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Full text of "Die Erfind Der Drahtseilbahnen: Eine Studie Aus Der Entwicklungsgeschichte ..."

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DIE ERFINDUNG 

DER 

Drahtseilbahnen. 



G. DIETERICH 



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Qua ber 

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bes 

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DIEERFINDUNG 
DER DRAHTSEILBAHNEN 



EINE STUDIE 

AUS DER ENTWICKLUNGSOESCHICHTE 

DES INOENIEURWESENS 

VON 

DIREKTOR Q. DIETERICH 



W 



VERLAG 

HERMANN ZIEGER :: LEIPZIG 

1908 



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V'^ 



J .1 . 



Geleitwort. 



Vergraben ist in ewiger Nacht 

Der Erfinder grosser Name zu oft. 

Was ihr Geist grtibelnd entdeckt, nutzen wir; 

Aber belohnt Ehre sie auch? 

(Klopstock.) 

Unsere schnellebige Zeit lernt leicht, sie vergiBt aber noch 
leichter. In unserem nervosen Zeitalter ist der Sinn fur das Histo- 
rische ohnehin nicht sehr stark entwickelt, der wilde Kampf urns 
Dasein, der nie ruhende geschaftliche Wettbewerb, der sich jeder 
Erfindung, jeder neuen Erscheinung bemachtigt, ist der Moloch, der 
jede Erinnerung verschlingt, dessen Priester dem Vorwarts- 
strebenden nur so lange ein Recht lassen, als er den geschaftlichen 
Vorteilen des lieben Nachsten nicht gefahrlich wird, die ihn dann 
aber erbarmungslos in dem feurigen Rachen verschwinden lassen. 

Und ist heute der „Erfinder" gar noch Qeschaftsmann 

Oder Fabrikant, so wird die Klopstock'sche Frage: „Aber belohnt 
Ehre sie auch?" um so berechtigter, je groBer der geschaftliche Er- 

folg einer Erfindung ist , denn dann hatte er entweder die 

Erfindung einem anderen „entlehnt", oder er hatte nur einfach 
„Qluck". 

Sehr oft verkennen wir den Begriff der Erfindung. So lange die 
Technik, die QroBindustrie, noch nicht die vorherrschende Stellung 
in unserem Kulturleben einnahm, wie seit 100 Jahren, so lange die 
Wissenschaft nur einzig und allein Selbstzweck war und der Tech- 
nik noch nicht ihre Ergebnisse zu einem gesellschaftlichen Zwecke 
abzuliefern hatte, war der Begriff der Entdeckung von dem der Er- 
findung nicht Oder nur schwer zu trennen. Fast jede Erfindung aus 
der Zeit vor der Eihfiihrung der Dampfmaschine fuBte auf einer 
neuen Entdeckung. Heute ist die Erfindung aber nicht mehr allein 
die gewoUte oder zufallige Auffindung einer konkreten Tatsache, die 
Stellung und grundlegende Losung einer Aufgabe, sondern sie geht 
iiber die Aufnahme einer bisher unbekannten Tatsache in die 
menschliche Erkenntnis hinaus, sie ist die Losung eines technischen 
Problems unter Festlegung bestimmter Regeln, unter denen diese 

1* 



2h}V^d 



-: 4 -'-^ 



Losung in alien denkbaren ahnlichen, aber nicht gleichen Fallen 
gewerblich verwertbar wiederholt werden kann. Die einmalige 
Losung einer Aufgabe, die die Technik gestellt hat — mag die Auf- 
gabe noch so schwierig, die Losung noch so geistreich sein, — ist 
keine Erfindung, wenn diese Losung nicht dazu geeignet ist Qe- 
meingut der Technik zu werden, ebenso wenig wie auch eine unvoll- 
standige Losung, nur die Andeutung eines Weges, auf dem die 
Losung moglich ist, ohne daB dieser Weg auch zum Qehen bereitet 

wiirde. ^yurde sonst Watt der Erfinder der Dampfmaschine, 

Stephenson der Erfinder der Lokomotive genannt werden konnen, 
Edison der der Qluhlampe, da doch lange vor diesen Erfindern 
Dampfmaschinen, Lokomotiven, Qliihlampen vorhanden waren? 

Oder gab es in der Neuzeit keinen Erfinder eines Qeschiitzes 

Oder einer Maschinenkanone, da doch das Berliner Zeughaus allein 
etwa ein Dutzend Maschinengeschiitze aufweist, die Jahrhunderte 
alt sind? — 

Dies als Qeleitwort fiir eine Betrachtung aus der 
Erfindungsgeschichte der Drahtseilbahnen. 



Einleitung. 



Die Entstehung der Luftbahnen oder Seilbahnen muB uns in 
ihren Anfangen ein ebenso naturgemaBer und selbstverstandlicher 
Vorgang erscheinen, wie etwa die Erfindung des Hammers, den 
der Urmensch sich in ganz naturnotwendiger Weise aus dem Stein, 
den er zu primitiven Arbeiten in die Hand nahm, entwickelte, wie 
die Entstehung der ersten Briicke aus einem tiber eine schmale 
Schlucht, iiber einen natiirlichen Qraben gelegten Baumstamm. 
Die Natur selbst, namentlich in den Tropen, bietet ja Wege durch 
die Luft, die ganz von selbst entstanden sind, in reichlicher Menge 
dar: eine Liane, eine groBe Schlingpflanze, spannt sich von Baum 
zu Baum, das die Urwalder bewohnende Tier benutzt diesen natiir- 
lichen Weg in seinem Instinkt von selbst. Qewisse Tierarten, wie 
der Affe, das Faultier, das wahrend seiner ganzen Lebenszeit den 
festen Boden nicht freiwillig beriihrt, zeigen, indem sie an ihren 
Extremitaten hdngend, diesen Weg passieren, dem Menschen ganz 
von selbst die Art der Verwendung eines solchen, indem sie ihn 
mit unter der Bahn hangendem Korper, also im stabilen Qleich- 
gewicht, passieren. Noch heute finden wir in den wenig der Kultur 
erschlossenen Qegenden des inneren Afrika, ebenso wie in Hinter- 
indien, auf Java, dem Innern von Sumatra an Tausenden und Aber- 
tausenden von Platzen naturliche hangende Briicken, die aus nichts 
mehr bestehen, wie aus einigen zusammengedrehten, an einem Ufer 
eines Flusses wurzelnden Schlinggewachsen, die iiber diesen hinaus- 
gespannt, auf der anderen Seite an einem Baume befestigt sind, 
und die als Hangebriicke, als ein durch naturliche Seile gebildeter 
Weg angesprochen werden miissen. 

Die ersten Luftbahnen muBten aus dem ganz natiirlichen Be- 
streben entstehen, bei dem Austausch der korperlichen Qiiter von 
der Qestaltung des Bodens, der mit seinen Erhohungen und Ver- 
tiefungen, seiner Unebenheit, der Bewegung 'groBer Massen erheb- 
lichen Widerstand entgegensetzt, unabhangig zu werden, die 
Massenbewegungen in die Luft zu verlegen, wo sie in grader Linie 
beliebige Entfernungen durcheilen konnen. Da aber die Luft eben- 



— 6 — 

sowenig Balken hat, wie das Wasser, dessen Tragfahigkeit 
schwimmenden Korpern gegeniiber man langst erkannt, das als 
Verkehrsmittel man langst benutzen gelernt hatte, muBte man nach 
einer geeigneten Unterstutzung suchen, an der die Lasten schwe- 
bend bewegt werden konnten, und diese bot ganz naturgemaB auf 
kurze Strecken der Balken, die Briicke, auf groBe Entfernungen 
das Sell. 

Das Sell darf als eines der altesten mechanischen Elemente an- 
gesehen werden. Man muB schon in den allerfruhesten Zeiten der 
Menschheit erkannt haben, daB sich durch das Zusammenwinden 
einzelner biegsamer und elastischer Faden, mochten es aus Tier- 
hauten geschnittene Riemen, oder Pflanzenfasern sein, zugfeste 
Seile herstellen lassen, deren Festigkeit diejenige der etwa nur 
parallel nebeneinandergelegten in ihrer Summe ubersteigt, da nur 
durch das Verwinden oder Verflechten der Faden eine annahernd 
gleiche Beanspruchung aller Fasern zu erzielen war. Aber nicht 
allein die Seile aus Fasern organischen Ursprunges sind als solche 
alten Maschinenelemente zu betrachten, neueren Forschungen und 
Entdeckungen ist es gelungen, nachzuweisen, daB Drahtseile mit 
groBer Bestimmtheit schon zu Beginn unserer Zeitrechnung 
existiert haben, der Fund eines aus Bronzedrahten hergestellten 
Seiles in den Ruinen von Pompeji beweist dies, ebenso wie zweifel- 
los den Egyptern schon weit vor dieser Zeit Drahtseile bekannt 
gewesen sein mussen. 

Die Kenntnis der Drahtseile hatte natiirlich die vorherige Kennt- 
nis der Drahte vorausgesetzt, aus Metallen hergestellter Fasern, 
die als Ersatz des Materials der Faserseile hatten dienen konnen, 
und diese Herstellung von Drahten laBt sich zuruckverfolgen bis 
in die friihesten Zeiten geschichtlicher Aufzeichnung iiberhaupt. 
Erwahnenswert mag sein, daB z. B. Qolddrahte schon in der Bibel 
genannt werden als Material fur die Stickereien der Priester- 
gewande des Aaron. Das Kensington-Museum besitzt Drahtiiber- 
reste aus den Ruinen von Niniveh etwa 800 v. C. Homer und 
Plinius lassen in ihren Schriften mehrfach deutliche Hinweise auf 
das Bekanntsein mit Drahten oder diinnen Faden aus Metall er- 
kennen. Allerdings sind die damaligen Drahte nicht in unserem 
heutigen Sinne durch Ziehen angefertigt (mit Ausnahme vielleicht 
der Qolddrahte) sondern nur ausgehammert, ebenso wie die Kennt- 
nis speziell eiserner Drahte im Altertum unbekannt gewesen sein 
diirfte. Lediglich von Gold-, Silber- und Bronzedrahten lassen sich 
im Altertum entweder Oberreste oder Mitteilungen nachweisen, 
wenn es auch nicht ganz unmoglich ware, daB dadurch, daB Eisen 
durch Rost der voUstandigen Zerstorung ausgesetzt ist, etwaige 
Oberbleibsel eiserner Drahte ganz verschwunden sein konnten. 

Das Drahtziehen selbst ist eine Erfindung des Mittelalters und 



— 7 — 

offenbar eine deutsche Erfindung, deren Ursprung wahrscheinlich 
nach dem Lennegebiet zu verlegen ist. Jedenfalls war die Her- 
stellung eiserner Drahte im Lennegebiet im 14. Jahrhundert be- 
kannt. Wir finden in Chroniken von Augsburg und Niirnberg, die 
aus dem Jahre 1351 bzw. 1360 herruhren, den Ausdruck „Draht- 
zieher" in Verbindung mit dieser Industrie. Kurz nach dem er- 
wahnten Zeitraum errichtete ein gewisser Rudolf in Niirnberg dann 
eine Drahtzieherei unter Verwendung einer sogenannten Ziehplatte, 
die hochstwahrscheinlich schon eine Verbesserung der Kunst des 
Drahtziehens von Hand darstellte und die Drahtzieherei auf eine 
gewisse Stufe von Vollkommenheit brachte. Wenigstens deuten die 
Schriften von Conrad Celdes, etwa urns Jahr 1490, darauf hin. 
Qegen das Jahr 1500 soil ein gewisser Richard Archal die Draht- 
zieherei in Frankreich eingefiihrt haben, 1565 findet man in England 
Maschinen zur Herstellung gezogener Eisendrahte, die offenbar 
durch einen Sachsen C. Schultz dort eingefiihrt worden waren, der 
gemeinsam mit einem gewissen Calleb Bel in QroB-Qreenfield- 
Valley eine durch Wasserkraft betriebene Drahtzieherei errichtete, 
deren Oberreste noch heute vorhanden sind. Die ersten Anfange 
der Qriindung einer der groBten Drahtfabriken der Welt, der Firma 
Felten & Quilleaume, fallen in das Jahr 1750, in dem von Felten 
eine Drahtzieherei auf fiir damalige Verhaltnisse schon groB-' 
industrieller Qrundlage in der Nahe von Koln errichtet wurde.*) 

Die ersten Drahtseile, die sich nachweisen lassen, selbst das vor 
einigen Jahren in den Ruinen von Pompeji aufgefundene, schlieBen 
sich in ihrer Konstruktion unmittelbar an die Faserseile an, d. h. sie 
besitzen Kreuzschlag. Es kann angenommen werden, daB man ohne 
eigentliche Kenntnisse des Verhaltens der Drahte in einem Sell ein- 
fach das organische Fasermaterial durch Metallfasern ersetzte. 
Es ist mehr wie wahrscheinlich, daB sich solche Drahtseile (auch 
aus Eisendrahten), durch das ganze Mittelalter hindurchziehen, ohne 
daB sie jedoch eine umfassende Anwendung gefunden hatten. Viel- 
fache Notizen aus dem Harzer Bergbau, namentlich Calvoer 1763, 
ebenso Mathesius 1504 — 1566 erwahnen neben ledernen Seilen auch 
Eisenseile, die Professor Hoppe in Clausthal allerdings als lang- 
gliederige Ketten angesehen haben will. Unter den wissenschaft- 
lichen und technischen Aufzeichnungen des Leonardo da Vinci 
1452 — 1519 findet sich jedoch ein unmittelbarer Hinweis auf das 
Drahtseil in der Beschreibung eines Paternosterwerkes mit Tret- 
rad, wozu sich der Text befindet: „Das Seil fiir obiges Instrument 
muB von Drahten aus gegliihtem Eisen oder Kupfer sein, andern- 
falls ist es von geringer Dauer, und die genannten mussen so dick 



*) J. Bucknall Smith. Wire, its Manufacture and Use. London and 
New-York 1891. 



— 8 — 

sein wie Bogenschnur usw."*) In alien diesen Fallen diirfte es sich 
jedoch wohl kaum um eine wirkliche Erfindung eines Drahtseiles 
in dem heutigen Sinne gehandelt haben. Es waren, wie dies auch 
schon hier unter der Beleuchtung der Erfindung von Seilbahnen 
mehrfach erw^hnt wird, hochstwahrscheinlich nur Einzelver- 
wendungen, die sich aus den augenblicklichen Bediirfnissen ergaben. 
Unzweifelhaft nachgewiesen ist aus dem Beginn der 20er Jahre 
des 19. Jahrhunderts, 1821—22, daB bei Qenf eine Seilbriicke aus 
Drahtseilen gebaut worden ist, deren einzelne Tragseile aus einer 
Anzahl paralleler oder nur sehr schwach gegeneinander verdrehter 
Drahte bestand, die durch eine auBere Hulle von diinneren Drahten 
zusammengehalten wurden. 

Als der wirkliche Erfinder des heute bekannten Drahtseil- 
systems, als der Erfinder der Litzenseile mit parallelem Schlag, 
die sich also grundlegend von den alten Faserseilen unterscheiden, 
ist der bekannte Oberbergrat Albert in Clausthal, 1787—1846 a^zu- 
sehen. Ihm gebiihrt zweifellos das Verdienst, mit seinen in Pa- 
rallelschlag (oder nach ihm genannten „Albert"-Schlag) herge- 
stellten Seilen der gesamten Fordertechnik iiberhaupt erst eine 
Qrundlage gegeben zu haben, auf der sie sich zu ihrer heutigen Hohe 
entwickeln konnte. Die ersten von ihm hergestellten Seile fallen 
in das Jahr 1834.**) Schon etwa in das Jahr 1837 fallt die fabrik- 
maBige Aufnahme der Drahtseilherstellung durch die Firma Felten 
& Quilleaume in Koln, kurz darnach aber auch die Einfuhrung dieser 
Fabrikation in England. Eine gewisse Unsicherheit in bezug auf 
Albert konnte lediglich da erblickt werden, daB ein gewisser 
J. Wilson in Derby in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts 
darauf offentlich Anspruch gemacht hat, schon 1832 Litzenseile fiir 
die Haydock Collieries in Lancashire angefertigt zu haben. 

Aus der nachweislich 1822 in Qenf zum ersten Male ange- 
wandten, von den Englandern „Selvagee" genannten Konstruktion, 
die 1835 ebenfalls zum Bau der Freiburger Hangebriicke in einer 
Spannweite von beinahe 250 m Anwendung fand, und die noch bis 
in die neueste Zeit hinein, namentlich bei dem Bau der New-Yorker 
und Brooklyner Briicken angewandt wurden, diirften sich die heute 
fiir den Drahtseilbahnbau als Laufbahn so wichtig gewordenen Spi- 
ralseile entwickelt haben, deren letzte Verbesserung zu ver- 
schlossenen Seilen etwa 1884 von Latch & Bachlor in die Offent- 
lichkeit gebracht wurde. 



*) Beck, Beitr^lge zur Geschichte des Maschinenbaues. 

**) O.Hoppe. Beitrage zur Geschichte der Erf indungen. Essen, Ruhr, 1907 



— 9 



Schwebende Seilbahnen vor Anwendung des 
Drahtseiles. 

Mit dem Seile sind zwei Moglichkeiten gegeben, einen Luft- 
transport einzurichten, einmal die, das Seil als teste Schiene, als 
sehr schmale Fahrbahn, gewissermaBen als linienformige StraBe in 
die Luft zu verlegen und uber dieselbe hinweg, wie auf jeder an- 
deren StraBe auch, bewegte Wagen laufen, Lasten sich bewegen 
zu lasseti, oder aber, als zweite Losung: man zog ein bewegliches 
Seil zwischen den zu verbindenden Punkten bin und her und be- 
nutzte dieses bewegte Seil als Lasttrager, bei dem die Last relativ 
zum Seil ruhig steht. 

Fiir beide Qrundformen, heute als Einseil- und Zweiseilsystem 
bekannt, liegen Beispiele aus den altesten Zeiten vor und zwar Bei- 
spiele, die teilweise eine sehr bemerkenswerte Durcharbeitung der 
Einzelheiten aufweisen, wenn sie auch niemals mehr darstellen, als 
eine auf einen bestimmten Fall zugeschnittene konstruktive Losung. 
Hiernach kann aber von einer auf Erkenntnis des Prinzips be- 
ruhenden Erfindung in der neuen Technik uberhaupt nicht mehr ge- 
sprochen werden. Jede Weiterarbeit auf diesem Qebiete muBte 
sich vielmehr auf eine geeignete, technisch wiederholbare und ge- 
werblich verwertbare Ausfiihrungsform beschranken, auf die Er- 
findung eines den Fortschritten der neuzeitlichen Technik ent- 
sprechenden, allgemein brauchbaren und in sich abgeschlossenen 
konstruktiven Systems. 

Aber gerade diese Aufgabe stellt in ihrer Qesamtheit so auBer- 
ordentlich hohe Anspriiche, daB ihre Losung in ihrer Bedeutung fiir 
die Technik weit iiber das hinausgeht, was die Erkenntnis der 
Qrundformen bedeutete. Bei letzterer handelt es sich nur mehr 
Oder weniger um die mit kiinstlichen Mitteln hervorzubringende 
Nachahmung hier und da gegebener naturlicher Vorbilder. Zur 
Schaffung eines ganzen konstruktiven Systems aber konnten diese 
Qrundformen lediglich als gegebene Unterlagen benutzt werden, zu 
ihnen muBte aus dem groBen Qebiete der iibrigen technischen Ele- 
mente zuerst das herausgesucht werden, was dazu dienen konnte, 
sie zur Verwendung unter allgemeinen Verhaltnissen zu benutzen, 
und diese Erganzung hatte stattzufinden, einmal unter umfang- 
reicher Schaffung neuer mechanischer Elemente und Formen, ein 
anderes Mai unter stetiger Berucksichtigung des neben dem tech- 
nischen Fortschritt zu erzielenden wirtschaftlichen Erfolges des so 
neu geschaffenen Systems. 

Die historischen Quellen und die Literatur, aus denen eine Qe- 
schichte der Entwickelung des Luftseilbahnbaues zu schopfen hat. 



— 10 — 

sind sehr sparlicher Natur, namentlich laBt es sich fast nirgends 
nachweisen, daB etwa eine im oder vor dem Mittelalter gebaute 
Seilbahn einer bestimmten Art einer anderen als Vorbild gedient 
hatte, daB die Ausfiihrung der Idee eines zu damaliger Zeit uber 
den Durchschnitt hinausragenden Baumeisters insofern frucht- 
bringend gewesen ware, als sie andere zur Nachahmung angereizt 
hatte. Man gewinnt bei der Betrachtung fast aller alteren Bahnen 
den Eindruck, als habe jeder Erbauer derselben die Idee erst ganz 
neu gefaBt. Diejenigen Nachweise uber schwebende Seilbahnen 
aus friiheren Jahrhunderten, die in technischen oder wissenschaft- 
lichen Werken zu finden sind, lassen den Mangel einer Weiterent- 
wicklung, trotz der zeitlichen Folge, in der sie festgestellt werden 
konnen, sehr bemerken. So findet man Literaturstellen, in denen 
altere Bahnen mit verhaltnismaBig weit entwickelter Einzel-Kon- 
struktion beschrieben und dargestellt sind, aus friiheren Zeiten, als 
spatere von auBerst primitiven und unbeholfenen Bauarten. Die 
friiheste in der wissenschaftlichen bzw. technischen Literatur des 
Abendlandes festgestellte Beschreibung einer Seilbahn stammt aus 
dem Beginn des 15. Jahrhunderts. Es ist aber nicht anzunehmen, 
daB zu Beginn des 15. Jahrhunderts die ersten Seilbahnen iiber- 
haupt erst gebaut worden sind. Wir kennen aus alten chinesischen 
und japanischen Darstellungen, teilweise auch aus den Ergebnissen 
einer vergleichenden Sprachforschung, ferner aus heute noch be- 
stehenden Resten alter Aniagen, namentlich in Hinterindien, 
Schwebebahnen, deren Anlage weit vor das 15. Jahrhundert zu 
legen ist. 

Auffallig ist, daB in den vielen Veroffentlichungen der alten 
Romer oder Qriechen sich so wenig finden laBt, das auf die Ver- 
wendung des hier besprochenen Transportmittels verweisen konnte. 
Es ist dies um so auffalliger, als gerade bei den Romern die oftmals 
sehr eilige ErschlieBung der von ihnen in ihren vielen Kriegen er- 
oberten fremden Qebirgsteile in Mittel- und Siideuropa, die zum 
groBten Telle gebirgiger Natur sind, die Anlage solcher Verbin- 
dungswege an schwierigen Punkten geradezu gefordert hatte; 
wissen wir doch ganz bestimmt, daB den Romern sogar schon die 
Drahtseile bekannt waren, daB bei ihnen die Verwendung von 
Faserseilen, namentlich zu auBerst verwickelten Hebevorrichtungen, 
eine sehr vollkommene Ausbildung erlangt hatte, und daB nach- 
weislich Seiltanzer den Romern nicht ganz unbekannte Artisten 
waren. — Wie nahe lag da die Ableitung 

Auch bei den Qriechen, die sich einer doch sehr hoch ent- 
wickelten Bautechnik erfreuten, laBt das Fehlen solcher Spuren 
Wunder nehmen, was vielleicht weniger der Fall zu sein braucht 
bei den alten Egyptern. War bei diesen auch die Verwendung von 
Faserseilen, und vermutlich auch, da ihnen die Herstellung von ge- 



— 11 — 

hammerten Drahten bekannt war, moglicherweise sogar schon die 
Verwendung von Drahtseilen oder Drahtseil-ahnlichen Maschinen- 
elementen bekannt, so hot sich ihnen in ihrem gebirgslosen Lande 
fast gar keine Qelegenheit zur Anlage von schwebenden Transport- 
einrichtungen. Fast scheint es, als sei das Transportmittel der 
schwebenden Bahnen den Volkern des Mittelmeerbeckens im Alter- 
tum tatsachiich unbekannt geblieben. Es laBt sich dies urn so eher 
vermuten, da eines deraitestenSchriftwerkederKulturwelt, dieBibel, 
die oft, wenn auch manchmal nurinschwerauffindbarenHinweisen (z. 
B.Drahtherstellung) auf die Verwendung weit fortgeschrittener tech- 
nischer Einrichtungen schlieBen laBt, nirgends auch nur eine einzige 
Stelle enthalt, die nach der Richtung gedeutet werden konnte, als 
sei eine solche Einrichtung in dem groBen Zeitraum, den sie uber- 
spannt, bekannt gewesen. 

/ Als bestimmt anzunehmen ist es aber, daB den Volkern des 
Ostens, den Chinesen und namentlich den Japanern, deren Land 
mit seinen vielen gebirgigen Erhebungen, mit seinen tiefen Zer- 
kliiftungen einen sehr geeigneten Boden fur die Entwickelung dieses 
Transportsystems bot, geradezu zu seiner Ausbildung aufforderte, 
die Seilschwebebahnen wohl schon seit mindestens 1000-2000 J ahr en 
bekannt waren, Fig. 1. Bei der Zahigkeit, mit der namentlich die 
hinterindischen Volkerschaften an xiem Hergebrachten festhalten, 
mit der sie ihre Kleidung, ihre Literatur, ihre Qebrauchsgerate un- 
verandert durch Jahrtausende bewahrt haben, bieten sie uns eine 
wertvolle Fundgrube fur viele Erfindungen und technische Kon- 
struktionen, die oftmals bei uns erst ein Alter von wenigen Jahr- 
zehnten haben, die dort tief versteckt in den unzuganglichen Qe- 
birgen, durch die Selbstverstandlichkeit, mit der sie von diesen 
Volkern benutzt wurden, kaum als des Beschreibens wert ange- 
sehen, seit vielen Jahrhunderten vorhanden sind. 

Mit dem Worte „Shula" auch „Chinka" bezeichnen die Qebirgs- 
bewohner des Himalaya ein starkes iiber einen Strom gespanntes 
Seil. In demselben lauft ein Holzblock, der zum Sitzen der Passa- 
giere dient und der uber den Strom hin- und hergezogen werden 
kann. Eine solche Shula befindet sich angeblich jetzt noch im Be- 
trieb bei Rampur uber dem Setledsch, wie die Anzahl dieser 
Brucken iiberhaupt in den indischen Qebirgslandern eine ziemlich 
groBe ist.*) 

Ferner wird heute noch von den Eingeborenen in der Provinz 
Kaschmir in Indien etwa 60 englische Meilen westlich von der Re- 
sidenz des Maharadschas der Jhelun-River uberschritten, mit einer 
Seilbahn, wie sie beistehendes Bild zeigt. Zur Zeit der Schnee- 
schmelze stiirzen machtige Wassermengen von dem Tal des Jhelun 



*) Merkel. Die Ingenieurtechnik im Altertum. 



— 12 — 

herunter und stromen mit groBter Qeschwindigkeit, in dem Che- 
naub-River sich vereinigend, in den Punjab und gelangen von da 
nach dem Indus. Diese reiBenden Wasser werden von einem etwa 
1 Zoll starken Seil aus zusammengedrehter Rohhaut uberspannt. 
Fig. 2. Ein aus einem gabelformig gewachsenem Holz hergestelltes 
Joch hangt iiber diesem Seil und tragi zwei Seilschlingen, die als 




Fig. 1. 



Alte japanische SeilbrQcke (nach einem japanischen Original, Buch der 
Erfindungen, Leipzig 1872). 



Sitz fiir den Eingeborenen dienen, der diese Seilbahn passieren 
will. Ferner ist an dem Joch ein Zugseil befestigt, ein dunneres 
Hanfseil, das in besonderen Ringen unterhalb des Tragseiies an 
diesem aufgehangt ist und mittelst dessen das vorerwahnte Joch 
hin- und hergezogen wird. In der Abbildung ist neben dieser Bahn 
ein zweites aus Hanf geflochtenes dickes Seil erkennbar, das eine 



13 



Stelle lange Zeit in Qebrauch gewesene sehr einfache 
arstellt. Die eigentiiche Laufbahn dieser Brticke besteht 
a dtinneren Seil, das ebenfalls an diesem dicken Seii an- 



f 1 




Fig. 2. Alte Seilbahn in Kaschtnir. 



gehangt und durch eine Anzahi von Verbindungen mit ietzterem 
in einer bestimmten Entfernung von diesem gehalten ist, sodaB man 
sich, seitwarts mit den FiiBen auf dem diinnen Seil ausschreitend, 
an dem dicken festhaiten muBte, um diese Briicke zu passieren.*) 



*) Aus „Technische Rundschau", Berlin, 24. IV. 07. 



— 12 — 

herunter und stromen mit groBter Qeschwindigkeit, in dem Che- 
naub-River sich vereinigend, in den Punjab und gelangen von da 
nach dem Indus. Diese reiBenden Wasser werden von einem etwa 
1 Zoll starken Seil aus zusammengedrehter Rohhaut uberspannt. 
Fig. 2. Ein aus einem gabelformig gewachsenem Holz hergestelltes 
Joch hangt iiber diesem Seil und tragi zwei Seilschlingen, die als 




Fig. 1. Alte japanische Seilbrucke (nach einem japanischen Original, Buch der 
Erfindungen, Leipzig 1872). 



Sitz fiir den Eingeborenen dienen, der diese Seilbahn passieren 
will. Ferner ist an dem Joch ein Zugseil befestigt, ein diinneres 
Hanfseil, das in besonderen Ringen unterhalb des Tragseiles an 
diesem aufgehangt ist und mittelst dessen das vorerwahnte Joch 
hin- und hergezogen wird. In der Abbildung ist neben dieser Bahn 
ein zweites aus Hanf geflochtenes dickes Seil erkennbar, das eine 



— 13 — 

an dieser Stelle lange Zeit in Qebrauch gewesene sehr einfache 
Brticke darstellt. Die eigentliche Laufbahn dieser Briicke besteht 
aus einem diinneren Seil, das ebenfalls an diesem dicken Seil an- 




Fig. 2. Alte Seilbahn in Kaschtnir. 



gehangt und durch eine Anzahl von Verbindungen mit ietzterem 
in einer bestimmten Entfernung von diesem gehalten ist, sodaB man 
sich, seitwarts mit den FuBen auf dem dunnen Seil ausschreitend, 
an dem dicken festhalten muBte, um diese Brticke zu passieren.*) 



*) Aus „Technische Rundschau", Berlin, 24. IV. 07. 



— 14 — 

Eine andere sehr alte japanische Zeichnung, Fig. 3, enthalt eine 
sehr bemerkenswerte Angabe uber eine Luftseilbahn, die schon mit 
Doppeltragseil und offenbar hin- und hergehendem Zugseil ausge- 
riistet ist. Sie zeigt die Verbindung zweier Felsplatten, von denen 
die eine wesentlich hoher liegt, wie die andere, und zwischen denen 
eine Schlucht schroff in die Tiefe zum Meere hinunterfallt.*) 
Zwischen zwei Boci^en sind die nach riickwarts verankerten Trag- 
seile ausgespannt, auf deren jedem sich ein, wie sich aus dem 
Bilde deutlich erkennen laBt, zum Personentransport dienender 




Fig. 3. Zweiseilbahn mit hin- und hergehendem Betrieb, nach einer alten japanischen Zeichnung. 



Laufwagen bewegt. Dieser nach Art einer Qondel geflochtene 
Wagen hangt in Dreiecksgehangen, die sich mit Hilfe von zwei 
Rollen auf das Tragseil auflegen. Eigentiimlich ist die Art der Be- 
forderung. An jedem dieser Korbe befinden sich zwei Zugseile, die 
mit ihren Enden nicht iiber Rollen oder irgend eine Antriebsvor- 
richtung gezogen sind, sondern die lediglich von den die das Hin- 
und Herbewegen besorgenden Arbeitern gezogen bzw. nachgeiassen 
werden, eine in Anbetracht der starken Steigung offenbar sehr 
schwierige und gefahrliche Arbeit. Es scheint jedoch, als sei die 
Zeichnung in dieser Hinsicht nicht ganz zuverlassig, da sich in ihr 



*) Die Allgemeine Polytechnische Zeitung No. 12. 1878. Berlin. 



— 15 — 

ferner noch erkennen laBt, daB an jedem Wagen sich nach der 
einen Seite hin das Zugseil spaltet bzw. als doppeltes Seil erscheint. 
Hiernach ist anzunehmen, daB das Zugseil auf eine flaschenzug- 
formige Einrichtung herauskommt, mit dereh Hilfe es moglich ist, 
die auBerordentiich groBe Steigung beim Aufwartsbefordern des 
einen Korbes ieichter zu iiberwinden und die kolossale Beschleu- 
nigung, die der abwartsfahrende Korb von selbst bekommt, abzu- 
bremsen. 

