ausgeführt werden fonnte, unters
lag der unermüdete Forfcher unzähligen über ihn hereinbrechenden
Gefahren, und fand feinen Tod ſchon am 25. Aug. 1825, zu
Andkho (AndEhui), im Weften von Balfh, als er im Be:
griff geweſen war fich jenem Ziele feiner langen Unternehmungen |
zu nähern. Seine hinterlafjenen Papiere, deren Herausgabe wir
ſchon feit langem vergeblidy erwarten, werden hoffentlich manchen
neuen Aufſchluß auch über Badakhſchan geben, obgleich fie nur
feine Erfundigungen darüber enthalten können, und feine eigenen
Beobachtungen.
1. M. Elphinſtones Nachrichten uͤber Badakhſchan
(1809).
Dem beruͤhmten und ſcharfſehenden Wiederentdecker Kabu—
leſtans, Mountſtuart Elphinſtone verdanken wir kurz zuvor
die beſten Nachrichten uͤber Badakhſchan; ſie wurden von deſſen
Emiſſar dem Mullah Najeeb auf ſeiner Erpedition durch
Kaferiſtan (ſ. ob. S. 208) eingeſammelt, auf welcher er von
Peſchawer aus durch Punjcora und den ganzen Hindu Khu, nord:
waͤrts, bis Caumdaifch?*), nur noch 3 Stationen fern von
Badakhſchan, alfo bis zu deſſen east vordrang, ein Darf,
nn Elphinstone Acevunt of the Kingdom of Caubul, Lond. 1815.
+ 618,
Badakhſchan nach Elphinftone (1809), 801
deffen Lage aber auf J. Macartney Map of the Kingdom of Ka-
bul anzugeben Leider unterlaffen iſt. Sein Bericht enthält fol-
gende Hauptthatfachen.
Obwol Badakhſchan ein großes Land, fo fheint es doc)
nur ein großes Ihalgediet zu feyn, daß von der Provinz Balfh
fih bis zum Belur Tag (Belur, Bolor, Beloro) hinzieht, zwi—
fchen dem Hochlande des Pamer, im Nord, und dem Hindu
Khu, im Süden, ſich verbreitend. Die nächften Gebirgsgliede—
rungen des Hindu Khu und Belut Tag werden von Kafiın ber
wohnt, deren Territorium alfo Badakhfchan im Süden und Oſten
begrenzt, und es von den Afghanen im Süden, wie von den Bal-
tiftfanen im Oſten abfcheidet. Gegen Weſt wohnen die indepens
denten llsbeken von Talifan, Kunduz und Hiffar; im Nord
die Kirghifen von Pamer und die Tadjits von Shoagnaun
(Sheghanien), Derwaz und Wukcha (Wofham),
Diefe Landfchaften find ungemein gebirgig, und werden im
Norden noch durch ein ähnliches Gebirgsland begrenzt, das Ka:
ratigin heißt, das auch von Tadjiks bewohnt ift und bis an
die Grenze von Kofhand oder Ferghana reicht, Der König von
Dermaz behauptet von Alerander (Iskander) herzuſtammen, und
diefes Vorgeben wird von allen Nachbarn zugegeben.
Der Oxus (Denj oder Amu, auh Hamu, bei Arabern
Harat, auh Derwazeh-Fluß genannt) entfpringt im Nordoft
von Badakhſchan, und ftromt innerhalb von deflen nördlichen
Grenzgebiete; er fcheidet daffelbe nachher aber als Grenzftrom vom
nördlihen Hiffar. Das innere Badakhfchan wird aber vom
Kokſcha (Kuſcha, auh Feizabad-Fluf. oder Badakh—
fhan genannt) bemwällert, der als füdlicher Zufluß jenem unters
halb Kurgantippa an der Grenze von Hiffar zufällt, Er ift nicht
unbedeutend, und trägt mehrere Holzbrüden, da er bis Feizabad
nur an wenig Stellen durchfegbar ift.
Der Theil des Belut Tag, der innerhalb Badakhſchan geles
gen, producirt Eifen, Salz, Schwefel, viel Yapis Lazuli; aber‘
die berühmten Rubingruben, deren Edelfteine fo haufig von
den perjiichen Dichten befungen werden, liegen in den niedern
Bergen, dem Oxus nahe (wol bei Shrghanian, f. ob. ©. 789).
Sie werden heut zu Tage nicht mehr bearbeitet,
Thal und Thalfläche von Badakhfchan find ungemein frucht;
bar, aber nicht fehr weit, Die Einwohner find Tadjifs,
‚Ritter Erdkunde VII. Eee
802 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 10,
fie heißen Badakhſchi's aber gegen Weft des Alpenftaates find
Lager wandernder Usbeken. (Alfo hätte auch diefes Thal hiernach
doppelte Völferftämme, Perfifchredende und Turkre—
dende, jene die Unterworfenen, diefe die Beherrſcher?)
Die Hauptftadt Feizabad it von bedeutender Größe am
Kokſcha; der gegenwärtige Sultan Mohammed, der hier refis
dirt, fol felbfiftändiger, unabhängiger Fürft ſeyn; feine Einkünfte
follen fih auf 6 Lack Rupien (60,000 Pf, Sterl.) belaufen, feine
Macht 7000 bis 10,000 Mann FußvolE mit Luntenflinten ſtark
feyn, die man im Dienft ausgezeichnet nennt. Aber, durch die
Usbefen von Talifan her, alfo von der Weftfeite, wie von den
Kafirs von der Süpdfeite her, find fie beffändigen Ueberfäls
Ten und Plünderungen ausgefegt, fonft aber feit langem
feinem großen Kriegszuge unterworfen geweſen. Denn der legte
Ueberfalf der Afghanen, unter Ahmed Schah (wodurch alfo
auch, von britifcher Seite, obige Ausfage des ruſſiſchen Beobach—
ters beftätigt zu werden fcheint), durch feinen Vizier Schah Wulli
Khan, war nur dem Namen nad) eine Eroberung des Landes
Badakhſchan, das der Vezier zu behaupten fich viel zu ſchwach
fühlte, und fich, zu feiner Nechtfertigung, 'nur damit begnügte,
die Reliquie von Mohammeds Gewanten als Beute in Triumph
heimzuführen.
%
2. % B. Frafers Erfundigungen (1821) ?%),
Durch Frafer wurden einige beſondere Umftände, die Pros
ducte Badakhſchans betreffend, näher ermittelt, die früher unbes
fannt waren. Sm Südoften von Bokhara an 20 ZQagereifen,
und direct im Süden von Khofand liegt Badafhfchan, das
obere Stufenland des Amu (Oxus) und feiner Duellflüffe, das
fi) wahrfcheinlicy bis zu deren oberften Quellen hin ausdehnt.
Es ift fehr gebirgig, foll aber gut bewaldet fern. Die noch wils
den, wenig civilifirten Einwohner bewohnen Dörfer zwifchen Gärs
ten und erbaut innerhalb der engen Bergthäler.
Feizabad, die Hauptftadt, wird 30 geogr. Meilen (150
Miles) fern von Bokhara von den Neifenden angegeben, außer
ihr aber noch eine zweite Stadt(?) mit Namen Badathfhan,
die in derfelben Gegend“ liegen ſoll (wahrſcheinlich wol identiſch
244) J. B. Fraser Narrative of a je into Khorasan. London 4.
1825. App. B. P. IV. p. 103.
+ Badakhfchan nach Frafer (1821), 803
mit ihr; denn fein anderer Bericht erwähnt ihrer). Im fernften
Gebirge diefes Landes liegen die reichten Gruben, wo man den
Lapis fazuli und die Rubine gewinnt. Jener (Al Lazurd
bei Abulfeda) der Fazurftein, bildet zumeilen Adern von be:
deutender Mächtigkeit in einem grauen Muttergeflein. Die ab:
gefpaltnen Tafeln diefes edeln Steines wiegen zuweilen mehrere
TaurisMaunds (Maund ein Gewicht von 30, 40 und mehr
Pfund) und koͤnnen als große Tafeln und Blöcke verarbeitet wers -
den. Man bringt diefe nach Bokhara, und von da nach Ruß—
fand und Perfien, wo der Sazur in hohem Preiſe fteht. Sn
Bokhara ift fein Preis noch geringer; etwa 5 Maund Gewicht
gelten 6 Toman; in Rußland ift diefer Preis fchon um das
dreifache erhöht.
Die Rubine (Balasci, Rubin balais) werden in einer weis
Ben Erde eingelagert gefunden, und zwar in großen Cryſtallmaſſen
(wol Drufen), die beim Aufbrechen öfter die ſchoͤnſten Edelfteine
darbieten; Frafer will dergleichen von den fchönften, fechsfeitigen
Säulen gejehen haben. Die von dort ebenfalls gerühmten Smas
ragde (oder Hyacinthen) find ihm aber nicht zu Geficht ges
fommen.
Bon den füdlichen Gebirgsnachbarn Badakhfchans, den Sia:
pufch, oder Kafir *), Eonnte B. Fraſer nur wenig erfunz
digen; ihre Zahl follte durch die Mohammedaner ungemein vers
ringert worden ſeyn. Bei der allgemeinen Vorftellung von ihrer
Wildheit und Hoheit, geftehen ihnen ihre Feinde, die Moslemen,
doch einen ausgezeichnet fhönen Wuchs, und den Frauen zumal
große Schönheit zu, daher fie als Sclaven fo ungemein gefucht
find, und unaufhörlih Menfchenraub, durch Raubparteien der
Usbefen, gegen fie im Gange if. Wenn jung gefangen und zum
Islam bekehrt, fagt man, zeigten fie aud) große Klugheit. Ihre
Gebirgsheimath ift ihr natürliches Aſyl, es ift von außen faft
unzugänglich, und daher wenig Hoffnung zu einer nähern Er—
forfchung deſſelben, bei der ftets vorherrfchenden Fehde. Der Ber
fuch eines Europaͤers in ihrem Alpenlande würde eine wichtige
Entdeckung feyn, das Clima und die Luft deffelben wird als uns
gemein reizend und gefund gepriefen.
