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Full text of "Die Erdkunde im Verhältniss zur Natur und zur Geschichte des Menschen; Namen- und Sach-Verzeichniss .."

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in 2010 with funding from 
University of Toronto 
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Die Erdkunde 


von 


Carl Kitten 





2.3000: RR ı u Re © 
Drittes Bud. Weſt 
Uebergang von Oft: nach Welt: Afien. 





Berlin, 1837. 
Gedrudt und verlegt 
bei ©. Reimer. 





ar Erdfunde 


| im Verhäftniß zur Natur und zur Geſchichte 
des Menfchen, - 


oder 


allgemeine 


| ‚vergleichende Geographie, 


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fi here Grundlage des Studiums und Unterrichts in 
phyſicaliſchen und — Wiſſenſchaften 


von 


Carl Ritter, 


Dr. und Prof. p. Ord. an der Univerſitaͤt und allgem. Kriegsſchule in 
Berlin und Be der Königl, Academie der Wiffenfchaften zc. 


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Siebenter Theil, 
Drittes Bud. Wef:Afien 





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Zweite ſtark vermehrte und umgearbeitete Ausgabe, 





Berlin, 1857. 
Gedbrudt und verlegt 
bei ©, Reimer. 







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Inhaltsverzeichniß und Blattweiſer. 





Drittes Buch. 
Weſt⸗Aſien. Band V. 


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Erſte Abtheilung. 


* Abſchnitt. Die Uebergaͤnge in den Naturformen 
von Oſt- zu Weſt-Aſien. 


Pi. Erftes Kapitel. Das Stromfyftem des Indus. ©. 5. 
Einleitung, ©. 5—12. 
Erläuterung 1. Oberer Induslauf. Zufäge zu frühern Nach⸗ 
richten, nach Al. Burnes Erfundigungen, ©. 12—2%6. - 
Erläuterung 2. Mittler Lauf des Indus (Sind). ©. 26—31. - 
Erläuterung 3. Das Pendſchab (Penjab im Neuperfifchen, das 
' Fünf-Stromland) 3 im Sanskrit Pandjanada, beides bei Griechen 
Pentapotamia. Sapta Heando een: regiones Indiae) im 
Zend, ©. 31. ._ \ 
1. Namen der Fünf Fluͤſſe. ©. 31. 
2. Der Sfetledfchlauf (Hesudrus) im Pendſchab die —— 
©. 35. 
3. ‚ Der Beas, Bedſcha, oder Vipaſa (Hyphasis), und das Sallin= 
der Duab. ©, 46, - i 
4. Der Lauf des Ravi, Sräoty, Airavati (Hyarotis, Hydraotes)z 
der Lahore- Strom. Die Gapitalen Zahore, Umritfir. ©. 47. 
5. Der Chinab ( Ghandrabagha im Sanskrit, d, i. Mondeögabe, 
Acesines), Der Multan- Diftrict, ©. 60. ı 
6, Der Behut, Bedufta (Vitafta im Sanskrit, d. i. pfeilgefchwind, 
Hydaspes), oder Jilum (Oſcheilum). Der Kafıhmir » Strom, 
das Kafdjmir = Gebirge und Thal, ©, 70, 
























IV Inhaltsverzeichniß. 


J. Oberer Lauf, das Alpenland Kaſchmir; juͤngſter Fortſchritt 
der Beobachtung. S. 70. 
a. Nach V. Jaquemonts Berichten im J. 1831. ©, 71. 
b, Nach Karl Freiherr v. Huͤgels Berichten im J. 1836. 
©. 81 -93. 
1) Das Gebirge zwiſchen Sſetledſch und dem obern Chinab. 
2) Das Gebirge zwiſchen Chinab und Indus, 
3) Der Zübet Panjahl, oder die innere Se bes Hi⸗ 
malaya = Syſtems. \ 
4) Das Kaſchmirthal. ©. 88. 


1. Unterer Lauf des Silum (Hydaspes) im Pendſchabgebiete 
S. 3—8, 

Anmerkung. Die buddhiſtiſchen Dagops von Manikyala 
und Belurz Ausgrabung, Antiquitäten, Muͤnzenreichthum. 
Etymologie der Namen; Beftimmung und Erbauung dies 
fer Denkmale (Topes, vom Sanskrit Wort Stupa), ©, 98. 


Erläuterung 4 Das Pendſchab. Fortſetung. ©, 115. 
I. Producte, Induftrie, Handel, ©, 115. 
II. Das Maha Rajathum Runjit Singhs im Pendſchabz Verwal⸗ 
tung, ©. 121. 
11. Die Seikhs im Pendfhab. S. 129, 
IV, Religionsfeete der Seikhs, Entſtehung ihrer Gonföeration. 

©. 133 — 140. 

Anmerkung. „Kurzer hiftorifcher Abrig der Entftehungs 
geihichte von Runjit Singhs Reiche, dem Maha Rajathu 
des Pendfchab, und von deffen neueftem ftatiftifch-politifche 
Zuftande, nad) officiellen Quellen, ©, 140—147. 


| 


4,2%. Erläuterung 5. Mittler Induslauf, Fortjesungs von Mi 
tun=Kote bis Hybrabad oder von dem Pendfchab bis zum De 
des Indus, Mittun-Kote, Subzul- Kote, Schikarpur, Bukkur 

Khyrpur, Larkhanu, Sehwun; die Lufli- Berge. S. 147— 165 


$. 3, Erläuterung 6. Unterer Lauf, Snöus- Delta, ©, 165— 189. 

1. Die Indusarme und ihre Mündungen, S. 165. 

2. Namen des Indus, ©. 170, 

3. Bodenbefchaffenheit des Indus-Deltas, Clima, Probuete, Schiff; 
fahrt. ©. 173. 

4. Bevölkerung, Ortſchaften, Hirtenftämme, Angeſiedelte. C 
talen: Hydrabad, Tatta. S. 178. 

5. Der Staat von Sinde, die Herrſchaft der Talpuri⸗ Dyna 
vom Beludfhen Stamme, Die drei Amirs von Einde; v 
Hydrabad, nd und Mirpur. ©, 184— 189, 


Inhaltsverzeichniß. v 


Eeiauterung 7. Ruͤckblick auf das Indus-Syſtem und Vergleich 
mit dem Ganges-Syſtem; deſſen Schiffahrteroͤffnung für Euro- 
päerz politiſche Stellung des Stromgebietes. S. 189 — 196. 


4. Zweites Kapitel. Das Gebirgsſyſtem des Hindu Khu 
und der Kabulſtrom. Kaferiſtan; die Vorſtufe Peſchawer; 
die hohe Kabulterraſſe. S. 196. 
Ueberſicht. Der Hindu Khu, Indiſcher Kaukaſus. S. 196. 
Erläuterung 1. Kaferiſtan, Naturbeſchaffenheit, Namen, Bewoh⸗ 
ner, die Kafern, die Siapoſchen; Euſofzyes. 
1. Naturbeſchaffenheit. S. 202. * 
Anmerkung 1. Names; Kaferiſtan, Koheſtan, Gurkhend. 
S. 205. 
Anmerkung 2. Name, Siapuſch, Siaputh; Timurs Als 
penzug im Jahre 1398 (nidht 1408). ©, 206, 
2. Bewohner. Aboriginer : die Kafern und Siapuſch. ©. 208.9 
3. Eingewanderte; die Eufofzues, oder oͤſtlichen Afghanen ; Rohils 
las, Patan. ©. 13. 
Anmerkung. Süngfter Befuc in Iskardo, von Ghataph 
Ali und Mr. Vigne (1835). ©, 215 
Eriaͤuterung 2. Die Vorſtufe von Pefhamerz der Uebergang vom 
warmen zum falten Glima (vom Germafir zum Serdfir). Sell 
allabadz; die Gärten am Surkh-rud; die Denkmale; das 8 
ſteigen zur Kabul-Terraſſe. ©. 219 - 233. 
Erläuterung 3. Die Hoch-Terraſſe von Kabuliſtanz die Stadt 
i Kabul (Kapovga bei Ptol.). ©. 33 — 244. 
- Erläuterung 4 Der Hindu Kufd (d. i. Hindu Toͤdter), Kohe— 
R fian am obern Kabulſtrom; die Gebirgspaffagen und der Paß 
von Kabul über Bamiyan nad; Balkh. ©. 244. 
1. Die Gebirgögaue des obern Koheftan, n, Sultan Baber. ©, 244 
2. Die fieben Gebirgs = Päffe nach Sultan Baber. ©. 251. 
3. Der Hindu-Kuſch, die Gebirgspaffage von Kabul über Bas 
miyan nad) Khulum, nad) Al. Burns, S. u 
a) Allgemeine Ueberſicht. 
b) Al. Burnes Route über Hindu Kuſch (1832). ©. 261. 
Anmerkung 1. Bamiyan (Alexandria ad Caucasum), feine 
Höhlen und. Eoloffe. S. 271— 2386. 
Anmerkung 2, Die Gruppen der Tope's (Stupa’s) oder 
‚großen, antiten Mauerthuͤrme mit buddhiſtiſchen Reliquien 
und Münzfchägen, von Peſchawer, Zellalabad, ‚Kabul und 
0 Beghram, zu beiden Geiten der großen Koͤnigsſtraße bis 
Bamiyan, ©, 286 — 303, 





vi Inhaltsverzeichniß. 


Erläuterung 5. Die Landſchaft Kabul im XVI. Zahrhundert, von 
ihrem Groberer (im Jahre 1504 n. Chr. Geb.) und Beherrſcher, 
dem Sultan Baber, beſchrieben. ©. 305— 313. | 


Grläuterung 6. Politifcher Zuftand des heutigen Kabel, ©. 313 
bis 320, = 


6,5. Drittes Kapitel, Das Turkeſtaniſche Hochland, oder 
Oft; Turfeftan, als Uebergangsform von Oftz zu —*9 
Aſien. ©. 320. | 

Ueberfidt, ©, 30—343. | 

Erläuterung 1. Khotan, Khotian, Khoten oder Zuthian (HYuthian 
oder Yütiän); Kusftana im Sanskr., Kiufatanna der Ehinefen. 
Das alte Königreich und die heutige Provinz mit der Hauptſtadt 
Ilitſi. ©. 343 — 389. 

1. Ueberſicht. 

9%, Khotan nah) dem Djihan numa der tuͤrkiſchen Geographie. 
S. 349. 

3. Khotan nach dem Si yu wen kian lu (im J. 1777). ©, 350, 

4, Jlitſi (Kelchi bei Wathen), d. i. Khotan in der Gegenwart, 
nad) den Jüngften Ausfagen dort einheimifcher — — auf 
ihrer Durchfahrt in Bombay (1835). ©. 352. 

5. Khotan oder Zuthian in älterer Zeit, im 3. 400 n, Ehr, Geb,, 
zur-Beit von Fa Hians Befuch daſelbſt. ©. 354. 

6. Khotan, Juthian, oder Yuͤtiaͤn, Kuftana (Erdbruft) im Sanskr. 
Kiufatanna der Chineſen. Nach den älteften Sagen der ein= 
heimischen Chroniken, die in den dhinefifchen Annalen der Thang⸗ 
Dynaftie (reg. von 618 —907 n. Chr. Geb.) aufbewahrt find, 












7. Khotan ſeit J X. Jahrhundert in chineſiſcher Spanien 
S 374— 380. 


„Anmerkung. Der Zu: (Yu) Stein, d. i. Ju⸗ch der Chi⸗ 
nefen, Kaſch der Turk, Yeſcheb der Perſer, oder Jaspis 
der Alten; fein Fundort in Khotan, fein Verbrauch und 
Handel, ©, 380— 389. 

Erläuterung 2. PYarkand ber Einheimiſchen ; Varkend, Jerken, 
Yarkiang; Hiarchan bei B. Gods; Karkan bei M. Polo; Me⸗ 
olh kdiang der Chineſen, als Capitale, altes Koͤnigreich und ge⸗ 
genwaͤrtige Provinz. ©. 389— 409. 

1. Karkan nad) M. Polo (1280). ©. 390. je An 
2. Hiarchan nah B. Goës (1603). ©&.391. 7 0 - 


3. Da nad) Mic Iſſet Ullahs Reifebericht im hehre 1812. 
+ 392. 


i Inhaltsverzeichniß. vn 


4. Darkand nad) den Ausfagen der Mekkapilger in Bombay (1835). 
©. 396. 

5, Darkend nad) dem Dſchihannum⸗ (d. h. der Waliſchau) des 
Tuͤrkiſchen Geographen Hadſchi Khalfa (geſchrieben um das 
Jahr 1640 n. Chr. G.). ©. 399, 

6» Meoͤlh khiang, d. i. Yerkiang oder Yarkiang (Sprich Yarkand), 

nad) der Chineſiſchen Geographie des Si yuͤ wen kian lo. Ebit, 

Peking 1778. S. 401. 

7. Hiſtoriſche Verhaͤltniſſe Yarkands in der aͤlteſten Zeit; gegen 

t wärtiger friedlicher Zuftand als chincfifhe Provinz. S. 405. 


Erläuterung 3. Kaſchghar oder Haſchar (Kaſch, Chaje), Haſcha 
ha eul oder Khe ſchi hooͤlh der Chineſen; Sulg (Choule) oder 
Khiuſcha der aͤlteſten Zeit. ©. 409 — 430. 
1. Kaſchghar nach M. Polo (1280). ©. 409. 
2. Kaſchghar (Cashkar) nach arabiſchen Autoren. S. 410. 
3 Kaſchghar nad) dem Oſchihan numa (d. h. Weltſchau) des tuͤr⸗ 
kiſchen Geographen Hadſchi Khalfa, um das J. 1640 n. Chr. 
Geb. S. 411. 
4. Kaſchghar nach Mir Iſſet Ullah. S. 412. 
5. Kaſchghar nach den Berichten der turkeſtaniſchen Mekkapilger 
in Bombay (1835). ©. 413. 
6 Kaſchghar, oder Kaſchkar-Haſchar, oder Hafdahaeul, auch 
Khe ſchi ho oͤlh, nach chinefischen Berichten des Si yu wen kian lo. 
Ed. Peking 1778. ©. 416. 
7. Kaſchghar, d. i. Sule (Choule oder Chou), nach den älteften 
Berichten, feinen frühern Hiftorifchen Verhältniffen, nad) chine— 
ſiſchen Quellen. ©. 419— 430. 


Erläuterung 4 Die Städte und Ortfchaften zwiſchen dem Nord⸗ 
ufer de3 Zalimu und dem Südgehänge des Thian Schan - Sys 
ſtems: Zurfen, Karafhar, Kurli, Bukur, Kutſche, Akfu, uſchi 
und ihre Gebiete. ©. 430. 

. 4) Zurfan. ©, 432. 

9) Kharafhar, Halafchala der Chinefen und Oſchuidus (Yulduz) 
‚Cialis, Cailac, Calacia, Kalacha. Durchreiſe von W. Rubru⸗ 
quis (1254), M. Polo (1280), von Schah Koks ach ade 
(1419) und von 9. Goes (1604), ©, 436. 

3) Kurli. ©. 444. 

4) Bukur. ©. 444. 

5) Kutfche (Khudſche oder Kueiſzoͤkue; einft Slolo, die Reſidenz der 
Kouei-thſu. ©. 445. 

6) Akſu. ©. 4. Re _ 

7) uſch, uſchi oder Nicht Turfan. S. 451: 








vm Inhaltsverzeichniß. 


Erläuterung 5. Allgemeine Verhaͤltniſſe Oſt-Turkeſtans nach 
dem chineſiſchen Berichte des Si yu wen kian lo (1778). Ueber das 
Schneegebirge, Clima, Boden, Producte an Pflanzen, Thieren; - 
Bewohner in Sitten und Gebräuden. Zuſatz nad) dem neueften 
Berichte der Mekla- Pilger zu Bombay (1835), ©. 452. 

1. Der Siue Scan, d. i. das Schneegebirge (der Thian Scan), 
©. 452. h 

2. Glima. ©. 453. 

3. Boden. ©. 454 

4. Product. ©. 455. 

5: Bewohner, Sitten und Gebräudje, nad) der chineſtſchen An ſicht 
des Si yu wen kian lo. ©. 461. 

6. Ueber den Handel in Oſt-Turkeſtan nebſt Zuſaͤtzen zu dem Vo⸗ 
rigen, nach dem juͤngſten Berichte der Mekkapilger in Bombay 
(1785). S. 466. 

7. Handelsverhaͤltniſſe und politiſcher Zuſtand nach den Ausſagen 
turkeſtaniſcher Reiſenden in Bokhara, eingeſammelt von Al. 
Burnes daſelbſt im Jahre 1833. ©. 470. 

8. Hindoſtaniſche Route aus Yarkand gegen den Süden über Las 
dakh. ©. 473. 

9, Die Querfiraßen über den Belur Tagh aus Oſt⸗ Turkeſtan ge⸗ 
gen den Weſten nach Bokhara. ©. 475. 

1) Die Nord-Querſtraße; die Syr⸗Straße; die Ferghana-Route. 
S. 476. 
a) Mir Iffet Ullahs Routier in 40 Tagemaͤrſchen von Kafdıs 
ghar nach Kofand (1812). ©. 478. 
b) Marſchroute eines ruſſiſchen Handelsmannes von Kokand 
nad) Kaſchghar, in 30 Tagemaͤrſchen (1832. ©. 486. 
2) Die Suͤd-Querſtraße über den Belur Tagh; die Oxus-Straße, 
die Badakhſchan-Route; der Pamer-Paß. ©. 487. 
a) Hiuan Thfangs Route (650 n. Chr. G.). ©. 493. 
h) M. Polo’s Route (1280 n. Chr. ©.). ©. 500 
c) Pater Ben Goẽës Route von Badakhſchan nah Yarkand 
(1603). ©. 503. 

Erläuterung 6. Rebellionen der Khodjas gegen die dhinefifchen 
Ufurpationen in oft Eeftan, zumal in Yarkand, Kaſchghar 
und Ufchi, feit Mitte des XVII. Zahrhunderts. Politifche Grenz? 
verhältniffe gegen Badakhſchan und Kokand. ©, 506. 


DViertes Kapitel. Welthiftorifcher Einfluß des chineſi⸗ 
ſchen Reiches auf Central: und Weft:Afien, bis zu dem 
Uferlande des Aral und Caspifchen Meeres, von ältefter 
zeit bis in die Gegenwart, in politifcher und commercieller 


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Inhaltsverzeichniß. x 


Hinſicht, wie auf Voͤlkerentwicklung und Voͤlkercultur über: 
haupt. ©. 531 — 583. 
meberfidt. ©. 531 —545. 

‚ Erläuterung 1. Einfluß des chineſiſchen Reiches auf Weft- Aften 
unter der Dynaftie der Han (163 vor bis 196 n. Chr. Geb.). 
Tſchangkians Entdelung von Ferghana, Sogdiana, Bactrien und 
der Handelsſtraße nad) Indien, um das J. 192 v. Chr, Geb.5 
Phantſchao's Entdeckung des Caspiſchen Sees 66 vor Chr, Geb. 
Kenntniß von Ta Tfin und Aſi, oder dem roͤmiſchen Reiche und 
dem Parther-⸗Reiche. KHandelsverbindung zwifchen dem Often und 
Weſten der alten Welt über Indien und auf directem Wege, zu 
Zeiten Kaifer Marc. Antoninus, 166 n. Chr, G. ©. 545, 

Erläuterung 2. Einfluß des chinefifhen Reiches auf Weft-Afien, 
unter den Dynaftien der Wei, der Sui, der Thangz die drei Zu, 
Naturabtheilungenz Peikiu's drei Bücher über die Fremden, deffen 
erjte Landkarte von Eiyu, und die drei Handelsſtraßen gegen den 
Weiten (im 3. 607 n. Chr. ©.). ©, 559. ' 

Erläuterung 3. Das Weftland zur Zeit der Thang-Dynaſtie 
(619— 901 n. Ehr. Geb.) bis in die Periode der Araber-Erobes 
zungen, und der Mohammedanifirung von Transoxiana, Balkh 
und Kabuleftan. ©. 565. . 

Hiftorifche Erläuterungen zu den weftlichen Königreihen. S. 570. 


8.7. Fünftes Kapitel. Ethnographifche Verhältniffe Mittel: 
Afiens nach dem Fortfchreiten feiner WVölfergruppen gegen 
den Weften: die Hiongnu, die Uigur und Hoeihe, Hoeihou, 
Thukiu, Usbeken. Die Yueti (Getae), Sai (Sacae), die 
Ufun, die indosgermanifche Völfergruppe der blauäugigen 
Blonden. Die Tofharen, die Tadjif, die Seren. ©, 583, 

Grläuterung 1. Die Gruppe der Oſt-Turk. 

1. Die Hiongnu, ein Turkftamm der älteften Zeit, ald Herrſcher 
in Oſt-Turkeſtan. ©. 555. 
2, Die Nigur, Dui, Hoeihe, Hoeihou, Kiufzu, Kufzu, Kaoſche, 
Weioueulz; ihre Verbreitung, Schrift, Cultur. Die Usbeken, 
Gus der Araber des XVI. Jahrh. ©. 587, 

Erläuterung 2, Die indo-germanifche Völkergruppe Oft» Zurkes 
ſtans. Die verdrängten Völker aus Gentral- Afien. Die Ufun, 
oder die Gruppe der blauäugigen Blonden, ©, 604, 

1) Die Uftun oder Ufun. ©, 612, 
Anmerkung. Die Gefchihte der Ufun von Kaifer Wuti 
und Tſchangkian, 122 vor Chr. ©. bis in das erfte Sahre 
zehend nad) Chr, Geb, Aus dem chinefifchen Original 


Inhaltsverzeichniß. 


der Annalen der Han-Dynaſtie des Pat. Hyalinth uͤber⸗ 
fest von Dr. Schott. ©, 613—63. - 
2) Die Schule (Chou, Choule), Sule oder die Kincha. ©. * 
3) Die Houte, oder Khoute. ©. 623. 
4) Die Zingling. ©. 624. 
5) Die Kiankuen oder Hakas. ©. 625, . 
6) Die Hanthfai (An Thfai) oder Alan (Alanna). S. 655. , 


Grläuterung 3. Die Gruppe der Urfaffen in Weſt-Turkeſtan 
ober Transoxianaz die Ta Wan, Tahia (Daoi, Daken, Sakas, 
Sera) und die. 9 Staaten der alten Herricher= Familie der 
Tſchaowou von Khangkiu (Samarfand). ©. 628. 

1. Ta Wan, die großen Wan (Phohan, Pahan, Fahanna, Ferghana 
bei Ab. Remufat, Khokhan nad) Klaproth und Hyakinth, jest 
Khokand) nad) Tchhangkian, 123 vor Chr, Geb, und Sſema⸗ 
tfiens Berichte, 100 3. vor Chr, Geb., wie nad) den Annalen 
der Han (163 vor bis 169 nad) Ehr. G.). ©, 633, 

2. Zfao (Si Tſao, d. i. Weft-Tfao), Sou toui chana ni 
fpäter Osrufchnah). ©. 647. 

3. Die neun kleinern Königreiche der berühmten Tſchaowu * 
ſcherfamilie, der fruͤhern Urſaſſen, oder vielmehr nur aͤlteſten 
Eingewanderten. S. 650. 

4. Khangkiu, das Koͤnigreich von Khang (d. i. Samarkand); 
Sogdiana der Alten im eigentlichen Sinne. S. 657, 

5. Die Tahia (co, bei Herod. 1. 125 etc.), ©, 668. 


Erläuterung 4. Die Gruppe der Yueti (Getae) nad) den Annas 
len der Han und der Matuanlins, Die Se, Sai, Sacae (Zuxaı) 
und Sakas der Perfer und Inder, Die Großen und die Kleinen 
Yuetiz die Focleoutſcha, Mletſch'has, Beludſchen. Kipin (Cophene), 
Kabuleſtan; Fanyan, Bamiyan. © 672. 

1. Die Großen Yueti. S. 675. 

2. Die Kleinen Yueti, die Foeleoutſcha, Mietſchha, Beludſchian, 
Beludſchen. ©. 676. 

3. Kipin (Gophene), Kabulefian. ©. 632, 

4. Sieiju und Fanyanna (Bamiyan). S. 687, 


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6. 8, Ethnographifche Verhaͤltniſſe. Fortſetzung. S. 689, 


Erläuterung 5. Allgemeine Refultate. Ethnographiſcher Anhang. 
Thu ho lo (Toharen); Yeta, Yta; Hadicha (Utſchha), Patahe⸗ 
ſchan, Badakhſchan; Tiaotſchi, die Tadjik, die Perſiſchredenden5 
Tata, die Unterworfenen; Sarten, die Handelsleute. Die Bucha⸗ 
ren im engern Sinne. ©. 629— 728, 

1. Allgemeines Ergebniß. &, 689, i — 





Inhaltsverzeichniß. xı 


2. Die Thuholo, die Tocharen, Tolkharen ( —— Tochari), 
S. 694, 


3. Die Yetha (Yta bei Zuyeou im VII. Yeyita bei Matuanlin im 
x XI. Jahrh.). ©. 703, 
4, Yadicha in der Alteften Zeit der Han=Annalen (Utſchha in * 
Reichsgeographie) 3 Potchhouang auf der Buddhiſten Karte feit 
dem VII. Sahrh.3 Pataheſchan der Neuern; Patakiſchan im 
Si yu wen kian lu, d. i. Badakhſchan. ©. 707. 
J 5. Die Tiaotſchi (Tiaodſchi), die Tadjik (Taoxo b. Dion. Per.), 
die Tadſchiken, die Perfifchredenden — die Tache, Tachi, Tas 
fian, oder Zazian, d. i. die Araber — die jegigen Tat oder 
Zatas, d.i. die Unterworfenen; die Garten, d. i. die Handels⸗ 
leute; die Bucharer im engern Sinne, im Gegenfag der Turk 
und Usbek. ©. 713, 
1) Die Tiaotſchi nach Sfematfien (100 J. v. Ehr.). ©. 615. 
a 2) Die Tiaotfchi nach den Annalen der Han (bid 20 J. n, Chr.) 
P ©. 715. 


3) Die Tiaotſchi, Tadſchik nad) Zuyeou (im VII. Sahrhundert). 
©. 716. 


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. - ⁊ 


59. Sechstes Kapitel. Die Alpengaue des Obern Sihuns 
und Gihon-Landes; Ferghana (Khokand) und Badakh: 
fhan, am Weftabhange des Belur Tag; das. befanntere 
Gebirgsland von Weft: Turfeftan., S. 728. 

Erläuterung 1. Ferghana, das obere Stufenland des Sihun 
(Sir, Sarartes) der frühern Zeitz das Khanat von Khokand 
(Khokan) der Gegenwart. ©, 729. 

1. Ferghana nad) Sultan Baber (1500). ©. 730. 
2% Ferghana'nad) Ebn Haukal (im X. Sahrh,). ©. 743, 
3. Ferghana nad) Edriſi (im XII. Jahrh.). ©. 746, 
4, Abulfedas Nachrichten. ©. 749. 
5. Ferghana oder Khokand (Khokhan) nach chineſiſchen Berichten 
im XVIO. Jahrh. ©. 750, 
6 Khokan (Khokand) nach Mir Iſſet Ulahs Beſuch im 3. 1813. 
©.. 754. 
7. Khokand (Kokan) nach Ph. Nazarov's Beobachtung im J. 1813 
und 1814. ©. 756. 
8. Khokand der Gegenwart, nach eingefammelten Erzählungen der 
Einheimifchen: durch v. Meyendorff in Bokhara (1820); J. 
B. Frazer in Khorafan (1821)5 Mahfum Khodja in Drena 
burg (1829) und W. H. Wathen in Bombay (1834). ©. 772, 
4) Regentenreihe nad) Mahfum Khodja von Khokand. ©. 772. 
2) Nach v. Meyendorffs Nachrichten (180). ©. 774 





Xu 


$ 10. 


1- 
2. 
3 


4, 
5. 


Er! 


1. 
2. 
3 
4. 


Inhaltsverzeichniß. 


3) Nach J. B. Fraſers Nachrichten (1821). S. 776. 

4) Nach den Ausſagen der Khokand-Pilger, zumal des Khodja 
Behadur Khan, an W. H. Wathen in Bombay im I. 1834. 
©. 778. 

Anmerkung. Khokandſche Maaße nah A. v. N 
in Orenburg. 

Erläuterung 2. Badakhſchan (Patakhiſchan oder Patahe⸗ 
ſchan bei Chineſen), das obere Stufenland des Gihon (Drus) 5 
das mohammedanifhe Khanat der Gegenwart mit feiner naͤchſten 
Umgebung, dem AYlpengebirgsiande und deffen Kafir- und Tadjik- 
Bewohnern. ©. 785 

Nach Ebn Haufal und Edriſi im X. und XH. Sahıh, ©, 786. 

Nach M. Polo (1280). ©. 788. 

Nach Abulfeda (1345)5 Bakui (1403)5 Scheriffeddinz Sultan 

Baber (1500). ©, 791. 

Patakhiſchan oder Patahefchan nach neuern hinefifchen Berich⸗ 

ten (feit 1759). S. 792. 
Badakhſchan nach neuern ruffifchen Berichten, bei v. Meyen- 
dorf (1820) und Timkowski (1821). ©. 793. 

Auterung 3. Fortſetzungz Badakhſchan und feine Umgebungen 

nad) den neueften Berichten der Briten in Indien. Nah M, El: 

phinftone (1809)5 nah 3. B. Frafer (1811), Moorcroft (1825) 

und A. Burnes (1833). ©. 799. 

M. Elphinftones Nachrichten über Badakhſchan (1809). ©, 800. 

3. B. Frafers Erkundigungen (1821). ©. * 

Nach Moorcroft (1825). ©. 804. 

Nach Al. Burnes Beobachtungen und —— auf ſei⸗ 

ner Reiſe von Kabul nach Bokhara (1833). S. 808. 

1) U. Burnes Excurſion von Khulum nad) Kunduz; feine Au⸗ 
dienz bei Murad Beg dem Uſurpator und Eroberer von Ba— 
dakhſchan, nebſt Ruͤckweg nad) Balkh. ©, 808. 

2) Kunduz und Murad Begs Herrſchaft. ©. 810. 

3) Badakhſchans gegenwaͤrtiger Zuſtand in Abhängigkeit von Kunz 
duz, nah Al. Burnes Berichten (1833). ©, 816, 

4) Die umgebenden Gebirgsgaue Badakhſchans in. ihrem gegen» 
wärtigen Zuftande nach A. Burnes Erfundigungen. ©. 818, 

Anmerkung. Meber die Sage der Gebirgsftämme von Dur— 
waz und Wakhan, durch Badakhſchan, Gilgit, Chitral bis 
Sewad, Bijore, und ofiwärts bis Iskardo in Baltijtanz 
über ihre Abſtammung von den Nachfolgern Zulcarneins, 
oder Alexander des BR ©. 821. 





- 





* 
Drittes Buch. 


u 


Beft-Afien 





Band * 


Nitter Erdkunde VII. R A 








2 











ENT Erz 


Drittes Bud. 


Be ft m Halo, Irre 0 


Nachdem wir die muͤhſame, aber reichlich lohnende Wanderung 
durch die kaum durchforfchten, nocdy ungemeflenen Räume des 
Afiatifhen Orientes vollendet haben, gehen wir zu den mehr 
beengten Gebieten des Occidentes von diefem Erdtheile über, 


‚in denen uns fchon überall befanntere Geftalten entgegentreten, 


mehr Europäifche Lüfte ummehen, und verftändlichere Sprachen 
zu uns reden, die längft fihon in den Kreis der allgemeinen 
MWelteivilifation mit aufgenommen find. Nichts defto weniger 
werden wir aud) in diefem Afiatifchen Occidente, hinfichtlich der 
Natur, wie der Gefchichte und Kunft, auf manche noch unents 
zifferte Hieroglyphe ftoßen, auf manche Terra incognita, wenn 
auch nicht von fo weitem Umfange wie im Often Afiens, auf 
manches ethnographifche Problem, auf manches noch unberuͤck⸗ 
fihtigte Naturphänomen, und vielen in den Naturfyftemen noch 
nicht einregiftrirten Naturproductionen werden wir begegnen, wie 
vielen in den hiftorifchen Compendien noch nicht erklärten Denk; 
malen der Völker und. ihrer vorübergehenden Herrfchaften. Mit 


neuem Muthe beginnen wir die erneuerte Wanderung durch diefe 


Border: Afiatifche Welt, weil fie ven Weg bahnt zur Eus 
ropäifchen, weil fie ſchon jegt unendlich veichere Nefultate für das 
; 42 


e 


4 Drittes Buch, Wert: MAfien, 


Ganze der Erd- und Menfchengefchichte darbietet, ald vor zwei 
Yahrzehenden, da wir zum erften Male auf engen Pfaden- ung 
durch diefes Labyrinth hindurchzuwinden verfuchten. Der höchfte 
Standpunct, von dem aus wir diefes neue Gebiet zu überfchauen 
haben, ift uns aus früherem wol befannt (f. Einleitung Afien 
Br. 1. ©. 15 84), nur müffen wir zuvor, ehe wir in feine 
Mitte felbft eindringen, ‚die, Uebergaͤnge zu demfelben überwinden, 
den Scheideffrom und das Scheidegebirge, nämlih In— 
dussSnftem und Imaus-Syſtem, oder den Indus— 
Strom mit feinem zugehörigen Qändergebiete, das uns aus In⸗ 
dien nach Afahaniftan und Perfien zum Hochlande Weft: 
Afiens führt, und das Turfeftanifhe Alpengebirgss 
land (ſ. Afien Bd. I. Einleit. ©. 47), oder den Weftabfall des 
hohen Oft: Afiens, auf dem wir allmälih in die Ebenen der 
Bucharei abfteigen und in die Niederungen des Caspi— 
ſchen un Schwarzen Meeres übergehen. 


Erfie Abtheilung 





Erfter Abſchnitt 


Die Uebergänge in den Naturformen von Oft 
BE. zu Weſt-Aſien. 
Es: Erfes Kapitel 
Das Stromſyſtem des Indus, 

| St 8 
E Sinleitung 
. Im Gegenſatze des Gangesſyſtemes haben wir ſchon fruͤher die 
- Stellung und Charakteriſtik des Indus-Syſtems im 
i Allgemeinen bezeichnet (ſ. Aſien Bd. I. Einleit. S. 59; Bd. IL. 
S. 428; Bd. V. &.1100— 1102); hier läge es uns vor, im Ber 
- fonderen, deffen Stufenlandfchaften, von feinen Quellen an bis 
h zu feiner Mündung hinab zu verfolgen, wenn wie nicht auch das 
von ſchon den mühfamften Theil, nämlid) fein oberes Stufenland, 
innerhalb des Himalaya: Spftems, vollftändig durchwandert 
Ben, fo weit namlich die Wege durch daffelbe von Europaͤiſchen 
- Beobachtern gebahnt worden find. Wir erinnern daher hier nur 
an die Entdefung der Indus-Quellen (1815) im Lande 

des Echnees Una-Defa, durh Moorcroft (f. Aflen H. S. 504 
bis 512), und an deflen zweijährigen Aufenthalt zu Leh, oder 
Ladakh (1821 und 1822, ebend. ©. 554; wie an die Befchreis 
bung des obern Snduslaufes von feinem Urſprunge im Ruͤcken 
des Kailaſa auf den Himalaya-Hoͤhen, von Gertope, über Rudok, 
bis zur Gapitale des Königreichs Ladakh (f. ebend. ©. 592 bis 
628), die auf dem Plateaulande etwa in Montblanchöhe liegt. 
Wir erinnern ferner daran, daß von da, abwärts, der In— 
duslanf, unter dem Namen San Pu, d. i. der große 





6 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. F. 1. 


Strom innerhalb des Hochlandes, nur noch ſo weit von Au: 
genzeugen gefeben ift, als der XBeg von Sch nad) Kaſchmir 
an ihm voruͤberfuͤhrt, naͤmlich bis dieſer gegen S. W. gegen die 
Station Draz oder Draus (ſ. ebend. ©. 621) abzweigt, ein 
Ort, welcher aber ſchon fern von ihm, nicht wie fruͤherhin El⸗ 
phinſtone und Macartney irrthuͤmlich annahmen, am Indusufer 
ſelbſt liegt, ſondern einige: Tagereiſen weſtlich von ihm, an dem 
Ufer eines andern Indusarmes, des Kiſchen Ganga, der in 
das Kaſchmirthal zum Zilum fließt; daher auch die Reiſeroute 
von eh über Draus nah Kaſchmir führt (f. ebend. ©. 630, 
vergl. ©. 1179). Die Berichtigungen, welche diefe Localität fo 
wie die etwas veränderte Anficht von den Yndus- Quellen, durd) 
A. Burnes Erkundigungen bei Augenzeugen in jenen Gegens 
den neuerlich erhalten hat, werden wir weiter unten nachträglich 
angeben. Sie ift jedoch nur eine Beftätigung von dem, was wir 
nach andern Daten und Kombinationen fchon früher vor Burs 
nes Ruͤckkehr nach Europa, in unferer Erläuterung zu dem ges 
nannten Routier, als höchft wahrfcheinlich aufgeftellt hatten; f. 
Alien Bd. II. S. 629— 631. Nur durch Mir IſſetUllaͤh's 
Erfundigungen erfahren wir (fi ebend. &. 643), daß der große 
Strom von Leh, oder der Tuͤbet-Strom, wie ihn diefer 
einfichtsvolle Reiſende abwechfelnd nennt, nämlich der Indus, 


den er vom Fluſſe bei Draus fihon unterfchieden hat, fich gegen ' 


Weft durch Klein Tübet, oder Balti, hindurch ergießt, und 
zwar nachdem fich fein rechter oder nördlicher Zufluß der Shayuk 
mit ihm vereinigt hat. Weiterhin firöme er durch das Fand der 
Eufofzyes,.der Bhir und Turnul, fagt derfelbe Wanderer, 
und vereine fich mit dem Strome von Kabul über dem Fort 
Attock. Nähere Beweife über einen folhen Zndusdurds 


bruch (denn auch Al. Burnes hat feine Zufäße dierzu nur 
durch Hörenfagen erhalten) fehlen uns; nur das Factum ift 


entfchieden, daß am Südfuß der. coloffalen Schneegebirgswand, 
nordwärts von Attof, der Indus wirklich, kurz zuvor, che er 
noch den Kabulftrom aufgenommen hat, in feiner ganzen Mädhs 
tigkeit eben fo aus der 

ler, öftlichfter Zuftrom des Sfetlevfh (Satadru im obern 
Laufe), unterhalb der Himalayaſtaaten Biſſahir, Kotgerh, Seran 
und Ranpur (f. ebend. ©. 742— 774), aloge 
Bis diefer in Sirmore und bei Ludian 


a, der bekannten Briten⸗ 
ſtation (ſ. ebend. S. 843 — 851, Br. I 


V. Abth. 1. ©. 465), die 


ſelben hervortritt, wie fein gewaltigfter, mitt 


- 


auf ganz analoge Weife, 








Stromfyftem des Indus, Einleitung. 7 


Mittelſtufe des Pendſchab Landes erreicht. Auch von dieſer zweis 
ten Hauptwaflerader des Indus, von dem Satadru, ift von 
feinem ganzen obern Laufe, innerhalb der Himalaya Ketten, 


auf das vollftändigfte gehandelt (ebend. ©. 666— 735), desglei: 
chen von dem Urfprunge aller, eben zwifchen diefen beiden 


Hauptgabelthälern des Indus, aus em Kulu-Kaſch— 


mir Himalaya fid entwickelnden Pendfchab: Fhüffe (f. ebend. 


©. 1061 —1203), bis diefe aus den Außerften, füdlichen Vorketten 
des Himalana: Spftems in das: hüglige Land des Pendſchab 
oder der Fünf Flüffe eintreten. 

Nur von diefen zweiten Stufenlande, der Mittel: 
fiufe des Indusſyſtemes, dem Pendfchab, bleiben uns 
hier, wie vom unteren Induslaufe zum Meere, die befonde: 
wen Beobachtungen und Erfahrungen nachzumeifen, zufammenzu: 
ftellen und zu unterfuchen übrige. Doch auch hier haben wir 


ſchon einen nicht unwichtigen Theil der Arbeit gethan, indem wir 
auf hiftorifhem Wege uns ſchon, im ganzen Yndusgebiete 


durch die vergleichende Darftellung von Alerander des Großen 
fo merfwürdigem Groberungszuge durch: diefen Theil der Indus— 
landfchaften, in ältefter Zeit, wie durch) Sultan Mahmuds, Tis 
murs und Baburs leberfälle im Pendfchab: Lande, während 
des Mittelalters, fo vollftändig orientirt zu haben glauben, als es 
unfere Quellen geftatten und der Zweck gegenwärtiger Arbeit vor; 
laͤufig exheifchte (f. Aften Bd. IV. Abth. 1. ©. 444— 479 und 
©. 529 — 581). Aber auch die neuefte Zeit. macht größere Ans 
fprüche anf die genauere geographifche Befanntfchaft mit diefem 
bisher wenig beashteten, oder doch. von Europaͤern wenig, durchs 
forfchten Ländergebiete, in dem fih aus Staub und Verwirrung, 
feit wenig, Sahızehenden, eine politifhe Welt Macht: im Oriente 
ausgebildet hat, der Staat der Seifhs, unter Runjit 


Singhs keitung, des modernen Porus (f. Alien Bd. IV. 


2. Abth. ©. 457), den man als einheimischen Herrſcher und 
energifchen Umgeftalter feines Staates und der ihn berührenden 
Staatspolitif, als Maha Raja, d. h. König der Könige, 
zu deſſen Würde er fich. felbft emporfchwang, wol einem Peter 
dem Großen dur bie genaueften. Kenner I) lea hört. 


" 








1) H. T: —— of the Bengal Civil Service, Origin. ‚of the Sikb 
Power in the Punjab. and. kp Life of Maba-Raja Ruajvet 
Singh etc. Calcutta 1834. 8. p- 187. 


8 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. F. 1. 


Die Aufmerkſamkeit der Briten in Indien, der Ruſſen in 
Europa, der Perfer und Tuͤrken in der Levante, wie die aller 
umgebenden Herrfcherftaaten, in Bofhara, Tübet, China, 
Afahaniftan und Sind, ift auf die fernere Entwicklung dieſes 
glänzenden Meteors am hiftorifchpolitifchen Horizont im Pendſchab, 
auf der Grenze von Oft: und Weſt-Aſien, im Centrum des Erd 
theiles gerichtet, weil deffen Gedeihen, wie feine Zerträmmerung 
nicht ohne großen Einfluß auf das ganze Aſiatiſche Staatenfoftem 
bleiben dürfte. Die feit dem FriedenssTractat (zu Sur 
diana 1805, f. Afien IV. 2. Abth. ©. 407), und fpäterhin, feit 
dem Freundfchafts-Tractate mit den Briten Gu Ilm: 
vitfir abaefchloffen, 25. April 1809), vervielfachten Berührungen 
der Europder mit dem Hofe von Lahore, haben nicht nur die 
neue politifche Geftaltung am Indus ſehr gefördert, fondern auch 
unfere geographifche Kenntniß in diefem Gebiete ungemein berich- 
tigt, vervollfiändigt und erweitert, im Vergleich mit den erften 
Anföngen, die uns (ſchon 1805) durch General Malcolm ?) 
über das Volk, und von M. Elphinftone (im Zuli 1809 auf 
feinem Ruͤckwege aus Kabul) über das damals noch wenig be— 
fannte Sand 3) auf authentische Weiſe mitgetheilt wurden. Bri- 
tische Militairs (wie General Ochterlony 1812, Capt. Murray 
zu Umbala % und Capt. Wade von Yudiana) fanden in Lahore 
fiets gaftliche Aufnahme; der Staliener Ventura und der Frans 
zofe Allard, Ingenieur-Officiere aus der Napoleonifchen Schule 
(jeit 1822), ftiegen in der Armee der Seikhs zur Würde von Ge 
neralen auf, und viele andere franzöfifche Officiere traten in Run— 
jit Singhs Dienfte. Die Embaffaden der Briten von Lord 
Amberft 1827, Al. Burnes 1831 5), der Congreß Lord Bens 
tinfs Gu Rupur, am Sfetledfch 20. Oct. 1831) 6) mit Run— 
jit Singh trugen nicht wenig zur Befefligung des gegenfeitigen 
Vertrauens bei. Die wiffenfchaftlihen Reifenden, wie Moors 





*) Gen. Malcolm Sketch of the Sikhs in Asiatic Researches, Cal- 
eutta T. XI. p. 200 — 291. 2) Mountstuart Elphinstone Ac- 
eount of the Kingdom of Caubul etc. Lond. 1815. 4. p. 75— 82. 

‘) ‚Capt. W. Murray on the Manners, Rules and Customs of the 
Sikhs, Appendix by H. T. Prinsep Origin of the Sikh Power I. e. 
p. 191 — 215. *) Al. Burnes Narrative of a Voyage by tho 
River Indus from the Sea to the Court of Lahore in Punjab, 

> 1831; in deſſ. Travels into Bokhara..8. London 183 . I. 

) H. T. Prinsep Origin of the Sikh Power I. c. p. iM , 











Stromfuften des Indus, Einleitung. 9 


croft 1820 und 18237), Vict. Jacquemont 18319), Al. 
Burnes 9) mit Dr. Gerard 1832, M. Honigberger!%) 
— Freiherr K. v. Hügel 1835 11) und A., wurden mit ausgezeich⸗ 
neter Gunſt unterſtuͤtzt, und in ihren Unterſuchungen und Samm⸗ 
5 gefoͤrdert, wodurch die wichtigſten Nachrichten uͤber das 
Pendſchab, Kaſchmir, Multan, Peſchawer und andere 
en Runjit Singh unterworfene Koͤnigreiche nach Europa kamen. 
| Zu den wichtigften der hierdurch gemachten Entdeckungen gehören 

die aufgegrabenen Denkmale unzähliger Mauſoleen; fogenannter 
‘ opes, d. i. Buddhiſtiſcher ner pl (f. Afien IV.2. ©. 1099), 

von denen der erſte und einzige von M. Elphinftone, im Zahre 
41809 bei Manityala!?), * ihn wegen der Vollendung 
he Architecture veranlaßte zu behaupten, daß er ein griechifches 
Bauwerk ſeyn muͤſſe, weil Einheimiſche unmoͤglich im Stande 
— ſeyn möchten, ſolche Meiſterwerke zu Stande zu bringen, 
‚Seitdem aber find Hunderte diefer Monumente entdeckt, und ohne 
allen Zweifel find fie von einheimifchen Künfttern aufgeführt. 
Seitdem find theils in ihnen vom General Bentura®), Dr. 
- Gerard 19, 4. Court!) und Anderen, theils andermwärts, wie 
von 3. Tod, Al. Burnes, General Allard, Ch. Mafs 






ar GE DE 





7) Asiat. Journ. Vol. XIX. p. 179. ®) Vict. Jacquemont Cor- 
respondance etc. pendant son Voyage dans l’Inde. Paris 1833. 8. 
Vol. U. p. 1 —175. ?) Al. Burnes Travels into Bokhara 
beeing the Account of a Journey from India to Cabool, Tartary 
etc. London 1834. With an entirely New Map constructed by J. 
Arrowsmith. Vol. I. p. 2—80. 10) E. Jacquet Notice sur les 
Decouvertes arch£ologiques faites par M. Honigberger dans PAf- 
gbanistan in Journ. Asiatique III. Serie. Tom Il. Paris 1836, 
Sept. p. 234 — 277. 21) Allgem. Pr. Staatszeitung 1836. 
Nr. 320; Journal of the Royal Geograph. Soc. of London Vol, VI. 
1836. p. Il, p. 343 Notice etc. *?) Elphinstone l, e. p. 79, 
cf. Tabula, Tope of Maunikyaula; vergl, Al. Burnes Trar. I. c. 
Vol. I. p. 65, 71, 109 und J. Prinsep Not, ib. Vol. II. p. 470. 

43) General Ventura Letter on Excavations at Manikyala, in Asiat. 
Journ. 1831. Vol. IV, New Ser. p. 158. Vol. IX, 1832, p. 364; 
Jam. Prinsep on the Coins and Relics discovered by M. Le Che- 
valier Ventura General, in the Tope of Manikyala, 20. März 1824, 
in Journ. of the Asiat. Soc, of Bengal. Calcutta Vol. I. p. 308; 
Vol. III. 1834. p. 314— 321; Contin. p. 436— 458. 

34) J. G. Gerard, Surgeon, Memoir on the Topes and Antiquities 
of Afghanistan, Jellallabad, 4. Dec. 1833. im Journ. Asiat. Soc, of 
Bengal l. c. Vol. Ill. p. 321 — 329. 25) A, Court Further In- 
formations on the Topes of Manikyala, Extr. of a Mem. etc. in 
Journ. Asiat, Soc. of Bengal 1. c. Vol, III. p. 556 — 576 


—— * GET IEEETTELWE FIT 











10 Weſt-Aſien. IL Abſchnitt. $ 1. 


fon!Y), M. Honigberger u. A. vielerlei Antiquitäten, vor 
züglih aber reihe Münzfammlungen aufgefunden und auss 
gegraben worden. Sie ſtammen aus einer Griechifchrbace 
trifhen, Indo-griechiſchen, Indo⸗ſcythiſchen und 
Saffanidifchen, wie fpätern Hindu Zeit, und geben gang 
neue, unerwartete, zuerft in Ch. Laffens meifterhafter Fors 
fhung!?), jedoch fhon angedeutete Auffchlüffe über die geographifchse 
hiftorifche Bedeutung diefes Ländergebietes, das dadurch immer 
mehr, feit Jahrtaufenden, feine Stellung auf dem Uebergange des 
Drientes zum Decidente von Afien bewährt. Wir nennen nur 
die wichtigften Commentationen 13) die fich bis jetzt mit den Ents 
jifferungen und der Critik diefer Schaͤtze befchäftigten, und die in 
den Sammlungen von Kalcutta, St. Petersburg, Wien, 
Paris und London niedergelegt oder im Beſitz der Privaten 
geblichen find, weil in ihnen, zugleich, nebft dem ſchon Angeführs 
ten, auch wichtige Denkmale 19) für die Landesgeographie gegeben 
find. Zu alle diefem kommt die erfte wirflihe Beſchiffung 
des Indusſtromes, feit Alsrander Magnus Zeit, durch einen wifs 
fenschaftlich gebildeten, Bericht erftattenden Europäer, durch Al. 
Burnes?) (1831), welche von der Mündung firomauf bis Ya: 
hore Statt fand, wodurch es möglich) wurde, eine neue, uns 
gemein berichtigte hydrographiſche Karte 2!) des Indus— 





1%) Chas. Masson Memoir on the Ancient Coins found at Beghram 
in the Kohistan ef Kabul in Journ. Asiat. Soc. of Bengal I. c. 
Vol. IIl. p. 153 — 175. 17) Chr. Lassen Commentatio Geo- 
graphica atque historica de Pentapotamia Indica. Bonnae 1827. 4. 

»*) Colebrooke, 3. Tod, A. W. v. Schlegel, v. Köhler, H.H. Wil- 
son Observations on L. A. Burnes Collection, in deff. Trav, Vol. II. 
p- 457 — 473; J. Prinsep Notes on the Ceins of M. Court, in 
Journ. A. S. of Bengal, Vol. IH. p. 562—567. K. 9, Müller 
in Goͤtting. Gelehrt. Anzeigen 1835. Nr. 177. ete. p. 1763 — 1783. 
Kaoul Rochette Notice, in Journ. d. Savans 1834. und deſſ. Supp- 
lement à la Notice sur quelques Medailles Greeques inedites de 


Rois de la Bactriane et de l’Inde, in Journ. d. Savans 1835. Sept. 


p- 913 —528, Oct. p. 579— 596; deſſ. Deuxieine Supplement & 
la Notiee ib. 1836. Fevrier p. 56— 83, Mars p. 129 —146, Avril 
p- 193 — 205, Mai p. 257 — 271. 1°) E. Jacquet Notice in 
Journ. Asiat, T. II. 1836. 1. c. 20) Al. Burnes Narrative of 
a Voyage by the River Indus ete. 1. c. 21) A Map of the In- 
dus and Punjab Rivers with the Southern Portion of Rajpootana 
by L. A. Burnes Lond. 1834, und J. Arrowsmith Central-Asia 
comprising Boksara, Cabool, Persia, the River Indus etc, construc- 
ted from autbentic documents but principally from the Original 
Msc, Surveys of L. Alex, Burnes, Lond, Jun. 1834. 





— — 


’ 
1 





Stromſyſtem des Indus, Einleitung. 11 


faufes”?) zu geben, die wir früherhin völlig entbehrten, begleitet 


von einem ungemein anfchaulichen Keifeberichte durch diefe Ges 
biete, wie von einer eigenen gehaltreichen Abhandlung ??) über die 
neugewonnenen geo- und hydrographiſchen Verhaͤltniſſe dieſes 


— Stromſyſtems. Wenn auch ſchon fruͤher andere Reiſende dieſen 


Strom hinabgeſchifft waren, wie z. B. der berühmte Pater Grus 
ber (1665, f. Afien 1. ©. 453) auf feiner Rüdreife aus China 


’ dur H'Laſſa, nad zahore, und von da mit einem Schiffe 


auf dem Indusſtrome, in 40 Tagen bis Tatta 29) an defien Müns 
dung, oder wenn auch andere Theile deflelben im untern Laufe 


beſucht wurden, wie von Aler. Hamilton (1727) und wenigen 
Andern in jüngern Zeiten, fo haben diefe uns über ihn doch keine 
oder wenige pofitive Daten mitgetheilt ?), und mit Al. Burs 
nes Obfervationen beginnt eine ganz neue Aera in der Geogras 
pphie der Snduslandfchaften. Echon war ihm im untern Laufe 


des Indus, in dem Königreihe Sind, fein Bruder Jam. Burz 


nes 26),. als Arzt an den Hof von Sind, nach Hydrabad im 


Jahre 1829 berufen, in der Beobachtung der dortigen Landes— 


und Nölkerverhältniffe vorangegangen. Seitdem aber durch Lieut. 


Eol. Dottinger, im J. 1832, zu Hydrabad, am 20. April, 
in Auftrag des Britiſch-Indiſchen Gouvernements, nun auch mit 
den fonft fo wenig zugänglichen Gebietern im mittlern und untern 
Laufe des Indus, nämlich mit den Amirs, oder Königer von 
Eind, ein Handelstractat?”) abgefchloffen ift, durch welchen 
der bisher verfchloffene Indusſtrom der Europäer Schiffahrt bis 
in das Herz des Pendſchab eröffnet ward, beginnt auch ein neues 
commercielles Leben für diefes ganze Stromgebiet, welches 
nun die directe Bahn zum Verkehr, über Kabul bis Bok— 


32) A, Burnes Notice regarding the Map of the Indus in deſſ. Tra- 
vels I. c. Vol. Il. p. 193 etc. 23) Al. Burnes Memoir of the 
Indus and its Tributary Rivers in the Punjab l,c. Vol. III. p. 199 
— 332; deff. Memoir etc. May 1833. in Journ. of tlıe Geogr. Soc, 

. of London Vol. Ill. 8. 1834. 1. 113 — 156. 23) ‘T'hevenot Re- 
lation de divers Voyages curieux Nouv. Edit. Paris 10696. fol, 
T. I. Voy. à la Chine fol. 2. 25) f, J. Rennell Memoir 3. Ed, 
p. 91 — 129; J. M. Kinneir Geographic. Memeir of Persian Em- 
pire, London 1813. p- 226 —232; M. Elphinstone Acc. of Caubul 
1. c. p. 90, 103 — 113, 497 — 505. 25) Jam. Burnes Narrative 
ofa Visit to the Couit of Sinde Edinburgh. 1831. 8. cf. Bour- - 
nouf erit. in Journ, d. Savans Noy. 1833. p- 641 — 653, und im 
Journ. of the Geogr. Soc. of London Vol, I: 8. 1832. p. 222—231. 

27) H. T. Prinsep Origin of the Sikh Power etc. 1. c. p.168—177. 


12 Weſt-Aſien. J. Abfchnitt.. 0. 1. 


bara, und ven Pahore über Kaſchmir nad) Ladakh, Tuͤbet und bis 
in das hohe Turkeſtan im weftlichen chinefifchen Neiche Central⸗ 
Afiens, in naber Zukunft zu "werden verfpricht. Dies find zus 
aleich die wichtigften Quellen der jüngften Zeit, aus denen ſich 
der erfreuliche Fortfchritt unferer jegigen, gegen die frühern Un—⸗ 
terfuchungen über das Indusſyſtem aus den ſchon vielfach befanns 
ten älteren Quellen ergiebt (f. Erdk. 1817 erfte Aufl. Bd. l. ©.727), | 
deren vollftändigfte Aufzählung wir aus der gelehrteften Erdbe—⸗ 
ſchreibung Günther Wahls 3) von Oſtindien hier nicht zu 
wiederhofen brauchen, da deffen Werk in diefer Hinficht fire feine 
Zeit als claſſiſch anerkannt genug ift, und aller Fortfehritte uns 
geachtet auch ftets bleiben wird, 

Ehe wir nun zu der Durchwanderung des mittfern Stu— 
fenlandes und von diefem zur Miederung des Indus— 
deltas fortgehen, haben wir, nach Al. Burnes Erfundigungen, 
einige Zufäge zu den frübern Unterſuchungen über den obern 
Lauf des Indus innerhalb des Himalaya; Syftems vorauszus 
fchiefen; wodurch zugleich auch die frahere — ie 
Gegend einige Berichtigungen- erhalten bat, — 


J 


Erläuterung 1. 


Oberer Induslauf. Zuſaͤtze zu fruͤhern Nachrichten, weg A. 
Burnes Erfundigungen. 


Don Augenzeugen, welche die Routen zwifchen Kaſchmir, 
Ladakh und Yarfend wiederholt zuruͤckgelegt hatten, erfuhr 
A. Burnes, wie auch nicht anders zu erwarten war, und was 
fhon ſehr frühzeitig dem Pater Montferrat, der den Kaifer 
Akbar, im 5%. 1581, auf feinem Zuge nach Kabul begleitete, bes 
fannt war ?), die Beftätigung, daß der Strom) an dem 
die Capitale Leh gelegen, wirklich aus der Nähe des Manaſaro— 
ware Sees entfpringe, einen fehr langen Sndusarım ausmache, der - 
aber, ungeachtet ex mehrere Flüfe aufnehme, doch nur ein Kleines 

Waller habe, Dagegen folle der vom Norden a ed 





2) ©, Fr. Günther Wahls Erdbefchreibung von Oftinbie, als Forts 
feeung von Buͤſchings Erdbefchreibung. Hamburg 1805 "und 1807. 

. II Th. von dem der ganze erſte Th. die Literatur begreift, 
* "Wilford Essay in Asiat. Research. T. VIII. p. 332, Ayeen Ak- 


bery T. II. p. 117, »°) Al. 
J P ) Al. Burnes Tray. | © Vol. it. p. 220 


t 





Stromfyftens des Indus, oberer Lauf. 13 


hayuf:Strom (f, die Reiferoute an ihm, Aſien I, S. 633 
bis 637) ein fehr großes Waſſer feyn, das aus vielen Kleinen ent 
fiehe „ welcher. die. Schneeſchmelze der Karaforum Kette und ihre 
Waſſer herabwälze gegen Süden, und 3 Tagereifen aufwärts: von 

ſchon eine Breite von 1000 Schritt (Yard) befige, aber. eben 
16 auch durchgehbar fey. Die Landeseinivohner und auch 
ann Reiſende, 3. B. Ezernichef, und die Kaufleute follen 
dieſen Shayuk als den Hauptarm des großen Stro— 
mes, oder als den In dus ſelbſt anſehen, deſſen Quellen dann 
nicht am Fuße des Kailaſa gegen S.O., ſondern im N.O. von 
Badafh auf dem Karaforum zu fuchen wären, wo ihnen gegenüber 
die Quelle des Yarkend Stromes, nordwärts laufend, derfelben 
Höhe entſpraͤnge. Diefe Behauptung fünnen wir für jegt nicht 
naher prüfen; fie verändert aber eigentlich nichts in der bisher 
an befannten Configuration des Hochlandes von Ladakh. 
Kl Unterhalb der Stadt Lech vereinigen fih diefe beiden 
auptquellarme des Indus zu dem einen großen 
Strome, dem San Pu, in der Gegend von Beli, wo ein 
Schloß und Kloſter (ſ. Aſien II. S. 632) am Suͤdufer ſteht, und 
nad Al. Burnes Karte, am Nordufer, in der Spitze des Ver: 
eins, der Ort Himap eingezeichnet iſt. Dieſer vereinte, große 
In dus ſtroͤmt nun, von da, nord weſtwaͤrts von Leh, durch 
Klein Tübet oder. Balti, und bleibt durch eine gegen Norden fich 
kruͤmmende Schneekette, welche Kaſchmir im Norden von 
zaltiſtan oder Klein Tuͤbet und Ladakh abſcheidet, deren Nordfuß 
Ein. vom Kafhmirthale gefchieden. Leh liegt, nad) 












oorcrofts Meſſung (f. Afien U. &.615), unter 34° 9 21" N. Br. 
al. Burnes giebt 34° 10° 13” N.Br. an); Kaſchmir liegt 
aber unter 34° 4/ 28” N. Br. (nach Trebeck's Journal, von 
A. Burnes mitgetheilt); beide liegen alfo, in der Richtung von 
D. gegen W., unter faft gleihem Parallel. In dieſer Rich— 
tung geht A die Straße von dem einen Marktorte zum anz 
dern, über Draus, das, in der Mitte zwifchen beiden, ‚nicht 
am großen Strome, fondern füdwärts von ihn an einem Eleinen 
Gebirgsſtrome liegt, der wirklih, nach Al. Burnes Beſtim— 
Bun 3), wie wir ſchon früher vermutheten (ſ. Aſien II. ©. 630), 
der obere Lauf des Kifhen Ganga ift, welcher fich bei Mos 
zufferabad im Weſten des Kafcıhmirthales Cebend. I. ©. 1179), 


2) Al. Burnes Tray. 1. c. Vol. II. p. 221. 


14 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 1. 


zum Indusarme aus Kafchmir, dem Behut (Hydaspes) vereint, 
um 5 den heutigen Jilum zu bilden. 

Der große Strom, San Pu, oder der Indus, befpült aber, 
im nördlicher gewendeten Bogen, nach Al.Burnes Erkundigung, 
in Baltiftan die Südgrenze der Territorien Iskardo, Gil: 
git und Chitral. Dies hat man für ganz neue Daten gehals 
ten; wir erinnern aber hier nur an das, was wir früherhin ſchon 
tiber die Lage von Esferdu, oder Sheferdu nah Bernier 
und J. Rennells Erzaͤhlung von Zuffer Khans Feldzuge (1638, 
ſ. Aſien I. ©. 642, 644) angegeben haben. Iskardo, offenbar 
identifch mit jenem Esferdu, erfuhr Al. Burnes3d), liege 
am öftlichften von den dreien, Balti oder Klein Tuͤbet zunaͤchſt; 
der Hauptort gleiches Namens fey eine große, irregulär am Ufer 
des Indus erbaute Fefte, die nur 8 Tagereifen nordwärts entfernt 
liegt. Der Häuptling diefes independenten Gebietes fen aber nur 
Herr diefer einzigen Fefte, von der er behauptet, fie fey durch 
Alerander M. erbaut. Don diefen Gebirgsgaue beginnt die 
merkwürdige Neihe der Bergtribus, die, von da an, weflwärts, 
über Badaffchan bis Wakhan, fich ruͤhmen Nachfolger der Soͤhne 
Aleranders 3) zu feyn, und ihre Fürften Abkoͤmmlinge diefes Hels 
den. Weftlih von Iskardo wird der Gebirgsgau Gilgit ge 
nannt, an welchen, noch weiter weftwärts, gegen Badakſchan hin, 
um die Quelle des Kameh und Orus, der dritte diefer Berg: 
ftaaten Chitral grenzen fol. Diefe find es, welde den Raum 
der Gebirgszüge zwifchen Kafhmir und Badakſchan einnehmen, 
und nordoftwärts von Chitral ward Al. Burnes ein vierter, 
Gunjut, genannt, der von dem Golde, das man in ihm findet, 
feinen Namen haben foll (vergl. das goldführende Land der Dardi, 
Daradrae, f. Afien I. ©. 653 — 660), Von Badakſchan am 
Drus find diefe Landfchaften durch die große Gebirgsfette Belut 
gefchieden, offenbar ein Nordzweig des Indiſchen Kaus 
fafus. 

Gilgit oder Gilgitty foll ein feftes Land feyn, nal 
bängig von feinen nordiweftlichen Nachbarn, den Gebietern in 
Kunduz; es foll feine eigene Sprache reden. Chitraf aber war, 
als Al. BurnesH dort reifete (1832), dem Chef von Kunduz 
untergeben, der zuweilen in das Bergland eingefallen war, und 









»2) Al. Burnes Trav, l. c. Vol. u. p- 210. 33) ebend. p. 216. 
3%) ebend. p. 209. | 


Stromſyſtem des Indus, oberer Lauf, 15 


‚einen jährlichen Tribut an Sclaven forderte, die er auf den Marft 
nach Bokhara zum Verkauf ſchickte. Der Häuptling, nur Hein 
von Geftalt, aber berühmt durch feinen langen Bart und ftolz 
auf feine macedonifche Abftammung, titulirte eh Schah Kuts 
tore, Der Dialect von Chitral ift verfchieden von dem feiner 
Nachbargaue; einige Wörter deffelben hat Al. Burnes mitge: 
theilt erhalten. Aus dem Gau Gilgit tritt, von Morden her, 
ein rechter Zufluß zum Indus, der ihm nach Al. Burnes Karte, 
die ihn allein dargeftellt hat, gegen S.D. zufließtz san derfelben 
Stelle, wo nun, nach der Kartendarftellung, der Indus feinen 
erſten Durchbruch durch die große Schneekette zu neh— 
men ſcheint, welche ihm im Oſten Himalaya), im Weſten 
Sindu Khu, Indiſcher Kaukaſus, genannt worden iſt (f. 
Aſien I. Einl. ©. 43, II. ©. 407). Weftwärts vom Gilgit 
tritt, ſchon vom Südgehänge diefer Schneefette abfließend, ein 
zweiter rechter Zufluß zum Indus innerhalb jenes Alpengebirgss 
landes, der Abu Sin (Abba Seen bei Elphinftone)°%); 
von ihm erhielt fchon Elphinſtone Kunde. Er entfpringt im 
Hin du Khu, fließt gegen Sud und fällt nach einem Laufe von 
24 geogr. Meilen, oder 4 Tagereifen, zwifchen Hochgebirgen des 
Sindu Khu indarchichend, bei Mullai in den Indus. Er 
trägt hier ſchon Flooße, kann nicht durchwatet werden; irrig wird 
er von den Afghanen für den Hauptſtrom des Indus angeſehen. 
Genaueres hat auch Al. Burnes uͤber ihn ich erfahren. Die 
Berge und Thäler umher find reih an Goldftaub (f. Afien I. 
No. 660). Der dritte, rechte Zufluß des Indus, der dicht 
| oberhalb der Fefte Attok ihm zufällt, ift endlich der berühmtere 
Strom von Kabul, der vom Weft herfommt, aber hier am 
Verein Lundi genannt wird, weil dies der nächfte Strom aus 
dem Hindu Khu iff, der über Swaut fich in den untern Kabul: 
ſtrom ergießt, der höher auf, ebenfalls vom Nord her, aus Ehitral 
den Sameh-Strom aufnimmt, und nur weiter weftwärts, in 
feinem obern Laufe, von feiner Duelle bei Ghizni an, den 
Namen des Kabulftromes von der Landfchaft Kabul führt. 
Von ihm wird weiter unten die Nede ſeyn. Hier nur, daß er 
k 
- »*), C. Ritter Entwurf zu einer Karte vom gangen Gebir gsſyſteme 
des Himalaya nach den Quellenangaben ; nebft einer Specialtarte 
des Hohen Himalaya. Abhandlung in der Königl. Akademie der 


vollig. 4. Berlin 1832. ©. 6. #6) Kluhinstone Account etc. 
l, c. p. 110; ebend. b. Macartney Mem. App. D. p. 655. 


— 





16 Weſt-Aſien. A. Abſchnitt. F. 1. 


unterhalb Jellallabad den Kameh aufnimmt, oder den Rama, 
der aber dieſen Namen ebenfalls nicht bei den Einwohnern fuͤhrt, 
ſondern nur fo heißt, weil an feiner Einmündung zum Kabuls 
firome das Derichen Kama liegt. Schon Elphinftone?”) 
und Macartney haben ihn nach Erfundigungen in. ihre Karte 
eingetragen, aber zu einigen Mißverftändniffen über fein 
QDuell:Land Veranlaflung gegeben, die von Klaproth®) und 
A. Burnes’). berichtigt, worden find, ohne daß. jedoch beide 
etwas neues, wefentliches zu dent Berichte jener hätten hinzufüs 
gen Eönnen, Obgleich diefer Stromlauf fehon zu der Weſtſeite 
des Indus, nach Afghaniftan und zum Hindu Khu gehört, zu 
denen wir erft fpäter, nach der Unterfuchung des Pendfchab, übers 
gehen werden: ſo wird es, da er doch auch noch im obern Stus 
fenlande, innerhalb der Schneeketten ſich entwickelt, zweckmaͤßig 
ſeyn, gleich hier vorläufig jenen geographifchen Mißverftändniffen 
zu begegnen. —VF 
Den Namen dieſes Fluſſes zu erfahren, ſagt der Begleiter 
Elpbinftones, Lieutnant Macartney, in feinem Memoire 
über die Conftruction der den Account of Cabul begleitenden Karte, 
welche bisher aller Kartenzeichnung dieſes Landergebietes zum 
Grunde gelegt ward, war mir im Lande felbt unmöglich; im 
mer nannte man ihn nur, nach dein Dorfe feines Vereins mit 
dem Hauptfirome Zellallabade, den Strom von Kama. Gegen 
den Norden heißt er Kaſhgar-Fluß, weil er durch diefes Land 
fließt, der fernfte und größte Arm deffelben entfpringe im Gebirge 
Pamer, nicht weit von Pufchtifhur, den Orusquellen nahe. Nach 
72 geogr. Meilen (380 Miles Engl.) Lauf, fällt ex, eine Stunde 
oberhalb Attof, mit dem Lundi vereint zum Indus. 
Elphinftone, in feiner Aufzählung der Waſſer in Kabuliftan, 
nennt ihn nun geradezu den Strom von Kaſhgar (Khaushe 
khaur), welcher im Pufchtifhur Gletfcher, dem Gipfel im Belut 
Tag, entfpringe, in dem auch die Quelle des Oxus liege. An fei 
nem linken lifer, d. i. gegen Often, breite fich das Yand Kafhgar 
aus, von dem er feinen Damen habe; er breche durch den Hindu 
Khu, wo diefer füdwärts einen großen Vorfprung bilde, und werde | 
auf feiner Oftfeite von einem Hochgebirgszuge begleitet, der aber 


#7) Elphinstone Ace. I, c. p. 13; ebend. Macartney Mem. p. 655. | 
25) Klaproth sur la Ville de Khotan in Mem. relat. a l’Asie. Paris 
1826. T. II. p. 293. »°) Al. Burnes l. c. Vol. Il. p. 225. 





Stromſyſtem des Indus, oberer Lauf, 17 


‚feinen ewigen Schnee frage. Dann durchſtroͤme er das Berg: 


—J land, das der Suͤdſeite des hohen Hindu Khu vorliege, und 
rauſche mit größter Heftigkeit hinein in das Thal des Kabulſtro— 
mes. So weit die fruͤhern Berichte. — 


Schon Klaproth hatte gegen Elphinftones Benennung 


des Stromes von Kaſhgar“ geeifert, weil diefer Name nur dem 
bekannten Kaſhgar in Turkeſtan (f. Afien I. &. 324) angehöre, 


und es fein doppeltes Kafhgar gebe, und kein Land diefes 


Namens in dem Gebirgslande des Hindu Khu; wol eins im 
Mordoften von Badakfıhan, aber feins im Süden deffelben. - 


Diefes berichtigt nun Al. Burnes dahin, daß es allerdings ir 


rig ſey, noch einen zweiten großen Landſtrich, wie Elphinſtone 
gethan, im Hindu Khu als Enclave zwiſchen jenen Bergwaſſern 


zum Indus, vom Kamehſtrome bis zum Lundi hin, und nords 
wärts bis zum hohen Pufchtifhur, mit dem Namen Kafhgar zu 


belegen; obwol Eiphinftone felbft ſchon gewarnt hatte diefe beiden 
verſchiedenen Kafhgars nicht mit einander zu verwechfeln. Doc) 
fügt Al. Burnes hinzu: allerdings beftehe aber, nahe bei Pe: 
ſchawer, wirklich ein Eleiner Diftrict der Kaſhgar heiße, 
und obwol er wenig Näheres angiebt, fo hat er doch in feiner 


Karte den Namen Kafhgar in unausgefüllten Buchftaben füd- 


waͤrts von Chitral, am Kamehftrome, beftehen laffen. Es mag 


alfo wol Landesgebrauch dort im obern Thale feyn, ihn nad) ei: 
nem folchen Diftricte zu nennen, wie im untern Laufe nach dem 
Dorfe an feiner Mündung, und wir haben hier nur vor dem 


fernern Misbrauche der Benennung Kafhgar-Strom, der zu man— 


chen Verwechslungen Anlaß gegeben, zu warnen. Der Kleine 


Gebirgsdiſtrict Kafhgar, deffen Name von Elphinftone auf 


ein weit größeres Gebiet, von dem die dortigen Bewohner nichts 


wiſſen, übertragen wurde, liegt, nacy Al. Burnes, in der Nähe 


der Orte Dir (Deer) und Gunjum; alfo in dem Theile des 
Stromthales von Kameh, bis zu welchen Alexander's M. befons 
dere Erpedition, bei Leberfteigung des Indiſchen Kaufafus, wirk— 
lich im Ihale diefes Kamehftromes (Ko as) vorgedrungen war®), 
wie wir an einem andern Orte gezeigt haben. Die Bewohner 
dieſes Bergdiftrictes Kafhgar find wegen Derfertigung einer Art 
grober Leinwand (blanket), dort im Lande, befannt genug, Im 





40) C. Ritter Ueber Alerander er * Feldzug am Indiſchen 
Kaukaſus. Berlin 1832, 4, ©, 24. 


Ritter Erdkunde VIL, B 


18 Weft-Afien. I. Abfchnitt. $. 1. 


torden des Hindu Khu, in Kunduz und an den Grenzen. 
von Badakſchan, verfibert Al. Burnes*), habe er Niemand | 
acfunden, der ein anderes Sand des Namens Kafhgar gekannt 
hätte, als das Turfeftanifche, zu dem Yarkend gehört (unter 390 
25 N. Br. nach Pat. Hallerftein). Nur von Chitral und Gilgit 
fprerhen fie, die an der Stelle von Kafhgar auf Eiphinftones Map 
of Gabul liegen; fie fannten nicht einmal das weit füdlichere. bei 
Dir gelegene Gebiet (etwa unter 35° N.Br. n. Al. Burnes 
Map of Central- Asia) diefes Namens, unftreitig wegen feiner zu 
aroßen Entfernung und wegen feiner Kleinheit. Was die Quelle 
des Kamehftromes betrifft, fo beftätiget Al. Burnes, das | 
auch er gehört habe, fie liege der Orusquelle nahe; und der 
Kameh fliefe, wie der Orus, von dee Pamere Ebene 
herab, beim See Sirifol (Surifzkol oder Sirful, ſ. 
Afien I. ©. 637, 649), der in der Mitte derfelben liegt, zu dem 
uns auch die Orusquelle zurückführen wird; aber der Kameh 
nicht von der DBergfette, welche diefe erhabene Region trage, 
Diefor Weftarm des Indus entipringt alfo unter einen weit hör 
bern Breitenparalfel als der Shayuck. Doch hat die Al. Burs 
nesfche Karte diefen Sirifol nicht verzeichnet, und die Quelle des 
Kamehftromes mit der Duelle des Shanyuffiromes unter 
gleichen Parallel gefegt, namlich) unter 36° N. Br., diefe in 
&.2., jene in S.W. von Varfend. Che nicht einmal wieder 
Meifende, wie einſt M. Polo, jene Pamere Ebene überfteigen, 
werden wir fchwerlich genauere Nachrichten über jene uns noch 
wildfremde Kocalitäten im obern Stufenlande des Indus erhal 
ten; denn alles genauer erfundete deflelben betrifft nur die weft 
lichern Gebirgsdiftricte des Hindu Khu und des Kabulftromes, die 
in Afgbaniftan liegen. Hinreichend mag es bier feyn, auf das 
Genannte hingewiefen zu haben; zugleich aber wiederholen wir 
hier die merkwürdige, eigene Erfahrung Al. Burnes, daß von 
diefem Iheile des Hindu Khu und von Badakſchan an, ofts 
mwärts, bis Baltiftan alle dortigen Fürften und Völker von den 
Macedoniern abzuffammen behaupten, und daß felbft noch in 
dem fernen Yarkend diefe Tradition bei den Soldtruppen vom 
Tungani Tribus #2) vorherrfcht, die aus den weftlichen Pros 
vinzen der Chinefifchen Tartarei zur Garnifon in der genannten | 





J = — Tray. 1, c. Vol. II. p. 225 und 200. 22) ebend. 








Stadt und ihren Umgedungen commandirt werden; doch wollen 
fie nicht von Alerander ſelbſt, fondern von griechifchen Kriegern 
abftammen. Da die Königsfamilie zu Badakſchan diefelbe Tra- 
dition hinfichtlich ihrer Herkunft hegt, und Al. Burnes mehrere 
Glieder von derſelben ſelbſt daruͤber fprechen hörte, fo werden wir 
weiter unten gelegentlich darauf zuruͤckkommen. Es ift wol höchft 
wahrfcheinlih, daß auf diefem Wege, wenn auch nicht Abs 
koͤmmlinge der Macedonier, und vielleicht auch diefe, doch wenig: 
ftens eine gewiffe Spur griehifcher Cultur aus der grier 
chiſch⸗bactriſchen Herrfcherperiode am tiefften oſtwaͤrts in diefe 
obern Indus landſchaften und felbft bis gegen Jöferdu 
in Baltiftan vordrang. 

Hat der große Indusſtrom, wie wir oben bemerften, die 
erfte Schneefette des Himalayafpftemes durchbrochen, fo ift von 
ihm nun erft noch, nachdem er das hohe Plateauland verlaffen 
hat, die ganze Breite des Alpengebirgslandes ſelbſt zu durchfegen, 
ein Kaum von wenigftens 30 bis 40 geogr. Meilen Breite von 
NM. gegen ©., von jenem erften Durdhbruche an, bis er, bei 
Calabaugh, die äußerfte, füdliche Vorfette der Salzberge 
durchſetzt, und in die mehr wellige Plaine des Pendfchab eintritt, 
wo fein mittleres Stufenland beginnt. Von dem erften 
Zufluffe des genannten Abu Sin (Abba Seen) bei Mullai 
(Mullau), nimmt der Indus feine Normaldirection mehr 
gegen den Süden an, und hat drei Stufenthäler®#) mit 

Engpaͤſſen, im vordern Alpenlande zu durchfchneiden, ehe er 

in jene Pendfhabebene eintritt. Diefe Stromengen liegen 

4) bei Torbela (Zorbaila), 2) bei Attock (330 54’ 46" N. Br. 
n. Al. Burnes) und 3) bei Calabaugh (unter 33° Y’N.Br.) 
in der Kette der Salzberge. 

WVon Mullai bis Torbela*) firömt er 10 geogr. Meilen 
(50 Miles) durch die niedern Berge des Hindu Khu, und kritt 
bei legterm Orte in offneres Land, in einen weiten Seeboden, in 

welchem er fich ausbreitet und unzählige Auen bildet, 

Bon Torbela bis Attock zieht der Indus 8 geogr. Meil. 
(40 Miles), und nimmt etwa eine Stunde oberhalb diefer letz— 

tern Seftung den reißenden Kabulftrom zur Nechten, oder von 

der Weftfeite her, auf. Dann dehnt er ſich aus, wird bald wie: 


| ’ Stromſyſtem des Indus, öl Lauf. 19 


3) M. Elphinstone Ace. I, c. p. 90, 
*) a. 9. p. 111, 653. 


92 


20 Weft-Afien. I Abſchnitt. $. 1. 


der zufammengefchnüärt, je nachdem die Alpenparallelen, vielmehr 
hier, ihre niedern Xorketten, von S.O. gegen N.W., gegen die 
Solimangebirge ziebend, ihn durchfegen. Wo der Kabulftirom 
ſich einmündet ift beider Gewäfler auch in der trocknen Jahres— 
zeit voll Wogen und Wellenfchlag, und macht ein Gebraufe wie 
das Meer; zur Zeit der Schneefchmelze bildet fich aber hier ein 
gewaltiger Wirbel, deſſen Getöfe noch viel weiter gehört wird, der 
oft die Barfen hinabreißt, oder wider Felfen *) ſchmettert. Bei 
dem Fort Attocd fand Elphinftone den Indus auf 780 Fuß 
Breite zufammengeengt, tief und reißend. Dann weitet er fich, 
wird aber 3 geogr, Meilen (15 Miles) unterhalb bei Nilab von. 
neuem eingeengt, daß er nur einen Steinwurf breit ſeyn foll, 
aber gewaltig reißend. So zieht er zwifchen öden, ſchlechtbebau⸗ 
ten Bergfetten und Schlünden fort, etwa auf einem 800 Fuß 
über dem Meere erhaben liegenden Boden, bis zu den Felsengen 
der etwa 1200 relativ höher 36) fich erhebenden Kette der 
Salzberge von Calabaugh (Karrabag), wo er in 4 gros 
fen Armen in die Ebene des Efa Khels (Eſau⸗-Khail, d. i— 
des Sfauftammes) eintritt. 44 
Bei Attock, meinte Elphinftone*), fey der Indus zu, 
wild um feine Tiefe zu meſſen; oberhalb könne man ihn an mans 
chen Stellen noch durchfegen, wie es Shah Schuja im 5. 
1809 mit feinem Afghanen Heere that, unterhalb nicht mehr 4); 
er tritt auch hier in mehrern Armen zwifchen Klippen ein, und 
beide, Kabulftrom wie Indus, durchfegen in ihren verengten Betz 
ten fihwarze, marmorgleiche, fenkrechte Felsmauern, an deren Eins 
gang die Feſtung Attof erbaut ift. Diefe Felsmauern fchienen 
Eiphinftone ftets feucht zu fenn und wie vom Sande des Stros 
mes polirt. Wirbel in der Mitte des Stromes bilden die ger 
fürchteten Felfen Zellallia und Kemallia; doch fest man 
fehr fchnell in Boten hinüber, und die Eingebornen fchiffen öfter 
ſelbſt mit aufgeblafenen Ochfenfchläuchen,, ftatt der Barken, den 
Strom hinab, wie auf dem Euphrat und anderen afiatifchen 
Strömen. | 
Al. Burnes giebt uns neuerlich folgende Auskunft von 
feinem Uebergange aus dem Lande der Seikhs bei Attod 


**) M. Elphinstone 1. c.; Tieffenthaler bei Bernoulli p. 72. 


*°) A. Burnes Trav. I. p. 52. *’) M. Elphinstene Ace. p. 72. 
«*) ebend, und J. Rennell Mem. p. 98. 





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| 
| 


Stromfyftem des Indus, bei Attod, 21 


nah Peſchawer. Vom Often kommend, auf der Lahore Route 
über Rawil Pindi, konnte er ſchon in einer Ferne von 3 geogr. 
Meilen (15 Miles) den Lauf des Indusftromes*) beim Aus; 
‚tritt aus den niedern Bergen des Forts Attock deutlich an dem 
Nebel erkennen, der wie ein Rauch über ihm ſchwebte, weit das 
Induswaſſer Fühler war als die uber ihn ruhende Luftfchicht, die 
dadurch condenfirter und fichtbar wurde (am 13. März). Nahe 
dem. Marktorte Huzru, der noch nördlid) von Attock fiegt, wo 
ihm im Lager der Seikhs glänzender Empfang vom Sirdar Hnri 
Sing zu Theil ward, wurde Halt gemacht. Hier zeigte fih das 
Volk ſchon ganz verändert gegen die mehr öftliche Pendſchabſeite; 
das Pufchtu war hier ſchon als Sprache vorherrſchend; das 
männlich fehöne Anfehn der Afghanen Population, mit dem freiern 
Anftand und Benehmen, gegen die kriechende Servilität der- Ins 
‚der, ift dem Europaer, der aus Bengalen bis hierher vordringt, 
eine fehe erfreuliche, ganz neue Erfcheinung, die gegen Kabul hin 
immer mehr zunimmt, wo nun freilich völlige Sndependenz. zum 
Uebermaaß führt. Eine große Kiesebene mit gewälzten Rollbloͤk— 
fen überzogen breitet: ſich hier weit aus; hier ift das Schlachtfeld 
der Afahanen, wo fie im Jahre 1813 an der Oftfeite des Indus 
erſchienen, aber nicht Stand halten konnten gegen die Seikhs. 
he Anführer, Bizier Futteh Khan"), durch widrige Winde, 
Etaub, Hige und den Anfall der Seifhs überwältige,. entfloh, 
und. überließ damals dem fühnen Nunjit Sing das Schlachtfeld, 
der feitdem Befiger der Fefte Attock blieb, die ihm durch Vers 
rath übergeben ward. Bei dem Dorfe Khyra Khull, das 
zwei Stunden oberhalb der Fefte liegt, ift der Zndus in 3 Arme 
getheilt, davon zwei wildfirömende zuerjt durchfegt werden müf- 
fen, um von diefer Seite zur Feftung ſelbſt am Hauptſtrome zu 
gelangen... Auf Elephanten reitend von 200 Mann zu Pferde bes 
gleitet, wirft nach Gebrauch der Chef diefer Escorte ein Silber: 
ſtuͤck in den Strom und fordert zum Durchmarfeh auf, dem er 
voranzicht; die andern folgen. Wir kamen glücklich durch zur 
Inſel, am Hauptarın, fagt AL Burnes; aber an einer, obwol 
feichteren Stelle, wurden. fieben Reiſende, die uns nacfolgten, 
durch den heftigen Strom von den Pferden geriffen, und einer 
ertranf. Niemand fuchte ihn zu retten, fein Erbarmen, Sie 


4°) Al. Buwnes Tray. Vol. I. p. 74—80.. 50) H. T. Prinsep 
Origin of the Sikb Power I. c. 1834, p. 96. 


22 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 51, . 


fönnen in einer andern Welt Könige werden! und wozu fann 
ein Seith nuͤtze ſeyn, wenn er nicht einmal den Attock paffiren 
fann, war die Antwort des Chefs der Escorte. Die Elephanten 
druͤckten fich gewaltig gegen den andrängenden Strom und fegten 
bruͤllend hindurch, denn Gefahr ift immer dabei; das Waller ift 
fehr Ealt, blau, reißend. Nun erft führt der Weg zur Fefte Atz 
tock, die dicht am Hauptftrom, den man hier ftets Attock (d.h. 
der Verbotene, vergl. Aſien IV. 2. ©. 459 u. f.) nennt, auf 
ſchwarzen Scieferfelfen dicht über dem Strom erbaut ifl. Die 
Seikh Barnifon war eben in Aufruhr, weil der Sold ausgeblie— 
ben war; fie hatte fich der Fährboote bemächtigt, und nur nach 
zweitägiger Unterhandlung gelang e8 mit einem derfelben (17. März) 
den Grenzftrom Indiens zu überfegen. Der azurblaue Strom 
mälzt feine Waſſer heftig in einer Stunde mehr als zwei 
Stunden (6 Engl. Miles) weit. Das Fahrboot durchfchneidet ihn 
in 4 Minuten. Nur 200 Schritt oberhalb der Fefte ftürzt fich 
fein Waffer mit weit größerer Wuth herab; bei einer zufammens 
ſchnuͤrung bis auf 120 Schritt fchlägt er hier Tauttofend occani: 
fche Wogen, die in einer Stunde vier Stunden Weges (10 
Miles Engl.) durhfchiegen würden. Dies mag wol der von El; 
phinftone bezeichnete Wirbel feyn. Hier kann fein Boot hin: 
durchgehen; hier würde alfo die natürlide Grenze der 
Schiffahrt aufdem Indus feyn, an welcher Attocks Lage 
doppelt wichtig iftz an fich ift der Ort mit etwa 2000 Bewohnern 
und fchlechten Feftungsmwerfen unbedeutend. Sobald der Kabuls 
from vom Welt her, zum Indus getreten, wird diefer ein ruhig 
dahin wallender Strom, 260 Schritt breit, und 35 Fuß tief, dicht 
unter den Feftungsmauern. An der Spise des Vereins, oder 
der Gabelung beider Flüffe, foll fih jeden Abend ein feuriges 
Meteor zeigen, das wenigftens Al. Burnes im März felbft fahe, 
wie es die ganze Macht durch, in zwei, drei bis vier hellen Lichs 
tern Dicht neben einander aufflacert. Auch zur Regenzeit zeigt 
es fih. Der Held Man Sing, ein Najput, der einft einen 
Rachefrieg gegen die Mohammedaner über den Indus führte, fiel | 
dort in einer Schlacht, und die Lichter, fagen die Anwohner des 
Stromes, find Geifter der Gefallenen. Ob dies bloße Srlichter, 
Gasfammen oder nur täufchender Wiederfchein im Waſſer, Eonnte | 
Al. Burnesst) nicht ermitteln. Fifcher wafchen am Indus 


) Al. Burnes Tray. Vol. I, p. 80. 





Stromſyſtem des Indus, bei Attodk, 25 


wie am Kabulftrome, nah ihrer Anfchwellung mit großem 
Vortheile G oldf and; vermitteljt eines Siebes fcheiden fie die 
groͤßern von den kleinern Körnern, und ziehen durch O ueckſilber 
das Gold als Amalgam hervor. Da auch mehrere kleinere Fluͤſſe 
der dortigen Thaͤler, deren Quellen nicht fern liegen, wie der 
Swan und Hurru, noch mehr Goldgewinn als der Indus ger 
ben, fo möchte wol dort, nach A. Burnes Meinung, der Sud: 
abhang des Sebirgslandes überhaupt Golderze führen, 
was auch fchon früher nicht unbefannt war (f. Afien II. ©. 660). 
Auf der Weftfeite des Indus beginnt, obwol 1832 die 
- Grenze von Runjit Singhs Neih noch eine Stunde weit über 
das rechte Ufer hinüberreichte, von wo die Escorte umeehrte, eine 
neue Völkerwelt, die Afghanifhe. Aus den Gebieten 
der Seifhs tritt man in die der Afghanen, zweier Nölkerfchaften, 
die gegenfeitig die bitterften Feinde find. Die Escorte der Seiths 
verläßt ihre Schüglinge mit dem „Wagurujir-fasfuttih,”52) 
d. i. ihe dreimaliges Feldgefchrei, die wachthabenden Afghanen 
empfangen die Fremdlinge, die ihrer Protection empfohlen find, 
mit dem mohammedanifchen Gruße: „Salam alaitum“ 
Friede ſey mit euch! \ 
Der Maha Raja der Seikhs hält, ſeitdem er durch die Fefte 
Attock Beherrfcher des Stromüberganges geworden ift, und meh: 
rere Streifjlige zur Unterwerfung des benachbarten Peſchawer 
und anderer Provinzen Afghaniftans verfucht hat, hier eine Flotte 
von 37 Booten zur Errichtung einer Schiffbrüdes), unmits 
telbar unterhalb der Fefte, wo zu der Stromesbreite von 260 
- Schritt (Yard), 24 folcher Boote nothwendig find. Doc kann 
diefe Brücke nur vom November bis April übergeworfen mers 
den, weil dann die Heftigkeit des Stromes hinreichend gemildert 
it, um ein folches Joch zu fragen. Aber auch dann bleibt die 
Befeſtigung der Boote noch immer fehr Schwierig. Holzrahmen 
mit Steinen gefüllt bis zu 250 Maunds (d. i. 25000 Pfund) 
Schwere, mit Seilen umwunden, um fie zufammenzuhalten, wers 
den von jedem der Boote zu 4 bis 6 Stuͤck hinabgelaffen in den 
Strom, der hier über 30 Faden (180 Fuß?) tief ſeyn fol. Von 
andern Vorrichtungen werden diefe noch verftärkt, um jedem moͤg— 
Be Unglücsfell bei Armecübergängen über die Schiffbrüde, der 





— Al. Burnes Tray. Vol. I. p. 81. 5) ebend. Memoir of the 
* "Indus etc. in Voy. Vol, III. p. 284. Bl, > 


24 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 9 1. 


jene Steinmaffen als Anker dienen, zu begegnen. In drei Tas 
gen kann, im Nothfall, diefe Brücke gefchlagen fern, das Dops 
pelte an Zeit ift gewöhnlich dazu nöthig. in Fleines Corps von 
Seikhs von etwa 5000 Mann feßt jedoch leichter mit Fahrbooten 
über, als wenn erft die Bruͤcke dazu gefchlagen werden muß. Afr 
ghanen, die diefe Brücke in Pacht nehmen, zahlten 14,000 Rupies 
daftır; der llebergang muß alfo doch ſchon im Yahre etwas ab⸗ 
werfen. Die Seikhs haben den Zerftörungen, die ihre Conftruction 
in frübern Zeiten veranlaßte, durch Anlegung von Magazinen für 
das dazu benöthigte Material vorgebeugt. Merkwuͤrdig ift es als 
lerdings, daß diefelbe Methode des Bruͤckenbaues, wie fie oben 
nah Al. Burnes an Ort und Stelle eingezogenen Erfundigun: 
gen heut zu Tage Statt findet, im Wefentlichen noch ganz dies 
felbe ift, wie Arrian die Conftruction (Expedit. Alexandri Lib. V. 
ce. 7.) römischer Schiffbruͤcken beim Webergange Alexanders 
über den Indus befchreibt, obgleich diefer Gefchichtfchreiber es 
felöft bemerkt, daß ihm die Methode, welche damals die Macedos 
nier befolgten, unbefannt blieb, da feine Vorgänger, weder Aris | 
ſtobulos noch Ptolemäos, deren Gefchichtsbächer über Alerander 
er vorzüglich zu Mathe 309, nichts genaueres darüber mitgetheilt 
hatten. Alexanders Uebergang über den Indus mußte aber in 
der Nähe des heutigen Attoc&5%, nahe am Kabulftrome, feyn. 
Eben dahin hatte Tſchingiskhan fein erftes Mongholenheer geführt, 
und fein Lager aufgefchlagen, ohne jedoch die Ueberfahrt über den 
Strom felbft zu wagen (f. Afien IV. 2. ©. 558). An derfelben 
Stelle baute der zweite Weltſtuͤrmer Mittel-Afiens, fein Nachfolz 
ger Timur, 200 Jahr fpäter (im J. 1397, f. Afien IV. 2.8. 573) 
feine Schiffbruͤcke, und ertheilte 55), ehe er noch den Boden 
von Indoſtan betrat, an den Waflern des Indus den Gefandten 
von Mekka, Medina und Kaſchmir Audienz. Dann aber feste 
er über, und brachte Krieg und Verheerung zum Ganges, aus 
denen die Stiftung des fogenannten Groß: Moghulifchen Reiches. 
hervorging. Zur Befeftigung deflelben erbaute Kaifer Akbar 
eben hier, am Eingange der Stufenländer von Kabul zu Bokhara 
wie zu Perfien, diefe Grenzfefte Attod, welche mit Kecht der 





#+) ©. m, Abhandl. über Alerander des Gr. Feldzug ꝛc. a. a. O. 
©. 365 vergl. Mannert Geogr. d. Grich. und Römer Th, V. 
©. 40. °5) Feriſhta b. X. Dow.Th. Il. p. 2; Cherifleddin 
Hist. de Timar ed. Petis La Croix T. II. ete. IV, p,50; Ren 
Mem. b. Bernoulli ©. 49, | Er 



















i Stromſyſtem des Indus, bei Attod, 25 
Schlüffel von Indien” genannt wird. Enltan Babur 
pußte, wie Alerander M., als Strateg die Localitäten befonders 
zu benußen, Sn feinen lehrreichen Memoiren 56) giebt er auch 
4 verfchiedene Paffagen von Hindoftan nad) Kabul an, die aber 
alle, wie er fagt, ihre Schwierigkeiten bei dem Ueberſetzen des 
Etromes darbieten. im Winter, bemerkt -er, fomme man oberz 
halb des Kabuleinfluffes zum Sind (Indus), und auf den meiften 
feiner eigenen Kricgseinfälle, von Kabul nady Indien, habe 
* dieſen Weg genommen; aber das letzte Mal (er ſchreibt dies 
vor dern Jahre 1507) feste er in Booten über die Nilab⸗ 
Paſſage, die einzige Stelle we dies möglih fey. Nilab ift 
aber ein Ort, der auch heute noch 3 geogr. Meilen (15 Miles) 
unterhalb des heutigen Attock liegt. Seit diefer Zeit, und feit 
! Asulfazils Berichten im Ayeen Atbery über Indien, früher 
ſcheint es aber nach Ersfines Bemerkung nicht, wird es Gebrauch, 
N dem Indus, oder wie er häufiger von den Einheimiſchen mit Recht 
genannt wird, Sind (f. Afien IV.2. &.451), auch den Namen 
 NMitab, d. i. Nilftrom oder großes Waffer, zu geben, ein 
Name, der bis in die neueſte Zeit bei mohammedanifchen Schrift: 
ſtellern ) fortdauert. Nilab muß indeg fehon zu Baburs Zeit 
ein bedeutender Ort geweſen feyn, che von ihm noch die Fefte 
Attock erbaut ward; denn von feinem letzten Croberungszuge 
- (1519, f. Afien IV.2. ©.621) nad) Delhi, fagt derfelbe, er habe 
diesmal den Indus mit feinen Pferden, Kameelen und ſammt 
der Bagage in der Furth durchfchritten 5%); das Fußvolk und der 
Troß mit dem Lager fey in Flooßen übergefegt; ob oberhalb, nahe 
bei Attock, weil unterhalb feine Möglichkeit mehr ift, den Strom 
zu durchfegen? Oder, follen diefe Flooße etwas unterhalb Attock, 
bei Nilab übergefchifft fenn, weil nur da, nach Baburs Ausdruck, 
Boote pafliren Eonnten? Dann hätte er fein Heer beim Leber: 
gange theilen müffen. Die Einwohner von Nilab, fagt der 
ſelbe Fürft, brachten ihm Geſchenke. Nilab war im Anfange 
des XVI. Jahrhunderts eine bedeutende Stadt, ihre Lage etwas 
unterhalb der heutigen Fefte Attock, ift auf Al. Burnes Karte 

verzeichnet. 
Als fpäterhin die fchwachen Negenten am Ganges den Schuß 


#°) Babur Memoirs Translat. by Dr. J. Leyden and Will. Erskine. 
Lond. 1826. 4. p. 140. 57) Abdul Kerym Voy. in Langles 
Collect. p.14. Ferishta u.a, °°) Babur Mem. 1. c. p. 252 u. f. 


26 Welt: Alien. I. Abfchnitt. 91.) 


des Landes gegen die Indusſeite vernachläffigten, und wie Mah— 
mud Schah fogar Tribut an Kandahar zahlten, da wurde es 
dem neuen fühnen Eroberer Perfiens Schah Nadir 5% leicht, 
auch diefes Schloffes zu Indien fich zu bemächtigen (1738), und 
die Macht von Delhi bald darauf zu vernichten. Aus dem Vers 
fall jener Zeit, fahe Elphinftone@) noch die Ruinen der Fefte, 
die ein Parallelogramm einnehmen von bedeutendem Umfange, 
Die Fürzern Seiten deflelben, gegen den Indus gerichtet, waren 
an 400 Schritt lang, die andern doppelt fo lang; die Mauern 
beftehen aus polirten "Duadern und machten einen guten Eins 
druck, aber die Stadt lag in Ruinen. Durch die Seikhs fiheint 
fie wieder mehr in Aufnahme gefommen zu feyn; aber als Al. 
Burnes Attoc paflirte, fand er die Sarnifon der Fefte in Re— 
bellion, weil ihre der Sold nicht ausgezahlt war, er durfte fich 
ihr daher nicht nahen. Der RNeifende, der von der Weftfeite 
hierher fommt, pflegt von den Bewohnern des Landes wegen feis 
nes glücklichen Eintrittes in Indien begrüßt zu werden. 


Erläuterung 2. 
Mittler Lauf des Indus (Sind). 


Bon dem Durchbruch durch die Kette der Salzberge 
bei Calabaugh (unter 33° 7’ N.Br. n. Elphinftene) ®!) tritt 
der Indus als klarer, tiefer, ruhiger Strom in das ebenere Land 
ein, in welchem ihm bis zum Meere weiter Eeine Gebirgsketten 
den Weg verrennen. Sogleich theilt er fih in 4 Arme, die in 
großen Serpentinen nad ©. ftrömen, bald wieder zufammenflies 
gen, fih in neue Canäle fpalten, wieder treffen und theilen, fo 
dag die Waller des Indus, von nun an, felten in einem Stros 
me vertheilt find. Bei MittendaKote oder Mittun Kote®) 
unter 2355’ N. Br. (nicht, wie bei Elphinft. unter 28°20%) nach 
Al. Burnes Obfervation, nimmt er von der Indiſchen oder 
linken Eeite die Waffer der FünfStröme des Pendſchab 
auf, deren vereintes Gemwäfler man in Indien eben deshalb wol 
Punjund (d.h. 5 Ströme) nennen hört, ein Name, der 

) S. J. Malcolm History of Persia. London 1815 4. T. U. p. 75. 
*°) Elphinstone Acc. 1. c. p. 71. °ı) M. Elpliinstone Acc. of 


Caubul I. c. p. 25, 108, 112; ebend. Macartney Mem, p. 653. 
*°) Al, Burnes Mem. of the Indus in Trav. Vol. II p- 195, 278, 


Stromſyſtem des Indus, mittler Laufe 27 


aber den Indusanwohnern ſelbſt unbefannt it ®); nur irrthuͤm⸗ 
licher. Weife hat man mit dem Namen Punjund auch wol den 
Chinabfluß ſelbſt zu belegen verfucht. Sie nennen dort den vers 
einten zum Indus fich ergießenden Strom Chinab (Akesines). 
Diefer Chinab verliert fein Waffer, wie feinen Namen, bei dem 
Städtchen Mittun mit 1500 Bewohnern, deſſen Fefte (Korte) 
zerftört if, ohne allen Tumult, ſelbſt ohne alles Geräufh in dem 
Hauptfirome des Indus, der hier die coloffale Breite von 2000 
Schritt (Yards) durch feine Verdoppelung gewonnen hat. Die 
Ufer find aber niedrig zu beiden Seiten und das Bette weit. 
Der Verein von Euphrat und Tigris verliert beide Namen und 
wird abwärts Shat el Arab, der „Araber:-Strom“ ge 
nannt; der Indus behauptet aber feinen Namen, und felbft 
auf die ganze untere Landſchaft, die nun Sinde heißt, ift er 
fogar übertragen. Daß die Waflermaffe, welche das vereinte Ges 
wäller das Chinab führt, geringer fey als das des Indus, be 
hauptet Elphinftone; Al. Burnes hat fein Urtheil darüber 


aufgeſtellt. Bis dahin dehnt fih das berühmte Pendfhab, 


das Land der Fünf Ströme aus; weiter abwärts von Mits 
tun firömt die doppelte Wafferfülle des Indus, erſt 
füdweftwärts an Schifarpur und Buffur dur die 
Sandfchaft Sinde, und dann wieder füdoftwärts,an Sehwan 
vorüber, nah Hyderabad (unter 25° 21’ N,Br. n. Al. Burn. 
Map), wo die Stromfioheidungen den Intern Lauf des Sn: 
dus und fein Deltaland bezeichnen. 

Diefer Lauf ift neuerlich, von Mittun Kote abwärts, 
durch Al. Burnes genauer erforfcht, aber von da aufwärts, 
bis Attock, feit Elphinftones Beſuch (1809) nicht wieder von 
Europäern gefehen, daher auch wenig aefannt. Bei Ududa 


. Kote‘%), etwa 20 geogr. Meilen (100 Mil. Engl.) im Norden 


von Mittun, wurde er von der Embaffade, die damals nach Ka— 
bul ging, zuerjt erblickt, wo fein Suͤdlauf weit ausgebreitet zwi⸗ 
fchen flachen Ufern, ahnlich wie bei Mittun, frei von Gefahr und 
ohne Befchwerde für die Schiffahrt fich zeigt. Von da bis Kar 
hiren Ghat (31° 28° N.Br.) an 15 geogr, Meilen (75 Mit. 
Engl.) nördlicher, wo fie ihn auf einer Fahre überfegte, war er 


#3) Al. Burnes Narrative of a Voy. in Travels Vol. III. p. 90; deſſ. 
Memoir ebend. p. 193, 286, 278. “+, Elphinstone Acc, I. 6, 
p- 206. 


28 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 5. 1. 


bei einer Tiefe von 12 Fuß an 1010 Schritt (Yards) breit, obs 
wol diefelbe durch mehrere Geitenzweige vermindert wurde, von 
denen einer 150 Schritt breit war. Die Fährboote, von 30 bis 
40 Tonnen gaft, trugen Pferde und Kameele, die Elephanten 
fhwammen hindurch, oder gingen vielmehr die größte Breite, da 
fie nur etwa 300 Fuß weit feinen Grund mehr fanden. In dies 
for Jahreszeit (6ten Januar 1809) fteht das Wafler am niedrigs 
fien. Das Bette war hier Sand, wenig Schlamm, das. Waller 
dem des Ganges aͤhnlich. Die vielen flachen Auen, zwifchen 
Bänfen von Trisbfand mit Schilf ummachfen, hatten fetten, 
fhwarzen Boden, und waren zum Theil trefflicy bebaut von 
Sandleuten, die jedoch hier wegen des Strommanderns, wie es 
fcheint, nur temporäre Hätten bauen. Bei der jährlichen Uebers 
ſchwemmung tritt er viele Meilen weit zu beiden Seiten über die 
Ufer, und feine Stromrinne beißt überall tiefer in dies Land ein, 
und verändert immerfort feinen Lauf. 

Don dem Eintritt bei der Galzfette in diefes Stufenland, 
weiches von der Hauptfladt Multan den Namen trägt, bis Kas 
hiren tleberfahrt,. ift überalf fruchtbarer Boden, auf dem die Ges 
wächfe herrlich. gedeihen, den die fehönften Dattelpalmenhaine 
ſchmuͤcken &). Bei Kahiren hat der Indus mit feinen Auen ein 
impofantes Anfehnz an feinem Oftufer liegt das flache Land 
Multan, und deffen Trauerwuͤſte reicht dicht bis zum Strome 
bin. Nur ein enger Uferfteich ift hier Fruchtland, aber auch 
trifflich bebaut, voll Meiereien, Ackerkultur, Duagwirthfchaft. Die 
Häufer find auf Plattformen gebaut, die auf 12 bis 15 Fuß ho: 
hen Pfählen zum Schuß gegen die Ueberſchwemmungen ftehen 
(wie am Siamftrome und im Wallis). Don Kahiren aus füd: 
wärts fteeiht von M. nah ©. an 15 gecgr. Meilen weit, eine 
fieie Wand, in der Entfernung von 7 engl. Meilen in DO. vom 
jegigen Strombette, welche vor nicht langer Zeit das Ufer des 
Indus gewefen feyn fol. Er wanderte alfo hier von DO. nach 
W. Auf dem Weftufer des Indus 66) erblickt man das Auffteiz 
gen des perſiſchen Hochlandes in den Gebirgsfetten von Soliman, 
die in dreifachen Zügen hintereinander fich zu erheben fcheinen, 
bis zum hohen Tukt Soliman, oder Salomons Thron. 

Die Gebirgsketten fangen ſchon in der Entfernung einer Eleis 
nen Meile vom Indusufer an, und ziehen ſich an diefem ent 


®:) Elphinstone p. 29, 26. **) ebend, p. 31, 119,108, 114, 90. 


Stremfyften des Indus, mittler Lauf. 29 


lang, füdwärts bis zue Vereinigung mit dem Punjundflrom, uns 
ter 29° N. Br., wo der Bergzug endet. Daher hier die Ebene 
gegen W. fortfegt, und der Indus hier auch feinen Lauf nach 
W. abbeugt, wo ihm weiterhin erft das Plateau von Kelat wies 
der. neue Grenzen feßt. Diefes Ierrafienland heißt Damaun, 
d. i. der Gebirgsfaum; es ift undurchbrochen und fchliegt den 
Indus vom Welten ab. Wenig Hochpälle führen hindurch, nur 
wenige ganz unbedeutende Waller, die, wie Gießbäche, nur zu Zei⸗ 
ten anfchwellen und tofend herabftürzen, fich aber bald wieder 
verlaufen, fommen von daher, Das ganze Indusufer hat daher 
von dort, wie das des ägyptifchen Nil’, Feine Zuſtroͤme, und 
alle linken Zuftröme wenden fich zu diefer fteilen Bergfeite (con- 
trepente) nah W. hin. Es ift, als würde der Indus von dieſem 
Gebirgsfaume (wie der Ganges von der Himalayawand) angezos 
gen, da ihm doch gegen Oſt ein ganz freies, weites Blachfeld zu 
durchwandern vorliegt. In diefem Laufe werden dem Yndus früs 
herhin von den Autoren zwar auch die Namen”) Sur, Shur, 
Syr, Mehran beigelegt, aber dies find doch nur irrige (wie 
die drei erften, von Derya Shar, d. h. Salzmeer) oder 
von außen her (wie Mihran aus der Zendavefla, und Mehz: 
ran al Sind bei Abulfeda) übertragene Benennungen, von des 
nen weiter unten die Rede ſeyn wird. Es wohnen gegenwärtig 
die Seikhs, Hindus und Beluches am Oftufer, Afgha— 
nenfämme am Weftufer. Unterhalb Kahirin, von Sungur 
an, wird das Indusufer im engern Sinne bis Schifarpur, Obers 
Sind genannt; weiter abwärts aber, bis zum Indus-Delta 
Unter:Sind, weil es dafelöft unter einheimifchen Fürften der 
Sindis fteht, die früher an Kabul tributair waren, gegenmärtig 
aber felöftftändig geworden find. Das weite Blachfeld um Shi: 
farpur, weftwärts vom Indus, heißt Kutch Gundava, früs 
her zu Kaifer Akbars Zeit Sweftan. Nur eine Zeit lang reichte 
die Macht von Kabul auch auf die Oftfeite des Indusſtromes herz 
über; aber bald ift ex wieder der Grenzftrom von Indoſtan 
und Kabuliftan geworden, und die Seikhs wie die Sindis 
greifen gegenwärtig durch ihre politische Macht eher auf die Welt: 


- feite feines Ufers hinüber, Dera Ghazi Khan) iſt die größte 





*7) Ayeen Akbery T. II. p. 121; J. Rennell Mem. p. 98, 178, 
185 u.a, .s) Al Birhes "Memeir Vol, Ill. pP: — 2 
Elphinstone p. 29. 


30 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 1, 


Stadt, welche nördlich von Mittun Kote am rechten Yndusufer 
fiegt; denn am linken auf der Pendfchabfeite ift Feine einzige von 
Bedeutung. Diefe Capitale ift von einem fehr fruchtbaren Bos 
den umgeben, und wie das noch 7 geogr. Meilen (35 Mil. Engl.) 
nördlicher gelegene Dera Ismael Khan, dur die fchönften 
Gärten und Dattelhaine ausgezeichnet (f. Afien IV. 2. ©. 833). 
Früher, zum Afghanenreiche gehörig, ward es viele Jahre hinz 
durch Ziel der Ueberfälle und Plünderungen der Seikhs, die jene 
Landfchaft, welche ihnen zu fern liegt, um ſtets Truppen dahin 
zu detafchiren, zulegt dem Khan von Bhawulpur in Daudputra 
(f. Afien IV. 2. ©. 993, 1030) für 6 Lat Rupien (60,000 Pfd. 
Sterl.) verpachteten. Da der Diftrict aber nur 4 Lak rentirt, fo 
mußten furchtbare Erpreffungen Statt finden, unter denen die 
Landfchaft erliegt. Einen Theil derfelben hatte Runjit Sing, dem 
fie zu fchwer zu behaupten war, an die Brahooes, die frühern 
Befiger (Bewohner des mehr weftlichen Hochlandes), zuruͤckgege⸗ 
ben, unter der Bedingung ihm Kriegsdienfte zu leiften. Nur zu: 
weilen werden die Productionen der Weftfeite des Ynduslandes 
und des Terrafienlandes Damaun auf die Oftfeite in das Pends 
fhab, zumal wie das Farbholz Munjut, auf den Markt von 
Doch (Land der Orydrafen, f. Alien IV. 2. ©. 471) gebracht, 
aber die belebtere Handelsftraße, welche quer durch das Pendfchab 
zum Yndus führt, liegt höher auf, von Multan, hinüber zur 
Fähre Kahiren. Von da geht der Karamanenmweg zu Lande 
nah Dera Ismael Khan, und von hier landein über Des 
rabend jund durch das PVeziribergland über Ghizni nah Ka— 
bul, eine Noute®), die ganz neuerlich (1833) erft von M. Ho: 
nigberger zurückgelegt ift, die früher unbefannt war, Der ns 
dusftrom felbft dient im diefer Strede feines mittlern Laufes, 
von Calabaugh bis Mittun Kote, noch zu feinem Transport; 
es fehlt ihm bis jegßt noch die Benutzung feiner Stromentwicke⸗ 
lung, wie dies bisher auch leider Jahrhunderte hindurch bei der 
europäifchen Donau in ihrem mittlern Laufe der Fall war. Die 
Miethen der Boote, deren Zahl fehr gering, find zu unmäßig; 
daher aller Transport wolfeiler auf Ochfen und Kameelen ge: 
fchieht. Dies, nicht aber etwa Mangel der Schiffbarkeit auf dem 





%°) Dr. M, Honigberger Journal of a Route from Dera GhaziKhan 
through the Veziri Country to Kabul. in Journ. of the As. Soc. 
of Bengal. Calcutta 1834. ed. Prinsep. Vol. III. p. 175—178 
nebft Map, 





Indus Syftem, Mittellauf, das Pendfhab, 31 


Indus, ift die Urfache der Nichtbenugung diefer Stromlinie, 
wozu noch fommt, daß, abwärts, von jeher, feit Alcrander, die 
fchiffbaren Pendfchab » Flüffe zum Transport vorgezogen wurden, 
da an diefen eine größere Eultur einheimiſch wurde, und die gro: 
gen Marftorte und Reſidenzen Lahore und Multan liegen, 
die dem Induslaufe fehlen. \ 


Erläuterung 3 

Das Pendfhab (Penjab im Neuperfifhen, das Fünf. 

Stromland); im Sanskrit Panchanada, beides bei 

Griechen Pentapotamia’). Sapta Heando (Septenae re- 

giones Indicae) im Zend (f. Afien IV.1. ©.452, 458 u.a.). 
1. Namen der Fünf Flüffe 


Aus dem KRulu-Kafhmir:- Himalaya (f. Afien I. 
©. 1061 — 1203), feinen Alpenhöhen wie feinen Vorfetten, von 
Sfetledfh bis zum Industhale bei Attock, entquellen in einem 
Zuge von 100 geogr. Meilen, von D. gegen W. viele Gebirgss 
ſtroͤme, die durch die Gebiete vieler, mehr oder weniger abhängi- 
ger Berg-Rajas, diefes merkwürdigen, aber noch wenig erforfchten 
Alpenlandes, insgefammt von N.D. gegen S.W. die Engpaͤſſe 
der füdlichften Vorketten durchbrechen und in die mildere 
Ebene des Pendſchab eintreten. Sie fammeln fich hier in 
5 Hauptbetten, deren öftlichftes, dem Ganges zunächft, den 
Sſetledſch (Sfatadru im Sansfr., d.h. Hundertquell, das 
her Zadadrus bei Ptol., und heute noch im Lande feldft Shits 
tudur genannt, was Al. Burnes’!) von den Hundert Cands 
len ableiten will, die zur Srrigation von ihm ausgehen) oder 
Sfutludfch (von Hesudrus) beherbergt (f. Afien II. ©. 666), 
das weftlichfte, dem Indus zunächft, aber den Dſchilum (Ji⸗ 
um) oder Behut aus dem Kafchmirthale, in welchem die gries 
hifche Benennung Hydaspes ebenfalls noch erkennbar ift, die 
von feinem antifen Sansfritnamen Vitaſta, d. h. pfeilges 
fhwind, hergenommen ward (f. Afien IV. 2. ©. 454), ein 
Name, der aber als Bedufta 72) noch heute im Munde des 
Volts lebt. 





”°) Ehr. Lassen Comment. etc, de Pentapotamia Indica. Bonn. 4. 
1827.  ?*) Al. Burnes Narrative etc. Vol, III. p. 183. 
”?) Al, Burnes Mem. p. 127. Hifi 





32 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $. 1. 


Aber beide Stroͤme ſind nicht einfach, ſondern doppelt; 
denn jeder empfängt gegen das Innere des Pendſchab feinen 
großen Zuftrom, mit eignem Namen, gleich berühmt, der ihm 


den Rang an Größe fteeitig macht, und beide bilden mit jenen | 


Gabelungen, die ſich gegen S.W. in das Pendfchab hinabs 
fireefen. So fließt der Beas oder Bedſcha (Beyas), deſſen 
Duelle wir ſchon früher in den Pariyatbergen bei Mundi und 


N Afien I. ©. 1066) fennen lernten, in das rechte Ufer 


es Sfetledfch unterhalb Ludiana bei Hurri ein. Sein antiker 


—— Vipaſa, d. h. im Sanskrit der Entfeſſelte nach. der | 
Legende (ſ. Afien II. ©, 666), ift im Namen, den die Macedonier 


ihm gaben, Hyphasis, nicht zu verfennen, und A. Burnes 73) der 


ihm näher kennen lernte, verfichert, daß Beas nur die Contracs 
tion von Bypaſa oder Bipafa fin, die antike Sanskritbenen- 
nung alfo auch heute fortbeftcehe. Der Name Hyphasis ift, bei 
den Macedoniern, von dem Eleinern Zufluffe auch als Benennung 


für den Verein mit dem größern Hauptfluffe beibehalten worden, 


da diefer der Zadadrus, oder Hesudrus, erſt fpäter durch Pos 
lemäus allgemeiner als Hauptficom befannt wurde. Heut zu 


Tage aber, obwol unfere Landkarten und Geographen beider 
Stromvereine den Namen Sfetledfch beilegen, wird er uns 
terhalb der Gabelung bei Hurri doch mit einem ganz andern Nas 
men genannt, und heißt im Lande felbft Garra, bis Bhawul⸗ 
pur, das an feinem fer erbaut ift, ehe er fich ſelbſt zu den Ubris 
gen Pendſchabwaſſern ergießt, Bis wohin er fchiffbar if. 

Der meftlichfte Strom von Kafıhmir, der Behut, oder 


Silum, welcher ſchon mehrere Zuflüffe aus dieſem reizenden | 


Bergthale erhalten hat, zu denen auch der oben genannte Kifchen 


Ganga gehört, erhält eben fo aus dem Innern des Pendſchab⸗ 
landes einen Zuftrom, den Chinab (Acesines), der ihm an Größe | 
gleich kommt, wenn nicht übertrifft, da er nächft dem Indus für | 
den größten der Pendfhabflüffe gilt. Wir haben feine Duelle 


fhon in einem fehr hohen, nördlichen Alpengau, am Para: 
Saha:Paffe, gegen Ladakh, auf 16,500 Fuß Höhe, kennen ler⸗ 
nen (f. Afien II. ©. 1064), von wo er unter dem Namen Chan— 
dara Baga (Mondesgabe, Mondfluß) die weiten Vor: 
berge des Emodus der Alten, über Kifchtewar bis Jumbo 
(ZJummo) durchzieht. Cs ift aus früherem befannt, wie der zu 


”?®) Al. Burnes Memoir 1. c. III. p. 294. 


u EG FF GE 








Indus-Syſtem, Mittellauf, das Pendſchab. 33 


ominoͤs für ein griechiſches Ohr klingende Name (Sandaro-phagos, 
d. i. der Alexanderfreſſer) von dem magedonifchen Eroberer 
in die günftigere Benennung Akesines (d. i. Heilfhaden, 
- f. Afien I. ©. 1064, IV. 2. S. 456) umgewandelt wurde, der 
entweder auch ſchon in einem verwandtklingenden Namen vor: 
handen war, oder als folcher nun einen fo allgemeinen Eingang 
fand, daß er noch heute in dem gleichklingenden Dſchin-ab 
.@ hinab), vom gricchifchen Zuſatze entkleidet, unverfennbar ge: 
blieben ift, ein Name, den indeg A. W. v. Shies el bisher für 
| einen neuperfifchen zu halten geneigt war (f. Afien IV. 2, ©. 457). 
- Auf dem Hydaspes (Behut) ſchiffte ſich Aleranders Flotte ein; 
aber mit dem Einfluß zum Acefines (Chinab) behielt dieſer 
- Strom, der auh an Waflersolumen feinen fchlammigen Neben: 
firom weit übertrifft, den Namen Acefines bei, bis zur Vermaͤh— 
lung mit dem Indus, und eben fo heißt der vereinte Strom bei— 
der im untern Laufe an Multan vorüber, bis zum Garra, auch 
hente noch Chinab, den Namen des obern Behut oder Jilum 
verlierend, wie zu Aleranders Zeit (Arriani de Expedit. Alex. VI. 
c. 1 und 3). Wegen feiner Größe wurde er von den Macedos 
„niern fchon mit dem Nil Aegyptens verglichen. Man kann ihn 
von der Hauptftadt an feinen Ufern, zum Unterfchiede der andern, 
den Strom von Multan nennen. Der Zufammenfluß von 
Behut und Chinab, der den Macedoniern fo große Furcht 
einjagte (f. Afien IV. 1. ©. 467), liegt heut zu Tage unter 310 
11’ 30” N.Br., wo bei der Fähre von Trimo, oder Trimoa, 
zwar jede Gefahr ver Durchfchiffung verſchwunden iſt, aber doch 
das alte von den Macedoniern ſchon mwahrgenommene Getöfe 
zuruͤckblieb, das auch von Al. Burnes, der diefe Stelle hefuchte, 
beobachtet ward, uns aber nicht näher erklärt wird, 
Aber ehe derfelbe Multanftrom diefen Marftort des ſuͤd⸗ 
lichen, centralen Pendſchab erreicht, nimmt er zuvor noch, von 
der Oftfeite, den linken Zuftrom, den Navi (Hydraotes), auf, der 
aus den Vorfetten der Pariyatberge entfpringt, und den Bergs 
fraat Chamba (f. Afien I. ©. 1077) durchzieht, dann aber in 
dem ebenen Lande an der Eapitale des Pendfchab, Lahore, vors 
überftrömt. Sein antiker Name Airavati, d. h. im Sanskrit 
Beltelephant, macht es, wie wir fchon früher fahen, wahre 
fheinlih, daß die Schreibart Hyarotis die richtigere ift, von der 
Ravey und Ravi nur Contractionen find. Wirklich Horte ihn 
Ritter Erdfunde VII, 


34 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 61. 


Al. Burnes79 an feinen Ufern, auch heute noch, zuweilen 
Iraͤoty nennen. Cine ſolche Pivacität zeigen die Localbenens 
nungen im Orient feit Yahrtaufenden. Wir haben ihn früher 
als die Oftgrenze von Gandaritis, oder Porus Reich, Eennen lews 
nen (f. Afien IV. 1. ©. 457). Auch fein Name verfchwindet 
wie der des Behut, in dem des Chinab, mit dem er unterhalb 
Tolumba, bei Fazilpur, oder Fazilfehah”), einem gerins 
gen Dorfe, unter 30° 40° N. Br., zufammenfließt. 
Aus diefer Ueberficht, in welcher wir die ſehr verwickelte Na⸗ 
mengebung nach den. verfchiedenen Zeiten, und in ihrer urfprüngs 
lichen wie in der durch. Griechen umgewandelten Form, und in 
ihrem modernen Zuftande nachzuweiſen verfuchten, weil die, Vers 
wirrung der Autoren hierin fehr groß ift, ergiebt fich zugleich die 
Sage und Anordnung der zwifchen diefen Strömen liegenden 
5 mefopotamifchen Landfchaften, Duab’s, d. i. Zweis 
firomländer der Indier, welche zufammengenommen den gros 
fen Triangel des Pendfchab bilden, deilen GSrundlinie, 
von etwa 100 geogr. Meilen Ausdehnung von S.D. gegen N.W., 
man als die Himalaya Kette anfehen kann, indeß die Spige 
deffelben gegen S.W. nah Mittun Kote gerichtet ift, die ziems 
lich glei) großen etwa 130 geogr, Meilen langen Schenkel def 
felben aber durch Sfetledfh und Indus gebildet werden. Die. | 
einzelnen Benennungen diefer Duab’s und der zwifchen ihnen vers 
theilten politifchen Reiche, wie der auf ihnen angefiedelten Völker 
fehaften, die wir in der Macedonier Zeit genauer verfolgt haben 
(f. Afien IV.1. ©. 453— 471), find längft gefchwunden, und die 
unzähligen Wechfel der Namen und Gegenftände durch die Zeis 
ten. Sultan Mahmuds, der Ghuriden, Khiljy, Timuriden, Babus 
riden u. |. w. (ebend. &.480— 639) bis in die neuere Zeit, find. 
insgefammt zufammengefloffen in die eine große politis 
ſche Maffe der Herrfihaft der Seifhs, die dem Zuftande 
dieſes Landes feine moderne Geftalt gaben, obwol ihr eigents. 
liches, urfprünglihes Mutterland nur ausfchlieglich das N 
Duab zwifchen Ravi und Sſetledſch ausmacht, von wo. 
ihre politifche Ausbreitung, feit einigen Zahrzehenden er, füds 
wärts bis Multan, nordwärts bis Kafıhmir, und oftwärts % 
von der Briten Grenze, wetwärts über den, Indus binaus 


”*) Al. Burnes Mem. l. c. p. 306 ib. Vol. III, Narrat. p. 124, 
”*) Al. Barnes Mem. Vol. Ill. p. 3003 deſſ. Narrat. ib, Mr, p. 124. 








et FT u nn — ee un Dom u DU eng 


Indus-Shſtem, unterer Sfetledfehlauf. 35 


bis Peſchawer reicht. Aber als Volk ift ihr Hauptfig, auch 
gegenwärtig noch, nur im Mutterlande, und nicht ſuͤdwaͤrts bie 
Multan hin; im Welt des Jilum giebt e8 außer den Commans 
dos der Truppen Feine anfaffigen Seikhs mehr, und ficher, be: 


‚merkt Al. Burnes, macht ihre Anzahl noch fein Drittheil”6) 


(500,000) der Sefammtpopulation des Pendfchab aus, die man 
mit Seikhs, Hindus und Moslems auf 3 Millionen Seelen ſchaͤtzt, 
deifen Areal man auf etwa 5000 Duadratmeilen anfchlagen kann, 
davon die nördlichen # vom Alpenlande und deſſen Borbers 
gen bedeckt feyn mögen, die übrigen zwei bis 3000 O.Meilen 
Areal aber die eigentliche Ebene des Pendſchab bilden. 

Gehen wir nun zu der fpeciellen Characterifitung der einzels 
nen Ströme innerhalb der ebenen Pendfchab -Landfchaften über, 
vorzüglich. nach den Iehrreichen Beobachtungen Al, Burnes, 
um dann in Ueberfichten die zerftreuten Maffen wieder ethnogras 
phiſch und politifch zufammenzufaffen, fo weit es hier der Zweck 
erheifcht. 


2. Der Sfetledfohlauf (Hesudrus) im Pendſchab; 
: die Daudputra’s, 


Um aus dem britifchen Grenzpoſten Ludiana (unter 30° 
55’ 30” N.Br. und 75° 54° O. L. v. Gr. n. A. Burnes Obferpas 
tion) am Sſetledſch diefen Grenzitrom an feinem Verein mit dem 
Beas bei Hurri, 10 geogr. Meilen fern, zu überfegen, Braucht 
man die Erlaubniß der Seikhs, die hier ihre Wachtpoften am 
Ufer aufgeftellt haben. Aber auch Ludiana, am Suͤdufer des 
Stromes, liegt direct gegenüber am Nordufer deffelben die erfte 
Stadt der Seikhs ganz benachbart, Fulur’7), von wo der Meg 
durch das Jallinder Duab nordweftwärts zum Navi auf der 
Straße nah Umritfir führt. Die Breite! des Stromes war 
hier, nach heftiger Anfchwellung durch Regenfchauer (26. Auguft, 
im Anfang der Monfune), 700 Schritt (Yard); feine Tiefe 18 
Zuß; die mittlere Tiefe aber in der Kegel nur 12 Fuß. Er if 
minder. reißend als das Gebirgsmwafler des benachbarten Beas, 


und fein Waſſer weit fälter als das der Pendfchabflüffe, da er 


fo weit aus-Schneefetten hervortritt. Er wandert viel in feinem 
Bette hin: und her. Das Land zwifchen ihm und dem Cantons 


?s) At. Bornes Mem. Vol. III. p. 299; deſſ. Trav.-Vol. II. p. 285. 
”7) Al. Burnes Travels Vol. II. p. 183, 
&2 


36 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 5 1. 


nement der Briten iſt von vielen Nulla's durchſchnitten, davon 
einer noch vor 50 Jahren ſein altes Strombette war. Nach dem 
November ſchwindet der Strom fo ſehr, daß er dann meiſt durch— 
gehbar wird, obwol die Furthen ſehr wechfeln, ‚wie feine Sands 
bänfe. Diefelben Boote, wie auf den Beas, werden auch auf 
dem Sſetledſch gebraucht, 17 derfelben find an der Fähre von 
Ludiana poftirt., Das Südufer des Stromes, gegen die britifche 
Seite zu, ift vollfommen flach, und diefe Ebene begleitet den 
Strom aufwärts bis zu feinem Austritt aus den Bergketten. 
Diefe Depreffion ſey aber hier keineswegs Alluvialboden, bemerkt 
Al. Burnes, fondern lofer San. 

Nimmt man aber den erfigenannten Weg am Südufer des 
Sſetledſch gegen Hurri hin, fo verliert?) man allmaͤlig den 
Fernblit auf die hohen Schneeketten des Himalaya, die 
bier ſchon niht mehr jene zadigen Contoure zeigen, wie 
weiter im Oſten. Sie zeigen nody den größten Contraft gegen die 
grüne Plaine, die fih am Ufer des Stromes ausbreitet, Am 
frühen Morgen, des 3. Zan. 1832, war fie gefroren. Laͤngs 
dem Sfetledfch ziehen fich zahllofe Dörfer hin, aus Holzbalfen 
und Backſteinen erbaut, mit terraffirten Dächern, reinlich, fowol 
von Hindus wie von Mohammedanern bewohnt, und nur wenig 
Seikhs haben fidy über das Oftufer des Stromes verbreitet, wo 
fie hier unter britifchem Schuge ftehen. Die Moslemen, faft alle 
erft von den Hindus uͤbergetreten, herrfchen hier vor. Im obern 
Laufe des Sfetledfch, um Ludiana, find die Anwohner Agricultoz 
ren, aber unterhalb des Stromvereins mit dem Beas werden fie 
raͤuberiſch; fie nennen fih Dogur, Zulmairi, Salairi u. a. m., 
im Allgemeinen aber werden fie Raat genannt, die unter fich 
fiets in Fehde liegen. 

Das nächte. Ufer iſt mit herrlichen Wiefen bedeckt, aber alles 
Holz fehlt; nur in der Nähe der Dörfer erblickt man einige Baum: 
pflanzungen; zum Brennen dient Vichdünger, der ſtark hist, Weis 
zenäder ziehen ſich oft Meilen weit zwifchen den Dörfern hin, 


aber ihre Irrigation fehlt hier, obgleich der Flußfpiegel nur etwa - 


25 Fuß tiefer als der anfloßende, flache Aderboden liegt. Das 
Land jenfeit diefes nächften Uferfaumes, dürre wie die Luft, Heißt 


Malwaz doch trägt der Boden Gerfte, Bajera (Hole. pie 


"*) Al. Burnes Trav. Vol. I, p. 3 etc, 


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Indus⸗Syſtem, unterer Sſetledſchlauf. 37 


cat.), Mut (Phaseolus) und Gram (Cicer. arietin.), ‘die nach 
dem Pendſchab ausgeführt werden. 

Der Zuſammenfluß von Sfetledfeh und Beas bei 
Hurri, nach Al. Burnes Obfervation 7) unter 31° 9° 50” N.Br., 
ift auf alfen fruͤhern Karten um 10 geogr. Meilen (50 M. Engl.) 
zu weit nach Süden verzeichnet, wie er einft wol Statt fand, 
aber durch Anhäufung feines Alluvialbodens, wol feitdem, zurück 
getreten feyn mag. Doc auch plösliche Veränderungen gingen 


an feinen Ufern vor fich; vor 50 Jahren foll der Strom durch 


einen Bergfturz in feinem Laufe temporair ganz gehemmt worden 
und erft nach einigen Wochen wieder zerftörend hervorgebrochen 
ſeyn; ein ähnlicher Einfturz gefchahe vor nun 10 Yahren, doch 
zerftörte diefer nur wenig und erfchreefte nur durch den ſchwarzen 
Echlammftrom, den er erzeugte. In wiefern dies die Schwierigs 
Feit der Beftimmung der Localität der Altäre Aleranders vermehrt, 
iſt fchon früher angezeigt (ſ. Afien IV. 2. ©. 465), Jeder der 
beiden Fluͤſſe hat für fich, vor dem Verein, eine Breite von 200 
Schritt Yard); aber der Sfetledfch hat ein größeres Wafferquans 
tum, beide vereint haben nur 275 Schritt, das Bette aber ans 
derthalb englifche Miles Breite. Das hohe Ufer liegt an der 
Mordfeite. Das klare Wafler, im Sanuar ohne Schneefchmelze, 
füllt nur das Sommerbett mit 12 Fuß tiefem Waſſer, das 24 
engl. Mile in einer Stunde zuruͤcklegt. Die Waſſer von beiden 
hatten eine Temperatur von 57° Fahıh. (d. i. 11° 11 Neaum.), 
oder 6° unter der Lufttemperatur. An der Ueberfahrt find auf 
britifcher Seite 23 Boote und 400 Mann Neiterei poftirt, als 
Grenzwacht um die Plünderzüge der fanatifchen Seikhs von ihr 
ren Territorien abzuhalten. Die Fähre gleitet am fanften Zufams 
menfluß beider Ströme leicht vorüber. Die britifche Karamane 
wurde vom Wolfe durch Gefang im erften Pendſchabdorfe, Hurs 
zisfaputtun, empfangen und weiter escorfirt, 

Das weftliche Ufer des Beas ift an 40 Fuß hoch, und 
eben fo hoch das öftliche Ufer des benachbarten Navi; der Lands 
ſtrich zwifchen beiden liegt ebenfalls hoch, es iſt der höchftgelegene 
Theil der Pendfchabebene; er heißt, wie gefagt, Manja 80), ift 
trocknes Sand. Die Brunnen, die auf der linfen Seite des Sfet 
ledſch ſchon bei 26 Fuß Tiefe Waller geben, muͤſſen hier bis 60 Fuß 





79), Al. Burnes Notice regarding tle Map of Central- Asia Vol. II, 
p- 148 etc. s°) Al, Burnes Trav. Vol, L. p. 8. 


38 Weſt⸗Aſien. J. Abſchnitt. F. 1. 


tief gehen. Der Boden iſt harter Thon, kieſig, mit holzigen, bors 
nigen Geftripp und Rankengewaͤchſen überzogen, welche die Eins 
wohner Jund und Khuril Gapernſtrauch, f. Afien IV. 2 
©. 935) nennen, au mit Babul (Mimosa arabica), Der Ans 
bau hängt vom Regen ab; denn nur wenig oder gar feine Irri— 
gation findet hier Statt, da früher unter den Großs Moghulen 
viele Canäle deshalb angelegt waren. Die Ruinen von einem 
derfolben, bei Dutti, fieht man heute noch im rechten Winfel zum 
Beas ziehen, obwol er feit anderthalb Zahrhunderten zugedaͤmmt 
if. Diefes Duab von Manja, in deſſen Mitte Umritfir die 
Capitale der Seifhs liegt, iſt berühmt durch feine treffliche Pfers 
dezucht und durch die Tapferkeit feiner Bewohner; Heerden von 
Wild, zumal Nilgaus (f. Afien I. S. 896, 1IV.2} ©. 512), durchs 
ziehen diefen Boden. Unfern der Ueberfahrt, gegen Weft, auf dem 
Lege gegen Lahore zu, ift Dutti die erfte Stadt mit 5000 Ew,, 
welche nebft der anftoßenden Stadt Sultanpur, unter Kaifer 
Akbar erbaut ward, und der Hauptort eines Difkrictes ift, zu dem 
1360 Dörfer gehören. Hier find die beiten Pferdegeftüte, von 
der Dunnizucht, jenfeit des Jilum eingeführt, wo derfelbe 
trockne Boden wie in Manja; Gerfte und das Eriechende Gras, 
Doob, ift das Hauptfutter der hiefigen Pferde. 

In diefem Lande liegen viele fefte Nitterburgen mit Thuͤrmen 
und Mauern umgeben, von deren Zinnen man- eine weite Auss 
ficht iiber das veiche Yand bis Umritfir gegen N. und Labore 
gegen W., die beiden Seikhscapitalen genießt. Es find die Reſi— 
denzen der Sirdars, d— i. der friegerifhen Häuptlinge, die früs 
her independent an der Spitze der ariftofratifhen Republik der 
Seikhs fanden, die aber mit der Zeit unter das Joch des Mor 
narchen Runjit Singh ſich beugen mußten. Das Schloß eis 
nes folchen Hauptchefs, auf halbem Wege von Putti nach) Las 
hore, beißt Pidana Hd; der Sirdar Zuvala Singh empfing, 
nach der Yandesfitte, feinen Gaft mit einem Bogen und einem 
Beutel mit Geld, die er ihm barreichte, Dies Schloß ift von eis 
nem Dorfe umgeben. Nur eine Tagereife von da gegen Ben 
liegt Labore fhon am benachbarten Strome. 

Die Daudputra (d. h. Davids Söhne) das Sand 
Bhawul-Khans. Der von der Fähre bei Hurri abwärts 
siehende Lauf des Sfetledfch, ift uns in feinen Localverhälts 


**) Al. Buraes Tray. Vol. I. p. 14. N 





Indus-Syſtem, Daudputra am Garra, 39 


niſſen gänzlich unbekannt geblieben, bis er die Capitale von Dauds 
putra und das Land Bhawul Khans einft eines mächti- 
‚gen Bafallen der Kabul Könige befpült. Kein Augenzeuge hat 
diefe Wegftrecke befchrieben. Aber von der Lage Daudputras, 
zwifchen dem großen Wüftenftriche Bifanirs, Jeſſulmers, Omer⸗ 
fotes und dem linfen Sſetledſch- und Indusufer, abwärts bis 
Ahmedpur und Doch (im Sande der Oxydracae), war ſchon 
früher die Rede (f. Afien EV. 1. ©.471, IV. 2. ©. 992,.1030); 
auch die Route von Bikanir durch die Wüfte bis Bhamulpur 
ift genauer befchrieben (ebend. IV.2. ©. 993 — 994). Hier wird 
der Ort ſeyn das zu vervollftändigen was uns von dieſem kleinen 
Staate befannt geworden. 

Daud Khan aus Shifarpur, auf der Weftfeite des 
Indus, einft mächtiger Wafall der Könige von Kabul, drang als 
Eroberer auf die Dftfeite des Indus vor, und entriß den ges 
ſchwaͤchten Rajputenftaaten von Bifanir, Zeffulmer und 
DOmerfote, einen Theil ihrer weftlihen Provinzen mit der Wuͤ⸗ 
ftenvefte Derramul, und feste fih am Oftufer des Garra und 
Indus feft, wo er fich auch, nad) dem Verfall der Afghanenmadıt, 
als Somverain, zwifchen dem Gebiete der Seifhs im Morden und 
dem der Amir von Einde im Süden behauptete, deren nächfte 
Grenzſtadt Sub zul Kotes?) if. Auf diefen Eleinen Raum, 
im Weſt vom Strome, im Oſt von Wuͤſten eingefchloffen, blieb 
diefer Kleine Staat begrenzt, zwifchen zwei Eriegerifchen Nachbarn 
im Norden und Süden, gegen die ihn aber eben Strom von 
vorn und Wuͤſte im Mücken fchüsen. 

Gegen ©. und D.3) grenzt es an die Rajputenflaaten Jeſ— 
fulmer und Bikanir; gegen N. an den Garra (Sfetledfch); aber 
bei der Stadt Bhamwulpur Üüberfchreitet es den Fluß bis zum Ehis 
nab bei Zulalpur, und über diefen hinaus auch die Südfpige des 
Duab zwifchen Ehinab und Indus. Dort bleibt, gegen Multan 
hin, an der Nordgrenze, ein Wüftenftrid von ein paar Stunden 
Breite unbebaut liegen, um jeden Anlaß zum Grenzftreite zu 
meiden. Der Zufammenfluß großer Ströme, die Wafferfülle, die 
dadurch eröffneten Communicationslinien für den Handel und die 
militairifche Dofition, geben dem an fich fleinen und unbedeutens 
den Gebiete des Bhawul Khans, davon der größere Theil obens 





\ Burnes Narrative Vol, IIl. p. 83- ®») Al, Burnes Men. 
Vol. 111. p. 290 — 294. * 


40 Weitz Afien. I Abſchnitt. $. 1. 


ein noch aus diirren Sanddünen beficht, eine gewiſſe politifche 
Bedeutung, und die drei Hauptftädte Bhamwulpur, Abmed- 
pur und Doch bezeichnen die Concentration feiner Hauptmacht. 

Der Chinab nimmt den Garra ohne Tumult (unter 29° 
20° M.Br., 2 Stunden im Norden von Doch) auf, ift aber ſchon 
oberhalb des Vereins faft eben fo breit wie unterhalb 84). Das 
weishe, niedere Ufer führt beftändige Wechfel herbei, und vor we— 
nigen Jahren lag der Verein 2 Engl. Miles weiter oberhalb. Die 
Breite jedes der beiden Ströme ift hier 500 Schritt (Yard) ; aber 
der Chinab ift reißender; diefer hat von dem Boden, den er 
durchläuft, röthliches Waller, daher ihn die Anwohner „Rothes 
Waſſer“ nennen, der Garra hat eine bleiche Farbe. Mehrere 
Miles weit unterhalb des Vereins bleiben die Farbungen beider 
Waſſer noch gefondert; wie bei Inn und Donau bleibt die Scheis 
dungslinie weithin fichtbar. Der vereinte Strom nimmt zivar 
anfänglih, an feinem Vorhberfluß bei Doch, an Breite bis 800 
Schritt zu, erweitert fih hie und da wol auch noch mehr, engt 
fi) aber im ferneren Laufe bis zum Indusverein meift zu 600 
Schritt (Yard) zufammen. An diefem Verein ift feine Tiefe 
20 Fuß, weiter aufwärts nur 15 Fuß, und feine Strömung 
fhneller als beim Indus, naͤmlich 34 Miles Engl. in 1 Stunde. 
Der Garra, an deſſen Oftufer Bhawulpur erbaut ift, würde 
zwar wol fchiffbar feyn, doch wird er gar nicht zum Schiffstrang: 
port benußt, wahrfcheinlich weil er zu feinem andern Lande als 
nah Sinde führt, dem aller Handel fehlt. 

Ueber das Land zwifchen Doch und dem Indus war man 
vordem im Irrthum; es wird nie überfchwenmt. Mehrere zuges 
fhlämmte Canäle würden, wenn fie gereinigt wären, wol auch 
heute noch das Chinabwafler zum Indus führen, Daher fam 
wol J. Rennells fehlerhafte Kartenzeichnung, der den Chinab 
ſelbſt ſchon viele Miles oberhalb des wahren Vereins in den 
Indusſtrom hinüberführte, die zuerft Elphinſtones Kartenzeichnung, 
zu feinem Werke von Kabul, berichtigt hat. 

Im Chinab find einige Sandbänfe, die aber die Schiffahrt 
der Flachboote Gohruks) auf ihm nicht hindern; feine Oftufer, 
wie nech auf eine Eurze Strecke die des Indus felßft, gehören 
von Mittun Kote aufwärts, 8 geogr. Meilen (40 Engl. 
Miles) weit, bis Doch, zum Gebiete Bhamul Khans, eine 


**) AL Bürnes Narrative Vol, III. p. 98. Memoir a 286. 





Indus-Syſtem, Daudputra am Garra. 41 


Strecke die zu Schiffe, wider den Steomlauf, in 5 Tagen zus 
rücgelegt wird. 

Die Ufer des Chinab find felten 3 Fuß über dem Waſſer⸗ 
fpiegel erhaben; daher. den Ueberſchwemmungen fehr ausgefeßt; 
diefer Anfchwellung der Waſſer ſchreibt man dort die fühlens 
den Lüftes) zu, weshalb fich die Einwohner fo nahe als mögs 
lich am Strome anfiedeln, da tiefer oftwärts gegen die Müftenfeite 
die Hiße, wie fie fagen, immer zunchme,. Weiter abwärts am 
Indus leben nur nomadifche Hirtenftämme in Schilfhütten; aber 
hier mit dem Gebiete von Daudputra im Morden von Subzul 
Kote werden dieſe zu ordentlichen, doch immer noch aus Schilf 
geflochtenen, aber netten Haͤuſern, obwol klein, 8 bis 10 Fuß über 
dem Boden erhöht, auf Leitern zu erfteigen, um der Feuchtigkeit 
und Ueberſchwemmung wie den Sumpfinfecten auszumweichen. Die 
dichten Tamarisfengebüfche, welche in Sinde das Indusufer ſchwer 
zugänglich machen, werden hier immer fparfamer die reichen Weis 
den am Ufer entlang ziehen Schäfertribus mit ihren Heerden hers 
bei, und mit der Umgebung von Doch beginnen dicht gedrängte 
Reihen von Dorffchaften. Grüne zuderrohrartige Schil— 
fe, Sebüfhe, Wahun genannt, der Birke ähnlich, bemerkte 
Al. Burnes 85) hier; das hoch cultivirte Land ift von vielen 
Canaͤlen zur Jrrigation durchzogen, die fehr reiche Ernten bewirs 
fen. Das Dich iſt groß und zahlreich, die Wanderhütten der 
Schäfer werden meift von permanenten Dorffchaften zwifchen 
Baumpflanzungen, in deren Schatten fie fi) ausbreiten, vers 
drängt. Der Ueberfhwenmung find diefe hier nur felten ausges 
fest, da diefelbe fich feine Stunde weit über das Oftufer ausbreis 
tet. Diele Dörfer, aber nur wenige Städte, beherbergen die Pos 
pulation des Daudputra Landes. Bhamulpur war, zu 
Elphinfiones Zeit (1809)37), die Reſidenz des Khan, in der 
er bei feinem Durchmarfche eine fehr gaftliche Aufnahme und eine 
fehr zahlreiche Bevölkerung fand; wenigftens war bei feiner Ans 
funft viel Volks unter den Stadtmauern verfommelt, und fein 
Audienzzug zum Khan führte ihn durch Straßen mit Häufern, 
deren Dachterraffen alle dicht voll Zufchauer fanden. Es foll, 
nah Al. Burnesss), 20,000 Einwohner haben und bedeutens 


#5) Al. Burnes Narrat. Vol. III. p. 90. ®*) Al. Burnes Memoir 
Vol. II. p. 287. *’) M, Elphinstone Account p. 17—19. 
*®) Al. Burnes Mem. p. 289, 





42 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 1. 


den Handel treiben. Lieutn. Conolly 8%), der es Im J. 1831 
durchzog, meinte, es fen feit Etphinftones Zeit fehr in Verfall ger 
rathen, da der Khan, ein Todtfeind der Seikhs, die ihn in feiner 
Mefidenz leicht mit Ueberfaͤllen bedrohten, fich feitvem lieber mehr 
in das Innere der Wuͤſte zuruͤckbegab, in fein Jagdſchloß Ahr 
medpur, oder in die Feftung Derrawul, ein Felsfchloß ges 
gen Bifanir hin, wo er feinen Schatz in Verwahr hält. Die Ber 
wohner von Bhawulpur contraftiren ſehr mit den Rajputen 
der Bifanir Wüfte, aus welcher Elphinftone gegen W. vorfchrittz 
fie find ftark gebaut, duntelfarbig, haben härtere Geſichtszuͤge, tra⸗ 
gen lange Haare, Bart und Kappen flatt des Turbans, reden 
eine den Hinduftanis ganz unverftändliche Sprache, die Gebildes 
tern haben perfifhe Manieren und Sprache angenommen. Sie 
find gute MWaffenfchmiede; die, Hindus, die ſich unter ihrem 
Schutze zahlreich niederfießen, find induftriös und Eühne Handels 
leute ®), die mehr ihrer Gewerbe als ihrer Religion wegen von 
den mohammedanifchen Daudputras geduldet werden. Ihre feis 
nen Gewebe, Longis, find berühmt; von den Marwar, zumal 
auf dem Markte von Palli (f. Afien IV.2. ©. 964, 972, 986) 
erhalten fie, durch die Bikanir Karamanen, die europäifchen Waa— 
ren, mit denen- fie wiederum Multan verfehen, und diefelben noch 
weiter weftwärts, über Kahiren Ghat, in das Durani oder Afahas 
nen Sand ſchicken. Sie felbft fegen ihre Handelsreifen ber Ras 
bul, Bamian, öfter bis Balfh und Bokhara fort, feldft 
bis Aſtrakhan dringen fie vor; fie verfaufchen in Bokhara ihre 
Indiſchen Waaren gegen Nuffifche. Mehrere von ihnen, welche 
Al. Burnes in Doch fennen lernte, priefen ihm die Milde des 
Beherrfchers Doft Mohammed von Kabul und "des Königs der 
Uzbeken in Bofhara, welche den Handel befchügen; ihre Gefpräche 
brachten ihn damals zu dem Entfchluß felbft feine Entdedungss 
reife nad) Borhara zu unternehmen; die geographifche Willens 
fchaft ift ihnen alfo keinen geringen Dank ſchuldig. 

Derramul, das Wüftenfchloß, ift von feinem Europäer ge— 


fehen; A. Conolly ift der einzige der die Jagdrefidenz dea 


jegigen Khans, Ahmedpur (6 geogr. Meilen, 30 Miles Engl. 
im ©. von Bhamwulpur), befucht hat; er nennt fie eine große 


J 


L. Arth. Conolly Journey to the North of India etc, Lond. 1834. 


8. Vol. II. p. 283 — 285. %°) Al, Burnes Memoir p. 293; deſſ. 
Narrative p. 91, 








Indus-Syſtem, Daudputra, Doc, 43 


offene Stadt von fhönen Baumpflanzungen umgeben. In einem 
Dark find die mit weißer Gppsftuccatur verzierten Wohngebäude 
des Khans gelegen, der hier feine gewöhnliche Nefidenz hat, die 
ihm zugleich das befte Zagdrevier in der Wuͤſte gewährt, die Lieb— 
lingsbefchäftigung diefer Khane, deren Gaſtgeſchenke in Waffen, 
Falken und Jagdhunden zu beftehen pflegen. Derrawul wird 
in den Sind Hiftorien eine fehr ſtarke Fefte genannt, die denen 
Iskanders (Aleranders) zur Seite geftellt wird. Im Jahre 1524 
(931 d. Heg.) wurde fie von Mirza Schah Hufein: erobert; fie 
fol nur aus Basfteinen erbaut feyn, und würde wol keinem eu: 
ropäifchen Ueberfall Widerftand leiſten können. 

Weiter ſuͤdwaͤrts, gegen Doch (im Lande der antiken 
Oxydracae, Afien IV. 2. ©. 469, die zu den tapferften Völkern 
des Alterthums gezählt wurden, bei denen zu Aleranders Zeit die 
feinfte Weberei wie heute in Bluͤthe ftand), die füdlihfte Cas 
pitale des Bhawul Khans, die nur zwei Eleine Stunden (4 M. 


. Engl.) oftwärts vom Chinabufer erbaut ift, breitet ſich der unges 


mein fruchtbare Boden. in vollfommenem DBlachfelde aus, das 
durch Ueberfhwemmung reichen Ertrag giebt, wie das Nilthal. 
Bei troefner Zahreszeit, wie im Mai, it der Staub unerträglich; 
aber jeder Abend wird klar und heiter, und der Sonnenunters 
gang hinter dem Zuge der Solimangebirge, die allmälig in 
blauer Ferne von etwa 16 geogr. Meilen bervorfteigen, fo wie 
man der Stadt fidy nähert, verfchönert ungemein die Yandfchaft. 
Dei Bhawulpur erblickt man fie noch nicht, und auf dem Wege 
von Doch gegen Multan verfchwinden fie auch wieder dem Auge; 
fie fcheinen in paralleier Direction mit dem Indus zu 
fireichen, ihre Höhe fiheint von hier aus nicht coloffal zu feyn, 
auch ift fie durch Feine Pikformen ausgezeichnet. 

Doch M ift wie Tatta auf einem Erdhügel erbaut, der wol 
aus den Trümmern und dem Schutt älterer Städteanlagen ents 
fand; der Chinab zeigt diefe Schuttmaffen, weil feine Fluthen 
an einer Seite den Fuß des Hügels weafchwenmten. - Dem Ders 
ein der nahen, fchiffbaren Ströme verdankt der Ort unftreitig feine 
Entftehung und Bedeutung. Er beficeht aus drei gefonderten 
Städten, deren jede mit einer Backſteinmauer umgeben ift, die 
jufammen an 20,000 Einwohner zählen. Die Straßen find enge, 
unbedeutend, mir Matten gegen den heißen Sonnenſtrahl gedeckt. 





°!) Al. Burnes Nawative p. 91, 975 deſſ. Mem. p. 288. 


44 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6. 1. 


Das naͤchſte Land um die Stadt iſt hoch cultivirt; Tabad und 
Indigo werden von vorzüglicher Güte gebaut. Mach der Les 
berſchwemmungszeit erfcheint das Ganze nur wie ein grünes 
Feld. Die vielen Gärten, in denen die Stadt eingehüllt liegt, 
bringen viel Obft, wie: Feigen, Acpfel, Maulbeeren, Weintrau⸗ 
ben, Falfa, eine neue Art fauerlicher Beere, und herrliche Blus 
men, wie Lilien, Roſen, Balfamftrauch, duftende Weiden, Bedi 
mifhE genannt, eine Art Senfitiva (Shurmu, d.h. die Bes 
fheidene), deren Blätter und Zweige beim Berühren plöglich 
finfen wie gefnift, und viele andere Gemwächfe, die Al. Burs 
nes in Indien für fremd hielt, Daß die Mango in diefem 
Boden und Clima, nah Al. Burnes Verficherung, feine Volls 
fommenbeit mehe erreichen kann, mag wol nicht vom Mangel an 
guten Boden und Hise berühren, fondern, wie in der heißen 
Deldiebene (f. Mango, Berbreitungsfphäre, Afien IV.1. ©. 891), 
von den falten Winpdftrichen, die auch hier von der hohen 
Solimanfette herab nicht fehlen werden. Auch werden hier ſchon 
eigen und Korn vorzugsweile vor dem Reis gebaut, dee 
bier nicht. mehr wie im eigentlichen Hindoftan die Hauptnahrung 
der Volksmaſſe bildet, obwol man ihn auch hier noch in großen 
Duantitäten haben kann.” Die Stadt Doch ift weit und breit 
durch die Gräber zweier mohammedanifchen Sancti berühmt, die 
aus Bagdad und Bofhara hierher kamen; wahrfchrialich frühzeis 
tig als Schrer des Koran. Die Ghuriden Kaifer (f. Aften IV. 1 
&.555 u. f.) verjagten die Hindu Rajas aus Doch, und befehrs 
ten das Land; aus jener frühen Periode mögen diefe Grabflätten 
ſeyn, deren Alter uͤber ein halbes Zahrtaufend hinaufreichen foll. 
Ueber die Meriode vor diefer Zeit fehweigt außer der Sage von 
Mohammed Kaſim (f. Aſien IV. 1. S. 58) die Landesgefchichte, 
Die Nachkommen jener beiden Heiligen haben ihre weltliche und 
geiftige Gewalt noch bis heute ausgeuͤbt; aber ſtatt des Volks 
fih anzunchmen und feiner Armuth zu feuern, verpraffen ſie mit 
Jagd, Hunden und Pferden die Opfergaben, die ihnen der Heili⸗ 
genfchrein ihrer Vorvaͤter einbringt. Bei einer der legten Webers 
ſchwemmungen ward die Hälfte des einen Hauptgrabes nebft dis 
nem Theile der Stadt mit fortgeſchwemmt; die Nückkehr des 
Waſſers in fein wahres Bett ward vom Volke nur allein der 
Kraft des Sanctus zugefchrieben. Auch die gebildetften unter 
dem Volk find voll Aberglaußen. Als der gelehrte Mihmander, 
der AL. Burnes auf feiner Reiſe durch dies Sand begleitete, 








Indus-⸗Syſtem, die Daudputras, Davids Söhne. 45 


der 5 Manuferipte bei fich führte, ein großer Literatus war, an 
der Mordgrenze Daudputra’s gegen das Seikh Gebiet, von ihm 
Abſchied nehmen mußte, verlangte er die Fremden follten ihm 
nun auch das Geheimniß der Magie mittheilen. Auf die 
Antwort, daß fie diefes felbft nicht befäßen,, fragte er: Aber wie 
kommt e8, daß ihr einen günftigen Wind hattet feit ich zu euch 
fam, und eine Stromfahrt von 20 Tagen in 5 Tagen vollendet, 
da fonft in diefem Lande der Wind oft Monate lang fehlt. — 
Dann verlangte er noch Medicin, um nicht fetter zu werden, als 
er fchon war. 

Die Daudputras find ein mohammedanifcher Tribus vom 
rechten Indusufer, deſſen Diſtrict Shifarpur fie einft von Kaifer 
Aurengzeb zugewiefen erhalten hatten; das übrige Land, fo weit 
fie es heute, befigen, eroberten fie hinzu, indem fie e8 andern 
- Sinds»Tribus entriffen. Seit 5 Generationen herrſchen fie in 
Bhawulpur. Bon Daud, d. i. David, nennen fie fich deſſen 
Nachkommen, Daudputra (wie Najazputra, Königs »fühne); 
doch ſtammt ihr Oberhaupt, der Khan, von Abbas dem Oheim 
Mohammeds ab. Ihre Häuptlinge heißen Pirjani, die Ges 
meinen der Tribus aber Kihrani; ihre Gefammtzahl fell nicht 
über 50,000 betragen. Sie find fehön gebildet, aber entftelft durch 
lange, bufchige Haarzöpfe, die ihnen über die Schultern hängen. 

So lange Kabuls Macht beftand, war Bhawulpur an die: 
felbe tributbar; doch war der Regent, der fih Namwob titulirte, 
faft independent. Die drei legten Negenten haben diefen Titel 
in Khan umgeändert und fih nah Bhamul, einem Sanctus 
in Multan, Bhawul:Khan genannt. Der junge Khan von 
etiva 30 Yahren, der Al. Burnes bei feiner Ducchreife in Doch 
Audienz gab (1831), rühmte es, daß fein Großvater von M. El: 
phinſtone, bei deffen Durchreife durch fein Land, das ehrenvolffte 
Zeugniß erhalten habe. Er regierte feit 5 Yahren ganz unums 
ſchraͤnkt, förderte Agricultur, Handel, ift fehr beliebt, liebt die Jagd 
und ift voll Haß gegen feinen mächtigen Nachbar Runjit Singh. 
ein politifcher Einfluß ift aber fo befchräntt wie fein Territos ' 
rium; durch die Seikhs ift er ſehr geſchwaͤcht und nur durch eiz 
nen Tractat unter der Garantie der Briten”) wird die Macht 
der Seikhs von einem Ueberfall füdmwärts des Sſetledſch, oder- 
Sarra, abgehalten. Seine Einkünfte betragen nicht über 10 Lat 


»?) Al. Burnes Tray. Vol. II. p. 290. 


rt 


46 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 1. 


Rupien (100,000 Pfd. Sterl.), ohne die von Dera Ghazi Khan, 
die er aber nur gegen eine enorme Pachtfumme an die Seikhs 
bezieht, die auf jenes Territorium Beſchlag legten (f. oben). Ein 
Drittheil jener Summe hat ihm dagegen der König von Lahore 
ſelbſt für den Landſtrich Daudputras zu zahlen, der am Nordufer 
des Sſetledſch liegt und ihm von feinem früherhin noch noͤrdli⸗ 
chern Belisthum geblieben ift, den Runjit Singh ihm durch Krieg 
41832 entriß. Dennoch hält: der Bhamul Khan einen Hofftaat, 
hat 2000 Mann regulairer Truppen, einen Artillerietrain; er koͤnnte 
ein Heer bis zu 20,000 Mann auf die Beine bringen. Don feis 
nem Vater foll der jegige Khan einen nicht unbedeutenden Schaß 
geerbt haben. Bei der feierlichen Audienz, die er Al. Burnes 
gab, ging der Zug durch Spaliere von Soldaten in Uniformen, 
und der fremde Gaft wurde mit 80 Schüffen. falutirt. So dringt 
allmälich das Europäifche Element felbft in die Wüften am In⸗ 
dus ein. Zum Gaftgefchent gab er zwei fchöne Pferde mit Satz 
tel und Zeug, einen Falken und fehr reiche in Bhawulpur ſelbſt 
gewebte Shawls; als Freund, bemerkte er, überreiche er ihm eine 
Sagdflinte. Die Aufnahme war. ungemein wohlwollend und 
freundlich. 


3. Der Beas, Bedfha, oder Vipaſa (Hyphasis), und 
das Zallinder Duab. - 


Der Beas ift der Fürzefte der 5 Pendfchabfläffe, der kaum 
die Ebene erreicht, und, wie wir oben fahen, bei Hurri, fich fchon 
in den Sfetledfch ergießt; wir haben daher nur wenig von ihm 
zu berichten; Fein Europäer hat den Lauf diefes Fluffes fpeciell 
verfolgt. Bei Jellallabad ®) wird er, auf der Straße nach 


Umritſir überfegt. Am 21. Zuli war er hier. bis zur Breite eis 
ner Engl. Mile angefchwollen, ungemein reißend, fo, daß er zwei 


Stunden Weges 5 Miles Engl.) in einer Stunde Zeit zurück 
legte. Zur Ueberfahrt brauchte man 2 Stunden Zeit, weil man 
2 Stunden unterhalb des Abfahrtsortes erft wieder am gegenfeitis 
gen Ufer zu landen im Stande war; die Boote find freilich eis 
gentlich nur Flooße, die gewaltig ſchwanken, und obwol fehr uns 
fiher doch zum Transport der Menfchen wie des Viehes, der 


Dferde und felbft Elephanten dienen. -Das Ufer des Stromes ift 


Eiefclig, aber veich mit Bäumen bewachfen. Yallinder ift eine 





®®) Al. Bornes Narrat. Vol. III. p. 178 — 182. 





J 


Indus-Shſtem, Beas, RavisLauf, 47 


große Stadt, einft von Afghanen bewohnt, mit einer Badfteins 
mauer umgeben. Nach diefer Stadt wird das ‚ganze Mefopotas 
mien zwifchen Beas und Sfetledfc, das Jallinder Duab ges 
nannt, da doch die uͤbrigen Duabs aus Compofitionen der abges 
kuͤrzten Flußnamen ihre Benennungen erhalten, wie das: zwifchen 
Beas und Navi, Barri Duab heißt, das folgende zwifchen 
Ravi und Chinab, Richna, und das zwifchen Chinab und Bes 
hut das Chinut Duab. 
Don der Stadt Zallinder zum Sfetledfich ift das Land 
" trefflich bebaut und ftark bevölkert; alle Dorffchaften find mit Erds 
waͤllen feftungsartig umgeben, viele mit Gräben. Die Häufer 
find aus Holz gezimmert, haben platte mit Erde bedeckte Dächer, 
Fulur, der Faͤhrort, ift zugleich Grenzpoften des Seifh Königs 
reiches gegen das britifche Territorium. 


* 


4. Der Lauf des Ravi, JIraͤoty, Airavati (Hyarotis, 
Hydraotes); der Lahore-Strom. Die Capitalen Las 
hore, Umritſir. 


Der Kavi*) foll der geringfte der großen Pendfhabftröme 
ſeyn; doch ift er weit, länger als der Beas, und von Lahore an 
bis zu feiner Einmündung in den Chinab, bei Fazilſchah, 
fchiffbar, wo er. bei diefem Dörfchen in 3 Armen: zu feinem 
größern Nachbar mündet, der zwar rafcher, aber doch geringer ift 
als der Indus, gegen welchen aber der Navi, als ein. weit kleines 
res Wafler, fehr zurücfteht. Keine der 3 Mündungen hat über 
8 Fuß Tiefe, da doch der Chinab, felbft an feinen flachften Ufern, 
noch 12 Fuß Tiefe beibehält. Won Lahore abwärts behält der 
Ravi meift eine Breite von 150 Schritt, und gleicht oft mehr. eis 
nem Canal als einem Fluffe. Seine Ufer find hoch und ſteil; 
‚fein Lauf. fo vol Krümmungen, daß die Seegel auf. ihm felten 
etwas. helfen, wodurd die Schiffahrt auf ihm große, Hemmungen 
erleidet. _ Eine Tagereiſe führt oft nur durch fechsfache Krüms 
mung faum zwei Stunden weit, und öfter rückt man. gar nicht 
son der Stelle. Die directe Diftanz von Lahore zur Müns 
dung bei Fazilſchah, berechnet A. Burnes nur auf 35 geog. 
Meilen (171M. Engl.), mit den Krümmungen aber. auf 72 geog, 
Meilen (380 M. Engl.). Seine Tiefe ift meift zwar 12 Fuß, 


= 





**) Al. Burnes Narrative Vol. III. p. 125—147;« beff. Memoir. 
ebend. p. 305 — 309. 





48 Weſt-Aſten. I. Abſchnitt. 5 1. 


aber S Monate im Jahre ift er an den meiften Etelfen auch) 
durchgehbar, und ein Schiff, das 4 bis 5 Fuß tief in Wafler 
geht, könnte ihn nicht befchiffen; die einheimifchen flachen Boote 
finfen nur 2 bis 3 Fuß tief ein. Es gehen diefe zwar das ganze 
Jahr auf dem Fluffe, jedoch ohne Gütertransport zu betreiben; 
es find nur Fährboote, etwa nur 52 zahlt man überhaupt, ab: 
wärts von Lahore. Oberhalb diefer Stadt ift der Fluß zu vier 
len Bewäflerungen und einem großen Canale benußt; unterhalb 
fehlen alle Canäle; die Ufer find voll Schilf und Tamarisfenz 
gefträuch, doch bis Futtipur ſtark bewohnt, aber von da die 
zweite Hälfte der Strecke abwärts der Capitale, bis Tolumba, 
gegen feine Mündung, ohne allen Anbau, obwol nicht ohne Spu⸗ 
ren früherer Anfiedelungen. Die Dorfichaften, welche hier vors 
kommen, find meift nur temporäre Hirtenftätten des Jun oder 
Kattia Tribus (Cathaei). 

Der Ravi ift ein träger Strom, voll Sandbänfe und Triebe 
fand; feine vielen Krümmungen zeigen fein geringes Gefälle, fein 
Lauf legt etwas weniger als 3 Miles Engl. in einer Stunde zus 
ruͤck. Seine Ufer, die bei Lahore oft do, abwärts oft 20 Fuß 
hoch und feft find, kann er nicht überfchwenmen. Sein Wafler 
ift roth von Farbe, wie das des hinab, es wechfelt die Farbe’ 
leicht nach den Negenfchauern, die einen großen Einfluß auf die 
fen Strom ausüben, deffen Quellen feineswegs innerhalb der ewi⸗ 
gen Schneehöhen Tiegen, fondern nur in den PVorfetten von 
Chamba, weshalb ihm die Waſſerfuͤlle feiner Nachbarftröme ver⸗ 
fagt blieb. An beiden Seiten des Navi wird viel Salpeter ers’ 
zeugt, dad Duab zwifchen ihm und Sfetledfch ift eben fo unz 
fruchtbar und wenig ergiebig wie das an feiner Nordweſtſeite. 
Doch zeigt die Umgebung von Umritfir, was die Eultur über 
diefen Boden vermag. Mächft diefer Capitale der Seikhs ift Las 
hore am Ravifluffe die einzige Stadt von Bedeutung; aber ſeit 
kurzem erſt hat fic) das Strombette mehr von der Stadt abge 
wendet, die nur noch an einem geringen Arme deſſelben fteht, 
aber dennoch, wie fchon feit fehr alter Zeit, durch die Trefflichkeit 
ihrer Poſition in — wie commercieller Hinſicht ausge⸗ 
zeichnet bleiben wird. 

Am beften lernen wir dies Stromgebiet kennen, wenn wir 
den treueſten und aufmerkſamſten Augenzeugen zu unſerm Fuͤhrer 
nehmen, Al. Burnes, und mit ihm aus dem Chinab, bei Fas 
zifhah, den Ravi an Tolumba Futtipur aufwärts, bis 








Wi, 


Indus-Syſtem, Ravi-Beſchiffung. 49 


Lahore zu Schiffe begleiten, obwol er dieſe Fahrt, welche wes 
gen der vielen Krümmungen 22 Tage dauerte, fehr langweilig 


nennt. 


Unmittelbar aus dem Chinab führt die eine der drei Ra: 
vimündungen durch viele Windungen fromauf zur erften 
Stadt, nad) Tolumba®), die, von fchönen Dattelhainen ums 
geben, nur ein Stündchen fern vom Stromufer'angelegt ward; 


die nächfte Umgebung ift fo herrlich bebaut und bewaldet, daß fie 


den reizendften Anblick für das Auge giebt; abgeſchmackte Heiligen 
Legenden behaupten, fie ftehe unter ganz befondern göttlichem Ein: 
flug. In der Umgegend wohnen viele Kattia (ob Cathaei, f 
Afien IV. 1. ©. 458, 451 — 463), oder Yun, d. bh. Wander: 
Tribus, zerfireut, in beweglichen Hütten, in temporären Anfieds 
lungen. Es find wahre Aethiopen (d.h. Sonnenver— 
brannte); die Männer laffen ihr Haar in langen Flechten über 
die Schultern fallen; die Weiber tragen Ohrringe von außerors 
dentlicher Größe. Es ift ein großer, ſtarker Volksſchlag. 

Durch einen Regenfchauer im Gebirgslande war der Ravi 


- (am 1. Zuli) um 2 Fuß hoc) geftiogen, was nur bei einem ge 


ringen Waſſervolumen gefchehen kann; zahlreichere Schaaren von 
Waſſervoͤgeln 9) als vorher bedeeten ihn nun; zumal Kra— 
niche, Störche, Pelifane, Enten u. a.; ein feltfam fchwar: 
zes Ihier, Bolun genannt, dem Delphin ähnlih, an dem At, 
Burnes aber eine lange Schnauge und vier Tagen bemerkt zu 
haben glaubt, und das fi) auch fihon an der Mündung des 
Navi gezeigt hatte, tummelte fich hier herum, foll nie an das Ufer 
fommen, den Fifchen feinem Frag nachgehend. Das große Eros 
codil (wol Cr. biporcatus), welches Al. Burnes doch im Jilum 
häufig beobachtete (f. Afien IV. 1. S. 466), ift hier unbekannt, da; 
gegen zeigte fich hier häufig die langnafige, auch dem Ganges: eis 
gene Art, hiee Ghuryal genannt (wol Crocod., oder Rhampo- 
stoma tenuirostre, wenn nicht gangeticus, welches aber unter dem 
Namen Gavial bekannter if), Auch kommt hier eine große 
Skhildfröte, Thundwa vor, von der aber viel fabelhaftes 
erzählt wird; an den Ufern des Ravi flreifen noch gewaltige Ti- 
ger umher. 5% 
Während der erften Tagefahrten auf dem Ravi im Lande 





95) Al, Burnes Narrat, Vol, III, p. 126, 96) Al. Burnes Narrat, 
I. p. 133, 141. 


Ritter Erdkunde VII. D 


50 Weſt-Aſien. L Abſchnitt. 1. 


der Seikhs, war in dem ärmlich bewohnten Boden fein Dorf zu 
fehen und nur wenig Aderfeld; aus weiter Ferne mußten die 
Nahrungsmittel zugeführt werden; zuweilen 400 oder 500 Eier 
auf einmal, in denen aber meift ſchon die Küchlein lebten, Fleifch 
durch die Schlächter, und ganze Laſten von Salpeter, wurden zus 
geführt um die Getränfe zu Fühlen; denn die Hige wurde unges 
mein druͤckend, weil die Monfuns im Anzuge waren. » Der erfte 
Wirbelfturm, ein Tornado, fam von N.W., noch ohne 
Regen, als Vorläufer der Negengüffe am 3. Juli. Nachmittags 
4 Uhr ftand das Ihermom. auf 34° 67’ Neaum. (110° Fahıh.). 
Großartig fliegen Wolken am fernen Horizont immer höher wie 
Berge empor; der Staubwind ward glühend. Der Wirbel war 
nach einer Stunde vorüber, und helle Blise waren in feinem 
Gefolge. Diefes furchtbare Schaufpiel wiederholte fich jeden der 
folgenden Abende, bis am fechsten Tage darauf der erfie Nez 
senfchauer mit der größten Heftigfeit niederftürzte, 

Die erfte merfwirdige Localität, 10 geogr, Meilen im NO, 
der Auffahrt von Tolumba find die Nuinen der alten Stadt 
Harapa?), die anderthalb Stunden vom Oftufer des Stromes 
entfernt liegen, groß und weitläuftig, 3 Engl. Miles in Umfang 
haben, aber meift aus Badkfteinen beftehen, ein Chaos in dem 
fein Haus mehr aanz daſteht. Das moderne Harapa ift ganz 
aus diefen Trümmern aufgebaut. Die alte Citadelle ift in ihren 
Ruinen gegen die Stromfeite noch erkennbar. Nur die Sage 
geht davon, daß fie zerftört fg, wie einft Sharfote (die Burg der 
Mallier, f. Alien IV. 1. ©. 468). Dies ſey vor 1300 Jahren 
aus Rache Gottes gegen die Frechheit des Hindu Statthalters ger 
fchehen. Später befehrte fich der Ort zum Koran, und das Grab 
eines Niefen, von 18 Fuß Länge, der für einen Sanctus gilt, 
wird dort gezeigt, nebft dem ovalen, coloffalen, ſchwarzen Steine, 
welcher als Neliquie für einen Ningftein ausgegeben wird. Dem 
Al. Burnes wurde der Befuch diefer Stelle durch den Fund 
einiger perfifchen und Hindu: Münzen belohnt. 

An diefem Orte vorüber, weiter ftromauf, nehmen die Wan⸗ 
derhuͤtten der Kattias ab; dagegen nimmt die Landesbevoͤlkerung 
der Seikhs ſchon ſichtbar zu. Die Neugier der Menſchen war 
fo groß, ſolche nie geſehene Fremdlinge zu begaffen, daß dieſe un⸗ 
zblige Mal genoͤthigt waren ihre Kajuͤte zu verlaſſen, um dem — 


7) Al. Burnes Narrative Vol. II. p. 137, 








Indus-Syſtem, Ravi-Beſchiffung. 51 


Volke genug zu thun, das ſich unter dem verſchiedenſten Vor: 
wande zudrängte. Der eine machte fih wichtig dadurch, daß er 
fidy als einen Syud einführte, der andere als einen Zemindar, 
der dritte als einen Pir (Sanctus), der vierte ald einen Seifh; 
ſelbſt Weiber drängten fich herbei, und alle meinten, die Flottille 
der Fremden werde von zwei großen Tauben gegen Sonne und 
Regen gefhüsgt. Die ziemlich dreiften Anforderungen waren fehr 
mannichfaltiger Art; einer verlangte von Al. Burnes die Mit: 
theilung des Geheimniſſes Zwiebelfchalen in Goldducaten zu vers 
wandeln. 

Diefer Thorheiten des gemeinen Volks ungeachtet, wuchs mit 
jedem Tage der Annäherung an die antife Capitale einft glänzen: 
der Königsherrfchaften, die Artigkeit und Höflichkeit des Empfan: 
ges bei den Sandeseinwohnern, die mit Verachtung und gewiſſer 
Selbftgefälligkeit auf die Barbarei der Sindis und Beludfches her 
abblicken, aus deren Gebieten die Fremdlinge zu den ihrigen ge: 
fommen waren. Die Beamten der Seikhs ſchickten von ‚der Hof: 
ftadt täglich Eouriere an die fremden Gaͤſte, um ihnen die neue: 
ften Zeitungen mitzutheilen und von ihnen Bülletins ihres Wohl: 
feyns nach Hofe entgegen zu nehmen. Bei dem Dorfe Chicha: 
wutni wurde ein Niefenelephant mit großem Tragſitz, der emal: 
firt und mit Silber geziert, und von 6 eigenen Dienern (Orderlic) 
des Maha Naja geleitet ward, entgegengefandt. Bei der Stadt 
Futtipur fam ein Purinda (d. h. Vogel), ein Ichnellrudern: 
des Kaſchmirboot, zum Empfang der Gafte entgegen; ähnlich 
den venetianifchen Gondeln, an beiden Enden fo zugeſpitzt, daß 
nur die mittlere Haͤlfte des Bootes das Waſſer beruͤhrte. In 
Kaſchmir, das Runjit Singh gegenwärtig, ſeit 1819 %), beſitzt, 
gebaut, wurde es nur von Kafıhmir Matrofen mit kleinen, grü: 
nen Rudern fortbewegt, auf fehr eigenthümliche Art, ganz wie 
auf allen Kaſchmir Seen (f. Aſien I. ©. 1151, 1152 — 1167 u. 
a. O.). "Die Matrofen, fhöne, athletifch: geftaltete Männer des 
Hochthales (f. Afien U. ©. 1184) trugen rothe Jacken; der Paz 
villon, in der Mitte der flachbootigen Gondel, bot angenehmen 
Schatten. Die Kuderfahrt ging mit ungemeiner Schnelligkeit, 
brachte aber eine eigene, zittrige Bewegung hervor, daß mehrere 
der Reiſenden dabei erfranften. 





»*) H. T. Prinsep Origin of the Sikh Power and Life of MahaRaja 
Runjeet Singh etc, Calcutta 1834. 8. p. 121— 135. 


2 


52 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. 9. 1. 


ordwärts Futtipur nimmt erft die eigentliche Population 
der Seifhs ihren Anfang, die gleich den alten Nömern nur 
zwei Befchäftigungen fennen, den Aderbau und den Krieg; 
über ihre Kriegsthaten reden fie gern, und zumal viel von ihren 
Fehden mit den zelotifchen Eufofzyes im Gebirgslande, die häufig 
mit ihren Religionskriegen (Ghazie) das Sand der Seiths übers 
ziehen. 

Zu Changa, noch 10 Stunden fern von der Nefidenz Far 
hore, wurde der Britifche Gaft, am 15. Zuli, im Namen des 
Maha Naja feierlich bewillfommt ). In der ſchwuͤlſtigen Rede 
des Fakirs hieß es: Die Jahreszeit hat gewechfelt um euch glück, 
fich hierher zu geleiten; ftatt der Regen fiheint nun die Sonne; 
aber es ift die Sonne von England. Sehet euch hier an wie 
daheim, in einem Garten in dem ihr die Roſen fend. So groß 
ift die Freundfchaft zwifchen Seikhs und Briten, daß die Bewohr 
ner von Iran und Rum (Perſer und Türken) in weiter Ferne 
davon hören werden u. f. w. Zwei Tage fpäter wurden die hor 
hen Minarers der Königsmofchee zu Lahore erblickt, aber das 
Pager vor der alten Mongholen Kapitale aufgefchlagen, um am 
folgenden Morgen den feierlichen Einzug zu halten. Als die Sonne 
im Weften unterging, erhoben fich dem Anblicke des Reiſenden 
zum erften Male die Maffengebirge der Himalayahöhen 
die Kafchmir 100) umkreiſen, feierlih in ihrem Mantel von ewi- 
gem, weißem Schnee gehüllt, ein erhabenes Naturfchaufpiel. 

Lahore (ob Sangala der Macedonier? f. Afien IV.1. &.461) 
die antike Reſidenz einft mächtiger Hinduifcher Rajas (f. Aften IV. 
1. ©.537), wurde auch der Sitz der erften mohammedanifchen 
Eroberer Indiens; während der Herrfchaft der Groß Moahule 2) 
erlangte fie ihren höchften Glanz unter Humajun, Akbar und 
Schah Jehangir. Damals ward fie die Capitale des Pendfchab 
genannt und das Centrum der Subah Lahore, von der Abul 
Fazl die vollftändigfte Befchreibung giebt; die Stadt, fagt er, 
habe vordem in den indifch saftronomifchen Tafeln Leha wer ge 
heißen ; fie liege unter 31° 50° N. Br.; nah Al. Burnes Ob— 
fervation am Südthore der Stadt angeftellt, aber nur unter 31° 
34° 52” N. Br. Ihre Lange giebt Abul Fazl auf 109° 22° an, 


?°) Al. Burnes Narrat, III, p. 145. 00) ebend, p. 147. . 


" *) J. Rennell Mem. 3. Kd, p. 82. Aysen Akbery ed. Lond. 1800. 
8. Vol. UI. p. 107— 111. 








Indus-Syſtem, Ravi, Lahore. 53 


Der Spiegel des Ravi liegt nach Dr. Gerards?) mittlern 
Barometerbeobacdhtungen etiva 900 Fuß Engl. über dem Spie— 
gel des Meeres; alffo etwa 100 Fuß höher als die Ebene von 
Delhi (Alien IV. 2. ©. 1106), Hier wurden in jener Zeit die 
größten Eulturgärten angelegt, hier wuſch man Gold aus vielen 
benachbarten Fläffen, und gewann aus der Umgebung verfchies 
dene Metalle. Die Handwerker und Künftler von Lahore war 
ren die berühmteften und der Handel führte Kaufleute aller Na— 
tionen auf die dortigen Märkte. Durch Kaifer Akbars Einrich- 
tungen wurden die £öftlichften Obftarten von Kaſchmir, Badak: 
fan, Turan und Kabul hier feil geboten, Bon den Hochgebirz 
gen brachte man Schnee und Eis hierher, zur Kühlung in der 
Sommerhitze, und Schattenwälder zum Schutz der Neifenden 
wurden von hier an den Heerftragen bis Deihi und Agra ans 
gefegt, eben fo nah Kaſchmir. Diefe Wälder und Allen find 
ziwar gegenwärtig von den Heerftraßen verfchwunden, doch find 
die Kunftiwege jener Zeit noch heute trefflich, und durch Minas 
reis, Brunnen und Karawanferais in jenen Hauptdirectionen 3) 
ausgezeichnet. 

Mit dem Berfall der Groß-Moghule verfank auch diefe Pracht: 
fiadt, die mit Delhi rivalifirfe, die mit ihren Minarets, Mo: 
ſcheen, Palaften, Parks, Maufoleen, Brunnen, von vielen Neir 
fenden des XVIE und XVIH. Jahrhunderts befucht und befchrie: 
ben wurde, in Ruinen, die kaum noch durch die wiederaufbluͤ— 
hende Seikhsrefidenz erhalten werden können, aber auch in ihr 
rem jeßigen Zuftande durch ihre großartigen Anlagen und ihre 
natürlichen Reize der Umgebungen in Verwunderung verfegen. 
Die Märkte ziehen Kaufleute, die Gräber der Heiligen, Pilger 
dahin, ihre ſtrategiſch geficherte Lage macht fie militairifch wich: 
fig, obſchon Umritſir eine ſtaͤrkere Feftung ift, und Lahore feiner 
großen Population wegen Feiner Belagerung Widerftand zu leis 
ften vermöchte, wol aber gegen irregulaire Ueberfaͤlle gefichert ges 
nug if. 

Lahore?) liegt gleichweit entfernt von Multan, Pefchar 
wer, Kafıhmir, Delhi, in einem fruchtbaren Boden, an einem 
ſchiffbaren Strom. Es hat ſelbſt an 80,000. Einwohner, und aus 
feiner Umgebung wird eine Armee von 80,000 Mann ernährt. 


2) Al, Burnes Mem. II. p. 208. ) Al. Burnes Trav. Vel. I, 
p. 15. *) Al. Burnes Mem. HI, p. 308. 


54 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. % 1. 


Sie iſt von einer feſten Backſteinmauer umgeben, deren Graͤben 
durch die Waſſer des Navi gefüllt werden koͤnnen, in welche 12 
Thore einführen, denen eben fo viele halbkreisfoͤrmige Verſchan— 
jungen nach außen vorgebant find. 

Die alte Capitale 105) dehnte fi), nach den Ruinen zu 
urtheilen, von O. nach W. 2 Stunden weit in einer mittlern 
Breite von 14 Stunden aus. Die Vlofcheen und Maufoleen 
diefer Quartiere dienen jeßt zu SKaramwanferais. Die moderne 
Stadt nimmt davon nur die wefllichfte Ecke ein, und von Oft 
her hat man anderthalb Stunden durch die Ruinen zuruͤckzule— 
gen, ehe man diefen von den Seifhs bewohnten modernen Theil 
erreicht. Die Straßen find auch bier wie in allen Hinduftädten 
eng, unreinlich, der Bazar gering. Der Hauptmarft des Pend: 
ſchab ift gegenwärtig in Umritſir. 

Zu den berühmten Architecturen früherer Zeit, denn neuere 
hat Cahore feine erhalten, gehört die große Mofchee von Kaifer 
Aurenazeb erbaut, mit 4 hohen Minarets, aus rothen Sands 
fteinguadern, deren Hauptgebäude aber gegenwärtig zum Pulvers 
magazin dient. Mehrere andere Mofcheen verdienen ebenfalls Auf: 
merkſamkeit. Der prachtvollfte Bau ift indeß das Schah Dura, 
das Maufoleum Kaifer Jehangirs, das auf der andern Seite 
des Navi ſteht; ein Quadratbau mit 70 Fuß hohen Minarets an 
den vier Eden, aus wechfelnden Schichten von Marmor und ros 
then Steinen aufgeführte. Die Grüfte und Sarkophagen felbft 
find voll fchöner Ornamente, in Mofaik mit Snferiptionen. Zwei 
Linien fchwarzer Schriftzüge auf weißen Marmortafeln enthalten 
den Titel des Zehangie (Dfchehangir reg. 1605— 1627, f. Afien 
IV. 1. ©. 635), d. h. Eroberer der Welt, und an hundert 
verfchiedene Worte in perfifher und arabifcher Schrift, die alle 
den Namen Allah bezeichnen, und über das ganze Grab vertheilt 
find. Das Domgemwölbe, welches früherhin das Maufoleum deckte, 
ward durch Bahadur Schah abgenommen, damit der Ihau und 
der Regen vom Himmel herab das Grab feines Großvaters ber 
nege. Der Navi hat fihon einen Theil des Gartens, der zu dies 
fem Bauwerke gehört, wegaeriffen, und das Maufoleum ſelbſt 
wird, meint Al, Burnes, einft deſſen Beute werden; gegenwärz 
tig dient es als Kaferne ©) fir einige. Seikhs Negimenter. Zu 


05) Al. Burnes Narrative Vol. II. p. 149—170; Tray. Volt. 


p. 16— 29. °) Al. Burnes Tray. Vol. I. p. 39. 








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Indus⸗-Syſtem, Kavi, Labore, 55 


den beruͤhmteſten Anlagen gehoͤrt der Garten deſſelben kaiſerlichen 
Herrſchers, Shalimar genannt (wie feine Parkanlage in Kaſch⸗ 
mir, f. Mien I. ©. 1168— 1169), der aus 3 großen, übereins 
ander fich erhebenden Terraſſen befteht. Ein Canal aus weiter 
Ferne herbeigeführt, durchzieht die fchönen Gärten, deren Obſt⸗ 
haine auch mitten im Winter mit Orangen beladen find; durch 
die Wafferleitung werden 450 Fontainen emporgeworfen die Lüfte 
zu fühlen. Das fogenannte Marmorlager ift noch da, aber der 
arten hat in neuerer Zeit. durch die Seikhs fehr gelitten, und 
Runjit Singh hat ſelbſt mehrere der Marmorbauten wegge— 
bracht und anderweitig verbraucht, Er bewohnt felbft den alten 
prachtvollen Groß⸗Moghul-Palaſt, Sumum Burj, zu dem eine 
weite Marmorhalle führt, wo er mit feinem ganzen Hofftaat, der 
reich in Juwelen glänzt, feine Audienzen giebt, vor dem ex feine 
Elephanten, Schmucpferde, feine Cavalleriften, Artillerie u, ſ. w. 
gern zur Schau ſtellt. Reizend find die vielen Gärten, welche 
die Stadt umgeben, zwifchen denen fich ihre großartigen Ruinen 
erheben. Der. Garten, welchen der General Ventura bewohnte, 
hatte die reizendften Ausfühten; die Säfte wurden darin bei. ihrer 
Ankunft mit Champagher bewirthet. Das Nuartier, das ihnen 
zur Wohnung eingeraumt ward, lag im Öartenfchloß des Gene: 
rals, das nach europäifcher Art eingerichtet, Uber einer Terraffe 
erbaut war, auf welcher allein 90 Fontainen fprangen, um die 
Luͤfte zu Eühlen. 

Der wiederholte Aufenthalt Al. Burnes zu Lahore giebt 
uns ein intereflantes Gemälde vom Hofleben des modernen Pos 
rus. Wir heben nur einzelne characterifivende Züge daraus. herz 
vor. Nach dem glänzenden, erften, öffentlichen Empfange feines 
Gaftes, der ihm Gefchenfe vom König von England brachte, gab 
ihm der Maha Naja eine Privataudienz. Bei diefer erfchienen 
aud) einige 30 bis 40 Tänzerinnen in Knabentleidung, meift Kafchs 
mirerinnen, oder Töchter der Berghoͤhen, die durch ihre Schön: 
heit berühmt. find. Ihr Don Juans Coftüm, fagt Al. Burs 
nes, war fliegende Seide, jede trug einen einen Bogen und 
Köcher, in der Hand, gleich Dianen, mit fenrigen, fchwarzen Au: 
gen, die wie Edelſteine funkelten. Er nannte fie eins feiner Put— 
lams (d. i. Negimenter); fie meinten aber er könne feine Dies 
eiplin unter ihnen erhalten. Zwei der Damen nannte er feine 
Commandanten diefer Waffengattung, denen er Dörfer gegeben. 
Darauf rief er 4 bis 5 Elephanten herbei, mit ihren Evolutionen 


* 


56 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 5. 1. 


dieſe undisciplinirten Truppen wegzuſchaffen. Nach ſolchen Vor: 
ſpielen ließ er ſich in politiſche Geſpraͤche ein, uͤber ſeine Freunde 
unter den Briten, deren er ſich ruͤhmte, ſet Malcolm, Met— 
calf, Ochterlony; uͤber des Koͤnigs von England Brief und 
Geſchenke, worauf er mit ſeinem Lieblingsplane zum Vorſchein 
kam, nun auch Sinde zu erobern, offenbar um die Meinung der 
Briten daruͤber zu ſondiren. Bei der Abſchiedsaudienz zeigte er 
feine Juwelen, die er feinen ungluͤcklichen Gegnern als Beute abs 
nahm, darunter der Kohinur, d. h. Licht-Berg, einer der größs 
ten Diamanten der Welt, halb fo groß wie ein Ey, von ganz 
Harem Waffer, 34 Nupies an Gewicht, mehrere Millionen an 
Werth, den er dem unglüdlihen Shah Schuja, Erfünig von 
Kabul, der als Flüchtling bei ihm ein Aſyl fuchte, abgepreßt 107), 
Auch ein großer Rubin, 14 Rupien von Gewicht, ein Topas, halb 
fo groß wie eine BillardEugel, 11 Nupies an Gewicht u. a. m. 

Bei einem zweiten Befuche wurde eine Cberjagd am Navi 
aufwarts abgehalten, in deſſen Nähe der Maha Naja ein pracht— 
volles Lager hatte auffchlagen laffen. Der Empfang gefchahe in 
Zelten von rothem Scharlah und gelbem Tuche auf. Kafchmirs 
teppichen und franzöfifchen geftieften Satins. Die Feldbetten 
hatten gelbfeidene Vorhaͤnge; andere Prachtzelte beftanden fogar 
aus rothen und weißen Kafhmir Shawls. Mit einem folchen 
Gezelte machte Aunjit Singh im 5. 1827 dem König von Engs 
land ein Geſchenk 8), durch eine eigene Embaffade an Lord Ams 
herſt. Am 6. Febr. 1832 wurde das Bufunt oder Frühlings: 
feſt am Hofe zu Lahore gefeiert, wobei die ganze Garnifon res 
gulairer Truppen Spalier machte, Infanterie, Cavallerie, Artilfe 
tie, die in einer 2 Engl. Miles langen Straße aufgeftellt waren, 
zu deren Durchfchreitung der Maha Naja Über eine halbe Stunde 
zeit gebrauchte, bis er zu dem Eöniglichen Zelte in gelber Seide, 
denn gelb ift Gallauniform, gelangte. Der Thron, 1 Lak Rupies 
(10,000 Pfr. Sterl.) an Werth, war mit Perlen und Schnüren 
von Edelſteinen bedeckt. Hier hörte Runjit Singh 10 Minuten 
lang der Ablefung der Granth (der Bibel der Seikhs) zu, die 
dann in eine Menge der Eöftlichften Tücher und Decken gewickelt 
dem Tage zu Ehren zulegt noch in gelben Sammt eingefchlagen 
ward. Der Driefter erhielt fein Geſchenk, und häufte nun gel 





107) 5, H. T. Prinsep Origin of tlıe Sikh Power I. e. * etc. 
®) ebenb. p. 148. — 


* 





Indus-Shſtem, Lahore Die Kefidenz. 97 


Gegengabe einen Berg von Blumen, Buͤſchen und Laub auf, zus 
mal folhe, die alle gelbe Blüthen trugen. Dann brachten der 
Adel und die Commandanten feiner Truppen, alle in gelber Tracht, 
ihre Gefchenfe; dann die zwei Prinzen des geftürzten Königs von 
Kabul; dann der Nabob von Multan mit feinen 5 Prinzen; 
ihnen folgten die Refidenten der Höfe von Sind und Bhawulpur, 
in deren Benehmen doc) der Haß ihrer Gebirter gegen die Seikhs 
nicht ganz verdeeft war. Dann erft folgten die Tänzerinnen, die 
reichlicy mit Gaben von den Geldhaufen, die vor dem Herrfcher 
lagen, belohnt wurden. Es folgte das Gelag, wobei viel Wein 
getrunken wurde. Gern erzählte der Maha Naja von feinen Tha— 
ten, feinen Schlachten und Siegen. 

Beim Abfchied blickte der Stolz des Monarchen befonders in 
dem MWerthe hervor, den er auf die durch ihn eingerichteten Ka— 
nonengießereien legte; es erfüllte ihn die Hoffnung, die. Indus— 
fchiffahrt durch das Pendſchab neu zu beleben, wodurch er ſelbſt 
noch mächtiger als die Briten zu werden hoffte. Er theilte reich— 
lihe Empfehlungsbriefe für die abreifenden -Gäfte mit, erbat fich 
aber dagegen Briefe und Nachrichten von den durchreiften Laͤn— 
dern, über deren Sitten, Politit und feiner nicht zu vergeffen. 
Mit Bewunderung feiner Energie, feiner Kraft, feiner Mäßigung, 
die bei orientalifchen Fürften unerhört ift, verließ Al. Burnes 9 
feinen Hof, um die gefahrvolle Wanderung dur) Kabul nach 
Bokhara anzutreten. 

Während feines Aufenthaltes in Lahore ward man daſelbſt, 
am 22. Sanuar 1832, durch ein Erdbeben erfchredit, das 10 
Secunden mit großer Heftigkeit anhielt, ohne merklihen Wechſel 
des Barometerftandes, oder der atmosphärifchen Befchaffenheit. 
Aber das Thermometer, das auf + 2° 22° Reaum. (37° Fahrh.) 
geftanden, fiel, um 4 Uhr vor Sonnenaufgang, auf 4° unter den 
Gefrierpunct; im Juli hatte es das Marimum von 31° 11° R. 
(102° Fahr.) erreicht. Al. Burnes erfuhr, daß Erdbeben in 
Sahore Häufig find, zumal im Winter, in Kaſchmir aber 
noch weit häufiger, wie überhaupt je näher dem Gebirge, defto 
häufiger. Die hohen Meinarets, die feit mehrern hundert Jahren 
ſtehen blieben, beweiſen indeß wol, daß fie hier im Pendfchab 
nicht fehr heftig waren. Der Stoß fehien von S.O. nah N.W. 
zu ziehen, genau in dem Streichen des Hindu Khu. Merk 





®) Al. Bumes Trav. Vol I. p. 3L—38, 


58 Weſt-Aſien. J. Abfchnitt. $. 1. 


würdig iſt die Nachricht die AL. Burnes in Bokhara erfuhr, 
daß dafielbe Erdbeben im Ihale von Badakſchan, und dem gans 
zen obern Laufe des Orus, den größern Theil der Dörfer. übers 
flürzt, und mehrere taufend Menfchen unter ihren Ruinen begras 
ben hatte; der Stoß war ganz gleichzeitig mit dem in Las 
hore gewefen, in derfelben Mitternactsftunde, 
Umritfir, oder Amritfar, die heilige Stadt der 
Seikhs0). Diefe Capitale foll 100,000 Einwohner haben; fie 
ift größer und fefter als Lahore, und nur eine Tagereife von dies 
fer entfernt. Das zwifchenliegende Land, Manja, ift reich cultis 
pirt. Der große Canal „Nuhr,“ von einem der Hinduftanifchen 
Kaifer angelegt, bringt das Waffer 16 geogr. Meilen (80 Miles 
Engl.) weit her, aus dem Navi, geht parallel mit der Haupts 
firaße und zieht an Umritſir vorüber. Cr kann, bei geringer 
Tiefe von 8 Fuß, nur von kleinen Booten befahren werden. Der 
Eröwall, welcher Umritfir, im Umfange von nabe an 3 Stunden 
(7 Miles Engl.), umläuft, ift von großer Dicke; die Citadelle, 
Govindghur (d. h. Govindsburg), beſchuͤtzt und beherrfcht die 
Stadt. Ein fchwaches, halbkreisformiges Backſtein-Fort fteht in 
einem dichten Dattelhaine, 2 Miles Engl. von der Stadt, gegen 
die Südfeite des Navi. Der Beas fließt 9 Stunden im Often 
der Stadt vorüber. Hier it das große Emporium des Handels 
zwifchen Indien und Kabul, die Kaufleute find meift Hindus; 
vor ihren Häufern liegen große Blöde rothen Steinfalzes, für die 
heiligen Stadtkühe, die daran fich durch Lecken ergögen. Ram⸗ 
bagh heißt die Lieblingsrefiden; Runjit Singhs, deſſen vors 
herrſchend militairisches Intereſſe fich hier fogar in feinem Luft 
garten zeigt, den er mit Baftionen umgeben hat. » Noch ift dies 
fer Ort wenig von Europäern befucht, weil er ihnen durch feine 
fanatifchen Bewohner, die zelotifchen Seikhs, zu gefahrvoll ift. 
Al. Burnes, als Gaftfreund Runjit Singhs, wurde zum Na: 
tionaltempel geführt, der in der Mitte eines Sees erbaut ift, ein 
fhönes Gebäude mit polirtem Golde bedacht. Erſt ging die Pro: 
ceffion rund umher, dann erft hinein, um den Granth Sapib 
Heilige Bücher) ein Opfer zu bringen. Diefer Coder lag vor dem 
Prieſter aufgefchlagen, der es immerfort mit dem feidenen, Eaifers 
lihe Würde bezeichnenden Schweif des. Tuͤbetbuͤffels bewedelte, 


11°) Al. Burnes Mem. III, p. 308; deſſ. Narrative Vol, II. p. 175- 
bis 178. 








Indus-Syſtem, Umritfir die heilige Stadt, 59 


um jede Unreinheit davon abzuhalten. Der Gaft mit feinem Ge: 
folge ließ fih nieder, und ein Seikh begann vor der Verſamm— 
lung zu reden. Er rief Guru Govind Singh, den Begrüns 
der der Seikhs wie eine Gottheit an, und alles faltete die Hände. 
Alles, was die Seikhs auf Erden hätten, fey durch des Guru 
Güte ihnen gegeben; die Briten kaͤmen zu ihnen um Freunds 
fchaft zu halten, fie brächten ein Opfer von 250 Rupies. Dies 
wurde auf den heiligen Granth gelcat, ein lauter Schrei der 
DBerfammlung „Wa guruje fa futtih,” d. h. Mögen die 
Guru fiegreih ſeyn,“ das gewöhnliche Krieasgefchrei der 
Seikhs machte den Befchluß. Dann wurden die Gäfte mit Kafche 
mir Shawls umhangen. Al. Burnes erfuchte nun den Neds 
ner zu erklären, daß die Fortdauer der Freundfchaft mit den 
Seikhs fein ernftefter Wunfch fey, worauf ein zweiter Schrei wie 
der vorige erfcholl, mit dem Zufage „Khalfaji fa futtih,” 
d. h. möge die Seifh- Religion gedeihen. Auch V. Jacques 
monti!) fagt einige Worte über Umritfir, wo er fi) acht 
Tage (1831) aufhielt. Er beftätigt die Lebensgefahr, mit welcher 
ein Europäer nur unter ſtarker Cscorte und von den Gurus felbft 
geführt, diefen goldnen Tempel, wie er ihn nennt, wegen der 
Acalis (Akhalis) befuchen kann. Das heilige Buch nennt er 
Grant, - N 
Don da gingen die Briten zum großen Tempel Acali 
banga, d.h. Haus der Unſterblichen, um da ein ähnli- 
ches Opfer zu bringen; man ließ fie aber nicht eintreten, aus 
Borforge, weil ihre Geleiter felbft den Acalis oder Nihungs, 
d. i. einer befondern Secte von Fanatifern unter ihnen, nicht 
trauen durften. Diefe Acalis tragen Turbane von blauem 
Zeuge, zugefpißt, darauf aber runde Stüde Eiſen zum Angriff 
und zur Vertheidigung, wie eine Wurficheibe. Sie erlauben fich 
in ihren Wuthanfällen, die als heilige Begeifterung geduldet. wers 
den, jede Zügellofigkeit und Verlegung, und es vergeht Feine 
Woche, daß nicht einer der Seikhs durch fie fein Leben verliert. 
Sie erkennen feinen Oberherrn; fie durchziehen wie Verrückte dag 
Dendfchab 12), mit entblößtem Schwerte, morden die Großen wie 
die Kleinen, die Armen und in Frieden Icbenden, verbrennen nad) 


23) Vict. Jacquemont Correspondence pendant son Voyage dans l’Inde 
(1828 — 32). Paris 1833. 8. Tom. Il, p. 173, 12) Al, Burnes 
Tray. 1. p. 11. 5 


60 Weſt-Aſien. 2 Abſchnitt. 6. 1. 


Belieben die Doͤrfer, bedrohen ſelbſt das Leben Runjit Singhs, 
ungeſtraft. Der Maha Raja, ſelbſt ein ſtrenger Befolger des 
Seikhs-Cultus, zu deſſen Orthodoxie dieſe Fanatiker gehoͤren, ſucht 
ſie jedoch zu deprimiren, wobei er freilich ſehr vorſichtig zu Werke 
gehen muß. Mehrere der Angeſehenſten dieſer Secte hat er in 
feine Bataillone aufgenommen, andere verbannt. Vieles in Um—⸗ 
ritſir bleibt uns noch unbekannt. 


5. Der Chinab (Chandarabaga im Sanskrit, db. i. 
Mondesgabe, Acesines), Der Multan-Diftrict. 


Der Chinab!B) ift unter den Pendfchabftrömen der größte, 
der aus weitefter Ferne von der Tübetgrenze herkommt, durch den 
Gebirgsfiaat Jummoo (oder Jumbo, f. Afien H. ©. 1078) 
in das ebene Pendſchab eintritt, und durch diefes im, directeften 
Saufe, ohne die Krümmungen feines Nachbarſtromes des Navi, 
über Multan, alle Pendſchab-Waſſer vereinigend zu dem Ins 
dus eilt. In der Nähe des Sndusvereins, bei ganz flachen Ufer, 
bat er 1200 Schritt (Yard) Breite, und die feheinbare Größe des 
Indus; am Sfetledfchverein nur 600 Schritt Breite und 20 F. 
Tiefe, oberhalb des Sfetledfchvereins nimmf er an Breite nicht 
ab, aber an Tiefe, bis auf 12 Fuß, am Raviverein. An der 
Fähre bei Multan dehnt er fih zwar bis auf 1000 Schritt Breite 
aus, aber nur auf furze Zeitz denn im übrigen weitet er fich 
höchftens bis 650 Schritt aus. Von da ift fein Lauf nur big 
Fazilfhah am Rapiverein, und bis Trimo am Jilumverein, 
von AL. Burnes!%) gefehen; weiter nordwaͤrts nicht, bis höher 
auf, wo die Neiferoute von Lahore nach Attock ihn nahe dem 
Drte Ramnagar!’) überfchreitet. 

Bon Lahore dorthin liegt im Duab, zwifhen Navi und Chi— 
nab, auf halben Wege die Station Kote, merkwürdig durch ei⸗ 
nen herrlichen Obftgarten, im Beſitz des Ortscommandanten, 
in welchem auf Eleinem NRaume die Eöftlichften Bäume und Blu: , | 
men vereint gedeihen. In der Mitte Februar fanden die mei— 
ften in Bluͤthe: Pfirfich, Apricofen, Feigen, Granaten, Quitten, 
Drangen, Limonen, Eitronen, Trauben, Mandeln, Aepfel, aber 
auch Guava, Mango, Jambu und Datteln, und viele andere, die 
Al. Burnes nicht näher Eannte und nur dem Namen nach 


) Al. Burnes Notice Vel. IIE p. 193; deſſ. Memoir IH. p. 300. 
‘*) Al. Burnes Narrative III. p. 121. 15) Def. Trar. L p, 42, 








Indus-Syſtem, Chinab, oberer Lauf. 61 


auffähre, wie Cooler, Sohaujna, Goolcheen, Umltass, Bell, 
Buſſoora ꝛc. Allen von Cypreſſen und Ihränenweiden, Blur 
menparterre von Marcifien, Stdburg (d. i. die hundertblättrige 
Roſe) und andere Blumen, Yndifche und aus Kaſchmir hierher 
verpflanzte, ſchmuͤckten den fchönften Obfthain, nad) dem fich das 
fihöne Elima diefer Pendſchabebene beurtheilen läßt. Nahe am 
Chinab erblickt man die Gebirge des BembersPaffes, 
hinter dem das Ihal von Kafıhmir liegt, den Bernier überftieg 
(f. Alien U. ©. 1139 u. f.), und der ſchneebedeckte Hima: 
laya hebt fich Hier in feiner Pracht über der einförmigen Vor— 
ebene hoch empor. Doch auch) hier, wie bei Hurri und vor Las 
hore (f. ob. ©. 529, zeigt fih durchaus fein einzelner ifo: 
lirter DiE in der ganzen fichtbaren Hochfette, der vor 
ven andern Erhöhungen befonders ausgezeichnet wäre, und diefe, 
wie wir fehon früher bemerkten, ganz veränderte Anficht 
eines continuirlihen Maffengebirges am Weftende 
des Himalaya, gegen das vielfach unterbrochene Zackengebirge 
im Often des Sſetledſch, laffe wol, wie Al. Burnes meint, 
ſchon vorläufig auf eine Trapp- oder Kalkfteinformation 
auf diefem Hochjoch zurücfchließen, deffen zufammenhängende 
höchfte Rüden etwa zu 16000 Fuß Höhe über dem Meere zu 
fchägen feyen. 
Ramnagar (Stadt Gottes) früher zur Zeit der Groß-Mos 
ghule Ruſſul (d. h. Stadt des Propheten) genannt, liegt in 
weiter Ebene, einer der Lieblingsorte Runjit Singhs feine Trup: 
pen zu muftern, bevor er feine Leberfälle zum Indus beginnt. 
Das Duab ift hier gut bebaut, die Brunnen haben im fandigen 
Boden nur 25 Fuß Tiefe. Im Februar ift es hier ſtets kuͤhl, 
ſelbſt froftig; der Himmel immer wolfenbededt, fendet haufig Re⸗ 
gen; Nordwind herrſcht vor. Doch wird hier noch Zuckerrohr 
gebaut, defien Saft in diefem Monat ausgepreßt wird. An der 
Ueberfahrtsftelle ift der Chinab 1%) 300 Schritt (Yard) 
breit, und in Zweidrittheilen feines Bettes an 9 Fuß tief; feine 
zu beiden Seiten ganz flachen Ufer werden leicht überfchwenmt, 
was ſchon Alerander bei dem Ruͤckmarſche an diefer Stelle (nahe 
Wuzirabad, f. Afien IL. &. 465) erfuhr, da er nach Arrians Be: 
richt fein Lager eiligft vom Acefines wegzulegen genöthigt war, 
um dem reißenden Strome zu entgehen. Reißend iſt er wirklich 


'e) Al. Burnes Tray. l. e. Vol, I. p. 46. 


62 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 1, - 


zur Regenzeit; in der trocknen Zeit, im Februar, legte er nur - 
1: Engl. Mite in einer Stunde zuräc, und war ſelbſt an einer 
Stelle furtbbar. Seine Temperatur war nur 9° 33° Reaum. 
(53° Fahrh.), alfo geringer als die der 3 andern fchon gleichzeitig 
paflirten Waffer des Sſetledſch, Beas und Navi. 

Unterhalb dieſes Ueberganges zwifchen Attock und Lahore 
im nordoͤſtlichen Pendſchab iſt uns am Jilumverein mit dem Chir 
nab, die Lage der Fahre bei Trimo (oder Trimoa, ſ. oben 
&.33) aus obigem fchon befannt; fie liegt auf der großen Quer— 
ftraße von Kabul durch das füdliche Pendſchab nah Multan, 
Tolumba und Bhawulpur. Zu allen Yahreszeiten 47) kreuzen 
fich bei ihr die Karamanen der Kaufleute von Dera Ismael Khan, 
Mantere und der Sandwuͤſte im Often des Indus. Zwifchen 
Trimo und Tolumba an der Südfpise des Chinab und Ravi⸗ 
Duab (dem Nichna), ift das Land, ftatt der Sandberge an der 
Weſtſeite des Chinab, mit harten Thonflaͤchen überzogen, die 
meift öde und fteril find. Durch ihe Bufchwerk von Tamaris— 
fen, Khair, Kejra (vergl. Alien IV. 2. ©.1023), Lan u.a, 
erinnern fie an die Einöden des Thurr (f. Afien IV. 2, ©. 945). 
Nur dicht am Stromufer ftehen Grafungen. Die Brunnen ge 
ben erſt bei 40 Fuß Tiefe Waſſer, dies ift ſtets faulig, ungefund, 
aber nur felten falzig. In diefem Landſtriche find größtentheils 
nur Kattias, oder Jun (d. h. Wanderer, Nomaden) einheiz 
miſch; nur in der Negenzeit entfernen fie fich von den Flußufern. 
Sie leben von der Milch ihrer zahlreichen Heerden, der Büffel 
und Kameele. Sie treiben nur fehr wenig Ackerbau, bauen etz 
was Taback. Es ift ein fehöner, ſchlanker Volksſchlag; die Ehen 
vor dem zwanzigften Jahre find bei ihnen verboten, Kinder aus 
früherer Ehe erzeugt halten fie für ſchwaͤchlich. Ihre Narben 
und Wunden, mit denen fie überdeckt find, zeigen daß fie vom 
Raͤuber- und Kriegerhandwerk leben. Ob fie die alten Gathäer 
waren, und ob die Ruinen des Schutthügels von Scharfote 
in ihrer Nähe eine Fefte der Malli war, ift ſchon früher befpros 
chen (f. Afien IV. 1. ©, 468). Unterhalb Trimo folgt Fazils 
ſchah am Raviverein, von dem fchon oben die Rede war, und 
10 geogr. Meilen (53 Mil. Engl.) unterhalb deſſelben liegt die 
Stadt Multan 16). Zur Steomauffahrt der Strede von der 





117) Al. Burnes Narrative III, p. 129—13l. 1°) ebend. Memoir 
IL. p. 300— 305. 


\ 





Indus-Syſtem, Chinab, Multan. 63 


Garraeinmuͤndung in den Chinab bis zur Navieinmindung in 
denfelben, verbrauchte Al. Burnes ſechs Tage. Das Ehinab: 
waſſer ift roth, doch nicht fo tief roth wie das des Navi; er fließt 
hier fchneller als alle andern Pendfchabfläffe. Zum Stromaufs 
ziehen der Boote waren täglich 30 bis 40 Bewohner der Ufer: 
dörfer nothiwendig, eine ſchwere Arbeit bei der großen Hitze, ob⸗ 
wol der Wind auch günftig in die Seegel blies. Es waren meift- 
mohammedanifche Juts (f. Wien IV. 2. ©. 553) unter dem 
Druck der Seikhs ftchend, die ihre Gebete nicht laut zu reeitiren 
wagten, aber wie Kinechte von den Seikhsbeamten requirirt wurz 
den. Da zunächft am Chinabufer der Leinpfad durch viele Mes 
lonenfelder führte, fo wurden diefe ungeachtet des Gefeifes der 
Weiber mweidlich von ihnen geplündert. Doch erhielten die Sand: 
befiger für die Melonen, die den Schiffziehern zur Nahrung diens 
ten, Schadenerfaß. Die Land-Escorte, welche die fremden Gäfte 
geleitete, machte in den Uferdörfern mit ihren Elephanten, Kamee— 
len, Pferden, Parade, und ficherte das Nachtquartier, wo die Anz 
fer geworfen wurden. Der Chinab am Raviverein, bei Fazil- 
fhah, hat dreiviertel Miles Engl. Breite, an tiefen Stellen engt 
» er fich jedoc) auf 500 Schritt ein. Seine Tiefe19) fand Al. 
© Burnes über 12 Fuß. Die Salz-Boote, weiche derfelbe Rei⸗ 

fende bier, 10 an der Zahl, mit Steinfalz beladen antraf, kom— 
men aus der Steinfalzkette vom obern Jilum herab; fie find über 
80. Fuß lang und legen die Fahrt flromab, von Pind Dadun 
Khan, wo fie aus den Salzbrüchen beladen werden, bis Mul⸗ 
tan, in 12 Tagen zuruͤck. 

Zwifchen Fazilſchah und Multan beginnt auf dem weft 
lichen Chinabufer die Wüfte mit den niedern Sandbergen, 
welche ohne Eulturbarfeit fih hinuberzicht gegen den Indus. Sie 
nimmt aber keineswegs bis gegen Doch die ganze Südfpige dies 
ſes Duab ein, wie dies auf früheren Karten angegeben iſt; denn 
von Doch bis in den Parallel von Multan liegen noch fehr viele 
und große Dörfer, deren Fluren von Strom zu Strom, in einer 
Diftanz von etwa 10 Stunden, reich und ungemein fruchtbar 
find. Erft wo diefe Breite etwas unterhalb oder füdlich von Mul: 
tan zunimmt, beginnt die fogenannte Multan Sandwürfte 20), 
die aber. doch noch immer längs dem Strom einen Streifen Eu ls 
turland übrig läßt, der bis gegen eine Stunde breit if. Die 


12) Al. Burnes Narrative IU. p. 124. 2°) ebend. p. 12). 


64 Werts Afien. 1 Abſchnitt. 9. 1, 


Sandhügel fehen hier ganz denen der Seekuͤſte gleich, wenig bes 
buſcht, nicht begruͤnt, nicht Über 20 Fuß hoch, obwol höher ſchei⸗ 
nend. Zwifchen diefer ſterilen Wüfte und dem überall bewällers 
ten, reich bebauten Uferfelde herrfcht der größte Contraſt. Die 
Dörfer liegen meift eine Stunde vom Fluß entfernt; ihre Aecker 
werden dafelbft noch durch perfifche Schöpfräder bewällert. An 
den Indusufern find Brunnen fehr häufig; aber am Chinab ſieht 
man fie nur an den abzweigenden Canaͤlen. Wo falziger Boden 
längs diefen Flußufern hinzieht, da zeigt ſich auch häufig ein 
Bufch, Pilm (Salvadora persiea), der eine rothe und weiße Beere 
trägt, die den Geſchmack von Waſſerkreſſe haben ſoll; Al. Burs 
nes meint, ſchon Arrian fcheine diefen Bufch bezeichnet zu haben. 
Die Dorfbewohner fegen hier auf Häuten oder Schilfbündeln 
über die Pendfchabftröme; öfter ganze Familien mit Weib und 
Kind vertrauen fih diefen Fahrzeugen an, und laſſen fich feloft 
durch die Krofodile, die hier nicht felten find, keineswegs zuriick 
ſchrecken. Die hiefigen Schiffe find nur Fährboote, die aus Ce 
derholz gebaut find, das von dem obern Laufe herabgeſchwemmt 
wird. Die Flachboote, Zohruf, welche aus dem Jilum nach 
Multan herabfchiffen, find Kleiner als die in Daudputra gebräuchz 
lichen Schiffe. 

Gegen die Stadt Multan hin wird das Uferland des Chi: 
nab hoch cultivirt; er befpült felbft die Mauern der Stadt, und 
verbreitet zu Zeiten feine Waſſer durch den ganzen Diftrict von 
Multan. Die Ebene zwifchen dem Strom und der Stadt gleicht 
einer reichen, grünen Wiefe, die mit fehr fruchtreichen Dattek 
yalmhainen bedeckt ift. Die Volksſage fchreibt diefe Föftliche Gabe 
der Verpflanzung aus Arabien durch Mohammed Ben Kaſim zu 
(f. Afien IV. 1. ©. 832). 

Der Diftrict von Multan!?l) breitet fih über die Stadt 
auch noch füdwärts bis Shujurabad aus; er war früher 
an Kabul tributbar und im fehlechteften Zuftande; unter Runjit 
Singh hat er fich fehr gehoben, die Bewohner find fogar wolhas 
bend und reich geworden. Allerdings ift der Boden fehr feucht 
bar, er giebt doppelte Ernten; Indigo und Zuckerertrag 
find fehr reich, ein kleiner Uferftrich, den die Reiſenden paffirten, 
gab 75,000 Rupien Pacht. Die Gefammtrevenien des Landes 
find nur 10 Lat Rupien (100,000 Pfd. Sterl.), aber 1809 Eonnte 


121) Al. Burnes Mem. III, p. 303; def. Narrative IH, p. 109—120, 





Indus-Syſtem, Multan, die Capitale. 65 


es das Doppelte zahlen. Der Tabad von Multan ift berühmt. 
Die Dattelbäume ‚werden durch Abzapfen des Saftes nicht 
gefhwächt, wie die Palmen in andern Theilen Indiens; fie ge: 
ben bei der großen Hitze Multans reiche und treffliche Dattels 
trauben, die denen Arabiens nur wenig nachfiehen; auh Mans 
908 find hier die beften in Oberindien. 

Das Elima von Multan ift fehr verfchieden von dem der 
untern Indusgegenden; denn Regenfchauer befeuchten hier zu al 
fen Zeiten das Land. In den trocknen Zwoifchenzeiten ift der 
Staub faft unerträglich; er verdunfelte die Sonne. Mitte Juni, 
in einem £ünftlicy abgefühlten Gebäude, war die Temperatur nicht 
unter 30° 22° Reaum. (100° Fahrh.). Hitze und Staub 
von Multan find nebft Bettlern und Heiligengräbern 
das Sprichwort des Landes geworden. Der britifche Neifende 
Al. Burnes hatte dafeldft neun Tage hintereinander Tornaz 
dos, wie die oben befchriebenen (f. ob. ©. 50), die alle aus 
Weſt, mit Blig und Donner begleitet, von dem Soliman: 
gebirge her mit Staub: und Sandmaſſen ſich furchtbar ex: 
boben. 

Multan (Mallithan oder Mallitharun, wol die Ca— 
pitale der Malli, f. Aſien IV.1. ©. 470) wird für eine der 
älteften Städte des Landes gehalten; unter den Hindu Rajahs 
eine berühmte Metropole, ward fie wegen ihrer Reichthuͤmer, Temz 
pel, Götteridole, das goldene Haus?) genannt, das aber durch 
Eultan Mahmud weidlich geplündert in Verfall gerieth (ſ. Afien 
IV. 1. ©. 536 u. f.). Schon vor ihm war Multan durch den 
Stamm der Anfari Araber heimgefucht, und Anfang des VII. 
Sahrhunderts hatte der Zühne Mohamed Ben Kafim, hier, 
die erften Mofcheen in Indien erbaut (f. Afien IV. 1. ©, 582). 
Dennoch hat fih die Stadt von Zeit zu Zeit immer wieder ge: 
hoben und ift auch gegenwärtig unter Runjit Singhs Obergewalt 
nicht ohne Bedeutung. Früher an Kabul unterworfen, dann wie: 
der feloftftändig geworden, war Multan viele Fahre hindurch das 
Ziel der Plünderzüge der Seikhs, bis cs im J. 1818 zu einer 
förmlichen Eroberung 23) der Stadt und Fefte Fam. Alle Schiffe 
auf dem Ravi und Chinab wurden zu diefer Expedition requirirt; 





22) Ebn Haukal Orient. Geogr. ed. Ouseley p. 148; Elphinstone 
Acc. p. 21. 23) H, T. Prinsep Origin of the Sikh Power etc. 
l. cp. 111. 


Ritter Erdkunde VII. E 


66 Weſt-Aſien. I Abfchnitt. $. 1. 


die Lahore-Armee brach im Januar auf, erftürmte im Anmarſch 
einige fefte Burgen und befegte hierauf die Stadt Multan. Die 
Seftung wurde blocirt, befchoffen, erſtuͤrmt, geplündert; aber die 
großen gewonnenen Schäße wollte der habfüchtige Sieger fih 
nicht entgehen laffen. Nunjit Singh commandirte augenblicklich 
feine ganze Armee zum Ruͤckmarſch nad Lahore, erklärte hier, 
daß alle Beute Staatseigenthum fey, und an das Toſchuk— 
kana (Juwelen-Büreau) ausgeliefert werden müffe. Und cs ges 
ſchah wirflich, ohne Empörung der betrognen Truppen, weil fie 
voll gegenfeitiger Eiferfucht, aber auch voll Furcht vor ihrem Herr⸗ 
fcher waren, ein einziges Seitenſtuͤck martialifcher Disciplin zu 
Nadir Schahs Beraubung feines eigenen Heeres, das fchwer bes 
laden mit indifcher Beute auf dem Ruͤckmarſch nach Perfien bei 
Attock überfegte, wo er die Bagage der Mannfchaft jedes eins 
zelnen Fahrbootes am Weftufer des Indus pfänden ließ. 

Schon aus der Ferne ragen die Dome der Stadt Multan 
aus den Gärten hervor, die fie umgeben. Die Feftung, unter 
Schah Jehan 1640 erbaut und durch Aurengzeb verftärft, 
ein irregulaires Sechsfeit von 400 Schritt (Yard) Länge, gegen 
die Mordweftfeite der Stadt gelegen, erhebt fih auf einer Erds 
höhe über ihr; die Backſteinmauer, an der Außenfeite 40 Fuß 
hoch, mit einigen 30 Thuͤrmen vertheidigt, ift nach der innern 
Seite defto niedriger, nur mannshoch, und die gedrängten Haus 
fer der Feftung ragen hoch über fie hinaus. Gegenwärtig darf 
fih Niemand mehr wie zuvor im Innern der Feftung anfiedeln. 
Da ihr ein Waffergraben fehlt, fo hat fih Runjit Sing, obwol 
vergeblich, e8 große Stummen Eoften laffen, ihr einen folchen zu 
geben, was aber das Terrain nicht geftattet; auch ließ ex ihre 
Mauern wieder aufbauen, die kurz zuvor bei der Erftürmung nies 
dergeriffen waren. Die Ueberfchwemmungen des Chinab und 
feiner Canäle, nebft den Negengüffen, verwandeln eigentlich weite 
bin die Umgebungen von Multan in Suͤmpfe, die auch in der 
heißen Jahreszeit fortbeftehen, und immer wieder durch die Ueber—⸗ 
fhwemmungsperiode neue Nahrung erhalten und vergrößert wers 
den. Doc fcheint die Geſundheit der Bewohner hierdurch nicht 
zu leiden. 

Elphinftone fahe während feines kurzen Aufenthaltes in 
Multan nur wenig von diefer Stadt, weil man fehr mistrauifch 
gegen ihn war. Al. Burnes verweilte acht Tage dafelbft. In 
einem Garten, der zu feinem Quartiere eingeräumt war, hatte 





Indus: Syftem, Multan, die Capitale, 67 


man ihn feierlich auf Elephanten, in vollem Ornat ihres Purpur⸗ 
famtes, reich mit Juwelen behängt, im Namen des Maha Naja 
empfangen; ihm wurde ein Gefchent von 2500 Rupies gebracht 
und 100 Schüffeln mit Confituͤren vorgefeßt. Auch die Stadt ift 
von einer zerfiörten Mauer umgeben, die 3 Engl, Miles im Um: 
fange hat, Sie hat an 60,000 Einwohner, davon ein Drittheil 
Hindus, die übrigen Mohammedaner, Die Afghanen- haben 
ſich mweggezogen, feitdem fie hier die Herrfchaft verloren. Von 
Seikhs find nur 500 Mann hier, welche die Garnifon bilden. 
Die Häufer der Stadt find fehr hoch, von Backſteinen erbaut, 
viele haben 6 Stod; fie ftehen in fehr engen Gaffen. Die meis 
fien Einwohner find Weber, Farber und Kaufleute. Die 
prachtvollen Gewebe der Malli erregten fchon die Aufmerkfamkeit 
der Macedonier (ſ. Afien IV. 1. ©. 470); es find heute noch 
Baummollen- und Seidengewebe mit Gold und Purs 
pur durchwirkt. Die Seidengewebe der Multaner, Kais ges 
nannt, find von allen Farben, im Preife von 20 bis 120 Kupies, 
doch werden fie an Feinheit von den Lungis, die in Bhamwuls 
pur gewebt werden, übertroffen. Runjit Singh hat die hiefigen 
Webereien dadurch ſehr gehoben, daß er an feinem Hofe nur 
Multan-Gewebe zu verfchenfen pflegt. Außerdem haben fie fehr 
ftarfen Abfag nah Indien, über Jeſulmer und Bifanir, auch 
nach Khorafan über Kabul. Die Handelsleute in Multan rivas 
lifiven in ihren Gefhäften mit Bhawulpur; doch iſt ihr Umſatz 
ftärker; ihre Wechfelhändler, deren man (1832) 40 Comptoire 
zählte, find insgefammt Eingeborne von Schifarpur, Die Heilis 
gen» Gräber ziehen auch heute noch viele Pilger nach Multan; 
eines derfelben, des Sanctus Bhawulhug, der Schugpatron 
der Daud Khane, foll feit einem halben Zahrtaufend beftehen und 
einem Zeitgenoffen des perfifchen Dichters Sadi angehören; es 
wird für fehr heilig gehalten. Deſſen Enkel, Rukki Allum, wurde 
durch Toghlut Schah (reg. feit 1325, f. Aſien IV. 1, ©. 550) 
ein hoher Dom als Maufoleum erbaut. Auch ein Hindu Tempel 
von hohem Alter wird hier genannt, den ſchon Thevenot ans 
führt, den Al. Burnes Pyladpuri nennt, aber nicht näher ber 
ſchreibt, denn er durfte ihm nicht betreten. Wenn diefer wirklich 
nur, wie er von außen fich zeigte, ein niedriges Gebäude von 
Holzpfeilern getragen ift, mit den Zdolen von Hanuman und dem 
Ganeſa, als Wächter des Portals, fo dürfte er von keinem fehr 
€2 


68 Weſt-Aſien. I Abfihnit 5 1. 


hohen Alter und nur von geringem antiquarifchem Intereſſe feyn, 
obwol es gegenwärtig der einzige Hindutempel ſeyn foll, der in 
ganz Muftan übrig geblieben. Der Islam, vordem triumphis 
rend, denn Multan war vor Sahrhunderten wegen feiner Ortho: 
dorie berühmt, erleidet gegenwärtig denfelben Druck, den er gegen 
den Hinduismus ausgeht. Die Mohammedaner, deren doch 
40,000 in Multan anfäffig find, müffen im Stillen ihre Andacht 
halten. Die Seifhs unterftügen zwar ihren Handel und ihre Fa— 
brifen, dulden aber nur ihren Eultus, den fie als deſſen Abtruͤn— 
nige und Neformatoren haſſen. Multan iſt der äußerfte Süds 
punct, bis zu welchem der Seikhs-Cultus bisher vordrang. At. 
Burnes fand den erften Guru (fo heißen die Seikhs-Prieſter, 
wie bei den Jainas u. a., Aſien IV. 1. ©. 742), den er fahe, 
bier, in einem Sanctuarium, einem zeltartigen Obdache, an der 
Erde fisen, mit einem großen Volumen vor fi) auf einer Art 
Altar, Er öffnete das Buch mit denfelben Worten des Kriegs: 
gefchreies, das wir oben in Umritſir angaben. Er berührte den 
heiligen Codex mit der Stirn, und fogleich berührten alle Seikhs 
der Verſammlung mit ihrer Stirn die Erde; dann las er den 
erften Paragraph und erklärtesihn: „Ihr alle habt gefün: 
digt, reinigt euch, fonft überwächft euch das Uebel.“ 
Große Wahrheit, große Einfaltz wie tief koͤnnte der Eindruck fol: 
cher Lehre ſeyn, die dem Evangelium fo nahe zu ftehen fiheint, 
wenn der Boden auf den dies Saamehforn fiele, nicht harter 
Stein wäre. Das Buch war der Granth, die Bibel der Seikhs, 
fo heilig, daß es nur mit dem tübetifchen Kuhfchweif, dem Tſchauri 
(f. Alten I. ©. 627 u. a. O.), wie ein Eaiferliches Wefen, bes 
rührt werden darf, Aber der Guru war nach der Geremonie, 
ohne allen Pomp, fehr bereit daſſelbe Buch für ein paar Rupies 
zu öffnen. Seine Wohnung hatte er fogar in einer Mofchee 
anfgefchlagen. 

Die äuferfie Grenze der. Seikhs-Herrſchaft dehnt fich gegen 
Sid noch über Multan hinaus, zum Gebiet von Sinde und 
des Bhawulpur Khans, dem die Südfpige des Duab gez 
hört, bis Shujuabadl, Die äuferfie Grensftadt, die feine 
volle 2 Stunden abwärts vom öftlichen Chinabufer, im Jnnern 
des Duab gelegen ift, eine blühende Stadt mit einer 30 Fuß ho: 
hen, guten Backſteinmauer umgeben, die ein längliches Viereck 


223) Al. Burnes Narrative III. p. 108— 110. 





Indus ⸗Syſtem, Multan, Shujuabad. 69 


umſchließt, das von 8 eckigen Thuͤrmen vertheidigt wird. Das 
Innere iſt, in rechtwinklichen Straßen, dicht voll Haͤuſer gedraͤngt. 
Die Stadt ward erſt im Jahre 1808 durch den Nabob von Muls 
tan neugebaut, und war ſchon 10 Jahr darauf, als fie den Seikhs 
zufiel, ein fehr blühender Ort. Sie wurde zur Grenzfefte des 
Lahore Raja erhoben. Das Land oberhalb und unterhalb der 
Stadt wird von zwei breiten Canälen reichlich bewaͤſſert, ift überall 
von Wafferleitungen durchfchnitten und gewährt durch feine un: 
gemeine Fruchtbarkeit einen Höchft impofanten Anblick. Leider 
entfpricht die fihlechte Flusfchiffahrt auf den niedrigen, flachbootiz 
gen Zohrufs, die ohne Sergel find, deren Bord kaum einen 
Fuß über der Waſſerflaͤche hervorragt, dem ſcheinbaren Wohl: 
fiande des Landes an dem Südende des Chinab noch nicht, an 
deſſen Mündungsland auch der politifche Wechſel der fich begeg— 
nenden, immerhin feindfeligen Grenzftaaten, wie der Seikhs, der 
Daudputras und der Amir von Sinde, Feine Ermunterung zu 
einer aufblühenden Stromfchiffahrt abgeben Fan. Hier war es, 
wo Al. Burnes das erfie Seikh-Lager an der Grenze die; 
fes Königreiches betrat; feine Aufnahme als britifcher Geſchaͤfts⸗ 
träger war fehr ehrenvoll. Der Sirdar, Lenu Sing”), auf 
einem Elephanten reitend, mit Gefolge, wartete feiner am Ufer 
beim Anlanden des Flußſchiffes. Er war reich- gekleidet, mit Hals: 
ſchmuck von Smaragden und Armbändern von Diamanten. In 
einer Hand hielt er einen Bogen, in der andern den feidenen 
Beutel mit den Briefen des Maha Naja, die er an der Grenze 
mit Gratulation überreichte. Mach der Tandesfitte wurde der 
Fremde mit dem Bogen befchenft, und der Sirdar nebft mehren 
des Gefolges legten zu deſſen Füßen Beutel mit Geld, zu 1400 
Kupies, und zogen fich darauf zuruͤck. Von diefer Süpdgrenze des 
Seifhs Territoriums an der aͤußerſten Südfpige des Pendſchab 
£chren wir zum legten der obern Pendſchabſtroͤme zurück, 





25) Al, Burnes ebend, IM. p. 108. 


0. WofteAfien, J. Abſchnitt. h. 1. 


6. Der Behut, Bedufta (Vitafta im Sansfr., d. i. pfeils 
gefhwind, Hydaspes), oder Jilum GSſcheilum). 
Der Kaſchmir-Strom, das KafıhmirsGebirge 
und Thal. 


I. Oberer Lauf, das Alpenland Kaſchmirz jüngfter 
Fortfchritt der Beobachtung. 


Don dem merfwürdigen Duell Lande diefes Stromes, dem 
berühmten Alpenlande Kaſchmir war fehon früherhin die 
Rede (ſ. Afien I. ©. 1083—1203), und wir hatten uns bemüht, 
eine nach allen damals befannt gewordenen orientalifchen wie ocs 
cidentalifchen Quellen, möglichft vollftändige Monographie, wie 
wir fie noch zur Zeit vermißten, und zwar eine durch alle Zeis 
ten der Beobachtung hindurchgehende, vergleichende Geographie 
und Ethnographie deſſelben, nebft fpecielleer Nachweifung alfer 
Quellen zu verfuchen. Seitdem find jedoch wieder einige Forts 
ſchritte zur Kenntniß diefer merkwürdigen Landfchaft aefchehen, die 
eine reiche Ernte für die Zukunft verfprechen, und deren wir nach— 
träglich hier erwähnen muͤſſen, obwol bis jegt nur noch unbefrie— 
digende Mittheilungen darüber gefchehen find. Durch Runjit 
Singh ift die Subah Kafhmir, im Yahre 1819, vollftän: 
dig erobert und feitdem deſſen Herrfchaft einverleibt, wodurch 
fie einigen europäifchen Reiſenden zugängig geworden ift, die dies 
fer Despot fo großmüthig in feinen Schu nahm. Einiger No: 
tisen des erften diefer Neifenden, Bict. Jacquemonts, des 
Naturforfchers, haben wie ſchon früher gelegentlich erwähnt (ſ. 
Ajien U. S. 1175, 1181); feitdem ift feine Privatcorrefpondenz 126) 
erfchienen, die freilich nur. fehr weniges Wiffenfchaftliche, aber 
doch einiges Lehrreiche über ein fo merkwürdiges Land enthält; 
feine zu erwartende gründlichere Arbeit, über welche ihn der Tod 
ereilte, ift leider noch nicht bis zum Abfchnitt der Befchreibung 
diefes Alpenlandes uns zu Gefiht gekommen. Der zweite unges 
mein unternehmende und thätige Neifende im Orient, den feine 
vieljährige Wanderung glüdlicher Weife auch im Jahre 1835, auf 
mehrere Monate nad) Kaſchmir führte, ift Karl Freiherr 
von Hügel, ein deutfcher Maturforfcher und trefflicher Beobach⸗ 
ter, der die geographiſchen und naturhiſtoriſchen Wiſſenſchaften 


— 


#6) Wict. Jacquemont Correspondence etc. pendant son Voyage 
dans Yinde (1828 - 32). Paris UI Vol. 1833, 





Indus-Syſtem, der Behut, Fortſchritt. 71 


wol auf eine minder anfpruchsvolle, aber defto zuverlaͤſſigere Weiſe 
bereicherte, deflen ferneren gewiß lehrreichen Mittheilungen, von 
deren uns fihon wenige gedrängte, aber inhaltreiche Blätter über 
das Kafchmirthal ??), die uns fo eben zugefoimmen find, außer: 
ordentlich erfreuen mußten, wir mit Sehnfucht entgegen fehen. 

Duch H. T. Peinfep haben wir in feinem hiſtoriſchen 
Werke über Runjit Singh auch einen kurzen Kriegsbericht 25) 
‚über die Eroberung Kafıhmirs erhalten, und diefem ift ein neuer 
Entwurf einer Karte von Kaſchmir nach den Erfundigungen 
beigegeben, welche Capt. WB. Murray), der 15 Sabre hin: 
durch britifcher Nefident an der Grenze der Seikhs war, zu fans 
meln Gelegenheit hatte; bei der bisher fo mangelhaften topogra: 
phifchen Kenntniß diefes Landergebietes ein ſehr dankenswerther 
Beitrag. Hoffentlich werden die verheißenen Arbeiten Jacque— 
monts, während feines fünfmonatlichen Aufenthaltes (1831) im 
Kafhmirthale, noch mehr leiften, wenn fie zur öffentlichen Mit: 
theilung Eommen; denn er hatte für feinen hohen Gönner, Run— 
jit Singh, der ihn mit Geld und £öniglicher Autorität unter: 
fügte, eine Karte von Kaſchmir in großem Maafftabe auss 
gearbeitet, auf welcher alle feine Sreurfionen verzeichnet und viele 
Socalitäten nach fehr zahfreichen Compaßbeftimmungen eingetragen 
wurden; die Gebirgsdarftellung war zum leichtern Verftändniß für 
den Herrfcher in Horizontalprojection gegeben, und die Namen 
mit perfifcher Schrift bezeichnet. Die Mittheilung diefer Specials 
Karte Kaſchmirs würde ein erwünfchtes Geſchenk für die Geo: 
graphie fenn, wie die Kartenffizze 0), welche Baron von Hügel 
von dem ganzen Kulu Kaſchmirſyſteme fohon gegeben hat, 
einen intereffanten Beitrag zum Fortſchritte der Kartogras 
pbie des Himalaya:Gebirges enthält. 


a. Nach V. Jacquemonts Berichten im J. 1831. 


Zu den wichtigften pofitiven Daten, die der franzöfifche Na: 
turforſcher mittheilt, gehören diejenigen über Clima, Vegeta> 


27) Baron Charles Hüget Notice of a Visit to the Hinmaleh Moun- 
tains and the Valley of Kashmir in 1835 in Journal of the Geo- 
graph, Society of London 1836. Vol. VI. P. U. p. 344— 349. 

28) 1. T, Prinsep- Origin of the Sikh Power 1. e. p. 104 — 111, 
121 — 123. 39) Valley of Kaslhımeer according to information 
obtained by Captain W. Murray. 20) Kashmir and tlıe Nor- 
thern Part of the Penjab.by Baron Charles Hügel 1836. 


72 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt, $ 1. 


tion und abfolute Meereshöhe des Kaſchmirthales; 
viele feiner uͤbrigen, mitunter geiftvollen und witzigen Urtheile tra- 
gen jedoch zu fehr den Stempel des perfönlichen, momentanen 
Eindrucks und der individuellen Empfänglichfeit, als daß wir ih— 
nen allgemeinern wilfenfchaftlichen Werth zugeftehen und fie ims 
mer als Wahrheit anfprechen fünnten, wozu feine völlige Verachs 
tung des Landes Kaſchmir gehört, das er im Gegenfaß fo vieler 
früherhin gewiß oft übertriebenen Schilderungen nun das ärmz 
lichfte Land der Welt 14) (Cachemyr surpasse toutes les 
pauyretes imaginables), ohne alle Reize nennt. Vieles ift gewiß 
theilweife wahr, mas er darüber fagt, wenn auch keineswegs neu 
(vergleiche unfere Monographie a. a. O. und v. Huͤgels gemeffes 
nes Urtheil), obwol neu in diefer totalen Verächtlihmachung, aber 
eben dadurch auch wieder unwahr; überall leuchtet außer einer 
Misftimmung des parifer Neifenden nicht Alles nach Erwartung 
zu finden, eine gewiffe, freifcheinende, aber doch fehr gebundene, 
feidenfchaftliche, ja leichtfertige, nad) origineller Auffaſſung ftres 
bende Richtung hervor, zu welcher die eigene Unruhe des Reifen: 
den während der politifchen Zerwürfniffe feiner Heimath nicht 
wenig beiträgt, die noch dadurch vermehrt wird, daß ihm dort, 
auf längere Zeit, die brieflichen Nachrichten feiner geliebten Faz 
milie und Freunde ausbleiben, und er bei allem ſcheinbaren Her 
roismus doch gegen die Befchwerden, welche fein Befuch im Hoch- 
thale mit fich führte, zumal gegen die fehr heiße Sommerzeit, und 
die mitunter nicht ganz gefahrlofen Aventüren nur zu empfindlich 
sewefen zu ſeyn ſcheint. Wir falten alle wichtigeren Bemerkun⸗ 
sen deſſelben in Folgendem zufaminen, und glauben feinen wefent- 
lichen von ihm erörterten Hauptpunct dabei zu übergehen. Die 
berichtigenden Nachrichten des üftreichifchen Naturforfchers, von 
Hügel, werden wir als die jüngern erſt nachfolgen laffen. 
Aus etwa hundert Stück Pflanzen, die ein Kaufmann in 
Sa amiz geſammelt und nach) Seheranpur gebracht hatte, von 
denen J. die Hälfte auch ſchon im Himalaya im Oſten des Sfetz 
ledſch wachfen fahe, und deren Höhengrenzen be ſtimmt hatte, ſagt 
VB. Jaquemont, konnte er ſich über die mittlere, abſo— 
lute Hoͤhe Kaſchmirs cine Dypethefe??) bilden, ehe er das 
Alpenthal ſelbſt beſuchte, die auch, feiner- Meinung nach, ziemlich 
genau mit der nachherigen Beobachtung zuſammentraf. Er ſchaͤtzte 


#3) Y. Jacquemont Corresp. Vol. H. p. 84. 22) ebend. II. 1.57. 








Indus-Syſtem, Kafchmirthaln, Jacquemont. 73 


die Höhe des Alpenthales Kaſchmir zwifchen 5000 bis 
6000 Fuß über dem Meere (ſ. Afien 1. S. 1145, 1148, wo un: 
fere Vergleichung mit der Vorftufe des alpinen Kanawar, und 
unfere Schägung zwifchen 6000 bis 7000 Fuß, angegeben war, 
welches fih auch der Meffung des Barons Karl v. Hügel 


nahe anfchlieft). Nach den vorläufigen barometrifchen Beobad)s 


tungen, im Mai, am See, nahe der Hauptfladt Kafıhmirs, vers 
glichen mit denen in Calcutta, Bombay und Scheranpur, fügt 
D. Jacquemont hinzu, betrage die abfolute Meereshöhe etwa 
= 5300 Fuß Par. üb. d. Meere. Der Südabhang des His 
malaya 33) behalte, fagt Jacq., auf allen Höhen feinen Hindu—⸗ 
character; der Yahreszeitenwechfel, bis zu der ewigen Schneegrenze 
hinauf, ift derfelbe wie in den anliegenden Planen Indiens. Mit 
jedem Sommerfolftiz treten auch auf diefen Südgehängen die Nies 
gen ein, die ohne Unterlaß auch bis zum Herbftäguinor anhalten 
u. ſ. w.; daher eben der eigenthümliche Vegetationscharacter 
jener Himalayahöhen, welcher dem der Europäifchen Alpen 


und Pyrxenaͤen fremd iſt, die nicht unter jenen climatifcyen Eins 


flüffen ftehen. 
Aer Kaſchmir, am Nordabhange einer großen Schnees 
fette, ift durch diefe hohe Barriere die Schneezone de 


 Direpenjal:Daffes, f. Aſien U. ©. 1141) vom Clima In⸗ 


doftans gefchieden, und hat ein eigenes Klima, das gar 
fehr dem lombardifchen Klima gleicht. Die wilde Vege— 
fation, wie die der Cultur, richten fi) nad) dem Gefeg der 
Waͤrmeabnahme, von dem Aequator zum Pol, woraus jene fri- 
here Annahme der abfoluten Höhe zwifchen 5000 bis 6000 Fuß 
hervorging; die genauere damit übereinfimmende Barometerobfers 
vation, nach V. Jacquemont, giebt 5350 Fuß Par, 

Die itabienifche Dappel und die Platane find unter 
den Baͤumen des Kafchmirthales die vorherrfchenden Formen; 
die Dlatane zeigt fich hier in ihrer coloflalften Geſtalt (f. Aſien 
1. ©. 1185). Die Roſen find zwar in voller Bluͤthe, aber fie 
find Elein und wenig duftend (vergl. Aſien H. ©. 1183), Die 
Weinrebe erreicht in den Gärten eine gigantifche Größe (am 
Wohnhauſe, bemerkt J., fey ein Traubengeländer, deifen Reben 
noch jung; eine derfelben mefie, unten, im Umfang fchon 2 Fuß, 
und die Trauben, die er von ihnen, Anfang September, ge⸗ 


33) ebend. IT. pe 73. 23 cbend. II. p. 57, 138. 


74 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. 1. 


noß, waren fo fihön, ſagt er, wie einft die im Gelobten Lande). 
Die Wälder beftichen aus Cederm verfchiedener Art, aus Tanı 
nen, Fichten; ihrem Habitus und Ausfehen nach ganz denen 
der europäischen Landſchaften gleich (vergl. Afien U. S. 1196), 
und höher auf find es Birken, die von den europäifchen Arten 
gar nicht verfchieden zu fepn fcheinen. Der Menuphar (Nym- 
phaea lotus, f. Ajien 1. S. 1190) blüht auf den ftehenden Waſ— 
fern, Butomus und Wafferklee (? "Trefle d’eau, wie in den Gräs 
ben zu Arras) fteigen neben ihnen, mit Schilf und Zuncus-Arten 
über dem Waller empor, Im Juni werden hier in meinem 
Garten, fagt Jacquemont, die Kirfchen reifen, die Apricos 
fen, Pfirſich, Mandeln folgen, dann die Birnen, Aepfel, Trauben 
(über Oft, f. Alien IL ©. 1189). Auch gute Melonen fehlen 
nicht. Die heißen Sommer find hier wie im Süden Franfreiche 
diefelben, fo auch die Früchte. Das Weiter ift, jest im Mai), ° 
wie in Paris, nur ſchoͤner und weniger wechfelnd u. f. w. Kurz, 
alles hat hier ein ungemein europäifches Anfehn 2). Nur 
ſtehen die hiefigen Seen gegen die pittoresfen 'europäifchen Seen, 
wie der Lago Maggiore in der Lombardei, oder gegen die Brienzer 
und Ihuner Seen in den Schweizer Alpen, gar fehr zuräd; es 
fehlt ihnen ſelbſt die mildere Lieblichkeit nordamerikanifcher Seen, 
wie die des Lac George u. a., die ihre eigene Großartigfeit bes 
fisen. Gegen alfe diefe fpielt der Kaſchmir-See eine traurige 
Rolle (vergl. Afien IE ©. 1181). 

Die landfchaftliche Phyfiognomie der Gebirge von Kaſch-⸗1 
mir ift, wie die des Himalaya überhaupt, mehr grandios ald - ] 
ſchoͤn 26); prachtvolle Contoure; aber nichts weiter (lignes magni- 
fiques, voila tout; la nature n’a rien fait pour orner l’interieur; 
e’est une grande bordüre qui n’encadre rien); e3 fehlen alle pitz 
toresfe Einzelnheiten, welche die Europaifchen Alyen fo ungemein 
anziehend machen und immer neu find. Diefes einfeitige Urtheil 
wird durch den oͤſtreichiſchen Naturforfiher fpäter berichtigt. 

Die fo gepriefene Snfel der Platanen ) (Tfhar 
Tſchinar, f. Afien I. ©. 1183), auf der Mitte des Kaſchmir⸗ 
Secs, trägt nur noch zwei der Platanen, die Schah Jehan— 
gir dort pflanzte, welche den einfachen, in bizarren Styl von ihm 
erbauten Salon befchatten. Sie liegt vor dem Schahlimar 


135) V. Jacquement Corresp. IL p. 74. ss) gehend. p. 82. 
7) chend. 128. 





Indus-Syſtem, Kafhmirthal n, Jacquemont. 75 


G. Afien U. &. 1168, 1182 u. a. D.) mit feiner Avende fchöner 
Dappelbäume. Nichate bagh, ein anderer Luftgarten (f. Afien 
U. S. 1183), mit feinen Schattenwäldern, zeigt fich von ihr wie 
ein fchwarzer Waldfleek in der Ferne, am Fuß brauner Gebirge. 
Ihr gegenüber liegt Saifkan-bagh, jest nichts als ein Bald 
‚gigantifcher Platanen, in deifen Mitte die Eleine Moschee, in der 
ein Barthaar Mohammeds von den Pilgern aus Indien und 
Perſien angebetet wird. Dahinter erhebt fih der SalomonsThron 
mit feiner Mofchee (ſ. Afien I. ©.1168). So ift das Panorama, 
das den See umgiebt, nur reisend für den Kafchmirer, für den 
Europäer nicht, nah Jacquemonts veraͤchtlich raifonnirender 
Manier. Am zweiten Tage feiner Ankunft in der Capitale Kaſch⸗ 
mirs, hatte V. Jacquemont die erfie Zufammenfunft mit dem 
Sandesgouverneue im Shali:bagh 38), welches er das Petit 
Trianon der früheren Mongholen Kaifer nennt; zwei Lieues fern 
von feinem Gartenpavilfon gelegen, der ihn über dem Ufer des 
‚Sees zur Wohnung eingeräumt war. Nacd) der Leberfchiffung 
des Sees erwartete ihn dort ein fejtlicher Empfang, mit Muſik 
und Tanz. Die prachtvollen Bäume, der grüne Raſen der nas 
hen Ebenen und Hügel, das bläuliche Gebirge mit weißen Schnee: 
hoͤhen zogen ihn hier, gefteht ex felbft, zwar an, aber die Muſik 
und die Kafchmir-Tänzerinnen, dunfelbrauner und fehwärzer feldft 
als die in Sahore mit ihren monotonen Taͤnzen, zeigten, fagt er, 
‚wenig Reiz für ihn. Alle Fefte dafeldft waren, wie wir gern eins 
räumen, von gleicher Art. Seine eigene Wohnung lag dicht am 
See im Schatten fihöner Platanen von Lilas und Roſengebuͤſch 
umgeben, das aber Mitte Mai noch nicht bluͤhte. Späterhin 
wurde der Sommer fehr Heiß 39); täglich fandte ihm der Gous 
verneur zur Erquickung Gefrornes; aber weder died noch das tägs 
liche Seebad, am Abend nad) Sonnenuntergang, vermochten et 
was gegen die ſchmaͤhliche Iageshige; denn auch im See war 
es am Abend wie in heißem Waſſer. Diefe furchtbare Hige 
fey übrigens Kaſchmir nicht eigen, fie trete hier nur Ausnahme; 
weife ein, wenn der periodifche Regen ausbleibe (ſ. Afien IL. 
&.1188), wie in diefem Jahre, 1831, wo die Flüffe%), die von 
den Regenguͤſſen erſt vollufrig werden follten, ſchon feit dem Juli 
troden lagen, wodurch natürlicy große Noth im Lande verbreitet 





3®) ebend. 11. p, 52. »») ebend. IE, p. 87, 106. “0) ebend. 
U. p. 127, 












76 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 9 1. 


ward. Etwas befriedigter ſcheint der franzoͤſiſche Naturforſcher, 
wegen Entdeckung neuer Producte, von ſeinen Excurſionen in die 
nordoͤſtlichen Hochgebirgel®!) an der Grenze von Ladak 
(das er ftets Klein: Tübet nennt) nach Kafıhmir zurückgekehrt zu 
feyn. Nach feinem Briefe, vom 26. Aug., fand er es dert uns 
gemein kalt und ftürmifchz; er befand fich in einem Hochthale, 
das 20 Lieues lang ift, und einem GebirgssChef angehörte, der 
feine Burg verlaffen hatte, um mit feinen Reitern ihn zu fihügen, 
falls er etwa durch Fleinstübetifche Naubhorden, die nicht felten 
zum Plündern der Karamanen von der Mordfeite der Gebirgs⸗ 
kette herüberftreifen, angefallen werden follte. Zacquemont 
nennt das Thal micht, aber den Chef wol, der ihn mit Thee tracz 
tirte, während er ſich herablieg mit dem Führer des Reiſenden 
zu fpeifen. Er hieß Roffoul Mallick; es war ihm um Fürs 
fprache bei dem Beherrfcher des Landes, bei Runjit Singh, zu 
thun, in deffen hoher Gunft zu ftehen fi) fihon längft das Ges 
rücht über Jacquemont verbreitet hatte. Aber eben dieſes 
würde ihm öfter, ohne befonders glückliche Wendung, zum wah— 
zen DBerderben gereicht haben; denn, bemerkt Jacquemont 
ganz wigig und wahr), bei afiatifchen Herrfchern nehme ihre 
Macht der erecutiven Gewalt von dem Sitz ihrer Nefidenz, inf 
andere Raͤume, nicht blos wie das Duadrat, fondern wie der 
Eubus der Entfernungen ab. Der Gebirgs-Regulus, N ofs 
ſoul Mallid, fagt Jacq., habe zwar eine flarfe Gavalcade 
bei fih, aber er fey ein armer Teufel, der durch die harten Er— 
preffungen des Vicefönige von Kaſchmir noch zum KHungertode 
gebracht werden würde. Im größten Nothfall möge er zwar mit 
feinen 200 Musfeten revoltiren; aber länger ald 6 Monat fönne 
er fich doch nicht haften. | 
Wieder aus dem Hochgebirge zuruͤckgekehrt (1. Sept.), machte 
ihm diefe Ercurfion zue Grenze zwifhen Kaſchmir und 
Klein:-Tübet, bis auf die Höhe der Wafferfiheide, zwi] 
ſchen Hydaspes (zum Behut) und Indus (San Du in Bak 
tiſtan) nicht wenig Freude; nur fey ed fehe ſchwer, meint er, hier 
die primitiven Kalfgebilde von den fecundairen zu uns 
tericheiden (vergl. Afien IL &. 1186). Auf der Wafferfcheidehöhe 
campirte er, im Hochthale, wo er einen See entdeckte, der bisher 
in Kaſchmir noch unbefennt war, und deſſen Seen alle an Tiefe J 


243) V. Jacquemont U. p. 133. 22) chend, p. 22. 


Indus-Syſtem, Kaſchmirthal n. Jacquemont. 77 


übertraf. Mit neuen Pflanzen Eehrte er zuruͤck, und bereicherte 
auch die Zoologie mit ganz neuen Ihierarten, zumal mit einem 
völlig unbefannten Murmelthiere, mit einem Bären, ei 
ner Art Gemfe u. f. w. Späterhin fchiete ihm Roſſoul 
Mallick noch allerlei Thiere, wie gewaltige Bären und eine, wie 
er meint, neue Art Panther nach, welche diefer durch feine 
bärtigen Afghanen-Jaͤger für feinen Schüsling hatte erlegen lafz 
fen. Der benachbarte König von Ladakh, Ahmed Schah, 
aber, der Wind von diefen Fremdlinge befommen hatte, und 
ihn, dem Gerüchte nach, für einen Epion der Briten hielt, von 
denen er, feit Moorcrofts früheren Befuchen in Leh (ſ. Aſien 
1. S. 554), wähnte, fie würden wol nach der Befisnahme Kafıhz 
mirs trachten, ſchickte ihm Briefe #) und fchlaue Gefchäftsträger, 
um ihn feiner Freundfchaft zu verfihern und zum vorans mit 
ihm Allianzen gegen feine gehaßten Nachbarn, die Seiths, zu 
fchliegen. Statt auf deſſen gefährliche Inſinuationen einzugehen, 
als deren Veranlaffung Jacquemont dem frühern Neifenden 
Moorcroft, wegen feiner Anmaßungen als britifcher Envoye 
dort umhergewandert zu feyn, die bitterften Vorwürfe) macht, 
wodurch diefer feine Regierung fehr compromittirt habe, rieth 
Jacquemont dem Könige, fehr gut, als Zeichen der Freund: 
haft, ihm fo viel feltene Ihiere feines Landes als möglich 
zu ſchicken. As V. Jacquemont fpäter, am Nordufer des 
Uller:Sees, der durch ſein Wild und Geflügel an der Mord: 
weftfeite des Kaſchmirthales befannt genug ift (ſ. Afien I. ©. 1156 
bis 1158), bei Bondehpore campirte, überrafchte ihn, in dortiz 
r Wildniß, fo nahe der Tübetgrenze, eine fehr zahlreiche, ziem⸗ 
lich zweideutig coftümirte Embaſſade feines neuen, politifchen 
Freundes, die ihm aber anfänglich wahren Schreden erregte, da 
nichts leichter fchien, als daß er von diefer aufgehoben und als 
eißel nach Ladakh geführt werden würde, deſſen Grenzgebiete ex 
ganz nahe war. Der Anführer brachte jedoch von feinem Ges 
bieter, Ahmed Schah, an 40 Zagdthiere, welche derfelbe für 
den Maturforfcher aufzujagen geboten hatte; fie waren aber faft 
alle fchon todt, und die meiften ganz unbrauchbar geworden; doch 
befanden fi) auch 2 noch lebende junge Antelopen dabei, die 
anz willfommen fchienen; ferner andere Gaben wie ein Königs: 
Kleid, zum Gefchent, aus den feinften Daunen diefer Antelopens 










#3) ebend, IT. p. 96, 139 —145. 24) ebend. pı 97. 


art; 8 große Säde gebadnes Obſt, zumal Aprikofen, und 3 
große Blöcke Bergeryſtall (ſ. Mien I. S. 628), der in Kaſch— 
mir fehr zierlich zu Schaalen verarbeitet wird. Ob noch andere 
boͤsliche Abfichten mit dieſer Sendung verbunden waren, aus de— 
nen ſich Jacquemont nur durch ſeine diplomatiſche Schlauheit 
herausgewunden haben will, laſſen wir auf ſich beruhen. An bit— 
tern Ausfällen gegen feinen verdienten Vorgaͤnger Moorcroft!#), 
läßt es der Reiſende von neuem nicht fehlen, verfichert aber dabei, 
der König Ahmed Schah von Ladakh fey fehr von feinen 
Unterthanen geliebt, von feinen Feinden gefürchtet, feit einigen 
Sahren vom nominellen Tribut an China befreit; feine Armuth 
und das Hochgebirge würden ihn wol gegen Runjit Singhs 
Ueberfälfe hinreichend fchügen. 

Wir Echren zur freilich nur fehr fragmentarifchen Characteriftz 
rung der Bewohner des Kafchmirthales zurück, die, nach Jac— 
guemonts Urtheil, in einem ſehr ſchlechten Lichte erfcheinen, 
das wol in verftärkten Farben aufgetragen, leider jedoch daſſelb 
ift, welches fchon früher aus dem Hergang ihrer Gefchichte ſich 
entwickeln ließ (f. Aſien U. ©. 1178 u. a. O.). 

Die Nace der Kafhmirer*) ift fehr fchön, ungeachtetfl 
feit langem ftets eine Ausfuhr ihrer Schönheiten Statt findet, 
Die Vornehmen fieht man freilih nicht, da fie das ganze Jahr 
eingefperrt leben. Die gemeinen Weiber find meift fehr haßlich, 
und viele fehen den Hexen gleich; die Eleinen Mädchen, die einis 
germaßen huͤbſch zu werden verfprechen, werden alle ſchon vom 
Sten Jahre an, von ihren Eltern in das Pendfchab und nad) J In⸗ 
dien verhandelt, jedes für 20 bis zu 300 Franken. Alle Diene 
rinnen im Pendfchab find ſolche Sclavinnen, die freilich oft nicht 
unmild behandelt werden, wenigftens eben fo wie die Weiber im 
Harem von ihren Männern, die oft roh genug mit ihnen umge 
ben. Uebrigens find die Kafchmirer das faulfte Volk geworden; 
wer freilich auch noch adern, fiihen, rudern, oder fonft wie den 
ganzen Tag arbeiten wollte, würde döch am Abend vor den Tau 
fenden brutaler, flupider Seikhs, die überall mit dem Säbel in 
der Fauft und Piftolen im Gürtel umherziehen, nicht ruhig fei 
Abendeſſen genießen Eönnen, Diefe treiben das zahlreiche und f | 
ingeniöfe, aber feig und faul gewordene Volk vor ſich herum, wi 




































Sp —— I. p. 1414 - 146. **) ebend. II. p. 57, 61 


” 


* 


Indus-Syſtem, Kafchmirthaln, Jacquemont. 79 


eine Heerde Schaafe. Die Kaſchmirer find alle Spitzbuben; wie 
ein Kafchmirer lügen, ift ein befanntes Sprichwort; die ärgften 
Sügner follen die Eicerones in Kaſchmir felbft feyn. Von einem 
frühern, independenten Zuftande diefes Gebirgsvol£s ift Feine Spur 
mehr vorhanden; nur die Landesannalen fprechen davon; einige 
Nuinen erinnern daran. Ihre maffive Structur und der Styl 
ihrer Ornamente zeigen aber ihren Hindu Character (f. Afien I. 
&. 1181). Auch find noch einige Spuren von öffentlihen Baus 
ten, aus jener frühern Zeit vor der Einführung des Islam da; 
aber wenige. Alles was fpäter von den Delhi Kaifern herrührt, 
ift anderer Art; diefe haben aus den Landesabgaben nur Paläfte 
für fi) gebaut, nichts für das Land gethan, Feine einzige Brücke 


angelegt. Von ihnen rühren nur Schlöffer, Kiosks, Mofcheen, 


Maufoleen, Cascaden, Fontainen und Gartenanlagen her. Die 
Sprache ift ein rauher Gebirgsdialect, voll Kehllaute; den Na: 


- men der fchönen Lalla Ruckh, meint Jacquemont, fönne 


| 


Eein Pariſer richtig ausfprechen, wenn er ſich nicht fo ftellte als 
wenn ihm eine Gräte in der Kehle ſteckte. Durch Afghanen und 
Seikhs fey das ganze Land verheert und zerfiört. 

Den Weg aus Kafhmir über Cadath 2) nah dem‘ 
Pendſchab zurück zu nehmen fey zu gefährlich, denn wenn man 
in Kafchmirs Ihälern feloft auch nur etwa einer Escorte von 50 
Mann bedürfe, fo würde dort ein Geleit von 500 nothwendig 
ſeyn. Den Heimweg) nahm Zacquemont vom Jilum 
über Mirpur, wo das Gebiet des Naja von Jummo, 
Gulab Singh, beginnt, der ihm befreundet war. Hinein ging 
er über Berali, das in einer pittoresfen Yandfchaft liegt, aber 
von einem Raub-Chef, Neal Singh, unficher gemacht wurde, 
Bon da führte ihn der Weg über Koteli, Kohutah im Bes 
lars Thale, wo er raftete, um fih für den folgenden Tage: 
marſch zur Ueberfteigung des Gebirgspaffes, der Col de Prunch 
genannt ward, vorzubereiten. Diefer Paß feheidet die Vorberge 
der Gebirgsmaffe vom Kaſchmirthale; ihn nahe Tiegt die Berg— 
fefte Ouri. Diefen Col zu pafliven, fagt Sacquemont, fey 
nur ein Spaß; obwol noch mit Schnee bedeckt (7. Mai), war er 
doch nur,halb fo hoch als die tübetifhen Päfle, die er früher 


 überftiegen hatte, Den 8. Mai rüdie er indie Stadt Kaſch⸗ 


mir ein. 6 


27) ebend. II. p. 57. *®) ebend, p. 22, 48, 51, 52. 


80 Heft: Afien. J. Abſchnitt. F. 1. 


Nah fünfmonatlihem Aufenthalte folgte Jac⸗ 
guemont der Einladung des Gebirge-Raja Gulab Singh, 
ihn auf dem Näcdweget9) in feiner Nefidenz zu Jummo zu 
befuchen, um von da die reihen Salzminen von Mundi (f. 
Afien IL. ©. 1075) zu fehen, und dann nad limritfir zu 
Runjit Singh zurücdzufehren, der ihn zu einer Revuͤe eingeladen 
hatte, und mit dem Plane umging, ihn zum Gouverneur von 
Kaſchmir zu erheben, wofür fih der Keifende indeß, mie er bez 
merkt, fchön bedankte. Yacguemont war am Sten Sept. noc) 
zu Baramule (f. Aften I. ©. 1147, 1159), als die falten 
Nächte und die frifchen Morgen ſchon den Eintritt des Herbftes 
verfündeten, der ihn an Frankreich erinnerte, obwol die Mittags⸗ 
fonne im Alpenthale doch noch weit wärmer frahlte, als in feis ° 
nem DVaterlande, Bon Kaſchmir am 1Y9ten Sept, mit feinen 
naturhiftorifchen Sammlungen, zu denen auch die vollfiändigen 
Fischarten der Kafıhmirgewäfler für Cuvier in Paris gehörten, 
begann er feinen Marfch über das Gebirge des, wie er fügt, . 
rechtfchaffenen Raja von Radjouri, deſſen Gebiet im 
S. W. des Thales, zwifchen den Hauptthälern des Behut im 
AB. und des Chinab IM SL. liegt. Sein Plan war, von 
da direct gegen S.O., über das Gebirg den nädhften Weg nad 
Summo zu ziehen, der freilich nur zu Fuß, oder höchftens für 
Dferde, gangbar feyn follte. Er fand ihn aber bei näherer Kennt: 
niß doch zu befchwerlich, und 309 es daher vor, die befanntere 
Straße, mehr weftwärts, nah Bember (f. Alten I. ©. 1139) 
zu nehmen, das ſchon am Fuß des Gebirgs und am Eingang 
der Pendſchab-Ebene liegt. Aber zu Nadjouri und noch 
höher auf, zu Tanna, hatte er ſchon wieder das ſchwuͤle 
Clima der Hindu-Plaine getroffen. Rom Gipfel des Piz: 
repenjal (f. Aſien U. ©. 1141) war er in einem Tage nach 
Tanna hinabgeftiegen. Diefen fchnellen Wechfel der Lufttempe- 
ratur Eonnten weder die Antelopen noch die Menfchen ertragen ; 
beide Antelopen ftarben; zwei feiner Gefährten desgleichen, und 
viele erkrankten am Fieber. Bon Bember hatte Jacquemont 
drei forcirte Tagereifen, jeden Tag zu 14 bis 15 Stunden, durch 
fein fehr hohes, aber fehr wildes, gefahrvolles Gebirgsland zurück 
zulegen, deſſen Bergbemwohner noch nie von Runjit Singh befiegt 
waren. Sie flürzen wie Klephten, oder Raub: Bergfchotten der 





14°) V. Jacguemont II. ps 137, 149, 153, 156, 162. 








Indus-Syſtem, Kaſchmir⸗Gebirge n. v. Huͤgel. 81 


fruͤhern Zeit, aus ihren Kluͤften und Hochgebirgen hinab in die 
Thaͤler, und bringen den Durchziehenden Verderben. Erſt auf 
dem Oſtufer des Chinab fand Jacquemont wieder Sicherheit, 
im Gebiete des Raja von Jummo, der ihn voll Freundſchaft 


bei ſich aufnahm. Er erreichte dieſe Bergreſidenz am Aten Dctos 
ber 1831, 


b. Nach Karl Freiperr von Hügels Berichten im J. 183650), 


Durch die genauere Beobachtung K. v. Hügels, und deffen 
Kartenfkisze, erhalten wir einen höchft intereffanten Beitrag zur 
Kenntniß der Gebirgsbildung des Kulu Kaſchmir His 
malaya, vom Sfetledfch bis zum Kaſchmirthale und zum In— 
dusdurchbruch Hin, über welche wir früherhin noch fehr wenig 
unterrichtet geblieben waren (ſ. Aſien IL. ©. 1061). Es ergiebt 
fih naͤmlich aus feiner Beobachtung, daß in diefer Strede, der 
Meftfeite des Himalaya-Syſtems, gegen die der Oftfeite vom 
Sferledfh, in der Phyfiognomie diefes großen Alpengebirges 
auch fehr veränderte Contoure eintreten, fo, daß man dies 
fen Abſchnitt zwifchen den beiden genannten, durchbrechen; 
den Flußthalern ESſetledſch und Indus, f. Aſien I. ©. 586), 
allerdings das Uebergangsglied von dem eigentlichen Hima— 
laya (f. Aſien I. ©. 741— 1061) zu dem Hindu Khu nennen, 
koͤnnte. Auf diefe Berfchiedenheit, welche vorzüglich in der 
veränderten Natur der Mittel: und Bor-Ketten ber 
fteht, die hier nicht mehr eine zufammenhängende, hohe 
Schneemauer, mit zahllofen riefenhohen Schneepiks gekrönt, 
darftellt, fondern vielfachere Unterbrehungen als im 
Dften darbietet, wodurch auch in den Kettenzügen mannichfa- 
chere Sliederungen hervortreten, haben wir fchon früher hingedeu: 
tet (f. Afien I. ©. 1062). Baron v. Hügel, der am Süd: 
weſtfuße diefer Borfetten das ganze Pendfchab, von S. O. ger 
gen N.W., von Belaspur am Sfetledich über Yommu am 
Chinab,, bis zum Baramule am Zilum, durchzog, beftätigt aber 
diefe Unterbrechungen, und zeigt die Natur der Gliederuns 
gen der Vorder: und Mittel-Ketten näher an, welche hier 





#0) y. Hügel Notice of a Visit to the Himmaleh Mountains and the 

Valley of Kashmir 1835. in Journ. of the Geogr. Soc. 1. c. Lon- 
don 1836. Vol. VI. 2, p. 344—349; deſſ. Map of Kashmir on 
the Northern Part of tlıe Panjab 1836, 


Ritter Erdkunde VIL, 


82 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6. 1. 


keinesweges mehr in fo gleichartiger, faſt ſymmetriſcher Weiſe aufs 
fieigen, wie im Often, wo die vorderften in der Regel nur niedrige, 
die mittlern ſchon ſchneehohe Piks find, und die dahinter liegen— 
den der Hauptfette noch gewaltiger und maffiger fich erheben. 
Hier wechſeln die abfoluten Höhen der Vorder— und 
Mittel:Kerten eben fo fehr, wie ihre Maflen unzufams 
menhängend werden, plöglich abbrechen, nur hie und da noch 
von einzelnen Piks gekrönt find, die ſich dann ganz ſpeciell ſigna— 
fifiren, und durch mehr oder weniger breite Lücken durchfegen- 
der Flußthäler weit auseinander gerückt werden, Nur die hin— 
tere Hauptkette des Himalaya, das Grenzgebirge gegen. 
Leh, oder Ladakh, von dem Paralafa nordweftwärts bis Kafıhs 
mir, zum Cantal (f, Afien I. ©. 1062), fiheint feine Verändes 
rung zu erleiden; doch verfchwindet in diefer neueften Darftellung 
diefer legtere, gewiß längft fchon veraltete Namen ganz aus 
dem Munde der Landesbewehner, und an feiner Stelle wird diefe 
ganze innere, hintere Hochkette, das Grenzgebirge an 
der Nordoftfeite von Kafhmir, gegen Ladakh, welches ganz 
in derfelben Streichungslinie der Paralafar Kette gegen 
N.W. liegt, mit dem Namen des Tübet Panjahl bezeichnet. 
Sene einzelnen Gliederungen der Mittels und Vor— 
fetten erhalten aber, nach ihren Hauptſtoͤcken, in die fie grup- 
pirt fich zeigen, ihre neuen Namen. Zwar find fie felbft noch 
nicht näher unterfucht, fondern nur erſt aus der Ferne der Pends - 
fihabsbene, oder dem Fuß der Vorketten, oder von einzelnen Paß— 
höhen erfpähet, Doch kommt unfere nun ſchon genauere Kennt: 
niß der obern Pendſchabſtroͤme, nebſt ihren Localitäten (ſ. Afien 
U. S. 10611082), fo wie die verbefferte hydrographifche Karz 
tenzeichnung zu Huͤlfe, um fih in diefem mannichfacher gruppirs 
ten und durchbrochenen Abfchnitte des Alpengebirgslandes, bis zum - 
Kaſchmirthale hin, hinreichend zu orientiren. In das Kafchnir- 
thal drang der Meifende felbft ein, und theilt uns am Schluß 
feines Berichtes einen Furzen Ueberblick von deffen allerneueftem 
Zuftande mit. Hier die Hauptdaten. 


4) Das Gebirge zwischen. Sfetledfh und dem obern Chinab 1, 


R Auf dem Nordufer des Sfetledfch, von Belaspur 
an, nimmt der Himalayazug eine etwas gegen Nord veraͤn— 


":ı)v. Hüge 1. c. VI. p. 344 — 345, 








Indus-Syſtem, Kafhmir=Gebirge n. v. Hügel. 83 


derte Hauptrichtung an, nämlich gegen N.W., die er auch beibe- 
hält, bis zu dem Sndusdurchbruch, unter 35° N.Br., wo feine 
Direction wieder mehr weftlich wird, gleihfam eine Curve 
bildend, woraus, mit dem Anfange des Hindu Khu jene fcheins 
bare Projection gegen das Afshanifche Kabuliftan hervortritt und 
die verhältnißmaßig viel größere Ausweitung des Kaſchmirthales, 
eine Configuration des dortigen Bodens, von welcher ſchon früher 
die Nede war (ſ. Afien U. &. 1083 u. f.). Sobald der Neifende 
vom Nordufer des Sfetledfh, an der genannten Stelle, weiter 
geht, verfchwindet feinem Auge jene vom Ganges und Yamuna 
her ihn ſtets begleitende, endlofe Reihe von Himalaya: Pits, die 
fih alle bis zur Schneehöhe erheben. Von nun an zeigen fich 
nur noch theilweife abgelöfte, einzelne Berge, welche die Schnee: 
höhe erreichen, und die theilweife von niedern Ketten und tiefen 
Spalten durchfegt werden, deren einige auch als fehr breite Thaͤ— 
ler die Bergmaſſen weit auseinander fihieben. So treten big 
zum obern Chinabthale zwifchen Kifchtewar bis Sommu 
(f. Afien U. ©. 1078, 1081), drei verfchiedene, von einander zu 
unterfcheidende Bergftöcfe auf, von denen zwei, Mori und 
Baldewa in den Vorfetten, eine die Santch mit dem Se: 
ricot, in der MittelzKette, liegen. Der hintern Hauptfette des 
PDaralafazuges (ſ. Alien I. ©. 553, 577, 1062) wird hier 
von der Pendfchabebene aus gar nicht erwähnt, weil derfelbe 
wahrfcheinlichft von diefen Vorketten gedeckt wird. 

1. Der Mori-Alpenftocd zeigt ſich zunächft im Norden 
von Belaspur, unter den Vorketten als die größte Maffe derfel: 
ben, die von ©.D. gegen N.W., an 7 geogr. Meilen (35 Miles 
Engl.) weit fireicht bis Nurpur (f. Afien I. ©. 1076), und ge 
gen die Oftfeite diefer Stadt ploͤtzlich abftürzt. Diefer Alpenſtock 
ift in 3 Gebirgsgruppen getheilt, deren böce Gipfel, von S.Q. 
gegen N.W., die Namen Mony Mäs, Kidar, Gaurazig, 
Mondobri Katiba (Katiba, d. h. Berg) I von denen 
der erfte auch der höchfte zu ſeyn feheint. Die übrigen find mehr 
oder weniger zugerundete Gipfel, die zulegt in eine lange, grade 
Linie, von gleicher Höhe auslaufen, die nur noch in ihren Berg: 
ſchluchten Schnee herbergte. An ihrem Suͤdweſtfuß brei ſich, 
gegen das Nordufer des obern Beas, an welchem Kangra, Na 
daun, Iwola Muthi und andere Drte (f. Afien I. ©. 1073) 
liegen, eine mit Wald⸗Jungle überwachfene, unbebaute, weite Ebene 
aus, welche Zamber Kidar genannt wird, 


84 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $. 1. 


2. Die Santch-Berge bilden den naͤchſten Alpenſtock im 
Norden von jenem Mori, weit hoͤher als dieſer; ſie gehoͤren den 
Mittelketten anz fie ſcheiden die vordern Beas- und Ravi— 
Quellen, die von ihrer Suͤdweſtſeite ablaufen, von den Chandara⸗ 
bagha⸗ oder Chinab- Quellen, die ihren Nordoſtgehaͤngen entquel⸗ 
fen. Das hinter diefer Santch-Kette liegende Hochthal 
des Mond» Fluffes, von Tandi abwärts, gegen N.W., bis Tir 
fafnath, hat Dr. Gerard durchwandert; Kifchtewar, das mol 
am NMordweftende diefer Kette, am Durchbruch des Chinab zu 
liegen fcheint, bezeichnet ihre nordnordweftlihe Streichungslinie 
und ihren Nordabfall (f. Afien II. S. 1068) nad) einem Verlauf 
von mehr als 4 geogr. Meilen (20 Miles). Ihre höchfte Spige 
wird Sericot (wol SrisKote, der heilige Fels) genannt, eine 
feltfam geftaltete Ppramide, die von Nurpur aus gefehen gegen- 
MD. und N.6.D: liegt. 

3. Der Baldewa oder Rumnuggur (wol Rama na: 
gara, d. h. heilige Rama) tritt in Weften von jenen Sant, 
innerhalb der Worfetten, gegen Jommu's Pendfchabebene, wies 
derum als ein fehr hoher, obwol ganz ifolirteer Schneeberg. 
hervor; fein Gipfel hat eine Plaine mit einer darauf ftehenden 
regulairen Erhoͤhung. Da er der PDendfchabebene unter allen 
Schneebergen zunächft fteht, fo feheint er von da auch der höchfte 
Hiefe der Kette zu feyn, wie j. B. in dem Panorama von Vir 
zierabad aus, mas er aber übrigens gar nicht iftz denn beim 
Eintritt in die Berge verfehwindet feine Höhe unter den übrigen 
ganz. Von Nurpur aus liegt Baldewas Hochgipfel gegen 
PN MW. Zwifhen ihm und den Santch geht, direct, auf 
Kifhtewar, die Eürzefte Neiferoute nach Kafıhmir; aber diefe 
ift feldft für Pferde nicht gangbar, alfo nur für Fußgänger 
tauglich, 


2) Das Gebirge zwifchen Chinab und Indus 152), 


Hier laffen fich noch fechs, mehr oder weniger gefonderte Als 
penftöce unterfcheiden, die fih unmittelbar mit den Kaſchmir— 
fetten verbinden. 

4. Tricota, oder Tricota Devi (Heiliger Drei⸗Gottes⸗ 
berg), dicht am Nordufer des Chinab, im Norden fiber der Stadt 


»#?) v. Hügel Notice in Journal of the Geogr. Soc. I. c. VI. * 
p. 314 — 345. 





Indus⸗Shſtem, Kaſchmir-Gebirge u, v. Huͤgel. 85 


Jommu ſich unmittelbar erhebend. Er] ift der letzte der] ifo: 
tirten Schneepifs, die unmittelbar uber der Dendfchabebene 


'auffteigen; von der Weſtſeite gefehen, ein prachtvoll geffalteter 


Berg, mit 3 Spigen, deren höchfte in der Mitte thront. Won 
der vorliegenden Ebene ift er nur durch niedere Ketten gefchieden; 
Tricota it auch der niedrigfte jener ifolirten Schneepifs, und 
daher leicht begreiflich, daß zuweilen der Schnee, wenn auch nur 
felten einmaf, ganz von ihm verfchwindet. Mordwärts diefes 
Tricota folgt eine fehe große Depreſſion, eine breite Lüde 
im Schneegebirge. Doch kann diefe eigentlich nicht vom 


Pendſchab aus gefehen werden, weil die Hauptkette des tübetifihen 


Himalaya dann den Hintergrund diefer Lücke mit ihren Maſſen 
(die Paralafa) ausfüllt. Ein prachtvolles Ihal, das Nas Dun, 
liegt am Weftfuße des Tricotaz es führt aus den Vorfetten von 
Summo som Chinab, an einem feiner Gebirgszuflüffe, der vom 
Norden herkommt, aufwärts, auf der Eürzeften Route, nach dem 
Suͤdende Kaſchmirs, über den Kulnarwah Panjahl (dans 
jahl oder Panſahl, d.h. Paß in der Kafıhmir Sprache). 
Dies ift wol derfelde Weg, den V. Jacquemont wegen zu 
großer Befchwerlichkeit nicht nehmen wollte; die von G. For— 
fier (1783) von Jummo aus genommene Route feheint es jedoch) 
auch ind zu feyn (ſ. Afien I... ©. 1080). 

5. Der Ratan Panjahl erhebt fih in NEM. des Tri 
cota Devi; er erreicht zwar die ewige Schneegrenze nicht, ſteigt 
aber doch bis zu. 11,600 Fuß üb. d. M. anf. Er liegt in den 
Borketten, über den Orten Radjouri und Tanna an feinem 
Süpweitfuße; ihm gegen Welt entfließt der — * 
der an Prunch Moonch auf Al. Burnes Map) voraber in 
die PDendfchabebene zum Jilum zieht. 

6. Der Pir Panjahl Pirepenjal, ſ. Aſien IE S. 1139) 
geſondert von dem vorigen, gegen N. N. O., den Mittelketten anz 
aehörig, bildet zwifchen 73 bis 75° 0.8. v. Gr. eine enorme Maſſe 
son Schneegebirgen,, die in den feltfamiten Sinuofitäten fortzies 
ben. Diefelben Schneegebirge treten nun aber immer weiter von 
der Plaine des Pendſchab zuruͤck. Der Zilum findet in ihnen, 
durch einen engen Spalt, feinen Ausweg aus dem dahinterliegen: 
den Kaſchmirthale hindurch, und an feiner rechten Uferfeite liegen 
die Baramule:Berge, deren Paflage von der Kabulfeite ſchon 
aus früherem bekannt ift (f. oben &. 80). Durch die Kamfir 
Berge fichen fie, fagt ©. Hügel, mit den Gebirgen von 


6 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. & 1. 


Attock am Indus in Verbindung. Hinter ihnen, d. h. an ber 
Oſtſeite diefer Züge, weitet fich, zwifchen ihnen und der innerften 
Hauptfette, gegen das hohe Tübet hin, das Thal von Kaſch⸗ 
mir ans, 


3) Der Tübet Panjahl, oder die innere Hauptfette des Himalas 
Syſtems. 


Sie ſtreicht vom Paralaſa immer gegen N.W. in gleicher 
Direction fort, an der Nordoſtſeite des Kafhmirthales, | 
auf dem rechten Ufer des obern Behut (Jilum), oder Kaſch⸗ 
mirſtroms hin, und ſcheidet Mittel-Tuͤbet, oder Ladakh, und 
Klein-Tuͤbet (Baltiſtan) im Oſt, von den Kaſchmirthaͤlern 
im Weſt. Der Kiſchen Ganga iſt der letzte der Induszuſtroͤme 
der ihrer Weſtſeite entquillt, denn dann wird auch fie von dem 
obern Indusſtrome felbft durchbrochen. Die erfte, neue Benen— 
nung der ParalafarHöhen, die v. Hügels Beobachtung aufführt, 
zeigt fich in N.O. von Kifchtewar, wo die beiden höchften Puncte 
der ganzen Tüber: Kette, Mer und Ser!3), genannt werden 
(zwifchen 33° 30° und 33° 40! N. Br.); zwei Pyramiden, weiß 
und ſchwarz von Anfehn, fcheinbar einander nahe gelegen, von 
gleicher Höhe, die, von der Daßeulmination des Pir Panjahl aus 
gefehen, in unbefchreiblicher Majeftät fich Uber der weit ausgebreis 
teten Schneeregion erheben, und, nad) v. Hügels Urtheil, zwiz 
fhen Sfetledfh und Indus als die erhabenften Gipfel erfcheinen. 
Diefelden zwei Pyramiden erbliet man fehon fern aus der Ebene 
des Dendfchab bei Bizierabad, den Spalt des Chinabthales 
aufwärts, in der Direction N. 55 O. und N. 57 0., an 8 geogr, 
Meil. in S. O. des füdöftlibften Endes des obern Kaſch— 
mirthales. Auf der früherhin fehon gerühmten Map of the 
Countries north of the Sutluj, in Brewster Edinb. Journ. of Sc, 
1824 Vol. I, zu Al. Gerards Yournal, der einzigen, welche 
über diefe Gebiete fo ungemein lehrreich (f. Afien H. ©. 554, 
1073 u. a. O.)59 und mit v. Hügels Angaben zu vergleichen 
ift, find diefe Gipfelhöhen zwar angedeutet, aber namenlos geblies 
ben, und zur mächtigen Gebirgsfette des Pariyat an der Mords 
grenze des Bergftaates Chamba (f. Afien I. ©. 1077) gezogen. 





"#2) y. Hügel Notice I. c. p. 346.  ° °*) Bergl. H. Berghaus 
Geograph. Memoir zur Erklärung und Erläuterung der Special 
Karte vom Himalaya (Nr, 10. von Berghaus Atlas von Aſien). 
Gotha 1836. 4. ©. 5 Re. 5 


Indus-Syſtem, Tuͤbet Panjahl, n. v. Huͤgel. 87 


Weiter gegen N.W., nahe den obern Quellen des Jilum, doch 
ſchon auf deren rechtem Ufer, alſo an der Nordoſtgrenze des obern 
Kaſchmirthales, unter 34° M. Br., fetzt v. Huͤgels Karte, in O. 
von Islamabad, den Namen Naubuck Panjahlss) oder 
Tuͤbet Panjahl, d. i. der Naubuck-Paß, welcher von dies 
fer Stadt über die Tuͤbet-Kette nach Ladakh führt (ſicher derſelbe, 
der uns fihon unter andern Namen über Sonamerg, Valtal 
und Metayin, nah Draus aus Mir Iſſet Ullads Reife 
route befannt ift, f. Alien II. ©. 629). Es foll die hoͤchſte Paſſage 
feyn, etwa 15 geogr. Meilen (74 Miles) entfernt gelegen von der 
Stadt Kafıhmir. Auf Le Gentils Karte von Kafhmir (f. 
Afien H. ©. 1135, welche weit cher als die Bernierfehe von 1690 
es verdient hätte mit der von Murray 1834 zufammengeftellt zu 
werden) 56) ift diefer Bergfnoten unter 34° N.Br. mit dem Nur 
“men Darmoden, als Grenzberg gegen das Land Pader oder 
Pareſtan bezeichnet. Weiter in N.W. folgt, faft im Nord der 
Etadt Kafhmir, in derfelben Tuͤbet⸗-Kette, der Kandribal 
PDanjahl, oder Kandribal-Paß, der nad Iskardu (Ei 
kerdu, ſ. ob. ©. 14), alfo nah Baltiftan führt. Moch weiter in 
NW. folgt, in derfeiben Tibet: Kette, der Banderpur Pan: 
jahl, oder Banderpur-Paß, welcher über Kuihama eben- 
falls nah Iskardu führt. Die Culminationshöhe diefes Paſſes 
liegt 7 geogr. Meilen (34 Miles E.) fern von der Stadt Kafıh 
mir; von ihr erblickt das erflaunte Auge gegen N.W. wieder eine 
gigantifche Bergpyramide, die über alle andern Berge emporſteigt 
und bei den Kaſchmirern Dia mol heißt, im Tübetifchen Nanga 
Parvat genannt wird. Dies feheint die Yocalität des Cantal 
der frübern Eatholifchen Miffionare auf Le Gentils Karte zu 
feyn. An diefe Maffen ſchließen ſich weftwärts unmittelbar die 
Nunnenwara-Berge an, welche der Kifchen Ganga durch: 
firömt, und an diefe die ungehenern Ketten der früher ganz uns 
befannten Goffeie genannt, welche der Indus durchbricht, die 
nun diejenige Hochgebirssgegend des Tuͤbet Panjahl fpecielfer 
bezeichnen, wo der Himalaya fih an den Hindu Khu an: 
ſchließt. 
Das eigenthuͤmliche, ſchon oben angefuͤhrte Streichen dieſer 
verſchiednen, mehr auseinander tretenden und weſt waͤrts 





55) y. Hügel I. c. p. 347. “0 * Ba ©. Almanach 1837. den 
Freunden der Erdkunde vo. Taf. X 


88 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 8. 1. 


gekruͤmmten Gebirgszüge, bedingt jene faft reguläre, ovale Ge: 
ftaltung des weiteften und größten (f. Afien IL. S. 1084) jes 
ner Hochthäler, in welcher Bemerkung alle Beobachter uͤberein⸗ 
ſtimmen. 


4) Das Kaſchmirthal. 


Faſt von allen Seiten iſt dies ovale Thalgebiet mit Schnee— 
gebirgen umgeben (dem Pir Panjahl, den Baramule— 
Bergen, den Goſſeie, Nunnenwara und Tuͤbet Pan— 
jahl), nur auf feinem S.W. Ende, auf ein Fünftheil feiner Auss 
behnung, ift diefe Schneebegrenzung durch niedere Ketten unters 
brochen. Der Beherrfcher der Gebirgepäffe Panjahle) ift alfo _ 
auch jedesmal der Gebieter diefes Alpenthales. Che die Groß 
Moghule daffelbe eroberten, werden 7 Paßwege 7”) (Pans 
jahl) dahin aufgeführt. Kaifer Akbar vertraute dieferan erbs 
liche Bergfürften, oder Mallicks, denen er die Bergortfchaften 
übergab, mit der Verpflichtung die ihnen zugewiefenen Paͤſſe zu 
vertheidigen, und in Kriegsnöthen mit einer Anzahl Bergtruppen, 
100 bis 500 Mann, zum Faiferlihen Heere zu ftoßen. Diefe 
Mallicks find geblieben, aber bei ihrer gegenwärtigen Armuth 
würden fie außer Stande feyn ſolche Hülfe wie damals zu leis 
fen. Kaifer Akbar gab ihnen die Gerichtsbarkeit über Leben und 
od; die Patanen (d. i. die afghanifchen Herrfcher) reducirten dies 
auf das Necht, Nafen und Ohren abzufchneiden; heut zu Tage, 
unter Runjit Singh dürfen fie nur noch Gelvftrafe auferlegen. 
Die Lifte diefer Malliks vom Norden der Stadt anfangend, 
und gegen den Often und Süden zum Weften fortfchreitend, if 
folgende : 

I. Dellamwer Mallick Geherefcht den: 1) Banderpur 
PDanjapl, den nördlihften von allen über Kuihama nah 
Iskardu. 

I. Roſſul Mallid, Kandribal P., ebenfalls nach 
Iskardu; dies iſt alſo das von V. Jacquemont beſuchte 
Hochgebirgsthal. 

III. Maredwaderan Mallick, derſelbe Panjahl, welcher 
ſich aber auf der Eulminationshöhe, 10 geogr. Meilen von 
der Stadt Kafıhmir, gabelt, beifer en oͤſtliche Spalte nach La⸗ 
dakh führt, 





"#7) vw. Hügel Notice I. c. p. 47. 








Indus⸗Syſtem, Kaſchmir-Paͤſſe n. v. Hügel. 89 


IV. Naubud Nai Mallick, über 3) Naubuck Pan— 
jahl, von Islamabad (ſ. Aſien I. S. 1150) aus zu er⸗ 

ſtteigen. 

V. Shahabadka Mallick, beherrſcht den O Sagam, 
und 5) Banhall Panjahl, die beide nach Kiſchtewar 
und Jummo fuͤhren; der erſte 10 geogr. Meilen (50 Mil. 
Engl.), der zweite 9% geogr, Meilen (46 Mil. Engl.) bis zur 
höchften Culmination. 

VI. Kulnarwah Mallid, den 6) Kulmarwah Panjahl bes 
berrfchend, der nah Jummo führt, faft 11 geogr. Meilen 
(54 Mil. €) bis zar Culminationshöhe. 

VII. Schupianka Mallid, den T)-Pir Panjahl 12 
geogr. Meit. (60 Mil. E.) bis zur Culmination beherrfchend. 

Demnach find dies 7 Hauptpäffe aus jener Zeit, zu denen 
aber noch 5 andere fommen, die von neuerm Datum find; 
wie 4 Däfle gegen S.W., alle über die niedern Vorberge zum 
Thale von Prunch (Poonch) führend, die wol in die alte 
Bemburftrage einlenfen, und der 5te wohlbefannte Paß über Bas 
zamule. Sie heißen von S.O. gegen N.W.: 

8 Ningmaruf Tera Paß, nah Prund 5% geogr. Meil. 
(26 Mil. Engl.) zur größten Pashöhe. 

9) Toffemeidan Pas, nad) Prunch, Über die Toſſe-Plaine, 
gleiche Diftanz wie der vorige. 

10) Ferospur Paß, nad Prand, 53 geogr. Meilen. 

41) Baramule Daß, über Canhorn nad Prund, 103 
geogr. Meil. 52 Mil. E.). 

12) Baramule Pas, Über Mozufferabad (Tſchickri der Als 
ten) nad) Attock. Dies ift der einzige Paß, der. nicht über 
Hochgebirge, fondern durch den Ihaleinfchnitt des Indus 
binausführt. 

Diefer Das foll erft vor 80 Sahren durch die Patanen (Afghas 
nen, f. Aſien I. &.1177) gebahnt fenn, was einigen Zweifel das 
gegen aufwirft, daß Akbar von diefer Seite in Kafchmir einge 
deungen feyn foll (die Hiftoriker fagen, fo viel uns bekannt, nichts 
davon, daß er auf feinem Marfıhe, 1586 u. f., von Delhi aus, 
son jener Weftfeite eingedrungen ſey, wol aber ift ſchon in früs 
bern Zeiten von Gefechten bei Baramule die Rede; f. Aſien I. 
E. 1126, 1129— 1130). Auf jeden Fall, meint v. Hügel, 
würden die Hemmungen von jener Seite fo groß gewefen feyn, 
daß es Kaiſer Albar für unnöthig hielt, auch) in Baramule Mat: 


90 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. F. 1. 


licks oder Paßcommandanten einzuſetzen. Die beiden Paͤſſe, 
von Baramule und die von Banhall und Naubuck, ſollen ſtets 
offen zu paſſiren ſeyn. 

Alle die hoͤchſten Berge, bemerkt v. Huͤgel, die er rund um 
das Thal von Kaſchmir zu ſehen Gelegenheit hatte 168), haben 
ihre fanftere Senfung gegen N. O., und alle fleigen von der 
S. W. Seite aus tiefen Abgründen fehr fEeil empor, find 
daher an diefer Steilfeite kaum mit Pflanzen befleidet. Auf ihr 
ren Rüden und Gipfeln tragen fie aber Plainen und lange Züge, 
die nur in ſtumpfen Winkeln abfallen und mit dem reichten Bos 
den bedeckt find, der in der Michtung gegen Oſten und Norden 
eine reiche Vegetation trägt, Auf dem Tübet Panjahl, d. i. der 
Tuͤbet⸗Kette, ift nur der Unterfchied, daß hier auch auf der Kaſch— 


mirfeite, d. i. alfo gegen ©.W., zuweilen Plainen von der höchs 


fien Erhebung fich zeigen. Daß der Jilum, der Kafchmirs 
firom, von Suͤdoſt das Langenthal gegen N.W. durchziehend, 
nicht ſelbſt aus Schneebergen hervorgquillt (ſ. Quellen, Afien U. 
©. 1148), wol aber in der Direction gegen N.AB., erſt einer Ges 
gend 59) zufließt, in der fih Schneegebirge ber Schneegebirge (in 
den Goffeie und dem Hindu Khu) dem Auge des Befchauers em— 
porthürmen, mag im Kafıhmirthale ſelbſt feltfam erfcheinen, ift 
aber doch wol nur einer blos täufchenden Anficht zuzufchreiben ; 
denn der Strom wendet fih ja unterhalb des Uller Sees 9% 
gen Weft. Diefer Pag, durch welchen er feinen Weg hinauss 
findet durch das Alpenland, ift einer der fchönften der Melt, fagt 
v. Hügel. Diefer Ihaleinfohnitt ift an 1000 bis 1500 Fuß tief, 
aber Keine Spur von kuͤnſtlicher Entwäfferung ift in demfelben, 
nach der Brahmanenlegende, zu fehen (f. Afien II. ©. 1091 u. f.). 

An der Süpdfeite®) hat das Kafhmirthal fanft fich ers 
bebende Berge; die legten Abhänge des Pir Penjahl find hier 
mit der Iururidfeften Vegetation bekleidet. Das Auge hebt ſich 
ſtufenweis über die fehönften Formen und Farben der vegetativen 
Bekleidung bis zur Schneefette empor, dig mit ihren tanfend Piks 
jene überragt. Es bilden ſich auf diefer Seite mehr oder wenis 
ger weite Ihäler, in deren Mitte die Elarften Bergftröme fließen, 
welche höher auf zahlfofe Wafferfälle bilden. Hier, bemerkt der 
deutfche Beobachter, ſey eine reiche Ernte für den Zoologen und 


158) v. Hügel Notice I. c. p. 336. 52) ebend. p. 347, 
eo) etend, p. 348. 


— 





Indus-Syhſtem, Kafchmirthal n. v. Hügel, 91 


Botaniker. Hier zeigen fich die dichteften Waldungen von offes 
nen Ebenen unterbrochen. Der Wanderer findet in jenen feinen 
Baum, den je die Art berührt hat, auf diefen die Blumenteps 
piche ungefnicft vom Fuße des Wanderers. Hier in vollfommes 
ner Einſamkeit find noch Schäge der Flora aufgehäuft, die fein 
menfchliches Auge erblickte; die Stille wird nur unterbrochen durch 
die Töne der Schwarzamfel oder der Bulbul (f. Afien IV. 2. 
©. 636). Aber den Reiſenden überrafcht unter diefen Breiten, 
auf folhen Höhen, die Kälte der Lüfte. Er fieht die Suͤdabfaͤlle 
der Bergwände nackt und unbekleidetz erreicht er aber die Gipfel, 
fo find die Nordgehänge mit Blumenebenen aufwärts bis zu der 
Schneegrenze bedeckt, und abwärts ſenken ſich die reichfien Wäls 
der in die Thaͤler. 

In pittoresfer Hinficht ift v. Hügels Urtheil, dem 
wir weit mehr als dem Jacquemontſchen beizupflichten alle Urſache 
haben, das Alpenthal Kaſchmir Eeineswegs überfchägt 
worden, wol aber in politifcher und financieller Hinficht 61). 

Seine Ausdehnung, von S.O. 6.0. gegen N.W. b. W., 
betrage nicht viel über 16 geogr. Meilen (80 Miles) Länge; in 
der Breite von 2 Stunden bis 6 geogr. Meilen (30 Miles), :venn 
man nur die wirklichen Ihalebenen rechne. Denn vom ewigen 
Schnee des Pir Penjahl nordwärts bis zur Schneelinie des 
Tuͤbet Penjahl, fey allerdings eine Diftanz von 10 bis 12 
geogr. Meilen 50—60 Miles Engl.) (vergl. Alien II. ©. 1138), 
Der Uller oder Buller See ift von DO. nah) W. 6 geogr. M. 
lang, gleicht alfo an Fängerausdehrung etwa dem deutfihen Bos 


denſee. Beide genannte Ketten, mit einer zahllofen Menge 


von Piks befegt, ziehen unter fich faft parallel in der angegebes 
nen Normaldirection des Ihales. Die abfolute Höhe der Päffe 
von Bember nah Kafhmir, und wieder von der Stadt 
Kafhmir nad) Iskardo, fey etwa gleich hoc, zwifchen 
12,000 bis 13,000 Fuß Engl. Die hoͤchſte Culmination des 
Dir Penjahl it durch v. Hügel vermittelft des Siedepuncts 
auf 15,000 Fuß E. uͤb. d. M. beftimmt, und die Sage der Stadt 
Kaſchmir zu 5800 bis 5900 F.U6.d.M.; alfo gegen: 6000 Fuß, 
wobei drei verfchiedene Thermometer, welche benugt wurden, dies 
ſelben Refultate gewährten. Diefe Meflungen find von höchftem 
Intereſſe für alle fernern naturhifterifchen Betrachtungen, die bei 


°2) ebend. p. 348. 


92 Weſt-Aſien. IL Abſchnitt. 9. 1. 


näherer Kunde der Geognofle, der Flora und Fauna biefes Ges 
bietes reichen Gewinn für vergleichende Geographie verheißen. 

Aber traurig find die Mittheilungen über den gegenwärs 
tigen Zuftand der Population von Kafıhmir (1836) 
Bor 4 Jahren hatte das Land noch 800,000 Einwohner, gegens 
wärtig nicht über 200,000. Sn den 36 Pergunnahs, oder 
Diſtricten (anfänglic waren es 38; zur Mongholen Zeit 44, ſ. 
Afien U. ©. 1135), zählte man 10 Städte und 2200 Dorffchafs 
ten. Die Stadt Kafhmir hat gegenwärtig nur noch 40,000 
Einwohner (1809, nach Elphinſtones Schäsung, zur Zeit der Afs 
ohanenherrfchaft, 150,000 bis 200,000, f. Afien IL ©. 1178), | 
Chupeyan hat nur 3000, YJslamabad und Pampur jedes 
2000, Chirar hat noch 2000 Häufer, aber 150 Einwohner, 
Hricht die fchlechte Adminiftration der Seife, fondern Hungerss 
noth, welcher die Chotera folgte, drückte die Volkszahl auf ein 
Viertheil der frühern Summe herab, durch Tod und Auss 
wanderung. Der Froft, der die Reisblüthe im Lande zerflörs 
hatte, war der erfte Anfang des DVerderbens. Diele der Dotfs 
ſchaften im Sonde find gänzlicy verödet. 

Sm Yahre 1835 gab Kafıhmir Feine Nenenuen!®), da 
Munjit Singh dem Lande Erholung goͤnnte; aber im %. 1836 
forderte er fihon wieder 23 Lakhs Rupien von feinem Gouvers 
neu Mohan Sinah Tribat ein, eine Summe, welche das 
Sand unmöglich aufbringen fann. Die Imigration der Kafıhmis 
rer hat viele der Shawlmanufacturen durch das Pendſchab vers 
breitet, und Kaſchmir wird wahrfcheinlicy nie wieder die Cinfünfte 
geben, die es noch vor wenigen Jahren abwarf (f. über Shawk 
weberei in Kafchmir, Alien IE ©. 1198—1203). Nurpur, 
Ludiana und viele andere Orte bringen gegenwärtig diefe fchös 
nen Gewebe wohlfeiler zu Markte als Kafıymir, wo jedes Nah— 
rungsmittel theurer ift als im Pendfchab und Hindoftan, wozu 
noch die enormen Zölle famen, welche das Gouvernement der Fas 
brifation auferlegte, 

Brahmanen find die einzigen Hindus in Kaſchmir, feine 
der andern Gaften ift dort einheimifch gewerden; man rechnet 
ihre Zahl auf 25,000 in 2000 Familien, zu der Secte der Viſchnu 
und Siva Anbeter gehörig, in dreierlei Abtheilungen, die fich aber 
gegenfeitig verheirathen. Sie find dunfelfarbiger als die anz 


202) v. Hügel l. c. p. 349. ”* 





Indus-Syſtem, unterer Jilum-Lauf. 93 


dern Landeseinwohner, weil vor 800 Jahren eine Colonie von 
Brahmanen aus Dekan nach Kaſchmir zog, nachdem die ur— 
ſpruͤngliche Brahmanen-Racçe, durch die Mohammedaner, faſt 
ausgerottet war (ſeit dem Jahre 1015 n. Chr. Seb., f. Aſien U. 
©. 1111), 


U. Unterer Lauf des Jelum (Hydaspes) im Pendſchab⸗ 
gebiete, 


Bon Baramule bis Mozufferabad iſt uns das Ji—⸗ 
lumthal zwar duch ©. Forfters Wanderung bekannt (f. 
Afien I. S. 1179— 1180); aber von da an. ift diefer Durchs 
Bruch, füdwärts, bis heute, eine vollfommne Terra incognita für 
uns, bis in die Gegend der modernen Stadt Jelum, wo Ales 
xanders Uebergang über den Hydaspes durch die Erbauung feiner 
beiden Colonieftädte Bucephala und Nicaea verewigt ward, von 


deren Trümmern und Localitäten ſchon früher, wie von feinem 


Flottenbau aus Deodara-Stammen in diefer Gegend des Hydas— 
pes, bei feinem Austritte aus dem Berglande, die Nede war (f. 
Afien H. ©. 452— 456). Zu Pind Dadun Shan, nur we 
nig unterhalb Jelum und Selallpur, fand Al. Burnes®), aud) 
heute noch, die größten Flußfchiffe, an 100 Fuß lang, auf dem 
Selum, welche wie die Flachboote, Zohruf, auf beiden Seiten 
zugerundet gebaut find, fein Seegel aufziehen, und doch bis 500 
Maund oder Centner Salsftein aus der benachbarten Steinfalz: 
fette zu fragen im Stande find. 

Zwei Hauptpaffagen finden hier über den Hydaspes 
Statt, die oberere zu JeluméH und die untere zu Selallz 
pur. Sene obere liegt auf der großen Hauptftraße aus 
Indien nah Kabul und ran, welche aucd heute noch, wie in 
alter Zeit, die Königsftraße heißt, Diefe Stelle des Jelum 
ift zu allen Zeiten, im Monfun ausgenommen, furthbar, weil 
fih dafelöft der Selum: Strom in 5 bis 6 Arme theilt. An feis 
nem Uferthal geht Fein) Weg durch das Bergland nad) Kafch- 
mir aufwärts, wol weil es zu wild ſeyn mag; fondern 2 bis 3 
geogr. Meilen an der Oftfeite deffelben, von Jelum aufwärts, 
über Mirpur und Punch (Prunch). Aus feinem wilden Fels: 
defile bricht der Hydaspes, bei Damgully, oberhalb Jelum, hervor, 





®*) Al. Burnes Narrat. I. c. III. p. 128, °4) def, Trav. l. e. I. 
P» 56. ebend, I. P» 62. 


94 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 1, 


Hier, am Eintritt zur Ebene, fteht ein ifolirter Fels, an 60 Fuß 


Hoch, Raofa genannt; Stufen führen hinauf, oben wohnt ein 
mostemifcher Heiliger. Doch befuchte Al. Burnes diefen Fels 
nicht, obwol ex ihn aus der Ferne erblickte. Er nahm nämlic) 
feinen Weg weftwärts vom Hydaspes, an einem Eleinen Zufluffe 
deffelben aufwärts, der ſich bei Jelum in ihn mündet. An dies 
fem Zufluffe liegt, nur einen Tagemarfch von Zelum, die Feftung 
Rotas 166), höchft romantifch und Überrafchend zwifchen graulic) 
fchwarzen Felfen, mit denen weftwärts zum Indus hin ein rauz 
hes Klippenland beginnt, voll Erdfpalten und mit einem Chaos 
von Felfen befest, die fenfrecht gefchichtet in Nadelfpigen enden, 
und viel Kiefel in Sandftein eingelagert enthalten, eine der wils 
deften Sandfchaften, die zugleich dem Kaubgefindel, das fie bes 
wohnt, zum ficherften Afyie dient. Al. Burnes meint, es ſey 
ein emporgehobenes Land. Gr fand in der Fefte eine 
freundliche Aufnahme, die im Jahre 1531 von Afghanifchen Em: 
pörern, welche den Kaifer Humayun entthronten (ſ. Afien IV. 2, 
©. 623), erbaut worden war. Cie war einft fo gewaltig, daß 


fie fpäter nicht zerftört werden konnte; Kaifer Akbar errichtete - 


neben ihr ein Karamwanferai, Nur eine Tagereife weftwärts, von 
hier, liegt das Dorf Manikyalab“), welches in neuerer Zeit 
durch feinen Coloffelbau, jenes prachtvolle Maufoleum, das 
Elphinftone für eine griechifche Architectur gehalten, das neuerz 
lich durch General Ventura ausgegraben und als ein buddhis 


ftifches Grabmal, ein Daghop, anerkannt ift, die Aufmerkfams 


feit aller Antiquare auf fih gezogen hat. Al. Burnes wurde 


durch deſſen grandiofen Anblick fchon aus weiter Ferne von fechs 


Stunden (16 Mil. Engl), auf weiter, Plaine, die ihm ganz zur 
Lage einer volfreichen, großen Stadt, wie Arrian Tarila, zwi⸗ 
ſchen Indus und Hydaspes gelegen, beſchreibt, fo uͤberraſcht, daß 
er wirklich geneigt war diefe Stelle für die Lage des alten Taxila 
zu halten (vergl. Afien IV. 2. ©. 451). 

Bon der zweiten minder befuchten Furth bei Jelall— 
pur), füdwärts, zieht fich ein reicher, ſehr fruchtbarer Uferbos 
den mit fchönen grünen Wiefen, die Al. Burnes im Februar 
mähen fah, bis Pind Dadun Khan; überall zeigen ſich hier 
ſehr wohlhabende, malerifch sromantifch gelegene Dorffchaften, 





186) Al. Burnes Trav. I, c. I. p. 62. 67) ebend. J. — 
°®) ebend. I. p. 56. 5 ) ebe p. 65 — 67. 


> 





Indus-Syſtem, Jilum, Steinſalzkette. 95 


Im groͤßten Contraſte ſteht aber mit dieſem trefflich bebauten 
Ufer, weiter weſtwaͤrts, die nahe Uferkette, die ganz vegetations⸗ 
leer emporſtarrt und parallel am Strome hinabzieht, bis ſie ſich 
bei Pind Dadun Khan ploͤtzlich gegen Weſt wendet. 

Dies iſt die Salzkette 9), welche den Suͤdrand de 
etwa 800 Fuß abfolut hohen Tafellandes bildet, das mit ihre 
zu der Niederung der Pendſchabebene abfällt; deffen Gipfeihöhen 
etwa 1200 Fuß über dem Spiegel des Jilum, relativ, empors 
ſtarren, alfo an 2000 Fuß, abfolut, über dem Meeresfpiegel 
fih erheben. Die Kette der Salzberge ift über 2 Stunden 
breit; der Jelum durchbricht fie. Die Stadt Pind Dadun Khan 
liegt faum 2 Stunden von ihr entfernt. Sandſtein iftihre 
Formation; Kiefelblöde find darin an verfchiedenen Stellen 
eingelagert; die Schichtung foll fenkrecht emporftarren. Die Abs 
ftürze find daher ſehr ſteil, oft fenkrecht, nackt, vegetationsleer, 
An mehrern Stellen brechen heiße Quellen hervor; Alaun, 
Antimonium, Schwefel finden fich hier. Zumal aber ein 
rother Thon füllt die Einfenfungen und Intervallen der ganz 
zen Kette aus; er ift überall das Anzeichen von Xorfommen des 
Steinfalzes, das auch an mehrern Stellen gewonnen wird, 

Diefelbe Bergreihe ftreicht, von hier, direct gegen Nords 
weft, quer durc das Duab des Indus, bis zu deſſen Ufer bei 
Karabagh, wo Elphinftone fie beobachtete (f. 08. ©. 19); 
fie fest ‚auf dem MWeftufer des Indus (auf Altern Karten Jud 
genannt) auch noch weiter fort, bis zum Fuße der hohen Gebirge 
Sabuliftons, bis gegen den Sufid Khu (Sufeed Koh, d. i. 
den Weißenberg) Die Steinfalzfelfen bei Kara— 
bagh 79, wo fie in meift rothen, cryſtalliniſchen, feltfamen Maſ— 
fen bis 100 Fuß über dem Indusſpiegel emporfleigen, und an 
ihrem Fuße incruftirende Salzquellen ausfchütten, bieten mit den 
en ihnen emporgebauten Wohnungen der Stadt, und den in 
Salsfteinfels gebahnten Straßen, ein um fo merfwürbdigeres Schaus 
fpiel dar, da der füße Strom des ganz flaren Indus die Mitte 
diefer Salzketten durchbricht. Große Steinbruͤche geben hier 
gewaltige Blöcke von Steinfalz, die in Maffen aufgehauft von 
bier zu Schiffe weiter verladen werden. 

Bei Pind Dadun Khan, fand Al. Burnes, in einer 


“°) Al. Burnes Tray. 1. c. I, p. 50—55. 0) Elphinstone Acc. 
l. c. p. 36 — 37. 


96 Weſt-Aſien. J. Abfchnitt. $. 1, 


der dortigen Steinfalzaruben an hundert Arbeiter, die eben fo 
erfiaunt waren die Europäergefellfchaft zu fehen, mie diefe die 
Pracht der Grubenwände des crnftallinifchen Steinſalzes. Die 
Armen, Greife, Weiber und Kinder, fchleppten die Salzftücde 
aus den finftern Gruben hervor; fie wurden jeder mit einer Aus 
pie befchenft, die fie fonft nur erft muͤhſam einmal verdienen, 
wenn fie 2000 Pfund Salz hervorgeholt haben. Nur 2 Stuns 
den entfernt von Pind Dadun Khan liegt, bei dem Dorfe 
Keora, die Hauptgrube, Sie befindet fih nahe an der Außens 
feite der Kette, in einem Ihale, das ein Salzwafferfluß durchſetzt. 
Sie dringt in das rothe Thongeftein etwa 200 Fuß von der Bas 
‘fig ein; der Stollen ift eng, 350 Schritt (Yard) lang und fenft 
fih an 50 Schritt nad) dem Innern zu. Dann tritt man in 
eine Höhle von irregulairen Dimenfionen, an 100 Fuß hoc, ganz 
aus Salz gehauen. Die Schichten find ungemein regulär, ganz 
fenfrecht ftehend, nur einige unter Winfeln von 20 bis 30 Grad, 
wo fie das Anfehn von übereinander liegenden Backſteinen haben. 
Keine der Sagen ift über 1 bis 14 Schuh mächtig, und jedwede 
von der andern durch eine ein Achtel Zoll dicke Ihonfchicht, gleich 
einem Mörtel gefchieden. Das Salz ijt meift dicht, roth, von 
allen Schattirungen, nimmt aber wenn es geftoßen die weiße 
Farbe an. Scechsfeitige Ernfialle finden fich darunter. Die Lufts 
temperatur im Freien ftand auf 14° 22° Reaum. (64° Fahıh.), 
die Temperatur der Grube übertraf diefe um 20°, ftieg alfo 
bis auf 23° 11’ Reaum. (84° Fahıh.). Aber in der heißen Som: 
merzeit follen die Gruben weit kaͤlter ſeyn; gewiß aber, bemerkt 
Al. Burnes, ändern fie ihre Temperatur nur wenig, und es 
iſt dieſer Wechſel nur ſcheinbar wegen des Gontraftes mit der 
Außern Luft. Auch hier zeigte fich Feine Spur von Feuchtigkeit 
in der Grube, wie dies auch in andern, z. B. denen des Salze _ 
burgerlandes bekannt if. Das Steinfalz ift hart und fplitte 
rig; nie wird mit Pulver gefprengt. Zwei Monate in der naffen 
Sahreszeit werden die Gruben gar nicht bearbeitet, weil dann 
leicht Maſſen einftürzen. Die Salzarbeiter leben in den benachs 
barten Gebirgsdörfern, und haben ein fehr ungefundes Ausfehen. 
Erft für 20 Maund Salz erhalten fie 1 Rupie Lohn. So viel 
fönnen etwa Mann, Frau und zwei Kinder in zwei Tagen ver: 
dienen. Hier, nahe der Oberfläche, haut man das Steinfal; in 
Dlöde von 4 Maunds; 2 davon machen eine Kameelladung. 
Das Salz zerbröckelt fich Teicht. "Es wird durch ganz Indien ver 





Indus-Spftem, Jilum, Steinſalzkette. 97 


führt und ſehr hochgeſchaͤtzt, zu officinellem, medicinellem Ger 
brauche. Rein iſt es aber keineswegs; wahrſcheinlich iſt ihm 
Magneſia beigemiſcht; daher es nicht zum Einpoͤkeln verbraucht 
werden fann. Die Gruben find wol unerfchöpflih zu nennen; 
täglid werden 2500 Lahore Maund (1 M. = 100 Pfund 
Engl.), alfo jährlich 800,000 Maund gewonnen. Vor einigen 
Jahren verkaufte man das Salz; an der Grube, 1 Maund = 2 
Rupies, und hatte dann noch den Zoll zu zahlen. Die Gruben 
find Monopol des Seikh-Gouvernements. Nunjit Singh 
hoffte die jährlichen Einkünfte derfelben noch auf 16 Lakh Rupien 
zu fteigern, und den Zoll bis zu 23 Lakh Rupien Unkoften. Der 
Ertrag ift alfo ungeheuer, an 1100 Procent, obwol das Salz nur 
für A des Preifes von dem in Bengalen verkauft wird, wo 1 
Maund (von 80 Pfund) an 5 Nupies Foftet. Diefes Pend: 
hab Salz wird auf dem Zilum nah Multan und Bhas 
wulpur ausgeführt, wo ihm dasjenige aus deu Sambur— 
See (f. Afien IV.1. S. 907) begegnet. Auch wird es zum Yas 
muna und nah Kafhmir verführt, aber nicht auf das Weſt— 
ufer des Indus. Alle andern Salzausbeuten hat Runjit Singh 
in feinen Staaten verboten, und diefe Gruben fehr theuer vers 
pachtet, an einen Tyrannen, der die Arbeiter furchtbar drückt. 
Die Gruben mögen fehon fehr frühzeitig bekannt feyn, da Indus 
und Jilum fie offen legten. Auch die Kaifer, von Hindoftan. bes 
nugten fie ſchon, aber Sultan Baber fpricht von ihnen. in feis 
nen Memoiren nicht. 

Die Stadt Pind Dadun Khan hat, nah A. Bur— 
nes, 6000 Einwohner, ift eine Kreishauptftadt, und .befteht aus 
einigen kleinern Orten; ihre Häufer find aus duftenden Cederholzs 
balfen (Pinus Deodara) gezimmert, die ihnen aus den benachbarz 
ten Himalayathälern zugeflößt werden. Die Ebene um die Stadt 
ift ungemein fruchtbar, was um fo erfreulicher “ff, da der Boden 
vom hinab Bis hierher fehr öde und wenig bebaut erfcheint, eine 
faft wafferfofe Wuͤſte, nur für Schaafhirten bewohnbar, in der 
man das Waſſer erſt bei einer Tiefe von 65 Fuß Unter der Obers 
fläche findet. Im Monat Februar zeigte ſich die Breite beis 
der Flüffe Chinas und Jilum gleich, obwol der letztere im 
‚Übrigen Theile des Jahres ein Eleineres Wafler ift als der Chi- 
nab. Die Bewohner diefer Stromufer exinnerten den Reiſenden 
an Arrians Befchreibung, indem er von ihnen fagt; fie find 

Ritter Erdkunde VII. G 





8 RBEfte After. I. Abſchnitt. $ 1. 


ſtark gebant, mit großen Gliedern und länger als die andern 
Aſſaten. Ihre häufigen Augenkrankheiten ſchreibt man den vie⸗ 
len nitroſen Theilchen des Bodens der Flußufer zu. 

Weiter abwärts iſt der Jih um, obwol er ſchon von Alexan⸗ 
vers Flotte beſchifft wurde, doch fuͤr die Europaͤiſche Beobachtung 
unbekannt geblieben, und Nur an feiner Einmündung zum Chi⸗ 
maß, wo Andaspes und Acefines fich vereinen, auf einer Seitens 
excurſion von Al. Burnes gefehen worden, an der Fahre zu‘ 
Trimoo, von ver A früher die Rede war (f. ob. ©. 33). 


———— Die bubbbififchen Dagops von Manikyala 
und Belurz Ausgrabung, Antiquitäten, Münzenreihs 
them. Etymologie der Namen; Beftimmung und Ers 
.bauung dieſer ——— (Zoped, vom Sanskrit Wort 
Stupa). 

Durch die Mitte des Duab, zwiſchen dem obern Jilum und ba 
zieht die Kabulftraße von der Furth bei Jilum über die Fefte Ro⸗— 
tas (f. ob, ©. 94) in das Klippenland, und führt in zmei Tagemaͤr⸗ 
ſchen ͤber Manikyala nach der Stadt Rawil Pindi171)3 von 
dieſer aber wieder in 6 Stunden Weges durch ein Berg- Defile Marc. 
gulla, genannt, und, aus biefem erft geht die Straße weiter bis nach 
Attock. Rawil Pindi liegt etwa in der Mitte diefer Wegſtrecke, 
am obern Laufe des Swan, eines Bergmwaffers zum Indus; es ift eine 
angenehme Stadt, von welcher man die im Februar noch mit Schnee 
bebeckten nördlichen Berge, fhon in einer Nähe von etwa 5 Stunden’ 
ſich erheben fieht. Aus diefen Bergen bradjte man dem’britifchen Rei— 
fenden Schwefel, und nannte eine dort gelegene Stadt Poremwalla, 
in der Al. Burnes nod eine Spur von ber einftigen Herrfchaft des 
Porus zu finden meinte (ſ. Aſien 1IY. 1. ©.453). Yon dem Engpaffe: 
des Margulla Defiles, der als Pflafterweg über niedere Berge 
durch einen der. indiſchen Kaifer gebahnt ift, deſſen Ruhm auch eine pers; 
ſiſche Felsinſchrift verherrlicht, erblidt man ſchon die Gebirgsketten jene; 
feit des Indus. Den Ausgang des Defiles bildet wieder ein gehauener r 
Felsweg, von etwa einer Stunde Länge, eine Brüde führt über ein, 
Bergmwafler zu einem Karawanſerai, alles erfreuliche Werke aͤlterer Zeit, 
zur Wohlfahrt des Landes und ber Reiſenden angelcgt, wovon man a 
neuerer Zeit durch das ganze Pendſchab keine Spur rn ' 
2 Stunden vom Karamanferai gegen W. fließt der Osma ach 
zum Indus, durch eine Ebene, am Ausgange eines Thals, dicht Fuß 
benachbarter Berge, die vom trefflich bewaͤſſerten Wieſen umgeben find. 


—— B 


»*3) Al. Burses Trav. Vol, I. p. 68 — 71. 4 












Indus-Syſtem, der Tope von Manikyala. 99 


Einige der Zünftlich gezogenen Candle treiben Mühlen, und im Thale 
aufwärts erhebt ſich zwifchen ſchoͤnen Gartenpflanzungen dag Fort 
Khanpur, und über diefen fteigen fchneebededte Pits empor. Der 
Ort Osman liegt in diefem Thale faft zwei Stunden aufwärts von 
ber großen Königsftraße entfernt; aber ex ift merkwürdig durch 
das ihm nahe Belur- Monument, weldes Al, Burnes hier ent: 
deckt, beſucht und befchrieben hat, Südmweftwärts von diefer Kocalität 
nur 2 Stunden fern, breitet ſich, zwifchen Felsälippen, gegen den Indus 
hin ein Thal aus, Husn Abdall’?) genannt, in welchem einft ein 
Prachtgarten der indiichen Kaifer lag, der gegenwärtig aber ganz vers 


wuͤſtet iſt. Die Gebäude find zertrümmert, die Blumenparterre übers 


wuchert, doch waren die Teiche noch mit Fifchen befebt, als At. Burnes 
hier vorüberzog, und über hundert Fontainen fprudelten noch ihr Waffer 
hervor, Ein Zhalfpalt, Drumtur genannt, öffnet fi hier gegen 
Nord und läßt die Schneegipfel der hohen Pukhli-Kette durchblicken, ein 
Weg foll hindurhführen nah Kafchmir hin. 