Die erste Quelle aus der Literatur des Mittelalters befindet sich 
in der k. k. Hofbibliothek zu Wien (Handschriften-Katalog, Cod. 
Nr. 3069) und ist ein sogenanntes Feuerwerksbuch, also eines jener 
kostbaren Handschriften, in denen die Artilleristen des Mittelalters, 
die Zeugmeister, neben ihren Kenntnissen in der Kunst der „Akeley" 
und in der Bereitung des Pulvers auch ihre anderen technischen 
Kenntnisse niedergelegt haben, Handschriften, welche namentlich 
ftir die Qeschichte des Ingenieurwesens von ganz besonderem 
Werte sind. Die Handschrift Cod. 3069 ruhrt von Johann Hartlieb 
und aus dem Jahre 1411, also ganz aus dem Anfange des 15. Jahr- 
hunderts her, und ist eine der altesten der bekannten derartigen 
Handschriften iiberhaupt, da sie chronologisch 1. der von Munchen 
(Universitats-Bibliothek, Cod. germ. Nr. 600, geschrieben zwischen 
1350 — 80); 2. der von Wien aus der Ambraser Sartimlung (Piken, 
Kriegsriistung, Sturmzeug und Feuerwerksbuch, Ende des 14. Jahr- 
hunderts); dann 3. der von Qottinger (Universitats-Bibliothek, Ka- 
talogs-Nr. Cod. 63, „Keyser's Waffenbuch" vom Jahre 1405) und 
endlich 4. der Handschrift aus der Mtinchener Universitats-Biblio- 
thek (Cod. 600) folgt, welche letztere von Abraham v. Memmingen 
herruhrt. Dieses Feuerwerksbuch wurde nach Einigen 1410, nach 
Anderen 1414 oder 1417 fur Herzog Friedrich von Tyrol (t 1439) 
geschrieben, und ist nach den Forschungen im Niirnberger ger- 
manischen Museum das Original fiir alle spateren Feuerwerks- 
Handschriften und fruhesten derartigen Druckwerke: so z. B. fur 
die Nurnberger Handschrift (germanisches Museum) aus dem 
15. Jahrhundert; fur die Ambraser Handschrift Cod. 52 zu Wien, 
welche das Wappen des Brandenburgers tragt, also zwischen 1415 
und 1440 fallt; fiir das Freiburger Schiitzenbuch vom Jahre 1424; 
fiir den Mtinchener Codex 4092, das Feuerwerksbuch Conrad's v. 
Schongau vom Jahre 1432; fur den Codex Nr. 3062 vom Jahre 1447 
in der Wiener k.k. Hofbibliothek; fur den Codex im Nurnberger 
germanischen Museum vom Jahre 1450; fur den bertihmten Codex 
2952 der Wiener Hofbibliothek vom Jahre 1457; dann fur die zwei 
alten Prunkwerke, von denen sich das eine von „Hansen Knappen, 
anno 1511" im Stadtarchiv zu Augsburg und das andere, die „Ptich- 
senmaisterey durch Joachim Brechtel, anno 1591" im Nurnberger 
germanischen Museum befindet. 



— 16 — 

In dem Wiener Codex 3069 vom Jahre 1411 findet sich nun eine 
regelrechte „Seilbahn" abgebildet. Fig. 4. Ztir linken Hand der 
Zeichnung ist eine Burg dargestellt, die auf einem Felsen steht; in 
der Mitte des Biides ist ein tiefes Tal, der Burggraben skizziert, 
und zur Rechten steht ein Mann vor einem Haspel, um dessen 
Wellrad ein Seil ohne Ende geschlungen ist, das sich in einem Zu- 
gange zur Burg (wo die Spannweile steht) verliert; auf dem Seile 
hangen nun die TransportgefaBe (Korbe), welche durch den be- 
zeichneten Mechanismus iiber die Schlucht bewegt werden.*) 

Schon diese altesten nachweisbaren literarischen Darstellungen 
iassen in den Konstruktionsgrundzugen eine Ausbildung erkennen, 
die, wenn auch nur sehr skizzenhaft gezeichnet, doch vielen spater 
auftretenden gegeniiber eine weit vorgeschrittene genannt werden 
muB, da urtzweifelhaft auf eine Verbindung von endlosem Seil mit 
einem mechanischen Antrieb, mit einem Haspel hingewiesen wird. 
In dieser Kombination liegt aber schon ein fiir damalige Zeit groBes 
erfinderisches Moment, das noch gegen das Jahr 1870 hin von der 
englischen Patentbehorde als genugend zur Patentierung angesehen 
wurde. 

Nur wenig spater, um das Jahr 1430 bis 1440 erscheint eine neue 
Notiz iiber eine Seilbahn oder vieimehr eine seilbahnahnliche Trans- 
porteinrichtung.**) In der Miinchener Koniglichen Bibliothek be- 
findet sich eine Handschrift von der Zeit der Hussitenkriege, zwei 
Hefte, ein deutsches und ein italienisches, die zusammen in einem 
Band vereinigt sind, und dessen zweites wenigstens ziemiich sicher 
von Marianus Jacobus (genannt Taccola) von Siena stammt. Diese 
Hefte enthalten eine groBe Anzahl von technischen Einrichtungen, 
die sich im wesentlichen auf die in den damaligen Hussitenkriegen 
angewandten artilleristischen Einrichtungen beziehen, wenn auch 
eine Menge Einrichtungen mit beschrieben sind, die mechanische 
Hilfsmittei aiigemeiner Natur darstellen. Ein Hinweis an anderer 
Steile des Buches laBt vernehmen, daB die folgende beschriebene 
Bahn etwa 1438 von dem Verfasser gesehen worden ist. 

Blatt 23, Heft II, dieser Handschrift zeigt, wie man eine Bom- 
barde oder eine andere Last durch Zugtiere iiber einen FluB oder 
eine Schlucht schaffen kann, welche die Zugtiere nicht tiberschreiten 
konnen. Zwischen einem Baume auf dem linken und einem ein- 
geschlagenen Pflocke auf dem rechten FluBufer ist ein Seil ge- 
spannt, an das die Bombarde vermittelst eines Ringes gehangt ist. 
An den Baum ist eine Flasche mit einer Roile gebunden, uber welche 
ein Zugseil geht, dessen eines Ende an dem Ringe, der die Bom- 



♦) Rziha, Wochenschrift des 5sterr. Ing.- u. Archt. -Vereins. 1877. 
Nr. 51. Wien. 

**) Beck, Beitrage zur Geschichte des Maschinenbaues. Berlin 1899. 




i 



Fig. 4. Luftbahn mit endlosem Sell. Aus einer alten Handschrift des Johann Hartlieb, etwa um 
1411, Wiener Hofbibliotliek. 



— 17 — 

barde tr^gt, befestigt ist, wahrend an dem anderen Ende, welches 
ebenfalls iiber den FluB hiniibergefiihrt ist, die Zugtiere angespannt 
sind. Qehen diese landeinwarts, so Ziehen sie die Bombarde iiber 
den FluB, indem der Ring, an welchem sie hangt, iiber das ge- 
spannte Seil hingleitet. Fig. 5. Hier findet sich zum ersten Male 
auch schon die Spaltung der Seilbahnen in zwei von einander ver- 
schiedene Systeme nachgewiesen, denn wahrend die alte Wiener 
Handschrift eine Einseilbahn darstellt, bei der das Zugseil immer 
endlos sein muB, selbst wenn der Betrieb ein hin- und hergehender 
wiirde, zeigt diese Veroffentlichung des Mariannus Jacobus die 
Darstellung einer Seilbahn mit von dem Tragseil getrenntem Zug- 
seil. Die Konstruktion mag sich notwendigerweise aus der QroBe 
des zu befordernden Transportgewichtes ergeben haben, da sich ein 
bewegtes Seil nur bis zu einem bestimmten Grade senkrecht zu 




Fig. 5. SeilbahnShnliche Lastenbrflcke, festes Tragseil und bewegtes, nicht 
endloses Zugseil, etwa 1438. 



seiner Spannungsrichtung belasten laBt, iiber den hinauszugehen 
der Durchhang und damit die Moglichkeit der Bewegung verbietet. 
Hier, wo es sich um den Transport eines schweren Qeschiitzrohres 
handelte, verbot sich die Aufhangung an einem endlosen Seil von 
selbst, wenn nicht die zugehorigen Hilfskonstruktionen, Um- 
fiihrungsrollen usw., eine entsprechende, fiir damalige Zeiten be- 
deutende QroBe, das Seil aber eine enorme Spannung hatten er- 
halten sollen. Einfacher war es deshalb schon, die beiden\Arbeiten 
des Tragens und des Bewegens zu trennen, jeder ein besonderes 
Element zuzuweisen und damit eine Zweiseilbahn zu schaffen. 

Aus der Zeit der spanischen Conquista, etwa gegen das Jahr 
1563 stammt eine vor 10 Jahren noch vorhanden gewesene, hand- 
betrieberie Seilbahn hoch oben in den siidamerikanischen Cor- 
dilleren im Innern Columbiens, die aller Annahme nach noch heute 
vorhanden sein diirfte. Die Bahn diirfte vielen von den Reisenden 
bekannt sein, die, aus den Llanos von Venezuela und Columbien 
kommend und den Wasserlauf des Rio Meta benutzend, von Osten 



— 18 — 

her Bogota, die Hauptstadt des Landes, zu erreichen suchen. Die 
LandstraBe zieht auf einem weiten Umwege um die Schlucht herum, 
sodaB die die Lasten tragenden Maultiere oder Esei dieser StraBe 
folgen, wahrend die Reisenden zur Abkiirzung des Weges gewohn- 
iich vor der Schlucht absteigen und den weit kiirzeren iuftigen Weg 
Uber die Seilbahn wShien. 

Die Eroberung dieser Lande voilendete 1536 unter Karl V. Qon- 
zoia Jimenez de Quesada, der sie nach seiner Heimat Neu-Qranada 
benannte. Qleichzeitig drang auch ein Beamter des Augsburgischen 
Bankhauses Welser, Nicolaus Federmann, bis Bogota vor, zur 




Fig. 6. Seilbahn fOr Personenbeforderung, vermutlich um 1536—40 zwischen Santanda und 
Merida (Kolumbia -Venezuela) angelegt. (Skizze nach mandlichen Mitteilungen.) 

naheren Erforschung der von Karl V. dem Bankhause verpfandeten 
neuentdeckten Landesteiie. Da diese bis dahin vollstandig unbe- 
kannten Lander groBe naturliche Reichtiimer aufwiesen — man 
glaubte in ihnen sogar lange Zeit das sagenhafte Dorado gefunden 
zu haben — , war es die erste Sorge ihrer neuen europaischen Be- 
sitzer, sie mit Verkehrswegen zu besorgen. Namentlich die als 
erste Missionare und gleichzeitig auch als wirtschaftliche Koloni- 
satoren in das Land gekommenen spanischen Ordensgeistlichen, 
Dominikaner und Franziskaner lieBen sich die Ausbildung des Ver- 
kehrs sehr angelegen sein, und auf sie diirfte auch die erwahnte 
Seilbahn zuruckzufUhren sein. Die Bahn bestand aus einem sehr 



— 19 — 

starken Tau, Fig. 6, das zwischen zwei Pfahlgeriisten, ursprunglich 
vielleicht nur zwischen zwei Baumen, ausgespannt war und auf dem 
ein Korb zur Aufnahme der die Schiucht passierenden Personen in 
einer Rolie hangt. Mit Hilfe eines zweiten Seiles, das unterhalb 
des Tragseiies ausgespannt ist, ermoglicht es die in dem Korb 
stehende Person, sich selbst voranzuziehen.*) 

Seit nun bald 350 Jahren geht der Verkehr in dieser primitiven 
Weise iiber diese Seilbahn von statten, die somit eines der altesten 
Zeichen europaischer Kultur in Siidamerika bildet. 

Im Jahre 1597 erschien ein Werk von Buonaiuto Lorini, einem 
etwa 1545 geborenen Edelmanne aus Florenz, der sich aus diesem 




Fig. 7. Buonaiuto Lorini. Schragaufzug mit Seilbetrieb (ca. 1580 — 90) als Konstruktionsgrundlage 

far Seilbahn. 



Werke „DeIle Fortificationi" als durchaus praktischer Ingenieur 
erweist. Aus der Einleitung zu diesem Werke erfahren wir, daB er 
vornehmiich bei den Befestigungswerken von Zara und dem Castell 
von Brescia tatig war und zwar im Dienste der Signoria von 
Venedig, fiir die er diese Arbeiten etwa 16 Jahre lang ieitete. Die 
von ihm beschriebenen, teiiweise artilleristischen oder wasserbau- 
technischen, zum groBen Teile aber auch maschinentechnischen Ar- 
beiten sind von auBerordentlich groBem Interesse, zeigen sie doch, 
wie z. B. in den Hinterladegeschutzen, Konstruktionen, die heute 
noch in ihren Qrundziigen unverandert angewandt werden. Ebenso 
kann er als der wirkliche erste Konstrukteur eines Selbstgreifers 



♦) Diese Beschreibung ist einer Mitteilung des Kaufmanns G. Reichel 
in Leipzig entnommen, der in der dortigen Gegend Mitte der 90 er Jahre 
wohnte. 

2* 



— 20 — 

angesehen werden. Er beschreibt namlich eine Baggermaschine 
zum Ausbaggern der Kanale von Venedig, die einen sehr scharf- 
sinnig konstruierten Qreifer mit Seilbetrieb enthalt. Unter diesen 
Arbeiten sind diejenigen von groBem Interesse, die sich mit den 
Transporteinrichtungen befassen. So erwahnt er in Kapitel VII 
seines Werkes eine transportable Eimerkunst zum Ausschopfen von 
Baugruben, die nichts anderes darstellt, wie unsere heutigen Becher- 
elevatoren in schon ziemlich weit fortgeschrittener Ausbiidung. 
Diese Elevatoren befinden sich wiederholt in Kapitel VIII seines 
Werkes, in dem er zeigt, wie man vermittelst einer Kette ohne 
Ende, welche iiber eine horizontal Welle gehangt ist und 
durch diese bewegt wird, auch Erde rasch und bequem fordern 
kann, indem man sie in Korben an den aufsteigenden Teil der Kette 
hangt und die Korbe oben durch andere Arbeiter abnehmen und 
dann an den abwartsgehenden Teil der Kette hangen laBt. Kapitel 
X zeigt und beschreibt dann den in Figur 7 abgebildeten Apparat 
zum Transportieren von Erde bei der Umwallung von Festungen.*) 

Die gefiillten Erdkarren werden auf einer stark ansteigenden 
Holzbahn vermittelst eines Haspels mit Spillen- und Tretrad auf 
den Wall gezogen, dort abgenommen und entleert und alsdann 
auf der geneigten Holzbahn wieder hinabgelassen. Die Zu- 
fiihrungsbahn unten im Qraben hat Fall nach der Rampe, die 
Abfuhrungsbahn oben auf dem Walle nach der Entleerungs- 
stelle hin, sodaB die gefiillten Karren auf beiden bergab laufen. 
Dieser Apparat bietet besonders dadurch Interesse, daB die Balken 
der ansteigenden Bahn mit einer Spur versehen sind, durch welche 
die Karrenrader gefiihrt werden, eine erste Andeutung eines Bahn- 
geleises. 

Am Schlusse dieses Kapitels sagt Lorini: „Man kann mit Erde 
beladene Karren auch noch in anderer Weise fortbewegen, wenn es 
sich darum handelt, die Erde aus dem Qraben zu schaffen, oder 
sie aus der Contrescarpe zu nehmen und iiber den Qraben zu 
schaffen, namlich auf zwei an starken Stutzpfahlen befestigten und 
durch Handgobel und FlaschenzUge gespannten Seilen, oder sonst 
etwas, das zur UnterstUtzung geeignet und leicht transportabel ist. 
Alsdann miissen jedoch die Rader der genannten Karren etwas 
breiter sein, als gewohnlich von weichem Holze und ausgehohlt, wie 
die RoUen eines Flaschenzuges. Diese Rinne muB durch starke 
Bretter hergestellt werden, die man auf jeder Seite anpaBt, und die 
Kanten miissen innen so abgeschragt werden, daB der Kanal nach 
auBen viel weiter ist, als auf dem Qrunde, d. h. als die Breite des 
Rades. Und um mit diesem Apparat zu arbeiten, muB man wissen, 
daB der Karren immer auf den beiden Seilen stehend be- und ent- 



Beck, BeitrMge zur Geschichte des Maschinenbaues. 



— 21 — 

laden werden muB. Obgleich hieraus hervorgeht, daB das Herbei- 
bringen der Erde, um die Karren zu fiillen, und das Verbringen der- 
selben an ihren Bestimmungsort, nachdem der Karren entleert ist, 
al$ zwei gesonderte Arbeiten behandelt werden mussen, so ist diese 
Arbeitsweise doch von groBem Vorteile, well man bei der Her- 
richtung des Apparates nichts zu tun hat, als die Seile zu spannen, 
und die Verteidigungswerke der Festung dabei nicht verletzt 
werden. Wenn die Karren oben umgestiirzt werden, mussen sie 
etwas iiber dem Waiie stehen und umkippen, ohne riickwarts fahren 
zu konnen, bevor sie entleert sind; unten aber mussen sie so tief 
stehen, daB sie mit Schubkarren oder anderen Instrumenten bequem 
gefullt werden konnen, und zwar geschieht dies vermittelst eines 




Fig. 8. Rekonstruktion der Seilbahn des Buonaiuto Lorini, ca. 1580 — 90. 



Steges. Das Qanze muB, wie gesagt, transportabel sein und leicht 

von einem Ort zum anderen bewegt werden konnen." 

Beck glaubt in seinen Beitragen zur Qeschichte des Maschinen- 
baues annehmen zu mussen, daB dies die alteste Nachricht von einer 
Seilbahn sei. Aus den fruher angefiihrten Daten laBt sich ent- 
nehmen, daB Beck hierin irrt. Interessant ist bei Lorini jedoch die 
Entwicklung dieser Schwebebahn, und zwar einer solchen, die schon 
ziemlich hohe Anspriiche an die Technik stellt, indem auf leichtes 
Verlegen derselben Rucksicht genommen werden muB. Um un- 
gefahr einen Begriff von der Konstruktion dieser originellen Ein- 
richtung zu geben, ist in Fig. 8 der Versuch einer Rekonstruktion 
nach dem Texte gemacht worden. Es handelt sich demnach hierbei 
um eine Art von schragem Seilaufzug, wie sie bis heute noch hSufig 
ausgefuhrt werden, und die spatere Konstrukteure, z. B. von 
Diicker, noch haufig irrtiimlicherweise Seilbahnen genannt haben. 



— 22 — 

Nur besteht diesen gegeniiber der Unterschied, daB man hier nicht 
auf das so auBerordentlich einfache Hilfsmittel der Aufhangung der 
Last unter dem Seil gekommen war, sondern die Wagen iiber bzw. 
zwischen die Seile hangte, was natiirlich ganz bedeutende Schwie- 
rigkeiten verursachen muBte. Man kann annehmen, daB sich die 
Konstruktion der Details, namentlich der Wagen und des Haspels 
eng anschloB an die Konstruktion der vorbeschriebenen schiefen 
Ebene mit festen Schienen, Fig. 7, also auch hier wieder trotz der 
scharfsinnigen Losung einer ziemlich schwierigen technischen Auf- 
gabe nicht ein Ableiten aus alteren Konstruktionen charakte- 
ristischer Art, in diesem Faile schwebender Bahneinrichtungen mit 










Fig. 9. Faustus Verantius. Zweiseilbahn mit festem Tragseil und endlosem Zugseil (etwa 1610). 



untenhangender Last, sondern eine Losung fiir einen Einzeifali mit 
Umbiidung einer bodenstandigen Qleisebahn zu einer solchen mit 
hangendem Qleise. Allerdings kann auch hier wieder nur von einer 
Zweiseilbahn gesprochen werden, insofern, als das tragende Ele- 
ment und das bewegende Element von einander getrennt sind. — 
Um dieselbe Zeit, wie das Lorini'sche Werk, erschienen die 
ersten Veroffentlichungen des Faustus Verantius, eines Neffen des 
Antonius Verantius, von dem Michaud in seiner Biographic Univer- 
selle sagt: „Er war Erzbischoff von Gran, Primat und Vizekonig 
von Ungarn, beruhmt durch die diplomatischen Missionen, die er 
an den ersten Hofen Europas ausfiihrte, stammte aus vornehmer 
Familie, war geboren am 20. Mai 1504 zu Sebenico und starb am 
15. Juni 1573." Der Neffe dieses Antonius Verantius, Faustus, war 



— 23 — 

selbst Qeistlicher, Bischof in partibus des heutigen ungarischen 
Komitats Csanad. Unter seinen Werken, deren erstes 1595 in Ve- 
nedig erschien, findet sich ein in funf Sprachen abgefaBtes, offenbar 
1617 gedrucktes Werk, betitelt „Machinae Novae etc." mit zahi- 
reichen Figurentafeln, in dem nicht nur Maschinen, sondern auch 
Briicken, Kirchen und andere merkwiirdige Konstruktionen, die er 
auf seinen Reisen zu beobachten Qelegenheit hatte, aufgefuhrt sind. 
In diesem Werke befindet sich eine Seilbahn, Fig. 9, von auBerst 
interessanter Konstruktion, von der der Verfasser sagt:*) 

„An ein dickes Seil soil ein Trog oder Korb mit umlaufenden 
RoUen gehangt, und daneben ein diinnes Seil gespannt werden, 
welches, wenn es angezogen wird, diejenigen, welche sich in dem 
Korbe befindet, ohne alle Qefahr hinuberbringen wird." 
Zunachst ist zu bemerken, daB es sich hier um eine schon ziem- 
lich weit fortgeschrittene Zweiseilbahn mit endlosem Zugseil, aller- 
dings fiir hin- und hergehenden Betrieb handelt. Betrachtet man 
die Einzelheiten naher, so fallen einige technisch sehr glucklich ent- 
wickelte Konstruktionen an denselben auf. Vor alien Dingen greift 
das Zugseil nicht, wie bei den fruher beschriebenen indischen und 
japanischen Seilbahnen, an der pendelnd aufgehangten Wagenlast 
an, sondern an den RoUen bzw. dem Laufwerk, wobei zu beachten 
ist, daB hier schon zwei Aufhangerollen fiir den Wagenkasten ver- 
wendet sind. Durch das Angreifen des Zugseiles an dem Laufwerk 
wird aber das Schiefziehen der Wagenaufhangung bei Oberwindung 
der notwendigerweise auftretenden Steigungen vermieden. Ferner 
fallt die Art der Tragseilffiihrung auf. Wenn auch die Enden des 
Tragseiles nicht sichtbar sind, so muB doch darauf aufmerksam 
gemacht werden, daB dieses auf den beiden Stiitzen oben und unten 
uber Rollen gefiihrt ist, was darauf schlieBen laBt, daB es, wenn 
auch nur geringe, Bewegungen auszufiihren hat. Sollte hiermit 
eine Andeutung auf eine selbsttatige Anspannung des Seiles, die 
doch nicht gut anders, wie durch Qewichtsbelastung ausgefiihrt 

werden konnte, gegeben sein? Sollte diese Annahme jedoch 

verfehlt sein, so wiirde wohl die andere zutreffen, daB zum Aujs- 
gleich etwaiger Langendifferenzen oder zur Regulierung des Durch- 
hanges an den Enden Winden oder Flaschenziige zum Nachspannen 

angebracht worden sind. 

Nach der geringen technisch-historischen Ausbeute der vor- 
beschriebenen Seilbahnen mutet es erfreulich an, aus einer, einige 
Jiahrzehnte, spateren Zeit einmal eine vollstandige Abbildung einer 
wirklich zu groBeren Massentransporten dienenden Schwebeseil- 
bahn zu sehen. Sie ist enthalten in einer Chronik der Stadt Danzig 
aus dem Jahre 1644. Diese Danziger Chronik enthalt zwar auBer 



*) Beck, Beitriige zur Geschichte des Maschinenbaues. 



— 24 — 

dem Bilde dieser Anlage keine ausfiihrliche technische Erlauterung, 
wohl aber auf dem Bilde selbst eine Legende mit Buchstaben-Ver- 
zeichnis in lateinischer und deutscher Sprache, aus der sich die 
Einzelheiten mit ziemlicher Deutlichkeit entnehmen lassen. Fig. 10. 
Namentlich ist sehr gut zu erkennen, daB diese als Einseilbahn mit 
endlosem Zugseii und an dem Seil unlosbar befestigten unten- 
hangenden Korben ausgefUhrte Anlage fUr das beladene Seiltrumm 
nicht weniger wie 7 StUtzen vorsieht, wahrend das Leerseiltrumm 



t: 




T^byW CtVifio dnLrifi,' 



P^^^^>^;<;i2-_ flo.t 



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*lXtp in Alt Xnjrf pu Ar^tn J^tjil: 



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*i# 4,*^ 



'Die Xrguite ^hn uni ^a 0tfi 



Fig. 10. Seilbahn zum Abtragen des Bischoffsberges bei Dantzig. Erbaut 1644 von Adam Wybe. 



nur auf einer einzigen Mittelstiitze aufruht Als Erbauer dieser 
Seilbahn wird der hollandische Architekt Adam Wybe, gebiirtig 
aus Harlingen in Holland, genannt. 

Nach der dichten Wagenfolge, die diese Bahn aufweist, muB sie 
eine ziemlich erhebliche Leistung besessen haben, doch scheint auch 
sie in ihrer Ausfuhrung sehr vereinzelt geblieben zu sein, von einer 
Nachahmung oder Wiederholung derselben an anderer Stelle ist 
nichts bekannt. Es ergiebt sich dies sehr einleuchtend aus dem 



— 25 — 

bekannten technischen Qeschichtswerke des 18. Jahrhunderts, dem 
Theatrum machinarum hydrotechnicarum von Jacob Leupold, 
Leipzig, erste Auflage 1714, neu aufgelegt 1774, das als wahre 
Fundgrube fiir die Technik des 17. Jahrhunderts angesehen wer- 
den muB. 

Dieser Schriftsteller wurde (nach C. Q. Jocker, Qelehrten- 
Lexikon 1750) am 25. Juli 1674 zu Planitz bei Zwickau in Sachsen 
geboren, lernte anfanglich das Drechslerhandwerk und studierte 
spater kiimmerlich zu Jena und Wittenberg Mathematik, ging als 
Lehrer nach Leipzig, arbeitete Modelle, wurde zum Mitgliede der 
Florenzer Akademie „dei' Onore letterario" und spater 1725 zum 
preuBischen Bergrate wegen seiner hervorragenden Kenntnisse und 
praktischen Leistungen auf dem Qebiete des Bergmaschinenwesens 
ernannt. Leupold, welcher 1727 starb, ist fiir die Qeschichte der 
Ingenieur-Wissenschaften ein Autor, dessen Wert in der Qegenwart 
ganz besonders zu schatzen ist, denn er gibt uns durch seine in 
sieben Banden gesammelten Abhandlungen und Zeichnungen aus 
dem Qebiete Mathematik, Qeometrie, Statik, Mechanik, Hydraulik 
und des Briickenbaues, bei dem er sich allerdings meist auf Schramm 
stiitzt, ganz genaue Kenntnis von dem Zustande schon hoher Ent- 
wicklung der Ingenieur-Wissenschaften lange vor der Zeit der 
Dampfmaschine. Fur historische Forschungen im Rahmen unseres 
Faches ist Leupold eine der edelsten Fundgruben; sie enthalt unter 
Anderem auch schon das Abbohren eines weiten Brunnenschachtes 
(zu Amsterdam), welches Verfahren bis jetzt irrtiimlich als zuerst 
1844 durch Combes angeregt und durch Kind und Choudron aus- 
geftihrt betrachtet wurde.*) 

Bringt der genannte Schriftsteller auch wohl noch Hinweise auf 
Seilbahn-ahnliche Konstruktionen anderer Art, so findet sich doch 
in diesem seinen umfassenden Werke keinerlei Anspielung darauf, 
daB speziell die Danziger Bahn irgend welche Nachfolger gefunden 
hatte, weshalb er ihre Nachahmung in richtiger Erkenntnis des 
wirtschaftlichen Wertes dieses Transportsystems auch warm emp- 
fiehlt. — Doch er blieb der Prediger in der Wiiste. — 

Waren noch spatere Anlagen zu seiner Kenntnis gekommen, so 
wurde er es auch sonst kaum fiir notwendig gehalten haben, gerade 
diese Danziger Anlage in der Ausfuhrlichkeit zu beschreiben, wie er 
es tut, noch weniger aber wiirde, wenn diese Anlage zur Durch- 
bildung eines Systems gefiihrt hatte, es fiir ihn notwendig geworden 
sein, sich ihre Einzelheiten wieder zu rekonstruieren. Jedenfalls ist 
seine Arbeit uber diese Seilbahn eine der interessantesten, die aus 



♦) Franz Rziha Zur Geschichte der Seilbahnen. Wochenschrift des 
Oesterr. Ing.- und Arch.-Vereins, Wien 1877. 



— 26 — 

der alten Zeit der Transport-Industrie existiert, weshalb sie hier 
im vollen Umfange zum Abdruck gebracht werden mag. 

„Die Dantziger Maschine, vermittelst welcher der sogenannte 
Bischoffsberg um ein QroBes abgetragen, und die Erde in freier 
Lufft, erstlich den Berg hinab, ferner iiber einen FluB, uber ein 
Stiick Anger und Land, denn iiber den breiten Stadt-Qraben, und 
endlich auf den Wall hinauf geschaffet worden. 

Es ist von dieser Maschine ein apartes groBes Kupffer vor- 
handen, so aber sehr rar ist, auf welcbem der Berg und die gantze 
Gegend nebst der Maschine perspektivisch entworffen, weil aber 
die Distanz sehr groB, ist alles sehr klein und unkanntlich worden, 
ob schon sonsten der RiB sehr sauber und nett von dem beruhmten 




Fig. 11. Leupold, 1724, die Dantziger Maschine. 



Hondio gestochen. Ich habe solche Zeichnung nirgend finden 
konnen, wie sehr ich mich auch bemiihet, bis endlich selbige bei 
E. E. Hochw. Raths Ober-Voigt allhier in Leipzig, Herrn Senkeisen, 
erhalten habe ; wie er denn sonsten noch einen schonen Vorrath von 
dergleichen Sachen und Curosiotaten besitzet. Die gantze Maschine 
habe nicht gezeichnet, weil solche allzu klein gefallen ware, sondern 
nur etwas das ich dieser gleich halte, wie denn auch die Rader und 
alles womit das Werk getrieben worden, verdecket ist (Fig. 11). 
Weil nun auf dem Kupfer ziemlich deutlich zu sehen, daB das Seil 
Oder Canal viel auf Waltzen oder Kolben auflieget, und also un- 
moglich, daB die Eymer mit ihrem Seil daruber gehen konnen, so 
hat es mir viel Spekulierens gemachet, wie solches zugienge, bis 
ich etliche Maschinen und Modelle verfertiget, welche sehr wohl 
angehen. Ich habe aber hernach erfahren, daB die Eymer nicht von 



— 27 — 

sich selbst, sondern durch darzu bestellte Personen, iiber die Rollen 
sind gehoben worden, und wenn ich dieses von Anfang gewuBt 
hatte, wiirde mir keine MUhe gegeben und es vor inpracticabel ge- 
halten haben. Ich will erstlich die Maschine, hernach die Waltzen 
Oder Rollen nach meiner Invention beschreiben. A sey der Berg, 
auf welchen ein Horizontal-Rad B, so auf der Stirn tief einge- 
schnitten, daB ein starckes Anker-Tau darinnen liegen kan, dieses 




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Fig. 12. Leupold, 1724, Einzelheiten, AufhSngung der Eimer, RollenfOhrungen zu Dantziger Maschine. 



Rad muB in einem wohlgezimmerten Qeriiste eingefasset sein (so 
hier nicht bemerket ist), am Rad ist ein Arm oder Deichsel C, daran 
zwey Oder mehrere Pferde konnen gespannet werden. D E, F Q, 
H I sind Saulen, auf welchen oben die Rollen sind, darauf das Tau 
ohne Ende laufft. K ist das andere Rad, da das Tau herumgehet, 
L das Tau, und zwar die Seite, da es mit denen vollen Eymern 
herunter gehet, M aber die Seite, da die letigen hinauf gehen, N die 
kleinen Eymer mit ihren Schniiren oder kleinen Seilen, oben in A 



— 28 — 

werden die vollen Kiibel angehangen, und unten in K ausgeschiittet. 
P sind die Scheiben oder Rollen iiber welche ein Mann die Eymer 
hiniiber leiten muB. 

DaB aber die Eymer selbst hiniiber gehen, ist meine Invention 
diese, Fig. 11. Es wird oben an dem Balken oder Saule A ein Quer- 
Holtz gemachet BC, an dieses ein langer eiserner glatter Stab an 
beiden Enden in B und C feste gemacht, und machet solcher einen 
Bogen, daB er etwas hoher und auch weiter absteht, als die 
Scheibe, wie das Ringlein a bei der III. Figur zeiget, iiber welches 
das Seil lieget, und den eisernen Stab in Profil vorstellet, also wenn 
das Seil an den Stab kommet, es auf dem Stabe fortrutschet bis es 
iiber die Waltze hinweg ist. (Fig. 12.) 

Weil aber das Seil sich dadurch abarbeiten wiirde, bin ich auf 
die andere Invention, daB die Eymer durch die Waltze hindurch 
gehen, gef alien, Figura IV stellet solche in Profil vor; A ist das 
groBe Tau; daran die Eymer hangen, B das kleine Seil mit den 
Eymern, C D zwey Saulen, so unten in der Erde feste, oben aber 
mit einem Eisen E und zwei Poltzen a, b zusammengehangen sind, 
F Q sind zwei halbe Rollen oder Scheiben, davon jede ein Stiick 
der Hohlung hat, darinnen das Tau A lieget, in der Mitte aber von- 
einander stehet, well nun das Tau A sehr starck, kan es es nicht, 
hingegen das Seil der Eymer B well es diinne durchweg gehen. 
H sind zwey starke Poltzen, damit jede halbe Scheibe feste, und 
vorne mit einem Kopff C C versehen ist. Weil aber das Tau die 
Scheiben auseinander presset, und groBe Friction verursachen 
wiirde, so ist hinter jede eine Horizontal-Scheibe F und Q geleget, 
an welchen die groBen F und Q anliegen, und zugleich mit Ihnen 
umgedrehet werden, deswegen auch das Holtz bei K hinweg ge- 
nommen ist. 

Fig. V zeiget solches von oben herab eben mit diesen Buch- 
staben, nur daB zum CberfluB zwey Eisen P Q angemachet sind, 
welche das Seil, daran die Eymer hangen, allezeit, recht in die 
Mitte fiihren. Fig. VI zeiget eben dieses mit den Buchstaben 
perspectivisch. 