48) J. B, Fraser Narrat. I. e. p- 107,
Eee?2
m Ju ———
804 WeftsAfiens 1 Abfchnitt, $. 10,
3. Nah Moorcroft (1825).
Aus Moorcrofts Briefen lernen wir bis jest faft nur
die Unglücksfälle fennen, die den Keifenden treffen mußten, der
in jener Zeit, von der Weftfeite her, auf dem Wege von Balkh,
Khulum, KRunduz und Talifan in Badakhſchan einzus
dringen verfuchen mochte. Es war die Zeit, da jener Friegerifche
Uzbeke am Nordfuß des Hindu Khu (f. ob. ©. 271), Murad
Beg 2%), als Eroberer und Tyrann jener Gegenden auftrat, und
feitdem daſelbſt eine neue Macht gegründet hat, die der Schrecken
aller Nachbarn und Neifenden, und aud die Zuchtruthe für Bas
dakhſchan (ſ. 06. S. 528) geworden if. Shah Murad, Sohn
des bis dahin unbedeutenderen Emir von Kunduz, deilen Ge:
biet zwifchen Balkh und Badakhſchan gelegen, auf der directen
Route zu beiden Staaten die Eingänge zu. beiden beherrfcht, wie
den Schlüffel zur Kabuls Paffage über Bamiyan bildet, war in
jener Periode innerer Verwirrungen durch feinen militairifchen '
Character eine bedeutende politifche Macht. Diefer Murad,
der ſich Schah und Bez, Mir und Khan, tituliren läßt,
fammelte, zumal aus Usbefen, (wol feit 1821?) ein zahle
reiches Söldnerheer, und in Zeit von feinem vollen Yahre hatte
er damit ganz Badathfhan, Balkh, Kulab, d. i. eine
Previnz von Karatigin, die Diftvicte dee Hezareh, welche von
Khulum abhängen Calfo wol die nördlichen, f. 06. ©. 267),
auch Inderab (Anderab in Kaferiffan) und Kus, erobert,
ja felbft noch Diftricte von Kabul und die Kotuls (wol die
Bergpaflagen, f. 0b. ©. 255) ſich unterwürfig gemacht, Durch
Liſt, Macht, Habgier und Treulofigkeit, Raubfucht, die er überall
in feinen Croberungen, und eben fo auh an Moorcroft aus
übte, wurde diefer britifche Reiſende das unglüdliche Opfer feiner
Intriguen. Sein Syftem war ces, die neuen Unterthanen nach
und nach alle, in die andern, von ihm fihon eroberten Provinzen
zu verpflanzen, um fie defto abhängiger und unterwürfiger gegen
fih zu machen, und ſich ihres heimifchen Eigenthums ohne Wir
derſpruch bemächtigen zu koͤnnen. Schlauheit, Verftellung, Wort:
brüchigfeit waren ihm, damals wenigftens, gegen Moorcroft,
die Mittel fich eben fo der Güter aller Durchreifenden (fpäterhin
befolgte er ein anderes Syftem) mit fcheinbarem echte zu bes
24°) Journal Asiat. ‚Paris 1822. T. I. p. 61.
Badakhſchan nach Mooreroft (1825). 805
mächtigen, und diefe felöft ins Verderben zu ſtuͤrzen. Talikan
und Kunduz wurden mit Colonifationen aus.den ihrer Einwoh—
nerfchaft beraubten Landſchaften überfüllt, die Moorcroft, das
felöft, in ihrer Sclaverei dem fihern Tode entgegen gehen fahe,
Er ſelbſt war dem Verderben oft nahe, bis ihn nach unzähligen
Ueberanftrengungen feiner Kräfte zur Rettung, aus fo mancherlei
och und Gefahr, der Tod endlich (1825) doch noch ereilte, fo
wie alle feine Gefährten #7) mit ihm den Berluft von Hab und
Gut, und den ihres eigenen Lebens zu erdulden hatten. Unter
diefes, des Khan von Kunduz, Tyrannens och, ſeufzte im Jahre
1829, nach ruffifchen Berichten ®), ganz Badakhſchan, deſſen Eins
wohnerfchaft in großer Zahl in Gefangenschaft aus der Heimath
entführt war, indeß der dort einheimifche Sultan Mohammed
von Badakhſchan fid) nur durch die Flucht noch hatte retten Eon:
nen; wohin? wird nicht gefagt.
Murad Beg, Khan der Provinz Kunduz?), die In Als
tern Zeiten als weſtliche Provinz noch zu Badakhfchan gehört haz
ten foll, hatte fich zum Gebieter der Paͤſſe bis Balkh aufgewors
- fen, und alle Tadjif Bewohner der Hezarehs Grenze bis Taſch
Kurghan (8. i. Khulum) unterjocht; die Tadjik hatten früherhin
dort alle Reiſenden gaftlich empfangen. Sn Khulumſ. ob.
S. 271) mit einer gemifchten Population von Tadjik, Usbeken,
Kabuleftanern, dem Paflageort für Moorcroft, zwifchen Kabul
nach Balkh, erhielt derfelße anfänglich, bei feiner Hinreife (im
J. 1824), die Verfiherung des fihern Schuges, ward aber bald
darauf zum Khan nach Kunduz beordert, demfelben dort feine '
Aufwartung zu machen.
Kunduz liegt 16 geogr. Meilen weiter oftwärts als Schu:
lum; der Weg dahin ift öde, zum Theil Wüfte, wo die Karaz
wane mit Waffermangel zu kaͤmpfen hat und nur an drei Stel:
len Negencifternen findet. Der höflichften Aufnahme bei Murad
Beg nebft den beften Verfprechungen folgten bald Beſchuldigun—
gen; ex fey politifcher Spion, und nun Befchlagnahme von feiz
nen Gütern, Er wurde nun in Kunduz gefangen gehalten, uns
ter dem Vorwande ihm Zeit zur Nechtfertigung zu laſſen.
#7) Al. Burnes Travels into Bokhara. Lond. 1834. Vol.I. p.211 etc.
#8) Kurze Notizen über einige Beherrfcher in Mittel-Afien von Klo:
fiermann, Orenburg 1. Nov. 1829. Mfer. mitgetheilt von Al. v.
Humboldt, 4°) Moorcroft Letter 6. Jun. 1825. in Asiat. Journ.
Vol XXI. 1826. p. 610 etc.
806 Weſt-Aſien. L Abſchnitt. 6. 10,
Da dieſe von Kabul angekommen war, ihm aber doch nicht zu
feiner Befreiung verhalf, ſuchte er ſich durch 2 Lat Rupien
(d. i. 20,000 Rupien) Loͤſegeld vom Tyrannen los zu kaufen. Da
aber auch dies ihm zu nichts half, gab ihm einer ſeiner Freunde
Mir Wuzir Ahmed den Rath, als verkleideter Usbeke im Eil—
marſche nach Talikan (28 geogr. Meilen fern gegen Oſt) zu
entfliehen, und dort vor Kaſim Jan Khaja einen Fußfall zu
thun, deſſen geheiligtes Anfehn ihn allein von feinem argen Vers
folger würde befreien koͤnnen. Es gelang ihm in der Nacht, ob»
wol mit großer Gefahr, dahin zu entfliehen; als Usbek verkleidet
kam er nach einem Parforceritt von 2 Tagen und 2 Nächten
Nachmittags um 4 Uhr des zweiten Tages, in das Lager Ka;
fim San Khajas, im Thal von Talifan, am rechten Ufer
des Furkar-Fluſſes; in diefelbe Gegend, die, wie zu M. Polos
Zeit, auch heute noch durch Steinſalz, Weißenernten und die
wilde Raubfucht ihrer Bewohner ausgezeichnet it (Ihaifan bei
M, Polo) 260). Ein Brief feines Gönners, Mir Wuzie Ahmed,
führte den Briten bei dem vefpectabeln Pirzada, das ift dem
Patriarchen der Kuttaghun Usbeken (oder vom Kuds
obum » Tribus nach A, Burnes) ein, der ihn liebreich aufnahm,
Es genoß derfelbe, fagte Moorcroft, ald Syud und Abfümms
ling der Ifchingisfhaniden, der durch das Band einer doppelten
Heiratd mit Murad Beg verwandt war, ein großes Anfehn, und
übte großen Einfluß aus, der ihm als Oberhaupt der Priefters
ſchaft unter den Kuttaghun zukomme. Der geiftliche Here bes
wohnte ein Ereisrundes, zeltartiges Gebau, aus Rohr und Matten _
geflochten, mit hohem Dache derfelben Art, ähnlich der Geftalt
eines Bienenforbes, Darin faß der Pirzada quf dünnen Kif
fen von Garmofin Satin mit Goldbrocat, gelagert auf einem
Wolfsfelle. Nah gemachter Verbeugung und überbrachten Ger
fchenfen ergriff der Flehende, der Landesfitte gemäß, den Saum
des Kleides, und brachte feine Bitte um Schuß vor,
Er fey gekommen um die Waaren feines Landes in Turke⸗
ftan einzuführen, und dagegen Pferde nah Hindoſtan zuruͤckzu⸗
bringen. Er gab einen furzen, einfachen Bericht feiner Reife:
fchieffale: um fich von den fo oft gemachten Vorwürfen, daß er
politifher Spion der Briten fen, zu befreien. Hierauf, daß Mus:
rad Beg ihm bei feinem Unternehmen, gleich anfangs, die größte
»5°) M. Polo ed. Marsden p. 125.