An merkwürdigen Denkmalen der Vorzeit fehlt es in diefem Länders 
gebiete, das bisher fo wenig durchforfcht ward, alfo keineswegs, wenn 
es nur genauer auch zu beiden Seiten der Koͤnigsſtraße unterſucht waͤre; 
aber die auffallendften bis jest erforichten, und kaum erft entdeckten, 
find unftreitig die beiden fogenannten TZope’s von Manikyala und 
von Belur, welde die erften beiden hohen Pylone am indi— 
hen DOfteingange einer ganzen Reihe von analogen, coloffas 
len Monlumenten bilden, die das Hochland von Kabuliftan bis Bas 
myan und Bactrien hinauffteigen, und feit kurzem durch ihren räthfels 
haften Inhalt die volle Aufmerkfamkeit der Antiquare in Indien wie in 
Europa mit Recht auf ſich gezogen haben. 

Der Zope (Stupa) von Manityala”’?) (Afien IV. 1. S. 451). 
Zuerft Hat M. Elphinftone dieſes Denkmal entdeckt, als er, auf fei- 


ner Rüdreife von Kabul nad) Bengalen begrifien, das Pendſchab von 


Rawil Pinde nach der Zefte Rotas (1810) durchzog. In der Mitte 
zwifchen beiden Ortfchaften, in derfelben Gegend, in welche Captain 
MWilfords Hnpothefe die Lage des alten Taxila verfeht hatte, wurde 
Halt gemacht, obwol damals die gewaltigen Regengüffe die Unterfuhung 
der dortigen Landfchaft fehr erfchwerten. In einem Umkreiſe von etwa 
16 Stunden Weges, fagt Elphinftone, erblicdte man dort die Rui— 
nen mehrerer Städte der Guders, welche von ihren Feinden, den Sikhs, 
zerfiört waren; auch die Trümmer noch älterer Ortſchaſten, die einft 
daſſelbe Schickſal durch die Mufelmänner getroffen hatte. Noch wurden 
einige Karamanferais bemerkt, denen man die Namen Rabauls beir 


72) Al. Burnes Trav. l. ec. Vol. I. p. 73. ’s) M. Elipbinstone 
Account of Caubul p. 78— 80, nebjt Tabula Tope of Maunikyaula, 


G 2 


100 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 51. 


legte, und ein einzeln ſtehender Obelisk, ein Stein, 50 bis 60 Fuß 
hoch zu Ravi, doch zu fern abſtehend, um ihn aufſuchen zu koͤnnen. 
Aber folhe Trümmer wurden nicht aufgefunden, wilche die. Hypothefe 
von der Lage einer Stadt, wie Tarila, in diefer Gegend hätten beftätis 
gen können, Da ward endlich ein merkwuͤrdiges Gebäude aus der Ferne 
erblickt, wol. das merkwuͤrdigſte aller auf der ganzen Reife, das anfaͤng⸗ 
lich ein aewölbter Dom zu feyn fhien, in größerer Nähe ſich aber als 
ein folides Mauerwerk erwieß, das auf einem Hügel fich erhebt. 
Bon dem obern Boden des Hügels bis zur Spise der Gupola maß es 
70 Buß ſenkrechte Höhe, und der Umkreis 150 Schritt; aus fehr gros 
gen, barten Quadern eines Materials ward es erbaut, deſſen Geftein in 
der Nähe anfteht, und viel vegetabile Verſteinerungen zu enthalten pflegt, 
fo wie aus Eleinern Baufteinen von Sandftein. Die ganze Außenfeite 
fhien mit alatt behauenen Tafeln jener erften Gefteinsart bekleidet ges 
wefen zu ſeyn, das ganze war jebod entweder nicht rundum vollendet 


worden, oder wahrfcheinlicher durch Zerftörung theilweife wieder feiner _ 


Befleidung beraubt, fo daß dafeldfi nur der Mauerkern zu Zage fland, 
wie dies auch an den meijten dee römifchen Grabmale an ber Via Appia 
in dem antiken Nom der Fall ift. Der Plan des Baues zeigte fich fehe 
einfach; breite, jest meift zerfrümmerte Stufen führten hinauf zur une 
terften Bafis der rundumlaufenden Mauer, von 8 Fuß fenkrechter Höhe, 
die nach oben mit einer vorfpringenden Corniſche endet, und mit 4 Fuß 
hohen, 6 Fuß weit auseinander ftehenden, Pilafiern mit flachen Gapitäs 
fern, ornamentirt ift, Leber der Cornifche tritt der Bau um 1 bis 2 
Fuß zurüd, und in aleiher Höhe mit den zugehörigen Gliedern erhebt 
fich, ald zweite Etage wiederholt eine ſolche ſenkrechte Mauer, doch 
ohne Pilafterverzierungen, und erſt über diefer beginnt der mächtige Sphaͤ⸗ 
roidalbau glei) einer Cupola, aus Quaderfteinen, die bis 34 Fuß lang 
und 12 Fuß breit find, aber nur die fürzern Enden nad) außen kehren, 
jedod durch Feine Gemwölbeonftruction zufammen gehalten find, fondern 
auf dem innern Mauerkern aufliegen, Der oberfte Theil. der fphäris 
Then Cupola ift wieder flach, und trägt Spuren von Mauerwerk, bie 
eine Art Plattform von 11 Fuß Länge und 5 Fuß Breite übrig Laffen, 
davon aber ein Drittheil des Raums durdy eine Quermauer abgefchnits 
ten iſt. Da keine Spur, wie man damals meinte, von indifher Ars 
chitectur an diefem Werke wahrzunehmen war, fo wurde es von ben 
meiften der britifchen Reifenden als ein Bau der Griedhen angefpro= 
hen, da man nur ausgezeichneten Künftlern und Zeinen einheimifchen Are 
Sitecten ſolche vollendete Arbeit zumuthen konnte. Die Anwohner des 
naͤchſten Dorfes nannten den Bau Tope Manikyala. Niemand 
wußte über beide Benennungen Auffchlug zu geben. Die von EI= 
phinftone mitgetheitte Zeichnung mußte das hödjfte Intereffe für die- 
ſes Denkmal erregen, aber Erin Europäer hat «8 ſeitdem näher unters 





Indus-Syſtem, der Tope von Manikyala. 101 


ſucht, bis General Ventura beffen Ausgrabung im Jahre 1830 un: 
ternahm. 

Dieſer Offtcier ber Seikhs⸗Armee campirte gluͤcklicher Weiſe im 
Fruͤhling des genannnten Jahres, in der Naͤhe von Manikyala, eine 
laͤngere Zeit, und konnte, unterftügt durch die Vortheile, die feine Stel— 
lung ihm darbot, die Ausgrabung dieſes coloſſalen Gebäudes unterneh— 
men, welche mit der Unterſuchung des Innern der Agaptifchen Pyrami⸗ 
den verglichen werden Tann, und ohne die Ednigliche Macht, die er als 
Seikhs General genoß, nit zu Stande gefommen ſeyn würde. Das 
Ergebniß feiner Unterfuhung 22) übertich er der Societät in Galcutta, 
durch deren Secretair, J. Prinfep, wir die genauefte Berichterftats 
tung 76) über diefelbe mitgetheilt erhalten. 

Der erfte Verſuch dee Ausgrabung gefhahe am 27. Aprit-1830, 
am Fuß der Gupola, an der Suͤdſeite, wo cber die loſen Trümmer bie 
Arbeit nicht belohnten. Am folgenden Tage fing man auf der Höhe 
der Gupola felbft an, um. nad) der Tiefe zu fortzugraden, Die Quas 
dern der Cupola wurden abgedeckt, und ſchon bei einer Tiefe von 3 Fuß 
fand man die erfien 6 Münzen, Am 1. Mai, 12 Zuß tiefer, ſtieß 
man auf ein vierfeitiges, gut erhaltenes Mauerwerk, in defjen Mitte wie— 
ber eine Münze gefunden ‚wurde; am 6. Mai, in 20 Buß Ziefe, 1 
Silber: und 6 Kupfermüngen, Am 8. Mai, kamen die Handlanger 
auf eine metallene (ob eiferne oder Tupferne 2) Buͤchſe, die aber durch 
die Haden zertrümmert wurde, Darin befand ſich eine zweite, Eleinere 
Büchfe von reinem Golde, mit ornamentiriem Dedet?*), in defjen Mitte 
ein Opal, oder Tabaſcher (fr Afien IV. 2. ©. 366) 5 in der Buͤchſe lag 
eine Goldmünze, auf der ein Königskopf mit Geepter und unlefers 
licher griehtfher Infgrift. Außerdem fand fih darin noch ein 
. Boldring mit einem Sapphir und Pehlviinſchrift, mehrere Saffas 
nidifche Münzen von Silber, und andere mit Nagari, bi. 
mit dem Sanskrit, Inſchriften. Bei noch größerer Tiefe von 45 Fuß 
mwurbe, am 95. Mai, eine zweite Kupferbücdfe gefunden, mit 
allerlei Kleinen Gegenftänden, wie Cylinder von reinem Golde, Eryftalle 
Beet biste 

174) General Ventura Letter on Excavalions at Manikyala in Calc. 

Pap., daraus in Asiat. Journ. New Ser. 1831. Vol. IV. p. 158 bis 


161, Vol. IX. 1832. p. 364; vergl. H. H. Wilson Essay on Ind. 
Med. in Asiat. Res. Vol. XVII. p. 601 etc. Alu Burnes Trav. 1. c. 
Vol. I. p. 68 — 67. 75) Jam, Prinsep on the Coins anı Reties 
discovered by M. Le Chevalier Ventura, General, in the Vope of 
Manikyala. Mars 20. 1834. in Journ. of tlıe Asiatie Soe. ol Ben- 
gal. Caleutta 1834. 8. Nr. 31. ed Prinsep Vol. Ill. p. 324 — 320; 
vergl. K. O. Müller Rec. in Götting. Gel, Anz. 1835. Nr. 177. 
S. 1762 — 1783. 76) ebend. Vol. I. ſ. bie Abbildungen diefer 
Etgenftände Tab. XXI Relics found in the Tope of Manikyala, 
first discovery. 


102 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt: 8. 1. 


tropfen u. a. m.; bei 64 Fuß Tiefe, ein Kupferring und eine Kowrie⸗ 


mufdjel (Cypraea moneta), noch tiefer ein eiferner Ring, Saffanidens 


müngen, bis endlich am legten Zage des Mai eine fehr große Stein⸗ 
tafel den Beſchluß in der Ziefe zu machen ſchien. Als man diefe aufs 
bob, zeigte fich in einer Art gemauertem Steinbaffin eine bermetifch 
verſchloſſene Kupferbüdfe, die mit einer braunen Flüffigkeit 
gefüllt war. Im diefer lag eine Bronze Büchfe!??), wie neu ges 
drechfelt, mit einem pyramidalen Knopf und einer wohl erhaltenen Nas 
gari-Inſchrift im punctirten mit Bunzen eingefchlagenen Buchſta— 
ben, melde im Kreife umlaufen, die mol bei fortgefegten Gtubien wers 
den entziffert werden koͤnnen. Im dieſer Bücdyfe fand man 5 Kupfer- 
münzen, mit den Königsnamen Kanerfos und Kadphyſes oder 
Mokadphyſes in griehifher Schrift, mit Köpfen und Attri- 
buten in indo-ſcythiſchen Styl, trefflich erhalten. Im Innern 
des Bronze» Eylinders fand fi noch eine Goldbuͤchſe in Cylinder⸗ 
Form, 4 Zoll lang, ganz einfach wie eine Nadelbuͤchſe geftaltet, 14 Zoll 
im Durchmeſſer, mit einer. braunen Flüffigkeit gefüllt und mit Eleinen 
Fragmenten, die man für zerbrodyenen Amber hielt, nebft einer Eleinen 
Golvmünze mit einem Königskopfe und der Umſchrift, die fih auf Kos 
rano endet. 

Der merkwürdigfte Fund ſchien babei ein Silberdiscus zu fen, 
mit einer Nagari Infhrift in antiker Schreibart, die ſchwer zu 
entziffern, in welcher man aber den Schlüffel des ganzen Myfteriums 
zu vermuthen mandje Urſache zu haben glaubte. Am 8 Juni war 
endlich die Eingrabung des Zundaments bis zum Erdgrunde vorgebruns 
gen; do ging man noch 20 Fuß tiefer, ohne meitern Erfolg. Die 
eintretende Regenzeit hinderte die weitere Erforfchung. 

In der Mitte diefes mächtigen Rundbaues hatte man demnady eine 
Art vieredigten Thurmes, oder Brunnens, nach der Tiefe ausgegraben, 
bis zu der tiefften, Kleinen Kammer unter der gewaltigen Steinplatte, 
In den obern Räumen hatte man mehrere Metallbüchfen mit den Golds 
und Silbermuͤnzen Indoſcythiſcher Fürften gefunden, und darunter eine 
große Silbermünge von rohem Gepräge Saffanidifher Herkunft, Der 
bebeutendfte Fund ward erft in der unterften Gteinfammer, in der 
Art Scepulcralcelle gewonnen, in welder alles vorzüglich erhalten 
war, und eine große Menge Kupfermünzen derfelben Dynaftie, wie die 
frühern, aber unfenntlier, umher zerfireut Tagen, einige 40 Stüd. 
Bald nach diefer Ausgrabung befuhte Al. Burnes biefelbe Kuine ?®), 
und fand zu feiner Ueberrafhung dafelbft noch andere 70 Kupfermüns 
gen in den umberliegenden Schuttmaffen, und zwei ſehr werthuolle An⸗ 


— — — 


ebend. Tab. XXII. Relics found in the Tope Munikgpl prin- 
&pal deposit. ”®) AL. Rurnes Trav,. I, p. 66. 


— 





Indus» Syftem, der Tope von Manikyala. 103 


ticaglien von fchönfter- Arbeit, nämlich einen grotesken Kopf mit langen 
Ohren aus einem Rubin gefchnitten, und eine weibliche Figur, ſehr gras 
eidg, in einem Mantel gehüllt, die eine Blume hält, in einen Garneol 
meifterhaft gearbeitet, Leider gingen ihm beide Stuͤcke auf der Weiters 
RER U EN TE Ten :ar So Ah 

Nach U. Eourt??), der diefer Ausgrabung beimohnte und. no 
weitere Unterſuchungen in derſelben Umgebung anftellte,..liegt ein Dorf 


des Namens Manikyala in der Nähe diefes Denkmals auf den Ruis 


nın einer antiken Stadt, die aber noch nicht näher ‚bekannt ift, , Die ges 
nannte Gupola hatte nad) feiner Mefjung 80 Fuß Höhe und 310 bie 


320 $uß in Umfang; fie ragt ſchon aus weiter Ferne in der. Gegend 


hervor. Ihre Quaderſteine find durch Cement verbunden; die dußere 


Bekleidung iſt Sandftein, die innern Bruchſteine find Sandftein, Granit, 


vorzüglich aber Muſchelkalkſtein. Die nördliche Seite iſt fo fehr zers 
fiört, daß man leicht zu dem Gebäude hinauffteigen kann, bis zum 
Gipfel, was früher nicht gut moͤglich war, da Feine Treppe hinaufführte, 
Die Architectur fcheint fonft nichts ausgezeichnetes zu haben, die Gapis 
täler der Eleinen Pilafter waren einft mit Widderkoͤpfen ornamentirtz jegt 
find fie. alle zerſtört. Aehnliche Ornamente fand U, Court an, einem 
Wafierbaffin, das auf dem Wege zwifchen Bember und Gerai Saidabad 
ficy befindet. Solche Cupolen, ganz diefer analog, bemerkt derfelbe 
Forſcher, finden fih im Diftrict Rawel Pindi mehrere, aber auch 
jenfeit des Indus, in Peſchawer, in den Khyberbergen Afgbas 
niftans, zu Sellallabad, zu Lagman, zu Kabul und jelbft 

noch bis Bamyan, die insgefammt, was ſehr merfwürdig, entlang 
der großen, alten Königsftraße,von Hindoftan durch Ka— 
buliftan nad) Perfia und Bactriana liegen. Die meiften an fchwer 
zu burchfegenden Paffagen, oder an militairifch wichtigen Pofttionen, oder 


laͤngs den Rüden gerwiffer Hügelreihen, die das niedrigere Land umher 


bominiren, 
Wie wenig Aufmerkfamkeit zuvor auf diefe Gegenftände —— 


war, ergiebt ſich daraus, daß A. Court allein innerhalb der Ruinen 


zunachſt um Manikyala, noch die Reſte von 15 andern Cupolen die⸗ 
‚fer Art entdeckte, von denen er viele geöffnet hat, und daß die Zahl der 


auf der Weftfeite des Indus aufgefundenen Monumente dieſer Art, 
‚bie früher gaͤnzlich unbefannt geblieben, gegenwärtig fchon über 
100 beträgt, Wir bleiben für jegt nur bei diefen Topes, die an ber 
Dftfeite des Indus liegen, im Pendſchab ftehen. 
Die Eupolen der Manityala= Gruppe liegen meiſt auf dem 
22) A, Conrt Further Informations on the Topes of Manikyala’ in 
Jonrn. of tbe Asiat. Soc. of Hengek Calcutta 1834, 8, os Prinsep 
Vol. Ill, p. 556 — 576. r 


104 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 1. 


Rüden ber Sanpdfteinketten, die bort aus bem Boden häuffg 
Kervortreten, Die Nuinen einer antiten Stadt um dieſe Denkmale find, 
nad) A. Courts Unterfuchungen, ungemein weit verbreitet !*0). Ue⸗ 
berall zeigen fich große Ummallungen, beim Graben maffive Mauern, 
eine Menge Brunnen, die gegenwärtig alle verfchüttet find. Alle Höhen 
tragen Spuren folder Topes, die mit ihren quabdratifchen Seiten jes 
desmal nach den Weltgegenden orientirt find. Den ganzen Ums, 
fang diefer Stabtruinen nahm ein Plateau ein, das von den Regengüfs 
fen tief durchriffen und zerftört worden ift, nur Schutthoͤhen, Einoͤden 
trägt, mit Dornbüfchen befegt ift, und Patwar heißt. Von hier bie 
zu den Ruinen von Zammiak (16 Kros fern) ift das ganze Land mit 
Zrümmern alter Bauwerke bebedtz dort hätten einft trefflihe Mauls 
beers und andere Obſtbaͤume geftanden, und vieles andere, erzählt die 
Volksſaze von diefer Gegend, Die genauern Localitäten gibt A. Court 
fo an: Manikyala liege 40 Kuror O. S. O. von der Feftung Attodz 
34 K. in NW. der Stadt Silim, Die Ruinen der Stadt Ramma 
(ob Sita Ramas Stadt?) Tiegen in S.W. von Manikyala. Die von 
Parvata (die den Pandavas zugefchrieben wird) 12 K. in N. von 
Manityala, Die S.uinen von Dangeli 14 K. in D. von Manikyala. 
Diefes Dangeli foll unter den Guders ( Gheder3), deren Chef hier 
feine Refidenz hatte, fehr blähend gewefen feyn, Auch Makkhyala 
bei Rotas, Benda und Tamial, bei Ramil Pindi, werden als ehes 
malige Guderftädte genannt. Diefe Gegend muß alfo einft ungemein 
bevölkert gervefen feyn, und es mag noch fchwierig bleiben mit Critik zu 
fondern was zufammengehört, was getrennt war. Ganz deutlich wird 
die Natur diefer Denkmale nur erft durch die Rartenaufnahme der 
Gegend werden, welche U. Court zu Stande gebradht, aber noch nicht 
veröffentlicht hat. Auf dieſer Karte hat er unter Nr. 2, in R.RD,, 
einen Kanonenfhuß von Manikyala, einen Zope bezeichnet, der Müns 
zen mit lateiniſchen Infriften, mit Griehifhen, Sanskriti— 
Then und Griechiſch-ſcytiſchen Typen gab. Der deckende Stein 
der Urt Sepulcralcehle, die ſich in demfelben vorfand, war gang 
mit Inferiptionen einer noch andersartigen, ganz unbekannten 
Schrift bedeckt. Die Cupola dieſes Zope war 60 bis 70 Fuß hoch, 
aber durch Zerſtoͤrung ganz formlos geworden. Die Ausgrabung deſſel⸗ 
ben begann A. Court ebenfalls, von der Höhe nad) der Tiefe fortge⸗ 
hend. Sie war ſehr muͤhſam, wegen der enormen Steinbloͤcke des 
Mauerwerks, die fortgeſchafft werden mußten. Bei 3 Zug Tiefe fand 
er 4 Kupfermuͤnzen; bei 10 Fuß Tiefe kam er zu einer vierſeitigen Um⸗ 
mauerung, deren Seitenbekleidungen mit Inſcriptionen bedeckt was 
zen. In der Mitte derſelben ſtand eine ⸗——* und um dieſe her 





18°) A. Court I. c. II p: 561. 


- 





E 


! 


Indus-⸗-Shſtem, Manikhyala, Muͤnzſchaͤtze. 105 


waren 7 Kupfermuͤnzen gelegt, die ſehr unleſerlich geworden. Die Urne 
war in weißes Leinenzeug gehuͤllt, das aber vermodert ſogleich abfiel. 
Darin fand ſich eine Silberurne, und der Raum, der fie umgab, 
war mit einer Amber⸗Erde (?) gefüllt, noch feucht, aber ohne Ges- 
ruch. Im diefem Silbergefaͤße fand eine weit kleinere Goldurne 
und 7 Silbermüngzen mit lateinifher Schrift lagen in der 
braunen Maffe umher, im Innern der Urne aber fanden fi) 2 Edel⸗ 
feine, 4 verwitterte zu Ohrringen durchbohrte Perlen, und 4 Goldmüns 
zen mit Griechiſch-Scythiſchen und Griechiſch-Indiſchen 
Typen und Legenden, mit denfelben Monogrammen (S, S drei⸗ ober 
vierzadige Gabeln), wie fie auf faft allen dort in neuerer Zeit gefun⸗ 
denen Münzen diefer Claſſe fi zeigten. Diefe und andere Münzen, 
berfelben Art, und denfelben Dynaftien angehörig, finden fi, nah U, 
Courts erft feit dem Jahre 1829 vielfach angeftellten Sammlungen ®1) 


in vorzüglicher Zahl in der Gegend um Manityalaz aber auch zw 


Silum, zu Pind Dadun Khan (vergl, Afien IV. 2. ©, 454), zu 
KilliDaulle, Rawil Pindi u. a. O., wo fie jährlich in früherer 
Beit in großer Menge zu Kupfergefchirr verfchmolgen worden was 
zen, feitdem erfi ihre Käufer findend, aufbewahrt wurden. Wie viele 
Hunderttaufende mögen vorher ſchon eingefchmolzen feyn. Die Gold⸗ 
und Silbermünzen find aus gleichem Grunde nur fparfamer zu has 
benz; denn auch von ihnen find hier überall viele Schäge vergraben, 
Die hemifhe Unterfuhung °*) der braunen Flüffigkeit in den Mes 
tallbuͤchſen zeigte, daß fie aus einer vegetabilen Maffe und aus Kiefelerde 
befiehe, darunter ſich gelbe Glasfplitter fanden, was zur irrigen Vors 
fiellung von zerftoßenen Amber geführt hatte, Vieleicht, daß es ges 
weihte, magiſche Kräuter waren, mit denen man, wie mit edeln Steinen 
oder Kiefelarten und Glas, den Raum der Bühfen füllte, 
Die Münzen haben insbefondere den Scharffinn der Antiguare 
befchäftigt, um auf die Erbauer diefer Monumente, und auf 
ihre Chronologie, die biöher beide ganz im Dunkeln lagen, zuruͤck⸗ 
zuſchließen. 
Die in den beiden Cupolen gefundenen perſiſchen Muͤnzen ſind auf 
ben erſten Blick als Saſſanidiſche?) erkannt worden, obwol die 
Legende in Pehlvi noch nicht entzifert iſt. Nach dem Kopfſchmuck 
der beiden Fluͤgel, welche einen Halbmond und Stern einfaſſen, und uͤber 
dem Koͤnigshaupt ſchweben, iſt der Koͤnig Sapor II. (Shahpuri, der 





81) A, Court I, c. II, p. 562. ®?) J. Prinsep Note on the 
Brown Liquid etc. in Journ. I ce. Vol. II. p.567. 22) J. Prin- 
sep Continuation of Observations on the Coins and Relics disco- 
 vered by General Ventura in the Tope of Manikyala in Journ, 

of A. S. of Bengal 1. c. Vol. III. p.436—4585 vergl. K. O. 
Müler 0. a. D, Gött. G. Anz. S. 1766. 


106 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. 6. 1. 


vom J. 310 bis 380 n Chr. Geb. regiert) nicht gu verkennen, obwol 
derfelbe geflügelte Kopfpug auch nod ben weit fpätern Perferkönigen 
wie Chosru Yarviz (589 n Chr. Geb ) angehört, auf deffen Münzen 
aber Arabiſche Sentenzen ſtehen, und auch auf gleichzeitigen Indiſchen 
Münzen Nagari Schrift vorkommt. Die audy font fehr häufig gefuns 
denen Scefjanidenmüngen dieſes Sapor I!., des fiebenten Regenten der 
Dynaftie, des Befiegers von Kaifer Valerian, würden ſich aus deſſen 
fehr langer Regierungszeit leicht erklären, da derfelbe von- feiner Geburt 
an, 70 Sahre lang, auf dem Thron der Saffaniden herrſchte, und öfter 
Arabifche und Tatariſche, d. i. fogenannte Scytiſch-Indiſche (f. Afien 
II. ©. 1100, 1V.2. ©. 524 u. f.) Völker am Indus befiegte. Da 
dieſes die a eh dort gefundenen currenten Münzen find, die 
man fonft wol in Monumenten niederzulegen pflegt, fo Eönnte man mit 
Sicherheit hieraus ſchließen, daß dieſe Topes auf feinen Fall vor ber 
Periode der Saffaniden erbaut wurden, am wahrfcheinlichften aber 
innerhalb der langen Regierungszeit Sapor Il., etwa um das Jahr 
880, oder gegen Ende des IV. Jahrh. n. Chr. Geb., an der Oſtgrenze 
feiner Herrfhaft, gegen Indien. Da auf feinen Münzen, die Hier vor⸗ 
fommen, der Perſiſche Feueraltar (das Bild der Sonne im 305 
roaftercultus) , auf den Hindu Münzen mit dem Sapor- Kopfe durdy 
Bilder des Krifchna erfegt, oder auf andern mit dem Buddha vers 
taufcht wird: fo ift mol hoͤchſt wahrſcheinlich, daß in jener Periode der 
Erbauung diefeer Denkmale, Saſſanidenherrſchaft auch über diefe 
Sndifhe Grengproving, in der Buddha- und Brahmanens ' 
eultus nebeneinander beftanden, hinüberreichte, und die Lichtreligion der 
Saſſaniden dafelbft nur die Staatöreligion, nicht die Volfereligion war, 
wie es jpater der Sölamismus eben dafelbft wurde, 

Die Römifchen von A. Court im Zope, Nr. 2., bei Mani: 
Eyala gefundenen Münzen, führen zu einer andern Betrachtung. Der 
Grund, warum man fie in das filberne Gefäß gelegt hatte, während 
die goldenen und Zupfernen mit Indo-Scythiſchen Typen und Legenden 
versehen find, Hegt, nah DO. Müllers !**) Dafürhalten, wol darin, 
daß diefe Herrfcher, weniaftens in der Regel, nur Gold= und Kupfer- 
Münzen fchlugen, indem alle bisher von ihnen bekannt gewordenen Muͤn— 
zen niemals von Silber find. War alfo auh Sitbergeld zum Mas 
gifhen Cultus, der in diefen Denkmalen hervortritt, nothwendig, fo 
mußte man fremde Münzen dazu nehmen, wie Saffanidifche oder 
Römiice, Die Römifhen von X. Court aufgefundenen Silber— 
münzen (f. Tab. XXXIV. fig. 19— 25 ihre Abbildung) ®*) gehören, der 
Zeit nad), alle dem Ende der Romiſchen Republik an. Eine iſt ein 43 


128) Goͤtt. Sel. Anz. a, a. D. ©. 1769.° *22) J. Pri⸗ Note 
en the Coins diecorered by Mt. Court Le. Voll p. 607. 








Indus-Syſtem, Manikyala, Muͤnzſchaͤtze. 107 


fonft unbekannter Denar bes Triumvir Antonius (M. Antonius III. vir. 
K. P. C.), eine andere dem I. Caesar, eine dritte mit dem Revers 
Caesar div. f., alfo mol dem Auguftus angehörigz feine ift aus der 
fpätern Zeit Gonftantins, wie A. Court meinte. Diefe Römichen Müns 
zen, die fid) vom Tiberfirom bis zum Indus verbreiteten, weifen wol 


darauf hin, daß zur Zeit, da diefe Cupola errichtet ward, zwar Silber⸗ 
‚geld aus Auguftus Zeit, aber Eeins von den Nahfolgern diefes Kais 


fers nach Indien gelangt war, ein merkwürdiger Gontraft, wenn man 
die im erften Tumulus gefundene Saffaniden Münze der fpätern Zeit des 


Ehosru Parviz im VI. Zahrh. zuzufchreiben gebächte, 


Die in beiden Gupolen entdedten Sndo-Scythifhen Münse 
zen, ber dritten Elaffe, zerfallen nad den bisher lesbar geweſenen 


Legenden in zweierlei Art, nämlich in die Kadphyſes, oder rich— 


tiger Mofadphyfes, und in die Kanerkos Münzen. Beide Ars 


ten haben auf der Vorderfeite griechiſche Inſchrift, auf dem Res 


vers vielleicht alte Pehlvi Charactere; von beiden find dergleichen in 
jedem der beiden Topes gefunden worden, die man alfo für gleich zei— 
tig errichtet annehmen kann. Auch fcheinen die fogenannten alten Pehlvi 
Eharactere mit der rundumlaufenden punctirten Infhrift der Bronzes 
buͤchſe, die man auch für Nagari angefproden hat, nahe verwandt 
zu ſeyn. 

Auf der erften Art, den Mokadphyſes Münzen, die feitdem 
aud) in großer Zahl anderwärts, im obern Indusgebiete aufgefunden 
wurden, finden ſich häufig die öfter wechjelnden Zitel, wie Baoıkeus 
Buoılewr, Zwrng Meyas u. f. w., aber immer wiederholt fi, der Name 
KAZSBICHE *°), oder wie Raoul Rochette °”) nach vollftändigern 
Sammlungen des General Allard nachgewiefen hat, MOKAABICHC, 
Das Bildniß in der Tracht eines Tataren Khans auf der Vorderfeite 
dieſer Münzen, zeigt fich ftehend, oder auf einem niedern Divan figend, 


angethan mit Stiefeln, Beinkleivern, einer Art Nock, mit hoher Müse 
bedeckt, von der zwei Bänder herabhängen. Ein Zweig, oder etwas dem 
aͤhnliches, ein Oreizack, eine Keule, ein Eleiner Altar, oder ein Rauch⸗ 
gefaͤß find beigefügte Attribute, denen jene Monogramme, in Form einer 


brei= ober vierzadigen Gabel, oder eines Kreuzes mit halbmondförmi- 


‚gen Griff (Crux ansata) nicht fehlen. Auf dem Revers ift ein junger 


Gott vorgeftellt, mit einem Schurz um die Hüften, mit einer Art phrys 
giſcher Müse, fi auf einen Indiſchen Budelodhfen (Zebu) Ieha 
nend. Andere Eremplare diefer Münzen der Mokadphyſes-Reihe haben 


andere, mehr oder weniger analoge Borftellungen diefer Art; fie find 





26) Goͤtt. Gel. Anz. a. a. O. 37) Raoul Rochette in Suite du 


denxieme Supplement a la Notice etc. in Journ. des Savans Mai 
1836. p. 265. 


dx) 


nn 


108 Weſt-Aſien. I Abfchnit 8. 1. 


aber in Beidynung und Gepräge aus einer griechiſchen Säule 
Die Bitdniffe der Tataren Khane, fagt O. Müller, find zwar gros 
test, aber body voll Geift, Leben, Humor; der auf den Bucelftier ges 
Ichnte Gott hat doch einen Anhauch hellenifcher Schönheit. Das ganze 
Gepräge würde nicht zu begreifen feyn, ohne die Annahme nod) vor⸗ 
bandener griedifchen Künftler im Indo-Baktriſchen Reiche. Andere 
geigen fchon einen mehr und mehr gefunkenen Styl; dieſe Mokadphyſes 
Münzen ſtehen fehe räthfelhaft zwiſchen den Indo⸗Griechiſchen frühes 


rer beſſerer Zeit, der Griechiſch-Baktriſchen Periode und der noch — 


tern Saſſaniden Periode in der Mitte. 

Die zweite Art der Kanerkos Mängen!?®) iſt in weit groͤ⸗ 
ßerer Zahl aus beiden Ausgrabungen der Topes von Manikyala erhals 
ten. Sie haben diefelben Zitel, wie Baoılevg Buoıleor KANHPKOT, 
oder auh PAO NANO PAO KANHPKI KOPANO, was wol nur) 
denfekben Indifchen Titel Rao (d. i. das heutige Radja) König, 
bezeichnet, fo daß Nadja der Radjas, jest Maha Radja, nus 
durdy Bao. Auo. ind Griechiſche als überfegt, und noch ein Zitel in Kos 
zano (ob Imperator, oder fonft?) zugefügt erfcheint. Die Inferiptionen 
der Reverfe beziehen fi; auf bie abgebildeten, mythologiſchen Perfos 
nen, deren bildliche Vorſtellungen weit größere Mannichfaltigkeiten dara 
bieten, als die Vorberfeite, 

Die Vordberfeite hat fiets einen Tataren Khan, wie bie 
Mokadphyſes Münzen, in ganzer Figur, oder auf den Goldmünzen nur 
feine Büfte. Statt des Dreizads des Mokadphyſes Hält Kanerkos nur 
einen Spieß in der Linken, auf zweien der Goldmünzen aber auch, wie 
Mokadphyſes, einen Zweig in der Rechten, oder eine Aehre. Unter den 
Reverſen unterfceidet man verſchiedene Figuren; bald mit den 
Namen Helios, Mithro, oder Nanaia, Okro, Athro u, a. mu 
Die erfteren zeigen eine Sünglingsfigur in orientalifchem Gewande, 
mit flatterndem Mantel, die rechte Hand wie winkend erhoben, ein Kreise 
nimbus mit Strahlen um das Haupt, ein Sonnengott, dem die Legende 
HAIOC, und, in ben minder guten Geprägen, auch MIOPO und 
M1IIPO zur Seite fteht. So lange aljo am Hofe diefer Ufurpatoren 
in Nordweſt India Griehifhe Sitte und Sprache herrfchten, hieß auch 
der Perfifche Gott, deſſen Cultus fie ſich angeeignet hatten, Helios; als 
aber die griechiiche Sprache zurüdgebrängt wurde und in Vergeſſenheit 
Lam, blieb zur der Name Mithro (Mithras) officiell, obwok 
doch noch griechiſche Schrift, und felbft diefee Styl in der Zeichnung, ſi ch 
noch einige Zeit auf den Muͤnzen erhielt. 

Die Münzen mit dem Revers MANATA zeigen ebenfalls eine Fi⸗ 
gur in faltigem Muffelingewand mit einem Nimbus um ben Kopf, und 


ı89) Goͤtt. Gel. Anz. a. a. O. ©. 1775. 





Indus-Syſtem, Manikyala, Muͤnzſchaͤtze. 109 


einer lotosartigen Blume in der Rechten mit ber Beifchrift, welche die 
Anaitis, dem Mithras als Gottheit nahe verwandt bezeichnet, She 
ultus *?) war, nad) Berofus Bericht, unter Artarerres Mnemon durch 
fein ganzes Parthiſches Reid) von Armenien bis nad Baktrien verbreis 
tet; auf Griechiſch-Baktriſchen Münzen ift fie als Artemis dargeftellt, 
Sn Makkabaͤer II. B. 1, 14 wird fie Ranaea genannt; auch in Ine 
dien war fie aber unter dem Namen Nani, Nana verehrt, und ibens 
th mit Parvati. Es fließen alfo auch hier die Eulte ineinander 
Gergl. Vorhalle Europ, Völkergefh. @. 56 u. f.). — 
Dieſelben Kanerkos Muͤnzen, mit dem Revers Okro, oder 
Athro (wol wie Mao, als Deus Lunus in Baktrien, und Mithro, 
als Deus Sol vorfommt) ?°) ftellen einen vierhändigen Züngling mit 
Nimbus um den Kopf dar, und auf Indiſche Art mit Arm- und 


Fußringen geziert, in den beiden Rechten Pfeil und Schlange, in der 


Linken einen Speer haltend u, |. mw. Andere geben noch andere Vorz 


ſtellungen. 
Aus dieſen verſchiedenen Arten von Münzen, bie auch am 


Gan ges und in Kabuls Monumenten ſich wiederholen, wo weiter 


Unten von ihnen die Rebe ſeyn wird, ergiebt ſich offenbar ?*), daß einſt 
eben fo wie in dem Baktriſchen Lande, am Oxus (f. Ajien IV. 1. 
©. 484—486), jo auch im Pendſchab, am Indus, der Einfluß grie⸗ 
chiſcher Herrſchaft entwedir längere Zeit beftanden, oder in mehrern 
Zweigen fich verbreitet hat, ald man bisher anzunehmen pflegte. Gries 
chiſche Sprache und Kunft waren fo feftgewurzelt, daß Mokadphyſes 
und Kanerkos, Fürften eines gang fremdartigen barbarifchen Stam— 
mes, mit der Eroberung diefer Gegenden zugleih grichifhe Sprache 
und Schrift für gewiffe Zwecke annehmen mußten, Daß fie zu 


dem ſogenannten Indo-Scytiſchen oder Tatariſchen Stamme, nämlich den 


Geten, oder Saken, von deren Herkunft früher die Rede war (ſ. b. Aſien 
IV. 1. ©, 485 — 486, und den dortigen Gitaten), oder zu dem Tur⸗ 
kiſchen, der vom Sahre 136 vor Chr. Geh. an, hier herrfchend ward, 
gehörten, iſt wol die wahrfcheinfichfte fchon von Wilfon und Prinz 


ER nachgewiefene Annahme, da uns aus den Kafchmir Annalen und 


Tuͤbetiſchen Hiftorie auch der Stamm der Turukſcha bekannt iſt, 
und ſelbſt ein dem Kanerkos verwandter, vielleicht ſelbſt identiſcher 
Name, Kaniſchka, als Herrſcher von Kaſchmir, als maͤchtiger Koͤnig 
der Könige genannt iſt (ſ. Aſien II. S. 1100), der auch nach Csoma de 





2) Goͤtt. Gel. Anz. a. a. O. ©, 17773 vergl, Raoul Rochette 


J. c. Journ. d. Sayans Mai p. 268. »0) Kaoul Rochette ], c. 
p- 267. »1) 9, Müller a. a. O. ©. 1780. »2)H.H. Wil- 
son and.J. Prinsep Observations on L. A. Burnes Collection of 


a and other Coins in deſſ. Trav. into Bokhara Vol. 1, 
2 


duslande Ufurpatoren waren, Am Indus dagegen, wo es, zu Ptoles 


110 Weſt-Aſien. L Abſchnitt. G. 1. 


Körös Forſchungen König von Kapila (bei Hurdwar) heißt, und 
400 Jahr nach Buddhas Erfcheinen, cin großer Patron der Buddhiſten 
war. Wären diefe Geten niht unmittelbar auf die griechifchen 
Herrſcher in Baktrien gefolgt, fo würden fie bie griechiſche Sprache nicht 
mehr vorgefunden haben, und haͤtten von der griechiſchen Kunſt keine ſo 
friſche Ueberlieferung erhalten koͤnnen, wie fie doch unverkennbar auf ihs 
ren Münzen mit den Indo-Scytiſchen Königsbildniffen ſich zeigt. 

Aus den gegebenen Thatfachen, bemerkt der unparteiifche Archaͤo⸗ 
Loge 103), dem wir hier am liebften folgen, habe man die eigentliche 
Blüthezeit diefes Indo-Skytifhen Reichs, von einem verläns 
gerten Fortbeſtande befjelben zu unterfcheiden. Defjen Bluͤthe⸗ 
zeit treffe nothwendig in das erfte Jahrh. vor Chr. Geb. und etwas 
weiter, in welchem die Könige Mokadphyſes und Kanerkos ges 
herrſcht haben (Kanifchka in der Kaſchmir Chronik herrfcht 120 vor Ehr. 
Geb.). As Erben griehifher Bildung und Kunft würden fie damals, 
zugleih, ſchon als Gebieter der Vorhalle Indiens, auch den Handel‘ 
mit Indien in ihrer Gewalt gehabt haben; daher die Münzen ber 
Zriumvirn Roms neben denen diefer Indo-Skythen fich vorfinden konn⸗ 
ten. Vicramaditya, deſſen Regierungszeit im Anfang einer Aera 
um das Sahr 56 vor Chr. ©, ziemlich feft ſteht (ſ. Afien II. ©. 1090 
u. 0.), bezwingt und vertreibt wol diefe Indo-Skythen, und foll das 
durch Macht und Wohlfahrt des alten Indiens hergeftellt haben; aber, 
doch wol nur aus dem Gangeslande, wo fie ebenfalls wie im In— 








mäus Zeit, nody eine India Scytliica gab, und längs dem indifchen Kaus 
kaſus (Hindu Khu), müffen fie ihre Herrſchaft noch Tange Zeit behaups 
tet haben. Die Mokadphyfes und Kanerkos Münzen, melde 
gegenwärtig in fo außerordentlicher Menge in Nordindien und Afghanie 
ftan gefunden werden, rühren offenbar großentheils von den Nachfolgern 
diefer dort einheimifchen Regenten her, die in mehrern Dynaftien 
ſich ausgebreitet haben mögen, von denen unfere Hiftorien zur Zeit freis 
lich noch nichts wiffen. Shre Gefchichte ift unbekannt; aber, nad) dem 
Mufter der urfprünglihen, aus der hellenifch = bactrifchen Zeit, nur hi 
verfchlechtertem Styl, find ihre Münzen gearbeitet und geprägt, ein 
Styl, in welchem die Verwandtfhaft mit dem ſpaͤtroͤmiſchen und Saffas 
nidifhen, unverfennbar ift, von denen der letztere wieder zwar in der 
perfiichen Kunft wurzelte, aber doch auch wieder aus fpätern römifchen 
Denkmalen Nahrung gezogen hatte, In diefe Periode fällt demnach 
auch die Erbauung der Topes von Manityala, die felbft unter ſehr 
ſpaͤten Abkoͤmmlingen diefer Dynaftien Statt finden Eonnte, bis zu Sas 
por Il. Zeit (380 n, Chr. G.), oder wenn die Chosru Parviz Münze 


222) 8. O. Müller Gött. Gel. Anz. a. a. D. ©. 1780— 1783. 


Indus⸗Syſtem, Topes, Buddhiſtiſche Monumente. 111 


ſich noch durch Entzifferung ber Pehlvi Legende ergeben ſollte, ſelbſt 


noch in denjenigen Zeiten, in welchen mit dem erwachenden Mohammeda⸗ 
nismus eine ganz neue Aera für den Orient begann. | 
* Aber mit den Münzen find die Erbauer der Topes und deren 
Beftimmung, fo wie die Natur ihres Inhalts noch keineswegs ers 
Blärt, fo wenig als der Name des Hauptmonumentes dadurch ermitteft 
iſt. General Bentura?*) ließ ſich durch etymologifche Aehnlichkeiten 
des Namens Maniktyala (Stadt des weißen Pferdes) dazu verleiten, 
darin die Lage von Aleranders Bucephala zu conjeeturiren, was aber 
© nice hier, fondern am Hydaspes gegründit ward (ſ. Aſien IV. 1. S. 453). 
9. Wilfon überfegte das Wort dur Stadt der Rubine ’:) 
(Manityazalaya, d. h. Stadt ber Rubine im Sanskrit, vergl. 
Afien IV. 2. Se 362) , in der Vorausfegung, daß das Monument die 
Lage einer großen Stadt bezeichne, was keineswegs der Kal ift, wenn 
auch Stadtruinen umbherliegen, wie ſich aus den vielen ähnlichen Baus 
merken berfelden Art ergiebt, die nicht in Städteruinen, fondern meiſt 
auf einfamen Anhöhen und Bergrüden, längs der großen Heerſtraße nach 
Baktrien feitbem entdedt find. Dennoch bleibt es darum nicht minder 
wahrſcheinlich, daß in der Nähe diefes Manikyala wegen der vielen bes 
nachbarten Ruinenaruppen dennoch einft eine bedeutende Stadt (vielleicht 
Zarila, wie X. Court‘) dafür hält) geftanden haben möge, die nur 
nicht den Namen dieſes Denkmals geheilt zu haben braucht. Nach A. 
Court pilgern noch heute die Hindus nad) diefem Manikyala, um 
den erfien Abfchnitt der Haare ihrer männlichen Kinder dafeldft als 
Dpfer darzubringen, und nah 3. Prinfeps Erfundigungen ?7) wer⸗ 


den von vielen derfelben diefe Topes überhaupt, wo fie ſich finden, für 


Grabmale alter Könige gehalten. Damit fiimmen aud) tie Hy⸗ 


pothefen von Eh. Maffon und Dr. Gerhard ’*) überein, welche. 


fo viele Monumente diefer Art näher unterfucht haben, Aber diefer Ans 
ſicht widerſpricht der Inhalt diefer Monumente, der nirgends Könige- 
leihen, oder Ebnigliche Ornamente, Waffen und Kofibarkeiten diefer Art 
wol aber überall diefelben analogen, minutidfen Geltfamfeiten 
der Metallbüchfen mit ihren räthfelhaften Zalismanen, Symbolen und 
Münzen u, f. w. barbot, von denen noch weiter unten, auf der Wefts 
feite des Indus mehr die Rebe feyn wird. Dagegen leidet es nun fon 
wol einen Zweifel mehr, daß es Buddhiftifche Monumente, Maus 
foleen gefeierter Buddhas, die Dagops (ober Dagobas, d, h. Die 





Journ. 1831. New Ser. Vol. IV. p.160. °*) A. Conrt Informations 

l. e. I. p. 556. »?) J. Prinsep Note on the Coins 1. c. III, 

p- 568.  **) J. G. Gerhard Memoir on the Topes and Anti- 
ities of Afghanistan (1834), in Journ. of the As. 5. of Bengal 
l. Il p. 328. 


a A 
1 20) Chas. Masson Memoir on theancient Coins p.162. 25) Asiat, 





PN 


112 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $. 1. 


ligthuͤmer find, unter welchen Reliquien oder Bilder Buddhas nieder⸗ 
gelegt werden) ??°) deren Bau gleich einer Waſſerblaſe, wie deren Ge⸗ 
brauch ung aus der Siamefifhen und Ceyloneſiſchen Hiftorie 
(j. Afien III. ©. 1162, IV. 2, ©, 237, 239), fo wie auch aus den ale 
ten Monumenten und Grottenwerken im Süden Dekans (f. Afien IV. 1, 
©. 675, IV. 2. ©. 252) bekannt genug ift, wozu auch jene Art Bals 
dahin (in Regenfhirmform) oder der myfteridfe Chattah zu ge⸗ 
hören fcheint, der fich oft über folchen Kegel= oder Dom-Bauen erhebt, 
und wie wir vermuthen hoͤchſt wahrfcheinlich auch die Pendſchab Cu⸗ 
polen einft ſchmuͤckte, bie aber alle von ihrer Kuppelhöhe, fchon wegen 
ihres Metallwerthes, mit der Zeit aber auch durdy die Zerftörungsmuth 
ber Mohammedaner feit der Ghaznadidenzeit abſichtlich herabgeriſſen 
feyn mögen. Hieraus würde ſich denn auch die Urfache ergeben, warum 
alle Kuppelhoͤhen dieſer Denkmale, fo zertrümmert erfcheinen, ohne ane 
dere Zerftörungen im Innern derfelben herbeigeführt zu haben. Die 
Zleinern modellartigen Formen dberfelben Dagopsgeftals 
ten 200), die als Metallbüchfen von Gold, Silber und Bronze im In⸗ 
nern, in Miniatüre, gefunden find, enthalten, wie fi) aud) aus 3, Jac⸗ 
quets und M. Honigbergers neueften Mittheilungen ?) zeigt wirklicdy 
noch foldye myſterioſe Chattahs oder Sonnenfhirme und ornamentirten 
Spisen, wie fie aud) den Dagops in Geylon und den Buddhatempeln 
in Siam nicht fehlen, fo wenig wie in den Grottentempeln von Baug, 
Garli:u. a. D. Mit Scharffinn hatte ſchon Ersfine in den Schrifs 
ten der Bombay Societät dies Manikyala Denkmal für einen Dagop 
aus alter Zeit erklärt. Durh B. H. Hodgfons jüngfte Berichters 
ſtattung wird diefe Anſicht vollkommen beftätigt: denn diefer einſichts⸗ 
volle britifche Nefident giebt Zeichnung und Grundriß von einem Bau 
wie Manikyala nebft Befchreibung in einem Briefe ?) (24. April 1834, 
aus Kathmandu batirt), und bemerkt dabei, daß diefe Bauten, welche 
dafelbft Buddha Dagoba, oder Chaitia heißen, fi in großer Anz 
zahl in den NepaulthHälern vorfinden, und gleihen Inhalt wie zu 
Manikyala zeigen. 

Csoma de Körös, der berühmte tuͤbetiſche Reiſende, lernte eben⸗ 
falls die modernen tübetifhen Dagops*) fehr genau Eennen, und 
giebt durch ihre heutige Beſtimmung Aufſchluß über ben Gebraud von 


199) W. v. Humboldt über die Verbindungen zwiſchen Sndien und 
Sara ©, 150 — 168. 200) Journ. of the As. Soc. of Bengal 
Vol. II. Tabul. XXI. fig. 20a. ı) Journal Asiatique Sept, 
1836. Planche XI. Nr. 12, 13. 2) B. H. Hodgson Notice on 
Ancient Inscriptions etc. in Journ. of the Asiat. Soc. of Bengal. 
Vol. III, p. 483 Tabul. XXXT. vergl, J. Prinsep Not. ib, Vol. II, 
p- 329. 3), Csoma de Körös in J. Prinseps Notice lc, III. 
p- 570, 








Indus⸗Syſtem, Topes, Buddhiſtiſche Monumente, 113 


jenen älteren im Pendſchabgebiete. Die Aſche verbrannter Gebeine ber 
verfiorbenen Buddhadiener, fagt derſelbe, wird mit Thon und ans 
dern Dingen gemengt, wie zuweilen auch mit pülverifi rten Edelſteinen; 
dies wird in einen Teig gefnetet, den man in Formen von Bildern ge= 
ftaltet, die man „Tſcha Tſcha“ nennt. Diefe Reliquien werden in 
Hleinere pyramibale oder kegelartige Gebäude, Chaitya oder Chorten 
genannt, beigefegt, ohne befondere Koftbarkeiten zuzufügen, und ohne bes 
fondere Geremonie, Dies ift der Gebraud) bei dem. gemeinen Mann, 
bei den Vornehmen, Prinzen u. a, kommen viele Geremonien zur Beis 
fegung folder Reliquien hinzu, die befanntlid) in Geylon auch aus Haas 
ren, Zähnen und kleinen Gebeinen beftchen. Solche gemifchte Maſſen 


ſind es offenbar, welche auch mit Stuͤcken von Glas, Kieſel, Edelſteinen 


und andern vermoderten vegetabiliſchen Gegenſtaͤnden jene braunen, zaͤ⸗ 
hen Feuchtigkeiten in den Metallbuͤchſen erzeugt haben. Daher auch der 


Name Dagoba, oder richtiger Dagop (auf Ceylon nach Joinvilles 
Etymologie, von Da, Knochen, Gebein, und geb, Bauch, oder Gefaͤß; 


im Sanskrit, nach W. v. Humboldts Etymologie *), Dehagopa, 


zuſammengezogen Dagop, d. h. „koͤrperverbergend“ ober „des 


KörpersBewahrer). ’ Hierzu Eommt, daß fic der Name des be= 
zeichneten Denkmals, nah Ch. Maffons Bemerkung °), den gemäß 
ganz einfach, aus dem laͤngſt bekannten Gebraud der Buddhiften ergiebt, 
fowol dem Buddha (Shakya Muni, Satya Mani.) als froms 
men budbhiftifchen Prinzen und andern Heiligen, den Zitel Mani (oder 
Muni), Maniya, d.h. „Herr oder König’ beizulegen,, woraus 
mit der Ortöbezeichnung Kyala, die Bedeutung „Stätte des 
Herrn’ hervorgehen mußte, die dann auh in Heiligen-Grab, 
oder felbft Königs-Grab übergehen Eonnte. Den Namen einer Stadt 
kann man alfo in diefer Benennung nit mehr ſuchen; fehr merkwürdig 
ift es unftreitig, daß unter allen, bis jest an Hundert wieder aufgefuns 
denen Dagops, diefer einzige, feinen Buvdhiftifhgen Namen, 
Maniktyala, bis heute, durch alle Verfolgungen der biutigen Brah— 
manenfriege gegen diefe in Indien ausgerottete Secte behauptet hat. 


- Bon allem, worüber die Entdeckung der weftlihen, außerhalb des 


Pendſchab liegenden Dagops, in Kabuliftan und am Hindu Khu ins 


beſondere belehrt hat, wird nur erſt auf der Weftfeite des Indus bei 







r 


Peſchawer und Kabul die Rede feyn koͤnnen; doch bemerken wir hier 
vorläufig zur Beftätigung jener budöhiftifchen Bauwerke, daß offenbar 
richt immer von Pagoden und Thuͤrmen, fondern auch von ihnen die 


9). d. Humboldt über die Verbindungen.a. a. O. ©. 163 5.24. 


Ueber den Namen Dagob, 5) Cl. Masson Memoit of the 
Ancient Coins etc. in Asiat, Soc. of Bengal Vol. III, 1834. 
p- 162, 


Ritter Erdkunde VI, ou 


f 


114 WeftsAfien, I. Abſchnitt. 5. 1. 


Rede iſt, wenn in dem chineſiſchen Werke Foe Koue Ki?°®), von den 
Buddha Miffionaren in den verfchiedenen norbindifchen KRönigreichen, wie 
Suhoto (im heutigen Kabul), Kian tho ko (Kandahar), Tchu⸗ 
ha di lo und andern Landſchaften im Dften von Kabul und Ghazna, 
große Buddha Tumuli, oder Buddhathürme, mit Orna⸗ 
menten von Gold und Silber genannt werden, die zu Ehren von 
Reliquien oder Wunderthaten Buddhas in Menge aufgezählt werden, 
und welche längs der Wanderſtraße jener Miffionare, in denjenigen Ges 
bieten der Weftfeite des Indus, wo damals (im 3.630 bie 650 n. Chr. 
Geb.) ”) das Buddhathum noch in hoͤchſter Blüthe und Verehrung 
ftand, und wo Völker, wie Könige, ſich beeiferten, in Menge foldye heis 
lige Stupas *) zu erbauen, um bie Seligkeit im Himmel zu ermwers 
ben. Wir zweifeln nicht daran, daß dieſe jo häufig genannten Stu⸗ 
pas,eben diefe Monumente find, welche im dortigen Volksdialect 
gegenwärtig Topes heißen, und daß hiermit die Periode ihrer Entfies 
hung hiſt or iſch nachgemiefen ift. (Stupa heißt im Sanskr. fo viel 
als Zumulus, kann aber auch einen Thurm als foldyen bedeutenz bafjelbe 
was bei demfelben chinefifchen Autor Tha, ober Ta-pho, . i. Er⸗ 
böhung bedeutet. Daher im Chinefifchen Su theou phu, dv. 5, 
koͤſtliche Erhöhung, Tumulus, Thurm, dem Sanskrit nachges 
bildet, und die contrahirte, im Pendſchab noch gebräuchliche Form, im 
Bolksdialect To⸗pe.) s 

Es bleibt uns hier nur noch das zweite Domgebäude der Da⸗ 
gops auf der Dftfeite des Indus, im Pendfchab gelegen, zu erwähs 
nen übrig, von welchem wir durh Al, Burnes, wie wir fchon oben 
bei Osman bemerkten, zuerft Nachricht erhielten. Er hat eö unter dem 
Namen des Tope von Belur?) abgebildet und kurz befchrieben. Es 
liegt diefer Stupa (contrahirt Zope) auf dem Rüden einer Hügels 
reihe nahe dem zerftörten Dorfe Belur, Ahnlih wie Manityala, nur 
eine Eleine halbe Stunde fern von Osman. Wegen feiner hohen Lage ift 
e8 in weiter Ferne zu fehen, obwol Eleiner ald Manikyala, dem es Hinz 
ſichtlich der Gonftruction übrigens ganz gleicht. ODoch hebt, fi feine 
Grundmauer unter der Pilafterreihe höher empor; im Ganzen mißt es 
nur 50 Fuß fenkrechte Höhe, Es ift ebenfalls ſchon zerftört und früher 
einmal aufgebrochen worden, Auch hier wurden ähnliche Münzen ges 
funden. Niemand. kennt deffen Erbauer; es wird für das Grabmal eis 





uw abi 
20°) Fo&KoudKi ou Relation des Royaumes Bouddhiques. Oeuvre 
Posthume p. A. Remusat et J. Klaprotlı. Paris 4. ch, IX. p. 64 
ch. X. p. 66, ch. XI. p. 74. 7) 3. Klaproth Reife des chine⸗ 
ſiſchen BuddHapriefters Hitan Thfang durch Mittel: Afien und Ins 
dien (630— 650 n. Chr. G.). Berlin 1834, 8. ®) Foẽ KoueKi 
l. c. ch. XII. Not. 6. p. 91. cf ch, Ill. Not.3, p. 19, ®).AL, 
Burnes Trav. l. c. Lp. 7 


Indus-Syſtem, das Pendfchab, Producte. 115 


nes alten Königs gehalten. Der gelehrte Begleiter Al, Burnes’, fein 
Munfchi, meinte jedody, e8 werde von Buddhiſten erbaut feyn. Noch 
follen ein paar andere Denkmale diefer Art, nur weit zerftörter, in der 
nahen Umgebung feyn, Auf der Weftfeite des Indus, in Pefchawer und 
Kabul nimmt ihre Zahl aber ungemein zu. 


Erläuterung 4. 
Das Pendfhab. Fortfegung. 


I. Producte, Induſtrie, Handel. 


. Das Pendfchab mit feinen weiten Ebenen, an den Weft: 
und Nordfeiten von Gebirgsfäumen, im Süden von Niederungen 
umgeben, gehört zu den reichbegabten Ländern; denn es hat 
Ueberfluß an Korn, Wein, Del, Salz und vielen andern Pro: 
ducten, die zur Ausfuhr dienen, vielen Gewerben Material geben, 
und bei einer größern Population noch weit mehr Erwerbmittel 
darbieten koͤnnten; es ift in allen feinen Breiten von großen 
Strömen in Diagonalrichtungen durchfchnitten, welche überall 
durch Canalifation und Irrigation, wie die Nefte derfelben hie 
und da, zumal im Often,. aus den frühern Kaiferzeiten, noch heute 
beweifen, den Ertrag ungemein zu erhöhen im Stande feyn wir: 
den. Die politifchen Schickfale, in die das Land von jeher durch 
feine Stellung verwicelt ward, haben es nur theilmeife, nie ganz, 
herabdrüden können; fporadifch hat fich neben der Landescultur 
‚auch eine nicht ganz unbedeutende Induſtrie entwickelt, ungeach: 
tet der Handel im Lande niemals durch die großen und vielverz 
zweigten Stromlinien, wie die des Indus und des Pendfchab, 
unterftüßt ward. Die neneröffnete Zndusfchiffahrt kann vielleicht 
dem Pendſchab eine neue Epoche der Blüthe herbeiführen, 

Aus dem Mineralreich ift Steinfalz!!) ein Hauptproduct, 

das als Regale aus der Saljfette (f. oben ©. 95) durch das 
nze Land geht, aber auch in die britifchen und anderen Terris 
* ausgeführt wird; ein zweites Steinfalzlager, obwol von ge: 
tingerm Umfange, ift in Mundi im Betrieb (f. oben ©. 80), 
in denfelben Berggehängen, wo unter Runjit Singhs Herr 
[haft auch Steinfohlenmwerfe bearbeitet werden, und Eis 








10) Al. Burnes Tray. I, c. IL, on the Commercial Relations of the 
Punjab p. 401. 
92 





























116 Weſt-Aſien. L Abſchnitt. & 1. 


fenminen von Bedeutung aufgefunden find, welche zu den 
Waffenſchmieden und den Gewehrfabrifen dienen, die in Lahore 
ſchon berühmt find und die Truppen der Seikhs verfehen, ſeitdem 
franzöfifhe Ingenieure dort Einfluß gewannen. Goldfand 
wird am Austritt des Chinab, wie des Indus, aus den Vorbers 
gen” der Himalayaketten gewafchen,;, Alaun und Schwefel 
liefern die Salzketten, Salpeter der Boden der Ebenen. Die 
Vegetation bedeckt in zunehmender Progrefjion den Boden des 
Pendſchab, gegen das Bergland hin, das in feinen Wäldern, zu, 
mal den herrlichen Enpreffenarten (Deodara, ſ. 0b. ©. 93) das 
befie Zimmerholz zu Haufern und Flottenbau liefert, in andern 
Arten, wie 5. B. dem Turi (milk bush, 06 eine Euphorbia ?), 
die beften Holzkohlen, die zur Pulverfabrication im Lande befonz 
ders geeignet find. 

Korn hat das Land überflüffig zur Ernährung feiner gerin: 
gen Population; fein Weitzen wird innerhalb des Pendfchab 
eonfumirtz Reis ift im Ueberfluß am Fuß der Vorberge, wo reichs 
lihe Bewällerung Statt findet; die geringern Cerealien und Huͤl— 
fenfrüchte (f. Afien IV. 1. ©. 716 u. a.), wie Sram, Mung, 
Mut, Bajri, die als Pferdefutter dienen, müflen dagegen aus 
den trocknern Landfchaften umher in Menge eingeführt werden, 
Das Zuderrohr, nur Klein von Schaft, aber ungemein faft 
reich, und dem dickern Rohr Indiens weit vorgezogen, wird im 
Menge gebaut und zu Zucker verarbeitet. Wein und fat alle 
Dbftarten liefern Kafıhmir, Kifchtewar, Lahore in vorzuͤglicher 
Güte. Die Sefamum- Pflanze, Sirfya, giebt das Del zum: 
Brennen und zum Verſpeiſen. Indigo wird hinreichend im 
Dften von Lahore und in Multan gebaut, und gegen den Weften 
in die Länder der Mohammedaner eingeführt, wo dunkle Kleiderz: 
farben allgemeiner werden, als im Pendſchab und Indien, w 
dagegen weißes Gewand vorherrſcht. Der in Multan gebaute 
Tabak wird in Güte nur vom Perfiichen uͤbertroffen. Der 
Baummollenftrauch (Gossip. herbac.) wächft zwar nicht ſel⸗ 
ten im Pendſchab, aber diefe Pflanze kann weder den dortigen 
Boden noch das Klima vertragen, flieht das Duab zwifchen 
Sfetlevfh und Beas ganz; die Baumwolle muß daher erft aus‘ 
den benachbarten Landfchaften, zumal aus dem trodnern Malwa 
‚und Rajafthan, in Duantitäten hier eingeführt werden; eben fo. 
die Seide, da der Seidenwurm und fein SROBER im Pe 
ſchab unbekannt if, 


Indus-Syſtem, das Pendſchab, Producte, 117 


Shierreich. An Wildreihthum fehlt es dem Pendſchab 
nicht; aber wilde Beftien, wie Tiger u, a., find ſchon fparfam 
geworden; an Heerden ift das Land reich. Die Pferdezucht 
iſt in neuerer Zeit etwas mehr in Aufnahme gefommen; das 
.Dunni Pferd, zwifhen Jilum und Indus, ift von “befter 
 Mace, obwol wenig Pflege auf diefelbe verwendet wird; es dient 
der Neiterei der Seikhs. Die Maulthiere am Jilum find 
ſehr ſtark, und koͤnnen große Laſten tragen; eben fo die Ka— 
meele in den Südfpigen des Pendfchab. Die Rinderheer— 
den find zahlreich, aber die Race Elein und fchlecht, die Schaf 
heerden fehlen. Ueberall fönnten in diefen beiderlei Zweigen, 
auf fetten Weiden der Hügel, und auf Kornfeldern der Plaine, 
der Landwirthfchaft große Verbeflerungen Statt finden; aber die 
Productionen geben der geringen Volkszahl des Landes fihon 
Wohlftand und Leberfiuß. 

Sndufrie 21), Zu den vollendetfien Manufacturen des 
Landes gehören die Wollwaaren Kafıhmirs und die Sei— 
dengewebe von Multan, welche zum Puge der Großen ges 
hören, während Städter und Landleute fih in die Baummwolz 
lenzeuge Heiden, die im Pendſchab felbft verfertigt werden.. Die 
kuͤnſtlichſfen Baummwollenwebereien find in der Nordoſtecke des 
DMendfchab, zu Rahun und Hofhyarpur, zwifchen Sfetledfch 
und Beas; die Muffeline find dem Anſehn nach zwar geringer 
als die englifchen Fabrikate, aber ftärfer nad dauerhafter und viel 
wolfeiler; die feinften Gewebe diefer Art werden nach dem Süden 
ausgeführt. Die Ehintfes von Multan waren vordem fehr im 
Dendfchab und im Werften des Indus gefucht, aber diefer Be, 
ift durch brititiſche Importen geſtoͤrt. 

Die Wollfabrikation der Kaſchmir-Waaren iſt = 
kannt (über Shala: Weberei in Kafıhmir, f. Wien IE ©. 1198 
bis 1203) 12); wenn fie auch noch immer ein ausjchließliches Bes 
fischum Kafıhmirifcher Künftler ift, fo wurden diefe doch, feit den 
lessten Jahren, wie wir oben gefehen haben, weit durch das Pend- 
ſchab zerftreut, Kein Fremder hat fie bis jest nachahmen koͤn— 
nen; alle Europäifche Surrogate fommen jenen Originalges 
weben weder an Feinheit, Weiche, Wärme, noch Schönheit der 


224) Al. Burnes 1. e. II. p. 397 — 400. 12) Vergl. Moorcrofts 
Papers in Asiat. el, New Ser. Vol. XII, 1335. Asiat. Intefl. 


p- 159 — 160, 


c 


118 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 1. 


Farben gleich. Auch die Shawls von Lahore und Delhi 
nicht, obwol von Kafıhmirer Auswanderern gewebt, find fie doch 
ſchon entartet, rohere Stoffe; denn das Kafchmirgebirgswaller 
zum Färben und Wafchen hat die Ebene des Pendfchab nicht. 
Das Einkommen der Shawl : Manufactue ward in Kafchmir 
jährlich, obne die Ausgaben, zu 18 Lat Nupies (180,000 Pfd. 
Sterl.) berechnet; aber viel Betrug hatte ſich eingefchlichen; denn 
Shawls, die nur wenige hundert Nupies werth waren, fchlug 
man zu Tauſend an, um defto größern Zoll davon zu ziehen. 
Doc) könnte das Gouvernement R. ©., bei befferer Einrichtung 
und ohne diefe Despotie, nach Al. Burnes Urtheil, den dops 
polten Gewinn von diefem Gewerbszweige ziehen. In den leßs 
ten Zeiten waren Beftellungen für die Höfe in Rußland und 
Derfien, das Shamlpaar zu 30,000 Rubel (12,000Rupies) einges 
laufen. Die Kaufleute beklagten fi) aber über die DVerfchlechtes | 
rung der Waare, und daß fie nicht mehr direct aus Kafıhmir, 
fondern durch Commiſſionaire und Zwifchenhändler zu beziehen 
fey. Allerdings, bemerkt Al. Burnes, fen dies der Fall, weil 
das Gouvernement der Seikhs diefe Waare zum Gegenftande des 
Wuchers gemacht, und in Umritſir Mogazine von Shawls ans 
gelegt Hat, deren Werth nicht unter eine halbe Million Pfund 
Sterling (50 Lak Kup.) angefchlagen feıy. Der Hauptmartt 
des Kaſchmirhandels gegen den Norden, ift Kilghet, in Las 
dach, 20 Tagereifen von der Mordgrenze Kaſchmirs, wo der 
Einkauf der Wolfe gegen den Umfag der Shawls Statt findet. 
Gegen den Süden aber geht diefe Waare nur durch das Pends 
ſchab; von jenen 180,000 Pfd. Sterl. an Werth, behält R. ©. 
zwei Drittheile233), die er als Tribut vom Lande erpreft; 
devon foll er Dreiviertheile wieder verhandeln und ein 
Viertheil behalten, zu feinem Hofftaat und zu Bezahlung feis 
ner Beamten wie zu Geſchenken. Außer diefen gehn vom Webers 
reſt (etwa 7 Bis 8 Lakhs Nupien) für 3 Lakhs nah Bombay und 
den Weite eu 3 2. nach Dude, Bengalen und dem übrigen Hindos 
ffan, 14 8. allein nad) Galcutta, eben fo viel MATCH jede der | 
Städte Kabul, Herat und Balkh. 

Eben fo berühmt find die Seidenzeuge von —— | 
auf dem Indiſchen Markte, die Kai’s, von ftarfer Tertur und 
brillanten Farben (f. oben ©. 67). Die Seide muß eingeführt | 


213) Asiat, Journ. N, Ser. XIL1. c. 





Indus-Shſtem, das Pendichab, Handel, 119 


werden, weil man fich im Pendſchab nicht mit der Zucht des 
Seidenwurms befaßt. Nur in der Form von Shawls und 


Schaͤrpen werden diefe Zeuge gewebt, die aber durch den ganzen 


—— 


Orient ſo ſehr geſucht ſind; Satin, Atlas genannt, wird jedoch 
hier ebenfalls gewebt, wie auch in Lahore und Umritſir. Die 
Brocate (Lincob) des Pendfchab find geringer als bie von 
Bengal und Guzerat; eben fo werden die Multanz Teppiche von 
den Bellern in Perfien übertroffen, beide aber müffen weit hinter 
den brillanten Kaſchmir⸗Teppichen zurücitehen, die jedoch zu Eofts 


bar waren, um in den Handel zu kommen, und nur für den 


Hofftaat der Negenten verfertigt werden. 

Handel und Schiffahrt #) Solche Exporten koͤnnen 
allerdings ſchon wichtigen Importen das Gegengewicht halten, zu 
denen, außer den geringern Kornarten, auch Metallarbeiten, 
Mollenwaaren und Europäifche Artikel gehören. Kupfer, Mefs 
fing, Zinn, Blei fehlen dem Pendſchab, und an Eifenwaaren bes 
darf es noch viel vom Auslande, vor allem aber der gewoͤhnlichen 
Wollenwaaren, die in den Gegenden des obern Indus große 
Nachfrage haben, wie denn die ganze ftehende Armee R. ©, in 
Tuch gekleidet ift. Die feinern Erropäerwaaren, wie Juwelen, 
Uhren, Porzellan, Spiegel, Glas u. f. w., finden, den Hof von 
Sahore ausgenommen, hier noch keinen Eingang; eben fo wenig 
wie die feinen Stahlarbeiten u. f. w. von Birmingham, Shef: 
field u. a. O., für welche die Bewohner des Pendſchab nod) kein 
Beduͤrfniß empfinden. Vordem war Delhi der Ausfuhrort 
für die Produfte des Pendſchab; feit der Beruhigung Rajaputas 
nas ift es aber Datli (f. Afien IV. 2. S. 963, 1015), neuerlich 
Bombay geworden; der natürlichfte Handelscanal würde aber 
unftreitig die Stromlinie des Indus feyn, wenn deſſen 
Schiffahrt in Gang kaͤme. Daß auch ohne diefelbe, bei fo 
vielen Hemmungen, heut zu Tage, der Handel auf den Bazaren 
von Lahore, Bhawulpur, Multan, Schikarpur und 
Tatta doch noch fo bedeutend ift, giebt die Ausficht auf große 
Entwicklung dieſes Waarenzugs, wenn günftigere Umftände in 


der Schiffahrt und Politik diefer Cändergebiete einträten, und der 


Indus die große, continentale Commerzlinie zwiſchen dem bri⸗ 

tiſchen Indien im Gangeslande Bengalens und den Bewohnern 

des Pendſchab bis Bombay würde, weil dadurch zugleich der Ver 
„m. % 





2 36) AL, Burnes Trav. 1. c. 11. p- 5 —42, | 


120 Welt Afien. J. Abdfehnitt. 9. 1, 


Fehr mit alfen continentalen Machbarftaaten auch außerhalb Ins 
dien, aus Tübet, Kafıbmir, China, Bokhara, Kabul, Iran u. f. 
w. bier feine nächfte Ausladung nach Perfien, Arabien und 
der Levante gewinnen würde. Die einzige Ausladung an der 
Südfpige des Pendſchab für Multan geht heut zu Tage nur 
den höchft befchwerlichen Landweg ber Bhamulpur durch die 
Wuͤſten nach Bikanir und Palli, und von da gleichfalls durch 
Karawanen nad) Guzuratez denn durch Sind findet fein Waa— 

rentransport zu Schiffe zur Indusmuͤndung Statt. Nur bis 
Schifarpur geht noh von Multan ebenfalls die Landka— 
ramwane, weil diefer Bazar dort durch feine Großhändler die 
größten Handelsgefchäfte durch den Bergpaß der Solimanberge 
(Bolan: Pag, jegt nah Kandahar, einft nach Arachosia und 
Drangiana, f. Aften IV. 1. S. 474) nach Mittel: Afien betreibt. 
Schifarpur.ift aber ald der Hafenort von Bukkur am Indus 
(des Mufikanus Capitale a. a. D. ©. 472) zu betrachten. Wenn 
auch die Andusfchiffahrt die Klippen von Attock niemals übers 
fleigen, vielleicht felbft nur überhaupt bis Dera Ghazi Khan vors 
theilhaft ſeyn folfte, fo würde dies ſchon für die genannten Bas 
zare, im untern Pendfchab bis Bukkur, und weiter, nicht unwich— 
tig fenn. Die Fähre won Kahirin würde dann freilich nicht 
mehr die Bedeutung behalten, die fie gegenwärtig durch die Kreuz⸗ 
firaße hat. Doch findet wirklich jährlich zwifchen Attock, durch 
Kornfchiffe, ein Transport, wenn auch, bei den vielen Stroms 
ſchnellen, nur ein geringer, bis Bukkur Statt, der die Mögliche 
keit einer Erweiterung zeigt; von Karabagh an abwärts würde 
aber die Schiffahrt immer ftetig und vortheilhaft werden koͤnnen. 
Chinab und Jilum führen oberhalb Multan zu feiner großen 
Handelsſtadt; leider ifE der Navi, an dem Lahore liegt, zu 
Elein, feicht, windend, um je die Ausficht zu einer befuchteren 
Schifferſtraße zu geben, zumal da der Handel diefer Nefidenz ims 
mer ziemlich limitirt bleibt, und das große Emporium des 
Dendfhab Umritfir nahe daran liegt (nur 6 geogr, Meilen gez 
gen N.O.), und leichter auf dem Sfetledfch erreicht werden 
kann. Diefer Strom aber, bisher ganz unbenust, meint AL. 
Burnes, werde bei näherer Unterfuchung, die bis jegt' fehlt, 
fiherlih von Doch bis Hurri, am Verein mit dem Beas, 
ſchiffbar, für den Wanrentransport im Großen, befunden‘ vers 
den, und mit fleineren Flußbooten ſelbſt bis Ludiana, 
der aͤußerſten Grenzcolonie des Britiſch⸗Indiſchen Reiches in Ber: 








* 


Indus-Syſtem, Runjit Singhs Reich. 121 


bindung zu ſetzen ſeyn: ſo daß auch die Briten von hier aus 


nicht geringen Antheil an der Flußſchiffahrt bis zum Meere neh— 
men koͤnnten. Der Durchgang des Sſetledſch durch die Mitte 
des Wuͤſtenſtriches, wuͤrde kein unuͤberwindliches Hinderniß eines 
zu bildenden Verkehrs ſeyn, zumal da gluͤcklicher Weiſe ſchon ein 
nicht unbedeutender Handelsmarkt auf der Grenze des Stroms 
und der Wuͤſte liegt. Zu dieſem Aufbluͤhen des Commerzes und 
der Stromſchiffahrt gehörten freilich, bemerkt Al. Burnes, Sis 
herheit, Freiheit und Begünftigung liberaler Gouvernements, 
die bis jest fehlten, mit denen aber R. ©. den Anfang gemacht 


bat, und wozu, fcheinbar wenigftens, durch Vermittlung der Bris 


ten, die Amirs von Sind die Hände geboten haben. Solche 
Beguͤnſtigungen fönnen dann leicht die aeringern Schwierigkeis 
ten 215) überwinden, zu denen allerdings z. B. die rohe Strucz 
tur der Boote auf den Pendichabflüffen, meift nur Fährboote, 
gehört, die wol einen Beweis abgeben, daß die Binnenfchiffahrt 
auf den Zndusflüffen niemals blühend warz oder ihre Furth⸗ 
barfeit während der trocknen Sahreszeit, obwol alle in der nafs 
fen Periode die fchönften Wafferftraßen für den Transport 
von Waaren und Heeren bilden. Dem Mangel des Zimmerholzes 
zum Schiffbau in den Pendfchabebenen würde leicht durch Holzs 


flooße aus dem Berglande abzuhelfen feyn, wie den fchlechten 


Pfaden in den Berggegenden durch Anlegung von Straßen. 


U. Das Maha Rajathum Runjit Singhs im Pend— 
fhab; Verwaltung. 


Wenig Sander und Staaten der Erde find fo natürlich und 
politifch begrenzt wie- die Seikhs⸗Herrſchaft gegenwärtig im Pend⸗ 
ſchab 26), wo die politifchen volfftändig den Naturgrenzen 
entiprehen. Des Maha Raja R. S. Reich breitet fich hier 
aus, vom Sfetledfch bis zum Indus, und von Rafhmir 
bis Multan. Im Norden die Himalanahöhen, im Weften die 
Solimanfetten und der Induslauf, im Often der Sfetledfeh und 


die Wüften, die fich gegen die Dendfchabfpige im Süden von 


Multan concentriren. Innerhalb diefes Naums, mit den zwi⸗ 


Ihenfließenven —— in der compacteſten beherrſcht der 





as) Al. due Trav. 1. ec. IL p. 289. 16) Al. Burnes Trav. 
Vol. II. The Punjab etc. p» 279 — 298; ebend, Mem. Yal ul. 
pP: 295 — 30. — 


122 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 6. 1. 


Uſurpator und Eroberer des Ganzen, ſowol alle Gebirgsfeſten, 
wie die ganze Alluvialebene und alle Flußufer mit wenig Aus; 
nahmen. 

Die gluͤckliche Combinirung aller phuficalifchen, ethnogras 
phifchen und politifchen Elemente, mußte in diefer harmonifchen 
Entfaltung von Raum-Verhaͤltniſſen, welche die politifchen ftügten, 
einen fo gewaltigen Einfluß ausüben, daß die Seikhs, inner 
halb zwei Jahrzehenden fchon, durh N. S. Herrfchaft, fih aus 
einer Eriegerifchen, in fich zerriffenen Republif der noch im Ans 
fange des XIX. Zahrhunderts Fein Oberhaupt vorftand, in 
eine abfolute Monarchie, in einen mächtigen Groberungsftaat 
umwandeln fonnten. Es gefchah dies durch den bindenden Ges 
nius eines Einzigen, obwol die ftärffte Oppofition von Seiten eis 
nes KReligionscultus entgegen trat, der noch mehr als eine 
blos politifche Democratie, nämlich völlige Gleichheit der. Staates 
glieder forderte und lehrte. Die vorgegangene Umwandlung ift 
jedoch fo vollftändig, fagt Al. Burnes, daß das Band des Volks 
an den Adel, wie des Adels an den Maha Naja, diefelben ganz 
unbedingt aneinander knuͤpft. Im Yahre 1783 fagte, aus dem 
damaligen Zuftande der Verwirrung, ©. Forfter, bei feiner 
Durdreifung des Pendfchab (f. Afien II. ©. 1073), diefen Wechs 
fel voraus, im Falle ein ehrgeiziger. Chef an die Spige der Seikhs 
treten würde; diefer war eben geboren (R. ©., geb. 2. Nov. 
1782) 217), als diefe weiſſagende Stelle niedergefchrieben ward. 
Seine Herrfchaft, nachdem fie einmal zu wachfen begonnen hatte, 
befeftigte fich frühzeitig dadurch, daß er alle Umſtaͤnde, die fich 
ihm darboten, mit Energie des Characters zu benugen verftand. 
Am O. und SD. traten ihm die Briten entgegen; im W. 
fonnte er die Laͤnder jenfeit des Indus befiegen, aber nicht bes 
haupten; gegen N. hinderte ihn das Schneegebirge die ihm vors 
geftecften Naturgrenzen zu überfteigen. Er begnügte ſich daher 
mit den niedern Gebirgsftaaten und mit Kafıhmirs Befisnahme, 
In diefer gedrängten Lage fihuf ſich der politifchzgroße Geift feine 
innern Quellen der Macht; er verband Despotismus ohne aus 
heit mit Despotie ohne Grauſamkeit, und ein eigenthümliches 
Derwaltungsfofiem, eben fo entfernt von orientalifhzeins 
heimiſcher Art, wie von fremdarfigseuropäifcher dort unpafs 
ſender Eivilifation. Das durch Schlaupeit, Lift und Gewalt Ers 


*ır) H. T. Prinsep Orig ol ihe Sikh Power I c. p. 39. 








Indus > Spftem, Kunjit Singhs Reich. 123 


oberte ſuchte er zu erhalten durch disciplinirte Truppen unter Eus 
ropäifchenm Commando; er verband damit eine allgemeinere Vers 
theilung von Grundeigenthum unter den Chefs, eben hinreichend 
die Nationalfitten zu erhalten, ohne der Sicherheit der Oberherrs 
ſchaft durch Uebermacht zu fihaden. Aber nicht durch feinen Eins 
fluß des Volks, fondern nur durch diefen auf die Fortbildung ſei— 
nes Hofftaates, fuchte er zu herifchen, und hierin liegt die 
Schwäche diefer Verwaltung, die nur an feine Perfon ges 
Enüpft ift, ſchon mit deffen höherm Alter zurückfchreiten muß, und 
wenig Dauer für die Zukunft verfpricht, alfo wie alle orientas 
lifchen Gouvernements diefer Art, im Gegenfaß der Euros 
päifchen, doc) nur als ein glänzendes Meteor wieder verfchwins 
den wird. Er, der nur mit feiner eigenen Macht egoiftifch bes 
ſchaͤftigt iſt, und von feiner höhern Herrfcheridee für fein Volk 
befeelt wird, ift daher vielleicht einem Afiatifchen Porus, aber 
noc) keineswegs. einem Europäifchen Peter dem Großen zur Seite 
zu ftellen (f. ob. ©. 7). 

Symptome diefer Abfhwähung zeigen ſich fihon in dem 
Sammeln des Schases, in der Armee die immerfort wegen 
Mangel der Soldauszahlungen, in, wenn auch nur particnläre 
Empörungen ausbricht, in der unmäßigen Steigerung der Zölle 
bei wachfendem Handel, in den ſchweren Abgaben für den Sands 
mann, in der Beftechlichfeit der Oberbeamten u. a. ın. Durdy 
feine Deconomie und geiftige Herrfcherkraft, meint Al. Burnes, 
werde R. ©. jedoch die höchfte Gewalt wol bis zu feinem Tode 
behaupten. Er werde dann in feiner Herrfchercarriere den ganzen 
Eurfus von einem einen Häuptling bis zum Maha Raja durchs 
gemacht haben, der ein mächtiges Reich gegründet, aufges 
richtet, geformt, erhalten und zulegt wieder zerſtoͤrt 
habe. Mit feiner wachfenden Obermacht hat das Anfehn des 
Sirdars, d. i. der Dendfchab Chefs, abgenommen, und 
die Macht der meiften, ältern Glieder der SeikhConföderation ift 
neutralifirt oder ganz vernichtet. Mit Günftlingen und Chargen 
bat fi) der Maha Naja umeingt, die er aus dem Staube zu 
fid) erhoben; die alle aus niederm Stande, unwiſſend und zu 
roh find, um einen Einfluß auf ihren Oberheren auszuüben, und 
vorzüglich nur darauf ausgehen für fich Gelder zufammenzuraffen, 
Das Volk der Seikhs verſteht ſich eigentlich auf nichts als 
auf Ackerbau und Kricg, zieht diefen aber jenem vor, ift voll 
Ehrgeiz und zelotiſchen Patriotismus in Bewahrung feiner In— 


124 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 1. 


ſtitutionen, ſeines Cultus; ein zahlreicher Tribus der durch gleiche 
politiſche und religioͤſe Meinungen zu einer dadurch furchtbaren 
Macht vereinigt ift. Das geiftliche Oberhaupt der Geikhs, der 
Bedi, oder Sahib Sing, würde allerdings noch heute durch 
Fanatismus der Slaubensgenoffen Einfluß genug haben, dem Dess 
poten ernften Widerftand zu Teiften und ihn fogat durch einen 
‚ religiöfen Kreuzzug zu ftürzen; aber R. ©. ift zu Flug um jenen 
zum Widerfpruch kommen zu laffen, und hat ftets zwei hohe 
Mriefter zu feinem nächften Umgang, die fein ganzes Vertrauen 
befigen. Diefe Seiths find das aufbluͤhendſte Volk 218) in In⸗ 
dien, mit ihrer politiſchen Vergrößerung wuchs, obwol fie im Ver: 
Hältnig zu den Mohammedanern nichts weniger als intolerant 
find, auch die Zahl ihrer Convertiten; jährlich follen an 5000 Pros 
felyten zu ihnen übertreten und dies foll in ihrer heiligen Schrift 
(dem Granth) vorausgefagt feyn. Zur Zeit der Patanen ⸗Ueber⸗ 
fälle wurden die Hindus Mehammedaner, mit der Seikhs-Macht, 
wurden beide zu Seikhs (im engern Sinne Khalſa oder Sing). 
Auffallend ift e8, bemerkt Al. Burnes, daß diefes Volk, das ' 
vor 400 Jahren noch unbefannt war, und durd) fo mancherlei 
Zufäse ſich erft vermehrt hat, doch fo entfihiedene National: 
phyfiognomie zeigt, daß fie fich durch diefelbe fo characteriftifch, 
individuell auszeichnen, wie dies nur der Fall bei Chinefen, Hins 
dus oder andern fern kann. Ihrer fehr regulären Gefichtshildung 
ſoll etwas in die Länge gezogenes allgemein fen. Daß ein ges 
wiffer Nationaltypus bei Nationen vorhanden fen, meint der ges 
nannte Beobachter, fey begreiflich, nicht aber wie derſelbe einer 
Secte wie den Seikhs, die in fo furzer Zeit zu Hunderttaufenden 
heranwuchs zu Theil werde. Doch geht es vorzüglich wol daraus 
hervor, daß der bei weiten größere Iheil der eigentlichen Seikhs 
ursprünglich vom Stamme der Jats waren, die zu ihrer neuen 
Lehre aus dem Druck der Hindus und Moslems übergingen und 
fi) nun national entwidelten. Umritfir ift ihre heilige Stadt, 
wo noch immer die wichtigften Steatsangelegenheiten unter dem 
Einfluß ihres hohen Eultus discutirt und feftgeftellt werden. Diefe 
Anhänger Guru Govinds, ihres Neligionsftifters, find eifers 
füchtig darauf, in ihren Gefchlechtern und Tribus, ein von allen 
Andern gefondertes DVolElN, eine eigenthuͤmliche religiös: polis 
tifche Corporation zu feyn, und die Rolle felbftfiändiger Chefs eis 


*18) Al. Burnes Trav. Lp.45,  *?°) Al. Burnes Mem, Ill, p. 296. 








* 
- 


Indus-Syſtem, Runjit Singhs Reich, 


ner freien Conföderation zu fpielen, deren Nechte fie ſtolz fordern. 
Durch R. ©. find fie aber im Wefentlichen um diefe Cha— 
racterifti£ gebracht, da er fich aus einem der Dligarchen zu ihren 
Despoten erhoben hat. Allerdings ift hierdurch auch die eigent: 
Tiche Kraft und Energie der Seithe-Conföderation gebrochen. She 
Bund entfprang aus der Meligion, die fich frei machte von den 
veralteten Dogmen der Hindus und der verfunfenen Mohamme— 
daner (der Eufofzies), ihrer unmittelbaren Nachbarn im Oft und 
Weſt. Shre Heldenzeit fiel mit diefer religiöfen Erhebung zufams 
men, und gewann durch diefe ihre Grundlage. Ihre politis 
fhe Größe entfprang aus ihrem Proteftantismus und ihrem 
neuen Dogma, durch das fie jedoch auch noch heute ein von als 
len andern abgefondertes eigenthümliches Wolf find, obwol die 
Form ihrer politifchen Größe eine andere geworden iſt. Wenn 
er auch diefe umgeftaltete, jo blieb R. ©. doch in firenger * 
vanz gegen jene. 

Ein ſo kriegeriſch geſinntes Volk erleichterte die Bildung eis 
nee Armee, die unter R. ©. auf 75,000 Mann herangewach— 
fen iſt; davon find 25,000 Mann reguläre Infanterie Europäifh _ 
erereirt, ganz den Britiſch-Indiſchen Iruppen gleich, Die tegus 
läre Cavallerie und Artikerie beficht aus 5000 Mann mit 150 
Kanonen. Die irregulären Truppen, lauter Neiterei, betragen an 
50,000 Mann Ghorchuras, d. h. Reiter, genannt). Sie find 
brav, gut beritten, ſchnell verfammelt und werden für ihre Dienfte 
mit Anweifungen auf Ländereien bezahlt. Die Vernachläffigung 
der Auszahlung des Soldes, welche aus dem Alter und zunehs 
menden Geldgeijze R. ©. hervorging, haben die Truppen nicht 
ihm, fondern der Einflüfterung der Engländer zugefchrieben, oh 
fie denn öfter zu Empörungen reist. 

Auf feine Armee ift des Maha Naja Anfehn geſtuͤtzt; das 
in derfelben befolgte Syſtem der Europäifirung iſt bei den Seikh⸗ 
Sirdars, die jeder Neuerung abhold ſind, hoͤchſt unpopulair, und 
ohne den Schutz ihres Oberherrn muͤßten die bei der Armee an— 


geſtellten Europaͤiſchen Officiere ſogleich die Flucht ergreifen, weil 


ihre Perſon hier keine Sicherheit haͤtte. Sehr bald wuͤrde ihr 
Werk zertruͤmmert ſeyn. Die Truppen ſind aber gut einexercirt 
und dies hat ihnen die Siege uͤber ihre Nachbarn verſchafft. Sie 
ſi ind tapfer, gehorſam, aber der Disciplin immerfort widerſtrebend, 
und ein eigentliches Band beſteht nicht zwiſchen Zruppen und 
Gouvernement. 


126 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $ 1. 

Das Pendſchab hat alle Mittel, diefe feine eigene Armee zu 
ernähren, und noch eine fremde dazu; ſchon in Alerander M. 
Feldzuge ift nie von Mangel an Lebensmitteln die Rede. in 
Heer, einheimifch oder fremd, wenn auch in den Ebenen des 
Pendſchab gefchlagen, kann noch im Kafchmirthal eine fefte Po: 
fition gegen jeden Angriff von Außen finden, mit allen Mitteln‘ 
der Subſiſtenz. 

Die Seiths3-Häuptlinge, oder die Sirdars, zerfplit 
tern in ihren gegenfeitigen Fehden ihre eigene Kraft; R. ©. Pos 
fitiE war es, diefe gegeneinander aufzuhesen, und fo fich Uber 
alle Rajas endlich zum Maha Naja zu erheben. Als Ber 
mittler ihrer Streitigkeiten hat er immer von beiden Theilen 
Nutzen gezogen, und, dadurch erftarft, ihre Macht zerknickt, fie 
aber immer wieder durch geringere Schenkungen, Zugeftändniffe, 
Vergabungen, nachdem er ihnen Alles genommen hatte, wieder 
zu verfühnen gefucht. Keiner vertraut ihm, Alle fürchten ihn. 


Nicht blos im Innern des Landes, auch noch Außen 2%), 
nach allen Seiten hin, hat R. ©. feinen politifchen Einfluß aus: 
gedehnt, wie feiner der orientalifchen Rajas vor ihm. eine 
Politik beftand immer in der Spaltung der gegenfeitigen Intereſ— 
fen feiner Nachbarn, fo daß man faft fagen möchte, er habe hier 
den kurz vor ihm vom politifchen Schauplaß verdrängten Euros 
päifchen Ufurpator zum Vorbilde gehabt. Gegen das Britifche 
Gouvernement zeigte er fich als freundlichen Alliierten, und ftörte 
nie das Vertrauen, welches durch gegenfeitige Iractate erzeugt 
ward. Sin früherer Zeit war ihm die Macht der Briten ganz 
unbekannt geblieben; vor den Sturz von Bhurtpur (f. Afien IV. 
2. ©. 939) war der Hof der Seifhs der politifhe Sammelplag 
aller Feinde der Briten in Indien geweſen, von da aber war der 


flüchtige Holfar, im Jahre 1805, ausgefchloffen worden (f. Afien 


IV. 2. ©. 407). Später gewann R. ©. die richtige Einficht in 
die Europäifch » politifchen Verhältniffe der Briten in Indien, zus 
mal feitdern die Franzöfifchen Officiere in feine Dienfte getreten 
waren (feit 1822). Bon einer friedlichen Stellung gegen feinen 
Britifchen Nachbar leuchteten ihm bald die großen Vortheile ein: 
denn nun fonnte er von da feine Grenzgarnifonen zuruͤckziehen, 
und zu andern Operationen gebrauchen. Don der Vernichtung 





230) Al. Burnes Tray. I. c. II. p. 290, 


Indus-Shftem, Kunjit Singhs Reich. 127 


feines Bhamwulpur Nachbars haben ihn, nach obigem, nur die 
Verträge mit den Briten abgehalten (f. ob. ©. 45). 

Zwifchen dem Pendfchab und Sinde Gouvernement herrfcht 
wenig Vertrauen, und nur die große Entfernung hinderte R. ©. 
die Amirs mit Krieg zu überziehen; ein Ueberfall gegen das reiche 
Schikarpur hatte ihm längft im Sinne gelegen. Schon war 
es ihm gelungen Zwietracht unter die Chefs von Sinde zu brin— 
gen, und, nach Al. Burnes?!) dort gemachter Erfahrung, wäre 
es fein Zweifel, daß feine Armee, wenn in Multan verfammelt, 
Schikarpur fehr leicht befiegen würde. Zur Weftgrenze feines 
Neiches hat R. ©. ſehr Elüglich den Indus angenommen; zwar 
haben feine Truppen haufig Einfälle bis Pefchawer gemacht, felbft 
bis Kabul würden die Seifhs leicht vorgedrungen feyn; aber er 
hielt fie im Zügel; denn obwol die Afghanenftämme ohne gemein: 
fames Oberhaupt in Parteien getheilt waren, fo fehlte es ihnen 
nicht an Macht, und ihr Haß und Fanatisınus, als Korandiener, 
zumal der zelotifchen Cufofzies, gegen die ungläubigen Seikhs, ift 
unverföhnbar. Von Pefchamwer, der DVorftufe zu Kabul, erhält 
R. S. einen jährlihen Tribut an Reis und Pferden, auch hat 
er den Sohn des dortigen Afghanen Chefs als Geiffel an feinem 

Hofe in Lahore. Aber darum ift Pefchawer ihm doch nicht uns 
terthan. Einer der ErKönige der Duranis lebt an feinem Hofe, 

und er unterhält mit ihren Chefs freundfchaftliche Verbindungen. 
Sn ihrem Granth ift eine Weiffagung gegen ihr Gluͤck auf der 
Weſtſeite des Indus, indem an einer Stelle deſſelben ein blutiger 
Verluſt für fie, in einer Schlacht bei Ghizni und Kabul, angeges 
ben feyn ſoll. Nur das Territorium Dera Ghazi Khans im 
Weſt von Multan, etwas tiefer abwärts am Yndus, macht eine 
Ausnahme; unmittelbar an Lahore unterworfen halt R. ©. dort 
eine Garnifon von 5 regulären nfanterie-Negimentern, und berz 
pachtet die Abgaben des Landes fehr Elüglih an einen Mohamme⸗ 
daner, den Khan von Bhamulpur. 

Die Bergftaaten im Norden tragen das Goch der Seikhs 
am widerfpenftigften; einft wurden fie von Rajputen beherrfcht, 
g die ſich zum Koran befehrten (feit Timur, f. Afien IV. 1. ©. 579), 

aber die Titel Raja beibehielten, vor dem ſie noch heute den groͤß— 
‚ten Reſpect zeigen (f. Aſien I. S. 1070—1082). Die meiſten 
derfelben find nach und nach ‚ihrer Throne entfegt und mebdiatis 


En 





21) Al. Burnes Trav. II, p. 292. 





125 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt,  $, 1. 


firt. Die von Nadjaouri und Bember, zweier Hauptftaaten, 
fhmachteten (1831) zu Lahore in Ketten. Das Gebiet beider, 
bis zur Grenze von Kafchmir, ift dreien Najput-Brüdern Überges 
ben, die bei dem erſten Ausbruch von Unruhen im Hochgebirge 
ihr Afyl leicht finden. Der ganze Gebirgszug des Kulu-Kaſch— 
mir-Himalaya, zwifchen Sfetledfch bis zum Indus, ift zwar 
auf diefe Weife von den Seikhs unterjocht und ihnen tributpflich 
tig, auch mit dem Seikhs-Gouvernement vereinigt; dennoch has 
ben ich dafeloft noch Feften erhalten, wie Rumla und Kote: 
Kangra, das an drei Seiten vom Beas umfloffen ift (f. Afien 
I. S. 1072), die nie von fremden Truppen betreten wurden, und 
Landftriche, vie zwifchen Bember und Jummo (f. ob. ©. 80), 
die noch ungebändigt zu ſeyn ſcheinen. 
Bei vielen Fehlern des Maha Naja Gouvernements findet 
A. Burnes daffelbe doch fehr Eraftig, und für einen Indiſchen 
Staat gut confolidirt; das allgemeine Loos aller orientalischen 
Staaten, nämlich das Mistrauen zu feinen eigenen Beamten, 
theilt auch diefer. Keinem der franzöfifchen Offieiere der Armee 
wird eine Kanone anvertraut; die verfchiedenen Ihore von Attock 
und andern Feftungen werden verfchiedenen Commandanten fiber 
geben, die von einander unabhängig zu Werke gehen. Mit Lift, 
falfhen Verſprechungen, milderer Despotie, ohne blutige Grau: 
ſamkeiten anderer Sndifcher Gemalthaber, zeichnet fich fein Negts 
ment dadurch aus, daß er das Leben feiner Unterthanen ſchont, 
wenn auch nicht ihre Perſonen. Die frühere Raſtloſigkeit R.S. 
voll Ehrgeiz, ift auch in feinem höhern Alter noch in unermüdete 
Tätigkeit gemildert vorhanden. Sein Sohn, 30 Jahr alt (im 
J. 1832), ift ohne Kenntniffe, ohne Ihätigkeit, ſchwach an Vers 
ftand, unfähig ihm auf dem Ihrone zu folgen, andere Vertraute 
oder Günftlinge fehlen; der begabtere Enkel mag gegenwärtig 
(1832) 15 Jahr alt ſeyn. Aber fein Adoptiv-Sohn Shere 
Shingh, gegenwärtig einige 30 Jahre alt, wird als der fähigfte 
Erbe des Reichs angefehen; er ift tapferer Krieger, zwar Vers 
fhwender, aber beliebt, und den franzöfifchen Officieren in des 
Maha Raja Dienften gewogen; eine Zeit lang war er Gouvers 4 
neur von Kaſchmir (zu Al. Burnes Zeit), ein feſter Poften, der 
ihm auch bei dem Tode des Vaters, obgleich er von unreiner Ger 
burt ift, doch den Thron von Lahore gefichert haben würde. Nah 
v. Hügels Bericht, 1836, fheint er dort von einem Andern, 
von Mahan Singh, erfegt zu feyn. Ohne einen Eraftigen Nach: 





} 





Indus-Syſtem, die Seikhs. 129 


folger iſt vorauszuſehen, daß R. S. Reich in ſeinen fruͤhern Zu— 
ſtand der Anarchie und der zertheilten Republiken zuruͤckſinken, 


oder von einer Nachbarſchaft unterjocht werden wird. 


Von der Volksmenge in diefem Staate war fihon früher die 


Rede (ſ. ob. ©. 35). Die Einkünfte 222) deſſelben betragen 


23 Crore Rupies jährlih, davon bisher die Hauptfumme aus 


Kaſchmir floß, nämlich 31 bis 36 Lak Rup., dagegen die Vers 


waltung diefes gefonderten Königreichs auch auf 10 Lak Rup. 
Koften berechnet wird. Die Verwüflung diefer Provinz (f. ob, 
©. 92) muß von großem Einfluß auf die neueften Finanzverhälts 
niffe des Reiches ſeyn. Al. Burnes behauptet, der Gouverneur 
von Kaſchmir habe während feiner dreijährigen Verwaltung jaͤhr⸗ 
lich 31 Laks Tribut gezahlt, dabei aber noch uͤber 30 Lak Rup. 
in baarem Gelde und an Gütern aus dem Lande gezogen (1832), 
was ihm dann von N. ©. wieder confiscirt wurde. Seine Nach— 
folger, Kafchmirfche Pandits follen nach ihm daffelbe erpreßt ha— 
ben; das Land hatte alfo außerordentliche Mittel, die gegenwärtig 


durch feine -Entvölferung um vieles gefchwunden feyn werden, 


Es fand unter dem härteften Druck und erhielt die felavifch ges 


ſinnteſten Diener zu "Gouverneuren. Die Forderungen R. ©, 





in den übrigen Provinzen feines Meichs find milderer Art, fo daß 
fih feine Multan-Eroberungen ſchon zu einem fehr blühenden 
Zuftande erhoben haben; nur bleibt cs, nach der Art orientalifcher 
Verwaltung, auch hier der Willkühr jedes Zollpächters überlaffen, 


die Auflagen nad) feiner Willführ einzutreiben und zu erpreffen, 


IM. Die Seikhs im Pendfchab. 


Diefes Bolt ift von gefunden, fehr Eräftigem Schlage, ſchlank 
von Geftalt, mit nervigen Gliedern, athletifh, von Eriegerifcher 


- Art und wilder, fanatifcher Nichtung. Nur wenige derfelben koͤn— 
nen Iefen und fehreiben; nur Hindu und Mufelmänner, Mut; 
J ſuddirs (d. i. Schreiber, Geſchaͤftsfuͤhrer), die unter ihnen leben, 
fernen fo viel Perſiſch um die Rechnungen und die Correſpondenz 
der Seith: Chefs zu führen. Mehrere von ihnen verfichen wol 
auch noch den gefchriebenen Pendfchab; Dialeıt (Gurmutha 


genannt), aber gegen die Perfiiche und Arabifche Sprache haben 
fie meift einen unüberwindlichen Abfcheu, weilsihnen von Jugend 


222) Al. Burnes Tray. II, p. 288; Mem, I, p. 298, 


" . Kittee Erdkunde VII, 3 


130 Weſt-Aſien. L Abſchnitt. F. 1. 


auf der Haß gegen alles was mohammedaniſch iſt eingepflanzt 
wird. Die Geſchaͤfte werden bei ihnen muͤndlich verhandelt, 
ihr Gedaͤchtniß iſt gut, die Ueberlieferung erhaͤlt ihre Gebraͤuche. 

Capt. W. Murray?2), der an 15 Jahre hindurch in naͤch— 
ſter Verbindung mit diefem Volke lebte, giebt folgende Character 
viftit von ihnen. Falfchheit, Betrug, Meineid ift in allen ihren 
Unterhandlungen; Geld, Furcht oder Gunſt bringt fie zu jedem 
Meineid; fie find in ewige Grenzftreitigfeiten gegeneinander bins 
fichtlich ihres Ackerbefiges und ihrer Güter verwicelt. Der Anz 
geklagte appellivt dann zumeilen an das Gottesurtheil (Dibb); 
der Sieger wird in fledend Del getaucht, oder eine glühende Pflug« 
fhaar muß in der Hand 50 bis 100 Schritt weit getragen wer⸗ 
den. Zauberei und Verwünfhungen (Zadu und Mut) 
üben einen großen Einfluß auf die Phantafie und die Handlunz 
gen der Häuptlinge wie des gemeinen Volks aus. Uebelkeit, Bluts 
freien u. a. wird dem böfen Blick (mal occhio) zugefchrieben. Ein 
Bild von Wachs, farbige Strike, Eleine Knöchelchen oder dergl. 
im Haufe des Befchuldigten zu finden, werden demfelben gewöhnlich 
als Beweife feines Verbrechens verderblich. Gute und böfe Stunz 
den oder Tage und Omina find im gemeinen Leben von größtem 
Einfluß auf alle Unternehmungen. Ein Rebhuhn, das zur rede 
ten Hand bein Eintritt in einen Ort auffliegt, Kraniche die von 
der linken zur rechten Seite übergehen, Menfchen die einem mit 
unbedecften Kopfe begegnen, ein fchreiender Efel bei der Ankunft, 
das Miefen beim Weggehen, und taufend folcher Dinge find von 
den entfchiedenften Folgen auf die Handlungen; eben fo die Träume, 
das Loosziehen u. a. 

Die Zuftizpflege ift in der Hand der Sirdars oder Chefs, | 
die fih das meifte durch Geld bezahlen lajlen; der Preis wird 
ganz willkuͤrlich feftgefegt, die Familie zur Zahlung gezwungen. 
Dies wirft die Haupteinfünfte für Beamte und den Candesfürften 
ab. Wer den Proceß verliert bezahlt Zurimana, d.h. Strafs 
geld, wer ihn gewinnt aber Shufurana, d. h. Danfgeld. 
Se größer die zu erwartende Summe, defto fchleuniger die Bes 
treibung; die Harfte Sache wird- oft abfichtlich verwickelt, um diefe 
Sporteln recht zu erhöhen. Wie dem gemeinen Volk, fo geht es 


?**) Capt. W. Murray en the Manners, Rules and Customs of the 


Sikhs App. in H. T. Prinseps Origin of the Sikh Power I. e. 
p- 141 — 215. 








Indus-Syſtem, die Seikhs. 131 


auch den Sirdars. Die Beſtrafung, die ſelten bis zum Tode er⸗ 
kannt wird, meiſt in Geld-, Gefaͤngniß-Strafe, oder in Abfchneis 
den von Nafe und Ohren beftcht, entehrt nicht, und es gefchieht 
nicht felten, daß der Verbrecher aus dem Gefängniß geholt und 
vom Sirdar, oder Maha Raja, mit einem Shawl als erneuertes 
Gunftzeichen (vergl. Afien IV. 2. ©. 968) beehrt wird. Wenn 
ein Diebftahl gefchieht, fo hat der Zemindar, in deflen Gebiet er 
gefchicht, ihn zu erfegen; denn man fest voraus, daß er der Heh⸗ 
ler des Stehlers iſt. 

Die Succeſſion des Landeigenthums iſt keinem uͤbereinſtim⸗ 
menden Geſetze unterworfen; die weibliche Linie iſt zwar ganz 
davon ausgeſchloſſen, aber bei vielen findet Parcellirung unter 
alle Familienglieder Statt; bei andern beſtehen die ausſchließli— 
chen Anfprüche der Primogenitur. Daher beftändige Erbfchaftsz 
procefie, Grenzftreitigkeiten, wegen Leitung von Canaͤlen und Irri— 
gationen, ferner über Befisnahme von Inſeln und Anfchwerns 
mungen, die fich in jedem Jahre mit der Kegenzeit und den ger: 
flörungen der Damme und Canäle erneuern u. f. w. 

Jeder Sirdar des Landes, ex fey groß oder Klein, fordert nach 
Willkuͤr Taren von feinen Unterthanen ein, und legt dem Handel 
beliebigen Zoll auf. Daher wurde es bei dem einheimifchen Kauf: 
manne Gebrauch, feine Karawane mit feinen Waaren einem 
Nanac Dutrah (d. hd. Nanacs Sohne) zu übergeben, der 
fie für eine beffimmte Summe vom Ort bis zum Emporium 
nach Umritfie zu überliefern fich anheifchig macht, und deshalb 
alle Abgaben und Zölle derfelben auf feine Rechnung übernimmt, 
Als Nachkommen von Nanac, dem erften Keligionsftifter der 
Seikh⸗Secte, genießen diefe, wie die Nachkommen des Arabifchen 
Propheten, einer gewilfen Heiligkeit, die ihnen Freiheit von Ab- 
gaben gewährt, oder doch weniger Plackereien veranlaßt, In ihr 
ren Händen ift daher im Pendfchab faſt aller Waarentransport. 

Andere Laften, die ſchwer das Volk der Seikhs drüden, find 
die Erpreffung des Siwai Juma, d. i. der Extras Taren uns 
ter den verfchiedenften Namen, der oft empörende Zwang zu 
Kar:Begar, d. h. Notharbeit, die ohne Bezahlung auferlegt 
wird; die Erpreffung des Tributs bewaffneter Garnifonen der 
Thuͤrme und Fefiungen von den Umherwohnenden, wenn. ihnen 
felöft ihr Sold vorenthalten wird, das Recht der koͤniglichen Fi⸗ 
nanzpächter über Leben und Tod der ihnen zugewiefenen Provinz 
zialen, u. a. m, 32 


132 WeftzAfien. L. Abſchnitt. 5. 1, 


Auch die Familienverhältniffe der Seifhs üben den verderb- 
fichften Einfluß auf ihre Majorität aus, Die Hochzeiten werden 
in fehr früher Jugend gefeiert; die Verlöbnifie. werden von den 
Eltern aus Habfucht und Egoismus gefchloifen, aber auch häufig 
wieder gelöft und der Bund wieder getrennt. Oefter iſt dafielbe 
Mädchen 2, 3 bis 4 Männern verlobt, von denen die Eltern das 
Geld und die Gefchenfe annehmen. Die Streitenden werden 
dann, wenn fie zu einem Gerichte (Punchayet) gehören, zwar 
zurecht gewiefen, gehören fie aber zu verfihiedenen, fo fuchen fie 
fih auf ihre eigene Fauft, durch weggenommenes Vieh oder ans 
dern Raub zu entfchädigen. Daher fehlt es nie an Unruhen und 
Fehden diefer Art, Täglich kommen hierzu die Klagen der Mans 
ner gegen die Untreue der Weiber, oder über deren Entweichung; 
oder die gerichtlichen Klagen eines Vaters wider feine Tochter 
u. dgl. Das Gefühl der Schaam und der Ehre fiheint hier 
gänzlich zu fehlen, die Männer zerren ihre entflohenen Weiber 
nicht felten mit Gewalt zuruͤck. Mitgefühl gegen Nothleidende 


- kommt bei Almofenfpenden nicht zur Sprache, es ift Sache des 


Eultus, die Fakirn, die zu den verfehiedenen Secten (Punt)- 
gehören, zu ernähren. Jede der Secten hat ihren Tempel, ihre 
Acker und Dörfer (Urdu und Pura), und diefen werden Opfers 
gaben (Churhawa) an Korn und Geld dargebracht. An Wall 
fahrtsorten werden Almofenkaften (Sudasbirt) angelegt, wo je 
der Fremde auf eine Anzahl von Tagen unentgeltlich ernährt wird, 
wie in den alten Kenodochien. Jeder der Tempel hat feine Dier 
nerfchaft, die foͤrmlich foiche Opfer eintreibt. Die wohlthätigen, 
öffentlichen Anftalten der Wohammedaner Zeit, welche noch 
von dem Groß: Moghulifhen Gouvernement oft fo. großartig ges 
pflegt wurden, find feit der Seikhs-Herrſchaft völlig in. Verfall ge— 
rathen. Dagegen find viele von den verderblichen: Sitten der 
Hindu von den fonft fo widerfpenftigen Seifhs dennoch beibehak 
ten; dahin gehören die Sutti’s, Wittwenverbrennungen, die | 
zwar nur felten einmal bei ihnen vorfommen, gegen welche aber 
fein Verbot beftceht, und welche gewöhnlich mit Gewalt erzwun⸗ 
gen, oder doch durch voreilige Verfprechbungen, durch Sammer und | 
Verzweiflung der Umſtaͤnde herbeigeführt werden. Iſt der Ent: 
ſchluß einmal ausgefprochen, fo läßt man dem unglüdlichen Opfer 
feine Zeit mehr zum befinnen. Der Pöbel umlagert die Perfon 
und ihre Wohnung, und läßt ihr durch Gefchrei, Tumult, Ueber— 
eilung u. f. mw. feine Ruhe, bis der graufame Befchluß zur Auss 








Indus⸗Syſtem, Religion, Conföderation d, Seikhs. 133 


führung gebracht if, und man ſich beeilt das Opfer in gig 
zu führen. 


W. Religions⸗Seete der Seiths, Entftehung ihrer 


Conföderation. 
NanaeSchah, oder Baba Nanac, iſt der Gründer 
der Eecte, die ſeitdem (von dem Sanskritworte Sicſcha, d. h. 
Schüler) Seifhs genannt worden ift, die fich gegenwärtig 
felöft aber auh Khalfa 22?) oder Sings tituliren. Nanac?) 


war im 5. 1469 n. Chr. Geb, zu Talwandi (jest Rajapur, am 


Beas) in der Subah Yahore geboren, feine Nachkommen zeichnen 
fih durch den Ehrentitel Nanac Putra, d.h. Nanacs 


- Söhne, bis heute von den übrigen aus. Von Kindheit an zur 


Desotion geneigt, pilgerte er als Mann, nach Art fo vieler Hins 


dus umher. Begleitet von einigen Andern, darunter ein Mufiker, 


Merdana, genannt wird, fam er auch zu Sultan Babar (um 
das Jahr 1527), den er zu befehren fuchte, und nach Multan, 


das wegen feiner vielen Pirs (d. h. Sanctus) berühmt war. Er— 
griffen von ihrer Heiligkeit, wird fein Ausfpruch von feinem Bes 


ſuche daſelbſt angeführt, in dem er fagte: „Ich bin in ein Land 


voll Pirs gekommen, wie die heilige Ganga, wenn fie das Meer 


beſucht.“ Er Eehrte in das Pendfchab zurück, wo er am Navi, 
zu Kietipur Dehra, feinen Tod fand und begraben ward, 
wo bis. heute fein Tempel und Wallfahrtsort. Der Plan diefes 
merfwindigen Mannes war cs, in jener Zeit des größten Haſſes 
zweier Religionsparteien, beide zu vercinigen, durch Friedens⸗ 


worte, durch ſanfte Ueberredung und Ueberzeugung von der Lehre 


des einen Gottes, mit der er die wuͤthendſte Bigotterie und 
tief eingewurzelten Aberglauben zu bekaͤmpfen hatte. Nicht auf 
feine Söhne, fondern auf feine Schüler und Juͤnger, die unter 
dem Namen Guru von den Seikhs verehrt werden, ging fein 


Anſehn über. Lehana, fein erfter Nachfolger, ift unter dem 


Namen Guru Angad bekannt; der zweite ift Amera Das, 


deſſen Geſchaͤft es war das Waſſer des entlegenen Beas⸗Fluſſes 


zu holen und damit taͤglich die Fuͤße ſeines Meiſters zu waſchen. 
So sing die Würde des Meiſters auf die Schüler (Sikhs, 





223) Al. Burnes Trav. 1. c. II. p. 279. 25) Genernl J. Malcolm 
Sketch of the Sikbs.in Asiatic Bescarch. Cale. Tom. Xl, p. 200 
bis 291. 


'134 Weit Afien, J. Abſchnitt. $. 1. 


Sieſcha) über, und fhon der Dritter der Gurus hatte einige 
weltliche Macht. Nanac hatte fchon heilige Schriften hinter- 
laffen, ein gleiches thaten die Gurus; in 92 Abfchnitte getheilt 
find diefe in dem Odi Granth, d. is in dem heiligen, erften 
Buche der Seikhs aufbewahrt. 

Eine wörtliche Ueberfegung einer Stelle derfelben aus dem 
Sodar?6), die Nanacs Lobpreifung Gottes enthält, hat ©en. 
Malcolm aus dem Original mitgetheilt: 

„Deine Pforten, wie wunderbar find fie, dein Schloß, wie 
„wundervoll! in dem du thronft und Alles regierft! 

„Zahllos und unendlidy find die. Töne, die dein Lob verküns 
„den; wie viele Pers, die in Gefang und Klang dich verherrs 
„lichen. 

„Luft Pavan), Wafler und Feuer (Bafantur) preifen dich; 
„Dherma Raja ruͤhmt dich an deiner Pforte. Chitras 
„gupta, der weife Schreiber und Nichter des legten Gerichteg, 
„preiſet dich. 

„Did preifen Iswara, Brahına, Deviz fie preifen deine _ 
„Majeftät an deiner Pforte. 

„Indra auf feinem Throne figend unter den Devatas preis 
„set dich. 

„Der Gerechte preifet dich tief in feinen Gedanken, der 
„Sromme verkündet laut deinen Ruhm. 

„Die Yatis und Sati preifen fröhlich deine Macht. 

„Die Pandits, die Lefenden, die Nifchiswaras, die Erfahr: 
„nen in den Vedas, rühmen dich. 


„Die mächtigen Helden preifen deinen Namen, wie die Wer / 


„sen der vier Naturreiche. 

„Die Länder und Gegenden der Welt rühmen dich, der ganze 
„Erdball (Brahmanda, d. i. das Weltei), den du feft gegründet, 
„preiſet dich. 

„Alle die dich Eennen ruͤhmen dich, alle die deiner Anbetung 
„vol find. 

„Wie zahllos find fie, die dich rühmen! mein Verftand ann 
„Te nicht faffen, wie follte fie Nanac befchreiben können. 

„Du bift, du bift der Herr ber Wahrheit, wahrhaftig und 
„gerecht. 


*?*) Aus dem Sodar rag asa mahilla pehla des Nanac I b, Mat- 
colm I. c. T. XI, p. 279 ete, 











Indus⸗Syſtem, Religion, Conföderation d. Seikhs. 135 


„Du bift, du warft, du vergehft nicht, du, der Erhalter von 
„allem Erhaltenen. 

„Von allen Formen, Geftalten und Arten der Erfcheinun: 
„gen (Maya, die Taͤuſchung) bift du der Autor; der Schöpfer, 
„der Erhalter feines eigenen Werkes, die Entfaltung feiner eige 
„nen Größe. 

„as dir wohlgefällt vellbringft du, ein anderes Wefen er 
„reicht dich. 

„Du bift der König (Madiſchah) und der König der Kb: 
„Nige (Dadfaheb der Shahs); Nanac ruht in deiner 
„Gnade. — 

Statt der beabfichtigten Vereinigung erhob ich immer mehr 
und mehr Haß zwifchen der neuen Secte und den Mohamme— 
danern; bis Har Govind, ein Eriegerifcher Guru, an der Spige 
der Seikhs, diefen gegen die Mohammedanifchen Tyrannen, die 
fie fo ſchwer drücten, feft einzmwurzein bemüht war. Er 
trug zwei Schwerter in feinem Gürtel; eins, wie er fagtr, 
um den Tod feines Vaters zu rächen, das andere um die Wun—⸗ 
derlügen Mohammeds zu vernichten. Durch ihn und feine Ein: 
richtungen wurde die bis dahin friedlihe Secte von Enthuftaften 
zu einer uneifchrefdaren Bande von zelotifchen Kriegen. Cr 
farb im %. 1661. Seitdem entflanden innere Fehden, wegen 
feiner Nachfolger als Häuptlinge: Sein erſter Nachfolger ift 
Tegh Behadur, mit ihm treten die bisher nıre als Secte von 
ten Mohammedancın tyrannıfirten Seiths, als ein tapfercs 
Kriegs: Bolt auf, das im Kampfe gegen feine Tyrannen nad) 
Ruhm, Ehre und Befiß ſtrebt; die Frommen legen das Schwert 
nie wieder zur Seite, und ſchwoͤren den Anhängern des Koran 
ersigen Krieg und Haß. Sn diefem Einne leitete fie auch T. 
Behadurs Sohn, Guru Govind, der zehnte und legte der 
Guru Succeffion, der Zeitgenofie Aurengzebs, mit dem der ®ranth 
als heiliges Buch feinen Schluß erreiht, und der Tyrannei dev 
Groß-Moghule den Anfang einer politifihben Herrſchaft 
entgegenſtellt. 

Bis dahin hatten die Seiths, meiſt Proſelyten aus den 
Staͤmmen der Jats Tribus, zwar auch ſchon Waffen getrar 
ger, wie dies bei Hinduftämmen höheren Caften, und ſelbſt bei 
den priejterlichen Brahmanen geftattet if; aber doch nur zur Vers 
theidisung. Guru Govind hob aber die Lehre Nanars, das 
able Kaften vor Gott gleich ſeyen, befonders hervor, und 


136 Weſt-Aſien. I Abfchnitt, F. 1. 


zeigte, daß alfo auch die bisher friedliche, niedrigfte Caſte eben fo 
gut Waffen tragen Fünne, wie die Brahmanen. Hierdurch fchuf 
er fih aus der niedrigften Volksinaffe, die bisher, im Gegenfaß 
der Kriegercafte, immer für unmwürdig gehalten und als Feiglinge, 
weil fie waffenlos waren mishandelt wurden, eine Landwehr, 
eine große Macht. So wurden alle Spuren des Caſtenweſens 
aus den Seikhs verlöfchtz und völlige Gleichheit aller Seikhs durch 
Tracht und Anderes feftgeftellt. Yeder Seikh mußte, nach der 
Einweihung (Pakul), eine Waffe von Stahl am Leibe tragen, 
ein blaues Kleid anthun, Bart und Haare wachfen laſſen, feinen 
Taback rauchen und das Feldgefchrei „Ba gurnje fa futtih” 
annchmen (f. ob. ©. 59), und die Pflugfchaar mit dem Schwerte 
vertaufchen. 

Guru Govind richtete in Umritſir (Ameitfar) den 
Guru Mata, einen Staatsrath ein, und gab dem Vereine 
die Form einer füderativen Republik. Sein Herz kochte 
von Mache gegen die Moslems; er breitete den Einfluß der Fös 
deration durch die benachbarten Alpenlandfchaften aus. Er fehrieb 
in der Gefchichte feiner Kriege die Worte nieder, daß unter ihm _ 
die Bogen der Seikhs fiegreich wurden über die Säbel der Mos 
hammedaner, und die Lehren des Granth über die feigen 
Doctrinen der Bedas und Shaftras. Nach ihm gab es fein 
gemeinfames Oberhaupt mehr, das als ſolches unter den Seifhs 
anerfannt worden. wäre; ihre Sirdars waren einander gleich. 
Die Ohnmacht, der DBerfall, die Auflöfung des Kaiferreiches der 
Groß-Moghule zu Delhi und der Subahdare, die Schwächungen 
der Pendfchabs Herrfchaften durch Schah Nadir und die Afghaz 
nen;Einfälle, führten eine volle Anarchie im Lande herbei, in 
welcher überall Nabobs, Rajas, Prinzen auf demfelben Schaus 
plas hervortraten, Secten, Afforiationen, Hauptlinge mit einander 
um die neuen Herrfchaften buhlten und Fämpften. Die anfangs 
lich "beimlichgehaltenen Conföderationen der Seikhs brachen 
nun öffentlih in Dharwis, d. h. in Raubbanden, her 
vor; ihre Beute lockte Anhänger, die Jugend und Abenteurer ges 
fellten fich zu ihnen. Die Häuptlinge hielten ihre Raublager nun 
oͤffentlich; Ruhm und Stolz ſuchten fie im Widerftand gegen die 
bisherigen Oberheren. Die feigen Statthalter zu Lahore begnügs 
ten fi) damit, nur die Gefahr abzuwehren, ohne fie in ihrer 
Wurzel zu befämpfen. So wurde Umritfir mit feiner Umge— 
bung das Aſyl, die Fefte der Seikhs und bald der Mittelpunck 





— — 
— 


— 


Indus⸗ Syſtem, Confoͤderation der Seikhs. 137 


ihrer Macht. Einige voruͤbergehende Verfoigungen durch Afghas 
nen-Heere, die fie in ein paar Schlachten tuͤchtig aufs Haupt 
fihlugen, viele Seikhs binrichteten,, viele zur Abfcheerung ihres 
Haarwuchfes zwangen, dienten, weil die Afghanen fich ftets wies 
der Uber den Indus zurücdzogen, nur dazu, die Erbitterung der 
Seikhs, die jene Gefallenen nun als Martyrer verehrten, gegen 
die Moslemen zu erhöhen, und ihre noch unangetaftete Fefte Ums 
ritfir zu verftärfen. Nach der zweiter jener Niederlagen, im 
%. 1747, warfen fie bei Umritſir neue Erdverfhanzungen auf, 
Nam Runi, die fpäterhin vergrößert den Namen Namgurh 
erhalten haben. So lange in diefer Zeit der Verwirrung auch 
die Macht der Mahratten fo großen Antheil an den Fehden im 
Pendſchab nahm, Eonnten die Seikhs nicht aufkommen; als diefe 
aber durch die Schladht von Paniput (1761, f. Afien IV. 2, 
S. 398) gänzlich nach Dekan zurücgedrängt waren, erhielten die 
Seikhs im Pendfihab mehr Spielraum. Nur einmal erlitten fie 
noch im folgenden Jahre, durch die Afghanen, bei Umritfir 
eine blutige Niederlage (Ghulusghara genannt, im J. 1762), 


‚ dem eine Entweichung und Zerftörung ihres Tempels (Hurmuns 


dur) in diefer Fefte folgte; aber unmittelbar darauf, nach dem 
Ruͤckzuge ihrer Feinde nah Kabul, rücten fie in das Pendſchab 
mit zelotiſcher Macht ein. Sie überfielen den Afghanifchen Statt 
halter in Sirhind, und zerftörten diefen Ort von Grund aus, 
weil dort einft Guru Govinds Weib und Sohn getödtet waren; 
es blieb, bis heute, für jeden Seikh verdienftlih, drei Steine 
von irgend einer Mauer Sirhinds abzureißen und in den Sfets 
ledſch zu werfen. Sie überfieien ‚gleih darauf auch Lahore, 
das ihrer zelotifchen Wuth nicht widerftehen konnte (1764), nah— 
men das ganze Pendfchab in Befis, das fie num nicht wieder 
fahren ließen, in deſſen Territorien oftmärts noch bis über den 
Sfetledfch hinaus, ihre Sirdare, die von ihren Heerfahrten 
(Mifals genannt) 227), ihren Verwandten, Parteigängern oder 
Soldtruppen begleiiet waren, nun fich theilten. Damals waren 
es zwölf folder Mifuls, deren jede ihren eigenen Namen 
führte, und eine Macht von 70,000 Reitern zuſammen gebracht 
hatten. 

Dies find die fogenannten XII conföderirten, friegeris 


2%”) H. T. Prinsep Origin of the Sikh Power in the Punjab ete. 
Caloutta 1834. 8. p. 29 — 44. 


138 Weſt⸗Aſien. I. Abſchnitt. 9. 1. 


ſchen Republiken (Miſuls) der Seikds (ihre einzelnen 
Benennungen und Vertheilung der Territorien ſiehe bei J. Prin— 
ſep) mit einem oder mehrern Sirdars an der Spitze von 
jedem, davon die meiſten durch Gluͤcksumſtaͤnde beguͤnſtigt ſich 
aus tapfern Jat-Bauern (ſ. Aſien IV. 1. ©. 574 u. a. O.), 
Zimmerleuten, Schaͤfern, Fahnentraͤgern, Keulenſchwingern, oder 
von anderm niedern Herkommen, ſich zu Raͤuberhauptleuten 
emporgeſchwungen hatten, und nun als Heerführer zu dau— 
erndem Laͤnderbeſitz mit ihren Reiſigen famen, den zu be: 
wahren und zu erweitern, fen es nach außen gegen ihre Feinde, 
oder auch nach innen, gegen ihre eigenen Glaubensgenoffen, fie 
ſtets gerüftet und fehdebegierig erfcheinen. 

Die meiften diefer Miſuls hatten nur 2000 bi8 5000 Rei⸗ 
ter aufzubringen; nur wenige über 7000, einer jedech bis 10,000 
und zwei bis 12,000. As der legte derfelben, der zwölfte, 
wird der Sufur Chukea Miful aufgeführt, der zu den ges 
xingften gehörte, nur mit 2500 Reitern, deflen tapferer Haupts 
ling Churut Sing, aus dem Geſchlecht eines Jat Zemindaren 
(Sukur Chut), der Großvater des heutigen Maha Raja Kunz 
jit Singh war. 

Das lockte Band des Zufammenhalts diefer XIE Confödes 
rirten war, außer ihrem religiöfen Cultus, die jährlich zweis 
malige Verfammlung ihrer Chefs (Sirdare), während der By⸗ 
fafi und Dewali Fefte (im April und October) zu Ums 
ritfir. Zu diefer Generalverfammlung, Surhut Khalfa ges 
nannt, gehörte das Bad im. heiligen Wafferbaffin, worauf der 
befondere Staatsrath, Guru-Mata (Gurmutta) genannt, 
zufaminentrat, in dem die Hauptpuncte berathen wurden. DBers 
einten mehrere der Mifuls fich zu einem gÄemeinſamen Raub— 
zuge (Rakha), fo ward die vereinte Sriegsmadyt, Dul des 
Khalſi Zi genannt. In allem übrigen agirte jeder Miful uns 
abhängig von dem andern, oder in Uebereinſtimmung mit dem: 
felben, ganz nach Belieben. Das erfte Gefchäft war nach der 
Expedition die Vertheilung der eroberten Ländereien, je nach dem 
Antheil, den ein jeder an der Eroberung (dem Skamil) genom⸗ 
men. Seder Führer (Surfunda) des geringften Neiterteupps 
forderte feinen Antheil, da kein Sold gezahlt ward. Des Chefs 
(Sirdar) Antheil wird zuerft abgetrennt, der Reſt in Theile 
(Dutti’s) für jeden der Surkunda zerlegt, und dieſe parcellis 
ren wieder jeden Putti unter die einzeinen Reiter, nach dee Zahl ı 





Indus⸗Syſtem, Confoͤderation der Seikhs. 139 


der mitgebrachten Pferde. Sobald die Gefahr von Außen nicht 
mehr zuſammenhielt, mußten im Innern jedes Miſul bald Febs 
den aus fo rohem Derfahren entfiehen, zu deren Durchfechtung 
jeder Surfunda feine Neifigen (Chara) aufrief. Da es jedem 
frei ftand, eine beliebige Partei zu ergreifen, fo fand fich der Ges 
brauch der Parteihäupter ein, jedem Reiter eine Rupie für den 
Sattel zu zahlen, den er ihm zubrachte. | 

Ehresifache war es bei den Seifhs feinen der Verbrecher ih— 
res Miful wegen Naub oder Mord an einen andern oder fonft 
an einen Nachbar auszuliefern; fo entftand der Gebrauch der 
©Selbftvertheidigung (Gaha) jedes Gemeinen, wie der 
Eirdere. Jeder Eigenthämer im Dorfe umzog fein Gut mit 
Well ind Graben, baute feinen Ihurm, und in allen Städten 
ward jedes Haus eine eigene Burg. Selbſt die gemeinfamen Fer 
fungen wurden im Innern wieder durch Wall und Graben ges 
fchieden, um gegen Verrath des Nachbars gefichert zu feyn. Bei 
Berunglimpfuug und Unrecht, fuchte jeder durch verbuͤndete Freunde 
mit Gewalt ſich fein Recht zu ſchaffen; zuweilen auch beim Sur: 
kunda zu Elagen, oder wenn defien Entfcheidung misfiel, an den 
Eirdar zu appelliren. 

‚Die verfchiedenen Arten des Grundbefißes gaben verfchiedene 
Namen: das Putidari iſt ein einfacher Landesantheil, der 
Mutidar, fein Befiger, leiftet dem Sirdar Beiftand und wird 
dafür auch von diefem befhügt. Der Mifuldar iff ein Grunds 
befiser, dem es frei ſteht auch ohne weiteres zu einem andern 
Miful überzugehen. Der Tabadar ift nur ein Dienftmann, 
dem der Sirdar feinen Grundbefis wieder nehmen Fannz die 
Jagirdars find DVerleihungen an Verwandte, Krieger u. ſ. w. 
gewöhnlicher Art, wie Lehne. Andere Vergabungen find die an 
Tempel, Gurus, teligiöfe Stiftungen u. f. w. 

In ſolche ſchwankende Verhältniffe waren die Landfchaften 
von Sirhind (ſ. Afien IV.1. ©.571) und Lahore im Pendfchab 
verfeßt, als das Moghul-Neich in Delhi unterging, die Briten 
bis Ludiana (ſ. Aſien IV. 2. ©. 405, 407) zum Sſetledſch vors 
fohritten, und die Seikhs Sirdare alfo, an der Oftfeite dieſes 
Stromes, unter ihre Botmäßigkeit ftellten, die im Weften aufs 
blühende Macht der Afghanen nur zu fihnell wieder in Verfall 
gerieth, das innere Pendfchab zwifchen Sfetledfh und Indus 
aber eben dadurch der Tummelplatz unternehmender, ehrgeisiger, 
babfüchtiger, herrſchſuͤchtiger Sirdare wurde, unter denem der ta: 


140 Weſt⸗Aſien. 1. Abſchnitt. 6. 1. 


fentvolffte von allen R. &. nad) und nach die Oberhand gewann, 

und die anarchifchen XII Krieger-Mepublifen in einen monarchifch 

despotifchen Staat, in ein Maha Rajathum verwandelte, wo: 
durch die Pendichabgebiete ihrer gegenwärtigen en allmas 

lid) entgegen gingen. 

Anmertung. Kurzer hiftorifher Abrif ber Entftehung®e 
geſchichte von Runjit Singhs Reihe, dem Mana Rajas 
tbum des Pendfhab, und von deffen neueftem flatis 
fifhepolitifhem Zuftande, nad) officiellen Quellen, 

Runjit Singh (Ranadjitfimha, d. h. Siegerstöwe, . 
n. €. Sarquet), 2. Nov, 1782 geboren ???), war der Enkel Chu⸗ 
rut-Shings und Sohn Maha-Singhs, zweier Sirdare jenes 
Miſul, der ſich zulegt erſt bei der Befisnahme des Pendfchab ausge: _ 
bildet und durch die Kühnheit und Schlauheit feiner Chefs fo ausgezeich⸗ 
net hatte, daß viele der Seikhs ihm freiwillig zuficlen, zumal um 
Theil an den Plünderungen Maha Singhs zu nehmen, durch melde ex 
fi, wie bei der Zerſtoͤrung ber reichen Handelsftadt Summo, einen bes 
beutenden Schag gefammelt hatte, Durch Krieg und Verfchmwägerungen 
griffen fhon Maha Singh gewaltfam und ſchlau in das Gebiet und bie 
Rechte feiner Nachbar Mifuls ein. Drei derjelben waren von ihm ſchon 
theilweiſe abhängig geworden, als er faum 27 Zahr alt ftarb, und feis 
nem zwölfjährigen Sohne, Runjit Singh, den bie Poden eindugig 
gemacht hatten (daher Rana, Einauge genannt), Gewalt und Ans 
ſehn Hinterließ, wie fie damals Fein anderer der Mifuls befaß (1792). 
Bon der läftigen Vormundſchaft feiner Mutter befreite ſich der junge 
Sirdar bald, indem er fie durch Vergiftung aus dem Wege räumte, 
um vom 17ten Jahre an felbft die Zügel der Herrfchaft zu führen, Für 
feine Erziehung war nichts gefchehen, ex hatte weder Iefen noch fehreiben 
gelernt und fröhnte allen Leidenſchaften; verſtieß den vertrauten Vizier 
des Haufes, entlieg den Diwan und führte mit Raftlofigkeit, Talent und 
Entſchloſſenheit felbft das Regiment. 

Noch waren die Seikhs Sirdare zu ſchwach, um ben großen Afahas 
nen Heere, Shah Zumans, wenn biefer im Pendſchab einfiel (mie 
in den 3 Jahren nacheinander 1795 bis 1798), in offener Schlacht zu 
widerſtehen; fie retirirten in die Bergthäler, auch R. ©., die beiden 
erfien Sabre; aber im dritten benuste cr feine Retirade zu einem 
Einfall über den Sſetledſch, und trieb von den dortigen Städten ſtarke 
Gontrikutionen ein. Als Schah Zumans Truppen auf die Weftfeite des. 
Indus hatten zuruͤckkehren müffen, und R. ©. mit den andern Sirdaren 





»27) H. T. Prinsep Origin ete, I. e. Political Life of Maba Raja 
Runiez Singh p. 46 — 188. K 








Indus-Syſtem, Runjit Singhs Monarchie. 14 


in das Pendſchab zurüdzog, faßte er das kuͤhne Project die Stadt La» 
bore, bie unter drei Schwache Sirdare vertheilt gewefen war, als fein 
Theil zu behaupten. Durdy einen zufälligen Dienft, den er Schah Zus 
man zu leiften nicht unterlich, begehrte er von ihm die Verleihung 
von Lahore, und erhielt fie. Bei der eiligen Ruͤckkehr über den an⸗ 


- gefchwellenen Silum hatte der Schah 12 Kanonen im Stich laſſen 


müffen, deren Auslieferung er von R. ©. erbat; 8Stuͤck ſchickte ihm 
R. ©. wirklich, und forderte dafür die Bekleidung mit der Statthalters 
würde von Labore. Die andern 4 Stüd follten nacjfolgen, was aber 
nie gefchahe, denn fie wurden 1823 in das Arſenal von Lahore geftellt, 
Diefe Verleihung machte ihm bei feinem Einmarfc die mohammedanis 
fen Bewohner Lahores gehorfam, die feigen, entneroten bisherigen drei 
Rahore Sirdars fchredte des Zünglings Energie zurüd, und die andern ' 
eiferfüchtigen Seikhs Sirdare, die ihn um die berühmte Gapitale beneia 
beten, wurden in einzelnen Fehden und durch Lift zuruͤckgewieſen. 

Als Gebieter von Lahore (feit 1800, gelang es feiner Politik nun 
fon eher als zuvor, durch Lift und Gewalt, den einen ober den ans 
bern der Seikhs Sirdare und Surfunda’s, die bisher gänzlich unabhaͤn⸗ 
gig von einander gelebt hatten, fi tributpflichtig zu madın. Da 
alle uneinig untereinander waren, und darum unfähig zu Widerftand, fo 
unterließ er es nie, wenn einer der Sirdare ftarb, fogleich die hinterlafs 
fene Familie zu überrumpeln, und ging bierbei ganz fuftematifch zu 
Werke. Als nun auch im 3. 1804 4 verſchiedene Kronprätendenten zus 
gleih um den benachbarten Afghanenthron buhlten, beſchloß R. ©, 
diefe Gelegenheit zu benugen, au) im Weſt des Indus auf Eroberung 
auszugehen; es gelang ihm feitdem, wenigftens einzelne Sndusufers 
Diftriete des Kabul: Reiches abzulöfen und fi tributbar zu machen, 
Im Sahre 1805 führte Holkars und der Briten Unnäherung (f. Afien 
IV.2. ©. 401) den Freundſchaftstractat mit lesteren herbei, wos 
durch feitdem der Sfetledfh als Oftgrenze der Seikhsherrſchaft 
galt und fpäterhin im erneuerten Eractat 1809 zu Umritfir?®), 
auch zwifchen dem Lahore Staat und dem britifchen Gouvernement fefts 
geftellt ward, obwol R. ©. bis dahin immerfort auch feinen Einfluß 


* auf das Land zwiſchen Sſetledſch und Yamuna geltend zu machen, 


wiewol vergeblich, verfudht hatte, Seine Eroberungsfudyt wurde diesmal 
durch die richtigere Einficht, die er nad) und nad von der Superiorität 
britiſcher Truppen geivonnen hatte, gezügelt; er begab ſich alles milis 
tairifch = politifchen Einfluffes auf die Stämme der Seikhs, welche auch 
noch die Dftfeite des Sſetledſch (es find zwei Miful, die ihre Unabhänz 


gigkeit vor R. S. Kabalen unter britifyem Schuge gefichert zu fehen 


ungemein erfreut waren) bewohnen, und ift feitvem, was chen fo außers 





”*) H. T, Prinsep Origin 1. e. p. 69, 


142 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. F. 1. 


ordentlich bei orientaliſchen Tyrannen zu ſeyn pflegt, ununterbrochen in 
den friedlichſten und freundſchaftlichſten Verhaͤltniſſen mit den Briten bis 
heute geblieben, mit immer wachſendem Vertrauen, ohne Falſchheit und 
Eiferfucht. £ 

Auch dem britiſchen Goudernement Eonnte die Blüthe eines gefichers 
ten Staates an der Nordweftgrenze des britifch -indifchen Reiches nur 
erwünfcht feyn, weil diefes für daffelbe die ficherfte Grenzmauer gegen 
jeden erobernden Ueberfall von Iran und Zuran feyn mußte. R. ©. 
fahe aber feinen eigenen Vortheil fehr bald ein, da er nun bie zahlreis 
chen Garnifonen aus den Feften und Stationen feiner Oftgrenzen herauss 
giehen und zu andern militairifhen Operationen verwenden konnte, wo⸗ 
durch fein politifches Webergewicht über feine Mit» Sirdare und Nach⸗ 
barn von Jahr zu Sahr wachen mußte. 

Schon 1809 im Befig der früherhin gemeinfamen Gapitale Umrits 
fir gekommen, befeftigte er das dortige Hort Govind-gurh von 
neuem und häufte darin feinen Schatz an; fein politifches Uebergewicht, 
unter den verfchiedenen nod etwa beftehenden geringern Seikhs-Staaten 
oder Mifuls, geht daraus hervor, daß der Gurus- Mata, als oberfter 
Staatsrath, dafelbit zum legten Male gehalten wurde, ala dem Fluͤcht⸗ 
linge Holkar die Aufnahme in der Seifhs- Republik verfagt ward, 1805, 
wobei noch jeder Miful feine Stimme abgab, fpäterhin aber nicht 22°) 
wieder zu Stande kam. Als der Raja von Kangra ihn freundlich zu . 
Hülfe rief gegen die Gorkha Belagerer, verfprah R. ©. Beiftand, kam 
auch mit feinem Huͤlfscorps, nahm aber diefe berühmte bis dahin für 
uneinnehmbar gehaltene Fefte in demfelben Sahre, 1809, für ſich ſelbſt 
in Beſchlag. Er fing nun an fih, nad Art der britifchen Seapoys, 
regulaire Bataillone unter frinen Truppen zu bilden, durch Purbis 
(d. h. Eingeborne aus den Gangeöpropinzen) wie Seikhs, und nahm 
britijche Deferteurs zu Ererciermeiftern an, die er durch höheren Gold 
und Avancement lockte; eben fo ein Artillerie-Gorps, In wenigen Zahe 
ren war ber größere Theil der XII Seikh Mifuls durch Betrug, Gewalt 
oder Politik unter feine Fahnen gebracht *°). Die fortgehenden Afghas 
nenhändel um den Thron von Kabul, braten die von ihren Nebenbubs 
lern feit 1810 entthronten Shah Schuja und den unglüdtichen ges 
blendeten Shah Zemaun als Flüchtlinge nad) Labore, wo fie bei 
R. ©. mit ihren geretteten Schaͤtzen Afyl fuchten, der diefe Gelegenheit 
nicht vorüber lieg allen Vortheil von dem Unglüd feiner Schüglinge zu 
ziehen und fie ihrer Iegten Sumelen zu berauben., Darauf kam auch bie 
Feſtung Attod (1813) dur Verrath ihres Commandanten *") in feine 
Gewalt, und bei den Fehden der neuen Kabul Könige mit ihren Kaſch⸗ 


229) H. T Prinsep Origin 1. & pP» 182. er ebend. P · 85. 
21) ebend, p. 96. 








Indus⸗Shſtem, Runjit Singhs Monarchie. 145 


mie Gouderneuren ward ihm ber Gedanke von ſelbſt in bie Hand ges 
geben, ſich biefes reihen, benachbarten Königreihes bei der. nächften 
günfligen Gelegenheit wo möglich zu bemaͤchtigen. Fürs erfte, um fi) 
dazu die Wege zu bahnen, überzog er die Berg Rajas von Bember 
und Radjaouri mit Krieg und machte fie fich tributair, Im J. 1814 
wagte er den erften Kriegszug *?) gegen Kaſchmir, der jedoch mes 
gen Widerfpenftigkeit einiger Berg: Malliks, die ihm den Uebergang der 
Gebirgspäffe verrannten und dadurch feiner Armee ftarfe Niederlagen 
zu Wege brachten, ungluͤcklich ausfiel, was ihn nicht hinderte unter güns 
fligeen, politifchen Gombinationen denfelben Verſuch fpäter zu wieder⸗ 
holen. Vorerſt aber verftärkte er nod) feine Macht durd) Bildung neuer 
Regimenter zum Gebirgskrieg dur Gorkha Ueberläufer, die in 
diefem gewanbter waren, und bie er im feinen Sold nahmz er bereis 
cherte feinen Fiscus durch wiederholte Ueberfälle gegen Multan und 
Bhamulpur, die er, im 3. 1815, zu Contributionen zwang, und bamit 
endete, daß er 1818 die Feſtung Multan erfiürmen lic und fi das 
ganze Gebiet deffelben unterwarf. Nun mar er gerüftet genug um die 
Eroberung von Kafhmir*?) durchzuführen, die ikm auch im 
Sabre 1819 in einem eingigen Feldzuge gelang. Der Sieg in Multan 
und die Verwirrung in Kabul. hatte defjen damaligen Beherrſcher Mos 
hammed Uzim Khan genöthigt, den größten Theil feiner Garnifonen aus 
Kaſchmir zurückzuziehen. Kaum hatte R, ©., der durch Krankheit in 
Labore zurückgehalten wurde, dies erfahren, fo trug er dem Sieger von 
Multan, feinem General, Mifur Dewan Chund, das Kommando 
eines Heeres auf, das im April gegen Kaſchmir aufbrach. Eine zweite 
Armee wurde zu gleicher Zeit gebildet, um diefer erften in allen Operas 
tionen Nahdrud zu geben, und R. ©. felbft ftellte fi) an die Spige 
einer dritten‘, die jener nachruͤckte. Am 23. Juni attakirte die erfte 
Armee die Paffagen, weldye ihr den Pir Penjahl Uebergang eröffnete, 
die zweite feste auf einem andern Paffe (Surdi Thana genannt? ob 
derfelbe wie in Afien II. S. 1144) über, und R. ©. felbft befegte die 
Bember Paſſage. Die erfte Armee flieg nun in das Kafchmirthal hinab, 
welche bei Sarai Uli vorüber zur Strafe nah Supyn (? bisher uns 
bekannt, aber auf Capt. M. Mur ray Map angegeben) führt. Die 
5000 Mann jchlecht disciplinirter Truppen, welche hier dee Gouverneur 
Subur Khan von Käfchmir entgegenftellte, wurden in dem erften Ges 
fechte total von der Seikhs-Armee gefchlagen, und biefe zog ohne weiten 
ren Widerftand ald Sieger in das gefeicrte Alpenthal ein. Dreitägige 
Zefte und drei Nächte Slluminationen in Lahore und Umritfir verfündes 
ten dem ganzen Pendſchab den großen Sieg feines Gebieters, dem nun 
ſchon durch Multans und Kaſchmirs Unterwerfung, wie durch Attock und 





»2) ebend. p. 104—103. >) chend, p. 121— 135, 


144 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 6. 1, 


umritſirs Beſitz, als ſouderainen Maha Raja in ganz Pendſchab keine 
unuͤberwindliche Gewalt mehr entgegen trat. 

Aber die ſouveraine Gewalt zu behaupten, die auf dieſe Weife ge⸗ 
wonnen war, fchien feine geringere Aufgabe des überall gefürchteten 
Ufurpators zu feyn Das Gluͤck führte ihm im Jahre 1822 ?**) aus 
der Napoltonſchen Schule die beiden DOfficiire Ventura und Allard 
zu, durdy deren Zalente es ihm gelang fich eine ftchende Armee auf Eus 
ropaͤiſchen Fuß mit einer bedeutenden Artillerie, Feftungen und allem 
Zubehör zu Schaffen, welche auf einem fo ſchwankenden, politifchen Bo— 
ben, wie derjenige der Geikhs- Gonföberationen immerhin feyn mußte, 
durch Militairgewalt nach innen und außen Sicherheit gab. Alle fols 
genden Unternehmungen find nur Vervollftändigungen und Confolidiruns 
gen der früheren, innerhalb jener ſchon Elüglich abgeſteckten Schranken 
gewefen, und genauere Verbindungen mit den Briten. Nur einmal trat 
ein Schwanfen gegen dieſe ein, als der allerdings gefährliche Birmanen» 
krieg (1824 bis 1826, ſ. Gefhichte, f. Aſien III. ©. 335 — 340) die fers 
nere Herrfchaft der Briten in Bengalen zweifelhaft zu machen ſchien, 
ein Umftand der R. ©, Iebhafteftes Intereffe *°) erregte. Das Jahr 
1826 war das einzige, in welchem der unruhige R. ©, keine befondere 
militairiiche Erpedition unternahm. Vielleicht, daß er eben feine Kräfte 
zu einem größeren Projecte fammelte. Vorher und nachher dehnte er 
durch mehrere Streifzüge feine Macht, jenfeit des Indus, auch bis Pe⸗ 
ſchawer aus, das ihm feit 1829 tributpflihtig ward, und bei der gro— 
fen Schwaͤchung der Kabul Regenten aud in feinem friedlichen Befige 
verharrte. Die Veranlafjung zu dieſer Bejignahme hatten bie fanatifchen 
Eufofzyes ?°), zelotifche Mohammedaner der dortigen Berg-Gantone 
gegeben, die durch einen ihrer zelotifchen Reformatoren (Seyud Ah⸗ 
med, der die grüne Fahne Mohammeds von neuem in ihren Bergen 
aufpflanzte) aufgehest, mehrmals Ghazie, d. i. Religionskriege (mie 
die Ghaznaviden, f. Afien IV. 1. ©. 532), mit unglaublicher Wuth ge= 
gen die Seikhs, durch Ueberfälle gegen fie, begannen, worauf der Krieg 
durch R. S. Armeen zu ihnen auf die Weftfeite des Indus hinüber ges 
fpielt werden mußte, der in oft wiederholten Kehden von beiden Seiten 
viel Blut fließen machte. Das legte politifche Project des MahaRaja, 
auch feine füdlichen Nachbarn, die Amirs von Sinde, mit Krieg zu uͤber⸗ 
giehen, kam bisher nicht zur Ausführung, weil er dabei Eeine Unters 
ftüsung des britifchen Snterefjes erwarten durfte, Wirklich traten diefe 
auch feiner Eroberungsbegier im Sahre 1832 durd) einen Handelstractat 
mit den Amirs von &inde?') entgegen, ben fie, ohne fein Vormiflen, 
mit dieſen feinen Feinden durch Lieutnant Colonel Pottinger in Hy⸗ 





232) ebend. p' 128 etc. »5) ebend. p. 142. 2°) ebend. p. 138, 
146, 149, 37) gbend. p. 172 — 17, 





\ 


Indus-Syſtem, Runjit Singhs Monarchie. 145 


drabad abſchloſſen, um fid bie freie Schiffahrt und den Handel auf 
bem Sndus nad dem Pendſchab zu fichern. Die eintreterde Körpers 
ſchwaͤche und das herannahende Alter des Greifes haben den Maha Raja 
von andern friegerifchen Unternehmungen zurüdgehalten, ihn aber in der 
innern Thaͤtigkeit für Verwaltung nicht gehindert. 

Zur vollftändigern Würdigung diefer merfwürdigen, geographifchs 
politifchen Erſcheinung des Pendfchabreiches, befchließen wir deffen Dar— 
ftellung mit der Characteriftif, welche uns der jünafte Beobachter aus 
ben ficherften Quellen ?°) über deſſen neueften Zuftand mittheilt. 

RN. ©. kann weder Iefen noch ſchreiben, aber er durdfchaut alle 
Acten die ihm in Perſiſcher, in Pundfhabi und Hindi Sprache vorges 
tragen werben mit großer Scharfſicht, fo, daß feine Entfcheidung immer 
ſchnell und ficher if. Sein ausgezeichnetes Gedaͤchtniß, das Nichts ver— 
gift, feine vertrauten Secretaire, die ſtets ihn umgeben, ſichern ihm eine 
große Gewandtheit in jeder Gefhäftsführung. Mit egoiftifcher Schlau: 
heit und Energie fest er alles durch, was er will, und. ift dabei ſehr 
freimüthig, lebendig, ungebunden, angenehm in Gonverfation. Per ſoͤnlich 
tapfer und maͤchtig als Regent, iſt ihm doch Verſtellung und Betrug 
lieber als Gewalt, um ſeine Zwecke zu erreichen, zu denen es ihm nie 
an Mitteln und Wegen fehlt. Nichts ſteht ihm dabei im Wege, weder 
Gefuͤhl, Mitleid, Dankbarkeit oder dergleichen; die Verſchwendung ſeiner 


Jaugend iſt in feinem Alter in Geiz übergegangen, Sein aus ſchweifen⸗ 


des Leben hat ihn abgemagert und entnervt, ſein fruͤh ergrauter Bart 
hat ihn vor der Zeit alt gemacht, aber das eine Auge hat den feurigen 
Blick des raſtloſen Herrſchers bewahrt. Paraden, Revuͤen, militairiſche 


Evolutionen find feine Lieblingsunterhaltung, denen er ‚den größern Theil 


feiner Zeit nachhaͤngt; Pferde find feine Paffion, er pust fie durch Zeps 
pie, Sumwelen, Gattelzeug u. f. w. heraus, verfchwendet an ihnen feine 
Garefjen und hat fie wo möglich immer vor Augen, Ohne Erziehung 
und edlern Umgang, ift er nicht von Gtaatsmännern, fondern von den 
räuberifchen Seikhs umgeben, die aus den verftoßenen Gaften und armen, 
rohen Jat-Bauern durch die Noth gedrängt zu Emporfömmlingen wurs 
den. Schon als er geboren ward, war feine Spur von höherer Bils 
dung mehr in ganz Labore zu finden. Er hat fich erſt feinen Hof- ges 
fhaffen, der ſich feine Cultur aneignen wird. Seine ganze Laufbahn iſt 
nit ohne Ungerechtigkeiten, aber bis auf wenige Fälle faft ohne alle 
biutigen Erecutionen, und mit weit weniger Grauſamkeiten und Verbres 
hen befleckt, als die der meiften andern Gründer orientalifcher Despotien. 

Dabei iſt R. ©. feinem Glauben nady ein fehr ferupuldfer Seikh, 
wenigftens läßt er fich täglich mehrere Stunden lang aus dem Granth 





s2) H. T. Prinsep Origin 1. e. Chapt. XI. p. 178—190. 
Ritter Erdkunde VII. K 


146 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. F. 1, 


durch feine Gurus vorleſen, iſt aber dabei voll Aberglauben, Einbilbun⸗ 
gen uͤber ſein Schickſal, und ſtets von vorſorgenden Aſtrologen umgeben. 

Seine Regierung ift ohne Princip, es fehlt ihr alles Syſtematiſche, 
er ift eigentlich nur ein immer mweiter greifender Ufurpatorz; aber 
fein Adminiftrator beffen, was er ſchon befist. Alles wird von ihm 
verpacdhtet, mit voller Willtür der Pächter über die Unterthanen nad) 
Belieben zu falten und zu walten wie fie wollen. Er glaubt in feis 
" ner Militairmacht dad Gegenmittel zu befigen jene zu zügeln oder zu 
betrafen. Seine Beamten und die alten Seifhbs - Familien werden von 
ihm mehr gequält und geplagt, als z. B. Kaufleute, die er fehr beſchuͤtzt 
und ihnen nur mäßige Zaren auflegtz; ſich felbft hat er das Monopol 
mit Salz und Shawls vorbehalten. 

Er bat dem Pendfchab keine eigenthümlihe Verwaltung gegeben, 
feine Gonftitution, kein Gefeg proclamirt, Eeine Gerichtshöfe eingerichtet, 
Der Guru Mata, deffen frühere $unctionen gaͤnzlich aufhörten, befteht 
noch, aber in ganz umgewanbelter Korm, daR. ©. der Alleindespot 
aller Seikhs geworden ift, und feine ftehende Armee als erecutive Ges 
walt an der Hand hat, fein Schag aber gefüllt ift. Der ganze gegens 
wärtige Beftand ift durdjaus nur an feine Perfon geknüpft, nicht eine 
mal an den Reſpect oder die Liebe zu feiner Nachkommenſchaft. 

Zu R. ©. Zerritorialbefige gehört gegenwärtig das ganze 
Pendſchab zwiſchen Sſetledſch bis zum Indus, dazu Kaſchmir und das 
ganze Alpenland des Kulu⸗Kaſchmir Himalaya; ſelbſt noch jenſeit hin—⸗ 
aus, bis gegen die Grenze von Ladakh, wo in neueſter Zeit das Gebiet 
don Iskardo (ſ. ob. ©, 14) weſtwaͤrts Ladakh durch die Seikhs bes 
droht ſeyn ſoll. Die in den Gebirgsgauen noch gebliebenen Rajas ſind 
insgeſammt mediatiſirt und müffen ſtarken Tribut zahlen und Huͤlfstrup⸗ 
pen ſtellen, wenn ſie nach Lahore gefordert werden. Außerdem hat R. 
S. noch an 45 Taluks (Herrſchaften) gang ober nur theilweiſe Ans 
teil, gemeinſchaftlich mit andern auf der britifchen Geite des Sſetledſch. 
Sm Weften des Indus befigt er die Diftricte Khyrabad, Akona, 
Peſchawer, tributpflihtig, und Dera Ghazi Khan, das an ben 
Bhamwulpur Khan verpadjtet ift, fo wie Dera Ismael Khan, wel 
ches dem Hafig Ahmed Khan von Munkera zugemiefen ift. Von einigen 
Beludfihen Chefs, von Tonk und Sagur im Süden, zieht er 
ebenfall3, obwol nur geringen Zribut, 

Seine Einkünfte ſchaͤtzte Capt. W. Murray, an Grundfteuer 
und Tribut, in allen Befigungen, jährlid auf 1,240,000 Pfd. Sterl. 
(12,403,900 Rupie); den Zoll im Pendſchab auf — 190,000 Pf. St. 
(1,900,600 R.); das Stempelgeld (Mohurana ) von jedem Siegel = 
50,000 Pf. St. (577,000R.)., In Summa alfo = 1,480,000 Pf. St. 
(14,881,000 R.); außerdem aber noch an Domainen (Jagirs) — 1,090,000 
Hf. St. (10,923,000 R,). Alfo in Summa = 2,580,000 Pfb. St., 





Indus-Syſtem, Mittler Lauf. 147 


ober an 15 Millionen Thaler (25,809,500 Rup.). Diefelbe Summe 
brachte etwa die Subah Lahore zur Zeit der Groß- Mogtule ein; da 
aber bei R. ©. Revenüen die Einkünfte von Kaſchmir mitgerechnet find, 
fo wird jene Schägung fehr wahrfcheinlich, wenigftens auf feine Weiſe 
übertrieben feyn, da das Land unter den Seikhs unmöglich fo viel wie 
in feiner blühendften Periode unter den Groß-Moghuln einbringen kann. 

Der Schatz, der in Gopindgurh an Metall, Juwelen, Stoffen, Pfer- 
ben, Elephantengefchirr u, |. w. aufgehäuft ift, wird von W. Mur: 
ray auf 10 Grored Rup., d. i. auf 10 Millionen Pfd. St, geſchaͤtzt; 
andere geben ihn weit höber an, 

Die Militairmacht endlih, nad) Gapt. W. Murray, ber fie 
vermöge feiner officiellen Stellung wol genau zu beurtheilen im Stande 


war, ift folgende: , 
Gavallerie, durch General Allard disciplinirte Truppen 12,811 Mann 
Snfanterie, ; desgleichen 14,94 — 


Sn Summa alfo 27,752 Mann 
Sn Kafchmir -Garnifon 3000 Mann $ 
Andere Infanterie 23,950 — ron en. 26,950 Mann 
dazu die Contingente der Sirdars an Cavallerie 

und Infanterie, ee 0 re... + 27,312 Mann 
Zotalder Truppen „ . . . +... 82,014 Mann. 
Hierzu 376 Stüd Kanonen grobes Beſchit, 370 Stuͤck kleines Ge— 
ſchuͤtz auf Kameelen und leichten Lavetten; eine Artillerie, die, wie die 
ganze bedeutende Macht, allein als das Werk der unermuͤdeten Regie— 
zungsperiode des Maha Raja anzufehen ift, 


ER 
Erläuterung 5. 


Mittler Induslauf, Fortſetzung; von Mittun: Kote bis Hydrs 
abad oder von dem Pendfchab dis zum Delta des Indus, 
Mittun-Kote, Subzul: Kote, Schifarpur, Bukkur, Khyr: 

- pur, Larkhanu, Sehwun; die Luffi= Berge. 


Unter 28° 35’ N. Br. find, bei MittunsKote, alle 
Dendfchab- Ströme mit dem Indus zu einem Hauptfitome vers 
einigt, der von da an gegen S.W. bis Bukkur feinen direc— 
ten Sauf nimmt, unterhalb diefes Ortes fi) in zwei Hauptarme 
fpaltet (der weftliche Arm 39) wird Nara genannt, und das Land 
das er durchfchneidet Chandkoh), die fi) im Bogen gegen S.O. 


— 


23°) Al, Burnes Mem. Ill. p. 267, 269, 





82 


148 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 52. 


über Sehwun wenden, um von da an, wo die Lukhi⸗Berge 
die Indusarme zurückdrängen, wieder vereinigt nah Sud 
zu ftrömen, fo daß fie dann nahe oberhalb Hydrabad, ihre ers 
neuerte große Spaltung zum Niederlande des In— 
duss Delta beginnen. Doch überall Iöfen fich, fen e8 von 
dem einen oder den mehrern Hauptarmen zugleich, auch noch 
mehrere geringere Seitenarme von 8 bis 10 Fuß Wafferticfe ab, 
auf denen man firomauf Tieber fchifft als auf dem Hauptſtrome, 
um nicht deſſen ganze Gemalt gegen fich zu haben. Bei Mits 
tun 2?) hat der Indus die gewaltige Breite von 2000 Schritt 
(Yard); abwärts bis gegen Bukkur engt er fih aber öfter bis 
zur Hälfte derfelben ein; feine Tiefe wird aber darum nicht pros 
portional geringer, behält felbft bei niedrigftem Wafler immer bis 
24 Fuß Tiefe (4 Fathom), und diefe nimmt wechfelnd bis zu 
96 Fuß (16 Fathom) zu. eine Strömung wird dadurch nicht 
ſehr vermehrt, denn fein Gerpentinenlauf beweifet fein ungemein 
fanftes Gefälle. 

Die veränderte Natur des Stromlaufes ergiebt fich 
am fichtbarften aus dem veränderten Bau der Schiffe 
auf ihm: denn die bisherigen, durch das ganze Pendſchab zum 
Transport gebräuchlichen, fo geräumigen Zohrufs, können hoͤch— 
ſtens noch abwärts bis Bukkur gebraucht werden; dagegen ſchon 
von Mittun:Kote an, aufwärts, die im_untern Induslaufe allge: 
mein werdenden, plumpen Dundis nicht weiter gebraucht wers 
den fünnen. Bei feiner Stromauffahrt vertaufchte Al. Bur— 
nes, ſchon zu Bukkur, feine Dundis, die von der Mündung 
an, aufwärts, zur Echiffahrt dienen, und in ihrem Bau den 
hinefifchen Junken *) am ahnlichften find, mit Zohrufs, die 
zum Transport der Bagage und zumal der Pferde, die er mit 
ſich führte, fehr geräumig waren, mit denen er die 34 geogr. Mei: 
len (170 Mil. Engl.) lange Strede, von Bukkur bis Mittun- 
Kote, in 9 Tagen zurüclegte. Die Zohruks %) find lang und 
ſehr breit, vorn und hinten zugerundet, von Taliholz gebaut, mit 
Eifentlammern ftatt der Nägel nett zufammengefügt. Unter den 
95 diefer Schiffe, die er dort fahe, waren die größten nur big 
80 Fuß lang, aber 20 Fuß breit, die mit ihren ganz flachen 
Boden weit fchnellee das Waffer überhingleiten als die tiefer 


2+0) Al. Burnes Mem. 1. e. III. p. 275 — 280. 21) ebend. p. 244. 
*°) Alı Burnes Narrative 1. e. Vol. II. p. 81. 3 





Indus-Syſtem, MittunsKote, SubzulsKote, 149 


gehenden, langgeſtreckten Dundis. Aus der Befchreibung Ars 
rians über den Bau der Transportfchiffe Aleranders, 
der gerundeten, für deſſen Kavallerie, ergiebt fich, daß es diefe 
Zohruks waren, die beim Xusfchiffen aus dem Hydaspes in den 
Aceſines nichts litten, indeß die andern langen Schiffe zerfchmets 
terten, weil fie damals, wie auch heute noch, zum Widerftande 
gegen die Rapiden im obern Laufe der Pendfihabfläffe nicht ges 
eignet waren (ſ. Alien IV. 1. ©. 456). 

Das Land ifk hier fehr reich, zumal an der Dftfeite des 
Sluffes, weil es durch unzählige Canaͤle bis tief landeinwaͤrts be; 
wällert wird, vom Daudputra⸗Lande bis Subzul:Kote, dem 
nördlichen Grenzgebiete der Sindherrfchaft, in welche der Indus 
hier eintritt. Auf der Weftfeite des Fluffes, weiter abwärts, 
noch 19 Stunden oberhalb Buffur, zweigt ebenfalls ein gros 
Ber, fhiffbarer Canal, Sinde genannt, noch ein Bau aus 
den Kaiferzeiten, füdweftwärts, der die Waſſer am großen Em: 
porium Schifarpur vorüberführt, nah Nuſchera und bis 
Larkhann ab, wo ein zweiter, großer Canal derfelben Art mit 
ihm zufammenftößt. Die Landescultur würde dort weit mehr 
durch diefe Bewäfferungsanftalien gehoben feyn, wenn nicht ges 
genwärtig nomadifche und räuberifche SchäfersTribus- der 
Beludfhen (Burdgah, Ken und Muzarfa genannt) Ber 
fis von diefem Territorium genommen hätten. Das linte, oder 
Dftufer, unter dem Bhawul Khan, iſt in befferm Flor. Weiter 
abwärts von Subzul-Kote, im Diftricte Ufara, find auf demfels 
ben Oftufer noch Aboriginer Tribus anfäflig, die fich ſelbſt 
Duhrs und Muhrs nennen, die aber unter dein allgemeinern 


Namen der Sinde bekannt find. 


Unterhalb MittunsKote if Subzul:Kote, mit etwa 
5000 Einwohnern, 24 geoge. Meilen im Often des Indusufers, 
die einzige Etadt von Bedeutung; fie iſt mit einem Erdwall um: 


geben. Dicht am fer kann wegen der Ueberſchwemmungen des 


Stroms Fein Städtebau Statt finden, Waſſerleitungen finden aber 
feicht zu ihnen durch Canäle Statt; fo auch hier. Das Uferland 
ift zumächft ein Weideboden für zahlreiche Büffelheerden, die 
hier in fo großer Menge aufgezogen werden, daß ihr Werth nur 
ein Viertheil des Preifes ift, den fie weiter abwärts gelten. Der 
befte Büffel wird hier mit nicht mehr als mit 10 Rupies ber 
zahle. Waffervöget giebt es hier gleichfalls in großer Menge; 
auch Rebhuͤhner, Eber und anderes Wild. 


150 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 9 2. 


Die Weftufer des Indus find in diefer Strede, ab: 
wärts bis Schifarpur, weniger befannt, weil fie von den Naubs 
horden der Burdis?#) unficher gemacht werden, bis zum Lande 
der Brahooe in W., und Ruth Gundava n SW. Es 
find Ausgewanderte, Beludſchen-Staͤmme von Sind, aus 
Kej und Mefran, ein feihböner Menfchenfchlag, der aber mehr 
dem der Afahanen gleicht. Sie laffen die Haare lang herabhaͤn— 
gen, haben ein wildes Anfehn, das ihre Tracht noch vermehrt, 
die aus mollenen Zeugen befteht, die fie nur ganz lofe um den 
obern Iheil ihres Körpers fchlagen. Shren Namen follen fie, 
gleich den Beludfchen, nur von einem aus ihrem Tribus anges 
nommen haben. Shre Sprache ift ein verderbtes Perfifch ; ihre 
ganzer Uluß, der gegenwärtig zum Heere der Amirs gehört, obwol 
fie immerfort Näuber geblieben, wird auf 10,000 angefchlagen. 
Staͤdte haben fie nicht; Duri wird als ihr Hauptort genannt. 
Außer diefen Burdis flreifen dort noch andere, gleichrohe Tribus, 
nur minder zahlreich, umher, welche nur ihren Namen nad) bes 
kannt und von jenen fonft nur in wenigem verfchieden find. Al. 
Burnes lernte vier verfchiedene Tribus derfelben fennen. Naͤm— 
lich 1) die Juttuis in Burdgah (offenbar wol jene Dſchuts, 
ats, f. Afien IV. 1. ©. 552). 2) Die Muzaris, welde 
früderbin als Plünderer der Kabulheere fehr gefürchtet waren, ges 
genmwärtig aber fehr gefhwächt find, deren Einfluß jedoch bis 
Dera Ghazi Khan reiht; Nozan heißt ihr Hauptort. 3) Die 
Bugtis, und 4) die Kulpburs, welche in den Öandaris 
Bergen haufen, die im Daralkl von Mittun:Kote beginnen, 
und in dem Abftande von 20 geogr. Meilen vom Indusſtrome 
mit feinem Weſtufer parallel zieben. Dieſe Bergkette begrenzt 
das Gebiet Kutch Gundava, fie trägt eigentlid nur von ih— 
rem böchften Pie, vem Gandari*), jenen Namen. 

Nur einheimifche Sinder und diefe aus dem Hochlande hers 
überftreifenden Beludſchen ſcheinen gegenwärtig die einzigen Ans 
wohner diefer Indusufer zu ſeyn. Gene Sinder, das gemeine 
Volk, ſchmutzig in dunfelfarbige Zeuge gekleidet, und anfäffig am 
Strome, find Fifhe:Effer. Fifche find ihre Hauptnahrung, 
daher man fie auch wol mit Recht als die alten Aboriginer' an: 
fehen kann; die beberrfchende Volksclaſſe dagegen, gegenwärtig 





”*2) Al. Burnes Mem. II. p. 279.  **) Al. Burnes Narrat. Ill. 
p: 83. 





Induss Syitem, Schikarpur. 151 


überall Beludfihen, behaupten, das Fifcheffen made dumm. Die 
Beludfchen find umherftreifende Tribus, die auf Raub 
und Plünderung ausgehen, aber von der Khyrpurs Chefs (Amir 
von Sind), die jedoch felbft vom Beludfchen Stamm find, fehr 
unterdräckt werden. 

Schifarpur®) iſt die erfie große Stadt von Bedentung, 
‚im Eüden diefer Streifhorden und Kutch Gundavas, auf 
der Weftfeite des Indus. Sie liegt 64 geogr. Meilen (32 Mit. 
Engl.) fern vom Indusufer bei Bukkur; es iſt die größte Stadt 
in ganz Sind, von fehr fruchtbarem Boden umgeben. Nur ein 
Europäer, Lieutn. Arth. Conolly, hat fie, fo viel uns befannt, 
in neuerer Zeit, im Jahre 1830, befucht. Seit der Afghanenzeit 
hat ihre Wohlftand unter den Amirs von Sinde fehr abgenom- 
men. Die Einfünfte der Stadt haben fih, fagte man M. Bur— 
nes, um ein halbes Lakh Rupien jährlich verringert. Doch fol 
der Handel noch immer bedeutend ſeyn; er wird meift nur von 
Hindus betrieben, welche die Gefchäftsführer aller Vornehmen im 
Sande find. Die Stadt kam erft nach 1821 in die Gewalt der 
Amirs, die dort einen Gouverneur mit dem Titel Nabob ein: 
festen, der einen bedeutenden Poſten einnimmt, weil er dort die 
häufigen Ueberfälle der Afohanen gegen Sind abzuwehren hat. 
Der Zuftand des Landes Fann bei diefem Verhältniffe nicht bluͤ— 
bend feyn. Diele Angaben von Al. Burnes werden von Arth. 
Eonolly%) beftätigt,. der über Herat und Kandahar zum 
Gebirgspaß Bolan herab, auf den gefahrvollſten Wegen und 
Wildniſſen, durch das aufgeregte Land der Afghanen und die 
Grenzdiſtricte des Khans von Kelat bis Schikarpur vordrang. 
Aus einer baumloſen, klippigen Wuͤſte kommend, erſchien ihm 
dieſe Stadt unter hohen Palmenwaͤldern und zwiſchen Gaͤrten 
ſehr lieblich gelegen. Sie iſt groß, von einem Erdwall mit 8 Tho— 
ren umgeben, der aber ſehr verfallen iſt. Im Innern der Stadt 
iſt aber in jedem Hauſe ein Kaufladen, der Bazar, durch die 
ganze Stadtmitte, breitet ſich nach allen Seiten aus, iſt wol be— 
ſetzt, aber niedrig und mit einem Dach von Palmblaͤttern gegen 
den Sonnenſtrahl geſchuͤtzt. Die Hitze iſt ſo groß, daß das hie 
fige Sprichwort fagt: „im. Sommer fiedet hier der Son- 





#5) Al. Burnes. Mem.. III. p. 277. *%) Arthur Conolly Jonrner 
to the North of India overland etc. tlıouglı Afghanistan. Lond. 
1834. 8. Vol. II. p. 241 — 245. 


152 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 9. 2. 


nenftrahl die Eier, und brennt die Weißen ſchwarz.“ 
Der Ort zeigt, fo verfallen er auch fcheint, doch fehr viel Hans 
delöleben, und unter den Lumpen, fagt man, fen fehr großer 
Reichthum verborgen. Die Hindu Wechsler und Händler nennt 
man fette Biutigel, die fih andern anfaugen;z ihre Handelsver: 
bindungen find außerordentlich weit ausgebreitet, von Bombay 
bis Bokhara. Das Schifarpur if ein Hindudialect, der 
von Dauder in W. bis Bhamulpur in D. gefprochen wird. 
Die hieſigen Kaufleute find aber auch fehr gewandt in allen Nachz 
barfprachen, im Perfifhen, Puſchtu, Beludſchi, Hins 
duftani und dem Sinddialecte. Gin PViertheil der Bewoh— 
ner von Schifarpur find Mohammedaner; als die größte Merk— 
würdigfeit bei ihnen wurde dem Neifenden, Arth. Conolly, 
die Bibliothek des Fakir Meah Hadji Ullah genannt; 
er follte 700 Volumina in Manuferipten befigen, davon 699 Theos 
logie enthalten, eins aber Hifterien. Auch) find 5—600 Afghar 
nen⸗Familien in diefer Stadt angefiedelt, in der zugehörigen Pro— 
vinz 4000, die aber ſehr eiferfüchtig auf die jeßige Herrſchaft der 
Eindes feyn follen. Nah Arth. Conolly treibt der Gindgous 
verneur von Schifarpur, welcher nach ihm Hakim titulirt wird 
(mol bei den Afahanen), jährli 3 Lakh Rupien (30,000 Pfd. 
Sterl.) Abgaben von der Stadt ein, und außerdem noch) 50,000 
— an Waarenzoll; den Afghanen gab fruͤher die Stadt das 
Doppelte dieſes En—— Als A. Burnes nah Kabul?) 
vordrang, waren dort die Schifarpur Kaufleute feine Haupt: 
flüge, die ihre Comptoire von Calcutta über Kabul und 
Mefched ausgebreitet hatten, bis nah Aſtrakhan hin. Sie 
leihen den Gouvernements Geld, und erhalten dafuͤr Protection 
in ihrem Handel. 8 große Wedhfelhänfer und an 300 Schikar⸗ 
pur Kaufleute fand Al. Burnes in Kabul angefiedelt. Ihre 
Weiber laffen fie in Sind zuruͤck. Burnes Anweifung von 
5000 Rupies auf den Schag von Ludiana, oder Delhi, nahmen 
fie alle gern an, und gaben dafür Wechfel auf Bokhara, 
Afratban und Niſchnei Nowgorod in Rußland. Cie 
bewahrten fireng das Geheimniß und Incognito, unter dem der 
Reiſende ging; der Brite war feloft bier verwundert über ihre 
Handelsverbindungen. Cie zeichnen ſich durch. eine eigene Geftalt 
und hehe Naſen aus, gehen aber fehr ſchmutzig gekleidet einher, 


ji 


— — — 


**7) Al. Burnes Trav. Vei: I, p. 166. 


Indus SpHftem, Mittler Lauf, Sindes, 153 


Bei dem ungeregelten und barbarifch wilden Zuftande diefeg 
Indusgebietes an der Nordgrenze der Sindherrfchaft, gegen. Bha— 
mwulpur und das Pendſchab hin, fiel dem Neifenden Al. Bur— 
nes*), der von Eüden gegen Norden ſtromauf fehiffend hier 
durchkam, von der einen Eeite die auferordentlihe Neugier des 
gemeinen Volks der Uferanwohner des Indus ganz befonders auf, 
von der andern Eeite die übertriebene Höflichkeit unter den höhern 
Etänden diefer Barbaren. 

Die große Neugier, welche ven britifchen Schiffern in 
ihren Cajuͤten faft nie Ruhe lieg, entfchuldigte das gemeine Volt, 
weil fie fagten, den Erfönig von Kabul hätten fie zwar ſchon ges 
fehen, aber noch niemals ein weißes Geſicht. DBismillah 
(im Namen Gottes) war ftets ihr Xusruf der Verwunderung, 
und num fitulirten fie die Fremdlinge wie Prinzen und Könige. 
Am neugierigften zeigten fich die Weiber; fie trugen große Ohrs 
ringe mit Türfifen, die hier in der Nähe von Khorafan, dem 
Fundort der Turkife, nur von geringem Werthe find. Schon der 
Pater Manrique, der bier vor einem Jahrhundert hindurch 
fchiffte, hatte Urfache ſich über die vielen Courtifanen zu beklagen, 
die dem Neifenden befchwerlich fallen, fo wolgekleidet fie auch er: 
feheinen, fo fchön fie auch find, und fo uͤppig ihe Geſang; es find 
die zudringlichften Bettler; fie titulirten fi) Syudanies (aud 
Bebis), d. h. weibliche Nechlommen Mohammeds, Faft alle 
Landesbewohner find hier Bettler zu nennen. 

Die Bornehmen des Sind-Landes hatten dagegen den bri— 
tischen Schiffern die größten Höflichfeiten bei ihrer Durchreife ers 
zeigt; auf der Landesgrenze gegen Daudputra gaben fie ihnen 
noch) ein Abfchiedsfeft, und viele Höflichkeitsbriefe Tiefen ein, fo 
daß Al. Burnes nur ganze Tage mit ceremonieller Correfpons 
denz zu thun hatte. Alle diefe Briefe ftrogten von Wünfchen 
far eine gluͤckliche Fahrt, Gefundheit, Gluͤck u. ſ. w. Sie war 
ren aber alle nur von Secretairen geſchrieben, da die Großen 
ohne alle Bildung find; feloft ihr Name war unter feinem ders 
felden angebracht, fondern nur ein Handfiegelz; daher der Brief— 
fieller oft ſchwer zu errathen war. Die übermäßige Höflichfeit 
der Sindbegfeiter aing fogar fo weit, die Briten von der Bezah— 
lung ihrer Bootsleute abhalten zu wollen, ungeachtet diefe 


braven Leute bei ihrer Arbeit auf 70 geogr. Meilen Weges von 


**) AL Burnes Narrat. II. p. 82 — 87, 


154 Weſt-Aſien. I Abfchnitt. 6. 2. 


der Indusmuͤndung an aufwaͤrts bis hierher genug zu thun ge— 
habt hatten. Es waren Beludſchen und Jokias, deren jeder fuͤr 
den Monat 8 Rupies Lohn erhielt; ein ſehr treues, willfaͤhriges, 
dienſtwilliges Volk, das neben ſeiner Arbeit, wo es Noth that, 
ſtets für Wildpret durch die Uferjagd forgte. 

Bukhur oder Buffur?®) unter 27° 4! M. Br., zwifchen 
feinen Ruinenhaufen am Jndus, vielleicht die alte Capitale des 
Mufifanus zu Aleranders Zeit (f. Alien IV.1. S. 473), liegt auf 
einer Indusinſel von Dattelhainen befchattet. Das Schloß ers 
hebt Sich auf einer ſchwarzen Feuerfteinklippe, und zu beiden Ufer— 
feiten die nahen Städte Suffur auf dem Weftufer, und 
Mori auf dem Oftufer, beide auf gleichartigen, fchwarzen Felss 
Elippen von oͤdem Anfehn erbaut. Beide verdanfen. unftreitig ihre 
Entftehung erft der Errichtung von Bukkur, das fie befchüst 
und dominirt. Daß aber nicht fern von hier auch noch die Rui— 
nen von Alore, einer alten Capitale, liegen, ift ſchon früher bes 
merkt (f. Wien IV. 1. ©. 473). Die Inſel, auf welcher Buk— 
fur, diefe Feſte des Amir von Khyrpur, fich erhebt, ift 800 
Schritt lang, 300 breit, oval; die Stadt hat ein mehr europäis 
fhes Anſehn, ift mit niedrigen Ihürmen flanfirt, die Mauern 
find aus Backſteinen aufgeführt. Einen fchönen Anblic£ bietet 
diefe Feftungsgruppe vom Indusufer, das mit den prachtvollften 
Bäumen bedeckt ift, welche, zumal die fchlanfen Dattelpalmen, 
die Wälle und Mofcheen der Stadt überfihatten. Mehrere ans 
dere Inſeln liegen nahe bei jener größern; auf einer derfelben fteht 
das Grab des Khaju Khizr ſehr malerifch unter einem Doms 
gebäu. Die Stadt, im Innern dicht gedrängt voll Häufer, ift 
keineswegs fehr feft und nur durch ihre Pofition wichtig, zus _ 
mal da die Schiffahrt unter dem Fort durch Untiefen gefahrvoll 
ift, und nur durch gefchiefte Schiffer ausgeführt werden kann. 
Rori, auf feiner 40 Fuß hohen Klippe, hat 8000 Einwohner; 
feine hohen Gebäude hängen fo unmittelbar über dem Indusſtrom, 
dag viele ihrer Bewohner aus ihren Fenftern fein Waller fchöpfen 
fönnen. Cin Dattelwald zieht von da zwei Eleine Stunden 
weit, füdmärts, und bildet fehr viele Gärten. Sukkur ift halb 
fo groß, aber die zerfiörten Mofcheen, Minarets und Schutthaus 
fen zeigen, daß beide Drtfchaften einft größer waren. Bukkur 


24°) Al. Bornes Narrat, Vol, Ill. p. 72—74; ebend. Mem. III. 
p- 267, 271 — 274. 


Indus-Syſtem, Bukkur, Khyrpur. 155 


wird gegenwärtig nur von 15 Kanonen und 100 Mann Garni— 
fon vertheidigt. Die meiften Bewohner von Buffur find Hins 
dus; doch ift es auch für Mohammedaner ein Wallfahrtsort, weil 
ein Haar aus Mohammeds Bart dort als Neliquie in einer gols 
denen Kapfel aufbewahrt wird. 5 
Unterhalb Bukkur fpaltet fih der Indus in zwei Arme, der 
ren jeder 400 Schritt (Yard) breit ift; feine Waffer brechen fich 
da toſend an Felfen, fo daß bei hohem Waſſer die Schiffahrt 
nicht ohne Gefahr ift. Don hier etwas oberhalb gehen die bei: 
den Ganäle gegen ©.W. ab, wovon der nördlichere nach 
Schikarpur, der füdlichere nad Larkhanu führt. Diefes ift 
die. Capitale des Pergunnahb Chandkoh; fie hat 10,000 Ein: 
wohner; es ift der bedeutendfte Grenzort der Amirs von Sinde 
gegen N.W. Aus feinem Keinen Fort, mit 20 Kanonen, fehreckt 
es die rebellifchen Gebirgstribus, die- vom Bolan:Paß vom 
KHochlande in Welt gegen Oft herabfieigen, zurück, und fihert 
das niedere Eind. Sein Commandant hat auch den Titel Nas 
bob und ift im Range der erfte nach den Amirs von Sind. 
Der Bolan:Paß bei Larkhanu ift wol der Weg, durch wels 
chen Alerander fein Landheer durch Kelat (Arachosia und Dran- 
‘ giana) heimfehren hieß (f. Alien IV. 1. ©. 474). 

Eben fo wie die Weftfeite ift auch die Oftfeite des Indus 
durch Canäle bewäflert; einer derfelben, Mirwah genannt, an 
40 Fuß breit, führt von der Stadt, an 18 geogr. Meilen (90 
Miles Engl.) füomwärts, und verliert fih im Sande. An einem 
anderen, etwa nur 3 geogr. Meilen unterhalb Bukkur abzmweigend, 
und eben fo weit landein vom Oſtufer gehend, iſt die moderne 
Stadt und Fefte Khyrpur erbaut, die Nefidenz des Amir von 
Khyrpur Mir Ruſtan Khan), der das nördlichfte der 
Zerritorien der drei Amire von Sinde in Beſitz nahm. 

Khyrpur®®) iſt zwar ſtark bevölkert, von 15,000 Einw., 
aber ein elender Ort, nur ein Haufen von Erdhütten; defto uͤber— 
rafchender war der orientalifche Pomp des Mir Ruſtan Khan, 
mit welchem diefer Beludfchen s Chef hier feinen britifchen Gaft 
bei deſſen Durchreife Audienz gab. 

In dem Dorfe Alipur warfen die Schiffe Anker; beim 
Ausfteigen ward Al. Burnes mit feinem Gefolge, das aus 
150 Leuten beftand, auf einige Iage vom Landes: Chef glänzend 


»°) Al. Burnes Narrat. III. p. 66 — 72. 


156 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 5. 2. 


gaftir. An Equipagen, Zelten, Teppichen, Palankinen, Tänzer 
rinnen, Speife und Trank bis zum Beraufchen, fehlte es nicht, 
und 400 Mann Truppen ftanden zur Escorte bereit. Der Visier 
des Khan empfing den Gaft, und geleitete ihn, im Palankin, bis 
Khyrpur, zur Refidenz. Die Audienz wurde unter einem feider 
nen Zelte gegeben, der Khan mit feiner zahlreichen Familie faß 
auf Goldſtoffen; darunfer zählte man 40 Männer, die von des 
Khans Vater in directer Linie Nachkömmlinge waren. Es ward 
hier bei Hofe mehr Pracht zur Schau getragen, als ſelbſt in 
Hydrabad; aber eben fo viel Unordnung, Unruhe, Gefchrei, wie 
dort, war damit verbunden. Der Empfang war ungemein freund . 
lic), und die Geſchenke von Uhren, Piftolen, Kaleidofcopen u. dgl. 
wurden gern angenommen. Die Federhüte der britifchen Offie . 
ciere erregten aber das größte Erftaunen. Dafür erfolgten reiche 
liche Gegengefchenke, und Nahrung vollauf für 150 Menfihen, 
täglich 8 bis 10 Schaafe u. ſ. w. Die Speifen wurden den Gas 
fien auf Silberfervicen dargeboten. Al. Burnes erhielt außer 
dem noch zwei Dolche, zwei fehr fihöne Schwerter reich mit Gold 
verziert, das Stuͤck etwa zu 80 Pfd. Sterl. an Werth, und eir 
nen Beutel mit 1000 Rupies. Echon beim erften 21) Betres 
ten des Khyrpurgebietes war man, bis zum letzten Tage des Auss 
tritts aus demfelben, mit Ceremonien und Gefchenfen ungemein 
freigebig gewefen.. Wenn Elphinftone, zwanzig Yahre früher, 
von den Sinde-CChefs noch bemerfte, daß fie die roheften Barbas 
ren ohne deren fonft gewöhnlichen Tugenden feyen, fo bemerft 
Al. Burnes dagegen, daß die Aufnahme, wenigftens bei dies 
fem Khan, von größter Artigkeit zeugte. Aber nur die Chefs 
find reich und wohlhabend, das Volk Iebt elend und verworfen. 
Es find zelotifche Mohammedaner, und doch ficht Feine einzige 
gute Mofchee im ganzen Lande. Ihre Wohnungen find ohne 
alle Heinlichkeit und Bequemlichkeit. Die Beludfchen find aller 
dings eine Barbaren-Nace, aber fie find tapfere Krieger, von 
Kindheit auf mit den Waffen umgehend; Kinder vom fünften, 
Jahre ſchießen fchon mit Feuerwaffen. Die Beludſchen ma 
chen aber nur einen Eleinen, wiewol vorherrfchenden Antheil der 
Einde: Population aus. Sie werden als Leberzügler von den 
friedtiebendern Sinde verwuͤnſcht; fie ſelbſt haflen ihre eigenen 
Fürften, die ihre Iprannen find. Die Regierung der Amirs von 


»#1) Al. Burnes Narrat. III. p. 60, 





Indus-Syſtem, Mittler Lauf, Lukhi-Berge. 157 


Sinde ift höchft unpopulair. Ueberall fam man den britifchen 


‚Durchreifenden mit Freuden entgegen, weil man fie als die Vor— 


läufer ihrer Erlöfung und Befreiung von deren hartem Joche anz 
fahe. Die Amirs wiffen dies wol; fie fuchen ihre Derfon durch 
eine Menge von Sclaven zu fichern, mit denen fie fich umgeben. 
Diefe werden Khaskelis genannt, fie find ihre, Vertrauten. Es 
find erbliche Sclaven, die fih unter einander verheirathen und 
großen Einfluß auf ihre Herren ausüben. 

Der Vezier von Khyrpur 52) legte es darauf an, ein Freunds 
fchaftsbüundniß mit den Briten abzufchließen, er führte die Vor: 
theile an, die dem Bhamul Khan, dem Rawul von Jeſſulmer 
und dem Naja von Bikanir durch folche Verbindungen zu Theil 
geworden. Auch hatten ihre Aftrologen in ihren Büchern die 
Uebermacht der Briten in Indien vorbergefagt; deshalb wollten 
auch fie mit ihnen im Bunde ftehn. Gr bat den „Baum der 
Freundſchaft mit Waffer zu nähren,” damit der Tractat 
zu Stande Fame; die Sterne und der Himmel felbft, fagte er, 
begünftigten das Gluͤck der Briten. 

Abwärts von Bukkur fließt der Indus im Zickzacklauf bis 
gegen die Lukhi-Berge, und bewäflert das Uferland reichlich, 
das er in zahllofe Inſeln und Auen zertheilt, die mit dem fehöns 
ſten Weidelande bedeckt find. Gleich bei feinem erſten Anfchwel- 


len tritt er an beiden Ufern über. Sein Waſſer dringt öfter bis 


Dmerfote vor (f. Afien IV.2. ©. 1031, 1034), und diefes fins 
det feinen eigenen Ablauf durch, einen befondern Canal, der 
durch die Wüfte von Omerkote geht, und durch das legte große 
Erdbeben, vom Jahre 1819, fogar feinen regelmäßigen Arm 53) 
zum Run (ebend. IV. 2. ©. 1045) und zur Kori, oder Oft: 
‚mündung des Indus wieder gewonnen haben foll. 

Der Weſtarm des Indus, welcher fich 5 geogr, Meilen 
unterhalb Buffur, wie wir fchon oben bemerften, gegen Werft 
auf längere Zeit abzweigt, und die Steilfeite der dortigen Be: 
ludſchiſtan Berge, Hala genannt, befpült, heißt Mara. 
Die füdöftlichen Vorberge diefer Hala, die ihn wieder zum Oft: 
arme bei Sehwun zurücddrängen, find die Lukhi-Berge. 
Doc wird der größere Theil feiner Waſſer in diefem Laufe, durch 
den Diſtrict ChandEoh, durch Kanäle und Bewäflerungen cons 





») en Narrat. III. p. 74. °?) Al, Burnes Mem. II. 
p- 267. 


158 Weſt-Aſien. L Abſchnitt. $. 2. 


fumirt. Diefer Sandftrih nach einer Beludfchen: Tribus des 
Namens genannt, giebt den Amirs von Hydrabad den reichften 
Ertrag durch feinen Anbau. Südwärts Larkhanu bildet der 
ara einen kleinen See, Munchur, der fehr fifchreich ift. 
Weiter abwärts verwandelt fih der Name des Nara, ehe er. in 
den Indus zurüctritt, in den Namen Arrul. Diefer Arrul 
ift nur noch 100 Schritt (Yard) breit, und nur zue Zeit der Ue— 
berfchwemmung ſchiffbar. Auch Hier ſchickt er noch viele Seiten: 
canäle aus. Der Munchur⸗See ift in der trocknen Yahreszeit 
von Weisenfeldern umgeben, fein feuchter Boden, der zum gro: 
fen Theil auszutroefnen pflegt, giebt die reichlichften Ernten. Das 
Dftufer des Indus iſt weniger begünftigt als jene Weſtſeite; 
doch ebenfalls gut bebaut. Die meiften Dörfer und Städte lie 
gen indeß nicht an den Flußufern, fondern an den Canälen, die 
Dörfer alle einige Miles fern vom Yndusufer, auf Eleinen An: 
hoͤhen, um den Gefahren der Ueberſchwemmung zu entgehen. 
Nur felten fließt hier der Hauptftrom ungetheilt in einem Arme, 
Bei einer Breite von dreiviertel Engl. Miles behält er doch überall 
15 Fuß Tiefe, auch wo er am feichteften wird. Nirgends ift hier 
eine Furth; aber an 200 Boote zählte Al. Burnes, die zu 
Ueberfahrten dienen. Sein Gefälle ift hier fehr fanft, er ift faft 
träge, und legt oberhalb des Delta feine 24 Miles Engl. mehr 
in einer Stunde Zeit zurück. Das Waffer des Indus wird 
allem Brunnenwaffer in Sind vorgezogen; aus dem Strom ges 
fchöpft ift es zwar trübe, Hart fich aber bald durch Stillftehen 
von feinem Schlamme, der fich niederfchlägt. Ueberall fegt man 
auf Fährbooten über, das Volf auch auf bloßen Schilfbändeln, 
mit denen fie fammt ihren Büffelbeerden ſich beim Ueberfegen 
wol mehre Stunden abwärts treiben laſſen, ehe fie anlanden, lie; 
ber als daß fie längs dem Ufer hinziehen. Bis Buffur wird auf: 
wärts der Pulla-Fiſch gefangen, und bis dahin fleigen noch 
fih tummelnde Delphine (Purpoises) vom Meere her auf. 
Der Pulla, eine Art Karpfen, nad) Al. Burnes, von der 
Größe einer Makrele, von Gefhmad wie der Salm, ift der des 
licatefte Fifch des Indus, abwärts bis in das Delta; er wird 
aber nur in den 4 Monaten gefunden, die dem Anfchwellen des 
Etromes vorhergehen, vom Januar und April. Daß er bis 
Bukkur ftromauf fteige, fchreibt das abergläubige Volk der Anz 
ziehung des dortigen Sanctus Khaju Khizr und deſſen bewall: 


A a 0— 


Indus-Syſtem, Sehwun. 159 


fahrtetem Grabe 25%) zu. Nach feinem Fange wird noch die ge: 
nannte Jahreszeit Pulla genannt. 

Das Oftufer des Indus, von Bukkur bie Sehwun, 
ift am flärkften in ganz Sinde bevölkert, die zahlreichen Ortfchaf; 
ten find jedoch weder reich noch groß, fie haben höchftens bis 
500 Käufer, und gehören dem Amir von Khyrpur. Die Indus— 
ufer zunächft mit Tamarisfengefträuch 5) uͤberwuchert, find 
ohne alle Schönheit; diefes Bufchwerf verdrängt vorherrfchend den 
Graswuchs, daher es oft durch Waldbrand vernichtet wird, um 
dem Mangel an Grafungen zu feuern. Auch ein anderer Bufch, 
Spar genannt, defien Saft fehr officinell in Krankheiten ift, 
waͤchſt hier in Menge; er ift botanifch noch unbekannt. Jedes 
MWeigenfeld muß mit einem niedern Walle gegen den Ans 
drang der Wafler umgeben feyn; eben fo die Reisfelder. Der 
Taback, welcher bei Rori gebant wird, foll von der vorzüglichften 


- Güte feyn. Von Bäumen konnte Al. Burnes durch ganz 


Eind nur fehr wenige bemerken; die Babul (Mimosa arabica) 
ſteht hier wol, erreicht aber Feine befondere Größe. Die Nims 
bäume (Melia azadarachta) und Sirs, fo häufig in Indien, find 
hier ungemein felten. Die Baniane (Fieus indica) fehlt hier 
ganzlih. Dattelpalmen zeigen fich in ihren fchönen Pflans 
zungen noch bis Bukkur. Das uͤbrige Bufchwerk befteht nur aus 
dem Geftripp der Wüftenpflanzen, wie im benachbarten Thurr, 
aus’Khair (Capparis), Kejra (Mimosa?), Bair (?), Afra 
eine Milchpflanze u. a. m. (vergl. Alien IV. 2. ©. 1023), 
Sehwuns?s), unter 26° 27° N.Br., ift die nächfte Stadt 
am Indus von Bedeutung, 32 geogr. Meilen (160, Miles Engl.) 
abwärts von Bukkur gelegen, eine Wegſtrecke die ſtromauf in 9 
Tagefahrten zurückgelegt wird. Die Stadt hat 10,000 Einwoh— 
ner, fie liegt am weftlichen untern oder Arrulz Arme des Indus, 
auf einer Anhöhe, aber am ande eines Sumpfes, den der 
Strom, welcher hier fein Bette erft um das Jahr 1828 verän: 
derte, zuruͤckließ. An ihrer Mordfeite wird fie von einem merk: 
würdigen Caftell beherrfcht, das Sewiftan heißt. Es ift ſehr 
alt und herbergt viele Ruinen und Gräber. Mofcheen zeigen feine 
frühere Größe; auch ift hier immer noch ein ftarkbefuchter Walls 





2 


250) Al, Burnes Narrat. III, p. 40. 55) Al. Burnes Mem. III. 
p- 274. °*) Al. Barnes Mem, III. p. 264; deſſ. Narrat. III. 
P . 53 — 60. 


160 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $. 2. 


fahrtsort. Zur Zeit der Groß⸗Moghule hatten dieſe hier einen 
Commandanten; gegenwaͤrtig iſt die Feſte ohne Bedeutung; Al. 
Burnes hielt ſie bei ſeiner Durchreiſe fuͤr eine von Alexander 
M. durch Minen geſprengte Brahmanenſtadt (ſ. Aſien IV, 1. 
S. 474). Das ſehr ſeltſam geſtaltete und uͤber dem Indusſtrom 
haͤngende Caſtell, haͤlt derſelbe Beobachter wenigſtens fuͤr eins der 
aͤlteſten Bauwerke am Indus, gleichzeitig mit den Macedoniern. 
Sein Eröhügel von 60 Fuß Höhe ift, von feiner Bafis an, mit 
einer Baditeinmauer umzogen. Die Feftung ift wol 1200 Fuß 
lang, 750 Fuß im Diameter, im Innern größtentheils nur ein 
Ruinenhaufe mit Badfteinen und Terra Cottas bederft. Das 
gewöldte Ihor ift gegen die Stadtfeite gekehrt. in Durchrig 
zeigt, daß der ganze Erdhügel ein Fünftlicher ift, und in gewiſſer 
Ferne hat er ganz das Anfehn der Trümmerhügel von Babylon, 
wie 3. Rich diefe fo vortrefflich dargeftellt hat. Den Bewoh— 
nern Si die Geſchichte diefes Gaftells völlig unbefannt, fie nennen 
es das Werk der Fee Budur al Jamal, der hier alle Wun— 
der am Indus zugefchrieben werden. Cine militairifch fo flarfe 
Poſition ift auch fpäter keineswegs vernachläffigt worden. Zu 
Kaifer Humayuns zeit fonnte er fie wenigftens auf feiner 
Flucht von Omerkote (f. Afien IV. 2. ©. 1032) nicht fo ſchnell 
erobern; fein Sohn Kaifer Afbar hat fie 7 Mohate lang belas 
gert, und darauf ift fie, wahrfcheinlich durch ihn erſt, ganz zerz 
ftört worden. Die Schuttmaflen herbergen fehe viele Münzen, 
doch waren unter den 30 Stüf, die Al. Burnes dort fand, 
feine Griechifchen, fondern nur Mohammedanifche der Delhi Kaiz 
fer. Das Grab eines Khorafan Sanctus, Sal Schah Baz, 
der hier vor 600 Jahren feinen Tod fand, ift heute noch Gegen: 
ftand vieler Pilgerfahrten, die zu vielen Iaufenden, zumal von 
Kabul aus, hierher gemacht werden. Sein Grab ſteht in der 
Mitte der Stadt unter einem hohen Domgebäu; feine Mirakel 
folfen unzählbar ſeyn; er beherrfcht audy den Indus, und deshalb 
müffen alle Schiffe an feinem Heiligthume Opfer bringen. Kofte 
bare Weihgefchenfe find ihm dargebracht; die Amirs von Sind 
gaben filberne Ihärflügel zu feinem Grabe. Auch Hindus,- wie 
Moslemen, wandern zu diefem Heiligen und nennen ihn furz 
weg Sal; einem Icbendigen Tiger, der neben feinem Grabe im 
Kefig gehegt wird, bringen fie auch ihre Gebete dar. 

Nur 3 Stunden unterhalb Sehmun, auf derfelben Fluß 
feite liegt das Dorf Amri, da wo früher eine fehr große Stadt 





7 


Indus=ShHhftem, Sehwun. 161 


geftanden haben foll, eine Lieblingsrefidenz von Königen, die aber 
durch den zerftörenden Indus weggefpült ward. Noch erhebt fich 
am Dorfe ein do Fuß hoher Schuttberg, den die Sage aus dem 
Dung der Marftälle des Königs entftiehen läßt, daher der mos 
derne Name. Auch hier ſtehen Grabmale umher. 

Die Hige war zu Sehwun in den erften Maitagen, waͤh⸗ 
rend A. Burnes Aufenthalt dafeldft, ungemein ſchwuͤl und druͤk— 
end, bis zu 35° 56° Reaum. (112° Fahrh.) fteigend, und ſelbſt 
Nachts nicht unter 30° R. (100° %.) fich abfühlend; dabei wehs 
ten heiße Weſtwinde vom öden Gebirge der Lukki-Berge ber, 
welche fih an das dahinterliegende Hochland von ran anfchlies 
fen, und bier den Zugang der Suͤdwinde vom Meere ausfchlies 
fen. Diefe LufkirBerge?7”) fleigen nicht über 2000 Fuß res 


lativ über den Indusſpiegel auf, aber fie ftreichen füdwärts bie 


zum Hafen Curachi am Meere hin, und fteigen von der Ofts 
feite als wilde und fteile Baftionen empor. Ihre Gipfel find 
platt, nur rundlich, nie Eugfich, nackt, voll Felseinriffe zum Indus. 
An ihrem Fuße, dicht unter Sehwun, wo das Dorf Lukki mit 
dem fie gemeinſchaftlichen Namen tragen, fprudelt eine heiße 
Duelle neben einer Ealten, ein Wallffahrtsort; und eben fo 
eine dergleichen an ihrem Südende bei Curachi. Zmifchen bei: 
den, vermuthet Al. Burnes, würden ſich noch mehrere aufs 
finden-laffen. Halbwegs füdwärts im Zuge diefer Berge, gegen 
Hydrabad hin, im Welt des Ortes Majindu am Indus, 3 
geogr. Meiten fern, erhebt fich ein Berg mit der antifen Run—⸗ 
nasFefte, die erft feit kurzem von den Amirs reſtaurirt ift, weil 


| fie durch die reichen Waflerquellen in ihrem Innern ausgezeichz 


net ift, während fie felbft nur von quellenlofen, öden Bergzügen 
umgeben wird. | 

Der Boden um die Stadt Sehwun ift reich, und verfieht 
ihren Bazar mit’ den beſten Producten. Zumal im Norden der 
Stadt liegt eine ſchoͤne, grüne, trefflich bebaute Ebene, die fich 
bis zur Bafis der Berge hinzieht. Die Kornernten find hier 
Iururiös, vom Norden herab bis hierher reicht der Anbau des 
Gram (Cicer arietin.). Gurken wachſen bier reichlich, die 
Melonen find hier geſchmacklos; Maulbeer- und Acpfels 
bäume tragen hier reichliche Früchte. Weisen, Gerfte, 





#87) Al. Burnes Mem. Ill. p. 265. 
Ritter Erdkunde VIE. L 


162 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 2, ' 


Zuder, Tabak, Indigo, Baumwolle werden hier in der 
trocknen Yahreszeit, Neis in der naflen gebaut, wozu man zwi⸗ 
ſchen Schwun bis Hydrabad an hundert Bewäfferungscanäle zählt. 
Das Ufer am Indus ift auch hier zunächt mit — 
gebuͤſch bedeckt. 

Bei Sehwun iſt dad Bette des Indus8) durch glip⸗ 
pen ſehr enge eingeſchnuͤrt, und dieſe ſind es auch, welche von 
der Weſtſeite der Lukki-Berge den Indusſtrom aus feinem S. W.⸗ 
Laufe gegen S. O. heruͤber drängen. Doch werden feine Ufer, wer 
gen ihrer niedrigen Lage, zumal die Oftufer, weit uͤberſchwemmt. 
Die Weftufer find jedoch fefter, obwol felten über 8 Fuß hoch. 
Seine Ausbreitung bis 1000 Schritt (Yard) vermindert feine Tiefe 
bis auf 18 Fuß; während der Flußfchwelle fteigt aber fein Waſſer 
bis 12 Fuß höher. Aber" unmittelbar unterhalb Sehmwun, 
am Fuße der LuffisBerge, hat der Strom an deren Einens 
gung nur die Hälfte diefer Breite, an 500 Schritt (Yard), bei 
einer doppelten Tiefe von 40 Fuß und ungemein reißendem Laufe. 
Er drängt ſich mit Gewalt gegen die Steilfeite diefer Felskette, 
wodurch bier zwei wichtige Paſſagen gebildet werden, die 
beide gangbar find, und nur eine Stunde abwärts der Stadt 
beginnen. 

Erftlich, der Duerpaß, der im MWeften des Dorfes 
Sufki cd. h. Paß, daher Dorf und Berge genannt find) über 
die Einfenfung der Kette, Buggotora genannt, in das Innere 
des hohen Iran nach Kelat führt, und leicht vertheidigt werden 
fann,. aber gegenwärtig noch nicht für en Geſchuͤtz fahrbar ges 
macht ift. 

Zweitens, der Uferpaß, der sroifchen der Luffi- Kette 
und dem Indus, für Karren fahrbar im Thale, obwol zwiſchen 
Heinen Felfen, am Oftfuß der Kette, im Flußthale hinführt, ein 
farfes, eine Stunde langes, enges Defile, das ebenfalls, gleich ei: 
nem Luzienfteig, zu fehr feiter Pofition dient. An diefen Paſſa— 
sen von der Stromenge an, bildet das Weftufer, durch feine 50 
Fuß hohen, fteil auffteigenden Klippen, die an 400 Schritt (Yard) 
längs dem Fluffe fortziehen, und nur durch Klettern zu Fuß zu 
erfteigen find, eine natürliche Feſtung, an deren Felswand ber 
Indus fo reißend vorüber jagt, daß cs ſchwer feyn würde hier 





®#®°) Al, Burnes Mem. III. p. 259. 


Indus-Syſtem, Indus Delta. 163 


über ihn eine Brücke zu fchlagen. Etwas oberhalb diefer Strecke 
würde eine günftigere Stelle hierzu fid) varbieten. Aber die Stadt 
Sehwun hat nur etwa 30 bis 40 Flachboote zu ihren Dienften, 
Außerhalb jenes Defiles, abwärts, bis Hydrabad, find zu beis 
den Uferfeiten des Indus gute Wege, auch längs des ganzen 
Fußes der Lukki-Kette hin bis Curachi. Aber auch der Indus 
ift die 21 geogr. Meilen (105 Miles Engl.) abwärts, bis Hydr⸗ 
abad, leicht zu befchifien, wozu etwa 150 Boote hier zwifchen beis 
den Orten bereit ſtehen. Stromauf legte Al. Burnes af in 
8 Tagen diefen Weg zuruͤck; nur durch Schiffsziehen ift dies zu 
bewerfitelligen, weil hier wenig Fahrwind zu ſeyn pflegt. Der 
Strom ift grandios, öfter durch Sandbänfe in Arme getheilt, bes 
megt er fih auch bier nur 24 Mil. Engl. in einer Stunde Zeit; 
und hazfig wird feine Schiffahrt wie bei den Amerikanifchen, 
Gangesflüffen, Eibirifchen und andern, gefährlich, durch verſun— 
fene Baumftämme, obwol ſich dergleichen nur felten an feinen 
Ufern zeigen. Die Ortfchaften, welche in diefer Strecfe am Stroms 
ufer liegen, wie Sen, Majindu, Beyan, Hala, find nur 
gering mit nicht über 2000, Muttari etwas bedeutender, zu: 


naͤchſt an der Stromfpeltung, vor Hydrabad liegend, mit, 4000 
Einwohnern. Hier, beginnt das Indus-Delta. Der Indus, 


der hie und da einen etwas veißendern Strom gewinnt, und zus 


mal mit großer Gewalt gegen das Weftufer hindrängt, wo auch 
die Ader des Fahrwailers dicht voruͤber zieht, reißt nicht felten bes 


deutende Uferftrecken ein. Die Städte Majindu und Amri 


ſind beide auf dem rechten Ufer weggeſchwemmt; Majindu 
wol 8 bis 101mal innerhalb der letzten 12 Jahre °9), weil die Ein: 


I nn Lam 0 


wohner ſich immer nur auf ein paar hundert Schritt zuruͤckzie⸗ 
ben, und dann wieder von neuem auf der alten Stelle anbauen. 
Even fo ift es mit Hala auf der Dftfeite gegangen. Am Ofts 
ufer des Stromes fann man in einem Uferabftande von anderts 
halb geogr, Meilen noch nicht reifen, weil zu viele Unterbrechuns 
gen durd) feine Seitenarme Statt finden. 

Die Sinder ©), welche der britifche Reiſende auf diefer 
Stromſtrecke und zu feinen beiden Uferfeiten von Sehwun bis 
Bukkur kennen zu lernen Gelegenheit hatte, da fie ihn und 





®*) Al, Burnes Memoir III. p. 262. *°) Al. Burnes Narrative 
Iik pr 64. 
2 


164 Weſt-⸗Aſten. L Abſchnitt. $. 2%. 


fein Gefolge fehr haufig auf den Schiffbarfen beſuchten, fchienen 
ihm faft noch Wilde zu feyn. Sie waren ganz unwiſſend. Nur 
ihre veligiöfe Führer und ihre Syuds (d. h. Nachfommen des 
Propheren, womit viele ſich brüften) zeigten etwas mehr Kennts 
niß, aber völlige Jndependenz. Auf die Frage, welchem Amir 
feyd ihr unterthan? war ihre Antwort: Wir erfennen feinen 
Herm, als nur Allah, der giebt uns Dörfer und alles was wir 
wünfchen. Obwol der Prophet, meint Al. Burnes, feine fo 
zahlreiche Nachkommenſchaft haben Eonnte, fo fiel es ihm doch 
auf, unter den Syuds eine fehr auffallende Familienähnlichkeit 
wahrzunehmen. Die Bettler, und fait alles Volt, ift ungemein 
arm, fie drängten fich gar dreift und frech herbei, fie beißen in 
Grasbüfchel, oder Laub, und fauen Sand, um Mitleid zu errer 
gen und Almofen zu erzwingen. Die Angefehenern wollten es 
den Neifenden durchaus nicht glauben, daß fie auf diefem Wege 
durch Stromfchiffahrt Labore zu erreichen gedächten; denn diefe 
Waſſerreiſe habe feit Noahs Zeit Niemand gemacht. Neugier 
war allen eigen. Sie riethben dem Briten fi) doch den Bart 
wachfen zu laſſen; fie bedauerten Al. Burnes verächtlich, daß er 
fih feine Zähne mit Bürften von Schweinsborften zu reinigen 
waͤhnte. Die englifchen Pferdefättel, von Schweinsleder gemacht, 
hielten fie im hohen Grade für unanftändig. Die Sinder lebten 
größtentheils von Milch und Fifchen. Oft hielt es fehr ſchwer 
Leute zum Schiffsziehen zu erhalten, ſelbſt die Viziere fonnten 
feine herbeifihaften. Sobald die Schiffe ſich nur von Ferne zeigs 
ten entflohben ſchon die Arbeitsleute, weil der Despotismus im 
Sande alles von ihnen mit Gewalt zu erpreilen pflegt. Sobald 
aber die Reiſenden Geld zeigten, und Zahlung verfprachen, gab 
es Arbeiter genug. Die 16 Matrofen, welche ihre Barfe Ieites 
ten, waren treffliche Schwimmer, dem beraufchenden „Bhang“ ı 
(Hanftranf, oder Hanfrauchen) ungemein ergeben, der fo zerz 
ftörend wie Opium wirft. Es waren abergläubifche Mohammez ı 
daner, die hier ein Krokodil im Indus zu fehen für ein fehr bös 
fes Omen halten würden. Diefe Thiere follen hier in der Tiefe 
verborgen bleiben. Als die Matrofen die Kuppeln der heiligen 
Mofcheen in Sehwun erblickten, fehlugen fie unter dem Felfen 
der Luffi-Berge im reißenden — ſogleieh die Trommel, und 

fangen ein melodiſches Schifferlied, das durch das Angedens - 
ten an Kaiſer Akbar, der auch bei diefem Volke fortlebt, intereffant 


Indus-Syſtem, Unterer Kauf. 165 


M. Al, Burnes”) hat das Original mitgetheilt; deſſen In— 
halt ift etwa folgender: | 


Kämpf’ o kaͤmpfe! Ruͤhr' die Glieder! 
Heb? die Schulter, tm Gottes willen, 
Etämme den Fuß! Mit des Sanctus Beiftand, 
Das Boot muß fegeln, 's ift ein nettes Boot, 
Der Steurer ift Held, Das Waffer iſt tief; 
Der Maft ift Hoch. Gluͤcklich kommt es duch), 
Schlag die Trommelt Dom Schah Akbar, 
Der Hafen ift da. Durch Gottes Gnade! 

1 Pa 9 


Erläuterung © 
Unterer Lauf, Snduss Delta 


3. Die Indusarme und ihre Mündungen. 


Nur wenige Stunden oberhalb der Stadt Hydrabad fpaltee 
fi) der Indus in zwei Arme, davon der eine furthbar if, der 
andere nur 400 Schritt Mard) breit, fo daß hier am leichteften 
ein Uebergang über den Strom für Armeen bewerfftelligt werden 
Eönnte. Der Weſtarm ift der große Indusffrom, der über 
Jurruck, wo fich ein zweiter öftlicher Seitenarm, der Pinyari 
oder Sir abzweigt, zum untern Tatta:Delta zieht. Der 

Oſtarm heißt hier Fulaili®2); er zieht an der Oftfeite der 
Stadt Hydrabad vorüber; nur zur Zeit der Leberfchwenmung, 
iſt er noch ein bedeutender Fluß, der große Landſtrecken abwärts: 
reichlich bewäffert und befruchtet, deſſen Waſſer aber gegenwärtig, 
ehe er Kutch erreicht, ganz confumirt werden. Die frühere Kar— 
tenzeichnung mit den vielen hier angegebenen Flußarmen fand 
Al. Burnes ganz falfch; man hatte Eünfiliche Waffergräben, 
die nur zur Heberfchwenmunaszeit gefüllt find, ale Arme gezeich- 
net, da doch der Indus eigentlich nur in einem Hauptarme, 
9 Monat hindurh, von Hydrabad bis Tatta fließt, denn 
auch diefer Fulaili ift nur temporair bedeutend, und fonft von 
untergeordneter Art. 

Diefer Fulaili) Arm heißt weiter abwärts Gummi, und 

zu ihm ergoß einft der Arın, welcher bei Bukkur durch die Wüfte 





»**) Al. Burnes Narrat. III. p. 53. *?) Al. Burnes Mem. IH, 
2. 260 etc, “») ebend. p. 238. 


166 Weit Aften. 1, Abſchnitt. 9. 3, 


ablenfte, feine Waller füdmwärts, wenigſtens während der Ueber— 
fhwenmmungszeit, fo daß beide vereinigt die Wüfte von Omers 
kote durchfesten, befruchteten und bei Luckput zum Run traten 
(ſ. Afien IV. 2. ©. 1044, 1053), ſich dann aber durch die weite 
Kori- Mündung in das Meer eraoffen. Die mehrfachen Veraͤn— 
derungen, welche diefer Lauf durch Erdbeben und abfichtliche Ab⸗ 
dammangen, durch die Sindes, im %. 1762, um ihre Wivalen 
von Kutch zu verderben, und alles Induswaſſer auf ihre Seite 
gegen Weft abzuleiten, erlitten, wodurch er-als öftlichfter Stroms 
arın fait als vernichtet anzufeben ift, haben wir in obigem anges 
führt 25%. Aber unterhalb Luckput eröffnet fi) der Ausgang 
diefer Mündung von neuem zum Meere, als eine fo große und 
weite falzige Seebucht, daß man dieſe, Kori genannt, als die 
grandiofefte aller Indusmändungen anzufehen geneigt ſeyn möchte, 
wenn der füge Wafferftrom aus dem Binnenlande, deflen 
Lauf nicht mehr regelmäßig das Meerwaſſer erreichen fann, ihr 
nur entfpräche. Diefer mag auch einst in früheren Zeiten bedeus 
tend genug gewefen ſeyn. Gegenwärtig ift diefe Kori-Muͤn— 
dung noch ein fo breiter Meeresarın, daß man feine beiderfeitis 
gen Ufer nicht zugleich überfchauen fann, wenn man auf ihm 
einfeegelt. Auch ift er fehr tief, bis Cotafir 3 Stunden land 
ein, 20 Fuß tief, und gleich tief noch weiter bie Bufta, das 
nur noch 3 Stunden vom Seehafen Luckput liegt, der zu Kutch 
gehört, ven deſſen Verhältnifen fchon am genannten Orte die 
Rede war. Doch liegen fo große Sandbinfe, Adhiari genannt, 
vor Cotafir, daß bei Ebbezeit ihr nur knietiefes Waſſer die Eins 
fahrt für größere Echiffe ſehr erfchwert. Diefer Kori ift übri 
gens die Grenzlinie, welche Kutch von Sinde fiheidet, wenn 
ſchon das Waſſer abgeleitet if. Al. Burnes, der im Januar 
1831, in diefer Kori-Mündung ®) einlief, bemerft, daß hier 
die Ufer beider Fandfchaften ungemein Fontraftiren. Sind eine 
vollfommene Niederung, faft dem Niveau des Meeres gleich), 
Kutch dagegen in wilden Dulcanfegeln emporftarrend, die aus 
weiter Ferne hervorragen, indeß die Sind-Depreffion faum in ih— 
rer Monotonie vom Echiffer zu erfpähen ift, nur Kruͤppelgebuͤſch 
fie det, in welches die Domaine des Miceres weit eindringt. Am 





»“*) Vergl. Al. Burnes Mem. of the Eastern Branch of the Indus 
and the Kun of Cutch in Y'rav. Vel. ill, p. 309 — 319. 
*°) Al. Burnes Narative Il. p. 6. 


Indus-Syſtem, Unterer Lauf. 167 


Eingang bes KorisGolfes liegen heilige Pilgerorte für den 
Hindu, wie Cotafir und Naramfir, und diefen gegenuber 
ao Kanoje, darunter das Grab eines mohammedanifchen 
Sanctus, den alle Vorüberfchiffende Opfer bringen: Korn, Del, 
Weihrauch und Geld, um nicht Schifföruch zu leiden. Die Kutch— 
Schiffer, welche hier zu Haufe find, gehören zu den fühnften Sees 
fahrern. 

Mit dem Pinyarl oder Sir: Aem ®), dem zweitöftlichften 
des Indus, der nur einige Meilen untsehalb Hyarabad fich 
von dem großen Weſtarme des Indus, bei Jurruck, halbwegs 
nad) Tatta, wie der Fulaili, gegen den Suͤdoſten abzweigt, und 
mehr parallel mit diefem uͤber Moghrebi und Gunda, zur 
Meeresmändung, welche Sir heißt, hinabzieht, het es eine ähnz 
liche Bewandtniß, wie mit dem Fulaiit. Auch. er ift in feinem 
Laufe abfichtlich- zerftört, und unterhalb Moghrebi, etwa 10 gesgr, 
Meilen (59 Miles Engl.) vom Meere, landein, ift ein Damm 
quer durchgeführt, um fein ſuͤßes Waſſer auf die Sind⸗-Seite abs 
zuleiten, und dem Kutchanwohnsen im Often zu entziehen. Doch 
iſt dies nicht ganz vollftändig geichehen, und er bahnt fich durd) 
tleine Creels noch eine Pajlage hindurch bis auf acht Stunden 
vom Meerssgeftade. Nur oberhalb Moghrebi wird er Pinyari 
genannt, unterhalb diefes Ortes Gungra, an der Mündung 
aber Sir oder Sier. Diefe ift nur für Boste von 35 Tonnen 
Sadung bis zum Orte Gunda fahrbar, wo die Waaren auf Fleir 
nere Flachboote umgeladen werden müllen, um bis Moghrebi und 
weiter zu gehen, obwol bei trockner Jahreszeit dex Transport fehr 
erfchwert ft. Denn bei der Stadt Moghrebi ift der Flußarm nur 
noch 40 Fuß breit. Die Sir-Muͤndung ift 2 Engl. Miles breit, 
wird aber landein, gegen Gunda, ſehr enge und nicht Uber 24 
bis 36 Fuß tief. Unterhalb Gunda. läßt eine Sandbanf nur 6 
"Fuß Fahrwaffertiefe. Dennoch wird auf diefem Arme ein nicht 
unbedeutender Handel mit. dem benachbarten Kutch und Kattys 
war getrieben, weil Reis, der Stapel von Einde, hier in großen 
Ueberfluß ausgeführt wird. Beide Flüfe, Kori und Sir, ſtehn 
auf feine Weife 67) mit ihren Waflern im Innern des Deltabos 
dens in irgend einer Verbindung. 

Beide ihrer Mafferfülle ganz oder doch theilweiſe beraubte, 
oͤſtliche Indusarme, der Kori wie der Sir, deren einer 


7 


°*) Al. Burnes Mem. III. p. 237. *7) ebend. p. 239. 





1685 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. % 3. 


mit feinen urfprünglihen Waſſern das Meer erreicht, find daher 
faft nur als vertrocdnete Oftarme des Ynduss Deltas (etwa 
wie der Pelufifche des Nik Deltas) anzufehen, und diefes ſchwin— 
det daher felbft, einem großen Iheile feiner Ausdehnung nad, 
aus dem großen Delta (von Hydrabad aus, zwifchen In— 
dus und Kori) in ein EFleines Delta (von Tatta abwärts) 
zufammen, welches faum ein Viertheil von jenem ausmacht, 
Das kleinere Delta iff ganz auf die größern, aber einander 
benachbarteren, zwei wefllihben Hauptarme des Indus bez 
fchräntt, welche Buggaur und Sata heißen, jener gegen Werft, 
diefer gegen Suͤd ziehend. Wie Hydrabad 24 geogr. Meilen 
fern vom Meere an der innen Spige des großen, fo liegt 
Tatta nur 15 geogr, Meilen (60 Engl. Mil.) fern vom Meere 
an der innern Spike des Fleinen Indus-Deltas, deilen 
Küftenftreefe von N.W. gegen S. O. zieht, die nur eine Breite 
von 14 geogr. Meilen länge dem Deltageftade einnimmt (zwiſchen 
Buggaur und Satamündung). Dagegen ift die Geftades 
linie des großen Deltas weit größer, an 25 geogr, Meilen, 
zwifchen der Buggau, Mündung, unter 24° 40° P,Br, 
und der Kori-Mündung, unter 23° 30° N. Br. Auf diefer 
Kuͤſtenſtrecke zählt man gegenwärtig, mit den beiden vertrockneten 
Dftarmen, 11 Mündangen des Indus, in größern oder Eleinern 
Armen, die freilich an Zahl der hundert Mündungen (Sunders 
bund) des Ganges nicht gleich Eoimmen, wenn fie auch in Walfers 
ausgießung keineswegs gegen diefelben zuruͤckſtehen. 

Die große Bifurcation ”) dis großen Indusſtromes 
an der Spige des Eleinen Deltas, liegt nur 2 Stunden uns 
terhalb Tatta, und zwifchen diefer breitet fi) das Deltaland 
im engern Sinne aus. Der rechte Arın, der Bugganur, 
weicht fait im rechten Winkel von der Normaltirection ab, und 
sieht gegen Weft; der Sata, der linke, ſetzt in gleicher Di, 
zection gesen Süden fort und ift der größere. Beide zerfpals. 
ten fic) wieder in 9 untergeordnete (Ptolemäus gab 7 Indus⸗ 
mündungen an), deren Hpdrographie zuerft Al. Burnes dur 
eigene Erforfchung derfelben, auf das genauefte, entwirrt hat. 
Auf allen fruͤhern Kartenzeichnyngen waren fie irrig eingetragen, 
und in den Namen haben unzählige Verwechslungen 9) Statt 





®®®) Al. Burnes Mem. III. p- 228 — 237. 9) E. Bournouf Res 
bon J. Burnes Narrative of a Visit to the Court of Sinde, Edinb. 
4551. 8, in Joun, d. Savans Nor. 1833. 647, 661 u. a.D. 


Indus-Syſtem, Unterer Lauf, 169 


- gefunden, die aus der Vermifchung der Sprachen und Zeiten wie 


aus der Unkenntniß des Locales hervorgehen mußten. 

Der Weftarm, Buggaur (d. h. Zerfiörer, wegen feis 
ner Heftigkeit), fließt als ein einziger Arm, bei Mirpur, Pirs 
Putta, Bohaur und Daraji vorbei, bis er fich ein paar 
Stunden vom Meere erfi in 2 Arme, Pitti und Pieteani, 
beide fohiffbar, fpaltet, die an 5 geogr. Meilen auseinander 
fiehend in den Ocean fallen. Diefe galten bisher als die zwei 
großen Sndusmündungen und wurden audy bis in die neuefte 
Zeit von den einheimifchen Schiffen befahren. Auch find fie 
heute noch zugängig; doch ift feit 1829 eine große Neränderung 
mit ihnen vorgegangen, denn feitdem haben fi) die Waller ſehr 
zurücfgezogen. Dbwol der Buggaur noch bis Daraji 12 Fuß 
Tiefe behält, fo wird er doch oberhalb diefer Stadt ganz feicht;z 
in der trocknen Jahreszeit nur noch Enietief, und fein Bett, das 
fonft eine halbe Mile Engl. breit war, hat nur noch 100 Schritt 
Hard) Breite. Diefer Wechfel hat den Handel von Daraji, . 
feitvem, nad) dem Sata:Ufer verlegt. Das Buggaur:Ufer ift 
ober fo reich geblieben als es vorher war, obwol die Schiffahrt 
abnahm, und nur für Plattboote im Gang blieb. Doch ift zu 
erwarten, daß er feine frühere Bedeutung wieder gewinnen wird, 
und während der Waſſerſchwelle ift er immer ein bedeutender 
Strom. Leber feine Verzweigungen hat man Al. Burnes de 
taillirte Befchreibungen nachzuſehen. Der Sata, oder größere 
Sindarm, hat unter der Bifurcation noch 1000 Schritt (Yard) 
Breite, und wälzt bei weiten die größere Waffermaffe zum Meere, 
Snnerhalb eines Yaufes von 14 Stunden Weges zerfpaltet er 
ſich wieder in 7 untergeordnete Mündungen. Seine Strömung 
ift gegenwärtig fo heftig, daß er Sandbänfe und Barren aufs 
wirft, und nur eine einzige dieſer Muͤndungen eigentlich fchiffbar 
genannt werden kann für große Schiffe von 50 Tonnen. Das 
ausgeworfene Waſſer füßt das Meer auf ein paar Stunden weit, 
Gora ift die größte Mündung, aber durch tobende Strömung 
und Sandbaͤnke zu gefahrvoll, daher nur geringern Booten zus. 
ganglih. Die geringere Hujamri-Mündung, mit dem Hafens 
‚orte Vikkur, 5 geogr. Meilen vom Meere landein, läßt ge: 
genwärtig allein Schiffe von 50 Tonnen zu; auf der Barre 
bei der Ginfahrt zu diefem Hafenort hatte Alex. Burnes 
Schiff noch 15 Fuß Fahrwaſſer. Die dritte füdlichfte der 


ſchiffbaren Mündungen des Sata: Armes heißt Mull, welche 


170 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. $. 3. 


nur für Boote von 25 Tonnen fahrbar ift, und zu dem Hafen 
Schah Bunder führt, welcher mit Vikkur abmwechfelnd die 
Vortheile des Indus-Handels und der Schiffahrt theilt. Beide 
fcheinen auch nicht zu allen Jahreszeiten zugänglich zu ſeyn; fie 
alterniren. Wenn man fich zu einer Zeit dem Schah Bunder 
faum nähern darf, fo ift dagegen in der andern der Vikkur— 
Hafen gänzlich von Schiffen verlaffen. Lipta heißt der Lan⸗ 
dungsort am Mull. 

Die andern Muͤndungen find ganz unzugaͤnglich. Die Wed; 
fel 27% des Indus-Deltas und feiner Werzweigungen find 
zum Sprihwort geworden; daher fo viele Befchwerde und Ges 
fahr bei deffen Befchiffung, wie zu Alerander M. Zeit. Die 
Waſſer werden mit folcher Gewalt von einem Ufer zum andern 
geworfen, daß der Boden an unzähligen Uferſtrecken über dem 
Fluß zufammenftärzt, mit oft furchtbarem Getöfe. Hie und da, 
wo die Ihonfchichten weniger nachgeben, und fefter Boden widers 
ſteht, wuͤhlen fich die Gegenfluthen tiefe Löcher und Wirbel aus, 
in denen die Schiffe fich dann umherdrehen. Dabei ift die Strös 
mung oft furchtbar, zumal bei ftarfen Stürmen, ein Wogenfählag 
wie im Ocean. Der erfahrne Schiffer muß allen diefen unguͤn— 
ſtigen Localverhältniffen auszumweichen fuchen. Die Arme mit den 
wenigften Suͤßwaſſermaſſen baben von der Seefeite die beften 
Einfahrten für große Seefchiffe, weil fie freier von den Sands 
banken find, welche das Flußwaſſer herabwälzt. Der Buggaur 
bet daher, obwol er fonft feicht ift, doc) unterhalb Daraji bis 
zum Meexe tiefe Einfahrt, durch welche der Seehafen an feiner 
Morvfeite, zu Curachi, am meiften zum Großhandel begünfttgt 
war. Zwifchen Hydrabad und Tatta iſt der ganze Ynduslauf 
mit vielen Sandbänfen, die beftändig. treiben und wechfeln, bes 
fest, die fich daher auch in viele Auen, aber doch nicht bis zu 
Etromfpaltungen ausbreiten; es ift fehr ſchwierig für die Scifs 
fer bier zwifchen den Uferböfchungen die richtige Sahefrape zu. 
finden. 


2. Namen des Indus. 


Schon früher iſt vom Sindhus (ſ. Aſien IV. 1. S. 451) 
wie oben von verſchiedenen Namen des Indus und ſeiner Zu— 
fluͤſſe im mittlern Laufe die Rede geweſen (ſ. ob. S. 29, 31 u.f.); 


2’°) Ah Burnes Mem. III. p. 231. 


Indus-Syſtem, Unterer Kauf, Namen. 171 


auch im untern Laufe kehren die verfchiedenften Benennun— 
gen und ihre häufigen Nerwechfelungen zumal im Deltaboden 
wieder, indeg der Name Indus dort gänzlich unbefannt 
wird. 

Oberhalb Sehwun wird der Indus oder Sind im Allges 
meinen Sira (d. h. Nord) und unterhalb deffelben Ortes Far 


.@. bh. Sud) genannt, nad) zwei Beludfhe Worten 7), wels 


che die Focalität der Weltgegenden von jenem Mittelpuncte aus 
bezeichnen, und daraus erklärt fich auch die Uebereinſtimmung des 
Namens der Sira » Tribus dortiger Anwohner mit dem Strome. 
Dagegen ift der Name Mehran (Mihran oder Meyraun, 
f. ob. &. 29), oberhalb, gar nicht einheimifch, fondern nur, 
nach dem Bundehefch 2), für einen Fluß in Sinde im Ges 
brauch, und bei Ebn Haukal und Abul Fazl und andern 
mohammedanifiben Autoren für den Yndus oder Sind in Gang 
gefommen. Auf Dr. 5. Burnes Ruͤckkehr von Hydrabad, hörte 
diefer auch den großen, breiteften Hauptarm bei Tatta fo nennen, 
den fein Bruder Sata, er felbft Sitah fehreibt. Die Bedeus 
tung diefes Namens giebt uns Al. Burnes nicht, obgleich er 
den des Buggaur dur „Zerfiörer“ erklärte, vielleicht daß 
jener mythologiſch erklärt werden muß. Den Außerfien vertrock— 
neten Oftarm, der an der Mündung Kori heißt, hörte Dr. J. 
Burnes im Innern Pharraun (vergl. Alten IV.2, S. 950) 
nennen, und Pottinger aub Guni’”), was fo viel als der 
Befruchtende heißen foll. Derfelbe ift es, der auch Luni (d. h. 
Salzfluß, f. Afien IV. 2. ©. 946, 949) in feinem,untern, 
falzigen Ausfluß, gegen das Nun, im Gegenfag feiner füßen 
Waller, mehr landeinwärte, bezeichnet wird. Wirklich findet fich 
der Name Luni auch auf frühern Karten dieſem Kori⸗Arm beis 
gelegt. Hieraus erhält Prolemäus Benennung des oͤſtlich⸗ 
ften feiner fieben Zndusarıne AwvsPuoe, Septimum Ostium Indi 
fuvii, Ptol. VII. c. 1. fol. 168 ed. Bert.) ihre vollſtaͤndige Erflds 
zung, wie das benachbarte, fruͤherhin unveritändliche Rim (Eigı- 
vo» b. Arrian Peripl. Mar. Erythr. 1. p.23 ed. Hudson), Run, 
oder Araniya auch ſchon ſeine vollſtaͤndigſte Rechtfertigung im 
Obigen (Afien IV..2. ©. 946) gefunden hat. Lonibare, der 





”*2) Al. Burnes Narrat. III. p. 62. Mem. HI, p. 268. 7?) Zenda- 
vesta b. Anquetil du Perron V. Il p. 3923 Oriental Geogr. ed. 
W Ouseley p. 155. Ay. Akb. T. 1. p 121. 73) W. Ilamiktons 
Deser. of Hind. I. p. 579. 


172 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $ 3. 


Salzfluß, hat feinen Namen von Lona, Salz, was In eink 
gen Wulgairdialesten vom Sansfritwort Lavana ?”%) abgefeitet 
ift, mit der Localbezeichnung bare, die auch in andern Namen 
vorkommt. Aber auch der Name Kori fiheint von nichts ans 
derm feine Ableitung zu haben, und blos dialectifch verfchieden 
von Khari (d.h. falzig) zır fenn, welches, nach) Tods Annas 
Ien von Radjafthan Ih. I. S. 304, ebenfalld der Name eines 
Arıns des Salzfluſſes uni und mit ihm identifch ift. 
Derfelbe Lauf des Kori iſt aber auf frühern Karten auch 
Santra, oder Mitra, oder Nalla Sanfra genannt. Dies 
fer Name Sanfra kommt als Grenzfluß bei Beftimmung ber 
Sändertheilung (1739) zwifhen Nadir Schah und Mohams 
med H. Kaifer von Delhi vor; J. Burnes fand diefen Nas, 
men bet feiner Durchreiſe im Sande nicht bekannt, Sankra 
beißt aber fo viel ald enge, klein; womit, wie E. Bournouf 
bemerkt, ſehr paflend der Nebenarm eines großen Fluffes bez 
zeichnet werden fonnte, der wegen feiner Größe felbft Deryah 
0.5. Meer), im Gegenfag des Deryah-Shor (d.h. Salz: 
Meer) genannt wurde, oder Deryah-Shiun, oder Meta 
Mita) Deryah (d. bh. Süßwaffers Meer), oder, wie J. 
Tod ihn nennen hörte, MitaMuran (od. Mihran, Mah— 
ran) was ebenfalls Sußwaffer-Strom oder Sußes Meer 
wegen feiner Größe bedeutet (f. Aſien IV. 2. ©. 951). Wirklich, 
fagt Al. Burnes”), gehört ihn diefer Name mit Recht, denn 
mit Erftaunen fahe er durch Stürme auf dem Tatta-Arme wahre 
Seewogen erregen. Andere Namen übergehen wir, da diefe fchon 
Binreichen auf das Eigenthümliche derfelben und ihren localen 
oft nur temporairen Werth für eine gewiſſe Zeit oder eine 
gewiſſe Sprache, oder auf ihre Anwendung nur im figurlichen 
Sinn, hinzuweifen. Durch den Mangel jeder gefunden Critik hat 
fih die oberflächliche Geographie der fpätern Zeit nebft der Lands 
kartenfabrik mit einer babylonischen- Verwirrung von Namen um: 
geben, und wieder andere ganz willfürlich verworfen oder vernachz 
läffigt, fo daß man ſich gluͤcklich ſchaͤtzen muß‘, wenn es möglich 
ift, wenn auch nur hie und da Cinzelnes, wie hier auf feine 
hiſtoriſche Wahrheit und Grundlage zurüdzuführen. 





»'*) E. Bournouf }. e. Journ. d. Savans 1833° p, 68I. 
"®) Al, Burnes Narrat, Il, pı 35 





Indus⸗Syſtem, Unterer Lauf, Deltaboden. 173 


3 Bodenbefhaffenheit des Indus-Deltas, Elima, 
Producte, Schiffahrt. 


Wie das Nils Delta nach Herodot, fo ift auch das ne 
du8-Delta?) ein Gefhent des Stromes. Die Profile 
der Flußufer zeigen nur Schichten von Erde, Thon, Sand, in 
parallelen wechfelnden‘ Lagern, in verfchiedenen Perioden von der 
Sandfeite her abgelagert, fo daß ein Iheil des Meeres vom Lande 
erobert ward, worauf auch das feichte, vorliegende Küftenmeer, die 
thonigen Vorlagen an den Miündungen und die Färbung der 
Küftenwaffer hindeuten. Die periodifchen Anfchwellungen des. Ins 
dus geftalten das Land, von der Deltafpige bei Tatta an, in ihs 
ren zahllofen Verzweigungen beftändig um, da ihre Ueberſchwem— 
mungen allgemein find. Die wenigen Stellen, welche ihr Waſ— 
fer nicht erreichen follte, haben Fünftliche Gräben 4 Fuß breit‘ 
3 Fuß tief erhalten, welche die Felder bewäffern. Das Anfchmwelz 
len beginnt Ende April, es ift im wachfen bis Fuli, verſchwin— 
det gänzlich im September; ein Nordmwind pflegt die Abs 
nahme zu befchleunigen. Diefe Anfchwellung beginnt fchon mit 
der Schneefhmelze des Himalaya (vergl. im Ganges, Afien FV. 2, 
©. 1234), vor der Regenzeit, die aber faft gar nicht bis hiers 
her vordringt. Zn Tatta?”), wo Ende des XV. Jahrhunderts 
Capt. Al. Hamilton lange Zeit wohnte, fallen das ganze 
Jahr hindurdy nur fehr wenige Negenfchauer, ja vor feiner Ans 
funft war drei Jahre hindurch fein Tropfen gefallen; Peſt folgte 
der Trockniß. Zur trocknen Sahreszeit, bei tiefem Wafferftande, 
wird das Land durch perfifche Schöpfräder bemwäffert, die der 
Büffel oder das Kameel in Bewegung fest. Ein gutes Achts 
theil des Deltas Areals, ſchaͤtzt A. Burnes, möge immerhin 


von den Flußbetten und ihren Verzweigungen eingenommen feyn. 


Ein anderer großer Iheil des Deltabodens, 4 Stunden landein 
vom Meere, ift fo dicht mit. Bufchwerk überwuchert, daß es uns 
möglich ift diefe Streden anzubauen; dicht an der Meerestüfte 
dagegen breiten fic) große Grafungen für die Büffelheerden 
aus. Dort ift aber das Herbeifchaffen von füßem Waffer zum 
Trunk für Menfchen und Vich wieder ungemein mühfam; dies 
fer Mangel fegt der Population des Indus-Deltas die größten 


”*) Al. Burnes Mem. III. p. 249 — 255. ’7) Al. Hamilton Ac- 
count of the East Indias. Edinb. 1727. 8. Vol, I, p.1225 Ren- 
nell Mem, p. 182, 


174 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. % 3. 


Schwierigkeiten entgegen, weshalb auch fchon Alerander dort 
vor dem Durchzuge feines Heeres Brunnen graben ließ (ſ. Aſien 
IV. 1. S. 478). Regen fällt, was ſchon Strabo weiß (XV. e. 17), 
hier fo fparfam wie im Nil-Delta, und die Ernten hängen daher 
ausfchließlich nur von der Ueberſchwemmung ab, und find ficher 
wie diefe. Dennoch fehle der Regen nicht durchaus, wenn er auch 
fihon nach Hamiltons Bemerfung zuweilen mehrere Jahre ganz 
ausbleibt. Al. Burnes felbft erlebte am 10. April zu Mirpur 
am BuggaurzArme ein fehe heftiges Regenfchauer?”®), 
feloft Hagel bei 24° N. (86° Fahrh.). Thau befeuchtet den 
Boden, ijt aber der Gefundheit fehr nachtheilig. Das Elimg 
ift ſchwuͤl, druͤckend; im März flieg das Thermometer bis zu 
25° 78° I. (90° Fabrb.); der reiche Altuvialboden loͤſt fi in 
unerträglichen Staub auf. Die Ueberſchwemmungen bringen, obs 
wol der Boden einen Theil des Jahres fehr feucht bleibt, und 
deshalb nur den andern Theil deſſelben bewohnt werden fann, 
feine Krankheiten; Sumpfr Fieber find hier unbekannt, dage— 
gen ift die Plage der Inſecten, die fich) aus dem Schlammboden 
erzeugen, und der Musfitos, ſehr beſchwerlich. Für die menſch— 
liche Conftitution ift die Luft zehrend; alle Einwohner, bemerkte 
Al. Burnes, ſchienen ihm vor der Zeit zu altern. 

Das Hauptproduct des Landes it Reis, von verfchiedenen 
Arten, aber auch Bajeri (Panic. spicat.) und viele andere In— 
difche Kornarten werden hier gebaut. Die Aecker mit Weisen, 
Gerfte und Mung (Phaseol.) werden durd Flußcanäle fihon 
einige Monate vor der Heberfchweinmungszeit bewällert und ges 
erntet. Der Boden ift ſehr reih an Salpeter, der aber nicht 
ausgeführt reird. Aus Goor- Planzungen (eine Art Zu ders 
rohr), die weit verbreitet find, wird ein roher Zucker bereitet. 
Die Grafungen längs den Ufern find zwar reichlich, aber nicht 
befonders gut; das wuchernde Buſchwerk, meift Tamarisfen, 
bie 20 Fuß hoch, würde, meint Al. Burnes, hinreichend Holz 
Fohlen geben, wenn man den Indus mit Dampfbooten befahren 
wollte; aber an Echiffsbauholz fehlt es fo ganz, daß man dies 
aus Malabar erft einführen muß. Abwärts Tatta ift hoͤchſtens 
nur z des fo ungemein fruchtbaren Delta; Areals wirklich zur 
Agricultue benugt; der größere Theil verlaffen, Bufchwildniß. 
Nur in der Nähe der Städte, wie bei Hydrabad und Tatta 





230) Al, Burnes Narrat. III, p. 34. 


— — — 


Indus-Syſtem, Delta, Fauna. 175 


merden Trauben, eigen, Pormgranaten, Aepfel gezogen; Yndigo, 
Taback nur hie und da. 

Eine eigenthuͤmliche Fauna fehlt diefem Landſtrich, wenn 
man nicht die vielen Schlangen, Otternarten dahin rechnen will. 
Schafe und Rinder giebt es in Menge. Buͤffelzucht ift ein Haupt: 
gefchäft dortiger nomadifcher Hirten ftämme, welche hauptfächz 
lich diefes Land, aber nur fehr dünn besölfern. Die Büffelkühe 
geben viel Milch und Ghi (Butter). Der Hund ift der treue 
Begleiter der Heerden, von fehr wilder Art, der fie auch beim 
Durchſchwimmen der Flüffe geleitet, und jeden Fremdling mus 
thig zuruͤckweiſet. Eid) von Hunden die Hande nach dem Mit: 
tagseffen lecken ”®) zu laffen, was die englifchen Keifenden öfter 
thaten, feste die Einwohner in das größte Erſtaunen, und fie 
fragten, ob fie etwa auch Katzen und Maͤuſe äßen, da fie Ferkel 
verzehrten. Dferde und Kamcele find beide zahlreich und 
von vorzüglicher Raçe; doch die Pferde Fein. Den größern Theil 
des Landes nehmen die Sagdreviere (Schifargahs) ein, 


deren Gehege bis dicht zum Indus gehen, und jeden Ackerbau - 


hemmen; ihr Inneres voll Diefihte und Unterholz, das nie ges 
Föpft wird, beherbergt das Wild. Aus diefem Uferwald fönnte 
eine feindliche Flotte ohne Schaden der Angreifenden ungemein 
beläftigt werden. 
Die Flußfifhereien zumal um die Strommündungen 
- find bedeutend, fie find einträglich und befchäftigen fehr viele Fis 
ſcherboote; Fifhe machen die Hauptnahrung der Sindes aus, 
Einige find fehr groß, wie der Kujjuri, der wegen feiner Fins 
nen gefangen wird, die mit den Finnen kleiner Haififche, die in 
großer Menge die Sndusmündungen umfchiwärmen, einen Hans 
delsartifel nach China ausmachen. Der. Singali, mit großem 
Kopf und ftarffnochig, der unter dem Schiffe ein fehr lautes Ges 
töfe (wie im Saigun? f. Afien II. S. 1043) von fich giebt, fin: 
det fich hier in Menge. Die allgemeinfte und beliebtefte Nah— 
rung giebt der Pulla, die delicatefte Karpfenart, der aber nur 
in den 4Monaten, welche der Sndusfchwelle vorangehen, zu fans 
gen ift. | } 
‚Der Handel wird innerhalb des Deltas auf jener zweis, 
ten Art von Schiffen, Dundis genannt, betrieben, die freilich 
von anderm Baue als die Zohruks (ſ. ob. ©. 148) find, aber 





) Al. Burnes Narrat, III, p. 35. 


176 MWeft-Ajien. J. Abfchnitt. 5. 3. 


im Gegenfaß der Seeſchiffe noch immer Flachboote genannt wer⸗ 
den müffen. Ihrer Größe und Plumpheit ungeachtet, tragen fie 
doch nur 50 Tonnen Laft (100 Kurwars) ; fie gehen, wenn belas 
den, 4 Fuß tief im Waſſer, haben 2 Mafte; das Vorderfegel ift 
ein lateinifches, das hintere vierſeitig. Mit gutem Winde fönnen 
fie in einer Stunde 3 Engl, Miles gegen den Strom zuruͤckle⸗ 
gen. Vom Meere fam Al. Burnes, mit ihnen, am fünften 
Tage nad) Hydrabad. Die größten find 80 Fuß lang, bis 18%. 
breit, fehr geräumig, fehwimmenden Häufern gleich, zunächft dem 
Bau der Chineſiſchen Junken zu vergleichen (ſ. Afien IH. S. 794 
u. f.). Auch werden fie eben fo von den Matrofen, ſammt ihr 
ren Familien und dem ganzen Hausrath, mit Viehhof, Geflügel 
u. f. mw. bewohnt, Ohne Wind werden fie firomauf an Strike 
fen gezogen, die am Maftbaume befeftigt find. In einer Stunde 
legen fie dann freilich nur an 13 Engl. Mile zurüd, mit güns 
ſtigem Wind in den Segeln gehen fie doppelt fo fchnell. Auch 
für Dampfboote, meint Al. Burnes, würde der Indus 
fahrbar ſeyn, aber nie für Kielboote, die bei Verſuchen ftets ges 
firandet find, da fchon die. Flachboote häufig aufſtoßen, was- ihr 
nen übrigens nicht nachtheilig if. Die Seeſchiffe in den Här 
fen der Indusmuͤndungen, die dritte Art, welche Dingis hei— 
fen, und zum Gebiete der Amirs von Sinde gehören, find ans 
ders gebaut, vorn fehr ſcharf zugehend und im Hintertheil hochz 


gehoben; fie fchiffen niemals firomauf, fregeln gut, führen aber 


feine Kanonen, gehören vorzüglich nur dem Hafenorte Curachi 
an, der mit ihnen feinen Verkehr treibt, nach Bombay, der Mar 
Tabarküfte und bis Mascate. In Summa zählt Al. Burnes 
feine 100 diefer Dingis in allen Indusmuͤndungen, und feine 
50, die zwifchen Hydrabad und Tatta im Gange wären; es ift 
als wenn hinfichtlich des Verkehrs hier bis jegt gar keine Stroms 


linie vorhanden wäre. Stromaufwaͤrts wird durchaus gar feine; 


Waare verſchifft. 

Curachi, unter 24° 56’ N.Br. und 67° 1 O.L. v. Gr. 
nad Capt. Marfield Beobachtung 280), ift der Haupthafenort von 
Einde, doch liegt er ſchon außerhalb der Indusmuͤndungen ihnen 
an der nördlihen Seite (f. Afien VI. 1. ©. 479), nur 5 Stuns 


den vom Pitti entfernt. Er hat zugleich gute Landftraßen direct 





ba * Barnes Notice regarding the Map of the Indus Vol, III. 
p- 193. | 





en 


Indus-Shſtem, Delta= Küfte, 177 


nach Tafta (12 geogr. Meilen), was günftig für den Waaren: 
transport if, weil dadurch das lmfaden, von den Dingis auf 
die Dundis, vermieden wird. So wird die größte Maffe der Ers 
—* porten dieſes Hafenortes, das Malwa Opium Aſien IV. 2. 
©. 789), welches über Tatta kommt, niemals auf Booten ab: 
wärts gefchifft, fondern immer durd) Landkarawanen nach Curachi 
gebracht. Daher ſtehen die meiften Indusmuͤndungen ſchiffsleer. 
Den aus Nivalität gegen Kutch verftopften Oftmündungen des 
} Indus, Kori und Gunda, muß natürlich faft jeder Verkehr 
durch Slußerporten fehlen; deshalb ift aber an dem dritten Nach: 
bdararme dem Sata, im Sindegebiet, doch Fein neuer Hafen, fein 
Emporium aufgeblüht. 
7 Die Außenfeite 8!) der Delta-Küfte, die ohne einen einzigen 
Baum, nur eine bebuſchte Wüfte, als das armfeligfte Land der 
Welt erſcheint, iſt das Grad aller Schiffe, weiche der Sturm ge: 
gen fie wirft. Mit der zweiten Fluth ift jedes Schiff in der Re— 
gel ſchon durch fie begraben. Mit der größten Anftrengung der 
Wannſchaft ift es, bei einer Ladung daſelbſt, faum zu retten, wie 
FA. Burnes dies an feinem eigenen Boote erlebte. Alles Ges 
ſtrandete wird aber vom Ufervolfe geraubt. 
Die Sunden außerhalb gegen das Meer find regulair, 
4 Nil, Engl. vom Ufer überall 12 bis 15 Fuß tief. Ihre Stel: 
lung ift den oceanifchen Stuͤrmen fehr ausgeſetzt, und fehr felten 
| wagt es noch ein Schiff, nach Monat März, fich diefem Geftade 
ou nahen; denn dann fangen ſchon die Vorläufer des S. W.⸗ 
| 









J 


WMonſun an, der die Seewogen herantreibt, daß fie ſich über 18 
bis 24 Fuß hoc) fehon brechen, ehe fie noch die Niederung der 
Küfte, die fie weit überfehauen, erreichen. Die’ Hafenftelle ift 
4 daher ſehr ſchwer zu treffen, fie wird nur zu leicht verfehlt. Die 
1 Gefahr ift dann unvermeidlich, weil jeder andere Schuß fehlt. 
Die Fluthen fteigen bei Vollmond in den Indusmuͤndungen bis 
zu 9 Fuß Höhe; aber mit ungleicher Gefchwindigkeit fluthen und 
ebben fie, zumal gewaltig in der Nähe der Sandbaͤnke. Oft 
wird durch) fie das Schiff aufs Trockne gefest, wie dies Alerans 
ders Flotte erfuhr (f. Afien IV. 1. S. 478). Und dennoch reicht 
die Ebbe und Fluth nicht tief landein, welches den Chinefifchen, 
Asa, Ganges: Strömen und den Amerikanifchen zu fo großen 





2) Al. Burnes Mom. III, p. 240 — 212. 
Ritter Erdkunde VII, M 


* 


178 Weſt-Aſien. 1 Abfchnitt. $. 3, 


Rortheiten fir die Stromauffahrt in das Innere ihrer Gebiete 
gereicht. Micht einmal bis zur Epige des Deltas, bis Tatta 
drinat fie vor, fondern bleibt noch 5 geogr. Meilen unterhalb 
Tatta 28?) zuruͤck; fie dringt alfo nur 15 geogr, Meilen (75 Mil, 
Engl.) in die Deltaniederung ein. Am gefahrvolliten ift das Dels 
tageftade an der Gorabanf, vor dem größten Mündungsarıne 
des Sata. Das Schiff muß fich bier fo weit von der Küfte ents 
fernt halten, daß es diefelde gar nicht erblickt, um 72 Fuß Tiefe 
zu behalten; denn näher liegen die fo gefürchteten Sandſchollen 
der Bora, deren Eeichten fo ſchroff wechfeln, daß man behaups 
tet, fcbon bei 60 Fuß Tiefe müßte das dort feegelnde Schiff auf 
ihnen zerichelfen. Nur von Fifcherbooten, die hier ihre Nege 
reichlich füllen, fann diefes Geftade beſchifft werden. 


r 


4. Bevdlferung, Drtfhaften, Hirtenffämme, Ans 

gefiedelte. Capitalen: Hydrabad, Tatta. 

Traurig iſt der Zuftand der Bewohner des Indus-Deltas, 

wenn man dieſes mit andern Niederungen der Mündungsländer 
vergleicht, die durch ihre höhere Eultur auch den sdelern Naturanz 
lagen, mit denen fie ausgeftattet wurden, entfprachen. Hier fehr 
len die Denfimale einer folchen bedeutendern hiftorifchern Ent— 
wiclung der Vergangenheit wie der Gegenwart; auch aus dem 
Zuftande Pattala’s, zu Alerander M. Zeit (Iuzarıjvn bei 
Ptol, VI. 1. fol. 172; der Unterwelt im Weften der Brahmas : 
nenwelt, f. Aſien IV. 1. ©. 475), ift wenig auf feine einftige, 
höhere Kivilifation zurüczufchließen, wenn auch nicht die erften 
Anfänge dazu vermißt werden. Wenn 5 des Deltas von Waffers 
betten eingenommen wird, von dem Ueberreſte des Bodens $ Theile‘ 
wüfte liegen, und nur + höchftens zum Anbau dient, und der 
größere Iheil der Bewohner nur in wechfelnden Huͤtten und 
Weilern (Rap), die bald hierhin, bald dahin gerückt werden, woh— 
nen: fo ift fchon wenig Bevölkerung, Jnduftrie, Handel, Eultur 
zu erwarten. Wenn auch Hydrabads?) die Hauptrefidenz an 
20,000, Tatta, an der Deltafpige 15,000 und Curachi der 
Hauptdafenort am Meere eben fo viel Bewohner aufzählen, fo 
haben die andern Städte des Deltas, wie Daraji, Lahory, 
Schahbunder jedes feine 2000, und unterhalb Tatta liegen 





**?) Al Burnes Mem. III. p. 211. 


®®) ebend. IL, p. 227, 2 
250— 253, 255 — 260. 4 — 9— 





Indus-Syſtem, Delta, Bewohner. 179 


Eeine 10 Orte mehr, deren jeder nur etwa 100 Einwohner aufs 
weifen fonnte. Jurruck der einzige bedeutendere Ort oberhalb 
Satta, wo der Indus den Nebenarm nach Moghrebi abfendet, 
bat nur 1500 Einwohner. Die Sefammtpopulation dee: 
Andus:-Deltas fann man, nad Al. Burnes, Tatta aus— 
aefchloffen, nur etwa auf 30,000 anfihlagen, von denen 4 in Orts 
fchaften feftgefiedelt ift, indeß die andern umbherftreifen und groͤß— 
tentheils als Hirten wandern. Auf 1 Engl. Quadratmile kom— 
men daher hier nur 74 Einwohner. 

Die Huͤtten, welche man überall durch das Delta zerftreut 
antrifft, aus denen die wandernden Ortfchaften (Raj) beftehen, 
find aus Schilf und Matten gemacht, von Gras (Tatty), oder 
Binfen umgeben, um die falten Winde und feuchten Nebel ab— 
zuhalten, die im Niederlande vorherrfchen und von den Einwoh— 
nern für nachtheilig gehalten werden. Es find diefelben Hütten, 


dieſem Delta eigenthbümlich, die auch fihon Nearch befchreibt, 


Bei den häufigen Wechfeln find diefe leicht transportirt, 
Diefe Wanderftämine, hier nicht mehr Sindes, fondern 


Aut, wie fie feit Sultan Mahmuds Zeiten (ſ. Afien IV. 1. 


©. 553) unter diefem Namen an der Weftfeite des Indus ber 
fannt find, und wahrfcheinlich Nachkommen jener verfchiedenartis 
gen Indo⸗-Skythiſchen Eindringlinge ältefter Zeit (ſ. Aſien 


-W.1. ©. 485), gelten gegenwärtig für die dortigen Aboriginer, 


denen nach und nach alle andern erft nachgefolgt find. Sie find 
im höchften Grade unwiſſende, aberglänbifche Nachbeter der mo— 
hammedanifchen Lehre, voll Bigotterie. Mit der firengiten Erfüls 
lung der Ceremonien, verbinden fie die fchlechteften Sitten; und 
wenden fich, Arme wie Neiche, in den beftimmten Stunden im 
Gebete nah Mekka. Die Syuds, d. i. die, welche den Titel 
der Nachkommen des Propheten voll Hochmuth annehmen, find 
ihre Gebieter. DVerfchiedene der Indusarme find aber auch von 
einem andern Stamıne, den Muana, bewohnt, die fih Emi— 
granten aus dem Pendfchab nennen, von fdiffen und fifchen 
leben. Noch andere, von gleichem Urfprung, die Seit Lobana, 
flehten Matten von Schilf, erlegen Wild, von dem fie fich nähs 
ten, find gering geachtet. Auch Jukeas, oder Jukrias, ein 
Gebirgsvolk von den Curachiz Höhen, ift hier eingezogen, und ihre 
Häuptlinge haben Ländereien erhalten. Ihre Zahl ift aber nur 
gering; fie fünnen etwa 2000 Mann Truppen ftellen, und wer— 
+ M2 


180 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 5 3. 
den deshalb vom Sinde: Gouvernement begünftigt. Sie follen 
Nachkommen der Najputen vom Suma Tribus fenn, welche einft 
in Sinde herrſchten. Sie nennen fi) Verwandte der Ihareja 
und Kutch-Rajputen (ſ. Aſien IV. 2. ©. 1056), haben auch 
noch die Hindu- Namen ihrer Tribus beibehalten, find aber all 
mälig Diener des Koran geworden. Beludfchen find nur wer 
nige hier eingewandert. Die anfäfligen Städtebewohner im Lande 
find insgefammt Hindus und Kaufleute, die den Handel for 
wol nach Außen ald durch das innere Land von Sind betreiben. 
Hpdrabad 2°) ift die Capitale von ganz Sind; fie hat 
noch feine 20,000 Eiuwohner, die alle in Erdhütten leben, und 
feloft der Palaft der Amir ift ein elendes Gebäu. Die Umge: 
bung ift ſchoͤn und manichfaltig, von beiden Hauptarmen des 
Indus ganz infelartig umfloffen, weil fie beide, wenige Stunden 
abwärts, durch einen Eugen Duercanal, bei Triccul, wenige 
ſtens zur Fluthzeit mit einander communiciren. Die Ufer find mit 
hohen Bäumen bewachfen. Der Blick auf Anhöhen im Hinter: 
grunde, entfchädigt für die umgebende, große Einfürmigfeit des 
Sandes, das in der Negel mit Staubmaffen in den Lüften erfüllt 
ift, die fich über den Ortfchaften in der trodnen Jahreszeit Teicht 
zu erheben pflegen. Stadt und Fort erheben ſich auf einer 
Felshoͤhe; das Fort ift mit einem Graben von 10 Fuß Breite 
und 8 Fuß Tiefe umgeben, über den eine Holzbruͤcke führt. Die 
Mauern des Forts 25 Fuß hoch, aus Backfteinen aufgeführt, find 
in Berfall. Es würde leicht zu erobern ſeyn. In feiner Mitte 
fteht ein maffiver Thurm, ganz ifolirt, eine weitfchauende Warte, 


darin der Schatz von Sinde niedergelegt ift. in Theil der - | 


Inſel, auf welcher die Stadt liegt, ift wegen ihres felfigen Bo: 
dens öde und nur fehe wenig bebaut. Der Indus mit einer 
Sandbant in der Mitte feines Stromes ift hier 830 Schritt (Yard) 
breit; der Fulaili ift weit geringer. Die Yagdliebhaberei der Re— 
genten hat hier überall an den Flußufern, in den Tamaris— 
fen und früppligen Mimofengehölz (Babul, Mimos. arabica) 
ihre Wildgehege beibehalten. Daher ein großer Theil der Umge— 
bung der Capitale Wildniß geblieben ift. Das vorzuͤglichſte Jagd⸗ 
thier wird Hotapuchu genannt, es foll eine Art Eber ſeyn; ift 





®®*) Al. Burnes Narrat, HI. p. 40—51; ſ. Capt. Greiner View 
of Hydrabad; vergl. Dr. J. Burnes Narrative of a Visit to the 
Court of Sinde. Edinb, 1831. 8. p. 43 — 135. 





Indus-Syſtem, Delta, Capitalen, 181 


| aber nicht näher befannt. Falfenjagd auf das Mild if das Haupt: 
vergnügen. Die Grafungen zwiſchen jenen MWaldbäfchen find an 
den Flußufern von einzeln meidenden Kameelen eingenommen. 

Der rohe Hofftaat der Amirs von Sinde, die hier refidiren, bie⸗— 

tet durchaus Feine Eigenthümlichkeiten dar, für das Auge, noch 

weniger als der Hof zu Khyrpur, wo mehr Luxus war. AL 

Burnes hatte hier zwei verfchiedene Audienzen und wurde mit 
/ außerordentlicher Artigkeit empfangen, weil fein Bruder, der Arzt, 

Eur; zuvor den Amir von einer bösartigen Krankheit befreit hatte. 
& zeigte wenigftens große Erfenntlichkeit und bewirthete feine 
Säfte reichlich. Im Audienzzimmer ging es ſehr unerdentlich her, 
die vielen fhmugigen Soldaten drangen zugleich mit den höchften 
SHerrfchaften ein, und der Laͤrm war unerträglich, erfchien aber 
den Einheimiſchen nichts weniger als unanfländig. Die Gegens 
gefchente des Amirs fielen ſehr filjig aus; fie beſtanden vorzuͤg⸗ 
lih nur in einem Beutel von 1500 Nupies Geld. Der Amir 
rühmte fich Krieger zu feyn, und. 300,000 Beludfches zu befehliz 
gen. Er verſprach den Gäften "fie auf feiner eigenen Barfe durch 
feine eigenen Leute weiter ziehen, und durch feine Kameele und 
Elephanten bis an die Grenze feines Neiches geleiten zu laſſen. 
In den Zelten, die ihnen während ihres Aufenthaltes in der Eas 
pitale aufgefhlagen wurden, wurde ihnen alles. reichlich gefpens 
det, und die forgfältigfte Aufmerkfamfeit zu Iheil, vom Vizier bis 
zum Hof» Barbier und Hof» Wofferkühler. Die Staatöbarke der 
Amirs, mit der man fie weiter fchiffte, war ein Dundi, 60 Fuß 
lang, mit 3 Maften, voll rot und weißgefreifter Sergei, mit 2 
Kajüten und einem Pavillon, mit feivenen Vorhängen und vie 
len Flaggen, unter denen die britifchen Reiſenden auch die bris 
tifche Flagge aufjogen, das erfte Mat daß diefe auf dem Ins 
dusfkrome wehte. Ein günfliger Wind führte von den Ihoren 
Hydrabads dies Schiffchen fihnell allen andern eilends voran, ein 
gutes Omen; die übrige Flotte folgte langfamer nad. 

Die zweite Capitale, Tatta®) (wol das alte Pattala, 
und das Minagara des Peripl. Mar. Erythr. ſ. Aſien IV. 1. 
©. 475 — 476), liegt eine gute Stunde vom ndus entfernt, der 
bier träge und ſchlammig ift, aber eine Breite von 2000 Fuß hat, 
und eine von Ufer zu Ufer gleichmäßige Tiefe von 15 Fuß. Früs 
her unter den fohügenden Delhi Kaifeın war Tatta eine Zeit 





»5) Al. Burnes Narrat. II. p. 580 — 35. 





182 Welt: Afien. I Abfchnitt. 9. 3. 


lang als Emporium berühmt, aber feit dem eifernen Scepter der 
Sindes eine Ruine. Abul Fazil fagt, zu Kaifer Akbars Zeit 
habe Tatta 40,000 Barken 286) zu feiner Schiffahrt gehabt; 
fie war das größte Emporium, als der Groß Moghul Jehan Gir 
fiegreich in das Delta einzog. Capt. Hamilton (Ende des XVII. 
Sahrhunderts) 8) will dafelbft noch 42 alte Königsgräaber 
aus Porphyr erbaut gefehen haben, neöft den Königsgärten, 
als einzigen Reſten altindifcher Herrlichkeit. Die Stadt war zu 
feiner Zeit noch in hohem Anſehn; er ſelbſt machte dafelöft große 
Handelsgefchäfte, denn er führte Güter in Karamanen zu 1500 
Saftthieren, mit vielen Menfcben und einer Escorte von 200 Weis 
teen dahin. Zu feiner Zeit verfichert er, fenen 80,000 Arbeiter 
in Seide und Wolle von Tatta ausgewandert. Zu Elphinſto— 
nesss) Zeit hatte die Stadt nur noch 45,000 Einwohner; diefe 
hat fie auch gegenwärtig nah Al. Burnes nicht mehr; die 
Hälfte der Häufer ift verfallen oder ſteht Teer. Die Afghanens 
Ueberfälle haben vollends noch die letzten großen Kaufleute aus 
der Stadt verfcheucht. Won den einft fo berühmten Longi-Wes 
bern (ſ. ob. ©. 67) zählte man, als Al. Burnes ſich dafeldft 
während 8 Tagen aufbielt, nur noch 125 Familien; von Ban— 
janen oder Indifchen Handelsleaten Feine 40; etwa 20 Wechs⸗ 
ler machten alle Gefchäfte. Noch zu Nadir Schahs Zeit foll 
Tatta fehe volfreich gewefen fen. 

Keine 2 volle Stunden, im S. W. der heutigen Stadt, liegt 
eine zweite Muinenftadt, Kullan-Kote genannt, welche aud) 
Brahbmanabad, die Brahmanınfladt, hieß, und früher ftets 
die Landesrefidenz war, bis die Ufurpatoren der Talpori: Dynaftie 
diefe nach Hydrabad verlegten. Jene Nuinenftadt hat den mo: 
dernen Namen Nagara Tatta erhalten. Sie ift in einem 
niedern Ihale ohne Verfhanzungen aufgeführt; in mehrern ihrer 
Brunnen fand Al. Burnes 20 Fuß tief gehende Lager von 
Backſteinmauern, und auf den Anhöhen, im Weften der Stadt, 
Grabftätten, die er aber für nicht älter als ein paar hundert 
Jahre hielt. Eine große Mofchee aus Backſteinen erbaut, aus 
Schah Jehans Zeit, fteht noch als Hauptgebäude. Im übrigen 
fcheinen die Trümmer wenig Bemerfenswerthes darzubieten. Das 





28°) Aycen Akbery ed. Fr. Gladwin. London 1800. 8. Vol. II p. 116, 
my A: Hanilton Account of the East Indias ete. Edinb. 1727. 8. 
Vel.1. p. 125. *®) M. Elphinstone Acc, of Cabul p. 499, 501. 








Indus-Syſtem, Delta, Tatte, 183 


heutige Tatta fteht an der großen Landſtraße, die aus In— 
dien nad) Hinglaj°®) in Mefran führt, einem berühmten Walls 
fahrtsorte, der unter den nackten, öden Bergen Hala (Irus 
bei Nearch, f. Afien IV. 1. &. 479) gelegen ift, und ohne alle 
Tempel‘, nur wegen feiner füßen Quelte fo. berühmt ift. Aber 
diefe Duelle hat au Ramchunder, ein Halbgott der Hindus, 
befucht. Dies ift nebft den Figuren von Sonne und Mond, zum 
Beweiſe auf den dortigen Felfen eingehauen. Hinglaj liegt 
40 geogr. Meilen (200 Miles Engl.) fern von Tatta, auf dem 
Wege über Curabi, Sumiani, durch die Provinz Lus, das 
Sand der Numris, ein Theil der Route Alexanders. Kine 
Milgerfahrt dahin: reinigt von Sünden. Die Kofosnuß, in die 
Wafferquelle geworfen, enthulft den Yebenslauf des. Pilgers; perlt 
das Waffer empor, fo war und bleibt das Leben rein; wirft es 
feine Blafen empor und fehweigt, ſo müffen noch. mehr Opfer ger 
bracht werden, Die Tribus. der Cofeins, Bettelmoͤnche, an die 
fidy oft reiche, fromme Kaufleute anſchließen, pilaern dahin, und 
öfter noch. weiter bis zu einer Inſel Satadiv, die nicht. fern 
vom Bender Abaffi liegen foll.. Dies find die einzigen. Hindus 
Pilgerreifen, die uns in jenem. Auslande bekannt werden „ wahrz 
fcheinlid mit den Wanderungen der Banjanen (f. Afien IV.2. 
E. 660) in Beziehung: fiehend. Die Fortdaner diefer Wallfahr: 
ten erklärt fich aus. den Sporteln, die dem. Oberpriefter. zu Tatta 
dadurch zufallen. Zu Hunderten ziehen von da. die Katawanen 
aus, jede mit ihrem Agwa, oder geiftlihen Führer an der 
Spitze. Der Oberpriefter zu Tatta fegnet fie ein, giebt. ihnen. eine 
Wuͤnſchelruthe als Talisman mit,. dafür jeder. Pilger 35, Rupie 
zahlt; diefer Wunderftab: muß aber zuruͤckgeliefert werden, der 
Agwa wird. reichlich belohnt. Jeder von Hinglaj zuruͤckkehrende 
Pilger erhält zu. Tatta einen Roſenkranz aus weißen, bohnen— 
artigen Körnern, die auf den benachbarten Felshöhen. eingeſam— 
melt werden; wol eine Art. Detrefact, denn fie werden als die 
verfteinerten Samen. ausgegeben, die bei Grfchaffung der Welt 
ausgeftreut wurden. Der Handel mit ihnen if Monopol des 
Priefters zu Tatta. 





>) Al. Burnes Narrat. III. p. 32 — 34. 


184 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. 9 3. 


5, Der Staat von Sinde, die Herrfchaft der Tal: 
puri:Dpnaftie vom Beludfhben Stamm. Die drei 
Amirs von Sinde: von Hydrabad, Khyrpur und 
Mirpur. 

Der Sieg der Beludfehen:Stämme über die Kalara— 
Herrfchaft am unten Indus, erhebt die tapfere Talpuri— 
Dynaftie der vier Brüder, oder Herren (wol von Amir 
im Arabifchen) 29), auf den Thron von Sinde, feit den 8Oziger 
Jahren; anfänglich als Vafallen von Kabul (f. Alien IV.2. 
©. 1033) %). Mit dem Sturz von Kabul aber wird diefe Sind: 
Herrfchaft unabhängiger, ſouverain und von größerer politiz 
ſcher Bedeutung °?) als zuvor. Die Talpuris erweitern ihre 
Macht von den Seikhs bis zum Meere, und oftwärts bis zu den 
Grenzen von Kutch, Parkur, Omerkote (Afien IV. 2, S. 1058); 
fie zahlen feinen Tribut mehr an Kabul, und legen benachbarten 
Voͤlkern Tribut auf. As A. Burnes (1832) ihr Reich durchz 
309, ftand es in der Blüthe feiner Macht; er iſt der einzige, dem 
wir, nächft feinem Bruder und wenigen Notizen Pottingers®), 
genauere Nachrichten als Augenzeugen über die Herrſchaft der 
Amirs von Sinde verdanken. Hier die Hauptmomente feiner 
Mittheilungen. 2 

Das Reich Sind, zwifchen 69° bis 71 O.L. 0. Gr. und 
23 bis 29° N. Br. ausgebreitet, umfaßt ein Areal von etwa 
10,000 geogr. Duadratmeilen (100,000 Enal. D.:Miles), und wird 
in einer Diagonale von faft 100 Fängenmeilen vom Indus, aus 
der Pendfhabfpige bis zum aͤußerſten Südpunct am Kori durch⸗ 
zogen, eine Linie, welche die befruchtende und belebende Ader des 
ganzen Gebietes bezeichnet. Der größere Theil der Oftfeite deſſel— 
ben ift unbefannt, liegt wuͤſte. 

Diefer große Landftrich ift unter die drei Zweige der Be: 
ludſch-Tribus der Talpuri, die unter fich wieder indepenz 





290) 9, Hammer Rec. in Wien. Sahrb. 1835. B. 72. ©. 62. 

®1) Ihre Gedichte ſ. Jam. Burnes Narrative of a Visit 1 c. p.17 
bis 28; vergl, Pelitics of Sind in Asiat. Journ. 1826. Vol. XXI. 
p: 367 — 370; New Ser. 1831. Vol. IV. p. 307 —316. Journ, 
of the Geogr. Soc. of London I. p. 222 — 231. °2) On Sinde 
b. Al. Burnes Mem. III. p. 212— 227. »*) Pottinger Notice 
de l’etat actuel de I’Indus et de la Route d’Alexandre le Grand 
avec Remarques p, Al. Burnes in Nouv. Annales des Voyages., 
Paris Juili. 1836. p. 65 — 92. 











Indus-Syſtem, Staat von Sinde. 185 
dent find, getheilt. Sie kommen darin uͤberein, fih die Amirs, 
d. i. die Fürften von Sind (von Emir, Plur. Umara) 
zu tituliven. Dies find die drei Amirs von Sind. 


Die Hauptfaimilie nahm ihre Nefidenz zu Hydrabad, 
wo anfänglih 4 Brüder, die „Char Yar,“ di. die vier 
Freunde, gemeinfcbaftlih, in brüderlicher Einttacht herrſchten. 
Zwei derfelben ftarben 1801 und 1811, die zwei uͤberlebenden re 
gierten noch gemeinfchaftlich im %. 1830, als J. Burnes an 
ihrem Hofe lebte. Im Jahre 1832 war auch der dritte von dies 
fen (Kurm Ali) geftorben, welche man ebenfalld die Amirs 
von Hydrabad genannt hatte, und nur Mir Murad Ali 
Khan war, nad) innerlich entffanderen blutigen Fehden, der 
einzige Regent von Hydrabad übrig geblieben, bei welchem als 
Amir A. Burnes feine Audienz erhielt, 

Die zweite Familie des Talpuri nahm zu Khyrpur 
ihre Nefidenz, wo Mir Ruſtum Khan, Sohn Mir Soh: 
rab’s, als Amir, der Herrſcher des nördlichen Sind und Buk— 
Eurs, den britifchen Neifenden fo zuvorfommend empfing. Arth. 
ConollyM), der deſſen Reſidenz paflirte, erzählt, daß der Vater: 
feinem älteften Sohne, Mir Ruftum, die Landesherrfchaft als 
lerdings vererbt habe, feinen Schag aber auf den jüngern Bru— 
der, Mir Murad, und jenem die Verpflichtung auferlegt, auch 
on 40 feiner männlichen Defcendenten noch Apanagen zu vers 
theilen. Diefe fonderbare Legirung habe natuͤrlich zu großen Strei⸗ 
tigkeiten unter den Bruͤdern gefuͤhrt. 

Die dritte Familie der Talpuri von geringerer Be— 
deutung, von Mir Thara Khan abſtammend, hat ſich unter 
halb Tatta im Delta feitgefegt, wo Ali Murad zu Mirpur 
feine Nefidenz aufgefchlagen hat. 

Die relative Bedeutung diefer drei Amirs von Sind er 
giebt fich aus ihren Einkünften, die abnehmend 15, 10 und 
5 Lakh Rupien betragen, in Summa 30 L. Rup. (300,000 Pf. 
Sterl.). Ihr gefammelter Schag foll fih auf 20 Millionen Pf. 
Sterling belaufen, davon 13 in Geld, das übrige in Juwelen ans 
gehäuft ift, der größte Theil zu Hydrabad, im Beſitz Murad Alis 
und der Weiber feines verſtorbenen Bruders Kurm Alt, 


Nach den Seiths find die Amirs die bedeutendfte einheimi: 





°%) Arth. Conolly Journey 1. c. Vol, I, p 254 etc, 


156 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 6. 3. 


ſche Macht in Indien. In W. haben ſie dem Chef von Lus 
die Hafenſtadt Curachi entriſſen, und das Territorium von Su— 
miani erobert, um den Landhandel nach Kandahar ganz in ihre 
Gewalt zu befommen. Bukkur und das fruchtbare Schikar— 
pur entriffen fie den Afghanen, deren Barakjge Tribus (jetzt 
Herren von Kandahar und Kabul), jährlich, wiewol ohnmächtige 
Attacken gegen diefe Befigungen zu machen pflegen, um fie wies 
der zu gewinnen. As Al Burnes Schifarpur paflirte, lagers 
ten 6000 Mann Afghanen zu Sewi, in Kutch Gundava; fie 
fonnten aber die Sindes zu Feiner entſcheidenden Schlacht brinz 
gen. Gegen Daudputra und Omerfote haben fie ebenfalls 
ihren Nachbarn Grenzgebiete entriſſen. Nur an der Kutch-Seite 
ift ihr Fortfchritt durdy das britifche Gouvernement aufgehalten 
(f. Afien IV. 2. ©. 1061). 

Die Macht der Amirs von Sinde ift bedeutend, weil fie 
nur wenig Ausgaben zw befireiten haben. Außer den Garnifos 
nen in den Feftungen gegen die Wüften, halten fie Eeine ftehens 
den Soldtruppenz denn jeder Ueberfall ward bisher noch durch 
frifchgefammelte Truppen fiegreich zurücgewiefen. Die Sinds 
Truppen find ſehr tapfere Krieger. Den erften Ueberfällen der 
Afghanen. pflegen fie in ihre Wuͤſten auszuweichen; dann aber 
fie in Gefechten überfallend zu befiegen. Ohne eine Disciplin, 
und wahrfcheinfich Europäifch organiſirten Truppen unterliegend, 
fpielen fie doch unter ihres Gleichen, wie gegen Afghanen, eine 
überlegene Rolle. Sie find fol; darauf Fußfoldaten zu feyn, 
im Gegenfagß der Hindu, 5. B. der Najputenreiterei; auch ziehen 
fie das Schwert der Flinte im Kampfe vor. Yhre Artilferie ift 
an Zahl bedeutender als an Wirfung; Pferde find von Kleiner 
Race, ſelten; daher ihre Cavallerie unbedeutend. Jeder Erwach— 
fene, der Handelsmann ausgenommen, ift Soldat. Ihre Garnis 
fonen, meint Al. Burnes, würden jedoch ihre Feftungen nur 
fihlecht vertheidigen, und ſich bald, wenn fie von britifchen Trups 
pen attafirt würden, in die Wuͤſten retiriren. Cine Empörung 
im Sande wide fehr leicht feyn, da die Talpuris felbft fehr vers 
haßt find, ihre Verwaltung ganz unpopulaie if, und ihre Perfon 
nirgends Mitleid erregen würde. 

In dem genaueften Verbande fiehen die Talpuris mit ih: 

rem weftlihen Nachbar, dem Mehrab Khan der Brahooes, 
der Chef von Kelaut und Gundava ift, und durch Heirath 
mit den Amirs verwandt, auch von Geſchlecht ihnen nahe fteht, 








Indus-Syſtem, Staat von Sinde. 187 


da Brahooes und Beludfhen fih als Brüder, einem 


Stamme entfproffen, betrachten. Mit den Rajput-Rajas, 
an ihren Oftgrenzen, wechfeln die Amirs Gefchenfe; gegen ihren 
nördlichen Nachbar den Maha Naja der Seikhs befteht nur Miss 
trauen, und wenn bieher der Friede zwifchen beiden Theilen er: 
halten ward, fo war dies nur den Interventionen des britiſchen 
Gouvernements zu verdanken. 

Die Macht der Amirs im Innern ihrer Gebiete, iſt keines— 
wegs gering, wenn ſchon ihr Strom, der Indus, weniger Vor—⸗ 
theile darbietet, als andere große Yandfiröme, da ihm für große 
Seefchiffe eindringende Fluth und Mündungen (gleich dem Gans 
ges) fehlen, feine Oftfeite nur durch Wüften von dem übrigen 
Indien gefibieden ward, Agrieultur, Gewerbe und Handel an 
und auf ihm welfen. Zur Zeit von Xrrians Peripfus im Mare 
Erythraeum, im I. Jahrh. n. Chr. Geb., war der Handel dort 
blühend, und eben fo fpäterhin zu Kaifer Aurengzebs Zeit. Der 
fruchtbarfte Uferboden, der jest nur zu gutem Weideland für Hirs 
ten dient, koͤnnte die trefflichften Aeder tragen, wenn ein energiz 
fches Gouvernement Sicherheit des Cigenthums gegen die beftän: 
digen Plünderungen der Gebirgstribus im Weſt (der Buedis 
und Muzaris, Belludfchen u. a.) gewährte, wenn e3 felöft den 
erorbitanten Zoll, den es von den Waaren fordert, aufgabe, wels 
cher jeden Tranfit zu Land und zu Waller unmöglich) macht, und 
wenn es den In dus, als eine freie Ader, für europäifche Schiff 
fahrt und Commerz öffnete, wodurd bald die Bazare von Schi— 
farpur in denfelben Waaren und Preifen mit denen von Bonts 
bay wetteifern würden. Der einzige Handel mit Opium, den 
die Sinde: Chefs noch begünftigen, wird dennoch von ihnen fo 
bedrückt, daß jede Kameelladung ihnen 250 Rupien Zoll zahlen 
muß, wodurch ihnen freilich ein jährliches Cinfommen von 7 Lakh 
Rupien zu Theil wird, was der ganzen Tandtare des Hydrabad 
Amir gleich kommt. Die Kabulberrfiher hinderten vor Zeiten we— 
nigftens den Tranſito nicht, und es befand felbft in Tatta, noch 
im vorigen Jahrhundert, Factoreihandel der Briten. Inter dem 
jegigen Gouvernement ift feine Hoffnung zu einer Verbefferung 
vorhanden; es geht nur darauf aus, die Herrſcher reich zu machen 
und die Unterthbanen arm. 

Außer einigen Belludfihen:Chefs, denen die Amirs als 
ihren Parteigängern und Stammesgenoflen, bedeutende Ländereien 
verliehen, und den Religioſen, die fih mit ihren Familien zu 


188 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 3. 


Hofe halten, auch einigen Hindu Kaufleuten, fehlt aller Wohl 
ftand im Lande. Gegen diefe letztern wüthet gegenwärtig der Fa: 
natismus der Mohammedaner nicht mehr fo wie vordem. Man 
läßt Schroffs und Danjanen ungehindert ihr Gewerbe treis 
ben, indeß ihre Glaubensgenoffen, die Hindu Demwans, in 
Sind überall die Gefchäftsführer der Großen geworden find, und 
das ganze Finanzwefen des Staates in den Händen haben. Aber 
alle andern Einwohner, die Dörfler wie die Städter, leben in 
Elend, Schmug und Dürftigkeit. 

Wenn Hydrabad 20,000 Einwohner hat, Schifarpur 
allein unter allen noch mehr, fo find dagegen alle andern Städte 
geringerer Art; 3 derfelben, wie Tatta, Curachi, Khyrpur 
haben 15,000; 5, wie Mirpur, Hala, Sehwun, Larkhana, 
Rori nur 19,000; 5 oder 6 andere, wie Multari, Subzul 
u. f. w. 5000, u. f. f., fo daß man die ftädtifche Bevölferung 
etwa auf 200,000 fehägen ann. Das Volk im Delta beträgt, 
wie oben gefagt, nicht über 30,000 Seelen; zu beiden Uferfeiten 
des Indus ftreifen nur wenige Hirtenfiämme. Die Dörfer, fo weit 
die Ueberſchwemmung und die Agricultur reicht, find ſtark bevöls 
fert. Die ganze Volkfsmenge fihägt AL. Burnes etwa 
auf eine Million, davon die Hindus % ausmachen, die grös 


Bere Zahl der Mohammedaner aber erſt Convertiten von ihnen 


geworden find, 

Dom Character der Sindes hat derfelbe Beobachter, bei 
feiner Durchreife durch das Sand, Feine vortheilhafte Meinung ges 
wonnen. Sie find im hohen Grade leidenfchaftlich, ſtolz, betrüs 
gerifch, ohne alle Kechtlichkeit, die fonft wol cher mit völliger 


Ignoranz und Rohheit gepaart erfcheint. Doch gefteht er, daß - 


fie in feinen Dienften ſich als treue Diener zeigten, und daß er 
durch fie feine Veruntreuung erlitt. Sie nahmen das Land mit 
dem Schwerte; fie befaßen Feine freien Inſtitutionen, und erhiels 
ten fie auch nicht von ihren Fürften, die fie als Iyrannen bes 
herrſchen, durch Furcht alles erzwingen; das Gefühl der Ehre 
fennen fie nicht. Die dreifahe Herrfchaft im Lande hat Pars 
teiungen herbeigeführt, die vielleicht mit der Zeit nachtheilig auf 
fie ſelbſt zuruͤckwirken werden. 

Die Hydrabad-Familie ift durch mehrere britifche Miſ— 
fionen am beften befannt worden. Sie befist den füdlichen Theil, 
Unter Sind, feit 1786; aber nach dem Ausfterben der ältern 


Amirs, die ohne blutige, innere Fehden einträshtig regierten, find 








Indus-Syſtem, Ruͤckblick, Vergleichung. 189 


durch die juͤngern Söhne, die alle gleiche Anſpruͤche auf die Suc— 
ceffion machen, vier politifche Parteien entftanden, von denen 
eine, an deren Spige einer der jüngften Prinzen, Mir Muſſir 
Khan, fand, und das größte Anfehn befaß, fih auf die Seite 
der Briten neigte. Er förderte Al. Burnes Paſſage nach Las 
hore, die ohne ihn fchwerlich zu Stande gefommen wäre, und 
durch Gefchente fuchte er fich die Höfe von Herat und der Kas 
bul⸗Chefs geneigt zu machen. 

Der KhyrpursChef, Mir Ruftum Khan, folgte ſei— 
nem Dater, der durch einen Sturz vom Balfon (1830) feinen 
Tod gefunden. Er hat eine zahlreiche Nachkommenfchaft, und. 
macht den größten Staat. Sein Gebiet reicht von der Bhawul—⸗ 
pur⸗Grenze (unter 23 30° N.Br.), abwärts bis Schwun, wefts 
wärts über Schifarpur nah Kutch Gundava, bis zu den Berg— 
zügen. Zwifchen ihm, dem Gebieter von Ober-Sind, und denen 
von Ilnter- Sind, ift viel Streit, zumal wegen des Durchgangsz 
zolls auf Opium. Er if den Briten gleichfalls fehr zugethan. 
Sein Schatz fol 3 Millionen Pfd. Sterling betragen. Cr hat 
beflere Verbindungen mit feinen Nachbarn angefnüpft, als die 
Herrfcher von Hydrabad; er fleht in einigem Verkehr mit den 
Seikhs von Lahore und dem Bhamulpur Khan der Daudputra. 

Die Mirpur-Familie ift die geringfte in dem politiſchen 
Zuftand des Ganzen. hr Eleines Territorium und deffen Nähe 
bei Hydrabad macht dies Oberhaupt von deffen Amirs abhängig. 
Doc) liegt fein Gebiet direct auf der Ynvafionslinie von Kutch 
nad) Hydrabad; in militairifcher Hinsicht würde von hier aus die 
verwundbarfte Seite des Sind: Staates ſeyn. 


Erläuterung 7. e 


Küdblik auf das Indus: Spftem und DVergleihung mit dem 
Ganges-Syſtem; deſſen Schiffahrteröffnung für Europäer; 
politiihe Stellung des Stromgebietes. 


Wir fchliegen unfere Betrachtung des Indus-Syſtemes 
mit Al. Burnes®) Iehrreichem Ruͤckblick auf daffelbe, in Vers 
gleich mit unferm früher unterfuchten GSanges-Syfteme, wie 


?»°) Al. Burnes Mem. III. p. 214, 246. ?®) Al. Burnes Mem. 
Ill. pı 203— 212, 


190 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. $. 3. 


dies uns aus G. A. Prinfeps 7) neneftem Werke befannt ge 
worden (f. Aſien IV. 2. ©. 1100—1248). 

Ganges: und Indus-Quellen, aus demfelben Ger 
birgsſyſtem, durchfegen, mit ungleicher Lange, entgegengefeßter 
Direction, und xharacteriftifch ganz verfchiedener Ramification, 
alfo mit verfchiedenartiger Stromentwiclung, diefels 
ben Breitenparallele. Der Ganges erhält feine Waffer aus dem 
Himalaya- und Vindhyan-Spfteme, der Indus nur allein aus 
den Himalaya s Syfteme, Beides find fubtropifche Ströme, der 
ren Mündungen fih nur fo eben in der Tropennähe entladen; 
beide fchwellen jährlich in einer beftimmten und in der gleichzeitis 
gen Periode mit ihren Waffern an. Die Menge des Waller: 
erguffes von beiden beftimmt ihre relative Größe, die aber 
modificire wird, durch ihr verfehiedenes Gefälle zum Ocean, 

Sicligully, oberhalb Rajamahal (Afien IV.2.&.1164), 
am Ganges, und Tatta am Indus, find die an beiden Stroͤ— 
men zu vergleichenden PDuncte, welhe nach dem Empfang aller 
Waſſermaſſen der tributairen Zuflüffe, unmittelbar oberhalb, vor 
der Bifurcation derfelben zu ihren Deltagebieten, liegen. Wä- 
ren die beiden öftlichern Arme des Indus, Fulaili und Pin: 
yari (Zir), nicht zu unbedeutend, obwol fie zur Negenzeit ges 
füllt genug find, fo würde noch paflender Hydrabad der DVergleis 
chungspunct mit Rajamahal an den Deltafpisen feyn, wie Kairo 
am Nil. 

J. PDrinfeps Bericht zeigt, daß der Ganges, im April, 
bei Sicligully, entladet = 21,500 Cubikfuß Waffer in jeder 
Secunde; daß die mittlere Strombreite dort 5000 Fuß, die Tiefe 
aber, bei niedrigftem Waſſerſtande, nur 3 Fuß (5 Fuß Fahrwaffer 
nach unferer Angabe, f. Afien IV. 2. ©. 1230, und weniger) be: 
trage, woraus fich die geringe Waſſermaſſe ſchaͤtzen läßt. Die 
Meflungen zu Benares (im April) geben ähnliche Reſultate; 
die Gangesbreite it dort nur 1400 Fuß, die Tiefe aber 
über 345 die Entladung in jeder Secunde gleidy 19,000 oder 
20,000 Eubiffuß (f. Afien IV. 2. ©. 1158). 

Der Indus (Mitte April), bei Tatta, hat in Breite 670 
Yard (1 Yard zu 3Fuß = 2010 Fuß), feine Gefchwindigfeit legt 
in einer Stunde 24 Engl. Miles zuruͤck. Seine Steilufer geben 


297) G. a Prinsep Account of Steam Vessels and of Proceedings etc. 
Calcutta 1830. 4. chapt. VI. p. 81— 101. 





Indusſyſtem in Vergleich mit d. Gangesfyftem. 191 


ihm in feiner ganzen Breite, mit wenigen Schritt Unterfchied, 
von Ufer zu lifer, eine regelmäßige Tiefe, die dreimal größer 
ift, wenigftens, als die des Ganges, nämlich 15 Fuß. Seine Ents 
fadung beträgt hiernach 110,500 Cubikfuß in 1 Secunde (nad) 
Buats Formel nur 93,465 Fuß, und für die Seichtigkeit beider 
Uferfeiten etwas weniges abgerechnet, fann man = 80,000 Cubik⸗ 
fuß als Indus-Erguß für jede Secunde, im April: Monat, 
feftftellen. Leider, bemearft A. Burnes, daß er feine Beobach— 
tungen bier während der Regenzeit nicht wiederholen Eonnte, 
um danach feine Berechnungen zu vervollffändigen. Doch zu 
Sehwun, wo der Indus 500 Yard breit und 36 Fuß tief, ſehr 
fchnell an der Baſis einer Felsklippe, die in den Strom hinein: 
fpringt, voruͤber zieht, zeigt die Waffermarke feines Anfteigens am 
Fels, dag er zur Ueberſchwemmungszeit die Höhe von 12 Fuß nicht 
überfteigt. Dann würde er hier 48 Fuß Tiefe in der Negenzeit 
erreichen. Wie weit aber feine Breite dann gewachfen ift, läßt 
fih nad) den unbeftimmten Angaben der Einwohner nur unge 
fähr ermitteln. Der In dus ergießt alfo die ungeheure Maffe 
von 80,000 Eubiffuß in jeder Secunde; alfo viermal fo viel 
Waſſer in der Secunde als der Ganges zur trocknen Yahreszeit, 
bei Benares oder Sicligully (der Rhein bei Bafel nur 
die Hälfte, 13,400 Eubiffuß; f. Afien I. S. 368), und faft eben 
fo viel wie der große Miffifippi. Mit dem ungeheuer ver: 
mehrten Erguife diefer Ströme, in dem Marimum ihrer Anfchwels 
lung, zur Negenzeit (wo der Ganges bei Sicligully 500,000, 
der Miffifippi 550,000 Eubiffuß in jeder Serunde wälst, f. 
Afien IV. 2. ©. 1234) findet Feine directe Vergleihung mit 
dem In dus, nach gemachten Meffungen, Statt; doch bietet die 
an ihm gemachte Beobachtung folgende Betrachtungen dar. 
Schon die größere Länge des Induslaufes vom Manafaros 
wara an, wo zwei Hauptquellen, der obere Indus und Sſa⸗ 
tadru, entfpringen, laffen ein abfolut größeres Waſſerquantum als 
im Ganges erwarten. Der Yndus durchfegt ein vergleichungsz 
weife dürres, oͤdes, dünn bevölfertes Stromgebietz der Ganges 
breitet fi) in Lauf und Geäder weit mehr aus, und fegnet fein 
Uferland mit den reichten Ernten. Der Indus, ſelbſt in feiner 
Ueberfchwenmungszeit, bleibt ftets auf fein fleileres Bett, inner: 
halb engerer Ufer eingefchloffen; felten ift er über 3 Engl. Mile 
breit. Er hat darin mehr die enggefchloffene Ni- Natur (. 
Erdk. Afrika 2te Ausg. 1822 ©. 875). Der Ganges dagegen 


192 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 3. 


breitet fich in manchen Gegenden feines Laufes wie ein See oder 
Süfwaffermeer aus, den Chineſiſchen Strömen vergleichs 
bar (f. Aſien III. ©. 492, 658, 712 u. a. ©.), fo daß von dem 
einen Ufer das andere noch nicht fichtbar if. Die Ausdänftung 
und Confumtion feiner Waffer im Boden, wie in der Atmosphäre, 
muß alfo unendlich größer als beim Indus ſeyn. Die Sandlän: 


der am Indus faugen auch deſſen Ueberſchwemmungswaſſer fehe 


ſchnell ein, um defto eher zieht ſich derfelbe in feine engeren, fe— 
ften Ufer wieder zurück. i 

Der Ganges erhält, nebft feinen Zuftrömen, nur den ats 
mosphärifchen Niederfchlag von dem Sudgehänge des Himas 
laya⸗Syſtems, der In dus aber nicht nur von diefem, fondern 
auch von defien Nordgehänge und aus den Schneeablagerungen 
der hohen Plateaumaſſe. Seine Waffer wachfen lange Zeit vor 
der Negenzeit an, durch die Eis: und Schneefchmelzen, ungeach- 
tet der aufßerordentlichen Länge ihres Laufes. Sein Gefälle feheint, 
wie bei allen großen Strömen, nur fehr fanft zu fenn; feine mitt 
lere Schnelligkeit auf eine Stunde beträgt nicht über 24 Engl. 
Miles, dagegen alle Pendfhabflüffe, welhe Al. Burnes 
bis Lahore befchiffte, ftets 4 Engl. Mile fchnellern Lauf in derſel— 
ben Stunde zurtclegten, wobei zu bemerken, daß diefelben ‚auch 
alle den Bergen mehr genähert waren. Die Stadt Lahore ſteht 
an 200 geogr. Meilen (1000 Engl. Miles) vom Meere, dem ger 


kruͤmmten Stromlaufe nach zu rehnen, entfernt. Umritfir, - 


30 Miles Engl. im Oft von Lahore zeigte, nach Dr. Gerards 
Barometerbeobachtungen, im Mittel von 18 Obfervationen, eine 
Höhe von 28,861.3, nach correfpondirenden Calcuttabeobachtungen 
eine Höhe von 29,711.5. Alfo eine Differenz; von ‚850.2. Der 
Obſervationspunct in Calcutta liegt 25 Fuß üb. d. Meere, Die 
Stadt Umritfir liegt etwa eben fo hoch über der Plaine von 
Lahore, beide in der Pendſchabebene, die demnach eine 
mittlere Höhe von elwa 900 Fuß Engl. üb. d. M. (= 8444 
Fuß Par.) liegt. (Zwifchen der abfoluten Höhe des Indus-Duab, 
von Sceheranpur 1000 bis Delhi 800 Fuß üb. d. M.; f. 
Afien IV. 2. ©.1107). Hieraus, fhließt A. Burnes, auf das 
Verhältniß der abwärts gehenden Pertheilung des Gefälles. 
Sm Vergleich mit Kennells und 5. Prinfeps Erfahrun: 
gen am Ganges, kann man für den Indus, abwärts von Mitz 
tun:KRote, an der jüdlichen Pendfhabfpise, alfo für deilen un— 
tern Lauf, nicht mehr Gefälle annehmen, als 6 oder 5 Zoll auf 


nr 


Zu 9 ee nn A: 


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— di) 


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Indusſyſtem in Vergleich mit d. Gangesfyftem, 193 


1 Engl. Mile. Auch kann Mittun:Kote, nah Schägung, 
höchftens nur 29° Fuß, oder 225 Fuß Engl. (200 Fuß Par, in 
runder Summe) über dem Meeresfpiegel liegen; denn hier iſt, 
firomaufmwärts, vom Delta aus die Schnelligkeit des Indusſtroms 
noch um nichts gewachfen, obgleich man fich doch fehon den Ber: 
gen um vieles genähert hat. Mittun-Kote liegt auf halbem 
Wege nach Lahore, 100 geogr. Meilen (500 Miles Engl.) fern vom 
Dcean, nahe an 200 Fuß Dar. üb. d. M. 

Die übrigbleibenden 675 Fuß Engl. (633 F. Par.) Sens- 
fung, fallen alfo auf die Dendfchabfläffe, deren größere Schnel: 
ligfeit fih daraus erklärt, deren Gefälle auf 1 Engl. Mile alfo 
an 12 Zoll beträgt. Hierin findet A. Burnes die Beweife für 
die weit größere Waffermaffe des Indus, als die des 
Ganges, da des Indus Schnelligkeit, bei niedrigftem Waſſer— 
ftande, 22 Mile auf die Stunde beträgt, bei mittler Tiefe von 
15 Fuß, und auf größerer Senfung als der- Ganges, fich doch 
nie fo ſehr wie dieſer entladet, obzeich feine Stromlinie noch 
überdies gradlinichter if. Es fehlen dem Indusbette gänzz 


lich jene im Gangesberte ermittelten Ketten von Flußtie: 


fen (Series of Pools), die von unzähligen Untiefen und quer 
durchfegenden Fluß-Barren von einander gefchieden find (I. Aſien 
IV. 2. ©. 1230). Wäre die Sparfamfeit der Waffer im Indus 
denen des Ganges gleich, fo würde diefelbe Erfheinung fih 
in ihm wiederholen, was aber nicht der Fall iſt. Obgleich das 
Bette des Ganges, das des Indus, an grandiofer Entwicklung 
und Ausweitung um vieles zu überbieten Scheint, fo hat doch der 
Ganges mehr nur die Natur eines Gebirgsftromes (hilly torrent) 
beibehalten, der in der einen Jahreszeit überfchwernmend über: 
fließt, in der andern aber in unbedeutender Waſſerarmuth zurück 
bleibt, wogegen der In dus das ganze Jahr hindurch, unaus— 
geſetzt, in gleich großer Waſſerfuͤle ſich zum Ocean hinabwaͤlzt. 
Gegen dieſe gleichmaͤßigere Entwicklung des Indus— 
ſtromlaufes (welche an die des Rheinlaufes erinnert) bietet der 
Gangeslauf mehr Contraſte, und theilweiſe Beguͤnſtigungen dar, 


die von dem reichern Regenniederſchlage uͤber ſeinem 


Stromgebiete, und von dem tiefern Eindringen der Meeres— 
fluth Statt finden, welche beide Verhaͤltniſſe in dem mehr weft: 
licher geftellten Indusgebiete, ſchon außerhalb der Monfunherr: 
fhaft, von geringerer Bedeutung find, 

Nitter Erdkunde VII. N 


194 Weſt-Aſien. J. Abfchnitt. 6. 3. 


Die Einwirkung der Meeresfluth dringt im Indus 
nicht einmal, wie wir ſchon oben bemerkten, bis Tatta vor; ob 
wegen der groͤßern Suͤßwaſſerſaͤulen, welche dem Anwogen der 
Meereswaſſer durch die Fluthenwelle beſſern Widerſtand leiſten, 
und ihre entgegenrollende Wirkung vernichten, oder weil die gro— 
fen Muͤndungen ſelbſt unguͤnſtig oder ungleich gegen das tiefere 
Eindringen der Fluth geftelft find? Gewiß ift es, daß die Fluth 
im Indus mit unglaublicher Raſchheit ihren Verlauf hat, und 
diefe je näher zur Mündung zunimmt. Im Ganges fcheint die 
größte mittlere Fluth von 12 Fuß Höhe zu ſeyn (vergl. Afien 
IV. 2. ©. 1211 u. f.), die im In dus, bei Vollmond, beobach- 
tete Al. Burnes bis zu 9 Fuß, es fehlte ihm aber die Gelegens 
heit die mittlere Fluthenhöhe zu ermitteln. Die Fluthen an der 
malabarifchen Küfte übertreffen die der bengalifchen Bay, da fie 
zu Bombay die Schiffsdoden zerftörten. Al. Burnes ift jedoch 
geneigt, die Fluthen an der Mündung des Indus, mit denen an 
der Gangesmündung für gleich groß zu halten. Treffen S.W.: 
Monfune mit diefen Fluthen an der Sind: Küfte zufammen, fo 
brechen fich die Wogen ſchon weit ab von der Uferkuͤſte, che diefe 
Niederung noch erblickt werden fann, bis zur Tiefe von 18 bis 
24 Zuß, mwodurd) dann jenes Geftade unnahbar oder verderb- 
lich wird. r 

Höchft wichtig find diefe Nefultate für den Verſuch einer 
wieder zu eröffnenden Indusſchiffahrt ?°°), mag diefe auch für Eu: 
ropäifchen Commerz noch entfernter liegen, als die fanguinifche 
Hoffnung fie herbeimünfchte. Selbſt für Dampffchiffahre 
haben fich die Ausfichten auf dem Indus als möglich eriwiefen, 
feitdem man oberhalb Attod, nur 16 Stunden fern von diefer 
Feſte in den Bergen von Cohat”), reichhaltige Steinfohlen: 
bager, ganz kürzlich (1831) erſt entdeckt hat, alfo am Nord— 
ende aller möglichen Schiffbarfeit des Indus, wie in der Nähe 
feinee Mündung in Kutch (f. Wien IV. 2. ©. 1042) am Sübd: 
ende. Merkwürdig bleibt 5 gewiß, daß der untere Indus, 
feloft in der troddnen Jahreszeit nie feichter wird, als big 
auf 15 Fuß Tiefe, und dabei die Breite einer 4 Engl. Mile beiz 
. behält, daß der Chinab 12 Fuß Tiefe beibehält und der Ravi 
die Hälfte, als Minimum der Sundirungen, Die ausgedehntefte 





?»*) Al. Burnes Mem. III. p. 199— 203. °°) Al. Burnes Voy. 
I. p. 328. 











Indusſyſtem in Vergleich mit d. Gangesſyſtem. 195 


Binnenfhiffahrt wird fich daher immer nur auf Flachboote, die 
nicht mehr als bis 4 Fuß tief gehen, befchränfen müffen; aber 
diefe koͤnnen doch 75 Tonnen Laſt Engl. verladen (wie die gro⸗ 
Ben Rheinſchiffe). Dampfboote, nach Landesart gebaut, koͤnnen 
auf dem Strome wahrſcheinlich noch eher gangbar werden, als 
auf dem Ganges; tiefgehende Schiffe mit Kielen aber, wie fruͤher 
geſagt, nie. 

Die Reiſezeit von der Mündung bis Lahore betrug, bei 
günftigftem S.2B.: Wind, nur 2 Monat (60 Tage); die hohen 
Waſſer der periodifchen Ueberſchwemmung hatten noch nicht bes 
gonnen Mitte Juli Ankunft in Labore). Multan wurde von 
der Mündung an ſchon nach 40 Tagen erreicht; für den Ravi 
allein waren wegen feiner Krümmungen 20 Tage Stromauffahrt 
nothivendig, obwol die Boote von Sonnenaufgang bis Sonnen: 
untergang fegelten. Durch Schiffsziehen fann das Schiff in eis 


ner Stunde 13 Engl. Mile zurücklegen. Der tägliche Fortfchritt 


beteng öfter 20 Engl. Miles Weg. Mit leichtem Winde wurden 
2, mit ſtarkem Winde 3 Engl, Miles, gegen den Strom, in eis * 
ner Stunde zuruͤckgelegt. Mit Dampfſchiffen würde dieſer Lang— 
ſamkeit trefflich zu begegnen ſeyn; man wuͤrde Multan ſicher in 
10, ſtatt in 40 Tagen, von der Muͤndung aus erreichen, und 
ſchon von da aus würde der Markt in die Umgebungen zu “ers 
öffnen feyn. Stromhemmungen, Rapiden, Cataracten treten nirs 
gends in den Weg. Die fihnelle Ihalfahrt eines Bootes, 
von Lahore zur Mündung, würde in 15 Tagen zurückgelegt 
ſeyn; nah Multan in 6 Tagen, von da nady Buffur in 4, 
nah Hydrabad in 3, zum Seehafen in 25 fie ift im neues 
ver Zeit niemals verfucht, weil durchaus fein Handelsverkehr 
zwifchen dem Pendfhab und Sind befteht. 

Bei diefer phyficalifchen Begünftigung einer Binnenfchiffahrt 
des Indus, freten die größten politiſchen Dinderniffe 
dagegen auf, ihn als Handelslinie in Schwung zu bringen. Die 
Fürften find, feine Geftade entlang, ignorante Barbaren, die den 
Zoll der Waaren übertreiben, oder den Handelsmann plündern. 
Daher wird der Landhandel durch Umwege vorgezogen. Zwifchen 
Lahore und dem Meere zählt man höchftens auf dem ganzen 
Indusſyſtem an 700 Boote, die hinreichend find, die Fähren und 
den Transport zu bedienen; welch ein Unterfchied gegen die 
300,000 Bootsleute des reichbevölkerten Gangesſyſtems (f. Aſien 

R— 


196 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 4. 


IV. 2. S. 1228). Alle diefe Hindernäffe würden für die politifche 
Macht der Briten nicht unbefiegbar fenn, wenn es diefer einmal 
darauf ankaͤme, den Indus als die große, natürlihe Werft: 
grenze dis Britifch  Zndifchen Neiches zu fichern; denn Briten 
fönnten die Schiffahrt des Indus dominiren. Die Vortheile, 
welche diefer Strom der Strategie darbietet, find fehr bedeutend, 
da cr auf feinem Rücken von Aitock bis zum Ocean eine Flotte 
fo gut tragen koͤnnte, wie die Wolga Peter des Großen Flotte > 
von Kafan abwärts trag, und vor allem würde die ifolirte Fr 
finngsgruppe von Bukkur eine militairifch fehr wichtige Pofir 
tion ſeyn. 


Zweites Kapitel, 
Das Gebirgsfuitem des Hindu-Khu und der Kabuls 
ſtrom. SKaferiftan; Die Borftufe Peſchawer; die 
hohe Kabulterraffe, 


6 4 
Veberfidt. 
Der Hindu-Khu, Indiſcher Kaukaſus. 


Hindu:Khu, d. h. im Perſiſchen und dem Landesdialect 
Indiſches Hochgebirge, Indiſcher Kaufafus der Mas 
cedonier (Gravafafas im Sansfr., d. bh. glänzendes Felss 
gebirg, daher Graucasus bei Plin. H. N. VI. 17, f. Afien IV. 
1. ©. 449), ift die weftlihe Fortfeßung des großen Himaz 
layazuges auf dem rechten Sndusufer (ſ. Alien Bd. I. S. 40, II. 
©. 407, 412), durch Afahaniftan bis Balkh und Khorafan, von 
deren Verhältnig zum Indusdurchbruche, und den Ihälern des 
Abu Sin, des Lundi und Kameh-Stromes, die aus feis 
nem Südgehänge hervortreten, ſchon früher die Nede war (f. 
oben ©. 15). Mehr als was oben von den zugehörigen Lands 
fchaften mitgetheilt ward, ift vom Innern diefes Hindu: Khu, 
fo wenig wie von feinem Nordgehänge kaum bekannt, denn 
fein Beobachter ift bis jegt in diefe Terra incognita vorgedrunz 
gen. Nur in der Ferne ift fen Suͤdgehaͤnge, vom Thale 
des Kabulftromes aus, durch die Borüberreifenden genauer als 
vordem beobachtet, und die hohen Gebirgspäffe feiner weft: 


> 


Gebirgsfyften des Hindu Khu. 197 


uchſten Glieder, die durch Alexanders Feldzug 30) entdeckt 
wurden, find erft ganz neuerlich (1832) durch den trefflihen Ber 
obachter Al. Burnes, von Kabul aus, über Bamiyan bis 
Khulum und Balkh von neuem uͤberſtiegen, und zum erſten Male 
gemeſſen worden. Vom Kabulſtrom (Kophen b. Strabo 
XV. 26, Arrian de Exped. Al. IV. 22) geht unſere ganze heutige 
Kenntniß jener Gegenden aus, wie von ihm auch Alexanders 
Siegeszug gegen die Berguölfer im Indiſchen Kaukaſus feinen 
Anfeng nimmt. Seine Thalſtufe bildet recht eigentlich den 
Uebergang aus dem tiefen Induslande nad) dem hoben Sran. 
Er durchzieht am Suͤdfuße des fihncereichen HindusKhu, im 
Paralleliemus mit defien Streihungslinie, von AB. gegen O., ein 
großes Langenthal, das gegen ©. von geringern, doch Eeinesweas 
unbedeutenden Höhen begrenzt ift. Er entipringt im Weften auf 
der Hochterraffe von Kabul, theild von den füdfichen und weſtli— 
chen Vorbergen des Hindu: hu (dem Daropamifus), theils vom 
nördlich gelegenen Schneegebirge des Hindu-Khu felbft; denn 
mehrere, tleinere Ströme fließen unterhalb der Stadt Kabul in 
feinem Bette 9 zufammen. Das Flüßchen, welches durch diefe 
Hefidenz zieht, ift zwar der Eleinfte Arm deſſelben, giebt aber ges 
genwärtig dem Ganzen den Namen. Schon in der erften Tages 
reife, weftwärts der Stadt, am Strome aufwärts ziehend, kam 
Al. Burnes an deflen Duelle, die Sirhufbma?) (d. h. 
Haupt der Duelle) heißt, und aus zwei quellenz und fifch 
reichen Teichen, ein Wallfahrtsort, dein Alt geheiligt, hervor— 
fritt. Nicht fern von da erhebt fich das erfte Hochgebirge mit 
dem Unna: Paß, der von 3 kleinen Forts vertyeidigt iſt, und 
nah Al. Burnes Meffung die bedeutende Höhe von — 10,322 
Fuß Par. (11,000 F. Engl.) über der Meeresfläche liegt. Es ift 
der Anfang der hohen Kohi Baba Berge, wie der ſuͤdweſt— 
wärts gebogene Gebirgszug des großen Hindu Schu dafelbft, zwis 
fhen Kabul und Bamiyan, genannt wird. Schneegipfel 
hoben fich zu beiden Seiten (18. Mai) über den Quellen em: 
por. Diefe bedeutende Höhe giebt dem Kabul und alfen feinen 
Zuflüffen reißende Strömung; bei Kellallabad brechen fie in 
zahllofen Wirbeln, Strudeln und Catarasten ?) durch die füdlis 


30°) C. Ritter Ueber Alerander des Großen Felbzug am Indifchen 
Kaukaſus. Berlin 1832. 4. ©. 5 u. f. %) M. Klphinstones 
Acc. j. 113 und Macartney ebend. p. 655. 2) Al, Burnes Trav. 
1. p. 174, s) M. Eiyhinst. p. 100; Renaell Mem. p. 153. 


198 Weit: Ajien, I. Abfıhnitt. 6. 4. 


chen Fortfegungen der Projection des Hindu-Khu. Die 
Stromſchnelle ift hier zwar gefährlich, wird aber doch zumeilen 
von Floofen (Jallehs) und kleinen Machen der Mekfapilger hin— 
abwärts, mit unglaublicher Schnelligkeit befahren. Da an der: 
felben Stelle auch vom Süden her, die vorliegenden Höhen, 
Khnber-Berge genannt, der Projection des Hindu-Khu vom 
Morden her, deren Hochgipfel der Hohe Coond nach Elphin— 
ftones Entdeckungen und Macartneys Schäsungen bis an 
20,000 F. Engl. emporfteigen foll, ganz dicht entgegentreten, fo 
wird eben hierdurch der Engpaß gebildet, welchen der Kabul: 
firom bei Jellallabad zu durchbrechen hat, um aus feiner 
Dbern Stufe, von Kabuliftan, in feine Untere Stufe, 
von Peſchawer, einzutreten, welche dem Induslande viel nd; 
her verwandt iſt. Eben unmittelbar unter Sellallabad, in jener 
Etromenge ift cs, wo auch der fogenannte Kameh (aus Kaush— 
fhaur fommend, f. 06. ©. 16, den Ptolemaͤus Koas nennt) bei 
dem Dorfe Kameh, oder Kama, vom Pamer:Gebirge 
herab zum Kadulftrom einftürzt. Unterhalb im tiefen und dem 
ebenern Ihalboden von Peſchawer verliert diefer fihon viel 
von feiner Heftigkeit, theilt fich in mehrere Arme, und eilt nahe 
Atto zum Indus (f. 06. ©. 22). Gene Entdefung Elphin: 
ftones vom hohen Coond (f. Elphinstone Map of the Kingdom 
of Cabul. 1815; Kooner Pie auf Al. Burnes Map 1834), ift eis 
gentlidy nur eine MWiederentdefung der neueften Zeit zu nennen, 
da fchon Ptolemaͤus diefe Gegend genauer fannte als man 
bisher vermuthete; denn eben hier ift das füdlichfte Vorgebirge ſei— 
nes Raufafos im eigentlihften inne (lölws), welches felbft 
die verunftaltete neunte Tafel zu ‚feiner Aſia fehr richtig .von 
Nord gegen Sid, bis an den Kophen gezeichnet darftellt, ihm 
gegenüber am Südufer fangen die Parveti-Gebirge gegen 
Welten ziehend an. Dies ift der eigentliche fefte Punct, auf 
welchem die fo oft befprochene Benennung diefes Kaufafus bei 
den Alten 30%) beruht, und es bleibt noch einer nähern Sprach 
forfchung und Erkundigung bei dem, feit Aleranders Zeiten, bis 
heute, freigebliebenen, zahlreichen, merkwürdigen Alpenvolfe diefer 
Gegend, den Siapufch (Siaput) bei Timur, jest und bei allen 
orientalifchen Autoren, gewöhnlich Kafern genannt, uͤbrig, um 


zu beftimmen, ob jener Name, den damals die Mafedonier dort 





#9*) Ueber Alerander des Gr. Feldzug a. a. O. ©, 23, 





Gebirgsſyſtem des Hindu Khu, Usberfiht, 199 


in Gang brachten, nicht wirklich nach 2000 Jahren, noch heute, 
‚eben fo einheimifch ift, wie Himalaya (Imaos), oder der 
früherhin gleich verrufene und länaft durch die Mohammedaner 
Zeiten verdrängt gewefene Name des Orus, welcher ſich neuer 
lich ebenfalls bei ihren nächften nördlichen Nachbarn des hohen 
Gebirgslandes in Badakfchan, als ganz einheimifh (Kokſcha) 
bewährt hat. Von diefem Puncte aus reicht das Hochgebirge 
weftwärts bis Bamiyan, wo. die Päffe zu den Baftrianen 
hinüber führen (Alexandria sub ipso Caueaso bei Plin.), welchem 
von den Macedoniern der Name des Kaufafus im engern 
Sinne nur beigelegt ward, fo. wie deflen niedrigerm Weſtende der 
Name des Paropamifus. Diefe hat Alerander M. wirk 
lih überftiegen, fo wie er am Oftfuße des hohen Coond, durch 
das Cooner-Thal, am Kameh-Strome (Koas), tiefer in 
die Gebirgshöhen des erhabenen Kaufafus (ldiwg bei Ptolem.) 
eingedrungen, ſich rühmen Eonnte, die Völker diefes Kaufas 
fus (die jegigen Kafern) befiegt zu haben, in derfeiben Art wie 
die Skythen, oder wie Zul. Cäfar, nach ihm, die Germanen am 
Rheinſtrom. Oftwärts diefer Erſtuͤrmung der Feften Eaufafifcher 
Voralpen (Andaca, Arigaeum u. A., deren Lage 5) wir näher nach: 
zumeifen verfucht haben) erhält der Oftzug des Gebirges gegen den 
Indus hin und weiter, bei Ptolemäus erfb die Namen Emos 
dus, Emaon, Imaus. 

Diefelbe Gebirgsgegend um den hohen Coond und den Kas 
mehftrom, heut zu Tage von Kafern (Nicht-Mohammedanern) 
bewohnt, ift es, welche im engern Sinne den Namen des Hinz 
du⸗Khu trägt, der damit verwandt fcheinende und. öfter. vers 
wechfelte, oder identifch: gebrauchte Name Hindu⸗Kuſch, fommt 
nurden weftlichern Paghöhen zwifchen Bamiyan und Balkh 
zu, die nah Ebn Batutas Etymologie, der fie Mitte XIV. 
Sahrhunderts überftieg, von dem Verderben ihre Benennung 
haben folien, welche ihre Kälte fo häufig dem Transporte Indi— 
ſcher Sclaven bringe, die von der Suͤdſeite auf die Nordſeite des 
Gebirges nach Balkh geführt, da ihren Tod finden. Daher, nad) 
ihn, diefe Paßhoͤhen (es find die 6 von Al. Burnes gemefs 
fenen Pälle die von 10,322 bis zu 12,200 Fuß Par. Höhe ems 
porfleigen)), die Hind⸗Kuſch, d. i. die Hindu:Toödter?), 

5) ebend, ©. 30 u. f. °) Al. Burnes Trav. li p.240. ?) Ibn 

ir: ae translat. from the Arab. by Sam. Lee. Lond. 1829 

. V · 


200 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 5 4 


genannt werden. Diefe von uns fehon früherhin gemachte Uns 


terfcheidung 308) beider Namen erhält durc die Bemerkung des 


jüngften Augenzeugen, Al. Burnes, faſt Gewißheit, der ſagt: 
auf der Weftfeite des Indus verliere die große Gebirgsfette Hinz 
doftans ihren Namen Himalaya, den fie von den Grenzen Chis 
nas an behauptet. Sie ändere auch ihre Direction von N.W. 
nah W. in dem Zuge des Kohi Baba zwifhen Kabul und 
Bamiyan, fie fteigere fih zum höchften Pie im Hindu⸗-Kuſch 
und werde dann comparativ unbedeutend. Der höchfte Pik firire 
zwar diefen Namen HinduzKufc auf feine Umgebung, aber als 
allgemeiner Name fer er im Bolfe unbefannt, und nur die 
Paſſage, welche über die Schulter (d. i. das Weftgehänge) diefes 
Gebirges hinwegführe, die Straße nach Balkh hin, werde der 
Hindu-Kuſch-PaßN genannt, derfelbe von welchem Ebn 
Batuta feine Etymologie mitgetheilt hat, die aber Al. Burnes 
unbefannt blich. \ 

An der Weftfeite diefes macedonifchen Kaufafus (Hinduz 
Khu im eigentlichen Sinne), der gegen N.D., wie Ptolemaͤus 
ganz richtig bemerkt, zu noch höhern Gipfeln auffteigt, verzeichnet 
diefer Geograph nun das Land der Paropamifaden (oder 
Paropaniſaden, f. Afien IV. 1. ©. 449; jegt der Hazareh, bis 
gegen Herat hin), zwnächft mit den Stämmen der Parietae und 
Cabolitae mit Cabura (Kabul). An die Oftfeite jenes Kaufe: 
fus aber (oftwärts des hohen. Coond) feßt er Goryaea, Suastene 
und das Sand der Gandari!W), Diefes ganze Gebiet, auf der 
Nordfeite des Kabulfiroms, von der hohen Pyramide des 
Coond überragt, an deſſem Oflfuße der Kamehftrom (Koas bei 
Dtolem.) aus den tiefen Schlünden des Cooner Alpenlandes her: 
vorbricht, ift das Kriegstheater von Aleranders Heeress 


abtheilung, keineswegs mie ein neuerer Erflärer aus Etymologien' 


zu finden glaubt auf dem Suͤdufer des Kabulſtroms 1). Es ift 
hent zu Tage mit feinen ewigen Schneehöhen wol auch, wenige 
ftens theilmeife, unter dem Namen Koheftan, d. i. das Bergs 
land, Alpenland, begriffen, und feine fruchtbaren Voralpen, 
unter den des Kohdanum; von feinen Bewohnern, den Ka— 
fern, wo diefe noch wirklich Ungläubige, d. i. Nicht-Mohamme⸗ 





2022) Ueber Alexanders Feldzug ©. 24. ?) Al. Burnes Trav. II. 
p. 238. 10) Ueber Alexanders F. ıc. ©. 36. 12) Gelehrte 
Anzeigen von den Mitgl. der Bayerifchen Akademie ber Wiſſenſch. 
herausge eben 1836. in der Rec. von Al, Burnes. N. 





Gebirgsſyſtem des Hindu Khu, Ueberficht. 201 


daner, geblichen find, ohne Hindus zu ſeyn, Kaferiftan ges 
nannt, ein Name?) von fehr unbeffimmter Ausdehnung, 
der hie und da füdwärts bis zum Nordufer des Kabulftroms 
reicht, nordwärts aber auch durch das ganze Gebirgsland von 
Chitral bis Badakſchan, Anderab und Balih ausgedehnt wird. 
Seine wechfelnde, Hiftorifche Bedeutung ergiebt fi) aus dem fols 
genden. 