Es ist dieses eine sehr niitzliche Maschine, und kan, wo Verstand 
gebrauchet wird, bey vielen Qelegenheiten sehr groBe Dienste thun, 
absonderlich da man nun auch die Leute erspahren kan, die sonsten 
die Eymer iiberheben miissen. Der Inventor ist ein Hollander von 
Harlem, Adam Wyce*) gewesen." 

Leupold war iibrigens einer von den wenigen, die den Versuch 
gemacht haben, in der Technik auf Qrund alterer Qelegenheits- 
schopfungen neuere Systemerfindungen zu schaffen. Es geht dies 
hervor aus einer weiteren Veroffentlichung in dem „Theatrum 



♦) Offenbar verdruckt, „Wybe", „Harlingen" 



— 29 — 



machinarum", die eine Seilbahn-ahnliche Einribhtung beschreibt, 
welche gleichzeitig als Schragaufzug benutzt wird. Diese Ver- 
Offentlichung in dem 
Kapitel VII, Tafel XXVI, 
Seite 62 des obenge- 
nannten Buches kann 
als eine der ersten Hin- 
weise auf Kabelhoch- 
bahnen mit Hubein- 
richtungen und speziell 
mit Einseillaufkatze an- 
gesehen werden, wenn 
man aus der allerdings 
primitiven Darstellung 
und namentlich aus der 
hier vorliegenden An- 
wendung einer solchen 
Einrichtung fiir h^us- 
liche Zwecke den tech- 
nisch wertvollen Kern 
herausschalt. Leupold 
beschreibt diese Ein- 
richtung wie folgt: 
(Fig. 13;) 

„Eine besondere Ma- 
schine des vorigen Au- 
toris, das Wasser aus 
einem Brunnen und als- 
dann wieder in schreger 
Linie zu Ziehen. 

Obschon diese Ma- 
schine nicht hierher ge- 
hOret, dennoch weil sie 
eben dieses Autoris, und 
der Raum dazu sich 
schicket, sol sie hier 
Tabula XXVI Figura 11 
Platz finden. 

Es sei ein Brunnen 
ein ziemlich Stiick von 
einem Hause, und man 
wolte doch im dritten 
GeschoB oben bei F den 
Eymer mit Wasser aus solchem Brunnen dahin ziehen, so wird erst- 
lich ein Seil A B und B feste gemacht, an welche ein Holtz D E mit Zwey 




Fig. 13. Kabelbahn (etwa 1720) mit Einseillaufkatze. 



— 30 — 

Scheiben, wie die Figur weiset, gemachet wird, durch die andere 
Oeffnung gehet ein Seil an dem der Kiibel ist, wenn solcher mit 
dem Holtz D zu A kommet, so bleibet as alda liegen, und der Eymer 
kommet perpendicular iiber die Mitte des Brunnen bis zum Wasser, 
wird bei F am Seil F F so iiber der Scheibe Q gehet, gezogen, gehet 
das Holtz mit Kiibel hinan, und solcher Bei Q F so nahe an die 
Wand, daB die Person im Fenster solchen mit der Hand er- 
langen kann. 

Man konnte dies auch einrichten wie Bei Tab. XXIX. Figura V. 
gezeiget worden, nemlich, daB die Person unten bei dem Brunnen 
den Eymer hinauf Ziehen konnte, und sich solcher oben durch einen 
Haken selbst erledigte."*) 

Es war im Jahre 1724, als Leupold diese Beschreibung an- 
fertigte, und nun folgt eine lange, lange Zeit, in der auch nicht eine 
Spur weder literarischer Aufzeichnung, noch etwaiger Oberreste, 
auf die Weiterbildung, selbst nur auf die nochmalige Anwendung 
des von jenem scharfsinnigen Ingenieur in seinem Werte erkannten 
Transportmittels verweist. Die Dampfmaschine, die Qasbeleuch- 
tung, sie wurden erfunden, die Stiirme der Revolution, der napo- 
leonischen Kriege brausten iiber Europa hin, letztere Industrie und 
Technik, wie in England, selbst gegen den Willen des Machtigen 
befruchtend, eine voUstandige geistige Wiedergeburt des alten 
Europa erlolgt — aber unter den tausenden und tausenden von 
Ideen, die zu den groBen Erfindungen der Neuzeit fiihrten, fand sich 
keine, die auch nur einmal wahrend annahernd 130 Jahren auf die 
Anwendung des fiir die moderne Technik so auBerordentlich wich- 
tigen Transportmittels der Seilbahnen hingewiesen hatte. Die 
Drahtseile in einer fiir allgemeine Zwecke verwendbaren Form 
wurden erfunden, selbst der Erfinder dieser, Albert, dem der Berg- 
bau so viel zu verdanken hat, der so viele Anregungen zu Forder- 
konstruktionen gegeben hat, die geradezu als Qrundlage der heu- 
tigen gelten miissen, kam nicht auf die Idee der Seilbahn. Die 
mittlerweile eingefuhrte Dampfeisenbahn stellte die hochsten An- 
forderungen an die schopferische Kunst der Ingenieure — vielfach 
muBte sie Halt machen vor tiefen Schluchten, vor schroff an- 
steigenden Qebirgen ; ungeheure Viadukte muBten erbaut werden — , 
aber lange Zeit kam keiner der Ingenieure auf den Qedanken, ein 
Drahtseil iiber eine Schlucht zu spannen und auf diesem Seile 
Lasten schwebend zu bewegen. 

Um das Jahr 1834 finden wir bei den Festungsbauten von Posen 
durch den damaligen Artilleriehauptmann von Prittwitz wieder den 



*) Theatrium Machinarum Hydraulicarum oder Schauplatz der Wasser- 
kunste. Erster Teil. Von Jacob Leupold, Mathematico et Mechanico, 
Kdnigl. PreuB. Kommercienrat. 

Kap. VII von Eymer-Kttnsten, Tab. XXVI. Seite 62. 



— 31 — 

Versuch einer schwebenden Bahneinrichtung, einer Hangebahnein- 
richtung fiir Pferdebetrieb, die zuerst naher beschrieben ist in der 
kleinen Schrift: „Die schwebende Eisenbahn und Projekt zu einer 
allgemeinen Eisenbahn durch den preuBischen Staat", und die 
weiter ausfuhrlich beschrieben ist in „Verhandiungen des Vereins 
zur Beforderung des QewerbefleiBes in PreuBen 1837". Die Bahn 
bestand aus einer auf Stiitzen hochgelegten Schiene, die ihrerseits 
aus einer hochkant gestellten Bohle gebildet wurde, auf deren Ober- 
flache sich eine Eisenauflage hinzog. Die Wagen hingen an einem 
sattelartigen Bock als zwei symetrische Kasten rechts und links 
neben den Qeriisten, liefen auf einem ziemlich groBen, mit eisernem 
Kehlrand versehenen Rad, das in dem sattelformigen Qeriist ein- 
gebaut war und wurden, zu kurzen Ziigen vereinigt, mittelst einer 
Zugleine von Pferden, die seitlich von den Stiitzpfosten gingen, ge- 
zogen (Fig. 14). Um das seitliche Anschlagen der Wagenkasten an 
die Stiitzpfosten zu vermeiden, waren diese unter sich etwa in der 
Hohe des unteren Teiles der Wagenkasten mit einer durchlaufenden 
eisenbeschlagenen Bohle verbunden, gegen welche sich Fuhrungs- 
rollen legten. Da die Bahn fast ausschlieBlich zum Ziegeltransport 
diente, sind auch die Wagenkasten dementsprechend mit aufklapp- 
baren Seitenwanden versehen gewesen. Die ganze Lange der Bahn 
betrug 1450 m, die Tragkraft eines Wagens stellte sich auf 
ca. 500 kg, die Kosten eines Wagens nach den Angaben von 
Prittwitz zu damaliger Zeit auf 45 Taler, wahrend die Kosten der 
ganzen Bahn fiir die deutsche Meile, also 7500 m Lange, 25 000 
Reichstaler betragen sollte. Diese Bahnanlage war in Betrieb bis 
zum Jahre 1856. Aus den Mitteilungen des Erbauers geht hervor, 
daB sich die gesamten Transportkosten auf dieser Bahn fiir den 
Zentner und die deutsche Meile zu 1,4 Pfennig preuBisch gestellt 
haben sollten. 

Die ganze Einrichtung kann kaum in den Rahmen der Draht- 
seilbahnen eingereiht werden, sie ist nur insofern bemerkenswert, 
als sie fast die einzige Einrichtung einer schwebenden Bahnanlage 
ist, die in der groBen geschichtlichen Liicke vom Jahre 1724 bis 
1860 sich vorfindet. 

Es ist in der Tat schwer verstandlich, daB, nachdem ein so in 
seinen Einzelheiten durchgearbeitetes Vorbild vorhanden war, nach 
der Konstruktion dieser Bahn Niemand auf den Qedanken kam, die 
Schiene, die hie'r aus Holz bestand, aus einem straff gespannten 
Drahtseil herzustellen. Auch diese Bahn blieb somit, da sie weder 
Nachahmer noch Verbesserer fand, eine Einzellosung ohne allge- 
meine Anwendbarkeit. Erst einer viel spateren Zeit war es vbr- 
behalten, diese Art der sattelformig angeordneten Eisenbahn zu 
weiterer Ausbildung, wenn auch heute noch nicht zu allgemeiner 
Anwendung, zu bringen, die Losung der technischen Aufgabe, die 



32 — 



> 

3 





— 33 — 

zur Drahtseilbahn in allgemein-anwendbarer Form zu fuhren be- 
rufen war, soUte noch iiber ein weiteres Menschenalter auf sich 
warten lassen. 

Ab und zu findet man, namentlich in Qebirgsgegenden, erste 
Versuche zur Konstruktion von Seilschwebetransporten ; doch 
konnen diese kaum als Bahnen angesehen werden, da sie vielfach 
noch nicht einmal die Vollkommenheit erreichen, wie sie z. B. die 
von Lorini oder Faustus Verantius erwahnten Anlagen besitzen. 
Wir finden ab und zu in den siidiichen Alpen derartige Versuche, 
so u. a. in Kanton Tessin. So soil z. B. in Riva San Vitale im Jahre 
1849 ein Hanfseil von 40 mm Starke und 1050 m Lange zum Ab- 
transport von Holzlasten mittelst flaschenzugahnlicher Ein- 
richtungen, die an dem Seile liefen und unter Benutzung des Qe- 
wichtes der abwartslaufenden Last arbeiteten, benutzt worden sein. 
Auf diesem Seile soUen etwa TOOODoppelzentner Brennholz, die aus 
dem oberhalb liegenden Walde von Qhinella stammten, trans- 
portiert worden sein.*) Ebenso soil in den Sopraceneri (Arbedo 
etc.) zu jener Zeit die Verwendung von Hanfseilen zum Transport 
von Waren, Brennholz und Heu zur Anwendung gekommen sein. 
(Im Volksmunde wurden diese Einrichtungen allgemein „Bordioni" 
genannt.) Diese vorstehende Angabe uber die Lange scheint je- 
doch einigermaBen zweifelhaft, da ein freihangendes Hanfseil von 
iiber 1000 m Lange schon durch sein Eigengewicht eine solch riesige 
Spannung im Verhaltnis zu seiner Bruchfertigkeit erhalten wiirde, 
daB es zum Transport von Lasten wohl kaum noch zu verwenden 
gewesen ware. Sollte es unter nur geringer Spannung ausgehangt 
worden sein, so wird jedenfalls der groBe Durchhang seine Ver- 
wendung als Bahn zum Lastentransport ausgeschlossen haben. 

Die Erfindung der Drahtseile und deren allgemeine Einfuhrung 
in die Fordertechnik, zunachst des Bergbaues, hatte eine wesent- 
liche Vervollkommnung der Drahtherstellung schon nach ganz 
kurzer Zeit zur Folge, die ihrerseits wieder zu einer groBen Ver- 
billigung namentlich der Eisen- und Stahldrahte fiihrte. Hierzu 
kam noch die Einfuhrung des Telegrafen, der mit seinem riesen- 
groBen Bedarf an Eisendrahten befruchtend auf die Drahtindustrie 
einwirkte, sodaB sehr bald Drahte, namentlich starkerer Ab- 
messung, von mehreren Millimeter Durchmesser, auch da bekannt 
und gebra.ucht wurden, wo man friiher iiberhaupt an die Ver- 
wendung von Draht nicht dachte. In vielen Fallen wurden die 
gegeniiber den Drahtseilen erheblich billigeren Drahte an Stelle 



*) Nach einer Mitteilung des Kantons-OberfSrsters H. Frankenhauser 
im 30 Annuario d. Society degli Ingegneri ed Architetti nel Cantone Ticino 
Lucarno 1902. 

3 



— 34 — 

ersterer aiigewandt, so daB z. B. die nachweislich ersten Luftbahnen 
mit eiserner Fahrbahn eigentliche Drahtbahnen waren. 

Die ersten wirklichen Drahtseiltransporte des 19. Jahrhunderts 
diirften in Beigien etwa im Jahre 1853 gebaut worden sein. Von 
Diicker berichtet,*) daB er im Jahre 1853 auf der Steinkohlengrube 
Esperence bei Seraing in Beigien einen Kohientransport gefunden 
habe, bei dem von einem hoher liegenden Schachte abwarts nach 
der Talsohie die Kohle in an einem Drahtseil hangenden Korben ge- 
fordert wurde. Eine Zeichnung dieser Anlage lieB sich leider nicht 
beschaffen. Da jedoch in dem erwahnten Berichte nur von einem 
Drahtseil die Rede ist, muB hin- und hergehender Betrieb bestanden 
haben, sodaB zu vermuten ist, daB die leeren Korbe immer in 
groBeren Partien, vielleicht mit einer Schleppieine wieder zuriick- 
gezogen worden sind. Ober die Dauer des Betriebes, etwaige Be- 
triebsausfuhrungen usw., waren Angaben nicht zu eriangen. 

In der Schweiz, namentlich im Berner Oberland und im Kanton 
Qraubiinden, wurde wohl schon zu Mitten des 19. Jahrhunderts 
von armen Wildheuern fiber unzugangliche Fluhwande und tiefe 
Abgrunde hinweg an einem aufgespannten Seile das Putter, dessen 
ihre Schafe oder Ziegen den Winter iiber bediirfen, ins Tal zur arm- 
lichen Hiitte geschafft, manchmal sogar die halsbrecherische Fahrt 
mit der schnellgleitenden Rolle iiber die Tiefe personlich unter- 
nommen. 

Im Jahre 1857 kaufte ein Bauer, Johann Baptist Pradi in Lewico, 
einer Qemeinde im Trientiner Kreise, einen auf einer steilen Fels- 
wand, 840 m iiber dem Meere gelegenen Buchenwald, zu dessen 
Ausbringung, die durch Handschlitten zu teuer geworden ware, er 
sich eine der ersten Drahtriesen ausdachte.**) Fast zu gleicher Zeit 
baute sich aber auch ein Kalkbrenner, der in Etschthal zu der neuen 
Eisenbahn von Bozen nach Verona Kalk brannte, eine ganz ahnliche 
Drahtriese, die er iiber eine schroffe Felswand von der Hohe des 
Berges bis zu seinem am FuBe desselben gelegenen Ofen gespannt 
hatte, um diesem den Holzbedarf aus dem Walde direkt zuzufiihren. 
Die Konstruktion dieser beiden Drahtriesen war selbstverstandlich 
sehr primitiv; sie bestand einfach darin, daB auf dem Berge in 
einiger Entfernung vom Rande des Abhanges ein Draht entweder 
an einem Baumstamme oder an einem eingerammten Klotz be- 
festigt, dann iiber einen Bock gezogen und in ahnlicher Weise, da, 
wo die Abgabe der abzuriesenden Holzer stattfinden soUte, wieder 
befestigt wurde. Zum Abriesen der Holzer dienten holzerne Haken, 
an deren einem Ende die Lasten angebunden waren. 



*) Notizblatt des Deutschen Vereins fUr Fabrikation von Ziegeln, Ton- 
waren etc. No. 1. 1871. 

**) Fankhausen. Die Drahtseilriesen. Bern. 1873. 



— 35 — 

Nach einem Aufsatz in Uhlands Praktischem Maschinen-Kon- 
strukteur*) vom Jahre 1869 erhebt ein Forstmann Adolf Hohenstein 
den Anspruch darauf, als der Erfinder der Seilriesen zu gelten, 
denen er den merkwiirdigen Namen „Waldtelegrafen" beigelegt 
hatte. In der Einleitung zu diesem Aufsatze erkennt er wohl an, 
daB die erste Idee zu diesen Waldtelegrafen 1857 von einem ge- 
wissen Pradi ausgegangen sei. 

Es ist dies derseibe Pradi, den Fankhauser in seinen „Drahtseii- 
riesen" nennt. Hohenstein baute im Jahre 1859 in der Qemeinde 
Fai, Bezirk Mezzo Lombardo, von dem Berge Taucior in das Tal 




Fig. 15. Drahtseilriesen, erbaut von Hohenstein 1859 in fai, Bez. Mezzo Lombardo. 



hinunter eine Drahtseilriese, von der er seibst bemerkt, daB er da- 
mals von Drahtseilen noch nichts wuBte und sich deshalb mit Eisen- 
draht begniigen muBte. Dieser Waldtelegraf (Fig. 15) soil 1230 
Wienerklafter Lange und einen Eisendraht von l^ Zoll Dicke als 
Laufbahn besessen haben und auf ihm sollen von 3 Arbeitern in 
66 Tagen 40 000 Faschinen von 3 FuB Lange und 5 Zoll Dicke ab- 
geriest worden sein, deren Transport sich auf 287 Gulden gestellt 
hatte. Den Transport auf dem Landwege berechnet Hohenstein 
mit etwa 560 Gulden. 

In der Fortsetzung seines Aufsatzes iiber diesen Waldtelegrafen 
gibt Hohenstein an, er hatte schon im Jahre 1855 die ersten der- 



*) Der praktische Maschinenkonstrukteur. W. H. Uhland. 1869, S. 169 u. f. 

3* 



— 36 — 

selben in Tirol aufgestellt. Es scheint dies jedoch ledigiich ein 
Druckfehler zu sein, 1859 diirfte wohl die richtige Zahl darstelien. 

Etwas unklar ist noch die Mitteilung in demseiben Aufsatze, daB 
im Jahre 1858 im Tale Qrigno auf einem Waldtelegrafen von 900 
Klafter Lange 270 Osterreichische-Klafter Buchenscheite abgeriest 
worden seien, wozu in 13 Tagen taglich 6 Arbeiter verwendet 
wurden. Wer der Erbauer dieser Seilriese in Qrigno war, laBt sich 
hiernach nicht mehr feststellen. Jedenfalls war es weder Pradi 
noch Hohenstein. 

Die Unvollkommenheiten, welche jene ersten Anlagen natur- 
gemaB besitzen muBten, waren einerseits die Unmoglichkeit einer 
genugenden Spannung des Drahtes und das oftere ZerreiBen des- 
selben, andererseits aber der Umstand, daB bei dieser Art der Be- 
wegung der Last auf der Fahrbahn die geringste Unebenheit oder 
ein WindstoB die zu transportierenden Holzer in die Schluchten 
schleuderte. Ferner kam noch hinzu, daB die zum AbrieBen be- 
nutzten Haken nicht wieder an den Ausgangspunkt zuruckkamen, 
sodaB immer neue Haken verwendet werden muBten. Die erste 
Vervollkommnung, die schon kurz nach der Anwendung dieser 
ersten Seilriesen an ihnen angebracht wurde, bestand zunachst 
darin, daB statt des einen Drahtes, der die Laufbahn bildete, ein 
aus mehreren Drahten zusammengeflochtenes Drahtseil verwendet 
wurde, das mit einem Ende an einer Welle befestigt und durch 
Drehen und Feststellen derselben mit Hebeln gespannt wurde. Es 
bot dieses Seil einerseits den Vorteil groBerer Dauerhaftigkeit, an- 
dererseits lieBen sich aber auch dann sofort groBe Einzellasten auf 
ihm transportieren. 

Hatte der zuerst erwahnte belgische Seilaufzug bei Seraing eine 
Wiederholung an anderer Stelle auf Qrund der mit ihm gemachten 
Erfahrungen anscheinend nicht gefunden, so ergaben sich aus den 
Schweizer und Tiroler Drahtriesen aber sehr bald Konstruktionen, 
die zu einer Ausbildung nach der Richtung hin, in der sich die 
spateren Drahtseilbahnen entwickelten, aber unabhangig, von 
diesen, fuhrten. Es entstand schon bald nach der soeben beschrie- 
benen Drahtbahn eine weitere desselben Systems in der Nahe von 
Luzern. 

Zur Ausbeutung des bis dahin wegen der Unmoglichkeit des 
Holztransportes nutzlos gebliebenen Biirgenbergwaldes der Stadt 
Luzern hatte die Forstverwaltung im Jahre 1861 nach einem erst- 
maligen nicht erfolgreichen Versuche mit einem 6 mm dicken 
Drahte spater ein Drahtseil von 12 mm Durchmesser, bestehend 
aus 28 Drahten von je 1,5 mm Diameter auf 750 m Lange und einem 
Qewichte von 285 kg, anfertigen, dasselbe auf groBen Umwegen 
und mit anstrengendem Transport auf die obere, 494 m senkrecht 
iiber der untenliegenden Station bringen und auf eine Welle von 



— 37 - 

24 cm Durchmesser, die ihre Anhaltspunkte am FuBe zweier Baume 
hatte, anbringen lassen. Das Oberbringeti des anderen Endes zur 
unteren Station war, nach der von Forstverwalter Schwytzer in 
Luzern gemachten Beschreibung, eine iebengefahrliche Operation, 
welche aber durch die Unerschrockenheit und Besonnenheit des 
Bannwarten glUckiich in der Weise geiost wurde, daB das Seii 
durch einen Fohrenstamm hindurchgezogen und hinter demselben 
wieder auf eine dort festgemachte Welle aufgerollt wurde. Es 
diirfte auch diese Seilriese auf die Anregung von Hohenstein zu- 
riickzufuhren sein. 

Zum Anhangen der zu riesenden Holzer wurden holzerne 
Haken und eiserne Rillenrader, deren Rille dem Durchmesser des 
Drahtseiles entsprach, angewendet. Mit letzteren erzielte man 
wohl eine weit groBere Schnelligkeit, als mit den Haken, indes 
bewog die Riicksicht auf Sparsamkeit die Anwendung letzterer, 
weil eine RoUe allein Frs. 2.50 kostete. Die mittlere Qeschwindig- 
keit auf der 700 m langen Bahn betrug fiir Faschinen von 10 — 12 kg 
Qewicht bei Anwendung von Holzhaken in einer Sekunde 20,5 m, 
bei Anwendung der Rolle in einer Sekunde 24,7 m. 

Mittelst dieser Vorrichtung wurden taglich 300 — 400 Biindel 
Holz vom Berge an den See hinuntergeliefert, auf eine Entfernung, 
fiir welche ein geiibter FuBganger wenigstens 1^2 Stunde braucht. 
Zur Erleichterung des Verkehrs zwischen den Arbeitern der beiden 
Stationen, sei es zur Rticksendung der Haken, sei es zur Befrie- 
digung anderer Bediirfnisse, wurde ein Sack oder Korb an einer 
tiber eine Welle gezogenen Leine, welche mit Zwischenhaken dem 
Drahtseil moglichst nahe gehalten wurde, in 30 — 35 Minuten hin- 
und herbefordert. 

Aus dieser Beschreibung ergibt sich, daB diese bei Luzern ge- 
legene Seilriesenanlage somit schon einen weiteren Schritt zu einer 
Ausbildung als Bahnanlage getan hatte, insofern, als hier schon die 
zum Riickbefordern der Laufwerke dienenden Leinen Anwendung 
gefunden haben. 

Das Jahr 1861 ist fur die Entwicklung des Drahtseilbahnbaues 
iiberhaupt ein sehr bedeutungsvolles geworden, denn in dieses Jahr 
fallen die ersten Versuche des damaligen Koniglichen preuBischen 
Bergassessors von Diicker. Ober die Entstehung seiner ersten 
Seileisenbahnen, die sich von dem Seilriesen kaum unterscheiden, 
gibt der Qenannte selbst in einer Veroffentlichung aus dem Jahre 
1871 folgendes an:*) (Diese und einige folgende AusfUhrungen 
mogen hier wortlich Platz finden, da sie so am besten die Qe- 
danken und Absichten des Konstrukteurs wiedergeben.) 

„ . . . im Jahre 1861, war der Unterzeichnete durch den An- 



*) Notizblatt des deutschen Vereins fOr Ziegelfabrikation. 1871. 



- 38 — 

blick der groBen Umstande, welche der Transport von Kohlen 
und Erzen iiber die Weser in der Porta Westphalica machte, 
dahin gefiihrt worden, eine Seilbahn zu ersinnen, welche an beliebig 
vielen Punkten unterstiitzt, mithin beliebig weit gefiihrt werden 
konnte. 

Im Park zu Bad Oynhausen spannte ich 500 FuB weit einen 
Eisendraht von % Zoll Durchmesser auf und untersttitzte denselben 
alle 200 FuB. Ein eiserner Wagen von kaum 25 Pfund Qewicht be- 
wegte sich mit ungemeiner Leichtigkeit daran, und zahlreiche Per- 
sonen trauten sich dem schwebenden Fuhrwerke an. 

Die Direktion des Eisenwerkes an obiger Stelle forderte das 
Qutachten des Eisenbahn-Ingenieurs Polko ein, und derselbe sprach 
sich dahin aus, daB solche Drahtseilbahn ein sehr geeignetes Mittel 
zur Verbindung des Bahnhofes iiber die Weser mit dem Werke sei. 
Concession wurde bei der Regierung in Minden nachgesucht, allein 
Proteste der FluBfahre-Interessenten traten hinderlich entgegen. 

Im selbigen Jahre spannte ich bei Bochum ein l-z611iges Draht- 
seil 400 FuB weit auf und untersttitzte dasselbe in der Mitte. Ein 
Wagen mit 10 Centner Last fuhr an dem Seile entlang, allein bei 
sehr mangelhafter Endbefestigung sah der erste Versuch etwas hin- 
fallig aus, und da ich verhindert wurde, denselben fortzusetzen, so 
wendeten sich die Bergwerksinteressenten von der Sache ab und 
fuhren fort, Oberbriickungen und Bahnen zu bauen, die Hundert- 
tausende kosteten und jahrelangen Bau beanspruchten, wo Seil- 
bahnen fur wenige Tausende in wenigen Tagen hergestellt werden 
konnten. 

Alle Bemuhungen, Interessenten zur Ausfuhrung von Seileisen- 
bahnen auf ihre Qefahr zu finden, waren vergebens. 

Ich bot das System in verschiedenen Landern an, unter An- 
derem auch in England 1862 der Direktion des Sydenhampalastes." 

Diese Veroffentlichung ist etwas sehr oberflachlich gehalten, 
weshalb auf die dort beschriebenen Konstruktionen etwas naher 
eingegangen werden mag. Zunachst ist zu bemerken, daB von 
Ducker in der Einleitung zu dem erwahnten Aufsatze in dem Notiz- 
blatt des Deutschen Vereins fur Fabrikation von Ziegeln usw. selbst 
angibt, daB er im Jahre 1853 die vorerwahnte Bahn bei Searaing in 
Belgien gesehen habe. Aus der Einleitung zu dem erwShnten Auf- 
satz geht aber ferner hervor, daB ihm die von den Indiern und 
Japanesen gebauten Taubahnen auch nicht unbekannt waren, so- 
daB bestimmt anzunehmen ist, daB die Kenntnisse dieser primitiven 
Anlagen in ihm den Qedanken zur weiteren Ausbildung derselben 
erzeugt haben mogen. 

Die Versuchsbahn bei Bochum kann als Drahtseilbahn wohl 
kaum angesprochen werden. Das einzige, was sie mit dem Draht- 
seil uberhaupt in Beruhrung bringt, ist die Verwendung eines Seiles 



— 39 — 

als Laufbahn, doch scheint es, als seien auf dieser, tiber die be- 
glaubigte Skizzen nicht vorhanden sind, die Wagen von Hand be- 
wegt worden. Ebenso handelte es sich bei ihr nur um ein einziges 
Qeleise, das natiirlich nur fiir bin- und hergehenden Betrieb ver- 
wendet werden konnte, sodaB hier von einer Hangebahn mit Hand- 
betrieb gesprochen werden muB. 

Die hauptsSchlichste Neuerung, die von Dticker hier gegenuber 
den friiher bekannt gewordenen Einrichtungen einftihrte, bestand 
vornehmlich in der Unterstiitzung der Fahrbahn zwischen den End- 
punkten. Wahrend man seither noch nicht dazu gekommen war, 
die zwischen zwei Punkten schwebend ausgespannten Fahrbahnen 
anders, als wie an ihren Endpunkten zu unterstiitzen, fand von 
Ducker ein Mittel, durch Konstruktion seiner Hangewagen, deren 
Lastaufnahmebiigel einseitig von den Laufrollen und somit von der 
Fahrbahn angeordnet war, letztere selbst nach der dem Biigel ab- 
gewandten Seite zu unterstiitzen, und dies blieb auch die einzige 
Art der Verbesserung, die er zunachst, wenigstens bis zu Beginn 
der 70er Jahre zur Ausfuhrung brachte. Die Anordnung des Be- 
triebes, das Fortbewegen der Wagen, die Ausspannung der Fahr- 
bahn selbst blieben zunachst noch auf einem SuBerst primitiven 
Standpunkt stehen. Die Versuchsbahn in Oynhausen, die aus einem 
Rundeisen von 13 mm Starke bestand, besaB nur einen Wagen, der 
vom Boden aus mit der Hand bewegt wurde. Die Fahrbahn war an 
beiden Seiten fest verankert, sodaB von einem selbsttatigen Langen- 
ausgleich bei wechselnder Temperatur oder wechselnder Belastung 
natiirlich keine Rede sein konnte. Die Art der Fortbewegung der 
einzelnen Lasten gibt von Ducker folgendermaBen an: 

„Falls eine derartige Bahn sehr groBe Lange hat, so kann man 
fiiglich rasche Zugtiere anspannen, aucTi wiirden Menschen durch 
Draisine-Vorrichtung iiberraschende Resultate liefern konnen. 
Selbst leichte Lokomotiven kann man anhangen, deren Drehung 
durch Riemen und Scheiben den Radern der Wagen auf dem Seil 
mitgeteilt wiirde." 

Letztere AuBerung von Diickers ist hier durchaus unklar, aus 
einer friiheren Veroffentlichung ist zu entnehmen, daB er glaubte, 
leichte Lokomotiven an die Fahrbahn anhangen zu konnen, was 
nach dem damaligen Stande der Motorentechnik doch uberhaupt 
als ausgeschlossen gelten muBte. Oder wollte er Lokomotiven auf 
dem Boden fahren lassen und die Seilbahnziige damit bewegen? 
Jedenfalls geht deutlich aus diesen AuBerungen hervor, daB sich 
von Ducker mit der Bewegung von Lasten zunachst nicht glaubte 
vom Boden trennen zu konnen. Er versuchte lediglich ein von den 
Unebenheiten des Bodens unabhangiges Geleise zu schaffen, nicht 
aber ein hiervon iiberhaupt ganz unabhangiges Transportmittel. 

Der Vorschlag, den von Diicker im Jahre 1862 der Regierung 



— 40 — 

machte, bestand aber in der Anordnung eines einzelnen Seiles mit 
Qefalle, das iiber die Weser hinausgespannt werden soUte, und 
dessen entleerte Wagen wieder mit einer Schleppleine zurtickzu- 
holen waren. 

Die V. Diicker'sche Idee ruhte nun bis zu Ende der 60er Jahre. 
Trotz des glticklichen Anfanges, den ihr Schopfer mit ihr gemacht 
hatte, blieb er unfrei in bezug auf die konstruktiven Einzelzeiten 
bei der Weiterbildung seines Systems, und es war deshalb nur 
natiirlich, daB ihm Erfolge mit demselben versagt blieben. 

Aber die Idee selbst ruhte nicht. — Allerorten wurden Versuche 
zur Einfiihrung von Luftschwebebahnen gemacht, vielfach mit 
groBem Qltick. Eine interessante Mitteilung iiber Versuche mit 
einer Drahtseilbahn-ahnlichen Einrichtung im Jahre 1867 macht 
Fankhauser in seiner Broschure „Die Drahtseilbahnriese" : 

„Unmittelbar in der Nahe von Liestal erhebt sich eine steile 
Berghalde, welche, soweit das Erdreich nutzbar gemacht werden 
konnte, Reben tragt und oben mit Qemeindewald bestockt ist, 
dessen Exploitation in Folge seiner Lage ganz bedeutende Trans- 
portkosten verursachte. 

Dieser Umstand veranlaBte im Jahre 1867 den dortigen Forst- 
verwalter Strubin, den Holztransport an Draht zu versuchen und 
wurde der Anfang mit einem 210 m langen Draht Nr. 21 unter.einem 
Neigungswinkel von 45 ® gemacht Das Resultat dieses ersten Ver- 
suches entsprach den erwarteten Erfolgen nicht, denn die 10 — 15 kg 
schweren Wedelen, welche man riesen wollte, fielen, noch ehe sie 
30 m zuriickgelegt hatten, immer vom Drahte herab, weil der Bund 
durchgeschnitten war, andere, an starke holzerne Haken befestigte, 
blieben am Drahte hangen, weil sich der Draht zu sehr ins Holz 
einschnitt, und leichtere Qebunde von nur 5 kg Qewicht muBten 
desgleichen abgeloBt werden, weil sie nicht gleiten wollten. Dar- 
aufhin wurden eiserne Haken in Form eines S angewendet; diese 
waren allerdings besser; aber auch sie schnitten sich so stark ein, 
daB sie hochstens zwei Mai gebraucht werden konnten. 