Badakhſchan nah Mooreroft (1825). 807
Sicherheit heilig gelobt habe, nun aber nach dreimonatlihem Auf:
enthalte Alles rauben wolle, Auch hierher hatten fich ſchon die
Cabalen eines Mullah verbreitet, der Moorcroft fchon bei Murad_
Beg als einen Epion und fremden General in Verdacht gebracht
hatte, und es Eoftete Mühe fich auch hier von diefen Vorwürfen
ganz zu reinigen. Als ihm dies aber endlich gelungen war, bes
zeugte ihm der Pirzada das größte Wohlwollen; er bemühte fich
ihn durch einen Vergleich zu retten und bewog ihn fich noch eins
nal für die geringere Summe von 2000 Rupies frei zu Faufen.
Dies wurde auch, obwol mit großer Weigerung Murad Begs,
durchgefegt. Noch einen Monat behielt der wackere Pirzada feis
nen Saft bei fich, befchenkte ihn reichlich, umarmte ihn liebevoll
beim Abfchiede, und betete fogar öffentlich für ih; wodurch
der Schügling nun unangreifbar wurde, Selbſt Murad Beg
mußte ihm nun freien Durchzug geftatten,
Weiter oftwärts fiel Moorcrofts Blickẽ1) nun, von diefer
MWeftgrenze bei Talikan, nicht tiefer nach Badakhſchan hinein;
aber. auch hier ſchon konnte er den traurigen gegenwärtigen Zus
ſtand dieſes fo unglücklichen Alpentandes beurtheilen. Murad Bey
hatte, ſtatt feine Provinzen durch Anbau zu beglüden, in dem
legten Jahre allein aus dem fchändlich geübten Menſchen—
raub, wo er feine Beute als Sclaven in alle Welt verkaufte,
43 Lac Rupien, d, i. 45,000 Pf. Sterl. Geld gelöfet. Nach eis
nem Contracte, den er mit feinem eigenen Vezier abgefchloffen, foll
er fich für jeden Kopf 15 Tilas (1 Tilla it = 6 Rupien, alfo
90 Rupien?) ausbedungen haben. Die fruchtbaren und gefuns
den Thäler Badakhihans find dadurch ihrer Einwohnerfchaft bes
raubt worden. Außerdem hat man fie zum Theil auch gewalts
fam in den fampfigen Sandfchaften von Kunduz und auf den
dürren Gründen von Talikan angefiedelt, Die Schlammfünpfe
der Sommerüberfhwemmungen mit der vegetabilifchen Fäulnig
in ihren ftagnirenden Waffern, wie der heiße Samum, der zur
Sommerzeit aus den dortigen Wuͤſten weht, bringt diefen Armen
zerftörende Fieber. Der Negerfclave in Weftindien, bemerkte Moor
croft, werde von feinem Herrn genährt, gekleidet, mit Arzneien
verfehen; der Sclave von Badakhſchan in Kunduz habe ſich durch
aus feiner Fürforge diefer Art zu erfreuen. Daher die Sterblichs
keit unter diefen gezwungenen Emigrationen fo groß, daß hier im
si) Asiat. Journ. I, c. Vol. XXI. 1826. p. 709.
m mars
808 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 10,
Jahre ein Viertheil der Familien ausftirbt, und daß fie alle in
die bitterfte Armut), in Noth und größtes Elend verfinken. —
So weit Moorerofts Nachrichten.
4. Nah Al. Burnes Beobachtungen und Erfundis
gungen, auf feiner Reife von Kabul n
Bokhara (1833),
Die neueften und ausführlichften Nachrichten über Badakh—
fhan und feine Umgebungen, wie über die gegenwärtigen Vers
hältniffe dortiger Population und Herrfchaft, verdanken wir Al.
Burnes reichhaltigen Erforfchangen in jenen Gegenden, der
ebenfalls bei der Durchreifung von Murad Begs Staaten, die
gegenwärtige Macht diefes Ufurpators, feine Politit und feinen
Einfluß auf den dortigen Zuftand der Landfchaften, am gruͤnd⸗
lichiten zu. beurtheilen, und die frühern Daten zu berichtigen und
zu vervollftändigen im Stande war. Da wir mit diefem Briten
fhon von Kabul über Bamiyan den Hindu Khu überftiegen has
ben, und bis zur Grenzftadt Shulum von Murad Begs Terris
forium vorgedrungen find (f. 06. ©. 271), fo wird es am zweck
mäßigften fenn, um uns die lebendigfte Anſchauung jenes Terri:
torialzuftandes’ zu verfchaffen, denfelben Neifenden auch noch von
Khulum nah Kunduz zu begleiten und feine Schickſale zu
theilen, um zugleich feine dabei gewonnenen Cr ee über
Sand und Leute Eennen zu lernen.
1) Al. Burnes Erceurfion von Shulum 3%) nah Kunz
duz; feine Audienz bei Murad Beg dem Ufurpas
tor und Eroberer von Badakhſchan, nebſt Ruͤckweg
nach Balkh.
Statt des anfaͤnglich in Khulum an die Karawane gege—
benen Verſprechens, ſie ungefaͤhrdet direct weſtwaͤrts nach Balkh
abreiſen zu laſſen, ward ihre Ankunft nach Kunduz gemeldet,
von woher bald der Befehl kam, ſich daſelbſt einzuſtellen. Viele
bösartige Gerüchte von dem Reichthum dieſes Reiſenden wie ſei—
ner Übrigen Gefährten hatten fich durch die Berichte uͤbelwollen—
der Hindus bis Kunduz verbreitet, und ein ähnliches Schickſal
fand, wie bei Moorerofts Zeit, bevor. Der Zolleinnehmer von
Khulum begleitete Al. Burnes. Mit feiner Karawane zogen
"
252) &1, Burnes Travels into Bokhara I. co. Vol. I. p. 207— 230.
— —
Badakhſchan nah Burnes (1833) 809
8 bis 10 Theekaufleute von Badakhſchan und Yarkand (f. ob.
S. 469 u. f.), die nach Haufe zurückkehrte, der Nazir und_der
Kafila Baſchi. Al. Burnes reifete unter dem Namen eines
Armeniers aus Hindoftan, weil diefe zu den ärmern Handelsleus
ten gerechnet werden. Der Nazir war ein Verwandter des Des
zierd in Kunduz, der mit A. Burnes, als Gaft, in deſſen Woh—
nung aufgenommen ward. Sie wurden nad) einer fehr befchwerz
lihen Reife über zwei niedere Bergpaͤſſe und durch waſſerleere
Wuͤſtenei, die 18 Stunden Weges anhält, nach zurückgelegter Dis
ſtanz von 14 geogr. Meilen bis Kunduz, dafeldft fogleich vom
Vezier mit Ihee bemwirthet. Dies Getränk, fagt A. Burnes, fey
auc) dort bei den Usbeken allgemein eingedrungen; ftatt des Zuf:
fers nimmt man Salz dazu; auch wird der Ihee mit Fett ges
mifcht; dann heißt er „Keimukſchah“; zulegt werden nach
dem Trank noch die Blätter gefaut. Die meiften Befuche beim
Vezier machten während ihres Dortfeyns Kaufleute, Tadjits und
Eingeborne Badakhſchaner, die doch immer noch ftarfen Handel
mit Indien und China treiben follen, und gegen den Briten die
Sicherheit des Handels in China rühmten (f. 06. ©. 469, 473).
Am 5ten uni ging der Zug der beorderten Keifegefährten
zum Dorfe Khanu abad, 3 geogr. Meilen fern von Kunduz,
zu einem Kleinen Fort mit einer Befakung von etwa 500 Neis
tern, in welhen Murad Beg >) feine Reſidenz aufgefchlagen
hatte. Hier erhielt der Brite, zu feinem Glüce, bei der Audienz
als ein armer Armenier feinen Freipaß; die gröbfte Verftellung
war gelungen, und die rohe Habgier des Tyrannen uͤberliſtet.
Man eilte natürlich fo fchnell als möglich nach Kunduz zuruͤck,
um ungehindert feinen Weg forizufegen.
Kunduz%) die Stadt ift fchon im Anfange des obern Orus:
thales, obwol 8 geogr. Meilen füdlicy fern vom Hauptſtrome ges
legen, an einem füdlichen Zufluffe zu demfelben, wie Talikan,
am Furukhah (Furkar bei Mooreroft), der unter dem Nas
men Akferai (Akſu, Weißer Fluß) fih weiter in Weſt, zu
dem Hauptarme, dem Amu, ergießt. Zwei Arme diefes Furukhah
die fih im Norden von Kunduz erft vereinen, bewallern das
Thalgebiet diefer Stadt, deſſen Clima ſehr ungefund iſt; daher
#3) Al. Bürnes Trav. 1. c. I. p. 224 — 227. ®*) ebend. vergl.
Mir Isset Ullah on Balklı, Khulum and Kunduz ig Asiatie Journ.
’ Vol. XXI, p. 170,
— —
810 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6. 10,
das Sprichwort? — „Willft du fterben, seh nad Kun—
duz.“ —
E)er größere Theil des Thales ift fumpfig; viele Wege muͤſſen
auf Holzpfaͤhlen fortlaufen. Der Schnee bleibt dort 3 Monat
lang liegen; die Sommerhige ift unerträglih, Neisbau, aber
auch Weisen und Gerftenäcder breiten fich hier aus. Einſt
foll der Ort groß gewefen ſeyn; gegenwärtig ift er nur als Markts
plaß wichtig, hat aber nur 1500 Einwohner. Nur im Winter
fohlägt Murad Beg dort feine Nefidenz im Fort auf, das aus
getrockneten Backfteinen erbaut, und mit Wall und Graben ums
geben ift, aber durch die Hitze des Sonnenftrahls nur wenig Wis
derſtand leiftet, da feine fehlechten Mauerwände von ſelbſt zer⸗
fallen.