Zur Zeit der Mongholenherrfchaft 1?) zerfiel diefes Gebiet in 
drei Diftricte (Sirfars); 1) in Pukheli (Mlewzelıwug bei 
Arrian, Ievzoraitıs bei Strabo, Jlorrais beißPtolem.) 1%); zus 
nähft am Indus, D in Sewad (Samwati bei Sultan Bas 
ber!5), zu deffen Zeit e8 als Yagdrevier der Rhinoceroten 
berühmt war; Swaut bei Elphinftone, Suastene und Goryaea 
bei Arrian) und 3) Bijore (Bajour bei Sultan Baber, 
| Banjour bei Elphinft., wo Arigaeum bei Arrian) am heutigen 
/ Panjcora, einem rechten Seitenfluffe zum Qundye. Was fich 
auf diefem Boden in Beziehung auf Alsranders fühnen Feldzug 
gegen die dortigen Völker 16) feiner Zeit, die Kafern, die als 
Aboriginer wol bis heute ihre Alpenfige behauptet zu haben fcheis 
nen, etwa fagen- ließ, ift in der genannten Abhandlung im befonz 
dern nachzufehen. Künftigen Reifenden bleiben die genauern Uns 
terfuchungen jener Gegenden vorbehalten, die noch ein reiches Feld 
der Entdeefungen darbieten; auch der jüngfte der frefflichen, obs 
wol mitunter flüchtigen Beobachter Al. Burnes begnügte fich 
im Süden diefer Terra incognita durc) die Stadt Peſchawer, 
auf dem Suͤdufer des Kabulftromes, an Kaferiftan vorüber zu 
ziehen. Die Nordfeite war freilich zu unficher. Es bleiben uns 
alfo nur die frühern Erkundigungen Elphinftones und deflen 
eigene Beobachtungen in Defchawer, die aber der fcharffichtige 
Al. Burnes felbft, zwei Jahrzehende fpäter (1832), ihm dort 
folgend, elaffifch 17) nennt, Hier zu wiederholen übrig, und nur 
erft weiter weſtwaͤrts, tiber Jellallabad nach Kabul hin, treten die 
reichhaltigen Beobachtungen der jüngern Zeit auf, In dieſer öfls 
lichen Hälfte hat Al. Burnes Map auch die Kartenzeichnung 








12) M. Elphinstone Acc, p. 618. 9 Ayeen Akbery ed. F. Glad- 
win, London 3800. 8. I. p. 155. 14) Ueber Aleranders F. 2c. 
©. 2. 25) Sultan Baber Mem. I. c. p. 252. 16) Ueber 
Aleranders F. S. 29 u. f.z vergl. Droyfen Gefch. Aleranders des 
—5 Berl. 1833. 8. S. 363 u. f. 17) Al. Burnes Trav. 
p. 90. 


202 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 4 


von Elphinftones Map beibehalten, und erft im Weften biefelbe 
dadurch berichtigt, daß er die Stadt Kabul um 15 Minuten 
weiter nordwärts eingetragen 319) hat, wodurch die Erfcheinung 
ihre Erklärung erhält, daß dort die Hoch kette der Schneeges 
birge unmittelbar über den Köpfen der Kabulbewohner empors 
zufteigen fcheint, und von diefer Capitale Kabuls an, weit fruͤ— 
her überftiegen wird, ald es zuvor zu erwarten war, da biefelbe 
um einen halben Breitengrad zu weit nordiwärts in Elphinftones 
Karte eingezeichnet war. Die Ueberfteigung jener Höhen zeigte, 
daf Bamiyan wirklich ſchon im Norden der Waflerfcheide zwi⸗ 
ſchen Indus und Orus liege. Elphinſtones lehrreiche Karte 
ließ noch vielerlei Zweifel und Unficyerheiten für fünftige Berich— 
tigung übrig; die große füdlihe Projection der ganzen Hochkette 
am hohen Coond nennt Elphinftone felöft, mit Necht, immer 
nur noch eine „„Seeming eurve,”19) weil es von Süden aus ger 
fehen fo ausfahe, als ob hier eine folche fich bilde. Von diefem 
Gefichtspunct aus find auch die folgenden Bemerkungen und eins 
gefammelten Nachrichten zu beachten. 


Erläuterung 1. 
Kaferiftan, Naturbeichaffenheit, Namen, Bewohner, die Kafern, 
Siapoſchen; Eufofzyes. 


1. Naturbefchaffenheit. 


Bon der Weftfeite des Indus bei Karabagh (f. ob. 8.19), 
nordwärts auf dem Wege Über Cohat nah Peſchawer, ers 
blickt man beim Eintritt in die Ebene, nordwärts diefer Stadt, 
deutlich 4 verfchiedene Bergketten %). Nur die vor 
derfie, niedrige hatte (Ende Februar) feinen Schnee; die 2te 
fehneeige Gipfel; an der 3ten hingen Schneefelder bis zur Mitte 
herab, und die Ate, dahinter fich erhebende Hochkette des Indi— 
ſchen Kaufafus, terug ewigen Schnee. Sie flieg mit der Mas 
jeftät der Niefenberge der Erde in die klaren Lüfte; nicht allmäz 
lig und ftufenweis, fondern gewaltig, fteil, Eühn, vom Fuß zum 
Gipfel ein Felsgebirg, zumal Zellallabad gegenüber. Selbſt Mitte 
Juni, als das Ihermom. in der Ebene auf 36° Reaum. (113° 





#1®) Al. Bornes Trav. II. p. 239. 1?) M. Elphinstone Account 
p 97. 20) ebend, p. 94 etc. 


Hindu Khu, Kaferiftan,  " 203 


Fahrh.) fand, hatten ihre Schneelaften fih nicht fichtbar ver: 
mindert. | 

Die drei vordern, niedern Bergfetten, davon die Öftlichfte bei 
Torbela (oder Torbaila, f. oben ©. 19) am Indus ihr Ende 
erreicht, bilden vier größere Hauptthäler, die von O. nad) 
W. gerechnet, auf dem Weftufer des Indus gelegen, unter den 
Namen Boonere, Swaut, Punjcora, Bijore (Banjour) befannt 
find. Sie follen ganz die Natur Kafhmirs theilen; nur find 
fie bald enger bald weiter, mehr oder minder gut bewäflert und 
fruchtbar. Unter den Schneebergen ftehen Eichen, Nadelholzwäls 
der, große Farrnfräuter, und die Felfen find mit Moosteppichen 
überzogen. Auf den Vorbergen gedeihen die beften Obftforten, 
Wallnüffe, wilde, traubentragende Neben, wilde Oliven, Maul 
beeren, eine Europäifche Flora; in den Thälern Weisen und 
Gerſte überall; nur in den heißeften Tiefthälern, von Swaut, die 
fi) in Peſchawers Ebene einmünden: Reis, Mais, Zuckerrohr, 
Tabak, Baumwolle. Nur Ochfen pflügen hier das Sand, und 
find die Laftthiere. Das Terraſſen-Clima macht dies Berggehänge 
zum Lande der größten Contraſte; in den Tiefthälern fällt der 
Schnee kaum 3 bis 4 Tage, die meiften bewohnten Mittelalpen 
tragen ihn 4 bis 6 Monat; über die Bergfirften zieht die ewige 
Schneegrenze hin. In den wärmften Tiefthälern haben fi) Af— 
ghanen angefiedelt, in die drei genannten mittelhohen Gebirge; 
thäler find die Eufofzyes als Herren eingedrungen 1), die uns 
zugänglichern Hochthäler zwifchen der Niefenkette bewohnt ein 
ganz anderes, von ihnen völlig verfchiedenes Alpenvolk, die Ka: 
fern des Indiſchen Kaufafus ?). Nur durch furchtbare Ab— 
flürze, durch enge Felsfchlünde, führen befchwerliche Paͤſſe zu ihs 
nen; wenn Winde flürmen und Regen fallen, dann praffeln von 
den Felswänden vie Gebirgstrümmer herab und machen die 
Pfade doppelt gefährlich Cwie z. DB. auf dem Simplon in Het 
vetien). 

Die Aelpler bewohnen hinter diefen Schutzmauern reiche 
und lieblihe Thalwinkel, welche dort ein weites gefegnetes Alpenz 
land (alpine country) füllen, über welcdyes wir durch den Be— 
richt ?) des Mullah Nujeeb (1810) die erfien beftimmtern Nach— 
richten erhalten. 





21) ebend, p. 120. 22) ebend. p. 97. 22) ebend. App. C. 
p- 618. 


204 Weſt-⸗-Aſien. I. Abfchnitt. 9. 4, 


Durch das Seitenthal Punjcora reifet man von Pefcha: 
wer aus auf engen Zickzackpfaden, die nur von dem Fußgaͤnger 
beftiegen werden fünnen, viele reißende Bergftröme auf Holzbruͤk⸗ 
Een, ſchwingenden Geilbrüden, von Baumzweigen geflochten, uͤber⸗ 
feßend, in die Hochthäler hinauf. Ueberall find die Gipfel mit 
Schneelaften3??) gedeckt. In den geſchuͤtzten engen Thälern wach— 
fen in größter Menge die Weinreben wild und cultivirt, und 
geben einen Ueberfluß der Eöftlichften Trauben, die wie der daraus 
gepreßte Wein und Effig ein wichtiger Handelsartikel des Landes 
find. Auch eine Art Aprifofen und viele europäifche Obftforten, 
Aepfel, Mandeln, Wallnäffe, wachfen hier in Menge wild 3), 
Zahreiche Hegrden von Ziegen, Schafen, Rindvieh, beweiden das 
Sand und die Kafern treiben Alpenwirthfchaft: denn durch fie 
wird das tiefere Kabul mit Käfe und Butter verforgt. Caums 
daiſch wird als der Hauptort des ſtark bevölferten Landes ges 
nannt; alle Dörfer find hier an den Abhangen der Berge erbaut, 
terraffenweis, fo daß die Dächer der untern die Straßen der 
obern bilden. Das Alpenvolf, wahrfcheinlich die Urbewohner, wer 
nigftens die älteften, die wir kennen, find die einheimifchen Sias 
pofchen oder die Kafern, d. h. Ungläubige, wie fie von ihren 
mohammedanifchen füdlichen Nachbaren genannt werden, gegen 
die fie einen unverföhnlichen Haß hegen ). Sie wohnen auch) 
in der Gebirgsgruppe, welche die. fogenannte Projection des 
Hindu:Kufh im W. bildet. 

Das Alpengebirgsland von Kaferiftan auf der Oftfeite des 
Indus, ift der fchmale Sandftrich zwifchen diefem Strom, dem 
Kiſhen⸗Ganga und Jelum Gydaspes), welcher Pukkely (Pukhley 
bei Elphinſtone) genannt wird”), Wir wiſſen faſt nichts von 
ihm, als was Abul Fazil fagt, daß viel Schnee da fällt, nicht 
nur auf den Bergen, fondern auch in den Ebenen; daß der Wins 
ter fehr ftreng, die Sommerbige gemäßigt ift; daß auch hier Apris 
Zofen, Pfirſiche und Wallnüffe wild wachen, Viehheerden und 
zahlreiches Mildprett die Wälder und Berge füllt, und daß ein 
Volk mit eigenthimlicher Sprache hier wohnt, welches weder mit 
den Kafıhmirern in Often, noch mit feinen Nachbarn in ©. und 
IS. verwandt if. Ehedem war es an Kaſchmir unterworfen. 





'#?4) Ayeen Akbery. T. II. p. 169 und M. Elphinstone Cabul p. 97. - 


*®) ebend, p. 294 und Appendix C. p. 626. 2°) Elphinstone 
Cabnl p. 619 und p. 97, und Azeen Akbery. T. I. p. 180. 
=?) Aycen Akbery IT. p. 169. 





Hindu Khu, Kaferiftan, Name, 205 


In neuern Zeiten haben wir Eeine genauern Nachrichten erhal: 
ten, doch feheint es, diefer Gebirgswinfel ſey feitdem das Afyl 
verfchiedener Voͤlkerſtaͤmme geworden, welche won Afghanen im 
W., den Seikhs und Ghuders in S., gegen die obern Flußger 
biete zufammengedrängt wurden. Cs werden dort die ganz von 
einander gefonderten Stämme der Hazaurehs, Goojers, Jadoons 
und Bumbas (Bholbas?) genannt. 


Anmerkung. Name; Kaferiftan, Koheftan, Gurkhend. 


- Kaferiftan (Land der Ungläubigen) Echrt hier in demfelden Sinne 
wie in Nord= und Oſt-Afrika (ditio Cafrorum, i. e. qui Mohammedis 
religioni non sunt addieti) ?°) wieder. Die Ungläubigen mit euer und 
Schwert zu vertilgen (Gazie), gab, wie Timur ?°) fagte, zugleich Ans 
ſpruch auf den Himmel und reiche Beute auf Erben. Ueber die Länder 
der verachteten ungläubigen Nachbarn Nachrichten mitzutheilen, hielten die 
mohammebanifchen Geographen °9) des Mittelalters, auf denen ein fo großer 
Theil unferer Kenntniß des Orients beruht, nicht für der Mühe werth. 
Daher unfere völlige Unwiffenheit eines fo merkwürdigen Gebirgsvolkes, 
in der Nachbarſchaft des fo viel beſprochenen Kaſchmir, wo der Islam 
leichter Eingang fand. 

Kaferiſtan wird dieſes Land, ſeit Timurs beruͤhmtem Feldzuge 
gegen Oelhi, genannt, auf welchem das Gebirgsvolk ſich zum erſtenmale 
gegen den Vertilgungskrieg zu ruͤſten hatte, der ſeitdem immerfort bis 
heute uͤber ſeinem Haupte ſchwebte. Hier tritt daſſelbe Verhaͤltniß der 
Glaubenskriege der Mohammedaner ein wie in Afrika, am Oſtabhange 
von Habeſch, gegen die chriſtlichen Habeſſinier. Der Bekehrungseifer der 
mohammedaniſchen Araber, Mongholen, Perſer, Afghanen durch Feuer 
und Schwert, entzündet hier alljaͤhrliche Feldzuͤge gegen das Alpenvolk; 
und die Alpenkantone, welche nach und nad) zum Islam übergehen, wers 
den im Gegenfag von Kaferiftan das mohammebanifche Gebirgsiand oder 
Koheftan genannt, ein ſehr allgemeiner Name, der übrigens durch gang 
Khorafan bis zum Kaspifchen See hin reiht *!). Diefes liegt dem Gig 
der Afghanenmacht näher, macht den weftlichen Theil des Alpengebirges 
(von 71° D.2L. v. Gr. an) aus, und wird aud) das obere Kabul, im 
Norden des Stromes und der Stadt gleiches Namens gelegen, genannt, 

Die Religionskriege werden gegenwärtig meiftens von dem 
Eriegerifchen Afghanenftanıme der Eufofzyes gegen bie Kafern ober 


28) Edrisi Africa c. Hartmann ce. IV. p. 37. 29) Xerifleddin 

- Hist. b. La Croix. T. II. ch.1. Anf. 3°) Ebn Haukal Orient, 
Geogr. b. W. Ouseley. p. 147 und 156. »ı) Elphinstone Cab, 
PD: 619, 244, 68 uU, 0, > / 


206 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 4. 


Siapofchen geführt ?*?), weldye dabei zugleich, wie auf ben Sclavens 
fang, gegen fie ausziehn, und mit den fchönen Gefangenen, darunter 
vorzüglich die Weiber gerühmt werden, die Märkte von Kabul verfehen. 
Da wo fie durch ihre Uebermacht Befis von dem Gebirgslande nehmen 
Eonnten, da haben fie deffen ältere, einheimifche Bewohner zu ihren 
SKnechten *?) oder vielmehr zu ihren Sclaven gemacht, die ihnen das 
Feld bauen und die Heerden Hüthen müffen. Zwiſchen diefen leben fie, 
als die harten Herren, wie die Spartaner unter Heloten. 

Vor 50 Jahren vereinten fi alle benachbarten mohammebanifchen 
Zürften zum Vertilgungstriege gegen Kaferiftan. Sie drangen zwar 
tief in das Herz der freien Alpenrepublik ein, verwüfteten die Thäler, 
wurden aber bald wieder zum Ruͤckmarſch gezwungen, wie die Dobe- 
nahs auf den habeffinifchen Geitenterraffen. Doc fo erzeugte ſich fort 
und fort ein immer fteigender Haß zwildyen den Grenzvoͤlkern. 

Die gegen das Gangısland oder Hind anftogenden Bergoölfer und 
auch andere erhielten von den mohammedanifchen Zeloten ebenfalls oft 
den Namen der Ungläubigen, der bei den verfchiedenen Schreibarten nur 
zu oft als felbitjtändiger Volkename angenommen wird (Kafer, Ca⸗ 
ver, Gaur, Giaour, Guebr, Gur)®*) Daher die Benennuns 
gen z.B. der Stadt Gur oder Gaur (Lucknoti ‚ das man für Gangia 
regia des Ptol. hält); des Landes Gurkhend (ungläubiges Hind), den 
fogenannten 5 Gaurs in N, von Bengalen;z des Fürften Gaur-khan 
oder Gurchan (Fürft der Ungläubigen); des Volkes der Gurchali 
in Nepal, der Baur, Guebr in Perfien u, ſ. w. Alle diefe Benens 
nungen bezeichnen nur ein relatives Verhältniß im Gegenfag der Moss 
lems. 


Anmerkung 2, Name, Siapufd, Siaputh; Timurs Als 
f penzug im Sahre 1408. 

Zwar ift der Name Kafer der’allgemeinfte in diefem Gebirgslande, 
doc; hießen die Aelpler nad ihrer Kleidungsverfchiedenheit auch meiße 
(Spin Kafirs in der Puſchtu Sprade) oder ſchwarze (Tor Kafirs) 
Kafern, und dieje legtern, welche am woeiteften in W. wohnen, wur— 
den ſchon zu Timurs Zeit Siapuſch (Siapouches bei Scheriffedbin) 
oder Siaputh genannt, wie nody heute, durch ihr Gebiet auf Zis 
murs Alpenzuge (1408) **5). Damald waren die Siapuſch ein ges 
fuͤrchtetes Bergvold, dem die Mohammedaner von Badakſchan jaͤhrli— 
chen Tribut zahlten. Ihr Gebirgsfig wird Kueter (fpäter Kuttore, 


#3?) Elphinstone Cabul. p. 627. 33) ebend. p. 334. 

**) Chardin Voy. en Perse T. II. p. 179. Schloͤzer nord. Gef. 
©. 3965 Golebroofe über Sanskrit von Vater in f. Spracpros 
ben ©. 174 u. a.m, 35) Xeriffeddin b. LaCroix. T. ill. ch. 3. 
und Kennell Mem. p, 165. 





Hindi Khu, Kaferiftan, Siapufh. 207 


ſ. Al. Burnes Map, und gegenwärtig heißt noch ein Stamm der Ka⸗ 
fern Kuttaur oder Kataur) *°) genannt, als eine ftarke Feſte im 
Lande Eaouc (jest Kawuk, Kauf); ihre Fürft Dda, oder Odachouͤ. 
Andere Bergfeften, deren fie viele unzugängliche hatten, hießen Towkul, 
Sorkut u. ſ. w.; darunter auch Alerander des Großen Felfenburg, 
Aornus, die freilich weiter im Oſten gefucht werden muß3?”). Uns 
geachtet Timur in der beiten Sahreszeit (die Sonne ftand in den Zwil⸗ 
lingen) die Expedition gegen fie von Badakhſchan aus unternahm: fo hatte 
er doc) die größten Befchwerden bei Befteigung der Hochpaͤſſe über. die 
Schneefelder hin, die am Zage mit Eis überfroren. Viele Pferde von 
der Reiterei Eamen dabei um. Beim Herabweg mußte das ganze Heer 
abfigen , felbft der Kaifer fich bequemen, mit einem Alpenftode zu Fuß 
zu gehen, weil faft alle feine Pferde verunglücten, Dennoch griff er 
die Ungläubigen in ihren Bergen an, auf die fie fi) aus ihrer Burg 
Kueter zurücdgezogen hatten. Nach einem Kampf von 3 Tagen und 3 
Nächten, heißt es, ergaben fich die Siapuſch, die ſich wie Verzweifelte 
gewehrt hatten, mit dem Verfprechen, die Befchneidung anzunehmen, 
Als aber bei dem Ruͤckwege ein Regiment des Kaifers von ihnen übers 
fallen, und bis auf den legten Mann umgebracht ward, ſchwor Timur 
ihnen Rache, griff fie von neuem in ihren Alpen an, und ließ fie insges 
fammt niederhauen, Männer, Greife und Kinder, Diefer Sieg machte 
ihn ftolz, weil diefes Volk, wie er fagte, felbft von Alerander dem Gro= 
gen nicht befiegt worden fey. Auch an andern Stellen des Alpenlandes 
machten Timurs Truppen ähnliche Erpeditionen, die zu ihrem großen 
Nachtheil ausfielen. Was fie von Ausrottung der Ungläubigen in diefen 
Hochgebirgen fprechen, darf nicht wörtlich genommen werden ?*), da fie 
heute noch wie vor 400 Sahren ein freies Volk geblieben find, Auch 
war dies in einen Gebirgslande nicht möglich, wo ein Alpenpaß in W. 
-von Kuttore über den Hindu-Kuſch nach Underab (Snderab auf 
A. Burnes Map), durch das Gebiet der Siaputh ſich fo oft kruͤmmt 
‚ und wendet, daß man auf defjen Güdfeite in einem Tage 26 mal über 
denfelben Fluß fegen muß, und an der Nordfeite bis zum Ende des 
Paſſes 22mal über den entgegengefesten ?°) (wie etwa an der Reuß und 
dem Zeffino über den Gotthardt). 
Nach Zimur haben die Mongolen unter Kaifer Akbar einen eben 
nicht glüdlichern Feldzug gegen fie bis zur Bergfeſte Gushal (Kushal, 
Kuhthal), die Perfer unter Nadir Schah (1739) einen ähnlichen une 
ternommen; das Alpenvolk ift aber immer ununterjocht geblieben. 





*®) Elphinstone Cabul App. C. p. 619. 27) Ueber Aleranders F. 
a. a. A. ©, 35. »®) Malcolm History of Persia. London 4. 
T. I. p 471. 3°) Xerifieddin a. a. ©, L. IV. ch. 23. p. 164. 


208 WefteAfien. J. Abſchnitt. 5. 4. 


2. Bewohner Aboriginer: die Kafern und 
Siapuſch. 

Es hatte ſich eine Sage ſchon zu Kaiſer Akbars Zeit und 
vielleicht früher im Orient verbreitet 3%), daß in den Gebirgen 
von Kaferiftan ein Theil des macedonischen Heeres von Aleranz 
‚der dem Großen, bier, bei deflen Durchmärfchen, fisen geblieben, 
und feitdem die Oberherrſchaft in dem Lande behauptet habe. 
Dies war die nächite Veranlaflung der Britifchen Gefandtfchaft 
in Kabul (1809), dort genaue Erfundigungen über das Alpenvol£ 
durch den erfahrenen Mullah Nujeeb*) einzichen zu laffen. 
Der weſentliche Inhalt feines Berichts in Uebereinftimmung mit 
den übrigen Nachrichten ift folgender. 

Das Alpenvol£ ift von Europaͤiſchem Schlage, alfo von Raus 
kaſiſcher Race wie die Kaſchmirer; der fihönen Geftalt und Ges 
fihtsbildung wegen find fie berühmt, zumal die Frauen find Schön: 
heiten. Timurs Annalift#) fagt, die Siapuſch wären groß wie 
die Niefen. Heut zu Tage haben fie feinen gemeinfamen Na: 
men, fondern jeder Stamm und jedes der vielen kleinen Ihäs 
fer behauptet feine Selbftftändigkeit, wie es ausdrücklich heißt, 
nach der geographifchen Lage und nicht nach der genealogifchen 
Abftemmung feiner Bewohner. 

Aber fie haben die von allen ihren Nachbarn im Orient abe 
weichenden Sitten, Wein aus filbernen Schaalen zu trinken, 
und an Tifchen auf Stühlen, aud) auf der Erde mit ausgeftreck- 
ten Beinen zu figen, unter einander gemein ®). Eben fo ftimz 
men fie in Religion und Sprache überein. Sie fprechen eine 
dem Sanskrit fehr nahe verwandte Sprache **), obwol in vers 
fihiedenen Dialecten. Sie zählen alle nad) zwanzig, oder 20mal 
20, d. i. 400. Dies ift ihr Taufend; für das Taufend des Dez 
cimalſyſtems haben fie nur das Puſchtuwort (d. i. aus der Afz 

ghanenfprache). 

Alle verfchiebenen Stämme ftimmen. darin überein, daß fie 
nur an Einen Gott glauben, der aber verfchiedene Namen hatz 
in Caumdaifch hieß er Imra, bei den Tſokui Dagun. Außer dies 
ſem verehrte jedes Thal feine eigenen Idole; viele davon find ihre 
Ahnen; es find Familiengötter oder Heroen, die ſich durch Wohl⸗ 


340) Rennell Mem. ed. 1794. p. 162. #1) Eiphinstone Cabul 
App. C. p. 618. 42) Xerifieddin b, La Croix. T. III. ch. 3. 
*®) Elphinstone Cabul App. C. p. 617, 626. **) ebend, p. 616. 





Hindu Khu, Kaferiftan, Siapuſch. 209 


thaten, zumal durch Gaftfreiheit gegen ihre Stammgenoffen, durch 
Fefte in ihrem Dorfe u. dgl. das Necht erwarben, fih Grabmale 
an der Landftraße, oder öffentliche Statuen zu errichten, die gött 
lich verehrt werden, und die Lnfterblichkeit unter den Stammge— 
nofien verleihen. Sie halten dafür, daß diefe großen Männer 
der Vorzeit für fie bei dem Imra bitten. Solche Bildfäulen find 
von Holz oder Stein, ftehen auf Bergen und Felfen, oder in 
Haͤuſern, die Imr-Umma genannt werden, Ya der öffentlichen 
Halle eines Dorfes fahe der Berichterftatter eine Neiterftatue mit 
Speer und Stab, die den Vater eines der Angefehenften im 
Dorfe vorftellte; er hatte fie fich felbit errichtet, und die Opfer, 
die ihm gebracht wurden, durch Freigebigfeit, Gefchenfe und Feſte 
bei ſeinen Lebzeiten erworben. Jeder Gau oder Canton, oder 
hier jedes Thal, hat ſeine eigenen Idole. Im Thale von Cum: 
daifch waren 13 Hauptgötter, darunter Bugifch, der Gott des 
Waſſers, Mauni, der gute Gott, der das böfe Princip Yufch 
aus der Welt verftieß, Paradik die 7 Brüder, von einem goldes 
nen Baume geboren, mit goldenen Leibern u. a. m. Im Thale 
der Tſukui 8) follte der Hindugöge Seddafcheo mit. dem Trie 
dens feyn; in andern auch der Shi Mahadeo der Hindu, der 
auf gleiche Weife wie von diefen begrüßt werden foll. Ihre Opfer 
find völlig von den Hindu verfchieden. Sie befprengen die Idole 
mit Blut von der Kuh, verbrennen einen Theil des Opferfleifches 
und effen den andern. Andere Ceremonien beziehen fich auf die 
reinigende Kraft des Feuers. Sie haben erblihe Priefter und 
Inſpirirte, die im Nauche des Opferfeuers wahrfagen. Sie lies 
ben Fefte, Schmäufe und Opfer, wobei die Knaben oft Fackeln 
tragen und fie vor den Idolen verbrennen. Auch bei dem Be; 
graͤbniß wird getanzt, gefungen, geſchmauſet; die Leiche im fchönzs 
fin Schmud unter fchattige Bäume beigefegt. Mach der Ges 
burt eines Kindes wird die Mutter für unrein gehalten und lebt 
24 Iage in einem Haufe außerhalb des Dorfes, das zu dem 
Zweck erbaut ift. Die Nückkehr, nachdem die Mutter ein Bad 
genommen, gefchieht mit Tanz und Muſik. Dann wird das Kind 
an die Bruft der Mutter gehalten, und nun nennen die Umftes 
henden die Namen ihrer Vorfahren. Nach demjenigen, Hei wels 
dem das Kind zu faugen anfängt, wird es genannt, 





7 U, a. O. P- 621. 
Kitter Erdkunde VII. D 


210 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 5. 4, 


Sie leben in Polygamie und erfanfen die Braut mit Vieh; 
darin und in Eclaven befteht ihr Hauptreichthum. Nie machen 
fie Mohammedaner, die fie immer tödten, zu Sclaven; fie fans 
gen untereinander aus ihren eigenen Stämmen die Kinder weg 
oder die ärmern, denen die Gegenhülfe fehlt. Sie tragen lange 
Bärte, Heiden fih in fchwarze Ziegenfelle, gewöhnlich in 4 (daher 
Sin: Pofcbi, d. i. Schwarzgefleidete oder Tor Caufers genannt); 
die Wohlhabendern in weiße Baummwollenzeuge. Ihr Putz ift von 
Eilber oder Zinn. Ihre Nahrung ift Milch, Käfe, Butter und 
Obſt aller Art. Wein trinfen Männer und Frauen in Leber: 
fluß, ohne darum in Zänfereien zu verfallen. Sie haben rothen, 
weißen und dunfeln Wein. Sie find fehr friedlich und fröhlich 
in ihren Dörfern, und im höchften Grade gaftfrei; dem Frem— 
den gehen fie vor das Dorf entgegen; er muß überall einfprechen. 
Sie find weniger der Jagd ergeben ald die Afghanen; ‚aber das 
gegen leidenfchaftliche Tänzer, bei fchneller, wilder Muſik auf Trom⸗ 
mel und Pfeife. 

Den Mohammedanern find fie todtfeindz bei ihren Opfern 
beten fie um deren Vertilgung 336), Jeder Siapofche geht fo 
lange barhaupt, bis er einen Moslem erlegt hat, und nur dann 
erft kann der Juͤngling in alle Nechte des Mannes treten. So 
viel der Mann erfchlug, fo viel Federn trägt er auf dem Turban 
bei den Feften. Immer find fie zum Feldzug bereit; oft machen 
fie, da fie flinE und gewandt auf ihrem Gebirgslande find, weite 
Ueberfälle. Sie tragen ein fharfes Meffer auf der linken Seite, 
einen Dolch auf der rechten. Don den Afghanen haben fie das 
Feuergewehr Eennen gelernt. Sonſt brauchen fie zuweilen vergifz 
tete Pfeile; ihre Bogen find 44 Fuß lang und fo ftark, daß fie 
ihnen auf der Flucht zu Springftangen dienen, mit denen fie ger 
waltige Saͤtze machen koͤnnen. Nach dem Siege fingen fie Kriegs: 
lieder. Ein folhes fing an: „Cherahi, cherahi, Mahrach“ und 
der Chorus war „Ufchroo vo Uſchroo.“ 

Diefes Volk iff nun freilich wol feine macedonifche Kolonie, 
aber unleugbar bildet e8 mit, der Sansfritfprache und jenem 
nichtindifchen Character ein höchft merkwuͤrdiges Mittelglied zwi— 
ſchen Indern, Vorder: Afiaten, Kaufafiern, Griechen. Was uns 
Al. Burnes neuerlich über fie mittheilt, ift nur gering zu nenz 
nen; doch nicht ganz zu überfehen. Er fagt es felbft, daß er über 


345) Eiphinstone Cabul App. C. p. 620, 625. 





Hindu Khu, Kaferiftan, Siapuſch. 211 


ihr Sand und ihre Neligion den Eiphinftonifchen Berichten Nichts 
zuzufegen #7) wiffe, obwol er jenen Mullah Nujeeb über feine 
Erkundigungen zu fprechen Gelegenheit genommen habe. Diefe 
Siapoſch-Kafirs, oder fehwarzgekleideten Ungläubigen, wohnten 
in ©.D. von Badakſchan auf den dortigen Gebirgen bis Pefchas 
wer, und feyen von allen Nachbarn verfolgt, um fie als Sclaven 
einzufangen. Bei dem legten Ueberfalle, den- der Khan von Kunz 
duz vor einigen Jahren in ihr Bergland gewagt, habe derfelbe 
indeß die Hälfte feiner Armee eingebüßt, 

In Kabul fahe Al. Burnes im Haufe feines Wirthes einen 
jungen Kafir:Sclaven*), der zwar erft 10 Jahr alt, aber 
ſchon feit ein paar Fahren eingefangen war; die ihn abgefrags 
ten Wörter, welche mit den Indiſchen Dialecten übereinftimmz 
ten, können daher wol nicht als Sprachproben feiner Kafirfprache 
gelten. Seine Gefichtsbildung und Färbung war ganz Europäifch, 
ganz verfchieden vom Afiatifchen Typus; feine Augen blau. Der 
einzige Verkehr der Mohammedaner mit diefem Volke findet nach 
dem Gebirgsgau Lughman Statt, der zwifchen Kabul und Pe: 
ſchawer auf der Nordfeite des Kabulſtroms fich ausbreitet, deſſen 
Bewohner Nimfhu:Mufelman, d.h. Halb: Mohamme: 
daner genannt werden. hr Land ift feft, gebirgig, hat gedies 
gen Gold, das fie zu Ornamenten und Gefäßen verarbeiten; dag 
Volk liebt den Wein. Dies, meint Al, Burnes, habe ſchon Sul 
tan Baber und Abul Fazl die Veranlaffung gegeben, fie für 
Abköommlinge der Griechen zu halten, eine Sage, die fie ſelbſt 
gar nicht haben; ein Irrthum, der daraus hervorging, daß man 
fie mit ihren nördlichen Gebirgsnachbarn am Oxus verwechfelte, 
bei denen diefe Sage wirklich einheimifch ift (f. ob. ©. 14, 18), 
She hehes Gebirgsland, meint Al, Burnes, erkläre ſchon hins 
reichend ihre Verfchiedenheit von den Nachbaren; fie fchienen ihm 
ein fehr barbarifches Volk zu fenn; fie follen Bären und Affen 
effen, mit Bogen und Pfeil fechten und ihre Feinde fcalpiren, 
Al. Burnes halt fie nur für urfprüngliche Bewohner des ebenern 
Landes, die beim Eindringen der Mohammedaner erft in ihre Ges 
Birgsafple eindrangen, Dies fagen die Afghanen, und ihr Name 
Kafer beftätige diefe Erzählung. Dies würde freilich den Kafirn 
das höhere Intereſſe einer Aboriginerpopulation abftreifen. Doch 





*7) Al. Burnes Trav. II, p, 210— 214, 
**) ebend. I, p. 166. 
2 


2i2 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. $. 4. | 


fehen wie die Begruͤndung eines folchen Urtheils noch nicht ein; 
fo lange Mullah Nujeebs Ansfagen nicht als Lügen conftatirt 
find, kann man nicht mit A. Burnes fagen, daß ihre Religion 
and Lebensweise nichts merfwärdiges darbiete, und nur, wie er 
fich ausdrückt, der Noheit ihrer Civilifationsftufe entfpreche, Die 
Heligionsverfchiedenheit diefes Bergtribus von dem Hinduis— 
mus fen natirlich, da diefer aus den Ebenen bei ihnen feinen 
Eingang gefunden. Eben diefes aber, daß er weder bei ihnen wie 
doch in Kafıhmir, Nepaul und andern Bergvölfern eindrang, fo 
wenig wie der Islamismus, dem doc) ihre weftlichen und 
nördlichen Nachbarn, die Turkoölfer, fich ergaben, läßt fie uns als 
ein. befonders intereflantes Volk erfcheinen, und eine Entdeefungss 
reife dahin wünfchen ehe ihre Eigenthümlichkeiten durch fortger 
feste Kämpfe von außen her gänzlich verwifcht feyn werden. Zu 
diefen würde es auch gehören, was Al. Burnes noch von ihnen 
erzählen hörte, daß bei ihnen die Weiber alle Arbeit außer dem 
Haufe thun, den Pflug führten und fich feloft mit dem Ochfen 
an das Joch ſchirrten. ! 

Zu Sultan Babers Zeit (1519) wurden die Bewohner 
des Bijore (Bajour) Thales noch, fammt ihren Sultanen, 
zu den Kafern gezählt, und deshalb gegen fie der Krieg ger 
führt, den der Sultan in feinen Memoiren ähnlich befchreibt 249), 
wie derjenige Aleranders von den griechifchen Hiftorifern befchrie: 
ben wird. Er nennt fie flupides Heidenvolf, das durch den 
Knall der Feuerwaffen gemaltig in Schrecken gefest worden fey. 
Ihre Feften wurden unterminirt, mit Leitern erftürmt, alle Maͤn— 
ner mußten als Gegner des Yslam über die Klinge fpringen, die 
Weiber und Kinder wurden zu Sclaven gemacht, ihre Sultane 
ohne weiteres geföpft, An dem Obſt und Wein diefes Berg— 
landes Bajour, der in Lederfchläuchen aufbewahrt wurde, thaten 
die Sieger fich gütlich, und der Sultan bemerkt ausdrüdlich, daß 
der Wein nur allein aus demjenigen Theile Kaferiftans, der Bas 
jour zunächft liege, gewonnen fey. Nach Eroberung der genanns 
ten Fefte hielt er mit feinen Leuten die Nacht hindurch dafeldft 
Trinfgelag, und einen der folgenden Tage hielt er auf den bes 
nachbarten Bergen Zagd nach dem Bizon (Bergochs) und dem 








”*°) Memoirs o4 Zelireddin Muhamed Baber Emperor of Hindustan 


written in Ihagatai Turki, transl, by I. Leyden and W, Erskine, 
London 1826, 4. p. 248 — 249. 





Hindu Khu, Eingewanderte, Euſofzyes. - 213 


Gewizen (?), der bier ganz ſchwarz ift bis auf den Schwanz, 
der nur anders gefärbt fey. Von diefem großen Wild ift gegens 
mwärtig dort nichts bekannt. An andern Stellen 50), wo der Sul: 
tan von dem von ihm eroberten Iheile Kaferiftans am Kameh— 
firome im Norden des hohen Koond fpricht (am Runur und 
in Cheghanzferai), bemerkt er, daß ihr Wein fehr ſtark, ſchwer 
und gelb, und fo allgemein im Gebrauch fen, daß jeder Kafer 
eine Khig, d. i. eine lederne Weinflafhe, um den Hals hängen 
habe, um den Wein wie Waſſer zu trinken. Aber auch weft: 
waͤrts des Kamehfiromes in den Berggauen Nijromw und 
Penjhir am obern Kabulfirome werden von Sultan Babur 
noch Kriegezüge der Kafernd!) angeführt, von denen erſt weiter 
unten bei der Kabul: Terrafje die Rede feyn fann. 


3. Eingewanderte; die Euſofzyes, oder öftlihen 
Afghanen; Rohilla's, Patan. 


Die Euſofzyes bewohnen die Voralpen und Vorberge ge— 
gen den Kabulſtrom; aber ein Theil derſelben breitete ſich auch 
in D. des Indus aus 82). Abul Fazit nennt fie Youſef-zy, 
und fagt, daß fie von Kabul her einwanderten, ſich in Bijore‘?) 
niederließen; feitdem mögen fie weiter vorgerücdt feyn. “Damals 
(1600) zogen ſich die Urbewohner fihon tiefer in ihr wildes Ges 
birgsland zurück. Nach ihren Gefchichtsbüchern 5%) war die Salz: 
wüfte, gegen Herat in Derfien, ihre frühere Heimat, aus der fie 
im XIV. Sahrhundert vertrieben wurden, und fich weiter in Often 
Bahn brachen, theils die Terraſſe von Kabul befegten, in- das Als 
yenland SKaferiftan theilweife eindrangen, oder felbft weiter oft: 
wärts über den Indus zogen. Schon Eultan Baber ®) ger 
rieth im 5.1519 mit den in Kaferiftan eingedrungenen Yufefzzys 
in Fehde. Von Drumtore am Indus, bei Torbela (im N. 
von Attock), oftwärts zum Ganges ja bis Rohilcund am Süds 
faum des Alpengebirgs, haben fie fich feit Jahrhunderten angefiez 
delt, und unter dem Namen der Rohilla mehrere independente, 
für das Tiefland von Hind gefährliche Kriegerkfolonien gegruͤndet 
(f. Afien IV. 2. ©. 1142). 





&0) Mem. ebend. p. 144. 51) ebend. p. 145. 2) Kiphinstone 
Cabul p. 120 und 329. 52) Ayecn Akbery. T. Il. p. 157. 
5%) Elpbinstone Cabul p. 231, 330. 65) Babur Mem, l. c. 

p- 249. 


214 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 5. 4 


Sie find einer der mächtigften, weitverbreiteten Hauptftämme 
der öftlichen Afghanen; ihnen in Sprache und Sitte verwandte, 
doch weniger zahlreiche Stämme find die neben ihnen in den klei— 
nern Alpenthälern von Bajour, Swaut u. f. m. wohnenden Turs 
folaunis oder Turfauni, die Momund, Khyberis, Otmankhail u. 
a. m. Ihre Heimath in W. des Indus nennen fie Rohils 
tend, das Bergland (Roh, d. i. Berg im afghanifchen; Ro— 
hilla f. v. a. Bergvolk) *66). Sie haben feinen Aderbau, 
feine Induſtrie, feinen Handel; fondern leben als Krieger, Wo 
ihre Anzahl ſich mehrt, da wandert ein Theil aus, und das ges 
fegnete Indien pflegt diefen jedesmal anzuziehen; nach IB. wanzs 
dern fie nicht aus. Daher ift der fruchtbare Boden in der Tiefe 
gegen das Alpengebirgsland von Sind und Hind, füdmwärts bis 
Defan, und das Grenzgebirge ſelbſt mit ihren Ueberzüglern ge: 
füllt, die im Oft des Indus unter dem allgemeinen Namen der 
Datanen bekannt find. Diefes find immer Afghanen-Eolonien 57), 
bald mit Hindus gemifcht, oder unter eignen Nabobs, wie. die 
von Furrufabad, Bopaul, Cournoule, Cudduppa u. f. wm. Die 
größte von allen ift die der Nohilla, mit der Hauptftadt Rampur 
in S. O. von Hurdwar am Ganges. Wie jene Eufofzyes, die 
tapfern Streiter gegen die Kafern, fo waren einft diefe Rohillas 
die gefährlichften Nachbarn der Briten in Bengalen geworden, 

Sie fprachen alle Pufchtu, d. i. die Afghanenfprache, die 
Sändereien, welche die Euſofzyes in Befis nehmen, werden unter 
fie durch das Loos (Waiſch) vertheilt. Das Volk zerfpaltet fich 
immerfort in viele Kleinere Republiken, die gegenfeitig in den fürchs 
terlichften Parteitämpfen ftehen. Eiphinftone lernte einige 30 folz 
cher Freiftaaten kennen 5%). - Innerhalb derfelben bilden fih in 
ihren meift reichbevölferten Gebieten wieder viele Eleinere Corpo— 
rationen, Brüderfchaften (Sodalitia), Gunders genannt, zwi— 
fohen ganzen Stämmen wie zwifchen Einzelnen, die ein engeres 
Band fnüpfen als das Blut zwifchen Brüdern. 

Diefes turbulente Volk hat von jeher Indien in Aufruhr ges 
bracht, wie die Normannen aus dem Norden das nordiweftliche 
Europa als Abenteurer viele Jahrhunderte hindurch heimfuchten, 
fo diefe das nordiweftliche Zndien. Die mongholifchen Heere wur: 
den durch fie immer wieder vollzählig gemacht; die mildern Hindu 


856) Historic. Account of the Rohillah Afghans 1788. in G. Forster 
Voy. II, 57) Elphiustone Cabul. p.350. 55) ebend. p.341. 


Hindu Khu, Iskardo in Baltiſtan. 215 


mußten oft ihrem Ungeſtuͤm fich ergeben. Mehr als dreihundert 
Jahre lang faß eine Dynaftie aus ihrem Stamme fihon auf dem 
Throne von Delhi, vor Timur (vor 1400), und aus den Truͤm— 


mern des Groß-Moghulifchen Reiches bildete fich in der Provinz, 


welche im Sanskrit Kuttäir heißt, die Republik der Nohillas, de: 
ren Volk ald das tapferfte in Hindoftan befannt ift. Diefelben 
Euſofzyes haben wir oben als die furchtbarften Feinde der heu- 
tigen Seikhs, gegen die fie jährlich Neligionsfriege (Ghazie) führ 
zen, kennen lernen (f. 05. ©. 52). 

So machen diefe Afghanenſtaͤmme, im ununterbrochenen Ein: 
dringen vom hohen Plateau in W. nah DO. in das Indiſche 
Flachland, grade das Gegenfpiel der feftgersurzelten Hindu aus, 
denen der Uebertritt über den obern Indus nach W. hin bei At 
tock Benares (d.h. verboten), in ihren Neligionsgefegen verboten 
war. Die Afghanen machten jenen Erdſtrich zu einem Lande des 
Durchzugs (throughfare) oder der Paflage. 


Anmerkung. Juͤngſter Befud in ISkardo, von Charaph 
Ali und Mr, Bigne (1835). 

Diefen ethnographifchen Notizen wird es zweckmaͤßig ſeyn, hier, 
ehe wir noch weiter gegen Weiten fortfchreiten, in einem. Eleinen Nadı= 
trage, ber uns fo eben aus einem Gnglifchen Berichte zu Theil 
wird ®°°), die neueſte Nachricht von Beſuchen in Is kardo (ſ. oben 
S. 14) beizufuͤgen, wohin bisher europaͤiſche Beobachtung noch nicht 
vorgedrungen war. Sie wird als Ergaͤnzung zu obiger Beruͤhrung 
und den fruͤhern Daten über dieſes Gebirgsland dienen, bei deſſen Bes 
ſchreibung uns diefe Nachricht zur Zeit noch nicht zugefommen war, und, 
daher leicht an gehöriger Stelle einzufchalten feyn, 

Gapt. Wade in Ludiana ſchickte feinen Gefchäftsführer C harays 
Ali an den Bürften Ahmed Schah von Iskardo, der einen Be- 
richt gab, den wir hier einfady ohne Critik wiebergeben, weil erft die 
Zukunft die richtige Würdigung feiner Angaben, die, fo getreu fie auch 
feyn mögen, doc immer die Farbe des einfeitig beurtheilgnden tragen, 
darbieten wird, 

Jskardos Bergland zertheilt fich in viele Thäler von verſchiede— 
ner Ausdehnung, am Zufammenftoß der Bergketten des Belut Tag 
und Mustag, melde die hohen Ränder Tübets von den Ebenen und 
Zhälern Zurkeftans fcheiden. Das größte viele Thäler nimmt der 


s») Journ. of the Asiat. Soc. Nov. 1835. f. überf. in Berghaus 
Annalen Oct. 1836. S. 84 ıc, eb, Mı. Vigne Leiter dat, Iskardoh 
10. Sept. 1835, ebd. ©, 87. 


216 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 5 4 


Strom von Xttod, d. i. der Indus, ein. Die Einwohner nennen felbft 
ihe Land Bäldiftan (Baltiftan). Die Sage geht hier, Alerander 
fey auf einem Feldzuge nad Khata (Khatai?) hierher gefommenz weil 
aber die Gebirgspäffe (Koteli Mus Tag) durch Schnee gefchloffen ge= 
wefen, fo babe er hier fo lange geraftet, bis eine Straße durchgebrochen 
worden fey. Dann habe er die Kranken, Alten und Genefenden feines 
Heeres mit dem entbehrlidhen Gepaͤcke in eine Fefte, die er errichtet zu= 
rücgelaffen, daraus Iskandaria, d. i. das heutige Iskar do, ent- 
ftanden fey. Dies fcheint uns eine blofe etymologifhe Grille des Be⸗ 
zichterftatters oder Anderer zu feyn, da der Ortsname früherer Zeit 
auch Esferdu und Sheferdu war; oder es ift eine Uebertragung 
der Sage, die von Alexandria ad Caucasum, in der Gegend des heuti= 
gen Bamiyan, ald Thatſache ihre pofitive Wahrheit hatte, und nur in 
jüngfter Zeit nach jenem fernen Often am Indusſtrome verpflanzt 
worden. 

Die Größe des Gebietes von Iskardo betraͤgt 11 Tages 
märfche in die Länge und 9 in die Breite. Gegen DOften grenzt e8 an 
Ladakh, das 11 Zagereifen fern iſt; gegen W. an Gilgit (f. ob, 
©. 14), das 9 Tagereifen fern iftz gegen N. an Yarkend (das alte 
Khotan) 12 Tagereiſen; gegen ©, an Kaſchmir, das 9 Tagereifen fern 
ift (f. ob. ©. 87, 88). 

Die Einwohnerzahl wird auf 3 Lakhs Familien (alfo 30,000)' ges 
ſchaͤtzt, was aber zu viel zu feyn fcheint. Das Volk ift in verfchiedene 
Theile getheilt, welche ſich insgeſammt Baͤldi (alfo ganz richtig wie 
fie ſchon Ptolemäus in feiner Tafel als Bairaı eintrug, ſ. Afien B. II. 
©, 654) nennen. Darunter ein Tribus die Kirah genannt, vier 
Gebote zu befolgen haben jollen, Keine weiblichen Kinder zu tödten 
(vergl. Afien IV. 2. ©. 770 u.a. D.), kein falfches Zeugnig abzulegen, 
im Gefecht nicht den Rüden zukehren und Niemand zu verläumden, 

Die Eingebornen follen wie andere TZübetifche Tribus fehr 
phlegmatifch ſeyn ‚(weil Gerfte, Hirſe und Frücdte ihre Hauptnahrung 
ſey, fagt der Berichterftatter)., Es ift, jagt Charaph Ali, ein ſtaͤm—⸗ 
miger, wohlgebauter Menſchenſchlag, mit rothem Gefiht, angenehmen 
Zügen, aber wenigem Haar am Leibe und kaum mit Bart; fie find ohne 
Unternehmungsgeift, verrätherifch, Hinterliftig. — Aus diefer Schilderung 
wird es hoͤchſt wahrfcheinlic, daß diefe Bewohner Iskardos von demſel⸗ 
ben Schlage der Völker von Lech, Tübet, Butan u. f. w. find, aber 
verſchieden von dem ihrer füdlihen Nachbarn, der Kajchmirpopulation, 
und verfchieden von dem Volksfchlag der Kafern im Weiten. IJskardo 
wäre demnach die am weftlichften vorgedrungene Anfiedlung jener 
tatarifch-tübetifchen Race, welche, wenn die Daradi dort ihre Vorfah— 
ren waren, dafelbft als Aboriginer, oder wenn fie als Bhoteas (f. 
Afien I. ©, 653— 655 u, f.) erfi einwanderten als Golonifation, je 


Hindu Khu, Iskardo, Grenzvolk. 217 


doch immer als ein merkwuͤrdiges Grenzvolk innerhalb des Ge- 
birgsſyſtems für genauere Erforfhung die hoͤchſte Aufmerkfamteit vers 
dienen. 

Gerfte, Weisen, Fleiſch, find gewöhnliche Nahrungsmittel, der. Reis 
nicht allgemein. - Wer es kann frühftüdt Thee, und bewirthet. feine 
Gäfte mit Thee wie in Ladakh. Der Gebrauch diefes Lurusartikeld uns 
geachtet des hohen Preifes ift allgemeiner geworden als es früherhin der 
Fall war, Die Kleidung ift wie in Ladakh, die Landleute tragen Dja— 
mahs, eine Art Rod aus Ziegenhaaren gewebt. Baummolle wird nicht 
gebaut und wenig gefragen; fie wird nur aus Yarkend und Kafchmir eins 
geführt. Die Häufer von Stein und Holz erbaut, haben 2 bis 3 Stod 
Höhe und platte vorfpringende Dächer, wie am füdlichen Himalaya. 
Die Bewohner find Shiüten, Nachfolger des Smam Dijafar (über 
frühe mohammedanifhe Bekehrungen, f. Afien IL ©. 424). Aber gegen 
Gilgit Hin wohnt ein Stamm, davon einige Gögendiener, welde Bäume 
anbeten (ob Buddhadiener, unter dem Bo oder Buddhabaume ?), andere 
efien kein Kuhfleiſch (alfo mit indifcher Eitte), wollen aber Mohammes 
daner ſeyn. 

Die Landeöfprache ift Tuͤbetiſch, aber Bücher haben fie in biefer 
Sprade nicht; auch ſteht das Volk nicht unter dem Einfluß der Lamas; 
denn Erziehung und Unterricht erhält es in Perfiiher Sprade(?), durch 
Häuptlinge und Priefter. Geldmünze curſirt nit; ald Zaufchmittel 
find bei ihnen Eleine Stüde rohen Goldes im Gebrauch, das bei ih— 
nen in Bergwerken und Flußbetten gewonnen wird (mie bei den Daradi 
in der älteften herodotifchen Zeit, f. Aſien II. ©. 657 — 660). 

Die Regierung ift im Befig des Alleinherrſchers, Ahmed Shah 
(alfo war Jacquemonts Freund wol nidjt König von Ladakh, fondern 
von Sekardo, ſ. ob. ©, 77), der von Sofeph dem Propheten der Is: 
raeliten, fagt Charaph Ali, abftammen will. Er ift mild, wohlwollend, 
fein Titel ift „Ergb mayum,“ d.h. Herr der Berge. Das 
Volk nennt ihn Gelpo, ». i. Königs; feine Vafallen und geringern 
Häuptlinge heißen Dju. Seine Refideng ift Sstardo. Seit 14 Ge- 
nerationen (etwa an 500 Jahre) ift diefelbe Dynaftie im Befig der Herr⸗ 
ſchaft. Er ift Eeinem andern tribut= oder dienjtpflichtig, fteht auch mit 
keinem andern Herrfcher in Verbindung. Nur die Seikhs haben es ver= 
ſucht gegen Iskardo hin ihre Eroberungen auszudehnenz daher ift dort 
einige Unruhe verbreitet (f. ob. ©. 146). Ein ftehendes Heer ift hier 
nicht; die Vafallen fiellen die Truppen; in Noth ruft der Gelpo das 
Bolt auf, giebt ipm Waffen und Munition, Die Abgaben werden in 
Natura gegeben 5 jeder Landbefiger Liefert 1 Kharwar Weisen, deöglei- 
chen Gerfte, Senf und Hirje, Einige Zemindare zahlen ihre Pacht mit 
einem Kharwar Shi, jeder fiatt jener drei. Ein Kharwar wiegt 
40 ©irs, 


— 


— — 


— 


18 Weſt⸗Aſien. I. Abſchnitt. 6. 4. 


Bor anderthalb Jahren verbreitete ſich aus Jskardo das Gerücht, 
die Ruſſen hätten Kaptſchak genommen und ſeyen nach Ihli dem Empo— 
rium (Aſien B. I. ©. 398— 414) gekommen, wo fie an dem großen 
See eine Fefte und Stadt erbaut hätten. Um den Frieden zu erhalten, 
hätten ihmen die Chinefen eine große Geldfumme gezahlt. Der Fürft 
von Ladakh hatte dem Kaifer von China eine andere Nachricht mitges 
theilt, daß die Engländer eine Straße nad; Kanghri, in der Nähe von 
Söpitti gelegen, bauten, worauf der Kaifer einen Gommifjarius zur 
Beobachtung nach Arzeng geſchickt haben foll, mit dem Befehl, daß die 
Garnifon von Rudok, 12% Tagemärfche fern von Ladakh (Rudel, f. 
Afien II. ©. 603), verftärkt würbe. 

Diefem Vorgänger Charaph Ali ift ein Mr. Vigne im 3. 1835 
nad; Iskardo gefolgt. Aus feinem Briefe vom 10. Sept. 1835 ergiebt 
fi, daß er von Kaſchmir auf einem Flußichiffe nach Bundapur oder 
Bundurpur (f. 0b. ©. 87) am großen See (d. i. der Vuller-See) ging, 
und von da aus den Berg Shumladier befuchte. Von da kam er in 3 
Zagemärfehen nach Gureff, in ein ſehr ſchoͤnes Gebirgsthal, von ho= 
ben, Zahlen Bergen umfchloffen. Senfeit Gureff zu einem Engpaffe, 
den ein paar Mann gegen eine ganze Armee vertheidigen koͤnnten, wo 
aud) ein Gefecht der Seikhs gegen die Tübeter zwei Tage lang anhielt, 
Dann kam Mr. Bigne durch oͤdes Land, wo er von Ahmed Schahs 
Sohne gaſtlich empfangen war. Die Umgegend ift durch Räuber ges 
fahrvoll. Is kar do ift nach Vignes Bericht ein wildes Bergland, das 
Thal zum Theil unbebaut, vom Attok, d. i. Indus, hin der hier 
ein bedeutender Strom ift. Die Thalbreite beträgt nur 4 Mile Engl., 
bie Länge des Gebietes 15 Engl. Miles. Hohe Gebirge umgeben es, 
Ahmed Schah ift ein wohlmollender Mann, Die Meinung der Abftam= 
mung von Alerander M. ift hier allgemein verbreitet. Vigne wollte 
eine heiße Quelle beſuchen, die auf der Route nad Yarkend liegt; aber 
bis Yarkend vordringen wollen, heiße, fagte man, in den Tod gehen, 
Seitdem Mooreroft in Ladakh geweſen, habe man das Bild eines Eng» 
Kinders an die Mauer von Yarkend gemalt, fo daß jeder andere an dies 
fem feltfamen Signatement fogleidy zu erkennen ſey. 

Das Thal des Indus fol das Anfehn eines Seebettes haben, in 
deffen Mitte der Feld mit der Burg Jskardo liegt. Steinfalz giebt 
83 dort in Menge, auf defien Befis der Gelpo ſtolz iſt. Nach einem 
Brief vom 30. Sept. ift Mr. Vigne gluͤcklich nach Kaſchmir zurüds 
gekehrt, und hat Zübetifche Inſchriften, die er mit zuruͤckgebracht, an 
Csoma de Körös zur Entzifferung geſchickt; er hat viele Anſichten des 
Landes gezeichnet, die er nach Bombay mit ſich führt. Genauern Bes 
sichten über diefen intereffanten Gebirgsgau, in einer fo lehrreichen eth= 
nographifchen Stellung für dag Voͤlkerſyſtem Gentrals Afiens fehen wie 
mit Begier entgegen, 


Hindu Khu, Verftufe Pefchawer. 219 


Erläuterung 2%. 


Die VBorftufe von Pefchawer; der Uebergang vom warmen 

zum Falten Clima (vom Germafir zum Serdſir). Jellallabad; 

die Gärten am Surkh-rud; die Denfmale; das Auffteigen - 
zur Kabul: Zerraffe. 


Im Süden von Kaferiftan wiederholt fich im gleicher Breite 
und Fänge, wie in jenem Alpenvorlande, die Terraffenform gegen 
das Tiefland des Indus; nur in minder abfoluter Erhebung, als 
eine füdliche Vorftufe, welche das vermittelnde Glied der 
Alpennatur mit der des ſchwuͤlen und heißen Hindus 
ftan bildet. Es ift die reihe Thalftufe von Pefhamwer36), 
welche der Kabulfttom unterhalb der Sellallabad Strudel, fid) in 
viele Arme voll Auen zerfpaltend, eine Strecke von 7 Tagereifen 
weit bis zum Indusvereine durchzieht. Sie iſt gewiflermaßen 
zuerft willenfchaftlicy entdeckt und befchrieben durh Elphinz 
ftone auf feiner Gefandtfchaftsreife nach Kabul, Im Norden 
fleigt das Schneegebirge des Hindu:-Khu empor, im Sud 
oder S. W. der Suffaid oder Sufued Kho (d. h. der 
weiße Berg); dazwifchen die Ihalebene mit niedrigen Hügeln 
von drei Hauptarmen des Stromes und vielen Canaͤlen bewäffert, 
an den Ufern hin Tamarisfenweld. Der Ihalboden ift volf 
fchwellender Wiefengründe, reicher Ackerfelder, Gärten, Obfthaine, 
Maulbeerplantagen; dazwifchen (im 5. 1809) unzählige Dörfer, 
und Pefchawer, die Stadt, fammt Caftell, von 100,000 Ein» 
wohnern belebt, in der Mitte (1832, zu A. Burnes Zeit mit 
ſchwerlich mehr als 50,000) 69). Hier ift die ſchoͤnſte Landfchaft 
von ganz Afghaniftan. Von ihr erhebt fih in Weft die Terz 
raffe von Kabul weit höher empor (6200 Fuß Par., oder 
6600 F. Engl., nah Al. Burnes Meffung)%), und ift daher 
weit älter. Peſchawer ward daher die Lieblingsrefidenz der 
Monarchen von Afghaniftan im Winter, und Kabul im Soms 
mer. Der wellige, fruchtbare Eulturboden zunaͤchſt um die Stadt 
nahm 1809 einen Kreis von 6 bis 7 geogr. Meilen ein, auf 
dem man 300,000 Bewohner von den verfchiedenften Völkern 
rechnen fonnte. Die ‚größere Zahl find vom Hinduflamm, hier 
zum Unterſchiede von denen im Oſten des Indus, den Hindus, 





»so) M. Kpbinstone Acc, p. 54,71, 95, 98, 100, 114, 120, 356, 640. 
°t) Al. Burges Trav. II. p. 319, *) ebend. U. p. 240. 


20 Weſt-Aſien. I: Abſchnitt. 54 


Hindkis genannt, mit eigenthümfichem Dialect. Aber auch 
Perſer, Mongholen, Hazarehs, Khybers und theilweife faft alle 
Afghanenfämme aus den Ebenen wie den Bergen, find in dies 
fem Eulturboden zufammengefloffen. 

Zwar niedriger ald Kabul ift die abfolute Erhebung der 
Peſchawer-Stufe über dem Meeresfpiegel doch bedeutend 
genug, um einen großen climatifchen Lnterfchied mit dem Ganz 
geslande (800 Fuß bei Delhi) oder der Stufe von Lahore 
(900 F. üb. d. M.) darzubieten 363), Peſchawer hat fehon 
Eontrafte von Früpling und Herbft, die in Hindoftan fehlen. 
Man kann feine abfolute Höhe zwifchen 2000 bis 3000 Fuß anz 
nehmen. Im März fand Elphinftone den Boden frifch bes 
rafet, nur ein Iheil der Bäume trieb junges Laub; nach 14 Tas 
gen fanden alle in fchattigem Grün, wie dies fih in Indien nie 
zeigt. Es blüheten in den Obftgärten die Pfirfih, Grana— 
ten, Aepfel, Birnen, Pflaumen, die im tiefen Indien 
fehlen; dagegen werden hier die Orangen fihon fparfam und 
der Dattelpalmen fehr wenige, dem Clima wie zu Nom entfpre: 
chend, das doch mehr als 15 Grad nördlicher liegt. Die Lands 
ſchaft Defchawer hat) wilde Trauben, wilde Piftacien, wilde 
Dliven (?), wilde Kaftanien, Maulbeerbaume, PDlatanen, Cedern, 
Tamarisken und Eichen (Quere. belote?). Die große Menge von 
Hofen und andern Blumen festen ſchon Kaifer Baber in Ent: 
zücen, als er zum erſten Male aus feinem EZältern Clima in die 
liebliche Ebene von Peſchawer eintrat (im 5%. 1505 im Yanuar). 
„Noch niemals, fagt 65) er, hatte ich zuvor das Germfil (Gerz 
mafir, d. i. das warme Elima) des Indiſchen Landes ger 
fehen; als ich nach 6 Tagemärfchen von Kabul durch den Paß 
von Adinahpur, bei dem heutigen Gudamud %) etwas 
oberhalb Jeblallabad, hineintrat, erblickte ich eine andere 
Welt! Gras, Bäume, Vögel, Wild, Voͤlkerſtaͤmme, alles war neu 
und ich ſtaunte; in Wahrheit alles erfchien mir wunderbar. 
Sn Peſchawer ftaunte er die Größe der Bäume an. Als Al. 
Burnes aus Indien im März in diefe Ebene eintrat, wurde er 
von ihren grünen Wiefen, Saaten und Kleefeldern, von dem 





®**) M. Elphinstone Ace. p. 55, 145; ' Aycen Akb. II. p. 156 etc. 
°*) M. Elphinstone I. c. p. 46, 132, 134, 3005 Ayeen Akb, I. c. 
°°) Sultan Baber Mem. p. 157 — 166; vergl. p. 141. 
°*) Bergl, G. Forster Vey. Vol, I. p. 68; Al. Burnes Tray. I. 


p- 125 


Hindu Khu, Borftufe Peſchawer. 221 


Duft der Blumen, des Thymus und der Veilchen lieblich em: 
pfangen. Diefe legtere Blume (Violet) wird dort wegen ihres 
herrlichen Duftes die Nofe des Propheten (Gul i pueghums 
bur) genannt. 

Peſchawer hat große Sommerhige, die zumweilen bis zum 
höchften Grade wie in Hindoftan anfteigt (im J. 1809 blieb das 
Thermometer im fühl gehaltenen Zelt zwifchen 35 bis 36° Reaum., 
112 bis 113° Fahıh. ſtehen); doch ift fie nie fo anhaltend wie 
dort. Alle Häufer haben fühle Sommerfäle im Kellergefchoß, mit 
gemalten Wänden und Springbrunnen (Zirzemines und Tehs 
Chanehs), eine Einrichtung, die, freilich von geringerer Art, felbft 
in den Hütten der Aermeren nicht fehlt. Ende März (1832), 
bei Al. Burnes Befuche, fand am Mittag 67) das Iherm. auf 
1220 Neaum. (60° Fahrh.); Mitte April flieg es bis 242° N, 
(85° Fahrh.). Die Maulbeeren reiften fihon, der Winter war 
fehr firenge gewefen, Hagel, groß wie Musfetenkugeln, war ge: 
fallen, der Schnee war am 19ten April von allen benachbarten 
Berghöhen gefhwunden, fo daß von ihm bei einer mweitern Reife 
nach Kabul feine Befchwerde mehr in den Bergpäffen zu erwars 
ten war. 

Diefe Contrafte von Winterfälte, Sommerhige, Frühling und 
Herbft geben dem Elima von Pefchawer große Mannichfaltigkeit, 
doch wird die Winterfälte im Thale felbft nie heftig, und der 
Nachtfroft entweicht fchon bei Sonnenaufgang. Das allgemeine 
Trockenclima diefes Landftrichs zeigt fih darin, daß nur felten 
einmal Regen fällt, der Schnee bleibt auf die Höhen befchränft. 
Doc) reift es auch noch in den Märztagen, mit dem Beginn der 
Blüthezeit; der Negenmonfun aber, der noch über das Pendfchab 
fish verbreitet, erreicht kaum noch diefe Vorftufe 8), und erfcheint 
über ihr gegen Anfang Auguft faum noc) in einigen Regen⸗ 
fchauern. 

Diefe merfwürdige Lage der Vorterraffe, macht fie zu einer 
wahrhaft vermittelnden Stufe zwifchen dem ‚rauhen Hochs 
Alien in Norden und dem ſchwuͤlen Süden. Sie ift ein Repraͤ⸗ 
fentant des lieblichften, füdenropäifchen Climas, in der Mitte des 
Orients; und auf ihr findet fih europäifher Menſchen—⸗ 
fhlag, fammt der großen Maffe europäifcher Fruchtar— 
ten einheimifch, Der Energie des Climas entfpricht die feiner 





#7) Al. Burnes Tray. L p.110. °*) M. Elphinstone Acc. p.130. 


222 Wert: Alien, 1. Abſchnitt. 6. 4, 


Bewohner; ohne die Kälte des Nordens, ohne die Schwüle des 
Südens, ift hier ein faft ununterbrochen heiterer Himmel. Das 
Terrafienland von allen Seiten, das Terraffenclima, die größte 
Mannichfaltigkeit der umherwohnenden Völker, haben hier Con— 
trafte erzeugt, die nicht ohne Einfluß auf die Bewohner geblieben 
find (f. unten Plateau von Afghaniftan und ran). 

Aber die Nähe des Industhals, die große Naturgrenze und 
BVölkerfcheide des Orients, zwifchen den Hochländern in W. und 
dem Flachlande Indiens in O. hat hier noch mannichfaltigere 
Kombinationen und Einwirkungen der Natur bedingt, die erſt 
weiter unten ganz überfehen werden fönnen. Hier, zwifchen Balz 
tiftan, Afghaniftan und Gran, erfcheint die Terraffe von Pe 
fhamwer, als die Vorftufe vom Ganges und Indus zum weft: 
lihen HochAfien, als der Eingang zum perfifchen Hochlande, 
als die Schwelle der Ihore von Turan und Fran gegen Indo⸗ 
ftan, wie Kabul und Kandahar 369) feit den älteften Zeiten im 
Drient genannt werden. Diefe find in der Ihat für alle Völfer, 
für alle Eroberer, für allen Handel und Wandel, die Pforten der 
Karawanen und Heere, oder der Cingang zum Lande der 
Daffage gemwefen, durch welches allein die Vermittlung des Aflaz 
tifchen Oftens mit dem Aftatifchen Weſten wirklich Statt gefunz 
den hat. 

Diefe Refultate früherer Betrachtungen erhalten dur Al. 
Burnes jüngere Beobachtung im wefentlichen nur wenige Zu: 
füge, aber überall Beftätigung 70). Mit den gewaltigen inneren 
DVerwirrungen, welche das große Afghanen: Reich durch die Cha— 
racterlofigfeit feiner eigenen Negenten und die politifchen Par 
teiungen getroffen hat, ift au die Provinz Peſchawer feit 
dem Jahre 1818 vom Kabul:Reiche abgefallen, und hat ſich feits 
dem unter einem AfghanenZweige des Haufes der Barufzye als 
felöftftändige Herrfchaft behauptet. Ihr Chef, Sirdar Sultan 
Mohammed Khan, theilt die Einkünfte (9 Lakh Rupien) ders 
felben mit 2 Brüdern, und hat, um fich ficher zu ftellen, viele 
Ländereien an Individuen feines Anhanges vertheilt. Seine 
Macht ift nur auf die Ebene von Peſchawer befchräntt und auf 
die Berge von Cohat, welche deſſen füdliche Grenze gegen Khuts 


6°) Ayeen Akbery T. II. p. 165; Th. Maurice Indian Antiq. 
= — 294. 7) Al. Burnes Tray. I. p.319— 328, I. p.85 
v 





Hindu Khu, Vorſtufe Peſchawer. 223 


tak und die Salzkette von Karabagh bilden. Schon die Dorfs 
ſchaften in den benachbarten Khyberbergen gegen S.W. zah: 
len Eeine Abgaben an ihn, und die dort haufenden Afghanens 
Stämme machen den Durchgang durch ihre Paͤſſe gefahrvoll. 
Sein Gebiet, Freistund, an 7 geogr. Meilen im Durchmeſſer, ift 
aber fehr ftark bevölkert, durch Natur und Kunft ungemein ber 
wällert, gedrängt voll Dorffchaften, eines der fruchtbarften und 
reichften im Orient, nur mit 2 Städten, der Capitale, feiner Nez 
ſidenz und Haſchtnagar, wo der zweite Bruder wohnt; der 
dritte hat in Cohat feinen Sis aufgefchlagen, Seine ‘ganze 
Macht beftcht nur etwa in 3000 Mann, davon zwei Drittheile 
Kavallerie; für Sold treten auch die wilden Khybers in feine 
Dienfte, Daß er gegenwärtig einen geringen Tribut an Runjit 
Singh zahlt (etwa 50 Pferde jährlich), ift ſchon oben mitgetheilt. 
Des Sultan Mohamed Khans älterer Bruder war (1832) der 
Chef von Kabul, ihm an Macht weit Überlegen und befeindet; 
dagegen Peſchawer an Kandahar als Allürten ein Gegengewicht 
hatte, und ein Verbündeter der Briten war, der ihre Keifenden 
mit größter Güte empfing. 

Diefes Gebiet von Peſchawer, meint Al. Burnes, eines 
der fruchtbarften der Erde, fei ein immergrüäner Garten, 
der ſich mit dem Spaten bearbeiten und überall bemäflern laffe. 
Daher gebe er regelmäßig drei auf einander folgende Erns 
ten; rechne man aber die Gerfte, welche zweimal vorher zu 
Mferdefutter gefchnitten werde, ehe man fie in Achren fchießen 
lafle, hinzu, fo feien es deren fünf. Weisen: und Gerftenernte 
fallen im April; der große Neis (Bara) und das Zucerrohr find 
von der vortrefflichiten Art, Maulbeerbäume wachfen in großer 
Menge; die Seidenzucht wird erft feit neuerer Zeit betrieben. Die 
Seidenraupen, welche Al. Burnes dafeloft fahe, waren von 
Balkh her über Kabul eingeführt. 

Der füdlich anftoßende Bergdiftrict Sohat bringt feinem 
Beherrfcher nur 2 Lakh Rupien ein, ift aber durch feine Mines 
ralien merkwürdig. Die Fortfegung der Salzberge von Karas 
bagh liefert Steinfalz in Ueberfluß, zu + des Preifes, der ihm 
in Runjit Singhs Staaten auf der Oftfeite des Indus auferlegt 
if. Aus denfelben Bergzügen werden hier auch Gold, Kupfer, 
Eifen, Antimonium und zweierlei Arten von Schwefel gewonnen. 
Auh Naphtabrunnen werfen hier ein Bitumen aus, das in 
den umliegenden DOrtfchaften als Del verbrannt wird, Noch find 


224 Weſt-Aſien. IL Abfchnitt. 5 4 


diefe nicht näher unterfucht. Aber das Hauptproduct, welches 
ganz ‚neuerlich hier die größte Aufmerkſamkeit erregte, find die 
Steinfohlenlager 71), welche erft bei Al. Burnes Berei- 
fung diefer Gegend entdeeft wurden. Dem Volk war ihre Ges 
brauc) unbekannt, ihre Verbrennen fegte es in nicht geringes Erz 
ffauner. Die Kohlen zeigen fi) an dem Ausgehenden eines der 
dortigen Berge in großer Menge mit Schwefel; es fcheint graue, 
bituminöfe Schieferfohle zu fein, die aber fehr gut brennt. In 
einem holzarmen Lande, nur 16 Stunden (40 Engl. Miles) fern 
vom Indus bei Attock, bis wohin Dampffchiffahrt möglich wäre, 
ift dieſe Entdeckung von nicht geringer Bedeutung, 

Steigen wir nun mit Al. Burnes 72) von Defchawer 
über $ellallabad zur Höhern Terraffe von Kabul hin 
auf. Es giebt Fünf verfchiedene Wege, die man dahin nehmen 
kann; der Eürzefte wiirde direct gegen Weſt durch die Felsfchluchs 
ten der Khyberberge und am Mordfuße des hohen Sufaid 
Kho vorübergehen, welche beide der Kabulftrom in nördlichen 
Krümmungen umfluthen muß, um von Sellallabad in das Tief: 
thal von Pefchawer eintreten zu koͤnnen. Der Khyber⸗Paß 
(Kheiber), den ſchon Sultan Babur mit Vorficht durchzog, 
an 8 Stunden befchwerlichen Weges, nur in ein paar Tagemaͤr— 
fchen zurückzulegen, ift fo feft, daß felbt Schah Nadir deflen 
Gebietern eine ſtarke Summe auszahlte, fih den Durchmarfch 
feiner Truppen zu fichern. Gern hätte Al. Burnes die wilden 
Khybers in ihrer Wildniß gefehen, auch Iud einer ihrer Chefs ihn 
zu diefer Wanderung ein, ihm feinen Schuß zufichernd, aber 
Niemand traut diefen gefeglofen Horden, die als Näuber gefürchs 
tet find. Der KhybersChef war groß von Geftalt, ftarkfnochig, 
mit gierigen Blicken, von Branntwein beraufcht, wie alle feine 
Genoſſen; er felbft nannte fein Gebiet „Yaghiſtan,“ d. h. 
Land der Rebellen, hier unſtreitig ein Ehrentitel. Aus Dr. 
Gerards und M. Honigbergers ſpaͤteren Nachforſchungen 
ergab ſich, daß innerhalb der Felsſchluchten dieſes Khyber— 
Paſſes 7), die einſt, zur Buddhiſten Zeit, wohl friedlicher als 
heutzutage zur Moslemen Zeit zu durchwandern ſein mochten, ei⸗ 
ner der prachtvollften Dagop’s ſtehe, ſo groß und wol noch 





..?’%) Al. Burnes Trav. II. p. 328, 72) ebend. I. p. 113—124. 
?®) Dr. J. G. Gerard Surgeon Memoir on the Topes and Anti- 

quities of Afghanistan Jellallabad, 4. Dec. 1833, in Journ, of * 
As, Soc. Calcutta, ed. Prinsep. Vol, III. p. 327. 





Hindu Khu, Hinaufweg nach Jellallabad. 225 


größer als der in Manikyala. Bei den Unterhandlungen mit der 
Horde, um denfelden auszugraben, verlangten ihre Chefs einen 
Antheil an dem darin zu findenden Schage, und das ganze Un— 
ternehmen unterblicb, Nähere Nachrichten find darüber noch 
nicht bekannt. 

Der Thalweg durch die fhöne Pefchawer Ebene am Kas 
bulſtrome wurde daher diesmal vorgezogen, und bei Muchni 
auf einem ſehr gebrechlichen Flooße uͤbergeſetzt, das von aufgebla— 
ſenen Schlaͤuchen getragen ward. Der ſchießende Strom, 250 
Schritt (Yard) breit, riß das Flooß eine Viertelſtunde thalab; die 
Pferde ſchwammen hindurch. Hier ift der Strom noch vereinigt, 
der fich unterhalb in die 3 Hauptarme theilt, an deren füdlichz 
ſtem Peſchawer erbaut ward. Nur felten wird diefer Kabulſtrom 
einmal abwärts befchifft; zum Waarentransport dient er nie, wol 
aber gefchieht es zuweilen, daß ſich Mecca-Pilger von bier einem 
geringen Nachen anvertrauen, und abwärts durch den Indus bis 
zu feiner Mündung fohiffen. 

Auf den Vorbergen um Muchni, am Nordufer, muß man 
den Pag der Momund durchziehen, einer rohen Horde, den 
Khybers vergleichbar, doch weniger freulos, die fich mit einem 
Durchgangszoll abfinden läßt. Dann wird der windende Kabul: 
firom zum zweitenmal überfegt, wo er, nur 120 Schritt (Yard) 
breit, zwifchen 2000 Fuß hohen Felsklippen hindurch vaufcht, vol 
Wirbel und gefahrvoller Stellen if. Auc an feinen Südufer 
über Dufa und Huzarnow, find wieder befshwerliche Bergs 
pälfe, von deren Höhen reisende Blicke in das vomantifche Thal 
ſich eröffnen, in welchem aufwärts, den fihlängelnden, infelreichen 
Strom entlang, in äußerfter Ihalferne der Spisthurm von Jel— 
fallabad fich auszeichnet. Ueber diefem aber feige gegen Suͤ— 
den der Sufaid Kho (Sufued Kho, d. bi der weiße 
Berg) empor, fihon nah Sultan Babers PVerficherung 7%) 
fo genannt, weil der Schnee auf feinem Gipfel nie wegfchmilzt, 
und höchft merkwürdig als das nördlichfte Vorgebirge, mit 
welchem das lange Solimangebirge (Salomonsberge) 
an dem höchften Nordende plöglich abftürzt. Im Norden des 
Kabulſtroms aber erhebt fi) der majeftätifche, hohe Kooner 
(Eoond heißt bei Elphinftone der höchfte nördliche Gipfel, 


7%) Sultan Baber Mem. p.142. 
Ritter Erdkunde VIT, P 


226 Weſt-Aſien. I Abfchnitt. $. 4 


deſſen Suͤdabhang Kooner genannt if), der nach der Afghanen 
Sage die Arche Noah tragen fol. Da ihn ewiger Schnee 
deeft, fo ift er wol fehr hoch (bis 15,000 Fuß, wenn die ewige 
Schneegrenze, nah A. Burnes Beobachtung, hier im 
Hindu Khu etwas über 13,000 8. Engl. auffteigt, oder = 12,195 
Fuß Par.)*). A. Burnes fagt: diefer Kooner heiße auch 
Nurgil; dies febeint aber wol ein Irrthum zu fein, denn 
Sultan Bader unterfiheidet am untern Kamehftrom die 
Tumans oder die Gauen, Kuner und Nurgil, und fagt, je 
ner liege im Often, diefer im Weften ’% feines Ausfluffes zum 
Kabulſtrom, wie beide Ortfchaften, nach denen die Gipfel wol 
genannt find, auch ganz richtig auf Al. Burnes Map angeges 
ben find. Den Kamehftrom laßt er durch Kaferiftan aus 
drei Armen, dem Cheghansferai, offenbar dem Weltarm, 
dem Baran und dem Baluf zufammenfließen, die dann verz 
einigt an Kameh vorüberziehen. Diefe Localität wird von Suls 
tan Baber mit befonderer Aufmerkfamfeit befchrieben, weil nur 
4 Farfang über dem Orte, der dafeldft Kuner genannt ift, ein 
gelehrter Mosleme, Emir Syed Ali von Hamadan, feinen Tod 
fand, dem feine Schüler dafelbft ein Manfoleum erbauten, das 
der fromme Sultan felbft im Jahre 1514 befucht hatte; er fand. 
dafeloft fihöne Anpflanzungen von Orangen und Eitronen 
in Menge- Das Thal bei Kuner aufwärts heißt Dereh Nur 
(Licht-Thal); es wird vom Fort Kuner am Eingange beherrfcht. 
An der Tiefe liegen Neisfelder, es ift nur auf einer Kunftftraße 
zu pafliren. Cs hat noch die Früchte des warmen Climas (Ger- 
mafir), felöft einige Dattelbäume ftchen noch da, und Chob 
Amluk (von den Turks Karayemufch? ob etwa Bananen?), 
deren Frucht hier noch reichlich, aber fonft nicht weiter, vor: 
fommt. Die Neben diefes Dereh-Nur ranfen bis in den Wir 
pfel der Bäume, ihr Wein ift aber dem Ruhme deſſelben nicht 
gleich. Etwas oberhalb am Anfange dieſes Thales, bemerkt zu⸗ 
letzt noch der Sultan, gebe es einige Affen in den Bergen, de— 
ren er ſo viele tiefer abwaͤrts nach Hindoſtan geſehen, aber wei— 
ter aufwaͤrts gegen Weſten keine. Hier alſo waͤre nach ihm 
die Affengrenze Hindoſtans zu ſetzen. Heutzutage wird das 
Kuner Thal von dem eigenthuͤmlichen Volke der Deggauns 





»275) Al.Bornes Trav. II, p,241. 7°) Sultan Baber Mem. I, e, 
p. 143. 144. 


Hindu Khu, Hinaufweg nach, Sellallabad. 227 


bewohnt 7), die dadurch befonders merkwürdig find, daß fie einft 
über den größten Theil des nordöftlihen Afahaniftans verbreitet 
waren, gegenwärtig aber nur auf das Kunerthal und einige Thaͤ— 
ler von Laghman eingefchränft find, und dafeldft ihre eigenthuͤm— 
liche Sprache, das Laghmani, erhalten, welche dem größern 
Theile nach aus Sanskrit befteht, aber mit Perfifch gemifcht ift, 
und dabei auch viele noch unbekannte Wörter enthält. Sie gehören 
alfo noch zu den Stämmen der Hindus, auf der Weftfeite des 
Indus, deren genaueres Studium für die Gefchichte der älteften 
Brahmanenpopulation in Indien hoͤchſt Iehrreich fern würde, 
Wir halten fie für Nefte der antiken Paropamifaden 7), Ihr 
Oberhaupt, Syud genannt, ift Eug, genießt Anfehn, zahlt Triz 
but an Kabul und ftellt 150 Reiter im Kriege. 

Sn der Lage eines benachbarten, ifolirten, fehwerzugänglichen 
Felökegels, Näogi genannt, der auf feinem Nüden Kornfelder 
trägt und Wafferquellen hat, um eine Garnifon zu herbergen, 
‚und an 8 Stunden gegen S.W. von Bijore entfernt iſt, wollte 
Al. Burnes das berühmte Aornos, die Vogelsburg, Aleranz 
ders wiederfinden, was aber nicht gut möglich ift 79), da diefe 
nicht weit von Embolima am Einfluß des Kabulſtromes zum ns 
dus lag. R 

Die Vörberge um Muchni am Nordufer des Stromes wa: 
ren Sandftein®0), auf den Paßhoͤhen zeigten fib Quarz: 
gänge; die Klippen in der Tiefe des Kabulbettes, beim Leber: 
gang, waren Sranitmaffen;z die Berge von Dufa am Suͤd— 
ufer Glimmerfchiefergebirge, mit fenkrecht emporgerichtes 
ten Schichten; überall mit trefflicher Weide für Schafe und 
Pferde bedeckt, mit duftenden Kräutern bewachfen, mit haufigem 
ginfterartigem ‚Strauchwerf (Broom, d. i. Genista) und andern 
Gewächfen, die zum Mattenflechten und zum Dachdecken dienen. 

Ehe man von diefen Höhen von Huzarnow in Sells 
allabads Tiefthal eintritt, muß eine Steinmwüfte durchfegt 
werden, die Deſcht oder Buttecote heißt, berüchtigt durch den 
peftilenzialifchen Wind, Simum genannt, der hier zwifchen 
Schneegebirgen zu beiden Seiten, im Sud wie im Nord, in der 
heißen Sommerzeit vorherrfcht, und den Wanderer erftarren, ge⸗ 





27) M. Elphinstone Acc. p. 98, 318. "8) Ueber Alezanders Feldes 
zug ©. 9, ’») chend. ©, 35. s0) Al. Burnes Trav. I. 


P2 


228 Welt Aften, I Abſchnitt. 9. 4 


fühllog machen, ja haufig fogar tödten fol. Auch Pferde 
und andere Thiere werden von feinem Pfeil getroffen. Das 
Fleiſch erweicht und fault fehnell, die Haare find leicht zu ent— 
wurzeln. Diefer Peftilenzwind ift im höhern Sande gänzlich uns 
befannt, nur glücklicher Weife auf diefe Strecke von Buttecote 
beichränft, die man daher im Sommer ganz vermeidet, oder nur 
nach Sonnenuntergang in der Nachtzeit zu durchfegen wagt. 
Unter einer Karawane von 40 Mann, wird oft nur einer tödt- 
lich getroffen; wenn man ihm fehnell Waſſer eingießt, eine Pie 
ſtole vor den Ohren losfihießt, oder durch Feuerbrand reizt, foll 
er curirt werden. Manches mag bierbei wol Lebertreibung ſeyn. 
A. Burnes erlebte hier, an derfelben Stelle, wo von zwei ent 
gegengefegten Niefenbergen die heranzichenden Luftzuͤge ſich über 
dem heißen Ihale begegneten, furchtbaren Staubfturm. Nahe 
gegenüber auf dem Nordufer des Kabulftromes, wo ſich der Kaz 
meh in ihn einftürst, zeigte man in den IImgebungen des Dorfes 
Bufful viele in Felſen gehauene weitläuftige Höhlengrups 
pen, mit von einander gefchiedenen Cingangen in der Größe wie 
Thorwege, die wahrfcheinlih zu chen fo, vielen Troglodytene 
Dorffhaften führten, die man den Kafern als ihre ficherften 
Wohnungen in allen Zeiten zufchreibt, Zu Al. Burnes Zeit, 
waren fie noch nicht näher unterfucht; fie ftehen 3°) wol ficher 
mit den grandiofen Denfmalen der Dagop's in näherer Bezie— 
hung, die ganz Fürzlich erft auf der Südfeite des Kabulftroms in 
den Umgebungen’ von Jellallabad und dem Sufaid Kho ent: 
deckt find. Aber auch an der Nordfeite des Kabulſtromes, 
weiter aufwärts an ihm, nördlid von $ellallabad in dem 
Gebirgsgau Yaghman, follen, wie man Al. Burnes fagte, merk— 
würdige Denfmale vorhanden ſeyn, unter denen man vorzüglich 
das Grabmal Metur Lam’s’?) (Noahs Vater, Lamech) aus 
der Kafer Zeit nannte, der von den Korandienern für einen der 
drei größten Propheten oder Heiligen ausgegeben wird, und bier 
am Fuße des Berges mit der Arche ruhen fol. So lächerlich 
diefe Uebertragung mofaifcher Genealogien auf den indifchen Orient 
auch Elingen mag, welche wol Budohiftifchen angehört, fo zwei: 
feln wir doch nicht daran, daß dort ein merfwärdiges Denkmal 
zu entdefen feyn wird, da wir aus Maffons Nachforfchungen 





* Dr.J. G. Gerard Memoir en the Topes I. c. b. Prinsep Jonrn. 
DI. p. 325. *?) Al. Burnes Tray. I, p. 122, 





Hindu Khu, Jellaltadads Denkmale. 229 


willen 8), daß er daſelbſt ſchon cine große Heerſtraße entdeckt 
hat, die von Jellallabad aus, am Nordufer des Kabulſtromes 
und ſeiner noͤrdlichen Seitenarme hingeht, uͤber Lughman oder 
Laghman (Lamghan bei ©. Baber), Taghow, Nijrow 
und Khwojeh Khedri zum Zuſammenfluß der Punjſchir 
und Ghorkund-⸗Arme, wo er die Trümmer einer ſehr großen 
antifen Stadt auffand (cd Nicaea? wenn dies nicht das heutige 
Kabut war, f. über Aleranders Feldzug a. a. O. ©. 26), und 
jene Plaine um fie her, welche heut zu Tage Beghram heißt, 
die mit fo vielen Tauſenden (jährlich ctrwa 30,000 die dort ge: 
funden werden) von antifen Münzen überfireut if. Sultan 
Babers) nennt ebenfalls fhon jenes Grab des Sanctus Cam; 
es liege im Diftrict oder Tuman Aliſcheng, wie noch ein Ges 
birgsftrom aus dem Hindu Kho heißt, der zum Kabulftrom fällt, 
Der Sultan fagt, Lam heiße auch in den Hiſtorien Lamek, 
und Lamekan, und daher werde, weil die dortigen Cimwohner 
das Kaf in den Laut Ghain verwandelten, der ganze Gebirgegau 
wol feinen Namen Lamghan (d. i. jest Laghman) erhalten 
haben. 
Sellallabad umgeben ganz nahe, wie Al. Burnes er: 
fuhr, fieben hohe thurmartige Bauwerke, Topes oder 
Dagopas (f. ob. ©. 113), die fehr alt ſeyn folfen und in der 
zen Umgebung man eine fehr große Menge von Kupfermünzen 
findet. Nah M. Honigbergers dort gemachten fpätern Auss 
grabungen S5) ftieg aber ihre Anzahl daſelbſt zwifchen dem Ka— 
bul Deria und dem Surfh-rud bis auf 30, von denen weis 
ter unten bei den analogen Enbuliftanfhen Dentmalen die Rede 


ſeyn wird. 


Die heutige Stadt Jellallabad ift an ſich elend, ein Bazar 
mit nur etwa 50 Butiken; eine Population von etwa 2000 Be: 
wohnern, deren Zahl fih aber im Winter verschnfacht, weil im 
Sommer Alles auf den fühlern Höhen umberfchweift. Es iſt der 
Eis eines Chefs. Der Kabulſtrom zieht nur zehn Minuten vor 
der Stadt vorüber, ift 150 Schritt (Yard) breit, aber nicht furthe 





83) Chas. Masson Memoirs on the Account of Coins found at Be- 
shram in the Kohistan of Kabul in Journ. of As. Soc. ed. Prin- 
sep Yol. lll. p. 153 etc. s4) Sultan Baber Mem. p. 143. 

25) W, Jacquet Notice sur les Decouyertes archeol. faites par M. 
Honigberger etc. in Journ. Asiat. 111 Ser. T. Il, Sept. 1836. 
p+ 270. 


230 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. $. 4, 


bar. Die Schneefetten im Morden und Eden der Stadt 
geben ihrer Lage etwas fehr eigenthümliches. Die füdliche, naͤm— 
lih das Nordende der Solimangebirge, oder der Sur 
faid Kho, wird hier häufiger Najgul (wol Raj⸗-ghur, d.h. 
Königsberg; im Pufchtu heißt ee Spin-ghurs6), welches 
weißer Berg bedeutet) genannt; weiter oftwärts nimmt die Höhe 
des Bergruͤckens ab, und verliert fchon, che er das Dorf Dufa 
erreicht, das Schneefeld, das aber auf dem Sufaid Kho nie 
fchwindet, daher Al. Burnes feine Höhe auf 15,000 Fuß fchägt. 
Der hohe Nurgil (d. h. Lichtberog) liegt, wie fihon oben ers 
wähnt ward, 12 Stunden in N. von Sellallabad, und erft wei⸗ 
ter in Nordweſt defielben fangen die hohen Piks des Hindu: 
Kuſch fih zu zeigen an, 

Ein von Süden aus dem Nordweftgehänge des Sufaid Kho 
herabfommender, wilder Gebirgebach, der Surkh-rud (d. h. 
rothes Waffer), ergießt fih durch das Thal Bala:-Bagh?”), 
das unmittelbar unter den Schnecbergen liegt und noch heute 
mit den fchönften Gärten geſchmuͤckt ift, welche die berühmten 
Pomgranaten ohne Kerne liefern, die nach Indien ausger 
führt werden, in denen die umbefchnittenen Weinreben die 
höchften Bäume, wie 80 Fuß hohe Eichenarten (Lilyoaks?) em⸗ 
porranfen, aber freilich dann auch nur mittelmäßige Trauben 
tragen. Niemand denkt jegt mehr daran, daß diefe Anlage von 
dem Sultan Baber herrührt, der einft fo viele Verdienfte um 
die Cultur feines Reiches fich erwarb. Hier war es, nur wenig 
weftwärts und etwas höher auf, im nächften fteilen Gebirgspaß, 
den er Badam ches meh (d. bh. Mandel:Nuelle) nennt, 
und welcher zur Fefte Adinahbpur am Surfhrrud führte, 
wo er zum erftien Male von Kabul hierher vordringend, von der 
Schönheit und Neuheit diefes wärmern Tieflandes, Gers 
mafir (warmes Klima), im Gegenfag des Serdfir (Ealtes 
Clima, nämlich der hohen Kabulterraffe) überrafcht wurde, mo 
er, wie wir oben bemerften, alles fo ganz anders fand. Nan— 
genhar®), d. h. die 9 Ströme, wird diefe warme Thalfen: 
tung genannt, weil fih 9 Schneebäche aus den Hochthälern des 
Sufaid Kho hier in fie hinabgiegen und fie reichlich bewäffern, 





»**) f. M. Elphinstone Map ei san und deſſ. Account p. IOO. 
»7) Al. Burnes Tray. I, p. ®*) Sultan Baker Mem. 
p- 41-143, 


Hindu Khu, Hinaufweg nah Kabul. 231 


die von dem größten derfelben dem Surkh-rud gefammelt, ober: 
halb Zellallabad in den Kabulftrom abgeleitet werden. Hier, 
fagt er, dem Caſtell Adinahpur im Süden, gegenüber auf einer 
Anhöhe legte er, im Jahre 1508, den großen Park (Charbagh) 
an, welcher den Namen Baghe Vafa (d.h. Garten der 
Treue) erhielt. Man überfchaut aus ihm den Flußlauf, der 
zwiſchen dem Caſtell und dem Palafte hinzieht. Als er, 1524, 
Lahore erobert hatte, verpflanzte er in diefen Baghe Vafa- die 
Banane und das Zuckerrohr (f. Wien IV. 1. ©. 884), die 
dort beide fehr gut gediehen. Bei der hohen Lage ift der Winter 
dafelbft doc) noch fehr gemäßigt. Um das MWafferbaflin wurden 
überall Orangendäume und Pommgranaten gepflanzt, und grüne 
Klcewiefen angelegt, fo daß das Auge an dem Saftgrün und den 
Goldorangen, wenn fie reiften, die größte Erquieung. fand. Im 
Suͤden diefes Gariens fteigt der Sufaid Kho, der Schneeberg ems 
por, der nie feinen reinen Schmuck verliert. Zwiſchen ihm: und 
dem Gartem ift immer noch Raum genug für eim großes Lager. 
An dem Berggehänge find viele, fehöne, luftige Lagen, und. die 
Waſſer fo frifch,. daß fie im Eommer nicht erft abgefühlt: zu: wer: 
den brauchen. Der Surfhsrud kommt felbft vom: Schneeberg 
herab. Das Fort Adinahpur liegt auf einer ifolirten Berghöhe, 
die fi” an 40 bis 50 Geez (über 100 Fuß fenfrecht) über dem 
Strom erhebt, und ift fehr fell. — So weit des Sultans: eigener 
Bericht, der ausdrücklich bemerft, daß vor ihm die vielen Kos 
tuls, oder Päffe, welche durch diefe Gegend führen, beftandig. 
durch die Raubüberfälle der Afghanen : Tribus unficher- gemacht 
worden fenen, bis er, entlang diefes bis dahin unbewohnt geblies 
benen Bergweges 39), an der Straße hin die Karatın anſie⸗ 
delte, wodurch fie erft eine fichere Reiſeroute ward.. 

Heut zu Tage fieht man den Ort Gundamuf am Surkh⸗ 
rud, der in derfelben Rocalität ber dem genannten Caſtell liegt, 
als die Grenze®) des heißen und Falten Landes an. Auf 
jener Seite, fagt man, ſchneie es, wenn es auf diefer regne, und 
aud Al. Burnes bemerkte, daß hier (auf einer abfeluten Höhe 
von etwa 6000 Fuß über dem Mieeresfpiegel, denn Kabul, die 
Stadt, liegt 6200 F. Par. hoch) 21) ſchon die ganze Natur eine 
andere Phyfiognomie annehme. In Zellallabad war (Ende 


3%) Sultan Baber Mem. p. 140. »°) Al, Burnés Trav. I. p. 124. 
»!) Al. Burnes Trav, Il. p. 240. 


232 Welt Mien, J. Abſchnitt. 5 4, 


April) der Weisen fehon gefchnitten; nur 10 Stunden weiter, 
über Gundamuf, fand er erft in Saat 3 Zoll hoch, auf den 
Wieſen zeigten fich hier die weißen Gänfeblümchen (daizys); Na; 
delholzwald deckte hier die Höhen bis nahe 1000 Fuß, nahe 
zur Schneegrenze. Der Neifende muß hier fein leichtes In— 
difches Gewand mit warmer Wollkleidung -wechfeln. Bei Guns 
damuk ift der Nimla in öder Bergumgebung ein gut cultivirter 
Obſtgarten, mit den fchönften Blumenparterren, in dem die Lilien 
und Narciffen in voller Blüthe prangten (29. April), wo alle 
Obſtbaͤume durch Pfropfreifer veredelt waren. Er ift durch das 
Schlachtfeld, in dem er liegt, berühmt, weil hier Shah Shuja 
al Muluf, König von Afghaniftan, der Freund der Briten, an 
deffen Hofe zu Kabul M. Elphinſtones Gefandtfchaft kurz 
vorher fo feierlich empfangen war, noch in demfelben Jahre, 
1809, durch innere Parteiungen feine Krone verlor, an feinen 
Bruder Mahmud Schah, der ihm den Thron entriß und von 
deſſen Vizier Futtch Khan noch auf demfelben Schlachtfelde, vom 
faiferlichen Elephanten herab, ale Schah von Afghaniftan 
proclamirt wurde. Dies ift der Anfang >92) des feitdem erfolgten 
Berfalls des großen Afghanen Reiche; der ganze Juwelenſchatz, 
den der Schah mit in den Krieg genommen, ward eine Beute 
der Sieger und ex felbft rettete fich nur duch eine Flucht in die 
benachbarten Khyberberge. Ueber dem Schlachtfelde ſteigt man 
auf Reſten alter Runftfiraßen, die einft von den Groß: Mos 
ghulifchen Kronprinzen, die gewöhnlich anfänglich Gouverneure 
von Kabul waren, zum Hochlande gebahnt wurden (Sultan 
Baber befchreibt hier dreierlei Wege, die man von Kabul in 
das Germafir nad) Zellallabad nehmen koͤnne) 82), an Troglo— 
dytenhöhlen vorbei, über Jugduluk, auf oͤdem, dürrem, 
rothem Boden, und hat die obern Zuflüffe des Surkh-rud, die 
aus den Schneefeldern herabrinnen, auf Brüden mehrfach zu 
überfegen, bis die Hochs Terraffe von Kabuliftan erreicht 
ift, auf welcher nun der Weg gleihmäßiger zur Hauptftadt führt. 
Hier ift es, wo ſich im Lande wie beim Volke, alle Formen des 
heißen Indiſchen Tieflandes völlig verlieren. As. Al, Bur: 
nes hier Ende April campirte, begegneten ihm die erfien Wan— 
der-Tribus des Plateaulandes, Ghiljis, ein Afghanens 





#»?2) Al. Burnes Sketoh of Events in Afghanistan since the Year 
3809 in Trav. II. p. 299, 9?) Sultan Baber Mem, p. 142. 





Hindu Khu, Hochterraffe von Kabul, 233 


ſtamm, mit ihren Iaufenden von Schaafen, die fie in Heerden, 
nach der Echneefihmelze, vor fich her dem Hindu Kufch zutries 
ben, wo ‚fie den Sommer über auf der Weide zubringen. Die 
Männer trieben die Schafe voran, die Jugend folgte mit den 
Laͤmmern nach, alte Widder oder Ziegenböce waren die Leiter. 
Der Jubel der Kinderfchaar vermehrte das romantifche diefer Pas 
fioralfeenen. Das Hausgeräth folgte auf Laftthieren nach, dun— 
kelſchwarze und braune Zelte wurden aufgefchlagen; Weiber, wohls 
gekleidete in Nägelfchuhen luden die Kameele auf und ab. Das 
active Wanderleben des Hochlandes von Iran hatte feinen Anz 
fang genommen, das paffive, feftgeficdelte, contemplative Stilk 
leben Hindoftans war nun völlig dem Auge entrüdt, 


Erläuterung 3. 


Die Hoch-Terraſſe von Kabuliftanz die Stadt Kabul 
(Kaßovge b. Ptol.)®). 


Zwiſchen dem mächtigen Hindu Khu im Norden, vom 
hohen Coond in Oft an, über ven Hindu Kuſch bis zum 
Koh i baba, ſuͤdweſtwaͤrts hinaus, und dem fihneehohen Su: 
faid Kho im Süden, breitet fih das obere Stufenland 
des Kabulftromes mit feinen Duellfirömen aus, deffen füds 
lichfter von der Hochebene Ghiznis (Ghazna, Sig der 
Ghaznaviden, f. Afien IV. 1. ©. 532) erſt nordwärts nach 
Kabul fließt, dann mit dem Sirchuſchma Waffer (f. oben 
©. 197) dem Kabulftrom vereint oftwäarts zieht, und die 
vom Norden herabfommenden Ghorkund, Punjſchir und an: 
dern Hindu Khu-Zuſtroͤme aufnimmt, um fich durd) die Klippen 
Sellallabads für immer der Tiefe des Ynduslandes zuzuwenden. 

Auf diefen hydrographiſch wohlumgrenzten Sandftrich, faft 
ringsumher von Hochgebirgen umkränzt, in feinem Innern aber 
nur mit-mancherlei Bergzügen von unbedeutenderer, relativer 
Höhe”), ift die Hoh:Terraffe von Kabuliftan beſchraͤnkt, 
welche gegen Sud in die Hochebene von Ghizni (Ghazna), ges 
gen SW. in die Hochebene von Kandahar übergeht, die 
alle drei gefonderte Theile Afghaniftans bilden, aber insge: 
ſammt zu einer und derfelden hohen Plateaumaffe gehös 





94) Ueber Alexanders Feldzug ©. 14, 26. 9°) M. Elphinstone 
Acc. p. 104 — 106. 


234 Weſt-Aſien. J. Abfchnitt. 5. 4. 


ren, mit deren Hochebenen hier das erhabene Oſt-Iran feinen 
Anfang nimmt, Die Hochebene von Kabul fiheint unter 
diefen Länderftufen die niedrigfte zu fenn. Kabul, die Stadt, iſt 
6200 Fuß Par. Ib. d. M. (6600 F. Engl.) nah Al. Burnes 
gelegen ; zugleich ift fie die lieblichfte und gefegnetefte. Das Pla: 
teau von Ghizni ift das höchfte und fältefte; das von Kans 
dahar hat wegen feinee Nähe an den weltlichen Sandwuͤſten 
bei kuͤhlem Himmel zugleid die Plage der Gluthwinde. Kabul 
und Kandahar waren zur Zeit der Mongholenherrfchaft die 
Mittelpuncte zweier Subahs°%), die von ihnen den Namen 
trugen, fie waren wie vor 800 Jahren Ghazna die Nefidenz der 
Ghaznaviden, fo in neuerer Zeit die Nefivenzen der Afghanen 
Schahs geworden, bis fie in jünafter Zeit wieder zu Sigen zer 
fpalteter Häuptlinge der Afghanen-Stämme wurden. Kabul war 
durch Sultan Baber der glänzendfte Ausgangspunct des Groß» 
Moghulifchen Neiches geworden (f. Afien IV. 1. ©. 621). Durch) 
M. Elphinftones Beobachtungen an Ort und Stelle (1809) 
erhielten wir nach G. Forfters?”) erfter Durchreife (im Jahre 
1783) die wichtigften, authentifhen Nachrichten über diefe Locas 
fität, welche neuerlich durch Al. Burnes (1832) fehr lehrreich 
ergänzt. iſt; wir laſſen ſie nach einander folgen, da fie unter ganz 
verfchiedenen Zeitverhältniffen gemacht find, finden es aber nicht 
weniger lebrreih auch auf Sultan Babers interellante Ber 
fehreibung von Kabul zurüczubliden, die er als Sultan von 
Kabul, oder Padiſchah wie er fich felbft titulirte, wahrfcheins 
lich im Jahre 1308, in feinen Memoiren niederlegte®), weil in 
ihnen viele Puncte Licht geben, felbft noch über ihren gegenwärtis 
gen Zuftand. 

Kabul liegt dem Koheftan, d. i. dem Südabhange des Hinz 
dusKhu von jenen drei genannten Hochebenen zunächft, und ift 
dahinwärts Bergland; aber gegen Südweft und Sud, wo die 
Terraſſe allmälig auffteigt, exrfcheint das Land) nur offen mit 
freiem Horizont. Flachhöhen (wavy plain) von öden Felsftrichen, 
Klippen, Sand und Kiesflächen durchkreuzt und durchzogen. Das 
zwiſchen nicht gerade unfruchtbarer Boden, aber, wo feine Quels 
Ien, trodne Steppen und Grafungen, und was fogleich den Cha— 





#°°) Ayeen Akbery T. II. p. 157, 161—171. °”) G. Forster 
Voyage du Bengale à St. Petersbourg ed. L. Langles. Paris 1802 
8. Vol. II. p.64 ctc. 26) Sultan Baber Mem. p. 136 — 157. 7, 

»») M. Elphinstone p. 121. 


Hindu Khu, Hochterraffe von Kabul. 235 


racter des Hochlandes verfündet, Mangel an Hochwald, 
felöft an Unterholz; nur geringes Bufchwerf und dorniges Ge: 
ftripp zu Kameelfutter. Nur wo Wafferlauf, wo einzelne, frucht- 
bare, geſchuͤtzte Ihäler, da muchert der Mandelbaum, ein 
Charactergewächs von Afghaniftans Plateau, aus den Felsfpalten 
hewor. Die Flüffe, weiche vom ©. her dem Kabulftrome zueis 
len, find verhältnigmäßig an Wafferfülle unbedeutend gegen die 
Nordzuflüffe aus dem Hindu Khu; ſelbſt der größte unter ihnen, 
der von Ghizni, das 13 geogr. Meilen im Süden von der Stadt 
Kabul entfernt 4%) Tiegt. 

Kabul hat eine höchft eigenthümliche Lage, die von der 
Configuration des Terrains und von der Weltftellung abhängig 
ift, und im ganzen Orient die größte Aufmerkfamfeit auf fich zieht. 
Sm N. und. ift es geſchuͤtzt vom indischen Kaufafus und dem 
Paropamifus, die dem weiten Ihale reichlihe Waffer zufenden, 
auf einer Mittelftufe zwifchen dem hohen Afghaniftan und 
dem tiefen Indoſtan; doch ift es wol um das Doppelte höher ges 
legen, als die Vorftufe von Pefchawer. Wie Kabul der Kreuz: 
weg (trivium, ſchon Strabo braucht hier recht bezeichnend das 
Wort, zolodog) der große Durchgangsort zwifchen Perfien und 
Indien, ran und Turan, oder dem N. und ©., und dem 
Drient und Dccident, der wichtigfte Mittelpunct des Verkehrs für 
ganz Mittel-Afien ift, fo ift auch hier ein Wechfel der Atmosphäre, 
ein Verein des Himmels und feiner mancherlei Gaben auf dem 
Eleinften Naume, beifammen; ein Terraffenelima im größten 
Style. In Kabul herrfcht ſchon das Trockenclima von Perfien 
vor, aber bis dahin wandern auch vom Oſten her die äußerften 
Vorläufer ) der Monſoonwolken, welche hier nur erquicfende, 
feine zerfiörende Negengüffe bringen, und im übrigen ran uns 
befannt find. Die Kälte Hoch-Aſiens ſchuͤttelt die Schneeflocken, 
welche man im D. des Yndus nicht kennt, über alles Hochland 
aus im W. von Kabul bis zum Hellefpont. In die tiefern Flu— 
ren des lieblichen Kabulthales finkt jedoch Fein Schnee hinab, 
aber regelmäßig um kraͤnzt er zur Winterszeit in der Nachbars 
fchaft alle Höhen 2). In den Bergen fällt er im September, 
in den Hochthälern im November; nach Sultan Baber nicht 


400) Col. J. Malcolm History of Persia. London 1815, 4. T. I. 
 p. 314. !) Elphinstone Cabul p. 130, 132 u. 139. ?) Ayeen 
Akbery T. II. p. 171, 


236 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 5. 4 


weiter oftwärts als um Badam Cheſchmeh, nach Abul Fazit noch 
bis zu den Khyberbergen. In Kabul fallen mit dem Kei— 
men der Blüthen die befruchtenden Mairegen, die im öftlichen 
Afien fehlen; bier it Frühling mit jungem Laub und Blu: 
menteppichen, wie in Europa, deſſen Reize in Indien ımbefannt 
find. Hier ift feine fchwäle Sommerluft wie am Ganges; reine 
Alpenluft, europäifhe Winter mit Schnee und Eis und frifches 
Bergwaffer. Die Kälte (unter 34° N.Br.) ift anhaltender, als 
3. B. in England, der Sonnenftrahl eindringender in der reinen 
Atmosphäre; der Wechſel der Jahreszeiten beftimmt, plößlic), 
fehr heftig. 

Die Terraffenbildung bringt überall im kürzeften Raume 
und in fürzefter Zeit die größten Contrafte einander nahe. Ohne - 
die romantifche Erdoberfläche von Kaſchmir, ift hier deſſen Alpens 
natur in der Mitte Afiens oder vielmehr an einem feiner wirt 
famften Indifferenzpuncte, wo alle Gegenfäge ſich ausgleichen, 
zumal die der Puftregionen. Das Land ift eine Bermittes 
Iungsftufe (throughfare) für die Erdregion des Orients, und 
in der Gefchichte feiner Bewohner der Schauplag eines merkwuͤr⸗ 
digen, dauernden Wirbels und MWechfelzuges der Völker. Kabul 
ift der erfte, öftliche, europaifche Obftgarten im aflatifchen Orient, i 

Ale Beobachter im Lande?) beftätigen es, daß hier ein 
merfwürdiger Wendepunet für die Afiatifche Yandesnatur, daß bier 
eine natürliche Scheidewand zwifchen Oft: und Welt: Afien fey. 
Reiter im D. beginnt das von dem übrigen Gontinent abges 
fhloffene, in fich felbft gefehrte, charakteriftifch von aller übrigen 
Melt verfhiedene Land und Menfchengefchlecht. Weiter nach W. 
zu, liegt bis zum SHellefpont und zum Mittelmeere, der Occident 
von Alien, der dem Europäifchen Continente zugewendet iftz auf 
den diefer als auf das Europäifche Afien, aleichfam in Allem dem, 
was er durch ihn überfommen, angemwiefen ift. Amerika ift in 
der That durch den atlantifchen Ocean, der Weltftellung nach, 
faum weiter von Europa abgefpalten worden, als es Vorder Afien 
der innern entzweienden Natur nad) von Hinter: Afien ift, wo 
eben um die vermittelnde Stufe von Kabul, nad D. hin, das 
hohe, unwirthbare Turan und das alles in feinem Bereiche Ban: 
nende und geftaltende Indien beginnt. Es wirkt hier im Gros: 





*0°) Ayeen Akbery. T. Il. a. a. D.;5 Zieffenthalee Hindoft. p. 43. 
G. Forster Voy. T. U. p. 65 u. v. a. 





Hindu Khu, Hochterrafie von Kabul, 237 


Ben, jenes eine abftogende, dieses eine anziehende Kraft im hiſto— 
rifchen Sinne auf die Menfchengefchlechter aus, von der fein anz 
derer Erdtheil eine ähnliche, in demfelben grandiofen Style aufs 
zumweifen hätte. Die Iuftigen Grenzböhen von Kabul find die 
indifferenten Zuglinien für die Völker, die nicht feifeln, auf de: 
nen die dee des Vaterlandes und der Heimat feine Gewalt über 
den Menfchen ausübte, faft fein Monument eine locale Dauer 
von Bürgerz, Staats: und Cultur-Verhaͤltniſſen verkündete, 

Nicht fern von hier. beginnt der allgemeine Zug des inte: 
reffes der Menfchen und Toͤlker nach dem Weften, dem Occident, 
der in Indien nie zur Spade kam, ein Wechſel der Dinge, eine 
Unruhe, ein Suchen nach einem unbefannten Gleichgewichte, nach 
einer Ausgleihung des Mangels und des Ueberfluffes u. f. w., 
durch welches auch alle Productionen der Natur (fo 5. B. Wind: 
ſyſteme) wie die der Menfchen in die weite Welt fich verbreitet 
haben, da im Gegenfage in jenen öftlihen Landen nicht nur den 
Menfchen das Wandern durch Natur, Sinn und Gefes verbo: 
ten, fondern auch die Verbreitung der eigenthuͤmlichſten Natur: 
productionen unter andere Zonen und auf andere Erdflächen 
durch die Naturgefege ſelbſt unterſagt war (ſ. Verbreitung der 
Gewaͤchſe). 

Von Kabul an beginnt ein neues Gebiet von Aſien, das 
dem von Perſien, Angtolien, Arkadien, Hispanien und dem El 
Maghreb verwandter iſt, und wahrhaft naͤher ſteht als den In⸗ 
dus- und Ganges; Ländern, wenn ſchon die Landkarte für ſolche 
Characteriftit der Erdoberfläche feine Sprache hat. In diefer Hinz 
fiht koͤnnte man wol mit Recht, wie oben fagen, hier beginne 
das Europäifche Afien als das Gebiet einer neuen Erdregion und 
Aſien beftche eigentlich aus zwei Erdtheilen, der Phyſik und der 
Gefchichte nad). 

Die Stadt Kabul. Sie liegt, nah Al. Burnes Ob: 


- ferwation %), unter 34° 24° 5" N. Br., 71° 33° D.2. v. Gr. (71° 


45° b. Elphinſt.), ‚auf einer Hochebene 6200 Fuß Par. (6600 F. 
Engl.) üb. d. M., nach dem Therinometer beim Siedepunct, wo 
jeder Grad zum Werth von 6009 Fuß Engl. gerechnet iſt ). Ih— 
ten Namen Kupoiga bei Ptolem. erhielt fie, weil fie im Perfiz 
fhen Kaarbur oder Kaabur®), fpäter Kabul genannt ward, 





*) Al. Burnes Notice in Trav. II. p. 147. 5) ebend. p. 240. 
*) Günther Wahl Oftindien, Hamburg 1807, & Th. IL. € art uf. 


238 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. 9. 4, 


nach dem Zendnamen Kereverreante, der urfprünglich fo viel - 
als „Niederlage der Waaren,“ d. i. Emporium bedeu— 
ten fol. Es fcheint diefer Name Kabul mit Sabul, Sa— 
buleftan, Sableftan zufammenzuhängen, was fo viel als Kas 
rawanenftraße, oder fand der Paffage heißen foll; eine 
Benennung, die noch jeßt für das Land zwifchen Kabul und 
Herat gilt. Wirklich fagte man Al. Burnes, in Kabul, dem 
diefe Etymologie, welche Günther Wahl mittheilte, unbekannt ges 
blieben war, die Stadt habe vor alten Zeiten Sabul oder Za— 
bul geheißen. Auf jener hohen Ebene hat der Kabulfluß, der 
die Stadt durchzieht, auf eine Engl. Mile 50 Fuß Gefälle, fie 
fteigt auch wirklich gegen Weft fo bedeutend an, daß fie ſchon 
nad) einem Tagemarſch gegen Welt, an der Hauptquelle des Kar 
bulftroms, die Sirchushma heißt, bei der Station Julraiz 
(d. h. fließend Waffer) zur abfoluten Höhe von 8076 Fuß 
Dar. (8600 F. Engl.) fich erhoben hat. Won der Oftfeite herkoms 
mend wird die Stadt fihon 10 Stunden fern von den Höhen 
des Paſſes Lutabund erblickt; vor ihre liegt das Dorf Butkhak, 
von dem die Sage geht, hier habe Sultan Mahmud das Soms 
nath Idol (But wird jedes Idol genannt, f. Afien IV. 1. 
©. 551) vergraben. Die Stadt) macht von hier einen impos 
fanten Eindrud. Sie ift ungemein belebt, rührig, geräufchvoll, 
obmwol fie nur 60,000 Einwohner zahlt (1832). Ein großer Bas 
zar (Chouchut) an 600 Fuß lang und 30 breit, fehr elegant, 
in vier Abtheilungen gebracht, durchzieht die Mitte der Stadt. 
Sein bemaltes Dach, feine Cifternen und Fontainen find durch. 
die politifchen Unruhen der neuern Zeit leider unvollendet geblies f 
ben. Al. Burnes wunderte fidy über die große Menge der 
Stoffe, der Seidenwaaren, der Tücher in den dortigen Läden, 
Jeder ift Abends durc Lampen erleuchtet. Die große Menge der 
Obſtbuden, zumal mit getrockneten Früchten, fest in Erftaunen. 
Schon im Mai werden Trauben, Birnen, Aepfel, Quitten, felbft 
Melonen feil geboten; Federvieh in Menge; eigene Bazare für 
die Handwerksleute, wie für Schufter, für Papier, für Bücher 
u.f. w. Weder Wagen noch Enuipagen machen die Straßen 
gedrängt; aber überall ftehen die Erzähler und unterhalten das 
Dolf, das in feiner diefen, warmen Kleidung, häufig in Schaafs 
pelzen, als müßte es dadurch erdrückt werden, einhergeht. Aber 


#97) Al. Burnes Tray. I. p. 133 — 164. 


Hindu Khu, Hochterrafje von Kabul, 239 


die rothwangige Yugend fpringt munter umher. Die Häufer 
find alle aus an der Sonne gedörrten Backſteinen zwei Storf 
hoch. erbaut; der Kabulftrom durchfchneidet den dichtgedrängteften 
Theil der Stadt, der bei naſſer Zeit ungemein fothig ift. Die 
Stadt ift in S. und W. durch hohe Felsberge eigefchloffen, an 
deren Oftende die Eitadelle Bala Hiffar liegt, welche die Stadt 
beherrfcht. Sie ficht auf einem DBergrüden wol 150 Fuß erhas 
ben über dem Wicfengrunde der Umgegend, Ein zweites, tiefer 
liegendes Caftell, das auch Bala Hijfar heißt, wird vom Gouvers 
neur, feiner Garde und von 5000 andern Leuten bewohnt, auch) 
ift hier der Königspalaft, an dem verfihiedene der Timuriden Prins 
zen, bis auf Aurengzeb, als, Gouverneure von Kabul bauten; meift 
Gewölbe für ihre Schäge und die Staatögefangenen der jüngern 
Zweige ihres Konigshaufes, die hier Icbenslang eingeferfert zu 
werden pflegten. Die heutigen Verftoßenen der Afghanen Dynas 
ftie ziehen in Armuth im Lande umher, oder leben im Exil von 
Almofen (f. ob. ©. 142). Die große Citadelle ift ganz zerftört, 
in Schutt verfallen, unbrauchbar geworden. In der Mitte des 
X. Sahrhunderts mag fie noch bedeutend gewefen ſeyn; Ebn 
Haukal fagt, zu feiner Zeit fey das Caftell im Befis der Mos 
hammedaner gewefen, aber die Stadt Kabul noch in den Hänz 
den der Unglaͤubigen >) geblieben. Schade daß er diefe Kar 
fir nach ihrer Religion nicht näher beſtimmt; follten e8 die heus 
tigen Kafer, oder Buddhiften geweſen fenn ? 

Das Clima war, Anfangs Mai, fchönfter Frühling, 
als Al. Burnes dort reifete; in Yahore hatten beim Durchs 
marfch die Baume, im Februar, geblühtz in Peſchawer 
fianden fie, im März, in voller Blüthe; eben fo Ende April 
in Kabul. Die herrlichfien Obftgärten, meift in übereinander 
auffteigenden Terraffen angelegt, beftätigen recht das ungemein 
gedeihliche Clima. Wenn ſchon alle benachbarten Höhen 5 Mos 
nate lang mit Schnee bedeckt find, fo bleibt die zwifchenliegende 
gefhüste Ebene doch größtentheils davon verſchont; Mittags 
fcheint die Sonne fehr heiß, die Abende find ftets fühl, nur im 
Monat Auguft fchlafen die Einwohner im Freien auf ihren Bal- 
ons. Die eigentliche Negenzeit fehlt hier fehon, und die Res 
genfchauer find, wie im mittlern Europa, durdy den größern Theil 
des Jahres abwechfelnd vertheilt. Während des Maimonats (1832) 


®) Oriental Geogr. ed, W. Ouseley. Lond. 1800. 4. p. 226. 


240 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 5 4 


ſtieg das Thermometer, nach Al. Burnes Beobachtung, am 
heißeſten Mittag nicht Über 14° 22° Reaum. (64° Fahrh.) bei 
fietem Nordmwind, der vom Schneegebirge herab immer Kühs 
lung bringt, und hier, nad) der Sudbiegung aller Bäume zu urz 
teilen, vorherrfchend feyn muß. Die Obftarten Kabuliftans, 
die weit und breit dur Indien ausgeführt werden, find bes 
ruͤhmt; Datteln fehlen hier freilich fchon ganz (f. oben ©. 226), 
aber Wein giebt es hier fo viel, fagt Al. Burnes, daß man 
drei Monat hindurch das Vieh mit Trauben füttert (2), von des 
nen man 10 verfchiedene Sorten zählt. Kabul ſelbſt ift befons 
ders berühmt wegen feiner Föftlihen Maulbeerren; Ghizni durch 
feine Pflaumen, die dur ganz Indien unter dem Namen 
Bokhara- Pflaumen verkauft werden. Peſchawer durch feine 
Birnen; Kandahar durh feine Feigen u. few. Das 
Steinobſt in Kabul ift ausgezeichnet delicat; alle Obftarten dies 
nen hier mehr als irgendwo, gleich Brot, zur täglihen Nah— 
rung des Volks. Die Aprikofen, 14 verfchiedene Sorten, wers 
den mit und ohne Kern, auf verfihiedene Weife gebaden, ges 
dörrt, in Kuchen u. f. w. zur Speifung aufbewahrt. Die Trauz 
ben werden reif und unreif gebrochen, getrocknet, in Mörfern zerz 
ftampft, zu Traubenpulver, zu fauerlichen Speifen, zur Würze 
von Fleifch verbraucht, oder geröftet zu Brühen, oder zu Traus 


benfyrop, zu Nofinen, zu Kuchen gebaden u. dgl. Der Kabul 


wein ift dem Madera ähnlich, und würde, bei befferer Pflege, * 
noch fehr veredelt werden koͤnnen. Eben fo ift es mit den ans 
dern Obftarten. Al. Burnes bemerkte hier vorzüglich die ver 
fihiedenften Arten der Pfirfih, Aprifofen, Birnen, 
Aepfel, Quitten, Pflaumen, Kirfhen, Maulbee— 
ven, Wallnüffe, Trauben, Pomgranaten. Der foges 
nannte Königsgarten, im Norden der Stadt, von Timur 
Schah angelegt, mit einem Octogon als Sommerpalais in dee 
Mitte, und Obftwäldern auf allen Seiten, ift jeden Abend der 
Sammelplag des fröhlichen Volks von Kabul, von ungemeiner 
Cieblichkeit. Cin Marmorthron, in Fronte, zeigt die ehemaligen 
Sitze der Afghanen Könige zur Zeit ihres Glanzes und Glüdes. _ 
Andere Spagiergänge unter dem Schatten herrlicher Maulbeerz 
bäume führen vom Bazar zum Ufer des Kabulfluffes, das mit 
Pappeln und Weiden dicht bewachfen ift. Faft alle Wege gehen 
an Aquädusten und fließenden Waſſern hin, über welche viele 
Brüden führen, und find von Gärten umgeben, Vor der Stadt 





Hindu Khu, Hochterrafje von Kabul, 241 


fiegt auch das Maufoleum Timur Schahs, der Kabul zu feiner 
Reſidenz erhob. Diefes Grabmal, ein Octogon, ift noch unvollens 
det; das feines Vaters ift zu Kandahar, der Heimath der 
Duranis. Por, einer andern Seite der Stadt an einer fehr 
lieblichen Stelle liegt das Grabmal des Sultan Baber, das | 
er fich felbft auserwählt hatte, und neben ihm find die Gräber 
feinee Frauen und Kinder. Nur zwei einfache, weiße Marmors 
fteine bezeichnen die Stelle, mit der Inſchrift: „An der Himmels: 
pforte erfragte Nuzvan das Datum des Sterbetages, die Ant: 
wort war: im Himmel fey die ewige Wohnung Baber Padi⸗ 
ſchahs.“ Der kleine Blumengarten dieſes Todtenackers, von eis 
ner Marmormauer eingefaßt, und von einem klaren Bache be— 
waͤſſert, iſt fuͤr die Bewohner von Kabul an den Feſttagen ein 
Verſammlungsplatz; eine kleine Moſchee vor dem Grabe, ward 
zum Gebet armer Moslemen, von dem Kaiſer Schah Jehan (ſ. 
Aſien IV.1. &.635), im J. 1640, nach feinen Siegen in Balkh 
und Badakſchan, ſo wie ein Sommerſchloß von Schah Zemaun 
daſelbſt erbaut. Die Ausſicht von da iſt ungemein ſchoͤn, uͤber 
eine Ebene von 8 Stunden in Umfang mit Feldern, Wieſen und 
Gaͤrten bedeckt, von drei ſich windenden Fluͤſſen durchſchnitten, 
“an denen unzählige Dörfer erbaut find, über welche ſich die. bei— 
den, Forts erheben, welche der Kabulftrom umfpült. Weber den 
b ‚grünen Wieſengruͤnden fteigen gegen Nord die halbfchneebedeckten 
‚ Berge von Pughman empor, vor ihnen erblickt man, von Kabul 
„aus, ‚das prachtvolle Grün der Landſchaft von Iſtalif, am 
Ghorbend, mo die fchönften Gärten Kabuliftans am Fuß der 
Schneeberge hinziehen. Gegen Weſt erhebt ſich in den felfigen, 
ſchwarzen Bergzügen das wildere Zagdrevier, Die vielen Schag: 
‚ren dee Vögel, wie Taubenarten, Droffeln, Amfeln, 
Nachtigallen, die Bulbul i huzar Daftan (d. h. Nach: 
tigal von taufend Weifen, weil fie jeden andern Vogelfang 
nahahmt), die in Badakſchan einheimifch ift, aber hier in Menge 
ſich zeigt, verfchönern und beleben die Landfchaft. AL. Burnes 
fagt, er fimme mit Necht in Sultan Babers Ausſpruch: „Ka: 
bulfey im Frühling durch fein Grün und feine Blu— 
/ men ein Himmel,” Der Anficht des Sultans ift auch Abul 
Fazl, der Vizier feines Enfels Akbar in der Befchreibung der 
Subah Kabul gefolgt. 


202) Ayecn Akbery ed. Fr. Gladwin Lond. 1800. II, p, 161 etc, 
Ritter Erdkunde VII. Q 





242 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. $. 4. 


Kabul wird von den einheimifchen Tadjits (f. unten)*19) 
und den dort herrfchend gewordenen Afghbanen bewohnt; aber 
auch Nachkommen der Perfer, Turk, Hindus, Armenier 
und andere Abkoͤmmlinge finden fich dafelöft in buntem Gemifch 
vor. Tadjiks werden alle Bewohner Afghaniftans genannt, der 
ren Mutterfprache das Perfifche lt) if, Die Sprache des 
Afghanen-Volks ift das Puſchtu, die vornehmere Claſſe 
der Afghanen fpricht aber auch Perfifch, wiewol nicht die fanfte, 
elegante, gebildete Sprache von Gran, fondern einen rohern Dias 
lect, in welchem zumal auch viele der dort früher einheimifchen 
Drtsbenennungen feltfam verdreht werden G. B. wie Lamghan in 
Laghman, Pemghan in, Peghman u. a.); viele der obern Claſſen 
folfen fein Pufchtu fpreden. Das Volk ift lebhaft, leidenfchafts 
lich, vührig, immer in Zank und Streit, feiner Verftellung fähig, 
neidisch, arbeitfcheu, Tebensluftig, guter Dinge. An Gemwandtheit | 
find ihnen ihre weftlichen Nachbarn wol überlegen. Characteris 
ſtiſch ift was uns gelegentlich erzählt wird, Außer den Hinduz 
Kaufleuten (f. ob. ©. 152) und der Armenier:Colonien, 
welche hier von Schah Nadir angefiedelt wurde, fanden ſich auch 
noch angefiedelte Perſer und Turk dafelöft vor, welche —52* 
durch Nadir dahin kamen und ſpaͤter die Leibwache der Kabı 
koͤnige bildeten. Als ſolche waren fie eine kleine Prätoris a H 
im Staate geworden, und behielten bis heute eine gewiſſe u | 
riorität über die Afghanen bei. Bei einer der Seffeisen, im;der . 
Stadt, welher A. Burnes beiwohnte, trat auch einet von ide 
nen ald Spaßmacher und Improviſator auf, der bei feinem AB 
chen Wis, der überhaupt in Perfien mehr als in Afg niſt 
Hauſe ſeyn ſoll, zur Aufgabe die Nachahmung der ational⸗ | 
charactere erhielt. Er wählte das Thema, wie Verſtorb 
etwa 20 Nationen, von dem Propheten am Thore des 
fes empfangen werden. Der Uzbecke wurde beſpoͤttelt wegen. 
ner wunderlichen Gebräuche und feiner befondern Art der Thee— 
bereitung; der betrügerifche und gewinnfüchtige Kafchmirer mußte 
das perfifche Sprichwort hören: Kein ehrlicher Mann unter den 
Sunniten in Balth, fein ehrlicher Mann unter den &hiiten in 
Kaſchmir.“ Als Herater ftellte er einen ſchlauen Zollbeamten an 
dem Cingange des Paradiefes vor u. f. w., und als zulegt auch 































*19) Ueber Alerander M. Feldzug ©. 17. 11) M. Elphinstone 
Ace, p. 99, 


Hindu Khu, Hochterraffe von Kabul, 243 


ein Afghane anklopfte, fo ward feine barbarifhe Sprache 
gar nicht verftanden, fie wurde als eine Sprache der Hölle ers 
Hört, und für die, welche fie fprächen, fey gar fein Pläs im 
Himmel. Dabei wußte er zur großen Unterhaltung feiner Zuhös 
rer geradebrechte afghanifche Phrafen mit Wis und vielem Humor 
vorzutragen. 

Bon den Afghanen, als Volk, kann erft weiter unten die 
Rede ſeyn; denn ihre zahlreichern und unvermifchten Stämme 
find feineswegs auf Kabul und Kabuliftan befchränft, fondern 
durch den ganzen Dftrand des Hochlandes von Iran mannichfal: 
tig zerftreut. 

Sultan Baber ift ein beredter Lobredner feiner Nefidenzs 


ſtadt, von der ihn nur feine unerfättliche Eroberungsbegier 


ſcheiden konnte, als er feine neue Nefidenz in Delhi auffchlug. 
Zu feiner Zeit hatte die Stadt zwei Stunden Umfang; ihre Gärz 
ten waren durch Bewäflerungen hervorgerufen. Sm Süden ders 


ſelben lag ein Sce Schah Kabul (jest Kheirabad), über eine 


Stunde in Umfang, und aus ihm waren drei Ausflüffe zur Stadt 
geleitet. Die Citadelle auf der Höhe überfchaute den See und 


die fchönften, grünen Matten (Auleng), eine fo herrliche Lage, 


r 
* 


1 


“> 


Pr don ihr der Spruch gilt: 
Kein in dem Schloß von Kabul und laß ungehindert 


A — ihn die Runde machen; 
Som en es ift zugleich: ein Berg und ein See, eine Stadt 
* und eine Wieſenflur! 


— von Kandahar iſt dem von Kabul zur Seite 
auf dieſem kehren die Karawanen ein, von Ferghana, 






an, Samarkand, Balkh, Bothara, Hislar und Badakh— 


auf jenem mehr die von Khoraſan. Kabul liegt aber 

Hindoſtan und Khorafan in guͤnſtiger Stellung 
a en Banvel aller Art. Wollten die Kaufleute auch bis Kha⸗ 
tai und Rum (d. i. China und Rumilien, oder zum aͤu— 
Berften Oſten und Weſten) gehen, ſagt Baber, fie würden feinen 
größern Gewinn ziehen als hier, jährlich werden 7, 8 bis 10,000 
Dferde en Markt nach Kabul gebracht, und jährlich aus 
Hindoftan allein 15 bis 20,000 Stuͤck Zeuge. Außer diefen aber 
auch fehr viele Sclaven, gemeiner und raffinirter Zucker, Zuders 





12) Sultan Baber Mem. p. 136— 138. | 
N 2 


244 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 6. 4. 


kand, Gewuͤrze und Apothekerwaaren. Mit 300 bis 400 Procent 
Gewinn ſind hier die Kaufleute oͤfter nicht einmal zufriedengeſtellt. 
Alle Produkte von Khorafan, Rum (Türkei), Irak (Perſien) 
und Chin (ganz China) find in Kabul zu haben. Es iſt das 
große Emporium für Hindoftan. 3 


Erläuterung 4. 


Der Hindu Kuſch (d. i der Hindu Tödter), Koheftan am obern 
Kabulſtrom; die Gebirgspaffagen und der Pag von Kabul 
über Bamiyan nach Balkh. 


Berfchieden von Hindu Khu ift, wie wir oben (S. 199) fahen, 
der Hindu Kufch, nur defien weftlicher Theil. Gluͤcklicher 
Weiſe find uns fchon feit Aleranders Zeit uber Bamiyans Buddhas 
Coloſſe, und diefe jo höchft merkwürdige Localität Centrals 
Aſiens, die vor einem Jahrzehend nur noch in Dunkel und Far 
bel gehüllt, doch, ſchon nicht wenig unfere Aufmerkſamkeit 43) auf”! 
ſich zog und zu nicht unwichtigen Betrachtungen führte (f. Erdk. 
afte Aufl. I. 1817 ©. 694, 799, U. S. 559; Vorhalle 1820 ©.20, 
103, 329), in allerjüngfter Zeit, genauere Berichte früx 
herer Autoren (Ibn Batutas im J. 1340, vergl. Aſien 
IV.1.©.583, und Sultan Babers im J. 1508, f. 06. ©.234), 
wie neuefter Beobachter (Al. Burnes u.a.) zu Theil ges 
worden, fo daß wir fehon Über dortige Natur, Denkmale und 
Völkergefchichte mit größerer Zuverficht als zuvor zw, urtheilen 
im Stande find, wenn immerhin Vieles noch zu erforſchen uͤbrig 
bleibt. a 


ep 


1. Die set Re des obern Koheſtan, 
Sultan Baber. ” 


Da uns jedoch die neuern Reiſenden nur als Bin: 
über den Gebirgs-Paß von Kabul über Bamiyan nah 
Balkh unterrichten, fo koͤnnen wir von einigen Gauen an dem 
Nordufer des Kabulftromes oder vielmehr feines nördlichen 
Hauptquellarmes des BaranzFluffes, weftwärts vom Kameh— 
firome bis zur Duelle des Kabul am Koh i Baba (f. oben 
©. 238), nur weniges aus Altern Angaben vorausfchicken, da des 
britischen Forfhers Ch. Maffon gewiß höchft Iehrreiche Unter 


#13) Ueber Alexander M, Feldzug 1832 4, ©, 16. 








Hindu Khu, KobeftanzThäler n. Baber Sultan. 245 


ſuchungen über dieſe Gegend am Baran, bis auf jene oben 
bezeichnete Notiz, noch nicht veröffentlicht wurden, und Elphin⸗ 
fiones Angaben !*) darüber nur fehr unvollftändig ſeyn Eonnten. 
Es find die unter dem engeren Begriff von Koheftan in der 
obern Kabulftufe (vergl. oben ©. 229) zufammengehörigen Dis 
ſtricte (Toman’s), die noch heute unter denfelben oder doch nur 
wenig veränderten damen auf die Karte eingetragen find, wie 
fie Sultan Baber, vor mehr ald 300 Jahren, beſchrieben hat. 
Er nennt fie: Lamghan (jest bei Afghanen Zugbman oder 
Laghman), Mendraur (est Mundrury, Alinghar (jegt 
Alinghur), Aliſcheng, Alah-ſar (jest Tugow), Bedrom, 
Nijrow, Penwibir cjest Punjſchir), Ghurbend Getzt 
Gurbund); und in derſelben Reihe folgen: fie einander von 
Dft nach Weſt, als fo viele aefonderte Bergthäter, melche meift 
. ein Bergſtrom vom Schneegebirge herab zum: Kabul durchfegt. 
Nur unter Lamghan, das an das Dereh Mur (di i. das 
Licht⸗Thal, f. 06. ©. 226) fih unmittelbar im Weſt des. hos 
hen. Coond anlehnt, find drei zunachit folgender Tumans mitbes 
griffen. Vom Mendraur wird nur der Name angeführt, von 
Alinghar gefagt, daß. der sleichnamige Bergſtrom das Thal 
’ rchfließe, um mit dem Aliſcheng⸗Fluſſe vereint zum: Baran 

zu fließen (dev. im den Kabulftrom fällt); beide kommen aus dem 
| ztande ( Koheſtan) herab, das. hier Gewar heiße... Der Dis 

firiee (Toman) Aliſcheng liege ſchon großentheils- in rauhen 
Schneegebirgen,, von denen der gleichnamige Bergſtrom aus dem: 
Berglände (Koheftan) herabfomme, das Meil (est Kilai Afheri), 
heißes Hier ift es, wo, nach. obigem, das Grabmal Lamechs lies 
gen ſoll. Von einem, nahe: dabei weftwärts folgenden Alpenthale, 
das die neuern Karten. von Elphinftone und Al Burnes. 
Uzbin nennen, ift bei Sultan Baber feine Rede, aber. wol vom 
dem folgenden, mit. jenem parallelen Ihale, Tugor, wie es jetzt 
heißt, daß er aber Alah-fai!‘) nennt, und wegen der großen: 
Wärme feiner unterm’ Ebene, in welchem guter Wein, aber 
befonders noch vortrefflihe Pommgranaten gedeihen, zum 
warmen Clima rechnet. Seine obere Ihalftufe fcheint wol der 
Diftrict Bedrom zu feyn, wo, nach Baber, Fein Obſt mehe 
wächft und wo alle Bergbewohner Kafern find. Auf A. Bur⸗ 






24) M. Elphinstone Acc. p. 98. 16) Sultan Baber Mem. p. 143 
bis 144. 16) ebend, p. 150. 


246 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6. 4. 


nes Karte ift an das Nordende dieſes Thales der hohe Tugow— 
Pik gezeichnet. Sultan Baber fuͤhrt einen Bergpaß Korah an, 
der in dieſem Diſtricte aus dem warmen Clima (Germaſir) in 
das kalte (Serdſil) fuͤhre, deshalb der Vogelſtrich, hier, im 
Frühjahr‘, aus dem einen Thale in das andere durchſetze. Die 
Anwohner diefes Paflageortes, der Paſchghan heißt, und der 
fhon von Nijrow abhängig fey, find Wogelfänger, die von 
der großen Zahl dortiger Strichvögel ihren Unterhalt haben. So 
nad Baber. 

Don dem nun weftwärts folgenden Nijrom #7) fagt der 
Eultan, e8 liege im NO. der Stadt Kabul und fen ein von der 
übrigen Welt ganz abgefondertes Gebirgsthal, welches nordwärts 
zum Koheftan (Berglande) hinaufiteige, deſſen Bewohner insges 
fammt Kafern feyen, und welches daher Kaferiftan heiße 
Obſt und Trauben giebt es da in großer Menge; aus legteren 
bereiten ſie fehr viel Wein durch Kochen. In den Bergen find 
Wälder von Nadelholz (Pinus) und eine Art Zilguzeh, die 
große Zapfen mit efbaren Kernen wie Piftazien trage (der Zapfen 
bat die Größe zweier Mannsfaͤuſte; Ersfine!®) hält ihn mit 
MWahrfcheinlichkeit fir die Frucht von Pinus Deodara, die auch 
im Himalaya innerhalb des rebenreichen Kanawar einheimifch iſt, 
f. Afien II. &.832). Diefe efbaren Zapfen wurden, zu Sultan 
Babers Zeit, auf dem Bazar von Kabul verhandelt, Auch 
Eichen und Maftirbäume find hier. Die Pinus, Foͤh— 
ren (Kiefer?) und Eihbäume, bemerkt der Sultan, wachen 
abwärts von Nijromw, aber oberhalb finde man fie nicht 
mehr, da fie zu den Baumarten Hindoftans gehören. Wie Hinz 
fichtlih der Affengrenze weiter abwärts, fo ift der Sultan 
als aufmerkffamer Naturfreund der erfte, der hier die botanifche 
Grenze der Eiche beobachtet haben will (vergl. Afien IV. 1. 
©. 233, 813); das Factum, und weldye Eichenart hier gemeint 
fey, bleibt Eünftigen Beobachtern zu näherer Beftimmung übers 
laffen. Bon den Föhren (Fir) bemerft der Sultan, daß die 
dortigen Gebirgler ihre Späne ftatt der Lampen brennen. Diefe' 
bei europäifchen Völkern fo bekannte Anwendung des Kienholzes 
war ihm überrafchend: denn er fagt, dies giebt ein Licht gleich 
einer Kerze, eine feltfame Erfcheinung. In denfelben Bergen von 
Nijrow führt er einen fliegenden Fuchs an, größer als ein 


*17) Sultan Baber Mem. p. 144— 145, . .!3) ebenb p. 137. 





Hindu Khu, Koheftan nach Baber Sultan, 247 


Eichhorn (wahrſcheinlich aus der Gattung Nde8 fliegenden 
Eichhorns, die weiter im Often an Mannichfaltigkeit der Ars 
ten fo fehe zunehmen, f. Aſien Bd. IH. S. 1024, 1034); dann 
eine Mofchusratte und den Voget Lokheh, der auch Bukeli— 
mue heiße (d. i. Kamälconvogel) weil er ein Kleid von fo 
vielerlei verfchiedenen Farben trage. Es ift wohl ſehr wahrfchein, 
ich, daß Fünftighin Naturforſcher hier manche wichtige Entdek— 
fung zu machen haben. Die Bergbewohner (die Kafir), beinerft 
der Suftan, mäften im Winter ihr Geflügel zur Speife, und 
find ſtarke Weintrinfarz fie beten nie, fuͤrchten weder Gott 
noch die Menfchen, und find rohe Heiden. Mit der Beftimmung 
ihree Neligionsanficht dürfen wie dies Urtheil wor nicht genau 
nehmen; ſchwerlich wird bei ihnen Feuercultus, Zoroafterlehre oder 
Mefte vom Buddhacultus der Vorzeit ganz gefehlt haben, wie fich 
aus dem folgenden nachweiſen mag. 

Weſtlich daran flößt der Gau (T man Penjhir (jest 
Punjſchir), der wegen feiner Nachbarfchaft an Kaferiftan 
recht den Raubzuͤgen der Kafern ausgefegt iftz weshalb feine 
Bewohner auch diefen einen jährlichen Tribut entrichten müffen, 
In demfelben Jahre, als der Sultan, von Kabul aus, in Hindus 
fian einfiek, bemerkt derfelbe, fenen diefe Kafern, unftreitig die 
Borfahren der heutigen Kafern, auch nach Penjhir hinabgefties 
gen, und hätten fih, erft nachdem fie viel Volks im Lande ers 
ſchlagen hatten, wieder mit großer Beute in ihr. Gebirgsland zus 
rücgezogen. 

» Südweftwärts an diefes Penjhir ftößt nun der Gau (Tos 
man) Ghurbend!%) (jest Gurbund), über den des Sultans 
Bericht umftändlichee wird, und deffen Namen er auch etymolos 
giſch erklaͤrt. Einen Steilweg nennen dort die Einwohner ein 
Bend (ein Bergpaß), und weil man durch einen ſolchen den 
Ghur uͤberſetzen muß, fo hat der Diſtrict den Namen Ghur— 
bend erhalten. Bon den Thaͤlern auf dem Gipfel dieſer Paß—⸗ 
höhen hatten die Hazaras Befig genommen; es ift das erfte 
Mal, daß diefes Volk, welches fpäterhin weiter weſtwaͤrts fo 
häufig erwähnt wird, hier genannt wird. Der Diftrict enthielt 
zu Sultan Babers Zeit nur einige Dorffchaften, und entrichtete 
ihm, wie er felbft fagt, nur wenig Abgaben. Auf den Berghöhen 
des Ghurbend fol es Gruben geben zum Gewinn von Sil- 


1») ebend. p. 146— 148, 


248 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt, 6. 4, 


ber und Lapis lazuli. An den Bergabhängen liegen die Di: 
ftricte Mitch, Kachah und Perwan, tiefer ab ein Dugend Dörfer, 
alle reich an Obft und Wein, davon der ftärffte von Khwajeh 
Khan Said kommt. Alle diefe Dörfer am Gebirgsfuß zahlen 
zwar einige Abgaben, find aber im Steuercatafter nicht unter den 
regulairen Einkünften verzeichnet. Dagegen liegen tiefer am 
Fuße des Gebirgsfaumes, zwifchen ihm und dem Baran (fo 
heißt alfo der vereinte Ghurbend und Penjhir- Strom, 
dem von Suͤdweſt erft der Strom von Kabul fich beimifcht), 
zwei Ebenen vor, davon die eine Gircehe Tazian (Li 
Araber:Lager), die andere Deſcht e Sheith (Sheithss 
Ebene) heißt. In der warmen Yahreszeit find ihre herrlichen 
MWiefenteppiche, mit dem Chekin-taleh-Graſe bewachfen, 
durch die Hirtenftämme der Aimak und Turf mit ihren Heers 
den aufgefucht. Die Alpenblumen am Vorfuß jener Alpen find 
reisend; zumal an Tulipanen ift die dortige Flora fehr mans 
nichfaltig. Sch ließ ihre Arten, fagt der Sultan, einft fams 
meln und zählen, es waren deren 32 bis 33 verfchiedene; einer 
derfelben gab ich wegen ihres Nofengeruches den Namen Lalehs 
gulsbui (d. h. rofeduftende Tulpe); fie befindet fih nur 
ausfchließlich auf der Sheifhs-Matte, und ift- auch auf 
diefer nur auf einen Keinen Raum befchränft. Es wäre bota— 
nifch intereffant diefe Gattung, die Ersfine mit Tulpe überfet, 
näher zu fennen, wie überhaupt die vielen botanifchen Angaben 
des Sultan Babers foftematifch durch botanifhe Sammlungen 
in jener Alpenflora näher zu beſtimmen, die bis jeßt noch völs 
fig unbekannt blieb. Näher am Bergfuß, unter Perwan, fand 
ih, fagt Baber, die Lalehrfed-berg (d. h. Hundertblätt 
rige Tulpe), die ſich nur an diefer einzigen Stelle in der Tiefe 
des Ghurbend-Paſſes vorfindet. Beide genannte Ebenen werden 
durch einen Eleinen Höhenrücken gefchieden, auf dem ein Sands 
ftrich von dem Gipfel bis zum Fuß deflelben hinabreicht, Khwa— 
jeh-reg-rewan (d. h. bewegliher Sand) genannt; fie fas 
gen, im Sommer folle aus diefem Sande das Getoͤn r Trom—⸗ 
meln und Nagareths (2) hervorgehen (uͤber droͤhnen de Sands 
fhurren in China und Arabia peträa, f. Afien Bd. I. ©.204), 
Sehr hoch ift der Berg, der in Weften an dieſen Gebirgsgau 
flößt (der Koh i Baba), auf dem der Schnee des folgen— 
den Jahres immer wieder auf den des vorherge: 
henden fallt, fehr felten ſchmilzt der alte weg, ehe der neue 


Hindu Khu, Koheftan nach Baber Sultan. 249 


hinzufommt. Er liegt nur fünf Stunden @ Farfang = 12 Mit, 
Engl.) im Weft von Kabul, und aus feinen Vorräthen werden 
die Eisfeller diefer Reſidenz gefüllt. Diefer Berg und der von 
Bamiyan find fehr hoch (nah Al. Burnes Meflung 16,890 F. 
Par., 18,000 F. Engl.), und von bier entfpringen nach allen 
Weltgegenden die 4 Ströme, von denen das Sprichwort geht, 
„daß ein Menfh an einem Tage aus allen vieren trinken 
Tonne.” Es fen, fagt der Sultan, der Kabulftrom gegen Oft; 
der Hindmend gegen Werft; der Doghabeh (et Surkh— 
ab, oder Gori auf Al. Burnes Map) bei Bamiyan gegen 
ND. nad) Khunduz zum Oxus; und der Strom von Balkh 
(Dehas auf Al. Burnes Map) gegen N.W. zu diefer genannz 
ten Stadt. Die Richtigkeit diefer Angaben iſt neuerlich dur 
Al, Burnes vollfoimmen beftätigt. 

Auf, der Oftfeite diefer Hochgebirge des Hindu Kufch Hreitet 
ſich am Südufer des Ghurbend noch eine Jiebliche Landfchaft 
aus, in deren Mitte Iſtalif und Iſterg hach (jetzt Sirghach) 
liegen, bei deren Reizen der für Naturgenuß fo empfängliche Suls 
tan Baber noch befonders gern verweilt. . Diefe Orte habe, 
bemerkt er, fein Oheim Ulugh Beg Mirza (der berühmte 


Aftwonom #9) und Geograph, Sultan von Samarkand, er flirbt 


im 5.1450) mit Khorafan und Samarkand verglichen, und auch 
fo genannt; das in Welt daranftogende Bergland heiße Pems 
ghan (jest bei Afghanen Peghman, f. auf Al. Burnes Map), 
Der hohe Pemghan trage ewigen Schnee; feine. Vorthäler koͤn⸗ 
nen zwar hinfichtlich des Dbftes und der Trauben nicht mit den 
* . vorhergenannten Gauen verglichen werden, ihr Clima ift aber 
noch lieblicher. 

Ab mit der Umgegend von Iſtalif fünnen, nad) des Suls 
tans Bemerkung, nur wenige Puncte der Erde wetteifern, Ein 
großer Strom fließt durch fchöne, grüne Gärten, die ihm zu beis 
den Seiten liegen; feine ganz Klaren Wafler find immer falt und 
frifh. Den Bagh:e:kilan (d. h. der große Garten) des 
Ulugh Sam brachte Sultan Baber an fih, eine. herrliche 
Platanenpflanzung umgiebt deffen Außenfeite, den hindurchfließens 
den Bach, der ſtark genug war um Mühlen zu treiben, ließ er 


#20) f, Zydje Sulthany f. Tabula Geographiea Ulug Beigi Principis 
Tatariei ed. Graevius in Huds. Geogr. Min, Oxon. 1712. T, lil. 
p. 120 — 151. 


250 Werte Aien, I Abſchnitt. $. 4, 


kunſtvoller hindurchleiten, wodurch der Garten noch um vieles 
verfchönert ward. Unterhalb jener beiden Ortfchaften, nur 14Coß 
fern, in der Ebene am Fuß der Berge, liegt die Duelle was 
jeh-ſeh-yaran (d. h. Duelle der drei Freunde); umher 
ftehen dreierlei Baumarten und höher auf ein herrlicher Platas 
nenwald, der den fihönften Schatten giebt. Zu beiden Seiten 
ftehen auch noch viele Eichen (Belut); fie find die einzigen ihs 
rer Art, denn weiter aufwärts in Kabul fichen Feine Eichen 
mehr (f. ob. Eichengrenze ©.246). Vor diefer Quelle find weite 
Strecken der Ebene mit dem blüthenreichen Arghwan-Baume 
(d.h. mit Anemonenblüthez er iſt uns fonft unbekannt), der rothe 
und gelbe Bluͤthen trägt, bewachfen, der nur hier und fonft 
an feinem andern Orte, nach) Babers Verfichruna, wachfen foll, 
Jene dreierlei Bäume, ift die Sage, ſeyen dem Lande durch 3 
Saneti zu Theil geworden (alfo erft dahin gepflanzte, ausländis 
fhe?), daher auch der Name der Duelle Seyaran (d. h. die 
drei Freunde) Auch diefe Duelle, fagt der Sultan, habe ex 
einfaffen laffen, und umher viele Anlagen gemacht; zur Zeit der 
Arghwan » Blüthe, verfichert derfelbe, gebe es Eeine fihönere Ges 
gend in der ganzen Welt als diefe. Diefelbe Ebene, zwifchen 
Kabul und dem Baranfluffe, ſcheint erft duch Timurs 
Bewäfferungsanftalten ihre Fruchtbarkeit und Reize erhalten zu 
haben. Wenigftens ruͤhmt deſſen Gefchichtfchreiber, Keriffeds 
din ), daß diefer Eroberer vor feinem Feldzuge nach Delhi, als 
er hier gelagert und von dem Gedanken durchglüht war, feinen 
Unterthanen Wohlthaten zu erzeigen, hier einen Canal, Mas 
highir genannt, 5 Lieues weit von Pendghir nah Kabul . 
durch die fchönen Gelände habe graben laſſen, wodurch diefe erſt 
befruchtet worden feyen. Disfelben habe er an feine: tapfern 
Hauptleute und Soldaten zur Belohnung ihrer Verdienfte ausges 
theilt, und feitdem fey dort das paradiefifche Gartenland 
erft entftanden. a 

Die neuern Berichte Elphinftones über diefelben Alpens 
thäler redueiren fich nur auf wenige Angaben ??). Alinghur, 
fagt er, jegt von Ghiljies bewohnt, bringt Getreide hervor und 
zertheilt fich in viele Bergthäler. Das AlifhengsThal ift ens 


1) Xeriffeddin Histoire de Timur Bec ed. p. P. de la Croix Delft, 
1723. 8. T. II, Liv, IV. ch. 5. p. 29. 22) M. Elphinstone 
Acc. p. 9. 


Hindu Khu, die fieben Gebirge: Päffe. 251 


ger und wird vorzüglich von befehrten Kafern bewohnt. Auch 
das Uzbin-Thal ift von Ghiljies eingenommen, das größte 
von allen. Das von Tu gow bewohnen, im untern Theile, in: 
dependente Stämme der SoufissAfghanen, im obern aber 
Tadjifs, d. i. die Perfifch reden. Die beiden letzteren Thaͤler 
liegen am höchften. 


2. Die fieben Sebirgs:Päffe nah Sultan Baber, 


Zu diefen Berichten Uber das obere Alpenland (Koheftan) 
des Hindu Kufch haben wir nur noch die genaueren Angaben 
der Gebirgspäffe beizufügen, die der Sultan, der fie fo oft 
mit feinen Heeren von Kabul nad Badakſchan, Kunduz 
und Balkh hin überftiegen hatte, zum erften Male genauer bes 
ſchreibt. Die Gefchichtfchreiber Aleranders 3) laffen hier völlig 
rathlos; Ebn Batuta) paflirt zwar (1340) das Gebirge, giebt 
aber nur deffen Namen an; Eon Haukal lange vor ihm (A. 
950) hatte die Stationen”), angeführt, die hindurch ziehen ohne 
ihre Verhältniß zum Gebirge anzudeuten, und Abul Fazl nah 
ihm (im 5.1602) hat im Spiegel des Akbar 26), oder deſſen In⸗ 
fitutionen (f. Afien IV. 1.©. 625), zwar ebenfalls diefelben Päffe 
aufgezählt, aber da ihm die Focalität aus der Anfchauung- unbe 
Tannt blieb, offenbar manches dabei in Berwirrung gebracht. 
Noch feine Karte hatte fie bisher genau verzeichnet; die J. Mas 
eartnenfche zu Elphinftones Cabul hat zwar mehrere der Routen 
eingetragen, aber fie nicht näher beftimmt; die Waddingtons 
The zu Baber Dem. aus Driginalrouten conftenirt, hat fie nicht 
mit aufgeführt, J. Grimms Karte von Hoch⸗Aſien hat fie jes 
nen fih anfchliegend nac) dem Text von Babers Mem. hypothe⸗ 
tifch eingetragen und durch Zahlen bezeichnet. Al. Burnes Map 
iſt die erfte, obwol in zu Eleinem Maaßſtabe, welche die Haupts 
birectionen verfolgen läßt. 

Sieben Päffe find es, die Sultan Baber?) von Of 
gegen Werft aufzählt; drei derfelben führen, wie er fagt, vom 
Thale des -Baran-Fluffes, oder dem großen, nördlichen 
Duellaeme des Kabulfluffes, welches hier den einzigen ges 





23) Ueber Alerander M. Feldzug ©, 13 u, fe 22) Ibn Batuta 
Travels ed. S. Lee. London 1829. 4. p. 97—9, 2) Tle 
Oriental Geography of Ebn Haukal ed. W. Ouseley. London 4, 
1800. p. 225, 228. 26) Aycen Akbery ed, Fr. Giadwin. Lond. 
1800, 8. Vel. U. p. 162. 27) Sultan Baber Mem. p. 139-140. 


252 Weſt-Aſien. 1. Abſchnitt. 5% 4 


meinfamen Eingang zu allen dreien bildet, und daher 
ftrategifch aber auch für den Yagdfreund #3) (ſ. unten bei 
Wild) fehr wichtig it, durch das PenjhirsThal, nord— 
wärts, über die Hauptkette: 

1. Der Khewak-Paß (Hawak bei Abul Fazh, es if 
der oberfte, d. i. hier der Öftlichfte. 

2. Der Tul-Paß folgt darauf in Weſt (der Ort Tul iſt 
auf der Map of Cabul im obern Thale des Penjhir eingetragen); 
es iſt die beſte Paſſage, aber auch die laͤngſte; daher der Name 
Tul@. h. im Perſiſchen die Lange 

3. Der Bazarak⸗-Paß (Bazaruk bei Abul Fa; die⸗ 
fer iſt der directeſte (auf der Map of Cabul iſt er von dem 
Drte Seifabad Über die Kette nach Charmaghzar geführt). 
Da er, nah Sultan Baber, aud über das Dorf Barendi 
führt, wird er ebenfalls dee Barendi-Paf genannt. 

4. Der Perwan-⸗Paß. Von ihm wird von Sultan Bas 
ber nichts fpecielles angegeben, Aus einer andern Stelle aber ers 
giebt fich, daß die Stadt, von welcher der Paß den Namen traͤgt, 
um Norden der Stadt Kabul liegt: denn im Frühjahr, wenn 
der Wind in der Stadt Kabul anhaltend aus dem Norden 
weht, fagt Sultan Baber, werde diefe liebliche Luft deshalb Bas 
de:Perwan?) (vd i. Nordluft) genannt. Zur Erflärung 
fügt die Note hinzu, diefe Route führe ebenfalls nach Charmagh⸗ 
zar, und paflire zwifchen Seifabad und dem Anfange des Thales 
Saglehauleng. S. Baber ſchaltet hier folgende Anmerkung eins 


Zwifchen Perwan und der Paßhöhe fenen fieben kleinere 


Däffe, die Heft Befheh @. i. die fieben Jungen) ge 
nannt. Komme man von der Anderab Seite, d. i. vom Norden 
her, fo vereinten fi) 2 Routen unter dem Hauptpaffe, und führz 
ten auf der Straße der fieben Zungen hinab nach Perwan 
(Durmwan auf der * of Cabul). Dieſe Paſſage ſey aber ſehr 
beſchwerlich. 

Drei Paͤſſe, bemerkt Baber, führen auch aus Ghur⸗— 
bend (d. h. Anſteigen durch Ghur) uͤber die Hochkette; ſie er 
fen nach U. Burnes ] Map mehr von Oſt gegen Weſt als gegen 
Mord gehen. 

5. Jenem legten Uebergange zunächft befindet ſich der Yanz 
gi⸗yuli, di, die neue Route, die über Walian nad Khin— 


423) Sultan Baber Mem. p- 153. 20) ebend, p. 137. 





Hindu Khu, die fieben Gebirge Paffe. 253 


fan am Mordgehänge hinabfteigt. (Auf der Map of Cabul ift fie 
über den Berdort Doſchakh, direct nach Khinjan, eingetragen.) 


6. Der Kipchak-Paß folgt diefem und führt an den 
Verein der Flüfe Surfhab (der von Bamiyan kommmt) und 
Anderab. Dies ift eine gute Paſſage (die Nota fegt die Ver: 
einigung beider Flüffe nach der Map of Cabul in Kila Beiza an). 
Diefer Pag iſt durch Sultan Babers erften Uebergang des 
Gebirges merkwuͤrdig, als er Kabuliftan eroberte, Von Kunduz 
aus zog fein Heer0), weil in den Oftpäffen von Penjhir fich ihm 
der Feind, vom Barax-⸗Fluſſe her entgegenſtellte, über die Weſt⸗ 
päffe in Ghurbend ein, wodurch jener tournirt ward. Dagegen 
defertirten mehrere Corps ‘von feinem Feinde, wie das der Has 
zaras und andere, und zogen über die Penjhir-Paͤſſe nordwärts 
zu feinem Heere, wodurch er nicht wenig geftärft ward. Cr ſelbſt 
ruͤckte durch den Paß von Kipchak über das Hochgebirge, und 
auf dieſem folgte auch ſeine Familie nach, In der Nacht erſtie— 
gen wir, erzaͤhlt der Sultan, die Paßhoͤhe, Hu pian (oder Upian); 
bis dahin hatte ich noch nie den Stern Soheil geſehen (d. i. 

der helle Suͤdſter Canopus, im Sternbild des Schiffes Argo). 
Als ich aber die Paßhoͤhe erreicht hatte, zeigte fih Soheil in 
vollem Glanze am Suͤdgewoͤlbe des Hunmels. Ich faote: das 
kann Soheil nicht feyn. Man antwortete mie: es ift Soheil! 
und Baki Cheghaniani rief mir zum guten Omen den Vers ent 
gegen: 

„D Soheil, wie fern funkelft du und wo fleigft du empor? 
„Dein Glanz bringt dem Gluͤck, auf den er fallt!” 
Als wir den Fuß des Thales erreichten, hatte fich die Sonne eis 
nen Speer hoc) gehoben; in Senjed rafteten wir. Schon am 
folgenden Tage ward in die Ebene vorgerücdt und die Belages 
rung von Kabul befchloffen, deſſen Kommandant fich aber ohne 
Schwertftreich ergab (im October 1504). 

7) Der fiebente Uebergang if der Schibertus 
Paß 3) (Schirtu bei Abul Fazl, Schibr auf Map of Cau- 
bul), Im Sommer, wenn die Waller aufthauen, fann man 
diefe Paflage nur über Bamiyan und Sitan (Syohan auf 
Map of Caubul) zurücklegen; der Winterweg führt aber Über Ab— 
dereh, eine kuͤrzere Route. Diefer Paß (Chiberto) war es, 


30) Sultan Baber Mem. p. 132 — 135. 21) ebend, p. 139, 


254 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 5 4 


über den fih der Eroberer und Zerftörer Delhi’s, Timur 7), 
auf feiner Rückkehr aus Indien (ſ. Afien IV. 1. &.579), als er 
erfranft war, in der Sänfte nad) Samarfand zuruͤcktragen ließ. 
Außer diefem legteren find alle genannten Paͤſſe zur Winterszeit 
auf 5 Monate durch die Schneemaffen verfchloffen. Im Frühe 
ling, bei Schneefihmelze und vollen Strömen, find fie eben fo 
ſchwierig zu überfteigen ale im Winter, Selbſt über die Berge 
höhen find die Wege fo befchwerlich, daß man fie nur während 
der Herbitzeit, etwa 3 bis 4 Monat hindurch, gangbar nennen 
fann. Hierzu kommt nod ihre Unficherheit durch die Kafirz 
Raͤuber, welche die Neifenden aus ihren Engfchluchten und Berg: 
winfeln häufig überfallen und ausplündern. 


3. Der HindusKufdb, die Gebirgspaffage von Ka— 
bul über Bamiyan nah Khulum, nah Al. 
Burnes. 

a) Allgemeine Ueberficht. 


Auf der Weftfeite des Indus rückt die Kette der hohen Schnee . 
gebirge des Hindu Khu dem Auge des Wanderers näher, al 


die des Himalayazuges auf deſſen Oftfeite, und nur eine — 


reiſe von der Stadt Kabul ſind die Waſſerſcheidehoͤhen des In⸗ 
dus: und Oxus-Gebietes einander fo ganz nahe getreten, als man 


früher nicht geahndet hatte, daß dies zwifchen den großen Suͤde— 


und Nord-Stroͤmen der Fall ſeyn würde, da weiter oſtwaͤrts 
auch keine Annaͤherung an dieſe hydrographiſche Erſcheinung ſtatt⸗ 


findet. Al. Burnes Autopſie 3) ſtellte zuerſt als Thatſache 


feſt, daß der Strom von Bamiyan ſchon zum Oxusge— 
biet gehoͤrt, daß von da an ſchon die Nordſenkung des Bo— 
dens beginnt, daß zwar nordwärts auch noch Berge Auftres 
ten, aber feine Himalaya: Pike mehr, und daß der Rücken der 


Hochkette, wie man bisher wol annehmen mochte, nicht im Nors 


den, fondern ſchon im Süden von Bamiyan, zwifchen diefem 
Drte und der Stadt Kabul liege, namlich der Koh i Baba, 
der einzige, welhen ewiger Schnee det. Sowol gegen 
Herat bin verliere fih dann die Kette in einem Labyrinthe nies 
derer Berge (nämlich gegen Weften der Paropamifus), wie 
gegen Norden hin, bis Balkh zu, nur noch ein minder hoher, 


*?2) Xeriffeddin Hist. de Timur etc. I. c. III. p. 168. 
®*) Al. Burnes Tray. II, p. 238 — 248, 


”. 





Hindu Khu, Hindu Kufh Paffag 255 


obwol immer breiter Klippenzug voruͤberſtreiche, der Steingürtel 
Arabifcher Autoren genannt. 

Diefe breite, gewaltige Bergmaffe von Kabul (34° 24° 5” 
M.Br.) bis Balkh (36° 48° 0" N. Br.), ein directer Abftand 
von 36, und mit den Krümmungen von 52 geogr, Meilen (260 
Miles Engl), wurde in 13 Tagemärfchen auf 6 fucceffiven 
Gebirgspäffen mähfam überftiegen, 6i8 zum Thale des 
Drus bei Khulum, 8 geogr. Meilen im DOften der antifen 
Stadt Balkh. Die drei erften Pälle liegen zwifchen Kabul 
und Bamiyanz zwei von ihnen waren Ende Mai fo tief mit 
Schnee bedeckt, daß man nur am Morgen reifen fonnte, bei 
Froſt, fo lange der Schnee die Pferde trug. Die drei übrigen 
Däfle liegen im Norden von Bamiyan, waren minder hoch und 
frei von Schnee. Nur auf diefe Pafage ift die Benennung des 
Hindu Kuſch, d. h. Hindu:Todter, wie wir oben bemerk- 
ten, zu befchränfen; eine Bezeichnung, die nah Ebn Batutas 
Conjectur in der phyficalifchen Schwierigkeit der Leberfteigung 
für den Hindu allerdings leicht ihre Erklaͤrung findet, aber doch 
Wahrſcheinlich ſich an eine viel ältere Sage von Wegelage— 


ern der Borzeit, etwa dem graufamen Zohaf, als dem dortigen 


Grenzwaͤchter und Todfchläger, anfchliegt, worauf das Schaf 
Nameh Firdufis, wie die Puranas, mannichfach anfpielen 3%. 


WVon der Stadt Kabul, 6200 Fuß Par. (6600 $. Engl.) 


+ 06. d. M., ward die Sirchuſchma-Quelle bei 8076 F. P. (8600 
nr FE) erreicht, wo der erfte Schnee noch im Thale liegend (18, 


n; 





Mai) ſich zeigte. Von da die erfte Paßhöhe des Unna, 


‚40,322 5. PD. (11,000 F. E.), die zweite der Paß Hajiguf, 


"44,835 F. P. (12,400 F. E.), die dritte der noch höhere Pag 


Kalu, 12,148 F. P. (13,000 F. &.), von dem man nad) 

miyan bhinabfteigt, erreicht; beide legtere ſchneebedeckt. Keiner 
der drei folgenden, nördlich von Bamiyan gelegenen Päffe, übers 
trifft 8445 F. P. (9000 F. E.); feiner von dieſen trug. noch 
Schnee. Von dem legten diefer niedrigeren Palle, dem Kara 
Kotul (d.h. der ſchwarze Paß), der 8445 Fuß Par, hoch, 
hat man noch immer 19 geogr. Meilen (95 Miles Engl.) weiter 
nordwaͤrts zurüczulegen, ehe man ganz aus dem Berglande in 
die Depreffion der. vorliegenden Ebene am Oxus, bei Khulum, 





s«) Capt. F,Wilford on Mount Caucasus, in Asiat, Research Lond, 
8. T. VI. p. 402. 


256 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. 5. 4. 


eintritt. Der Ort Heibuf, auf halbem Wege zwifchen dem  ' 
Kara Kotul und SKhulum, liegt nach Al. Burnes noch immer 
4000 Fuß über dem Meere 35), Das Gefälle des Khulum-Flufs 
fes beträgt auf jede Mile Engl. 60 Fuß Engl., fo daß diefe vors 
liegende Ebene von Balkh noch immer an 1876 F. Par. | 
oder 2000 F. Engl. über dem Meere erhaben liegt. Sie ift alfo, | 
obwol relativ gegen die amphitheatralifch umkreiſenden Hochge— 
birge betrachtet, ein Tiefland, abfolut aber noch immer ‚eine 
mäßig hohe Plateauebene, die demnach in ähnlihem Ni— 
veau mit der niedern SPDlateauftufe der Songarei um die Saiſan— 
und Balkaſch-Seen, die ihre tiefjten Einſenkungen (f. Alien Bd. I. 
Einleit. ©. 50) fein mögen, gelegen erfcheint, fo daß von Balkh 
aus der Orus noch immer ein bedeutendes Gefälle zum Aral⸗See 
beibehält. Auch ftehen, wie Al. Burnes ausdrücklich bemerkt, 
die nördlichften Nandgebirge diefer breiten HinduKuſch— 
Kette, die wir in der Öefammtbetrackhtung der Geftals 
tung Aſiens durchaus nur als die weftliche Fortfesung des Hie 
malaya-Spftems in derfelben fortftreichenden Normal: Dis 
rection anfehen können (ſ. Aſien J. Einleit. ©.46, II. ©&.407), ' 
über der anliegenden Ebene von Balkh noch fühn und’. 
fteil über 2346 F. Par. (2500 F. Engl.) 36), alfo abfolut über" | 
4222 5. Par. (oder gegen 5000 F. Engl.) empor, nadt, von Ans | 
fehn ſchwarz, wie polirt, fehr imponirend, obwol ohne grandiofen 
Character, und erſt gegen das füdliche Orusufer verflachen auch 
ſie ſich ganz in die allgemeine Depreſſion. 

Zu bedauern iſt es, daß Al. Burnes nicht auch die Tiſe 
der Thaͤler, z. B. die Lage von Bamiyan, gemeſſen hat, wie 
er die Culminationen ins Auge faßte, denn dann würden wir ein 
vollftändiges Profil diefer fo höchft merkwürdigen centralen 
Hindu Kufh:Paffage zwifchen dem Zndifhen und Buchaz 
rifchen Tieflande erhalten haben, wodurch jedoch auch fo fchon 
ein wefentlicher Theil. der Configuration Mittelaſiens ermittelt 
ward, und auch unfere früher ausgefprochene Anficht von diefem 
aus mehreren zufammengefchaarten Hochketten gebildeten Gebirge 
Enoten vollkommen beftätigt, den wir deshalb ein wahres Als 
pengebirgsland nannten (f. Alien I. Einleit. ©. 44), und 
das Vermittelungsglied beider entgegenftehenden Maſſener— 
hebungen. Die Breite diefes Hindu Kuſch-Alpenlandes, welche 








35) AL Burnes Trav. I. p. 203. 36) ebend. IL. p. 240. 


Hindu Khu; Hindu Kuſch-Paſſage. 257 


nach obiger aftronomifcher Beftimmung zwifchen Kabul und 
Balkh 2° 24° beträgt, übertrifft noch die Breite des Eu— 
ropaifchshelvetifhen Alpenlandes bedeutend, da diefe 
nur 1° 40° beträgt, wenn man den Südpunct bei Como (45° 
50’ N.Br.) und den Nordpunft bei Bregenz am Bodenfee 
(47° 30’ N.Br.) anfest. 

Nur einen der Hochgipfel, den Koh-i-Baba, den eins 
zigen in Pifgeftalt, da alle andere gerundete Fors 
men zeigen, welcher über der Weftfeite des Hajiguf- Paffes ſich 
noch über 5000 Fuß relativ erhebt, hat Al. Burnes durch 
Schaͤtzung zu 16,890 F. Par. (18,000 F. Engl.) in dem höchften 
feiner 3 Piks beftimmt, und die ewige Schneegrenze 2) zu 
einer ungefähren abfoluten Höhe von 12,198 F. Par. (13,000 F. 
Engl.) üb. d. M, unterhalb welder daher alle dortigen G es 
birgspäffe liegen, die Ende Juni insgefammt ſchneefrei 
werden. Die drei Pils des Koh i Baba ragen daher noch 
mehrere Taufend Fuß mit ihren weißen Gipfeln über diefelbe hinz 
aus. Auf der Oftfeite diefer Paͤſſe fcheinen fich wol mehrere hohe 
Piks zu erheben, wie dem Koh i Baba gegenüber der Hajiguk 
Pik, der Maipuz-Pik und andere, welche die Karte verzeichz 
net, ohne daß weiteres von ihnen gefagt wäre; aber der höchfte 
von allen liegt noch weiter gegen N.D., der Pik des Hindu 


Kuſch 38) genannt, der 1° fern von der angegebenen Koute der 


6 Dale im Oſten liegen blieb. Er ift ſchon von der Stadt 
Kabul aus fichtbar, ganz in milchweißen Schnee gehüllt. Auch 
von der Mordfeite her, von Runduz, hat ihn Al. Burnes in 


‚einer Ferne von 30 geogr. Meilen (150 Miles Engl.) wieder ers 
kannt. Seine Höhe ift umbefannt, wenn cs nicht eben der von 


Macartney fchon zu Elphinftone's Zeit durch Winfelmeffung auf 
19,225 Fuß Par. (20,493 Fuß Engl.) 2 beftimmte Schnee: 
coloß if. Durch Erzählung erfuhr A. Burnes, der ihn nicht 
näher unterfuchen fonnte, daß auf ihm das Athmen fehr fehwer 
fein folle. Auf feinen Schneefeldern finde man haufig Taufende 
von erfiarrten Vögeln, die in der dünnen Luft nicht weiter koͤnn— 
ten. Defter habe man ihn zu uͤberſteigen verfucht, aber immer 
feien Menfchen und Laſtthiere erftarrt. Aud) fei volltommenes 
Etillfhweigen auf ihm nothwendig, um nicht Lawinen in Gang 





#7) Al. Burnes II. p. 241. 25) (hend, U, p. 248. **) M,El- 
phinstone Caubul p. 637, 
Ritter Erdkunde VII. 7 R 


258 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. 9. 4 


zu bringen. Bon einem Schneewurm, der Seidenraupe ähnlich, 
erzählte man, der auf ihm leben, aber fogleich fterben foll, fobald 
man ihn vom Schneefelde aufhebt (auch auf dem Montblanc 
machte fchon H. de Sauffure diefelbe Beobachtung vom Vorfons 
men dahin durch Luftzüge verfchlagener Schmetterlinge). 

Diefen ganzen Theil des Hindu Kufch fand der britifche Reis 
fende gänzlih ohne Waldung, an vielen Stellen ohne Gras 
fung. In den Engpäffen geht der Weg oft an der Bafis von 
mauergleichen Felswänden und Abftürzen hin, die 1876 bis 2814 
Fuß Par. (2000 bis 3000 Fuß Engl.) auffteigen, ein großartiger 
Anblick. Vor 7 Jahren ftürzte bei Sarbagh ein Erdbeben ges- 
waltige Felswände in das Tiefthal, welche den Strom vier Tage 
lang dämmten und die Straße fperrten. Die Wafferflürze fcheis 
nen feit Aeonen ih hier ihre Bahnen ausgearbeitet zu haben, 
als hätten fie ihre Spalten von der Höhe zur Tiefe eingefägt; fo 
ſcheint es mwenigftens, nach der gegenfeitigen Correfpons 
denz der Steinfchichten zu urtheilen, die an beiden Uferfeiten 
wie Wände aus Steinmajfen gehauen, oder wie aus horizontas 
len Backſteinlagern lbereinander aufgebaut erfcheinen. 

So wechfelnd find aber diefe Durchriffe und fo im Zickzack 
oder windend, daß faft jede Viertelftunde ein für ſich wie durch 
Baftionen gefchloffenes Baflin erfcheint, und der Blick auf und 
abwärts beftändig durch diefe ftufenartige Succeffion von Thal: 
£effeln gehemmt if. Zumal zeigt ſich dies höchft characteriftifch 
in dem Theile des Thale, der Dura i Zundan (Thal der 
Kerker) heißt, und offendar davon feinen Namen erhielt. An 
vielen Stellen fteigen aus den Engfchluchten die Felswände fo 
hoch empor, daß der Sonnenftrahl felbft am Mittag von ihnen 
ausgefchloffen bleibt, und dies hinderte leider Al. Burnes, von 
Bamiyan*) an nordwärts, wo bei diefen Tiefen die größern 
Erhebungen fehlen, bis zur Ebene Turkeſtans feine Obfervationen 
über die Erhebung des Polarfterns zur Beſtimmung der Breite 
fortzufegen. 

Die höchften Berge zwifchen Kabul und Hajiguf fchies 
nen Al. Burnes Gneuß und Granit *) zu fein, die gegen 
die Gipfelhöhen zu fehr eifenhaltig werden. Auf dieſe folgte 
blauer Schiefer und Quarz, und viele Blöcke grünen Granits’ 2) 
fahe man herabgeftürzt in die Thaltiefe. Weiter hin folgte in 


44°) Al. Burnes II. p. 243. “1, ebend. II. p. 245. 





Hindu Khuz Hindu Kuſch-Paſſage. 259 


Kalkfteinconglomerat, voll eingebadner Kiefel, daraus 8 bie 10 
roftrothe, eifenhaltige Quellen fprudelten. Cine ftarfe Quelle dies 
fer Art geleitete bis zum Hajiguk-Paſſe. Darauf folgten gewals 
tige Klippen von rothem und purpurfarbigem Thon (Clay), dann 
Kettenzüge von verhärtetem Ihon (indurated Clay) mit harten 
Gefteinsmaflen bis Bamivan. Zn diefem find die coloffalen 
Idole diefer Station und die vielen Höhlen ausgehauen, was 
in dem weichern Geftein leichter auszuführen war, Um Bami- 
yan ift Reichthum an verfchiedenen Minern ); zu Fuladut 
it Gold, Lapis lazuli; dicht bei Bamiyan follen in einer 
Engſchlucht 10 bis 12 Bleiminen bearbeitet werden. Auch 
Kupfererze, Zinn, Antimonium, Schwefel£upfer 
Millota, Murderfung), Schwefel, Asbeft (Sung i pumbu, 
d. i. Baummollenftein) werden hier gefunden. Nordwaͤrts 
Bamiyan finden ſich diefelben Minern im dortigen Gebirgslande 
vor, bis man den erften der dort folgenden niedern Bergpäffe, 
den Afrobat:Paß, 8445 Fuß Par. (9000 Fuß Engl.), wieder 
nad Sygh an hinabfteigt; denn dafeldft zeigen fich wieder Gras 
nit£lippen, die ſchwarz, majeftätifch, Bafaltfäulen gleich, fich 
erheben. Die beiden folgenden Paͤſſe: Dundan Schikan, 
7506 $. Par. (8000 F. Engl.), und der legte: Kara Kotul, 
8445 F. Par. (9000 F. Engl.), von ganz verfchiedenem Anfehn, 
befiehen aus hellbraunem Kalkſtein, der ſehr hart ift und ſcharf— 
Eantige Sprünge zeigt. Von feiner glatten, fehlüpfrigen Ober: 
fläche hat der erftere feinen Namen, Dundan Schikan (vd. h. 
Zahnbrecher), erhalten. In diefer Formation des Kalkfteing 
hingen die fteilften Abftürze über dem Stromthale hinab. Che 
indeß wieder die Ebene erreicht ward, lagerten fich dem Kalkftein 
breite Sandfteinfetten vor, und in einer derfelben, bei dem 
Drte Heibuf, bemerkte man (wahrſcheinlich doch wol noch im 
Kaltfteingebiet) in ganz regulairen Linien fortziehende Lager von 
Feuerfteinfiefel, vie hier als Flintenfteine benugt in den 
Handel kommen. Sn diefen Iesteren Partien zeigten fich auch 
wieder Schwefellager, mahrfcheinlih mit Gypslagern 
verbunden. 

Auf der ganzen Strede diefer Hindu Kuſch-Paſſage, bemerkt 
Al. Burnes, wachfen weder Cedern noch Fichten irgend einer 


+2) ebend. II. p. 246. 
Fr R2, 


260 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 6. 4, 


Art; ein kruͤpplicher Nadelholzſtrauch (Furze, wie im 
Himalaya, f. Alien I. ©. 681, 695, 710 u. a. D.), der gleich 
dem Europäifchen Krummholz eine ungemein zähe Natur hat, 
ranft fih an den Klippen hinauf; feine Dornen ftchen auf ihm 
wie die Stacheln des Igels; die Bergleute nennen ihn Kullah 
i Huzara, d. i. die Huzara:Müse. ehr viele aromas 
tifch duftende Kräuter würden dem Botanifer eine interefs 
fante Alpenflora darbiefen, denn auch die nacteften Fels— 
Elüfte find mit ihrem. Teppich bekleidet und geben das herrlichfte 
Futter für Schaafheerden, die auf diefen Alpentriften weiden, 
Eins ihrer nährendften Kräuter ift hier die zarte Pflanze der Assa 
foetida #3) (Ferula assa foetida Lion.), welche bei den Perfern 
Unguzeh, und darnach im Sanskrit und den Indiſchen Spras 
chen Hinga oder Hingu*) genannt wird. Sowol ihre Bläts 
ter, wie ihr zu Gummi getrockneter Milchfaft, der unter dem 
Namen „Teufelsdre” in den Europäifchen Apotheken befannt 
iſt, wird fehr ſtark nach Indien auf die Märkte verführt (f.Afien 
1. ©. 910), wo diefe Pflanze fremd ift, aber bei Brahmanen » 
als officinell in ftarfem Gebrauch ift. Diefe Gegend auf dem 
Hindu Kufch, und zumal Khorafan, Belludfchiftan %) 
nebft Lariſt an, fcheinen die befchränfte Heimath der wil— 
den Verbreitung diefer Pflarize zu fenn, die von bier aus als 
Waare durch die ganze Welt geht. Bei 7000 Fuß abfoluter Höhe 
ftand diefe Pflanze gegen Ende Mai in voller Blüthe, und wuchs 
8 bis 10 Fuß hoch, ein annuelles Gewächs, deffen weiße Milch 
fich gelb färbt und verdickt feit wird, dann in Haarſaͤcke einger 
fammelt und ausgeführt jene flinfende Gummiart giebt, welche 
wie ihre Blätter von Al. Burnes Neifegefährten an Ort und 
Stelle begierig verzehrt wurden. Dies ift unftreitig die fchon von 
Ariftobulus und Arrian bei Alerander M. Leberfteigung des 
Indiſchen Kaufafus genannte Pflanze Silphium, von welcher 
diefe Autoren diefelbe Erzählung geben, daß fie ein fo beliebtes 
Schaaffutter und identifch mit dem Silphium der Cyrenais in 
Libyen fey (f. Arriani de Exped. Alex. III. c. 28, 12.; Arriani 
Rist. Indic. c. 43. 13... S j 

In den Thalengen diefer Paflage herrfcht eine größere 


u * 


**) Al. Burnes Tr. II, p. 244; T. I. p. 193. +) W. Ainslie 
Materia Indica Vol. I p. 20, 585. *5) Pottinger Travels in 
Beloochistan p. 109; Christie ib. App. p« 415. 











= 


Hindu Khu; füdlihe Paffe von Bamihan. 261 


Wärme vor, wie fih aus den Cerealien und Obftarten er 
giebt, die hier fehr gut gedeiden. Wenn das Thermometer hier 
bei Sonnenaufgang auch unter dem Gefrierpunct ftand, fo war 
dennoch oft die Hige.des Sonnenftrahls am Mittag, zumal 
aber bei Schneerefler,, unerträglich. Dagegen zeitigt eben dies 
wol fchnell die dem Boden fo nahen Ackerfrächte. Selbſt auf 
9384 F. Par. (10,000 F. Engl.) Höhe traf AL. Burnes #9) die 
Bergbewohner gleich nach dem Schmelzen beim Pflügen der Aek— 
fer, und die Ausfaat im Mai wird fchon im October geerntet; 
es wurde hier Gerfte ehne Grannen gebaut. In den Ihälern 
309 er zuweilen durch fiundenlange Obftgärten mit dem fchönften 
Baumwuchs; Aprifofen gedeihen noch auf den größten Höhen 
zu ausgezeichneter Vollfommenheit (vergl. Aften U. S. 704, 711, 
713, 731, 733 u.a.D.). Erſt auf dem Hinabwege gegen Khus 
lum jedoch traten am Ufer des Stromes auch Kirſchen, Bir 
nen, Aepfel, Quitten, Dfirfih, Maulbeeren, Pom— 
granaten, Feigen auf, wo das Ihal faum 200 Schritt 

Breite hatte, und mit ihnen famen erſt reichere Grafungen und 
viele befannte Wiefenfräuter zum Vorfchein. 


b) au. Burnes Route über den Hindu Kuſch. 
(Vom 18. bis 30, Mai 1832) *), 


4) Ueber die drei füdlichen Däffe von Kabul bis Bamiyan. 

Am 18. Mai. Bei der Abreife von Kabul blieb längs 
dem Aufwege im Thale des Kabulfiroms bis zu. feiner Quelle 
Sirchuſchma der Weg nad) Kandahar links, d. i. gegen 
Weſt, liegen, fo wie der nah Ghizni gegen Süd. Bis zum 
erften Haltert Yukraiz Cd. h. fließend Wafler im Perfifchen) 
geht der Weg an Haren, fihattigen Baͤchen in einer reizend cul⸗ 
tivirten Ebene hin. Das trefflich bewaͤſſerte Ihal iſt feine halbe 
Stunde breit und hat noch viele Meisfelder. Zu beiden Seiten 
im ©. und W. heben ſich Schneegipfel einpor, Das Ihermomes 
ter zeigte 12° 44° Reaum. (60° Fahrenh.). In der Eirchufchmas 
Duelle, die mit ihren Wafferteichen ein dem Ali geheiligter Walk 
fahrtsort ift, werden zahme Filche geheat. 

Ron da aufwärts wird das fid) windende Thal immer en: 
ger, bis man den Unna:Paß crreicht, eine cbene Kühe auf 





++) Trav. II. p. 241. #7) ebend. I, p. 171—207, 


262 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 5. 4 


dem Ruͤcken des Gebirges, 10,322 Fuß Par. (11,000 F. Engl.) 
uͤb. d. M., deren Zugang durch 3 kleine Forts beſchuͤtzt iſt. Noch 
war er mit Schnee bedeckt. Jenſeit deſſelben, an einer gefchüßs 
ten Stelle, ift ein Dorf erbaut, bei welchem fehon die Bergwafs 
fer in entgegengefegter Direction, alfo nach der Mordfeite, ihr 
Gefälle hatten. Hier, gleih auf der erften Paßhöhe, ift alfo 
die große Wafferfcheide zwifchen Indus und Orus. Hier 
war man fihon in das Falte Bergland der Huzaras ges 
treten, in deſſen Ihälern man erft pflügte und zu fäen begann, 
als in Kabul ſchon die Saat in Aehren fchoß, in Peſchawer 
aber die Ernte ſchon in die Scheuern gebracht war. Weiterhin 
führt der Gebirgsweg an der Bafis des Koh i Baba vorüber, 
deifen dreigipfliges Schneehaupt ſich weit über Montblanc 
höhe, bis zu 16,890 Fuß Par. (18,000 F. Engl.), emporthürmt. 

Am 21. Mai Abends wurde der Fuß der zweiten Paß— 
Luͤcke des Hajiguk erreicht, halb erfchöpft von Befchwerde und 
faft erblindet dur den Schneefhimmer. Pier Stunden Weges 
(10 Miles Engl.) hatte man im Bette des Bergſtroms zurückles 
gen müffen, das fnietief mit gefchmolzenem Schnee gefüllt war, 
und wol 2omal im Zickzack hatte durchfegt werden müffen. es 
berall war der Weg mit tiefem Schnee bedecft, der Mittags fo 
weich ward, daß die Saumroſſe tief einfanfen, oft ffürzten, oder 
Meiter und Bagage abmwarfen. Das Schmelzwafler des Schnees 
breitete fih in Sumpfmoore aus; dabei war die Hiße des res 
flectirten Sonnenftrahls empfindlih, drücend, die Nafenhaut 
fchälte fich los, das Auge war geblendet. Am Abend ward das 
Heine Fort am Fuße des Palles erreicht, wo eine Huza ra⸗Fa⸗ 
milie #$) den Neifenden Herberge gab. 

Ein elendes Haus mit plattem Dache, halb in der Erde ftes 
hend, mit 3 Löchern im Dache ftatt der. Fenfter, von einem Hu— 
zara-Weibe bewohnt, nahm die Wanderer als vermeintliche Pers 
fer, und nur deshalb, gaftlich auf. Die Wirthin verficherte, der 
Schnee fchließe fie 6 Monat im Jahre im ihre Hütte ein; es 
regne hier nie, die Ausfaatzeit ihrer Gerfte fey im Juni, die 
Ernte im September. Geld und Geldeswerth Fannte fie nicht. 
Die Bewirthung erhielt man durch Taufch gegen. Tuch, Tabad, 
Pfeffer und Zuder. Die Huzaras oder Hazaras (Hazas 
reh), die AL. Burnes hier traf, find fehr verfchieden von den 


**®) Al Burnes Tray. I. p. 178, 


Hindu Khuz ſuͤdliche Paäffe von Bamiyan. 263 


Afghanen; ihre Phyſiognomie mit vierecfigen Gefichtern und klei⸗ 
nen Augen entfpricht ihrer Iatarifchen Abkunft und der Chinefen: 
bildung; einer ihrer Tribus nennt fich felbft Tatar Hazara. 
Schon Abul Fazk?) fagte, mit Beftimmtheit, daß diefe Tribus 
der Hazara, an 100,000: Familien: ftarf,. weiche zu feiner Zeit 
alle bergigen Weideländer,. von Balkh bis Kabul, Ghazna und 
Kandahar befest hielten, ein Reſt der Dfchagataiieere feyen, 
welhe Mangu Khan zum Beiftand feines Bruders Hotafu 
Khan, da. derfeibe ſich Perfien unterwarf, unter dem Commando 
Nikodar Oghlans hierher. gefchieft: habe... Der dritte Theil’ von 
ihnen feyen. Reiterfchaaren,. die Pferdezucht trieben, auch Schaafe 
und: Ziegen: weideten,. of& unter fich- in blutige Fehden- zerfielen. 
So weit. Abuf Fazl.. — Die Weiber gehen ohne Schleier, find’ 
huͤbſch, nicht eben: keuſch, daher- bei den Sunniten, die fie als 
Keger haſſen, die böfe. Nachrede, daß fie fich den Gäften- anböten 
(nach, dem Gebrauch. von Hami, f. Mien-I. ©. 360). Allen-Nachs 
barn befeindet,. würden. die Huzara. längft: ausgerottet. fenn,. wenn 
nicht: ihr. Elippiger: Boden von: hier: an, füdweftwärts,. durch den 
Paropamifus- fie gegen: die- Ueberfälle von. außen. fchüste.. In 
diefen. Höhen des Hindu Kuſch fehlt,. bemerkt. Al. Burnes, die 
Kropfbildung- ganz,, die. doch: in den Vorbergen des Himalaya⸗Sy⸗ 
ſtems bis zu. Höhen. von. 4000: Fuß ſo haͤufig ſich zeige;. 

Das. Heine: Fort am. Paßeingange. war im Beſitz eines Ger 
birgshäuptlings,. Yezdan Bukhsh, der- an- der: Spiße von 
12,000: Familien dortiger. Bergvölfer. felbftftändig genug: war, um 
fih. nur wenig. um die. Oberhoheit. von Kabul‘ zu befümmern.. 
Zum Gluͤck für die Briten, die am Ihore. als. Nicht -Moslemen 
zoll zahlen: mußten,, war. der. Häuptling mit. feinen Truppen: ins 
Feld. gezogen; fonft würde: ihnen vielleicht: der Durchmarſch theuer 
zu ftehen. gefommen,,, vielleicht: gar. verwehrt. worden feyn.. Kürze 
lih hatte in: der. Nachbarfchaft. ein fanatiſcher Mullah verfucht 
eine neue Secte „die. Ali. Illahi“ zu. fliften,. deren Dogma. 
den Ali über. den- Propheten. Mohammed erhob;. man- gab diefer 
Secte, Weibergemeinfchaft. und Bachanalien: im. Dunfel, Chis 
ragh Kuſche(d. h. Lampenloͤſcher) genannt, Schuld... Die 
zelotiſchen Moslemen waren ſo eben zu einem Kreuzzuge gegen 
dieſe ausgezogen, wodurch die Straße gluͤcklicher Weiſe von ihrer 
gewoͤhnlichen Gefahr, fuͤr die Paſſanten, befreit war. 


*°) Ayeen Akbery ed. Gladwin. Lond. 1800. II. p. 163. 


264 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt,  $. 4. 


Am 22. May wurde der zweite Hauptpaß, Hajiguf, 
11,635 Fuß Par. (12,400 F. Engl.) üb. d. M. erftiegen. Noch 
trug am frühen Morgen der gefrorne Schnee die Saumroffe; 
und da die Culmination des Paſſes nur etwa 1000 Fuß, relativ, 
über dem Fort fih erhob, fo war fie auch vor Erweichung des 
Schnees durch den Sonnenftrahl erreicht. Es war fehr Falt, nur 
Pelze ſchuͤtzten; das Thermometer fiel doch nur 4 Grad unter 
den Gefrierpunct. Der Mangel an einem Wegweiſer durch diefe 
Schneewildniffe machte die Wanderung gefahrvoll. Noch war 
der 3te, wieder um 1000 Fuß höhere Paß, Kalu, 12,198 Fuß 
Dar. (13,000 F. Engl.) zu erfteigen. Die Schneehemmungen 
zwangen eine feiner Schultern im Ummege zu umgehen, um in 
ein Seitenthal zu fommen, deflen Bergwaſſer abwärts nad) Bas 
miyan, alfo fhon zum Flußſyſteme des Orus oder Gi— 
hon führte. 

An 3000 Fuß fleigt man von den Höhen der Schneepäfle 
durch furchtbare Klippenwände und Abftürze hinab in das Thal 
son Baminan, das reich an grandiofen Naturfcenen und merfs 
würdigen Denfmalen der Vorzeit ift, über die man kaum 
noch Hypotheſen #0) wagen durfte, die nun aber doch ſchon von 
einem Augenzeugen erblickt, wenn auch feineswegs noch genau 
unterfucht find. 

A. Burnesh ift der einzige Europäifche Berichterftatter 
diefer Focalität als Augenzeuge, von der alle orientalifchen Geos 
graphien fprechen, und viele Hiftorien, Sagen u. f. w. mittheilen, 
die aber nun durch aufgefundene Denfmale innerhalb 
dieſes Gebirgspaffes und feiner nahen Umgebungen zu neuen Fors 
Thungen führen mögen, von denen einige Nefultate, fo weit fie 
hierher zu ihren Localbeziehungen gehören, wir vorläufig in Beis 
folgender Anmerkung niederlegen, da die vollftändigere antiquaris 
ſche Unterfuchung ſelbſt, nebft den Beweiſen für diefe, wie es 
fcheint nicht unwichtigen Ergebniffe, umftändlicher entwickelt ans 
derwärts, im Zufammenhange in einer befondern Abhandlung Uber 
‚ diefen Gegenftand mitzutheilen fenn werden. 


Die tiefe Felsfchlucht zwifchen dem Hochgebirge zeigte ein ins 


tereſſantes geographifches Profil. Das Nebenthal, welches auf 
dem Umwege durchzogen ward, bewies durch unzählige Ruinen— 


*#°) Ueber Alexander des Gr, Feldzug a. a. D. ©. 15— 16, 
*‘) Ah Burnes Trav, I, p. 182— 189. II, p. 245. 





Hindu Khu, Bamiyan=Thal, 265 


haufen, daß es in alten Zeiten befeftigt gewefen war. Einige die: 
fer Trümmer, fagten die Leute, feyen Trümmer von Pofthäufern 
aus der Mongholifchen Kaiferzeit, die, wie wir oben fahen (f. 
Afien IV.1. &.630—631), an „der großen Königsftraße” 
durch Kaifer Akbar erbaut wurden; aber die weit größere Zahl 
wurde den alten Perferfönigen zugefchrieben, und zumal 
in die Zeiten Zohafs, die Firdufi im Shah Nameh ber 
fingt, zurückverlegt, für welche die Gegend von Bamiyan im 
Öftlichen Khorafan die elaffifche Gegend ift. Ein Eaftell zus 
mal, am Nordende des Ihales, das den Engpaß am Ausgange 
beherrfcht, fagt Al. Burnes, ift mit großer Arbeit auf dem 
Gipfel eines Felsabfturzes erbaut und £unftreich mit Waffer vers 
fehen. Darüber viel Sagen und Fabeln unter dem Volk; leider 
Maren die Umftände nicht günftig alle diefe Baumerfe näher zu 
unterfuchen, fo daß wir nicht einmal eine Eurze Characteriftik ihs 
rer Conftructionen erhalten. 

Nur von dem Hauptthale Bamiyan, das von Weft 
nah Oft, am Süpdfuße des Akrobat-Paſſes vorüberzieht, ehe 
es nordwärts, in noch unbejuchten Schluchten, fich nad) 
Gori und Khunduz wendet, in welhem die zahllofe 
Menge von Grotten und Ercavationen, Sumud ge 
nannt, drei volle Stunden (8 Miles Engl.) entlang, zu beiz 
den Seiten, in den Thalwaͤnden Bamiyans fich zeigt, die einft 
der zahlreichen Population eines Troglodyten-Volkes oder 
Zaufenden von Eremiten und buddhiftifchen Religiofen zu Wohns 
ftätten dienen mochten, ift bei Al. Burnes im Allgemeinen die 
Rede. Nur von den beiden bis zu 120 Fuß hohen in den Berg 
gehauenen Eoloffen mit menfchliher Geftalt, den fogenannten 
But:Bamiyan 32), die am Karamwanenwege, zwifchen und über 
‚vielen Grottenwerfen feltfam emporftarren, giebt derfelbe eine naͤ— 
here Befchreibung und Abbildung, zu deren Erklärung wir weiter 
unten zurückkehren werden, da wir hier, fürs erfte, noch den 
nördlichen Fortfehritt über die Hindu:KhusPaffage vers 
folgen. 





53) J. Baillif Fraser Narrative of a Voyage into Khorasan, Lond, 
1825. 4. App. B. p» 121. 


66 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $ 4, 


2) Ueber die drei nördlichen Pälfe von Bamiyan bis Khulum. 

Nach eintägigem Aufenthalt 3) in dem ungaftlihen Bas 
miyan, von deffen gegenwärtigen Bewohnern und Zuffande uns 
nichts Näheres. mitgetheilt wird, weil es wol nur, gleich allen ans 
dern, dortigen Flecken ein elendes Meft räuberifcher Bergtribus 
feyn mag, waren 6 geogr. Meilen (30 Miles Engl.) zur nächften 
Station, nach Syghan, zurkckzulegen. Auf halbem Wege das 
hin, wurde der Pag Afrobat, 8445 F. Dar. (9090 F. Engl.) 
überftiegen, welcher die moderne Grenze von Kabul bildet, 
da Baminans Commandant noch von dieſem Staat eingefeßt wird. 
Jenfeit diefes Paffes beginnt, mit dem Einfluß einer ans 
dern, nordifchen Herrſchaft, mit anderm Volk und 
©itten, mit einer bald. ſich verändernden Landesnatur, 
auch ein anderes Ländergebiet, das man früher das Tas 
tarifche nannte, das richtiger mit dem einheimifchen. Namen, 
nad) feinem Aboriginer»Stamme, das Gebiet von Turkeftan 
genannt werden kann. Doch durchziehen wir hier noch zuvor den 
ganzen Gebirgsweg, der ung in die nördliche Ebene einführt, 
ehe wir zur Säüdfeite zur Kabulterraffe zuruͤckkehren. 

Al. Burnes fagt, er ſey hier, auf dem. Akcobat-Paffe, wo 
ein Eleines Bergfort erbaut ift, überrafcht gewefen, weil er nun. 
erft, vor fich, nach der frühern Kartenzeichnung, die großen 
Schneegebirge des Hindu Khu erwartet habe, die aber in 
Natura fehlten, weil fie hinter ihm > fagen, und von ihm 
fchon überftiegen. waren; deshalb er chen den Koh i Baba als 
die Fortſetzung der Hauptfette anzufehen fich. veranlagt fah. Aller 
dings rar diefe irrthuͤmliche Anficht früherhin allgemein, und es 
ift dies eine wefentliche Berichtigung unferer Kartenzeichnung,. 
Obwol indeß die coloffalen Gebirgspälfe Uberftiegen waren, und 
nur niedrigere jedoch. immer noch. von 8000. bie 9000. Fuß abfo: 
Iuter Höhe vortagen, fo fann man deshalb nicht eben. fagen, daß 
nun auch fchon die Gebirgsbildung aufhore;. denn. Über folche 
Paͤſſe müffen doc, immer noch bedeutende Gipfelfpigen wenig: 
ſtens ein paar taufend Fuß höher emporragen, die dem Aublicke 
Al. Burnes offenbar nur wegen. der engen Steilſchluchten, die 
ihm felbft die Meffung der Sterne und der Sonnenculmination 
verdeckten, verborgen blieben; wie dies fo häufig dem Wanderer 
in den gleichfalls zwifchen tiefen Mauerwänden eingefchittenen 


**3) Al. Burnes Tray. I. p, 189 —21l. °*) ebend. p. 189. 


Hindu Khu; nördliche Pafje von Bamiyan. 267 


Thaͤlern Tyrols, Salzburgs und anderer Theile der öftlichen Alpen 
begegnet. Es ftreicht alfo der Alpengürtel des Hindu Khu ficher 
noch immer in bedeutender Höhe und Breite aud) noch an der 
Nordfeite Bamiyans vorüber, nur führen bequemere, fchnee: 
freiere Päffe über ihn hin, und Baminans Lage bleibt ims 
mer innerhalb des Alpengebirgslandes, der Haupt: 
fchlüffel feines leberganges, wenn es auch nicht wie die. früs 
her irrige Vorftellung war, am Suͤdfuße der höchften Ketten liegt. 

Vor uns, fagt Al. Burnes, hatten wir vom Afrobat 
noch einen breiten Gürtel von Bergen zu paffiren; aber diefe 
waren meift frei von Schnee, und weit niedriger als die, welche 
wir ſchon überftiegen hatten. Mit Empfehlungsbriefen von Kas 
bul an den Commandanten von Bamihan hatten uns 20 Rei— 
ter deflelben als Escorte begleitet; fie ritten fchöne Turfmanens 
pferde, und waren von ihren großen, grauen Yagdhunden begleis 
tet. Hier auf der Höhe von Akrobat verließen fie uns, und 
wir mußten dem befreundeten Kabul Lebewol fagen. 

Es folgen die Gebiete einiger Berghäuptlinge, die nur wenig 
Sicherheit gewähren. Syghan, die erfte Station, gehört zum 
Territorium des Uzbefen Mohammed Ali Beg, der abwech— 
felnd bald Unterthan von Kabul, bald von Kunduz ſich nennt, 
je nachdem feiner Macht es zufagt; der aber feines von beiden 
if. Dem Khan von Kabul zahlt er höchftens einige Pferde, dem 
von Kunduz einige Menfchen, die er durch feine Streifcorps erft 
auf Raubzuͤgen wegfangen läßt und als Sclaven behandelt. Meift 
find 8 Huzara’s, Shiten, die den Sunnitifchen Uzbeken, ihr 
‚ren Ersfeinden, verhaßt find, und die fie mit Gewalt glauben bes 
Echren zu müffen. Diefer fchändlihe Menſchen raub iſt hier 
die größte Gefahr für den Neifenden. Der Kafıla Baſchi hatte 
die Briten glücklicher Weife als arme Armenier eingeführt, fo ka⸗ 
men fie ungeplündert mit Abtragung eines geringen Zolles durch, 

In Syahan hatte man ſchon ein anderes Sand betreten, 

und war unter einem Volke von andern Sitten. Die Mofcheen 
mit Filzteppichen belegt, ein Zeichen mehr zelotifcher Fröms 

melei; auch waren fie befier gebaut als in Kabuliftan. Man ber 
lehrte die Reifenden in der Herberge, daß es unerlanbt fen, beim 
Lager die Füße gegen die Seite nad) Mekka zu auszuftrecen ; 
das ſey zu verächtlich. Der volle Schnurbart bezeichnete hier eis 
nen Ungläubigen oder einen Shiten; um nicht, als folcher, fich 
den Beſchimpfungen des Volkes auszufegen, mußte der mittlere 


268 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6. 4. 


Haarbuͤſchel des Schnurrbarts abraſirt werden. Das bigotte Volk 
von Syghan erregte dennoch Bangigkeit. Nur innerhalb der 
Stadtmauern ſahe man einige huͤbſche Anlagen von Gaͤrten; au— 
ßerhalb derſelben iſt das Thal eine Einoͤde ohne Vegetation. Nur 
die geognoſtiſche Unterſuchung der nackten Felſen bot ein Intereſſe 
dar; aber auch das wurde ſehr bald gedaͤmpft. Als Al. Bur— 
nes einen der Steine genauer betrachtete, rief ihm der mistraui— 
ſche Kafila Baſchi zu: Nun! haft Du’s endlich gefunden? Was 
denn? „Das Gold.“ Sogleich warf ich den Stein fort, ſagt 
der Reiſende, und ward vorſichtiger, um mich nicht in neue Ges 
fahren zu ftürzen. „ h 

Don Syahan aus wurde der Paß Dundan Shifan 
(d. h. der Zahnbrecher), 7506 Fuß Par. üb. dv. M. (8000 
F. Engl), wo noch die Assa foetida; Pflanze wächft, überftiegen. 
Der Hinabweg führte durch ein fihönes, aber enges, nicht über 
300 Fuß breites Ihal, mit Obftgärten voll Aprikofen, das mehrere 
englifche Miles weit fich bis jenfeit des Dorfes Kamurd hinzieht, 
das an einem linfen Seitenarme des Gori-Fluſſes liegt, der, an 
Kunduz vorüber, zum Oxus oder Gihon fällt. Zu beiden 
Seiten diefes Engfchlundes fleigen die Felfen bis zu 3000 Fuß 
empor, und unmittelbar, fo fleil, daß es unmöglich war Nachts 
Obſervationen Über die Sternhöhen anzuftellen. 

Kamurd %5) iſt die Nefidenz eines zweiten Gebirgs-Häupt: 
lings, eines Tadjik (d. h. eines Perfifchzredenden), Ruhmut 
Ullah Khan, der dem Wein fehr ergeben. Obwol an den 
Khan von Kunduz tributpflichtig, forderte ex doch auch feinen 
Zol. Die Neifenden gelodten ihm, ſtatt deifen, Wein von Khuls 
lum zu fenden. Ohne große Macht treibt doch auch er Menfchens 
raub; aber auf andere Art wie fein Nachbar in Syghan. Er 
überfiel eines feiner eigenen Dörfer plöglich), machte alle Einwoh— 
ner. deflelben zu Gefangenen, und ſchickte fie, als Sclaven, 
feinem Gebieter dem Mohamed Murad Khan von Kun— 
duz, der ihm, zur Belohnung für folche Devotion, noch drei neue 
Dörfer abtrat. Der Sohn diefes Tadjik ward die Sauvegatde 
der Karawane. 

Am 26. May wurde der letzte der Palje des indifchen 
Kaufafus, der Kara Kuttul (richtiger Kotul, d. h. der 
fhwarze Pas), 8445 F. Par: (9000 F. Engl.) überftiegen, 








#*#) Al. Burnes Tray. I, p. 195. 


& 


Hindu Khu; nördliche Päfje von Bamihan. 269 


von welchem doch noch immer eine Strecke von 19 geogr. Meil. 
(95 Mites Engl.) innerhalb des Berggürtels zu ducchzies 
hen ift. Bei dem Dorfe Duab, mo fich zwei Bergfiröme vers 
einen, ftieg man in das obere Ihal des Fluffes hinab, der weft 
wärts vom Ghori: Fluß, und demfelben parallel, ebenfalls 
nordwärts, an Heibuf und Khulum vorüber, zum Orus 
fällt. Das furchtbare Felsprecipice, dem man entlang folgte, war 
fo tief, daß durch die Felswände zur Seite, des Nachts, alle 
Sterne bis zum Zenith verborgen blieben. Diefe Gegend ift durch 
Raͤuber gefahrvoll; eine Bande von einigen 30 Neitern, Tataris 
ſche Huzaras, zeigte fih auf der Höhe, nahe dem Paſſe. Der 
Ruf Allaman! Allaman! (d.h. Näuber) ertönte durch die 
Karawane. Nur die ftarfe Escorte rettete uns, fagt Al. Burz 
nes; fonft würden wir, wie fo viele andere, als gefangene Sla— 
ven zu Hirten gemacht worden feyn. So fielen für diesmal nur 
2 Kameele und deren Führer in ihre Hände. Dem Flußthale 
des Khulum folgte nun. die Straße immer gegen den Norden, 
zwifchen Bergen hindurch, ftets bergab, über Khurrum, Sar: 
bagh bis Heibu£°%);, öfter durch furchtbare Defileen, über 
welchen die Felfen 2000 bis 3000 Fuß herabhingen. Auf ihren 
Binnen horfieten edle Schwarz: Adler, und in Kreifen ſchweb⸗— 
ten Geier und Falken durch die Lüfte. Der Engpaß bei Heiz 
buf, Dura i Zundan (d. h. Thal der Kerfer), fol von 
feiner ſchauervollen Befchränfung den Namen haben, weil ihn 
an mehrern Stellen nie ein Sonnenſtrahl treffen fann. Hier 
wächft eine Pflanze, die für Pferde und Maufthiere ein Sift 
feyn fol. Sie heißt Zuhr buta Cd. b. Giftpflanze); ihre 
filienartige Blüthe ift 4 Zoll lang. Dr. Wallich foll fie. für 
eine Species von Arum anerkannt haben. Heerden von Wild, 
verfchiedener Art, fahe man auf den benachbarten Felshöhen. 
Der Boden der Thalgründe war aufgewühlt von gewaltigen, wils 
den Ebern; die aromatifchen Alpenweiden waren von zahlreiz 
chen Heerden bedeckt; im Thale zeigten fich viele Obftpflanzuns 
gen, und die Bevoͤlkerung nahm mit der Annäherung 
gegen die Ebenen von Turfeftan bedeutend zu. Schon zeigten 
fih dem Europäifchen Auge befanntere Gewächfe, Weißdorn 
(Hawthorn), Heckenroſen (Sweet briars), Ranken (Hemlock) 
u.a. m. Die Karawane legte von Sonnenaufgang bis 2 oder 





8°) ebend. I. p. 202. * 


770 Weft-Afien. 1. Abſchnitt. $. 4. 


3 Uhr Nachmittags, täglich nur an 4 geogr. Meilen (20 Miles 
Engl.) zurüc; das Fruͤhſtuͤck, nur trocken Brod und Käfe, wurde 
auf dem Sattel verzehrt, und das Lager unter freiem Himmel 
genommen, wobei man mit Ereuzweis untergefchlagenen Beinen, 
am Feuer fisend, den Schlaf erwartete, Die Begrüßungen wurs 
den nach perfifcher Höflichkeitsfitte fehr mannichfaltig; Jedermann 
ward nun fihon Khan oder Aga titulirt, jeder Mullah oder 
Driefter als Akhund (d. i. Lehrer) oder Akhundzada em 
pfangen, fobald er der Sohn eines Mullah war, jeder Schreiber 
oder fonftiger Gefchäftsführer als Mirza begrüßt u. f. w. 

Heibuf*7) ift die Nefidenz eines dritten Gebirgs-Haͤupt⸗ 
lings, eines Uzbeten: Chefs, Baba Beg, der ein gefürchtes 
ter Tyrann ift, und wegen feiner Graufamfeit aus Khulum vers 
trieben ward. Man zog, glüdlicher Weife, ungeftört an feinem 
Caſtell vorüber, das von Badfteinen erbaut von einer Höhe herab 
den Weg beherrfcht, und einem darunterliegenden Dorfe gebietet. 
Eine fternenhelle Nacht erlaubte, bier, im Morden des Hindus 
Kufch, wieder die erfte Obfervation der Polhöhe zur Beſtimmung 
der Lage des Ortes, 

Bei Heibuf erweitet fih nun, zum erften Male, das 
Thal zwifchen den Berghöhen; die Landfchaft wird gaftlicher, 
liebliches Gartengelände mit vegetabilifchem Lurus erquickt das 
Auge. Den günftigen Clima-Wechſel verkündet die Erfcheinung 
des Feigenbaums, der nicht höher auf im Gebirge wächft 
und auch in Kabuliftan fehlt. 

Heibuf liegt doch immer noch 3753 F. Par. üb. d. M. 
(4000 $. Engl). Der Boden ift fruchtbar, der Pflanzenwuchs 
üppig; die tropifchen Plagen glaubte man im Rücken zu haben; 
bier £ehrten fie fchlimmer als in Yndien wieder. Schlangen und 
Scorpionen fchreeften öfter am Wege auf und verwundeten. Die 
Häufer in Heibuk haben nicht mehr die Terraffendächer von Kas 
bul; fondern, wie von da an durch den ganzen Weften von Afien, 
niedrige Dome oder Kuppeln, mit einer Dachoͤffnung als Rauch— 
fang, fo daß jedes Dorf auf feinen nackten’ Intermauern einer 
Gruppe vieler und großer Bienenftöcke aus der Ferne gleich fieht. 
Das Vol von dem vorigen fo verfchieden, wie defien Wohnun: 
gen, trägt Kegelmügen, ftatt der Turbane, und hohe, braune 
Stiefeln. Die Weiber Heiden fih in die bunteften Farben; viele 





*#7) Al. Burnes Trav. I. p. 203. 


% 


Hindu Khu; Bamiyans Denkmale. 271 


gehen ſchon unverfchleiert, und fo zeigt ſich ſchon manches fchöne 
Geſicht. Noch immer behaupten die Frauen vom TurkStamme 
den alten Ruhm ihrer Schönheit, und ftehen darin der männlis 
chen Bildung voran. 

Am 30. May führte der Teste Tagemarſch, durch den In⸗ 
difchen Kaufafus, aus den Bergen hinaus in die Ebene von 
Khulum, oder Taf Kurghan, wo fich ein fchöner Blick 
eröffnete, der das nordiwärts fich fenkende Land bis zum berühms 
ten Orus- Strome oder Gihon überfchaut. Noch Keine Stunde 
oberhalb der Stadt Khulum verläßt man die legten Berge, die 
noch einmal plöglich fleil und impofant, bis zu 2814 Fuß Par. 
(3000 $. Engl.) abfolut, oder 1000 Fuß relativ über dem allges 
meinen Niveau der Orus-Ebene aufitsigen. Ein enges Des 
file, das leicht zu vertheidigen ift, führt hindurch, und Khus 
lum, die Grenzftadt des mächtigen Chefs Murad Beg von 
Kunduz ift erreicht, der alles Land am Nordgehänge des Hindus 
Khu unter fein Goch beugte. Khulum mit 10,000 Einwoh: 
nern, mit Balkh in gleichen Parallel, liegt nun fehon dem Oxus 
ganz nahe, zu deflen Stromgebiete wir fpäter fortfchreiten, für 
jegt aber noch einmal in die Mitte und auf die Süpdfeite des 
Hindu Kuſch, zur Hochterraffe von Kabuliftan zurückkehren. 


—— 1. Bamiyan (Alexandria ad Caucasum), feine 
Höhlen und Eoloffe, 


Bamiyans Gefhichte, diefes Hauptichloffes der Hindu Kufch-Pafs 
fage, blieb bisher dunkel und in Fabel gehüllt, aus welcher nur einzelne 
Lichtpuncte hervorftrahlten, weil die Specialberichte über die Begeben- 
beiten dieſer Cocalität fehlten, fo bedeutend fie auch war, da ſchon 
Strabo mit Recht fie ald auf dem großen Kreuzwege Mittels 
afiens liegend (en? zv 2x Buxrıgwv zolodov Strabo XV, c. II. $,8.) 
haracteriftifch bezeichnet alfo auf dem Wendepuncte ber 
Spraden, Eulturen, Religionsfyfteme, wie auf der großen 
Heereöfiraße der Eroberer und Golonifationen, bie daher auch 
bis in die neueften Zeiten bei den Eingebornen in Fran, Sndien und 
Balkh den Namen der großen Königsftraße beibehielt. Wir wer⸗ 
den nad) vieljährigen **) Bemühungen es endlich verfuchen, in dem Fol⸗ 
genden einen Eurzen Entwurf zur Ausfüllung jener Luͤcke und zu der 
daraus hervorgehenden Erklärung der Denimale Bamiyans mit 
zutheilen, 





®*) Die Vorhalle Europäifcher Voͤlkergeſch. 1820. ©, 329 u. a. O. 


272 Welt: Alien. J. Abſchnitt. §. 4, 


Sm Paßthale Bamiyand wurde Alexandria ad Caucasum oder 
sub ipso Caucaso durch Werander M.*°°) gegründet. Auf dem Uebers 
gange zwiſchen Baktrien und Indien gelegen, wo Ormuzb und Brabs 
ma herrfchten, ward nad) dem Verfall der makedonifchbaktrifchen Mo— 
narchie (136 vor Chr. Geb.) unter dem Schuge eingewanderter Getis 
ſcher oder Sakifcher, fogenannter Indo-Skythiſcher Fürften 
(f. Afien I. ©. 94, 350—352, 431—437 und oben S. 101 u. f.), ber 
Sndifhe Kaufafus mit dem Paropamifus und Kopheng, 
d. i. gang Kabuliftan, duch Buddhismus *0), von der dhriftlichen 
Aera an, und felbft früher fhon, vor der Macedonier Zeit, bis in das 
VII. und IX. Sahrh., zu feinee hoͤchſten Blüthe erhoben. In dies 
fer bisher gaͤnzlich unbekannt gebliebenen Periode vorherrfcenden 
Samander Eultus auf der Weftfeite des Indus, im Gegens 
fage des Brahmacultus auf deffen Oftfeite und in den Gans 
gesländern, füllt fi) das Hochland des heutigen Afghaniftan, über Kas 
bul bis Bamiyan und zum Hindu Khu hinauf, mit jenen colofjalen 
Bauwerken (f. oben ©. 98— 122), welche feitdem die Verwunderung 
der Entdecker felbft erregt haben. In diefer Periode ift es, wo am 
Ende des IV. und in der Mitte deö VII. Sahrhunderts dur Pilgerz 
faprten Bubddhiftifher Priefter (Fa Hian im Jahre 399, 
Hitan Thfang 630-650 nad) Chr. Geb.) aus China in das Land 
ihrer Patriarchen oder Kirchenväter, über den Indiſchen Kaukaſus 
oder die Paffagen des Hindu Khu und des Hindu Kuſch, der Sndifche 
Name Bamiyan zum erfien Male in den Chinefifhen Annalen, in 
der Chinefifchen Umfchreibung Fan yan na bei Hitan Ehfang, der 
hindurch reifet, wie in den Annalen der Thang-Oynaſtie (die von 618 
bis 907 nach Chr. Geb. herrſcht) °'), hervortritt. x 

Nur aus dem Zend, ald Bamié °?), d. h. die Reihe, im 





459) C. Ritter über Alerander M, Feldzug 1832. 4. ©. 14 u. f. 
°o) FoeKoueKi ou Relation desRoyaumes Bouddhistiques. Voya- 
ges dans la Tartarie, dans l’Afglanistan et dans l’Inde executes & 
la fin du IV Siecle. Par Chy-Fa-Hian. Trad. du Chinois et 
commente par Abel Bemusat, ouyrage postkume, revu complete, 
augmente etc. p. MM. Klaproth et Landresse. 4. Paris 1837; 
vergl. C. F. Neumann, Prof. Pilgerfahrten Budbbiftifher Priefter 
von China nad) Indien, aus dem Chinef. überf. mit Anmerkungen. 
Leipzig 1833. 8. J. Klaproth Reife (im 3. 650—650.n. Ehr. 
Geb.) des Chinefifhen Buddhapriefters Hitan Thſang durch Mite 
tel-Afien und Indien. Berlin 1834, 8. *1) Ab. Kemusat Re- 
marques sur l’Extension de ’Empire Chinois du cot& de POcci- 
dent, in Memoires sur plus. Questions relat. a la Geogr. de l’Asie 
ecntrale, Paris 1825. 4. p. 91; derſ. in Notice sur quelgues 
Pcuples du Tibet ete. de ’Ouyrage de Ma touan lin etc, in Nouy. 
Melanges Asiat. Paris 1829. 8. T.I. p.214. *?) f, Vocabulaire 
Zend-Pehlri in Zend-Avesta p. Angquetil du Perron II. p. 433, 








Hindu Khu, Bamiyans Denkmale. 273 


Pehlvi; Bami tfhaguin vofefch nad) Anquetil, d, h. Para⸗ 
dies, oder aus den Yuranas der Sanskritwerke, wenn man hier dem 
fleißig fammelnden Wilford trauen darf, wonah Para Vami die 
reine, glänzende Ba mi, d. i. Gapitale, war; oder als Paro Va⸗ 
mi °°), d.h. die Bergftadt, was die Makedonier leicht in Paropa- 
misos verändern mochten, hätte diejer Name nod früher befannt wer: 
den können, ein Name, der aber dur die Makedonier nun auf das 
Stadtgebiet und auf die Bewohner des Gebirgslandes, von bem jenes 
die Gapitale geweſen, die nun ihre Alexandria uͤberbot, uͤbertragen, der 
Weſtwelt bekannt ward. Mit der Ausbreitung des Koran durch ganz 
Iran mußte ſpaͤterhin, wie der Lichtdienſt Zoroaſters mit feinen 
Seueraltären, jo der Buddhacultus mit feinen Klöftern, Reliquien 
und Troglodytenleben, vor dem blutigen Schwerte des Islam von dies 
fem Hochlande zurüdweihen. Zahlreiche Populationen beider 
Friedensreligionen, bie unter dem milden Scepter Saffanidifcher 
Herrſcher, wie Nuſchirvans und anderer, neben toleranten Getifh- Bud⸗ 
dhiſtiſchen Dynaftien (wie die Kanerkog= und Mokadphyſes⸗ Muͤnzen und 
andere beweiſen, die in ſo großer Menge bei Ausgrabungen der gleich⸗ 
zeitigen Monumente gefunden ſind) in Wohlſtand waren, ‚bewohnten da⸗ 
mals noch das Hochland Afghaniſtans. Sie lebten dort noch 
Jahrhunderte hindurch unter dem nachwirken den Einfluſſe baktriſch⸗ 
griechiſcher Civiliſation, wie die griechiſche Kunſt und die griechiſchen Le⸗ 
genden auf ſo vielen Tauſenden dort einheimiſcher Münzen beweifen ; 
aber fie verfhwinden feit dem Eindringen der Mohammedaner ganz, 
ober werden doch nad) andern Seiten hin zeriprengt, Gleich den Gues 
bern nad Indien: (Parfeneinmanderung, f. Afien IV.1. S.615—619), 
fo die Buddhiften in die Hochgebirge von Kaferiftan, Baltis 
fan, Ladakh (ſ. ob. ©, 112,216), oder nad; Klein und Groß Tübet, 
Araberheere, unter den ‚Khalifen, und muhammedanifc gewordeng 
Turkſtaͤmme dringen als blutiriefende Sieger und Eroberer durch 
ihre Ghazie oder Glaubensfriege in die friedlihen Sitze der 
Feueranbeter und Buddhaverehrer (fchon feit dem Ende des VI. Jahr⸗ 
hunderts, ſ. Aſien IV. 1. ©. 531) ein, und verändern durch neue Anz 
fiedelungen ihrer Horden, durch neue Sitten und Lehren, großenz 
theild den Character der Vorzeit, fo daß nur wenige Reſte in ge+ 
ringen Gruppen der Aboriginer, als Kafern in dem Gebirgsland, 
oder als Tadjik in den Gulturlandfchaften, fiets im. Kampfe gegen 
fie, oder im harten Drud unter ihnen, in einzelnen, gejchügteren 
Gauen zurücbleiben. 


» tu38 


r °:) On ‘Mount Caucasns by C. Fr, Wilford, in Asiat. Res, Lond. 
8. T. VI. p. 462 — 4725 vergl. Marles Hist.»Geno,-de UInde. 
Paris 1828. 8. T. I. p. 39. un? % . 
Ritter Erdkunde VII, S 





274 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. F. 4. 


Mit dieſer dritten Periode, nach der Perſiſchen und Makedonl⸗ 
ſchen, naͤmlich der beginnenden Herrſchaft des Islam, fangen, ſtatt der 
bisherigen Griechiſchen und Chineſiſchen Schriftſteller uͤber dieſes Weſt⸗ 
ende des Indiſchen Kaukaſus, die Arabiſchen und Perſiſchen Geos 
graphen und Hiſtoriker an, uns in abgeriſſenen Notizen ihrer 
Weltbeſchreibungen, oder der Chroniken ihrer Dynaſtien, einzelne Licht⸗ 
ſtrahlen auf das Schickſal von Bamiyan und feiner Umgebungen zu wer⸗ 
fen, wie Ebn Haukal (950 nady Chr. Geb.), Abulfeda, Mitte des 
XIV., und Abul Fazl, Ende des XVI. Jahrhunderts; auch Mirs 
khond in feinen Hiftorien der Dynaſtien. Sie reichen nur fo eben Hin, 
um zu zeigen, daß B amiyan nod immer eine bedeutende Stabt war, 
halb fo groß, fagt Ebn Haukal °*), wie Balkh, und daß fie 
feft genug war, um eine Belagerung gegen die mweltftürmenben Mon— 
gholen einige Zeit Tang auszuhalten. Aber auch fie, wie fo viele ihrer 
weit größern Schweftern, warb endlih erftürmt und der Erde gleich 
gemacht. Die Stadt Bamiyan, erzählen die Mongholifchen Annas 
Ion ®®), vertheidigte fich hartnädig gegen Dſchingiskhans Ueberfall (im 
Jahr 1221), bis es endlich erlag, und, im Zorn des Eroberers zerftört, 
felöft das Kind im Mutterleibe nicht geſchont ward, das Vieh felbft uns 
ter der Wuth des Schwertes fallen mußte. Bamiyan, die Stadt, 
ward zur Wuͤſtenei, und feitdem Murbalig,- d. i. bie traurige 
Stadt, genannt. So die Monghelifchen Annalen, 

Daffelbe Schickſal traf damals audy die blühenden Nachbarftähte 
Balkth, Herat, Kabul, Kandahar, Baznaz; zwei Zahrhunderte 
früher hatte durch Sebekthegin, den Turk-Sclavben, den furchtbas 
ren Feldherrn und Begründer des Ghaznaviden Haufes (f. Aſien IV. 1. 
©. 532 — 534), daffelbe Schickſal fchon die Wohnungen der Göts 
ter, wie unter Oſchingiskhan die dee Menfdyen, getroffen. "Se: 
betthegin war in feinen Gfaubensfriegen, wie Mirkhond °*) fagt, 
der unerbittliche Zerfiörer aller Sdpolanbeter, aller Idole und 
Goͤtzent empel auf der Weftfeite des Indus gewefen, und nur 
das Vorbild feines Sohnes, Sultan Mahmuds , der biefelbe Zerſtö— 
zung auch auf die Oftfeite des Indus übertrug, Doch auch vor ihm 
giebt Ferifchta zu verſtehen (f. Aſien IV.1. S. 531), daß ſchon Ende 
des VII. und Anfang des VIII. Jahrhunderts theilweiſe Verheerun⸗ 
gen Arabiſcher Anfuͤhrer, entflammter Anhaͤnger des Propheten, denſel⸗ 
ben Boden trafen. 





264) Oriental. Geogr. 1. c. p. 225. s#) Deguignes Geſchichte ber 
Hunnen, Zürfen, Donaholen ze, Ueberf. v. Dähnert, Greifswald 
1769, 4. Th. I. ©. 602 — 604, III. ©. 68. ®®) Historia Sa- 
manidarum ed. Wilken, p. 204-205 Not. 55. ad p. 115; deſſ. 
Histor. Gasneyidaram p. 142. 


— 


Hindu Khu, Bamiyan’s Denkmale. 275 


Iſt es zu verwundern, wenn nach folhen Voͤlkerſtuͤrmen, SKriegess 
fluthen und Religionswechfeln die Denktmale der Vorzeit in Ruis 
nen zerfielen und ſchwanden, felbft die Erinnerung an fie in der Denk: 
weiſe der Ueberlebenden gänzlich erlöfchte, und eine einft reich be— 
voͤlkerte Landfchaft durch Hordenleben dem größeren Theile nach, mit 
Ausnahme weniger feftbefiedelter Bauen, zu einer großen Eind de ward, 
Und dennod ragen auch heute nod) in diefer Hunderte von co= 
toffalen Thürmen hervor, die größtentheils in Schutthügel verwan= 
delt ganze Hügelreihen bilden, deren altes Mauerwerk nur darum ſtehen 
blieb, weil es unbewohnbar, unbenutzbar fuͤr die neuen Ueberzuͤgler war, 
und die Arbeit der Zerftörung keinen Gewinn für die Zerſtoͤrer verhieß. 
Noch Heute fiehen die ftummen Eolofje von B amiyan am Heermege 
zwiſchen den Grottenbergen, aber als redende Zeugen einer Vergangen= 
heit, in welcher fie ſelbſt als religiöfes Denkmal der Einführung einer 
gefeierten Lehre galten, deren Anhänger das Troglodytenvolk war, das 
in frommen budöhiftifchen Kloftervereinen einft diefe Thaͤler belebte, 

Die Lage Bamiyans, innerhalb des engen, drei Stunden 
langen Thales, im Norden und Süden, durch dreifache Gebirgspäffe 
. Natürlich und ficher verfchangt, geht aus der obigen Erzaͤhlung hervor. 
Nur einen, einzigen Zag Eonnte Al. Burnes hier verweilen, viel zu 
furz, um vollftändige Einfiht zu gewinnen; aber hinreichend, um, wenn 
auch nur flüchtigen, Bericht über die Goloffe, But Bamiyan °7) 
genannt, und die Grottenwerke, Sumuch, zu geben, welche beide Thal: 
ſeiten „wie Honigvaben“ (honeycombed, nah A. Burnes Aus— 
drud) durchloͤchern. Die Ausgrabungen von Sdolen und Snfcriften*“®), 
weiche Eh. Maffon hier, im darauffolgenden Sahre, 1833, zu Stande 
brachte, find uns noch nicht näher befchrieben, und M, Honigberger, 
der wol ähnliches hier, im 3. 1834, unternommen haben würde, wurde 
bei feiner Durchreiſe beraubt und gefangen °°) gejest, fo daß er nur 
froh feyn mußte, durch die fehnelle Weiterreife nad) Balkh, der ihm dro= 
benden Gefahr entgangen zu feyn. Die Sumud, d. i. die Grotten 
und Höhlen, welche beide Bergmände des ganzen Thales durchziehen, 
find auch heute noch die Wohn ftätten des größten Theils der Popü= 
lation von Bamiyan, eines Troglodytenvolfs, das, nad der Menge dies 
fer Grotten zu urtheilen, einft weit zahlreicher gemwefen feyn muß als in 
der Gegenwart, | 





*7) J. Baillif Fraser Narrative of a Voyage into Khorasan, Lond, 
1825. 4. App. B. p. 121. °s) M. Honigberger Journal of a 
Route from Deragazi Khan through tbe Viziri Country to Kabul, 
20. Mars 1834. in Journ. of the Asiat. Soc. of Bengal, ed. Prin- 
sep. Vol. III. p. 177. 6%) Gerard Not. in Journ. of the Asiat. 
Soc. of Bengal. Calc. ed. Prinsep. Vol, III. p, 246; Jacquet No- 
tice in Journ. Asiat., Paris Sept. 1836. p. 249, . ' 


62 


276 Weſt-Aſien. I. Abſchuitt. $. 4. 


Ein abgelöfter Theil ber Bergwand, ber iſolirt in ber Mitte des 
Thaler fid) erhebt, ift nad) allen Richtungen hin, ganz von Höhlen 
durchbohrt; fie werden für das Werk eines Königs Julal ausgegeben, 
ber in diefer Stadt Ghulghula, oder Ghalghala, geherrſcht haben 
fol. Auch Wilford ?70), in früherer Zeit durch ganz andere Aus—⸗ 
fagen belehrt, giebt denfelben Namen an, und hörte die Grotten mit 
dem Namen Samach'h, bei den Gingebornen, bei den Perfern mit 
Samaj belegen. Sie werden nach ihm, ihrer Größe wegen, für Tem⸗ 
pel gehalten, find aber ‚ohne Säulen, jedod mit Niſchen und Sculpturs 
wer verfehen, die Malereien fi nd vom Rauch gefhwärzt, die Sculptus 
ren durch die Mufelmänner verſtuͤmmelt. Aehnliche Grotten follen auch 
in unzugänglichen Felsſchluchten zu Mohi, an dem Wege von Bamipar 
nah Balkh, liegen. 

Wenn Abulfeda’& Rachricht vom Silberderak Salat, 


bir 71), bei Bamiyan, fi ch auf dieſen durchloͤcherten Berg, Ghalghala, 


beziehen ſollte: fo wuͤrde er einſt von Bergleuten nad) Schaͤtzen durch⸗ 
graben ſeyn, wenn es zu a Lobabs Zeit, den der Arabifche Fürft als 
feinen Gewaͤhrsmann citirt, hier nicht vielmehr nur Schasgräber 
waren, die in den veroͤdeten Grottentempeln, Gatacomben und Grotten⸗ 
Eidftern der alten Budbhiften- Zeit, den dortigen, in der Roth omag 
ten und vergrabenen Schaͤtzen und Koſtbarkeiten nachgingen. 

Von Erſcheinungen, die etwa auf eigentlichen Bergbau in Biefen 
Gruben deuten Eönnten, ift bei Al. Burnes keine Rebe. Diefe Berge 
beftehen, nad ihm, aus verhärtetem Thon und Rollfteinen oder Kiefel; 
daher ihre Höhlungen Leicht zu graben waren (wie aber fie feft zu mas 
chen ?2). Ihre weite Ausdehnung verdient jedoch alle: Aufmerkfamkeit, 
Sie wurden zwar auf beiden Zhalfeiten ausgearbeitet, aber die groͤ⸗ 
here Zahl liegt an der Nordfeite des Bergſtroms. Zufammengenoms 
men, fagt Al. Burnes, begreifen fie den Raum einer fehr großen, weit 
ausgedehnten Stadt. An berfelben Nordwand erheben ſich, zwiſchen dies 
fer Zroglodytenftadt, auch die beiden Riefengeftalten, die Buts. Häus 
fig, fagt Al. Burnesg, miethet man hier TZagelöhner, um in dies 
fen Höhlen nah Schätzen zu graben; und man wird aud für 
feine Mühe belohnt, durdy Ringe, Münzen und allerlei andere Gegens 
ftände, die aber von ihm leider ungenannt bleiben, jedoch meift jünger 
ald aus Mohammeds Zeit feyn und Kufifche Infchriften tragen follen. 
Näheres wird nicht gefagtz; Maffons dort ausgegrabene Antiquitäten 
und, Idole find noch nicht öffentlich bekannt gemadht. 

Die unbeftimmte Erzählung des Briten giebt unferer Erklärung 





*?°) C. Fr. Wilford 1. e. in Asiat. Res. T. VI. p. 463 — 473. 
”*) Abulfedae Tabular. Geogr. XXIII ed. Reiske E Büfhing Hiſtor. 
Magazin. Hamburg 1777. 4. 39. V. ©. 348. 


P2 


Hindu Khu, Bamiyan's Grottenwerke. 277 


der Stelle Abulfedas als Ra ubbau einige Wahrfcheinlichkeit, wenn 


- man biefelbe etwas genauer ins Auge faßt, und dabei bedenkt, daß zu 


ſeiner Zeit, vor einem halben Jahrtauſend, darin wol noch er zu holen 
war, als gegenwärtig. 

Diefe Höhlenwehnungen find, nah At. Burnes, der jedoch wol 
nur fehr wenige im Sunern gejehen haben kann, meiftentheil$ nur viers 
eckige Bergkammern, ohne Architecture und Ornamente; doch enden einige 
auch in Domgeftalt, und zeigen unter der Stelle, wo die Kuppel beginnt, 


ein ornamentirtes Fries. Die wenigften von ihnen mögen bisher genauer 


unterfucht feyn, wie dies auch aus einigen der nach Wilford im Obi⸗ 


‚gen gemachten Zufäge hervorgeht; deito fabelhafter find die Mährchen 


die von ihnen erzählt werden. In einer derfeiben, fagte man dem Bri— 
ten Al. Burnes, folle eine Mutter ihr Kind verloren und erft nach vie— 
lem Suchen, 12 Sabre fpäter, wieder gefunden haben; fo labyrinthiſch 
werben fie gefhildert. Unter einer der größern von denen, welche die 


Idole auf allen Seiten umgeben, fagt Al. Burnes, koͤnne wol ein 
"halbes Regiment fein Lager aufſchlagen. Jene Iabyrinthifche Höhle er⸗ 


innert an die berühmte Höhle des Mani, oder Manes, des Stifters 


der Manichäer ??), der fich in einer dergleichen, nad feiner erften 


Verfolgung, feinen Feinden, wie den Augen feiner Schüler entzog, und 
dann, ploͤtzlich, nach dem Verlaufe eines Sahres, aus derfelben (mie fein 
Nachahmer Mohammed mit dem Koran), fo mit feinen fombolifchen Zas 
feln hervortrat, um die Welt mit feiner Weisheit zw erleuchten, Als 
Reformator der Zoroafterlehre und des Chriftenthums, die eben damals 
beide unter den Saffaniden in Sran (zur Zeit Schahpur J. 27703 
n. Chr. G.), duch Neftorianer und Magier:Gecten, eine mer 
würdige, neue Verbreitung gewannen, ſich für einen Gottgeweihten aus⸗ 
gebend, ward er beiden verhaßt, ja zum zweiten Male verfolgt und. als 


- Märtyrer, bekanntlich, in Perfien graufam hingerichtet. Ber feiner ers 
ſten Flucht nach Nordoft, zur Rettung, nennt Mirthond 72) außs 
druͤcklich Kafhmir, Tur keſtan und Khatai, keineswegs aber, wie 


die occidentalifchen Kirchenhiftorifer und ihre fpätern Gommentatoren fas 
gen, Indien und China, wohin er geflohen fen, und ſich in die my⸗ 
fteriöfe Höhle zuruͤckzog. Wo hätte er diefe näher finden Eönnen, als 
an der Nordgrenze der damaligen Saffanidenherrihaft im benachbarten 
Bamiyan; und da in ſeinen pantheiſtiſchen Lehren auch eines Scythia⸗ 
nus und Buddas erwaͤhnt wird, die auf dieſes von Buddhadienern und 
Indo⸗Skythen bewohnte und beherrſchte Grottenthal hinweiſen, fo zweifeln 





22) A. Neanders allgemeine Geſchichte der chriſtlichen Religion und 
Kirche 1.3. 2. Abth. Hamburg 1825. ©.817—859. ?*) Mirkb- 
ond Histoire des Sassanides ed. $S. De Sacy in Menı. sur diver- 
ses Antiquetös de la Perse, Paris 1793. 4. p. 294 — 295. 


278 Wert Afien, I. Abfchnitt. 9. 4 


wir nicht, daß in einer der Höhlen Bamiyans bie Grotte bes Mae 
nes zu fuchen fen. Aus ihr aber trat er, am Ende des III. Jahrh. n. 
Chr., mit feiner Lehre hervor, „daß Mani, Buddhas, Zoroaſter, 
Chriſtus und Mithras (der hoͤhere die Sonne beſeelende Geiſt), nur 
dieſelben ſeyen, nur verſchiedene Sonnenincarnationen, oder Formen 
der einen Grundreligion.“ Wo hätte zu dieſem Gedanken ber Keim 
cher feine Entwidlung finden Eönnen, als hier, um Bamiyan, auf, dem 
antifen Grenzgebiete der Theoſophie, der metaphyſiſchen und religiöfen, 
feinften Speculationen, zwifhen Indien, Baktrien, Iran und Tübet, 

Was bisher von dieſer Localen Erflärungsmeife fern hielt, war 
die Meinung, daß Manes, in jener Zeit, erft im fernen China hätte 
feine Buddhiſtiſche Theofophie aus den Dogmen des Foe ſchoͤpfen füns 
nen; aber aus Fa Hians Pilgerfahrt, Ende des IV. Jahrh., wifs 
fen wir nun, durch pofitive Daten, was wir früherhin nur ahnden konn⸗ 
ten, daß damals fchon, ſeit mehrern Sahrhunderten, ganz Afghanijtan 
und der Hindu Khu, fammt dem Thale von Bamiyan, mit Buddhatem⸗ 
peln, Buddhaklöftern und Buddhiſtiſchen zahlreichen Gemeinden gefüllt 
war, bei denen die in China fchon wieder verbunfelte Kirche des Foe 
(Buddha), durch pilgernde Priefter, die reine Lehre und die Zerte ihrer 
heiligen Schriften in der Urſprache des Sanskrit in jener Periode auf: 
fuchten. Dies ergiebt fich mit noch größerer Sicherheit auch aus ihren 
dort zurüdgelaffenen Baumerfen. 

Nun wird es fchon nit mehr zu auffallend feyn, in einer noch 
weit fruͤhern Makedoniſchen Zeit, im Thale der Troglodyten Bas 
miyans, auch die Prometheus Höhle, von der Gurtius und Ar= 
rian beim Durchzuge Alexander M. über den Indiſchen Kaukaſus fpres 
chen, wieder finden zu wollen. Eben hier war es, wo mit größter 
Wahrfcheinlichkeit die Makedonier Colonie, Alexandria sub ipso 
Caucaso zu fuchen, wie wir anderwärts ?*) nachgewiefen haben; wo 
diefer Feldherr, nad) Strabo (XV. c. 2. $.10, 725), übermwinterte; von 
wo er dann, in 15 Tagemärfchen, nach der baktrifchen Stadt Darapfa 
(Adrapsa) 309. Eben hier war es, wo 7000 mafebonifche Veteranen 
fi anfiedeiten, vor feinem Uebergange über den indifchen Kaufafus zum 
Drus, und zu welcher Alerander, wie Arrian verfichert (de Exped. 
II. 28, 1V. 22), nad) Jahr und Tag wieder zurüdfchrte, um neue Ans 
ordnungen in derfelben als einem Hauptſtuͤtzpuncte feines fernern Felde 
zuges nad) Indien zu treffen, 

Auch damals hätten, wie dies aus der Chronologie der Chinefifchen 
Berichterftatter fi) nun ſchon mit Beftimmtheit ergiebt, Buddhalehrer 
ſich bis dahin ausbreiten Eönnen, da ihr Gultus fchon 300 Jahre Yang 
in Kabuliftan, vor der Makedonier Zeit, weit und breit Wurzel gefaßt 


*?#) Ueber Xlerander M. Feldzug ©. 14. 





Hindu Khu, Bamiyan’s Grottenmwerfe. 279 


hatte. War dies aber auch nicht der Fall, und damals das Bamihan⸗ 
thal von dieſer Doctrin auch noch unbeſucht geblieben, fo beftanden das 
ſelbſt doch ſchon Höhlen, welche, wie Strabe bemerkt (XV. c. 1. 
8. 8. 686), die Aufmerkfamkeit fo ſehr erregten, daß bie Griechen vom 
Pontus, bis dahin, ihre Mythe vom gefeffelten Prometheus und dem 
befreienden Herakles, mit der Keule, gern verlegten. Das erzählten 
Megafihenes und andere, die den Maketonierzug mitgemacht ; aber 
Eratofthenes und feine Nachfolger, wie auh Strabo, bezweifelten 
ſchon diefe localiſirte Mythe; das Factum der bei den Paropamiſaden 
heilig gehaltenen ‚Höhle bezweifelten fie aber nicht, in welche die Maker 
donier nur. ihren Yrometheus irrig verfegen wollten, So ift dem 
Strabo das Bergvolk der Sibas, oder Gib us, welches dort wohnte, 
Zeineswegs goeifelhaft, fondern nur die Kabel, daß fie Nachkommen der 
Herakicsgefährten wären, weil fie als Wahrzeichen feines Geſchlechtes 
die Sitte bewahrt haben follten, Keulen zu tragın, und Felle umzuhäne 
gen, wie er that. In diefer Sitte zeichnet fih aber bekanntlich auch 
heute noch jenes wilde Gebirgsvolk, die Kafir des Hindu Khu, aus, 
welches ſogar ‚bis heute bei allen orientalen Autoren den dort wol, ſeit 
Makedoniicher Zeit, einheimifhen Namın der Siapufh, oder Sias 
put (Z/Aus bei Strabo, (ss bei Diod. Sie. XVII. 96), beibehalten 
hat, und durch feine ſchwarzen und weißen, baarigen Ziegenfelle, in bie 
es fich Eleidet, vor allen feinen Nachbarn auszeichnet; weshalb es auch 
jenen Namen ver Spin und Tor Kafirs, d. i. der weißen und 
Ihwargen Ungläubigen, in der Puſchtu Sprache erhalten haben 
(f. ob, S. 210) mag. Obwol fie heut zu Zage aus den Umgebungen Bas 
miyans verdrängt find, und nur viel weiter im Dften des Gebirges noch 
hauſen, ſo geht doch aus Timurs Ruͤckmarſche 75), aus Indien nach 
Samarkand, hervor, daß fie damals im Scheibar Tag, d. i. dem 
heutigen im Namen abgefürzten Schibertu, dem firbenten der bei 
Eultan Baber (f.. 0b. ©. 253) nach Bamiyan führenden Bergpaͤſſe, 
noch immer als tapfere Keulenſchwinger herrſchten, wie zu der Make⸗ 
donier Zeit, 1400 Jahre zuvor. 

Was es jedoch im beſondern mit der ſogenannten Prometheuss 
Höhle, bei Curtius und Arrian, für eine Bewandtnig haben mochte, 
- bleibt uns unbekannt. Die leifeften Anklaͤnge mit einer der vielen Ins 
difchen Legenden, Mythen, Fabeln, mochten für die Phantafie der Gries 
chen hinreichend feyn, wie den Herakles und den Dioryfos, ober⸗ 
halb Nifa (daher aus Parovami und Paropamisos, aud) leicht cin Pa- 
ropanisos, d, is nach dv. Bohlens Erklärung ’°), Paro upa Nifa 





* Cheriſſeddin Hist. de Pe b, Petit de la Croix T. III. ch. 3. 
.17— 21; ebend. ch. 32. p. 168. 70) 9, Bohlen das alte 
Indien Sp. L6. 5,412, 143." 


280 Weoſt⸗dAſien. I. Abſchnitt. 8.4, 


im Sanskrit, das Gebirg oberhalb Niſa, aus etymologiſch“ Grille ges 
bildet werben Eonnte), ſo auch den Prometheus in eine jener Grotten 
am Gebirgswege zu verfegen, unter deffen Gebirgswand des Indifchen 
Kaufafus unmittelbar, nad Gurtius Ausdrucd (Lib. VII. 14), die 
neue Alcrandriaftadt gegründet ward (Condendae in radieibus montis 
urbi sedes electa est etc.). h 

Der Name diefer Alexandria lebte, als Jskandereh, ober 
Sakandereh, auh noch durh Ebn Haufals Periode (950 nad 
Chr. G.), bis in die Zeiten Abulfedas, in der Mitte des XIV. Zahrs 
hunderts, in dem Munde des Volkes fort, als Bamiyan ſchon lange als 
„Zrauer-Stadt’ durch Mongholen zerfiört da lag. Es bleibt 
unficher, an welche Stelle des ruinenreidhen, drei Stunden langen, noch 
nicht näher unterfuchten Thales, diefe Alerandria, fo wie die ans 
tie Paro Bami, zu verlegen ſey. Ob fie mit den heutigen Hoͤh⸗ 
lenwohnungen des modernen Bamiyan zufammenfalle, oder mit andern 
in jener Mongholenzeit zerftdrten Trümmern der Gapitale, an denen 
diefes Thal, nad) Al. Burnes Verfiherung, fo reich ift. Eben fo 
unbekannt bleibt c$ uns zur Zeit noch, was es mit der Burg 30: 
haks für eine Bewandtnig habe, die derfelbe Reiſende am füdlichen Eins 
gange des Thales von Bamiyan, auf dem Gipfel eines Felsabfturges, 
kunſtreich mit Wafferleitungeh erbaut, aber nur in ihren Ruinen liegen 
fahe (f. ob, ©. 265). Wir wiffen nur, daß der gewaltige Held Zohak, 
der tapfer, aber thöricht und unrein war, und wegen feiner Stärke 
Purafi, d. bh. Zehntaufend, hieß, nach dem berühmten Helden- 
buche von Sran (Shah Nameh) des Firdufi, vom reinen, froms 
men Feridun #77), der Dynaftie der Pifchdadier, geftürzt ward, und 
daß deffen Name in der Felsburg von Bamiyan dis Heute fort: 
lebt. Zur Zeit Kaifer Akbars, fagt uns deſſen Minifter, Abul Fazl 
(im 3. 1600) 7°), beftand noch ein Zoman, d. h. ein Diftrict, im dorz 
tigen Gebirge, den er, in feiner Indifhen Erdbefchreibung, Zohak 
Bamiyan nennt, und darin die Burg des Zohak, ein Denkmal, 
wie er fi ausdrüdt, von hohem Alterthume, das in gutem 
Stande fin, indeß die Feſte von Bamiyan felbft in Ruinen Liege. 
Alle genauern Daten zur Unterfuhung dieſes Gegenftandes fehlen ung, 
und nur. von einem Augenzeugen, der jenes merkwürdige Thal durch 
längern Aufenthalt in feinen Denfmalen ftudirte, würden wir wichtige 
Aufſchluͤſſe über diefelben erhalten koͤnnen. 

Dennod enthält ſchon der weitere Bericht defjelben Abul Fazl, 
von den Coloſſen Bamiyensd, und feinen 12,000 Höhlen, die er 





77) 3. Görres, das Heldenbuch von Iran aus dem Schah Nameh 
des Firduſſi. Berl. 1820. 8. B. l. V. ©.16— 24. 78) Ayeen 
Akbery el. F. Gladwin. Lond. 1800. 8. Vol. 1. p. 168. 





Hindu Khu, Bamihan's Coloſſe. 281 


jener erften Angabe hinzufügt, durd Al. Burnes Beſchreibung ders 
felben, ald Augenzeuge, und vorzüglich durch die Berichte Chineſiſcher 
Buddhapilger aus den früheften Jahrhunderten, eine nähere Erklärung, 
Dies führt ung aus der Makedonifchen und der Perfifchen Zeit zu der 
Buddhiſtiſchen Zeit diefer feltfamen Trümmerwelt von Bamiyan. 

Shon M, Elphinftone ?°), der britifhe Gefandte in Kabul, 
obwol er nicht felbft bis Baminyan vordringen Eonnte, fagte, nach den 
von ihm eingefammelten Erkundigungen, die dortigen Höhlen und Idole 
machten es wahrfcheinlicy, daß jene Gegend einft von Anhängern 
Buddhas bewohnt war, die dann hier, vielleicht frühzeitig, zum Is⸗ 
lam be£ehrt wurden, Die Höhlen find voll von Spuren der Idololatrie, 
und zahllos find die vielen E-tinen Statücn, welche fehr oft im benadj= 
barten Lande der Eimaks (eHedem das Land der Paropamifaden) ausges 
graben werden. An directen Beweifen für diefe Annahme fehlte es 
aber noch, und damals wurde leider keine einzige Zeichnung oder Be⸗ 
ſchreibung dieſer keinen Statuͤen oͤffentlich mitgetheilt. 

Dem berühmten Orientaliſten Thom. Hyde, Profeſſor in Oxford, 
um das Jahr 1700, gebührt das Berbienft, der erjte geweſen zu feyn, 
der aus orienfalifchen Quellen der Perfer und Araber ®9), zuerft in den 
Namen Surkh-But, d.h. das rothe Idol, und Chingh-But, 
d. h. das graue Idol, die Bezeichnung diefer beiden Goloffe 
(But, Budd heißt bei Arabern und Perfern überhaupt fo viel als 
SdoL, Gigenbild) in Bamiyan auffend, und aus diefen Monumen—⸗ 
ten-auf eine antike Glanzftadt, eine BalEBami, an diefer Stelle zu— 
ruͤckſchloß. Aus dem vollſtaͤndigen Manuſcript des Ebn Haukal, das 
bis jetzt noch nicht edirt iſt, fuͤhrt er deſſen Nachricht an, die wir in 
Will. Dufeleys davon gegebenen Auszuge vermiſſen. Dieſe Coloſſe, 
ſagte jener wißbegierige Wandersmann aus Moſul, Ebn Haukal, 
ſeyen thurmhoch aus dem Berge gehauen, im Innern mit Hoͤhlungen 
durchzogen, ſo daß man von der Fußſohle hinauf bis zum Haupt und 
den Gliedern ihr Inneres durchwandern koͤnne. Ihre Hoͤhe betrage 
50 Cubitus (Ellen), und die Pilger wallfahrten zu ihnen hin (wol 
Buddhadiener). Die Muſelmaͤnner dagegen meinten, es möchten wol, 
aus Noahs Zeiten (deffen Arche fie auch auf den Hindu Khu im Oft, 
wie auf den Ararat in Weft verlegen), die Gögen Yaguth und Yaͤuk 
feyn, indeß andere vorgaben, es feyen Manat und Lat. Nicht fern 
von jenen beiden ftehe ein drittes etwas Eleineres Zdol, in Geftalt eines 
alten Frau, Nesr genannt, 

Diefe Auslegungen gingen wol, nach der Zerftörung jenes Thales, 
durch Feuer und Schwerdt der Moslemen und Mogholen hervor, als 


19) M. Eiphinstone Ace. p. 150, 318. *0) Thom Hyde Historia 
Religionis veterum kin ete Oxonü 1700. 4. » 133. 


282 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 4, 


die ſtarke Bevölkerung der früheren Zeit aus jenen Hochgebirgsthaͤlern 
gewichen,, die Burg Zohaks erſtuͤrmt, die Stadt Bamiyan zerftört, das 
troglodytifhe Moͤnchsleben gewaltfam verdrängt, die coloſſalen Idole 
und die Grottenwerfe fo zerftört worden waren, wie fie ſich heute noch 
eigen. 

3 Ende des XVI. Sahrhunderts giebt uns Abul Kazl***) die legte 
merkwürdige Nachricht von dieſen Reften mit folgenden Worten: In ber 
Mitte der Berge von Bamiyan finden fid) 12,000 in Felſen ausgears 
beitete Höhlen und Grotten, mit Ornamenten und Gypsſtuccatur. Sie 
werden für die Winterquartiere der alten Landesbewohner gehalten, und 
Summij genannt. Hier ftehen die gewaltigen Idolez ein Mann 80, 
ein Weib 50, ein Kind 15 Ellen hoch. Sn einer dieſer Summij ber 
findet fich eine Leiche, die wohl einbalfamirt ift, von der aber die ältee 
fien Eingebornen keine Auskunft geben Eönnen, die fie jedoch als: ein 
Mirakel in Ehren halten, 

Auf feiner Reife in Khorafan *?), fagte man Eürzlich (1821) B. 
Srafer, der Nachrichten "über diefe Gegend einfammelte, die Eoloffe 
in But-Bamiyan feyen 3 Speere hoch (45 Fuß); man befchrieb fie ihm 
fo, daß derfelbe fie für gleichartige Coloſſe hielt, wie die welche er in 
Eeylon, Malabar und Nepal gefehen. F 

Von dieſen ungemein zerſtuͤmmelten Denkmaͤlern giebt uns nun Al. 
Burnes*?) die erfte Abbildung und Beſchreibung. Die gigantifchen 
Spole ftehen wirklich, auch heute noch, an der fteilen Bergmand empor, 
eine männliche, und, wie er meint, eine weibliche Figur, die fie Sils 
fal und Schahmama (Königsmurter ?) nannten. Doch giebt dies der 
flüchtige Reifende nur nad) den Ausfagen feiner moslemifchen Gicerones, 
Richtiger möchten wol die Benennungen feyn, die Fr. Wilford **) 
ſchon früher mittheilte, und aus dem Munde indifcher Pandits oder Reis 
fenden erfuhr. Hiernach werben fie von Buddhiſten ſelbſt Scha hama 
und defien Schüler Salfala genannt; die Hindus nennen fie Bhim 
und fein Weib, und reihen fie alio der Sage der Panduiden, ber Vers 
folgten durdy die Brahmadiener (Bhims-Söhne find die Panduiden, vergl, 
Afien IV.2. ©. 827 u. a. 9.) an. Die perfifhen Mufelmänner nennen 
fie Key- umurfh (Kaismuras) und fein Weib, d. i. das erſte Mens 
ſchenpaar, defien Grabftätte fie auch dorthin verlegen. 

Nach deren Ausfage blicken beide mit ihren Gefichtern nad) Dften, 
To daß fie am Morgen lächeln, Abends düfter ausſehen; doch ſoll ige 
Angeſicht gegenwärtig durchaus nicht mehr kenntlich ſeyn. Die Mufels 





) Ayeen Akbery Vol, Il. p. 168. #2) B. Fraser Narrative of 
a Voy. into Khorasan p. 121. 22) Al. Burnes Trav. p. 185 


bis 188 nebft Tabu.  ®*) Fr. Wilford on Mount Caucasus in 
Asiat. Res, T. VI. p. 464, 





Hindu Khu, Bamiyan's Coloſſe. 283 


maͤnner pflegten, lange Zeiten hindurch, nie voruͤber zu ziehen, ohne ein 
paar Schuͤſſe darauf zu thun, und noch von Kaiſer Aurengzeb, dem 
Zerſtoͤrer aller Heidendenkmale, wird erzaͤhlt, daß er, gegen Ende des 
XVII. Jahrhunderts, bei einem Feldzuge auf dieſer Paſſage, durch Kar 
nonenſchuͤſſe die Schenkel der Coloſſe habe zerſchmettern laſſen, aus des 
nen jedoch zum Schreden des Volks Blut gefloffen ſey, daher ſie noch 
immer als Zauberfiguren gelten. 

Al, Burnes ſagt, daß beide Coloſſe als Hohrelice in 
der Sronte der Bergwand gegen die Thalfeite ausgearbeitet‘ find; der 
größte- 120 Fuß hoch, an 70 Zuß breit, in einer Niſche ftebend, die 
eben fo tief in den Berg hineintritt. Er beftätigt deffen große Zer⸗ 
ſtuͤmmelung, daß die untern Glieder durch Kanonenſchuͤſſe eingeriffen 
find, und auch das Gefiht über dem Munde unkenntlich geworden. 
Dagegen find die noch erkennbaren Lippen febr breit, die Ohren ſehr 
lang herabhängend, ‚wie bei allen Budbhafiguren. Eine Ziara fcheint 
das Haupt gefchmüct zu haben. Der Körper ift nicht nadend, fondern 
mit einer Art Mantel überkleidet, der alle Theile bedeckt, aber aus eis 
nım aufgelegten Gypsftucco befteht. Noch bemerkt man viele eingetrie— 
bene Holzpflöce, die unftreitig dazu dienen mochten, diefem Stucco Halt 
zu geben. Die Figur ift nur roh gezeichnet, ohne alle Eleganz, beide 
Hände, die aus dem Gewande hervortraten, find abgebrochen. Die Bes 
fiimmung der Figur näher nachzumeifen bleibt alſo ſehr fchwierig. 

Das andere Idol, welches von den Einwohnern des Thales, bald 
der Bruder, bald das Weib von jenem genannt wird, nach der Buddhi⸗—⸗ 
ften Ausfage aber als der Schüler von jenem gilt, ift zwar etwas 
beffer erhalten, aber gleichfalls fo zerftört, daß Al. Burnes daraus 
nichts genaueres zu ermitteln wußte. Die Ungabe als Weib ift wol bloße 
Zabel, weil eö nur halb fo groß ift wie jenes; wie denn aud) das Kind, 
als drittes Idol, wol nur Zufag zu jener if. Al, Burnes wenigs 
ftens wurde nichts von diefem Eleinern Idole anfihtig. Er bemerkt nur, 
daß biefes zweite Idol etwas beffer erhalten ſey als jenes erfte, aber 
eben fo drappirt, und daß es etwa 200 Schritt von jenem entfernt, in 
denfelben Berg eingehauen fey. 

Die vielen, quadratifchen Löcher zur Seite beider Eoloffe führen in 
der Bergmand zu Höhlen und Gängen, durch welche fich im Innern des 
Berges ein Weg bis zur größten Höhe der Figuren emporwindet. Die 
untern dieſer Höhlen dienen gegenwärtig als Raftorte und Lagerftätten 
für durchziehende Karawanen; die obern follen der Gemeinde zu Korns 
fammern dienen. Al. Burnes fagt uns nicht, daß er felbft das 
Innere derfelben näher unterfuchte. Die großen Berg:Nifchen, in denen 
beide Coloſſe geſchuͤtzt ſtehen, waren einft mit Stucco überzogen und 
mit Malereien menfchliher Figuren ornamentirt, die noch fü ichtbar, obs 
wol überall verwifcht, find; außer unmittelbar über den Köpfen ſelbſt. 


254 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $. 4. 


Hier ſind die Farben noch ſo friſch, wie in den aͤgyptiſchen Katacomben. 
Man bemerkt hier einen weiblichen Kopf mit einem Haarknoten und 
Haarflechten, die halb über die Bruſt herabfallen; der Kopf ift von eis 
nem Heiligenfchein umgeben und diefer wieder mit eihem großen, ber wie 
es fcheint mit der Nifhe um das. colofjale Haupt zufammenfiel, An 
einer andern Stelle Eonnte Al, Burnes noch 3 weibliche Figuren, die 
einander folgten, aber zu einer Gruppe gehörten, erkennen, Die Auss 
führung erfchien nur mittelmäßig und nicht beffer, als etwa die chineſi⸗ 
ſche Malerei nad) europaͤiſchen Vorlagen. Wie der Berihterftatter auf 
diefen Vergleich kommt, wiffen wir nicht; eine Erinnerung an chinefifche 
Manier mag ihn vielleicht dazu verleitet haben. Sollte hier wirklich Ors 
namentirung im chinefifchen Styl ſeyn? Leicht möglich, da die Berichte 
von der Wanderftraße Buddhiſtiſcher Miffionen im Foe koue fi eben 
diese Direction auf China nachweiſen, und felbft von der Erridhs 
tung folder Eoloffe in dem Berglande des Hindu Khu an vers 
ſchiedenen Stellen reden, welde ald Denkmale der Einführung 
des Buddha-Geſetzes dafelbft mit folder Beſtimmtheit angeführt 
werden, daß fogar die Chronologie auf ſolche Denkmale gegründet 
iſt. Wir zweifeln daher nit mehr daran, auch in den ſtehenden 
Buts (ſitzende Idole fielen Buddha felbft vor, diefe Standbildber 
aber die wandernden Verbreiter feiner Lehre) zu Bamiyan 
folhe Denkmale der Einführung des Buddha-Cultus in die— 
fem Gebirgsthale zu befigen, obwol uns bis jest darüber noch fein fpes 
cielles Datum in den chineſiſchen Berichten, wie für andere benachbarte, 
vorgekommen iſt. Vielleicht, daß im Hitan Thfang, deffen Edirung 
durh I. Klaproths, ſeines Wiederentdeders, Tod leider verfpätet 
worden ift, fi darüber mehr localer Aufſchluß findet, da derfelbe, wie 
gefagt, feinen Wanderftab ſelbſt durch Fan yan na feste (ſ. ob. S. 272). 
Das Beiſpiel aus Fa Hian, das uns zunaͤchſt der Analogie nach eben 
zu diefem Scluffe auf Bamiyan zurüdführt, ijt folgendes, mit 
welhem wir unfere Bemerkungen über Bamiyans Denkmale für hier 
befchliegen. 

Bon Yarkend (damals Khotan, einem blühenden budopiftifchen 


Königreiche, fchreitet Fa Hian **°) füdwärts vor, duch Kleine Züs 


bet oder Baltiftan, am obern Kamehſtrome (ſ. ob. ©, 14, den 
er Sintheou, d. i. Sind, nennt), um auf einer uns jest unbekann⸗ 
ten, in Feld gehauenen Kunftftraße, über Brüden und Felsitaffeln aller 
Art, hinabzufteigen zum Thale von Sellallabad (damals Utfhang 
im Chineſiſchen; Udyana, d. h. der Garten, im Sanskrit Henannt), 
wo er die damals beftehende Gapitale, Meng kie li, die Reſiden 

don Utfhang, mit ihren Buddhatempeln und Klöftern beſuchen will, 


*=°) FoeKoueKi ch. VI. p. 30. 


—. 


Hindu Khu, Bamiyan's Coloffe. 285 


Hier nun, auf balbem Wege dahin, noch mitten innerhalb der Hoch— 
thäler der dortigen Hindu Khu- Gebirge, vielleicht in der Gegend des 
heutigen Chitral oder Kuttore, Eommt er in den Gebirgsftaat holy, 
der uns fonft unbekannt ift, wo er fehr viele buddhiſtiſche Ordensbruͤder 
vorfand, und felbft ein 48 Fuß hohes, cofofjales Standbild dis Miles 
Phouſa, ein Name, der in der dhinefifchen Ueberſetzung die Umfchreis 
bung des fanstritiihen Boddhifattwa (d. h. Sohn vollendeter 
Güte) iſt, womit der zweite Schüler Buddhas bezeichnet wird. 

Diefer Buddha = Coloß, verficyerten ihn die Eingebornen jenes Lan— 
des (innerhalb des heutigen noch unerforfchten Kaferiftan) auf feine forgs 
faltigften Erkundigungen, bezeichne „die erfte Einführung des 
BudbharGefeges-im Lande,” alsdie Shamen, d. i. nad 
chine ſiſcher Umfhreibung die Samander Cbuddhiftifhe Froms 
‚ me, im Gegenfaß des Volks; wie Sramana im Sanskr. die Con= 
templativen ober die Asceten bezeichnet) aus Pe Hianthu, 
d, i. Nord- Hindoften, fommend, den Strom überfhritten, 
und mit fich die heiligen Bücher und die Sammlung der 
Lehrvorſchriften im diefes Königreih gebracht hätten, 
Es ward aber diefes Standbild, nad) ihrer Angabe, 300 Jahr nady 
dem Nirvana des Buddha, oder Schakya muni (d. h. nad 
feinem Dahinſcheidenz fein Tod wird uns nad) einer Rechnung 
in das Jahr 950 vor Chr. Geb,, nad) der andern 1020 vor Chr, Geb, 
feftgeftellt) errichtet, zur Zeit Phingwangs Regierung von der 
Tcheou⸗Oynaſtie (er regiert vom 3. 770 bis 720 vor Chr. G.). Dieſe 
Zeit, das VIII. Jahrhundert vor Chrifto, ift alfo der Anfang, da bie 
große Doctrin fich hieher, außerhalb Nord-Hindoftan, durch die Ge— 
biegsthäleer Mittelafiend und das centrale Hochland zu verbreiten be; 
gann. Bon da erji ſchritt die Lehre weiter gegen den Oſten bis Zübet 
und China fort, als Foe= Lehre (Buddha - Doctrin), 

Um diefelbe Zeit, oder ‚wenn aud) einige Zeit fpäter, denn Bamiyan 
iſt nur wenige Tagereifen fern von Sellallabad. und von ‚Kabul, das 
ſehr wahrſcheinlich zu gleicher Zeit zum Buddhacultus bekehrt ward, 
konnte alſo dieſelbe Doctrin aus Nord-Hindoſtan über Bami⸗ 
yan nach Baktrien vordringen, wie uͤber Tholy nach Tuͤbet. Es 
iſt ſelbſt wahrſcheinlich, daß dies ſchon in ſehr früher Zeit, vor der Mas 
kedonier Periode gefhahe,: da deren Berichterftatter fchon des Unter- 
ſchiedes der Bramahnen und Samanaͤer-Secten am Indus erwähnen, 
Die Erridtung der Coloſſe kann faft nur mit dem fie umgebenden 
Grottenmefen in naͤchſter Verbindung gedacht werden. Grottens 
leben findet von dem erften Urtypus der Bubdhagrotten in Mas 
gadha an (f. Afien IV. 1. ©, 511) in allen buddhiſtiſchen Anfiedes 
lungen für die zahlreichen Religiöfen und Kloftergeiftlichen ftatt (in Co⸗ 
Hindina, ſ. Afien III. S. 1003 bis Dekan, f. Afien IV. 2. ©. 551— 


286 Weſt-Aſien. L Abfchnitt, 5. 4. 


554 in Driffa, ©. 825 — 830 in Malwa und IV. 1. ©, 676— 686 In 
Elora, wie nad) IV. 2. ©. 191, 236, 255 auf Geylon und a. a. D.). 
Die beſtimmtere Zeit ihrer Errichtung bleibt uns bis jeht unbes 
kannt, aber feine Erklärung wol wahrfceinlicher, als daß fie zu glei— 
em Zwede wie Mile Phoufa’s Standbild ausgearbeitet 
wurden, ein Dentmal ber Einführung der großen Doctrim, 
die über ein Sahrtaufend daſelbſt in voller Blüthe geherrfcht haben mag, 
bis auf die Zerftörung durch Araber, Wenn leider auch fein chronolo= 
gifches Datum an diefe Colofje geknüpft ift, fo wäre es doch nicht ganz 
unmoͤglich, daß Schahama’s und feines Schülers Salfala Namen, 
nad der Tradition des buddhiftifchen Volkes, die Wilford aufbewahrt 
bat, in diefen Coloſſen fortlebten, 


a 


Anmerkung 2. Die Gruppen ber Tope's (Stupa’s) oder 
großen, antiken Mauerthürme mit buddhiftifhen Res 
liquien und Münzfhäsgen, von Peſchawer, Sellalls 
abad, Kabul und Beghram, zu beiden Seiten der gro—⸗ 

. Ben Königeftrage bis Bamiyan, 


Von jenen grandiofen Hauptmonumenten auf dem Oftufer ded Indus, 
welche wir die erften Hohen Pylone einer ganzen Reihe von Hun= 
derten gleichartiger, colofjaler Bauwerke nannten (ſ. oben S. 99), gehen 
wir nun auf der Weftfeite des Indus zu der befonderen An 
gabe und Nachweiſung biefer legteren über, welche zu beiden 
Eeiten der Königsftrage, bis zum Gebirgsfuß des Hindu Khu Hinz 
auf, erbaut, erfi feit ein paar Sahren entdeckt, und mit ihren Schägen, 
im Innern, wie in ihren Umgebungen, mannichfach ausgebeutet, jedoch 
noch Eeineswegs wiſſenſchaftlich unterfucht worden find, 

Nach Elphinftone’s Zeit, der noch von feinem Denkmale biefer 
Reihe erfuhr, hatten Moorcroft und fein Begleiter Trebed **°) 
(1824), und nod im Frühjahr 1832 Al. Burnes ihre Aufmerkſam— 
Zeit nur ganz flüchtig auf einzelne derfelben am Wege gerichtet; alle 
früheren Neifenden hatten fie überfehen, wie man ein paar Jahrhunderte 
hindurch die hohen Schneecoloffe der. Himalayaketten gedankenlos hatte 
überfehen EZönnen, ohne ihre Größe und Zahl auch nur zu ahnden. 
Seitdem erfi haben vorzüglich und zuerft Chaf. Maffon °?), dann 


#°°) Excerpt from Mr. Trebecks Journal in Mser., in Journ. of 
the Asiat. Soc. of Bengal. Nov. 1834. ed. Prinsep. Vol, IH, 
p· 974— 575. 87) Clıas. Masson Memoir on the Ancient 
Coins found: at Beghram in the Kohistan of Kabul, in Journ, 
ib. II. p. 153 — 175; deſſ. Letter to Dr. J. G. Gerard on the 
— of Topes, dated Tattung, 22. Mars 1834, ib. II. 
P- 3% N 





Hindu Khu, die Stupa’s der Königeftrafe. 287 


Dr. Gerard **), Al. Burnes Begleiter, der aber länger in Kabuleſtan 
vermweilte, und der unternehmende ungarifche Reifende M. Honigbers 
ger **), das Verdienft, nah Ventura's erfolgreihem Beifpiele im 
Pendſchab, fie ebenfalls befonders aufgefuht und zum Gegenftande ihrer 
Ausgrabungen gemadıt zu haben, obwol dabei fehr zu bedauern ift, 
daß diefe nicht mit der wünfchenswerthen Vorforge und Kenntniß (vielleicht 
Mafions Unterfuhungen ausgenommen, die wir in ihren Einzelnheiten 
noch nicht Eennen) gemadt find; z. B. ohne genauere Aufnahmen und 
Meffungen, ohne Grundriffe, und eigentli nur auf Raubbau, nad) Ans 
tiquitäten, betrieben wurden, wie die von Abulfeda genannten Arbeiten 
im Bangahie (f. ob. S. 276). Daher find denn auh Namen, Erz 
bauer, Beftimmung und Inhalt dis Gefundenen, den Ents 
deckern felbft noch fehr raͤthſelhaft geblieben, und es bedurfte befonderer 
Unterfuhungen, um darüber einigen Aufſchluß zu erhalten, die wir hier 
jedoch nur nad) den Raumverhältniffen andeuten Eönnen, und deshalb 
auf unfere befondere, diefem Gegenftande vollitändiger gewidmete, ans 
derwärts zu veröffentlihende antiquariihe Abhandlung zurüdweifen 
müffen. 

Sn vier verfhiedenen Gruppen find diefe Topes, oder 
Stupas, die fünfte noch ungerechnet, welche fi, nad) Al. Courts 
Verſicherung *°), auch in Bamiyan vorfinden fo, weil wir über fie fein 
fpecielles Datum befisen, auf der Weftfeite des Indus bisher. wicder 
entdeckt, fo dag man ihre Zahl fchon gegen 100, größerer und kleinerer 
Art, annehmen kann, deren Erwaͤhnung geſchieht; weit mehr mögen noch 
den Augen der Beobachter verborgen geblieben feyn. Sie haben insges 
fammt denfelben Normaltypus der Gonftruction, der um fo mehr, bei - 
allen ſich wiederholend, bemerkenswerth ift, da er, die angegebenen um 
Manikyala ausgenommen, ſich weiter im Oſten und Süden Hindoftans 
eben bisher nicht gezeigt hat. Wie fie, nur in den Größen fi unters 
ſcheidend, der Außern Form nad), als einer und derfelben Glaffe 
angehörend, ſogleich auf den crfien Blick erfheinen, eben fo in ihrem 
Innern, das dem Inhalte nad), dem darin Vorgefundenen gemäß, 
durchaus bei allen analog fich zeigt. Diefe ihre Uebereinftimmung uns 
tee fi, deutet, ihrer weiten Zerftreuung, durch fehr entfernte Lands 
ſchaften, ungeachtet, darauf, daß fie nicht nach Willlühr einzelner Indi⸗ 
viduen, etwa den Königen und Herrfchern der verjchiedenen Dynaftien, 
wie man nad) dem Wechfel des Müngfundes annahm, fondern nach bes 





®®) J. G. Gerard Surgeon Memoir on the Topes and Antiquities 
of Afghanistan dat. Jellallabad 4, Dec. 1833. ib. I. p. 321—329. 

E. Jacquet Notice sur les Decouvertes arch&ologiques faites par 
M. Honigberger dans Afghanistan, in Journal Asiatigue. Paris 
1836. III. Ser. T. II. p. 234— 276. »°) A. Court Further In- 
formation on the Topes of Manikyala etc. I. c. Vol, III. p. 557. 


288 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 5 4, 


fimmten Priefterfagungen, durch welche der Typus in einer 


gewiffen Periode von Jahrhunderten gegeben war, aufgebaut wurs 


den, fo daß nur die geringern oder größern Dimenfionen des Baues die 
Hauptunterichiede zeigen. 


Die vier Gruppen der wieder aufgefundenen Topes find. fols 


gende; " 
Erfie Gruppe in Pefhamwer in den Khyber- Bergen 
(f. ob. S. 224. Sie find. nod nicht genauer bekannt; doch ergab ſich 


aus Dr. Gerard *’!) und Honigbergers Nachforſchungen, daß ins 


nerhalb der dortigen Gebirgsthäler, welche von AL. Burnes wegen 
ihrer Raubhorden abfichtlich vermieden wurden, einer ber prachtvollften 
Zopes ftehe, fo groß und wol größer als der Zope von Manikyala. Bei 
den Unterhandlungen beider genannten Männer mit der Horde, um, dens 
felben auszugraben, verlangten die Afghanenhäuptlinge einen Antheil an 
dem darin zu findenden Schatze, wodurch ſich das ganze Unterfuchungs- 
geichäft zerſchlug. Der Prachtbau fieht wahrfcheinlic nicht ifolirt, an 
diefer directeften Route der alten Königsftraße, deren Defilien aber hier 
leicht durc) eine geringe Macht gefperrt werden Eönnen, Einft, zur Zeit 
der Erbauung diefes Buddhathurmes, denn aud) er foll mit dem von 
Manikyala ganz übereinftiimmen, mußte wol mehr Frieden und Sicher—⸗ 
heit in diefen Bergſchluchten einheimiſch feyn, als während der Reihe der 
legten Sahrhunderte, wo fie gaͤnzlich verödet liegen, 

Bweite Gruppe um Sellallabad. Am Rorboftfuße des 
Schneebergs Sufaid Kho, in der romantischen Thalgegend bei Sellallabad 
am Surkhrud, berichtete ſchon Al, Burnes, erheben ſich fieben thurm⸗ 
artige hohe Bauwerke (f. ob. ©. 229), Zopes genannt, die fehr alt 
feyn follen, in deren Umgebung eine große Menge von Münzen einges 
fammelt wurden. Nah M. Honigbergers??) dort gemachten ſpaͤ⸗ 
tern Ausgrabungen ftieg aber ihre Anzahl dafelbft bis auf einige 30, 
deren genauerer Beichreibung, in E. Jacquets Berichten, wir. noch 
entgegen fehen. Sie entfprechen nad Form und Inhalt mehr oder wer 
niger dem allgemeinen Typus der, Topes, und nicht unintereffant iſt es, 
daß ihnen gegenüber, an dem Nordufer des Kabulſtromes, jene oben 
fon erwähnten Höhlengruppen mit den Eingangsthoren liegen, in denen 
gegenwärtig die TroglodytenDorfichaften ſich befinden (f, ob, ©. 228), 
die übrigens nody von Niemand näher unterſucht find. 

Sn diefer Gruppe. entdeden wir nun die Lage einer antiken, buddhi⸗ 
ſtiſchen Königsftadt ?*), welche im III. Jahrh. n. Chr, G., bei den die 





*°1) J. G. Gerard Mem. on the Topes J. c. in Journ. III. p. 327. 
°?) E. Jacquet Notice in Journal Asiatique, Paris 1836. p. 276. 
).E joe Koue Ki ou relation des Royaumes bouddligues ch, VII. 

P- 2 — 66. 





Hindu Khu, Stupa’s in Jellallabad und Kabul. 239 


nefifhen Budöhiften Pilgern Meng kie li heißt, und die Gapitale ift, 
vom Koͤnigreich Utchangz beides die Benennung in der chinefifchen 
umſchreibung, deren einheimifcher indiſcher Name bis jegt von der Stadt 
unbekannt blieb, aber von dem Königreiche, durch Abel Remufat 
und Klaproth, im Sanskritnamen Udyana (db. h. der Garten) 
wieder nachgewieſen ift, der in den erjten Jahrhunderten der riftlichen 
Aera, auf der Weftfeite des Indus ein blühendes buddhiftifches König- 
reich bezeichnet, welches in frühzeitige, religiöfe Freundfchaftsverhäftniffe 

> mit den tuͤbetiſchen Königreihen ?*) trat. Von Udyana aus erhielten 
die Könige Tuͤbets, wie Sfanang Sfetfen, der Mongholenfürft, lehrt, 
ihre Sanskrit-Texte des Buddhagefeges und die Mufter ih- 
rer Tempelbauten. Nach diefer Gapitale von Utchang flieg der 
Pilger von Fa Hian, um das Jahr 400, aus jenem Gebirgsftaate 
Tholy, wo die Mile Phoufa Statue errichtet war, nach 15 Tagemaͤr⸗ 
fchen hinab, am Kamehftrome (f. ob. ©. 284), zur genannten Gapitale 
Mengkieli?°), und wurde in derfelben von feinen buddhiftifchen Glau—⸗ 
bensgenofjen auf das gaftlichfte empfangen. Er beſchreibt nun die zahl⸗ 
reichen Bauwerke, Tempel, Kloftergemeinden in der Stabt und ihrer 
Umgebung, wobei fehr viele Sutupo’s, oder Thürme, zu Ehren 
Buddhas, feiner Thaten, Reliquien, Lehren u. ſ. w. erwähnt wer- 
den. Die gleichzeitigen chineſiſchen Annalen fagen, daB im Königreiche 
utchang 1400 Kialan (d. h. Zempeiklöfter) erbaut waren, in 
denen 18,000 buddhiſtiſche DOrdensgeiftliche oder Religiofe (Samander) 
lebten, welche das Gefes der Buddhalehre ftudirten. 

Wir zweifeln niit daran, daß wir in jener Gruppe der Sell: 
allabad Thürme, die Tope?s (Stupa’s), die Monumente jener 
Gapitale, die bis in das VIII. Jahrhundert blühend war, und erft feit 
den Einfällen der mohammebanifhen Völker durdy Gewalt in Truͤm⸗ 
mern zerfällt und veroͤdet, weil die ausmweichenden buddhiſtiſchen Bewoh⸗ 

ner ihe Alyl in dem Gebirgsiande von Kaferiftan, Baltiftan und Tuͤbet 
ſuchten, wiedergefunden haben. Der durch M. Honigberger und 

Dr. Gerard °*) ausgebeutete Inhalt diefer Denkmale, beftätigt ent 
ſchieden, daß es buddhiftifhe Dagops (Körperverbergende, 
f. ob. ©. 113) waren, 

Dritte Gruppe der Zopes um Kabul, Die fpecielle Un= 
terfuchung diefer Bauwerke in der Nähe der neuern Hauptſtadt Afgha⸗ 
niftans gefchahe durdy Ch. Maffon, Gerard und M. Honigber- 
gerz fie führt darauf, daß auch hier einft eine buddhiſtiſche Eivilifation 





94) Sfanang Sfetfen Gedichte der Oft-Mongholen, überf, v. 3.3. 
Schmidt ©. 39, 277, 354, 438 — 444, 3545 vergl. Hiuan Thfang 
©.6. °5) FoeKoueKil. c. ch. VIII. p. 45 —64. = Dr. 
J. G. Gerard Memoir 1. c. Vol. IH. p. 325 — 328, 


Kitter Erdkunde VII. ’ T 


290 Weft Alten. I. Abfchnitt, 9, 4 


und Population eriftirte, von den wir bisher Feine Vorftellung hatten, 
und welche in die frühefte Periode der Saffanidenherrfchaft, ja ſuͤdwaͤrts 
ſich Uber Kandahar und bis Kelat zu den Belludſchen verbreitend, 
fidjer bis in die weit frühere der Baktriſchen, Makedoniſchen und felbft 
alten Perferzeit zuruͤckgeht. Diefe Thatſachen gehen aus den hiftorifchen 
Berichten des buddhiſtiſchen Priefters Fa Hian *°7) hervor, der das 
weite Gebiet diefer Königreihe, um das Sahr 400 n. Chr., durchwan⸗ 
dert, wie aus denen des Diuan Thfang ?*), der in den Sahren 630 
vis 650 n. Chr. nicht minder mer&würdige und höchft Iehrreiche Pilger- 
fahrten durdy das den Foe-Dienern (d. i. Buddhadienern) gelobte Land 
Hianthu, d. i. Hindoſtan, zurüdlegt. 

Diefe Bauwerke der. dritten Gruppe ftehen nahe um Kabul, am 
Rande der Bergketten, welche die Terraſſe Kabuleftans tragen, und die 
Niederung der Stadt in ihrer Mitte wie ein trocengelegtes Seebeden 
umziehen. Wollte man jie als Gonftructionen der erften Anfiedler an- 
fehen, To hat es den Anfchein, als hätten fie fich die Vorhöhen am Fuß 
der Hochgebirge zu ihren erften Wohnfisen gewählt. Die antike, uns 
bis jest unbekannt gebliebene Stadt Kabul (ob Kabura, b. Ptolem.), 
neben der modernen, deren Lage nah Dr. Gerards Verficherung 
noch in ihren Schutthügeln fi fihtbar verfolgen läßt, nahm ebenfalls 
diefe Direction längs. den Vorhügeln ein. Nur diefe Vorausfegung, 
meint Dr. Gerard, daß bie Pofition der. dortigen Tope's durch folche 
Raturverhältniffe bedingt war, oder, fügen wir hinzu, viel wahrfchein- 
licher durd) befondere religiöfe Motive, die und gegenwärtig unbes 
kannt find, macht ihre Vertheilung im Auge des Beobachter weniger 
feltfam und phantaftifch, als dies ohne das der Fall feyn würde, Denn ' 
einer modernen, bequemen Lage ift die ihrige meift durchaus nicht anges 
mefjen. Sie liegen bald unter den Klippen der Berge, bald in abges 
ſonderten Felsfhluchten an Färylichen Bergftrömen, die nur die Wurzeln 
weniger Bäume bewäfjern Eönnen, wo jeder fonftige Anbau unmöglich 
war, Bauten in folcher Menge und Größe als Grabftätten der Kö: 
nige, wofür fie das Volk ausgiebt, zu halten, ohne alle Spur von Woh⸗ 
nungen der Lebenden neben ihnen, auch nur der Möglichkeit ihnen zur 
Seite duch Urbarmadjung des Bodens fich zu ernähren, ift etwas fo 
ganz fremdartiges, daß fehon deshalb ihr Aufbau ganz befondern Um— 
ftänden und Veranlaffungen angehören muß. Bier ift es nun, wo Dr. 
Gerard im November 1833 *?) zwifchen den Trümmern vieler Bad 
ſtein-Mauerwerke, die wahrfcheinlich nicht den Topes felbft, fondern viel= 





E K 

*»7) Sn Foe Koue Ki I. c, von Ah. Remusat. 25) Hiuan Thfangs 
Reife a. a. D. von 3. Klaproth, vergl. Neumann Pilgerfahrten 
a. a. O. ©, 35. 9°) Dr. Gerard Letter in Asiat. Journ. ed. 
Prinsep 1834, Vol, IIL p. 363. 





Hindu Khu, Stupa’s in Kabul, 29 


leicht dem Zempelbau einer alten benachbarten Stadt angehörten, in 
S. O. von Kabul, feine ganze Stunde fern, bei dem Dorfe BeniHiſ⸗ 
far, in einer wohlerhaltenen Steinfammer, die mit Lapis Lazuli Steinen 
und Vergoldung ornamentirt war, ein fchön in Stein, in Haut: Relief 
gearbeitetes Buddha-Bild auffand, in der bekannten, ruhigen 
Haltung, mit untergefchlagenen Beinen figend, wie im Nirvana vers 
fünfen, welches die Meinung 3. Prinfeps 500) veranlafte, daß hier 
wol ein Bubdhatempel gefianden haben möge, der bei dem Einfalle der 
Mufelmänner zerftort worden fy. 

M. Honigbergers Ausgrabungen um Kabul find nur theihweife 
bekannt, und Eh. Maffons Berichte bis auf wenige Daten noch gar 
nicht; doch reichen fie hin zu zeigen, daß die hier fogenannten Bourdj, 
d. h. Thürme, im Weſentlichen von feiner andern Gonftruction find, 
als jene Zope’s, obwol fie auch zumeilen ſchlechtweg nur Minar, Mis 
naret, Säule, Pfeiler, oder auch Top genannt werden. Shre Zahl 
ſcheint hier fehr groß zu feyn, da Ch. Maffon an 100 unterfucht ha= 
ben mag, deren Beſchreibungen er mit Meffungen und Auftiffen fchon 
im 3. 1834!) zu publiciren gedachte, 

Drei verſchiedene Ausgrabungen find es vorzüglich, die uns durch 
M. Honigberger, in der Nähe von Kabul, umftändlicher befchries 
ben werden: 1) der Bourdj von Tcheferibala, 2) der von 
Kemri und 3) die Sch- Top, d. i. die drei Topes. Der erfte?) 

hat von einem Dorfe ven Namen, bei dem er auf einem Zünftlihen Huͤ⸗ 
gel am Fuße der Berge liegt. Er ift von eleganter Figur, 50 Fuß 
hoch, und von gleichem Diameter, die Gupola ift fehr zerftörtz feine 
Baſis umgiebt ein aͤhnlicher mit Pilaſtern ornamentirter Vorſprung, und 
der ganze Bau ſteht uͤber kellerartigen Subſtructionen, deren Gaͤnge 
ſchon fruͤhern Ausbeutern Schaͤtze dargeboten haben ſollen. Honigberger 
ließ ihn, von oben nach unten, 12 Tage lang, durch feine Arbeiter ab- 
räumen, ohne Gewinn; bis er erft in deffen Mitte etwa eine Eleine Steins 
kammer 8 Fuß ins Gevierte vorfand. Zwei Tage lang hatten 14 Ars 
beiter zu thun, diefe von Schutt und großen Steinblöden zu befreien 3 
. dann verlieh man in bdiefer Richtung die Unterſuchung, und drang an der 
Bafis des Zope durdy einen Seitenftollen in defjen Mitte vor, Hier 
traf man, nur noch 3 Fuß von diefer entfernt, auf eine Eleine, runde, 
aus lauter ganz Eleinen Steinchen gemauerte Zelle, die in ihrer Mitte 
eine viereckige Deffnung nur von einem Fuße ins Gevierte frei ließ, welche 





500) J, Prinsep Continuat. of Observations on the Coins ete, I, c, 
Vol. Ill, p. 455 und Abb. Pl: XXVI. fig. 1. ) Ch. Masson 
Letter 1. c. Vol. Ill. p. 331. ?) K. Jacquet Notice sur les 
Decouvertes faites par M. Honigberger dans l’Afghanistan ia Journ. 
Asiat, Paris 1836. 8. III. Ser, Sept. p» 254 — 264. Planche Nr.4, 


2 


292 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 9. 4. 


von allen Seiten mit 6 ſchwarzen, ſehr regelmäßig geſchnittenen Stein= 
tafein bekleidet war. In biefer fanden fidy die minutidfen Kofts 
barteiten, melde die Mühe der Arbeit belohnen follten. Eine Kleine 
Zopffteinurne (f. Planche VI.), gelb und grau geftreift, wie diefer _ 
Stein in den Umgebungen von Kandaher gebrochen wird; die Urne 4 
Zoll hoch, 34 Zoll im Durdymefjer, mit gleichartigem Dedel, der mit 
fehr verwiſchten Buchftäben befchrieben ift, die man baftrifche genannt 
hat, In der Urne, die durch eine horizontale Scheidewand in 2 Abthei- 
lungen gefchieden ift, befand fich in der untern ein Gemifch, wie von 
Aſche und Staub, nebft einem Granaten, einem Tuͤrkis in Herzgeftalt, 
mehrere dünne Goldblaͤttchen, Heine Goldornamente, wie 4 Goldfügelchen, 
die fo zufammengefegt find, daß fie nach allen Seiten gewürfelt eine Pyz 
ramide bilden u, a. m. Dabei befand fich ein Eeiner Papyrusftreif, 
ober vielmehr nad) Dr. Gerard von Birkenrinde (Bujpatra,f, 
Aſien I. S. 565), mehrmals gefaltet, mit einer ſchwarzen Schrift bes 
fchrieben, die man baktriſche Schriftzeichen genannt hat, die aber 
noch nicht entziffert find (ſ. Pl, XI fig, 1). Wol die Altefte Handfchrift, 
aus den einft baktrifchen Gebieten, die bis jest bekannt geworden. Aus 
Serdem befand ſich im untern heile noch eine Eleine, angeroftete Gil- 
berbüchfe, mit einer zweiten, Eleineen Goldbuͤch ſe, 8 Linien hoch 
(Pl. XI. fig. 2 und 3), in welcher nad) der Eröffnung fich zwei calci= 
nirte Rnöchelcyen, zwei Perlen, zwei Eeine Goldornamente in Form ei= 
nes Gylinders und einer Glode, nebft einem Rubin in Linfengeftalt, 8 
Gran an Gewicht, vorfanden. Die aufgeftellten Meinungen über diefe 
Dinge, ob fie Ohrgehänge oder fonftiger Schmud gemwefen feyn möchten, 
laſſen wir dahingeftellt, ’ 
Der zweite Bourdji Kemri (f. Pl. II1.)5°°) ſteht vom vo⸗ 
rigen nur eine Stunde in N.D. entfernt, auf einer kuͤnſtlichen Anhöhe 
mit Untermauerungen, beren Zugänge jedoch verfallen find, bis auf ein 
paar noch fichere Stellen, durch welche M. Honigberger zu einigen 
gewölbten (?) Kammern in das Innere vordrang, welche jedoch nichts 
bemerfenswerthes darboten, Genauer wurde dieſer Unterbau nicht unz 
terfucht, auf dem der Thurm ſich 40 Fuß hoch und 50 Fuß im Durd- 
meffer erhebt, Gein Name fheint ihm vom Kemri-Thale gegeben zu 
feyn, an deffen Fuße er ſteht. Die Anſicht giebt ein Bild von feiner 
nördlichen Facade. Seine Eupola ift fehr zerftört, zerfpalten, mit Ve— 
getation uͤberwuchertz viele Steinblöde liegen in Trümmern umher, doch 
war feine Spur von einem Eünftlihen Einbruch durch Menfchenhand an 
feiner Bafis zu bemerken; es fehien daher fein Inhalt noch unberührt 
geblieben zu feyn. Seine Verzierungen des Pilafterfranzges am umber= 
laufenden Podium, zeigten ſich mit kleinen, ſchwarzen Steinchen, wie 





#03) E. Jacquet Notice 1. e. IT. p. 264 — 270. 





Sind Au, Siupas im Kuba.) 29: 


eine Art Mofaik belcat, und eben fo ift ber ganze obere Mauerverband 
Ihadjbrettartig mit ſchwarzen und weißen Quadern abwechfelnd ge: 
ſchmackvoll beſetzt. 

Dieſer Tope wurde nicht von oben, ſondern ſogleich von der Seite, 
an der Baſis, durch einen horizontalen Stollen aufgebrochen, der, ſchon 
nach 2 Tagen Arbeit, der Mitte der Thurmkerns nahe kam. Hier fand 
ſich eine runde Kammer, bie mit einem ſehr harten Gement, das man 
Kaum abfchlagen Eonnte, überzogen war. Diefe Kammer, von 7 Fuß 
Durchmefier, ſchien, der Form nad), nur das Eleinere Abbild der Thurm—⸗ 
geftakt in deffen Innern, als Hoͤhlung, darzuftchenz fie war überall mit 
dicht und feft eementirten, Eleinen Steinen bekleidet, Im Centrum des 
Tops ſelbſt zeigte fich jedoch ein noch Eleinerer Raum, ein quadratia 


ſcher, von einem Fuß ins Gevierte, mit 6 Steinplatten regelmäßig ums 


Heidet. In diefee Eleinen Steinkammer fand ſich eine Bronze-Vaſe, 
rund, nicht hoch, 8 Zoll im Durchmeffer, ſehr verroftet, deren Bo— 
den faft ganz zerfreffen war. Das Gefäß war mit einer feinen Lein— 
wand umhuͤllt gewefen, die bei der Berührung in Gtaub zerfiel, ähnlich 
wie bei General Benturas und Al, Courts Ausgrabungen in den 
Manikyala Zopes, wo dergleichen. Spuren ebenfalls fchon bemerkt worz 
‚den waren. Sm Bronzegefäs lag ein feines Gemenge von Erde, Baums 
zinden und harzigen Theilen: dazwifchen allerlei minutiöfe Pretio= 
fen zerftreutz; ein Zürfis in Herzform, eine violette Gemme in Halb- 
Ereisgeftalt, ein Goldornament in Form eines Gloͤckchens. Tiefer log im 
Grunde der Vaſe, eine Eofibare, faft in ihrer Art einzige, goldene 
Mokadphoſes⸗Muͤnze, von ſchoͤnſter Zeichnung und Gepräge (f. 
Pl. XII. fig. 1), mit griechiſcher Legende, ald Baoulsus, auf dem Re— 
vers mit der nadten Geftalt Shiva’s, als indifcher Herkules, und einge 
Legende in baktriſcher Schrift. Diefe ift zwar unleſerlich, aber auf eis 
nem zweiten Exemplare dieſer Münze, welhe M. Honigberger 
in Balk erhandelte, mit der ſelben Legende entzifferbar. Es ift dies 


eine derjenigen Muͤnzen biefes Tatariſchen, oder vielmehr Geten Khans, 


welche zum ficherften Beweife dient, daß griechiſche Kunft damals unter 
jenen Nachfelgern des makedoniſchen Baktriana’s noch nicht erftorben 
feyn konnte, 

Sn diefem Bronzegefäß befand fich, außer diefen Segenftänden, noch 
eine eylindrifhe Silberbüdfe (f. PL.X. fig.1) mit einem zugeruns 
deten Deckel und Bleinem Auffage, in deren Form man die Wiederholung 
der großen Zopesgeftalt, nuc en Miniature, nit verkennen kann, was 

"gleich beim erfien Blicke auffallen muß. Uber befonders intereffant 
Scheint es uns den Auffag auf diefem Dedel zu beachten, weil auf 
allen Tope's die Spige der Kupola zerftört iſtz hier im Miniaturbilde 
aber die Plattform mit den vier pyramidal geordneten Ku: 
gein, die boͤchſt wahrſcheinlich ein das Kuppeldach des Tope ſchmuͤck⸗ 


294 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. $. 4. 


-ten, noch gut erhalten ſich zeigt. Es ift dies offenbar nur eine ber 
vielerlei Arten der Ornamentirung der Topes Kuppeln, in Eoftbaren 
Metallen, welche bei der Zerftörung der Mufelmänner zuerft herabge⸗ 
riffen wurden. Das Innere diefer Silberbüchfe, die ſtark zerfreffen, aber 
doch noch deutlich zeigte, daß fie mit dem Hammer getrieben war, füllte 
eine fonderbare Maffe, welhe man bis jest für ein Holzpetrefact, 
das fich feitdem erft in der Buͤchſe bilden Eonnte, gehalten hat, und da— 
ber das Innere diefer Maffe unberührt gelaffen hat. 

Die dritte Unterfuchung wurde mit den Sehrtop °°*), d. h. ben 
drei Zopes, vorgenommen, die vom Nahebeifammenliegen ven 
Namen haben. Anderthalb Stunden vom vorherigen Denkmal zieht am 
Gebirgsabhange eine Reihe von Anhöhen hin, auf denen wol ein Dugend 
einer Zopes in ihren Ruinen liegen, Drei von biefen, welche in glei— 
chen Diftanzen von einander, und faft in gleihen Höhen auf dem Berg⸗ 
rücen erbaut find, geben ihnen den Namen, Der etwas höher gelegene 
erfte ift ganz zertrümmertz; der zweite, 1200 Schritt fern (f. Pl. I. 
und II.), auf Subfiructionen ftehend, zu denen mweitläuftige verfallene 
Bugänge führen, wurde näher unterfudht. Seine Höhe ift nur 30 Fuß, 
eben fo viel fein Durchmeffer, feine Thachbrettartige Ornamentirung des 
Mauerverbandes, fo wie der ald Podium umlaufende Pilafterkrang, ent⸗ 
fpricht den früher befchriebenen Thürmen diefer Art ganz. Sm Snnern 
fand man, wie im vorigen, eine runde Steinkammer und jenen quadras 
tifchen mit 6 Steinplatten umfegten Raum, nur mit der Eigenheit, daß 
an der einen Seite diefer Eleinen Zelle eine Eleine Deffnung gelaffen war, 
die in einen engen Ganal in den Mauerkern leitete, welcher ohne Aus—⸗ 
gang fich dort endete und deffen Zweck gänzlic unbekannt blieb. In 
diefer Eleinen Zelle ward kein anderer Gegenftand von befonderem Ins 
tereffe gefunden, als eine Eleine Lampe von Serpentinftein, von ganz arz 
tiger Arbeit, ornamentirt mit Rofetten und Löwentöpfen, und einer‘ phans 
taftifhen Thierfigur, durch deren Kopf das Loch zur Aufnahme des - 
Dochtes angebracht ifl. Man darf wol vermuthen, daß biefe Lampen 
zur Erleuchtung der inneren dunkeln Gemächer dienten, da Lampens 
erleuhtung und Slluminationen der Grotten und Tempel, noch 
heute, nebft Blumen, die Hauptopfer und Feftfeier im buddhiſti⸗ 
Then Cultus find (ſ. Afien IV. 2, ©. 240, 241 u. a. D.). Diefer ges 
ringe Ertrag der ſehr mühevollen Ausgrabung hielt von ber Unterfus 
ung des dritten Zope zurüd, der nur 1000 Schritt von diefem ents 
fernt liegt, von derſelben Form ift, und noch weit zerftörter erfchien, 
Der Fuß diefer Hügel ift hier, wie öfter in der Nähe der Topes, mit 
Mauerſtrecken umgeben, welche man wol für die zerfiörten Wohnuns 
gen der Religiofen halten möchte, die einft neben diejen Denkmalen haus 





#04) E. Jacguet Notice r « Il. p. 271 — 225. 





Hindu Khu, Stupa’s auf der Ebene Beghram. 295 


feten, wenn fie nicht nody zu anderm Schmud der Zopes felbit achörs 
ten, die wie jener merkwürdige, bisher einzige, nur im Hochlande Malz 
was in Gentral:Indien, in dem Gebiete von Bhopal (f. Afien IV. 2. 
©. 451) bei Bhilfa, ganz kuͤrzlich erft aufgefundene Zope, oder Da= 
goba, zu Sanchee *), mit feinen reichen Sculpturumgebungen wol vers 
muthen läßt. Die verſuchten Ausgrabungen noch einiger der geringern 
unter dem Dugend der Topes, welche in berfelben Umgebung in der 
Nähe von Kabul ftehen, waren Honigbergers Bemühungen nody 
weniger ergiebig an Merkwürdigkeiten, als die genanntenz aber es zeigte 
ſich fpäterhin, daß fie bei forgfältigerer Nachforſchung immer noch reich- 
lic) genug ihre Schäge darboten. Denn der erfahrnere Ch. Maffon 
fand z. B. in einem der von jenem Siebenbürgifchen Reifenden fchon 
wieder verlafienen Zope, bei Gouldereh, bei einer zweiten Nachgra— 
bung, noch viele fehr Eoftbare Antiquitäten auf, darunter allein 8 ſchoͤne 
Goldmebdaillen, wobei 7 MoEadphyfes- Münzen, und eine von ei— 
nem andern, neuen Königsgepräge war. Von ber Kleinheit ihres Um— 
fanges war aljo der Schluß auf die Unbedeutengeit ihres Inhaltes ein 
irriger, der M. Honigberger bier veranlaßt hatte ſich von diefer 
fernern Unterfuchung abzuwenden. 
Die vierte Gruppe der Topes im Norden von Kabul 
am $uße des Hindu Khu. Diefe, von Ch. Maffon aufgefuns 
dene °), ift es wahrfcheinlich, welche einft noch die merfwürdigften Auf⸗ 
ſchluͤſſe darbieten wird, da fie mit dem größten Schage des Münzen 
reihthums umgeben und von Städteruinen begleitet ift, die zu den größe 
ten ihrer Art zu gehören fcheinen. Die vielen hier gefundenen Mokad⸗ 
phyſes und Kanerkos Münzen führten Ch, Maffon auf den Geban- 
Een, hier die Refidenzftadt diefer Indo-Skythiſchen Herrſcher zu 
vermuthen, zu deren ungemein weitverbreiteten Trümmern auf ber Ebene, 
welche Beghram von den Anwohnern genannt wird, jener Stra⸗ 
- enzug von Sıllallabad am Nordufer des Kabulſtromes heraufzieht, 
von welchem fchon oben (f. ©. 228) die Rede war, ber überall voll 
Denkmale ftchen fol. Sa, diefe Gegend von Beghram, am Zufams 
menfluß der Ghurbend und Punjſchir Gebirgsftröme, 4 bis 5 geogr. 
Meilen im Norden der Stadt Kabul, könnten vielleicht, nicht ſehr fern 
von Bamiyan, felbft eine gleichfalls pafjende Tocalität für die Gründung 
jener Alexandria sub Caucaso abgegeben haben, da fie ebenfalls die 
von da abzweigenden Nordpaffagen über den Hindu Khu beherrſcht, 


5) Description of an Ancient and remarkable Monument near Bhilsa 
im Journ. of the Asiat. Soc. of Bengal. l. c. 1834. Vol. Ill p.490 
— 494. Pl. XXXI. fig. 1. u, f. *) Chas. Masson Memoir on 
the Ancient Coins found at Beghram in the Koliestan 04 Cabul etc. 
in Journ. of the Asiat. Soc. of Bepgal. Vol, ill, p. 160. 


296 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 9. 4 


wenn fie, unfers Dafürhaltens, nicht etwas zu weit oftwärts gelegen er⸗ 
ſchiene. Es wäre die einzige uns bekannte Localität, die im übrigen 
noch mit jener von Bamiyan, um diefe Ehre, jene große makedoniſche 
Anftedlung zu feyn, der phyficalifchen Stellung nach, fireiten koͤnnte; 
völlige Aufflärung hierüber haben wir wol nur von der Auffindung von 
Monumenten, Sculpturen, Snferiptionen u. f. w. abzuwarten. Der 
lieblihen, grasveihen Ebene von Beghram, aus deren Ruinen fich 
Chaf. Maffon felbft fo fehr mit antiten Münzen aller Art berei- 
cherte, daß er in einem, dem erften Zahre dafelbft, fchon 1865 berfel- 
ben von Kupfer und 18 von Gold und Silber gewann, aber verfichert, 
daß man die jährliche Summe der Ausbeute wol auf 30,000 anfchla= 
gen koͤnne, liegt zunächft im Süden die heutige Stadt Tſcharikar 
(Charekur auf Al. Burnes Map, Tchehrkar bei Honigberger 
und Sacquet), am Zufammenfluß beider genannten Gebirgsftröme, 
oberhalb des Kabulfluffes. Außer dieſen Münzen find es vielerlei an— 
dere Anticaglien, wie Ringe, Ornamente und Anderes, was jährlich mit 
jenen von den dort umbherziehenden Schäfertribus, auf vielen Schutt- 
bügeln aufgefammelt und an Unterhaͤndler wohlfeil verkauft wird, die 
diefe Metallfachen den Kupferfchmieden von Tcharikar, oder der Münze 
zu Kabul, zum Einſchmelzen überliefern, ein Gefhäft, das wol feit 
Sahrhunderten hier als einträgliches fich jaͤhrlich wiederholt haben mag. 
Den Refultaten der hier gemachten Sammlungen und Forfchungen, wel— 
che Ch. Maffon zu publiciren verheißen hat, ift es, denen wir mit 
ber gefpannteften Erwartung entgegen ſehen; hier haben wir nur noch 
hinzuzufügen, daß auf berfelben Ebene eine bedeutendere Anzahl von 
Topes, analoger Art, wie die früher befchriebenen, unterfucdht ward, 
welche an 108, 144, 164 Fuß Umfang hatten u. ſ. w., und zumal eis 
ner, dee Zope von Tfhehrkar genannt, der nah Honigber-> 
ger *°?) von ganz befonderer Größe und Schönheit ſeyn foll, 

So weit die räumliche Nachweiſung diefer merkwürdigen Denkmale, 
deren Name, Eonftruction, Beftimmung, Inhalt, Er— 
bauungszeit und Erbauer ein zu großes und mweitverbreitetes Feld 
von Unterfuhhungen erfordert, und zwar auf einem noch ganz neuen, 
unerforjchten, ja bisher eigentlich ganz unbekannten Gebiete, als daß es 
moͤglich wäre, an diefem Orte die vollftändige Auflöfung diefer raͤthſel⸗ 
haften Bauwerke zu geben Wir müffen. deshalb auf unfere darüber 
ericheinende, antiquarifche, fuͤr ſich beftehende Abhandlung verweifen, und 
Thliegen hier unfere geographifche Darfiellung diefer Denkmale nur 
mit ein paar im allgemeinen erklärenden Fingerzeigen über dieſelbe. 

Alle diefe Denkmale gehören einer Zeit bluͤhender buddhiſti— 
ſcher Königreiche an, die vom VI. Sahrhundert vor bis zum VIIL 





»°7) E. Jacquet Notiee L c. I. p. 275. 


Hindu Khu, Stupa’s, Zeit ihrer Erbauung. 297 


Sahrhundert nach Chrifti Geburt, auf der Weftfeite bes Indus, von 
‚Kelat, im Lande der Belludfchen nordwärts über ganz Afghaniftan, oſt⸗ 
wärts von Herat, ſich bis zum Indus, bei Attof, und zu beiden Seiten 
des Kabulftromes verbreitet hatten, ja feltft durch den indifchen Kauka— 
fus, oder Hindu Khu hindurch, bis gegen Baktrien, mehr aber noch 
nordboftwärts, durch die Gebirgsländer des Himalayafyftems, durch 
das heutige Kaferiftan, Baltiftan, Klein Tübet bis Yarkend oder Kho— 
tan, nach dem fernen Often hinüber reichte. Schon die Makedonier hats 
ten zu ihrer Zeit dort Brahmanen und Samander, d.i. Brah— 
madiener und Buddhadiener, vorgefundenz alfo ſchon vor ihnen 
beginnt dafelbft ihre gemeinfame Verbreitung, die anderwärts durch fo 
gewaltige Kämpfe und blutige Fehden fo vielfach geftört ward (f. Afien 
IM. ©. 1164 und IV.2. ©. 241— 245). Nach den chineſiſch-buddhiſti— 
fhen Priefterwallfahrten, im Foe Koue Ki des Fa Dian (400 3. 
n. Ehr.), und des Hiuan Thſang (650 J. n. Ehr.), fangen ihre 
Gemginden ſchon 100 Sahr nach Buddhas Tode, oder nach beffen Nir— 
vana (oder Diana, d. i. Ewigkeitsgedanfen, f. Afien IV.2. ©. 671) 
dort an, ſich feftzufegen und ihre Thuͤrme (Stupa’s) zu bauen, d. i. 
foft ein Sahrtaufend vor Ehrifto. Bleiben wir aber aud) nur 
bei den beftinmteften chronologifchen Datın wie bei der Errichtung der 
Mile Phoufa Statue und anderen ftehen, fo reiht ihre Exiſtenz 
am Kabulftrome, entſchieden, nad) den inefischen Berichterftattern, über 
ein halbes Sahrtaufend vor Chr. G. hinauf. Die chineſiſchen buddhi— 
ſtiſchen Pilger finden das gelobte Land ihrer Patriarchen und Kirchen⸗ 
väter, Pe Hian thou, d. i. Nordhindoſtan, auf der Wetfeite 
des Indus, fon im IV. Jahrh. n. Chr. in der angegebenen Ausdeh- 
nung, weldjes fie nach allen Ridytungen feldft durchwandern, und darüs 
ber genauefte Berichte geben, ganz erfüllt mit den Gemeinden ihrer 
Kirche, voll Tempel, Klöfter, Dagops, oder Thürme zu Ehren der Res 
liquien Bubdhas und feiner Schüler und Nachfolger, oder ihrer Patriars 
chen erbaut. Diefe Monumente werden mit der Veranlaffung und den 
Legenden ihres Aufbaues befchrieben, und in diefen kamen die beſtimm⸗ 
teften Auftlärungen über faft alle Gegenftände des Inhaltes vor, den fie 
enthalten, ſowol hinfihtlih der Reliquien, als ber minutidfen 
Koftbarkeiten (der Eirchliche Ausdrud ift „die fieben Koftbars 
keiten,“ weldye ſymboliſch und metaphyfiich die moraliſchen Qualitäs 
ten der Asceten repräfentiren), die diefen, als fo viele Weihen, wie fie 


J ſich aus den Geſetzen der Buddhalehre ergeben, beigefuͤgt wurden. 


Während alle anderen Denkmale unter den Streichen der mos 
hammedanifchen Zerftörer im VIII. und IX. Jahrh. n. Chr, Geb. fallen, 
blieben die colofjalen Mauerwände dieſer compacten Thürme mit dem 
dickſten wilden Mauerwerk, als unnüge, unbewohnbare, wie ungerftörbare 
Steinmauern ftchen, weil aud) das Herunterreißen ihrer Gold- und Sil- 


— 


298 Wet Alien, L Abfehnitt. 6. 4 


ber = Ornamente von den Kupolen deren Plattformen zerflörte, und ihre 
von oben nad) der Tiefe binabgehenden innern, thurmartigen Kern: 
bauten und Steinfammern mit den Mauerblöcden und Schuttmaffen felbft 
fo zufüllte, daß von oben nach der Tiefe zu, fie je wieder aufzurdumen, 
viel zu mühfam war. Die zweimonatliche Arbeit der zahlreichen Tage: 
arbeiter des General Ventura im Zope von Manikyala giebt den hintei- 
chenden Beweis hierzu, Der Inhalt ihrer Münzfchäge, welche in ben 
verfchiedenen, auf jener genannten Strede wirklich ausgegrabenen Denk 
malen gefunden find, und zwifchen die Römermünzen aus der republifa=, 
nifchen Zeit vor Chrifto, bis auf die Sapor I. und vielleicht Khosru 
Parviz Münzen, nachher, fallen, zeigen, daß ihre Erbauung etwa ziwis 
fchen 200 vor bis 600 nad Ehr. Statt gehabt haben müffe, 

Die chineſiſch-buddhiſtiſchen Pilger nennen fie ftets mit denfels 
ben Namen: Tha und Southeou phu, oder Sutupo, was, wie 
wir oben zeigten (f. ©. 114), ſprachlich identiſch ift, mit dem ſanskriti— 
ſchen Stupa und dem neuern Zope, im dortigen Hindi und Hindi, 
oder Volisdialecte, auf der Oſt- und Weftfeite des Indusftroms. Sie 
find nad ihrem Inhalte wirklihe Dagops, d. h förperyerbers 
gende Denkmale, weil fio auch Afche, Knochen, Gebeine, und, nad) den 
von Fa Hian mitgetheilten, häufigen Legenden, auch Theile des Schädels 
von Buddha, oder ein Som einen Zahn (vergl. Afien IV. 2. ©, 201) 
u. f. mw. enthielten, 

Nach allen diefem Fond es noch immer zweifelhaft erfcheinen, ob 
nicht die Sdentität jener Tha’s, oder Sutupo’s, aus den Ber 
richten des IV. Jahrhunderts mit den heutigen Zope’s, oder Stu— 
pa’s, wenn auch etymologifch ſich beftätigend, doch blos Hypothetifch 
angenommen werde, da ja bie Ghinefen, wie Abel Remufat,. 
Klaproth und Morrifon übereinftiimmend zeigen, unter ihren 
Tha's, heut zu Tage, nur etagenreihe Pagodenthürme (wie 
ihre berühmten Porzellanthürme) verfichen, aber keineswegs ſolche, maf- 
five, compacte Steinthürme, die mit Kupolen gefchloffen find, ohne im 
Snnern ſolche Etegenzimmer oder Gemaͤcher und Tempel zu haben. 

Auch uns würde diefe Sdentität fehr zweifelhaft geblieben feyn, hätte 
ung nicht General Bentura’s Ausgrabung und innere Ausmefjung des 
Manikyala Zope, nachdem wir ung daraus die innere Conftruction nach 
den Fundorten entwidelt, den Beweis ſelbſt dafür in die Hände ges 
geben. Wir hatten uns in obiger erfter Anzeige der Fundorte (f. 
ob. ©. 101) anfänglich) nur an die an Antiquitäten reichhaltigern 
gehalten, und deren blos fieben der Reihe nad) aufgezählt; bei einer 
wiederholten Revifion des Driginalberichtes.von Ventura, der öfter in 
Auszügen entftellt wieder gegeben ward, hatten wir aber zwei Fund— 
orte (bei 35 Fuß und 54 Fuß Ziefe) übergangen, in deren jedem, 
freilich jedesmal nur eine Kupfermünge gefunden ward, 





Hindu Khu, Stupa’s, innere Conftruction. 299 


Es fanden ſich alfo wirktid, wenn wir diefe, wie billig, mitzählen, 
9 Fundorte, mwelde nun in ziemlich gleichen Intervallen von 
einander abftehend, auf den Gedanken führen mußten, daß fie jedesmal 
auf dem Boden einer Etage liegend, dafelbft durch Schuttmaffen 
zugedeckt waren, die man erſt von oben wegräumend unter denfelben aufs 
finden Eonnte. So zeigte fich bald, nady geometrifhem Aufriß dies 


fer Verhältniffe, daß der vierte Fund der erfien Steinfammer . 


von 12 Fuß ins Quadrat, über der halben Höhe des Thurms bei 
45 Fuß Höhe von der Bafi3 an lag, und den Boden der fechsten 
Etage bezeichnete, daß aber der neunte Fund in der größten Tiefe, 
unter 64 Fuß, unter der großen Steintafel, wo die Bronze-Buͤchſe mit 
der Gold-Buͤchſe und den Kanerkos und Mokadphyſes Münzen gefuns 
den ward, die unterfte Sepulcralzelle in die Bafis des Podiums, 
d. i. des Thurmbaues felbft, fiel, oder den Boden der erften diefer 
innern Etagen innerhalb des Thurmkernes bezeichnete, Die neun Eta= 
gen freilih im Innern des Mauerkernes noch geheimmißvoll verborgen, 
von denen weder Ventura, noch ſeine Erklaͤrer, wie J. Prinſep u. 
A., eine Ahnung gehabt, wären auf dieſe Weiſe, den ganzen Thurm 
von der Bafis bis zur Plattform der Kupola ausfüllend entdeckt, und 
zwar in, auffteigender Höhe, bei: 74, 64, 54, 45, 36, 28, 20, 12 und 3 
Fuß, nad) der Ausgrabung von der Höhe zur Ziefe, gerechnet. Hieraus 
ergiebt fih nun, daß die beiden unterfien Etagen jede 10 Fuß Höhe 
hatte, die beiden folgenden, nämlich die dritte und vierte, jede 9, 
die fünfte, fechste und fiebente jede 8 und bie achte wieder 9, 
die neunte oder oberfie aber nur 3 Zuß unter der Stelle lag, wo man 
abzuräumen begonnen hatte. „ Diefe beiden oberften waren zu fehe 
zerſtuͤmmelt und zerrüttet, um ein gleic) ficheres Refultat als die tiefer 
gelegenen für antiquarifche Forſchung darzubieten. 

Dieſe gluͤcklich an den Tag geförderte, innere Gonftruction zeigt 
zwar bie Identität der Etagen in den Zopes mit den dhinefifchen 
Tha's nad, aber es bleibt doch noch ein weſentlich differenter 
Hauptpunct zur Erklaͤrung übrig, naͤmlich wie ein Steinbau mit 
einer mächtigen Kupola denfelben Namen erhalten konnte, der einem 
ſchlank auffteigenden, etagenreichen Spigthurm beigelegt ward, 

Hier giebt ung nun die Gombination zweier glüdlich aufgefundes 
ner Momente die volllommenfte Belehrung zu unferer obigen Behaups 
tung der Spdentität beider; das eine bietet uns Fa Hian in feiner 
Pilgerreife, das andere die wieberentdedite Gapitale des centralen Geys 
Ion in ihren Ruinen dar, deren Bau wir, fchon früher, aus den Sin⸗ 
ghaleſiſchen Annalen des Mahavanfi erklärt haben (f, Afien IV. 
2. ©, 37— 241 und ©, 352 — 253). 

Naͤmlich, am Ganges, oberhalb Kanyakubja, jest Kanodge, wurde 
dem Buddhapilger Ka Hian, um dad Jahr 400, der alle heiligen 


300 WeftzAfien, I. Abfchnitt. $. 4 


Stationen des Religionsftifters feiner Kirche mit frommen Eifer aufz' 
fuchte, auch die Stelle gezeigt *%*), wo Buddha einft für feine Schüler 
gepredigt habe: über den Unbeftand der Dinge, die Hinfällig- 
Leit des Lebens, über den Schmerz und über den Vergleich 
des menfhlihen Leibes mit der Wafferblafe, der, wie fie, 
aus den vier Elementen beftehend ſchnell vergehe. Diefer Text der 
Predigt ward ein Lieblingsthema eines die irdifche Hülle betreffenden as⸗ 
eetifhen Philofophems, das nicht bloße Legende war, deſſen gewichtvolle 
Bedeutung auf finnige Weife in den Kirchenſtyl der budbpiftifchen 
Architectur ſchon feit Jahrhunderten übergegangen war. Wir haben ſchon 
früher in des frommen ceylonenfischen Helden und Königs Dutu Ga— 
meny (150 Zahr vor Chr, Geb.) colaffalem Baue des Dagoba, der 
Rumanwelle genannt ward, die Anwendung diefer priefterlis 
hen Form der Wafferblafe, auf Befehl dieſes Königes, als Ku⸗ 
pola den Reliquienbau nad) oben fchlichen fehen, den er mit 9 Eta⸗ 
gen zu Ehren Buddhas, im grandiofeften Styl errichtete (Afien IV. 2, 
©. 39). Aber aud) in den Ruinen von Anurajapura, bie ſchon 
Ptolemaeus im Il. Saec. n. Ehr. ©. genau Eennt (Anurogrammum, f» 
Afien IV. 2. ©, 252), haben wir die 7 nody heute beftehenden cos 
Loffalen Dagobas, mit identiſcher Korm, wie die Topes am 
Indus, befchrieben, deren einer ſich nad) Chapmans Verficherung ſo⸗ 
gar bis zur Höhe von 160 Ellen erheben fol, 

Das Räthfel dee Stupa’s oder Tope’s im Kabuliftan alfo 
ift hierdurch völlig gelöftz es find Acht buddhiſtiſche Bauwerke, Da= 
gops im antik priefterlihen Arditecturftyl, wie fie das 
ganze übrige Hindoftan (ein einziges ſtehen gebliebenes Denkmal in 
Malwa, in den Wildniffen von Bhopal, f. Afien IV.2. ©.751, aus 
genommen, das aber ganz Fürzlidy 59°) erft bekannt geworden) gar 
nicht, oder doch nur noch fehr fparfam, ganz Hinterafien aber in Menge 
aufzumweifen hat, wie Ceylon fie aber im colofjalften Maaßſtabe und 
in größter Anzahl und urfprünglicher Form beherbergt, welche auf dies 
fer Inſel auch noch mit den fchirmartigen Tyurmänopfornamenten ges 
ziert find, die durch die Wuth der Mohammebaner längft von den To— 
pes am Kabulftrom herabgeriffen wurden. Wie in die innern Kammern 
der Eeyloncfifhen, nach den Annalen des Mahavanfi, Reliquien und 
Koftbarfeiten mancherlei Art eingelegt wurden, weldje von außen 
verjchloffen blieben, zu denen aber noch, wie ausbrüdlich im Mahavan ſi 
geſagt wird, ein verborgener, unterirdiſcher Gang fuͤr die 





s0%) FoeKoueKi ch. XVII. p. 167 Not. 8- p. 169. 