Es war somit keine Aussicht vorhanden, den Draht mit Vorteil 
zu verwenden, doch wurde noch ein letzter Versuch mit eisernen 
Rollchen von 3 cm Durchmesser und 2 cm Dicke gemacht, welche 
voUkommen entsprachen ; allein nach einigem Qebrauch hielt der 
Draht nicht mehr und brach immer neben den Lotstellen, oft im 
Tag 2 — 3 Mai ab. Der Draht wurde deshalb beseitigt, und es kam 
an dessen Steile ein Drahtseil, achtfach gewunden, von 1 cm Durch- 
messer, 300 m Lange, 45 kg Qewicht und einer Tragkraf t von 400 kg 
fiir 46 Frs.; mit diesen und den Rollchen wurde mit Erfolg gear- 
beitet. Von Flicken und Lothen des Drahtseiles war keine Rede 
mehr, die Rollchen wurden taglich tiichtig eingeolt und waren die 
Reparaturen ganz unbedeutend. Da 50 Rollchen vorhanden waren, 



— 41 — 

so wurde jeweilen der letzten Last eine Schnur angebunden, die 
sich von einem Holzhaspel abwickelte und an dieser wurden dann 




Frg. Iti. SeilriESE linksial, labj, nscb 

iiotaensteitii Befe^iigung dt% Tragseils. 




Pig. 17. Endanspannung des Tragseils der Seilriese Liniestal. 




V V 



Fig. 18. Tragrollen der Seilriese Liniestal. 

die Rollchen innert 2 Minuten wieder heraufgezogen. Sobald das 
Holz um das Drahtseil herum auf 50 Schritt Distanz weggeraumt 



— 42 — 

war, wurde dasselbe anderwSrts wieder neu aufgespannt, was in 
10—15 Minuten geschah." 

Es war also hier im Qegensatz zu der fruher schon bekannt ge- 
wordenen v.Diicker'schen Bauart wiedere in Sell mit einer einzelnen 
Spannweite von 300 m Langegemachtworden. Diese letztere Anlage 
beschreibt iibrigens Hohenstein, der hier als ihr Konstrukteur nach- 
gewiesen ist, ausfiihrlich im Uhland, 1869, dem die beigefiigten Skiz- 
zen (Fig. 16 — 18) entnommen sind. Der kleine Schritt weiter 
gegentiber den friiher bekannt gewordenen Schweizer Riesen be- 
stand darin, daB Eichen-Nutzholzstamme von 150 — 170 kg Qewicht 
an zwei RoUen befordert wurden, was dazu ermunterte, auch 
Scheitholz in groBeren Massen hinabzulassen. Der Bericht hieriiber 
sagt aber, dieses Spiel sei zu gefShrlich gewesen und nach der 
ersten Probe unterblieben. Es fehlte eben hier an einer Regulierung 
der Qeschwindigkeit bzw. an einer Leitung der Last durch ein 
standig mit ihr verbundenes Zugseil. Diese Regelung sollte, unab- 
hangig von v. Diicker und unabhangig von den Schweizer Ver- 
suchen, sehr bald gefunden werden. 

Wesentlich war iibrigens, daB uns zum ersten Male in kon- 
struktiver Form hier die Anspannung des Tragseiles mit Hilfe einer 
Reguliereinrichtung entgegentritt, wenn auch von einem selbst- 
tatigen Spannungsausgleich noch nicht die Rede sein kann. 

Schon beziiglich dieser ersten Versuche zur Herstellung von 
Drahtriesen haben sich nun merkwiirdigerweise in die Literatur 
sehr friihzeitig Fehler eingeschlichen, die sich bis auf den heutigen 
Tag durch gegenseitige Obernahme der einzelnen Schriftsteller von 
einander erhalten haben und zu einem groBen Telle das Bild, das 
man sich von der wirklichen Erfindung der Drahtseilbahn zu 
machen hat, vollstandig verwischt haben. 

Nicht allein an dieser, sondern in noch hoherem MaBe an 
anderen Stellen und bei spateren Qelegenheiten ISBt sich eine 
fehlerhafte Auffassung dariiber, wem die Autorschaft der einzelnen 
Entwicklungsphasen zuzuschreiben ist, verfolgen. 

Es hatte dies eben haufig seinen Qrund in der nur sehr geringen 
und ungenauen Literatur, die oft den einen Ingenieur iiber die Ab- 
sichten und Ausfiihrungen des anderen im unklaren lieB. 

So gibt z. B. Ladislav Vojacek im Handbuch der Speziellen 
Eisenbahntechnik von Heusinger von Waldegg, Leipzig 1878 an, 
daB die Urheber dieses zum Holztransport dienenden Drahtriesen- 
systems in seiner damaligen Entwicklung, also 1878, die Forster 
„Frankenhausen" und „Strtibin" seien. Es steht jedoch einwandfrei 
fest, daB die ersten Konstrukteure von Seilriesen Pradi und Hohen- 
stein sind, wahrend „Fankhauser" lediglich diese Versuche in 
seinem Buche „Der Drahtriese", Bern, Verlag von Jent und Reinert, 
beschreibt, und wahrend Striibin, der damalige Qemeindeforster 



— 43 — 

von Liestal der Auftraggeber fiir die Hohenstein'sche Drahtbahn 
war. Das von der Qemeinde Liestal hieruber ausgestellte Zeugnis 
lautete wortlich: 

„Auf Verlangen des Herrn A. Hohenstein, Forstmanns aus 
Bayern, bezeugen die Unterzeichneten, daB der von ihm in seinem 
Werke betitelt „der Wald" empfohlene Waldtelegraph hier in Lies- 
tal durch die Forstverwaltung in Anwendung gebracht worden ist, 
und daB derselbe in etwas geanderter Weise uns erhebliche Dienste, 
Kosten- und Zeitersparnisse gewShrt hat." 

Liestal, den 20. Oktober 1867. 

Namens des Qemeinderathes : 
der President: C. Holinger, J. Striibin, Forster." 

Es ware zu verwundern gewesen, wenn das damals in den ersten 
Anlaufen groBer gewerblicher Entwicklung stehende Nordamerika, 
das mit seinen hohcn Qebirgen und breiten WasserlSufen fiir die 
Anwendung von Seilbahnen so viel Vorbedingungen bietet, sich 
dieses Transportmittels nicht schon in seinen ersten Anfangen be- 
dient hatte, und so finden wir denn auch schon im Jahre 1868 dort 
eine Seilbahn, die als ein weiterer Schritt zur Vervollkommnung 
des Systems selbst bezeichnet werden muB. 

Die „Deutsche Bauzeitung des Jahres 1871" berichtet nach dem 
„Engineering" folgendes : 

„Drahtseil-Bahn in Amerika. Seit dem 1. September 1868 ist im 
Qebiete Colorado, in Clear Creek County, eine von Mr. Q. W. 
Cypher zu Cambertsville fiir die Brown Silver Mining Company 
erbaute Drahtseilbahn mit gutem Erfolg in Betrieb. Dieselbe be- 
steht aus 2 Hauptseilen von iVs Zoll (28 mm) Durchmesser, welche 
am oberen Ende in 7 FuB (2,13 m) Abstand von einander im Fels 
verankert, dann iiber einen 15 FuB (4,57 m) hohen Turm hinweg 
in stark geneigter Lage in das Tal hinab gefuhrt sind, wobei sie in je 
250-370 FuB (76-112 m) Abstand an solchen Stellen, die verhaltnis- 
maBig sicher vor Lavinen sind, auf Stiitzen ruhen. Diese Sttitzen 
tragen guBeiserne Sattel, auf welchen die Drahtseile in solcher 
Weise aufliegen, daB die Rollen oder Rader der kleinen Forder- 
wagen, welche auf den Seilen laufen, beim Passiren nicht behindert 
werden. Am unteren Ende der Bahn sind beide Hauptseile mit 
Keilen befestigt an starken Bolzen von 3 FuB (0,91 m) Lange, welche 
mit 2 FuB (0,61 m) langen Keillochern versehen sind, damit man 
durch Nachtreiben der Keile die Spannung der Drahtseile gehorig 
regulieren kann. DieSeile sind dort an einem eisernen Quertrager, der 
auf einem 30 FuB (9,14 m) hohen Turm ruht, verankert und dieser 
Turm ist durch 2 Spannseile, welche nach einem groBen mit Steinen 
gefiillten Holzgeriist abwarts fiihren, vor Umsturz gesichert. Die 



— 44 — 

Forderwagen hangen an Rollen, welche auf den Drahtseilen laufen, 
und zwar hangt jeder Wagen an nur je einem Seil, so daB die Bahn 
als eine zweigeleisige zu betrachten ist. Die Wagenkasten sind 
ganz aus Eisenblech hergestellt und hangen an je 2 Rollen von 
13 Zoll (0,33 m) Durchmesser, deren Abstand von Mitte zu Mitte 
9 FuB (2,74 m) betragt/ Die Hangeeisen, woran die Wagenkasten 
hangen, sind von ungleicher Lange, so daB der Boden des Wagen- 
kastens bei der Bewegung auf der geneigten Bahn stets annahernd 
horizontal bleibt. Zur Versteifung der Konstruktion sind zwischen 
den Hangeisen Kreuze aus schmiedeeisernen Qasrohren angebracht. 
Auf jedem Hauptseil lauft ein Wagen, und zwar sind beide Wagen 
durch ein Vs Zoll (16 mm) dickes Zugseil, welches iiber eine Seil- 
rolle von 7 FuB (2,13 m) Durchmesser am obern Ende der Bahn 
gefiihrt ist, mit einander verbunden, so daB der hinabgehende be- 
ladene Wagen stets durch sein Uebergewicht den hinaufgehenden 
leeren Wagen hinaufzieht. Jene Seilrolle liegt horizontal in dem 
oberen Turm, das Zugseil ist vor derselben gekreuzt, natiirlich mit 
Hiilfe einiger Leitrollen. Die Seilrolle steht mit einer Handbremse 
in Verbindung, um die Qeschwindigkeit der Bewegung zu maBigen. 
Jeder Wagen faBt 15 bis 20 Ztr. Erze. Wenn der beladene Wagen 
den FuB der geneigten Ebene erreicht hat, so laBt man durch 
Oeffnen des beweglichen Wagenbodens die Erze herausstiirzen. 
Um die Wagen vor Schwankungen zu sichern, sind beide Wagen 
auch noch durch ein sogenanntes Schwanzseil von ^/g Zoll (9 mm) 
Durchmeser mit einander verbunden. Dieses Schwanzseil ist an 
den unteren Enden der beiden Wagenkasten befestigt und tiber 
eine Seilrolle gefiihrt, welche mit ihren Lagern in einem Qleit- 
rahmen im unteren Turm, sodaB sich dieselbe etwas auf- oder ab- 
warts verschieben kann, auf gehSngt ist. Zur Unterstiitzung des 
Zugseiles und des Schwanzseiles sind bei jedem Stiitzpfeiler langs 
der Bahn Rollen angebracht." 

Wir finden hier zum ersten Male die Beschreibung einer voll- 
standigen Drahtseilbahn und gleichzeitig aber auch zum ersten 
Male den charakteristischen Namen derselben „Drahtseilbahn". 
Was bei dieser amerikanischen Bahnanlage auffallt, ist die Tat- 
sache, daB bei ihr nachweislich zum ersten Male ein Doppelgeleise 
angewandt worden ist. Herr v. Diicker hat zweifellos den Qe- 
danken der Verwendung von Doppelgeleisen schon friiher gehabt, 
aber sein langes Schweigen (vom Jahre 61 bis zum Jahre 69 ist 
kaum eine Zeile iiber seine Konstruktion veroffentlicht worden) hat 
diesen Qedanken nicht in die weitere Oeffentlichkeit kommen 
lassen, sodaB anzunehmen ist, daB Cypher aus eigenen Ideen heraus 
zur Konstruktion dieser Anordnung gekommen ist. Nicht iibersehen 
darf aber werden, daB es sich doch wieder nur um einen hin- und 
hergehenden Seilaufzug handelt, mit dem ein kontinuierlicher Be- 



— 45 — 

trieb nicht durchzufuhren war, und daB die Ausbildung des Zug- 
seiles zusammen mit dem hier so genannten Schwanzseil nur den- 
selben Zweck verfolgte, wie die Anbringung des Unterseiles bei der 
Schachtforderung, namlich den, Belastungen und Schwankungen 
auszugleichen, daB ferner die Wagen an Hangeeisen von ungleicher 
Lange, urn sie horizontal zu stellen, aufgehangt sind, und daB na- 
mentlich fiir den Langenausgleich des Tragseiles die Einrichtung 
mit den nachtreibbaren Keilen doch noch auBerst primitiver und 
unkonstruktiver Art war. Bemerkenswerterweise findet sich aber 
hier einmal ein Hinweis auf die einseitigen Auflagerschuhe fUr das 
Tragseil, zum andern ein solcher auf die Tragrollen fiir das Zugseil 
bzw. Schwanzseil. Ob der amerikanische Konstrukteur beziiglich 
dieser Teile die v. Ducker'schen Ideen gekannt hat, oder seine Aus- 
fiihrungen aus eigenen Ideen schopfte, ist nicht festzustellen. 

Der groBte Teil der aus dem Altertum und Mittelalter bekannt 
gewordenen Seilbahn-Shnlichen Einrichtungen bestand aus Zwei- 
seilbahnen, mit Ausnahme der zu einem ziemlich hohen Grade der 
VoUkommenheit gebrachten Danziger Bahn. Die Drahtriesen selbst 
mit ihren festen Fahrgeleisen sind, soweit es sich um das mogliche 
Rtickbefordern der auf ihnen verwendeten Laufwerke handelt, ja 
auch als Zweiseilbahnen zu betrachten, und ebenso bewegen sich 
die Vorschlage von Prittwitz, v. Ducker und Cypher auf diesem 
Qebiete. 

Oberraschenderweise tritt uns aber nun im Juli des Jahres 1868 
eine Seilbahnbauart entgegen, die anscheinend die Ausbildung der 
Drahtseilbahn in andere Bahnen lenken sollte, die Hodgson'sche 
Drahtseilbahn. Sie baute auf dem Danziger Einseilsystem auf, 
nahm offenbar dieses zum Muster und* trat sofort nach dem ersten 
Versuch im Jahre 1868 als sehr weit durchgearbeitete und zu einem 
System zusammengeschlossene Erfindung vor die Offentlichkeit. 
Die Zeitschrift „Der Berggeist" No. 49, 14. Jahrgang vom 18. Juni 
1869 bringt die erste deutsche Veroffentlichung hieruber, die fiir die 
Geschichte des Transportwesens von so groBem Interesse ist, daB 
auch sie unverkiirzt hier wiedergegeben werden moge: 

„Drahtseilbahnen nach Hodgson. Das Drahtseil-Transport- 
system bezweckt einem langgehegten Bedtirfnis nach Zweiglinien, 
nach ZufUhrungsadern zu den groBen VerkehrsstraBen abzuhelfen. 
Seine entsprechendste Anwendung wird es stets finden, wo es sich 
handelt, ein Verkehrsmittel herzustellen, um die Produkte eines 
Landes, nach Eisenbahnlinien, Fltissen oder der Seektiste hinzu- 
schaffen, und Zweig-Eisenbahnen, Pferdebahnen usw. teils wegen 
ihrer Kostspieligkeit, teils wegen ortlicher Hindernisse, sei es durch 
Fliisse oder Schluchten u. dgl. uns im Stiche lassen. In finanzieller 
Hinsicht wurde besonders in's Auge gefaBt und auch gliicklich er- 
zielt, daB die Drahtseilbahnen an Anlage- und Betriebskosten sich 



— 46 — 

nicht nur billiger stellen wie Zweig-Eisenbahnen oder Pferdebahnen 
auch der schmalsten Spuren, sondern sogar billiger, wie ein mittel- 
maBig guter Weg. 

Drahtseile waren bereits friiher auf kleine Strecken in An- 
wendung gebracht, und zwar nicht allein in Indien und Australien, 
sondern auch in einigen europaischen Bergwerks-Districten, wo 
man durch Oberspannung eines Flusses oder einer Schlucht ver- 
mittelst eines einfachen Drahtseiles Mineralien hintiberschaffte. Je- 
doch dabei blieb es ; eine weitere Anwendung und Ausdehnung des 
Seiltransportsystems scheiterte an verschiedenen Schwierigkeiten, 
unter denen insbesondere zu nennen sind: 

1. der Obergang der am Seile hangenden Last iiber die Unter* 
stiitzungspunkte; 



^4jaMJCaMX&a3liAA. moMx ,rto<laaot^ 




Fig. 19. Drahtseilbahnen nach Hodgson, aus Berggeist, 1869, Nr. 49. 



2. die Ausgleichung der stets wechselnden Kraft, was das bald 
Auf-, bald Abwartssteigen der Last mit sich bringt und prak- 
tisch groBe Schwierigkeiten fiir die Triebmaschine darbietet; 

3. die Verteilung der Last iiber die ganze Linie. In dem neuen 
System von Hodgson werden samtliche Schwierigkeiten tiber- 
wunden. Die Last hangt vermittelst eines besonders ge- 
bogenen Eisens mit ihrem Schwerpunkte senkrecht unter dem 
Seile, wahrend das Stiick, welches auf dem Seile aufliegt und 
an welches das gebogene Eisen befestigt ist, wegen seiner 
Form leicht iiber die Unterstiitzungspunkte hinweggeht (siehe 
Fig. 1 u. 2). 

Eine QleichmaBigkeit in dem Krafterfordernis wird dadurch er- 
zielt, daB nicht mehr ein einzelnes, sondern eine Menge, in gewissen 



— 47 — 

Zwischenraumen sich nachfolgender QefaBe den aufsteigenden 
gegenuber ein Qleichgewicht in der erforderlichen Triebkraft her- 
stellen, sodaB solche durch ein richtiges Nacheinanderfolgenlassen 
der QefaBe sogar ganz reguliert werden kann. 

Das System umfaBt zwei verschiedene Ausf uhrungsmethoden : 

die erste, wo ein Paar durch Bocke unterstutzte Leitseile an- 
gewandt werden, die als Schienen dienen, und wo die aufeinander- 
folgenden QefaBe von einem endlosen Triebseile fortbewegt werden, 
wie No. 1; 

die zweite, wo ein einfaches endloses Seil gleichzeitig als Leit- 
und Triebseil dient, es bewegt sich dann an den Unterstutzungs- 
punkten uber RoUen (s. No. 2). 

Nachdem im Herbst vorigen Jahres der erste Versuch auf einer 
V2 engl. Meiie langen Linie mit Erfolg gemacht,*) wurden die prak- 
tischen Details sofort ausgearbeitet und ein Kontrakt eingegangen 
zur Aniage einer Linie von 3 engl. Meilen Lange in der Nahe von 
Leicester (England). Solche wurde Anfang dieses Jahres voUendet 
und dient dazu, die Steine aus den Qranitbriichen der Herren Ellis 
& Everard in Markfield nach der Midland Railway, Station Bardon 
Hill, zu schaffen. 

Diese Linie besteht aus einem endlosen Drahtseile von l^/s ZoU 
Umfang, unterstiitzt durch eine Reihe ISzolliger Rollen, welche auf 
feststehenden Bocken ruhen. Die Bocke sind meist 150 FuB engl. 
von einander entfernt, jedoch wo notig, wird die Spannung eine 
groBere und steigt in einem Falle sogar auf nahe 600 FuB engl. 
Das Seil geht an einem Ende um eine sogenannte Fowler'sche Seil- 
trommel (Fowler's clip drum) herum, welche vermittelst einer 
Lokomobile getrieben wird und so dem Seile eine Qeschwindigkeit 
von 4 — 6 engl. Meilen pro Stunde gibt. (Fig. 20.) 

Die QefaBe werden am Landungsplatze auf das Seil und an der 
Eisenbahnstation von dem Seile geleitet, vermittelst Weichschienen. 
Jedes QefaB hat namlich ein Paar schmale Rollen (r), welche auf 
die Schienen fassen. — Die leeren QefaBe werden auf der anderen 
Seite wieder auf das Seil aufgeschoben und kehren nach den Stein- 
briichen zuriick. 

Jedes dieser QefaBe (Fig. 22) halt 1 Zentner Steine und betragt 
die Beforderung 200 QefaBe oder 10 Tons (200 Zentner) per Stunde 
auf die 3 engl. Meilen Entfernung. Die Verhaltnisse einer solchen 
Drahtseillinie konnen selbstverstandlich den verschiedenartigsten 
Anforderungen angepaBt werden, der Transport mag variiren 
zwischen 10 Tons und 1000 Tons per Tag in Einzellasten von je 
1 — 10 Zentner Schwere. Zur Fortbewegung der QefaBe von 1 bis 



*) Erster Versuch 1867 in Richmond. Er bestand in einer ca. 800 m 
langen Seilbahn mit Pferdebetrieb. 



- 48 — 

5 Zentner Schwere erweist sich der Betrieb mit einfachem Draht- 
seil als vollig geniigend. Fur die schwereren Lasten von 5 bis 
10 Zentner ware zweckmaBig die andere Methode mit Leit- und 
Triebseil anzuwenden. — Beide Linien erfreuen sich in gleicher 
Weise des Vorteiles, iiber Landstrecken von der sonderbarsten Be- 
schaffenheit Qiiter mit Leichtigkeit hinwegzufiihren. Die tech- 
nischen Schwierigkeiten sind nicht groBer als diejenigen, welche 
der Anlage einer oberirdischen Telegraphenlinie entgegenstehen : 
Briicken, Damme, sogar alle Mauerarbeiten sind uberfliissig. 
Kurven (Fig. 21) oder Winkel, welche bei Obergangen in Seiten- 
thaler entstehen, bieten kein Hindernis dar, auch konnen notigen- 
falls Zweiglinien in eine Haupt-Drahtseilbahn eingefiihrt werden. 

Der Preis fiir Aufstellung einer solchen Drahtseilbahn hangt 
sehr ab von der QroBe der Einzellasten sowohl, wie von dem 
Qesamtquantum, welches man zu fordern wtinscht, dagegen weniger 
von der Beschaffenheit des Bodens, den man zu iiberschreiten hat. 

Wie wir vernehmen, hat die bekannte Firma Felten & Quilleaume 
in Koln die Initiative ergriffen, um Hodgson's Drahtseil-Transport- 
system in die diesseitigen Bergwerksreviere einzufiihren. Besagte 
Firma steht dieserhalb bereits in Unterhandlung mit mehreren 
groBeren inlandischen Bergwerks-Qesellschaften und ware es zu 
wiinschen, daB recht bald ein praktischer Vorgang geschaffen 
wtirde, dem ohne Zweifel viele andere Zechen und auch hutten- 
mSnnische Etablissements folgen wiirden." 

Mit dieser Veroffentlichung war aber das Zeichen zum Beginne 
des Prioritatsstreites um die Erfindung der Drahtseilbahnen ge- 
geben, eines Prioritatsstreites, der sich fast bis auf die heutige Zeit 
fortgesetzt hat. Kurz nach dieser Veroffentlichung erschien eine 
Erwiderung des Herrn v. Diicker in No. 59 des „Berggeist". Dlese 
Erwiderung enthalt gleichzeitig einen ganz interessanten Kosten- 
anschlag, sowie auch eine ausfuhrliche Beschreibung der bis dahin 
von V. Diicker nur sehr oberflachlich skizzierten Seileisenbahnen, 
gleichzeitig enthalt sie aber einige grundlegende Irrtiimer, die sich 
noch durch die ganze Literatur der 70er Jahre iiber Drahtseilbahnen 
hindurchziehen und in der Folgezeit viel Verwirrung angerichtet 
haben. Auch diese Erwiderung moge im Wortlaut hier Aufnahme 
finden : 

„Die Seileisenbahn. (Mit Abbildungen auf Tafel IV, Fig. 9 — 17.) 
Aus No. 49 des „Berggeist" zu Koln und aus einigen anderen 
Zeitungen habe ich kiirzlich ersehen, daB es dem englischen 
Ingenieur Herrn Hodgson gelungen ist, die Brauchbarkeit der Seil- 
eisenbahn darzutun, indem er zu Leicester in England eine solche 
Bahn von 3 engLMeilen Lange gebaut hat und dieselbe mit Erfolg 
fiir den Transport von Steinen anwendet auch angeblich bereits in 



— 49 - 

mehreren anderen Landern ahnliche Anlagen einleitet. Hierdurch 
ermutigt, bringe ich mein System einer solchen Bahn in Erinnerung, 
welche ich im Jahre 1861 erfunden und zu Bad Oynhausen, sowie 
zu Bochum in Westfalen versuchsweise ausgefuhrt und seitdem an 
den verschiedensten Stellen in Deutschland, England, in der 
Schweiz usw. unter Vorlegung von Zeichnungen und Beschreibungen 
in Vorschlag gebracht habe. 

Meine Seileisenbahn (Fig. 25) stimmt, abgesehen von den 
nebensachlichen Konstruktionen und Kraftanwendungen, genau 
iiberein, mit der von Hogdson eingefiihrten. Dieselbe besteht im 
Wesentlichen aus einem straff aufgespannten Drahtseil oder Eisen- 
draht von 2 — 5 cm Starke, welches oder welcher in Abstanden 





^ 




Fig. 25. Drahtseilbahnen nach v. DGrcker, Erlauterungs- 
skizzen zur VerSffcntlichung im Berggeist, 1869, Nr. 54. 



von 50 — 100 m derart seitlich unterstiitzt ist, daB einseitige Roll- 
wagen dariiber hinweg resp. an den Untersttitzungen entlang 
fahren konnen. 

Die Skizze Fig. 9 gibt eine Qeneralansicht einer in flacher Qegend 
fiber Qraben und kleine Fliisse hergestellten Seileisenbahn, deren 
Einrichtung fiir 2 Qeleise aus dem Querschnitt Fig. 10 ersicht- 
lich wird. 

Ein Qeleise besteht aus einem Eisendraht aa von 3 cm Starke, 
welcher in Holzgeriisten auf der cannelirten Spitze eiserner Haken 
bb getragen wird und welcher an einer Seite durch eine starke Erd- 
winde mit der Kraft von 20 — ^30 000 kg Qewicht angespannt ist. 

Auf dem Drahte laufen auBerst leichte, zierliche Seilwagen 
(Fig. 9 cc und Fig. 11 — 14). Die cannelirten Rader derselben laufen 

4 



— 50 — 

auf dem Drahte und sind durch ihre Achse mit einer Eisen-Kon- 
struktion seitlich in der Weise verbunden, daB der Schwerpunkt 
des Ganzen unten liegt und daB die Fahrt uber die Stiitzpunkte 
hinweg unbehindert von Statten geht. Die zu bewegenden Lasten 
dd hangen unter den Seilwagen; deren Qewicht kann 10-20 Zentner 
betragen, doch ist es moglichst zu verteilen. Es k5nnen mehrere 
Seilwagen zu einem Zuge vereinigt werden, doch ist es erforderlich, 
dieselben durch zwischengehangte Stangen in gewissen Ent- 
fernungen von einander zu halten. Die Bewegung geschieht im vor- 
liegenden Falle (Fig. 9) durch ein Zugseil ohne Ende von etwa 
15 mm Starke, welches auf beiden Seiten um Trommeln gelegt ist, 
deren eine durch eine Maschine gedreht wird, wenn nicht etwa bei 
einer Neigung der Bahn die gefullten Lastwagen die leeren hinauf 
Ziehen konnen. Es laBt sich auch jede andere bewegende Kraft an- 
wenden ; Zugtiere konnen auf dem Boden gehen und die Seilwagen 
Ziehen; selbst eine sehr leicht konstruierte Lokomotive kann unter 
einem solchen Wagen hangend mit den Radern desselben in Ver- 
bindung gebracht werden. 

Eine Seileisenbahn der vorbeschriebenen Art laBt sich in wenigen 
Wochen meilenweit herstellen. Die Kosten derselben pro Kilo- 
meter werden sich in Norddeutschland ungefahr stellen, wie folgt: 

2 Eisendrahte von 0,031 Meter Starke, 250 Ztr. zu 3% Thlr. = 875 Thlr. 
2 Eisendrahtseile von 0,016 Meter Starke, 16 Ztr. zu 9 Thlr. = 144 „ 

20 Qerflste mit eisemen Haken k 10 Thlr =200 „ 

1 Erdwinde, 2 Trommeln, 10 RoUen ==500 „ 

10 Seilwagen k 10 Thlr = 100 „ 

Aufstellung . . = 100 „ 

zusammen 1919 Thlr. 

Der Qrunderwerb einer Flache von 2— S^/^ m Breite ist nattirlich 
besonders zu berechnen und wo nicht die Neigung der Bahn zur Be- 
wegung ausreicht, da ist die Beschaffung eines Motors mit in Be- 
tracht zu Ziehen. 

Auf einer solchen Bahn laBt sich die Forderung einer groBen 
Steinkohlengrube (10—15 000 Zentner pro Tag) meilenweit mit ge- 
ringeren Transportkosten, wie auf irgend einer anderen Batin, 
befordern. 

AuBer dieser gewohnlichen Ausfiihrung, welche fur Bergwerke, 
Steinbruche, Ziegeleien, Torfstiche, Abfuhren sumpfiger Wiesen usw. 
sehr haufig niitzliche Anwendung finden kann, sind auch noch 
maiiche anderweitige Zwecke durch ahnliche Konstruktion zu er- 
reichen. In Verbindung mit einem Kettenbriickensystem und bei 
Anwendung zweier Eisendrahte, resp. Rundeisen von 4 — 5 cm 



— 51 — 

Starke, wie dies die Figuren 15 und 16 zeigen (Fig. 26), lassen sich 
auBerst billige Trajecte iiber groBe Fliisse fiir groBe Eisenbahn- 
wagen aufspannen. Die Ersteigung der steilsten Berge und Fels- 
wande laBt sich, wie Figur 17 andeutet, durch eine Seilbahn aus 
einem, oder zwei sehr soliden Drahtseilen und unter Anwendung 
eines geeigneten Motors bei f zu gleicher Leichtigkeit und Regel- 
maBigkeit bringen, wie solche in den Steinkohlenschachten von 
500 — 800 m Tiefe stattfindet, aus welchen jetzt taglich Tausende 
von Menschen heraufgewunden werden. 

In einem zierlichen QIascoupe g konnen 6—8 Menschen binnen 




Fig. 26. Drahtseilbahnprojekte nach v. DQrcker. Skizzen aus Berggeist, 1869, Nr. 59. 



5 Minuten auf den Rigi befordert werden und wenn schon heute 
Fiirsten und Prinzen zuweilen in Bergwerken ihr Leben der sicheren 
Kraft guter Drahtseile anvertrauen, so wird auch das groBe Publi- 
kum nach wenigen Vorgangen die Scheu vor einem luftigen, aber 
mit lOfacher Sicherheit konstruierten Apparate verlieren. 

Im allgemeinen kann ich iiber die Seileisenbahn noch das 
Folgende bemerken: 

1. Das Neue derselben besteht nur in der Vbermndung der 
Stutzpunkte und in der dadurch gegebenen Moglichkeit, beliebige 
Langen zu uberspannen. 

2. An Billigkeit und Leichtigkeit der Hersteiiung iibertrifft die 



— 52 — 

Seilbahn wegen der Vermeidung aller Planierungsarbeiten jede 
andere Bahn bei Weitem. 

3. Die tote Last der Wagen und QefaBe laBt sich auf 15—20 Pet. 
der zu bewegenden Masse reduzieren, wahrend dieselbe bei anderen 
Bahnen 50—100 Pet. betragt. 

4. Die hinderliehe Reibung wird auf das mogliehe Minimum 
gebraeht. 

5. Die Qesehwindigkeit der Bewegung kann bis auBerordent- 
lieher QroBe gesteigert werden. 

6. Die Sehwierigkeiten regelmaBigen Betriebes, welehe bei 
kleinen, unvollkommenen Versuehen stets hervortreten, lassen sieh 
bei soliden Ausfiihrungen mit etwas Umsieht und Geduld bald iiber- 
winden und die Anstrengung wird durch iiberrasehende Resultate 
belohnt werden. 

Mein Wunseh besteht darin, daB nunmehr, naehdem engliseher 
Unternehmungsgeist die praktisehe Ausfiihrbarkeit erwiesen hat, 
aueh meine Landsleute von diesem Eisenbahnsystem Qebraueh 
machen moehten. Bei geeigneten Mitteilungen tiber betreffende 
Ortsverhaltnisse und Zweeke werde ieh gerne bereit sein, beziig- 
liehe Vorarbeiten zu unterstiitzen." 

Neurode in Niedersehlesien, 5. Juli 1869. 

Baron F. F. von Diicker, Konigl. PreuB. Bergassessor. 

Hodgson sagt in den Veroffentliehungen seines Systems im 
„Berggeist", das System umfasse zwei versehiedene Ausfiihrungs- 
methoden, die erste, wo ein Paar dureh Boeke unterstiitzte Leitseile 
angewandt werden, die als Sehiene dienen, und wo die aufeinander- 
folgenden QefaBe von einem endlosen Triebseil fortbewegt werden, 
die zweite aber, wo ein endloses Seil gleichzeitig als Leit- und 
Triebseil dient usw. Er besehreibt aber dann nur eine Ausfiihrung 
seines zweiten Systems, hat iiberhaupt, wie aueh die Folgezeit be- 
wiesen hat, von Anfang wohl weniger die Absieht gehabt, dem 
System mit festen Tragseilen, dem Zweiseilbahnsystem, zu einer 
weiteren Ausbildung zu verhelfen. 

Er war eben iiberzeugt davon, daB die Einseilbahn mit endlosem 
bewegten Tragseil die Bahn der Zukunft sei, im Qegensatz zu 
v. Diicker, der nie auf den Qedanken gekommen war, den Hodgson 
tatsachlieh zur Ausfiihrung gebraeht hat. Hodgson hatte sieh mit 
seiner Ansicht geirrt — nieht der Einseilbahn, der Zweiseilbahn 
wandte sieh die Industrie zu, nur seine engeren Landsleute bevor- 
zugten die ersten Jahrzehnte hindureh das naeh Hodgson aueh ge- 
nannte englisehe System. Wenige Fabriken in Frankreich wandten 
es aueh an, es blieb aber immer im Verhaltnis zur Zweiseilbahn, die 



^ I C 6 . EUw.u<i 




Fig. 27/2a Skizzen zur Patentschrift du 




fiodgson'schen Drahtseilbahnen, 1868. 