Das Hochgebirge des Hindu Khu iſt von hier gegen Suͤd
ſichtbar, und zeigt auch hier ewige Schneedecke. Die naͤchſten
Berge ſind nur niedere Huͤgelreihen mit Graſung und Kraͤutern
uͤberzogen; aber ohne alle Waldung, ohne Holzwuchs. Weiter
im Stufenthale und den Vorbergen aufwärts, wird das Clima
heilfamer, man fpricht hier mit Entzücken von den frifchen Berg:
waflern, von der reinen Luft, den Blumen, dem Obſt, den Hais
nen und den Lieblichkeiten des Alpenthales von Badakhfchan,
Am gerathenften war es, des vom Chef zugefagten Freipaffes
und der vom DVezier gefchenften Ehrenkleiver ungeachtet, ‚nicht
länger in Kunduz zu verweilen, als ‘zum umfatteln und ums
packen der Pferde und Laftthiere nothwendig war, und fo eiligft
als möglich nah Khulum zu ziehen, was in 20 Stunden Zeit
gefhahe. Aber auch diefer Ort 255), der viel beveltender und ans
‚genehmer von den herrlichften Obftgärten umgeben ift, Eonnte ‚nicht
länger feffeln, und man eilte fo fchnell als möglich, um nun auch
den Eleinen Wegelagerern und Näubern, da man den großen fo
“glücklich entflohen war, über Muzar zum nahen Balth au ges
langen, das auch glücklich erreicht ward.
2) Kunduz und Murad Begs Herefhaft,
Da wir erft fpäterhin, bei der Gefammtbetrachtung der bei:
den Stromgebiete des Sihun: und Gihon-Syſtems, auch über
Balkh nah Bokhara bis zu den Uferlandfchaften ihrer Bin:
nenfeen fortfchreiten Eönnen, hier aber, fürs erſte, nur ———
—
265) Al. Burnes Trav. l. c, Ip. 229—232.
—
— — —
Badakhſchan nach Burnes (1833). 811
der großen Alpengaue ihres obern Stufenlandes zu verweilen ha—
ben, fo kehren wir noch einmal zu Kundüz zuruͤck, dos an dem
MWeftthore von Badakhſchan, in der Gegenwart, der Schlüfs
fel zu diefem ift, und durh Murad Begs harten Scepter das -
Schickal jener alpinen Sandfchaften und ihrer Populationen bes
berricht,
- Kunduz°s) liegt in einem Thale zwifchen niedern Bergen,
die von D. nah W. an 12 Stunden weit ftreichen, ein Thal,
das von den beiden Armen des Furukhah-Fluſſes, der zur
Zeit der Schneeſchmelze nicht durchgehbar if, reichlich bewäffert
wird, Etwa 8 geogr, Meilen im Norden, fern von der Stadt,
giehet der Hauptarm des Oxus, der Amu, vorüber, Der
größere Theil des Ihales ift fo fumpfig, daß, wie gefagt, viele
Wege, zwifhen den Schilf und Sumpfpflanzen auf Pfähle ges
brückt, hinlaufen, und die Luft fehr ungefund ift, wozu der Reis—
bau in flagnirenden Waflern nicht wenig beitragen mag. Die
gebirgige Lage dieies Ihales macht, daß, der großen Hitze unge:
achtet, "hier das Obſt, wie Kirfchen, Aprifofen, Pflaumen, Mauls
beeren, doch um 14 Tage fpäter reift als in Khulum und Balth,_
die fchon in offenern Ebenen liegen. - Die nächften plateauartigen
Vorhoͤhen um Kunduz fleigen mit ihren breiten Huͤgelruͤcken
feine 1000 Fuß über die Ihalfole mit den Derfumpfungen auf.
gewähren aber fchon einen gefunderen Aufenthalt, erſt in weis
terer Ferne ergögt der erhabene Anblik des Schneegebirges
das Auge (f. od. ©. 357).
Sechs Diftricte, erft feit kurzem die Eroberung Murad
Begs, find mit dem Stadtgebiete von diefem Orte abhängig ges
worden: 3) Khulum, 2 Heibuf, 3) Gori, 4) Inderab,
5) Talighan, 6) Huzurut Imam; fie haben außer dem
legtern, der vom Furufhah und Amu an ihrem Stromvereine
umflofien wird, ein gefunderes Clima und ſehr fruchtbaren Boden,
Bon der Bewäflerung der verfchiedenen Oxuszufluͤſſe hangt in
allen diefen Gebieten der Werth der Ländereien ab, da es fiheint,
dag ihnen fonft nur wenig atmofphärifche Miederfchläge zu Theil
werden, eine Folge des dort ebenfalls ſehr gefteigerten Continens
talclimas (vergl. 06. ©. 397). Heibuk und Khulumoliegen
an demfelben Fluß, dem Khurrum (ſ. ob. ©. 269), der von
Süden kommend, nordwärts in einiger Entfernung der Stadt
&°) Al. Burnes Tray. Vol. I. p. 201 — 202.
812 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 10,
zum Orns fällt, und durch Aufdämmungen in feinem regelmäßis
gen Laufe vielfach gehemmt zu Srrigationen dient. Die. Ufergärs
ten find reich und fchön, der Feigenbaum, der noch in Ka—
buleftan Fremdling ift (f. 06. ©. 270) gedeiht hier in uͤppigſter
Fülle. Kunduz liegt dagegen, weiter aufwärts, an dem Verein
deſſelben Fur ukhah⸗Fluſſes, mit dem von Süden herabfoms
menden GorisFluffe, der parallel mit dem Khurrum aus dem
Hindu Khu kommt, fpeciell aber dem Bamiyanthale entftrömt (ſ.
ob. ©. 265).
Hier nun iſt gegenwärtig der Mittelpunet jener neuauffeis
menden Herrfchaft in Kunduz, an deren Epige Murad Beg
ein Usbefe vom Stamm der Kudghum (Kuttaghun), das
mals erft (1833) feit einem Jahrzehend, ſich zu gefürchteter
Höhe und zu völliger Unabhängigkeit emporfchwang, und gegenz
wärtig ſchon das ganze obere Stufenland des Orus abwärts bis
Balkh und aufwärts gen Süden bis zum Hindu Khu beherrfeht,
Murad Beg?7), deſſen perfönliche Bekanntfchaft A. Bur⸗
nes zu machen genöthigt war, fteht, nach ihm, im funfzigften Les
bensjahre; er ift ganz Usbefe, groß von Geftalt, mit tatarifcher
Gefichtsbildung, breiter, gerungelter Stirn, kleinen ſchiefwinklig ges
ftellten Augen, ohne Bart, er ift ein Mann von Gaben, aber tys
rannifch, graufam, treibt Raͤuberhandwerk, theils auf eigene Hand,
theils durch feine Untergebenen, die aber mit ihm die Beute theis
len müffen. Dennoch behauptet Al. Burnes, er fey nod) ber
fer als andere feiner Nachbarherrfcher. Er beftätigt es, daß ders
felbe nach Willkühr die befiegten Unterthanen verpflanzt, und Fein
Erbarmen für ihr Schieffal, für ihr Leben zeigt; ohne alle Schuld
wirft er, wo er fann, Alles in die Sclavenfeffel. Der Furcht
vor der britifchen Macht ſchreibt Al. Burnes feine Verfolgung
Moorcrofts zu; deshalb er durch Verläugnung feiner Herkunft
diefer Gefahr auswich. Der Sanctus zu Talitan, der Pirs
sada, beftätigt auch Al. Burnes, fey der einzige Mann, der"
ihn noch zu zügeln wilfe. Er war in frühern Jahren fein Rath—
geber, fein Wohlthäter; deffen Sohne hat Murad Beg eine feis
ner Töchter vermähltz feiner Fürbitte fchlägt er nie etwas ab; fo’
trägt er wenigftens gegen diefen noch das Bewußtfenn der Danf
barkeit in feiner Seele. Der ältefte der Söhne Murad Beg
war im 5.1833 ſchon 18 Jahr alt und fchien viel zu verfprechen
®#7) Al. Burnes Tray. I. c. Vol. I. p. 229. II. p. 352.