®°®) Description of an ancient and remarkable Monument near 
Bhilsa in Journ. of the As. Soc. of Bengal ed. Prinsep. Vol. IL. 
v- #99 — 494. Plate XXXL fig, 1. 


Hindu Khu, Stupa’s, Architecturentwidlung. 301 


Priefter übrig blieb: fo zeigt fich auch die Gonfteuction bes Zope non 
M anikyala, innerhalb. deffen Sewölbeform, der Wafferblafe, der 
Thurm mit den 9 Etagen noch dem Auge des Befchauers verborgen 
blieb. Diefe bezeichnen aber die Nidanas, oder die geiftigen Le— 
bensftufen, die verfchiedenen Eriftenzen, durd) welche, nach 
der buddhiftifchen Kirchenlehre, als fo viele Stufen der frommen 
Erhebung, die Seele hindurchgehen muf, um in das Nirvana, in 
die Ewigkeitsgedanfen, einzugehen. Hier, in der Gonftruftion 
der Zopes, ift alfo der vergängliche irdifche Leib (die Waffer- 
blafe) mit der fih durch verfchiedene Exiſtenzen ſteigern— 
den Seele (dem Etagenthurm) innerhalb der Lebenszeit, gleich- 
fam die Metaphyfit und Moral diefer buddhiftifchen Dogmatik, noch 
vereinigt, in einer und derfelben Form ſymboliſcher Architec— 
tur, Aber mit dem Fortfchritt der Sahrhunderte, zumal oftmärts,- 
durch die buddhiftifchen Völkergebiete der Tübeter und Chinefen, traten 
diefe Elemente bald auseinander, denn im Weften wurden feit dem Ein— 
fall der Araber Eeine mehr aufgebaut, Die metaphyſiſche Spe— 
eulation fällt; die Wafjerblafe wird hohl, zum Tempel. Der Etas 
genthurm wächft auf dem Kuppeldach der Nepalefifchen und Tuͤbetiſchen 
Tempel (Ehaitya, d. h. Tempel und heiliger Feigenbaum, ſ. Afien 
1V.2. ©.672, f. die Abbildung eines foldyen bei Hodafon) 1°) als hos 
hes Tempelornament, in 7, 9 oder 13 Etagen, luftig empor, weil «8 
dreierlei Reihen jener zu durchlebenden Nidanas oder Eriftenzen giebt, 
deren heilige Zahlen aber nie. fi) ändern. Endlich, noch weiter im 
Dften, fällt aud) die Gewölbform der Wafferblafe, als Tempel, in den 
fpätern Jahrhunderten gang weg, die Herdunfelte Speculation verſchwin— 
det auch in ihrem Symbol aus der Architectur, und bei dem practifchen 
Ghinefen bleibt nur die Symbolik der Moral im Etagenthurm, der in 
feiner Seldftftändigkeit gleich) den etagenreichen Pagoben und Porzellans 
thürmen, als Tha, ficy erhebt, zurüd. Co mußte der Sutupo oder 
Tha der Ghinefen, der erft mit dem Buddhacultus aus Indien nach 
China, als dem Foe Cd. i. Buddha) geweiht, übertragen ward, zu Fa 
Hians Zeit ganz identifch mit den Stupa’s oder Zope’s am Indus 
feyn. Selbft das höchfte Ornament des hinefifhen Pagodenthurms oder 
des Chaitya-Tempels, nämlic der Thurmknopf, muß in der hoͤch⸗ 
ften Spise immer nody den geweihten Sonnenfhirm enthalten, jes 
nen religiöfen Chattah (f. oben ©. 119), der nichts anderes ift, als 





10) Sketch of Buddhism derived from the Bauddha Seriptures of 
Nipal by Brian Houghton Hodgson Letter dat. Nipal-11. Aug. 
1827. in Transactions of the Royal Asiatic Society of Great-Bri- 
tain and Ireland. Londor 1829. 4. Vol. II. P. 1. p. 248. nebſt 
Plate III. the Chaitya of Deya Patana. 


302 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 5 4 


das Symbol des faͤcher- und ſchirmartig ausgebreiteten Feigenbau⸗— 
mes (Banjane oder Chaitya) unter dem Buddha einſt in Nirvana vers 
ſank (f. Afien IV. 2. ©. 671— 673), unter dem jede feiner einzelnen 
Statüen fisend, in innerliher Befchauung, abgebildet feyn muß, wenn 
fie Eirchliche Weihe haben foll, unter dem, oder deſſen Architectursrnas 
ment, daher auch jede Reliquie Buddhas, innerhalb des Etagenthurs 
mes, aud) nad) defjen Hingange beigefegt feyn mußte. Die einftigen 
Eoftbaren Metallornamente, welche durd die Mohammedanır von ben 
Zopes abgeriffen wurden, gehen, fo wie ihre Shirmformen und 
mannichfachen Symbole, aus ben Drnamenten der minutidfen Pre=s 
tiofen hervor, die im Innern der Steinfammern mit den Afche= und 
Knochenreliquien ſich, en Miniature, nachweiſen laſſen. Wie nun diefe 
äußere Ornamentirung in den modernen hinterindiichen Zempelpug, mit 
Schnitzwerk, Vergoldung, Schirmdach u. f. w, in China, Siam u. a. O. 
überging (ſ. Aften II. ©. 1114, 1174 u. a.), ift zwar bekannt, obwol 
nur die gefchmacklofe Uebertreibung derfelben, nicht aber die tiefere Bez 
deutung die ihrer antiten Entwidlung zum Grunde lag, und jede ihrer 
Formen und Entiwicdelungen bedingt hat. Sie ift nur eine Multiplicis 
zung des bis zu 7, 9 und 13 Schirmdäcjern gefteigerten Sonnenfdirms, 
der als Symbol der Weihe des Banjanenbaums (f. Afiens IV. 2, 
©. 656 — 687), mit Bewegung und Leben, wie durch Gloden, Gebet: 
flaggen, Voͤgel, Thierfiguren allee Art geſchmuͤckt ift, und in feiner Erz 
fcheinung überall mit oder ohne den Tempel oder den Eörperverbergenden 
Dagop, mit der höhern, religiöfen Weihe auch fiets die Majeftät der 
töniglichen Herrfchhaft vereinigt. Denn wie Buddha ber koͤnigliche 
Prinz von Kapila (f. Afien IV. 1. ©. 510) nur unter der Banjane 
würdig als Religionsftiftee und im Abbilde erfcheinen kann: fo Enüpft 
jedes fromme, budohiftifche Königsgefhlecht feine Genealogie, wie das 
Mufelmännifche das feine an den Propheten, fo diefes an das Königss 
haus Magadha zu dem Kapila gehörig (f. Afien IV.1. ©.510) an, 
und fo wird der Sonnenfhirm, wie auf dem Tempeldach, immer nur 
weiß mit Gold ornamentirt, auch im Leben jeneriorthoboren kö— 
niglihen Herrfcher, als Sonnenfhirm, Baldadjin, bei Audienzen, 
nur mit denfelben Farben in jeder Pompa, das Symbol der Maje⸗ 
ftät, eine Prärogative der Könige und der wenigen Großen, der 
nen fie von ihnen verliehen wird. Als folche reicht fie, mit den früheften 
Buddhamiffionen (d. h. über ein halbes Sahrtaufend v. Chr. G.), den älteften 
Zeiten, aus Indien und Ceylon oftwärts bis China und Japan hinüber, 
und von Siam durch das weite buddhiftifche Mittel-Afien, Nord-Indien 
und Baktrien ſchon zu der Perferkönige Zeit, die auf den Sculpturen 
von Perfepolis majeftätifceh, von ben vielen Zaufenden nur allein unter 
dem Sonnenſchirm einherfchreiten, fort, bis an den Pontus, wo auf den 
antiten Bajengemälden der weihende Schirm in den Vorftellungen 





Hindu Khu, Kabuleftan nach Sultan Baber, 303 


Eöniglicher Mofterien ſich zeigt, und diefe ausschließlich Faiferlihe Präz= 
rogative fi) noch am Hofe der byzantinifchen Kaifer, bis auf Joh. 
Kantakuzenus Zeiten (im 3.1355 n. Chr. ©., f. Cantacuz Lih. III. 
c. 27. IV. 14) fortpflanzt, ſelbſt wahrfcheinlich, wie dad Reliquienweſen, 
einft durch Neftorianer, aus InnerzAfien heraus, in den Architecturſtyl 
und Gultus der weftlichen Tatholifchen Kirche übergeht, und nun zum 
bedeutungstos fcheinenden Ornamente des Baldachins über dem Reli- 
quienaltar und dem chriftlichen Lehrftuhle in der Kirche überhaupt wird. 


Erläuterung 5. 


Die Landichaft Kabul im XVI. Jahrhundert, von ihrem Gr 
oberer (im Fahre 1504 n. Chr. ©.) und Beherrſcher, dem 
Sultan Baber, befchrieben. 


Das verjüngte Intereſſe, welches das bis dahin fcheinbar 
für die Welt: und Menfchen: Gefchichte brache gelegene Ka⸗ 
buleftan, durcd obige Denkmale und ihre Gefchichte gewonnen 
hat, fordert auch die geographifche Wiſſenſchaft dazu auf, diefem 
Gebiete der Erdrinde für die Zukunft, weil es zur Grundlage und 


Folie einer ganz eigenthümlichen, Eeineswegs unmichtigen, reliz 


giöfen Eulturperiode gedient hat, mehr Aufmerffamfeit und 
Forfhung zuzumenden, als bisher gefchehen war. Wir halten es 
deshalb auch für nothiwendig, uns deſſen frühere Zuftände zu vers 
gegenwärtigen, um die gegenwärtigen ſowol, als die noch früher 
vergangenen, daraus immer mehr in ihrem wahren Verhältnig 
zum Erdganzen begreifen zu lernen. Deshalb laffen wir, auf jes 
nen merkwürdigen Blick in die buddhiftifche Zeit, deren noch Als 
tere einheimifche Zuftände uns gänzlich im Dunfel liegen, und, 
da felbft der Zuſtand in der erfien Hälfte der Mohammedaners 
Periode uns ſehr verfchleiert bleibt, ungeachtet, wie wir oben 
in Sultan Mahmuds Gefchichte gefehen haben (ſeit d. J. 1000 
n. Chr, f. Afien IV. 1. ©. 529 —553), uns von Ghazna aus 
ein firahlendes Licht uͤber Indien jenfeit des Zndus bis zum Gans 
ges aufgeht, hier, das Wefentliche der einzigen Specials 
befchreibung von Kabuleftan, die wir von einem dort eins 
heimiſchen Fürften befigen, aus dem Anfange des XVI. 
Sahrhunderts folgen, weil der damalige Zuftand doch dem der 
Shaznavidenzeit noch um vieles näher ftand, und den großen 
Ummwandelungen vorhergeht, welche Land und Volk dafelbft, nach 
derfelben Zeit, durch die jünger eingetretene Herrfchaft der 


304 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 4 


Afghanen und des Afghanen Königreiches, getroffen hat, mit wel: 
cher wiederum von neuem fo vieles verwifcht if. Wir meinen 
die merkwürdigen Nachrichten, die Sultan Baber, als Eroberer 
und langjähriger Herrfcher über Kabul, in feinen Memoiren mit 
großer Vorliebe zu der von ihm beberrfchten Fandfchaft niederges 
fchrieben hat, bevor er über den Indus zu neuen Eroberungen bis 
Delhi fortfchritt; diefelben aus denen wir ſchon im obigen fo 
manche intereffante Erläuterung den einzelnen Focalitäten hinzufügen 
fonnten. Hier der wefentlihe Inhalt feiner Mittheilungen 54), 
Das Land Kabul liegt im vierten Clima, in der Mitte der 
bewohnten Erde. Ihm im Often liegen Pefchawer und das 
Sand Hind; gegen Weften das Gebirgsiand, darin Karnud (2) 
und Chur (d. i. Gouriftan); diefen Gebirgsftrich haben die Tri 
bus der Hazara und Nufderi(?) inne. Gegen den Norden 
Liegen Kundez (jegt Kunduz) und Anderab (jest Inderab), 
welche durch den Hindu Kufch abgefchieden find. Gegen Süden 
liegen Iermul, Naghz (oder Naghr), Banu und Afghanis 
ſtan. — Sultan Baber befchränft alfo, damals, den letztern 
Namen noch auf feine Bedentung, im eigentlihen engern 
Sinne; nämlich nicht auf das von ihnen erſt fpäter durch ero— 
bernde Herrfchaft befegte Neich, fondern auf die von den Afghaz 
nenftämmen wirklich bewohnten Gebirgspdiftricte des Su: 
faid Kho und der Solimanfetten, im Süden des Kabul: 
firomes und der Route zwifchen den Städten Kabul, Pefchawer, 
Attok, denn die Ebenen, zwifchen jenen Städten wie die Städte 
ſelbſt in den wirthharen Ihalgebieten des Kabulftromes, waren 
damals von Perfifchredenden Tadjifs bewohnt, wie fie es noch 
heute theilweife geblieben find. 
Kabul, ſagt Sultan Baber, ift ein enger aber langs 
gedehnter Landftrih, auf allen Seiten von Gebirgen umgeben. 
Nachdem er nun fpeciell die Lage der Stadt Kabul geruͤhmt 
hat, was wir ſchon früher von ihm an gehöriger Stelle mitheil 
ten, befchreibt er deſſen Clima!2), Seine falten und war: 
men Gaue, fagt er, liegen nahe beifammen. Von der Stadt 
Kabul kann man in einem Tage dahin gehen, wo nie Schnee 
fallt, und in der Zeit von zwei aftronomifchen Stunden dagegen 





#4") Memoirs of Zehireddin Muhamed Baber Emperor of Hindostan 
etc, ed. W. Erskine. London 1826. 4. p. 136 — 151. . 
1?) Baber Mem. I, c. p. 138. 


Hindu Khu, Kabuleftan nach Sultan Baber, 305 


kann man ewigen Schnee finden, nur zumeilen bei etwa fehr 
heißen Sommern ausgenommen. In den von Kabul abhängigen 
Landfchaften ift großer Reichthum an Obſt, heißer wie Falter Cli⸗ 
mate, ganz nahe beifammen. Die Obftarten der Falten 
(fühlern) Gebiete von Kabul find: Trauben, Pomgranaten, 
Aprikofen, Pfüfih, Birnen, Aepfel, Quitten, Jujuben, Dams 
fans (7), Wallnüffe, Mandeln, die alle in größter Menge und 
Fülle gedeihen. Der Sultan fagt ausdruͤcklich, er ſelbſt habe den 
fauern Kirfhbaum (Alubala) hierher verpflanzen laffen; 
er gedieh Erefflih und gab gute Früchte. Als Obftarten des 
warmen Climas führt er auf: die Orange, Citrone, Am: 
luk (D, Zuckerrohr; diefe werden aus den öftlihen Thaͤlern 
Kabul (von Lamghanat) eingeführt. Ich felbft, fagt er, ließ das 
Zuderrohr auch nach Kabul bringen und dafeldft anpflanzen. 
Ob es gedichen fey, fagt er nicht. Hier ift auch wo man nach 
ihm den Jelghuzek (wol den eßbaren Pinuszapfen der Deodara, 
f. ob. ©. 246) von Nijrow eingeführt. 

Sie haben im Lande ferner viel Bienenftöcke, doch wird der 
Honig nur aus dem Berglande eingebracht. Der Rawaſch 
von Kabul ift von frefflichen Eigenfchaften, füß und fcharf zu: 
gleih. Sehr merkwürdig; diefe Stelle in den Memoiren des 
Sultans war früher zweifelhaft, weil Niemanden, bis dahin, das 
Dorfommen des Ahabarber, denn das bezeichnet” diefer Na: 
me), obwol bis Nepal doch noch nicht fo weit im Weften wie 
bis in den Hindu Khu befannt war (ſ. Alien B. J. S. 179- 186, 
über Verbreitung des Ahabarbers). Aber Al. Burnes hat neuers 
lich dies intereffante Factum vollfommen beftätigt. Der Rhu— 
wafh, Rawaſch, richtiger Rewaſch, nah v. Hammer, 
waͤchſt nach dem leßtgenannten britifchen Neifenden wild, unter 
den Schneebergen von Pughman 19), d. i. der erfte Hochges 
birgszug im Morden der Stadt Kabul. Auf dem Bazar der 
Stadt ift er berühmt; die Einwohner halten ihn für fehr gefund, 
fie benugen ihn roh und gekocht als Gemuͤſe. Die Stiele, 
welche man dort zu Marfte bringt, find fußlang, die Blätter bra— 
chen eben (im May) hervor; fie find roth, der Stiel weiß. Yung 
ift fein Geſchmack füß wie Milch; wenn älter wird er fchärfer, 





23) Hammer dv. Purgftall in Rec, in Wiener Jahrb. d. Literatur 
1834. Bd. 728.7 ꝛc. 14) Al. Burnes Tray, into Bokhara; 
Vol. I. p. 154. 


Ritter Erdkunde VII; u 


306 Weſt-Aſien. 1. Abfchnitt, 6. 4. 


Man ſetzt Steine um die wilde Pflanze, damit er im Schatten 
bleibe und ihn der Sonnenftrahl nicht treffe. Die Wurzel diefes 
Nhabarbers wird aber hier nicht als Medicin gebraucht. Ders 
felbe fommt auch auf der Mordfeite des Hindu Khu in den Kurs 
ſchibergen 515) gegen Bokhara vor, als wildes Gewaͤchs. Die fpes 
eielle Art diefes Genus ift jedoch aus diefen Angaben noch nicht 
näher zu beftimmen. Quitten md damascener Pflau— 
men, Badrengs (eine Burfenart) und die Trauben, zumal 
die fogenannten Waffertrauben, find fehr deliciös. Der Wein 
ift ftarf und beraufchend; derjenige am Berge Khwajeh Khan: 
Saaid ift feiner Stärke wegen berühmt. 

An Getreide ift Kabul nicht reich; ſchon das vierte bis 
fünfte Korn gilt als Ertrag für eine gute Ernte. Auch die Mes 
Ionen find nicht befonders; am beften noch diejenigen, welche man 
aus Fhorafanifhen Saamen zicht. 

Hinfichtlich der Lieblichkeit des Klimas ift fein anderer | 
Hrt der Welt mit dem von Kabul zu vergleichen ; doch Fann man 
die Fühlen Nächte nicht im Freien zubringen, ohne fih mit einem 
Sammsfelle zuzudecken. Obmwol der Schnee im Winter ziemlich 
tief fällt, fo ift die Kälte doch nie fehr empfindlich. Zu Samars 
Fand und Tauris, die ihres lieblichen Climas wegen gleich bes 
ruͤhmt find, ift doch die Kälte weit größer, fagt Sultan Baber, 
der das Klima von Samarfand aus eigener Erfahrung mol ken— 
nen mußte. 

Die vier Aulengs, d. i. Wiefengründe bei Kabul, find 
trefflihe Weidepläge für die Heerden, aber voll Musfitos. Jede 
liegt einen Farfang (anderthalb Stunden) fern von der Stadt 

- Kabul; genauer genommen find es ihrer 6 Aulengs, aber es ift 
Gebrauch nur die vier zu nennen. 
Das Yand Kabul ift von Natur fehr feft, und für den 
Fremden ſchwer zu erobern; der Hindu Khu bildet vom Morden 
ber. die Verfchanzungsmauer mit den 7 ſchon oben genannten Ger 
birgspäffen (I. ob. ©. 251). Der Weg aus Khorafan führt das 
gegen über Kandahar auf gerader Straße ohne Gebirge nach 
Kabul. Don da zählt der Sultan aber oftwärts nach Indien 
4 Paſſagen auf, deren Beffimmung uns ziemlich ſchwierig iff. 
Die erfte Paffage über Lamghanat (d. i. Lamghan, oberhalb 
Jellallabad) und die Khyberberge (f. ob. ©. 190) ift ung aus 

















*)#) Al, Burnes Trav. Vol. Il, p. 169. 


Hindu Khu, Kabuleftan nach Sultan Baber, 307 


obigem befannt; die andern über den Bangash-Paß, über 
Naghz und über Termul kennen wir nicht 16) mehr; fie find, 
fagt der Sultan, aber alle durch ihre Berge befchwerlid. Er 
fommt weiter hin nod) einmal auf ihre fpecielle Befchreibung 17) 
jurück, die aber, weil noch fein Europäer fie wieder betreten hat, 
jiemlich unverftändlich durch die Menge angeführter fremder Na: 
men bleibt, deren Sage uns unbekannt ift. 

Don den Einwohnern, fagt der Sultan, es find ihrer 
pielerlei Tribus. Die Thaler und Ebenen find bewohnt von: 
1) Zurf, 2) Aimaf, 3) Arabern; die Städte und Dörfer 
meift von 4) Tadjifs. Aber viele andere Dörfer und Gauen 
pesohnen auch; die Paſchais, Parachis (darin vielleicht noch 
der Name der antifen Paropamifaden?), Tadjif, Berefig 
ind Afghanen. — Nur diefe letzteren find uns in neuerer 
Zeit allein näher befannt geworden. Don den Tadjit war früs 
per die Nede, Im Gebirgsiande gegen Weft wohnen: die Ha: 
‚aras und Nukderies; unter diefen find auch einige Tri— 
sus, welche die mongholifche Sprache reden, fagt der 
Sultan. Das Gebirgsland gegen Nordoft iſt Kaferiftan (Land 
der Unglaͤubigen), und Kattor (oder Katar, Kueter bei Sche: 
iffeddin; jeßt Kuttore, ob. S. 206) und Gebref(l?), Das Ge 
irgsland gegen Süden ift Afghaniftan. Zn Kabul werden _ 
11 bis 12 Sprachen gefprochen, naͤmlich: Arabifh, Pers: 
isch, Turki, Mongholifch, Hindi, Afghani, Pastai 
wol Pufchtu, welches jegt für identifch mit Afghanifch gilt); aber 
zuch die weniger befannten Sprachen: Parachi, Geberi (ob 
Buebern? Parfend), Bereki und Lamghani. Der Sultan 
virft bier die Frage auf, ob auch wol in andern Yandern fo viele 
Sprachen geredet würden? Nun geht er zu der Specialbefchreiz 
ung untergeordneter Provinzen oder Diftricte über, To— 
nans 13) genannt, deren in Kabuliftan 14 aufgezählt werden, 
vozu damals auch Ghazna 19) gerechnet wird. Sie entfprechen 
en indifchen Pergunnahs und dem, was in Kafhahar Urs 
hin heißt; auch in Bokhara und Samarfand, jagt der Sultan, 
en die Benennung Toman gebraͤuchlich; wahrfcheinlicy hat er 


ie erſt am Kabulftrome eingeführt. Obwol noch mehrere Dis 
teicte, bemerkt derfelbe, wie Bajour, Sewad, Perſchawer (iegt 


"*) Baber Memoirs 1. c. p. 140. 17) ebend. p. 142, 
“s) ebend. p. 141. >) ebend, p. 148, 2 


| u2 





308 Wer Afien, I Abſchnitt. 9% 4 


Peſchawer) und Haſchnagar (jest Haſchtnagar, f. ob. S. 223) 
urfprünglich zu Kabul gehörten, als die von ihm nun angeführs 
ten, fo fernen doch mehrere derfelben zu feiner Zeit verödet, an— 
dere von Afghanen beſetzt worden, fo daß fie nicht 
als eigentliche Provinzen gelten fünnten. — Hieraus 
fehen mir deutlih, daß damals die Afghanen erft anfingen fich 
zu Herren des Landes zu machen, und wir vermuthen, daß chen 
Sultan Babers Einfall in Indien, und die Stiftung des dortir 
gen groß-moghufifchen Neihs, wodurch den ſchon damals einz 
dringenden Afghanen das Feld auf der Weftfeite des Indus am 
obern Kabulftrome geräumt ward, die Haupturfache ihres fpäs 
terhin gewaltfamen Nachruͤckens in jene Landfchaften und ihrer 
dortigen allgemeinen Verbreitung geworden ift, über welche die 
Gefhichte vor der Entftehung der Afghanen-Dynaſtie fchweigt. 
Wir heben nur einiges aus der Specialbefchreibung der Tomans 
hervor, da wir die andern belehrenden Daten ſchon oben gehöris 
gen Drts zur Erläuterung beigefügt haben. 

Kuner und Nurgil 20) (f. 06. ©. 226) find zwar auch 
Tomans, aber, obwol gleich groß wie andere, zahlen ihre Bewoh— 
ner doch weniger Abgaben an die Regierung, weil fie mitten in 
Kaferiftan liegen, das feine nächfte Grenze bildet, und fie daher 
fehr beunruhigt werden. Hier und in der ganzen Nachbarfchafi 
ift ein befonderer Umftand beim Begraͤbniß der Frauen zu be 
merken. Die Leiche derfelben wird auf eine Bahre gelegt unt 
diefe an den vier Ecken von Männern getragen. Hat das Weil | 
tugendhaft gelebt, fo erfchüttert fie die Iräger fo fehr, dag Dil 
Leiche abfällt; wo nicht fo liegt fie ruhig. Dies ift die fefte Uel, 
berzeugung aller dortigen Bergbewohner; auch der Sultan Hail, 
der Ali Bajouri, des dortigen Gebirgslandes, ein gerechter Manni; 
glaubte daran; feine eigene Frau erfchütterte die Träger, 

Ron dem Berglande im Süden des Kabulfitoms und voll) 
Sellallabad, innerhalb der Khyberberge, wo er den Toman Banfı 
gash?!), gegen Cohat hin, nennt, fagt der Sultan, haufen Afl; 
ghanen-Räuber (er nennt fie Khugiani, Khirilhi, Buri unf) 
inder), welche allen durchziehenden Tribut abfordern; er ha 
noch feine Zeit dazu finden Fünnen ihrem Näuberhandwerk ei 
Ende zu machen, und dafelbft die Ruhe herzuftellen. Nur vo 
einem Ueberfalle gegen die räuberifchen Afghanen, in die Mi 











#30) Baber Mem, I. c. p. 144. =») ebend. p. 150. 


Hindu Khu, Kabuleftan nach Sultan Baber. 309 


der Solimanketten, tt an einer Stelle die Node 2), gegen Sud 
und SW. über Kohat, wovon erft weiter unten gefprochen wer— 
den kann. Ihre mächtigften Stämme (Aughan, Afghan) 
feyen die Mehmend Afghan, und eben fo wie fie im Suͤ— 
den foren im Weften die Hazaras die Inhaber der Wuͤſte—⸗ 
neien, in derfelben Art wie in Khorafan und Samarfand dies 
mit den Turks und Aimak-Horden der Fall fer. Die mächtigs 
ften der Hazaras find die Sultan Mafaudi Hazaras. Die 
Einkünfte von Kabut von den feftgefiedelten Landfchaften, 
fammt dem Tribut aus den Wüfteneien, betrage S Lak Shah: 
rokhi's (eine Rupie zu 25 Shahrokhi's gerechnet giebt 33,333 Pf. 
Sterl. n. Ayeen Akberys Berechnung). Die Verwaltungsart je; 
ner Zeit lernt man aus der Erzählung kennen, wo der Sul— 
tan) fagt, daß er nach feiner Befisnahme von Kabul das dors 
tige Land nur an diejenigen Begs vertheilt habe, die in der less 
teen Zeit in feine Dienfte getreten waren. Ghazni (d. i. Ghazna) 
gab ich an Jehangir Mirzaz die Tomans von Nangenhar, Mans 
deraur (f. 06. ©. 245), Dereh Nur und Dereh Kuner, Nurgil 
und Cheghanferai (f. ob. ©. 213) an Nafir Mirza. Die Begs 
und jüngern Offieiere, die mir in meine Gefahren und Erpeditio: 
nen gefolgt waren, belohnte ich; dem einen gab ich ein Dorf, dem 
andern ein Landgut, aber feinem das Gouvernement einer 
Provinz. Nicht blos diesmal, fondern jedesmal bei meinen Ero— 
berungen war dies das Princip meines Verfahrens. Immer, 
zuerft, forgte ich für die Begs und Soldaten, welde Fremde 
und Gäfte waren, vorzüglich aber für die Baberiden und die 
von Andejan (d. i. feine urfprünglichen Genoffen und Stamms 
verwandten aus Ferghana, feines ererbten Königreiches). Trotz 
dem war es flets mein Unglück, daß ich dieſe letzteren eben zu 
fehr begünftigte; ein offenes Geſtaͤndniß. Kabul mußte ich mit 
dem Schwerdte behaupten; deshalb mußte ic) meinen fiehenden 
Teuppen den Ils und Ulus, die mie von Hiller, Samarfand, 
Kunduz auf die Suͤdſeite des Schneegebirgs gefolgt waren, ſchon 
durch Eontributionen von Getreide in Kabul ficher ftellen, weil 
da eine Geldabgabe zu erheben war. Die Hazaras- follten 
den Tribut an Pferden und Schaafen liefern. Da diefe es 
verfagten, überfiel ich fie ploͤtzlich im Weſten von Kabul und 
flug *) fie, als Raͤuber, nach Herzensluft, im Gebiete von 


23 ebend. y- 157 — 163. 27) ebend, pP» 156, 34) ebend, p- 178. 


310 Weſt-Aſien. I. Abfehnitt. 5. 4. 


Chat. Aber von der Oftfeite, vom Behut jenfeit des Indus 
her (f. ob. ©. 70), kamen fie freiwillig mir entgegen und boten 
mir ihre Dienfte an. Ich führte in Kabul eine neue Schrift 
ein, die ich erfunden hatte, und den Namen der Baberi Hand— 
erhielt. — Diefe Schrift ift fo wenig in Gebrauch gefommen wie. 
die neue, welche die Willkür des römifchen Kaifer Claudius fefts | 
zuftellen beliebte. 

Mit befonderer Vorliebe verweilt nun, außer den Gefhheiches| 
nen Tomans, der Sultan nod) bei der Befchreibung der Weide; 
länder und Berglandfhaften ), die im Often, Weften 
und Süden von Kabul umberliegen, und die er mit ihren Les 
bensweifen und Jagdproducten ſchildert. 

Die öftlihen Weideländer, fagt er, find wie die im 
Weſten von Kabul, ein durchbrochenes Bergland, wodurch) es 
fih von dem zufammenhängenden Hochgebirge in der Mordrichs 
tung gegen Anderab, Khoft (? wol ein Ort in Kaferiftan) und 
dem Badakffıhanat unterfcheidet, welches überall mit dem 
Archeh, d. i. der Berg: Pinus (ob Deodar ?) bewachfen ift. 
Senes ift dagegen gut bewäflert von Quellen, voll fanfter Höhen 
und Thäler, überall mit gleichartigen Gewächfen bedeckt, von ſehr 
guter Art, nämlich dem Grafe, Kah:butfeh, in reichlicher 
Menge, das ein treffliches Pferdefutter ift, Ym Lande Andejan 
(d. i. in Ferghanah) nennen fie daffelbe Gras, Butfehzrauti; 
die Urfache diefer Benennung Fonnte ich nicht erfahren. Aber 
in Kabul nannte man es fo, weil es in Buteh, d. i. in Bim 
deln wächft, Die Yailaks, oder Sommerwohnungen (der Som 
mer Alpen), von Hiller, Khutlan, Samarkand, Ferghana und 
Moghuleftan, alfo insgefammt nordwärts des Hindu Khu, fi nt 
von derfelben Art wie die auf der Kabulfeite. Obmol die Som. 
merhütten der beiden leßteren fich nicht ganz mit den andern ver: 
gleichen laffen, fo find doch ihre Weidepläge von derfelben Art, 

Aber ganz verfchiedener Art find Nijrow und die Berg 
landfchaften von Lamghanat, Bajour, Sewad; das find di 
fidlichen Voralpen der Hindu Khu Kette. Diefe find voll Wal 
der von Pinus, Föhren, Eichen, Dliven und Maſtixbaͤumen; abe 
das Gras ift lange nicht von der Güte des oben genannten 
Es ift zwar in Menge vorhanden und hoch genug, aber es tau 
nichts, weder zum Futter der Pferde noch der Schaafe. Obı 

































*?*) Baber Mem. l. c. p. 152 — 154. 


Hindu Khu, Kabuleftan nach Sultan Baber. 311 


diefe Berge nicht einmal fo hoch find wie jene, fondern fogar ges 
ringer als jene (der Plateaulandfchaft) erfcheinen: fo find fie doch 
alle fehr harte Berge, wenn auch mit fanften Abhängen und 
ebenen Gipfeln, doch fo felfig und Elippig, daß fie für Pferde 
unzugänglich bleiben. Dagegen befindet fich dafelbft vieles Wil d, 

wie in Hindoftan. Die Papageien, Sharok ), Pfanen, 
Kokeh(d), Affen, das Nilgau, die Koth:pai(?) und 
viele andere Arten, eine noch weit größere Mannichfaltigkeit von. 
Vögeln und Thieren, als ich fie in Hindoftan kennen lernte. 

Die weftlihen Berglandfchaften bilden die Thäler 
von Zindan, Suf, Gurzewan und Gharjeftan. Ihre Berge find 
alle von derfelben Art. Ihre Weideländer liegen in den Grüns 
den; auf den Anhöhen wächft feine Hand voll Gras, und 
durdaus nicht die Fülle der Archeh Pinus, wie auf dem Hochs 
gebirge. Das Gras in den Gründen ift ein treffliches Futter für 
Pferde und Schaafe. Ueber diefe Höhen fann man überall hins 
weg gut reiten; auf ihnen find Ebenen und bebautes Yand (der 
Sultan faßte den Gegenſatz der Plateaulandfchaft und der 
Gebirgslandichaft, als trefflicher Beobachter, fehr richtig auf). 
Hier ift ebenfalls das Wild fehr haufig; die Waſſer ziehen meift 
in tiefen Schluchten, mit fenkrechten Wänden, fo daß man nicht 
hinabfteigen kann. Seltſamer Boden, ruft der Sultan aus; ins 
deß in den andern Berglandfchaften die feſten Pofitionen, die 
fteilen und rauhen Stellen auf den Episen der Berge liegen, fo 
befinden ſich hier die Feften alle gegen die Tiefen oder in den 
Gründen. Ganz von derfelben Art find die Bergländer von 
Ghur (Gouriftan), Karbu (oder Karnud, d.i. um Ghazna) 
und Hazara (d. i. das alte Land der Paropamifaden). Shre 
MWeideländer liegen in den Gründen und Thälern. Sie haben 
wenig Bäume, felbft die Archeh Pinus wächft dafeldft gar nicht 
mehr. Das Gras ift nährend für Pferdeheerden und Jagdwild. 

Die füdlihen Berglandfhaften haben gar Feine 
Aehnlichkeit mit jenen; fie find ungemein einförmig, ſehr niedz 
rig, haben wenig Grafung, ſchlechtes Waller, feinen Baum; 
fie. find ein haͤßliches, unnüges Sand. Aber die Berge (er meint 
die Solimanfetten, den Sufaid Kho ur. a.) find, wie das Sptichs 
wort fagt: „würdig der Männer,” nämlich für die Räuber: 
horden, die fie bewohnen, und „ein enger Naum ift groß 
für den Kurzfichtigen.” Diefe Afghanenftämme, ihre Bez 

wohner, fcheinen ihm ziemlich verhaßt; er wiederholt es zum 


312 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 5. 4, 


Schluß noch einmal! Wielleicht giebt e8 in der ganzen Welt feine 
fo häßlichen Berglandfchaften wie diefe. — Wirklih kann man, 
auch nach den neueften Bereifungen diefer Gegenden, durch Pot⸗ 
tinger, Honigberger, A. Conolly nicht anders als dem 
Sultan in diefem Urtheile völlig beiftimmen; und doch war aud) 
hier einft eine Zeit der Eultur und des Wohlftandes, in der äls 
tern Periode der buddhiftifchen Koͤnigreiche 52%), wie aus Fa Hians 
Heifeberichten durch diefelben im IV. Jahrh. entfchieden hervors 
geht, und worüber weiter unten die Rede fenn wird; denn jene 
Sandfchaften tragen auch heute noch die großartigen Denfmale 
jener Periode. 

Mit den Angaben der Productionen, nach des Sultans 
Memoiren, fchliegen wie deſſen intereffante Befchreibung feines 
gelichten Kabuleftans, 

Sn Kabul?) ift ed zwar kalt, und im Winter fällt hier 
viel Schnee, aber dafür giebt e8 auch Brennholz in der Nähe. 
Mur eine Tagereife fern wächft es in Ueberfluß: Maftirbaume, 
Eichen, bittre Mandelbäume, Kerfend ?). Das Maftirholz brennt 
am beiten, felbft wenn es noch grün ift. Auch die Eiche brennt 
gut, und es ift gar hübfch ihrem Feuer zuzufehen. Der bittre 
Mandelbaum ift das gemeinfte Gcwächs, er hält nicht lange 
an, Der Kerfend ift nur ein gemeiner Dornbufh, der dürr 
oder grün gleich gut brennt. Aber fihon den Bewohnern von 
Ghazna fehlt das Brennholz. 

An Wild giebt es in Kabul, im Herbft und Frühling, ein 
Rothwild, Arkar ghalcheh (2), das feinen Stricy hält, und 
dann von feinen Winters zu den Sommerftationen übergeht, und 
umgekehrt. Dies ift die Zagdzeit, wo man auf den Anftand 
geht. Das Rothwild (Ahueſurkh) und der wilde Efel 
(Goreh-khar) halten fib am Surfhrud auf (am rothen 
Fluß, der aus dem Schneegebirge des Sufaid Kho herabſtuͤrzt, 
f. 06. ©. 230). Das Weißmwild (der Arkali) das in Ferghana 
auch in Ghazna fich findet, ift in Kabul unbekannt. Im Fruͤ h⸗ 
ling giebt es viele $agdreviere in Kabul; aber der größte 
Strich des Wildes, der Vögel wie der Vierfüger ift entlang’ 
an den Ufern des Baran (f. ob. ©.251). Denn diefen Berg— 
firom faffen Hochgebirge an feiner Ofts und Weftfeite eim 





°2#) Foe Koue Ki ch, IX. p- 64. ch. XV. p. 98. ) Baber 
Mem. h c, p- 152 154, 


Hindu Khu, Kabuleftan, politischer Zuftand, 313 


und zwifchen beiden, vom Weidelande des Kabulſtromes an, führt 
den Baran aufwärts, der große Paß zum Hindu Kuſch. Nur 
diefer, Fein anderer, führt in der nächften Umgebung auf die Höhe. 
Daher ift hier der Hauptdurdhftrich des Wildes. Herrſcht 
MWiderwind, oder liegen Wolfen auf der Paßhöhe, fo fünnen die 
Voͤgel nicht hinauf; fie verbreiten fich in großen Schaaren im 
Baran- Thale, und werden dafelbft in fehr großer Menge gefans 
gen. Gegen das Ende des Winters werden die Ufer des Bas 
ranflufjes von einer großen Menge von Waffervögeln befucht, 
die wohl genährt find: Kraniche, Karkareh (eine Art Rohr— 
dommel), und Hohmwild fommen dann in unzähligen Schaas 
ren in mächtigen Zügen bier an. Die Kraniche fängt man in 
Schlingen, auch andere ihrer Gefährten. Eine eigene Cafte der 
Vogelfänger aus Multan, an 200 bis 300 Familien, find 
hierher verpflanzt worden, um diefes Gewerbe zu treiben, in dem 
aber auch die Bewohner des Baranthales felbft ein ausgezeichnes 
tes Geſchick haben. Zu derfelben Zeit machen auch die Fifche 
im Baranftrome ihre Wanderungen, und werden dann in 
Menge in Nesen und Reuſen gefangen. Die verfchiedenen Mes 
thoden des Fifchfangs werden vom Sultan genauer?8) befchrieben. 
So weit diefe Berichterftattung, die obwol fie ſchon einige 
hundert Jahr zurückgeht, doch viel Treffliches, Unbekanntes und 
ganzlih Unbeachtetes enthält, und vorzüglich dem Fünftigen 
Neifenden und Beobachter, in jenen Gebieten, Iehrreiche Fingers 
zeige giebt, welche, mit den frühern Hinweifungen auf die Monus 
mente, und die von A. Burnes wieder eröffneten Gebirgspaflagen 
und begonnenen Meffungen hier ein ganz neues großes Gebiet 
für die Bereicherungen der Wiffenfchaften überhaupt und der 
Erdkunde insbefondere entfchleiern Finnen, und auch ficher in 
kurzem aufdeefen werden. | 


Erläuterung 6. 
Politiiher Zuftand des heutigen Kabul. 


Es möchte am geeigneteften feyn den gegenwärtigen zerriffes 
nen Zuftand der Afghanenherrfchaft, wie er nach dem Anfang 
der Verwirrungen des Königreichs, 1809 (f. oben S. 232), und 
feit der Befignahme der gegenwärtigen Herrfchaften (feit 1818, 





2) Baber Memoirs I. c. p. 155. 


314 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 6. 4. 


ſ. ob. ©. 222), die wir ſchon oben angedeutet haben, ſich zeigt, 
bier kurz vorüber zu führen, wie er nach den jüngften Berichten 
der Augenzeugen, Al. Burnes 1832 und U. Conolly, ih 
temporair darftellt, da uns bei völligem Mangel befferer Quellen 
jedes eigene Urtheil darber abgehen muß. 

Vom geftürzten Königshaufe der Dynaftie der Durani 
auf dem Afghanenthron ift fein Zweig in Kabuleftan herrfchend 
geblieben; fondern nur die weftlichfte Provinz, Herat, noch im 
Befig eines feiner Defeendenten, Ramran, Mahmud Schahs 
Sohne, der zwar nach einer Neftauration des verlornen Königs 
reichs firebt, aber bis jeßt zu ſchwach blieb um einen Sieg über 
"Kabul zu erreichen. 

Dagegen hat die Familie des verrätherifchen Viziers Futteh 
Khan (f. ob. ©. 232), vom Stamm der Barukzye Afghas 
nen (ſ. 06.©. 222), fidy in dem ganzen öftlichen Theile des ches 
maligen afghanifhen Königreichs feftgefegt und nach verfchiedes 
nen Zweigen in deilen Herrfchaft getheilt, die aber keineswegs ges 
. genwärtig befreundet blieben, jedoch ihre Hauptrefidenzen in Kas 
bul, Ghazna und Peſchawer genommen haben. Ein ans 
derer Zweig der Barufzye Afghanen hat fich zu Dynaſten von 
Kandahar aufgeworfen. Diefe Dreitheilung zerfällt: wies 
der in mehrere untergeordnete Parteiungen, deren Politik vielfach 
in einender greift, und durch fortdauernde Nivalität, Bedrohung, 
Abwehrung, oder directe Fehde, nach innen und außen, einen 
hoͤchſt nachtheiligen Einfluß auf den, vor Eurzen noch unter. der 
Monarchie aufblühenden Zuftand des Landes ausübt, der wol, 
nad) Runjit Singhs Tode, und den Bedrohungen der mweftlichen 
Nachbarn des perfifchen Hofs einer baldigen Veränderung ents 
gegen Sieht. 

As der Durani König Schah Shuja 29) aus dem Felde 
gefchlagen war (1809), und fein Bruder Shah Mahmud, 
mit des Vizier Futreh Khans Beiftande als Ufurpator den Thron 
beftiegen hatte, unterwarf ſich ganz Afghaniftan feinem Scepter; 
Kaſchmir ausgenommen. Doc entftanden bald Factionen gegen 
ihn, und fein eigener Sohn Prinz Kamran intrigirte am meiz 
ſten gegen die Allgewalt des Viziers. Futteh Khan, um das res 
belliſche Kaſchmir zu Bändigen, rief die Seikhs zu Huͤlfe, und ges 
flattete ihnen duch das Pendjab eine Paflage nach Kaſchmir, 


#2°) Als Burnes Trav. II, p- 301. 


nn 


Hindu Khu, Kabuleftan, politifiher Zuftand. 315 


wofür von den Cinfünften deſſelben 9 Lat Kupien an Runjit 
Singh zu zahlen verfprochen wurden.  Zehntaufend Afghanen 
drangen aber durch den Bember: Paß frübzeitiger ein und unters 
jochten das Thal ſchon ehe die Seifhs nachfolgten; Futteh Khans 
Bruder, Azim Khan, ward Gouverneur von Kafıhmir. Dies führte 
den Bruch mit Runjit Singh) herbei, der nun die Feftung 
Attok durch Verrath (1813, |. 0b. ©.142) an fich 309. Sogleich 
brach Futteh Khan mit feinem Heere aus Kafchmir zum Indus 
auf, ward aber, nahe bei Attof, von den dafelbft lagernden Seikhs 
völlig in die Flucht gefchlagen. Seitdem hörte für immer die 
- Macht der Afghanen auf der Oſtſeite des Indus auf. Zugleich 
trat auch im Weften des Neichs Perſien als Feind auf, und 
forderte Tribut von Herat ein. In dem daraus fich entwickeln: 
den Kriege. erlitt Futteh Khan zwar viel Unglück, fonnte aber 
doc) noch die Weflgrenze des Neiches behaupten. Er war der 
Alleinherrfceber, denn Schah Mahmud lebte nur dem Sinnentaus 
mel; von deflen gegen ihn erboßten Sohne, dem Prinzen Kam— 
ran, ward aber der Vizier überliftet, in Herat eingefangen, ger 
blendet und mit Willen des Vaters, im Jahre 1818, graufam 
hingerichtet. Unmittelbar darauf brachen die Parteien am Hofe 
aus; Schah Mahmud entfloh ihnen kaum nad Herat, verlor feis 
nen Ihron, behielt nur den Titel als König von Herat, ward 
aber abhängig von Derfien, und ftarb im Jahre 1829. Der Bru— 
der des geſtuͤrzten Vizirs Azim Khan, der Gouverneur von 
Kafhmir, rief den entthronten und feiner Schäge beraubten, im 
Pendſchab fluͤchtigen Shah Shuja (. ob. ©. 142), aus feis 
nem Eril auf den Thron nach Pefchawer zurüd; ehe er aber auf 
diefem fich feftitellen Eonnte, beleidigte der Unbefonnene einen 
Freund feines Wohlthäters aus dem Barufzye- Stamme, der fich 
nun dadurch rächte, daß er einen cehrgeizigen, jüngern Bruder 
Shujas, den Eyub (Hiob) 31) zum Schah erhob, der jedoch nur 
ein Scheintönig blieb. Schah Shuja ward zum zweiten Male 
Flüchtling, durch die Länder der Sinde und der Seikhs. Eyub 
begnügte fih mit dem Titel, und überließ Azim Khan Anfehn 
und Gewalt. Diefe Verwirrungen benußte Runjit Singh fich 
in Beſitz des ſchutzloſen Kafıhmir zu werfen (1819, ſ. ob. S. 143). 
Die Bruderkriege und Bürgerkriege in Afghaniftan führten deſſen 


»°) H. T. Prinsep Origin of the Siklı Power I. c. Calcutta 1834. 8. 
p- 9 etc. *) Al, Burnes I, c. Il, p. 308. 


316 Weſt-Aſien. I Abfchnitt. $. 4, 


vollftändige, innere Schwächung herbei. Dem ſchlauen Maha 
Naja der Seikhs gelang es nun bald eine Provinz nad) der 
andern des Kabul-Reiches an fich zu reißen. Multan hatte ex 
fhon erftärmt, Kafchmir befegt; nun konnte er auch die Wefts 
ufer des Indus abreißen, fo weit es ihm galt, wo er die Duras 
nis gewaltig aufs Haupt fehlug, und feine Tribute, feit 1833, bis 
Peſchawer eintrieb (ſ. ob. S. 146). Diefe Siege überlebte Azim 
Khan der Ierte ufurpirende Machthaber der alten Afghanenherrs 
fchaft nicht lange; fein Tod ward das Signal zu innern Fehden 
feiner eigenen Barufzye- Familie, deren Glieder um feinen hinters 
laffenen Mammon in blutige Kämpfe geriethen. Der Schein: 
fönig vom Durani-Stamm, Eyub, entfloh in das allgemeine 
Exil des Pendjab nad) Lahore. Die Amirs von Sinde fchüttelz 
ten auch noch den legten Schein ihrer Unterwürfigkeit ab (f. ob. 
©. 184). Balkh ward vom König von Bokhara abgeriffen; die 
reichften Provinzen im Often blieben dauernder Befis der Seikhs, 
und in Herat allein erhielt ſich noch der legte Sproffe der Dus 
rani»- Dynaftie, Kamran, von geringer Bedeutung. So war 
ihre Macht dahin, nach 76 jährigem Beftande; feit Ahmed Schah 
im Jahre 1747 in Kandahar gekrönt ward. Das Reich zerfiel 
in einzelne Herrfchaften. 

Der Chef von Kabul, Doft Mohamed Khan 332), defs 
fen Brüder in Ghazna >?) und Pefchawer herrfchen (ſ. ob. ©.222), 
der ältefte unter ihnen, aber nur dem in Ghazna befreundet, dem 
andern Feind, hat das glänzendfte Theil erwählt, ift unabhängis 
ger Herrſcher, feit 1826, und verfteht die Kunfl zu regieren. Doft 
Mohammed, ein Barufzpe, ift ein Bruder des Vizier Fut— 
teh Khan, und dem britifchen Gouvernement zugethan; er war 
die Stüge der neuern Neifenden. Seine Macht breitet ſich nords 
wärts aus, bis Bamiyanz gegen W. bis zum Lande der Hazaz 
reh; gegen O. bis Pefchawer, in ©. bis Ghazna, deffen Chef 
fein Truppencorps dem von Kabul einverleibt hat. Seine Eins 
fünfte werden auf 18 Lak Nupien angegeben; er hält nah Al. 
Burnes 9000 Mann Neiterei, 2000 Mann Infanterie, wozu die 
Hülfsteuppen ftoßen. Seine Macht ift nicht gering; A. Conolly 
giebt ihm die doppelte Anzahl von Neitern und 12 Kanonen, und 
fagt, daß er, obwol ein Barufzye, doch auh Durani und 





#32) Al. Burnes Trav. II. p. 329 —335. 22) Artlı. Conolly Jonrn. 
1. e. Vol. Hl. p. 47. 


Hindu Khu, Kabuleftan, politifcher Zuftand, 317 


Ghilgies in feinen Sold nehme, wodurch er mehr Verfühns 
lichkeit mit diefen Stämmen, wol aus Politik zeigt, als feine 
Nachbarn. Bei der feſten Pofition des Landes, den geficher: 
ten Zugängen und Päflen, dem einträglichen Boden und Hans 
delöverfehr, den er ungemein zu begünftigen fucht, ift feine Herrs 
ſchaft im blühenden Zuftande. Die Zollabgaben bringen ihm, obs 
wol er nur 1 von 40, oder 23 Proc. einfordert, doch 2 Lak Kup. 
jährlich ein. Er gilt als ftrenger Sunnite, doch duldet er aus 
Politik die Shiten; die Zuden und Armenier haben aber aus 
Kabul auswandern müffen. Früher ſelbſt Weinfäufer, hat er 
aus Bigotterie, um den Nuf eines Sanctus zu erlangen, den 
Rauſchtrank verboten, giebt Vifionen vor. Seine perfifche Er: 
ziehung giebt ihm vor andern viele Vorzüge; auch begünftigt er 
die perfiiche Anftedlung, und das Perjerquartier in Kabul foll, 
unter ihm, ſchon zu 12,000 Familien angewachfen fenn. Mit 
feinen Brüdern lebt er in Streit, von feinen Unterthanen wird 
er refpectirt, von den Fremden als Eluger und toleranter Regent 
gepriefen, mit Herats Beherrfcher lebte er in bitter Feindfchaft. 

Don Peſchawers Zuftande unter feines Bruders Gewalt, 
war ſchon oben die Rede (f. ob. ©. 223); da es den Ueberfällen 
der Seikhs bisher fo oft unterworfen war, fo mußten die Unter: 
thanen einer Herrfchaft wol müde feyn, die ſtark genug war fie 
zu unterdrücken, aber nicht hinreichend fie gegen den Feind von 
außen zu ſchuͤtzen. Ghazna hat fic) bisher unter dem dritten 
Bruder an Kabul angefchloffen. 

Der Chef von Kandahar, Cohun Dil Khan), und 
feine zwei Brüder, Nahim Dil und Maher Dil, von geringem 
Herkommen, ftehen in fchlechtem Rufe, und follen wenig Sorge 
für die Zukunft tragen. Nah Al. Burnes haben fie 8 Lat 
Rupien Einkünfte, und an 9000 Mann Reiterei, 6 Stuͤck Kano: 
nen; ihre Truppenzahl könnte weit größer feyn, da Kandahar in 
der Mitte der zahlreichen Durani-Stämme liegt, wie den heimath⸗ 
lichen Sitzen der Barukzye ſo benachbart. Der Chef iſt aber 
nicht beliebt, nicht populair genug. Sie haben keinen Durani 
im Sold, nur vom Stamme der Ghilgies; der alte Adel der 
Durani iſt ihnen, als Emporkoͤmmlingen unter den Barukzye aus 
gemeinem Stamme, verhaßt; auch umgeben ſie ſich deshalb nur 
mit den Haufen der Gemeinen, die ihre Geſinnung theilen. Ihre 





*) Al. Burnes Trav. II. p. 337; A. Conolly II, p. 44. 


318 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 5. 4, 


Soͤldlinge, durch die fie fich allein zu behaupten fuchen] können, 
fallen dem Volke zur größten Laft, da fie diefelden nad) Belieben 
fouragieren laffen, ohne ihnen Sold zu zahlen. Durch ihre rohe 
Tyrannei haben fie allen Handel zerftört, und alles feufzt nach 
Erlöfung von ihrem Druck. Sie ftehen mit Herat in beftändiger 
Feindſchaft, haben fich aber vergeblich angeſtrengt Meifter diefer 
Provinz zu werden. Durch den Paß von Bolan (f. ob. ©.151, 
155, 168) bedrohen fie jährlih die Amir in Sinde; mit den Bar 
rukzye-Chefs in Peſchawer haben fie fih befreundet. 

Der Chef, oder König von Herat, aus dem föniglichen 
Suddozye Gefchlecht des Durani-Stammes it Kamran, Schah 
Mahmuds Sohn; deshalb wird feine Perfon unverleglich gehalten; 
aber er iſt alt, verachtet, Erin Afghanen-Chef ſteht ihm zur Seite, 
Er war tapfer, nicht ohne Talent, ift aber geizig, graufam, durch 
Ausfchweifungen entnerot; Iebt nur im Naufch und im Harem, 
bricht jeden Eid, zerflört den Handel und beraubt nach Willkür 
‘jeden Privatınann. Seine zehn Söhne find ohne Macht, ohne. 
Güter. Dennoch behauptet A. Conolly, wünfche das Volk, um 
dem politifch fo unfichern Zuftande der Gegenwart entriffen zu 
fenn, endlich aus diefem Gefchlecht wieder einen König zu haben, 
weil nur durch einen folchen alle Szntereffen der Suddozye, wie 
aller Durani, deren Zahl und Macht fehr groß ift, ausgeglichen 
und befriedigt werden Eönnten, ohne welche an feine dauernde 
Ruhe zu denken fey. Kamrans Politik ift es, fich jedes Jahr zu 
rüften, als wolle er Kandahar in Befis nehmen, was aber nur 
gefchieht um Kriegsfteuern einzutreiben; denn feine eigene Schwäche 
ift ihm nur zu bekannt, und der Verluft von Herat würde, wenn 
er es einmal verließe, nur zu wahrfcheinlich fenn. Nur im Wins 
ter würde ein folcher Einfall in Kandahar möglich feyn, weil 
dann nur Herat felbft vor Truppenattacken gejichert ift, die jede 
andere Zahreszeit leicht durch das Hazareh Land, von Kabul aus, 
‚Statt finden fönnen. So bleibt aber alljährlih alles im Allarm 
und der Parteihaß erhält immer von neuem Nahrung. In Her 
rat wird Kamran mehr tolerirt als daß er herrſcht; den Perfern 
würde es nicht fehr ſchwer feyn diefen Nominalkönig aus Herat 
‚zu verjagen, und dann von den zerfpaltenen, rebellifchen Provinz 
‚zen des einftigen Durani Königreiches Befig zu nehmen. Schon 
«öfter find Perfertruppen in Herat einmarfchirtz nur durch Geld: 
fummen faufte ſich die Stadt los. Seit 1832 ward fie vom 
Ihronfolger Perfiens bedroht, der es verlangte, daß die dortige 








Hindu Khu, Kabuleftan, politischer Zuſtand. 319 


Münze den Stempel und Namen des Perferfönigs führe. An 
der dauernden Herrfchaft lag ihnen weniger, weil die dortige Gars 
nifonirung ihren Finanzen zu fchwer fallen würde. Dennoch ift 
Herat fruchtbar und unter einem guten Gouvernement einträg: 
lich genug, um eine bedeutende Macht zu erhalten. Kamran 
ſelbſt hält 4000 bis 5000 Mann, mit denen er ohne Alfiirte, ohne 
Freunde, wenn ſchon mit den Anfprüchen feines Haufes, fihwer: 
lih im Stande ſeyn wird den Thron feiner Vorfahren wieder 
herzuftellen. Wenigftens halt dies Al. Burnes 535) nicht für 
wahrfcheinlih. Alle Inſtitutionen der Afghanen begünftigen, feis 
ner Anficht nach, eine mehr republifanifche Verfaffung, und die 
Herrschaft der Barufzye-Familien ift dem Lande Kabul wenigftens 
vortheilhafter und willkommener, weil dafelbft auch deren Zahl 
weit größer ift als die derer vom Durani-Stamme, Man fchägt 
fie auf 60,000 Familien; das Fönigliche Gefchlecht der Suddozye 
aus dem Durani:-Stamme mußte doch auch aus den Abtheilun: 
gen der Barufzye feine Hauptfraft geroinnen. Aber diefem 
ward nur mit Undank gelohnt, Kamrans Ermordung des Viziers 
Futteh Khan vom Barufzye-Stamme Fann nie verföhnt werden, | 
und bei einer Neftauration der Monarchie würde vielmehr ein 
Barufzye eher die allgemeine Stimmung vereinen, als ein Sproß 
der Suddozye. Die vereinigten Barufzye würden leicht 30,000 
Mann Cavallerie aufftellen fönnen, wogegen die Macht der Per: 
fer noch von einem friegerifchen Ueberfall in Afghaniftan zurück 
bleiben müßte, da felbft ein Nadir Schah dafelbft nur fiegreich 
ward, weil viele Afghanen Chefs auf feine Seite traten, denen 
er Antheil an der Beute zugeftand. Der politifche Zuftand Kas 
buls ift bei den fortwährenden Wechfeln afiatifcher Angelegenhei- 
ten für das angrenzende Indien von befonderer Wichtigkeit; wie 
Herat an Perſien, fo ift Peſchawer an die Seikhs Unterthan. 
Der Kabul:Chef zwifchen beiden wird, wenn Verwirrungen 
im Pendjab eintreten, leicht das Supremat über Peſchawer und 
Kaſchmir gewinnen, und, als Freund der Briten, deren Handels: 
verhältniffen größern Vortheil bringen können, als Perfien, deffen 
politiſche Gewinnung den Briten auf diplomatiſchem Wege ger 
waltige Summen gefoftet hat, ohne bisher etwas einzutragen. 
Daher die Bemühungen der nordifchen Macht, aus weiter Ferne 
ber über Bofhara und Orenburg, durch Handel und Politif, a 





**®) Al. Burnes Trav, IL p. 341. 


320 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. % 5. 


Kabul, am Thore zu Indien, eine befreundete Macht, einen 
Alliirten für den nordiſchen Waarenzug zu gewinnen. 


Dritted Kapitel 


Das Turkeftanifche Hochland, oder Oſt-Turkeſtan, als 
Uebergangsform von Oft: zu Wet Afien. 


BB; 
Veberfidt. 


Auf die frühern Unterfuchungen über die Stellung des Wefts 
abfalles des centralen Hochs Afiens (Erdk. Afien I. Einl. ©, 47) 
und die Zufammenfchaarung feiner beiden füdlichen Syſteme der 
Gebirgsketten, des Himalaya und Kuenlün zum weftlihen Hindu 
Khu, als weftliher Tha Ihfung ling (großes Zwiebelgebirg 
der Chinefen), oder Tartafh Dabahn der Einheimifchen (f. 
Afien IL. ©. 410—411), fönnen wir uns hier im Allgemeinen 
beziehen. Es ift daraus befannt, daß diefe im Querjoch des 
Bolor, oder Belur Tagh, als turfeftanifches Alpen: 
gebirgsland vereint, das Weſt- von Oft: Turfeftan feheidet, 
nordwäris mit dem mächtigen Himmelsgebirge, oder dem Sy: 
fteme des Ihian Schan (f, Afien I. ©. 320— 392), das cens 
trale Hochland, in weiten mannichfachen Gebirgsgliederungen 
umgeben. Wir begnügen uns, weil wir im Obigen die nördlis 
chen und füdlichen Verhältniffe fchon, fo weit die pofitiven geos 
graphifchen Daten hinreichen, d. i. nach der tübetifchen wie alz 
taifhen Seite vollftändig vorgeführt haben, hier nur damit, die 
mittlern, ebenern, hochgelegenen Sandfchaften, zwifchen jenen 
beiden, mittlern Gebirgsfyftemen, als einzig einigermaßen 
näher befannt gewordene Uebergangsftufe zwifchen dem chis 
nefifchen Ländergebiete des Oſtens und dem aralifchzcaspifchen, 
im Welten des Erdtheils, fpeciell ins Auge zu faffen. Es ift 
nämlich der gewaltige Cänderraum, einft die Ebene Tanguts, oder 
im uneigentlichen Sinne die weftliche Gobi genannt, die aber 
in neuern Zeiten in ihren weftlichern Theilen richtiger das chines 
fifche Turkeſtan heißt, und im Often exrft mit dem Lop⸗See 
beginnt, weicher an der Weftgrenze der mongholifchen Sands 
wuͤſte Gobi gelegen ift. Deren Eingänge find uns auf der Nords 


Turkeftanifches Hochland, Uebergangsform, 321 


ftraße (Pelu nach Turfan) über Hami (f, Afien I. ©, 363 
bis 365) und auf der Südftraße (Nanlu nad Khotan) über 
Shastfiheou, die Sandftadt (f. Afien I. S. 205 — 210), mit 
ihren Dafen und Noutiers, beide noch oftwärts vom Lop⸗See, im 
N.O. und S. O. deffelben, liegend, fchon vollftändig befannt, Es 
war diefes ganze Ländergebiet, feit der Unterwerfung unter die 
Chinefen, in der Mitte des XVII. Jahrhunderts, von Kaifer 
Khienlong (f. Aſien I. ©.463), das Land der neuen Grenze 
genannt. Cs breitet fich weſtwaͤrts, am Südgehänge des 
Thian Shan: Spftems, dieſes hinefifche Turkeſtan, 
über Turfan und den Muztag bis Kafchghar hin aus (f, Afien I. 
©. 324—356); und eben fo am Nordgehänge des Kuen— 
lun:Syftems, der im Weften zum Ihfungling wird, über 
weite Wüfteneien, bis nah Khotan, Yarkend, dem benach— 
barten Pamer und zum hohen Pufchtifhur, mit den Balti-Glets 
ſchern, welche wir ſchon als die erhabenfte Wafferfcheidegrenze aus 
dem füdlich anliegenden tübetifchen Ladath, im Karaforumpaffe, 
bis zum nördlich anliegenden turfeftanifchen Gebiete Yarkends, 
überftiegen haben (f. Afien I. ©. 635 — 640). Jener große 
Ihfungling wendet fih, mit dem Puſchtikhur, dem der Kameh— 
firom zum Indus, gegen Süden, und der Orus, gegen Wer 
ften, entftrömt (f. ob. ©.16), nordwärts, als Querjoch Bo: 
lor, oder Belur Tagh (f. Afien I. Einl. S. 47, 1. ©. 411), 
An Kaſchghar zieht er im Weften vorüber, bis zum Muztagh, 
deſſen Gletfcherpaß uns ebenfalls fihon befannt ift (f. Afien IL. 
©. 325), weil der umEfreifende Gebirgszug diefes Hochs 
gelegenen Iurfeftan, das man deshalb im Gegenfaß des 
weftlich gelegenen NMiederlandes der Bucharei, auch wol die 
Kleine oder die Hohe Bucharei zu nennen pflegte, hier, in 
das oftwärts flreichende Gebirgsfnftem des Thian Schan, oder 
Himmelsgebirges, zurückkehrt, das wir fchon früher genauer unz 
terfucht haben. 

Es beginnt diefer weite Landftrich Central: Afiens, die mit 
telfte Hoch: Ebene jener drei Hohen MittelsEbenen oder 
Einfenfungen des Erdtheils (ſ. Afien I. ©.316, U. ©.409— 412), 
welche Al, v. Humboldt 539), im Norden, die dfungaris 
fhe Ebene mit dem Bhalkaſch-See (Alien I. ©, 393, 771 





526) XL, v, Humboldt, Ucber die Bergketten und Vulkane von Inner⸗ 
Afien, f. in Poggd. Annal, Bd, 94. 1830. ©. 6. 


Ritter Erdkunde VII. X 


322 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. $. 5. 


u. a. O), im Süden, die tübetifche mit dem Götterfee, oder 
dem Tengri (f. Aſien I. ©. 414, II. ©. 173, 210), fo characte- 
riftifch bezeichnet hat, mit dem Lop-See, weichem von Welten 
her der gleichnamige, oder auch Tarim genannte, große Fluß, in 
der Richtung der BreitensParallele und des Normalzuges der gro: 
fen Gebirgsſyſteme zueilt. Es dehnt fi diefer Raum zwifchen 
dem Kuenlün und Ihian Schan-Syſtem, von 37° bis 42° N. Br., 
von Sud nah Nord (f. Alien I. ©. 324), alfo an 70 bis 80, 
weiter oftwärts fogar bis über 100 geogr. Meilen Breite aus, 
Bon Oſt nah Weſt aber, gerechnet von Hami (93°) bie 
Kaſchghar (71° 35° O.L. v. Paris, nad Pat. Hallerftein), ift 
es mehr als dreimal fo lang; oder wenn wir auch nur vom 
Lop-⸗See an beginnen wollen, deffen Oftufer etwa mit Turs 
fan (87° D.8. v. Par, n. Gaubil) in gleichem Meridian liegt, 
fo macht die Länge diefes Landftrihs doch immer noch an 
150 geogr. Meilen aus, fo daß man feine Oberfläche immer zu 
12,000 geogr. Duadratmeilen, von der Größe ganz Deutfchlands, 
fhägen mag. 

Diefer Raum fcheint, fo weit unfere Kenntniffe reichen, feiz 
nen Oberflächen nach freilich nur fehr einfoͤrmige Verhältniffe dar: 
zubieten, ohne alle innere Mannichfaltigkeit der Oberflächen, ohne 
verticale Gliederung, ohne Berglandfchaften, nur von einem eins 
zigen Stromfyfteme, dem Binnenwaffer des Tarim 
durchzogen zu ſeyn, dem fic) alle andern nur als tributaire Flüffe 
zugefellen, die in dem Lop-See ihr gemeinfames Ende finden. 
Der größere Theil des außerhalb der Bewäfferungsfähigkeit lie 
genden Raumes diefer hochgelegenen, aber fanft verflächten Ein: 
ſenkung, mit öftlicher Neigung zum Spiegel des Lop- Sees, 
fcheint nur mit vorherrfchenden Kiefel- und Sandwuͤſten bedeckt 
zu ſeyn. Diefe erreichen um den genannten See felbft, den höch: 
ſten Grad der Einöde und Wüftenei, ein Raum der feit Marco 
Polo's Zeit unter dem Namen der Wüfte Lop auf den Karten 
eingetragen (Afien I. ©.207) worden ift. Der verengte Iſthmus 
der Wüfte, welcher die öftliche Gobi-Wüfte von der weſtli— 
Sen, oder. der Lop-Wuͤſte fcheidet, und zwifchen Shatfcheou und 
Hami, nordwärts, auf 1000 Li, d. i. 75 geogr. Meilen, auf fürs 
zeſter Strecke durchfegt wird (f. Afien I. ©. 364, 378), breitet 
fih, weftwärts diefer Karamanenftraße, welche die Südftraße 
nach Khotan und Yarkend, mit der Nordftraße nah Zurfan 
und Akfu verbindet, wiederum weit mehr von Süd nach Mord 


Zurkeftanifches Hochland, Han Hai. 323 


aus, und füllt hier den größern, öftlichen Theil jener Hochebene 
mit feinen Trauerfcenen. Hier ift es, wo im Nordoften des 
Lop⸗Sees, bei Turfan, das Han Hai, oder Trockne Meer 
(f. Afien I. ©. 378), fo gefürchtet ift, weil daſelbſt Stürme das 
Vieh und die Menfchen, unter Flugfand begraben; eben fo im 
Südoften vom Lop-See bis Shatfcheou, wo die 30 Tagereifen 
Weges nur durch ebene Sandwüften und öde Klippen der Lop: 
Wüfte führen, die M. Polo durchzog (Afien I. S. 207). Eben 
hier ift es, wo die alte hydrographifche Hypotheſe der Chinefen in 
Mittel-Afien (wie einft jene in Mittel-Afrika, vor Mungo Parks 
Entdeckungen, ald man noch den Senegal mit dem Nigerfirom, 
oder diefen mit dem Nilftrom zufammenzog), den Cops Fluß, als 
den obern Lauf des Hoang-ho, durch diefe Wuͤſtenſtrecke hindurch 
mit diefem chinefifhen Hauptftrome in Verbindung fegte, wie die 
hinefifch »japanifche Karte zu den buddhiftifchen Walfahrten, feit 
dein VII. Yahrhundert, die Zeichnung ganz deutlich (f. Aſien II. 
©. 494— 496) geliefert hat. Unter diefen Flächen voll nackter 
- Klippen, voll gewälzter Kiefelblöcke, voll furchtbarer Sandmaſſen, 
welche ebenfalls die große Sandwuͤſte Hanhai heißt, und nach 
dem chinefifchen Autor ein alter Meeresgrund feyn foll, läßt 
jene Hppothefe den Lop⸗See (unter 41° N.Br.) feinen Auslauf 
zum Sungfu Hai (Taufend- Stern: Meer, unter 35° N,Br.), 
d. h. dem wirklichen Seequellengebiet des Hoang-ho, oder gel: 
ben Stromes, nehmen, von welchem früher umftändlich die Rede 
war (f. Afien II. ©. 493 — 499). Die fupponitte unterirdifche 
Verbindung beider Gewäfler wird auf jener genannten Karte wirk 
lich gezeichnet, das überhinftreichende Bergland aber Tfifchy: 
Scan, d. h. die Berge von Felsblöden, genannt, wor 
durch die zertrümmerte Natur jener im Hanhai trocken geleg- 
ten Sand: und Wüften : Strecken angedeutet wird. 

Den feltfamen Irrthum, welchen Deguignes in der Benen- 
nung diefes Hanhai beging, indem er bemerkte, daß es auch 
Scha fchin 37) heiße, ein Fehler, welcher von neuern Geographen 
wiederholt zu werden pflegt, welche nun, nach Deguignes 3), auch 
die Scha mo der Ehinefen und Gobi der Mongholen mit der 
felben Benennung belegten, hat Klaproth3%) ſchon, nach der 


1 


* Deguignes Gef, der Hunnen Th. I. ©, 36. 38) ebend. I. 
. 165. »°) J. Klaproth -Note geographinne sur le Desert de 
Ca in Nouv. Journ. Asiat, Paris 1828, T. II. p. 457 — 462. 


x 





324 Weſt-⸗Aſien. J. Abfchnitt. 6. 5. 


chineſiſchen Originalſtelle der Geographie der Ming (Sect. LXXXIX. 
fol. 21 rect.) berichtigt, die allerdings eine Stelle der Annalen 
der Sungs Dynaftie citirt, welche fage, daß dort „die Sande 
tiefe” (d. h. Scha ſchin im Chinefifchen) drei Fuß bes 
trage, das Land ganz öde fen, aber daß in fünfen der Thäler, 
mitten im Sande, das Kraut Tengfian wachſe, welches man 
zum Futter der Laftthiere fammle, Won einem eigenen Namen 
Scha ſchin ift alfo nicht die Rede, Roch ein anderer Name, der 
auf der genannten cinefifhrjapanifchen Karte aus dem VII. Jahr⸗ 
hundert auf der Süpdfeite des Lops Sees und feines Tariın Zur 
flufies eingetragen ift, gegen das Königreich Kothan (Youthians 
foue) hin, heißt Lieou Scha 5%), was nichts anderes als 
„Flugſand wuͤſte“ (Sables mouvans) bedentet, die fich nords 
oftwärts gegen die Gobi Hinzieht. Abel Remufats Meinung, 
dag Hanhai erft ein jüngerer Name der Gobi und der Sands 
meere fen, in älteren Zeiten dagegen einen See der Tatarei, und 
im VII Zahrhundert einen Landſtrich der Hocishe bezeichnet habe, 
wurde fchon anderwärts nachgewiefen (f. Afien I. ©. 502). 

Wir haben früher gefehen, daß der Lop⸗See, welcher in 
den älteften chinefifchen Annalen der Salzfee heißt, den Chines 
fen ſchon ein Jahrhundert vor der chriftlichen Zeitrechnung durch 
das Fürftentbum Schen ſchen (f. Afien I. ©. 363), gleidyzeitig 
mit Khotan, politifch Befannt ward, weil unter der Hans Dys 
naftie (163 vor bis 196 nad) Chr. G.), welche ihre Herrfchaft ges 
gen Werften zu erweitern ftrebte, den dortigen Prinzen gegen ihre 
Feinde die Hiongnu und Kirfis Khaifak, chinefifche Huͤlfstruppen 
und Generäle zugefchieft, auch zwifhen Sca tfcheou und dem 
Lop⸗See Forts angelegt; wurden, und durch diefe Garnifonen 
und Anftrengungen allee Art der Andrang der Barbaren vom 
Weſten abgewehrt. Die Herrfchaft Schen fchen breitete fich 
im Süden des Lop⸗Sees aus. Auch wird deſſelben noch 
unter der Tfins Dynaftie im Jahre 280 n. Chr. G. erwähnt, wo 
die Prinzen von Schen ſchen ) in gutem Vernehmen mit den 
chinefifchen Kaifern ftehen, weil es den Schlüffel der Süpdftraße 
nach dem weftlichern Khotan bildet. Es war aber nur von Eleis 
nerem Umfange; auf den ältern chinefifchen Karten ift die Suͤd⸗ 


s40) J. Klaproth Eelaireissemens sur une Carte Chinoise et Japo- 
naise etc, in Mem. rel. à l’Asie T. II. p. 414. *ı) Ab. Remu- 
sat Remarques sur l’Extension de l’Empire Chineis etc, in Mem. 
Geogr. I. ec, Paris 1825. 4, p. 109. 





Zurkeftanifches Hochland, Schenfchen. 325 


* nach dem weſtlichern Khotang hindurch gezelchnet, wie noch 
m VI. und Anfang des VII. Jahrhunderts, zur Zeit der Sui— 
Dynaſtie (bis 619 n. Chr. G.). Später aber wird es kaum mehr 
genannt, und foll feit Jahrhunderten 2) unter Flugfandmaflen 
begraben feyn. Diefer Anficht ift ein neuerer chinefifher Autor#), 
der in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts verfichert, dies 
fer öde Theil Mittel Aftens feheine ein alter Meeresgrund 
gewefen zu ſeyn, der im Norden begrenzt fey von Pidjan (im 
Norden des Tarim, die Provinz, in welcher Turfan liegt), im 
Weſt von Kafhghar und im Süden von der Mordgrenze Tür 
bets, in welchen Landfchaften erſt wieder die culturfähigen Ober: 
flächen beginnen. Diefe Trauerlandfchaft ſey eine undurchgehbare 
Wildniß, unterbrochen von Berfumpfungen, von nadten Felsklips 
pen und Felsſtrecken, Bergen, Seen, Fluͤſſen, furchtbaven Abſtuͤr⸗ 
zen und Spalten, Quellmaflern, die uͤberſchwemmen, und wieder 
von weiten Ebenen voll Kiefeiblüden von Wogen gewälzt. Die 
Ftüffe, welche hindurchziehen, verändern hier oft ihre Bahr, wie 
die Flugfandhügel ihre Oberflächen, vie ſich zu den Seiten tiber 
die Eulturlandfchaften verbreiten und die kicblichften Gegenden 
verderben. Da, wo vor alten Zeiten blühende Städte und glück 
lihe Völker gemwefen, breiten ſich, fagt der chinefifhe Autor, ges 
genwärtig Wüfteneien aus, welche nur das wilde Kameet 
noch durdjagt. 

So wichtig es auch wäre von diefer feltfamen Landfchaft 
Gentrats Afiens, welche an fo manche Erfcheinungen- des gleichz 
nadten, centralen Oſt⸗Iran mit dem Zareh-See erinnert, wie 
an analoge Formen der mehr tropifch aelegenen, großen Deprefs 
fion der glutheißen Sahara im afrifani.yen Sudan, fo muͤſſen 
wir uns doch bei dem völligen Mangel aller ceuropäifchen Beob⸗ 
achtung, und alfer fperiellen Daten über diefen meiten Raum, 
den in den legten Jahrhunderten nicht einmal mehr die einheis 
mifchen Mikitaiez oder Handelsſtraßen durchfegen, fondern ihn 
abfichtlich umgehen (f. Afien J. ©. 363, 463), mit obigen Färglis 
chen Andeutungen begnügen. Kein Karamanenweg ift uns im 
neuerer Zeit befannt, der direct von Echa tfcheou der Sandftadt 
(neben welher Kuaſtſcheou, und fpäter etwas nordöftlih am 
Bulunghir, Nganfi, f. Afien J. ©. 205, d. h. beruhigter Wes 





32) J. Klaproth Tabl, bist. de l’Asie p. 205. *s) J. Klaproth 
ebenb, p. 182. 


36 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $ 5. 


ften) weftwärts, durch diefe gewaltige Wüftenei, nach Khotan 
führte, wie dies chedem zur Zeit der Han-Dynaſtie der Fall ges 
wefen fenn foll, obwol auch damals ftets von der Suͤdſtraße, dem 
Nanlu, durh Schensfhen nach Khotan (Yutian) die Rede ift, 
ohne daß uns diefe Noute (auch nicht in der neueften Notiz5*) 
daruͤber, aus Kienlongs Neichsgeographie) näher, nach den Sta: 
tionen, bezeichnet würde. Auch auf Klaproths Carte de l’Asie 
centrale ift feine Noute angegeben, welche von da etwa weſtwaͤrts 
am Gaſch Nor (Chas fü der Chinefen, f. Grimms Karte von 
Mittel:Afien) vorkber durch die von Klaproth genannte Makhai 
Gobi, und durd die große Wuͤſte nach Khotan geleitete. Die 
neueften Berichte, welche zwar den Top als einen Salzſee *) 
beftätigen, und von der Oftroute des Handels zwifchen Yarfend 
und China reden, ſchweigen jedoch über die Stationen, die auf 
diefer Route liegen, und die erfte Spur der Communication auf 
diefer Seite mit Khotan und Varfend, wird uns nur über 
Tübet befannt. Nämlich durh die neue Straße, welche 
von deſſen Capitale, H'laſſa, oder Lha-ſa (richtiger gefchrieben, 
nad) Dr. Schotts mir gütigft mitgetheilten tübetifchen Studien, 
von Lha, d.i. göttliches Wefen, auch König, Herr, und fa, d. i. 
Erde, Grund, Boden), am Weftufer des Tengri-Sees, durch Kai: 
fer Kienlong, zur „neuen Weftgrenze nad Yarkend“ ein 
gerichtet ward (f. Aſien J. S. 263, II. ©.210). Sie follte offen— 
bar durch einen großen, füdweftlichen Umweg jene furchtbare 
Wüftenei vermeiden, obwol fie doc auch noch zwifchen dem 
Tengri nordwärts, durch einen Theil derfelben führt. Naͤmlich 
durch das Land der nomadifchen Hor, oder Sofbo, bis 
zur Stadt Keriva (Kiria, oder Keldia, auf Klaproth Carte 
de l’Asie centrale, unter gleichem Parallel mit Khotan, oſtwaͤrts 
diefer Stadt), welche am gleichnamigen Fluffe liegt. Diefer 
firöomt an ihr von ©. gegen N. vorüber und verliert fich im 
Sande der Gobi, die hier ihre Weftende, unter dem Na: 
men Gobi und Dla, d. h. Wüfte und Berge, zu erreichen 
fheint. Diefe Straße muß an der Nordgrenze Chinas die wilde 
Querfette des Oneouta, oder Kuenlun, überfteigen. Diefer 





24) C. 5. Neumann Handelöftrafen von China nad) dem Weften 
in we Aſiatiſche Studien Th. 1. Leipz. 1833. 8. ©. 196. 

*°) W.H. Wathen Persian Sceret. to the Bombay Gov. in Memoir 
on Chinese Tartary and Khoten in Journ. of the Asiat. Soc, of 
Bengal ed. J. Prinsep Calcutta 1835. 8, Vol. IV. p. 656, 658. 





Turkeftanifches Hochland, Tarim-Syſtem. 327 


Daß td ift es, welcher Keriye la im Tübetifchen (la, d. h. 
Paß), im Turk der an der Nordfeite einheimifchen Bewohner, 
Keriyadavan (Davan, d. h. im Turk Paß) heißt, und 
diefen Namen führt, weil er aus Tuͤbet nordwärts zu.diefer er: 
ften, vorliegenden Stadt Keriya, oder Keria, führt. 

Dies if, von der Südfeite des chinefifchen Turkeſtan, der 
erfte, fefte Punct (370 N. Br., 80° 30° 0.8, v. Par. nad) Klaps 
roth Carte centr.) von welchem wir in unfern Unterfuchungen 
nach mehr pofitiven Daten, gegen den Weften über Khotan, 
Yarkend bis Kaſchghar fortfchreiten fünnen, wie wir dies 
am Nordfaume derfelben Hoch: Cbene ſchon früher auf der 
Mittel: und Nordftraße, von Hami und Turfan aus, 
weftwärts, über Karaſchar, KRutfche, Akſu, Ufchi bis Kaſch— 
ghar, vorläufig in Beziehung auf den Südabfall des Thian—⸗ 
Schan-Syſtemes, gethan haben. Bei der einzelnen Berichter: 
ftattung über dieſe Dertlichkviten ift es auch, daß wir hie und da 
die hydrographifchen Verhältniffe der Landfihaften erwähnt 
finden; denn von dem Verlauf und Zufammenhange des gro— 
Ben turfeftanifhen Stromfyftems, des Steppenflufs 
fes, der im Lop-Nor ſeine Endſchaft erreicht, ift uns Fein ſpe⸗ 
cieller Bericht eines Augenzeugen bekannt, der deffen Ufer ents 
lang gereift wäre, wodurch erft das Factum diefes Zuſammenhan⸗ 
ges, der jedoch allgemein vorausgefegt wird, außer Zweifel ges 
bracht würde. Als feine wahre Duelle wird in jenen ältern. chis 
nefifchen Autoren der Lungtſchi, d. i. der Drachen-See (f. 
Afien I. ©. 494), genannt; es ift der jeßige Karakul (unter 
37° N.Br., nahe der hohen Pamir-Ebene), im mittlern Zuge des 
Belur-Tagh, aus welchem direct gegen Oft der Yaman yar 
als Bergftrom hervortritt. Diefes Hochland des Drachenfees, 
jest Karaful, oder ſchwarzer See, wird durch die übereinftims 
menden Ausfagen zweier berühmten Reifenden, Hiuan Thſangs 
im VI. und Marco Polos im XIN. Jahrhundert, wichtig, die 
beide behaupten, dies fey der höhfte Punct von JZambuzs 
dwipa, oder dem Norden Hindoftans, in Inner-Aſien. Cs ift 
Marco Polos berühmte Pamir-Ebene, die von Hiuan 
<hfang Pa mi lo #7) genannt wird. Er durchwandert ihr 


45) Weitsang thou chy in P. Hyacinthe Descript. du Tubet ed; 
Klaproth Paris 1829. 8. 125 und Not. 1. 124. 
27) Hiuan Thſang Reife bei Klaproth ©, 8 


328 Weſt-⸗Aſien. J. Abſchnitt. % 5. 


Hochthal, das von W. nach O. 1000 Li (300 Li zu 15 geogr. 
Meilen gerechnet) fich ausdehnt, von ©. nah N. aber nur 100 
Si, und welches zwifchen zwei parallelen Ketten von Schneeges 
birgen liegt, Diefer Yaman yar nimmt von der Nordſeite, wenig 
unterhalb, d. i. im S.O. von Kaſchghar, feinen nördlichen 
Hauptarm auf, der im äußerften Nordweſten auf feinen Quell 
höhen zwifchen den Asferas Bergen, dem Kipchaf Tagh und Te: 
ref Tagh, der Koffu (nie der Orus an feiner Quelle) genannt 
wird, dann aber vom Vorübereilen, füdofhvärts, an der großen 
Capitale, den Namen des Kafhghar-Stromes erhält, der 
fid) mit jenem Yaman yar vereinigt. Diefem vereinten Kaſch— 
gharDaria flieht nun au, von S.W., der YarfendDaria 
zu, welche, da alle drei genannte Duellarme, etwa unter gleis 
dem Meridian (70° O.L. v. Par.) entfpringend, auch unter dem— 
felben Meridian 78° 30° O.L. v. Par., alfo nach einem obern 
Laufe von 81 Längengraden, oder 130 geogr. Laͤngenmeilen jes 
der, zufammenfließen. An derfelben Stelle des Zufammenfluffes 
treten aber auch, von der Nordfeite, aus den Schneegebirgen 
des Ihian Schan, noch der Akſu Daria hinzu, und von der 
Südfeite, von Kuenlun, der Khotan Daria, die beide von 
ihren anliegenden Städten benannt find. An dem Zufammens 
fluß diefer 5 Bergwaſſer wird ein Sumpfland und eine große 
Inſel auf den Karten gezeichnet, die aber namenlos bleibt, 
und von der wir nichts erfahren; nur an ihrer Nordfeite wird 
in ihre Nähe der einzige Name einer Station, des von W. nach 
O., am Mordufer des Stromfyftems durchgehenden Karawanens 
wegs, Kharatal, verzeichnet. Der nun vereinte Strom 
feheint hier erft feinen Namen Tarim oder Tarim goͤl (Ta 
limu, Sito bei Hiuan Ihfang) zu erhalten; auch wird er Er; 
gouo göl genannt. Von dem Yarfend oder dem Khotan-Stros 
ine, in welchen der edle Stein Ju, Yu, oder Kaſch, Kefch, 
auch Ky Shy gefunden wird, hat man auf ihn auch die Ber 
nennung Ky Shy Shoui und Yutbian (d.i. Khotan) oder 


Ju⸗-Fluß übertragen. Nach einem’ Laufe von 105 geogr. Meil. 


(von 78° 30° bis 86° O.L. v. P.) ergießt er fih in den falzigen 
LopsSee, der in den ältern chinefifhen Annalen auch Phus 
tſchhang, oder Phustfhang Hai, das Meer Phustfchang, 
heißt, ein Name, den er auch auf der chinefifchsjapanifchen Karte 
der buddhiſtiſchen Pilger trägt. Sein ganzer Lauf, wenn man 
ten von Weft nach Of etwa 30 Stunden Ianggedebnten Lop⸗ 


Turkeftanifhes Hochlend, Tarim-Syſtem. 329 


See hinzurechnet, beträgt, in feiner Normaldirection, zwifchen 
dem 40 — 41° N. Br. dem Donauftreme Europa's analog, 
gegen das Innere feines hohen Steppenbeckens, in dem er, wie 
der Jordan im todten Meere, und der Hindmend im Zah: 
reh verfchwindet, — dem diresten Abftande der Quelle von der 
Mündung nach, etwas mehr (250 geogr. Meilen), als derfelbe 
directe Abftand bei der Donau (220 geogr. Meilen); aber feine 
Krümmungen fommen der Stromentwidlung des Donauſyſtems 
(380 geogr. M.) nicht gleich; fo wenig wie die Wafferfülle, die 
Bewäflerung und Befruchtungsfähigkeit feines Stromgebietes mit. 
dem des Donaugebietes zu vergleichen ſeyn wird. 

Noch ift zu bemerken, daß zum untern Laufe des Tarim vom 
Süden her fein einziger Zufluß weiter befannt ift, weil hier 
die gewaltige Sandwüfte feinem Südufer vorliegt, in welcher nicht 
einmal Steppenwafler, oder Seen, vorzufommen fcheinen. Das 
gegen fallen hm von der Nordfeite, vom Thian Schan : Sys 
fteme herab, nocd zwei nicht unbedeutende Flüffe zu. Erftlich 
der Ufiat, oder Chayar Daria, der von dem fchneereichen 
Muz Tagh herab, füdwärts an Kutfche vorüber fließt, und die 
Stadt Chayar, von der er den Mamen trägt, auf feinem füds 
lichen rechten Ufer, nahe an der Einmündung zum Tarim, liegen 
läßt. Und zweitens, der, wie es ſcheint noch größere Barun 
Yulduz, oder große Kaidu-Fluß, welcher dem Südgehänge 
des mächtigen Bogdo Oola (f. Afien I. ©. 337) im Lande Yul⸗ 
duz, reich an klaren Waſſern >) und trefflihem Weideland (f. 
Alien 1. ©. 340— 341) entfpringt, und anfänglic eine Strecke 
von 60 geogr. Meiten von W. nach D. (zwifchen 81° bis 85° 
O.L. v. P.), etwa in 20 geogr. Meilen nördlichen Abftande vom 
Tarimftrom, durch einen mittelhohen Bergzug, den Bairak, oder 
Uſchiyak Tagh, von ihm gefondert, in einem mit jenem paralz 
lel laufenden Thale, bis Kharafchar durchftrömt, wo fich dies 
fes in einen dem Lop Nor faft gleichgroßen, und die Normal— 
direction des Längenthales beibehaltendem See, den 
Bosteng oder Bostu Nor ausweiter, der im Often von 
Sanddünen, wie jener, umgeben if. Suͤdwaͤrts zieht ein höher 
res Bergufer, der Kurungle Tagh, an ihm vorüber; aber diefes 
durchbricht ein auslaufender Arm diefes Sees, gegen Sid zies 


54%) Nach d. Siyu wen kian In in Deser. da Bays des Dzoüngar in 
Timkowski Voy. ed. Paris T. I. p. 441. 


330 Welt: Ajien. J. Abſchnitt. $. 5. 


hend, bei der Stadt Kurungle hin, und fließt in gekruͤmmtem 
Bogen an Kulir voruͤber, unter dem fortgeſetzten Namen des 
Kaidugol, zum Tarim, etwa 15 bis 20 geogr. Meilen ober: 
halb deflen Ausweitung zum Lop-See. An diefem Vereine 
fcheinen fchon jene Verfumpfungen zu beginnen, die diefen Cop: 
See umgeben, und als Moräfte, gegen S.Q. zum Gaſch Nor, 
und gegen die Neihe der wahrfcheinlich falzigen Flachfeen fort: 
fegen, aus denen der Steppenfluß Bulunghir (Polonfir, f, 
Afien I. ©. 187, 193) oftwärts gegen Scha tfcheou, Kua tfcheou 
und Nygan fi fortichleicht. 

Die einzige chinefifhe Nachricht, welche wir in neuern Zeiz 
ten von diefer Gegend am Lop- See finden, ift die merkwürdige 
Stelle aus der Befchreibung Oft-Turfeftans, weldhe Pater Hyaz 
cinth, aus dem Siyu wen fian lu überfegt, wo gefagt wird, 
dag im DOften und Südoften des Lop Nor, jenes unbe 
wohnte Land auch mit zahllofen Duellwaffern durchzo— 
gen 549) fey, was im älterer Zeit wol eben auf jene Hypothefe 
der Kontinuität zwifchen LopzSce und den Hoang-ho⸗Quellen ges 
führt haben mag. Der Autor fagt: dort fieht man auf den Wes 
gen, welche hindurch führen (fie müffen in neuerer Zeit alfo doch) 
durchgangen werden), entweder kahle Steppen und Sumpfland, 
oder fenkrecht aufftarrende Berge und Klippen mit ewigen Schnee 
bedeckt, Wildniffe und Flüffe. Es ift Feine Stelle, wo nicht eine 
Quelle hervorträte; theils in Geftalt eines hochgelegenen Sees, 
theils als herabftürzender Waflerfall, bald aus der Erde hervorz 
fieigend in zahllofen Wafferblafen anfgeworfen. Es hat meift 
eine gelbliche Farbe. Alle Fluͤſſe die von der Süpdfeite der Schnee; 
fette des Thian Schan, längs der Neuen Linie herab gegen 
S. O. fließen, vereinen fich endlich im Lop⸗See. An diefem lies 
gen nur zwei Ortfchaften, jede von 500 Käufern. Die Einwoh— 
ner treiben weder Ackerbau noch Viehzucht, fondern nur Fiſch— 
fang. Dabei machen fie Pelze aus Schwanendaunen, weben 
Seinwand aus wildem Hanf, und bringen ihre Fiſche nach der 
Stadt Rurle (ob identifch mit Kurungle? fonft ift uns deren 
Lage unbekannt) zum Verkauf. Dort wollen fie aber weder Brot 
noch Fleiſch wie andere Menfchen eflen, weil ihr Magen dies 
zurüctößt. Diefe Leute fprechen zwar die Turk-Spracde, 








s4°) Timkowski Voy. ed. Paris I. p- 396. Deser. du Turkestan 
Oriental. 


Turkeſtaniſches Hochland, Lop⸗,See. 331 


ſind aber keine Mohammedaner. — So weit der Bericht; es 
waͤre moͤglich in dieſem Fiſchervolke am Lop⸗See noch ei- 
nen Reſt einer Aboriginer-Population des centralen Hoch 
landes vorzufinden, die alle jene Nevolutionen des afiatifchen 
Mittelalters, feit der Mongholenzeit, in ihren ſchwerzugaͤnglichen 
Aſylen und ihrer älteften Heimath überdauert hätte. 

Anfang des IX. Zahrhunderts wird ein Turkftamm der Scha> 
tho genannt, der vom Lop-See fam und an die Grenze Chinas 
einwanderte (f. Afien B.I ©. 212). Hiuan.Thfang :®) der 
Buddhapilger (um das Jahr 650 n. Chr. Geh.) nennt einen Ort 
Na fo po, durch welchen er wandert, um von Khotan aus in 
feine Heimath nach China zuruͤckzukehren; von diefem fagt er, es 
liege derfelbe in Leulan am Südufer des Lop⸗Sees. Beide 
Namen find uns jedoch nicht näher befannt. Zweihundert und 
funfzig Jahre früher wanderte Fa Hian (im 3. 399 n. Chr. 
Geb.)51), von der Mordweftprovin; Chinas, von Schenfi aus, » 
durch die Sandwüfte (Schaho, d.i. Sanpdfluß, oder Schas 
mo, Sandmeer) in das Königreih Schen fhen, welches 
in dem Sande Leulan liegen foll, welches defien ältefter Name gez 
wefen. Das Land diefes Königreichs, fagt Fa Hian, ift bergig, 
ungleich, der Boden mager, unfruchtbar, die Sitten der Einwoh— 
ner find grob wie ihre Kleider, aber denen der Han: Dpnaftie, 
d. i. von Nord:China (Hanjin) gleih, nur mit dem Unterfchiede, 
daß ihre Zeuge von Filzftoff find. Der König ehrt das Buds 
dhagefes; in feiner Herrfchaft leben wol 4000 Geiftlihe, die 
alle dem Gefegesftudium obliegen. Volk, wie Priefter (Scha: 
men, d.i. Samanäer), leben nach dem Geſetze Hindoftans (von 
Thiantu, d. h. nad) der Neligionslehre, die damals erft feit 
wenigen Sahrhunderten aus Indien gegen Often eingeführt war). 
Bon hier an fehen fich alle weftlihen Königreiche mehr oder 
weniger gleich, nur hat jedes feine eigene barbarifhe Sprache 
Guyu, worunter gewöhnlich das Mongholifche verftanden wird, 
was aber nur erft für fpätere Zeiten gelten kann; denn damals, 
400 Jahr n. Chr. Geb., gab es dort noch feine Mongholen im 
Süden der Gobi. Es fann vom Lop-See gegen Khotan hin 
demnach nur das Tangut oder Tübetifche, das Turf, und 


so) Hiuan Shfang b. Klaproth S. 8. Ab. Remusat Hist. de Kho- 
tan l. c. p. 6 ) Foe Koue Ki ou Relation etc. p. Ab. Re- 
musat 4. p. 6215. 


332 Wert: Alten, I, Abſchnitt. $ 5, 


etwa die Eprache Getifcher Dialecte unter diefem Ausdruck 
verftanden werden). Dagegen ftudirten die Neligiofen des Lan— 
des alle nur die Bücher in der Sprace Indiens (d. i. im 
Sanstrit). In Schen fihen raftete Fa Hian über einen Mo: 
nat, hatte alfo Zeit genug diefe für uns und die Gefchichte de3 
Landes wichtige Beobachtung zu machen. Hierauf feste er feine 
Reiſe weftwärts fort, und Fam nach 15 Tagereiſen in das Königs 
reih Oui (Ouholi zum Tribus der Hoeihe, d. i. zu den 
Uiguren gehörig, im heutigen Turfan, f. Alten I. ©. 343). 
Sn den Annalen der Han 55%) befindet fich ein langes 
Kapitel über das Koͤnigreich Schenfchen, oder Schanſchan, 
aus welchem hervorgeht, daß fein alter Name Leulan, erft von 
den chinefifchen Kaifern, welche fich deſſen Fürften zu Vaſallen 
machten, in Schanſchan verändert ward, Die Nefidenz des 
Sandes hieß Yüuniz der Fürft Eonnte nur 3000 Mann Truppen 
ftelfen, und hatte an 14,000 Familien zu Unterthbanen, Nomas 
den, die von Zucht der Pferde, Kameele, Efel lebten, ihr Getreide 
aus den Nachbarländern erhielten, aber die Kunft Waffen zu 
fhmieden verftanden. In dem Sahrhundert vor der chriftlichen 
Seitrechnung, als Kaifer Wuti berrfehte (140 — 87 vor Chr, ©.), 
waren die Bewohner von Schan ſchan in großer Bedrängniß, 
weil fie zwifchen den beiden einander bekaͤmpfenden Mächten, der 
Hiongnu und der Chinefen, mitten inne lagen, Anfänglicy was 
ren fie die Spione der Hiongnu und die Wegelagerer gegen die 
chineſiſchen Heere; fpäter aber, bei der obfiegenden Macht der 
Ehinefen, warden fie zu Vaſallen diefes Reichs gemacht; die Fürs 
ften der Schan ſchan mußten ihre Prinzen als Geifeln an den 
chineſiſchen Hof fenden, und erhielten von da die Einſetzung und 
Beſtaͤtigung ihrer Beherrfcher, die dann ganz unter Einfluß der 
chineſiſchen Generalcommandanten famen, welche fpäter in die 
Weſtlaͤnder geſchickt wurden. Die Fürften von Schan fchan ges 
ftanden es den chinefifchen Kaifern öfter ganz frei, daß ihr Eleis 
ner, ſchwacher Staat zwifchen zwei fo mächtigen nicht anders bes 
ſtehen Eönne, als daß er ſowol den Hiongnu wie den Chinefen 
Geißeln und Tribut fielle, wenn diefe letztern fich nicht etwa 





552) Die Annalen der Han, nah Dr. Schotts Ueberfegung 
aus dem Ruffifchen, nach Befhreibung der Oſchungarei und des 
Öftlichen Zurkeftan in ihrem Altern und heutigen Zuftande, aus dem 
ale überf, duch Pater Hyacinth, St, Peteröburg 1829, 

eile 8, 


Turkeſtaniſches Hochland, Sagen. 333 


ganz feines Gebietes bemächtigten. Dies gefchahe denn endlich 
durch chinefifhe Colonifationen und Garnifonen, wel 
che an den fruchtbarften Stelien von Schan ſchan ſich anfiedels 
ten, als die große Straße durch die Weftländer, der Nanlu 
und Pelu, die Süd» und die Nord: Straße, fürmlich organis 
firt ward. 

Diefen Nachrichten fügen wir als Fingerzeige zu fernern 
Nachforſchungen in den geographifch » hiftorifchen Werfen der dis 
nefifchen und tübetifchen Literatur über dieſe Localität, auch die 
feltfamen Sagen von den Zerftörungen durch Sandregen und 
andere Umſtaͤnde bei, die in den einheimischen Annalen von Kho⸗ 
tan 53) angeführt werden. Einige do Stunden (300 fi, d. i. 
222 geogr. M.) im Often der Stadt Khotan liegen einige taus 
fend Morgen Landes, ſchon in der Mitte der großen Wüfte 
(Gobi), die von hier bis zum Lop-See ununterbrochen fortfeßt, 
wo fein Straudy und fein Gräschen mehr wächt, die Erde roth 
und dunfelfhwarz ift. Hier foll, nad den Annalen der Ihang 
(veg. 618 — 907 n. Chr.), ein mächtiges Heer ein großes Bluts 
bad erlitten haben, davon der Boden roth gefärbt blieb. Im 
Dften diefes Blutfeldes liegt, einige Stunden fern, die Stadt 
Pima (ihre Lage ift fonft unbekannt), in welcher ein Buddhas 
bild von Sandelholz (vergl. Afien IV. 1. ©. 821—22) 20 Fuß 
hoch gefchnigt fich befindet, das Wunder thut. Alle Kranke hans 
gen Goldblättchen an denjenigen Theil diefer Statüe auf, an 
welchem fie leiden, und werden jedesmal dadurd) geheilt. Diefes 
Buddhabild war, nach der einheimifchen Sage, einft, von einem 
Könige (On tho yan na) des Neiches Kiao hang mi (d.i. am 
Südufer des Ganges Magadha im Weften benachbart) 5%) in 
Indien, zu Ehren des Neligionsftifters errichtet worden, welcher 
während feines Erdenlebens das Land mit Wohlthaten überhauft 
hatte. Nach dem Hintritte Buddhas ward diefe Statüe aber 
vernachläffigt, und nach dem Morden gebracht, in die Stadt Hos 
lao lo fia (2), deilen verderbte Bewohner fie aber nicht würdigten. 
Ein Buddhadiener (ein Rahan), der nad einiger Zeit dahin 
kommend diefe Statüe anbetete, wurde von diefen Barbaren bis 
an den Mund in Sand begraben und ohne Nahrung gelaffen. 
Da ein einziger Frommer diefem heimlich) Speife und Trank 





53) Ab. Remusat Histoire de la Ville de Khotan. Paris 1820. 8. 
p- 60—67. 50) ſ. Hilan Thſang Reife b. 3. Klaproth ©, 7. 


334 Weſt-Aſien. I Abfehnitt. 9 5. 


brachte, verkündete ihm der Rahan: In fieben Tagen werde ein 
Regen von Sand und Erde niederfallen, um Stadt und Land 
zu bedecken, und Niemand werde dem Untergange entfliehen ; 
nur du rette dich. Sogleich verfchwand der Nahan; der Fromme 
aber warnte feine Verwandten; diefe fpotteten feiner. Jedoch 
ſchon am zweiten Tage entwurzelte der Sturm alle Gewächfe, 
die herabgießenden Regenwaſſer überfhwenmten nun Stadt und 
Sand mit Schlamm, und wühlten den Boden auf, und am fie: 
benten Tage bedeefte ein Sandregen die Stadt, welche feit: 
dem auch begraben blieb. Der Fromme hatte fich in eine Berg: 
höhle gerettet, in welcher auch das Buddhabild ihm von felbit 
folgte; als Einſiedler fegte er deflen Verehrung fort; es ward 
aber, als feine Zeit erfüllt war, in den Palaft der Drachen (Tem: 
pel) nach) Pima verfeßt. Den Sandberg, welcher die verſchwun— 
dene Stadt Ho lao lo kia deckte, haben die Herrfcher verfchiedener 
Sandfchaften nad) Schägen auszugraben wol verfucht, was ihnen 
aber nie gelang, weil ftets furchtbare Orfane mit Rauch und 
diefen Nebeln ſich erhoben, welche Verwirrung herbei führten. 
Der Fluß bei der Stadt Pima fließt gegen Oft, und tritt 
in die Sandwüfte ein. Zwanzig Stunden (200 Li, deren 300 
oder 280 nach altem Maaße auf 1° gehen) fern, liegt die Stadt, 
oder vielmehr die Ruinen der Stadt Nijang 555), die in der 
Mitte eines großen Moraftes ftehen, und 3 bis 4 Li in Umfang 
haben. Das Land um den Moraft ift heiß und feucht, ſchlam— 
mig, voll Schilfgewächs, und man ift ftets in Gefahr dafelbft zu 
verfinken. Nur mit Mühe entgeht man der Verwirrung, wenn 
man feinen Weg mitten durch die Stadt nimmt, was auc) alfe 
Reiſende thun. Sie liegt nach diefer Seite auf der Grenze 
des Gebietes von Khotan, und ift die Zollftätte des Lanz 
des. Weiter gegen den Often fangen die beweglihen Sand: 
berge an, in denen fein Fußpfad haftet, wo fich fo viele Mens 
fhen und Vieh verlieren, die bei den heißen Winden und den 
Einöden nicht felten umfommen. Man hört dort ftets heftiges 
Pfeifen, Lärm und Getöfe, ohne zu willen woher es kommt, was 
ungemein ängftigt; denn es ift der Aufenthalt böfer Damone (06 
hier Sandfchurrengetös? wie oben ©. 248). Noch 40 Stunden 
(400 Li) weiter fommt man zum alten Königreihe Tu ho lo 





558) Ab. Remusat Histoire de la Ville de Khotan. Paris 1820, 8. 
p- 35, 64. 


Turfeftanifches Hochland, Voͤlker-Urſitze. 335 


(d. i. das alte Tochariftan) 56), das aber feit langer Zeit in Wuͤſte 
liegt; alle Städte find zertruͤmmert mit Gräfern wild überwach- 
fen. Bon da 60 Stunden (600 Fi) gegen Oft erreicht man das 
alte Königreihb She ma tho na im Sande Niei mo; aud 
da ftehen die Ortfchaften vermüftet, das Land entvölfert. Und 
noch 50 geogr. Meilen (1000 Li) weiter gegen N.D. liegt das 
- alte Königreih Na fo po, oder das Land Leulan an der Süd: 
feite des Lop- See. — So weit der chinefifche Berichterftatter 
zur Zeit der Thang im 3. 632 n. Chr. Geb,, der ſchon felbft ber 
merkt, wie ſchwer es ihm gewefen fen, genau die Wahrheit in 
diefem Sande zu erforfchen, wo fo viele Widerfprüche, Gewaltha- 
ber und Schwierigkeiten fi) dem Beobachter entgegen ftellen; 
doch fen er bemüht gewefen nur dasjenige aufzuzeichnen, was er 
ſelbſt gefehen oder gehört hätte; von nun an werde aber unter 
dem glorreichen, alleinigen Scepter Sr. faiferlihen Thang 
Majeftät, ein ganz anderer Segen über jenes Sand aufgehen. — 
Ab. Remufat macht zu den angegebenen Daten die Bemer: 
fung 57), daß alle jene Namen, welhe von Khotan an, oft: 
wärts, bis zum Lop-⸗-See in diefem Berichte vorkommen, ihm 
foldhe zu ſeyn fcheinen, welche (wie Khotan ſelbſt, d.i. Ku: 
ffana im Sansfr., f. unten) ihre Ableitung aus dem Sans: 
frit finden, und in diefem chinefifchen Berichte nur als dem die 
nefifchen Ohre und ihrer Schrift verwandtere Laute wieder 
gegeben werden Eonnten. Die Legende jener Buddhaſtatuͤe, und 
andere verwandte, machen es mit diefer etymologifchen Erklaͤ⸗ 
rungshypothefe allerdings möglich, daß hier, von Magadha in 
Indien aus, mahrfcheinlih über Kaſchmir und Khotan, in 
fehr frühen Zeiten, eine Spur mit der Buddhadoctrin wandernz 
der Sansfritredender Miffionen, civilifirterer Landesbe⸗ 
wohner zu verfolgen wäre. Doch ift nicht zu überfehen, daß eben 
hier die Urfige der Uſun, des antifen Volkes im I. Jahrh. 
vor Chr. G. mit indogermaniſchen Sprachſtamm, nämz 
lich der blonden Raçe mit blauen Augen, vor ihren verwuͤſten⸗ 
den furchtbaren Kämpfen mit den Hionznu, und vor ihrer Vers 
drängung gegen Weften, zum Zli (f. Afien IL. ©. 431 — 437), 
und nad) Sogdiana lagen, und daß hierher die Grenzſitze 


y 


5°) Ueber Tochariſtan (Zu ho lo) aus dhinefifchen Quellen in Neu⸗ 
mann Aſiat. Studien. Leipz. 1833. 8. ©. 152— 184, 
®°) Hist, de Khotan I. c. p, 66 Not. I. 





‚336 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. F. 5. 


der dreierlei ganz verſchiedenen Voͤlkerragen Oſt-Aſiens, am 
inneraſiatiſchen Gebirgslande des Kuenlun, fallen, welcher als 
Maha Meru, oder Goͤtterberg, und als Paradiesland des 
Oſtens gilt, wovon ſchon an einem andern Orte fruͤher die Rede 
war (Aſien I. ©. 192 — 193), 

Mir führen zum Schluß unferer überfichtlihen Betrachtung 
der centralen, baflinartiggefchloffenen Hochebenen diefes Oft» Turz 
feftan in Mittels Aften, die Ichrreichen Worte Al. von Hums 
Boldts über die Niveauverhältniffe diefes Länderraumes 
an, welche zuerft der bis dahin ziemlich allgemein gewefenen Ans 
nahme einer fehr hohen Plateaubildung defjelben, aus allges 
meinen phyſikaliſchen Gründen widerfprachen, und deſſen abfolute 
Erhebung auf die dabei vorfommenden Wechfel, und die wahre 
Höhe, wenn auch ohne directe Meflungen, die bisher noch fehle 
ten, feftzuftellen verfüchten. Nach jener frühern allgemeinern Les 
bertreibung der Plateauhöhen find die Compendienfchreiber neuers 
lid), durch diefes Forfchers gewichtigen Ausſpruch, daß im Often 
des Bolor zwifchen Altai und Himalaya fein centrales Plateau 
der Tatarcy, groß wie Neu:Holland 358), eriftire, verfchiedentlich 
zu dem’ entgegengefegten Extrem übergegangen, indem man jede 
Plateaubildung für Meittel-Afien deshalb gänzlich aufgab, Wir 
zweifeln aber daran, daß man dadurch der Wahrheit näher komme, 
wenn man jede Plateaubildung überhaupt deswegen leugnen will, 
wenn und weil fie fich nicht zu fehr abfolut bedeutenden 
Höhen erhebt. Wenige hundert Fuß in einer Niederung reichen 
fhon vollflommen zu einer Plateaubildung hin, die nicht 
in der großen abfoluten Höhe, fondern in der Gefammterhe: 
bung eines großen Segmentes der Erdrinde, in der 
Kontinuität derfelben zu abfolut größern Erhebungen, im Ges 
genfaß ihrer Umgebungen, ihren wefentlichen Character zeigt. 
Die verfchiedenen abfoluten Höhen derfelben geben nur die 
bypfometrifhen Modificationen der Plateaubildung ab, 
die in verfchiedene Claffen der Höhe nad) einzutheilen find, 
wie die Terrainbildung ihrer Oberflächen wieder eine andere 
Neihe ihrer Movdificationen, nach Ebene, Hügelland, Berg: 
land, Plateaugebirge u. f. w. darbietet (ſ. Aſien I. Einl. S. 32). 
Wir bleiben deshalb bei unferer frühern auf das Gefammtvers 





*®®) A. de Humboldt Fragmens de Geologie et de Climatologie 
Asiatiques, Paris 1831, 8. T. Il. p. 327. 





Turkeſt. Hochland, hypſometriſche Berhältniffe. 337 


hältniß des Planeten ſich Bezichende Annahme ftehen, alle, Lands 
Schaft, die fich nicht bis zu 500 Fuß Uber das Meerniveau ers 
hebt, noch als zu dem großen Niederland überhaupt, oder 
zum Tieflande der Erde gehörig zu betrachten, und alle ifo: 
lirten Erhebungen, die höher anfteigen, zu den Gebirgsbils 
dungen zu rechnen; alle continuirlichen Erhebungen aber 
zu den Hochländern, den Tafelländern, oder Plateau: 
bildungen mit den mannichfachften hypſometriſchen und Ter⸗ 
raindifferenzen ihrer Oberflaͤchen. 

In dieſem allgemeinſten Sinne aufgefaßt, der eben nicht 
blos aus der Geſammtbetrachtung des Erdballs, ſondern auch 
aus der Configuration jedes Erdindividiums, oder befondern 
Erdganzen (fogenannten Erdtheiles), ſich rechtfertigen läßt, können 
wir nur zu einer allgemein verftändlichen, geographifchen Nomen⸗ 
clatur diefer Verhältniffe gelangen, und in diefem Sinne erfennt 
auch jener Naturforfcher felbft die niedern Plateaus von 
Schwaben, Lothringen, der Eifel u. a., vollkommen als 
ſolche an, obwol er mit Necht gegen den herfömmlichen Mis— 
brauch und die falfche Suppofition diefer Bildung, z. B. in 
Afien, im coloffalften Höhenmaaßftabe freitet, und deren generas 
liſirende Anwendung mit Necht befampft. Die Continunität, 
fagt er, und die antife Civilifation diefes Plateaus, bei den Geo: 
graphen und Hiftorikern (in Baillys Gefch. d. Aftronomie, der es 
fuiten Paters, Kannegießer’s hiftorifcher Gebirgsgürtel u. a. m.) 
des legten Jahrhunderts, müflen in Zweifel gezogen werden. 

Allerdings, und wir ſelbſt müffen durch die trefflichen hyps 
fometrifchen Aufnahmen des Profils der öftlichen Gobi, 
durch Dr. Fuß und v. Bunge, vom Jahre 1830, die uns bei 
der geographifchen Interfuchung von Afien I. und I. im Jahre 
1832 und 33, noch nicht befannt feyn Eonnten °9), belehrt, unfere 
früberhin zu hohe Anficht von der öftlichen Gobi herabftimmen, 
was wir bei diefer Gelegenheit hiermit kuͤrzlich berichtigen. Wir 
hatten freilich fchon im Allgemeinen darauf hingewiefen, daß nur 
der füdöftlichfte Triangel des hohen Trapezes von Oft-Afien 
(f. Alien I. Einl. ©. 50), jene coloffale Anfchwellungen der Ges 
fammtmaffen von 8000 und 10,000 Fuß Par. mittler Meeres: 
höhe erreiche, dagegen im nordweftlihen Triangel diefes 


39) Erſte Mittheilung derfelben durch Al, v. Humboldt in Berghaus 
Annalen 1833. IX. Suni ©, 364. 


Ritter Erdkunde VIL. — 


338° WefteAfien, I. Abſchnitt. 5 5. 


Mittels Aliens, die Tafelländer zu Senfungen werden, und 
den Normalcharacter von mafjigen Erhebungen erfter Claſſe nad) 
und nach verlieren, je weiter gegen Nordweſt (f. Aften I. Eint, 
©. 40, 50); wie dies die Lage von Kiachta (2336 F. P. üb. 
d. Meere, f. Mien IL. S. 185) und die Seefpiegel des Baikal 
(1655 F. P. üb. d. M.), des Saifan (1200 $. P.) und die 
fortfchreitenden Einfenfungen des Aral und Caspifchen 
Sees beweifen. 

Wir hatten aber den Verficherungen der fo erfahrnen es 
fuiten Patres Gerbillon und Verbieft (fie gaben 12,000 und 
15,000 Fuß abfolute Höhe, für die hohe Gobi am Hamar Tabaz 
han, d. i..an ihrem Suͤdoſtſaume, an) doch noch zu viel Vers 
trauen gefchenftz obwol wir uns aus mehrern Gründen fchon zu 
der niedrigern Annahme von 8000 Fuß mittler Erhebung hers 
abftimmten (f. Afien J. ©. 100— 101). Aber auch diefe müffen 
wir auf der höchften Paffage des Khingan Tabahan, zus 
nächft der großen Mauer (Alien J. ©. 123), auf 5100 Fuß her— 
abftimmen; Hochgebirge neben ihr mögen indeß allerdings weit 
höher auffteigen, und diefe find von Dr. Bunge nicht gemeffen. 
Bon da an gegen Nordweft bis zur Urga (f. Aſien II. S. 224) 
und bis Kiachta, ift feine einzige Station des Karawanenwe— 
ges durch die fogenannte hohe Gobi höher gelegen, vielmehr alle 
weit niedriger, alfo unter der Höhe der fchlefifchen Schnee; 
foppe. Die gemefjenen Puncte find bei der Station „Weiße 
Stadt” (f. Alien I. ©. 124), d. i. „Ifagan Balgaffu,“ 
nur 4200 Fuß üb. d. Meere; dann folgt nordwärts eine fehr 
große und weite Einſenkung mit Salzfeen und Schilfarten, die 
fandeeihe Schamo der Chinefen, die für den Reſt eines alten 
Meeres gehalten wird, deſſen Becken hier an den tiefften Stellen 
bis zu 2400 Fuß einfinkt, in der großen Ausdehnung vieler Tager 
reifen, zwifchen 43° bis 46° N.Br., von Durma (f. Afien U, 
©. 355 — 358) bi Erghi, fo weit das Land der Sunnits 
Mongholen ſich zwifchen den Ifakhar, im Süden, und den 
Khalkas, im Norden, ausbreitet. Nordwärts Erghi, mit dem 
Rüden der Mandalberge mit den Achaten und Karneolen (f. 
Afien I. ©. 351), fängt der Nordrand der Gobi wieder, 
im Khalkaslande, an, fi) zu heben, ‚gegen den Gebirgsrand an 
dem Kerlon, den Tolo- und Orghongewäflern, die, beide letztere, 
fhon nordwärts zur Selenga fließen. Hier erhebt fich der Paß 
des Mandal zu 3480, und der des Dſchirgalan Tau, am 





Turkeſt. Hochland, hypſometriſche Verhaͤltniſſe. 339 


Porphyrberge Darkhan, zu 4620 F. P. uͤb. d. Meere. Dann 
ſinkt die Höhe wieder zur Urga, und von da über die Stufen 
von Kiachta 2400, bis, wie gefagt, zur Stufe des Baikal— 
Sees hinab, der jedoch noch immer 1655 F. P. erhaben, alfo in 
gleicher Höhe liegt, wie die große Plateauebene Sud: Deutfch: 
lands, auf welcher München erbaut ift. Zu diefer wahren Pros 
filgeffaltung wird alfo die Plateaubildung der Gobi 
in diefer Richtung reducirt und modificirt; aber darum keineswegs 
aufgehoben; denn die Tafelhöhe des Baikal-Sees und die 
Plateauftufen Kiachtas, wie der ceigentlihen Schamo, 
zwifchen dem Nord» und Suͤd-Rande, obwol fie ala Einfenkuns 
gen erfcheinen, die relativ nicht unbedeutend find, bleiben doch 
immer noch, gegen die Niederungen des füdlidhen Chi: 
nas und des nördlichen Sibiriens, über 2400 Fuß fehr 
bedeutende Gefammterhebungen in dem ganzen an 
400 Meilen breiten Segmente der Erdrinde, wenn fie 
auch nicht zu den Plateaus der erften Claffe, hypſometriſch be: 
frachtet, gehören. 

Wir haben an diefem Profil der öftlichen Gobi ein Iehrreis 

ches Vorbild, wie wir uns auf analoge Weife, nur wol hie 
und da mit andern Modificationen, auch die Oberflächen der 
weftlihen Gobi, oder der Plateaubildung des chine— 
fifhen Turfeftan zu denken haben, die allerdings relativ, 
d. h. zu ihren unmittelbaren Bergumfränzungen gerade umge: 
fehrt, nicht als Plateau, fondern als Baffin erfcheint, 
obwol ihr darum nach der Configuration des ganzen Erdtheils, 
die Continuität ihrer gemeinfamen, abfoluten Erhebung, wenn 
auch einer noch geringern als diejenige der eigentlihen Schamo, 
feineswegs gänzlich zu fehlen fcheint. Eine einzige Duerdurd: 
reife, von Lhafa, oder auch von Ladakh, in Tübet, über Khotan 
und Akfu, nach dem Saiſan-See, mit hypfometrifcher Profilis 
rung, wie eine folche noch nie gemacht ift, würde uns hierüber 
vollftändig belehren. 
Bis zu jener Zeit, wo auch diefe zu Stande gefommen feyn 
wird, wie wir fie nun fihon im Often quer dur die Gobi, 
und im Weften quer durch ran (von B. Frafer) befigen, möge 
an diefer Stelle des obgenannten Forſchers Mittheilung Über die 
Oberflähe Oſt-Turkeſtans ein lehrreicher Fingerzeig feyn. 

In der Sprache der wiffenfchaftlichen Geologie, fagt derfelbe, 


340 Welt Aften, J. Abſchnitt. $ 5. 


kann man nach einer gewiſſen Höhenfkala verſchiedene Elafs 
fen von Plateaus®%) annehmen, wie ihre gemeſſenen Höhen 
eigen: Plateau von Schwaben 900%. P.; von Bayern 
und der mittlern Schweiz mit den Seeſpiegeln zwifchen Als 
pen und Jura 1560— 1620 F.; von Spanien 2100 F.; von 
Myfore (Maifur) in Defan 2280— 2520; von Perfien im 
Durdfihnitt von Ispahan und Teheran 39005 und die Amer 
eifanifchen von Merico 7008, Bogota 8220, Carar 
marca 8940, Antifana 12,000, Titicaca 12,600; wozu wie 
noch Hinzufügen koͤnnen: die von Una Defa, Manafaros 
wara und andern tübetifchen ateaulandfchaften von 12,000. 
bis 14,000 F. (f. Aſien I. ©. 698 u. a.); die von Kabul (ſ. 
ob. ©. 235) zu 6200; von Kelat im Beludfchenlande zu 8000 F. 
(Afien I. Einl. ©. 51); von Balfh 2000 F. (f. ob. ©. 256). 
Nach unfers verehrten Freundes Dr. E. Nüppel Barometers 
‘ heobachtungen, deren Mittheilung wir ihm fpeciell danken, die 
afrifanifhen Plateaubildungen der abyffinifchen Vor— 
terraffe von Arum zu 6652 F.; die des TzanasSees, wo 
Anite am Ufer gemeflen ward 5732, und die Erhebung von 
Gondar zur Seite deffelben 6957 F. Die durch Lichtenftein 
fchon früher befannt gewordenen am Südende des Erötheils aber 
in der Karroo 3000, und der Karree, oder dem Hochplateau 
des Oranjeriviers 6000 F. üb. d. Meere (f, Erdk. Afrika I. 
S. 96, 109). 

Weiter bemerkt Al. v. Humboldt, im vulgairen Sprachge— 
brauche werde das Wort Plateau, oder Tafelland, nur fuͤr Bo— 
denanſchwellungen gebraucht, die merklich auf die Rauhigkeit des 
Climas Einfluß haben; alſo auf Hoͤhen von mehr als 1800 bis 
2400 Fuß (300— 400 Toiſ.). Als Strahlenberg fagte, daß die 
fibirifchen Ebenen jenfeit des Ural, verglichen mit den Ebenen 
Europas, zu achten feyen gleich einer Tafel gegen einen Fußbos 
den, fo dachte er ficher nicht daran, daß die chinefifche Dfungarei 
(im nordweftlichften Winkel des abftufenden Triangels der Pas 
teauerhebung Central-Afiens), kaum fo hoch liege, als der Bodens 
fee zwifchen Conftanz und Bregenz oder München. Die Ebenen 
im Norden des Saifan und um den Tarbagatai, den Ili bis 
zum Balkhaſch, ſtehen aber im Zufammenhange mit denen des 
(ſ. Afien U. ©. 17, 1. ©. 634, 768, 398 ꝛc.) Tſchui, der gegen 


®e0) Fragmens de Geol. etc. Asiat. I. c. II. p. 327, 


Zurkeftanifches Hochland, Wärmeverhältniffe. 341 


Weſt zum Sir Darja fihleicht. Das Baffin zwifhen Mus; 
tag und Kuenlun ift in Weft durch das Querjoch des Bo— 
for gefchloffen; in diefem beweifet die Vergleihung der Breiten 
und der Gufturen, die geringe Höhe der Plateaus in wer 
ten Erſtreckungen. In Khaſchghar, Khotan, Akſu, Kutſche 
(im Parallel von Sardinien) cultivirt man die Baummolle, 
In den Ebenen von Khotan, in einer Breite nicht ſuͤdlicher als 
Sicilien, genießt man ein fehr mildes Elima und zieht eine ſehr 
große Menge Seiden wuͤrmer. Weiter im Norden in Yars 
fend, Hami, Karafhar, Kutfche if die Eultur der 
Traube und Granate feit dem früheften Alterthum berühmt, 
— As Modificirung der Wärıneverhäftniffe, durch welche folche 
Eulturen in Hochebenen,, mit radürender Wärme, bei dem ſtets 
fonnendelten, faft nie von Wolfen und Duͤnſten getrübten 
Himmel auf diefen Horizontalflächen, in Sandboden begünftige 
zu werden pflegen, auch bei falten Wintern, wie fie hier keines— 
wegs fehlen, ift die bei Hami (f. Alien L ©. 358-- 359) mits 
getheilte, vergleichende Beobachtung gegen das. Tiefland Rankings 
nicht zu überfehen. Schon Kaifer Kanghi, den die Verpflanzung 
der edeln Melonen und Traubenforten von Hami nad Peking 
fo. ſehr befchaftigte, hatte ſich naher nach dem Clima jenes Hochs 
fandes erfundigend, die Antworten erhalten, daß der dort hochges 
fegene Boden dur) den Sonnenftraht zwar zu großer Hiße er— 
waͤrmt werde, aber doch keines wegs wie das Tiefland in China 
laue Wafler beherberge, fondern zugleich im heißen Sommer 
fehr kaltes Waffes zur Abfühlung darbiete, woraus man 
auf feine fehr mittlere Ouellentemperatur der dortigen Erdrinde 
zuruͤckſchließen kann. Alfo wol auch auf kalte Winter, die im 
Sandboden der Einfenfung der Hami-Oaſe, welche fern von 
allem Hochgebirge oder Schneegebirge doch wol nur ihrer abſolut 
nicht unbedeutend höhern Lage noch zuzuſchreiben feyn möchte, 
Die Abdahungl), welche das Terrain in dieſem gefchloffenen 
Baflin des chineſiſchen Iurkeftan zeigt, fahrt A. v. Humboldt 
fort, ſteht im DVerhältniß der Contrepente gegen die des offenen 
Baffins der Provinz Ili, oder des Ihian Schan an der Mords 
feite, welche gegen Weſt gerichtet ift, dahingegen die Einfenfung 
des Tarim⸗Syſtems gegen den Offen. Und felbft im Offen von 
Tangut feheint das hohe Plateau der Steinwüfte der Gobi noch 


°1) Fragmens de Geol. etc. Asia“ T. Ik p. 330. 


342 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 9 5. 


. 

eine $urche (Sillon), ja eine bedeutende Depreffion darzubieten, 
da der Tarim, der jest im Lop fein Ende erreicht, nach den alten 
Traditionen, einft mit dem Hoang-ho zufammenfloß. Dies würde 
die erft jüngere Bildung eines dortigen Wafferfcheidezuges 
durch fortfchreitende Schuttanhäufungen (Atterrissemens) darthun, 
was fi) an verwandte Erfcheinungen der comparativen Hydros 
graphie anderer Erdtheile anfchließt. Der centrale Theil 
Afiens alfo zwiſchen den Parallelen 30 — 50° N.Br., und von 
den Meridianen des Pufchtithur und Bolor, bis zum Baifal-Sce 
und der Nordbeugnng des Hoang-ho ift ein Terrain mit fehr 
variabeln Niveauverhältniffen; zum Theil mit Seeflächen und 
weiten Landſtrecken bededft, deren Erhebungen nur Plateaus 
bildungen niederer Art fenn mögen, gleich denen von 
Bayern, Spanien oder Maiffue (Mpfore) im Dekan. Ans 
fhwellungen des Bodens, der eriten Claffe, vergleichbar 
den Hochebenen von Duito und Titicaca (8940 bis 12,600 Fuß 
abfol. Höhe), finden ſich dafelbft nur oftwärts zwifchen der 
Bifurcation der Kette des Hindu Khu, deilen Zweige 
Himalaya und Kuenlun heißen, alfo in dem Sande Ladakh, 
Tübet, Katfcha, im Gebirgsinoten um den Kufu Nor und 
in der Gobi im N.W. des Inſchan. — 

Alle diefe Iheile find e8, die wir in den außerhalb liegenden _ 
füdlichen und öftlichen hohen Plateaugebieten fchon früher in uns 
ferer Erdkunde abgehandelt haben, fo wie uns auch die niedrig: 
fien jener Senkungen in jenen Nordftufen, nordiwärts des Thian 
Schan-Syſtems, und um den Altai ſchon befannt find. Es 
bleibt uns in folgendem daher nur noch die in das Einzelne eins 
gehende Betrachtung der mittlern Stufen diefes Oft: Turfeftang, 
zumal in dem obern Stufenlande des Tarim-Spftems, 
oder feines obern Laufes der fogenannten hohen Bucharei, übrig; 
und in diefem grandiofen Zufammenhange gedacht, ſtimmen wir 
volllommen in des großen Forichers der Naturs und Voͤlkerge— 
fhichten Schlußurtheile 562) mit ein, wo er fagt: Es bietet daher 
diefes Alien, in feine Baffins, durd) Gebirgsfetten von verfchier 
denen Directionen und Altern mannichfach getheilt, der Entwickes 
lung des organifchen Lebens und den Anfiedlungen der Men: 
fchengefellfchaft, den Jaͤgervoͤlkern gegen die fibirifche Seite, den 
Hirtenvölkeen, wie den Khirgifen, Kalmuͤcken, Turkeftanen, Mons | 





852) Fragmens de Geol. etc. Asiat. T. I, p- 332. 





Dit-Turkeftan, Khotan, Ueberſicht. 343 


gholen, den Adkerbauern wie den Tadjiks, Turk und chinefifchen 
Eolonifationen, dem Flöfterlich Iebenden Prieftervolke der Tuͤbeter, 
den handeltreibenden-ftädtifchen Anfiedelungen, der characteriftifch 
vorherrfchenden Einfürmigfeit eines Centrafgebietes der 
tigiden Erdrinde, die von der maritimen Seite abges 
wandt, gleihfam in fich gekehrt ift, ungeachtet, doch noch 
eine große Mannichfaltigkeit von niedrig liegenden Ebenen, Stu: 
fenlandfchaften, hohen Einſenkungen, Tafelflächen, Plateauebenen 
dar, die eben dadurch fo verfchiedenartig in den Luft: Ocean auf 
tauchend, den Climaten die mannichfachften Modificationen zu 
wege bringen, von denen dann wiederum Flora, Fauna und 
Menfhenwelt abhängig werden mußten. Wir gehen nun zu den 
einzelnen Gauen, oder vielmehr Dafen, oder Königreichen dies 
ſes Gebietes über. 


Erläuterung 1 
Khotan, Khotian, Khoten oder Suthian (Yuthian oder Yuͤ— 
tian); Ku-ſtana im Sanskr., Kiufatanna der Ehinefen. 
Das alte Königreich und die heutige Provinz mit 
der Hauptftadt Stitfi. 
ſ icht. 

Khotan oder Khoten der Araber, Khotian oder Ju— 
thian jest Zlitfi der Ehinefen, ift vom Often her, an der 
Süpdfeite des Lops und Tarim-Fluſſes, der erfte Ort von Ber 
deutung, der zwar gegenwärtig am unbefannteften und unbefuchz 
teften ift, aber in den früheften Jahrhunderten der berühmtefte 
Drt des ganzen hohen Turkeftans war, welcher durch feine Cul⸗ 
turs Vermittlung zwifhen Indien, Tübet und China, 
unftreitig als der merfwürdigfte Ort ganz Central-Afiens: erfcheint. 
Dem griechifchen und römifchen Alterthum ift er wol gänzlicy 
unbefannt geblieben; auch bei Ptolemäus, der in diefen Gegen: 
den nicht ganz unbefannt war, ift er uns bisher wenigftens uns 
tenntlic) geblieben, und unter den abendländifchen Autoren fcheint 
—Naſſir Ed din in feinen aftronomifchen Tafeln (im J. 1345) 
der erfte zu feyn, der ihn aſtronomiſch, freilih nur ungefähr nach 
Kechnung beftimmt (Chotan Longit. 107°, Lat. 42°, Clima 5)%), 


*3) Joh. Graevii Binae Tabulae Geogr. Nassir Eddini p. 113; Ulug 
Beigi p. 145 ed. Geogr. Gr. Min, Huds, Vol, Ill, Oxon. 1711. 


344 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. 5. 


worin ihm Ulug Begs Tafeln (1450) folgen. In Abulfedas 
Tafeln (1345) gleichzeitig, wird die Lage nach) Abulfaradje ganz 
gleich, aber nach Albiruni um 13 Grad nördlicher angegeben, und 
hinzugefügt, dag e3 an der Grenze Turfeftans (unftreitig 
offs und füdwärts gegen China und Tüber) liege. Khotan fey, 
fagt Abulfeda, eine Stadt der Turf, fehr ftark bevölkert, in fruchts 
barer, trefflich bewällerter Landfchaft. Was Ebn Said von diefer 
Metropole erzählt habe, meint Abulfeda, fey über allen Glaus 
ben; fie fey bei den Handelsleuten von großem Ruhm, die Bes 
wohner vderfelben ſtammten aus Kataja (alſo chineſiſche Anfieds 
ler?) und Gefäßen Eilbergruben. 

Aber feit langen Zeiten, vor der Ausbreitung der Mohams 
medaner in Mittel-Afien, hatte fhon Khotan®) als Empor 
rinm des Handels zwifchen China, Perfien und Indien Bedeus 
fung gehabt, wie durch die Verbreitung indischer Religionslehren, 
die uͤber Kafıhmir zu ihm und von da nach China fortfchritten 
(. Alien B. 1. ©. 208— 209). Von den Dichtern des Orients 
war es wegen feines duftenden Mofchus, des Eoftbaren Steins 
Kaſch (Jaspis) oder Zu, und wegen der Schönheit feiner Bes 
wohner befungen. Khotan war die Gapitale eines Staates, der 
fehr frühzeitig einen höhern Grad der Givilifation annahm, der 
den Buddhacultus ſchuͤtzte, Tempel und Klöfter in bedeutender 
Anzahl erbaute, aus denen die heiligen Sanskrit Schriften und 
die Buddha s Doctrin weiter in den Drient bis China verbreitet 
ward. Schen im Jahre 140 vor Chr. Geb., zur Zeit der Hanz 
Dpynaftie, trat Khotan durch Gefandtfchaften und Gefchenfe, Tris 
but genannt, in freundfchaftliche Verhältnilfe mit China, ohne 
deshalb, wegen feiner großen Entfernung davon abhängig zu wers 
den. Daher die Gefhichte von Khotan, welche in den dis 
nefischen Reichsgeographien und Hiftorien aufbewahrt ift, und 
zum Iheil aus den Chronifen und Legenden, die in Khotan eins 
beimifch waren entnommen ward, bis in die Mitte des zwei— 
ten Jahrhunderts vor Chr. Geb. hinauffteigt, und da beginnt, 
wo die Gefchichte Karthagos gleichzeitig durch die Zerfiörung der 
Römer aufhört. Bis auf die Zeit der Mongholenüberfälle bes 
hauptete der Staat feine Selbftftändigkeitz fiel dann auch fpäter 





5%4) Chorasmise et Mawaralnahrae Deser. Abulfedae Ismaelis ex 
Tabulis Prineipis Hamae ib. Geogr. Gr. M. Il. p. 53, 79. 
®°) Histoire de la Ville de Khofen tiree des Annales de la Chine 

et tracnite du Chirois ete, p. Ab. Reınusat. Paris 1820. 8, Praef, 


Oſt-Turkeſtan, Khotan, Ueberfiht. 345 


(im J. 1399) in die Gewalt Timurs 66), und theilte, nachdem 
fein alter Ruhm gefchiwunden war, das gemeinfame Schiekfal 
des centralen Hoch⸗ Aſiens unter der Gewalt mongholiſcher, ſpaͤ— 
terhin chinefifcher Herrfchaft (deren Gefchichte f. Afien I. ©. 442 
bis 472). Uns find nur zwei europäifche Augenzeugen befannt, 
die in diefer neuern Periode Khotan befucht haben: Marco 
Polo mwahrfcheinlich gegen 1280 n. Chr. Geb. und B. Go&äg 
(1604); doc) find beide in ihren Berichten darüber fehr kurz ges 
faßt. Im Oft von Kaſchghar, fagt der Venetianer®”), komme 
man nah der Provinz Khotan (Cotam bei Namufio), die 
fih 8 Iagereifen weit ausdehnt und dem Groß:Khan der Mons 
gholen unterthan if. Die Einwohner find Mohbammedaner, 
Darin liegen viele Städte und fefte Ortfchaften; aber die Haupts 
ftadt ift Khotan, wo alle Bedürfniffe des menfchlichen Lebens 
in größtem 1eberfluffe zu haben find. Auch bringt das Land 
Baumvolle, Flachs, Hanf, Korn, Wein und andere Producte, 
Die Cinwohner bauen das Land, haben Weinberge und ſehr 
viele Gärten, treiben Handel, haben Manufacturen, find aber 
fehlechte Soldaten. Die nächfte, anſtoßende Landſchaft it Peym 
(oder Penn), wahrfcheinlich gegen Welt, jest unter diefem Nas 
men unbefannt; doc) werden wir weiter unten ihre Lage durch 
den Zu: Stein, zwifchen Khotan und Yarkend zu beſtimmen Ges 
legenheit finden. 

Der fühne portugiefifche Zefutten Pater Benedict Goes, 
den wir ſchon früher als den Entdecker Chinas auf dem Lande 
‚ wege durch Gentral-Afien Eennen lernten (ſ. Aſien J. S. 218 u. f.), 
erzählt uns, daß er ſich veranlaßt fahe, während eines laͤngern 
Aufenthaltes in Yarkend (Hiarchan), von wo er nach Kataja 
oder Nord-China vordringen wollte, eine Seitenercurfion nach 
Khotan (Duotan) 8) zu machen, von der er jedoch nach Mars 
kend zurückkehrte. Er reifete als Kaufmann, und um fein auf 
der Karawanenfahrt ausgelegtes Geld einzucafjiren, mußte ex 
felbft zu dem Könige von Khotan, einem Verwandten des Königs 
von Yarkend, nach deffen Nefidenz, die 10 Tagereifen zuruͤck— 
legen, welche diefelbe oftwärts von Varkend entfernt liegt. Auf 


°°) Deguignes Gefchichte der Hunnen und Türken ze, Ueberſ. von 
Daͤhnert Greifswald 1771. 4. IV. p. 64. I. 600. °?) The Tra- 
vels of M. Polo ed. W. Marsden. London 1818. 4. Lib. I. c. 32. 
p- 152 etc. °®) Nicol. Trigautius de Christiana Expeditione 
apud Sinas etc. Aug. Vindelie. 1615. 4, Lib. V. c. 10, p. 554. 


346 Wet Alien. J. Abſchnitt. $. 5. 


dem Wege hin und wieder zuruͤck ging ihm ein voller Monat 
Zeit verloren, während deilen ſchon die Saracenen in Yarfend 
feinen Tod böslicher Weife ausfprengten. Gr ſey von einem der 
Prieſter in Khotan, die man Caciſces nenne (?), ermordet wor—⸗ 
den, weil er den Propheten einen Betrüger genannt habe, Dies 
gefhahe um Hand an feine Hinterlaffenfchaft zu legen, die in 
Harkend geblieben war, Doch Eehrte er damals wohlbehalten 
nach dem Ort feiner Abreife, naͤmlich nach Yarkend, zurüd, ers 
theilt aber gar feine nähere Nachricht uber den Zuftand von Kho— 
tan, brachte jedoch, wie er fagt, die fehönften Zaspisfteine (Zu, 
ein orientalifcher Jaspis, der in China den höchiten Werth hatte, 
ſ. Afien I. ©. 138), ald Handelsartifel, mit, die ihm auch 
feine Reiſekoſten fernerhin völlig erfesten (f. Aſien I. ©. 221). 
Die damaligen faracenischen Bewohner diefer Gegenden waren 
wirklich fanatifch genug, daß fie den Pater öfter, ald Mahommedsz 
verächter, mit dem Dolche zu ermorden droheten. Seinen weis 
tern Weg nad) China nahm er mit einer Karamane, die von 
Yarkend nordwärts uber Affu, Turfan, Hami nach Sotfcheon 
ging; von einer Noute, die von Khotan oftwärts direct durch 
die Sandwüfte geführt hätte, ift damals weder bei M. Polo 
noch bei B. Go&g die Nede. 

Seit diefes portugiefifchen Paters Beſuch in Khotan ift uns 
feine neuere Berichterftattung von europäifchen Augenzeugen ber 
fannt geworden, und wir müflen uns daher mit den Ausfagen 
orientalifcher Neifenden begnügen, von denen jedoc) auch leider 
einer der einfichtsvollften unter den Neuern, nämlich Moorerofts 
Vorläufer, Mir Iſſet Ullah 5%) ( . Aſien II. ©. 550, 629 u. f.), 
zwar wol Yarkend beſucht, aber Khotan nicht berührt hat. 

Gluͤcklicher Weife find uns aus der Mitte des XVII. ZYahıs 
hunderts die aftronomifchen Ortsbeftimmungen der Jeſuiten Pas 
tres Felix d'Arocha, Espinha und v. Hallerftein, durch 
Pater Mailla 79) aufbewahrt worden, welche diefe auf Befehl 
Kaifer Khienlongs, auf wiederholten Reifen zur SKartenaufs 
nahme der Länder der neuen Grenze gemadt haben. Nach 
vollftändiger Croberung des Königreichs der Delöth (f. Afien I. 





86°) Mir Isset Ullah in Magaz. Asiatig. ed. Klaproth, Paris 8. T. II. 
p- 1—52. Hertha 1826. VI. p. 341 — 348. 7°) Mailla Hi- 
stoire Generale de la Chine T. XI. p. 575;, vergl. Positions des 
principaux lieux du Royaume des Kleuths in Memoires Concer- 
nant l’Hist. etc, de Ia Chine. 4. T. I, 1776. p. 393. 





Oſt-Turkeſtan, Khotan, Ueberficht. 347 


S. 453 — 463), war es möglich, durch das ganze beruhigte, num 
dem chinefifchen Scepter unterworfene Ländergebiet, des feitden 
Ehinefifch genannten Oft-Turfeftans (auch die Kleine Bu; 
charei genannt), die Lage einiger 40 Ortfchaften nach aftronomis 
fihen Längen und Breiten durch- Obfervationen (im J. 1760) zu 
beftimmen, die früher nur nach andern bei Arabern und chinefis 
ſchen Aftrologen (wie die obigen Angaben von Khotan) ſchlecht 
berechnet waren (ſ. Aſien I. ©. 324). Hierdurch erhielten wir 
die Daten zu einer berichtigten Karte Central-Afiens und auch 
die genaue Lage von Khotan, die viel weiter ſuͤdwaͤrts und 
weftwärts zu liegen fommt, als die obigen fehr vagen Anga: - 
ben vermuthben liegen. Zwar hatte die alte Chinefifche, durd) die 
frühern Jeſuiten Patres, unter Kaifer Khanghi, in Peking, 
1722, edirte Karte, welcher die D’Anville’fhen und feitden 
viele europäifche Zerrbilder afiatifcher Landkarten gefolgt waren, 
ſchon ſich der Wahrheit um etwas genähert, indem auf ihr Kho— 
tan unter 37° 10/R.Br. und 81° 18” 0.L. v. Paris angefegt war, 
Der Pater Hallerftein beftimmte jedoch die Lage von Khos 
tan, oder Ilitſi (Ilitſchi) 7), wie die heutige Capitale heißt, 
auf 37° N.Br. und 35° 52° Weftl. Länge von Peking, d. i. — 
78° 15°.30” D.°. von Paris; wodurch die Stadt, um 10 Mis 
nuten weiter füdwärts, und um 3° 4’ 30” weiter weftwärts, alg 
die D’Anville’fche Karte, verrückt werden mußte. Ungeachtet diefe 
Lage in die große Karte des chinefiichen Reichs eingetragen ward, 
die auch im 5.1760 in Peking, in 104 Blatt, auf Befehl Khiens 
longs, unter Direction der Jeſuiten Patres, welche dem Buͤreau 
der Kalender-Deputation (d. i. dem Minifterium der himmlifchen 
Angelegenheiten des Reiches der Mitte) vorftanden, publicirt wurde, 
aber freilich in Europa über ein halbes Jahrhundert hindurc) 
völlig ignorirt, und felbft von Maͤnnern wie Morrifon in feinem 
View of China ganzlih unbeachtet war, fo blieben die alten, 
fragenhaften Verzerrungen doch faft auf allen mittelafiatifchen Kars 
ten zurüd, bis fie duch J. Klaproth”?) und 3. Grimms”) 





71) J. Klaproth Mem. sur l’Hist. de la Ville de Khotan in Memoirs 

\ relatifs a l’Asie. Paris 8. T. Il. p. 281 etc. ”?) J. Klaproth 
Carte de l’Asie eentrale dressee d’apres les Cartes leyées par 
Ordre de l’Einpereur Kbienlong par les Missionaires de Peking 

et d’apres un grand nombre de notions extraites et tsaduites de 
livres Chinois. Paris 1833. 4. Sect. 123) 3.2, Grimm Karte 

von Hoch⸗Aſien zu C. Ritters Erdk. bearbeitet. Berl, 1832, 4. Sect. 


348 Weit: Aien, I. Abſchnitt. $. 5. 


Derdienfte, daraus endlich erft vor ein paar Jahren verdrängt 
wurden, und das wahre Maturbild der Mitte diefes Erdtheils 
daraus allmälicdy hervortreten Fonnte. Diefelbe Angabe der Lage 
von Khotan, wie der Übrigen Ortfchaften diefes Laͤnderſtrichs, ift 
auch in dem Ortsverzeichniffe der neueften Ausgabe der chinefifchen 
Heichsgeographie vom Jahre 1818 (f. Afien I. ©. 1059), nah 
der uns von Profeffor Neumann mitgetheilten Ueberſetzung aus 
dem chinefifchen Original, wie zu erwarten war, beibehalten. 
Dreierlei Notizen der neuern Zeit befisen wir von 
Khotan, die wir hier in ihrer Aufeinanderfolge, in Ermange— 
fung des Beſſeren, nach den Originalberichten aufführen, um 
dann die höchft merkwürdigen ältefien Daten über diefen Ort, 
nach den ältern chineflfchen Quellen 57%) folgen zu laſſen. Diefe 
neuern find die Artikel über Khotan, 1) aus der Türkifchen, 
in Conftantinopel gedrucdten, Geographie des Djihansnus 
ma”), nah Jauberts und Klaproths Ueberſetzung, die jes 
doch nur um Weniges die Motizen bei Abulfeda erweitert; dann 
2) die Nachricht darüber, aus dem Si yu wen fian lu®%), 
d. i. der hinefifchen Geographie der Weftländer, mwels 
che in Peking im J. 1777 herausfam, und von Klaproth, wie 
neuerlich auch durch Water Hyacinth aus dem Chinefifchen mits 
getheilt if, ein Artikel, der, fonderbar genug, in Pater Hyacinths 
Ueberfegung des Abfchnittes von Oft-Turfeftan aus demfelben chir 
nefifhen Werke, in Timkowskis Mittheilung deffelben, gänzlich 
übergangen 77) war, Die dritte, jüngfte Berichterftattung aus 
der Gegenwart, ift ung durch den perfifchen Secretair des Bom— 
bay-Gouvernements, durch W. H. Wathen >) zugefommen, der 
während eince Reihe von Sahren, von den haufig durch Bom⸗ 
bay kommenden Mekka-Pilgern, aus dem chinefifchen Tur— 
keſtan, die von diefer Station nach) dem rothen Meere überfchiffen, 





874) Nach Ab. Remusat Hist. de Khotan 1820. und dem Foe koueki, 
1836. ?s) Djihannuma in Klapr. Mem. relat. a l’Asie T. 1. 
p- 284 — 289, 76) Si you wen kian lou in Klaproth Mem. relat. 
a lAsie T. IH. p. 289— 292; Nah Pat. Hyacinth Befchreibung 
der Dfchungarei und des oͤſtlichen Zurkeftan in ihrem Altern und 
heutigen Zuftande aus dem Chinefiihen. St. Petersburg 1829, 
2ter Theil. 7?) Timkowski Voy. ed. Paris T. Il. p. 384 — 439. 

”®) W. H. Wathen Esq. Persian Secretary to the Bombay - Gorer- 
nement Memoir on Chinese Tartary and Khoten dated Dec. 1835 
in Journal of the Asiat, Soc. of Bengal ed. Prinsep 1835. Vol. IV. 
pP» 655 — 664. \ 





DfteTurkeften, Khotan nach tuͤrkiſchen Berichten, 349 


die neueften Nachrichten über ihre Heimath einzufammeln Gele: 
genheit hatte, welche er, zumal die hier fpeciell mitzutheilenden, 
vorzüglich einem Keifenden aus Eelchi (d. i. Zlitfi, oder 
Ilitſchih, der heutigen Eapitale der Provinz Khotan, wie einem 
Sandesfürften von Akſu, und einem Pirzadeh ebendaher, die 
beide gut unterrichtet waren, verdanfte, 


2. Shotan, nah dem Djihbannuma der türfifchen 
Geographie 79). 


Khotan, das hier flets Khoten genannt wird, liegt am 
Ende von Turkeſtan, jenfeit Juzkend (?) und ift flußreich. Abuls 
feda berichtet noch, es fey eine der berühmteiten Städte, aber heut 
zu Tage find es nur feine Ruinen, die es berühmt machen. Zwei 
Fluͤſſe bewäflern dies Land, der eine Kara-taſch (Karaztach, 
d. h. ſchwarzer Stein, es ift der Halahache auf Gaubils 
Tafel), der andere Jurung-taſch (Gouroungztach, d. h. weis 
Ber Stein; Youlong-gacha bei Gaubil, richtiger Kafch) 80). Aus 
diefen Flüffen zieht man den Yaſcheb (d.i. den Zu oder Jade, 
orientalifcher Jaspis von verfchiedenen Farben), der zu theuern 
Preiſen verkauft wird. Der Haupthandel des Landes befteht in 
Seinwand, Seide, Korn, das reichlich gebaut wird, Jede Woche 
ift Markt, wo am Freitag wol 20,000 Menfchen zufammen kom— 
men. — So weit der türfifche Geograph. Auch die chinefifche 
Karte giebt diefe beiden Flüffe an, die nur wenige Stunden weit 
auseinander, etwa 15 geogr. Meilen weiter füdwärts entfpringen, 
in parallelem Lauf von Sud nad) Nord fließen, und 15 geogr. 
Meilen nordwärts der Stadt vereint beide bis zum TarimsFluffe 
ziehen. Zwifchen deren beiden Armen liegt die Hauptftadt der 
Khotan-Provinz Zlitfi. Der Karatafch oder Kara Daria 
nach der chinefischen Karte, aus dem Kharanggui Taf ents 
fpeingend (RaranguiTag im Türfifchen, d.h. Finfterberg oder 
Mebelgebirge, zum Bolor, oder Belur Tag gehörig) SU), ift der 
weftlihe Arm, an deflen weſtlichem oder linkein Ufer auch die 
Stadt Karakhaſch (Khafch heißt im Uigurifchen, fo viel wie 
Ju im Chinefifchen, d. h. Jade, oder orientaler Jaspis) liegt, 


7°) Mem. relat. à l’Asie T. II. p. 288— 289. # —58 Xe- 
riffeddin Bist. de Timur Trad. La Croix T II. 

*1) Ab, Remusat Hist. de Khotan in Recherches 3 Bi, de 
Ja. p. 151. 


350 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. $. 5. 


nah Hallerftein, unter 370 10° N.Br., 77° 53' 30" O. L. v. 
Paris; der Jurung taſch, oder Jurung Daria, aus dem 
Efchimetis Taf entfpringend, iſt der öftliche Arm, auf deffen Ofts 
ufer auch die Stadt Jurungkhaſch liegt, unter 36° 5YN.Br., 
78° 30° 30” D.2. v. Par. Nach Keriffevdin entfpringen beide 
Flüffe derfelden Gebirgskette des Karangui Taf (Carangoutas 
bei La Croix), welches der gemeinfame Name der ganzen großen 
Hauptkette ift. Nachdem ſich beide Arme, nordiwärts der Capis 
tale, vereinigt haben, erhalten fie den gemeinfchaftlichen Namen 
Khotan Daria, der Khotan-Fluf, der einen Lauf von etwa 
60 geogr. Meilen zurücklegen muß, ehe er den Tarim erreicht, 


3. Khotan nad dem Siyu wenkianlu im Jahr 1777 
Nah Klaproths und Pater Hyacinths Ueberfegung aus 
dem Ehinefifchen in das Auffifche, aus diefem duch Dr. Schott 
ins Deutfche; Klaproth und Hyacinth ſtimmen beide faſt voll 
fommen überein). 


Kothian, vom ältern Juthian fo genannt, heißt 82) es 
hier, ift eine große Stadt, an der Grenze der Mufelmän: 
ner. Don da find 20 Tagereifen füdwarts bis nah Wefts 
Tibet (Zzang, Tubet ulterior, d. i. Ladakh, f. Afien Bd. ILL. 
©. 175,176,210, vergl. Bd. I. ©. 633—640). Gegen Nord, 
d. i. Nordweſt, find 374 geogr. Meile (700 Li) bis Yarkend, 
Gegen Werft ift alles mit fehr hohen und unüberfteiglichen Berg: 
fetten bedeckt, die bis zu den Völkern reichen, welche außerhalb 
der Grenzen des Reichs (des Chinefifchen) wohnen. (Es ift die 
Kette Karakorum, die fi zum hohen Pufchti Eyur hinzieht.) Ges 
gen Oft findet man nur Sandwüften und Moraftfteppen, bis zu 
dem D.uelllande des Hoang-ho. Diefe Provinz wird von 2 Ober: 
beamten (mit 232 Chinefiiben Soldaten, nach Pat. Hyacinth’s 
Zufage) regiert, und ift vom General-Commandanten von Yarz 
fend (Jarkiang) abhängig, der (in diefer Khotian- Provinz 
allein) 6 Städte zu feinem Commando zählt: 1) Khotian, 
2) Jurungkhaſch, 3) Karakhafch, deren Sage uns aus 
obigen bekannt ift. Hierzu kommen noch drei öftlicher gelegene 


5°?) Mem. relat. à P’Asie T. II. p. 289— 291; nach Opissanie 
Dshungharia i wostotschnawo Turkistana etc. d. i. Pater Hya⸗ 
cinths Befchreibung der Dſchungarei und des dftlichen Zurkeftan, 
St, Petersb. 1829. 2. Abth. 





Oſt⸗Turkeſtan, Khotan nach hinefifchen Berichten. 351 


Städte, die auf der Route nach dem öftlichen Tübet (Wei, wo 
Lhaſa gelegen, f. ob.S. 210) liegen, nämlich; 4) Tfira (There 
oder Tfirla auf Klaproth’s Carte centr.), 5) Karia (Keria, 
Keldja oder Kerivyela), und 6) Takhobui (oder nach Pat. 
Hyacinth's Schreibart und Dr. Schott's Ueberſetzuug Ta ho pu, 
was an Dahop oder Dagop erinnert; es iſt Tak auf Klapr. 
Carte centr.) im aͤußerſten Suͤdoſten. Jede dieſer Staͤdte hat 
ihren Akimbek, die dem Range nach zur 3ten bis 5ten Claſſe 
gehören, und den Negierungsrath von Khotan bilden. 

Der Boden der Provinz ift im Allgemeinen fchlecht, doch 
hat er viele Ebenen, und wo diefe bewällert find, auch viele fruchts 
bare Felder. Diefe nehmen einen Naum wol von 1000 Fi (75 
geogr. Meilen) ein, der ſtark bevölkert ift, welcher Melonen und 
viele andere Früchte in Menge erzeugt. Man fammelt hier den 
foftbaren Stein Zu in vorzüglicher Menge, und bringt ihn zu 
Marfte nady Yarfend. Am meiften cultiviren fie (nach Klap: 
roth’s Ueberſetzung) die Seidenzucht; am gefhägteften ift die 
Eeide, die von den Bergen (?) fommt; daraus werden die 
fhönften Stoffe gearbeitet, welche einen fehr ftarfen Glanz haben 
und fehr gefucht find. Diefe Stelle zeigt durch Dr. Schott’s 
Uebertragung aus dem Kuffifchen des Pater Hyacinth, nad) def 
fen Ehinefischer Ueberfegung, einen etwas veränderten Sinn, in: 
dem es dafelbft heißt: Man gewinnt hier viel fogenannte Bergs 
Seide von wilden Seidenwürmern. Die in Khotan 
verfertigten Taffte, rohfeidenen Gewebe u. f. w., find von 
vorzüglicher Güte und fehr preiswürdig. Die Prüfung des Oris 
ginals, ob hier von wilden Seidenwürmern im Gegenfaß 
von einer Zuchtraupe die Rede fen, muͤſſen wir Andern übers 
laſſen. 

Das Volk hat milde, einfache Sitten, iſt aufrichtig, iſt we— 
der der Traͤgheit noch der Schmeichelei und Falſchheit ergeben. 
Die Maͤnner bebauen das Feld, die Frauen betreiben die haͤus— 
lichen Arbeiten und den Handel. In alten Zeiten hieß das Land 
Juthian; die heutigen Bukharen nennen die Chineſen Khetan. 
Da unter der Han-Dpnaftie (140 vor bis 58 nad) Chr. G.) alle 
diefe Länder in Welt dem Chinefifhen Scepter unterworfen wa- 
ven, fo fcheint es, daß die dort feitdem angefiedelten Chinefen 
auch dafelbft geblieben find (f. Afien I ©. 195), und daß die 
nachherigen Mufelmänner von Khotian ihre Abkoͤmmlinge find. 
Deshalb nennen die Eingebornen die Stadt Khetan, daraus 


352 Welt Ajien. I Abſchnitt. 9 5. 


Khotian durd Namensverderbung hervorging. (Dies ift blos 
eine falfche Conjectur des Ehinefifhen Autors, der Khetan mit 
Khatai für Nord» China nimmt, da dies eher die Khitan (l. 
Alien I. ©. 253, vom X. bis XI. Jahrh.) feyn mochten, von 
denen die Benennung Khetan abzuleiten wäre, dagegen Khotan, 
oder Kothian, mit Juthian und der antifen Sanstritbenens 
nung des Sandes Kuftana in Verbindung fteht, wovon weiter 
unten die Rede ſeyn wird.) 

Hierzu fügt Klaproth 8) die Bemerkung, daß diefe Chir 
nefifche Nachricht von befonderem Werthe dadurch fen, daß fie 
genau mit der Geographie des Mohammedaners dem Djihanz 
numa übereinftimme, fo wie mit Pater Hallerftein’s Kartens 
befiimmungen, Gebirgen und Fläffen. Khotan fiheine nad) 
den älteften Ehinefifhen Nachrichten vielmehr eine Hindu:Gos 
lonie zu feyn, woher auch fihon Ab. Remuſat die frühefte 
Chinefifche Benennung Kin fa ta na vom Sanskritifhen Kur 
ffana (d. h. Bruft der Erde, mammelle de la terre) ableite, 
Erft feit den Mandfchusgeiten ift der alte Name Juthian durd) 
den modernen Khotiam verdrängt. Diefer ift, wie Ab. Rex 
mufat fihon richtig bemerkte, Auch feineswegs vom Mongholis 
fhen Khoda, d.h. Mauerftadt, abzuleiten, weil ſchon vor Tfehins 
gisfhans Zeiten der Name Khotan im Gange war, lange Zeit 
ehe die Mongholen füdweftwärts die Gobi überfchritten hatten, 
und nod) als eine ungenannte Horde zwifchen dem KerlonsFluffe 
und dem Baikal haufeten. Die Buddhalehre blühte fihen vor 
Chriſti Geburt in Khotan, und erhielt fich bis zur Zeit, da die 
mohammedaniſch gewordenen Turk dort alle Städte der hohen 
Bucharei oder des obern Stufenlandes und Stromgebietes des 
Tarim eroberten. Der nächftfolgende Bericht wird uns aber über 
diefen Punct von neuem noch eines Andern belehren, 


4. Slitfi (Eelchi bei Wathen) 89, d. i. Khotan in der 
Gegenwart, nad den jüngften Ausfagen dort eins 
heimiſcher Mekkapilger auf ihrer Durchfahrt in 
Bombay (1835). 

Nach ihnen find die gegenwärtigen Städte in diefem Lande 

zwar Karakhaſch, Zlitfi, Kiria di. Keriyela) u. f. w., 





#*3) Mem, relat. a P’Asie T. II. p. 294— 295, s*) Journal of 
the Asiat. Soc. of Bengal. I. c. IV. p. 657—658. | 





Dft-Turkeftan, Khotan nach hinefifchen Berichten, 353 


mit jenen oben genannten übereinffimmend, der Name Khotan 


exiſtirt aber fchon längft nicht mehr für eine Stadt, fondern nur 


für die ganze Provinz, deren Capitale nach ihnen Karas 
khaſch (font Ilitſi?) if, welche 10 bis 12 Tagereifen von Yars 
end entfernt liegt. Zwei Chineſiſche Ambans (im Mandfchu, 
Tajin im Ehinefifchen, d. i. Großer des Neichs, oder Oberoffiz 
cier, mit dem Range eines General; Lieutenants, f. Afien Bd. L 
©. 413) fichen diefer Provinz vor, deren einer in Ilitſi, der 


“andere in Kiria refidirt. Ihnen find Asbeliſche Hakims, die 


einheimiſchen Fuͤrſten, untergeordnet. Die regulaire Beſatzung 
der Provinz betraͤgt 2000 Mann Truppen, die Zahl der tributfaͤ— 
higen Unterthanen betraͤgt 700,000 Mann (alſo etwa 2 His 24 
Million Einwohner), meift. vom Usbefen: Stamme. Aber 
auch viele Delöth von diefem am weiteften zerfprengten Stam— 
me des Mongholengefchlechts (1. Alten I. &.445—453, 463—468) 
find in bedeutender Anzahl in den verichiedenen Diftricten diefer 
Provinz angefiedelt. In Zlitfi, das 12 Tagereifen von Yars 
fend entfernt liegt, find viele Buddha-Priefter und Tem; 
pel, und diefe überhaupt durch das ganze Yand verbreitet, Die 
Mufelmänner find zwar zahlreicher als die buddhiſtiſchen Gösenz 
diener (nach Ausfage der Mekkapilger), aber die Chinefen haben 
das Verbot ergehen lafien, dag feiner ihrer Unterthanen fi) zum 
Islam befehren darf. 

Wir erhalten hier alfo die merfwürdige, ung bisher uns 
befannt gebliebene Nachricht, daß noch Heute der Buddhis— 
mus dort einheimifch fey; daß er unter dem Schuß der Chinez 
fen, als Foe-Cultus, wieder von neuem aufblühen mußte, ift 
begreiflich; ſehr wahrfcheinlich aber, daß er niemals gänzlich 
durh die Mohammedaner ausgerottet worden war, in einem 
Sande, wo er einft fo tiefe Wurzel gefaßt hatte wie hier, Bon 
den vielen Iempeln und antiken Bauten mögen wol noch viele 
aus den früheren Jahrhunderten, in denen Khotan durch 
feinen Tempelreichthum und feine Klofterbauten wie zu Fa Hians 
Zeit berühmt war, herrühren, und ein £ünftiger Reifender nach 
Khotan möchte dort wol einer reichen Ernte antiquarifcher Beob⸗ 
achtungen entgegengehen. 

Fuͤnf Tagereiſen zu Pferde von Ilitſi (direct gegen 
Of) entfernt erreicht man die Stadt Kiria, wo eine Gold: 
mine im Sandbette des benachbarten Fluffes. Diefer als Ye: 

Ritter Erdkunde VII. 3 \ 


354 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6. 5. 


chilgol im Suͤden entſpringend, und durch einen gleichnamigen, 
kleinen See ziehend, iſt weiter nordwaͤrts, an der Oſtſeite der 
Stadt, unter dem Namen Keria oder Keldiagol auf der 
Karte einaetragen, wo er fih ein paar Meilen nordivärts von 
ihr in der Sandwuͤſte verliert (Carte centr.). Zweis bis dreis 
hundert Arbeiter find zu Kiria mit der fehr ertragreichen Gold: 
wäfche befcbäftigt, die ald Monopol von der Ehinefifchen Regie— 
rung betrieben wird. Die Einkünfte der Provinz Khotan fol 
len, nach den Mefkapilgern, größer fenn als die von Yarkend. 
Ein michtiger Karawanenverkehr beftebt zwifchen den dortigen 
Städten, von denen Moſchus, Seidenzeuge, Satin, Papier, Golds 
ſtaub, Trauben, Rofinen u. a. nach Yarkend zu Marfte gebracht, 
dagegen von dort Yeder, Stiefeln, Kupfergefchirr und andere 
Waare zurickgeholt wird. So weit der Bericht der Meffapilger. 


5. Khotan oder Juthian in älterer Zeit, im Jahr 
400 nach Chr. Geb. zur Zeit von Fa Hians Befud 
dafelbf. 

Schr merkwürdig ift des buddhiftifchen Pilgers Fa Hian 
Bericht 585), am Ende des IV. Yahrhunderts, weil damals noch 
die Blütheperiode von Khotan war. Diefes Zuthians Mus 
thian) Königreich, fagt er, ift glücklich und blühend. Das Volt 
lebt dafelbft in großem Ueberfluß. Alle Einwohner ohne Aus; 
nahme ehren das Buddhagefeß, und daraus geht ihr Glück hers 
vor. Unter ihnen zählt man 10,000 Xeligiöfe, darunter fehr viele 
die Gefegbücher ftudiren. Alle nehmen ihre Speifen in gemeins 
fehaftlichen Conventen zu fih. Die Einwohner des Pandes bes 
fimmen ihre Wohnungen nach den Sternen (wol nach aftrolos 
gifchen Deutungen, nicht nach Ortsbeftimmungen). Vor der 
Thuͤre jedes Haufes wird ein Kleiner Ihurm, d. i. ein Altar, er 
baut (ein Stupa oder Tha, f. ob. ©. 298); fie dienten meift 
zu Opfern von Blumen und Wohlgerüchen. Sie bauen Klöfter 
(Sengfang) ins Gevierte, zur gaftlihen Aufnahme fremder 
Religiofen, wo für alle Bedürfnijie derfelben geforgt ift (Kenodo: 
chien). Der König von Juthian nahm Fa Hian und deflen 
Gefährten feldft in ein Sengkialan (ein Buddhatempel, Sanga, 
mit dem ein Klofter verbunden ift) auf, welches Kiumati (von 


°**) Foekoueki, ed. Ab. Remusat I. c. eh. IN. p.18— 22; vergl, 
deff, Hist, de la Ville de Khotan p. 11 — 15, w 7 








Oſt-Türkeſtan, Khotan zu Fa Hians Zeit. 355 


Gomati, die heilige Kuh) hieß. Es ift ein Tempel der 
großen Translation (d. h. wo nicht nur die Moral, fondern 
auch die Metaphyſik der Buddhalehre ftudirt wird) mit 3000 
Keligiofen. Diefe effen gemeinschaftlich, wozu fie ein Signal ver: 
fammelt, das durch einen Scylag gegeben wird. Beim Eintritt 
in das Nefectorium haben fie ernfte, würdige Haltung. Jeder 
fest fih nach Nang und Ordnung in Stillfhweigen an feine 
Stelle. Kein Getöfe mit Schüffeln oder Gefchier. Diefe Mäns 
ner vom reinften Lebenswandel geftatten es ſich feineswegs, gegens 
feitig, fich bei Namen zu nennen, während fie effen; nur durch 
Fingerzeichen bedeuten fie fih einander, 

Fa Hian verweilte hier längere Zeit, um der großen Pros 
ceffion der Bilder beizuwohnen, deren Befchreibung er giebt; das 
Hauptbild, welches dabei umbhergetragen ward, war eins vom 
Buddha Schafyamuni. Jedes Sengfialan feiert fein eigez 
nes großes Proceffionsfeft, und folcher Kloftertempel giebt 
es in ganz Khotan 14 große und unzählbare Eleinere. Won dem 
Fefte, vem Fa Hian felbft beimohnte, erhalten wir folgende Be; 
ſchreibung 86). Am erften Tage des vierten Monats wird die ganze 
Stadt gekehrt und alle Straßen werden befprengt, alle Wege und 
Plaͤtze geſchmuͤckt. Vor dem Stadtthore breitet man große Teps 
piche aus und fchlägt Zelte auf. Die Vorbereitung ift feftlich. 
Der König, die Königin, die Frauen der Angefehenen erhalten 
dort ihre Pläge. Die Mönche des Kiumati:Klofters find die 
gelehrteften in ihren Gefesbüchern; der König ehrt fie am mei: 
ftien; fie halten die Proceffion der Bilder zuerfl. Drei oder 
vier Fi von der Stadt werden diefe auf einen Wagen mit 4 Rär 
dern geftellt; er ift 18 Fuß hoch, wie ein fahrbarer Pavillon, mit 
den „Sieben Koftbarfeiten” geſchmuͤckt (f. ob. ©. 300), 
mit Zeltdach, DVorhängen und feidenen Deden. Das Bild (des 
Buddha) wird in die Mitte geftellt, zwei Phufa (di. Schü: 
ler, Berbreiter der Doctrin, f. ob. ©. 285) ihm zur Seite, ums 
her, und im Gefolge find die Götterbilder, insgefammt in Gold 
oder Silber mit £oftbaren Codelfteinen geziert. Iſt diefes Bild 
noch hundert Schritt von dem Stadtthore, fo nimmt der König 
feine Tiara ab, wirft andere Kleider um, nähert fi) demfelben 
barfuß, und hält in der Hand Blumen und Parfüms. Er fommt 
fo mit Gefolge aus der Stadt, wirft fid) anbetend davor nieder 


**) Foe Kouo Ki p. 17. 32 


356. Welt Men. I. Abſchnitt. 8.5. 


und zündet die Wohlgerüche an. So wie das Bild in die Stadt 
eintritt, fihätten die Frauen und Mädchen, die Über dem Thore 
ihre Sitze haben (über den Bau folcher Thore ſ. Alten I. ©. 217), 
von alfen Seiten eine Menge von Blumen auf den Proceffionss 
wagen, fo daß er ganz mit Blumen bedeeft in die Stadt eins 
führt, Iſt diefe Ceremonie vorüber, fo kehrt der König mit ſei⸗ 
nem Hofe und eben fo alles Volk in feine Behauſung zuruͤck. 
Noch Feine Stunde im Weften (7 bis 8 Li) der Stadt ift 
eins jener großen Kialan, welches „der Neue Königstem: 
\ pel’ heißt. Drei Könige hatten 80 Zahre daran gebaut; ex ift 
wol 150 Fuß hoch, und fehr viele Sculpturen und Goldplatten 
find daran zu fehen. Alles Koftbarfte ift an dem Bau bdiefes 
Su tu po (alfo ein Stupa, f. ob. ©. 114) verwendet. Dann 
hat man dem Buddha (For) eine Capelle prachtvoll erbaut, des 
ren Balken, Pfeiler, Flügelthüren, Gitterfenfter, kurz alfes mit 
Goldblech belegt iftz auch find gefonderte Eellen für die Religio— 
fen erbaut, die ber alle Befihreibung fehön find. Die Prinzen 
der ſechs Königreiche, die im Oſten des Gebirges (der Kette 
des Ihfungling) wohnen, ſchicken dorthin ihre Eoftbarften Opfers 
gaben, und bringen reiche Almofen, daron nur ein Fleiner Theil 


verwendet wird (alfo wurde ein Tempelfchag angehauft). Zu jer 


nen 6 Königreichen mögen wol die von Fa Hian ſchon durch 
wanderten öftlichern, buddhiſtiſchen Herrfchaften gehören, wie 
Schenfhen, Ouhou (Uigur), Kaotfchang (Turfan) u. a. 
die wir nicht fennen. 

So weit der Bericht über Khotan, aus dem man den zes 
lotifchen Eifer abnehmen kann, mit welchem der Buddhacultus 
in jenen früheren Jahrhunderten im centralen Hochs Afien fchon 
betrieben und weiter gegen Oſten verbreitet ward. Aus FaHians 
folgender Erzählung ergiebt fih, daß Khotan damals Feineswegs 
durch die Ketten des Thfoungling (Zwiebelgebirge, blaues Ges 
birge), im Suͤdweſt, wozu dort auch die Verzweigungen des Hindu 


Khu und Kaſchmir Himalaya (f. ob. ©. 320) zu rechnen find, 


weglos, alfo gänzlich von Hindoftan abgefchnitten war, und ifo: 
lirt da fand. Keineswegs, damals waren ſchon Wege dur 
diefes Gebirgsſyſtem bis Kabuliftan (f. ob. ©. 289), zumal in die 
Gegend des heutigen Jellallabad gebahnt, ein Weg den FaHian 
durch das Schneegebirge und die buddhiftifchen Bergftaaten Tſeu— 


ho, Kietfha und Tholy (ſ. ob. ©. 285) zuräclegte. Tfeuho, 


bisher unbekannt, foll nach der neueften chinefifchen Reichsgeogra⸗ 


DftsTurkeftan, Khotan, zu Fa Hiang Zeit. 357 


phie Sect. 419387), an 5° im W. von Khotan und N.IE. von 
Harkend liegen, am Karafu, das wäre auf der Straße zum 
Karakul⸗See über die Pamir- Hochebene (f. 06. ©. 327), der: 
felbe Weg, den wir, nad) Obigem, nach den fpatern Neifenden, 
Hiuan Ihfang und Marco Polo, ebenfalls noch gebahnt finden. 
Aus dem Folgenden wird fich ergeben, daß damals, ebenfalls, 
längft fchon „der Verkehr zwifchen Khotan und Kafhmir Bes 
fand hatte, von wo wahrfcheinlich die erfte Buddha⸗ Wiſſion in 
Khotan eingewandert war. 

Gegen den Norden von Khotan waren aber, nach Fa 
Hians®) Erfahrung, die Wege zu dem Lande der Uiguren 
(im Weft vom heutigen Turfan), damals, viel weniger gebahnt. 
Diefe Oui, oder Duhon, hatten zwar auch ſchon Buddhacultus 
angenommen, und es waren viele Neligiofe auch bei ihnen, aber 
das Wolf war noch zu roh umd wenig im Cultus wie in der _ 
Juſtiz bewandert, auch ungaftfih. Die Gefährten Fa Hians 
kehrten daher aus demfelben wieder oftwärts zurück, nah Ka o— 
tſchang (d. i. Turfan, f. Afien J. ©. 345), Don da aus, 
heißt es nun, ging die Karawane der Budthiften» Pilger, unter 
Fa Hians Anführung, gegen Sadmweft®d), durch ein Land 
der Wuͤſte ohne Bewohner, wo das Durchſetzen der Fhüffe (es 
it der Mittellauf des Tarim, mit feinen Armen) große 
North machte. Unter den größten Befchiwerden dur diefe Land» 
firee£e, die auch auf unfern heutigen Karten noch gänzlich wuͤſte 
liegen bleibt (f. Carte de l’Asie centr.), erreichte man endlich nach 
einem Monat und 5 Tagemärfchen Zeit glücklich das Königreich 
Juthian (Khoten). Es iſt dies die einzige Machricht, die 
uns über eine Durchfegung diefer Gegend in NMordoften von 
Khotan bekannt geworden. Merkwuͤrdig fiheint uns der Name 
des Landesfürften, bei welhen Fa Hian, wahrfcheinlich in 
Schen ſchen, im Lager zwei Monat verweilte, ehe er von da die— 
fen gefährlichen Weg durch die Wüfte zu machen wagte, um nad) 
Khotan zu kommen; derfeldbe hie Kungfun (fein Turfname, 
fondern das Germanifhe König); er mußte dem Beherrfcher 
von &hotan, der auch fein Herrſcher vom turkeftanifchen Stamme 
(wahrfcheinlich von Getifch-germaniſchen) war, wol be 


»»7) Tai thsing y thoung tehi Scet. 419. ſ. Klaprotlı Nota p- 25 
in Foe Kone Ki. s5>) FoeKoue Ki ch. II. pr 7 Nut, 10 and 12 
p- 15. °») ToeKoneki l. c. p. & 


358 Welt Alien. J. Abſchnitt. 9. 5. 


freundet fern, da er Fa Hian an feiner Unternehmung nicht hins 
derlich war, wie dies die Ouhou gewesen. 


6. Khotan, Juthian, oder Yütiän, Kuftana (Erds 
bruft) im Sansfr., Kiu fa tan na5®%) im Chineſi— 
fhen. Nach den älteften Sagen der einheimifchen 
Chroniken, die in den chineſiſchen Annalen der 
Thang:-Dynaftie (reg. v. 618 -907 n. Chr. ©.) aufbes 
wahrt find, 


Die Gefchichte von Khotan geht entfchieden bis in die 
Mitte des II. Yahrhunderts vor Chr. Geb. zurück; denn unter 
der Dynaftie der Han (reg. 140 vor Chr. — 58 n. Chr. ©.) 
wurden die erften chinefifchen Beamten in der Regierungszeit Kat 
fer Wutis (reg. von 140 bis 87 Jahr v. Chr. Geb.; 53 Jahre) 
nah Khotan gefchieft, welche feitdem von dort Nachrichten mit 
in die chinefifche Heimath brachten. 

- In diefer erften Nachricht erfcheint Khotan noch als ein 
geringer Staat, der erft mit der Zeit an Bedeutung und Eultur 
wächft; aber doch in jener Periode ſchon die Anfänge feiner hös 
hern Ausbildung befaß. Diefes Khotan (Juthian oder Yu— 
thian nach Ab, Remuſats und Klaproths Schreibart; Yuͤtiaͤn 
nad Pater Hyacinth und Dr. Schott) R) lag, nach diefer älteften 
Nachricht, von der Weftgrenze Chinas, an der Nordbeugung des 


590) Nach dem Pian itian (einer großen chinefifchen Collection, darin 
alle Facten chronologifcdy geordnet find, und nad) den Dynaftien) 
Liv. LV. in Ab. Renausat Hist. de la Ville de Khotan; vergl, 
Klaproth Mem relat. à l’Asie II. p."292 Not. v1) Aus 
den Annalen der Dynaftie der ältern Han, bi8 20 Jahr 
n. Chr. Geb. Die Völker und Reihe der Giyü; nad 
Dr. Schotts mir gefälligft mitgetheilter Ueberfesung aus dem ruſ— 
fifhen Original des Pater Hyacinth, welches diefer aus dem Chines 
fifhen ſehr getreu überfegt, unter ruffifhem Titel: Opissanie 
Dshungharia i wosstotschnawo Turkistana ete. im J. 
1829 herausgab, d.h, Befhreibung der Dihungarei und 
des öftlihen Zurfeftan in ihrem ältern und heutigen 
Buftande, Si. Petersburg 2. Th. 1. Abth. Diefer Artikel in den 
Annalen der Han, ergiebt ſich daraus, ward auch theilmeife in der 
von Ab. Remufat benugten Collection des Pian i tian aufgenome 
men, und dient daher, wie die ganze intereffante Arbeit, als Critik 
für jene früheren Mittheilungen ; dagegen find fehr viele andere Ar— 
tifel über Siyü, oder die Weftländer, weit vollftändiger darin ent= 
halten, und £önnen hier zum erften male benugt werden, wie dies 
auch ſchon oben bei Schen fen geſchehen ift. 





Oſt⸗Turkeſtan, Khotan, aͤlteſte Geſchichte. 359 


Hoang-ho, von Tſchang-⸗nan, deſſen Lage nicht mit Genauig— 
keit zu ermitteln iſt (ſ. Aſien J. S. 246), 9670 Li entfernt gegen 
Weſt. Man zaͤhlte daſelbſt 3300 Familien, oder Haͤuſer, 19,300 
Seelen, 2400 Krieger, und mehrere Oberbeamte u. f. w. In 
diefem Lande fand man den Stein Zu in Menge. Diefer wird 
nun durch alle folgenden Yahrhunderte hindurch als das cha— 
racteriftifche Product von Khotan aufgeführt, bis in die 
neuefte Zeit. Noch wird in diefer eriten Nachricht nichts von 
dem Religionscultus der Bewohner von Khotan gefagt. Es be: 
ginnt aber in diefer Periode, nachdem die Yuetfchi und Ufiun, 
durch die Hiongnu, aus ihren Urfigen gegen Weften verdrängt 
und auch die Hiongnu von den Chinefen gegen den Norden zus 
rücfgeworfen waren, jenes fpftematifche Civiliſations— 
ſyſtem mit der Einrichtung von Nordmarfen, Mauerführun: 
gen, Städteanlagen, Colonifationen und Embaſſaden, welches 
nad) und nach durch den ganzen Weſten (f. Aſien I. ©. 201, 242 
u.a. 9.) fortrückte, und allmälich auch Khotan und feine Nach: 
barftaaten in den chinefifchen Staatenbund einzufchlingen fuchte. 

Im erften Jahrhundert nad der chriftlichen Zeitrechnung, 
als die zweiten Han unter Kaiſer Mingti (reg. 585—73 nad) 
Ehr. ©.), in Folge der Kriege mit den Hiongnu, ihre Herrs 
fchaft gegen Weften verbreiten fonnten, zeigte fih auch der Koͤ— 
nig Kuangte von Khotan der chinefifchen Oberherrlichkeit erges 
ben. Es hatte damals ſchon 32,000 Familien, 83,000 Yndivi: 
duen und über 30,000 bewaffnete Männer. Zu derfelben Zeit, 
als der chineſiſche Generaliffimus der Weftländer (Siyu), 
welcher Pantfchao hieß, die Hiongnu zu Paaren trieb, erhob 
ſich aud die Macht der Könige von Shen fhen und von 
Khotan, welche offenbar früher durch die Hiongnu fehr bedrängt 
waren. Der König Kuangte in Khotan befreite fi nicht 
nur von diefem Druck, fondern unterwarf ſich fogar 13 andere 
Herrfchaften, weftwärts, bis nah Kaſchghar (Sule), oftwärts 
aber das Reich Sokhiu%), welches zwifchen Khotan und Schenz 
fehen gelegen zu haben fcheint, von dem uns aber nichts Näheres 
befannt if. Die Hiongnu fhiekten einen Feldheren aus, diefes 
ihnen befreundete Neich zu vertheidigen. Pantſchao aber Fam 
diefen zuvor, und erreichte Khotan, wodurd das Reich So: 
Ehiu durch die Khotanpartei zerftört ward. Dieſer Sieg ſchnitt 
— — 

22) Hist. de Khotan I. c. p. d—11. 


360 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. 9. 5. 


den Hiongnu feitdem jeden Zufammenhang mit der Suͤdſeite 
der Sandwüfte ab, gab,den Chineſen dagegen die Herrfchaft 
des Südweges (Nanlu) nach den Meftländern (Siyu), wo— 
durch Schen ſchen und Khotan ftrategifch die Schlüffel 
für China zu diefem Nanlu oder dem Wege nach Indien 
wurden. . 


Der König Kuangte, fagen die chinefifchen Annalen das. 


maliger Zeit, war roh und gehorchte den Dämonen, die ihm ing 
Ohr raunten, daß ihr Geift über feine Abficht, fih mit dem Ehi- 
nefen zu verbinden, zuͤrne. Er wollte diefen Geiftern weiße Pferde 
opfern; er war alfo noch nicht vom buddhiftifchen Glauben. Aber 
feine Furcht vor der Chinefenmacht fieatez er nahm den General 
Pantſchao auf; diefer legte zur Belohnung Garnifonen in feine 
Städte, und beruhigte fo diefes Land, das num feine Tributges 
fchente und Embaffaden nach China entrichtete, die aber wol waͤh— 
zend der innern WVerwirrungen, welche die chinefifchen Herrfchaf: 
ten felbft öfter trafen, und wegen der großen Entfernungen nicht 
fo ganz regelmäßig Statt gefunden haben mögen, als die Chines 
fen anzugeben fcheinen. Vom Jahre 202 werden unter diefen 
Tributgefchenfen auch gezaͤhmte Elephanten genannt, die 
von Khotan nach China an den Hof fommen, und wahrfchein: 
lich wol erft aus Zndien in Khotan eingeführt fenn konnten. 
Unter der Thfin: Dynaftie gegen ihr Ende (419 n. Chr. ©.) 
haben wir in obigem, nach Fa Hians Bericht, diefes Khotan 
und feinen Herrfcherftaat ſchon in voller Bluͤthe kennen lernen. 
Don diefer erften Periode des hiftorifchen Befanntwerdens, durch 
die älteften Annalen und durch Fa Hians Befuch dafelbft, zu 
deſſen Zeit auch der Buddhacultus fihon in vollem Flore 
war, vergeht vom Jahre 500 an ein volles Jahrhundert in der 
Gedichte Khotans, in welcher vielerlei abgeriffene Nach: 
richten mit den verfchiedenen Tributzahlungen und Embaffaden 
in den chinefifchen Neichsannalen einregifirirt werden. Aber erft 
unter der mehr beruhigten Herrfchaft der Thang-Dynafie, 
von 618 bis in das X. Jahrhundert (f. Alien I. ©. 196), und 
der von ihr fofter begründeten 4 großen Tſchin, oder Miliz: 
tairgouvernements, bis Khotan und Kaſchghar, erhals 
ten wir etwas vollffändigere Nahrihten5®) über Kho— 
tan, wie über die Umſtaͤnde und Sagen bei feiner erftien An: 





#93) Hist. de Klıotan I. c. p. 33 ete. 


Dft-Turkeftan, Khotan, ältefte Gefchichte. 361 


lage und Buddhabekehrung, aus den im Lande felbft ein- 
heimifchen Chroniken genommen. 

Ehe wir zu diefen einzig merfwürdigen Civilifationsans 
fängen des centralen Hoch: Afiens übergehen, wollen wir 
aus den fich öfter wiederholenden Deten des V., VI. bis Anfang 
des VII. Sahıhunderts%), nur das Merkwuͤrdigſte nach den chro— 
nologifchen Daten hervorheben. 

An den Nachrichten der Wei: Dpnaftie (445 — 513) wird 
die erfie Legende von der Einführung des Buddhacul— 
tus 9), wol aus einer frühern Zeit mitgetheilt, deren Chronolos 
gie jedoch vermißt wird. Sie ift der Prieftererzählung des Tem⸗ 
pels entnommen, welcher zum Andenken diefer Begebenheit im 
Süden der Stadt unter dem Namen Thſanma erbaut ward, 
und wo man fpäter die Fußtapfe des Pitchisfo, d. i. des 
Foe, oder Buddha, verehrte. Der Hauptinhalt diefer Priefters 
legende ift merfwürdig genug, da ein Kaufmann (alfo aus 
der Fremde, wol aus Kafchmir, f. weiter unten) es ift, der einen 
berühmten Rahan (oder Arhan, ein buddhiftifcher Bettel-) 
mönd), Pi lu tſchen genannt, nah Khotan bringt, welcher 
im Süden der Stadt unter einem Mandelbaum (Feigens 
baum? d. i. der heilige Buddhabaum, f. Afien IV.2.©. 673) 
verweilte. Der erzürnte König eilt zu ihm hin, wird aber fogleich 
von dem Mifjionair freimüthig angeredet, der fagt: Zulai, d. i. 
Buddha, hat mir geboten dich zu fuchen, und dir zu gebieten 
einen Tempel zu erbauen zu Ehren des Buddha. Wenn du es 
thuft, wirft du Seligfeit genießen. Als der König verlangt den 
Buddha felbft zu erblieken, zieht Pilu tichen an einer Glode, und 
in den Lüften zeigte fich ein Zeichen, vor dem ſich der König fos 
gleich profternirte, anbetete und nun unter dem Mandelbaum den 
erften Tempel dem Buddha erbaute. 

Im Jahre 509. Khotan hat viele Fläffe, die fih in Sen 
Sand verlieren; feine Luft ift gemäßigt, beguͤnſtigt den Ackerban 
und die Rebencultur; Obſt und Gartengewächfe find denen von 
China ähnlich, Die Einwohner find geſchickt in der Verfertigung 
von Kupfergefäßen; fie tragen Petfchafte aus den Stein 
Yu gemadt. Zum Schreiben brauchen fte einen Holzpinfel; 
erhält einer einen Brief, fo legt er ihn erſt auf den Kopf bevor 
er ihn erbricht. In ihrer Hauptſtadt, die Straßen, Pläge, Brun: 


®*) ebend, p. 15— 32. 26) ebend. p. 23. 


362 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. $. >. 


nen hat, ift der Königspalaft mit rothen Bildern gefchmückt. 
Der König trägt eine goldene Tiara, an welcher, nach hinten, 
zwei feidene Flügel herabhbängen 5%), 2 Fuß lang und 
jeder 5 Zoll breit, als Zeichen föniglicher Majeftät, ganz fo, wie 
wir den Kopfihmud, eine Tatarenmüge, auf den Mofadphnfess 
Münzen 9) abgebildet finden (f. ob. S. 107), fo daß man hier, 
in Khotan, wol eine getifchzgerinanifche Dynaftie wie am Indus 
vermuthen dürfte, worauf auch der erfte Königsname des Landes, 
Kuangte, und einer der folgenden Kiunte®), die in chinefis 
feher Umftellung an Künig erinnern, führt, wie Kungfun, f. 
ob. ©. 357, dem auch der Ufun Kuenmi verwandt, f. Afien I. 
©. 432. Entfchieden waren die Fürften von Khotan weder 
Hiongnuifcher (f. Afien I. S. 431), noch überhaupt turfifcher Abs 
ftammung, weil unter der fpätern Thang-Dynaſtie an einer 
Stelle”) gefagt wird, daß der König Womi von Khotan (im 
VI. Zahrhundert) zwar eine Zeit lang den Turfherrfchern jener 
Landfchaften unterwürfig geworden war, fich aber bald durch Ans 
fchluß an die Thang-Kaiſer wieder von diefem Joche durch eine 
Embaflade befreite. Die Khotan:Dynaftie ſoll nach der Berfiches 
rung der TIhang-Annalen, bis zu ihrer Zeit, von jeher in ununs 
terbrochener 600) Reihe ihren Thron behauptet haben. Die 
merkwürdige Stelle, die wir früher hinfichtlic der damaligen 
Scheidung des Menfchenfchlages nach Racer, in Often und 
Weiten, von Turfan aus, zur Unterfcheidung des weftlichen kau— 
Eafifchgebildeten Völkerfchlages (f. Wien I. ©. 350 — 351, vergl. 
193, 433 20.) der Turk und Ufun, mit Ausnahme der Bewohner 
von Khotan anführten, ift in deren Beziehung wol nicht zu ftreng 
zu nehmen, da der chinefische Autor nur fagt, daß fie nicht zu 
verfchiedenartig feyen, um nicht noch der chinefifchen Bildung ver: 
glichen zu werden. Die Yuetfchi (Getae) hatten ſich aber vielfach 
mit den Ufun von Anfang an vermifcht, und bei den Bewohnern 
von Khotan war auch der Einfluß chinefifcher Civilifation ſchon fort: 
gefchrittener, um fie dem chinefifchen Ausfehen vergleichbarer zu mar 
chen. Die paar Worte aber, welche „diefe Ausnahme” im 
chineſiſchen Original bezeichnen (daß nämlich, unter den Weftoölfern, 


nur die Bewohner von Zuthian nicht ganz jene langen Pferdes 


5>6) Hist. de Khotan I. c. p. 16, 22. %7) Journ. of the Asiat, 
Soc. of Bengal ed. Prinsep 1834. 8. Vol. IH. f. Plat. XXVl. 
Nr. 4. Coins of Kadphises. »®) Hist. de Khotan p. 15. 

9») ebend. p. 35. 260) ebend. p- 33. 





Oſt-Turkeſtan, Khotan, ältefte Gefhichte. 363 


gefichter mit tiefliegenden Augen und der vorftehenden Habichts: 
nafe mit der Bildung der Turf und Uſun theilten, und dem platz 
ten Geficht der Chinefen vergleichbarer feyen), bleiben nach Ab. 
Remuͤſats Bemerkung I) noch etwas problematifch. 

Don den Frauen des Landes wird gefagt, daß fie keineswegs 
nach der orientalifchen, auch bei den Chinefen gebräuchlichen 
Eitte, aus dem gefelligen Umgange verwiefen blieben, fondern an 
den Männergefellfchaften Theil nahmen, felbft in Gegenwart der 
Fremden, was den chinefifchen Embaſſadeurs natürlich fehr aufs 
fallen mußte. Sie trugen Haarflechten, Unterhofen, Pelzkleider, 
furze, mit einem Gürtel gebunder; fie ritten auf Pferden und 
Kameelen wie die Männer. Das Volk ift dort, fagen die Ihangs 
Annalen, voll Höflichkeit; beim Begegnen begrüßt man fich ins 
dem man ein Knie zur Erde beugt. Dem Cultus des Buddha 
find fie ungemein ergeben. Unter den Tributgefchenfen, welche 
fie in den Jahren 509, 513, 518, 541 einfchieften, waren ausges 
fuchte Pferde, Glasgefäße und ein Steinbild des Buddha 
aus dem foftbaren Yu, das jedoch in einem fremden Lande 
(ob Indien? Kafıhmir? oder Kophene?) fculpirt war. 

Es werden ferner im Lande Khotan 5 große Städte?) 
und einige zehende kleinerer Städte angeführt; unter den Pros 
ducten au Maulbeerbäume, die früher ungenannt was 
ren und ficher erft eingeführte find; auch Hanf, gute Pferde, Kas 
meele und Maulthiere. Der König, der von einer mit Bogen, 
Pfeil und Lanzen bewaffneten Leibwache von hundert Schwert: 
trägern umgeben erfcheint, und begleitet wird von raufchender 
Mufit, von Trommeln, Hörnern, Goldbecken, fey noch weit devos 
ter in feiner Buddhaverehrung als feine ılnterthanen. Unter den 
Tempelbauten in der Nähe der Capitale wird auch auf einem 
Steine der Abdruc der nadten Fußtapfe Buddhas (Pis 
tſchifo's) gezeigt. Bei diefer Erzählung ift es merkwürdig, 
daß in dem fpätern Bericht der nördlichen Tſcheou-Dynaſtie von 
diefem Umftande bemerkt wird, man fehe auf einem Steine den 
Ort wo Pitfchi fo fi) die Beine kreuzweis untergefchlagen 
feßte, und wo die Fußtapfe noch vorhanden fey. Diefes Wort 
„fou“s) d. h. „fih mit kreuzweiſen Beinen ſetzen,“ 
der bekannten ſpaͤtern Art in der Abbildung der Buddhabilder, 


*) Hist. de Khotan p. 29 Not. 1. 2) ebeud, p. 19. 
») edend, p. 29 Not. 


364 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 5. 


ift aber in den Altern Annalen der Wei durch „ſian“ bezeich— 
net, welches nach der Mote des chinefifchen Herausgebers „barz 
fuß“ beißt, woraus es ung wol fehr wahrfcheinlich wird, daß 
die erft fpäterbin nothwendig gewordene kreuzweis untergefchlas 
gene, mit den Sohlen aufwärts gerichtete Stellung der Buds 
dhabilder, wie fie fich in den fpätern Bildungen wiederholt, nicht 
die urfprüngliche war, fondern eine erft durch fpätere aus 
De bungen entflandene Manier des Sitzens, die dann 

[8 Kirchenftnl in Gang fam, während die ältere Art, ganz ger 
—J barfuß mit herabhaͤngenden Beinen zu ſitzen, auch in 
den aͤhteſten Grottenſculpturen, z. B. in Kennery auf 
Salfette ſich bei Buddhabildern zeigt. 

Bei den Verfolgungen mancher Fürften des Hochlandes durch 
die Chinefen flüchten diefe nicht filten gegen den MWeften und 
nehmen ein Afyl % in Khotan, das deshalb aud) zuweilen durch 
fie verheert wird, Wir fommen nun zu den Berichten aus den 
Zeiten der Thang:Dpnaftie (618—907 n. Chr. Geb.), welche 
zugleich über die ältere Zeit von Khotan aus den dort einheir 
mifhen Landes-Chroniken Dachrichten mittheilen, die, wie 
fih daraus zu ergeben fiheint, in Sansfritfchrift verfaßt 
waren, fo daß Khotan fich daraus, wie aus feiner durch den 
Buddha: Eultus überhaupt empfangenen Eultur, als eine Cul⸗ 
tursColonie von Nordhindoſtan bewahrt. Khotan (Zus 
thbian) heißt Kiu fa tan na) (im Chinefifchen, nach dem 
Sanskrit Ku:ftana, fo viel als Erdbruft, mamınelle de la 
terre, nach Ab. Nemufat und Chezy). Auch wird es Huanna, 
Sutun bei den Hiongnu, Hutan beiandern Barbaren, Khius 
tan bei den Hindas, nach den Noten Ehinefifcher Commentato— 
ren genannt, Dom fpätern monsholifchen „Khoda,“ d. h. 
Fefte, fünnte diefer Name, wie oben bemerkt, nicht hergeleitet 
werden, wol aber allenfalls aud) direct vom Sanskritifchen Kotta 
oder Kote (Feftung, wie in den befannten Kote Kangra, 
Dellam kote in Indien u. a.). Hier die feltfame einheimifche 
Mythe 6) der Entftehung und erfien Bevölkerung des Landes, 
dem auch diefe etymologifche Benennung ihren Urfprung 
verdankt. Vor alten Zeiten war Khotan eine Wüfte und uns 
bewohnt, in welcher der Gott Pitſchamen fich niederlieg, 





0%) Hist. de Khotan I. c. P. 18, 22 u. a, >) ebend, p. 32, 35. 
©) ebend. p. 37 —4i. 


Oſt⸗Turkeſtan, Khotan, aͤlteſte Geſchichte. 365 


von welchem die Könige von Khotan ihr Geſchlecht herleiten 
(wir vermuthen einen Heros, da der Königstitel?) von diefem 
bergenommen fcbeint, Bitfchipilian, wie auch der neue Sans 
desgott nach der Bekehrung die Norfesfnlben des antiken, nams 
lich Pitſchi-Foe, d. i. der „Pitſchi-Buddha“ oder Gott 
Buddha, erhalten hatte). Im Suͤden (dem Königreih Tans 
tfhha hi lo?) gefchahe es, das einem Könige Wupyeon (d. 
h. der Trauerlofe) fein Prinz von einem Fürften geblendet ward; 
diefen Fürften ließ er dafür zur Strafe mit feiner ganzen Fami— 
lie nordwärts der Schneegebirge, in die Wuͤſte, in die Vers 
bannung führen. An der Grenze des Abendlandes, in den Ihär 
lern angeſiedelt, wählten fich die Erilirten ein Oberhaupt. Zu 
gleicher Zeit gefchahe es, dag auch ein Kaifersfohn aus dem Mors 
genlande eben dahin verbannt ward, aber oftwärts von jenen fich 
niederlich und Herrfcher ward. Beide Anfiedelungen blicben aus 
Ber gegenfeitiger Berührung, bis fie fich auf der Jagd trafen, wo 
es zum Streit fam, der an einem beftimmten Tage zum Gefecht 
führte, in welchen der Fürft des Abendlandes verlor, in die Flucht 
gejagt, gefangen und erlegt ward. Der Fürft des Morgenlandes 
fammelte die Flüchtlinge zu feinen Schaaren, führte fie in die 
Mitte des Landes, eine Stadt zu gründen, mit der es bei der 
Hathlofigkeit jedoch mißlich ausfah. Die Maurer des Landes weit 
umher wurden zufammengerufen, als Einer mit dem großen waſ— 
fergefüllten Flafcbenfürbis auf dem Mücken berbeifam und rief, er 
fey der Maurermeifter; er fehlittete das Waſſer aus, in großem 
Kreife, und der mächtige Unbekannte Fam der Verfammlung bald 
aus dem Geficht. Aber man bediente fidy der hinterbleibenden 
Wafferfpur, um Mauern aufzuführen, eben da, wo nachher des 
Königs Palaft erbaut ſtand. DerKönig ließ noch andere Bauten 
und Städte aufführen, regierte fein Volk im Frieden und Wohl 
ftand; im hohen Alter aber berief er feine Hofleute und fprach 
Meinem Ziele nahe, ohne Erben, fürchte ich den Untergang mei— 
nes Neiches; bringt dem Pitſchamen eure Gebete, daß er mir eis- 
nen Nachfolger fende. Und fie thaten es; die Stirn des Gottes 
öffnete fih, und es trat ein Kind aus ihr hervor, das man dem 
Könige darbrachte, zur größten Freude des Volle. Da es aber 
nicht faugen wollte, und man deshalb um feine Fortdauer beforgt 
war, wollte man es mit Gebet dem Bilde des Gottes zurücges 





?) ebend, pP» 30. 


366 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. $. 5. 


ben.: Da erhob fih vor demfelben alsbald die Erde in Geftalt 
einer Bruft, an der das Götterfind fog, und nun bald groß 
ward, zum vollfommnen Prinzen ; Elug, tapfer und in allem dem 
Gott gemäß, dem der Prinz fogleich einen Tempel erbaute, um 
darin feinem Ahnheren zu opfern. Von ihm fiammt das Ges 
ſchlecht der KhotansKönige ohne Unterbrechung ab, daher fo viele 
koſtbare Gaben in’ diefem Tempel als Opfer niedergelegt find, die 
feiner derfelben unterlaffen hat. Die Erdbruft, welche dem 
Ahnherrn des Königsgefchlechts die Nahrung gab, ward zum Na⸗ 
men des Ortes feiner Geburtsftätte. Achnliche Sagen von Göt: 
terföhnen und Dynaftienftiftern ſ. in Tübet, Afien II. ©. 192 
u0a0D. 

Auf diefe, wie man fieht etymologifirende, Legende, 
die aber einen biftorifchen Hintergrund der anfänglich wirklichen 
Zuftände des Landes enthalten mag, folgt die zweite, über ®) 
die erfte Einführung des Buddhismus, welche mit der 
früher fehon mitgetheilten im Wefentlichen uͤbereinſtimmt, doc) 
mit einigen Abanderungen. Ausdrüclich wird gefagt, daß zur 
vor diefe Religion im Sande noch unbefannt war, daß 
ferner jener Rahan (oder Arahan, d.h. im Sanskrit ein Ehr- 
würdigen), wobei der Kaufmann unerwähnt bleibt, aus Kaſch— 
mir fam, wo, wie wir aus frühern Unterfuchungen und den 
Berichten des Nadja Taringini willen, fchon feit dem Yahr 392 
vor Chr. Geburt der Buddhacultus blühte (f. Afien II. ©.1101- 
1102). Diefes merkwürdige Datum giebt uns aus diefem antis 
fen Culturlande Nord: Hindoftans den Auffhluß, wie Sanskrit⸗ 
Literatur und Eultur ihren Eingang durch das hohe Mittelafien 
nah Khotan fand, wie wir früher gefehen, daß von der Kabuls 
terraffe aus, von Utfhhang oder Udyana aus, diefelbe Ein- 
mwanderung in die Tübetifchen Landfchaften gefchahe (f.06.©.273, 
285, 297). Der Rahan fchlug feine Wohnung im Walde auf, 
und auf die Anfrage des Königs, wer er fey, antwortete er, daß 
er Schüler des Tathagata (gleichbedeutend mit Yulai oder 
Buddha, nämlich der Wunderbare) ſey. Im übrigen endet die 
Erzählung, die wie die erfte diefelbe nur vollftändigere Priefterles 
gende zu fenn fcheint, wie jene, damit, daß der König gläubig 
wird und einen Kialan oder Kloftertempel erbaut, 

Zu Khotan, fagen die Thang-Annalen, hätten in der frü: 


*e®) Hist, de Khotan p. 41. 


x 


Oſt⸗Turkeſtan, Khotan, ältefte Gefchichte. 367 


hern Periode der Han 5 Provinzen N gehört, welche außer 
Khotan die Namen 1) Junglu, 2) Kanmi, 3) Kiule, 
4) Phifhan führten. Sie werden in den Han:Annalen, 
bei Pat. Hyacinth, gefondert vor und nach Khotan aufgeführt, 
ohne daß außer ihrer Einwohnerzahl und Lage etwas Genaueres 
über ihre Natur angegeben wäre. Yunglu liegt gegen Kleinz 
Tüber, das jegige Yadakh, hin; Dhifchan gegen Weiten nach 
dem heutigen Balti hin, denn es führte der Weg nach Kophene 
und Kandahar hindurch; Kiule hieit Ab. Nemufat für iden: 
tiſch mit Sule oder Kaſchghar im N. W., was aber irrig ift, da 
in den Han: Annalen, nach Dr. Schott’s Lleberfegung, Kiule 
und Sule (Kafıbahar) zwei verfchiedene Artifel und Sand: 
fchaften bilden. Kanmi (au Kiumi, Kiufhenmi)!) das 
gegen liegt 300 Fi, etwa 20 geogr. Meilen, im Often von Kho— 
tan, im Often des Fluffes SKiantali, ein Eleines Gebiet mit dem 
Hauptort Thateli, oder die alte Stadt der Mingmi genannt, 
nur von 40 Stunden Umfang, in welchem, nach dem 54ften 
Buche des Pian itian, worin es befchrieben wird, dafelbft 
ebenfalls, wie in Khotan, die Sanskritſprache in Gebrauch 
gewefen fenn fol. Alfo eine zweite Cultur-Colonie diefer 
Art, von der uns aber die genaueren Nachrichten bis jetzt noch 
fehlen. Es liegt diefes Kanmi alfo in der Reihe nach jenen 
verwüfteten Sandfchaften zu, zmwifchen Khotan, über Pima und 
Nijang, oftwärts von denen oben die Rede war (f. ob. ©.335). 
In den Han-Annalen, bei Pat. Hyacinth, findet es ſich 
nicht unter diefem Namen erwähnt, falls es nicht das dafelbft 
genannte Umi if. Vom Lande Khotan fagen die Thangs 
Annalen, der größere Theil fey mit Sand und Steinfeldern 
bedeckt, aber die befchränfkteren fruchtbaren Streden, alfo die Oa— 
fen, find gut bewäffert, bebaut, bringen alle Arten Früchte hers 
vor. Die Luft ift mild, aber faft immer fanderfüllt, die der 
Wind verweht. In dem Fluffe, der Ju heißt, wird Nachts bei 
Mondfchein durch Untertauchen der Ju-Stein gefiſcht; es giebt 
weißen und blauen. In den Wüften gegen Weft giebt es 
eine Ratte, die im Sande lebt, nur von der Größe des Igels, 
mit goldfarbigem Fell, in Heerden lebend (ob Mus, Wanderratte, 
M. Deeumanus, Dipus oder Meriones- Arten ? fchön ifabellartige 
Springmäufe, wie fie Eversmann in fo großer Menge und von 





#0») ebend, p. 33 Not. 1. 0) ebend, 


5 
368 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. F. 5. 


den verſchiedenſten Arten in der benachbarten Bucharei beobach⸗ 
tete) 611), 

Die Einwohner P) von Khotan, heißt es ferner, find 
in der Buddhalehre und der Kuftiz gut unterrichtet; ihr 
Character it fanft, froͤhlich; fie betragen ſich fehr anftandig, find 
ſchmeichelnd, ceremoniös, tanzen und fingen gern. Die Mufik if 
ſehr gefchägt. Sie fpinnen und weben Zeuge und feine Filze, 
auch Wollenzeuge; die wenigften Eleiden fich blos in Volle und 
Filz, die allgemeinfte Tracht beftcht in weißen Wollenz und Sei—⸗ 
denzeugen. Sie graviren Petfchafte in Ju-Stein. Cie find 
‚ finnreih, lieben die Studien, die Wiffenfchaften und Künfte, 
„Ihre Geſetze, ihre Literatur und ihre Schriftzüge 
„find denen der Hindus nachgeahmt (db. i. der Bud— 
„dhacultus, die Sansfritfprache, die Nagarifchrift), 
„nur mit wenigen Abanderungen. Dadurd ift ihre 
„Barbarei gemildert, ihre Sitten und Sprade har 
„ben dadurd eine Bildung erlangt, welche von der 
„jenigen ihrer Nachbarn abweicht.“ Das Volk lebt in 
Ueberfluß; viele Familien find reich und fricdfertig. Sie verehs 
ren den Buddha und find feinem Gefege fo ergeben, daß fie Über 
100 Kialan, TIempelkiöfter, erbaut haben, in denen an 5000 
Steligiofe leben, welche fi dem Studium der heiligen Schriften 
widmen. hr König leitet feinen Urfprung vom Pitfhamen 
her, ift aber dem Buddha ſehr ergeben, dabei doch fehr £riegerifih, 

In der Nähe der Nefidenzftadt fehlte cs nicht an Tempeln 
und Klöftern, wie uns aus Fa Hians Bericht ſchon befannt 
ift; von mehreren werden in diefer fpätern Zeit der Ihang die 
einheimifchen Legenden 3) mitgeteilt, deren einige auch darum 
ſchon befondere Aufmerkfamfeit verdienen, weil in ihnen ftets Anz 
länge an Sansfritbenennungen find. So liegt im S.W. der 
Eapitale der Berg Kiuſtſchilingkia (vom Sansfr. Gau, der 
Ochs und Schringa,das Horn), die zwei Ochfenhörner 
genannt, von den zwei fteilen Felsfpisen, zwifchen denen 
in einem Felsthale das gleichnamige Klofter erbaut ift, darin 
ein. Buddhabild, das ftets helles Licht verbreitet (wahrſcheinlich 
durch Lampen-Illumination), oder blos fymbolifch zu nehmen, 





sı1) E, Eversmann Reife von Orenburg nad Buchara, herausgeges 
ben von Dr. 9, Lichtenftein. Berl, 1823. 4. f. ©. 120. 
12) Hist, de Klıotan p. 33, 39 — 56. 13) ebend. p. 44 — 67; 





Oſt⸗-Turkeſtan, Khotan, ältefte Gefchichte, 369 


weil Buddha einft hier eine geträngte Ueberficht feiner Lehre ge; 
geben haben foll, weshalb das Klofter erbaut ward, deſſen Melis 
giofe ganz dem Studium der practifchen Doctrin ergeben find, 
die hier gepredigt ward. Auf demfelben Bergabhange liegt noch 
ein anderer großer Steinbau, in dem ein Nahan über hundert 
Jahr lang den Buddha verehrend in Nirvana verfanf, worauf 
die Felfen über dem Gebäu zufammenftürzten und feinen Eingang 
verftopften. 

Eine Stunde fern, im S. W. der Stadt, liegt das Klofter 
(Kialan), Tikiaphan po na, darin ein Standbild des Buddha 
von Kiatchu fich befindet. Diefes kommt wurfprünglich aus 
Khioutchi. Ein Vezier des Königs von Khotan, der in das 
Eril gefchieft ward, hielt fi) lange Zeit in Khioutchi auf, wo er 
diefer Statue dauernd feine Gebete darbrachte, und fie auch noch 
im Gebet anrief, als er auch fchon wieder in fein Vaterland zu: 
rückberufen war, weshalb das Buddhabild aus eigenem Antriebe 
fih in diefes Mannes Behaufung einftellte, der ihm zu Ehren 
ein Kialan erbaute. So die Sage, — Der dinefifche Autor 
des Han ſchan khao, oder des Tractats über „die Falten Berge,” 
fagt 4): jenes Kiatchu werde gegenwärtig Thocha genannt, 
was wir eben fo wenig fennen; woraus aber doch fo viel erhellt, 
daß es wol in den benachbarten Schneegebirgen lag. Hierbei muß 
man nothwendig an das von Khotan gegen Weft 25 Tagereifen 
ferne buddhiſtiſche Königreich Kietchha !°) in der Mitte des 
Thſungling denfen, im heutigen Klein-Tüber gelegen, welches 
Fa Hian durchfchritt, um von da, nach gleichem Marfch, das 
Königreih Tholy (ob Darada?) im heutigen Baltiftan, oder 
Kaferiftan, zu erreichen, wo das Mile Phufa-Standbild, oder das 
Bild des Boddhifatwa war (f. ob. ©. 285, 289). Hatte der 
Bezier diefes Land zu feinem Afyl erwählt, fo begreift man leicht, 
warum die von ihm eingeführte Statue den Namen des „Bud: 
dha von Kiathu” trug; denn fehr wahrfcheinlih möchten 
doch wol beide Namen identifch nur einen und denfelben bes 
nachbarten Gebirgsgau bezeichnen, wodurch noch, außer Kaſchmir, 
auch die Straße nach Kophene, für Khotans Eivilifation, Re 
eröffnet. 


2*) Hist. de Khotan p. 45 Not. 1, »5) FoeKoneKi, ch. V, 
p- 26 und Not. P- 29. 


Ritter Erdkunde VII, Ya 


370 Weſt-Aſten. I. Abſchnitt. $. 5. 


Auch eine fisende Buddhaftatne 16), 7 Tchhi (d. i. 
Fuß?) hoch, wird genannt, die in der Stadt Phu fia i, 300 & 
(15 geogr. Meilen) im Weſt der Mefidenz, wegen ihrer febönen 
Geftalt, voll Majeftät, bewundert ward, eine glänzende Tiara 
trug, und von welcher die allgemeine Sage ging, daß fie erft 
aus Kaſchmir (Ka bi mi lo), durch einen König von Khor 
tan, der Kaſchmir uͤberfiel, dahin entführt fen, aber nicht weiter 
als bis an diefen Ort zu bringen war, deshalb man dort den 
Kialan Uber fie erbaute, Die fpecielle Legende übergehen wir, da 
uns dieg ſchon, nebft unfern frühern Unterſuchungen über Kafıhs 
mir, hinreicht, den fortdauernd einwirfenden Einfluß diefes Staas 
tes, im Suͤden der Schneegebirge, auch auf die Mordfeite deifels 
ben, nicht aus dem Auge zu verlieren. 

Da in Kafıbmir, wie wir aus Hiuan Ihfange Pilgerreiſe 17) 
wiſſen, ſchon feit ältefter Zeit (im VI. Jahrh. vor Chr, Geh.) 
vier große Dagoba-Thuͤrme einſt durch Afofa erbaut waren, und 
man dergleichen, wie in Udyana auch in Kietchha 18), nach Fa 
Hian Uber Buddha -Reliquien errichtet hatte, fo wurden diefe 
Reliquien (Cheli genannt), als große Koftbarfeiten, auch 
frühzeitig nach Khotan gebracht, und ihnen auch dort folche 
„Eörperverbergende Mauerthürme” erbaut, wie am In— 
dus, die von einftigen Neifenden dort wieder aufzufuchen fenn wer: 
den, Ein folcher Bau wird mit einer Wunderquelle und einem 
Kialan, So ma jo 19), nur eine halbe Stunde im Weft der Re— 
fidenz in Verbindung gebracht, und tiber deren Legenden weitläufs 
tig Bericht argeben.” 

Daß Kbotan ebenfalls feine patriotifchen, fühnen Scaevola’s 
und Curtius aufzuweifen hatte, zeigt die Legende vom großen 
Strom 20) (dem Khotans Fluß), der bisher, auf der Weſtſeite der- 
Stadt, gegen den Morden fließend, die dortigen Laͤndereien reich» 
lich befruchtet hatte, aber zum Staunen der Anwohner einft plög- 
lich zu fließen aufhörte. Die Nahans fchrieben dies Ungluͤck 
dem Einfluß des großen Drachen zu, der dem Fluffe vorftehe, 
und dem man Opfer bringen müfle, Indem flieg ein Weib aus 
den Waffern empor, und fagte dem König des Landes, ihr Ger 
mahl fen ihr zu früh entriffen, nur ein zweiter Gemahl fönne fie 





) Hist. de Khotan p. 46—49. 17) Hivan Thſang Reife ıc. von 
SI. Klaproth. Berl. 1834. 8. ©, 6. '*; FoeKoueKi p. 26 
1°?) Hist. de Kbotan p. 80 — 52. 20) ebend. p. 57 — 60. 





Dft-Turfeftan, Khotan, ältefte Sagen. 371 


(fie war der Drachengeift) verföhnen; dann werde der Strom 
wieder fließen. Sogleich fand fi) ein edler Märtyrer, mit Nas 
men Mieou, ein Großwürdenträger, der für das Wohl des Bas 
terlandes, auf einem weißen Pferde ſich in den Strom flürzte, 
Mit der Peitfche theilt er die Fluthen und verfchwindet; der 
Schimmel entfeigt glücklich wieder der Tiefe und bringt eine 
Trommel von Sandelhol; als ein Zeugniß mit zum entgegen: 
gefesten Ufer, daß Mieou, unter die Götter verfegt und der 
Schusgeift von Khotan geworden fey. Die Trommel ward am 
Ihore der Stadt gegen die Suͤdoſtſeite aufgehängt, wo fie feldft 
ertönte, wenn der Feind ſich nahete. Der Strom erhielt feine 
Waflerfülle wieder und brachte dem Lande Segen wie zuvor; 
immer beim erften Monde uͤberſchwemmt und befruchtet ex feitz 
dem in weite Fernen die Felder. Die Drachentrommel war zur 
Zeit der Thang nicht mehr an der Stadtpforte aufgehängt; aber 
noch benannte man als Zeichen derfelben, damals den nahen See 
mit dem Namen der Trommel, aber das Kialan, welches dabei 
erbaut gewefen, lag in Berödung. 

Eine andere Wunderlegende, welche, wie jene, für dortige 
Landesphyſik characteriftifch genannt werden muß, daher auch) 
beide ficher einheimifchen Landes- oder Tempel: Chroniken entz 
nommen find, ift die von der Nattenhülfe und dem Katz 
tentempel?!), welche wie viele andere beweifen, daß neben dem 
Buddhacultus doch noch fo mancher alte heidnifche Aberglaube 
mit in die Zeit der neuen Doctrin hinübergenommen war, Zwölf 
bis 14 Stunden (150 bis 160 Li) fern, im Weſt der Königsrefis 
denz, auf der Mitte des Weges zur großen Wuͤſte, erzählte die 
Chronik, ift ein Tumulus, das Nattengrab genannt. In dies 
fer Wüfte haben die Ratten die Größe der gel, find goldz und 
filberfarbig, bewundernswerth (f. ob. ©. 367). Aus ihren Grus 
benloͤchern gehen fie in Heerden hervor, mit einem Anführer an 
der Spige, dem fie in Allem folgen. Als ehedem die Hiongnu 
zu vielen Hunderttaufenden diefe Länder überfielen, fchlugen fie 
einft auch an den Grenzen Khotans an diefem Hügel ihr Lager 
auf. Der König von Kiufatanna (Khotan) hatte zwar mehr 
rere Zehntaufende von Kriegern verfammelt; doch bangte ihm vor 
der Uebermacht. Cr Fannte zwar die Schönheit der Matten aber 
nicht ihre übernatürliche Kraft; er brachte Opfer, brannte Weih- 


®ı) Hist. de Khotan p. 49 Has? 


* 


372 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 9 5 


rauch und flehte auch die Ratten um ihren Beiſtand an. In 
derſelben Nacht verhieß ihm eine große Ratte den Sieg. Und 
wirklich, als er am folgenden Morgen die Schlacht gegen die 
Hiongnu begann, war dieſen Reiterſchaaren alles Lederzeug des 
Geſchirrs, der Waffen, die Kuͤraſſe, die Schilder von den Ratten 
zernagt. Ohne Schutz und Schirm wurden die Hiongnu geſchla— 
gen, ihr Feldherr erlegt. Seitdem ward hier den Ratten ein 
Tempel erbaut, und ihnen vom Koͤnig wie vom gemeinen Mann 
ſtets Opfer gebracht. Dieſe Rattenſage ſteht nicht allein in der 
Geſchichte; die ganz aͤhnliche, wo dieſe Thiere dem aͤgyptiſchen 
Prieſterkoͤnige Sethos, an der peluſiſchen Wuͤſtengrenze gegen 
Sannacheribs Ueberfall, unter aͤhnlichen Umſtaͤnden, ganz gleichen 
Dienſt leiſten, iſt aus Herodot U. 141 bekannt. Andere Zerftö- 
rungen durch ſolche Rattenheere ſind auch ſonſt in Aſien nicht 
unerhoͤrt; wir führen nur die Nachricht an, welche ſchon Klap— 
voth 2), bei feiner Anwefenheit in Irkutzk erfuhr, als dem 
dortigen Gouvernement officiell mitgetheilt wurde, wie ein großes 
Heer Ratten dur das Meer ſchwimmend nad Ochotzk gekom— 
men, und dafeldft nicht nur Alles in den Magazinen aufgefreffen, 
fondern die Magazine felbft zerftört Habe, wobei man freilich auch 
noch an andere Beihälfe denken mag, wie bei jenen Siegen. 

Zu den intereffanteften Sagen gehört die von der Einfüh- 
rung der Seidenzucht aus China in diefes Königreich, durch 


eine chinefifche Prinzeffin, die fih nad) Khotan verheirathet. Sie 


wird zweimal 23) in den Thang- Annalen, nad den Khotanz 
Annalen, angeführt; aber wie ſchon S. de Sacy dabei bemerkte, 
leider ohne. chronofogifches Datum. Diefes Factum der Ausführ 
rung aus China, denn durch Seidencultur bleibt Khotan fpaterz 
hin, bis heute, immer ausgezeichnet, ift, wie Klaproths Nach— 


forfchungen 2% ergeben haben, in den chinefifchen Annalen niht 
aufgezeichnet, die fonft in folchen hiftorifchen Daten doch von 
mufterhafter Genauigkeit find. Es wird hiernach wahrfcheinlich, 
daß diefe Begebenheit in die Periode der momentanen Unterbres. 
hung jener Annalen fällt, nämlich in die Zeit der Theilung des 


Chinefen-Reichs, die nach der Vernichtung der Dynaftie der 
fin (419 n. Chr. ©.) erfolgte. Die Prinzeffin war vermuth- 





2 22) Mem. relat. a l’Asie 1826. T. IT. p. 299. 23) Hist. de 
Khotan p. 34, 53; Silv, de Sacy im Journal des Savans 1820. 
Sept. p. 529.  ?*) Mem. relat. à Asie T. Il. p. 296. f 





J 
Oſt-Turkeſtan, Khotan, aͤlteſte Seidenzucht. 373 


lich aus der Familie der noͤrdlichen Wei, welche nur das 
noͤrdliche China beherrſchten, dagegen der Suͤden Chinas der 
Sung-Dynaſtie verblieb. Schwerlich, bemerkte Klaproth, 
koͤnnen Griechen und Roͤmer zur Zeit Auguſts und Trajans ſchon 
die Seide (Sericum , 07@, welches der aͤcht chineſiſche Mame, 
sir, für Seide, seta iſt) als ein Product ausKhotan, durd 
Seren erhalten haben, bevor nicht die Seide und der 
Maulbeerbanm aus China nad Khotan (alfo im V. Jahrh.) 
vorpflanzt ward. Damals, fcheint es, fprach man in diefem klei— 
nen Königreiche eine Sprache, die gleichen Stammes mit dem 
Sanskrit war, in welcher „Kſchauma“ die Seide bezeichnete 
E, Kaufen? f. Afien Bd. WW. 1. ©.437— 438). Der Name 
„Sir,“ in China einheimifch, würde aus diefem Neiche 
nicht nach Weften als Serieum vorgedrungen feyn, wenn der 
Stoff aus einem Lande, wie Khotan, wo man eine Hindufprache 
redete, zuerft den Abendländern übertragen worden wäre. — 
Wir haben bei frühern Unterfuchungen fchon gefehen, daß außer 
dem nördlichern Landwege durch Turkeſtan, auf dem Pelu, 
dem Mordivege durch das Fand der Yuctfchi (Getae) und Afi 
(Parther), vermittelt der Seren (der Händler mis Sericum, d. i. 
der chinefifchen Seidenhändler, f. Erdk. II. Bd. erſte Aufl. 1818. 
©. 626 — 643) durch Mittel:Afien, wovon weiter unten vollftän- 
digere Nachweifungen erfolgen, auch noch weiter im Süden, 
direct aus Indien, auf andern Wegen, jene Raufeyas, 
oder indifche Seidengewebe, in weit älterer Periode, ſchon zu 
Aleranders Zeit, nicht nur direct von Indien aus, nach Medien, 
Babylon, Arabien, Aegypten, Tyrus u. ſ. w. gelangen fonnten 
ci. Aſien IV.1. ©. 438), fondern auch ſelbſt die chinefifchen Sei⸗ 
denftoffe, ſehr frühzeitig, auf hinefifhen Zunfen, fiher bis 
in die ceylonenfifchen, malabarifchen und perſiſchen Hafen einge— 
fuͤhrt wurden (f. Alien IV. 2. ©. 29—30, 38, 42, 126, IV. 1. 
S. 592, II. ©. 798). 

Die Khotan:Sage, welche hier analoger Art ift, wie die 
fruͤher angeführte aus dem VII. Jahrhundert, die ſich auf Tuͤbet 
bezieht (ſ. Afien III. S. 232), und welche auch durch die monz 
gholifchztübetifchen Annalen 3). fih für das Jahr 639 n. Chr, 


ans Sfanang Sſetſen Gefhichte der Mongholen n. J. 5 
aus dem Bodhimoͤr. ©, 340 u, fi 


374 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 5. x 


Geb. (bei Schmidt, und 634 bei Klaproth) 26) beftätigt bat, ift 
folgende. Zın Suͤdoſten der Reſidenz Khotan, feine Stunde 
fern liegt das Klofter Louche?”), einft von einer Königin des 
Landes erbaut. Vor Zeiten fannten die Khotaner den Maul: 
beerbaum und die Seidenzucht nicht; aber man hörte von 
denen im Oftreiche fprechen , und bat ſich deren durch die Ge⸗ 
ſandtſchaft aus. Der Beherrſcher des Aufgangs verweigerte dies 
aber, und gebot den Zollwaͤchtern auf das ſtrengſte die Ausfuhr 
zu wehren. Als aber ein Prinz von Kiu ſa tan na eine chineſi— 
ſche Prinzeſſin zur Gemahlin erhielt, ſo ließ er dem Herrſcher des 
Oſtreiches, durch ſeinen Geſandten bemerklich machen, daß ihnen 
daheim die Seide, die Coccons und die Maulbeerbaͤume 
zur Bekleidung der Prinzeſſin fehlten. Dieſe nahm deshalb ins— 
geheim Eier und Samen in ihrer Muͤtze mit, welche der Un— 
terſuchung der Zollbeamten entgingen. So kamen dieſe bis nach 
Khotan, wo die Baume und die Seidenzucht ſeitdem gedie— 
ben, und die erfte Anlage durch Erbauung des Kialan von 
Fouche geehrt ward. Man zeigte, zur Zeit der Ihang, dort 
noch mehrere alte Stämme von Maulbeerbäumen, welde 
die erfien gewefen feyn follten, die man dort gezogen hatte, fo daß 
die Begebenheit etwa in das Ate oder ste Zahrhundert fallen 
möchte, \ 


7. Khotan, feitdem X. Jahrhundert in hinefifcher 
Abhängigkeit. 

Obwol fih China, in jenen frühern Yahrhunderten, fchon 
der Tributpflichtigfeit Khotans oft rühmte, fo wollte deſſen Ab: 
hängigfeit vom himmliſchen Reiche doch nur wenig bedeuten; 
denn der Verkehr blieb doch immer nur fehr unterbrochen, die 
Tributgefchenfe liefen nur in Intervallen ein, und die Abhängig: 
feit war gewiß noch weit geringer als die chinefifchen Autoren zu 
verftehen geben. Auch giebt hiervon die Selbftftändigkeit des Neis 
ches von Khotan, und die Bewahrung der Eigenthümlichkeiten 
feines Volkes den Beweis. Mit der Zeit aber ward Khotan, 
durch das Garnifonwefen chinefifcher Truppentheile, und durch 
die ſtehende Beamtenwelt immer enger an die chinefifche Monar— 
hie gefnüpft, und in allen Verhältniffen mit ihr nivellivt, auch 





220) Descr. du Tubet in Nony. Journ. Asiat. Paris 1829. T. iv. 
p- WS. 27) Hist, de Klıetan, p. 53. R 





DftsTurkeftan, Khotan, feit dem X. Jahrhundert, 375 


fhon vor der Zeit der großen Mongholen Eroberung, mit welcher 
Khotan, das früher fehr gefondert feine Eigenthuͤmlichkeiten darz 
bot, in die allgemeinern DVerhältniffe des chinefifchen Turkeſtan 
überging, von dem es fich heut zu Tage nur wenig unterfcheis 
den mag. 

Aus diefer Abhängigfeitsperiode haben wir noch einige Tocale 
Thatfachen hervorzuheben. 

Die innern Unruhen, welche China öfter in Verwirrung feß- 
ten, hinderten es, wie die Annalen der zweiten TfinsDynaftie 28) 
fagen, fi) um die 4 Theile der Barbaren: Welt, außerhalb des 
himmliſchen Reiches, viel zu befümmern; fie erhielten daher aud) 
von deren Beherrfchern nur wenig Nachrichten. Khotan zus 
mal liege ohne das zu fern, an 10,000 Li von der chinefifchen 
Capitale (eigentlid nur 6000, d. i. 450 geogr. Meil., f. Afien 1. 
S. 203), nahe dem Sande der Pholomen (Brahmanen), 
zwiſchen Tübet und Kafchghar dem Ihfungling benachbart. Dens 
noch ſchickte es in jener Zeit einmal ein Tributgefcbenf an ro: 
them Salz, gediegen Gold, dem Stein Zu, Tüchern und Li, 
d. i. Ochſenſchweife (wol des feidenhaarigen Yack, die be: 
fannten Chowri) nach China; und dem chinefifchen Kaifer war 
fo viel deſſen Befreundung gelegen, daß er ihm das Diplom 
als eis von ihm anerfannten Königs, durd) eine eigene Ems 
bafjade zugufertigen befchloß, im Jahre 940. Diefen Gefandts 
fchaftsbericht des Tſchhang-khuang-ye, des General-In— 
fpecteurs der EFaiferlichen Armee, kennen wir ſchon nach feiner 
Durchwanderung der Grenzwüfte zwifchen China bis Shas 
tfcheou (f. Aſien L S. 212 - 214). Von da weftwärts feßt er 
feinen Weg füdlich von der Nordſtraße, auf einem Wege direct 
bis Khotan fort, in welchem uns Weniges was die Toralität 
betrifft verftändlich ift 29), und auch mit den früher angegebenen 
Daten in den Namen nicht zufammenftimmt. Nur fo viel ift 
gewiß, daß er eben hier jene Wuͤſtenei durchzieht, von der er 
ſelbſt nicht viel zu fagen weiß, als daß fie in jenen Gegenden, 
wo ehedem die Hiongnu von den chinefifchen Heeren ger 
fchlagen wurden Houliu, (ehedem Ouliu) heiße. Es fehle ihr 
on Wafler; fie fon immer Ealt, voll Schnee, und wenn diefer 
fchmelze, dann fehle es ihr auch nicht an Schneewaſſer. Weiter 
weſtwaͤrts im Lande Tſchunghun (72) liege die Stadt Tathun, 





2%) Hist. de Khotan I. c. p. 73. 20) ebend. p 75— 79. 


376 Weſt-⸗Aſien. J. Abſchnitt. $. 5, 


deren Bewohner ſich vor dem Geſandten des Kaiſers proſternir⸗ 
ten. An der Weſtgrenze dieſes Landes fange die Wuͤſte Kian 
(d. h. falziges Waſſer) an: doch fehle es an (ſuͤßem) Waf: 
fer; nur beim Graben in die Tiefe finde man feuchten Sand, 
den man, um den Durft zu löfchen, auf die Bruft lege. Der 
Fluß Hian, den man weiter weſtwaͤrts traf, war mit Eis be 
legt, über das man hinwegfegen mußte. Von da an fam man 
nach dem erften Orte: Kantſcheou (nicht das Chinefifche an 
der Mauer), den die Bewohner von Khotan erbaut hatten. Zwei 
Tage fern von ihm nach Anfiu-tfcheou und dann nach Kho— 
tan. Auf diefer ganzen Strecke, bemerkt der chinefifche General, » 
bis Khotan hin, habe er von Zeit zu Zeit Horden und Lager 
von Tübetern getroffen (eben da, wo vor Jahrhunderten fruͤ— 
ber, füdwärts Khotan in Tübet das Neich der Weiber, der aflatiz 
fhen Amazonen, angegeben wurde, f. Afien II. ©. 210— 211); 
denn die Bewohner von Khotan fenen in beftändigen Kriegen 
mit den Tübetern begriffen; deshalb auch der König von Khotan 
begierig. war mit ihnen einen Sreundfchaftstractat zu 
ſchließen. 

Tſchhang-khuang-ye gab über dieſes Koͤnigreich Khos 
tan zu jener Zeit (940) folgende Auskunft 620). 

Der König Ki hiang tian von Khotan, trägt Klei- 
dung und Müse wie die Ehinefen; die Gebäude feines Pala— 
ftes jind gegen den Oſten gekehrt; man nennt diefen den Kin: 
thfe tian, daſelbſt ift ein Pavillon, welcher „die Sieben 
Phönire” heißt. In Khotan macht man Wein aus Trauben; 
eine Art von violetter, eine andere Art von blauer Farbe; auf 
welche Weife blieb unbekannt, der Geſchmack ift aber fehr ange: 
nehm. Ihre Speife ift Neis mit Honig, auch Hirfe in fetter 
Milch gekocht; alfo Neis und Hirfenbrei. An einer andern Stelle 
wird jedoch gefagt: die Hauptnahrung der Einwohner von Kho⸗ 
tan ſey Hammelfleiſch ). In ihren Gärten ziehen fie 
fhöne Blumengewädhfe. Sie haben ein wohlriechendes Kraut, 
Yunhoei), das man nad) China bringt, unter die Farben 
mifcht, womit man die Zimmer anftreicht, wodurch diefe fehr anz 
genehm duften; die Pflanze ift weiß wie weißer Ju⸗Stein. Sie 
tragen Kleider von Leinwand und Seide, Sie verehren Geifter, 





0) Hist. de Khotan p. 80—81.  ?T) ebend, p. 111. 
2. ebend, pP» 110. 





Dft-Turkeftan, Khotan feit dem X. Jahrhundert, 377 


zumal aber den Buddha. Zn des Königs Palafte find ſtets 

an 50 Neligiofe, in violette Gewande gefleidet, die ihn umgeben. 
Sein Negierungsjahr (im Jahre 940 n. Chr. G.) war das neun 
und zwanzigfte Jahr Ihungfings genannt. 

Die Provinzen im Südoften feines Reiches heißen Yen: 
tſcheou, Lutfcheon und Meitfcheou. An 1300 Li (an 60 
geogr. Meilen) gegen Süden liegt der Diftriet des Ju⸗-Stei— 
nes, nach welchem unter der Dynaftie der Han die Erpedition 
des General Tchang-khian-ye (im 3. 122 vor Chr. Geb.)3) 
gegangen feyn ſoll. Zu dem Ueberfegen der Flüffe in den engen 
Bergpaſſagen dienen im Lande eiferne Kettenbruͤcken 9. 
In den dortigen Bergen ift der meifte Zu. Ein Fluß, der dort 
aus dem KouenzGebirge tritt, theilt fich in drei Theile; der 
öftlichfte, 30 Li im Often der Stadt, heißt Fluß des weißen 
Su (Surung tafıh, f. 0b. ©. 350), der weftlichere, 20 Li im 
W. der Stadt, heißt Fluß-des grünen, und der weftlichfte, 
27 Li im W. der Stadt, des ſchwarzen Zu (Kara tafch, 
ebend.). Denn in allen dreien giebt es Zu, aber von verfchiede: 
nen Farben. Der aus dem Jurung kaſch gewonnene weiße Zu 

"heißt Pe-Ju 3°), der aus dem Kara Eafch erhaltene fommt un: 
ter dem Namen Ou⸗-Ju in den Handel. Jeden Herbft, wenn 
der Fluß trocken wird, geht der König dahin, den Zu zu holen, 
und nach ihm gehen die andern Yandesbewohner eben dahin, 
Dies nennt man gleich einer herbftlichen Ernte die Ju⸗Fiſche— 
rei), Sehen die Einwohner des Landes den Schein des Mons 
des am einer gewiſſen Stelle des Fluffes fich ftets gleichartig fpies 
geln, fo tauchen fie an derfelden unter, und finden dann allemal 
den Stein Ju von befonderer Schönheit ?7). 

Nachdem der General Tſchhang-khuang-ye feine politifche 

Miſſion vollbracht und den Tractat mit Khotan zu Stande ges 
bracht hatte, Eehrte er nach China zurüd. Cine Folge des guten 

- Bernehmens war wol, im darauf folgenden Jahre 942 38), die 
reich ausgeftattete Embaffade aus Khotan, welche 1000 Pfund 
Ju-⸗Stein als Tribut dem Kaifer von China überbrachte, ein 





»°) Ab. Remusat Remarques sur l’Fxtension de l’Empire Chinois 
du Cote de l’Oceident in Mem. sur plus, questions etc. Paris 
1824. 4. p. 114— 118; vergl, FoeKoueKi, ch. VII. p.35 und 
Not. p. 37— 39. 34) Hist. de Khotan p. 111. 35) Hist. de 
Khotan in Recherch. p. 151. »°) Hist. de Khotan p. 84. 

27) ebend, p. 107, ®®) ebend. p. 81 — 82. 


378 Weit Ajien. I. Abſchnitt. $. 5. 


Detfchaft von demfelben Foftbaren Steine, und Amulete, 
welche Kiangmathhu heißen CL. i. die den Todesgott bes 
fiegen; Maradjitra, d. h. Befieger des Todesgottes, 
ift einer der Namen Buddha’). Im Jahre 965 wurden 500 
Stuͤck Zus Kiefel ald Tribut nah China gefchieft, und ein Jahr 
ein ungeheurer Zu: Kiefel von 237 Pfund Schwere dafelbft ges 
fifht und dem Kaifer von China angeboten. Inter dem Tribut 
wird auch, aus der Fabrik Khotansg, ein merkwuͤrdiges Stüd 
angeführt, ein Schreibzeug® aus blauem Eifen, weldes 
bei ihnen gegoffen ſey; wol eine blau damascirte Stahls 
arbeit. 

In der Periode des XI. und Anfang des XII. Jahrhunderts, 
fieht man, aus den Tributen, welche aus Khotan nah China ges 
fchieft werden, daß es feit dem Eindringen der arabifchen Sieger, 
in jenen Gegenden von Sogdiana und Turfeftan, in Handels: 
verbindungen mit dem Weiten getreten ift, und einen Reich— 
thum fremder Waarenzufuhr durch den Karamanenhandel 
von diefer abendländifhen Seite erhielt, der ihm früher 
fremd war. Es find nun nicht mehr wie früher die einheimifchen 
Landesproducte, fondern die Koftbarfeiten der Khalifenreiche, 
welche dur) Khotan nach China gefandt werden. Im Jahre 
971 ift es der erſte gezähmte Elephant *), welcher fogar tans 
zen gelernt hat, den der Khotan König in einem Kriege mit 
Kaſchghar erbeutet, und ihn durd) einen Hoeihu, d. i. einen Turks 
wärter, nach China ſchickt. Im Zahre 1025 ift es, unter andern 
Koftbarfeiten, auch der Dromedar, das erfte einbudlige 
Kameel*), welches unftreitig durch Araber dort hingefommen, 
die Aufmerffamfeit im bactrianifchen und turfeftanifchen Lande, 
wo man bisher nur das zweibucklige fannte, fo fehr erregte, 
dag der König von Khotan es als Seltenheit mit dem Tribut 
nach China fandte. Außerdem find es Perlen, Korallen, Elfen: 
bein, Eiderdaunen, Bernftein, wohlriechende Hölzer, Weihrauch, 
Kampfer, Quedfilber, Gewürznelfen, weftlihe Stoffe und viele ' 
andere Dinge, welche der König von Khotan nah China als 
Tribut fchieft, in einer Zeit, wo ex wirflih, im Gedränge der 
heranruͤckenden Mohammedaner im Welten und der Tübeter vom 
Eüdoften, fich defto enger an die politifche Stüge von China anz 





*°°) Hist. de Khotan p. #0) ebend. p. 86. 
#1) ebend. p. 91, 





Dit: Turkeftan, Khotan, in Verfall. 379 


fchließen mochte, die aber doch keinen Beftand hatte, da nun die 
Mongholenfluth hereindrang und Alles in ihren Ocean verfchlang. 
In diefer legtern Periode ſchweigen die chinefifchen Annalen Über 
Khotan gänzlich, und die darauf folgenden Mings Annalen fas 
gen nur daß in diefer Zeit fich das ganze Sand mit Naubhorden 
gefüllt habe; und was unter der neuen Ming: Bpnaftie #2), feit 
dem Jahre 1406, wo die erfte Embaſſade mit Tribut von neuem 
aus Khotan nach China ging, Über dieſes Land berichtet wird, 
enthält nichts Lehrreiches, oder Neues, über daffelbe. Es heißt 
nur die Weitländer hätten fich, da cs fich zeigte, daß fie fich nicht 
felöft regieren Eonnten, aus Furcht und Mefpect, in den Jahren 
1403 — 1424, wiederum dem chinefifchen Scepter unterworfen, 
und Khotan habe fi nad Ruͤckkehr der alten Ordnung bald 
wieder zu feinem frühern Wohljtande erhoben, und fey zu einem 
friedlichen Durchgangsorte alles Handels der Waaren fremder 
Kaufleute geworden. Aber diefer kann nicht mehr bedeutend ger 
nannt werden, feitdem in der weftlichern Hälfte jener Landfchaft 
nun das bedeutendere und bequemer gelegene Emporium Yars 
kend aufblühte, welches Zuthians Verſinken in Unbedeutendheit 
fördern möchte. Khotans Tribut beftcht feitdem nur außer in 
Ju⸗Stein, noch in Pferden, die fehr gerühmt werden, wer 
gen ihrer Schönheit; ‘von andern einheimifchen Producten die 
fir China von Werth feyn könnten wird gefchwiegen. Das Sand 
ward von Mongholen verheert und nomadifche Meiterhorden was 
ren darin eingezogen. Merkwuͤrdig ift es, daß im Jahre 1420 
der Tribut von Khotan, mit dem feines weitlihen Nachbarftaates 
Patahechang, d. i. Badakhſchan, beide in Pferden beftes 
bend, zum erſten male zugleich genannt iſt, und daß beide 
gemeinfchaftlich ihren Tribut an China in diefem Jahre ent: 
richteten. Auf einer Zeichnung, welche bei der Anführung der 
Gewinnung des Zu Steines der Geographie der Ming Dpnaftie 
beigegeben ift, wird ein Einwohner von Khotan (Yuthian) abge: 
bildet #3), mit kahlem Kopfe, mit Bart um das Kinn und chiner 
fifcher Phyfiognomie, mit haarigem Korper, barfuß und einem 
großen Mantel bedeckt, aus dem nur die Schulter des rechten 
Armes hervorfieht, der mit einem Armband geziert ifl. Die Ge: 
nauigfeit folcher Zeichnungen bei dinefifchen, wie bei den ältern 
europäifchen Geographien, ſcheint meiftentheils nur wenig Vers 





*?) ebend. p. 100 etc. 43) ebend. p. 10% 


380 Welt: Aften, I. Abfehnitt, 9. 5. 


trauen zu verdienen, da diefelben Bilder wol zu verfchiedenen 
Belegen zu dienen pflegten. 


Anmerkung. Der Ju: (Yu) Stein, d. i. Ju-chi der Ehinefen, 
Kafh der Turk, Yeſcheb ber Perfer, oder Zaspis der 
Alten; fein Fundort in Khotan, fein Verbraud und 
Handel. 


Das merkwürdigfte mineralogifhe Produkt Khotans ift unftreitig 
der Zu (Mu), der berühmte Stein der Chinefen, der mit dem Kaſch 
der Turk, und dem Jaspis der Alten (von dem heutigen Jaspis völs 
lig verſchieden), nur dreierlei Kormen eines und deffelben 
einheimifchen Wortes, diefelbe mineralogifhe Subſtanz be— 
zeichnet, welche feit Schrtaufenden eine der Eoftbarften Waaren im Hans 
del des Drients bildete, bis heute noch ungemein gefucht und theuer ift, 
in den Urfprung alles Handelöverkehrs der Culturvölker Mittel» Afiens 
bis in die früheften Hiftorifchen Zeiten hinaufreicht, und feinen Haupts 
fundort nur allein in dem Quellgebirge des Kıhotanfluffes 
bat, dem Karangui Tak (d. h. Nebelgebirge, finfterer 
Berg), der im Zufammenftoß des dftlihen Kuenlun und weftlichen 
Belur, füdweftwärts der Stadt Khotan auch der große Thſung— 
ling heißt. An die Kette des Karakorum = Paffes reiht er fi an und 
bietet hier die Eingänge und Uebergänge, durch Weſt-Tuͤbet 
(Ladakh) und Baltiftan zu Kaſchmir im füblichen anftoßenden 
Himalaya-Syſteme dar, Wir haben fchon früher die Spur einer 
Kunftiiraße der Edelfteinhändter von Khotan nad) Indien, 
zu den Zeiten der Monghotenkaifer, um ihre Prachtbauten in Delhi zu 
ſchmuͤcken, verfolgt, welche Moorcroft wieder entdeckt hat, die über 
Suritia (fher Surifgol, Saragol auf Klaproths und auf 
Grimms Karten), im Oſten des Puſchtikhur, und über den Karas 
korum-Paß nad) Ladakh, von da über Rudok, duch Una Defa 
das Land der Shawl-Wolle, und dann über den Himalaya nad) Hindoftan 
hinabführte zum Lolldong= Paffe, die Badſchah, d. i. Kaiferftraße 
genannt, auf welde wir hier zurüdweifen (f. Afien II. ©. 560 — 562). 

Dem Ju-Steine hat Khotan feine Berühmtheit im Oriente 
noch mehr zu verdanken als der Sanskeit= Literatur und feinem zelotis. 
ſchen Eifer im Buddhathum: denn diefer Iegtere Ruhm war vorüberges 
hend, Die Fundgrube des Zu erhielt ſich aber, durd) alle Jahrhun— 
derte, bis heute, und wenn fie früher ven einheimifchen Königen 
die Mittel gab, durch deſſen Bergabungen, wichtige, politifche Relationen 
mit dem Auslande zu erhalten: fo ift fie heut zu Tage, als Eaiferliches 
Monopol, noch ein Hauptgrund geblieben, den Scepter des himmlis 
Then Reiches fegnend über die Barbaren in Khotan walten zu laffen, 
und ihnen die Gnaden zw verleihen, die von dort ausgehen. 





ft: Turkeftan, Khotan, Ju-Verbreitung. 381 


Der ungemein Iehrreichen und gelehrten Abhandlung unfers hoch— 
verehrten Freundes, des nun ſchon entfchlafenen Ab. Remufat, der 
wir hier Yorzüglidy folgen, und welche uns am viele andere von ihm 


ſchon vorbereitete, wichtige Arbeiten ähnlicher Art, bie er aber nicht 


mehr vollenden ſollte, ſchmerzhaft erinnert, koͤnnen wir nur weniges 
Wichtige hinzufuͤgen, einen Bericht, den neueſten, intereſſanteſten aus 
dem Siyu wen Eian lo, 1778, über den Fundort ausgenommen, der 
ihm damals noch unbekannt geblieben war. Naͤchſt Timkowskis4) 
erſter Mittheilung verdanken wir denjelben, in einer vollftändigen Ueber— 
fesung, dem Pater Hyacinth aus dem Chineſiſchen ins Ruſſiſche, und 
aus dem Ruffifchen dem Dr. Schott *°), 

"Bir wollen fogleich mit diefem vollftändigften, Iehrreichen Berichte, 
nad) defjen eigenen Worten, doc) fo, dab wir des Paters irrige Vertau— 
fhung des Wortes Jaspis mit dem Namen Ju weglaffen, und diefem 
feinen urfprünglichen chineſiſchen Namen reitituiren, beginnen, und dann 
die Eritifhen Bemerkungen des fprachgelehrten Ab, Remufat und an- 
derer Sachverſtaͤndigen folgen lafjen. 

Der Zu, fagt das Si yu wen kian lo, wird in dem Zluffe von Kho- 
tan gefunden, Die großen Steine diefer Art haben die Größe einer 
Schuͤſſel, die Eleinern die einer Fauft oder einer Kaſtanie; mancher der— 
felben wiegt 300 bis 400 Pfund. Sie find von verfchiedener Farbe; die 
fchneeweißen, dunfelgrünen, wachsgelben, zinnooerrothen und tintens 
ſchwarzen, fhäst man am meiften. Schneeweiße Zu mit rothen Puͤnkt— 
chen, und dunfelgrüne mit Goldftreifen, find eine Seltenheit. Das Bette 
des Fluffes ift mit Steinen von verfchiedener Größe bededit, unter denen 
auch die Zu zerfireut liegen. Man erlangt fie auf folgende Weife: 
Etwas fern vom Flußufer ſteht ein Mandarin, und in der Nähe deſſel— 
ben ein Offizier von der Garnifon als Aufſeher. Zwanzig big dreißig 
erfahrne fürkifche Taucher gehen in den Fluß, und ftellen fich der Quere 
des Fluffes nad), Einer zur Seite des Andern, auf den Grund, fo daß 
fie mit ihren nadten Füßen die Steine berühren. So oft ein ZusKiefer 
fi findet, erkennt ihn der Taucher ſchon, indem er darauf tritt, Er 
buͤckt ſich, alsdann hebt er ihn auf und bringt ihn an das Ufer. Ein 
Soldat ſchlaͤgt an ein Eupfernes Beden und der Offizier macht auf ein 
Stüd Papier einen rothen Punkt. Wenn die Taucher aus dem Fluſſe 
heraus ſind, ſo muß die Zahl der Steine, welche ſie geliefert, der Zahl 
jener rothen Puncte gleich ſeyn. 

Außer dieſem Fundorte wird nun auch in dieſem Berichte des Si— 


°**) Timkowski Voyage ed. Klaproth. Paris 8. T. I. p. 404 — 405. 
*°) Opissanie Dshungharia i wosstotchnawo Turkistana ete, v. Pat, 
Dpacinth nad) Dr. Schott's Ueberf. Abth. 2. über Yerkiang, nad 
dem Si yu wen Eian lo (d. h. Befchreibung des von mir Gefehenen 
und Gehörten an den Weftgrenzen des Reihe). Edit. Peking 1778. 


% 


* 


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382 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $ 5. 


yu wen kian lo noch eines zweiten erwähnt, der 230 Li (etwa 164 geog. 
Meilen) fern von Yarkend; es ift der Berg Mirdfchai, weldyer ganz 
aus Zu von verfchiedenen Farben befteht. Einige ſtecken in einer Rinde, 
andere haben Stückchen Quarz inmwendig (alfo ein drufenförmiges Vors 
kommen). Wer reinen Su, ohne alle Beimifhung zu erhalten wünfcht, 
und dazu Stuͤcke die bis zu 10,000 Pfund wiegen, der muß auf den 
hoͤchſten Gipfel des Berges gehen, bis wohin felbft die Eingebornen nur 
mit Mühe gelangen koͤnnen. Es giebt hier Ochſen, die gut klettern. 
Der Turk befteigt einen ſolchen Ochfen , verfieht fi mit Werkzeugen, 
und haut wenn er oben angekommen ift die Steine ab, weldye dann von 
-felbft hinunterrollen. Diefer Zu heißt Berg-Ju. Derfelbe wird, 
nad) einer Anmerkung des Pater Hyacinth, auch noch auf folgende Art 
gewonnen. An einem dazu ausgewählten Orte jest man einen Haufen 
Brennholz nieder, und zündet diefen an, Iſt das Holz verbrannt, fo 
haut man das heiß gewordene Zu ſtuͤckweiſe ab. Ohne diefe Vorkehrung 
it das Abhauen fehr Schwierig. Zu diefem Gefchäfte wohnen ftets Lifes 
ranten mit Brennholgvorräthen am Fuße des Berges. Die Stelle diefes 
Berges Mirdfchai wird nicht näher bezeichnet; indeß ſtimmt die Lage 
der heutigen Stadt Mizar oder Mifar (f. Afien II. ©. 638), unter 
370 N. Br. und 75° D.L. v. Par. (auf Klaproth Carte centr, de l’Asie), 
im Südoften von Yarkend, der Diftanz nad) fo genau mit jener Angabe, 
dag wol die nahe Gebirgskette, welde die weſtliche Fortfegung des Ka⸗ 
rangoui Tak von Khotan gegen Yarkend hin bildet, eben diefer Berg 
Mirdſchai feyn möchte. Hierzu kommt eine Unterftügung diefer Ver⸗ 
muthung in der ganz dicht daran, gegen Süd, auf der Route nach 
Ladakh liegenden Station, Tereklak Payin, auf derfelben Karte, 
die offenbar der Eingang zu der beherrfchenden Paffage über Kulan zum 
Neuen Bergpaffe ift (f. Afien II. ©. 638). Im diefer möchte man 
den fonft unbekannten Namen ber Provinz Peyn (Pesyn, Poim 
oder Poin)*+*) des Marco Polo wieder erkennen, die er zwifchen 
Yarkend (Karkan) und Khotan, zu feiner Zeit, ald den Fundort der 
Ghalcedone und Jaspis (Diaspro, d. i. der Kaſch) bezeichnet, die alle 
nur von dort nad) China gebracht wurden. Diefe Vermuthung wird 
aber durch Mir J'ſſet Ulahs Reifeberiht zur Gewißheit erhoben, der 
eben bier, obwol ihm diefe Erinnerung an das alte Peyn unbekannt 
bleibt, dafelbft die Lage des Ju-⸗Bruches beftimmt angiebt. Seine Worte 
find in der früher ſchon eitirten Ladakh-Route nad) Yarkend folgende: 
Rad) unferer Abreife von der legten Station (vor Yarkend), erreichten 
wir das rechte Ufer des Fluffes von Yarkend, den wir zu Kulan uli 





64) M. Polo Ed. Marsden L.I. c.33. p.154, cf. Ab. Remusat 
Hist. de Khot. p.119; vergl. Il Millione Ed. Baldelli Boni Fi- 
renze 1827. 4, Vol. I. Lib. 1. c.41. p. 34 Not. 





Oſt-Turkeſtan, Khotan, Kurs Verbreitung. 383 


hatten lin ks liegen laffen. Ein wenig über biefen Ort hinaus, {ft im 
Flußbette „die Hefhenftein- Mine,” *7) welche die Einwohner 
aber nicht bearbeiten können. Steht das Waſſer fehr niedrig, ſo ſchickt 
die chinefifche Regierung Taucher, um den Grund des Fluſſes zu unters 
fuchen, und alle Steine, die darin gefunden werden, find ihr Eigentum 
u. ſ. w. Kulan ift aber die ganz nahe Station, die kaum eine Meile 
ſuͤdlich vom obgenannten Payin entfernt liegen Tannz das Peyn 
Marco Polo’s ift alfo hierdurch wieder aufgefunden, und fein Schreibe 
fehler. 

Der Zu von Yarkend und Khotan, weldher in den Flüffen Sus 
rungkaſch (hier, ift nicht „„tafch‘ fondern „kaſch“ gefchriebenz 
taſch im Turki ift Stein, aber kaſch fpeciell der Zu=- Stein) und 
Karakafch gefunden wird, kommt in unbeftimmten Quantitäten an 
den Hof, und wird von Station zu Station bis Peking auf Kameelen 
transportirt. Privat- Transporte find fireng verboten; aber ſowol die 
Eingebornen als die Kaufleute verfahren dabei, fagt das Si yu wens 
kian lo, mit folder Schlauheit, daß man diefem Unfuge trog aller Wach⸗ 
famkeit nicht zue Genüge fteuern Tann. 

Diefelbe Nachricht von dem doppelten Fundorte des Zu hatte auch 
fon Pater B. Goës *®) ganz richtig gegeben, nur in feinen Namen 
zu fehr entftellt (er nennt den Stein mit dem chinefifhen Namen Zusce, 
d. i. offenbar Sushi, Ju-Stein; den Berg mit dem Ju-Bruche nennt 
er Eofanguicafcio, d. i. offenbar Karangoui Kaſch, oder 
Tat. Er liege 20 Tagereifen fern von der Refidenz Yarkend (Hiar— 
dan), in wilder Einfamkeit, man koͤnne dort Platten von 2 Ellen 
Breite abfpalten, während der Zu in dem Fluſſe nur wie Perlen gefifcht 
werden müffe, ’ 

Diefer Ju-Stein oder Kaſch iſt e8, der bei den aftatifchen Voͤl⸗ 
£ern unter den Steinen im Köchften Werthe fteht, und für China als 
kaiſerliche Prärogative erfcheint. Wir führten fchon früher an, daß die 
Fülle und Pracht diefer Schmudfteine in der Eaiferlihen Vila zu Jehol 
die britifchen Befucher überrafchte, und daß auf jedem der Eaiferlichen 
Seſſel aller zahllofen Zimmer dortiger Paläfte jedesmal ein Scepter 
lag, aus diefem Steine gefchnitten, in Form einer Blume, die ald Syms 
bol vom Gluͤck und. Wohlſtand der regierenden Dynaftie gilt (f. Aſien L. 
©.138). Die höhere, magiſche Bedeutung, welche diefem Steine -beis 
gelegt wird, geht ſchon in frühere Zeiten zurüdz denn die Schaale *°) 


*7) Mir Issst Ullah Voyage dans l’Asie eentrale 1812. in Klaproth 
Magasin Asiatique. Paris 1826. 8. T. II. p. 28 *°) Nicol. 
Trigautins de Christiana Expeditione apud Sinas 1. c. p. 552. 

*°) Sfanang Sfetfen Gefch. der Oſt-Mongholen aus dem Monghol. 
= 3. Schmidt 4, St, Petersburg 1829. S. 83 f. Not, 36 


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384 Weft-Aften, I. Abfchnitt. 6. 5. 


mit dem Töftlichen Tranke Daraffun, welche dem Tſchingiskhan vom er- 
habenen Chormusda Zegri zur Beftätigung feiner göttlichen Abſtam— 
mung dargereicht wird, ift von bdiefem Zu (Chas bei Schmidt), eben 
fo wie fein Herrfcer » Siegel, Chas Boo genannt. In den weit äls 
tern finghalefifhen Annalen (Mahavamfi, nad) berichtigter Schreibart) 
bildet fogar Zu den himmliſchen Thron des Buddha, Es heißt da⸗ 
ſelbſt *5°); As Budha Gautama zum Buddha ward, erhob er ſich auf 
einem Throne von durchſichtigem Stein, der aus der Erde in den Hims 
mel ftieg, dem Ju, an den Quellen der Himalayahöhen, der die Kraft 
des Talisman hat und Buddha zum Thronfig dient. Upham der Les 
berfeger aus dem Ginghalefifchen erklärt ausdruͤcklich, daß es der Zu 
aus Khotan fey, der hier bezeichnet werde, obwol wir fonft feine Spur 
finden, daß er jemals durchſichtig wie Bergerpftall oder andere Edels 
fteine vorfommez wol aber wird einer durchſichtigen Quarzart aud) der 
Ehrenname Su beigelegt (Choui-Ju, d. h. wafferheller Su, 
wegen feiner wafjerhellen Klarheit) °), 

Daß Schon im II. Sahrhundert vor Chr. G. diefer Su, unter der 
HanzDynaftie als das Eoftbarfte Product von Khotan angeführt wird, 
ift aus Obigem bekannt. Seitdem geht fein Ruhm durch alle Sahrhuns 
derte dur. In welcher Menge er ausgeführt ward, und fid) dabei 
immer noch in den höchften Preifen erhielt, geht beifpielsweis aus den 
Annalen vom Sahre 780 hervor. Damals warb der Hofmarſchall des 
Zaiferlichen Palaftes aus China nad Khotan gefickt, um dieſen mit 
diefem Schmudfteine zu verfehen. Es brachte verfelbe auf feiner Karas 
wane von Kameelen, in diefem Jahre allein, mit zurüd, von Zu *2): 
eine Zafel, 5 Agraffen, ein Wagenornament, 300 Stud Zafeln zu Gürz 
telfhmud, 40 Aaraffen für den Kopfihmud, 30 Vaſen von Su, 10 
Armbänder, 3 magifche Eylinder (Pilons) und 100 Pfund an rohen 
Stüden. Doch wurde Alles dies eine Beute räuberifcher Hoeihei (Zurk) - 
der Sandwuͤſte. Späterhin werben noch viele andere Schmuckſachen, 
felbft ganze Schränke *2) von Zu (wahrfcheinlid, fournirt), Schreibzeuge, 
und andere daraus gefertigte Dinge genannt: ß 

Sn neuern Zeiten, feitdem der anftehende Bruch im Berge Mirde 
fchai bekannt wird, mag es auch größere Mafjen dieſes Eoftbaren Stei— 
nes geben; früher waren fie ſtets nur auf mäßige Größen. befchräntt, 
Jedes Zahr, den fünften und festen Mond, fagt ein dhinefifcher Bes 
richt °*), zur Zeit der Ming, uͤberſchwemme der Strom, wälze vielen 
Su mitz verliere er dann fein großes Waffer, fo fange die Su- Ernte 





5°) Mahayansi Edit. Upham. 1833. 8. Vol. I. ch. I. p. 4. 
A Hist. de Khotan in Recherches J. c. p. 168. 

=) Hist. de Khotan P» 73: 5) ebend. p» 82. 

53) ebend, p. 112. 





Dft-Turkeftan, Khotan, Ju-Stein, Kaſch. 385 


an. Auf des Kaifers von China Verlangen nach großen Stücen, ſchreibt 
der Koͤnig von Khotan, es ſey ſchwer dergleichen zu finden; ſelten ſeyen 
fie 1 Schi und 1 Thſun (1 Tchhi = 0'305 und 1 Thſun —- 

L Schi ), d. i. efwas über einen Fuß lang. Das größte damals nach 
—* Suchen gefundene Stuͤck hatte 2 Thhi (= 0610), alſo etwa 

2 Fuß Länge; feine Farbe glich der des Specks. Es werden vorzüg- 
lich fünf Farben und Eigenfchaften angegeben, nad) denen die Stüde im 
Werthe fanden: weiß, wie Sped in 9 Gradationen; gelb, wie ge⸗ 
kochte Kaſtanien; ſchwarz wie Firniß; roth, wie ein Hahnenkamm; 
gruͤn, die gemeinſte Art. In dem kaiſerlichen Palaſte zu Peking ward 
ein Maaßſtab (Etalon)°*) für alle Nuͤancen des Zu angelegt, 
die anfommenden Stüde abzufhägen, wie bafelbft ein Maapftab zur 
Prüfung der Reinheit des Goldgebaltes eingerichtet ward, Alle Arten 
des Zu > Steines, welche noch heut zu Tage gefunden werden, ftchen 
zuerſt dem Kaijer zur Auswahl, 

Außer Khotan wird zwar, in einer gewiſſen Periode, angegeben (im 
Hung fing tian) 5°), daß der befte Su aus Lanthian in Schenfi und aus 
‚einigen andern Gegenden gegen Jinan, in Süd- China, in den Waffern 
(wol als Kiefel?) gefunden werde; daſſelbe ſagt auch die dhinefifche Nas 
turgefchichte des Penthfao °?); aber diefe Fundorte hörten auf; es 
ward Eein Zu mehr von dort gebradht, und aller Ju zu den Schmud: 
vaſen, zu den Geremonien, zu dem Geſchirrſchmuck der kaiſerlichen Equi— 
pagen, zu den DOrnamenten des Palaftes und der Garderobe des Eaifer- 
lichen Hofes, ward nur allein fernerhin noch von Khotan geliefert. Was 
in neuefter Zeit von Dr. Clarke Abel ®) über das Vorkommen des 
Su in der Provinz Yünnan gefagt wird, die er eine der Nordprovinzen 
nennt, fcheint wol nur ein Irthum zu feyn. Der Su wird, feiner Härte 
ungeachtet, zu ben mannichfaltigften Gegenftänden aud) gegenwärtig noch 
verarbeitet. Alle Bogenfpigen beftehen aus Suftein, eben fo felbft Ket— 
ten, Scepter, Taſſen, Vaſen. Eine eigene Claffe von Steinfdhneis 
dern (Jutſiang genannt) arbeitet ununterbroden im Eaiferlichen Pa— 
lafte, und oft find 10 Arbeiter mit einem und demfelben Stüde beſchaͤf— 
tigt. Er foll mit Korundpulver, das angefeuchtet wird, und mit Dia— 
mantfpath gefchnitten werden, die fie aus Ganton erhalten follen. Den= 
noch fcheinen fie dabei noch eigene, den Europäern unbekannte Metho— 
den zu befisen. Die Arbeit ift ungemein koſtbar; in Peking jelbft, bes 
merkt Dr. Clarke Abel, ſey der Preis eines Griffs, in Form einer 
Eidere, von weißem Su, an 120 Dollars, oder nach Silberwerth in 





85) Hist. de Khotan p. 115. 3°) ebend. p. 137. 67) ebend. 
p- HI. 58) Clarke Abel Nasrative of a Journey into the 


Interior of China. Lond. 1818. 4. p. 132, 212. 
Kitter Erdkunde VII. Bb 


S 


386 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 6. 5. 


China 30 Guineen. Bei dieſem hohen Preiſe ſey dieſe Waare, ihrer 
Nutzloſigkeit ungeachtet, doch ganz ungemein geſucht. 

Leider iſt der Ju-Stein ſelbſt noch in den europaͤiſchen Mineralien⸗ 
ſammlungen ſehr ſelten und nicht mineralogiſch unterſucht; deshalb ſeine 
genauere Beſtimmung, welche ihn wahrſcheinlich zu einer eigenthuͤmlichen 
Art erheben wird, ſehr wuͤnſchenswerth. Ab. Remufats Unterfus 
chungen #°?) verdanken wir die genauere Unterfcheidung dieſes merkwuͤr⸗ 
digen Productes von vielen andern, damit, nad) Namen und Inhalt, 
ftet3 verwecjfelten Gefteinsarten. Daß Marco Polo dieſen Stein une » 
ter dem Namen Diaspro in Peym kannte ift oben gejagt, wie baf 
Hater B. Goüs aus Khotan felbft ſich mit diefem Su (den er eben= 
falls Jaspis oder Marmor nennt) einen nicht unvortheilhaften Handel 
trieb. Hättner, van Braam, Deguignes, Grofier und Andere nannten 
ihm nach den Anfichten der Miffionare in Peking Agathe oder Jaspis, 
B. Go&s war von Kabul aus gereift, wo er in der Karamane einer 
Schwefter des Königs von Kaſchghar, deren Verwandter auch der König 
von Khotan war, 600 Goldftüde, ohne Binfen, vorftredte, da ihr auf 
der Rückreife ihrer Pilgerfahrt von Mekka das Gold ausgegangen war. 
Diefe Dame verfprah ihm, in ihrer Heimath, die Summe wieder zu 
zahlen, was fie auch redlich thatz der Pater z0g es vor, die Auszahlung 
zu Khotan in Su=r Steinen einzucaffiren, weil dies die bequemfte 
Handelswaare °°) nad) China ausmadıte. 

Bei mehrern tatarifchen Völkern heißt diefer Zu wirklich Kafdı 
(Chass), woraus, unftreitig ſchon in frügefter Zeit, der Name Jasp 
oder Saspis hervorging. Aber der Name Zu ift für diefen Stein 
als eigenthümliche Benennung fehr antit. Schon im Li-ki, im Kapitel 
Pheng-i, und felbft im Seking des Gonfuge (Khung-fu- dfü) kommt 
er vor, wo fein Schriftzeidhen °') + die Schnur dreier Eoftbarer 
Steine bezeichnet, zu welchem erft fpäter, zur Rechten, ein Punct zuges 
fügt wird. Unter der Dynaftie der Han erhielt er den myfteriöfen Nas 
men Hiouan-tchin (kiefe Wahrheit). Im Japaniſchen heißt er Tas 
ma, Artama, Giok; im Mongholifhen Kaſch oder Kaſch-tſchila⸗—⸗ 
gun (nad) Ab, Remuſat; Ehaff oder Chaſſ-Tſchilohn bei 3. 3. 
Schmidt °?); vergl. Aften II. ©, 288); bei den orientalen Turk Gas, 
Kaſch, Khaſch, und daher hei den Perfern Yeſchm, PYeſcheb 
(Saspis). Den dhinefifhen Namen Zu haben aud die Zübeter in 


659) Ab. Remusat Recherches sur la Substance minerale appellee 
par les Chinois Pierre de Ju et sur le Jaspe des Anciens in Hist. 
de Khotan. Paris 1820. p. 119— 239. °°) Nicol. Trigautius 
de Christiana Expedit. apud Sinas. 4. Ang. Vindelic. 1615. p. 548. 

°!) Ab. Kemusat Rech. p. 124. °?) Sfanang Sfetfen Gef, d. 
OR: Mongholen a. a. O. S. 83 Not. 36 ©. 382. 





Oſt⸗Turkeſtan, Khotan, Ju-Stein, Kaſch. 387 


G⸗Ju beibehalten (doch ſoll er auch Chel heißen), wie die Mongholen 
in Ugju, und die Mandſchu Gou. Setzen die Chineſen aber noch die 
Bedeutung Stein hinzu, fo beißt ev Ju-chi, d. i. Juſchiz eben ſolche 
Zufäge find bei den Mandſchu die Namen Gou-wekhe, bei den Mon— 
holen Kaſch- oder Chafj-Tfhilohn, was in der Ausfprade 
Kaſch-Oſchilun oder Oſcholon Elingt, woraus denn der Name in 
Kafholong (Cacholong) übergegangen, womit bie Kalmüden fehr 
allgemein ihre Agathe mit Opalfarben und andere Steine bezeich- 
nen (f. Aſien I. ©, 884, 11. ©. 349, 351 u. a. D.). Durch die Berg- 
leute in Nertſchinsk und Barnaoul ift der Name Kafholong zur Be- 
zeichnung jener Tönen Kiefel des Hochlandes, in allgemeinen Gebrauch 
gekommen, und bezeichnet, obwol es urfprünglich derfelbe Name ift (der 
auch in die Echriften der Naturforfher wie Wallerius, Cron— 
ſtadt, Pallas.u. a. überging), doch von dem eigentlichen Kaſch oder 
Su gang verfchiedenartige Geſteine. 

Die Tefuiten Miffionäre 2), welche den Stein felbft Eennen lern⸗ 
ten, und ihn am beften befchreiben, haben jedoch irrig den Su vom 
Vu⸗-che unterfchieden, was nur cine andere Schreibart if. Die Chines 
fen, welche alle phyfifchen mit den moralifchen Eigenichaften ſyſtematiſch 
zu paralleliſiren pflegen, geben, nach dem Hiu-chin, dem Su den Vor— 
rang vor allen andern Steinen nad) feinen 5 phyſicaliſchen und 5 
ſymboliſch-moraliſchen Eigenfdaften °*): 1) fein Glanz 
ift mild, human; feine Feftigkeit ift die der Moderation und Gerech— 
tigteit; 2) fein Klang gleicht dem der verbreitetften Wiffenfchaft; 3) 
feine Unbiegfamteit, Unveraͤnderlichkeit, bezeichnet den Muth; 
4) fein Gefüge, oder Korn, ift das Symbol der Reinheit. Der ganz 
weiße, Elingende, dem Schweineihmalz gleich fehende, wird der wahre 
Su genannt, von welchem die übrigen nur als die Varietäten angefehen 
werben. Auch giebt es kuͤnſtliche Nachahmungen diefes Steins bei den 

Hinefenz; deren Maffe zu Gläfern, Vaſen u. f. mw. verarbeitet ſchwer 
zu unterfcheiden ift von dem ächten, und weit in den Handel bis nad 
Syrien, Arabien, Aegypten ging °®). 

Die frühere Verwechslung der fibirifchen Kaſcholongs, Agathe, Zass 
pis u. f. w., welche von den Mongholen, Buräten, Zataren in Daurien 
in Menge in ganzen Säden in den Handel nad; Nertſchinsk, Irkutzk u, 
f. w. kommen mit dem Su, ift durdy Klaproth, den Sohn und Vater, 
berichtigt, da jener denfelben auf dem Markte von Kiachta (1805), als 
ganz verfhieden vom Jaspis Eennen lernte. Der Zu in Kiachta ift von 
enormen Preifenz der Elinfte Zlaccon wird bafelbft mit 00 Rubeln 





) Memoires Concerrant l’Histoire des Chinois, T. VI. p. 258 etc. 
°*%) Ab. Remusat Recherches in Hist. de Klıotan p. 133, 
6°) ebend, p. 159, 

502 


388 Welt: Afien, I. Abſchnitt. 9. 5. 

Silbergeld, oder 900 bis 1000 Franken bezahlt; dagegen biefelben Flac⸗ 
cons von Kaſcholong, in welpen die Chinefen dort ihren Schnupftabad 
zu haben pflegen, nur 2 bie 3 Rubel, zu jener Zeit, Eofteten. Ein his 
nefifcher Siegelring aus Su, den Klaproth der Sohn, feinem Vater, dem 
berühmten Chemiker zur Analyſe übergab, ward als Nephrit, Ja— 
de °5°), anerkannt (Meſchm im Zatarifhen, Chaff im Mongholifchen, 
Jaſchma im Ruffiichen). Denfelben Stein haben die Briten in ben 
Kaiferpaläften als jene Scepter wiedergefunden, und Jade de Chine ges 
nannt, wovon «8 jededy au eine nachgeahmte Porzellanmaffe bei den 
Ghinefen giebt, die fchon Prosper Alpin und Makrifi als Handelswaare 
in Aegypten kennen. (Diefer fehe harte Nephrit ift völlig verfchieden 
von "dem öfter damit verwechfelten fogenannten dhinefifchen, weichen, 
ſchneidbaren Spedftein, aus welchem die gefertigten Bilder bekannt find, 
die ihm den Namen Agalmatolith verfchafft haben.) 

Nah Hauy und Cor diers mineralogifchen Beftimmungen, und 
nah Ab. Remufats Folgerungen °”), wäre dieſer hinefifhe Su, 
als Jade de Chine, identifch mit der Jade Oriental, oder dem Nephrit 
(Lapis nephriticus) der frühern Syſteme, mit dem er wol fehr nahe 
verwandt, aber doch fuͤglich nicht identifch feyn mag. Gordier bes 
merkt, daß der hinefifhe Su (den er Jade chinois nennt) nur in 
Rolltiefeln, von Nierengeftalt, nad) Europa komme, von wachs⸗ 
weißer bis zur olivengrünen und lauchgruͤnen Farbe; halbdurchſcheinend 
wie Wachs, ölglänzend, fettig fey, und die größte Zähigkeit unter allen 
Steinen habe; denn er widerftehe jedem Hammerfchlage. Der Bruch ift 
matt, Diefe hinefifhe Jade gleiche volliommen der indiſchen 
Sade, deshalb fie Jade Oriental von Hauy genannt ward, aud) den 
europäifchen analogen Arten vergleihbar fey. Aber gegen diefe Spentität 
des hinefifhen Zu und ber Jade Orientale, die aus Indien, 
Perſien, Sibirien und felbft aus Aegypten nad) Europa eingeführt wird, 
ift manderlei Einwurf °®) vorhanden, und die hinefifche Jade 
(die Samefon Prehnit*?) nennt) von der orientalen Jade 
(Nephrit) ficher verfchieden, wie aus dem Urtheil eines Beobachters 
in Galcutta hervorzugehen fheint, der, nad) Dr, Abel, auch noch einer 
dritten davon verfchiedenen Art, nämlich des birmanifchen Jade 
(Zu fhe lu tfe bei den Chinefen, Kyouptfing oder Modyoothwa ber Burs 
mefen) erwähnt, worüber wir die Unterfuchungen den Autopten übers 
laffen müffen. 

Frühere Hypothefen haben die Gefäße aus diefem SusSteine 
für die Vasa murrbina der Alten gehalten; Ab, Remufat hat fih 


°°°) Ab. Remusat Recherehes 1. c. p. 176. *7) ebend. p. 185. 
°*) Calcatta Gov. Gaz. und danach in Asiat. Journal XXI. p. 196 
bis 148. *°) Jameson Mineralog. 2. Edit. Vol. I. p. 105. 


Dt: Turkeftan, Yarkand, Lage. 389 


aber bemüht darzuthun, daß der Jaspis der Alten ’°) (z. 3. der 
grüne mebieinifche Stein deö Galenus de Simpl. Medie..facult. ). VI. 
e.19. ed. Charter T. XIII. p. 258; zAwgos ieonıs, fein Magenftein) 
nicht der Zaspis der Neuern, fondern der Ju der Chinefen war, den 
fie aus dem Orient erhielten, oder doc der Yefchm, d. i. die orientas 
liſche Jade. Von diefer offieinelten Eigenſchaft auf die Nieren 
zu wirken, erhielt er den Namen Lapis nephriticus, und bei den Aras 
bern, 3.3. bei Zeifafchi, gilt der Jaspis der Altın noch für ein Ymus 
let gegen die Magenübel. Denfelben Glauben haben die Chinefen 
von ihrem Su, wie er noch heute vom fähfifhen Serpentin gilt, 
von dem die Magenfteine allgemein befannt find. Der officinille, 
moderne Rame Lapis neplhriticus, meint Ab. Remufat,. habe im Abends 
lande als Rephrit, Jade, Steatit, Serpentin, Nierenftein, 
Magenftein, wol erfi den antiken Namen Jaspis verdrängt, der 
dann auf andere Mineralien übertragen ward, welche die Alten nie da⸗ 
mit belegten. Die älteffe Erwähnung des Zu oder Jaspis der Als 
ten findet er im Bruftfhilde Yarons (wo Safchpeh offenbar Jas— 
pis, 2. B. Mof. 28. 20, genannt ift) ?'), und vom Saspis ſagt fchon 
Plinius: Antiquitatis gloriam retinens. 

Ju, Jaſchpeh, Saspis, Yeſchm, Kafdh, find alfo nur vers 
ſchiedene Formen eines und deffelben Wortes, in verfchiedenen Zei— 
ten und unter verfchiedenen Völkern, welche diefelbe mineralogijdhe 
Subftanz bezeichnen, die von jeher im hoͤchſten Preife, in höchften Ehren 
ftand, nur in Khotan hauptſaͤchlich ihr Muttergeftein findet, und 
daher diefen Ort in der früheften hiftoriichen Zeit zu einer bedeutenden 
Eultur, zu bedeutendem Verkehr mit andern Voͤlkern erhoben hat. 


Erläuterung 2. 


Yarfand der Einheimifchen; Yarkend, Serken, Yarkiang (. h. 
im Turk weites Land); Hiarchan bei B. Goes; Karkan 
bei M. Polo; Ye olh Ehiang der Chinefen, als Gapitale, 
altes Koͤnigreich und gegenwärtige Chinefiiche Provinz. 

Ueber Yarkand, nah v. Hallerftein aftronom. Beobach— 
tung unter 38° 19° N.Br. und 73° 57° 30” DL. v. Par. gelez 
gen, find wir zwar nicht fo genau in den frühern Jahrhunderten 
feiner Hiftorien bewandert, wie in denen von Khetan, doch geht 
auch die Kenntniß diefer Ortſchaft bis in die Periode vor unferer 


70) Recherches I. c. p. 211 — 229. 71) Recherch. 1. ec. p. 233; 
vergl. Rofenmüller Handbuch der biblifchen Alterthumskunde. IH. IV. 
1830, ©, 43. 


390 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 9 5. 


Zeitrechnung zurück, und in der Gegenwart iſt diefer Ort bekann— 
ter geworden ale Khotan, da er von verfchiedenen Reiſenden bes 
fucht ward, und eine Gapitale der modernen Herrfchaft der Chis 
nefen dafelbft geworden if. Da wir auch hier nur einzelne Au— 
geazeugen und andere Berichte aus verfchiedenen Zeiten befigen, _ 
ohne zufammenhängende Pocalforfihungen, fo laffen wir erft dies 
felben Neifenden der verfchiedenften Völker und Zeiten reden, und 
laffen ihnen dann die allgemeinern Befchreibungen folgen. M. 
Polo und B. Goss kehren auf ihren Wanderungen nach Kho— 
tan auch in Yarkend ein, Mir Iſſet Ullah ift der neuefte 
Augenzeuge; die türkifchen, arabifchen und chinefifchen Geogra— 
pbien und Gefchichten müffen die bleibenden Lücken füllen. Zus 
gleich bemerken wir hier, daß auf der Srimmfchen Karte 
von Hoch-Aſien, zur Erdfunde, Berlin 1832, alle Zeichnung 
der Hydrographie diefer Gegenden Turkeftans mit doppel— 
ten Linien, aus dem chinefifben Original-Atlas der 
Neichsgeographie, Taything hoei tien, Peking. Edit. 
vom Fahre 1815, forgfältig in die Karte einzutragen verfucht ift; 
daher die Abweichung der Zeichnung von Klaproths Carte cen- 
trale de P’Asie, die nach frühern Editionen fich richtete, beide 
Zeichnungen laffen freilich noch vieles zu wuͤnſchen übrig (vergl. 

fen J. S. 1045). Sie werden ſchon in etwas durch Burnes 
Map vervollftändigt und berichtigt. 


1. Karkan nad Marco Polo (1280). 


M. Polo fpricht nur wenig von der Provinz Karfan 67) 
(die in feinen. verfchiedenen Editionen auch Carcham, Carchan, 
Carthan und Garcam heißt), zu der er von der Grenze Samar: 
kands fortfchreitet. Sie ift, fagt er, dem großen Khan unterger 
ben, und hat meift Mohammedaner zu Bewohnern, doch aud) 
neftorianifiche Chriften. Es ift dort Vorrath an allen Beduͤrf— 
niffen, zumal fehe viel Baumwolle; die Bewohner find unge 
mem Eunftreich. Aber ein Hebel, die gefhwollenen Glieder 
und die Kropfbitdung, find fehr allgemein verbreitet, was 
man dem Trinkwaſſer zufchreibt. Ohne anderer Merkwürdigkeiten 
zu erwähnen, geht der edle Venetianer von da zur Befchreibung 
von Khotan über. Sein Befuc) fällt- dafelbft (um das Jahr 








°??) M. Polo Travels, Ed. Marsden L. I. ch. 31. p. 150; ed. Bal- 
delli Boni Vol.1. L.I. c. 39. p. 33. 


Oft Turkeftan ‚ Darkand, Hiarchan. 391 


1280 n. Chr. ©.) freilich in die Periode, welche unmittelbar den 
größten Zerfiörungen nach Tſchingiskhans Zeit folgte. 


2. Hiarchan nad) DB. Goës (1603). 

Der portugiefifhe Zefuiten Pater B. Goss kam, im No: . 
vernber 1603, nach einer ungemein befchwerlichen Neife von Ra: 
bul über Badakhſchan, und die hohe Gebirgspaffage des 
Puſchtikhur (f. ob. ©. 16, wo er die Berge Sacrithma und Cie: 
cialith nennt), durch einen Iheil der füdlichen Kafhghar- Provinz 
(Cascär), zu der damaligen Metropolis des ganzen Königreiches, 
die ee Hiarchan 2) fehreidt, das Karkan des Venetianers, das 
Yarkand, Yerkend, oder Jerken der neuern Zeit. Dies 
Hiarhan, fagt er, ſey zu feiner Zeit die berähmtefte Reſidenz 
des Königreihs Kafchghar, das größte Emporium durch das Zu: 
ſammenſtroͤmen der Handelsleute und die größte Manzichfaltig: 
keit der Waaren. Die Handelsfarawane, welde, damals, 
aus den indifchen Staaten der Groß: Moghulifchen Kaifer, vor 
Kabul abging, und außer den Waaren Yndiens auch die Mekka— 
pilger in ihre turkeftanifche Heimath führte (wobei eine Prinzeffin 
Agebane, d. i. Hadfihi Hane, die Schweſter des Königs von 
Kafhahar, Maffamer Can, wol Mohammed Khan, 
war, durch deren Schug- der Pater eine günfligere Aufnahme 
dafefbft erhielt), war nur auf Yarkand gerichtet. Hier ging fie 
auseinander; denn neue Karawanen fammelten fich dort, um 
weiter bis Khatai (China) vorzudiingen. Aber die Stelle des 
Karawanenführers ward nur vom Konige von Yarkend für 
große Geldfummen verkauft; dafür ward demfelden vollfommen 
Fönigliche Gewalt über die Karawane verliehen. - Ehe fi eine 
folche von neuem organifirte, ging gewöhnlich ein Jahr darüber 
hin; und auch dies gefihahe Eeineswegs regelmäßig jedes Jahr, 
fondern nur dann, wenn man mußte, dab fie in Khatai, d. i. in 
China, eingelaffen wurde. Auch blieb der Weg ſtets gefahrvoll 
(ſ. Aſien J. ©.219— 222 u. f.). Der fihlaue Pater machte dem 
Könige mit einer Uhr, einem Tubus und andern annehmlichen 
Dingen Gefchenfe, ſich deſſen Gunft zu erwerben, verbarz ihm 
aber feinen Hauptplan, bis China vorzudringen, und fagte vors 





?2) Nicol. Trigautius de Christtana Expeditione apud Sinas silscepta 
ab Soc. Jesu ete, 4, Aug. Vindelie. 1615. p. 548; Cap. Al. 
p- 6581 - 556. 


392 et: Afien. »I. Abſchnitt. 9, 5 


lAufig nur, daß er bis zum Königreiche Cialis Yulduz, oder 
Kharaſchar, f. ob. S. 329) reifen wolle, wozu er fich erſt die 
Erlaubniß ausbitten mußte. Von dem Prinzen der zuruͤckgekehr— 
ten Mekfapilgerin nachdrücklich unterftüst, gelang ihm fein Plan; 
doch verftrichen 6 Monate che fich eine neue Neifegelegenheit bils 
den wollte. In diefer Zwifchenzeit wurde der Ausflug nach Kho— 
tan gemacht, auch fielen allerlei Händel vor. 

Endlich) ward der Herzog der neuen Karawane, als Agiafi 
(wol Hadſchi? Fuͤrſt) ernannt; diefer bewirthete den Pater 
bei einem Gaftmahle und drang in ihn, der Karawane doc) bis 
Khatai zu folgen: eben das hatte der Pater gewollt. Es war 
auch des Königs Wunfch, und der Pater verfprach es, wenn ihm 
ein freies Reiſepatent für die ganze Tour ausgeliefert würde. Als 
er fo feine Sache in Sicherheit wußte, kaufte ſich B. Go&s, 
für fi) und den Transport feiner Waaren und Leute, 10 Pferde, 
und erwartete den Aufbruch der Karawane, mit der er, Mitte 
November79 des Jahres 1604, Uber Akſu, Kutſche, Yulduz, 
Turfan und Hami (Kamil, |. Alten L ©. 362) nad China, wor 
hin wir ihn fihon früher nach Sotfcheou bis zu feinem früh: 
zeitigen Tode geleitet haben (j. Alien L ©. 223), als Entdecker 
fortfchritt. 


3. Darfand, nah Mir J'ſſet Ullahs Reifeberiht”5) 
im $ahre 1512. h 

Aus diefes aufmerffamen Mohammedaners Neifebericht 
von Ladakh nah Yarkand, it uns aus Obigem (Afien U. 
©. 558, 635640) ſchon auf das genauefte, vom Gletfcher -Paffe 
Karaforum an, nordwärts zum Yarkend-Fluß, über die doppelten 
MWachtpoften und Grenzzoll-Linien die ebenere, bebaute und wols 
bevölferte Landfchaft diefer Provinz, bis vor die Mauern diefer 
Capitale, felbft bekannt genug, fo daß wir ihm nur noch in feiner 
übrigen Befchreibung deffen was er in der Stadt felbft gefehen 
und erfahren bat zu folgen brauchen. 

Sie ift mit einem Erdwalle gefchüßt, durch welchen 5 Thore 
in die Stadt führen. Gegen Weft das Altun Thor; gegen ©. 


*’*) Nicol, Trigautius de Christiana Expeditione I. c. p. 556. 

’®) Mir P’zzet Ullah Voyage dans l’Asie centrale 1812. in J. Klap- 
volh Magasin Asiatique. Paris 1826. 8. p. 23— 34; bief. überf. 
in Hertha VI. B. 1826. p. 341 — 345, 





Dft-Turkeftan, Yarkand in neuerer Zeit, 393 


das Chanfah mit der Eitadelle und das Mifrar: Thor. Gegen 
Of das Kiakalbul- und gegen Nord das Yerekbagh-Thor. Die 
Häufer find wie die Umwallung von Erde erbaut. Der Fluß 
von Yarkand ift durch mehrere Canäle zur Bewaͤſſerung vers 
theilt (es find vorzüglich zwei größere Arme von Weft und Sud, 
nebft mehrern Eleinern, die fich hier vereinigen). Einige ders 
felben gehen durch die Stadt, und aus diefen durch enge Röhren 
in Cifternen, wo das Wafler im Winter aufbewahrt wird, weil 
dann das Flußmwaffer fehr abnimmt und alle Candle ſich mit Eife 
belegen. 

In der Stadt Yarkand, und ihrem Gebiet, rechnet man 
40,000 Perſonen, welche die Kopffteuer (Alban) an den Groß: 
Kadhi zu entrichten haben; fie wird aber nur von denen die 
über 20 Jahr (nad) andern über 12 Jahr) alt find entrichtet, 
Studirende, Mullahs, Neifende und Bettler find frei.von diefer 
Abgabe, die 5 Puli (Kupfermünzen) bis zu 15 Tangſieh (1 Tanya 
— 50 Puli) je nach dem Vermögen betragen fann. Die Eins 
wohner von Parkend find fehr arbeitfam, meift Eleine Krämer 
oder Kaufleute, nur eine geringe Zahl lebt in Knechtfchaft. Sehr 
haufig fieht man bei ihnen Kröpfe (die fhon M. Polo be: 
merkte); man fchreibt fie dem Waſſer zu, das fie aus Kürbiss 
flafhen zu trinken pflegen. Die Frauen bedecken hier ihr Ge 
fiht nach fonftigem orientalifchen Gebrauche, mit Schleiern nams 
lich, gar nicht; weder Vornehme nod) Geringe. Die aus der 
Fremde eingeführten Waaren auf den Markt von Yars 
end zahlen Zoll; vom Verkehr im Innern des Landes wird 
Feine Abgabe gezahlt. Die chinefifchen Karamanen bringen ihre 
Waaren vom Grenzjollamt (Aurtang, f. Aſien I. ©. 638), und 
legen fie auf dem Packhofe in Yarkand nieder, wo fie am fol 
genden Tage durch die chinefifchen Zollbeamten revidirt und die 
Dale vifirt werden. Was zum Gefchenk geſchickt und nicht in 
großen Quantitäten eingeführt wird, berechnet man eben nicht. 
Man ordnet daher ſchlau feine Waaren fo, daß die Zahl der 
Stuͤcke nicht 30 bis 40 von einer Sorte beträgt, um die Abs 
gabe zu umgehen. Wer z. B. 100 Shawls mitbringt, vertheilt 
fie zuvor an feine Mitreifenden, und laßt fie auf den Namen 
von 3 oder 4 verfchiedenen Kanfleuten der Karawane einregiftri- 
ren, wo er dann wohlfeiler wegfommt. 





260) Carte centrale de l'Asie. 


u 


394 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 5. 


Die Streitigkeiten unter Kaufleuten werden durch eine Dans 
tfhanet der Yayan, das ift durch eine gefhworne Juͤry von 
Schiedsrichtern gefchlichtet, in welcher der Hakim Beg einen Yayan 
oder Akſakal (cd. b. Aelteſter) für jede Claffe der Kaufleute 
ernennt, Jeder fremde Kaufınann, mag er auch im Lande an 
fäffig fenn, und ſelbſt Frau und Kinder haben, ift doch unter dem 
allgemeinen Namen eines Mufafir, d. h. Neifender, bes 
griffen, und zahlt dann Feine Kopfiteuer. Ein bedeutender Markt 
ift bier der Pferdemarkt, welcher jeden Freitag gehalten wird; 
alle Kirghifen Pferde find Elein und zu Wallachen gemacht, weil 
fie dann gelebriger und lenkſamer find, und weil die Chinefen 
feine Hengfte nehmen. Diefe Thiere find fehr behende, und wers _ 
den von 20 bis 100 Tanga verfauft, die theuerften Eoften ein 
Hainu (?2). Außer andern Dingen verfauft man hier auch die 
Bergut (eine Art Naubvogel von doppelter Größe des Falken), 
die zur Falkenjagd auf Wildpret abgerichtet find, den Stein Yer 
deh, der aus dem SKopfe einer Kuh oder eines Pferdes kommt, 
und als Medien Wunder thut u. a. m. 

Man baut im Sande Waigen, Gerfte, Neis, Mung (Boh: 
nen) und Juari (Holcus), welhe Mir Iſſet Ullah wenigftens 
init feinen in Indien gebräuchlichen Namen belegte, Die Pferde 
werden bier nicht mit Hen, fondern mit Stroh gefüttert, und mit 
Bindeln grünen und trocknen Ruͤſchkeh (2), wovon fie fehr fett 
werden follen. 

As Geld, Gemerkt derfelße Neifende, fey hier die Kupferz 
münze Pul im Gebraud, davon 50 Stu — 1 Tanga; Tanga 
fey aber blos eine imaginaire Münze. Die im Umlauf vorhan- 
denen Silberftangen hätten 160 Rupien Werth), —= 224 Tanga. 
Vom Münzfuß ift nicht weiter die Rede; wäre die Schägung 
richtig, meint der Herausgeber der Reife, fo wäre in Yarfend das 
Berhältniß des Kupfers um 12 Procent höher als zu Calcutta; 
wenigftens mag dies ungefähr der Fall feyn. Das gebräuchliche 
Gewicht ift das Maund = 8 Öherbilz 1 Gherbil ift = 8 Tſcha— 
ref, 1 Tſcharek = 200 Ser; 1 Ser = 7 Mitzkal; 1 Migfal = 
24 Nokhoud oder Gran (Erbfen). Der Preis des Waigens war 
für 43 Tſcharek ein Tanga. 

Unter dem Chinefiihen Gouvernement beftehen hier überall 
doppelte Behörden, einheimifche und Chinefifch eingefegte. Das 
Dberhaupt der Mohammedaner ift der Mohammed Hakim 
Beg; der Chinefen find zwei Oberbeamte (wol der 


Oſt Turkeſtan, Yarkand, Verwaltung. 395 


Dſchangghiuͤm, Militairftatthalter, und der Amban ihm zur 
Seite; vergl. Afien I. ©.4129). Diefe erheben die Abgaben, vers 
urtheilen zu den Strafen, haben das Militaircommando und em— 
pfangen die fremden Gefandtfchaften; dem Hafim Beg bleibt 
nur die Entfcheidung der geringern Angelegenheiten, doch hat er 
feinen reaulair eingerichteten Juſtizhof, fondern er erwählt einen 
Alm Achwand, um die Function des Groß-Kadhi (Kadhi al 
Euszet) zu übernehmen, und hat den Mufti und einen Kadhi zu 
Gehälfen. Muß ein Eid gefchworen werden, fo fihieft der Alem 
Achwand die Beklagten dem Kadhi zu. Der Hakim Beg wech 
felt niemals, es fey denn, daß er einen groben Fehler beginge; 
die drei andern Beamten werden aber alle 3 Jahre gewechfelt. 
Auf die Mohammedaner werden von den Chinefen zweierlei Würz 
den übertragen, die des Bang (wie z. B. in der Urga, f. Aſien 
1. ©. 226 u. a. O., vergl. 1. ©. 291) und des Baidfü. Der 
Vang trägt die Pfauenfeder mit 3 Blumen auf der Müse und 
das Ornament des Edelfteininopfs, davon es 7 Claffen giebt, die 
2 erften mit dem Rubin, die zweite mit der Koralle, welche der 
Hakim Beg trägt, die dritte mit Yapis lazuli, die vierte und fünfte 
mit blauem und grünem Glas, die fechfte mit dem weißen Stein 
und die fiebente von Silber, welche fünf legtern für die Unter— 
beamten, die Mirs, nach ihren refpectiven Nangordnungen gels 
ten. m jeder der Städte ftehen einige funfzig öffentliche Beamte 
unter dem Hakim Beg. Die Mirs erhalten vom Chinefifchen 
Gouvernement Ländereien oder Gehalte, oder Lieferungen an Le— 
bensmitteln, je nach ihrem Range, Die Truppen des Kaifers 
von China, der hier Khan heißt, befiehen aus Fußvol mit Muss 
Feten und Bogenſchuͤtzen. Mir Izzet Ullah giebt auch Eini« 
ges über die politifhen Begebenheiten im Lande aus der Negies 
rungszeit Khien longs, worüber wir aber durch Chinefiihe Be: 
richte genauer unterrichtet find (f. Afien Bd. l. S. 463), Seine 
Reiferoute von Yarfand nah Kaſchghar iſt lehrreich; fie 
enthält folgende Daten 677), die wir in andern Nachrichten ver 
geblich fuchen; fie ift auf Grimm's Karte von Hoch-Aſien eins 
getragen. Die Diftanzen find nach Yol gegeben, deren Maaß 
nicht genau zu ermitteln, davon aber 66 bis 90 Yol eine gewoͤhn⸗ 
lihe Station auszumachen pflegen. 41) Zueft vom Aurteng, 





*?7) Mir V’zzet Ullah Vey. dans !’Asie Centrale in Magas, Asiat. 
Le. TI. p. 3435. 


396 Welt Afien, I. Abſchnitt. $. 5. 


d. i. dem Zollpoften Karakuldſchaſch bis nach Kobribath. Es geht 
an mehreren Kifchlaf, d. i. an Dörfern vorüber, deren jedoc) 
keins bis zum Zollhauſe. Eigentlich beißen Kiſchlak nur die 
Winterwohnungen der Einwohner, weil diefe den Sommer über 
in Zelten zubringen; dann wurde der Name auf die Dörfer 
übertragen. Am Zolljaus wurden die Päfle der Keifenden, die 
nach Kafchahar geben wollen, unterfucht und vifirt. 2) Vom 
Zollhaus find 40 Yol bis Tfchimlen, guter Weg dahin, wo 
die Pälle zum zweiten male vifirt werden. 3) Von da 50 Yol 
zum Aurteng Teffalch, ebenfalls ein Zollpoften; bis dahin trifft 
man mehrere Dörfer, 4) Von da (die Diftanz ift ausgelaffen) 
nah Yenghi hiffar (Ingachar), wo der Weg durch einen 
Tograk: Wald (d. h. Brennholz?) geht. Es ift eine Chi— 
nefifche Stadt (die neu erbaut, daher Neue Fefte genannt) uns 
ter einem mohammedanifchen Hakim Beg fichend, der ein Vers 
wandter des Hakim von Kaſchghar ift Cor heißt Mahmud Beg), 
und unter zwei Chinefifhen Beamten. Bon hier, wie es feheint 
am 5ten Tagemarfche, nach Paitſchaͤnd find 90 Yol, ein Zoll 
haus; von diefem 6flens nody 90 Yol Weges nach Kafıhahar. 


4. Yarkand, nad) den Ausfagen der Meffapilger in 
Bombay (1835) ”®). 


Diefe vervollffändigen und beftätigen die obigen Angaben. 
Yarkand ift hiernach unter den 9 großen Städten und 
Stadtgebieten des Chinefifchen Turkeftans die erfte, ihrer Ausdehr 
nung und Volksmenge wegen, obivol jedes diefer 9 Stadtgebiete 
politifch independent von dem andern, jedes feinen eigenen Gous 
verneur und feine Ehinefifchen Refidenten hat. Es gehören viele 
Eeinere Städte und Dörfer zum Stadtgebiete Yarfands, das 
durch viele Bergwaſſer reichlich bewäffert wird und ungemein 
fruchtbar ift, fehr ſtark bevölkert, dicht gedrängt voll Dörfer, Weis 
lee und Anpflanzungen, wo Weisen, Gerfte (wie in Ladakh, f. 
Afien I. ©. 618), Reis, Sram, Juari Bajera (f. Aſien IV. 1. 
©. 716, doch wol von denen in Dekan verfchiedene Arten), Del 
pflanzen verfcyiedener Art gebaut werden. Auch Melonen, 
Trauben, Aepfel und andere Früchte gemäßigter Climate find 





°’°) M. H. Wathen Secr. ete. Memoir on Chinese Tartary and 
Kboten in Journ. of the Asiat. Soc. of Bengal ed. Prinsep., 8. 
Vol. IV. 1835. p. 654 — 655. 


Oſt-Turkeſtan, Yarkand im J. 1835. 397 


hier in Fülle, und die Maulbeerpflanzungen fehr häufig, 
weil fehr viele Seide gezogen wird. Den Hauptwohlftand 
giebt aber der Heerdenreihthum den Einwohnern von Yar: 
Fand; jeder Landeigenthümer befist hier Heerden der Ziege mit 
der Schawlwolle, welche fie Akhchahs nennen (ob die Kaſch— 
mirziege? wol diefelbe, die Al. Burnes 79) in Bofhara bei den 
MWanderfirgifen fehr verbreitet fand, die auf Anfrage von außen 
erft feit einigen Jahren nach dem Weſten und Süden ausgeführt 
worden find, vergl. Afien I. ©. 600, 619 u.f.), und Schaafe 
mit dem breiten Fettfhwan;, hier Dumba genannt. 

Die Stadt Yarfand, fagten die wohl unterrichteten Turz 
feftanifchen Pilger, fey blühend und volfreich; nach der Chinefi- 
ſchen Volkszählung habe fie 30,000 Familien zu Einwohnern, jede 
zu 5 bis 10 Perfonen, was nach einer mittleren Annahme 150,000 
bis 200,000 Bewohner geben würde. Zwei Citadellen gehören 
zur Stadt, die eine, fehr groß mit Erdwällen umgeben, ſey unbes 
wohnt; die andere, weit fleiner mit 4 Ihoren, fey bewohnt und 

fol fehr feft fenn, aus Stein und Mörtelwand aufgeführt, mit 
Graben umgeben. An diefer Stadtmauer mag alfo feitdem das 
feltfame Signalement des Engländers Moorcroft zur Vogel 
fcheuche für alle Nachfolger abgemalt ſeyn (f. 06. &. 218, vergl. 
Afien Bd. II. ©. 556 — 557). Die Vorftädte von Yarkand find 
ungemein weitläuftig. Die Häufer find meift nur ein Stoc hoch, 
aus Erde gebaut, was auch hinreichend ſeyn foll, da nur ſehr 
wenig Regen in diefen Sandfchaften falle. Man findet hier 
viele Mofcheen und Eollegien, zwei große Bazare, einer 
im Fort, der andere in den Vorftädten, und mehrere £leine in 
den verfchiedenen Duartieren vertheilt. In den Fleifcherbuden 
wird Pferdefleifch verkauft, was allgemeine Nahrung ift, und 
bei den Eingebornen Feineswegs als ungefeglich angefehen wird; 
es fteht in gleichem Preife mit dem KHammelfleifh. Dagegen 
trinken die Städter fein beraufchendes Pferdemilchgetränt (Kus 
mifch), fondern überlaffen dies den Kalmüden und andern nos 
madifchen Horden. 

Nur 200 Chinefifhe Kaufleute etwa find in Yarkand 
anfäßig, aber viele derfelben verweilen dafelbft eine Zeit lang und 
kehren dann in ihre Heimath zurück. Viele Familien aus Kaſch⸗ 
mir haben fih in Yarkand (offenbar feit den dortigen gewalti⸗ 





’®») Al, Burnes Trav. Vol. II. p- 175. 


398 Weſt⸗Aſien. J. Abſchnitt. 6 5. 


gen Verheerungen durch Afghanen und Seikhs, f. oben ©. 78, 
92 u. a. D.) angefiedelt, dagegen hur wenige eigentliche Hindus, 
auch einige Schiabs (d. i. Aliverebrer), aber feine Yuden und 
feine Nogai-Tartaren. Außer diefen Handelsleuten giebt es auch) 
eine Anzahl Ehinefifcher Handwerker bier, und fehr viele hier eins 
heimiſche Kleinhandier oder Krämer, Tungani (ob bdiefelben, die 
in Ili Tupgani heißen? und dort zugleich die Gaftwirthe und 
Höfer find, f. Alten L ©. 410). 

Diefe Tungani find, nach Ausfage der Meffapilger, Mus 
felmänner ; von ihnen giebt es übrigens nach derfelben Ausfage 
in dem Chinefifchen Turfeftan Feine Soldaten, weil die Chine— 
fen fürchten, fie möchten im Fall eines Aufftandes mit ihren 
Glaubensgenoſſen, den Usbeken, gemeinfchaftlihe Sache machen. 
Al. Burnes, von dem wir ſchon früher diefe Tungani-Tri 
bus anführten, fagt dagegen (f. oben ©. 14, 18), daß fie aus 
den weftlichften Gebieten des Chineſiſchen Turkeſtan noch als 
Sarnifonen nach Yarkand commandirt würden. Da mögen denn 
alfo wol im Gebirgslande, weftwärts von Varkand, ihre Ort: 
fihaften liegen, in denen fie nach der Ausfage der Mefkapilger 
einheimifch feyn follen, namlib Salar und Seiram, die uns 
fonft unbefannt find. Merkwürdig ift es gewiß, daß die Mekka— 
pilger mit A. Burnes hinfichtlich ihrer Alerander: Sage übers 
einftimmen. Bis Salar und Seiram behaupten nämlich diefe 
Zungani: Tribus, fey Alerander M. vorgedrungen; dort habe er 
eine Colonie zurücgelaffen, von denen fie abftammen (wie in 
Söfardo, f. ob. ©. 216, 218) wollen. Vielleicht nur,einer ety— 
mologifchen Griffe zu Liebe, da ihre Name im Turkz Dialert fo 
viel als die Zurücgelaffenen bedeuten fol. 

Die mohammedanifche Secte in Yarkand ift übrigens nicht 
fehr freng in ihrem Ritus, und weit toleranter als ihre weftlis 
chen Nachbaren, ihre Glaubensgenoffen in Khofand, oder in ans 
dern Theilen des independenten Turkeſtans. Das Chinefifche Gou— 
vernement hält in Yarfand eine Garnifon von 7000 Soldaten, 
theils Chinefen, aber auch Mandfhu und Mongholen;z ein Theil 
derfelben garnifonirt im Fort, die andern haben ihre Cantonne- 
ments außerhalb der Stadt, nad) Art der britifchen Cantonnements 
in Indien (wie 5. B. Afien IV. 2. ©. 434). Ale ftehen unter 
dem Commando eines Amban (vergl. Afien I. ©. 413), weldyer 
Chinefifcher Reſident und Militaircommandant ift. Der einheiz 
mifhe Hakim Beg von Yarland (Abdul Rahman im J. 


Dft-Turkeftan, Yarkand im XVIL Jahrhundert. 399 


1835) har den Titel Beg Yang, ift ein Usbefe und der Pan: 
desregent, der aber in jeder Hinficht unter der ſchaͤrfſten Controlle 
des Chineſiſchen Amban ſteht, dem der unumſchraͤnkte Befehl 
über die Chineſiſchen Truppen zukommt. So weit der Bericht 
der Sinheimifchen. Wir gehen nun von den Augenzeugen zu den 
Türkifchen und Chinsfifchen Geographien über. 


5. DYarfand nah dem Dfhbihannuma (d. h. der Welt 
ſchau) des Türkfifhen Geographen Hadſchi Khalfe, 
gefhrieben um das %. 1640 n. Chr. G.) 0), 


Gluͤcklicher Weiſe Eonnte, fagt 3. Klaproth, der Artikel 
Dſchihannumas über Yarkand nicht wie andere des Turkifchen 
Geographen durch Excerpte aus den Guropäifchen Geographien 
verschlechtert werden; die aftronomifche Yage, in welcher er den 
Arabifchen Geographen folgt, ift zwar ganz irrig, aber uns durch 
die v. Hallerftein’fche Beobachtung erſetzt. Folgendes find 
Hadſchi Khalfa’s Angaben: Die Stadt, einft eine Königs 
refidenz von Bedeutung, verfiel nach und nach in Ruinen und 
ward der Aufenthalt wilder Ihiere (wahrfcheinlich nach der. mons 
gholifchen Periode), Dann. baute Nizza Abubekr (wol Tis 
murs Enkel, Sohn Miran Schahs?) die Stadt von neuem als 
feinen Wohnfig auf, weil Luft und Waſſer dafeloft ihm zufagten. 
Er ließ fchöne Bauten aufführen und Wafferleitungen dahin fuͤh— 
ven, umgab den Ort mit einer 30 Ellen hohen Mauer, in der 
Umgebung wurden 1200 Gärten angepflanzt, fo daß es an Baum: 
pflanzungen, Blumengärten und Bewäfferungen durch das ganze 
Kaſchghar-Land feinen Ort gab, der mit Yarfand zu vergleichen 
war. Die Berwäfferung gab dem Boden Ueberfluß. Der: vorü: 
berfließende Strom fchwillt in der Mitte des Sommers an (uns 
freitig weil er im Süden aus den Gletfcherwaffern der 
Karaforumkfette und im Weften aus den Schneehöhen des 
DBolor, beide zum Tha Ihfung ling gehörig, hervortritt); im Früh: 
jahr ift fein Waffer gering. Aus feinem Bette gewinnt man den 
Su (bei Mizar, f. oben S. 352). Die Luft von Yarfand ift 
nicht rein, aber Waffer und Luft find doch in ganz Kaſchghar 
gefund, aber I und die Einwohner find von ruͤſtigem Schlage. 





0 J. v. Hammer Bein des Dsmanifchen Reichs, Pefth 1827. 
Th. * p- xxx, VI. p. 





-400 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 6. 5. 


Der vielen Obſtarten ungeachtet giebt es doch nur wenig Krank— 
heiten; vom Obſt zieht man nur wenig Vortheil. | 

Die Bewohner Yarkands beftchen aus 4 Claffen: 1) Unter: 
thanen (ob Tadjiks? ſ. ob. ©, 242); 2) Doutchin, auch Sipahi 
0. i. Soldtruppen); 3) die Nomaden Tribus (Aimad); 4 die 
Beamten des Gouvernements und die Gefepleute. Von Yarz 
fand, 3 Tagereifen weit für Karawanen, ift der ganze Boden 
bis Lakhuf-keh (? unbekannt, wol Lokho-karianggar, 180 
gi [> 14 geogr. Meilen] fern in S. O. von Yarkand nad) eir 
nem Stinerar) SI) mit Flußarmen, Gärten, Baumpflanzungen 
bedeckt; jenfeit derfelben find noch 10 Tagereifen bis Khotan; 
außer den Stationen dafelbft aber fein bewohnter Ort und das 
Sand dahin öde. Yengi Hifzar, d. h. die neue Feftung 
(nach der freilich irrigen Angabe der Grade in gleicher Breite, 
aber 14 Grad weftlicher ald Yarkand), eine neue Anlage an 
der Stelle der frühern Station Inggachar (Ingazar), wo 
fie auch auf Grimm’s Karte am gleichnamigen Fluß, nach) dem 
Atlas des Tay thing hoei tien, Ed. Peking 1818, angegeben ift. 
Nah v. Hallerftein’s Ortsbeſtimmung liegt Inggachar 
(Inkeſal, Sngazar) unter 38° 47° N.Br. und 71° 1 O8 
von Paris. Mach der Ausfage der Mekkapilger 8?) ift dies mos 
derne Yengi Hiffar auf dem Wege von Yarkand nad) Kaſch— 
ghar berühmt wegen feiner Tanzerinnen und Mufifer, welche der 
nen von Indien gleichfommen, aber Moslemen find. Sandju 
(oder Sanadjou, nach v. Hallerftein’s Beſtimmung 36° 25° 
N.Br. und 76° 20° 30” O.L. v. Paris, alfo gegen Südoft von 
Harkand gelegen, füdwärts der Route nach Khotan) liegt 6 Ta— 
gereifen in Süd von Yengi Hifzar, 12 Tagereifen in Weft 
von Tuͤbet (foll wol heißen in Nord? von Ladakh), und eben fo 
weit in Oft Crichtiger Suͤdoſt) von Kaſchghar. Von diefem 
Sandju liegt Kaſchmir gerade 15 Tagereifen gegen den Suͤ—⸗ 
den (allerdings, wenn die Route Über Ladakh geht, welches auch 
die einzige fonn mag, wo aber dann die Zahl der Tagemärfche 
größer feyn muß, f. Aften Bd. IL ©. 629-640). Sandju ift, 
wie fich hieraus ergiebt, als Mittelftation zwifchen Kho— 
tan, Yarkand, Leh und Kafchmir ein merkwuͤrdiger Punct, 





**!) Klaproth Mem. de l’Asie II. p. 292. 22) W. H. Wathen 
Karen l. c. in Journ. etc. Ed. Prinsep. Calentta 1835. 8. Vol. IV. 
p- 656. 





Oſt-Turkeſtan, Ye ölh khiang der Chinefen. 401 


ungeachtet ung feine fpecielle Nachricht weiter darüber bekannt 
ift. Es flimmt damit die Carte centr. de P’Asie fehr gut, nach 
welcher e3 am nördlichftien Vorgebirge der Karakforum +» Kette und 
feiner Gletfcherpaflage liegt, wo diefes Vorgebirge den Namen 
Sanadju Taf führt, und die Grenze zwifchen Yarkand: 
und Khotan-Provinz bezeichnet. 


6. Ye oͤlh khiang, di. Yerkiang oder Yarkiang (fprich 
Yarkand), nach der Chinefifchen Geographie de$ 
Siyü wen Eianlo 8) Ed. Pefing 1778. 


Her, das heißt Land im Türfifhen, und Ehiang, das 
Weite, alfo die weite Landfchaft, wird von den Hoei, d. 
i. den Turkſtaͤmmen ſelbſt, Yerkim genannt. Es war die Reſi— 
denz des Hoki dſchin (? wol eines Khedja) und feiner Vorfahren. 
Ihr prächtiger mit Ziegeln aus grünen Lieuli (Hach Bafilius 
Wörterbuch: lateres et tegulae lucentes quibus utuntur in tem- 
plis et palatiis, alfo bunt glafirte Ziegelfteine) gedeckter 
Dalaft ift jest ein Magazin. Ein geräaumiges Sommerhaus im 
dazu gehörigen Garten ift jego die Prafectur, wo die Chinefifchen 
Behörden wohnen. Die Stadtmauern jind feit, von einem tiez 
fen Graben umzogen, und haben gegen 10 Li im Umkreis (etwas 
über 14 Stunden, da hier die Li etwa zu 180 auf 1° gehen), 

Als Turkeſtan dem Chinefifchen Hofe fich unterworfen hatte 
(im 5. 1756, f. Afien I. ©. 463), refidixte hier ein Ober-Stattz 
halter, der fpäter nach Kafıhahar und endlich nach Ufchi verfegt 
wurde. Hieher beorderte man zwei Statthalter (wol Amban), 
zwei Erpeditoren, 3 Regiftratoren, 10 wachthabende Trabanten. 
Es wurden 8’ Wachtpoftien und 13 Stationen errichtet, mit 300 
Mandſchu⸗Soldaten unter einem DObrift-Lieutenant. Die Garnis 
fon der Stadt bildeten 655 Chinefifche Soldaten unter einem 
Dhriften. 

Die jährlihe Kopfſteuer der 32,000 Steuersflidrtigen in 
Yarkand (man fagte jedoch, daß nur z der Einwohner in den 
Kevifionstabellen eingetragen fen) betragt: 30 Unzen Gold, 35,378 
Unzen Silber, 30,540 Saͤcke Korn, 800 Kin (Pfund) klares Del 





2) Rad) Timkowski Voyage ed. Paris. Tom, I. p. 402-406: vergl. 
Opissanie Dsliungharia i wosstotschnawo Turkistana ete., Di: 
Befchr. der Dfchungarei und des Öftl. Turkeſtan, aus dem Ehinef, 
von Pat. Hyacinth nad) Dr. Schott's Ueberſ. 2te Abth. 


Ritter Erdkunde VII. Cc 


402 Wert: Afien. J. Abſchnitt. 9. 5. 


und 1649 Unzen Tribut-Silber (2) — melches Alles zum Unter: 
halt der Garniſon verwendet wird. Ferner müflen die Einwoh— 
ner liefern: 57,569 Stud Leinwand, 15,000 Kin (Pfund) Baum: 
wolle, 1432 Saͤcke von grober Yeinwand, 1297 Stück hanfene 
Ziehfeile und 3000 Kin (Pfund) Kupfer — welches Alles nach 
Ili gefcbieft wird. 

Das Land von Yarkand ift cben und ausgedehnt; es 
arenzt in Oft an Ufchi, in Weft an Badakbfchan, in Sudan 
Khotan, in Nord an Kafchahar und in Suͤdweſt an auslän- 
difche Gebiere (mol Kaferiftan?). Unter der Gerichtsbarkeit des 
dortigen Statthalters befinden fich folgende Tuͤrkiſche Städte; 
1) Darfand, 2) Charghalit, 3) Toghusfan, 4) Sands 
fbu (Sandju), 5) Kipan, 6) Tagh oder Taf, diefes liegt 
nach Pat. v. Hallerftein’s Obfervation im Süden von Keriya, 
nnter 36° 13° N. Br., 80° 17° DO.8. von Paris; 7) Kukyar, 
8) Ilallik, 9 Choſchalik, 10) Barkſchuͤk und 11) Sakolo, 

Diefes Safolo liegt 10 Tagereifen zu Pferde von Yarkand 
im Weften und an der Grenze von Badakhſchanz dies 
ift ein bisher unbeachtet gebliebenes, aber fehr wichtiges Datum 
des Sinumwenfianlo für unfere Drientirung in diefem Ges 
biraslande des Bolor und Turfeftans: denn mit diefer Lage ftimmt 
nad) der Carte centr. de l’Asie die Lage von Sere koul (füdl, 
von 38° N. Br. und weſtl. von 72° O.L. v. Paris) volllommen 
überein. Sereful liegt aber, nad) den Ortstafeln 8% der 
hinefischen Reichegeographie der Definger Ausgabe 1818, unter 
37° 48° N. Br. und 420 24° W.L. von Peking, d. i. = 719 38° 
D.L. von Paris. Diefelbe Ortsbeftiimmung befindet fich aber 
bei Pater v. Hallerftein’s Karte mit dem Namen Seles 
toueulh 8) in den Mem. und bei Mailla. Diefer entftellte 
Name ift alfo identifch mit jenem, und alfo auch das Sar— 
eil auf der Route nah Badakhſchan, welchen Weg Pater 
B. Goes von Kartchou Gatchoute, bei Mailla Chatſchu 
im Taything, nach v. Hallerſtein unter 37° 11° N,Br. und 71° 
30° O.L. von Paris, Ciarciunor bei B. Goes) nah Kaſch— 
ahar und Yarfand von da heraufftieg über das Hochgebirge. 
Schon Grimm’s Karte hatte diefe Lagen beflimmt - eingetragen. 





*"*) Mser. Mittheilung von Prof, Neumann aus dem Tay fhing 
boei tien, Peking 1818, 25) Mailla Hist. Gen. de la Chine 
T.Xl. p. 575; vergl. Memoires Conc. V’Hist, de la Chine in Ta- 
hle des Positions ete. T. I. p. 393. | 





Oſt⸗Turkeſtan, Ye oͤlh khiang. 403 


Es ſcheint wol daſſelbe Surkol zu ſeyn, durch welches Moor⸗ 
eroft einft, im Fall des Mißlingens feines Reiſeplans von La— 
dafh nach Yarkand, gegen Weſt nach Ferghana hinabzufteigen 
und fi) den Verfolgungen der Chinefen zu entziehen gedachte (f. 
Afien II. ©. 558), welches am hohen Pufchtifhur voruͤberfuͤhrt. 
Das Sarägot auf der Karakorum-Kette nad) Ladakh, welches 
dem Namen nach leicht damit zu verwechfeln wäre und ein ana⸗ 
loger Paſſageort zu ſeyn feheint, liegt jedoch im Süden von 
Yarfand (f. Afien I. S. 635 u. 636) und wol zu weit von jenem 
entfernt, um mit ihm identificirt werden zu £önnen, obwol die El⸗ 
phinftonefche Karte dieſe Anficht nach den darin nieder: 
gelegten Routiers ſehr beguͤnſtigt. Dielleicht daß diefes mit 
dem Surifia Moorcrofts an der Cvelfteinftraße nach Indien 
identifch ift, wie wir oben vermutheten (f. 06. ©, 380). Es giebt 
noch mehrere Surikkol's. — 

Die chinefifche Geographie des Siyu wen kian Io fährt 
weiter fort zu berichten, daß alle diefe 11 Städte ihre Afim oder 
Hakim Begs von der ten bis 5ten Claſſe haben, und einen von 
der öften Elaffe. Alle übrigen gehören zur Tten Claſſe. Der jegige 
Akim Beg, dritter Elaffe, fen Beila-Awdei (1778). Sn der 
Stadt Yarkand zähle man gegen 80,000 Familien (wol mit 
der nächften Stadtumgebung, alfo 400,000 Mäuler nach chines 
fifhem Ausdruck, d. i. Einwohner, nach) obiger Schägung der 
Mekkapilger); von den Übrigen Städten habe jede nicht über 
1000 Familien. Die Garnifon wohnt in einem Quartiere der 
Stadt; alles Uebrige ift von Turk bewohnt und nirgend fieht 
man einen leeren Raum. 

Die Chinefifhen Kaufleute aus den Provinzen 
Schanſi, Schenfi, Dſchekiang und Kiangfi kommen hies 
her, ohne die Befchwerden der Reiſe und die fehr große Entfers 
nung zu fcheuen. Gin gleiches thun viele ausländifche Kaufleute 
aus Ferghana, Tuipate (Tübe), Kaſchmir u. a. m. Der 
Bafar von Yarkand hat eine Ausdehnung von 10 Li (über eine 
Stunde), und ift an Verfammlungstagen mit Waaren und Mens 
ſchen ganz uͤberdeckt. Die Waaren häufen ſich wie Wolken und 
die Menfchen wie Bienenfchwärme. Hier findet man feltene Koſtbar⸗ 
keiten und Schäge, auch eine Menge Vieh und Früchte aller Art, 





®*) Map of the Kingdom of Caubul by L. 3. Macartney. Lond. 
Ce 2 


404 Welt: Aften, I. Abſchnitt. $. 5. 


Die Eingebornen find friedfertigz fie ehren die Ehinefen 
und beweifen ihren Vorgefegten Ergebenheit. Sonſt aber find fie 
feiger Natur. Sie lieben Schaufpiele und Schmaufereien; ihre 
Weiber fingen und tanzen fehön und verfichen mancherlei Gauk— 
lerkuͤnſte. Ihre Purzelbaͤume, das Gehen auf einem ausgefpanns 
ten Kupferdrath u. a. m. find wirklich fehenswerth. Der Maͤch— 
tige drückt hier den Machtlofen, und die Beg's geizen nad) Reichs 
thum. Wenn ein gemeiner Hoeidfd (oder Hoeihe, d. i. vom 
Turkſtamme der fpätern Zeit, ſ. Mien 1. ©. 441 u.a.D.) etwas 
zufammengefpart hat, fo bemühen fie ſich alsbald ihn auszuſau— 
gen, daher man, obgleich die Stadt fo fehr bevölfert iſt, doch nur 
wenige wohlhabende Familien findet. Die Einwohner find im 
Allgemeinen ſehr den Lüften ergeben und felbft der Sodemiterei. 
Sie haben die Sitten der, Bewohner von Fukian und der beiden 
Kuang. — 

So weit die Angaben der chinefifchen Geographie des Siyu 
wen kian lo über den neueren Zuſtand des Landes nach der Ins 
terwerfung unter chinefifschem Scepter durch Kaifer Khien long; 
leider befigen wir noch keine Ueberfegung diefer Artikel aus der 
neueften chinefiichen Neichsgeographie, welche 1818 in Peking ers 
ſchien, und fo viel uns befannt bis jest nur allein durch Prof. 
Neumann nach Europa gefommen ift, daher ihre Befannts 
machung fehr zu wuͤnſchen fen möchte. Meuer als ihr Inhalt 
ift jedoch der Zuftand nach der dortigen Rebellion 1826und 1827, 
worüber wir ſchon früher, Bericht abftatteten (ſiehe Aſien Bd. I. 
&. 465 — 472). 