— 53 — 

sich die ganze Welt erobert hat, ein weniger leistungsfahiges 
System einer Drahtseilbahn. 

Es darf jedoch auch nicht iibersehen werden, daB Hodgson in 
seiner Patentschrift das Zweiseilbahnsystem ebenfalls vollstandig 
beschreibt und behandelt, wenn auch nicht in der Ausfiihrlichkeit, 
wie die Einseilbahn. Er gibt aber zum ersten Male im Qegensatz 
zu von Diicker eine Bauart an, die auf der Zweiseilbahn iaufenden 
Wagen unmittelbar mit dem Zugseil in Verbindung zu bringen, sie 
also nur durch das Zugseil bewegen zu lassen, woriiber von Diicker 
bis dahin noch keine Angaben gemacht hatte. Dagegen enthalt 
seine Patentschrift noch keinerlei Hinweis auf den Ausgleich der 
Langendifferenzen der Seile, keinen Hinweis auf das Anschlagen 
und Abkuppein der Wagen an das Zugseil wahrend der Fahrt. 
Auch iiber die Art der Beladung und Entladung seiner Wagen ISBt 
sich aus seinen Zeichnungen und aus seinen Beschreibungen nichts 
entnehmen. Er legte vielmehr sein Hauptaugenmerk darauf, die 
Unterstutzungsstellen der Seile bequem durch die Wagen passieren 
zu lassen. Es scheint iiberhaupt, als hatten die Erfinder damaliger 
Zeit diese verhaltnismaBig nebensachliche und leicht losbare Kon- 
struktion fast als Hauptpunkt der ganzen Erfindung angesehen, 
wahrend doch in Wirklichkeit die einseitige Aufhangung des 
Wagens und anderseitige Auflage des Seiles zu irgend welchen 
Schwierigkeiten keinerlei Veranlassung gab, die Losung einer 
solchen Aufgabe heutzutage lediglich als Ronstruktive MaBnahme, 
die jedem Techniker gelaufig sein muB, angesehen werden wiirde. 

Die Hauptbedeutung der Hodgson'schen Erfindung liegt darin, 
daB er zum ersten Male auch ftir die Zweiseilbahn mit festem Trag- 
seil einen kontinuierlichen Betrieb sich derart dachte, daB die be- 
ladenen Wagen auf dem Volltragseil nach der einen Richtung, die 
leeren Wagen auf dem parallel zu ihm gespannten Leertragseil nach 
der anderen Richtung zu laufen hatten, und daB beide Wagen- 
gruppen von einem endlosen besonderen Zugseil, nicht in Ztigen mit 
einander vereinigt, sondern als Einzelwagen in bestimmten Ab- 
standen von einander bewegt wiirden. Den wichtigsten Teil der 
konstruktiven Ausbildung der Zweiseilbahnen, die Stationen, iiber- 
geht er aber mit Stillschweigen. 

Ebenso gibt Hodgson interessanterweise fur beide Systeme auch 
schon eine selbstandige Kurvenumfahrung andeutungsweise an. 
Zum naheren Verstandnis der Ideen Hodgsons moge seine eigene 
Erklarung der Patentzeichnung aus der Patentschrift hier Platz 
finden : 

„The two systems will be more fully understood on reference 
to the accompanying Drawings, in which Figures 1, 2 and 3 shew 
the first system in elevation section and plan; Figures 4 and 5 show 
a carriage or vessel for carrying loads to be employed in this system. 



— 54 — 

Figures 6, 7 and 8 represent the second system in elevation, 
section and plan ; Figures 9 and 10 show the boxes or vessels to be 
employed in connection with it. 

Figures 11, 12 and 13, show methods of forming the attachment 
to the running or propelling rope in the first system. In Figures 14 
and 15 are seen the attachments for the second system passing 
inside the flanges of the pulleys, and in Figures 16 and 17 are seen 
the method of passing outside the flanges and the methods of 
tightly clutching the rope, as illustrated in Figures 18, 19, 20 and 
21. The metal cover or cap is shewn in Figure 22, and the sus- 
pended rail in Figures 23 and 2A, The method of passing round 
curves in the first system is shewn in Figures 25 and 26, and that 
on the second system in Figures 27 and 32. Figures 33 and 34 refer 
to the methods of allowing the wheels of carriages to pass the 
points where the standing ropes in the first system are secured to 
the overhung brackets. 

I do not confine myself to any special method of attaching the 
running rope to the carriages or vessels in the first system, but 
prefer to employ the arrangements shown in Figures 11, 12 and 13. 
In the second system I employ, as already stated, two forms of 
hook for attachment on to the rope, one to pass inside and the other 
outside the flanges of the sheaves which carry the rope. These two 
forms are shown in Figures 14 to 17, and Figures 18 to 21 illustrate 
methods of clutching these hooks tightly on the rope in cases where 
very steep incUnes are to be mounted and the loads would other- 
wise slide back. Under certain circumstances in applying the first 
method I cover or cap the rope with any metallic coating, as shewn 
in Figure 22, or I suspend from the rope a rail for the wheels to run 
on, as shewn in Figures 23 and 24. In employing either system it 
is convenient to place the loads on the rope at such distances as 
shall be approximately multiples of half the average distance 
between the posts or points of support, so that throughout the 
entire line one half of the carriages shall always be on the ascending 
side of the catenaries over which they are travelling and the other 
half on the descending side. For the purpose of thus regularly 
distributing the load I employ any convenient automatic releasing 
arrangement which shall after a given number of turns of the 
driving drum permit the carriages in regular series to run on to the 
rope. To focilitate passing round curves on the first or standing rope 
system I arrange that the clutches for catching the propelling rope 
or chain shall be below the body of the carriages, vessels, or 
receptacles, and so constructed that they shall pass easily round a 
roller, which must of necessity be placed at each point of curve for 
the purpose of deflecting the said propelling rope. The general 
design of this detail is shewn in Figures 25 and 26. In passing 



— 55 — 

round slight curves on the second or moving rope system I merely 
incline the pulleys in the manner usual in the application of the 
wire rope to haulage purposes, but where a considerable curve must 
be made at one point, I employ the arrangement illustrated in 
Figures 29 to 32 for this purpose, which arrangements is equally 
applicable for enabling the boxes or vessels to pass round the ter- 
minal sheaves of the line. In order to facilitate this method of 
passing curves, and also to assist generally in moving the boxes or 
vessels about, when not on the running rope, I provide them with 
small wheels attached to the frame. In cases where wide sheets of 
water are to be crossed in which it would be inconvenient to 
construct piers I employ vessels, pontoons, rafts, or floats to carry 
the posts required for either system. The posts or frame-work 
employed in my system may also be made use of for carrying or 
supporting ordinary telegraph wires, but I make no claim to 
Inventions in this particular." 

Vergleicht man hiermit nun die Erwiderung von Diickers, die 
noch durch eine in No. 55 des „Berggeist" erschienene Erklarung 
des damaligen Qewerbeschuldirektors Dr. Bardeleben unterstiitzt 
wurde, und in der ausgefiihrt wurde, daB die im Jahre 1861 her- 
gestellte v. Diicker'sche Versuchsbahn „im Princip" mit den unter 
No. 1 beschriebenen System der Hodgson'schen Bahn iiberein- 
stimmt, so kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, daB 
V. Diicker die Oynhausener Ausfiihrung in ihrer Bedeutung als rein 
konstruktive Losung doch sehr iiberschatzt. Es ist doch sicher, daB 
die Oynhausener sowohl, wie auch die Bochumer Bahn keine kraft- 
betriebenen Bahnen, sondern handbetriebene Hangebahnen waren, 
daB aber die in der v. Ducker'schen Erklarung des „Berggeist" 
vom 23. Juli 1869 angefuhrten Einzelkonstruktionen hatten Ver- 
wendung finden konnen, daB sie aber auch doch weiter nichts ge- 
blieben sind, wie Projekte, die bis dahin noch nicht ausgefiihrt 
worden waren und die fiir die Zukunft auch, wenigstens nach den 
Ideen v. Diickers nicht zur Ausfiihrung kommen soUten. Es mutet 
eigentiimlich an, wenn man sich z. B. das FluBtrajekt betrachtet, 
das, offenbar in vollstandiger Unkenntnis der bei solchen Anlagen 
auftretenden Krafte skizziert, kaum anders angesehen werden kann, 
als eine vom ingenieurtechnischen Standpunkte aus doch nur laien- 
hafte Leistung. Die von v. Diicker in Fig. 17 (s. Fig. 26 des Textes) 
erwahnte Qebirgsbahn ist ein bekannter Seilaufzug und hat mit 
der Drahtseilbahn nur so viel zu tun, daB als Laufbahnen Draht- 
seile verwendet werden, und daB das Tragseil an mehreren Punk- 
ten unterstiitzt ist, wahrend die Hauptansicht der Bahn, Fig. 9 
und 10 (siehe Figur 25 des Textes) mit dem auf dem Boden 
liegenden Zugseil und der Vereinigung der Wagen zu Ziigen einen 
praktisch einfach unausfiihrbaren Vorschlag darstellt, einen Vor- 



— 56 — 

schlag, der es erklarlich macht, daB diejenigen Personlichkeiten, 
denen ihn v. Ducker in den 60er Jahren unterbreitet hat, ihn nicht 
fiir ernst genommen haben. Dieser selbe Vorschlag mit dem Zug- 
betrieb wiederholt sich — dem Notizblatt des Ziegelvereins, wo- 
selbst (Fig. 29) die Bahn sogar ohne Zugseil, fiir Handbetrieb, dar- 
gestellt ist. Auch die AuBerungen von Duckers iiber den Personen- 
transport miissen mehr einem gewissen Optimismus, als einem 
Vertrauen auf die Oberwindung der einem solchen entgegenstehen- 
den konstruktiven Schwierigkeiten, die v. Diicker stets unter- 
schatzt, zugewiesen werden. 

In ganz kurzer Zeit hatte sich die Hodgson'sche Bahn mit be- 




Fig. 29. Dacker'sche Seilbahn, ohne Zugseil, tlandbetrieb. 



wegtem Tragkabel einen ziemlich erheblichen Anwendungskreis er- 
obert. In England selbst, in Deutschland, in Bohmen, in der ScHweiz 
kamen mehrfach Bahnen dieser englischen Bauart zur Ausfiihrung. 
Die in Brigthon 1868 gebaute, sehr weit durchgearbeitete und kon- 
struktiv bis in alle Einzelheiten erlauterte Bahnanlage findet sich 
in dem von J. A. Kool und P. J. Siedenburg 1871 herausgegebenen 
Buche, De Transportkabel, aus dessen Hauptzeichnung sich auch 
gleichzeitig entnehmen laBt, daB Hodgson mittlerweile fiir einen 
Ausgleich der verschiedenen Seillangen besorgt gewesen ist, indem 
er einen Spannwagen einfiihrte. Aber auch hier ist es auBerordent- 
lich merkwiirdig, daB dieser Spannwagen mit Hilfe eines Flaschen- 
zuges von Hand reguliert werden muBte und keinerlei selbsttatige 
etwaige Qewichtsbelastung aufweist. Ebenso ausfiihrlich be- 



— 57 — 

schrieben sind die Zwischenstationen und Kurvenumfiihrungen, wie 
die Konstruktion der Stiitzen in den verschiedenen Hohen. Auch 
die Wagen mit ihren drehbaren Aufhangungen sind von hochstem 
Interesse, wenn diese Aufhangungen auch noch nicht derart sind, 
daB ein selbsttatiges Kippen und Wiederaufrichten der Kasten nach 
dem Entladen mit ihnen ermoglicht werden konnte. Die Qe- 
schwindigkeit dieser Bahn in Brigthon soli zwischen 6 und 8 Kilo- 
meter in der Stunde betragen haben, also schon annahernd 2 m 
in der Sekunde. 

Mit dieser Bahnausfuhrung in Brigthon, die die voile Brauch- 
barkeit der Hodgson'schen Ideen erwies, war das System gleich- 
zeitig zu einem gewissen AbschluB gelangt. Es hat sich bis heute 
in grundlegender Beziehung noch in keiner Weise geandert, sondern 
nur die Durchbildung der Einzelheiten hat zu Vervollkommnungen 
gefiihrt, Vervollkommnungen, die sich dem Fortschreiten der Tech- 
nik im allgemeinen naturgemaB anpassen muBten. 

Jedenfalls gebiihrt Hodgson die groBe Anerkennung, daB er 
durch sein zielbewuBtes Vorgehen einen erheblichen AnstoB zur 
Weiterverfolgung des Schwebebahngedankens gegeben hat. Bald 
nach der einen, bald nach der anderen Richtung finden wir solche 
Schwebebahnversuche ausgefiihrt, und es ist ganz interessant, zu 
beobachten, wie sich die einzelnen Erfinder und Konstrukteure bei 
dem ihnen alien doch neuen Transportmittel iiber die verschiedenen 
Schwierigkeiten hinwegzuhelfen suchten. 

Den Systemen von Hodgson, Hohenstein und v. Dticker eigen- 
tiimlich ist ja die Verwendung einer einzigen Fahrbahn fiir den 
Wagen, an der die Last in stabilem Qleichgewicht pendelnd auf- 
gehangt ist. Eine groBe Anzahl von Versuchen bewegte sich nun 
in der Richtung, Doppelfahrbahnen, auf denen die Fuhrwerke, ahn- 
lich wie Wagen von Standbahnen stehend laufen, die also das von 
Lorini angegebene Prinzip verfolgen, zu verwenden. Ein Beispiel 
hierfiir ist die MuUer'sche Seilbahn (Fig. 30), die etwa 1869 kon- 
struiert und im Jahre 1870 in der Sigl'schen Lokomotivfabrik in 
Wien Verwendung gefunden hat. Dieses, von dem Erfinder „Seil- 
trajekt" genannte Transportsystem besteht aus zwei parallel 
laufenden Seilen ohne Ende, die an den Endpunkten iiber groBe 
Rollen laufen und in verschiedenen Entfernungen durch kleinere 
RoUen getragen und gefiihrt werden. Jedes endlose Seil liegt in 
einer vertikalen Ebene, sodaB die beiden nebeneinander herlaufenden 
Seile in ihren oberen Trums ein sich nach der einen Seite be- 
wegendes Qeleisepaar in ihren unteren ein sich nach der anderen 
Seite bewegendes Qeleisepaar darstellen. Die Lasten wurden von ge- 
wohnlichen vierraderigen Eisenbahnwagen aufgenommen, die sich 
mittelst besonderer seitlicher Qreifer auf die Seile auflegten. Die 
Anordnung der Oberfiihrung der auf dem festen Boden auf Qeleisen 



— 58 — 

fahrenden Wagen nach der Seilbahn ist eine auBerordentlich ein- 
fache. Die Standbahngeleise laufen zwischen die Endumfiihrungen 
der bewegten Tragseile, sodaB die Wagen von selbst beim Weiter- 
schieben von den Qeleisen auf die Seile iibergehen bzw. umgekehrt, 
beim Verlassen der Seile sich von selbst auf die Schienen mit Hilfe 
von Anlauframpen aufsetzen (Fig. 31). Die beigefugte Zeich- 
nung ergiebt ziemlich genau * die Art der von Miiller beab- 
sichtigten Einzelausfiihrungen. Bemerkenswert ist das, was der 




Fig. 30. MuUcr Sciltrajekt zwischen der Sigl'schcn Lokomotivfabrik Wien und WShring, 1870. 



Erfinder iiber die Einzelheiten seiner Ausfiihrung selbst angibt. So 
soUen, wie er meint, Wagen von fast beliebigem Qewicht gefordert 
werden konnen, was nattirlich sehr stark anzuzweifeln ist, schon mit 
Riicksicht auf die Ausfiihrung der Seile. Ebenso will er sein Trajekt 
mit 2 — 2y2 m Qeschwindigkeit in der Sekunde laufen lassen und die 
Stiitzen in durchschnittlichen Entfernungen von 100 m aufstellen. 
Merkwiirdigerweise kommt aber auch MuUer immer noch nicht auf 
die selbsttatige Anspannung der Seile etwa durch Qewichts- 
belastung, sondern er bildet eine Spannvorrichtung mit Hilfe von 
Zugspindeln aus, wodurch nattirlich eine gleichmaBige Anspannung 




Fig. 31. fiermann Mailers Seil-Trajekt. Gesamtansicht aus 







Mner Brosclifire der Sigl'schen Lokomotivfabrik Wien, 1872. 



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— 59 — 

und damit auch ein gleichmaBiges Laufen der beiden Seiie aus- 
geschiossen wird. 

Wie wenig iibrigens sonst ernsthaf t zu nehmende Konstrukteure 
sich iiber die einzelnen Vorgange bei Drahtseiibahnen klar wurden, 
geht aus der Buch*schen Privilegiums-Anmeidung aus dem Jahre 
1870 hervor, die sich auf eineangeblicheVerbesserungHodgson'scher 
Drahtseiibahnen bezog. Buch wili die FordergefaBe ebenfalls statt 
an ein Seil, an zwei bewegte Tragseiie hangen, die ziemlich dicht 
nebeneinander iiegend, parallel zu einander gefuhrt sind, in gieicher 
Richtung laufen. Er begriindete seinen Vorschlag damit, daB bei 
gewohniichen Hodgson*schen Seilbahnen die Lasten zu sehr 
schwanken, und daB sie bei seinem System vie! ruhiger hangen 
sollten. Abgesehen von der auBerordentlichen Komplikation, die 
durch Fuhrung und Lagerung und ebenso durch Antrieb der beiden 
Seile in das System hineingefuhrt wird, ubersah der Erflnder voil- 
standig, daB in Wirklichkeit ein etwa auftretendes heftiges 
Schwanken der an einem Seil aufgehangten, also doch in stabilem 
Qleichgewicht befindiichen Lasten ledigiich auf Ausfiihrungsfehler 
zuriickzuftihren ist, und daB es namentlich bei langen Strecken un- 
moglich ist, die beiden Seile stets mit derart gieicher Spannung und 
gieicher Qeschwindigkeit zu fiihren, daB nicht durch die Ver- 
schiedenheit zwischen beiden ein noch viel heftigeres Schwanken 
und ein fast mit Sicherheit zu erwartendes Entgleisen der Wagen 
eintritt. 

Zur gleichen Qruppe der mehrseitigen Bahnen ist auch zu 
rechnen g. B. die in der Nahe des Rheinfalls bei Schaffhausen wahr- 
scheinlich im Jahre 1867 — 69 erbaute Bahn, die in der Literatur viel- 
fach als Oberschreitung des Rheinfalls genannt wurde. Die frag- 
liche Drahtseilbahn iiberspannte zwar nicht den Rheinfall, sondern 
sie vermittelte nur den Verkehr des Dienstpersonals zwischen dem 
alten linksrheinischen schwer zuganglichen Moser'schen Turbinen- 
hause und dem rechten Schaffhausener Ufer, zu einer Zeit, als die 
bekannte Moser'sche Seiltransmission noch im Betrieb war. Diese 
etwa 100 m lange Seilbahn wurde Ende der 70er Jahre durch den 
heute noch benutzten eisernen FuBsteg ersetzt. Wer der Erbauer 
der Bahn war, ob Rieter in ToB oder Escher-WyB, konnte nicht 
mehr ermittelt werden, ebensowenig wie Zeichnungen hieriiber noch 
vorhanden zu sein scheinen.*) Der fiir hochstens 2 Mann berechnete, 
auBerst primitive eiserne Fahrkasten, etwa von der Form bei- 
geschlossener Skizze (Fig. 32), wurde durch 2 auf den beidseitigen 
Uferpfeilern montierte Handkurbelgetriebe mittelst umlaufendem 
Zugseil zwischen 4 Trag- resp. Hangseilen aus Stahldraht hin und 



*) Nach persGnlichen Mitteilungen von Ing. Siegfried Abt in Winterthur 
und H. Magis in Schaffhausen. 



— 60 — 

her gezogen, langsam genug, haufig, besonders im Winter, mit einer 
unfreiwilligen Ruhepause iiber der Rheinmitte. 

Die aus der Hodgson'schen System-Erfindiing entspringenden 
weiteren Erfindungen, die nun in sehr rascher Folge einsetzten, 
konnten an der Qesamtheit des Systems natiirlich nichts mehr 
andern, sie bezogen sich mehr auf Vervolikommnung der Einzel- 
heiten, auf eine bessere Durchbiidung der einzelnen konstruktiven 
Teiie und ihre Anpassung an die im Betrieb gemachten Erf ahrungen. 
So schlug Hallidie schon 1871 in Scientific Press (S. Francisco, 18. 
2. 1871) ein dem Hodgson'schen Shnliches System vor, das statt 
der losbaren, fest mit dem Seil verbundene Wagenkasten oder 
Arme zur Aufnahme von Lasten besitzt.*) Das von Hodgson in 




Fig. 32. Schematische Darstellung des Seiltrajekts bei Schaffhausen mit 
4 Tragscilen und endlosem Zugseile (von 1867—1869), 



Bardon Hill zum ersten Male im Betrieb vorgefiihrte Seilbahn- 
system der Einseilbahnen muB demnach, trotzdem schon in der 
alten Danziger Anlage ein Vorganger von ihm da war, doch ais eine 
vollkommene Erfindung angesehen werden, und zwar als eine Er- 
findung in unserem heutigen Sinne. Es ist also nur gerechtfertigt, 
wenn noch bis heute jedes Einseilbahnsystem, das auf den von 
Hodgson angegebenen Qrundsatzen beruht, unabhangig davon, ob 
in seinen Einzelheiten Weiterbildungen und Verbesserungen statt- 
gefunden haben, die an seiner Qrundiage und an seinem Wesen aber 
nichts andern konnten, als Hodgson'sches System bezeichnet wird. 
Die Einfiihrung dieses Hodgson'schen Einseilbahnsystems in die 
Technik gab aber das Zeichen zum Beginn einer regen Erfinder- 
tatigkeit auch auf dem Qebiete des Zweiseilsystems. Man hatte 



*) Scient. Press. S. Francisco. 18. 2. 91. 



— 61 — 

durch die englischen Erfolge wohl erkannt, welcher technische und 
wirtschaftliche Wert dem Lufttransport innewohnt, mochte 
sich auch wohl sofort davon iiberzeugt haben, daB die eigentiiche 
Zukunft der schwebenden Lastbewegung nicht darin zu suchen ist, 
daB die Lasten auf einer beweglichen Schiene gefordert werden. 
sondern daB sie nur darin bestehen konntCj feste Wege durch die 
Luft zu schaffen, an denen sie mit Hilfe besonderer Bewegungs- 
einrichtungen entlang laufen konnten. 

Die in Tirol und in der Schweiz gegebenen Anregun- 
gen, die aus den ersten, vorher beschriebenen Seilriesen zu ent- 
nehmen waren, fiihrten dort bald zu einer selbstandigen Weiter- 
entwicklung dieses Systems. Nachdem Hohenstein mit seinen 
primitiven Seilriesen so bedeutende technische Erfolge erzielt hat, 
wenn ihm auch die entsprechenden finanziellen Erfolge versagt 
blieben, griff ein Industrieller im Kanton Bern, Ch. Konig in Beiten- 
wyl, den Hohenstein'schen Qedanken auf und verbesserte ihn 
wesentiich durch Hinzufugung einiger neuer Erfindungen. Im lahre 
1869 wurde am Trubbach bei Trubschachen von Konig eine Seilriese 
von 950 m Lange bei einem Drahtseildurchmesesr von 25 mm er- 
richtet, bei der die von Hohenstein angegebene Spannvorrichtung 
mit Hilfe einer horizontalen Walze und Sperrad ebenfalls zur An- 
wendung kam. 

Die anscheinende Unmoglichkeit des Transportes ganzer Stamme 
von 1000 und mehr kg Qewicht*) hatte namlich bis dahin ihren 
Qrund in der richtigen Voraussetzung, daB ohne Regulierung der 
Schnelligkeit, bei der Wucht, mit welcher eine solche Masse zu Tal 
fahren wurde, entweder dieselbe iiber die Bahn hinausschleudert 
Oder aber, unten angekommen, sich selbst und alles im Wege 
Stehende zerschmettern wiirde. Um nun den Gang des Qleitens 
in die Tiefe zu regulieren, brachte Herr Konig bei der oberen 
Station eine senkrechte, zwischen Stiitzen sich drehende Walze an. 
Uber diese lauft ein leichtes Drahtseil, dessen eines Ende an dem 
zu transportierenden Qegenstand befestigt ist, wahrend am anderen 
Ende durch die tiberschussige Kraft des hinabgleitenden Holzes die 
leeren Rollen wieder heraufbefordert werden. Da jedoch dies nicht 
am gleichen Seile geschehen konnte, an dem die Last hinunter- 
gelassen wurde, so spannte man ein zweites Drahtseil, welches aber 
der geringen Last wegen, welche dasselbe zu tragen hatte, be- 
deutend dunner und daher auch wohlfeiler sein konnte. An der 
oben erwahnten Walze (Friktions walze), um welche die sogenannte 
Luftschnur geschlungen war, wurden iiberdies zwei Windfliigel an- 
gebracht, die durch ihre Schwere anfanglich vertikal stehen, sich 
aber bei der Drehung offnen und durch den vergroBerten Luft- 



"') Abdruck des Wortlautes aus Fankhauser, Drahtseilriesen. Bern 1873. 



— 62 — 

widerstand eine langsamere Drehung der Walze und ein lang- 
sameres Qleiten der Luftschnur erzielen. Durch einen Hebei konnte 
ferner die Walze voUstandig gebremst und auf diese Weise die Last 
jeden Augenblick angehalten werden. Die zweite Verbesserung, 
weiche hier zur Anwendung kam, bestand darin, daB die eigene 
Schwere des Drahtseiles, da, wo es zweckmaBig erschien, durch 
eine angebrachte Unterstiitzung getragen wurde. Zu dem Behuf 
wurde an der betreffenden Stelle mittelst dreier Baumstamme eine 
Pyramide gebildet, die an einem horizontaien Querbalken eine frei- 
stehende, solid befestigte Rolle trug, auf weiche das Seil geiegt 
wurde. Auf diese Weise ailein war es mogiich, das Drahtseil, das 
bei seinem bedeutenden eigenen Qewichte sich bei groBen Spann- 





Fig* 33. Holztransportgehange der KSnigschen Seilriesen, 1869. 



weiten kaum selbst zu tragen vermag, auf beiiebig iange Distanzen 
und seibst zum Transport schwerer Nutz- und Bauhoizer an- 
zuwenden. 

Was den Transport seibst betrifft, so geniigt selbstverstandiich 
fur Starke Stamme eine einzelne Rolle nicht mehr. Es wurden deren 
zwei angewendet, weiche durch ein bewegliches Querstiick ver- 
bunden waren, damit sie sich nur in gerader Richtung am Seil fort- 
bewegen konnten und seitliche Schwankungen dabei vermieden 
wurden. Mittelst Ketten wurden die zu transportierenden Holz- 
stucke an derartigen Wagen befestigt (Fig. 33). 

Ungefahr zu gleicher Zeit wurde laut einem Aufsatze im Mai- 
Heft 1870 der Zeitschrift „Revue des eaux et forets" auf ahnliche 
Weise ein Drahtseil zum Transport von Brenn- und Bauholz in 



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Savoy en benutzt, ohne daB jedoch der dortige Unternehmer von 
den Drahtseiiriesen des Herrn Konig, noch dieser von jenem, 
Kenntnis hatte. 

Laut obigem Berichte befinden sich in der Nahe von St. Jean de 
Coire, Savoyen, die Waldungen von Beauvoir, welche groBtenteils 
aus Buchenniederwald, an manchen Orten mit WeiBtannen ge- 
mischt, bestehen, und deren Exploitation der schwierigen Holz- 
abfuhr wegen groBe Kosten verursachte. Um das Holz hinunter 
nach dem an der StraBe von Chambery nach Lyon gelegenen Ab- 
lageplatz Roche-Corbiere zu schaffen, muBte dasselbe entweder 
getragen oder durch die Rinnsaie hinuntergesttirzt werden. Die 
Anlage eines Weges wtirde zu groBe Kosten verursacht haben. 
Man fiei deshalb auf die Idee, eine Drahtseiiriese zu erstellen. Die 
Einrichtung ist im Qrunde genommen ziemlich dieselbe, wie bei den 
schon betrachteten derartigen Anstalten ; iangs eines starken mehr- 
mals unterstutzten Drahtseiles wird das zu transportierende Holz 
hinuntergelassen und dessen Qang durch eine mit Bremsvorrichtung 
versehene Rolle, uber die es lauft, reguliert. Einige Modifikationen 
jedoch, die hier vorkommen, machen, daB ein Auszug aus jenem 
oben erwahnten Bericht nicht ohne Interesse sein wird. 

Die eigentliche Bahn, auf welcher die Rollen sich bewegen, be- 
steht aus zwei, auf 3 m Abstand parallel laufenden Drahtseilen von 
je 1200 m Lange, die unter einem Winkel von 27 — ^34 ® geneigt sind. 
Es dient jeweilen das eine zum Hinunterfahren des Holzes und das 
andere zum Herauffahren des leeren Wagens. Die Kabel haben 
eine Dicke von 21 mm und bestehen aus 6 Btindeln von je sieben 
2,7 mm starken Drahten. Die Kabel sind an ihren oberen Enden an 
zwei einfachen Wellbaumen befestigt und werden an ihren unteren 
Enden durch andere Walzen gespannt. Damit dieselben jedoch 
nicht am Boden aufliegen, sind dreibeinige Bocke zur Unterstiitzung 
aufgestellt, die einen Querbalken von 3 m Lange tragen, an dessen 
beiden Enden die Kabeltrager befestigt sind. Dieselben bestanden 
anfangs einfach in kupfernen Rinnen von 21 mm Breite und 10 mm 
Lange, wurden jedoch spater durch kleine Rollen ersetzt. Derartige 
Stiitzen (Fig. 34) sind alle 70—^0 m angebracht. Am FuBe derselben 
befinden sich uberdies zu beiden Seiten drehbare, horizontale, 
holzerne Wellen, iiber welche das Laufseil, das an dem beladenen, 
hinunterfahrenden und dem leeren heraufkommenden Wagen be- 
festigt ist, gleitet. Zur Regulierung des Ganges ist diese Lauf schnur 
um eine, bei der oberen Station befindliche Hemmvorrichtung ge- 
legt. Dieselbe besteht aus einem vertikalen, 2,30 m langen Well- 
baum (Fig. 35), der sich um seine Achse drehen kann, sonst aber 
durch Balken solid befestigt ist. An diesem sind nun iibereinander 
zwei horizontale Rader von 3 m Durchmesser angebracht; um das 
eine ist das Hemmseil gelegt, wahrend das andere mittelst einer 



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Hemmvorrichtung, ahnlich wie man sie bei Eisenbahnwagen sieht, 
gebremst und dadurch die Schnelligkeit der hinunterfahrenden Last 
reguliert werden kann. 

Die Wagen sind ahnlich konstruiert, wie diejenigen, die Konig 
benutzt; die Rader sind jedoch von Bronze, und zur Verbindung 
der beiden Rollen werden statt eines Holzsttickes Ketten und Hanf- 
seile benutzt. 

Die zu transportierende Last muB, um das Hemmseil und den 
leeren Wagen hinaufzubefordern, wenigstens ein Qewicht von 
600 kg haben, wShrend sie dagegen auch nicht 1000 kg ubersteigen 
darf. Die geeignetste Ladung ist 700 — 800 kg, und es konnen durch 




Fig. 34. StOtzen der Drahtseilriesen St. Jean de Coire, 1869—1870. 

dieselbe leicht mit dem leeren Wagen Mundvorrate fur die Arbeiter, 
Material zu Reparaturen usw. bis zu 80 oder 100 kg Qewicht hinauf- 
gezogen werden. 

An der Beschreibung dieser beiden Anlagen interessiert ganz 
besonders folgendes: 

Es kann als ziemlich bestimmt angenommen werden, daB weder 
Konig, noch der Erbauer der Anlage in St. Jean de Coire von den 
V. Diicker'schen Ideen und ihren bis dahin doch nur sehr sparlichen 
Veroffentlichungen Kenntnis hatten, wohl aber waren ihnen die 
Hohenstein*schen Ausfuhrungen bekannt. Beide Erbauer gingen in 
der Weiterbildung der Hohenstein'schen Drahtriesen selbstandig 
vor und kamen eigentlich ganz selbstverstandlich zu einer An- 
ordnung doppelter Laufbahnen, bei denen Hin- und Riicktransport 



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getrennt ist. Sie kamen aber auch ebenso beide auf eine Regulierung 
der Qeschwindigkeit, der Eine, Konig, durch Anwendung einer 
selbsttatigen Bremse in Form eines Windfiugels, der Andere ver- 
wandte eine Backenbremse. Beide erkannten ferner den Wert der 
mittleren Auflagerung des Tragseiles bzw. der Tragseile und ver- 
wandten fast in gieicher Weise Stiitzen, die eine gleitende Auf- 
nahme des Tragseiles ermoglichten, indem sie das Tragseil an den 
Stiitzenkopfen auf Rolien oder in offene Rinnen auflegten. Zu 
diesem Zwecke war es natiirlich notwendig, daB die Last einseitig 
aufgehangt wurde, wie sich dies ja auch aus den Stiitzen ergibt, 
und ebenso kamen beide Konstrukteure dazu, die Last, in diesem 
Falle die abzuriesenden Baumstamme, nicht mehr an den Rolien, 




fig. 35. Bremseinrichtung ffir das Zugseil der Drahtseilriesen 
St. Jean de Coire, 1869—1870. 



sondern an zwei entweder durch Ketten oder eine starre Stange 
verbundene Rollengehange anzuhangen. Es sind dies gegenuber 
den V. Dticker'schen Vorschlagen aus dem Jahre 1861 und seinen 
letzten Veroffentlichungen aus dem Jahre 1869, die um dieselbe Zeit 
erfolgten, in denen die hier erwahnten Riesen in Betrieb genommen 
wurden, so wesentliche Fortschritte, daB sie geradezu als grund- 
legend bezeichnet werden miissen. Man darf nicht iibersehen, daB 
V. Ducker seine Tragseile bis dahin nicht beweglich, sondern fest 
auflagerte, daB er also eines der wesentlichsten Momente, die bei 
dem Betrieb der Zweiseilbahnen auftreten, namlich die Langs- 
bewegung der Tragseile, vollstandig iibersehen hat. Spater half 
er sich damit, daB er die Seile an lange S-formige Haken hing, die 
ein gewisses Pendeln des Seiles zulieBen, er verlor aber hierdurch 
die starre Lagerung des Seiles in der Querrichtung. 