Badakhſchan nach Burnes (1833). 813
Murad wird von feinem eigenen Usbekenſtamme mit dem Titel
Mir (f.'ob. S. 395) beehrt; ex beherrfchte anfänglich nur Kuns
duz allein; dann aber eroberte er jene 6 genannten Dis
firicte hinzu, welche Kunduz von allen Seiten umgeben, Die
Stadt Balfh hatte er bis dahin nur geplündert, und viele von
ihren Bewohnern in feine Staaten übergefiedelt. Darauf folgte
die Meberrumpelung des ganzen Königreihes Badakhſchan,
und damals, bei A. Burnes Durchzug, war er mit den Krieges
operationen gegen die Gebirgsftaaten an der Mordfeite des
Drus befchäftigt. Einer von diefen, Kulab (oberhalb Kurgans
tippa), zwifchen Durwazind Cheghanien (Shughnaun) gelegen,
war ſchon früher in feine Gewalt gefommen, und fein Hinderniß
ſchien dort feiner mweitern Verbreitung entgegen zu ftehen; fo daß,
damals, feine Gewalt fhon von Karatigin im Norden bie
Syyghan in den Hindu Khu-Paͤſſen (f. ob. ©. 267) ausgebreis
tet war, Die Einwohner feiner Gebiete, bemerkt Al. Burz
nes 58), feyen größtentheil® Tadjik, die Aboriginer, welche
auch in Badakhſchan die Hauptinaffe der Populas
‚sion bilden, davon die Usbeken nur einen fehr gerins
gen Theil ausmachten. Diefe vordem gänzlich unbekannte
Thatfache, ift nach dem, was oben über Iadji und Tocharen ges
fagt ward, von befonderm Intereſſe, und beftätigt es, daß viele
der bisherigen ethnographifchen Vorausfegungen moderner Geos
graphien gänzlich gehaltlos genannt werden muͤſſen, daß Turks
ſtaͤmme hier im füdöftlichen Bergwinfel des weftlichen Turkeſtans
viel fparfamer verbreitet find, als man nach allen bisherigen orienz
talen und orcidentalen Autoren anzunehmen im Allgemeinen ges
neigt war, Defto wichtiger würde das gründlichere Studium
dort einheimifcher Population für die Aboriginergefchichte
Central» Afiens feyn. —
Nach dem Tode eines gewiffen Khilich Ali Beg, eines
Usbeken Häuptlings, der nur dem Namen nad) zu den an die
Afghanen in Kabuleftan tributairen Begs diefer Völkerfchaft ges
zahlt wurde, aber dies Commando in Balkh (feine Nefidenz war
1813 in Khulum)59) beſaß, wußte fich einer feiner Unterbefehls—
haber von Kunduz, der jegige Murad Beg, durch Verdrängung
der Söhne feines Gebieters, an deſſen Stelle zu fegen. Die ver
'#®) Al. Burnes Trav. 1. c. p. 346 — 352. 59) Mir Isset Ullah on
Balkh, Khulum and Kunduz in Asiatic Journ. Vol. XXI. p. 168.
814 Weſt-Aſien. 1. Abfchnitt. $. 10,
drängten Söhne wurden nun in Khulum und Heibuk ie Das
fallen des Kunduz Oberhauptee.
Dbwol die Kudghum-Usbeken immer von Einfluß unter
den Usbefen überhaupt waren, fo war Murad doch der erfte
unter ihnen, der zu einer Souverainität gelangte, Sie rückten
fehon im XVI. Zahrhundert, mit der großen Usbeken Nation, in
ihre gegenwärtigen Sige um Kunduz ein, und verdrängten die
Timuriden aus ihren angeftammten Beſitzungen.
Kunduz fheint die äußerfte Südoftgrenze ihrer
Invaſion gewefen zu feyn, da feiner der Usbeken—
Stämme weder in die Thaͤler Sadakhfſchans gegen
Oſt, noch in die Alpengaue des Hindu Khu gegen
Sud vordrang.
Murad Beg ließ in feinen Eroberungen die frühern Chefs
fortbeftehen, zwang fie aber ihm Truppen zu ftellen als Contins
gent, und Tribut zu zahlen, womit er feine eigenen Truppen bes
foldete. So vermehrte er fortfchreitend feine Gewalt und ficherte
fi) vor der Gefahr von Nevolten. Seine Macht brachte er hier
durch auf 20,000 Mann Reiterei und Auf 6 Stück Kanonen.
Infanterie, die von Usbeken verachtet wird, hat er nicht; die
Waffen feiner Cavallerie find lange Spieße, Eäbel, ſchlechte Flin⸗
ten. Er ift ſelbſt Commandeur feiner,Teuppen im Felde; von
ungemeiner Thätigfeit, fendet immerfort Chupamaul, d. i. Rei⸗
terparteien, auf Plünderung und Menſchenraub aus; theils auf
die Nordſeite des Orus, theils gegen die Hazareh und nad) Balkh,
auf deſſen Suͤdſeite. Selbſt alle gefangene Shiiten werden ohne
Barmherzigkeit als Sclaven verkauft. Dieſelbe Raͤuberei wird
gegen Kaferiſtan, Chit ral, im Suͤdoſt ausgeuͤbt, und gegen Ba⸗
dakhſſchan im Oſten, das feinen Tribut in Sclaven zahlt.
Don diefem Plünderungsfpfteme nimmt er jedoch gegenwärtig die
Karamanen aus, die fein Gebiet durchziehen, und läßt auch —9—
nen tributairen Chefs Schutz angedeihen.
Mit ſeinen Nachbarn ſteht Murad Beg in gar EN.
oder doch nur in geringen Perbindungen. Da doch) immer noch
ein flarker Verkehr mit dem chinefifhen Turkeftan Statt
findet, fo werden mit den Oberbehörden in Yarkand, mitunter gez
genfeitige Gefchente gewechjelt, und bei Unficyerheit der Routen
ſchickt Murad ſelbſt Wegauffeher aus. Mit Bofhara in Wer
ſten fieht er dagegen in beftändiger Feindſchaft, die Furcht vor
Ucberfällen ift gegenfeitig, und Balkh hat dabei vieles zu leiden...
Badakhſchan nah Burnes (1833), 815
Von den Afghanen fcheidet ihn, jenfeit Kunduz, zwar jene
fhneereiche Hochgebirgstette, eten fo oftwärts Badakhſchans das
Hochgebirge des Belut Tag von feinen noch öftlichern Grenznach⸗
baren. Dennoch hat Murad Beg die dortigen Vorberge fchon
überftiegen, um das dahinter geſchuͤtzt liegende Chitral (Tfches
trar bei v. Meyendorff; f. 06. ©. 14) anzugreifen. Auch hat
er zumeilen ſchon andere Einfälle in das Siapufch Fand 8
Hindu Khu ausgeführt. Der legte Ueberfall (1829) war ihm
indeß theuer zu ftehen gefommen, da ein Schneefturm fein Cas
valleriecorps von 4000 Mann Überrafchte, von-dem die Hälfte das
bei den Tod fand.
Seine Revenuͤen beftehen in Korn, Lebensmitteln aller
Art in Ueberfluß, aber felten in Geld. Die dort noch übliche
Münze 2%) ift aus der Zeit der Delhi Kaifer vor Schah Nadirs
Feldzuge. Während feines jedoch nur temporairen Beſitzes von
Balth, prägte Murad Beg Münzen, mit dem Stempel diefer
Stadt und ihrem Namen, „Mutter der Städte” Die Lu—
xusartifel fommen vom Bazar Bokharas, wohin Vieh und Eclas
ven in Menge ihren Abjas haben.
/ Die Einkünfte werden fo bezogen, daß die Unterthanen
ein Drittheil des Bodenertrages abzulivfern haben; 3. B. vom
Reis, der in Menge in den Sumpfgegenden von Kunduz ger
baut wird, von der Seide, deren Gewinn an den Uferländern
des Oxus bedeutend ift. Badakhſchan Liefert freilich nicht viel
mehr, da es &o fehr entvölfert ift, und das übrige von der Us—
beten Reiterei, die dort als Garnifon das Yand hütet, aufges
zehrt wird,
Der Gefchäftsführer Murad Begs, Khan von Kumduz,
ift ein Hindu von Pefchawer, Atmarani, der alle Verwaltung
leitet; ein Mann von Talent, der fich, ungeachtet der großen
Verachtung, in welcher die Hindus bei den Usbeken fichen, daß _
es ihnen nicht einmal erlaubt ift einen Turban zu tragen, fich
doch emporfchwang bis zur Würde eines Dewan Begi (erfter
Vezier), dem für fich und feine Leute auch das Privilegium den
Turban zu tragen verliehen ward. Er hat große Verdienfte um
das Land, weil durch ihn noch einigermaßen Eigenthum und Vers
kehr geſchuͤtzt wird; freilich hat er fich dabei felbjt bedacht und iſt
zum reichen Manne geworden, der 400 Sclaven in feinen Diens
260) Al. Burnes Trav. Vol.I. p. 229. II. p. 351.
——.
816 Welt Afien. I. Abſchnitt. $. 10,
ften zählt. Da die Usbeken, nah Al. Burnes Urtheil, unfähig
find Gefchäfte zu führen, und höchftens nur ihre Geiftlichen einis
gen Unterricht erhalten, fo find ihnen ſolche Fremde als Geſchaͤfts⸗
fuͤhrer unentbehrlich. |
3) Badakhſchans gegenwärtiger Zuftand in Abhans
gigkeitvon Kunduz, nach Al, Burnes Berichten
(1833) 261),
Die Höher, oberhalb Kunduz Bi Drusthälee leiden
nicht an dem verderblichen Clima wie jene untern; allgemein
wird die Luft Badakhſchans als heilfam und Lieblich geprie—
fen, wie die Romantik diefes Alpengaues, feine Bäche, feine Ihäs
ler, feine Früchte, Blumen und Nachtigallen. Die Capitale, ges
wöhnlih Badakhſchan, nur feltner einmal Feizabad ges
nannt, liegt im Süden des Orus; Al. Burnes weiß nichts
von einer Differenz beider Ortfchaften, wovon nur Frafer fprechen
börte. Aber diefes fchöne Land liegt gegenwärtig ganz verddet,
feit dem Ueberfalle der Usbefen (Al. Burnes fagt, vor 12 Zah
ren, alfo etiva 1821 oder 1822); ſeitdem befteht nur zum Schein
noch ein König von Badakhfchan; denn er ift ohne Anfehn, fein
Land ift menfchenleer, und nur mit roher Usbefenreiterei als Gars
nifon bedruckt. Sein Titel Schah, oder Malik, und der feiz
nes Sohnes als Erbfuͤrſt, Schahzadu 2) iſt gegenwärtig ein
bloßer Schatten früherer Herrlichkeit, feit 12 Jahren, fagt Al,
Burnes (1833), ift er enttbront und ohne Herrfihaft.