Die Zufäge zu Obigem, welche B. Frafer 87) auf feiner 
Reiſe in Khoraſan (1822) fammelte, find unbedeutender Art, be: 
ftätigen jedoch jene Angaben im Wefentlichen vollfommen, und 
theilen Einiges über den friedlichen Zuftand des Landes unter der 
ebinehifchen Oberhoheit aus denr Munde eines mohammedanifihen 
Handelsmannes, Haffan Mervi aus Yarfand, mit, der als 
Kaufmann fehe zufrieden war mit der Sicherheit im Lande ge: 
gen die früheren Raubzeiten unter dem Negiment einheimifcher 
Sandesfürften, wo Horden der Delöth, Kalmuͤcken, SKirghifen, 
Dfungaren, Bucharen u. a. diefe Gegenden zu einem beftändigen | 

Tummelplatz der Fehden machten, 





*®7) J. B. Fraser Narrative of a Voyage into Khorasan. Lond. 4. 
1826. App. B. P, IV, p. 10 — 114. 





DftsTurkeftan, Yarkands Hiftorie, 405 


ı Darfand, erfuhr B. Frafer, fen gegenwärtig weit größer 
als Kaſchghar; die Bauart der Hiufer aus Steinen und Erde 
mit Balkonen ſey wie dort. Der Bafar ziehe von O. nad W. 
und beſtehe aus einer Reihe von Sisen, die auf einer Plattform 
ftehen, hinter welcher die fchönften Laden hinziehen, die vorzüglich 
von chinefifchen Kaufleuten befest find. Mehr als 10 große Cols 
legien der Mohammedaner follen hier mit Ländereien und Ein— 
fünften gut dotirt, und viele Karamanferais zur Aufnahıne der 
Heifenden gut eingerichtet feyn. Außer den Handwerkern, Kauf 
leuten, und zumal den vielen Mullahs, welche dort wohnen, 
werden bieher fehr viele Sclaven aus Kaferiffan und Ba— 
dakhſchan zu Marfte gebracht, um als Arbeiter und Knechte 
zu dienen, an denen es in Yarkand ſelbſt fehlen fol. 


7. Hiftorifhe Verhältniffe Yarkands in der älteften 

Zeit; gegenwärtiger friedlicher Zuftand als 

chineſiſche Provinz. 

Die Annalen der Han laſſen uns einen Blick in den 
ältefien heidnifchen, und das Pianitian in den älte: 
fien buddhiſtiſchen Zuftand dieſes Ländergebietes vor der 
mohammedanifchen Zeit werfen, durch welche die älteften Zuftände 
der Länder der Skythen und Seren zur Römerzeit einige Er⸗ 
läuterung erhalten. 

Die Annalen der Han 9, ein Jahrhundert vor Chriſti 
Geburt, nennen unter den Ländern der Weftgrenze des Reichs 
diefes Yarkand mit dem Namen So dfiü oder So⸗-kiuͤ, 
was bei Deguignes Chao⸗che oder Schao tfche gefchrieben 
wird, wo derfelbe vom Jahr 74 vor Chr. bis zum Jahr 86 nad) 
Chr. Geb., alfo während anderthalb Jahrhunderten, die Regen: 
tenreihe der dortigen Könige aufführt, bis diefes Königreich durch 
den chincfifchen General Pan tſchao (Phanstichao bei Ab. Re⸗ 
mufat) 89) unter chineſiſche Botmaͤßigkeit gebracht ward. Das 
mals, fagen die Annalen, wohnte der Landesfuͤrſt in der gleich: 








88) Opissanie Dshungaria i wosstotschnawe Turkistana etc. db, Pat. 
Hyarinth. St. Petersb. 1829. Th. 1. n. Dr. Schott Ueberf. ; vergl. 
Deguignes Geſch. a. a. D. Th. 1. Einleit. p. 364, wo die Regen 
tentafel der Schao⸗tſche. 5») Ab.Kemusat Remarques sur lEx- 
tension de ’Empire Chinois du coté de ’Occident, in Mem. sur 
plus. Questions rel. & la Geogr de l’äsie centrale, Paris1823. 4. 


p. 122 — 126, 


406 Welt: Afien, I Abſchnitt. 6. 5. 


namigen Stadt, in welcher 2339 Familien und 16,373 Mäuler 
(d. i. Seelen) lebten, mit 3049 Mann Kriegsleuten. Im Suͤ— 
den von da find 740 Li bis Serlyk, zum Eifernen Berge 
(Tie fhan), welcher grünen Yeſcheb (Yaspis, d. i. Zu) hers 
vorbringt. Zur Zeit des Kaifers Siuanti (reg. 73—49 vor 
Chr. Geb.) ſchenkte der Fürft des Landes dem jüngften Prinzen 
der Fürftin der Usfun (der Blonden, von Indo-Germaniſchem 
Schlage, f. Wien I S. 432 u. f.) feine befondere Zuneigung, 
welher Wan nian (etwa Warner?) hieß. Als der Fürft fins 
derlos ftarb, war Wannian am Hofe in China. Dur ihn 
hofften die Großen von So dfiu fi) das Wohlwollen des Kais 
fers und die Befreundung der U-ſun, ihrer im Morden damals 
gefürchteten Nachbarn, zu erwerben, deshalb fie ihm den Thron 
Äntrugen. Der chinefifhe Kaifer mar damit einverftanden und 
ließ den Wan nlan durch einen Gefandten nach So dfiü geleiten. 
Diefer Prinz erwies fich aber als Wütherich ; er erregte den Uns 
willen der Magnaten. Chutudfchen, der jüngere Bruder des vos 
rigen Königs, tödtete ihn fammt dem chinefifchen Gefandten, bes 
flieg den Ihron und fiel im Bunde mit andern Staaten von 
China ab, Eben damals gab General Fung-fung-ſchi einem 
Sefandten aus Tawan (Khofand, Ferghana) das Geleite. Die: 
fer General fammelte bei der Gelegenheit die Truppen verfchiede: 
ner Reiche, befämpfte und tödtete den Chutudfchen, und fegte an 
deſſen Stelle einen feiner Verwandten, den Fürften von Kaſch— 
ghar, ein. Dies trug fi ch zu im Jahre der Regierung Juan⸗ 
khang (unter Siuanti, d. i. 65 Jahr vor Chr. Geb.). 

Mit dem Ende der Dynaſtie der Han, im erſten Jahrh. 
nach Chriſto, hören auch auf eine längere Zeit die zufammenhäns 
genden Pelationen mit jenen Weftgegenden wieder auf; alfo in 
jener Periode des zweiten Jahrh. nach Chr. Geb., in welcher 
Ptolemäus in Alerandrien feine Nachrichten über die Karas 
manenwege aus Eogdiana am fteinernen Thurm hinauf, 
über den Kafifchen Berg (Kafchgharpaflage), zum Berglande der 
Seren einfammelte (Ptol. VI, 13, f0l.161). Offenbar hat fchon 
in jener Periode jenes Sodſiuͤ (Yarkand) mit Kuftana (Khos 
tan) in Verbindung und unter demfelben Einfluß fremder Cultur 
geftanden, der fih bier aus Indien und China, vom Süden, 
Oſten und Weften her, begegnete. Jedoch in den drei erſten 
Jahrhunderten nach Chr. Geburt geben die chineſiſchen Annalen 
Beine belehrende Nachricht hieruͤber. Aber im VI. Jahrh. nach 


Oſt-Turkeſtan, Yarkands Hiftorie, 407 


Chr. Geb. lehren fie uns 6%), daß die Einwohner von Yanki, 
d. i. Yerkinang oder Yarkand, ähnliche Schriftzüge 
gebrauchten wie die Polomen (d. i. die Brahmanen), und 
daß dafeldft zweierlei religiofe Seeten Beftand hatten; die ei: 
nen beteten den Geift des Himmels an, die andern folgten 
dem Cultus des Buddha (Foe). Spätere Angaben aus dem 
VI. Jahrhundert fagen, daß die Schrift in Yarfand die der 
Hindus fey, und daß damit nur geringe Veränderungen vor: 
genommen wurden. Landeschronifen finden ſich aber bei ihnen. 
nicht, wie in Khotan; nur in den Klöftern werde Unterricht in 
dem Buddhagefes gegeben, Ihre heiligen Bücher der Moral 
und Geſetzgebung gleihen ganz denen der Hindus 
(d. i. die Sanskritfchriften der Buddhiſten), und wer fie erlernen 
will, fchreibt fie ab, um fie dem Gedaͤchtniß einzupraͤgen. — So 
weit die merfwärdige Nachricht im Pian i tian K, 51. p. 7. 
nah Ab, Remuſat, woraus wir fehen, daß Khotan in feiner 
Civiliſation Feineswegs ifolirt ſtand, zumal da diefelbe Nachricht 
uns fagt, daß auch Kaſchghar im V. Jahrhundert zum Bud: 
dhiemus übergegangen war, Alle diefe Civitifationsanfänge gins 
gen in der Periode der Arabereinfälle in Turfeftan feit dem 
VI. Jahrh., und der Mongholen:llcverfälle im XI. Jahrh. ihr 
rem Verfalle, einer Bernichtung und großer Verwilderung entge 
gen, die in früheren Zeiten hier nicht herrfchend war, und welche 
auc) in der darauf folgenden Periode der einheimifchen Turkifchen 
Herrſcher, der Kalmuͤcken wie der Diungarifchen und DelöthXeiche 
nur zu ſehr unterflüßt ward (ſ. Afien Volker: und Herrfcherz 
Wechſel ıc. I. ©. 442 — 472), 

Erft feit Kaifer Khien long, als Vernichter der Delöth 
und der Macht ihrer Hordenhäuptlinge (1756), das Land der 
neuen Grenze als hinefifhes Staatseigenthum ans 
fahe, und bis zu den Quellen des Oxus als ein Yand der Colos 
nien, des Städteanbaues, der Induſtrie, der Agricultur, der Ver: 
brecher-Anfiedelungen und neuer Militai-Gouvernements organis 
firte, £ehrte ein innerer Friede, wenn aud) nicht eben ein bes 
neidensmwerthed Glück in diefe Gebiete zurück, der dort feit einem 
Sahrtaufend unerhört war, und dem wenigſtens ftärfere Populas 
tion, größerer Wohlitand und allgemeinerer Anbau nothwendig 





#30) Ab. Remusat Recherches sur les Langues Tartares, Paris. 4. 
ebap. Vl. Turk Oriental. p. 291 ete. 


408 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6 5. 


folgen mußten, wenn auch jeder europäifche Fremdling ſeitdem 
aus jenen genau bewachten Grenzprovinzen des großen Himmli- 
ſchen Neiches ausgefchloffen blich. 

Ale mohbammedanifhen Staaten diefer Turkeſta— 
nifchen Laͤnder, deren Zahl fo groß zu feyn pflegte, alö ges 
fonderte größere Städte (meift ein Dusend) durch das Stroms 
gebiet des Talimu- oder Tarim-Syſtems zerfireut liegen, unter 
chinefifher Oberhoheit, behielten ihre religiöfen und civilen 
Verhaͤltniſſe bei, und felbft ihre einheimifchen Oberhäupter aus ih: 
ren eignen Fürftlichen Gefchlechtern, die Hakim Begs, die nur 
unter die Aufficht chinefifcher Oberbeamten geftellt zu milderer 
Verwaltung und zur Erhaltung des Friedens durch chinefifche 
Militairmacht genöthigt wurden. Hiebei befanden fich die unters 
jochten Völker fehr wohl, das mildere Regiment, der dauernde 
Frieden nach außen und die Ruhe im Innern, ohne jene früher 
hin jährlich veruͤbten Graufamfeiten und Tyranneien, wurden 
nur ein paar mal durch Nebellionen unterbrochen, die von 
den geftürsten, einft ſouverainen Fürftenhäufern, den Khodjas 
G. B. Khodja Djihangir, f. Alien Bd. I. ©. 471) ausgins 
gen, aber ſtets wieder, nicht ohne großes Blutvergießen, gedämpft 
wurden. Der einfichtsvolle Handelsnann Haffan Mervi aus 
HYarkand, der felbft bis Peking gereift war und B. Frafer ©) 
in Khorafan von feiner Heimath erzählte, rühmte wenigftens uns 
gemein den friedlichen Sinn feines Gouvernements, vorzüglich, 
weil daflelbe feine Autorität, wie er fih ausdrücte, mehr durch 
die Feder, als durch das. Schwert zu behaupten fuche. Die 
zahlreiche Armee der Chinefen, welche durd) das ganze Land 
garnifonire, werde nie gebraucht. Mirgends fey gegenwärtig Raͤu— 
berei wie ehedem, überall Ordnung, Sicherheit, die Polizei fey 
trefflich, die Schuldigen würden fogleich zur Stelfe beftraft. „Ein 
Kind mit Gold in der Hand Fönne durch das ganze Land gen 
Oſten bis nach China ficher reifen ohne alle Gefahr.” Die blu: 
tigen Creigniffe und Empörungen, welche diefem erzwungenen 
Friedenszuftande, befonders in Yarkand wie in Uſchi, Akſu, Kaſch— 
ghar und andern einzelnen Orten Oft-Turfeftans vorhergingen, 
werden zur geographifchpolitifchen Drientirung in dieſem Gebiete 
am zweckmäßigften im folgenden Abfcıhnitte nach den Ginzelnheis 
ten der Städte mitzutheilen fenn. | 





e*‘) JB. Fıaser Narrat. of a Voy. into Khiorasan, Lond. 4.1826. p. 115. 





Oſt-Turkeſtan, Kaſchghar nah M, Polo. 409 


Erläuterung 3. 


Kaſchghar oder Haſchar (Kaſch, Chaje), Haſcha ba eul oder 
sche fchi ho Ih der Chineſen; Su le (Choule) oder 
Khiu ſcha der Alteften Zeit. 


1. Kaſchghar nad WM. Polo (1280). 


Obwol auch fhon Ptolemaͤus im I. Jahrhundert die 
Kafifhen Berge und die Handelsfirafen über diefelben hinz 
weg zu den Seren (Casü, Ptol. VI. c. 12—16, d. i, die Berge 
von Kafchghar) kennt, Ebn Haukal im X. Yahıhundert, das 
bedeutendfte Sand Chaje ) an den Grenzen von Turfeftan mit 
25 Städten und der Capitale (Chaje it Kaſchghar) bes 
fohreibt, und auch dem Edrifi®) diefe Gegenden keineswegs 
ganz unbekannt blieben, da fie eben an den Oftgrenzen der 
Ausbreitung des Koran, in jenen Zeiten des XU. Jahrhunderts, 
lagen, und die Miffionen des Islam dahin zu den Turkftämmen 
des Oftens (ſ. Afien I. ©. 1127) fortfihritten, gleichzeitig wie zu. 
den Negerftiämmen am Nigerfirome, fo bleiben doc) jene Lands 
ſchaften felbft noch in dunfeln Schleier verhüllt, von dem es auch 
die Neftorianer in ihren Berichten, die fi), wie in Samarfand 
fo auch hier, frühzeitig, mit ihren Gemeinden feftgefegt zu haben 
fheinen (f. Afien I. ©. 290, in der Sage vom Priefter Johan— 
nes, daf. ©. 233 — 299), nicht befreien. Erft durch M. Polo, 
der (gegen 1280 n. Chr. ©.) von Badakhſchan und Wakhan 
am Orus und Bolor- Fluß, über die hohe Pamir-Ebene und 
den Belur (Belore, f. ob. S. 320, 327) herauffteigt nad) Kaſch— 
ghar (das Hinan Ihfang Kiefcha nennt), erhalten wir den 
erften, Iehrreichen Bericht eines Augenzeugen, der zwar fehr Eurz 
ift, aber doch hinreicht, uns eine Vorftellung von der Wichtigkeit 
des Ortes, felbft nach den Zerftörungen der Mongholen, feit Tſchin— 
gisfhans Zeit, zu geben. 

Nach fehr mühfamen Gebirgswegen, fagt M. Polo %), vom 
MWeften her, erreicht man endlih Kaſchear (Casciar in Ed. 
Baldelli Boni), welches vordem ein felofiftändiges Königreich ges 


»2) Ebn Haukal Orient. Geogr. ed. W, Ouseley p. 265. 

»3) Geographia Nubiensis etc. ed. Paris 1619, 4. CL II. c. 8. 
p- 138 u. a. D. v4, Hiuan Thfang Reife durch Mittels Ajien 
und Indien, Klaproth a. a. O. ©. 8, °:) M. Polo Trav. cd. 
Marsdenr L. 1. ch. 29. p. 145 — 147; ed. II Millione di Baldelli 
Boni Firenze 1827. 4. T.1. Lib. 1. 37. p. 32. 


410 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. 9. 5. 


weſen, das aber gegenwärtig dem Khakhan der Mongholen 
(Kublai) unterworfen ſey. Seine Bewohner find mohammes 
danifcher Religion. Die Provinz ift fehr mweitläuftig, und ent: 
hält viele Städte und Burgen, von denen Kafıhcar (Kafd: 
ghar) nur die größte und bedeutendfte if, 

Dies Volk hat dort eine ihm eigenthimliche Sprache (ob 
ein Iurk-Dialect? das Dſchagatai Turfi?), Sie Ichen vom Hans 
del und Manufacturen, zumal von Baummollenarbeiten; auch 
haben fie fchöne Gärten, Obftpflanzungen, Weinberge, Sie ge: 
winnen dort Ueberfluß an Baumwolle, aber auh an Flache 
und Hanf. Die Handelsleute von Kafchcar reifen durch die 
ganze Welt; fie find aber in Wahrheit ein habfüchtiges, filziges 
Volk, das fchlecht ißt und mit noch fehlechterin Trunf vorlieb nimmt. 
Außer den Mohammedanern finden fich unter den dortigen 
Einwohnern auch einige neftorianifche Ehriften, denen man 
nad ihren eigenen Gefegen zu leben erlaubt, und die ihre Kirs 
chen haben, Die Provinz breitet fih 5 Qagereifen weit aus. 
Bon hier fchreitet M. Polo in feiner Sandesbefchreibung nad) 
Karkan (Yarkand) fort, 


2. Kaſchghar (Cashcar) nach arabiſchen Autoren, 


Die Stadt Kaſchgar ſetzen Naſſir Eddins Tafeln un— 
ter 440 N. Br. 106° 30 Longit.; Abulfedas Tafeln nach Abuls 
faradfch unter 44° Latit, 96% 30° Longit., was freilich weit von 
der Wahrheit abweicht; denn nad Pater v. Dallerfteins 
Dfervationen liegt es unter 38° 19° N.Br, und 71° 15° 30 
O.L. v. Paris (nach der Carte centr, de l’Asie bei Klaproth uns 
ter 71° 37° O.L., was auch nach der chinefifchen Reichsgeographie 
Ed. 1818 das richtigere iſt. 

Die arabifchen Autoren rühmen alle, nah M. Polos 
Zeit, diefes Kafhghar), als die Metropole von Turke— 
ftan, die fehr groß, ftark bevölkert fey, und auch in allen Zwei⸗ 
gen der Willenfchaften Gelehrte hervorgebracht habe, die, ihr zum 
Ruhme, ſich nad ihe nannten; wie z. B. Sheikh Säadzeddin 
von Kafchghar gebürtig; Abulfeda (1345) fagt, es habe dieſe 
Stadt auch den Namen Ardufend gehabt. Während einer 
Periode, kurz vor Tſchingiskhans Eroberungen in diefen Lands 


s”*) Abulfedae Descriptio Chowarezmiae ed, Hudson Geogr. Min. 
Vol. Ill. p. 79. 





Oſt-Turkeſtan, Kaſchghar nach Hadſchi Khalfa. 411 


ſchaften, hatte ſich ein vom Oſten her eindringender Hordenfuͤrſt, 
Kur Khan, der Khitanen, der einen Streifzug bis zum kas— 
piſchen Meere gemacht, dieſes Landes bemaͤchtigt, und feine Reſi— 
denz, feit dem Yahre 1127, in Kaſchghar aufgefchlagen, wels 
ches er Hu ſe u ulh tu), d. i. Huſa⸗Ordu, den Hofvon 
Huſe nannte. Hierdurch wurden die dort vom Weſten her ein⸗ 
dringenden Muſelmaͤnner waͤhrend einer Periode von 80 Jahren 
durch Kämpfe gegen dieſe vorübergehende Herrſchaft in ihren Forts 
fchritten nach Oſten aufgehalten, und erft im Jahre 1208 ward 
diefes Khitanens Reich durch den Sultan von Kharezm geſtuͤrzt, 
dem aber bald darauf die Mongholenzerftörung folgte, 
Daraus ergiebt fich wol die Urfache der Kargheit der arabifchen 
Berichterftattung uͤber dieſes Gebiet in jener Periode. Bon den 
Khitanen, fagt die Gefchichte, daß fich die übriggebliebenen 
Nefte ihrer Horden in die dortigen Gebirge zurückgezogen hätten, 
wo fie vielleicht noch heute unbefannter Weiſe haufen mögen. . 


3. Kaſchghar nah dem Dſchihan numa (d.h. Welts 
fhau)® des türfifhen Geographen Hadſchi 
Khalfa, um das 5. 1640 n, Chr, ©, 

Pater Ben. Go&s hat auf feiner Wanderung diefes Kaſch— 
ghar nicht berührt, wol aber giest Hadſchi Khalfa eine Bes 
fhreibung davon, in der er wol den arabifchen Autoren folgt. Er 
nennt mit diefem Namen das Hauptreich in Turfeftan, welches 
15 Tagereifen in Nordoft von Andudjan (Andejan) liege, 
und ſich fehr weit in die Länge und Breite ausdehne. Gegen 
Mord grenze es an die Länder der Moghol, von deren Gebirge 
mehrere Flüfe herab das Land bewäflern. Gegen ©. (foll wol 
richtiger heißen gegen If) ift das Land Chach und ein Theil von 
Kikiftan . i. Sand-Land). Im W. zieht fih im-Halbs 
kreis das Gebirge umher, von welchem die Flüfe gegen Oft 
herabftrömen. Das ganze Land liegt am Fuß biefes Gebirges, 
und zieht ſich oftwärts bis in die Länder der Kalmak (Kals 
muͤcken). 

Das Koͤnigreich wird gegen Oſt, und theilweiſe auch gegen 
Suͤd, durch weite, ſandige Ebenen begrenzt, die voll Wälder find (? 


9?) Deguignes Gefchichte der Hunnen u. ſ. w. von Dähnert Th. II. 
p- 576,592.  °*) Klaprotlı in Mcm. relat, a P’Asie T. II. 1826. 
Pr 235 erg 236. 


412 Weſt-⸗Aſien. L Abjchnitt, $. 5. 


davon ift in keinem andern Berichte die Mede, f. unten bei Pro: 
ducte). Man gebraucht wol drei Monat, um von Kafıhahar, 
durch Chach, bis in das Land Turfan zu ziehen. In vorigen 
Zeiten gab es in diefen Plainen bewohnte Orte; jest find nur 
nod die Namen von zweien derfelben übrig; nämlich von Tfub 
und Kenk (uns gegenwärtig unbefannt). Die andern find uns 
ter dem Sande begraben, der fie bedeckte und gänzlich zerſtoͤrte. 
In diefen Gegenden werden jest die wilden Kameele gejagt 
(wir vermuthen, dag Hadichi Khalfa mit dem Lande in der Nähe 
von — die weit oͤſtlichern Sandwuͤſten verwechſelt hat; 
ſ. ob. S. 323, 325, 333). Die Reſidenzſtadt des Königs, Kaſch— 
RN. liegt am Fuße der weftlichen Bergkette, aus der einige 
Flüffe hervortreten, welche die Felder und Aecker bewälfern und 
befruchten. Einer diefer Flüffe, der Temen, floß, einft, mitten 
durch die Stadt, die aber zerflört ward. Durch Mirza Abus 
bekr ward fie aber, wie Yarkand, wieder neu aufgebaut, doch fo, 
dag fie gegenwärtig nur an einer Ilferfeite ſteht; daher der Fluß 
an ihr voruͤberzieht. — Hierauf wiederholt der Autor nur, was 
fhon von Abulfeda angeführt war. 


4. Kaſchghar, nah Mir Iſſet Ullap. 


Kaſchghar, nah Mir Iſſet Ullahs Beſuch M, im 
Jahre 1813, hat nur wenig Aufklärung erhalten. Er flieg da: 
felöft bei einem Taſchkenter Kaufmann ab, dem er Briefe zu 
bringen hatte. Der damalige Hakim der Stadt hieß Yunas: 
Beg, er war abwefend, auf der Reife nach China, um dem Kai— 
fer den Tribut zu bringen, welcher monatlicy in 6000 Tanga 
(f. ob. b. Yarkand) beſteht. Er fand hier einen Mullah, mit 
Namen Nase aus Kafchahar, welcher ſchon zweimal den Bang 
diefer Provinz (fein Name war Sefander Beg) mit nach Peking 
begleitet und alle Poftfiationen dahin aufgezeichnet hatte, von 
denen Mir Yffet eine Abfchrift nahm, die aber wegen der ſehr 
verderbten Schreibart der Namen feinen befondern Ertrag für die 
Drientirung darbietet. 

Die Yandesbewohner, fagt der Neifende, fprechen den Namen 
ihres Landes durchgehende Kaf er aus (Pater Georgi ’%) 





©3?) Voyage dans l’Asie eentrale in Klaproth Marasin Asiat. T. II. 
pP: 25— 38. 700, Alphabetum Tibetanum Romie 1702, 4. 
n. 344 eic, 





Dft-Turkeftan, Kaſchghar, neuefte Berichte, 413 


feitet don Mamen von Ras, Casü Montes bei Ptolem., oder 
Kaſch, und ven Kar i. q. ghar, i.e. „Wohnung” ab). 
Die Stadt ift durch einen Erdwall gefihügt, hat 4 Thore; jeden 
Freitag ift Markttag. Der Pferdemarkt, der hier fehr ans 
fehnlich ift, liegt vor der Stadt; zumal Kirghifen und Kaſſak 
(d. i. Kirghis-Kaſak, Alten J. ©. 1111 ꝛc.) bringen ſehr viele 
Pferde hierher zum Verkauf; meift Wallachen, felten Hengfte, 
gewöhnlich zu dem Preife von 20 Tanga bis zu 1 Ya’inu, 
Die Chinefen ziehen die Maulthiere vor, und follen, wie man 
dem Meifenden fagte, eigene Baftarde von Pferden und Rindern 
ziehen, von denen er aber keins zu fehen Gefam. Dee hinefische 
Gouverneur und die meiften Chinefen wohnten in der Vorftadt 
Kalbagh. Hier find mehr chinefiihe Truppen flationirt als in 
Yarkand; nämlicy 5—6000 Mann, da Yarkand deren nur 1 — 
2000 hat. Nur 11 Stunden Weges im Weſt der Stadt, zu 
Sonah Karaul ift der Grenzzoll und das Mauthaus, 
zur WVifitation der Waaren und Paͤſſe (der Aurteng); aber die 
Route nach Kofand geht noch 17 Tagereifen weiter, am Kafıhz 
ghar-Strome, d. i dem Koffu, aufwärts, bis zum Hochges 
birgspaffe (Davan) nach Tere£, im Lande Derwas (daher 
Darwafa Davan Terek genannt, d. h. Thor, oder Paß 
der Berge Terek) H, bis zu deſſen Duelle und Waffers 
fcheide, an deren Gegenfeite der Syr, oder Sihun, d.i. der 
Strom von Andidjan, hinabflieft. Dies ift die uns bekannte 
noͤrdlichſte Duerftraße über den Belur Tag (j. unten). 


5. Kaſchghar, nach den Berichten der turfeftanifchen 
Mekkapilgerd) in Bombay, im J. 1835, 

Seit der Rebellion von Khodja Djihangir (im Jahre 
1826 — 27, f. Afien I. ©. 468— 472) hat diefe Capitale des alten 
Königreichs durch Freunde wie Feinde fehr viel erdulden müffen, 
und ift fehr in Verfall gerathen. Von Yarkend erreicht man die 
Etadt in 5 Tagereifen; die Karawane gewöhnlich erft in 6 Tas 
gen; der eilige Neifende in 4 Tagen. Viele Städte, Dörfer und 
fefte Burgen find von der Hauptftadt abhängig, die allein 16,000 
Einwohner haben foll, deren zugehörige Population aber viel bes 





*) Voyage dans l’Asie centrale I ec. T. II. p. 38, 41. 
2) W. H. Wathen Mem. on Chinese T'artary 1, e. Journ. Caleutta 
1835. 8. ed. J. Prinsep Vol. IV. p. 605. 


414 Weſt⸗Aſien. I Abſchnitt. F. 5. 


deutender iſt. Der gegenwärtige Usbeken-Chef von Kaſchghar 
heißt Tahi'ruldi'n Beg; er hat nicht mehr den Titel eines 
Bang, wie dies früher der Fall gewefen zu feyn fcheint; aber 
doch ift feine Verwaltung völlig unabhängig von der des Wang 
in Yarkand; fein Rang aber geringer. Dagegen hat diefe Grenzs 
ffation weit mehr Garnifon zu beherbergen, fiets 8000 Mann 
regulaire chinefifche Truppen, um gegen den Khan von Kofand 
eine drohende Stellung zu behaupten. Der Handel von Kaſch— 
ghar fcheint, gegenwärtig, gegen den von Yarkand weit zurück 
zuftehen; von dem Verkehr beider Orte gegen das ferne Gertope 
ift fchon früher die Nede gewefen (f. Afien IL. S. 600 — 604). 
Durch die feindliche Stellung gegen Kofand mag der Verkehr 
dahin ziemlich unterbrochen feyn. Dagegen ift der Verkehr gegen 
Nordoſt, über Akſu mit Ili, wol belebter als früherhin, weil 
dies auch die Handelsftraße der Ruſſen, von Semipalar 
tinsk über Ili nach diefem Theile Turkeſtans geworden ift, das 
fie Rafhfarien nennen, wie ſich aus ihren neueften darüber 
durh A. v. Kloftermann an A. v. Humboldt mitgetheilten 
Stinerarien ergiebt 703), 

Die Zufäge, welche wir zu obigen Angaben in J. B. Fra: 
fers Erfundigungen %) in’ Khorafan (im %. 1822) gefammelt 
finden, find nicht fehr bedeutend; doch kommen fie ebenfalls aus 
dem Munde im Lande fehr erfahrner Männer; fie ftimmen meift 
mit obigen Angaben überein. Danad) foll das Land von Kafdhz 
ghar, im Often der Bergfette, im Ganzen weit lieblicher, beffer 
bewäffert, mannichfaltiger, grüner, beffer bewaldet und fehr vers 
fchieden feyn von dem nadten, felfigen und Fiefigen Boden der 
Weſtſeite gegen Balkh, oder von der Sand: und Salzſteppe 
gegen Bokhara. Die Stadt ward der Größe nach) von Einiz 
gen mit Umeitfie der Seikh-Capitale (f. ob. ©. 58) verglichen ; 
nah Andern foll fie 34 Engl. Miles in Umfang und 10,000 
Häufer haben, fehr ftarf bevölkert feyn, zumal durch Fremde, 
Der Marftplag wird dort Charfu genannt, zu dem 4 Bafare 
zufammenftoßen. Der chinefifche Gouverneur foll in dem gefon: 
derten Caftell refidiren, mit 5— 6000 Mann Truppen. Unter 
feinem Oberfommando follen (vor der Mebellion) die 12 Städte 





?e®) Itineraire VIII, et IX. p. 289—292 in Al. de Humboldt Frag- 
mens de Geologie et de Climatologie Asiatiques. Paris 1831. 8. 
T. I. ) J. B. Fraser Narrative l. c. London 1826. 4. 
P · 109 - 111. 


/ 


DftzTurkeftan, Kaſchghar, neuefte Berichte. 415 


geftanden haben: 1) Affu, D Ili, 3) Turfan, 4) Khotan, 
5) Karakaſch, 6) Zlitfi (? Eli), MKerya, dar: 
fand, 9) Souma, 10) Kargarlif, 11) Vengi Den 
12) Kaſchghar. 

Der Weg von Kaſchghar nah Yarfand he auf 
36 geogr. Meilen (180 Miles Engl.) angegeben; aber bemerft, 
daß es auf einem noch weit kuͤrzern Wege, ſelbſt in einer eins 
zigen Nacht (?) erreicht werden koͤnne, daß diefen Weg aber nur 
allein die Officiere des chinefifchen Gouvernements nehmen diürfs 
ten. Wie dies möglich wäre, fcheint nach der aftronomifchen Lage 
faum glaublich, Aber das chinefifche Gouvernement, fagte man, 
halte Allee, was die Grenzwege des Neiches: betreffe, fo lange als 
möglich verborgen. ine dortige Gegend, weldye durch einen bes 
fondern Graswuchs, eines wie Mofchus duftenden Grafes, ganz 
Eiirzlich erft, die Aufmerffamfeit erregt hatte, ward auf allen Seis 
ten von chinefifchen Wachen umftellt. Ein Schäfer, der auf ei- 
nem hohen Berge, wohin er feine Heerde trieb, einen weit fich 
windenden Strom und eine fefte Burg in einer fchönbevölferten 
Ebene entdeckt hatte, wurde nach Yarfand gefchieft und hinges 
richtet, wie alle, denen er von diefem Geheimniß gefprochen hatte. 
Darauf wurden dort Poften ausgeftellt, um einem ähnlichen Vers 
rathe (wahrfcheinlich mochte es eine insgeheim erbaute neue Grenze 
fefte ſeyn ) zuvorzufommen, und die Poften alle 3 Jahr gewech⸗ 
felt. Eben fo erzählte man, daß es von Kaſchghar zwar fürz 
zere Wege nach China gebe, die Hakims aber, welche man 
nach China ſchickte, mußten ftets auf den Lmwegen gehen, wozu 
6 Monat Zeit nöthig find. Die mohammedanifchen Officiere, 
welche wiederum als Oberfpione über die chinefifchen Einnehs 
mer angeftellt find, werden alle 6 Jahre einmal nad) Peking eins 
berufen, dann aber ftets durd) eigens dazu beftellte Escorten, auch 
Nachts, durch die Wüften geführt, worauf 6 Monat Zeit hinge: 
hen follen. Sollten diefe Ausfagen von dem Mistrauen der chi⸗ 
nefifchen Verwaltung auch nur halb gegründet ſeyn, fo ift es Fein 
Wunder, wenn die Grenzverhältniffe auf den chinefifchen Kar: 
ten, wie z. B. zwifchen der hohen und niedern Bucharei, auf 
der Oft» und Weſtſeite des Belur fo verworren find, wie wir fie, 
nach den Driginalen der Neichsgeographie vom Jahre 
1818, in Grimme Karte von Hoch-Afien eingetragen fehen, 
ſo daß ſelbſt Klaproths Carte centrale de PAsie darauf Vers 
zicht that, dafeldft den Often mit dem Weften in Verbindung zu 


216 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. F. 5. 


ſetzen, was Al. Burnes’®) Verdienſt, In feiner Karte dies 
theilweife wenigftens mit Glück gewagt zu haben, um fo mehr 
erhöht. 


6. Kaſchghar, oder Kaſchkar-Haſchar, oder Haſche— 
haeul, auch Kheſſchi ho oͤlh, nad chineſiſchen 
Berichten des Si yu wen fian lo). 

Edit. Peking 1778. 


Kheſchi (Kaſch) heißt, in der Landesſprache, „jeder 
Ort;“ hooͤlh (far) aber „Wohnungen aus Ziegelfteis 
nen.” Dies Land ift nämlich reich an Gebäuden jeglicher Art 
aus Ziegelfteinen, daher fein Name; auch fagt man, diefe Phrafe 
bedeute fchlechthin Meichthum und Fülle. — So beginnt der dir 
nefifche Berichterftatter feine Befchreibung von Kafıhghar, das 
er ein großes Gebiet der Hoei (Mohammedaner) nennt. 
Die WairFanı(d. h. die auswärtigen Barbaren, wor 
unter er die Ruſſen, die Kaſſak von Sli, die Burut, die Eins 
wohner von Ferghana, Bolor, Kofhand, Badakhſchan, Hindoftan, 
Kabul und Bokhara zahle), geben allen Hoei⸗dſoͤ (d. i. Bewoh⸗ 
nern von Ofts Turkeftan) den Namen Kaſchghar (Kaſchka— 
tier). Im Nordweften ziehe ein Theil des SiueSchan (d.i. 
des Schneegebirges);z jenfeit deilelben ift Alles Wai-Fan. 
Kaſchghar ift die bedeutendfte Stadt an der turfeftanifchen 
Grenzlinie, von Akſu 1000 fi Cd. i. 75 geogr. Meilen, welche 
von ruffifchen Neifenden in 15 Tagen zurücgelegt werden, nach 
%. v. Kloftiermann Stinerar.) entfernt, und von Semipala— 
tinsk der Ruſſen 35 Tagereifen. Sie hat mehrere hohe Staatsz 
beamte zur Verwaltung; fie haben jährlich 36,000 Liang (Umz 
zen) rohes Silber (gleich 3,600,000 Pul) als Abgabe einzuz 
liefern, und 14,000 Säde (oder Stein) Korn. (Mad) der Note 
bei Timkowski it 1 Pul = 5 dinef. Tſchokhi, oder Deniersz 
41 Tſchokhi heißt im Türkischen Yarmaf. Es hätte daher 
auch der Ausdruck Yarmak beibehalten werden können, da 1000 
Yarmaf = 1 Unze Silber, d. i. 2 Silber-Rubel ausmachen.) 


705) Central- Asia comprising Bokhara, Cabool, Persia, The river 
Indus ete. eonstructed from numercus authentic documents but 
principally from the Original Msc. Surveys of Lieutn. Alex. Bur- 
nes by J. Arrowsmith. Lond, 1834. °) Timkowski Voy. T. I. 
p- 406 — 408; Opissanie Dshungaria i wosstotschnawo Turkestana 
ete. Pat, Hyacinth nah) Dr. Schottö Ucberf. 


Oſt-⸗Turkeſtan, Kaſchghar, neuefte Berichte, 417 


Alles dies dient zur Unterhaltung der dafigen Garniſon, die 
aus 10,000 Mann befteht (im 5. 1778) unter dem Befehl eines 
Kriegsgouverneurs (Dfiangghiun, f. Afien I. -S. 312). Zuweilen 
fammelt man an Abgaben noch 10,000 Stüd Leinwand ein, 
die nach Ili gefchieft werden. 

‚Als Handelöfteuer wird der zehnte Theil von der Waare 
genommen, und das in Natura Cingefammelte wird nach dem 
Werthe verfauft; dies Geld kommt der Verwaltung zu. Diefe 
befiehlt über 9 Städte, die in einem fetten, marfigen Boden lie 
gen, der an Korn und Obft reiche Ernten giebt, auch Granat: 
Apfel, Quitten, Aepfel, Melonen, Gurken, Weintrauben. Fa: 
brifate find Seidenzeuge, Atlas, Damaft, und Arbeiten in Gold 
und Silber. Alle, diefe Producte werden als Tribut an den Hof 
in Peking eingeliefert. Die Städte find folgende, 

1) Kaſchghar befteht aus der Türfenftadt GKaſchghar 
Hoeitfching) und der Chinefenftadt (Kaſchghar Dſchin— 
tfching); diefe Iegtere liegt im Nordoſt der erfteren, beide -bez 
rühren fih. Die Stadt liegt neben der Feftung; man zählt hier 
16,000 Steuerfähige. Die Einwohner find wohlhabend,, kunſt— 
fertig, verftehen fehr gut das Schleifen des Yu, die Goldarbei: 


‚ten; ihre Farben find von großer Schönheit. Viele Kaufleute 


find hier und blühender Handel; von allen Seiten firmen die 
Sremden hierher zufammen. Das Zollamt ift hier in gleicher 
Art wie in Akfu eingerichtet. Die Kafchgharen find üppig und 
verfchwenderifch; viele Luftdirnen find dort, welche vortrefflich finz 
gen, tanzen, die man auch wol in den Wohnungen ganz achtbaz 
rer Leute ernährt, wie die Chinefen ihre Sängerinnen unterhalten, 
Alle ehren und fürchten das Gefeg und deſſen Vertreter (es war 
vor der Nebellion), die chinefifchen Beamten. Sie haben fieben 
Grade unter den Nangordnungen ihrer Großen; an deren Spitze 
fieht der Akhi mu pekhi GGakim Beg). 

2) Onggahar”) HYng aſaolh; f. ob. ©. 400, wo es 
zu Yarkand gerechnet ift, und als YengiHiffar feitden neu 
zur Feftung gemacht ift) liegt 200 Li (15 geogr. Meilen) in Sud 
Ceichtiger Suͤdoſt) von Kaſchghar. Darüber geht die allgemeine 
Straße der Ausländer (Wai-Fan), die in das mohammedas 





?) Die folgenden Städteangaben hat das Ercerpt in Timkowski Voy. 
e c ie", welches überhaupt fehr unvollftändig genannt wer⸗ 
en muß, 


Kitter Erdkunde VIT. dd 


48 Welt Afien, I Abſchnitt. 9 5 


nifche Gebiet wollen (die große Karamanenftraße von Kafchmir, 
Indien und Tübet über Ladakh und Yarfand nach Kaſchghar, 
f. oben); daher es nothwendig ward, dahin eine Militairdiz 
vifion zu verlegen, um diefe Ausländer in’ Reſpect zu halten. 
Das Land bringt Reis, Hanf, Bohnen, Melonen und 
Dbft in großem Ueberfluß. 


3) Phi ſzoͤ pa wan (?) liegt nur 30 Li öftlich von Kafchz 
oharz das Land bringt Vitriol, Melonen, Baumobfi. 


4) Taſchbalig (Thafchipe li Ehi) liegt von Karafıhar 
15 geogr. Meilen (200 Li) nordweftlih (nach Klaproth, Burnes 
und Grimms Karten, richtiger, gegen Südweitz auf Grimme 
Karte ift der Name ald Tajamelif, nad der Schreibart. bei 
Mailla 70) eingetragen, und nach Pat. v. Hallerfteins Ob— 
fervation, unter 39° 6 N.Br., 71° 9° 0” O.L. v. Paris; die 
richtigere Schreibart ift Taſch Balif, d. i. Stadt Taſch). 
Diefes Tafch liegt am Yamanyar-Fluffe, der aus dem 
Karaful (Dradenfee, f. 06. ©. 327) von der Höhe der 
Pamirz Ebene herabfommt. Diefe intereffante Localität bes 
herrfcht alfo jene berühmte Paffage, die feit den Jahrhun— 
derten des Mittelalters, ihrer pofitiven Lage nach, bis in vie 
neuefte Zeit ein Geheimniß geblieben war; weshalb M. Polo, 
der edele Venetianer, auch hier öfter der Fabelei befchuldigt ward. 
Das Si yu wen fian lo fagt hierbei? Als der Empörer Hos 
khi difchi (d. i. der damalige Khodja oder Landesfürft von 
Kaſchghar, im Jahre 1759, f. Aſien I. ©. 463; vergleiche weiter 
unten) Rebellion ftiftete, erwarb jich der nachmalige Hakim Beg 
von Kafıhahar das Werdienft ihm zu feuern, und erhielt dafür 
das Fand Tafchbalig zum Gefchenf, Es bringt nur Obft und 
Getreide (es ift wildes Bergland, Weideland). 


5) Aratuſchi (Olathuſchi, Entorche wol irrig in 
Mem.?) fatt Artuche; nah Pat. v. Hallerftein Obfervat. 
399 36° N.Br., 71° 54° O.L. v. Par, ; diefer Ort ift in Mail: 
la's Tafel ausgelaffen; er fehlt auch in der chinefifchen Reichs: 
geographie Ed. 1818). Es ift eine Station auf der Noute nach 
Akſu, SO Li in N.O. von Kaſchghar. Die Felder find fehr frucht- 





708) Mailla Hist. Gen. de Ia Chine T. XI. p. 575 Tabl. 
?) Meıinoires concernant V’Aist. des Chinois, Paris 1776. T. I. 
p- 393 in Positions ete.; vergl, Mailla 1. e. T. XI. p. 575. 





Oſt⸗Turkeſtan, Kaſchghar, Städte, 419 


bar, die Baͤume uͤppig wuchernd (das erſte chineſiſche Dorf im 
Suͤden des Rowatt-Paſſes, ſ. Aſien I. ©. 327). 

6) Befhiferem (Pieſchikhilimu), die erſte Sta: 
tion von Kafchghar auf derfelden Route, nur 10 Li öftlich der 
Stadt, hat Elima und Sitten mit ihr gemeinfam. 

D PYuͤſu nu oͤlh thu ſchi (72 fehlt auf den Karten? Tiegt 

-30 Li in N.W. der Stadt, dem Schneegebirge ſchon nahe, hat 
alfo ein Ealtes Clima. 


8) Aragan (Ooͤlhku, oder Arku) liegt 190 Li nordöft: 
lich, im Norden der Akfuftrage. Es lehnt fih an das Schnees 
gebirge an (Hier, die Nordfette, am Weftende des Ihianz 
Schan:Syftems, deffen weftliches Glied der Muffur Tag 
ift; deſſen noch weftlichere Fortfegung zur Nordgrenze Kaſchghars, 
auf Klaprothg Carte de l’Asie centrale, Gakchal Taf heißt, 
der ſich weftwärts bis zum Terek Taf, an die oberfte Quelle 
des Kafchgharftromes [des Kokſuſ) hinzieht, und hier, fih füdz 
wärts wendet, und nun als Beloro Tag zum Kuenlun fort 
freicht). Daher hat es, bei Aragau, viele Schneehühner 

und andere Thiere, aus dem Falten Clima. Die Mohammedaner 
/ bedienen ſich aber nur der Schneehühner, die fie für die Küche 
mäften. Wenn man von bier direct über dad Schneegebirge 
reifet Calfo nicht die Akfu: Straße, und ihren Gletſcher-Paß 
auf dem Muſſur wählt, der viel weiter im Often liegt, |. Afien 
1. ©. 330, 403), fo fann man Ili in vier Tagen (? faum 
glaublihh?) erreichen. Im Frühling, Herbft und Winter ift es 
aber unmöglich dies Gebirge zu paffiren; im Sommer würde es 
zwar angehen, doch wählt Niemand diefe Gebirgsroute, hin 
oder her, 

9) Wopar (Mo paölh?) liegt 180 Ai in N.W., und 
\ grenzt an das Sand der Burut (d. i. das Gebirgsland an der 
Süpdweftfeite des ZffekulsSees, oder Temurtu Nor der Kals 
Imüden, f. Afien I. ©. 394); von Wopar ift nichts Näheres 
bekannt. 


17. Kaſchghar, d. i. Sule (Choule oder Chou), nad) den 
aͤlteſten Berichten, ſeinen fruͤhern hiſtoriſchen Ver— 
haͤltniſſen, nach chineſiſchen Quellen. 

Kaſchghar wird, nach der aͤlteſten chineſiſchen Berichter⸗ 
ſtattung, in den Annalen der Han-Dynaſtie, unmittelbar 
Dvd 2 






420 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 55. 


vor und nach Chriſti Geburt, zum erſten Male genannt; aber 
mit dem Namen Sule 79 belegt, der bis in das erſte Jahrtau— 
ſend nach Chr. G., bis in die Endzeiten der Thang-Dyna— 
ſt ie U) im IX. Jahrhundert, bei Chineſen noch immer gebraͤuch— 
lich blieb. Der Fuͤrſt von Sule reſidirte in der gleichnamigen 
Stadt, in welcher 1510 Familien, 18,647 Mäuler.(d. i. der 
chineſiſche ſtatiſtiſche Ausdruck für Seelen bei Europäern), 2000 
Krieger gezahlt werden. Im Süden 'rechnete man 560 Li (280 - 
oder 300 auf 1 Breitengrad; alfo 30 geogr. Meilen) bis Yars 
fand. Sule war vor Chrifti Geburt fchon wegen feiner Wan: 
renmärfte berühmt; es zog damals ſchon die große Heerftraße 
hindurch, weftwärts nad) Tamwan (Ferghana), Kangkiuͤ 
(Sogdiana) und nach Groß-Yuetſchi (Land der Getae, auch 
wol Maſſageten in Sogdiana, ſ. Aſien I. S. 194 und I. ©. 274). 
In jenen aͤlteſten Zeiten lagen im Süden von Sule bis, zu 
dem Kuenlün noch viele unbewohnte Gegenden; gegen We: 
ſten in den Bergen lag Siufiun; in N.W., an 80 geogr. 
Meilen (1030 Li) weit, Tawan (Ferghana); im Norden 
grenzte es an Ufun (das Sand der Blonden, vom indo » germa⸗ 
niſchen Stamme, f. Mien 1. ©. 194, 431). An einer andern 
Stelle der Annalen wird gejagt, daß damals das Land zwifchen 
Kaſchghar und Varfand, wo jest Ingazar (Vengi Hiffar) 
liegt, In ai genannt ward, welches füdwärts an das Fand der 
Sie grenzte. Es gab da nur wenig Korn, die meifte Nahrung 
mufte man aus den beiden fruchtbaren Nachbarländern ziehen. 
Die Bewohner von Sie und Inai hatten aber übereinftim- 
mende Sitten. Inai war nur eine fehr geringe Herrfchaft; man 
zählte nur 125 Familien, 670 Mäuler, 350 Krieger, doch hatte 
es feinen eigenen Fürften. | 
Diefes Königreih Sule (Chou le) auch Khiufha (darin 
Kafıhahar zu erkennen) genannt bei Chinefen, wahrfcheinlich die 
ältefte Benennung der Manerftadt Kafchghar oder Khafi: 
gar, grenzte in jenen antiken Zeiten nicht nur gegen Norden and 
die indogermanifchen Ufun, fondern es wurde ebenfalls feld 
von einem Volke bewohnt, das gleihe blaue Augen u 



























#10) Opissanie Dshungharia ete. bei Pat, Hyacinth n. Dr. Schot 
Neberf. Abth. I. Annalen der Han, Bergl. Deguignes Geſch. de‘ 
Hunnen ꝛc. Th. I. 23, 32 u.a. 9. »2) P. Gaubil Histoir: 
des Thang in Mem. conec. VHist. des Chinois. Paris 154. 4 
p- 388 u, a, D. 


| 





Oſt⸗Turkeſtan, Kaſchghar, Sule ältefter Zeit, 421 


blonde Haare 12) hatte, wie jene. (Sole blondhaarige 
an Bart und Haupthaar, fand noch P. Ben. Goes 13) 
in den wildeften Gebirgsthälern auf dem Weſtabhange des Bes 
lur Tag, bei feiner Ucberfteigung deifelben, im J. 1603, und 
bemerkt dabei, daß fie nur dafelöft, in Calcia? f, unten, einige 
Dorffchaften bewohnten, und daß er fie nur mit den Belgiern 
hätte vergleichen fönnen.) Diefes Volk baute Getreide, Reis und 
eine befondere Art rothes Zuckerrohr, das dem mittlern 
Afien eigen ſeyn follte; desgleihen Baumwolle und Seide, und 
produeirte Eifen, Kupfer, Auripigment. Jene 1510 Familien, in 
Sule waren in der früheften Zeit der Llebermacht der Hiongnu 
tributbar, und wurden von deren Verbündeten, den Khoueitfu 
(d. i. vom heutigen Kutche) unterjocht, bis die Erpedition des 
Chinefen Generals Pantſchao?H, der bei Turfan fein Lager 
hatte, in die Weftländer, fie fchüsgte und dem chinefifchen Scepter 
zuwandte (im 5. 76 n. Chr. ©.). 

Gegen das Jahr 120 n. Chr. Geb. Famen, ftatt der Feinde 
im Often die aus dem Weften; es waren die dorthin verdräng- 
sen Yuetchi (auch Hetha!d), die Getae, Geten), welde in 
Sogdiana mächtig geworden, ihre Herrfchaft über viele der dortis 
gen Völker ausbreiteten, auch den König von Sule abfegten 
und fein Land eine Zeit lang beherrfihten. In diefer Zeit ward 
die Buddha-Doctrin in Kaſchghar eingeführt, was. uns 
nun aus unfern frühern Unterſuchungen über indosffythifche Koͤ⸗ 
nigreiche und den Buddhacnltus leicht begreiftich ift (f. ob. S. 104 


u. f. 284 u. f.). Aber die Könige von Sule erhoben fich wieder 


zu größerer Macht, fo daß fie felbft große Eroberungen machten, 
und zur Zeit der San Koue (d. i. der drei Königreiche 
in China, die von 221 bis 277 n. Chr. ©. dauern), 12 verfchier 
dene Staaten, welche meift weſtwaͤrts zu den heutigen Land: 
ſchaften Bofharas gehörten, ihren Tribut zahlten. Es waren: 
41) Tſching tſchung; D Sotſchhe; 3) Koſchi; H Khiuſcha; 5) Siye; 
6) Inai; I Manli; 8) Jjo; 9) Zuling; 10) Siuntuz 11) Hieou⸗ 





12) Klaproth Tableaux historiques de l’Asie. Paris 1826. p. 166 bie 
167; vergl. Abel Remusat Recherches sur les Langues Tartares 
etc, Paris 1820. 4. p. 291 — 292, 13) Nicol. Trigautius Belga 
de Christiana Expeditione apud Sinas I. c. Ed. 1615. 4. p. 54% 

»*) Ab. Remusat Remarques sur !’Empire Chinois du Cote de !’Oc- 
adent. 1. c. p. 121. 15) Ab. Remusat Notices sur quelgnes 
Peuplades de la Boukharie de l’Ouvrage de Matouanlin in Nourv. 
Melanges Asiat, Paris 1829. 8. T.I. p. 240— 248. 


422 Weſt-Aſien, I Abſchnitt. 5.7 


ſiun; 12) Kin. In der Mitte des V. Jahrhunderts ſchickte der 
König von Sule Gaſchghar) eine Embaffade an den Kaifer 
Wen tſchhing ti (reg. von 452—466 n. Chr. G) der Dy⸗ 
naftie der Wei (Ab. Remuſat nennt ihn Kao tfung); er ließ 
ihm ein Gewand des Shafyamuni (d. i. Buddha) übers 
reichen. Aus Mistrauen in deffen Aechtheit ließ es der Kaifer in 
die Flammen werfen; aber fiche darin brannte es bis zum 
Abend, ohne zu verbrennen. Unftreitig ein aus Asbeft — 
Paummollenftein, Sung ipumbu, f. oben S. 259 — 
gefertigtes feuerfeftes Gewebe. [Daß diefe bei Brahma— 
nen 726) in In dien im Gebrauche waren, fagte einft Hierokles: 
xoavraı dE Zodntı Aıvn, cn Ex nerowv Km. — Aber der 
Geogr. Anonym, unter Conftantinus von Gothofredus edirt, ſchreibt 
diefe Kunſt der PVerfertigung den Seren 17) zu: „‚inlibata est 
vestis eorum, quae neque insordidari potest, et si hoc contigit 
ver ignis gladium (i. e. famma) loturam expetunt.” Der Name, 
den die Nömer diefem Material, das nah Plinius XIX. 1. fo 
Eoftbar wie Perlen war, von der Libyfchen Stadt Asbyſta 18) ges 
ben, wo es wie in Garpftus auf Euboea auch gewebt werden 
mochte, war im mittelsafiatifchen Hochlande freilich nicht bes 
kannt.) Diefes merkwürdige Gewand ward entweder damals 
fhon im Lande feldft gefertigt, oder es mußte durch den Handel 
aus den budphiftifchen Gebieten Bokharas, Baktriens oder Kophes 
nes, unftreitig, hierher auf der Serenftraße ſchon durch den 
Handel eingeführt feyn. Aus Marco Polo willen wir, daß- 
noch-zu feiner Zeit in den Bergen des IhiansSchan, in der 
Nähe von Turfan oder Kharafhar (die Berglandfchaft 
Dſchuldus, wahrfcheinlich fein Chinhintalas) eine Asbeft: 
grube bearbeitet wurde, aus welcher folhe feuerfefte, ſchnee— 
weiße Eewänder gewebt wurden, die er deshalb, witziger Weiſe, 
Salamander (Salamandra)19) nennt. Er giebt umftändlich 
die Fabrication derfelden an, die ihm ein erfahrner Turfomanne 
mitgetheilt harte. Vielleicht, daß diefe Weberei durch indifche 
Buddhiſten in frühern Jahrhunderten bier eingeführt war, da 
noch zu feiner Zeit ihr Idolencultus dort herrfchte. Es klaͤrt diefe 





718) Stephanus Byzant. s. v. Bouzuaves Ed. Berkel. p. 242. 
17) Bochart Geogr. Sacra. Ed. 1692. I. 28. 18) Stephan. By- 
zant. s. v. Aoßvore ed. Berkel. p. 176. 12) M. Polo Trav. 


ed. Marsden L. I. c. 38, p. 175— 178. Il Millione Ed. Baldelli 
Boni I. e, 46, p 39, 


DfteTurkeftan, Kaſchghar, Asbeſtgewand. 423 


merfwärdige Stelle der chinefifchen Annalen zugleich die vielen 
fireitigen Anfichten der Kommentatoren, über diefe Art der Klei- 
dung, wie man meinte, bei den Gymnoſophiſten (den nacktgehen: 
den Weltweifen, f. Alien IV. 2. ©. 657) Indiens vollfommen 
auf: denn es war nicht Tracht, fondern nur ein felten vorkom— 
mendes heiliges, vielleicht priefterliches Gewand, nur für gewiffe 
Religioſen oder heilig gehaltene Asceten im Gebrauch. Die Kö: 
nige von Sule (auch blos Su oder Chou genannt) trugen, 
nach Befchreibung der Ehinefen, auf dem Kopfe eine Tiara, mit 
einem goldnen Löwen (daran vielleicht ihre Münzgepräge er: 
Eennbar, wie die geflügelte Tiara ver Khotan Könige) der 
jedes Jahr umgewechfelt wurde; fie waren nur von 200 Mann 
Seibgarden umgeben. Sie hatten 12 große Städte, die ih: 
nen unterworfen waren, und einige Zehende £feinerer 
Städte. An mehrern Stellen war ihr Land wuͤſte, voll Sand 
und Steine. Die königlihe Familie hieß, nach den Chinefenbe: 
richten, Phoei, oder Fy; der Titel des Könige war Amo: 
tfchi, feine Nefivenz hieß Kafchi (Kafıhbahar). Es wird eine 
Derheirathung des Königs der Sule mit der Prinzeffin Tochter 
eines Khans der Thufhiu (Turk) angezeigt. Diefe Thu: 
khiu unterjochten aber bald nachher das Reich Sule. In dies 
fer Periode muß wol die Bemerkung des Pian itian, K. 56. 
©. 7 gelten, welche Ab. Remuſat?0) anführt, daß die Chine: 
fen bemerften, die Schrift der Sule gleiche der Indiz 
Then (Sanskrit Nagari, wie bei denen von Khotan, f. oben 
©. 368); fie fey nur wenig davon verändert worden, Die Lanz 
desbewohner feyen dem Cultus des Buddha ungemein erge 
ben, hätten feht viele Klöfter (Kialan), trieben eifrig theologifche 
Studien, befäßen heilige Bücher, verfiänden aber doch nicht im— 
mer den Sinn derfelben, und recitirten oft nur im Gedächtniß 
die Wörter, welche fie aus denfelben auswendig gelernt hätten. 
Diefelbe Eultur, durch die Buddha; Dockrin, verbreitete fich 
aber auch nordoftwärts, bis in die Thäler des Himmelsgebirges 
um Turfan (Ling: Shan und die Buddhabilder dafelbft, f. 
Afien I. ©. 353), und über ſie hinaus, bis zur Pentapolis Bifch- 
balik (f. Aſien I. ©. 382); wovon ſchon anderwärts die Rede 
war, was Ab. Kemufat für Koueitſeu oder Kieouffeu?!l) 





*0) Recherches sur les Langues Tartares I, c. 21) Rech. s.l. 
— Tartares l. c. p. 292— 293. 


424 Wert: Afien, I Abſchnitt. 5 5. 


der Chinefen hält. Es beftand alfo eine Zeit, in welcher der 
Buddhismus durch das ganze Dft-Turfeftan verbreitet 
war, und mit ihm die elementaren Anfänge Indiſcher Civi— 
lifationsverhältniffe, welche erft fpäter durch das Vordrin: 
gen des Islamismus verdrängt worden find, worüber uns freilich 
die nähern hiftorifchen Daten fehlen. Schr zu bedauern ift es 
unftreitig, daß uns aus diefer Periode Peikiu's vollftändige 
geographifchsftatiftifche Befchreibung der Weftländer (vom Jahr 
607 n. Chr. Geb. an) nicht erhalten worden ift, von der nur 
die Vorrede in der Biographie diefes Obergouverneurs vorhanden 
blieb, die um fo mehr jenen Verluft in der chinefifchen ältern Liter 
ratur bedauern macht. Schon P. Gaubil 73) und neuerlich 
Neumann ?% haben auf den Inhalt diefer Borrede, in welcher 
von den Handelsftraßen der Chinefen durch diefe Weftländer die 
Rede ift, aufmerkffam gemacht. 2 

Unter den Dpnaftien der Soui und der Thang im VII. 
Jahrh. fehiekte der König der Sule (Kaſchghar) noch einmal 
durch Gefandtfchaften Tribut an China. Gegen das Jahr 677° 
nach Chr. Geb., alfo zur Zeit Srangfon Gambo’s, reg. bis 
698, f. Afien II. ©. 230,- zu derfelben Zeit, da Lhaſa erbaut 
ward, f. Afien II. S. 238, ward aber bei der mächtigen Aus— 
breitung des Neiches der Tufan auch diefes Königreich Sule 
(Gaſchghar), wie fo viele der benachbarten, den feitdem gewals 
tig werdenden Tuͤbetiſchen ?) Herrſchern (f, Aften IL 
©. 177) unterthan, die es aud) bis in das IX. Jahrhundert vers 
walteten, wo es dann wieder an die chinefifche Dynaſtie der 
Thang tributpflichtig ward. Denn im X. Jahrhundert haben 
wir fchon anderswo den Verfall der Tübetifchen Herrfchaft in je 
nen Gebieten Oft:Turkeftans angezeigt. Diefer Zuftand wird von 
den Tübptifchen Annalen als die große Verwilderung mit 
den traurigften Farben gefchildert, weil die falfche Religion 
und die Irrlehre der f[hwarzen Gegend (aus der Terra 
nigra, f. Afien J. S. 1127, vergl, III. ©. 241), d. i. die mo: 
hbammedanifhe Lehre der fhwarz gefleideten 9 





723) P, Gaubil Hist. des Thang 1. c. T. XVI. p. 385395. 

**) Neumann, die Handelöftraßen von China nach dem Weſten, nady 
einem chinejiichen Werke aus dem VI. Sahrh., in deſſen Afiatifche 
Studien. Leipz. 1837. 8. p. 187—204. *°) Klaproth Tableaux 
historiques de Y’Asie l. c. p. 166. 2°) P. Gaubil Histoire des 
Plang in Mem. cone, FHist. d. Chinois, Paxis 1814. 4, T. XVI. 


Oſt⸗Turkeſtan, Kaſchghar, Araberhandel, 425 


Abbaffiden (im Gegenfaß der weiß gekleideten Ommiahden), aus 
dem Weften eindrang. Es find die Neligionskriege der Khas 
lifen und Arabiſchen Dynaftien nah dem Sturze der 
Saffaniden (Mezdedjerds Familie fuchte im J. 638 ihr Afyl bei 
den Chinefen 27), f. Aſien I. S. 204), welche in Kämpfe mit den 
Tübetern traten, deren Herrfchaft ſich damals über das weft 
lichfte Tuͤbet hinaus verbreitete, felbft über Kafchahar. Die Tuͤ⸗ 
beter hatten um das J. 715 nad) Chr. Geb, felbft Einfälle bis 
Ferghana (Pahanna) gemacht, wo fie mit den Arabern in 
Conflict um die Oberherrfchaft Weſt-Turkeſtans zufammentrafen. 
Ihre nördlichen Nachbarn, die Turkſtaͤmme in Oft: Turfeftan, die 
Horden der Thukiu, Hoeihu, Hakas, Kirkis u. a. (f. Hafas oder 
ft: Kirghifen, Afien I. ©. 14122 — 1129) waren durch Arabifche 
Miffionen, durch Handelsverkehr und die Politik der Mosiemen 
aufgeregt, zu zelotifchen Vorkäampfern des Koran geworden. Bon 
der Mordfeite des Thian Schan-Syſtemes herab ergoffen fie fich 
feitdem gegen Süd und Weft wie verheerende Ströme über die 
bis dahin dem Buddhismus ergeben gewefenen Staaten, die 
nun ihrem Verfall nicht mehr entgehen konnten, und völlig in 
Trauerlandfchaften verfanken, als nach diefer Periode noch die 
nachrückenden Mongholenhorden die Berwüftungen vollendeten. 
Aus den Annalen der Thang: Dynaftie erfahren wir, 
daß die Chinefen, eben fo wie die Tübeter, feit dem Anfange 
des VI. Jahrh. als Beſchuͤtzer Oft: Turkeftans in die Kriegs: 
bändel mit den Arabiſchen Khalifen im weftlichen Turs 
£eftan verwickelt wurden, was nicht direct hätte gefchehen koͤnnen, 
wenn fie nicht im Befiß oder Bunde von Kaſchghar und Yars 
Eand gewefen wären. Im Jahr 713 ward 2) Tuhoen, König 
von Kang (in Transoxiana), von dem Feldherrn Kotba, des 
Khalifen Walid, der aud) Samarkand (Kiping) eroberte, und 
einen Turkprinzen, der zu Hülfe gezogen war, befiegte, gefchlagen;; 
Tuhoen rief die Chinefen zu Hülfe. Der König von Tübet war 
im Jahr 715 in das Land Ferghana (Pahanna) eingefals 
len, deſſen Fürft eine chinefifche Prinzeffin zur Gemahlin hatte 





p: 384; Ab. Remusat Remarques sur l’Extens. etc, in Mem, sur 
plus. Questions etc. l. c. p. 88. 

27) Ab, Remusat Remarques sur l’Extension Occid. in Mem. sur 
plus. Quest. 1. c. p. 101. 25) P, Gaubil Histoire des Thang 
in Memoires concern. l’Histoire des Chinois ete., Paris 1814. 4. 
T. XVL p. 7, 9; vergl, p. 393—396. 


426. WefteAften, J. Abſchnitt. 5, 


und deshalb den Chinefen alliirt gewefen, daher deffen geflüchteter 
König nach Turfan (damals zu Ganſy gehörig) zog, um dort 
die Chinefen zu Hülfe zu rufen. Diefe brachten auch Huͤlfe, 
fihieften ihre Truppen einige taufend Fi weit gegen den Weften 
vor, waren fiegreich, unterwarfen fich Uber hundert Städte und 
das Neich der Tache (darunter werden bei den Thang die Kha— 
lifen verftanden; hier natürlich nur eine ihrer eroberten Pros 
vinzen in Transoriana), nebft noch 8 anderen Staaten, Nach— 
dem der chinefische General in diefem Weftlande eine Denk: 
fäute mit Snfchrift der vollbradhten Siege hatte er: 
richten laffen, Eehrte er nad dem Often zurüd. Es war nur ein 
abgenörhigter, ein, Repreſſalienkrieg, fagen die Annalen, um die 
befreundeten Staaten gegen die Leberfälle der Khalifen zu ſchuͤtzen; 
an Eroberungen dachte man nicht. Aber fchon zwei Jahre darz 
auf 29), im J. 717, entftehen neue Kämpfe in Kafchghar, da 
deffen Bewohner, mit den Chinefen unzufrieden, die Truppen der . 
Tuͤbeter wie der Khalifen um Beiftand anrufen, worauf jedod) 
die Chinefen die Ruhe bald wieder hergeftellt haben wollen. Doch 
zog fich die chinefifche Politit feitdem immer mehr, da fie mit 
fi) ſelbſt hinreichend im Innern befchäftigt war und ihre Ohn⸗ 
macht im fernen Weften wol fühlen mußte, gegen den Oſten 
zurück, 

Weder die byzantinifchen Kaifer noch die Khalifen 
£onnten an diefen Nordoftgrenzen ihrer Herrfchaften dem Kampfe 
einer fo großen, gegen den Weften vordringenden Weltmacht, 
wie der hinefifchen, gleichgültig zufehen. Die Kaifer von 
Conftantinopel Ta Tfin, d. i. die großen Tfin, bei den Chir 
nefen genannt, oder Fuslin) ſchickten damals GSefandtfchaften 
an den chinefifchen Hof, welche aber- den Nordweg 30) im J. 
719n.Chr.&. wählen mußten, und über Tuholo (das alte Turz 
feftan) gingen, weil auf dem Suͤdwege ihre Feinde, die Mo: 
hammedaner, ihnen den Weg verfperrt haben würden. Mit die: 
fen Gefandten follen Miffionare, wol chriftlihe (2), zu den Chi: 
nefen vorgedrungen ſeyn; als Geſchenk wurde ein Löwe mit an 
den Hof von China gebracht. — 

Denſelben Weg freundſchaftlicher Annaͤherung verſuchten auch 
die Khalifen zur Zeit, da ſie mit Tuͤbetern in ſehr heftigen 
Kriegeskaͤmpfen lagen, und daher die Befreundung der Chineſen, 


722) P. Gaubil Hist. des Thang l. e. XVI. p.12. 5) ebend. p. 13. 








Oſt⸗Turkeſtan, Kaſchghar, Religion. 427 


im Ruͤcken derfelßen, ihnen von Werth feyn mußte. So foll, 
nach den Ihang-Annalen, im Jahr 798 auch der Tache Gas 
lun (®. i. der Khalif Harun al Raſchid) 3) eine Gefandts 
fchaft an den Kaifer nach China gefchiekt haben. Die Noute 
derfelben wird uns nicht mitgetheilt, nahm fie aber den Landweg 
und die große Karawanenftraße, fo wird fie kaum eine andere 
Route als die durch Kafhghar haben nehmen können. 

In diefer Periode fcheinen verfchiedene Verfuche gemacht wor: 
den zu feyn, die Bewohner Oſt-Turkeſtans, melche bisher 
uns unbefanntem, einheimifchem Aberglauben oder der Buddha: 
doctrin ergeben waren, vorzüglich zum Koran oder auch zu anz 
dern Eulten, zum Feuerdienft oder der Neftorianer: Lehre zu bez 
ehren 3). Die Nachrichten, welche die Chinefen darüber geben, 
find aber viel zu unvollftändig, um hinreichenden Auffchluß darlız 
ber zu geben; dazu vermifchen fie öfter die Benennungen, welche 
fie für die hriftliche Lehre (der Ta Tfin), Kr Merferre: 
ligion Muhufu) und den Buddhacultus (Foe) gebraus 
chen, und nennen auch noch einen Eultus des Geiftes 
(Hien), den fie auch wieder als Feuer erklären. Diefe verfchier 
denen Eulte waren alle vom Weften her, über Kaſchghar, 
Harkand und Khotan, mit zahlreichen Fremdlingen durch das 
ganze Hochland in jenen Zeiten bis nach China vorgedrungen, 
deffen Verwaltung zuweilen durch diefes Zuftrömen der Fremden 
in Schrecken gerieth, deſſen altgläubige Anhänger der Con: 
fucius: Religion der Bäter, wenn fie zuweilen Oberhand 
und Gehör befamen, fih dann von diefen Neuerungen zu 
befreien fuchten. Es gab dann fein anderes Mittel, ald aus China 
nach dem Siyu oder den Weftländern zurüdzufchieken, was ih⸗ 
nen von dort aus zugefommen war (f. Afien IV. ©.222). Die 
Devotion der Bewohner Oft: Turfeftans gegen den Buddha 
war noch fehr groß während der Regierungszeit der Thang-Dy⸗— 
naftie, vom Jahr 618 bis zum Jahr 924, fo daß fehr viele 
Thürme (Tha’s) in diefer Zeit zu Ehren Buddhas erbaut 
wurden, fagen die Annalen 3). In derfelben Zeit war im 
hinefifhen Reiche die Zahl der buddhiftifchen Tempelklöfter, 
welche von den Kaifern autorifirt worden, zu 4660, und die der 
Preivatfiftungen fogar bis zu 40,000 herangewachfen. Diefe 


31) P, Gaubil 1. c. p. 144. * 32) ebend. p. 225. 
32) hend, p. 149, 


408 Weſt-Aſien. I Abſchnitt, $. 5. 


Zählung gefchahe unter dem Kaifer Suen tfong 73% (reg. von 
846 — 859), einem Feinde diefer neuen ‚Lehre, vielleicht auc) ‚aus 
Speculation auf Säcularifationen; daher er den Befehl gab, in 
feinem ganzen Neiche die Tempel des Fo zu zerftören, die Reli— 
giofen derfelben, deren Zahl auf 260,500 angegeben ward, aus 
den Klöftern zu vertreiben, ihre Ländereien zu den tributbaren zu 
zählen, und ihre Sclaven, deren man 150,000 zählte, zu Unterz 
thanen des Neichs zu machen. Aber auch die Priefter der Ta 
T fin wie der Muhufu follten in ihre Heimath gegen den AB ex 
ften zurückgefchickt werden, und nur von der aus Indien gefomz 
menen Fo-Religion, fagte das Faiferlihe Dekret, follten in 
den beiden damaligen chinefifchen Nefidenzftädten (Siganfu und 
Loyang), unter der Aufficht der Mandarinen, einige Tempel 
und Klöfter bleiben. Das Wortzeichen, welches in der chines 
fifcben Schrift die Priefter fowol der Ta Tfin wie der Mur 
hufu bezeichnet, ift leider daffelbe wie bei den Buddhapries 
ſtern, fo daß es ſchwer ift, fie gehörig zu unterfcheiden,  Diejes 
nigen, die auch blos fihlechtweg Muhu (ob Magier? Magovad 
oder Mobed, f. Aſien IV. 1. ©. 618) heißen, von denen wird 
gefagt, daß fie einen Geift (Hien) verehrten, nämlich, im 
Morden des Orus, in Transoriana, aber auch in Perfien und in 
Henki, Sule oder Kafıhahar. An denfelben Orten werde aber 
auch- der Foe und der Geift des Himmels verehrt (was 
Hien heißt in der Religion dee Muhu, kann auch wie Yao 
gelefen werden). Diefer Eultus, fagen die Ihang- Annalen, ſey 
aus Perſien in die andern Königreiche übergegangen, deflen Ans 
hanger auch Sonne, Mond und Sterne verehrten (Mithrasz 
eultus?) und gewiffe Reinigungen hätten, zumal dadurch), daß 
fie mit Mofchus Ohren und Naſe einrieben. Der Geift Hien 
fey das Feuer. Diefer Cultus mochte mit den flüchtigen Saf 
faniden »Reften auf das Hochland verbreitet ſeyn. Die Religion 
der Ta Tſin wird in denfelben Annalen zwar auch Foe⸗Cul⸗ 
tus genannt, da mit diefem Namen aber nicht ausfchließlich die 
Indiſche Gottheit, fondern überhaupt auch der Fremden Gott 
bezeichnet wird, fo haben die Zefuiten-Miffionare, welche uns jene 
Nachrichten zugängig machten, unter der Religion der Ta 
Tſin immer die chriftliche verfianden, welche dann damals 





- #84) P, Gaubil I, c, p. 225 etc. 





Oſt⸗ Turkeſtan, Kaſchghar, Paffageland. 429 


zuerſt durch OftsTurfeftan nah China eingewandert waͤre 
(ſ. Afien I. ©. 285). 

Das Ländergebiet Kaſchghars und Turkeftans 
mußte immer das Paffageland diefer mehr geiftigen Ver: 
bindungen abgeben. Darauf führt auch der induftrielle 
Verkehr in jenen Zeiten, über den die Angaben freilich gleich 
unbeftimmt und ungenau bleiben, weil die. häufigen innern Vers 
wirrungen 35) der chinefifchen-Provinzen Centralafiens, zumal ges 
gen das IX. und X. Jahrh. nad) Chr. Geb. unter den Thang— 
Herrfchern, Feine fo pofitiven und zufammenhängenden Daten über 
die Weftländer darbieten fonnten, wie in den frühern und 
wieder in den fpatern Yahrhunderten. | 
Doch macht der Ueberfeger der Thang-Annalen, der in 
der chinefifchen Literatur fo gelehrte Pater Gaubil, die Bemers 
fung, daß die Fuͤrſten von Kaſchghar (Sule), fo wie ans 
dere in Transoriana bis zum Kaspifchen Meere, und wie die 
Tache (Araber), Poffe (Derfer) und TaTfin (Byzantiner?), 
ſehr viele Münzen 36) von Gold und Silber in Gebrauch) 
hatten (über, jenen frühen Muͤnzenreichthum f. bei dem Tope von 
Manikyala ob. ©. 101, 106, 109, 296 u. a.), welche in jenen 
Zeiten häufig von den Kaufleuten nach China gebracht wur: 
den, und daß die Bewohner jener Weftländer in Künften und 
Wiflenfchaften fehr erfahren waren; zumal die weftlihen Nach: 
barn der Kafchgharen in Transoriana waren treffliche Hanz 
delsleute, Arbeiter in Kupfer, Gold, Silber und Glas. 
Vielleicht koͤnnten daher einft noch in Chinas Münzfammlungen 
wichtige Entdeefungen für die Numismatit Baktriens und der 
Getenlaͤnder por den Einfällen der Mohammedaner gemacht wer: 
den. Wo auch die fremden Eroberer in jene Länder, als 
Hordenfürften etwa (von Turkſtaͤmmen, früher von Geten) 
eingedrungen, ihre nomadifche Lebens art in wandernden 
Zeltlagern fortfegten, da blühten doch in den Städten 
Handel und Gewerbe noch fort, wie in frühern Zeiten. Mit 
dem Verfall der Tübeter Macht im Weften, mit der Bekeh⸗ 
rung der Turkſtaͤmme in Turfeftan und mit der Leber: 
macht dortiger mohammebdanifcher Herifchaften 37) hören, wie in 
Khotan und Yarfand, fo nun auch die genauen Berichte über 





»#) ebend. p. 297 u. a. O. 2°) ebend. p. 383. 
27) ebend, p. 395. } 


430 Weſt-⸗Aſien. J. Abſchnitt. $ 5. 


Kaſchghar auf. Die hiſtoriſchen Zuſtaͤnde Kaſchghars 
feit den Zeiten Kaifer Kang'his und Khienlongs im XVIII. Yahr: 
hundert hängen mit denen von Khotan, Yarkand, Kutfche und 
den andern -bedeutendften Städten diefes Oft: Turkeftan durch die 
Empörungen und die Bandigung der einheimifchen Khodjaz Ger 
fehlechter fo genau zuſammen, daß wir erft weiter unten auf dieſe 
zurückkommen werden. 


Grläuterung 4. 


Die Stäbte und Drtichaften zwifchen dem Norbufer des Ta: 
limu und dem Südgehänge des Thian Schan: Syftems: 
Zurfan, Kharafhar, Kurli, Bukur, Kutſche, Akſu, uſchi 
und ihre Gebiete. 


— 


u ſicht. 

Nach dieſen umſtaͤndlichen Monographien der f — ——— 
und weſtlichen, hiſtoriſch für die ältere Zeit, durch ihre 
Stellung zur Culturverbreitung in Mittelafien fo merk 
würdigen und doch bisher kaum in Geographien beachteten Herr: 
fhaften und Ortfchaften von Khotan, Yarkand und Kaſch— 
ghar, bleibt uns nur noch die Aufzählung der Neihe der Sta: 
tionen auf der Nordfeite des Talimu-Stromes uͤbrig, 
von Turfan, Karaſchar, Kutſche, Akfu bis Ufchi, deren 
Lage am Südgehänge des Thian Schan-Syſtems uns ſchon 
in ihrem Naturverhältniß zu diefem und zu feinen Uebergängen 
aus frühern Unterfuchungen befannt ift. Auch ihre wichtigften 
Beziehungen zur ältern Wölfergefchichte find uns dort ſchon im 
Allgemeinen befannt geworden, fo daß wir hier nur der Reihe 
nach, von Oſten nad Werften, die geographifchen Einzelnheiten 
derfelben meift aus der neuern Zeit, weniges aus der ältern aufs 
zuführen haben. Die Monographie der Hami-Dafe ift fchon 
früher vollftändig mitgetheilt worden (f. Aſien I. ©, 357 bis 
378). Von Turfan (im Mongholifchen fo viel als Nefidenz, 
oder Turpan im Turd) in der Provinz Pidfchan, mit dem 
Qulfan Hotfcheou (ebend. ©. 341), war fihon auf der Grenze 
der mongholifchen und Eaufafifhen Gefichtsbildung in ältefter Zeit 
und als zweiter Heimath der Uiguren, 7 Tagereifen in 
Welt von Hami, von dem es 78 bis 90 geogr, Meilen entfernt 
ift, früher die Nede Cebend. ©. 350—356). Auch davon, daß es 





Oſt-Turkeſtan, Nordftädte, 431 


einft Feuerftadt, und als Siß der Uiguren Kaotſchang feit 
dem VII. Jahrhundert hieß, als Centrum der 6 Städte in der 
Uigurengeſchichte die wichtigfte Rolle fpielte (ebend. ©. 342—349), 
bis in die Periode der Mongholenzeit. 

Karaſchar, im Süden des Bogdo Dola oder Gottesber: 
ges, 63 geogr. Meilen im Weft von Turfan gelegen (ebd. 337), 
defien Hochkette an, den dortigen Seen vorüberzieht und noch 
unüberftiegen. blieb, liegt am Ausgange des alpenreichen 
Dfhuldus, wird vom Kaidu reich bewaͤſſert, ift von Turfes 
ftanen und Torgut-Kalmuͤcken bewohnt, aber feit der Zerfpren: 
gung der Dfungaren verödet (ebend. ©. 341). 

Kutſche, im Süden des Pe Schan (weißer Berg) 
oder Ho Schan (Feuerberg) gelegen, der noch im VI. Jahr⸗ 
hundert rauchend war, und jest noch Salmiakreichthum, Salpe: 
ter und Schwefel darbietet (ebend. ©. 333—335), ift mit feinen 
1000 Familien noch immer ein Hauptmarft der Salze, und 
war einft das Koueithfu-Königreich der Hiongnu. 

Akfſu liegt am füdlichen Eingange der großen Paflage des 
Hauptgletſcher-Paſſes über den Mu; Tag (Muffur 
Dabahn, f. ebend, ©. 329—333), ein bedeutendes Emporium, 
mit 6000 Käufern, 3090 Mann Garnifon, ein Hauptzoll— 
amt auf der großen Karawanenftrage nach Zli, der Sitz eines 
Amban. 

Uſchi oder Uſch— en (Uſch, d. h. auch Reſidenz), 
40 Tagereiſen im Weſten des großen, alten Emporiums Turxr— 
fan, liegt am Suͤdfuß des Muz Tag, auf dem Wege nach 
Kaſchghar, hat feinen Grenzcommandanten feit 1775 erhalten, 
feit welcher Periode die Stadt auch mit dem Namen Yungz 
ming belegt ward (ebend. ©. 323). 

. Wir fügen diefen die wenigen fpeciellen und neueren Da: 
ten hinzu, die uns über jene Ortfchaften bekannt geworden find, 
um dann mit der Leberficht der allgemeinften, fie insgefammt ber 
treffenden, natürlichen und hiftorifchen Daten unfere Unterfuchuns 
gen über Oft: Turkeftan zu fchliegen. 

Da die Tafel der Ortsbeffimmungen der chinefi: 
ſchen Reichsgeographie, neueſte Ausgabe (Edit. Peking 1818 
des Tay thing hoei tien) 733), von den früher gegebenen, f. 
Afien 1 S. 324, etwas abweicht und in einigen Daran berich⸗ 





J 


738) Sach Neumann's gütiger Mittheilung im Mſer. 


432 Weſt-Aſien, I. Abſchnitt. $. 5, 


tigt erfcheint: fo fuͤgen wir diefelbe von 13 Hauptftädten zur 
Benugung einer beſſern Kartographie hier bei. 
1.9ami 2. . 42° 59 N. Br., 91° 30° O.L. von Paris. 


2. Zurfan-. „ . 43004 —ı 8717 —— 
3. Kharaſchar 07 — U 0 — — 
4. Rurle „. . 474 — 84e 56° — — 
5. Bufur „2. 40 44 — 3160 55° — — 
6. Kutſche.. 40 37 — 80° 30° — — 
7,©Sailimu .. 41,4 — 79 22° — — 
Re 3 re 412 09 — 76° 47 — — 
9.Ufdi. . .. Mob — 750 35° — 
10. Temurtu Nor 450° — 74° 42° _— 
11. Kaſchghar. . a5 — 7 37 — — 
42. Sereful . . 374’ — 71° 38 — — 
413. SarasS „= 430%50° — 708 02° — — 


1) Turpan, Turfan (Turphan) 3%), Tulufan oder 
Thu ölh fan der Chinefen. Diefe Stadt ift von M. Polo 
nicht befucht worden; Pater B. Goes hat fich, wie er fagt, an 
diefem Marftorte zwar einen Monat lang aufgehalten, aber nichts 
daruͤber angemerkt, ald daß es befeftigt fen. Auch die Notizen 
der Meffapilger in Bombay (1835) über diefen Ort find ganz ges 
haltfos. Es bleiben uns alfo nur die Nachrichten aus dem Sir 
yu wen kian lo zu referiren uͤbrig. 

Turpan iſt der eigentliche Name, der von den Mongholen 
Turfan ausgefprochen wird. So heißt die Hauptftadt einer 
Herrfchaft, welche ebenfalls Turfan oder Pidſchan genannt 
wird, weil diefe letztere Stadt die ehemalige Capitale des Liz 
guren-Reiches war. Zu Turfan gehören 6 Difteicte: Turz 
fan, Pidſchan (Bidjin), Lufuzin (Limtfin), Sefengmu 
(Seghim), Tokfun und Karakhodjo (Halahodfchu), welche 
von den Turkflämmen der Hoei bewohnt werden. 

Pidſchan (auh Phidfchin) liegt 57 geogr. Meilen (770 
Li) im Weft von Hami, und wird durch feine Situation wich— 
tig, weil die große Heerftraße durch diefen Pag in die Südlän: 
der hindurchgehen muß. In den Zahren 1723—1736 festen die 


739) Si yu wen kian lo Ed. Peking 1778. Ueberf. aus dem Chineſ. 
vonDr. Schott; desgl. Timkowski Voy. ed, Paris. L p. 395—396. 
Webers, von Pat, Hyacinth und Klaproth. 





Aft-Turkeftan, Turfan, 433 


Oeloͤth diefem Gebiete fehr zu. Sein Fürft, der Khodja 
Yming Yminghodfhu), an der Spise feiner Truppen, un: 
terwarf fich dem Kaifer, und zog mit feinen Leuten nach Nganfi 
und Scha tfheou (f. ob. ©. 325, 321), um den Verheeruns 
gen der Dfungaren (f. Afien I. ©. 447) zu entgehen. Nach der 
Eroberung von Zli, unter Kaifer Khienlong, ergaben fich auch 
die Männer von Turfan (1756, f. Afien I. ©. 460). Dann 
beftimmte man die Grenzen von Hoei (der Turf); der Khodja 
Yming war dem Heere der Sieger gefolgt, wofür er die Wuͤrde 
eines Kiüns Bang (Pafallen:König) erhielt. Die Lage von 
Pidſchan forderte dazu auf, hier eine Feftung zu erbauen, 
um die Länder in Zaum zu halten. Sie erhielt 5 Li in Um— 
freis und einen General: Jnfpector (Don fzö ta tfchin), eine 
oberfte Magiftratsperfon (Szökuan), 3 Secretaire 
Dithiefhi), einen Ober-Zolleinnehmer (Kuan ling thung⸗ 
dſchi), einen Polizei-Inſpector (Limu, d. h. praefectorum 
oculus), einen Major (Tſching ſcheu tu 56), 5 Ziänzung und 
Pa zung, Hauptleute und Lieutenants, mit 350 Soldaten in 6 
Kafernen oder Lagerpiägen. Es wurde aber diefes Pidſchan 
dem Hakim Beg von Turfan übergeben. Sehr verrufen ift 
das Land der Wüfte im Often und Suͤdoſten von Pidfhan. 
Dort, fagt man, fey der Tummelplag gewaltiger Stürme; man 
nennt diefe Gegenden San fiän fang (drei Wohnungen), 
Scchi ſan kiän fang (13 Wohnungen) und Puhantai. , 
Jeder der Winde, der fich dort erhebt, Fonımt aus Nordweſt 
alſo vom hohen Bogdo Dola?). Erſt giebt es ein Getöfe, wie 
, * & einem Erdbeben; plöglic) hört dies auf und der Wind kommt 
an. Er reißt die Dächer von den Haufern und wirbelt große 
Steine in der Luft herum, daß fie den Himmelsraum füllen, 
Magen, und wenn fie mit taufend Pfund beladen wären, wers 
denn fortgefchleudert, und alle darin enthaltenen Dinge nach allen 
Richtungen zerftreut. - Einzeln gehende Menfchen und Thiere wirft 
der Sturm 10 bis 100 Fi weit (?) und oft ift feine Spur mehr 
son denfelben zu finden. Im Frühling und Sommer weht er 
ſehr haufig, im Herbft und Winter aber außerft felten (alfo wol, 
wenn bei großer Hitze die verdiinnte Glutatmofphäre über der 
heißen Sandwuͤſte durch die Falten, ſchweren Luftmaffen, die ſich 
vom hohen Bogdo Dola herabftürzen müflen, in das Gleichges 
wicht gefegt wird). So oft man bei Anbruch det Morgenröthe, 
Ritter Erdkunde VII, ee 


434 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. 6. 5. 


fagt der chinefifche Berichterftatter, die nördlichen und füdlichen 

Berge ganz heil und ohne Staub (Nebel) fieht, giebt es an dies 

ſem Tage gewiß feinen Wind, Wenn aber ein fchwärzlicher Mes 

bel fich weit verbreitet, fo daß man beide Berge nicht fehen 

ann, fo giebt es an diefem Tage ohne Zweifel einen folchen Or— 
fan, und man darf dann fich nicht auf die Reife wagen. Auf 
der das Siyu wen fian lo begleitenden Landkarte ift diefe Stelle 
durch das Zeichen „Fung,“ d. i. Wind, angedeutet, Man 
tönnte diefe Erzählungen fir Uebertreibungen halten, denen jes 
doch ein beftimmtes Naturphanomen (wie z. B. der Giftwind in 

der Steinwüfte bei Sellallabad, f. ob. ©. 227) zum Grunde lies 

gen muß. Denn an derfelben Stelle hatte fchon der Minoritens 

Moͤnch W. Rubruquis (im J. 1254 nach Chr. Geb.) 7) ein 

halbes Yahrtaufend früher ganz diefelbe Nachricht mitgetheilt. Cr 

reifet aus Dſchuldus ailac) ab, und fam nad) 3 Tageteis 

fen an den großen See (Kharaſchar-See), der zwar etwas 

falziges, aber doch noch trinfbares Wafler hatte. Jenſeit deſſel— 

ben Sees, gegen Süden und Often, fahe man Berge, und zwis 

fehen denfelben lag ein anderer See (der Lop- Seo). Ein 

Fluß fließt bier Cder Khaidu oder Dfehulduss; Fluß, aus dem 

Bostu Nor in den Lop Mor fließend, f. oben ©. 329) aus 

dem einen See in den andern. Von daher nun wehten, ſagt 
Rubruquis, fo anhaltende Stürme (alfo von N.W.), 

daß die Reiſenden Gefahr liefen, von ihnen in den 

See gefchleudert zu werden. Beim Austritt aus diefem 

Thale, gegen den Norden hin, ift Schneegebirge, wild und‘ 
ſchwer zu paffiren. Die Neife Rubruquis ging, ſcheint es 
nicht uͤber Hami, fondern nordwärts über Barkul (auf dem 

directen Wege nach Karaforum, f. Afien J. ©, 379), fo daß die 

Reifenden bier, e8 war December, von der Kälte fehr viel zu 

leiden hatten. — So weit der genaue Neifebericht, der in fehars 

fen Beftimmungen zugleich die Localität unwiderleglich bezeichnet, 

von der hier die Rede ift, wodurch auch die Lage des von ihm 

befchriebenen Kailac oder Cealac, von Organum und dem 

Juguren-Lande, im heutigen Dfehuldus, im Weften von BR 

raſchar, bezeichnet ift (f. unten). 





239) Guillaume de Rubrugquis Voyage remarquable Envoye en Am- 
bassade par le Roi Louis IX, en Tartarie et à la Chine ete, b, 
P. Bergeren. Leide 1729. 4. T. I. eh, 29, P. 6l. 


Oſt⸗Turkeſtan, Turfan. . 435 


- Zurfan mit den 6 Städten bildet eine erbliche Herrſchaft 
des Khodja, d. i. des Fürften von Turfan, der Kung 
(d. i. König) Sulaman (Soliman) heißt, und ein Sohn je: 
nes Khodja Iming if. In allen übrigen Städten der Turfer 
ftanifchen Linie werden die Beamten von der chinefifchen Nez, 
gierung eingefegt, welche nach Ablauf der gefeglich vorgefchriebe: 
nen Jahre gewechfelt werden muͤſſen. Nur Turfan allein macht 
hiervon eine Ausnahme (wahrfcheinlich als Belohnung der Treue 
des Yming Khodja). Alle Hoei diefes Landes, heißt es weiter, 
find Alapatu (d. i. Sclaven) des Soliman. Es giebt feine 
erblihe Nachfolge. Ein jedes Gebiet der HoeisGrenzen erwählt 
feine Fürften und fest fie ab nach Gelegenheit (fo war es vor 
alten Zeiten, f. unten). Der Familienzahl nach ift Turfan 
der volfreichfte Diftriet, doch beläuft fie fih nur auf 3000 
Calfo höchftens 20,000 Mäuler). Sehr viele find fo arm, daß fie 
ſich felbft nicht ernähren koͤnnen. N 

Der Sommer ift fehr heiß, der Himmel flammt, ein glühens 
der Wind weht über das Land und wirbelt Staub in die Höhe, 
Im Südoften liegt die Reihe der Sandberge (Scha Schan), 
darauf weder Baum noch Strauch, Wenn die Sonne auf ihn 
brennt, fann man feinen Anblick nicht lange ertragen, deshalb er 
auch der feurige Berg, Hojan Schan, heißt. Im Winter ift we 
nig Kälte umd wenig Schnee vorhanden. 

Die Landesproducte find Korn, Hirfe, Sefam, viele Arten 
Melonen, Waflermelonen, Weintrauben von weit vortrefflis 
cherem Geſchmack, als die in den andern Weftländern (vergl. Afien 
Br. 1. ©. 359). Der Boden ift fett und fruchtbar, er giebt 
Baumwolle und Hälfenfrüchte (Bohnen, Erbfen) in Menge, 
Im Norden, nicht fern von der Stadt, wehen an einer gemilfen 
Stelle fo heftige Wirbelwinde, daß fie Eſel und Schaafe, die 
über diefelbe hinlaufen wollen, mit fortreißen, fo daß Feine Spur 
von ihnen zuruͤckbleibt. Im Süden von Turfan ift überall Fahle 
Steppe (Kobi), wo wilde Kameele und wilde Pferde in 
zahlreichen Heerden (zu 110) umbherziehen. Gegen S.W., an 45 
geogr. Meilen weit (500 Li), liegt der Cop Nor. Khara— 
Ehodjo (Halahodfhu), im Süden von Turfan, ift der Ort, 
wo Pantfchan, der Feldherr der Han, fein Lager aufſchlug (ſ. 
oben ©. 359). 


Ee2 


436 Weft-Afien, I Abſchnitt, F. 5. 


2) Kharafhar, Halafhala der Chinefen, und 
Dfhuldus (Yulduz); Cialis, Cailac, Calacia, Ras 
kacha. Durhreife von W. Rubruguis (1254), M.Polo 
(1280), von Schah Rofs Embaffade (1419) und von 
Dat. B. Goäs (1604). 3 

Kharaſchar liegt an 65 geogr. Meilen (870 Li) im Weft 
von Turfan; es ift der Siß eines Generalsnfpectors. Die Fes 
ſtung ift von den Chinefen ‚erbaut, fie hat nur 3 Li Umfang, 
ein weftliches, öftliches und füdliches Ihor. Die Behörden find 
der Tajin, Oberbeamter ald Generallieutenant, zwei oberfte Ma— 
giftratsperfonen und zwei Seeretaire. Die Garnifon beficht aus 
800 Mann. Hier wohnen Hoei (d. i. Turk) und Torgut (d, 
i. Kalmuͤckenſtaͤmme) durch einander. Das Land ift fehr ausges 
dehnt. Die Bergebene Dfhuldus (Yulduz), von 1000 Li 

75 geogr. Meilen) Umfang, hat fettes Gras und füße Quellen, 
und viel Wild; der lange Lauf des Khaidu (Khaitu ho) bes 
wäffert fie gut. In vorigen Zeiten waren diefe Gegenden auch 
gut bevölkert; Kornfelder und Obſtbaͤume bedeckten fie, man 
nannte fie das Land des Wohlftandes und des Leberfluffes. Als 
aber die Dfungaren dort einfielen und ihre Heerden dafelbft weis 
deten, hielten die Hoei diefe Plage nicht aus, und wanderten aus _ 
ihrer Heimath aus. Seit der zurückgefehrten Ordnung, durch die 
Befiegung- von Ili, ward ein General: nfpector hieher verlegt; 
die beiden Ufer des Khaidu und die Weidepläge wurden von 
neuem bevölkert von Horden, die dicht gedrängt in Filzs Zelten 
mwohnen. Seit einigen Jahren haben fie auch den Acker allmas 
lich bauen gelernt. Sie find arm und träger Natur, räuberifch 
gefinnt. Kaufleute und andere mohammedanifche Stämme har 
ben viel von ihnen auszuftehen. Das weibliche Gefchlecht ift ganz 
unverſchaͤmt; an jedem Orte giebt es ſich preis. Aber die Kuͤnſt— 
ferinnen im Sticken find vor Allen in den Yändern der Hoei auss 
gezeichnet. Sehr arme Männer, Frauen und Kinder verfaufen 
fih haufig ale Sclaven, und zwar in jedem Gebiete der Hoei. 
Dann ftehlen fie Pferde oder Kleidungsftücfe und flüchten, ohne 
daß man weiß, wohin fie gefommen find. Cie gehen auch dem 
Handelsgewinn nad, bis Badakhſchan und Hindoftan. Aus 
Pferdemilch bereiten fie das beraufchende Getränt Kiko (wol 
Kumiſch), aus Kuhmilch ein anderes, Aladſchen genannt. Sie 
ebren gleich den Oeloͤth die Lamas. 

Was die Sige des merfwärdigen Cultur-Volkes der Uigu 





Oſt⸗Turkeſtan, Kharafhar, Yulduz 437 


ren oder Raotfche (d. h. hohe Raͤderkarren, weil unftrais 
tig die Näder ihrer beweglichen Filzzelte höhere waren, als bei an— 
bern der Turkſtaͤmme) "*), daher auch ihre Herrfchbaft das Koͤ— 
nigreih Kaotfhang hieß, vor der Zeit der Dſchingis— 
Ehaniden in diefen Gegenden bis Kharafchar und Dſchuldus 
betrifft, fo verweifen wir auf das früher daruͤber Geſagte (f. Alten 
Br. 1. ©. 343 u. f.). Hier erinnern wir daran, dag uns nach 
biefer Periode die Reifen durch diefes Land zu vier verſchiede— 
nen Zeiten befannt geworden find, durch welche wir erfahren, 
daß bier wenigftens noch immer wenn auch nur geringe, doch ei: 
nige Spuren von Eivilifation zuruͤckgeblieben waren, welche diefe 
Landfchaft vor andern auszeichnete. 1) W. Nubruguis im 
3.1254, M. Polo im J. 1250, 3) Shah Roks Em: 
bafjade 1419 und 4) Pat. B. Goäs 1604. 

W. Rubruquis fam von der Nordfeite des Kaspifchen 
Meeres, von der Wolga und dem Bafıhkiren sLande (Pascatir) 
über Taras (Talas) und am Suͤdufer des Temurtus (oder Iſſe— 
ful:) Sees vorüber, zu der großen Stadt Cailac oder Ceas 
face?) (Cialis bi B.G9E5*), identifh mit Groß: Dfchul: 
dus, Dluc Yulduz bei Keriffeddin) #). Diefes Cealac, 
fagt der Minorit, ift ein großer Marktort, von vielen Saufs 
leuten befucht. Er vermeiite fich dafeloft 14 Tage, weil die Reis 
fegefellfchaft den Seeretair des Batu Khan erwarten mußte, wels 
her ihre Karawane zum Hofe Mangu Khans, nach Karaforum, 
begleiten follte. Die Lage diefes Emporiums ift durch obige Stelle 
genau localiſirt (f. oben ©. 434). Das wichtigfte, was hier der 
Möncd feinem Könige berichtete, war die Nachricht von den Ydolz 
anbetern, die er dort vorfand. Am Hofe Mangu hans hörte 
der Minorit diefes Land Organum nennen; er meinte freilich 
in feiner einfältigen etymologifchen Grilfe, weil fie gute Muſiker 
feyn follten. Man legte ihnen den Namen am Hofe Mangu 
Khans unftreitig aber darum Bei, weil man dort fehr gut wußte, 
daß ihre urfprüngliche Heimath das Land am Orkhon oder 
Orghon, der zur Selenga fällt (f. Afien I. ©. 528, 344, wo 





”*t) Klaproth Tableaux historiques de l’Asie . c. p, 125. 
-*#?) W. Rubruqnis Voyage 1. c. b. P. Bergeron T. I. p, 52—58. 
*2) B. Goös I. c. b. Nic. Trigautius. 1615. p- 557. *4) Xenit- 
feddin Hist. de Timur ed. Pet. de a Croix, Ed. Bell. 1%3. 
T, UI. p. 45, vengl. 54 Not. 


438 Weft-Afien. J. Abſchnitt. $. 5. 


zumal’ ©.342—349 von den Uiguren bis auf Ifehingisfhan ums 
ftändlich die Rede ift), gewefen war. Die Uiguren hatten ihre 
eigene Sprache und Schrift (die altturfifche, wigurifche, f. 
SKlaproth Uber Liguren). Das Land war aber damals von einem 
Mongholenftamme (Gontomanen, ob Comanen ?) befegt. 
Dafelbft lebten die Juguren (Gguren, lliguren) in den Bers 
gen von Organım im Dften, als Idolanbeter (Buddhadies 
ner); in ihren Städten wohnten überall neftorianifche Chris 
ſten und Saracenen Mohammedaner) unter einander, Die 
Meftorianer brauchten diefe Lliguren » Schrift in ihren Kirchen. 
Hier in diefer Stadt, ſagt der MinoritenMönch, fahe er die ers 
fien Spdolanbeter. Er fand dort dreierlei Secten. In einer 
ihrer Verfammlungen bemerkte er, daß fie Kreuze von Dinte auf 
der Hand hatten, aber das Chriftusbild nicht fanntenz auch ſahe 
er bei ihnen eine Art Altar, darauf fie Wachsferzen anzuͤndeten, 
wo eine Figur mit Flügeln ftand, die der Mönch mit dem Erz 
engel St. Michael vergleicht. Andere Figuren hielten die Finger 
der Hand wie zur Benediction (nämlich die Buddhaftatuen, 
deren Namen der Mönch noch nicht Eennen gelernt zu haben 
fcheint). An andern Verfammlungsorten fand er, daß ihre Tens 
yel von Oft nach Weft in die Länge gebaut waren, mit einer Art 
Chor gegen die Nordſeite, in welches fie einen Kaften ftellten, 
gleich einer Tafel, an deſſen Seite gegen Mittag ein Idol geftellt 
wird. Ein folches fahe der Minorit in der Nefidenz Karaforum, 
fo groß, wie er in Europa nur „den heiligen Chriſtoph“ abgebil- 
det gefehen. Aber er ſahe auch noch größere. Auf die Tafel 
ftelfen fie, fagt ex, wie auf einen Altar Lichter und Opfer. Auch 
haben fie Glocken und ziemlich große, wie in Europa die Chris 
fien; deshalb, meint der Mönch, hätten die Chriften der orientas 
liſchen Kirche den Gebrauch der Glocken verweigert, um nicht 


diefen Idolanbetern zu gleichen. Er befuchte die Eonvente der 


Spolanbeter (ed waren ihre Kialan oder Kloftertempel), in des 
nen fie zu 100 bis 200 als Cölibataire beifammen lebten, mit ges 
fhornem Haupthaar und Bart einhergingen, in gelbe Gewänder 
gekleidet. In dem Tempel, auf Bänfen gereihet, lafen fie in ih— 
ren heiligen Büchern; fie trugen Schnüre mit Kugeln (Rofens 
tränze) zu 100 bis 200 Stuͤck, bei denen fie fiets die Worte 
U mam hacta vi (er meint die befannte buddhiftifche Gebetformel 
Om mani bat fe hum) herfagen, was foviel heißen foll als: „Herr 
du weißt es!“ Ihr Kloftertempel ift mit einer Mauer umgeben. 


| Oſt-Turkeſtan, Kharafchar, Cealac. 439 


Oefter, bemerkt der Minorit, glaubte er fich in ihrer Mitte ploͤtz⸗ 
lich in eins der Kloͤſter ſeiner Heimath in Flandern verſetzt. 
Die Schrift dieſer Juguren (d. i. Uiguren) haben 
auch die Mongholen angenommen, ſo wie ihr Alphabet. Sie 
fangen von oben zu” ſchreiben an, und fahren in einer Linie nach 
unten fort, und leſen diefe auch eben fo ab; fo füllen fie auch, 
von der Linken zur Rechten fortgehend, ihr Papier. Der Brief 
Mangu Khans an den König Louis IX. iſt in diefer Juguren— 
(Uiguren) Schrift gefchrieben, aber in mongholifiher Sprache abges 
faßt. Sn ihren Tempela haben fie eine Menge Ydole, die fie 
aber als die Bilder der Verftorbenen ausgeben, und behaupten, 
daß fie diefelben nicht anbeten, fondern nur an einen Gott 
glaubten. Dagegen hängen ihre Iempel voll Zeddel mit Zauber 
formeln in wigurifchee Schrift beſchrieben. Diefes Juguren⸗Volk 
ift von mittler Leibesgröße wie die Franzofen geftaltet; bei ihnen 
ift der wahre Urfprung der türfifchen und komaniſchen Sprache 
zu fuchen #9), 
WVon dieſem Cealac (Cailac)h reifete W. Rubruquis 
am St. Andreastage, den 30. Nov. ab, und kam nach 3 Stun: 
den zu einer Burg, oder einem Dorfe der Neftorianer*), wo 
er mit feinen Gefährten in die Kirche eintrat, und laut fein 
Salve Regina mit Herzensluft fang, weil. fie feit fo langer Zeit 
dies nicht gefonnt hatten. Ueber die Neftorianer wird weniger 
als über jene Buddhadierrer geſagt; wie kennen fie in ihrer Vers 
breitung durch diefe Gegenden fchon aus frübern Unterfuchungen 
(f. Afien I. S. 2833 — 299). Nach. drei Tagemärfchen von die 
ſem Neftorianer Orte, der nicht namentlich aufgeführt wird, Fam 
der Minorit an den See von Karaſchar, unterhalb Dfehul- 
dus, von deſſen Localität fchon oben die Rede war (f. ob. ©.329). 
IM. Polo folgte ein paar Jahrzehende fpäter (um das % 
1280) diefem Norgänger in diefelben Gegenden; doch geht aus 
feinem Berichte keineswegs hervor, daß er diefelbe Localitaͤt ſelbſt 
befucht hätte. Dazu iſt feine Erzählung von derfelben zu unge? 
nau und zu wenig ausführlich, auch bleibt er zu wenig in’ ver 
wahren Direction der Reiferoute, von der er fonft nicht abzuwei⸗ 
den pflegt, ohne Noth (f. 5.3. Alien II. S.513—522). Wir 
vermuthen daß M. Polo fein Kapitel Uber Ehinchintslas ünd 
die Provinz Egrigaia mit der Stadt Kalacha oder Calacia 





"*&) W. Rubruquis I. c. p. 58. *°) ebend. p. 60—6l. 


440 Weit: Aften, I, Abfchnitt. $. 5. 


Cidentifch mit Cailac?) nur aus andern chinefifchen Berichten ges 
nommen hat, die hier felbft nicht im Klaren feyn mochten, oder 
binfichtlich der Lage irrig verftanden wurden. Sein ChinChins 
talas7#) ift wol eher das in Südoften an Kharafchar grens 
zende Schenfchen am Lop-See, da Talas fo viel als Ebene 
oder Meer (Dalai) im Mongholifchen bedeutet. Es gränzt, nach 
ihm, an Hami; er nenne dafelbft, wie W. Rubruquis, die 
dreierlei dort wohnenden Secten; die Neftorianer, Mohammes 
daner und Ydolanbeter. Hier wird von ihm die Asbeſtfabri— 
eation angegeben, von der oben die Rede war (f. ob. ©. 422), 
Er dehnte diefes Gebiet wol weiter gegen Nordweſt, in das Land 
der Uiguren aus, das er an einer andern Stelle Egrigaia 
nennt (Land der Ighuren, Enguren), obwol er dies zu Tan 
gut rechnet, was eigentlich mehr im S. O. der Wüfte liegt. In 
diefes fegt er die Stadt Kalacha (Calacia, Cailac, Cea— 
lac, Cialis) 3), wo die beften Kamelotte gemacht werden. Wo 
M. Polo von den Briefen des Khan in mongholifcher Sprache) 
fpricht, die aber, wie Rubruquis angab, in Ligurens Schrift vers 
faßt waren, nennt er diefe Namen fo wenig, wie bei der Pros 
vinz Ungut, wo von der Auswahl der fchönen Frauen für den 
Khan die Rede ift; ein Name der in andern Handfchriften (als 
Origiach, Drigiathe, Ingrac) unter andern Formen vorfommend, 
es wahrfcheinlich macht, daß hier von demfelben Lande der Uigu— 
ren die Rede ift, deffen Bewohner, Männer wie Frauen, in je 
der Hinficht größere Auszeichnung genoffen als die andern benachs 
barten Wölkerfchaften. (die Anfänge ihrer Civilifation, zu Fa 
Hians Zeit, ald Oui oder Onhou, f. od. ©. 357). 

Zur Zeit von Timurs des Welteroberers Feldzügen, wird 
der Landſchaft Oluk Yulduz (d. i. Groß: Dfchuldus)), 
als einer fehr reizenden Weidelandfchaft erwahnt, in welcher nach 
den fiegreihen Schlachten und DBerfolgungen des Fürften der 
Geten, an den Saifanfee und an der Weftfeite des Altai, den. 
verfchiedenen feiner Truppenabtheilungen, die unter 5 Felde 
herren weiter durch das Gebirgsland auf verfchiedenen Marfchrous 
ten —— ziehen ſollten, zum gemeinſchaftlichen Sammpgpplage 





”*?) M. Polo ed. Marsden Liv. I. ch.38. p.175—178. 
*®) ebend. Liv. I. ch. 52. p.235— 236. . *°) ebend. Ed. 'Mars- 
den p.16, Not.24; p- 281 Not. 627. 50) Xeriffeddin Histoire 


de Timur ed, Pat. De la Croix. Delf, 1723. T. Il. p. 45 und 
54 Not. / 


Oſt-Turkeſtan, Kharaſchar, Oluk Yulduz. 441 


beſtimmt ward. Dort ſollte ein großes Siegesfeſt gefeiert werden, 
von dem Timur dann wieder, gegen den Weſten, in feine Res 
ſidenz Samarfand zurüceilte, die, nach) Angabe des Biographen, 
480 Wegeftunden (cs find wirklich 250 geogr. Meilen) entfernt 
liegt, wozu eine Karawane 2 Monat Zeit verbrauchte. Damals 
wurde, auf den 5 verfchiedenen Wegerouten, welche den 
5 Truppenabtheilumgen dur eigene Marfchcommiffarien 
vorgefchrieben waren, die ganze Geten - Population durd) das 
ganze Bergland des Thian Schan:Spyftems, zwifchen dem 
Saiſan-See und Kharafıhar, methodisch ausgerottet und vers 
nichtet, denn nirgends follte Dardon gegeben werden. Alles mußte 
über die Klinge fpringen; der Befehl wurde ausgeführt. Die 
Gegenwehr war blutig und furchtbar. Das ganze Land ward 
verwüftet und ausgeplündert, und wo noc) einzelne Hordenhaufen 
der Vernichtung entgangen waren, da eilte Timur felbft, der 
fein Lager fchon im Tieblihen Oluk Yulduz genommen hatte, noch 
einmal hin, um auch diefe noch niederzuhauen. So verfchiwindet 
gar manche Bölkerfchaft aus Inner⸗Aſien, theilmeife oder ganz, und 
ſchwierig ift es überall die Faden der Völkerhiftorien hier zu ent— 
wirren. Oluk Yulduz, oder Groß: Dfhuldus,. war von 
Timur nac) völliger Vernichtung der Geten (ed war das Jahr 
der Heg. 791, alfo 1388 n. Chr. ©.) zur gemeinfamen Erholung 
feiner Reiterfchaaren und zur Fefiverfammlung der Sieger auserz 
fehen; daffelbe, was auch Cialis von Fremden, zumal in Reiſe— 
routen der Moscoviten, genannt ward. Yulduz (Df chul dus), 
ſagt der perſiſche Geſchichtſchreiber 5), heiße der Morgenſtern. 
Das Land, welches mit dieſem Namen (es wird auch ein Ketz 
ſchik Yulduz, oder KleinsYulduz, in deſſen Nähe genannt) 
belegt wurde, war von den Dichtern befungen wegen feiner Liebz 
lichfeit, feiner fchönen Quellen, feiner herrlichen Weiden, feiner 
friſchen fühlen Lüfte. Die, Futterkräuter waren fo gewürzhaft 
und ftärfend, verfichert derfelbe, daß die magerften Pferde in Eure 
zer Zeit fich dort wieder erholten, ftarf und fett wurden. Diefes 
fchöne Alpenthal ward damals überall mit Zeltlagern und Som— 
merpavilfons der Großen bedeckt, und vor diefen der Boden mit 
Teppichen voll Brocat und Goldftidereien gefhmüdt. Man ers 
richtete das Faiferliche Zelt, und der Weltftürmer beſtieg feinen 
goldenen Ihron von Edelfteinen ftrahlend. Er ließ allen Emiren 





) Xeriffeddin Hist. L c, II. p. 56 Not. und p.54 Not. a. 


449 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 3. 


und Feldmarfchällen feines Meiches die Ehre zufommen den Fair 


ferlichen Teppich zu kuͤſſen. Mit der Krone auf dem Haupte | 


und dem Scepter in der Hand, theilte er hier die Ehrenfleider 
und Eodelfteinanrtel an die Prinzen, Emirn, Sheriffs, an alle 
Großen des Neiches und an die obern Dfficiere feines Heeres aus, 
um ihre Dienfte auf die verfchiedenfte Art zu belohnen. In gols 
denen Schaalen ſchickte er den Föftlichften Wein durch die fchöns 
ften Dirnen des Landes feinen Begünftigten zu; das ganze Heer 
war hocherfreue über die Anerkennung feines Gebieters. Die 
Herrlichkeit dauerte aber nur eine kurze Neihe von Tagen, worauf 
Timur feinen Ruͤckmarſch nah Samarfand eiligft nahm, wo in 
der Reſidenz neue Feftivitäten begannen. 

Schah Rokhs Embaffade 2) im %. 1419 (f. Aften I. 
S. 216), paffirte nur ein halbes Jahrhundert fpäter durch diefe 
Sandfchaft, welche in ihrem Berichte Ylduz genannt wird, und 
damals an das Gebiet des Shir Behram ſtieß, von wo man weis 
ter nach Oft bis Turfan (Turfan) vorfchritt, wo auch ein großer 
Tempel des Schafyamani (Schaf mouni) genannt wird. Don 
HYulduz wird nichts befonderes gemeldet; nur daß auf dem Wege 
von da nach Turfan die Karawane durch Naubüberfälle geplüns 
dert und in Schrecken gefeßt ward, und daß, obmwol mitten im 


Sommer, zur Zeit des Sonnenfolftizes, man dafelbft fehr _ 


von der Witterung litt, und erftaunt war, zwei Zoll dickes Eis 
zu finden. 


Der Jeſuiten Pater B..Go&s, der von Kutſche (Cucia) 


in 25 Iagemärfchen zur Stadt Cialis (0b Yulduz, oder das 
heutige Kharafchar, welches exft mehrere Tagereifen öftlich des 
weidenreichen Alpenlandes erbaut ward, ift nicht zu beftimmen) 
gelangte, um dann durch Pidjan (Pucian) und Turfan 
nach China vorzudringen, mußte zwar drei®?) ganze Monat 
hier verweilen, und erlangte eine hinreichende Kenntniß diefer 
Landſchaft; aber er hat uns von ihre nur wenig überliefert und 
ſich weitläuftiger über feine theologischen Disputationen eingelafs 
fen, und über feine eigenen“ Aventüren. 

In Cialis regierte damals ein illegitimer Sohn des Könige 
von Kaſchghar, ein zelotifcher Mohammedaner, der den Pater fos 


752) Embassade de Schah Rokh fils de Tamerlan etc, in Thevenot 
Relat. d. div. Voy. T. Il:-Paris 1646. fol. Nouv. El P.IV fol. 2, 
®*) Nicol, Trigautins de Christianı Expedit. 1. e. p. 557 — 559. 


\ 


Oſt-Turkeſtan, Kharafchar, Cialis. 43 


gleich als Andersglaͤubigen, der es wagte fein Reich zu betreten, 
mit Schmach und Verfolgung bedrohte; aber durch die mitges 
brachten Eöniglichen Empfehlungsfchreiben und Patente bald ‘bes 
fänftigt, demfelben fogar gütig feinen Schuß, angedeihen ließ. 
Der Dynaſt liebte die theologischen Disputationen mit den Docs 
toren des Koranrüber fein Gefes, die fo eifrig ausfielen, daß er 
einft, da fie fih bis fpät in die Nacht verlängert hatten, noch 
den Pater herbeiholen ließ, um vor ihnen Rede zu ftehen. Ein 


‚ zugefandtes Keitpferd und ein Diener entboten den Erſchreckten 


fogleih im Palafte zu erfcheinen. Da er nichts anders dachte 
als daß er zum Tode geführt werden follte, nahm fein Gefährte, 
ein Armenier, unter Ihränen von ihm Abfchied, und diefer ers 
hielt für folchen Fall auch den Auftrag, der Gefellfchaft Zefu von 
defien Ende Bericht zu geben, auch feine Hinterlaffenfchaft zu 
fihern. Aber der Pater war nur berufen worden, um über den 
Koran mit deffen Doctoren eine Disputation zu halten. In dies 
fer Stunde, fagt er nun, war ihm die Gabe der Rede fo geges 
ben, daß der Negulus felbft ganz durch feine Säge überredet 
ihm beiftimmte, und mit den Worten fchloß, die Chriften feyen 
die wahren Mifermanen (Mufelmanen) oder Gläubigen; 
er erkenne dies, feine Vorfahren hätten denfelben Glauben ges 
habt. . Darauf wurde die Disputation mit einem glänzenden Ges 
lage befchloffen, fo daß der Pater die Nacht über im Palafte 
bleiben mußte, und erft fpät am folgenden Tage in feine Woh— 
nung entlaffen ward, wo der Armenier längft an der Wiederkehr 
verzweifelte, | 

In Cialis war wieder ein großer Wechfel der Karawane; 
bie aus Kataja (China) zurückehrende Karawane, welche dem 
Pater die freudige Botfchaft von der Nähe Pefings und feiner 
dortigen Ordensbrüder brachte (f. Afien I. ©. 219), mußte erſt 
abgewartet werden, ehe fich eine neue organifiren Fonnte. Der 
Aufenthalt von drei Monaten Zeit, welcher dadurch veranlagt 
ward, war fehr-Eoftbar, und der Abmarfch wurde es noch mehr, 
da der Pater ſich die Erlaubnig dazu erft durch neue Gefchenfe 
erfaufen mußte. Der Negulus von Cialis blieb ihm indeß ges 
wogen und drang ihm nun feine Creditive auf; er fragte ihn ob 
er in denſelben einfchreiben laſſen folle, daß er ein Ehrift fen. 
Ya, antwortete der Pater: den Namen Zfai, den er bisher 
gehabt, wolle er auch ferner behalten. Dies hörte ein alter Prie: 
fer der Saracenen; voll Beifall riß er feine Müge vom Kopf, 


444 Weſt⸗Aſien. J. Abſchnitt. 6. 5. 


warf ſie zur Erde und rief: fo rechnet dieſer, o König, im dei⸗ 
nem Angefichte auf den Beiftand feines Jeſu. Anders: machen 
es die Unſern, die mit dem Lande auch den Glauben verändern 
(qui una cum“regione religionem permutant). Undıınun bezeigte 
diefer Mullah auch von feiner Seite dem Fremdling die größte 
Ehre. Sp werde im Lande der Finfternig, auch die Wahrhaftig- 
keit des Glaubens in Ehren gehalten. —: Ion Cialis wurde 
nun in 20 Tagen die Provinz Pidjan und die Stadt Tur— 
fan erreicht. Neuere Berichte von Augenzeugen Uber diefe Ger 
genden fehlen uns leider. Mach einem von Mir Zffet Ullah 
mitgetheilten Routier, fol der Khaidu bei Kharafchar Fchiffs 
bars*) feyn. 


3) Kurliss) wird auf den Karten Surungli genannt; 
denn es fann wol fein anderer Ort als diefer ſeyn, deilen Lage 
init der aftronomifchen Ortsbildung im der Tafel der chinefifchen 
Heichsgeographie Ed. 1818 (ſ. ob. ©. 432), in Sudweft, nicht 
fehr fern von Kharaſchar, übereinftimmt. Daß er am Kaidugol 
liegt, haben wir fchon oben (f. ©. 330) gefeben. Die geringe 
Nachricht des Si yu wen fian lo über diefen Ort, den alle andern 
Berichterjtatter gänzlich mit Stillfhweigen vorübergehen, befteht 
in Folgendem: In S.W. von Kharafchar, 150 Li fern, liegt 
Kurli, das von 700 Familien bewohnt wird. Sie find ein laͤſ— 
figes und träges, doch ftreitfüchtiges Wolf, und Eennen feine ans 
ftändige Sitte. Das Land wird vom Kaitu ho, d. i. dem Fluß 
Kaidu, umfloffen. Es hat viele Fifche, Krebfe, auch: wilde 
Gaͤnſe, Enten, Reiher und andere Waffervögel. Es bringt Reis, 
Getreide, Zikizao (?), woraus man Speifeftäbchen macht, hervor; 
auch viele Weintrauben, Melonen und Baumfrücte. 


4) Bukur (Bugur, Yougur auf Klaproths Carte centr. 
de l’Asie) wird auch nur im Si yu wen fian lo erwähnt, deſſen 
Lage aber nad) obiger Angabe aftronomifch beftimmt ift. Es foll 
590 Li (an 44 geogr. Meilen) weftlicher liegen, als Kurli. Früs 
ber hatte es 2000 Familien, gegenwärtig (1778) nur noch) 500. 
Es fcheint fih aber feit dem letzten Jahrhundert wieder um Ries. 
les gehoben zu haben. Die Bewohner -follen betruͤgeriſch, ſtreit— 


75%) Magasin Asiatique I» c. T. I. p. 36. 5°) Si yu wen kian To 
nad Dr. Schott Ueberj. aus dem Chinefiſchen. 


Dt: Turkeftan, Bukur, Kutfche, 445 
ı 

ſuͤchtig und die roheften unter allen Hoei (Turd) fenn. Ihr Land 
liefert Kupfer, Del, Felle von Schafen, Butter und 
Wild, darınter Luchspelze. Im Süden deffelben ift Alles 
Kobi (d. h. Steppenwüfte). Drei bis vier Tagereifen zu Pferde 
füdlich kommt eine fchöne, fruchtbare Bergfläche mit vielem Wilde, 
Diefe muß wol am Nordufer des TarimzFluffes liegen; doch 
wird feiner hier nicht erwähnt. Es wird nur gefagt, noch weiter 
im Eüden liege ein mit Waſſer bedecktes Land, das an den 
Sternenfee grenze (2). 

Senes Kharafchar, von dein oben im Lande der einftigen 
Uiguren die Rede war, ift, nach einer Stelle der chinefifchen 
Heichsgeographie, vom Jahre 1790, die Klaproth 56) citirt hat, 
eine alte Capitale der Uiguren gewefen, welhe Yankhi hieß. 
Sn diefem Stadtgebiete führt diefe Geographie, am Ende des 
XVIH. Jahrhunderts, noch 10 Begs oder Prinzen auf, welche 
die dortigen mohammedanifchen Yugor beherrfehten. Hieraus 
fchließt der genannte DOrientalift, wie aus mehrern andern Stels 
len, daß nicht alle Lligurenzweige ausgeftorben find, fondern deren 
noch heute dort eriftiren. Nach derfelben Neichsgeographie liegt 
jenes Yougur (identifch mit Bukur?) 686 Li (45 geogr. Meil.) 
in S. W. von Kharafchar, auf der Grenze von Kutfche, auch daß 
es in der antiken Zeit der Hans Dpnaftie Lunthai oder Lun— 
theou hieß; zur Zeit der Ihang aber Lun thaihian, und 
zum Gouvernement PDesthing, d. i. Biſchbalig (Urumtſi, ſ. 
Alien I. ©. 380 u. f.) gehörte. 


5) Kutfhe (Khudfhe oder Kueiſzoͤkue; einft 
Shen die Nefidenz der Koueisthfu (I. Aſien Od 1 — 

©. 335) 7). 

Diefe Stadt liegt 22 geogr. Meilen (300 Li) in Weften von 
Bukur, und hat 9 Li Umfang. Die 4 Pforten der Feftung che 
nen fih an Bergpäffe an. Die chinefifchen Truppen und Mo— 
hammedaner wohnen in einer Stadt beifammen. Die Hoei in 
der Stadt und dem Gebiet belaufen fi) auf. 1000 Familien, 
Diefe liefern jährlih 2000 Saͤcke Korn, 1080 Kin (Pfund) 
Kupfer, das von hier nad) Ufchi in die Münze gefchieft wird. 


»*) J. Klaproth Obseryations eritiques sur les ‚Recherches etc. in 
Mem, relatifs a l’Asie T. II. 1826. p. 346. °7) Timkowski Voy. 
T.1, p. 398 — 400; Si vu wen kian Io —9— Dr. Schott Ueberſ. aus 
dem Ghinefifchen. 


446 Weſt-Aſien. J. Abfchnitt. 9. 5. 


Ferner 200 Kin Salpeter und 300 Kin Schwefel, die beide 
nach Ili gehen, zur SPulverbereitung. 

Das Gebiet von Kutſche ift groß, die Stadt gilt für 
ven Schlüffel zu Turfeftan der Neuen Linie, von der Seite 
Chinas her. Nach einigen zehn Li füdlich folgen kahle Step: 
pen, und 3 Tagereifen zu Pferde, weiter fommt man zu herrs 
lichen aber unbewohnten Bergthälern, die voll Wild und reißende 
Thiere find. 

Die Producte des Landes find Thaliänpu (?, bei Tims 
kowski ift es in Rhabarber überfegt? f. Afien I. ©. 179— 186), 
dann Kupfer, Salpeter, Schwefel, Ammoniak-Salz 
(Naofcha, f. Afien I. S. 336). Von der Gewinnung diefer Pros 
ducte, aus den phlegräifchen Feldern bei diefer Stadt, ift ſchon 
am angeführten Orte die Rede geweſen. 

Nur einmal oder zweimal des Jahres faͤllt ein feiner 
Regen in dieſem Lande, und auch zuweilen im ganzen Jahre 
gar nicht. Felder und Gaͤrten muͤſſen deshalb bewaͤſſert werden. 
Brunnen und Quellen giebt es nicht; aber im Weſten der Stadt 
fließt der große Wei fan ho (Ergol ſteht bei Timkowski, der es 
aber nach der Karte nicht ſeyn kann, ſondern der Chayar Da— 
ria oder Ukiat). Die Bewohner find in der Kunft Canäle zu 
graben und das Waffer zur Bewäflerung zu verbreiten, erfahren. 
Darum ihre Gärten und Felder fehr einträglich find. Alle Baum⸗ 
früchte reifen. 

Die folgenden Nachrichten find in der Lleberfegung bei Timz 
kowski ausgelaffen: 20 Li nördlich von der Stadt Kutfche, d. i. 
eine gute Stunde fern, find die Eleinen Buddhahöhlen 
und 60 Li weftlih die großen. Oben und unten, vorn und 
hinten, find an 400 bis 500 Stellen Höhlen in den Bergen. 
Das Innere ift angefüllt mit Bildern des Buddha, die bunt bes 
malt und mit Goldſchaum beftrichen find. In der größeften 
Höhle befindet fich ein weiß befleidetes Bild aus Erde, Auf die 
Wand ift ein Abfchnitt aus dem Buche von der Seelenwande— 
rung in chinefifcher Schrift eingegraben. Es fol diefe Inſchrift 
aus den Zeiten der Thang herrühren (vergleiche die Gruppe des 
Ling Schan mit den hunderttaufend Lohan bei Turfan, f. Afien 
1. ©.353). Zehn Li, in S.W. von da, liegen die Ruinen einer 
Feftung, mehr als 5 Li in die Länge; noch find ftarfe und 
hohe Baftionen davon übrig. Die Eingebornen fagen, es ſey dies 
ein Waffengrt unter der Han: Dpnaftie gewefen. Jedoch läßt 


Oſt⸗Turkeſtan, Kutſche, Shayar. 447 


ſich dies nicht ausmitteln. Zu dieſen aͤltern Daten fuͤgt die 
Nachricht der Mekfas Pilger in Bombay nur hinzu ®), daß Ku⸗ 
tfche von Yarfand 40 Tagereifen entfernt fey, und daß man von 
der ruffifchen Grenze bis dahin 3 Monat Zeit gebrauche. Die 
Bevölkerung beftehe größtentheils aus Kalmüden, die Weichen 
wohnen in der Stadt, die Armen in Zelten auf dem Lande, 
Diele find Hirten zahlreicher Heerden. 

Shayar (Chayar) liegt von da 160 Li (12 geogr. Meil,) 
gegen S.W., aber nicht mehr an der Hauptfiraße. Es ift ein 
Eleines HoeisGebiet, das dem Tatſchin von Kutfche angehört. 
Es ſtehen dafelbft Feine chinefifchen Truppen. Sie haben blos 
Begs vom 3ten, 4ten, 5ten und 6ten Nange, und zwar Einen 
von jedem Range, Alle übrigen Begs find vom Tten. Im Sir 
den fließt der Wei kan ho (d. i. alfo der Shayar: Fluß) 
Der Hoei find 700 Familien. Die jährlichen Abgaben betragen 
‚ungefähr 1000 Shi (?). An Panie und Schwefel bringt das 
Land, verglichen mit Kutfche, nur 4 weniger ein. Es ift niedrig, 
feucht und heiß, und taugt daher zum Anbau von Reis, Melos 
nen und Baumobſt. Alle diefe Erzeugniffe find vortrefflich, die 


Birnen aber find am allerbeften. Es giebt hier fehr viele Tiger 


(j. Afien IV.2. ©.690), Füchfe und Luchſe. Nahe der Stadt 
ift der See Weihu (auf der chinefifchen Karte Zinghu; Bas 
ba Koul auf Klaproth Carte centr.). Im Sommer fommen 
giftige Mücken, wie Nebel oder Staubwolfen. Die Hoei machen 
fih Umhänge aus Zeug, und nach Sonnenuntergang begeben fich 
Männer und Frauen in diefe Umhänge, um dem Mückenfchwarm 
zu entrinnen. Zu diefer Mückenzeit ift die Plage für die Heers 
den ſehr groß; vom ganzen Körper fließt das Blur herab, das 
Vieh brüllt unaufhoͤrlich. Erſt nach der zweiten Nachtwache bes 
ruhigt es fich. 

Das Volk von Shayar ift nach der chinefifchen Berichte 
erftattung, äußerft roh, dumm und ftreitfüchtig. Die Frauen find 
alle von guter Farbe und im Allgemeinen hübfch; Feine findet fich 
darunter, die befonders haßlich wäre (der alte Ruhm der Schöns 
heit der Uigur hat fich alfo auch hier erhalten). Im Süden 
grenzt Shayar an den HopusMor (Hop: Nor), mas fo 
viel ale Sternen:&ee bedeutet (alfo wie ob. ©.323 Ging; 





”s°) W. H. Wathen Memoir 1. e. in Journ, of the Asiat, Soc. of 
Bengal., Calc. ed, Prinsep. 1835. p, 656. 


248 Welt Afien. I. Abſchnitt. $ 9. 


fusHai). Diefer HopusMor, fagt das Si yu wen kian lo, fen 
ein Aggregat vieler Kleiner, zerftreut liegender Seen, die fich mit 
ihrem rothgelben Waller wie Sterne ausnehmen, und dem ewis 
gen Schnee, defien Schmelzen ficy gegen den Süden vertheilen, 
ihr Daſeyn verdanken. (Hier wird die Hypotheſe von dem Hoang-ho 
wiederholt, und zur Unterftügung vderfelben angegeben, daß eben 
fo der Yang dſzoͤ Kiang aus den ähnlichen Waſſern des ſuͤdweſt⸗ 
lichen Tübet und Hindoftans entftche.) Dem Hopu⸗Nor ſtroͤmt 
der Weifanho zu; nad einer Stelle im Si yu wen Eian lo, ift 
der Sing fu Hai oder Sternenfee ganz identifch mit dem Hop 
oder Hopu Nor; welcher aber hiernacdy jene ganze ſehr große 
Sandfchaft bezeichnen wird, von Khotan bis Hinter: Tübet, ein 
großer Bogen von zehntaufend Li, in welchem Alles, wie der Aus 
tor fagt, Hopu Nor fey. 

Südweftlih von Kutfche kommt man zu Pferde in 8 Tas 
sen nah Hotan (d. i. Khotan), und fidöftlicher, ebenfalls 
zu Pferde, in 28 Tagen nad Si Zang, d. i. Weft:Tübet 
cf. Afien II. ©. 176). 

Am Chayar-Daria, oder Ukiat-Fluffe, aufwärts, 
ein wilder Gletſcherſtrom, der von Mordweft her, aus dem 
Schneegebirge des Muffur Dola, oder dem Hochgebirge» des 
Muffart, gegen Suͤdoſt an Kutfche voruberzieht, zum Tas 
rim⸗Syſteme, liegen weidenreiche Bergthäler, wie die in Dfehuls 
dus am obern Khaidugol. Die Karte zeigt uns hier die Nas 
men vielerlei Ortfchaften, die uns aber fonft unbekannt bleiben. 
Mur von zweien, durch welche der Nordmweg von Kutſche 
nach Akſu führt (denn auch ein Südmweg, dem Mordufer des 
Tarim genäherter, geht eben dahin), giebt das Si yu wen kian lo 
furze Notiz; von Sailumu und Paitfching. 

Sailumu oder Sailim ift uns feiner aſtronomiſchen 
Lage nach in Obigem bekannt (f. ob. ©. 432); es ift das Sais 
rim der Routiers. Es liegt am Fuße des Schneegebirged und 
der Paflage des Muffur Dabahn (f. Alien B. J. S. 331). 
Darum ift es hier ſehr kalt; ſchon im achten und neunten Mos 
nat fallen die Baumblätter fämmtlic) ab. Nur Getreide und 
Bohnen fann man bauen; Melonen und Weintrauben gedeihen 
nicht mehr; auch giebt es fehr wenig Obſtbaͤume. Das Land 
bringt Kupfer, Salpeter, gefchliffene Steine u. a. m. Die Eins 
wohner find gutartig und nicht fo roh wie die andern Hoei. Sie 





Oſt⸗Turkeſtan, Paitſching, Akſu. Gag 


lieben füßen Wein und Gefang, was fie mit denen von Kutfche 
gemein haben. _ 

Paitſching (Bai auf der Cart. centr.) etwa 7 geogr. M, 
(80 Li) im Weften liegend von Sairim, ift nur ein kleines Ger 
biet, mit 400—500 Familien. Cs ift Ealt, hat fehr wenig Reis, - 
Melonen, Baumfrüchte, 

Keiner von diefen Orten wird in Pater B. Goäs Keife 
aufgeführt, obwol er hier 5 Stationen mit Mamen nennt, die 
wir alle nicht kennen; nämlich von Oft nach Weft in folgender 
Reihe: Kutſche (Lucia), dann Ugan, Saregabedal, Del; 
lai, Eafciani, Ditograch Gazo, Akſu. Nur von Eucia 
allein, wo der Pater einen Monat verweilen mußte, um die fehr 
ermatteten Laftthiere der Karawane wieder heranszufüttern, fagt 
er mit zwei Worten, daß es eine Eleine Stadt fey, von fehr in: 
toleranten Moslemen bewohnt. 


6) Akſu wird von Hadſchi Khalfa in der türfifchen Geo: 
graphie 759) eine Eönigliche Stadt genannt, die einft die Reſidenz 
der Koͤnige von Kaſchghar und Yarkand geweſen, und 7 Tage— 
reiſen in N. (d. i. N.O.) von Yangihiſſar liege, was wol eine 
andere Feſte ſeyn muß, als die erſt juͤnger erbaute. Akſu's 
Lage im Suͤdweſt des Gletſcher-Paſſes und an einem reißenden 
Bergſtrome iſt uns aus obigem bekannt (ſ. Aſien J. S. 328, 
vergl. ob. ©. 431). Um von Yarkand nach Akſu zu kommen, 
brauchte Pat. B. Goes (im Jahre 1604) mit feiner Kara— 
wane 60), über die Orte Jolci, wo die Päffe revidirt wurden, nad) 
Hancialir alceghet, Haga beleth, Egriar, Mefeteleg, 
Talec, Horma, —— Aconſerſec, Ciacor — ung 
insgeſammt unbekannt — 25 Tagemaͤrſche, durch viele Klip— 


pen und waſſerloſe Elke, durch diefe Kara Kitai, die 


ſchwarze Wüfte der Kataier genannt, weil diefe dort lange 
Zeit verweilt haben follten, ging es auf fehr befchwerlichen We— 
gen. Damals gehörte Akſu zum Königreiche Kaſchghar, der 
König hatte feinen zwölfjährigen Enkel zum Gouverneur von 
Akſu eingefegt. Von diefem wurde der Pater feierlich empfan— 
gen, der allerlei Spielereien als Gefchenke brachte, und dafür 
mit Confitären und Süßigkeiten aller Art belohnt wurde, Dem 





?®°) Klaproth Mem, relat, a l’Asie T. II. p. 288. 6°) Nic, Tri- 
gautius de Christiana — l. ©. p. 556. 


Kitter Erdkunde VII. Ff 


450 Weft:Afien,. I Abſchnitt. $ 5. 


Eigenwillen des Prinzen mußte er fih fügen, der von ihm ver 
fangte, daß er nach der Sitte feiner Heimath tanzen folle. Auch 
dor Mutter des Prinzen und feinen Lehrern mußte er Befuche 
abftatten und Gefchenfe darbieten. Dom Orte felbft wird uns 
nichts berichtet. 

Akſu, fagt das Siyu wen Eian lo 761), gehöre zu Uſchi, das 
15 geogr. Meilen (200 Li) weiter im Weſten liegt. Die Stadt 
fen ünbefeftigt und habe 6000 Haͤuſer. Das chinefifche Siyus 
wen fian lo, nach / De. Schotts Ueberfegung, giebt 20,000 Famis 
lien als die Population von Akfu an. Das Zollamt ift hier von 
Wichtigkeit, da Handelsleute fowol von China als Rußland und 
Indien bier hindurchziehen. Aus dem öftlichen und weftlichen 
Turkeſtan begegnen fich hier die Neifenden wie aus Rußland und 
Kafıhmir, Tafchkender und Kirghifen. Gegen Norden fpaltet ſich 
hier die Paflage über Guldſcha (Zli) ab, gegen Süden nach Yars 
fand und Ladakh. Die Kafıhmirer Kaufleute zahlen bier von 
ihrer Waare von Jo Stüden eins. 

Das Sand ift ausgedehnt und fruchtbar; es bringt Getreide, 
Waitzen, Gerfte, Linfen, Bohnen, Hirfe, Baumwolle; auch wilde 
Mfirfiche, Aprikofen, Birnen, Granatäpfel, Weintrauben, Mauls 
beerbäume, Melonen und alle Arten Gemüfe. Die Einwohner 
find wohlhabend, fie unterhalten zahlreiche Heerden von Rindvieh, 
Schafen, Kameelen und Pferden, Sie haben fehr geſchickte Baum— 
wollenweber (Bumafeja heißt eine Act ihrer Gewebe) und Bes 
arbeiter edler Steinarten; fie verfertigen fchöne Gefäße und 2er 
derwaaren, zumal aus Hirfchleder ausgenähte Zaͤume und Sättel, 
die durch alle Städte Turkeftans verfendet werden. An Gefchiek 
lichkeit übertreffen fie alle andern Hoei. Sie find gutmäthig, aber 
wie alle Mohammedaner (Hoei) zu Streit und Aufruhr geneigt. 
Durch die Stadt führt die große Landftraße; daher Fein Mangel 
an Waaren und Kaufleuten. An den Marfttagen ftrömt fehr 
viel Volks herbei. Hier refidirt ein von chinefifcher Seite ernannz 
ter Amban, cvon Obrift Rang, der die Pälle der Kommenden und 
Gehenden vifirt, und über gute Ordnung wacht, Er wohnt in 
einer befondern Vorſtadt, die Gulkakh heißt und 3000 Mann 
Truppen garnifonirt. { 


Nach der Ausfage der Mekkapilger in Bombay (1835) 62) | 


”s‘) Rach Timkowski Voy. T.1. p.401— 403. °?) W.H. Wathen 
Mem. in Journ. ofthe As. Soc. of Bengal. ed. Prinsep Vol. IV. p. 656. 





Oſt-Turkeſtan, Uſchi Turfan. 451 


liegt Alſu, 20 Tagereiſen für Karawanen fern von Yengi Hiſſar. 
Die Stadt ſoll gegenwaͤrtig ein ſehr bluͤhendes Emporium ſeyn, 
für den Waarenumſatz zwiſchen China, Rußland und der Tata⸗ 
rei. Es ift jetzt nach ihnen die Nefidenz eines Hafim, welcher 
Ahmed heißt, ein Sohn Uzaks. Er ift ein Usbeke, geringer in 
Hang als der Bang in Yarkand, und auh noch den Amban 
untergeordnet. Nach ihnen garnifoniren in Akſu nur 2000 Mann 
chinefifcher Truppen. Die Silbermünze, Tankeh genannt, die 
im Lande curfirt, wird in der Münze zu Akfu geprägt. 


N) uſch, Ufhi oder Ufhi Turfan®), Es liegt 

1000 Li (75 geogr. M.) im Welt von Kutfhe, Die Moham: 
medaner nennen es auch Turfan (Uſchi Turfan im Gegen: 
fag von Koneh Turfan, d. i. das üftlihe, gegen Hami geler 
gene); in ihrer Sprache bezeichnet diefes Wort ſo viel ald Ver: 
fammlung oder Vereinigung. Das Gebiet ift füdlich gänz von 
Bergen eingefchloffen, und ein großer Fluß (Iaho) windet fih 
im Norden um daffelbe. Unter den Dfungaren war das Land 
im blühenden Zuftande, man zählte hier gegen 10,000 Familien, 
Hier ift ein Münzhof, die Kupfermünze Pul hält etwa eine 
Drachme und zwei Theile Silber (). Auch Kharapulen find 
hier in Umlauf (Pul, ein arabifches Wort, bezeichnet Kupfer: 
münze. Die Sharapulen, d. i. fhwarzes Geld, heißt 
bei Turkeftanen die hinefifche aus Meffing gefchlagene Münze, 
bei denen über 5, Zufag ift. Die turfeftanifchen Dul haben eine 
"andere Form als die chinefifchen, und werden aus Kupfer ges 


ſchlagen. Auch in Rußland gab cs vordem Münzen. die Put 

hießen). 

Das Gebiet von Uſchi iſt weit ausgebreitet, es erſtreckt ſich 

nordwaͤrts bis zu den Schneebergen, befteht größtentheils aus treffz 
lichen Bergthälern und weidenreichen Gegenden, wo Berg» Kir: 
ohifen (Burut, f. Afien I. ©. 328, 332) nomadifiren. Gegen 
den Süden fließen fanfte Ströme durch fruchtbare Ebenen. Die 
Waifan, d. i. die fremden Kaufleute, haben Abgaben, den zehnz 
ten Theil von jeder Waare, zu entrichten. Im Jahre 1775, d. i. 
im vierzigſten Regierungsjahre Kaiſer Khienlongs, erhielt Akſu 





°°) Timkowski Voy. T.T. p. 400. Si yu wen kian lo, Ueberſ. aus d. 
Chineſ. von Dr. Schott. 
12 


452 Weſt-Afien. I Abfchnitt, 9. 5 


den Namen Yung ningtfhing; dazu gehören die Gebiete 
Uſchi, Akſu, Pai und Sailimm. 


Erläuterung 5. s 
Allgemeinere Berhältniffe Oſt-Turkeſtans nach dem chinefifchen 
Berichte des Si yu wen kian lo (1775). Ueber dad Schnees 
gebirge, Clima, Boden, Producte an Pflanzen, Thieren; 
Bewohner in Sitten und Gebräudhen. Zuſatz nach dem 
neueften Berichte der Mekka: Pilger zu Bombay (1835). 


Wir laſſen nach diefer vergleichenden Zufammenftellung der 
hiftorifch »geographifchen Daten über die einzelnen Ortfchaften und 
Städte, die allgemeinern Nachrichten über das ganze Gebiet von 
Dft-Turfeftan folgen, wie uns diefe durch den Verfaſſer des 
Siyumwenfianlo überliefert find, der jene Gegenden als Aus 
genzeuge befchrieb, mit den Zufägen die wir durch die dort eins 
heimifchen Mekka: Pilger in Bombay erhalten haben, um dann 
mit der Angabe der Weſt-Paͤſſe und einer hiftorifchen Anmers 
fung über die legtern politifchen Zuftände unfere Unterfuchung 
über diefe Localität zu befchliegen. Wir folgen ganz den Anga— 
ben des chineſiſchen Autors, zuerft über das Schneegebirge, der 
uns feine Ueberſicht deffelben im Zufammenhange giebt, die freis 
lih, nach dem, was wir früherhin darüber fchon im Einzelnen 
mitgetheilt hatten (f. Afienl. ©. 320—392), uns nicht mit neuen _ 
Thatfachen bereichert, aber doch uͤberſichtlich wiederholt was dort 
zerfireut vorkam. 


1. Der Siue Schan, d. 1. das Schneegebirge 9 
(der Thian Schan). 


Der Siue Schan fängt bei Kiayuͤkuͤan (ſ. Aſien I. S. 210) 
an, und zieht in Schlangenkrümmungen nad) Weften. Bald 
fteigt ex auf, bald nieder; bald ift er abgeriffen, bald zufammenz 
hängend; bald theilt er fich in zwei oder drei Aefte, bald vereini- ' 
gen fich diefe wieder zu Einem Stamme. est erhebt er fich in 
die Wolfen, jegt find feine Gipfel fo weit ausgedehnt und aus: 
geflächt, daß fie an 1000 Si im Umireife haben. Im Süden 





”*4) Nach Dr. Schott Ueberf. aus dem Chineſiſchen. Diefer Artikel 
ift bei Timkowski ausgelaffen, — N 





DftsTurkeftan, Gebirgsgruppen, 453 


diefes Gebirges liegen Hami, Phidſchen, Kharafchar, Kutfche, 
Akſu, Ubi, Yarkend, Khotan, Kafıhahar und noch andere Hei: 
nere Diftricte, die von feiner Bedeutung find. Nördlich aber 
liegen Pali khiuaͤn (Barkul), Urumtfi, Ili, Tarbaghatai und ans 
dere Eleine Diftricte, die ebenfalls nicht in Betracht fommen. Al: 
les, was längs dem Gebirge im Süden liegt heißt Nanlu 
(Suͤd⸗Straße), und die Einwohner find Hoei (Mohammeda: 
ner). Alles im Norden gelegene heißt Pelu Nordftraße) und 
ift das alte Land der Dſchuͤn ho oͤlh Cd. i. der Dfungaren, 
Dſchungor). Bei Yarkand wendet fich ein Iheil des Gebirges 
gegen S. W. und zieht nach Hindoftan. Dann biegt es fich wie: 
der weſtlich und läuft in gerader Richtung dem abendländifchen 
Meere zu. -Diefer weitere Lauf kann hier nicht unterfucht wer— 
den, fagt der chinefifche Autor. Die höchften und berühmteften 
Gipfel diefes Gebirges find: 
1) Der Du khithapan in Urumtſi (Aſien J. S.380) mit 
3 Gipfeln. Er ſteht ifolirt und ift außerordentlich hoch. Sein 
Eis und Schnee haben Kriſtallglanz. Er reicht, in den Himmel, 
Eonne und Mond verdedend. 

2) Der Mu li thu ſzoͤ in Kharafchar, deffen Umfang 1000 

Li überfieigt (wol der Bogdo Dola). Die Waſſer find klar, das 
Gras fett und tüchtig zu Viehweiden. 
3) Der Mu fu lutha pan zwifchen Ili und Ufchi Cder 
Muffurdabahn, Afien I. ©. 331). Diefer Berg befteht 
ganz aus Gletfchern mit einem Silberglanze. Ueber ihn geht 
eine Verbindungsftraße zwifchen dem Sud: und Nord: Yande, 
| 4) Der Milithaitha pan (der Mirdfhai Dabahn, 
wo die Ju-Bruͤche, f. ob. ©.382) in Yarkand. In dem Berge 
ift Alles Edelftein (ev meint den Zu). 

5) Der Ping Shan, d. h. Eisberg (offenbar. — — 
korum⸗Paß mit feinen Gletſchern nach Ladakh, ſ. Aſien 1. ©.635); 
er iſt ſehr gefährlich zu paſſiren, doch geht über ihn die Handels: 
ftraße von Yarkand nach Hindoftan. Sein ewiger Schnee giebt. 
dem Süden reihe Bemäfferung. 


2. Elima ©). 


Nachdem der Verfaffer des Si yu wen fian lo von den ver: 
ſchiedenen Afpecten der Himmelskörper in Turkeſtan gefprochen, 


**) Timkowski Voy. T. 1. p. 409— 412. 





454 WeftsAfien, J. Abſchnitt. $ 5, 


und unter andern mit dem fonderbaren Gase fchließt! Das Land 
liege hoch, fo daß die obern Sterne hier eben fo ſtark leuchten 
wie die niedern, koͤmmt er auf das Clima und ſagt: Hier wehen 
im Frühling und Sommer häufige Winde, aber nicht fehr ſtark, 
fo daß fie weder Sand aufwehen noch Bäume ausreißen. Die 
Eichen, Weiden, Pfirſich, Aprikofen, Pflaumen, Birnen und 
Apfelbäume verlieren (dadurch ?) ihr Yaub. So wie der Wind 
zu wehen anfängt werden alle Fruchtbäume mit Blüthen bedeckt, 
die Früchte gedeihen. Auch die Übrigen Bäume belauben fich 
und befchatten das Land. Nach den vielen Winden fallen Nebel 
zur Erde, welche fie wie der anhaltendfte Iegen anfeuchten. Die 
Regenguͤſſe ſelbſt find hier fchädlich, jedoch fehr felten. Fallen fie 
zur Blüthezeit, wenn auch nur wenig, fo welfen die Bäume; 
fallen ſtarke Regen, fo iſt es, als verbrennten fie (oder als wären 
fie mit Del bedeckt) und feine einzige größere Frucht bleibt übrig. 


3. Boden 


Das Erdreich ift fett und warm, es giebt reiche Ernten. | 
Nach der Saatzeit leitet man Waffer in die Furchen (Graben). 
zur Bewäfferung. Wenn es im Winter Regen giebt und die 
Srühlingsregen ebenfalls die Erde anfeuchten, fo fäet man früher, 
Zugleich mit dem Korn fäen die Turkeftanen auch Melonen. Sie 
find von rother, weißer, gelber oder grüner Farbe; bald rund, 
bald länglih und auch von verfchiedener Guͤte. Im Sommer 
und Herbſt hält man es für die erſte Höflichkeit, die Gäfte mit 
Melonen zu bewirthen. Man kann alle Kornarten bauen, vors 
züglich aber gedeihen Weisen, dann Reis und Baumwolle; Gerfte 
und Hirfe brauchen fie nur um ein -beraufchendes Getränke darz 
aus zu bereiten (Branntwein oder Bier?) und zum Diehfutter 
ftatt der Bohnen, Erbſen, Linſen; Gemuͤſearten koͤnnen zwar rei⸗ 
fen, da die Turkeſtaner ſie aber nicht an eilen, fo fäet man wer 
nig davon. 

Sobald im Frühling das Eis auflhant, leiten fie die Waffer 
auf die Felder, nach geringer Anfeuchtung des Bodens bearbei 
ten und befäen fie ihn. Iſt die Saat einige Zoll hoch gediehen 
fo wird zum zweiten Mal der Boden bewällert, um die Exde zi 
tränfen. Das wilde Unkraut wird nicht ausgegätet, weil mat 
glaubt, daß es den Halın fühle. Welch eine ungegründete uni 
lächerliche Meinung, ruft hier der chinefifche Berichterftatter aus 
da feine Landsleute bekanntlich ihre Felder ungemein eifrig gater 












DftsTurkeftan, Produkte, 455 


Am gefährlichften find die Frühlingsfröfte, Iſt es Ealt, fo verlie⸗ 
ren fich die Schneewafler nur fpät, wenn aber die zur Saat guͤn—⸗ 
ftige Zeit verftrichen ift, fo muß man von der Saatzeit bis zur 
Ernte das Waffer aus den Bergquellen herbeileiten, damit das 
Korn Wurzel faſſen koͤnne. Der Regen ift nur nachtheilig; ift 
er ſchwach, fo giebt es nur wenig Kornmehtz ift er aber ſtark, 
fo uͤberſchwemmt er die Felder mit Salzwaffer (Koudjir, 
Soda?). 
4. Produkte. 

(Ein Proͤbchen chineſiſcher naturgeſchichtlicher Beſchreibung 
fremder Produkte nach dem Si yn wen kian lo, das bei Timkowski 
nur unvollftändig mitgetheilt if. Die vollftändigere Ucberfegung 
ift bier gegeben nah Dr. Schatt, aus dem dinefifchen Origir 
nal 766), Vieles bleibt uns hier unbeftimmbar, weil die Produkte 
ſelbſt bisher unbekannt blieben. Non den mineralifchen Produften 
werden außer den ſchon oben angeführten Metallen, Salzen, 
Asbeſt, Zu m. a. keine befondern genannt.) 

Dflanzen. 

Schadfao (SandsZiziphus; Jujuben, im Ruffis 
fhen durch Finifi, d. i. Datteln überfeßt. Sie gleichen 
den chineſiſchen Zujuben (f. Afien I. ©. 359, II. S. 927), find 
von heligelbee Farbe; die Frucht hat ein weiches, fandartiges 
Fleiſch, ift füß von Geſchmack; dient zur Fermentation beraus 
ſchender Getränfe. 

Huthung (im Ehinef., d.h. fremder Thung, Thung ift 
Bignonia tomentosa) oder Togurafbaum genannt (die Tatdren 
von Kafan nennen den Rhamnus paliurus Karategheref; Te; 
gheref und Toguraf ift nach Klaproth wol derfelbe Name; 
der Baum war bisher unbekannt). Diefe Bäume bededen die 
ſandigen Steppen, fo daß fie an manchen Stellen ganze Wäld: 
chen bilden, wol eine gute Stunde (10 Li) lang; aber der Baum 
iſt krumm und nicht dauerhaft, daher fein Holz auch nicht vers 
arbeitet werden kann (ob identifch mit dem Saxaul? Aften I. 
©. 657, 902). Die Turfeftaner nennen den Baum nur „Brenn: 
holz,” weit fie ihn nur zur Ofenheizung gebrauchen. Bei ſtarker 
Sommerhige ſchwitzt feine Wurzel einen Saft aus, der fich gleich 
Kirſchharz verhärter und Toguraks— Thränen heißt (Ambre 


S 


766) Timkowski Voy. T. I. p. 411— 417, 


456 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6. 5. 


jaune); aus der Rinde des Stammes tritt ein weißer Saft wie 
Mehl, man nennt ihn Togurak-Seife (Soude de 'Togourak). 

Siueliänhoa (Schnee-Nymphaͤa). Sie wächft fehr hau: 
fig mitten im Schnee des Siue Schan, eben da, wo die Siueki 
(di. die Schneehühner) in Schaaren fliegen; fie find fehr 
fett, wohlſchmeckend und von heißer Natur. 

Phuiya ſzoͤ (Dias) Eine Art wilder Knoblauch, die 
Sandzwiebel genannt, eyoroß, wird von den Hoei gegeflen. 
Der Geſchmack it fäuerlichfüß, die Blätter gleichen denen der 
Zwiebel, find aber inwendig nicht hohl. 

Schadfhu (Sand: Bambus); es gleicht Ding Schilf⸗ 
rohr, iſt aber ohne Knoten und Abſaͤtze. Frucht und Mark wer— 
den wie das Rohr zu vielen Arbeiten verbraucht. 

Dfifizao. Eine gerade, ſehr ſtarke und ſehr glaͤnzende 
Pflanze; ſie laͤßt ſich biegen, ober nicht zerbrechen. Man kann 
daraus Speiſeſtaͤbchen (Meſſer, Gabel und Loͤffel) verfertigen. 

Auch werden noch ein paar fremde Producte aus dem Pflan— 
zenreich genannt, die durch den Handel aus dem Auslande hier: 
ber zum Verkauf gebracht werden; nämlic) Piſtazienkerne und 
eine Abuse, 

Die Piftazienferne (nad) Klaproths Ueberſetzung, denn 
fie werden eigentlih im Chineſiſchen Fihtenferne genannt) 
fommen aus Waifan. Die Schaale gleicht der der Cedern. Der 
Kern ift blaͤulichgruͤn, füß, hat aber nicht den Gefchmad der Ce: 
dernuͤſſe (2). 

Die Wurzel der Pflanze Pa la phing gleicht ganz dem 
Sanzi (72), ift aber dunkelblau oder fohwarz Sie fommt aus 
Hindoftan (0b etwa Räwaſch? Rhabarber, f. ob. ©. 305). Die 
Hoei holen fie häufig von dort, und verkaufen fie in ihrem Sande 
zu hohen Preifen als Medizin, die außerliche und innerliche Ue— 
bel, welche fonft unheilbar find, heilt. Aber ohne genauere 
Prüfung darf man fie nicht anwenden, fagt der chinefifche Autor, 
Don den Melonen Turkeftans war ſchon bei Hami ‚die Rede (ſ. 
Alien I. &, 359), 

Ihiere, 

Diazaotungtfhung Dies fabelhafte Wefen iſt im 
Eommer Pflanze, im Winter Inſect. Es fommt auf dem Siue⸗ 
Schan zur Welt; 68 brechen im Sommer die Blätter wie aus 
einer Art Lauch hervor, Die Wurzel gleicht faulem Hohe, Jim 
Winter, wenn bie Blätter vertrocknen, fängt die Wurzel an fi) 








Oſt⸗Turkeſtan, Produkte, Sauna, 457 


zu regen, und verwandelt fich in Inſecten. Mit Arzneien ver: 
mifcht ift dieſes Product ungemein hitzig. 

Die wilden Pferde, Kameele und Efel leben in den 
Gebirgen und in der Wüftenfieppe, in Heerden umberzichend. 
—Die wilden Stiere find von großer Stärke und Grau: 
famkeitz wenn der Jaͤger fie nicht auf den erften em erlegt, 
ſo iſt er verloren. 

Auch Lingyang im Chineſ. (Argali im Turk und Tatar. 
n. Klaproth) giebt es, eine Art wilder Schaafe mit großen Köpfen 
und langen gewundenen Hörnern (Ummonshörner? ob Muſi— 
mon? f. Aſien L ©. 9). Ihr Fleiſch ift fchlecht, aber ihr 
Fell halt warm, und mwi:d zu Delzkleidvern häufig verbraucht. 
Noch wird ein anderes wildes Schaaf (?) genannt, das man 
in Rohrgebüfchen findet, deilen Farbe blau und weiß feyn fol. 
Die Wolle ift lang und fchlicht. Es hat die Größe des Efels und 
ein menfchenähnliches Gefiht. Der Bart am Kinn ift 6 bis 7 
Zoll lang und gleicht dem Menſchenbarte. Die Hoei halten dies 
Thier für einen Genius und wagen es nicht zutödten (ob eine 
Gazelle, Saiga, oder Dferen? Sſarii 767) bei den Mongho— 
len, unter deren Geftalt mit einem Horne, auf den Bergfetten 
gegen Enedfek, d. i. Indien, fhon dem Dfehingisfhan fein Tegri, 
d. i. der Geift feines Urahns erfcheint, um ihn vom Kriegszuge 
‚gegen Indien zuruͤckzuweiſen? ſ. Aſien UI. S. 98). 

Der Zailang (S chakal n. Klaproths Ueberſetzung, vergl, 
Aſien J. ©.331), im Gebirgslande einen Fuß hoch, 3 Fuß lang, 
gleicht der Seftalt nad) dem Wolfe, und kommt zu Hunderten in 
‚Heerden vor, die ſelbſt dem Yäger die Beute des erlegten Wildes 
wieder entreißen. 

Kofentiao (Tiao iſt nach dem Wörterbuche Dfgö wei, ein 
großer Kaubvogel von fihwarzer Farbe, aus deſſen Slügelfedern 
man Pfeilſchaͤfte machen fann), ein fihwarzer Adler von 2 bis 3 
Fuß Höhe; er befigt in feinen Schwungfedern fehr große Kraft, 
Er lebt im Hochgebirge, Weiter weftli von Badakhſchan er⸗ 
zahlt man, gebe es einen furchtbar großen, fchwarzen Tiao, der - 
die Wolken durchfliegt, nur auf Berggipfeln ruht, und groß fey 
‚wie ein Kameel. Wenn er über einem Wohnorte wegfliege, fo 
fliehen alle Menfchen in ihre Häufer. Oft pade er Ochfen und 
Pferde und ſchwinge fih mit ihnen empor. Seine Länge be: 





757) Sſanang Sfetfen Mongol. Geſch. b. Schmidt 1. c. p. 8% 


458 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 5. 5 


trage 8-9, auch wol 10 Fuß (mol das Maͤhrchen vom Vor 
gel Rok?). 

Fen kheu, ein Eleiner Vogel, der Wachtel gleich, mit ro: 
then Schnabel und Strallen, findet fich auf dem Eisberge (Ping: 
Shan). Elfhundert bilden eine Heerde. Seine Eier läßt er auf 
dem Eife liegen, wo fie bei Kälte plagen und die Zungen auss 
fliegen laffen (vergl. Aſien I. ©. 331). 

. Dayenniao (der Fettvogel) foll in Ili und Urumtſi 
einheimifch feyn. Er ift an Größe einem jungen Huhn gleich, 
ganz fihwarz von Farbe. Iſt er fett, fo kommt sr in die Wohns 
orte und Häufer, und giebt Elagende Laute von fich. Lockt man 
ihn, fo fliegt er auf Arm und Schulter. Man greift und drückt 
ihn, worauf er ein Fett oder Del aus feinem After giebt; dann 
läßt man ihn wieder fliegen. Dies ift derfelbe Vogel, fagt der 
Autor des Si yu wen kian lo ironifch, von dem es in einem alten 
Eprichiworte heißt: „Den Pa yeuniao drückt man mit einem 
Steine „und nimmt ihm das Del; dann Fann er weiter fliegen.” 

Den Beſchluß diefer feltfamen Produkte macht der chinefifche 
Autor mit dem Ihiere Patſchatſchung (das achtbeinige 
Inſect), welches man Aberall in den Cändern der Neuen 
Grenze finde. Seine Befchreibung ift folgende. Es gleicht eis 
ner Erdfpinne, Ift rund und ſchwarzgelb. Seine 8 Beine find 
dinn und Eurz, fein Mund braun und hat vier Spalten, Die 
großen find wie Mühnereier, die Heinen wie Hu thao (eine Art 
Beeren). Sn erfeuchteten Räumen läuft es wie Motten in das 
Sicht; feine Geburtsftätte ift die feuchte Erde, an Waffergräben 
und in alten Erdmauern. Wenn ein fiarfer Wind fich erhebt, 
fo fchlüpfen diefe Ihiere aus ihren Höhlen, und werden vom. 
Winde weiter und in die Wohnungen geweht. Ihr Lauf ift fo 
rafch, wie ihr Flug. So oft fie auf dem Körper des Menfchen 
hin und’her laufen darf man fi durchaus nicht rühren, Dann 
gehen fie von fel6ft weiter und thun Einem Nichts zu Leide. Bei 
der geringfien Bewegung aber beißen fie gleich und der Biß if 
giftig. Die Schmerzen dringen bis ins Herz und Knochenmark, 
und wird nicht gleich geholfen, fo geht der ganze Körper in Faͤul⸗ 
niß über, und es erfolgt der Tod, Wenn man das Thier gleich 
nach dem Biffe wegnimmt und toͤdtet, fo ift der Schaden nicht 
groß; es fpeit einen weißen Faden in die Oeffnung der Wunde, 
Einige fagen, wenn man den Saft der Pflanze Ziän (auch 
Erde:Blut genannt) einnimmt, und zugleich etwas davon an 





Oſt⸗Tur keſtan, Produkte, die Tarakane. 459 


die Wunde ſtreicht, ſo kann die Geneſung erfolgen. Iſt aber 
das Gift ſchon inwendig, ſo werden von hundert Perſonen nicht 
zwei gerettet. Die Hoei ſagen, man koͤnne nur dann am Leben 
bleiben, wenn man den Prieſter baͤte aus dem heiligen Buche 
(Koran) vorzuleſen. Aber ich ſelbſt, ſagt der Verfaſſer des Si⸗ 
yu wen kian lo, habe immer gehört, daß alle auf ſolche Art vers 
giftete Hoei, die den Prieſter um dieſen Dienft anfprachen, noch 
eher mit ihrem Leben zu Ende waren, als vie Lefung aus dem 
Koran zu Ende war. 

In diefem Inſect glauben wir mit ziemlicher Sicherheit (die 
Uebertreibungen von ihrer Giftigkeit abgerechnet) die gemeine 
Schabe over die Tarafane (Blatta orientalis Linn.) 768) wie⸗ 
der zu erkennen, welche mit dem Handelsverkehr aus Inners 
Afien wol höchft wahrfcheintich erft ihre Wanderung nah 
Sibirien, Rußland und gegen Weft nah Europa fort 
gefegt hat. Laxman, der fie fihon fehr frühzeitig am Bacal⸗ 
See beobachtete (17605 er nennt fie daher BI. daurica) ©), fagt, 
daß fie vor 7 Jahren zuerft in Irkutsk, vor 10 Jahren zuerft 
an der Selenga in Daurien beobachtet fen, aber mit unglaublis 
her Schnelligkeit und reichlichfter Propagation ſich weiter ver- 
pflanze., Gmelin hatte allerdings fihon früher die Taraka⸗ 
nen oder Schaben (im %. 1733) auf der Keife von Peters: 
burg, Öftwärts des Fluſſes Tosna, zu Tſchudowa in großer Menge 
vorgefunden. Er meint indeß, daß diefe Art’) (es war ficher 
Bl. Lapponiea, nad) Linné und Guvier, alfo eine von orientalis 
verfchiedene) von den Finnen zu den Ruſſen übergegangen 
fey, fich alfo gegen den Oſten verbreite, worüber er beftimmte 
Beobachtungen gemacht haben will. Daher er auch Tarafane 
für ein finnifhes Wort hielt, das mit der Sache erft nad) 
Rußland eingebracht worden fen, Dies mag mol diefelbe feyn 
die Pontoppidan in Norwegen befchrieb, und die auch in Dänes 
mark befannt ift, wohin fie durch Schiffe und Waaren Fam, 
Verſchieden aber von dieſer find wieder andere Arten Bl. ameri- 
cana, gerwanica,,'gigantea u. a., welche vorzüglich durch Schiffe 





”0®) Cuvicr Regne animal. Paris ed. 1829. T;V. yp.174; Wiegs 
mann und Ruthe Handbuch der Boolog, 1832, ©. 38, 

°?) Larman Sibirifche Briefe herausgegeben v. Schlözer, Göttingen 
a - — 48 — 54. 0) Gmelin GSibirifche Reife 1751. 8, 


4650 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 6. 5 


verbreitet wurden, und fo nah St. Helena’), Teneriffa), 
in die Japaniſchen und Indifchen Meere”), nah Zsle 
de France und Bourbon, nach den Moluffen famen, 
und fih auf AntboinaY 5 DB. durch La Billardieres Schiff, 
ungeheuer vermehrten. Ob fie noch weiter nach Norden kamen, 
oder ob dort nur Blatta orientalis zu fuchen fen, willen wir nicht 
genau. Nach Sangsdorf foll die Tarafane aus Kamtfchatka, 
durch ruffiihe Schiffe in Waarenballen, im Jahre 1805 75), erſt 
nad) Nordweſt-Amerika, nach Kodiak und Unalafchfa eingebracht 
worden feyn, wo fie früher nicht vorhanden war, wo aber auch 
alle wieder vor Kälte umfamen. Derſelbe Naturforfcher meinte 
noch, diefelbe Art fey es, welche ſich aus dem europäifchen Nußs 
land erſt nach Sibirien und bis Kamtfchatka verbreitet habe (mie 
die gemeinen Wanzen vor dem Jahre 1740 noch in Kamtfchatka 
fehlten, aber, nad) Steller ), erft von Jakuzk nad) Ochotzk u. f. 
w.. gebracht wurden). x. 

Nicht zu alien Zeiten war diefe Blatta eine folhe Hauss 
plage wie gegenwärtig in Oft: Sibirien 7), feloft in den Alpen» 
thälern des Altai am Korgon, wie in Irkutzk oder in Daurien, 
wo fie fogar furchtbar werden fann. Laxmann ) fagt, in 
Daurien feyen es Säfte, die aus waͤrmern Ländern kamen; zuerft 
babe man fie in Nertſchinsk wahrgenommen, und vor 10 Zah: 
ren (etwa 1760) foll fie ein Woiwode nach Udinsk gebracht has 
ben, von wo die Plage nach Selenginst und Kiachta Fam; von 
da aber, wie er ſich ausdruͤckt, durch eine Excellenz nach Irkutzk. 
Nah ihm if Shine ihre urfprüngliche Heimath. Wir follten 
faft cher glauben Turfeffan, da der chinefifhe Autor dieſes 
Thier in Turkeſtan wie ein ihm ganz fremdes Wunderthier zu 
befchreisen fcheint, von dem ihm in China nichts befannt war. 
Auch haben wir dort feine Spur davon in andern Befchreibun: 
gen vorgefunden. Dagegen fcheinen fie eben in Oft: Turfeftan 
in ihrer bösartigftien Form und als ärgfte Plage überall einhei- 
mifch zu feyn. Auch J. G. Georgi ”’) fand fie in daurifchen 


171) Williamson East-India Vademecum 1810. Vol. I. p. 96. 

72) Bory St. Vincent Voyage à [Isle de Bourbon. T.I. p. 77, 228. 
7?) Thunberg Voyage ed, Langles Vol. II. p. 394. ”*) Le Bil- 
lardiere Voy. I. p. 378. 75) Langsdorf Reife II. p. 67. 

76) Gteller Kamtſchatka 1774. S. 198. “2 Gebter Snfecten 
Dfl-Sibiriens in v. Ledebour Reife in d. Altai Tb. U. ©. 16 App. 
3.1. ©, 243. 8) Laxmann a. a. O. ©, 54 

>) 3. Georgi Sibirifche Reife 1772. Th. 1. 4. ©, 189, 





Dft-Turkeftan, Einwohner, Tracht. 461 


Wohnungen in erfchreckender Menge, und dort galt es als eine 
ausgemachte Sache, daß fie erſt aus den füdöftlichen Ger 
genden, aus China und nicht, wie man im Innern Sibirien 
meinte, durch den deutfchen Krieg dorthin gekommen fey. Die 
nationalen Uebelnamen diefer Plagethiere „Ruſſen“ oder „Preu⸗ 
fen” Pruſſaki oder Pruskie Tarafani®) in Sibirien ger 
nannt, beruhen alfo wol auf falfchen Vorausfegungen d). Sind 
fie aber in Turfeftan einheimifch, fo wird es begreiflich, wie 
fie, von da, nach Daurien den Baikal- und Altai-Laͤndern fort: 
fhreiten fonnten, und zugleich, feit der Handelsernenerung mit 
China, feit 1768, zumal über Uftfamenogorst am Srtyfch und Uber 
Tomsk durch Taſchkenter Waaren, wie der Naturforfcher 
©. Dallas) in Erfahrung brachte, ganz Weſt-Sibirien 
als Hausplage überfielen. Die genauere Erforſchung der viel: 
leicht noch verfchiedenen Species diefer Inſecten müffen wir an: 
dern Unterſuchungen überlaffen; hier lag es ung daran nur den 
Räumen nad auf den bisher zwar mehrfach befprochnen, aber 
nirgends, felbft den auch ſchon bekannten Hauptthatfachen nach, 
verglichenen Fortfchritt diefer feltfamen Wanderung und Berbreis 
tung hinzuweiſen. 


5. Bewohner, Sitten und Gebraͤuche, nach der dis 
nefifhen Anfiht®) des Siyuwenfianlo, 


Die Kleidung der Zurfeftanen befteht in einem Oberges 
wande mit großen Kragen und engen Xermeln, darunter fie Fürs 
zere oder längere Schlafröce tragen. Die Männer tragen im 
Winter Iederne Müsen, im Sommer feidenez die Weiber im 
Sommer wie im Winter dergleichen mit Pelz verbrämt und mit 
Federpuß. Die Stiefeln find von rothem Leder mit Holzabſaͤtzen; 
die Weiber tragen Pantoffeln; im Sommer gehen fie barfuß. 
Die Ahuns, d. i. die Priefter, tragen mit weißer Leinwand 
überzogene Turbane. Kine Melonenart, welche diefe Form der 
- Kopfbedeefung hat, nennt man turfeftanifcher Hut. Sie ſchnei— 
den ihr Kopfhaar ab, laſſen aber den Bart wachfen, nur den 
Schnurbart befchneiden fie, um bequemer eſſen und trinken zu 
koͤnnen. 





s0) Pallas Ruſſ. Reifen Th. III. ©, 263. s7) Blätter für Lite 
rarifche Unterhaltung b, Brodhaus, Leipz. 1835. Nr. 87. ©. 360, 
über Blatta orientalis. 82) Yallas Ruſſ. Reife Ih. II. ©, 543, 
654, 659, 668. ss) Timkowski l. ec. Il. p. 417 — 428. 


462 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $. 5. 


Ihre Haͤuſer beſtehen aus geſtampfter Erde, mit Holzdach und 
Schilfbedeckung, darüber ein Lehmlager. Sie haben mehrere Stocks 
werke und Oefen zur Heizung. In den Mauerwaͤnden laͤßt man 
Vertiefungen zu Wandſchraͤnken. In den Zimmerdecken laͤßt man 
eine bis zwei Stellen offen, fuͤr das einfallende Sonnenlicht, ſie 
werden mit Deckeln verſchloſſen. Zur Seite laͤßt man nur ſehr 
kleine Mauerfenſter, wie Dachfenſter, aus Furcht vor Diebſtahl, 
der hier ſehr haͤufig iſt. Die flachen Dächer dienen zum Trock— 
nen von Korn und Früchten, zum umhergehen; die Mauern find 
ſehr dick, die Dächer weniger. Um die Häufer find Gärten mit 
Zeichen angelegt, Blumenbeete, Obftpflanzungen. Für die Som: 
merfühle werden Boftans gebaut, d. i. Gartenlauben, oder Paz ' 
villons mit Blumen umpflanzt und Canalen umzogen (Boftan, 
im PDerfifchen, heißt Garten). Manche Häufer haben 3—4 Stocks 
werke; einige find rund wie die Yurten der Mongholen, andere 
vierecfig. Können fie neben dem Haufe noch ein Pläschen finz 
den, fo wird daſelbſt eine Kapelle erbaut, um ihre Gebete (Nas 
maz) zu verrichten. | 

Unter den Speifen ift ihnen das Schweinefleifh durch ihre 
Geſetz (den Koran) verboten. Sie effen nur Fleifch folcher Thiere, 
die ordentlich gefchlachtet worden find und alles Blut verloren 
haben. Bei Schmanfereien wird viel Vieh gefchlachtetz wie Ka— 
meele, Pferde, Ochfen, als Hauptfpeife, aud) Hammelfleifh. Dazu 
fommen die Melonen als Nahrung, allerlei Backwerke, in mans 
cherlei Farben, Konfitüren, Kandiszuder. Diefe Speifen werden 
auf zinnernen, kupfernen oder hölzernen Schuͤſſeln aufgetragen. 
Weder Gabeln Hoch chineſiſche Speifeftäbchen hatten fie bisher 
angenommen, und griffen mit Fingern, feloft in die Maisgrüge. 
Sie find dem beraufchenden Trunfe fehr ergeben; fchlafen uͤber 
dem Eſſen und Trinken ein, beraufchen fich von neuem und neh— 
men einen guten Theil der Speifen vom Schmaufe mit nach 
Haufe, was für den Wirth eine Ehre ift. 

—Im Sommer fammeln fie die Maulbeeren, um daraus 
einen Wein zu bereiten; fchon die Cinfammlung gefchieht unter 
Zehen, Singen und Tanzen; durd) den Zufag von reifen Pfir- 
fihen wird der etwas fäuerlihe Wein geklärt, doch behält er etz 
was fäuerliches, Im Herbft wird aber der Traubenwein 
eingefammelt, der fehr Föftlich iftz die Kübel werden mit den 
"Trauben gefüllt, zugedeckt, fie gehen in Gehrung über; auch be 
reitet man den Branntwein daraus, den fie Arak nennen. Auch 








* 


Oſt⸗ Turkeſtan, Einwohner, Heirathen. 463 


aus Gerſte und Hirſe bereiten fie einen ſolchen. Aus der ger 
mahlenen Hirfe bereiten fie fich ein beraufrhendes, fauerliches Ges 
träne (Bier? Braga der Rufen), das fie Baffsun nennen. 
Sie trinken es gern und fagen, es ftärke den Unterleib wider 
Krankheiten. Sie lieben fehr die Muſik; ihre Inſtrumente fi find 
große und Keine Trommeln, Schalmeien, Flöten mit 8 Löchern, 
Harfen mit mehr als 70 Saiten, Guitarren mit 7 Saiten, dar 
von 4 Drathfaiten, 2 Darmfaiten und eine aus Seide ift. Sie 
haben große - und Eleine Geigen; das Steigen und Fallen der 
Töne ſtimmt mit dem Irommelfchlage. Tanz und Berfification 
werden auch durch Trommelfchlag geregelt, aus der Verwirrung 
von alle dem tritt doch eine gewille Harmonie der Töne (für ein 
chineſiſches Ohr) hervor. 

Die Turkeftanen find eifrige Mohammedaner.” m fünf 
ten oder fechsten Jahre wird an jedem Knaben durch den Achun 
das fehmerzliche Sefchäft der Befchneidung vorgenommen. Sie 
haben weder Familienamen noch Gefchlechtsregifter, Zwiſchen 
Vater und Sohn herrfiht das Band der Liebe; aber um die 
übrigen kuͤmmern fie fich wenig. - Die Maschen werden mit den 
Knaben erzogen. Jede Ehe iftserlaubt, außer mit Mutter und 
Tochter; eben fo die Ehefcheidung. DVerftößt die Frau den Mann, 
fo darf fie feinen Strohhalm aus dem Haufe mitnehmen; wird 
fie vom Manne verftoßen, fo nimmt fie mit was fie will. Selbſt 
die Kinder werden getheilt, der Vater nimmt die Söhne zu ſich, 
die Frau die Töchter. Die gefchiedene Frau kann nach Jahren 
zu dem Manne zurückkehren. Bei den Hochzeiten werden 
Contracte gefchloffen. Die Eltern des Braͤutigams ſchicken Ge: 
ſchenke an Ochſen, Schafen, Leinwand; fie laden alle Verwandte 
und einige Achun ein, in das Haus der Braut den Ehecontract 
abzufchließgen. Am Vermählungstage führt der Vater, oder Bru⸗ 
der, die Braut verfchleiert in das Haus des Brautigams, Don 
da an läßt fie das vorher in 10 oder mehrere Zöpfe geflochtene 
Haar frei herumhängen. Einige Monat nach der Hochzeit wird 
diefes fliegende Haar, das öfter bis zur Erde über den Rüden 
herabhängt, fauber gefämmt, durchflochten mit rothen Bändern. 
An den Enden werden fie durch vothe Faden und Büfchel ger 
ziert. Reiche Frauen durchflechten diefen Haarzopf mit Perlen, 
Edelſteinen, rothen Korallen. Ein ſolcher Kopfſchmuck heißt dann 
Tſchatſchbak. >, 

Die Begrüßung beim Zufammenkommen ift fein Verbeugen 


464 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 5. 


bis zum Gürtel, fein Niederfnien, wie bei Chinefen, dies gefchicht 
nur feit der Interwerfung Oft: Turkeftans unter China, vor chis 
nefifchen Beamten. Wer einem eltern oder Vorgeſetzten begeg- 
net, legt die Arme über die Bruft und beugt den Kopf nieder; 
dies ift bei Frauen wie bei Männern ihr Gruß, Salam, Nur 
während des Gebetes (Mamas) Enien fie. Begegnen aber Aeltere 
den Süngern, fo berühren fie fich, bei Frauen wie Männern, nur 
mit ihren Schultern, als Zeichen der Höflichkeit. j 

Das tägliche mohammmedanifche Gebet befchreißt der Chinefe 
‘fo: In den großen Turkftädten des Weſtens ift ein höher anfger 
worfener Erdwall, wo täglich getrommelt und geblafen wird. 
Nach diefer Muſik verbeugen fi) die Mullahs und Achuns ger 
gen Weft (nach der Kaaba) und verlefen ihre Gebete. Dies ift 
ihr Namaz, das fich täglich Smal wiederholt, bei Auf- und 
Untergang der Sonne, und zu den 3 andern Tageszeiten. Diefe 
Muſik auf dem Walle (mol ftatt des Minarets) wiederholt fich 
bei allen feftlichen Begehenheiten. 

Die Fefte richten fih nad ihrem Kalender. Sie fangen 
das Jahr nicht wie die Chinefen mit Conjunction von Sonne 
und Mond (Iching fon) an. Ihr Anfang des Monats ber 
ginnt mit dem Eintritt des Neumondes; 30 Tage gehören zu eir 
nem Monat. Vollzaͤhlige und unvollzaͤhlige, welche die Chinefen 
Große und Kleine, nämlich von 30 und 29 Tagen, nennen, fen: 
nen fie nicht. Auch haben fie Feinen Schaltmonat. Zwölf Mo— 
nat machen ein Jahr, das ftets 364 Tage hat. Diefe Eintheiz 
lung wird nach ihren Märkten, oder Bazartagen, beſtimmt; 
weil alle 7 Tage Markttag ift, und 52 IDEE Markttage 364 
Tage oder ein volles Jahr bilden. 

Schon einen Monat vor Neujahe fangen die Turkeftanen 
zu faften an. Dom 10ten Jahre an darf dann Niemand nad) 
Sonnenuntergang etwas ejfen und trinfen; viele wagen es dann 
nicht einmal ihren eigeaen Speichel zu verſchlucken, und diefe 
gelten für befonders fromm. Nach Sonnenuntergang, wenn die 
Sterne aufgehen, darf Jedermann wieder eflen und trinken; nur 
Wein, Branntwein und Umgang mit Weibern bleibt Verbot in 
der Faftenzeit. Alle beten Tag und Nacht, nachdem fie ſich vors 
her den ganzen Leib gewafchen. Die Mullahs und Achuns har 
ben firengere Faften. 

Ihr Neujahr nennen fie Jidzi; ein großer Aufzug ver 
fündet feine Feier, wobei der Statthalter gegenwärtig ift. Die 





Oſt⸗ Turkeſtan, Einwohner, Begräbniffe, 465 


Ealender (eine freiere Art Derwifche) gehen vorauf, tanzen 
und fingen; ihnen folgen die Beamten, die Achlun in weißen, 
runden Hüten, dann: die bewaffnete Garde des Gouverneurs 
(Akim Bey). Alles zieht in die Mofchee, und nach dem Gottes 
dienft in das Gebäude des Akim Beg, ihm zum neuen Jahr 
Gluͤck zu wuͤnſchen. Männer und Frauen fingen und tanzen 
dann zur Endfeier der Faftenzeit, oder der fogenannten Ait. 
‚Bor der Unterwerfung Oft: Turfeftans unter China, war 
ehedem, nac) dem beendigten Mofcheenbefuch, eine Berfammlung 
des Volks im Gebrauch, in welcher eine Nede über die gerechte 
oder fehlerhafte Verwaltung des Akim Beg gehalten ward, der 
ein Gericht folgte. Ward er fir tugendhaft anerkannt, fo blieb 
er im Amte, ward er vom Gegentheile überführt, fo ward er von 


der Verſammlung abgefest, oder getödtet. Daher, fagte man, 


habe fich der Akim Beg feit uralten Zeiten mit einer zahlreichen 
Leibwache umgeben, ein Gebraud), der auch heute noch fortbefteht. 
Indeß ward der Akim Beg doch wol niemals getödtet, aber die 
ausgefprochenen Vorwürfe des Volks dienten ihm fihon, fagt der 
chineſiſche Autor, als eine ſcharfe Lection (dies erinnert an früs 
here Gebräuche in Conftantinopel). 

An demfelben Tage begrüßen fih, wie in China am New 
jahrstage alle Chinefen, fo auch alle Turkeftanen, und 40 Tage 
nad dem Ait wird wieder ein Zubelfeft der Stadt ges 
feiert, das Kurban Ait genannt. 30 Tage fpäter, alſo 70 
Tage nach dem Neujahr, befuchen die Turfeftanen die Grab: 
ffätten ihrer verftorbenen Verwandten, wobei ein Gottesdienft 
gefeiert wird. Bei Begräbniffen wird die Leiche in das weiße 
Leichentuch gewickelt, welches die Farbe der dortigen Trauer if, 
Alles Hab und Gut des Verftorbenen wird unter die Armen vers 
theilt, um dem Todten feine Seligfeit zu fihern, von dem Werthe 
diefer Gaben hängt das Maag feines himmlifchen Gluͤckes ab, 
Die Leiche wird in die Erde begraben; die Trauerzeit der nächs 
ften Verwandten dauert 40 Tage. Ihre Gräber haben die Sargs 
form; die Reichen überwölben fie, bauen Monumente von Bad 
feinen und Ziegeln darüber. Sie errichten fie vorzüglich an der 
Landftrage, damit die Vorübergehenden für die Abgefchiedenen Ges 
bete bringen. 

Zur großen Feier des Todtenfeftes gehört nach 30 Tagen wies 
der Gottesdienft und Gräberbefuch; aber damit nicht zufrieden, 
Ritter Erdkunde VL, Gg 


= 


466 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 9 5 


bringen ſich die Leidtragenden auch Blutwunden bei. Viele ſchnei— 
den ſich am Halſe Wunden zwiſchen dem Adamsapfel und der 
Haut, und legen daſelbſt Buͤſchel von Zwirn (ob Fontanellen?) 
hinein, zum Angedenken an die Todten. Die Maͤnner ſchneiden 
ſich auch Loͤcher in die Ohren, die Weiber ſchneiden ſich Haar— 
buͤſchel ab. Oefter fließt den Leidtragenden das Blut uͤber den 
ganzen Leib herab, ſie nennen dies dem Verſtorbenen dargebrachte 
Blutopfer Oſchur. Zehn Tage nach der Todtenfeier erſcheinen 
Maͤnner und Frauen, Alt und Jung, in neuen Kleidern, mit 
Muͤtzen, welche Papierblumen putzen; ſie verſammeln ſich auf 
den hoͤchſten Bergen vor der Stadt; da tanzen ſie, halten Pfer— 
derennen, Bogenſchießen, unter Trommeln, Pfeifen und Beglei— 
tung vieler muficalifcher Inſtrumente, trinken Wein, beranfchen 
fih bis in die Machtzeit. Dies ift ihre Nuruß-Feſt. 

Handel, Viehzucht, Zagd find die Hauptbefchäftiguns 
gen der Turkeftanen. Sie find zwar Feineswegs gute Schügen, 
aber fie werfen fehr gut mit Stöcden nad) Hafen. Sie ziehen: 
gern Falken zur Jagd auf; die Aermern halten deren einen bis 
zwei; die Neichen 20 bis 30 Stuͤck; fie werden abgerichtet zur 
Jagd auf. Wölfe (? Schakale), Füchfe, wilde Ziegen, Antilopen, 
und find von ungemeiner Schnelligkeit (0b die Bergut? oben 
©. 394). 

Beim Handel, bemerkt der chinefifche Autor, meffen und 
wiegen die Turfeftanen das Korn nicht. Ihr Eleinftes Maaß’ _ 
ift ein Hutkopf voll Kornz das größte wird nach Tagar gemef- 
fen; ein großer Sad voll heißt Patman. 

1 Tagar ift ein Sad aus grober Leinwand, der etwa 4 
Pud, oder 160 ruffifhe Pfund enthält. 1 Patman hält 3 Tas 
gar (in Kafan heißt derfelbe noh Batman nah Timkowskis 
Bemerkung). Die Waage der Turfeftanen hat 2 Schaalen; fie 
heißt Tſcherke; die Waare darauf wird nach dem Gegengewichte 
gewogen. } 
6. Ueber den Handel in Oft: Turfeftan nebft Zufäßen. 

zu dem Vorigen, nah dem jüngften Berichte der 
Mekfapilger in Bombay (1735) 7%), Pr 

Nur abgeriffene, einzelne Angaben find es, die wir hiernach 

zu den Obigen, hie und da, hinzufügen koͤnnen. Zum Clima, 





785) W, H. Wathen Memoir 1. c. Journ. of the As. Soc. of Bengal. 
Calcutta 1835. Vol. IV. p. 657 — 664. 








Oſt⸗ Turkeftan, Einwohner, Usbefen, 467 


daß es im Sommer fehr heiß, im Winter oft fehr falt wird, daß 
in’ den Gebirgen fehr viel Schnee fällt, im Lande der Städte we: 
niger. Der ungemein geringe atmosphärifche Niederfchlag wird 
beftätigt, und gefagt, im ganzen Jahre regne es dafelbft nur etwa 
zwei oder drei Mal, eine Stunde lang, ein feiner Negen, dann 
aber werde es fehr kalt. 

Die Sagen von der vulfanifchen Natur des Bodens 
bei Akfu und Turfan, werden im Allgemeinen, doch nur auf uns 
beftimmte Art beftätigt; bei dem letztern Orte foll man aus dem 
Berge zuweilen Feuerflammen hervorbrechen fehen. Anhal— 
tende Erdbeben waren hier in den Sahren 1831 oder 1832 
berefchend, in Badatfhan und dem Belur- Gebirge ward Vie: 
les durch ein Erdbeben zerfiört (wahrſcheinlich daffelbe, wel— 
ches A. Burnes 1832 in Lahore erlebte, f. 0b. ©. 57, das 
auch zu gleicher Zeit in Kofand mwüthete 55); fo daß die Sphäre 
diefer heftigen Erfihätterung fehr weit zu beiden Seiten der Hochs 
gebirgsferten auszudehnen feyn würde). Den Fluß bei Yarkand, 
den diefe Mekfapilger Zuruffchan nannten (eben fo den Tas 
rim, zu dem der Fluß von Akfu fich ergießt), fol 3 Monat im 
Jahre mit Eis bebrückt ſeyn; während diefer Winterszeit gehen 
die Karamwanen der Pferde und Kameele über den gefrornen 
Strom hinweg. 

Die Eingebornen des Landes nennen die Meffapilger 
Usbefen, von zweierlei Abtheilungen: At Tak und Kara 
Taf, die immer gegeneinander in politifcher Fehde und Haß flex 
ben, was als die. eigentliche Grundurfache der legten traurigen, 
innern Entzweiungen und ihrer Unterjohung durch die Chinefen 
angefehen wird. Die allgemeine Sprache ift das Dſchagatai 
Turfi (die Sprache, in der Sultan Baber feine Memoiren 
ſchrieb); der reinfte Dialect der Turk Sprachen, weil er am we: 
nigften mit arabifchen und perfifchen Wörtern gemengt ift. Er 
wird auch von den Kalmücden verfianden. 

Die chineſiſchen Truppen in Oft: Turkeftan, ſchaͤtzten 
die Mekfapilger, der Zahl nach, auf 20— 30,000 Mann. Das 
HinefifheGouvernement fey fehr wenig populair, weil in 
ihrem Falee es nur liege das Land zu behenſſchen aber degche 





ss) W. H. Wathen Memoir on the Usbek State of Kokan in ı Journ. 
of the Asiat. Soc. of Bengal. Calc. 1834. Vol. IH. ed. Prinsep. 


b- 337. 
Gg2 


468 Welt: Afien, L Abſchnitt. §. Se 


aus fein Beftreben da fen, in irgend einer Hinflcht die Intereſſen 
der einheimifchen Population zu befriedigen, oder mit dem chinefls 
fchen Intereſſe auszugleichen, zu vereinigen. Der Haß gegen die 
Chinefen foll durch die vielen Verfhanzungen und Befeftigungen 
ummauerter Städte fehr vergrößert worden fenn, welche fie in der 
festen Zeit durch Zwangsarbeiten der Cinheimifchen aufs 
führen ließen. Das Verhältnig der mufelmännifchen Prinzen und 
Khodjas zu den Chinefen fchilderten die Mefkapilger eben fo, wie 
das der Nabobs und Radjas in Hindoftan zu dem britifchen 
Gouvernement. Das dinefifhe Gouvernement befümmere ſich 
ebenfalls glei wenig um die innere Verwaltung, Jurisdiction 
u. f. w., und freibe nur allein Einkünfte des Landes zufammen, 
In PYarkand fen es fehr wohl bekannt, daß Indien von Feringis 
cd. i. Franken, Europäern) beherrfcht werde, und große Yaloufie 
finde bei Chinefen, aus Furcht und Angft vor ihnen, gegen fie Statt. 
Doch meinten fie, es könne wol ein reifender Europäer, wenn er 
wie ein Turfeftane gekleidet mit langem Barte, fie auf ihrer Ruͤck⸗— 
kehr von Mekka begleiten wolle, in das chinefifhe Turkeſtan eins 
dringen koͤnnen. Der leichtefte Eingang würde über Kofand und 
Kaſchghar mit den dortigen großen Kafila’s Statt finden, 
Nur müffe er Turki fprechen, weil das Parfi von den mwenigften 
verftanden werde. Schon in Kofand fpreche die ganze unabhäns 
gige Bevölkerung nur Turki. Selbft bis Peking von Kafıhahar 
vorzudringen, fey möglich, fobald man nur einen Pag vom Gous 
verneur in Kafchghar erhalte, der für Zahlung von 10 Tankeh 
(Tanga, f. ob. ©. 394) von den chinefifchen Beamten, unter 
dem Vorwande eines Handels auch nicht fchwer zu befommen 
fen. Einen Europäer, der vor einigen Jahren, in feiner fremden 
Kleidung, nach Yarfand gefommen fey, habe man auf die Tortur 
gebracht, ihm aber Gnade verfprochen, wenn er die Wahrheit fas 
gen werde, Er bekannte fih als Europäer und ward fofort außer 
Landes transportirt. Ein Eleines Wortverzeichnig aus dem Turki⸗ 
Dialect, wie er in Yarfand gefprochen wird, hat Wathen 7%) 
mitgetheilt. 

Die Abgaben an die Chinefen werden Albaum genannt, 
Die Kopffteuer betrage auf jeden Kopf jedweden Monat 1 Rupi 
und rs der Sandesproducte. Syuds, Mullahs, Pirzadehs, Fakirs 
und Eoldaten find mach dem Geſetz Tſchingiskhans von dieſem 


=u6) 2: ds O. p. 663 — 664. 





Oſt⸗ Turkeſtan, Handelsverkehr. 469 
Albaum befreit (vergl. ob. ©. 393). Vordem mußten von den 


durchgehenden Waaren durch das Land auch 2* Procent des 
Werthes (eins von do Stuͤck) gezahlt werden. Seit 12 Zahren 
(etwa feit 18242) ward diefer Tranſitozoll auf Eaiferlihen Befehl 


gänzlich aufgehoben. 

Die meiften Nachrichten der Meffapilger betrafen den Hans 
del und Verkehr in Turkeftan mit den Nachbarländern, zumal 
von Yarfand und den Nachbarftaaten, meil diefer gegenmwär: 
tig am bedeutendfien it, zumal mit 1) Kaſchmir, 2) Bas 
dakhſchan, 3) dem ruffifchen Gebiet, 4) China und 
5) Zübet, 

1) Ton Safhmir bringen die Kaufleute nad) Yarkand 
Shawls, Kincabs, Chicun, weiße Zeuge, Leder; fie holen dage— 
gen Ambu, d. i. reines Silber, Wolle der Shawlziege, die 
Tibbet heißt, u. a. Artikel, 

2) Bon Feizabad, der Capitale Badakhſchans, bringen 
fie nah Yarkand vorzüglich. Sclaven und Edelfteinez fie 
holen dagegen Sitber und Thee. Nur einmal im Jahre 
fommt die Kaflla von daher; fie braucht meift 40 Zagereifen, 
koͤnnte den Weg dahin in forcirten Märfchen jedoch auch in 20 
Tagen zurüclegen. — Von Andejan (ſprich Andedfhan) 
im Khanat Kokand bringen fie nach Kaſchghar allerlei Zeuge 
und andere Bequemlichkeiten des Lebens, nehmen dagegen zurüc: 
reines Silber, Dorzellan, Thee, in Buͤchſen und Ziegel: 
thee für die aͤrmere Claſſe. Auf Pferden, Maulthieren, Kamee⸗ 
len werden dieſe Waaren transportirt. 

3) Die ruſſiſchen Kaufleute kommen uͤber Ili, Akſu, 
Kutſche; ſie bringen breite Tuͤcher, Brocate, Silber, Goldducaten, 
Kupfer, Stahl, Pelzwerk; zuruͤck nehmen ſie Thee, Rhabarber, 
Sal Ammoniak. 

M Nach Peking gehen die Karawanen von Yarkand nur 
auf einer Route, weil andere kuͤrzere verboten ſind; jenen Weg 
kann die Karawane in 3 Monat zuruͤcklegen, aber gewoͤhnlich 
werden 5— 6 Monat dazu verbraucht. Auf der genannten Route 


-foll eine böfe Paffage feyn, die fo enge ift, daß an 20 Schügen 


einer ganzen Armee den Weg verrennen koͤnnten. Es ift an die 
fem Paß ein Usbefens Commando poftirt. An jeder Station ift 
Überhaupt eine Chinefifhe Ortung, d.i. Poft, die aus 7 bis 
8 Chinefen und 8 Usbeken befteht. Die Neifenden nach China 
brauchen gegenwärtig Feine Päfle zu haben, und koͤnnen, wert 


470 WeftsAfen, I. Abſchnitt. 5 5. 


fie einmal in China fi I dafelöft fo lange verweilen ale fie wol⸗ 
len; es iſt deshalb keine beſondere kaiſerliche Erlaubniß noͤthig. 
Der Verkehr zwiſchen China und Harkand iſt ſehr bedeutend. 
Sehr viele Seide und große Viehheerden gehen nach 
China, dagegen kommt von da Thee, Porzellan und ſehr 
vielerlei Fabrikwaare. 

5) Nach Tuͤbet, nämlich Ladakh, das nur dem Namen 

nach unter chinefifcher Oberhoheit fteht (I. ob. ©. 218), find 30 
bis 40 Tagereifen, in Eilmärfchen 17—18 Tagereifen. Dahin⸗ 
wärts find zwei Stationen, chinefishe Ortung (Aurtang, 
ihre nähere Befchreibung auf diefer Route, ſ. Aſien II. S. 638 
bis 640) mit 5 Chinefen und 20 Usbeken-Poſten auf jedem, zur 
Inſpicirung der Paffanten. Die nächften 20 Tagereifen. gehen 
durch Bergland und Ebenen, ohne Bewohner. Auf dem. legten 
Poſten werden die vom Amban ausgeftellten, befiegelten und vis 
firten Paͤſſe zurückbehalten, und erſt bei dem Ruͤckwege zuruͤckge⸗ 
geben. Doch follen diefe Ortungs leicht zu umgehen ſeyn. Won 
Ladakh nah Kaſchmir find 25 Kafila Tage, in Eilmärfchen 
nur 15 Tagemärfche; e8 geht über viele Flüffe und Wald; überall 
iſt Fourage fuͤr die Laſtthiere. 

Im Innern OftsTurfeftans geben die Mekkapilger nur 
die Route nach Akſu an, wohin 20 Tagemärfche führen, über 
47 Ortungs, an denen meift 7 Chinefen und 13 Usbeken poſtirt 
ſind, oder auch wol noch mehr. Der Weg dahin fuͤhrt durch 
viel Waldung (f. ob. ©. 396). In den letzten Jahren hat 
das Land fehr durch die Rebellionen gelitten, die. freilich ges 
dämpft wurden, und durch die Verheerungen. der Cholera 
‚Morbus 737), 


7. Handelsverhältniffe und politifcher Zuftand nad) 
den Ausfagen turfeftanifcher Keifenden in Bos | 
Ehara, eingefammelt von Al. Burnes daſelbſt i m 

Jahre 1833. 

Da wir wol noch eine lange Zeit auf freie europaͤiſche Be⸗ 
obachtung im Lande Oſt-Turkeſtans werden Verzicht thun muͤſ— 
ſen, ſo bleibt uns nur die ſorgfaͤltigſte Sammlung und Pruͤfung 
der Ausſagen einheimiſcher Berichterſtattung uͤbrig, zu welcher 
wir hier auch folgenden Beitrag fuͤgen, den Al. Burnes von 


aD, p. 669. 





# Oſt-⸗Turkeſtan, Yarkands Zuftand, 471 


wohlunterrichteten Handelsleuten, zumal aus Yarkand erhielt, 
die er in einer Theekarawane nach Bokhara begleitete, ſo wie von 
vielen dortigen Reiſenden, die ſich viel im chineſiſchen Turkeſtan 
umgeſehen. Ein Bericht klaͤrt immer den andern auf, berich— 
tigt oder beſtaͤtigt und erweitert ihn, wie dies auch hier 
bei Folgendem 88) leicht einzuſehen ſeyn wird, 

Yarkand if das große Eimporium an den Weſtgren⸗ 
zen des chinefifhen Reichs, 5 Monat Karawanenweg weftwärts 
von Peking; es ift der größte Marktort für die chinefifchen 
Waaren, die von da nah Bokhara und Tübet (Ladakh 
und Indien) weiter verführt werden. Kein Chinefe übers 
fehreitet die Grenze “des chinefifhen Turkeſtan; aller Verſchleuß 
nach außen gefchieht durch Mohammedaner, die deshalb die bes 
fiimmten Jahrmaͤrkte von Yarkand bezichen. Wie an den Sees 
füften Chinas, eben folhe Wachfamkeit wird an den. hiefigen 
Landgrenzen Turkeflans gegen die Fremden geübt. Yars 
Eand felbft gilt dem chinefifchen Gouvernement, das fehr miss 
trauifch gegen die Treue feiner eigenen turfeftanifchen Unterthas 
nen ift, nur als ein Vorpoften feinen Neiches gegen den Wer 
ſten. Doch ift die Verwaltung der Städte in den Händen der 
Mohammedaner gelafien. Die chineſiſchen Truppen (5000 in 
HYarkand, 7000 nach obigem ©. 395) üben nur die Militairges 
walt aus. In Yarkand ift eine eigene Art der Necrutirung-dorz 
tiger Truppen durch den Tribus der Tungani (f. ob. ©. 398, 
offenbar die Tugean in Ili, f. Aſien I. ©. 409). Von diefen 
werden Necruten im 14ten oder 15ten Jahre angenommen und 
eben fo viele Jahre im Dienft behalten, dann wieder abgedankt. 
Diefe Tunganis find Mohammedaner der benachbarten: Provins 
zen, nennen ſich Abkoͤmmlinge von Aleranders Heer, Eleiden ſich 
aber auf chinefifche Weife. Sie dürfen fich nie verheirathen, oder 
müflen doc) ihre Familie, wenn fie dergleichen haben, bis auf 
15 Tagemaͤrſche von der Landesgrenze relegiren, weil'man ſie ale 
Truppen zum Dienft in die Fremde anfieht. 

Der Hakim Beg von Yarkand fteht unter Kaſchghar (7) und 
dieſes wieder unter dem Dſiangghiuͤn (Sunjum bei Burnes) 
von Ili, dem großen Emporium (Gouldja) das 40 Tagereiſen 
im Rorden von Yarkand entfernt liegt. Diefes Ili foll gegens 


ss) AL Burnes Travels into Bokbara. Lund. 1832, Vol, II, ch. VI, 
‚p- 227 — 2506. ‘ 


#72 Weſt⸗-Aſien. 1 Abſchnitt. 6. 5 * 


waͤrtig 75,000 Einwohner haben (ſ. Aſien I. &.408— 414), Yar⸗ 
kand 50,000. Zu den ſpeciellen Localverhaͤltniſſen von Yarkand 
wird nur Beſtaͤtigendes zu dem was ſchon fruͤher angefuͤhrt iſt, 
hinzugefuͤgt, und Einiges uͤber deſſen Bewohner und Handel, 
Der Mohammedaner ſollen 12,000 Familien in Yarfand 
feyn (vergl. ob. ©. 397), die einen Turf-Dialect fprechen, den 
man auch in Bofhara volllommen verſteht. Das Landvolf wird 
von den Städtebewohnern Moguls genannt, daher die Landes— 
benennung Moguliftan, die auch für jenen Theil Centrals 
Afiens im Gebrauch war, herfommen fol. Um Yarkand find, 
wie um Zli, auch Kalmuͤcken angefiedelt, deren Häuptlinge den 
Gebrauch haben fich Hirfchgeweihe auf ihre Pelzmuͤtzen zu fegen, 
deren Größe und Schönheit die Vornehmheit bezeichnet. Diefe 
Kalmücken werden von den Chinefen zu ihren Grenzgarnis 
fonen verwendet. Die Weiber der Mohammedaner in Yarkand 
find freier als irgendwo, verfchleiern fich nicht, haben den Ehrens 
plag im Zimmer, freien Umgang mit Männern, tragen reichornas 
mentirte Stiefeln mit hohen Abfägen. Ihr Kopfſchmuck ift eine 
hohe Tiara von Zeug; ihre Geſichtszuͤge follen fehr ſchoͤn ſeyn. 
Die Bokhara Kaufleute, welche den Markt von Yarkand bezies 
hen, pflegen dort fich (wie in Hami, f. Afien I. ©. 360) nur in 
temporaire Chen einzulaffen, die für wolfeile Preife einzurichten 
find; nach ihrer Heimkehr befingen fie noch lange Zeit die Schöns 
heit ihrer Geliebten von Yarkand. Auch chriſtliche Kaufs 
leute in chinefischer Tracht, wol Armenier (?), follen den Markt 
von Yarkand befuchen. Der Verkehr mit Tuͤbet und Bokhara 
wird fireng controllirt; die Eingebornen dürfen nicht über Yars 
fand und die benachbarten Städte hinausgehen. Beim Eintritt 
in chinefifches Gebiet werden den fremden Kaufleuten Perſonen 
zur polizeilichen Aufficht gegeben, die mit deren Heimath befannt 
find, und für die ihnen Anvertrauten refponfabel gemacht wers 
den. Diefer Sürveillance zu entgehen foll unmöglich feyn. Ein 
dort Cingeborner, der verdächtig fihien, ward drei Monate lang 
verhaftet, endlich aber entlaffen, vorher jedoch eine förmliche Bes 
fchreibung von ihm aufgenommen und zurüickbehalten, Mehrere 
Kopien des von ihm gemalten Abbildes fogar (wie bei 
Moorcroft, f. oben S. 218) wurden an verfchiedene Grenzpoften 
verfender mit der Inſtruction: „wenn diefer Mann fid 
auf der Grenze fehen läßt, ift fein Kopf dem Kai— 
fer, fein Eigenthbum iſt das Eure.” Matürlich- hieß er 


Oſt⸗Turkeſtan, HindoftanisKoute nach Ladakh. 473 


fih nie wieder an ber Grenze fehen; er ging in Dienfte zu Ak 
Burnes, den er auf feiner Reife begleitete, 

Die Chinefen in Yarkand befümmern fih nur wenig um 
die Angelegenheiten des Landes, und Uberlaffen diefe, wie den 
Handel, von dem fie jedoch 1 von 30 Talfo ein’ erhöhter Zoll, 
ftatt der obigen Angaben von 40) erheben, den Einheimifchen, 
Ihre commerciellen Einrichtungen find im übrigen billig und ges’ 
je 4 auf das Wort, das der Chinefe giebt, fegt man Vertrauen. 

Memals variirt der Thee in feiner Qualität. 
HE Der Verkehr mit dem Often von Yarfand ift Acht chinefifch. 
Die Communication mit China wird Batfchin genannt. Die 
Zeit der Neife wird, wie gefagt, auf 5 Monat angefchlagen. Der 
Einzelne Eönnte fie jedoch in 35 Tagen, ja mit Parforcetouren 
fogar, ald Courier, in 20 bis 15 Tagen zurücklegen. Ortungs, 
oder Relais von Pferden (Poften), liegen in Stationen von 8 
bis 10 Engl. Miles Diftanz; ein Bote darf mit dem andern dies 
fee Poften nie fprechen. An jeder Station find Scheiterhaufen 
errichtet, die angezündet. werden, fobald eine Invaſion der Mos 
hammedaner Statt findet. Durch diefe Telegraphie (vergl. 
Aften I. ©. 218 und Busbeq. de Reb. "Tureie. cap. VI.) kann 
diefe Nachricht von Yarkand in 6 Tagen Peking erreichen. Auf 
folches Zeichen feste fich, bei der legten Nebellion, eine chinefifche 
Armee von 70,000 Mann, die aus den verfchiedenften Provinzen 
snfammenftoßen mußte, in Marfch. 


8 Hindofanifche Route aus Yarkand gegen den 
Süden über Ladakh. 


Ueber die Route zwifchen Ladakh und Yarkand 79), 
alfo gegen Süden nah Hindoftan, die wir zwar ſchon aus 
Mir Zffet Ullahs Neifetagebuch kennen (f. Afien II. ©. 633 
bis 640) erhalten wir durch) Al. Burnes folgende beftätigende 
Nachricht. Ein Kaufmann, der im März von Ladakh aus reis 
fete, erreichte zwar Yarkand erft in 60 Tagen; aber viele Uns 
glücköfälle, zumal Stürme, die ihn im KaraforumsGebirge trafen, 
hemmten feinen Lauf. Die Zahl der wirflihen Reifetage 
beträgt nur 28, Er gebrauchte allein 7 ganzer Tage zur Uebers 
fleigung von Karaferum, das als eine relativ niedere Bergs 
fette befchrieben wird, die aber doch abfolut fehe Hoch liegen 


"®2°) Al. Burnes I. c. Il. p. 234 — 236, 


474 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 5 


muß, da fie das Athmen fo fehr erfchwert, Erbrechen, Uebelkeit, 
Verluſt des Appetites bewirkt, wogegen der Thee als ein Specifis 
cum gerähmt wird. Der Nordfturm und das Schneetreiben war 
fo gewaltig, daß die Neifenden täglich nur ein paar 100 Schritt 
vorwärts dringen fonnfen. Durch den Sturm wurden Menfchen 
und Laftthiere ermattet, 9 Pferde blieben todt liegen. Die ganze 
Karawane hätte faft ein gleiches Schickſal treffen muͤſſen; denn 
fhon hatten alle Laftthiere felbt das Stroh ihrer Sättel aufz 
gezehrt, ch” fie das von Menfchen wieder bewohnte Landiitts 
reichen fonnten, was erft am -18ten Sagemarfche nach dein Abs 
gange von Ladakh Hätte gefchehen Eönnen. Da fanden fie glück 
licher Weife einige Hütten von Wafhanis bewohnt (d. i. Ein⸗ 
wohner des weftlich gelegenen Gebirgsgaues Wofhan). Diefe 
verfahen fie wieder mit Lebensmitteln und Pferdefutter. .  " 

Am ı1Tten Tage erreichten fie den Yengi Daban, d. i. 
den Yengi-Engpaß, der zwifchen Bergen 2 fehr ftarfe Stun 
den anhält, und ganz über Eis geht, darin man Stufen eins 
‚hauen mußte. Auf dem Ruͤckwege nach Ladakh, Mitte Juni, 
alfo im Sommer, war das Eis ganz verfchwunden, und der 
Karaforum felbft vom Schnee befreit, was um fo feltfas 
mer erfcheint, da vderfelbe doch weit höher liegen muß als der 
Hindu Khu mit feinen ewigen Schneehöhen. Karaforum ift 
jedoch die Waſſerſcheide zwiſchen Indien und Turkeſtan; denn 
alle Waſſer im Sud deffelben ziehen durch den Shayuk zum 
Indus; die im Norden deflelben, aber zum Fluß von Yar— 
fand. An deſſen oberm Laufe führt der Weg durch fo. viele 
Engthäler hindurch, daß man den Gebirgsftrom felbft hier 360 mal 
ſoll im Zickzack überfegen müflen. Die legte Paflage, wo der 
Weg nun aufhört noch befhwerlih zu feyn, wird Kilaftan ge 
nannt. Den größern Theil diefer Strecke, ohne alle feſte Woh— 
nungen, durchficeifen nur die Wander-Kirghifen im Soms 
mer mit ihren Keerden. Dann fann man diefe Route in 20 
Tagen pafliren. Die Straße ift jedoch immer fo befchwerlich, 
daß in der Regel viele Pferde darauf umkommen, und es ift gar 
nicht ungewöhnlich; daß die Eigenthümer derfelben, irgendwo, die 
dort wegen eines Unfalls zurücgelaffenen Ballen ihrer Waare, 
erft im folgenden Jahre wieder anfnehmen und weiter transpors 
tiren können. Räuber find dort nicht; das wilde Pferd ift 
der einfame Bewohner diefer Wildniſſe. 


Oſt⸗Turkeſtan, Belur Tagh, Querſtraßen. 475 


9. Die Querſtraßen über den Belur Tagh aus Oſt⸗ 

Turkeſtan gegen den Weften nach Bokhara. 1) Die 

Syr⸗Straße nah Kokand; 2 die Gihon:Straße 

nach Badakhſchan; 3) die directe GihonsStraße 
über Kartchuk nah Badakhſchan. 

Ueber die Routen aus Oft-Turkeftan nah WeftsTurs 
feftan, oder aus der fogenannten Eleinen in die große Bucharei, 
aus dem Hochlande in die Niederung des Syr und Gihon, oder 
Drus, aus dem chinefifchen Gebiet in das von ihnen indepens 
dente Turfeftan von Kokand, Badakhfchan und Bokhara, find 
wir noch immer fehr unvollftändig unterrichtet. Es find zwei 
befanntere Hauptftraßen, nämlich eine nördliche und eine 
füdliche, jene geht von Kafıhghar aus nach Kokand (ers 
ghana), diefe geht von Yarkand aus nah Badakhſchan 


“ (diefe letztere zerfällt jedocdy wieder in zwei verfchiedene Routen, 
‘wie fich jedoch erft weiter unten fpeciellee nachweifen läßt). Jene 


beide vereinigen fich erft in Bokhara. Sie folgen den Haupts 
thälern der beiden großen Weftftröme; man kann fie daher au) 
die Syr-Straße nad) Kokand und die Orus-Straße nad 
Badakhſchan nennen, jenes die Nord-Querſtraße, diefes 
die Sud-Querfiraße aus Oft:Turkeftan nach Bokhara. Beide 
find durch die legten politifchen Begebenheiten, ihrer Orientirung 
nach, etwas näher befannt geworden, obwol fie fchon feit den 
älteften Zeiten gangbar gewefen und öfter befchrieben wurden, 
ohne deshalb auf unfern Karten nachgewiefen werden zu koͤnnen. 
Als die großen Communicationsftraßen zwifchen Oſt— 
und WeftzAfien, als die Hauptzuglinien des Handels. 


und der Eultur vom chinefifchen, mongholifchen, turfeftanifchen 


Ssnners Alien, nach dem Weften Transoriana’s, feit Jahrtauſen⸗ 
den, in die bofharifchen und caspifchen Niederungen, fowol zur 
Levante hin wie zum türkifchen Vorder :Afien und zum Wolgas 
lande des Faukafifchen und pontifchen Oft-Curopa, verdienen fie 
befonders beachtet zn werden, Wichtige Erläuterungen über die 
Natur der hier zu überfegenden Bergketten des Bolor und der 
Sebirgspaffagen, find in Al. v. Humboldts allgemeinen Ber 
trachtungen 7%) nachzufehen, auf. die wir fpäter zuruͤckkehren wer⸗ 





0) U. v. Humboldt, über die Bergketten und Vulkane von Inner⸗ 

Aſien, f, in Poggendorf Annalen Bd. 94. 1830: S. 16—18, in 
"Fort. 319 — 322, mit Noten von Klaproth in Nouv. Annales des 
Voyages V. IV. p. 302 etc. 


76 Weſt-⸗Aſien. I, Abſchnitt. 5. 8 


den, da mir es vorziehen, hier zuerft die detaillirten einzelnen 
Berichte der Routiers mitzutheilen, und dann über die Reſul⸗ 
tate, die fih nach jenen Fingazeigen daraus ergeben mögen, 
überzugehen. 


1) Die MordsQnerfiraßes die SyrsStraße @); bie 
Ferghana-Route. 


Dieſe geht von Yarkand über Kaſchghar am Kaſch⸗ 
ghar⸗Strome (dem oͤſtlichlaufenden Kokſu) aufwaͤrts, Über 
den Terek⸗Paß (400 20° M. Br.), zum bekannten großen Syr 
und in deſſen Thale abwaͤrts nach Kokand in Ferghana. 
Dieſe iſt die bequemere Straße zwiſchen Yarkand und dem weſt⸗ 
lichen Turkeſtan, das ganze Jahr gangbar, drei Sommer; 
monate ausgenommen, weil dann die Schneeſchmelze den Weg 
unter Waſſer ſetzt. An zwei Stellen wird das Athmen 
ſehr ſchwer (was auf ſehr große, abſolute Höhe hindeus 
tet, wie am Karakorum). Dieſe Route kann von Karamas 
nen in 45 Tagen, von Yarkand nach Bokhara, zurückgelegt und 
wenigftens einem großen Theile nach mit Näderfarren befahren 
werden. Aber feit der Isgten Reihe der Jahre ift die Route, 
wegen der Kriegshändel zwifchen China und dem Khan von Kos 
fand, weniger beſucht worden als in früheren Zeiten; ja einige 
Sahre hindurch, feitdem die rebellifchen Khodja’s von Yarkand 
und Kafchghar in Kofand ihre Afyl fuchten, war fie ganz von 
den Usbeken gefchloffen gehalten worden. Nach Berichten der 
Mekfas Pilger in Bombay, die Uber Kofand gingen (1834) %), 
ſcheint fie aber wieder geöffnet zu fenn. Nach ihnen haben die 
Kofander wieder freien Eintritt und Verkehr nach Kafchghar und 
den andern mohammedanifchen Provinzen des chinefifhen Reichs 
erhalten, jedody nicht mit den eigentlichen chinefifchen Provinzen. 
Auch mohammedanifche Bettelmoͤnche, Derwifche, Fakire werden 
in Kafıhghar eingelaffen. Um weiter oftwärts vorzudringen, muͤſe 
fen fie in Kaſchghar erft die Specialerlaubniß des YunisWang 
(wol der Dfiangghiun Bang), oder des jegigen Gouverneurs von, 
Kaſchghar nachfuchen. Die Hauptwaaren, welche gegenwärtig die- 
Karawanen von dorther bringen, find: Seidenzeuge, Satin, Pors 


"°4) Al. Burnes Tray. II. p.236, 438. °»») w. H. Wathen Me- 
meoir of the Usbek State of Kokan in Journ. ef Asiat. Soc, of 
Bengal. Caloutta 1834. ed. Prinsep Vol. Ill. p. 375 — 376. 


Oſt⸗Turkeſtan, die Ferghana⸗Route. 477 


zellan, und Thee in Büchfen und Ziegelthee, deſſen Cons 
fumtion ganz allgemein durch Mittels Afien geht. Laftthiere find 
meift Pferde; 40—50 Stuͤck Ziegelthee in großer Backſtein⸗ 
form machen eine Pferdeladung aus. Usbeken bringen diefe 
Waaren von Kafchghar nach Kofand, von wo fie auf Kameelen 
nach Bofhara weiter gehen. Die Rückzahlung gefchieht in Shawls, 
europäifhen Waaren, roher Seidel?) und zumal in Pferden. 
Die Seideneinfuhr, durch welche Kokand berühmt ift, ift merks 
würdig; von der Stadt Andejan®) in Kokand, am Syr, im 
alten Ferghana, welche an jener Handelsroute liegt, nennen die 
Chinefen alle von Weft mit ihnen in Verkehr tretenden Handels: 
leute Andejanis. Die Hauptausfuhr gegen Weft ift der 
Thee, das Hauptproduct Chinas. Dies beftätigte Al. Burnes 
Erfahrung auf dem Bazar zu Bokhara , wo im Jahre 1832, 
bei feinem dortigen Aufenthalte, allein 950 Pferdeladungen (etwa 
200,000 Pfund) von Yarkand eingeführt wurden. Der meifte 
hiervon wird in Welt s Turkeftan felbft verbraucht, nur wenig von 
diefem geht von Bokhara user den Hindusshu nach Hindoftan, 
Die Eingebornen von Badakhſchan betreiben diefen Thee— 
bandel; fie preifen die Leichtigkeit und Sicherheit des Handels 
mit den Ehinefen und deren Billigkeit.. Ihr Zoll beträgt 1 von 
30. Die Iheetransporte aus China gefchehen in großen 
Säden, die in rohe Häute eingenäht find, weil die TIheebüchfen 
fonft einen fo weiten Weg nicht ertragen Fönnten. Eine Pfers 
deladung zu 250 Pfund wird in Yarfand mit 60 Tillas bes 
zahlt, in Bokhara aber ſchon bis zu 100 Tillas verfauft. Dies 
ift insgefammt grüner Thee. Die befte diefer Theeforten, 
die man in Turfeftan auf diefem Wege erhalten fann, Eommt 
von einem Orte Tukht in China, der an einem Fluffe liegen 
foll (2, f. Afien U. ©. 236, wo von Theediftricten die Rede ift); 
fie geht in Eleinen Zinnbüchfen über Bokhara nach Aftrafan. Sie 
wird Banfa genannt, wahrfcheinlich vom Zinn, in das fie eins 
geſchlagen ift (f. Afien IV. 1. ©. 438), und wird das Pfund zu 
4 Nupien verkauft; nach Al. Burnes Urtheil ift diefe Sorte: 
von ganz vorzüglihem Geſchmack, der alles übertrifft, was er in 
diefer Art in England Eennen lernte — weil diefee Banka⸗Thee 
nicht über See geht, fondera immer auf dem Landwege bleibt. 





*) Al. Burnes Trav. II. p. 236. 
= ebend, pP» 434. 


478 Weſt-Aſien. I Abfchnitt, 9 5 


a) Mir Zffet Ulahs Routier in 40 Tagemaͤrſchen von Kaſchohar 
nach Kokand (1812). 


Das einzige genauere Tagebuch eines Meifenden neuerer Seit; 
auf diefer Haupt:-Querftraße Central:Afiens, haben wir 
von Mir Zffet Ullah 7%) erhalten (1812), deſſen Iehrreis 
her Inhalt uns über folgende Orte aus Kaſchghar bis ww 
fand führt. 

Die erften 16 Tagemärfche gehen von der Stadt Kaf * 
ghar, laͤngs dem Strome von Kaſchghar, der Kokſu ge 
nannt wird, immer gegen N.N.W., aufwärts, bis zu deſſen 
Duelle im Gebirgslande Beloro, zum Teref-Paffe in Ders 
wa; (Darwafa Damwan Teref; von Dawan im OfbTur 
fifhen fo viel als Paſſage, nicht Berg; gleichbedeutend mit 
Col; Dabahn im Mongol., Dabagan im Mandfhu)%), 
Dann werden 3 Tage zur Lieberfteigung der Bershöhen bis zu 
den Gebirgsftrome des Syr verbraucht, nach dem Orte Ir— 
tſchilak; und von diefem geht es wieder in 10 Stationen (55 
Stunden Wegs), über rauhes Bergland und befchwerliche Paͤſſe, 
bis zur Grenze von Ferghana, oder Kofand, wo die erfte 
Stadt Oſch erreicht wird, ein großer Marktort. Don dieſem 
aus, wo das große Hauptthal des Syr Daria, der aber viel 
weiter im Often entfpringt, erreicht ift, find in directer Rich— 
tung gegen Weft wiederum 12 Tagemärfche nothwendig, 
welche zur Nefidenzftadt des Khan von Kofand in Ferghana 
führen, alfo in Summa etwa 40 Tagemärfche. 

1. Zagemarfch. Von Kafıhahar 5 Stunden gegen un. 
nah Kitſchik Andedfhan, ein Poften am Kafıhahar-Strom, 
der nicht weiter bewohnt ift. 

2. Sagem. 6 St. VAN. nah Konah Karaul. Der 
Packhof (Ortung oder Aurteng) liegt 3 St. WANN. Die 
Stadt hat wenig Käufer. Hier werden die Paͤſſe derer unter 
fucht, welche die Erlaubniß erhalten haben, aus dem Lande zu 
reifen. Diefen Pag zu erhalten Eofter Mühe; nur dann erhält 
man ihn, wenn man dem Hakim Beg von Kafıhghar durch Vers 
mittlung des Faufmännifchen Rathes Bürgfchaft leiftet. Diefer 
beicheinigt, daß der Neifende ein Kaufmann ift, eine — 





725) Mir Isset Ullah Voyaged ans l’Asie centrale in Klaproth Mag. 
Asiat. Paris 1826. 8. T. II. p. 33 — 45. ®°) Klaprotlı Not; in 
Nouv. Annales des Voy. T.1V. p. 302. 


Oſt⸗Turkeſtan, Ferghana-Koute, 479 


hinterläßt, und daß man für ihn fich verantwortlich mache, Darz 
auf erhäft der Reiſende das chinefifch befchriebene Papier, das er 
an der Grenze vifiren läßt. Weiter hin find feine Häufer 
mehr erbaut. 

3. Tagem. 4 St. im W. nah Kentſchaghlak, ein 
verlaffener Poften am Fuß des Gebirges, deffen Ketten fich nach 
allen Seiten ausbreiten, 

4. Tagem. 8 St. im W., nad Kifyluliz die erfte Hälfte 
des Weges ift gebirgig, die zweite eben; es war fehr Ealt, das 
Waſſer gefror zu Eis, auf beiden Seiten des Weges fanden Kirs 
ghifenzelte. 

5. Tagem 3 ©. W.N., nah dem Bleibergwert 
Schorbulaf Kurghaſchim. Hier wird auf Blei von den 
Kirghifen gebaut, daher der Name (Bulaf, d.h, Duelle, Kurs 
shbafhim, d. h. Blei). 

6. Tagem. 4 ©t. well, n. Schorbulaf Malatfhap, 

7. Tagem. 7 ©. W. N. n. Okſchaluz welliger Weg, 


Waſſer und Viehfutter in Ueberfluß. 


8. Tagem. 2 ©. W.N. nach Dawan maſarz uneb— 
ner Weg, auf den Berghoͤhen fieht man Kirghiſenzelte. 

9. Tagem. 5 St. W.ıN. nah Schorbulak Deffa 
Kantſchak; wo Feuerung, Kutter und Waller in Ueberfiuß. 

10, Tagem. 4 St. in W. nah Yeſſa Kantſchak; 
man watet hier durch den Fluß, der nach Kaſchghar fließt. 

11. Tagem. 4 St. in W. nah Ser Kamuͤſch; Si— 
mir Dſchatun iſt der Haltplag. Etwa 4 Kos rechts ab vom 
Wege, liegt Koh Kaf, eine Furth dur den Kaſchghar— 
Fluß, oder Kokſu. Nakara tfehalam, nicht Nokareh 

Shaldi, wie auf Grimms Karte fteht, liegt am Flußufer; auf 
der Anhöhe fieht man die Spur eines Gebäudes, Die „Pau— 
fen Afrafiabs“ follen hier geftanden haben -(des großen, antis 
fen Heldenkönigs der Turkgefehlechter, den Ferduſi befingt, der als 
Herrſcher in Turan auch der Sieger in Iran wird, und den man 
als neunten König der erften Perfer-Dynaftie der Pifchdadier 


‚aufzählt) 7). 


12. Tagem. 9 St. weftl. Yanghin, wo Kirghifenzelte; 
der Weg geht über grüne Ebenen. 


ur 


er) Herbelot Bibliotheque 'Orientale Article edel Maestricht. 
1776. p. 60. 


ee 


480 Weſt-⸗Aſien. J. Abſchnitt. $ 5. 


13. Tagem. 7 St. nordweſtl. nah Tukaibafcht (nicht 
Nufai Baſchi, wie auf Grimms Karte); hier ſammelt man Holz, 
das nach Dawan Teſa getragen wird (zum Teſa⸗Paß); wir 
fanden Hier ſehr viel Schnee, ſagt Mir Iſſet Ullah. 

14. Tagem. 5 &t. W. N. zu einem’ Haltplaße; es fehneite 
fo ftarf, daß wir den Weg verloren. Da ich nicht weiter kom⸗ 
men fonnte, fuchte ih Schuß an einer Bergwand. Alles Waſſer 
war zu Eis gefroren, 

15. Tagem. 4. St. zum Dina Davan Ekiſek oder 
zum Ekiſek-Paſſe (Akiſik bei A. v. Humboldt) 9%), Zwils 
lings-Paß. Die erfie Hälfte des Weges geht nach W., die 
zweite nach Süd. Bon 2 benachbarten Bergen, die einander 
ganz ähnlich find, wie Zwillinge (d. h. Ekiſek), hat der 
Daß feinen Namen, Die Ebene zwifchen beiden Bergen ift 
völlig unfruchtbar, 

16. Tagem. 8 St. WAN. führt der Weg über die Zwils 
lingsberge zur Station; man muß 14 Stunden dahin aufs 
fleigen. | 

17. Tagem. 4 St. in W. zur Quelle des Kokſu, oder 
Kafhghars Stromes (f. ob. ©. 375). Der Weg dahın ift 
uneben, bergig; man fteigt auch über den zweiten Zwillingsberg 
fo lange auf, wie über den erften. Wir fihritten über das Eis 
des gefrornen Kokſu hinweg. An deifen rechter Seite, alfo ges 
gegen Norden, erhebt ſich noch ein höherer Berg als die, Zwils 
linge. 

18. Tagem. 3 St. weſtl. 1 füdl. zum Darwaſa Da: 
wan Terek, d.i. zum Thor oder Paß des Terek nach Dar— 
waz (Derwauz)®). Iſt man den Berg der KokfusQuelle 
hinabgeftiegen, fo folgt der Weg einem engen von Bergen einges 
fchloffenen Hochthale, deilen Gebirgsſtrom mit andern vereis 
nigt den Syr (Sir oder Sihun) bildet, der bei Andejan 
(Andedfchan) vorüber als Syr Daria befannt ift, und zum 
AralsSee fih ausgießt. Dies ift nämlich ein Eleiner, linfer 
Zufluß zum Hauptftrome des Syr Daria, deſſen eigentliche 
Duelle wol noch 35 geogr. Meilen weiter oftwärts, im Ge 
Birgslande Burut, in S.W. des Temurtu oder Iſſekul-Sees 


”»8) XL. v. Humboldt über Inner⸗Aſien in Poggendorf Annalen B. 94. 
&.319 Not. und 320 Not. 99): Mir Isset Ullah Voy. l. e. 
Magas. Asiat. II. p. 41. N 


Oſt-⸗Turkeſtan, Ferghana⸗ u 481 


zu fuchen if. Diefem Eleinen, linfen Zufiuß, der an der Start 
Oſch gegen N. W. vorüberzieht, und fich unterhalb Andejan in 
den großen Syr Daria ergießt, Iegt Mir Iſſet fchon den 
Namen des Syr felbft bei. Auf Klaproth Carte centr. heißt ex 
Andejan; Fluß Der Rand der Berge des Terek liegt 3 St. 
nördl. well. 

.19, Tagem. 10 St noͤrdl. Aweſtl. komm man nach Ir⸗ 
tſchilak, ein Ort im Thale, wo Feuerung und Artſchah— 
baͤume (ſicher jene Pinus-⸗Art, Archeh, die Sultan Baber 
von Andejan her kannte, und ſie auch am Hindu Khu wieder 
fand, ſ. ob. ©. 310, ob auch die Jilguzeh? ſ. ob. ©. 246) in 
‚Menge ftehen. — Dies fcheint wieder der Anfang der Pis 
nuswaldung am Weftgehänge dis Belur Tagh zu feyn, 
wovon wir wenigftens Feine Waldſpur im Often deffelben inners 
halb des Hochlandes bei den Angaben der Einheimifchen vorge— 
funden haben. —" Zum Erklimmen des Berges brauchte man 2 
Stunden; zum Hinabfteigen nach Irtſchilak 8 Stunden, Bon 
diefer Berghöhe führt auch ein Weg in 2 bis 3 Tagen nad 
Sirkul (verfchieden von der füdlichern, gleichnamigen Station, 
deren ſchon oben erwähnt'ward, f. ob. S. 402 und Afien B. III. 
S. 635; Eul oder gul, d.h. Duelle oder Fluß). Diefe Koute 
ift aber in der heißen Sahreszeit durch die —— un⸗ 


wegſam, wegen der zu großen Bergwaſſer. Dann muß man ei⸗ 


nen Umweg machen, um den berdigen Terek-⸗Paß zu vermei 
den. Als Mir Iſſet Ullah hier paſſirte, hatte eben die kalte 
Jahres zeit begonnen (leider nennt er den Monat nicht). Der 
Schnee lag auf diefem Theile des Weges Mannshoch, und an 
‚manden Stellen doppelt fo hoch. Die Kaſchgharen räumen ihn 
weg, zur rechten und linken Seite, damit die Karawane in der 
Mitte hindurchziehen kant. Cine gewille Anzahl Kirghifen 
ift mit diefer Arbeit beauftragt und campirt daher das ganze 
Jahr hier. 

Von Irtſchilak bis zur Grenze von Ferghana, rechnet 
man 10 Stationen (bis Oſch), die groͤßtentheils in der Rich— 
tung TEAM. liegen. Zur Durchſchreitung dieſer Strecke find 55 
Stunden Weges nothwendig. Die ganze Strecke geht, die 2 big 
‘3 Testen SHaltorte ausgenommen, immer durch Bergland und 
rauhe beſchwerliche Paͤſſe. In der Falten Jahreszeit iſt dieſe 
Reiſe ſehr beſchwerlich. Zwar iſt wol noch Feuer und Viehfuͤtter 

Nitter Erdkunde VII. Hh 


482 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 5, 


zu haben, doch fielen viele der Laftpferde unter ihrer Laft. As | 


Obdach mußte man froh ſeyn Kirghifenzelte zu finden, die gar | 


oft fehlten. 

Dich (im S. O. von Andejan) ift die erfte Stadt, welche in 
Ferghana betreten wird; fie ift wol mit Waſſer verforgt, ftarf bes 
völfert. Sie fteht unter einem Hakim (d. i. Gouverneur), der 
Emirvon Kofand genannt. Der Weg zu ihr ift eben und gut. 
Bis dahin fieht man nichts als, Kirghifenzelte, Feine feften Woh— 
nungen. Zwiſchen Kaſchghar bis zu den Bleigruben Kurs 
ghaſchim ſtehen die dort haufenden ZeltsKirghifen unter 
dem Stadtgebiete von Kaſchghar; fie bringen dahin Brennholz 
und Kohlen zu Marfte, haben freien Durchzug und brauche Feis 
nen Paß, da fie chinefifche Unterthanen find. 

Don KRurghafchim aber, über den ganzen Belur Tagh bis 
nah Oſch, find die ZeltsKirghifen dem Emir von Kofand unters 
würfig; fie haben große Viehheerden, zumal auch Pferdeheerden. 
Vordem beraubten fie die eeſuaben; durch Alem Khan wurden 
ſie gebaͤndigt. 

Die Stadt Oſch ift Serähmt unter dem Namen Takt i 
Soleiman 800) (d.h. Thron des Salomon), ein Berg 
nahe der Stadt, wo ein Grabmahl Afef Barchias eines Bes 
zier Soliman’s fteht, das man noch dafeldft ſieht; es hat fehr 
große Dimenfionen. Diefer Thron Salomons fieht auf eis 
nem Eleinen Hügel in W. der Stadt Ofch, und daruͤber ein 
Bau mit einer Kuppel. Im Frühling wallfahrten aus allen bes 
nachbarten Ländern Pilger dahin, und bringen zugleich vielerlei 
Maaren zum Verkauf und Austaufch mit. In der warmen Jah— 


— — —— 
— — — — 


reszeit iſt zu Oſch jeden Dienftag Markttag; man wird dort 


ſehr von kleinen Muͤcken geplagt, gegen welche ſich die Einwohner 
mitten in ihren Wohnungen durch hohe Abſchlaͤge, auf denen ſie 
ihr Nachtlager nehmen, zu ſichern ſuchen. Bon Oſch aus wer: 
den ſchon nach den verſchiedenſten Richtungen der Landſtraßen zu 
den Staͤdten Ferghana's Raͤderkarren gebraucht. 

Die Lage von Oſch oder Oſchi identiſch mit Takt i So— 
leiman, iſt duch P. v. Hallerſteins Obſervationen glücklis 
cher Weiſe aſtronomiſch beſtimmt, und hierdurch auch dieſer Quers 
paß. Oſch (Ga⸗oche bei Mailla) !) liegt 40° 19! N. Br., 72° 
12° O.L. v. Par.; es ift eine flarf bevoͤlkerte Stadt. 





#°°) Mir Isset Ullah Voy. ls. c. Magas. Asiat, II. p. 43, 1) Posi- 


Oſt⸗Turkeſtan, Ferghana⸗Route. 483 


Dieſe ſehr merkwuͤrdige, obwol leider ſehr unbefriedigende 
Nachricht uͤber dieſes Denkmal wird durch den ruſſiſchen Rei— 
ſenden Nazarow 2), der im Jahre 1814 bis nach Marghi— 
lan und Andejan vorgedrungen war, vollkommen beſtaͤtigt. 
Der Syr Daria bei Andejan, ſagt er, tritt aus dem Kaſch— 
ghar Dawan (dem Kaſchghar-Paſſe) hervor. An dem 
Zollamte zu Oſch zahlen die China-Karawanen auf ihrem Herz 
und Hinwege ihre Abgabe. Rechts am Wege, fagt der Interpret 
Nazarom, fahen wir im engen Thale des Kaſchghar Da: 
man zwei alte Gebäude, unter denen fich eine große Höhle 
befindet. Unfer Führer fagte ung, dies fen der Takt i Solei: 
man, d. i. „der Salomons Thron,” das Gebäu fey aber 
nicht bewohnt (diefes Denkmal, als Chalfatun, d. h. die 40 
Säulen, oder ald Steinerner Thurm des Ptolemäus, f. unten, 
und Erdk. erſte Aufl, Ih.1. ©. 513). Für jegt verfolgen wir 
vorläufig noch die begonnene Reiſeroute bis Kokand. 

Bon Ofch zählt der Bericht wieder die.einzelnen Tagemärfche 
auf, deren bis Irtſchilak 19, bis Ofch 29 gezählt wurden. 
Bon da find 12 Tagereifen bis Kofand >); nämlich: 

1) Von Oſch 2 Tagereifen W.N.W. zur Stadt Nams 
ghan Nimbaghan b. Mir Zffet, Namkan b. Mailla; nach 
Pat. v. Hallerftein unter 41033’ N.Br., 689 22° O.L. v. Par); 
berühmt durch ihre frefflichen Früchte, 

2) Nah Andejan (Andedfhan, Andzian nad) Man: 
dfchufchreibart, daher Antchyen bei Mailla; 419 28° N.Br,, 
698 27° DR. v. Par. nah P. v. Hallerftein). Diefe ehemalige 
Eapitale von Ferahana fand Mir Iſſet verlaffen. Sie liegt 
1 Zagemarfh in W. von Namghan, und 3 Tagen. in WANN, 
von Oſch. Hier, bemerkt Mir Iſ ſet, ſey die Reſidenz von Sul⸗ 
tan Babers Vater geweſen, wovon weiter unten umſtaͤndlicher die 
Rede ſeyn wird. 

3) Nach Ardaneh 1 Tagem. 8 Stunden in W. N. ein 
bedeutender Ort von einem Tribus aus Badathfhan bs 
wohnt; alfo eine Anfiedlung aus diefem füdlihen Nachbarlande. 


“tions etc, b. Mailla Hist. Gen. de la Chine XI. p. 575; in Mem, 
eoncern, l’hist. des Chinois T. 1. p. 393. 6 
2) Phil. Nazarow. Voyage à Khokand; 1814. in Klaproth Magasin 
Asiatique. Paris 1825; T. I. p.58.  *) MirlssetUllah Voy. l.c, 
Magas. Asiat. II. p, 44 — #5. 
562 


2 Welt Men KAsfhnitt” 65, 


Berühmt durch feine Gärten Der Weg führt zwifchen Bergen 
hin, ift aber gut, weil diefe doch nicht zu dicht fichen. Hier no⸗— 
madifiren viele Turkſtaͤmme mit ihren Pferdeheerden, da es treff⸗ 
liche Weiden giebt. 

4) Nach Mangteppeh 1 Tagem. 3 Stunden, ein | 
tender Ort, in einem Lande voll Heerden, deren Befiger, die 
Turk und Kiptſchak, hier im Frühling und Sommer, das 
MWeiderecht haben. Diefe beiden Stämme, an 12,000 Far 
milien, find von martialifcher Geftalt, ſehr wohl gebaut, auffals 
fend von den Kirghifen abftechend, die elend ausfehen, fchlechte 
Nahrung, Wohnung, Kleidung haben, und nur wenig Soldaten 
ftellen. Jene beiden Stämme find dagegen fehr wohlhabend. 

5) Nah Yulkhaneh, 8 Stunden, 1 Tagemarfch gegen 
Weſten. Von diefer Station ift nordwärts nur ein Tagemarfch 
His Andejan, und eine kleine Strede davon in derfelben Richtung 
der Ort Kei. Auf dem Wege dahin trifft man Kirgpifen. und 
Kalmüden, die Mohammedaner find. | 

6) Nach Kuperdeg, weſtl. Inördl., guter Weg Dabing, man 
paflirt die Brücke eines Fluſſes und kommt an mehrern Haͤuſern 
voruͤber. 

N Nach Marghinan (Margalang der Chineſen, weil 
es Marghilan geſprochen wird, daher Argalang bei den 
Mandſchu; und 410 24 N,Br., 680 57° O.L. v. Par. nach) Pat. 
v. Hallerſtein Obſervation). Sie liegt 6 Stunden fern, in WIN, 
iſt eine der bedeutendften Städte in Ferghana. Hier, fagt Mir 
Sffet, fey das Grab des berühmten Sefander Dulfarnein 
(Alexander Magnus?), Man lebe da fehr angenehm; die Eins 
wohner feyen von guter Art. Der Gouverneur ſey vom Khan 
von Kokand eingefegt. Die Einwohner weben viele Shawls, die 
aber nicht die Güte derjenigen voh Kafıhmir haben. Die Stadt 
mauern, ein Erdwall, find in fihlechtem Zuſtande; ein ‚großes 
Minaret von Ziegelfteinen erhebt Sich in dieſer Stadt, 

Bei diefen Bemerkungen Mir Zffets ift zu erinnern, daß 
PH Nazarows09 aud bis hierher vordrang, als der Khan 
von Kokand ihn zur Iheilnahme an einer großen Yagdpartie 
hierherfchiekte. Kokand liegt nach ihm 250 Werft (36 geogr. M.) 
nocd fern von hier, was aber wol nach den Umwegen zu nehmen 
feyn möchte, die er zu machen: gezwungen war. Der Khan hatte 





»°*) Phil. Nazarow Voy. I. e. I, p. 51, 57. 








Oſt⸗Turkeſtan, Ferghana⸗Route. | 455 


bier feine Heerden und Weiden, und ging einen Monat lang. der 
“Sagd auf Panther, Tiger und Vögel nah. Die fpecielle Be: 
ſchreibung diefer bedeutenden Stadt und Fefte verfparen wir auf 
die Befchreibung Ferghanas. Hier ift fie nur als Paffageort 
anzuführen, von dem Nazarow verfichert, daß die jegige Stadt 
nur enge Straßen habe mit Erdhäufern ohne Fenfter; aber in 
derjelben fehe man „eine große Menge alter Monus 
mente und Portifus, deren mehrere in einem guten 
ardhitectonifbhen Styl.” Gn,der Mitte der Stadt erhebe 
ſich ein offener Tempel, in dem man eine Fahne von rother Seide 
aufgepflanzt, weiche, der Sage nad), dem Padiſchah Jskan⸗ 
der (Alexander Magnus) gehört haben fol. Die Sage ift, daß 
derfelbe hier auf feiner Ruͤckkehr aus Indien geftorben und begras 
ben fey. Wenn der Ort einen neuen Gouverneur erhält, werde 
dieſe Fahne von den Prieſtern durch den ganzen Ort getragen, 
mit Gefang und Begrüßung des Gouvernementsgebäudes, Der 
neue Beamte behänge die Fahne mit Golds und Silberftoffen und 
andern Pretioſen für die Priefter, und theile dabei Geld, Brot 
‚und Aepfel aus. Die Veranlaffung diefer Sagen, wie die Ers 
bauer jener alten Monumente, find uns unbekannt; fie möchten 
aber bei näherer Unterfuchung, in Verbindung mit den Architectus 
ren zu Takt i Soleiman, für die Geſchichte diefer großen 
Handelsftraße, welche die der alten Seren war, fehr lehr—⸗ 
reich feyn. Der Bazar in Marghinan befteht aus mehrern Reis 
hen von Laden, in denen die ſtark befuchten Märkte gehalten wers 
den; auf Maaß und Gewicht hat die Polizei hier ein wach— 
fames Auge. Sn der Stadt find mehrere Fabriken für Golds 
und Silberfioffe nach perfifcher Art, auch in Sammet und 
" Seide; diefe Gewebe werden nach Kaſchghar wie nach Bokhara 
verhandelt, ; 

8) Von Marghinan führen zwei verfchiedene Wege nach 
Kokand; der eine durch fehr volkreiche Gegenden, der andere 
durch ee MWüftenei. Es fiheinen 2 Tagemärfche bis dahin zu 
ſeyn; wenigfiens werden zu guterletzt non 2 Stationen dahin ges 
nannt: 1) Akbig, 5 Stunden nach W. N., wo theilweiſe ſehr 
viele Haͤuſer an der Landſtraße ſtehen, theitweife auch Wuͤſte ift, 

und 2) Kara Katai, 4 St. W.4N., eine Stadt von Kara Ka⸗ 
taiern (ob Ehinefen?) bewohnt, die aber Mohammedaner gewor⸗ 
den find. Von da geht cs nach Kokand. 


486 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. §. I. 


b) Marfchroute eines ruffifchen Handelsmannes von Kofand nad) 
Kaſchghar, in 30 Tagemärfchen (1832). Nah U. v. Hums 
boldt Manuferipts Mittheilung, f. defien Itin. d’Asie nouvelle 
Serie Msc, 

Da es noch zu fehr am genauen geographifchen Daten über 
diefe Gegenden fehlt, fo ift es nothwendig für Fünftige Forfchung 
und Bereifung jede gute Duelle, die fich uns darbietet hier zu 
beachten, falls fie auch nicht reichlich fließen follte. Es ift nicht 
zu fagen, zu welchen wichtigen Auffchlüffen, für die Zukunft, zus 
weilen ein einziges, an fich unbedeutendes Datum, ein einzis 
ger Ortsname führen kann. Daher fchalten wir hier auch das 
ruffifche Routier ein, das ung von Kofand aufwärts in 29 bis 
50 Tagemärfchen (alfo in 10 weniger als das vorige, jeder 
zu 14 Stunden Zeit gerechnet) bis Kaſchghar führt, welches wir 
der gütigen Privatmittheilung Al. v. Humboldts verdanfen. 
Nur gewiſſe Hauptnamen find, in Vergleich mit Mie Iſſets 


Koutier, darin wieder zu erfennen; doc) geht aus diefen hervor, 


daß es diefelbe Route if. Die 10 Stationen, welche zwifchen 
Irtſchilak bis Ofch, bei Mir Iſſet, namenlos gelajlen find, 
werden in diefem ruffifchen Routier namentlich aufgeführt. 
Don Kofand werden nur 6 Nachtlager bis Ofch genommen; 
von da find 8 Tagemaͤrſche nöthig bis zum Dawan Terek 
(der hier Terjaf diwan gefchrieben wird), Zur Lieberfteigung 
feiner Hochpäffe werden drei Tagemärfche verwendet, und dann 
12 Tagemärfche auf die Route von feinem Suͤdfuße bis Kaſch— 
ghar gebraucht. Wir behalten, die uns ſchon befannten beffern 
Sthreibarten der Orte ausgenommen, die wahrfcheinlich fehr feh— 
lerhafte Schreibart des ruſſiſchen Originals bei, da uns noch die 
Mittel zur Berichtigung diefer Namen fehlen. Folgendes find die 
Stationen: | 

1. Tagem., von Kofand nach Afsir oder Paleffan; 2. Tagen. 
nach) Karantfchifum; 3. Tagem. zur Stadt Marghinan (Margls 
jant im ruff. Mfer.); 4. Tagen. nach Minteun; 5. Tagem. nach 
Ariwan; 6. Tagem. zur Stadt Ofch, bis wohin überall Felder 
und Anfiedlungen. Oſch ift das Zollamt, die Grenzftadt gegen 
die chinefifche Grenze, mit einer Garnifon zum Schuß vor dem 
Ucherfälfen der Chinefen, oder der ſchwarzen Kirghifen. Die 
3 folgenden Stationen heißen: 7. Tagem. nah Madi, ein 
Dorf; 8. Iugem. nach Langar am gleichnamigen Fluſſe, der 
zwiſchen Bergen hinfliegt und durchfegt wird; 9. Tagem. nad 


| 
| 





Oſt⸗ Turkeſtan, Ferghana=Route nach Ruſſen. 487 


Tſchuntſchur Sfu (Ouellen in Gruben), eine Gegend von 
ſchwarzen Kirghifen bewohnt, die an Kofand unterworfen find; 
10. Tagem. nach Gurſchu (oder Murfchu) eben fo; 11. Tagem. 
nah Kakmaktam, d. i. Feuerjteinfoppe, mit einem Bach 
und Quellen, wo Obftbäume und Wälder; 12. Tagem. nach Alas 
taf, am gleichnamigen Fluß mit einer Brücde; 13. Tagem. zum 
Kaftort Alatar (mol in der Nähe von Irtſchilak, in Mir 
Iſſets Noutier, gelegen). Von bier werden 3 Tagemärfche 
zue Ueberfteigung des Dawan Terek (Terjat Diwan) 
verwendet; 2 Tage um ihn zu erflimmen, und einer um ihn 
lange den Bächen an feiner Südfeite hinabzufteigen. Zwifchen 
den Bergen und Thälern, mit fteinigen Fluͤſſen, nomadifiren Kirs 
ghifen, die auch hier immer noch an Kofand unterworfen find. 
Von hier an folgen die 12 legten Iagemärfche bis Kafıhahar: 
17. Zagem. nah Pugai Baſchi über Wiefen und Bäche zwis 
fhen Bergen wo Wälder beginnen; 18, Tagem. nach Ighin (wol 
Yanghin?); 19 Iagem. nah Na taratfchalan (Nagra kakin 
im ruſſ. Mſe. die Paufenfchläger genannt); 20, Tagem. nad) 
Sharafamyfcd, d. i. gelbes Schilfz 21. Tagem. nach Jaſſi— 
fitfhu; 22. Tagem. nad) Akfalyr; 23. Tagem. nah Kufchzjus 
futfchi, d.h. Vogelnachtlager; 24. Tagem. nah Kurs 
gafhim, d. i. Bleigruben (SKurgafchfan im ruff. Mie.); 
25. Sagem. nach Kyſyl, d. h. Rothes Gchäude (Kyfiluli 
im ruf). Po 26. Tagem. zum erſten chinefifhen Pos 
fien; 27. Zagem. zum zweiten und am 28ften zur Stadt 
Kaſchghar. Die letzten 12 Tagemaͤrſche nomadiſiren Kirghiſen, 
die zu Kaſchghar gehoͤren. 


2) Die Suͤd-⸗Querſtraße über den Belur Tagh; die 
Drus:Straße, die Badakhſchan-Route; der Pas 
mer⸗Paß. 

Dieſe Route geht von Yarkand und Kaſchghar, nicht wie 
jene nah Nordweſt, fondern direct gegen Weſt, etwa unter 
3919 M.Br. über den Belur Tagh, und zwar über das Hochs 
land Pamer, hinab zu den Oxus-Thaͤlern, daher man fie 
auh die Pamer-Route 85) genannt hat. Sie wendet ſich 
erſt auf der Weftfeite des Gebirges plöglih zum Süden hinab, 
nad Badakhſchan, und von da über Shulum nach Balfh 





#05) Al. Burnes Tray. Il. p. 236, 438. 


4 


488 Weſt-Aſien. L Abſchnitt. % 5 


und Bokhara. Sie macht fehr große Ummege, und iſt weit 
ſchwerer zugänglich als jene. Diefer Weg, den die Yarkand⸗Ka— 
rawane nach Bokhara wol nimmt, ift fehr unficher und durch 
die überhängenden Felfen und Abftürze ſelbſt fehr gefähriich. Das 
heftige Erdbeben im Jahre 1832 (f. ob. ©. 467) im Yanuar, 
riß auf \diefer Route viele Felfen los, zerftörte viele Dörfer und 
tödtete viele Menfchen. Das Athmen wird auf der. hohen Pas 
mer-Ebene ungemein befchwerlich; zuweilen werden die Rei— 
fenden auch noch von den dort haufenden Wander-Kirghiſen uͤber⸗ 
fallen und beraubt. Alles macht diefe Querpaſſage in jeder Hinz 
ficht natürlich wie politifh zu einer fehr gefährlichen. Man foll 
65 Tagemaͤrſche zu ihr gebrauchen. Die Laftpferde, welche auf 
diefer Badakſchan-Route im Gebrauch find, werden an dem 
Marktorte Khulum mit Kameelen umgetaufcht, die von da in 
dem ebeneren Boden nad Bokhara gehen. Zwei Pferdelaften 
‚machen eine Kameclladung aus. 

Den Eingang von der Offfeite her, aus dem ebenern Gebiete 
von Yarkand und Kafıhahar, am Yamanyars&trom, zum 
Karaful (nicht unter 37%, wie oben ©. 327 irrig fteht, fondern 
39 N. Br.), oder Lungtſchi, d. i. dem Drachenfee, über 
Taſchbalik (Taja melik bei Mailla, 399 6 N.Br., 710 9 OR, 
v. Dar., f. 06. ©. 327 und 402) haben wir fchon früher fennen 
fernen, fo wie daß eben 'hier Hiuan Ihfang und M. Polo 
die Daffanten im VIL und XII. Jahrhundert waren. Die Hochs 
ebene Damer war feit jenen Zeiten den Europäern ihrer Lage 
nach ziemlich unbekannt geblieben. Al. Burnes Erfundigungen 
am Drus beftätigten, daß fie zwifchen Badakhſchan und Yarkand 
liege, und daß diefe Bergwildniß nur von wandernden Kirghifen 
bewohnt werde. Die Mitte diefer Pamer ſey der See Su— 
rikul soo) (Sarifol, local verfchieden vom obengenannten Sirs 
kul des Terek-Paſſes auf der Sir-Route, und ficher eben fo 
verfchieden von dem früher genannten weit füdweftlihen Sers 
ful oder Sarikol im Norden des Pufchtithur an den Quellen 
des Oxus, 80 geogr. Meilen, im Weft des Karakorum s Paffes, 
f. Afien I. S. 635; woraus ſich auch ergiebt, daß im See Sa: 
rikol, oder doc) ihm benachbart, wenn fchon die Anfänge von 
Sarartes und Oxus, f. 06. ©, 16, doc) keines weg s, wie 


— 





»°°) Al. Burnes 'Prav. I. p. 207 — 209. 





ft Turkeftan, Badalhſchan-Route, Pamer. 489 


Al. Burnes meinte, zugleich and, die Quellen des Indus ents 
fpringen, wenn man auch den Schayuf als deffen Hauptquelle 
anfehen will, f. 00. S. 13. Denn diefe legtere liegt, wie gefagt, 
immer noch. an 80 geogr. Meilen weiter im Often oder Südoften 
deffelben, dagegen koͤnnte man etwa die Quelle des Badakh— 
fhan-Stromes, das iſt der Koffcha, und die des Kameh— 
ffromes, oder Keinen Sinde (f. ob. ©. 16, 284, 289), oder 
Sintheou, aus einer und derfelben Gegend des Pufchtikhur, 
mit dem Yarkandftrome, herleiten (etwa unter 37° N. Br.). Der 
Name Suriful, Sirkul, der fich bier auch dem Querjoche des 
Bolor an fo vielen Stellen wiederholt, hat zu mancherlei Vers 
wirrungen Anlaß gegeben. Darin ift wol der einheimifche Name 
des großen Syr oder Sir Daria felbft zu fuchen, denn da Eul, 
Eol, gol ſo viel als Duelle heißt, mag Syr, Sir, Ser, Sur, 
wol die allgemeine Bezeichnung des Bergftromes feyn, wie anders 
wäarts Nin, Don, Elve, Dora, Ganga, Sind, Wadi 
n..0. ın. 

Diefe Hochebene Pamer dehnt fich nach jeder Seite des 
Sees Suriful (Sarifol) auf 6 Tagereifen weit aus; man 
foll von da, wie es Al. Burnes erzählt ward, alle anderen 
Berge wie unter feinen Fuͤßen liegen fehen, fo hochgelegen ift fie, 
Ihre ebene Fläche wird von feichten Waſſerbaͤchen durchzogen, 
und ift mit fehr kurzem Grafe bewachfen, das aber eine fehr ‚gute 
Weide giebt. Sie ift fehr kalt, denn. der Schnee verfchwindet 
hier auch im Sommer nicht aus den Vertiefungen. Die Tracht 
der Kirghifen, die dort von Fleifch und Milch leben, find Schaf: 
pelze; jeder Anbau fehlt.. Korn haben fie nicht, Brot baden fie 
nie, wenn fie Mehl erhalten mengen fie es zur Speife mit ihren 
Suppen. Sie leben in ihren runden Filzjurten (Khirgah), wie 
die Turkmanen, und nomadifiren. i 

Man erzählte, bei ihnen lebe ein feltfames Thier, „Raß“ 
genannt bei den Kirghifen und Kafchgharen ; diefes ſoll nur als 
lein auf den Höhen von Pamer Ichen. Es fey größer als eine 
Kuh, Kleiner als das Pferd, weiß mit herabhängendem Bart am 
Kinn, und mit mächtigen Hörnern, fo groß, daß diefe fein 
Menſch aufheben könne. Liegen fie auf dem Boden, fo werfen 
Kleine Fuͤchſe in ihre Höhlungen ihre Zungen. Das Fleifd) des 
Maß ift iöftlichz daher jagen ihnen die Kirghifen ungemein nach. 
Das Thier liebt die Kälte, es if unbekannt, ob es eine Art Ziege, 
oder ein Bifon, oder Elen if. Nur zwei Pferde konnen die Laft 


290 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 5 5. 


eines ſolchen Raß transportiren (es find bie Montoni Salva- 
tichi des M. Polo) 807), 

Es ift fehr zu bedauern, daß wir in neuerer Zeit hier nicht 
ebenfalls genauere Routiers mitgetheilt erhalten haben, denn alles 
bisher gefagte darüber iſt ungenuͤgend, und giebt uns fein klares 
Bild von der dortigen, ficher höchft merfmuirdigen Fandesnatur, 
Daß hier die Quellen des Orus, nah Ausfage Syed Mos 
bammed Haffans®), liegen, zwifchen unbewohnten, unzu— 
gänglichen mit ewigen Schnee bedeckten Höhen, geht ſchon aus 
dem vorherigen hervor. J. Macartmey und Elphinftone 
baben in ihrer Karte?) das einzige Routier zwifchen Yarkand 
und Kafchghar über den Pamer-Paß, das in feinem Detail 
‚der Ortfchaften befannt geworden, über den Surif Kol und 
Kara Kol zur Duelle des Orus am Nordgehänge des has 
ben Puſchtikhur und von da, abwärts, durh Shehgnan, 
Derwaz und Badakhſchan am Koffcha, bis Feizabad!") 
(Stadt Badathfhan), Talikan und Kunduz, und Bos 
khara offenbar zu weit nordiwärts eingetragen; aber den Bericht 
über diefes Routier felbft nicht mitgetheilt. Sie haben nur im 
Allgemeinen ihre Anficht über die dortige Pamer-Kette und 
die Badakhfchan: Kette in allgemeiner Rede gegeben, die aber 
nicht ohne Irthum ſeyn Fann, wie fih fchon aus ihrer Annahme 
eines doppelten Kafchghar GKhauſchkaur, wovon oben die Rede 
war, ſ. ob. S. 17) ergiebt. 

Die Pamer-Kette, unter welcher hier der Belur Tag 
gemeint ift, fagt 3. Macartney!!), ſey zwar niedriger als der 
Hindu Khu (?, noch nicht unterfucht!), aber das Land, durch) 
das fie ziehe, ſey höher (d. h. abfolut; oder mit andern Wors 
ten, fie ift ein dem Plateau aufgefestes Platenugebirge; fie 
fönnte dann wol relativ niedrig erfcheinen und doch abfolut fehr 
Hoc) feyn). Reiſet man vom Hindu Khu nordwärts, fo ift das 
Anfteigen fehr bedeutend; denn alle Bergwaſſer ftrömen daſelbſt 
füdmwärts gegen den indt Khu, und dann erft wieder nad) 


se7) ]] Millione di M. Polo Ed. Baldelli Boni L.I. e. 36. p.31 
T.1. Firenze 1827. 4. ®) Macdonald Kinneir Geograpical Me- 
moir of Persia. ‚Lond. 1813. 4. p. 179. ®?) A Map of the 
Kingdom ef Caubul etc. by Lieutn. J. Macartney gu Klphinstone 
Cabul. se) J. Macartney Extract from a Memeir, Construction 
wiof the Map b. M. Elphinston Cabul App. D. p. 630. 

"%) J. Macartney Memeir, Face uf the country b. M. Elphinstone 
Cabul I, o. p. . 








Oſt⸗Turkeſtan, Badakhſchan-Route, Pamer. 491 


W. und W. N. W. zum Oxus, in deſſen weſtlicher Normaldirection. 
Im Norden von Kunduz um Huzrutiman ſcheine das Hochs 
land am Orus aufzuhören, da möge die niedrigere Stelle zwi⸗ 
fihen der Kette des Hindu Khu und der Pamers Kette feyn. 
Weil aber die Flüffe, aus der Pamers Kette, einen Lauf nad) 
Süd haben, von 2 bis 39, die vom Hindu Khu nur von 1 
bis 149, beide aber gleich veißend find; fo fpricht diefes für die 
weit größere (abfolute) Höhe der PamersKette als die der Hindu 
Khu⸗Kette. Es fehlt diefer PamersKette jedoch in ihrem ganz 
zen, großen Zufammenhange ein gemeinfamer Name (es ward 
dafür Im aus bei den Alten, Belur oder Belut Tag in den 
fpätern Zeiten angefest). Da fie aber, nach den von ihm bei der 
Karte benusten Neiferouten, fagt 3. Macartney, überall, ald 
hohe Kette, eine Tagereife breit, habe überftiegen werden müflen, 
und diefe den größten Theil des Jahres hindurch den Schnee bes 
wahre, von ihrer Wafferfcheide aber die Flüffe fowol gegen 
Nord wie gegen Sud abfließen: fo fönne er nicht daran zweis 
feln, daß es eine und diefelbe Kette fey, die von Akſu 
und Kaſchghar, im großen Bogen Uber Khojend voruͤber 
(d. i. durch Ferghana füdmwärts und dann füdoftwärts), 
bis Leh oder Ladakh ziehe, wo ihm die fernere Spur ihres 
weitern Zuges (es ift der Karaforum) verfhwand. Die Straßen, 
welche diefe PamerzKette überfegen , follen dies faft in gleichen 
Breiten: Parallelen thun (dies letztere ift ganz irrig). 

Das Hochgebirge an der Orusquelle wird, nah Macarts 


neys Erfundigungen, die mit Syed Mohammed Haffans 


fehon früher von M. Kinneir!2) eingezogenen Nachrichten übers 
einftimmen, der Puſchtikhur genannt. Die Kette, welche von 


ihm direct gegen Süd (offenbar ftreicht fie aber gegen W.S. W., 


wie auf X. Burnes Map) im rechten Winfel zum Hindu Khu 
ftreichen foll, und das Thal des Kameh » Stromes im Often oder 
Suͤdoſten mit Chitral (f. ob. ©. 14) vom Thale des Orus, naͤm⸗ 
lih des Kokſcha, oder Badakfıhan Stromes im N. und N.W. 
fcheidet, hat 3. Macartney die Badathfhan-Kette®) 
genannt. Sie liegt im Suͤdweſt von Yarkand (unter 373 oder 
38° N.Br.). Die hohe PamersEbene liegt aber viel weiter 


12) Kinneir Geographical Memoir of Persia. London 1813. 4, 
p- 179. 18) J. Macartney Memoir bei Elphinstone l. c. 
2. P 639. h 


492° Meft-Aften. L Abſchnitt. 8 5. 


nördlich, in Nordweft von Yarkand, namlich der Surikkol, 
Dracbenfee, oder Karaful, unter 39° M.Br. Elphins 
ſtone's Map trennt ‚aber den nordöfllichen Siriful von dem 
füdweflichen Karakul dur) zwei zwifchenliegende Stationen. 
Auf Klaproths Carte centr. dagegen ift der Karaful gegen S.O. 
gezeichnet, und ein anderer der Pamirz&See oder Riangkul, 
nach. chinefifchen Angaben, gegen N.W. U. Burnes Map hat das 
gegen den größern See in N.O., der zuerft von Taſchbalik 
am Yamanyar erreicht wird, Karaful genannt; einen andern 
aber in S.W., den Dfarif£ul bei Baimur, als einen See 
gezeichnet, durch welchen der Bolor:Fluß, d. i. der nördliche 
Duellarm des Orus hindurchſtroͤmt, aus dem obern Bergthale 
Durmwaz in das untere Bergthal Wafhan oder Wokhan 
(Vocan bei M. Polo). Der Puſchtikhur foll ferner, nach J. 
Macartney, fo hoch ſeyn, daß er das ganze Yahr mit Schnee 
bedeckt ıft. Dort foll er fogar 40, Speere hoch liegen, und unter 
dieſer Schneedecke der Oxus hervorquellen, nämlich der nörds 
liche Quellarm. Sn diefem Gebirg follen viel Silberminen, 
Sapis lazuli, Eifen, Antimonium zu finden feyn, die 
Kubinminen aber weiter abwärts gegen den Orus und Bar 
dafhfchan liegen. Auf dem linken Ufer diefes Orus laßt 
Macartney die Karawanenftraße ziehen, die jeven Tag 
über 2 bis 3 Bergftröme fegen muß, die von der genannten Kette 
berabfließen, £nietief find, und an 30 bis 40 Schritte breit, 
Mehr als diefe unbeftimmten Angaben werden uns, da leider 
Moorcroft nicht genöthigt war, auf diefem Wege durchzubres 
chen (f. ob. ©. 403), aus den frühern Daten der britifchen Neis 
fenden nicht geboten. Es bleibt uns daher nur die Zuflucht zu 
den Altern Berichten übrig, welche von Ueberſteigung diefer Ges 
birgsmaffen, auf dieſer Sud: Querffraße, in freilich ebenfalls 
fehr unbeftimmter Art reden, nämlich der buddhiftifche Pilger 
Hitan Ihfang im VIL Jahrhundert, M. Polo im XUl. 
und Pater B. Goes im Anfange des XVII. Noch find diefe 
dreierlei Berichte mit denen der Gegenwart nicht verglichen 
worden. Der berühmte von M. Polo, dur Pamer, ift von 
allen Commentatoren, von jeher, mit Hypotheſen verfehen; den 
von B. Goes hatte man bisher gaͤnzlich ignorirt. A. v. Dums 
boldt hat auch hier das Verdienſt in feinem Verſuche über Ins 
ner: Alien, von einem Allgemeinen Standpunfte aus, die Auf 
merkſamkeit der Beobachter von neuem auf diefen fo charasterifti 





Oſt⸗Turkeſtan, Pamer-Route nad Hiuan Thſang. 493 


ſchen Gebirgsknoten °1%) hingeleitet zu haben. Hiuͤan Thſangs 
BR ward feitdem von Klaproth 15) entdeckt, aber durch 
Herrn 3. Jacquet in Paris, auf Al. v. Humboldts Erfus 
chen, aus dem Chinefifchen des Tathungfiyuki überfegt, und 
diefes Manufeript durch legteren mir gütigft tmitgetheilt, wo⸗ 
durch alfo auch die folgende bisher unbekannte Darftellung, 
diefem gelehrten parifer Orientaliften verdankt wird. 


a) Hiuͤan Ihfangs Route, aus Schangmi über Wamilo (Phos 
milo bei Jacquet, d. i. Pamir) und den Drachen-See (Lungs 
tſchi, jest Karakul) nach Khaſcha (nad) Jacquet, der es nicht 
mit Klaproth als Kiefcha leſen will) oder Kaſchghar (im Zahre 
650 n. Chr. Geb.). 
Der Pilger Hiuͤan Thſang (f. ob. S. 284) geht, auf feiz 
ner Ruͤckreiſe aus Indien, durch das Land der Afghanen und 
durch Backrien, über Schangmi, gegen Nordoſt durch das hohe 
Gebirge, und durch das Thal von Pamilo nah Kaſchghar; 
die darüber von Klaproth auszugsmweife gegebene erfte 
Nachricht, haben wir fehon oben (f. ©. 327— 328) angeführt, 
Schangmi ift auch von ihm unerörtert geblieben, einen cor—⸗ 
refpondirenden Namen haben wir daflr nicht auffinden Fönnen. 
Auch J. Zacquet, deffen Ueberſetzung aus einer chinelifchs 
buddhiftifchen Collection, nad) dem Ta thung ſi yn fi, einem 
‚feltenen Werke, gemacht ift, das aber bis jest im Original noch 
nicht nach Europa gefommen war, und weder in Paris noch in 
Neumanns chineſiſchem Schage in München fich vorfindet, und 
welche wir 16) nun folgen laffen, hat nur das Sanskritwort, 
‚Schambi, i. e. Felix Regio, beigefügt, von dem jenes die chi 
neſiſche Umſchreibung ſeyn koͤnnte. Sie erinnert an das obige 
Utſchang, ſ. ob. S. 289, doch iſt uns kein indiſches Land 
Schambi bekannt. Jacquet meint, es ſey vielleicht die nor— 
diſche Gegend Schambala im Sanskr. darunter zu verſtehen, 
von der man aber nur fabelhafte Befchreibungen bei buddhiſti⸗ 
fchen Autoren finde; ein Land in dem auch eine Capitale, Aches 
ju fie to, anf wird, die uns eben fo unbekannt bleibt, 





"10, Poggendorff's Annalen Bd. 94. 1830. a as D, und fin Nouv. 
Annales IV. ebend. 15) Reife des chinefifchen Buddhapriefterd 
Dilan Thfang ıc. Berlin 1834. 8. S. 7 u.f. 20) Jacquet Lettre 
Mscr. addressee a Mons, Al. de Humboldt 1836, 


494 Weſt⸗Aſien. I. Abſchnitt. & 5. 


Der Lage nach müßte das heutige Badathfhan, oder Was 
han, die Stelle jenes Landes etwa einnehmen. 

Diefes Schangmi, heißt es nun, bei dem angezeigten chie 
nefischen Autor, nad) Jaquets leberfegung, fen eine Gegend 
von 2500 bis 2600 Li (300 Li auf 1°), alfo 125 bis 130 geogr. 
Meilen Umfang. Sie fen von Bergen und Thälern durchfeßt, 
die Berge find dort fehr hoch; die Kornernten fehr ergiebig. Ges 
müfe und Weisen wachfen in großem Ueberfluß; man findet das 
feloft viele Weinberge, Diefe Gegend bringt Yehoang (eine 
medicinifche, noch unbekannte Subſtanz) hervor; diefes fammelt 
man indem man die Selfen zerfpaltet (?). Die Geifter diefer 
Berge von Schangmi find fehr übelbringend, fie verurfachen 
häufiges Ungluͤck. Um diefe Gegend zu pafliren muß man den 
Geiſtern zuvor erft Opfer bringen. Der Reifende, der ſich ihre 
Gunſt nicht erwirbt, wird von Wirbelwinden, von Sturm und 
Hagel verfolgt. Die Luft ift hier fehe Fall. Der Zuftand der 
Einwohner ift jaͤmmerlich; ihre natürlichen Cigenfchaften find 
gut, ja lobenswerth; aber fie haben feine anftändige Lebensweiſe 
und ihr DVerftand ift befchränkt, die Hülfsquellen ihres Geiftes 
find ſchwach. Die Schriftzüge, deren fie fich bedienen, find 
diefelben wie in Tuholo (Oft: Turfeftan, f. 06. ©. 426; alfo 
wol Uigur, nicht Nagari Schrift); aber die Sprachen find 
dagegen verfchieden. Sie tragen meift Kleidung von Filz. Ihr 
König ift von der Race der Che, oder Schafa (d. i. Saken, 
Zero). Sie find große Verehrer des Buddhagefeges; feit der 
Zeit der Befehrung find fie diefer Doctrin treu geblieben. Es 
giebt bei ihnen auch Klöfter (Kialan), darin aber nur eine 
geringe Zahl Religiofen. — So weit das chinefifche Original Über 
Schangmi, in welhen nun Hiuͤan Thſang, über Pamir, 
alſo fortfaͤhrt: 

Pamilo (oder Phomilo bei Jacquet) liegt 700 Li 
(35 geogr. M.) im Nordoften der Grenzen von Schang mi. 
Nachdem man Gebirge und Thäler, enge Paflagen und Preciz 
picen überftiegen hatte, traten wir in das Thalvon Pamilo 
Calfo fein Berggipfel, fondern der Col eines hohen Paflagelandes) 
ein. Diefes Thal hat über 1000 Li, d. i. 50 geogr. Meil. Aus⸗ 
dehnung, von O. nach W., und. über 100 Li, d. i. 5 geogr Meil., 
von N. nah ©.; in den engften Paflagen hat es aber 10 fi, 
d. i. feine Stunde Breite. Es zieht fich zwifchen zwei Ger 
birgsfetten hin, die mit Schnee bedeckt find. Sehr alte Mebel 


4 


Dft-Turfeftan, Pamer-Route nach Hiuan Thſang. 495 
herrſchen hier fortwaͤhrend; der Schnee hoͤrt nicht auf, waͤhrend 
der ganzen Dauer des Frühlings zu fallen, und auch des Soms 
mers. Die Winde ftürmen hier Tag und Macht, der Boden ift 
mit Salztheilen gefehwängert. Der Pflanzenwuchs ift fo fchlecht, 
daß man nur immer erft in großen Entfernungen von einander 
einmal wieder ein Kraut oder einen Baum zu fehen befommt. 
So wie man in diefe Wildniß eingetreten ift, hören alle menfchs 
lichen Wohnungen auf. Gegen die Mitte jenes Ihales von 
Damilo liegt ein See im großen Thſungling (Tas 
Thfungling, f. 06. ©. 320); dafelbft ift die Gegend der 
größten Höhe der Inſel von Tfhhinpu (Jambu— 
dwipa, der Norden Hindoftans, das feiner Wurzel nad) 
alfo bis hieher an SnnersAfien gefnüpft wird). Dies ift der 
Lungtſchi, d.i. der See der Drachen, über 300 Li (15 geog. 
Meilen) von Weft nach Oft lang, und über 50 Li (5 Stunden) 
von Suͤd nah Mord breit, Sein Waffer ift klar und glänzend, 
wie ein Spiegel, die Oberfläche dunkelgrün, die Tiefe noch nicht 
ermeffen! es ift füß und angenehm für den Geſchmack. Der 
See wird bewohnt von Alligatoren (im Chinefifchen. fteht : 
eine Art Drachen, mit 4 Pfoten und einem fchlangenähnlichen 
Körper; ein Name, der aber auch ein Fabelthier, die Na: 
gas der indifchen Mythologie, wie die in Kaſchmir, f. Afien U. 
©. 1098, in Nepal II. ©. 69 und Geylon IV. 2. ©. 144 bes 
zeichnen Fann). Auch Fifhe, Schildfröten und Tho (eine 
6 Fuß lange mit harter Schildhaut bepanzerte Fifchart) leben 
hier. Die Vögel, welche das Ufer diefes Drachenfees befuchen, 
find Youan yangs (ein Vogel, deilen Kopf fchön roth, deflen 
‚Gefieder gelb, defien Schwanz fchwarz, der. Kopf mit einem ho— 
hen Federbufch geziert iſt; wohl eine Art Reiher? fängt man von 
‚einem Pärchen das Cine, fo wird das zurückbleibende Andere 
bald melancholiſch und. ftirbt, fagt die chinefifche Erklärung. Alfo 
eine Art Inseparable?), Aber auch Schwäne, wilde Gänfe und 
‚zahme Schwäne find hier. Alle diefe Vögel brüten hier ihre fehr 
‚großen Eier aus, die fie in Nefter von Rohr legen, oder auf Sees 
Algen, oder auf Sandinfeln. 

Aus dem See ergießt fih ein großer Fluß gegen Weften 
in den Fatfu. Nah J. Jacquet Vakchou; ob der Fluß 
von Wacchan? der auf Al. Burnes Karte Bolor genannt 
wird, umd wirklich zum Orus (Kokicha dem Strom von Bas 
dakhſchan), gegen Suͤdweſt, fält. Auch Klaproth ſtimmt 


496 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 9. 5. 


in Hiuͤan Thſangs Berichts) damit überein; er ſagt: von 
hier aus wendet ſich ein Strom nach Weft und fließt dem Far 
tfu (Oxus) zu, verbindet fi) mit ihm und geht dann weiter 
nah Weften; auch nehmen alle Gewäfler, vechts (d. i. unferer 
Anfiht nach füdlich) von diefem Thale diefelbe Richtung. 
Die Karte bei Al. Burnes entfpricht ganz diefer Anficht, wenn 
man fich, wie dies nothiwendig ift, denkt, daß der chinefifche Aus 
tor mit dem Angeficht gegen China, d. i. gegen Aufgang gerichs 
tet ift, wo ihm dann alle weftlichen Zuftröme zum Oxus zur 
rechten Hand liegen. Nur geben weder Al. Burnes, noch 
Klaproths Karten, einen weftlichen Ausfluß aus dem genanns 
ten See an, fondern nur einen großen öftlich firömenden, den 
Yamanyar (f. oben ©. 327). So gut aber, wie auf dem 
Sanct Gotthardt in der europäifchen Schweiz, die Reußquelle ges 
gen Nord und die Teffinquelle gegen Sid, aus denfelben Seen 
des Hochthales im Gotthardtspajfe entfpringen, eben fo läßt es 
fi) wol denken, daß auch hier, bei genauerer Erforfchung, die 
PWafferfcheideftelle liegen werde, die gegen Weft zum Oxus, gegen 
Oft zum Talimu ihre Waſſer nad entgegengefegten Richtungen 
fendet, mie dies vom chinefischen Neifenden angegeben wird, ob⸗ 
wol unfere Karten den weftlichen Emiffar noch nirgends bezeichz 
nen. Dielleicht, daß der Riangkoul, ein gefonderter See den 
Klaproths Carte centr. etwas weiter im Nordweſt vom Karaz 
koul verzeichnet, und Pamir nennt, den weftlichen Ausfluß dies 
fes Hochthales der Wafferfcheide in Belur Tagh, auf der Hoch— 
ebene Pamir, bezeichnet. — 

Der Bericht Hiuͤan Thſangs, nah Jacquets Ueber: 
ſetzung, fuͤgt hinzu: dieſer große Fluß gegen Weſt, der ſich aus 
dem See ergießt, an der Oſtgrenze der Gegend Za mo ſi tie ti 
(eine buddhiſtiſche Benennung, die uns ſonſt unbekannt, nach 
Jacquets Erklärung Dharmaſttih, d.h. Erhaltung des Ge⸗ 
ſetzes, naͤmlich der Buddhadoctrin), ſetzt ſeinen Lauf gegen We⸗ 
ſten fort, zum Fa tſu (Oxus), und alle Waſſer zur Rechten 
des Sees fließen gegen Weſt. Aber ans der Oſtſeite des Dra⸗ 
chenfees ergießt fih auch ein großes Waffer (offenbar der 
Yamanyar) zum Sito-Fluß (nah Jacquet, der Sita⸗ 
ganga, von Pulana, der dur Bhadraivavarcha fließt 
bis zum Oft Deere, d. i. dem Lop- Mor, nach fansteitifhen 





217) Reife des Hinefi ſchen Vadeheyniſere ..D, 58 








* 


Oſt⸗Turkeſtan, Pamer-Koute nach Hiuan Thſang. 497 
Puranas — es iſt der Kaſchgharſtrom, ſ. oben ©. 328) an 


ber Weſtgrenze der Sandfhaft Khafha &. i. Kaſchghar, 
‚ nach Jaequets Lefung, und nicht Kiefcha, oder Kiufcha, f. 06. 


©. 420, nad) Nemufat und Klaproth’s Schreibung). Diefer 
Sito-Strom fest feinen Lauf gegen den Often fort, und eben 
fo alle Waffer zur Linken (d. i. die Fluͤſſe im Norden des Dras 
chenfees, ziehen alle oftwärts durch Kaſchghar zum Spfteme 
des großen Talimu. 

Hiuͤan Ihfang fest, am Schluffe feiner Erzählung, zu alle 
biefem noch hinzu: Im Süden des Hochthales Pa mi lo, jens 
feit der Gebirge, liegt die Gegend Po Iu lo (nad) Klaproth iden: 


tiſch mit Bolor, d. i. Belur:Gebirg, f. ob. ©. 3215 Jac⸗ 


quet findet aber diefe chinefische Lmfchreibung des Wortes niche 
ganz richtig, obwol diefelbe Gegend bezeichnet werde; er glaubt 
im Namen Polu lo eher die Umſchreibung des griechifchen 


 @oovoo: zu finden). In diefer Polulo Landfchaft findet 


man viel Silber und Gold; dies letztere fey glänzend wie Feuer 
(wol mit Kupfer legirt ?). Ueber 500 Li, d. i. 25° geogr. Meilen, 
im Südoften des Hocthales Pa milo, nachdem Hilan 
Thſang unbewohnte Gegenden und Gebirge überftiegen und 
Defileen durchzogen hatte, wo er nur Schnee und Eis vorgefunz 
den, alfo in fehr großen Höhen, trat er ein in Kiepantho, 
Die Sansfritfchreibart würde, nah Jacquet, Kabandha 


ſeyn. Klaproth hält dies fir das Land von Tafıh Balif, 


defien Lage in, Beziehung auf Kafıhahar, von uns, ſchon im obi: 
gen nachgewiefen ift (f. ob. ©. 418); es liegt auf dem Wege 
von Weft her, als ein Trivium wie Baminan (f. 06.©.271), 
fowol nach Kaſchghar wie nach Khotan; deshalb es eben als 
militairifchzpolitifh wichtiges Grenzgebiet, als ber 
herrſchender Schlüffel diefer Badakhſchan-Route, 
dem treugebliebenen Khodja von Khafchar von den Chinefen 
jüngft verliehen ward. — Wirklich erfahren wir aus einem Artiz 
fel der hinefifhenKeichsgeographies!3) vom Jahre 1790, 
in welchem Nachrichten aus den Zeiten der Han-Dynaſtie 
von diefem Königreiche Kiepantho, oder Khopantho, ges 


‚geben werden, daß es, in der Mitte des Thfungling gelegen, 


tingsum von diefem umgeben fey, und daß deshalb die Chinefen, 





* Tai thsing y thoung tschi Peking Ed. 1790. in Klaproth Maga- 
sin Asiat, Paris 1825. T. 1, p. 9. 


Ritter Erdkunde VII, Ji 


298° Weſt⸗Aſien. I Abſchnitt. & 5. 


die diefen Gebirgsgau erobert hatten, in den Jahren 713 und 
741, in demfelben einen Beamten mit dem Titel „Wächter 
des Ihfungling,” als Grenzcommandanten einfeßten, mit 
dem Auftrage ihre Außerfte Grenze von Nganſi von der Seite 
zu ſchuͤtzen. 

Wir fügen nun noch Weniges diefem Chinefenberichte 
über die PamirsPaffage hinzu, der jedoch keineswegs die Al- 
tefte Motiz darüber iſt. Der Ältere buddhiftifche Pilger Fa Hian 
im IV, Jahrh. erwähnt ihrer freilich nicht, daß fie aber ſchon 
früher gangbar war, ergiebt fih aus Song yun tfe und 
Hoei fengs Pilgerbericht (von 3. 518 n. Chr. G.)3), in 
welchem diefelbe Localität Pamirs vom Drachenſee 
nicht zu verfennen ift, obwol ihr Name nicht genannt wird, und 
diefe beiden vereinten Pilger, weniger befonnen wie der trefflich 
beobachtende Hiuͤan Ihfang, nach gewöhnlicher Pilgerart, gern 
ins Fabelhafte alles übertreiben und wenig pofitive Daten mit: 
theilen. Profeſſor Neumann felbft, dem wir diefe Ueberfegung 
aus dem Chinefifchen verdanken, hatte die Localität, ale Pamir, 
nicht erfannt, und die Angabe der Stadt Pomeng, die in 
diefem Berichte vorkommt, deren Lage völlig unbefannt ift, fünnte , 
fogar über den Bericht felbft ſtutzig machen. Hier die Worte 
nah Neumanns Ueberſetzung aus der von ihm in Canton ers 
fauften Collection der buddhiftifchen Pilgerfahrten; nach welcher 
der Pilger Song yun tſe das Hochthal Pamir von Of 
nah Weft, alfo auf entgegengengefeste Weife überfleigt, wie 
fein Nachfolger Hiuͤan Ihfang. 

Song yun tſe fängt, von Khotan ausgehend, Über dag 
unbekannte Ifchu £upo (ob etwa Tfeuho der neuern Zeit, 
das in diefer Localität fich findet? f. ob. ©. 356) feinen Beriht 
der Gebirgspaffage, mit den Namen Han panto, oder 
Kopanto?), d. i. Kiepantho (Taſch Balif), an, mit wels - 
chem Hiuͤan Ihfang aufhörte. Von bier ging Song yun tfes - 
Reife, mit feinen Gefährten, noch 6 Monat weiter nach Weften. 
Sie überftiegen zuerft den großen Thfungling (d. i. die oͤſt⸗ 
lih gegen das Binnenland vorgelagerte, erfte Hauptfette), und 
gingen dann 3 Tage weftwärts, wo fie nach der Stadt Pos 





212) & F. Neumann Pilgerfahrten buboSififäet „Pilger von China 
Bei Indien. Leipz. 1833. 8. ©. 41, 49. 3°) ſ. Neumann a. 
. ©, 49 Not. 23. 











| Oſt⸗Turkeſtan, Pamer⸗Route nach Song yuntfe. 499 


meng Famen (dies fünnte mol der äftefte einheimifche Name 
von dem turkifchen Taſch Balik der fpätern Zeit fenn, der auch 
PDameng heißen mochte, und dann an die Etymologie von 
Pamir, dem weftlicher gelegenen Hochthale, anzufchließen wäre). 
Bon Po meng, fagen die Pilger, konnte man innerhalb dreier 
Tage nicht über den Berg fommen (d. i. den weftlicher geleges 
nen Hochpaß). An diefem Orte fey es fehr Faltz des Sommers 
wie des Winters gebe es fehr viel Schnee. In den Berge fey 
ein See, den ein giftiger (?) Dracbe bewohne. Eines Males 
fchlugen reifende Kaufleute Chier war alfo ſchon vor dem 
V. Sahrhundert eine Handelsftraße nah Badakhſchan und 
Andien im Gange), an dieſem See, ihre Zelte auf. Dies ver: 
droß den Drachen, und er tödtete fie, durch Zauberſpruͤche (D. 
Als der damalige Herrfcher von Hanpanto (Kiepantho, 
d. i. Taſch Balig) dies hörte, fendete er ‚feinen Sohn nach dem ' 
Reiche Utſchang (Calfo nach Yellallabad, dem damals buddhi- 
ftifch blühenden Mengkieli, f. ob. ©. 289, 297, 366), um die 
Zauberfünfte der Brahmanen (? 06 Polomen im Original 
fteht, oder Chamen?) zu erlernen. In vier Jahren hatte diefer 
die Kunft volllommen erlernt, und Eebrte nun zu dem Herrfchers 
fönige, feinem Vater, zurüf. Man wendete dann gegen den 
Drachen im See (dem Lungtfchi) die Befchwörungsformein an, 
worauf er ſich in einen Menſchen verwandelte (wie in Khotan, 


- f. ob. ©. 370) und reuevoll vor den König kam. Der König 


verbannte ihn, 20 Li (d. i. 2 Stunden) weit von dem See, in 
dem er gewohnt hatte, in das Gebirge Ihfungling. Won der 
Zeit bis zu dem jest regierenden Könige (im 3. 518 n. Chr. ©.) 
find 13 Generationen verfloffen (jede zu 22 Gahren angenommen, 
gäbe dies 286 Jahre; jene Begebenheit hatte fich alfo um das 
Jahr 232 n. Chr. Geb. zugetragen, alfo in der Zeit des I. Jahr⸗ 
hunderts, bald nach Ptolemäus Tode in Alerandria, nach dem 
gleichzeitig auch die Handelsftraße am, Steinernen 
Thurm, weiter über den Nordpaß im Gange war, i 

Ron hier aus, fährt der Pilgerbericht Song yun tſe's weiter 
fort, nah Weften zu, fey der Weg auf 1000 Li (d. i. 50 geogr. 
Meilen, naͤmlich 300 alter Fi auf 1°) fehr fteil und abſchuͤſſig, 
gefahrvoll, mit Abgründen auf allen Seiten. Noch gefahrvoller 
machen ihn aber die Käuberbanden, die ſich in den Paͤſſen, 
Schluchten und Höhlen aufhalten und barbariſch haufen. Unter 

; 32 


500 Weite Alien, J. Abſchnitt. 9. 5 


ſolchen Gefahren ging man vier Tage fang, Schritt vor Schritt, 
über die höchften Spitzen des Ihfungling, und zwar in der Mitte 
des Sommers. Das Königreihb Han ypanto, d. i. Kie pan— 
tho, liege fehr hoch, oder wörtlich auf dem Gipfel diefer Berge, 
Bon deren Weftfeite fließen. alle Waller zur weftlihen See 
(Caspifches Meer). Die Landeseinwohner fagen: Diefer Thfung- 
ling liege in der Mitte zwifchen Himmel und Erde. 
Sie bewäffern dort das Feld (nämlich an dem Weftabhange 
deffelben) und befaen 68 dann (fie warten alfo die Regenzeit 
nicht erft ab). Als fie hörten, daß man dagegen im Mittels 
reiche (wol Oft: Turkeftan, woher die Pilger eben famen) auf 
Regen warte, bis man ausfäe, fagten fie: Kann der Himmel 
auch Allen es gleich machen? Deftlih von der Stadt (von wels 
her? ob noch von Pomeng die Nede feyn mag?) muß man 
über einen großen Strom fegen, der nordöftlich fließend (es wäre 
der Yaman yar) ſich in den Sand verliert. Auf dem höchften 
Gipfel des Ihfungling wächft weder Baum noch Strauch. Wähs 
rend des achten Monats war es fchon fehr kalt; der Nordwind 
trieb die wilden Gänfe vor fich her; und das Schnegeftöber ers 
fireefte fih wol auf einen Sandftrich von 1000 fi. 

In dem zweiten Drittheile des neunten Monats famen die 
Reiſenden nach dem Königreiche Po ho 21) (es fol, nah Neus 
mann, Bokhara feyn, obwol die nun folgende Landesbefchreis 
bung eher auf das gebirgige Bamiyan, als auf Bokharas ebene 
Sandesnatur paßt). 

Dies wäre der einzige Bericht, den wir über das Hinabs 
fteigen gegen Weften, aus dem- hohen in das niedere Turs 
Eeftan erhalten haben, da alle andern von Weit gegen Oſt hinauf: 
fteigen; wie auch M. Polo und B. Goes, zu deren Berich— 
ten wir nun übergehen. 


b) M. Polo’s Route aus Badakhſchan und Wochen, über das 
Hochthal Pamer und den Beloro nach Kafchghar 22) (um das 
Jahr 1280 n. Chr. Geb.). 

Diefer Weg führt, nah M. Polo’s eigenem Ausdrucke, 
durch das Sand Belor, das iſt durch den Belur Tagh oder 





»»!) f. Reumann a. a, D, ©, 50 Not. 27 ° *2) M. Polo Trav. 
ed. Marsden Liv. I, ch. 28. p.141— 145; ed. il Millione n. Bal- _ 
delli Boni 1. e.36. p. 31 — 32; nad) der beutfchen feltenen Quart⸗ 
Ausgabe b. Fr. Greußner zu Nürnberg im 3. 1477 gedrudt. 


v 


* 


Oft-Turkeftan, Pamer⸗Route nah M. Polo, 501 


das Duerjoh Boler (in M.W. von Baltl, oder Weft- Tibet, 
ſ. Alien I. ©. 645), das im Uigburifchen, nach Klaproth, den 
Namen Bonlytagh, d. h. Wolfengebirge, führt, wegen 
des, wie Al. v. Humboldt bemerkt 3), in diefer Breite aller 
dings fonderbaren ununterbrohenen Negens, der drei 
Monate im Sahre anhält, Diefes Factum führt Bakui?9 
an, indem er hinzufügt, in diefen drei Negenmonaten, wo es auch) 
fihneie, fey der Himmel dann fo bedeckt, daß man die Sonnen: 
ſcheibe nicht fehen könne. Don demfelben Gebirgslande, das auf 
der japanifchen Karte der buddhiſtiſchen Pilger aus dem VII. Saec, 
(ij. 00. ©. 323) Polulo heißt (daher hier das Neih Bo lu lo— 


Kuec eingezeichnet ift), fellen die Bergkryftalle, die dert von groͤß— 
ter Schönheit vorfommen, den Namen Belur im Perſiſchen 





und Iurkifchen erhalten haben. Im —— wuͤrde Beluth 
Tagh ein Eiſengebirge bezeichnen. Im Weſt dieſes Quer⸗ 
joches Belur, bemerkt Al. v. Hu AR liegt die Station 
Pamir unter 393° N. Br. (nach Klaproths Karte, wenn der, 
Riangkul als der. See an diefer Station angenommen wird, und 
nicht der Karakul, der, nach obigem, unter 391 N. Br. liegt, wo 
©. 327, diefe Zahl nur duch einen Druckfehler in 37° entftellt - 
und alfo zu verbeflern ift). Diefes Pam ir wurde von den Biss 
herigen Geographen, feitdem es M. Polo als hohe Ebene ges 
nannt hatte, bald zu einer Gebirgsfette gemacht, bald zu einer 
eigenen Provinz, da es doch, wie fi) aus Hiuan Ihfangs anges 
führtem Berichte ergiebt, ein fehr bochgelegenes Alpenthal 
mit Seeboden feyn muß. Dem Phyſiker, fagt Al. v. Hums 
Boldt, bleibt diefe Gegend merkwürdig, weil hier M. Polo die 
erfie Beobachtung anftellte, welche er feloft fo oft auf grös 
Bern Höhen der amerifanifchen Cordilleren wiederholte, wie ſchwie⸗ 
rig es ſey dafelbft das Feuer anzufhüren und die Flam— 
me zufammenzubalten. 

Des edeln, Venetianers Bericht ift nun Folgender: 
"Bon Baudascia (bei Bald. Boni und im Cad. Puce., d. i. 
offenbar Badakhſchan, das in andern Handichriften Bala— 
Shan, oder Balaftia heiße) geht man zwölf Tagereifen (10 
In deutfch. Ausg. 1477), gegen Nordoft aufwärts, an einem Fluſſe, 





*3) A, v· Humboldt über Inner ⸗Aſien in Posgendorffs Annalen 
1830. Bd. 94. ©, 17 und in Nouvell. Annales. Paris T. IV, 
p-.239 Not. 24) Bakoui in Extraits des Mser, de la Bibliotk, 
du Roi T. U. p. 472 


502 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $ 5. 


wo viele Caſtelle und Wohnungen find, die der Bruder des Koͤ— 
nigs von Baudascia damals Seherrfchte. Die Bewohner find 
Mohammedaner. Nach drei Tagen erreicht man (erft in 42 
Tagen nach Bald. Boni) die Provinz Vokan, die felbft nur 
Hein ift, da fie fih nur 3 Tagereifen weit ausdehnt (es iſt das 
heutige Wakhan, Vahan, Wakhsh, Wekhshab, vers 
fihiedener Autoren). Die Einwohner find Mohammedaner, ſtolz, 
haben eine eigene Sprache, find an Badakhſchan unterthan; fie 
find eivilifirt in ihren Manieren und fehr tapfer im Kriege. Sie 
verftehen die Kunft auf verfchiedene Arten Zagd auf das Wild 
zu machen. 

Non da, drei ITagemärfche weiter, in derfelben Nichtung, 
fteigt man von Berg über Berg, zu einer Höhe, die man für 
die höhfte der Erde hält (si dice la piu alta Montagna del 
Mondo), Hier bemerft man zwifchen zwei Bergzügen einen gros 
Ben See, aus dem ein ſchoͤner Strom fließt (nach welcher 
Weltgegend wird nicht gefagt). Er zieht weit fort, durch eine 
lange Ebene voll herrlichen Weidelandes, deſſen Futter trefflich 
genug ift um das magerfie Vich in 10 Tagen fett zu machen. 
In diefer Ebene giebt es Wild in großer Menge, zumal Schafs 
boͤcke von befonderer Größe, deren Hörner 3, 4 und felbft 6 Pals 
men Sänge haben (die Montoni salvatichi, f. 06.&.489). Daraus 
verfertigen die Hirten ihre Schaufeln, Löffel und Gefchirr, um 
ihre Lebensmittel hinein zu thun. Mit denfelben machen fie auch 
Gehege, oder Hürden, um ihre Heerden vor den Wölfen zu ſchuͤtzen, 
die unter diefen, wie unter jenen wilden Böden, öfter große Nies: 
derlagen antichten. Da man die Hörner und Gerippe in großer 
Menge dafel6ft vorfindet, fo-hauft man fie auch an den Wegen 
auf, als Merfzeihen für die Neifenden zur WWinterszeit, wenn 
Schnee das Land det. Zwölf Tage zieht man entlang dies 
fes Hochthal, welches Pamer (Pianura di Pamer) genannt wird; 
und die ganze Strecke findet man feine Wohnung; alle Lebenss 
mittel muß man mit ſich führen. Keinen Vogel fieht man dort 
fliegen, wegen der großen Höhe und Kälte; ja felbft das Feuer 
giebt feineswegs diefelbe Wärme,wie anderwärts, 
und dient weniger zum Kochen der Lebensmittel (eine 
befannte Erfahrung, 3. B. auf den Hospiz des Sanct Bernhard, 
wo man fich deshalb des Papinianifchen Topfes zum SER bes 
dienen muß). 


Hat man diefe 12 Tagereiſen zurädgelegt (nämlich im Hoch⸗ 


Oſt-⸗Turkeſtan, Pamer-Route nah M. Polo, 503 


thale Pamer), fo hat man noch 40 Tage in derſelben Richtung 
fortzugehen, Uber viele Berge und Ihöler, in beftändiger Aufein— 
anderfolge, über Flüffe und durch Wild niſſe zu fegen, ohne Woh— 
nungen der Menfchen, oder auch nur Grafungen zu fehen. Alfe 
Mahrung muß man mit fich führen. Dieſes Fand heißt nun 
Beloro (vergl. Afien I. ©. 645). Doc) lebt mitten unter den 
höchften diefer Berge ein wilder Volfsftamm, bösartig, 
Gögendiener, der von dem Wild lebt das er auf der Jagd erlegt, 
in deſſen Felle er fich Eleidet, — Eo weit M. Polo’s Bericht, 
der damit fchließt, daß man endlich nach allen diefem Kaſchghar 
erreiche, 

Die wilde Natur diefes hohen, mächtigen Gebirgsftods nd 
hert ſich ſchon den Maſſen des Pufihtifhur und des Karaforum, 
welche ähnliche fchaudervolle Gebirgspaſſagen darbieten (f. Afien 
11. ©. 635). Diefe Badakhſchan-Route ſcheint an Uns 
wirthbarfeit und Rauheit bei weitem die Nordpaflage der Fer— 
shanasRoute zu übertreffen. Wir gehen zum jüngften Ber 
richte, den wir durch den SZefuitens Pater hinfichtlich einer dritten 
noch füdlichern Route erhalten haben, über. 


> 


e) Pater Ben. Goes Route von Badakhſchan (Badascia) über 
Kartchu (Ciarciunar) nach Sirkul (Serekul, Sareil) und Tchet— 
chet / lag⸗Dawan (Ciecialith) durch das ſuͤdliche Gebiet Kaſch— 
> ghars, in das Königreich Yarkand (im J. 1603 n. Chr. G.). 

Wir verfuchen es zum erften Male, diefe bisher gänzlich uns 
verftändlich und unerläutert gebliebene, merkwuͤrdige Route des 
Sefuitens Paters in die Karte eizutragen. Wir haben ſchon früs 
ber ihre Differenz von der eigentliben PamirsRoute ans 
gedeutet; bier ift der Ort ihre Lage naher zu bezeichnen, die wes 
nigftens 30 geogr. Meilen weiter füdwärts, als jene, liegt, 
und nicht fowol, wie jene, aus Kafchghar, fondern von Yarfand 
aus, die directefte Noute na) Badakhſchan bilde. Man 
muß fie alfo eigentlich die dritte große Duer:Ötraße über 
das Duerjod des Belur Tagh nennen, obwol diefes Nas 
mens nicht mehr erwähnt wird. 

Wenn die Pamir:Paffage, nach obigem, etwa unter 
390 31‘ N. Br., der Oſteingang zu ihr aber, bei Taſchbalik, 
unter 39° 6° N. Br. (nach oben ©. 418) bejtimmt ift; fo liegt 
dagegen diefe Querſtraße, etwa unter 37° N.Br., weil Kar: 
tſchu (Kartchou, oder Hatchoute, unter 379 11‘, f. oben 


504 Weſt-Aſien. U, Abſchnitt. $ 5. 


S. 402), und Sirkul (Serefoul, oder Selekoueulh, bier 
Sarcil, unter 379 48%, f. ebend. und ©. 432), ebenfalls ihre 
Dfteingänge bilden. Sie führt aber nicht erft auf nordweftlichem 
Umwege am Bolor-Fluſſe (dem Nordarm des Oxus) hinab, 
durh Durwaz und Wakhan, nah Badakhſchan am Sid: 
arm des Oxus, oder dem eigentlichen Kokſcha; fondern direct zu 
ihm, freilich wie es fcheint Uber ein wildeftes Gebirge, das eben 
deshalb Moorcroft im Fal der Noth zu feinee Durchflucht zu 
nehmen projectirt hatte (f. ob. ©. 403). Es ift wol eben in 
neueften Zeiten, diefe Pallage, die Moute der politifchen 
Flüchtlinge geworden, die unter den rebellivenden Khodjas von 
den Chinefen gegen Weſt verdrängt, ihre Zuflucht in Badakhſchan 
fuchten (f. Afien I. ©. 471), worüber weiter unten noch Naͤhe— 
res mitzutheilen ift. Hier haben wir allein den Zefuiten Pater 
zu unferm Führer zu nehmen, mit dem wir, von Weft nach 
Dft, das hohe Turfeftan bis Hiarchan (f. ob. ©. 391) hinauf⸗ 
ſteigen, ohne Kaſchghar zu beruͤhren. 
Ben. Go68 reiſet, von Kabul aus, nordwaͤrts durch das 
Gebirge des Hindu Khu, und erreicht von da nad) etwa zwei 
Monat Zeit, im Norden, die Station Talhans2), offenbar das 
heutige Talighan im Oft von Kunduz (j. ob. ©. 271) auf 
dem großen Karawanenwege nad Badakhſchan, zum obern . 
Kokfha: Thale. Don hier bie Badakhſchan war große Noth 
durch Naubüberfälle, vor welchen ſelbſt die Escorte des Königs - 
von Bokhara, welche die Karawane begleitete, feinen hinreichens 
den Schuß gewährte, - Unter fieten Raubüberfällen, wobei feine 
fihere Berichterftattung möglich war, fam man während 8- Tages 
märfchen, auf ſehr fehlehten Wegen, endlich nach Tengi Bas 
dafcia, worunter unftreitig an der Oftgrenze von Badakh— 
fhan, der Gebirgspaß verfianden werden muß, der zur fleis 
Ien Gebirgshöhe hinaufführt. ITengi, fagt nämlidy der Pater, 
werde ein fehr befchwerlicher Weg, ein enger Gebirgspaß ge 
nannt, der hur für Einzelne unter dem ſehr hohen und fteilen 
Ufer eines Fluffes durchgehbar fey. 
Ehe man den Gebirgspaß durch das enge Defile des 
Gebirgsſtromes hinaufftieg, hielt die Karamane 10 Tage Nafttag; , 
die Bewohner der Stadt Che ame wird nicht genannt) übers 


ua) Nicol. Trigaufius de Christana Rxpedit —* Sinas El. dig; 
Vines 1615. Lib. V. ci 10. p. 349 - 651. 








Oſt⸗Turkeſtan, KarthousKoute n, B. Goes, 505 


fielen mit einer Kriegerfchaar die Karamane und plünderten fie 
aus. Der Dater verlor dabei drei feiner Laftpferde, die er jedoch 
nachher durch Heine Geſchenke zurückfaufte. 

Dann brad) die Karawane auf durch den Engpaß (Zengi), 
und erreichte in einer Tagereife (follte hiee wol nicht eine 
Zahl von mehrern Tagereifen in dem Ereerpte des Pater Trigaut 
ausgelaffen feyn?) Ciarciunar, was wir, wegen des nachfols 
genden, als Kartfcehu, das am obern Strome von Yarkand, 
an deſſen Außerftem Weſtarme liegt, erfennen müffen, wenn es 
fhon unglaublich fcheint, daß man es aus dem Engpaſſe ſchon 
nad) dem erften Tagemarſche erreicht haben follte. Hier wurde 
man 5 Tage im freien Felde durch Plagregen aufgehalten, und 
von Dieben überfallen. Von da brauchte man 10 Iagemärfche 
nah Serpanil (? ob Seref), eine wüfte Gegend, ohne Mens 
fhen. Ohne Führer hatte man den hohen Berg Sacrith ma( 
fonft unbekannt) zu erfteigen, deſſen Höhe nur die ftärfften Pferde 
zu erflimmen im Stande waren; die andern mußten auf einem 
bequemern, aber viel weitern Umwege geführt werden. Zwei 
Saumpferde des Paters wurden durch Hinken unbrauchbar; man 
lieg fie alfo zurück; aber die Ihiere hinkten von ſelbſt der Karas 
wane nach, um nicht in der Einöde zurückzubleiben. 
F Nach 20 Tagereiſen erreichte man die Provinz Sareil (of⸗ 

fenbar Sere£ul, oder Sirful, Selefueulh), wo fehr viele 

Drtfchaften beifammen lagen. Hier wurden zur Erholung der 
Laftpferde zwei Raſttage gemacht. 

In 2 folgenden Tagemärfchen kam man zum Fuße des Bers 
ges Eiecialith, er war noch mit vielem Schnee bededt als 
man ihn überftieg; viele wurden von tödtlicher Kälte ergriffen. 
Auch der Pater war in großer Lebensgefahr; dena 6 ganzer Tage 
mußte er in diefem Schnee zubringen. — Es ift dies offenbar 
der Tchetchetlagh-Dawan auf Klaproth Carte centr. im 
Morden von Sirkul ganz nahe gelegen, unter 38° N,Br., ein 
Bergpaß, den die Route nach — wie nach 66 
uͤberſteigen muß. 

Dieſes ſuͤdlichſte Ende der Provinz —— wurde bei dem. 
Orte Tanghelar erreicht, wo aber den Begleiter des Paters, 
den Armenier, das Unglück traf, vom Pferde ins Waffer zu ftürs 
zen, ſo daß er lange wie entfeelt da lag, aber. doch endlich wieder 
zum Leben zurückkehrte, 

Tor diefer Station waren noch 15 Tagemärfche bis zur 


506 Weſt-Aſien. IL Abfchnitt. & 5. 


Start Jaconich(?) zuräcdzulegen, wohin die Wege fo abfcheus 
lich für die Laftthiere waren, daß dem Pater allein 6 von den 
feinigen ftörzten. Darauf eilte derfelbe allein in 5 Tagen, auf 
beffern Wegen, der langfam nachziehenden, ſchwer beladenen Kas 
vamane, bis Hiarfan (Yarkand) zuvor, und erreichte dieje 
Capitale glüclih im November des Jahres 1603, wo un 
deffen Aufenthalt ſchon aus früherem befannt ift. f 

Einige Erläuterungen über die Natur und politifche Wichs 
tigkeit dieſer dreierlei Paffagen über das Querjoch diefes 
Beloro, ergiebt fih, nebft Aufklärung Uber noch einige Localis 
täten derfelben, und ihrer Machbarfchaft, aus der folgenden Dars 
legung der hiftorifchspolitifchen Begebenheiten, zumal: 
der Mebellionsfriege an diefen Weftgrenzen Turfeftang, 
in dem legten balben Yahrhundert, welche in Verbindung und. 
Folge, ſchon mit den früher mitgetheilten.Dfungaren Handeln an 
der Nordgrenze Turkeftans fiehen (in den Jahren 1756 und 1826), 
auf deren frühere Auseinanderfegung wir deshalb auch hier zus 
ruͤckweiſen (ſ. Aſien I. ©. 453 — 463, 468— 472), 


Erläuterung 6. 


Nebellionen der Khodjas gegen die chinefiichen Ufurpationen 
in Oft Zurfeftan, zumal in Yarkand, Kaſchghar und Uſchi, 
feit Mitte des XVII. Sahrhunderts. Politiſche — 

haͤltniſſe gegen Badakhſchan und Kokand. 


Die ältere Unterwerfung der verſchiedenen Staaten Oft: 
Turkeſtans unter chinefifche Oberhoheit nahm natürlich, feit 
der Mongholenherrfchaft auf dem chinefifchen Ihren, eine andere 
Seftalt an, als zuvor, und mit der Mongholen ; Vertreibung aus 
China mußte die Verbindung der neuen, halb tur£ifch gebliebes 
nen halb mongholifch gewordenen Populationen, aller Ruͤh— 
mung der Ming s Annalen ungeachtet, in den Jahrhunderten der 
Ming: Dynaftie, feit dem, XV. Zahrhundert, die feine Gewalt 
im Weften, außerhalb ver Grenzen des eigentlichen China, 
auszuuben im Stande war, nur ſehr loder bleiben (f. oben 
©. 379). Als aber die Eriegerifhe Mandfhu:Dynaftie den 
chineſiſchen Ihron beftieg, und ihre eigene Heimat) auf dem Plas 
teaulande, im DOften, fie in vielfahe Berührung mit ihren 
Nachbarn den Mongholenftämmen im Weften fegte, ward 





Oſt⸗Turkeſtan, Rebellionen der Khodjas. 507 


von neuem der Anfang zur Unterjochung der Weſtlaͤnder 
(Siyu) gemacht, der mit der Unterwerfung der Khalkas und 
anderer Mongholenzweige im Morden und Weften begann (f. 
Aſien I. ©. 394), und mit derjenigen der Delöth, Dfungar und 
Turgut endete (f. Afien I. ©. 463— 468). In diefe Verwirruns. 
gen aber wurden, eben fo, die dort einheimifchen turfifchen Voͤl— 
fergefchlechter, deren Häuptlinge feit Timurs Zeiten vielfach mit 
den Dfcbingiskhaniden ſich vermifcht hatten, verwicelt, fo daß 
nur eine fortfchreirende Unterwerfung aller diefer vielfach rebels 
lirender mongholifcher und turfifcher Dynaſtien, den wiederfehr 


renden Frieden dauernd zu fichern im Stande war. Diefen öfs + 


ter wiederholten Nebellionskriegen verdanken wir nun, feit einem 
Sahrhundert, die genauere Kenntniß der innern Wölfers und 
Sandesverhältnife, wie im Pe⸗-lu, d. i. den Landfchaften im 
Morden des Ihians Schans Snftems, nämlich von Barful, Ili, 
Sarbaghatai u. a. (f. Afien I. ©. 463), fo auh im Nanslu, 
oder im Süden des Thian-Schan-Syſtems, das ift alfo in dies 
fen eigentlichen Oft: Turkeftan, welches  feitdem daher auch das 


chineſiſche Turfeftan genannt werden fann, und welches 


mit dem Peslu zufammengenommen das Sand der neuen 
Grenze, oder Siyu, das Weftland, bildet. 

Die Hauptmomente diefer Nebellionsfriege im Nanzlu (denn 
im Peslu find fie ſchon früher nachgewiefen), durch welche noch 
manche fpecielle Landes: und Völkerverhältniffe ihr gehöriges Licht 
erhalten, find im Wefentlichen folgende. , Ihre Berichterjtattung 
geht zum Theil von officiellen Documenten aus, da die Kaifer, 


wie Kanghi 826) (1696) und Khienlong”) (1757), felbft en 


“ #- 





® 


026) Yus Kaifer Kanghis Memoiren über Giyu 1696, in 
Amiot Introduction a la Connaissance des Penples qui ont eté 
ou qui sont actuellement tributaires a la Cliine in Memoires con- 

cern. lhist. etc. des Chinois p. les Missionaires de Peking Paris 
1789. 4. T XIV. p. 1— 238. 2?) Mailla Histoire generale de 
la Chine. Paris 1780. 4. T.XI. p.538— 588. Hist. de Khien- 
long (reg. 1736— 1796); Amiot Monument de la Conguete des 
Eleutlis in Memoires conc. hist. etc. des Chinois, Paris 1776. 4, 
T.1. p.329— 399. Relations des Troubles de la Dzoungarie et 
de la Petite Boukharie trad. du Chinois, p. Klaprotli in Magasin 
Asiatig. Paris 1826. 8. T. II. p. 187 — 208. Memoires sur le Tbi- 
bet et sur le Royaume des Fleutbes nouvellement subjugue par 
P’Empereur de la Chine avee une Relation de cette Conquete in 
Letires edifiantes et curieuses eto. Nouy. Edit, Paris 1781. 8. 
T. XXV. p. 1— 56. 


— 


2 


508 Weſt-Aſien. 1. Abſchnitt. 9% % 


rarifchen Antheil an der Redaction der Kriegsberichte Aber ihre 
Siege nahmen, in welche fie den größten Ruhm Ihrer Herrfchaft 
festen (Afien I. ©. 467). Bon der jingften Rebellion (1826 bis 
1827) war ſchon früher die Nede (f. Aſien I. ©. 4685— 472), 
Kaifer Kanghi fagt uns, daß die Bewohner von Siyu vordem 
Soueuldfan (Tu eulh, d. i. Turku, und Fan, d. i. 
Fremdling) hießen, daß fein Vorfahr aber im Zahre 1647 
diefen Damen in Tou lou fan umgeändert habe, weil dies dem 
Laute ihrer eigenen Ausfprache näher fomme. Diefe Namens 
änderung fev bei der Ankunft der Embaflade des Sultan 
Ablunmuhan in Peking gefchehen, welche dem damals erſt feit 
wenigen Sahren auf den chinefifchen Ihron geftiegenen Kaifer 
(Chuntchi, feit 1642) ungemein fehmeichelte. Diefer Sultan 
war nämlich ein Dfehingisfhanide, aus dem Haufe Dfchagatat, 
und feine Ergebung war die erfte Interwerfungsacte 7, feit 
200 Jahren, eines Machfolgers Dfchingisfhans, 

Der Kaifer nahm den Tribut an, beftimmte wegen großer 
Entfernung die Zahlung deffelben nur auf alle 5 Jahre, und die 
Tributkarawane follte nur aus 100 Perfonen beftehen; der Tris 
but war nur auf 2 Handpferde und 10 Zugpferde feftgefegt. Die 
Einfäufe der mit der Karawane gefommenen Handelsteute follten 
nicht von ihnen felbft in Peking gemacht werden, fondern aus 
befonderer Gnade unter dem Schutze des Fremden-Tribu— 
nals, damit ſie nicht betrogen werden koͤnnten. 

Der Kaiſer ließ Nachforſchungen uͤber die alte Hiſtorie die⸗ 
ſer Tou lou fan, oder Turku, anſtellen, und es fand ſich, daß der 
Anfang ihrer Herrſchaft, in Turfan, in die Zeit der Thang-Dy— 
naftie (in das Jahr 746 falle). Die frühern Bemühungen, ſeit 
dem Anfange des XV. Jahrhunderts, fie für China zu gemins 
nen, waren vergeblich geweſen. Mit dem weit fernern Weften, 
mit den civilifirteen Beherrfchern von Sa ma eulh han, deai. 
Samarfand, war man zur Zeit Timurs und feiner Nachfol⸗ 
ger (Schah Roks Embaſſade, im J. 1414; ſ. Aſien I. ©. 214 u. f.) 
allerdings ſchon fruͤher in China wieder in Verbindung getreten. 
Die Memoiren Kaiſer Kanghi's führen an??), daß König Ti: 
murvon Samarfand im %. 1388 und 1395 nach China Tribut 
(d. h. Geſchenke und Embafjade) geſchickt habe: Kameele und 





⸗220) Amiot Introduction in Mem. conc. I. Chinois T. XIV, p. 15. 
22) ebend. T. XIV. p. 33. 


Oſt⸗Turkeſtan, Rebellionen der Khodjas. 209° 


Pferde; eben fo im Jahre 1407 und 1425 Haly G. i. Khalil, 
Sohn Miran Schahs, drittem Sohne Tamerlan’s). Auch vom 
Sahre 1478 habe Ahema (d. i. Ahmed, der Enkel Khalile) 
2 Löwen gefchieft, und im Jahre 1482 ſeyen wiederum Embaflas 
den von Samarfand in China angefommen. Seitdem aber 
fcheint der Verkehr mit dem Siyu, bis auf das genannte Jahr 
1647, ausgeblieben zu feyn, weshalb diefe Unterwerfung um fo 
erwuͤnſchter war. 

Jedoch fcheint fie von keinem fruchtbaren Erfolge geweſen 
zu feyn, da nun das Delöth-Neich des Galdan (1696) und 
das DfungarensNeich des Amurfana in Turfan, bis zum 
Sahre 1756 die chinefifchen Herrfcher in beftändige Kriege gegen 
den Weſten verftrickte (f. Aſien I. ©. 460). 

Mit der Flucht des Amurfana nach Tobolst und feinem 
Tode (1756), wie mit Ausrottung der Dfungarenmacht und 
‚der Unterwerfung von Ili, waren aber die mohammedanifchen 
Dopnaften der Hoeihei, oder Turkſtaͤmme im Süden des 
Shian-Schan: Syftens noch Eeineswegs unterworfen. Nun erft 
mußten auh Yarkand, Kaſchghar, Uſchi und die andern 
davon abhängigen feit Galdan Tferens Zeit von den Dfangaren 
unterworfenen Herrfchaften in Belis genommen werden (Ajien I. 

S. 463). 

Amurfana’s Partei hatte, noch ihre Anhänger, die ſich neue 
‚ Gewalt zu verfchaffen fuchten. Der angefehenfte der Prinzen 
Oſt-Turkeſtans, oder der fogenannten Kleinen Bucharei Mies 
gion Hoamen, oder auch Hoeipu, d. h. Horde der Mos 
hammedaner genannt), war Mahmud Khodja (Hotfhan 
bei Mailla) gewefen, der ganz abhängig. von dem Dfungaren Khan 
(Davatfi), ihm Tribut zahlen mußte. Von feinen Unterthas 
nen fehr geliebt, hatte er deflen Beifall fo ganz zu gewinnen ges 
wußt, daß diefer ihm die Adminiftration aller Städte des Landes 
anvertraut hatte, die von den Gebirgen des Thfungling und 
dem Thian Schan umgeben waren (alfo ganz Oſt-Turkeſtans). 
‚Seitdem war Mahmud Khodja ald Gouverneur der (Kleis 
nen) Bucharei angefehen und hatte feine Kefidenz in Yarkand 
aufgeſchlagen. Die Zuneigung der Städter gab ihm Macht, und 
ſchon geneigt fi zum Meifter des Landes zu machen, ward fein 





3°) Lettres edif. 1. ce. XXIV. p. 22; Relation des Troubles in Mag. 
Asiat. II, p. 19. 


510 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 9 5. 


Verrath jedoch vom Dfungaren Khan durchfchantz er ward nach 
Se entboten, und auf mehrere Jahre nah Abakaſek gefangen 
gefesst. Dann durfte er zwar wicder frei umbergehen; war aber 
ftets unter polizeilicher Obhut bis zum Cinmarfch der Chinefen ger 
blieben. Er wurde, nach der Erzählung Maillas, in der Megier 
rungsgefchichte Kaifer Khienlongs 31), von diefem alsbald, durch 
den General Panti, im Freiheit gefest, erhielt feine Staaten 
in Turkeſtan zurück, mit dem DVerfprechen kaiſerlichen Schußes, 
Khienlong gab ihm auch feine Großen zurück, heißt’ es, und übers 
fchüttete ihn mit Wohlthaten. — Aber er wurde undanfbar, 
Das Joch der Chinefen ward ihm bald eben fo unerträglich, wie 
das och der Oeloͤth. Sobald die chinefifche Armee nur ein ges 
ringes Ungluͤck hatte, zeigte er fich treulos. Er fcheint jedoch bald 
feinen Tod gefunden zu haben; denn es mwird feiner nicht weiter 
gedacht; wol aber fogleich feiner Söhne im Yahre 1758, 
ö Ihn überlebten feine beiden Söhne: Bulatun, oder Djas 
gan Khodja genannt, und Khan Khodja, oder Khodjid— 
jan, welde bei dem Volke nur unter dem Namen des alten 
und des jungen Khodja, oder wie Mailla fagt, als gros 
Ger und Eleiner Hotfchan, befannt waren. Der Dfungaren 
Khan hatte den Bucharen Oft: Turkeftans nun Gefege gegeben, 
ihnen Tribute auferlegt, fie feinen 21 Nganki untergeben, die er 
mit erblichen Ländereien begabte, Die Großen des Landes hatte 
er mit der Verhaftung Mahmud Khodjas ebenfalls aufgreifen 
laffen, und unter die Delöth Chefs als Sclaven vertheilt, fo daß 
die Nation der Bucharen in ihrem nationalen Zufammenhange 
gar feinen Beftand mehr hatte. 