Diese letzte Konstruktion der Aufhangung der Seile an pen- 
delnden Eisen, die das Seil fest umfassen, laBt sich sehr gut ver- 

5 



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folgen bei der sogenannten Drahtseilbahn auf der Schwarzen Hiitte 
bei Osterode im Harz, die wohl die alteste noch existierende Aus- 
fiihrung einer Schwebetransporteinrichtung mit festem Seil ist, und 
die im Jahre 1870 von v. Diicker gebaut wurde. Nur ist an dieser 
Ausfiihrung das eine bedauerlich, daB sie nicht, wie haufig ange- 
nommen wird, eine wirkliche Drahtseilbahn darsteilt, sondern ledig- 
lich eine Drahtriese in ihrer allereinfachsten Form. Die Deutsche 
Bauzeitung vom 17. August 1871 bringt eine Veroffentlichung von 
A. Lammerhirt hieriiber: 

„Das Qipswerk Schwarzehiitte bei Osterode am Harz, der Firma 
Btichting & Schimmler gehorig, bezieht seine rohen Qipssteine aus 
in der Nahe liegenden Qipsklippen, welche von dem Werke durch 
das Tai der Sohse getrennt sind. Die Fuhrwerke, welche zum 
Transport des Rohmaterials dienten, hatten daher etwa 20 FuB 
(6 m) hinab und nach Oberschreitung des Flusses 16 — 20 FuB 
(5 — 6 m) hinauf zu steigen. Dabei wurden die Steine aus dem 
hoher gelegenen Telle des Bruches bis zu einem Plateau hinab- 
gestiirzt, welches dem Fahrwege nach etwa 14 — 1500 FuB (440 bis 
476 m) vom Qipswerke entfernt liegt. — Fiir diesen Transport 
wurde projektiert, einen sogenannten Hundslauf quer durch das 
Tal zu bauen; in Stelle dessen aber wurde unter Aufsicht des Er- 
finders, Freiherrn von Diicker, eine Drahtseilbahn in einfachster 
Form hergestellt, welche den an sie gestellten Erwartungen nicht 
nur entsl)richt, sondern sie noch iibertrifft. 

Die Bahn beginnt in den Qipsklippen an einem Punkte, welcher 
20 FuB hoher liegt, als das Terrain der „Schwarzehiitte" (Fig. 36) ; 
da nun Riickfracht nicht vorhanden ist, so wurde diese Hohen- 
differenz benutzt, um die Transportwagen vermoge ihres eigenen 
Qewichtes an dem Seil entlang laufen zu lassen. Die Hohen der 
Unterstiitzungen sind so bemessen, daB die Auflagerpunkte vertikal 
in einer flachen, horizontal auslaufenden Kurve liegen; die erste 
und letzte Unterstiitzung ist 6 FuB (2 m) hoch, in der Mitte er- 
reichen sie etwa 40 FuB (12,50 m) Hohe. Ihre Entfernungen von 
einander wurden durchaus dem Terrain angepaBt; wahrend die 
Spannweite iiber dem SohsefluB 64^ FuB (20 m) miBt, reduzieren 
sich diejenigen auf dem Plateau der Schwarzehiitte auf rund 
30 FuB (9,50 m). Je nach dem Standort und der Hohe sind die 
Unterstiitzungen als einfache Stander (Fig. 37), Doppelstander oder 
DreifiiBe konstruiert, die im Sohsebett aufgestellten auBerdem 
durch umgelegte Steinkegel gegen Unterspiilung und Beschadigung 
beim Eisgang usw. geschiitzt. 

Die Bahn selbst besteht aus 1 Zoll (2,6 cm) starkem Rundeisen, 
welches mit Hilfe einer Feldschmiede zu der erforderlichen Lange 
zusammengeschweiBt wurde. In den Qipsklippen ist nur eine ein- 




aiPS- 
klippeN. 



fCHWAnZtHUTTC 



Fig. 36. Langenprofil der Dfickerschen Sellriese bei Schwarzehfitte, 1870. 




Fig. 37. Stfitzenanordnung mit Seilaufhangung der Seilriese Schwarzehfltte, 1870. 



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fache Erdbefestigung angebracht, wahrend am anderen Ende eine 
Erdwinde aufgestellt ist, auf deren Trommel sich ein Stuck Draht- 
seil, die Fortsetzung des Rundeisens, behufs der Spannung auf- 
wickelt. Zwischen den beiden letzten Stiitzen hangt dann auBerdem 
ein Qewicht in Form eines mit Steinen beschwerten Holzgestelies, 
um die Spannung moglichst konstant zu erhalten und den etwaigen 
Schwankungen etwas nachzugeben. Die direkte (horizontale) Ent- 
fernung beider Endpunkte betragt 1425 FuB (447 m), wahrend der 
von den Transportwagen von L nach A zuriickzulegende Weg 
horizontal gemessen nur etwa 1200 FuB (377 m) ist. 

Der Betrieb auf der Seilbahn ist nun folgender: 

Drei Arbeiter sammeln das Material und beiaden damit die auf 
5 Zentner Ladung eingerichteten Forderkasten ; jeder einzelne er- 
halt einen leichten StoB und lauft dann mit der durch sein Qewicht 
erzeugten, aber durch eine Bremsvorrichtung gemaBigten Qe- 
schwindigkeit nach Schwarzhiitte hiniiber; an der Abladestelle A 
ist diese bei gut regulierter Bremse so gering, daB ein einziger Ar- 
beiter, der hier das Ausladen zu besorgen hat, den Forderwagen 
mit der Hand anhait. An der entfernten Ausladestelle A wiirde bei 
derselben Stellung der Bremse die Endgeschwindigkeit nahezu Null 
sein. Vorlaufig sind nur drei Transportwagen in Qebrauch, der 
letzte derselben erhalt das Ende einer Leine angehangt, die sich 
durch den Zug des Wagens von einer im Qipsbruch aufgestellten 
Windetrommel abwickelt. Nachdem alle 3 Wagen entleert sind, 
werden sie aneinander gehangt und durch Aufwickelung der er- 
wahnten Leine wieder nach dem Qipsbruch hiniibergezogen. 

Der beladene Wagen legt den Weg an der Seilbahn in 70 bis 
75 Sekunden zuriick, in einer Stunde werden alle 3 Wagen 8 bis 
9mal hin- und hergeschickt. Da es fiir den augenblicklichen Bedarf 
geniigt, so werden die Kasten nur mit 350 — 370 Pfund beiaden und 
somit bei llstiindiger Arbeitszeit taglich 600 — 635 Zentner Qips 
nach Schwarzehiitte befordert. Wie oben erwahnt, sind die An- 
ordnungen auf 5 Zentner Ladung berechnet und die Transport- 
wagen laufen mit diesem Qewichte ebenso sicher und anstandslos 
hiniiber. 5 Zentner Ladung und llstiiodige Arbeitszeit wiirden aber 
einen taglichen Transport von 1000 Zentner gewahren. 

Die mehrfach erwahnte Bremse besteht aus einem Brettstiick, 
welches, mit passenden Ausschnitten versehen, von oben zwischen 
die Rader greift und in dieser Stellung durch einen langen 
Schraubenbolzen an dem unteren Rahmen des Radgestelles be- 
festigt ist. 

Die Herstellungskosten der Seilbahn stellen sich in runden 
Zahlen wie folgt: 



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Materialien zum Bau: Eisen, Molz, Fuhrlohn usw. . . 486 Taler 
Honorar, Bauleitungskosten, Vorarbeiten usw. . . . 130 Taler 
Arbeitslohne einschl. der Schmiedearbeit 222 Taler 

Summa einschl. Beschaffung von 3 Forderwagen 838 Taler 

Dies gibt, reduziert auf 377 m nutzbare L^nge, pro laufenden 
Meter 2 Taler, 6 Silbergroschen, 8 Pfennig. 

Die Aufstellung geschah iibrigens mit ungeiibten Leuten, auch 
waren die Materialien in reichlichem MaBe beschafft, sodaB die 
Bemerkung des Herrn Frhrn. von Diicker, eine zweite gleiche An- 
lage fur rund 600 Taler herstellen zu wollen, wohl zutreffend er- 
scheint. Das Eisenzeug fiir Anbringung eines zweiten Stranges 
wiirde etwa 180 Taler kosten. 

Zur Bedienung der Bahn sind, wie oben erwahnt, 4 Arbeiter 
notig, welcher fruher ebenso beim Beladen und Entladen der Puhr- 
werke beschaftigt waren. Das Fuhrlohn beim Transport durch 
Pferde betrug bisher 2,43 Pfennige pro Zentner, ohne das Auf- und 
Abladen, das bei der Seilbahn mit denselben Kosten (1% Pfennig 
pro Zentner) stattfindet. 

Rechnet man fiir Zinsen, Reparaturen und baldige Amortisation 
jahrlich 20 7o des Anlagekapitals, so sind das bei 838 Talern wie 
oben, 167,6 Taler p. a., oder bei 200 Arbeitstagen im Jahr 25V8 Silber- 
groschen pro Tag. Werden nun taglich 600 Zentner befordert, so 
kostet der Zentner ziemlich genau V^ Pfennig fiir Benutzung der 
Bahn, ebenfalls ohne Auf- und Abladen. Die vorhin angegebene 
Summe fur Fuhrlohn stellt sich daher zum Seilbahntransport wie 
2,43 : 0,50 oder 4,86 : 1, also nahezu wie 5 : 1. 

Bei Beurteilung dieses glanzenden Erfolges ist zu beriick- 
sichtigen, daB die Leistungsfahigkeit der Bahn leicht gesteigert 
werden kann durch Beschaffung einer groBeren Zahl von Trans- 
portwagen, Anstellung mehrerer Arbeiter und Verlangerung der 
Arbeitszeit (wenigstens in den Sommertagen), endlich auch durch 
Anlage eines zweiten Stranges fiir die unbeladen zuriickkehrenden 
Wagen. Der letztere konnte eine geringere Seilstarke erhalten und 
auf dieselben Stutzen mit aufgelegt werden, was die Anlagekosten 
selbstredend erheblich vermitidert. Die Bremsvorrichtung an den 
Wagen wiirden wegfallen und durch eine Leine ohne Ende ersetzt, 
welche den leeren Wagen auf dem zweiten Strang wieder hinauf- 
zieht — alles Vorteile, welche in Schwarzehiitte vorlaufig nicht zur 
Geltung kommen, well die jetzige Forderung von 600 Zentnern tag- 
lich fiir den Bedarf genugt." 

Da namentlich bei uns in Deutschland diese Osteroder Bahn 
vielfach als der Ausgangspunkt fiir die gesamten neueren Zweiseil- 
bahnen angesehen wird, so mag ein naheres Eingehen auf die Einzel- 



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heiten derseiben wohl hier von Wert sein. Es laBt sich nicht ver- 
kennen, daB v. Diicker an dieser Bahn eine Reihe von Verbesse- 
rungen angebracht hat, so namentlich findet sich hier die erste An- 
deutung einer selbsttatigen Anspannung des Tragseiles und zwar 
durch ein Spanngewicht, das zwischen die zwei letzten Stutzen ge- 
hangt worden ist (Fig. 38.) AuBerdem erschien es dem Erbauer 
aber notwendig, die Spannung noch mit Hilfe einer Erdwinde zu 
regulieren, was auch ganz naturgemaB ist, da die bei der Lange von 
447 m des aus einem Rundeisen bestehenden Qeleises aus Tem- 




Fig. 38> Spannvorrichtung fOr das Tragseil der Seilriese Schwarzehfitte, 1870. 



peraturanderung und Belastungsunterschieden folgende Langsaus- 
dehnung von immerhin % m auszugieichen war. Da dieser Aus- 
gieich aber durch eine senkrecht zur Seilrichtung und nicht in der 
Seilrichtung selbst wirkende Spannvorrichtung erfolgen soiite, 
muBte die Zunahme des Durchhanges an der Spannstelle wesentlich 
groBer werden, wie dieses MaB, und da er hierdurch ein Vielfaches 
der wirkiichen Langenanderung zu betragen hatte, eine praktische, 
auf diese Art nicht mehr durchfiihrbare Ziffer erreichen, sodaB die 
Winde am Ende nicht mehr entbehrt werden konnte. Im iibrigen ist 
auf die Anwendung der Bremse fiir die abzubremsenden Wagen 



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hinzuweisen, aber immer wieder zu erwahnen, daB die Bahn fiir 
kontinuierlichen Betrieb, da sie nur aus einer Laufbahn bestand, 
nicht gebaut war, ebensowenig aber ein standig laufendes Zugseil, 
das mit dem Wagen in dauernder Verbindung gebiieben ware, auf- 
wies. Die Moglichkeiten, die fiir die weitere Ausbildung dieser Bahn 
in dem Aufsatze der Deutschen Bauzeitung erwahnt sind, nament- 
lich die Moglichkeit der Aniage eines zweiten Stranges mit ge- 
ringerer Seilstarke fiir die leeren Wagen, der Ersatz der bin- und 
hergehenden Leine durch eine Leine ohne Ende, sind jedenfalls eher 




Fig. 39. Seilbahnwagen der v. Dfirkschen Seilriese auf 

SchwarzehQtte, 1870, nach einer Photographie des in Besitz 

der Bleichertschen Modellsammlung befindlichen Original- 

wagens. 

dem Verfasser des Aufsatzes, als dem Erbauer der Bahn zuzu- 
schreiben. Die Bahn befindet sich iibrigens noch heute im Betrieb. 
Der Betrieb geht derart vor sich, daB die Wagen einer nach dem 
anderen unter Wirkung der Last frei auf dem Seii ablaufen gelassen 
werden, und daB der ietzte Wagen die Leine mitnimmt, mit deren 
Hilfe dann die samtlichen zusammengekoppelten Wagen zuriick- 
gezogen werden. Einer der nach den von v. Diicker'schen Angaben 
ausgefiihrten Seilbahnwagen (Fig. 39) ist durch einen modernen 
Eisenwagen ersetzt worden. 



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Fast gleichzeitig mit der Bahn auf der Schwarzehutte finden wir 
eine Mitteilung uber eine weitere von Diicker'sche Seilbahn in 
Oynhausen auf der Tonwarenfabrik des Inspektor Rasch. Diese 
Bahn war in ahnlicher Weise hergestellt, wie die Bahn im Harz, je- 
doch fiihrte sie nur iiber ein ebenes Qelande. Da hier Schwierig- 
keiten nicht vorlagen, so waren die Stiitzen in regelmaBigen Ab- 
standen von 30 FuB = 9,5 m aufgestellt. Hinsichtlich ihrer Hohe 
aber waren sie so angeordnet, daB die Bahn bei 400 FuB Lange 
(125 m) ein Totalgefalle von 3 FuB bzw. 1 m besaB. Der Ton wurde in 
ein Totalgefalle von 3 FuB bzw. 1 m besaB. Der Ton wurde in 
Ladungen von etwa 7 Zentnern transportiert, und zwar soil dies so 
leicht gegangen sein, daB ein Arbeiter den Forderwagen in 1% Mi- 
nute die Bahn entlang schob, ihn ablud und zur Ladestelle zuriick- 
brachte. Diese Angabe kann sich aber nur auf einen gelegentlichen 
Versuch beziehen, wie folgende Erwagung ergibt: Der ganze Weg, 
den ein Wagen bei Hin- und Riickfahrt zuruckzulegen hatte, war 
2 X 125 = 250 m; 1% Minuten = 105 Sekunden, zum Abladen 
wurden nur 15 Sekunden gebraucht, so blieben fiir den Wagen nur 
90 Sekunden iibrig, die auf 250 m verteilt, eine Fahrgeschwindigkeit 
von 250 : 90 = 2,77 m voraussetzen wiirden. Der die Bahn be- 
dienende Mann miiBte also bei seiner Arbeit des Wagenschiebens 
eine stiindliche Wagenleistung von 18 Kilometer entwickeln, was 
ausgeschlossen ist. 

Also auch hier, wo doch die Moglichkeit zur Ausftihrung einer 
Seilbahn mit kontinuierlichem Betrieb durchaus gegeben war, na- 
mentlich da es sich um einen Versuch handelte, kommt v. Dticker 
nicht dazu, seine von ihm fruher schon gemachten Vorschlage in 
die Praxis zu iibersetzen und eine horizontale Bahn mit endlosem 
Zugseil einzurichten, sondern er legt trotz horizontaler Qelande- 
gestaltung seine Bahn kiinstlich ins Qefalle, um die beladenen 
Wagen selbsttatig herunterfahren zu lassen und um sie nachher 
wieder mit der Hand nach dem Ausgangspunkte zuriickzuschieben. 

Die Ausnutzung des Qegengewichtes der auf einem Qefalle 
niedergehenden Last zum Betriebe von Seilbahnen findet sich um 
die Jahre 1869-73 herum mehrfach. Von anderen Erfindern wurden 
aber zu diesem Zwecke haufiger Zweiseilbahnen in Vorschlag ge- 
bracht, die derart angeordnet waren, daB beide Strange, der hin- 
gehende sowohl, wie der rtickkehrende in entgegengesetzt gerich- 
tetem Qefalle lagen, sodaB die beladenen Wagen von selbst nach 
der Beladestation zuriickliefen. AUerdings entstand hierdurch 
zwischen dem Ankunftspunkte der leeren Wagen in der Belade- 
station und dem Ablaufpunkte der vollen in derselben Station ein 
betrachtlicher Hohenunterschied, der durch einen besonderen Auf- 
zug tiberwunden werden muBte. Ein hierher gehoriger Vorschlag 



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ist die osterreichische Privilegiumsanmeldung von Provius aus dem 
Jahre 1872, die dieses Prinzip verfolgt (Fig. 40). 

Doppelseilbahnen mit hin- und hergehendem Betrieb finden wir, 
wenn auch nicht in der Ausfiihrung, so doch in Patentanmeldungen 
ebenfalls von Provius in einer osterreichischen Privilegiums- 
anmeldung auch im Jahre 1872, die naturlich nur als doppelte Seil- 
riesen anzusehen sind. Der auf einem Sell niedergehende Korb 
mit der Last wird mit Hilfe eines an ihm befestigten fiber eine Rolle 
in der Aufgabestation gefiihrten Zugseils dazu benutzt, den leeren 
Korb zurtickzuziehen (Fig. 41). 

Drahtseilriesen, wie sie ursprunglich fiir hin- und hergehenden 
Betrieb mit 2 Seilen von Konig angegeben waren, und wie sie hier 
in verschiedenartigen Ausfiihrungen von Provius und anderen vor- 
geschlagen sind, kamen zu Beginn der 70er Jahre iiberhaupt mehr 
zur Ausfiihrung. Sie haben sich als Bremsseilbahnen ganz gut ein- 
gefiihrt und werden heute noch in umfassendem MaBe verwandt. 
Eine sehr vervollkommnete Bremsseilbahn wurde gegen das Jahr 
1873 in Aalesund in Norwegen von W. Th. Carrington zur Aus- 
fiihrung gebracht (Fig. 42), der sich in der englischen Drahtseil- 
bahn-Industrie auch in der Folge einen groBeren Namen erworben 
hat. Diese im Engineering 1874 beschriebene Bahn besteht aus 
2 Laufseilen, die eine freie Spannweite von 700 m uberschreiten und 
an deren jedem kleine zweiraderige Hangewagen mit einem Inhalts- 
gewicht an Eisenerz von etwa 500 kg hingen. Die beiden Forder- 
kiibel waren durch ein Zugseil mit einander verbunden, das sich 
oben in der Aufgabestation um 3 Seilscheiben schlang, von denen 
mit Hilfe eines Handhebels gebremst wurde (Fig. 43). Die Neigung 
der Bahn betrug annahernd 45 Qrad. Die Fahrgeschwindigkeit der 
Wagen wurde mit etwa 10 m in der Sekunde eingehalten. Die 
beiden Tragseile waren am unteren Ende durch Qewichtsbelastung 
angespannt, am oberen Ende im Felsen verankert. Die Entfernung 
der Zugseilendpunkte und damit auch der Forderkiibel von einander 
konnte mit Riicksicht auf die genau einzuhaltenden Be- bzw. Ent- 
ladepunkte durch eine horizontal verschiebbare Scheibe auf der 
Beladestation reguliert werden. 

SchlieBlich verbesserte Karras in Seelowitz die Provius'schen 
Ideen Mitte Dezember des Jahres 1872, wenigstens durch ent- 
sprechend ausgearbeitete Projekte dahin, daB er statt des hin- und 
hergehenden Betriebes den kontinuierlichen Betrieb einzurichten 
versuchte, wie dies aus dem osterreichischen Privilegium 22/834 er- 
sichtlich ist. (Fig. 44.) Er verband die auf dem einen Tragseil 
niedergehenden voUen Wagen in bestimmten Entfernungen fest mit 
dem endlosen Zugseil, das die auf dem anderen Sell laufenden 
leeren Wagen in die Hohe zog, und schlug vor, die Wagen durch 
eine feste Umfiihrungsweiche in den Stationen von einem auf das 




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Fig. 40. Seiibahn mil kontinuieriichem GefSilsbetrieb nach VorschlSgen von Provius, 1872. 





Fig. 41. Seilriese mit bin- und hergebi 



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Fig. 42. Seilriese mit Pendelbetrieb. Anlage in Aalesund, Norwegen, 1872—1873, ausgefuhrt von Carrington. 




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tlem Betriebe nach Provius, 1871—1872. 



— 73 



andere Sell iibergehen zu lassen. Details zu diesen einzelnen, nur 
schematischen Vorschlagen gibt er nicht an, auBer einer Wagen- 




Fig. 43. Details zur Seilriese Aalesund, nach Angaben von Carrington, 1872 — 1873. 



konstruktion. Doch mittlerweile waren diese Ideen jedoch von 
den Bleichert'schen iiberholt worden. 

Den Unterschied zwischen den Vorschlagen von Provius und 



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Karras und den Ausfuhrungen von Carrington besteht im wesent- 
lichen darin, daB erstere Laufwerke bzw. Wagen mit einer LaufroUe 
anwenden wollten, die eine schlechte seitliche Fiihrung auf dem 
Laufseil haben muBten, wahrend letzterer, nach dem Vorbild von 
Konig, DoppelroUen anwendet. 

Bemerkenswert gute Ideen in bezug auf die Ausbildung eines 
Zweiseilbahnsystems entwickelte der Ingenieur Obach in Wien im 
Jahre 1870. Die damals allerdings nicht zur Ausfiihrung gelangten 
Entwiirfe zu Drahtseilbahnen mit standig laufendem Zugseil und 
zwei festen aus Rundeisen gebildeten Schienen lassen sich leicht 



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Fig. 44. Kontinuierlich arbeitende Bremsseilbahn 

nach Angaben von Karras 1872. Projekt nach 

Oesterr. Priv. Anmeldung. 



verfolgen aus dem ostereichischen Privilegium vom 22. Januar 
1871 (Fig. 45). flier begegnen wir zum ersten Male dem Qedanken, 
ein endloses Zugseil standig unter den beiden parallelen aus Rund- 
drahten gebildeten Qleisen laufen zu lassen und dieses Zugseil, je 
nach Bedarf, mit den Wagenkasten, die an einem doppelraderigen 
Laufwerk aufgehangt sind, in Verbindung zu bringen bzw. von ihnen 
zu losen. Die Angaben, die der Erfinder Obach in seiner Privi- 
legiumsanmeldung gemacht hat, sind allerdings nur sehr schema- 
tischer Natur, wenn auch einzelne Details spater zu einer weit aus- 
gebildeten Anwendung gefuhrt haben. Aber auch vielfach ein Ver- 
kennen der Bewegungs- und Betriebsvorgange bei einer solchen 
Seilbahn findet sich in den Zeichnungen ausgedruckt. Zunachst 



— 75 — 

ergibt sich aus der Privilegiumsbeschreibung, daB auch hier 
wieder auf die so auBerordentlich wichtige Langenveranderung 
der Laufbahn wahrend des Betriebes keine Riichsicht genommen 
ist. Es wird lediglich gesagt, daB die Eisen- oder Stahldrahte fiir 
die Laufbahn bei zu groBen Langenausdehnungen immer wieder 
nachgespannt werden mussen, ein Mittel hierzu ist aber nicht an- 
gegeben. Trotzdem finden wir hier aber eine freie Auflagerung der 
Seile in nach oben offenen festen Tragschuhen nach Art der 
Konig'schen Rinnen, eine Form, die sich iibrigens bis heute noch 
erhalten hat und als die einzig richtige bezeichnet werden muB. 
Ebenso enthielt diese Privilegiumsanmeldung die Qrundidee der 
spater vielfach verwandten Excenterkupplungen, ebenso wie die- 




Fig. 45. Drahtseilbahn nach Vorschl3gen von Obach. Wien 1870. Skizze aus einer Ssterr. 

Privilegiumsanmeldung. 



jenige der Ausbildung der Stationen. Technisch sehr zu bean- 
standen ist jedoch die aus der Zeichnung sich ergebende Anordnung 
der Wagenkasten und ihre Aufhangung. Wagen von einer der- 
artigen Ausbildung wiirden wohl kaum lange auf dem Qeleise ge- 
blieben sein. So weit fortgeschritten die Qedanken von Obach in 
bezug auf die technische Durchbildung des Seilbahnsystems auch 
im Jahre 1870 — 71 gewesen sein mogen, so wenig wertvoU waren 
sie in Wirklichkeit, da sie in einem osterreichischen Privilegium, 
das bekanntlich geheim gehalten wird, niedergelegt waren, und da 
sie bis zu Mitte der 70er Jahre weder zu einer literarischen Ver- 
offentlichung, noch zu einer weiter bekannt gewordenen Ausfuhrung 
gefiihrt haben. Aus diesem Qrunde konnten die Obach'schen Ideen 



— 76 — 

auch nicht befruchtend auf die nun nach ganz kurzer Zeit mit Macht 
einsetzende Drahtseilbahnindustrie einwirken. 

Die erste wirklich groBere Anlage, die zweifelsohne auch als 
Drahtseilbahn im strengsten. Sinne des Begriffes anzusehen ist, 
wurde nach den Ideen und teilweise auch nach den Angaben von 
V. Diicker Mitte des Jahres 1872 in der Nahe von Metz in Angriff 
genommen. Die „Mitteilungen", herausgegeben vom Ingenieur- 
Komitee, Heft 19, Berlin 1874, geben wertvolle Aufschliisse tiber 
den Bau und den schlieBlich erfolgten Betrieb dieser Bahn; sie 
mogen, da sie von groBer Bedeutung fiir die weitere Entwicklung 
des Drahtseilbahnbaues sind, im Wortlaut hier Platz finden: 

„Der Zweck, welcher durch die Anlage der von der Metz-Saar- 
bruckener Eisenbahn nach dem Fort Queuleu fuhrenden Seiltrans- 
portbahn erreicht werden soil, ist der : Bruchsteine und Mauersand 
dorthin zu befordern. Erstere werden mit der Staatsbahn Aman- 
villers-Montigny resp. Maizieres-Metz bezogen und muBten bisher 
von dem Bahnhofe Metz 5 Kilometer weit per Achse nach dem 
Fort geschafft werden: der Mauersand wurde in der Mosel ge- 
baggert, sUdlich der Stadt Metz an Land gebracht oder in Sablon 
auf besonders dazu angekauftem Terrain gegraben und ebenfalls 
5 — 8 Kilometer per Achse transportiert, wahrend in der Nahe des 
Forts Privat derselbe bei den Ausschachtungen unentgeltlich ge- 
wonnen werden kann. Nach der Fertigstellung der Bahn Aman- 
villers-Montigny und Montigny-Privat war zuerst ein Projekt ent- 
worfen, die Bahn Metz-Saarbrucken entweder von Station Peltre 
Oder von der Seillebrucke bei Magny ab durch einen festen Schie- 
nenstrang mit dem Fort Queuleu zu verbinden, allein die groBen 
Niveau-Unterschiede und infolgedessen die groBe Lange dieses Qe- 
leises in sehr kostspieligem Terrain (Weinberge und Weizenboden) 
zwangen zur Aufgabe dieses Projektes. Es wurde nunmehr die 
Anlage einer Seiltransportbahn in gerader Linie von dem Punkte 
der Bahn Metz-Saarbrticken projektiert, wo diese aus dem Ein- 
schnitte bei la Horgne au Sablon in die Seille-Niederung eintritt, 
well hier die Anlage eines Nebengeleises zum Absetzen der be- 
ladenen Waggons am einfachsten und billigsten sich herausstellte 
(Blatt 1). — Als Endpunkt wurde die groBe Mortelmaschine vor 
dem Saillant resp. die Frontlinie der im Bastion I zu erbauenden 
groBen Kaserne bestimmt, wo der Materialbedarf am groBten war. 
Die Entfernung der beiden Endpunkte betragt 2148 m, welche an 
Stelle des Transportes von resp. 5 und 8 Kilometer Entfernung auf 
dem Landwege tritt; dazu kommt, daB die von den Fuhrwerken zu 
benutzenden StraBen in einem so schlechten Zustande sich befanden, 
daB der Transport auf denselben auBerordentlich erschwert war, 
und die sonst regelmaBigen Ladungen der Wagen fiir ein Pferd, 
zeitweilig deren zwei erforderten. 



— 77 — 

Das Langenprofil (Blatt 2) zeigt, daB von der Anfangsstation 
(Schienenoberkante des Qeleises der Staatsbahn) + 178,77 bis zu 
der Endstation (Qrabenrand vor der linken Face Bastion I) 
+ 215,77 ein Hohenunterschied von 37 m zu iiberwinden und die 
Terraingestaltung eine solche ist, daB es nur mit auBerordentlich 
hohen Qeriisten oder tiefen Terraineinschnitten moglich sein wiirde, 
eine Bahn mit kontinuierlicher Steigung anzulegen. Es wurde daher 
vorgezogen, mit wechselndem Qefalle resp. Steigung dem in der 
Situation (Fig. 46) dargestellten Terrain zu folgen, und war auBer 
der allgemeinen Bestimmung der Hohe der Bahn der Art, daB die 
Beackerung der Felder nicht gehindert werden durfte, noch der 
Umstand maBgebend, daB die nach Magny-Nomeny fuhrende 




Fig. 46. Lageplan der Drahtseilbahn Metz— Sablon, 1872—1873. 



Chaussee (+ 170,13) hoch genug von dem nach unten durch- 
schlagenden Zugseil und Wagenkasten (Unterkante 6 m iiber dem 
Terrain passiert werden muBte, um den Verkehr auf derselben nicht 
zu storen. Die Oberschreitung der Seille-Niederung bot an sich 
keine anderen Schwierigkeiten, als daB eine Laufbriicke von 80 m 
Lange erbaut werden muBte, um bei der mehrere Wochen an- 
haltenden Oberschwemmung der Wiesen den Verkehr des Personals 
zu ermoglichen, und daB fur solide Aufstellung der Qertiste in dem 
weichen Lehmboden durch Steinpackung zu sorgen war. Durch 
verschiedene Hohe der Qeriiste wurden die Ungleichheiten 
des Terrains, soweit es moglich war, ausgeglichen, indessen er- 
schienen groBere Hohen des Tragkabels uber dem Terrain als 
7,60 m (Oberkante der Holme + 836 m, Stander + 8,66 m) nicht 



— 78 — 

zweckmaBig, da sonst die Qeriiste besonderer Vorkehrungen zu 
ihrer Sicherheit bedurft batten. Die Linie der Tragkabel liegt am 
Anfangspunkte der schwebenden Strecke auf + 180 am Endpunkte 
auf + 220, 90, und ist dieselbe hier so hoch gelegt, um einesteils auf 
der daranstoBenden festen Entladestrecke die beladenen Kasten 
mit Qefalle bis an die Stelle zu fiihren, wo sie leer umkehren, 
anderenteils durch das Anhaufen der abgestiirzten Steine nicht be- 
hindert werden. Die feste Strecke zum Beladen der Wagen bei 
Sablon langs des neben der Staatsbahn angelegten Qeleises ist auf 
+ 181 gelegt; die leeren Wagen werden mit einer Steigung von 
1 m hinauf- und mit dem namlichen Qefalle beladen dem anderen 
Tragkabel wieder zugefuhrt. Die Steigung resp. das Qefalle der 
schwebenden Strecke ist sehr wechselnd und betragt nach um- 
stehender Tabelle bis zu Vio» unter Voraussetzung einer vollig 
straff en Anspannung der Tragkabel; da diese aber auf eine Lange 
von 2000 m vollig unmoglich ist und die Festigkeit der Tragkabel 
auBerordentlich in Anspruch nehmen wtirde, so haben die beladenen 
Kasten bei dem Passieren der Aufhangestellen schlieBlich auf kurze 
Entfernungen eine Steigung von 1 : 6 zu iiberwinden. DaB dieses 
mit Sicherheit geschehen konnte, ohne daB ein Losen des Ver- 
schlusses und Riickwartslaufen der Lasten stattfand, ist erst nach 
langeren Versuchen und Konstruktion eines schraubstockartigen 
Verschlusses erreicht. Abgesehen von der festen Ladestrecke bei 
Sablon, wo 0,4 Hektar fur die Anlage und den Betrieb temporar 
okkupiert werden muBten, geniigte es auf der iibrigen Strecke, 
einen Streifen von 3,50 m Breite zu okkupieren, was nach dem 
franzosischen Qesetze ohne besonderen Schwierigkeiten ist, und 
woftir jahrlich nach der Schatzung von Experten den Eigentiimern 
resp. Pachtern der Verlust ersetzt wird. 