Im Januar 1832 Fam zu diefem politifchen Verderben noch
ein phyſiſches Uebel hinzu, jenes furchtbare Erdbeben, das fo
viele Menfchen und Dörfer zerftörte, viele Klippen von ihren
Gipfeln entwurzelte, und in die Thäler flürzte, wodurch ganze
Paſſagen gehemmt wurden. Durch einen in der Art herabges
ſtuͤrzten Berg ward der Badakhfchanz Flug 5 Tage hindurch auf-
geftant und führte Ueberſchwemmungen herbei. Da das Erdber
ben in der Nacht die Bevölkerung des ganzen Badakhſchan über
rafchte, fo zahlte faft jede Familie ihre Todten; denn die größte
Gewalt der Erſchuͤtterung fcheint hier ihren Mittelpanct gefunden
zu haben, obwol die Sphäre des Erfhütterungskreifes ſehr
groß war, ſuͤdwaͤrts ganz ——— bis J und Mul⸗
a) Al. — Tray. I. c. Vol. Il, p. 202 — 205. 22 cbend |
.
Badakhſchan nach Burnes (1833), 817
tan das Pendſchab in Bewegung feste (f. 06. &.57— 58), nord»
waͤrts aber bis Khofand reichte, und oftwärts fogar noch bis Akſu
und Turfan gewüthet haben foll (f. ob. S. 478), wo die Jahre
1831 und 1832 durch wiederholte Erderfchütterungen ausgezeich—
net waren.
Die Einwohner Badathfhans, find ihres traurigen
Looſes ungeachtet, bemerkt A. Burnes, der Gefelligfeit ungemein
ergeben, fehr gaflfrei und das Sprichwort befannt: „Brod wird
in Badakhſchan niemals verkauft.“ — Sie find, nad
Al. Burnes wiederholter Verficherung, Tadjiks; ihre Sprache
iſt die Perſiſche, aber ein breitere Dialect wie der eines Einger
bornen Irans. Man fagt fih, aus Balkh ſolle einft eine folche
Einwanderung dahin gefchehen ſeyn; aber feine nähere Nachwei—
fung ift darüber vorhanden. Die meiften Bewohner find Shii—
ten, weder Tur£ noch Usbeken haben fih dort ange:
fiedelt, und die Sitten und Gebräuche der dortigen Bewohner
gleichen noch heut zu Tage denen der alten Cinwohner im Nor—
den des Hindu Khu, wie fie vor den Einfällen diefer jüngern
Ueberzügler allgemein waren. — Wir fünnen es nicht unterlaffen
noch einmal es zu wiederholen, wie lehrreich die Originalbeobachs
tung der Natur und der Völker diefes Alpengebirgelandes für die
genauere Kenntniß ganz Central: Afiens feyn würde.
| Leber die fo berühmten und doch fo wenig befannten mines
ralogifchen Schäge giebt Al. Burnes folgende Auskunft,
Die Rubin-Gruben, weldhe ihren größten Ruhm den
prunkfüchtigen Zeiten der Groß: Moghule in Delhi verdanfen,
follen, nahe dem Oxus in Cheghanian (Shughnan, was
bon M. Polo unter Sikinan als die einzige bearbeitete Grube
anz richtig anführte, f. 06. ©7389) bei dem Orte Sharan
iegen. Dies letztere foll nur fo viel als Grube bezeichnen; denn
an gräbt- fie in den niederm Bergen. Einer der Erzähler bes
auptete, diefe Gruben liefen bis unter den Drus hin, woran
ber Al. Burnes zweifelt. Der jegige Khan von Kunduz wollte
iefe Gruben, die früherhin lange Zeit brache gelegen zu haben
cheinen, don neuem in Gang feßen durch diefelben Grubenarbeiz
er, denen dies Gefchäft feit frühern Zeiten erblich zukoͤmmt, die
ber wenig Gewinn davon haben follen. Der Iyrann forderte
ogar ganz unentgeltliche Frohnarbeit von ihnen; da fie fih wir
erfesten, wurden fie in die Sümpfe von Kunduz verpflanzt, wo
Ritter Erdiunde VII.
818 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 10,
die meiften umfamen, fo daß die Kaffe diefer Nubingräber gegene
wärtig faft ausgeftorben feyn fol. Die Sage ift allgemein, man
finde die großen Rubine ftets nur paarweife; die großen ſollen
deswegen oft in Doppelftüske zerbrochen, oder der eine fo lange
verhehlt werden, bis man den zweiten dazu gefunden, Sie follen
in Kalfftein liegen, wo man fie wie runde Feuerſteinkieſel einge⸗
lagert finden ſoll (in Druſen?).
In der Naͤhe der Rubingruben ſollen ſi ch am Stromufer
des Oxus auch die Felſen von Lapis lazuli finden. Man ſetzt
Feuer darunter, um fie muͤrbe zu machen, gießt dann kaltes Waſ—
fer darauf, um den Stein zum berften zu bringen. Das ift die
rohe Art des Gewinns diefes ſchoͤnen Lazurfels, deffen Ausfuhr
ehedem nach China fehr bevdentend gewefen, Die Frage darnach
hat aber abgenommen (auch anderwärts im Hindu Khu find Grus
ben diefes edeln Steines, welche wahrfcheinlich zu ihrer Zeit die
Prachtbauten Indiens verforgt haben; ſ. ob. ©. 259 u. a. O.).
Alle Proben diefes Lazurfteines, melde Al. Burnes in
Bokhara oder fonft zu fehen Gelegenheit hatte, Schienen ihm ftatt
der gerühmten Goldadern nur fchimmernde Glimmer (gemöhn:
lich wol Schwefelfies) zu enthalten‘ Nur im Winter pflegt man
übrigens beide Gruben, fomol der Rubine wie die des Lazurfteine
zu bearbeiten,
4) Die umgebenden Gebirasgaue Badakhſchans ir
ihrem gegenwärtigen Zuftande nach Al. Burnes
Erfundigungen (1833),
Zum Befchluß unferer hierher gehörigen Unterfuchungen, laf
fen wir noch zulegt die fragmentarifchen Nachrichten über di
Sebirasumgebungen Badakhſchans, in ihrem gegen
wärtigen Zuftande, und über die Voͤlkerverhaͤltniſſe ihre
Bewohner folgen, die freilih nur wenig Befriedigung geben
aber doch mit dem, was ſchon früher von ihnen gefagt war, di
Bervollftändigung der Nachrichten darbieten, die ſich ubecha
bis jetzt von ihnen mittheilen laſſen.
Außerhalb Kunduz, mit ſeinen 6 genannten von ihn
abhaͤngigen Territorien, und außerhalb Badakhſchan ſin
es folgende Gebirgsumgebungen 263) dieſer beiden Hauptterritorie
des obern GihonsLaufes, uͤber welche wir, wenn auch oft mi
— 5
ir
[2
?®3) Al. Burnes Trav. ]. e. Vol. II. p. 200— 201.
Badakhſchan nach Burnes (1833). 819
den Namen nach, einige Kunde durch Al. Burnes erhalten has
ben. Im Norden find es die 5 Gebirgsftanten gegen Ka—
zatigin hin; alle nur von geringem Umfange, von denen fchon
öfter die Nede war: 1) Hiffar, 2) Kulab, 3) Durwaz,
4) Shughnaun und 5) Wakhan. Gegen Oſten erhebt ſich
die Hochebene Pamer, von den Berg-Kirghiſen bewohnt, und
der hohe Bolor (Belut Tag) gegen Yarkand (f. ob. S. 487
bis 506). Senfeit des Belut Tag breitet fih ISkardo in Balz
tiftan (f. 0b. ©.215— 217), Gilgit und Chitral, aus (f. ob.
&.14—19. Im Süden von Badakhſchan und Kunduz ew
hebt fi das Land der Siapufch Kafir bis über den Hindu
Khu hinaus (f. 06. ©, 206— 213), deren Sandftrich mit jenem
lestern in der Bezeichnung von Kaferiffan zufammengefaßt wird
(f. 06. ©. 205-206).
Nur von den 5 Gebirgsftaaten) im Norden erhab
ten wir ein paar neue Angaben.
4) Hiffar iſt gut bewaflert, hat daher Reisbau, und war
(1833) von Kunduz wie von Bokhara noch unabhängig geblie-
ben. Bon einem Usbeken Chef beherricht, theilten fich, nach des
Vaters Tode, deiien 4 Söhne in ihr Erbtheil. Ihre Hauptftadt
liegt 16 Stunden oftwärts von Dehi Nu (Dihnu), auf einer
Berghöhe. Eine Gebirgskette, Kohitun genannt, von 4000 Fuß
Höhe, durchfest das Gebiet von Nord nah Süd, und enthalt
ein geoßes Steinfalzlager, deſſen Ertrag von da ausgeführt
wird. Die Bewohner follen fih einer eigenthümlichen Art von
Dferdefätteln bedienen.
2) Kulab liegt im Often von Kiffer, an einem von Nord
aus Karatigin herabfommenden Zufluffe zum obern Orus, der ſich
noch oberhalb des Kokſcha, oder Badakhſchan Waflers, zu ihm
einmündet. Dieſes Gebiet iſt nur ein ſchmaler Laͤnderſtreif, der
auch Belgiwan genannt wird; es ift die legte Eroberung Mus
rad Begs, von weldher Al. Burnes Kenntnig (1833) erhielt,
und die erfte durch welche er feine Macht auch auf das Nordufer
des Orusthales auszubreiten verfuchte.
3) Von Durmwaz ift auch ſchon bei chincfifch Turkeftan
und bei Khofand die Rede gewefen; es fol, nach A. Burnes,
ganz von Tadjiks bewohnt fey, einen noch independenten
Tadjit Fürfen zum Beherrfcher Haben; auch das Dafeyn des
> Al. Burnes Trav. l. C Vol, M. pP» 205 — 207.