As Ili von dem chinefiihen Heere erobert, und Amurfana 
zum König der Delöth erhoben war (f. Alien I. S. 459), ſchickte 
der fiegreiche chinefifche General Panti auch diefe beiden Prins 
zen in ihre Heimath zurüd. Der ältere Bruder, den Mailla 
Khodja (Hodfchan) von Yarfand nennt, mwünfchte zwar dort 
alle Städte zu vereinen, und ſich mit ihnen dem Kaifer von 
China zu unterwerfen. Aber der jüngere, der Khodja (Hods 
fhan) von Kafhghar, nah Mailla, der gleich fo vielen 
andern Häuptlingen, ald Geißel nach Peking gefchlept zu werden 
fürchtete, wollte zu den Waffen greifen und alle Verbindung mit 
China abſchneiden. Geſchwaͤcht und halb verhungert, war feine 


#31) Mailla Hist, Gen. de la Chine T. XI. p. 563. 





Oſt⸗-Turkeſtan, Rebellionen der Khodjas. 511 


Anſicht, koͤnnten jedesmal nur die chineſiſchen Heere, bis zu ihren 
Städten im Siyu vordringen. Sein Empörungsplan ging dur; ' 
die Gouverneurs der Städte und die einheimifchen Fürften, die 
Hakim Begs, geboten durch das ganze Land in Staͤdten und 
Dörfern, Pferde und Waffen bereit zu halten und den Befehlen 
beider Khodjas gewärtig zu fenn. Faſt alle Bucharen, heißt es 
nun, an 100,000 Familien erhoben fich in Maffe. 

Doch hatte die Ruͤckkehr beider Khodjas die Pläne einiger 
andern Großen durchkreust, die in Feindfchaft mit der Familie 
diefer Khodjas lebten. Es war der Hakim Beg von Kutfche, 
Ddoui genannt, und fein Sohn Prinz; Othmanz bdesgleichen 
der Hafim Beg von Bai (oder Paitiching, ſ. oben ©. 449), 
Kadamet genannt, und fein Sohn Prinz Abdurrahman u. a. m. 
Auch Chadi berdi von Akſu und fein jüngerer Bruder Ak— 
bef, von den Unternehmungen der Khodjas überrafiht, flohen 
über das Schneegebirge nach Ili und begaben fi in den Schutz 
der Ehinefen. 

Die Gebrüder Khodjas wurden dadurch zu offener Empds 
rung geführt; fie warfen nun die Maske fcheinbarer Ergeben⸗ 
heit ab, viele Städte traten auf ihre Partei, und der Junge 
Khodja, voll Lift und Thätigkeit, ward der Leiter der Ganzen. 

Da die Stadt Kutfche als der Schlüffel zur neuen Linie 
(f. 06. ©. 446), oder dem ganzen bevoͤlkerten Theile Oftz 
Turfeftans, die Eleine Bucharei genannt, angefehen wurde, 
fo ernannte er den Abdul Kerim, einen der treueften feiner Offis 
eiere, zum Hakim Beg dafeldft, und verftärkte die Garnifon dies 
fer Fefte durch Kerntruppen, 

As Tſchao hoei, Commandant von Ili (1. Alien I. 460), 
zuerft von diefen Unruhen Laͤrm fcblagen hörte, fhickte er ein - 
Obfervationscorps unter General ymintu, aus 100 Mandfchu 
und 100 Bocharen beftehend, welche Odoui und Kadamet 
Anführten, mit 2000 Delöth, gegen Kutfche. Dies Corps übers 
flieg das Gebirge Moltus (ſonſt Muſſur dabahn, f. Aſien I. 
©. 331), direct, gegen diefe Stadt, als beabfichtige es nur zu 
fouragiren; e8 war aber mit recognosciren beauftragt. Vor den 
- Stadtmauern fand man ermordete Bucharen, Verwandte des 
Ddoui; dennoch wagte ſich Jmintu in die Stadt, ward aber 
erkundet und ermordet. 

Der Eaiferliche Befehl von Peking kam auf diefe Nachricht 
an den Generals Sznfpector in Barkul (f. Afien J. ©. 379) 


512 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $. 5. 


Harfha-Khan®??), mit 10,000 Mann Chineſen und Mans 
dſchu, durch Turfan zu marfchiren und Kutfche zu züchtigen. 
Die befeftigte Stadt widerftand einen Monat lang der Blofade, 
Die beiden Khodjas von Yarfand famen mit 10,000 Mann auss 
erwählten Truppen, worunter 8000 Musfetire von den Dzanba—⸗ 
las (2) waren, zu Hülfe Sie durchzogen auf Eürzeftem Wege 
die Wuͤſte von Akſu, und lieferten den Chinefen im Süden von 
Kutfche eine Schlacht, die einen ganzen Tag währte. Der Sieg 
blieb auf Seite der Chineſen; 6000 der Hülfsvölfer blieben todt 
auf dem Schlachtfelde, die Uebrigen mit ihren Khodjas warfen 
fih in die Stadt. 

Kutfche, fagt der hinefifche Armeebericht, ift an den Fuß 
der Gebirgsfette geftügtz die Stadtmauern und Wälle find aus 
Faſchinen und Sand fihußfeft gegen Kanonen aufgeführt, Die 
Chinefen’ fingen eine Li von der Stadt ihre Minen anz aber 
ſchon weit in denfelben vorgedrungen, wurden fie von der Stadt: 
garnifon entdeckt und unter Waſſer gefegt, wobei 10 Dfficiere 
und 600 Soldaten erfoffen. Hierdurch wurde die Belagerung 
verzögert, und Odoui rieth fihon zum Abmarfch, weil fich dann 
der Shan Khodja mit feinen Truppen nah Yarfand zurücds 
ziehen müffe. Dahinmwärts koͤnne er auf nur zwei möglichen 
Wegen ihrer Verfolgung nicht entgehen. Nähme er nämlich den 
Ruͤckzug direct durch die Wüfte (Khefchel Gobi), fo fey fein Uns 
tergang gewiß; wähle er aber die große Karawanenftraße, weft: 
wärts über Akſu, ſo müffe er im Weften von Kutfche die Ges 
birge im Tribus der Weigan (wol Bai) durchfegen, wo die 
Fluß-Furth (am Ukiat, f. ob. ©. 448) allein für Menfchen und 
Vieh einen Uebergang gewähre. Stelle man nun hier, in die 
Engpäfle der Weigan, nur 1000 Mann, fo würde wenig von der » 
Khodjapartei ihnen entfchlüpfen koͤnnen. 

Der chinefifche General feste aber ungeirrt die Belagerung 
fort. Beide Khodjas entfloben im Dunkel der naͤchſten Nacht 
aus dem Weftthore der Stadt Kutfche, von ihren Bucharen be: 
gleitet, durch die weſtlichen Gebirgspaͤſſe. Noch war es im chine— 
fifchen Lager nicht bekannt geworden, als die Khodjas fehon vor 
den Ihoren von Akſu anlangten. Aber diefe Stadt, fo wie die 
folgende, Ufchi, verfchloß den Nebellen ihre Ihore, und fie was 





‚ 22) Mailla Nist. Generale des Chinois T. XI. p. 554. 


Oſt⸗Turkeſtan, Kebellionen der Khodjas, ‚313 


von genöthigt ohne alle Verftärkung, ganz erfchöpft an Kräften, 
nach Yarkand heim zu gehen. 
Nun öffnete die Stadt Kutfche ihre Thore den Chinefen ; 
an taufend bucharifche Soldaten wurden fogleich von diefen beim 
Einmarſch in die Stadt niedergehauen. Odouis Sohn, Ot h⸗ 
man, deilen ganze Verwandtichaft in der Stadt ermordet war, 
ward zum Hakim Beg von Kutfche eingefegt. 
As dem Kaifer Khienlong der Armeebericht zukam, worz 
aus er erkannte, daß der General-Fnfpector Yarkha Khan die 
Schuldigen hatte entweichen, die Unterwürfigen in der Stadt aber 
maſſacriren laflen, erzürnte er und verurtheilte ihn zum Tode, 
Zu gleicher Zeit aber befahl er dem Tfchaohoei, als General: 
| Inſpector, und deſſen Adjutant Foute mit frifchen Truppen in 
die Bucharei (das bevölferte Oft» Turfeftan) von Ili aus einzu— 
| rücen. Dies gefchahe mit folcher Schnelligkeit, daß die Armee 
ſehr bald fchon (das Fußvolk traf erſt fpäter ein) vor den Thoren 
von Akſu fand; Foute ward mit 2000 Mann der beften Trup— 
pen der Solon und Mandſchu als Avantcorps nach Yarkand abz 
geſchickt. Hier trat der erften anlangenden Hälfte des Corps fos 
| gleich der Khan Khodja, aus der Stadt, mit 10,000 Mann in 
Schlachtordnung entgegen, und drängte die Chinefen, die weit 
geringer an Zahl waren, dicht an den Fuß des Berges; als 
Fouté mit der andern Hälfte des Corps nachkam, bedrohte ihn 
ahnliches Schiekfal. Der Vorftand des Nevolutionsraths follte 


ihm mit taufend Mann, durd Lift, Sand und Staub erregend, - 


als rückte ihm eine weit größere Gewalt entgesen, von feinem 


Wege ablenken; aber Foute gelang es dennoch, fich mit dem. 


übrigen Chinefenz Corps zu vereinen, und den Feind zu fchlagen, 

der ſich in die Stadt Yarkand zurücdzog. Die hinefifche Armee 
309 ſich ebenfalls wieder zurück und nahm ihre Quartier in 
Affu ein. 

Der Kaifer von der fihlechten Wendung der Dinge benach— 
richtigt war genöthigt ein neues Heer Mandfhu, Solonen, 
Tſakhar, Mongholen und Chinefen aufbrechen zu laffen, 
das auch in Eilmärfchen zeitig genug in Akſu eintraf, In dies 


fer Stadt ward Khoda birdi als Commandant eingefeßt, das 


‚große Heer unter dem General: Znfpector mit dem Adjutanten 

Fouté, und dem Präfidenten, marfchirte gegen Yarkand, 

deſſen man fich auch in kurzem bemächtigte, Der Khan Khodja, 
Ritter Erdkunde VII. ge 


welcher der fo verftärften Chinefen Armee nicht mehr Widerftand 
feiften Eonnte, floh, von feinen Verwandten umd einigen taufend 
Gefährten umgeben, aus Yarfand nad Jlitfi, oder Kho— 
tan cf. 06. ©. 352). Die Yarfandbewohner trugen den Chine 
fen Erfrifchungen frohlodend (jagt der chinefiihe Bericht) entges 
gen. Die Stadt ergab fih und Tfchaohoei®?) zog triumphis 
gend ein. Seine Worte, in dem Armeebericht an den Kaifer, 
lauten. fo: Sch trat zu dem einen Stadtthore ein, und 309 zum 
andern wieder hinaus; das Wolf hatte fich in allen Straßen, die 
ich durchzog, in langen Reihen auf die Knie geworfen, und blieb 
in diefer Stellung während meines ganzen Durchzugs. Ich fprach 
von Zeit zu Zeit ihnen einige ermuthigende Worte zu, und fuchte 
ihnen das große Glück begreiflich zu machen, das ihnen zu Theil 
werden würde, wenn fie fortan dem Scepter Ewro Majeftät ger 
treu ſeyn würden. — Es ward ihnen übrigens verfprochen in 
Sitte und Religion feine Aenderung bei ihnen vorzunehmen. 

Aber Tſchao hoei zog weiter gegen Zlitfi (Khotan), 
wo Khan Khodja ihm in Schlachtordnung entgegentratz; in Yarz 
fand war Odui als Hakim Beg zurücgeblieben. Bei den 
Scharmügeln,- die vor Zlitfi bald in Gang kamen, ward ein 
Prinz der Bucharen Abdul Kerim, der durch Ruhm als Kries 
ger berühmt war, durch den Pfeilfchuß eines Solonen getödtet, 
und dies jagte feiner Partei fo großen Schreden ein, daß fie for 
gleich die Flucht ergriffen und den Chinefen das Schlachtfeld 
überliegen, worauf auch Khotan in ihre Hände fiel. Diefer pas 
niſche Schrecken erklärt fich, wie wir aus Al. Burnes erft aus 
dem Munde der Yarkanter jüngft eingefammelten Nachrichten er: 
fahren, wol daraus, daß die Glieder der Familie der Khodjas 3) 
ihre Autorität durch religiöfen Einfluß, als Mohammedas 
ner, befaßen, und der Wahn beim Volke Statt fand, als könn: 
ten fie dem Feinde jedweden Schabernad anthun und jeder Ges 
fahr ſich ausfegen, da fie für unverwundbar und ſchußfeſt 
galten, ein Aberglaube, der feines innern Widerfpruches mit der 
Erfahrung ungeachtet auch heute noch hier fortbefteht, und daher 
die Meinung, jeden muͤſſe Unglüd treffen, der einen Khodja bes 
leidige, 





24) Relation des Troubles in Magas. Asiat. N. p. 201; Mailla 
Hist. Gen. I. c. T. XI. p. 565. Lettres edif. XXIV. p. 24; Mem. 
conc. Vhist. d. Chin. I. p. 380. 22) Al Burnes Trav. 1. e. 
It. p. 227. \ 





Oſt-Turkeſtan, Rebellionen der Khodjas. 515 


Hierauf eilte Tſchaohoei, nachdem er in beiden Städten 
feine Einrichtungen getroffen, auch nah Kaſchghar, wo ‚fich 
die Hauptftadt fogleih auf Diferetion ergab; fie wurde von dem 
Sieger gleich milde behandelt; denn die Partei des Khodja ents 
floh. Mit größter Ruhe, Mäßigung und Ordnung war diefe 
Befignahme gefchehen und mit wenigen Mitteln 35), durch die 
große Klugheit und den Character des Feldherrn Tſchaohoei fehr 
viel erreicht. Er war faft ein ganzes Zahr ohne Nachhuͤlfe 98: 
blieben, ohne Pferde, ohne Geld, ohne Proviant, nur mit 300 bis 
400 Mann fich ſelbſt überlaffen, in unbefanntem Feindesgebiete 
auf allen Seiten umringt, wo ihm überall Fallſtricke gelegt wa— 
ten. Er hatte ſich zu erhalten ja zu vertheidigen gewußt, bis zur 
Ankunft der erbetenen Hülfe, mit der er nun erft nach) einiger 
Kaft und Frholung der Truppen in den Städten die Verfolgung 
der rebellifchen Häuptlinge bis nad) Badathf ge 36) fortzu: 
fegen im Stande war. 

Sehr Iehrreich über den Zuftand des Landes Kaſchghar if 
der Napport, den der General: Infpector Tſchao hoei aus 
dem Yager an den Kaifer nad) Pefing fihrieb, von welchem Ab: 
ſchriften an die Großbeamten des Neiches vertheilt wurden, da 
er für mufterhaft galt, und fo als ein officielles Acten— 
ſt uͤck ) aud in die Hände der Jeſuiten Miffionare Fam, von 
denen Mailla und Ampyot ihn mitgetheilt haben. 

Er ift datirt im Lager vor Kafchghar, vom 13. Sept, 

1759 (dem 22ften des Tten Monats des 24ften Negierungsjahres 
Kaifer Khienlongs). 
Außer den beiden Hauptfiädten Yarkand-und Kaſch— 
ghar, fagt der Napport, Famen in dem Lande der Mohams 
medaner (Hoeipu, d. i. die fleine Bucharei) noch 17 andere - 
große und Eleine Städte, und 16,000 Dörfer und Weiler in die 
Gewalt der chinefifchen Faiferlihen Truppen. 

In dem Gebiete von Kafchghar brachte die Zählung 
der durch die chinefifchen Beainten revidirten Negifter zwifchen 
50 bis 60,000 Familien, ohne die, welche den rebellifchen Khod⸗ 
jas auf der Flucht gefolgt waren, und ohne 12,500 zum Exil 





Lettres Edif. T. XXIV. p. 35. _?*) ebend. T. XXIV. p. 37, 
27) Mailla Hist. Gen. de la Chine T. XI. p. 565 — 572; — 
eonc. l’Hist. d. Chin. T. 1. p.3835—396; Lettres Edit, l, € 

XXIV. p» 25—34. 
8t2 


516 Welt Afien. I. Abfchnitt. $ 5. 


Berurtheilte, die nah Ili gefchieft wurden, um dort den 
Acer zu bauen. Dies war die Strafe, welche die zuruͤckgebliebe⸗ 
nen Nebellen traf. — Diefe Summe von 60,000 Familien iſt 
wahrfcheinlih nach den folgenden einzelnen Aufführungen von 
dem ganzen eroberten Lande zu verftehen, da weiter un— 
ten von Kaſchghar allein nur 16,000 Familien zu 100,000 
Mäuler veranfchlagt, nach demfelben Documente aufgeführt- werz 
den. In derfelben Proportion würden die 60,000 Familien zu 
375,000 Mäulern, oder Seelen, zu berechnen feyn, ats Popu⸗ 
lation des Ganzen. 

Tſchaohoei verfichert, in allen diefen und den folgenden 
Angaben feines Rapports an den Kaifer, die größte Genauigkeit 
und Gewifjenhaftigfeit angewendet zu haben, deren er fähig fey. 
Die ftatiffifhen Notizen, die er feinem Gebieter vorlegt, 
find Folgende, N 

Die Stadt Kafhahar habe etwas über 10 Li Umfang 
(vergl. ob. ©. 416), enthalte aber, da.fie fehr entvölfert und vers 
arme fey, gegenwärtig nicht mehr als 2500 Familien.  Oftwärts 
davon, bis Ufchi und Affu, liegen die 3 Städte, Poifons 
pathotchil (Poi ſou pahotıhel), PBoiinfe (beide uns unbes 
Fannt), Eutorche (Aratufchi, f. ob. S. 418), und zwei große 
Dorfichaften: Perferguen und Arvouat (beide uns under 
fannt), zufammen von 6000 Familien bewohnt, 2 

Sm Weft von Kaſchghar wohnten die Purut Ertchi— 
pen (bei Mailla; Antchiien bei Amiot; es iſt wol Andidjan 
gemeint, in Kokan; ſ. ob. S. 483). Zwiſchen beiden liegen die 
Staͤdte Paha ertouche (wol ein weſtlicheres Aratuchi, das uns 
unbekannt), Opil (7) und Tajamelik (das uns bekannte Taſch— 
balig, ſ. ob. S. 418); fo wie die Dörfer Sairam und Tokou— 
ſak zuſammen mit 2200 Familien. 

Sm Süden von Kaſchghar liegen auf dem Wege nach 
Harkand: 2 Städte, Inkatſarhan . i. Inggachar, f. ob. 
©. 417) und Kalik (? uns unbekannt); mit 2 Sleden: Tofoz 
bun und Kavalfar, weldhe 4 Orte zufammen 4100 Sonzlien 
(bei Mailla, 4400 bei Amiot) enthalten. 

Im Norden von Kaſchghar wohnen die eigentlichen 
Purut (Burut, f. ob. ©. 451); che man zu ihnen über die 
Grenze gelangt, paffirt man die Stadt Arfoui (wol Aragan, 
ſ. 0b. ©. 419) und das Dorf Horhan mit 800 Familien. Die 
Summe allge diefer Familien, an 16,000, ſchlaͤgt Tſchaohoei 


Dft:Turkeftan, Statiftifche Berichte, 517 


auf 100,000 Mänler an. Diefe werden, fährt er weiter fort, 
von 15 Dberbeamten regiert, nämlich: von einem Hafim, dem 
Inſpector aller fädtifchen Angelegenheiten, uhd dem Hichehan 
feinem Gehälfen. Zu diefen fommen 1 Hadji, als Richter; 
1 Marab, als Einnehmer und Inſpector der Aecker und Waſ— 
fer; 1 Nekeb, als Auffeher der Arbeiter; 1 Patachab, als 
Polizeiinſpector; 1 Motachep, der Auffeher von Echulen und 
Sempeln; 1 Mutufoli, als Sntendant des Commerzes und der 
Ober: Polizei; 1 Toufonan, als Ober-Poftmeifter und Reife 
commiflarius; 1 Putchifer, als Zollinfpector; 1 Kerentfcha: 
rab, als Inſpector der fremden Waaren; 1 Arabab, als Zoll: 
einnehmer in den Dörfern; 1 Chehoun, als Erecutor unter den 
Zoufoan (ob die Tugean, oder Tungani, f. 0b. ©. 471); 1 
Pakmaitar, als Inſpector der Gärten und Weinberge, und 
1 Minbek, der mit 1009 Mann Garnifon der Kriegsgouverz- 


neue ift. Der neue Hakim Beg ward vom Kaifer felbft ber , 


ſtimmt; die übrigen Chargen wurden vom Generals nfpector er: 
nannt, ihnen die Grade und Mandarinate ertheikt, und der Tri: 
but dickirt, den fie an den Hof zu Peking zu entrichten hatten. 

- Ueber die Abgaben giebt Tſchaohoei feinem Gebieter 
nähern Auffchtug zu Fünftigen Einrichtungen, und um feine vors 
läufig genommenen Maaßregeln zu rechtfertigen. Unter der frür 
hern Herrfchaft des Galdan und deſſen Nachfofgers, des Ife Bang 
Arabdan (f. Afien I. ©. 452), hätten die Landesfuͤrſten ein jährz 
liches Einfommen von 26,000 Tenke (d.i. Tanga, f. 0. S. 394) 
gehabt. 1 Tenke fey = 1 Tael Silber Chinef. (1 TaelEhinef. 
it = 1 Unze Silber in China; damaliger Zeit an Werth 7 Livres 
10 Sols nah Amiot; = 2 Silber; Rubel nach Timkowski, ſ. ob. 
©. 416). i 

Unter dem Galdan Tfereng (f. Afien I. ©. 458) waren die 
Abgaben bis auf 67,000 Tenfe (Tanga) gefteigert worden; außer 
40,800 Pathma an Korn (1 Pathma = 45 Teou, oder chine— 


fifches Maaß); 1463 Icharat Baumwolle (1 Tcharaf = 10 


Pfund Ehinef.), und 365 Tcharak Saffran. Außer diefem hats 
ten noch zwei befondere Tribus, die Kofak (d. i. Kirgis Kafak) 
und Tchokobaches, jährlich) 26,000 Tenfe Tribut zu zahlen, 
worüber diefe unter einander einig geworden waren, in der Abs 
tragung jährlich zu alterniren. - 

° Die Gilde der Kaufleute zahlte, außerdem noch, einen 
Tribut von 20,000 Tenke, 4 Stück Teppiche, eben fo viel Stüd 


518 Weſt-Aſien. I Abfchnitt, % 5. 


Sammet, 26 Stuͤcke andere Stoffe und 26 Stuͤcke Filz, woraus 
Lamas und Moscoviter ihre Kopfbedeckung machen. 

Die Delöth, weldye in Kafchghar angefiedelt waren, zahiten 
außer den gewöhnlichen Abgaben, gleich den andern, auch noch 
10 Unzen Gold für jede zehnte Familie, 

Die Eigenthimer der Gärten und der Weinberge was 
ren, zu 7 und 7, in Regiſter verzeichnet, die jedesmal, zufammen, 
1000 Pfund trodne Weintrauben von der gelben und blauen 
Sorte einzuliefern hatten. Unabhängig von dem vorhergenann: 
ten, hatte die Kaufmannfchaft jährlich noch 500 Pfund rothes 
Kupfer einzuliefern; diejenigen aber, welche mit den Mosco: 
vitern Handel trieben, oder nah Hindoftan (Ouentuftan), 
mußten ein Zehntheil ihres Gewinns abzahlen, wenn fie heims 
fehrten; die nach andern, fremden Ländern aber nur ein 
Swanzigtheil, So war der alte Brauch und die Tributeins 
treibung, welche auch von Tſchaohoei, im Namen des Kaifers 
beftätigt ward. Aber, nur felten, bemerkt der General: Jnfpector 
in feinem Rapport an den Kaifer, wurden diefe beftimmten Ans 
gaben auch genau entrichtet. Die fo verringerte Zahl der Be: 
wohner des ungemein verarmten Kaſchghar empfahl derſelbe dem 
Kaifer aus Mitleid zu Fünftiger Gnade, da das Unglück der Zeit 
diefelben nur fihon zu beflagenswerth gemacht habe. 

Unter dem legten Khodja fihon hatte fich der Tribut an 
Geld bis auf 20,000 Tenke vermindert; in Korn auf 2564 Pas 
tham u. f. w., und der Verfall des Landes war fichtbar, 

Bei dem fchlechten Ackerboden war auch an fein fchnelles Aufs 
fommen zu denfen. Denn der Aderboden, bemerkt Tfchao: 
hoei, fen feineswegs fruchtbar; in guten Jahren könne man 
nur auf das Tte und Ste Korn rechnen, in den gewöhnlichen 
Jahren auf das Ate und 5te, in den fchlechten höchftens auf 
das 2te und 3te. Die Ländereien der verjagten und beftraften 
Kebellen hatte Tſchaohoei den Pächtern zur Cultur überlaffen, 
unter der Verpflichtung der Hälfte des Ertrages an dem Kaifer 

abzuliefern, 
Die 7 Gärten 33) des Khan Khodja von Kafchahar liefers 
ten jährlich 1000 Pfund trockne Trauben, oder Kofinen, 
ohne Kerne, vom Hieblichften Geſchmacke; Tſchaohoei hatte 
feine Befehle gegeben, auch dies Jahr die ganze Ernte zu dörren, 


***) Mai!la Hist. Gen. de la Chine T. XI. p. 570. 


Oſt-⸗Turkeſtan, Statiſtiſche Berichte, 519 


‚and für das naͤchſte Frühjahr zu Hofe nach Peking, zu fchaffen. 
Nur im Schatten, bemerft er, fünne man dieſes Dörren der 


-Rofinen vornehmen, deshalb es viele Zeit Eofte, che fie zur Volls 


kommenheit kaͤmen. Außer diefen 7 hatte der Khodja noch 15 
andere Weinberge, in verfchiedenen Lagen befeflen, die er ges 
waltfam dem einen und dem andern feiner Untertanen entriffen 
hatte, deren Frauen und Kinder noch lebten. 

Hinfichtlich der Landesmünze hielt. der General⸗Inſpector 
Tfhaohoei cs für nothiwendig Veränderungen zu machen, um. 
dem fehr gejunfenen Verkehr wieder aufzuhelfen; fein Borfchlag 


an den Kaifer fagte: den allgemeinften Curs im Lande von Kafıhs 
ghar, Yarkand, Khotan und den andern Städten umher, hätten 
die Münzen aus Kupfer vom Gewicht 2 chinef. Caſch, oder 


von 75 einer chinefifchen Unze. Diefe hätten auf der einen Seite, 


unter dem Galdan Tfereng, das Bild des Prinzen zum Gepräge 


erhalten, auf der andern Seite einen mohammedanifchen Spruch). 
50 diefer Geldſtuͤcke ſey = 1 Tenfe (Tanga in Varkand, oben 


S. 394, Tanfeh in Akfu, ob. ©. 451) (= 1 Tasl Chinef.). 


| 


Da hier das Kupfer felten fey, fo brauche man, da die alte cur: 
firende Münze zum Verkehr nicht ausreiche, nur etiva 10,000 
Tenfe in 500,000 Stuͤck in Eleinfter Münze auszuprägen, weil 
dies für das Beduͤrfniß des einheimifchen Bazar in jeder der 
Städte hinreichen werde, um den Umſatz nicht ftocken zu laſſen. 
Hierzu fönnten einige der in Kafchghar vorgefundenen, font un: 


brauchbaren Kanonen, die 7000 Pfund. wogen, die gerade 


500,000 Stü folder Münzen geben würden, benugt werden, 
und ein zmecfmäßiges Gepräge würde die neue Münze durch die 


4 Charactere erhalten: Khienzlong: ToungzPao, d.h. 


Khienlongs Kupfer-Münze, mit der Legende auf dem 
Revers: Kaſchghar, in mohammedaniſcher fo wie in 
Mandfhu:Schrift ausgeprägt. 

Zur Erhaltung der Untermuirfigkeit der neuen Eroberung! ver: 
theilte Tſchaohoei überall hin durdy diefelbe Garnifonen, von 
450 Mandfhu und 900 Mann chinefifchen Truppen, die von 
Yongking und Kountfchu aus ihre Marfchrouten und Coms 
mandos erhielten; in die Poften von geringerer Bedeutung, wie 


nad Opil, Zajamelif, Tſchik, Aratufche, Paifupath (ob Pair 


thing? f. oben ©. 449), aber nur 100 Mann chinefifcher 
Soldaten, die von Yen ſiangſche aus commandirt wurden. 
Die Mohammedaner wurden verpflichtet diefe Truppen zu vers 


50 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 9. 5 


— 


proviantiren, wofuͤr ſie in den couranten Preiſen —9* werden 


ſollten. 

Hierauf ſchließt der Rapport des chineſiſchen Generals mit 
der Bemerkung, daß dieſe Einrichtungen fuͤr jetzt getroffen waͤren; 
ſollten aber andere nothwendig werden, ſo werde er daruͤber an 
den Kaiſer berichten und die Befehle abwarten; in 3 Tagen ſey 
er bereit, nun auch aus ſeinem Lager von Kaſchghar nach 
Yarkand aufzubrechen, um daſelbſt diefelben Einrichtungen 
zu treffen, und dann die Rebellen aufzuſuchen und ſie zu ſchla⸗ 
gen. — Ende des Rapports. 

Die chineſiſche Armee brach wirklich am 18. Sept. 1759 ge⸗ 
gen Yarkand auf, wo dieſelben Anordnungen in Gang ‚tamen, 
Tribut und Gericht eingefept wurden. 


Beide Khodjas, von Yarkand wie von Kafchghar, die fi 


ihrer feſten Pläge beraubt und ohne hinreichende Macht fahen, 
zogen fich indeß gegen den Welten, mit ihrer Partei, in die Wild: 
niffe des Belur Tag zurück, wohin ihnen der Adjutant Fouté 


zur Verfolgung ſchon frühzeitig nachgefchieft ward. Dieſer er: 
reichte fie zuerft bei Athour®P), unftreitig was wir im obigen 


als Khartchu auf dem füdfichen Gebirgspaß nach Badakhfchan 
nachgewiefen haben (f. ob. S. 503), obwol Feiner der bisherigen 
Kommentatoren diefe Yocatität nachzumeifen wußte. 

Da wir in dem folgenden Armeeberichte des General 


Zoute, über feine Campagne im Belur Tag, die einzige. 


neuere Duelle über die dortigen Gebirgsubergänge nad 
Badakhſchan erhalten haben, welche bisher von den Geogras 
phen ganz außer Acht gelaffen war, diefe aber unfere obigen Anz 
gaben tiber diefelben noch mit einigen Details bereichert, fo thei— 
len wir den Bericht hier nach allen topographifchen Einzelnhei- 
ten, die darin erwähnt find, vollftändig mit, fo unbedeutend diefe 
auch an fich feyn mögen. 


An Parforcemärfchen, zu 100 Li jeden Tag, hatte General 


Fouté den Flüchtlingen im Gebirge nachgefegt, aber es war 
ihm doch nicht gelungen in dem erſten Gefecht, das fich hier mit 
dem Feinde entzündete, diefen zu vernichten; er entfloh. Am 


2, September (1759) meldeten die Spione, daß man, um den 


— 


— 


Gebirgspaß gegen Reisen, eine große Menge von 


- 


»39) Mailla Hist. &en. de la Chine T. XI. p. 972; Lettres Edif. 


T. XXIV. p. 38 etc. 


ft: Turfeftan, Statiſtiſche Berichte. 921 


Mohammedanern bemerkte, die hin und her zoͤgen, woraus man 
ſchließen muͤſſe, der Feind habe ſein Lager im Gebirge ſelbſt, 
auf faſt unzugänglichen Höhen aufgeſchlagen. Sogleich ward bes 
fchloffen ihn in feiner Retraite aufzufuchenz ein Purut (d. i. 
ein Berg-Khirgife) der feit langem. hier im Lande fich niederges 
laffen und deſſen Gelegenheit genau fannte, gab dem General 
ſelbſt folgende Ausfage: Dein Feind hat fhon den Berg übers 
fliegen und ift nicht mehr fern von Badakhfchan (vgl. ob. S. 504). 
Aber vorher, ehe er dort anlangen fann, hat er noch einen fehr 
hohen Berg zu pafliren. Diefer liegt zwifchen zwei Seen; der 
welcher dieffeit liegt, heißt Pou loung kol (wol Bolors 
See), der welcher auf der andern Seite des Berges kegt, heißt 
Sfilkol (Iſchilkul). Obwol es Fußpfade an beiden Seen 
hin giebt, ſo ſind dieſe doch ſo enge, daß ein Heer nur einzeln, 
Mann für Mann, hindurch defiliren kann, hoͤchſtens etwa 2 Rei—⸗ 
ter neben einander in Front durchdringen koͤnnen. Hat man den 
Pou loung kol⸗See paſſirt, fo muß man den Berg erklettern, der 
ſehr ſteil iſt. Auf deſſen Hoͤhe angekommen, entdeckt das Auge 
das Badakhſchan-Land (es iſt alſo jener Tengi Badaſcia— 
ſ. ob. ©. 504, der Grenzpaß). Dann ſiehſt du vielleicht des 
Feindes Heer; denn fehr weit kann es davon nicht entfernt feyn. 
— &o weit der Bericht des Purut. 

Man wird auf Grimms Kartenzeichnung von Hoch: Afien 
diefe beiden Seen, die auf allen andern Karten fehlen, nach) 
Angabe der chinefifchen Driginalfarten (f. ob. ©. 347) ein: 
getragen fehen; offenbar aber find fie, nebft dem Flußlaufe des 
Bolor auf dem chinefifchen Original, und danach auch bei Grimm, 
viel zu weit gegen den Norden hin ausgedehnt, wie fich dies aus 
diefem Purntberichte unmittelbar ergiebt, und vergleichungsmeife 
auch aus Al, Burnes Karte vom BolorsFluffe beftätigt. Uns 
fcheinen die beiden genannten Seen ein paar Hochalpenſeen 
nahe der Duelle des BolorsFluffes felbft ſeyn zu muͤſſen, 
unmittelbar an der directen Gebirgspaflage nach Badakhſchan. 
Statt des Namens Pou loung kol fteht bei Grimm, nach. den 
hinefifchen Originalfarten, Tus kul; wol eine Verwechslung mit 
dem Iſilkul oder Iskul, der dem Dfarif£ul, bei Al. Burs 
nes, zu entfprechen fcheint. Die beiten hier in Rede ftehenden 
"Seen glauben wir auf Burnes Karte dicht an die Duelle feis 
nes Bolor-Fluſſes, eintragen zu muͤſſen; weil hier die dis 
recte Gebirgspaflfage von Khartfchu liegt, die wir durch Ben. 


522 Weit Afien. 1 Abſchnitt. 5 5 


Goss fennen, und der Name Pouloung, offenbar, im Chines 
fifchen die Umfchreibung von Bolor it. Wahrfcheinlich ift aus 
General Foutes Armeebericht jene Kartenzeichnung erft 
in den cbinefifchen Atlas aufgenommen worden. Sn demfels 
ben Jaͤhre, 1759, war es aud), daß, bei Gelegenheit diefer Siege, . 
der Pater Felix d'Arocha, Präfident des mathematifchen Tris 
bunals vom Kaifer höchft eiligft in jene neueroberte Pros 
vinzen gefebieft ward, um jene aftronomifchen Ortsbejtims 
mungen bebufs einer neuen Neichsfarte zu machen, die wir oben 
fhon angeführt haben (f. oben ©. 432). Denn fein Brief, 
mit den erfien diefer Beſtimmungen ift von Kafhghars) 
datirt, vom 26. November 1759; und fein 2ter, vom 8. Des 
cember defielben Zahres, aus Yarkfand. Hätte er in jenen 
Gegenden, da er biö Polveulh*), d.i. Bolor, das nach ihm 
unter 370 N. Br. und 700 24O.L. v. Par. beſtimmt und darnach 
auch in Grimms Karten richtig, von Al. Burnes aber um eis 
nen vollen Längengrad zu weit oſt waͤrts eingetragen wurde, 
vordrang, auch die Yage der Seen, des Schlachtfeldes am Pous 
lung fol angegeben, fo wie die Badakhichanroute angedeutet, fo 
wäre ficher feitdem auch in dem Gebirgslande felbft die Kartens 
zeichnung beffer berichtigt, als es gegenwärtig der Fall ift, wenn 
nicht andere politifhe Maaßregeln, etwa Zaloufie gegen 
die Srenznachbarn, jene abfichtliche Entftellung veranlaßten 
(f. ob. ©. 415). — 

Die Gefahr fehredte den Chinefen General Foute nicht 
von einem gewagten Ueberfalle zurück. Mit Sonnenuntergang 
lieg er fein Truppencorps in größter Stille aufbrechen; in eini- 
gen Stunden war das Seeufer paſſirt und die Mitte des Berges 
erreicht. Hier gab er dem ganzen Haufen Befehl, mit Flinten 
und Eleinen Feldftücen, die man (auf Maulthieren) bei ſich führte, 
eine volle Ladung abzufeuern, um einen panifhen Schreden in 
der Nacht zu verbreiten. Die Lift gelang; alsbald hörte man 
ſchon aus der Ferne das Gefchrei von Weibern und Kindern, die 
erfchrecft um Gnade und Erbarmung riefen. Dies verrieth die _ 
Stellung des Feindes, auf den nun mit Sturmfchritt vorgedrängt 





84°) Lettres Edifiantes etc, Nouv, Edit. Paris 8. T. XXIV, p. 27, 
vergl. p. 483. *1) Positions astron. in Mem. conc, etc. |], 
p- 593; Mailla Hist. Gen. XI. p. 575. *°) Mailla Hist. Gen. 
de la Chine T. XI. p. 573; Mem. conc, l’Hist. des Chin. 1. 
p- 363; Lettres Edif. XAiV. p. 39, 








Oft: Turkeftan, Grenzpaß gegen Badakhſchan. 523 


ward; mit wiederholtem Abfenern. Wirklich war man fehon faft 
in das Lager felbft eingefallen, und das Handgemenge begann, / 


die Scharmügel dauerten bis zum Aubruch der Dämmerung; 


blutig waren fie nicht, denn das Dunkel der Nacht ließ zwifchen _ 
Baum und Gebüfd) manchen Schuß zur Seite gehen. Die 
Khodjas und ihre Oberofficiere entfamen durch die Flucht nach 
Badafhfhan; außer den Gefallenen famen Viele der uͤbrigen 
in die Gewalt der Chinefen. Man zählte, ald es Tag geworden, 
12,000 der Gefangenen, Männer, Weiber, Kinder; man erbeutete 
10,000 Waffen, Flinten, Säbel, Bogen, Köcher, Feldſtuͤcke, über 
10,000 Rinder, Schafe, Efel und einige Pferde. — Dies der Ars 


meebericht des General Foute, datirt vom 23, Novemb. 1759 


(4ter- Tag des 10ten Monats des 24ften Negierungsjahres Khiens 
longs). 

Der entflohenen Khodjas habhaft zu werden (nach einer 
Sage ſollte der eine derſelben im Gefechte geblieben ſeyn), die 
fih in das Gebiet ihres Glaubensgenoffen des mohammedanifchen 
Sultan von Badathfhan unftreitig nur um ihren Durch: 
gang nah Hindoftan zu nehmen, geflüchtet hatten, ergingen 
fogleich an denfelben Aufforderungen, fie auszuliefern. Die Briefe 
des General Foute enthielten deshalb Verfprechungen und Dros 
hungen zugleih. Der Sultan Schah von Badakhichan ants 
wortete, daß er zu wenig über den Streit der Chinefen mit den 
bisherigen Landesfürften vertraut fey, um hier den Schiedsrichter 
zu fpielen; Übrigens verböte ihm feine Religion mohammedanifche 
Slaubensgenoffen ohne gerechte Grunde in die Hände der Unglaͤu⸗ 
bigen zu überliefern. Er werde nicht übereilt handeln, fich eber 
treu zeigen, fich genau unterrichten, und wenn er die Khodjas 
ſchuldig finde, ſie ſelbſt en, nach Landesrecht und dem Ge⸗ 


ſetz des Koran. 


KOM | 
Der Ehinefe war wenig mit diefer Antwort befriedigt; aber 
das Schickſal beginftigte ihn. Der eine der Khodjas ftarb bald 
darauf an den empfangenen Wunden; der andere hatte den Sul— 


‚tan in einem feiner Verwandten fchwer beleidigt, indem ex diefen 


wenige Monate zuvor graufam hatte ermorden laffen. Zugleich 
erfuhr der Sultan andere Ungerechtigkeiten, welche die Khodjas 
begangen hatten, da man ihnen Schuld gab, von mehrern Terris 
torien feiner Alliirten Tribut eingetrieben und die Bewohner eis 
nes der Dörfer, das fich widerfegte, maflacrirt zu haben. Dies 
koftete ihm nun jest feinen Kopf, den der Bultan von Badakh— 


524° WefteMien, J. Abſchnitt. $ 5. 


ſchan dem General Foute, mit Betheuerungen feines Reſpectes 
gegen den Kaifer, zufandte, da er den Khodja als fihuldigen Vers 
brecher beftraft habe. Zugleich erbot er fih, eine Gefandtfchaft 
an den Kaifer nach Peking zu beordern, wenn ihm dies geftattet 
werde, um feine Devotion mündlich durch feine Stellvertreter vers 
fünden zu laffen. £ 
Diefer glückliche Ausgang des gefahrvollen Krieges erregte 
beim Kaifer in Peking eine übermäßige Freude, als Triumph 
über feine Feinde, den er fogleich mit allen üblichen Geremos 
nien 8%), zu Ehren feiner Altvordern zu feiern befchloß, voll Stolz 
den Ruhm firgender Mandſchu über das ganze chinefifche Reich 
verkünden zu laffen. Er felbft feste ihr Elogium auf, und ließ 
es in alle öffentlichen Zeitungen einrucen. Bon dem Badakh— 
fhan Sultan wurden die Kefte der Khodja Leichen eingefordert, 
um an ihnen, nach wahrer Barbarenart, in Peking die Vers 
fümmelungen vorzunehmen, die man als Opfer für die Ahnen 
der Mandfchu:Dpnaftie anfah (f. Aien I. ©. 92— 9). Der 
Schädel des überfandten Khodja ward im eifernen Käfig der 
Schauluft des Volks in Peking dargeboten, der Friede proclas 
mirt, Tſchaohoei, der perfönlich Bericht abftattete, vom Kaifer 
zum Range eines Kung), d. i. Prinz der 5ten Elaffe 
(Comte fagen die Miffionaire), mit allen Würden der Negulos 
erhoben; andere Ehren wurden an die Generale Foute und 
zwei andere Oberbefehlähaber (die unter andern auch darin bes 
ſtand, in ven Hof des Kaiferpalaftes zu Pferde einreiten zu duͤr⸗ 
fen) übertragen. Anderen andere, und durch eine Proclamation 
ward verfprochen, daß Fein Einziger, der an dem glorreichen Feld- 
zuge Iheil genommen, unbelohnt bleiben folle. Foute wurde 
erbliher Heou, alle treu gebliebenen Bucharenhäuptlinge wur⸗ 
den mit Würden und Pfauenfedern belohnt. Der Khan von 
Badakhſchan und feine Generale, der Bi der Burut und 
19 Chefs ihrer Horden (Aiman), die gleich anfangs gegen Khan 
Khodja aufgetreten waren, erhielten Candeigenthum. Diefe 
öffentlihe Rechtfertigung vor den Augen der ganzen Nation, 
die Kaifer Khienlong fi felbft, wegen der wider den Rath 
feines ganzen Minifteriums unternommenen, blutigen Kriege, die 


42) Lettves Edif. 1. c. XXIV. p. 45 — 56. 
«) — — des Troubles etc. im Magasin Asiat. l. c. T. H. 
p» 202. 


| 





Oſt-Turkeſtan, Revolte in Midi. 525 


wenigſtens einer Million Menfchen #5) (in Summa, Freund und 
Feind) das Leben gefoftet, fchuldig zu feyn glaubte, und daher fo 
triumphirend zu Werfe ging, gefchahe im Jahre 1760. 

Seit diefer Zeit wurden alle Städte Turkeftans der chineſi⸗ 
ſchen Verwaltung einverleibt; doch hat es von Zeit zu Zeit, bis 
zu der, ſchon fruͤher angezeigten großen Rebellion, im J. 1826 
und 27 (f. Afien I. ©. 468— 472), dafelbft, nicht an Verſuchen 
gefehlt, fih den Chinefenjoch wieder zu entziehen, obwol die ges 
naueften Nachrichten uns. darüber fehlen. Doc geben uns die 
jüngften Berichte zu verftchen, daß die weftliden Grenz: 
reiche, wie Ladafh und Badakhſchan (f. Alten L ©.471), 


und neuerlich vorzüglich das nördlichere Gebiet von Serghana, 
alfo ringsum das ganze burgartig umkreiſende Grenzgebirge des 


Belur Tagh,auf mannichfaltige Weife mit in diefe turfeftanis 


ſchen Handel verwickelt worden find, weil die geographifche Stel: 


lung dies faum anders möglich) macht. 

Die Revolte der Stadt Uſchi im %. 1765, alfo bald 
nach jener Pacification, ift uns in ihren Details hiftorifch übers 
liefert #), und. obwol für: fich ifolirt ftehend, und auch vollſtaͤn⸗ 


dig wieder unterdrückt, verdient fie doch, zur Kenntniß der dortis 


gen Bevölkerung wie des gegenwärtigen Zuftandes jener Lands 
fchaften, von denen wir fo wenig fpecielle Nachrichten: erhalten, 
bier in ihren Hauptrefultaten, die wir wörtlich nad dem Drigis 
nal anführen, nicht übergangen zu werden. 

Abdallah, Hakim Beg von Ufchi (f. ob.S. 451) war aus 
Hami gebürtig, fo wie alle feine Diener. Die Unterthanen des 
Prinken Iſaak (wol in Hami) waren wirkliche Sclaven, indeß 
die Bauern in den andern Diſtricten und Ländern der Kleinen 
Bucharei bürgerliche Rechte genoffen, und ihre Klagen vor Ges 
richt bringen konnten. Abdallah wäre gern dem despotifchen Beis 
fpiele jenes Prinzen auch gegen feine Unterthanen gefolgt. Er 
wollte die Strafe der Knute bei ihnen gegen Schuldige wie ges 
gen Unfchuldige, nach Willführ, einführen; fo daß feine Tyrannei 


‚bald zum Sprichwort ward. Desgleichen wußte er ſich unter jeds 


wedem Vorwande Geſchenke zu erpreſſen, und feine Diener wur: 
den bald frecher als ihr Gebieter, Den Bu hagey von uf chi 


##) Potocki Voyage dans les Steps d’Astlırakan ed. Klap ih. Paris 

- 1829. 8. Vol. I. p.59 ete. Nota. 4%) Revolte des Habitans de 

la Ville d’Ouchi en 1765. Trad. du Chinois par J, ne in 
Magasin Asiat. Paris 1826. 8, T. Ik p. 203— 208. 


526 Weft-Afien, I. Abſchnitt. 9. 5. 


ward dies in die Länge unerträglich; der chinefifche General Sus 
tfching, Kommandant der Stadt Lfchi, war dumm und lieder 
lich; fein Sohn, noch fchlimmer, fing mit Gewalt die jungen 
Mädchen weg. Die Bucharen fannen lange auf Rache; ein ges 
ringer Umſtand brachte die Glut zur Flamme und zum Ausbruch. 
Ein Bucyare, der Befehl erhalten Effecten zu transportiren, und 
den Hakim Beg deshalb nach dem Drte feiner Beftimmung fragte, 
erhielt von ihm Peitfchenhiebe ftatt der Antwort. Der Buchare 
eilte diefe Beleidigung dem oberften Vorftande des Kriegsrathes 
anzuzeigen, der erboßt, daß der Menfch ihm befchwerlich falle, 
ftatt ficd bei den Unterbehörden zu melden, noch 30 Hiebe dazu 
aufzählen läßt. Die Erbitterung verfammelte bald 300 Der: 
ſchworne, die Nache fchnaubend in der Nacht Abdallah mit feis 
nem ganzen Gefolge ermorden, dann eben fo den Commandans 
ten Su tfehhing, mit feinen Domeftifen, Soldaten, und nun das 
Blutbad über die ganze Garnifon und die chinefifchen Kaufleute 
bringen. > 

Der nächfte Stadteommandant von Akſu, General Biantas 
fha, eilte auf die erfte Nachricht diefer Nevolte mit einigen 100 
Bucharen Truppen nach der Stadt Ufchi, in der aber die 400 
Inſurgenten die Ihore feft verfchließen. 

Nun nimmt die ganze Stadt Antheil an der Onfurrektiony, 
fie wählt fich in der Perfon des Arabdallah einen neuen Has 
tim Beg, und zieht zum Gefecht vor die Stadtthore. Biantakha 
ward in die Flucht gejagt; eben fo das Heer des General Obao, 
der von Kutſche mit bucharifchen Soldaten zu Hülfe kam. 

Auf diefe böfe Zeitung eilte der General Nachitoung von 
Kaſchghar nach Ili, wo größere Macht garnifonirte. Mins 
houi, General en Chef und General Youngfuei mit 10,000 
Mandfhu und Chinefen Truppen, überftiegen den Gletfherpaß 
von Muffur dabahan, um ſich vor Ufchi zu vereinen. Aus der 
Belagerung vor Uſchi fandten fie ihren Bericht über die Beges 
benheit nad) Peking. Biantafha ward zum Tode verurtheilt, 
eben fo Nachitoung wegen ihrer Verfäumniffe. Uſchi fcharf bes 
lagert wehrte ſich in Verzweiflung. 

Indeß war Odoui, nah DObigem (f. ob. ©. 514), noch 
Hakim Beg in Yarkand. Seine Gemahlin Zeim war zufällig 
mit ihrem Sohne Othman (Hakim-von Kutfche) nad Kutſche 
gereifet, als eben die Rebellion ausbrach; und da fie die Nach⸗ 
giebigkeit ihres Gemahls fuͤrchtete, kehrte ſie mit Erlaubniß der 


Oſt⸗Turkeſtan, Revolte in Uhl. 527 


Behörde fogleih nach Yarfand zurück, um bemfelben zur Seite 
zu ſtehen, der Nebellion feinen Vorfchub zu leiſten. Die kuͤhne 
Frau durcheilte in 5 Tagen eine Strecke von 3000 Li (zu 200 _ 
auf 1° wären 225, zu 300 auf 19 — 150 geogr. Meilen) bis 
Harkand, wo ſchon Alles zur Empörung bereit war. Odoui 
war rathlos, die Afhouns fchwanfend, Lift und Muth der Yeim 
flug die Unruhen nieder. Auch in Akfu glühte das Feuer der 
Empörung ſchon im PVerborgenen; deffen Haktim Beg, Setis 
bardi, war auf dem Ruͤckwege von Peking, eben in Sutfcheou 
angefommen, wo er die erfte Nachricht der Unruhen erhielt. Eos 
gleich feste er fih zu Pferde, legte 6000 Li in 7 Tagen zurück 
(200 Li auf 1° wären 450, 300 auf 1° 300 geogr. Meilen; alfo 
auf 7 Tage vertheilt, täglich Uber 60, oder 40 geogr. Meilen, 
was felbft mit Kameelrennern faft unmöglich fcheint) bis Akſu, 
wo er den Ausbruch der Empörung niederfchlug. Nun führte 
Othman, der Hakim Beg von Kutfche und Adjutant des dyiner 
fifhen Obergenerals, ein Heer gegen Ufchi. Diefe vereinten 
Umftände fchiwächten den begonnenen Ausbruch durch Hemmung 
der weitern Fortpflanzung, fo daß ohne Nahrung von außen bald 
Laͤhmung erfolgen mußte, 

Die Bucharen find ungemein mistrauifch, fagt der Chinefenz 
bericht; fie koͤnnen leicht getäufcht werden. Wenn fie in friedli- 
chen Zeiten fehen, daß ſich Autoritäten verfammeln, fo denfen 
fie gleich 8 folle ihnen ein Uebel bereitet werden, aber es fehlt 
ihnen zugleich an Befonnenheit durch verftändigen Plan diefem 

zu begegnen. 

Uſchi ift an den Abhang eines Berges gegen Sud ange⸗ 
lehnt; gegen Nord zieht nur eine halbe Li fern ein großer Fluß 
(ZaHo) vorüber; von der Seite deckt ein dichter Wald den Anz: 
blick der Stadt, und hindert e8, mit Kanonen eine Brefhe in 
die Stadtmauern zu fehießen. Die Belagerung 309 fih daher 
vom Aten bis zum Tten Mond in die Länge. In einer Nacht 
ſchlugen die Einwohner thörichter Weife den Wald nieder, und 
entblößten dadurch Wall und Graben. Diefen Umftand benutzte 
die chinefifche Armee, rückte näher heran und fihnitt alle Auss 
gänge ab. Im Innern erhoben fidy Parteiungen und Streit; 
Arabdallah, der Hakim Beg, ermordete fich felbft und bald ward 
nun Ufchi mit Sturm erobert. 

Des Kaifers Befehl war: alle Einwohner der Stadt zu 
tödten, ven Sitz des Generals an einen andern Ort zu verlegen, 


528 WeftzAfien. J. Abſchnitt. -5 5. 


und das Land von Ufchi durch andere Bucharens Tribus zu cos ‘ 


lonifiren. — 

Solche Kevolten haben fich in neuern Zeiten wiederholt; die 
zulegt befannt gewordenen des Khodja Djihangir (1826, ſ. 
Afien I. ©. 471), den Moorcroft im Jahre 1822 847) fchon, 
am Hofe Omar Khans von Ferghana kennen lernte, fo 
wie Anderer, vorher und nachher (von Ai Khodja, Kun Khodja 
u.a. ım.), über welche wir aber nicht genauer unterrichtet. find. 


Diefer Ai Khodja war ebenfalls ein Nachkomme der alten Sans . 


desfürften; wenigitens derjenigen, die als folche in den Augen der 
mohammedanifchen Einwohner, dafür gelten, 

Das Anfehn diefer Khodjas unter den dortigen moham— 
medanifchen Völkern hat freilich eine eigene Bewandtfchaftz es 


geht nur in die mohammedanifchen Zeiten zurück und ift eine 


religiöfe Würde. Khodja, oder Khodjo #), heißt eigentlich 
nur Herr, Meifter,, Doctor des Koran, und ift ein bei den weft 
lichen. Mohammedanern fehr befannter und an fich fehr venerirs 
ter Titel, mit dem aber urfprünglic) gar feine Souveminität vers 
bunden ift. Hier aber, in diefem Oft: Turkeftan, führten die inz 
dependenten Landesfürften diefen Titel, als fogenannte Nachkom—⸗ 
men des Propheten, oder richtiger der Asfhab, d.i. der Schüs 
ler des Propheten, welche im Lande zuerft deſſen Gefes ange: 


nommen und weiter verbreitet haben follen; weshalb mit dieſem 


Titel eine Art Heiligkeit verbunden ward, die ihnen erft eine 
politifche Macht gegeben zu haben: ſcheint. Daher der Wahn, 
daß fie unverleglich, fehußfeft feyen (f. ob. ©. 514), daher die 
allgemeine Verehrung und Anhänglichkeit der Landesvoͤlker an ihre 
- Befchlechter, worin die Duelle ihrer immer möglichen, neuen Ne: 
bellionen gegen die Mandſchu und Chinefen liegt, die diefen Nez 
fpect durchaus gegen fie nicht theilen. Das Volk der Moslemen 
aber fieht dort allgemein das Verderben, welches den Fürften 
von Badakhſchan kraf, deften Land Fürzlich eine Beute des 


räuberifchen Muhamed Murad Beg von Kunduz geworden. 


ift, ald eine gerechte Strafe *) des Himmels für die Treuloz 
figfeit an, die er wiederholt gegen feine Glaubensbrüder, die 
Khodjas und Nachkommen des Propheten, begangen habe. , 





»47) J. Fr. Davis Notices on Western Tartary in Transact. of the 
Roy. Asiat. Soc. of Gr. Brit. Lond. 1829. Vol.1I. P.1. p. 199 Not. 

**) Klaproth Not. in Timkowski Voy. ed. Paris T. I. p. 385. 

*°) Wathen Mem, l. c. Journ. of the As. Soc. of Bengal Vol. Il, p. 660. 





‚Oft: Turkeftan, Kevolten, Urfahen, 529 


Wie dies Verhältniß auffam und unter den Mongholen Khas 
nen war, ift uns unbekannt geblieben; unter der Herrfchaft der 
Kalmuͤcken Oeloͤth) ſahen wir, daß das Anſehn des Khodja in 
‚Markand wenigſtens, als Statthalter, herrſchend blieb, und 
ſpaͤter erſt durch das Zwiſchentreten der Chineſen und durch die 
Empoͤrungen gefährdet war. Aber nicht blos dieſer äußere Eins 
flug führte die Verwirrungen und Schwächungen der einheimis 
fhen Khodjas herbei, durch welche bei der Nebellion von 1826 ' 
(f. Afien 1. ©.471) in einem einzigen Sahre, von fieben Khod: 
jas, 4 in den Schlachten getödtet, 2 als Gefangene nach) Peking 
geſchickt wurden, und nur der fiebente, SarymfatXhodja®"), 
nad) der großen Bufharei glücklich entfchlüpft feyn foll. 
f Unter ihnen felbft wüthete feit langer Zeit, außer der Tyrans 
"nen ihrer Befieger, der Delöth, und außer der verheerenden furchts 
baren Pockenpeſt, welche die Großen der Ilnterworfenen wie 
die der Herrfcher traf, und Hunderttaufende damals von ihnen 
wegraffte, noch die Seuche der innern Entzweiung, welche 
‚jene Spaltungen ihrer Unternehmungen zu allen Zeiten herbeis 
rief, fo daß in ihren Empörungen gegen die Ufurpatoren der Des 
loͤth, Dfungar, Mandfchu und Chinefen, niemals Einigkeit herrs 
fchend war. Wir haben ſchon oben (f. ©. 467) den politifchen 
Haß der Ak Tak und Kara Taf nad) dem eigenen Urtheife 
der Eingebornen angeführt, deſſen nähere Urſache uns unbekannt 
‚bleibt. Don diefem hörte auch Mir Zffet Ullah. Der Fürft 
son Yarkand war Khodja der Kara Taghlik (d. i. der 
Schwarzen Bergbewohnen)®), des Stammes der mit den 
Kalmak (Delöih) verbunden war; der feindlich gefinnte Stamm 
der AE Taghlit (vd. i. Weiße Bergbemwohner) war an 
Ili unterworfen, ihre Großen waren in Ili unter der harten 
Eontrolfe und Zuchtruthe ihrer Tyrannen fisen geblieben. Da 
deren Prinzenhaus durch die Peft fat ganz verödet und ihre 
Herefchaft völlig geſchwaͤcht war, erhoben fih die Ak Taghlie 
(Zfevang Arabdan, als DfungarenzHerrfcher, f. Aften 1. 
1©. 453), und griffen die Kara Taghlif an und unterjochten 
deren Sand; erfchlugen einen chinefifchen Gejandten und zogen fo 
nun auch fpaterhin das Ungewitter von China über ganz Siyu 
herbei, daß nun auch), durch des Kleinen oder Jungen Khodjas 









ai * Timkowski Voy. I. c. 51) Mir Isset Ullah in Magas. Asiat. 
T. II. ».30; vergl, Fraser Narrat. of a Voy. 1. c. App p. 113, 
81 


Ritter Erdkunte VII. 


530 Weft-Afien, J. Abſchnitt. 9 5 


KHodzidjan) rebellifche Gefinnung, welche feinen Altern Brus 
der den Großen Khodja (Boulatun) überftimmte (f. oben 
©. 510), die Khodjas der Kara Taghlif s Partei, fammt, ihrem | 
Anhange, aus dem Lande gejagt wurden, und felbft bei dem 
Sultan Schah von Badakhſchan Fein fiheres Afyl mehr 
fanden. Zu Mir Jffet Ullahs Zeit (1812) regierte in Bas 
dakhſchan Mir Mohammed Schah, der Sohn des Sultan 
Schah. Die Söhne und Enfel des damals hingerichteten Khodjas 
festen noch im Schuße von Bofharaz was auch von J. Fras 
fer beftätigt ward. Aber diefe konnten nicht ruhig im Auslande 
fisen bleiben. Die Meffa: Pilger nannten den vom Badakh— 
ſchan Sultan zulegt an die Chinefen ausgelieferten Khodja, 
Ai Khodja, und erzählten deſſen Sohn und Enkel feyen nach 
Andejan entflohen, wo, nach des Waters Tode, der Sohn Djis 
hangir Khodja 852), ein Juͤngling, den Schuß des Uzbeken 
Khans von Kofand genoß. Von da aus machte er feinen 
fiegreichen Einfall bis Yarkfand und Khotan, der aber kein 
Jahr Dauer hatte (1827, ſ. Aien I. S. 471-4729. Seine eis 
gene Tyrannei zog ihm den Haß der befiegten Städte zu, und 
einem chinefifchen KHeere von 60,000 Mann fonnte er nicht wi⸗ 
derſtehen. Sein Schiefal, das in Europa unbekannt blieb, und 
die Folgen, haben erft die Mekka: Pilger und Al. Bur— 
nes) befannt gemacht. Djihangir Khodja zog ſich in die 
Gebirge zurück, und feine Hülfstruppen, die Kirghiſen u 

Andejanis aus Kofand, retirirten, wie zu erwarten war, uͤber 
den Belur Sag in ihre Heimath, und fchleppten, nachdem 
Dft: Turfeftan weidlich ausgeplündert, unermeßliche Beute hei 
Es dauerte nicht lange fo ward Djihangir von feinem Neben: 
buhler, Iſchak, dem Khodja von Kafchghar, durch Verrath an 
den chineſiſchen General in Akfu ausgeliefert, der ihn nach Pe: 
fing fchaffte, wo er hingerichtet ward; der Verräther ward dafüı 
zum Bang, oder Prinzen von Kaſchghar erhoben, aber fein 
Herrlichkeit dauerte nicht lange, denn bald darauf nach Pekin 
berufen, ift feine Perfon, wahrfcheinlich durch Vergiftung, dort 
den Augen feiner Landsleute verfhwunden, und die Lockſpeiſe 
nes Bang war nur eine vorübergehende Taͤuſchung (f. 
©. 414), Er gehörte, fagten die Mekfa- Pilger, zur Secte 

























— 


*52) Wathen Mem. L. c. p- 660. >?) Wathen Mem. p. 661 
Al. Burnes Trav. II. p. 228. f ! 


Welthiſtor. Einfl, der Chinefen auf Central-Aſien. 531 


Kadaris, den Kara Taf anhängend, da fein Gegner zur Secte 
der Nagſchban di gehörte, die auf der Seite der AE Tat fies 
hen, die einander gegenfeitig bis auf den Tod haffen. 

Auch diefer Verſuch einer Neftauration der Usbeken⸗ ⸗Herr⸗ 
ſchaft in Oft-Turfeftan iſt alſo misgluͤckt, der Khan von Kokand, 
als Theilnehmer, hat ſich jedoch des Feldzugs wegen, den ſeine 
Truppen gegen die Unglaͤubigen mitgemacht, den Titel Ghazie, 
des Glaubenshelden (ſ. ob. S. 205) angemaßt. 

Bei dem Ausbruche dieſes Krieges ſollen wiederum einige 
Glieder der Khodja Familie nach Badakhſchan geflohen ſeyn (72), 
wo der Sultan fie ebenfalls hinrichten ließ. Für diefen Freund: 
fchaftedienft, hörte A. Burnes, habe ihm der Kaifer von China, 
während der legten Reihe von Zahren, wo fein Fand vom Mir, 
oder Murad Beg, von Kunduz erobert war, jährlich ein Ges 
ſchenk zugefandt. Die Khodjas find daher, geftügt von dem bis 
gotten Khan von Kofand, der in Feindfchaft mit Badakhfchan 
ſteht, noch immer gefährliche Nachbarn für das chinefifche Neich, 
und die Route nach Kokand war deshalb eine Zeit lang gefchlofs 
fen, der Handelsverfehr dahin ganz gehemmt (ſ. 06, S. 476). 





Biertes Kapitel, 


Welhiſtoriſcher Einfluß des chineſiſchen Reiches auf 
Central⸗ und Weſt-Aſien, bis zu dem Uferlande des 
Aral und Caspiſchen Meeres, von aͤlteſter Zeit bis in 
ie Gegenwart, in politiſcher und commercieller Hin— 
ſicht, wie auf Voͤlkerentwicklung und Voͤlkercultur 
uͤberhaupt. 


6. 6, 
Werb eir-f bh 
Der welthiftorifihe Einfluß des hinefifhen Rei— 
es reicht in moderner Zeit von feiner Wafferfeite weit über 
en indifhen und großen Oſt⸗Ocean hinaus, durch feinen Vers 
hr, bis nach Weſt-Europas Eontinent und die britifchen Ynfeln, 
ie nah Nord-Amerika, zumal in die Vereinigten Staaten hinz 
ber; aber von feiner Landſeite dringt derfelbe ſchon feit Jahr: 
L212 






























532 Weſt⸗Aſien. L. Abſchnitt. §. 6. 


tauſenden in alle Staaten- und Voͤlkerverhaͤltniſſe Gentrals 
Afiens unmittelbar ein. Hier berührt er alle hinterindifchen 
Voͤlker, und auch heute die Briten in Indien, die Afghanen und 
Perfer, die Bukharen in Welt: Turkeftan, das ruffifhe Reich in 
Sibirien auf directe Weife, viele andere afiatifche Berpalmifie 1 
auf mehr indirecte Art. 

Diefer directe Einfluß reicht von Peking bis Bofhara | 
(von 135 bis gegen 80° O.L. v. F., an 53 Längengrade) gegen 
600 bis 700 geogr. Meilen weit, weftwärts, bis in das Stu— 
fenland des Orus und Jaxartes (Gihon und Sihon), zu den Fans 
dern am Aral-See, ja faft bis zum öftlichen Fuße des uralis 
fhen Meridiangebirges, bis zur Außerften Grenze Oſt⸗Eu⸗ 
ropas (ſ. Ruͤckwanderung der Turgut-Oeloͤth aus den Weidelaͤn⸗ 
dern der Wolga, 1771, Aſien I. ©. 463), Denn wenn die poli⸗ 
tifche Macht des Chinefenftaates, gegenwärtig, auch unmittelbar 
nur bis zu dem Waſſerſcheideruͤcken zwifchen den Oft: und 
Welt: Strömen in Belur Tag geht, fo wirkt defien Einfluß 
doch überall auf jene Grenzftaaten von Badathfhan, Bo— 
Ehara, Kofand u.a. ein, und zumal auf unzählige jener 
Wanderhorden, die von Oft gegen Welt immerfort jene Laͤn⸗ 
dergebiete durchſtreifen, beleben, leicht hin und her ziehen, in ih⸗ 
ren Sisen und Unterwerfungen unter den einen oder den andern, | 
Scepter wechfeln, und danach ihren Heerdenreichthum temporair 
friedlich weiden, oder, oft momentan und ploͤtzlich, ja oft gleich⸗ 
zeitig und fortwaͤhrend, als Raubhorden die Nachbarlaͤnder ver⸗ 
heeren und deren feſtgeſiedelte Einwohner in fortwaͤhrende Sorge 
umd Bedrängniß verfegen. Diefe allgemeine Erfcheinung geht aus 
unfern zuvor mitgetheilten Thatſachen, für die Gegenwart und. d 
neuere Zeit, nothwendig hervor, und dennoch ift fie noch. keines: 
wegs in allen ihren Theilen weder von Geographen, noch von 
Ethnographen und Hiftorifern in dem ganzen Umfange ihres Eins” 
fluſſes auf Weltgeſchichte ſo gewuͤrdigt wie ſie es verdient. Es 
waͤre aber ganz irrig dieſen Einfluß blos etwa nur fuͤr eine zu⸗ 
faͤllige, moderne, ephemere Erſcheinung der gegenwaͤrtigen politi— 
ſchen Staatenverhältnifle ft: Aliens und der chinefifchen Herr 
fchaft anzufehen, und fie deshalb in der Gefammtbetrachtung d 
Nölfer-, Culturen: und Staaten: Verhältniffe Afiens, wie es herz” 
koͤmmlich Bisher gefchehen ift, als etwas blos zufälliges, ganz aus, ! 
Ger Acht liegen zu laffen. Nur die frühere gänzliche europäifhe” 
Ignoranz in der chinefifchen Literatur und Gefcbichte Eonnte diefe 





Welthiſtor. Einfl. der Chinefen auf Central-Aſien. 533 


bisherige Lücke in dem Gefchichtszufammenhange der Welt: und 
- Bölkers Hiftorie entfhuldigen. Wir find aber gegenwärtig ſchon 
‚hinreichend, wenn auch nur elementarifch, in den Quellen der 
chineſiſchen Annalen der frühern Jahrhunderte bewandert, um zu 
wiſſen, daß fchon feit zwei vollen Zahrtanfenden derfelbe 
chineſiſche Einfluß auf die Weftländer Afiens, Chinas auf 
.Transoriana, und den clafliihen Boden der. Weltgefchichte 
eingewirkt hat, wie nur der Gultureinfluß Indiens und Perfiens 
zu Aleranders Zeit auf äguptifche und macedonifche Gefchichte, 
‚oder der Römer auf die germanifche zuruͤckwirken mußte, wie der 
‚arabifche Orient in dem Mittelalter auf den chriftlichen Occident 
‚feinen Einfluß behauptete, und wie überhaupt jede in ſich abge: 
ſchloſſene Eulturwelt, die auf lange Jahrhunderte mit einer an: 
„dern Civiliſation in directen Verkehr tritt, auf diefe mächtig. ums 
+ geftaltend. wirken muß. 
N Auf unferee Wanderung durch ganz Oft: Afien hat es zu 
unſern Hauptaufgaben gehört, diefem lebendigen Einfluffe 
‚der Natur- und Bölferverhältniffe des Oftens auf den 
Werften nachzufpüren, und ihn überall in feinen geheimften We: 
gen im Befondern und Allgemeinften den Räumen und Localitä- 
‚ten gemaß nachzumweifen. Auf der Grenze Oft: Afiens gegen 
MWeftzAfien angelangt, glauben wir, ſchon bei Indien, auf 
der Südfeite des Himalaya und Hindu Khu⸗Syſtems, ein fehr 
reichhaltiges Feld diefer übergreifenden Einwirkungen 
auf die perfiich-arabifchzeuropäifche Weſtwelt nachgewiefen zu 
haben. Hier an der Nordfeite der indifchen Schneeketten ftehen 
‚wir, am Belur Tag, dem Imaus der Alten, auf einem, für 
Det: Alen und Mittel:Europa, feinen türkifchen, flavifchen und 
germanifchen Völferfchaften nach, feit den alten Griechen bis zu 
den Byzantiners und den neuern türkischen und ruſſiſchen Zeiten, 
nicht minder bedeutungsvollen Hebergange von Turan nad) 
ran, auf dem gleichgültig oder geblendet, twie bisher ganz ge: 
dankenlos in den Räumen fortzufchreiten, am wenigften die Aufs 
‚gabe einer willenfchaftlichen und allgemeinen vergleichenden Erd: 
Eunde feyn kann, die nicht die Mechanik des Nebeneinanderfteheng 
‚der Theile, fondern das Ineinandergreifen der tellurifchen Formen 
und ihrer Kräfte wie die Functionen ihrer Gliederungen und Or: 
gane durch alle Zeiten und Räume zu erforschen ſich zur Lebens: 
aufgabe geftellt Hat. Daher wir auch hier, obwol uns noch Vie⸗ 
les verborgen blieb, was erſt die fpätere Zukunft aus der frühe: 





534 Weſt-Aſien. I Abfchnitt, $ 6. 


ften Vergangenheit an das Licht ziehen wird, noch etwas verweiz 
fen, um auf das hier zu Beachtende, was uns bis jeßt ſchon klar 
vor Augen liegt, nachzumeifen, che wir aus unbekannten zu bes 
fannteren Fernen fortfchreiten. 

Seit zwei vollen Zahrtaufenden hat China, d.i. der Often 
Afiens, in feinem politifch : größten Verbande, in drei vers 
fhiedenen Perioden, im Zahrhundert vor und nach Chr. 
Geb,, im VII. und VII, Sahrhundert unferer Zeitrechnung, und 
wenn man die unbegrenzte, zerftörende doch auch neugeftaltende Fluth 
der Mongholenzeit auch gänzlich übergehen will, wiederum in der 
Gegenwart, nämlid dem XVIL, XVIIL und dem nun begin: 
nenden XIX, Sahrhundert, von der Continentalfeite den- 
größten politifchen und Eultureinfluß auf die Völker und Staaten 
Mittels und Weft:Afiens ausgeübt, der fich ſchon aus ihrer 
ungemein reichhaltigen geographifch »hiftorifchen und oft überras- 
fchend detaillirteften Kenntniß diefer Landfchaften von felbft erz 
giebt, wie aus ihren Geſchichten und Staatenverhältniffen, aus 
dem Gange des Handels, und aus den verfchiedenen Syſtemen 
und Mitteln der verfuchten Beherrſchung oder Civilifirung ; durch 
diefe wird nach vielen Seiten hin fehr frühzeitig über die Zeitges 
noffen und Nachbarn ein oft überrafchendes Licht verbreitet ,. das 
für vergleichende Geo; und Ethnographie insbefondere une 
fhäßbar genannt werden muß. Cs find wenig Völker der Erde 
die fo frühzeitig und zahlreidy auf Entdeckungen der Länder und 
Völker ausgegangen find, wie die Chinefen zu Sande, gleich 
den Phöniciern zu Waffer, und fo genau, wie fie, Buch 
und Nechnung über ihre Entdeckungen geführt, und diefe der 
Nachwelt überliefert hätten. Welch ein Gewinn für afrifanifche 
Menfchengefchichte, wenn wir ein gleiches von Aegypten oder Kars 
thago ausfagen Eönnten, deſſen Geſchichte in derfelben Zeit unters 
geht, in welcher durch chineſiſche Annalen die pofitive Völterges 
ſchichte Central: Afiens hervorfteigt (ſ. ob. S. 344). 

Es find vorzugsweifes die Zeiten der Han: Dynaftie (on 
163 vor bis 196 nach Chr. Geb.); die der Thang:Dynafti 
(von 618 bis 907 n. Chr, ©.), und, abgefehen von der Mongh 
lenzeit (von 1280 bis 1341 n. Chr. ©.), die der Mandfhus 
Dynaftie, von der Mitte des XV. Zahıhunderts bis auf die 
Gegenwart, welche zu den einflußreichften gezählt werden muͤſſen. 
Sn jenen beide früheften Epochen ‘ging diefer Einfluß noch 
weiter ale im der Gegenwart; nämlich felbft bis zum Cas piſchen 









Welthiftor. Einfl. der Chinefen auf Eentral-Afien. 535 Ä 


Merre, als noch Feine fo fcharf geregelten politifchen Staaten: 
verhältniff der hinefischen Politif, wie heut zu Tage, entgegen: 


traten, und die Eulturftufe der Chinefen noch verhaͤltnißmaͤßig 


überftrahlender über die der Barbaren des unmittelbaren Weftens 
(die fenthifchen, maflagetifchen, getifchen, dafifchen und Aurfifchen 
Völker) war, als in der Periode des mohammedanifch gewordes 
nen Mittelalters und der heutigen Gegenwart. Für die Gefchichte 
der afiatifchen, dem chinefifchen Reiche benachbarten Landfchaften, 


ſagt der trefflichfte Kenner chinefifcher Literatur und Forfcher auf 


dieſem Gebiete 85%), ift, feit dem II. Zahıhundert vor Chr. Geb., 
kein Staat, fein Fuͤrſtenthum von einiger Ausdehnung, es ift 
Feine Emigration oder irgend eine bedeutende Invaſion, feine Be: 
gebenheit von einiger Bedeutung gefchehen, die fie nicht bemerkt, 
nicht aufgezeichnet hätten. Mit ihrer Hülfe läßt fich die Se: 
fchichte des Orients von Mittel:Afien, die uns fonft völlig verloren 
gegangen wäre, in ihrem wefentlichen Zufammenhange wieder re; 
eonfiruiren, und wir glauben diefes in ethnographifcher und 
geographifcher Beziehung durch das ganze num zurückgelegte 
Gebiet unferer vergleichenden Erdfunde, wenn auch mühfam ger 
nug für den Arbeiter und befchwerlich für den Lefer, nicht ohne 


mannichfachen Erfolg für die Gefchichte der Erde und ihre Ber 


wohner an ſehr vielen Stellen durchgeführt zu haben. 
Alles, vor dem II. Zahrhundert vor Chr. ©., ift aber in die: 
fer Beziehung weit dunfler, und obwol auch da noch viele 


‚wichtige Ihatfachen zu fammeln und fehr wichtige geographifche 


Traditionen 55) aus der chinefifchen Literatue zu erörtern ſeyn 
würden, welche die dortige Critik aber felbft in ihren Anfängen 
mehr vernachläffigt Hat, fo bleiben vdiefe doch erſt kuͤnftigen For⸗ 
ſchungen zur Ermittelung vorbehalten. | 
Die fo Häufig wechfelnden Grenzen des hinefifchen 
Reiches, die duch den Wandel der einander folgenden Dynaz 
ftien, die fih bald nur auf Erhaltung ihres eigentlihen 





252) Ab. Remusat Remargues sur l’Extension de l’Empire Chinois 
du cot@ de POccident in Mem. sur plusieurs questions a la Geo- 
graphie de l’Asie centrale. Paris 1825, 4. p. 129. °5) Bergl. 
Ab. Remusat Mem. sur la Vie et les Opinions de Lao Tseu Philo- 
sophe Chin. du VI. Sieele av. Jes. Christ. Paris 1823. 4. H. Kurz 
Mem. sur Fetat politique et relig. etc. de la Chine 2300 ans ayant 
notre &re selon le Chouking in Nouy. Journ. As: 1830. T. V. p. 401 
—436. T.VI. p.401—451; Brosset Relation du pays Ta ouan du 
Sseki de Ssematsien in Nouv. Journ. As. 1828. T. Il. p. 418-450. 


536 Weſt-Aſien. 1. Abſchnitt. % 6, 


China befchränfen, bald wieder als mächtige Eroberer weit 
gegen den Siyu, oder den Weften, durch die ganze Tartarei bis 
zum Imaus ausbreiteten, fegen dem Einfluß diefer Unterfuchun: 
gen, für die Vergleichung der mit den Zeiten gewöhnlich auch 
wechfelnden Namengebungen der Völker und Länder, eis 
genthümliche Schwierigkeiten entgegen. Diefe müffen den Unters 
fuchungen nothwendig eine größere Breite geben als fonft win: 
ſchenswerth fern möchte, die jedoch wegen der nothmendigen 
ethbnos und geographifben Synonymif, antifer, 
mittelaltriger und neuerer Zeiten, in chinefifchen und 
andern afiatifchen Sprachen der Einheimifchen und Fremden, von 
den Griechen und Römern an durch die Araber, Perſer, hindurch, 
bis zu den Indern, Turk, Tübetern, Chineſen, Mongholen, un: 
umgehbar bleibt. Die Chinefen felbft haben diefe Verglei— 
bung und Synonymie fhon in ihren Annalen durchgeführt, 
bis in die Zeiten der Hay, d. i. bis in das zweite Jahrhundert 
vor Ehrifto, weiter zurück aber nicht, wodurc die vergleichende 
Geographie feit jener Periode auch für uns möglich und das 
durch fo fruchtbar geworden, daß fie ein völlig neues hiftorifches 
Licht auf den früheften Verkehr der Völker und Reiche des DOriens 
tes und Dccidentes der Erde geworfen, von dem noch vor einem 
halben Zahrhundert kaum eine Ahndung bei den Hiftorifern vor⸗ 
handen war, wenn ſchon Einzelne, wie Deguignes, durch barofe 
Uebertreibungen faft die Möglichkeit der Erfenntniß diefer That⸗ 
ſachen noch erfchwerten. Zu diefer befchwerlichen Synonymie 
fommt eine zweite Schwierigkeit für die fruchtbare Anwendung 
derfelben zu erfreulichen, hiftorifchen Ergebniffen, welche in der 
orientalifchen Methode liegt, die Gefchichte zu fihreiben, da die 
politifchen und wiffenfchaftlihen Anfichten und Ideen der Chines 
fen, in diefer Hinficht, fo verfchieden von denen der weftlichen, 
claſſiſch gebildeten und europäifchen Culturvölfer find, daß es oft 
fehr ſchwer ift die Ueberlieferungen nicht blos der chinefifchen Ans 
tiquitäten, fondern auch die Daten ihrer Annalen, aus ihrer his 
ftorifchen Zeit an die Begebenheiten, die uns aus andern Quellen 
befannt find, oder an die gleichzeitigen des Alterthums, des Mit 
telalters oder felbft ‘der Gegenwart geographifch und zeitgemäß 
anzureihen. In manchen Perioden müffen wir daher auf den 
Gewinn, der daraus hervorgehen koͤnnte, noch ganz Verzicht thun, 
weil uns noch die pofitive Grundlage, die Bafis fehlt, von 
der wir ausgehen müßten um das Verftändniß zu gewinnen; in 


Welthiſtor. Einfl. der Chinefen auf Central⸗Aſien. 537 


andern Fällen find aber durch glückliche Umftände oder durch kies 
feres Eindringen die Schwierigkeiten fchon gehoben, wie wir denn 
in Obigem, durch die Monumentenfunde der Stupas und 
die Pilgerfahrten der Buddhiſten, für die Zeiten des 
vr. bis VII. Sahrhunderts höchft wichtige pofitive Daten zur 
vergleichenden Geographie des afiatifchen Mittelalters gewonnen 
haben (f. 06. ©. 98 — 115, 271— 303); wie durh Ab. Remu— 
fats Berichtigung 856) der durch Deguignes in der Orienti— 
rung begangenen Irrthuͤmer ein glänzendes Licht, über die noch 
frühere Periode der Han: Dpynaftie, für das legte Zahıhun: 
dert der römifchen Republik und die beiden erften Jahrhunderte 
der römifchen Kaiferzeiten, hewvorgegangen ift, Bedenkt man, wie 
zu den. Zeiten der römifchen Cäfaren der Ahein und die Do: 
nau Sahrhunderte hindurch) den Limes Imperii Romani repräs 
fentirten, über welchen hinaus, als von ficherer Bafis, alle ans 
dern geographifchen Entdeckungen des damals auch ganz 
umdüfterten germanifchen MittelsEuropas ausgingen, daß eben fo 
der Tha Thfungling (die Blauen Berge oder Belur, 
f. 06. ©. 320 u. ſ) als ein folcher Limes Imperü Sioici gegen 
den Werften betrachtet werden kann, bis zu welchem das himm⸗ 
lifhe Königreich der Mitte 57) feine weitfchattenden Flüs 
gel ausbreitet, fo ftehen wir hier an der merfwürdigen 
Grenze des beftändigen Uebergreifens antiker, geos und 
ethnographifcher und hiftorifcher Verhältniffe, für Mittel: und 
Weſt-Aſien, wie dort für Mittelz, Oft: und Nord Europa, des 
ren Bedeutung für die Entwicklung der ganzen Folgezeit Fein 
Einfichtiger verfennen. wird. 

In jenen beiden ältern Hauptepochen des Einfluffes des fo 
mächtigen Reiches der Tſin, der Alteften Benennung der Roͤ⸗ 
mer und Bpzantiner für China, wegen des Glanzes der Tfinz 
Dpynaftie (reg. von 265 bis 420.n. Chr. G., von der noch äls 
tern TfinsDynaftie Shi Hoangtis, f. unten), der aud) 


bis zu dem vömifchen Kaiferreiche hinüberficahlt, daß durd fie 


der Names) Tfin, Tchina, Sinae, Fivar, früher Oivas, 
Oziva, Tlwirta, China bei allen Völkern der Erde in Gang 





856) Ab. Remusat Remarques sur l’Extens. etc. 1. c, p. 113 etc. 
57) Nach d. Thangchou Lib. CXXI. p. 3 und CCXXI. p. 2 bei Ab. 
Remusat Remarq. I. c. p. 63. °*) Klaproth sur les Ditlerens 
Noms de la Cline in Memoires relat. a l’Asie. Paris 1828. 8 
T. UL p. 257— 270; Nouy. Journ. Asiat, T.XI p. 188. 


535°  Weft-Afien. J. Abſchnitt. 6. 6. 


kommt,“ ward jener Einfluß ungemein durch die Statthalter: 
fhaften und Wafallenfhaften verbreitet und erweitert, 
welche die chinefifche Politit in dem Siyu, oder den Weftläns 
dern, auf ihre eigenthiimliche Art einzuführen und feftzuftellen be: 
mübt war. Hierzu fam das Zufammentreffen der AWelteroberer 
in jenen Gegenden Transorianas und Qurfeftans, wo gleichfam 
die Wogen heranfluthender Heeresmaffen fernfter Croberungss 
züge, wie der Cyriſchen Monarchie, Aleranders, der Saffaniden, 
Khalifen und Anderen, fich ftets eben fo brechen mußten, wie der 
Einfluß der Völkerzüge, Colonifationen der Politik und Religionsz 


fofteme, die von Indien, oder Byzanz, oder von Mekka aus, dort - 


Eingang fuchten, oder von den Ländern der Mongholen, Tata 
und Turk her, Transoxiana mit den verfchieden redendften Hor—⸗ 
den zu neuer Vernichtung oder Anfiedlung uͤberſchwemmten, oder 
durch Gewalt und Lift, wie Hiongnuifche, Tübetifche, Uiguriſche, 
Chinefifhe Heereszüge und fchlaue Politik, in dauernde Fefleln 
zu fchlagen verfuchten, was endlich allein nur chinefifcher Politik 
und Confequenz gelingen Eonnte, | 
Ein chinefifcher Oberbeamter, der in der Mitte Oft-Turs 
keſtans feine Reſidenz nahm, hatte in jenen früheften Jahrhun— 
derten im Namen feines Kaifers alle jene Fänder zu verwalten, 
die von dem umfreifenden Gebirge Kaſchghars (f. ob. ©. 321) 
umgrenzt werden; er hatte aber auch die Verpflichtung, alle jene 
politifch zu beauffichtigen und näher fennen zu lernen, die fich 
von da bis zum Wefts Meere, d. i. zum Caspifhen See 
hin erſtrecken. Diefe klug durchgeführte Diplomatie hatte zum 
Erfolg, dag in gemiffen Perioden fehr viele, ja oft die meis 
ften und zumeilen alle Fürften, jener vielfach in fich zerfpaltenen 
Dpnaftien und Landfchaften, den Druck näherer Tyrannen und 


Gemwalthaber fürchtend, gern dem Protectorat des fernften _ 


Machthabers fic) hingaben, ſelbſt temporair unterwarfen, fo lange 
es ihnen wirflih Schuß oder Gewinn gewährte, für Gegenger 
fchenfe gegen foaenannte Tribute, oder auch für Ehrentitel und 
Embaffaden, welche nicht felten der Eitelkeit Fleiner Herrſchaften, 
von dem großen Weltmonarchen ausgehend, fchmeicheln mußten, 
der unter dem Namen des himmlifchen Kafhans der Tfin Jahr⸗ 


taufende durch ganz Central-Aſien denfelden Ruhm genoß, wel: - 


cher den Namen des Groß-Moguls einige Jahrhunderte hindurch 
im Süden Afiens begleitete. Selbft in den Epochen, in deren 
die Chinefen auf ihre natürlichen engern Landesgrenzen ſich ein: 


P2 


Welthiſtor. Einfl, der Chinefen auf Central⸗-Aſien. 539 


zufchränfen genöthigt waren, ging doch ftets, durch öfter wieder: 
holte, einzelne Expeditionen, oder durch den Handel, wie zus 
mal durch den Seidenhandel, der Karamanen aus ihrem 
Reiche in die fernften Regionen herauslockte, oder immerfort hab— 
füchtige Embaffaden und begierige Fremdlinge zu ihnen hinein 
führte, die Erinnerung an die Macht, die Größe und den Meichz 
thum des Reiches der Tfin durch alle Welt im Süden, Norden 


und Weften, und übte fort und fort ihren Einfluß aus, der um 


fo bedeutender war je weniger er jur Sprache Fam, wie dies viele 
Jahrhunderte hindurch ganz auf gleiche Weife mit dem indifchen 
Einfluß auf den Dccident der Erde, feit den Macedonierzeiten, der 
Fall war. 

Die Noth zwang endlich, fagt Ab, Nemufat, am Schluß 
feiner lehrreichen obengenannten Abhandlung, die Chinefen, wie 
einft den venetianifchen Staat, der in hundert Staatenberühruns 
gen ftand, dem feine diplomatifchen Embaffaden zum nothwendi: 


> gen Lebenselemente geworden waren, ftets über die politifchen Vers 


hältniffe aller benachbarten Fürften unterrichtet zu fen, welche die 
Länder im Weften ihrer großen Mauer bewohnten; weil hier nirz 
gends noch politifche Staatenfufteme fich feftgeftellt hatten, wie 
diefe die neuere Zeit und die Gegenwart herbeigeführt hat, das 
gegen dort viele Jahrhunderte hindurch noch Alles im Flug 
und im Werden blieb. Bei den chinefifchen Autoren find daher 
diefelben geographifchen und ftatiftifhen Daten über elle jene 
Weftländer Central: Afiens zu fuchen, die wir bei den Vene— 
tianern des Mittelalters für Mittels Europa wiedergefunden das 
ben, und wenn diefe legtern feldft bis Kambalu (Pefing), bis zu 
den Moscovitern und Engroneland im amerikanifhen Norden 
Auffchlüffe geben, fo kann es nicht länger Wunder nehmen, wen 

die politifch fo frühzeitig ausgebildeten Chinefen, auf diefelbe 
Weife, wenn auch nach anderer Methode, felbft Hronologis 
ſche, genauefte Daten von den Tadji oder Pof-fe in Perfien 
(3. 3. von Kou ſa'ho, d. i. Khosroes, Iſſe tſe, di. 


 HsHdedjerd, oder Jtatchi, d.i. Ardfhir, oder Shahin Schahe, 


Großfönigen der Saffaniden gegen den Sturz ihrer Herrſchuft, 
ſ. 06, ©. 425) 860) geben, oder vom An Thun der Tha— 
Tfin®) (M. Antoninus, Kaifer in Kom, um das 5%. 166 n. 
Chr. ©.) mittheilen. Oder von den Ta Tfin im VII Zahrhun: 





*s) Ab, Remusat Remarg. I. o. p. 101. °°) ebend. p. 123; 


* 


540 Weſt⸗Aſien. 1 Abſchnitt. 6. 6. 


dert (byzantiniſche Kaiſer, ſ. Aſien J. S. 210, die ſie dann Fou⸗ 
lin nennen) berichten, oder wie fo häufig in den Annalen der 
hang gefchieht, Nachrichten von den Tasche) (d. i. den 
arabifhen Khalifen, feyen es Schwarzröde, d. h. Abaſſi⸗ 
den, oder Weißröcde, Ommiahden, f. ob. S. 425) in Transoriana 
mittheilen, oder felbft von den vielerlei Staaten Hianthous, 
wie von Utchang, Kipin, Kanthomwei (d.i. Hindoftans, 
f. ob. ©. 297, 259 u. a. D,) reden. Sa in den dabei vorfoms 
menden Namen felbft fommen, wie in den In diſchen, ünzaͤh— 
fige Sansfritbenennungen, nur in Umfchreibungen, vor, 
welche den innern Character und die Documentirung ihrer 
Acchtheit in fich tragen, und über jene lächerliche und europäifch 
hochmüthige Aftergelehrfamkeit früherer Zeit erheben, in welcher 
man dergleichen Kenntnig im fogenannten barbarifchen Auslande 
für bloße inhaltleere Fictionen eitler Autoren erklärte, wos 
von felbft Schlözer in Beziehung auf den Often des Ptolemäus 
noch nicht ganz frei war. Was würde derfelbe große Hiftorifer, 
dem wir fo großes Ficht auch über den Morden und Often vers 
danften, fagen, wenn felbft rein griebifche Benennungen 
in den binefifhen Schriftzügen ihm aufgedeckt würden, 
die nur aus diefem langen Verkehr des Drientes und Dceidentes 
ihre Auflöfung erhalten. So ift es mit der Benennung des by: 
zantinifchen Neiches, das, nach dem Taithfingitoungtdi, 
feit dem VII. Sahrhundert, den Namen Folin (oder irrig Fous 
lin) erhalten hatte. Eine Gefandtfchaft Fam von daher, im Jahre 
Tchingkouang des Kaifer Thaitfung, d. i. im J. 638 n. Chr. 
Geb., nah China, und durch diefe erfuhr man dafelöft, daß 
jenes Neih damals Folin %) hieß. Der fcharfinnige Orien⸗ 
talift &. Jacquet hat, in einer fehr intereflanten Abhandlung, 
anf das überzeugendfte bewiefen, daß dies die getreuefte Ueber— 
fesung vom griechifchen z0hıv war, womit fchon in jener frühe: 
ften Zeit die Reſidenzſtadt Conftantinopolis bezeichnet 
ward, welche die Griechen verkürzt Bolin nannten, daher auch 
die Drientalen, wie Araber, und nicht erft die Türken, daraus 
Stanbolin (eis ray nakıw) machen Eonnten, wie dies ſchon 





se1) P. Gaubil Hist. de la Grande Dynastie des Thang in Mem. 
cone, P’Hist. d. Chin. T. XVI. p.9; Ab. Remug Rem. Lc. p. 88. 

2) E.Jacquet Origine du Mot Folin des Chinois in Nouy. Journ, 
Asiat. 1832. T.IX. p.456—464; und Silv. de Sacy in Chresto- 
mathie Arabe Fragment de Masoudi, 





Welthiftor. Einfl, der Chinefen auf Central· Aſien. 541 


Maſſudi im X. Saec. erklaͤrt, woraus dann der Name Stams 
bul durch den ganzen Orient ſich verbreitet hat. Der Irrthum, 
den Namen der Capitale auf den des ganzen Reiches zu übers 
tragen, werden europaifche Geographen billig verzeihen muͤſſen, 
die faſt Fein einziges Volk und Land Ofts und Sud Afiens 
mit demfelben dort einheimifchen Namen, fondern nur mit antis 
quirten laͤngſt verfchollenen (wie Perfer, Inder, Chineſen u. a.) 
nennen, oder mit voͤllig fingirten, die niemals in demſelben Sinne 
exiſtirt haben. 

Der Einfluß, den ſeit der Mitte des vorigen Jahrhunderts 
Chinas Eroberung auf ſo zahlreiche Tribus der Voͤlker durch die 
ganze Mitte des turkeſtaniſchen Aſiens ausgeuͤbt, iſt uns durch 
die Unterſuchungen des letzten Kapitels deutlich genug geworden. 
Die bedeutende Anzahl alter Städte, zwifchen Hami und Turfan 
bis Khotan, Yarkand und Kaſchghar, mit ihren weitläuftigen 
Stadtgebieten, behielten zwar ihre Autonomie, die einheimifchen 
Dherhäupter vom Hakim Beg abwärts bis zum Ming Bet 
(dem geringften Hauptling Über Taufend, ein Chiliarch), und ihre 
Würden, aber nicht ihre Macht; denn überall wurden ihnen zur 
Seite hinefifche Inſpectoren, Statthalter und Garnifonen, wenn 
auch nur von geringer militairifcher Zahl, eingefegt. Wenn anz 
faͤnglich ſchon 100 Mann Mandſchu und Chinefen ſelbſt fuͤr bes 
deutende Poften an der Kirghifengrenze, nach des General Tſchao—⸗ 
hoeis Urtheil, für hinreichend gehalten wurden, weil nachtückende 
chinefifche Heere jeden Ungehorfam rächen Eonnten, fo mußten 
diefe Garnifonen doch, in manchen der rebellifchen Cantons, wies 
derholt vermehrt werden, und ernftere Maaßregeln kamen hinzu, 
wie militairifche Colonifationen, Verbrecher: Colonien, Feftungss 
und Städte-Bau, Pofteneinrichtungen, Telegraphie, blutige Krieger 
züge, um zu erhalten, was mit Mühe gewonnen war, Die Haupt: 
politik der Chinefen beftand aber vorzüglich darin, die einheimis 
fchen Tribus und ihre Häuptlinge, unter fich, in Uneinigfeit und 
Fehde zu erhalten, wie 5. B. die Parteiungen der Ak: und Karas 
Khodjas, um bei deren zunehmender Ohnmacht ihres eigenen Su⸗ 
premates defto gewiſſer zu feyn. 

Zwei große Haupt-Militairfiraßen von Oſt gegen 
Weſt, auf der Nord: und der Südfeite des ThianSchans 
Zuges, Über Barkol nah Ili (der Pelu, oder Nordweg), und 
über Turfan nach Kafıhghar und Yarfand (Nanlu, der Süds 
weg), durch eine Kette geficherter Feften und Garnifonen, mit 


542 Meft- Alten. I. Abſchnitt. g. 6. 


immer wachſenden und nach allen Seiten ſich ausbreitenden Vers 
zweigungen über viele neue DOrtfchaften, welche den Mandfchus 
friegern als taugliche Stüßpuncte ihrer militairifhen Macht ers 
fchienen, find, nach vielen Jahrhunderten Anbahnung, zulegt zu 
einer gewiſſen, vegulairen Einrichtung gefommen, welche das 
ganze, weite Land mit feinen turbulenten Horden in ziemlicher 
Sicherheit umftrickt halt. Denn, wenn auch, wie die Erfahrung 
gelehrt hat, einzelne Maſchen deffelben zerriffen, fo wirft doch das 
Ganze in feinem Zufammenhange fo fort, daß die Dämpfung der 
Tumulte, bei der immer abnehmenden Energie der Unterdrückten, 
wol noch lange hin die Oberhand behaupten wird. Die Menge 
kleiner Forts zwifchen den großen, ferner die vielen geringen 
auf allen Routen vertheilten Wachtpiquets, die zahlreich angelegs 
ten dreifachen Linien der Zollhäufer, Paßvifitationen, die Pofts 
ftationen und Eſtafetten der Beamten für den Kaiferhof, die 
Wirthshäufer für die Beamten des Gouvernements, die von 
Strecke zu Strecke zur Befchleunigung aller Eaiferlichen Commus 
nicationen angelegt wurden, während die der Privaten auf: ges 
willen angewiefenen Routen nur Hemmungen und Befchränkuns 
gen erleiden (f. ob. ©. 415, 473 u. a. O.), find insgefammt eben 
fo viele Mittel, damit ſich die Herrfcher zur gegenfeitigen Unter 
ſtuͤtzung mit der größten Schnelligkeit die Hände reichen, um die 
aͤußerſten Weftgrenzen des Reiches immer fefter an den Thron im 
Oſten zu binden. Die Miffion, welche der Kaifer Khienlong 
dem Präfidenten des mathematifchen Tribunals, dem Pater Fe: 
lie d'Arocha, zur afteonomifchen Ortsbeſtimmung der Neuen 
Reichsgrenze (ſ. ob. ©. 522) mit leidenfchaftlicher Befchleu: 
nigung auftrug, zeigte den Plan der höchften Feftftellung aller 
jener neuen Eroberungen, und fehr merfiwürdig ift es, daß der 
Pater noch überall über die firirte Grenze hinaus, in die denz 
noch unabhängig gebliebenen Gebirgsgaue des Belur Tag, zur - 
Drientirung dafelbft vordringen mußte, wodurch wir auch die 
Drtsbeffimmungen von einem Dutzend nichtchinefis 
ſcher Städte erhalten haben, die jenfeit in den Grenzländern 
liegen, welche man wol gern zu den Vafallenftaaten, oder den 
tributairen am Hofe zu Peking gezählt hätte, um wie in antiken 
Zeiten immer weiter hinüber zu greifen in die cultivieteren und 
fruchtbarern Landfchaften der Turkeftanen oder der heutigen gros 
Ben Bukharei. Diefe Orte mit ihren oft fehe entitellten Namen 
im Chinefifchen wollen wir, zum Beften der Kartenorientieung 








Welthiftor. Einfl, der Chinefen auf Central⸗Aſien. 543 


und zur Benutzung für die folgenden Unterfuchungen, als Anhang 


zu den obigen Tafeln beifügen (f. 06. S. 346, 432): 

Felix d'Arochas aftronomifche Ortsbeffimmungen 
am Weftgehänge des Belur Tagh, oder im turfeftas 
nifhen Alpengebirgsiande, außerhalb der hinefis 
Shen Reichsgrenze 8%) im Jahre 1759, 

NBr DR v. Paris 
1) Andidjan (Antechnen) 410 28° ı 690 27° 
2) Iſitalchan (? Talikhan) 410 48° 680 56° 
3) Marghilan (Marholan) 4160 24 680 52° 


4) Namghan (Namtan) 410 388 680 22° 
5) Khokand (Haohan) 410 23° 68° 6’ 
6) Uratupa (Altoubei) 41° 33° 66° 52° 
7) Tafchfen d-(Tachefan) 430 3° 66° 29 
8) Badakhſchan 36° 23° 70° 1° 
9) Siknan (Chefonan) 36° 47° 690 16° 
10) Oroſchan, d. i. Urufchen 

(Saolochan ?) 36° 49 68° 36° 
11) Wakhan (Duahan) 38° 0° 689 53’ 
12) Bolor (Poloeulh) 37° 0° 700 29° 


Diefe wie alle vorhergehende Ortsbeftimmung turfeftanifcher 
Städte gefchahe zum Behuf des dafelbft einzuführenden faifer: 
lichen Staatsfalenders6#, gleichfam das Siegel des vollen- 
deten Ctaatseinfluffes auf die Unterwerfung der Landfchaften. 
So fehr iſt diefer Kalender bei den Chinefen und ihren Nach: 
barn refpectirt, daß es hinreichend ift denfelben anzunehmen, wor 
durch man fich als Unterthan und tributbar erklärt. Das Zus 


ruͤckweiſen deſſelben ift Rebellion. Doc ift man dabei nicht fo 


‚confequent, ihn deshalb jeden befondern tributairen Chefs zuzus 
ficken; der Gehorfam manifeftirt fih fchon aud auf andere 
MWeife. Die Abdficht ift dabei Sleichförmigkeit und Ordnung in 
die Operationen der ganzen Staatsmafchine, und Uebereinſtim— 
mung mit dem was in Peking gefchieht, zu bringen; gleiche Ees 
remonien, gleiche Feftfeiern zu haben, unter gleichartiger Zus 
fimmung der Himmelserfheinungen an allen Orten, 
zu den Xcten der Adminiftration und des Gouvernements, deren 


* 


5) Positions des Principaux licux etc. in Menı, conc, les Chinois 
T.1. p.393. Mailla Hist, Gen. Xl. p. 575. ®*) Mem. cone. 
les Chinois T.1. p. 392. j 


544 Weſt⸗Aſien. L Abſchnitt. 5 6. 


Regulativ im alten patriarchaliſchen Staatshaushalte des himm⸗ 
lichen Reiches, unter dem hoͤchſten Schutze des Tian (Geiſtes, 
oder des Yao) diefe aftronomifhe Grundlage bildet. Das 
her wird jedes Yahe im mathbematifhzaftronomifhen 
Tribunal die Stunde des Auf- und Unterganges der Sonne, 
die Länge der Nächte und Tage, der Anfang: der 24 Abtheiluns 
gen des Jahres für die Capitalen der 18 chinefifchen Provinzen 
und der 3 Mandfchu Provinzen berechnet, fo wie für die Haupts 
orte der Länder der Mongholen und der Turf, wo Garnifonen 
ftehen, und hiernach jede meteorifche Erfcheinung, zumal Sonnen: 
und Mondfinfterniffe u. ſ. w. beftimmt, weil diefen zu begegnen, 
oder die glücklichen planetarifchen Conjuncturen zu benugen, fo 
gut wie Krieg und Frieden, Geburtstage, Todtenfefte der vers 
ftorbenen Eaiferlichen Ahnen, Anfangstage der Dynaftien u. f. w. 
als zu den Staatsangelegenheiten gehörig betrachtet werden. Dies 
fes aftronomifche Band des Zufammenhalts mußte allen Nach⸗ 
barftaaten, als ein gleihfam vom Himmel ausgehendes imponiz 
ven; es hat durch alle einen gewillen Einfluß‘ gewonnen, und 
Afteologie ift dadurch überall hin, wie einft mit Babyloniern und 
Chaldäern vom Euphrat aus, fo auch von China aus, weftwärts 
mit allen turfeftanifchen Voͤlkerſchaften vorwärts gerückt, von wo 
diefe Art Aftraldienft vielleicht urfprüngli) ausgegangen feyn 
mochte. 

Bon diefem Einfluffe Chinas auf den Weften Afiens, der 
fih außer den unmittelbar politifchen Verhältniffen auch inss 
befondere höchft wichtig in allen jenen commerciellen offens 
bart, von denen oben vielfältig die Rede war, nämlich in dem 
gegenwärtigen weit mehr geregelten Völferzuftande 
der legten Jahrhunderte, den wir vorzüglich bisher nur wähs 
rend der Mandſchu-Dynaſtie (feit 1623 n. Chr. -G.) ver 
folgt haben, gehen wir zu dem der früheften Zeiten über. Denn 
wir übergehen die der Ming: Dynaftie 365) (reg. von 1341 bis 
1628 n. Chr. ©.), da fich diefe faft nur auf ihr altes Territorium 
innerhalb der chinefifhen Mauer zuruͤckzog, ſo wie die der Yuenz 
Dynaftie, oder die mongholifche Kaiferzeit der Dſchin— 
gisthaniden (1280—1341 n. Chr. G.), welche zwar viel ges 
waltiger auf den Weften der Erde aber andersartiger, mehr 
zerſtoͤrend und verfchiebend, als aufbauend und_organifirend einz 


\ 


”**) Ab. Remusat Remarques 1, c. p. 70. 








\ 


Transoriana von Chineſen entdeckt 5.3. der Han, 545 


wirken mußte, worüber nur andere Betrachtungen in Verbindung 
mit den europäifchen hiftorifchen Begebenheiten lichtgebend ſeyn 
Fönnen. Daher gehen wir hier nur zu den beiden befannter 
gewordenen älteften Perioden des Einfluffes China’ 
auf den Weften Afiens über, der geftaltend genannt wers 
den muß, und durch welchen uns die damaligen, älteften Zus _ 
fände der Länder, Völker und Staaten Central: 
Afiens hervordaͤmmern; dieſelben, welche eigentlich die Grund: 
lage der alten Geographie Mittel: Afiens abgeben, aus 
denen uns erſt Einiges der claffifchen Zeit der Griechen, 
Römer, Byzantiner, wie der mohammedaniſchen 
Araberzeit des afiatifhen Mittelalters Elar wird, 
Hieraus erhalten wiederum fo manche Verhaͤltniſſe der Gegens 
wart ihr Licht und ihre Aufklärung, die bisher ohne jene Grund: 
Tagen im Weften Afiens, zumal auch für deffen Literatur, Culture 
und Antiquitäten ganz unverftändlich bleiben mußten. 


/ 


Erläuterung 1. 
Einfluß de3 chineſiſchen Reiches auf Weſt-Aſien unter ber 
Dynaſtie der Han (163 vor, bis .196 nad Chr. Geburt). 
Tſchangkians Entdefung von Ferghana, Sogdiana, Bacs 
trien.und ber Handelöftrage nad Indien, um das 3. 122 
. vor Chr. G.; Phantſchao's Entdekung des Caspiſchen Sees 
66 vor Chr. G. Kenntnig von Ta Tſin und Afi, oder dem 
roͤmiſchen Reiche und dem Parther-Reiche. Handelöverbins 
dung zwifchen dem Oſten und Weften der alten Welt über 
Indien und auf directem Wege, zu Zeiten Kaifer Marc, 
Antoninus, 166 nach Chr. Geb. 


Gluͤcklicher als mit dem Untergange des an Kenntniß 
Inner-Afrikas fo reihem Karthago, durch den barbaris 
fchen Haß der Römer, von welcher uns leider auch faft gar 
‚nichts von Bedeutung gerettet ward, beginnt, ganz gleichzeis 
tig, die genauere Kenntniß Inner-Aſiens, durch das 
Aufblühben der EhinefensDynaftie der Han (von 163 
vor bis 196 nach Chr. Geb.), die bis gegen das dritte Jahr— 
hundert nach Ehrifto, alfo bis gegen die Zeit der Verlegung der 
römifchen Kaiferrefidenz von Kom nach Byzanz, der Nachwelt, 

Ritter Erdkunde VII, Mm 


5346 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 6, 


in ihren Annalen, chronologifch genau geregelte und gut ges 
ordnete Nachrichten binterlaffen hat, die von unfchägbarem 
Werthe für Geographie und Gefchichte des Orients genannt 
werden müffen. Aber kaum iſt erſt der Zugang zu den Origi— 
nalquelfen diefer chinefifchen Annalen und der Weg durch wenige 
Sinologen gebahnt, aus deren Arbeiten wir hier hinfichtlich dee 
fo eben berührten, wie hinfichtlich der folgenden Periode, nur das 
Hierhergehörige anzudeuten haben, 

Unter der Han-Dynaftie verbreiteten fih zum erften 
Male die : Waffen der Chineſen bis zum Occident. In dieſe Zeit 
fegen die meiften ihrer Hiftoriker und Geographen ihre Entderfung 


der Abendländer (Khai-Sisyu)s®), alfo nur anderts 


halb Jahrhunderte fpäter, als der macedonifche Alerander 
für das Abendland das Morgenland, Indien und Bacz 
trien, entdeckt hatte. Gänzlich unbekannt Eonnte ihnen der 
Weſten nicht geblieben feyn, da auch ihre Altern Schriften, wie 
die philofophifchen eines weit gegen den Weſten gewanderten 
Weltweiſen Laotſeus7) und Hoainan tfeu, und ihre fabels 
reichen Cosmographien „von den Meeren und den Bers 
gen”) und Andere davon reden; aber fo wenig. wie vor den 
Macedoniern ein Ktefias oder Herodot u. A. von Indien 
(Afien IV 1. ©. 444 — 449) cin gewichtiges UrtHeil im befons 


dern haben: fonnten, eben fo wenig die chinefifchen Autoren der 


fröhern Zeit über Siyu im Weften des DBeloro. 


Seit der 55 Yahre lang dauernden Negierungszeit des Kaie 


fs Hiawouti (reg. von 142 bis 87 vor Chr. Geb.) fangen 
die regelmäßigen Berichte aus dem Occidente an, die 
in China einlaufen, und wie in allen phyficalifchen Erſchei— 


— 2* 


nungen nur erſt, nicht blos momentane Wahrnehmungen, ſon⸗ 


dern periodifch wiederkehrende durch wiederholte Beobach⸗ 
tungen, zu Naturgeſetzen fuͤhren, ſo auch kann hier erſt, im hiſto— 
riſchen Sinne, nur von Völfers und Laͤnderverhaͤltnifſen, 


die nun nach und nach aus dem Dunfel und der ——— 


der Vergangenheit hervortauchen, die Rede feun, 


*°°) Ab. Remusat Remarques sur l’Extension de l’Empire Chinois | 


du cot@ de !’Oceident ‘in Memoires I. c. Paris 1825. 4. p. 113 


bis 126. 6?) Ab. Remusat Memoire sur la Vie de Lao Tsen | 


Pbilosophe Chinois du VI Siècle ayant Jes. Christ, Paris 1823. 
4. p. 12. °s) Ab, Remusat Remarques I. c r 129. 








Sransoriana durch Tſchangkian entdeckt I2v. C. G. 547 


Man zählte, zu Kaiſer Hiawoutis Zeit, 36 Staaten 
fremder Völker, die alle im Werften des großen Chinefenfeindes, 
der Hiongznu, der hier diefelbe Nolle Jahrhunderte lang wie 
der germanifche Römerfeind am Rhein und Iſter fpielte, liegen 
follten, und im Süden der Ufun, oder richtiger Ufiun (ſ. 
Aſien I. ©.194, 352, 431— 437), deren frühere Sige im Often, 
nahe dem eigentlichen China, vor ihrer Völkerwanderung 9) gegen 
den Welten, uns aus Obigem bekannt ift. 

Hier ift der Ort, unter diefem Kaifer feines chinefifchen Ges 
nerals, Tfhangkian’O), deffen wir ſchon früher einmal gedachz 
ten (f. Afien J. ©. 201, 195), genauer zu erwähnen, als deg 
Entdeders Sogdianas, des Laspifchen Meeres und 
In diens, nicht ald Eroberer, fondern als politifcher Miſſionar, 
um das Jahr 122 vor Chr. Geb., auf welchen fchon Deguignes 71) 
aufmerkſam gemacht hatte, obwol feine geographifchen irrigen Aus— 
legungen erſt neuerlich durch Ab. Nemufat berichtigt worden 
find. Da diefe geographifchen Irrthuͤmer von Deguignes, aus 
defien hiſtoriſchen Schriften, in fo viele andere feiner Nachfolger 
übergegangen find, fo lohnt es wol hier der Hauptfehler”2) 
zu gedenken, aus denen alle andern nothwendig, wegen falfcher 
Drientirung, hervorgehen mußten. Er erkannte in den Tahia 
noch nicht die Dahae der Claſſiker. Die Afi las er fehlerhaft 
Sanfie, er hält das Land der Khang oder Kang für Kaptfchaf, 
da 25 doch Sogdiana (Samarkand) if. Deshalb wurden viele 
andere Dertlichfeiten geographifch verrüdt und andere nicht aners 
kannt. 3.B.in Meimorg erkannte er nicht die Mi, in Sou: 
tuihana noch nicht Osruſchna, in Nachipo noch nicht 
Nakhſab, in Tiaohi noch nicht die Tadjif, in dem Sai 
noch nicht die Saken, Sacae, in Kipin noch) nicht Kophene u, 





69) Bergl, Pat. Gaubil Hist. Chinoise de la Grande Dynastie des 
Thang in Mem. conc. V’Hist. d. Chin. Paris 1814. T. XVI. p. 391 
bis 395. 70) Pianitian Lib. XLIII. p.2 etc. in Abel Remusat 
Remarques I. c. p.114 u, f.5 vergl. deſſ. FoeKoneKi I. c. Not. 
.p-14 und ch. VII. p. 35 Not. p. 37 —39. 71) De Guignces Re- 

Lexions generales sur les Liaisons et le Commerce des Romains 

avec les Tartares et les Chinois in Memoires de Literature des 

- Registres de FAcadem. Roy. des Inscriptions. Paris 1773. 8. 
T.LVIN, p. 176; deſſ. Gefchichte der Hunnen zc. Ueberſ. v. Daͤh⸗ 
nert Einl. ©. 33 und Th. I. ©. 160 — 169, wo er aber irrig Tſhang⸗ 
kiao genannt ift. 72) Ab, Remusat Nouy, Mel. Asiat, T. I, 
P. 188 — 189 etc, 

Mm 2 


348 WofteMien J. Abſchnitt, 6. 6. 


ſ. mw. an. Seit Ab. Remufars Berichtigung dieſer Puncte 
folgten auch Klaproth im feinen verfchiedenen Schriften, und 
St. Martin in feiner Hist. du Bas Empire u. a, D., diefem 
Vorgange, wie wir bier, 

Die von den Hiongsnn gegen den Werften verbrängten und 
graufam bis nach Sogdiana verfolgten Yuetfchi Yuethe, 
Yueti, Getae), hoffte der Kaiſer Hiawouti, im Rücken feines 
Grenzfeindes, zur Allianz wider diefen zu bewegen, und deshalb 
ward der General Tſchangkian zu ihnen mit mehrern Officer 
ven ausgefandt, fie in ihrem damaligen Wohnorte feldft aufzus 
fuchen. Diefer General ward nun, um fie zu erreichen, viel weis 
ter gegen den Ilntergang der Sonne verfchlagen, als er wol ſelbſt 
anfänglich beabfichtigt oder gedacht hatte. 

Die Yueti hatten, von den Hiongnu verfolgt (feit 165 vor 
Chr. Geb.), in nordweftlicher Verzweigung, die Ta Yueti 
oder großen Beten genannt (im Gegenfas der Eleinen 
Yueti, die ihr Afyl gegen S.W. in Tübet fuchen), den Thian 
Schan überftiegen, fanden aber in den Sitzen am li ſchon die, 
Ufiun, ihre Leidensgefährten und frühere Nachbarn, an der Chir 
nefengrenze als Feftgefiedelte vor... Diefen mußten fie daher auss 
weichen, gegen S.W., nach dem heutigen Transoriana zu. Anz 
fangs hatten fie fich des weidenreichen Landes 373) der Szu, oder 
Sai (Sara, Safen, ſ. Aſien I. ©. 432), von denen Hiuan 
Thſang noch zurückgebliebene Spuren in den Gebirgsthälern am 
hohen Pamer im VII. Sahrhunderte (f. 06. ©. 494) vorfand, 
bemächtigt, fo daß diefe über den Sihun (Syr oder Yarartes) 
füdwärts ausweichen mußten, wo fie den baftrifhen Thron 
der mafedonifhen Dynaftie ſtuͤrzten (f. ob. S. 109 u. f.). 
Die Ufiun am Ili und Iſſekul, im vormaligen Sande der 
Sai (Zazuı), aber von neuem gedrängt, durch die noch immer 
gegen Weften mächtig fi ausbreitenden Hiongnu, fließen nun 
auch die Yueti (Getae) Über den Jaxartes, fo daß dort Geten 
den Safen folgten. Diefen hatte im Weſten, nach den chiner 
fifhen Autoren, das Neich der Asfi (Parther) Widerfiand 
geleiftetz nun mußten fie gegen den Süden vordringen. Die 
Yueti, ihrerfeits, wurden wieder von den Uſiun gedrängt, 
welche, begierig das vordem von den Sai befeflene Ländergebiet 
einzunehmen, jene mit Krieg überzogen, fo daß die Yueti (Getae) | 








#73) Klaprotlı Tableaux historiques de l’Asie. Paris1826. 4. Peuples 
de Race blonde. p. 163 — 166. 


Transoxiana durch Tſchangkian entdeckt I22v. C. G 549 


aus ihrer anfänglichen Anfı iedlung in Taman, oder Schaf 
Gerghana), nach Tahia (Land der Sai, oder Saken, Fazer, 
"Dacae) fortfchreiten mußten, zur Nordſeite der Orusufer, oder in 
das fogenannte Transoriana der Alten. Die Yueti) wie die 
©ai (Getae und Sacae, oder Dacae), mußten nun bei fernern 
Wedraͤngniſſen immer weiter nach dem Suͤden vordringen, alſo 
endlich Hiantu (Nord-⸗-Hindoſtan, f. ob. ©. 285, oder die 
nördlichfte Anfiedlung des Tribus der Chintu, wie im Pianitian, 
ſteht Lib. XLIII. p. 2) erreichen. Hier nun auf der Suͤdſeite 
der Schneefetten finden wir fie als die Eroberer durch 
‚ganz Kabul (Kipin, Kophene, Utſchang) und Kandahar (Kians 
ho wei) bis Belludſchiſtan (Foe leou tſcha), ja bis Sinde 
Hee, Jut, ſ. ob. S. 179), als indo-ſkythiſche Dyna— 
ien und Eindringlinge, durch die folgenden Jahrhunderte, übers 
all auf der Weftfeite des Indus wieder (f. ob. ©. 296), 
orüber die oben angeführten Muͤnzen und Monumente die wich 
Fe neuen Belege geben. 
In jener Zeit der Voͤlkerverdraͤngung Inner Aftend mußte 
te cinefifche General Tſchangkian, der von den Weftthoren 
e großen Mauer ausging (f. Alien I. ©. 202), zuerft Länder 
durchziehen, die von den Hiongnu beherricht wurden. Diefe 
bald von dem Zwecke der Sendung unterrichtet, fehnitten ihm den 
eg ab, und zehn Jahre lang ward Tſchangkian mit feinen 
jefährten von ihnen gefangen gehalten. Hier hatte er fich ver⸗ 
irathet, e8 waren ihn aucd Kinder geboren: er fonnte fich, uns 
r den Hiongnu faft nationalifirt, von ihren weiten Steeifereien 
und eroberten Herrfchaften Kenntriffe einfammeln, die früher uns 
bekannt geblieben waren. Der Zweck feiner Sendung entging 
ihm nicht, und endlich gelang ihm fogar mit feinen Gefährten 
die Flucht; nach mehr als zehn Tagereifen erreichte er die Grenz 
zen von Tawan (Ferahana). Die Bewohner diefes Landes 
kannten den Reichthum und. die Macht Chinas von Hörens 
fagen; aber fie hatten keine directe Verbindungen mit ihnen 
abt. Sie unterftügten den Flüchtling, der bei ihnen erfuhr, 
daß die Yueti die Eroberer von Tahia (dem Lande der Saken, 
Transoxiana) geworden waren, in feiner Weiterreiſe, und er ger \ 
Tangte”%) durh Khangkiu (Sogdiana) zu den Yueti und Tas 
hia am Suͤdufer des Oxus (alfo im alten Bactra, Im heus 













hd | Ab. Remusat Remarg. I. c. p. 116; FocKoueKi p. 37. 






























550 Weſt⸗Aſien. J. Abſchnitt. 5 6. 


tigen Balkh). Die Yuete in ihrer neuen Anſiedlung zeigten 
durchaus kein Intereſſe in die Vorſchlaͤge des chineſiſchen Generals 
von Seiten ſeines Kaiſers einzugehen. Sie wollten ein ſo reiches, 
fruchtbares Land (Baktrien) nicht wieder verlaſſen, um in die 
Wuͤſten der nachmaligen Tatarei, jetzt noch der Hiongnu, zus 
ruͤckzukehren, und dieſe, ihre Bedraͤnger, denen ſie kaum erſt glück 
lich entgangen waren, von neuem mit Krieg zu überziehen. - Der 
chineſiſche General, fehe unzufrieden mit dem Ausgange feiner 
Embaffade, wählte, zum Ruͤckwege, um den Hiongnu auszureis 
chen, eine andere füdlichere Route durd Tuͤbet (vielleicht die 
füdlichfte Badakhfchan-Route, über Kartchou, f. oben ©. 503, 
nach) Yarkand, Khotan, Keriya, f. ob. ©. 326—327 u. f. W.). 
Aber auch dahin weit nah Süden drangen damals noch (näms 
lich bis zu Pantſchaos Zeit, f. ob. ©. 359) die Streifereien de 
gefürchteten Hiongnu vor, und zum zweiten Male von ihnen 
gefangen, entfchlüpfte er nur, durch die Verwirrung, welche d 
Tod des regierenden Tſchen-yu (f. Afien I. ©. 432, d. i. ber 
Kaifer der Hiongnu) veranlafte, begünftigt, und £ehrte nach eine 
Abwefenheit von 13 Jahren feltfamer Fata nah China zuruͤck. 
Don 100 Perſonen feines anfänglichen Geleites kamen nur zwe 
glücklich mit ihm zurück, 
Die von ihm mit eigenen Augen gefehenen Länder waren 
nah Tſchangkians Berichte: jenes Tawan, oder Schaf 
(Ferghana und Tafhfend), Ta Yueti, d. i. das Land 
der großen Getae (Transoriana), Tahia (Bactria d 
Dahae oder Sai) und Khangfiu (Sogdiana, d. i. das Lan 
zwifchen Samarfand und dem heutigen Bofhara), deren damali 
Grenzen genaner zu beftimmen freilich wol feine Schwierigkeiten 
haben mag.‘ Aber zugleich hatte er noch genauere Nachrichte 
von fünf bis fechs andern benachbarten, großen Staa 
ten eingefammelt, von denen er in feinem Reifeberichte an d 
Kaifer manche Mittheilung machte. Er war es zugleich, der zu 
erft feine Landsleute die Hindus Eennen Lehrte, unter dem Na 
men der Chinton, oder des Landes Thiantouz er unterrich 
tete fie, daß man von Setfehuen aus, ſchon mit Bactrian 
und India Handel getrieben hatte, ohne bisher dieſe Lande 
und Völker, weher die koͤſtlichen Waaren kamen, zu Eennen. 
theilte eine Handelsroufe dahin mit, welche die dahin füh 
renden Gebirge auf weit fürzern Paͤſſen durchfegte, als au 
derjenigen, welche ex felbft dahin zuerſt (namlich die Nordrout 


> 


Transoriana duch Tſchangkian entdedt 122 v. C. G. 551 


tte er wol uͤber Ferghana genommen) eingeſchlagen. Dieſer 

Bericht veranlaßte den Kaiſer, mehrere Verſuche machen zu lafs 

fen, quer durch Tuͤbet nach Indien vorzudringen; aber die böfen 

Wege und die damalige Barbarei der Einwohner (es war ein 

halbes Jahrtauſend vor ihrer Bekehrung zum Buddhismus) lege 

. ten umhberfteigliche Hinderniffe in den Weg. Mehrere der chines 
ſiſchen Gefandten wurden auf diefer Route erfchlagen. 

‚ Die fpecielle Nachricht über diefe Altefte Berichterftattung 
Sfhangkians in den Annalen der Hans”) enthält das 
merkwürdige Factum, daß fhon damals ein bedeutender 

- Handel hinefifher Waaren durch das Land der Tahia, 
d.i. der Dahae, Daken bei Herod. und Arrian, oder Safen bei 
den fpätern Ptotem., der Sakas bei Hindus, d. i. der Sai (di. 
Transoriana), nah Indien hin und zuruͤck Beftand hatte, 
daß diefer alfo nicht erft fpäter, im U. Jahrh. nach Chr. Geb., 

“ wie man nach Ptolemäus Angabe von der Serenftraße am Stei— 
nernen Thurm etwa vermuthen möchte, in Gang fam (f. ob. 
S. 483, 485). Obwol uns nicht Alles ganz deutlich ift in dies 
fem Berichte, fegen wir ihn doc) des Ichrreichen Theils feines In— 
haltes wegen, für jenen Verkehr im höchften Alterthume, hier her. 
Bei den Tahia, fagt Tſchangkian, bemerkte id Bam⸗ 
busrohre von Khiungl?) und Zeuge von Tſchu (Chu?), 
Auf meine Frage, woher? fagten die Tahia, daß ihre Kaufleute 
bis ih das Sand Chintou @. i. Sind oder Hindu) handel 
ten (d. i. ein Theil von De Hiantou, oder Nord: Hindoftan, 
"nämlich wol auf der Wefkfeite des Indus oder Sind gelegen). 
Chintou liege im Suͤdoſten von Tahia, einige taufend Li fern. 
Die Sitten und Trachten der Einwohner diefes Landes feyen des 
nen der Tahia ähnlich. Aber ihr Land fey niedrig, heiß, 
"feucht (alfo das tiefe, ſchwuͤle, regenreiche Yndusthat). Dort 
reiten fie auf Elephanten, wenn es in den Krieg geht. Ihr 
Land grenzt an das große Meer (der Ocean am Yndus-Delta). 
Das Land der Tahia mag nach meiner Schäsung noc) an 1200 
gi in S.W. von China liegen (ob von der chinefifchen Weft 
grenze?). Da Ehintou einige taufend Li im Südoft der Tahia 
liegt, und man dafelbft Waaren von Tſchu (Chu) findet, fo kann 
dies Land nicht fern von dem lestgenannten liegen. Deshalb 
wollte ich durch das Land der Khiang (d. i. Tüber) ven Ruͤck⸗ 





#75) Theian han chou Lib, LXT. p. 1, 5 nach Ab, Remusat im Foe- 
BoneKi l. c. p.38. 


552° MWefteMien. I. Abſchnitt. $ 6. 


meg nehmen. Aber ich gerieth etwas zu mweit noͤrdlich und ward 
ein Gefangner der Hiongnu, Doch muß es leicht fenn, dürch das 
Land der Tſchu (Chu) heraus zu fommen; denn von Raͤubern 
hat man da nichts zu beforgen, 

As Kaifer Hiawouti erfuhr, daß die Tawan, Tahia, 
Afı (Anſi bei Deguignes, auch, obwol nach falfcher Yesart, 
Ganſi, auch Afiani) und andere Völker, dort große Reiche 
bildeten, in denen man viele Koftbarfeiten vorfinde, daß diefelben 
viel Aehnlichkeit mit dem Neiche der Mitte hätten, aber wenig 
friegerifch fryen, und die chineſiſchen Waaren fehr hoc) 
fhägten, da er ferner wußte, daß die nordifchen Großen Yueti, 
die Shangfiu (di. die Sogdianen), und andere mädtige 
und Friegerifche WVölfer, durch Reichthuͤmer angelodt würden; da 
er ferner bedachte, daß, wenn man diefen die Gerechtigkeit eins 
prägen fönnte, dem chinefifchen Neiche eine Ausdehnung der Laͤn⸗ 
der von 10,000 Li (d. i. 500 geogr. Meil.) offen ftche, und daß. 
dann die guten Sitten und die Tugenden (d. i. die chinefifche: 
Civilifation) bis zu den 4 Meeren, d. h. nach allen Weltgegens 
den fich ausdehnen würden; ſo ging der Kaifer in des Genes 
ral Tſchangkian Projecte ein. Von Tſchu (Chu? unbekannt; 
follte es etwa Weſt-Tuͤbet oder Yadafh feyn?) aus wurden auf 
feinen Befehl mehrere Gefandte ausgefchieft. Sie gingen nah 
vier verfchiedenen IBeltgegenden, und legten an 1000 und 2000 8: 
(75 bis 150 geogr. Meil.) zuruͤck. Aber im Norden fanden fie, 
die Routen gefchloffen durch die Ti und die Tſo (2); eben fo im 
Süden durch die Soui und die Kouenming, die ohne Fürs. 
fien nur als Naubhorden lebten und mehrere der Gefandten ers 
ſchlugen. Es Eonnte alfo nach diefen Richtungen hin feine Vers 
bindung in Gang gebracht werden. Dagegen erfuhr man, daß 
taufend Si im Weften fih das Königreich befinde das Thian 
(Hiantou) heiße, wo man ſich der Elephanten zum reiten bes 
diente, Dort nehmen die Waaren die von Tſchu (Chu) Famen 
ihren Durchzug. Einigen der Abgefandten gelang es dahin zu 
fommen. Indem man es nun fo auf diefe Weiſe verfuchte mit 
denen von Tahia (den Daken, Saxaı) in Verbindung zw tre— 
ten, fingen die Ehinefen zugleih an auch das Land Thian 
fennen zu ‚lernen. Echon viele Verſuche hatte man zuvor ges 
macht, um Verbindungen mit den Barbaren im Suͤdweſten anzus 
fnüpfen; aber ohne die Berichterftattungen des General Tfchangs 
tion, daß cs möglich fey, auf dieſem Wege zu den Tahie zu 





— 


Transoxiana durch Tſchangkian entdeckt 122v. C. G. 553 


gelangen, wuͤrde man dergleichen Verſuche fernerhin auſgegeben 
haben. 

Später führte Tſchangkian ein Kriegsheer gegen die 
Hlongnu, weil feine Länderfenntniß unter diefen feindlichen 
Nachbarn fehr vortheilhaft fir die chinefifchen Unternehmungen 
war. Er gelangte im jahre 123 vor Chr. Geb. zu einem fehe 
Hohen Poften im Reiche; aber zwei Jahre darauf, 121, ward ex 
dennoch von den Hiongnu befiegt und deshalb zur Etrafe degras 
Dirt, Doc) erhielt er durch die befondere Gnade des Kaifers Pars 
don. Er Eonnte noch lange Zeit nügliche Nachrichten über die 
politifchen Verhältniffe der Fürften der Hiongnu, der Ufiun, der 
Yueti (Geten) und über die Unterjochung der Saken (Sai) 
durch die Yueti, fo wie über vicle andere Staatsbegebenheiten 
der Nölfer von Siyu oder dem Weften einziehen. — 

Es beginnt in diefer Zeit die Periode der immer fortfchreis 
tenden Schwächung der Macht der Hiongnu an den Weſtgren— 
gen Chinas, welche nun fortan weniger durch ihre Attafen beun— 

rxuhigt wurden, und die Weftvölfer werden zugleich freier von 
den Ueberfällen und dem Druck diefer Barbaren (f. Aſien J. 
-&. 202). Chinefifche Politit dagegen wird es, von nun an, ich 
in die Streitigkeiten der Prinzen diefer Weftvölfer zu miſchen; 
eine Politik, die. durch ihre Einrichtung der 4 Kiun (Terris 
forien, feit.59 vor Chr. ©.) und die Einferung der zwei Ges 
neraicommandanten in denfelben, die bald, weit durch den. 
in ſich gefehwächten und vielfach zerfpaltenen Siyu ihren Einfluß 
verbreitend, feit den ältern Zeiten der Schenfchen (f. ob. ©. 332) ' 
bis in die neueften der Khodjas (f. ob. ©. 506 u. f.) immer dies 
felbe geblieben ift (divide et impera). Um das Jahr 5 vor Chr, 
Geb., unter Aiti und Phingti, fagen die HansAnnalen 876), war 
das Weftland in 55 Eleine Staaten getheilt, deren Fürften 
Dafallen von China hießen. Die Zahl der dort functionis 
renden chinefifchen Beamten war 376, nämlich als Städtecoms 
mandanten, Chefs von Tribus, Adminiftratoren von Landfchaften 
und überhaupt als eingefeste Magiftratsperfonen, welde 
mit Gürteln verfehen waren und ihre Eaiferlichen Inſiegel hatten. 
Aber unter diefen, heißt es ausdrücklich, waren jedoch nicht bes 
griffen, die Könige der Groß-Yueti (Getae), Khangkiu 
(Sogdiana), Azfi (Aſi, Aſiani, oder oͤſtliche Parthifhe), Dui 


*’*) Ab. Remusat Remarques l. e. p. 120. 


554 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. 86. 


und Andere, die auch dafuͤr galten, obwol ſie weit entfernt wa⸗ 
ren um ſolche wirklich zu ſeyn. Man lernte in dieſer Zeit nun 
ſchon die verſchiedenen Weſtſtraßen durch Siyu, als Nord⸗ und 
Suͤd-Straßen kennen (ſ. ob. S. 322), und fand bequemere mitt⸗ 
lere Straßen zwiſchen jenen aus. Wuchs von Zeit zu Zeit eins 
mal wieder, die noch immer nicht gänzlich vertilgte Macht der 
Hiongnu, wie z. B. um das Jahr 75 nach Chr. Geb., wo fi) 
diefe im Uiguren-Lande feftgefest hatten (f. ob. S. 437); fo 509 
man die eingeſetzten Commandanten aus jenen Gebieten unter 
dem Vorwande: „die Ruhe von China nicht dein Wohl der Bars 
baren aufzuopfern“ Ceine chinefifche officielle Flostel, wenn die 
Truppen gefchlagen waren), wieder an fich, und wartete das fels 
ten lange anhaltende politifche Unwetter ab, um dann wieder in 
die alten Poften einzuruͤcken. 

So geſchahe es auch diesmal 877), fchon 3 Jahre fpäter, 
nachdem die Hiongnu aus Koueitfen (d. i. Biſchbalik, 
oder der wigurifchen Pentapolis, f. Afien I. S. 382) vertrieben 
waren, daß fogleich wieder 50 Staaten in das Verhältniß jener 
Vaſallen zurückgekehrt, d. hd. wieder tributair geworden waren, 
Man nahm in diefer Zeit unter andern auch die Unterwerfung 
der Tadjik (Perfifch redende), die hier zuerft genannt werden, 
und der Afi an, und aller Volker, die bis zum großen Weſtmeere 
(d. i. den Caspifhen See) wohnten, obwol diefe Entfernung bis 
auf 40,000 Li angegeben wird, was freilich fehr übertrieben (300 
alte Li zu 1 Breitengrad gerechnet), 1900 geogr. Meilen betragen 
würde, in directer Diftanz, von der wahren Länge vielfach ges 
kruͤmmter Routen und Umwege jedody nur wenig abweichen 
möchte. 

In diefe Periode fällt (9 Jahr nach Kaiſer Mingtis Tode, 

Jahr vor Chr. Geb.; alſo um das Jahr 66 vor Chr.) die 
Entvdedung des Caspiſchen Meeres durch die Chines 
fen. Der General: Commandant Phantſchao (oder Panz 
tſchao) war es, der den General Kanying in diefer Zeit auss 
fandte, das Meer des Decidentes ©) (Caspiſches Meer, 
Neumann verſteht darunter das Mitteländifche Meer) 7%) zu” 
bereifen; defien Expedition brachte natürlich eine Menge von 

’ 
3 
s’7) Ab. Remusat Remarg. I. c. p. 122. *2) Nach Pianitian 


Lib. LVI, p.2 b. Ab. Remusat Remarg. 1. c. p. 122. 20) E. F. 
Neumann Aſiatiſche Studien, Leipz. 1837. 8. Th. J. S. 194. 


- 








Caspiſches Meer durch Phantſchao entd, 66 v. C. G. 555 


Kenntniſſen und Dingen mit in die Heimath, die unter den vo⸗ 
rigen Dynaſtien unbekannt geblieben waren. Von Voͤlkern, Sit⸗ 
ten, Producten, Traditionen, Koſtbarkeiten vieler Landſchaften und 
Koͤnigreichen wurden, nach chineſiſcher Weiſe (die unſerm neus 
europaͤiſchen, gemengten und zerhackten, innerlich wenig zufam: 
menhängenden geographifchen Compendienftyl, der auch Alles Zus 
fällige mit dem Wefentlichen und Seltfamen zufammenrafft, nicht 
unähnlich fieht, als wäre fie Mufterbild gewefen), eine Menge 
von unverbundenen Daten mitgetheilt. Unter den entfernteften 
der Königreiche werden die von Mengki (?) und Teoule(?) 
genannt, deren Fürften Wafallen werden wollten, und deshald 
Faiferliche Inſiegel erhielten. 
Phantſchaos Abfiht war geiwefen, fein Abgeordneter follte 
sordringen bis in das MNeich der Ta Ifin (Imperium Romanum, 
d. i. wörtlich überfegt „groß wie Ifin oder China,” d. i. das 
Große Reich, welchem diefer Ehreriname gegeben ward, weil 
es im Decident der Erde als dasjenige galt, was das Himmlifche 
Reich der Tfin, d. i. der Ehinefen, gegen den Aufgang war, das 
oberfte in jeder Art). Aber, als General Kanying, heißt es, am 


Ufer des Weftmeeres angelangt war, ftellten ihm die Tadjie (Per⸗ 


fifch 'redende), bei denen er war, vor, daß die Schiffahrt die er 
unternehmen wollte zu gefahrvoll fey. Sie fagten: bei gutem 
Winde brauche man 2 Monat Zeit um über das Meer zu fihifs 
fen; aber zum Ruͤckwege brauche man, wenn der Wind hicht 
günftig fey, 2 Jahre Zeit, fo daß die Schiffer, die nach dem Ta ' 
fin gingen, den Gebrauch) hätten, fich mit Borräthen auf 3 Jahre 
zu verfehen. Das waren die Schwierigkeiten die man ihm machte, 
oder die er vorgab, um fich wegen feiner Nückkehr zu entfchuldiz 
gen; weshalb, diesmal alfo, auch das Ta Tfin oder Imperium 
Romanum nicht mit in die Reihe der tributairen Provinzen eins 
regiftriet werden fonnte, — 

Dieſe erfte Nachricht von der Heberfchiffung des Cas— 
pifhen Meeres ift ganz gleichzeitig derjenigen, welche wir 
aus Sext. Pompejus Erfundigungen dafelbft durch Plinius (Hist. 
N. VI, 19) erfahren, der die Anzahl der nothivendigen Tage zur 
Sandreife von Kolchis nach Baktrien wol angiebt, aber nicht die 
der Serüberfahrt. So fehr diefe auch, bei den Tadjik, für den 
EChinefengeneral, tibertrieben ward, fo muß man doch nicht vers 
geilen, dag nicht fowol die räumliche Breite fie ſchwierig machte, 
fondern die Unſicherheit der Winde und Stürme, die öfter 


556 Weſt⸗Aſien, J. Abfchnitt. $. 6, 


auch heut zu Tage Feine fichere Berechnung der Ueberfahrtäzeit 
zuläßt; und wie unficher man dabei war, zeigt die Vorſicht ber 
Berproviantirung auf Jahre. 

Seit diefer Zeit zählten die chinefifchen Annalen nun, außer 
den genannten ofts turfeftanifchen Königrerhen, auch noch mefts 
turfeftanifche bis zum Caspifchen Meere zu ihren trißutairen Bas 
falfenftaaten, weil fie mit ihnen in politifche Relationen getreten 
waren, nämlich die von Transoriana, Samarfand, Bokhara oder 
der Afi, d. i. öftliche parthifche Provinzen, von Perſien, näms 
lich das Land der Tadjif und felbft Indien, nämlich Kabul, 
Kandahar u. a., wohin der Handel ging, und von woher vies 
ferlei Seltfamkeiten ald Waaren aus Ta Tfin famen, die, 
wie der chinefifche Autor fagt, damals mit den Bewohnern Yns 
diens in Verkehr fanden; was auch durch die in den Topes von 
Manikyala gefundenen Nömermünzen beftätigt ift (f. ob. ©. 106), 
welche fih nun fihon von Zul. Caͤſar an bis auf die Zeiten ' 

Theodofius des Großen 395 und Marcianus 457 p.X.n. 
in denen von Yellallabad fürzlich (1834) 8%) nach Maffons Auss 
grabungen vorgefunden haben. 

Das wahre Motiv jener Erpedition zum Caspifchen See 
feheint, bei den damaligen Chinefen, das Intereſſe gemwefen zu 
ſeyn, eine directesl) Handelsverbindung zwifchen den beis 
den Ifin im Often und Meften, d. i. zwifchen dem chineſi— 
fhen und dem römifchen Kaiferreiche zu Stande zu bringen, 
damit der Transport der wünfchenswerthen Waaren nicht erft 
durch Indien zu gehen brauchte. Dies feheint aus einer merks 
würdigen Stelle eines chinefifchen Autors, aus einem etwas fpäs 
tern Jahrhunderte hervorzugehen, die folgendes ausfagt: 

Die Könige von Ta Tfin (d. i. der Römer, fpäter der Fo» 
In, d. i. Byzantiner), eines großen Reiches voll Städte und 
Königreihe mit fehr großer Capitale, prächtigen Paläften, koſtba⸗ 
ren Kleidern, weißbedeckten Wagen u. ſ. w., hatten den Wunſch 


geaͤußert, mit Chineſen in Verbindung zu treten; aber die Aſi 


WMarther, auch wol mit ihnen an der Oſtgrenze vermifchte S 
welche ihre Stoffe denen von Ta Tſin verhandelten, hatten ftets 


#%0) Letter from M.Masson to Capt. Wade 15. Jul. 1824. in Journ, 


‚of Asiat. Soc. of Bengal ed. Prinsep Vol, IV. p. 234. 

*') Ab. Remusat Remarques I. c. p. I23; Deguignes Reflexions sur 
le Commerce des Romains avec les Chinois l. c. Hem. T.LVIN 
Paus 1773. p. 176, 


d 
- 
1 





M. Antoninus Embafjade n, China 166.8. G. 557 


die Routen geheim gehalten, und die directe Communication zwi⸗ 
ſchen beiden Reichen gehindert. Dieſe Verbindung ward wirklich 
einmal angeknuͤpft, als einer der Herrſcher von Ta Tſin unter 
dem chineſiſchen Kaiſer Houanti, in deſſen neuntem Jahre 
Yanhl, d. i. im Jahre 166 n. Chr. Geb., Geſandte nach China 
ſchickte, naͤmlich An⸗thun. Alſo Kaiſer Marc. Antoninus 
(reg. 161 - 180 n. Chr. G.); das Jahr 166 iſt das merkwuͤrdige, 
in welchem er Cteſiphon am Tigris eingeaͤſchert und den Parthers 
Krieg glücklich beendigt hatte, worauf eine Embaffade gegen 
den DOften, zur Eröffnung eines directen Handels mit dem his 
nefifchen Reiche auch hierzu die günftigfte Periode feiner Negies 
rung war. Doch famen diefe Gefandten, nach der Erzählung des 


hinefifchen Autors, nicht auf dem Landwege (dem Pelu, der 


- Mordroute), fondern auf dem Waflerwege über Jinan (d. i. 
Tonking) nach China; es war in dein was fle mitbrachten jedoch 
feine Koftbarfeit von Bedeutung. 

Später, im IH. Yahıhundert (zur Zeit dee San Koue, 
d. i. der drei Königreiche, reg. 221— 277 n. Chr. G.) wird ans 
derwärts in den chinefifchen Annalen gefagt: die Einwohner von 
Ra fin hatten feit langen Zeiten den Wunfch Embaffaden in 
das Reich der Mitte zu ſchicken; aber die Afi (Parther) hatten 
fi) dem entgegengeftellt, aus Furcht den Gewinn des Zwis 
fhbenhandels zu verlieren. Die von Ta fin verfertigten 
“Stoffe, die beffer gefärbt find und von fchönern Farben als Alles 
"was im Often des Meeres (des Easpifchen) gemacht ward. Das 
gegen fanden fie es fehr vortheilhaft, die Seide aus dem Koͤ— 
nigreiche der Mitte (d. i. China) zu faufen, um daraus die 
Zeuge nach ihrer Art zu meben. Diefes war der Grund ihres 
Verkehrs, der fie mit den Asfi (Parthern) und den Übrigen bes 
nachbarten Völkern verband. 

Hiermit erhalten wir alfo durch gleichzeitige Chineſen den 
Aufſchluß uͤber den aͤlteſten beruͤhmten Handel der Seren, mit 
der rohen Seide, gegen gefärbte Stoffe (wol Purpur), 
zwifchen dem Außerften Often und Weften der Erde, durch die 


Vermittlung der A⸗ſi, Aftanen oder Parther, zwifhen dem Chi⸗ 


nefens und Römer; Keiche, 

Diefes Motiv der Geheimhaltung erinnert, wie Ab. Remus 
fat bemerkt, an die Intriguen von Catulf, König der Ephthaliten, 
am Hofe Khosrors, deren Erfolg, nach Menander war, daß die 
Sogdianen bie Turkſtaͤmme einluden, ſich direct an die 


— 


558 Wet Afien, I Abſchnitt. % 6. 


Roͤmer zu wenden, um Auswege für den Seidenhandel 
zu eröffnen; die Ka Khane der Turf am großen Altai haufeten 
dafelbft unter feidenen Gezelten (f. Afien I. S 479). 

Nach dem Untergange der Parther fingen nun die Perſer, 
d. 1. die Saffaniden, an, auf gleiche Weife jede direrte Nö 
merverbindung mit China zu unterbrechen; der Umweg durch In⸗ 
dien war zu lang und befchwerlich um zufammenhängenden Vers 
kehr zu bewirken. Doch ward der Handel nicht ganz unterbros _ 
chen. Im Yahre 284832) erfchienen wiederum zwei römifche Ges 
fandte in China (alfo nach Aurel. Probus Tode, 5. 3. von Dior 
eletian, nicht wie Klaproth in Tabl. hist. p. 191 irrig fagt, unter 
dem 100 Sahr fpätern Kaifer Theodofius), und der Verkehr ward, 
wie wir aus Cosmas Indicopl. erfahren, bis in das VI. Jahrh. 
fortgefeßt. Das genauere Studium chinefifcher Annalen würde 
hierüber noch wichtige Auffchlüffe zu geben im Stande feyn, und 
wir müffen es auch,hier bedauern, daß Ab. Nemufats ceritifche 
und inhaltreiche Forfchungen 83) über diefen Handelsverkehr aus 
den chineſiſchen Originalquellen nicht veröffentlicht worden find, 

In diefer Periode der zweiten Römer: Embaffade herrſchte 
die Dynaftie der fpätern Tfin (reg. von 265— 420 n. Chr. 
Geb.), zu unterfcheiden von dem weit ältern Dynaften: Stamm 
Thſin, Shi Hoanghtis, im II. Jahrh. vor Chr. (f. Afien 
I. ©. 199). Obwol beide Namen durch ganz verfchiedene Chaz 
ractere gefchrieben werden, fo hat ihre Ausfprache doch faft 
gleiche Laute, und daher trug mwahrfcheinlih, wie Ab. Remus 
fat fhon bemerkt 8), diefe legtere allerdings fehr glänzende Dy— 
naftie, obwol fie nicht fehr lange herrſchte, und fich ſelbſt theilz 
weife fpäterhin auf das eigentliche China befchränfen mußte, bei 
den Ausländern dazu bei, den feit früherer Zeit fchon ruhmvollen 
Namen der Tfin, d. i. Chinas (das Sinim im Propheten 
Jeſaias 49 v. 12)85), bei allen Fremden zu perpetuiren. In der | 
erften Zeit diefer TfinzDonaftie (welche Itemufat, zum Unter 
ſchied von der ältern, ohne h fchreibt), um die Jahre 277, 285. 
blieb noch der directe Verkehr zwifchen China und dem Siyu frei ' 
und offen, bis nach Samarfand hin, deflen Beherrfcher chine⸗ 





8832) Deguignes Reflexions 1. c., p. 177. 83) Ab. Remusat Re- 
marques l. c. p. 123. 84) Ab. Remusat Remarg. l..c p. 109; 
vergl. Klaproth sur les Noms dela Chine in Mem. relat. alfäsie. 
T. 1. p. 257. s2) Gefenius Commentar über Jeſaias 1821. 
Th. II. P 131. 


Tranboxiana zus Zeit der Thang. 559 


ſiſche Titel annahmen, bis erſt fpäterhin die wieder um fich greis 
fende Ausbreitung der Hiongnu von neuem eine Barriere zwifchen 
China und Sogdiana aufirarf, die in diefer Zeit jede Nachricht 
von dort her unterbrechen mußte. 


4 


Erläuterung 2% 


Einfluß des chinefiichen Reiches auf Weſt-Aſien, unter ‚den 
Dynaftien der Wei, der Sui, der Thangz die drei Su, 

hsabtheitungen; Peikiu's drei Bücher über die Fremden, 

deſſen erfie Landkarte von Siyu, und die drei Handelöftragen 

gegen den Weften (im Jahre 607 nad) Chr. Geb.). 

1487 


Mit den Dynaſtien der Wei (398 —534 n. Chr. ©), der 
Soui (von 581 — 619) und zumal der Thang (von 619 — 907) 
eröffnet fich der Weften von neuem für China, und führt das 
durch auch uns von dort aus eine Maſſe von Kenntnig, wie Uber 
das nun ſchon durch Claffiker befanntere Seythia extra Imaum, 
oder Serica, d. i. Oft-Turfeftan, fo auch über Scythia intra 


' Imaum, d. i. Weft-Turfeftan, oder Transoxiana zu, melche 


noch mancher critifcher Arbeit aus den Originalquellen bedürfen 


wird, um in allen ihren Theilen geographifch vollftändig zur Evi⸗ 


denz zu gelangen. Die Fürften der Weis Dynaftie %) ſtamm⸗ 


ten aus dem Norden Afiens, aus den Baikalländern Sibiriens; 


‚fie hatten Verbindungen beibehalten mit den Tribus die jenfeit 
des Baikal wohnten, bis zum Obi und Eismeere. Daher war 
den Chinefen zu feiner Zeit der Norden Afiens bekannter als 
damals. Miele fibirifche Stämme wurden fehr forgfältig befchriez 
ben, auch mit den füdweftlich angrenzenden Völkern fand Verbins 


dung auf dem Nordwege (Pelu) Statt; zumal mit Schaf. 


(TafhEend im Norden Ferghanas) oder Kouei:fhan;z mit 
(den Soute oder Alanen; mit den Tadjik oder Perſern; 
mit den Afi (Parther?) angefiedelt in dem heutigen Bos 
khara; mit den Ufiun, mit den Bewohnern von Balkh, 
Kandahar m. a. Völkern in Siyu. Chinsfifche Offieiere, die 
damals, vom Tai Wouti, in die Weftgegenden ausgefandt waren, 
brachten die Nachricht bon den drei Zu 37), oder den drei Re— 
gionen (Naturadtheilungen) mit, die fie in den Ländern gegen 





*6) Ab. Remusat Remarg. 1. c, p. 106. 27) ebend, p. 108. 


— 


560° MWeftsAfien. L Abfhnitt, $ 6. 


Nordweſt wahrgenommen hatten. Die erſte Region, oder m, 
fiege zwifchen den beweglichen Sandmaflen (Scha mo) der Gobi 
und den Blauen Bergen, bier unftreitig der Ihian Schan. Die 
zweite Negion, oder Ju, enthalte das Land Biſch Balif, 
und breite fi füdwärts (d. i. ſuͤdweſtwaͤrts) aus, bis zu den 
Moueichi, d. i. zu den Yueti (Getae) in —— Die 
dritte Region, oder Ju, liege zwiſchen den beiden Mee— 
ren, Ab. Remuſat erklaͤrt dieſe fuͤr das Caspiſche und Schwarze; 
oder vielmehr den einſt früher gegen N.O. reichenden Palus Maeo- 
tis; oder vielleicht den Nord» Ocean. Diefe Region, fagten fie, 
fey im Norden nur von großen Moräften bedeckt, weldje die 
chinefifchen Geographen in das nördliche, fogenannte Kaptichat 
verfegen. Diefelbe Gegend ift es, wohin andere chineſiſche Autos 
ren die ältefte Heimath der Yanthfai (d. i. die Alanen, wie 
fie 120 Jahr vor Chr. bei Chinefen heißen) verfegen, und von 
diefer Gegend, dem Lande der Danthfai, fagen, es liege 80 
his 100 Stunden in N.W. von Khangfiu (d. i. Sogdiana), 
nahe „den großen Moräften ohne Ufer,#83) worunter 
unftreitig die Mordfeite des Aral und Caspifchen Sees verftanden 
wird, und wo in frühen Zeiten, nach Chinefenberichten, bis nach) 
Sibirien, in die Irtyſchſteppen hinein, fih bittre Seen und 
Moräfte, Akſchi Dengis, ausbreiteten, von denen erſt wel⸗ 
ter unten nähere‘ Eroͤrterung gegeben werden kann. 

Die Dvnaftie der Soui°) dauerte nur zu Furze Zeit, 
um Wichtiges für die Weſtentdeckung zu leiften. Sie eröffnete 
einen großen Handelsmarft an ihren nächften Weftgrenzen, 
zu Kantſcheou (f. Alien I. ©. 223), wo fehr viele Handelss 
leute aus dem Siyu ſich verfammelten, zu deren Zügelung eis 
gene Polizeiauffeher ernannt werden mußten. Diefe fammelten 
alle erfundbaren Nachrichten über die Fremden aus dem Siyu 
ein, und entwarfen eine Landkarte (wol die erfte diefer Ges 
gend die wir kennen lernen; etwa gleichzeitig mit den Entwürfen 
von Agathodaemon’s Karten zum Ptolemäus), auf welcher die 
44 Fürftenthümer der Weftländer, nach ihren dreifachen Zu, oder 
Naturabtheilungen, verzeichnet waren. Es begann diefe 
Karte mit dem Berge Sikhing, der da liegt, wo der —— 





use) Klaproth Tableaux historiques de l’Asie p. 175, Mem. sur — 
ques Antiquitẽs de la Sibirie in Journ. Asiat. T. I. p. 7; in deffe 
Mem. relat. a !’Asie T.I. p. 277, 464; Asia pelyglolta p. 232, 
#°) Klaproti Tableaux historig. p. 204 — 205. 


® 





Siyu, Landkarte des Peikiu, im 9. 607 n.Chr. G. 561 


in China eintritt (f. Aſien III. S. 492 u. f.). Sie reichte gegen 
Weſt bis zum Caspifchen See. In ihrer Mitte fahe man 
das Hochgebirge von Nord-Tübet, den Kuenlun (collective) der 
Chinefen (f. 06. ©. 321), und die drei Hauptrouten, welche gez 
gen Werften führten. Die Anfiht der Memoiren und diefer 
fie begleitenden Landkarte erwedte dem Kaifer Yangti der 
Soui eine folche Begier, Gebieter und Schiedsrichter diefer vie— 
len Weftreiche zu ſeyn, daß er feine Großen mit der Unterwers 
fung derfelben beauftragte, was denfelben auch gelungen feyn fol, _ 
obwol diefelbe von Feiner langen Dauer gewefen feyn kann, da 
die Soui fehr bald von der Thang-Dynaftie verdrängt ward, 
Die Thang führten nun bald in den Weftländern wirklich aus, 
was von ihren Vorgängern meift nur projectirt war; fie traten 
in mehrere Yahrhunderte lang dauernden politifchen Verkehr 
mit den Weftvölfern, deſſen Einfluß für die folgenden Jahr—⸗ 
hunderte noch von einer ganz andern Bedeutung geworden feyn 
‚würde, wenn nicht, eben hier, die Bildung der Khalifens 
periode aus Arabien, der buddhiftifchen Periode der 
Politik der Kaifer von China, fo Eriegerifch, Eräftig alles 
‚serftörend, oder verfchlingend, oder verjagend entgegen 
‚getreten wäre, 
Die Geſchichte diefer erften Landkarte Centrals 
Aſiens bis zum Weft-Meere, d. i. dem Caspifhen See, 
die leider uns noch nicht wieder im Abbilde vorgefommen, und viel 
‚leicht gar nicht mehr vorhanden, da das zugehörige Schriftiverf 
‚ebenfalls untergegangen ift, verdient hier noch, che wir zu den 
Zeiten der Thang ſelbſt übergehen, einige Erläuterung. 

Schon Pater Gaubil hatte aus diefem merkwürdigen Do: 
cumente des Peikiu (er fihreibt diefen Mandarin Peyku) feine 
- Nachrichten fiber die drei Weſt-Routen ®) gezogen, von des 
h nen ſeitdem, fo oft bei andern europäifchen Autoren die Rede iſt. 

Neumann?!) hat neuerlich die vollftändigfte Ueberſetzung deffen, 
Was von diefem Documente noch vorhanden ift, aus dem chines 
ſiſchen Originale mitgetheilt (ſ. ob. S. 424). 

Peikiu, ein angeſehener chineſiſcher Beamter und beruͤhm⸗ 





*0) Pat. Gaubil Hist. des Thang I. c. in Mem. T. XVI. p. 383—386. 
91) E. F. Neumann Handelsftragen von China nad) dem Weften, nad) 
einem inefifchen Werte aus dem VI. Sahrhundert n. Chr. G., in 

deſſ. Aſiatiſche Studien. Leipz. 1837. Th. J. ©. 187 — 201. 


Ritter Erdkunde VIL Ten 


562 Weſt-Aſien. I Abfchnitt. $. 6. 


ter Feldherr, wie feine Vorgänger Tfchangkian, Phantfchao, 
Kanying u. %., erhielt von Yangfien, dem Gründer der 
Soui s Dynaftie (der als Kaifer den Titel WensHoangti führt), 
im 5.590 n. Chr &., das Commando, gegen die Widerftrebenden 
im Weften, im Siyu. Unter dem nächften Kaifer Yangti, 
dem Sieger in Corea und auf den Liquejos-Inſeln, dem Stifter 
son Akademien und Bibliothefen, und dem Wiederherfteller 
des Handelsverfehrs nach dem Siyu, ward er in das große 
Emporium, an der Weflgrenze Chinas, nah Kantfcheou (f. 
Afien I. ©. 223) als Statthalter gefchiekt, zur Inſpection der 
Fremden, im 5. 607 n. Chr. G. Von diefen nun for— 
derte diefer, wie er felbft berichtet, ftets-Ausfunft über 
ihre Heimath. So entftand eine Sammlung von Nach— 
richten über die Länder der Fremden, in drei Buͤ— 
chern, nebft einer Landkarte, welche er feinem Kaifer übers 
reichte. Leider ging diefes Werk verloren ; nur die Vorrede deflels 
ben hat fih in der Biographie des Generals Peikiu, 
in einer chinefifchen Collection #%) erhalten, aus welcher 
folgende Daten Über die Weftländer entnommen find. Biel 
der Notizen uͤber die MWeftvölker, welche fih in Matuanlin’ 
Bibliothek bis zum J. 1224 (er ftirbt erft im 5. 1325), als Er 
cerpte 3) vorfinden, und welche Ab. Remufat daraus mitgetheilt 
hat, mögen urfprünglich auch mit in diefer num verloren gegams 
genen Schrift niedergelegt feyn. { P 
Er wußte, bemerkt Peikiu, bis wohin die Länders und Voͤl— 
ers Kenntniß feiner Vorgänger hinausreichte, die aber in der letz⸗ 
ten Zeit fehr verdunfelt war. Deshalb fammelte er von neuem 
die Nachrichten über 44 Königreiche der Fremden, und gab 
zu jedem eine Specialfarte (diefer Atlas würde alfo erſ 
die Tafeln des Agathodamon, nach Ptolemäus, über die Oftfeik 
der Erde ergänzen). Sie breiteten fic) aus vom Berge Si: 
Ehing (im heutigen Kanfu, im Diftrict Siangtfcheon, |. Aften I 
©. 225) nach) dem Weft-Meer, und vom Nord» Meer nad 































s>?) Sn Peikiu’s Vita im Suischu, Buch LXVII. 81,6 und dem Tang- 
schu, Bud C. 81. 5, vergl, Tangkian des Ssemakuang B. CLX 
31.33 und CLXXXI. BI, 9 in Afiat. Stud. a. a. O. ©, 10, 

3) Afiatifhe Studien a, a. D. ©. 15295 Ab. Remusat Notice sul 
quelques Peuplades ete. de la Bouklarie de Y’Ouvrage de Ma- 
touanlin trad. du Chinois in Nouv. Melanges Asiatig. Paris 1824 
Tl: P- 200 — 257. \ ß | 


; — 
Sihyu, die drei Weſtſtraßen Des Handels iin J. 607. 563 


dem Süden zu, an 20,000 Li weit. „Diefe Sinder, fagt Pei⸗ 
Ein, werden überall von Handelsleuten durdzogen, 
durch welche man auch ohne ſelbſt dahin zu reifen, 
alle Shwäkhen jener Reiche kennen lernen kann. 
- Dadurd wird auch die Eroberung derfelben leicht.“ 

Hierauf führt Peikiu feine drei Wefl-Straßen des 
Handels an, welche alle drei, wie er fagt, färamtlicy bewohnt 
* 

J. Die Nordſtraße ® gehe über Igu(eine Stadt im 
Norden von Schatfcheou) nah Pului (LopsSee), in das Land 
des Stammes Tiele (d. i. ein Liigurenzweig, der zwifchen dem 

- Rulas und Baifals See wohnte), und von da gehe es nad) der 
Reſidenz des Ka Khan der Tufiuei (Turf, ob an dem Fuß 
des Altai? f. Afien L ©. 479), wo man über einen nordfließens 
den Strom (ob Irtyſch?) fegt, und fo nad) Folin (f. 06. &,426, 
das byzantinifche Reich) und zum Welt: Meere (Ensyifser Se 
\ öder Mittelländifches Meer) komme. 
U. Die Mittlere Straße gehe über Rantfbang. (d. i. 
Uigurenland, ſ. ob. ©. 431), nah Yenki (d. i. Karaſchar und 
Kutſche, ſ. ob. S. 436); von da nach Liule (Soule, d. i. Kaſch⸗ 
ghar). Dann uͤberſchreitet man auf ihr den Thſungling (Ber 
loro, hier unſtreitig der Darwaz Dawan Terek, ſ. ob. ©. 480); 
dann gelangt man nach Fahan (d. i. Ferghana), Sutui⸗ 
chana (Sutruſchna, jetzt Osruſchna), nach Khang (Samars 
kand, ſ. ob. ©. 425), und zu den Königreihen Thſao und 
Ho. Weiter hin zu den Reichen Groß und Klein Ngan 
Gokhara nach A. Kemufat und Klaproth)®). Dann zum Königs 
reih Mu (oder Muhu, auch Meou, Magier; f. ob. ©. 428, 
wahrſcheinlich Merv oder Meru), zu den Poſſe (Perſien) und 
zum Weft:-Meere (Caspifher See). 

II. Die Südftraße geht, nah Peikiu's Berichte ©), 
durch Schenfchen (im Süden des Lop-Sees, ſ. ob, ©. 332), 
nach Yutien (Khotan); dann durh Tſchukiu, Potfhang, 
Duanto (fonft unbekannt); fo kommt man nah Humi, Tus 

holo (Tokhari, d. i. Tohareftan, Turfeftan), zu den 
 Seta (Yuete, d.i. Getae) nah Fanyan (Bamiyan), In dies 
—— — 


4) Neumann Aſiat. Studien a. a. * Th. I. ©. 194. 26) Ma- _ 
gasin Asiatig. Paris T. 1. p. 122 v*) Neumann Aſiat. Stud, 
Q a O. ©. 196. 
} Nn2 





(564 Wefts fin. L. Abſchnitt. 5. 6, 


ſem Wege, ver etwas dunkel bleibt, aber wol nur auf die füdliche 
MPaſſage über Pamer (ſ. ob. S. 493), oder Kartchu (f; ob. ©. 503) 
ſich beziehen kann, müflen wol die drei fleinen Gebirgsftaas 
ten) Chikhini, Houmi und Kiumi liegen, welche in den 
Thang-Annalen als mit den Chinefen befreundete aufgeführt wers 
den, die im 5. 646 Tribut nach Hofe fehiekten, deren König von 
Chikhini mit den Chinefen 100 Jahr fpäter gegen die Purut in 
den Kampf ging, wo er umfam, im %. 747, wofür fein Sohn 
und Nachfolger zur Belohnung zum General der Linken erhoben 
ward. Im mittlesn Namen Houmi ift jenes auf dem Wege 
zu den QTuholo genannte Humi ganz identifchz es kann nur im 
Gebirgsübergange des Belur Tagh felbft gefucht werden, und das 
mit fiimmt auch Ab. Remufats Erklärung überein. Diefer 
fagt, daß diefe 3 im Gebirge von Tokhareftan, im Süden des 
Oxus liegen, und im Norden des Heho, d. i. Abifiah, oder. 
des Schwarzen Fluffes? in Often von Balkh und Termed. | 

Don Fanyan, weldhes wol Bamiyan feyn mag, da ce 
ebenfalls Hei Fa Hian flets Fanyanna heißt (f. 06. ©, 272), 
kommt man, nach Peikius Bericht, der nun bier bald, fein Ziel 
erreicht hat, nach Ihfao (wol das weftlihe Ihfao, ob Afgha⸗ 
niſtan?), dann in das Land des nördlichen Hindoſtan und zu | 
dem weftlihen Meere (hier, wol nicht der Caspiſche See, 
fondern das In diſch-Arabiſche Meer) 

So weit die Vorrede zu Peikin’s drei Büchern über | 
die Länder der Fremden, deren Inhalt leider, wie gefagt, im 
Driginale verloren ging. 

Peikiu fügt noch hinzu, daß die drei genannten Weftrous 
ten auch unter ſich Verbindungsftraßen hatten, fo daß man auf 
ihnen auch in allen Richtungen, nad) N., ©. und W. gelangen 
koͤnne; Igu, Kaotfchang und Schenfchen feyen aber als die drei 
Pforten an den Eingängen zum Siyu zu betrachten, ‚und | 
alle drei concentrirten fih in Schatfcheou (damals Tunhoang). 
Seine Bemühungen in Erforfhung diefer Verhältniffe wurden 
vom Kaifer Yangti belohnt mit 500 Stüf Seidenzeug 
Seitdem brachte es Peikiu durd Unterhandlungen, große Ber 
ftechungen und vielerlei Bergifung jener Länder wirklich dahin, 
daß viele der dortigen Staaten, wie 3. B. der König der Uiguren 
und 27 andere Neguli der Barbaren, den Soui an ihren Hof 

















#?7) Ab. Remusat Remargues sur P’Extension etc. I. c. p. 91. 


Siyu zur Zeit der Thang-Dynaſtie. 565 


tributbringende Embaffaden ſchickten; womit der Kaifer ſich nicht 
“wenig fehmeichelte. Aber weder das byzantiniſche Reich 
ıFolin, oder Ta Tfin) noch Indien (Thian, Diantou, 
oder De Hiantou) wurde von Peifiu jemals ſelbſt bes 
ſucht, obwol Deguignes einft ihn irrig dahin reifen ließ. Er 

erlebte noch die Befteigung des chinefifchen Throns durch die Thang⸗ 

Dynaſtie; fein Tod fällt erft gegen die Mitte des VII. Jahrhun⸗ 

derts, Don In dien fonnte man in China ſchon feit 200 Zah 

ren, durh Fa Hians Pilgerfahrt (um das Jahr 400 n. Chr, 

 &eb;) unterrichtet feyn, wie durch Andere, und unter den Thang 

deckte Hiuan Thfang (um das Jahr 650 n. Chr. Geb.) von 
neuem, dieſes, wie für Macedonier fo auch für Chinefen, neue 
" Land der Wunder und der Neichthümer auf (ſ. ob. ©. 272). 
Erläuterung 3. 

Das Weſtland zur Zeit der Thang-Dynaſtie (619 — 901 n. 
Chr. Geb.) bis in die Periode der Araber-Eroberungen, und 
der Nohammedanifirung von Transoriana, Balkh und Kas 
x buleftan. 


3 
4 Der ThangsDynaftie, während der Periode ihres ruhie 
“ gen Neichsbefiges gelang es endlich an ihren 4 Grenzprovins 
"zen, gleichfam ihren großen Grenz: Marfen, gegen das 
"Ausland, eigene Generalgouperneure (wie die Markgrafen 
"des Karolinger Neiches, und der Ottonen, gegen die Slaven im 
Oſten und Mufelmänner im Weſten) einzufegen, welche den Aufs 
trag erhielten, die Wache auszuuͤben über die Koͤnigreiche 
der Fremden (Fan). Inter ihnen fanden Generaltieutnants 
und viele Officiere, davon die einen vom Miniſterium des Ritus 
abhingen, die andern vom Kriegsminiſterium. Unter dieſen letz⸗ 
— waren ſolche, welche die Erforſchungen zu machen hatten, 
über die Geographie der Länder ®) und die Sitten der 

Völker, die ihre Productionen zu verzeichnen, ihre Trachten, ja 

ſelbſt ihre Mortraits und Abbilder zu fammeln hatten. Bei dem 
"Glanze diefer Dynaftie und der weiten Verbreitung ihrer Macht, 

fammelte fi) auf diefe Weife, im Thangchou (oder in dem 

großen Werke über Geographie diefer Dynaftie, im Allgemeinen, 








»*) Ab. Remusat Remarg. I, «, p- 79 - 80. _ 


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566  /WeftzAfien. L Abſchnitt. 8 6. 


aus 450 Büchern beftehend, wozu 5 Bücher Worreden und Eins 
leitung achören), und in manchen andern Literatur» Werfen — 

dieſer Zeit, ein Schatz von geographifchen Thatſachen, der ſchon 

von ders grundgelehrten Deguignes und Gaubil, dem gewiſſen— 
hafteſteen der Jeſuiten-Patres, theilweiſe 90) bekannt worden war, 
welcher aber Ab. Remuſat, den ſpaͤtern Forſcher in demſelben, 
in Verwunderung ſetzte, und der bis heute noch keineswegs ganz 
gehoben iſt. Hier nur die weſentlichſten Ergebniſſe aus des ges. 
nannten Sinologen Unterfuchungen, in Beziehung auf unfere” 
befondern Zwecke, die vergleichende Geographie Mits 
tel: Afiens im Mittelalter. Gene 4 Grenzmarfen wur— 
den, nach allen Seiten hin, über die anfänglichen Grenzen weit. 
hinaus; ungemein erweitert. Am meiften fand dies aber mit der 
Grenzmark am mittlen Hoang-ho (fie hieß Coungyeonz 
und begriff das heutige Schenfi, und einen Iheil von Setfchuen, 

fe Afien I. ©. 201) Statt, deren Sitz des General: Gouverneurs! 
bald nah Kaotfchang (Turfan) verlegt ward, von wo aus 
defien Commando durch alle Königreiche bis Perfien hinuͤber⸗ 
reichte. Nämlich bis zum J. 787, wo durch eine allgemeine E 
pörung (?) zwar viele der tributair gewordenen Fürftenthimer wies 
der abfielen, doch auch viele, wenn auch nur fcheinbar freiwillig, 
meift ihrer eignen Handelsvortheile willen, fich wieder durch Triz’ 
butdarreichungen und Embaffaden an fie anfchloffen. Im VII. und 
VII. Jahrh. war der hinefifhe Beiftand den Völkern des 
Siyu, im Kampfe mit eindringenden Araberheeren von reellem 
Werthe; daher die genaueſte Kunde der Chineſen uͤber den damal 
gen Zuſtand der Laͤnder und Voͤlker, zwiſchen Kaſchghar bis zum 
Caspiſchen Meere, deren Koͤnige ſie nach ihrer bekannten 
Manier ihre Vaſallen nennen, ohne daß dieſe es 
darum zu ſeyn brauchen. Die Fürften jener Reiche, ges 
fhmeichelt durch Protectionen, Titulaturen, Embaffaden des erh 
benften Kaiferhaufes und durd) Gefchenfe, wie durch reelle Schuß 
und Handels: DVortheile in der Nähe und Ferne, ließen fid) die 
fogenannte fie kaum berührende Oberhoheit, ihre Titulaturen bei 
Fremdredenden, ihre Provinzial: Eintheilung fogar in chinefifche 
Fou, Tſcheou, Hian, ui. Diftricte ertan sweiten 
































#2) Reumanns Angabe einiger berjelben in Aſiat. Stud. a. a. D, 
b. 1. ©, 901. 90°) Gaubil Hist. des Tang k. c. in Mem. 
T. XVlaNota IV, p- 383 — 395. 


Siyu zur Zeit der Thang-Dynaſtie. 567 


und dritter Claffe, wol gefallen, und duß jede diefer Abtheis 
lungen in den Faiferlichen Regiſtern in China unter befondern 
chineſiſchen Namen eingetragen wurde, die bald nur Lautüberz 
tragungen oder Laut: und Sach-Umſchreibungen der 
einheimifchen Benennungen waren. Glüclicher Weife haben die 
Chineſen mit großer hiſtoriſcher Genauigkeit, wie in Chronologie, 
ſo auch in Sprache ſtets zu ihren neuen Benennungen, die ſo 
oft mit den Dynaſtien wechſeln, auch die alten, dort einheimi— 
ſchen beigefchrieben, wodurd allein eine Vergleichung derfelben 
‚mit alter und neuer Zeit, wenn auch oft nicht ohne Schwierigs 
keit, doch moͤglich geworden iſt. Solche Vaſallenlaͤnder, de— 
ren Fuͤrſten bei den Chineſen als kaiſerliche Gouverneurs der Pros 
vinzen angefehen werden, haben den Titel Pa⸗mi Y; daher wurs 
den alle Staaten der damals befiegten Fürften in Turfeftan zu folchen 
Pami; ihre Beherrfcher erhielten die Titel Tou toufou (d. h. 
Gouverneur; es ift die Würde eines Königs) Die gerins 
gern, welche die Chinefen nicht als fouveraine Könige anerkennen 
wollten, nannten fie Tou tou tfeu ffe Cd. i. erbliche Vices 
Eönige); deren Tribut Fam nicht in die kaiſerliche Kaffe, fondern 
nur in die der chinefifchen Generalgouverneure. 

- Sn der Hälfte des VI. Zahrhunderts, alfo zu derfelsen Zeit, 
‚als die Araber ihre Ueberfaͤlle aus Perfien in Transoriana 
Be und die Turkflämme in Oft-Turfeftan vom chineſiſchen 

Kaifer Taitfoung unterworfen waren, zählte man daſelbſt 51 
Diftricte jener erften und 190 jener zweiten Glafle, welche 
in 4 Tſchin oder Militairgouvernements vertheilt wur⸗ 
den, unter den Namen 1) Koueitfu (d. i. Kutſche), Picha 
ld. i. Khotan), 3) Yanki mit Yarkigang (Kharaſchar und 
Yarkand), 9 Sule (oder Choule, d. i. Kafchghar). Senfeit 
dieſer 4 Tſchin, in NW. und W., rechnete man außerdem 
no, ale Dami, oder Schugländer: 16 Königreiche, vom 
erften Hang (Tou tou fu), und 72 Tſcheou, oder vom zweiten 
Range. Unter beiden zählte man 110 Hian, oder Städte, und 
in Allem 126 Militaitlager mit hineſiſchen Garniſonen verſehen, 
welche Kiun genannt wurden. 

Mur dieſe weſtlichen 16 Koͤnigreiche find eg, die uns hier 
genauer aufzuzählen obliegt; ihre trockne Lifte mit vielen uns un 





2) Ab. Remusat Remarg. I. c. p. 83, 





#02) Ab. Remusat Remarg. L c. p. 80 - 87. 


— 





568 Weſt-⸗Aſien, J. Abſchnitt. 9. 6. 


verſtaͤndlichen Namen wird in der Neichegeographie der Thang 
auf folgende Weife aufgeführt 90%); 

1) Königreich der Youechi bei den Chinefen, oder‘ 
Yueti (Getae der clafjifhen Autoren); Tofhareftan nad 
Ab. Remufatz mit der Reſidenz Ahouan; dazu 26 Diftricte 
zweiter Claſſe (Tcheou) gehörig, mit eben fo vielen Hauptorten, 
die wie bei allen folgenden nach den neuen chinefifchen wie nach 
den einheimifchen Namen angeführt find, die aber öfter beide ung, 
hinfichtlich der Orientirung, unbekannt beiben. Dennoch führen wir 
jene 16 Königreiche für fünftige Forſchung vollftändig auf, wie fie 
aus den Driginalquellen durch A. Remufat eruirt find. Eben fo 
unmöglich würde es feyn, wie hier, aus den fteten Wechfeln der, 
politifchen Grenzen und Herrfchaften der frühern chinefifchen, fo 
aus der fpätern mohammedanifchen Zeit, alle Wechſel der politis 
ſchen und Territorialverhältniffe auf das fpeciellfte nachweifen zu 
wollen. Doch treten immer einzelne Lichtpuncte für das Ganze 
und für die Folgezeit zu weiterer Ergründung, aus diefen Rela⸗ 
tionen hervor, daher ſie nicht zu uͤberſehen ſind. 

2) Koͤnigr. Tahan, d. i. der Yetha, die Getae, mit 
der Reſidenz Holo, mit 15 Diſtricten (es mögen wol damals 
zwei Getenherrfchaften nebeneinander gleichzeitig beftanden haben, 
da deren Neiche fich ſtets in mehrere Zweige vertheilt haben, wie 
dies durch den neuaufgefundenen Münzfchag rollſtaͤndig erläus 
tert wird). 

3) Königr. der Tiaotchi, d. i. Tadjif, der alten Eins 
wohner, die perfifch reden; Ko tha lo tchi genannt, mit der Re— 
ſidenz Fou phao ffethian und 9 Tcheon. Es ift die Sands 
fchaft des öftlichen Khorafan. ! 

4) Könige. Hoſou, mit dem hinefischen Titel Thianma, 
und der Nefidenzftadt Souman, mit 2 Diftricten. 

5) Könige. Kabul, mit der Reſidenz Kou tou chi hao ha 
und 2 Diftricte, 

6) Das Könige. Kipin (fonft Kophene, hier zu Kan⸗ 
dahar gezogen, erhielt den Titel Sieouſian, und die Reſi idenz⸗ 
Kohe, mit 6 Diſtricten. 

7) Koͤnigr. Tchhiſtching, bei den Chineſen Sie foung, mit 
der Reſidenz Lolan und 4 Tcheou. Dies iſt Bamiyan. 

8) Koͤnigr. Chihanna, Topan genannt, mit 1 Tcheom, 





Transoxiana, die XVIKoͤnigreiche z. Z. der Thang. 569 


9) Koͤnigr. Houdikian, Kicha genannt, mit Kaſmichi, 
als Nefidenz und 2 Tcheon. 
10) Könige. Tamou, genannt Koume, mit 1 Diftr, 
11) Koͤnigr. Dula ko, genannt Linfang, mit der Kefis 
denz Mofo. 
12) Könige. Tolefian (Talekan), gen Kouenhiou, und 
Reſidenz Tipao na. 
13) Könige. Kiumi, genannt Ichipa, mit der Reſi idenz 
Tchhuſe. 
44) Landſchaft Hou mi to, genannt Niao fei, mit der Re⸗ 
ſidenz Moulou (d. i. Khodjend), mit 1 Difteict. 
415) Landfchaft Kieou youei te fian, genannt Wang: 
thing, d. i. Königsrefidenz in der Stadt Pouffe. 
Bu 16) Landfchaft Perfien im gleichnamigen Königreiche, mit - 
der Stadt Tſiling. 
vs Diefer trodne Catalog einer willführlichen Benennung 
und Eintheilung zur Einregiftrirung würde außer dem allges 
m ineinken Ergebniß des Bekanntgewordenſeyns, für unfere Zwecke, 
faſt ganz mwerthlos bleiben, wenn ihn nicht folgende hiftorifche 
Erlaͤuterun gen begleiteten, die mehr uͤber den Hergang der 
Dinge in diefen einzelnen Abtheilungen Aufſchluß geben, obwol 
ſich diefe Eeineswegs überall genau in jene nominelle Abtheiluns 
gen unterbringen laffen. Doc, dient hierzu insbefondere, zur 
Orientirung in den Weftländern Transorianas, als eine fehr wichz 
tige Beihülfe, zur Vergleichung, die von uns fihon öfter anges 
führte Landkarte?) Mittels und Oft-Afiens, „Siyu 
Thian tchuſtchithou,“ d. i. „Karte der Oftländer und 
der Fünf Indien,“ ſ. Erde. Aſien B. J. ©. 192 u. a. O., 
deren Materialien aus dem VII. Jahrhundert ſtammen, und 
welche zur Erklärung der Chronologie der Wanderungen buddhi⸗ 
fifchen Patriarchen dem 46ſten Volumen der japanifhen Ens 
eyelopädie Lib. LXVI. p. 31 beigegeben ift. Auf ihr find viele 
der ſonſt unfenntlichen Königreiche, nach ihrer Lage zwifchen Bers 


4 











*) Klaproth Eelaircissemens sur une Carte Chinoise et Japonaise 
de l’Asie et de !’Inde in Mem. relatifs a l’Asie T.Il. p.411; 
Ab. Remusat sur la Succession des 33 premiers Patriarches de la 
Religion de Bouddha in Journ. des Savans 1821. p. 6—15; f. 
Foe Koue Ki Cart& de PInde d’apres les Chinois, avec Pltineraire 
— —— thsang, wiederholt nach dem japaniſchen Originale ges 
geben 


Fo 1 | rn 


570 Wels Aften, I. Abſchnitt. $.6. 


gen, Flüffen, Seen und andern Reichen, nach dem damaligen 
Stande der Erdfenntniß mit ziemlicher Sicherheit eingetragen und 
ungemein Iehrreich fhon von Ab. Remuſat und Klaproth 
erläutert. . 


Hiftorifhe Erläuterungen zu den weſtlichen 
Königreichen. 

I. Thſao ® hießen, in N. und N.W. von Samarkand, 
die dort ausgebreiteten Landfchaften. Der öftlihe Theil ders 
felßen it Sutuihana, eigentlib Sutrufchnah, wovon 
Osruſchnah eine bloße Verftümmelung; liegt in Süd von 
ZTafchfend, in DO. von Samarfand, in ©. von Ferghana. m 
Jahre 618 — 626 ſchickte der König von Oft» Thfao eine Ems 
baffade nach China; feine Nefidenz hieß Setihen. Im J. 742 
fehiekte er Tribut; 11 Jahre fpäter vereinigte er fich mit dem Kor 
nig der Afi (wo jest Bofharen), und beide fuchten nun die Er 
laubniß nad) gegen die Schwarzröde, d. i. die Abaſſiden der 
Araber, zu Felde zu ziehen. Damals hatte der König von Thfao 
noch in feinem Qempelceremoniel goldne Vaſen 9, die feine 
Vorfahren von den Kaifern der Dynaftie Han vor alten Zeiten 
einmal erhalten hatten. 

I. Das Land Schafh (Chaje, jest Taſchkend, wo 
heute Kirgis Kaifafen haufen) zahlte im J. 618— 649 Tribut; 
658 erhielt deffen Reſidenz Khankie den Ehrentitel Königreih 
von Tawan, ein antifer Name, der fchon zur Zeit der Hans’ 
Dpnaftie hier einheimifch war. Der Sandesfürft ward als Khan 
eingefchrieben ; im J. 713 aber wegen feiner Verdienfte zum Kös 
nige erhoben, und im 5. 740 erhielt er den Chrentitel Chun⸗ 
iswang, d. i. König, derdem Recht gehorcht. Defien 
Nachfolger fchrieb im J. 714 an den Kaifer in China, daß feit 
der Unterwerfung der Turk unter chinefifhen Scepter, die Ruhe 
allein nur noch durch die Araber geftört werde; gegen ihre Raub⸗ 
uͤberfaͤlle bat er um Huͤlfe, die er aber nicht erhielt. Deſſen Sohn 
aber ward im J. 742 mit Titeln abgeſpeiſet, und König Hoaw 
hoa, d. i. „der innern Bekehrung,“ genannt, und fein 
Diplom auf Stahl eingegraben. Einige Zeit darauf fehickte der 
Generals Gouverneur einen General in diefe Landfchaften, der 





»04) Ab. Remusat Remarg. 1. ©. p. 88. *) P. Gauhil Hist. des 
Thang I. c. Mem. T. XVL p. 393. 





Transoriana, die X VL Königreiche z. Z. der Thang. 571 


Kaoſiantchi hieß, um die Fehden dortiger Fuͤrſten beizulegen. 
Der Koͤnig von Schaſch, oder Taſchkend, unterwarf ſich gleich 
den andern, und ſchickte darauf Geſandte an den chineſi ifchen Ges 
neral- Gouverneur, die aber diefer enthaupten ließ. Solche Graus 
ſamkeit brachte alle Könige im Abendlande zur Empoͤtung. Der 
Sohn des Koͤnigs von Schaſch rief nun die Araber als Huͤlfs— 
truppen an, eroberte mit ihrem Beiſtande Taras (Talas, im, 
Weſt des Bhalfafch, f. 06. ©. 321), ſchlug die hinefifche Arınee 
des Generals aus dem Felde und blieb ſeitdem Vaſall der 
Araber. Doc fagt das Thangchou, Lib. CCXXI. p. 7, er habe 
im %. 762 noch Tribut und Embafjade nach China gefchict. 


II. Das Königreich der Youechi Moueichi oder richs 
tiger Yueti), d. i. das heutige Ihofhareftan. Won 618 bis 649 
ſchickte es mehrmals Tribut; im Yahre 650 brachten die Ges 
fandten von da nach China einen Kameelvogeld) GKaſoar) 
als Gabe. Von 656 — 660 ward Ahouan zur Nefidenzftadt - 
erhoben und erhielt den Namen Youeichifou, ihre wurden 
24 Icheou mit den übrigen Städten zugetheilt, und der König 
Affena zum Touton erhoben, deſſen Nachfolger fpäter, im J. 
755, als 5hou, oder Könige der Youedi, di. der Getag, 
- anerfannt wurden. Als diefe von tübetifchen Eroberern mit Kriegs: 
überfällen bedroht wurden, erhielten fie Beiftand von einem dhines 
fifhen General, der die Tübeter zuruͤckſchlug. Großer Gewinn 
mag dabei nicht gemwefen feyn; denn im 760 revoltirten 9 weils 
lihe Königreiche gegen die Chinefen, worunter auch dieſes Tokha— 
reftan war, obmwol fie wieder unter die Obhut des General: Coms 
mandos famen, und fowol von Geten als von den Kilan, ges 
willen Bergtribus im öftlichen Iofhareftan, wo mehrere indepens 
dente Volker figen blieben, wie etwa noch heute die Schwarzen 
oder Berg: Kirghifen u. U. (f. ob. ©. 481, 486 u. a. O.), Ge 
fandtfchaften wie Tribute zu wiederholten Malen ren in China 
einliefen. 


IV. Bon den drei daran grenzenden Gebirgsftaaten Chi— 
fhini, Houmi, Kiumi war fchon oben die Nede, deren Lage 
auf der Süpdfeite des Orus wenig befannt ift. Die wol eben fo 
independent blieben, obwol auch fie nebft den Sfe mou, im 

üben von Schaf, und den Zuphan, die Samarkand bes 





) Ab. Remusat Remarg. I. e. p. M. 
» 


572 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 5 6. 


nachbart wohnten, In den Jahren 646 und 647 zu den tributai⸗ 
ren gerechnet wurden. | 

V. Auch von Fanyanna, d i. Bamiyan, war früs 
her die Rede (f. ob. ©. 272), deffen Fürften felt dem J. 627 
Tribut an China zu zahlen anfingen (alfo kurz vor Hinan Thſangs 
Befuche). Im Jahre 658 ward die Stadt Lolan, uns fonft 
unbefannt, zur Capitale diefes Königreichs erhoben, Foucht zur 
zweiten Diftrictsftadt mit dem Titel Si wan tcheou. Der Lans 
desfürft ward Commandant und General aller Trups 
pen in den 5 Diftricten des Innern (wahrfcheinlich der 
- Heinen Gebirgsftaaten des Hindu Khu, deren Paffage er zwifchen 
NM. und ©. natürlich dominirte) erhoben, Seitdem brachte Bas 
miyan regelmäßig feinen Tribut dar, 

VI Das Königreih Ho, im Norden von Samarfand, 
lag am Südufer des Syr (Yarartes), hatte eigene Fürften, die 
im 5%. 641, 650 und 655 Gefandte fchickten, morauf das Land 
den Titel Koueichouang erhielt, von den 5 Fürftenthümern, 
in welche zu den Zeiten der Han Sogdiana getheilt war. Der 
Landesfürft Tſchao woupota ward zur Würde eines Landrichters 
oder Friedensrichters erhoben, wofür der Gefandte Potichi dem 
Kaifer in China den Dank überbrachte. Der Landesfürft von 


Ho, fagen die Ihangs Annalen, hatte Säle in denen die Abs 


bilder’) der alten Kaifer von China, wol der Han, aber auch 
die der Turk und Inder (Poloman, d. i. Brahmanen); auch 
nah Dat. Gaubils Erklärung, perfifcher und griechiſcher 
Könige (wol römifcher Cäfaren?) waren, denen er und feine 
Prinzen, zu gewiffen Zeiten, Opfer unter gewiffen Ceremonien zu 
bringen pflegte. 

» VIE Der König von Kharesmien (am untern Orus), 
defien Capitale Gordifch, deffen Staaten von den Chineſen als 


Nachbarn von Derfien gefchildert werden in S.W., und der 


Khafars (Chazaren ?) gegen N.W., ſchickte zweimal Tribut in den 
Sahren 751 und 762; doch nicht als Vaſall, denn weder er noch 
fein Land erhielten chinefifche Titel. 

VI. Königeeih Cha fepi, d. i. Kefch, das berühmte, 
der Timuridenzeit im Süden von Samarfand, ward im J. 660 


unter dem Namen Sfe, oder Che, zum Sfcheon erhoben, 


und der Fürft erhielt den Titel eines Ihfeu ffe, d. i. Crimi⸗ 


#07) P. Gaubil Hist. d. Thang I, c. Nem. T. XVI. p. 393. 





Sransoriana, die KVIKönigreiche 3.3. der Thang. 573 


nalrichters im Lande. Er war vom Gefchlecht der Großen 
Yuetid), alfo ein Gete. Noch in den Yahren 742 — 755 
wurde diefem Staate der Ehrentitel Cai weifoue zugetheilt. 
Auf diefe Weife wurden die Eleinern KHerrfchaften abgefundenz 
eine bedeutendere Stelle nimmt Samarfand ein. | 

IX, Der König von Samarfand (Samaeculhhan 
der fpätern Chineſen) 9), früher von weftlichen Turks gedrängt, 
im Zahre 631, wünfchte Vafall des Ihang Kaifers Taitfoung zu 
werden, um deſſen Schuß zu genießen, was diefer aber für jegt 
zuruͤckwies, weil es ihn in ferne Kriege verwickelt haben würde. 
Jedoch ward In den Jahren 650 — 655 der dort herrfchende Res 
gent, Fouhou man (Bahman nah Ab. Remufat) 2), mit 
dem antiken dort ſchon früher einheimifchen Titel eines Königs 
von Khangkiu beehrt. Samarkand heißt daher auch Khang. 
Diefelbe Ehre widerfuhr dem Sohne des Könige (Tou fo pati, 
im 5. 696) und defien Enkel Nieniefe. Nach diefem aber 
kroͤnten die Eingebornen einen gewilfen Thou hoen zum Sans 
desherrn. 

Sn den Yahren 731 — 741 fchieten die Einwohner von 
Khang (d. i. Samarkand) indeß aus eigenem Intereſſe Tribut 
nad China; denn ihe König Ou le kia war in einen ungluͤck— 
lihen Krieg mit den Arabern verwickelt; wahrfcheinlic) derfelbe, 
welcher von armeniichen Hiftorifern vom Jahre 741 angeführt 
wird, in welchen der arabifche Feldhere Abdallah das Vol£ der 
Dijen (Chinefen) an den Ufern des Oxus bekriegte. Erxft fpäs 
‚tee Eonnten die Chinefen wieder deffen Söhnen Touho und 
Michhoue, denen fie die Titel als Könige von Thfao und 

Mi verliehen, zu Hülfe fommen (Thfao haben wir oben als 
 Dsrufchnah Eennen lernen; Mi ein fleines Territorium liegt im 
S. O. Samarfands). Der genannte Erbprinz Touho ward als 
König Kinhoa titulirt (d.h. „refpectvolle Bekehrung“). 
Seine Mutter, die Königin, Khatun (Khotun, der türkifche 
Titel) genannt, ward mit dem chinefifchen Ehrentitel Kiun: 
foujin (d. h. Dame der Nefidenz), was dem frühern 
‚entfprach, beehrt. 

X. Das Königreih Mi, oder Meimorg, im Süden 








®) P. Gaubil Hist. d. Thang I. c. °) Kanghi Mem, in Men, 
Cone. P’Hist. des Chin. Paris 1789. 4. T. XIV, p. 27. 
'°) Ab. Remusat Remarg. I. c. p. 9. F 


4 


574 Weſt-⸗Aſien. 1 Abſchnitt. 6. 6. 


von Samarfand, anfänglich ein ſelbſtſtaͤndiges Fürftenthum mit ' 
der Capitele Pofite, ward in den Jahren 650— 655 von den 
Arabern erobert. Doch muͤſſen fich diefe wieder zurückgezogen 
haben, da dies Gebiet im J. 658 unter dem Namen Südlis 
ches Mei, oder Meimorg, als ein Diftrict zweiten Nanges 
eingerichtet ward, und deffen Landesfürft Chao won fhaithoue 
mit dem Titel Ihfeuffe (Criminalrichter) beehrt ward, Erft im 
%. 742 ward er zum König erhoben, und die Königin Mutter, 
die Khatun, zur Kiun fon jin. 

# AI. Der Fürft ver Alan von Khodjend Ah ward im 
3.656 — 660 unter die Vafallen des Neichs aufgenommen und 
zum Thfeuffe erhoben. Sein Staat Alan genannt, erhielt 
damit den neuen Namen Afitcheon, d.h. Diftrick der Afi, 
Unter diefem Namen werden alle Völker, oft ohne Linterfcheidung 
ihrer Sndividualitäten, die im Welten zwifchen beiden Strömen 
Syr und Gihon (Zarartes und Orus, alfo dem Mawar al nas 
har der Araber entfprechend) wohnen, genannt. Der damalige 
Fürft, Prinz Tſchao wou cha, fagen die Chinefen, war von | 
dem berühmten Gefchlechte der Tfehao wou, deren verfchiedene 
Zweige damals alle Throne von Transoriana befaßen; wol ältefter | 
Herkunft, Die Stadt Khodjend (in dem berühmten Ferghana 
gelegen) ward zu einem Tcheou erhoben und Moulou genannt; 
ihr Landesfürft Piſi (Tſchao wou pifi) ward zum Thfeuffe ges 
macht. Im Jahre 726 fchiekte der Fürft Afilanpoti von 
Khodjend feinen jüngern Bruder, Tafou tan fali, als Ges 
fandten nach China, und 8 Yahre fpäter (733) noch einmal Tris 
but, in perfifchen Pferden und feltenen Koftbarfeiten. Seine Ges 
mahlin, die Khatun, d. h. Königin, was die Chinefen gewöhnlich 
für einen Namen anfehen, ſchickte fhöne Teppiche und geſtickte 
Stoffe mit, wofür der Fürft einen Kuͤraß und Gürtel, die Fürs 
fin reiche Kleider erhielt. f 

XU. Das Königreih Bofhara 12) erfcheint noch ger 

fondert von jenen Gebieten, wie insbefondere aber räumlich ges 
fchieden, ift fchwer zu ermitteln. Obwol die Chinefen damals, 
beinerft Ab. Remuſat, auch in Verbindung mit den Afi von 
Bofhara flanden, und von ihnen Embafjaden erhielten, fo 
rechnen fie diefe doch nicht unter die tributairen Völker, 
oder Vaſallen Chinas, eine Auszeichnung, die jene Unterwerz 











?4t) Ab. Remusat Remarg. I. ©. p. 9. 12) ebend, ps 96. 


Transoriana, Die KVI Königreiche 3. 3 der Zhang. 975 


fung der vorhergenannten Herrfchaften wenigftens nicht blos imas 
ginair madıt. 
Das Gebiet von Bokhara ift, nach ihnen, im Welten bes 
x ‚grenzt vom Oxus, ihre Capitale heißt Alanmi, deren Bewoh: 
ner nennen fich aber felbft Tokie, das heiße in ihrer Sprache 
Be Tapfern.” Im J. 618 626 zahlten fie Tribut; im 5. 
627 nahm Kaifer Taitfoung, der Ihang, ihre Embaffade mit 
‚großer Güte auf, und fagte ihnen, die Unterwerfung der 
weftliben Turk werde auch Fünftig die Verbinduns 
gen und Reifen der Kaufleute zu ihnen fehr erleichs 
tern. Don einer Unterwerfung diefer Afi, oder der Bewohner 
von Bokhara (dem Namen nad) leicht zu verwechfeln mit Alanen, 
son indosgermanifcher Race, auch Anfi genannt) ift feine Rede. 
Ei XUL Das Königreich Ferghana, diefes fpäterhin fo 
# berühmte Reich am obern Syr Daria (f. ob. ©. 476 u.f.) hatte 
bis zum Jahre 627 n. Chr. G., bis zur Zeit der Thang-Dpnaftie, 
ſeine eigenen Fürften gehabt; in diefem Jahre ward Fürft Khipi, 
vom Mono tou, dem Könige der Weſt-Turk, erfchlagen. Afes 
naſchuni bemeifterte fih der Stadt." Nach feinem Tode feßte 
ſein Sohn Kho po tdi, den Neffen des Khipi, Aliaotfan, 
in der Stadt Houmin auf den Thron, fich felbft echielt er auf 
E dem Thron der Eapitale Hofe. Im Jahre 656. fchiekte jener Khos 
po tchi eine Embaſſade an den Kaiſer Kao tfoung, die gnaͤdig auf: 
genommen ward; und 2 Jahr darauf ward Hofe zum Gouvers 
— nement Hieouſiun erhoben. Dies war der Name, den die 
Chineſen in alter Zeit (vor Chr. Geb.) der großen Nation der 
Ouſiun (Uſiun, Uſun, f. ob. ©. 420 u. a.D.) gegeben hats 
= ten, welche ganz verfchieden ven den andern dortigen Voͤlkerſtaͤm⸗ 
men auch in Ferghana eingedrungen war und fid viel 
"weiter ausgebreitet hatte. 
7 Aliaotfan erhielt den Titel Ihfeuffe (Triminalrichter). 
Seit dieſer Zeit zahlte Ferghana regelmaͤßig ſeinen Tribut, und 
erhielt einen regulären Verkehr mit China. Es erhielt, im Jahre 
— fuͤr ſeinen tapfern Widerſtand gegen den Turkfuͤrſten Thou—⸗ 
"Ho ſian, den Titel Kinhoa wie Samarkand. Im J. 744 ward 
dem Könige: eine kaiſerliche Prinzeffin zur Gemahlin überfandt, 
und feinem Keiche der Titel Ningyouan, d. h. „Ferner 
Friede” Im J. 754 ward der junge Prinz Sieiiu mit eis 
ner Embaffade nach Hofe geſchickt, mit der Bitte eine Zeit lang 
dafelbft verweilen zu dürfen, um die chinefifhe Sitte und Eti— 





576 Weſt⸗Aſien. I. Abſchnitt. $ 6. 


quette zu erlernen, was ihm auch verftattet ward. Er ward zum ı 
General der Linken erhoben, und blieb einer der treueften Diener 
der TIhang s Dynaftie. | 
XIV, Das Land Kipin9B) fcheint in feiner Ausdehnung 
mancherlei Wechfel erlitten zu haben. Zur Zeit der Han ward 
diefer Name, der zunaͤchſt an Kabul oder Kophene erinnert, 
dem öftlichen Theile von Khorafan beigelegt, und dem eigentlichen 
Bactriana. Aber unter den Sui und Thang rückte der Name 
weiter füdwärts nach Kandahar. Der König von Kipin refidirte 
im Jahre 619 in Sieoufian und fihiefte Pferde als Tribut. 
656 ward es zum Gouvernement mit dem Namen der Reſidenz 
erhöht. Im J. 705 erhielt der König das. Iruppencommando 
und Befehl über 11 Tcheou. Im J. 719 ſchickte er eine Ems 
baſſade und erhielt den Titel Tere von Kotalotdhi. 742 bie 
755 ſchickte derfelbe Tribut an Pferden. Bei diefer Gelegenheit 
hielt Kaifer Taitfoung eine Rede an feine Hofleute, in der 
er die Unterwerfung der vier Claffen, d. h. im N, DO, & 
und W., der Barbaren » Völker dem ung) en Frieden zufchreibt, 
der in feinem Reiche herrſchte. Im J. 748 wurde des Königs 
Sohn als Erbprinz von Kipin und Utchang einregifteirt (f. ob. 
©. 289). Derfelbe ſchickte bis zum Jahre 758 Tribut. | 
XV. Groß und Klein Poliu, di. Pourut M. So 
nennen die chineſiſchen Geographen der Thang-Dynaſtie ein Laͤn⸗ 
dergebiet zwiſchen Kaſchghar und Kaſchmir gelegen (alſo das heu⸗ 
tige Gebirgsland in S.W. von Yarkand, gegen den Puſchtikhur 
und Karaforum, fammt Klein »Tübet, nämlih Baltiftgn und 
Ladakh); diefelben Gebirgslandfihaften, welhe außerhalb. 
der Heerftraße von China nach Transoriana und Perfien oder 
Kabuleftan lagen, die aber wichtig wurden, als die Tübeter im 
VI. Sahıhundert anfingen ein großes Reich in Central: Afien 
zu errichten (ſ. Afien U. S. 274). Denn diefe Landfchaften las 
gen als Paffageland zwifchen Tübet und Transoriana. Bei 
Matouanlin heißt es, nach Ab. Remuſats Ueberſetzung: Po⸗— 
Liu liege gerade im Weften der Tübeter; Groß-Poliu grenze 
an Klein-Poliu, fein Wefttheil grenze an Nod und 







Ab. Remusat Remarq. l. c. P. 97. _**) ebend. p. 98-101; | 
vergl. Article Pourouts in Ab. Remusat Notice sur quelques Peu- 
plades du Tibet et des Pays voisins tiree de Matouanlin in Nouv. 
Dee Paris 1822. T. XV, p. 296 und in —— Melanges Asiat. 

® p» 194, 


Transoriana, die XVI Königreiche, 577 


an das Land Utchang (wozu Kaſchmir in jener Zeit gerechnet 
ſeyn konnte, da beide Sander, wie in neuerer Afghanenzeit, mehrs 
mals gleiche Herrfcher gehabt haben). 
Der König von Klein: Pourut refidirte in der Stadt 
Nieito am Soi⸗Fluß gelegen, in Weft davon erhebt fich ein 
—* Gebirgsruͤcken und jenſeit deſſelben liegt die große Stadt 
abul. (Hiernach kann faſt nur Baltiſtan, Gilgit oder Chitral, 
f. 06. S. 14 u. f. und ©. 215 u. f., damit gemeint feyn.) 

Der König von Groß-Pourut wohnte weiter im Often 
(das wäre alfo etwa im heutigen Ladakh?); dennoch hatte er 
Weniger Verbindung mit China; wol wegen der vielen dort fich 
durchkreuzenden Gebirgsfetten, welche ſich den directen Wegen 
entgegenftellen. Diefes Groß: Pourut ward von Tuͤbet unterjocht, 
doch hatte deſſen König (Sou fou che litchilini), von 696— 713, 
zu drei verfchiedenen Malen Tribut nach China geſchickt; auch 
deſſen Nachfolger (Son lin tho i tchi) fchiekte Tribut und ward 
als König einregiftrirt. 

Der König Mou fin mang von KleinsPourut kam im 
J. 713 an den Hof in China, wo ihn Kaifer Hiouantfoung 
gnadig aufnahm und defien Sohn bei ſich behielt. In des Was 
— ward ein Lager unter dem Titel Soui youanfiun 
d.h. Troftlager für ferne Regionen) errichtet. Dies hinderte jes 
) die Ueberfälle der Tübeter Eeineswegs, welche, wie fie felbft 
fagten, nicht der Befigergreifung willen gefchahen, fondern, weil 

Land aufdem Wege lag, den fie zu den 4 Tfchin oder 
ilitair⸗ Gouvernements zu nehmen hatten, um diefe zu attafis 
en (namlich aus WeftsTüber, über Ladakh, durch den Karako— 
um Pag nach Yarkand, Kafchghar und Khotan). Nach einiz 
jee Zeit wurden die Tuͤbeter auch Herren der 9 Städte, welche 
HeinPourut ausmachen, deffen König Mon fin mang fogleich 
m Hülfe bat. Wirklich ſchickte auch der Generals Lieutnant der 
hineſen in Kaſchghar Hülfstruppen, und beide vereinigt fchlugen 
e Tübeter vollkommen und entriffen ihnen die 9 eroberten Städte 
dieder. Dafür wurde eine Dank-Embaſſade nad) China gefchickt, 
Der Nachfolger auf dem Thron von Klein: Pourut hieß Nanni, 

nd deilen Succeffor, fein ältefter Bruder, Malai hi.‘ Diefes 
Sohn, Souchili, ward König, und verheirathete fich mit einer 
überif ben Prinzeſſin. Seitdem entftand eine Allianz zwir 
hen Klein⸗Pourut und Tübet, Zugleich fielen noch 20 andere 
Ritter Erdkunde VII. Do 






















578 Weſt⸗Aſien. J. Abſchnitt. 65. 6. 


Koͤnigreiche des Nordweſtens ab, und zahlten feine Tribute mehr‘ 
an die General; Gouverneurs der Weftprovinzen, Dreimal wu 
den Verſuche gemacht die See wieder zu unterwerfen, 
aber vergeblich. 
Doch gelang es im Jahre an dem chinefifchen Genero 
Kavfiantchi, durd Lift, in Groß-Pourut einzudringenz 
er fehnitt die Brücke auf dem Soi-Flufie ab (ob Schayuf? od 
obere Indus, der in Ladakh noch heute Tſchu, oder Singke— 
Tſchu, der Indus-Strom heißt, ſ. Afien II. ©. 607, was im Chis 
neſiſchen wol dur) Spot umfchrieben werden fonnte). Bei M 
tuanlin wird die Brüde Phoni genannt, Hierdurch wurde da 
tuͤbetiſche Heer von dem feiner Verbündeten getrennt, fo ge— 
lang es jenes vollftandig in die Flucht zu ſchlagen und dieje 5 
unterwerfen. Großen Ruhm verbreitete diefer Sieg in jenen Ge 
genden. Alle Staaten der barbarifchen Nationen, welche vor 
Arabern und Romanen (Foulin, d. i. Byzantinern, f. ob. ©. 540) 
abhingen, follen, nach den wol zu ruhmredigen Ausfagen chineft 
fiher Autoren, damals vom panifchen Schrecken ergriffen (es fol 
len ihrer 72 gewefen feyn), die Gnade und die Freundfchaft Chi 
na's erfleht haben. Dies will aber in der Sprache der Poliki 
jener Zeit nichts Anderes fagen, als daß-diefer Sieg über die u 
beter die Chineſen-Dynaſtie auf den Gipfel ihrer Macht erhof 
Matuanlin fagt, daß eine Befasung von 10,000 Manın chim 
fifcher Truppen in diefe neue Eroberung verlegt ward, Hier 
durch öffneten fih nun die Dandelswege zu d 
Derfern und dem Byzantiner-Reiche, was bisher du 
die Menge der Eleinern in beftandige Parteiungen zerriffenen Stat 
ten jener Routen nicht möglich gewefen war. 
Der König und die Königin von Pourut wurden als G 
fangene in die chinefische Capitale gebracht; aber der Kaifer 1 
gnadigte den König Sou hili, erhob ihn fogar im Kaiferp 
lafte zum General der Nechten mit dem violetten Talar und dei 
Goldguͤrtel; aber er durfte das Hoflager nicht wieder verlafe 
Sein Land wurde von chinefifchen Truppen befegt, unter d 
Titel eines Lagers von Koueifiu (d. h. „der Wiederfeh 
zur Pietät”). — Hierbei ift zu bemerken, daß es in fpätt 
Zeit weit nördlihere Pourut oder Burut giebt, die öfkl 
chen und die weftlichen Burut, worunter die Berg⸗Kirghife 
verſtanden werden (ſ. ob. ©. 451 u. a. ©.) und die groß 
Horde der ——— der Hakas, wie von Ili bis zum JM 




















Transoxiana, Die XVI Königreiche, 579 


fulsSee (f. Alien I. S. 1120 - 1121), deren Herkommen in Obis 
gem nicht angegeben werden konnte. Aber in der hinefifchen 
Neihsgeographie Edit. 1790 915) wird, im Kapitel von den 
Burut, ausdrüclich gefagt, daß fie früher unter den Thang in. 
feine und große Pulu oder Poliu, d. i. Pourut, ges 
theilt waren, und daß fie ihre Wohnfige im Süden von Oft 
Turkeſtan gehabt, in den Südgebirgen, d. i. dem Kuenlun; 
fpäter aber erſt hätten fie fi in der Nordfette (d. i. im Thian: 
Schan⸗Syſteme) feftgefeßt, und zwar feit der Dynaſtie der Thang. 
Es ift fehr leicht möglich, daß eben in diefem Siege vom Jahre 
* die Urfache ihrer Nordwanderung gelegen haben mag. 
XVI. Unter Sieju und Kothalo tchi verfiehen die Chis 
* zur Zeit der Thang den Theil von Oſt-Perſien, welcher 
Eiftan, oder Sejiftan, entfpricht, darin fie Gazna als Capitale 
nennen. Dreierlei gemifchte Raçen bewohnten diefes Land: die - 
Surf, die Eingebornen von Kandahar und die Tofharier 
(von diefen weiter unten). 
Die Einwohner von Kandahar (Kian tho lo) bettheidigten 
—* am tapferſten gegen die Araber, Anfang 710 ſchickten fie 
en Tribut an China, wurden aber bald. darauf ‚von Mufels 
nnern unterjocht (f. 06. ©. 273). Im Jahre 726 erhielt der 
Randesfürft (er wird Kielifa chi Khiou eu! genannt, wobei 
ſchon die Anmaßung der Würde des Khalifen mit in das Spiel 
gekommen zu ſeyn fcheint) vom chinefifchen Kaifer den Königs: 
titel; 742 zahlte Kothalothi noch einmal Tribut, und daſelbſt 
durde ein Gouvernement der Tadjik (Tiao ti) eingerichtet, 
Die Forfhungen in den inefifchen Quellen geben Berichte 
son Begebenheiten 1%), welche zwar aus den Schriften der weſt—⸗ 
afiatifchen Autoren genauer befannt find, jedoch immerhin die 
Kunde der Zeitgenoffen, unter den Chinefen, und die Art ihrer 
Kenntniß von Transoriana bezeugen. Perfien war, nach ih— 
nen, zur Zeit der Soui»Dynaftie (581 — 619 n. Chr, Geb.) den 
Ueberfaͤllen der Turk ſehr ausgeſetzt; der Tuͤrkfuͤrſt Khakan—⸗ 
Dhou Ghoukho tan) tödtete den Saffaniden König Khoss 
roes (Kouſſa ho; es if KhosruParviz bei Mirkhond 17), 
—— 










215) The thsing y thoung tschi Edit. 1790. Notic. Geogr. et kistoriin 
trad. p. Klaprothı im Magasin — Paris 1825. T. 1. p- 112. 

_ 46) Ab. Remusat Remarg. 1. c. p. 101. 1?) Mirkliond Hist. des 

_ Reis de Perse de la Dynastie oe Sassanides Trad. du Persan p. 

Sylv. De Sacy in deffen Mem, sur la Perse, Paris 1793. 4. p. 407, 


Oo 2 


580 WeftsAfien, I. Abſchnitt. 6 6. 


der von den Emirn und Prätorianern feines Reiches abgeſetzt 
war). Deſſen Sohn Schirouieh folgte ihm, regierte aber une 
ter. der Protection der Turk (nach den Chinefenz feiner Emire, 
nach Mirkhond). Mach deflen Tode verftießen fie die Tochter 
Khosroes vom Throne und tödteten fie. (Es ift wol Arzemi— 
dokht bei Mirkhond) 8); der Sohn Schirouiehs, mit Nas 
men Tankiei, floh zu den Römern (Bnzantinern). Aber deſſen 
Söhne riefen ihn zurüc, und er wurde zum Ardefchir (Ita— 
chi, d.i. zum Großfönig, Khakan, oder Schahinfchah) gemacht, 
Tach. deſſen Tode folgte ihm der Sohn feines älteften Bruders 
Is dedjerd (Iſſetſe der Chinefen; es ift Dezdedjerd, ber 
bei Mirkhond ein Sohn Schahriars genannt wird) 19). Diefer 
ſchickte im Yahre 638, im Gedränge der einrüdenden Araber 
Heere, noch eine Embaſſade nach China, unter Mon ffepan, um 
Tribut zu bringen; aber bald ward er entthront, und auf der 
Flucht nach Tokhareſtan ward Yezdedjerd; von den Araber 
eingeholt und erfchlagen. Sein Sohn Phironz entkam glück 
lich nach Tokhareftan, deffen er ſich bemächtigte, Derfelbe beriche 
tete im Jahre 661 nach China, daß ihn die Araber (Tache) ats 
tafirten. In Tfiling, feiner Capitale, ward ein Gouvernemene | 
erfter Claſſe errichtet, er felbft zum Könige (Touton) erhoben, 
was freilich nur bloßer Titel blieb. Denn überall, von den fies 
gend nachrückenden Arabern verfolgt, floh Phirouz ganz zu dem | 
Ehinefen, wo er zum General des Eaiferlichen Haufes gemacht ward. 
Nach feinem Tode folgte ihm fein Sohn Ninieiffe in allen 
Rechten; auch war es Project ihn im %. 679 durch eine chinefiz' 
fche Armee wieder in feine Staaten einzufegen. Der lange Weg 
machte jedoch, daß an den Grenzen des Generals Gouvernements 
von Siyu, auf der Route nach Talas (d. i. Taras, im Nor— 
den von Ferghana) das chinefifche Heer fchon wieder auf die Ruͤck— 
kehr bedacht fenn mußte. Prinz Ninieiffe feste jedoch feinen 
Marſch fort und ward in Tofhareftan auch gaftlich aufgenommen. 
In den verfchiedenen Jahrzehenden waren aber alle Theile feiner 
einftigen Herrichaften fo auseinandergefprengt und nach allen Sei⸗ 
ton zerftreut, daß an feine Reſtauration mehr zu denfen war, 
As er felöft im Jahre 707 nach China zurückgekehrt und zum 
General der Linken erhoben war, fand er dafelbft feinen Tod. — 
So endet, nad chinefifhen Berichten jener Zeit, das geftürzte 


t 


225) Mirkhond I, e. p. 413, 19) gbend, p. 416. 





Transoxiana, die XVI Königreiche, 581 


und verdrängte Königsgefchlecht der Saffaniden, welches dem har 
kifat in Bagdad und Schiraz Platz machte, welches zu feiner Zeit 
wieder durch die Mache eines chinefifch  mongholifchen Prinzen 
Hulagu Khan 20) geftürzt ward (dein Bruder Mangu Khans, 
deſſen Eroberung von Pagtha, d. i. Bagdad am Euphrat, im 
Ssahre 1258 n. Chr. ©. bekannt if). 

Noch weſtlichere Provinzen des Saſſanidenreiches in 
Perſien, behaupteten etwas laͤnger ihre Unabhaͤngigkeit gegen die 
Araber, und ſuchten deshalb, durch Anſchluß an die oͤſtliche chine⸗ 
ſiſche Macht eine Stuͤtze zu finden, bis ſie endlich alle in die 
Fluthen des Mohammedaner⸗Oceans untertauchten. Von der 
Flucht eines Theils derſelben im Suͤden des Gebirgszuges, als 
Guebern nach Indien, iſt anderwaͤrts die Rede geweſen (f. Aſien 
IV. 1: ©. 615- 619). Die wefttichfie jener Provinzen, zu wel⸗ 
her chinefifchee Einfluß vordrang, fiheint Tabareffan gewefen 


zu ſeyn. Don den Jahren 713755, In der Zeit der größten 


Noth durch die Araberuͤberfaͤlle, ift in den chinefifchen Annalen 
von 10 Embaſſaden der Derfer zu ihnen die. Rede. 

Der perſiſche Statthalter von Tabareftan, das, als 
von drei Seiten, von hohen Gebirgen umgeben gefchildert. wird, 
dem im Norden das Eleine Meer, der Caspifche See, vorliegt, 
mit der Capitale Sari (weftlid von Aftrabad), war bejahrt und 
hatte die Würde eines großen Generals im Drient (viels 
leicht der Statthalter von Khorafan, was flets die große Oft: 
Provinz, das Schild ven Iran hieß). Er wollte den Arabern - 
fih nicht unterwerfen. Im Sahre 746 hieß ev Hou lou han, 
fehiekte eine Embaſſade nah China, und ward mit dem Titel 
Koueifie Wang (treuergebener: König) ausgezeichnet. 
Er fendete 8 Jahr fpäter feinen eigenen Sohn Hoeilo, der Ges 
neral des Kaiferhaufes ward, violetten Ialar und den Gürtel mit 
den goldnen Fifchen als Ehrenzeichen erhielt. Cr blieb am Hofe 
in China; aber fein Fürftenthum in der Heimath ward von den 


Arabern zerfiort. So werden die Embaſſaden der verfchiedenen 





— 


Perſerprovinzen, aus jener Zeit, von den Jahren 647 bis 742 n. 
Chr. ©, in den Thangs Annalen aufgezeichnet, und in den Jahr 
zen 742 bis 755 ſchicken noch folgende 8 kleine Königreiche ihre 





2°) ueber Houlagous Eroberungszug ſ. Souhoungkianlou Liv. XVII. 
p-5 in Ab. Remusat Mem, zur la Ville de Karakorum p. 37 etc.; 
deff. Relation de l’Expedit. de Houlagou in Journ, Asiat, 1823. 
p- 291; in Nouv. Melanges Asiat, T. L. p. 184 etc. 

























582 Weſt-⸗Aſien. I Abſchnitt. F. 6, 


Embaſſaden, die von Khiulanna, Chemo, Weiyouan, 
Soufilifawolan, Soulifitan, und den Städten Kian, 
ou che he und Khiumei genannt werben, f 

Der Staat von Khiumei, der auch Changmi genannt: 
wird, hatte Acheju ffeto zur Capitale, die im Norden der 
Schneegebirge und des Fluffes Pournt liegt Calfo im Norden des 
obern Indus oder Stromes von Baltiftan und identifch mit 
Schambi, f. ob. S. 493). Deffen Bewohner hatten fich ftets an 
die Einwohner von Klein sPourut und alfo an China-angefchlofs 
fen. Nouchehe, d. h. die Neue Stadt (es it Nou Shes 
her) in der Landesfprache, nämlich im Perfifchen, fagen die Chis 
nefen, lag im N.O. von Schafch 100% fern. Diefe neue Stadt 
ward ſeitdem von den Karlouf(l?) unterjocht. 

&o weit reichen, in jener Zeit, die Chinefenberichte, zu des 
nen wir noch hinzunehmen müffen, was fchon früher aus ders 
felben Quelle über Ka himilo, d. i. über Kafıhmir (f, Afien 
U. S. 1111 — 1114), aus derfelben Periode der Ihang-Dpnaftie, 
mitgetheilt wurde, woraus fich ergiebt, welche bedeutende 
Holle das chineſiſche Reich in jener Zeit für Mittels 
und Weft-Afien fpielte, die wol mit dem Einfluffe verglis 
chen werden kann, den dag Roͤmer-Reich, Eurz ‚vorher, jenfeit 
des Limes Imperii Romani, über Ahein und Donau hinaus, 
auf Mittels und OftsEuropa ausgeuͤbt hatte, Mit Einwils 
ligung dortiger Fürften wurden die Grenzen der Thfin, das 
‚mals, bis in das Stromgebiet des Orus offenbar erweitert, wie 
ein Ager Decumatus, wie eine Dacia Trajana in Mittels Germas 
nien und Ungarn entftanden, und zur Zeit der Marfomannens 
Triege, unter beiden Antoninen, der Nömereinfluß in der Ger- 
mania Magna bis zu Duaden in Mähren, Gothinen in Obers 
fohlefien und andern Völkern in Dacien und jenfeit des Iſter big 
zum Pontus hin bekannt iſt. 

Das Keich der Thfin hat alfo wirklich zu gemiffen Zeiten 
feinen Antheil an Bactriana und Transoriang gehabt, daher auch 
fein Name bis dahin ausgedehnt erfcheint, Daher, daß Ab 
Iſchak Ibrahim nah Ebn Haufals Angabe, die Grenzen 
des Landes Sin”) an die Grenzen von Mawaralnahar un 
an die Außerften Wohnfise der Mufelmänner ftoßen laßt; daher 
daß der arabifche Dichter, Abu Djumanah Bahely, fagen konnte 


??t) Ab, Remusnt Remaryues |. e. p, 106. N 


Central Afien, alte ethnographifche Verhältniffe. 583 


daß der General Kotaibah, Sohn Moslems, vom Tribus Bas 
"help, im Lande Sin begraben ward, da es aus Abul Joktans 

eines Autors des erften Jahrhunderts der Hegira) Zeugniß bes 
annt ift, daß diefer Feldherr in Ferghana geftorben war, im 
‚turkeftanifchen Gebirgslande, das allerdings damals zum chinefis 
ſchen Reiche gezaͤhlt werden konnte, als Vaſallenſtaat. 


Fuͤnftes Kapitel 

Ethnographiſche Verhaͤltniſſe Mittel-Aſiens nach dem 

Fortſchreiten feiner Bölkergrüppen gegen den Weſten: 

Die Hiongnu, die Uigur und Hoeihe, Hoeihou, Thu— 

fin, Usbefen. Die Yueti (Getae), Sai (Sacae), die 

Ufun, die indo=germanifche Voͤlkergruppe der blau— 
© Augigen Blonden, Die Tofharen, die Tadjik, 


Dir die Seren, 
iR 6.77% 
Ehe wir das dftlihe Turfeftan ganz verlaffen, um zu 
dem weftlichen Turfeftan nad) deiien Gebirgsgauen überzus 
gehen, wird es nothwendig ſeyn, nachdem wir alle feine Dertlich 
iten, fo vollftändig als es für jest möglich fcheint, erforfcht has 
F und im Einzelnen auch das Schickſal ſeiner Bewohner, wie 
den Einfluß feiner Beherrſcher bis auf die Gegenwart nachzumeis 
fen uns bemühten, doch zuvor noch gewiffe Hauptmomente ſeiner 
ethnographiſchen Verhaͤltniſſe, welche in die ganze Voͤl—⸗ 
Fer, Staatens und Cultur-Geſchichte Mittel- und Weſt-⸗Afiens 
nicht weniger als jene politifchen Verhaͤltniſſe eingegriffen haben, 
etwas genauer und im Zufammenhange ins Auge zu fallen, als 
es bei der anfänglichen Orientirung in den Einzelnheiten möglich 
war, die wir nun als befannt vorausfegen fünnen. 
or Es iſt das Auftreten und die Verbreitung der Hiongnu 
in den älteften Zeiten durch einen großen Theil Mittel: Afieng, 
und ihr Zurücktreten; es ift das Vorkommen der alten Thu⸗ 
kiu, der Uiguren und der Turk-Voͤlker, und ihr gegen⸗ 
ſeitiges Verhaͤltniß in alter wie in neuer Zeitz desgleichen dass 
jenige der, gegen den Welten, durch das ganze Mittel-Afien fort: 
gefchobenen,, antiken Völker der Yueti und Ufiun, namlich 
der Dlauäugigen, blonden Ragçe dis fogenannten indos 





584 Wefts Alten, I Abſchnitt. 9 7; 


germanifchen Stammes, im Gegenfaß jenes Turfifchen, 
oder eines Tuͤbetiſchen, Mongholiſchen, Chinefifchen, von dem fo 
häufig die Rede war. Hierzu gefellen fich ferner noch die Fragen, 
wie, außer unzählig davon abgezweigten Horden und Gliederuns 
gen, noch auf demfelben Boden die fo oft genannten Tadjik, 
Bucharen, Usbefen, Kirghifen\n. A. mehrz fich zu jenen 
verhalten; wie die Städter zu den Nomaden, wie die ges 
genfeitigen Begrenzungen in ihren turfifchen, wigurifchen, indos 
germanischen Sprachen, wie in ihren Schriftfpftemen und 
Siteraturen; wie das Sanskrit, Syro-Uiguriſch, Mongholifch, 
Chineſiſch, Aradifch, Perfifh und Anderes auf fie vom Weften 
her, wie vom Süden und Dften her, übertragen wurde; wie 
ſich hie Buddhacultus mit Foecultus, mit der antiken 
chinefifhen Weligion des Khung Fu dfü, mit dem Brah— 
maismus oder dem Zoroaftercultug, und dem einheimifchen 
alten Aberglauben berührten, und wie die Lehre des Koran 
zu allen als verfchmelzendes und weit eingreifendes Element hins 
zufam. > 

Obwol Hier gar manche Fragen noch unerörtert und viele 
noch in einem gewiſſen Halbdunkel bleiben. müffen, fo koͤnnen 
doch auch manche, die vor einem Vierteljahrhundert noch unaufe 
lösbar genannt werden mußten, hier in einem hellen Lichte here 
vortreten, zu denen fortgefeste Sprachforfchungen und Literaturs 
fludien noch weit mehr Aufklärungen mit der- Zeit hinzufügen 
werden, als es uns hier deren Nefultate fchon mitzutheilen ges 
genmwärtig vergönnt if. Doch werden wir auf einem an Laby— 
rinthen fo reichhaltigen Felde vorzuglih bemüht feyn, nur die 
den hiftorifchen Driginalquellen entnommenen Ergebniffe dee 
Forſcher gedrängt zufammen zu ftellen, ohne uns ſelbſt in die 
etymologiſchen Crörterungen derfelben einzulajien, die hier eine 
Fülle lebendiger Sprachkenntniffe vorausfegen, die wir nicht bes 
figen, und die uns in ein ganz anderes Gebiet als das geographifche 
ethnographifche, nämlich in das antiquarifch «mythologifcye noth⸗ 
wendig hinuͤberziehen und im directen Fortſchritte hemmen wuͤrden, 
welches wir andern, dazu geeignetern Forſchern, die es auch ſchon 
mit großer Beharrlichkeit und uͤberraſchender Originalitaͤt 2) an⸗ 
gebaut haben, zu glaͤnzendern Reſultaten uͤberlaſſen. | 


#22) Dr. K. Halling Geſchichte ber Säytken. Erſter Band Aſien. 
E> — g Geſchich Epth fer Ba fi 





\ 


SentraleAfien, Ethnographie, Hiongnu. 585 


Erläuterung 1. 
Die Gruppe ber Oſt-Turk. 


1. Die Hiongnu, ein Turkſtamm der älteften Zeit, 
als Herrſcher in Oft-Turkeftan. 

Nach dem, was fehon früher von den Hiongnu ihrem Aufs 
blühen, ihrer Macht, ihrem Verfall an den Grenzen Chinas, und 
Ihrem Fortleben in nördlichen und weftlihen Verzweigungen ge: 
fagt worden ift (f. Aſien J. ©. 241 — 245), haben wir nur wies 
der daran zu erinnern, daß ihre große Macht, Ende des erften 
Sahrhunderts nach Chr. G., durch die Chinefen vernichtet war, 
daß feitdem ihre weites Pand die Beute innerer Unruhen und der 
Ueberfälle ihrer, Nachbarn blieb; daß ſelbſt ald Vaſallen der Chis 
nefen das fortdauernde Anfehn ihrer Ifchenyu, mit dem Jahre 
216 n. Chr. G. am In⸗Schan und Hoangsho, vernichtet war. 
Daher treten feitdem nur noch gegen N.W. zerfprengte, Eleinere, 

‚ independente Staaten derfelben, von Zeit zu Zeit, noch einmal 
in denfelben Gebieten auf, wo fie anfänglich die von ihnen gegen 
Weſt verdrängten Völker der Ufun und Yueti noch weiter vers 
folgten, wie am Ili und Ihfungling, oder ſich Bid zum Sihai, 
dem Ieftmeere, hier wol nur der Balkhaſch-See (f. Aſien I. 
S. 432, 434), verbreiteten. 
Die Kaifer (Tſchen yu) der Hiongnu ®) führten den Titels 
 Zangrikutu, d. i. Sohn des Himmels, wie die hinefis 
ſchen Kaifer ſich ebenfalls titulirten bis heute, und mie derfelbe 
auf die Menaholen Herrfcher uͤberging. Unſtreitig hatten fie, wie 
die Thukiu, oder Oft:Turks, dem Tangri (Thian der Chinefen, 
Coelum, wie Deus) ihre Opfer gebracht, die jedes Jahr im Sten 
Monat, den 10ten und 20ften Tag, Statt fanden. 500 Li im 
Weſt des Lagers ihrer Khane verehrten fie auch) einen Po Tangri, 
d. i. einen Gott der Erde, nach dem Wen Hian thoung Ehao 
8.341 ©.7. Die Wellzweige der Thukfiu, welche die Byzan⸗ 
tiner im VI. Sahıhundert am Altai Eennen lernten, unter dem 
Namen Turcae, verehrten, nad) deren Berichten, zwar Feuer, 
Luft, Waffer, fangen auch der Erde Lobgefänge; aber doch betes 
ten fie eigentlich nur Gott den Schöpfer aller Dinge an, und 
brachten ihre Pferde, Ochfen und Schafe zu Opfern. Bis zu 





”®) Ab, Remusat Rech. I. c. p. 297. 


5868 MWeftAfien, I. Abfchnitt: $. 7. 


den Hiongnu drang Feine Spur ausländifcher Meligionsfyfteme 
durch Miffionen vor. 

Der legte der von den Hiongnu unter dem Namen der 
nördlichen Liang . sifteten Staaten an der MWeftgrenze 
Mord⸗Chinas, ward im Zuhre 460 n. Chr. G. zerftört, und Reſte 
diefer legten verjagten Türkenhorden fanden unter ihrem Anfühs 
rer Affena noch in den Ihälern des Kin Schan (Goldberge), 
oder des Altai, ihre Afyl, wo fie unter dem Namen der Thu— 
Ehiu Cd. h. Helm von der Bergform des Kin Schan, f. Aſien 
1. ©. 438), feit dem V. Yahrhundert mit ihren zahlreichen, vers 
wandten Völkern der Oſt-Turk (Thukhiu) im Gegenfaß der 
Weſt-⸗-Turk (Turkue, wol identifch mit Tofharen, f. unten), 
uns fhon aus frühern Unterfuchungen befannt find (Alien I. 
S. 351). Diefer Namensunterfchied ift in der That fo wenig wie 
derjenige der Hiongnu, die auch zum alten Turkſtamme gehören, 
nach der angegebenen Etymologie, fein wahrer Grund, diefe beis 
den Zweige deſſelben Voͤlkerſtammes im Often und Weften, 
dem Menfchenfchlage und den Sprachen nad), trennen zu wollen; 
denn das öftliche Thukhiun ift nur Pautumfchreibung des weftlis 
chen Turk (Terk heißt auch. im perfifchen Eifenhelm,. wie im 
Turki, und von Turk ift Atraf der Plural) 9. 

In ethnographifcher Hinficht aber wird wegen der großen . 
von ihnen eingenommenen Länderftreefen, eine folche geographifche 
Unterfcheidung nothiwendig, um einer noch größern Verwirrung 
in der Benennung ihrer Horden und Corporationen, als ihe nos 
madifches Hins und Herziehen an fich fchon bewirkt, wo möglich 
auszumweichen. 

As ältefte Stammpväter der Turkgeſchlechter 5), 
deren Name alfo erft nach diefer Legende, feit Mitte des V. Jahr⸗ 
hunderts beginnt, find die Hiongnu merkwürdig; feine Sage 
von den Turk geht bei ihnen ſelbſt oder bei Chinefen auf eine ältere 
Herrfchaft als auf die der Hiongnu zurüd. Das Land, das einft 
die Hiongnu einnahmen, ift daffelbe, aus welchem alle Turfz 
nationen, die uns bekannt geworden find, ihren Llefprung genomz- 
men haben. Bekannt werden die Turk im W, als Eroberer aber 





92%) Klaproth Mem. sur: P’Identit: des Thou khiou et des Hiong 
nous avec les Tures in Journ, Asiat. VII. p. 257 — 268; derſ. 
sur l’Origine des Huns in Mem. relatiis a l’Asie. Paris 1826. 
T. II. p.380—389. 25) Ab, Remüsat Recherches L cs p-324 
bis 329, und Asia Polyglotta p.210— 212, 





Central Afien, Ethnographie, Uigur. 587 


erft, die Tochari der Alten etiva ausgenommen, feit dem V. Jahrh., 
nachdem die Hiongnu aus ihren öftlichen Sitzen an der Nordgrenze 
Chinas verdrängt find. Alle Wörter der Hiongnu, welche uns durch 
die Gefchichifchreiber aufbewahrt wurden, find Turks Wörter, 
Wenn das Hiongnu⸗Reich in feinem weiteften Umfange einft auch 
viele Tribus der Tungufifchen G. B. die Schenfchen hält Klaproth 
für vom Tungufenffamm), Mongholifchen 2), Sibirifchen, Zndos 
germaniſchen und Finnifchen Völferfchaften umfaßt haben mag, 
fo ift es doch gewiß, daß der Hauptfern des Reichs und die darin 
vorherrfchende Nation der Turk⸗Stamm war. Die äußers 
ſten Grenzen des Hiongnu-Reiches bezeichnen daher aud) 
bie Grenzen der primitiven Ausdehnung der Turfges 
geſchlechter urältefter Zeit. Gegen Oſt faßen ihnen die Völker 
der Tunghu, d. b.öftliche Barbaren, ein vager Ausdruck, 
der wahrſcheinlich Völker Tungufifyen und Mongholifhen Schlas 
98 zufammenfaßt. In ©.D. die Chinefen in Schenfi und 
Schanfi. In Süd, 200 Jahr vor Chr. G., die Yueichi, oder 
Mueti, die fie nach dem Werften verjagten. In S. W. die 
Sai (Sacae), die urfprünglich im Nord und Nordoſt des Caspis 
ſchen Sees wohnten, aber durch die Yueti gegen Sud verdrängt 
wurden, alfo die Vorgänger der Geten. Im Welt faßen ihnen 
die Ufun, die fie vertrieben hatten, die Blonden Blauäugigen, 
welche alfo damals den weftlihen Limes der Turfrace 
bildeten, wie die Tingling und andere, mit den Kirghis ges 
“ mifchten, fibirifhen Wölkerfchaften im Norden, 


2. Die Uigur, Dui, Hoeihe, Hoeihou, Kiufzu, 
Kuſzu, Kaotſche, Weioueul; ihre Verbreitung, 
Schrift, Eultur. Die Usbeken, Gus der Araber 

des XVI. Zahrhunderts, 


Obwol ſchon oben (f, ©. 430, 434, 439) und in den frühern 
Unterfuchungen (Afien I. ©. 342— 349) bei der erften und 
zweiten Heimath diefes Volkes im Selenghalande (am Orkhon), 

- and im Norden wie im Süden des Thian Schan (Bifchbalif, 
Turfan und Kharafchar), fo wie in ihrer weftlichen Colonie, der 
Shieisle am Bhalkaſch-See (f. Mien I. ©, 440— 441) auch 
fon von ihren wechfelnden Schickſalen, durch ihre" eigene Kivilis 
ſirung, wie durch die Lebermacht ihrer Nachbarn, zu denen ans 
faͤnglich die Chinefen, dann ihre Stammverwandten die nomadis 
fhen Hafas (die fi als ihre Beſieger feit 648 — 759 auch Ka— 


588 Weſt⸗Aſien. I Abfchnitt, 6. 7. 


Khane der Hoeihe nannten, ſ. Aften I. ©.1116 u. f.) und end» 
fich die Mongholen gehörten, die Rede war, fo wird es doch hier, 
um ihres durch alle Jahrhunderte bis auf die neuefte Zeit forte 
gefessten Einfluffes (auch heute noch dauert ihr Name Hoei in 
ihrem Urfige, |. 06. ©. 436, fort) nothivendig, an ihre ethnogras 
phifhen DVerhaltniffe, in ihrem inneren Zufammenhange, gegen 
die Wechfel ihrer Nachbarfchaften zu erinnern, zumal da’ früs 
herhin fo viele blos hypothetiſche Anfichten über ihre Abſt a m⸗ 
mung, Sprache, Schrift und Eultur verbreitet waren, 
Die Bedeutung und Schrift der Higuren zur Zeit der 
Stiftung des MongholenNeiches unter den Dſchingiskhaniden ers 
zeugte verfchiedene Sagen über ihre Cultür und Abftammung, die 
nur erft in neuefter Zeit durch Sprachforfehung und Veröffentlichung 
authentifcher Documente berichtigt werden konnten, Langles 2% 
der Bearbeiter der Mandfhu Sprachen (Alfabet Mandchou Ed. 3. 
p-51) hatte ihre Givilifation bis auf 300 Jahr vor Chr. ©. zus 
ruͤckfuͤhren wollen; derfelbe Teitete von ihnen (Rapport sur les 
trav. de la Classe d’Hist, Paris 1811. 4.) eine große Anzahl von 
Colonien ab, welche daſſelbe Volk der Uigur feit jenen 300 Jah⸗ 
zen durch Afien ausgefendet haben ſollte, wovon aber keiner der 
inefifchen Autoren das geringfte Datum giebt. Visdelou, 
Mater Gaubil und Deguignes, in ihren befanuten hiftoris 
fhen Werken, hielten den Namen der Igur, oder Higur?”), 
für ganz identifch mit dem der Hoeihe, und fchrieben irriger 
Weiſe eine Menge von Eroberungszügen, Ihatfachen und. Auss 
breitungen den Uiguren zu, die nur den Hoeihe oder Oſt-Turk im 
Allgemeinen zugefchrieben werden können. Der neuere Heraus 
geber von Sfanang Sfetfens mongholifcher Gefhichte hatte die 
Uigur nicht als ein Volk von türkifcher Nace, fondern von tans 
gutifcher 25) ableiten wollen, wogegen Klaproth, Ab. Res 
mufat und Hamader?) mit den Beweisgründen bis dahin 





e2@) Ab, Remusat Recherches sur les Langues Tartares T. J. p-283. 

27) Ab. Remusat ebend. I. p. 324. 25) 5. 5. Schmidt Einwürfe 
gegen die Hypothefen Klaproths über Sprade und Schrift der Ui⸗ 
guren, in Zundgruben des Orients Th. VI. 3. Heft ©, 321 — 332; 
deſſ. Forfdyungen im Gebiete der ältern religiöfen, polit. und literar. 
Bildungsgefhichte der Völker Mittel-AUfiens, zumal der Monghoken 
und Zübeter. St. Petersburg 1824. 8. 2%) Ab. Remusat Rech, 
sur les Langues Tart. l. c. p. 250 —296; Klaproth Beleuchtung 
und Widerlegung des Hrn. 3.3. Schmidt. Paris 18245 eff. Mem, 
sur Uldentite I. c. und Mem. sur l’Origine des Huns 1. c.; bel. 





Central⸗ Afien, Ethnographie, Uigur. 689 


unbekannter Originalien hervortraten, welche gegenwaͤrtig die Turk⸗ 
Abſtammung außer allen Zweifel ſetzen, wie dies auch Steins 
inferiptionen, aus der Dfchingisthaniden Zeit in monghos 
liſcher Sprache mit Higur-Schrift 30), di. in einem dem 


Syriſchen nachgebildeten Alphabete, in Stein gegraben, und in 


alten Ruinen am Fluß Kondooi, im Territorium von Nertfchingt, 
neuerlich erft wieder aufgefunden, beweifen, 

Schon Rubruguis (im J. 1254) hatte, vielleicht zu alls 
gemein, gefagt: unter den Ju guren fey die Quelle und der 
Urfprung der Turks und Comaner-Sprache (f. 06. ©.438). 
In noch ältere Zeiten geht das Zeugniß 3!) des Bar Hebraͤu's 
zuruͤck, der felbft im Mongholen sKeiche lebte (im J. 1226, ein 
Jahr vor Dſchingiskhans Tode geboren), und im Chronicon Sy- 
ziacum, an zwei Stellen, ©. 437 die Grenzen der Mongholen, 
gegen Weft, an die Iguri Turcae bezeichnet, und ©. 440 fagt, 


daß eben diefe Mongholen die Turcas Iguros befiegten und von 


ihnen Tribut erhielten. Hierzu fügt derfelbe ©. 439, daß diefe 
Sauren (oder Liguren) auf Dſchingiskhans Befehl 
den Mongholen, die noh ohne Schreibfunft waren, die 
Schrift lehrten, und dag Mongholen feitdem Ligns 
ren-Schrift im Brauche hatten, wie die Aegypter die griechie 


ſche und die Perſer die arabifche Schrift. Da das uigurifche 


und mongholifche Alphabet einerlei Urſprung und Form 


haben, diefes Iestere aber aus mehr Buchftaben befteht, ais jes 


nes (es hat nur 14 Lettern), fo mußte wol das einfadhere 
Uiguriſche auch das ältere fern, und das Mongholifche erſt 
das jüngere daraus gebildete. Die Schrift der Uiguren felbft 
wird aus dem ſyriſchen Alphabet?) der Neftorianer abs 


geleitet, es hat nicht die geringfte Aehnlichkeit mit dem Devanas 


| 





‚gari, oder dem gleichzeitig durch das Hochland mit den Buddhiften 
verbreiteten indifchen Schriftfuftem, eben fo wenig mit denen des 





Observations eritiques sur les Recherches relatives & l’histoire polit, 
et relig. de l’interieur de l’Asie, in Mem. relat. à l’Asie 1826, 
T.Il. p.303—410; def. Turk-Uigur in Tabl, histor. de PAsie 
p-121— 130; def. "Asia Polyglotta, Paris 1823. 4. p. 212 — 216. 
H.. A. Hamacker Rec. in Bibliotheca critica nova ed. Bake, Geel, 
Hamaker etc. Lugd. Batavor. 1825, Vol. I. p. 131— 224. 

5 Asiatic. Journ, New Series. London 1833. 8. Vol. XI. p.197. 
) Hamaker I. c. Bibl. crit. p. 190. »2) Klaproth Observat. 
erit. L c. T.M. p.316— 321, 328331. Tabl, * I.c. P. 126; 
Ab. Remusat Recherches L, c. p. 254, 


590 Weſt-Aſien. J. Abfchnitt. & 7. 


Pehlvi und den Keilformen ded Zend. Jene Analogie mit dern 
fprifchen oder fabäifchen ift Beweis dafür, daß unter. dern 
zahlreichen, chriftlichen Secten auch einige, ſchon in fehr früher 
Zeit, durch das centrale Afien verbreitet waren, wenn e8 auch 
ſchwer hält deren Einführung jenes Alphabetes beftimmter nachs 
zumweifen (f. Neftorianer, Aſien J. S. 285 u. f.). In diefer Schrift 
ift die Steininfeription®?) von Nertſchinsk, die neuers 
lich nach Petersburg gebracht feyn füll, auf einem grauen Gras 
nitftein, der 5 Fuß hoch und über 1 Fuß breit ift, eingegras 
ben, in 4 fenfrechten Reihen, die von der Linken zur Rechten ges 
Iefen, nach Schmidt, folgenden Anfang einer Befhwörungs: 
formel an die Eliyas (d. i. geflügelte Dämonen) enthalten! 
„Dſchingiskhan nad) feiner Rückkehr. von der Unterwerfung der 
„Sartagol, nach Vertilgung des alten Haffes zwifchen allen Tris 
„bus der Mongholen, an alle 335 Eliyas” ..... Sartagol 
ift Khara Khatay, davon Kafıhahar die Capitale, welche der Nay⸗ 
man Khan Gufchluf Khan befegt hatte, der 1219— 1220 befiegt 
ward. Alfo ein Talisman gegen die Ruͤckkehr des Hafles der 
Eliyas, denen hier wol Gelübde oder Opfer gebracht feyn mögen, 
Da die Uiguren, nach dem oben von Dſchingiskhan ans 
geführten Befehle, nach Befiegung durch die Mongholen, mit ihs 
ren Charasteren, ald „Schreiber3#)“ bei deflen Hofe und den 
Großen, wie überhaupt feitdem lange Zeit auch bei Turk und 
Perfern als deren Schreibfundige in Dienften ftanden, ja 
auch gewiſſe turfifche Dialecte mit Uigur-Characteren gefchrieben 
wurden, fo hat man oft und lange Zeit die Turk: Sprache übers 
haupt Higur-Sprache 3) im Mittelalter genannt. In der 
Krim (Gazaria) wurde der Tractat der genuefifhen Bes 
amten mit den tartarifchen, das heißt aaa pe Prinzen, ber 
ihre Befisungen am Schwarzen Meere, im 5. 1380 n. Ehr. G 
wie fich die Docymente, nad Silv. de Sacy’s Unterfuchungen, 
in den Archiven von Genua vorfinden, in diefer Schrift und 
Sprache abgefaßt, welche von den Genuefen „Lingua Uga- 
resca” genannt ward; ein Diplom von Timur Kutluk vom 
J. 1397 ift noch in Higurenfchrift abgefaßt Cüber frühere 
Verwechslung der Tatar mit Turk, f. Afien J. S. 281 — 283). 





932) Asiat, Journ. 1833. Vol. XI. p. 197. 84) Ab. Remusat Re- 
cherches 1. c, p. 255. 35) Klaproth Observat. crit. l.c. p. 3685 7 
gr Rech. 1.0.5 v. Hammer in Fundgruben des Orients, 

ol. IV. f 








* 


Central⸗Aſien, Ethnographie, Uggur. 591 


"Außer einigen Uiguren, Wörtern in Abul Ghaſis hiſtoriſchem 
Werke und den uigurifchen Namen der zwölf Thiere im foges 
nannten Turks Tartarifchen Cyclus, den wir als eine Erfindung 

der alten Turk, ſchon früher bei den Hakas, angeführt haben (ſ. 
Afien I. ©. 1124— 1125), war früherhin nur Weniges von dies 
fer Sprache befannt, als Klaproth im J. 4806 zu Uft:Kames 

nogorsk feine 84 Wörter von einem Bewohner Turfans, deflen 
Mutterfprache die Uiguriſche war, einfammelte, welche bis heute 
die noch Iebende Sprache aller Städtebewohner siwifchen 
Kaſchghar und Hami if. 

Diefes aus der lebendigen Rede, nicht aus der Schrift aufs 
gezeichnete Fleine Vocabular, wurde durch ein zweites, 
für den Faiferlichen Ueberfegungshof in Peking, von einem einges 
bornen Dolmetfch verfertigtes, großes Vocabular 3%), im 
Higurifchen und Chinefifchen, 914 Wörter enthaltend, und 
durch Pater Amiot der Parifer Manuferipten: Sammlung in 
Uigur-Schrift einverleibt, ungemein vervollftändigt, Es bes 
weifet unmwiderftößlich die. radicale Sdentität des Uiguri— 
ſchen in Oft-Afien mit dem Türkifchen in Eonftantinopel (z. 
B. Tangri, Himmel; Yuldus, Stern; Gurgorti, Dons 
ner; Khar, Schnee u. a. m.)27). Diefem find 15 Briefe 38) 
oder Supplifen von Fürften aus Hami, Turfan, Khotcho, Ili⸗ 
bali u. a., in Uigur, mit chinefifcher Ueberfegung vom Pat. Amiot 
beigefügt, welche die Grundlage zum erneuerten Studium der 

Grammatik und des Baues diefer Sprache abgegeben haben, die 

nicht ſowol, wie man nach Rubruquis Ausdruck glauben koͤnnte, 

die Duelle, d. h. alfo den Stamm der Turks Dialecte bildet, fonz 
dern nur als der gelehrtefte der orientalen Altern Turks Dias 

lecte anzufehen ift, und nicht fowol als der ältefte derfelben, fons 
dern nur als der durch Schrift zuerft feftgeftellte Turks 
Dialect. 

Im ganzen Bau der Uigur-Sprache findet ſich, nach 
Ab. Remuſat, feine Spur von einem ſehr hohen Alterthume, 
wer von einer primitiven Einfachheit der Grammatik, wie in 


26) Klaproth Asia Polyglotta l. e. p. 214 Not. ſ. deffen Spradatlas 
0 &.XXVI—XL. *?) Vergl, damit Wathen Vocabular von Yars 
tand, in f. Memoir on Chinese Tartary and Kothan in Journ. of 
the Asiat. Soc. of Bengal ed. Prinsep. Vol. IV. p. 663— 664. 
*) Mem. concernant hist. d. Chinois T. XIV. p. 27 ; vergl, 
Ab. Remusat Rech. I. c. p. 257 —280. 


59 Weſt-⸗Aſien. J. Abſchnitt. 8 7. 


der chinefifhen Sprache, noch von der conſtruetlven Innern 
Fuͤlle, die ſich gewächsartig nach allen Seiten immer frifch und 
lebendig treibend durch fo viele andere Sprachzweige verbreitet, 
wie im Sanskrit; beide nach den Extremen hin zugleich den 
Beweis ihres höchften Alterthums in fich tragend, während 
fo viele Zwifchenftufen durch gewöhnlichere Sprachelaffen, gleich 
dem Uigur, ausgefüllt werden, die feinen diefer Charactere der 
Urfprünglichkeit in fi tragen, fondern zu den abgeleiteten ums 
gemodelten, mit Fremden vermifchten, nicht aus fich felbft entz 
falteten Sprachen gehören, die weder die höchfte Einfalt bewährt, 
noch zur höchften philofophifchen Entwicklung in ihrem Sprad)s 
baue fortgefchritten find. Es liegen im Uigur nur die allgemeis 
nen Sprachelemente oftaftatifher Abftammung eines einft nomas 
difchen Volkszweiges der Turk, der fih in Städten feftfiedelte, 
zum Grunde, der fremde Formen in fi aufnahm, von feinen 
Nachbarn einige Kenntniffe erhielt, und ſelbſt es bis zum Schreis 
ben einiger Bücher brachte. So z.B. die verloren gegangenen 
vigurifhen Annalen, aus denen wol die Wiziere Alas 
eddin und Raſchid-eddin, bie perfifchen Gefchichtfchreiber der 
MongholensDynaftie viele Nachrichten fchöpften; doch brachte es 
diefer Sprachzweig darum zu feiner eigenthümlichen Culturents 
wicklung, obwol er eben durch jenen gewonnenen Vorfprung bald 
feine illiteraten Nachbarvölfer uͤberragen mußte. Die Chinefen, 
welche in frühern Jahrhunderten Feineswegs blind oder gleichgüls 
tig gegen fremde, höhere Civilifation, wie 3. B. gegen die der 
Hindus, Perfer und der Ta Tin im Weften blieben, fahen doch. 
in den Lliguren nie ein altes Eulturvolf, fanden bei ihnen 
feine aneigenungsiwverthe Gelehrſamkeit, feinen religiöfen, politi— 
ſchen, literarifchen Einfluß, nur etwas weniger Barbarei, als bei 
den übrigen nördlichen Voͤlkerſtaͤmmen Afiens. Diefe Anſicht ge; 
wannen fie von ihnen, weil diefe in Städten lebten, den Chines _ 
fen fich unterwarfen, ihre Snftitutionen annahmen, den Khunge 
Fu dſu ehrten, deflen Werke felbft fiudirten, und zu dem Ges 
brauch der Schriftcharaetere noch andere Lettern fügten, die ihe 
nen das Ausland mittheilte. Hiermit ſtimmt auch ihre Gefchichte, 
die aus den dunfeln Anfängen der Turfgefchlechter fpät, aber 
doch frühzeitiger als viele der andern hervortritt, weshalb der 
Name der Uigur, Igur, Eigur, Hoeihe, fpäter Hoeihou 
bei Chinefen, auch frühzeitig von ihnen auf viele andere Turk⸗ 
ſtaͤmme übertragen ward (f. Aſien J. S. 342 — 349). 








Central Afien, Ethnographie, Uigur. 593 


Sn den früheften Zahrhunderten der Hiongnumacht werden 
die Wiguren gar noch nicht genannt; unter dem fpäter wieder 
verfchwindenden Namen KRoufzu, oder Kiufzu (bei Deguignes 
irrig Hefe, bei Ab. Remuſat irrig Tchheſſe) ®Y), der Gouz aus: 
zuſprechen ift, findet fie Ab. Remuſat zum erften Male %), 
im 5%. 99 vor Chr. G., als Vafallen der Hiongnu, in den Anz 
nalen der Han aufgeführt, aber nicht als Städtebewohner, fon: 
dern auf der Nord» und Südfeite des Ihian Schan in zwei Eleine 
Horden vertheilt: die vordere Horde, aus 700 Familien beftes 
hend, mit 6050 Mäulern, davon 1865 Krieger, und die hintere 
aus 595 Familien, 4774 Mäulern und 1890 Kriegern beftehend. 
Aber nach) etwas fpätern Daten, die wir ſchon früher angeführt 
G Aſien I. ©.343), faßen ihre Verwandten und Vorfahren auch 
an der Selengha und am Orkhon; von denen, in den Annas 
Ien der Ihang- Dpnaftie, eine Wunderfage *) ihrer Auswan—⸗ 
berungsgefchichte nach ihrer zweiten Heimath (ob. ©. 430, 
437), von Hami bis Turfan, dem Lande Uigur, mitgetheilt iſt, 
wohin. beiderlei Horden fich zogen. Dies ift der Schauplaß ihrer 
fernern befannter werdenden hiftorifchen Begebenheiten. Seit dem 
Sahre 239 n. Chr. Geb., von da an, follen die Idukhu, oder 
Idi Kut, d. i. das unter fich verwandte Geſchlecht ihrer Herrs 
fherfamilie, 970 Jahr, bis auf die Unterwerfung unter Dſchin⸗ 
giskhans Scepter (im J. 1209) den Thron von Kaotſchang, d. i. 
von Uigur, behauptet haben, aber verſchiedene Koͤnigreiche ſollen 
von ihnen ausgegangen ſeyn, ſo wie verſchiedene Hordenhaͤupt— 
finge die Herrſcher des Throns von Uigur wurden. Daß fie 
nad der vorlbergegangenen Periode der Hiongnu: Macht mehrs 
mals der Obergewalt anderer turfifcher Herrfcher, wie in der ers 
fen Zeit dem Khan der Thukiu (Oft: Turk), dann aber feit den 
VI. Jahrhundert auch ganz Fremden, wie der Chinefenmacht, 
der Thang: Dynaftie und den Kitanen fich hingeben mußten, ift 
fhon früher gefagt, bis fie an die Mongholen fih anfchloffen 
(Alien I. ©. 345 — 346). Wir bleiben hier nur bei ihren ins 
nern Angelegenheiten ſtehen. 





22») Klaproth Observyat. crit. L c. T. I. p.3495 Tabl. hist, de 
VAsie p.121; deſſ. Asia Polyglotta. Paris 1823. 4. p. 213. 
#0) Ab. Remusat Recherches 1. c. p. 283. 2) Klaprotlı Observ. 
ai. T.ll, p. 332. ! 


Ritter Erdkunde All ® Pp 


594 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $ 7. | 


As der Guddhiftifche Pilger Fa Hian, im Jahre 399 m. 
Shr., vom Lop⸗See (f. 06. S. 331) noch wetwärts des Könige 
reiche Schenfchen, 15 Tagereifen weit vorrückte, bis zum Könige 
reich DOui92), d. i. die fürzefte Form für Uighur, fo fand er 
dafeldft fehon 4000 Neligiofe, welche ftreng nach dem Buddhaz 
geſetz lebten; er wurde zwei Monat und einige Tage im Lager 
ihres Königs Koungfun zurücgehalten, feste aber dann feine 
Wanderſtab weiter fort, weil feine chinefifchen Patente, die er. bei 
fih führte, von dem König der Qui refpectirt wurden. Alf 
fhon damals war der Buddhacultus bis dahin vorgedrungen, 
was auch andere chinefifche Nachrichten fpäterer Zeit beftätigem, 
die fagen, daß ihre fiegreichen Waffen (eigentlich die der Koueis 
tfeu, d. i. Bifchbalig ihrer nördlichen Stammesverwandten, ſ. 
Afien J. ©, 383), im IV. Jahrhundert bis Yarkand 8) vorge 
derungen waren, wo fie den Foe-Cultus hatten Eennen lernen, 
Die Völker von Yarkand, fagt das Wen hian thoung kha 
8.336. ©.14, waren durch die Yueti (Yuete, Getae) im 
Sahre 478 n. Chr. Geb. befiegt worden. Sie erbaten fich von 
dem Kia der Kiufzu, d. i. dem König der Uigur, der fehr 
mächtig geworden, deilen Sohn zum Statthalter. Dies vergroͤ⸗ 
ßerte noch feine Macht, er ahmte die Einrichtungen der Chineſen 
nach, und führte deren Beamten, Sitten, Gebräuche ein. Das 
mals ift zum erfien Male von den Schriften der Higures 
die Rede, Es heißt: „der Kia, d. i, der König, hatte in fei 
nem Rathöfaale das Gefpräch des Königs Lou mit Khung fu dfi 
(Confucius) abmalen laffen; er hatte von Staatöwegen Chros 
nifenfchreiber zum Aufzeichnen der Begebenheiten angeftellt 
Seine Unterthanen fehrieben mit hinefifhen Characteren, 
aber fie brauchten auch eine barbarifche Schrift,” alfo wo 
ſchon damals jene weftlihe Schriftart? Oder erhielten fie vdiefe 
mweftliche, mit dem fprifchen Alphabet, erſt fpäter, und hartem 
fehon eine frühere, felbftgebildete? Diefes Iegtere ift es, 
was Klaproth®) für am wahrfcheinlichften hält, und diefe für 
identifch mit derjenigen der Hoeihe (d.i. Hakas, oder Kits 

ghis, f. Aſien I. ©. 1130 — 1131), und vieler andern oftturkiz 
fen Stämme hält, melde, nach ihm, die Grundlage der 

































°»*2) FoeKoueKil. c. ch. I. p.7. *2) Ab. Remusat Recherches 
sur I. Lang. Tartares |. c. p.292, 284. *:) Klaproth Tabl, 
hist. de l’Asie p. 130. 77 4 










Central⸗Aſien, Erhnographie, Uigur. 595 


Inſchriften mit noch unbekannten Characteren ſeyn mag, 
welche man durch das ſuͤdliche Sibirien, bei den Hakas und ans 
dern am Senifei, Irtyſch und Obi auf Felfen und andern Denk; 
malen vorgefunden hat (f. Alien I. S. 326 u. a. O.). Die Ui: 
guren hatten aber damals fchon die Bücher Shiking von 
aochi, Lunju das Buc) des Eindlichen Gehorfams, und „ei: 
nige Chroniken,“ wol einheimifche Landesgefchichte, wie die 
on Khotan (?, f. ob. ©. 364). „Die Söhne ihrer Großen gins 
n in die Schule und lernten den Inhalt der Schriften; auch 
ieben fie Poeſie.“ — Diefer Geſchmack an der chinefifchen Lites 
tue wuchs noch im Lande der Ligur, fo daß fie in den Jahren 
515 — 528, ſich durch ihre Embaffaden von China, die 5 King, 
verschiedene hiftorifche Werke und den chinefifchen Gelehrten Lieous 
fie ausbaten, um bei ihnen die Elemente der chinefifchen Sprache 
zu lehren, was ihnen auch vom Kaifer zugeftanden wurde, 
„ Sn dem VI. Zahrhundert breitete fich die Macht der oͤſtli— 
bern Herrfchaft der Hoeihe, oder der Kaotfche, fpäter Kaos 
tſchang (Cd. i. ein vom Norden her nachgerückter nomadifcher 
Zurkftamm, der diefen Namen von feinen Hohen Näderfarren ers 
hielt, |. ob. ©. 437, identifc mit den Kankli, nad) v. Hams 
mer), der fich der Herrfchaft der Hoeihe bemächtigte, auch weis 
ter weftwärts, auf die Sudfeite des Ihian Schan, in das ei— 
gentliche ‚Uigur aus, wo nun die Hoeihe, gewöhnlich Hoei— 
i genannt, in der Mitte der Zahre Yuanho, d. i. zur Zeit 
ee Ihang-Dynaftie, nämlich) von 806 —820 nad) Chr, Geb, 
den Chinefen Hoeihou *%) genannt werden, oder bei den 
noholen Wei ou eul oder Oui gou el gefchrieben, was eben 
identisch ift mit Migur, worunter man alfo eigentlich nur erft 
dieſe ſpaͤtern Uiguren, nach der Vermifchung der urfprünglichen 
Kiuſzu, die aber Fa Hian auch fchon Oui nennt, mit den Hoeihe, 
m verfichen hat. _ 
Obwol alle drei, die Oui, die Hoeihe und die Kaotfche, 
welche von Kitanen aus ihren Sitzen *6), aus den füdlichen Bais 
ändern, verdrängt waren, und deshalb weftwärts und ſuͤd— 
varts neue Wohnfise auffuchen mußten, von gleicher Rage 
d von unter fich, wie mit den Hiongnu verwandten turkifchen 






) Klaproth Observat. crit. . c. T. IL p. 349, s 
#*) Klaproth Asia Polyglotta. Paris 1823. 4. p. 212. 


.PBp2 
he = 


596 Weſt-⸗Aſien. I. Abſchnitt. & 7. 


Sprachftamme waren, fo find ihre Wohnfige, ihre Gefchichten, 
ihre Eulturzuftände doch von einander zu unterfiheiden, was bei‘ 
Vernachläffigung diefer Umftande ‘zu mancherlei Verwirrungen 
ihrer Gefchichten, zumal auch wegen ihrer noch weitern weftlichen 
Verbreitung Veranlaffung gegeben hat, die deshalb noch. —* 
nicht ganz entwirrt genannt werden koͤnnen. ! 
Diefe Unterfuchungen dem Fortfchritt für den Weften aufe 
bewahrend, fo ift hier noch zu bemerken, daß durch die Ueber— 
macht der Hoeihe Feine große Beränberung in der Uiguren— 
fprache vorgegangen zu ſeyn feheint, aber auch die Eultur des Lanz 
des chen dadurch nicht befonders gefördert wurde, denn die Chi— 
nefen, welche von folchen Fortfchritten fehe genaue Erfundigungen 
einzuziehen pflegten, ſchweigen #) davon gänzlich. ge 
Bon dem Zuftande, in welchem der chinefifche Gefandte 
Bam Den te), im Jahre 981, die damalige Sandescapitale 
der Uiguren fand, ift ſchon früher die Nede geweſen (f. Aſien I. 
©&. 347), woraus fic) deutlich ergiebt, daß eben hier die chineſi— 
ſche Civilifation im X. Jahrhundert dem Einfluß von Weften 
ber eingedrungener, dreifacher religiöfer Miffionen bes 
geanetez dem Buddhacultus mit indifcher, dem Zoroaſtercultus 
mit perfifcher Literatur, und dem des Manes (Moni), der hier 
feinen Tempel hatte (darunter auch die NeftorianerzLehre, nach 
Dbigem, ©. 427,458, verflanden werden kann); mit deſſen Prie— 
fiern dann wol die Clemente des fprifchen Alphabetes bier hera@ 
bracht ſeyn Eonnten, fo daß die Neftorianer ſchon früher durd 
ganz Mittel-Afien als die Seribae der Fürften (f. Afien I. ©. 285) 
befannt, in diefer Kunft auch die Lehrer der Uiguren gemwefen 
ſeyn, und ihr ſyriſches Alphabet der Turkſprache ber 
liguren angepaßt haben mögen, da das Devanagari nur 
die fansfritifhe Schrift der Buddhadoctrin blieb, und die chine— 
fifhben Charactere, nur für chinefifche Literatur gerianehe 
feine Anwendung auf die Ligurenfprache erleiden Eonnten. 
die Verbreitung der alten Perſer, d. i. in der Saflanidenzeit, 
den Lehren Zoroafters und der Anbetung von Himmel, 
Sonne, Mond, Waller und Feuer, wie das Thangdou KR. 2214 
©. 2 u, 10 ſich ausdrüdt; wie der Secten des Manes und 






























=) Ab. — Recherches sur les Lang. etc. 1. c. p. 284. 4 
*?) Ab. Remusat Rech, L, c. p: 285; Klaproth Tableau Ren: de 
V’Asie.p, 124, 


j 
N 4 


Sentral= Afien, Ethnographie, Uigur. 59 


der Neſtorianer in gewiſſen Zeiten in dieſer Richtung nicht 
gering war, ſagen viele Stellen chineſiſcher Annalen ; und die: 
ſelben Miffionen der Buddhadoctrin, die wir oben bei Khotan 
und Yarkand mit der indischen Schrift fennen lernten, drangen 
auch, wie wir oben bemerften, bis zum Suͤdgehaͤnge des Ihians 
Schan auf den Handelsrouten aus dem Süden und Weften, 
bis zu den Uiguren vor, wo der Miffionar W. Rubruquis fie 
vorfand (f. 06. S. 438). Außer dem, was fhon früher aus Bam 
Mente’s Bericht vom Jahre 981 über die religiöfen Zuftände 
der Uiguren-Capitale angeführt ift, fügen wir zur Characteriftik 
jener Zeit auch noch folgendes aus demfelden nach Visde; 
Tou’3 30) Ueberfegung bei. Die Capitale, oder vielmehr die 
Reſidenz Kiaotſchin hatte 1840 Schritt in Umfang und war 
mit einer Mauer umzogen. Im Audienzfaale war ein König ab: 
‚gebildet, wie er Khung Fu dfu tiber die Staatöverwaltung um 
Kath befragt. Die Hofämter waren wie die Mandarinate in 
China; man zählte 18 Städte im Königreiche und 46 Garnifos 
nen. Hochzeitgebräuche und Todtencultus war wie bei Ehinefen, 
Ähre Sitten glichen denen der Tatche (Tatar), Die Männer 
gingen in Barbaren: Tracht, die Weiber wie Chinefinnen; beide 
engen ihre Haare in Zopfilechten auf dem Mücken herabhängend. 
In Haltung, Größe, Ausfehn glichen fie den Koreern (f. Aſien 
I. ©. 894); fie haben tiefliegende Augen und große 
Nafen Calfo keine mongholifhe Gefihtsbildung). In 
ihrer Kleidung lieben ſie Stickerei und Goldputz. Ihr Land liegt 
bo, iſt ſteinig, ſandig, trägt alle Arten Korn, außen Saraceniz 
ſches (7). Es iſt trefflich zur Seidenzucht geeignet, und hat 
Biel Obſt aller Art, zumal Trauben, aus denen fie Wein bereiten, 
Ein Bufchwerk trägt eine Frucht, ähnlich dem Cocon des Geis 
denwurms, daraus man fehr feine weiße Fäden fpinnt, genannt 
Thie Aie. Die Einwohner bringen die daraus gefertigten Zeuge 
in den Handel (06 die Bergfeide? f.ob.©.351, vergl. ©. 372 
68373). Auch eine Art Watte haben fie, oder fo heiß machende 
Baumwolle, daß ſchon eine chinefifche Unze hinreicht damit ein 
ganzes Kleid zu füttern, thut man mehr hinein, fo ift die Wärme 
gar nicht auszuhalten (ob etwa die feinen Dunen der Shawl⸗ 








er b. Remusat Recherches 1. e. p. 287— 289, wo mehrere derfel- 
ben ——— 50) Bibliotheque Orientale p- Herbelot Supp- 
löment p. G. Visdelou et A. Galand fol, 1780. p. 137 —138. 


698 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. 9. 7. 


wolle?). Daher haben die Chinefen dies Ho tian mien, d.i 
„Feuer-Seide,“ genannt. Auch Steinfalz ift bei ihnen, ro 
thes und weißes, und ein Kraut Yamla, darauf ein fehr füßel 
Honig wächft (06 eine Manna-Art?). Sie brauchen ihre et 
gene Schrift, aber auch Chinefifche; auch die arabiſch 
Sprache wird dafelbft gefprochen, ‚Sie glauben nur an eing 
Himmels: Gott (Tangri oder Thian), 

Nicht blos die Politik, auch der Handel war es, 
frühzeitig und zu verfchiedenen Epochen die Chinefen zu den Ui 
guren geführt hatte, und von ihnen noch viel weiter uͤber de 
Weſten hinaus betrieben ward. Daß dies schon fehr 
























leuten führte, fagt ung z. B. der buddhiftifche Pilger Hiuc 
Thfang, der in der Mitte des VII. Jahrhunderts, ber Kutſch 
weftwärts vom Temurtu:See GSſſekul, f. Aſien I. S. 39 
bis 398), 25 geogr, Meilen (500 Li) weiter felbft zur ehedem b 
rühmten Stadt Suye, am Tſchui-Fluß, und zu dem Gau dr 
Zaufend Duellen Ming Bulad) kam, wo er mehrere br 
nachbarte Städte befchreibt, unter denen er auch eine Cole 
nie 91) hinefifcher dort anfäffiger Kaufleute nem 
von denen er bis Talas (Taras), und von da nah Tf 
fhi, oder Schafch, das heutige Tafcıhfend, reifet. Eben‘ 
führen chinefifche Geographen, nach Remuſat's Zeugnig ”?), 8 
den Gebirgen in N.D. von Ferghana eine folhe Colonmi 
von 300 chinefifhen Familien an, welche die Thoufin d 
hin transportirt hatten, und welche, obwol fie fich zum. Theil v 
die Turk Eleideten, in deren Mitte fie dafelbft lebten, doch im ihre 
Sprache und in ihren Gefegen die Spuren ihres Urfprungs be 
behielten. Diefe Colonie wird nicht mit Namen genannt, da d 
Geographen aber fagen, fie liege nur 10 Li in Süden von d 
Stadt Suye (deren Lage auf unfern Karten nicht eingefrage 
it), fo ift es wol ſehr wahrfcheinlich, daß fie eben’ diefelbe zuve 
genannte fen, die ſchon Hiuan Ihfang gleich im erften Jah 
feiner Reife, etwa um 631, beſucht hatte, doch behauptet A, Ri 
mufat, daß viele ähnliche Daten fich bei den er Hi 
rikern vorfinden. 





et, Hiuan Thſang Reife durch Mittel-Afien u. ſ. w. a. ao, ©: 
#2) * Remusat Recherches l. c. p. 286. 


Central Afien, Ethnographie, Uigur. 599 


Nach dem X. Zahrhundert ift unter Kaiſer Jin tfoungs 
Negierung, vom 3. 1022— 1062, von mehrern Embaffaden die 


Rede, welche die Higur nach China ſchickten, worauf fie zum’ 


Gegengefchenfe eines der Bücher des Fo, nämlich das Fo king— 
Etfang53) erhielten; in welcher Sprache wird nicht gefagt. Die 
Notiz ſteht im Pianitian 8.51. ©. 27, 

Nach der Verdrängung der Oberherrfchaft der Hoeihe, oder 


Kaotfche, durch die Khitan, hatten die Uigur Kaotſchang wier 


der ihre eigenen Könige erhalten, die zur Zeit der Khitan, oder 
Liao, deren Vaſallen geworden, und als diefe der Mongholenge: 
malt weichen mußten, war der Lliguren König fehr beeifert fich 
dem Dfchingisthan, im Jahre 1209 zu unterwerfen 5%, eine Pos 
fiti, durch welche er feinem Wolke, das nun feit langer Verftüms 
melung feines Namens (Dui, Ouike, Goeihe, Hoeihe, Hoeihou, 
Mei oueul) wieder richtig Migur genannt ward, wie fchon oben 
gefagt, den ehrenvollen Einfluß ficherte, die Schreiber des mon: 
‚oholifchen Kaiferhaufes zu werden, als welcher fich nun ihr Ruhm, 
mit ihrer Kunft, durch alle Provinzen des weiten Mongholenz 
Reiches verbreitete. Im Sahre 1237 wurden auch alle übrigen 
nomadifchen Uiguren, oder vielmehr Hoeihou, unter denen der 


Zelam durch die Verbindung mit den Arabern gar manche Fort: 


ſchritte gemacht hatte, ebenfalls von den Mongholen unterjocht. 
Zumal die Nachfolger Dſchingiskhans hatten bald ſo viele der 
uiguriſchen Scriptores in ihre Cancelleien und ſonſtige 

ienfte genommen, die auch als Nechnungsführer und Ge; 
ſchaͤftsleute ihnen bald unentbehrlich wurden, und wie Abul— 
ghafi 55) bemerkt, zu den höchften Stellen der Cinnehmer, 
Sinanciers und Gouverneure der Provinzen, durch die 
ganze Mongholei, Transoriana bis Perfien erhoben wurden, daß 
der eigenthümliche Volksname diefer Zerfireuten bald, verfchwand, 
woraus wir uns M. Polo’s Stillfchweigen daruͤber erklären 
koͤnnen (f. 06. ©. 440). Unſtreitig ift auf diefe Weife auch die 
große Berehrung der Kalligraphie, mit ihren Stammes: 
genojjen, den fpäter auswandernden Usbeken, nad Bokhara ger 





5) Ab. Remusat Recherches sur les Lang. Tartares 1. e, p. 292. 

‚#*) Klaproth Tabl. histor. de PAsie I. c. p. 124. 55) Abulghasi 
Bayadur Khan Histoire Genealogique des Tatars etc. 8, Leyde 
1726. p. 97. 



















600 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. & 7. 


fommen, wo He Vorliebe zu diefer Kunft auf dem Throne von 
Bokhara 95), bis in die neuefte Zeit fo vorherrfchend blieb, und 
für die Anlegung der Bibliotheken für die fchönften Danufaipte 
des Orients fo wichtig wurde, 

Unter der Ming: Dynaftie hatten die Bewohner des als 
ten Uiguren-⸗Landes von Hami, Turfan, Bifchbalig, Karafchar ur 
f. w., durch die fucceffiven Einwanderungen der Thu kiu, Hoeihe, 
Kao tfche, der Ehinefen, Khitanen, Monaholenzweige und anderer 
Weſtvoͤlker, fich gemiffermaßen verjüungt, oder fo vermifcht, 
dag man nicht mehr die unverwifchte Characterifti£ früherer Liz 
guren bei ihnen fuchen durfte. Ihre urfprüngliche Zahl hatte uns 
ftreitig 56) fo fehr abgenommen, daß der größte Theil ihrer Ges 
fchlehter wol durch die hinzugetretenen jüngern Turf-Tribuß 
feit langem erfegt war, und daß nur blos noch der Name, der 
an ihre Schriftzüge geknüpft war, bei den folgenden ge— 
mifchten Völferfchaften die frühern Generationen überlebte, 
was allein gefchehen Eonnte, weil auch die juͤngern gemifchten Tri⸗ 
bus insgefammt daflelbe Oft: Turfi als ihre Mutterfprache erhals 
ten hatten. Nicht die Uiguren von Gefchlecht, ſondern di 
Städtebewohnenden und der Schrift fundigen Oſt— 
QTurfs, traten feitdem in einen Gegenfas mit den noma di— 
ſchen Tribus in Oft: Turfeftan, der noch heute fortbefteht. 

Durch den Einfluß der Araber und der weftlichen zum Kos 
ran feit dem Jahre 1000 vollftändig Ubertretenden Turkftämme 
und der Hafas im Morden (f. Afien I. ©. 1132) waren fie ſelbſt 
zu Mohbammedanern geworden; ſchon W. Rubruquis, 
der noch Neftorianer und Buddhadiener bei ihnen fahe, lernte 
doch auch fihon die Saracenen im * 1254 bei ihnen kenn 
Pater Ben. Goes ſpricht aber, im J. 1604, gar nicht mehr 
von Buddhiſten in Cialis, ſondern nur * zelotiſchen Miſerma⸗ 
nen (ſ. ob. ©. 443). Die Geographie der Ming (Ithoung thi 
K. 24)57) fagt, daß fie auch die Mufelmänner in ihrer Kleis 
dung nachgeahmt, aber ftets die Sprache der Wei ou eul, d. Ü 
der Higuren, d. i. Oſt-Turk, beibehalten hatten. 


955) Jos. Senkowski Histoire de la Domination des Uzbeks Trad, 
du Persan de Moubammed Yonssouf el Mounschi fils de Klıodja 
Bega. St. Petersbourg 1824. 4. p. 95 Not. u.  D. ; 

er Ab. Romusat Recherches L, c, p. 295, era Ab, Remusat Ben 
0 p- 292, 


ö— — — — —— 


Central-⸗Aſien, Ethnographie, Uigur. 601 
So treten denn in neuern Zeiten die Stämme der Oft: 
Turk, nocd immer in demfelben Sande der Uiguren, aber auch 


des ganzen weiten Ländergebietes von Oft: Turfeftan, mit den bes 
- wahrten Dialecten und Schriften des einheimifchen Oft: 


Turfi, aber feineswegs mehr mit dem Namen der Liguren in 
der politifchen Gefchichte auf, der. feit Jahrhunderten, durch die 
MWechfel der Dfongaren und Delöth, der Galdan und Khodjages 
fchlechter in den etwa zwölf ftädtifchen Königreichen (f. oben 
©. 343, 432), längft verwifcht ift, und feit der Mongholenzeit 
fhon, noch mehr aber feit der Mandfchurenzeit jede locale Bes 
deutung verloren hat. 

Dagegen tritt ein anderer Name aus demfelben Gebiete herz 


he vor, der aber nicht dafeldft einheimifch wird, fondern gegem den 


- 


w 





ie 
’ 


Weften durch Weft-Turfeftans Gebirgstandfchaften 
bis zu den Aral: und Kaspifhen Ebenen fich ausbreitet, durch 


das Volk der) Usbeken >). Diefer Stamm_ derfelben Ofts 


Turk, welcher feit dem Anfange des XVI. Jahrhunderts als 


glücklicher Eroberer von ganz Mawaralnahar daſelbſt, bis heute 


die Throne von Bokhara, Ferghana, Samarkand, Chiwa u. a. 


behauptete, hatte vorher feine Sige im Süden des Ihian Schan, 
in Hami, Turfan, Khotan, Kafchghar, von mo feine Heere gegen 


Meften fiegreich über den Belur Tahg hinwegfchritten. Unter feiz 


nen Fahnen fanmelten fi) viele Turktribus, und auch die Reſte 
der Higuren-Stämme, mit Naimanen und andern Qurkres 


denden Gefchlechtern. Die Entftehung ihres Namens, der im 
Weſten fo gefürchtet ward, liegt wie die erfte Veranlaffung ihrer 


Emigration im Dunfeln. Aber der Ehrentitel der Bek, oder 
Begs, d. i. Herren, Fürften, Gebieter, der ihnen beigelegt ward, 


iſt an fih Kar. Beg oder Bey ift in gemeiner Qurffprache in 


Akſu und Kafhahar®) fo viel ald Prinz, ein Titel der 


auch heute von Mandfchu:Kaifern verliehen wird, den ſchon Kais 
fer Conftantinus Porphyrog. im X. Jahrhundert bei den Khazas 
ren Prinzen, ney anführt, de Administr. Imper.' ed. Meurs. c.42 
p- 129. Dee urfprüngliche im Lande der Oui, Uiguren, eins 
heimifhe Name, mit dem fie fih nach chinefifcher Schreibung 
Koufzu oder Kiufzu felbft nannten (f. ob. ©. 593), wurde 


/ 


#%) Jos. Senkowski Histoire 1. c. 5°) Ab, Remusat Rech. I. e. 
U» 302 etc. \ 


602 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 74° 


ftetö von den arabifchen Autoren G’us oder Guz W) (weil hier 
das G das weiche K in der chinefifchen Aussprache ift) gefchries 
ben. Daher denn durch die mohammedanifchen Autoren die Erz 
oberungen ihrer einft unter den Timuriden fo berühmten Provins 
gen Mawaralnahars (Transorianas) in den Hiftorien unter dem 
Namen der Usbeken, oder Uzbeken Eroberung, aufgeführt 
wird, ebenfalls ein Ehrenname, der feitdem (nach andern Ableis 
tungen von Usbek Khan aus Dſchingiskhans Gefchlecht, f. uns 
ten) bei ihnen felbft in Gebrauch Fam. Ihre Tebensweife, als 
Etädter, wie als Nomaden in Bokhara, oder Ackerbauer in Chis 
wa, entfpricht auch heute vollfommen ihren oftzturfifchen Sitten; 
fie find zelotifhe Moslemen, ihre hoͤchſte Kunft und Wiſ— 
fenfchaft if Kalligraphie und ascetifches Leben. Gain 
dem weftlichften Theile ihrer Eroberung im Khanate Chiwa, wo - 
fie diefelbe oftszturfifhe Sprache reden, nennen ſich fogar 
einzelne der Webefen Stämme noc heute, fowol Uigur als 
Naiman, woraus es wie aus allem obigem evident feheint, 
daß auch unter ihnen die wahren Reſte früherer wigurifher 
Tribus zu verftehen find. Zu der Gefchichte der Usbefen, 
weldye ſchon den Islam aus Oft-Turfeftan wieder mit nach Wefts 
Zurkeftan zuruͤckbrachten, werden wir erft in Bokhara zurüds 
fehren. 
Hier noch zum Schluß nur Weniges über die die Bekeh— 
rungsperiode der Oſt-Turk zum Koran und deflen Gefes, wo: 
mit die größte neuere und vollftändigfte Ummandlung derfelben 
fi) zugetragen hat, fo daß fih in Wahrheit behaupten läßt, daß 
gegenwärtig fein Land in Afien mehr übrig fen, in welchem die 
Turkſtaͤmme nicht überall zu Mufelmännern geworden wären. Die 
erften aller zum Islam befehrten Turk, mußten die nächften 
Nachbarn der Perfer im Orusalpenlande gegen Baftrien in Ma: 
waralnahar feyn (f. ob. ©.373 u.a.D.). Seit dem X. Jahrh. 
hatten diefe Turk, welche als Eriegsgefangene Knete 
und Sclaven, von den Samaniden fo unpolitifch unter Aras 
bern und Perfern eingeführt wurden, fehr fchnell die neue Reli— 
gion ergriffen, die ihnen als tapfern Leibwachen bald den Zugang 
zu den Ihronen bahnte. Die Erhebung mehrerer diefer Sclaven 
zu den Hälften Chrenftellen (wie 5. B. Sebekthegin, Stifter der 





6) Klaproth Asia Polyglotta I. c. p- 217 — 219. 





Central-Aſien, Ethnographie, Uigur. 603 


Gaznaviden, Aſien IV. 1. ©. 532) trug unſtreitig dazu bei, auch 
andere nach dem Weften zu locfen, oder doch das Geſetz des Is⸗ 
lam unter den Turkſtaͤmmen weiter zu verbreiten. 

Die Hoeihe oder Hoeihu, gemeinhin Hoeihoei genannt, 


die legte der Turk-Nationen, welche eine wahre Macht im innern 


KHochlande Afiens gegründet, hatte wie ihre nördlichen Nachbarn 
und Stammesverwandte die Hakas (j. Mienl. ©. 1126—1128), 
bei ihrem noch fehr einfältigen refigiöfen Zuftande, mit einer all 
gemeinen Verehrung gegen einen Himmelsgott (Tangri, wie die 


Hiongnu), die Lehren des Koran um fo leichter angenommen, da 


die Dogmen des Buddhathums, oder des Zoroaftercultus, jenen 


- den Zugang zu ihnen noch nicht fehr erfchwert hatten. Durch fie 


‚wurde daher der Jslamism durch die weitläuftigen Räume der 
Benin Tatarei allgemeiner verbreitet, und deshalb nahmen 


- damals die Chinefen den Ausdruf&) Hoeihoei an, um damit 
8 Mohammedaner ſeitdem zu bezeichnen. In dieſer Per 


riode, ſeit dem X. Jahrhundert, auf kurze Zeit, fo lange die 
Oft: Turf den Islam erft durch ihre weftlichen Turk: Nachbarn 
überfamen, aber noch nicht vollflommen zur Kenntniß des Koran 
übergegangen waren, gefchahe cs, daß das Uigur Alphabet 
ihrer Städter, auch von den fchon zum Islam befehrten Oft-Turf, 


als Schrift, gebraucht, und felbt nah Mamwaralnahar 


verpflanzt ward, wo es nach Arabfchah (ed. Manger T. II. 
p. 914) zu Timurs Zeit in Gebraudy war, und wo es feitdem 


— 


fuͤr die Turkſprache (Oſchagatai Turki) im Gebrauch blieb, 
wie bei Abul Ghaſis Hiſtorien, Sultan Babers Memoiren u. a. 


Jene Ausbreitung in fruͤher Zeit bewog unſtreitig auch Dſchingis— 


khan dieſelbe Schrift anzunehmen. Als aber, nur um Weniges 


ſpaͤter, die zahlreichen Turkſtaͤmme, die mit mongholiſchen Erobe 


rern in Mawaralnahar, Perfien und Syrien vorgedrungen war 
ren, dem Weften Afiens, feinen Völkern und Culturen befreundes 
ter wurden, ward es natürlich, daß die Gemeinfchaft der Reli— 
gion, des Koran und der theologifchen Sprache, der einzigen, 
welche feitdem in der Literatur der Mohammedaner hervortrat, 


auch mit der dadurch entftehenden Umwandlung des Weſt-Turk 


. 
2 


2 


in die türfifchen Dialecte (durch Bereicherung mit arabifchen, perz 


ſiſchen und andern Wörtern, Formen, Gedanken) auch die öft: 





— 


i) Ab. Remusat Recherches l. c. p. 208. 


‚604 Weſt-Aſien. I: Abfchnitt. $. 7 


liche Higuren: Schrift zurüickdrängte, und die arabi— 
ſche Schrift felbft, für die Oft-Turf bis Turfan und Hami 
hin, die Oberhand erhielt, fo daß jene faft gänzlich darüber bei 
den Weftvölfern in DVergeffenheit gerathen Eonnte, aus der fie 
erft durch gelchrte Unterfuchungen wieder hervorgehoben werden 
mußte, 


I 


Erläuterung 2. 
Die indo=germanifche Voͤlkergruppe Oſt-Turkeſtans. Die ver: 
drängten Völker aus Central: Afien. Die Ufun, ober die 
Gruppe der blauäugigen Blonden. 


Wir haben diefer merfwärdigen Bölfergruppe ſchon früs 
‚her gedacht nach ihren Hauptgliedern: den Ufun, oder Qufiun 
(Hieoufun), auch der Yueitchi, oder Yueti, und Szu, oder 
Sai, nad) ihrer älteften Heimath an der Grenze Nord: Chinas, 
ihrer Vertreibung durch die Hiongnu, ihrer Anfiedlung in Zli, 
(d. i. der modernen Dzungarei) und Transoriana (dem mo 
dernen Mawaralnahar), nach ihren innern Fehden unter fich, 
nach ihrer Geftaltung und Sprache, wie nach ihrer Stürzung des 
baktriſchen Neiches (136 J. vor Chr. Geb.) und ihrer theilweifen 
Derzweigung gegen Nord und Nordweſt gegen Europa hin. ( UUm⸗ 
fiändliche Erwähnung derfelben, f. Afien I. S. 193 - 194, 350 — 
352, 431—437). Wir haben fie zulegt wieder als Saten 
Cie), Geten (Getae) und Indo-Skythen in ihren Ver— 
zweigungen von Baftrien aus, durch Indo⸗Skythen das ganze 
Indus-Syſtem entlang in Monumenten und Völferreften (Jet, 
Sat, Zut) bis auf den heutigen Tag und in ihren temporairen 
Ueberfällen felsft auf die Oftfeite des Indus himüber, als Erobe⸗ 
rer einiger der Gangesländer Eennen lerrien (f. ob. ©.105—115, 
286— 303, 150, 420—421; IV. 1. &©.552, 574), aus denen fie 
Vicramadityas auf die Weftfeite des Indus zuruͤckwies. Wir has 
ben aus allen jenen Stelien und Nachweiſungen es für höchft 
wahrfcheinlich halten müffen, die in fo vieler Hinficht, topiſch, 
chronologiſch, fprachlich auf einander fich beziehenden Völferglieder 
im Weften für identifch oder doch verwandter Entwiclung mit 
den analogen im Oſten zu nehmen. Doch ift das Feld die 
fer Unterſuchungen über fo weite Räume und zahlreiche Voͤl⸗ 
kerſtaͤmme noch keineswegs erſchoͤpft; es kann nur durch Immer 
tieferes Eindringen in ihre Specialverhaͤltniſſe mehr und mehr | 





Central⸗Aſien, indo=germanifche Voͤlkergruppe. 605 


aus dem bisherigen Dunkel, ja aus der bisherigen völligen Uns 
beachtetheit hervortreten, wozu die nächte Neihe der folgenden 
Erläuterungen über Ethnographie Central: Afiens im Mittelalter 
das ihrige beitragen mögen, entweder diefen vieldezweifelten Ges 
genftand über allen Zweifel zu erheben, oder ihm durch neues 
Licht neue Bahnen der Erforfchung zu bereiten. Es ergiebt fich 
ferner als Gefammtrefultat aus allem Obigen, daß es, im IE 


Sahrhundert vor Chr. Geb., eine Zeit gab, wo in Oft-Turkeftan, 


von China bis zum Belur Tagh wahrfcheinlich noch gar Feine 
Turkſtaͤmme faßen, fondern wo erſt die Turfflämme der Hiongnu 
durch Vertreibung der Ufiun und Yueti, die glei) vom Anz 
fang an unter fich vermifcht wareh, von denen jene indorger: 
- manifchen Stammes, diefe nach Klaproths blos hypothetifcher 
Anficht, Tableaux histor. de l’Asie p. 132 Not., tübetifchen Stam: 
mes gewefen feyn follen, wol vom Norden her in diefe Gegen: 
den einzogen, denen dann fpäter erſt die Hoeihe als Herr: 
ſcher nachrückten, His-fic) auch deren nachrückende Stammesge: 
noſſen mit ihnen durch ganz Oft-Turkeftan verbreiteten. Damals 

machten diefe indo-germanifchen Stämme im Norden mit 
den tübetifhen im Süden, die Mopulationen diefes Landes 
aus, deren Verdrängung gegen Welten uns aus dem Obigen 
bekannt ift, indeg die chineſiſchen Annalen von ihrer Gefchichte 
in ihrer urfprünglichen Heimath voͤlliges Stillſchweigen behaupten. 
Dei dieſer Verdrängung ſcheinen die Yueti (Getae) mehr den 
Südweg, die Ufiun mehr den Nordweg gezogen zu feyn; denn 
jene faßen (im 5. 165 vor Chr. ©.) ſchon in Zli, als diefe vor 
ihnen füdwarts, alfo wol durch Kafıhahar, über den Jaxartes 
oder Sihun ausweichen mußten. Und ein Zweig der Yucti, 


die Kleinen genannt, wic gegen Suͤdweſten aus und verdrängte 


die Khiang, d.i. Tübeter, aus ihren Sitzen. Diefer Zweig 
blieb dort ſitzen und kam nie wieder in Verbindung mit dem 
nördlichen Zweige der Ta Yueti. Weil die Kleinen Yueti, 
nad) den Ausfagen chinefifcher Autoren, die tübetifhe Sprache 
redeten, die fie aber eben fo gut bei den Khiang angenommen 
haben können, ſtellt Klaproth die Hypotheſe auf, daß die Großen 
Yueti ebenfalls von tübeter Nace geweſen feyn. in anderer 
Grund ift dafür nicht vorhanden. Im Welten aber fanden diefe 


- Großen Yueti (Getae) fihon die Sai oder Szu (Safen) im, 


Dften-des Caspifchen Meeres fisend vor, welche nun von ihnen 
‚gegen den Süden verdrängt wurden, Daß diefe Szu, oder 


— — 


BEE 


6066 Welt Afien, I. Abſchnitt. 7. N 


Sai, aud) den Indern als Safas feit alter Zeit befannt | 
waren, und fchon im Maha Bharata zu den Weftvölfern der 
Barbaren: Safas, Paradas, Yavanas (f. Allen IV.1. 
©. 441) gezählt werden, die durch Vicramadityas Siege ber fie, 
von der Oftfeite des Indus aus Indien zurückgeworfen werden 
(Aera Vicramaditya 56 5%. vor Chr. Geb.), ift durch Colebroofe 
und Laffen 962) nachgewiefen. Daß aber derfelbe Name der 
Safen (Suxar), bei Perfern, alle fenthifchen Völker 
zufammengenommen bezeichnete, daß fie zu den „vier“ 
damals größten Völkerfchaften im Anfange der Eprifchen Perfers 
monarchie gehörten: Safen, Inder, Aethiopen und Aſſy— 
tier, deren Kriegstruppen in Xerxes Heer unter Hnftaspes Coms 
mando als Baktrier und Saken vereinigt flanden, anders 
wärts mit Kaspiren zufammengeftellt werden, und alfo einen 
mächtigen Antheil der Population Inner: Afiens ausmachen, ift 
aus Herodot (III. 93, VII 9, 64) befannt genug. 

Diefelben hier vielfach in Transoriana zufammengedrängten 
Voͤlker waren es, die nach dem Sturze des baktriſchen Throng, 
den feit Alerander deſſen Nachfolger die Macedonier behauptet- 
hatten, nun auch ihre Macht nicht blos gegen den Süden nad. 
Indien wandten, fondern auch wieder gegen den Oſten zus. 
rücfwirkten, und gegen den Norden und Weiten fich weis 
ter verzweigten, wo uns jedoch der Faden ihrer Gefchichte wieder 
verfchwindet, und uns nur zu Hypotheſen über ihr weiteres Forts 
fohreiten verleiten Fann. Oben haben wir gefehen (f. 421), daß. 
die Yueti im J. 129 n. Chr. G. wieder fih zu Herrfchern in 
Kaſchghar aufwarfen, ja daß fie im J. 478 n. Chr. ©. ſogar 
noch einmal die Eroberer von Yarfand wurden (f. ob, S. 594). 
Aus Obigem ergab fich, daß auch vor ihnen ſchon in Kaſch⸗— 
ghar ein blondhaariges, blanäugiges, alfo wahrfcheinfich indes 
germanifches Volk wohnte (ſ. ob. ©. 420), welches aber ſpaͤter 
den Turkſtaͤmmen gewichen feyn muß; daß ihm ferner unmittels 
bar im Nord die indorgermanifchen Ufiun wohnten und im 
Welt in den Bergen die Siufiun, d. i. das weftliche Uſiun 
lag; daßıfie alfo ganz von indorgermanifchen Völkern umgeben | 
waren, deshalb auch noch fpäter deren vereinzelte Stammgenoffen, 
von Ben. Goes, dort im Gebirgslande wieder aufgefunden 
werden fonnten, 





4 
[4 
4 


Chr. Lassen Pentapotamia Indica p. 36, 56. 


Central⸗ Aſien, indo=germanifche Voͤlkergruppe. 607 


Wir lernten einzelne diefer Wölkergruppen als Stifter mäch- 


tiger Königreiche in Sogdiana fennen (f. ob. ©. 568, 571), von, 


wo zumal die Yueti (Getae) den Buddha-Eultus, den fie felbft 


erft aus Pe Hian thou, oder dem Norden Hindoftans zugeführt 


erhalten hatten, nah Kaſchghar (f. ob. S. 421) verbreiteten. 
Mir fahen zahlreiche königliche Dynaftien der Indo⸗Skythen, 
unter deren Namen bei Griechen und Nömern man wol gar 
manche gegenwärtig nicht mehr zu entwirrende Volks- und Ges 
fehlechtsvermifchungen der Geten und Safen, und vielleicht 
auc einiger nördlichern Ufiun zu verftehen hat, ihre Throne 


viele Zahrhunderte lang durch alle Länder zwifchen Perfien und 


dem Indusſtrome vom Tſchui, Talas (f. ob. S. 570), durch ganz 
Sogdiana, Bactrien, bis zum Sndus s Delta verbreiten, wo ihr 
Name, ihre Religion, ihre Cultur, die aus dem Weften und 
dem Norden hereinftürmende Araber: und Mongholen?Fluth faſt 


nur in ihren Müngreften überlebt hat, während die einheimifchen ı 


Kämpfe der gegen fie in Tofhareftan auftretenden tofhas 
riſchen, d. i. dort anfällig gewordenen weſt-tuͤrkiſchen 


Stämme, die fih ganz dem Islam in die Arme warfen, 


den fie auch mit Feuer und Schwert verbreiteten, fie wol 
gaͤnzlich aufrieben und vernichteten, woraus Timurs Vertils 
gungsfriege gegen die Geten im Norden bis zum Saiſan⸗ 
See und Oluk Yulduz (ſ. oben ©. 440), wie die im Str 


‚den des Himalaya: Gebirge, gegen die Getenvölfer im Indus⸗ 


Pendjab, ſich hinreichend erklären (ſ. Aſien IV. 4. ©. 574), falls 
wir, wie es uns wahrfcheinlich iſt, dieſe für die letzten erkenn— 
baren Reſte jener nicht mohammedanifch gewordenen fehr 
zerfireuten getifchen Voͤlkerſtaͤmme Central: Afiens anfehen dürz 
fen. Da uns die einheimifche Gefchichte diefer Voͤlkergruppe ganze 
lich fehlt, ihre geographifche Stellung fie aber in fo viele Naums 
und Zeit-VBerhältniffe eingreifen machte, wovon die unauss 
bleiblihen Wirkungen in ferne Räume und Zeiten vielfach wahrs 
genommen werden, fo fünnen wir es nicht umgehen, hier, wenige 
ſtens in ihrer zweiten gewonnenen Heimath, auf der 


Scheidung von Oft: und Weft:Turkeftan, oder im Often, Norden 


und Weſten des Belur Tagh, die Eurze Ueberſicht der gan: 


zen Gruppe, von der wir bisher nur die eminenteften Glieder 


genannt hatten, wie fie aus chinefifchen Quellen befannt gewor: 
den ift, einzufchalten, andern die_etymologifchen ‚Erklärungen und 


Nachweiſungen überlaffend, ob diefe baktrifchen, fogdiani: 


608 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 9. 7. 


fhen Sitze, zwifchen Sarartes und Orus überhaupt, vielleicht 
in weit früherer urältefter Zeit 9%), mit fo vielen, ja allen ans 
dern Völkern Afiens,-einft fhon das von den vier großen Haupt⸗ 
firömen umfloffene Land Edens und ihre abfolut primitive 
Urheimath gemwefen. j 

Aus der Angabe der Grenzen der weftlichen Verbreitung der 
Hiongnu, zwifchen den Sai (Safen), den Yueti (Geten) und 
Ufunin S.W., W. ud N. (f. ob. ©. 586), und vielen anz 
dern Stellen, die Ab. Nemufat aus den Driginalfchriften der’ 
Chinefen gezogen hatte, ergab fih ihm, daß dieſe Völker, wie er 
es ausdrückte, zu dem gothifhen Völkerffamme gehörten; 
feine Beweife, die er dafür im zweiten Iheile feiner Recherchen 
über die- tartarifchen Sprachen mitzutheilen 69 —— ſind 9— 
an das Tageslicht gekommen. 

Schon Pat. Gaubil, naͤchſt * hatten von dee, 
weftlichen Verdrängung und Ausbreitung diefer Völker, nad) den 
Annalen der Ihang, die erften, wichtigen Mittheilungen gemacht 
Sie beftehen in Folgendem 65), | 

Sn Tu ho lo, di. Tofhareftan, in der Nähe der Oruss 
Duelle im Oſten von Balk war die Sitte der Polyandrie; eine 
Frau hatte oft zwei bis drei Brüder zu Männern (wie bei tübes 
tifhen Völkern). Diefe dort wohnenden Völker, in Tu ho 10 
(06 Tokharen, oder fchon weftlihe Turf?), waren die Eriegez 
rifhen Völker der Weftländer. Von Balf zur Quelle des Oxus 
und bis zum Sir, alfo im heutigen Turfeftan, dem Weſtabfall des 
Imaus oder Belur Tagh, gab es überall Heine Herrfchaften di 
den damaligen Fürften diefes Landes unterthban waren. Paz 
thien (Badakhſchan) wird hier als die größte Stadt genannt. 
Aber faft alle andern Völker zwifchen den Flüffen Zarartes und 
Orus, und diefen entlang, im Süden, waren bis gegen deſſen 
Mündung den Prinzen von einer Familie unterworfen, welche 
die Titel Tſchaowu (Chaowou bei Ab, Nemufat) und den 
Namen Duen (Wen, Wan bei Ab. Remuſat) führten. Auch 
diefe Fürften hatten 200 Jahr vor der chriftlichen Zeitrechnung, 
vom Koko⸗Nor durch Oft: Turkeftan geſeſſen. Ob ihr Geſchlecht 



















203) Dr. K. Halling Geſchichte der Skythen und Deutſchen. Berlin 
1835. B. J. S. 414 wa °*) Ab. Remusat Recherches sur les 
Lang. Tart, p. 327. ss) P. Gaubil Hist. de la Grande Dyna- 
stie de Thang in Mem. cone. l’Hist, des Chin. l. c. T. XVI. 
pP: 391 5%. 


- * 


Central⸗Aſien, indo=germanifche Voͤlkergruppe. 609 


verwandt war mit den nachfolgen Yueti, mit denen fie, wie chi 
nefifche Autoren fagen ©), fpäterhin in Sogdiana vermifcht forte 
lebten, wird uns aus der Kargheit der Daten, die wir uͤber ſie 
beſi itzen, nicht klar, doch iſt es wahrſcheinlich. Jedenfalls aber blie— 
ben fie in ihren Herrſchaften noch lange Zeit in Sogdiana, polis 
tifch getrennt von den Yueti-Herrſchaften (f. unten). 

Diefe Ta Yueti, Großen Yueti (Ta Yucchi), waren ger 
gen Welt am Sihon in Transoriana eingewandert, hatten Ver— 
träge mit den Afi geſchloſſen (damals bofharifche Landesherren, 
in deren Zuftande auch die Darther, unter dem Namen Afi 
Chineſen Einfluß gewannen). Sie unterjochten das ganze 

and vom Sihon, Schaſch und Taras (ſ. ob. S. 5710) und das 

Be Sand Yenſtſay, oder Yanthfai, d. i. das Land der 
Alanen®”) nach ältefter Benennung am Aral und Caspifchen, 
e bis zum großen Strome (Wolga, nach Gaubils Meinung). 
er ihre unerbittlihen Feinde die Hiongnu verfolgten- fie im 
füeken unaufhörlich, und auch von den Ufun, weiche die Läns 
am Ili und manche Gebiete Weft-Turfeftans bewohnten, hate 
fen fie fehr viel zu leiden. Ihnen wurden mehrere befegte Lands 
5 wieder. entriſſen, wie Pa han na (Ferghana), Chei 
(wol Chaje, d. i. Kaſchghar, od. ©. 409) und andere, fie ver— 
inigten daher, doch wol nur eine kurze Zeit lang, mit einis 
gen weſtlichen Fuͤrſten in Turkeſtan und zahlten ihnen Tribut. 
it den Zeiten der Han, alfo furz vor und nach Chr, Geb., 
traten ſie aber, ohne fich tributbar zu machen, in Freundfchaft 
tie ‚den Chinefen, und eben fo zur Zeit der Ihang (f.’ob. S. 550). 
| Während diefer Yueti Eroberungen in Sogdiana wird doc), 
ben ihren dort geftifteten Reichen, des großen Anfehens der 
chao wu Geschlechter erwähnt, als deren, Familiens Obers 
aupt der König von Khangkiu (Samarkand, fein Land zwis 
en Bokhara und Khodjend gelegen) anerkannt war; wo, nach 
der Ausfage des chinefiihen Aftronomen Hingyonelu, am 
ofe deflelben zu Khang, die Hauptniederlage der claffis 
fhen Bücher Yuffe, oder der Gefegbücher der Polos 
= (d. 1. Brahmanen, hier der Indier), der Fordiener, in 











*«6) Thaitlsing ythoung tschi Ed. 1790. ſ. b. Klaprotb Notices Geogr. 

Mi — in Magasin Asiat. T.1. p. £9 Not. 67) Klaproth Tabl, Hist, 
tter Erdkunde YIT. 24 

13 





















610 Welt Afien. I Abſchnitt. G 7. 


das fanskritifche Buddhagefen, als befonders merkwürdig erfcheint, 
Diefe alte Nachricht wird durch die Annalen der Thang zu ihrer 
Zeit beftätigt, welche fagen, daß im Lande Khang (Samarkfand) 
der Fo verehrt ward, daß zugleich auch dort der Himmelsgot 
Geift des Himmels (Hien, Ihian), angebetet werde, und daß e& 
da Feuerdiener (Magier) gebe. Dies weifet wol auf ein befon 
ders reges religiöfes Intereſſe in diefem alten Culturftaate hin, wo 
man demnach auch eine befondere Schreibfchule der Manuferipfe 
der Buddhadortrin nach jenem obigen Ausdrucde Hing youe loug 
annehmen dürfte, 

Diefelbe Erzählung jener alten Familie der Wan, Wen 
(Ouen b. Saubil) wird, nad) Ab. Remuſats?68) Forfchungen 
zum erften Male in den Annalen der Weis Dynaftie (reg. 
398— 543 n. Chr. G.) aufgeführt, wonach fie in den Thälern 
des Ihian Schan, im Norden von Hami, ihre Heimat hatte 
und von da von den Hiongnu gegen Weft verdrängt, fich alles 
Sandes im Dft und Nord des Sihai oder Caspifhen Mee: 
res bemächtigt hatte, Nach den Thangs Annalen follen ( 
Hist. d. Wei Deser. d. p. oceid. und Hist, d. Thang im chineſi 
ſchen Orig. 8.211 Ende, Pian itian 8.47 ©. 4), die Thukin 
dieſes Geſchlecht verdraͤngt haben, wobei aber offenbar nur di 
Nachfolger der Hiongnu, nämlich Thukiu, unter den Bekannte 
jingern Namen, an die Stelle des fchon unbekannter geworde 
nen ihrer Vorfahren, gefeßt wurden. Diefe Tradition ift es, di 
in allen fpätern Werfen wiederholt wird. Das Oberhaupt die 
alten Familie, heißt e8, in derfelben chinefifchen Urkunde, wu St 
alle feine Verwandte zu Herrfchern zu machen, weil es die Her 
zen der Völker zu aewinnen wußte. Die von demfelben geftifte 
ten Dpnaftien behielten den Namen Tſchao wu (Chao won 
bei, zum Andenken ihres Urſprungs. Diefer Name erhielt fü 
bis in das VI. Zahrhundert, namlich bis in die Zeit der Auf 
breitung des Islams. Durch Vermählung mit Töchtern der Thr 
fin; Prinzen wurden diefe Tſchao wu s Fürften aber zuvor fcho 
Dafallen von diefen, deren Uebermacht von Oft gegen Weſt vı 
fchritt, mie ihre eigene vorgefchritten gewefen war. Weiter unte 
werden wir nur einer einzigen Stelle zu gedenken haben, w 
Yueti und Tſchao wu, aber freilich erfi im VL. Jahrh. n. Chr 





**®) Ab. Remusat Rech, sur I. L: Tart. I, > Sie 


Sentral-Afien, die Ufun, die Blonden, 611 


in genealogifcher oder politifcher Verbindung in Khangkiu aufges 
führt werden. 

Wie dieſe Ueberfiht nur fragmentarifch feyn kann, eben fo 
ft alles nur Bruchftück, was wir von jeder vereinzelten Gruppe 
su fagen haben, obgleich wir vollftändig erfchöpfen was ung 
dariiber an authentifchen Quellen zu Gebote fteht, und doch ift 
auch diefes Wenige für das Ganze der Völkergefchichte ein umz 
gemein Eoftbares Vermächtniß zu nennen, das nur erft feit einem 
Bierteljahrhundert eröffnet ward, Wir gehen num zu den fpeciells 
fien Daten der einzelnen Glieder diefer Völkergruppen Jiber, 


Die Ufun, oder die Gruppe der blauäugigen Blons - 
den, d.i. der Sechs fogenannten indorgermanis 
ſchen Völker Central: Afiens in ihren Sigen am 
‚Mord: und Weft:Rande Oſt-Turkeſtans. 


Wir bleiben hier nur bei ihrer geographifchen Stellung ftes 
hen, und gehen nicht zu ihrer hiftorifchen Verzweigung gegen den 
Welten Über, weil diefer Faden, den wir fchon einmal früher ver 
folgt haben (f. Vorhalle ©. 153, bei Budinen u. a. Q.), grund: 
licher erft im kaukaſiſchen Weſten Afiens wieder aufzunehmen feyn 
wird. Hier genügt es, zur Kenntniß der Landſchaften Turfeftans, 
in ethnographifcher Hinficht, daran zu erinnern, dag die Ufun, 
von denen ſchon hinreichend die Rede war, nicht die einzige, fonz 











in nur die befanntefte Völkerfchaft diefer Voͤlkergruppe mit 
am entfchiedenften Racencharacter war, der fo wie ihr muths 
naßlicher Sprachcharacter es bewirkt hat, daß die früher ges 
annten Sinologen, nad) Angaben chinefifcher Quellen, eine ganze 
Anzahl von 6 Völkerfchaften unter diefem generellen Character zus 
ammengeftellt haben, um fie von andern, fie damals umgeben: 
ven Völkerfchlägen, zu unterfcheiden. ; 

Diefe 6 Völker) find: 1) die Ufun; 2) die Choufe, 
Schule, oder Sule; 3) die Houte, oder Khoute; 4) die 
Zingling; 5) die Hafas, und 6) die Yanthfai, oder 
Man. Wir wiederholen nicht was wir fchen früher hinfichtlich 
er gemeinfamen phyfifchen und fprachlihen Verwandtſchaft uns 
ee ih, und mit den Sanskritredenden Völkern Hindoftans im 
Süden, wie mit ihren europäifchen, flawifchen und germanifchen 


#2) Penples de Race, blonde in Klaproth Tableaux histor, de l’Asie, 
Paris 1826, 4. p-. 161 
Qq2 



























612 Weſt-Aſien. I, Abſchnitt. & 7. 


muthmaßlichen Brüdern im Kaukaſus (Offeten), und weſtwaͤrts 
der Wolga geſagt haben (zumal Aſien I. ©. 434— 437). 4 


4) Die Ufiun, oder Ufun, erinnern wir hier nur, — 
ren, nach Klaproths Berichten, der ſeine chineſiſchen Quellen, 
aus denen er gefchöpft, wie leider fo oft, geheimnißvoll verſchwie— 
gen hatte, auch fchon in ihrem zweiten, weftlichen Sitze, wie— 
der zu Vaſallen der Hiongnu geworden, als fie duch Tſchang— 
fians Erpedition (ſ. ob. ©, 547) zu Verbündeten der Chi— 
nefen wurden. Damals foll ihr alter König Kuenmo, anfaͤng— 
lich, vom chinefifchen General, der ihm Faiferliche Geſchenke brachte, 
diefelben Eeremonien verlangt haben, die er ſelbſt als Vaſall den 
Hiongnu geleiftet, wozu aber Tchangkian fich nicht verftehen wollte, 
Zugleich ſollen Parteiungen unter den Ufun gewefen feyn, melde 
den Kuenmo abhielten nicht mit dem chinefifchen General zu una 

. terhandeln, obwol diefer ihm eine faiferliche Prinzeſſin zur Ges 
mahlin anbot. Sie begriffen aber die Wichtigkeit diefer Propo⸗ 
ſition nicht, weil fie die Macht des Chineſen-Reichs nicht kann⸗— 
ten, und weil der alte Kuenmo lieber den Druck der Hiongnu 
erleiden wollte, als in fo ferne Sitze feiner Vorfahren zuruͤckzu— 
wandern (daflelbe was die Yueti fagten, f. ob. ©, 550). Er 
wollte fehon durch Gegengefchenfe die ganze Verhandlung ablehe 
nen, als eben die Drohungen der Hiongnu, die davon Wind ber 
fommen hatten, die Veranlaffung zur Schließung eines Bünde 
niffes wurden, in welchem auch die Verheirathung mit einer hie 
nefifchen Prinzeſſin beftimmt ward. Diefe fand aber erft einige 
Zeit fpäter Statt, weil der Tſchenyu der Hiongnu, dem Kuenme 
zuvor, — eine von feinen Prinzeſſinnen zur Gemahlin auf⸗ 
drang (im J. 107 vor Chr. Geb.). Von der bedauernswerthen 
Lage und dem Klageliede der chineſiſchen Prinzeſſin war ſchot 
fruͤher die Rede (Aſien I. ©. 433). Obwol nun dieſe Ufun 
noch immerfort unter dem Einfluß der Hiongnu blieben, ſo bez 
fand doc feitdem auch ihre Verbindung mit den Chinefen * 
Der genannte Kuenmo ſtarb ſchon im J. 105 vor Chr, G 
zweiter Nachfolger auch Kuenmo genannt, ftarb im J. 605 er 
hieß Ing Euei mi und hatte den Titel Fei wang (chineſiſch, 
. Wang, d. i. König). Deffen Sohn U dzieuthu zog fich, als 

“ durch die Trennung in die Großen und Kleinen Kuenmi 

ihre Macht bedeutend gefchwächt war, und er die letztern bes 
herrſchte, mit ihnen aus ihrem Hauptlager Tſchy kuſtſching 


* 


EentralzAfien, Uſun Geſchichte. 613 


zuxuͤck, in die Gebirge des Nordens, worauf ihr Druck durch 

"die Sianpi und ihre zweite Emigration erfolgte (im IV. 
paprhundert), der ihre weite Zerftreuung gegen den Weften, 
and im 3.619 die Unterwerfung ihrer im Transoriana zuruͤck— 
‚gebliebenen Hefte an die Thukiu (Turf) erfolgte, mit denen 
fie fih vermifcht Hasen follen, und ſeitdem verfchwinden. 





Unmertung. Die Geſchichte ber Ufun von Kaifer Wuti 

und Tſchangkian, 122 vor Chr. Geb. bis in das erfte 
 Saprzehend nad) Ehr. Geb. Aus dem dhinefifhen Dris 
. ginal der Unnalen der Hans Dynafie bes Pat. Hyakinth 


— 


überſetzt von Dr. Schott. 


Da wir ganz kurzlich durch Pater Hyakinth zum erken male 
bie je Mittheilung der Annalen der ältern Han (reg. 163 vor bis 
196 nad) Ehr. G.) ſelbſt aus dem feltnen chineſiſchen Driginal erhalten 
haben, in welchen der vollſtaͤndigſte Bericht über diefes merkwuͤr⸗ 
dige Mittelglied indo-germaniſcher, central-aſiatiſcher 
—— — uͤber das Bolt der Ufun (nad) feine 










weder von Ab; —— ad Klaproth aueenthägg mitgetejft 
Ward, die beide nur fpätere hinefifhe Ercerpte (wie aus Ma⸗ 
Maantins Wen hian thoung Ehao oder deſſen großen Encyelopäs 
die vom 3. 1321 n. Chr. ©.) ??°), oder aus den Thang-Annalen, 
per andern, gekannt zu haben feinen, fo laſſen wir diefes, für die - 
Beihihtsanfänge der blauäugigen Blonden, einzig zu 
Mennende Fragment hier vollftändig folgen, nad) Dr. Schott’3 Uebers 

g nur aus der ruffifchen Ucbertragung, da das Werk der chine⸗ 
ſiſchen Annalen der Han freilich) uns noch im Driginel fehlt, jedoch in 
Mater Hyakinths Befis war. Die Ueberfegung, die von einem 'trefflis 
m Sinologen herrührt, der auch in dem ARuffifchen ?*) den Sinn des 
Hinefijhen Driginals wieder zu finden weiß, iſt doppelt dankenswerth. 
Leider acht dies Fragment nur von Tchhangkians Reiſebericht bis 
zum Sahre 20 nach Chr, G. des aͤltern — der Han, 














moiren) des SsSématsien (bluͤht um das Jahr 100 v. Chr. G.) 

gab aus dem Ghinef. Brosset jeune in Nouv. Journal Asiat, T. Ir 
1828. p. 418—450. 71) Opissanie Dshungharia i wosstotschnawo 
Turkistana, d. i, Beſchreibung der Dihungarei und des oͤſtl. Tur⸗ 
keſtan in ihrem ältern und heutigen Zuftande. Aus dem Chineſ. 
7 überf, durch den Moͤnch Hyakinth. St. Petersb. 1829. Erfier Th. 
Aus den Annalen des Altern Kaiferhaufes dee Han, Zweite Abtheis 
lung: die Ujun, 


Be Gin Sragment über die Ufun aus dem Sseki (Hiftorifche Mes 


























614 Weſt-Aſien. I Abfchnitt. 9. 7. 


und betrifft weniger das Volk felbft, als nur beffen politifche Wer 
bindungen mit China; aber auch diefe find bei dem völligen Mange 
aller andern hiftorifchen Daten merkwürdig genug für die anfchaulichet 
Kenntniß der damaligen Völkerverhältniffe Central-Aſiens. Wir laffı 
das Fragment vollftändig folgen, obwol Mandjes davon ſchon cu 
frühern Angaben bekannt ift, durch diefes Gitat aus der gleichzeitie 
gen Driginalquelle aber (wobei des großen gleichzeitigen — 
ſchen Hiſtorikers Sſematſiens Fragment von uns mit zur Verg 
chung gezogen tft) entweder feine Beſtaͤtigung, auch wol — 
und ſehr vieles bedeutende Erweiterung erhaͤlt. Doch darf man nie v 
geſſen, daß man von einem Volke der Fremden hier nur einfeitige 
chineſiſche Anfichten erhält, die um fo intereffanter find, weil es den Chi 
nefen, ungeachtet aller Barbarei und politifchen Verwirrung, bie fie be 
den Ufun vorfanden, doch fo fehr angelegen war, mit diefem Volke in 
Verkehr zu bleiben und felbft deshalb bedeutende Opfer zu bringen, w 
doch nicht fuͤglich Hütte aefchehen können, wenn die Verbindung mit d 
Ufun ihnen nicht auch die Ausſicht auf pofitive Bortheile gemährt hätfe 
wodurch die Wagſchale für die Bedeutung diefes Volks, in jener Zeit, 
in unferer Anficht fteigen muß; obwol die Chinefen deſſen Eigenthuͤmlich⸗ 
Zeit und fonftiges VBerdienft, wie bei feinem der Barbaren lobend ober 
preifend anerfennen. Wir fügen nur hie und da in Klammern unfere 
eigenen erflärenden Worte hinzu. — 
Die Uſun (Usſun nad P. Hyalinty). Der große Kunm 
(König, oder Kuenmi u. a. analoge Namen, f. ob. ©. 357, ) 
wohnt in der Stadt Tſchiku (Tſchy-ku-tſching, f. Aſien Br T 
©.434), die 445 geogr. Meilen (8%O Li) von Tſchangngan lag; när 
lid) 30 geogr. Meilen (610 Li) im Norden von A£fu (alfo am U fer 
des Zemurtu, oder Ifjeful See, im heutigen Ili und Guldfha), Man 
zählte bei ihnen 120,000 Kibitken (d. i. Kamilien), 630,000 Maͤuler un 
188,800 Krieger. Gegen Dften find 86 geogr, Meilen (1721 &i) bi 
zum ©ig des chinefifchen General-Infpectors (f. 06. ©. 538, damals it 
Ulei im Lande Kiufu, d. i. Uigur) und gegen Weft 250 geogr, Meile 
(5000 Li) bis zu dem Orte Fanmi, in Khangkiu (dies letztere ifl 
Sogdiana, Samarkand). Das Land ift eben und grasreih, das Clime 
rauh und regneriſch. Die Berge find mit Nadelholz und dem Baur 
Man bewahren (nach Klaproty, Zannın und Laͤrchen, Larix), Di 
Bewohner, Nomaden, die den Landbau nicht verfichen, glicken nad) Si 
ten und Gewohnheiten den Hiongnu. In diefem Lande giebt e8 wild 
Pferde; die Reichen befigen Heerden wol von 4000 bis 5000 Stüd, 
das Volk der Uſun ift roh, habgierig, treulos und der Raͤuberei fehr 
‚ergeben. Vormals waren fie von den Hiongnu abhängig; in der Folge 
aber erftarkten fie, und wollten ſich beren Dberherrfchaft entzichen. ” 
Srenzen. Im Dfteen an bie Hiongnu, im Nordweſten au 


Central= Afien, Ufun Gefchichte. 615 


Khangekiu (Samarkand und Ferahana, Zafchtend); im Weften an 
Tawan (Mittel-Sogriana); im Süden an verfchiedene andere Reiche. 
—  Mrfprüngli gehörten diefe Gegenden dem Volke 
der Se (Sai, Ferm). Die großen Yueti (Yuedfchi fchreibt Hya= 
tinth; es find die Getae, wol identifc; mit Massa Getae) fchlugen den 
Bürften der Se (Saken) der über „den hängenden Paß“ zur 
Flucht genöthigt ward (ob Sihon oder Oxus-Paſſage? ſ. ob, 
©. 476 oder 487). Darauf ließen die großen Yueti ſich in deffen 
Randfchaften nieder. 
7 Rahjmals flug der Kunmo ber Ufun aud diefe großen 
Yueti aus dem Felde, und fie wandten ſich nad Weften, wo fie 
des Landes Tahia (in Zransoriana) ſich bemächtigtenz der Kunmo 
nahm dagegen ihr Land in Beſitz. — Noch gegenwärtig (zur Zeit 
ber Han=Dynaftie, im I. Saec, n. Chr. ©.) wohnen unter den 
Uſun zerſtreute Stämme der Se (Saken) und der Yueti 
(Getae). — Daher ünfireitig die große Region der Saken (oͤ⸗ 
Zircı), die Ptolemäus, noch in demfelben Lande, im I. Jahrhundert 
Chr. Geb., zwiihen Scythen und Sogdianen, von dem untern 
Jaxartes bis zu den Comediſchen Bergen und dem Imaus 
zum Das am Steinernen Thurm bis hinauf nad) Serica, dort als 
einhbeimifch, freilich ſchon mit den Eindringlingen vermifcht, bes 
* konnte, Ptol. VI. c. 13. Auch noch viel weiter im Süden was 
m folhe einzelne Stämme der Se (Zuxus) in den Gebirgen 
en geblicben, daher Ptolemaͤus fie bis zu den Imaus-Bergen wol 
angeben kann. Denn das Elcine Volk der Siüfiun mit feinem eigenen 
Sürften, das wir auch ſchon früher erwähnten (j. ob. ©. 420) war in 
dung und Sitten zwar den Ufun, wie auch der Name, fehr vers 
‚wandt, aber wie die Han=-Annalen ausbrüdlich fagen, als nomabi= 
firendes Volk in feinen Hürden wohnend, ganz gleihen Stammes 
‚mit dem alten einheimifchen Volke der Se oder Sfe (Sacae) 972), 
und diefelbe Bewandtniß hatte es mit ihrem benachbarten Eleinen Ges 
birgsvolke den Kiuantu, die im Thale Yantun füdwärts Kafdıs 
ghar wohnten, in den Gebirgen bes Zfungling, Daß der Buddha— 
Pilger Hiuan Thfang einen König von diefem antiken Geſchlechte 
ber Se, Che oder Schafa, fogar noch im VII. Jahrhundert auf dem 
Pamirgebirge fand, ift oben (©. 494) gefagt. 
Nah Tchhang kians Beridt (122 a.X.n. f. ob. ©. 549) nos 
madiſirten die Uſun urfprünglich mit den Yueti zufammen, in 
ber Gegend von Zünhoang. Obgleich nun der Fürft der Ufun, nad 
ihrer Auswanderung, mächtiger geworben war, fo wäre es doch möglich 











*7) Opissanie Dslungharia etc. b, Scott Th. I. Mier. 