Die Bahn zerfallt in die Hauptstrecke (1923 m lang), auf welcher 
die Bewegung vermittelst einer Dampfmaschine und eines Seiles 
ohne Ende bewirkt wird, und die beiden festen Endstrecken, wo die 
Kasten durch Menschenhande gefullt und entleert werden. Auf der 
Ladestation Sablon werden die Kasten, auf dem festep Qeleise 
neben den Eisenbahnschienen der Staatsbahn hangend, mit 
Menschenhand gefullt, dann mit dem Zugseil in Verbindung ge- 
bracht, dagegen leer wieder entnommen; auf der Entladestation 
Oueuleu werden die vollen Kasten abgenommen, entleert und wieder 
an das Zugseil herangeschoben. AuBerdem bedarf die Konstruktion 
der Kasten und ihre Verbindung mit dem Zugseil einer Erlauterung. 

Es sind hier im Abstande von 1 m zwei Tragkabel gestreckt, von 
denen das eine, welches die vollen Kasten tragt, 30 mm, das zweite, 
auf dem die leeren Kasten zurucklaufen, 25 mm stark ist. Beide 
sind aus Drahten geflochten; ersteres wiegt pro laufenden Meter 
3,20 kg letzteres 2,40 kg. 



— 79 — 

Die Kabel sind von 25 zu 25 m unterstiitzt (lurch Qeruste in Form 
eines Qalgens Fig. 47 (Fig. 1 Blatt 3) von 2 m lichter Weite. Der 
Holm ist mit eisernen Ringen einfach auf starke Schienennagel ge- 
hangt, die in die Pfosten geschlagen wurden; an dem Holme sind 
2 s-formige Haken angebracht, welche in einem offenen Lager die 
Kabel tragen ; das Lager ist nach beiden Seiten abgerundet, um bei 
der wechselnden Last dem Kabel eine gewisse Nachgiebigkeit ohne 
Nachteil zu gestatten. Die LSnge der Trageeisen, zu denen das 




Fig. 47. Stfitzen und SeilaufhSngung. 

beste Material zu nehmen ist, da sie stark in Anspruch genommen 
werden, ist eine solche, daB die Rader der Wagenkasten frei unter 
dem oberen Telle des Hakens passieren konnen. Jedes zweite 
Qertist ist auBerdem noch welter unten (2,14 m unter der Unter- 
kante des Holmes) mit einem Querriegel versehen, welcher zwei 
guBeiserne Rollen tragt; diese sollen verhindern, daB das Zugseil 
— namentlich bei groBer Entfernung der angehangten Kasten — 
nicht zu sehr durchschlagt und infolgedessen groBere Kraft der 
Maschine in Anspruch nimmt. Anfangs angebrachte eichene Roll- 



— 80 — 

holzer erwiesen sich nicht als dauerhaft genug, und es hat sich 
herausgestellt, daB die Befiirchtung, die eisernen RoUen konnten 
das Zugseil zu sehr angreifen, nicht begriindet war. Die beiden 
Tragkabel sind mit dem einen Ende bei Queuleu um ein fest ver- 
pfahltes hoizernes Qerttst gelegt, das andere Ende desseiben ist 
bei Sablon um je eine holzerne Welle von 0,60 m Durchmesser ge- 
fiihrt (Fig. 48), welche mittelst durchgesteckter eiserner Federn 
gedreht wird und das Anziehen der Kabel gestattet. Um dieselben 
bei der allmahlich stattfindenden Dehnung und den Veranderungen 
der Lange infolge der Temperatur-Unterschiede stets in gleich- 
maBiger Spannung zu erhalten, ist nahe an dem Ende bei Sablon 
ein Balanziergewicht von etwa 200 Zentnern aus Steinen darauf 
gepackt. 

Das Zugseil ist 15 mm stark und besteht aus 36 Drahten; das- 
selbe soUte auf den beiden Endstationen um je eine horizontale 




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. ^•* ^/ Rg. 48. Spannvorrichtung des Tragseils. 

eiserne Seilscheibe von 2 m Durchmesser laufen und ist dieses auf 
der Endstation Sablon auch der Fall. Auf der Station Queuleu ist 
indessen unter diesem Rade eine zweite holzerne Triebscheibe von 
nur 1 m Durchmesser angebracht; die Qeschwindigkeit der Be- 
wegung ist dadurch allerdings etwas geringer geworden, aber die 
Maschine arbeitet leichter, und die Abnutzung des Seiles ist eine 
geringere. Fur beide Seilscheiben sind solide gemauerte Funda- 
mente aufgefuhrt; die bei Sablon ruht auf einem beweglichen hol- 
zer nen Schlitten Fig. 49 (Fig. 9 Blatt 5), und wird dem Seile mittelst 
einer horizontalen Welle von 0,50 m Durchmesser eine solche An- 
spannung gegeben, daB die Reibung auf der Triebscheibe bei 
Queuleu hinreicht, um dasselbe in Bewegung zu setzen und darin 
zu erhalten. Die Dampfmaschine, welche die Bewegung kontinuier- 
lich bewirkt, hat 12 Pferdekrafte, ist auf einem Fahrgestell kon- 
struiert und steht in einem kleinen Hauschen neben der Trieb- 
scheibe. Die Transmission ist sehr einf ach : von der Riemenscheibe 
A der Maschine (0,76 m Durchmesser) — Fig. 14 Blatt 6 — mittelst 



— 81 — 

Treibriemen auf die Riemenscheibe B von 0,95 m Durchmesser, auf 
der namlichen horizontalen Achse (0,95 m Durchmesser) ist am 
anderen Ende ein konisches Rad von 0,32m Durchmesser (16 Zahne), 
welches in die holzernen Kamme des horizontal unter der Seil- 
scheibe liegenden Kammrades eingreift (0,96 m Durchmesser, 
41 Kamme). Die regelmaBige Qeschwindigkeit des Zugseiles ist 
100 m in der Minute, so daB jeder voile oder leere Kasten fast 
20 Minuten zum Zuriicklegen der Strecke braucht. Die Kasten sind 
im Mittel 1 m lang, 0,50 m breit, 0,43 m hoch und fassen 0,22 cbm; 
dieselben werden jedoch nicht ganz voll geladen, um unterwegs bei 
Schwankungen nichts zu verlieren und um die Tragkabel nicht mit 
mehr als 5 Zentner in Anspruch zu nehmen. Die Kasten (Fig. 2 u. 4, 
Blatt 4) Fig. 50 sind zum Umkippen um eine unterliegende hori- 
zontal Achse eingerichtet, und dient zum Auf rechthalten eine kleine 




Fig. 49. Umffihrung und Anspannung des Zugseits. 



Kette mit Vorstrecker an den beiden vertikalen Hangeeisen. Die 
guBeisernen Rader, mittelst deren die Kasten auf den Tragballen 
rollen, haben 0,37 m Durchmesser und eine Rinne von 0,043 m 
Breite, 0,03 m Tiefe. Ober jedem Kasten ist ein holzerner Holm 
angebracht, der einesteils die solide Verbindung der beiden RoU- 
rader miteinander bewirkt, und verhindert, daB auf den Tragkabeln 
selbst die Kasten mit ihren Radern aufeinander stoBen, andernteils 
dazu dient, die VerschluBvorrichtung (Mitnehmer), aufzunehmen, 
mittelst deren die Kasten fur jede Fahrt an dem Zugseil befestigt 
werden. Die Konstruktion dieser Mitnehmer muB eine solche sein, 
daB die Kasten binnen wenigen Sekunden beim Ankommen auf der 
Station durch 1 Mann vom Zugseil getrennt und beim Abgehen 
ebenso rasch und so fest mit demselben verbunden werden, daB sie 
bei den zum Teil starken Steigungen resp. dem Qefalle der Trag- 
kabel in keinem Falle sich ablosen; geschieht solches, so folgt ein 

6 



— 82 — 

ZusammenstoB mehrerer Kasten, ein Entgleisen und Herabstiirzen 
derselben und dadurch leicht ernste Beschadigungen und erheb- 
liche Storungen in dem ganzen Betriebe. AuBerdem muB die Ver- 
schiuBvorrichtung einfach und solide sein, damit Reparaturen ver- 
mieden werden, welche die Kasten — abgesehen von den Kosten — 
dem Betriebe entziehen. Diesen Anforderungen entspricht der 
nach langeren Versuchen hier konstruierte schraubstockartige Ver- 
schiuB (Fig. 50, Fig. 4). Damit derselbe das Zugseil nicht zu sehr 
angreift, sind die Backen des Schraubstockes mit starkem Sphiieder 
gefuttert, welches stark abgenutzt wird und ofters erneuert 
werden muB. 

Die festen Endstrecken vermitteln die Fiihrung der Wagen langs 










Fig. 50. Wagen der Drahtseilbahn Metz — Sablon. 



der Auf- und Abladestellen, sowie das Oberfiihren derselben von 
einer Seite der Hauptstrecke zur anderen. Das Qeleise bestand 
anfangs aus Rundeisen, wurde jedoch bald, da es sich zu sehr durch- 
bog, durch Qrubenschienen ersetzt. Auf den schleifartig ge- 
krummten Strecken erfolgt die Wendung der Wagen; auBerdem 
wird dieselbe noch in der Mitte der Endstrecke beim Fort Queuleu 
durch eine Drehscheibe, deren Konstruktion aus Fig. 7 Blatt 3 er- 
sichtlich ist (Fig. 51) erreicht fur diejenigen Materialien, welche 
auf der halben Entfernung der Endstrecken gebraucht werden 
soUen. Auch kann innerhalb der schwebenden Strecke ein Entladen 
der Materialien stattfinden, indem man durch Lockern des Wagen- 
verschlusses das Zugseil durchgleiten laBt und so ein Feststehen des 
Wagens bewirkt. Um ein doppeltes Schienengeleise und die schleif- 



— 83 — 

artig gekriimmten Strecken an der Beladestelle bei Sablon ent- 
behrlich zu machen, und dadurch an Material, Zeit und Arbeit zu 
sparen, ist neuerdings daselbst in der in den Skizzen auf Biatt 4 
angedeuteten Weise ein kreuzweises Oberfiihren der Wagen von 
der Hauptstrecke auf die Entladestrecke bewirkt worden. Zu 
diesem Zwecke ist das Qeleise an der Kreuzungssteiie auf 24 cm 
unterbrochen und erfolgt hier die Oberfuhrung der Wagen auf 
einem aufzulegenden Stiick Eisenschiene, wodurch abwechselnd 
nach beiden Seiten bin die Verbindung des Qeleises hergestellt 
werden kann. Die direkte Verbindung der nunmehr eingeleisigen 
Beladestrecke in sich wird durch eine 2,75 m lange Schiene, welche 
sich mit den Enden in die Qeleise-Einschnitte bei a a (Skizze 2) 
lose einlegt, bewirkt und dadurch ein Wagenwechsel von einer zur 
anderen Seite der Hauptstrecke ermoglicht, wie dies durch die 
Pfeilstriche in Skizze 2 angedeutet ist. Zum SchlieBen der Ein- 



^^>C„l0^ in CmJm,. 



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Fig. 51. Drehscheibe im Zuge der AnschlufihSngebahn. 

schnittoffnung bei a a dient das in Skizze 4 dargestellte Einlege- 
stiick, welches mit seinen gabelformigen Enden den Schienensteg 
umfaBt. 

Erst in den Monaten Mai, Juni und Juli 1873 konnte wegen der 
vielfachen vorher stattgefundenen Versuche usw. der Betrieb ein 
normaler genannt und daher einer fiir die Beurteilung der Zweck- 
maBigkeit der Anlage maBgebenden Kostenberechnung zu Qrunde 
gelegt werden. In dieser Zeit wurden auf der Seilbahn befordert 
6000 cbm. 

An Arbeitslohn 4240 Taler 

„ Reparatur- und Unterhaltungskosten 800 „ 

„ 10% vierteljahr. Zinsen von dem Anlagekapital (200 00 Taler) 500 ^ 

in Summa: 5540 Taler 



verausgabt, welches den Preis von 27% Silbergroschen pro cbm 
ergibt. Fiir den Transport auf der LandstraBe, von dem Bahnhofe 
Metz nach dem Fort ist der Preis 1 Taler; dazu kommt noch der 



— 84 — 

Lohn der Ablader auf dem Bahnhofe selbst mit etwa 2 Silber- 
groschen, und die Unterhaltungskosten einer langeren StraBen- 
strecke, deren Abnutzung bei dem hier iiblichen einspannigen Fuhr- 
werk — wo jedes genau dem vorhergehenden in langen Reihen foigt 

— eine sehr bedeutende ist. In der letzten Zeit ist die ganze An- 
lage einem Vorarbeiter mit etwa 30 Mann in Akkord iibergeben, und 
erhalt derselbe fiir den Transport eines cbm Steine 15 Silber- 
groschen 6 Pfennig, cbm Sand, 17 Siibergroschen 6 Pfennig, worin 
das Abladen von den Eisenbahnwaggons bei Sablon und samtliche 
Nebenkosten, Unterhaltung der Dampfmaschine usw. enthalten sind. 
SchlieBlich sei noch erwahnt, daB sich bei Anlage einer zweiten 
Seilbahn das Resultat giinstiger herausstellen wird, da die bei dieser 
gewonnenen Erfahrungen von vornherein verwertet, und die Bau- 
kosten geringer werden. Andererseits ist nicht zu leugnen, daB 
die Abnutzung der Seiie — sowohl der Tragkabel als des Zugseiis 

— eine sehr bedeutende ist; der Unterzeichnete schreibt dies vor- 
zugsweise dem Wechsei von Qefalle und Steigung zu, und wiirde 
bei ferneren derartigen Aniagen dahin zu streben sein, von einem 
bis zum anderen Ende kontinuieriiches Qefalle zu erzielen. 

Der Hauptvorteil dieser Bahn diirfte darin zu suchen sein, daB 
keine Stockung in der Materialienanfuhr vorkam, was bei dem 
sehr schlechten Zustande der hiesigen StraBen sonst beftirchtet 
werden konnte; auch kann durch vielfache Versuche schlieBlich 
eine zufriedenstellende Konstruktion ermittelt werden; rentieren 
wird sich jedoch die Bahn erst, wenn sich Qelegenheit findet, sie bei 
anderen langer dauernden Bauten wieder zur Anwendung zu 
bringen. Anderen Fortifikationen ist diese Art Seilbahn nur zu 
empfehlen, wenn im allgemeinen giinstigere Verhaltnisse als hier 
obwalten, namentlich wenn die Lange der Bahn geringer wird und 
das Terrain nicht abwechselnd ein Steigen und Fallen derselben 
bedingt. Letztere beiden Umstande iiben namlich den Haupt- 
einfluB auf die Dauer der teuren, sehr rasch verschleiBenden Draht- 
seile. Der Ankauf der letzteren verursachte hier einen Kosten- 
aufwand von 3800 Talern; einmal muBten sie bereits erneuert 
werden, und nach Jahresfrist wird dieselbe Notwendigkeit voraus- 
sichtlich wieder eintreten. Wo es moglich ist, feste Schienen statt 
des Seiles zu benutzen, werden diese immer vorzuziehen sein, da 
ihre Abnutzung eine sehr geringe ist und bei ihnen die Dampf- 
maschine lange nicht die Kraft zu auBern hat, als bei einer Seilbahn, 
wo durch die Durchbiegung des Seiles bei jeder Belastung stets 
Steigungen zu iiberwinden sind, und die Konstruktion des Seiles 
groBere Reibung verursacht als es glatte Schienen tun." 

Der hier erwahnte amtliche Bericht enthalt nichts iiber die Per- 
sonlichkeiten, die an dem Bau der Bahn und an ihrem Entwurf be- 
teiligt waren. v. Diicker selbst gibt in einem Briefe aus dem Jahre 



— 85 — 

1882 an, die Bahn sei die bedeutendste seiner Ausfuhrungen ge- 
wesen. Wenn es hiernach auch nicht zu bezweifeln ist, daB sein 
Rat und seine Hilfe bei dem Bau der Bahn in Anspruch genommen 
worden war, so ist es andererseits doch wieder zweifellos, daB eine 
Reihe wesentlicher Verbesserungen nicht von ihm herriihren, 
sondern vielmehr offensichtiich von den beteiligten behord- 
lichen Technikern stammen. Es ist dies zu entnehmen aus der 
SchluBbemerkung, daB erst durch vielf ache Versuche eine zufrieden- 
steliende Konstruktion ermittelt werden konnte. Im allgemeinen 
muB auch aus diesem amtlichen Bericht entnommen werden, daB 
diese Bahn keinesfalls als Erfolg angesehen werden kann. Ein- 
facher und giinstiger kann ein Qelande nicht gut gestaltet sein, wie 
das hier voriiegende. Trotzdem wird behauptet, daB diese Art Seil- 
bahnen nur zu empfehlen sei, wenn im allgemeinen giinstigere Ver- 
haltnisse als hier obwalten, namentlich wenn die Lange der Bahn 
geringer wiirde, und das Terrain nicht abwechselnd Steigen und 
Fallen bedingt, da dieser Umstand den HaupteinfluB auf die Dauer 
des teuren und rasch verschleiBenden Drahtseiles ausiibe. Diese 
Kritik der amtlichen Stelle ist in der Konstruktion der Bahn selbst 
begriindet. Man muB hiermit nur noch die sehr genau berechneten 
Transportkosten vergleichen, um zu einer wirklichen Beurteilung 
des Wertes dieser Drahtseilbahneinrichtung zu kommen. Nach 
Aufstellung kosteten die 6000 cbm geforderter Sand auf der Seil- 
bahn allein 5540 Taler oder pro cbm ca. 2,77 Mark. Nimmt man 
den Kubikmeter Sand zu 1330 kg an, die Lange der Bahn mit ab- 
gerundet 2 km, so wtirden sich die Kosten des Tonnenkilometers 
auf annahernd 1 Mark stellen. Diese Kosten haben sich wohl im 
Laufe der Zeit verringert, sie sind auf etwa 1,70 Mark pro cbm 
einschlieBlich der Ladearbeiten, also auf rund 63 Pfennig fiir den 
Tonnenkilometer heruntergegangen, doch sind in letzterer Ziffer 
die Abschreibungskosten der Bahn und die Unterhaltung derselben 
nicht enthalten — also alles in allem ein wirtschaftlicher MiBerfolg. 
Dieser wirtschafftiche MiBerfolg war aber in der Konstruktion der 
Anlage vollauf begriindet. Der wichtigste Teil einer Seilbahnanlage 
in bezug auf Anlage- und Unterhaltungskosten ist die Laufbahn und 
nachst dieser das Zugseil. Die geradezu verbluffend groBe Ab- 
nutzung der Laufbahn, die hier aus einem (scheinbar Litzen-) 
Drahtseil gebildet wurde, ergibt sich notwendigerweise aus deren 
Anordnung. Bei einer Bahnlange von etwa 2 km betragt die durch 
die Temperaturveranderung bedingte Langenanderung des Seiles 
1,5 — 2 m. Hierzu kommt noch die durch die verschiedenartige Be- 
lastung der Wagen bedingte Langenveranderung des Seiles infolge 
groBerer oder geringerer Durchhange, so daB unter Umstanden mit 
einer Langenanderung von iiber 2 m zu rechnen ist. Diese ganz be- 
deutende Differenz soUte ausgeglichen werden durch die Stein- 



— 86 — 

packung auf dem Ende des Tragkabels, die aber eine Vertikal- 
bewegung von hochstens 80 cm zulieB, wahrend alles iibrige durch 
die Spannrollen ausgeglichen werden muBte. Es ist ja ganz klar, 
daB hiernach von einer selbsttatigen Anspannung des Seiles und 
namentlich von einer gleichmaBigen Anspannung desselben iiber- 
haupt keine Rede sein konnte. Bei schon geringer Langenanderung 
muBte die Steinpackung auf dem Boden zur Auflage kommen, in- 
folgedessen wurde das Seil schlapp, wenn es nicht rasch genug mit 
den Winden nachgespannt wurde, und das schiappe Seil wurde an 
den in der Aufiageflache viel zu kurzen Hangeeisen, in die es noch 
obendrein fest hineingeschlagen wurde, durch die kurze Biegung 
nach ganz geringer Zeit zerknickt. War das Seil nach einer 
starkeren Langung aber etwa neu angespannt worden, und es trat 
kiihleres Wetter ein, so wurde seine Beiastung durch die Wagen zu 
groB, es wurde iiberanstrengt und infolgedessen auch wieder zer- 
stort. Sodann war von den Erbauern der Bahn ganz tibersehen 
worden, daB sich doch beide Tragkabel nicht gleichmaBig bewegen, 
da sie von dem Wagen nach entgegengesetzten Richtungen bef ahren 
werden und deshalb sich auch nicht gleichmaBig dehnen. Trotzdem 
wurde aber fiir beide Kabel ein gemeinsames Spanngewicht ange- 
ordnet. Auch das Zugseil konnte nach der vorliegenden Anordnung 
keinerlei Qewahr fiir Haltbarkeit und ordnungsgemaBen Betrieb 
bieten, da es ebenfalls nur durch eine zwanglaufige Spannwinde in 
der Endstation Sablon angezogen war, die so gut wie gar keinen 
Ausgleich der bei dem Zugseil noch groBeren Langenanderungen 
bot. In bezug auf die Wagen und Laufbahnen stellt diese Metzer 
Konstruktion gegeniiber der Seilriese in Osterode gar keine Ver- 
besserung dar. Die Wagenkasten sind wohl drehbar und selbst- 
kippend angeordnet, doch ist das Laufwerk als solches eine denkbar 
ungiinstige Konstruktion, die beiden weit auseinanderliegenden 
Rader, die mit eisernen Qehangen ntit dem Wagenkasten und unter 
sich durch einen holzernen Querriegel verbunden sind, stellen ein in 
der Vertikalebene der Bahnrichtung liegendes starres System dar, 
das unter alien Umstanden ungiinstig arbeiten muBte. 

Zum ersten Male finden wir allerdings bei dieser Anlage eine 
nahere Mitteilung iiber einen wahrend der Bewegung des Zugseiles 
schlieB- und losbaren Mitnehmer, der die Verbindung zwischen 
Zugseil und Wagen herstellt. Dieser Mitnehmer stellt die Urform 
und erste Erfindung des spater von Obach weiter ausgebildeten 
Schraubverschlusses dar. Er ist aber nicht als eine v. Diicker'sche 
Erfindung anzusehen, da der amtliche Bericht ausdrucklich erwahnt, 
daB er auf Qrund dortiger Versuche erst konstruiert worden. ist. 
Bei diesem Mitnehmer ist nur das eine zu verwundern, daB damals 
noch niemand auf den Qedanken gekommen ist, ihn irgendwie auto- 
matisch zu betatigen, was doch sehr nahe gelegen hatte, denn das 



— 87 — 

Andrehen und Offnen der schraubstockartigen Klemme bei einer 
Bahngeschwindigkeit von 1,66 m muB eine auBerordentlich unbe- 
queme und gefahrliche Arbeit gewesen sein, wenn die Kupplung 
sehr straff angezogen war oder werden sollte; war letzteres jedoch 
nicht der Fall, so muBte schon bei verhaltnismaBig geringen Stei- 
gungen ein Rutschen der Wagen auf der Bahn eintreten. 

Auch der Antrieb des Zugseiles erweist sich als verfehlt, die 
halbe Seilumschiingung der Antriebsscheibe konnte nicht geniigen, 
einen Betrieb bei voUbesetzter Bahn mit Sicherheit aufrecht zu er- 
halten, es muBte vielmehr ein Rutschen des Seiles auf der Scheibe 
eintreten oder ein Oberlasten des Zugseils. 

Fast in dieselbe Zeit, wie diese v. Diicker'sche Bahn in Metz, 
fallen aber die Versuche und Erfindungen von Bleichert. Wahrend 
V. Ducker sich vielfach in Fantasien verloren hatte, wie seine Er- 
wagung iiber den Transport ganzer Eisenbahnwagen, groBer Per- 
sonengefahrte usw. leicht erkennen lassen, und er hierbei die 
Wichtigkeit der Einzelausbildung der zum Teil neu zu schaffenden 
Maschinenelemente aus dem Auge verlor, wandte Bleichert sein 
Hauptaugenmerk zunachst eben dieser Ausbildung der Einzelteiie 
zu, die er dem Stand der Technik entsprechend auf die damals 
iiberhaupt mogliche Hohe brachte, um sie dann zu einem voll- 
standigen System zu vereinigen, das mit seinen Vorbildern weiter 
nichts gemein hatte, als die grundlegende Verwendung auf Zug 
beanspruchter Laufgeleise als Laufbahn fur hangende Wagen und 
deren Bewegung mit Hilfe eines Zugorganes. Die Konstriiktion des 
Bleichert'schen Drahtseilbahnsystems fallt in den Beginn der 70er 
Jahre. Schon in den Jahren 1870 und 1871 arbeitete Bleichert ein 
vollstandiges System einer verbesserten Drahtbahn durch, zu einer 
Zeit, als er noch Ingenieur der Maschinenfabrik von Martin in 
Bitterfeld war, und zwar an Hand von 2 Projekten fiir die Dampf- 
ziegelei Brand in Qohlis und eine Ziegelei Oertel & Kornagel in 
Mockern. Nachdem er im April des Jahres 1872 als technischer 
Dirigent zu der Halle-Leipziger EisengieBerei und Maschinenfabrik 
iibergetreten war, iibernahm er dort die Einfuhrung seines Systems, 
aus dem als erstes Objekt die bekannte Bleichert'sche Seilbahn in 
Teutschenthal bei Halle hervorging, die sich noch bis vor wenigen 
Jahren in Betrieb erhalten hat. 

Bleichert ging von Anfang an von dem Qedanken aus, Draht- 
bahnen, wie er sie damals nannte, iiberall da zu verwenden, wo es 
sich um die Forderung von kleineren Einzellasten handelte. Er er- 
kannte von vornherein den grundsatzlichen Unterschied zwischen 
der bodenstandigen Bahn, die in bezug auf die Einzellast unbegrenzt 
ist, da ihr Qeleise auf einer starren Unterlage der ganzen LSnge 
nach aufruht und selbst unveranderlich und starr ist, hochstens in 



— 88 — 

geringerem MaBe auf Biegung in Anspruch genommen werden 
kann, und der Luftbahn, deren Qeleise aus einem nur auf Zug in 
Anspruch zu nehmenden Maschinenelement, eben dem biegsamen 
Sell Oder Draht besteht. Er rechnete mit den Eigenarten dieses 
Elementes sofort, indem er zunachst einmal dafiir sorgte, die 
Langenausdehnungen, die bei alien bisherigen Luftbahnen eine so 
unheilvoUe Rolle gespielt batten, unschadlich zu machen. Er war 
der erste, der darauf hinwies, daB das, das Qeleise bildende Trag- 
seil tiberhaupt mit Ausnahme seines einen Endpunlctes keine starre 
Befestigung in der Langsrichtung erhalten diirfe, ja daB unter Um- 



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Fig. 52. Anspannung der Tragseile mittelst freihSngender Gewichte und KettenanschlQssen an 
die Seile. Bleichert 1870-1871. 



standen sogar diese fortfallen kann, wenn das horizontal liegende 
Seil durch sein Eigengewicht in seiner Lage gehalten wird. 

Infolgedessen legte er auch seine Laufbahnen, die er urspriing- 
lich sowohl aus Drahtseilen, wie auch Rundeisen herstellte, derart 
an, daB sie an einem Ende starr befestigt, an dem anderen Ende 
durch ein unbegrenzt freispielendes senkrecht hangendes Qewicht 
belastet (Fig. 52), lediglich durch ihr Eigengewicht auf den ver- 
schiedenen Auflagerpunkten an den Stiitzen aufruhten, ohne daB 
sie sich bei normaler Belastung der einzelnen Spannweiten durch 
Wagen von den benachbarten Stiitzen abheben konnten, so daB das 
Tragseil in seiner ganzen Lange frei beweglich arbeiten konnte. 



— 89 — 

Hierdurch war eine Beanspruchung des Seiles iiber die durch das 
Spanngewicht festgelegte hinaus unmoglich, es konnte deshalb der 
voile Seilqiierschnitt in bezug auf seine Bruchfestigkeit mit ent- 
sprechendem Sicherheitsgrad an jeder Stelle der Bahn ausgeniitzt 
werden. 

Die ersten Ausfiihrungen zeigen deshalb auch schon die charak- 
teristisch ganz flach ausgekehlten nach oben offenen guBeisernen 
Auflagerschuhe der Seile an den Stiitzen oder leicht drehbare, flach 
gekehlte RoUen, auf denen sich die Seile beliebig in ihrer Langs- 




Fig. 53. Pfeiler und Auflagerschuh fOr die Tragseile. Bleichert 1870—1871. 



richtung verschieben konnten (Fig. 53). Sodann wies Bleichert den 
Weg dazu, Drahtseilbahnen von ganz beliebiger Lange herzustellen. 
Wahrend noch die berufenen Kritiker der Metzer Seilbahn zu dem 
SchluB kommen konnten, daB sich Seilbahnen nur fiir ganz be- 
schrankte Zwecke eigneten, und schon die Entfernung von 2 Kilo- 
metern der beiden Endpunkte voneinander fiir die Betriebssicherheit 
unzutraglich sei, gab Bleichert zunachst die Unterbrechung der aus 
Seilen bestehenden Fahrbahnen und die Verbindung der Unter- 
brechungsstellen durch feste Schienen an. Hierdurch erreichte er 
es, die verschiedenen Reibungsvorgange zwischen Sell und Auf- 
lagerschuhen, die sich nach den ortlichen Verhaltnissen ganz ver- 



— 90 — 

schieden gestalten, auszugleichen, indem er in kiirzeren Ent- 
fernungen, eben diesen ortlichen VerMltnissen entsprechend, seine 
Spanngewichte fiir die Tragseiie anordnen konnte. Nachdem er so 
durch Festlegung bestimmter Regeln und unter Angabe ganz be- 
stimmter Formein, die sich sowohi auf den Seiidurchhang des Trag- 
seiies, wie auf dessen Beanspruchung in seiner Langsrichtung durcli 
die Spanngewichte bezogen, fiir die AUgemeinheit giiltige Normen 
zur Herstellung fester Luftlaufbahnen angegeben hatte, die 
Einzelheiten, namentlich die Ausbildung der Auflagerschuhe in ihren 
verschiedenen Kombinationen derart durchgebildet hatte, daB diese 
Konstruktionen heute noch als allgemein giiltig angewandt werden, 
hatte er damit die Moglichkeit geschaffen, ohne Riicksicht auf 
irgendwelche Terraingestaltung diese Laufbahnen anzuwenden, na- 
mentlich aber die bei der Metzer Bahn noch so sehr geftirchteten 
Qegensteigungen und Qefalle im Zuge einer Bahn ohne jede 
Schwierigkeit zu iiberwinden. Es war hiermit erst eine voUkommene 
Unabhangigkeit von irgend welcher Bodengestaltung erreicht 
worden, indem er die Laufbahn von dem Boden im wahrsten Sinne 
des Wortes losloste und mit ihr die Hindernisse, die das Terrain 
natiirlicherweise bot, iiberwand. 

Weiter verwies er auf den EinfluB, den die einzelne Forderlast, 
die Qeschwindigkeit derseiben und der Abstand der Lasten von- 
einander auf die Qestaltung der Stiitzeneinteilung ausiibte, ging 
dann grundsatzlich von der Benutzung einzelner Qleise mit hin- 
und hergehendem Betrieb ab, um ein fiir allemal ein endloses Zug- 
seii unter 2 parallel liegenden Laufbahnen zu verwenden. 

Samtliche Vorganger Bleicherts hatten das endlose Zugseil mit 
zwanglaufigen Spannvorrichtungen versehen, im Falle eine solche 
iiberhaupt vorhanden war. Die Folge hiervon war natiirlich, daB 
entweder eine Oberanstrengung oder ein den Betrieb unmoglich 
machendes Schlappwerden des Seiles eintrat. Bleichert kon- 
struierte zunachst eine mit dem Antrieb verbundene kraftschliissige 
Zugseilspannvorrichtung, wobei er einen Hauptwert darauf legte, 
die QroBe des von dem Zugseil umschlungenen Bogens der Antrieb- 
scheibe in ein bestimmtes Verhaltnis zur Zugseilspannung zu 
bringen, da die sich fiir gewohnlich ergebende halbe Umschlingung 
zur Erzeugung einer geniigenden Mitnehmerreibung nicht ausreicht. 
Er machte deshalb zuerst den Vorschlag, das Zugseil iiber 2 parallel 
liegende und gemeinsame Antriebsspannscheiben zu legen, von 
denen jedes halb umschlungen wurde, und die zwischen sich eine 
durch ein konstantes Qewicht belastete nach auBen gezogene Spann- 
scheibe trugen (Fig. 54), um bei spateren Konstruktionen auf die 
mehrfach umschlungene mehrrillige Antriebsscheibe zu kommen. 
Hiermit erreichte er zunachst eine konstante Qeschwindigkeit des 



— 91 — 

Zugseiles bei den verschiedenen, im Betrieb einer Seilbahn unver- 
meidlichen und unveranderlichen Belastungen. 