80 Weſt-Aſien. I. Abfehnitt. $. 10.
Goldmwäfhereien diefes Alpengaues, von denen v. Meyen⸗
dorff zuerft Bericht gab, beftätigt Al. Burnes, und bemerkt,
daß fie fehr ergiebig fenn follen. Von dem fchon früher anges
führten Namen Caleithum fcheint diefer britifche Neifende Feine
Kunde erhalten zu haben. Durmaz fcheint, wie oben bemerft,
nur das Thor, das Sand der Bergpaflage zu bezeichnen (vom Pas
mer und Bolor herab).
4) Cheghanian, Shughnan und 5) Wakhan, fagt
A. Burnes, find ebenfalls an Kunduz tributpflichtig geiworden ;
aber in jvdem derfelben find etwa nur 3 bis 4 Dorffchaften. Der
Chef von Wakhan, Mir Mohammed RuhimKhan, erlaubt
feinem Gliede feiner Familie das Land zu verlaſſen; von der eis
genthümlichen Sprache diefes Landes hat Al, Burnes 6 Voca—
bein gefammelt, aus denen fich freilich nur etwa, in Vergleich
mit den wenigen von Cheghanian gefammelten Wörtern, ſchließen
läßt, daß beides, wenn auch nicht verfchiedene Sprachen find,
doch wenigftens verfchiedene Dialecte feyn werden, von welcher
Sprache aber möchte, daraus weniaftens, noch unermittelt bleiz
ben. Alle Einwohner diefer beiden Gebirgegaue find jedoch Mos
hammedaner; von Meften älteren religiöfen Aberglaubens hörte
Al. Burnes nichts; fie benennen Gott mit dem perſiſchen Auss
druck Khuda. Sie haben eine eigenthümliche Art den Huf ihs
rer Pferde mit einem Schuh, den fie aus dem Hirfchgemweihe forz
men, zu befchlagen, ein Gebrauch der auch bei Kirghifen einheis
mifch ſeyn foll. |
Ueber die innerhalb diefer fünf Gebirgsftaaten gelegenen Ges
genden finden wir zwar auch in den frühern Jahrhunderten bei
den arabifchen und perfifchen Geographen ſchon mancherlei Nas
men und Nachrichten, vor allem bei Ebn Haufal, vorzüglich
reichhaltige erft bei Edrifi 26), bei Abulfeda und Andern;
aber es find meift unbefannte Namen, auch finden fih nur wes
nig Anhaltpuncte darin zur Orientirung für die Gegenwart. Was
ſich darüber ermitteln läßt, Fann nur in Verbindung mit der Uns
terfuchung ber Quells und Zu:Flüffe des Oxus ſelbſt gefchehen,
worauf erf weiter unten, bei der Betrachtung des Sihuns und‘
Gihon-Syſtems eingegangen werden wird.
* Rdri⸗i Trad. p. A, Jaubert, Paris 1836. 4. p. 472—473,
79 — 434,
Die Alexander-Sage in Badakhſchan. 821
Anmerkung. Ueber bie Sage ber Gebirgsſtaämme von
Durwaz und Wakhan, durch Badathſchan, Gilgit,
Chitral bis Sewad, Bijore, und oftmwärts bis Iskardo
in Baltifianz; über ihre Abſtammung von den Nachfol—
„ gern ulcarneins, oder Aleranders des Großen.
Zum Beſchluß kommen wir, für jest, binfihtlih der Bewohner
biefes zulegt betrachteten Gebirgslandes des alten Thokhareſtan,
zwiſchen Belut Tag und Hindu Khu, noch einmal auf die unter vielen
der dortigen Voͤlkerſchaften fo feltfam, feit vielen Jahrhunderten mieders
holte Sage zurüd, nad) weldyer die angefihenften Geſchlechter dortiger
Bürften und Völker, son Durmwaz dur Badakhſchan bis Kafes
riftan und oftwärts bis ISkardo, Nachkommen von Iskander,
dem dortigen Eroberer und Städterrbauer, d. i. von Alerander, oder
von deſſen Nachiolgern feyn wollen, oder doch von deſſen Macedoniern
obzuftammen fich rügmen. Daß die von Chitral und Gilgit fi
deſſen ebenfalls rühmen, und felbft die Zungani Tribus in Yarkand
bavon reden, ift oben ©. 18—19 und ©. 398 gefagt worden, Daß
dieſe Anſicht Schon feit Jahrhunderten, bei Voͤlkerſtaͤmmen des Hindu Khu
herrfchend war, beweifet Abul Fazils Befchreibung °*) von Sewad
und Bijore im Norden des Kabulftromes (f. ob. ©. 201), wo gegens
waͤrtig Yufufzi wohnen; wonad damals ber dortige Volksſtamm, der
fi der Königlidye, naͤmlich Sultan, nannte, von einer Tochter
Bulcarneins Secunder (b.i. Sskander, Alerander) abitams
men wollte. Diefer Stamm, bemerkt der genannte Autor, ſey erſt feit
den Zeiten Mirza Ulugh Beg’s dafelbft (alfo Mitte des XV. Zahrhuns
derts), von Kabul her, eingezogen. Sie erzählten: Secunder habe zu
Kabul einen Schag hinterlaffen gehabt, unter dem Schuge feiner Vers
mandten ( Hetairen ? ), und-einige von deren Rachkommen, welche
ihren Stammbaum noch befäßen (im 3. 1600), wohnten und herrfchten
-in diefen Gebirgen, Sewads und Bijores, alfo im Hindu Khu. Wähs
rend der Zeit diefes unfterblichen Regenten feyen viele ber unruhigen
Völker diefer Landfchaft zerftreut, andere gefangen worden, und noch
andere hätten ſich in die Wildniffe zurüdgezogen. — So weit Abul
Kazils Ausfage. —
Sn Feriſchtas Gefhichte*?) wird angeführt, daß die Könige
von Badakhſchan ihren Stammbaum bis auf Alerander den Sohn Phis
lipps zurüdführten, und wir haben oben gefehen, daß dies fchon die Bes
bauptung felbft Babers von benfelben war *°)5 W. Erskine es
I Fazil in Ayeen Akbery ed. Franc. Gladwin 8. Lond. 1800
ol. 11. ».157. **) Ferishta History of the Mahomedan Power
Lond, 1829. 8. Ed. b. J. Briggs T. Il, p.30—31. **) Baber
Blem. ed. W, Erskine 1. c. p. 13.
822 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. F. 10.
fuhr, daß dies auch gegenwaͤrtig noch der Stolz der Fuͤrſten von
Ourwaz ſey. Daß dieſe Meinung eine Vorſtellung auch bei den Ka—
fern im Hindu Khu ſſeyn ſollte, iſt zwar ſchon oben, ©. 208, widerlegt;
aber bei dem Beherrſcher zu Is kar du iſt dieſelbe Thatſache, daß naͤm⸗
lich die Bewohner dis Landes die Gründung ihrer Feſte (Jskanderia,
Jskardu, Eskerdu, Shekerdu) gern dem Alerander zuſchreiben wollen,
durd Mr. VBignes Beſuch dafelbft beftätigt worden (f. ob. S. 216).
Es fügt derfeibe in feinem Briefe vom 10. Sept, 1835 aus Jskardo
datirt *°®), noch folgende feltfame Nachricht bei. Er fey im Begriff-in
ein paar Zagen, dort einem dem der Alten ähnligen Wettrennen
(to a classical zort of equestrian sport) beizumohnen, wie es in den
Zeiten Jskanders gefeiert worden fey., Er fey bei Befichtigung der
Rennbahn nicht wenig überrafcht worden, die Einrichtung derfelben
ganz in der Art wie den fogenannten Circus des Garacalla in Rom
vorzufinden. — (Dis Rennbahn in Olympias Ebene hat nad) der neuern
Meffung der Expedition in Morca, eine Länge von 184 Metr, 183 Cen⸗
tim.) — Sollte von ſolchen gymnaftifhen Spielen, mie fie in
Harmozia und im äußerſten Zransoriana, felbft noch zu Eyres
ſchata am Sarartes, wie Arrian berichtet (Lib. IV. c.4. 1. p. 219,
ed. Schmieder 1798: zei &yava immo» 78 xab yuuvızov RoNj0RS, 1. €.
in Cyropolis), von Alexanders Heere, zwiſchen feythifchen und maflas
getifchen Völkern, gefeiert wurden, noch Spuren der Erinnerung, bis
heute, dort zurücgeblieben feyn? Da fchon fo viele andere Epuren je:
ner Kortfegung eines Kellenifch= baktrifchen Lebens, bei dortigen Barbas
zen, in den Münzfchägen, bis in das VII. Sahrhundert wieder aufgefuns
den worden find: fo koͤnnten auch wol andere noch in Gitten und Ges
bräuchen, dort, bei Aboriginern fortleben, an die man nid;t denken dürfte,
wenn Turkvoͤlker hier im Gebirgsiande fo frühzeitig eingedrungen waͤ⸗
zen, wie in den Ebenen.
Daß die Stämme der Kafirn in dem Theile Kaferiftans, den Muls
lah Nujeeb bereifete (f. 06. ©. 208), Eeine Anfprüde auf dieſe Abſtam⸗
mung machten, hat Elphinftone ?°) dadurch zu widerlegen geſucht,
daß bei ihnen Eeine Sage von derfelben vorgefunden ward; dagegen be:
fätigte derfelbe fchon, "daß diefelbe Anficht, wie in Badakhſchan, fo auch
bei dem Könige von Durmwaz 71) vorwalte, der fein Gefchledht von
Alexander dem Großen Herleite, was aud von feinen Nachbarn anere
kannt werde, f
Die ältefte Ungabe hierüber ift ſcon bei M. Polo von Bar
dakhſchan, die wir oben fehon einmal gelegentlich anführten: (Reggesi,
2°%) Mr. Vigne Letter from Iskardo- 10. Sept. 1835 in Journal of.
the Asiat. Soc. of Bengal ed. Prinsep. 1836. Vol. V. p. 57. '
7°) Elphinstone Acsount oi Cabal I. e. p. 620. ®ı) ebend. p. 628.