8 
uf 


Y | 
— nr 4 
DEN. , \ 


* 


N 


616. Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $ 7. 


geweſen ihn vielleicht durch Freigebigkeit dahin zu vermögen 972), daß 
er in feine frühern öftlihen Wohnfige zuruͤckkehrte, und durch 
thung mit einer chinefiihen Prinzeffin, ein Verwandter und Bundesge 

nofje gegen die Hiongnu würde, Daher ſchickte Kaifer Wuti, als er 
den Thron beſtiegen, dorthin den Tſchhang kian mit koſtbaren Ge⸗ 
ſchenken. Dieſen empfing der Kunmo als König. Der General darü⸗ 
ber betroffen fagte: „Der Sohn des Himmels hat dir Gefchenfe übers 
macht; willft du ihm nicht Huldigen, fo gieb die Geſchenke zurüd.” Dee 
Kunmo ftand auf und vollzog die Huldigung, Der Kunmo hatte 10 
Söhne. Der mittlere Sohn Dalu (Talo bei Sjematfien) war ein 
tapferer und geſchickter Feldherr. Er hatte an 10,000 Reiter bei ſich, 
mit denen er abgefondert wohnte, Sein älterer Bruder war zum Throne 
folger beſtimmt. Deffen Sohn hieß Sendfeu (Yntfi b. ae 






















Der gewählte Thronerbe ftarb früh, und lag bei feinem Tode dem Ku 
mo an, den Gendfeu zum Thronerben zu beftimmen. Der Kunmo tha 
ihm feinen Willen, worauf Dalu entrüftet fi) mit feinen Verwandt: 
gegen diefe Nachfolge erhob. Deshalb wurden dem Dalu 10,000 Reite 
übergeben und ein befonderer Diftriet zum Anbau; für ſich behiert der 
Kunmo eine gleiche Anzahl Reiter, # 
&o war nun das Reid in 3 Theile getheilt, jedoch unter 
Oberherrlichkeit des Kunmo. Diefem eröffnete nun Tchhang Eian, daß 
der Kaiſer, wofern er ſeine verlaſſenen Wohnſitze im Suͤdoſten wieder 
beziehen wolle, eine chineſiſche Prinzeſſin zu geben willens ſey, und 
ihm gemeinſchaftlich gegen die Hiongnu zu agiren beabſichtige. Alleit 
der Herrſcher von Uſun hatte wegen der Entfernung Chinas noch k 
nen Beariff von der Größe biefes Reiches. Außerdem wohnte er d 
Hiongnu's nahe, und befand fi) ſchon lange in Abhängigkeit von ihn 
und endlich wollten faft alle feine Großen von einer neuen Umfied 
nichts wiffen. Der Kunmo war ein beiahrter Mann, und hatte 
gen der Theilung des Reiches nicht volle Macht in Händen. Er 
pfing nady Sfematfiens Bericht den Abgefandten des himmliſchen Rei 
mit denfeiben Geremonien, mit deren cr bisher die Gefandten der 
Tſchenyu der Hiongnu empfangen hatte; was Tſchangkian mit 
willen erfüllte. Auch erhielt-diefee vom Kuenmo nicht bas Pat 
feiner Submiffion. Diefer ließ den Tſchangkian nur durch eine” 
fandtfchaft don 10 Perfonen zurüdgeleiten, und ſchickte dem Kaifer aus‘ 
Erkenntlichkeit eine gleiche Anzahl Pferde. Der Gefandte des Kunmo 
fah die Macht und Herrlichkeit des chinefiichen Staates, und kehrte dann 
in feine Heimath zurück. Bon jegt an bewieſen bie Ufun den Chineſen 


Pr} Veral. Sseki des Sse ma teien b. Drosset Nour. Journ, Asiat. 
p- 328. 


« 


2* 4 7 


ii 


Central: Afien, Uſun Geſchichte. 617 


Ehrfurcht. Tſchangkian flarb im folgenden Sahre, nachdem er aus 
fun zurüdgekchrt war 72). 
As die Hiongnu von der zwiſchen China und den Ufun beftchenden 

Kreundfchaft erfuhren, wurden fie aufgebracht und machten Einfälle in 
deren Land. Um diefelbe Zeit reiften chinefifche Gefandte durch die ſuͤd— 

liche Gegend, von Ufun nad) Tawan und Groß-Yueti (Sogbiana), 

Der Kunmo von Ufun, in Angft gerathend, ſchickte Botfchafter mit Pfers 

ben (ſtets ein erwünfchtes Geſchenk, f. Afien I. ©. 246) nad) China, 
und erklärte feinen Wunſch, durch Vermählung mit einer chinefi iſchen 
VArinzeſſin, des Kaiſers Verwandter zu werden, 

Der Kaiſer berieth ſich mit den erſten Wuͤrdentraͤgern, und erklaͤrte 
ſich dann, ihrem Gutachten beitretend, ganz willig, eine Prinzeſſin zu 
ſenden, wenn der Kunmo zuvor angemeſſene Geſchenke übermachte, 
Virklich ſchickte derfelbe 1000 Stück Pferde und in Folge deffen kam 
die Tochter eines Fuͤrſten in der Eigenfhaft einer 
DPrinzeffin‘ nad Ufun (im 3 107 vor Chr. Geb.). Der djines 
ſiſche Hof gab ihr Wagen, Kleidungsftüce, Koftbarkeiten, Hofbeamte und 
einige Hundert Eunuchen als Ausfteuer mit. Die Kunmo von.Ufun 
machte fie zu jeinee zweiten Gemahlin (der rechten Seite fagt Sſe— 
‚ma tſien) ?°)3 der Khan der Hiongnu gab dem Kunmo feine eigene Toch— 
ter, die derfelbe zu feinee erften Gemahlin (der Linker Seite nad) 
Sſe ma tfien) erhob, Die hinefifche Prinzgeffin ließ ſich im Lande 
fun einen Palaft_bauen. Alle drei Monat Fam fie einmal mit dem 
Kunmo zufammen „ bei.welcher Gelegenheit fie ihm einen Schmaus gab 
amd feine Magnaten befchenkte, Der Kunmo war alt und verftand die 
chineſiſche Spradye nicht. Die Prinzeffin machte aus langer Weile fol 
gendes Lied: (vergl. daſſelbe Gedicht aus Matuanlins Bibliothek früher 
mitgetheilt, Aſien J. ©, 433; bier, nad) den Annalen der: Han.) 





w Meine Verwandten haben mid; hinausgefchict 
* Ins ferne Land. 

0 Haben mich hingegeben in ein fremdes Reich, 
LE - Dem Fürften von Uſun. 


Er bewohnt eine demlihe Hütte 
Mit Filz gebedt; 
Seine Speife ift Fleiſch, 
Und Mildy fein Getränk, 
Wenn ich meiner Heimath gebente, , | 
Mr So moͤchte ich eine wilde Gans ſeyn, j 
& Daß ic) zurüdfliegen könnte ins Vaterland. — 
Als dies dem Kaifer zu Ohren kam ward er von Mitleid ergrifs 
fen; ee ſchickte ihr jährlich einen Botſchafter, mit Zelttühern und 





"*) Ssematsien b. l rosset I, © II p. 432. 78) ebend. p- 436. 


4 * „7 - 
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— 


Se 





























615 Weſt⸗Aſien. I. Abſchnitt. % 7. — 


Seidenſtoffen. — Nachdem ber Kunmo fein hohes Alter erreicht 
hatte, wollte er bie Prinzeffin feinem Enkel Sendſeu geben. Die 
Prinzeffin wollte ihm nicht willfahren, und berichtete darüber an den 
Eaiferlihen Hof. Der Kaifer im Antwortfchreiben rieth ihre ben Sitten 
jenes Landes fi anzubequemen, damit der Zwei Chinas, bie viongnu 
mit dem Beiſtand der Uſun zu vernichten, erreicht wuͤrde. 
So heirathete denn Sen dſeu die Fuͤrſtin, und beftieg nach dem 
Tode bes alten Kunmo den Thron. Sie gebar ihm eine Tochter” 
Schaofu. Nah dem Tode dieſer Fuͤrſtin gab der chineſiſche Hof dem” 
Sendfeu eine andere Prinzeffin, Dfie yü, zur Frau, Bon feiner” 
biongnuifhen Gemahlin hatte Sen dfeu einen Sonn der Nimi hieß. 
As Sen dfeu dem Tode nahe war, übertrug er dem Unkuimi (dem 
Sohne des Dalu feines jüngern Oheims von väterlicher Seite) mit fol⸗ 
genden Worten die Herrfchaft: „Wenn Nimi erwachſen if, fo 
gieb ihm den Thron zurüd.” 
Rachdem Unkuimi Khan geworben mar, nannte er fih Keie 
wang, heirathete die chinefifhe Dfieyü, und erzeugte mit ihe drei 
Söhne und zwei Töchter. Der ältefte Sohn ward Yuankuimi ge⸗ 
nannt, der zweite Wannian (nachmals Fuͤrſt von Yarkand, f. ob 
S. 406), der dritte Daluz biefer wurde Oberfeldherr. Die ältere 
Tochter Dili wurde dem Dſiangping, Fuͤrſten von Kutſche, bie jüngere 
Sofuan aber einem Bafallen zur Gemahlin gegeben. 
Unter der Regierung des Kaifers Dfhaoti (reg. 86 — 74 vor 
Chr. Geb.) berichtete die Fuͤrſtin dem kaiſerlichen Hofe, es hätten bi 
Hiongnu ein Corps Keiterei in das Land der Kufzu (Higur, ſ. 4 
S. 593) auf die Jagd geſchickt, und beide Voͤlker vereinigt, ſeyen in 
uſun eingefallenz fie bat um Hülfstruppen. Während dieſe ausgeruͤſtet 
wurden ftarb der Kaifer, Als Siuanti (reg. 73— 49 vor Chr.) de 
fen Thron beftiegen, kam neue Meldung von den Einfällen der Sic 
in ufun, daß fie einen Zheil deffen Landes in Befis genommen, d 
Bewohner ald Gefangene fortgejhleppt und einen Gefandten mit 4 
Aufforderung geſchickt hatten, die chineſiſche Prinzeſſin auszuliefern, dem 
Bund mit China zu bredenz der Kunmo felbft wolle mit 10,000 Reis 
tern den Hiongnu begegnen, wofern nur der Kaifer ein Schotheer 
ſchi ckte. D Q 
Sn Folge deffen ftellte der chinefifhe Hof 150,000 Reiter ins Feld, 
und 5 Generale machten ſich gleichzeitig in verſchiedenen Richtungen auf 
den Marſch (wie Timurs Expedition, ob. S. 440). Den General 
Tſchangchoi ſchickte der Kaiſer dem uſunſchen Heere zu Huͤlfe. Dee 
Kunmi brach ſelbſt an der Spitze von 50,000 Reitern auf, und mars 
fehirte in das Gebiet der weſtlichen Kuli Fürften, und machte an 40,000. 
Gefangene, darunter die DBerwandten des Khans und fehr viele vornehme 
Officiere fi befanden, Por gahm er mehr als 700,000 Stil 


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Central Afien, Uſun Gefchichte. 619 


Pferde, Kameele, Hornvich, Schafe und Efel. Dies geſchahe im dritten 
ber Sahre Penſchi (d. i. das te Jahr Siuantis, nämlich im 3. 71 vor 
Chr. Geb.). Der dinefifche Hof fchiete den Tſchangchoi mit vers 
ſchiedenen Geſchenken an diejenigen Großen der Ufun, weldye ſich aus— 
gezeichnet hatten, 

Sm S. 64 vor Chr. Geb. (das 10te Sahr Siuantis) meldete der 
Kunmo von Ufun dem Kaiferhofe, durch Tſchangchoi, daf er den 
Yuankuimi, ven Enkel des Haufes Han von weiblicher Linie, 

-zum Thronfolger ernennen wolle, und mit einer dhinefifchen Prinzeffin 
zu vermählen wuͤnſche, um durd) diefe doppelte Verſchwaͤgerung, dag 
Band, das ihn noch an die Hiongnu Enüpfe, gänzlich zu zerreißen. Er 
begleitete diefes Geſuch mit einem Gefhente von 1000 Pferden und 
Maulthieren. Der Kaifer ließ die Großmwürdenträger deshalb ſich bes 
zathen. Siao wang dſchi fiimmte dafür, daß man den Kunmo mit 
feinem Geſuche abweife, da Uſun zu fern liege und für deſſen Treue 
keine Bürgschaft fey. Der Kaifer aber wollte, wegen der bisherigen we⸗ 
fentlihen Dienfte, die ihm die Ufun geleiftet, nicht mit ihnen brechen, 
und ließ ihm vorläufig die gnädige Annahme feiner Verlobungsgeſchenke 
Melden. Darauf fhicte der Kunmo (nun ſtets Kunmi genannt) eine 
Embafjade von beiläufig 300 Perfonen, um die jüngere Pringeffin in 
China abzuholen. Der Kaifer gab der jüngern Schwefter der Fürftin 
von Ufun, die er für den Thronfolger beftimmte, einen Hofftaat von 
100 Perfonen, und ließ fie in der Sprache der Ufun (alſo im Deuts 
fchen?) unterrichten, Vier chinefifche Gefandte follten die junge Fürftin 
nach Ufun geleitenz allein fie waren kaum über die Grenze gekommen, 
als fie den Zod des Königs Unkuimi von Ufun erfuhren. 
Die Großen don Ufun erwählten nun, in Folge früherer Abrede, 
den Sohn des Sendfeu, Namens Rimi zum Kunmi, und nannten ihn 
Kuang Wang. Zhang khoi trug darauf an, man möge die junge 
Hrinzeffin einftweilen in Zün hoang (an der Grenze) laſſenz ihm felbft 
aber erlauben fogleicy nad) Ufun zu eilen, die dortigen Magnaten wegen 
Ucbergehung des Yuan kue mi zu beftrafen. Dann wolle er zurüds 
kehren und die junge Fürften nad) Ufun geleiten. Die Angelegenheit 
kam im Staatsrath zur Spradye, Siao wang dſchi blieb bei feiner 
‘ früheren Meinung: Die Ufun, war feine Rede, halten es mit zwei 
Parteien; daher fen es ſchwer mit ihnen eine Mebereinkunft zu treffen. 
‚Die frühern Prinzeffinnen lebten über JO Jahre in Ufun, und doch ward 
keine aufrichtige eheliche Liebe offenbar; die Grenzen haben noch nicht 
beruhigt werden können. Nun ſey es als ein Gluͤck für den chineſiſchen 
Hof anzufehen, daß er, ohne den Ausländern fein Wort zu bredyen, die 
Prinzeffin, da Yuan iu mi nicht zum Throne gelangt fey, wieder zus 
rückne men könne, Dieſem Rathe tolgte der Kaiſer und ließ die junge 
Pringeſſin zurüdchren. 


3 


620 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. $ 7, 


Kuang Wang, der durch Wahl ber Großen auf ben Thron ers 
hobene Fürft der Ufun, verheirathete ſich mit der Fürftin Dfieyü, 
die ihm einen Sohn Dfhimi gebarz doch Iebte er in Zwietracht mit 
feiner Gemahlin. Seine Tyrannei zog ihm den Haß feines Volkes zus 
Der Kaifer ließ einen Prinzen, der bei Hofe gedient hatte, durd) die Ges 
nerale Weichoi und Shingtfhang zuruͤckbegleiten. Die Fürften 
fagte ihnen: Kuang Wang drüde feine Unterthanen, es fey leicht ihm 
aus dem Wege zu räumen, In Folge deffen verabredeten fie ein Gafte 
mahl, bei welchem ein Chinefe den Kunmi mit einem Säbel verwuns 
dete. Die Wunde war nur leicht, es gelang diefem daher nody zu Pferde 
die Flucht zu gewinnen. Gein Sohn Sitenfeu fammelte die Trups 
pen und belagerte die Partei der beiden Chinefen Generale, mit der 
Hürftin, in der Stadt Tſchiku. Diefe Belagerung dauerte einige Moz 
nate, und wurde erſt aufgehoben, als die Zruppen des dhinefifchen Ges 
neralinipectors Oſchingki, die derfelbe aus verfchiedenen Ländern zu 
Huͤlfe fandte, anlangten. Der chineſiſche Hof fehicte einen Erpreffen 
mit Urzneien zur Heilung des verwundeten Kuang Wang; außers 
bem erhielt »derfelbe 20 Unzen Goldes und einige Seidenftoffe als Ges 
Schenke. Die Generale Weihoi und Shingwang wurden gefeffelt, in eis | 
nem Kaͤfich, nad) der Refideng gebracht und dort enthauptet, Der Dis 
rector der Kriegscanzellei Oſchangpung wurde abgefandt, wegen des 
Attentats der Fürftin gegen den Kunmi eine Unterfucdjung anzuftellen. 
Die Zürftin geftand nicht, Dſchangpung ſchalt fie dafür aus, und flug 
ihr auf den Kopf. Die Fürftin beklagte ſich deshalb bei dem Kaifer, 
und jo wurde auch Dſchangpung nad) feiner Ruͤckkehr zum Tode verur⸗ 
theilt. Einem Arzte, Kitu genannt, der mit jenem Expreſſen angekom⸗ 
men war, und den Fuͤrſten behandelte, gab letzterer ein Gefolge von 10 
Reitern. Als Kitu in die Hauptſtadt Chinas zuruͤckkehrte, machte man 
ihm deshalb den Prozeß, weil er, obgleich wiſſend, daß Kuang Wang den 
Tod verdiente, die Gelegenheit ihn zu toͤdten nicht benutzt hatte. Er 
ward eingekerkert. Indeſſen hatte ſich, als der Kuang Wang verwundet 
worden war, Kiutu (ſpaͤterhin auch Udſiutu genannt), der Sohn 
des vorigen Negenten Unfuimi, von deffen hiongnuiſcher Ges 
mahblin, mit den übrigen Großen des Landes, aus Schreden in die 
nördlichen Berge geflüchtet. Er verbreitete nun das Gerücht, es ſey 
ein DiongnusHeer im Anmarſch; worauf das Volk fih um ihn verfams 
melte. Nun überfiel er dem Kvang Wang unvermuthet, tödtete ihn und 
ſchwang ſich felbft auf den Thron. Nun wurde der chineſiſche General 
Sinwufian gegen ihn mit 15,000 Mann nad) Tuͤnhoang zu Felde 
geſchickt. Leute wurden ausgefandt, einen Canal zu graben, don Pais 
lung tui nach Meften, damit man dorthin Getreide fchaffen koͤnne und 
Magazine anlegen, fuͤr den bevorſtehenden Krieg. 


Sum Gefolge der Fuͤrſtin Dfie yu gejörte Fung La, cine ſche 


* 
Fi 






Gentral: -Aſien, Uſun Geſchichte. 621 


heitte und in Geſchaͤften erfahrne —— bisweilen ward ſie von 
J— Gebieterin in die Stadt geſchickt, um die vom Hofe uͤbermachten 
Geſchenke zu vertheilen. Allerwaͤrts bewies man ihr Vertrauen und 
Edrfurcht. Sie wurde die Gemahlin eines ſubalternen Heerfuͤhrers in 
Ufun, Da dieſer Heerführer mit Udfiutu befreundet war, fo lich der 
 Generalinfpector Oſchingki dem Udfiutu durd) die genannte Dame 
ſagen, daß die chineſiſchen Truppen bereits gegen ihn im Anmarſche 
ſeyen, und daß er ſeinem Untergange nicht entgehen koͤnne, wofern er 
ſich nicht unterwuͤrfe. Ud ſiutu von Schrecken ergriffen erklaͤrte ſeine 
Bereitwilligkeit einen niedern Nang anzunehmen. Der Kaiſer Siuanti 
lieg die Dame Fungliao an den Hof entbieten, und befragte fie perföns 
lich über das was fie gethan. Darauf ließ er fie durch Groß-Würdens 
Hräger zurüdgeleitenz fie, reifete in einer mit Damaft überzogenen Kas 
eſche und einem Roßſchweife in der Hand. 
Yuan Eui mi (der Enkel der Han) wurde nun doch noh Gros 
Ber Kunmi, und Udfiutu, Kleiner Runmi, und beide empfins 
gen chineſiſche kaiſerliche Inſiegel. Der General Sin wu fian, wels 
er die Grenze noch nicht überfchritten hatte, trat den Ruͤckmarſch anz 
Krieg war erfpart. 
Späterhin ſchickte der Kaifer den General Df changchoi mit einer 
Garnifon nad) Tſchiku (der Gapitale in Ufun). Diefer vertheilte das 
TE und beftimmte die Grenzen. 
A Der Große Kunmi erhielt 60,000, der Kleine Kunmi 40,000 
 gamitien (Kibitken, oder fahrbare Gezelte?). Das Volk aber war im 
Allgemeinen dem Kleinen Kunmi mehr zugethan. Yuan Euimi und der 
h Prinz Dſchimi ſtarben beide an einer und derſelben Krankheit. Die 
ürftin fchrieb, daß fie ſich als bejahrte Matrone wieder ‚in ihre Hei⸗ 
5 ſehne und zuruͤckzukehren wuͤnſche, auf daß ihre Gebeine in Chinas 

den ruhten. Der Kaiſer davon gerührt, erlaubte ihr mit dreien ihs 
zer Enkel nad) der Refideng zu reifen. Dies gefhahe im 28ſten Jahre 
Siuantis, d. i. im J ˖ 51 vor Chr. Geb. Die Fuͤrſtin hatte damals ihr 
oOſtes Lebensjahr erreicht. Der Kaiſer ſchenkte ihr ein Landgut, ein 
gif, männlihe und weibliche Dienerfchaft, und alle Bequemlichkeit 
des Lebens, Nach 3 Zahren ftarb fie, und drei Enkel hüteten ihre 
Grabftätte, 

Siumi, der Sohn des Yuan Euimi, wurde fein Nacjfolger als 
Großer Kunmi, Die Dame Zungliao erbat fi vom Hofe die Er 
laubniß nad) Ufun abgehen zu dürfen (fie hätte alfo wol ihre Gebieteris 

zu ihrem Grabe als Gefährtin begleitet), um ben jungen Prinze 
Er feinem Throne zu befeftigen. Man gab ihr 100 chinefifhe Soldı= 

n ald GEscorte mit, Der Generalinfpector Chanfiuan trug Te 
fe darauf an, daß man den Groß-Würdenträgern von Ufun goldie 
Spiegel an Purpurfähnüren geben möchte, um bie Würde es 


2 











622 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. 8. 7. 


Großen Kunmt zu erhöhen. Der Hof bewilligte bie, Als aber der⸗ 
ſelbe Oberbeamte darauf antrug, man möchte den Siumi, als einen 
ſchwachen und kleinmuͤthigen Menſchen des Thrones erledigen, und dafuͤr 
deſſen Oheim, den Oberfeldherrn Le zum Kunmi ernennen; fo wur De 
biefer Antrag abgelehnt. 

As Choeidfung das Amt eines Generalinfpector3 erhalten gatte, 
rief er die chinefifchen Ueberläufer zurüd, und beruhigte fi. Nach 
Siumi’s Tode wurde defien Sohn Zülimi Kleiner Kunmi, und 
nad Udfiutus Tode Fam deſſen Sohn Fuli an feine Stelle, der aber 
durch feinen jüngern Bruder Shier ermordet ward. Der dhinefifche 
Hof lieg den Anſchi, einen Sohn Fuli's, zum Kleinen (2) Kunmi ers 
nennen, Shier floh nah Kangfiu (Samarkand). Der chinefifche Hof 
fchickte eine Eleine Garnifon nad) Kumo, um bei Gelegenheit. über den. 
Fluͤchtling herzufallen. Drei durch Anſchi abgefendete Magnaten, 
darunter Kumoni, ftellten ſich als Flüchtlinge, gelangten zu Shier, : 
und tödteten ihn. Der Generalinfpector Lianpao verehrte dem Kus 
moni und deſſen Helfershelfern ein goldines Idol von 20 Unzen Ges 
wicht, und 300 Stüd Seidenzeug. Nachmals wurde auch Anſchi 
von feinen Unterthanen getoͤdtet. Deſſen jüngerer Bruder Modf chen⸗ 
Eiän wurde von den Chineſen zum Nachfolger erhoben, 

Um dieſe Zeit regierte Zülimi, als Großer Kuenmi, ieh 
Feftigkeit, und die untergebenen Fürften fürdjteten ihn. Er ließ dffente 
ich bekannt machen, daß Niemand fich unterftehen folle in feinem Ges 
biete zu nomadiſiren. Sein Land genoß eines tiefen Friedens, wie unter 
der Herrichaft des Unkuimi. Der Kleine Kunmi Modſchenkiaͤn 
fürdhtete von ihm abhängig zu werden, und ließ demzufolge den Zuͤlim 
durch einen Magnaten, der ihm verftelltee Weife feine Dienfte anbieten 
mußte, erſtechen. Der chinefifche Hof wollte den Modfchenkiän torüct 
mit gewaffneter Hand abftrafen, jedoch es unterblieb, Der dhinefifhe 
Generalinfpector ernannte einen Enkel des Erftochenen, ben Itſchimi, 
zum Groß-Kuenmi. Auch der Kleine Kuenmi Modſchenkiaͤn wurde von 
einem Vafallen de3 Großen Kuenmi getödtet, und Antimi wurde Kleis 

\ner Kuenmi im Sahre 11 vor Chr, Geb, (nämlid im 2ten Jahr 
Yuanyan, d. i. im 22ſten Regierungsjahre des Tſchingti). J 

Pichuandſchi, der jüngere Bruder des Modſchenkiaͤn, d 

in der Ermordung des Großen Kuenmi Antheil gehabt hatte, nahm gen 

° en 80,000 Eingeborne, die ihm ergeben waren, mit fi, und wanderte 

Nrömärts nad) Kangkiu aus, wo er ein Hülfsheer zur Unterwerfung 

biver Kuenmi erbitten wollte. Beide erfchrafen und festen ihre ganze 

Hffnung auf den chineſiſchen Generalinfpector (der in diefer ganzen . 
Priode den Zitel eines Protectors hatte). 

\ Unter Kaifer Ngaiti (im 3. 1 vor Chr. Gb.) reifte der Große 

Kıenmi, Stfhimi, zugleih mit dem Khan ber Hiongnu, an ben 




























Central: Aften, die Sule, die Houte, 623 


hinefifchen Hof, wo man ihn cehrenvoll empfing Vier Sahr fpäter (im 
. 3 nad) Chr. Geb.) tödtete jener Pichuandſchi, um fich bei dem 
inefifchen Hofe in Gunft zu fesen, den Magnaten Uſchilian, welcher 

auf Modſchenkiaͤns Befehl den Zülimi ermordet hatte, Der chinefiiche 

Hof ertheilte ihm zum Lohn den Rang eines Fürften. Beide Kunmis 

waren ſchwach, Pihuandfi unterdrücdte. fies deshalb ward er von 

dem Generalinfpectoe Sunfian durch plöglichen Weberfall getödtet. 

Seitdem das Reid Ufun in zwei Khanate getheilt war, fagt ber 

Annalift, hatte der chinefifcye Hof viele Sorgen und kein Sahr ging volls 

kommen ruhig vorüber, Hiermit (im Sahre 9 n. Chr. Geb., d. i. im 

dritten Regierungsjahre Phingtis, dem der Ufurpator Wangmang folgte) 

endet das Gefchichtsfragment aus den Annalen der Hanz was aud 

18 kein befonderer Verluft erfcheint, da man aus dem bisherigen Hers 

gang der Dinge ſchon fo ziemlich die Characteriftit jener Geſchichtspe⸗ 

— erhält, die freilich vom Volke nur ſehr wenig erzählt, das geringſte 

Er aber in Beziehung auf die hinefijche Da anzugeben nicht uns 
läßt. 


h; 2) Die Schule (Chon, Choule), Sule, oder die Khins 
ba, mit blauen Augen und blonden Haaren, haben wir fchon 
‚oben, als die zweite Gruppe in dem fpäter genannten Gebiete 
von Kaſ chghar (ſ. ob. ©. 420) vollftändig fennen lernen. 


3) Die Houte, oder Khoute. Schon Ab. Remufat 7% 
tte fie für ein Volk gothifhen Stammes gehalten, und 
laproth ſprach ſich desgleichen für diefe Hypotheſe aus, die 
freilich nur Wahrfcheinlichkeit, Feine Gewißheit geben kann (f. fi ien 
# ©.194,434). Diefes Land 77) lag, nach den chinefifchen Das 
n, in Nordoft von Sogdiana, und in Weft des Gebirges 
hfungling, wie des Landes Uſun (alfo, ganz in der Gegend 

des heutigen Taſchkend, Otrar, Turkeſtan, auf der Nordoſtſeite des 

r Daria, wo Gothenſtaͤmme allerdings ſitzen konnten, wenn 
fie ſpaͤter zum Nordufer des Caspiſchen Sees und zur Wolga _ 
vorruͤckten an deren Weftufer die Völkerwanderung fie vorfindet). 
Man zählte übrigens diefer Khoute nur 2000 Krieger. Sie 
waren Nomaden, hatten treffliche Pferde, viele Zobelmarder, 
Im J. 177 vor Chr. Geb. drang der Statthalter der Hiongnu 
der Weftfeite, bis zu diefen Khoute vor, und unterjochte fie. 
In der erften Hälfte des II. Jahrhunderts hatten die Chinefen 











J 
A 


— — — 


d *9) Ab. Remusat Rechereh. sur les Lang, Tartares I. ce. p. 327 etc. 
2 Tableaux historig. de l’Asie p. 167. 


⸗ 


624 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 87. 


einigen Verkehr mit diefen Khoute. Nähmen wir fie hier wirks 
lich als eine Spur gothifchen Schlages in Anfpruch, wie die Uſun 
als germanifche u. f. w., fo ift doch darum noch nicht geſagt, 
daß die europaͤiſchen Gothen, oder Germanen, von dieſem Zweig—⸗ 
lein herkommen muͤſſen, weil es uns gaͤnzlich unbekannt, daß fie 
die Wurzel des Ganzen find.. Aber auch in diefem Falle würs 
den darum die enropäifchen Gothen und Germanen doc) nicht 
mit diefen afiatifchen Khoute, oder Ufiun, in größere ueberrinſtim—⸗ 
mung zu ſetzen ſeyn, da, wie der aus einer Wurzel hervorwach⸗ 
fende Baum, in Stamm, Xeften, Zweigen, Blättern, Blüthen, 
Früchten, immer eine andere Form und Srfdheinung darbietet, 
fo noch weit mehr die wandernden und fortfchreitenden Voͤlker⸗ 
ſtaͤmme, in ihren Gliederungen fi ummundeln 97%), worüber wie 
anderwärts (f. Vorhalle ©. 307 — 316), hinfichtlich des Leibes 
und der Seele der Völfergefchlechter, fehon das hier zu beachtende 
angedeutet zu haben glauben. k 

4) Die Tingling, das vierte Volk, mit blauen Augen und 
rothen Haaren. Ihre Tribus fcheinen ſehr weit verbreitet geweſen 
zu ſeyn; denn 100 Jahr vor Chr. Geb. werden fie von den die 
nefifchen Hiftorikern angeführt, als berührten fie das Weſtende des 
Baikal: Sees, und füßen im Norden des Landes der Ufun, bis 
zum Thale des Obi, und noch weiter im Kranze umher, bie i in 
den Nordoften und Norden von Khang Kiu ( Sogdiana), She 
Hrame bezeichnete, fagt der Chinefe, in der Sprache der Uſun 
fo viel als: „die refpectabeln Alten,” wie Khodja im’ 
ZTürkifchen — etwa Aeltling? analog wie, Juͤngling; „ting“ 
ſcheint freilich fremd, nicht ſo „ding“ 79), — Die Tribus am 























hundert vor Chr. G. unterjocht. Als im J. 65 vor Chr. 7 
die Chinefen die. Hiongnu nöthigten fi) aus den Ländern Ofts 
Zurfeftans: Kaſchghar, Khotan, Yarkand, zuruͤckzuziehen, ei 


welche — die Samojedenſtaͤmme und nach ihnen die Hakas 
einnahmen, ſ. Aſien I. ©. 1113), die Horden der Hiongnu, und 
waren ihnen drei Jahre hindurch gefaͤhrliche Krieger; denn ſie 
ſchleppten ihnen viele Gefangene und Beute hinweg, ſelbſt im 
Angefiht von 10,000 Reitern, die ihnen die Hiongnu entgegen 


#75) Vergl. Dr. W. Schott Verſuch über die tatarifhen Sprachen, 
Berlin 1836. 4. Einl. ©. 4 ıc. ’°) 3, Grimm, — Mys 
thologie. Goͤtting. 1835 ©, 248. 





Senttale Afien, die Yanthfai, Alan, | 625 


ſchickten. Um das Jahr 48 vor Chr. Geb. wurden die meftlichs 
flen der Tingling, von dem Tſchenyu der Weſt-Hiongnu unters 
jocht; als aber, ein Jahrhundert fpäter, die Hiongnu des Mors 
dens vernichtet wurden (gegen 85 J. n. Chr, G.), erhoben fich 
die Tingling von neuem zu Incurſionen in deren Ländergebiet, 
In der Testen Hälfte des II. Jahrhunderts n. Chr, Geb. wurde 


Dbern Irtyſch und Ob faßen, von den Sianpi befiegt. Bald 
befreiten fie ſich aber wieder von deren Zoch, und traten feloft 
wieder als mächtige Nation auf, welche die Nachbarn im Zaume 
hielt. In der fpätern Zeit,,um das Jahr 507 n. Ehr. G., wird 
von einer Horde der Jo ui joui gefprochen, welche die Tings 
ling aus ihrem Weidelande verjagte, die nun gegen Weften weis 
ter zogen. Ihr Name wird wol noch öfter in den fpätern chiner 
ſiſchen Annalen genannt, aber ohne daß fie noch ferner eine pos 
Kitifche Rolle fpielten, und es ift wahrfcheinlich, daß fie mit den 
Horden der ihnen verwandteren Gefchlechter der Hafas zufams 
menſchmolzen. 

5) Die Kiankuen oder Hakas. Don dieſer Gruppe 
der blauaͤugigen blonden Hakas mit den gelbrothen Geſichtern, 
die, anfänglich mit den Tingling gemifcht, fpäter mit den Hoeihe 
ver hwiftert zu Kilifis (Kirkis) wurden, und als ſolche tuͤr— 
tifche Sprache ftatt germanifcher annehmend, fich weit über den 
Welten Afiens bis zu den indorgermanifchen Stämmen verbrei- 
teten, wo ihre Gefchlechter noch heute unter den Abtheilungen der 
preierlei Kirghifens Horden befannt genug find, war ſchon früher 
umftändlic) (f. Aften J. S. 1110— 1133) als Urſaſſen am Obern 
Jeniſei die Rede. 

6 Die Yanthſai (An Thſai b. Ab. Remuſat) oder 
Alan (Alanna)7, welche die weſtlichſte Gruppe der blau— 

















den, führen wir hier nur vorläufig mit auf, da fie feit dem Jahre 
120 vor Chr. Geb. von den Chinefen in Nordweft von Sogdiana 
in ihren Eigen bis zu den Eumpfgegenden des Nord Aral und 
Easpiichen Sees, Nord meer bei Sfematfien 80), alſo bis gegen 


‚ 12 Tabl. Histor, de PAsie p. 175— 132; Klaprotli Memoire dans 
le guel on prouve l'identit@ des Ossctes peuplade du Caucase 
avec les Alains du Moyen Age. Paris 1822. 20) Sse ma tsien 
b. Brosset 1. c. Nouv. Journ, Asiat, T. II. p. 424. 


Ritter Erdkunde VII. Nr 


ein Theil des Tribus der Tingling, die im füdlichen Sibirien am 


Augigen, blonden Völker diefes indo-germanifchen Schlages bils‘ 


626 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. 9 7. 


die Wolgaländer hin genannt warden. Da fie bis zum II. Jahr 
hundert n. Chr. ©. auch da noch den Herrfchern Sogdianas um | 
terworfen, aber dann frei geworden vom och ihrer Gebieter exf 
feit dem I. Jahrh. als Alanen in ihren weftlihen Berührunge 
mit dem Roͤmer-Reiche und am öftlihen Kaufafus für uns be 
deutend werden, und ihre Gefchichte einem ganz andern Kriegs 
theater angehört, fo werden wir auch fpäter erft, auf ihrem ei 
gentlichen Boden, zu ihren ethnographifchen Verhaͤltniſſen zuruͤck 
£ehren. Hier genügt eg, aus den Annalen der Han?) 
Sriginal felbft, wie nach Matuanlins Encnclopädie, die mit jene 
völlig uͤbereinſſimmt, nur folgendes anzuführen, was auf die a 
tere Zeit ihrer Siße in Sogdiana Bezug hat. 

Die Yanthfai®) find aus den Zeiten der Han (163 vo 
bis 196 nach Chr. G.) in Khangkiu, d. i. in Sogdiana, be 
fannt, von wo fie gegen IBeft bis zu den Ta Tfin (zum Ni 
mer⸗Reiche) fih ausbreiten. Sie haben wenigftens 100,000 gut 
Bogenfhügen (wie die Skythen); ihre Sitten gleichen denen vol 
Khangfiu, d. i. den Sogdianen, von denen fie abhängig find 
Das Clima iſt gemäßigt; ihre Land ftößt an die großen Seen 
oder an die Suͤmpfe, die weder Ufer noch beftimmte Grenz 
haben, das nördliche Meer genannt (f. 06. ©. 560, 574). Mai 
fieht bei ihnen fehr hohe Fichten, Wahsbäume(?) un 
Pethſao (was Ab. Kemufat und Klaproth nicht anders, & 
durch weißes Kraut zu erklären willen). Sie find Nomaden um 
dehnen fich mit ihren Heerden bis zu dem Nordmeere (2) au 
Zur Zeit der Han veränderten fie ihren Namen in Alan n 
(identiſch mit Asii, dem Scythenſtamme bei Strabo ©, 511 
Asiani nad) Ab. Remuſat). Sie bewohnen auch Städte, 
zahlreihe Kaufleute famen von diefem DVolfe nach Lian 
(d. 1. in der öftlihen Tartarei), wo fie vortheilhaften Handel trie 
ben, zugleich aber auch als Räuber gefürchtet wurden. Zu dei 
Zeiten der zweiten Wei Dynaftie werden diefe Yan thfai 
Theſu, oder auh Wennacha genannt. In den Zahren 45 
bis 465 ſchickte ihre König Houeul, deſſen Familie erſt ſeit 
Generationen den Thron behauptete, Tribut nach China. In 
J. 564 werden die legten ihrer Tribute erwähnt. Won den weſt 

























»#1) Opissanie Dshungharia ete. des Pater rang b. Dr. Schot 
Ueberf, 22) Ab. Remusat Notices sur les Peuples de la Bou- 
kharie etc. de Matouanlin etc. in Nouy. Mel. Asiat. Paris 1829 
T,l, 7.239 — 240. — 

















EentraleAften, die Yan thſai, Maffagsten. 627 


lichen Alanen erhalten wir erft durch Ammian Marcellin ums 
dlichere Nachrichten. Von diefem Altern Wolfe in feinen oͤſt— 
hen Eigen fügen wir zu diefen chinefifchen Daten Klap: 
voths Anficht hinzu, der fie mit den Maffageten) der früs 
hern Zeit identificirt. 
Der Name Maffageten (Maooayiraı Herod. I. 204 und 
205 am Arares wohnen®), worunter im hohen Alterthbume die 
Alanen mitbegriffen waren, ward, wie es fcheint, dem größten 
Theile der indo-germanifchen Iace, welche aber fehr frühzeitig mit 
Geten (Yueti) vermifcht war, gegeben, die am Nords und Oft-Ufer 
des Caspifchen Meeres und Aral: Sees weithin gegen Often 
wohnten; denn Ptolemäus (Lib. VI. 13) fegt feine Maffageten 
ein halbes Jahrtauſend fpäter noch in gewiſſe Ihäler' des Belur 
Imaus), an den Steinernen Thurm, neben die Safen. Diefe 
fiatifchen Skythen auf der Oftfeite des Aralfees lebten von ih: 
n Heerden, doch bauten fie auch den Acer, und hatten ‚-wie 
ie chinefifchen Autoren ausdrücklich fagen, auch ihre Städte, 
As Alexander M. in Bactriana und Sogdiana einfiel, fand er 
dort fhon eine. Menge fehr reicher und bevölferter Städte zwi: 
hen ihren Gebieten. Die Nomaden lagerten am untern Orus 
und Jarartes, Sie theilten ſich in zwei große Zweige, Der 
Befizweig, die Dani (Adoı b. Herod. 1. 125; Ada dr And 
78 Tuvaidog 6. Arrian)s+), bewohnte die Gaspifchen Ebenen; 
der Oftzweig, die Maffageten und Dafen, zogen an den 
ern des Jaxartes umher. Ans ift es wahrfcheinlich, daß 
efer Name der Maflageten der dem Ta Yueti (großen Ger 
ten) zu entfprechen fcheint, fchon in fich einen Fingerzeig dar— 
Biete, daß fie nur ein älteres Glied der, im I. Jahrh. vor 
t., gegen Transoxiana einrückenden Yueti (Getae) waren; 
weder von Ufun noch von Yueti und von den Ta Wan und 
ahia (Daoi, Dacae) abfolut unterfchieden, fondern zu jener weit 
verbreiteten großen VWölfermaffe, der Sfythifchen, gehörig, 
die aus fehr vielen Völkerfchaften beftehen mochte, 
Diefe alten car find offenbar die Tahia der chinefifchen 
Autoren. Vor alten Zeiten hieß der Jaxartes (Syr Darig) 
ud) Tanais. Als Alerander Maracanda (Samarkand) vers 
I fen hatte, ging er an den Tanais. Diefer hieß, wie Arrian 


— 


8* 





) Tabl. bistor. 1. e. p. 181— 182. 84) Arriani Nicomed. Ex- 
pedition. Alexandıi wi. li. 11,4; 28,13; V.12, 3. 
..Re2, 


N... 


‚ fen heiße bis heute Don, oder Dan, Waſſer, Fluß; daher D 


028 Weſt-Aſien. I Abſchnitt, & 7, 


nach Ariftohulos anführt, auch Orxantes, Oxuartes (Arriani Fr 
pedit. Alex. L. III. 30, 13. VII. 16, 6). Deffen Quellen liegen 
wie die des Oxus, nach ihn, im Mons Caucasus (d. i. Hindt 
Khu, Imaus) und deſſen Erguß im Hyrkaniſchen Meere (Caspi 
fhen See). Er unterfcheidet ihn von dem andern befannteren, 
weftlihen Tanais auf der Grenze Europas. Man hatte die 
früher für einen Zerthum gehalten, den Tanais, Sihun (Sur 
Daria) und Zarartes für identifch zu nehmen. Aber die Voͤl⸗ 
ker, welche am Ufer beider Tanaisſtroͤme faßen, ſprachen, bemerkt 
Klaproth, diefelbe Sprache, waren identifch. Die Sprache der 
Alanen-am europäifchen Tanais, gleich der der Maffagetens 
Alanna, am turfeftanifchen Tanais, habe ſich erhalten im 
Idiom der Dffeten im Pontifchen Kaufafusz Gebirge; bei 22 























nubius, Danastris (Dniefter), ons (Dnepr), Tanais im Don 
wie im Sarartes des Aral⸗See's. Zur Entfheidung kommen wi 
hierüber vielleicht erft durch Sjoͤgrens neuefte Forſchungen unte 
den Dffeten (Ossi, Iron), 


Erläuterung 3. 


Die Gruppe der Urfaffen in Wefl:Zurkeftan oder ——— 
Die Ta Wan, Tahia (Daoi, Daken, Sakas, Iazuı) und 
die 9 Staaten der alten Herrſcher- Familie der Zihaomwot 

von Khangkiu (Samarfand). 


Die vielfach wiederholten und fich immer gleich bleibenden 
auch) in den Chronologien übereinftimmenden Angaben der chine- 
fifchen Autoren, feit den Annalen der Han und den Zeiten 
des groͤhten der antiken chineſiſchen Hiſtoriker Sfe ma tfi ien 
(100 5. vor Chr. Geb.), bis auf des größten fpätern Hiſtoriker 
Matuanlin Zeit (vom IT. Zahıh. vor bis zum XI. Jahrh 
nach Chr. G.), über die Auswanderung der Yuetiss), weft: 
mwärts nad Iransoriana (f. Alien I. ©. 194, 432, vergl. oh 
©.420 u. f.), leiden wol feinen Zweifel mehr, daß feit der Mitte 
des II. Saec. a. X. n, eine große Veränderung durch die Bil 
Terwanderung in die Länder zwifchen Jaxartes und Orus 


925) Sseki des Ssematsien b, Brosset ad. du Chinois in Nour. 
Journ, Asiat. 1828.'T, UI. p.419— 421. 


Central: Afien, Transoriana, Urfaffen, 629 


drang, welche die feit Alerander M. und feiner Gaftrifchen 
tachfolger Zeit dort früher beſtehenden Wölferverhältniffe völlig 
igeftältete, obwol fie nur vielleicht eine Wiederholuna ſchon fruͤ⸗ 
erer Einwanderungen von derfelben Gegend her gewefen ſeyn 
moͤchte. Eine Hauptfolge derſelben war, daß die Gruppe der— 
jenigen Völker, an deren Spitze die Yueti (Getae) ſtanden, 
die hellenifchsbaktrifche Herrſchaft an fih riß, die von 
afen (Strabo ©. 511) furz zuvor geftürzt war, und daß die 
Yueti, Getae, die herrfhenden des Landes wurden, in dem 
fie durch ihre Uebermacht die dortigen Candfchaften (Tas 
ia’s, d.’i. der früheren Daai, Dahae, Sacarım Regio bei Ptos 
lemäus) in 5 große Reiche vertheilten, und eine Reihe von 
Sahrhunderten hindurch nun Transoriana wirklich beherrfchs _ 
ten. Eben diefe waren es, um deren Freundfchaft die Chis 
neſen fich, feit den Zeiten der Han, durch ihre Embaffaden Jahr— 
* hindurch muͤhſam bewarben, um den Karawanenhandel 








ser koſtbaren Producte und der Waaren jener Laͤnder in ihre 
Staaten zu leiten, ohne fie (wie dies doch mit den ſchon ger 
a Urfaflen, 5. B. den Ta Wan, Tahia, Aſi, Khangs 

und Andern gefchahe, die von den antiken 9 Tſchaowou— 
Dynaftien &) beherrfcht wurden) zu ihren tributairen Kö: 
migreichen zählen zu fönnen, wie denn fehr häufig, bei den Bes 
fhreibungen derfelben, ausdrücklich hinzugefügt wird, daß diefe 
Yueti keineswegs dem himmlifchen Reiche unterworfen feyen, 
und keinen Tribut zahlen. Auch hatten jene erobernden Voͤl—⸗ 
fer, wie der antife Gefchichtfchreiber Sfe ma tfien beftimmt 
feinem Berichte über Tchhangkians Expedition zu den Yueti ; 
hinzufügt, förmlich die Unterwerfungsacte vermweis 
gert®?), Diefer Umftand ift es, nach welchem der Hiſtoriker 
Sfe ma tfien in jener Zeit, in feinen Gefchichten ſich der bes 
fimmten Hauptabtheilung jener Siyu, oder Weftläns 
bet, im innete (interior, das ift, wie er felbit fagt, folche, die 
Tribut bezahlen) und in äußere (exterior, Pays exterieurs nach) 
Broffets Ueberfegung) bedient, vi inige die nicht tribus 





Er "Ab. Remusat Remarg. sur l’Extens. 1. c, p. 95; befl- Notice 
sur les Peupl. de la Boukharie etc. p. Matouanlin in Nouy. Mel. 
Asiat. T. I. p.227; Klaproth Notic. Geogr. et histor. du Thai- 
thsing y thoung tschi Edit. Peking 1790. in Magasin Asiat. Paris 
1825. T.I. p. 104— 106 Nota. 27) Sseki des Sse ma tsien 1.c. 
N. Journ. As, II. p. #21, 432. 





630 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt, $. 7, 


tair waren. Da nun diefes eine am Belur Tag (Imaus) recht 
officielle, conventionelle, politifch bedeutfame Bezeichz 
nung war»; fo fünnte man ſich daraus wol die fo eigenthuͤm— 
liche Benennung jener KHauptabtheilungen der Länder dieff eit 
und jenfeit des maus, bei Ptolemäus, dem Zeitgenoffen 
jener Han:Periode erklären , wo die Scytlia intra et extra 
Imaum (7 &vrog Iuaov und 7 2xtog etc. Ptol. Lib. VI. e.14,15) 
gewiß nicht eine blos rein — Bedeun bezeichnen 
fonnte. 

Der Zuftand Transorianas In jener Zeit zeigt alfo offenbar 
zweierlei VBölkerfchaften, die Sieger und die Befiegz 
ten, Unterworfenen; während unter jenen die Yueti (Getae) 
hervorragen, find unter diefen die Ta Wan und Tahia (Daai, 
Dahae) deren nomadifirende antife Tribus wol eben die Sy 
Sai (Sakas, Sera, die wir oben fihon nannten, f. ob. ©. 604), 
die ausgezeichneteften im Often und die An oder Ngan (A) 
im Weften. Sie bilden gleichfam den Kern der alten und 
neuen Sandesbewohner, die fich aber aus diefen beiden Haupt— 
genppen in viele gefonderte Stämme und Herrschaften zerſpalten, 
deren genaueſte genealogiſche, chroönologiſche, geograz 
phifche, politifche Entwirrung begreiflicher Weiſe ihre große 
Schwierigkeit haben muß. Denn gegenfeitige Mifhungen und 
Accommodationen werden außerdem, daß auch noch von den Als 
tern Urfaffen fich gewiſſe Theile frei und unabhängig von den 
Yueti erhielten (wie die Ta Wan, die erft durd Gewalt dem 
Kaifer Wouti der Han im J. 98 vor Chr. G. tributair wurden), 
zwifchen den Urfaffen und den aus dem Often gefommenen 
Cindringlingen bier fo wenig wie in andern der Art erobers 
ten Meichen gefehlt haben, zumal wenn, wie es »faft fcheinen 
möchte, die Urfaffen (wie Ta Wan, Tahia, Ifao u. A., die 
auch nur relativ gegen die jüngern Einwanderer als folche gel 
ten, da auch bei ihnen Spuren älterer Einwanderung ihrer Hertz 
fcherfamilien der Ifchaowu vorkommen) in Nace und Sprade 
von den Yueti Feineswegs abfolut verfehiedenartig gedacht wer— 
den müßten. Begreiflich wäre es noch obendrein, wenn die Chir 
nefen ſelbſt, ihrer minutiöfeften Erfundigung der ihnen diplomazs 
tifch wichtigen Verhältniffe diefer Völkerfchaften ungeachtet, in den 
verfchiedenen Zeiten der Jahrhunderte doc manche 
Verwechslungen oder Verwirrungen binfichtlic ihrer Verwandt⸗ 
ichaften und Abftammungen bei Völkern und Reichen veranlaßt 





















Central⸗Aſien, Transoriana, ältefte Voͤlkerſchaften. 631 


hätten, deren Sprachen und innere Angelegenheiten ihnen fo uns 
bekannt blicben, und die immer an taufend Meilen von ihnen 
entfernt, doch immer nur von einzelnen politifchen oder handels 
treibenden Miffionen von Zeit zu Zeit befucht werden fonnten, 
deren Berichterftattungen uns in ihren eigenen Memoiren oder 
fpäteın Sammlungen überliefert find. Unter diefen Umſtaͤnden 
muß man den Scharffinn und die Aufmerkfamfeit der Chinefen 
noch in der That bewundern, zumal wenn wir fie mit andern ihs 
zer Zeitgenoffen jener Periode (den macedonifch sgriechifchen Quel— 
fen) oder den Zeitfchriftftelleen der europäifchen Völkerwanderung 
vergleichen, wie vieles Specielle fie mit größter Gewiffenhaftigkeit 
eingefammelt und überliefert haben. Einen gewiffen gemeinfas 
men Anhaltpunct finden wir dennoch in der genauern Anz 
gabe der Chinefen, über die dortigen Gebiete darin, welche Völker 
feftgefiedelte find, mit Ackerbau und Gewerben in gemauers 
ten Städten wohnen, und welche nicht — ferner, welche in Sit: 
ten und Gebräuchen unter einander gleich oder ähnlich, und 
welche ferner in ihren Sprachen verfchieden oder fich gegenfeis 
fig verftändigen koͤnnen. 

Es geht hieraus doch außer der Möglichkeit der innern Critik 
Ihrer eigenen Daten auch eine Vorftellung des Gefammtzuftandes 
jener merkwürdigen Zeit hervor, wenn wir auch nicht im Stande 

ſeyn werden, jedwedes Einzelne auf das genauefte critifch zu bes 
feuchten; jene Vorftellung reicht indeß vollfommen bin wichtige 
Aufſchluͤſſe über die Gefittung und hiftorifchen Zuftände jener 
Landſchaften vor dem Ueberfalle der Araber zu erhalten, Auf: 
ſchluͤſe, die uns aus- allen andern Quellen völlig fehlen, wenn 
wir nicht die chinefifchen zu Hülfe nehmen, die hier aber nur in 
ihrer geographifchen und ethnographifhen Form?) 











»2) Aus den Annalen der Han in Opissanie Dshungharia i wos- 
stotschnawo Turkistana etc. nad) P. Hyakinth 1. c. und Dr. Schott 
Meberf. Eh. I. Aus dem Sseki des Ssematsien (d. i. deffen hiſto⸗ 
riſchen Memoiren vom 3. 100 vor Chr. Geb. nad) Brosset 1. c. 
N. Journ. Asiat. T. II, p.418— 450; Aus dem Wen hiang thoung 
kbao, oder der Bibliothek des Matuanlin vom 3. 1325, in Ab. Re- 
musat Notice sur quelques Peuplades etc. de la Boukharie in Nouv. 

h Melanges Asiat. Paris 1829. T. I. p. 200257. Aus dem Thai 
thsing ythonng tschi, Ed. Peking 1790. d. i. der neuen chineſiſchen 
Reichsgeographie aus dem Chinef. überfegt von Klaproth, in Notic. 
Geographiques et historiqgues sur Khokand, Andudjan, Margbhilan, 
Namanghan, Taaschkand, Badaklıshan etc. in Magas. Asiatiq. Poris 
1825. T. 1. p. 8 — 122. 


632° WeftzAflen, I. Abſchnitt. % 7, 


an das Licht treten. Die genauefte Auseinanderhaltung 
der Urſaſſen und Cindringlinge in den folgenden Befchreibungen 
würde zwar nach den vorhandenen Daten unmöglich feyn, auch 
haben ſich unſere Vorgaͤnger wol gehuͤtet eine ſolche Scheidung 
zu verſuchen; doch glauben wir dadurch, daß wir die beiden 
Hauptſtaͤmme derſelben nach Anleitung der chineſiſchen Auto— 
ren (naͤmlich Dahae und Getae) geſondert voranftellen, 
und die andern Völkerfcehaften mit Hinweifung auf ihre Analos 
gien und Differenzen (Verwandtfchaftsverhältniffe, oder nur Mies 
fhungen, Eulturaustaufche, wenn man will) folgen’ laſſen, die 
Ueberficht, -des fo Verfihiedenartigen zu erleichtern und lehrreicher 
für die Gefammtrefultate zu machen, bis uns neue hiftorifche Ur— 
quellen in der chinefifchen Literatur, die ſicher noch, reichliche Aus⸗ 
beute geben koͤnnen, zugänglich geworden find. 

As Tſchangkian nach feiner zehmjährigen Gefangenfchaft 
den Hiongnu entflohen war, kam er nach einigen zehn Tagereiſen 
nach T Ta Wan, d. i. Groß-Wan (Ferghana, oder das heutige 
Khokhan, Khokand), wo er wol empfangen wurde und mit Fuͤh⸗ 
rern und Transportpferden verſehen, die ihn nach Khangkiu (Sas 
markand) geleiteten, von wo er dem Könige der Ta Yueti (dee 
großen Getae) übergeben ward, demfelben, deſſen Vater (Tchangs 
fun) von dem Tſchenyu der Hiongnu (Laochang) erfchlagen - war, 
aus deſſen Schädel jene einen Trinfpofal gefertigt hatten. Diefe t 
Yueti?®) waren gegen Ta Dan ‚gezogen Calfo wol über die 
Kaſchghar⸗Route hinabgeftiegen, zum Syr Daria, f. ob. ©, 483), 
hatten die Tahia die einheimifchen Verwandten der Ta Wan’ 
(welche Iegtern aber in ihren Bergfigen im Nordoſten geblieben 
feyn muͤſſen, während jene auf die Südfeite des Orusufers vers 
drängt wurden) in einer Schlacht befiegt und ich unterworfen. 
Zugleich hatten fie ihr Königslager auf dem Nordufer des Queiz 
Fluffes (es ift der Zendname Vehrud, d. i. Fluß Veh, der‘ 
Zendavefa, f. Bundekefh 8. VIL, Oxus der Griechen) aufs 
gefihlagen, und ſich daſelbſt feftgefegt, wo fie nun vom chinefifchen 
General getroffen wurden, wie er felbft fagt, „in dem fetten, 
fruchtbaren Sande, das früherden Tahia gehörte, 
wo Friede herrfchte und wo feine Näuber waren.“ 
Daß fie hier Gwifchen Sihon, der durch TaWan und Duei, 
d. i. Orus, der im Morden der Tahia flog), alfo in Mamwars 









9°®) Sse ma kion I. c, b, Brosset N. Journ, Asiat. TI. p. 420, 424, 





‚auf die Südfeite des Drus) vor,” unftreitig durch das Gebiet. 


Central Afien, die Ta Wan (Ferghana), 633 


alnahar, oder Transoriana, durch nichts zu bewegen waren in 
„Ihre alten Sige an der Chinefenz Grenze ———— iſt noch 
begreiflicher, als dies auch, wie wir oben ſahen, bei den Uſun 
der Fall war. Mit Verweigerung ſelbſt eines ſchriftlichen Unter— 
werfungspatentes, ſagt der antike Hiſtoriker, mußte der General 
mismuͤthig uͤber ſeine vereitelte Sendung den Ruͤckweg antreten. 
Er drang „durch die Yueti (Getae) zu den Tahia (Dani, 


von Baktrien, oder Tofhareftan, um dann „aber den Berg 
Pingman durch Tuͤbet“ zurückzukehren (ob Karaforums 
Daß, f. ob. ©. 550 u. f., wo auch fein ferneres Schiefal ers 
waͤhnt ift). 

So ſpricht Tſchangkian nun als Augenzeuge von Ta⸗ 
Wan wie von Tahia, zwiſchen denen beiden, im N.O. 
und S. W., die Yueti wohnten, 


1. Ta Wan, die großen Wan (Phohan, Pahan, Fas 
- Hanna, Ferahana nach Ab. Nemufat, Khokhan nad) 
- Klaproth und Hyakinth, jest Khokand) nah Tchhang⸗ 
L Ba, 123 vor Chr. Geb., und Sfe ma tfiens Berichte, 
100 5. vor Chr. Geb., wie nach den Annalen der Dan 
x (163 vor bis 169 nach Chr. Geb.). 


Ta Wan) liegt im S.W. der Hiongnu und direct im 
W. der Han, 500 geogr. Meilen (10,000 Li) fern; die Einwoh— 
ner find ſeßhafte Ackerbauer; Weisen, Reis und Wein 


= 


aus Potao (Trauben), find ihre Erzeugniffe. Sie haben 


treffliche Pferde, die Blut ſchwitzen und von einem himmli— 
chen Henafte herſtammen. Sie leben in gemauerten Staͤd— 
ten und Wohnhaͤuſern; fie zählen zu ihren Verbündeten 70,000 


große und Kleine Orffchaften. Es find 100,000 Menfchen; ihre 


Krieger find Bogenſchuͤtzen, Pikentraͤger und Schügen zu Pferde, 
Die Annalen der Han?!) geben noch genauer folgende 


Zahlen: Die Nefidenz des Fürften von Ta Wan ift Kueis 


fhan, 627 geogr. Meilen (12550 Li) fern von der chinefifchen 
Grenzftadt Tſchangngan (d. i. Sian, in Schenfi). Der Famis 
lien find 60,000, ver Seelen 300,000, der Krieger 60,000, Es 
tefidiven hier 2 chinefifche Bevollmächtigte, ein Fuwang und ein 





—* Sse ma tsien ]. c. p.422._ *1) Opissanie Dshungharia etc. n. 
Schott I. c. Abth. 1. 


634 Wet Afien, J. Abſchnitt. $ 7. 


Fu ko wang. Sm Often find 215 geogr. Meilen (4310 %i) bis“ 
zur Reſidenz des General-Inſpectors; im Norden 150 geogr. M. 
(1510 Li) bis zur Stadt Pitian in Khangkiu; im S.W. 34° 
geogr. M. (690 Li) bis zu den großen Yueti. . 

Sſe ma tfien giebt die Grenzen fo an: Im Morden liegt 
Khangkin Cwas durchgängig für Samarkand gilt; dann aber 
müßte fih Ta Wan mwenigftens viel weiter nach Süden verbreitet 
haben als das heutige Ferghana, oder jenes nach Morden, daß 
ihm Samarfand hätte im Norden liegen können). Im Weften 
Ta Yueti; im SW. Tahia; im N.D. Ufun; im O. Hanfo und ° 
Huthi (Khotan). Die Ufun wohnen 100 geogr. M. (2000 Li) 
im N.D. von Ta Wan, — 

Der Boden, das Clima, die Producte von TaWan, 
fagen die Hans Annalen, feyen hier, wie in Tahia (Daoi) und 
Anfi Gokhara); das Hauptproduct aber find die koͤſtlich ſten 
Pferde. 9 

Von Uſun aus hatte der General Tſchangkian auch 
Botſchafter ausgeſandt zu den Ta Wan”), Khang kiu, Tas 
Hueti, Tahia, Anſi, Chinto (Hindu), Yuchi, Hanſo und in alle 
Nachbarlande. Durch ihn, den Entdecker der Neuen Weſt⸗ 
welt (Siyu), war auch der Weg in dieſelbe eroͤffnet worden, 
weshalb er den ehrenvollen Titel Po vang heou (d. h. Prince” 
tres penetrant nach Broſſet) erhalten hatte. Dieſer Name ers 
warb fich den größten Nefpect bei allen Völkern im Welten, und ” 
felöft bei den. nicht tributairen Völkern (Pays exterieurs) galt er 
vollkommen wie ein Ereditbrief. Nach feinem Tode (im J. 
420 vor Chr. ©.) fehrten diefe Botfchafter aus den verſchiedene 
Laͤndern an den Hof von China zuruͤck. 

Als die Uſun, wie oben geſagt, durch den Druck der Hiongnu 
geaͤngſtigt, fuͤr ein Brautgeſchenk an Pferden um die erſte chine⸗ 
ſiſche Prinzeſſin warben, wurde die Sache im Staatsrath uͤberlegt, 
und ehe der Entſchluß gefaßt war, ob man die Brautwerbung 
annehmen folle oder nicht, fagt Sfe ma tfien, habe der Kaiſer 
Wouti den Veing berathend (wie ein Sibylliniſches Buch) auf⸗ 
geſchlagen, und zur Antwort erhalten: 

ar göttlihen Pferde müllen vom Nordweſten fommen. ı 
„Die der Ufun heißen himmliſche Pferde, aber die der 
„Ta Wan, die Blut fehwisen, find weit robufterer Art. 


* 





222) Sse ma tsien I, c. p. #32. 





Central Afien, die Ta Wan (Ferghana), 635 


Nennt künftig die Pferde von Uſun „Vollkommenheit 
„des Deccidents;” aber die der Ta Wan „Himmelss 
“ upferde” 
Hiermit follte unftreitig, feitdem, den Wferden der Ta Wan, 
oder den £furkeftanifchen Pferden, der größte Vorzug einges 
räumt feyn. 
Ar Nun wurde die Nordwef-Noute eröffnet nach den ferns 
fen verfchiedenften Herrfchaften, bis zu den Anfi, Yanthſai 
(Alanen), Chinto (Hindu); vor allem aber war Kaifer Wouti 
begierig, auf die Pferde von Ta Wan. Emiſſ aire und Bot— 
ſchafter auf Botſchafter wurden auf jene Routen ausgeſandt, ſo 
daß einer den andern zu unterſtuͤtzen beauftragt war, durch den 
Handel die Producte jener fernen Laͤnder zu gewinnen. Die gros 
fen Karawanen famen in Gang aus einigen 100, die Kleinen 
nur aus etwa 100 Mann beftehend. So lange Tſchang kian ges 
lebt hatte gab es gute Proviantvorräthe und Sicherheit auf jenen 
Mouten. Yährlich zogen wenigftens 5 bis 6, höchftens etwa bis 
10 folcher Karamanen gegen den Welten aus. Die weiteften 
Reiſen dauerten 9 Jahre, die nähern nur einige Jahre. Ders 
gleichen Karawanen gingen in einem Jahre 10 bis Tahia®): 
denn es. war Alles vorbereitet worden diefe Communication zwi— 
chen den Han in China und den Tahia in Gang zu bringen. 
Sa es ſchien ſchon, als würden die chineſiſchen Waaren in dem 
Sihyu exterior, d. i. bei den nicht tributairen Weftvölfern zu ge: 
mein, und blieben nicht mehr fo preisiwürdig wie zuvor. Es ent: 
fanden aber bald allgemeine Klagen der Handelsleute, die diefen 
Verkehr betrieben, über die Falfchheit jener Barbaren, die ihnen 
die Lebensmittel nur fehr theuer verabfolgen fließen, um fie zu 
nöthigen ihre Waaren für geringe Preife zu verfchleudern, oder 
über die vielen MWegelagerer, Räuber und Mörder, welche, die 
Karawanen, zumal durch Hiongnu: Streiflinge, in die größte Ges 
fahr brachten. 
Deshalb wurde nun im Jahre 107 vor Chr. Geb. die erſte 
Kriegsexpedition gegen dieſe Wegelagerer vollfuͤhrt. 
In dieſer Zeit drang die erſte Karawane der Chineſen 
ſogar in den aͤußerſten Weſten, bis zu den Anſiꝰs) (Aſi, Bor 
 Ehara) vor. Der König der Anfi kam derfelben mit 20,000 
Pferden bis an die Oftgrenze feines Reiches entgegen, die eis 





#3) Se ma tsien I. c. b. Brosset I. p 433. »*) ebend. p. 437. 


’ 


636 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 9 7. | 


nige 1000 i (an 100 geogr. Meilen) von feiner Hefidenzftadt 


entfernt lag. Auf dem Wege zu ihm traf man über 10 ges 
mauerte Städte, und eine fo ftarfe Mopulation, daß von 
einer Stadt zur andern faſt feine Unterbrechung 
war. Alſo auch bie Anfi (Bokhara), gleih den TaWan 
und Tahia, gehörten zu den anfäffigen, cultivirten nicht. 


nomadifirenden Völkern, die in gemauerten Städten wohnten, 


Auf der’ Ruͤckkehr wurde dieſe chineſiſche Kaͤrawane von dem Ge⸗ 


ſandten der Anfi begleitet, um die Größe des himmlichen Reichs 


der Han kennen zu lernen, Diefe nahmen Eier von ihren gros 
Ben Vögeln (Straußen) als Gefchenfe mit, und gefchiekte 


Songleurs von Likan. Beide wurden von den Chinefen bewun—⸗ 
dert und jene mit großen Vaſen verglichen. 


Diefem Beifpiele folgten felbft mehrere Keinere Fürften, die 
ebenfalls ihre Gefendten- fchiekten, wie die von Kouantfien und 


Tay im Weit der Ta Wan, die Kouchi, Kanfo, Suhiai und Ans 


dere im Diten deflelben Landes, um dur Gefchenfe dem großen 


Kaifer im Gefolge der Karawane ihre Huldigungen darzubringen, 


der, wie Sfe ma tfien berichtet, darüber eine fehr große Freude & 


empfand, 
Sn feiner Nefidenz in China gefchahe nun Alles, um die 


Fremden durch den Glanz, den Reichthum und den Luxus anzus 
ziehen und die Botfchafter zum Anftaunen der Größe des himms 7 
tifchen Neiches zu bringen; man gab Feftivitäten, vertheilte Wein 


und Fleifch unter das Volk, führte die Fremden zur Befchauung 
in den Schag und in die Magazine, gab dem Volfe öffentliche 
Spiele und Unterhaltungen aller Art. Seitdem liefen ununters 
brochen die ‚Karawanen aus dem Nordweft ein, felbft aus Ta 
Wan und andern Weltländern, die anfaͤnglich dem Nitus des 


Mittel:Neiches fich nicht hatten fügen wollen. So triumphirte, J 


ſagt Sſematſien, das himmliſche Reich über die anfängliche 
Verachtung der Fremden. 

Aber noch immer war die Obermacht der Hiongnu, deren 
Einfluß von den Uſun bis zu den Anſi reichte, fuͤr die Kara— 


wanenfuͤhrung ſehr nachtheilig; denn denen, die mit Patenten 


vom Tſchenyu verſehen waren, führten dieſe Lebensmittel entges 
gen, und fein Staat hätte es gewagt folche Handelsfarawanen 
za hindern oder zu plündern. Den Karawanen der Han dagegen 
wurden nur erjt, wenn fie die Bazare betraten und ihre Stoffe 








um Austaufch boten, Lebensmittel und. Fourage verabreicht, sei 


— 





Sentrals Alien, Ta Wan (Fergbana). 637 


‚zu den höchften Preiſen; fo vielmehr waren dort noch die Hiongnn 
als die Han gefürchtet. 
H Mit diefen Karawanen wurde, was bisher unbeachtet ge: 
blieben war, die Cultur der Weinrebe und die Wein— 
 bereitung aus den Drusländern nad China vers 
pflanzt, mit ihr aber zugleich kamen die trefflihen Nacens 
Mferde von TaWan und das Kraut Mofo (eine Art, Klee), 
ihr Lieblingsfutter, ebenfalls als Anbau nach China. St emas 
tfiens Datum darüber ift Folgendes: 
Die Länder zur Nechten und Linfen von Wan (oder 
Ta Wan), d. i. im Süden und Norden deſſelben (f. ob. S. 496), 
machen Trauben-Wein, nmaͤmlich Wein von Potaos05) 
(na Broſſet; Phouthao nach Klaproth; dies ift Fein ori: 
ginal hinefisches Wort, fondern ein aus dem Siyu eingeführs 
tes, das von Japaneſen ebenfalls als Fremdling „Boudo” aus 
— geſprochen wird; vielleicht von Borovs eine unvollkommene Um— 
ſchreibung des Namens der Traube im Abendlande. General 
Tſchangkian lernte dies Gewaͤchs im Jahre 126 a. X. n. zuerſt 
in Ta Wan kennen). Die Wohlhabenden machen davon große 
Vorraͤthe bis zu 10,000 Maaß; der Wein wird mehrere Sahr: 
zehen de aufbewahrt, ohne zu verderben. Dieſe Ta Wan, 
ſagt Sfematfien, lieben ihren Wein 1 fehr, wie ihre 
Pferde das Kraut Mofo (bei Broffetz Moufou bei Ab. 
Remuſat; Mufiü nach Dr. Schott; eine Art Klee nach der 
- Uebereinftimmung der Commentatoren. Dies erinnert an die 
_ Herba Medica der dem höchften Gotte beiden Perfern gemeihten 
ſo berühmten nifäifchen Pferde Herod. VII. 40; Brissonii de 
. Regio Persarum Principatu Argentor. 8. 1710. p. 363, 668), Die 
- Han Kaufleute fainmelten die Saamen diefer 89 und 
brachten fie mit nach China, Damals (vor dem J. 120 vor Chr. 
Geb., fast Sfema tfien) fäcte der Himmels:Sohn, Kaifer 
Wouti, zum erfien male die Mofo und Potao in China, 
wozu er das paffende Erdreich auswählte. Da nun wirklich die 
Race der Himmels-Pferde von Ta Wan in größerer Anzahl nach 
China eingebracht wurde, fo waren Mofo und Potao, bie 
man flets bei den Stationen, den ifolirten Staatsge— 





9%&) Ssematsien b. Brossct1, e. II. p. 439: vergl. bie chineſ. Na⸗ 
turgeſchichte Pen thsao Kang mouKio. XXX. fol. 9 etc, in Noov. 
Journ, Asiat, T. 1. p. 99, 


% 


. 


638 Welt Afien. I. Abſchnitt. 9. 7. 


bäuden und befeftigten Thürmen derfelben anzufäen 


pflegte, von großem Nugen. — Dies wäre demnach die merke 
wuͤrdige Periode, in welcher die Cultur des Weinſtocks und 
des Kleebaues zugleich aus Central:Afien in China einwans 
derten, wo es zuvor, nach der chinefifchen Naturgefchichte, dem 


Penthſao, nur in Lungfi (d. i. Welt Schenfi, oder dem heutigen. 


Kanſu) Trauben gegeben haben fol. Die Cultur der Rebe 
auf diefer Wanderlinie, in Khotan, Kaſchghar, Tur— 
fan und Hami, und von da nach Peking, ift uns aus früheren 
bekannt (f. ob. ©. 345, 376, 435, 518 u. A.). Der Weinbau) 
ift bis heute noch höchft ausgezeichnet in Weft-Turfeftan, der 
urfprünglichen Heimath des Eöftlichften Iraubenfaftee., Moors 
croft verfichert, dort gebe cs Wein in vielen Varietäten von 
größter Güte; eine Sorte von rothen Trauben, dort gefeltert, ſey 


dem beften Porto oder rothen Ermitage gleich; eine andere Sorte’ 


fen dem beften Burgunder gleich; die Shir Taf und andere Traus 


ben geben den Defertwein, welcher nur dem Alicante, Malaga, 


Lacrymae-Chriſti und Tokayer zu vergleichen fey. 


Diefelben Karawanen, durch welche diefe und andere Pros 
ducte aus dem Weften nach China famen, brachten aber noch 
£eine von der Nace der Himmelspferde von TaWan 
mit. Der Kaifer, der fie fehr huldreich empfing, befragte fie des 
halb; ihre Antwort war: Die Pferde der Landes⸗-Raçe 
der Ta Wan werden verborgen gehalten, zu Eulchi— 
thing; man will fie den Kaufleuten nicht mitgeben. 


Dem Kaifer, der ein großer Liebhaber diefer Pferde war, gefiel 


diefer Befcheid fehr wohl; denn er befchloß nun durch eine eigene: 


Embaſſade fich zu diefem Schage zu verhelfen. 


Sm Zahre 104 vor Chr. Geb. fandte er”) feine Borfchafter 
Tchangffe und Tcheling mit 1000 Goldſtuͤcken und dem 


Bilde eines Pferdes aus Gold an den König von Ta Wan 
(der hier immer nur Wan genannt ift), und begehrte von ihm 


Pferde der Race von Eulchi (diefer Name kommt weder in 


den Han: Annalen noch bei Matuanlin vor, fondern nur bei Sſe— 
matfien; da die andern Quellen fie nur ftets die Himmelsz 


pferde nennen. Merkwuͤrdig ift es, daß Mooreroft in neuefter 


99°) Noorcroft Letters Jun. 1825. in Asiat. Journ. 1836. Vol. XXL 
p- 713. 27) Ssematsien b, Brosset I, c. Il, p. 440. 








Central: Alien, Ta Wan, Ferghana). 639 


Zeit dieſen Pferden in Turkeſtan 8) ebenfalls den Vorrang vor 
allen andern gab, uͤber deren Aufſuchung aber ſeinen Tod fand 
¶. Nov. 1825). 

Die Ta Wan fanden vieles an den chineſiſchen Anforde—⸗ 
zungen und ihren Waaren auszuſetzen; es fey viel zu weit zu 
ihnen hin durch die Wüftenftriche bis zum Lop⸗See, wo Futter 

und Wajfer für die Pferde fehlte, wo nur hie und da an eins 
zelnen Orten Lebensmittel für Menfchen zu haben wären, wo 
man von Räubern überfallen werde, wo von Hunderten die den 
Weg dahin zurüclegten, kaum die Hälfte glüdlich durchfäme. 
Eine zahlreiche Armee, dachten fie, koͤnne von China nicht bis zu 
ihnen durchfommen, und die Pferde von Euldi dagegen, 
welcher Schas fen dies; ihr Cigenthum, nur ihr Befis! Sie 
ſchlugen daher der Faiferlichen Embaſſade es rund ab, fie auszus 
Breieen. Diefe machte ihnen heftige Vorwürfe, forderte ihre 1000 
Goldſtuͤcke und ihre goldenes Pferd zurück, und eilte davon; die 
Ra Wan aber legten ihnen Hinterhalt fie zu tödten. 
Droer erzuͤrnte Kaifer Wouti lieh fogleich ein Aufgebot von 
6000 Mann Heiterei und einigen Taufenden anderer Krieger zur 
Zuͤchtigung gegen die Ta Wan aufbrechen. Aber ein gewaltiger 
Zug von Heufchreefen, der in demjelben Jahre aus dem Often 
Fam, und in Tunhoang (am Eingang des Weftthörs Jumen, f. 
Aſien 1. ©. 203) verheerend einfiel, und Hungersnoth brachte, 
vereitelte die Unternehmung. . Den Kaifer erbitterte dies um fo 
mehr, daß man ein fo Kleines Volk wie die Ta Wan nicht zum 
Gehorſam bringen könne, zumal da die Tahia nun auch in dier 
fen ſchnoͤden Ton der Verachtung mit einftimmen und die Hims 
Beöpferde. von Sa Wan gänzlich ausbleiben würden. Indeß 
ward im 5. 102 vor Chr. ©.) ein weit größerer Kriegszug 
bereitet. 
Es wurden 60,000 Krieger, 100,000 Pferde, 30,000 Efel 
‚und Maulthiere zum Transport, und viele taufend Ochfen zufams 
mengebracht. Das Heer, 30,000 Mann ftarf, rückte wirklich in 
Ta Wan ein; die erſte Schladht an der Grenze verloren die 
Ta Wan, die nun in ihre Stadt flohen. Yotching, oder die 
Capitale Yo, der Ta Wan, hatte feine Brunnen; die Hydraulifer 








9®) Moorcroft Leiter 15. Apr. 1824. in Asiat. Journ. XIX, p. 179; 
def. Lettor 17. Aug. 1825. ib. XXI. p. 170 u, 0, D. 
”°) Ssematsien b. Brosset I, o. II. p. 444 — 450. 


‚die uns auch nicht bei, fo werden wir fchon der Hanz Armee ge⸗ 


640 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 9 7. 


der Chineſen riethen daher der Stadt ihre Waſſerleitungen abzu⸗ 
fehneiden, und den Fluß gegen die Stadtmauern zu richten, um 
diefe durch fein verändertes Bette zu zerftören. Dennoch wurde‘ 
auch die Stadt belagert, und fihon nach 4 Tagen waren die 
Vorſtaͤdte erobert und zerftörtz die Großen der TaWan zogen‘ 
fih in das Innere der Stadt, um in ihrer Angft zu Rathe zu 
gehen. 

Der Kaifer der Han befriegt ung, fagten fie, weil König 
Boumou (Mufu in den Han: Annalen nad) Dr. Schott) die 
Nacen: Pferde verborgen hält und feine Gefandten erfchlagen 
hat. Laßt uns Voumon toͤdten und die Pferde ausliefern, fo 
werden fich die Chinefen zuruͤckziehen. Bleiben ſie, ſo haben auch 
wir noch Zeit zum Sterben. — Dieſer Rath ward befolgt, Vou— 
mou der Kopf abgeſchlagen (alſo nicht der Wittwe des Koͤnigs, wie 
irrig bei Ab. Remuſat 1000) nach Matuanlin uͤberſetzt ift) und dem 
General in das Lager der Han getragen, mit dem Vortrage: Hebe 
die Belagerung auf, wie liefern die die Nasen: Pferde aus; du 
wählft unter ihnen was dir beliebt; wir liefern dir Lebensmittel. 
Hörft du nicht auf ung, fo tödten wir unfere Pferde bis auf die 
legte Spur und Khangfin (Samarfand) fteht -uns bei. Stehen” 













nug- Schaden anthun. Fafle nun deinen Entfchluß. — 4 

Das Volk von Khangkiu hatte jeden Augenblick den Webers 
fall der Han: Armee gefürchtet, angreifen wollte es nicht. Die 
drei &inefifcben Feldherren, welche das Kriegscommando 
führten, hatten Wind erhalten, daß Leute der Tfin (roͤmiſche 
oder griechifche, Architecten), die Fürzlich in die Stadt eingeführte 
waren, die Kunft verftänden Brunnen zu graben, und daß die 
Stadt große Magazine von Lebensmitteln beſttze. Ihr Krieges 
rath nahm daher die Propoſition an. Die Ta Wan lieferten die 
Racçen-Pferde aus, zur Auswahl nach Gutduͤnken, fie lieferten 
Lebensmittel in Ueberfluß. 

Einige Dugende (eigentlich Zehner; denn uͤberall iſt im 
Sinne des Decimalſyſtems die Beſtimmung gegeben) der rn 
ften wurden auserwählt, und 3000 Stuten wie Hengfte von der 
geringern Qualität. Dann erhoben fie einen Großen der Ta Wan, 
Meitiai (Meithſai bei Matuanlin n. Ab. Remuſat, Mozai beit 


| 
J 


J 


ee 





2000) Ah, Remusat Natice sur I. P, de Boukharie in Nour. Mel. 
Asiat, I. p. 202. 


SentralAfien, Ta Wan (Fergbana), 644 


Schott), ein Trefflicher des Landes, der von jeher gegen die Han 
wolgefinnt gemwefen war, auf den exrledigten Thron, und der Bluts 
id wurde ihm abgenommen. Die Feindfeligfeiten hörten auf; 
hne daß Ehinefen in die Stadt felbft eingedrungen 
wären, zog die Armee, nachdem fie die Klee» Ernte und Wein, 
leſe erſt mitgemacht hatte 2), ſich wieder zuruͤck. Viele andere 
eine vorher rebellifchen Herrfchaften Echrten nach diefer Beſie— 
gung der Ta Wan nun wieder zum Gehorfam zu den Han zus 
rück. Zehntaufend ruhmbedeckte Krieger zogen triumphirend durch 
das <hor son Jumen in ihre Heimath zurück, und Officiere wie 
Soldaten wurden reichlich belohnt. Vier ganze Zahre hatte der 
Kriegszug gedauert. 

Abber fchon im folgenden Zahre (97 vor Chr. G.) war Meis 
tiai als Schmeichler der Chinefen, dem man das Unglück von 
a Wan zufchrieb, feinen Landsleuten verhaßt worden. Sie ers 
mordeten ihn, um den Bruder des hingerichteten Voumou, den 
in; Tihenfong (Tſchanfung b. Schott), auf den Thron 
von Ta Wan zu feßen, der feinen Sohn 2) als Geifel den Han 
übe jandte, und fi) anheiſchig machte, dem chinefifchen Hofe all 





















10 Sarawanen 16 Ta Wan, um deffen Eofibare Producte 
und die der umliegenden, zumal der noch weftlihern Länder 
zu erfpähen, einzufammeln, und deren Gelegenheit, Cima, 
Volker u. ſ. w. genauer kennen zu lernen. 
Seit dieſer Zeit datiren alſo auch die Berichte, die wir hier 
Br noch mitzutheilen haben, und welche wir, gleich den voriz 
gen, mit um fo größerer Zuverficht geben, da fie das Reſultat 
forgfältigfter Vergleichungen find, die wir, aus fo ganz von eins 
ander verfhiedenen Driginalquellen, anzuftellen glücs 
licher Weife im Stande waren. 

Die Uebereinfimmung von Boden, Klima, Producten in 
Ta Wan, Tahia und Anfi ift im obigen fihon nach den 
Hans Annalen angegeben. Zwar fegen diefelben an einer Stelle 
hinzu, auch in Sitten; aber dies wird in einer folgenden doch 
näher motivirt, und ganz daffelbe wiederholt was auch der fehr 
genaue Sfematfien hierüber angiebt; Ungeachtet der Ders 





1) Bei Matuanlin 1. e, II. D,202. 9 Y-- den Annalen der Dan 
in Opissanie Dsbungaria etc, b, Schott Th. 1, Mer: 


Ritter Erdkunde VII. Sf 


—⸗— 


642 Weſt⸗Aſien. I. Abſchnitt. 7. 


ſchiedenheit der Sprachen ) (Dr. Schott uͤberſetzt mol durd 
Mundartentrichtiger, wenn wir uns unter jenen eBälfern. od 
wol Sprachverwandte zu denfen haben) in den Ländern zwifchen er 
Ta Wan und Anfi, bemerkt er, fen doch in Sitten f 
viel Achnlichkeit, und fie verftehen fich gegenfeitig. 2 
diefe Wölker haben tiefliegende Augen, fehr ftarfen Bart ur 
Schnurbart, find trefflihe Handelsleute, verftehen fich auf di 
geringften Preife der Waaren. Sie zeigen den größten Reſpe 
vor den Frauen (alfo wie in Shotan, f. ob. ©. 363, ganz gege 
die fonft gewöhnliche orientalifche Sitte); der Mann thut feine 
Frau Alles zu Willen. Aber in diefem Lande giebt es fe 
Seide (fehr merkwürdig, da eben Fershana fpäterhin zum 6 
rühmteften Sande der Seidenzucht wird) und Feinen Firniß 
fie verftehen das Metallgiegen der Münzen (?) nicht (nach Broſſet 
Ueberſetzung). Cinige Gefchäftsfeute der Han Negenten, die fi 
zu ihnen geflüchtet hatten, und einheimifch bei ihnen geworde 
waren, lehrten fie das Schmelzen ihrer Metalle, f 
tigten ihnen ihre Waffen, und da die gelben und weißen Me 
talle der Han dafelbit ci befannt waren, fo fertigen. ji 
daraus auch Gefäße. — Hier weichen die Hans Annalen, nac 
Dr. Schotts Ueberſetzung, aus dem Nuffifchen bei Pat. Hye 
finth bedeutend ab, indem fie ſagen: Sie willen Seide un 
Lack zu bereiten, aber das Schmelzen der Metalle war ihne 
‚unbekannt. Nachdem fie durch chinefifche Gefandte und Lieber 
fäufer des Chinefenz Heeres mit der letztern Kunft befannt ge 
macht worden, bezogen fie Gold und Silber aus China u 
machten aus diefen Metallen Geräthichaften, aber feine Geld 
ſt uͤcke. (Statt dieſer letztern Phrafe, die bei Broffet ſchon fl 
her überfegt feheint, fteht an dieſer Stelle das für die Metall 
unverftändliche „‚ınais on ne s’en servit pas pour * —— 4 
Bross. 1. c. p. 439), * 
Ueber die Nace „der Himmelspferde von Sala 
fagen die Annalen der Han, fie fenen fehr fhönz die Ta W 
ſelbſt behaupten diefe „blutſchwitzen den Pferde“ ftamı 
von „himmlifchen Roffen” her. Auf einem fehr hohen Be 
des Landes, fert eine Gloſſe zum chinefifchen Zert' der Annale 
hinzu, gebe es Pferde, die man nicht einfangen Fönne, $ 

























3) Ssematsien b, Brosset l. e. II, p. 439; vergl, ‚Matuanlin b, Ab 
Remusat Not. in Mel. Asiat, I. p. 202. u 


Central⸗ Aſien, Ta Wan Ferghana). 643 


bringe Stuten von allerlei Farben zum Fuße des Berges (ob dies 
der Eulchi?), und dieſe werfen dann blutſchwitzende Füllen. Das 










er nenne man fie „Himmels-Roſſe,“ dann wiederholen fie 
nur das früher fhon Gefagte. Diefelbe Erklärung von dem ho: 
ben Berge, auf dejien Gipfel ein Pferd wohne, dag man nicht 
bändigen koͤnne (follte es etwa das Eühne, flüchtige, wilde 
Dferd, Kiang, feyn, das Mooreroft in den Gebirgshöhen in 
Rudeln zu 12 Stücd, nordwärts von Ladakh, Eennen lernte? Afien 
I. ©. 562, 619), hat-Matuanlin zur Erfiärung der Abftammung 
er blutfchwigenden Pferde in feiner hiftorifchen Bibliothek wies 
lt N. 
Aber auch an einem andern orte wird, ſowol in Matuan— 

n8 Encyclopaͤdie, wie in den Sammlungen feines Vorgängers 
une aus der Zeit der Ihang-Dynaftie, in dem Artikel 
„zofhareftan (Touholo)5),” den Ab. Nemufat und Neu: 
mann vollftändig Rpsient haben, von den blutſchwitzenden 
Dferden gefprochen. Zn diefem Lande (am obern Orus) ift 
in Berg Doli (06 Polu? DBolor: Gebirge, f. 06. ©. 497), 
auf deſſen rechter Seite (d. i. gegen Sud) ift eine Höhle, darin 
ein göttliches Wunderpferd. Dahin bringen die Candeseinwohner 
pre Stuten an den Fuß des Berges auf die Weide; aus der 
Bermifhung werden die, Pferde geboren, Eu genanfit, welche 
Blut fhwigen. Dies fcheint demnach), jenen Nebenumftand abs 
erechnet, da vielleicht" eine Art heidniſcher Verehrung damit ver- 
unden geweſen, für eine Vermifchung mit den noch ungebändigs 

wilden Befchälern der, Kiang zu fprechen, in dem felöft der 

e Ku, oder Kü, noch) einen Anklang haben mag. 

Bmerkenswerch iſt es gewiß, daß fortwährend %) und noch 
Bis in die neuefte Zeit in derſelben Localität von diefen Pferden 
in den chinefifchen Annalen nämlich felöft unter den Mantfchus 
Kaifern die Rede ift. In der kaiſerlichen Neichsgeographie, Edit, 
Peking 17907), fteht in der Befcpreibung von Khokhan (Khao: 
fand, d. i. Bee Unter den Gefchenten von Khokhan 
— 

—* Wen hian thoung khao- Liv. CCOXXXVII. p- 13 b. Ab. Remusat 
7 Non. Mel. Asiat. Ts: p.200.  °) Ab. Remusat I. c. I. p. 245; 

C. 5. Neumann, Ueber ‚Perjien, Thabariftan und Tochareſtan nad) 

ine ifchen Quellen, in Afiat. Studien. Leipzig 1837. ©. 180, 


ec Matuanlin b, Ab. Remusat 1 e. Nouv. Mel. Asiat, J. p. 203. 
in Thai PR E tschi Ed. 1790. in Magas. Asiat, I. p. 87. 


L Sf2 
4 





































644 Werts Afien, I Abſchnitt. $. 7. 


an den SKaifer SKhienlong waren „Pferde welche Blut 
ſchwitzen,“ fie werden hier „Argamak“ genannt, es find 
ſchoͤne Tigerpferde von größter Schnelle; mit ihnen kamen große 
Adler und weiße Falken zur Jagd. — 
Der Name Ta Wan (Groß: Ban), der von der Zeit el 
erften Entdeckung vor Chr. Geb. bis in das V. Jahrhundert na 
Ehr. Geb. herrfchend blieb, ward, im VII. Jahrh., unter den D 
naftien der Soui und Ihang, in Phohan (au Pholo) und 
Pahan umgeändert, daraus das Königreich Fahanna wird, 
in welchem der einheimifche mohammedanifch gewordene Name 
des fo berühmten Ferghana, zur Glanzjeit der Timuriden, 
nicht zu verkennen ift. Diefe Synonymie 8) giebt die hinefifche 
Heichsgeograpie Ed. 1790, und deckt dadurch den Irrthum Mas 
tuanlins in feiner hifforifchen Bibliothef auf, der nach dem 
Sande Ta Wan, in einem darauf folgenden Kapitel das Könige 
reich Fahanna), alfo daffelbe Land, zweimal als verfchieden 
befchreibt, indem er von diefem legtern nur die fpätern Machriche 
ten der Weis, Tſin- und Thang-Dynaſtien mittheilk 
Diefe find dadurch merkwürdig, daß mir daraus einige character 
riftifche Schilderungen der Sitten der Ta Wan, fo wie die erfl 
Spur eines Wechfels (im J. 627 n. Chr. ©.) ihrer Herrfchaft, 
nämlich die Bedrängung der antifen Ta Ban iz 
Herodots und Xrrians, Dahae, die fpätern dort angefiedelten Ia- 
zo, Sacae bei Ptolem.) durch die fpäter vorherrfchend werd 
den Turkſtaͤmme in Weft-Turfeftan, mit denen dafel 
die Araber in Kampf freten, Eennen lernen. Bis auf diefe 
blieben die dort einheimifchen Ta Wan, auch als Bewohner Fa 
hannas, den Chinefen ergeben, wie fi) aus Folgenden ergiebt? 
Diefes Fahanna, fagt Matouanlins hiftorifche Bibliothek 
hatte zur Zeit der Wei-Dynaſtie 5 große Städte und an 100 
Kleinere. Die Gefchichte der Han gab dem Lande Ta Wan % 
große und Eleine Städte, von denen Koueifchan als die größke 
genannt wird, deren Beſtimmung uns nicht näher nachweist 
ift, ftatt welcher aber, feit 398— 588, Sifian im Norden von 
Tſchintſchou zur Capitale erhoben ward. Der vollftändigere Mam 
jener alten Reſidenz Koueiwangſchan, d. h. „Berg des 
edeln Königs,” ift wahrfcheinlich eine Sauhitäfepreibung ‚einei 





) Thai thsing y thoung tschi I. c. p. Sl. oe) Matuanlin b. Ab. Re 
musat 1, c. Nouy. Mel. Asiat, T. I. p. 203 — 205. 


Bi 


Central⸗Afien, Ta Wan (Fergbane), 645 


antiken perfifchen oder fanskritifchen, vielleicht Zendnamens. Daß 
zu Eon Haufals Zeit AEhfi, und unter Sultan Baber Andeds 
jan die Kefidenzen von Ferghana waren, wird ſich weiter unten 
ergeben. Jenem Fahanna liegt 50 geogr. M. gegen Off (1000 $i) 
Eule (Kaſchghar); und 100 geogr. M. gegen N.D. das Lager 
des Khans der Turk (Hoeihe); 25 geogr. M. in N.W. liegt Chi, 
Shaſch (d. i. Tafchfent), 75 geogr. M. (1500 Li) gegen Sud 
Sou toui cha na (Osruſchanah), woraus die Loralität des heutigen 
Khofand wol nicht mehr zweifelhaft ſeyn kann. 

Die Landesbewohner erreichen ein fehr hohes Alter, Ihr Koͤ⸗ 
nig iſt von der Familie der Tſchaowou (f. 06. ©. 610); er 
‚bat ven Titel Alithfi. Seine Capitale hat 4 Li ins Gevierte 
und mehrere taufend Soldaten. Seine Gemahlin trägt einen 
Kopfſchmuck von Gold mit Blumen geziert. Der König fist auf 
‚einem Bette von Gold in Geftalt eines Widders (eine Art Sopha, 
wie der Thron der Perfer und Türk, ob ein gofdenes Vließ?). 
Das Land giebt Zinnober, Gold, Eifen. Während der 
eis und Sfin- Dynaftien (2655 —534 n. Chr. ©.) fand bei ih: 
zen Königen eine ununterbrochene Succeffion derfelben Herrfchaft 
Statt. Unter den Soui, in den J. 605— 616, ſchickten fie Iris 
but; im Anfang der Ihang, im J. 64? ward ihr König Khipi 
son einem Fürften der weftlihben Thoufhiu!%), d. i. der 
Turk (er wird Affena Ehuni, wol Khan, genannt, der feis 
nen Eis in Sikian auffchlägt), getödtet, und deſſen Sohn 
Opotchi ſchlug feine Refidenz in der Stadt Khofe (Hofe) auf, 
die im 5. 658 zum Hauptort der Provinz Hieoufiun (Sius 
fiun, f. ob. S. 420 und 575) erhoben ward. Es ift intereffant 
dieſen Chinefenbericht durch Abulfedas moslemifche Annalen bez 
ſtaͤtigt zu fehen, der zu dem Sahre 642 die Bemerkung macht, 
daß damals der legte der Saſſaniden Könige Jezdedjerd, aus 
Khorafan gänzlich vertrieben, feine Zuflucht in Ferghana 4) 
geſucht habe, unter dem Schuß der Turk, von wo er, oder viels 
mehr fein Sohn Phiruz, demnach, wie Mirkhond fagt, fih nach 
Tokhareſtan (f. ob. ©. 580), d. h. unter chinefifchen Schuß begeben 
mochte. Seitdem zahlte jener, offenbar aus feiner alten Nefidenz 
nun verdrängte König der Ta Wan, der fich in das mehr gefchügte 


I 








; 1°) Matuanlin a, a, ©. b. Remusat und Thai thsing y thoung tschi 
1. c. p. 86. 12) Abulfedae Annales Moslemici ed. Reiske. Lips. 
1754. 4. p. 74. 






646. Welt Afien. I. Abſchnitt. $. 7. 


Gebirgsland Siufiun vor den Turk zurückziehen mußte, wo 
er den Chinefens Titel Toutou, d, i. chinefifcher Gouverneur, 
oder Friedensrichter erhielt, jährlich feinen Tribut an China; denn 
nur von da fonnte er Schuß erwarten. So wird nun unter den 
Thang diefer Heine Staat, ftatt jenes größern, immer noch als 
daffelbe Meich aufgeführt, wenn feine gefchmwächten Neguli gleich 
andere Titel und Würden erhalten, die eben ihre Abfchwächung 
und Abhängigkeit beurfunden, bis zu dem Jahre 754, wo die 
Annalen ganz von ihnen — unſtreitig weil ſimen die 
Mohammedaner mit der Obergewalt oder dem Beiſtande einzel⸗ 
ner Turkkrieger ſich ſeiner ganz bemeiſtern. In dieſem einen 
Beiſpiele, das uns klar in ſeiner Metamorphoſe vor Augen 
liegt, ſehen wir nun auf eine belehrende Weiſe das Schickſal vie⸗ 
ler andern dortigen Reiche und ihrer Gliederungen, Abſpaltungen, 
Verdraͤngungen, Umwandlungen, Namenwechſel, Dynaſtienwech⸗ 
ſel, Ortswechſel, wie wir fie nicht überall gleich beſtimmt nachzu⸗ 
weiſen im Stande find; eine auf dieſem Felde unſerer Unterſu— 
chungen doch ja zu beachtende wie an vielen andern Stellen aͤhn— 
lich gelegentlich eingeftreute Bemerkung, um unfer vielleicht Mans 
chem in einzelnen Theilen zu fühn und zu neu, nicht genau be⸗ 
gruͤndet ſcheinendes Verfahren in der Anordnung der ethnos 
‚grapbifchen Verhältniffe auf feinen richtigen Stands 
punct zu fiellen, in wie weit es gültig ſeyn kann, und zugleich 
die Hauptpuncte, fo weit cs hier möglich, zu rechtfertigen. 
Wir fiigen deshalb auch noch fegleich die wenigen Daten der 
Ihang: Annalen überdiefes veränderte Fahanna mit der neuen 
Königsrefidenz Khofe bei (vielleicht Ofch, das gegen den Paß 
in das innere Gebirgsland gelegen if, f. 0b. ©. 482, 486), des 
ren fpecielle Lage wir nicht näher nachweifen können, 

Der König von Hieoufiun (Siufiun) ward im J. 739 
n. Chr. G. wegen feiner den Chinefen geleifteten‘Dienfte Koͤ— 
nig der refpectvollen Bekehrung“ genannt;, fein Reich 
erhielt im J. 744 den Titel Ningyuan (d.h. „ferner Fries, 
den’); dem König Teon ward fogar die Qualität eines Prin⸗ 
zen vom Gebluͤt des Kaiſerhauſes beigelegt, und eine Palaſt⸗ 
dame, zum Rang einer chinefifchen Prinzeffin erhöht, ihm zur 
Gemahlin uͤberſandt. Im Jahre 754 fchickte der König des Lan: | 
des, den die chinefifchen Annalen Tchoungtfi Cd. h. gerecht 
und treu) nennen, feinen Sohn Sieifou an den Kaiferhof, 
mit der Bitte um Erlaubniß bei Hofe zu bleiben, um fih in 







Central⸗Aſien, Tſao (Dsrufchnab), 647 


inefifcher Sitte und Willenfchaft zu infteuiren. Diefe Gunft 
ard ihın gewährt, und der Titel General der erften Claffe verz 
en; die Treue diefes Prinzen im Dienfte der Ihang wird fehr 
im. er ſcheint fein Keich nicht wieder erhalten zu haben, 
8 wahrfcheinlich durch die allgemeine Fluth der mohammedanis 
schen Araber und Turk verfchlungen ward. Wenigftens ſchwei— 
| gen von demfelben die Ihang-Annalen. Daffelbe Schieffal wird 
dieſe legten Sprößlinge der alten Ta Wan; Fürften von Fahanna 
offen haben, wie dasjenige, welches die- legten Sproſſen der 
Eafaniven bei Chinefen in Vergeffenheit brachte (f. ob. ©. 645). 
Bon dem mohanımedanifch gewordenen Ferghana unter den Turf, 
Zimuriden, Sultan Babur und ſeinem heutigen Zuſtande als 
Khokand unter den Usbeken kann erſt weiter unten die Rede feyn, 


— Tſao (auch Si Tſao, d. i. Weſt-Tſao), Sou toui⸗ 
cha na (Sutruſchnah, ſpaͤter Osruſchnah). Auch 
Si Tſao genannt, wahrſcheinlich um es von Khangkiu oder 
Samarkand zu unterſcheiden, mit dem es auch zu Zeiten zu⸗ 
> fammengehörig genannt wird (f. ob. ©. 570). 
Wie Ferghana nur einen Iheil des wahrfcheinlich. einft grös 
Bern. TaWan(Wan, oder in alter Zeit Wen, mit dem Zur 
ſatz Zn". d. i. groß genannt), und Hieoufiun wiederum nur 
eine Provinz von jenem ausmacht, fo ift es auch mit dem Kös 
nigreih Tfao (oder Thſao) 22). Dies wird in den älteften Zeis 
ten der Han noch keineswegs als ein für ſich beftehendes. aufgez 
führt, fondern ausdrücklich bemerkt, daß es exrft feit der Soui— 
Dynaſtie, der e8 Tribut zahlt, alfo Ende des VI. Zahrhunderts 
als folches befannt wird, obgleich es auf dem Wege des General 
Sſchangkian lag, ale er von Ta Wan zu den Yueti ging, es heißt 
der Gebirgsgau zwiſchen Khodjend und Samarkand, nach der aͤl⸗ 
tern richtigern Bezeichnung der Araber Sutruſchnah, welches 
die chineſiſche Umſchreibung ganz genau in Soufouidana 
wiedergiebt, woraus durch Iräffe Verftümmelung erft das neuere 
Ssruſchnah geworden iſt. Da aber dieſes Tſao doch auch 
ſchon in der Beſchreibung von Khangkiu (Samarkand), als 
eins der.9 Koͤnigreiche der berühmten Familie der Tſcha o wou 





12) Matouanlin b. Ab, Remusat Notice etc. in Nouv. Mel, Asiat. 
2 1. BR 235— 237; Thai thsing y thoung tschi 1. c, Mag. As, 


648 Weſt-Aſien. IL Abſchnitt. 9 7, 


mit aufgeführt wird: fo folgt daraus, daß es allerdings zu dem 
antiken Befisungen der Urfaffen, in der vor-yuetiſchen 
Cinwanderung aehört, worauf auch das Eigenthuͤmlich 
führt, das aus der folgenden Befchreibung, die und Matuan⸗ 
lin erhalten hat, hervorgeht. 

Tſao iſt eine alte Stadt, abhaͤngig von Khangkiu; ſie hat | 
feinen befondern Fuͤrſten; fondern der König von Khangkiu ſetzte 
dort feinen Sohn Niaokian zum Regenten ein, der 1000 Mann 
Truppen unter feinem Commando hat. Die Lage, Feine volle 
8 geogr. Meifen (100 Li) fern gegen N.O. von Khang (Samats 
fond), ift hierdurch genau genug beſtimmt. 

Der dftlihe Theil des Landes Tfao heißt auch Tous 
ſoucha na (Soutonuidhana, Kieipoutfiouna und 
Soutou bi na), alles nur verfchiedene Verfuche der Chinefen, 
den ihnen zu barbarifch Elingenden, einheimifchen Namen Os— 
ruſchnah bei Abulfeda, NaffirEddin und Ulug Beig®), 
oder vielmehr richtiger Sutrufchnah, wovon jenes nur eine 
Verſtuͤmmelung 9) ift (Setruſhtch bei Ebn Haufal Orient.‘ 
Geogr. p- 261), in ihrer Sprache und Schrift wieder zu geben, 
Diefer öftliche Theil liegt im Norden des Berges Pofi, wo man 
Verſchanzungen und Graben eines Chinefen s Heeres zeigt, das in 
den Zeiten der Han bis hierher einen graufamen Tſchenyu der 
Hiongnu verfolgte, der fih nach Khang (Samarkand) geflüchtet 
hatte. Bon hier gegen Sud find 25 geogr. Meilen (500 Li) bie 
Tokhareſtan (dies würde die heutige Landſchaft Hiſſar in M.W. 
von Badakhſchan genau bezeichnen), das alfo fich an das Mords 
ufer des obern Orus ausbreitet (f. unten). Daß eben dort ein 
Stamın der Metha (verfchieden von den Yueti) nur noch) 50 
geogr. Meil. weiter (1500 Li von Ogruſchnah) als den Tocharen⸗ 
ſtaͤmmen benachbart fih ausbreitet, wird aus dem Folgenden herz 
vorgehen. Hier bemerken wir dies nur, weil in jenee Ferne von 
25 geogr. Meilen füdwärts gegen Tokhareftan gefagt wird: Da 
fehe man die Stadt Yetcha (nicht Metha), die einen Commans 
danten habe. Dafelbft opfere man jährlich zweimal einer Höhle 
gegenüber, aus welcher Rauch hervorgehe; der erfte den dieſer 
Rauch oder Dunft treffe fey des Todes. Ob eine Mofette? ob 
dies eben das Opfer war? - 










13) Hudsen Geogr. Min. T. Il. a, p- 6%, b. p. 113, 143, 
*) Zergt. Klaproth Mag. Asiat. L c. I. p. 120, 


I 


Sentral-Ajten, Tſao Osruſchnah). 649 


Sm Lande Thfao iſt ein Gott, Tefl (wie Zeus, Deus) ges 
nannt, den alle Einwohner der benachbarten Königreiche anbeten, 
bis zu dem Weſtmeere hin. Er wird als eine Statue von Gold 
von Dholofouo (06 Balk?) abgebildet, die 15 Fuß hoc) ift, fehe 
wohlgeftalt von oben bis unten. Jeden Mond opfert man ders 
felben 5 Kameele, 10 Dferde, 100 Hammel. Mehrere taufend 
Menfchen leben vorn: Fleifch diefer Opfer, ohne fie ganz aufzuzchs 
sen. Dies blutige Opfer von weder indifcher noch perfifcher Art, 
iſt wol dort einheimifcher alter Gößendienft, nach alter Maflages 
ten und Skythen Art, von dem wir hier die erſte Erwähnung 
finden, 

In den Jahren 615 — 626 ſchickte Ifao im Verein mit 
Khang (Samarfand) einen Geſandten nach China, der feine Ans 
rede bei Hofe folgendermaßen begann! Man zählt mich zu den 
‚Zapfern meines Volks; als man die himmlifchen Ihaten des Kats 
ſers der Ifin (Chinas) erfuhr, wollte man, daß ich unter feinen 
Fahnen dienen follte. — Diefe Worte, heißt es, age dem " 
Kaiſer fehr. 

Mun wird noch von einem weftlichen und von einem 
mittlern Tfao folgendes ausgefagt. Das wefliche Tfao 
ift feit den Zeiten der Soni bekannt, es grenzt gegen Süden an 
Sſe kipo lan (wol Sſe, Se, der Heft der Sat, Safen, we 
das Eiferne Thor; f. unien); feine Kapitale iſt Seti hen. Gew 
gen MD. in der Stadt Youeijuti (unbekannt? Ab. Remuſat 
vermuthet, daß in dieſem Abfıhnitt des Wen hian thoung khao, 
dem diefe- Daten enttommen find, manche verderbte Namen vors 
kommen) ift cin Tempel des Gottes Tefi, dem die Einwohner 
Opfer bringen. Es ift dafeldft eine Vaſe aus Gold und Mur 
ſcheln, — ihnen einft ein Kaifer der Hans Dynaftie verehrt 
haben fol. Im Jahre 742 ſchickte der König Ko lo pou lo von 
Tſao einen Seibnr von Sandesproducten an den Kaiferhof, und 
‚erhielt dafür den Titel Honite (d. h. Tugend im Herzen). Er 
zeigte an, daß feine Vorfahren ftets dem himmlifhen Kaifer zum 
gethan geweſen, und daß auch er wuͤnſche mit ihnen in gutem 
- Einverftändniß zu leben, und den Sohn des Himmels in allen 
- feinen Unternehmungen zu unterftügen. Im Jahre 752. riefen 
die Könige des üftlihen Tfao und der Aſi den Kaifer Hiouans 
| foung um Hülfe gegen die Tachi mit ſchwarzer Tracht 
(d. i. die Abaffiden der Araber), was jedoch in Gnaden abges 
- Schlagen wurde. Seitdem fehweigt die Gefchichte von ihnen. — 


: 650 Weſt-Afien. I Abfchnitt. 6. 7. 


Das mittlere Tſao, eine beſondere Abtheilung, llegt im 
Oſten des Weſtlichen und im Norden von Khang (Samarkand); 
feine Saptale ift Kiatitchin, und feine Bewohner ſind groß von 
Körperbau und fehr £riegerifch gefinnt. 


3. Die neun Eleinern Königreiche der berühmten 
Tſchaowu Herrfcherfamilie, der frühern Urfaffen 
oder vielmehr nur älteften Cingewanderten, 

Khangkiu (Sogdiana) oder Khang (die Stadt Samars, 
fand), von welchem weiter unten insbefondere die Rede ift, wird 
als das Haupt gefchildert, von welchem 9 Eleinere Königreiche abe 
hängig waren, die aber insgefammt von Prinzen aus der Fas 
milie der Tſchao won (Chao wou) beherrfcht wurden, Als 
folche werden aufgezählt, außer 1) Tſao: 2) Ho; 3) Mi; 
4) Sfe (Szu b. Klapr.); 5) An (Ngan b. Klapr.); 6) Kleine 
An (Ngan); T) Nafepho Machepho b. Klapr.); 8) Qunao 
(Ounako b. Klapr.); 9) Mou. 

Don diefer Föniglihen Familie fagen die hinefifchen | 
Annaliften 1%), daß diefe Tſchaowu in früherer Zeit au Wen 
hießen (f. ob. ©. 608, 610; alfo wie die TaWan, die großen 
Wan, die auh Wen geheißen haben follen), daß fie aber den 
erftern Namen erhielten, weil fie die Stadt Tſchao wou bes 
wohnt ‚hätten, welche in der Gebirgsfette Kilian-Schan’ lag, 
dem hohen Schneegebirge (ſ. Alien I ©. 187), am großen, öftlis 
chen Ihore der WVölfereingänge. Ferner, daß auch fie, von den 
Hiongnu einft verdrängt, gegen Weſt zogen und fih Sog dia⸗ 
na's bemächtigten, wo ihre Stämme mit denen der nahrüdens 
den Yueti vermifcht wurden. - Zu Ehren ihrer Heimath hätten: 
fie ih Tſchaowu (was die alten Perferautoren, nach Ab. Nez 
mufat 17) ad Schaweh Schah wiedergeben follen; Shave 
ift allerdings, nach dem Bundehefch e. IX. b. Kleuker III. p. 72, 
der öftlichfte Kefchvar) genannt, was die Chinefen durch „ruhms 
voller Held“ erklären (wie das perfiiche Pehlvan). Gene 9 
Heihe der Tſchaowu, die ihre berühmte Königsfamilie bes 


15) Annalen der Han, in Opissanie Dshungharia etc. v. Pat. Hya—⸗ 
Einth l. c. n. Dr. Schott Th. I. Mfer.; ” Matouanlin b, Ab. Be 
imusat in Nouv. Mel. Asiat. T.I. p. 227 etc.; Tbaithsing y thoung 
tschi, Ed. 1790, 1, c. in Magas. Asiat. T. L p- 10# ete. 

t*) Klaproth I. c. Magas. Asiat. T. I. p.106 ccf, Not... > ! 

7) Ab Remusat Nour. Mel. Asiat, L “ 227. 












Central⸗Aſien, die 9 Tſchaowu Herrſchaften. 651 
| — hatten Khangkiu zu ihrem Mittelpunct, von welchem 


le 9 abhängig waren. Diefelbe Erzählung wird auch noch in 
den Annalen der Thang wiederholt, und gefagt: „Diefe Bes 
mwohner von Khangkiu hatten große Augen und vors 
| fpringende Nafen (d. i. Kaopi). — 

Hiernach fcheinen diefe Tfchaowon, welche von den Yueti 
als Urſaſſen vorgefunden und auch als ſolche von den chinefifchen 
Autoren unterfchieven werden, doch nur ältere Cingewans 
derte, und wenn auch nicht eben Völker, doch weitverbreitete, 
ruhmvolle Herrfchergefchlechter gewefen zu ſeyn, die zu den Zeiten 
Cyrus und Herodots wenige hundert Jahre früher wol als maſ⸗ 

agetifche Fürften (großzgetifchen Stammes) gedacht werden 
Fönnten, welche an der Spise der Völfermaffe fogenannter 
af iatifcher (unftreitig ihnen gleichfalls verwandter und feit Als 
teſter Zeit weit gegen den Caspiſchen See reichender) Skythen 
ſtanden. Diefe werden, als Turanier, manche feindliche Be 
uͤhrungen mit den Jraniern erlebt haben, ehe noch ihre muth— 
maßlichen, obwol doch wieder von ihnen politifch und chronolos 
iſch verſchiedenen Stammesverwandten, die Yueti Getae, wie 
etwa die Oft» Gothen gegen die Weft-Gothen) ihnen, nad) der 
Mitt des I. Jahrh. vor Chr. G., in diefelben fogdianifchen Sige 
nachruͤckten, die von ihnen früher eingenommen waren. Nehmen 
wir dieſe, wie es uns ſcheint einfache, und den, freilich oͤfter 
iemlich unausreichenden Daten ſowol der Chineſen, wie der weft, 
ichern Ueberlieferungen nicht ungemaͤße Erklaͤrungsweiſe dies 
ſer Voͤlkerverhaͤltniſſe, Als die unſerer jetzigen Einſicht nach wahr: 
ſcheinlichſte an: fo ordnet fi) dadurch wenigſtens die bit 
jetzt blos nad) den Original-⸗Quellen wiedergegebene, ſehr ver 
wirrte, compilatorifhe Darftellung zu einem in ihre 
Hauptmaffen zufammenhängenden Ganzen. Es füg 
fi zu einem Syſteme der innerafiatifchen Völferwanderung, it 
dem man freilich immer noch mehr Schatten als Lichtfeiten au 
"finden wird, was aber noch weniger als bei der enge 
der europäifchen Völkerwanderung in Verwunderung fesen Ffank. 
Vor allem ift. hier, vorläufig, der merkwürdige Punct noch feft zu 
halten, daß in Weſt-Turkeſtan, in dieſer antiken Periode noch 
2 feine turfifhe Dopulation vorhanden war, oder wenn 
auch fchen ein Thuholo oder Tochareftan am Suͤdweſt— 
abhange des Bolor exiſtirte, doch diefes noch fein Turfeftan 
war, nur mit feinen eigenthümlichen Stammesgliedern auf viel 


1 







652 Weſt⸗Aſien. 1. Abſchnitt. 6. 7. 


engere Gebirgsgaue eingeſchraͤnkt bleibt, und eigentliche Turk⸗ 
Population erſt ſeit dem VI. Jahrhundert, auf dieſem 
Boden Transoxianas zu einer allgemein verbreiteten vor 
berrichenden werden kann. En 
Der Sitz des Hauptes der Tſchaowu Familie war, nach 
Uebereinftimmung der chinefifchen Annalen der ältern Zeiten die 
Stadt Alouty!Y), am Ufer des Sapao⸗Fluſſesz di 
Khang (Samarfand), als die Eapitale von Khangkiu; 
wovon weiter unten die Rede feyn wird. Dort waren auch zwei 
Dicefönige, beide von Föniglichem Gebluͤte der Tſchaowu; der eine 
zur Rechten, der andere zur Linken. Don diefem Khangkiu— 
waren insgefammt jene 9 Königreiche abhängig, deren genauere 
Drientirungen an den angegcbenen Stellen nachzufehen find. 
Da fie alle nur in geringen Entfernungen von Khang, aber, nach 
verfihiedenen Weltgegenden zumal aber gen Süden hin zerfireut 
liegen, fo find fie im damaligen Zuftande nur als Theile des cenzs 
‚tralen Sogdianas zu betrachten. Ab. Remufat hat ihre Nas 
men mit folgenden befannteren Diftrieten zu identificiren) 
verfucht. Mi ift Meimarg, Thſao ift Osruſchnah, An ift Aſi, 
desgleichen die Eleinen Anz Naſepho ift Nakhfcheb. Die 
Sſe, die wir ſchon oben nachgewiefen haben, die Qunao und 
Mou (er meint Meru) läßt er unbeftimmt. Alle diefe Herrs 
ſchaften waren fich ihres gemeinfamen Urfprungs, ihrer fürftlichen 
Genealogie, bis in fpäte Zeit bewußt geblieben. Hier nur Eine 
zelnes von diefen aus Matuanlins bhiftorifcher Bibliothek, da 
in den gleichzeitigen Han: Annalen noch eine Lnterfcheidung des 
Reiches Khaͤngkiu von diefen untergeordneten Staaten gemacht 
wird. Doc finden wir bei Sfematfien (100 J. v. Chr. ©.) 
einen Ausdrucd, der es wahrfcheinlicy macht, daß diefe 9 Könige 
reiche gleihfam aus Grenzmarfen entftanden ſeyn mögen. , 
Diefer Hiftoriker fagt %) nämlih: Khangkiu (Samarfand) 
grenzt an Ta Wan; Eleine Königreiche im Süden ſchuͤtzen 
die Khangkiu vor den Ta Yueti, im Dften vor den Hiongnu. — 
Außer den Tfao folgen nun als Tſchaowou-Dynaſtien: J 
1) Ho2) (Khor b. Edriſi, vergl. ob. ©. 527 Mrs VI). 
nur 150 Li (7 geogr. M.) in Welt von Sſa⸗ Dsrufhnah); aber 


12) Magas. Asiat. I, p. 104 — 107. ap) Matonanlin b. Ab. Re 
musat Nouv. Mel. Asiat, I. p. 227.- 20) Sseki de Ssematsien 
b. Brosset in N. Journ. Asiat. T. II, p. 423. ?z2) Matonanlin 
l. e. I. p. 237. - | 


Central⸗ Aſien, die 9 Tſchaowu Herrfchaften. 653 


deſſen Capitale im Süden des Namy⸗Hluſſes (den Klaproth 
den Zerufſchan oder Sogd hält) gelegen Im Welten 
von ihr bis zum Lande der Aſi find nur 300 % (15 geogr. M.), 
e König hat 1000 Mann Truppen; die Sitten der Cinwohr 
ner find diefelben wie in Khangkiu; der König ift ein Verwandter 
der Khang. Auf di: nördlichen Wand eines Sommerhaufes 
feines Palaſtes fieht man die Portraits der Kaifer von China 
abgebildet, auf der weftlihen Wand die der Fulin (byzantis 
nifches Reich, ob. ©. 540); auf der öftlichen die der Fürften 
der Ihukin und Hindu. Ho zahlte unter den Soui, in den 
Sahren 605— 616 (aus welcher Zeit Matuanlin wol.jene Notiz 
mittheilt) Tribut, und fchiekte auch im J. 641 eine Embaffade 
nad) China. 650— 655 erboten fie fich zu Proviantleiftungen für 
ein chinefifches Heer, das im Welten operiven würde (wol gegen 
die Araber), und dafürerhielt der König den Titel als Richter. 
3) Mi2), das Land der Mimo (Meimarg, f. 0b. ©. 573 
Nr. X), im Welten des Fluffes Namy gelegen, hatte feinen Rs 
nig, fondern nur einen Prinzen der Tſchaowu, Pitſchue titulirt, 
zum Vorſtande. Es find 200 Li gegen S.W, bis zu den Sfe. 
"4 Sfe (oder Szü, Sai, ein Keft der Safas, Safen 2); ı 
wo jest Subz oder Cheri Subz, d.i. die Grüne Stadt, früs 
her Kefch zur Zeit der Timuriden, das Eiferne Thor) liegt 10 Li 
im Süden des Fluffes Toumu (d. i. der Fluß von Kardi). 
Der König ift von der Familie der Tſchaowou, dem Khangkiu 
verwandt, hat Uber 1000 Soldaten. Die Sitten gleichen denen _ 
von Khangkiu, das 230 Li (feine 12 geogr, Meilen) in Nordwe— 
ften entfernt liegt (wodurch die Ydentität mit dem heutigen Subz 
vollfommen beftimmt ift). Sie zahlten Tribut unter der Soui⸗ 
aftie, wurden dann, mächtiger; zu ihrer Capitale, deren antis 
fer Name Suhiai, fpäter Thhou ang kian kiſſe titulirt, 
‚gehörten 1000 Li Gebiet, fie hatte 20,000 Familien zu Bewoh— 
nern. Hier iſt das „Eiferne Thor“ (ein Paß, der in der Ges 
ſchichte der Timuriden ſo beruͤhmt wird), mit unerſteiglichen Ge⸗ 
birgen zur Rechten und zur Linken. Die Felſen haben Eifens 
farbe, der Paß dient als Grenze zweier Königreiche (wels 
her? wird nicht gefagt), und wird mit metallenen Thos 
ven gefchloffen. Zn der Stadt find Tempel, den Geiftern 










23) ebend. p. rn er ebend, p. 238; Taithsing y thoung tschi 
h ar J V · 107, 1 . 


654 Weſt-⸗Aſien. I Abſchnitt. . 7. 


gewidmet, denen man 100 Schafe auf einmal opfert (alſo Spur 
jenes blutigen Opfercultus, wie bei den Tſao, ein Beweis, d 
fie weder Buddha- noch Ormuzdiener geworden); 

Sm Jahre 642 kam aus Sfe nod) Tribut nad) China; 6 
bis 660 ward es als Gouvernement Khiucha genannt, und der 
König erhielt den Titel als Richter. Im J. 727 brachte man 
von daher eine Tänzerin, die als Tribut gezahlt ward. Diefe 
Verbindungen blieben bis zum Jahre 755, wo der Titel des Lane 
des in Saiweifoue, d. i. Kone oder „Königreich der zus 
nehmenden Majeftät” (f. ob. ©. 573 Nr. VIIL), umgewan⸗ 
delt wurde. 

5) und 6) Die An (bei Matuanlin Ngan; TaNgan, 
di. Groß⸗Ngan, im Taithfing ze) und die Kleinen, 
oder Deftlliben An (Siao Ngan, d. i. Eleine, Tung 
Ngan, d. i. Deftlihe); auch Pouho (Bukhara) und 
Anfi bei Sſematſien. Die Afim Ab. Remuſat (vers 
fhieden von den weftlihern Afi oder Afes, welches 
die Parther find), | 

Das Wort Pouho Bukharqh hat zweierlei Schreib⸗ 
art im Chineſiſchen, aber nur einen Laut; dieſe Stadt wird zur 
Zeit der erſten Wei Nieoumi genannt; früher hieß fie Alan⸗ 
my (vielleicht von ihren frühern, nur temporairen Beherrfchern, 
den An Thfai, oder Alan, genannt, fs 09. ©. 560). Der Name 
wie die Benennung der Lage diefes Gebiets im Weft von Khang: 
fin, nur 100 Li im Weſt der öfllichen oder Kleinen An, oder 
Ngan, und auf dem Mordufer des Duei, oder Ouhou Behr 
rud, di. Oxus, ſ. ob. ©. 632), der daflelbe im Weften begrenzt, 
macht es unzweifelhaft, daß hier das heutige Bochara im alten 
Sogdiana zu verfichen if. Es ift das antike Land der Könige 
von Ki, es ift ein Eleinerer Staat als Khangfin (Samarkand); 
dennoch zählt man bei ihnen 40 große Städte und 1000 Dörfer 
(f. oben, wo von der dicht gedrängten Population im Lande die 
fer Anfi die Nede war ©. 636). Die tapferften Soldaten heißen 
Tche fiei (oder Tofiei), was in der Sprache des Königreiches 
der Mitte (fo wird TaN gan aud) als Mittel-Ngan genannt) 
Krieger heiße. Die merkwuͤrdigſte Nachricht von diefem Anfi, 
dem antifen Zuftande des heutigen Bukharas, fhon 100 5. 


* 





2*) Matouanlin I. c. b. Ab, Remusat, in Nouv. Mel. Asiat. I. p.231 
bis 233; Taithsing etc. Mag, As. 1. p-106 —108, 





| Sentral-Afien, die 9 Tſchaowu Herrfchaften. 655 


‚dor Chr. Geb., alfo nur Kurze Zeit nachdem das bactriſche 
Reich durch die Safen und Geten geſtuͤrzt war, und die Als 
tere Eivilifation der griechifch » bactrifchen Periode hier noch 
fortdanernden Einfluß zeigen mußte, der Ort, ſelbſt noch, wie es 
Scheint, feine einheimifchen Fürjten hatte (ganz wie die Turk 
Khodjas in neuerer Zeit, unter chinefifcher Herrfchaft in Turfeftan 
fortbeftehen, oder die indischen. Nabobs unter den Brien in In— 
dien, f. ob. ©. 486), giebt uns der chinefifche ältefte Hiftoriker 
Sfematfien®). Die Anfi, fagt er, einige 1000 Li im W. 
der Ta Yueti (Getae), find eim feftgefiedeltes Volt (nicht 
wie die Yueti nomadifirend) und Ackerbauer. Ihre Aecker 
geben Reis und Traubenwein (Wein von Potao); ihre 
gemauerten Städte find wie die der Ta Wan (Ferghana’s), Die 
Zahl ihrer Verbündeten, große und Eleine, beträgt an 100. Dis 
Land ift fehr groß und kann nach allen Seiten 1000 Li (50 geog 
‚Meilen, alfo die damalige Ausdehnung der Eultur-Dafe Bochas 
ras, d. i. jenes Theils von Sogdiana) betragen. Es ift gelegen 
bis zum Ouei (Beh, Orus). Dort find Marktorte, die Kauf— 
leute bedienen fich der Raͤderkarren und der Flußbarfen, um ei: 
nige 1000 Li weit in fremde Länder zu kommen. Cie haben 
Geldmuͤnzen von Silber mit dem Bilde des Königs 
 Calfo bactrifches und indo⸗ſcythiſches Gepraͤge ſ. ob. ©.101—111), 
Mit ſeinem Tode wechſelt der Stempel fuͤr den neuen Koͤnig; 
ſchiefe Striche, oder Schriftzuͤge, aͤhnlich in einander 
verſchlungenen Gewaͤchſen (wodurch die griechiſchen und 
bactriſchen Legenden der Münzen für einen Chineſen hoͤchſt has 
racteriftifch bezeichnet find, im Gegenſatz feiner Schriftcharactere) 
dienen als Daten, Im Weften der Anfi wohnen die Tiao⸗ 
tchi (Tadjik, d. i. Perſiſchredende)y; im Norden die Yanz 
thſai und Liban (Alan). Mit dieſer auch unſere übrigen 
ſchon angeführten Orientirungen beftätigenden Angabe, befchließt 
Sfematfien feinen höchft Iehrreichen Bericht, der uns den ans 
ſchaulichſten Blick in jenes Jahrhundert vor Ehrifto nach Sogdiana 
gewährt. 
Diefen fügen wir aus den fpätern Jahrhunderten die fol: 
"gende Angabe hinzu: 


25) Sscki de Ssematsien b, Brosset, in Nouv. Journ. Asiatique 1828. 
T.1l. p. 424. Die hiervon abgeleitete Notiz bei Matuanlin, f. b. 
Ab, Remusat Nonv. Mel. Asiat. 1. p. 217—219, ° 


656 WeftsAfien, I Abſchnitt. 9 7. 


Sm Jahre 618—626 ſchickten fle Tribut, 627—649 auch 
Koßbarkeiten ihres Landes, mit Gefandten, die vom chinefifchen 
Kaifer fehr gnädig empfangen wurden, Sie fagten, daß die Uns 
terwerfung der Weft: Turf an China den Karamwanenweg 
practicabel wache, und für alle Bewohner von Siyu (Sifan, 
Barbaren im Werften) fehe erfreulich fey, Ihr König Kolings 
kia gab Nacenpferde als Tribut, und verjicherte, daß feine 
Dynaſtie feit 22 Generationen die Herrſchaft im Lande führe (zu 
30 Zahen angenommen, würde dies in die Periode zur Zeit vor 
Chr. Geb, zurückführen). i 

In demſelben Jahre fchiekten auch die Könige ber öftlis 
cher An, oder der Kleinen An (Siao, oder Tung Nyan), 
ihun Tribut, und fagten aus, daß ihre Familie, Ting (f. oben 
Tngling ©. 624) genannt, feit 10 Generationen den Scepter 
ihre, Ihr Reich heiße auch Hochi (was Ab. Remufat für das 
antike Kefch hält). Es liege im Norden des Namy (was nach 
obigem der Zerafichan, oder Sogdfluß; alfo allerdings vom füds 
lihern Kefh, in Sfe am Toumu, verfchieden); noch 200 Fi von 
demſelben entfernt, alfo ein Gebirgsgau. Die Capitale ift Hos 
han (Gahan, oder Yolin, auch Hodi), fie fteht aber nur an 
der Spige 20 anderer großer und 10 Heiner Ortfchaften. Im 
J. 656 — 660 ward die Stadt der Alan (wol Alanmy) zum 
Hauptort der Provinz Afi erhoben, und der König von der 
Tſchaowou Familie, erhielt den Titel des Richters. 

Yokin war als Capitale der Provinz Moulan eingerichtet und. 
deren König Tſchao wupifi (alſo von derfelben Herrſcherfamilie) 
gleichfalls zum Richter erhoben. Im Jahre 726 ſchickte derfelbe 
Tribut an Pferden und Panthern; 734 zwei wilde Efel (Onager) 
aus Perfien, und ein Yingkieou (eine Art Teppich), beftickt 
- mit einer Landkarte von Folin (des römischen Reiches); 
zugleich auch Yokin (? Steinhonig, eine Art Parfüm). Die 
Khatun, d. i. Königin diefes Keiches der Kleinen An (Aſi), 
uͤberſchickte zwei große geftidte Teppiche; dagegen erbat man 
fih einen chineſiſchen Mantel mit Gürtel und Schloß, Kuͤraß, 
Lanze und Frauenkleider für die Khatun. 

N,8) und 9) Von den drei legten diefer Tſchaowu Reiche: 
Nefepho, Dunao und Mou?) wird nur wenig berichtet. 








2.) — L c. 1, p. 233—234; Taithsing I. e. Mag. Asiat. 
P· 


Central Afien, Khangkiu, Samarkand. 657 


Ma fepho, oder Nachepho, ift Nakhſcheb, oder Naifef 
der Araber, deren Stadt Karchi genannt wird; befonderes wird 
en nicht mitgetheilt. 
Ounao bei Matuanlin, wird in dem Zaithfing, auch 
J Ngan (Groß Ngan), 400 Li in S. W. gelegen von Klein 
Ngan (Siao Ngan), genannt, auf dem linken Ufer des Ouei, 
der Uhu (Veh, Oxus), was mit der Lage der Stadt Amol, oder 
Amu, zufammentrifft. Matuanlin fagt, es liege im alten 
ande der Afiz der König vom Tſchaowu⸗-Geſchlechte der Khangs 
Au Herrfeher habe den Titel Fochi (was Ab. Nemufat durch 
Mangeur de Buddha überfegt), woraus man, bei dem vorherr⸗ 
chenden blutigen, heidnifchen Opfercultus vieler von Tſchaowu 
jeherrfehten Völferfchaften, faft auf eine feindliche Gefinnung 
jegen die Buddhadoctrin fchließen follte. Auch fie fchiekten Tris 
int aus Landesproducten beftehend zur Zeit der Soui-Dynaſtie 
ach China. 
> Mom ift die füdlichfte und entferntefte der 9 Tſchaowu—⸗ 
deriſchaften, die im Weſten des Ouei-Fluſſes (Vehrud, 
i. Oxus) dem Ounao benachbart liegt; denn es iſt nur 200 
‚gegen Weft davon gelegen und 500 fi im S.W. von Afi 
Buchara), zu dem cs früher gehörte, Auch wird dem Könige 
er Name der Capitale der Afi, namlih Alanmy, als Titel beiz 
legt. Es iſt unftreitig Merv, die feit dem hohen Alterthum 
ühmte Stadt, die häufig auch Meru genannt wird, und wefts 
Arts Balk, mit diefer Capitale in analogen Verhaͤltniſſen zu 
erſien ſteht. Die Eapitale, deren Name nicht näher angegeben 
, hatte 3 Li ins Gevierte und 2000 Mann Truppen. Man 
ickte auch felbft noch aus diefen entfernteften Gegenden zur Zeit 
et Soui-Dpnaftie Tribut, d. h. Geſchenke an China durch die 
ndelsfarawanen , deren Anführer dann als die Gefandten ans 












etid, das Königreih von Khang (d. i. Sa⸗ 
ge Sogdiana der Alten im eigentihen 
Sinne, 


& Khangtiu hat einen allgemeinern”) Sinn, der nicht nur 
auf das Sogdiana der Alten bezieht, fondern auch noch weiz 


2 De. Asiat. I. p. 120, 103 —105, 
Ritter Erdkunde VII, 


22) 
._ 


658 Werts Afien. LJ. Abſchnitt. & 7. 


ter gegen Nordweſt, auf die Steppe im Morden der Bucharei 
angewendet wird, weil dafelbft die Nomaden (Yanthfai, oder 
Alanen) noch lange Zeit in Abhängigkeit unter Khangkiu ſtanden, 
fi ob, ©. 626, oder weil fie beide gemeinſamen, ‚oder doc). vers 
wandten Urſprungs feyn mochten. Daraus erklärt, fich der ; 
weilen fiheinbare Widerfprud) der chineſiſchen Angaben, da 
Khang (Samarkand) doch wirklihd in S.W. von Ta Wan 
(Ferghana) liegt, wenn in den Annalen von Khangfiu gefpros 
chen wird, als 100 geogr. Meilen (2000 Li) im Nordweften des 
letztern gelegen (das wäre an der Mordoftfeite des Aralfees, we 
dann von dem abhängigen Sige der Yanthfai die Rede ift, die 
auch in den Hanz Annalen, alfo in der älteften Zeit, mit in 
dem Abfchnitt von Khangkiu wirklich abgehandelt werden. Bei 
Sfematfien ?3) fteht fogar, Khangkin fen ein Romadenvolk im 
Norden von Ta Wan, was denn Feineswegs auf das füdliche 
Samarfand bezogen werden fann, auch wird von diefem gefagt, 
es gleiche fehr den Yueti. ! 

Diefe Khangkiu find befannt, feit den Zeiten der Hans 
Dynaftie?d), deren Annalen genau mit Matuanlins 30) hiſto⸗ 
rischen Memoiren, und den Angaben der chinefifchen Reichsgee 
graphie 31), Ed. 1790, übereinftimmen. ß 

Daß in Khang das Haupt der Tfhaomuz Familie war, 
der dortige König alfo die Oberhoheit jener 9 Tſchaowu Star 
ten, und wahrfcheinlich auch die über Ta Wan und Tahia befaß, 
ift früher bemerkt worden. Khang-ift die Stadt S Er 
fand, aber zur Zeit der SouisDpnaftie, Ende des VI. 17 
hunderts, ward auch das ganze zugehörige Königreich, — 
nur Khang genannt; und damals ſoll dieſelbe Dynaſtie 600 
Jahre hindurch in ununterbrochner Succeſſion auf dem Thron 
von hans (Samarkand) geherrſcht haben. 

In der Geſchichte der Han wird von einem Winter— 
lager dieſes Königs in Lo youeini (?, Lo yue ny bei Klaproth) 
und der Stadt Pithian, 7 Tagereifen zu Pferde fern von je 
nem, gefprochen, deren Sage uns unbekannt ift, auch gefagt, daf 
der König in der Stadt Sou bhiai (d, i. in Sfe, f. ob. ©. 653) 























22) Ssematsien b. Brosset 1. e. Nouy. Jonrn. Asiat. T. I. b- 423. 
?°) Opissanie Dshungharia ete. des Pat, Hyakinth, überf, v. Dr 
Scott Mer, :0) Matonanlin I. c. b, Ab. Remnsat, Not. in 
Nonv. Mel. Asiat. T.t. p 225 —231. 21) Magas. Asiat, T. 1. 
p- 103 — 105. 


Central⸗Aſien, Khangfiu, Samarkand. 659 


gewohnt habe. Jenes Pithian war den Chinefen nicht tributair; 
das Sommerlager des Königs war viel weiter im Offen, und 
biefer Theil des Landes öfter den Hiongnu unterworfen. — Diefe 
Nachrichten laffen vermuthen, daß eben hier noch von den nos 
madifchen Verwandten der in vor-yuetiſcher Zeit eingewans 
derten Herrfcher der Tſchaowu die Rede fey, die aber zu Gebies 
tern der feftgefiedelten, civiliſirtern Städter und Agricultoren 
Sogdianas geworden. Diefelben find es, welche wir zum Unter— 
ſchiede der fpäter eingewanderten Yueti (des Getenftammes) die 
Urſaſſen genannt haben, die aber auch von einem nur früher ges 
wanderten Stamme (von dem die Yanthfai auch nomadifch blie- 
ben), nämlich dem Haufe der Tſchaowu, zu den Dahae und 
Saken gehörig, beherrfcht wurden. 

Dieſer Umftand erklärt es, wie die Hans Annalen fagen koͤn⸗ 
nen, daß zur Zeit der Regierung Kaifer Siuanti’s (73—49 
dor Chr. G.) der Tfchenyu der Hiongnu, Tchytfchi, der einen 
hineſiſchen Gefandten erfchlagen hatte, und deshalb von den Chi: 
hefen verfolgt wurde, fih nach Khangkiu flüchtete, wo er aber 
don einem nachrücenden chineſiſchen Heere gefangen und ent: 
ptet ward; worauf der König von Khangfiu in der Zeit 
jer Kegierungsjahre Kaifer Tſchingti's (32—8 vor Chr, ©.) 
ine Embaſſade nach China fchickte, 

Die große Entfernung diefes Khangkiu machte aber die 
















Bewohner; der chinefifche General Kouochun fehilderte das Volk 
ser Khangfiu als ftol; und falfch, das nur unter der Masfe von 
Sreundfchaft ſich dem chinefifchen Throne, feiner eigenen Hans 
selövortheile willen, nahe. Deshalb, und weil die Reifen der hir 
fhen Karawanen zu ihnen zu beſchwerlich und unficher wa- 
en, knuͤpfte man Eeine fo engen Relationen mit diefen Bewoh—⸗ 
gern im Norden Transorianas an, ald mit denen gegen den 
Düden, die zu dem Nömer Reiche, zu den Perfern und dem 
chen Hindoftan die Wege bahnten. Dies giebt wenigftens Mas 
wanlin als die Entfchuldigung an, warum die Chinefen über den 
teren Zuſtand von Khangkiu fo wenig unterrichtet feyen. 

Ki Mur aus dem II, und IV. Zahrh., zur Zeit der Tſin-Dy— 
taftie, wird weniges von Khangkiu gemeldet: der König refi- 
ire in Subiai, das Fand fen fruchtbar, warın und bringe 
effliche Pferde, Wein von Potao und den Thounglicous 


Bf 


660 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6. 7. 


baum hervor (?, ſchwerlich nach Ab. Remuſat die Bignonia to- 
mentosa, die diefen Namen in China hat; Klaproth meint es 

fen von einer Art Weide die Rede, Karatal, der jetzigen Kirghie 

fen, die dort fehr — ſeyn moͤge, von ruſſiſchen Botanikern 

Salix arenaria genannt). Sn den Jahren 265— ſchickte der 

König Napi von Khangkin, Tribut an Pferden. Als fie in den’ 

Jahren 435 — 439 Tribut fchiekten, nannte man ihr Land Tchechi 
(wol Keſch, von einer ungeordneten Provinz). 

Die wichtigſten der folgenden Nachrichten, bei Matuan— 
lin, find wol aus den Han-Annalen, aber auch aus den weit‘ 
fpätern der Thangs- Annalen gezogen, weil darin ſchon von 
der Befehrung zum Foe⸗Cultus gefprochen wird, und eine’ 
Bergleichung der Sitten mit den Turk gegeben ift, ja fogar, wie‘ 
es uns fiheint, eine Anfpielung auf die Feier von Huffains Todtens 
fefte aus der Periode der Mohammedaner vorfommt., " 

Zu Ende der SouisDynaftie ward dad Königreich nur 
ſchlechtweg Khang genannt; man erhielt im J. 605 — 616 von 
da Tribut; der König war von der Familie Wen, ein geborner 
Yueti, deiten Vorfahren, vom Kiliangebirge im Often vertrieben, 
feit den Zeiten der Han im Siyu die Herefchaft fortgeführt hate’ 
ten. — Ob diefer ein Ufurpator auf dem Throne der Tſchaowu 
war, und fih nur an diefen glänzenden Herrſcherſtamm genealor 
giſch anfchließen wollte, oder wirklich mit ihm verwandt war, 
bleibt uns undentlih. Merkwirdig ift e8 aber, daß wir Feines 
einzigen andern Datums erwahnt finden, daß ein Fürft 
vom Yuetl-Stamme (Getae), mit der antiken Herrfcherfanmilie der 
Tſchaowu in Verbindung gebracht wäre, obwol fie in gang 
Sogdiana die Oberhoheit an fich geriffen, und ihr Eins 
fluß zum dominirenden eines Eroberungsftaates von Barba— 
zen gegen die ältere Gefittung der einheimischen, anfäfligen —— 
culturvoͤlker und Staͤdteerbauer geworden war. 

Matouanlins Wen hian thoung khao ſagt nun: In 
Khangkhin, das nicht an China tributair war, zaͤhlte man 
20,000 Familien; ihre Sitten waren denen der Ta Yueti (gro: 
Ben Yueti) ähnlich. 

Die Capitale von Khangkin war die Stadt Alouti am 
Fluß Sapao??) (ob dies identifch it mit Khang oder Sa 




























22) Matouanlin I. ce. b, Ah. Remusat, Nouv. Mel, Asiat. T. L, 
p. 228. 




































Central-⸗Aſien, Khangkiu, Samarkand. 661 


markand am obern Zerafſchan (Sogd-⸗Fluß) ). Der König trug 
Haarflechten und eine Tiara mit Edelſteinen, Goldblumen, ges 
ſtickte Stoffe und Zeuge von weißer Wolle. Die Königin trug 
ihre Haare in Knoten gebunden mit weißem Quche bedeckt. Die 
Männer feheeren fih das Haupthaar ab und tragen geftickte Manz 
tel. Das Königreich ift wol mächtig zu nennen, ihm find viele 
Reiche im Weften unterthan; die Einwohner haben alle tief? 
liegende Augen und vorftiehende Nafen (Kaopi) auch 
ſehr ſtarke Bärte. Sie find trefflihe Kaufleute; viele 
Barbaren fommen zu ihnen um Dferde zu erhandeln. Bei ih— 
‚nen giebt e5 große und Kleine Trommeln, Guitarren, Lauten mit * 
5 Saiten und Flöten verſchiedener Art. Die Hochzeitgebraͤuche 

und Todtenbeſtattungen ſind ganz wie bei den Turk; auch betet 

man den Foe an und ſchreibt Buͤcher in barbariſcher 

Sprache. 

Das Landesclima iſt mild, gemaͤßigt, gut geeignet für Acer 
bau, trefflih zu Gartencultur, Baumzucht, Blamengärtnerei, Ges 
muͤſebau. Khangfiu it reich an Heerden von Pferden, Kas 
‚meelen, Maulthieren , Ochfen mit Budeln; auch an Gold, Ams 
moniakſalz (Naocha), an füßen Pinien (?), an Afana (eia Pars 
‚füm), an Phipha? und Früchten. Es giebt hier Hirfchhäute, 
Teppiche, geftickte Wollenzeuge, fehr viel Teaubenmwein, davon die 
Wohlhabenden bis taufend Chi in Vorrath haben, ohne daß er 
in der Zeit mehrerer Jahre verderbe. 

An einer Hifforie der Barbaren des Weftens (Si: 
fanki genannt) von Weitfi (die Zeit diefes Autors iſt unbe— 
kannt, doch muß er aus fpäterer Zeit, etwa des VII. Jahrhun⸗ 
derts, ſeyn, weil er ſchon vom arabifchen Einfluffe Spuren zeigt) 
eitirt Matuanlin3) Folgendes, Die Einwohner des Königs 
reiches Khang find gefchiefte Kaufleute; ſchon vom fünften 
Sahre an müllen ihre Knaben lefen fernen; fpätechin werden fie 
auf den Handel ausgefchickt. Sie lieben die Muſik; ihr Jahr bes 
innt mit dem exften Tage des bten Mondes. An diefem Neus 
hrstage kleiden ſich Fürft und Volk neu, fcheeren fih Bart und 
daupthaar, ziehen in einen Wald, der im Often der Stadt liegt, 
d ſchießen von Pferden herab mit Bogen und Pfeil. Gegen 
Ende diefes Exercitiums „wird eine Goldmünze wor eis 
nen Papierbogen angebracht, und wer dies Ziel 


J — 


) Matonanlin I. c. I. 229; vergl, 244. 


⸗* 


662 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 7. 


trifft erhält auf einen Tag den Titel König.” — Of 
fenbar nach chinefifchen Zeitchronifen hier alfo der Urf prung, 
des Scheibenfchießens und des Schützenfeſtes mit 
dem Schuͤtzenkoͤnig, das wir fo allgemein und characteriſtiſch 
bei germanifchen Völkern Mittel-Europa’s verbreitet finden. Diefe | 
Barbaren, fährt der chinefifche Autor weiter fort, beten den götts 
lichen Geift (wol Ihian? oder Hien, f. ob. ©. 428, Coelum) an, 
und find dabei fehr eifrig in der Verehrung. Sie fagen: Der] 
Sohn Gottes fey im Tten Monat geftorben, feine Gebeine feyen 
verloren. Jeden Monat tragen die Perfonen, die diefem Cultus 
ergeben find (alſo wol andere, als jene die den Ihian anbeten), 
und insbefondere in dem genannten Monat, alle andern Einwoh— 
ner überhaupt, auh ſchwarze wollene Trauerfleider.f 
Sie gehen barfuß, fchlagen fih die Etirn mit großem Geheul 
unter Strömen von Thränen. 305 Perfonen, Männer wie Wei⸗ 
ber, werfen Gras und Kräuter (fireuen wol Blumen), durchlaus 
fen die Fluren um die Gebeine des Gottesfohns zu fuchen. Diefe 
Geremonie endet nach 7 Tagen. — In diefem Trauerfefte-fcheintfl 
ung der chinefifche Autor anzudeuten, daß er einige freilich wol | 
fehr unfichere Kunde von dem Todtenfefte Houffains, d | 
Sohnes All’ erhalten hatte, welches dadurch ſehr begreiflich iſt, | 
daß die Secte der Aliden durch Derfien, Khorafan und Tran 
oriana die größten Anhänger fand, wie denn heute noch die Pers 
fer und Usbeken Shiiten find, von der Secte Alis, und wie die 
Abaffiden, die Gegner der Ommajahden, fo auch heute die Pers 
fer das Todtenfeft des als Märtyrer erfihlagenen Houfs 
fain3H, noh*im WWefentlichen auf diefelbe Weife im Haß gegen 
die Sunniten feiern. Der Sohn Gottes, deſſen Gebeine verlor 
gegangen, bezeichnet wol den Tod Ale, Mohammeds erften Schuͤ— 
ler, deijen Grab, nach Abulfedas Angabe, fehr lange verborgen 
blieb. Sein Andenken, zumal aber das feines Sohnes, Houfi 
fain, des fogenannten großen Märtyrers, wird durch Klagege 
ſchrei und Ihränengäffe während 10 Tagen des Moharram (3a 
nuar) gefeiert. W. Ouſeley hat demfelben in Teheran fel 
beigewohnt, und umftändfich Bericht gegeben, wobei ihm das a 
’ arabifche und perfifche ritterliche Geremoniel auffiel, das ihn 



















A 

34) Houssain Arc. n Herbelot Bibl. Orient. Maestricht. 7776. F 
p- 329 ibid. Artic. Ali p.87 etc. 25) Will. Ouseley Travels ir 
Various Conntres of the East, more particularly Peisia, Londor 
1823. 4. Vol. Ill. p. 62— 171. — 5 
2 


Central Ajien, Khangfiu, Samarkand. 663 


‚gemein an das germanifche frühefte Mittelalter erinnerte. Die 
‚wilden Tänze’ der nadten und verwundeten Krieger, die Ents 
‚hauptungsgefchihte Houffains und andere dabei vorkommende 
Sefifeiern, haben einen wildfenthifchen Character. 
Daß dieſem Berichte von dem Trauerfefte wol, wie in aͤhn⸗ 
lihen Mittheilungen damaliger Zeit, bei Chinefen, mancher Irr⸗ 
thum beigemifcht war, folche Nachrichten manche Entftellung be, 
gleitete, kann bei der völligen Unverftändlichkeit der Sitten der 
Weſtvoͤlker (Siyu) für die der Oftwölker nicht auffallen. So bes 
‚zieht ſich unzweifelhaft die gleich auf jene Angabe folgende Notiz _ 
bei demfelben Autor, wol nicht auf den mohammedanifchen Cul⸗ 
tus, fondern auf den Parfencultus, wo ex fagt: Außerhalb 
der Nefidenz (Khangkiu, ob vielleicht eine Perfer-Colonie, die dort 
angefiedelt war? auch anderwärts ſolche Sitte ſelbſt bei tübetis 
fchen Völkern, f. Afien Il. ©. 94) find 200 Familien, die ſich 
ganz insbefondere der Sorge für die Todtenceremonien ans 
nehmen. Sie bauen offene Gebäude, in denen fie Hunde füts 
tern; flirbt ein Mann, fo holen fie feinen Leichnam, legen ihn in 
eins der Gebäude und lafien ihn von Hunden verzehren; zulegt 
‚aber fammeln fie die Gebeine und begraben fie. — Schwerlich 
wird man in diefer Erzählung die Schilderung eines Todtenaders 
r Ormugdiener verfennen, wie ev noch heute in Bombai bes 
Fannt ift (f. Afien IV. 2. ©. 1091). Daß die Religion Zorogs 
ſters oder der Magier (Muhufu) hier frühe Eingang gefunden, 
ft fhon ‚oben (f. ©. 427 — 428 u. a. a. O.) gejagt. Sollte man 
Zweifel gegen die Authenticität diefer Chinefenberichte über ihre 
fo frühzeitige Kenntniß. von der Mohammedangrstehre hegen, und 
5 B. fügen, wenn die Schwarzröde der Tache auch wirklich die 
Abaſſiden der Araber bezeichnet haben mögen, wovon oben 
©, 424, 576 die Rede war, fo fey es doch kaum glaublich, daß 
ſchon vom Jahre 753 bei den Thſao die Rede auch von einem 
Angriffe gegen die Abaffiden geweien feyn könne, da diefe erſt 
5 Jahre vorher, feit 749 den Thron von Bagdad beftiegen hatz 

‚ fo diene Folgendes zum. Gegenbeweife, 

Allerdings beftieg Abu Abdallah als erfter Khalif der Abaſſi⸗ 
* den Thron zu Bagdad erſt im Jahre 749; aber eine Haupts 
fthge des neuen Abaffiden war Abu Moslem, feit langem der 
Statthalter in Khorafan?) und Al Gebal, deilen Gebirge: 













250) Abulfedae Annal. Moslem. ed J. Reiske, Lips. 1754. 4. p. 138, 143. 




























664 Weſt-Aſien. 1. Abſchnitt. 9 7, 


land (welches Abulfeda noch mit dem Namen Parthien aus 
alter Neminifcenz belegt, obwol feit Zahrhunderten keine alten. 
Parther mehr eriftirten), wie die nordangrenzende Ebene, die 
Chinefen mit Afi, und damit auch die Außerften ihnen befannz 
ten Weftwölfer bezeichnen, nämlich die Bewohner des heutigen! | 
Bocharas, und die Perfer wie die Parther. 

Die Abaſſiden-Heere Fimpften daher, gleich Anfangs ih— 
zer Ihronbefteigung, "auch am Oxus, und mußten hier die Hertel 
fihaften der Thſao (Samarkand), Osruſchnah, Ferghana aller⸗ 
dings gleich in den erſten Jahren mit ihnen jaͤhrlich wiederholten 
Ueberfaͤllen bedrohen. Abu Moslem, der kriegeriſche Mann, der 
eine Macht von 60,000 Mann Truppen, nach Abulfeda, befehligte 
und eine ſehr lange Zeit in Khoraſan herrſchte, wird wahrfcheins 
lich verfucht haben auch die erften Jahre der neuen Abaſſidenherr⸗ 
fchaft gegen die Ungläubigen in Sogdiana durch Siege zu ver— 
herrlichen, und viele Jahre vor 37) der Thronbeiteigung der Abafe 
fiden war für ihre Partei ſchon in Khorafan, an der Grenze 
Transorianas, geworben und gefteitten. 

Kenn nun Houfains, des Ali Sohnes, Märtnrtod fihon in 
die 61ſte Hegira, d. i. in das Jahr 680 n. Chr. Geb., fällt: fol 
liegt nichts Unwahrfcheinliches darin, daß zu Khangkiu Samar⸗ 
kand) ſein Todtenfeſt ſo fruͤhzeitig gefeiert worden ſey, als die 
Waffen der Abaſſiden ſich dahin verbreiteten; denn wol ſchon vorher 
mochte diefe Secte dorthin ihre Miſſionen gefchiekt haben. — Wenn 
man ferner es den Chinefen auch vielleicht zugeben wird, daß fich 
nicht damit prahlen wollten, noch im Jahre 740, 741 (nicht 7141 
wir oben S. 570 ſteht) und 742, dem Lande Schaſch (jest Taſch— 
fend) Ehrentitel verlichen zu haben, weil fie fogleich feldft es ge 
fiehen, wie fi) der König der Schaſch gegen fie empoͤrte, und 
den Arabern als Bafallen hingab: fo wird der Eritifer, de 
gegen hincfische Annalen noch Mistrauen hegt, es dagegen vick 
leicht für die mohammedanifchen Autoren ganz widerfprechent 
halten, und für eine bloße Prahlerei der Chinefen ausgeben, went 
fie jagen, daß das noch weit entferntere Cand Kipin (Kophene) 
ihnen noch) in den Jahren 742— 755 Tribut an Pferden geſchickt 


habe (f. 06. ©. 576). Dennoch finden wir in den moslemifchen 


A Manſur Feine Befignchmung dieſes Gebietes; indieſem Jahr 


27) Abulledae Annales ib. I. c. p. 136, 145. 


EentralsAfien, Khangkiu, Samarkand. 665 


erſt hören wir von dem erften Feldzug 33) des Statthalter Homaid 
won Khorafan nah Kabul (jenes Kipin), der aber noch) lange keine 
Eroberung ift, und die Befisnahme diefes Landftrichd beginnt erft 
faft 200 Jahr fpäter, unter Sebefthegin, eine dauernde zu wers 
‚den (f. ob. ©.274). In diefer ganzen Zeit fünnen daher immer 
noc Relationen dortiger Fürften mit dem Chineſen-Reiche Statt 
‚gefunden haben, wie dies auch die fortlaufenden Berichte der Chis 
nefenzÄnnalen zeigen, die durchaus nicht im Widerfpruch mit den 
Araberberichten ftehen. Ihre Verbindungen fanden unftreitig nicht 
durch die von Mohammedanern befegten Wege des zugänglichern 
Transoxianas Statt, fondern wie wir aus vielen andern Daten 
im obigen nachgewiefen haben, auf den Gebirgswegen durch den 
Hindu Khu, Badakhſchan, Baltiftan und WeftsTübet. 

‘ Um das vorherrfchende Vorurtheil, als feyen die Annalen der 
Meftvölfer, von vorn herein, hier immer gültigere Autoritäten, 
3. B. arabifche und perſiſche Autoren, als die der Oftvölfer wie 
‚der Chinefen, fo bemerken wir hinfichtlich diefes Transorianas und 
des Sebirgslandes von Oft: nach Wefts Turkeftan nur: daß cben 
Chineſen bier fchon feit mehr als einem halben Jahrtauſend (feit 
Sſchangkians Zeit 126 a. X. n.) einheimifch, bei allen dortigen 
Voͤlkern genannt werden müflen, ehe die Araber nur als Krivger 
und zelotifche Bekehrer dort zum erften Male auftraten, die noch 
viel weniger als Chinefen fich um die Sitten der Fremden und - 
bie einheimifchen Antiquitäten kuͤmmerten, da fie nur auf die Bes 
kehrung zum Koran mit Feuer und Schwert, fpäter erſt durch 
"Handel und feiedtiche Miffionen, wie auf Befchreibungen jener 
Länder (Eon Haufal im J. 950) ausgingen, Wie genau aber 
ſelbſt im Einzelnen die Chinefen unter den fogenannten Weſtbar— 
baren beobachteten, darüber Haben wir in Obigem fchon viele Beis 
ſpiele angeführt; hier noch eins, das uns die Urfache wol auf: 
‚deckt, warum fie die Abaffiden und ihre Secte der Tache (Aras 
ber), in jener Zeit fo characteriftiih als Schwarz Rode zu 
bezeichnen veranlagt wurden, weil eben zu derfelben Zeit eine an— 
dere Secte dicht an ihrer Grenze fich die weiße Farbe :9) zu 
—— 

2) Abulfedae Annal. ib. p. 151. 220) Auf der buddhiſtiſchen Karte 
der Weſtlaͤnder feit dem VII. Sahrh. aus der japan. Encyclop, find 
die Tache mit weißer und ſchwarzer Kleidung fogar zu 
beiden Seiten als Uferbiwohner des Drus eingetragen. ſ. Uaıte 


% er Pays vecid, et des cinq Thian tehu, fr Aſien Erdk. Bd. J. 
+ 192, 















‘# 


666 Weſt-Aſien. L Abſchnitt. 6. 7. 


ihrer religioͤſen Fahne und Auszeichnung von jenen erwaͤhlt hatte, 
Open hatten wir ©. 425 diefe Bezeichnungsart mit A. Remuſat 
und Klaproth vielleicht irrig für einen bloßen Gegenfag gegen die 
Dmmajahden gehalten, ehe uns die hierher gehörige Stelle bei Abul⸗ 
feda, wie wir dafür halten, den richtigen Fingerzeig gab. Die’ 
arabifchen Autoren felbft geben uns hierüber den Auffchluß.) 
Fuͤrſt Abulfeda erzaͤhlt 9) von dem Jahre 779 n. Chr. G. 
in feinen Annalen, in welchem er von den Truppen fpricht, die 
der Khalif AL Mahdi aus Khorafan gegen das Roͤmer— 
Reich zu Felde fchiekte (gegen Kaiferin Greene in Byzanz), mit 
dem man alfo auch am Oxus keineswegs unbekannt bleiben 
fonnte, daß in derfelben Zeit der verruchte Betrüger Al 
Motanna, „der Verfchleierte” oder der Khorafaner ger fi 
nannt, fein Ende gefunden habe, der durch allerlei Blendwerk das 
Volk betrog, und ausgab, wie in Adam und Noah und andern f 
Propheten, fo auch Gott in ihm ſich zeige. Er hatte ſich im 
Norden des Orus, zu Sena, im Gebiete von Keſch(ſ 
ob. ©.572 Nr. VII. und ©&.653, alfo in einer der Tfchaowuz 
Herrfchaften), eine Burg erbaut, und zahlreiche Anhänger in des 
ren Bertheidigung gegen die Ueberfälle gläubiger Moslemen ges 
funden, bis fie endlich doch mit dem Stifter und feinen Gefährs 
ten erobert ein Raub der Flammen ward. Seine Anhänger aber 
bildeten die aus Sndien entlehnte Lehre, fügt Nebm *), 
nah Elmafin und Abulfaradfch, von der Verförper 
rung der Gottheit (die Buddhamwerdung oder der Awatar) 
weiter aus, und nahmen, als außeres Unterfheidungsz 
zeichen, von den Anhängern der Abaſſiden, fuͤr ihre Fahnen 
und Gewaͤnder die weiße Farbe an. Dies wird hinreichend 
die damaligen chineſiſchen Annalifter auch in ſolchen Puncten, 
uͤber die uns die arabiſchen Autoren keinen erlaͤuternden Aufſchluß 
hinterlaſſen haben, gegen den Vorwurf eigener alberner Erfindun⸗ 
gen ſichern, wenn es ſchon zugegeben werden muß, daß fie nicht 
felten ohne fehr tief in den innern Zufammenhang der Dinge 
einzudringen, fich gewöhnlid nur an deren äußere Unterfcheis 
dungszeichen halten, aber diefe in ihren Chroniken und Beri 
erjtattungen doch mit einer in jenen Zeiten des Mittelalters ſelte⸗ 
nen Gewiſſenhaftigkeit und Genauigkeit, ohne welche ihre ganze 
— — 8 


































410) Ahnliedae Annal.1. c. p. 155. * Dr. Sr: Rehm Handbuch ber 
Geſchichte des Mittelalters B. II 2. Abth. Kaſſel 1833. ©. 14. 


Central Afien, Khangkiu, Samarfand, 667 


Führung der Keichsannalen auch nur ein Unding gewefen und 
ein Chaos geworden feyn würde, zu verfahren pflegen. 

Wie in jener Zeit der religiöfen Erifis in Turfeftan, 
bei den Jahrhunderte lang fortdauernden Neligionskriegen das 
feloft, zur Feftftellung des neuen dem Oſten Afiens fo fremden 
Dogmas „Gott ift Gott und Mohammed fein Prophet” überall 
erwirrungen der Ydeen, neue Meinungen, Secten durcheinans 
gehen und. ineinander einwirken mußten, davon giebt nur-wes 
nige Jahre zuvor, vom 5. 758 n. Chr. G. Abulfeda in derfelben 
Statthalterfchaft Khorafan, welche damals die Grenzmarf der 
gläubigen Korandiener gegen die ungläubigen Bewohner 
Turkeſtans in Transoriana und Hindoffan am Indus genannt 
werden Fann, ein merkwuͤrdiges Zeugnif, in der Shwärmer: 
fecte der Rawendier) (von Rawend, was Nhabarbers 
‚händler heißen fann, einem Khorafanen), welche durch die 
indifche Lehre der Seelenwanderung, aus einem 
Menfchenleite in-den andern Calfo wie der Buddhismus), die 
Lehre des Koran zu verfälfchen bemüht war, und cebenfalld wie 
"manche andere große Tumulte erregte, 

Wenn chinefifche Autoren in jhren Relationen folche Beges 
benheiten misverftehen, öfter fogar feltfam verdreht haben mögen, 
fo fann dies doc) gewiß nicht in Verwunderung feßen und ihrer 
"ganzen übrigen Berichterftattung zum Vorwurfe gereichen. 

Daß zu gleicher Zeit neben dem einheimifchen, gemifferz 
maßen altfegthifchen, blutigen Opfereultus, und dem eingeführten 
der Perfer: und Araber-Lchre, und andern Neligionsformen, auch 
noch die Buddhalehre dort Statt fand, ift ſchon früher ans 
geführt worden. Der djinefifche Autor feheint noch einmal in eis 
ner andern Stelle 8) daffelbe, obwol etwas verändert, zu wieder⸗ 
holen, wo er fagt: im Königreiche Khangkiu find 30 große Städte 
und 200 Dörfer; fie verehren den Feouthou (doch wol nur 
"derfelbe, den er oben Fo, d. i. Buddha, nannte, obwol der fols 
‚gende Zufag noch eine befondere Modification diefer Secte vors 
auszufegen ſcheint); fie bringen den boͤſen Geiftern Opfer und 
‚treiben magische Künfte. Beim elften Mond wird die Trommel 
geſchlagen, um Kälte zu bekommen, und das Geraͤuſch des Waſ— 
Fe das fie bei der Gelegenheit ausgießen, dient —9* als Muſik 












42) Abulfedae Annal. I. ©. p. 146; vergl. Rehm aa Do p- 10. 
- #3) Matouanlin b. Ab. Remusat I. c. I, p. 230. 



























668 Hefte Afien, 1: Abfıhnitt. $. 7. 


(riefe letzte Ueberſetzung, die faſt ſinnlos genannt werden muß, 
bemerkt fchon Ab. Remufat , der Ueberfeger, laſſe auf einen ver 
derbten Tert zurückichließen). 

Wir enden das Kapitel Aber Khangfiu mit den letzte 
Embaſſadenberichten “) von daher, die Matuanlin mittheilt. 
Sm Jahre 627 und 631 kam Tribut von da nach China; man 
nennt einen Löwen und andere Ihiere, auch einen Pfirfichbaum 
von Gold und Silber. (Solche Fleine Kunftbäumchen, aus Edel 
‚Steinen und edeln Metallen mit Vögeln u. dgl. geziert, wie ſie 
noch heute Lieblingsgaben in Oft» Aften zu fenn pflegen, als Iris 
but zu überfchiefen, vielleicht als Symbol der Vafallenfchaft wie 
bei den alten Perfern Erde, Waſſer und ein Baum gefordert 
ward, haben wir ſchon früher bei andern budppiftifchen Völkern 
angeführt). 

In den Yahren 650—655 wurde der Anger von Khangfi 
zum chinefifchen Gouverneur erhoben; im 3. 713 zahlte derfeldef 
Tribut in Cifenarbeiten, zumal in Küraffen und Schloͤſ⸗ 
fern, in Eryftallbüchfen, Agathvafen und Straußend 
eiern. Der föniglihe Prinz war in Krieg gegen, die Tach 
(Araber) verwickelt, und da er diefelben nicht hatte befiegen koͤn— 
nen, fo erbat er fich chinefifche Huͤlfstruppen, die aber der Kaifer 
wegen zu großer Entfernung verfagte. Später ward derfelbe (e 
hieß Ihoufo) zum Könige der Ihfao (Osruſchnah) erhoben, 
und Metchoue erhielt den Titel als König der Mi (Meimarg). 
Sie waren alfo wol aus ihren angeffammten Königreichen dur) 
die Araber gegen Nordſten in. gefchügtere Gebirgsprovinzen zu 
rücfgeworfen worden, aus denen aber diefe Art der alten ”- 
fchaft ſehr bald gänzlich verſchwand. 


5. Die Tahia ®) (Adot bei Herod. I. 125, Zdcı Arr. Exped, 
Al. III. 28, das Wort —— mit den weſtlichen Jaxoı nad) 
Strabo 304, Sau und Nazaı bei Ptol. VI. 10 und 135 die 
Dahae bei Plinius VI. 19). “a 


Die Tahia find befannt feit den Zeiten der Hanz daß fi 
von den Ta Yueti (Getae) aus ihren frühern Sitzen, aus fruc 
baren Ländergebieten Transorianas im Nordoften, verdrängt w 


++) Matuanlin b. Ab. Reinusat l. c.-p. 230. *°) Wen hiantloung 
khao Liv. CCCXXXVIIE. p.1 $, Ab. Remusat Notic. in Nonv, Mel, 
Asiat. TV. I. p. 219220, ; 


- Eentral⸗ Aſien, Tahia, Dahae. 669 


den, haben wir im obigen ans Sſematſlens Berichten mit Ber 
fimmtheit #) erfahren (f. 06. ©. 632). Tſchangkian fand fie 
m Jahre 122 v. Chr. Geb. ſchon auf die Südfeite des Quei, 
der Weis Fluffes (Vehrud, der Orus), verdrängt, in leb⸗ 
haftem Handelsverfehr mit Indien ſtehend (f. 06. ©.551). Sir 
haben Städte und Wohnhäufer; ihre Gewohnheiten gleichen, 
ach den chinefifchen Berichten, fehr denen der Ta Wan, die wir 
oben als ihre Stammpverwandte kennen lernten, von denen fie 
damals, an 100 geogr. Meilen (2000 Fi) entfernt, gegen Suͤd⸗— 
Deft, wohnten. Anfänglich war bei ihnen, fagt der Annalift, 
ein großes Oberhaupt oder Fein Fuͤrſt von Bedeutung; jede 
Stadt, jeder Flecken hatte fein befonderes Dberhaupt. Ihre Heere 
waren damals ſchwach, fie fürchteten den Krieg; aber fie trieben 
fehr ſtarken Handel. Auch wurden fie bei dem Einmarfch 
der Ta Yueti, oder Großen Geten, von diefen befiegt. Sie nah— 
men die Sefandten der Han ſehr wohlwollend auf (wol weil fie 
ihnen eine Stüße gegen ihre Verdranger zu finden hofften). 
Die Tahia koͤnnen ein Heer von 10,000 Mann bilden; fie has 
ben Marktpläge zum Taufhhandel, wo man alle Ars 
en Waaren vorfindet. Sſematſien giebt ihre Zahl auf 
ne Million Menfchen an, und nennt ihre Capitale Lanchis 
hing. Er begriff alfo wol mehrere der ihnen verwandten 
Stämme unter diefem Namen, der allerdings wol allgemeiner zu 
faflen war, als bei Matuanlin. (Die Lage Tahias feheint iden- 
fifch mit der des heutigen Balk zu fern.) 
Im ©D. der Tahia liegt das Königreich Yintu (d. i 
Thintu bei Sfematfien, oder Hiantu, Hindoftan, ſ. Alien B. II. 

























Mit dem Namen: diefeer Tahia fehen wir, wol mit höchfter 
Bahrfcheinlichkeit, von den Chinefen, daſſelbe Volk benannt, das 
früher in den Kriegsgefchichten Aleranders unter dem Namen der 
Dani (ziı Auaı*) oi ind 13 Tavaidog) no am Tanais, 
B. 1. hier der öftlihe Jaxartes (Sihon, Sir Daria), ans 


#6) Saematsien b. Brosset N. Journ. Asiat, II. p. 421. 


—* 


) Arriani Exped. Alex, Il. e. 28, 13 und 16. 


70 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt, 9 7. 


1. c.125) zu den perfifchen Völkern, oder zu denen die unter perfis 
fcher Herrschaft fanden; und wirklich war Beſſus, den Alexander Mi 
verfolgte, auf feiner Flucht, nach Arrian, von Truppen der Bak— 
trianen und Daae begleitet. Alerander befiegte, nad) Juſtinus 
XI. c. 6, die Dahae, die mit den Chorasmiern zugleich genannt 
werden. Strabo (Lib. XI. 511, Jaaı) kennt die Daae noch 
als ein ſehr zahlreiches Romadenvolk, auf der Oftfeite des 
Caspifchen Meeres, welches er mit Maffageten und Safen, 
als die großen ſkythiſchen Völker Inner Afiens im Norden Bak 
trianas zufammenftellt (Strabo XI. 508, 5115 /auı); obwol er 
nicht viel von ihnen zu fagen weiß, unftreitig weil, wie frühere 
hin die Maflageten, fo fpäter die Saken, als fiegreiche Völker 
mehr von ficy reden machten ald die Dahae. An der erften] 
Stelle fagt Strabo, daß die Daai auch Parni heißen, an der 
zweiten, daß ein Theil von ihnen Aparner, ein anderer Kansf 
thier, ein dritter Piffurer heiße, und daß die Aparner die 
nächften gegen Hyrkanien (am Südoftwinfel des Caspifchen Sees, 
wo Daheftan nach ihnen) wohnenden feyen. Von dem Yarartes, ii 
wo fie zu Aleranders Zeit nach Arrian Exped. 1. c. noch ihre 
Heimath hatten, muͤſſen fie alfo allgemach gegen S. undf 
S. W. verdrängt worden feyn, und wenn fie früher auch weiter 
oftwärts in Baktrien gewefen; fo fcheint ihr Name doch dafelöft 
auf dem llebergange zu Indien durch den Namen der 
Safen (wie alle Sfythen von den Derfern genannt wurden?‘ 
Persae illos Sacas in universtn Appellavere, Plin. H. N. VI, 191 
zurückgedrängt worden zu feyn. Denn dieſer Name Eaın, wie beif! 
Derfern, fo aud bei Indern (Sakas) ausfchließlich für 
alle, aus dem ſtythiſchen Afien in Indien einwanderndeft 
Dölker, in Gebrauch, Der Name der Tahia, oder Dahae, 
ward aber wenigftens weit nach dem Weften, bis Europa zum 
Iſter, verfchlagen, wo die befannten Dafen nad Strabo’s Meist 
nung, in alter Zeit auch Daoi hießen, und gleichſprachig 
mit Geten waren (Strabo VII. 304). Daß Strabo diefe jedoch 
nicht von den ffythifchen Daern herleiten will, weil ihm diefe zug 
fern im Often wohnten, fann uns hier für jest gleichgültig feynzih 
doch erinnern wir hier nur gelegentlicy an die merkwürdige Ex 
fcheinung, daß dort im Weften des Easpifshen Meeres, am Iſt 
Dafen (Dahae), Geten und fEythifche Völker neben ein— 
ander in fpäterer Zeit auftreten, wie in früherer Daai, Yueti 
(Getae) und Maffagetifche im Often deffelben, am Jaxartes 

























Central Ajien, Tahia, Dahae. 671 


und Orus. Plinius in H.N. VI, 19 zählt die Dahae auf der 
Dftfeite des Caspifchen Sers noch, nebft Safen und Maſſa— 
geten, zu den berühmteften Völkern, die den Parthern Widers 
ſtand leifteten, und XXXVI. ce. 33 führt er den Callais (Viridi 
pallens, Türkis) ald den Edelftein an, der im Lande der 
Saken und Dahae gefunden werde. Am Nordrande Khoras 
fans, im wahren damaligen Eiglande der Tahia, befuhte J. 
Frazer) neuerlich feloft die Tuͤrkisminen von Nifchapur, welche 
nebft denen zu Khodjend am Sir (Jaxartes) die einzigen befanns 
ten Türkfisminen find, wo der wahre Kalait vorfommt. Ptos 
emaeus VI. 10, feßte die Dahae noch, mit Strabo’s Worten, 
zu Maffageten und Parni; Amm. Marcellin fennt nur nod) eis 
nen zerfprengten Zweig derfelben am Pontus Eurinus (in Kaps 
padocien; Dahae acerrimi omnium bellatores XXI. 8. 21, vergl. 
Luc. Holst. Ann. p. 89); und Stephanus von Byzanz (s. v. 
Acar) nennt fie blos noch als Skythenvolk im Allgemeinen. 
Wenn diefe Dahae nun vollends als felbftftändiges Volt auf ı 
fiatifher Seite gänzlich verfehwinden, und nur ihr veräns 
derter Name noch im Lande der Dafen (Dacia) am Iſtros fort: 
lebt: fo ift. dies wol eben dem Umſtande zuzufchreiben, daß fie, 
wo einft ihre Hauptfraft war (Extremi hominum, indomiti Dahae, 
Scil. ad Araxen, Virgil. Aen. VII. v. 728), im baftrifchen Yande, 
am Jaxartes und Orus, als Befiegte der Yueti (Getae), fih in 
die ſtammverwandte Maffe der Sieger verlieren. Diefe aber find 
es, die nun wahrfcheinlih nach einem der fihon frühe fortges 
hobenen Stämme, der bei Chinefen Szu, Se oder Sai heißt, 
unter dem-allgemeinen Namen der Sacae (Iaxuı bei Griechen 
und Perſern, Safas der Hindu, worunter bei, ihnen wie bei 
Perſern, was fchon Herodot weiß, VIL 63, alle feythifchen Voͤl⸗ 
re begriffen find) auch einen allgemeinen Ruhm in den 
fiatifchen Angelegenheiten, und zumal als Vernichter des hel: 
kenifchzbaktrifchen Reiches, wie Strabo ausdrüdlich die 
Safen nennt (Lib. XI. 511), davon tragen, Keiner der alten 
Caſſiker weiß außer dem Namen, der Sise und der Tapferkeit 
des alten Volks der Dahae, etwas genaueres von ihnen zu ſagen; 






















ei 
48) J, Frazer in Transact, of the Geolog. Soc. Sec. Ser. Vol. I. 
— _ P.Il. p. 412; deff. Narrative in Kliorasan 1825. 4. p. 407 — 420; 
vergl. W. Ouseley Trav. Vol.]. p.210. E. Stirling in As. Journ. 
"N. Ser. 1831. Vol. V. p.87; Gotth. v. Fiſcher Nachrichten vom 
Tuͤrkis in Gilb, Annal. 1819. Bd. LXII. ©. 335 | 


.. hi 






















672 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 7. | 

den Chineſen⸗Berichten verdanken wir daher die einzigen ſpeciellen 
Nachrichten über fie. Ihre Tahia find aber unſtreitig keines 
wegs das ganze Volk derfelben, fondern nur eine der politischen 

Abteilungen derfelben, die als eine mehr dem Handel ergebene 
Colonifation auf der Süpdfeite des Orus ihre Aufmerkfamkeit vorz 
züglich in Anſpruch nahm, während deren Stammesverwandten, 
‚in den früher genannten Voͤlkergruppen zu fuchen ſeyn werden, 
oder in noch andern nomadiſch gebliebenen Horden uͤberhaupt, 
die fi mannichfach unter einander gemengt haben mögen. 


Erläuterung 4. 


Die Gruppe der Yueti (Getae); nach den Annalen der Han 
und nach Matuanlin. Die Se, Sai, Sacae (Zazaı) und 
Safas der Perfer und Inder. Die Großen und die "a 
nen Yueti; die Foeleouticha, Mletſch'has, Beludfchen. 
pin (Cophene), Kabuleftan; Fanyan, Bamiyan. 


Zu dem obfiegenden Voͤlkerſtamme (der Yueti) der genann⸗ 
ten Gruppe der zulegt Eingewanderten, welcher fo viele 
andere Voͤlkerzweige in ſich verfchlungen zu haben fcheint, und 
feleft wieder unter fremdartigen Namen (Safas, f. Afien IV.1. 
S. 485 u. a. D.) in feinen füdlichen Eroberungen auftritt, gehen 
wir zulegt, in diefer Aufzählung, nad den Chinefens Annalen,’ 
über, weil cs fo vielleicht möglich wird, nach) Ueberſchauung aller J 
frühern Angaben, in diefen hoͤchſt verwickelten und gewiß auch J 
nie ganz zu entwirrenden ethnographifchen Verhältniffen Centrals 
Aliens, doch weniaftens einiges Licht nach verfchiedenen Nichtum: 
gen hin zu gewinnen, und einigen wenn auch nur mehr oder we— 
niger wahrfcheinlihen Zufammenhang fo wichtiger, welt— 
biftorifcher Begebenheiten, der uns in der That fruͤherhin auch 
gaͤnzlich gefehlt hat. | 

Die chineſiſchen Annalen der alten Hans Dynaftie 9 
fiimmen hier über diefen Voͤlkerzweig (von Mitte der II. Jahrh. 
vor bis 20 J. n. Chr. ©.) glädlicher voeife volllommen in alle 1 
Hauptpuncten uͤberein, mit dem Sſeki des antiken Hiſtoriten 


2)Opissanie Dshungharia i wosstotschnawo Turkistana dv, Pat, Hya⸗ 
kinth I. c. on. Dr. Schott Erfier Theil fer. 


‚Sentral-Aften, Ta Yuetis 673 


Sfematfien®) (100 J. v. Chr. G.), wie mit der hiftori- 
ben Bibliothek Matuanlins (aus dem XII. Jahrh. ). 
us "diefer letern erhalten wir hier, nach Ab. Nemufat, unter 
wei Artikeln die Berichte über diefelben: nämlich unter den 
Abfchnitten der Großen und Kleinen Youeichi (Yueti)y), 
Die zwar, dem Namen nad) verwandten Yetha (Da). eines 
ben daſelbſt vorkommenden dritten Artikels bleiben ihrer Abe 
ammung nach, für uns noch unficher, zwifchen den Völkern 
etiſchen und turkiſchen Schlages. übrig; wir lafen die Notiz über 
aulest, folgen. 

Die Ta Yueiti oder Ta Yuete (nah Ab. Nemufats 
nfänglicher. Leſung Ta Youeich i). Diefe Großen Yueti 
ſeit den Zeiten der Han befannt. Von ihrem Eroherungs⸗ 
e gegen Weſt in das Land der Ta Wan (Ferghanad, und 
on ihrer Beſiegung der Tahia (Dahae) war früher die Rede 
06. ©. 420, 421, 548, 568), Ihre Sprache und Abſtammung, 
wir fchon fruͤher bemerkten, iſt uns durch Fein poſitives hiftos 
ches Zeugniß. bekannt; fie werden von den Chinefen nur als 
in von den Ufun verfchiedenes Volk angegeben. Daß fie früher 
Aſien I. ©. 193— 194, 352, 432 u. a. D.) als Völker tübetis 
hen Schlages von uns aufgeführt wurden, iſt wie gefagt, nicht 
f Ber. der —— — — die ihre Hefprüngliohe Derwandtfchaft 






















14 x fon ir ©. 605 die Rede war. Auch * uͤber die Sprache 
ine weitere Notiz bekannt. 

| Auch davon, daß die Ta Yueti anfänglich die Stämme der 
su, Se, Sai aus dem nördlichen Sogdiana, bei ih— 
m Cinzuge in Ta Wan, ſoͤdwaͤrts zum Oxus verdrangten, 
t früher die Nede gewefen (Aſien I. ©. 432), und diefes wich— 
ge Factum ift neuerlich durch die Annalen der Han), aus ihz 


#6) Ssematsien ‚Relation du Pays de Ta onan v. Brosset Nouv, 
vr Journ. Asiat. T. Il. p. 420 — 425. ) Wen hian thoung khao 
Liv. CCCXXXVM. "Bl Ab. Remusat Notice etc. de. Matouanlin in 
UN. Mel. Asiat. T.I. p.220— 225. *2) Klaproth Tabl. hist. de 
* Asie p. 132 Not. 163; nach dem Wen hian thung kao Band 98, 
th. 337, des Eremplars der Parifer Bibl. Nr. 57 des alten Gas 
talogs, der die eigentliche Quelle der erfien Klaprothfchen Unter- 
—* fuchhungen über die Ufun und Yueti war, melde von ihm in feinen 
Tabl. histor, aber verfchtwiegen wurde. ° °?) Vergl. Foe koue ki 
eh. VII. Not. 3. p.39, aus dem Tbsian han chou Liv. LXL, p1—5, 


Ritter Erdkunde VIE | Un 


x 


Verwandtſchaft in der That eigen war, wird wol auch ſchon da 




















674 Weſt⸗-Aſien. J. Abfehnitt. 8. 7. 


ver Originalquelle, vollkommen beftätigt (T. 06. ©. r 
Daraus wird es begreiflich, wie Safen, deren Name in & 
Sai, oder Se, durch Chinefen wiedergegeben ward, die Ve 
nichter des helfenifch s bactrifchen Reiches (Strabo 511), werden 
da fie von den Yueti dazır gedrängt find. Ahr Name, der “ 


fireitig früher fhon als Allgemeiner Skythenname 
Perfern und Hindus (als Sakas, Iuxar) in Gebra 
war, und auch, von Hero dot, als eine der vier großen Wölfer 
ſchaften der Erde im Allgemeinen git (Saten, Inder 
Affprier, Aethiopen VI. 9), kommt aber zur Macedonidt 
Zeit nur ale Bezeichnung der Truppen im Dienfte der Perfer 
heere vor (nämlich als ſtythiſche Bogenfhüsen zu Pferd 
nicht af freies Volk oder Königreich, f. Arrian Exped. Alex. Il 
8,5 und 11, 5; VII. 10,11, fo auch bei Herod. II. 93, VI. 64) 
Daß er erſt foätethii, im Abendlande, zu einem ruhmvollen 
als Beſieger baktriſcher Hellenen, bei Griechen und Roͤmern, weil 
den Fonnte, naͤmlich feit dem zweiten Jahrh. vor der chriftl. Aerec 
begreift man leicht. Hieraus. aber ift e8 wol eben fo erklärbar, wi 
der Name der Saken auf ihre nachruͤckenden Verdränger, die we 
sahlreichern Yeti (Getae), welche in den Augen aller ſuͤdlicher 
Voͤlker, wie der Perſer und Inder, zu denen fie mit jenen, if 
ven Vorgängern, vorfchritten, übergehen mußte; wie auch, daß | 
in Kriegführung, Sitte, Sprache und Cultur als den ſtythiſchen fehl 
nahe verwandte Voͤlkerſchaften erfchienen feyn werden, und diefe m 
jenen als nur zu einem und demfelben Stamme, dem der Sal 
kas gehörig, betrachtet wurden, was bei dem fchroffen Gegenfa 
zwifchen Indern und feythifchen Völkern auch fehr begreiflich n 
Daß jenen beiden aber, unter fich, überhaupt aller Eriegerifcheh 
Fehde ungeachtet, Fein abfoluter Gegenfaß, vielmehr eine gewiſ 


durch wahrfcheinlich, daß die chinefifchen Annalen fowol bemerken 
wie von Anfang an, ſchon in ihrer Heimath, ander Gren 
Chinas, die Yuete mit den blauäugigen, blonden Ufun gemifcht® 
Icbten, wie auch daß nach der Wanderung und Verdrängung 9 
gen Weft, was die Han: Annalen. ausdrücklich fagen, immer no 
Tribus der Se (Saten) und Yueti (Getae) unter den ufu | 
fisen geblieben (f. ob. ©.615). Diefelbe Erfcheinung des Durch 
einanderwohnens diefer verfchiedenen Tribus I * bei ihren 





#*) Tableaux histor. de läsie Pr 132 Er 8 


Central: Afien, Ta Yueti, 75 


ſteten Fortfchreiten im andere Territorien, bei Ihren Wanderungen 
und Eroberungen, bei ihrer fteten Zerfpaltung in vielfache Herr⸗ 
ſchaften immer wiederholen, und zumal bei der Duldung der Bes 
‚fiegten (Hörigen) durch die Sieger, welche nicht auf Ausrottung 
der Völker, wie die Mongholen, ausgingen. Diefes im Deccident 
bekanntere Verhältnig ift zumal in dem ArfacidensMeiche, oder bei 
den Partherns), die nach Juſtinus auch nur ein Zweig des 
großen Skythenſtammes, oder ein Theil diefer Wölkermaffe waren 
(nam Seytlico sermone Parthi exsules dicuntur, Justin. 40. 1), 
Br getanere Forſchung nachgewiefen worden. 








41. Die Großen Yueti. 


Die ſpeciellen Nachrichten über jene Yueti find nun fol⸗ 
gende, zur Zeit der Han: Dpnaftie: Im Weften wohnen ihnen 
die Aft, im Süden die Tahia; ihre Capitale ift Lanchi (derfelbe 
Name, wie oben bei-den Tahia), im Welten der Ta Wan, 2000 
bis 3000 Li (100 bis 150 geogr, Meilen), im Norden des Wei: 
Fluffes (Orus) gelegen. Dom Norden her (von wo?) find 49 
Zagemärfche bis Khangkiu. 

Man zählt hunderttaufend Familien der Yueti. Land, Clima, - 
Pandesproducte, Sitten der Einwohner, Münzen, Waaren, die 
man von daher erhält, Alles ift wie bei den Afi (f. ob. ©. 654). 
Anfänglich waren die Yueti Nomaden mit ihren Heerden umhers 
ziehend, und ihre Sagerorte wechfelten nach Art des Hiongnu, obs 
wol‘ fie dieſe verachteten. Man zählte bei ihnen hunderttaufend 
Bogenſchuͤtzen. 

Sie theilten, nach ihrer Beſitznahme, das Land der Tahia 
in 5 Herrſchaften; uͤber 100 Jahre ſpaͤter (etwa im I. Jahrh. n. 
Chr. Geb.) *6), hatte einer der 5 Gebieter dieſer Herrſchaften, 
Prinz Kouerchouang Truppen ausgehoben, mit denen ex die 
4 andern unterjochte und fich zum Könige erhob; deshalb Koͤ— 
nig Koneihouang genannt. Derfelbe (oder deffen Nachfols 
ger) unterwarf fih auch die Yetha und Kipin (nah Ab. Re— 
muſat ein anderer Zweig der Geten und Kophene), bemaͤchtigte 
ſich ihrer Beſitzungen, wobei auch Kaofu (Kabul) und Hantha 
Eandahar?) genannt wird, Andere vorklommende Namen find 


—* 


) St, Martin Discours sur l’Origine et l’Histoire des Arsacides in 
Journ. Asiat, 1822. T. l. p.69—77, 26) Foekoueki 1. c. 
Not,9 p.83, 

Uu2 








676 Weſt⸗Aſien. L Abſchnitt. F. 7. 


noch ungewiſſer. So ward er auch Here von Yintu (Chintw 
Hiantu, NordsHindoftan). Die Könige der Yueti behiel⸗ 
ten die Herrfchaft in diefen Gegenden bis in das IL. Sahıh. 
Anfang des V. Jahrh. ift noch von ihren 1eberfällen in Indien 
die Rede. Seit jener früheften Zeit waren die Yueti eine reiche” 
und mächtige Nation; fie blieben dies auch, nämlich ſchon in ih⸗ 
ren nördlichen Sigen bis zu den Zeiten der zweiten Dans Dynar 
ftie; als aber die Jouan jouan im Norden an fie heran rück 
ten, wurden fie von denfelben öfter durch Weberfälle heimgefucht, 
Sie zogen daher gegen S.W., und fiedelten fich in der Stadt‘ 
Polo (Balkh) an, die 100 geogr, Meilen (2100 Li) von Fer 
ticha (2) entfernt ift. Späterhin fammelte ihr tapferer Koͤnig Ki- 
tolo eine Armee, überftieg gegen Süden das Hochgebirge) 
Gindu Khu) und fiel vom Norden her in Indien ein. Alles 
Sand im Norden von Kan tho lo (Kandahar), aus 5 Neichen | 
beftehend, unterwarf fih ihm. — Dies wäre alfo, nach hinzfiz 
fchen wiederholt beftätigenden Angaben, die Eroberung der Nord: 
weftfeite des Indus durch die fogenannten In do/Skythen. 

Die Landeseinwohner, fagt der hinefifche Bericht bei Mas 
tuanlin weiter, fahren dort auf Karren mit 4 Rädern von 4, 
6 bis 8 Ochfen gezogen, je nachdem jene groß find. Zur ‚Zeit der. 
Weis Dpynaftie Cim IV. und V. Jahrh. nach Chr. Geb.) kamen 
Kaufleute von den Yueti, und rühmten fich der Kunft Steine 
zu fiymeljen und daraus Glas in allen Farben zu bereiten. 
Sie verfertigten dies von der fchönften Art, und erhielten die Erz 
laubniß in der chinefifchen Capitale eine Fabrik der Art anzules 
. gen; feitdem ward der Gebrauch des Glafes allgemein, und hörte 
auf eine Koftbarkeit aus der Fremde zu feyn. Denn vor Zeiten 
gehörte das Glas zu den Koftbarkeiten aus dem Lande der 
Yueti. Auch war bei ihnen von einer Art merkwärdiger Hamz 
mel die Nede, deren Schwanz bis 10 Pfund wiegen foll, und 
welcher vorzüglich zu Opfern (bei Perfern) diente, 


2. Die Kleinen Yueti, die Foeleoutfha, Mletfch’ bar 
Beludfhian, Beludfchen. 


Die Kleinen Yueti (verfchieden von dem zwifchen Shina 
und Tuͤbet figen gebliebenen Suͤdzweige) wohnten urfprünglich, 
ebenfalls an der Grenze von Schenft, im nordweftlichen China, 

Ihre Kleidung glich fehr derjenigen der Khiang (Tübeter). Aber 
fie folgten ihren Heerden, mit denen fie in die Ferne zogen. Sie 











* 


Lentral⸗ Aſien, Kleine Yueti, Foeleoutſcha. 677 


wurden, gleich den Vandalen in Europa, am weiteſten gegen 
Weſt und Suͤdweſt verſchlagen. Ihre Capitale liegt im Suͤdweſt 
von Pholo GBalkh); fie Heißt Foe leouſtſcha (ſ. ob. S. 549), 
worin wir ſchon oben den Namen Beludſchen, der gewoͤhn— 
lic) für weit jünger gehalten ward, nach Ab. Remuſat erfennen 
mußten, Ihr König war Sohn von Kitolo, dem diefer jenes 
Gebiet zum Schuß uͤbergab, als er durch den Ueberfall der nors 
difchen Horden der Jouan jouan vom SianpisStamme gende 
thigt ward gegen den Weſten auszuweichen. Daher erhielt ſeit— 
dem diefer Abzweig des Volkes den Namen der Kleinen Yueti, 
Sie fihlagen Münzen von Gold und Silber. 10 im 
Dften ihrer Stadt fteht ein Thurn (Sutupo), dem Buddha 
(For) heilig. Er hat 300 Schritt in Umfang und SO Klafter 
Höhe. Seit der Zeit der Erbauung big zum achten Jahre Wu— 
ting (d. i. im 5. 550 n. Chr. Geb.) find 842 Jahr verfloffen — 
er ward hiernach alfo fihon 292 Jahr vor Chr. Geb, erbaut (f. 
oben ©. 297)., Dies nennt man den Plan oder das Bild 
Buddhas. — Diefe Erbauung des genannten Sutupo geht 
nad) diefer Chinefen Angabe in zwei Sahihunderte vor den Eins 
- fall der indosfeythifchen Völkerfchaften in jene Gegenden zurück, 
in jene Zeiten kurz nad) Alexander M. Rückkehr aus Indien nach 
Babylon, wo alfo fihon hiernach, weit früher Buddhacrultus auf 
der Weftfeite des Indus verbreitet gewefen wäre. — 

Man wird fehr geneigt ſeyn diefes frühefte Auftreten 
des Namens der Beludfchen, die man frit Pottingers 
Reiſen und Forfhungen 57), in ihren heutigen Sigen, erſt feit dem 
- XV. Jahrhundert Eennt, oder nach unfern eigenen frühern Hin— 
weifungen $) nah Ebn Haufal im V. Jahrh. der Hegira, alfo 
im XI. Jahrh. n. Chr. ©. dafelbft, um das Jahr 1000 n. Chr. 
G., und dann wieder zu Timurs Zeit, um 1400, glaubte als 
bloße Raͤuber der Wüften 5%) hervortauchen zu fehen, für eine Far 
belei der Chinefen zu halten. Mit Pottinger, der ihre Kenntnig 
wieder in die heutige Ethnographie einführte, nahm man feitdem 
an, daß als die erften Seidſchuken in Khorafan einbrachen, mit 
den Kämpfen Toghrulbeks gegen die Ghaznaviden, zum erften 


s7) Pottinger historical Memoirs of the Countries explored during 
a tour through Beloochistan and a Part of Persia etc. in deſſ. 
Travels in -Beloochistan,, Lond. 1816. 4. p. 250, 268, 275. 

5°) Erdkunde 1818. erfie Aufl. TH. 1. ©, 67. 62) Ebn Haukal 
in Oriental, Gevgr. ed. W. Oouseley jr 


678 Weſt⸗-Aſien. 1 Abſchnitt. $ 7. 


male der Name der Belndfchen in demfelben Lande genannt 
merde, in welchem fie noch heute ihre Sitze haben (füdwärts Kans 
dahar nach Kelat), _Pottinger hielt fie für einen Reſt turfomas - 
nifcher mit den Seldfchufen verwandter Stämme, die nad) uns 
glücklichen Kämpfen fich in diefe ihre heutigen Afnle, in das Falte 
Hochland des füdöftlichen Yran zuruͤckzogen, wo fie noch heute in 
Geſetzen, Gebräuchen, Religion ihm ganz turfomanifch erfchienen, 
nur nicht der Sprache nach, da fie perfifche Dialerte angenommen. 
Aus dem was wir oben S. 150, 179, 184, 187, 549 und andern 
frühern Stellen angeführt, ift e8 wol gewiß, daß ein großer Theil 
der heutigen Population auf der Wefkfeite des Indus, fids 
waͤrts Kabuleftans, ans den Völferreften vielfacher indos 
ſkythiſcher Cindringlinge aus jenen frühern Yahrhunderten 
indosfythifcher Neiche herftammt, Jener Thurmbau im Könige «| 
reich Foeleoutfcha würde aber noch in eine weit Ältere Zeit 
zurückgehen, in welcher noch von feinen indo⸗ſkythiſchen 
Völkern (die erſt feit dem Sturz des helfenifchen Baftriana dort 
eindringen, 136 yor Chr, G.) im Suͤden des indifchen Kaufafus 

die Rede war, Ab, Remuſat felbft trante frinen Augen faum, 
als er im Foe koue fi ®), d. i, in Fa Hians Pilgerreife, 
vom Sabre 400 n, Chr, G,, aanz entfchieden durch diefen Augens 
zeugen das Borhandenfenn der fehr buddhiftifch ges 
finnten Beludfchen (Foe leoutcha) beftätigt fand. Fa 
Hian befuchte feloft von Kandahar (Kianthomwei der Chis 
nefen, d, i, Gandhara bei Hindas) aus, 4 Tagereifen gegen 
Suͤd wandernd, das Koͤnigreich Foeleou tcha, durch welches 
nad) dortiger Legende, vor alten Zeiten Buddha (Foe, daher, 
die chineſiſche Umſchreibung des Sansfritlautes) mit feinen Schuͤ⸗ 
lern gewandert war, und zelotiſche Verehrer gefunden hatte, die 
durch Thurmbauten (Reliquien, Denfmale, Stupas, Sutupos, 
Topes) feinen Namen verherrlichten, Ein großer Stupa von 40 
Klafter Höhe (wol derfelbe, der anderwärts das Maaß ©!) von 80 
erhält, und nach Beitärigung obiger Angabe bei Matuanlin, ſchon 
292 Jahr vor Chr. G., alfo über 150 Jahr vor dem Sturze des 
helleniſchen Baktrianas erbaut ward), wird dafelbft, von ihm, 
nebft vielen andern Merfwürdigkeiten befchrieben. In demfelben 
Kapitel wird gefagt, er. in dieſem Königreiche der Pudd has 


Er te — — 


9 Foe kone ki, ch. XII. Royanme Forleou cha p. 76 Not.1 5 78% 
ebend. p. 84 Not. 4. 






















Central⸗Aſien, Foeleoutſcha, Beludfhen. 679 


Topf ſich befand, welcher als eine fo heilige Reliquie diefes 
Stifters der Buddhadoctrin galt, daß ein König der Yueti, 
der ein ſtrenger Anhänger Buddhas geworden war, deshalb, 
nit einem großen Heere in das Land der Foeleoutcha (d.h. 
er Buddhaverehrer) einfiel, um diefen Topf des Buddha zu raus 
ben. Da er aber diefe Reliquie, aller Anftrengung ungeachtet, 
icht von der Stelle zu bringen vermochte: fo erkannte er daran, 
ap das Schiekfal diefes Topfes noch nicht erfüllt ſey. Er ließ 
uͤr denſelben einen großen Sutupo (Tope, alſo einen Reliquien⸗ 
hurm nach Art der dort ſchon fruͤher vorhandenen Architectu— 
ten), und daneben ein Sengkialan (f. ob. ©. 354) fuͤr 700 
Dieligiofe erbauen, gab diefen Schuß und reiche Dotationen, und 
fehrte wieder mit feinem Heere zurück. — Gewiß ift es nicht uns 
gerkwuͤrdig, daß diefer Topf (bekanntlich der Neistopf®2), in 
welchem die enthaltfamen Samanäer ein geringes Maaß 
don Reis zu ihrer Nahrung als Almoſen einzufammeln haben, 
mac) der Vorfchrift der Buddhadoetrin) noch heute in den Sus 
tupos von Kabuleftan als Eleine Urne ausgegraben ward, und 
daß diefe lerne aus dem Topfftein verfertigt ift — damals 
mwahrfcheintich fenn mußte — der im antiken Lande der Foe— 
eoutcha, bei Kandahar, als eine Serpentinfteinart eins 
heimiſches Muftergeftein ift (f. ob, ©. 292). 

| Diefe Legende (obwol nur Legende, doch fihon aus dem IV. 
Jahrhundert) beftätigt alfo dennoch das Höhere Alter der Foe— 
feou tcha, nach obigen chinefifchen Daten, vor der Indo— 
Skythen Zeiten, in demfelben Lande, wo weit fpäter 
erfi der Name der Beludfchen befannt wird. So widerſpre— 
hend dies nun auch gegen alle modernen Anfichten über diefes 
Wolf klingen mag, fo feheint es doch damit, wie mit fo vielen 
andern der oben berührten Angaben, vom chinefifchen Stand: 
puncte aus, feine vollfommene Nichtigkeit zu haben; denn wie 
wäre die bloße Erfinnung einer Zabel bei Chinefen denkbar, die 
von der Weftwelt fo wenig wußten, und welche doch zu der Auf, 
Eärung ihrer dunfelften Gefchichten die hellſten Lichiftrahlen vers 
breiten hilft. Sind die Safas in Menus Geſetz und im 
Mahabharata®), ſchon als jene indo-ſkythiſchen Voͤl— 
kergeſchlechter, vor der Aera Sakabda (f. Aſien IV: 1. 


2) Foekoueki I. c. p.82 Not. 8. *3) Chr. Lassen Pentapota- 
mia Ind. p. 36, 60. 
























680 Weſt⸗Aſien. I. Abſchnitt. 5. J..— 


©. 485 — 486) anerkannt, und muͤſſen wir mit dem trefflichſt 

critiſchen Forſcher auf dieſem Gebiete, mit Laſſen, in den die 
Safas begleitenden Paradas der Sanskritwerke die Part 
erkennen, in den Davanas (Jonier) aber die Hellenen in d 
baftrifchen Herrfchaftz fo liegt e8 uns ganz nahe, was ſche 
v. Bohlen) zuerſt wagte, in dem Sanserit-Namen jener weil 
lihen fo fehr von DBrahmadienern verachteten Mletſch'has 
(mit Turuchka u. A., Aſien I. S. 115 I. ©. 654— 655; II 
&.1098— 1100; vergl. IV.1. ©. 454, 467, 484), diefes Volk zul 
erkennen, deſſen Sanskritfchreibung im Perfifchen in —5 
ſchen (im Buche Basato'l Ard, nad Th. Hyde, welches u 

übrigens unbefannt geblieben ift) ganz fprachgemäß uͤbertragen 
ward. Diefe Ausfprache mußte fchon den chinefifchen, frommen, 
buddhiſtiſchen Pilger, der in ihrem Lande fo zelotifche Buddha 
diener, am Ende des IV. Yahrhunderts, vorfand, zu der natuͤr— 
lichen Umfchreibung diefes Namens im Chinefifchen, als Foe— 
leoutcha veranlajfen. Den uralten Sanskritnamen der Mle— 
tſch'ha, alfo, finden wir Ende des IV. Jahrhunderts bei Chinks 
fen als Foeleoutdha; im VI. Jahrh. bei dem buddhiſtiſchen 
Pilger Hiuan Ihfang ſchon die neuere Schreibart Palous 
ch a 68), und bei Perfern, nach einem Kriegszuge, den ihrer And 
gabe nah Nuſchirwan gegen das Yahr 600 n. Chr. Geb, 
nach Indien gemacht haben foll (er regiert von 532— 579), al 
Beludfhian) aufgeführt, von deren Stamme, damals, ein 
Ufurpator, Beludſchi (Belügj) genannt, die Herrfchaft in 
Indien, von Kanoge an bis Sind zum Meere, inne gehabt. Die 
fer Ufurpator, vom Beludfchen-Stamme, der von Nuſchit 
wan befiegt ward, foll das erfte Schachfpiel vom Ganges an 
den Perferfönig gefchieft haben. Wir ſehen daraus, daß auch 
ſchon fo frühzeitig diefes Eriegerifche Volt durch Incurſionen feine 
indischen Nachbaren bis auf den Thron von Kanodge am Gan— 
ges hin, in Verwirrung gefegt hatte, wie dies früher zu Vier 
madityas Zeiten Indo-Skythen oder Sakas gethan, und nad 
Obigen, auch heute dies noch der Fall ift, da die Talpurkı 
Dynaſtie der drei Amir auf dem Thron von Sind, gegenwaͤr 
tig noch, dem Beludſchen-Stamme angehört (f. ob. ©.184) 





“*) Das alte Indien a. a. ©. Th. I. p. 5, 95 °5) Foekoueki 
Not. ku p. 78: es) Th. Hyde’ Historia Shahiludii in de Ludis 
Obmäillum Lib. I. Oxonii 1094. 8. p.46 — 47. 


Eentral⸗ Aſien, Beludſchen, Mletſchhas. 681 


Die weſthlichen Barbaren konnten alſo durch viele Jahrhun—⸗ 
derte hin die wahre, bis heute drohende Plage der Inder genannt 
werden. 

Sollte nun uͤber das fruͤhzeitige buddhiſtiſche Leben dieſer 
Beludſchen noch irgend ein leiſer Zweifel vorwalten, fo erins 
nern wir, hinfichtlich jener Alteften Herleitung’ des buddhiſtiſchen 
Mamens Foeleoutcha, an das bisher überfehene ‚merkwürdige 
Eitat bei Ebn Haukal, welches. in der alten Schreibart „Bo⸗ 
loujes“ oder Bolouche fogar noch eine Beftätigung jener etys 
mologifchen Ableitung darbietet, noch mehr aber in der Bes 
deutung, melde zwar auf „Männer der Wüfte” allge 
mein angewendet ift, die aber, wie Dufeley fagt, auch eben fo 
gut, dem urfprünglichen Sinne gemäß, fih auf einſame Eremiten 
(buddhiſtiſche Einfiedler, Asceten) beziehen kann”). Hierdurch 
wird W. Dufeleys Hypotheſe der arabifchen Abftammung dies 
fes Volkes aus Hejaz, nach den angeführten Stellen, überflüffig, 
und deffen Eorrectur im Text; welcher fagte: „they do not infest 
the roads” was Qufeley willkürlich in den Gegenfaß umwandelte 
„they do infest the roads” fogar fehr zweifelhaft; denn wenn 
dort Kouch und Bolouch als nebeneinander wohnend genannt 
find, fo koͤnnen die Kouch auch Karawanenplünderer fenn, ohne 
daß es darum die Bolouch find oder von jeher waren. Won den 
Schimpfnamen der Barbaren und fupiden Völker wird man diefe 
Bolouch (Feou leou tcha) freilich nicht reinigen koͤnnen, da fie dies 
fen bei Brahmadienern wie bei Perfern und arabifchen Autoren 
ſich gefallen laffen mußten. Die Worte im Tert Ebn Haufals 
und der Mote find: „die Boloujes find in der Wüfte Kefes, 
und Kefes in der Parfifprache ift Kouch, fie nennen diefe beis 
den Voͤlker Kouh und Boloud. Die Bolouch find ein 
Rolf des Sehra Nifchin (d. h. who dwell in the desert, wo— 
durch auch ein solitary man, a hermit bezeichnet wird); fie beläs 
ftigen die Wege nicht, fie haben vor feinem Menfchen Reſpect.“ 
Die folgenden Citate im Appendir beftätigen nun die fpäterhin 
allgemein befannten Naubüberfälle der Bolouch, die in der von 
Th. Hyde, de Shahiludio, citirten Stelle zwar Belludfchi ges 
fchrieben werden, obwol von ihrem Könige, den Ih. Hyde mit dem 


7) Ebn Haukal n Orient. Geography ed. Will. Ouseley, Lond. 
4 


1800. 4. p. 140— 141 und Not., desgl. ebend. Appendix Nr. II. 
pP 283 — 292. 


u82 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. % 7. 


von Belhara (f. Aſien IV. 1. ©. 550) identificirt, und welcher 
von da aus erft Kanodje erobert haben foll, ausdrücklich gefagt h 
wird, daß er das Idol des Budd verehre (ejusque eultus 
est Idoli Budd) 6), Daffelbe beftätigt Edrifi ®) im Artifel Bels 
hara (Nehrwala, d. i, Narwar in Guzurate, Aften IV. 1. ©.552), 
mo deffen König ebenfalls ein Buddhaverehrer genannt ift. Ob. ! 
gegenwärtig bei Beludfchen noch Spuren ihres alten Dez 
cultus zu finden feyn werden, 9— erſt weitere Erforſchung im 
Lande ſelbſt lehren. 





3. Kipin (Cophene), Kabuleſtan. 


Von dieſen Foe leoutcha und Kantho wei, oder Bes 
ludſchiſtan und Kandahar, befisen wir bei Chinefen außer | 
dem oben ſchon Angeführten (f. ob. ©. 568, 576) feine nähere 
" Machrichtenz wol aber noch von Fanyan (Bamiyan) und 
Kipin (Cophene, oder Kabuleftan), welshes zwiſchen Kandas - 
har und Balkh gelegen iſt; alfo die erfte Eroberung der Yueti, | 
m Süden des Hindu Khu war, Sowol in den Annalen der | 
Han felbft, wie in Matuanlins hiftorifcher Bibliothek, befindet fi ich 
darüber ein Artikel, welcher Iegtere von Ab. Remuſat mitges 
theilt ward. Obwol fchon früher von Kabuleftan die Rede war, 
fo fügen avir doch hier zur Ergänzung der Ethnographie und Geos - 
grapbie Central: Afiens, zwifchen der Macedonier und Araber 
Zeit, aus chinefifchen Duellen, auch diefe Notiz über diefe 
beiden Zwifchenreiche bei, wodurch das ganze ethnographifche Ges - 
mälde jener Periode vollftändig wird. Zuerft die Altefte Nachricht 
aus den Hans Annalen 70), und an den betreffenden Stellen die - 
Abweichungen bei Matuanlin *L). 

Der Fürftvon Kipin (Eophene) hat feine Reſidenz in 
Sünfin (Siunfian b. Ab, Remuſat, fpäter Sieoufian, f. # 
“ob. ©. 576) 12,200 Li (610 geogr. Meilen) fern von Tſchang⸗ 
ngan, oder der Nordweftgrenze Schenfis. Er it von dem 54 
ſiſchen Generalgouverneur in Turfan (ſ. ob. ©, br — 9 — 


) Th. Hyde Historia Shahiludii I, c. p. 45. *») Edrisi Geo- 
graphie ed. A. Jaubert. Paris 1836. 4. T. I. p. 179. | 

10) rg Dsbungharia ete. von Pat. Hyakinth, St. Petersburg 
1829. 2. Abth. von Dr. Schott. 21) Wen hian Tlioung — 
Liv. CECKXXVIE p- 19 etc. in Ab. Remusat Ks Alcl, Asiat. 
TR p- 205. 



















Central⸗Aſien, Kiyin, Cophene, Kabuleftan, 683 


19, und gilt wegen der Menge feiner Untiripaßen und Krieger 
t einen mächtigen Potentaten, 

Pe Gegen ND, find 6840 Li (340 geogr, Meilen) bis zur Heft is 
en; des Generalgouverneurs, und gegen Oft 2250 Li (112 geog. 
Meilen) bis nach Yadfcha (Badakhfchan), Gegen N.O. find 9 
agereifen bis zum Königreich) Nandu (Nanteou bei A. Remufat, 
m Wet von Badakhſchan). Gegen MW. grenzt Kipin an 
ie Großen Yueti und gegen S.W. an Ugheſchanli (das öfts 
che Perfien), Als die Hiongnu die Yueti verjagt hatten, uns 
erwarfen diefe fih im Weſten das Reich Tahia; der König 
er Se (Sai, Safen) nahm Kipin in Süden ein. Die 
De:Tribus wohnen zerftreut und find flets von Andern abs 
yangig (ftatt deflen fagt Matuanlin: um hie und da verfchies 
sene Königreiche zu gründen); wirklich find auch. von Sule (Kaſch⸗ 
Ihar), in N.W. an, alle Gebiete der Hieouſiun (Ufun?) 
ind der Siuntu (Sind) von allen Tribus der Sai (alfo 
Dafas, wie auch die Sansfritfehriften im weiteften Sinne ans 
jegeben) bewohnt, 

Kipin ift ein Land, das Ebenen hat, und ein temperirtes 
Tlima. Zu den Sandesproducten gehören: Honig, verfchiedene 
flanzenarten, feltene Bäume, 3. B. Sandelhols (?), Erbfenbaume 
bei Matuanlin), Mufu (Herba medica, f. ob. ©. 637) und ans 
dere Pflanzen; an Bäumen der Ihanhoai, fin, Bambus, eine 
Art Firnisbaum, 

Man ſaͤet verfchiedene Arten Getreide, baut Weinreben und 
Obſt. Gärten und Felder werden gedüngtz die bemäflerten Mies 
derungen bringen Reis hervor, Selbft im Winter ift man frifche 
Gemuͤſe (über diefe Produkte vergl. ob. ©. 304 — 305), 

Die Einwohner find fleißig, gefchieft in mancherlei Schnitz⸗ 
arbeit, in der Baufunft, dem Weben und Sticken, in der Anfers 
tigung der Seidenftoffe. Sie lieben ausgefuchte Speifen. 
Auf ihren Bazars findet man Gefäße von Gold und Silber, 
fupferne und zinnerne Geräthfchaften. Sie fertigen Geld; 
und Silber-Münzen, die auf einer Seite das Bild 
eines Reiters haben, auf derandern einen menfchs 
liben Kopf. — Diefe numismatifche Characteriftit des Chines 
fenberichtes entfpricht fehr auffallınd den juͤngſt erft in Kabuleftan, 
zumal um Beghram und Manifyala (f, 06, ©, 295,105), fo zahlreich 
gefundenen Reitermuͤnzen mit gefenfter Lanze, auf der einen 
und dem Königsfopfe eines Azes, Azilifes, Mokadphiſes, Ka: 




























684 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 7 


nerkos u. a. auf der andern Seite, welche von Maſſon, J. 
Prinſep, Raoul Rochette u. U als zu dersindosffythi 
ſchen Reihe 72) diefer Muͤnzſchaͤtze gehörig anerkannt wurden, 
Aber auch die baftrifche Reihe derfelben zeigt in der Eukratides 
Münze, welche zuerft von &. Bayer) öffentlich mitgetheilt 
ward, daſſelbe characteriſtiſche Gepraͤge, dem eine ſehr große Zahl 
anderer nachgefolgt iſt, während viele der dort gefundenen Muͤn— 
zen anderer Reihen durch ganz andere Gepräge characterifirt find« 
Bei jenen find die Legenden in Pehlvi und verderdten griechiſchen 
Buchflaben, fo daß man den baftrifchz helfenifchen Einfluß der 
Eultur, auf diefe indosfenthifchen, ſakiſchen oder getifchen Fürftene 
gefchlechter bei ihrem Vordringen auf die Südfeite des Hindu Khu 
nicht verfennen kann; wenn fie auch, wie Ch. Maffon nach 
feinen Münzergebniffen am angeführten Orte wahrfcheinlich zuf 
machen gefucht hat, nicht lange Zeit auf dem eigentlichen bak⸗ 
triſchen Throne (wol durch Parther verdraͤngt), naͤmlich im Horse 
den des Hindu Khu, fisen blieben, fondern ihre Hauptmaſſe 
frühzeitig über deffen Süpdfeite zu dem Weftufer des ande forts 
ſchritt. — 

Andere Ergeugniffe von Kipin, fagen die Annalen der Han, 
wobei man eben nicht dort einheimifche Produkte, fondern nur 
Waaren zu verftehen hat, welche den Chinefen durch den Handel 
mit Kophene bekannt wurden, find Budelohfen (der indische 
Zebu, der auch häufig auf den Münzen abgebildet ift); Büffel, 
Etephanten, ftarfe Hunde (diefe werden bei Matuanlin groß wie 
Eſel genannt und roth von Farbe, alfo wol ein mehrdeutiger 
Name von Beftien, und nur eine Namenverwechslung; in Fazfl 
niyan werden rothe Panther genannt); große Affen (die Afz 
fengrenze giebt Sultan Baber an, f. 0b. ©. 246); Pfauen. 
Auch Perlen kommen von daher; koſtbare Steine, Korallen, 
Ambra (Succin nach Ab. Nemufat bei Matuanlin), Marmor 
(Bergeryſtall b. Matuanlin) und Glas. Das Zuchtvich ift dafz 
jelde, wie in den vorgenannten Laͤndern. N ; 


72) Gh. Masson Memoir 1. c. in Journal of Asiat. Soe. of Beng: 
Vol. III. p. 159 etc.; J. Prinsep Further Notes ebend, Vol. IV, 
p- 339; Raoul Rochette Supplement a la Notice etc. Journ, des 
Sav. 1835. p. 582— 597 und Deux. Suppl. ib. 1836. p. 196 ete. 

73) S. Bayer Histor. Kegni Graecoi. Bactr. I. c. Tab. ad p. 2005 
vergl. ‘Raoul Rochette Journ. d. Sev. 1836. Not. p. 6%; J. Prin- 
sep Notes on Bartrian Coins etc. in L. Burres Tray. into Bokhara 
Vol I, p. 463 — 473. 


» [4 


Sentrals Afien, Kipin, Cophene, Kabuleftan, 685 


 Anter Raifer Wuti der Han (142—87 vor Chr. Geb.) be: 
der erfte Verkehr zwifchen China und Kipin. Da diefee 

fo weit von China entferntsliegt, und chinefische Heere nicht 
dahin gelangen können: fo erlaubte fich deflen Herrfcher to: 
“ (Gn theou lao, bei Matuanlin), zu wiederholten Malen, 
hinefifche Gefandte (d. h. wol Handelsagenten) zu berauben und 
ju tödten. Deſſen Sohn ſchickte jedoch Gefchenfe durd) eine Ems 
baflade nach China, die von Wentfhung, dem Commandenr 
der Grenze auch zurück geleitet ward. Der Fürft hatte die Abs 
fiht diefen umzubringen ; aber verrathen, fam ihm Wentfchung, 
der fi mit einem Prinzen Inmofu (Yin mo fu b. Matuans 

) verbunden hatte, zuvor, tödtete ihn und feste diefen In— 
* auf den Thron von Kipin, und gab F Inſiegel (und 
* nach Matuanlin). 

Spaͤterhin wollte General Df chaote Eſchaote b. Matuan⸗ 
it in) dem Inmofu feine Herefchaft wieder entreißen; er ward aber 
n Ketten gelegt und mehr als 70 Derfonen feiner Gefandtfchaft 
semoxdet. Das Entfchuldigungsichreiben des Inmofu an den his 
efifchen Hof, ward vom Kaifer Yuanti (Hiaoyuanti) nicht 
peantwortet, wegen der großen Entfernung; doch der. Gefandte . 
über den Hängenden Pas (Hiantu, durch den Hindu Khu, 
f. unten) zurücgefandt, und alle Verbindung mit Kipin * 
b ochen. 

Wie ein wiederholter Verſuch den Verkehr mit China von 
neuem zu beleben (unter Kaiſer Tſchingti, im Jahre 32 vor Chr. 
Geb., nad) Angabe der Hans Annalen), aus denfelben und/ 

andern. politifchen Gründen, durch die Nede des General Tukim, 
im kaiſerlichen Staatsrath entgegnet ward, haben wir ſchon frei: 
her, nach Matuanlins Angabe, bei Balti, oder Klein Tübet, ir 






















damaligen Paflagelande von China nad) Pe Hiantu oder Nord 
Hindoſtan, nachgewieſen (f. Afien I. ©. 647—650). Da 
fiimmen auch dem Weſen nad) die Berichte der Hanz Annalen 
überein; nur feßen diefe noch hinzu: allerdings fenen ah 
‚Handelsvortheile geweſen, welche die Bewohner von Kipin zu fol: 
hen Embaſſaden vermochten; dies habe ſich auch ferner gezeigt. 
Ben ungeachtet die politifche Verbindung des Kaiferhaufes tmit 
ihnen damals abgebrochen worden, hätten die Kipin dennoch alle 
J Jahre einmal, um des Handels willen, eine Karawane nach 
Bin gefchickt. — 

Hier enden die Nachrichten diefer Annalen; aber Matuan— 









686 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 9. 7. 


fins hiftorifche Bibliothek” giebt auch noch aus der Pi 
riode der Thang-Dynaſtie folgende Daten bis zum Yahre 758 ıl! 
Chr. G.; alfo bis in die Zeit der Araberperiode in Kabuleftail| 
Fa Hian, der buddhiftifche Pilger, hat Kipin nicht felbft b 
fucht; da er fi) nur weiter oftwärts uber Utfchang nad) Kiau 
thowei begab; aber fein Gefährte Seng han nahın die Ron) 
weiter weftwärts, nach Kipin 7°) (Eophene), worüber aber vo|| 
ihm leider nichts mitgetheilt wird, 
Das Königreih Kipin, berichtet diefe chinefifche Duelle, i 

in der That ein fehr reiches Land, voll Handel, wobei viel Gi! 
winn ift. Erſt zur Zeit der zweiten Dynaftie der Wei (im Vı 
Jahrh. n. Chr. Geb.) trat man wieder in Verkehr mit ihnen)‘ 
Ihre Eapitale galt für eine fehr fchöne Stadt. Zur Zeit de ı 
Sui ward ihr Land auch Tfao genannt, das im Suͤdweſten de) 
Tpfungling gelegen fey. Es verficherten die Hiftorifer der Sul 
daß diefes Ifao gleichbedeutend mit Kipin fen, und daß delle 
König von der Familie der Tſchaowu und ein Verbündete) 
fey der Könige von Khangkkiu (Samarkand, f. ob. S. 657) 
daher wol, daß.hier der Name Ifao, der urfprünglich Osrufchn 
angehört, f. 0b. ©. 647, wiederholt werden Fann). Er hatt; 
10,000 Krieger, firenge Gefege, hielt Ordnung im Lande; Diel! 
ſtahl und Mord wurden mit dem Tode beftraft. Viel Aberglaul; 
herrfcht daſelbſt. Zn den Bergen des Ihfungling giebt es Anbiı 
ter des Himmelsgottes (Thian?); ihre Ceremonien find ſeh 
gefucht. Sie errichten Gebäude von Gold und Silber, denn iin 
Sand ift an Silber reich. Vor dem Tempel ift der Wirbel eind 
Fifches (vertebre de poisson n. Ab. Remufat) durch deffen Def| 
nung ein Pferd mit fammt dem Reiter aus und eingehen Fanı 
Der König trägt eine Müse in Form eines Ochfenfopfes, un j 
fist auf einem Thron, der die Form eines Pferdes hat und vo)" 
Gold if. Die Erde iff reich an Korn, Neis, Gemüfe; auch will‘ 
Sinnober, Tſingtai (2), Mekkabalſam (alfo wol durch den Handı h 
dahin gebracht, wie anderes), Tfingmu (Aucuba japonica?) un]! 
andere wohlriechende Pflanzen; auch Steinhonig (2, ſchwarze 
Salz, Affafoetida (f. ob. S. 260), Myrrhe, Pefu tjeu (2) fir a 
det fich dafelbft. 


?*) Wen hian thoung khao I, c. b. Ab. Renmsat in Nour. Me 
} Asiat, T, I. p. 210— 213. 16) Foekoue ki chap. IV. p. 22 


Eentral-Ajien, Fanyanna, Bamiyan, - 685 


ihm Fanyan (Baminan) 700 %i (35 geogr. Meilen) gegen 
Norden liege, Khiei (ob Kietfcha im Foe koue fi? was, Baltis 
ſtan zu ſeyn ſcheint; f. daf. Chap. V. p.26 Nota 7 p. 29). aber, 
30 geogr. Meilen in Oſt. In der Zeit der Thang⸗ Dhnaſtie kam 
von da Tribut in den Jahren 605 — 616. Im J. 619 beſtand 
derfelbe aus koſtbaren Gürteln, Goldketten, Bergerpftall, Glas: 
Schalen, welche-die Frucht der Jujube nachahmten. Im J. 627 
bis 649 brachten fie Racenpferde, wofür fie reiche Belohnung ers 
hielten; und da die Sefandtfchaft Ifchu lupa’s, Königs von 
Hiantu (Indien?), aus China zu gleicher Zeit heimkehrte, 
wurde diefe beauftragt denen von Kipin das Geleite zu geben. 
Sm Fahre 642 hatten die Gefandten von Kipin die Genealo; 
gie ihres Königshaufes fo angegeben, daß feit Hing niei Cob 
der erfte ihrer Tſchaowu Fürften?) bis auf den König. Ko hieis 
tchi, 12 Generationen abgelaufen (eine zu 20 Yahren gerechnet 
würde auf die Gründung diefer Dynaftie vom Jahre 402; oder 
zu 30 Jahren gerechnet auf das Jahr 282 oder zu 33 auf die 
Mitte des H. Jahrh. n. Chr. G. zurückführen). 

Ueber die folgenden Verbindungen Kipins mit China war 
ſchon oben die Rede (f. 06. S. 576); doch werden hier unter den 
Tributgaben, vom J. 719, noch befonders genannt: aftrono- 
mifche Bücher, Tractate über Magie und gute Arzs 
neimittel. Mit dem JZahre 758 hört jede Verbindung mi t 
Kipin und China auf, wobei Utchangs (Udyana, ſ. ob. ©. 28/ 9 
‚erwähnt wird. 

4. Sieiju und Fanyan, Fanyanna (Bamiyan!: 

Als Anhang führen wir hier das uns nod) unbekannte EPieis 
ja, und das uns fchon befannte Bamiyan auf, von dem wir 
aber in den Annalen der Han noch Feine Erwähnung find \en, 
fondern erſt in fpäterer Zeit, wo es erft zu einem Eleinen abı es 
fonderten, aber unftreitig indo-ffythifchen Königreiche geworden wocht, 
wie feine Nachbarſchaft Utchang, Kipin, Kianthomei u. Ül, 
‚wo, wie wir aus Hiuan Thſangs Bericht (650 nad) Chr, * 








und aus den buddhiſtiſchen Monumenten nun zur Genuͤge wiſſeen, 
—— daſelbſt, in jener Periode, in voller Herrſchaft w 
In dem Artikel über dieſe beiden kleinern Gebiete 0) wird, Br 
Matuanlin, Folgendes berichtet. 


20) Wenhiangthoung khao des Matouanlin.b, A, Remusat Notice. etc. 
in N. Mel. Asiat, K: J. —8 218 — 215. 




































688 Weſt⸗Aſien. J. Abſchnitt. 7, 


Das Land der Sieiju liegt in S.W. von Tuholo (Tofha: 
reftan); man nannte es anfänglich Tfao fin tfchha (alfo wol 
demfelben. Herrichergefchlechte von Ifao, oder Dsrusfchnah vers 
wandte). Zur Zeit der Ihang-Dynaftie 656 — 660, ward es Kos 
thalotfchi genannt (wie ob. ©. 568, ein Name der wol aud) eine 
weitere Bedeutung hatte). Seit 684 erhielt es feinen gegenwärs 
tigen Namen. Im Mordoft von Sieiju liegt Fanyan, im 
Oſt Kipin, von beiden ift cs 400 Li (20 geogr. Meilen) entfernt] 
Gegen Sud wohnen Inder, gegen Welt Derfer, gegen Mord liegt 
Huſchikian 2). ‚Der König wohnt in der Stadt Hufina (Gaz⸗ 
na? nach Ab. Remuſat). Man findet dort die Kräuter Yo kin 
in Menge, auh Kiul?). Das Land wird. bewäffert und geduͤngt. 
Es leben dort dreierlei Menfchenarten gemifcht: Turk (alſo frühs] 
zeitig dort eingewandert), Einwohner aus Kipin (Geten?) und] 
aus Tofhareftan. Die von Kipin nehmen junge Mannfchaft die⸗ 
fes Landes in Sold zur DVertheidigung gegen die Tachi (Araber). 
Seit 710 ſchickten fie Tribut, und vereinigten fich mit Kipin. 
Im Jahre 720 ward ihr König unter die Vaſallen des chinefifchen 
Neiches eingetragen. Bis zum Yahre 755 lief Tribut ein. — — 

Fanyan, oder Wangyan, auch Fanyanna (f. obJ 
©. 272), liegt am Abhang der Gebirge Sfepimuyun(?)., Es 
grenzt gegen N.W. an Hufchikian, gegen S.D. an Kipin, gegend 
S. W. an Kothalotfchi. Auch an Tokhareftan. In der Falten 
Sahreszeit lebten die Einwohner in Höhlen. Die Capitale heißt 
Lalan, und außerdem find noch 4 bis 5 große Städte. - Die 
Safe fließen nordwärts, und fallen zum Uhiu (Veh, mi. 
9 8). Sm Sahre 627 ſchickte es Gefandte nach Hofe; 658 
wird Lolan zum Generalgouvernement von Sieifung erhoben, die 
Siadt Fufhi zum Hauptort des Arrondilfements Siwan; der 
König Phu zum Gouvernene von Sieifung und Commandant 
der 5 Dee von Kouanndi. Seitdem erfolgten die Tri 
bate regelmäßig.‘ Die Stadt Chi hanna heißt auch Tſche han nah 
Ton Fouyeti tritt man gegen Süd in die fehneebededten 
Gebirge (ſ. ob. ©. 254 u. f. ). Sn 400 bis 500 Fi Ferne (20 
bis 25 geogr. Meilen) erreiht man Fanyan. Im Offen des Sans 
des fließe der Uhiu. Dort find viele rothe Pan —* 755 
ia das Land Tribut, | 


CentralsAften, Ethnographiſche Berhälsiffe, 


F & & 
Ethnographiſche Verhältniffe. Fortfegung, 
Erläuterung 5. 
Allgemeine Nefultate. Ethnographiiher Anhang. Thu ho lo 
Ccocharen); Yeta, Hta; Hadſcha (Utſchha), Patahefchan, 
Badakhſchan; Tiaotſchi, die Tadjik, die Perſiſchredenden; 
Tata, die Unterworfenen; Garten, die Handelöleute. Die 
Bucharen im engern Sinne, 


8. Allgemeines Ergebniß. 


| 

i Indem wir in Obigem diefe ganze Summe der uns zugäns 
jig gewordenen hinefifchen, ethnographiſchen Daten, 
us ihrer labyrinthifchen Verwirrung und Zerftreutheit topogras 
hiſch, ethnographifh und chronologifch ordnend zur Weberficht zu 
ringen, und den Gefammtzuftand Central: Afiens, in fo weit es 
nöglich war, diefen Verhältnijfen nach, darzulegen, dabei durch 
dinweifung auf die orientalifchen Quellen, mit größter Genauigs 
eit fpätern Forfchern die Wege zu diefem faft ganz unbeachtet 
eblicbenen Felde zu bahnen verfuchten, haben wir es nicht unters 
afien, zu gleicher Zeit, auch unſere befondere Anficht über den 
anern -Zufammenhang und die Entwicklung diefer Völkerverhälts 
iſſe gelegentlich beizufügen. Doc) ift dies nur unmaßgeblich und 
7 der Art gefchehen, daß dadurch Feineswegs der innere Inhalt 
er Ueberlieferung felbft getrübt oder verändert wäre, und überall 
nd die uns als Beftätigung erfcheinenden Daten, aus den beften 
zuellen der tübetifhen, indischen, kaſchmiriſchen, buddhiſtiſchen, 
ohammedaniſchen und andern Autoren, zur Vergleichung in Ers 
Inerung gebracht worden, Wir haben uns dabei durchaus nur 
uf die Oftfeite des Aral und Caspifchen Sees befchränft, ohne 
durch hier irgend wie ein Urtheil über den hiftorifchen oder eths 
lographifchen Zufammenhang mit den oft für verwandt oder ſelbſt 
hentifch gehaltenen, nicht felten gleihnamigen Weſtvoͤlkern wie 
unnen mit Hiongnu, wie Maſſageten, Skythen in Aſien, oder 
aken mit Skythen, Skoloten in Europa, Ungarn mit Uiguren, 
fun mit Germanen, HYuete und Tahia mit den aͤltern Thyſſa— 
seten und den juͤngern pontiſchen Geten, Daciern, Totharen mit 
uͤrk u. ſ. w.) ſeſtſtellen zu wollen. Damit jede vielleicht glüd; 
| Milter Erkunde VII. Rx 

























690 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. $. 8. 


lichere Forfchung von neuem beginnen fünne, find alle Schwächen, 
Anconfequenzen, Unbeftimmtheiten, Widerfprüche, an denen e 

feineswegs ganz fehlt, mit aufgedeckt, und unfere eigene etwaige 
Folgerung dberall genau von dem hiftorifh gegebenen 
Stoffe getrennt gehalten. Diefer hindernden Cinzelnheiten uns 
geachtet, und obwol gar nicht felten eine größere Schärfe oder 
Bollftändigfeit der Beweisführung, am die aber bei Mangel at 
Quellen und Sprachfenntniß aus fo antiforientalen Erfcheinun 
gen nicht zu denken feyn wird, wünfchensmwerth wäre, halten 

doch dafür, daß die große, biftorifchsethbnographif 
Luͤcke, welche von der Macedonier Zeit an, bis zur Arask 
ber Zeit, wie ein’ dunfles Gewoͤlk feit der Periode Cyrus und 
Aleranders, nur mit dem Getümmel afiatifch : ffuthifcher, maflas 
getifcher Horden erfüllt, diefe oftsaralifche Terra incognita, am 
damals noch in Fabel gehülften, obern Orus und Tanais- Yarar 
tes, zudeckte, hierdurch manchen hellen und in der That üben 
rafchenden Tichtftrahl gewonnen habe. Ohne durch untergeordn 
Einzelnheiten den beſchraͤnkten Blick vom Gefammtfhauplas dies 
fer grandiofen Völkerbewegungen in der Mitte des afiatifchen Erd4 
theiles abwendig machen zu laflen, gewinnen wir hier wenn und 
nicht Alles trügt, eine merkwürdige Ausficht in den fortfchreiten 
den Entwicklungsgang uns bisher faft unbefannt gebliebener Vol 
fergefchichten, wie er uns nicht leicht anderwärts inmitten vera 
wirrter Mölfergedränge, und dies iſt hier fo wenig wie 
bei einer europäischen Wölferwanderung zu überfehen, und 
verfchiedenartiäften Eulturvermittelungen zu Iheil wird. Da bie 
wo nur der Norden noc) frei und unbefest bleibt, drei fh J 
feſtgeſtellte Civilifationen dieſen Schauplatz der noch bewegik 





























nifche oder die von Folin (ſ. ob. ©. 640) im Weſten, un 

die fortfluthenden Wölferwogen überall am Uferrande dieſe 
drei politifchen Kontinente zerfiörend und aufbauend anfchlagen 
und endlih nach dem Süden und dem Weften hin ü 
then; fo geben daraus Erfcheinungen aus dem Driente here 
die für indifche, parthifche,, perfifche, kaukaſiſche, armenifche, 0 
römifche, byzantiniſche und oftseuropäifche Gefchichte, dur 
recte Cinwirfungen und Ruͤckwirkungen ihrer Eulturen, Religis 
nen, Literaturen, Handel, Verkehr u. f. w., alles Widerſtrebens u 

ſelbſt fcheinbaren Widerſpruchs der aus der aberrdländifchen Anſich 


Central-Aſien, Ethnographiſche Verhältniffe. 691 


jervorgegangenen Berichterftattung ungeachtet, wol nicht wieder 
ms dem Gange der Menfchengefchichte auszulöfchen ſeyn werden, 
Im Gegentheil werden fie, wie dies der Gang der orientalifchen 
>uellenftudien der letzten drei Jahrzehende fchon hinreichend bes 
veifet, aus dem frühern Halbdunkel immer heller und in beftimms 
eren Umriſſen und richtigern VBerhältniffen hervortreten, 
eren öfter noch ſchwierige Umgrenzungen wie uns hier feiness 
vegs verhehlen wollen, ohne deshalb den erften Verfuch aufgeben 
u können, uns die Wege durch das Völferlabyrinth zu bahnen. 
Das doc) ſchon etwas gelichtete Halbduntel, in dem fich diefe 
Berhältniffe gegenwärtig darftellen, ift nun, wie wir fummarifch 
us Obigem nur kurz angeben, der Art, daß wir den Äälteften 
uftand der afiatifchen Skythen (Maffageten der dlteren 
jeit), welche den Perſern und Indern fchon als Sakas bes 
annt waren, mit, der Macedonier Zeit und dem helleniſchen Bacz 
ana, nach der Süpdfeite hin ald vorübergegangen betrachten 
uͤſſen, während derſelbe Zuftand vielleicht, gegen die Nord: und 
Beftfeite, worüber jedody uns faft alle Daten fehlen, in derfelben 
t immer noch fortdauern konnte. Die veränderte Geftalt 
zrer ethnographiſchen Verhältniffe tritt uns in der Zeit der Eins 
yanderung der Ufun, dem erften uns bekannt werdenden und 
m wahrfcheinlichiten als Zweig zum indorgermanifchen Stamme 
ehörigen Wolke, in dem nördlichen Raume entgegen; in den 
bdlichern aber, in den theils bewahrten, theild durch Anfiede: 
1g und erfte Anflüge der Cultur, veränderten Zuftänden ihrer 
errſchaften, zwiſchen Jaxartes und Oxus, welche durch die Eins 
anderung der Yueti (die uns mehr als Verwandte der dort 
“über fchon vorhandenen Maffageten, als der Tuͤbeter entgegens 
eten) uns erft hiftorifch fichtbar werden. Für diefe nähere 
der ſey es fernere Verwandtſchaft mit Maffageren, fcheint, aus 
re den übrigen Verhältniffen, auch ihre Name der Großen 
Jueti, der mit den Maffa-Geten ganz identifch zu feyn 
int, und welcher nun bis auf die Zeiten Timurs, ja bis auf 
> Gegenwart am Indus fortdauert, nicht wenig zu fprechen. 
ebrigens tritt die Gefchichte der Yueti, in allen Erſcheinungen 
gen PDerfien und Indien, nur wie eine Fortfegung der Ges 
hichte der Maſſageten auf, die ſelbſt noch bie Ptolem. 77) in den 
tigen Ländern der YuetizHerifchaft am Afcatancass Ges 


















) Ptolem. Vf. 13. 






























692 Welt: Afien, I Abſchnitt. $ 8. 


birge fortdauern. Wie das Verhältniß der germanischen Völker 
zur Römerzeit, bei Tacitus, zu den Germanen nach der Römers 
zeit und der Völkerwanderung, als identifch und doch verfchieden, 
eben fo, um es kurz zu bezeichnen, fcheint uns dasjenige der Mafs 
fageten und der fpätern Yueti, als Getifch» Safifche und dem 
füdtichen Fortfchritte nach der indosfknthifchen Völker zu feyn, für 
welche die hellenifch » baktrifche Periode die Scheidung bildete, - 
Diefe Yueti (Getae), theils ihre Vorgänger (Sai und Tas 
hia, Safen und Daae) befiegend, theils ihre gefeierten Herrſchaf⸗ 
ten duldend, theits ihre Woͤlkerſchaften füdwärts über den Oxus ver⸗ 
drängend, wie die Tahia, führen den Sturz des heffenifchen, bacs 
trifchen Reiches herbei, dem eine nachruͤckende Eroberung über 
den indifchen Kaufafus nach Indien folgt, wo die indosffysk 
thiſchen (ſakiſche und getifche) Neiche, vielfach verzweigt, 
ſelbſt bis zur Mündung des Indus und oſtwaͤrts zum mittlern 
Ganges vordringen, aber auf die Weſtſeite des Indus zus 
rücgeworfen (Aera Sakabda), fich dort, in vielen Dynaftien, Fleisch 
nern und größern Reichen, die faft alle ſich durch Annahme des 
Buddhismus von Brahmanen im Oſten und Perfern im Wefte 
auszeichnen, bis zur Araber Periode, oder bis zur Einführung der 
Lehre Mohammeds erhalten, vor der die Lehre des friedlichen 
Buddha, nordoftwärts durch das Gebirgsland und durch die Sigch 
der Altern Heimath ausweicht, und fo durch den Often ſich verbrei 
tet. Die Specialgefhhichten diefer Begebenheiten find eg 
deren Entwirrung man durch die aufgefundenen Rn AA 
ſchen Schäge mit einiger Zuverficht entgegen fehen darf. 
Sefchichte der buddpiftifchen Architeeturen und Miffione i | 
wie die alten Annalen Kafıhmirs und der Handelsverkehr, 
enthalten, des übrigen Stillfehiweigens von gleichzeitigen Stimme 
ungeachtet, die unverwerfbaren factifchen Beweiſe die 
fe8 damaligen Zuftandes der Dinge, von denen wir eine großk 
Anzahl an fehr vielen Ortfehaften und faft auf allen Wegen w 
Paflagen, in den merfwürdigften Details nachgewiefen haben 
Fa wir nehmen als neuen Hauptbeweis für die innere Haltung 
der von uns vorgelegten, bisher unbeachtet gebliebenen öftlichen 
Duellen auch außer des ethnographifchen Fortfihrittes die Tee 
titorialfenntniß in Anfpruch, die uns daraus in allen 
Hauptlineamenten hervorgegangen ift, und fragen, ob irgend ein 
frühere geographifche Darftellung "blos aus mohammedanifch 
Autoren und den Glaffifern der Vorzeit im Stande gewefen var, d 


































Central⸗Aſien, Fortſchritt der Erkenntniß. 693 


‚uns in dieſem wichtigen Gebiete Central-Aſſens mit ſoicher Si⸗ 
cherheit zu orientiren, wie es uns, allein durch den Beiftand chi⸗ 
neſi iſcher Annalen, ihrer Geograͤphen und Hiſtoriker, ſeit Sſe— 
matſien und den Annaten der Han, in den Jahrhunderten 
unmittelbar vor und nad) Chr. G. feit Tfehangfiang, Phans 
tſcha os u. Deifius Entveungen, wie Fa Hians u. Hiuan 
Thſangs Reifewerfen, und zumal feit den Zeiten der Thangs 
Dynaſtie und dem Ben hiangthoung fao Matuanlins, 
gegenwärtig gelungen iſt. Hierdurch ift ein größter Theil der 
Landkarte CensralsAfiens, die felbft noch, nach einem 
Piolemäus, Ebn Haukal, Edrifi und Abulfeda, über 
all ehne alle genaueren Lineamente und größtentheils in Nebel 
gehalt blieb (weil die legtern nur ihre eigenen Verhältniffe der 
Eroberer und Zeloten darlegten, ohne fih auf das Fremde und 
Algemeinere einzulaffen ) zu einer nach fehr vielen Seiten hin 
heſtimmtern topiſchen Geſtaltung gefommen als zuvor, ja felbft 
iele der Puncie zu einer ziemlichen Klarheit ihrer Anordnung, _ 
fo daß nur noch europäifche Beobachtung hinzutreten müßte, um 
pen mechanifchen und fcholaftifchen Zufchnitt der Geographie Mits 
el⸗Aſiens zu dem Gegenftande einer wahrhaften wiffenfchaftlichen 
Betrachtung erheben zu fünnen. Von dem Verhältniß, in wel 
em Sultan Babers ungleicy belehrendere Arbeiten, freilich aus 
ängerer Zeit, zu jenen genannten fliehen, wird. weiter unten bie 
Rede ſeyn. 

Doch bleiben uns audy hier noch gar manche dankle Stellen 
nd Lücken zu fernerer Orientirung üßrig, zu denen wir. in eth— 
ographiſcher Hinficht z.B. das Hervortreten der Tuholo (To; 
baren) und der Tiaotihi (Tadjik), innerhalb jener Ges 
iete am Weſtabhange Oft: Turkeſtans rechnen muͤſſen, nebſt den 
Angaben von einigen andern Populationen, wie der Yetha, 
Doffe, Ughefchanti u. a., über welche wir. hier, als für 
ich, in einem. Anhange, zuletzt nur mit. wenigen Nachweifungen 
Berichte der Chineſen folgen laſſen. Wir fügen fie als die 
inzigen Ueberlieferungen diefer Art, und weil wie fie für fers 
tere Beachtung nicht fir ganz unwichtig halten, bei, obwol fie 
> an den äußerfien Weftenden chinefifcher Entdeefungen, von 
her ihnen nur temporaire Erkundigungen zukommen fonnten, 
ae manchen Irrthum mit aufnehmen mögen; deshalb wir auch 
ier keineswegs im Stande find, jede der gegebenen Mittheiluns 
en durch ältere oder neuere Daten zu beftätigen, oder vollftändig 


694 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. 6. 8. 


zu erflären. Doc hoffen wir, werde auch hier unfere Mid 
durch manches merkwürdige Ergebniß hinreichend belohnt werden 


1 
2. Die Thuholo, die Tocharen, Tokharen 
( Toyeooı, Tochari). 1, 

Am obern Orus tritt neben jenen genannten Wölferfchafte 

in den erften Jahrhunderten nach Chr G., bei chinefifchen An 
ren, das Volk der Thuholo in derfelßen Gegend hervör, in wel 
cher bei den claffifchen Autoren die Einwohner Tocbari genann 
zu werden pflegen; in demfelben Sande, welches von den fpäte 
Sahrhunderten an, bis heute, unter dem Namen Tofharefta 
(Tochareftan), verfchieden von Turfeftan (Al Torf bei Abu 
feda), obwol in foäterer Zeit haufig damit vermechfelt oder ide 
tificirt, Sefannt wird. Erſt nad) langen Kämpfen gegen die ME 
hammedaner, eben da, wo im Gebirgslande noch heute die Un 
glänbigen Kafereftang haufen, find einzelne Theile deffelben 5 
einem Hauptſitze der num zelotifch gewordenen Verfechter des Kt 
ran, nämlich zahlreicher Turks und Usbekengeſchlechter geworden | 
feitdem wird: Tofhareftan bei den occidentalen Völkern ganz 
wöhnlich als identifh mit Turfeftan bezeichnet. 
Es mag daher fehwer ſeyn, fich von der herfümmlichen laͤng 
verjährten Annahme zu trennen, den Namen diefes Völfergebi 
tes in der gewöhnlichen Bedeutung nur für einen blos ufurpt 
ten gelten zu laffen, und von einer Völferfchaft zu trennen, di 
Turfifchen , die hier nur feit der fpätern Zeit erft für heimathlis 
gehalten werden kann, und nad) den früheften — 59 

keineswegs ihren Urſitz gehabt, alſo erſt, wie auch am nd 
chern Jaxartes, fpäter eingewandert ſeyn wird. In den aͤlteſte 
Chineſenberichten, die bis zu mehrern Jahrhunderten vor unſe 
Zeitrechnung in die Anfänge der Hiongnu, Uſun und Yueti Hi | 
aufreichen, ift von diefen Thuholo (Tofharen) noch 9 
feine Nede. Da nun, nach jenen Berichten zu urtheilen, t 
Thukiu und Turf mit erwiefen turkifcher Sprache”), nur 
von dem Hiongnu-Stamme ausgehen, und der legtere ai 
entfchieden zum erften male (mag feine Etymologie, vom % 
fiu, d. i. vom Helm, auch noch fehr ziweifelhaft bleiben, f. 2 
1. S. 438, 478, vergl. ob. ©. 586), feit dem V. Jahrhundert 


?%) Asia Polyglotta p. 212. Klaprotlt Mem. relat. 4 1’Asie ri 
p: 365 — 388. 





SentralsAjien, Thuholo, Tokharen. 695 
Süpdweft: :Altai auftritt, und feitdem erft hiftorifch wird, fo 
wäre von bdiefer Seite her fein Datum vorhanden, das obere 
Drusthal ſchon fo feühzeitig mit Turkſtaͤmmen zu bevölfern, und 
Die etwa dort vorfommenden Völker als Stämimesverivandte der 
Altern Thukiu (vom HiongnusStamme) anzufehen. Man muß 
demnach fagen, da wir von Feiner Weftwanderung der Oft: Turf 
(Thukiu) vor dem V. Zahrhundert aus ihren öftlichften Sitzen 
(f. 06. ©.593 u. a. D.) etwas millen, fo gab es auch in Trans; 
oriana und am obern Orus, die nur von andern Völferftämmen, 
wie von Ufun, Sai (Saken), Tahia (Daae) und Yueti 
(Geten) befegt wurden, im transorianifchen Ländergebiete noch 
keine Weſt-Turk. Diefe könnten demnach daſelbſt, als ſolche, 
erſt (wie die Thieile, Thukiu und Turk u. A., f. Aſien J. ©. 343, 
441, 478) ſeit dem V. Jahrh. in die Weſtgehaͤnge des Bes 
Toro zu dem obern Quell-Lande des Jaxartes und Orus, vom 
Morden herab, vom Altai, oder vom Often her, aus Oft: Turfes 
fan, mit der Verbreitung der weftlichen HiongnuzZweige oder der 
Thukiu-Voͤlker vorgedrungen ſeyn. 

Gegen dieſe Anſicht wuͤrde jedoch der identiſch ſcheinende 
Name der Tochari wie der Turcae bei Plinius, welcher 
letztere ſogar ſchon bei Herodot vorkommen ſollte, ſtreiten. Plin. 
UH. N. XX. führt hinter dem Caspiſchen Meere und den Skythen, 
an der Grenze der Inder und der Emodusgebirge mit andern uns 
unbekannteren Völkern, den Attacori (Ottorocorrae, f. Afien Einl. 
Br. 1. ©. 10) und Phruri, auch die Tochari an, die bei an— 
dern Autoren (Dionys, Perieg. v. 750, 752 und Eustath. Comm.) / 
‚wiederum mit dern Safen und Seren in Verbindung gebracht 
werden. Ihre Sige entfprechen, wie der Name, fo fehr den chi— 
nefifhen Thuholo, daß wir fie wol mit ihnen für. identifch 
halten koͤnnen. Diefe Tochari des Plinius faßen alſo fehon 
im erften Jahrh. nach Chr. Geb. in jenen obern Drusthälerh ; 
‚fie waren alfo den Römern früher befannt als den Chinefen, nnd 
wären fie vom Turkſtamme gemwefen, fo hätte es alfo demnach) 
auch ſchon weit früher weftzturtifche Stämme in Trans 
oriana gegeben. Für dies letztere fehlt jedoch jeder genauere Nach: 
weis; vielmehr. werden fie bei Dionys. Perieg., Eustatlivs und 
Priscian (Periegesis Prisc. v. 727: et Tochaft Pliruricitie et plu- 
rima millia Serum etc.) mit den Seren vergefellfchaftet, wie mit 
Saufen am Sarartes. 

Freilich führe Plin. VI. 7 neben den Tuſſageten (Thyssa- 


\ 








696 Weſt-Afien. I. Abfchnitt. 6. 8. 


getae, d. I, wahrſcheinlich wandernde Beten) auch fhon Turcae 
als Wolf, mit vielen andern Mamen, aber nicht in Transoriana, 
fondern am europäischen Tanais und gegen die RiphäensGebirge, 
alfo auf der MWeftfeite des Aral und Easpifchen Sees, demnach 
in ganz andern Eisen an. Die Manuferipte haben hier aber 
„Iyrcae,” und obwol Pomp. Mela I. c. 19. 132 dem Plinius 
in der Schreibart „Tureae“ folgt: fo ſieht man doch, daß beide 
nur die Scythica des Herodot (IV.c.22 ed. Wessel. I. fol. 290) 
wo diefer daffelbe Volt am Tanais Traxus nannte, abgefchrieben 
baben, das hier einzig und allein nur von Herodot aufgeführt 
wird. Diefes Volk demnach, fchon für eine weftlichite Verzwei⸗ 
gung von Türken, faſt ein Zahrtaufend vor den wirklichen ZEo- 
xoı, den Abkümmlingen der Hiongnu, oder vor den Thufin ans 
Altai anzunehmen (ſ. Afien I. ©. 478), würde eine zu gewagte 
Hypotheſe feyn, die von Klaproth ſchon hinreichend widerlegt wer 
den ift 79. 

Daffelbe Iftliche Volt dee Tochari wird auch von Strabe 
gu denjenigen fenthifchen Völkern gerechnet, welche den Helles 
nen die baktrifche Herrfchaft entriffen; er nennt diefe im 
Allgemeinen Saken, wie wir fihon oben gefchen haben; aber 
fagt zugleich, daß jedes der beſondern Völker derjelben auch wies 
der feinen eigenen Namen habe, und zählt als die ausgezeiche 
neteren unter jenen Umftürzern Baltriens: die Afianen und 
Pafianen, die Tocharen (Toyaooı) und Safaraulen auf 
(Strabo 511) 80); welche Iegtern fihon Bayer als ein Saken 
Volk (Sacarauli videntur ex Sacarum populo fuisse) 81) nachge⸗ 
wieſen hatte. Diefer Anficht nach hatten die Tocharen alfo. 
zum Stamme der Saken gehört, und wollte man dennoch dem 
Ausfpruche des Menander folgen (j. Afien I. ©.478: zwv Täo- 
xy, tüv Sarmv zuksudrwv TO nakaı), fo müßten die Tocha⸗ 
ren doch fihon die Älteften Brüder der altaifchen Turk gewefen 
feyn, obwol ihre Stammesverwandtfchaft uns fonft unbekannt 
pleibt. Die Saken müßten dann auch ſchon von urältefter 
Turkabſtammung, und Tokhareſtan demnach als ein Urfig freis 
lich urältefter Turkgefchlechter anzufehen fen, aus einer Zeit, in 
welche aber unfere Gefchichte nicht mehr hinaufreicht. 4 






— J 
- "®) 3. Potocki Histoire primitive des Pewples de la Russie in bei. 
Vay. ed. Paris 1329. 8. Introduction p.5, 22, 32, 125 — 130. 

»°) Strabo ed. Tzschucke T.IV. Lib. XI. e.8. $.2. p. 474 et Not. 

3 Th S. Bayer Historia Regni Graecor. Bactr. p. 97. 


Central⸗Aſien, Thuholo, Tokharen, 697 


Dieſe Tochari find es, die Trogus Pompej. bei Justinus 
XLU. 2, Shogari, ald mächtige Krieger gegen den Parther Kds 
nig Artabanus nennt, der im Kampfe mit ihnen (im Sabre 197 
a.X.n.) feinen Tod findet, aber durch feinen Sohn Mithrida: 
tes I. Magn., an ihnen gerächt wird. Ptolemaͤus VI. e. 12, 
460 fennt noch über 300 Jahr fpäter unter den Scythen, Mitte 
des I. Jahrh. n. Ehr. Geb., die Sige der Tocharen (Toza- 
094) neben denen der Satac CIoraoı, ’Iarıo, die man für die 
Mueti anfpreshen möchte) am Nordufer des Jaxartes und 
an den Gebirgen des Oxus. Es bleibt noch zweifelhaft, ob diefe 
urfprünglich da faßen, oder erft fpäter dahin verfchlagen 
wurden, was wir jedoch für wahrfcheinlicher halten; da bei allen 
andern Autoren diefe Tochari im Süden des Drus gefucht wers 
den muͤſſen, und nicht am Jaxartes; da ja Ptol. felbft, VI. c.11, 
fine Tozapss ulyu EIvos, alfo das Datei an einer zweiten 
Stelle (die am Sarartes heißen im Cod. Tayuoos) wirklih an 
den Drug, im Süden der Zariaspen, ft. Ammian Marcellin 
(XXI. e. 6.57) nennt vom Sahre 363 n. Chr. G. die Tochari 
als das ausgezeichnetefte der Völker, das den Baktrianen Ges 
borfam leiftete, und damit fiimmen die wenigen fpätern Nachrich— 
ten der Alten, die ihrer etwa noch erwähnen, uͤberein. 

Die Tochari (Tofharen) der älteften Zeit, mag man fie 
hun ald urfprüngliche Brüder (durch Vermittlung fakifcher Ger 
Schlechter) der öftlichen Turf am Thianfchan und am Altai anfehen 
wollen (wofür man auch etwa ihre freilich etwas entfernte Nas 
‚mensverwandifchaft anführen Eönnte), oder nicht, fisen vorzugss 
weife ſchon in diefer früheften Zeit im Often Baftriens, am 
obern Oxus. Eie find alfo höchft wahrfcheinlich gefchieden von 
den Turk Völkern, welche aus OftsTurfefton auf dem Norts 
wege über den Balkhaſch⸗See (Thieile) und Altai (Turkoi) 
kommend, die Herren auf der Nordfeite des Zarartes (Sihon) 
geworden find, und fowol von daher, wie von Oft her (von 
Kafchahar), fich erft weiter ſuͤd- und ſuͤdweſtwaͤrts, vielleicht im 
Einzelnen auch ſchon früher, zumal aber erft ganz allgemein in 
den erſten drei Zahrhunderten der arabifchen Zeiten in Sog» 
diana verbreiteten. Daher finden wir auch in den älteften arabis 
ſchen und perfifchen 82) Autoren, wie wir weiter unten fehen wers 





































#2) Oriental Geogr. b. Ebn Haukal (scil.) ed. W. Ouseley p. 4,9, 
212, 232, 239, 265, 267, 271,298; Edrisi Geogr. Trad. de l’Arabe 


698 Weit: Alten. J. Abſchnitt. $. 8. 


den, noch längere Zelt hindurch Turkeftan im Morden des 
Jaxartes (Sihon) auseinander gehalten durch Mawarale 
nahar (Transoriana) von Tofhareftan, welches in Oſten von 
Balf, am obern Oxus liegt, und bier recht eigentlich das heutige 
Badakhſchan und Talithan bis Wachan an der Suͤdſeite 
des Pamer, alfo den merkwürdigen uns fo unbefannten 
Gebirgswinfel einnimmt, der vom Hindu Khu, Chitral und Kaſch— 
mir im Süden und Südoft, von Baltiftan und Weſt-Tuͤbet, wie 
von dem Puſchtikhur gegen Yarkand und Kaſchghar ummauert 
erfcheint. 

In diefe merkwürdige Pocalität, von deren Bewohnern der 
Gegenwart weiter unten, bei Badakhſchan, noch die Rede ſeyn 
wird, baben wir uns alfo zu verfegen, wenn wir uns die Älteren 
chineſiſchen Berichte über Thuholo vergegenwärtigen wollen, die 
wir aber noch feineswegs in den älteften weder bei Sfematfien 
noch in den Annalen der Han finden, wo von ihnen feine Nede 
iſt. Erfi in don Sammlungen des Tuyeou, aus dem VIII. 
Jahrh. n. Chr. Geb., welcher der Vorarbeiter der hiftorifchen 
Encyclopäadie war, treten fie namentlich am vollftändigften hervorz 
aus diefen hat aber erſt fpäterhin Matuanlin feine Nachrichs 
ten, im XH. Jahrh., gefchöpft, und fpätere Daten beigefügt. Je— 
nen Artikel über Tochareſtan aus Tuyeous Werke, verdans 
fen wir Neumanns Ueberſetzung ®); den aus Matuanlins 
MWerfe Ab. Remuſats. Wir laffen den jüngern auf den ale 
tern nachfolgen, um jenen zu vervollftändigen. Andere chineſiſche 
Nachrichten uͤber Tochareſtan und die Tocharen ſind uns unbe— 
kannt, die allgemeinern Notizen ausgenommen, von denen ſchon 
oben nach fruͤhern Compilationen die Rede war (ſ. ob. ©. 608), 
+ Die Einwohner von Thuholo (Thuhelo) oder Tochas 
riften, zur Zeit der Dynaftie Wei (386 — 554 n. Chr. Geb.), 
auh Thuhulo genannt, hatten unter der Dynaftie Sui (581 
bis 618) Verkehr mit China. Ihre Capitale 3) a | 


























p. Am. Jaubert Paris 1836. 4. T. I. p. 490, 497 — 498, 499; Mir: 
chondi Histor. Gasnevidarum ed. F. Wilken, Berol, 1832. p.1 
etc.; Abulfeda Chow, Deser. ed. Hudson Geogr. Min. T. Il 


p- 22a. u.a. 0. 4 
93) Perſien, Thabareſtan und Tochareſtan nach chineſiſchen Quellen 
in Neumann aſiatiſche Studien. Leipz. 1837. ©. 152—189. 
®*) Wen hiang thoung khao des Matuanlin in Ab. Kemusat Nous. 
vr Asiat. 'T. 1. p. 245 — 248: s5) Neumann, Aſiat. Stud, 
. 179 j 


‘ 





Central-Aſien, Thuholo, Tofharen. 699 


(25 geogr. Meil.) in Wet des Thfungling (hier das umEreis 
ſende Hochgebirge mit dem Puſchtikhur, ſ. ob. ©. 321), am Süds 
ufer des Uhiu (Wei, Vehrud oder Oxus; dies ware demnach 
genau die heutige Gegend von Badafhfhan) Die Tocha— 
ren wohnen hier vermifcht mit den Yta (Mita bei Ab. Remu⸗ 
fat). Diefe Eapitale hat 2 Li in Umfang. Die mwaffenfähige 
F Mannfchaft beträgt 100,000 Mann; aber alle Einwohner find 
kriegeriſch. Sie haben die Religion des Buddha (Foe) ange 
nommen. Die Brüder nehmen zuſammen eine Frau, die Kins 
der gehören dem älteften Bruder. Hierzu fügt die Angabe Ma: 
tuanlins 86) noch insbefondere die Notiz, dies gefchehe, weil es 
bei ihnen weit mehr Männer ald Weiber gebe, Habe die Fran 
fünf Männer, fo frage fie eine Muͤtze mit fünf Hörnern, oder 
zehn. Fehlt einem Mann der Bruder, fo vereinigt er fich mit 
andern Männern, denn allein würde er unverehlicht bleiben bis 
an das Ende feiner Tage (diefe Sitte der Polyandrie ift bei tüs 
betiſchen Völkern, wie wir früher gefehen, allgemein befannt). In 
der Höhle eines Berges in diefem Lande Tochareftans ift ein gött; 
liches, wundervolles Pferd (f. ob. ©. 643); jedes Jahr bringen 
die Hirten die Stuten hinzu; fo gewinnen fie die beruhmte Racçe, 
die man Ku nennt. 

cTochareſtan liegt 1700 Li (85 geogr. Meil.) im Eüden fern 
vom Königreiche Tſao (Osruſchnah, f. ob. ©. 647). Seine 
Mordgrenze, füst Matuanlin diefem noch hinzu, fen dasjenige 
Rand, das man zur Zeit der Han Ta Wan (f. ob. ©. 633) ges 
nannt habe. Baahe und Schrift fey bei den Einwohnern wie in 
Khotan. — 

"Die Nachricht aus der Zeit der Dynaſtie Wei (386— 554 
n. Chr. ©.), welche uns nicht Neues fagt, oder nur unverftänds 
lihe Namen angiebt 37), übergehen wir; man fehe fie, nach dem 
Weifhu B. 102, B1.13 bei Neumann a. a. O. ©.180 nad. 
Was aus der Zeit der Thang:Dynaftie gefagt wird, enthält 
außer der dreierlei Schreibart des Namens, die wir gleich Au— 
fangs mit A. Remuſat angaben, nur Wiederholung und Beftätis 
gung von der Lage im Weften des Ihfungling und im Süden 
des Oxus, und fügt hinzu, cs habe vor alten Zeiten Land 





°.) Matuanlin a.a.D.p. 215. s’) f. Neumann, Afiat. Stud, 
nah dem Weiſchu B. 18, Bl. 13 a. a. O. ©.1805 bei Matonan- 
* €. p. 247, aa dem Won lang houng khao L. CCCXXXVII. 
» 23 


709 Weits Alien. J. Abſchnitt. $. 8. 


der Tabia (Dahae, f. od. &. 629) geheißen; der Höhlenberg, 
der die bintfchwigende Mace der Ku-Pferde gebe, werde Poli 
genannt, der Titel des Königs ſey De, oder Shehu Wute 
(tapferer und trefflicher Schah oder König n. Neumann). 

Sm VII Jahrhundert werden die chinefifchen Berichte etwas 
unverftandlich über Tochareftan, weil fie e8 mit dem Königreich 
Pouechi (d. i. der Yueti) in Verbindung bringen, von dem fihon 
früher (f. 0b. ©. 571) die Rede war, ein Verhältnig, das uns 
nicht Kar ift. Der um. das Jahr 650 dort genannte König 
Aſſena heißt König von Tochareſtan; feine Nachfolger aber werz 
den zu Königen der Ya (Yeyita b. Ab. Remuſat) erhoben, 
die Nefidenz jedoch Yueichifu genannt. 

Die oben ©. 571 genannte Stadt Achouan wird in ber 
Altern Nachricht, bei Tuyeou 8), Owan genannt, die Anzahl 
der Diftricte ebenfalls zu 24 angegeben, auch von der Ueberſen⸗ 
dung des Sameelvogels (Kaſoar) gefprochen. 

Don jenem Könige Affena (Offene 6. Neumannz es iſt 
wie wir früher geſehen haben, Aſien J. S. 438, ein urſpruͤngli⸗ 
cher Turks Name) heißt es weiter, daß er feinen Sohn zu Hofe 
fandte, der Achate und Tengſchu (ein Edelftein?) 3 Zoll ftarf, als 
Tribut überbrachte. Im Jahre 705 ſchickte Notunili feinen’ 
füngern Bruder mit Tribut zu Hofe, der dafelbft unter der Leibs 
garde des Kaifers blieb. — Von derfelben Zeit, nach Affena 
Coielleicht eine Eroberung, durch noch nicht zum Islam uͤberge⸗ 
gangene Turkftämme?), fagt Matuanlins Bericht 8, fey ſeit 
661 Tocharefien in Diftricte vertheilt worden, wodurch der 
König Youan genöthigt worden fey, eine Landkarte der 
Weſt⸗Laͤnder einzureichen mit einer Befchreibung. Dabei habe 
er jedoch auf eine Einrichtung von 16 Abtheilungen gedrungen, 
namlich der Staaten, die zwifchen Khotan im Oft, und Perfien 
im Weſt eingefchlofien fenen, um in ihnen 600 Diftriete mit 126° 
Hanptftationen von Truppenlagern anzulegen. Zugleich fhlug er 
in Tochareſtan eine Inſcription anzufertigen vor, um das Andens 
fen der Tugenden des Monarchen zu vereiwigen, wozu diefer auch 
feinen Beifall ertheilte. — Man kann ſich nur denfen, daß dies 
ein Borfcehlag zur beffern DBertheidigung gegen den eindringenden 
Araber Feind gewefen®). Es war die Periode der Streitigkeis 

s*) Yfiat, Studien b. Neumann a, a. D. S. 182. 22) Matonan- 


lin b. Ab. Remusat I. e. Il, p. 246. 20) Vergl. b. Neumann 
Aſiat. Stub, a. a. O. ©, 184 nad dem Tſuen Zang wen z. I. 652. 








Central-Aſien, Thuholo, Tokharen, 701 


ten, als die Ommajaden im Jahr 662 unter Moawijah zuerſt 
den Thron der Khalifen beſtiegen. 

Dom J. 713-755 ſtimmen die verfchiedenen Berichterftats 
tungen der-Altern und fpätern Zeit wiederum mehr zufammen, 
indem fi fie von wiederholten Tributen (alſo wol während des vers 
fiehenen Schuges) fprechen, welche die Embaſſaden nach China 
gebracht; wie Pferde, Efel (Onager 6. A. Remufat, Maufefel 6. 
Neumann), Eoftbare Specereien, 200 Pfund Kan to po lo (?), vos 
then Amber, Cryſtall u. a. m. Hierauf erfolgte die ſchon oben 
angeführte Einregifteirung des Königs von Thu hu lo (Tochares 
Manz er wird Kutulutuntatu genannt), als Reichsvaſall 
und König der Beten (Da, Yeyita). Als hierauf die bes 
nachbarten Barbaren der Kieffi (ob die Kiethha, das nördlich 
von Iholy bei Fa Hian liegen foll, f. 06. ©. 289) die Tübeter 
zum Kriege gegen Tocharen aufreizten, erbat fih König Tſchyli⸗ 
mang kia lo chinefifche Hülfstruppen. Wie wenig dadurd) gewon: 
nen ward, ift fehon oben ©. 571 angegeben. — 

Seitdem hören die Chinefenberichte über Tochareftan auf. 
Sehen wir nun, mas uns die unmittelbar darauf folgenden 
mohbammedanifchen Autoren über diefen merfwürdigen 
Bebirgswinfel, der feit der Maredonier Zeiten bis heute une 
ſo räthfelhaft geblieben ift, fagen, fo ift es im Wefentlichen Fols 
‚gende. 

Ebn Haufal (950 n. Chr, G.) nennt Tokhareftan I) 
die Provinz im Often von Balf, in welcher Taikan (Talefan), 
Anderab, Badakhſchan und Penjhir liegen. Dies Land 
breitet fich alfo ebenfalls am obern Orus aus, ift völlig von Turs 
keſtan P) verfchieden, das nach ihm im Norden von Khorafan 
und Mamwaralnahar oder Transoriana, jenfeit Samarfand, nords 
waͤrts von Ferghana, alfo im Norden und DOften des Sir (Ja— 
xartes) gelagert erfcheint. Denn diefer Fluß kommt nordwärts 
aus Kaſchghars Gebirgen, und der Wekſchab, d. i. der nörds 
lichte Arm des Orus, vom Pamer herab, aus Turfeftam, 
Es wird damals Chaje (d. i. Taſchkent) als die ftärffte 
Grenzfefte Turfeftans genannt. Die Turfftämme, heißt es 
ferner, liegen noch in Chin (auf chinefifchem Gebiete); diefe 
Völker haben mit den Kirgiz und Kaimak diefelbe Sprache und 


»%) Oriental Geogr. ed. W. Ouseley p. 4, 213, 223, 224. 
»?) ebend. p. 9, 180, 232, 239, 265, 276, 298. 


702 Weſt-Aſien. 1. Abfchnitt. $. 8. } 


Art; fie find ungemein weit gegen Woeft verbreitet, in einzelnen 
Stämmen fogar bis zwifchen die Bulgar und Ruß; im Often 
reichen fie bis China und zum Meere. Gegen ihre häufigen Ues 
berfälle fteht ein Hauptpoften der Mohammedaner zu Awaſch 
(wol Uſchi) um denfelben frühzeitig zu begegnen. Von!den Tofhas 
ren wird weiter nichts befonderes mitgetheilt, doch erfcheinen fie 
immer noch von jenen gefondert. 
In Mirkhonds Geſchichte der Gaznaviden wird der Sohn 
des befannten Turk-⸗Schaven (f. Afien IV. 1. ©. 532), der | 
Sultan Mahmud, auch ſchon als der Beherrfcher von Tos, 
hareftan®) dargeftellt, deſſen Heer aus Turk, Chaldſchi (Khils 
jies?), Indern, Afghanen, Arabern, Gaziden befteht, mit denen er 
bei Balk im 5%. 1006 einen großen Sieg über feinen nordifchen 
Feind, über einen der erften mächtig gewordenen in der Gefchichte 
gefeierten ITurkfürften, uͤber Jlek Khan davon trägt, der mit 
feiner großen Macht aus Turfeftan und Transoriana herabs 
kommend den Gihon » Fluß erft überfchritt. Hier wird alfo das 
füdlihe Tochareſtan an derfelben Stelle des Autors vom 
nördlihern Turfeftan noch genau unterfchieden, und beider Bes 
berrfcher und Bewohner treten fogar in Feindfchaft auf. | 
Shen fo bei Edrifi (im J. 1154), der die Stadt Kabul Ü 
nennt, als fey fie in der Nähe von Tokhareſtan %) erbaut, 
dagegen, nach ihn, das Land Al Tork, oder Turfeftan, erſt 
im Norden des Sihon, an den Außerftien Enden von-Fers 
ghana, Chas und Turan beginnt, und von fo zahlreichen Völkern 
belebt wird, daß es unmoͤglich fey, fi) von ihrer Menge nur eis 
nen Begriff zu machen. Alle, noch Nomaden, beftehen fie ihm 
(wie einft die Sfythen) aus den verfihiedenften Rasen; er nennt 
fie Tibeter, Bagharghar (d. i. Taghazghaz oder Uigur nach Klaps 
roth) 5), Khirkhir, Kimafi, Khizildjis, Turkechs, Arkechs, Khif— 
tfchats, Khilks, Bulgharen. Sie find alle iriegerifch, von vers 
fhiedenen Glauben, refpertiren die Mufelmänner, Diejenigen der 
Turk, welche den Islam angenommen hatten (die erſte Bekeh⸗ 
rung Salurs, mit 2000 Familien fällt in das J. 969 nah 
v. Hammer a. a. D.), fagt er, machten ihren noch ungläubig ges 






%3) Mirkhondi Historia Gasnevidarum ed. F. Wilken, Berol. 1832. 
4. 9.164; 3. v. Hammer Gefgichte des osmanifchen Reichs, Peft 
1827. Th. J. ©.8. **) Edrisi Geographie de PAlabe trad. p. 
Aın. Jaubert, Paris 1836. 4. T.l: p. 182, 191, 497— 499 etc. 

95) Tabl. histor. I. c. 229. 





Central-Aſien, die Yetha, Ma. 703 


bliebenen Bruͤdern den Krica und führten die Gefangenen als 
Sclaven hinweg. Ihre beſtaͤndigen Ueberfaͤlle erneuerten diefe 
Fehde alljährlich, und in gleichem Kampfe wie die Muſelmaͤuner 
mit ihnen im Weften, fanden mit ihnen auch die Chinefen im 
Dften.— Seitdem kommt der Name Turfmanen als zum Is— 
lam übergetretener Turf (nach Nefchris von Hammer citirter 
altturfifcher Etymologie zufammengezogen von Turf und man, 
d. i. Glauben), im Gegenfag der ungläubig bleibenden Turk vor. 
Diefe Unterfcheidung des Landes der Turf und der Tofhas 
‚ren dauert auch bei den folgenden Autoren bis Abulfeda u. X. 
fort; aber leider wird ftets von Turfeftan, mit dem befanntlic) 
die Mohbammedaner noch Yahrhunderte in Kriege verwickelt blie: 
ben, fehr Vieles gefagt ®), von Tofhareftan aber faft nichts, 
fo daß uns auch die Natur der Bevölkerung und das nationale 
Eigenthümliche der Tokharen fehr im Dunfel bleibt, bis in die 
neuefte Zeit, wo nach der Araberherrfchaft, die Usbefen s Populas 
tion und Herrſchaft, den Unterſchied beider faft gänzlich verwifcht 
zu haben fiheint. Von ihrem neuern Zuftande, in welchem zwi—⸗ 
ſchen Tokhareſtan und Weft-Turkeftan faum noch ein Unterfchied 
gemacht zu werden pflegt, wird erjt weiter unten bei Badakh— 
ſchan die Rede feyn. 


3. Die Yetha Ya bei Tuyeon im VIIL, Yeyita bei Mas 
tuanlin im XU. Jahrhundert). 


Wenn wir hinſichtlich der Tocharen s Abftammung völlig im 
unfichern find, fo findet dies noch mehr hinfichtlicy diefer Yetha 
Staͤtt, deren fihon in den Annalen der Sui (5851—618 n. Chr, 
‚Seb.) als eines befonderen Volkes “erwähnt 7) wird, von dem 
Matuanlin®) noch umftändlicdyer Bericht giebt. Beide Autos 
ren ſprechen in der Art von ihnen, daß fie für ein eingewander— 
tes Volk Tokhareſtans gelten muͤſſen, das obwol dem Namen und 
der Herkunft nach, ſich der Gruppe der Yueti anzuſchließen ſcheint, 
doch deren Sitten und ihren ferneren Schickſalen fremd bleibt, 
nd ſich mehr den tuͤbetiſchen verwandten Verhaͤltniſſen der To— 
charen anſchließt. Sollte man dieſe den Ta Yueti urſpruͤnglich 
benachbarten Yerha etwa, ftatt jener, für mehr tübetifchen Schlas 

— 
*6) J. v. Hammer Geſchichte des osmaniſchen Reiches. Peſt 1827. 
Th. 1. p.2—20 etc. »7) 3. Zuycou, f. aſiatiſche Studien v. 


Reumann a. a. D. ©. 179 Rot. nad) dem Suiſchu. "., Bei 
Matuanlin Nouy, Mel. Asiat. i. p.240 — 245. . 


70% Wels Afien. 1. Abſchnitt. & 8. 


ges halten wollen: fo fcheint und dafür manches zu fprechen, 
obwol auch dies nur bloße Vermuthuug fenn möchte, Wir bes 
gnügen uns bier nur mit der Relation der genannten Annalen, 

Im Suifchu heißt es, daß Yta die Capitale im Süden des 
Uhiu (Wei, Oxus) 200 Li (10 geogr, Meilen) gelegen fey, was 
demnach ebenfalls in die Gegend des heutigen Badakhfihan fällt. 
Sie fenen ein Zweig der Ta Yue (Große Yueti, oder im 
noch allgemeinern Sinne, etwa der Maffageten) und ſehr Frieges 
riſch; eine Macht von 5000 bis 6000 Mann. Vordem herrſchten 
in diefem Sande viele Unordnungen, weshalb cs den Turk (06 
Thukiu? die Zeit wird nicht näher beftimmt) Teicht zur Beute ges 
worden fey. Die Sandescapitale habe 10 Fi Umfang, viele Tems |! 
pel des Buddha, die mit Gold verziert find, Hier wird nun die | 
Erzählung von der Sitte der Polyandrie wiederholt wie bei den. 
Tocharen. — 

Matuanlins Bericht, der ebenfalls fchon zweifelhaft war 
über ihre Abftammung, ift folgender: Die Yetha (Geten nad) 
Ab. Remufat) find von der Nace der Großen Yueichi (d. I.’ 
Yucti, Maflageten fagt Ab. Nemufat); andere behaupten aber 
fie ftammten vom Tribus der Kaotſche (Calfo der Turk, f. ob. 
&.595) ab. Sie fommen urfprünglid aus den Lande im Mors 
den der großen Mauer; fie verließen das Goldgebirge (Altal?), 
zogen gegen Süden und Welten bis Khotan, und nahmen ihre | 
Wohnungen mehr als 200 Li im Süden des Duhiu (Oxus) Fluſ⸗ 
feg, an 10,000 Li fern von Tſchang an (Singanfu in Schenfi). — 
Hiernach fcheint es, daß diefe Yetha ihren Wanderweg gleich | 
vom Anfang an mehr im Süden nahmen, und die Ta Yueti 
mehr im Norden, weil diefe auf die Ufun am Ili fließen, aber 
nachher füdweftwärts verdrangt zum Mordfirom, Yarartes 
(Sihon) famen, um die Sai oder Safen aus Transoxiana zu 
verdrängen (f. ob. ©. 605). Ihr König nahın feine Reſidenz 
in der Stadt Patiyan (d. h. koͤnigliche Wohnung nad 
Ab. Remuſat; follte es etwa die Veranlafjung zur Reſidenz von 
Badakhſchan gegeben haben, die zur Zeit der Ming erft, bei 
Chineſen, ihren officiellen Namen, Datahefhan, in diefer 
Seftalt, nad) der Neichsgeographie Edit. 1790, erhalten haben’ 
fol 2399. Diefe Stadt hatte 10 % in Quadrat; man fahe 
darin viele Tempel und Ihürme, alle mit Gold verziert. Die 





?°) Thai thsing y thoung tschi I, c. Magas. Asiat, T. I. p. 90. 


ECentral⸗Aſien, die Yetha, Ma. 705 


itten der Einwohner gleichen denen der Turf. (Hier wird die: 
ſelbe Erzählung von der Polyandrie wiederholt.) Ihre Kleider 
binden fie mit Bändern feft und ſcheeren ſich den Kopf kahl. 
Ihre Sprache ift feineswegs diefelbe, wie die der Jouanjouan, 
der Kaotfche und der andern Barbaren (alfo verfchieden vom Turk). 
Ihre Zahl mag fid) auf hunderttaufend belaufen. Städte haben 
fie nicht; fie folgen nur den Flüffen, um Weidepläge zu fuchen, 
und machen fih Filzhütter. YZm Sommer fuchen fie Eühlere 
Gegenden auf, im Winter die milderen. Cie haben mehrere 
Weiber, die auf Diftanzen von 100, 200 und 300 Li von einans 
der entfernt wohnen (alfo Dolygamie, was jener angegebenen Pos 
lyandrie zu widerſprechen ſcheint). 
— Auch ihr Koͤnig wechſelt mit ſeinem Wohnorte, und bezieht 
jeden Monat einen neuen; aber in der kalten Jahreszeit und im 
dritten Monde wechſelt er nicht. Die Erbfolge gehoͤrt nicht dem 
Sohne des Koͤnigs, ſondern der zur Regierung faͤhige unter den 
Söhnen, oder jüngern Brüdern des Verftorbenen, übernimmt bie 
Regierung. 
Offene Karren giebt es im Lande nicht, ſondern nur geſchloſ— 
fene; man bedient fich fehr Häufig der Pferde und Kameele. Die 
Strafen find bei ihnen fehr fireng; jeder Dieb, fo gering auch 
fein Verbrechen fen, wird in zwei Stüde zerfchnitten; Schulden 
üffen zehnfach bezahlt werden. Iſt der DVerftorbene reich, fo 
haͤuft man Steine über feine Leiche; ift er arm, fo wird er in 
ine Grube gefenkt; mit ihr wird allerlei Hausrath vergraben. 
Dies Volk ift graufam, mächtig, Eriegerifch; die Region des 
Weſtens, Khangkiu (Sogdiana) wie Khotan, Sule (Kaſchghar) 
und Aſi, gehörte nebft wol 30 andern Kleinen Herrſchaften zu feiz 
nen Iintergebenen; es verband fich durch Verfchiwägerung mit den 
Jouanjouan (den nordifchen Sianpi), — Diefe Schilderung der 
außerordentlichen Macht diefer Yetha in frühern Zeiten, fann 
ich wol nur auf eine viel allgemeinere, freilich ungenauere 
Benennung der Ta Yue!®) beziehen, wie diefer Name auch 
von dem Hiftoriker Tuyeou zur Bezeichnung des Gefihlechtes der 
gr gebraucht wird, etiva in derfelben Art wie jener befannte 






















= ; 
300) Neumann, Afiat, Studien a, a, D, ©, 172 Not, 1. 
" Rüter Erdkunde VII. 99 



























706 MWeftsAfien. 8. Abſchnitt. $. 8. 


Matuanlin die chronologifchen, die vom Jahre 460 bis zum Ju 
616 fortgeführt werden, wo fie aufhören, | 
Sm Jahre 460 fchickten die Yetha Tribut; 527 einen Löwen Y 
aber Unruhen hemmten die Verbindung. Seit 516 hatte der Kais 
fer Mingti mehrere der Samander!oh), wie Ding tfhonsf 
tfeu, Thung ſung, Yun, aud den Fali und Andere (alſo 
wie früher Fa Hian, Anfang des V., und wie fpäter Hiuan 
Thfang im VII. Jahrhundert) in die Weftländer ausgefandt, 
um dort Machrichten über die Bücher und Doctrin des Foe 
(Buddha) zu fammeln. Auch war ein Samanäaer'Tfonifeng 
mit ihnen gegangen, welcher nach den Yahren 520 bis 527 zus 
rückfehrte; alle Details feiner Route und die Entfernungen ans] 
zugeben, die er durchzog, würde, fagt Matuanlin, ſchwer ſeyn —F 
(vergl. hiermit Sing yun tfe und Hoei fengs Pilgerfaheten, die im 
Jahre 518 nach jenen Gegenden ausgehen, und zu den Yeta | 
Tofhareftan fommen, wo diefen ungefähr 40 Königreiche in je 
Zeit Iribut zahlen) 2). 
Im Sahre 559 fehieften fie Tribut, aber bald darauf ſchlu 
gen die Turk ihre Tribus und zerſtreuten dieſe, wodurch die Iris 
hutfendung unterbrochen ward. Im 5. 605— 616 brachten fie 
wieder Sandesproducte; ihr Sand lag 1500 Li (75 geogr. Meil.) 
fern von Ifao (Osrufchnah), und fie brauchten 6500 * um bis] 
Koua tcheou zu kommen. — 
An einer folgenden Stelle ſprich Matuanlin, unter dem 
Namen Dita, noch von einem andern GetensTribus, der 200 Li 
im Süden des Orus wohnte, ebenfalls ein Zweig jener Ta Yueti 
war, und 50,000 bis 60,000 Mann tüpferer Krieger zählte. Uns] 
ruhen, die bei ihnen Statt fanden, follen den Turf großen Eins] 
fluß und Uebergewicht über diefe Voͤlkerſtaͤmme gegeben haben. 
Ihre Sitten gleichen denen der Tocharen. In allem übrigen find 
fie den oben genannten Vetha ‚gleich. Ein chinefifcher Autor ftell 
die Behauptung auf: der Name Vetha fen urfprünglich vie 
Benennung der EZöniglihen Familie des Landes Hoa gewefen/k 
deſſen Einwohner fihon 144 Jahr vor Chr. Geb. befannt gewe— 
fen, und alle benachbarten Königreiche, wie Perfien, Hoeipan, 
Cophene, Koueitfeu, Sule, Kume, Khotan u, f. w, unterjod 


101) Bei Matuanlin in Nonv. Mel. Asiat. I. p. 242. ») Pilger 
fahrten RT Priefter von China nad) Indien, v. Neumann, 
Leipz. 1833, 8. 1. Abth. S. 41, 51 ıc, f 


® - 


Central⸗ Aſien, Yadſcha, Badakhſchan. 707 


hätten. Spaͤter erſt ſey dieſer Name durch Verderbung der Volks, 
name geworden, und davon ſey wieder der Name Yita abgelei— 
tet. Andere Autoren, die von Matuanlin citirt werden, haben 
dere Vermuthungen aufgeftellt; ſie meinen die Yita ſeyen von 
en Uigur ausgegangen, oder von den Kaotſche, wodurch ſie auch 
u Turkſtaͤmmen gemacht wuͤrden. Aber Weitſi, der beſſer un— 
ichtet ſey, habe, nach dem Buche Sifanki, ſelbſt Leute 
n ihnen über ihren Namen befragt, und von ihnen zur Ant: 
ort erhalten: Yithian hießen fie. Er erinnert an die Kriege, 
elhe die Chinefen in Sogdiana zur Zeit der Han geführt, und 

neint diefe Yithian feyen die Trümmer, die von ihnen in die 

lucht gejagt, fih wieder gefammelt hatten. Die Yithian, 

ügt derfelbe hinzu, Eönnten alfo wol fogdianifchen Urfpruns 

es feyn (getifchen und maflagetifchen); jedoch bei Traditionen, 

ie auf fo ferne Völker Bezug haben, deren Sprachen uns fremd 

ind, und nad) fo langem Verlauf von Zahrhunderten werde man 

ie wahre Etymologie nicht herausfinden; deshalb man fich nur 

amit zu begnügen habe, die Angaben der Vorgänger zufammenz 

uftellen, — Mit dieſem fehr verftändigen Ausfpruche des Weiz 

fi, haben wir uns denn auch hier zu begnügen, und in Ähnlis 

en Fällen gleichfalls feinem Vorgange gemäß zu verfahren. 

















Yadſcha in der alteften Zeit der Han-Annalen 
CGutſchha in der Reichsgeographie); Pothhonang 
auf der Buddhiften Karte feit dem VII. Jahrhun— 
dert; Pataheſchan der Nenern; Patafifhan im 
Siyuwenkianlu, d. i. Badakhſchan. 


Schon in den Annalen der Han finden wir in dem Ges 
sirge zwifchen Yarkend in dein obern Oruslande, und bis Kipin, 
fo durch ganz Tocha reſtan, eine Anzahl von Gebirgss 
jauen 3). unter fehr verfchiedenen Namen als gefonderte Herr: 
haften aufgeführt, wie Phiſchan, Yadſcha, Sie, Puli, 
jnai, Ulei, Nantu u. a., die wir feineswegs alle nachzumeis 
en im Stande find. Sie werden deshalb genannt, weil durd) 
ie, von Khotan aus, tiber Phifchan die Sudftraße ſuͤdweſt— 
varts führe, nad) Kipin und Ugefchanli (d. i. Perfien, f. unten). 





) Opissahĩe Dshungharia i wosstotschnawo Turkistana ed. P. Hya- 
kinth. St. Petersb. 1829. Th. I. n. Dr. Schott Ucberf, der Anna 
Ien der Han Me, 


* 2 y > 


708 Weſt⸗Aſien. 1 Abſchnitt. 6. 8 


Einige derfelden haben m Obigem (5. B. S. 571 Nr. W., wie 
Inal und Sie, f. ob. ©. 420 u. a. ©.) ſchon ihre Nachweiſung 
erhalten. Da mit den meiften gar keine erheblichen Thatſachen 
verknüpft find, fondern nur ihre Diftanzen, Namen und Verhaͤlt⸗ 
niffe zu China angegeben werden, fo heben wir nur den einen’ 
Artikel daraus hervor, welcher von dem neuern Gentralpuncte je⸗ 
nes Iochareftand, von Badakhſchan die ältefte uns bekannte 
Meldung thut; ein Name, von deffen möglichem Urſprunge zus 
vor nur eine etnmologifche Hypotheſe gegeben ward, der in neues 
rer Zeit bei Chinefen Patahefchan gefchrieben wird, der in 
frünefter Zeit aber Yadſcha in den Annalen der Han heißt. 
Als ein Mittelpunct der Stationen der fo weit gegen Welt fühe 
renden Suͤdſtraße nach Kabuleftan, Indien und Perfien, wos 
durch Badakhſchans Lage noch heut zu Tage an dem Weſtein⸗ 
gang des Hochlandes des Beloro (f. ob. ©. 501, 503, 520 u. f.) 
fo ſehr characteriſirt wird, verdient diefer Ort hier auch in aͤlteſter 
Periode unfere ganze Aufmerkfamfeit. 
Yadſcha, oder Badakhſchan, liegt 1340 2i.(65 geogr. 
Meilen) nach jenen Annalen, alfo etwa ſchon ein Jahrhundert 
vor unferer Zeitrechnung, in SW. von Phifhan; der Fürft 
wohnt in der gleichnamigen Stadt. Der Familien find 490, der’ 
Mäuler 2733, der Krieger 740 Mann. Damals ift diefe Herr⸗ 
ſchaft alfo noch fehe gering. Im Norden grenzt diefes Yas 
dſcha mit Dſyche, oder Kyche (d. I. Kukjar, ein Dr, dem 
noch heute nur 15 geogr. Meilen im Suͤden von HYarkand liegt; 
ſ. Klaproth Cart. centr. de l’Asie, und feine türfifche Bedeutung, 
Koͤkyar, d. i. blaues Land, beibehalten hat) und Serlik (d.i. 
Sereful, Sirkul, Sarecil bei B. Gods Route, f. ob. S. 505), 
zweien Gebirgegauen des Beloros Gebirges oder Ihfungling; wore 
aus fich ergiebt, daß jene antife Badakhſchan-Route über 
Sereful und Kartfchu oder Kartfchuf nad) Tokhareftan, uns auch 
in neuern Zeiten wieder ald gangbar befannt geworden ift. Von 
Kyche wird gefagt: daß es daſelbſt Yuftein gebez von Serlik 
- aber, daß feine Bewohner mit Inai und Aratſchuk (mol Kartſchu) 
und Sie, einerlei Stammes feyen, der mit den Tangut die 
meifte Achnlichkeit habe. Die Weftgrenze Yadfha’s, an 
Nantu, ift uns aber heut zu Tage, dem Namen nad), der bi 
natürlich weit mehren Wechfeln als auf der Oftfeite unterworfen 
gewefen feyn muß, gänzlich unbekannt. | 
Das Sand Yadſcha, heißt es in den Hans Annalen meis 













Eentral-Afien, Badakhſchan, HiantusPaf, 709 


‚ter, llege zwiſchen Bergen ; dad Getreide werde zroifchen Stehin 
gebaut; es giebt hier weißes Gras (oder Kraut?). Ihre Häufer 
bauen fie aus Stein. Die gemeinen Leute trinken aus der hohlen 
Hand. Bon bier bezieht man gute Pferde; es giebt auch Eſel 
in Yadfcha, aber Fein Hornvich. Im Welten diefes Gebietes 
‚befindet fih „der Hängende Daß, Hiantu, ed ift dies 
ein fieiler Berg, an dem feine Lüde zum Durchgang 
(kein Col) fich befindet, und welcher an Striden übers 
fliegen wird.“ 

So weit die Annalen der San; in feinem andern Werke 
finden wie weitern Auffhluß über jenen, für das Mittelalter To— 
chareſtans, wegen der großen Suͤdſtraße nicht unmerkwürdigen 
Gebirgsgan, der Hinfichtlich feinee Lage und feiner Bewohner 
‚eine fa eigenthuͤmliche Mole fpielt. 

Mur in der Eaiferlichen Neichsgeographie 10%) vom J. 1790, 
‚erhalten wir, in dem Abfchnitt von dem moderhen Badakh— 
ſchan, auch einen intereffanten Beitrag über deſſen alte: Geo— 
‚graphie, der ſich ebenfalls auf diefelbe Duelle ftügt, ganz mit dene 
‚felben Worten und in derfeiben Folge, aus deren Original wir 
Obiges Fhöpften, doch mit dem Lnterfchiede, dag Yadfcha das 
ſelbſt Utſchha genannt ift, worin freilicy der eigentliche Name 
Kwahrfcheinlich durch bloße Lesart) noch weit unfenntlicher. gemors 
den ift. - 
I Diefes Land, heißt es dafelbft, nachdem obige Worte der Han— 
Annalen vorangefchickt find, liege rechts vom Ihfungling, 
d.h. im Süd, oder S. W. deſſelben, oder des Belor (vergl. ob. 
©. 496), und hänge an deffen fleilen Gebirgszwei— 
‚gen. Die Kette der Altſchukha (oder Altun Tſchuhha, 
wol Sicher obiges Kartſchuk⸗-Gebirge, an welchem der Gebirgss 
paß hindurch fuͤhrt, ſ. ob. S. 505) ſey ein ſehr hoher Zweig des 
Thſungling mit hohen Piks, der an der Landesgrenze (der 
‚heutigen, von Badakhſchan, und dem chinefifchen Territorium) 
‚ende. Der Yeſchi Derak (Iſſi derik der. hinefifchen Kars 
‚ten; f. auf Grimms Karte von Hoch: Afien) entfpringe an der 
Süpfeite des Ihfungling, fließe dann gegen Nord, durchfege 
Dadaihſchan und Belor, trete in den Gau Yefchi Derak ein, 
der ihm feinen Namen gebe, und theile fich dann in 2 Arme, 











204) Thai thsing 5, thoung tschi, Ed, 1790, b, Klaproth, Magas. Asiat. 
- Paris 1825, T. 1, p. 93. 


710 Weſt-Aſien. 1. Abſchnitt. 6. 8. 


















deren einer ficb in den Tuskul (Salzfee) ergieße, der andere 
gegen S. W. fliße, dann gegen Mord und in den Defchilful 
(gelber See) falle. Dies fen in den alten Berichten der Yffis 
ful, auf der Grenze von Yarkiang. Hier ließ Kaifer Khiensf 
long, am Ufer des Pefchilfuls Sees, nach Befiegung der rebellis] 
fhen Mohammedaner eine Inſchrift errichten, zur Verherrlichung 
ſeiner Siege (ſ. ob. S. 521). — 
Nach dieſer ſehr lehrreichen Stelle, die uns in dieſer Terra | 
incognita trefflich orientirt, fährt die Meichsgeographie alfo fort! | 
Der Fluß Tfinar ift an der Suͤdgrenze von Badafhal 
ſchan (er ift ung jegt unbekannt, wol nur ein Feiner Zufluß);f 
an feinem Ufer erhielt der Sultan Schah die Aufforderung fichl 
des flüchtigen Khodja zu bemaͤchtigen (f. 0b. ©. 523). | 
Nun folgt wiederum eine antiguarifche Notiz, die aus dem 
Annalen der Han!®) citirt wird, welche uns genauefte Ausıf 
funft über jenen „Dängenden Paß“ oder Hiantıf giebt] 
weil hier nun diefer Localität, welche den Kaifer Khienlong inf 
feiner Neichsgeographie, wegen feiner Siege bis Badakhſchan vom 
höchften Intereſſe war (f. ob. ©. 542), die genaueften Maaßık 
beigefügt find, aus denen fich die Lage diefes Paſſes durch vderf 
Hindu Khu nun mit größter Zuverlaͤſſigkeit nachweifen läßt 
Es ift nämlich der directeffe Hauptpaß, welcher aus Ball 
dakhſchan, durch die Mitte des heutigen Kaferiftan nadf 
Kabuleftan binabführt, und entweder derfelbe, der ſchon für dig 
älteften buddhiftifchen Miffionen von Khotan, über die noch undeh 
— Orte Kietſcha und TIholy gangbar war, den FaHianẽ 
im J. 400 n. Chr. G., die Suͤdſtraße Peikius (ſ. ob. ©. 663) 
na Hdpana hinabflieg, (f. 0b. ©. 284, 289); oder den Timuj 
im Jahre 1379 von Badakhſchan aus, Über Kutore zu d 
Bändigung der Siapufch zu gehen beabfichtigte (f. ob. S. 2074 
Oder es ift endlich der von Pat. Ben. Goes, im 5. 1603 vol 
Kabul aus nah Talhan (jest Talighan) und Badakhſchag 
durch das Hochgebirge des Hindu Khu begangene, deffen Static 
nen aber durch die Namensentftellung 7) uns völlig unentzifferb | 
geblieben find (f. ob. ©. 503— 506). Alle drei koͤnnen von 2 





05) Magas. Asiat. I. ©. T. I. p. 94. °) Sm Foe koueki, & 
Paris 1336. 4. in ber begleitenden Carte de l’Inde d’apres les Chi 
nois, ift auch Fa Hians Reiferoute auf dieſer Straße eingezeich 

”) Nicol, re de Christ. Exped. apud Sinas et I. c. Auf 
Vind. 1615. Lib. V. e. X, 9.949 — 531. 


SentralsAfien, Badakhſchan, Hiantu-Paß. 711 


Nordſeite des Gebirgsfußes am Eingange nicht weit auseinander 
‚fallen, obwol fie gegen Suͤden weiter radienartig fich verbreiten. 
F Die Angabe im Thai thfing y thoung tfchi iſt num über die Lage 
des Paffes Hiantu folgender Die Annalen der Han fagen, 
der König von Utfhha (d. i. Badakhſchan) refidire in Ser 
Stadt gleiches Namens; fie ſey 9950 Pi (= 4972 geogr. Meil.)> 
E fern von Tſchangngan (der damaligen Capitale von China, wo 
jest Singanfu). Ton Utſchha gegen N.D. bis zum Sitz 

‚des Gouverneurs von Siyu (d. i. Kuatfcheon) rechnete man 

4892 Li (244 geogr. M.). Gegen N. grenzt Utſchha an Tſu hos 

phu li(?), gegen W. an Nanteon (f.ob.Nantu ©. 707,708) 

und Naͤntchhing, in der buddhiſtiſch-chineſiſchen Karte, aus 

dem VI. Jahrhundert, wo das Land Badatkhſchan am Sudufer 

des Drus Potchhouang 8) heißt, das oberfie Quell-Land diefes 

Stromes aber Keoumitho (f. ob. ©. 564, 569, 571). Die 

Haͤuſer von Nanteou find aus Stein übereinander aufgebaut, 

deſſen Einwohner gebraugen die hohle Hand zum Trinfen 

“(nach Ctesias Persic. Fragn. XXXIX. ed. Lion p. 130, war es 

bei Perſern ſchimpflich aus Ihongefäßen zu: trinfen).. 

Im Weſten dieſes Icsteren Landes Nanteou liegt nun 

die Paſſage Hiantu, 5888 Li (— 294 geogr; Meil.) vom. Fort 

Mangfuan (f.Afien I. ©.204, etwas in Oft von Shatfcheou), 
N und 5200 Li (= 260 geogr. Mei.) vom Shatfcheou, dem. Gene: 
rals⸗Sitze (alfo- liegt hiernach. das. Fort Yangfuan nod; 34 
geogr. Meilen (683 Li) öftlich. entfernt von Shatfcheou). — Dies 
fer Pas Hiantır führt nun über einen ſehr hohen, fteilen Berg, 
deſſen Felfen ſehr ſchwer zu überflettern find. Man kann die 
Spalten und Abgründe nur mit Hülfe von Seilen paffiren, die 
von einem Felsrande zum andern gehen. — 

In der Zeit der Goeiherrfchaft, d. i. im II. Jahrh. n. Chr. 
Geb., hieß das Land Utfihhe, Khiuanyumo (d i. Badakh⸗ 
ſchan); fein König reſidirte in der Stadt Utſchha, die in S.W. 
von Sykiupan lag, und 12,970 Li (= 648 geogr. Meil.) fern 
von Thai der Capitale der Goei. Zu gleicher Zeit lag das Kr 
nigreich Akeoukhiang im S.W. von Sokiu (d. i. Yarfend), 
und 13,000 Li (— 650 geogr. Meil.) fern von Ihai. Alſo diefe 
beiden Orte nur ein Unterfchied von 30 Li (14 geogr. Meil.) aus: 






) J. Klayroth Eclaircissemens sur une Carte Chiroise et Japonaise 
de PAsie et de Pinde in Mem. ıel. a VAsie. T. U. p: 416. 


12 Weſt-Aſien. 1. Abfehnitt, F. 8. 


einander. Nur 400 Li (= 20 geogr. Meil.) von da, im De 
(alfo 214 geogr. Mei. im Weſt von Badafhfchan), liegt dee 
Berg Hiantu, Über welchen die Paſſage führte. Der Weg 
war faft ganz aus Baumſtaͤmmen gebruͤckt, an furchtbaren Ab⸗ 
ſtẽrzen hin, welche der Reiſende oft an Stricken uͤberſetzen mußte. 
Daher Hiantu, der haͤngende Paß (won den Haͤngebruͤcken). 
Dieſer Paß lag alſo noch im Weſten von Badakh— 
ſchan, von Nanteou und vom Akeoukhiang, deren beider 
Sagen ob gegen Talighan bin nach Weſt, oder gegen In— 
derab hin nah Suͤdweſt (f. ob, ©. 304), uns nicht genauer 
bekannt find. Dorthin muß alfo dirfe HiantusPaffage in 
die angegebene Entfernung durch den Hindu Khu, wenn nicht 
durch die Kutore-Paſſage, doch nothwendig noch weftlicher in eis 
nen der von Sultan Baber genannten öfttichften Paͤſſe (ſ. obs 
©. 252) einlenfen, za dem obern Kabuleftan (Kophene), Diefe 
genauefte Beſtimmung des HiantusPaffes und der Lage von 
Padſcha, wird auch durch die Folge der Erzählung im Taithfing 
vollkommen beftätigt, in der diefes unmittelbar darauf, gegen Oft, 
die Befchreibung von Kophanto, d. i. wie wir oben gefehen den 
Gebirgsgau Kiephanto (Kabandha) folgen läßt (f. ob. ©. 47). 
Noch bemerken wir bier zum Schluß diefes Artikels, daß 
wol zuweilen die beiden verwandten Laute des Paſſes Hiantu 
amd des Landes Hiantu mit einander verwechſelt ſeyn mögen. | 
Die richtigere Schreibung des Landes ift in der älteften Schreibe 
art Chintu 10), dann aber auch haufig!) Ihiantu, Per 
Hiantu. Auch wird es Intu und Khiantu gefchrieben, und 
Si Intu fuͤr die Weſtſeite des Indus; ſeit der indoz feythis 
ſchen Eroberung aber auch Yueti. — Jene Verwechslung ift ohne 
Die Originalſchreibart vor Augen zu haben ſchwer zu berichtigen, 
Boch kann ſie gluͤcklicher Weiſe keinen großen Irrthum herbeifuͤh⸗ 
ven, da der Hiantu-⸗Paß immer auch der Paß nah Nord⸗ 
Hinduftan heißen kann. Diefe Orientirung der Chineſen 
in fo beſtimmten Verhaͤltniſſen von Khotan bis zum Hindu 
Khu und Kophene, muß für ung, die wir früherhin über dieſe 
Localitaͤten voͤllig im Dunkel waren, fuͤr die aͤlteſte wie fuͤr die 
neueſte Geographie Mittel⸗Aſiens vor hoͤchſter Wichtigkeit ſeyn. 7 
































'‚»®) Ssematsien b. Prosset Journ. Asiat, T. II. 1828, p. 426. 
1°) Blem. relat. a l’Asie T. U. p. 420. 


h 


Central⸗Aſien, die Tiaotfchi, Tadiik. 713 


3. Die Tiaotſchi (Tiaodfhi), die Tadjik (Taoxol bei 

 Dionys. Perieg.; Dahae), die Tadſchiken, die Perfifchz 

redenden — die Tache, Tachi, Tafian, oder Tas 

zian, d. i. die Araber — die jegigen Tat oder Tas 

tas, d. i. die Unterworfenen; die Garten, d. i. die 

 Kandelslente; die Bucharen im engern Sinne, 
im Gegenfag der Turf und Usbek. 


Die Berichte über diefes Volk in Transoriana und Oſt-Tur⸗ 
keſtan, deffen wir in Obigem ſchon öfter als Perſiſchredende 
(f. 06. ©. 242, 554, 568, 579) zu erwähnen hatten, und welches 
noch bis heute, mit demfelben Namen der Tadjik, zerftreut, 
durch viele Voͤlkerſtaͤmme Turkeftans vom Orus bis in das Ins 
nerfte China oftwärts, und weftwärts bis Kafan fih aus— 
breitet, waren in den mohammedanifchen Autoren ſehr unficher 
und fparfam mitgetheilt, die claffiichen Autoren ſchweigen faſt 
gänzlich von ihnen. Ihre Sprache ſelbſt war vor wenigen Jahr⸗ 
zehenden noch ganz unbekannt, fo daß cs faft unthunlich war, 
‚über fie zu einem nur wahrfcheinlichen Zufammenhang ihres ins 
nern und aͤußern Voͤlkerlebens zu gelangen. Die Sprachforſchun— 
gen und die chineſiſchen Annalen haben uns nun, gluͤcklicher 
Weiſe, von den fruͤhern Irrthuͤmern uͤber ſie befreit. 

Die Han-Annalen und Sſematſien fuͤhren uns, durch 
ihre ferupulös genaue Relation (die freilich nicht ohne 
Irrthuͤmer, nicht ohne Langeweile bleiben konnte) als treffliche 
Megweifer, auch hier auf ihren Urfprung, vor unferer chrifts 
lichen Aera, zuruͤck. Phantſchao ift es, der fie fchon um das 
Sahr 75 vor Chr. Geb., im Weften der ackerbauenden Anft (f. ob. 
©. 554— 557, 574 u. a. D.) durch Kanying entdeckt. So ents 
ſteht das Project der Chinefen, das Weft:Meer, an deſſen Dfts 
ufer die Handel treibenden Tiaotfchi fich angefiedelt hatten, zu 
überfchiffen, um mit dem Reiche Ta fin dem Nomifchen; das 
‚mals noch Republid) in Handelsverkehr zu treten, 

Dies Veberfhiffungsproject erhält durch die unmitfels 
bar darauf folgende Nachricht des römischen Eroberers am Suͤd⸗ 
fuße des Kaufafus, des S. Pompejus, als Augenzeugen, auf 
‚der Weftfeite, nicht geringe Beftätigung (Plin. H.N. VI. 19), wie 
wie oben fihon angeführt haben. Sollte unfere Vermuthung 
fehr fern von der Wahrheit liegen, wenn wir dafür halten, daß 
Alesrander M. Pan durch Heraclides, aus den Hyrkani⸗ 


— 































714 Weſt-⸗Aſien. 1 Abſchnitt. 6. 8. 


ſchen Wäldern, mit Huͤlfe ihn begleitender Schiffsbaumelfter, die 
erfte Flotte zur Befchiffung dieſes Meeres (Arriani Nicom,. 
Exped. Alex. Lib. VII. c. 16. 1) aufzubauen, obwol dies nicht 
zur Ausführung gekommen, doch die Handelscolonie der Tiaotfchi | 
zu einer folchen Ueberfchiffung angeregt habe. Diefe Schiffs 
fahre wird in verfchiedenen Schriften der früheften chinefiz 
fchen Annalen zu ‚oft wiederholt, als daß man Strabo’d Angabe, 
daß diefes Meer, von dem er übrigend nur wenig zu fagen er | 
(Strabo XI. fol. 509; f. b. Tzſchukke Ed. T. IV. Xl. «7. $.2 
p- 46 2), ‚ganz unf st fbar und öde daliege (ünkovg Te oVou 
za: aoyös), mehr Glauben ſchenken follte als jenen; verfchmeigt 
er doch fogar die Sendung des Heraklides, und führt nur 
aus Arifkobulos die Nachricht an, daß Hyrkanien fehr wals] 
dig und reich an Eichen fey, aber keine Pechfichten, Rothtan⸗ 
nen, oder Föhren, erzeuge, was mol eben nur durch die Schiffes | 
zimmerfeute des Heraklides fo beftimmt bekannt geworden feyn] 
fonnte. Strabo widerfpricht ſich aber auch gleich darauf (ib. | 
$.3. p. 464 1. c.), wo er, nach Patroklos, dem General des] 
Seleucus, welchem auch, Eratofthenes und Ariftobulos in diefer 
Anficht folgten, angtebt, wie fchiffbar der große Oxus und 
geeignet zum Transport der Waaren fey, deren viele 
in größter Menge aus Indien auf ihm zum Caspifhen] 
Meere hinabgingen, und nach Albanien zum Kyros (Aras 
res: Fluß) transportirt (reemoicsur, de i. hier offenbar uͤber⸗ 
gefchifft) wurden, um zum Euxinifchen Pontos (nad) Ri | 
zu gelangen. 
Diefe farge und nur oberflächliche Kenntnig, welche die Or } 
cidentalen von den Bewohnern der Aralifchen und der OrussSeitel 
des Kaspifchen oder Hprkanifchen Meeres in jener früheften Perf 
tiode hatten, macht es nothwendig, daß wie hier die Nachrichten 
über die Tiaotfchi, nad Sfematfien, den Dan:Annasl 
len und Matuanlin mittheilen, wenn auch mancher Irrthum, 
bei fo fernften Negionen (und wie viele diefer Art müllen wie 
bei Herodot, Pelybius, Strabe, Plinius u. A. gern dulden) mit | 
unterläuft, in einem Gebiete, deilen wahrer und grümdlichere 
Geo: und Ethnographie, noch die nächte Zeit erwartungsvoll ents 
gegenficht. Doc) bemerken wir zuvor, daß wir nur ein einziz 
ges Mal von den claffiihen Autoren der Taſci ( Tuoxoi 
Dionys. Perieg. v. 1069, Eustath, Commt, ib. p. 183 ed. Huds. 
Vol. VI.) als eines alten Perſer-Volkes erwähnt finden, das im 











Sentrals Afien, Tiaotfchi n. d. aͤlteſten Chineſen. 715 


Norden der Paſargaden, alſo in Nord-Perſien aufgeführt 
wird, und von uns, in Ermangelung anderer Daten, dem Na— 
men nach, fuͤr Bee mit den Tiaotfohi, oder Tadfchif, 
wol gelten koͤnnte. J. v. Hammer!!!) hielt dieſe für die Da— 
diken Herodots, von denen ſchon fruͤher die Rede war (Aſien 
u. ©. 654). 


1) Die Tiaotfhi nah Sfematfien (100 Jahr vor 
v Chr. Geb.) 2). 

Einige 1000 Li (etıva 100 geogr. Meil.) im Weſt der Anfi, 
"gegen das Weſt-Meer (Si Hat, Caspifches Meer), liegt ihr 
"Sand, das heiß und feucht iftz dort Haut man den Reis (mie 
"im heutigen Khiwaz Uber Neiscultur, vergl. Aften IV.1. &.800). 
Dort findet man Vogeleier, großen Gefäßen an Umfang gleich 
(Straußeneier, ſ. 06. ©. 636). Die Bevölkerung ift fehr flarf, 
"An verfchiedenen Etellen wird fie von kleinen Chefs beherrfcht, 
die den Anfi, deren Angrenzungen fie ausmachen, trißutair find. 
Es giebt dort geſchickte Jongleurs. Die Alten willen durch Tras 
dition, daß bei den Tiaotfchi, der Zochoni und Sie Bang mu ſey; 

aber Niemand hat ihn gefehen (eine gänzlich a ae Stelle 
von einer unbefannten Sage). 


2) Die Tiaotſchi, nah den Annalen der Han 
(bis 20 nach Chr. Geb.) B). 

Sie werden hier Tiaodfcht Hefchrieben, und als die wefflis 
chen Nachbarn von Ugheſchanli (ein älterer Name für Poſſe, 
"». i. Derfien; hier eine Nordprovinz deilelben) genannt; ihr Fuͤrſt 

fuͤr einen mächtigen Brertieger gehalten, der viele Krieger hat, und 
von China unabhängig ift. Im Offen grenzt es an Kipin. Ihre 
Haubptſtadt liegt 100 Tagereiſen fern, in der Nähe des weſtli— 
N ben Meeres. Wegen des milden Climas und’ feuchten Bos 
dens wird in Ughefchanli (das hier als von denfelben Pew 
- fifchredenden bewohnt und mit Tiaotfcht gewiffermaßen identificiet 
 erfcheint) Reis gebaut. Man findet hier Straußeneier. Das 
Sand ift ſehr ſtark bevölfert, in Eleine Vaſallen-Reiche abgetheilt, | 
Bun? von den Fürften der Arfi abhängig (f. ob. ©. 654), Die 


Er 


9 





nn, Wiener Jahrbuͤcher der Literatur 1831. B. 53. ©. 25. 
4 12) Ssematsıen Relation ete. b. Brosset in Nouv, Journ. Asiat. 
T. 1, p. 425. 13) Opissanie Dshungharia i wosstetschnawo Tur- 
kistana b. Hyakintlı I. c. T. L. 1. Abth. Dr. Scott Mscı, 


716 WeitsAften. J. Abfihnit, & 8, 


Eingebornen find geſchickte Wahrfager (oben dle Jongleurs). 
lid von Tiaodfchi, in einer Entfernung von hundert Tagereiſen 
zu Waſſer liegt der Ort, wo die Sonne niedergeht (O 
cident). 

Das Land Ugheſchanli iſt eine heiße Ebene (alſo wol das | 
Sand weftwärts Herat, über Merv, Mefched, Kharesm). Plans 
zen, Bäume, Getreide, Früchte, Kräuter, Vieh, Speifen, Gel 
tränfe, Gebäude, Bazare, Geld, Waffen und LurussArtikel, Alles 
ift wie in Kipin. Außerdem’ findet man hier Löwen und Rhino⸗ 
ceroffe. Die Einwohner haben einen Abſcheu vor dem Biutverz 
giegen (d. h. find friedfertig). Ihre Geldftücke zeigen auf der f 
einen Seite einen Menfchenkopf, auf der andern einen Neiterf 
(ſ. 06. S. 683; die arfacidifchen Münzen haben meift den Feuers ] 
altar auf der Nückfeite; daher fie von diefen gut zu unterfcheiden 
find). Ihre Waffen fhmücen fie mit Gold und Silber. Day 
diefes Land fehr weit von China liegt, fo find nur felten chines 
fifche Sefandtfchaften dahin gefommen. Hier endet die Suͤd— 
Straße (Nanlu), auf der man von Yuͤmen und Yangkuan | 
aus, durch Schenfchen, und ſuͤdwaͤrts bis Lghefchanli reifet. Von 
hier muß man erft nordwärts und dann ofhwärts ficd) wenden um ] 
vach Anfi zu fommen. — 






3) Die Tiaotfdi, Tadſchik, nah Tuyeou!l) 
(im VII. Sabrhundert). 

Zur Zeit der Weis Dynaftie (erg. 386— 558 n. Chr. ©.) 
fängt dieſes Geſchichtswerk gleich damit an zu fügen: Poſſe 
(Perſien) fey das alte Reich Tiaotſchi; der Name Poffe 
ſty erft aus neuerer Zeitz der Familienname des Königs fey Po, 
fein eigener Name Sſe; feine Refidenz in Suli (Sufter), fein 
Eis ein goldner Ihron u. f. w. Daß dies die auf chineſiſche 
Weiſe verftimmelte Nennung der Parfen GPo-huͤ, für Parsfi) 
fey, und in den folgenden Notizen auch manche Anfpielung auf 
Die von Claſſikern mitgetheilten Mythen über die alten Perſer ſich 
— ergiebt ſich aus der weitern Ausfuͤhrung von Noten und 

Text 15), die wir hier übergehen, um bei dem einen Steige des 
erwähnten Volkes, den Tadjik, ſtehn zu bleiben. | 

Aus den Annalen, vom Yahre 557 —581, wird gefagt: das 





1) Neumann, Afiatifche ZUM Th. 1. S. 155 — 177: Perſien. 
126) ebend. ©, 166 Not. 


Central⸗Afien, Tiaotſchi, Tadjik. 717 


des Königreichs Pofie fen ein Stamm der Ta Yus; 
aber zuvor fen es das Königreich der Tadſchik gewefen. Ge 
nauere Detaild von den Tadſchik fehlen, dagegen wird bei den 
Chinefen ſehr umftändlich von dem Perfern Bericht gegeben, dee 
anderwärts nachzufehen iff. 

Matuanlin 6) wiederholt größtentheils' in feiner Biblios 
{het nur die obigen Angaben über die Tiaodfchi, zumal auch 
bie von ihrer Ueberfchiffung des Meeres, vom Lande und feinen 
Producten; ex wiederholt diefelde unverftändliche, fchon oben ans 
geführte Tradition, und fchließt damit, daß man bei den Tiaos 
iſchi eingefchifft, gegen Weſt, nad) 100 Tagen dahin fomme, wo 
die Sonne untergehe. Nur die Capitale des Landes befchreibt er 
ihrer eigenthümlichen Lage nach genauer: fie liege auf einem 
‚Berge, habe 40 Li in Umfang, dicht am Caspifchen Meere; deſſen 
Waſſer umgeben fie von der Eds, Mords und Oft Seitez 
ſchneide alfo auf drei Seiten den Zugang zu ihr ab; nur von 
Nordweſt her führe der Landweg zu ihr. — Die Loralität diefer 
Kapitale ift uns noch unbefannt. — 

So unvollſtaͤndig diefe Chinefenberichte auch genannt werden 
müffen, fo wichtig find fie doch dadurch, daß fie uns entfchiedes 
nes Zeugniß darlıber geben, daß die Tiaotfchi, oder Tadjik, 
alle Perfer find. Dies fcheint ihre ältefte Benennung gemefen zu 
ſeyn, die ſich bis heute bei den außerhalb Perjien zerftreuten, vers 
fifch sredenden Voͤlkerſchaften erhalten hat. 

Wie bisher vieles Seltfame dee Chinefen den Decidentalen, 
bei ihren weftlichen Borurtheilen ganz unbegreiflich, darum will 
kuͤrlich und abfurd, als bloße Fabel, oder mindeftens doch als ſehr 
zweifelhaft erfcheinen fonnte, fo auch z. B. die Benennung 
Tache für Araber (j. ob. ©.425, 540, 567, 579, 580 u. a. O.) 
und diefe der Tiaotfchi als wirklich bezeichnend für Perſer; 
und dennoch ift dafielbe Wort Tadjik (Tadfchid), über anderts 
halbtauſend Jahr fpäter, noch heute, die ächte Benennung, welche 
fh nit, wie man früher meinte, tatarifche Bewohner Oſt⸗ 
Aſiens, fondern alle dafelbft von Kafan bis Indien und China 
weitverbreitete Perfifch redende Bewohner, zwifchen den 
Völkern tuͤrkiſchen Schlages, ſelbſt beilegen. 

J Schon Meninski in Thes ling. or. erklaͤrte den Namen 














——— 


20) Matuanlin in Nouv. Mel, Asiat. T. I. p. 215— 217; vergl. b. 
Rrumann Rot, p. 157. 


718 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. K. 8, 


Tadjik durch: Persia olim nomen regionis omnis quae non intra 
finem Arabiae vel magnze Tatariae continebatur, und Th. Hyde 
erinnerte daran, daß Tagjıki!?) (von Taj. corona) der a 
Name Perſiens geweſen ſey. In der Cosmologie der Parfen, 
im Bundehefch 13) wird der dritte Vorfahr Zohats Tadj ges 
nannt, was für eine ältere Perfer : Dynajtie gefrönter Herrſcher 
gilt, von welcher vielleicht fid) diefe Benennung zunächft herleiten F 
laffen möchte. Cs iſt derfelbe ame, den die Gefchichtfchreiber 
der Mongholen gebrauchen, wo fie vom Feldzuge Tſchingis— 
khans vom Jahre 1219 nad) Transoriana reden, wo es heißt: 
Der Weltftürmer fen aufgebrochen gegen das Land der Tad— 
jiE 19) daffelbe zu bekriegen; denn fo nannten damals die Mon— 
gholen und die noch nicht zum Koran Kbergetretenen Turk ihre 
weftliben Feinde, die Mohammedaner, Das Land zwis 
fhen Sihon und Oxus (Mawar al nahar) fey von vielen anges 
fiedelten Perfern und Arabern in damals ſehr blühenden 























nen von vielen nomadifchen Turk-Horden bdurchftreift worden. 
Dieſes Gebiet iſt es alfo, was damals den gemeinſamen Namen 
des Landes der Tadjik oder Tadjikans erhielt. 

Hierzu giebt der gelehrte Herausgeber der Monaholengefbichteg] 
nach orientalifchen Autoren, die erklärende Note, durch welche er 
denfelben Namen ver Tadjik fowol auf Araber, wie auf Pers 
fer zu übertragen feheint, und nur in Gegenfag zu den Turk 
ſtellt, ohne auf das Sprachverhältnig der Tadji dabei Ruͤckſicht 
zu nehmen. Er bemerkt: die Araber feyen von den alten Pers F 
fern Tazi genannt worden, von den Syrern Tadjic(?), von dem 
Armeniern Dadjik. Don jenen Perſern fcheinen die Turkvöls 
fer, als deren öftlihe Nachbarn diefelbe Benennung angenom⸗ 
men zu haben, welche fie anfanglich den Arabern gaben; womit 
dann ganz Mawar al nahar, nach der Beflegung durch den Kos 
ran, den Namen: Land der Tadjif, oder Tazik, das heiße: 
alfo „eigentlich Land der Araber” erhalten habe, Die’ 
Mongholen hätten nun denfelben Namen, in Gegenfag der noch 





ı17) Th. Hyde Historia Religionis veter. Persarum ed. Oxon. 1700 
4. c. 35. p. 413; vergl. Moh. Mirkhond Historia prior. Reg. Pers. 
ed. B. de Jenisch, Vienn. 1782. 4. Not. p. 55. 18) Bundehesch _ 
Nr. XXXII. p. 116 Not. m. in Zendaveſta b. Kteuker, Riga 17772 
4. Th. 1. 1°) Histoire des Mongols (p. d’Ohsson). Paris 16208 
8. T.l, Liv.I. ch. VI. Not, p. 157158. 