Eine der wichtigsten Neuerungen, die dem Bleichert'schen 
System erst den Charakter einer wirklichen Erfindung verlieh, be- 
stand darin, daB er das Zugseil nicht, wie bei den bisher bekannt 
gewordenen Systemen auf verschiedenen Unterstiitzungen inner- 
halb der Drahtseilbahniinie laufen lieB, sondern daB es, wie sich aus 
der Patentschrift ergibt, auf der ganzen Bahnlange durch die For- 
derwagen selbst, die sich in gewissen regelmaBigen Zwischenraumen 
folgen, getragen wird. 




Fig. 54. Zusammengesetztes Antriebs- und Spannvorgelege mit automatUcher Spannung des Zugseils. 



Wahrend v. Diicker bei seinen samtlichen Ausfuhrungen und 
Veroffentlichungen bis auf die Metzer Bahn noch den Qedanken 
verfolgte, die Wagen entweder mit groBeren Einzellasten zu be- 
laden oder sie zu Zugen zusammenzukuppeln — die Zeichnungen 
und Beschreibungen aus „Qliickauf" und „Deutsche Bauzeitung" 
lassen dies mit aller Deutlichkeit erkennen — , schlug Bleichert 
schon vor der Ausftihrung der vorerwahnten Metzer Bahn, schon 
bei der Bearbeitung seines Systems im Jahre 1870/71 eine konti- 
nuierliche Wagenfoige vor, bei der sich die Wagen in gewissen 
groBeren, deren Transportleistung der Bahn angepaBten Abstanden 



— 92 — 

ohne jede Unterbrechung folgen soUten. Er g'mg hier von der Er- 
wagung aus, die Luftbahnen nicht etwa eine Konkurrenz der Stand- 
bahnen, wohl aber eine Erganzung derseiben werden zu iassen, bei 
der aber das den Standbahnen eigentiimliche Prinzip der Forderung 
schwerer Lastziige fallen gelassen werden muBte, ohne daB die 
spezifische Leistung verringert werden durfte. Konnte man groBe 
Lastziige, die sich in langen Zeitraumen folgen, auf der Luftbahn 
nicht befordern, so muBte man die groBen Massenlasten der Ziige in 
kleine Einzellasten auflosen, die sich nicht intermittierend oder 
periodisch, sondern kontinuierlich folgten, und damit wurde dem 
neuen Seilbahnsystem erst sein wahrer Charakter aufgepragt. Es 
ist zweifellos, daB zur Ausarbeitung dieses Systems die 
Hodgson'schen Ideen, die ja in der Einseilbahn ein ahnliches Prinzip 
verfolgten, in weitgehendem MaBe Verwendung gefunden haben; 
ihre Obertragung auf das Zweiseilbahnsystem in der soeben er- 
wahnten Form des Tragenlassens des Zugseiles auf der ganzen 
Bahnlange von den Wagen ist jedoch eine zweifellose Neuerung 
Bleicherts. 

War somit Laufbahn und Bewegungselement in eine konstruktiv 
allgemein gultige Form gebracht worden, so handelte es sich zu- 
nachst noch darum, die LastaufnahmegefaBe, die Wagen, dem neuen 
Zwecke anzupassen. Die bis dahin iibliche Form der Wagen, wie 
sie von v. Diicker ausgefiihrt war, und wie sie Hodgson in seinem 
Patent darstellte, konnte nattirlich den Anforderungen, die an eine 
dauernd arbeitende Seilbahn zu stellen waren, nicht geniigen, hatten 
sie, wie schon darauf hingewiesen wurde, doch den ferneren Zweck, 
die Fuhrung bzw. Unterstiitzung fur das eigene Zugseil zu bilden. 
Da aber auBerdem Bleichert sofort die Oberwindung groBerer 
Steigungen und Qefalle im Zuge ein und derseiben Bahn ins Auge 
faBte, muBten die Wagen derart konstruiert sein, daB sie auf ganz 
steilen Bahnanlagen noch nutzbar blieben, und daB namentlich die 
Kasten immer unabhangig von den LaufroUen in der Schwerpunkt- 
ebene der Laufbahn frei pendeln konnten. Es muBte also das Qe- 
stell Oder das Qehange, das den Kasten trug, voUstandig unab- 
hangig von den LaufroUen der Wagen gemacht werden. Die 
konstruktive Durchbildung, die Bleichert in seinem Forderwagen 
gab, ist dieselbe, die noch heute Verwendung findet (Fig. 55). Sie 
bestand darin, daB auf dem Tragseil ein kleiner Wagen lauft, der 
aus zwei durch Traversen verbundenen Hohlradern besteht; 
diese Traversen tragen in der Mitte zwischen beiden Radern einen 
seitlich herausragenden Zapfen, an dem das Wagengehange, ein 
nach unten offener Biigel, in der Laufrichtung der Wagen pendelnd 
aufgehangt ist. In dem Bugel liegt der mit Stirnzapfen versehene 
Wagenkasten, der senkrecht zur Laufrichtung kippbar angeordnet 



- 93 — 

ist, was dadurch geschieht, daB die Stirnzapfen in oder nahe der 
Schwerpunktachse des beladenen Kastens angeordnet sind. 

Da Bleichert bei der Konstruktion seiner Drahtseilbahn von An- 
fang an mit sehr groBen Forderleistungen rechnete — er erwog 
schon bei seinen Entwiirfen Tagesforderungen von 500 Tonnen und 
noch mehr — , war es selbstverstandiich, daB der dauernden und 
sicheren Verbindung der Wagen mit dem Zugseil sein nachstes 
wichtigstes Augenmerk gelten muBte. Er war es, der auch zuerst 
auf eine selbsttatig wirkende Verbindung zwischen Wagen und Zug- 




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Fig. 55. Seilbahnwagen nach Vorschlag Bleicherts, 1872—1873, mit Exzenterfriktionskupplung. 



seii hinwies und mehrere Kuppiungsvorrichtungen nach konstruktiv 
durchgearbeiteten Ideen zur Ausfiihrung brachte. Da bei den vor- 
genommenen Leistungen von Anfang an mit einer regelmaBigen 
Wagenfolge von herunter bis zu 30 Sekunden bei mindestens 1 m 
Qeschwindigkeit zu rechnen war, kam es sehr wesentlich darauf 
an, die beim plotzlichen Ankuppeln des bei der Beladung stili- 
stehenden Wagens an das standig laufende Zugseil notwendiger- 
weise entstehenden StoBe moglichst zu vermeiden. Es muBte also 
eine Vorrichtung geschaffen werden, die, wenn irgend angangig, 
wahrend des Laufens der Wagen absolut sicher geschlossen werden 



— 94 — 

konnte, derart, daB die Wagen mit der Hand angeschoben, unter 
das Zugseil gefiihrt und mit diesem im seiben Moment ann^hernd 
stoBfrei verbunden werden konnten. Diesem Qrundgedanken ent- 
sprach die von Bleichert zuerst ausgefiihrte Exzenterfriktions- 
kuppiung, bei der, nachdem der Wagen seitlich an das Zugseil 
herangeschoben war, dieses sich auf eine mit dem Qehange ver- 
bundene Tragrolle auflegte, auf der es sich, ohne irgend welche 
schieifende Wirkung auszuuben, auch bei dem Stillstand der Wagen 
in den Stationen als Leitrolle fortbewegen konnte. Zum Anklemmen 
diente ein iiber der Leitrolle drehbar angeordnetes Exzenterstiick 
mit Qegengewichtsbelastung, das nur einfach herumzuschlagen war, 
und das infolge der Reibungsreaktion des Seiles sich fest gegen 
dieses preBte, so daB letzteres zwischen Leitrolle und 
Exzenter unverriickbar eingeklemmt war. Ohne Riicksicht 
auf die jeweilige Zugrichtung sowohl beim Befahren von Stei- 
gungen, wie von Qefallen muBte diese Verbindung eine voUkommen 
sichere sein, je groBer der Zug des Seiles, namentlich bei Stei- 
gungen oder Qefalle, um so starker die Klemmwirkung. Die Lo- 
sung des Seiles vom Wagen erfolgt dann einfach dadurch, daB der 
Exzenter mit einer hervorstehenden Nase an einen in der Station 
fest angebrachten Anschlag stieB, der es aus dem Seil heraushob. 
Hiermit war die Moglichkeit gegeben, die Wagen in beliebig kurzer 
Folge in der Aufgabestation auf das Tragseil aufzugeben, und sie 
auch wieder in der entsprechend kurzen Folge in der Ankunfts- 
station von dem Seil abzunehmen. 

Waren somit Laufbahn, Bewegungselement und Lasttransport- 
einrichtung, mit anderen Worten die Tragseile, das Zugseil und die 
Wagen in eine Form gebracht worden, die sie dem neuen Zweck 
unter den verschiedensten Bedingungen dienstbar machten, so 
muBte es sich zur Vervollstandigung der Idee des kontinuierlichen 
Betriebes mittelst der in gleicher Entfernung voneinander sich 
dauernd bewegenden Wagen darum handeln, die Uberfuhrung der 
Fuhrwerke von einem Seil auf das andere in den Stationen oder 
zwischen denselben zur Durchfiihrung zu bringen. Wohl hatte 
Konig schon auf eine Konstruktion verwiesen, und eine solche auch 
zur Ausfiihrung gebracht, bei der die Leerwagen auf einem Seil und 
die beladenen Wagen auf dem anderen Seil zu befordern waren, 
doch war es ihm nicht gelungen, eine Konstruktion zu finden, die 
Wagen unmittelbar von der einen auf die andere Station uber- 
zuleiten, sie muBten vielmehr umgehangt werden. Auch v. Diicker 
hatte auf die Verwendung von zwei Seilen zur Erhohung der Trans- 
portleistung hingewiesen, aber keinerlei ausfiihrbare Konstruktion 
angegeben, wie die Wagen in ununterbrochener Reihenfolge von 
einem Seil auf das andere iiberzufiihren waren. Zur Zeit, als 
Bleichert seine ersten Vorschlage uber Drahtseilbahnen machte, 



— 95 — 

1870/71, war die Metzer Bahn, die eine derartige Einrichtung ent- 
hieit, noch nicht in Angriff genommen, konnte ihm also auch nicht 
bekannt sein, ebensowenig wie das Qeheimprivilegium von Obach, 
das zwar, wie auch das von Karras, in ganz skizzenhafter Weise 
auf die Oberfiihrung der Wagen von einem Seil auf das andere hin- 
weist, eine Ausfuhrungsform dafiir jedoch nicht angibt. Auch hier 
war wieder Bleichert auf seine eigene Arbeit zur Losung dieser 
Aufgabe angewiesen, und er schiug folgende Ausfuhrungsform vor, 
die ebenfails noch bis heute typisch fiir die ganze Drahtseilbahn- 
industrie geblieben ist. Sie besteht in der Hauptsache aus einer 



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Fig. 56. Oberffihrung der Wagen von einem Seii auf das andere mit fliife einer an beliebiger 
Stelle der Bahn einzubauenden Umfahrungsweiche. Bleichert 1871. 

U-formig gebogenen Flacheisenschiene (Fig. 56), deren beiden 
Enden zungenformig mit einer untereji Aushohlung ausgebildet sind. 
Diese beiden Zungen legen sich auf die Tragseile auf, so daB die auf 
dem einen Tragseil ankommenden Wagen auf die hier liegende 
Zunge auflaufen miissen. Da jedoch die Schleife, die das Flacheisen 
Oder die Hangeschiene, wie sie jetzt genannt wird, bildet, einen 
groBeren Durchmesser he$itzt, wie die Entf ernung der beiden Trag- 
seile voneinander, wird der Wagen seitlich nach auBen abgelenkt 
und aus dem Bereich des Tragseiles herausgefuhrt, wahrend gleich- 
zeitig das Zugseil durch Anordnung entsprechender Fuhrungsrollen 



— 96 — 

ebenfalls aus dem Bereich der Zugseilklemme, die sich mittlerweile 
selbsttatig gelost hat, herausgeleitet wird. Hierdurch wird es nun 
moglich, den auf der Hangeschiene stillstehenden Wagen mit der 
Hand je nach Anordnung der Hangeschiene entweder unter den 
beiden horizontal laufenden Tragseilen hindurch oder um deren 
Enden herum nach dem anderen Tragseil hinuberzuschieben. 
Bleichert gab diese Anordnung nicht allein fiir die Endstationen an, 
sondern schlug sie auch als transportable Weiche derart vor, daB 
sie an einem beliebigen Punkte der Bahn eingebaut werden kann, 
um so auch Zwischenstationen zu schaffen. 

Die Drahtseilbahnkonstrukteure vor Bleichert, mit Ausnahme 
von Hodgson, waren stets von dem Qedanken ausgegangen, Seil- 
bahnen nur in geraden Linien zu fiihren. Die Anlage einer Kurve im 
Zuge einer kontinuierlich betriebenen Bahn war bis dahin iiberhaupt 
noch nicht in Erwagung gezogen worden. Aber auch diese Mog- 
lichkeit hatte Bleichert ins Auge gefaBt, ehe er mit seinen Vor- 
schlagen an die Offentlichkeit trat, indem er seine selbsttatige 
Kurvenumfiihrung konstruierte. AUerdings konnte dies dem da- 
maligen Stande der Technik entsprechend noch keine Kurve mit 
selbsttatiger Umfahrung der Wagen sein. Die Losung der Frage 
der selbsttatigen Kurvenumfahrung lieB dann auch noch iiber 
25 lahre auf sich warten. Die Ausfiihrung der Kurve schlug er so 
vor (Fig. 57), daB die eigentliche Laufbahn fiir die Forderwagen in 
der Kurve nicht durch das Laufseil, sondern durch eine besondere 
Weichenschiene, eine Flacheisenschiene gebildet wurde, die mit 
ausgekehlten Zungen in derselben Art wie die Stationsweichen- 
schiene sich auf die Laufseile anlegte, jedoch so, daB sich diese un- 
behindert unter ihr durchbewegen konnten. Das Zwischen-Ver- 
bindungsstiick wurde dann durch entsprechend angeordnete Kon- 
sole getragen, wahrend das bewegte Zugseil sich durch Leit- und 
TragroUen in dem Winkel ftihrt. Die ankommenden Wagen sollten 
sich vor der Kurve mit Hilfe eines der bekannten Anschlage ent- 
kuppeln, um dann, von einem Arbeiter iiber die Laufschiene zu dem 
anderen Ende gefiihrt, um dort wieder mit dem Zugseil gekuppelt zu 
werden. 

Abgesehen von diesen Neuschopfungen mehr allgemeiner Natur 
muBten natiirlich auch noch kleinere Einzelheiten, sonst allgemein 
gebrauchliche Maschinenelemente dem besonderen Zwecke ange- 
paBt werden. Eine sehr brennende Frage, vielfach im wahrsten 
Sinne des Wortes, war die Schmierung der Laufzapfen fiir die 
Wagenrader, da diese eigentlich jeder Aufsicht und Wartung ent- 
zogen, sich drauBen auf der freien Strecke befinden, ein Festbrennen 
derselben daher von unheilvoUem EinfluB auf den Gang der ganzen 
Bahn sein konnte. Fast zur selben Zeit, wie Bleichert seine Draht- 
seilbahn, hatte Stauffer in Koln seine Schmiervorrichtungen mit 



- 97 — 

Druckschrauben erfunden, mit Hilfe deren er konsistentes Fett in 
sonst unzugangliche Maschinenteile hineinzupressen imstande war. 
Bleichert einigte sich sofort mit dem Erfinder zur gemeinsamen 
Ausnutzung dieser Erfindung, und brachte sie schon sehr bald bei 
seinen Drahtseiibahnen an, indem er zunachst die Naben der Lauf- 
rader mit entsprechenden Aushohlungen versah, dann aber die 
Laufzapfen selbst aushohlte und sie als Behaiter fiir das Schmier- 
materiai ausbildete, eine Konstruktion, die heute noch, nach tiber 
30 Jahren ganz allgemein iiblich geblieben ist. 




fiK- fiT. Kwrvenbcfuhmng bei Zwebcllbahnen nach ^figab«n 
Bkklicris, 1872- 



Bei aliedem darf nicht iibersehen werden, daB diese groBe all- 
gemeine Aufgabe noch eine andere Seite hatte, wie die der rein 
technischen Losung in bezug auf die Konstruktionen, die nur dem 
Zwecke des Betriebes zu dienen batten, es war das die Riicksicht 
auf die fabrikmaBige Hersteilung. Bleichert war keinen Moment 
zweifelhaft dariiber, daB ein wirklich verbessertes und sachgemaB 
durchkonstruiertes System von Drahtseiibahnen sich ein sehr um- 
fassendes Anwendungsgebiet erwerben musse, und daB infolge- 
dessen die Riicksicht auf die Billigkeit der Hersteilung eine groBe 
Rolle zu spielen habe. 

Die bis dahin gebauten Bahnen waren immer noch nur hand- 

7 



— 98 -- 

werksmaBig zusammengebaute Einzelausfiihrungen ohne vorbild- 
lichen Wert, die vielfach noch unter Zuhilfenahme primitiver Holz- 
konstruktionen hergestellt waren. Zur fabrikmaBigen Herstellung 
gehorte aber vor alien Dingen einmal die Formgebung fiir die allein 
in Betracht kommenden Materialien, Eisen und Stahl, schon allein 
mit Riicksicht auf die von den Vorgangern Blelcherts noch fast gar 
nicht erkannten Beanspruchungen, denen die Einzelteile einer Seil- 
bahn unterworfen sind. Die Formen, die Bleichert seinen Kon- 
struktionen gab, sind seit dieser Zeit typisch fiir den ganzen Seil- 
bahnbau geblieben. 

Nachdem es nun durch Sammlung aller bis dahin gemachten Er- 
fahrungen und durch die vorbeschriebene umfangreiche Erfinder- 
tatigkeit gelungen war, die Drahtseiibahn, die hiernach zweifellos 
in der so bearbeiteten Form die Bezeichnung des Bleichert'schen 
Systems verdient, theoretisch und rechnerisch festzulegen, nach- 
dem ferner bereits an Hand vorliegender Einzelaufgaben ent- 
sprechende Projekte durchgearbeitet waren, wurde unverziiglich 
der Bau der ersten Anlagen in Angriff genommen. Bleichert trat 
im April 1872 von der Maschinenfabrik Martin in Bitterfeld (woselbst 
er seinen spateren Sozius und Mitarbeiter Th. Otto hatte kennen 
gelernt), zur damals neu gegriindeten Halle-Leipziger Maschinen- 
bau-Aktien-Qesellschaft in Schkeuditz als technischer Dirigent liber, 
da ihm in Bitterfeld keine Qelegenheit geboten war, die schon dort 
fertig ausgearbeiteten Vorschlage zu seinem Drahtseilbahnsystem 
auch zur Ausfiihrung zu bringen. Er konnte in Schkeuditz sofort 
mit seinen fertig durchgearbeiteten Vorschlagen hervortreten, und 
nach einigen Schwierigkeiten innerhalb der inneren Verwaltu«g ent- 
schloB sich auch die Qesellschaft, den Bau einer Drahtseilbahn- 
anlage in Teutschenthal bei Halle fiir die damalige Solarol- und 
Paraffinfabrik in Angriff zu nehmen. Die Projekte zu dieser Seil- 
bahn wurden auf Qrund der Aufnahme der ortlichen Verhaltnisse 
noch im Jahre 1872, teilweise Anfang 1873 ausgearbeitet, wie sich 
aus eineni Entwurf zu einem Kostenanschlag, der die Unterschrift 
Bleicherts tragt, und der vom Mdrz 1873 datiert ist, ergibt. Die 
Bahn wurde im Laufe des Jahres 1873 gebaut und war 
zu Anfang des Jahres 1874 fertig, so daB sie im April 
desselben Jahres schon in Betrieb gesetzt werden konnte. An dieser 
Bahn, deren Laufbahn aus zusammengeschweiBten Rundeisen be- 
stand, waren schon aile diejenigen Vervollkommnungen angebracht, 
die Bleichert in seinen Vorentwiirfen vorgeschlagen hatte. Sie 
stellten ein nach diesen Vorschlagen durchgearbeitetes zusammen- 
gehoriges Qanzes dar; lediglich die Verbindung zwischen Zugseil 
und Wagen war bei den ersten Versuchen noch nicht nach dem 
System der selbsttatigen Exzenterfriktionskupplung durchgefiihrt. 
Vielmehr wurde zunachst ein Knotenzugseil verwandt, das aus ein- 



— 99 — 

zelnen Stiicken mit dazwischengesetzten schmiedeeisernen Wulsten 
bestand (Fig. 58). Dieses Seil legte sich in an das Wagengehange 
angebaute eigentiimlich gestaltete Haken ein. Das Kuppeln bzw. 
Entkuppeln erfolgte durch Heben und Senken des Seiles in den 
Stationen. Hiermit war aber gleichzeitig die Qrundlage gegeben 
fur die Ausbildung der spateren Muffenkupplungsapparate und der 
Muffenzugseiie, die in den spateren Jahren eine weitere VervoU- 
standigung der Bleichert'schen Erfindung bilden soliten. Erst nach 




m 





Fig. 58. Laufwerk, Knotenseil und Gehangeschenkel mit Einlagehaken der Teutschenthaler-Draht- 
seilbahn. Bleichert 1872—1873. 



den Versuchsfahrten wurde die Teutschenthaler Bahn (Fig. 59) 
mit den Exzenterfriktionskupplungen versehen. Dieser erste Er- 
folg ermutigte Bleichert, aus der dann in Liquidation tretenden 
Halie-Leipziger-EisengieBerei und Maschinenfabrik auszuscheiden 
und nunmehr den Ban von Drahtseilbahnen auf eigene Faust zu 
unternehmen. Noch im Jahre 1873 veriieB er diese Qesellschaft, 
um sich Anfang des Jahres 1874 gemeinsam mit seinem Mitarbeiter 
Otto, der ihm schon ais Betriebsingenieur in Teutschenthal zur 
Seite gestanden hatte, in Leipzig auf den Bau von Drahtseilbahnen 



— 100 — 

zu werfen. Die zunachst in Angriff genommene Bahn solite aus- 
schlieBlich weiteren Versuchszwecken dienen, sie wurde fiir die 
Ziegeiei Brandt in Qohlis bei Leipzig erbaut, und an ihr wurden 
nicht allein die Erfahrungen, die bei der Teutschenthaler Aniage 
gesammeit werden konnten, verwertet, sondern auch alle weiteren 




Fig. 59. Gesamtansicht der Bleichert'schen Drahtseilbahn im Teutschenthal, 1873 (nach einem 

Holzschnitte von 1874). 

Vervollkommnungen, die dem ganzen System ihren Stempel auf- 
driicken sollten, angebracht und erprobt, sie biideten somit den Aus- 
gangspunkt fiir die ganze heute liber die gesamte Welt verbreitete 
Drahtseilbahnindustrie iiberhaupt (Fig. 60). 




Fig. 60. Verkletnerung der Originalzeichnung Bleicherts fiir die Drahtseilbahn der Brandt'schen 

Ziegeiei in Gohlis, 1874. 



Die Ideen dieses genialen Erfinders batten sich schon nach ihren 
ersten Ausfiihrungen glanzend bewahrt und damit der Welt ein 
neues Verkehrsmittel geschenkt. 

Es moge nun hier die geschichtiiche Entwicklung der Drahtseil- 
bahnen, soweit sie als System in Frage kommen, veriassen werden. 
Die in einem weiteren Menschenalter gemachten Erfindungen und 



_ 101 — •••'.-.•.-..• •: 

Verbesserungen konnten an dem grundlegenden Wesen dieser 
Systeme nichts mehr andern, sie muBten sich auf VervoUkommnung 
der Einzelteile in praktischer Beziehung, vielfach auch noch mit 
Riicksicht auf eine weiter ausgebildete Massenfabrikation be- 
schranken. Sie muBten sich den anderen groBen Erfindungen an- 
passen, die eine vollstandige Umwalzung in der Rohstoffherstellung 
— es sei nur an die Schaffung der vielen neuen Stahl- und Eisen- 
sorten in den ietzten 30 Jahren erinnert — , in die Welt der Technik • 
einftihrten. Mit der VervoUkommnung der Baustoffe muBte nattir- 
lich eine Erhohung der spezifischen Leistung der Draht- 
seilbahn erreichbar sein, wie sie auch tatsachlich erreicht worden 
ist, so daB heute die 1871 von Bleichert ins Auge gefaBten Tages- 
leistungenvonSOOTonnen auf einer Bahnlinie sich um das Funffache 
uberschreiten lassen, nichts aber hat sich an den grundlegenden 
Ideen, die zur Schaffung der ersten Bieichert'schen Bahnen gefuhrt 
haben, geandert. — 

Nun noch ein Wort zu der Frage : Wer ist der Erfinder der heute 

allgemein angewandten Drahtseilbahn? Nach der hier ge- 

schilderten geschichtlichen Entwickelung dieses Verkehrsmittels 
kann ein Erfinder im Sinne des ersten Schaffens und Erfassens der 
Idee iiberhaupt wohl kaum genannt werden. Erfinder ist wohl jeder, 
der aus dem Meere mechanischer Moglichkeiten diejenigen zum 
ersten Male herausfindet, die fiir sich allein, oder miteinander ver- 
bunden, einem neuen Zwecke, einer neuen Wirkung dienen konnen, 
und damit sind auch alle, die an der Schaffung der ersten Seil- 
bahnen beteiligt waren, vielleicht Erfinder zu nennen. Aber wie sich 
nicfat allein die moderne Technik, sondern unser ganzes neuzeit- 
liches Empfinden mehr und mehr spezialisiert, vielmehr, wie dies 
in friiheren Zeiten der Fall war, Spezialbegriffe zu schaffen sucht, 
so auch in bezug auf das Wort „Erfinder". 

v. Diicker hat sich, schon vordem Bleichert mit seinen Konstruk- 
tionen an die Offentlichkeit trat, bitter dariiber beschweren miissen, 
daB ihm auf seine Drahtseilbahnen kein Patent erteilt worden ist, 
trotzdem zu Anfang der 60er Jahre die Neuheitspriifung eine ganz 
minimale war. Trotzdem hat Bleichert auf die Zusammenstellung 
der Einzelheiten, die er zu seinem geschlossenen System vereinigen 
konnte, im Jahre 1877 unter der Herrschaft des neuen Patent- 
gesetzes ein deutsches Reichspatent erhalten, nachdem ihm vor der 
Herrschaft des Reichspatentgesetzes schon die entsprechenden 
Landespatente erteilt worden waren. Die berufenen Sachver- 
standigen der damaligen Zeit, die beruflichen staatlichen Organe 
haben demnach in dieser Zusammenfassung, in dieser System- 
schaffung aus vielen Einzelheiten eine Erfindung in vollstem Um- 
fange erblickt, so daB von ihnen hiernach Bleichert als der Erfinder, 
nicht der Drahtseilbahn an sich, sondern wohl der eines besonderen 



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Systems, der in ihrer Zusammenfassung eine groBe Einheit bildenden 
Ausfiihrungstormen zu gelten hat. 

V. Diicker hat vielfach den Anspruch erhoben, er sei selbst der 
Erfinder der spater nach Bleichert genannten Drahtseilbahn. Die 
genaue Beschreibung der v. DUcker'schen Bahn und ihr Vergleich 
mit der von Bleichert erbauten ergibt schlagenderweise den Irrtum, 
der in dieser Ansicht liegt. Zu dieser Ansicht kam v. Diicker, dessen 
Bestrebungen und dessen Verdienste um die Einfuhrung der Draht- 
seilbahnen in die Technik darum nicht geschmalert werden sollen, 
wohi vielfach aus mangelnder Kenntnis der Bleichert'schen Kon- 
struktionen, denn noch zu Beginn der 80er Jahre schreibt v. Ducker 
in einem Brief e vom 21. Januar 1882, als er um seine Meinung iiber 
die Bleichert'schen Erfindungen angegangen worden war: 

„Die Bahn zu Teutschenthal war nach Hodgson' schem System 
mit bewegtem Tragseil ohne besonderes Zugseil angelegt, welches 
System sehr unpraktisch ist. Herr Bleichert hat meines Wissens 
nichts eigentumliches, als die Befestigung der Wagen an das Zug- 
seil und mit Unrecht spricht man von Drahtseilbahnen seines 
Systems, er baut dieselben genau nach meinem System ." 

Dieser Irrtum, den hiermit v. Diicker auch noch schriftlich fest- 
legt, diirfte wohl geniigen, seine Ansicht iiber die Bleichert'schen 
Erfindungen verzeihlich erscheinen zu lassen. 

Anders ist es jedoch mit der Fiktion, die haufig erscheint, der 
eigentliche Erfinder oder wenigstens Miterfinder der Drahtseil- 
bahnen Bleichert'schen Systems sei Otto. Richtig ist, dafi Bleichert 
mit Otto zusammen die ersten Seilbahnen erbaute, auch etwa 
2 Jahre mit ihm zusammen die Firma Bleichert & Otto in Leipzig 
betrieb, nachher aber ausschied, um Seilbahnen selbst weiter zu 
bauen. Bleichert erteilte ihm damals das Recht, lediglich fiir seine 
eigene Person die auf den Namen Bleichert lautenden Patente zur 
Erbauung von Drahtseilbahnen benutzen zu diirfen, und hieraus 
wurde vielfach die Folgerung abgeleitet, namentlich da Otto nach 
dem Austritt aus der Firma Bleichert & Otto die von ihm gebauten 
Bahnen Otto'sche Drahtseilbahnen nannte, Otto sei an der Er- 
findung sehr wesentlich beteiligt, oder sei wohl gar der Erfinder 
selbst. An Stelle jeder weiteren Erorterung moge ein eigenhandiger 
Brief Otto's vom 12. Dezember 1874 hier Platz finden, der eindriick- 
licher wie jedes weitere Wort die Qeschichte der Bleichert'schen 
Erfindung kennzeichnet. — : 

„In Angelegenheit der Teutschenthaler Drahtbahn bestatige ich 
hiermit folgendes: 

Bevor die Halle-Leipziger EisengieBerei und Maschinenbau- 
Aktiengesellschaft zu Schkeuditz existierte, arbeitete der Ingenieur 
Herr Adolf Bleichert als Beamter der Maschinenf abrik von M, Martin 



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in Bitterield an dem System einer verbesserten Drahtbahn und 
lagen auch schon zu jener Zeit Projekte vor: 

1. Fiir den Dampfziegeleibesitzer Herrn Brandt in Qohlis, 

2. Fiir die Herren Ortel & Kornagel, Dampfziegeleibesitzer in 
Mockern. 

Als Herr Bleichert im April 1872 von der H.-L. E.- & M.-A.-Q. 
zu Schkeuditz als technischer Dirigent engagiert wurde, beab- 
sichtigte derselbe das von ihm durchgearbeitete System einer ver- 
besserten Drahtbahn als Spezialitat fiir die Fabrik einzufuhren. 

Ani 1. August 1872 wurde als technischer Direktor der H.-L. E.- 
und M.-A.-Q. zu Schkeuditz Herr Adolf Kremer eingeschoben und 
dem Herrn Bleichert das Amt des Ober-Ingenieurs ubertragen. 

Letzterer machte nun gelegentlich den Herrn Kremer mit dem 
Drahtbahnsystem bekannt, wovon derselbe jedoch nichts wissen 
wollte, da speziell ihm die Drahtbahnen noch vollstandig fremd 
waren und er vorgab, andere Spezialitaten fiir die Fabrik in Aus- 
sicht zu haben. Da diese Herrn Kremer's Ideen sich aber nicht 
realisierten, so adoptierte er schlieBHch die seinerzeit von Herrn 
Bleichert gemachten Vorschlage betreffs der Drahtbahnen und ein 
Anfang sollte mit der Teutschenthaler Drahtbahn gemacht werden. 
Herr Bleichert, welcher die Einleitung und die Vorafbeiten zu der 
Bahnanlage fiir Teutschenthal besorgte, auf Qrund deren der Ab- 
schluB selbst stattfand, UeB nun unter seiner Leitung und nach 
seinen von ihm durchgearbeiteten Skizzen, die Zeichnungen zu 
dieser Anlage ausfiihren, wobei der Herr Kremer vollstandig fern 
geblieben ist. Ich hatte die Arbeiten als Betriebsingenieur und auch 
spater den Bau der Bahn in Teutschenthal selbst zu leiten und habe 
da bei gelegentlichen Besuchen des Herrn Kremer demselben 
wiederholt uber verschiedene Anordnungen des Bahnsystems Aus- 
kunft erteilen miissen. 

Im Mai 1874 verlieB ich die Fabrik und war zu dieser Zeit die 
Teutschenthaler Drahtbahn fertig und auch schon probiert. Wie ich 
spater bei einer gelegentlichen Besichtigung der Bahn gesehen 
habe, waren einige kleine praktische Veranderungen vorgenommen, 
welche jedoch in keiner Weise das System beeintrachtigen. Ich bin 
eventuell gem bereit, diese meine Aussagen an Eidesstatt zu be- 
kraftigen. 

Schkeuditz, den 12. Dezember 1874. 

(gez.) Th, Otto, Zivil-Ingenieur. 

Im ubrigen hat Otto selbst niemals behauptet, an den 
Bleichert'schen Erfindungen selbstschopferisch tatig gewesen zu 
sein, auch noch bei spateren Qelegenheiten, so z. B. gelegentlich 



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einiger Patentprozesse bei eidlichen Vernehmungen die Allein- 
arbeit Bleichert's in dieser Beziehung willig anerkannt. 

Die geschichtiiche Wahrheit, die heute, da noch viele Zeugen 
jener Erfindung leben, einwandsfrei festgestellt werden kann, ver- 
langt es aber, den Erfinder zu nennen, der es auch wirklich ist — 
und das ist Bleichert! 

Nicht Worte und Entwiirfe sind Erfindung — die Tat allein ist 
es, die das Entdeckte, das Qefundene der Welt schenkt. 

Und von dieser gilt das Ruckert'sche Wort: 

„0b Du von mir dies hast, ob ich von Dir — wer weiB?" — 
„Wer besser, nicht wer eh'r es machte, tragt den Preis!" 






Hermann Honnicke, Kunstanstalt, Leipzig. 



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