Die Alerander-Sage in Badakhſchan. 823
scil. Balaxiam, per successione d’hereditä; cloè tutti i Rô sono
d’una progenie, laqual Jiscese dal R& Alessandro, et dalla figliuola di
Dario R& di Persiani. Et tutti quei Re si chiamano Zulcarnen, che
vuol dire Alessandro) ??), Da diefer gewiffenhafte Reifende feine Nach⸗
sicht im Lande ſelbſt erhielt, fo iſt wol kein Zweifel gegen die Richtige
Eeit feiner Ausfage zu erheben, und wir fiimmen mit W. Ersfine’g
wahrfcheinlichfter Erklaͤrung dieſer Erzählung aus dem XII. Zahrhuns
dert darin bei, daß eine dunkle Erinnerung der dortigen Regenten, an
ihre wirkliche Abftammung, ‚oder wenn aud nur hypotheti—
fhe Herleitung, von einem Zweige der verdrängten helles
niſch-baktriſchen Dynaftien, oder deren ſakiſch-getiſchen
Verdraͤnger, die ſich noch viele Sahrhunderte hinaus den Ruhm hels
leniſcher Ahnen und Attribute, fammt ihren Ziteln beilegten und in bes
zen Schrift auf Münzen überliefert haben — die wahre Veranlaffung
dieſes Ahnenſtolzes ſeyn moͤchte. Keincswegs fieht diejer fo ifoliet da,
wie man gewöhnlich annimmt, in einem Gentral-Afien, wo Genealogien,
zings umher, bei allen Völkergefchlechtern für Voͤlkercaſten, Prieſter⸗
orden, Herrfcherfamilien von jeher entfcheiden, und eine bloße Fiction
derſelben ſich nicht leicht Eingang in die Anerkennung der Nachdarn
ihren Weg bahnen wuͤrde; bei Voͤlkern wo die Abſtammung bis zu
Brahma, Buddha, Mohammed, auf irgend eine Weiſe durch Blut
oder ſonſtige Adoption koͤrperlicher oder geiſtiger Art, zuruͤckgeleitet,
allein ſchon zum Throne befaͤhigt, und wo, bei der fruͤhern Uebermacht
der beruͤhmten Herrſcherfamilie der Tihaomu (f. ob. ©. 610,
645, 650 u. a. O.), und dem neu hinzutretenden Eöniglichen Regenten⸗
abel der Nachkommen des Propheten, Mohammeds, die Abftammung
von einem Zulcarnein, im Gegenſatz von jenen beiden, nur ein noch
weit älteres, | einheimifches Königshaus, als dasjvnige dieſer jüngern
Emporfömmlinge bezeichnet.
Solde Angaben über Chitral, Gilgit, Jskardo, Badakhſchan und
Durmwaz, bemerkt der juͤngſte Beobachter in dieſen Gegenden Al. Bur—
nes, waren ihm ſchon fruͤher bekannt, deſto mehr war er erſtaunt, als
er in Transoxiana ſelbſt erfuhr, daß noch außerdem 6 andere Fürften«
häufer ?*), dafelöft, daſſelbe Herkommen in Anſpruch nahmen; naͤmlich
die Häuptlinge im Oſten von Durwaz, die von Kulab, Sheghas
nian und Wakhan im Norden des Gihon.
- Alle diefe Prinzen find, erfuhr derfelbe, vom Tadjik-Geſchlecht,
von Bewohnern diefer Landfchaften vor den Ueberfällen der Usbeken
”2) M. Polo b. Ramusio ed. Venezia fol. 1583. T. II. Lih. I. c. 25
fol 10; vergl. Kd. Baldelli Boni T. 1. Lib, I. c.33 p. 29, °
73) W. Erskine Remarks in Baber Mem. I. c. p- XXIX.
”*) Ai. Burnes. Trav. I, c. Vol. II. p. 218 — 217.
524 Weſt-Aſien. I, Abſchnitt. &. 10,
und Turkſtaͤmme. Alexander M. hinterließ bekanntlich Keine directen Er⸗
ben feiner Herrſchaft in Aſien, ein dort einheimiſcher Felbherr Sky⸗
thianus wird, bei Sogdianen, nach P. Drofius Bericht, Nadıs
folger Alexanders (Skythaeus Praefeetus Alexandri in Sogdianos) ??°)3
aber Verbindungen von ihm, mit einheimifchen Königstöchtern, find bes
Eannt. Diefe Tadjik Fürften verheirathen ihre Kinder, heut zu
Zage noch, nur an fie, durch Zulcarneins Genealogie, verwandte Ge—
ſchlechter. Sie find insgeſammt Mufelmänner, fie fehen auch Zulcars
nein als einen Propheten und Helden an. Al. Burnes lernte felbft
perſoͤnlich mehrere Glieder diefer Kürftengefchlechter aus Badakhichan ken⸗
nen, und fand freilich feinen Zug griechifcher Abkunft bei ihnen. Gie
glichen aber in Körpergeftalt und Gefichtsbildung dem fcyönften Schlage
ber Perfer, und waren vom Turk- und Usbeken- Stamme völlig verz |
fehieden. Sie behaupteten das Land zwifchen Balk und Kabul habe
vordem Bakhtur Zamin geheißen, worin Al. Burnes einen Ans
Elang des grichhifchen Baktriana finden wollte, als dem Kriegstheater
von Aleranders Heldenthatenz aber dieſer Name ift vielmehr nad E.
Bournouf?®), ver ältere ſchon dort einheimifche, Zendname
(Bachter, von Apaf, der Norden, Apakhtara, das Norbland im
Gegenfaß von Aria).
Daß hier hellenifch= macebonifche Golonien, und nicht unbedeutende,
von Alexandria ad Caucasum (Bamiyan) bis Alexandria ad Tanaim,
wo Cyropolis oder Cyreschata einft die größte aller dortigen
Städte, wol nahe dem heutigen Khodjend gegründet, und nebft Maras
canda (Samarfand), noch 7 andere Städte von Alerander am ©is
hun erobert wurden (f. Arriani de Expedit. Al. Lib. IV. c. 2 und 3),
ift aus den Hiftorien bekannt. Nach der Verdrängung der Nachfolger
Aleranders, als Präjecten und Gommandanten jener hellenifch=bactrifchen
Herrfchaften, durch; Saken und Getengefdhledter (f. ob. ©. 420,
421, 548, 568, 673, 692 u. a. D.), Tann man wol Eaum es für uns
wahrfcheinlidy halten, daß diefe ihr Aſyl nicht in den offenen Ebenen
Transoxianas und Sogdianas, fündern vielmehr in den geficherteren
Alpengauen der obern Srusthäler gefuht haben wers
den, mo fie wol frühzeitig genug, felbft bis Iskardo nach Baltiftan,
an die Grenze Kaſchmirs, vorrücen Eonnten, fo daß die erfte Civiz
Lifation dieſes Alpenthales, das durch feinen Goldreihthum feit alter
Zeit die Aufmerkfamkeit auf ſich 309, durch helleniſch-baktriſche und fpäs
ter feleucidifch = baktrifche Flüchtlinge und Verdrängte, keineswegs fo
abenteuerlich feyn möchte, als dies beim erften Anblic erfcheint. Diefe
Gegenden blieben außerhalb ter alles zerftörenden MongholensUchers
216) E. Boornouf Commentaire sur le Yacna etc. Paris 1833. 4.
p- CAT.
|
Die Alsranders Sage in Badakhſchan. 825
fälle, faft ungeftört ober doch viel weniger geftdrt als ihre Umge⸗
bungen liegen; in ihnen lebte alfo die ältere Zeit länger fort, als in den
weſtlichern Rachbarſtaaten. Erft mit den fortgefesten Einfälfen und
Ueberfaͤllen tiefer eindringender Mohammedaner, gingen alfo wol die
Erinnerungen und dorthin geflüchteten Documente hellenifdh = feleucidi-
ſcher Herkunft unter, von denen fi zu M. Polos Zeit noch vielleicht
nähere Beweife hätten einfammeln lafjen, von denen, nad) Abul Fa—
zils Angabe, noch bei den Sewat’s und Bijore’s Häupflingen die ges
nealogiihen Stammbaͤume fid) ‚vorfinden follten. Mag dem feyn wie
ihm wolle, nod) bis heute, wo noch immer feine Turk und Usbeken Pos
pulation in diefen Thalgebieten anfälfig geworden, und die Volksmaſſe
noch die einheimifche geblieben, wollten mehrere der Eingebornen Badakh—
ſchans, welche Al. Burnes darüber perföntich ſprechen hörte, ent-
ſchieden ?*) von jenem berühmten Geſchlechte der Nachfolger Alexanders
herfiammen, und ihre perfifhe Sprache ift, fagt derfelbe, wenig:
ſtens Beweis für ihre dortige Anfiedlung und Herrfchaft vor der jün-
gern Ueberfluthung durch turfredende Völkerftämme und arabifcher mit
der mohammebanifchen Snvafion dort eingedrungener, die das flachere
Transoxiana in ein mittelalteiges Mawar al nahar und in eine moderne
Bucharei umwandeln mußte,
’s) Al. Burnes Trav. I, c. Vol. Il. p. 217.
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