Central-Aſien, Tadjik (Perfer), Tache (Araber). 719 


ubigen Turf, auf ihrer Seite, den Mohbammedanern im 
n überhaupt gegeben, die aus verfchiedenen Stämmen ge 
mengt waren. Der Benennung der Chinefen, denen die Mons 
‚gholen in fo vielen Ihrer Benennungen gefolgt find, wird hierbei 
r nicht erwähnt. Derfelben Anficht der Jdentität der Aras 
ber und Perſer, unter den Namen der Tazi, oder Taji, ift der 
gelehrte Herausgeber der Memoiren Sultan Babers 20); der es 
bemerkt, es möchten die Lleberrefte der alten Population feit dem 
Tazi⸗-Gouvernement, d. i. der Araber Zeit, in Mawar al nahar, 
wol von den Turk dieſen Namen erhalten haben. Daß dieſe 
aber zweierlei verſchiedene Formen der Benennungen, 
naͤmlich: Tache (Tachi) für Araber, und Tiaotſchi für Per; 
fer durch die ganze Keihe ihrer Annalen, feit ältefter Zeit aufs 
führen, möchte doch wol für eine urfprüngliche Verſchie— 
denheit diefer, felbft einem fo ausgezeichneten orientalifchen Lin— 
guiften identifch feheinenden Laute (Ta zi, Tadji, Dapvjit) 
fprechen. Diefe Verſchiedenheit finden wir auch fehon in der 
BendsAvefta begründet, wo im Bundehefh und Jeſchts 
Sades 2!) die Araber fiets Tafians, oder Tazian heißen, 
von Iaz und Taze, den Kindern Fervaks (des perfiihen Noah). 
Diefe Taze, oder Tazian, find es, nach deren Verdrängung Feris 
duns Reich aufblüht. Jene Araber find es unftreitig ferner, welche 
daher von den Chinefen Tache heißen; während ihre Tiaotfchi 
(Tadjid) die Perfifchredenden felbft bezeichnen. 
Die frühere Verwechslung aller Bucharen mit türfifchen 
Völkern hatte Pallas 22) und andere Sammler von Bocabulas 
wien verleitet, diejenigen Bewohner des ‚transorianifchen Landes, 
welche noch heute allgemein Tadjik heißen, für Turfomanen, 
oder turfifcher Abftammung zu halten; 3. Briggs23) in feiner 
eberſetzung von Ferifhtas Gefchichten der Mohamedaner im Drient, 
erklärt die Tajik für eine Race tatarifcher Handelsleute und 
diefer Irrthum war früher ziemlich allgemein. Klaproth traf 
im Jahre 1805, in Kafan, die erften Bucharen, und diefe 






















#0) Memoirs of Baber etc. Transl. by Dr. J. Leyden and Will, Ers- 
kine. Lond. 1836. 4. Deser. of Marghinan ete. p. 3. 
RSend⸗-Aveſta Th. II. a. a. O. im Bundeheih Nr. XV, p. 87, 
NE. XXII. p. 99, Nr, XAXIV. p. 121; im Sefchts Sades Th. II. 
Nr. LIX. p. 171. 2?) Klaproth Asia Polyglotta, Paris 1823. 4, 
p: 239 etc. 23) K. Ferislıta History of the Mahomedan Power 
in India ed. b, J. Briggs. Lond, 1829. 8. Vol, IV, p. 602. 








































7. Weſt-⸗Aſien. L Abſchnitt. 6. 8, 


ſprachen Perfifch, und verficherten, daß dies Ihre Mutterfprache 
fen; alle andern Bucharen in Tobolst, Tara, Tomsk und dem 
übrigen- Sibirien anfäffig, erkannten Perfifh als ihre wahre 
Sprade, die fih aber während eines längern Zufammenleben 
mit Turkoölfern auch aus deren Mundarten mit Wörtern bereis 
chert hätte. Sie reden auch gewöhnlich mehr Türkifch, haben 
aber für Vieles altperfifche Ausdruͤcke in ihrer Rede beibehalten, 
Sn Chiwa und Buchara, fagten fie aber, fprächen ihre Landsleute 
rein Farſi. Selbſt bis Kiachta 129), an der chinefifchen Grenze, 
traf Klaproth budarifche Handelsleute mit ihrer perf 
ſchen Rede, die aus Hami und Turfan gebürtig jährlich mit Kas 
rawanen durch Tübet und Tangut ziehen, den Nhabarber aufs 
faufen, und diefen Zweig des Rhabarbers Handels, ald Mes 
nopol, ſeit langem (f. Alten I. ©. 183) betreiben. Sie bewohnen 
deshalb ſelbſt die chineſiſchen Provinzen Kanſu und Schenfi, un 
handeln längs der chinefifchen Mauer hin, bis zur Meerestüfte, 
Schon der Neifende Jefremow, 1786, ©. 194, hatte ein fo 
ches bucharifches Vocabular von 625 Wörtern gegeben, au 
denen hervorging, daß diefe Sprache dafeldft heute noch Per 
fifch fen. Unter den in Pekings Ueberfegungsbüreau der fremd 
den Sprachen ausgearbeiteten Bocabularien (aus der Zeit der 
MingsDynaftie), die durch Pat. Amiot in die reiche Parifer 
Bibliothek gekommen, befindet ſich auch eins, in der Sprache 
der Schuifchui, d. i. der Bewohner der Großen und Kleis 
nen Bucharei, nebft 17 mit der chinefifchen lieberfegung ve 
fehenen Schreiben ihrer Fürften aus Turfan, Hami, Samarkand 
u. a. D., weldye die perfifhe Sprache?) derfelben, d. i. dei 
Tadji, oder Tiaotſchi der alten Chinefen, beurfunden. Auch 
diefem haben Ab. Remufat®), St. Martin und Klap 
roth die wichtigſten Aufklärungen über diefe Voͤlkerverhaͤltniſſe 
Mittel:Afiend erhalten, durch welche auch wir für die chineſiſchen 
Berichte eine weit höhere Zuverläffigkeit, und mehr innern Zu 
fammenhang als zuvor, für die ihnen im Ganzen fo ferne Reg uE 
nen in frühefter Zeit, gewonnen zu haben glauben. 
Wir fügen gelegentlich hierzu die Hypotheſe 27), welche ©: I 


* 





224) — Polyglotta 1. e. p. 242, wo ihr Woͤrterverzeichniß. 
—* Dieſes perſiſche Vocabular ſ. in Asia Polyglotta p. 245 — 254, 
2°) Ab. Remusat Hist. de Khotan Pref. p. IV; Becherches sur les 
Lang. Tartares T. 1. p. 247 Not, 3 N 1. St. Martin Nota 
in Joura.. Asiatique, Paris 1823. T. II. p. 161, vergl, in Potocki 


Central⸗ Aſien, Tadjik, Stammverwandtſchaft. 721 


Martin aus feinen armenifchen Studien und der Arſaciden⸗ 
ie hieruͤber zuerſt in drei Hauptpuncten feſtgeſtellt zu haben 
glaubte, ohne daß er im Stande gewefen wäre fpeciell jedes be; 
fondere nachzuweifen, da ihn ein feühzeitiger Tod feinen Arbeiten 
entriß.. 
‘ 4) Daß der Name Tadjif, den gegenwärtig die Turk und 
Tataren denen geben, die Perfifch fprechen, in Perſien, Afghaniz 
, Zokhareftan, Transoriana, der Name der alten Dahae fey, 
einft vom Danubius bis Bactrien und noch in andere Ge: 
sage ausgebreitet waren (f. ob. ©. 604, 630 u. %.). 
2) Daß die Parther und Arfaciden zu diefem Zweige der 
fogenannten afiatifchen ſtythiſchen Nationen gehörten, daß die 
Namen Dahae, Dahi, Tadjik oder Dadjik, ihre Nationalbenen: 
nung waren, und daß fie diefelden den Perfern, die fie zu Unter 
hanen erhielten, mittheilten. Daß der erfte Arfaces felbft wol 
aus dem Gefchlecht der Dane abftamme, war auch fchon früher 
r. Mannerts 3) Meinung. 
3) Daß diefe Benennung, feildem. die Saflaniden und Per: 
we, die ſich vom Joche der Parther befreiten, nichts anders in 
Derfia mehr bezeichnete, oder bedeutete, als was anderwärts mit 
Barbaren belegt ward; daß bei den fEnthifchen und hochafiatis 
hen Völkern, die an diefen politifchen Wechſeln keinen Antheil 
ahmen, dagegen diefer Name mit gegen den Werften verbreitet 
ward, als diefe fic im Occident zu verfchiedenen Zeiten niederlies 
zen. Sie gaben diefen Namen auch wiederum den befiegten Pers 
en, weil es bei ihnen der Gebrauch war die Perfifch redenden 
yamit zu bezeichnen. Die Chinefen lernten diefen Namen für 
Derfien, Perfer auch (nämlich Tiaotfchi, wie Zahia, Ta Wan 
Ad ſchon vor Chr, Geb. fennen und behielten ihn für Parfen 
— die aber ſpaͤte Poßu, oder Poſſe, genannt wurden. — 
So weit St. Martin. | 
Es ift ferner Har, wie die indo>germanifchen Völker Hochs 
Afiens, ihren Sprachſyſtemen nach, folcher Vermittlung der alten 
Dahae (Saken) gemäß ſich vermittelt der dem Germanifchen und 
Blawifchen fo nahe verwandten Perſiſchen, auch der indifchen 
Banskrit: Sprache anfchließen, zwifchen welchen, wie denn durch 























> Hist. des Peuples primitives de la Russie in deſſ. Voy. Paris 1829, 
p. 347; vergl, Elistoire du Bas Impire Nouy. Kid. 
=) Geogr. der Griechen und Römer Th. IV. 1795 ©. 473, 


Ritter Erdkunde VII, 33 





















722 Weſt-OAſien. 1. Abſchnitt. $ 8. 


W. Bopps und E. Burnoufs Unterſuchungen über das Zend, 
immer mehr und mehr die urſpruͤngliche Einheit jener Populatio⸗ 
nen wie ihrer Sprachen hervorzugeben feheint, indem nun ſchon 
das von indifchen wie iraniſchen Urbevölferungen de 
„Airya (Avıor) gemeinfam” bewohnte Stammland „Ary 
Barta“ 229) ziemlich feftftehen mag. S 
Nur aus folchem Hergange der Dinge würde die außerorden ? 
lich weite Verbreitung eines perſiſchen Sprachſtammes als Volks⸗ 
ſprache durch Mittel-Aſien in den fruͤhern Jahrhunderten begre fr 
lich, in Gegenden, wo uns felöft fonft gar nichts, weder von He — 
ſchaft der Perſer Monarchen, noch von Einwanderung perfifche 
Colonien bekannt iſt. 4 
Zur Zeit, da die Perſer Herren des alten Baktriens waren 
bemerkt der Herausgeber 30) von Babers Memoiren, fey gewiß je 


bewohnt gewefen. Bis auf Tſchingiskhan, mit dem die Vermiug 
ftung begann, war Derfifch die allgemeine Sprade de 
Städter am Amu und Sir Orus und Yarartes), bis Taſchkent 
hinauf, während das Turk erſt in den nördlichern Marftorten ‚be 
gann. Das Perfifche feste oftwärts über die Alftaghl 
berge, d. i. im F von Khodjend und Samarkand zu — 


Volkes perſiſch, obwol ſeit Jahrhunderten feine Perſer-Erobe 
rung dahin reichte. Noch zu Sultan Babers Zeit (1500 nat 
Chr. ©.) mochte die perfifhe Sprache die allgemeine de 
Eulturlandfchaften von Balkh, Badakhſchan, des größern Thei e 


Keſch, Bokhara, Uratippa belegt werden, und eben fo bis Fi 
ohana und Taſchkend hin, während die Zurkffprache nur durch Di 
eingewanderten Nomadenhorden in Gang kam. Nur mit dei 
Gebiete von Kaferiftan und der Giaput im Süden der Quelle 


ı32°) E. Burnouf Commentaire sur le Yacna etc. Paris 1833, 
p- 461 Not. »0) W, Erskine in Baber Memoirs I. “ nun 
duction p. XLIV. 


Central Afien, Tadjik, weite Verbreitung. 723 


des Oxus, füdwärts des Puſchthikur und in dem innerſten Wins 
cl Tofhareftang, fcheint mit einem andern Volksſchlage eine ans 
sere Sprache begonnen zu haben, die auch durch den geringen 
Fortfchritt der arabifchen Eroberung nicht verdrängt ward, die aber 
ins bis heute im Hindu Khu völlig unbekannt geblieben ift. Sehr 
vichtig würde in diefer Hinficht die Kenntniß der Sprachen der 
d ardi,'der Kaferiftanberwohner, der Siaput, der Wakhan, der 
Bewohner von Badakhfchans noch unbekannten Gebirgsthälern 
eyn u. a. m. Merkwürdig ift es, daß bei den perfifchen Autos 
en, nad) Th. Hyde, bei den 7 perfifhen Dialecten 3) 
nm diefen nördlichen Gebieten davon die Nede ift, daß fie gänzs 
ch ohne Literatur und überhaupt unbekannt “geblieben feyen. 
Bährend die andern, wie das Pehlwi und Pars, faft allein von 
ich reden machten, habe das Deri, als die Sprache von Balkh, 
Bamivan, Merv und Badakhſchan den Ruhm der größten 






























t 


st von Dravul, von Herat, von Segeftan und der von Sogd 
oder Sogdiana) als die nördlichern, zu den fogenannten 
ier zuruͤckgebliebenen gerechnet werden. Wie wuͤrde hier ſo 
von perſiſchen Sprachen die Rede ſeyn koͤnnen, ohne eine 
rühefte dort einheimifche allgemeinere Tadjik (Dahae) Population. 
die dauernde,, nie verföhnbare Feindfehaft zwifchen Jran und 
uran hatte wol eben darin ihren Grund, weil deffen Beherr⸗ 
her in früheften Zeiten die im Norden des Orus der perfifchen 
yerefchaft-einft angehörigen Voͤlkerſchaften und Länder unterwors 
1, von den füdlichern abgeriffen und fo die Untheilbarfeit des 
jeiches verlegt hatten. 

Außer der perfifchen Einwohnerfchaft, die auch heute noch fo 
ei außerhalb Perfien in den Städten Hami, Zurfan, Ufchi, 
t u, Khotan, Harkand, Kaſchghar und Sogdianas, wie im weft 
hen Alpengebirgsiand des Belur Tagh, nach Obigem, fo allges 
ein if, und überall zu den Tadjit (Tiaotfchi) gehört, erfahr 
m wie durch N. v. Muraview3?), daß diefelben felbft noch 
ne ſehr ſtarke Population von Chiwa am untern Amu (Drus), 
Ben daſelbſt ausmachen, wo uns die wahren Tiaotfchi 
*1) Th. Hyde Historia Religionis veter. Persarum I, e, eap. 35. 
p- 419. 32) Nicol. v. Muraview Reife durch Turkomanien 


"nad; Chiwa (1819 — 1820); aus dem Ruſſ. v. PH, Strahl, Berl. 
1824, 8 8. Th. 1. ©. 23, 83, 85. 
33; 2 





jeinheit ſelbſt ſchon im Koran davon getragen, während der Dias 























724 Wels Aien, I. Abſchnitt. $. 8. 


von den alten Chinefen als die Handelöleute am Meeredufer und 
in Städten wohnend, einft befchrieben wurden. Er fihägt ihre 
Zahl im Jahre 1820, wo er Chiwa befuchte, auf mehr als 
100,000; fie treiben vorzüglich in den Städten den Handel; a 
dem Pande aber den Ackerbau, wo fie, nach ihm, als die Urber 
wohner diefer Landfchaft feit den Älteften Zeiten durch großen 
Fleiß. die Bewäfferung des Bodens durch Canalbau betrieben has 
ben. Dort werden diefe Tadjif au Tatas und Sarty ge 
nannt; daher denn in neuern Zeiten die Namen der Tadjik, 
Sat, Sarten, Bucharen, Turfeftaner und viele andere, 
oft ohne Unterfihied mit einander verwechfelt werden. f 

Die Benennung der Tat, oder That, Tatas, welche dk 
einheimifchen Turk gebrauchen, um die Perfer damit zu bezeid 
nen, weshalb auch eine fehr häufige allgemeinfte Eintheilung dei 
Bewohner jener Landfchaften, zumal Perfiens, in Turf um 
Tat in Gebrauch ift G. B. die Turf als Bewohner von Ader 
bijan, die Tat?) als von Sran), fiheint, obwol häufig dami 
verwechfelt, doch keineswegs mit Tadjik identifch zu feyn, fonder 
es bezeichnet „Tat“ nur ein „befiegtes und überwunde 
nes Volk.“ Es ift der ſtolze Name, den die Nachfommen de 
Seldjufiden, ald Sieger den Beſiegten gaben; den fich die alter 
Einwohner der Bucharei von den modernen Eroberern, den LE 
befen, gefallen laſſen muͤſſen; den aber auch die herrfchende 
Sunniten den unterdrückten Aliden geben. Daher giebt es di 
verfchiedenen Tatz wie in Shirvan und Dagheftan 


Sunniten fo genannt werden; dagegen felbft noch bis in d 
Crim am Schwarzen Meere Tat fih vorfinden, die obwol TA 
dort türkifch fprechen, dennoch nur als Unterworfene fo genau 
werden. 2 

Der Name der Sarty, oder Sarten, Sarter, 


baren, welche Städtebewohner find, oder auf den Handel m 
Karawanen im Lande umberzichen, beigelegt, und daher na 
v. Murawiew auch in Chiwa gleichbedeutend mit dem der Tal 


J 
’53) Comte J. Potocki Voyage dans les Steps d’Astrakhan etc. 


Paris Vol.I, p. 104 Not. v. Klaproth; ebend, p. 195 und p. 
Not. 1. vergl, Asia Polyglotta 1, e. p. 244. 





Central-Aſien, Tadjit, Sarten, Tat. 725 

























ame bei der Population Kharesmiens im Gebrauch, im 
zegenſatz der dort eingezogenen Turk, und der ſpaͤter ſeit 1506 
dort eingewanderten Usbeken *). Er bezeichnet aber nicht das 
Be Bolf, wie Tat, nicht das Volk perfifcher Abſtam—⸗ 
jung oder Rede wie Tadjik, fondern das Gefhäft des Sarten, 
i. des Kaufmanns; daher wir ſelbſt früher, mit dem antiken 
ee der alten Seres, d. i. chinefifcher Seiderhändler, die Benen- 
nung irrig identificirt hatten (f. Erdk. 2. Aufl. Ih. IL. ©. 626 2«.). 
Der Name Sarten, für diefes antike, fchon feit der erften Chis 
nefen Zeiten, obwol nicht unter diefer fyeciellen Benennung ers 
wähnte, merkwürdige Handelsvolf Transorianag (f. ob. 
550, 552, 557, 575, 578, 626 u. a. D.), das alfo fiher ſchon zu 
ener antifen Population der Urſaſſen gehörte, hatte diefen Namen 
doch auch ſchon in fehr frühen Zeiten, da die Miongholen den Na: 
men Sartohl?), das Sartenland, der Kleinen wie der Gros 
Ben Bucharei gaben, welche erſt fpäter das Erbtheil des Sohnes 
Tſchingiskhans Tfehaghatais ward. Sart bezeichnet außerhalb 
Merfiens diefelbe gemwerbetzeibende Claſſe Perfifchredender, welche 
im Derfifhen ſelbſt auch Sogdager, oder Sudagr, d. h. 
zii „Handelsleute” (wie Banig-jana im Indiſchen, f. 
fien IV.1. ©.443), genannt werden, was, des verwandten Lau: 
tes wegen, von 3. Potocki, für eine Ableitung vom alten Sog: 
diana irrig angeſehen wurde. Demnach find die Sarten?) 
wirklich die Abkoͤmmlinge der antiken Urſaſſen des alten Sogbia⸗ 
nas; denn Sultan Baber ſagte, z. B. noch in der Beſchreibung 
eines angeſtammten Koͤnigreiches „alle Einwohner von 
arghinan (d. i. ein Theil Ferghanas) ſeyen Sarten,“ 
und ſelbſt die Bewohner des Asferah⸗-Gebirges in Suͤdoſt 
von Ferghana ſeyen Bergvoͤlker oder Sarten. 
Hiermit ſtimmt auch völlig überein, was ung ganz neuerlich 
4. Burnes M, dem wir fchon die Beftäfigung von Elphinftos 
‚mes Angabe der Tadjiks in Kabul verdanken (f. ob. ©. 242), 
‚über die von ihm bereifeten Gegenden von Balkh und Bochara 
fagt: die dortigen Aboriginer des Landes find die Tadjiks (oder 
Zats), die, wie er bemerkt, zuweilen aud) Sartes genannt würs 
— — 
es Deguignes Gef. der Hunnen zc. Ueberf, v. Dähnert a. a. 2 


h. III. p. 489, 559. 3°) "Timkowski Voy. ed. Paris Vol.1. 
p- 387; Asia Polyglotta p. 243. 36) Sultan Baber Memoirs 
ir ed. w. Erskine l. e. p. H Not. und p. II. »°) Al. Buroes 


Tray. into Bokhara, Lond, 1834. Vol, II, p. 268 etc. 


726 Welt Afien. I Abfchnitt. F. 8. 


den. Dies fen dort aber irrig, weil dies als ein Schimpfna 1e 
angefehen werde, den fie nur von den Nomaden-Tribus (verächte 
lich, die Handelsleute!), ihren Unterjochern vom Norden her, zu 
erdulden hätten. Doc) bemerkt er felbft, daß diefe Tadjif dem 
Handel ungemein ergeben find, daß ihre Sprache perfifch fen 
welches lange Zeit vor der Turfüberwältigung die Landesfprache 
gewefen, So allgemein war diefe frühere perfifche Population 
(die der alten Perfer und Dahae), daß die Araber felbft, bei ih: 
rer Eroberung, den Gebrauch der perfifchen Sprache anbefohle 
Diefelben Beobachtungen über die Tadjif, Sarten oder Han 
delsleute, und über die fogenannten Bucharen im eigentlicher 
Sinne — die demnacd in beiden Buchareien, fowol don den ur 
fprünglichen Uigur, und von den eingewanderten, nomadifchen 
ungläubigen Turf, wie von den zum Islam befehrten Turfoma 
nen, durch alle Jahrhunderte und bei allen Autoren, wol unter 
fhieden werden follten, aber oft ſchwer, zumal bei den Hiftorifern 
zu fondern fenn werden — hätte auch Timfowsti in Oft-Tu 
feftan 138) in der Mongholei und China, bei genauerer Sprad) 
unterfcherdung machen fünnen, ba dies induftriöfe Gefchlecht de 
Tadjik fich feloft bis Peking cf. Alten I. ©. 128) KHangtfcheouft 
und Canton (f. Afien IH. ©. 697, 837) ausbreitet. 

Die bisherige Verwiclung und merkwürdige Ausbreitung die 
fes ethnographiſchen Verhältniffes wird cs in fich felt 
rechtfertigen, daß wir eben bier, bei dem älteften Hervortrete 
der Tadjik, als Tiaotfchi, in den chineſiſchen Annalen, de 
fen bisher nur zerftreute Hauptpuncte, concentrirt nach den wich 
tigften Nadien, im Zufemmenhange zufammen zu fteffen verſuch 
ten, um jedem folgenden Misverftändnig dadurch vorzubenger 
und mancheneue Wegbahnung dadurch für die nachfolgende 
Unterfuchungen zu gewinnen. Bucharen, im engern Sinn 
dürfen, nach alle dem, nicht mehr wie früher für Türfen gelten 
fie find die eigentlichen anfäffigen Einwohner der Kleinen um 
Großen Bucharei, oder großer Gebiete Oft: und Weſt⸗ Turkeſtans 
fie find perſiſchen Geſchlechtes, gehören als ſolche zum indo⸗gei 
manifchen Voͤlkerſtamme. Sie nennen fich ſelbſt Tadjiks, fin 
die Tiaorfchi der Ehinefen, in deren Hiftorien man ihre Iden 
tität mit den antiken Dabhae- Populationen Se nid; 


















> 





"3*) Timkowski Voyage ed. Paris in Turkestan Oriental, — 
p. 387 — 388. 


Central-Aſien, Tadjik, die Unterworfenen. 727 


derfennen fann, an welche fich in aͤlteſter Zeit maflagerifche, ſpaͤ— 

‚ter blonde Blauäugige, indos germanifche und jüngere getifche 

‚Stämme anfchließen, und mwahrfcheinlich nicht felten mit ihnen 

mifchen, bis mit der Mohammedaner Periode, die Araber und 

Turk⸗Nationen wie die Usbek, im ihrer Mitte, in religiöfer, polis 

vun und nationeller Hinficht, als Sieger und Einwanderer auf: 
t 













etend, fie zuruͤckdraͤngen in ihr gegenwärtiges untergeordnetes 

rhaͤltniß. Noch zu Sultan Babers Zeit, wie wir weiter unten 
‚bei Ferghana fehen werden fpielen fie eine andere Rolle. 
J Hoͤren wir nun die Beſchreibung der Tadjiks in Bochara 
von einem der ausgezeichnetefteht Beobachter neuefter Zeit?). Die 
Usbeten, fagt er, machen die herrfchende, die Tadjiks, die 
unterworfene Volksclaſſe des Landes aus, welche fih für 
eſſen Aboriginer haͤlt, die auch ſehr wahrfcheinlich die Nachkom— 
jen der alten Sogdianen find. Ihr Koͤrperbau iſt meiſt unters 
t, ihre Geſichtszuͤge find europaͤiſch, fie haben einen ſchoͤnen 
int. Sie find viel weniger gebräunt als die heutigen Pers 
fer, und Haben fehwarze Haare. Ihre Unterwuͤrfigkeit giebt ihnen, 
ie allen durch Tyrannei unferdrücten Afiaten, ein Eriechendes 
Weſen, und das Geficht des Tadjik erfcheint ſtets vollfommen rus 
dig und fanft. Daher hält man fie, obwol der Tadjik in der 
hat falfch, betrügerifch, habgierig iſt, doch leicht für gutmüthig, 
lich, dienftfertig. Aber der Geldgeiz erftickt in ihnen jedes ans 
re Gefühl, und die Tadjiks find die unerbittlichften Gebieter ihr 
Sclaven. Dabei find- fie feloft fehr: fleißig, thaͤtig, gefchieft in 
ei Gefchäftsfährung. Sie find die Kaufleute, Handwerker, 





ultivatoren der Bucharei; niemals Nomaden. Die meiften. küns 
en leſen und fihreiben, und find, die übrige Geiftlichkeit ausges 
nommen, der civilifirtefte Theil der bucharifchen Bevölkerung. Die 
Tadjik, fagte ein dort Unterrichteter, bewohnen das Land ſeit Is⸗ 
kanders (Aleranders) Zeiten, ohne je ein eigenes Oberhaupt fich 
erwaͤhlt zu haben; ſie wiſſen nicht zu herrſchen, nur zu gehorchen. 
ſie ergreift der Tadjik die Waffen zur Vertheidigung; er hat nie 
für feine Heimath gefochten. Dagegen find die Uzbeken ftets ges 
tüftete Krieger, Unter dem Druck von 1,500,000 Uzbeken in der 
Bucharei, fhägte man, nach) v. Meyendorf, die Zahl der Tads 
Jits auf 650,000, während der Turfomannen nur etwa 200,000, 










h 39) G. de Meyendorff Voyage d’Orenbourg a Boukhara ed. p. Am. 
Jaubert Puris 1826. 8. p. 189, 193, 197. 


728 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $. 9. 


und der Araber 50,000, ber heutigen Perfer nur 40,000 gerech 
net werden. 


— — 


Sechstes Kapitel. 


Die Alpengaue des Obern Sipuns und Gihon-Lans 
des; Ferghana (Khokand) und Badakhſchan, am Weſt⸗ 
abhange des Belur Tag; das bekanntere Gebirgsland 

von Weſt⸗Turkeſtan. 


6. 0. — 


Zum Beſchluß unſerer Betrachtung des Ueberganges von Oſt⸗ 
Aſien zu Weft,Afien, bleiben uns für jetzt noch die ſpeciellen 
Nachrichten uͤber die beiden obern Stromthaͤler des Sir (Ja— 
xartes) und Gihon (Oxus) hier anzuführen uͤbrig, welche ing 
nerhalb des Alpengebirgslandes am Weftgehänge des Belur Sys 
ſtemes, als die wahren Eingänge zu Welt: Turfeftan der neuern 
Zeit, unter den Namen Ferghana und Badakhſchan am 
befannteften geworden find. Sie bilden die ausgezeichneteren 
Theile des obern Stufenlandes beider Stromſyſteme, deren ganzes 
Ländergebiet erft weiter unten mit Mawar al nahar und dem Ges 
fiade des Aral und Easpifchen Sees im großen Naturzufammens 
hange genauer zu durchforfchen fern wird. Hier genügt es, fürs 
erfie, nur die vorhandenen Ihatfachen der Beobachtung, die bis 
jegt in diefen Gebieten faft nur von orientalif ben Quellen 
ausgehen, da europäifche Unterfuchung von Augenzeugen daſelbſt 
kaum noch eingedrungen iſt, nach ihrer chronologiſchen Unterſchei⸗ 
dung aufeinander folgen zu laſſen, da die genauere Critik derfele 
‚ben in der That, bei völligem Mangel aftronomifcher Ortsbeftims 
mung, wie der topographifchen und phuficalifchen Obfervation, 
noch unmöglich ſcheint. Denn obwol es bei Ebn Haufal, 
Edrifi, Abulfeda, Sultan Baber und neuern arabifch 
und perfifchen Autoren, wie in den chineſiſchen Neichsgeographien 
und mancberlei andern Reiſewerken keineswegs an zahlreich) 
Nachrichten über diefe Alpenlandfchaften fehlt, fo tragen diefe 
doch durch die Befchränktheit der Beobachter immer nur das Ge: 
präge ihrer Zeit, in welcher die mitgetheilten Nachrichten einge 
fammelt wurden, ohne dieje auf die Vergangenheit zu beziehen, 


















Alpengaus Ferghana und Badakhſchan. 729 


oder mit ſolchen pofitiven conftanten Angaben zu verfehen, daß 
fich die fpäteen Nachrichten über dieſelben Localitäten verificirend 
an jene frühern Berichte unmittelbar anfchlieen ließen. Diefer 
Uebelftand, welcher die vergleichende Geographie des größten Theis 
les von Eentrals Afien trifft, macht größtentheils, auch nody weits 
hin in WeftsTurkeftan die Unterfuchung ſehr mißlich, welche ich 
weder an beftimmte Naturverhältniffe, die hier fo fehr wechfeln, 
noch an dauernde Voͤlkerdenkmale, Architecturen u. ſ. w., die hier 

nbefannt find, noch an fefte aftronomifch beftimmte 9 an⸗ 

ließen kann. Er iſt es ferner, welcher ung für jetzt noch hins 
dert an diefer Stelle ſchon eine Linterfuchung, die eigentlich hiers 
her gehörte, zum Schluß zu bringen, nämlich) die über das Ses 
tica der Alten und über die Seren, melde fo viele Kräfte 
der ausgezeichneteften Gelehrten, wie Delisle, Cellariug, 
Bochart, Th. ©. Bayer, G. D. Hoffmann, D’Ans 
ville, Mannert, Murray u. A., ſchon in Anregung ges 
bracht hat, ohne zu einem irgendwie fichern Nefultate zu fuͤh— 
zen, an welches fich dann die Geſchichte der Seide und des 
Seidenhandels fliegen würde, der für das gefammte Hans 
delswefen und den Eulturgang der Voͤlkerſchaften Mittels und 
Wet Afi ens von fo großer Bedeutung if. Wir müffen diefe 
daher einer fpätern Stelle aufbewahren, indem wir fogleich zu 
dem genannten Lande felbft übergehen, zu Ferghana, das zur Vers 
mittlung diefes Handels feit der früheften Zeit eine fo —— 
dere Stellung einnimmt, 


in Erläuterung 1. 

Serghana, das obere Stufenland des Sihun (Sir, Jaxartes), 

ber frühern Zeitz das Khanat von Khokand (Khofan) 
der Gegenwart. 


Diie erften umftändlichern Nachrichten über Ferghana aus 
dem X. Jahrhundert, zur Zeit des Araberbefiges, finden wir bei 
Ebn Haufal!#), aus dem XII. bei Edrifi ); aus dem XIV. 
bei Abulfeda*); aber die erfte Iehrreiche Beſchreibung diefes 
— 

240) Orient. Geogr. ed. W. Ouseley. Lond. 1800. 4p . 270. 

*‘) Edrisi Trad. p. A. Jaubert, Paris 1836. 4. T.1. a 487 etc. 


2) Abulfedae Chorasmiae et Mawar alnalırae Deser. ed. Geogr. 
Vet. Min. Oxon. T. III. p. 37, 65. 


730 Weſt-Aſien. I. Abfchnitt. 9. 9. 
Pandes, durch welche die höchft dürftigen, ordnungsfofen F 






















jener Autoren erſt ein Verſtaͤndniß und eine locale Anwendu 
gewinnen, giebt uns zuerſt Sultan Baber, der dieſe ſeine ge 
liebte Heimath und fein angeſtammtes Königreich, obwol er dara 
vertrieben ward, und größere Herrfchaften wie Kabuleftan u 
Indien eroberte, doch nicht vergeffen konnte, In feinen Memo 
ren giebt er uns die zunächft felgende Befchreibung, die ung am 
beften in diefem Thalgebiete des obern Sir-Laufes (Sir Daria) 
oder Jaxartes der Alten orientirt, das Fein neuerer Augenzeuge 
und Berichterftatter feitdem, im Ganzen, auf gleiche Weife 3 

überfchauen Gelegenheit gehabt hat. Die neuen uns über Fers 
ghana zu Theil gewordenen Nachrichten find die von Chinefen 
aus dem XVII. Jahrhundert, und der Bericht des Augenzeugen 
Mir Iſſet Ullah vom Zahre 1812, den wir ſchon aus feinen lehr⸗ 
reichen Xeiferouten in Oft-Iurkeftan Eennen (f. 06. S. 478). Dies 
fem folgte unmittelbar des ruffifchen Gefandten Nafaroff "0 
enthalt in Khofan (1813), und fpäter gaben v. Meyendor 

(1820), Frafer (1825), W. H. Wathen (1834) Nachrichten 
darüber von Augenzeugen; Al. Burnes hat wenig Bemerfunge 

darüber mitgetheilt. J 


1. Ferghana nach Sultan Baber (1500). 


Sm Sahre 1494, am 6ten Suni (899 d. Heg.), beginnt 
Eultan Baber®), ward ich in meinem zwölften Jahre König 
von Ferghana. Dies Land liegt im fünften Clima, an der 
äußerften Grenze der bewohnten Erde. Ihm im Oft liegt Kaſch— 
ohar, im Weſt Samarkand, im Süden das Bergland an den 
Grenzen gegen Badakhfhan. 

Sm Norden von Ferghana ift gegenwärtig (er fchreißt 
dies in Kabuliftan, nachdem er durch die Ueberfälle der Usbeken 
vom Norden ber, ſchon feit einigen Zahrzehenden aus feiner Hek 
math vom Sir zum Indus verdrängt war) Alles verwüftet und 
wenig Voͤlkerleben, obwol in den frühern Zeiten dort die Staͤdte 
— “4 


1#3) Memoirs of Zehireddin Muhamed Baber Emperor of Hindo- 
stan written by himself etc. transl. by Dr. Leyden and W. Erskine 
Ed. Lond. 1826. 4. p. 1— 65 vergl. Babur Nahmeh ober Bud 
des Raths, Zürkifh verfaßt von Sr. Maj. bes Kaifers Babe 
des Siegreichen, der friedlich in der Erde ruhe, Aus dem Turi 
von 3. v. Klaproih in Archiv für aftatifche Literat. p. 101— 110; 
Witsen Noord eu Ovst Tartasye Amst. 1705. T. I. p. 485 — 487. 


Ferghana nach Sultan Baber 1500). 731 


Almalig (Hain der Apfelbäume), Almatu (reich an Aepfiln) 
und Yangi lagen, welches letztere in den Gefchichtsbüchern 
Dtrar heißt. — Der Sultan bezeichnet hiermit das nördliche 
ırkeffan *), das im Norden des Eir, oder Sihun, fih vom 
Balfhafch bis zum Aral⸗See ausbreitete, zur Zeit der Araberherrs 
Br blühend geworden war, ſich mit Städten gefüllt hatte, und 
Dtrar am untern Sir Daria, zwifchen Tafchfend und dem 
Aral»Sce gelegen, zu Timurs Zeit, der dafelbft ftarb (im Jahre 
4405, wobei gelegentlich der Sertbum, oben S. 206 Zeile 3 von 
unten, zu berichtigen, daß Timurs Alpenzug dafelbft nicht in das 
Jahr 1408 fallen fann, fondern das Yahr 800 der Heg., alfo dus 
Jahr 1397 iſt), noch eine bedeutende Stadt geweſen war. 
Dieſes Ferghana, ſagt Sultan Baber, iſt klein, aber 
reich an Obſt und auf allen Seiten von Gebirgen umgeben; ge 
en den Weften hin ausgenommen, wohin der Sihun feinen 
uf nimmt. Nur von da her, über Samarfand und Khodjend, 
Tann daher, wo feine Gebirge das Land umfchirmen, der Feind 
eindringen. Der Sihun (Jaxartes), gewöhnlih Fluß von 
Khodjend genannt, das an feinem Ufer erbaut ift, kommt von 
Nordoſt (f.06. S. 480), durchzieht ganz Ferghana gegen Weft, 
firömt dann im Norden von Khodjend und im Süden von Fir 
nakat (Benafat) vorüber, der Stadt, die früher Shahrokia 
hieß. Nachdem der Sihun nun’ diefe beiden Territorien, nebft 
aſchkent (Schaf, f. ob. ©. 598, wonach der Irrthum, 
oben ©. 409, zu berichtigen ift) durchzogen hat, tritt er in Turs 
keſtan ein, und wendet ſich hier gegen Nord (N.W.), wo er kei⸗ 
nen andern Fluß in feinem Laufe trifft (der nördliche Tſchui und 
Talas erreicht ihn nicht), fondern vom Sande verfchlungen in der 
Sandwuͤſte abwärts (gegen den AralsSee) verfchwindet (gegenz 
waͤrtig wenigftens keineswegs). 
Dieſes Ferghana hat 7 Diftricte, davon zwei (nur) im 
Süden, zwei (nur) im Norden des Sihun liegen; fie werden in 
Folgender Aufeinanderfolge vom Sultan befchrieben: 1) Anz 
dejan, Uſch, 3) Marshinan, 4) Asferah, 5) Khod: 
jen d, 6) Athfi, D Kafan. Wollte man aber ihrer naturlis 
Shen Aufeinanderfolge, dem Stufenlande gemäß gehen, fo wuͤr⸗ 
J — 






48) ebend. Erskine Remarks on the Tartar Tribes and on the Geo- 

Sgraphy of Uzbek Turkistan Introduct. Partl. p. XLII. Xerifled- 

> din Hist, de Timur ed. Petit Je la Croix ed. Delit 1724. T.IV. 
p- 229% 


4 


732 Weſt⸗Aſien. 1. Abſchnitt. $. 9. 


den Oſch, oder Uſch, Andejan, Marghinan (von bera 
kage ſchon oben ©. 482— 484 die Nede war) vorangehen müffe 
und da von einem Khofand erft fpäter die Rede ift, nun. erſt 
Akhſi und Khodjend folgen, diefen zu beiden Seiten im Suͤ— 
den und Morden aber Asferah und Kaſan. In jener Rei 
giebt der Sultan folgende Nachricht. 

4) Der AndejansDiftrict fiegt im Süden des Sigun, 
in. der Mitte des Landes Ferghana mit deſſen Hauptftadt. Er 
iſt reich an Korn, Obft, Trauben, die er in trefjlicher Güte und 
Menge erzeugt. Zur Zeit der Melonenzeife verfauft man die 
Trauben nicht mehr an dem Stod; d. h. es ift den Neifenden 
das freie Traubeneffen von der Rebe erlaubt (wie dies 
ehedem am Rhein in der Zeit der Weinlefe war), Beſſere Nafıhs 
patis (eine Melonens Art), als die von Andejan, giebt es nicht. 
Die Feftung diefer Capitale wird in ganz Mawar al nahar nur 
von den Feftungsbauten in Samarfand und Kefch an Größe übers 
troffen. Sie hat 3 Thore. Die Citadelle liegt im Süden der 
Stadt. „Es ziehen 9 fließende Bergwaffer, die Mühlen treiben, 
in die Stadt; Eeins derfelben fließt wieder hinaus. Um die Fe— 
ftung liegen die Vorftädte, die nur durch eine umberlaufende, ges 
yflafterte Straße von jener geſchieden find. N 

Ferghana if voll Wildpret und Vögel, die Fafanen 
(Kirghawel) find hier fo. fett, daß, nach) dem Sprichwort, ſich 
vier Menſchen an einem fatt effen fünnen. Alle Einwohner des 
Landes find Turf, und aud) alle Bewohner der Stadt verfichen 
die Turks Sprache (alfo war hier die Sprache der Tadjit wol 
fon von dem Turki feit wenigen hundert Sahren überwältigt). 
Ihre Volksſprache ift diefelbe wie die gute Schriftfprache (ob 
Dſchagatai Turki, oder Arabifh 2); die Schriften des Mir Alk 
Spir, obwol er in Heri blühete, find in diefer Sprache gefchries 
ben (diefer Autor ift ung unbekannt, Heri, ift Herat, die perfifche 
Stadt). Die Einwohner von Andejan- find berühmt wegen ihe 
rer Schönheit; doch ift die Luft ungefund und im KHerbft er 
ſich die Fieber (Ihirmah) pin. er 

2) Der Oſch—⸗ ach) Diſtrict (ſ. 4 ©. 482 ‚486) lieſt 
in O.S. O. etwa 3 geogr. Meilen (4 Farſang) Weges von Anz 
dejan entfernt. Die Luft ift trefflich, das fließende Waſſer reiche 
lich, der Frühling ift Hier ungemein lieblich; in den heiligen Tra— 
ditionen (Hadith, f. Herbel. Bibl. or.) werden ſchon die Vorzüge 
von Uſch geprieſen. Sm S.O. der Feſtung ift cin Berg von 


% 

























Ferghana nad) Sultan Baber (1500). 733 | 


fhöner Geftalt, der Berg Bara (Bara Koh; Balla Koh der 
Karte) genannt, auf deſſen Gipfel Sultan Mahmud Khan ein 


kleines Sommerhaus erbaute; unter demfelben auf einer Terraffe, ' 


fagt ©. Baber, erbaute er ſelbſt, im Jahre 1496 bis 97, einen 
großen Palaft und, eine Säulenreihe. Diefes fey die lieblichſte 
Lage, überrafchend überblicfe man unter feinen Füßen von da die 
Hanze Stadt. Der Andejan-Fluß (der unterhalb diefer Stadt 
als linker Zufluß zum Sihun fällt) durchzieht die Worftädte von 
Uſch, und fließt dann abwärts bei Andejan vorüber, Zu feinen 
beiden Seiten liegen reichbewäflerte Gärten, in denen zur Frübs 
lingszeit die fchönften Veilchen, die herrlichften Nofen und Zulis 
panen (vergl. ob. ©. 248) von größter Schönheit blühen. Zwi— 
ſchen dem Bara Koh und der Stadt, an feinem Abhange liegt 
die Mofchee Jouza, und unter ihr find Wiefen von großer 
Schönheit ausgebreitet, mit Klee bedeckt (ob Mofo? oben ©. 637); 
reizend und geſchuͤtzt, wo man ſich gern lagert. Hier wurde kurz 
vor Babers Regierungsantritt, ein ſchoͤner roth und weiß gebaͤn— 
derter Stein (Band⸗Jaspis?) entdeckt, daraus man ſehr ſchoͤne 
Handgriffe fertigte. In ganz Ferghana, ruft der Sultan zuletzt 
noch aus, giebt es keinen Ort, der ſchoͤner und geſunder laͤge als 
Uſch. (Die Befchreibungen wahrſcheinlich deſſelben Berges und 
ſeiner Bauwerke, f. oben a. a. O.; 06 hier auch ältere Denfmale 
der Serenftraße, der Steinerne Thurm bei Ptol. IV. c. 13, das 
Heiligthum der Sonne und des Mondes bei Etefias Indie. 9, das 
Heiligthum Nuk bei Abulfeda 31, die 40 Säulen oder Chalfatun 
Wilfords in Asiat. Res. Lond. 8, T. VIN. p. 323 zu fuchen ? find, 
Tann faft nur durch Fünftige Augenzeugen ermittelt werden.) 
3) Der Marghinan-Diftrict (f. 06. ©. 484) liegt im 
W. von Andejan, 54 geogr. Meil. (7 Farfang) fern; eine ſchoͤne 
Sandfchaft, die durch ihre Aprikofen und Pomgranaten berühmt 
iſt. Eine diefer Arten, Dana filan (d.h. Groß-Kern) genannt, 
duftet herrlich, hat eine füße Säure und ift föftlicher noch ‚als 
Die von Semnan (eine Stadt bei Damghan in Khorafan). 
Man verficht es die Kerne der Aprifofen (Zerdalu) auszunehmen, 
fie durch Mandelferne zu erfegen und fo ein Eöftliches Badobft 
zu bereiten, das Seikkhani heißt. Das Ahuewerak (Weiß 
hier, es foll der Argali? fen, f. ob. S. 312) wird auf den 
benachbarten Bergen gejagt. Alle Einwohner von Mars 


ghinan, fagt Sultan Baber, find Sarten (alfo Tadjiks? 


die ſich Urſaſſen nennen, Perfifchredende vielleicht Nachkom— 


— 


734 Weft-Afien. I. Abſchnitt. $. 9 


men einheimifcher Sogdianen ? die damals noch weder durch Arc s 
ber noch Turk, oder Usbeken verdrängt waren; auch fiheinen ie 
zu Babers Zeit noch nicht fo feig gemwefen zu feyn, wie man heul 
zu Tage die Sarten fihildert). Diefes Volk giebt gute Boxer, ſie 
find unruhige Zänfer, in ganz Mawar al nahar durch ihre un 
geftümen Schlägereien und ihre Händel berüchtigt; die beften 
Fauſtkaͤmpfer in Samarkand und Bokhara find ftets von Mar 
ghinan. N 
4) Der Asferah-Diffriet im S. W. des vorigen, uͤber 
7 geogr. Meilen (9 Farfangs) fern, am Gebirgsfuß der füdtichen 
Kette des At Tag, die. das Asferah:Gebirge heißt. Von 
diefer Kette, dem Asferah oder Asfera Tag, hat neuerlich Al. v 
Humboldt gezeigt 15), daß fie die weftlichite Fortfegung dei 
Mustag oder Thianſchan-Syſtems fey, welche die Quellen 
des Sihun von denen des Oxus ſcheidet; deshalb ward fie von 
Ersfine das Scheidegebirge genannt, Sie wendet fih im 
Meridian von Khodjend nsh S.W., und heißt in diefer Nichs 
tung bis gegen Samarkand As Tag, oder, wie fich weiter uns! 
ten bei Edrifi zeigen wird, Al Botom (d. i. Weißes oder 
Schneegebirg). Irrig ſagt Weddington %), cs ſey dieſe Kette 
identiſch mit Pamer; er bemerkt, daß eine einzige Paſſage 
von Bokhara und Samarkand hindurch, gebahnte Route ſey, 
naͤmlich der Paß von Khodjend, zwiſchen dem Defilé dieſer Ke te 
und dem Sir⸗Fluß; Alles uͤbrige des Zuges ſey unwegſam. 

Der Asfera⸗-Diſtrict hat Reichthum an allen Arten der 
Shftforten und zumal die Mandelbäume find in den Gärten 
ungemein zahlreich. Die Einwohner find insgefammt Gebirgler 
und Sarten (Tadjit?). In dem Bergzuge der Asferah > Kette 
ift eine Felswand, der Stein-Spiegel (Sangainch) genannt, 
10 Ellen lang und Mannshoch, an andern Stellen nur halb fo 
hoch, in der fich Alles wie in einem Glafe abfpiegelt (ob eine 
Rutſchflaͤche? oder eine ernftallinifche Felsfläche?). Die 4 Abtheise 
lungen diefes Diftrictes, Asferah, Werufh, Sufh und Hu⸗ 
ſchiar, liegen insgeſammt am Fuße deſſelben Gebirgszuges. 
ſes Bergland diente dem Sultan DER zur Zeit, da der 4— 























145) A. v. Humboldt über die SBergtetten unb Vulkane von Inner⸗ 
Alien in Pöggendorf. Annalen 1830. Bd. 94. ©. 319, 320, sr j 
f. Erskine Kemarks etc. in Baber Mem, p. XXVIII. 

*°) Ch. Weddington Memoir regarding the Construction of the Map 
of Ferghana in Baber Mem. 1. c. p. LXVHL 

























Ferghana nah Sultan Baber (1500). 735 


fen Eroberer Scheibani Khan die Sultane Mahmud Khan 
ind Ulchi Khan befiegte, und Tafıhfend und Schahrofia eroberte 
Gi J. 1504) 2), zum Zufluchtsort; er hielt ſich in den beiden 
letztgenannten Abtheilungen, obwol mit größter Noth kaͤmpfend, 
noch ein ganzes Jahr auf, ehe er feine Flucht nach Kabul ers 
geiff, um vor der Uebermacht zu weichen und fich ein neues Kös 
migreich mit der Fauft ritterlich zu erkaͤmpfen. 

5) Der Khodjend»Diftrict. Es ift der weftlichfte, an 


—— im N.O. von Samarkand. Khodjend iſt eine ſehr alte 
Stadt, durch ihr vortreffliches Obſt beruͤhmt: denn das Sprich: 
wort ſagt: „Aepfel von Samarfand, Pompranaten 
von Khodzend;“ dennoch meint der Sultan, die Pomgranas 
ten feyen zu feiner Zeit in Marghinan noch velicater gemefen, 
Die Feſtung Khodjend ift auf einer Anhöhe erbaut, an welcher 
gegen Norden in der Weite eines Bogenfchuffes der Sihun 
voruͤberſtroͤmt. Jenſeit deſſelben erhebt ſich, an deſſen Nordufer, 
der Myoghil-Berg, der voll Schlangen iſt, in dem es aber 
ITurfiss Minen giebt (f. 06. ©. 671). Hier ift gutes Jagd— 
and; das Weiß-Thier (Argali?), die Gebirgsziege, der 
Hirſch (Gawazen), der Wüftenvogel (Murgh:vdefcht, wol ein 
Geier), der Hafe-und anderes Wild finden fih in Menge. Die 
uft iſt ungünftig; zumal find Augenentzündungen hier 
ſehr häufig, an denen fogar die Sperlinge leiden follen. Diefe 
fe Luft fchreiben fie dem Gebirge im Norden Ferghanas zu. 
Fine Abtheilung im Oft von Khodjend heißt Kandbadam, nur 
in Eleines aber fehr nettes Gebiet, von feinen vortrefflihen Mans 
Ben (Badam die Mandel, Kand die Stadt im Turfi) ges 
t, die bis Ormuz und Indien ausgeführt werden. - Zwifchen 
em Mandellande und der Stadt Khodjend liegt die - 
ppenwüfte Hazdervifch, aus der ftets ein fcharfer Wind 
egen Marghinan, alfo gegen Oft, weht, dem ſchon Dervifche auf 
ihrer Wanderung erlegen feyn follen; daher die Steppe diefen 
Namen erhalten haben foll. Die beiden Diftricte auf der Nords 
feite des Sihun find: 
de 6) Der Diftrict AEhfi, oder Akhſikat; von der Stadt 
genannt, welche nad) Andejan die bedeutendfte in Ferghana ift. 
— 


) Ferishta Hist. of tlie Rise of tbe Mahomedan Power in India 
etc. Ed. Briggs. Lond. 1829, 8. Vol, U, p. 24. 





736 Weſt⸗Aſien. 1 Abſchnitt. 6. 9% 


Sie liegt über 7 geogr. Meilen (9 Farſang) in Weſt, oder abs 
waͤrts Andejan; Sultan Babers Pater, Omer She 
Mirza, hatte fie zu feiner Nefidenzftadt erhoben, weil fie d 
ftärffte Fort in Ferghana befist, das auf einer fteilen Felshoͤ 
liegt; unter ihren Mauern ranfcht der Sihun voruͤber. Die 
lonen ſind hier ſehr vorzuͤglich, eine Art, Mir Taimuri 
nannt, wird an Trefflichkeit von keiner andern in der 4 
Welt uͤbertroffen. Die Melonen von Bokhara ſind zwar auch 
berühmt; aber die von Akhſikat fand der Sultan ſtets vorzuͤgli⸗ 
her, Auch hier ift viel Wild und gute Falfenjagd. Zmwifchen 
dem Sihun und der Stadt, die etwas vom Fort entfernt liegt, 
ift eine Wildniß, in der man viele Weiß Thiere (Argali) jagt, 
und gegen Andejan zu, alfo das SihunsThal aufwärts, giebt es 
fehr viel Hirfche (Gawazen), Murgdefcht, Hafen und am 
deres Wild, das da fehr fett ift. ; » 
N Der Diftrict Kafan, im Norden von Akhſi, ift der 
nördlichfte von ganz Ferghana, und nur von Eleinem Umfange, 
Wie der AndejansFluß von Uſch zum Sihun von der linken 
Seite einfällt, fo der Akhfir Fluß auf deffen rechter Seite von 
Kafan herab. Auch hier iſt die Luft ſehr heilfam, die Gärten 
find fehr zahlreich und liegen fo gefchügt im füdlich fich fenkens 
den Flußthal, daß man diefem den Namen Postinzpifch 
burra, d. h. „Mantel der fünf Lammerfälle,” gegeben 
hat. Die Einwohner von Kaſan und Ufch find in dauernde 
Eiferfucht und in Zwift, weil beide fih des größern Vorzugs dei 
Schönheit in Land und Luft ruͤhmen. * 
In den Berglandſchaften, rund um diefe 7 großen Die 
ftricte Ferghanas, find die herrlichftien Sommerftationer 
Hailaks, ausgebreitet Mai im Turki der Sommer, im Gegen: 
fag von Kifch der Winter; daher KifchlaE oder die Dörfer ge: 
nannt, im Gegenfag jener Yailad). In diefen Gebirgen findel 
man den Tabulghul?) Wald, der in feinem andern Sandk 
bekannt if. Der Tabulghu hat eine rothe Rinde, man mad) 
aus ihm Spasierftöcke, Peitfchenftiele, Bogen, Vogelkäfige u. © 
m. Es ift ein Eöftlihes Holz, das weit verführt wird. In der 
Büchern fteht, es wachfe auf diefen Bergen auch der Yabrujs 
ussfannuen (Mandragore nach Ersfine? Atropa mandragora 
Lion., n. Ainslies Mater. Med. T I. p. 207); aber zu Sulta 
Babers Zeit war er dafelbft gänzlich unbekannt. Wol aber 
wachſe dafelbft das Gras Betekend, das fie dort Aikoti nems 










































| Ferghana nah Sultan Baber (1500), 737 


nen (e3 ift Butfeh sauti, f. ob. S. 310 in Kabuleftan). Außer 
dem Türkis finden ſich auch Eiſenminen in diefen. Berg 
revieren. Die Einkünfte von Ferghana reichen hin, ohne 
das Land fehr zu druͤcken, 3000 bis 4000 Mann Truppen in dem; 
felben zu erhalten. 

Dies Land Ferghana iſt nun der merkwürdige Schauplatz 
der jugendlichen Heldenthaten Sultan Babers!#) (Baber, 
. h. der Tiger), der feit feinem zwölften Jahre den Thron feis 
nes Vaters beftiegen (geboren 1483) Hatte, aber in.der größten 
Berwirrung des Erbreiches durch innere und äußere Fehden und 
Weberfälle kaum zu deſſen Beherrichung gelangen Fonnte, und 
der gelichten Heimath, ungeachtet er fich in ihr den höchften 
Ruhm des Kriegshelden errang, doch bei der Uebermacht des 
hereindringenden Usbeken Eroberers, Sheibani Khan, fihon 
in feinen 25ften Tebensjahre (1504), den Rüden Eehren mußte, 
um, wie er felöft fügte: „bis dahin vom Schidfal hin 
und hbergefioßen, wie ein Kiefel, der von der Meer 
zeswelle von Ort zu Drt gewälzt wird,“ ein neues Erb: 
reich jenfeit des Orus und des Hindu Khu in Kabuleſtan zu 
ſuchen, das eben damals im Zuftande völliger Anarchie war. 
W. Ersfine bemerkt, daß diefer Monarch 2 Zahre nad) Eos 
lumbus Entdefung Amerikas feinen Erbthron als Knabe beftieg, 
15 Züngling mit dem Anfang des XVI. Zahrhunderts, kurz nad) 
asco de Gamas Entdeckung von Oflindien, die Eroberung son 
Kabul machte, und als Dann zur Zeit der Reformation in Eus 
ropa, in Indien, das Neich der Groß: Moghule oder der Babes 
iden in Delhi gründete. Babers Vater, Omer Sheikh Mirza, 
us dem Haufe der Timuriden und Ifchingiskhaniden, hatte dem 
Schwiegervater, Yunis Khan der Mongholen, die Herrfchaft 
on Tafıhfend abtreten müffen, und es war ihm nur Fers 
zhana geblieben; fein Bruder, Ahmed Mirza, war König 
von Samarfand. Da nın Omer Sheif (reg. 1486—1494) 
urch einen tödtlichen Sturz vom Taubenbaufe in Akhſi, feinem 
wölfjährigen Sohne, den er fehon zum Gouverneur in Andejan 
emacht, die Herrfihaft hinterließ, fo brachen beide benachbarte 

wandte gegen den Unmündigen los, um fich in fein Erbland 

theilen, woraus bei der züftigen Gegenmwehr und Ihatkraft des 


* 


1) Baber Mem. b. W. Erskine I. ec, p. 6—123; befj. Remarks 
l. c. p. LI—LXI; vergl. Ferisbta Bist. 1. c. Vol. IL p 1— 25. 


Nitter Erdkunde VII. Aaa 


a — — — 


738 Welt: Allen, 1. Abſchnitt. % 9. 


Juͤnglings, Parteiungen der "wehfeindften und feltfamften Ar 
entftanden, welche bald den nordifchen Feind aus Turkeftan um 
Kipſchak, die Usbeken zum Sihun herbeilockten. Von Tefte } 
Feſte rückte Baber als Belagerter und als Belagerer vor, ſchwa \ 
fich zweimal fogar auf den Thron von Samarfand, wurde aber che 
fo bald wieder durch die Lsbefen, die Samarfand eroberten, ge 
ftürzt, gehoben, wieder verlaffen, und mußte froh ſeyn bei feiner 
Verwandten in Taſchkend ein Afyl zu finden, oder bei einzelme 
Getreuen, die ihm als Kommandanten den Schuß ihrer Feltur 
gen verliehen, oder im Hochgebirge fein Leben felbft Jahre (an 
friften zu fönnen, bei anhänglichen Bergſtaͤmmen, mit denen 
öfter die größte Armuth und Duͤrftigkeit theilen mußte. Als 
endlich Taſchkend und das Sihun⸗Land in die dauernde Gewa 
Sheibani Khans und feiner Usbeken Fam (1502), Samarfan 
und Ferghana, von ihnen erfüllt, nicht mehr zu retten war, uf 
Sultan Baber in beftändiger Lebenegefahr ſchwebte, wandte 
fich, nachdem er noch ein Jahr lang vergeblich auf befferes Hi 
in dem Hochgebirge von Asfera gehofft und malen Pläne 
fhmiedet hatte, gegen den Süden nah Kabul (im J. 1504, 
06. ©. 304), wo dem zur Herrichaft Gebornen ein neuer Gluͤc 
ſtern (ſ. ob. S. 253) aufging. 
Aug feines Vaters Gefchichte und aus feinen eigenen Abe: 
teuern, deren Erzählungen zu den romantifchen Hiftorien | 
Drientes gehören, heben wir nur noch einige das Ferghana : Lat 
und deilen Bewohner betreffende zerftreute, aber characteriftifi 
Bemerkungen des Sultans hervor. Taſchkend, auh Schaf 
genannt, war Ferghanas nördliche Grenzmark gegen die Lieb 
fälle der nomadifchen Ueberzügler, die direct über die nördli 
Gebirgswand Ferghanas, über die Ming bulaf;Berge, W 
Kafan herab, wie es feheint, nicht eindringen fonnten. f 
das Sprichwort „der Bogen von Schaſch“ 140) fo bedeute, 
war, als Schugland Ferghanas, Nach defien Verluft war au 
die Selbftftändigfeit diefes Sultanates dahin. Karawanen 







—2 


Khitasc) (d. i. Khatai, von Turfan und Kaſchghar hera 
durchzogen damals das Land Omer Sheik Mirza's; eine der 
ben ward einft im Gebirgslande Andejans von fo tiefen Sch 
überfallen, dag alle Menfchen dabei bis auf 2 umfamen; 
Sultan ergreift die Gelegenheit dabei die Gerechtigkeit feines 


14%) Baber Mem. b, W. Erskine'l. c. p. 7. 5°) ebend. pH 




























Ferghana nach Sultan Baber (1500), 739 


n8 zu ruͤhmen, der alle Waaren derfelben ihren Eigenthuͤmern 
in Khorafan und Samarfand ausliefern lief; wahrfcheinlich eine 
damals feltnere Begebenbeit. . Im Norden von Andejän war eine 
Stromverengung des Sihun,- Tika Safaratfu (Ziegens 
prung) genannt, weil der Fluß am Fuß der vorſpringenden 
Bergwand ſich ſo ſehr verengte, daß man ſagte eine Ziege koͤnne 
ji über fpringen; in diefem Defile des Gebirgslandes fiel ein 
Befecht fuͤr Omer Sheit Mirza unglüdlih aus, und er wurde 
gefangen. Eine zweite Schlacht gewann er gegen die Usbeken, 
e ſich nach einem leberfalle von Samarfand, nordwärts, über 
Sihun und Aras (ein Zufluß zu jenem, der damals den 
intifen Namen des Arares noch aus der Macedonier Zeit getra- 
jen ‚zu haben feheint, der aber gegenwärtig unbekannt ift) zurück 
zogen; er zog über die Eis decke des Aras (Arares?), befiegte 
ie Plünderer und gab alle gemachte Beute großmüthig an die 
igenthumer zuruͤck. Sein Beſitz von Taſchkend, Schahrokia (Ber 
aket) nordwaͤrts bis Seiram 51), war nur vorübergehend. 

In den erften Jahren der Noth, als der junge Sultan fein 
Frbreich zu behaupten bemüht war, hatte er auch mit vielen 
eindlichen Bergſtaͤmmen Kämpfe zu beftehen. Unter diefen nennt 
‚gleich Anfangs, in dem wilden Gebirgslande Andejans, den 
tibus der Jagrag °?), aus 5000 Familien beftehend, die zwi— 
hen Ferghana und Kaſchghar haufeten (wo jegt die Berg: Kirs 
hifen, ſ. 0b. ©. 482). Sie verweigerten den Tribut, obwol fie 
ich an Heerden waren; flatt des gemeinen Ochfen zogen fie in 
Ber Menge die Kitas, d. i. Bergochfen (2). Sie wurden zu 
Yaaren getrieben, 20,000 Schafe und 1500 Pferde von ihnen 
deutet, und fie ſelbſt unter die Truppen des Sultans gefteckt. 

äterhin ftanden fie mit vielen andern Bergtribus, wie die 

shparis, Turuffchars u. X. und den Aimaks (Wander: 

reden) auf Babers Seite, und durch ihren Beiftand gelang es 

Mm (z.B. im 5.1499) fic wieder in Marghinan und. Andejan 

ſtzuſetzen. Die Bergdörfer diefer und anderer Bewohner‘ der 

ghana⸗ Umgebungen waren, ſagt der Sultan, damals, wegen 

N ‚beftändigen Ueberfälle der Mongholen und Usbefen aus Yair 

ks in feſte Burgen verwandelt worden. 

Die letzte Zuflucht ſuchte Sultan Baber, da ihm ſein 

luͤck völlig den Ruͤcken wandte, wie oben geſagt, in dem ſuͤdli⸗ 


& 


=) ebend, p- 34. 52) chend. p. 35, 66. 4 : 
aa 


7410 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. 9. 9, | 


chen Gebirgslande der Asferas (f. ob. ©. 734) Kette, oda 
den AE Tag, der fich weftwärts mit feinen fehwerzugänglichen 
Wildniſſen zwifchen Khodjend und Samarkand vorfchiebt. Die 
Berglandfchaft wird Uratippa (urſpruͤnglich Osruſchnah od 
Sutrufchnab, f. ob. ©. 647, oder Aufterufch nach Baber 
genannt 133), welche den Raum zwifchen Ferghana und Samar 
fand füllt, und den Sihuns Fluß bei Khodjend zu feiner noͤrdli 
chen Wendung zwingt. Aus dieſem Berglande ergießen ſich nord 
wärts zum Sihun zwei linke Zuftröme, der Khodjend, de 
bei der gleichnamigen Stadt einmündet, und der Akfus Fluß 
parallel mit ihm, der etwas weiter abwärts ebenfalls gegen Nord 
weft fließend dort einmündet, Aber auch füdweftwärts ergießel 
fih, von da, mehrere Bergwafler nad) Samarfand, in das di 
gentlihe Sogdiana, wie z. B. der Dizak (Jizzikh), an de 
gleichnamigen Stadt vorüber, etwas oberhalb Samarfand, fie 
in den Zaraffchans Fluß (f. 06. ©. 653) einmündet. Dizak " 
einer der Berggaue jenes Uratippa (Osruſchnah der arab 
ſchen Geographen, wo Behkat oder Beifend liegt) Dehfa 
genannt, am Nordgehänge gelegen, nahm den Flüchtling gaftlic 
auf, als ihn eine Hungersnoth aus Samarkand verdrängt hatt 
Nahe demſelben lag ein zweiter Berggau benachbart, Mafithr 
Die Bewohner beider Gase, obwol Sarten (alfo Tadjits? all 
Urfaffen? vor der Turk-Invaſion), fagt der Sultan, find dei 
noch im Beſitz großer Heerden von Schafen und Pferden, gleiı 
den Turf. (Gegenwärtig, wie wir ober fahen, haben fie das Hi 
tenleben den eingewanderten Tribus überlaffen, f. 06. ©.725 
Zu Dehkat mögen 40,000 Schafe gehören. Ich wohnte, fagt d 
Sultan, dafelbft im Haufe eines der Aeltefien des Dorfes. 9 
den benachbarten Gebirge wanderte ich überall barfuß umhe 
und härtere fo meine Füße ab. Im Frühling überftieg ich 
Abburden(?) zum Berglande Maſikha, wo eine Quelle W 
einer Grabftätte ift, welche die Grenze macht, zwifchen dem Hat 
lande Maſikha aufwärts, und abwärts gegen Yelghar. Es 
in diefem Berglande allgemeiner Gebrauch Ber 
und andere Snfchriften in die Felswände einhauf 
zu laffen5Y. Ich that daſſelbe, und feste bei diefer Que 
eine folche Inſchrift. — Es ift merkwürdig den Sultan, d 
























1853) Baber Mem. b. W. Erskine'l. c. ».9, 98— 100, 


. v 
84) ebend, p. 101 ete. ” 


Ferghana nah Sultan Baber (1500). - 741 


Tchingiskhaniden und Timuriden, den ritterlichen Helden, von Haus 
amd Hof verjagt, im Eril den größten Troſt in der Poeſie finden 
zu fehen. Er ergab fich diefer Kunft mit Leidenſchaft, z. B. ein 
Rubai von ihm iſt: 

Niemand erinnert ſich des Bedrängten; 

„Kein Bertriebener kann glücklich ſeyn, 

„dern iſt meinem Herzen die Freude in diefer Verbannung, 
Den, wie herrlich immer, Verbannung läßt feine Freude ges 
deihen. — 

oder die erſte Ghazele eines größeren Gedichtes: 

Keinen freuen Freund fand ich weiter auf Erden als meine 






















Seele; 
„und das eigene Herz ausgenommen fehlt mir ſeder Ver— 
— traute. — 


gen die Stimmung ſeiner Seele auf dieſer Flucht an der 
Düdgrenze Ferghanas. Nur mit Wemuth nahm er von 
a Abſchied, von feinem DVaterlande, um durch das benachbarte 
Bergland Karatigin nah) Hiffar und Sheghanian, am 
Drus bei Termed 55), fih, mit des dortigen Amir Mohamed 
hans Beiftande, gegen Kabul zu rüften. — 

So weit des Sultans eigene Berichte. Wir fügen diefen 
ie Erläuterungen W. Ersfine’s 56) über Ferghana bei. 
Dafielbe Ferghana bildet Heut zu Tage, ein mächtiges 
Rönigreich, das unter dem Namen Khofand (Khofan, f. ob. 
>. 485) befannt ift, und nach dem ältern Namen der Stadt 
Thuakend genannt ſcheint, die heute zwifchen Akhſi und Khods 
md am Sihun gelegen, aber erſt in neuefter Zeit zur Reſidenz 
hoben ward. Der Sir, oder Sihun, fehneidet auch heut zu 
Rage diefes Neich in eine füdliche und nördliche Hälfte, Seine 
nee oder füdliche Uferfeite, wird vom Schneegebirge der Ass 
era begrenzt, die an ihrem Nordgehänge von der Quelle abs 
yärts, in die Alpengaue Wadil, Warukh, Huſchiar, Suth 
egen Ferghana abfallen; gegen Süden fich in das unbekannte, 
ilde Alpenland Karatagin verzweigen. Der Fluß Akfu fcheis 
et von diefem Sukh das weftlicher gelegene Uratippa ab. 

Die rechte oder nördliche Uferfeite des Sihun begleitet die 
Bergfette des Ala Tag (oder Ming Bulad, welche Ferghana 


) Baber Mem. 1. c. p. 123; Ferishta Hist. L c. H. p. 24 etc. 
#6) W, Erekine Remarks etc, in Baber Mem. lc, p. XXXIX-XLII. 


\ 


kend bei Baber)5%), durch Ferghana nach Akhſi gehen, über 


742 Werts Aften. I Abſchnitt. %. 9. 


von Tafchfend im Norden fcheidet, und über Kaſan, Akh ' 
und nordwärts Khodjend voriberzieht, bis zum Oftufer des SL 
hun. Auch. diefer hohe, nadte Ala Tag fcheint ftets fchneeb 
deckt zu bleiben, und ſich oſtwaͤrts bi8 am die Mordfette von 
Kafchghar, nmördlih vom Teref-Paß und an die Buruts 
Berge gegen das Hauptjoch des Thian Schan (Ulu Tag, Muss 
tag, f. Afien I. ©. 325 u. f.) anzufchließen, von denen der oͤſt 
lichfte Quellſtrom des Sir Daria herabfommt (f. ob. S. 480) 
Die Landfchaften, nordwärts des Sihun, welche zu Sultan Bas 
bers Zeit Kafan und Afhfi genannt wurden, heißen gegenwärtig 
Namengan. Der ewigen Schneehöhen ungeachtet, die Ers— 
fine ihnen beilegt, kann der größere Theil diefer Berge doch nich 
ausgezeichnet hoch feyn, da die Kirghifen wenigftens zu allen Jah— 
reszeiten fie häufig im Norden und Often nach Taſchkend unk 
Kafchghar paffiren, und mit ihren Heerden bis in die Mähe der 
chinefifchen Grenze Kaſchghars (vergl: ob. ©, 481) beweiden, 
MWenigftens ſcheint dies das Ergebniß ruffifcher Berichte über die 
Wanderungen der Horde der großen Kirghifen zu feyn. Ein us 
befifcher Neifender, der von Kafchahar nach Aftrafhan zog, ver 
fiherte, die breiten, jedoch niedern Berge von Almalio 
(was oben fihon Sultan Baber nannte, aber nicht näher befan 
ift) überftiegen zu haben. ©. v. Meyendorffs Nachricht von 
diefem Ala Tag) im Morden Ferghanas, ſcheint hier -der 
richtigen Auffchluß zu geben, daß allerdings Iheile des Gebirge 
bedeutend hoch liegen müflen, wenn auch andere dagegen wei 
eingefenfter erfcheinen. Den Namen: Ala Tag (Monts pomme 
les) haben die Berge nämlich davon, weil mehrere ihrer Höher 
mit ewigem Schnee bedeckt bleiben, indeß andere Theile ihre ex 
dige Farbe beibehalten, wovon fie ein weiß und dunfelgefleckter 
Anfehn erhalten. 

Die niedern Züge des nördlichen Ala Tag lagern fich zw 
fohen Akhſi und Taſchkend; nur innerhalb 3 Stunden nor 
waͤrts von Akhſi fangen fie fchon an aufzufteigenz; das warm 
Ihal von Kafan muß wol von ihnen fihon umragt werden 
Heere, die von dem oben Thale des Sihun aus Uzkend (Ur 































ſteigen auf directeftem Wege nach Taſchkend diefe Bergkette, um 
E 
3?) G, de Meyendorff Voy. a Boukhara I, c. Paris 1826. 8. p. 9 
*) Baber Mein. I. c. p. 17. 





Ferghana nach Ebn Haufal im X. Sahıh. 743 


öfter nahm Sultan Baber, auf feinen Retiraden aus Taſchtend, 
dieſe Gebirgs-Route nach dem obern Ferghana, ſtatt des großen, 
ſuͤdlichen Umwege, durch das tiefe, freilich bequemere Sihun⸗Thal. 
Auf jener Gebirgsſtraße lagen das Julgeh Ahengeran, d. i. 











Amani, die fo oft genannt werden, ohne daß: wir ihre Lage ges 
nauer kennen lernen. Es liege jenes That der Eiſenſchmiede, 
das wir edenfalls nicht naher Eennen, nah W. Ersfine, wahrs 
feheinlic auf der Karawanenroute 5°) über den Ala Tag, 
die direct von Taſchkend oftwärts uͤber Uzkend in die ſchon 
oben befchriebene Ferghanaroute nach Kaſchghar, öftlich oberhalb 
Oſch (Uſch) einfaͤllt; obwol zuweilen die Karawanen auch wol 
einen RER nordwärts des Ala Tag. nehmen: mögen.. 


J 


2. Ferghana nad Ebn Haukal (im X. Jahrhundert), 


Unbedeutender ift es, was wir aus fruͤherer Zeit ber diefelbe 
Sandfchaft erfahren, die bald in engere. Grenzen. eingefchlofien, 
bald wie bei. Ebn Haufal auch: weiter gegen. Südweft. nach Os 
ruſchnah und Samarkand hin ausgedehnt wird. 

Ebn Haukal nennt Ferghbana®), eine weite fruchtbare 
Provinz, vol Städte und Dörfer, deren Tapitale Akhſiket, im 
Thale gelegen fen, mit Stadtburg (Kohendiz), Vorftädten und eis 
nem Schloß. Des. Gouverneurs Reſidenz und. das: Gefängnig 
fen in dem Kohendiz, die Mofchee liege in der Stadt, ein Oras 
torium am Ufer des Safch. (Chaje), d. i. der Sihun. Die Stadt 
habe 3 Farfang. Ausdehnung, das Schloß fey mit. Mauern ums 
geben, die innere Stadt habe 5 Thore, das. Kohendiz, fließendes 
Waſſer. Vor allen Ihoren. gebe es reichliche. Gärten und Wäls 
der, und fließend Waſſer zur Bewälferung. 

Die übrigen Orte in Ferghana find, ber Ebn Haufal, 
ſchwierig genau zu. localiſiren. Keba, nennt er ben lieblichften 


das Kohendiz fen aber in Verfall; die. Bazare, der Palaft des 
Gouverneurs und das Gefängniß. feyen im. Schloß, das, von 
Waflern umgeben, Gärten, Obfiwälder und fließende Waſſer 
habe; wo aber diefes Keba liege, wird nicht beftimmt. 


8») W. Eıskine Remarks b. Baber Mem. p. XXXII. 
#0) Oriental Geogr. ed, W. Ouseley I. c. p. 250, 270. 


„das Thal der Eiſenſchiede,“ und die Orte Kundez und _ 


Ort im Lande, mit Vorftädten, Kohendiz, Schloß und Mofchee; _ 


— — 





74 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 9. 


Auch nicht wo Awefch 1), das wir aber für Oſch, oder 
Uſchi Ch. ob. ©. 482) halten. Cs fey fo groß wie Keba, mik 
Vorftädten und Kohendiz, darin der Gouverneur und das Ger 
fängniß fen, mit Schloß und Mauern, die an den Berg ftoßen, 
anf welchem die Wachtpoſten aufgeflellt find, welche die Bes 
wegungen der Turk und ihre Ueberfaͤlle zu beobachten haben, 
Aweſch (Oſch?) habe drei Thore: das Derwazeh Kouh, 
oder Berg-Ihor, das Derwazeh Ab, oder Waffer:Thoy, 
und das Derwazeh Moghfedeh, oder das Thor der Mas 
gierz — woraus ſich ergiebt, daß das ſuͤdlich anliegende 
Bergland Derwaz (Durwaz, ſ. z. B. ob. ©. 480, 492), fo 
viel als das Thor, den Durchgang, die Paflage bezeichnen! 
mag. Es ift auch heute noch, nach v. Meyendorffs®) Ev 
fundigungen (1820), von Nicht: Mohammedanern, oder Kafir 
pölkeen bewohnt, welche von den Mobammedanern fehr gefürchtet 
find, wie die Siapufch Kafir im Hindu Khu (f. 06. ©. 208), und 
daher hier die Benennung diefer Ihore gegen die Bergfeinde, 

Amwerfend®) (das wir für obiges Urfend bei Babe, 
oder für das heutige Uzkend halten) liegt nur eine Tagereiſe 
Merpile, namlih N.N.O.) von jenem Aweſch entfernt, in der 
wärmften Sage von Ferghana, aber dem Feinde (Turkfeinde, we⸗— 
gen feiner öftlichften Lage, am obern Sihun) zunächftz es ift ze 
oder dreimal fo groß wie Aweſch, hat fein Kohendiz, Worftädte, 
Wälder, Gärten und fließende Waffer; fein Ort in Ferghana iſt 
ausgedehnter, es foll nad Ebn Haufal mehr als eine Farfang 
lang und cben fo breit, ſtark beoöliert feyn, von Bewohnern die! 
gute Wirthfchaft und Viehzucht treiben. Won Kerin (eine Tage 
reife von Beikend gegen Uratippa oder Dsrufchnah), dem er. 
ffen Orte in Mawar al nahar (d. i. an der Weſtgrenze 
Kerghanas), bis nah) Amwerfend (lirfend) am andern 
Grenzende Fergbanas (nämlich im Of, am obern Sihun)) 
it, nach demfelben, eine Ausdehnung von 23 sn Du 
d. i. Tagereifen (ein unbefimmtes Maag, bei Ebn Haus 
tal, wie Menzil, das bei Edriſi, nad) W. Qufeley%), zu 
24 bis 30 Engl. Miles, oder 8 bis 12 Stunden Weges beträgf) 
Hiermit iſt die ganze Länge Fershanas von Oſt nad. 
* * 
264) Oriental Geogr. ed. V. Ouseley I. e. p. 271, 273. 62) G.de 


Meyendort Yoy. a Boaklıara ed. MAan. Jaubert, Paris 1826. 8. p. I 


) Oriental Geogr, ed. W. Ouseley Lo. p. 273, 271. °“) ebe 
Praet, y. NAIE 
























— 



















Terghana nah Ebn Haufal im X. Jahrh. 745 


Weſt bezeichnet. Untere den Orten merken wir noch Khua— 
d, welches Ebn Daufal, zwifhen Khodjend und Khess 
keit anſetzt; nämlich eine Merhileh, oder Station, nach Kend; 
son da wiederum eine, nah Khuafend, und von da eine 
oße Station nach Khesfeit. Die Direction fcheint von Khod— 
d, am Sihun, abwärts, alfo gegen Nordweft zu gehen; 
dann aber würde das alte Khuakend, in welchen wol der heus 
ige Name Khofan, oder Khofand, nicht zu verfennen ift, 
keineswegs identifch mit der heutigen Reſidenz Khokan ſeyn 
fönnen, die von Khodjend aufwärts am Sihun, auf hals 
n Wege von da nad) Athſi gelegen ift. Allerdings fagen auch 
euere Erfundigungen, daß Schah Rokh Beg der Gründer des 
unabhängigen Khanates von Khofand, zuerft ®) in einem viel 
weftlicher gelegenen Khokand gewohnt, dort aber feinen Schwiegers 
bater erfihlagen habe; worauf erft fein zweiter Nachfolger, Abs 
dul Kerim Bes, das neue Khofan, 20 Werft im Oſten des 
vorigen erbaut, und die Verpflanzung feiner Nefidenz dahin, nebſt 
der Leberfiedelung der Bewohner aus dem alten Khokand (mol 
huafend), dahin, bewirkt habe. 

Die 6 Diftricte von Ferghana, welche Ebn Haukal 
ihren Namen und Etädten nach aufzählt ©) (Beftay Zeirin, 
Arch, Touan, Memaroujan, Hed Ali, Aureft) find 
uns ihrer Lage nach. unbekannt; doch beftimmt ex felbft die Lage 
von Beftay Zeirin dadurch, daß er fügt, von Khodjend aus 
betrete man diefes zuerft, und unter den 5 darin aufgeführten 
Städten Merghentan, Rendwames, Debel, Asbefan, 
Andufan) glauben wir in der erfien und legteren die Namen 
Marghilan und Andejan (f. ob. ©.483,484) wieder zu ers 
ennen. Auch die drei Städte Aureſt, Selikend, Selab, 
find uns unbekannt, von denen Ebn Haufal fagt, daß fie früher 
zu Turkeſtan gehört, feit Furzem aber in die Gewalt der Mus 
felmänner gefommen feyen. Das Gebiet von Beftay Zeirin, 
fagt er, gebe Ervöhl- Quellen; die Landfchaft habe an den Grenze 
bergen Ferghanas, die Aila7) heißen, Golds und Silber: » 
Minen; in den Bergen von Ashehreh (wol Asfera im 
Eid) ſeyen Naphtha-Quellen, Kupfergruben, man 





#5) ſ. Notigen über einige Länder des mittlern Aſiens; Drenburg 

1. Rov. 1839. aus ruffifchen Berihten Mſc. duch Mittheilung 
Hr. A. v. Humboldts erhalten. 6%) Oriental Geogr. I, c. 
V · 271 — 272. ar ebend, p» 268, 


u 


EEE En Do 


nr 


— 


746 Weſt-Aſien. 1 Abſchnitt. 6. 9. 


finde da Blei, Eiſen und Türkis, Alles dies ſey Im Grenzs 
lande Ferghanas. Eifen werde aud) in Ferghana bearbe 
tet 1689), In den Bergen brenne man eine Art Kohlen (Stein 
£ohlen), die man durch Waſſer daͤmpfe, und die Afche dann (als 
Lauge), wie eine Seife, zur Wäfche der Kleider gebrauche. Au 
Abulfeda‘) giebt diefelbe Nachricht, wahrſcheinlich nah E 
Haufal, fügt aber hinzu, daß drei Laftwagen von diefem ſchwar— 
zen, verbrennlichen Stein, für eine Drachme verfauft würden. 

Auch gebe es in den Bergen einen Stein, fagt Ebn Haus 
Eat, der feinen Theilen nach roth, grün und weiß fen (der Bands 
Jaspis, von dem oben Sultan Baber ſpricht, ſ. ob: ©. 733 
von Turfeftan nah Awerfend (Uxfend) hin giebt es M 
nen, aus denen man Ammoniaf-Salz gewinnt. 2 

Ob Ebn Haukal ſchon, bei der Aufzählung der allgemei 
nen Producte Mawar al nahars, wobei er allerdings auch rohe 
Seide”) und Wolle in Menge daſelbſt vorhanden nennt, di 
auch Ferghana zufchreibt, laͤßt fich nicht weiter ermitteln, und es 
bleibt uns das Factum der Einführung der Seidenzucht in d 
fem Lande unbefannt. Das Obſt, fagt er aber eben dafelbft, 
in Sogd, Asterfcheineh, Ferghana und Schafh (Taſchkend) in 
folcher Menge, dag man das Vieh damit füttre. Sn Ferghan 
und Schaf, und in den Bergen zwifhen Ferghan 
und Turkeſtan 7), gebe es alle Arten Obſt, Kräuter und Bl 
men und verfchiedene Arten der Violen, die jedermann vollko 
men nad) Belieben zu pflücen erlaubt fey. 
















— 


"3. Ferghana nad —— (im XII. Jahrhundert) iſt 
ein großes Gebiet 72), welches zu feinen abhängigen Provinzen 
das Untere und das Obere Bosta rechnet. Das Untere 
Bofta begreife die erſte Landfchaft, wenn man von Khodjend 
fomme (alfo das untere Ferahana am Sihun); dann folgen Ans 
fath, Jaſoukh, Aderfend, Ruſtan und das Obere 
Bosta. Außerdem gehören noch dazu Mara’han (ob Mar— 
ghilan?), Aidkian (Andidjan?), Zenderad, Sebireme 


Aſikan (AEHfid und Heli Ged Ali?). ni 
182) Orient. Geogr. I. c. p. 264. ©3) Abulfedae Chorasmi 
Deser. ed. Geogr. Gr. Min. Oxon. Vol.IIE. p.38. ?°) Oni 

Geogr. I. c. p. 233.  ?!) ebend. p. 238. 12) Edrisi ed. A. 

Jaubert, Paris 1836. 4. T. l. p. 457 — 490. 


Ferghana nad) Edriſi im XII. Jahrh. 747 


Auch Thaͤler, Ebenen und Weidebezirke, wo man feinen 
Berg fieht, nehmen das Sand ein, das aber im Süden und Welt 
an das Gebirge Botom (Botm, es ift wol das Asferas 
Gebirge) anftoße, welches ſehr hoch, fteil, voll Feften fen, blüs 
hende Dörfer, Heerden von Ochfen, Pferden, Schafen habe, 
Gold s und Silbergruben befige, wo man Pitriol, Ammoniats 
Salz, aus Dunfthöhien gewinne, die am Tage Rauch, Nachts 
Flammen auswerfen. Ueber ſolche Naofcha, oder Nufchader 
Nroductionen (f. Afien I. S. 336 am Pefchan), find wir neuer 
ih, durch Al. v. Humboldts linterfuchungen über die vulcas 
nischen Erfcheinungen in Inner Afien 3) näher unterrichtet. Auch 
d in den nördlichen Iheilen diefes Botom (von Chebel nad) 
Semendah), fo viel Eifenwaaren ”%), daß man von da aug 
Khorafan und feine Umgebungen damit verforgt, und. fie feloft 
8 Fars und Irak verbrauht, Doch aehört dies ſchon, wie 
Sultan Baber bemerkte, zu den füdlichen Grenzbergen Ferghanas. 
| Sn deffen eigentlihem Ihalgebiete führt Edrifi, als erfte 
Stadt, Kena an (ob Keba? bei Ebn Haufal), deren Territos 
um fich eine Tagereife weit bis zum Achas-Fluß (A. Jaubert 
meint es fey der Eihunz wir halten ihn für deſſen füdlichen Zus 
flug den Akſu, der etwas unterhalb Khodiend einmunden)’>). Dier 
ſes Kena ift eine der angefchenften Städte Ferghanas (damals; 
feitdem fcheint Khodjend dejlen Stelle erfest zu haben); von hos 
hen Mauern umgeben, fehr weitläuftig, voll Handel, Waaren und 
Heifende. Die große Vorftadt ift voll Bazare mit Mauern ums 
zogen, in beſter Erhaltung. Diele Bäche bewäflern dort die Gärs 
ten und Obftpflanzungen der Lufthäufer. Diefe Stadt ward von 
Nuſchirwan gegründet (wie einft hier am Jaxartes ein Cyres 
ſchata und ein Alerandria von Cyrus und Alerander), war von 
ihm auch colenifirt; er nannte fie Ezher Khane (d.i. Alle 
Häufer). Dies Kena liegt an 12 geogr. Meilen fern von Khoda 
jend, das am Suͤdufer des Sihun erbaut ward. Zwei Tagereifen 
von Kena (wol gegen Oft) liegt Jafoukh abgelegen, fern von 
den Routen der Handelsleute, wozu 60 Ortſchaften gehörig find, 





















”2) Al. v. Humboldt über die Bergketten und Wulcane von Inners 
Afien in Voggendorf Annalen 1830. B. 94. ©. 332 — 3445 vergl. 
Nouv. Annaies des Voy. T. IV. Notes p. 306 — 310. 

70) Edrisi I. c. p. 486, 487. 75) f, Ch. Waddington Map of the 
Countries of Ferghana and Bokhara chiefly constructed from ori - 
ginal Route and other Documents, Lund, 1826, 


* 


748 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6. 9. 


im Lande, das Queckſilber erzeugt. Eine Tagereiſe von da 
liegt Ruſtan, eine angenehme Stadt, von der 2 Tagereifen bis 
Kena (ein anderes, am obern Laufe des Sihun) find, und vo 
diefer eine flarfe Tagereife, von 7 geogr. Meilen, nad) uſch 
(Oſch, Aweſch). 

Uſch iſt eine huͤbſche Stadt am Ufer des gleichnamig 
Fluſſes (es iſt der Andejan-Fluß, ein linker Zufluß zum Sihun 
erbaut; ſie hat eine ſehr große Vorſtadt, iſt mit ſtarken Mauern 
umgeben, hat ein Caſtell und große Bazare. Sie hat etwa d 
Größe von Kena, und drei fehr fefte, eiferne Ihore. Die Stadt 
iſt der Berghöhe angelehnt die den tübetifchen Turks gan 
nahe if. Auf deren Gipfel ift ein Wachtpoſten zur Erfpäs 
bung der QTurfbewegungen, um die Stadt vor ihren Ueberfällen 
zu fihern. Don hier nach Aderkent (identifch mit Awers 
fend, Urkend, Uzfend) der legten Stadt Ferghanas gegen 
die Turk im Of, ift ei Tagereife. 

Aderkent ift eine große, bevölferte Stadt mit ftarfer Gars 
nifon; die Bewohner find ungemein wachfam, tapfer, energifchz 
viele Dörfer umher find davon abhängig, aber feine Stadt. Dens 
ſelben Ruhm der Tapferkeit giebt Edrifi den Bewohnern der 
Stadt Atas, die zwei Tagereifen fern von Aderkent (wir 
muthen gegen S.D. auf der großen Route nach Kafchghar, f. ob. 
S. 486) am Cingange des Hochpaffes liege, auf einem ſehr fteis 
len Berggipfel. Die Bewohner von Atas find ftets zum Kampfe 
gerüftet und immer wachſam. 

Im Norden nennt Edrifi, ſchon cbenfalls, wie der fpätere 
Sultan Baber, die Stadt Kafan, mit Fefte in einem fehr 
fruchtbaren Territorium, eine Stadt, zu welcher fehr viele Dorf⸗ 
fchaften gehören. Die Entfernung von Carber (oder Concar? 
follte e3 das oben fihon genannte Kena oder Keba bei Ebn Ha 
fol, Cowacand bei Abulfeda, an der Weftgrenze Ferghanas 
ſeyn?) am Sihun (Djihun) aufwärts, bis Aderkent (Urkend) 
betrage, fagt Edrifi, 24 Tagereiſen; er rechnet für diefe ganze 
Länge alfo nur eine Tagereife mehr als Ebn Haufal. Von 
der Stadt Atas, die wir übrigens nicht weiter fennen, wahrz 
fcheinlih nur ein Grenzfort, fagt Edrifi, brauche man 7 Tages 
reifen gegen Sudoft, um nach Tübet (der Turk Tübeter) 
zu gelangen, worunter hier, im weitern Sinne, nur Kaſchghar 
zu verfichen fenn (ſ. ob. ©. 478) kann, da Tübeter, feit dem VIII. 
Jahrhundert (ſ. ob. S. 425) nicht ſelten mit der heranwachſenden 





Ferghana nad) Abulfeda im XIV. Jahrh. 749 


Macht des tübeter Königreiches ihre Herrfchaft ſelbſt bis nad 
Ferghana auszubreiten wiederholentlich verſucht hatten. Von den 
Bewohnern dieſes benachbarten Landes Kaſchghar, die er Turk— 
Tübeter!’6) nennt, ſagt Edriſi: fie ſtehen in Verbindungen 
mit Ferghana, mit Al Botom und den Unterthanen des Khakan. 
Sie machen in jenen Gegenden viele Reifen, bringen Eifen, Sil— 
ber, farbige Steine (wol Zu), Leopardenfelle und Mofhus aus 
Tuͤbet. Sie bringen ferner, von da, viele Stoffe, deren Gewebe 
dicht, rauh, dauerhaft find. Jede diefer Roben Eoftet bedeutende 
Geldfummen; denn es ift Seide, von rother Farbe. Auch ge— 
mwinnen fie große Summen für Sclaven und Mofchus, die 
für Ferahana und Indien beftimmt find. Es giebt keine ſchoͤ— 
nern Creaturen als die TurksSclaven, von frifchefter Hautfarbe, 
ſchlanker Geſtalt, fchönften und angenehmſten Gefichtszügen. Die 
Turk berauben ſich einander gegenfeitig, und verkaufen ihre Ges 
taubten den Handelsleuten; manches Mädchen Eoftet fo, als Scla: 
pin, ihre 300 Dinare. — Dies wird der Handel der Sarten ſeyn, 
von deren Gefchäft oben die Nede war. 


4. Abulfedas Nachrichten von Ferghana, im XIV. 
Jahrhundert, enthalten außer den Ortsbeftimmungen 77) in feinen 
Tafeln, fein neues Datum. Nach ihm liegt Khodjend, Chojans 
dah, unter 90° 35° Long. n. Alfaradj, 90° n, Albiruni, und 
41925’ oder 40° 50’ N.Br. am Sihun; Akhſi (Achſicath) 
91° 20° Song. 422 25’ Yatit. nach Alfardj, oder 92° Long., 42% 
Lat. nach Andern. Kafan 909 35’ Longit., 429,55’ Yatit. nach) 
AUfaradj. Ferghana felbft unter 90° Long. und 42° 20° Lat. 
Sein Cowacand 90° 50° Long., 42° Lat. ift wol Keba bei 
Ebn Haufal, Kena bei Edrifi. Nah Naffir Eddin?S) liegt 
Khodjend 1000 35’ Long. 419 15’ Lat.; Akhſi 101° 20° Long. 
42° 25° Lat.; Urkend 102° 50° Long. 44° Lat; Uſch (Aufh) 
102° 20° Long. 43° 20° Lat., und damit ſtimmen vollkommen auch 
Ulug Beigs M Ortsbeftimmungen überein. Neuere Ortöbes 
flimmungen, von Andidjan, Marghilan, Namghan, 
Khokand, Taſchkend vom Pat. v. Hallerflein, die der Wahız 





476) Edrisi 1. c. p. 492. 27) Ex Tabulis Abulfedae ed. Geogr. 
Gr. Min. ed, Huds. T. III. p. 37, 49,65, 71, 78) Tabula Geo- 
graphica Nassir Ettusaei ib. T. ul, p- 113, 79) Tabul. Geogr. 
Ulug Beigi ib. T. III. p. 145. 


750 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. $. 9, 


heit ficher weit näher fommen und jene frühern Daten verdrän 
gen, haben wir ſchon oben (S. 543) angegeben. 4 
J 
5. Ferghana oder Khokand (Khokhan) nach chineſi 
ſchen Berichten im XVIII. Jahrhundert. 
In der chineſiſchen Reichsgeographie Edit. 1790 180 
und in dem Si yuͤ wen kian lo, aus der Mitte des XVII 
Sahrhunderts bei Timkowski 84), werden folgende Befchreibunge 
von dieſem Lande gegeben. Khofan if ein Land der Moha 
medaner das 880 Fi (200 Li auf 1° = 66 geogr. Meilen) fer 
von Kafchahar liegt. 
| Sm Often find deffen Bewohner gemifcht mit Burut If 
06. ©.451, 516); im Weften grenzt es an Tafıhfent, im Sü 
den ift die Kette Ihfungling (? in fofern der Belur Tag al 
deffen weftliche Fortfegung bei Chinefen angefehen wird); im Nor 
den ift der Fluß Naryn (oder Narim, nördlichfter Zuflug de 
Sihun, oder Sir Daria, f. Afien 1. S. 327). Die chineſiſch 
Geographie, welche unter den Aufpicien Kaiſer Khienlongs herau 
gegeben ward, rechnet alfo das Nordgebirge des Ala Tag (ode 
Mingbulaf, der ein Theil deſſelben), welches früher nur a 
Grenzgebirge gegen die nördlichen Turk aufgeführt ward, fch 
mit zu Shofan. 
Die Capitale des Landes ift Khokan, ihr im Oft liegen 
Marghilan und Andzian (f.”ob. ©.483, 484), im Norder 
aber Namgan. Wie jene Hauptftadt, fo find auch alle ander 
Städte diefes Landes, die im weiten Thale in N. W. des Thſung 
ling liegen, mit Mauern umgeben. Jede hat ihren Bek (Fürften) 
alle gehorchen dem Bek von Khokan. Diefer nannte fich im 
Sahre 1759 Erdeni, zu derfelben Zeit, als der chinefifche Ge 
neral Tſchaohoei (f. ob. ©. 510, 515 — 531) den Khodjidjar 
verfolgte, und einige feiner Officiere ausfandte die Tribus der Du: 
rut (Berg: Kirghifen) in Echug zu nehmen. — . 5 
Erdeni nahm diefe Officiere (wir vermuthen, daß der Pa 
ter Felix d'Arocha mit ihnen damals feine aftronomifchen BB 
fiimmungen in Ferghana bis Khofan zu machen Gelegenheit hat 
f. ob. ©. 522, 543) gehorfam auf, verfahe fie mit Lebensmitteln, 























# 
180) Thai thsing ythoung tschi, Notic. Geogr. et hist. in Klaproth 
Mag. Asiat. Paris 1825. 8. T. 1. p. 81 — 87. *!) "Turkestan 


Oriental in Timkowski Voy. ed. Paris T.I. ch. X. p. 408 — — 403, 


Ferghana, Khofand, nach Chinefen im XVII. 3. 751 


mit Schafen und Wein, und fandte einen Wornehmen der Stadt 
zur Huldigung an den Kaifer, ihn um feine Protection zu ers 
ſuchen. Die übrigen Beks des Landes folgten dem Beifpiele des 
Bek von Khokan. Solche Gefandfchaft wiederholten fie im Jahre 
4760. Aber 1763 machten fie einen Licberfall im Lande Burut 
(im Norden von Kaſchghar), wurden jedoch vom chinefifchen Coms 
Mandanten zuruͤckgewieſen. Erdeni Bek farb im Sahre 1770; 
ihm folgte fein Neffe Narubotu auf dem Thron von Khofan, 
der feinen Gefandten nach Peking ſchickte (wol mit einer Hans 
delskarawane durch Turfan), 
Die chineſiſche Kenntniß von Khokan, deren Duelle wol keine 
andere als eben der Bericht der Erpedition der Officiere mit Feliy 
dArocha an Kaifer Khienlong feyn mag, fieht den nördliches 
ven Arm des Sihun, der im Norden des Sir Daria und 
des Andejanz Armes, welcher Iegtere vom Terek-Paß entfpringt 
(f. 06. ©. 480), als den Hauptarm des Sihun an, und nennt 
den ganzen Hauptfirom Ferghanas nad) ihm auch den Naryn 
(Marin, Naruͤm). Allerdings. ift es auch der längfte Quelk 
arm, der, wie gejagt, (ſ. ob. ©. 480, 1.327) nahe dem Iſſekul 
aus dem Lande der Burut nach Weſt vordringt, und direct 
in Ferghana, zunaͤchſt Uskend, eintreten muß, worüber uns aber 
die genauern Daten fehlen (diefe Zeichnung, f. auf Grimms Karte 
von Hochs Alien; fie fehlt auf Waddingtons Map of Ferghana; 
U. Burnes Map of Central-Asia nennt diefen den Nord: Arm - 
des Eir oder Marin). 
Die chinefifche Neichsgeographie fagt ferner: die gegenwärtis 
gen Einwohner Khofans feyen von derfelben Race wie die Bu: 
rut; fie fprächen Perfifch, feyen Mohammedaner und 
KHeerden machten ihren Reichthum aus. — Allerdings find auch 
hier viel Turkſtaͤmme mit den Usbeken eingedrungen, perfifch aber 
fprechen nur die einheimifchen Tadjik (Sarten), welche der 
Chinefenbericht alfo, mit jenen verwechjelt, und Burut überhaupt 
ftatt Turk und Usbeken feßt. Der Naryn entquillt, nach ihr, 
der Nordweftfeite des Thſungling (Mustag, oder Thian Schan 
an feinem Weftende, der, mit dem Belur Tag vereinigt, gewoͤhn⸗ 
lich den Namen Ihfungling bei Chinefen erhält). Er zieht 1000 
% (75 geogr. Meilen) an den Gebieten von Andejan und Khofan 
vorüber; feine Ufer find ftark bewohnt und bebaut. Er theilt 
ih) in mehrere Arme und ergießt fih in den Dari Ganga 
(. i. Aral; See, die erſte uns befannte beftimmtere Nennung 

























































152 Weſt-Aſien. 1. Abſchnitt. 9. 


diefes Sees bei Chinefen), der 1000 Li breit ift und das beden 
tendfte Meer an dem Eiyu der Chinefen; es hat feine beftim 
Grenze (wie die alte Sage bei den Yanthfai, f. ob. ©. 626) 
alle Flüffe vom Weftabfall des Ihfungling fließen hinein. Da 
Weftmeer, zur Zeit der Han, dem Kanying (f. ob. ©. 554 
nahe Fam, fagt die Neichsgeographie, war dieferr Dari Gange 
Von Marghinan (das im Zahre 1759 mit im die chinefifd 
Grenze enclavirt fenn foll) von Namgan (wo Burut vermifd 
mit den Namgans wohnen follen), von Andejan (deilen BE 
Tokto Mohamed, im Jahre 1760 felbft nach Peking gekomme 
war, dort feinen Tribut zu zahlen), werden in der Reichsgeogte 
phie nur nad) Zahl und Namen aufgeführt, die feine Belehrun 
geben. : 
Im Siyuͤ wen kian lou 18?) werden als Häufer od 
Bewohner der Städte aufgeführt: in Khokan 30,000 Familie 
als Kefivenzftadt; in Marghinan 20,000, in Namgan (Na 
man) 10,000, in Andejan nur 1000 Familien oder Haufe 
Don diefem leßteren wird bemerkt, daß es zu einem fehr und) 
deutenden Städtchen herabgefunfen fey, doch werde das gan 
Khanat mit feinen 20 Städten bei Chinefen nad) diefem An 
dejan genannt, obwol die Nefidenz in Khofan fed; dies fi 
überhaupt der bedeutendfte Khan an der Weftgrenze des Reich 
Die Producte jenes Landes ſeyen: Hirſe, Erbſen, Früchte allı 
Artz die Pfirfich gelten für ganz vorzuͤglich; Pferde, Rinder feye 
zahlreich, auf das Wild werde viel Zagd gemacht. Die Einwo 
ner laflen ihre Haare nicht wachfen (fie ſcheeren fich das Haup 
und effen Eein Schweinefleifh. Sie tragen kurze Kaftane (A 
med), viereckige Müsen, find auf den Handel verfeffen (die Sa 
ten), und trogen dem Gewinnft zu Liebe jeder Gefahr und dei 
rauheften Clima auch im Winter. Oefter bleiben fie daher Ja 
lang von ihrer Heimath entfernt. Die Städter diefes Weft-Tı 
feftans nennen fih Andejans, wie fi die in Oſt⸗Turkeſta 
gern Kaſchgharen nennen. | 
Zu diefen chinefifchen Notizen fügte ein kabulſcher Kau 
mann, der jene Gegenden bereifet hatte und fich in Petersbun 
darüber an Timkowsti®) mittheilte, noch Folgendes: Khoka 
und Badakhſchan, die beiden Hauptftädte der weftlichen Gren 





1832) Turkestan Oriental in Timkowski Voy. Ch.X. ed. Paris 
p- 408. *:) Timkowski Voy. T.L p. 431 — 433. - 



























Ferghana, Khokand, nach Chineſen im XVIII. J. 753 


laͤnder Turkeſtans an China, liegen am Weſtabhange des Belur 
Tag. Die Capitale Khokan liegt ſuͤdlich der ſibiriſchen Linie, 
500 Werft von der ruſſiſchen Feſtung Petropawlowsk entfernt, 
son der man 40 Tagereiien Weges, auf Kameelen, fir die Ka: 
amanen zu rechnen pflegt. Der bedeutenden Städte find dafelbft 
etwa 20, folgende: € 
1) Khokan, M Taſchkend, 3) Turfeftan (die freilich 
igerhalb des alten Ferghana liegen, aber dem Khan von Kho: 
fan unterworfen find). 4) Khodjend, in einer fehr fchönen 
Segend am Sir (Sihun) gelegen, deffen Ufer mit Wäldern be: 
deckt find, auf Fehr fruchtdarem Boden. Der fanftfließende Strom 
ft hier für große Fahızeuge bis zum Aral-See (2) ſchiffbar. 

Die andern Städte, unter denen uns mehrere unbekannte, 
ind: 5) Numingan (Iamgan), 6) Marghalan, 7) Ands 
idjan (Andejan), 8) Takhti Soleiman (d. i. Uſch, f. ob. 
2.483), 9) 3shora, 10) Tſcharku, 11) Falkar, 12) Mats 
bla, 13) Bendi Dadan, 14) Befdharif, 15) Garis 
epa, 16) Arabtepa, 17) Tora Kurkan, 18) Kafen, 
9) Sspisfan, 20) Aramwan. 

Andere, welche auch die Standlager. der Hirten, die zuweilen 
nit Lehmwaͤnden zur Sicherung umgeben find, zu den Städten 
echnen, fagen, es gebe deren einige 80; diefe legtern, in Erdmäls 
en umzogenen Pager, heißen im Lande Kalah (d. h. Feftung). 
jene 20 Städte haben größtertheils 400—500 Häufer; die Ein; 
sohner treiben Ackerbau, Gartenbau, Viehzucht. Das Land ift 
ngemein fruchtbar und giebt hundertfältigen Gewinn; daher ift 
8 bei ihnen der Gebrauch, das Korn, Gemüfe und Obft an den 
keifenden nicht zu verkaufen, jondern zu verfchenfen. Von wohl: 
benden Reiſenden erhalten fie zuweilen auch einige Arfchinen 
on Baummollenzeuge, Baͤſi genannt (f. Aſien I. ©. 410), als 
Segengefchent. Der Handel wird in Khofan durch den gänzlis 
hen Mangel an Geld erfchwert; dort ift nur Taufıhhandel, daher 
ie Städte faft ununterbrochene Jahrmaͤrkte zu haben feheinen. 
Der Khan Alim, der im erften Zahızcehend des gegenmwärs 
gen Jahrhunderts in Khokan herrfchte, Fam auf den Gedanten 
ine eigene Münze im Lande einzuführen, und verwendete dazu 
lles Kupfer, und auch (wie Tſchaohoei in Kafchahar, f. ob. 519) 
ie aus Schah Nadirs Zuge, nah Bokhara, dort zuruͤckgebliebenen 
anonen; doc) bezweifelie der Kabul Kaufmann, daß die Gr 
| Ritter Erdkunde VII. Bbob 


754° Weſt⸗Aſien. L. Abſchnitt. 9. U 


Fall eines feindlichen Angriffes auf fein Khanat, Eönnen fich a 


“aber jeßt (1812 oder 1813) von deſſen Sohne Amir Rh 




















fammtfumme des Geldes im Lande eine Million Rubel betrag 
werde, Die Bevölkerung des Landes betrage etwa eine Milli 
Einwohner. Die Macht des Khans von Khofan habe nur Ei 
flug auf die Kirghifen und Bucharen (d. i. Tadjik) feines Ta 
des; er Eönne nicht über 20,000 Mann Truppen (wol Usbeken 
aufftellen, die im Felde nur fo lange bleiben könnten, als fie Pi 
viant mit fich führen; das fen hoͤchſtens auf 8 bis 10 Tage, © 


50,000 — 60,000 Mann zur andesvertheidigung erheben. Ur 
den Fenftern der Mefidenz des Khan liegen zwar 5 bis 6 Kar 
nen, als Reſte aus Schah Nadirs Feldzuge, aber ohne 9 
und ohne Pulver. 


6. Khokan Ehokand) nad Mir Iffet ullahs Beft 
im Jahre 1813, 4 


Hören wie nun den Bericht Mir Zffet Ullahs, der 
Jahre 1812 auf der großen Ferghana Straße von Kafchg) 
aus, über Ufch und Marghinan bie nach Khokan, wie wir fd 
friiher gefehen (f. ob. S. 478— 485), fortfehritt, und folgen! 

als Augenzeuge berichtet. j 

Khokan (Chokand) 1) if eine große Stadt ob 
Mauern, die feit dem Jahre 1770 von Narbuta Bys ( 
rubotuBeg, Narbuta Khan bei v. Meyendorff) beherrfcht we 





(Dmar Khan nah v. Mevyendorff) beherrfcht ward. % 
Sabre früher war noch fein älterer Bruder Alem Khan auf 
Throne, Er war Tyrann, und wurde, als er gegen Tafchfend 
Felde zog, von feinem ganzen Deere verlaffen, das feinen jtne 
Bruder zum Khan erhob; er felbft kam auf dem Ruͤckwege 
Dieſer Emir (Amir Shan), denn fo titulirt ihn der Emi 
Moorerofts, hält ein Heer von 10,000 Reitern; er beza 
durch Landftrefen und Wohnungen in Dörfern. Sie 
nicht über 2 Monat im Felde ftehen, weil es ihnen an Pro 
fehlt. Außerdem kann er noch 30,000 Mann, die aber nur 
einen Monat im Felde dienen fünnen, aufftellenz diefen zahl 
feinen Sold; fie tragen Lanzen und Feuergewehr. Ih | 
übrigens fünf verfchiedene Völker unterwuͤrfig; die Kirahifen, | 
ten, Kiptfchaf, Mang (Nogai) und —— 


154) Mir Isset Ullah Voy. in Magasin Asiat, T. 1. p. 4J 
























8 
Ferghana, Khokand, nach Mir Iſſet Ullah (1813). 755 


eghan (Namghan), 3) Kaſan, 4) Tſchus, eine Tagereife von 
dimbeghan fern; 5) Andejan, 6) Marghinan, 7) Kan— 

am, 8) Aſchferek und 9) Khodjend. Außerdem 10) 
hokan, wo vor jedem Haufe eine Wafferrinne vorüberfließt. 
le diefe Städte, außer Tſchus und Nimbeahan, liegen auf dem 
ten Ufer. Diefes TIhalgebiet ift reich an Weideland und Früch- 
1. Im Norden des Gebirges von Andejan (dies liegt 
f dem Nordufer des Sihun, nach Waddingtons Karte) breitet 
y ein wüftes Sand aus (d.i. nördlich des Ala Tag); nordwärts 
da wanndern die Staͤmme der Kaſſak und Kara Kalpak um— 
7, welche von Rußland abhängig find (es iſt das Land der Gro⸗ 
und Mittleren Kirghifen Horde). Diefe Würten reichen oft 
jets bis zu den chinefishen Grenzen, weftwärts bis zu dem 
teere Kolfum (er meint das Caspifche Meer). Die Häuptlinge 
Kaſſak (Kirghis Kafak, die mit ihren Horden hier unaufhör- 

h gegen Südoft vordringen, wie es einft die Turkſtaͤmme von 
felben Weltgegend her thaten), nennen fich nicht Khan, fon: 
en (vergl. Tere, bei den Kipin, ob, ©. 576) zureh,. was 
berhaupt oder Richter heißt. 

Iſſet Ullah beſtaͤtigt die Ausſage des Kabul Kaufmanns, daß 
mir Khan Geld in ſeinem eigenen Namen (alſo unabhängig 
m Souverain in Bokhara) präge: 1 Tanga zu 16 Pul; 

Pul zu 2 Maſcha; 1 Gold Tila von Bukhara gelte 150 
Inga in Khofan. Tanga fey die Landesmünze, von Kupfer, 
überfilbert ift (vergl. 06. ©. 517, 519, 416 u. a. O.). Des 
ebet in der Mofchee (Khotbah) wird in Feines Fürften befons 
1 Namen gebetet. Das Einverftändnig zwifchen Khokan und 
ofhara iſt nur fcheinbar; denn es herrfcht zwifchen beiden Re— 
aften die größte Erbitterung, auch hat Khokan fchon Trup— 
1 gegen Bokhara ausgefandt, Es iſt gegenwärtig von Bokhara 
5; unabhängig. Die Sprache von Khofan ift Türfifch; die 
nwohner der Stadt find aber Tadjif, oder Nerfifchredende 
ob. ©. 713), der erfte Staatsminifter Amir Khans, genannt 
irza Yuſuf, verfichert Mir Iſſet Ullah, habe ihn mit Wohl: 
aten überhäuft und ihm zur Anfiedlung im Lande eingeladen 


366 2 


> Seine bedeutendften Städte find: 1) Oſch (Uſchi), I Nimz _ 


— — 


756 WeftsAfien. L Abſchnitt. 8900 


7. Khokand (Kokan) nach Ph. Nazarov's Beoba 
tung, im J. 1813 und 1814. 


Phil. Nazarov iſt der einzige uns bekannt geword 
neuere, europaͤiſche Beobachter in dieſem merkwuͤrdigen Land 
deſſen Nachrichten uͤber den heutigen Zuſtand Khokands dah 
hier ausfuͤhrlicher mitgetheilt zu werden verdienen. Wir verdai 
fen die öffentliche Bekanntmachung derfelben, wie fo: vieles A 
dere, dem um die Wiſſenſchaft hochverdienten, patriotifch geſin 
ten Grafen Romanzow; die Ueberſetzung des ruſſiſchen Or 
nalwerkes J. Klaproth 13). Die Veranlaſſung einer fo ſel 
nen Gefandtfchaft an den Hof von Khokand war folgend 
(So nämlich ift, vorläufig gefagt, nach der Legende der daſel 
geprägten und von Meyendorff mitgetheilten Münzen, w 
die richtigfte Schreibart diefes ſehr verfchieden gefchriebenen I 
mens, obwol 3. J. Senko ws ki80), der treffliche Sprachfem 
und Bearbeiter der Nöhelengefihiebien ‚die gewöhnlichere Schrei 
art, wie auch A. Jaubert, nämlich Khokan beibehielt; Bi 
felbe Name, deifen ältere Schreibart, Khuakend, wir ſchon 
Ebn Haufal, f. 06. ©. 743, nachgewiefen haben.) — r| 

Sn Zahre 1812 hatte der Fürft von Khofand zwei Geſar 
nach Petersburg geſchickt, die aber auf dem Ruͤckwege, in Pet 
pavlowsk, an der Grenze der Kirghiſenſteppe umkamen: den“ 
nen riß eine Krankheit hinweg, der andere wurde von einem B 
bannten erfchlagen. Hierauf befchloß der Kaifer nach dieſem 
angenehmen Vorfall durch einen Botfchafter an den Khan v 
Khofand das Gefolge der beiden Verunglücten zurück zu geleit 
und über das Schickſal diefer Gefandten felbft zu berichten; N 
zarov, als Dolmetfcher beim Gouvernement, wurde mit 
Miffion beauftragt. Zum Schuß erhielt er, für die Karaw 
die mit Khofand zugleich in Handelsverbindung treten — 
Detaſchement Koſaken, 100 Kameele mit Waaren, 200,000 Ru 
an Werth, und ſeine Inſtruction. | 

Die Keife ging durch die Kirghifen: Steppe 87) nad) Te 
fend, und von da nah Khokand. Nur von — It 


125) Phil. Nazarov Voyage à Khokand in Magas. Asiat. Paris 18! 
8. T.I. p. 1-80. s*) J. J. Senkowski Description des Mo 
naies Boukhares trad. p. A. Janbert. Paris 1826. 8. Supplem 
p. Index. ı7) Nazarov Voy. I. c. Mag. Aslat. 1 
pP: 9— 32 ” 


Ferghona, Khofand, nach Nazarov 1813). 57 


vr chnitt der Neife, die uns jene Route am Sihun aufwärts vers 
jenwärtigt, kann hier die Rede ſeyn. 
Daſchken demacht gegenwärtig (ſeit 1805) einem Iheil des 
hanats von Khofand aus, wie es zu Omer Scheith 
Mirzas Zeit, dem Vater Sultan Babers, auch fihon zu Fers 
ghana gehört hatte. Nazarov fihreibt Tafchkend einen dauerns 
en ‚Sommer zu, und ruͤhmt es wegen feiner herrlichen Früchte; 
Weinberge und Obfthaine deren die Umgebung; die Gras 
aten, Orangen, Pfirſich, Feigenbaͤume beugen fi) unter der Laft 
ihrer Früchte. Ueberall find Quellen, Bäche, Candle zur Bes 
palerung vertheilt, mit pyramidal emporſtrebenden Pappeln bes 
langt. Die Stadt, welche Nazarov auf dem Ruͤckwege ) 
noch näher kennen lernte, ift ſtark bevölkert; man ſchaͤtzte ihre 
Sinwohnerzahl auf 20,000. Der größere Theil liegt in einem 
Rhale am Tſchirtſchik, und ift über einen Umfang von 4 
Stunden (15 Werft) vertheil, Sie ift von einer hohen Mauer 
geben, aus ungebrannten Backfteinen, mit 42 Thoren. Im 
Innern liegen längs der Mauer die Gärten und Weinberge, die 
jenfalls von Mauern umzogen find, die aber fo dicht zufammens 
koßen, daß die Zwifchenwege mehr engen Gaſſen als Straßen 
gleichen. Auch die Vorftädte find voll Gärten und das Waſſer 
5 Tſchirtſchik ift dur) das ganze Stadtgebiet in ‚Candle vers 
heilt; überall ficht man zahlreiche Springbrunnen. Jedes Hans 
hat feinen Canal und ein kleines Waſſerbaſſin im Hoframme, 
wo die Weiber bfeichen, waſchen u. f. w. In der Stadt find 
viele Moſcheen, die aber Feine Daͤcher haben; außerdem ſahe 
Nazarov eine große Menge anderer Gebäude mit Kuppeln, die 
et Tempel nennt, und meint, fie ſeyen aus alten Zeiten aus 
Frömmigkeit erbaut. Cine Biertelftunde von der Stadt abgefons 
—*88 das Fort mit 10,000 Mann (?) Garniſon; gegen Khos 
and ift es durch 2 hohe Mauern gefchüst, gegen Taſchkend durch 
me Mauer mit tiefem Graben, der 50 Klafter lang. Nur ein 
nger Fußpfad führt zum Fort, in deſſen Mitte fich wieder 
in Caftell erhebt, mit hohen Mauern umgeben, and durch 3 Graz 
en, jeder 7 Klafter tief, geſchuͤtzt; in dem Caftell ift der Sig des 
Gouverneurs von Tafchfend, der unabhängig vom Khan in Khos 
über Leben und Tod entfcheidet. Der alte Palaſt der Taſch⸗ 
id Khane liegt zerſtoͤrt in Truͤmmern. Beſtaͤndig, Bere Bra 


9») chend. T. I. p. 26 76. | * 


— — 


758 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6. 9. 


za rov, werde Taſchkend von Karawanen durchzogen; es 
ſagt er, voll Leben; uͤberall ſahe man vor den Hausthuͤren w 
in Gärten das Volk mit Tanz und Muſik ſich beluftigen, es 
kraͤftig, hoͤflich, aber ſinnlich, ausſchweifend und unthaͤtig. M 
glaubte immer nur Feſte feiern zu ſehen; man bemerkt nur n 
nig Handwerker; das Volk lebt vom Ertrag feiner Gärten, zal 
feine Abgaben, thut Kriegsdienfte nur nach Belieben. Die P 
Ingamie ift allgemein, ſchwere Strafen fiehen auf. das Erfpäh 
der Frauen; felbft ein Mann darf nicht in die Zimmer feiner 
genen Verwandtinnen treten. Nur auf dem Bazar ficht m 
Frauen, aber ftets verfchleiert,, in weite, reiche Kleider gehüllt, 
Khalats gewickelt, mit Turbanen und vor dem Antlis ein 
von Pferdehaar, Der Gouverneur von Tafıhkend nahm die ‘ 
fifchen Gäfte zwar höflich auf, aber zuvor mußten fie ihre Abe 
ben zahlen; dann wurde durch ſchlaue Lift die Karawane in 
Stadt zurückgehalten, und der fo gefchwächte Botfchafter du 
feine Wanderung nur, getrennt von feinem Koſaken-Detaſcheme 
begleitet von einer Escorte und den zuruͤckgebrachten Khoka e 
nach der Reſidenzſtadt fortſetzen. Dieſe letztern wurden vom Gt 
verneur genoͤthigt ihm die Ehrenkleider abzutreten, welche fie ve 
ruffifchen Kaifer erhalten hatten, Ein Wegweifer wurde 
bewilligt; glücklicher Weife war einem der Gefellfchaft die Ro 
ſchon früher bekannt. Bei der Ruͤckreiſe fcheint der Gouvernt) 
fih gegen den ruſſiſchen Botfchafter etwas biegfamer gezeigt 
haben, Die Semipalatinst; Karn mit welcher derſelbe v 
Taſchkend in ſeine Heimath im J. 1814 zuruͤckkehrte, beſtand a 
1500 Kameelen. 

Der Tſchirtſchik 180) (rechter Zufluß des Sihun, 4 
herkommend, dem nicht fern noch ein zweiter Fluß zur Se 
fließt, der Tangar, der bei der Feſte Piſchket voruͤberzieht), 


deſſen Nordufer Taſchkend erbaut ward, iſt ſehr reiße u. 
waͤlzt die Kiefel mit fort; Pferde durchfesen ihn nur mit M 1 


Das Getöfe feines wilden Waffers, verfichert Nazarov, fe | 
aus der Ferne von 15 Werft(?) gehört zu haben. Seit Zien 


- Panther und Tiger follen dies Getöfe fürchten und. den Stu 


- 


meiden (?), Er fommt aus der Seite des Kyndyr Tau MM 
ein weftliher Zweig des Ala Tag ?); diefer Berg reicht mit fei in 
— bis in die Wolken; man erblickt ihn von Tafchfen? u 


m) Nazaror Voy. I, e. Mag. Asiat. T. l. p. 33 J——— 



















Ferghana, Khokand, nach Razarov (1813). 759 


ine Mebelmafie. Sein Gipfel it mit ewigem Schnee) 
eckt, an ſeinem Fuß ift Quellenreihthum, Waldung und Obſt— 
Sehr ſchoͤn, ja malerifch ift der Anblick jener Schnees 


ag! Nazaron, die Berge, und traten bei Dari (wol ein Thor, 
jeichnend, wie Darwas, Derbend u. a., f. ob. ©. 480) in eis 

engen Felspaß ein; ein Weg in einer Weite von 100 Klafter, 
it 30 Klafter hohen Felsmaſſen zu beiden Seiten, die den Wan— 
rer zu erbrücken drohen. Bon Strede zu Strede wohnen in 
iefen Bergengen öftlihe Perfer, Goltfchi genannt (nad 
Meyendorff Ghaltſchi, die nur Perfifch reden, doch verfchies 
von Tadjif in Sefichtsbildung), Gebirgler, die vorzüglich. Obft: 
umzucht treiben, weder Pferde noch Kameele haben, aber fehr 
und arm find, und mit Grobheit den Fremden begegneten. 
ve Weiber aber, ganz gegen die Sitte ihrer tafchkentifchen Nach— 
nen, gingen unverjchleiert, und nirgends zeigte bei ihnen fich 
uch. — Durch) den Ruͤckweg, welchen —— von 


nen a diefelbe Gebirgsftrede, 7 er in einem ſehr befchwers 
chen Bergpaſſe überfesen mußte, noch genauer fennen; aber leis 
er iſt feine Befchreibung nicht deutlich genug, um die Richtung 
iefer Route gegen die des Hinwegs zu beftimmen; doch muß fie. 
pol bei derfelben Ueberfahrt über. den Sir bei Khodjend, etwas. 
ſtlicher, mehr durch das innere Hochgebirge des Kyndyrz 
au ‚gegangen feyn. Seine Befchreibung ift folgende, Yon der⸗ 
ben Ueberfahrt über den Sir (Sihun) bei Khodjend, wie 
af dem Hinwege, zog man auch auf dem Ruͤckwege nach Taſch— 
end; aber man- fuchte die Käauberfchluchten des Kyndyr Tau zu 
er meiden (durch welche wahrfcheinlich der Hinweg geführt hatte). 

Das erſte Nachkquartier war das Städtchen Chaidam, Der 
olgende Tagemarſch führte durch die Gebirgsgegend bis Mullaz 
nie, eine Burg, blos zum Schug für Neifende erbaut gegen die, 
Buth der Orkane und Schneefhauer, die hier furchtbar ſeyn ſol⸗ 
en. Die Einwohner von Mullamie übernehmen den Waaren: 
transport der Neifenden, um fie durch den Kyndyr Tau, unter 
hrem Schuße, gegen die Raubuͤberfaͤlle bis zur Fefte Piſchket 

u geleiten. Vor Mullamir erblidte Nazarov fehr viele alte 
Bauwerke. Von da ward die Bagage auf Saumpferde gepackt, 





u) Nazaror Voy. I, c. p. 69—72. 


über der- reichen Vegetation. Wir umgingen diesmal, 


u 


Veen 


| 760 Weſt-Aſien. 1. Abſchnitt. 9.9. 


den und von hier bis Tafchfend liegt Dorf an Dorf. 






















die Meifenden uͤberſtiegen den Gebirgspaß meiſt zu Fuße, ih 
Pferd oder Kameel am Zügel führend. Die furchtbarſte Stell, 
des Gebirgspaffes, auf der Höhe flieg eine halde Werft, nur in 
der Breite von Z Arfcbin, empor, zur Seite mit den tiefften Ab 
flürzen, in deren Grunde man nur die Wipfel der Tannen &% 
fpähte, indeg auf der andern Seite die fleile Felswand empoB 
ſtieg. Das furchtbarfte Gewitter vermehrte die Angft der Reifen) 
den, die Moslemen beſchworen den Propheten, die Koſaken ſchlu— 
gen ihr Kreuz. Der Hinabweg war durch die Schlüpfrigfeit de 
Bodens noch gefahrvoller geworden. Aber am Nordfuße det 
Paſſes breitete fich eine entzuͤckende Landſchaft aus, über lieblich 
Miefengründe voll Blumen, durchzogen von ranfchenden Gebirge 
ſtroͤmen, die fich weiter hin in ausgedehnten Obſthainen verlieren, 
fo der Tſchirtſchik und Tangar, welcher Iegtere am Fori 
Piſchket voruͤberſtuͤrzt, indeß jener weiterhin an Taſchken 
voruͤber zum Sihun zieht. Piſchket iſt ein kleines Fort mit 208 
Mann Garniſon, mit thonigem, aber ſehr fruchtbarem Boden‘ 
die Saat der Weigenfelder hatte, Ende März, ſchon ein Biertel 
der ganzen Höhe erreicht. Die Einwohner haben zahlreiche Heck 


Pur 15 Werft, alfo feine 5 Stunden weiter, wurde für dies: 
mal auf dem Hinwege an Khodjend vorübergezogen, das erfli 
auf dem Ruͤckmarſche ſelbſt Gefucht ward. Nahe am Wege (au 
dem Nordufer des Eihun) fahe men Aderfelder und am Berg 
die Gruben, in welchen die Einwohner nah Türfifen gra 
ben (ſ. 06. ©. 671, der-Ralait). Nicht fern von denfelben 1 
merkte Nazarov bei nl Quellen fteinerne Denkmale, di 
er für Grabmale von hohem Alter hielt, obwol er fie nicht‘ nähe 
Gefchreibt. Hier wurden die — getraͤnkt. Auch auf dem 
Ruͤckwege wurde jedoch auch nur der Bazar 191) beſucht, um 
bensmittel einzukaufen; Nazaroo hast Khodjend für fe 
groß wie Khokand. Gegen den Sir Daria (Sihun) ift die 
Stadt durch Mauern gefchüst, gegen die bucharifche Seite h 
find diefe Mauern an mehrern Stellen eingefallen. Canäle du 
ziehen die ganze Start, die fehr bevölkert ſcheint, und dieſelb 
Fabrikate wie Khokand liefern ſoll. 

Auf Sandbeden ging es dann zum Sir Daria (Sihu 
sur Linken, alſo immer ain Nordufer des Stromes hin, war 





Nazarov Voy. Le. H. p. 63. 












Ferghana, Khofand, nach Nazarov (1813). 761 


Ehdhung mit Steingedäuden, Fafernenartig erbaut, mit Kalk, 
nur Thonmauern ohne allen Kalk, oder Mörtel, im dortigen 
Sande, gegenwärtig im Gebrauche find: fo hielt Nazarov au 
dies für das Bauwerk eines alten Volkes. 

Bei trefflihen Ouellen in der Nähe der Stadt Rampyf ch⸗ 
kurgan wurde Halt gemacht, am folgenden Tage der Sir Da— 
ria (Sihun) auf einer Faͤhre uͤberſetzt, bei welcher 20 Mann bei 
der Paſſage angeſtellt waren. Der Strom iſt hier ungemein reis 
gend, und 900 Fuß (150 Klafter) breit. Große Kähne, die bis 
zu 70 Kameelen halten fönnten, werden zum überfchiffen ges 
braucht, obwol fie bei der Seichtigkeit des Stromes, wenn fie fo 
ſchwer belaftet wären, doch nicht anlanden Eönnten. Daher läßt 
man die Pferde durchſchwimmen. | 
Won diefer Ueberfahrt zieht der Uferweg 20 Werſt (keine 3 
geogr. Meil.) weit, durch nadte Sandberge bis zum Dorfe Kas 
tapoli, wo ein Nachtquartier. Die Einwohner bauen Getreide, 
Gemuͤſe, Baumwolle und ziehen Seidenwärmer auf; der 
Hätten im Dorfe, von Erde aufgeführt, ohne Fußboden und ohne 
Senkteröffnungen zählt man Taufend. 

Der folgende Tagemarfch führte durch viele Dörfer, über 
thonigen und ſalzigen Boden, der aber fehr ergiebig ift, und 
wohlhabende Einwohner nährt, bis am Abend 5 Uhr die Nefis 
denzftadt Khokand erreicht war. 

Die Aufnahme des rufjifchen Botfchafters, feine Audienz bei 
Hofe, feine fernere Behandlungsweife, und die dabei befolgte Pos 
litik, beweifen das Mistrauen wie die Nohheit des kaum erſt aufs 
gekommenen und fich noch unficher fühlenden Usbefen Staates, 
der zwifchen drei mächtigern Herrfchaften, dem chinefifchen und 
raffifchen Grenznachbar und Bokhara feindlich geftellt und einges 
klemmt, fih von diefem Iegtern independent zu mathen und zu 
erhalten beſtrebt iſt, durch den Verkehr mit jenen» aber feine 
Bedürfniffe und feinen Wohlftand gewinnen muß. Früher grenzte 
der Staat von Khofand”), bemerit Nazarov, im Nor— 
den an das Sand der Schwarzen Kirghifen (Kara Kaſſak) 
jenfeit des Ala Tag, wie dies die chinefifche Neichsgeographie 
ebenfalls ausfagte. Im W. an die nomadifirenden Turfomanen, 
die an Bokhara tributbar find. Gegen Dt grenzt er an Kaſch— 
ghar; gegen Sud an bie Öftlihen Gebirgsperfer, fagt 





»2) Nazarov Voy. 1. c. I. p. 37. 


No 


762 Weſt-UAſien. J. Abſchnitt. $. 9. 


Nazarov, welche Goltſchi (Ghaltſchas bei v. Meyendorf) 
oder Karatigin heißen. — In Sultan Babers Memoiren heißt 
Karatigin (Cair Tekin bei Keriffeddin) 193) jenes, uns bis heute 
fehr unbefannt gebliebene, wilde Gebirgsland, im Süden ber 
AsferasKette, bis zum hohen Pamer:Paffe hin, an 
dem Weftabhange des Belur Tag, bis zu den Gebirgsgauen von 
Wachan, an deilen Südweftabhange (f. ob. ©. 502). Diefer 
merkwürdige Ausdruc der oͤſtlichen Perfer (weil fie Pers 
fifch fprechen, fagt v. Menendorff®d, der fie aber von den 
Tadjik wieder, ihrer Gefichtebildung und, Farbe nach, unterfcheis 
det), identificirt mit den Bewohnern Karatigins,. welchen letz⸗ 
teren Naza rov nur im Lande felbft erfahren zu haben ſcheint, 
denn allen andern Autoren ift diefe Angabe unbekannt, wird duch 
Sultan Babers’Ausfagen von den Perfifh redenden Sar— 
ten, oder Tadjif, in den füdlihen an Ferahana ftoßenden 
Gebirgsvölfern, der Asfera-Alpen, unterftügt (f.ob. ©.713). Er 
beftätigt auf eine bisher unbekannte Weife das eigenthuͤm— 
liche noch wenig erforfchte Verhältniß der altperfifchen und der 
turfifchen Population, in jenen Gebirgslandfchaften zwifchen Drug 
und Sarartes Quell-Land, oder der noch bis "Heute.dort neben 
und feltfam durcheinander beftehenden Mifchungen der ältern 
Urfaffen und Cindringlinge, mit der jüngern Einwanderung. der 
Bölkertribus (f. ob. S. 690). Seit der Independenz Khota de 
von Bokhara gehören aber Taſchkend «feit 1805) und Turs 
£eftan (feit-1815), bemerkt Nazarov, zu feinen Eroberungen, 
die meiften Nachbarn deffelben, gegen Oft und Suͤdoſt, feyen aber 
feit ven Eroberungen, welche die Chineſen dafeldft feit 1789 9 
1791 gemacht haben, —— 
In der Reſidenz Khokand erhielt die ruſſiſche Gefandt 
fchaft, nachdem fie mit ihrer Kofafenescorte am Palaft des Khat 
vorüber paradirt hatte, ihre Quartier in einem Garten®) ange 
wiefen, wo nun die Kofafen zwei Yurten bewohnten, und der; 
Borfchafter mit dem Kofakenofficier unter feinem eigenen Zelte 
campirte. Die Pferde wurden im Garten frei gelaflen, nachdem 
man ihnen die Beine zufammengebunden hatte. Die Khokand 
Wache, die man der Embaffade gab, beftand aus 15 Mann umd 
—— — Fa: | 
53) W, Erskine Remarks I. c, b, Baber Mem. p. XXXIV. a 


93) G. de Meyendorfl Voy. a Boukhara ed. Am. Jaubert. — 
1820. 8. m. 132. ®:) Nazaov.Voy. Ik p. 41. { 



























Ferghana, Khokand, nach Nazarov (1813). 763 


einem Officier; die Pferde blieben einen ganzen Tag ohne Futs 
tee, die Embaſſade erhielt das Verbot den Garten nicht zu vers 
dafien. Der Bezier des Khan machte einen Befuch, um die 
Urſache der Embaflade auszufundfchaften. Die Antwort war: 
„um Handelsverbindungen mit Khofand zu fhliegen, dem Khan 
ber das Schiekfal feiner Botfchafter Auskunft zu geben, weshalb 
zur Uebergabe. des Eaiferlichen Briefes und der Gefchenke eine Aus 
dienz ‚erbeten ward.’ 
Hierauf wurde den Laft Pferden und Kameelen Futter ge 
zeicht, weiße Hirfe und Heu, den Botfchaftern aber als tägliche 
Mahrung, Hammel, Weifbrot, Neis, Ihee und Melonen zus 
gefandt. 
Erſt nach 11 Tagen Arreſt kam die Erlaubniß dem Khan 
von Khokan den kaiſerlichen Brief uͤberreichen zu duͤrfen. Ge— 
nannt wird der Khan Amir Bali miani (d. h. nach Nazas 
rov, „Shusgfürft des Mittelreiches,”%) ein bloßer Ti 
tel, in dem man den Einfluß chinefifcher Titelfucht fchwerlich vers 
fennen fann, wie er fchon vor zweitaufend Jahren uns aus den 
chineſiſchen Annalen in Transoriana bekannt ift. Den wahren 
Regenten⸗Namen theilt Nazarov nicht mit. — Ein Spalier von 
Reitern, mit Sanzen, gezogenen Säbeln und Luntenflinten führte 
vom Garten bis zum Palaftz die Kaleobater, d. i. die Leibgarde, 
ritt auf prächtigen turkeftanifchen Tigerpferden (Argamaf, 
alſo noch) immer jene blutfehwisenden Pferde, f.. ob. 
©. 644, wie vor 2000 Sahren); fie waren reich gefleidet, mit vos 
then urbanen gefchmückt, indeß die andern Soldaten weiße tru— 
gen. Der Botfchafter mit feinen Begleitern ritt, die Kofaten 
marfchirten zu Fuß, die Faiferlichen Gefchenfe wurden getragen. 
Aber der gefchlofiene Marfch der Kofaken, ihre Erercitium, ihre 
Schenkungen in Reihe und Glied, ungehindert durch die Une 
benheiten der Straße und der durchziehenden Waflerbäche, feste 
das Volk in Erftaunen. Er nannte fie „die Unfterblichen” und 
da jeder 4 Piftolen, eine Lanze, Säbel und Flinte trug, meinten 
fie, ihr Corps fen „eine bewegliche Feftung,” die fich gegen 
mehr ald 100 Mann zu vertheidigen im Stande ſey. Der kho— 
Fandifchen Neiterei folgte die Infanterie im Spalier; da ihre 
Lsaber für die lange Strecke nicht ausreichte, mußte die 
Mannfchaft, am der man voruͤbergezogen, ftets duch die Hinters 





»*) Nazarov Voy. ll. p. 42. 


— 


s 


764 WefteAfien. 1 Abſchnitt. 6.9 


firaßen den nähern Weg herbeilaufen, um die vorn entſtehenden 
Luͤcken zu füllen. ‚u 
In dem Angefichte des Palaſtes mußte der Votſchafter J 
den Seinigen von den Pferden abſteigen, der Marſch ging 
der Spitze der Koſaken-Escorte bis zur großen Mauer, die den 
Palaſt umlaͤuft; an deſſen Pforte mußte die Anmeldung * 
wartet werden. Der Volkszulauf war ſehr groß, alle Straßen 
und Dächer waren mit Menfchen bedeckt; die Antwort verzögert 
ſich mehr als eine halbe Stunde. Bald trat man nun in dei 
————— den Khan, einem jungen Manne von 25: Jahren, 
ein Shawls, mit Franzen und Eicheln von Gold garnirt 
* eingehuͤllt war, dem 2 Viziere und andere Hofleute zu 
Seite ſtanden, uͤberreichte Nazarov den Brief feines Kaiſers; der 
Khan reichte die Hand zum Haͤndedruck. Dann führten die 2 
Viziere den Bötfchafter wieder fo ruͤckwaͤrts, daß er dem! Negen 
ten feinen Rüden nicht zufehren Eonnte, Erſt als er fo bis: zum 
Thuͤre des Saales gelangt war, rief ihm der Prinz zu, ob @ 
fonft noch mündliche Aufträge habe. Als er dies verneint hatte 
und nur von der Uebergade feiner Briefe vom Kaifer, vom Mi 
nifter und dem Grenzcommandanten (General von Glafenap)) 
ſprach, wurde er in den Hof zuruͤckgefuͤhrt, 3 Klafter fern vo 
dem Fenfter, an dem fich der Prinz zuerft hatte fehen laſſen, u 
auf reihen Teppich erhielt neben ihm der Kofafenofficier feine 
Mag. Hinter ihnen hatten Gefandte von China ihren Pia 
auch andere von Khiva, Bokhara, Sarfaous(?), und d 
Gebirgsperfer, unter Schugdächern. — Die Gefandten vo 
Ehina waren vermuthlih nur Mandarine des Generalgoun 
neurs 197) von Zli, die flets zu den benachbarten, fogenannten 
butairen Herrfchaften ausgefchickt werden, zu fpioniren, mit ihn 
Verbindungen einzuleiten, und ihrer Behörde Relationen abzis 
ftatten. Hierauf trugen 8 Hofbeamte dem Khan die Kifte 
den Eaiferlichen Gefchenken hin, zu welcher Nazarov felbft 
Schlüffel überreichte, Der erſte Visier, Mirza Mallia, trug daB 
Faiferliche Schreiben auf feinem Kopfe herbei, zeigte dies den 
gliedera des Staatsraths, die es refpeetvoll betrachteten, und 
es dann in den Palaſt zuruͤck. Daranf erfolgte ein glänzen 
Diner für alle Sefandte, befiehend in rofenrothem Reis 
Pferdefleiſch, wovon aber nichts genoſſen wurde. Nach 





197) Nazarov Voy. 1. c. II p,45 Now. — (He 













obener: Tafel ging bderfelbe Zug in das Garten s Quartier 
zurück. | 

Bald daranf ließ fih der Khan noch 2 Flinten und 2 Pir 
ſtolen zur Anficht ausbitten, behielt fie aber, weil fie ihm gefielen, 
und fchiekte dafuͤr 1500 Silberſtuͤcke (Rupien), die jedoch zuruͤck⸗ 
gewieſen wurden. Darauf kam die Erlaubniß den Bazar-zu bes 
ſuchen; dann wurde der Kofalens Officer zu Hofe geladen mit 
zwei Khalaat, oder Ehrenkleidern, und Guͤrteln beehrt, und einem 
dritten für den Ilnterofficier, zugleich ihm aber die Ordre ertheilt, 
in 3 Tagen mit feinem Commando nad) Rußland zurückzufehren. 
Der Botfchafter Nazarov follte bleiben, bis zum nächften Fruͤh⸗ 
jahr, um die Handelsverbindungen einzuleiten, und dann mit der 
naͤchſten Karawane zuruͤckkehren, die man zur fibirifchen Linie 
ſchicken wolle, um die wahre Urfache des Todes beider khokani— 
ſcher Gefhäftsträger zu ermitteln. Nazarov behielt 4 Kofafen 
und einen Unterofficier bei fih; nach dem Abfchiede von der zu 
ruͤckkehrenden Kofafen »Escorte, wurde er in das Haus des Stadt 
commandanten abgeführt, auf drei Höfe von hohen Mauern ums 
geben, und Alles hinter ihm zugefchloffen, fo daß er fih in einem 
wahren Gefängniß befand, aus dem cs ihm nur geftattet ward 
den Bazar zu befuchen, um feine Einkäufe zu machen. Im Hofe 
errichteten feine Kofaken ihre Jurte, in der fie Nacht und Tag 
auf Wache ftanden; denn in dieſem Zuftande fehworen ſich alle 
‚gegenfeitigen Beiftand auf Leben und Tod. 

Mach 12 Tagen, als das Kofaten: Commando über die Lanz 
desgrenze hinaus war, wurde Nazarov zum Stadteommandans 
ten berufen, der ihm die Alternative ftellte: Willft du die Bluts 
ſchuld für den erfchlagenen Gefandten zahlen, oder Mufelmann 
werden, oder an jenem Galgen bangen? 

Da der Ruffe in Feiner Hinficht nachgab, wurde er in feinen 
Arreſt zurückgeführt; darauf erhielt der Kommandant vom Hofe 
den Befehl ihn zu allen Feftivitäten einzuladen. Dies gefchahe 
auch; er wohnte vielen Tanzen, Mufitfeften und glänzenden Ges 
lagen bei, wo er mehrere der Vornehmen durch Gefchenfe für 
fih gewann. Da alle Verlofungen ſich befchneiden zu laffen 
vergeblich waren, und der Kommandant fürchtete, fein Arreftant 
mögte am Ende noch entfliehen, faßte er den Man ihn zu den 
Gebirgs- Perfern zu ſchicken, die der chinefifchen Grenze am 
nächften find, weil ihm da die Flucht unmöglich ſeyn wiirde, 
So weniaftens Iegte fi) Nazarov fein feltfames Schick—⸗ 


Ferghana, Khokand, nah Nazarov (1813). 765: 


en — 
























766 Weſt-Aſien. I Abfchnitt. 9. 9 


fal aus, das vielleicht noc) andere Beweggründe gehabt haben 
fonnte. J1 

Der Khan ließ ihn nämlich zu einer Jagdpartie bei 
Marghinan!®) (250 Werft fern von Khokand, wahrfcheinlic) 
zählt er die Immege mit) einladen, wo derfelde die Viehweiden 
für feine großen Heerden hat, und einen ganzen Monat auf der‘ 
Pantherz, Tigers und Wögeljagd zuzubringen pflegt. Doc) hörte 
Nazarov, dies fey nur ein Vorwand, ihn aus der Reſidenz zu 
entfernen, und wirklich war nachher auch von feinen Jagd die 
Rede. Es feheint vielmehr aus dem ganzen folgenden, feltfamen 
Benehmen die Abficht der Ehofanischen Politik hervorzugehen, den 
ruſſiſchen Envoye in Angſt zu fegen, und. ihn zugleich das ganze 
Sand des Khanats felbft fehen zu laffen, damit er von der Größe 
und Macht vdefjelben erfüllt, den Grenznachbarn, den Rufen, Ra 
fpect vor demfelben einflößen möge. Zugleich mag wol der mil 
deren Gefinnung des kaum erft auf den Thron erhobenen und 
noch nicht ganz geficherten Khans, damals, noch durch die Roh— 
heit feiner Beamten entgegengearbeitet — zu ſeyn (ſ. unten 
Regentenreihe). hl 

Die Geographie hat von diefer Politik, wenn auch. feinen 
großen, doch einigen Vortheil gehabt, weil dadurch mehrere bishe 
“gänzlich unbefucht gebliebene Landesſtrecken, wenigſtens von einem 
europäifchen DBerichterftatter einmal erblict wurden. Da Na 
zarov indeß auch nach der Reſidenz Khokand wieder zuruͤck 
fehrte, und bei diefem zweiten Aufenthalte daſelbſt mehr Freiheit 
in der Beobachtung erhielt, fo wollen wir gleich hier feine 7 
merfungen darüber beifügen. | 

Sm März, 1814, hatte Nazarov fein Quartiee®) in — 
kand beim Gouverneur, dem alle Veziere gehorchen mußten, 
erhalten; der Khan hatte ihm aufgetragen dem ruflifchen Bob 
fchafter, der auf feine Demiflion, auf Antwort und Paͤſſe dran 
Gefchenfe zu machen. Der Gouverneur hatte davon —52 
da es doch nicht paſſend ſey, den Moͤrder ſeiner Geſandten zu 
beſchenken. Er gebot darauf ſich reiſefertig zu halten, um in 
3 Tagen nach Taſchkend zu gehen, wo er die ruͤckkehrende Kara⸗ 
wane abwarten ſollte, um die Antwort des Khans mitzunehmen. 
Die darauf folgende Verzögerung diefes Befehls benutzte ro 
rov zur Befichtigugg der Stadt. y ' 





198) Nazarov Voy, 1. c. II, p. 51 — 58% ®?) ebend, p. Pe | 


Ferghana, Khokand, nad) Nazarov (1813), 767 


Er fand fie fehr groß, ftark bevölkert, man zählte darin an 
400 Mofcheen; des Königs Palaft hat darin die einzige Befeffir 
gung. Rund umher liegen von allen Seiten Dörfer, Gärten, 
Wieſen, Felder. Der Boden ift falzhaltig, aber quellenreich. Die 
Straßen fi find enge, ungepflaftert, die Häufer von Erde; drei Ba— 
‚von Stein erbaut, liegen in der Mitte der Stadt, und 
2 mal in der Woche ift Markttag. In mehrern Gegenden der 
Stadt fieht man alte Denfmale (d); in der Nähe des Palaſtes 
find ungeheure Pferdeftälfe von Backſteinen erbaut; die Befagung 
fol 20,000 Mann betragen. Maulbeerbäume und Baums 
wollenbäumec?) find hier und im ganzen Lande Khofand fehr 
allgemein. 

Das Elima ?%) ift fehr warm, je meiter nach: Oft, defto 
heißer 2); die Vögel müffen fühlere Gegenden -auffuchen. Im 
Detober Monat, in welchem Nazarov in Khofand eintrat, 
war noch feine Spur von Winter, das Wetter fehr mild, die 
Bäume vollbelaubt, die Wiefen grün, die Tage waren heiß, die 
Nächte friſch. Vom Mai an wurde die Hige hier faſt unerträg. 
lic), das Thermometer ftieg bis 409%. Im März entwickelt fich 
die Vegetation am üppigften; dann find alle Wiefengründe mit 
Blumen überdeckt. Drei Monat fpäter ift Alles verfengt, von 
Winden aufgewühlt, mit Sand bedeckt. Kaum zeigt fi) dann 
noch das Grün an den Quellen des Gebirgslandes. Daher im 
Ganzen nur Viehzucht betrieben werden Fann. Der Thonboden 
erhist fi) bis zur brennenden Hitze; man ift genöthigt über die 
Stiefeln nody Kalofchen zu ziehen, und über die Kleider wattirte 
Ueberkleider, um es in der Sonnenhige nur zu ertragen. 

Daher giebt es hier auch nicht viel Vögel; die Rebhuͤh— 
ner, Gaglig genannt, find die gemeinften (Falk II. ©. 390 
nannte fie Tetrao kakelik, fannte fie aber nur aus Befchreibuns 
gen; das gemeine Nebhuhn der Türken heißt Keklik); die Phas 
fanen verbergen ſich in der großen Sommerhige in die Felss 
klippen oder Schilfwälder. Auf den Bazaren fahe Nazaron 
in Khofand, wie in andern Städten diefes Landes, eine unend: 
lihe Menge von Eocons, daher die. Seidenproduction 
ungemein ſtark ift, wobei fie ein ganz eigenthümliches Verfahren ) 
haben, das an die fabelhaften Erzählungen des Plinius von der 
befolgten Methode der Seidenzucht erinnert (f. unten Geide). 

























200) Nazarov Voy. 1. e. I. p.38, 40, 66. !) ebend, p. 62, 


— — 


1 


768 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 9. 


Die Khokaner weben Baumwollenzeuge, und tau⸗ 
ſchen gegen dieſe die ruſſiſchen und andere Waaren in der B 
kharei ein, wie Stahl, Eiſen, Fiſchotterfelle, Sandelholz, Vitrioh, 
Cochenille, Tuͤcher u. ſ. w. Sie gleichen den Bewohnern von 
Taſchkend, ſind jedoch wegen ihrer in der letzten Zeit errungene 
Siege weit ſtolzer, uͤbermuͤthig, frech; dabei voll Sinnenluft 
Keichlichkeit, Lurus. Ihr Handel verbreitet fich über Kafıhapı 
nach China, zu den Gebirge; Perfern, und über Bokhara bie 
nach Shiva. | 

Sn ihrem gerichtlichen Verfahren find fie ungemein ſtreng 
gegen jede Verfälfhung von Maaß und Gewicht. Die we | 
werden alle mündlich verhandelt; Priefter find die Nichter. Aud 
die höchften Beamten werden gleich fchimpflich Beftraft, wie du 
gemeinfte Verbrecher. Dem Dieb werden die Hände abgehauen 
dann ſteckt man die Stummel in fiedendes Del um das Blut zu 
ftillen, und läßt den Unglüclichen laufen. Einer, an dem Nas 
rov diefe Erecution vollführen fah, hatte 30 Hammel geftohlen 
Der Mörder wird den Verwandten zur Blutrache übergeben; fi 
mögen ihn hinrichten, oder für ein Löfegeld freigeben, oder al 
Sclaven verkaufen. Der Chebruch wird an dem Weibe dadurd 
beftraft, daß die Sünderin auf dem Bazar bis an den Kopf ü 
die Erde eingegraben wird, worauf der Henker den erften Steh 
auf ihren Kopf wirft, das Volk folgt nach bis er ganz zerfchmet; 
tert und mit Steinen bedeckt if. Dann wird die Leiche von dei 
Derwandten geholt und zur Erde beſtattet. — 9 

As Nazarov aus Khokand weggeſchafft werden ſollte, wi 
den dazu 2 Karren mit einem Officier und zwei Reitern com, 
mandirt, die ihn an die Oftgrenze des Landes, in das Fort Yar 
mazar 202) zu den öftlihen Perfern (Ghaltſchas U 
v. Meyendorff) bringen follten. Sie fuhren am Gebirge de— 
Kaſchkar Divan (wol Kaſchghar Davan, die weſtlich 
Berlängerung der Gebirgsfetten der Kafchghargrenze, f. 06. ©.47, 
fo nennt auch v. Meyendorff die Asferaz Kette) vorlber, das fie 
von China bis Samarfand in die Bucharei hineinzieht. Ci 
durch viele Dorfichaften, dann durch eine weite 40 Werft lang 
Steppe; der Officier fagte nach Yarmazar Fort; wenn aber Na 
zarov es vorziche, auch zur, Stadt Marghinan, deren Su N} 






















202) Nazarov Voy. 1. c. II. p. 51; vergl. G. de Meyendorff Yopi f 
Boukhara I. c. Paris 1826. 8. P. 97. 


an erblicken fonnte. _ Dies letztere zog derfelbe vor; die Reiſe 
f B alfo gegen Südoft, durch die Sandfteppe, und durch viele 
£ bevölferte Dörfer, die fehe wohlhabende Einwohner zu haben 
ir en, die friedlich ihre Acer und Weinberge bauten, Seiden; 
h Be und mit Weberei befchäftigt waren. Nach 2 Tagen 
e Marghinan erreicht, von wo der Stadtcommandant 
u; zum Empfang entgegen ſchickte. Die Neugier des Volks 
Meienlinge zu fehen war fo groß, daß die Officiere nur mit 
ihieben auf die Köpfe der Neugierigen ſich Platz machen 
nnten; dennoch war kaum durchzufommem Vergeblich wurde 
dazarov in das Haus des Gouyerneurs einquartirt; der Poͤbel 
5 die Ihüren ein, fo da er faft erſticken mußte. Ein chinefis 
se Botfchafter, der eben dafeldft fich aufhielt, rieth Nazarov fich 
) feine ihn begleitenden Kofaten felbft mit Gewalt Pag zu 
haften. Dies gelang auch; bald war das Haus leer, aber in 
gem war es auch wieder gefüllt, und fo war acht Tage lang 
— Ruhe zu denken, bis endlich die Neugier etwas geſtillt 
Nun wurden die Ruſſen in ein Haus einquartirt, dag 
üherhin ein chinefifcher Botfchafter bewohnt hatte. Sie wurden 
er fortwährend bewacht. Nur die Erlaubniß erhielt Nazas 
9, den Dhat Khan, d. i. den Vicefönig Mulla Chai 
beſuchen, dem die Yurisdiction über alles Grenzland gegen die 
ſtPerſer (alfo das wilde Gebirgsland Karatigin, in S.O., wo 
e Sarten wohnen, f. ob. ©. 762) anvertraut war, Er war 
gehalten darüber, dag Nazarov aus eignem Antriebe in feine 
stadt, nach Marghinan, gefommen war; doch behandelte er feiz 
m Saft gut, er wurde durch Gefchenfe gewonnen, Hier blieb 
tazaron drei volle Monate; erſt die 3 letzten Tage erhielt ex 
deß die Erlaubniß frei umherzugehen. Nun wurde er aber vom 
höbel mit Steinregen überfchüttet, Kafer (Ungläubiger) gefchimpfe 
few. Der Vicekönig felbft bedauerte ihn, meinte aber, er koͤnne 
m nicht helfen, ihn nicht ſchuͤtzen. Er gab ihm den Rath, wie 
die einheimifche Tracht (das Khalaat) anzuziehen und daruns 
zu hauen. Durch die Fürbitte des Vicekoͤnigs beim Khan, 
hielt: Nazarov die Erlaubniß nach Khofand zurückzukehren. 
- Die Stadt Marghinan?) hat 30 Werft (über 4 geogr, 
eilen, offenbar mit ihrem naͤchſten Stadtgebiete, Gärten u, ſ. w.) 


) Nazarov Voy. I. ce, T. Il, p. 56. 
Mütter Erbunbe VIE, cc 


Ferghana, Khokand, nah Nazarov (1813), 769, 


Ix — — 


770 Weſt⸗Aſien. I. Abſchnitt. 5 9 


in Umfang; fie ift nicht befeftigt, aber wol gegen die Grenze der 
öftlichen Gebirge: Perfer (Sarten?) durch die Felle Yarmazar 
geſchuͤtzt, die nur 5 Werft fern liegt, und 20,000 Mann (?) zur 
Bertheidigung haben foll. Nur 12 Werft von diefem Yarmazar 
fiegt die perfifche Feftung Alai (? beide find uns fonft völlig uns 
befannt; fie liegen wahrfcheinlich von der Ferghanaroute, die weis 
ter gegen Oft führt nach Ufchi, mehr ſuͤdwaͤrts, gegen Kara 
tigin). Diefe_öftlichen Gebirgs-Perſer, verfichert Nazarov, Famen 
auf den Bazar von Marghinan zum Einkauf von Baumwolle in 
Strängen, die fie. in Körben durch Träger Uber Yarmazar 
nach Alai transportiren laflen. Kaſchghar dagegen verfehe den 
Markt von Marghinan mit Thee, Porzellan, Silber in Barren, 
mit Farbe, Damaft und andern E£oftbaren chinefifchen Zeugen, 
die Frauen in Marghinan erfchienen dem Ruſſen von befonderer 
Schönheit, auch fanden fie Gefallen an den Kofafen. 

Der begleitende khokaniſche DOfficier erhielt den Auftrag feis | 
nen Arreftanten noch 50 Werft weiter oſtwaͤrts gegen die chinefis | 
ſche Grenze zu führen, fo fam Nazarov nah Oſch (ſ. ob. 
©. 483) und Andejan 209, von deſſen Lage fihon früher die 
Rede war. In den Umgebungen diefer Stadt fand er Ueberfluß 
von Obſthainen. Die Einwohner treiben Aderbau und die Zucht 
der Seidenwärmer, auch weben fie viel Baummollenzeuge, | 
Sie treiben Handel mit den fchwarzen Kirghifen (Burut) ihren 
jenfeitigen Gebirgsnachbarn, die ihnen ihr Vieh zuführen. Das | 
Caftell des Gouverneurs der Stadt ift mit Mauern umgogen, und 
hat 4 Thore. Cine Garnifon von 10,000 Mann (? alle diefe 
Truppenangaben find wol nur hochmüthige Webertreibungen der 
Khofaner, die Nazarov ohne Critik zu üben, nach der Erzählung 
wieder zu geben fcheint). Jeder Soldat habe feine Wohnung und 
fen verheirathet; aber das Pferd nimmt: das befte Zimmer in der 
Wohnung ein, die Frau das ſchlechtere. Ein Theil des Zolle, 
den der Bazar einbringt, dient zum Unterhalt der Garnifon, Die 
Häufer find von Erde aufgeführt, die Gaffen enge, fi) windend. 

Nach zwei Raſttagen wurde Nazarov, über Namens 
shan’) Namghan, Naiman, f. Lage, f. 06. ©. 543, 483), 
bis wohin Dorf an Dorf gereiht ift, nah Khofand zuruͤckge⸗ 
führt. Die Stadt Namghan hat nur ein kleines Fort mit eis | 
ner Garnifon von 200 Mann. Der folgende Tagemarfih führte 





2°*) Nazarov Voy.l. e. T. II. p. 59. #*) ebend, p. 60, 











Ferghana, Khofand, nach Nazarov (1813), 771 


am Ufer des Syr Dario (Sihun) zu einer Anfiedlung von 
Karafalpafen, von Nomaden, die hier Teppiche und Wollens 
gewebe arbeiten, und von da zur Nefidenz zuruͤck (im März). 
Von den dort gemachten Beobachtungen und den Verhandlungen 
| über die Ruͤckkehr war ſchon vorher die Rede. — Es wurden 

Wegweiſer verweigert und doch die Route uͤber Uratippa nach 
IRhodjend feſtgeſetzt, ein großer Umweg, um nad) Taſchkend 
zu kommen. Die Lage des erſteren dieſer Orte in Osruſchnah, 
ſiehe oben S. 543. Sicher ſollte Nazarov auch noch diefe Er— 
Joberung, die legte des Khans von Khokand, die durch Lift und 
Betrug zu Stande gefommen war, fennen lernen; denn zuvor 
hatte Uratippa (oder Uratupa) feine eigenen Fürften gehabt, war 
aber gegenwärtig eine Provinz von Khofand geworden. Der Weg 
dahin, 1* Tagereifen weit, führte am Syr Dariaslfer hin, dur) 
viele Dorffchaften. Yon 15 zu 15 Werft bemerkte Nazarov 
ſehr alte, unbewohnte Gebäude, von außerordentlichem Umfange, 
deren Beſtimmung ihm unbekannt blieb. 

Die Stadt Uratippa 6) liegt nahe am Kafdıghar Dawan 
(fo nennt Nazarov hier deffen weftliche Gebirgsverlängerung, 
die fonft fo genannte Kette Asfera der nenern Zeit, oder Al 
Botom bei Edrifi. Die Landfchaft wird reichlich von Berg: 
ſtroͤmen bewällert, die Stadt ift fehr groß, mit hohen Mauern 
umgeben, die durch tiefe Gräben geſchuͤtzt find; fie haben Schieß— 
fcharten für Fenerwaffen. Die Stadt ift fehr ſtark bevölkert, hat 
enge Straßen. Fabriken für Shawls aus Ziegendunen (f. Aſien 
1. ©. 602). Der Handel wird hier mit Turfomanen, Perfern 
(Garten) und andern bucharifchen Unterthanen * — 

Bon hier nah Khokand find wieder 13 Tagereiſen welt 
durch die Ebene; an den Grenzen der Bucharei erblickt man die 
Städte Yam, Zimin, Yama, Kurgan (alle 3 find fonft 
unbekannt, doc) wird Zimin identisch mit der Feſte Jamie 
ſeyn, die v. Meyendorff in Uratipa nennt), und erreicht dann 
(den Syr Daria nahe Khodjend, an der Fähre, über welche end— 
lich, wie ſchon früher gefagt, der Rückweg durch die Gebirgss 
paſſage des Kyndyr Zau nad Taſchkend in die Heimath 
‚angetreten ward. 

— 
©) Nazarov Voy. I. c. T. II. p. 63. 










&ce2 


772 Weſt-Aſien. I. Abfehnitt. 8. 9, 


8. Khofand der Geaenwart, nah eingefammelten | 
Srzählungen der Einheimifhen: durch v. Meyen- 
dorffin —— (1820); J. B. Frazer in Khora⸗ | 
fan (1821), Mabfum Khodja in DOrenburg (182077 | 
und W H. Wathen in Bombay (1834), 


Die eingefammelten Erzählungen von Einhelmifchen, durch | 
wißbegierige Europäer, müflen fo lange den Mangel der eigenen 
Beobachtungen erfegen, bis es einem gebildeten Europäer einmal "| 
gelingen wird, jene merfwärdigen Sandfchaften, die feit fo vielen. 
Sahrhunderten unbefucht geblieben, für die Wiffenfchaft ganz von- | 
neuem zu entdeefen. Nicht alle jene einzelnen Ausfagen haben 
wir indeß hier, wo es uns nur um Fortfchritt der vollftändiagften 
Erfenntniß zu thun ift, wiederzugeben, denn Vieles darin ift nur. 
Wiederholung deflelben, was ung aus jenen directen Quellen fchon 
.eben fo gründlich bekannt ift, fondern nur dasjenige was darin 
neu und berichtigend genannt werden kann. Hierzu gehört, bei | 
dem fonftigen Mangel aller bisher befannt gewordenen Nachricht 
über die erft ganz junge Entftehungsgefdhichte des Khanat von 
Khofand, die Negentenreihe, wie wir fie ruſſiſchen Erkun— 
digungen in Orenburg, durch die Privatmittheilung AL. v. Hums 
boldts, während feines dortigen Aufenthaltes (1829) verdanken, 





4 


1) Regentenreihe nach Mahſum Khodja von 
Khokand. 


Der Khokaner Mahſum Khodja, welcher 1829 Oren— 
burg beſuchte, ſagte aus, daß das Khanat von Khokand erſt ſeit 
der Mitte des XVII. Jahrhunderts ſeine Entſtehung einem Usbe— 
ken⸗Haͤuptling verdanke. Es war Schah Rokhbeg (Schah 
Ruch beg), ein vornehmer Mann, aber keineswegs von fuͤrſtlicher 
Abſtammung (doch hörte W. H. Wathen den Shurugh beg eis 
nen Abkoͤmmling Tſchingiskhans nennen) 207), der mit vielen ſei— 
ner Landsleute aus, der Wolga; Gegend nah Ferghana 509, 
morunter man damals das zunachft anliegende ſuͤdliche Ufer 
des Syr Daria begriff. Die Hauptorte jedes Landes, wie Khods 
jend, Marghinan, Kandbadan (Mandelftadt), Andejan, 
Uſch, Isfara, Namegan, Tfhufhl?) hatten damals noch 


207) W.H. Wathen Memoir on the Usbek State of Kokan in Journ. 
of tbe Astat. Soe. of Bengal. Caleutta 1834. 8. Vol. Ill. p. 373. 


Ferghana, Khokand, nach den Einheimiſchen. 773 


"jeder ihren unabhängigen Fuͤrſten Khodja) Ein ſolcher war in 
dem Flecken Churram Sarai auch Ediger Khodja, mit deſſen 
Tochter ſich Schah Rokh beg verheirathete, und ſich dann mit 
FE den ihn begleitenden Usbeken in dem Orte Kukan (20 Werft in 
Meft des heutigen Khofand, wahrfcheinfih dem Khuakend 
bei Ebn Haukal, f. ob. ©. 745) niederlieg. Er erfchlug feinen 

- Schwiegervater und machte fi) an deſſen Stelle zum Landes⸗ 
herrn. Die Uneinigkeit und Schwäche feiner Nachbarn machten 
I es ihm und feinen Nachfolgern Feicht ihre Herrfihaft bald zu ver: 
‚ größern. So entjtand durch diefen Ufurpator das neue Khanat 
von Khofand. Ihm folgten fein ältefter Sohn 2) Nachim 
Beg und diefem deilen ältefter Bruder, 3) Abdul Kerim Beg. 
I Diefer erbaute erft das heutige Khofand, und verlegte das 
| Hin feine Nefidenz; ſeitdem zerfiel der ältere Flecken diefes Na: 
mens in Trümmer. Der Ate Negent ward Rachim Begs zweiter 
Sohn 4 Irdana Beg (Erdeni nad) den Ehinefen, f. ob. 
S. 750), nad) zwanzigjähriger Megierung folgte ihm 5) Suleis 
man Bi (Soliman Berg) und dieſem 6) Shah Ruth Beg li. 
der aber nur 3 Monat den Ihron befaß. 7) Narbuttafhan, 
Enkel Abdul Kerims, regierte nun 31 Jahre lang, mit großem 
Anfehn (von ihm fagte Mir Iſſet Ullah, daß er feis 1770. herrfchte, 
wonach er alfo bis 1800, höchfteng bis 1801 regiert haben müßte); 
er unterwarf alle noch unabhängig gebliebenen Städte Ferghanas 
feinem Scepter, das einzige Khod jend ausgenommen. 8) Alim 
" Khan, fein ältefier Sohn, den J. B. Frafer einen Tyrannen 
nennt, regierte 12 Jahr (alſo hiernach bis 1812; da aber Mir 
Iſſet Ullah im J. 1812 feine Reiſe begann, und alfo wahrfcheins 
lid) 1813 in Khofand war, wo er fihon defien jüngern Bruder 
Amir Khan, wie er fagt, im zweiten Jahre auf dem Throne 
fand, fo Eönnen es feine volle 12 Jahre gewefen ſeyn). Er ift 
der Eroberer von Khodjend, Ura Tipa (Uratupa) und Taſch— 
kent, welche bis 1803 unabhängige Fuͤrſtenthuͤmer geweſen, und 
nun zum Khanat von Khokand gebracht wurden. Er ſchlug in 
Khokand die erſte Landesmuͤnze als Souverain, von Kupfer 
und uͤberſilbert (die Tanga nach Mir Iſſet Ullah, ſ. ob. ©. 755). 
9 Shumer Khan (unftreitig jener Amir Khan bei Mir 
r Iſſet Ullah, 1813; Amir Balimiani bei Nazarov, 1814; 








* 
| Et ) J. B. Fraser Ara. * a Jouraey inte Khorasan, Lond. 1826. 
4. App. B. P. IV. p. I 


774 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 9 


Dmar Khan bei v. Menendorff, 1821), nach der ruſſiſchen 
Angabe, ein Sohn des vorigen, nach Mir Iſſet Ullah aber, der 
ihn perfönlich Eennen lernte, deffen jüngerer Bruder, der, nah 
Fraſer, feinen ältern Bruder ermordet haben foll und Liebling des 
Dolkes ward. Nach v. Menendorff, der ihn Nachfolger Ner⸗ 
butta Khans nennt 200), ein uͤbrigens ſehr geſchaͤtzter Fuͤrſt, der 
mit dem Khan von Khiva, der fein Verwandter war, ſich bes 
freundete, und durch die Bermählung mit einer Tochter des Khan 
von Badakhſchan, auch von diefer Seite, feine Macht zw 
vergrößern fuchte. Von ihm hörte J. B. Frafer in Khorafan, 
daß fein Negiment dem in Bokhara ſehr ähnlich fey, doch hatten 
die Ulemahs unter ihm feinen folchen Einfluß erhalten, wie in 
Bokhara. Die Gelehrfamfeit wurde Überhaupt in Khofand wer 
niger geachtet, fo wie der Bigotterie ein folcher Einfluß daſelbſt 
auf die Staatsverwaltung eingeräumt. Dagegen herrfchte mehr 
Drdnung, Gerechtigkeit, Milde im Lande, die khokaniſchen Usbeken 
fandten Feine folche Naubparteien wie anderwärts aus; fie trieben. 
weder Sclavenfang noch Sclavenhandel, und der Kaufmann reis 
fete mit Sicherheit durch\ ganz Khofand. Das Verfahren gegen 
Nazarovn war allerdings feltfam; doch fcheint die Schuld der 
rohen Behandlung mehr auf der Seite des Stadtcommandanten 
und Gouverneurs, als des milder gefinnten Khans gewefen zu 
feyn. Er farb im Jahre 1822 (nach der ruffifchen Erfundigung 
durh Mahfum Khodja in Orenburg 1829, wie nad) den Ausfas 
gen des Khodja Behadur Khan 10) aus Khofand, in Bombay 1834). 
Ihm folgte fein Sohn 10) MohammedAliKhan (1822) als 
Khan von Khofand, der bis 1834 noch Regent war. — Wir 
laſſen nun die einzelnen Notizen folgen. — 













2) Nach v. Meyendorffs Nachrichten (1820) u) fol 
die Reſidenz Khokand nicht unmittelbar am Syr Daria, ſondern 
2 bis 3 Stunden davon entfernt liegen; aber durch ſehr viele Ca— 
näle mit demfelben in Verbindung gefest fenn. Die Größe der 
Stadt foll der von Bokhara gleich kommen, und die Stadt 6000 
Häufer zahlen, 4 Karawanferais haben, die ftets mit Kaufleuten 
gefüllt find. Der ganze Handel von Taſchkent und Kafıhahar, 





*°°) G. de Meyendorff Voy. & Boukhara }. c. p. 117. 0) W.H, 
Wathen Memoir I. c. Vol. Ill. p. 369. tı) G. de Meyenderfi 
Voy. a Boukhara ed. Am. Jaubert. Paris 1826. 8. p. 117 — 120. 





Zerghana, Khokand, nach den Einheimiſchen. 775 


d. h. aus dem ruſſiſchen und chineſiſchen Reiche nach Bokhara, 
gehe durch Khokand. Die Feindſchaft zwiſchen beiden letztern 
Staaten dauerte fort, da Bokhara den Grenzſtaat von Uras 
tipa wieder mit Gewalt fid unterworfen hatte. Zu J. B. Fras 
fers Zeit (1824) foll der Khan von Bokhara 12) mit einem Heere 
‚von 80,000 Dann gegen Khokand zu Felde gezogen.(?), aber mes 
gen des gut vertheidigten Gebirgspafies (der eben durch Uratipa 
nach Khodjend führt) genöthigt worden feyn, unverrichteter Sache 
wieder umzukehren. Ein Friede ward aber zmifchen beiden Fein— 


den nicht gefchloffen. Die Naturgrenze zwifchen beiden (die 


Aöferas Kette) ift fo ftark, daß Einfälle auf beiden Seiten mit zu 
großen Gefahren verfnupft find, als daß fie öfter wiederholt wer: 
den follten, 
Die, Stadt Oſch, am Fuß des Takt i Soleiman (f. ob, 
S. 482) foll unbedeutend feyn, nur durch die Pilger bereichert 


‚werden, die dort viel Geld hinbringen, um den blutigen Stein 


zu fehen, an dein Salomo ein Kameel erwürgt haben fol, weil 


deſſen Berührung die Krankheit der Glieder heile. Davon redeten 


alle Neifenden, die v. Meyen dorff befragte; alle nannten ein 
Heines Gebäude, das dort fiche, aber feiner wußte etwas von als 
ten Bauwerken, die Nazarov dort gejehen haben will, Don 
Dfch bis Kaſchghar find feine Städte mehr, das Land ift ges 


birgig; Mir Iſſet Ulahs Nachrichten über jenen Bergpaß beftätigen 





fih. Die von ihm fegenannten Berg-Kirghifen hörte v. Menens 
dorff Schwarze Kirghifen nennen, die mit ihren Heerdem 
auch den ganzen Ala Tag (d. i. das Gebirge im Norden Kho: 
kands) durchflreifen. Die Augen diefes Volks follen noch näher 
beifammen ftehen, und einen fchiefern Blick haben, als die ans 
dern Kirghifen, und fie felbft den Kalmuͤcken weit ähnlicher auss 
fehen. ‘Sie find tapfer, ihre Pferde ungemein flüchtig. Die his 
nefifchen Kaufleute durchziehen in Kleinen Karawanen ihre, Ges 
biete, um mit ihnen Handel zu treiben; fie haben nie von ihnen 
etwas zu fürchten. Im Winter herbergen fie. in den Bergthäs 
lern, im Sommer ziehen fie in die offenen Ebenen um etwas 
Gerfte und Hirfe zu ſaͤen. Wegen eines Plünderungsverfuches,, 
den fie gegen Taſchkent gemacht haben, follen fie durch 5000 


‚ Khofaner hart gezüichtigt worden feyn. Ein Tatare, der, von ihr 


/ 


nen gefangen, längere Zeit ais Knecht im Ala Tag umberziehen 





12) J. B. Fraser Narrative, Lend. 1525. 4. 1. c. p. 104. 


776 Weſt-Aſien. 1. Abfchnitt. 6. 9. 


mußte, ſagte aus, daß deſſen Berge mit dauerndem Schnee bes 

deckt fenen, die Abhange aber Birken und Tannenwaͤlder trügen, 
Der Weftabhbang des Dawan Terefgebirges von Kaſch— 
ghar aus, den er überftiegen hatte, fey beim Hinabfteigen ges 
gen Oſch weit länger, als das Auffteigen an der Kaſchghar— 
Seite; kein Schnee liege auf der Paſſage, aber es mwuchfen 
auch weder Eichen noch Tannen dafeldft. Ein anderer Reifender, 
der des Meges gefommen, fagte dagegen, im Teref Dawan 
fen ewig Winter; man habe bei deſſen Heberfteigung die Wahl 
dreier Paffagen, die aber alle drei, megen des zu vielen 
Schnees, nicht durch die Thäler führen. Diefe drei Routen 
gehen 1) über Belamli und Tallig, im Nord des Gebirge; 
oder 2) über Teret Daman in deilen Mitte; oder 3) m 
Chart an deſſen Süpdfeite hin. 


3) Nach 3. B. Frafers Nachrichten (1821) 219) mers 
den die Grenzen und Landeseintheilungen wie bei frühern Bes 
richterftattern beſtimmt; aber zu den 13 Diftrieten außer den 
ſchon früher bekannten auch die Namen Sekht, Wudpdi, 8x 
purran, Ghurrum Seran, Tfhuft und Kurrameh 
aufgeführt, die nach den darin liegenden Städten genannt feyn 
follen. Die 3 zulegt genannten Städte liegen auf der — 
des Sir⸗Ufers. 

Die Stadt Khokand ſoll, nach ſeinen Erkundigungen, an 
50,000 Einwohner haben, aber vom Sir⸗Fluß bewäflert feyn, der 
alfo wahrfcheintich feine Arme bis in ihre Mähe verbreitet, die’, 
man zu Gandlen gemacht haben mag. Khodjend, 15 geogr. 
Meilen davon, nennt er die alte Capitale (?) mit Mauern und 
Graben, die einft 30,000 Häufer (?) gehabt, gegenwärtig aber gang 
im Verfall fen; aber ihre Bewohner zeichnen fid durch Gaflfreis 
heit und Höflichkeit aus, und fprechen fo gut Perfifh wie Türs 
kiſch. Die Luft fey dafeleft herrlich, das Obſt von großer Delis 
catejle. 

Das Chima von Khofand fey von dem in Bokhara fehr 
verfehieden; der Winter fehr ſtreng aber mit wenig Schnee; man 
müffe drei Monat im Zahre einheigen; der Frühling bringe leichte 
Degen, heftige Weftwinde mit —— der Sommer ſey ſehr 








212) J. B. Fraser Narrative of a Journal J —— Londoũ 
1825, 4. App. B. P, IV. p:102— 117. 


Ferghana, Khofand, nach, den Einheimifhen. 777 


heiß, regenlos, alles berſte auf; erft Ende Herbſt kehre die Feuch⸗ 
tigkeit wieder. Die Erntezeiten find wie in Bofhara. 

Weiden, Pappeln, Enpreffen und alle Arten von 
Obſtbaͤumen find hier wie in Europa; die Sycomore (Chi 
nar?) felten, auf Bergen wachfen hohe Pinien, Pappeln, 
Mandeln, Wallnüffe, Piftacien. Baummolle wird 
auf allen Feldern gebaut, Manlbeerplantagen gehen durch 
. das ganze Land, Seiden zucht ein Hauptgefchäft, giebt ein 

Hauptproduct die Seide, 

Die Kleidung ift größtentheils Perfifch, lange Gewaͤnder, feis 
dene Tücher und Turbane find Kopfbedefung. Die Frauen -tras 
gen hrs und Naſen-Ringe wie in Indien, gehen in Schleier 
(Burbas) gehüllt, vom Kopf bis zu Fuß, und leben fehr eingezos 
gen. Die Hauptmahlzeit ift des Abends; Pillau allgemeine Nah⸗ 
rung und Thee Lieblingsgetränf. Die Dörfer, meiſt zu 100 bie 
-4000 Häufern, find in 2 Straßen ins Kreuz gebaut, in deſſen 
Mitte die Mofchee fteht. In den meiften Dörfern giebt es Mehs 
man Khaneh für Gäfte, wo auch die Armen im Winter mit 
Pillau gefpeifet werden; man fommt da zufammen, um Thee zu 
trinken, zu fingen, fih Hiftorien zu erzählen oder Schwänfe zu 
machen, auch zum vorlefen, wobei die jüngern Leute tanzen und 
in die Hände Elappen. Der Winter ift zumal die Zeit des Yus 
bels und der Feſte, wo man gepugt und ausgelaffen von Dorf 
zu Dorf umherzieht; die Übrige Zeit ift zur Arbeit beſtimmt. 
Jedes Dorf hat hier, wie in Bokhara, feinen vom Volke ers 
wählten Schulzen, und einen von der Negierung ernannten Bes 
amten, der die Abgaben eintreibt, die aber mäßig feyn follen. 
Die Zahl der Tadjiks mag fehr verfchieden fich gegen die der 
Usbefen verhalten; in manchen Gegenden haben diefe letzteren 
bei weitem die Oberhand erhalten. Sie werden als ein flarfer, 
oft wohlbeleibter, ſchoͤn gebildeter Menfchenfchlag gefchildert, fehr 
gut gelaunt, luſtig, dabei ruhig und gaſtlich; Reiten, Jagen, Falz 
fenjagd und Beraufchung im Kuͤmuͤz gehört zu ihren leidenfchafts 
lihen Genüffen. Sie follen ein tüchtiges Volk feyn und in vies 
ter Hinfiht den Europdern im Art und Weife weit näher vers 
wondt erfcheinen als Perſer und andere Aſiaten. 


778 Weſt⸗ Aften. J. Abſchnitt. 5. 9, 


4) Nach den Ausfagen der Khofands Pilger, zumal 
des Khodſa Behadur Khan, an W. H. Wactheni in 
Bombay im Jahre 1834, 


Wie aus dem chineſiſchen Turkeſtan neuere Nachrichten der 
Meffas Pilger über ihre Heimath nah Bombay famen d. 06. 
S. 348), fo auch jüngft aus Khofand, Die politifchen 
Misverffändniffe der Khofaner mit ihren nördlichen. Nach— 
barn, den Kirghifen (Kaifak) und Nuffen, länge der fisirifchen 
Grenzlinie, wodurch das ruffifche Gouvernement fih eine Zeit‘ 

lang veranlaßt fahe, den Durchgang durch fein dortiges Territos 
xium nach Aftcafan zu ſchließen, und der Sectenhaß der pers 
ſiſchen, Bigotten Shiiten gegen die gleich bigotten Sunniten im 
Eüden und Weften Turkeftans, diefe ließen den Khofanern, die 
fih auf die Dilgerfahrt nach Mekka begesen wollten, nur noch 
als Thor zu Arabien "die Afghanenftraße über Balf, Kar 
bul, Kandahar, Kelat offen, wodurh Bombay natürlich 
der paſſendſte Ueberfahrtsort nach Mekka, der Sammelplag in 
neuefter Zeit fo weler Pilger aus Centrals Afien wurde, daß W. 
H. Wathen deren, in den zwei letzten Jahren vor 1834, allein 
aus Khokand, Samarkand, Bokhara, wenigſtens 300 kennen 
lernte. Unter ihnen auch einen Mann von hohem Range 
Khodja Behadur Khan, Khuſch Begi, d. h. erſter Vizier 
in Khokand, mit einem Gefolge von 20 Perſonen. Nach deren 
Ausſagen find außer vielen Beſtaͤtigungen des Vorigen, auch fol 
gende Angaben über den gegenwärtigen Zuſtand ihrer Heimath 
mitgetheilt. 

Unter den Suͤdgrenzen Khokands wurde auch Badakh— 
fhan, Dermwaz und Kariategin genannt; feine jegige Eins 
theilung fey in 8 große Gouvernements, deren jedes feinen 
Namen von der zugehörigen befeftigten Stadt trage, “Darunter 
nannten fie zuerfi-wiederum: 1) Urtatippa, 2) Khodjend, 
3) Ufh und Marghbinan, 4) Namenghan, 5) Andejan, 
6) Taſchkend, 7) Turfeftan, SS Khofand, das fie Kos 


fan ausfpradhen. Tafchfend hatte bis dahin, wie zu Na 


rovs Zeit, feinen befondern ziemlich unabhängigen erblihen Chef, 





#44): W..E: w athen Esq. Persian Secretary to the Bombay Gov. 
Memoir on the Usbek State of Kokan in Central-Asia, in Journ. 
of the Asiat. Soc. of Bengal. Caleutta 1834. ed. J. Prinsep, 
Vol. III. p. 369— 378, 





Ferghana, Khokand, nach den Einhetmifhen. 779 


den Yunis Khodja gehabt, deſſen Söhnen, aber Eürzlich erſt, 
dieſe Würde entriffen ward. Alle Gouverneurs derfelben feßt 
gegenwärtig der Khan nach Willkür ein, alle find zugleich Mili— 
taircommandanten, mit dem Nange von Ming Baſchis (d. i. 
Commandeur über 1000 Reiter). Der Khan hält fein ſtehendes 
Heer von Keiterei, die nur geringen Sold haben, aber Korn und 
Fourage in ihren Standquartieren zugewiefen erhalten; im Noth— 
fall kann er auf diefe Weife 50,000 Mann Gavallerie auf die 
"Beine bringen, wodurch er gegen feine füdlichen Nachbarn, felbit 
Perſien, mächtig ift, deſſen Rüftung von feinen nomadifchen Iris 
bus abhängig bleibt. 

Das Elima zeigt große Extreme, im Winter große Kälte 
und viel Schnee (was der obigen Angabe von Frafer wider 
fpricht, wenn nicht damit die Berggegenden etwa gemeint find), 
im Sommer druͤckende Hitze. 

. Die Hauptſtadt Khokand fen groß und volkreich, ohne 
Mauern, habe mehr Einwohner als Bokhara, an 100,000; 500 
Mofcheen und 100 Collegien (Schulen; wol alles nur runde 
Summen, und Uebertreibung). Die fhönften Baumgärten an 
zwei Eleinern Flüffen, Affai und Karafai (Weiß und Schwarz 
Waller), die in den Sihun fallen, umgeben fie. Inter den Bes 
wohnern der Stadt wurde auch eine Yudencolonie genannt, 20 
Hindus, viele-Kafhmirer, Feine Armenier, aber Nogai Tataren, 
Hufen, die da Gewerbe treiben, z. B. ein Uhrmacher unter den 
legteren u. a. m. 

Die Hauptbevölkerung des ‘ganzen Landes beftehe aus Us— 
befen, die felöft den Acker bauen, außer den Kaiffat und 
Karghiz (Kirgis-Kaiſak), welche die nördlichen und öftlichen 
Grenzländer gegen das ruffifche und chinefifche Reich bewohnen. 
In einigen Gegenden Khokands machen die Tadjiks, welche 
Perſiſch reden und nad Ausfage der Khofaner auch von 
perfifcher Abftammung ®5) find, eine ſtarke Population aug, 
fie find aber die Sclaven ber Usbeken ihrer Herren, deren Yäns 
dereien fie bebauen. 

Die Ulemas (d. i. die Literaten) In Khofand find in den 

- perfifchen Autoren wol bewandert; das Perfifche wird dort mit 
demfelben Accent gefprochen, wie bei den Afghanen; der Dialect 
ift fehr vom heutigen Perfifch verſchieden, und foll, nah H. Was 


16) WV. H, Wathen Mem. 1, c. Vol. UI. p. 371. 


750 Weſt⸗Aſten. I Abſchnitt. 6. 9. 


thens Bemerkung, fehr dern des XVI. Jahrhunderts gleichen. Das 
in Khofand gefprschene Turki, ſehr verfchieden von der türkis 
fhen Sprache in Gonftantinopel (dem Osmanli Turki, das durch 
feine Bereicherung mit Perfifch und Arabiſch den Eentralafiaten 
ganz unverfiändlich geworden), ift das Dſchaghatai Turki, 
das feine feinere Ausbildung unter den Dfehaghatai Khanen, den 
Nachfolgern Tſchingiskhans erhielt (f. 06. S. 603) und noch heute 
vom Ural bis zum Drus und vom Caspifchen See bis Yarkand 
gefprochen, aber aus den Städten haufig durch das Perfifche vers 
drängt ift. Die Khofaner verficherten, daß bei ihnen viele Werke 
der Turk Dfchagatai Literatur  gelefen und bewundert würden 
(welche? die Zahl der bekannten Werke diefer Art ift nicht fehr 
groß). Die Khokaner rühmen fich rechtgläubige Sunniten, Befol⸗ 
ger der Obſervanz Abu Hanifahe, d. h. orthodore Korandiener, zu 
ſeyn. Sie verabfdyeuen die Shiiten (Perfer) und find fo bigott 
wie in Bokhara (was früherhin nicht fo hervorgetreten zu ſeyn 
fcheint). Ein Mohteſib geht in der Stadt umher und ertheilt 
jedem die Baftonade, den er beim Tabakrauchen antrifftz Wein 
und Tänzerinnen find feharf verpöntz dennoch wird im MVerbors 
genen fehr viel geraucht und getrunfen, zumal in Kumis be 
rauſcht; Dferdefleifh wird auf allen Bazaren verfauft und ges 
hört zu den Lieblingsfpeifen (wie in Yarkfand, f. ob. ©. 397). 
Leber die politifihen Verhaͤltniſſe diefes Khanats zu dem 
Auslande wurde folgende Auskunft gegeben. 

Mit dem Souverain von Bokhara und Samarkand, dem 
Behadur Shan, Sohn Murad Begs, war Friede und Freunds 
fchaft hergeftellt; eben fo beftand gutes Bernehmen mit dem, mäd): 
tigen UsbefensChef, Murad Ali Beg, dem Ufurpator von 
Kunduz, der fih zum Oberheren von Kunduz, Taf Kurz 
ghan, Badakhſchan empor gefhmwungen, und Zürzlich auch 
Balkh den Söhnen Kilidfh Ali Khans entriffen hatte (f. ob. 
©. 271, 528, 531). 

Im Süden des Khanats von Khofand breitet ſich 
das weite, noch wenig gefannte Gebirgsland Karategin 210) aus, 
das bis im die legtere Zeit von feinen eigenen Landesfuͤrſten 
Schah titulirt) beherefcht ward; die fich) nach) der Landesfage 
insgeſammt für die Nachfolger Aleranders (von Iskardo bis Wa— 
than, und von da durch Badakhfchan bis Kaferiftan, f. ob. ©. 14, 


216) W, H. Wathen Mem. I. c, Vol, UL p. 373. 


Ferghana, Khokand, nad den Einheimifchen. 78% 


18,208, 211, 216) ansgaben. Die Succefflonsfehden der Söhne 
des legten diefer Schahs unter fih machten dies Land zu einer 
leichten Beute des Königs von Derwaz, eines Tadjik 
Prinzen, nah Ausfage der Khofaner, welcher gegenwärtig 
noch die Herrfchaft führe. Die fogenannten in die Flucht ges 
fohlagenen Nachkommen Aleranders follen gegenwärtig verarmt 
umherwandern und von dem Almofen der benachbarten Prinzen 
ihren Unterhalt haben. Mehrere verfelben hatten in Botharo⸗ 
andere in Khokand ein Aſyl gefunden. 

Gegen ſchineſiſch Turkeſtan beſtand vor einiger Zeit 
Feindſchaft von Seiten Khokands (ſ. ob. S. 476, 528 u. f.); aber 
nach wiederholten Fehden ward ein Friede abgeſchloſſen, der allem 
Anſcheine nach dauerhaft ſeyn werde. Die Irrungen waren durch 
die Rebellionen der Khodjas gegen das chineſiſche Supremat hers 
beigeführt, und durch die Bedruͤckung der Anhänger Mohammeds 
durch die Ehinefen, weshalb der Khan von Khokand felbft durch 
einen Raubeinfall in chinefifch Turkeſtan Antheil an jenen Feh— 
den gegen die Ungläubigen nahm, mit Beute aus Yarfand und 
Kaſchghar beladen In fein Khanat zuräckkehrte, und fich, wie 
fhon oben gefagt ward (ſ. S. 531, Ghazie), den Titel eines Glaus 
benshelden beilegte. Nach Beilegung diefer Irrungen ward ein 
Gefandter von Baufin (d. i. Peking”), nad Aus 
fprache der Usbeken) nach Khokand gefchickt, den Frieden zu uns 
terhandeln, der auch unter der Bedingung zu Stande fam, daß 
die Mohammedaner jener Gebiete in allen Religionsangelegenheis 
ten unter dem Schuge einer Deputation des Khans von Khofan 
ftehen follten. Dafür follte ihm ein Antheil am Durchgangszoll 
der Waaren abgetreten werden, wogegen er fih verpflichtete, die 
räuberifchen Grenz »Kirghifen im Zaum zu halten, und fünftig 
bei etwa wiederholten Nebellionen in chinefifch Turfeftan den Chis 
nefen beisuftehen. Durch Embafladen und gegenfeitige Gefchente 
zwifchen beiden Mächten ift diefee Tractat fanctionirt worden, 
Auf chinefifcher Seite Toll der legte Gouverneur von Kaſchghar, 
der Yunis Wang, ein Mohammedaner ſeyn (die noch neuere 
Nachricht der Pilger aus Yarkand vom Yahre 1835 nennt den 
Gouverneur einen Usbeken Chef, der aber nicht mehr den chinefis 
ſchen Titel eines Vang führe, f. ob. ©. 414). 

Das politifche Verhältniß zu Rußland!E) mache den Ber 


27) W. H. Watlen Mem. l. c. III. p. 375. 18) ebend, p. 374. 


782 Weſt⸗Aſten. I. Abſchnitt. 6. 9, 


ſchluß dieſer Ausſagen der Khokaner. Als Grenze gegen das 
tuffifhe Reich fen, gegen die Gouvernements Orenburg 
and Tomst hin, der Kuk Su anzufehen (d. h. blauer Fluß 
bei den Usbeken; wahrfcheinlich der Irtyſch, ihrer Anficht nad), 
obgleich die ruffifchen Gebiete noch weit füdmärts felbft über den 
Iſchim, und bis zum obern Laufe des Tſchui, ſich in die 
Steppe der Kirgis Kafafen ausbreiten. Wegen der Hors 
den der Iegteren, welche bald vor, bald rückwärts fehritten, habe 
ſtets Lnficherheit der Grenzen Statt gefunden, bis vor 6 oder 7 
Jahren (alfo 1827 oder 18287), deshalb ruffiihe Geſandte aus 
Drendurg mit Gefchenfen vom Auf Khan (d. h. Weißer König, 
der Titel des Zar) in Khofan eingetroffen. Sie brachten fehr 
große Siegel, Glocden, Kanonen, Piftolen, Feuerwaffen als Gas 
ben dar. Mach einigen Negociationen fey der Kuk Su als 
Grenzfluß zwifchen beiden Staaten beftiimmt worden; die ruflis 
ſchen Koſaken follten im Norden deffelben‘bleiben, die Völker von 
Khokand auf deſſen Süpfeite. Wachtpoſten feyen deshalb längs 
der Grenze errichtet worden. Aber feit drei Jahren follen die 
Ruſſen diefe Grenze dennoch überfchritten und auf der Süpfeite 
Forts errichtet haben, worauf der Khofand Khan eine Embaflade 
mit einem Elephanten und einigen chinefifhen Sclaven zum Ges 
fchent an den Auf Khan nach Sanct Petersburg geſchickt habe, 
woruͤber aber noch feine Antwort zuruͤck erfolgt fey. — 

Ueber den Handel zwifchen Khofand und hinefifh 
Turkeſtan ift, nach diefen Ausfagen, fhon oben (S. 469) die 
Rede gemwefen. Die Noute von da über Tübet und Kaſch— 
mir, fagten die Mekka Pilger, fen verboten (wahrfcheinlich durch 
Chinefend. Die Shawls und andere indifche Handelsartifel kom— 
men daher auf Ummegen Uber Kabul, Balkh und Bokhara nach 
Khofand. 

Durch die Taſchkenter RKaramanen?!?) ſteht Khokand 
mit den Ruſſen in Verkehr; in Taſchkent vereinigen ſich die 
Kaufleute mit ihren Waarentransporten, aus Khokand und Bo— 
khara, zu einer Karawane, die ſich in Turkeſtan theilt, und 
theils gegen N.D. nah Omsk am Jrtyfch ?) in Sibirien zieht, 
theus gegen NW. nah Orenburg am Ural. Sie führt di: 


21°) W. H. Wathen Mem. 1. c. Vol.1Il: p.377. 20) Ueber einen 
Weg von Khokand nad) Semipalatinsk am Irtyſch nad Ausfage 
eines Koſaken, f. v. Ledebour Reife im Altai Th. I, p. 424 — 425. 





Ferghana, Khokand, nad) den Einheimiſchen. 783 


neſiſche Waaren mit fich, nebft roher Seide, Kamlots, baummob 
len Garn, und bringt dagegen ruſſiſche Waaren, zumal Pelze, 
Feuerwaffen, Schlofferwaaren, Schneidewaaren, Leder und allerlei 
ruſſiſche Manufaeturarbeiten mit zurück, Die Münzen in Khor 
kands Handel find gegenwärtig? Gold Tillag, zu 8 Rupien an 
Werth, und Eleine Silbermünze, Tunkha (Tengha, 
Tanga, f. ob. ©. 394, 468, 519 u. a. O.), etwa von Z Nupie 
an Werth. Die Kuffen waren die einzigen Feringis (Franken, 
d. i. Europäer), welche die Ehofanifchen Mekfas Pilger Eannten, 
Der Name der Engländer und des englifhen Gouver— 
nements war ihnen noch gänzlich unbefannt geblies 
ben, ein Beweis der merfwärdigen Abgefchiedenheit 
des centralen Khofand von der ganzen übrigen Welt. 
Vor den Seikhs, den Feinden der Moslemen, hatten fie Abfcheu, 
Sie fiaunten faft Alles an, was fie in Bombay Neues zu fes 
hen befamen; fie meinten, hier fey vieles wie in Yarkand (ſ. ob. 
&.397). Das Dampffchiff hielten fie für ein magifches Wes 
fen; ein Kriegsfchiff, das vor Anfer lag, ſahen fie nicht für 
ein Schiff, ſondern für eine im Waſſer erbaute feſtſtehende Holz⸗ 
feſtung an. Das größte Fahrzeug, das fie in ihrer Heimath ges 
fehen, war die Fähre auf dem Oxus; das Wort für Schiff fehlte 
ihnen. Die Kanonenfchüffe, die Gasbeleuchtung und vieles ans 
dere war ihnen Magie. Sie luden ihre neuen Bekannten, die 
Engländer, in ihre Heimath nad) Khofand ein, wo fie ihnen ſchon 
behülflich feyn würden, in das Gebiet des Khafhan nah Kas 
thai (andere Worte für den Kaifer von China hatten fie nicht, 
vergl. ob. ©. 468) vorzudringen. Ihre Kleidung war ein flies 
fend Gewand, mit Unterfleid und weiten Pantalons, durch Ie 
derne Gürtel um den Leib gehalten, die Kopfbedeckung eine Eleine, 
zunde Hermelinmüse, die Fußbekleidung Stiefeln von Chagrin; 
ihre Waffen waren chinefifche Schwerter, Musfeten mit ruſſiſchen 
Schloͤſſern und Dolche. Sie erzählten, daß es feit 3 bis 4 Zah: 
ven in Khofand furchtbare Erdbeben gegeben habe (mie in 
Turfan, in Badakhfchan und Lahore, f. ob. ©. 467, 57); auch 
hatte die Cholera Morbus bis hierher ihre Schreden verbreitet. 
Die Usbeken, fo ſchließft W. H. Wathen feinen Bericht, find 
ein tüchtiges Volk, den Europäern in Sinn und Art viel näher 
verwandt, ald die Perfer und andere Afiaten. 


784 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. 9. % 


Anmerkung Khokandſche Maafenad &. v. Kloſtermann 
in Orenburg. 


Als Zuſatz fügen wir hier, nach A. v. Kloſter manns, in Oren⸗ 
burg, Mittheilungen an U. v. Humboldt, die genaueften Angaben über 
die khokanſchen Münzen und Maafe bei, als neue Daten, bie 
man anderwärts vergeblich fuchen möchte, welche aber für den ruffifchen 
Handel und für neuere Reiſende in jene — von einigem Werth 
ſeyn moͤchten. 

J. Münzen: 1) Gold: Tilla reines Gold 1 Solotnik an Ge⸗ 
wicht, ku 100 Holl. Ducaten = 75 Zilla, 2) Silber: Tanga, von 
Eilber 3 Solotn, 1 Zilla = 22% Zanga, 3) Kupfer: Karapul, 
3 Sol, 1 Zanga’= 24 Karapul; an Gewicht unbejtändig, weil biefe 
Münze fehr oft umgeprägt wird, fo daß 1 Zanga an 30, 35 bis 40, 
felöft 50 Karapul Halten Tann, Alle diefe werden in Khokand gemünzt. 
Die beiden erfteren Gold= und Silbers Münzen rund, bie lestere, die 
Kupfermünge zumeilen auch vieredig, auf der einen Seite mit des Khans 
Mamen, auf bem Revers mit der Jahreszahl bed Gepraͤges. — 

1. Das khokanſche Gewicht heißt: 1) San Mfkal, obere 
1 Solotnik khokaniſch = 1 Solotn, Ruff. 2) Birr Payffa = 4% 
Sl. Ruf. 3) Dihigarma — 20 Payffa oder 1 Pfund khokaniſch 
= 914 Sol, Ruf. 4) Nümtfhad — 400 Payſſa = 20 Pfund 
tot. — 19 Pfd. 1 Sol. Ruſſ. 5) Tihifhat = 800 Payfa = 1. 
Pud khokan. — 38 Pfd. 2 Sol. Aufl. — 

11. Khokaniſch Getränf-Maaf: Wein, Branntwein, Böfa 
(eine Art Bier, das nicht Öffentlich verkauft wird, aber privatim in gros 
en Lehmkruͤgen verfchankt wird, in 1) Raßmy, hält = 4 Eimer, ko⸗ 
fiet 4 Tanga Silbez 2) Kufa = 2 Eimer koſtet 2: Zang, Silb. Ruſſi⸗ 
ſche gläferne Stöfe(?) und Halb= Stöfe find als Maag üblicher, Fuͤr 
1 Stof Branntwein zahlt man 4 bis 5 Rubel Ruf. — 

IV. Ellenmaaf: Zu Zeugen von Baummolle, wie bei 
Dab und Bäf, braucht man die hölzerne Krons- Elle, Kare genannt 
= 2% Yrfdin. Bu Seidenzeugen bie eiferne Krons- Elle, Temyr 
Kare genannt, — 21 Arſchin. — Die Wege find ungemeffen. Die 
Entfernung der Stationen auf großen Diftanzen, wie von Taſchkend 
und Morgland (Marghilan?) zählt man nad Tagefahrten, zu 2, 
3 auch 4 Stationen; eine Zagefahrt geht bis zu 60 ruffifche Werft (et⸗ 
was über 8 geogr, Meilen). In den Städten des chineſiſchen Zurkeftans 
von Kaſchghar an circulirt [on chinefiſche Minze, — 


7 















Der Alpengau Badakhfchan am obern Gihon. 785 


5. 10, 
Erläuterung 2% 


Badakhſchan (Patakhiſchan oder Pataheſchan bei Chineſen), 
das obere Stufenland des Gihon (Oxus); das moham⸗ 
medaniſche Khanat der Gegenwart mit ſeiner naͤchſten Um⸗ 
gebung, dem Alpengebirgslande und deſſen Kafir- und 

Tadjik-Bewohnern. 


Ueber den Alpengau von Badakhſchan, im obern 
Stufenlande des Gihon (Oxus), ſind wir in aͤlterer wie in 
“ieuerer Zeit immer weniger unterrichtet geblieben, als uͤber das 
‚alpine Ihalgediet des obern Sihun, weil durch diefes, die große 
Sarawanenfiraße Iransorianas fihon zu Ptolemäus Zeiten zu 
den Seren, an dem Quellſtrome des Jaxartes vorüber, nach Se— 
rica (Dtolem, VI. 12)2°1) hinaufftieg und eben fo hier, eine 
Hauptftraße durch alle Jahrhunderte des Mittelalters für Oft: 
und Weft:Afien geöffnet blieb (f. 06. ©. 476— 486), indeR die 
füdlihe Badathfhanroute durch die Orusthäler und Berg: 
höhen, fey es über Pamer, oder Kartfhu, und den Sa— 
erithma (f. ob. ©.487—506) an fich weit befchwerlicher durch 
die Höhen ein gefchloffener Winkel erfcheint, durch wildere 
und minder ceultivirte Alpenthäler führt, und durch die Politik 
der Nachbarherrfcher, wie durch die heidnifch gebliebenen Gebirge: 
völfer der Kafirn und anderer minder befannt gewordenen Voͤl— 
kerſtaͤmme, ftets die größten Hemmungen erlitten hat. Indeß 
felbft die Wegelagerer der nördlichen Sihun; Straße, die Turf, 
doch allmälich zu der Lehre des Koran und dadurc zu einer gez 
regelteren Civilifation uͤbergingen, das nördliche Turkeſtan dadurch 
gangbarer wurde, blieb Tokhareftan, f. ob. ©. 694 u. f., oder 
der. füdliche Theil Weſt-Turkeſtans, im obern Oruslande 
einem großen Theile nach von den Nachbarftämmen der ungezuͤ— 
gelten Kafern bewohnt, zwifchen welchen nur weniger einheimis 
ſche, civiliſirtere, mohammedanifche Herrfchaften, unter denen Bar 
dakhſchan als die einzige bedeutendere erfcheint, emporkfommen 
fonnten, die ſtets in Fehde mit ihren Umgebungen fich erhalten 


221) K. Mannert Geogr. der Griechen und Römer Th. IV. 1795. 
©. 460, 478, 513, Ukert Geogr. der Griechen u. Römer, &. i. 
©2238 — 230, 


Ritter Erdkunde VIE, Ddd 


756 Weſt⸗Aſien. 1. Abſchnitt. $. 10. 


mußte, weil fie diefelben nie durch den Koran zu unterjochen im 
Stande war. Kein Sultan Baber führt ung, im Mittelalter, 
belehrend in diefe Landfchaften ein, um die Vorgänger durch feine 
Angaben, etwa wie in Ferghana, verftehen zu lernen, und die 
nachfolgende Usbeken⸗Geſchichte von Bokhara hebt zwar gegen das 
Ende die wachfende Bedeutung von Badakhſchan durd) feinen 
heldenmüthigen und getreien Vaſallen Bokharas, durh Mos 
hamed bi Atale£???) hervor, ohne jedoch Uber das Land ſelbſt 
Auffchluß zu geben. Seit Marco Polo und den Pater Ben 
Goes hat fein Europäer wieder als Augenzeuge diefes Land be, 
fehrieben, von dem nur aflatifche Kriegsberichte aus der Ferm 
reden, oder Naubhorden, oder Handelslente, welche von da die 
Sclaven, die Nubine und den Lafurftein auf die Bazare der Mus 
felmänner bringen, oder gegen diefe Waaren andere eintaufchen, 


1. Nah Ebn Haufal und Edrifi im N. und XIL 
Sahrhundert. 

Ebn Haufal (950) zählt Badakhſchan 2?) unter den | 
Gebieten von Balkh auf; er weiß, daß hier der Gihon ent 
fpringt, der die Wafler vieler andern Bergftröme aufnimmt; daß 
die Umgebungen diefer Stadt gut bebaut find, das Gebiet fehr 
volfreich voll Gärten an den Flußufern, die Berge voll trefflicher 
KHeerden, und in ihnen Rubin (Laal) und Lapis Lazuli (Laja— 
werd) Gruben. Von Badakhfchan erhält man vielen Mofchus; 
von da bis Balfh find 13 Iagereifenz bis Taikan oder Tali: 
fan 7, dann 2 nach Valein, 2 nach Khulm und 2 nah Balkh. 
Diefes Badakhſ han liegt an der Suͤdoſtgrenze von Mawar al 
nahar. — Dies ift Alles was von ihm darüber berichtet wird. — 

Edrifi (1150) rechnet Badakhſchan 2% ebenfalls zu 
Balkh, deſſen Route nad) Tofhareftan durch diefe Stadt führt, 
die an ſich nicht groß ift, aber ein fruchtbares und weites Gebiet 
hat, mit vielen davon abhängigen DOrtfchaften, deren er 12.auf: 
zahlt: 1) Hulm (d. i. Khulm), 2 Semendjan, 3) Tha” 
lan,  Sefelfend, 5) Waramwalin (Balein), 6) Ezheru: 





22?) Jos. Senkowski Abreg@ de l’Histoire de la Demination des | 
Uzbeks d’apres le Tezkin Mouquim Kbani de Mouhamed Youssouf ° 
el Mounschi etc.. St. Petersbourg 1824. 4. p. 50 etc. 

23) Oriental Geograplı. ed. W. Ouseley I, c. p. 223, 238, 235, 228, f 


230, 232, 276. ®*) Edrisi Geogr. ed. Am. Jaubert, Paris 1856. | 
4. pP» 473, 478. 





- 


Badakhſchan nach Ebn Haukal und Edriſi. 787 


zewan, 7) Talefan (Talighan b. X. Burnes), 8) Seki— 
met, 9) Warwafer, 10) Houfeb, 11) Anderab (änderad), 
12) Andrufa, 

Von Balkh nah Warmwalin (wol Valein bei Ebn Haus 
kal) eine angenehme Stadt, mit Handel, find 2 Tagereifen; von 
da nad Talefan (das heutige Talighan) eben fo viel. 

Diefes?) Talekan, verfchieden von einem zweiten gleiche 
namigen,. das aber im Weft von Balkh an der Hyrkanifchen 
Kette gelegen iſt 26), fagt Edrifi, fei nur ein DViertheil fo groß 
wie Balkh. Es habe Erdwälle zu Stadtmanern, und Steinhaͤu— 
fer mit Kalk aufgeführt; es liege am Ufer eines großen Fluffes 
(Akfurrai nach U. Burnes, ein Südarın des Orus), in einem 
Thale, wo viele Weinberge; es habe Bazare, viel Handel und Ge: 
werde. Hulfı (das heutige Khulum, f. ob. ©. 255, 271) wird 
wie Warmwalin befchrieben. Anderab (das heutige Snderab 
in Kaferiftan, f. ob. ©. 207, 253, 310) fey, 4 Tagereiſen von 
Badakhſchan, am Fuße eines Berges erbaut, wo man die Sils 
bervorräthe aufbewahre, die man aus Hariana und Bends 
jehir erhalte (Bergorte im Hindu Khu mit Silbergruben? 
obiges Bangahir bei Bamiyan, f. ob. ©. 276, oder Penjhir— 
Paß ob. ©.252, oder eine Localität, die beides vereint), Anz 
derab liegt am Verein der beiden Bergflüffe Anderab und Kia— 
fan; es ift von fihönen Gärten, Obfipflanzungen und Weinbers 
gen umgeben, Drei Tagereifen fübiwärts von Anderab liegt Has 
riana, ein Kleiner Ort, am Fuß eines Berges, am Ufer eines 
Fluſſes der feine Quelle bei jenem Bendjehir hat; diefer dient 
dem Orte zur Bewällerung; er durchfegt ihn, bis Carwan, zwei 
Tagereifen weiter füdwärts, dem erſten Marktorte, wo er in das 
Gebiet von Indien kommt, und zum Nahrwara (wol von 
Bare und Nahr, d.i. Waſſer, einer der vielen Indus-Namen, 
f. 06. ©. 172) fließt. Er ift alfo wol ſchon ein füdlich abfallen- _ 
—* Strom des Hindu Khu zum Kabulſtrom, und das Gebiet 

on Badakhſchan reicht alfo, in diefer Direstion, in diefen dar 
mals fchon gebahnten und benutzten Iheil des Hindu Khu hinein, 
8 muß eine fehr öde, wilde Gegend der Hochalpen feyn (wol 
en jener Daß durch das Penjher- Thal), da Edrifi fagt, die 
ewohner von Hariana befigen weder Baum- noch Obfigarten, 










25) Edrisi I. c. p. 475. 20) ebend. p. 468, 
Ddd 2 


788 Welt Aften. I Abſchnitt. $. 10. 


fie bauen nur wenig Gemuͤſe, ihr Geſchaͤft iſt der Bergbau); 
man kann nichts Vollkommneres ſehen als das Metall aus den 
Gruben von Bendjehir. Dieſes letztere, eine Tagereiſe fern 
von Hariani, ſey eine kleine Stadt, deren Bewohner beruͤchtigt 
durch ihre Wildheit und Roheit, aber wie die von Hariana ger 
ſchickt, und fleißig in der Gewinnung und Ausbeutung ihrer Grus 
ben und Schmelzen. Auch Bamiyan (immer Namiyan bei 
Edrift genannt) wird dann auch als die hoͤchſte Bergftadt ger 
nannnt, von der fchon früher die Rede war (f. ob. ©. 271), die 
aber wie eigentlih auch jene Silbergruben ſchon innerhalb der 
Ketten des Hindu Khu gelegen find, alfo außerhalb Badakhſchan, 
das im engeren Sinne erft an deſſen Mordabhange mit Anderab 
beginnt, 

Bon diefem Badathfhan, im engern Sinne, fagt 
Edrifi, daß die Stadt durch ftarfe Erdmauern vertheidigt werde, 
dag fie am weftlichen Ufer des Khariab (wol Kokſcha d) erbaut 
fen, an einem der bedeutendften Zuflüffe des Gihon. Sie habe) 
Bazare, Karamanferais, Bäder und viel Handel. In den Bers 
gen werden edle Steine, Rubine, feurigrothe und von granats' 
farbe (Balais), viel Lafurftein und andere, die anderwärts 
nicht fchöner gefunden würden, gewonnen; die Berghöhen nähren 
reichliche Heerden von Pferden und Maulthieren. Nach Badakh— 
ſchan bringe man viel Mofchus von Wakhan in Tübet, 


2. Nah M. Polo (1280). 


Daß diefer edle Venetianer in Badakhſchan wol bewandert 
war, willen wir aus feiner Befteigung des hohen Pamer, aus 
dem Oxusthale aufwärts (f. ob. ©, 500-503), 

Sein Baudascia, oder Balafhan, nach den verfchies| 
denen Ausgaben feiner Reiſen, ift eine vom großen Mongholen 
Kaifer abhängige Provinz, die von Mohammedanern bewohnt 
wird. Schen vor ihm hatte ein Sohn Hulaku Khans, Nugo— 
dar23), mit einem Kriegshaufen von 10,000 Mann, einen Heez] 
reszug durch diefes Balafılan nad Kefimur (Kaſchmir) gemacht, 
um in Indien einzufallen, wobei er großen Verluſt an Menſchen 








227) Edrisi I. c. p. 476—478; vergl. Oriental Geogr. p. 231, 233. 
2») M.Poio ed. Marsden Lib.1. e. 14. p. 86. u 


Badakhſchan nah Marco Polo, 789 


und Vieh erlitten. M. Polo ſelbſt fcheint auf mundervolfe 29) 
Weiſe diefes Land befucht, und nach feiner eigenen Ausfage ſich 
daſelbſt laͤngere Zeit verweilt zu haben, daher er auch hier mehr 
in die einzelne Angaben über dieſe Berglandfchaft eingeht. Sie 
macht ein weites Königreich aus, das fich 12 Tagereifen in die 
Ränge ausdehnt, und von Erbfürften in regulairer Succeffion ber 
berrfcht wird, welche insgefammt von Alerander dem Großen 
(Zulcarnein), durch des Darius König der Perfer Tochter, abzus 
ffammen behaupten; weshalb ſich auch alle den Titel des Zulcars 
nein beilegen (f. ed. ©. 208, 210, 216, 218, 398). — Diefelbe 
Erzählung hat ſich bis heute in jenen Gegenden erhalten; interefs 
fant wäre es zu wiffen, wie weit fie noch von M. Polo an rück 
wärts zu verfolgen feyn möchte. In diefem Badathfhan 
(fets Balafhan, oder Balariam bei Ramuſ. genannt) giebt 
es Eovelfteine, zumal den BalaffsRubin (balasci, balassi bei 
Memuf.) von fchönfter Qualität und größtem Werth in den Berz 
gen; doch werden fie nur in einer Grube zu Sitinan (ob Se 
Einch bei Wekſh, nah Ebn Haukal, wol das heutige Cheghanian, 
oder Shugnaun)?) gegraben. Man fucht fie wie das Gold oder 
Silber; nur von da find fie zu erhalten, bei Todesſtrafe auf Feine 
andere Weife, und auch da nur mit Erlaubniß des Königs. Da 
man fie nicht kaufen kann und ohne Erlaubniß nicht aus dem 
Sande führen darf, damit fie in hohem Mreife bleiben, fo pflegt 
der König fish ihre Vergabung an Fremde allein vorzubehalten. 
Könnte Jedermann danad) graben und fie ausführen, fo würden 
fie bald ſehr im Preife fallen, da fie fid dort in Menge vorfins 
den. Als Geſchenke verfendet fie der König auch an andere Kös 
nige und Prinzen; mit einigen diefer koſtbaren Edelfteine zahlt ı 
er den Tribut am feinen Oberherrn (d. i. der Mongholen Kaifer); 
einige vertaufcht er gegen Gold, und diefe dürfen dann ausges 
führt werden. Auch Lapis Tazuli in Adern (Azzurro bei Ras 
mufio) finden fi) hier, dayon man Ultramarin bereitet, das 
fhönfte dee Welt, Auh an Silber, Kupfer und Bleis 
geuben if das Land fehr reich. Es ift kalt, es nahrt aber ſehr 
vortreffliche, ungemein flüchtige Pferde, deren Hufe fo hart find, 
dag man fie wicht erft zu befchlagen braucht. Sie galloppiren 





2») M. Polo ebend. Lib. I. ch. 2, Sect. IV. p. 26 Not. 45 p. 27 'und 
Lib. I. c.25. p.129— 134; derſ. bei Ramusio Ed. Venetia 1983. 
fol, T. u. c. 25. ꝑ. 10. 20) Oriental Geogr. 1, ©. p. 239. 



































790 Weſt-Aſien. 1. Abſchnitt. 6. 10, 


die fteilften Berge hinab, wo fein anderes Vieh zu laufen wagen 
würde. Auch noch vor kurzem foll es Folen von der Race des | 
Bucephalus des Alerander (Zulcarnein) gegeben haben, die ein 
Mahl an der Stirne gehabt. Nur der Oheim des Königs war | 
im Befiß diefer feltenen Race; da er feinem Neffen feine davon 
abtreten wollte, ward er hingerichtet, worauf feine Wittwe aus 
Rache die ganze Racçe vernichten ließ (ſeltſames Mährchen, erin⸗ 
nernd an die Erzählung von den blutfchwisenden Pferden der 
Ta Wan, f. 06. S. 638 — 641), In den Bergen Badakhſchans 
giebt es fehr fohöne Falken (Falconi sacri bei Namufio, Falco 
sacer Linn.), auch Janeri (? F. lanerius), trefflihe Habichte 
(Astori b. Ramufio) und Sperber -(Sparvieri), Die Einwoh⸗ 
ner verftehen fich auf die Jagd, auf Wild und Geflügel (wie 
ihre Gebirgsnachbarn, f. ob. ©. 312), Guter Weisen und 
eine fehr gute Art Gerfte ohne Grannen (orzo senza scorza, 
wie Linnes hordeum nudum ) wird dort gebaut, aber fein Del 
von Dlivenbäumen gewonnen; dagegen aber von Nüffen (wol 
Wallnüffen) und Sefam (Sesamum orientale), deffen Saame, etz 
was heller als Flachsſaat, fehr gutes Del giebt, Das Bergland 
Badakhſchan bietet fehr- viel enge Bergpaffagen. und ſtarke 
Mofitionen dar, welche das Eindringen des Feindes gar fehr er—⸗ 
fhweren. Die Bewohner feloft find gute Gäger, treffliche Bogen⸗ 
fhügen; fie Egiden fih in die Felle wilder Thiere; andere Zeuge 
zu Belleidungen find bei ihnen felten, Ihre Berge geben eine 
ungemein reichliche Alpeniweide für die Schafe (montoni selvatichi, 
f. 06. ©. 490, 502); man fieht diefe in Menge in Heerden von 
400, 500 bis 600 Stuͤck wild umherziehen, und fo viele ihrer 
auch davon erlegt werden, in. der Zahl merft man feine Abnahme. 
Ihre Gebirge find fo hoch, daß man vom frühen Morgen an den 
ganzen Tag bis zur Macht braucht, um fie zu erſteigen; dazwi— 
fhen breiten fich große Ebenen mit Grafungen und, Wald bedeck 
aus; große Ströme mit den reinften Waffern durchfirömen nach 
allen Seiten ihre Felsklüfte, und herbergen herrliche Forellen und 
die delicateften Fifche. Auf ihren Berghöhen find die gefundefte 
Lüftez wer in den Ihälern und Städten an Fiebern oder Ents 
zündungen erkrankt, und ſich auf die Berghöhen begieht, gefunde 
dafeldft in drei: bis vier Tagen, M. Polo, der ein ganzes Jahr 
gekraͤnkelt hatte, erfuhr dies an fich- eis, durch eigene Erfahrung 
und gefundete in dortiger Bergluft. Die Frauen der vornehmer 
Claſſe haben in ihrer Tracht feltfame. Gebräuche; fie tragen eit 


* 


Badakhſchan nach Abulfeda und Sultan Baber. 791 


Unterkleid zu dem ſie 60, 80 bis 100 Ellen feines Muſſelinzeug 
(bambasina ) verbrauchen, um es in unzählige Falten zu legen, 
‚um dadurch ihre Hüften zu erhöhen, da man die höchften Hüften 
Pofchen) für die fchönften hält. — 

So weit des Venetianers umftändlicher Bericht, deſſen In— 
halt von vielen nachfolgenden Befchreibern Badalhfchans nur 
wiederholt wird. 


3. Nach Abulfeda (1345); Bakui (1403); Scheriffed: 
" din; Sultan Baber (1500). 


Abulfeda 221) wiederholt nur bei Badzahbfhan was 
Ebn Haufal gejagt, und fügt hinzu, Zobeidah habe dafelbft eine 
fehe ſtarke Gewundernswerthe Fefte erbaut, als äußerfte Grenz: 
wacht gegen die ungläubigen Turk; aus diefem Sande gewinne 
man den Lazurfiein und Ol Bellaur (Beryll nach Reiske, oder 
Hyazinth; Rubin nad andern). 

Bakuis) (1403) wiederholt nur die Erzählung, von den 
Falken und den guten Kletterpferden in Badakhſchan; Sche— 
riffeddin 3) gedenkt, bei der Einnahme des berühmten Fels— 
ſchloſſes Kelat in Beludfchiitan, durch Timur (im Jahre 1382), 
eines. Corps von Felskletterern aus Badakhſchan, wel 
de in diefer Kunſt alle andern Voͤlker übertreffen follen und 
Wunder leiſteten; wobei man an die tollfühnen Felskletterer bei 
Erfteigung der. fenkrechten mit Schnee und Eis behangenen Steil: 
wände der fogdianifchen Felsburg (Petra Sogdiana) zu 
Aleranders Zeit erinnert wird, welche nach Arrian (De Exp. Ale- 
xandr. IV. 18 und 19) für. das legte Aſyl feiner Feinde gehalten 
und von. dreihundert Kletterern mit Steigeifen erftürum ward, 
Eine nicht minder ſchwer zu exrobernde Felsburg in diefem Yande 
wird von Kfchingisthan, der Badakhichan im Jahre 1219 eros 
berte, über 6 Monat lang belagert, doch zuletzt erſtuͤrmt; fie lag 
im Gebirgsgau Taletan, und wird Nuſſret Kuh’), d. i. 
Wietoriar Berg genannt, 





as) Abulfedae Geogr. Tab. XXVII, ed. Reiske in Buͤſching Hiftor. 
Magazin Th. V. 1771. p. 352. 22) Bakui in Notic. et Extr. 
Paris 4. T, II. p. 511, 513. * ®®) Cheriffeddin Hist. de 'Timur 
‚Bec Trad. p. Petis "de la Croix. Delft, 1723. &. T.1. Liv. I. 
ch, 37. p. 345. 4) Hist. des — Paris 1824. 8. T. I. 


p- 208. 


792 Weſt-Aſien. I Abfchnitt, $. 10, 


Sultan Baber giebt leider gar Feine fpecielle Nachricht über 
Badakhſchan, nur unterläßt er es nicht von deflen Königen die 
feltfame Mähre anzuführen, daß fie ihre Ahnen auf den Ser 
fander FilfEus25) (d. i. Alerander, Sohn des Philippos) zus | 
ruckführten, worüber W. Ersfine bemerkt, daß man darunter 
vielleicht am füglichften eine Nachfommenfchaft von einem Zweige 
des nachfolgenden bellenifch s baktrifchen Königshaufes zu dens 
fen babe. 


4 Patakhiſchan oder Pataheſchan nah neuern 
hinefifhen Berichten (feit 1759). 

Wenig Aufklärung ift durch Chinefen über ein Land zu ers 
warten, in das fie feldft nie eindrangen, das nur ihre Politik zu 
erfpähen begann, als ihre Rebellen in Badakhſchan ein Afyl fuch- 
ten (f. ob. ©. 520 u. f.). 

Das Siyuwenfian Io fagt davon, es fey ein mohams 
medanifches Neich, in das man meftwärts von Yarkand in 30 
Tagereifen gelange. Das Erdteich ſey fett und fruchtbar; die. 
Wohnungen beftehen aus feftgeftampfter Erde, die Einwohner les 
ben vorzüglich vom Aderbau und lieben die Jagd; doch giebt es 
auch Hirten bei ihnen. Ihre Tracht ift wie in Terghana, ihre 
Fürften nennen fih Han (Khan); fie find fehr ausfchweifend. 
Das Land bringt * Bohnen, Baumwolle, Gurken, Obſt, edle 
Steine und Gold. Die Geſchichte der fluͤchtigen Khodjas vom 
Jahre 1759, auf welche das Si yu wen kian lo eingeht, iſt ung 
aus obigem befannt; nur ein Factum ift uns darin noch neu, 
wobei freilich die genauern Angaben fehlen. Obwol die rebellis 
fhen Khodjas felbft in Badakhſchan ihre Ende fanden, fo gelang 
es nach diefem chineſiſchen Berichte doch dem Prinzen eines der 
Khodſchas, Dulatün genannt, mit 1000 feiner Anhänger. aus 
Badakhſchan zu Timur Schah nad) Kabul zu entfliehen, der fie 
hülfreih aufnahm. Es entftanden zweijährige Fehden zwifchen 
Kabul und Badakhſchan, wobei des legtern Bewohner eine große 
Niederlage erlitten, und das Land von den Afghanen faft ganz 
verheert ward, Die Badakhfihaner wurden in fehr großer Anz 
zahl als Gefangene weggeführt; die unglücklichen Ueberrefte fams 
melten fich feitdem zwar wieder, aber das Land ward ſehr ent 





3°) Sultan En Mem. ed. W. Erskine l. 0. p.13 cbend. Remarks 
l. ce. p XXX 





Badakhſchan nach Ehinefen und Ruſſen. 793 


völfert. Von folchen Kehren ift auch bei den nachfolgenden ruſſt⸗ 
Ihen und britifchen Berichten die Rede. 

Die chineſiſche Reichsgeographie, Edit, Peking 
1790 36), behandelt Badakhfchan nad) den Verhandlungen Kaifer 
Khienlongs mit deffen Sultan nad) der Khodja Rebellion wie 
ein tributaires Königreich, das erſt unter der Ming » Dynaftie 
unter dieſem neuern Namen (f. 06. &.708) befannt ward. Dex 
Beitgenoffe Kaifer Khienlongs aber, der Sultan Schah des Lanz 
des, heißt es, wurde genöthigt die Nebellen auszuliefern, und fich 
mit 100,000 Familien an die Chinefen zu unterwerfen; fein Land 
wurde mit in die Grenze des chinefifchen Meichs eingefchloffen, 
ivie ‚das ihm benachbarte Bolor mit feinen 30,000 Familien, 
Im Sahre 1760 brachte eine Gefandtfchaft aus Badakhſchan 
dem Kaifer von China 8 Meitpferde, 1761 beftand der Tribus 
aus Schwertern und Streitärten, 1763 aus den Gebeinen des 
Diebellen Boronitu, fammt denen feiner Frauen und Sinder. 

‚Ueber die frühern Zeiten Badakhſchans, wo es noch Utſcha 
bei den Altern Chinefen hieß, ift hinreichend die Rede gewefen. 
Neuere Chinefens Berichte darüber find uns nicht bekannt. 


5. Badakhſchan, nah neuern ruffifhen Berichten, 
bei v. Meyendorff (1820) und Timkowski (1821), 


v. Meyendorffs Erfundigungen in Bokhara über Bas 
dakhſchan find nur Färglich ausgefallen; fle berühren mehr die 
Nachbarn, als das Land felbft, über defien Bewohner wir unges 
mein im Dunkeln bleiben. Die Capitale des Khanats von 
Badakhfihan, das gleich mit der erſten Befisnahme der Usbefen _ 
von den Ländern zwifchen Sihun und Gihon, feit 1500, eine 
Provinz Scheibani Khans, des Gründers des Usbekenhauſes 
zu Bokhara geworden, feitdem faft ftets mit Balkh gemeinfchafts 
lich einem befondern Statthalter oder Khan untergeben war, 
wird, außer Badakhſchan, auch Feizabad®) (Fyzabad, 
wol nur ein Ehrentitel derfelben Nefidenzftadt) genannt. Diefes 
liegt am Ufer des Badakhſchan-Fluſſes (Koffu), der eis 
nen füdlichen Hauptarm des Orus ausmacht. Obwol ein bedeus 
tendes Khanat liefert diefes doch gegenwärtig außer Sclaven fein 


36) Thai thsing ythoung tschi in Magasin Asiat. Paris 1825. T. I. 
p- 90. 37) Fezkiri Mouquim Khani etc, Hist, des Uzbeks 
J. Senkowski l. c. p. 20 etc. ss) G de Meyendorff Voy: à 
Boukbara Paris 1826, 8. ed. Am, Jaubert p. 131 - 134. 


794 MWeft-Afien, I. Abſchnitt. F. 10. 


anderes Product in den Handel, ald nur Lapis lazuli. Dies 
Alpenland liegt außerhalb der gegenwärtig frequentirten Handels: 
touten, Daraus, daß von da, gegenwärtig, die Verbindung mit 
Kaſchmir nur über Kaſchghar, auf der Nordroute, oder 
über Pefchbaver, auf der. Suͤdroute, Statt zu finden pflegt, 
fchliegt v. Meyendorff, daß die directeffe Route dahin 
(fie würde durch Gilgit und Iskerdu gehen, f. ob. ©. 14, und 
das wildefte Kafir-Gebirgsland des vereinten Hindu Khu, Himas 
laya und Belur Tag durchfegen müffen) auch impracticabel fey. 

Ringum ift das mohammedanifche, beherrfchte Badakh⸗— 
fhan durch feine noch nicht zum Islam befehrten Gebirgsnachs 
barn, in eine fortwährend E£riegerifche Stellung gebracht; daher 
wol vorzüglich die Unwegfamkeit feiner Umgebungen, Die Sias 
pufc, die ihm im Sud und Suͤdoſt das Hochgebirge bewohnen 
(f. ob. ©. 205— 213, nach Elphinftone, Burnes und andern 
Erfundigungen von der Südfeite), hörte v. Meyendorff in 
Bofhara, alfo von der Mordfeite, wo man fie aber nur, wie in 
Kabul, nach den Friegsgefangenen Sclaven, die von daher auf, 
die Märkte fommen, kennen mag, auh Siknan nennen (f. ob. | 
Sifinan, oder Sefinah b. Abulfeda und Ebn Haufal, wol 
Syghan, ob. ©. 259), deren Land man von Khulum nach Pes | 
fchaver (Kaferiftan) durchfegen mäffe Von Khulum geht der 
Weg nah Kunduz und von da zu ihrer Hauptftadt Tſchetrar 
(offenbar Chitral, f. 06. S. 193; er ift aber fo befchwerlich daß 
er nur fehr felten einmal bewandert werden kann. Mit diefem 
Bergvolk, noch Halbnomaden, Halbwilde, in ſchwarze Hammel 
felfe gekleidet, ift der Khan von Badakhſchan fehr haufig in Krieg, 
die Gefangenen werden von den Badakhſchan Kaufleuten als 
Eclaven auf die Bazare’von Bokhara gebracht. Weiter im Oſt 
von Badakhichan wird das Land, nach denfelben Ausfagen, ims 
mer gebirgiger und die Kafirn werden noch wilder (dies wäre | 
alfo gegen das unbefannte Gilgit, und das wenig bekannte Is—⸗ 
kardu und Baltiftan zu; f. 06. ©. 14, 215 — 218, |. Aſien IL 
S. 640— 660). Die gefürchtetften diefer Kafirs bewohnen aber ' 
Calei-khum 39), eine Stadt, die auh Derwazeh heißt (ob 
Durwaz, f. ob. ©. 480, 492, 504, jener Name fomme nur 
hier vor und ift fonft unbefannt) und am gleichnamigen Fluffe 
liegt. Von da gegen Weft bis Hiffar, an einem andern nörd- 


339) G. de Meyendorff Voy. I. c. p‘ 133. 





. 


Badakhſchan nach den Kuffen, 795 


fihen Zufluß des Orus, ift das Sand, alfo um die Nordgrenze 
Badakhſchans, fo gebirgig, daß man dort die Pferde nur am Züs 
get führen, aber nicht reiten kann. Schr enge’ Pfade, Felsabs 
ftürze, in wildeſte Tiefen des tobendrolfenden Hiffar und Ders 
waz⸗Fluſſes, machen den Durchmarſch durch diefes Sand faft 
unmöglich. Nur das Gold, welches der Iegtere Strom waͤlzt, 
in demſelben, nach Art altherodotiſcher und anderer Erzaͤhlungen 
(ergl. z. B. Aſien IV. 1. ©. 245, I. ©. 660 u. a. O.) in Fel⸗ 
len oder Schläuchen gewonnen, verlockt von Zeit zu Zeit bucharis 
fhe Handelsleute dahin, ihr Leben auf das Spiel zu fegen, um 
diefen Schag zu gewinnen. In Nord und N.W. von Badakh— 
fan, nämlich von Hiſſar nordwärts, bemerkt v. Meyenpdorff 
zuleßt noch, wohne jenes fehr arıne, aber noch independente Volk, 
die Ghaltſchas (Oſt-Perſer bei den Ruſſen genannt, f. ob. 
©. 759), die feine andere Sprache als die Perfifche fennen, des 
ren Züge von denen der eigentlichen Tadſchiks noch verfchieden 
find, deren Farbe viel dunfelbrauner als bei den Bucharen ſeyn 
fol. Sie find jedoch fhon Mohammedaner, und zwar Sunnis 
ten, freiben etwas Ackerbau, haben einiges Vieh an Rindern und 
Pferden, bewohnen aber nur ärmliche Hütten in einigen Berg: 
thälern. Zu ihnen werden auch die Tribus im Norden des 
Eihun gerechnet, deren beide Hauptorte Matfcha und Ignaou ges 
nannt werden; von da fiheinen fie häufiger zum Taufchhandel 
nad) Shofand zu kommen, als die aus den ſuͤdlichern Sitzen von 
Hiſſar nach Badakhſchan. 

TimkowskiM hat gleichzeitig mit jenen Berichten aus 
Bokhara, uͤber daſſelbe Gebirgsiand Badakhſchan und feine 
Voͤlkerſchaften, nebſt umgebenden Gebirgslande, folgende Nachrich— 
ten von einem ungenannten Augenzeugen mitgetheilt, die aus ges 
nauerer Kenntniß deffelden und zwar von einer. neuen, nämlich 
der fhofanifchen Seite, ausgegangen zu ſeyn fcheinen, aber freilich 


“ was die Kafern betrifft, wie faft alle bisherigen, nur eine blos 


einfeitige Anficht der Mohammedaner, von noch nicht zu ihrem 
Eultus Übergegangenen Voͤlkerſtaͤmmen, genannt werden müffen. 

Don Khofand bis Badakhſchan find 100 geogr. Meil, 
(700 Werft) Weges, welche die Karawanen in 20 Tagereifen zuruͤck⸗ 
zulegen pflegen (die directe Diftanz etwa zwifchen dem 4iften big 





*0) Timkowski Voyage & Peking & travers la Mongolie. Paris 1827 
8. Vs 3 0 433 — 434, 


76 Weſt⸗Aſten. L Abſchnitt. $. 10. 


3rften Breitengraden, wiirde nur 60 geogr. Meit. betragen). Es 
geht durch Gebirgsiand, das. jedoch wegen der zu nehmenden Ums 
wege nicht gar ſchwer zu paffiren iſt; zumal find es drei Berge 
paffagen, die jedoch auch mit Laftthieren ungehindert durchzogen 
werden können. Auf der ganzen Strede übertreffen Luft, Erde, 
Waſſer, Wälder, Grafungen an Güte alle Befchreibung, Das 
Gras ift fo üppig und ftarf, daß man es nicht wagt, die Pferde 
länger als 40 Tage auf der Weide zu laffen, weil fie fonft übers 
nährt werden wuͤrden. 

Hierbei, bemerkt die Note, dag die Route von Khofand 
über Siknan (Cheghanian, alfo durch die Mitte von Karas 
teghin bis dahin, und von da über Hiffar) die Weftftraße fen; 
die Oftftraße gegen S. O., über das Hochgebirge zum Karakul⸗ 
See, wo der Yamanyar oftwärts abfliege (f. ob. S. 488, 496), 
und von da über Schneegebirge nah Wakhan, Bolor (f, ob. 
S. 500, 521, 522) bis Badathfhan, fey noch weit ſchwieri⸗ 
ger, und im Winter und Frühling ganz impracticabel. 

In diefem gefegneten Alpenlande, fährt jener Augenzeuge fort, ' 
wohne aber ein armes, unwiffendes Volk, die Shignan (vers 
fihieden von obigem Siknan, nämlih Cheghanian), deren 
Armuth und anfpruchslofe Milde felbft das wildefte Gemüth bes 
fänftigen würde, nur nicht das der ZTurftataren. Diefe, ihre 
raußfüchtigen Nachbarn im Morden und Süden, fommen aus 
Khofand und Badakhſchan, überfallen fie in ihren friedlis 
chen Dörfern, fchleppen deren Bewohner fort, machen fie zu ih— 
ren eigenen Sclaven oder verfaufen fie auf den Bazaren der Bus 
charei (wie fihon im Hindu Khu, f. ob. ©. 267,268). he Ges 
birgsfürft iſt ſo ſchwach wie feine Unterthanen, fie haben von ihm 
wie von den Fremden zu leiden; denn fie find die Münze, mit 
denen er die von den durchreifenden Kaufleuten erhandelten 
Waaren bezahlt, Gluͤcklich find noch diejenigen diefer Geraub— 
ten und Sclaven, die irgend eine groͤßere Stadt: erreichen und 
dort Dienfte erhalten, die ihnen mildere Behandlung gewährt. 

Das Alpenland Badakhſchan hat dagegen feinen eigenen 
Khan, der ftolz auf feinen Titel fi Mohammed Schah nen 
nen läßt. Gr kann noch feine 10,000 Mann Krieger auf die 
Beine bringen; vor fünfzig Jahren eroberte, Ahmed Khan, 
der Afghanen König, mit 15,000 Mann Heiterei das ganze Bas 
dafhfchan Sand in wenigen Tagen, und nahm aus bigotter Eifer: 
fucht den Khan felb gefangen, weil derfelbe nach dem dortigen 





Badakhſchan nach den Ruſſen. 797 
Aberglauben das feidene Gewand Mohammeds beſitzen 


ſollte, dem der Koͤnig von Kabul als einem großen Reliquien⸗ 


ſchatze nachſtrebte. Dieſer begnuͤgte ſich wirklich damit, den ſei⸗ 
denen Kaftan nach Kabul zu bringen, wo er den Zeloten gezeigt 
ward; der beſiegte Alpengau, der freilich auch wol nicht haͤtte be— 
hauptet werden koͤnnen, ward ſeinem eigenen Schickſale uͤberlaſſen. 
Der Weg von Badakhſchan bis Kandahar ſoll von 143 geog. 
Meilen (1000 Werſt) betragen. 

In Badakhſchan ſoll gegenwaͤrtig der einzige Umſatz, 
ſelbſt des Beherrſchers wie der Unterthanen, nur auf den Men— 
ſchenhandel beſchraͤnkt ſeyn. Auch hiernach ſind dem Khan 
ſeine Unterthanen die gangbarſte Muͤnze; er verhandelt ſie; ja 


die Unterthanen verhandeln ſich gegenſeitig durch Liſt und Ge-⸗ 


walt, und dieſer Sclavenhandel der Geraubten hat ſich ungluͤck— 


licher Weiſe fuͤr das Land, das dadurch ungemein entvoͤlkert wird, 


nicht nur auf die weſtlichen Märkte Bocharas, ſondern auch 
weit über die öftlihen Märkte des chinefifhen Turkeftans vers 
breitet. Diefes Verderben foll unter den Badakhfchanern, durch 
ihre natürliche Stumpffinnigkeit und Nohheit, feit der Eroberung 
Oſt⸗Turkeſtans und der Verfolgung der Khodjas durch die Chines 
fen, fehr zugenommen haben, deren Schlauheit jenen nur zum 
Derderben gereichte. Der Verrath, welchen die Khane von Bar 
dakhſchan beiden Khodjaverfolgungen, wie ihnen Schuld gegeben 
ward, für chinefifche Belohnungen, an ihren Glaubensgenoffen, 
den mohammedanifchen Flüchtlingen des chinefifhen Turkeſtans 
geubt hatten (f. ob. ©. 523, 524, 528), ward ihnen von ihren 
Nachbarfürften zum Fluch ausgelegt. Denn unter folchem Vor— 
waude berauben und plündern diefe feitdem fortwährend jeden 


Badakhſchaner, machen fie zu Sclaven, und haben das ganze Land . ı 


fehr herunter gebracht; Mohammed Murad Beg von Kunduz, 
der Gewalthaber, hat endlich das Land felbft zur Beute gemacht. 
Die Stadt Badakhſchan (Feizabad) ſoll 4000 Häufer has 
ben, in einer hoben, aber angenehmen Gegend liegen. Den fets 
ten, fruchtbaren Boden willen die Bewohner gut zu benußen, fie 
treiben Aderbau, Gartenbau, Viehzucht, und find fehr thätig. 
Die Gebirge des Landes haben von der Natur große Schäge 
erhalten: Gold, Edelfteine, Rubine, Amethnfte, Turkis, Lapis 
lazuli, davon jährlich über 300 Pud gewonnen werden; auch 
Taejeloves (2), ein durchfichtiger Kiefel, der auch in Oft: Sibirien 
gefunden werden foll, polirt und facettirt wie Diamant bearbeitet 


! 


# 


798 Weſt-Aſien. L Abſchnitt. $. 10. 


wird. Die Bergaruben follen um die Stadt hoch gelegen fern; 
fie bleiben aber für das Land größtentheils unbenugt liegen, da 
alle Kenntniß des Bergbaues fehlt. 

Der große Arm des Amu (der fchiffbare Hauptarm des Orus) 
liegt feine 6 geogr. Meilen fern von diefer Stadt; ihr im Suͤden 
aber breitet fich das Land der Siapuſch aus, die noch jeden 
Fremden der ihr Land betritt tödten (d. h. wol jeden Moslemen, 
aus fehr begreiflihen Gründen, f. 0b. ©. 205 u. f.). Ihre Hor: 
denlager liegen zwifchen den Bergen und Ufern der. Flüffe in 
weiten Entfernungen auseinander; man rechnet ihre Zahl auf 
40,000 Familien. Sie haben feine Pferde, aber fehr viel Nin: 
der. Ihre Waffen find Bogen und Pfeil; Pulver und Feuers 
waffen find ihnen noch unbekannt. Ihre Armuth, Wildheit, 
Grauſamkeit hindert alle Nachbarn mit ihnen in Verbindung zu 
treten. Die Badakhfchanen überfallen fie oft, fangen fie weg und 
verkaufen fie. Sie find wild, roh, leben ohne Gefes und Neliz 
gion: ihre Weiber und Kinder find aber von außerordentlicher 
Schönheit, berühmt deshalb im ganzen Drient; eben diefes 
reist die Nachbarn noch eye zum Menſchenraub (vergl. ob. 
©. 208 u. f.). : 

Auf dreierlei Wegronten muß, von der Nordfeite her, das 
Sand diefer Kafir, oder Siapufch, durchjest werden ; naͤm⸗ 
lich: 1) nach Kabul; 2) nach Kaſchmir und 3) nach Peſchaver; 
daher man diefem Volke nicht ausweichen fann. Mit folgenden 
Angaben über diefe Nouten ?*1) fchließt der ruffifche Berichtgeber : 

4) Die Badakhſchanroute nah Kabul braucht 25 
Tage, zu einer Entfernung von 114 geogr, Meilen (800 Werft), 
wobei es ftets über Hochgebirge geht, vie große Schwierigkeiten 
entgegen ftellen. 

2) Die Badakhſchanroute nad Kaſchmir, ift für 
Karawanen noch nicht im gewöhnlichen Gebrauche, Aber bez 
fannt ift, daß Schah Soliman, als er von Mirvais vertrieben 
ward, diefen Weg mit feinen Leuten in 11 Iagen zurückgelegt 
haben foll, eine Strecke von 86 geogr. Meilen (600 Werft). Ob: 
gleich derſelbe durch Gebirge führt (ob über Gilgit?), fo ift er 
doc) nicht fehr befchwerlih; denn der Boden, der hier zu paſſi— 
ren, ift weich, fett, reich an Waldung, Grafung und fließenden - 
Waſſern. 


2°) Timkowski Voy. 1. c. I. p. 438— 439. EI TRENEN 





Badakhſchan nach den Briten. - 799 


8) Die Badakhfchanroute nach Peſchawer braucht 
‚20 Tage für 100 geogr. Meilen (700 Werft) Wegdiftanz. Der 
eg führt durch das Gebirg, bietet aber manche Bequemlichkeis 
ten und Vortheile. Denn nach den erften Meilen geht der Weg 
durch viele offene Ihäler, die reich an Wäldern, Grafungen, 
Duelfen find. Die Annehmlichkeiten des Weges kürzen feine Länge 
ab. — Diefe Nachricht fcheint ſchwer glaublich zu ſeyn, da die 
ganze Hindu Khu: Ketten beide genannte Sandfchaften in Nord 
und Sud fcheidet. 

Nach Lahore in Indien geht man, von Badakhſchan, bald 
über jene. Kaſchmir-, bald über diefe Peſchawer-Route; die zweite 
foll die bequemere feyn, und auf großen Karren von Ochfen bes 
fpannt zurückgelegt werden koͤnnen. — Soviel im Allgemeinen, 
die fpecielleren Daten über diefe von Europäern noch nie befuchs 
ten Paſſagen vermijfen wir zur Zeit noch. 


Erläuterung 3. 


Fortſetzung; Badakhichan und feine Umgebungen nach den 
neueften Berichten der Briten in Indien. Nah M. Elphin- 
fione (1809); nach 3.3. Frafer (1811), Mooreroft (1825) 

und A. Burnes (1835). 


Es bleiben uns nur noch die Berichte der Briten aus den 
letzten Jahrzehenden über Badathfhan anzuführen übrig, die 
obwol fo nahe diefem merkwürdigen Alpenftaate eingefammelt, 
doch höchft unvollfommen genannt werden muͤſſen, da es bisher 
noch feinem derfelben gelangz bis unter die Kafirn in die Mitte 
- diefes mohammedanifchen Alpenlandes felbft einzudringen. Da 
gegenwärtig die Wege nach Kafıhmir und Iskardu, wie nad) Ba: 
miyan und Bokhara, ſchon den Europäern mehrfach geöffnet wurs 
den, fo wird es ihnen eher möglich werden auch bis Badakhſchan 
vorzudringen, obgleich die Gefahren einer ſolchen Unternehmung 
bei dem innerlich verwirrten, traurigen Zuftande diefes chedem 
gefeierten Landes, jüngfthin, noch mehr zus als abgenommen zu 
haben fcheinen, Der fühne Moorcroft allein, unter den ge 
nannten Neifenden, war fchon über Balkh, Khulm und Kun: 
duz, oftwärts bis Talikan ) (ſ. ob. ©. 786), alfo bis an die 


#2) Moorcrofts Letter 6. Jun, 1825 in Asiat, Journ, London 1826 
8. Vol. XXL, p-6ll. 

























800 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. & 10, j 


nächte Weftgrenze Badakhſchans worgedrungen, von wo 
er aber nach Bokhara zurückkehren mußte; fpäterhin, von da mit 
einem Kriegsheere des Khans von Bofhara, bis in die Nähe vom 
Samarkand vorgedrungen, war es feine Abfiht Badakhfchan, als 
ler Gefahren ungeachtet, die ihn in Bucharien bedrohten, felbft zu 
bereifen. Die Häuptlinge der Yufofzies (f. ob. ©. 213— 215) 
bie ihm befreundet waren, boten ihm dazu jeden Beiftand, die 
Afghanen Prinzen von Pefchawer, Mirdel Khan und Mohammed 
Khan (f. ob. ©. 222), fehieften ihm Geleit und Escorten; der 
bucharifche Prinz Mir Kamar eddin fandte ihın fogar einen 
Mullah zu, ihn durch ganz Badakhfchan zu begleiten, da Mir 
Iſſet Ullah fein bisheriger treuer Gefährte durch Krankheit genös 
thigt worden war ihn zu verlaffen und nach Indien zurückzufche 
ven. Dieſem Geleite fügte Mir Kamar eddin auch Empfehlungss 
briefe bei. an alle Gebirgschefs und Häuptlinge der Yufofzies, 
welche feinem Befchügten die ficherfte Aufnahme verbürgen foll: 
ten. Aber ehe diefer Reifeplan ausgeführt werden fonnte, unters 
lag der unermüdete Forfcher unzähligen über ihn hereinbrechenden 
Gefahren, und fand feinen Tod ſchon am 25. Aug. 1825, zu 
Andkho (AndEhui), im Weften von Balfh, als er im Be: 
griff geweſen war fich jenem Ziele feiner langen Unternehmungen | 
zu nähern. Seine hinterlafjenen Papiere, deren Herausgabe wir 
ſchon feit langem vergeblidy erwarten, werden hoffentlich manchen 
neuen Aufſchluß auch über Badakhſchan geben, obgleich fie nur 
feine Erfundigungen darüber enthalten können, und feine eigenen 
Beobachtungen. 


1. M. Elphinſtones Nachrichten uͤber Badakhſchan 
(1809). 


Dem beruͤhmten und ſcharfſehenden Wiederentdecker Kabu— 
leſtans, Mountſtuart Elphinſtone verdanken wir kurz zuvor 
die beſten Nachrichten uͤber Badakhſchan; ſie wurden von deſſen 
Emiſſar dem Mullah Najeeb auf ſeiner Erpedition durch 
Kaferiſtan (ſ. ob. S. 208) eingeſammelt, auf welcher er von 
Peſchawer aus durch Punjcora und den ganzen Hindu Khu, nord: 
waͤrts, bis Caumdaifch?*), nur noch 3 Stationen fern von 
Badakhſchan, alfo bis zu deſſen east vordrang, ein Darf, 


nn Elphinstone Acevunt of the Kingdom of Caubul, Lond. 1815. 
+ 618, 


Badakhſchan nach Elphinftone (1809), 801 


deffen Lage aber auf J. Macartney Map of the Kingdom of Ka- 
bul anzugeben Leider unterlaffen iſt. Sein Bericht enthält fol- 
gende Hauptthatfachen. 

Obwol Badakhſchan ein großes Land, fo fheint es doc) 
nur ein großes Ihalgediet zu feyn, daß von der Provinz Balfh 
fih bis zum Belur Tag (Belur, Bolor, Beloro) hinzieht, zwi— 
fchen dem Hochlande des Pamer, im Nord, und dem Hindu 
Khu, im Süden, ſich verbreitend. Die nächften Gebirgsgliede— 
rungen des Hindu Khu und Belut Tag werden von Kafiın ber 
wohnt, deren Territorium alfo Badakhfchan im Süden und Oſten 


begrenzt, und es von den Afghanen im Süden, wie von den Bal- 


tiftfanen im Oſten abfcheidet. Gegen Weſt wohnen die indepens 
denten llsbeken von Talifan, Kunduz und Hiffar; im Nord 
die Kirghifen von Pamer und die Tadjits von Shoagnaun 
(Sheghanien), Derwaz und Wukcha (Wofham), 

Diefe Landfchaften find ungemein gebirgig, und werden im 
Norden noch durch ein ähnliches Gebirgsland begrenzt, das Ka: 
ratigin heißt, das auch von Tadjiks bewohnt ift und bis an 
die Grenze von Kofhand oder Ferghana reicht, Der König von 
Dermaz behauptet von Alerander (Iskander) herzuſtammen, und 
diefes Vorgeben wird von allen Nachbarn zugegeben. 

Der Oxus (Denj oder Amu, auh Hamu, bei Arabern 
Harat, auh Derwazeh-Fluß genannt) entfpringt im Nordoft 
von Badakhſchan, und ftromt innerhalb von deflen nördlichen 
Grenzgebiete; er fcheidet daffelbe nachher aber als Grenzftrom vom 
nördlihen Hiffar. Das innere Badakhfchan wird aber vom 


Kokſcha (Kuſcha, auh Feizabad-Fluf. oder Badakh— 





fhan genannt) bemwällert, der als füdlicher Zufluß jenem unters 
halb Kurgantippa an der Grenze von Hiffar zufällt, Er ift nicht 
unbedeutend, und trägt mehrere Holzbrüden, da er bis Feizabad 
nur an wenig Stellen durchfegbar ift. 

Der Theil des Belut Tag, der innerhalb Badakhſchan geles 
gen, producirt Eifen, Salz, Schwefel, viel Yapis Lazuli; aber‘ 
die berühmten Rubingruben, deren Edelfteine fo haufig von 
den perjiichen Dichten befungen werden, liegen in den niedern 
Bergen, dem Oxus nahe (wol bei Shrghanian, f. ob. ©. 789). 
Sie werden heut zu Tage nicht mehr bearbeitet, 

Thal und Thalfläche von Badakhfchan find ungemein frucht; 
bar, aber nicht fehr weit, Die Einwohner find Tadjifs, 

‚Ritter Erdkunde VII. Eee 


802 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 10, 


fie heißen Badakhſchi's aber gegen Weft des Alpenftaates find 
Lager wandernder Usbeken. (Alfo hätte auch diefes Thal hiernach 
doppelte Völferftämme, Perfifchredende und Turkre— 
dende, jene die Unterworfenen, diefe die Beherrſcher?) 

Die Hauptftadt Feizabad it von bedeutender Größe am 
Kokſcha; der gegenwärtige Sultan Mohammed, der hier refis 
dirt, fol felbfiftändiger, unabhängiger Fürft ſeyn; feine Einkünfte 
follen fih auf 6 Lack Rupien (60,000 Pf, Sterl.) belaufen, feine 
Macht 7000 bis 10,000 Mann FußvolE mit Luntenflinten ſtark 
feyn, die man im Dienft ausgezeichnet nennt. Aber, durch die 
Usbefen von Talifan her, alfo von der Weftfeite, wie von den 
Kafirs von der Süpdfeite her, find fie beffändigen Ueberfäls 
Ten und Plünderungen ausgefegt, fonft aber feit langem 
feinem großen Kriegszuge unterworfen geweſen. Denn der legte 
Ueberfalf der Afghanen, unter Ahmed Schah (wodurch alfo 
auch, von britifcher Seite, obige Ausfage des ruſſiſchen Beobach— 
ters beftätigt zu werden fcheint), durch feinen Vizier Schah Wulli 
Khan, war nur dem Namen nad) eine Eroberung des Landes 
Badakhſchan, das der Vezier zu behaupten fich viel zu ſchwach 
fühlte, und fich, zu feiner Nechtfertigung, 'nur damit begnügte, 
die Reliquie von Mohammeds Gewanten als Beute in Triumph 


heimzuführen. 
% 


2. % B. Frafers Erfundigungen (1821) ?%), 


Durch Frafer wurden einige beſondere Umftände, die Pros 
ducte Badakhſchans betreffend, näher ermittelt, die früher unbes 
fannt waren. Sm Südoften von Bokhara an 20 ZQagereifen, 
und direct im Süden von Khofand liegt Badafhfchan, das 
obere Stufenland des Amu (Oxus) und feiner Duellflüffe, das 
fi) wahrfcheinlicy bis zu deren oberften Quellen hin ausdehnt. 
Es ift fehr gebirgig, foll aber gut bewaldet fern. Die noch wils 
den, wenig civilifirten Einwohner bewohnen Dörfer zwifchen Gärs 
ten und erbaut innerhalb der engen Bergthäler. 

Feizabad, die Hauptftadt, wird 30 geogr. Meilen (150 
Miles) fern von Bokhara von den Neifenden angegeben, außer 
ihr aber noch eine zweite Stadt(?) mit Namen Badathfhan, 
die in derfelben Gegend“ liegen ſoll (wahrſcheinlich wol identiſch 


244) J. B. Fraser Narrative of a je into Khorasan. London 4. 
1825. App. B. P. IV. p. 103. 





+ Badakhfchan nach Frafer (1821), 803 


mit ihr; denn fein anderer Bericht erwähnt ihrer). Im fernften 
Gebirge diefes Landes liegen die reichten Gruben, wo man den 


Lapis fazuli und die Rubine gewinnt. Jener (Al Lazurd 


bei Abulfeda) der Fazurftein, bildet zumeilen Adern von be: 
deutender Mächtigkeit in einem grauen Muttergeflein. Die ab: 
gefpaltnen Tafeln diefes edeln Steines wiegen zuweilen mehrere 
TaurisMaunds (Maund ein Gewicht von 30, 40 und mehr 


Pfund) und koͤnnen als große Tafeln und Blöcke verarbeitet wers - 


den. Man bringt diefe nach Bokhara, und von da nach Ruß— 
fand und Perfien, wo der Sazur in hohem Preiſe fteht. Sn 
Bokhara ift fein Preis noch geringer; etwa 5 Maund Gewicht 
gelten 6 Toman; in Rußland ift diefer Preis fchon um das 
dreifache erhöht. 

Die Rubine (Balasci, Rubin balais) werden in einer weis 
Ben Erde eingelagert gefunden, und zwar in großen Cryſtallmaſſen 


(wol Drufen), die beim Aufbrechen öfter die ſchoͤnſten Edelfteine 


darbieten; Frafer will dergleichen von den fchönften, fechsfeitigen 
Säulen gejehen haben. Die von dort ebenfalls gerühmten Smas 
ragde (oder Hyacinthen) find ihm aber nicht zu Geficht ges 
fommen. 

Bon den füdlichen Gebirgsnachbarn Badakhfchans, den Sia: 
pufch, oder Kafir *), Eonnte B. Fraſer nur wenig erfunz 
digen; ihre Zahl follte durch die Mohammedaner ungemein vers 
ringert worden ſeyn. Bei der allgemeinen Vorftellung von ihrer 
Wildheit und Hoheit, geftehen ihnen ihre Feinde, die Moslemen, 
doch einen ausgezeichnet fhönen Wuchs, und den Frauen zumal 
große Schönheit zu, daher fie als Sclaven fo ungemein gefucht 
find, und unaufhörlih Menfchenraub, durch Raubparteien der 
Usbefen, gegen fie im Gange if. Wenn jung gefangen und zum 
Islam bekehrt, fagt man, zeigten fie aud) große Klugheit. Ihre 
Gebirgsheimath ift ihr natürliches Aſyl, es ift von außen faft 
unzugänglich, und daher wenig Hoffnung zu einer nähern Er— 
forfchung deſſelben, bei der ftets vorherrfchenden Fehde. Der Ber 
fuch eines Europaͤers in ihrem Alpenlande würde eine wichtige 
Entdeckung feyn, das Clima und die Luft deffelben wird als uns 
gemein reizend und gefund gepriefen. 





48) J. B, Fraser Narrat. I. e. p- 107, 
Eee?2 


m Ju ——— 


804 WeftsAfiens 1 Abfchnitt, $. 10, 


3. Nah Moorcroft (1825). 


Aus Moorcrofts Briefen lernen wir bis jest faft nur 
die Unglücksfälle fennen, die den Keifenden treffen mußten, der 
in jener Zeit, von der Weftfeite her, auf dem Wege von Balkh, 
Khulum, KRunduz und Talifan in Badakhſchan einzus 
dringen verfuchen mochte. Es war die Zeit, da jener Friegerifche 
Uzbeke am Nordfuß des Hindu Khu (f. ob. ©. 271), Murad 
Beg 2%), als Eroberer und Tyrann jener Gegenden auftrat, und 
feitdem daſelbſt eine neue Macht gegründet hat, die der Schrecken 
aller Nachbarn und Neifenden, und aud die Zuchtruthe für Bas 
dakhſchan (ſ. 06. S. 528) geworden if. Shah Murad, Sohn 
des bis dahin unbedeutenderen Emir von Kunduz, deilen Ge: 
biet zwifchen Balkh und Badakhſchan gelegen, auf der directen 
Route zu beiden Staaten die Eingänge zu. beiden beherrfcht, wie 
den Schlüffel zur Kabuls Paffage über Bamiyan bildet, war in 
jener Periode innerer Verwirrungen durch feinen militairifchen ' 
Character eine bedeutende politifche Macht. Diefer Murad, 
der ſich Schah und Bez, Mir und Khan, tituliren läßt, 
fammelte, zumal aus Usbefen, (wol feit 1821?) ein zahle 
reiches Söldnerheer, und in Zeit von feinem vollen Yahre hatte 
er damit ganz Badathfhan, Balkh, Kulab, d. i. eine 
Previnz von Karatigin, die Diftvicte dee Hezareh, welche von 
Khulum abhängen Calfo wol die nördlichen, f. 06. ©. 267), 
auch Inderab (Anderab in Kaferiffan) und Kus, erobert, 
ja felbft noch Diftricte von Kabul und die Kotuls (wol die 
Bergpaflagen, f. 0b. ©. 255) ſich unterwürfig gemacht, Durch 
Liſt, Macht, Habgier und Treulofigkeit, Raubfucht, die er überall 
in feinen Croberungen, und eben fo auh an Moorcroft aus 
übte, wurde diefer britifche Reiſende das unglüdliche Opfer feiner 
Intriguen. Sein Syftem war ces, die neuen Unterthanen nach 
und nach alle, in die andern, von ihm fihon eroberten Provinzen 
zu verpflanzen, um fie defto abhängiger und unterwürfiger gegen 
fih zu machen, und ſich ihres heimifchen Eigenthums ohne Wir 
derſpruch bemächtigen zu koͤnnen. Schlauheit, Verftellung, Wort: 
brüchigfeit waren ihm, damals wenigftens, gegen Moorcroft, 
die Mittel fich eben fo der Güter aller Durchreifenden (fpäterhin 
befolgte er ein anderes Syftem) mit fcheinbarem echte zu bes 





24°) Journal Asiat. ‚Paris 1822. T. I. p. 61. 








Badakhſchan nach Mooreroft (1825). 805 


mächtigen, und diefe felöft ins Verderben zu ſtuͤrzen. Talikan 
und Kunduz wurden mit Colonifationen aus.den ihrer Einwoh— 
nerfchaft beraubten Landſchaften überfüllt, die Moorcroft, das 
felöft, in ihrer Sclaverei dem fihern Tode entgegen gehen fahe, 
Er ſelbſt war dem Verderben oft nahe, bis ihn nach unzähligen 
Ueberanftrengungen feiner Kräfte zur Rettung, aus fo mancherlei 
och und Gefahr, der Tod endlich (1825) doch noch ereilte, fo 
wie alle feine Gefährten #7) mit ihm den Berluft von Hab und 
Gut, und den ihres eigenen Lebens zu erdulden hatten. Unter 
diefes, des Khan von Kunduz, Tyrannens och, ſeufzte im Jahre 
1829, nach ruffifchen Berichten ®), ganz Badakhſchan, deſſen Eins 
wohnerfchaft in großer Zahl in Gefangenschaft aus der Heimath 
entführt war, indeß der dort einheimifche Sultan Mohammed 
von Badakhſchan fid) nur durch die Flucht noch hatte retten Eon: 
nen; wohin? wird nicht gefagt. 

Murad Beg, Khan der Provinz Kunduz?), die In Als 
tern Zeiten als weſtliche Provinz noch zu Badakhfchan gehört haz 
ten foll, hatte fich zum Gebieter der Paͤſſe bis Balkh aufgewors 
- fen, und alle Tadjif Bewohner der Hezarehs Grenze bis Taſch 
Kurghan (8. i. Khulum) unterjocht; die Tadjik hatten früherhin 
dort alle Reiſenden gaftlich empfangen. Sn Khulumſ. ob. 
S. 271) mit einer gemifchten Population von Tadjik, Usbeken, 
Kabuleftanern, dem Paflageort für Moorcroft, zwifchen Kabul 
nach Balkh, erhielt derfelße anfänglich, bei feiner Hinreife (im 
J. 1824), die Verfiherung des fihern Schuges, ward aber bald 


darauf zum Khan nach Kunduz beordert, demfelben dort feine ' 


Aufwartung zu machen. 

Kunduz liegt 16 geogr. Meilen weiter oftwärts als Schu: 
lum; der Weg dahin ift öde, zum Theil Wüfte, wo die Karaz 
wane mit Waffermangel zu kaͤmpfen hat und nur an drei Stel: 
len Negencifternen findet. Der höflichften Aufnahme bei Murad 
Beg nebft den beften Verfprechungen folgten bald Beſchuldigun— 
gen; ex fey politifcher Spion, und nun Befchlagnahme von feiz 
nen Gütern, Er wurde nun in Kunduz gefangen gehalten, uns 
ter dem Vorwande ihm Zeit zur Nechtfertigung zu laſſen. 





#7) Al. Burnes Travels into Bokhara. Lond. 1834. Vol.I. p.211 etc. 

#8) Kurze Notizen über einige Beherrfcher in Mittel-Afien von Klo: 
fiermann, Orenburg 1. Nov. 1829. Mfer. mitgetheilt von Al. v. 
Humboldt, 4°) Moorcroft Letter 6. Jun. 1825. in Asiat. Journ. 
Vol XXI. 1826. p. 610 etc. 


806 Weſt-Aſien. L Abſchnitt. 6. 10, 


Da dieſe von Kabul angekommen war, ihm aber doch nicht zu 
feiner Befreiung verhalf, ſuchte er ſich durch 2 Lat Rupien 
(d. i. 20,000 Rupien) Loͤſegeld vom Tyrannen los zu kaufen. Da 
aber auch dies ihm zu nichts half, gab ihm einer ſeiner Freunde 
Mir Wuzir Ahmed den Rath, als verkleideter Usbeke im Eil— 
marſche nach Talikan (28 geogr. Meilen fern gegen Oſt) zu 
entfliehen, und dort vor Kaſim Jan Khaja einen Fußfall zu 
thun, deſſen geheiligtes Anfehn ihn allein von feinem argen Vers 
folger würde befreien koͤnnen. Es gelang ihm in der Nacht, ob» 
wol mit großer Gefahr, dahin zu entfliehen; als Usbek verkleidet 
kam er nach einem Parforceritt von 2 Tagen und 2 Nächten 
Nachmittags um 4 Uhr des zweiten Tages, in das Lager Ka; 
fim San Khajas, im Thal von Talifan, am rechten Ufer 
des Furkar-Fluſſes; in diefelbe Gegend, die, wie zu M. Polos 
Zeit, auch heute noch durch Steinſalz, Weißenernten und die 
wilde Raubfucht ihrer Bewohner ausgezeichnet it (Ihaifan bei 
M, Polo) 260). Ein Brief feines Gönners, Mir Wuzie Ahmed, 
führte den Briten bei dem vefpectabeln Pirzada, das ift dem 
Patriarchen der Kuttaghun Usbeken (oder vom Kuds 
obum » Tribus nach A, Burnes) ein, der ihn liebreich aufnahm, 
Es genoß derfelbe, fagte Moorcroft, ald Syud und Abfümms 
ling der Ifchingisfhaniden, der durch das Band einer doppelten 
Heiratd mit Murad Beg verwandt war, ein großes Anfehn, und 
übte großen Einfluß aus, der ihm als Oberhaupt der Priefters 
ſchaft unter den Kuttaghun zukomme. Der geiftliche Here bes 
wohnte ein Ereisrundes, zeltartiges Gebau, aus Rohr und Matten _ 
geflochten, mit hohem Dache derfelben Art, ähnlich der Geftalt 
eines Bienenforbes, Darin faß der Pirzada quf dünnen Kif 
fen von Garmofin Satin mit Goldbrocat, gelagert auf einem 
Wolfsfelle. Nah gemachter Verbeugung und überbrachten Ger 
fchenfen ergriff der Flehende, der Landesfitte gemäß, den Saum 
des Kleides, und brachte feine Bitte um Schuß vor, 

Er fey gekommen um die Waaren feines Landes in Turke⸗ 
ftan einzuführen, und dagegen Pferde nah Hindoſtan zuruͤckzu⸗ 
bringen. Er gab einen furzen, einfachen Bericht feiner Reife: 
fchieffale: um fich von den fo oft gemachten Vorwürfen, daß er 
politifher Spion der Briten fen, zu befreien. Hierauf, daß Mus: 
rad Beg ihm bei feinem Unternehmen, gleich anfangs, die größte 


»5°) M. Polo ed. Marsden p. 125. 








Badakhſchan nah Mooreroft (1825). 807 


Sicherheit heilig gelobt habe, nun aber nach dreimonatlihem Auf: 
enthalte Alles rauben wolle, Auch hierher hatten fich ſchon die 
Cabalen eines Mullah verbreitet, der Moorcroft fchon bei Murad_ 
Beg als einen Epion und fremden General in Verdacht gebracht 
hatte, und es Eoftete Mühe fich auch hier von diefen Vorwürfen 
ganz zu reinigen. Als ihm dies aber endlich gelungen war, bes 
zeugte ihm der Pirzada das größte Wohlwollen; er bemühte fich 
ihn durch einen Vergleich zu retten und bewog ihn fich noch eins 
nal für die geringere Summe von 2000 Rupies frei zu Faufen. 

Dies wurde auch, obwol mit großer Weigerung Murad Begs, 
durchgefegt. Noch einen Monat behielt der wackere Pirzada feis 
nen Saft bei fich, befchenkte ihn reichlich, umarmte ihn liebevoll 
beim Abfchiede, und betete fogar öffentlich für ih; wodurch 
der Schügling nun unangreifbar wurde, Selbſt Murad Beg 
mußte ihm nun freien Durchzug geftatten, 

Weiter oftwärts fiel Moorcrofts Blickẽ1) nun, von diefer 
MWeftgrenze bei Talikan, nicht tiefer nach Badakhſchan hinein; 
aber. auch hier ſchon konnte er den traurigen gegenwärtigen Zus 
ſtand dieſes fo unglücklichen Alpentandes beurtheilen. Murad Bey 
hatte, ſtatt feine Provinzen durch Anbau zu beglüden, in dem 
legten Jahre allein aus dem fchändlich geübten Menſchen— 
raub, wo er feine Beute als Sclaven in alle Welt verkaufte, 
43 Lac Rupien, d, i. 45,000 Pf. Sterl. Geld gelöfet. Nach eis 
nem Contracte, den er mit feinem eigenen Vezier abgefchloffen, foll 
er fich für jeden Kopf 15 Tilas (1 Tilla it = 6 Rupien, alfo 
90 Rupien?) ausbedungen haben. Die fruchtbaren und gefuns 
den Thäler Badakhihans find dadurch ihrer Einwohnerfchaft bes 
raubt worden. Außerdem hat man fie zum Theil auch gewalts 
fam in den fampfigen Sandfchaften von Kunduz und auf den 
dürren Gründen von Talikan angefiedelt, Die Schlammfünpfe 
der Sommerüberfhwemmungen mit der vegetabilifchen Fäulnig 
in ihren ftagnirenden Waffern, wie der heiße Samum, der zur 
Sommerzeit aus den dortigen Wuͤſten weht, bringt diefen Armen 
zerftörende Fieber. Der Negerfclave in Weftindien, bemerkte Moor 
croft, werde von feinem Herrn genährt, gekleidet, mit Arzneien 
verfehen; der Sclave von Badakhſchan in Kunduz habe ſich durch 
aus feiner Fürforge diefer Art zu erfreuen. Daher die Sterblichs 
keit unter diefen gezwungenen Emigrationen fo groß, daß hier im 


si) Asiat. Journ. I, c. Vol. XXI. 1826. p. 709. 


m mars 


808 Weſt-Aſien. I Abſchnitt. $. 10, 


Jahre ein Viertheil der Familien ausftirbt, und daß fie alle in 
die bitterfte Armut), in Noth und größtes Elend verfinken. — 
So weit Moorerofts Nachrichten. 


4. Nah Al. Burnes Beobachtungen und Erfundis 
gungen, auf feiner Reife von Kabul n 
Bokhara (1833), 


Die neueften und ausführlichften Nachrichten über Badakh— 
fhan und feine Umgebungen, wie über die gegenwärtigen Vers 
hältniffe dortiger Population und Herrfchaft, verdanken wir Al. 
Burnes reichhaltigen Erforfchangen in jenen Gegenden, der 
ebenfalls bei der Durchreifung von Murad Begs Staaten, die 
gegenwärtige Macht diefes Ufurpators, feine Politit und feinen 
Einfluß auf den dortigen Zuftand der Landfchaften, am gruͤnd⸗ 
lichiten zu. beurtheilen, und die frühern Daten zu berichtigen und 
zu vervollftändigen im Stande war. Da wir mit diefem Briten 
fhon von Kabul über Bamiyan den Hindu Khu überftiegen has 
ben, und bis zur Grenzftadt Shulum von Murad Begs Terris 
forium vorgedrungen find (f. 06. ©. 271), fo wird es am zweck 
mäßigften fenn, um uns die lebendigfte Anſchauung jenes Terri: 
torialzuftandes’ zu verfchaffen, denfelben Neifenden auch noch von 
Khulum nah Kunduz zu begleiten und feine Schickſale zu 
theilen, um zugleich feine dabei gewonnenen Cr ee über 
Sand und Leute Eennen zu lernen. 


1) Al. Burnes Erceurfion von Shulum 3%) nah Kunz 
duz; feine Audienz bei Murad Beg dem Ufurpas 
tor und Eroberer von Badakhſchan, nebſt Ruͤckweg 
nach Balkh. 


Statt des anfaͤnglich in Khulum an die Karawane gege— 
benen Verſprechens, ſie ungefaͤhrdet direct weſtwaͤrts nach Balkh 
abreiſen zu laſſen, ward ihre Ankunft nach Kunduz gemeldet, 
von woher bald der Befehl kam, ſich daſelbſt einzuſtellen. Viele 
bösartige Gerüchte von dem Reichthum dieſes Reiſenden wie ſei— 
ner Übrigen Gefährten hatten fich durch die Berichte uͤbelwollen— 


der Hindus bis Kunduz verbreitet, und ein ähnliches Schickſal 


fand, wie bei Moorerofts Zeit, bevor. Der Zolleinnehmer von 
Khulum begleitete Al. Burnes. Mit feiner Karawane zogen 


" 
252) &1, Burnes Travels into Bokhara I. co. Vol. I. p. 207— 230. 


— — 





Badakhſchan nah Burnes (1833) 809 


8 bis 10 Theekaufleute von Badakhſchan und Yarkand (f. ob. 
S. 469 u. f.), die nach Haufe zurückkehrte, der Nazir und_der 


Kafila Baſchi. Al. Burnes reifete unter dem Namen eines 


Armeniers aus Hindoftan, weil diefe zu den ärmern Handelsleus 
ten gerechnet werden. Der Nazir war ein Verwandter des Des 
zierd in Kunduz, der mit A. Burnes, als Gaft, in deſſen Woh— 
nung aufgenommen ward. Sie wurden nad) einer fehr befchwerz 
lihen Reife über zwei niedere Bergpaͤſſe und durch waſſerleere 
Wuͤſtenei, die 18 Stunden Weges anhält, nach zurückgelegter Dis 
ſtanz von 14 geogr. Meilen bis Kunduz, dafeldft fogleich vom 
Vezier mit Ihee bemwirthet. Dies Getränk, fagt A. Burnes, fey 
auc) dort bei den Usbeken allgemein eingedrungen; ftatt des Zuf: 
fers nimmt man Salz dazu; auch wird der Ihee mit Fett ges 
mifcht; dann heißt er „Keimukſchah“; zulegt werden nach 
dem Trank noch die Blätter gefaut. Die meiften Befuche beim 
Vezier machten während ihres Dortfeyns Kaufleute, Tadjits und 
Eingeborne Badakhſchaner, die doch immer noch ftarfen Handel 
mit Indien und China treiben follen, und gegen den Briten die 


Sicherheit des Handels in China rühmten (f. 06. ©. 469, 473). 


Am 5ten uni ging der Zug der beorderten Keifegefährten 
zum Dorfe Khanu abad, 3 geogr. Meilen fern von Kunduz, 
zu einem Kleinen Fort mit einer Befakung von etwa 500 Neis 
tern, in welhen Murad Beg >) feine Reſidenz aufgefchlagen 
hatte. Hier erhielt der Brite, zu feinem Glüce, bei der Audienz 
als ein armer Armenier feinen Freipaß; die gröbfte Verftellung 
war gelungen, und die rohe Habgier des Tyrannen uͤberliſtet. 
Man eilte natürlich fo fchnell als möglich nach Kunduz zuruͤck, 
um ungehindert feinen Weg forizufegen. 

Kunduz%) die Stadt ift fchon im Anfange des obern Orus: 
thales, obwol 8 geogr. Meilen füdlicy fern vom Hauptſtrome ges 
legen, an einem füdlichen Zufluffe zu demfelben, wie Talikan, 
am Furukhah (Furkar bei Mooreroft), der unter dem Nas 
men Akferai (Akſu, Weißer Fluß) fih weiter in Weſt, zu 
dem Hauptarme, dem Amu, ergießt. Zwei Arme diefes Furukhah 
die fih im Norden von Kunduz erft vereinen, bewallern das 


Thalgebiet diefer Stadt, deſſen Clima ſehr ungefund iſt; daher 





#3) Al. Bürnes Trav. 1. c. I. p. 224 — 227. ®*) ebend. vergl. 
Mir Isset Ullah on Balklı, Khulum and Kunduz ig Asiatie Journ. 
’ Vol. XXI, p. 170, 


— — 


810 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. 6. 10, 


das Sprichwort? — „Willft du fterben, seh nad Kun— 
duz.“ — 

E)er größere Theil des Thales ift fumpfig; viele Wege muͤſſen 
auf Holzpfaͤhlen fortlaufen. Der Schnee bleibt dort 3 Monat 
lang liegen; die Sommerhige ift unerträglih, Neisbau, aber 
auch Weisen und Gerftenäcder breiten fich hier aus. Einſt 
foll der Ort groß gewefen ſeyn; gegenwärtig ift er nur als Markts 


plaß wichtig, hat aber nur 1500 Einwohner. Nur im Winter 


fohlägt Murad Beg dort feine Nefidenz im Fort auf, das aus 
getrockneten Backfteinen erbaut, und mit Wall und Graben ums 
geben ift, aber durch die Hitze des Sonnenftrahls nur wenig Wis 
derſtand leiftet, da feine fehlechten Mauerwände von ſelbſt zer⸗ 
fallen. 

Das Hochgebirge des Hindu Khu iſt von hier gegen Suͤd 


ſichtbar, und zeigt auch hier ewige Schneedecke. Die naͤchſten 


Berge ſind nur niedere Huͤgelreihen mit Graſung und Kraͤutern 
uͤberzogen; aber ohne alle Waldung, ohne Holzwuchs. Weiter 


im Stufenthale und den Vorbergen aufwärts, wird das Clima 


heilfamer, man fpricht hier mit Entzücken von den frifchen Berg: 
waflern, von der reinen Luft, den Blumen, dem Obſt, den Hais 
nen und den Lieblichkeiten des Alpenthales von Badakhfchan, 


Am gerathenften war es, des vom Chef zugefagten Freipaffes 


und der vom DVezier gefchenften Ehrenkleiver ungeachtet, ‚nicht 
länger in Kunduz zu verweilen, als ‘zum umfatteln und ums 
packen der Pferde und Laftthiere nothwendig war, und fo eiligft 
als möglich nah Khulum zu ziehen, was in 20 Stunden Zeit 


gefhahe. Aber auch diefer Ort 255), der viel beveltender und ans 


‚genehmer von den herrlichften Obftgärten umgeben ift, Eonnte ‚nicht 
länger feffeln, und man eilte fo fchnell als möglich, um nun auch 
den Eleinen Wegelagerern und Näubern, da man den großen fo 
“glücklich entflohen war, über Muzar zum nahen Balth au ges 
langen, das auch glücklich erreicht ward. 


2) Kunduz und Murad Begs Herefhaft, 

Da wir erft fpäterhin, bei der Gefammtbetrachtung der bei: 

den Stromgebiete des Sihun: und Gihon-Syſtems, auch über 
Balkh nah Bokhara bis zu den Uferlandfchaften ihrer Bin: 
nenfeen fortfchreiten Eönnen, hier aber, fürs erſte, nur ——— 





— 


265) Al. Burnes Trav. l. c, Ip. 229—232. 


— 


— — — 





Badakhſchan nach Burnes (1833). 811 


der großen Alpengaue ihres obern Stufenlandes zu verweilen ha— 
ben, fo kehren wir noch einmal zu Kundüz zuruͤck, dos an dem 
MWeftthore von Badakhſchan, in der Gegenwart, der Schlüfs 


fel zu diefem ift, und durh Murad Begs harten Scepter das - 


Schickal jener alpinen Sandfchaften und ihrer Populationen bes 
berricht, 

- Kunduz°s) liegt in einem Thale zwifchen niedern Bergen, 
die von D. nah W. an 12 Stunden weit ftreichen, ein Thal, 
das von den beiden Armen des Furukhah-Fluſſes, der zur 
Zeit der Schneeſchmelze nicht durchgehbar if, reichlich bewäffert 


wird, Etwa 8 geogr, Meilen im Norden, fern von der Stadt, 


giehet der Hauptarm des Oxus, der Amu, vorüber, Der 
größere Theil des Ihales ift fo fumpfig, daß, wie gefagt, viele 
Wege, zwifhen den Schilf und Sumpfpflanzen auf Pfähle ges 
brückt, hinlaufen, und die Luft fehr ungefund ift, wozu der Reis— 
bau in flagnirenden Waflern nicht wenig beitragen mag. Die 
gebirgige Lage dieies Ihales macht, daß, der großen Hitze unge: 
achtet, "hier das Obſt, wie Kirfchen, Aprifofen, Pflaumen, Mauls 


beeren, doch um 14 Tage fpäter reift als in Khulum und Balth,_ 


die fchon in offenern Ebenen liegen. - Die nächften plateauartigen 
Vorhoͤhen um Kunduz fleigen mit ihren breiten Huͤgelruͤcken 
feine 1000 Fuß über die Ihalfole mit den Derfumpfungen auf. 
gewähren aber fchon einen gefunderen Aufenthalt, erſt in weis 
terer Ferne ergögt der erhabene Anblik des Schneegebirges 
das Auge (f. od. ©. 357). 
Sechs Diftricte, erft feit kurzem die Eroberung Murad 
Begs, find mit dem Stadtgebiete von diefem Orte abhängig ges 
worden: 3) Khulum, 2 Heibuf, 3) Gori, 4) Inderab, 
5) Talighan, 6) Huzurut Imam; fie haben außer dem 
legtern, der vom Furufhah und Amu an ihrem Stromvereine 
umflofien wird, ein gefunderes Clima und ſehr fruchtbaren Boden, 
Bon der Bewäflerung der verfchiedenen Oxuszufluͤſſe hangt in 
allen diefen Gebieten der Werth der Ländereien ab, da es fiheint, 
dag ihnen fonft nur wenig atmofphärifche Miederfchläge zu Theil 
werden, eine Folge des dort ebenfalls ſehr gefteigerten Continens 
talclimas (vergl. 06. ©. 397). Heibuk und Khulumoliegen 
an demfelben Fluß, dem Khurrum (ſ. ob. ©. 269), der von 
Süden kommend, nordwärts in einiger Entfernung der Stadt 





&°) Al. Burnes Tray. Vol. I. p. 201 — 202. 


812 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 10, 


zum Orns fällt, und durch Aufdämmungen in feinem regelmäßis 
gen Laufe vielfach gehemmt zu Srrigationen dient. Die. Ufergärs 
ten find reich und fchön, der Feigenbaum, der noch in Ka— 
buleftan Fremdling ift (f. 06. ©. 270) gedeiht hier in uͤppigſter 
Fülle. Kunduz liegt dagegen, weiter aufwärts, an dem Verein 
deſſelben Fur ukhah⸗Fluſſes, mit dem von Süden herabfoms 
menden GorisFluffe, der parallel mit dem Khurrum aus dem 
Hindu Khu kommt, fpeciell aber dem Bamiyanthale entftrömt (ſ. 
ob. ©. 265). 

Hier nun iſt gegenwärtig der Mittelpunet jener neuauffeis 
menden Herrfchaft in Kunduz, an deren Epige Murad Beg 
ein Usbefe vom Stamm der Kudghum (Kuttaghun), das 
mals erft (1833) feit einem Jahrzehend, ſich zu gefürchteter 
Höhe und zu völliger Unabhängigkeit emporfchwang, und gegenz 
wärtig ſchon das ganze obere Stufenland des Orus abwärts bis 
Balkh und aufwärts gen Süden bis zum Hindu Khu beherrfeht, 

Murad Beg?7), deſſen perfönliche Bekanntfchaft A. Bur⸗ 
nes zu machen genöthigt war, fteht, nach ihm, im funfzigften Les 
bensjahre; er ift ganz Usbefe, groß von Geftalt, mit tatarifcher 
Gefichtsbildung, breiter, gerungelter Stirn, kleinen ſchiefwinklig ges 
ftellten Augen, ohne Bart, er ift ein Mann von Gaben, aber tys 
rannifch, graufam, treibt Raͤuberhandwerk, theils auf eigene Hand, 
theils durch feine Untergebenen, die aber mit ihm die Beute theis 
len müffen. Dennoch behauptet Al. Burnes, er fey nod) ber 
fer als andere feiner Nachbarherrfcher. Er beftätigt es, daß ders 
felbe nach Willkühr die befiegten Unterthanen verpflanzt, und Fein 
Erbarmen für ihr Schieffal, für ihr Leben zeigt; ohne alle Schuld 
wirft er, wo er fann, Alles in die Sclavenfeffel. Der Furcht 
vor der britifchen Macht ſchreibt Al. Burnes feine Verfolgung 
Moorcrofts zu; deshalb er durch Verläugnung feiner Herkunft 
diefer Gefahr auswich. Der Sanctus zu Talitan, der Pirs 
sada, beftätigt auch Al. Burnes, fey der einzige Mann, der" 
ihn noch zu zügeln wilfe. Er war in frühern Jahren fein Rath— 
geber, fein Wohlthäter; deffen Sohne hat Murad Beg eine feis 
ner Töchter vermähltz feiner Fürbitte fchlägt er nie etwas ab; fo’ 
trägt er wenigftens gegen diefen noch das Bewußtfenn der Danf 
barkeit in feiner Seele. Der ältefte der Söhne Murad Beg 
war im 5.1833 ſchon 18 Jahr alt und fchien viel zu verfprechen 








®#7) Al. Burnes Tray. I. c. Vol. I. p. 229. II. p. 352. 


Badakhſchan nach Burnes (1833). 813 


Murad wird von feinem eigenen Usbekenſtamme mit dem Titel 
Mir (f.'ob. S. 395) beehrt; ex beherrfchte anfänglich nur Kuns 
duz allein; dann aber eroberte er jene 6 genannten Dis 
firicte hinzu, welche Kunduz von allen Seiten umgeben, Die 
Stadt Balfh hatte er bis dahin nur geplündert, und viele von 
ihren Bewohnern in feine Staaten übergefiedelt. Darauf folgte 
die Meberrumpelung des ganzen Königreihes Badakhſchan, 
und damals, bei A. Burnes Durchzug, war er mit den Krieges 
operationen gegen die Gebirgsftaaten an der Mordfeite des 
Drus befchäftigt. Einer von diefen, Kulab (oberhalb Kurgans 
tippa), zwifchen Durwazind Cheghanien (Shughnaun) gelegen, 
war ſchon früher in feine Gewalt gefommen, und fein Hinderniß 
ſchien dort feiner mweitern Verbreitung entgegen zu ftehen; fo daß, 
damals, feine Gewalt fhon von Karatigin im Norden bie 
Syyghan in den Hindu Khu-Paͤſſen (f. ob. ©. 267) ausgebreis 
tet war, Die Einwohner feiner Gebiete, bemerkt Al. Burz 
nes 58), feyen größtentheil® Tadjik, die Aboriginer, welche 
auch in Badakhſchan die Hauptinaffe der Populas 
‚sion bilden, davon die Usbeken nur einen fehr gerins 
gen Theil ausmachten. Diefe vordem gänzlich unbekannte 
Thatfache, ift nach dem, was oben über Iadji und Tocharen ges 
fagt ward, von befonderm Intereſſe, und beftätigt es, daß viele 
der bisherigen ethnographifchen Vorausfegungen moderner Geos 
graphien gänzlich gehaltlos genannt werden muͤſſen, daß Turks 
ſtaͤmme hier im füdöftlichen Bergwinfel des weftlichen Turkeſtans 
viel fparfamer verbreitet find, als man nach allen bisherigen orienz 
talen und orcidentalen Autoren anzunehmen im Allgemeinen ges 
neigt war, Defto wichtiger würde das gründlichere Studium 
dort einheimifcher Population für die Aboriginergefchichte 
Central» Afiens feyn. — 

Nach dem Tode eines gewiffen Khilich Ali Beg, eines 
Usbeken Häuptlings, der nur dem Namen nad) zu den an die 
Afghanen in Kabuleftan tributairen Begs diefer Völkerfchaft ges 
zahlt wurde, aber dies Commando in Balkh (feine Nefidenz war 
1813 in Khulum)59) beſaß, wußte fich einer feiner Unterbefehls— 
haber von Kunduz, der jegige Murad Beg, durch Verdrängung 
der Söhne feines Gebieters, an deſſen Stelle zu fegen. Die ver 


'#®) Al. Burnes Trav. 1. c. p. 346 — 352. 59) Mir Isset Ullah on 
Balkh, Khulum and Kunduz in Asiatic Journ. Vol. XXI. p. 168. 


814 Weſt-Aſien. 1. Abfchnitt. $. 10, 


drängten Söhne wurden nun in Khulum und Heibuk ie Das 
fallen des Kunduz Oberhauptee. 

Dbwol die Kudghum-Usbeken immer von Einfluß unter 
den Usbefen überhaupt waren, fo war Murad doch der erfte 
unter ihnen, der zu einer Souverainität gelangte, Sie rückten 
fehon im XVI. Zahrhundert, mit der großen Usbeken Nation, in 
ihre gegenwärtigen Sige um Kunduz ein, und verdrängten die 
Timuriden aus ihren angeftammten Beſitzungen. 

Kunduz fheint die äußerfte Südoftgrenze ihrer 
Invaſion gewefen zu feyn, da feiner der Usbeken— 
Stämme weder in die Thaͤler Sadakhfſchans gegen 
Oſt, noch in die Alpengaue des Hindu Khu gegen 
Sud vordrang. 

Murad Beg ließ in feinen Eroberungen die frühern Chefs 
fortbeftehen, zwang fie aber ihm Truppen zu ftellen als Contins 
gent, und Tribut zu zahlen, womit er feine eigenen Truppen bes 
foldete. So vermehrte er fortfchreitend feine Gewalt und ficherte 
fi) vor der Gefahr von Nevolten. Seine Macht brachte er hier 
durch auf 20,000 Mann Reiterei und Auf 6 Stück Kanonen. 
Infanterie, die von Usbeken verachtet wird, hat er nicht; die 
Waffen feiner Cavallerie find lange Spieße, Eäbel, ſchlechte Flin⸗ 
ten. Er ift ſelbſt Commandeur feiner,Teuppen im Felde; von 
ungemeiner Thätigfeit, fendet immerfort Chupamaul, d. i. Rei⸗ 
terparteien, auf Plünderung und Menſchenraub aus; theils auf 
die Nordſeite des Orus, theils gegen die Hazareh und nad) Balkh, 
auf deſſen Suͤdſeite. Selbſt alle gefangene Shiiten werden ohne 
Barmherzigkeit als Sclaven verkauft. Dieſelbe Raͤuberei wird 
gegen Kaferiſtan, Chit ral, im Suͤdoſt ausgeuͤbt, und gegen Ba⸗ 
dakhſſchan im Oſten, das feinen Tribut in Sclaven zahlt. 
Don diefem Plünderungsfpfteme nimmt er jedoch gegenwärtig die 
Karamanen aus, die fein Gebiet durchziehen, und läßt auch —9— 
nen tributairen Chefs Schutz angedeihen. 

Mit ſeinen Nachbarn ſteht Murad Beg in gar EN. 
oder doch nur in geringen Perbindungen. Da doch) immer noch 
ein flarker Verkehr mit dem chinefifhen Turkeftan Statt 
findet, fo werden mit den Oberbehörden in Yarkand, mitunter gez 
genfeitige Gefchente gewechjelt, und bei Unficyerheit der Routen 
ſchickt Murad ſelbſt Wegauffeher aus. Mit Bofhara in Wer 
ſten fieht er dagegen in beftändiger Feindſchaft, die Furcht vor 
Ucberfällen ift gegenfeitig, und Balkh hat dabei vieles zu leiden... 


Badakhſchan nah Burnes (1833), 815 


Von den Afghanen fcheidet ihn, jenfeit Kunduz, zwar jene 
fhneereiche Hochgebirgstette, eten fo oftwärts Badakhſchans das 
Hochgebirge des Belut Tag von feinen noch öftlichern Grenznach⸗ 
baren. Dennoch hat Murad Beg die dortigen Vorberge fchon 
überftiegen, um das dahinter geſchuͤtzt liegende Chitral (Tfches 
trar bei v. Meyendorff; f. 06. ©. 14) anzugreifen. Auch hat 
er zumeilen ſchon andere Einfälle in das Siapufch Fand 8 
Hindu Khu ausgeführt. Der legte Ueberfall (1829) war ihm 
indeß theuer zu ftehen gefommen, da ein Schneefturm fein Cas 
valleriecorps von 4000 Mann Überrafchte, von-dem die Hälfte das 
bei den Tod fand. 

Seine Revenuͤen beftehen in Korn, Lebensmitteln aller 
Art in Ueberfluß, aber felten in Geld. Die dort noch übliche 
Münze 2%) ift aus der Zeit der Delhi Kaifer vor Schah Nadirs 
Feldzuge. Während feines jedoch nur temporairen Beſitzes von 
Balth, prägte Murad Beg Münzen, mit dem Stempel diefer 
Stadt und ihrem Namen, „Mutter der Städte” Die Lu— 
xusartifel fommen vom Bazar Bokharas, wohin Vieh und Eclas 
ven in Menge ihren Abjas haben. 

/ Die Einkünfte werden fo bezogen, daß die Unterthanen 
ein Drittheil des Bodenertrages abzulivfern haben; 3. B. vom 
Reis, der in Menge in den Sumpfgegenden von Kunduz ger 
baut wird, von der Seide, deren Gewinn an den Uferländern 
des Oxus bedeutend ift. Badakhſchan Liefert freilich nicht viel 
mehr, da es &o fehr entvölfert ift, und das übrige von der Us— 
beten Reiterei, die dort als Garnifon das Yand hütet, aufges 
zehrt wird, 
Der Gefchäftsführer Murad Begs, Khan von Kumduz, 
ift ein Hindu von Pefchawer, Atmarani, der alle Verwaltung 
leitet; ein Mann von Talent, der fich, ungeachtet der großen 


Verachtung, in welcher die Hindus bei den Usbeken fichen, daß _ 


es ihnen nicht einmal erlaubt ift einen Turban zu tragen, fich 
doch emporfchwang bis zur Würde eines Dewan Begi (erfter 
Vezier), dem für fich und feine Leute auch das Privilegium den 
Turban zu tragen verliehen ward. Er hat große Verdienfte um 
das Land, weil durch ihn noch einigermaßen Eigenthum und Vers 
kehr geſchuͤtzt wird; freilich hat er fich dabei felbjt bedacht und iſt 
zum reichen Manne geworden, der 400 Sclaven in feinen Diens 


260) Al. Burnes Trav. Vol.I. p. 229. II. p. 351. 


——. 


816 Welt Afien. I. Abſchnitt. $. 10, 


ften zählt. Da die Usbeken, nah Al. Burnes Urtheil, unfähig 
find Gefchäfte zu führen, und höchftens nur ihre Geiftlichen einis 
gen Unterricht erhalten, fo find ihnen ſolche Fremde als Geſchaͤfts⸗ 
fuͤhrer unentbehrlich. | 


3) Badakhſchans gegenwärtiger Zuftand in Abhans 
gigkeitvon Kunduz, nach Al, Burnes Berichten 
(1833) 261), 


Die Höher, oberhalb Kunduz Bi Drusthälee leiden 
nicht an dem verderblichen Clima wie jene untern; allgemein 
wird die Luft Badakhſchans als heilfam und Lieblich geprie— 
fen, wie die Romantik diefes Alpengaues, feine Bäche, feine Ihäs 
ler, feine Früchte, Blumen und Nachtigallen. Die Capitale, ges 
wöhnlih Badakhſchan, nur feltner einmal Feizabad ges 
nannt, liegt im Süden des Orus; Al. Burnes weiß nichts 
von einer Differenz beider Ortfchaften, wovon nur Frafer fprechen 
börte. Aber diefes fchöne Land liegt gegenwärtig ganz verddet, 
feit dem Ueberfalle der Usbefen (Al. Burnes fagt, vor 12 Zah 
ren, alfo etiva 1821 oder 1822); ſeitdem befteht nur zum Schein 
noch ein König von Badakhfchan; denn er ift ohne Anfehn, fein 
Land ift menfchenleer, und nur mit roher Usbefenreiterei als Gars 
nifon bedruckt. Sein Titel Schah, oder Malik, und der feiz 
nes Sohnes als Erbfuͤrſt, Schahzadu 2) iſt gegenwärtig ein 
bloßer Schatten früherer Herrlichkeit, feit 12 Jahren, fagt Al, 
Burnes (1833), ift er enttbront und ohne Herrfihaft. 

Im Januar 1832 Fam zu diefem politifchen Verderben noch 
ein phyſiſches Uebel hinzu, jenes furchtbare Erdbeben, das fo 
viele Menfchen und Dörfer zerftörte, viele Klippen von ihren 
Gipfeln entwurzelte, und in die Thäler flürzte, wodurch ganze 
Paſſagen gehemmt wurden. Durch einen in der Art herabges 
ſtuͤrzten Berg ward der Badakhfchanz Flug 5 Tage hindurch auf- 
geftant und führte Ueberſchwemmungen herbei. Da das Erdber 
ben in der Nacht die Bevölkerung des ganzen Badakhſchan über 
rafchte, fo zahlte faft jede Familie ihre Todten; denn die größte 
Gewalt der Erſchuͤtterung fcheint hier ihren Mittelpanct gefunden 
zu haben, obwol die Sphäre des Erfhütterungskreifes ſehr 
groß war, ſuͤdwaͤrts ganz ——— bis J und Mul⸗ 


a) Al. — Tray. I. c. Vol. Il, p. 202 — 205. 22 cbend | 


. 





Badakhſchan nach Burnes (1833), 817 


tan das Pendſchab in Bewegung feste (f. 06. &.57— 58), nord» 
waͤrts aber bis Khofand reichte, und oftwärts fogar noch bis Akſu 
und Turfan gewüthet haben foll (f. ob. S. 478), wo die Jahre 
1831 und 1832 durch wiederholte Erderfchütterungen ausgezeich— 
net waren. 

Die Einwohner Badathfhans, find ihres traurigen 
Looſes ungeachtet, bemerkt A. Burnes, der Gefelligfeit ungemein 
ergeben, fehr gaflfrei und das Sprichwort befannt: „Brod wird 
in Badakhſchan niemals verkauft.“ — Sie find, nad 
Al. Burnes wiederholter Verficherung, Tadjiks; ihre Sprache 
iſt die Perſiſche, aber ein breitere Dialect wie der eines Einger 
bornen Irans. Man fagt fih, aus Balkh ſolle einft eine folche 
Einwanderung dahin gefchehen ſeyn; aber feine nähere Nachwei— 
fung ift darüber vorhanden. Die meiften Bewohner find Shii— 
ten, weder Tur£ noch Usbeken haben fih dort ange: 
fiedelt, und die Sitten und Gebräuche der dortigen Bewohner 
gleichen noch heut zu Tage denen der alten Cinwohner im Nor— 
den des Hindu Khu, wie fie vor den Einfällen diefer jüngern 
Ueberzügler allgemein waren. — Wir fünnen es nicht unterlaffen 
noch einmal es zu wiederholen, wie lehrreich die Originalbeobachs 
tung der Natur und der Völker diefes Alpengebirgelandes für die 
genauere Kenntniß ganz Central: Afiens feyn würde. 
| Leber die fo berühmten und doch fo wenig befannten mines 
ralogifchen Schäge giebt Al. Burnes folgende Auskunft, 
Die Rubin-Gruben, weldhe ihren größten Ruhm den 
prunkfüchtigen Zeiten der Groß: Moghule in Delhi verdanfen, 
follen, nahe dem Oxus in Cheghanian (Shughnan, was 
bon M. Polo unter Sikinan als die einzige bearbeitete Grube 
anz richtig anführte, f. 06. ©7389) bei dem Orte Sharan 
iegen. Dies letztere foll nur fo viel als Grube bezeichnen; denn 
an gräbt- fie in den niederm Bergen. Einer der Erzähler bes 
auptete, diefe Gruben liefen bis unter den Drus hin, woran 
ber Al. Burnes zweifelt. Der jegige Khan von Kunduz wollte 
iefe Gruben, die früherhin lange Zeit brache gelegen zu haben 
cheinen, don neuem in Gang feßen durch diefelben Grubenarbeiz 
er, denen dies Gefchäft feit frühern Zeiten erblich zukoͤmmt, die 
ber wenig Gewinn davon haben follen. Der Iyrann forderte 
ogar ganz unentgeltliche Frohnarbeit von ihnen; da fie fih wir 
erfesten, wurden fie in die Sümpfe von Kunduz verpflanzt, wo 
Ritter Erdiunde VII. 












818 Weſt-Aſien. I. Abſchnitt. $. 10, 


die meiften umfamen, fo daß die Kaffe diefer Nubingräber gegene 
wärtig faft ausgeftorben feyn fol. Die Sage ift allgemein, man 
finde die großen Rubine ftets nur paarweife; die großen ſollen 
deswegen oft in Doppelftüske zerbrochen, oder der eine fo lange 
verhehlt werden, bis man den zweiten dazu gefunden, Sie follen 
in Kalfftein liegen, wo man fie wie runde Feuerſteinkieſel einge⸗ 
lagert finden ſoll (in Druſen?). 

In der Naͤhe der Rubingruben ſollen ſi ch am Stromufer 
des Oxus auch die Felſen von Lapis lazuli finden. Man ſetzt 
Feuer darunter, um fie muͤrbe zu machen, gießt dann kaltes Waſ— 
fer darauf, um den Stein zum berften zu bringen. Das ift die 
rohe Art des Gewinns diefes ſchoͤnen Lazurfels, deffen Ausfuhr 
ehedem nach China fehr bevdentend gewefen, Die Frage darnach 
hat aber abgenommen (auch anderwärts im Hindu Khu find Grus 
ben diefes edeln Steines, welche wahrfcheinlich zu ihrer Zeit die 
Prachtbauten Indiens verforgt haben; ſ. ob. ©. 259 u. a. O.). 
Alle Proben diefes Lazurfteines, melde Al. Burnes in 
Bokhara oder fonft zu fehen Gelegenheit hatte, Schienen ihm ftatt 
der gerühmten Goldadern nur fchimmernde Glimmer (gemöhn: 
lich wol Schwefelfies) zu enthalten‘ Nur im Winter pflegt man 
übrigens beide Gruben, fomol der Rubine wie die des Lazurfteine 
zu bearbeiten, 


4) Die umgebenden Gebirasgaue Badakhſchans ir 
ihrem gegenwärtigen Zuftande nach Al. Burnes 
Erfundigungen (1833), 


Zum Befchluß unferer hierher gehörigen Unterfuchungen, laf 
fen wir noch zulegt die fragmentarifchen Nachrichten über di 
Sebirasumgebungen Badakhſchans, in ihrem gegen 
wärtigen Zuftande, und über die Voͤlkerverhaͤltniſſe ihre 
Bewohner folgen, die freilih nur wenig Befriedigung geben 
aber doch mit dem, was ſchon früher von ihnen gefagt war, di 
Bervollftändigung der Nachrichten darbieten, die ſich ubecha 
bis jetzt von ihnen mittheilen laſſen. 

Außerhalb Kunduz, mit ſeinen 6 genannten von ihn 
abhaͤngigen Territorien, und außerhalb Badakhſchan ſin 
es folgende Gebirgsumgebungen 263) dieſer beiden Hauptterritorie 
des obern GihonsLaufes, uͤber welche wir, wenn auch oft mi 
— 5 
ir 


[2 


?®3) Al. Burnes Trav. ]. e. Vol. II. p. 200— 201. 





Badakhſchan nach Burnes (1833). 819 


den Namen nach, einige Kunde durch Al. Burnes erhalten has 
ben. Im Norden find es die 5 Gebirgsftanten gegen Ka— 
zatigin hin; alle nur von geringem Umfange, von denen fchon 
öfter die Nede war: 1) Hiffar, 2) Kulab, 3) Durwaz, 
4) Shughnaun und 5) Wakhan. Gegen Oſten erhebt ſich 
die Hochebene Pamer, von den Berg-Kirghiſen bewohnt, und 
der hohe Bolor (Belut Tag) gegen Yarkand (f. ob. S. 487 
bis 506). Senfeit des Belut Tag breitet fih ISkardo in Balz 
tiftan (f. 0b. ©.215— 217), Gilgit und Chitral, aus (f. ob. 
&.14—19. Im Süden von Badakhſchan und Kunduz ew 
hebt fi das Land der Siapufch Kafir bis über den Hindu 
Khu hinaus (f. 06. ©, 206— 213), deren Sandftrich mit jenem 
lestern in der Bezeichnung von Kaferiffan zufammengefaßt wird 
(f. 06. ©. 205-206). 

Nur von den 5 Gebirgsftaaten) im Norden erhab 
ten wir ein paar neue Angaben. 

4) Hiffar iſt gut bewaflert, hat daher Reisbau, und war 
(1833) von Kunduz wie von Bokhara noch unabhängig geblie- 
ben. Bon einem Usbeken Chef beherricht, theilten fich, nach des 

Vaters Tode, deiien 4 Söhne in ihr Erbtheil. Ihre Hauptftadt 
liegt 16 Stunden oftwärts von Dehi Nu (Dihnu), auf einer 
Berghöhe. Eine Gebirgskette, Kohitun genannt, von 4000 Fuß 
Höhe, durchfest das Gebiet von Nord nah Süd, und enthalt 
ein geoßes Steinfalzlager, deſſen Ertrag von da ausgeführt 
wird. Die Bewohner follen fih einer eigenthümlichen Art von 
Dferdefätteln bedienen. 

2) Kulab liegt im Often von Kiffer, an einem von Nord 
aus Karatigin herabfommenden Zufluffe zum obern Orus, der ſich 
noch oberhalb des Kokſcha, oder Badakhſchan Waflers, zu ihm 
einmündet. Dieſes Gebiet iſt nur ein ſchmaler Laͤnderſtreif, der 
auch Belgiwan genannt wird; es ift die legte Eroberung Mus 
rad Begs, von weldher Al. Burnes Kenntnig (1833) erhielt, 
und die erfte durch welche er feine Macht auch auf das Nordufer 
des Orusthales auszubreiten verfuchte. 

3) Von Durmwaz ift auch ſchon bei chincfifch Turkeftan 
und bei Khofand die Rede gewefen; es fol, nach A. Burnes, 
ganz von Tadjiks bewohnt fey, einen noch independenten 
Tadjit Fürfen zum Beherrfcher Haben; auch das Dafeyn des 


> Al. Burnes Trav. l. C Vol, M. pP» 205 — 207. 


80 Weſt-Aſien. I. Abfehnitt. $. 10. 


Goldmwäfhereien diefes Alpengaues, von denen v. Meyen⸗ 
dorff zuerft Bericht gab, beftätigt Al. Burnes, und bemerkt, 
daß fie fehr ergiebig fenn follen. Von dem fchon früher anges 
führten Namen Caleithum fcheint diefer britifche Neifende Feine 
Kunde erhalten zu haben. Durmaz fcheint, wie oben bemerft, 
nur das Thor, das Sand der Bergpaflage zu bezeichnen (vom Pas 
mer und Bolor herab). 

4) Cheghanian, Shughnan und 5) Wakhan, fagt 
A. Burnes, find ebenfalls an Kunduz tributpflichtig geiworden ; 
aber in jvdem derfelben find etwa nur 3 bis 4 Dorffchaften. Der 
Chef von Wakhan, Mir Mohammed RuhimKhan, erlaubt 
feinem Gliede feiner Familie das Land zu verlaſſen; von der eis 
genthümlichen Sprache diefes Landes hat Al, Burnes 6 Voca— 
bein gefammelt, aus denen fich freilich nur etwa, in Vergleich 
mit den wenigen von Cheghanian gefammelten Wörtern, ſchließen 
läßt, daß beides, wenn auch nicht verfchiedene Sprachen find, 
doch wenigftens verfchiedene Dialecte feyn werden, von welcher 
Sprache aber möchte, daraus weniaftens, noch unermittelt bleiz 
ben. Alle Einwohner diefer beiden Gebirgegaue find jedoch Mos 
hammedaner; von Meften älteren religiöfen Aberglaubens hörte 
Al. Burnes nichts; fie benennen Gott mit dem perſiſchen Auss 
druck Khuda. Sie haben eine eigenthümliche Art den Huf ihs 
rer Pferde mit einem Schuh, den fie aus dem Hirfchgemweihe forz 
men, zu befchlagen, ein Gebrauch der auch bei Kirghifen einheis 
mifch ſeyn foll. | 

Ueber die innerhalb diefer fünf Gebirgsftaaten gelegenen Ges 
genden finden wir zwar auch in den frühern Jahrhunderten bei 
den arabifchen und perfifchen Geographen ſchon mancherlei Nas 
men und Nachrichten, vor allem bei Ebn Haufal, vorzüglich 
reichhaltige erft bei Edrifi 26), bei Abulfeda und Andern; 
aber es find meift unbefannte Namen, auch finden fih nur wes 
nig Anhaltpuncte darin zur Orientirung für die Gegenwart. Was 
ſich darüber ermitteln läßt, Fann nur in Verbindung mit der Uns 
terfuchung ber Quells und Zu:Flüffe des Oxus ſelbſt gefchehen, 
worauf erf weiter unten, bei der Betrachtung des Sihuns und‘ 
Gihon-Syſtems eingegangen werden wird. 


* Rdri⸗i Trad. p. A, Jaubert, Paris 1836. 4. p. 472—473, 
79 — 434, 


Die Alexander-Sage in Badakhſchan. 821 


Anmerkung. Ueber bie Sage ber Gebirgsſtaämme von 
Durwaz und Wakhan, durch Badathſchan, Gilgit, 
Chitral bis Sewad, Bijore, und oftmwärts bis Iskardo 
in Baltifianz; über ihre Abſtammung von den Nachfol— 

„ gern ulcarneins, oder Aleranders des Großen. 

Zum Beſchluß kommen wir, für jest, binfihtlih der Bewohner 
biefes zulegt betrachteten Gebirgslandes des alten Thokhareſtan, 
zwiſchen Belut Tag und Hindu Khu, noch einmal auf die unter vielen 
der dortigen Voͤlkerſchaften fo feltfam, feit vielen Jahrhunderten mieders 
holte Sage zurüd, nad) weldyer die angefihenften Geſchlechter dortiger 
Bürften und Völker, son Durmwaz dur Badakhſchan bis Kafes 
riftan und oftwärts bis ISkardo, Nachkommen von Iskander, 
dem dortigen Eroberer und Städterrbauer, d. i. von Alerander, oder 
von deſſen Nachiolgern feyn wollen, oder doch von deſſen Macedoniern 
obzuftammen fich rügmen. Daß die von Chitral und Gilgit fi 
deſſen ebenfalls rühmen, und felbft die Zungani Tribus in Yarkand 
bavon reden, ift oben ©. 18—19 und ©. 398 gefagt worden, Daß 
dieſe Anſicht Schon feit Jahrhunderten, bei Voͤlkerſtaͤmmen des Hindu Khu 
herrfchend war, beweifet Abul Fazils Befchreibung °*) von Sewad 
und Bijore im Norden des Kabulftromes (f. ob. ©. 201), wo gegens 
waͤrtig Yufufzi wohnen; wonad damals ber dortige Volksſtamm, der 
fi der Königlidye, naͤmlich Sultan, nannte, von einer Tochter 
Bulcarneins Secunder (b.i. Sskander, Alerander) abitams 
men wollte. Diefer Stamm, bemerkt der genannte Autor, ſey erſt feit 
den Zeiten Mirza Ulugh Beg’s dafelbft (alfo Mitte des XV. Zahrhuns 
derts), von Kabul her, eingezogen. Sie erzählten: Secunder habe zu 
Kabul einen Schag hinterlaffen gehabt, unter dem Schuge feiner Vers 
mandten ( Hetairen ? ), und-einige von deren Rachkommen, welche 
ihren Stammbaum noch befäßen (im 3. 1600), wohnten und herrfchten 
-in diefen Gebirgen, Sewads und Bijores, alfo im Hindu Khu. Wähs 
rend der Zeit diefes unfterblichen Regenten feyen viele ber unruhigen 
Völker diefer Landfchaft zerftreut, andere gefangen worden, und noch 
andere hätten ſich in die Wildniffe zurüdgezogen. — So weit Abul 
Kazils Ausfage. — 

Sn Feriſchtas Gefhichte*?) wird angeführt, daß die Könige 
von Badakhſchan ihren Stammbaum bis auf Alerander den Sohn Phis 
lipps zurüdführten, und wir haben oben gefehen, daß dies fchon die Bes 
bauptung felbft Babers von benfelben war *°)5 W. Erskine es 





I Fazil in Ayeen Akbery ed. Franc. Gladwin 8. Lond. 1800 

ol. 11. ».157. **) Ferishta History of the Mahomedan Power 
Lond, 1829. 8. Ed. b. J. Briggs T. Il, p.30—31. **) Baber 
Blem. ed. W, Erskine 1. c. p. 13. 


822 Weſt-Aſien. J. Abſchnitt. F. 10. 


fuhr, daß dies auch gegenwaͤrtig noch der Stolz der Fuͤrſten von 
Ourwaz ſey. Daß dieſe Meinung eine Vorſtellung auch bei den Ka— 
fern im Hindu Khu ſſeyn ſollte, iſt zwar ſchon oben, ©. 208, widerlegt; 
aber bei dem Beherrſcher zu Is kar du iſt dieſelbe Thatſache, daß naͤm⸗ 
lich die Bewohner dis Landes die Gründung ihrer Feſte (Jskanderia, 
Jskardu, Eskerdu, Shekerdu) gern dem Alerander zuſchreiben wollen, 
durd Mr. VBignes Beſuch dafelbft beftätigt worden (f. ob. S. 216). 
Es fügt derfeibe in feinem Briefe vom 10. Sept, 1835 aus Jskardo 
datirt *°®), noch folgende feltfame Nachricht bei. Er fey im Begriff-in 
ein paar Zagen, dort einem dem der Alten ähnligen Wettrennen 
(to a classical zort of equestrian sport) beizumohnen, wie es in den 
Zeiten Jskanders gefeiert worden fey., Er fey bei Befichtigung der 
Rennbahn nicht wenig überrafcht worden, die Einrichtung derfelben 
ganz in der Art wie den fogenannten Circus des Garacalla in Rom 
vorzufinden. — (Dis Rennbahn in Olympias Ebene hat nad) der neuern 
Meffung der Expedition in Morca, eine Länge von 184 Metr, 183 Cen⸗ 
tim.) — Sollte von ſolchen gymnaftifhen Spielen, mie fie in 
Harmozia und im äußerſten Zransoriana, felbft noch zu Eyres 
ſchata am Sarartes, wie Arrian berichtet (Lib. IV. c.4. 1. p. 219, 
ed. Schmieder 1798: zei &yava immo» 78 xab yuuvızov RoNj0RS, 1. €. 
in Cyropolis), von Alexanders Heere, zwiſchen feythifchen und maflas 
getifchen Völkern, gefeiert wurden, noch Spuren der Erinnerung, bis 
heute, dort zurücgeblieben feyn? Da fchon fo viele andere Epuren je: 
ner Kortfegung eines Kellenifch= baktrifchen Lebens, bei dortigen Barbas 
zen, in den Münzfchägen, bis in das VII. Sahrhundert wieder aufgefuns 
den worden find: fo koͤnnten auch wol andere noch in Gitten und Ges 
bräuchen, dort, bei Aboriginern fortleben, an die man nid;t denken dürfte, 
wenn Turkvoͤlker hier im Gebirgsiande fo frühzeitig eingedrungen waͤ⸗ 
zen, wie in den Ebenen. 
Daß die Stämme der Kafirn in dem Theile Kaferiftans, den Muls 
lah Nujeeb bereifete (f. 06. ©. 208), Eeine Anfprüde auf dieſe Abſtam⸗ 
mung machten, hat Elphinftone ?°) dadurch zu widerlegen geſucht, 
daß bei ihnen Eeine Sage von derfelben vorgefunden ward; dagegen be: 
fätigte derfelbe fchon, "daß diefelbe Anficht, wie in Badakhſchan, fo auch 
bei dem Könige von Durmwaz 71) vorwalte, der fein Gefchledht von 
Alexander dem Großen Herleite, was aud von feinen Nachbarn anere 
kannt werde, f 
Die ältefte Ungabe hierüber ift ſcon bei M. Polo von Bar 
dakhſchan, die wir oben fehon einmal gelegentlich anführten: (Reggesi, 





2°%) Mr. Vigne Letter from Iskardo- 10. Sept. 1835 in Journal of. 
the Asiat. Soc. of Bengal ed. Prinsep. 1836. Vol. V. p. 57. ' 
7°) Elphinstone Acsount oi Cabal I. e. p. 620. ®ı) ebend. p. 628. 








Die Alerander-Sage in Badakhſchan. 823 


scil. Balaxiam, per successione d’hereditä; cloè tutti i Rô sono 
d’una progenie, laqual Jiscese dal R& Alessandro, et dalla figliuola di 
Dario R& di Persiani. Et tutti quei Re si chiamano Zulcarnen, che 
vuol dire Alessandro) ??), Da diefer gewiffenhafte Reifende feine Nach⸗ 
sicht im Lande ſelbſt erhielt, fo iſt wol kein Zweifel gegen die Richtige 
Eeit feiner Ausfage zu erheben, und wir fiimmen mit W. Ersfine’g 
wahrfcheinlichfter Erklaͤrung dieſer Erzählung aus dem XII. Zahrhuns 
dert darin bei, daß eine dunkle Erinnerung der dortigen Regenten, an 
ihre wirkliche Abftammung, ‚oder wenn aud nur hypotheti— 
fhe Herleitung, von einem Zweige der verdrängten helles 
niſch-baktriſchen Dynaftien, oder deren ſakiſch-getiſchen 
Verdraͤnger, die ſich noch viele Sahrhunderte hinaus den Ruhm hels 
leniſcher Ahnen und Attribute, fammt ihren Ziteln beilegten und in bes 
zen Schrift auf Münzen überliefert haben — die wahre Veranlaffung 
dieſes Ahnenſtolzes ſeyn moͤchte. Keincswegs fieht diejer fo ifoliet da, 
wie man gewöhnlich annimmt, in einem Gentral-Afien, wo Genealogien, 
zings umher, bei allen Völkergefchlechtern für Voͤlkercaſten, Prieſter⸗ 
orden, Herrfcherfamilien von jeher entfcheiden, und eine bloße Fiction 
derſelben ſich nicht leicht Eingang in die Anerkennung der Nachdarn 
ihren Weg bahnen wuͤrde; bei Voͤlkern wo die Abſtammung bis zu 
Brahma, Buddha, Mohammed, auf irgend eine Weiſe durch Blut 
oder ſonſtige Adoption koͤrperlicher oder geiſtiger Art, zuruͤckgeleitet, 
allein ſchon zum Throne befaͤhigt, und wo, bei der fruͤhern Uebermacht 
der beruͤhmten Herrſcherfamilie der Tihaomu (f. ob. ©. 610, 
645, 650 u. a. O.), und dem neu hinzutretenden Eöniglichen Regenten⸗ 
abel der Nachkommen des Propheten, Mohammeds, die Abftammung 
von einem Zulcarnein, im Gegenſatz von jenen beiden, nur ein noch 
weit älteres, | einheimifches Königshaus, als dasjvnige dieſer jüngern 
Emporfömmlinge bezeichnet. 

Solde Angaben über Chitral, Gilgit, Jskardo, Badakhſchan und 
Durmwaz, bemerkt der juͤngſte Beobachter in dieſen Gegenden Al. Bur— 
nes, waren ihm ſchon fruͤher bekannt, deſto mehr war er erſtaunt, als 
er in Transoxiana ſelbſt erfuhr, daß noch außerdem 6 andere Fürften« 
häufer ?*), dafelöft, daſſelbe Herkommen in Anſpruch nahmen; naͤmlich 
die Häuptlinge im Oſten von Durwaz, die von Kulab, Sheghas 
nian und Wakhan im Norden des Gihon. 

- Alle diefe Prinzen find, erfuhr derfelbe, vom Tadjik-Geſchlecht, 
von Bewohnern diefer Landfchaften vor den Ueberfällen der Usbeken 


”2) M. Polo b. Ramusio ed. Venezia fol. 1583. T. II. Lih. I. c. 25 
fol 10; vergl. Kd. Baldelli Boni T. 1. Lib, I. c.33 p. 29, ° 

73) W. Erskine Remarks in Baber Mem. I. c. p- XXIX. 

”*) Ai. Burnes. Trav. I, c. Vol. II. p. 218 — 217. 


524 Weſt-Aſien. I, Abſchnitt. &. 10, 


und Turkſtaͤmme. Alexander M. hinterließ bekanntlich Keine directen Er⸗ 


ben feiner Herrſchaft in Aſien, ein dort einheimiſcher Felbherr Sky⸗ 


thianus wird, bei Sogdianen, nach P. Drofius Bericht, Nadıs 
folger Alexanders (Skythaeus Praefeetus Alexandri in Sogdianos) ??°)3 
aber Verbindungen von ihm, mit einheimifchen Königstöchtern, find bes 
Eannt. Diefe Tadjik Fürften verheirathen ihre Kinder, heut zu 
Zage noch, nur an fie, durch Zulcarneins Genealogie, verwandte Ge— 
ſchlechter. Sie find insgeſammt Mufelmänner, fie fehen auch Zulcars 
nein als einen Propheten und Helden an. Al. Burnes lernte felbft 


perſoͤnlich mehrere Glieder diefer Kürftengefchlechter aus Badakhichan ken⸗ 


nen, und fand freilich feinen Zug griechifcher Abkunft bei ihnen. Gie 
glichen aber in Körpergeftalt und Gefichtsbildung dem fcyönften Schlage 


ber Perfer, und waren vom Turk- und Usbeken- Stamme völlig verz | 
fehieden. Sie behaupteten das Land zwifchen Balk und Kabul habe 


vordem Bakhtur Zamin geheißen, worin Al. Burnes einen Ans 
Elang des grichhifchen Baktriana finden wollte, als dem Kriegstheater 
von Aleranders Heldenthatenz aber dieſer Name ift vielmehr nad E. 


 Bournouf?®), ver ältere ſchon dort einheimifche, Zendname 
(Bachter, von Apaf, der Norden, Apakhtara, das Norbland im 


Gegenfaß von Aria). 


Daß hier hellenifch= macebonifche Golonien, und nicht unbedeutende, 


von Alexandria ad Caucasum (Bamiyan) bis Alexandria ad Tanaim, 
wo Cyropolis oder Cyreschata einft die größte aller dortigen 
Städte, wol nahe dem heutigen Khodjend gegründet, und nebft Maras 
canda (Samarfand), noch 7 andere Städte von Alerander am ©is 
hun erobert wurden (f. Arriani de Expedit. Al. Lib. IV. c. 2 und 3), 
ift aus den Hiftorien bekannt. Nach der Verdrängung der Nachfolger 
Aleranders, als Präjecten und Gommandanten jener hellenifch=bactrifchen 


Herrfchaften, durch; Saken und Getengefdhledter (f. ob. ©. 420, 
421, 548, 568, 673, 692 u. a. D.), Tann man wol Eaum es für uns 
wahrfcheinlidy halten, daß diefe ihr Aſyl nicht in den offenen Ebenen 


Transoxianas und Sogdianas, fündern vielmehr in den geficherteren 
Alpengauen der obern Srusthäler gefuht haben wers 


den, mo fie wol frühzeitig genug, felbft bis Iskardo nach Baltiftan, 


an die Grenze Kaſchmirs, vorrücen Eonnten, fo daß die erfte Civiz 
Lifation dieſes Alpenthales, das durch feinen Goldreihthum feit alter 
Zeit die Aufmerkfamkeit auf ſich 309, durch helleniſch-baktriſche und fpäs 


ter feleucidifch = baktrifche Flüchtlinge und Verdrängte, keineswegs fo 


abenteuerlich feyn möchte, als dies beim erften Anblic erfcheint. Diefe 
Gegenden blieben außerhalb ter alles zerftörenden MongholensUchers 





216) E. Boornouf Commentaire sur le Yacna etc. Paris 1833. 4. 


p- CAT. 





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Die Alsranders Sage in Badakhſchan. 825 


fälle, faft ungeftört ober doch viel weniger geftdrt als ihre Umge⸗ 
bungen liegen; in ihnen lebte alfo die ältere Zeit länger fort, als in den 
weſtlichern Rachbarſtaaten. Erft mit den fortgefesten Einfälfen und 
Ueberfaͤllen tiefer eindringender Mohammedaner, gingen alfo wol die 
Erinnerungen und dorthin geflüchteten Documente hellenifdh = feleucidi- 
ſcher Herkunft unter, von denen fi zu M. Polos Zeit noch vielleicht 
nähere Beweife hätten einfammeln lafjen, von denen, nad) Abul Fa— 
zils Angabe, noch bei den Sewat’s und Bijore’s Häupflingen die ges 
nealogiihen Stammbaͤume fid) ‚vorfinden follten. Mag dem feyn wie 
ihm wolle, nod) bis heute, wo noch immer feine Turk und Usbeken Pos 
pulation in diefen Thalgebieten anfälfig geworden, und die Volksmaſſe 
noch die einheimifche geblieben, wollten mehrere der Eingebornen Badakh— 
ſchans, welche Al. Burnes darüber perföntich ſprechen hörte, ent- 
ſchieden ?*) von jenem berühmten Geſchlechte der Nachfolger Alexanders 
herfiammen, und ihre perfifhe Sprache ift, fagt derfelbe, wenig: 
ſtens Beweis für ihre dortige Anfiedlung und Herrfchaft vor der jün- 
gern Ueberfluthung durch turfredende Völkerftämme und arabifcher mit 
der mohammebanifchen Snvafion dort eingedrungener, die das flachere 
Transoxiana in ein mittelalteiges Mawar al nahar und in eine moderne 
Bucharei umwandeln mußte, 





’s) Al. Burnes Trav. I, c. Vol. Il. p. 217. 





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